L I E) RAR.Y
OF THE
UNIVERS ITY
Or ILLINOIS
PURCHASED FROM
MR. H. A. RATTERMAN
OF CINCINNATI IN 1915
325.243
H36b
I .H.3.
Das Buch der Deutschen
in Amerika.
HERAUSGEGEBEN UNTER DEN
AUSPICIEN DES DEUTSCH-AMERI-
KANISCHEN NATIONAL - BUNDES
PHILADELPHIA:
WALTHER'S BUCHDRUCKEREI, Suedost-Ecke der Dritten Strasse und Girard Avenue.
909
COPYRIGHT 1909
BY
MAX HEINRICI.
^^ AUW ^^^^
H 2.G A-
Inhalts-Verzeichniss.
Seite
Vorwort 3
Die Bedeutung der deutschen Einwanderung.
Von Dr. C. J. Hexamer, Präsident des D. A. Nationalbundes 7
Deutsche Ideale in Amerika.
Von Prof. Dr. IMarion Dexter Learned, University of Pennsylvania 19
Die ersten deutschen Einwanderer, die Gruendung Germantown's und Franz Daniel Pastorius.
Nach Professor Oswald Seidenstieker und Prof. M. D. Learned. ... 31
Uebersicht ueber die Geschichte der Deutschen in Amerika.
Von Professor A. B. Faust, Cornell University, Ithaca, N. Y 49
Das XVII. Jahrhundert.
Das XVIII. Jahrhundert. (Die Ansiediung des deutschen Stammes
in New York und anderen Kolonien.)
Die Kriege des XVIII. Jahrhimderts.
Die Eroberung und Besiedelimg des "Westens.
Die Einwanderung des XIX. Jahrhunderts.
Der Deutsche in den Kriegen der Kolonial-Zeit und der Union.
Von Rudolf Gronau, New York 85
Das Erwachen des Freiheitsgedankens.
„Zu den Waffen."
Nikolaus Herchheimer und die deutsche Bauernschlacht bei Oriskany.
Peter Mühlenberg.
Deutscher Patriotismus im [Jnabhängigkeits-Kriege.
General-Major De Kalb und sein Heldentod in der Schlacht bei Camden.
Friedrich Wilhelm von Steuben, der Organisator und General-Inspektor
der amerikanischen Armee.
Antheil der Deutsch-Amerikaner an den Kriegen von 1812 und mit
Mexico.
Der deutsche Soldat im Buergerkrieg.
Von AVilhelm Kaufmann, Cleveland ] 23
Einleitung.
Der deutsche Sieg in Llissouri.
Die Deutschen in Bull Run I.
Die deutsche Division.
BuU Run II.
Chancellorsville.
Die Deutschen als Sündenböcke.
Gettysburg
Im Westen.
Von den deutschen Heerführern.
Deutsche Conföderirte.
■'5()ü3nfi
IV
Die Deutschen in einzelnen Kolonien und Staaten 155
Städfc V)i(l Orte, dir von Druhchrn f/ff/riiiitlrf wurden.
Die Deutschen in I'i nnsylranicn.
Nach l'i'iiiiypacker, Seidensticker, Iludi und Rattcrmann 159
Die ]\[rnni)niten.
Lutheraner und l\ft\»rniirte.
üie Tunker und Konrad Beissel.
Anhänjrer anderer Sekten.
Die Deutsehen und die Indianer.
Die Deutsrlieu im polilisclien Lehen.
Ein deut.scher Samariter.
Deutsehe Feste.
Die Deutschen in Mari/Ianel.
Skizze von J^. 1'. Ilenuighausen, Baltimore 179
Die ersten Deutschen im District CeAumbia.
Von Gustav Bender, Washington 187
Die Deutschin in Wtst-Viryinien.
Von C. AV. Bente, Wheeling. W. Va 190
Die erstfn Deutschen am unhren Mississippi.
Von Professor J. Ilauno Deiler I95
Der erste Deutsche.
John Law und die ..We.stliehe Compagnie".
Kine deut.selie Besehreihung Louisiana 's aus dem Jahre 1720.
Zehntausend deutsehe Einwanderer auf der Reise nach Louisiana.
Französisehe Kolonisten.
Ankunft der ersten Ma.s.seneinwandei-ung.
Deutsehe in Pa.seagoula.
Empfang und Versorgung der Jlinwanderer.
Bankerott und Flucht Law 's.
Die P\'jmilie von Arenshurg.
Die neue deutsehe Niederlassung.
Wie stark sind die Creolen deutscher Ahstammung.
Schicksale deutschei- Familiennamen unter den Creolen.
Die Deutschen in IllineMs.
Von Emil ]\Iaindiardt, Chicago 211
Die Deutschen in Missouri.
Von Carl Gundlach, St. Louis.
Religloese, erzieherische und wissenschaftliche Bestrebungen der Deutschen in Amerika.
Die deutsche Kirche und Gemcindeschule.
Von Pastor Georg von Bosse, Philadelphia 233
Deutsclic Katkolilan in Ani£rika.
Von Dr. Joseph Bernt, Philadelphia 249
Anfänge der katholischen Kirehe hierzulande.
Die ältesten deutschen katholischen Kirchen.
Fürst Gallitzin.
Deutsch-amerikanische Bischöfe.
Deutsch-amerikanische Orden .
Rein deutsche katholische Anstalten.
Das deutsche katholische Vereinswesen.
Die deutsche katholische Presse.
Schluss- Bemerkungen.
Die de ut selben Juden in Amerika.
Von Felix Gerson, Philadelphia 261
Zwei Jahrhunderte deutschen Unterrichts in den Vereinigten Staaten.
Von L. Viereck, New York 273
Deutsche Lehrer und Universitaets- Professoren (154 Biographien) 287
Deutscher Einfluss auf die Entivicklung der amerikanischen Medizin
und Chirurgie.
Von Prof. Dr. John C. Hemmeter, Baltimore 323
Hierzu 45 Biographien deutscher Förderer der medizniischen Wissen-
schaft,
Deutsch-Amerika und die Kunst.
Deutsch-amerikanische Maler, Bildhauer und Architekten.
Von Rudolf Gronau, New York 341
Deutscher Einfluss auf das Musikleben Amerika' s.
Von 0. G. Sonneck, Washington, D. C 355
Deutsche Dichtkunst in den Vereinigten Staaten.
Von L. L. Leser, Philadelphia 369
lieber 200 biographische Notizen.
Udo Brachvogel, Deutsch- Amerika 's grösster Balladendichter. Von G. S.
Viereck, New York.
Deutsch-amerikanische Dichtungen, eine Sammlung der besten Gedichte
deutsch-amerikanischer Dichter (65 Gedichte).
Das deutsche Theater in Amerika 421
Das deutsche Theater in New York.
Das deutsche Theater in Philadelphia.
Das deutsche Theater in Newark.
Das deutsche Theater in Cincinnati.
VI
Das dcutselie Tlu-atcr in Cli'vclanil.
Das deutsche Theater in Baltimore.
Das deutsclie Theater in New OHeans.
Das deutsche Theater in C'hica<?()-.MiIwaukee.
Das deutsehe Tlieater in Detroit.
Das deutsche Theater in St. Jjuuis.
Das deutsche Theati'r in !St. l'aul.
Das deut.sclie Tlieater in Denver.
Das deut.sclie Theater in San Fi-nieiseo.
Die deutsche Presse in Amerika 473
Einleitung.
Oeschichli d( r deutschen Presse im 18. Jahrhundert.
Geschichte dtr deutsch» ii J'r(ss( in der ersten Hälfte des ]f). Jakrhundfrts.
Deutsche Zeitungen und ihre Gründer.
(Biographien hervorragender /^eitung.s-IIcrau.sgeber und Geschichte ihrer
Zeitungs-Gründungen.)
Deutsch-amerikanische Journalisten 562
Deutsche in der iunrrikanisch( n Journaiislik.
Verzcichniss der heute erscheinenden deutschen Zeitungen und Blätter
Deutsche im oefFentlichen Leben, im Handel und Wandel 595
Carl Schurz. Gouverneur Kitner. Gouverneur Ilahn.
Deutsche in der Politik- und amtlichen Stellungen.
Deutsch-Amerikaner in der Armee und Marine.
Deutsche Männer, die sich verdient gemacht haben.
Deutsche Handelsherren und Financiers. (Johann Jacob Astor und
andere.)
Deutsch-amerikanische "Captains of Lndustry".
(Henrich Wilhelm Stiegel, Friedrich Weyerhäuser, Claus Spreckels, die
Horstmanus und viele andere.)
Deutsche Ingenieure, Chemiker und Erfinder. (Johann August Roebliug
und andere.)
Deutsche Klavier- nnd Orgel-Fabrikanten.
Die Deutschen in der Eisen-Industrie.
Die Deutschen in der Foerslerei von Nord-Amerika.
Nach Regieruugs-Akten von Bund und Staaten, dargestellt von Friedrieh
Baare, Hazleton, Pa ggy
Deutsche Gesellschaften, Hospitaeler und andere Wohlthaetigkeits-Anstalten 675
Der Deutsche Roemisch-Katholische Central-Verein.
Ein Beitrag zur Ge.schiehte der deutschen Katholiken der Vereinigten
Staaten, von Joseph Matt 70i
Deutsche Saenger und Turner.
Die beiden gro.ssen Sängerbünde, der Turnerbund und andere Vereine 719
VII
Nachtraege und sonstige Artikel.
(Darunter „Die Geschichte des Deutschen Tages", ., Nikolaus Lenau in
Amerika", „Deutschland und die Vereinigten Staaten in der Welt-
Politik" 751
Der Deutsch-Amerikanische National-Bund und seine Staats-und Staedte-Verbaende.
Hierzu Biographien Dr. Hexanier's, seines Vaters Ernst Hexamer, der
Bundesbeamten, sowie hervorragender Beamten und Mitglieder der
Staats- und Städte-Verbände. — Die Frau im D. A. N. B. — Deutsche
Unterstützungs-Gesellschaft 781
Deutsch-Amerikanische Geschaeftsleute und Fabrikanten und die von ihnen pegruende-
ten Etablissements 883
BAS mjcn pm deutsch!
Seitenansicht de» am 6. Oktober 1908 im Vernon Park in Germantown am Tage des 225jaehrigen Jubilaeums der
ersten deutschen Einwanderung enthuellten Ecksteins zum Pastorius-Denkmal. ausgefuehrt
von dem Bildhauer Ollo Schweizer.
Seitenansicht des am 6. Oktober 1908 im Vernon Park in Germantown am Tage des 225)aehrigen Jubilaeums der
ersten deutschen Einwanderung enthuelllen Ecksteins zum Pastorius-Denkmal, ausgefuehrt
von dem Bildhauer Otto Schweizer.
VORWORT.
„Das Buch der Deutschen in Amerika" kanische Geschichtsschreiber, selbst deren
verdankt seine Entstehung dem 225jäh- bedeutendster, George Bancroft, nicht aus-
rigem Jubiläum der ersten deutschen Ein- geschlossen, ihm nicht die Anerkennung zu-
M^anderung ; es war ursprünglich als Fest- theil werden Hessen, auf die er berechtigten
Schrift zu der grossartigen Feier gedacht, Anspruch erheben konnte. Franz Löher
welche am 6. Oktober 1908 in Germantown, erzählt in der Einleitung zu seinem im
der ersten deutschen Ansiedlung, jetzt einer Jahre 1847 in Cincinnati erschienenen
Vorstadt Philadelphia 's, wo die dreizehn Buche ,, Geschichte und Zustände der Deut-
Familien, welche sie gegründet hatten, vor sehen in Amerika," er habe bei seinen Er-
225 Jahren gelandet waren, mit der Ent- kimdigimgen nach historischen Aufzeich-
hüllimg eines Ecksteins zum Denkmal nungen über die deutsche Einwanderung in
deutscher Einwanderimg im Vernon Park den Vereinigten Staaten die Antwort erhal-
in Germantown, und Abends mit einer ten, das müsse „eine sehr langweilige Bau-
Feier in der ,,Academy of Music" in Phila- erngeschichte " sein.
delphia festlich begangen worden war. Es Und doch enthält diese ,,Bauernge-
hat aber den Rahmen einer solchen be- schichte" sehr viele wichtige und interes-
deutend überschritten und ist zu einer um- sante historische Thatsachen, deren Kennt-
f angreichen Sammlung werthvoller Mono- niss in unserer Zeit mehr als je ge-
graphien geworden, die populär gehalten, boten erscheint, um die Wissenden in den
von hervorragenden Kennern der deutsch- Stand zu setzen, dem namenlosen, erst in
amerikanischen Geschichte geschrieben, letzter Zeit etwas herabgestimmten Anglo-
eine anregende und zugleich lehrreiche Sachsen-Dünkel entgegenzutreten und die
Lektüre bilden. Sie geben ein Bild der Selbstüberhebung und den Hochmuth der
Geschichte der Deutschen in Amerika und Anglo-Amerikaner in die gebührenden
ihrer Verdienste um das Land. Schranken zu weisen.
Es ist stets der Fehler der Deutschen in Geschichtsfälschung in Bezug auf den
Amerika gewesen, dass sie zu bescheiden Antheil des Deutschthums an der Erschlies-
waren und sich jene stolze Selbstständig- sung und Entwickelung der Vereinigten
keit nicht bewahrt haben, die allein die Staaten und Vertuschen seiner Verdienste
nöthige Sicherheit im Verkehr mit Ange- sind amerikanischen Historikern anschei-
hörigen anderer Stämme ermöglicht. Der nend zur Regel geworden, und erst Henry
deutsche Einwanderer war von der Zeit William Elson hat in seiner 1901: er-
Franz Daniel Pastorius' an sich seines schienenen vortrefflichen "History of the
Werthes nicht voll bewusst. Er duldete es, United States of America" einen schwachen
dass thatsächliche und bedeutende Ver- Versuch gemacht, der lange unterdrückten
dienste, die er sich erworben, der engli- Wahrheit die Ehre zu geben,
sehen, der schottisch-irischen und irischen Die Herabsetzung deutscher Verdienste
Einwanderung zugeschrieben wurden, und in des britischen Botschafters James
erhob keinen Protest dagegen, dass ameri- Bryce's Werk "The American Common-
6
VORWORT.
den hoffentlich dazu beitra«ren, weitere
Kreise für die Gesehiclite des Deutschthums
in Amerika zu interessieren. Sie verdient
es wohl, gekannt und gewürdigt zu werden,
denn sie bedeutet ein Ruhmesblatt in dem
goldenen Buche der Errungenschaften der
deutsehen Rasse, deren hohe civilisatori.sche
Aufgabe es ist. dem Fortschritt auf allen
Gebieten der Wissenschaft, der Forschung,
der Erfindimgen, der Kunst und Technik
die Wege zu bahnen, und die auf dem Felde
des geistigen Wettbewerbs imd des Wahr-
heits-Ringens die Palme vor allen anderen
errungen hat.
Philadelphia, im Januar 1909.
MAX HEINRICI.
it0 S^öntluttg hn hmtBtlxm iEtttmanörntng.
i^utsrli^ MmU in Amerika*
^^rmantnmn 0 (ilrünöung unö PaatnnuB.
DR. C. J. HEXAMER
Die Bedeutung der deutschen Einwanderung.
Dr. C. J. HEXAMER, Praesident des Deutsch-Amerikanischen
National-Bundes, Philadelphia.
Nachstehende Ausführungen waren in
einer Rede enthalten, welche Dr. C. J.
Hexamer, der Präsident des Deutsch- Ame-
rikanischen National-Bundes, am 1. August
1907, am Deutschen Tage der James-
towner Ausstellung, gehalten hat. Er
wies zunächst darauf hin, dass der vom
Kongress inkorporirte Deutsch-Amerikani-
sche National-Bund anderthalb Millionen
amerikanischer Bürger deutscher Ge-
burt oder Abstammung zählt. Er erklärte,
der 1. August sei für den Deutschen Tag
der Ausstellung gewählt worden, weil am
1. August 1775 die Deutsch-Amerikanische
Unahliängigkeits-Erl-Iänoig erfolgt sei. Sie
sei also fast ein Jahr älter als die nationale,
welche am 4. Juli 1776 erlassen wurde und
den Geburtstag der grossen amerikanischen
Republik bezeichnet. Die sogenannte
„Mecklenburger Erklärung", welche von
27 Deutschen von Älecklenburg County in
Nord-Carolina am 31. Mai 1775 in Char-
lotte erlassen wurde, inhaltlich grosse
Aehnlichkeit mit der von Thomas Jelferson
verfassten nationalen Unabhängigkeits-Er-
klärung hatte, ja in einzelnen markanten
Schlagworten und Wendungen thatsäch-
lich gleichlautete, aber nach Jefferson's
Aussage ihm nicht bekannt war und erst
im Jahre 1819 veröffentlicht wurde, werde
verschiedenerseits bezüglich ihrer Echtheit
angezweifelt und für eine Mystification ge-
halten, und solle deshalb nicht berücksich-
tigt werden.
„Feststehende Thatsache ist es," fuhr
der Redner fort, „dass am 1, August 1775
die Vorstände der Deutschen Gesellschaft
von Pennsylvanien und der lutherischen
und reformirten Kirchen Aufrufe erliessen,
in welchen zum bewaffneten Widerstände
aufgefordert wurde, und die deutschen Ko-
lonisten begannen zu exerzieren. Dass dieses
Einexerzieren nicht umsonst war, zeigte
sich bei den ,,Thermopylen des amerikani-
schen Freiheitskrieges," der Schlacht bei
Long Island, als die amerikanische Armee
durch die pennsylvanischen Schützen unter
Oberst Johann Feier Kaechlein, einem
Deutschen, gerettet wurde. Ein amerikani-
scher Historiker schreibt : , .Diese Leute
deckten den Rückzug der amerikanischen
Armee. 79 ]Mann ihrer Kompagnie wurden
getödtet, doch der Rest der Armee bewerk-
stelligte den Rückzug."
Es ist nicht überraschend, dass misere
Vorfahren diese Haltung der Freiheits-Be-
wegung gegenüber einnahmen, denn ein
amerikanischer Geschichtsforscher hat
Recht, wenn er behauptet : ..Der Uranfang
der parlamentarischen Verfassung ist in
den Wäldern Altgermaniens zu suchen. Die
römischen Gesetzgeber fanden hier eine neue
Staatstheorie. Für den Teutonen ergeben
sich Gesetze nicht direkt vom Willen des
Volkes. Er beansprucht für sich ein ange-
borenes Recht, das der Staat schützen
muss, das derselbe aber keineswegs kreirt,
imd für dieses Recht ist der Germane be-
reit, den Kampf gegen die Welt aufzuneh-
men." Dieses angeborene Gefühl zeigt
sich wieder und immer wieder in unserer
nationalen Entwickelung, wie ich in dieser
historischen Darstellung versuchen werde,
sie zu schildern, zwar nur unvollkommen.
10
DIE BEDEUTUNG DER DEUTSCHEN EINWANDERUNG FUER AMERIKA.
il.'iiii dit' Thaten iinseivr Altvordern \\vg;vn
im IStfiube der Zi-iten verborjrt'ii.
Anjrlo-ainci-ikauischc Historiker staunen
darob. So sehreibt Bancroft über die
Deutselien in Amerika: ..Weder sie noeli
ihre Xaehkommen erlioben je Anspruch auf
aUes. was ihnen f;ebührt.'' Es ist behauptet
worden: ..Dass dies theil weise der Ver-
schiedenheit der Spraehe zuzusehreiben
sei. theilweise den Ras-sen-Instinkten luid
erblielien Tendenzen. Ruhi^'en Gemütlies
sieh dem fi-iedlielien Erwerb des Lebens-
unterhaltes «ranz hinu'ebend. bescheiden, ja
fast zajrhaft. ohne Ilan^ zu Sippen, haben
sie zuirelassen. dass ihre atr^rressiveren
Xachbarn ihnen d«'n gebührenden Platz im
linche der Geschichte verweigerten."
Es ist darauf hingewiesen worden, dass
vieh' Deutsche nach un.seren Gestaden ge-
konnnen. wn] zwar noch vor der ersten ei--
folgreichen Einwanderung, die in Philadel-
l)hia i\u\ 6. Oktober 168i^ anlangte und von
welcher wir die deutsche Kolonisation
luiseres Landes genu^iniglich datiren. Bei-
spiele sind: Tyrker. der mit den Norwe-
gern mehrere Jahrhunderte vor Columbus
nach Amerika kam, und die eingegangene
Ansiedlung zu Port Royal, Süd-Carolina,
im Jahre 1562. Viele kamen vereinzelt mit
den Schweden, den Holländern und Eng-
ländern, so z. B. Johann Lederer, von
des.sen merkwürdiger Forschungsreise von
Marylaiul nach P'lorida ein Bericht in Lon-
don im Jahre 1672 venitf entlieht wurde.
August Hennann, der für Lord Baltimore
die Landkarten zeichnete und sieh in Bohe-
mia ^lanor niederliess, war ebenfalls ein
Deutseher.
Seit wir zuverlässige Census-Beriehte
haben, wis.sen wir, dass Deutschland etwa
30 Prozent unserer sogenannten ..ausländi-
schen" Bevölkerung geliefert hat, während
England uns nur 11 Prozent, eischliesslieh
der Einwanderer aus Wales, gab. P^he die
Statistik uns zu Hülfe kam, können wir
einen Einblick in den Stand der Dinge in
einigen Kolonien, wie z. B. Pennsylvanien,
aus Briefen gewinnen, wie denjenigen Gou-
verneur Thomas', welcher im Jahre 1748
schrieb: ..Die Deutschen in der Provinz
bilden, wie ich glaube, drei Fünftel der
ganzen Bevölkerung und sind durch
Fleiss und Sparsamkeit die Hauptwerk-
zeuge dazu gewesen, sie zu ihrer jetzigen
Blüthe zu bringen."
Ob im Dienste anderer Nationen, wie
Peter ]\Iinnewit aus "We.sel, der erste Gou-
verneur der Neuen Niederlande, welcher im
Jahre 1626 landete, oder als iMassen-Ein-
wanderer haben die Deutschen stets guten
Gemeinsinn gezeigt und eine gerechte AVür-
digung der pei-sönlichen Rechte anderer.
Als puritanische Neu-Engländer unglück-
liche Quäker, die in ihre Hände fielen, fol-
terten und Hexen verbrannten, erhob die
ei*ste erfolgreiche deutsche Kolonie, Ger-
luantown, jetzt die 22. Ward von Philadel-
phia, im Jahre 1688 Einspruch gegen Skla-
verei— den ersten aller derartigen Proteste.
Pennypacker schreibt in seiner „Ansiede-
lung von Germantown", da.ss ..jene Bürger
vom Rhein viel toleranter als die Purita-
ner, die zu Plymouth landeten, viel duld-
samer als die Quäker, welche eine Stadt
der Bruderliebe gründeten, die Sache allge-
meiner Toleranz verfochten, welche sich
in Amerika eine dauernde Wohn.stätte er-
rungen. Sie fassten festen Fuss auf dem
Pfade, der vom dunklen [Mittelalter zum
Lichte des 19. Jahrhunderts, von der
Knechtschaft der Vergangenheit zur Frei-
heit der Gegenwart führte."
Im Jahre 1690 errichtete Wilhelm Rit-
tenhaus die erste Papiermühle in Amerika
an einem Arm des Wissahickon, und der
deutsche Theil Pennsylvaniens wurde ein
grosses Publikations-Zentrum. Vor der Re-
volution wurden von den Deutschen in
Pennsylvanien nu'hr Druckerpressen be-
trieben imd mehr Bücher publizirt als in
ganz Neu-England. Es war Pastorius. ein
Deutscher, welcher das erste Schulbuch
schrieb, es war Christoph Sauer, ein Deut-
scher, welcher die erste Bibel in Amerika
DIE BEDEUTUNG DER DEUTSCHEN EINWANDERUNG EUER AMERIKA.
11
aruckte, und das deutsche Kloster Ephrata
hatte seine eigene Druckerei, Papiermühle
und Buchbinderei bereits im Jahre 1745
und war im Stande, im Jahre 1749 eine
deutsehe Uebereetzung des ..ÜMärtyrer-
Spiegels" zu drucken, einen Band von
1500 Seiten, das grösste literarische Unter-
nehmen der amerikanischen Kolonien. Und
kein Geringerer als Benjamin Franklin
fand es nothwendig. den Deutschen da-
durch entgegenzukommen, dass er deutsche
Bücher druckte. Vor der Revolution gab
es in Pennsylvanien acht Zeitungen in eng-
lischer und zehn in deutscher Sprache. Die
Bibel in deutscher Sprache wurde in Ame-
rika dreimal, luid das neue Testament sie-
benmal verlegt, ehe sie in englischer
Sprache gedruckt wurden.
Von verschiedenen Historikern Avird den
ersten deutschen Ansiedlern ^Mangel an
Bildung vorgeworfen ; hierauf möchte ich
erwidern, dass mehr als 75 Prozent der Ein-
wanderer, die über 16 Jahre alt waren,
schreiben konnten, wie aus den Schiffsre-
gistern jener Zeit hervorgeht. Bedenkt
man, dass damals das Analphabetenthum in
Europa vorherrschte, Deutschland seit
mehr als einem Jahrhimdert unablässig von
Kriegen heimgesucht war, und ferner die
Thatsache, dass die Protestanten mehr Ge-
wicht auf's Lesen als auf's Schreiben leg-
ten, so ist dies noch immer ein hoher Bil-
dimgs-Prozentsatz.
Als Landesvertheidiger waren die Deut-
schen immer stark. Als in 1756 die Kolo-
nien durch Indianer belästigt wurden und
das Parlament das königlich-amerikanische
Regiment rekrutiren liess, bestand es der
INIehrzahl nach aus Deutschen, die Offiziere
eingeschlossen. Ein Deutscher, Conrad
Weiser, fimgirte bei den Verhandlungen
mit den Indianern zu Easton als Dolmet-
scher. Als das i\Iohawk-Thal von India-
nern überlaufen und New York bedroht
wurde, waren es die Deutschen unter Ni-
kolas Herchheimer, welche die Angriffe des
Feindes zurückschlugen. Es war der deut-
sche ^Missionär Friedrich Post, welcher im
kritischen Moment die indianischen Krieger
nahe Fort Du Quesne durch seine Bered-
samkeit für den Frieden gewann.
Der Ehrwürdige Geo. B. Heckmann hatte
Recht, als er schrieb : ,,Die Deutschen
haben besonders darunter zu leiden, dass
ihre Verdienste um den Ursprung und die
Ausbreitung, sowie die gesellschaftliche und
religiöse Geschichte der amerikanischen
Zivilisation nicht gebührend anerkannt wer-
den. Und dennoch nahmen sie in den
Rathsversammlungen und in den Armeen
des Landes solch' eine hervorragende Stel-
lung ein, dass wir mit Wahrheit behaupten
können, dass kein gemeinsamer Aufstand
der Kolonien stattgefunden haben, noch es
Vereinigte Staaten von Amerika geben
würde, wären die Deutschen in den Kolo-
nien minder patriotisch gewesen."
Um dies vollkommen zu verstehen, müs-
sen wir bedenken, dass bei Ausbruch der
Revolution Pennsylvanien mit der Metro-
pole Philadelphia tonangebend war. Penn-
sylvanien war schon damals zur Hälfte und
darüber, nach Schätzimg Anderer nur ein
Drittel, germauisirt, und auf dieser Ko-
lonie beruhte die Sache der Freiheit, von
der Haltung Pennsylvaniens hing sie ab.
Die Deutschen huldigten fast allgemein dem
Wahlspruch : ,,Los von England ! ' ' während
die sogenannte ,, bessere" Klasse, die Tories,
es mit den Engländern hielt. Da es den
Anschein haben könnte, als seien meine
Ausführungen infolge der Begeisterung,
welche dieser Anlass mit sich bringt, zu
schön gefärbt, so hören wir, was Geo. W.
Jones, eine Autorität, "sine ira et studio"
über die damaligen Deutschen Pennsylva-
niens zu sagen hat : ,, Diese Leute bedurf-
ten keiner Aufsicht imd mieden diejenigen,
die derselben benöthigten. Sie bezahlten
die Steuern, selbst ungerechte, um des
Friedens willen. Jeder derselben war ein
kluger Staatsmann, weil sein Leben die
Wohlfahrt irgend eines Staates verkörperte
12
DIE BEDEUTUNG DER DEUTSCHEN EINWANDERUNG FUER AMERIKA.
in seiner Tugend, seinem Fleiss und seiner
Mässitnuig.
Hierin liegt der Sehlüssel zum Ver-
stiinduiss des fri«'dfertigen. milden. Heissi-
gen und zurüekludtenden deut.sehen We-
sens. Trotzdem wird des Deutsehen Fried-
fertigkeit für »'iufältig. seine Milde für töl-
pelhaft, sein Fleiss für Thorheit und seine
Zurüekhnltung für Selhstsui-ht gehalten.
Wenn man seine Individualität nieht vom
englischen. sc-iiottischen oder irisehcn
Standpunkti' aus bcurtheilt. sondern nur
den gesunden Menschenverstand als Kiehter
entscheiden läs.st, so ergiebt sich, da.ss seine
Gleichgültigkeit kohmialer Gesetzgebung
inid Politik gegenüber gerechtfertigt war.
Bei den Teutonen gilt pei-sönliche Klugheit
höher als politische. Sie sind deswegen
nieht unpatriotisch und .selbstsüchtig, eher
das Gegentheil, denn ]\Iänner. nicht Staats-
männer, bilden einen Staat. Di( ciißlisclicn
i:<ta(tlsmä)nu r (hr Kolonien fanden im
Patriotismus der Deutschen Pennsylvaniens
eine Fclscnburg, deren ]Maeht in der Auf-
rechterhaltung der Wahrheit ])eruhte. wie-
wohl die Deutschen auf der Provinzialver-
sammhnig keine Gelegenheit hatten, die-
selbe zu definiren."
Im Jalii-e ITTf) bestand die Hälfte der
Bevölkerung Pennsylvaniens aus Deutschen
und Schweizern, die in der General Asseni-
bly thatsäehlich gar keine Vertretung und
nur wenig Stimme in Regierungsangelegen-
heiten hatten und auch nicht wollten.
Im Jahre 177.") beherrschten die Tories
die Legislatur und bildeten für Finglands
Tyrainiei eine Stütze. Die Deutschen waren
bereit, für die Unabhängigkeit zu kämpfen,
obwohl sie dafür zu stimmen nicht berech-
tigt waren. Die amerikani.schen Patrioten
wussten, dass es unter den Deutschen keine
Tories gab. imd beschlossen daher, den
Deutschen bei den allgemeinen Wahlen
Stimmrecht zu verleihen. Am 19. Juni
377H erhielt Penusylvanien vermöge einer
friedlicheji. doch kräftigen Revolution eine
neue Verfa.ssung. wodurch die Deutschen
das Stimmrecht erhielten und die Tories
kalt gestellt wurden.
Damit wurde das Deutschthum in Penn-
sylvanien ein politischer Faktor, ohne dass
die Deutschen zu ehrgeizigen Politikern
wurden. Oeffentliche Ehrenstellen brach-
ten den Durchschnitts-Pennsylvania-Deut-
schen nicht in die Versuchung, den alten
teutcmischen Grundsatz aufzugeben: da.ss
der Bürger der Beschützer des Staates und
nicht dessen Protege ist. Was Eifer und
Emsigkeit erheischte, darnach strebten sie
stets. Sensationelle Publicität ist der Sen-
sibilität des deutschen Temperaments an-
stössig. In Zeiten grosser Gefahr haben
unsere Staatsmänner und Gesetzgeber deut-
scher Herkunft höchst verantwortliche
Aemter bekleidet, weil ehrgeizige Aemter-
jäger übergangen und nur die hervorra-
gendsten IMänner in den Dienst gepresst
wurden.
Von der General-Assembly erwirkten die
Deutschen im Jahre 1780 die xVnnahme des
ersten Gesetzes zur allmähligen Abschaf-
fung der Sklaverei in Pennsylvanien. Unter
den 62 ^Mitgliedern der General-Assembly
des Jahres 1787 waren es zwölf Deutsche,
die den Ausschlag gaben. Unter der Füh-
rerschaft von Peter und Friedrich ]\lühlen-
berg stimmte jeder Deutsche für die An-
nahme der Konstitution der Ver. Staaten,
und Pennsylvanien war der erste grosse
Staat, der die Konstitution annahm.
„Was ökonomische, erzieherische und
Fragen des persönlichen Rechts anbelangt,
so ist der Deutsche allzeit voran gewesen,
hat den Ausschlag gegeben imd sein Ziel
erreicht."
Doch zurück zu meiner Skizze !
Als sieh der grosse revolutionäre Sturm
erhob und es nothwendig wurde, für die
Freiheit zu kämpfen, standen die deutschen
Kolonisten nicht zurück. Ein ]Mann, der
nicht deutscher Abstammung ist. hob erst
kürzlich h(M"vor. dass bereits in 1772 in
Philadelphia von Deutschen die ..Patrioti-
sche Gesellschaft der Stadt imd des County
DIE BEDEUTUNG DER DEUTSCHEN EINWANDERUNG EUER AMERIKA.
13
Philadelphia" gegründet wurde. Der
Zweck der Vereinigung war der, den Wi-
derstand gegen die britische Herrschaft in
den Kolonien zu ermuthigen.
Als im Jahre 1774 das britische Ministe-
rium wegen der Thee-Episode mit der
Schliessung des Bostoner Hafens drohte,
beriefen die Deutschen von Philadelphia
eine Versammlung zwecks Erörterung der
Sachlage und ernannten ein „Korrespon-
denz-Komite", dem es oblag, mit den
Landsleuteu in den übrigen Kolonien sich
in Verbindung zu setzen, damit sie sich auf
den unvermeidlichen Kampf vorbereiteten.
Die Provinzial-Versammlung, welche in
demselben Jahre stattfand, bestand gröss-
tentheils aus Pennsylvanisch-Deutschen, da-
runter Christoph Ludwig und Georg
Hubley von Philadelphia. Mathias Schlauch
von Lancaster, Christian Schultz von Berks,
Peter Kaechlein und Jac. Arndt von
Northampton und Casper Weitzell von
Northumberland. Noch stärker war die
Vertretung der Deutschen in der im Januar
des nächsten Jahres stattgehabten Konven-
tion, in welcher der bewaffnete Widerstand
gegen das „Mutterland" beschlossen wurde,
welches ihnen kein Mutterland war. Sie
waren nicht stammesverw^andt mit den Ko-
lonisten englischer Abstammung und tru-
gen daher kein Bedenken, gegen die eng-
lische Zwingherrschaft aufzutreten. Später
gab das Korrespondenz-Komite ein Pamph-
let heraus, worin es heisst: „Dass die
Deutschen Pennsylvaniens zu ihrer Zufrie-
denheit in Erfahrimg gebracht, dass das
Volk ohngeachtet der Rasse, des Glaubens-
bekenntnisses oder früherer Nationalität, ob
reich oder arm, den Massnahmen des Kon-
gresses beipflichte und dass die Deutschen
besonders allenthalben Milizen organisirten,
um, w^o irgend benöthigt, marschbereit zu
sein. Und diejenigen Deutschen, die nicht
zu den Waffen greifen könnten, werden auf-
gefordert, die Sache der Patrioten nach
Kräften zu unterstützen."
Alles das trug sich zu, ehe offene Feind-
seligkeiten ausbrachen, und als der Krieg
begann, waren die Deutschen die Ersten,
welche zu den Waffen griffen, und die
Letzten, welche dieselben niederlegten.
Die Namensliste der Revolutions-Annee
strotzt von deutschen Namen, und viele
derselben arbeiteten sich zu hohem Range
empor. Bancroft sagt in seiner Geschichte
der Revolution : ,,Die Deutschen von Penn-
sylvania waren auf Seite der Freiheit. ' '
Anfangs des Jahres 1775 organisirten
die Deutschen bewaffnete Abtheilungen zur
Unterstützung des Kongresses, und am 1.
August jenes Jahres erliessen sie ihre Un-
abhängigkeits-Erklärmig.
Die Vorstände der Deutschen Gesellschaft
von Pennsylvania und der lutherischen und
reformirten Kirchen erliessen einen Aufruf,
in welchem zum bewaffneten Widerstände
aufgefordert w'urde, und die deutschen
Vereine begannen zu exerzieren. jNIichael
Hillegas, dessen Eltern Deutsche waren,
wurde der erste Schatzmeister der Vereinig-
ten Kolonien und später der Ver. Staaten
(dankbare Pennsylvanier werden sein An-
denken durch eine Statue im Staatskapitol
ehren) . Solche ]\länner. wie George Schlos-
ser, Jacob Schreiner, Jacob Arndt und
Caspar Weitzell waren Führer revolutio-
närer Organisationen. Christoph Ludwig,
den Washington ,,mein ehrlicher Freund"
nennt, w^urde Superintendent der Bäcke-
reien der Continentalen Armee. In Char-
leston, S. C, organisirte Michael Kalteisen
eine Kompagnie deutscher Füsiliere, imd
am 25. Mai 1776 acceptirte der Kongress
formell ein deutsches Regiment, welches in
Maryland und Pennsylvania rekrutirt wor-
den war. In Woodstock, Va., vertauschte
ein junger deutscher Prediger, Pastor Peter
G. Mühlenberg, den Talar mit der Oberst-
Uniform eines deutschen Regiments. Er
wurde später in Anerkennung seiner
Tapferkeit Brigadegeneral und dann Gene-
ralmajor der amerikanischen Armee (sein
Denkmal ziert die Ruhmeshalle des Natio-
nal-Kapitols.) Wir dürfen auch nicht den
14
DIE BEDEUTUNG DER DEUTSCHEN EINWANDERUNG FUER AMERIKA.
pfloiTtMcht'ii Kampf ilt-r DeiitscluMi unter
Ob-'i-st Xikolas IKTehheiuier (dessen Xanien
in unseren Gesehichtsbüeheni gewöhnlieh
als Ilerkinier verzeiehnet steht) gegen die
Briten und Tories bei Oriskany. N. Y.. ver-
ge&seu. Das erste New Yorker Bataillon
war. wie sein Oberst Lasher. hauptsäehlieh
aus Deutsehen zusanuiu'ugesetzt. während
Baron ^Veissenfels. ein Deutscher, andere
New Yorker Streitkräfte befehligte. Penu-
.sylvania sollte nie die tajiferen Dienste von
Daniel. .lohn. Gabriel und Joseph Iliester.
noch den tapferen Deutschen J. P. Sehott
und seine furchtlosen Dragoner vergessen.
Als die Konvention einen zuverlässigen
Drucker brauchte, wurde ein Deutseher,
Heinrich Miller, ausgewählt.
Geheiligt ist für jeden treuen Amerika-
ner der Boden, auf welchem ein Deutseher.
Baron de Kalb, sein Blut für unsere Frei-
heit vergoss. l'nd wie kann ein dankbares
Volk die Dienste des Barons von Steuben
verges.sen, der die Kriegskunst unter Fried-
rieh dem Grossen gelernt hatte und der
Organisator und General-Inspektor der Yer.
Staaten-Armee wurde, der rechte Arm
AVashington's. wie er genannt wurde, und
dessen Andenken unsere dankbare Nation
durch eine prächtige Reiterstatue in der
Bundeshauptstadt ehren wird ?
Im AVintcr 1776 war die Armee "Washing-
ton's auf ^(»UO Mann reduzirt. Er wollte
sich westlich von den AUeghenies zurück-
ziehen, als gerade im letzten Augenblick
1500 neue Rekruten eintrafen, durch die
"Washington in den Stand gesetzt wurde, die
Schlachten von Princeton \md Trenton zu
gewinnen. In goldenen Buchstaben sollte
es in der Geschichte des Landes eingetragen
werden, dass diese Rekruten aus dem ger-
manisirten Pennsylvanien kamen. Als die
Soldaten hungerten, gaben neun Deutsche
pei-sönlich Bürgschaft für jJ^lOO.OOO — eine
für damalige Zeiten sehr hohe Summe — da-
mit Lebensmittel angeschafft Averdeu
konnten.
Als ]\Iifflin's Antrag, es sollte Geld zur
Anscliatfung von ^Vart■en kollektirt werden,
abfällig debattirt wurde, erhob sich der
deutsch-amerikanische Patriot Ludwig und
sagte in gebrochenem Engli.sch: ,,Ich bin
nur ein armer Pfefferkuchen-Bäcker, ich
zeichne aber 200 Pfund."
Sind Sie je darauf aufmerksam gemacht
worden, dass Johann Peter ]\lüller. ein
Pennsylvanisch-Deutscher, für den Conti-
nentalen Kongress die l'nabhängigkeits-
Erkläruiig in sieben Sprachen übersetzte?
Unter den damaligen Amerikanern hielt
man ihn für den einzig dazu Kompetenten.
Ferner petitionirten 250 Einwohner von
Germantown für die Annahme der Bundes-
verfassung, und dies war der erste diesbe-
zügliche Versuch in Pennsylvanien.
Unter den 19 ^Mitgliedern der Pennsyl-
vania Assembly, die dagegen stimmten, dass
die Konstitution dem Volke zur Abstim-
mung unterbreitet wurde, befand sich kein
einziger Deutscher. Unter den 43, die da-
für stimmten, waren 12 Deutsche.
In 1787 wurden die konstitutionellen
Konventionen eröffnet. F. A. Mühlenherg,
ein Bruder des Generals, wurde zum Präsi-
denten der Pennsylvania Konvention er-
wählt. Später wurde er Sprecher des ersten
und dritten Kongresses, in welchem seine
entscheidende Stinnne — es war Stimmen-
gleichheit—am 29. April 1796 Jay's Ver-
trage Gültigkeit verlieh. Das war eine
That. die von hohem moralischem Muth
zeugte, da er sich dadurch den Hass der
Jingoes der damaligen Zeit zuzog. Obwohl
die Annahme der Konstitution von grösster
AVichtigkeit für die Zukunft des Landes
war, herrsehten ernste Zweifel, ob dieselbe
schliesslich angenommen werden würde. Die
Deutsch-Amerikaner traten für deren
schnelle Annahme energisch in die Schran-
ken.
In den Kriegen von 1812 imd 1846
kämpften viele Deutsche tapfer für ihr
Adoptiv- Vaterland. Fähige Offiziere wie
J. F. BaUicr, A. :Moore, O. Zirkel und A.
Kautz traten im mexikani.schen Kriege in
DIE BEDEUTUNG DER DEUTSCHEN EINWANDERUNG EUER AMERIKA.
15
vmsere Armee ein. Und wenn der Dichter
an jenen denkwürdigen Septenibertagen in
Baltimore so bang fragt :
„0 sprich, kannst Du seh'n in der schwin-
denden Nacht,
Was wir frevidig noch grüssten im Abend-
rothglanze ? ' '
so ist es hauptsächlich den Deutschen zu
verdanken, dass die Fahne noch Avehte.
General John Stricker, der Konunandeur
der amerikanischen Streitkräfte, und IMajor
Armistead, der Fort ÄIcHenry vertheidigte,
waren deutscher Abstamnumg.
Dann kam der Kampf für die Aufhebung
der Negersklaverei; natürlich leistete die
Rasse, welche vor allen anderen in 1688 ge-
gen die Knechtimg ihrer Mitbrüder pro-
testirt hatte, ihren Theil in dem Kampfe
für Freiheit. Um das Banner unserer Na-
tion unbefleckt zu halten, opferten Tau-
sende von Männern deutschen Blutes ihr
Leben. Sie starben, damit auch nicht ein
Stern aus dem blauen Felde gerissen würde
und dass die Sterne und Streifen fortfahren
möchten, wie bisher, zu wehen
,,Ueber der Heimath der Helden
Im Lande der Frei 'n. ' '
Es ist eine wohlbekannte Thatsache, dass
Deutsche IMissouri der Union retteten. Im-
merhin können sich nur Wenige vorstellen,
mit welchem Enthusiasmus sie zu unserer
Nationalvertheidigimg in jenen Jahren des
mörderischen Brüder-Kampfes 1861 bis
1865 herbeikamen ; in diesen Jahren dienten
200,000 von ihnen in den nördlichen
Armeen. Die ersten Vertheidiger, welche
sich um die Flagge schaarten, als Sumter
fiel imd tapfere Männer entsetzt waren, die
ersten 530 Freiwilligen, welche die Stadt
Washington betraten, um unser Kapitol zu
schützen und ' ' Old Glory ' ' zu vertheidigen,
waren INIänner aus den deutscheu Gauen
Pennsylvaniens.
Trotzdem waren es Werke des Friedens,
in welchen die deutschen Ansiedler ihre
grössten Triumphe errangen. Als sie zu den
Waffen griffen, geschah dies nur im Zwange
der Nothwendigkeit der Vertheidiguug und
nicht aus Lust zum Morden — so kam es,
dass ihre Felder blühten wie die Rose und
ihre Farmen, zu Gärten wurden.
Auf jedem Gebiete des meuschlichen
Fleisses treten die Resultate ihres Wissens
und ihrer geduldigen und anhaltenden Ar-
beit zu Tage. T. Coxe's ,, Ansicht der Ver.
Staaten" vom Jahre 179-1: belehrt uns, dass
der höchste Preis für vorzüglichen Druck
den Herausgebern eines deutschen Buches
in Lancaster von der Penna. Manuf. Soc.
zuerkannt wurde. Das erste genealogische
Werk in Amerika wurde von den Herrn-
hutern herausgegeben. Was 'wir über die
Sprache, Sitten und Gebräuche der Urein-
wohner Pennsylvaniens wissen, verdanken
wir hauptsächlich den Ilerrnhutern Missio-
nären Zeisberger und Heckewelder.
Die erste Geschichte des Revolutionskrie-
ges, die in Pennsylvanien veröffentlicht
wurde, wurde von Oberst Bernhard Hubley
verfasst und erschien in Northumberland
im Jahre 1806.
Die erste Bibel, die westlich vom Alleghe-
nygebirge herausgegeben wurde, erschien
im Verlage von Friedrich Goeb zu Somerset
in deutscher Sprache im Jahre 1814.
Sie schufen die ersten Gemälde, bauten
die ersten Pfeifenorgeln, legten die ersten
Gemüsegärten und sogar den ersten bota-
nischen Garten in Amerika an, und die
blühendsten Farmen und schönsten Farm-
gebäude im ganzen Lande sind im Besitze
und in Bestellung von Deutschen und deren
Nachkommen. Das wird von anglo-ameri-
kanischen Historikern und von sämmtlichen
Reisenden zugegeben.
Sie bauten die ersten Wasserwerke in
imserem Lande, sie gründeten die ersten
Eisen-Hochöfen, Glashütten, Spinnereien,
Papiermühlen, chemischen Fabriken, Piano-
fabriken, sie fertigten die ersten Wand-
uhren imd astronomischen Instrumente an.
Schon im Jahre 1792 kauften sie Kohlenlän-
dereien auf und organisirteu die Lehigh
Goal Mining Company. Die Brooklyner
16
DIE BEDEUTUNG DER DEUTSCHEN EINWANDERUNG EUER AMERIKA.
Brücke, das ..achti- WumliT der Welt",
wurde von einem Deutsehen. Jolunui Roeb-
Ymg. gebaut, und der grossartige Xevada-
TiUHiel. eine der staunenerregendsteii Tn-
ternehmungeii iiuf dem (Jebiete der lagt
nieiu'kunst. wurde von Adolph Sutro. einem
Deutsehen, herge.stellt. l'nd wenn Jemand
zu sehen wünseht. was die Deutsehen und
ihre Xaehkommen heute noch im wirth
scliaftlichen Leben h'isten. so braudit er
nur ilie Zahl der deutsehen Namen in den
Geschäfts- Adressbüchern anzusehen.
Was die Deut.schen Pennsylvanien "s. w(
ich geboren, anbetrifft, so wurden die beider
grö.s.sten Tel^skope der AVeit, dasjenige in
Californieu von Jakol) Lick von Lebanon
und dasjenige in Chicago von Karl T.
Yerkes von Philadelphia konstruirt.
Leidy hat in der AVissenschaft. Gross in
der Chirurgie. Cramp in der Schiffsbau-
kunst Gro.s.ses geleistet, und John AVanama-
ker ist als Kaufmann noch von keinem
Amerikaner übertroft'en worden.
In unserem Unterrichts-System ist der
deutsche Eintluss vorherrschend vom Kin-
dergarten bis zur Universität, denn sogar
der Name Ciiiversität wird bei uns im
deutschen, nicht im engli.schen Sinne ge-
braucht.
Die deutsch-amerikanischen Lehrer haben
illustre Vorfahren, zu deren ersten der ge-
lehrte Schulmeister Pastorius, der Ansiedler
von 1688. welcher, ausser in englischer auch
in deutscher, spanischer, französischer,
italienischer, griechischer imd lateinischer
Sprache schrieb, gehörte, sowie der gedul-
dige Pädagoge Christoph Dock, dessen
„Schul-Ordnung" , gesehrieben im Jahre
1770, die erste Abhandlung über Pädagogik
war. welche in Amerika erschien. Die
Deutschen riefen die Sonntagssehulen in 's
Leben, und Säur druckte Sonntagssehul-
Karten schon 36 Jahre früher, als das
System in England durch Robert Raikes
eingeführt wurde, welchem gewöhnlich das
Verdienst, der Gründer der Sonntagsschu-
len zu sein, zugeschrieben wird. Denjeni-
gen, die da glauben, dass alle Bildung aus
Neu-England herkomme, mag es interessant
sein, dass das erste Seminar für junge
Damen vcn den llerrnhutem zu Bethle-
hem im Jahre 174!) eröffnet wurde. \'ier-
inidzwanzig Jahre später wurde zu Ply-
mouth. Mass.. eine derartige Schule ge-
plant. Das Projekt fiel jedoch durch, denn
es wurde geltend gemacht, dass in solch'
einer Schule die Frauen gelehrter werden
könnten als ihre zukünftigen Gatten!
Sehullehrerinnen gab es zuerst in Pennsyl-
vanien an dvn höheren Schulen der Herrn-
huter. Dieselben errichteten im J.dire 1807
die erste Xormalschide in Amerika in der
Xazareth Hall.
Den deutschen Tniversitäten und techni-
schen Hochschulen haben wir eine immense
Dankesschuld abzutragen, und ^länner wie
Dr. Andrew D. AVhite, der frühere Bot-
.schafter in Deutschland, und Dr. Wm. T.
Harris, der frühere Bundeskommissär für
Unterrichtswesen, haben erklärt, dass das
intellektuelle Deut.schland für uns ein
„^Mutterland" gewesen ist.
Viele wissen nicht, welch' grossen Ein-
fluss die alten Sitten und Gewohnheiten,
welche der Deutsche mit herüberbrachte,
auf unser tägliches Leben und die kulturelle
Entwicklung unseres Volkes gehabt haben.
Ein anglo - amerikanischer Historiker
sagt: „Sie (die Deutschen) geniessen die
einfachen, gesunden und ursprünglichen
Lebensfreuden. Sie sind minder versessen
auf ]\rode und feine Gesellschaft und be-
herrscht von irgend einem ungehörigen
Ehrgeiz, der die natürlichen und ui-sprüng-
liehen Mensehlichkeits-Instinkte entartet."
Dem Deutschen verdanken wir zwei unserer
schönsten Feste, das Oster- und das Weih-
nachtsfest, und ihm werden wir — denn er
ist unter allen Völkern der demokratischste ii
in seinen Neigungen und Vergnügungen —
eine bes.sere Würdigung der W^ahrheit ver-
danken, welcher Herbert Spencer Ausdruck
gab in den Worten : „Jedem ^Menschen
steht es frei, zu thun, was er will, voraus-
DIE BEDEUTUNG DER DEUTSCHEN EINWANDERUNG EUER AMERIKA.
17
gesetzt, er beeinträchtigt nicht die gleiche
Freiheit eines anderen ^Menschen."
Heiichekn — welche man nnser ..nationales
Laster" genannt hat — hat den Deutsch-
Amerikaner nicht angesteckt. Und wie
üemosthenes könnte er sagen : ..Und wer ist
es. der den Staat betrügt?" Sicherlich
der ]\Iann. der nicht redet, wie er denkt.
Welch' grösseres Verbrechen kann man
einem Redner zur Last legen, als dass seine
"Worte imd seine Ansichten nicht überein-
stimmen ? Schriftsteller, welche Neu-Eng-
land sich zur Richtschnur nehmen, haben
oft auf die Unthätigkeit des Deutsch-Ame-
rikaners in der Politik als einen Beweis
seiner Unfähigkeit für 's öffentliche Leben
hingewiesen. Eine Erklärung hierfür so-
wohl wie eine "Widerlegung des Vorwurfs
ist leicht. In erster Linie hat der
deutsche Einwanderer sich eret mit einer
fremden Sprache abzugeben; zweitens las-
sen ihn seine Unbestechlichkeit imd seine
Liebe zur persönlichen Freiheit gegen die
Fesseln strikter Partei-Kontrolle rebelliren
imd gehorsame Unterwürfigkeit unter die
Diktate politischer Bosse zurückweisen;
drittens findet er, da er fast ohne Ausnahme
ein Geschäft oder ein Handwerk betreibt
und von Natur aus einfach, sparsam und
fleissig ist, dass es sich besser für ihn
lohnt, bei seinem Gewerbe zu bleiben, als
sich ,,den Boys anzuschliessen " und das
unsichere Leben eines praktischen Politikers
zu führen. Die Deutschen bereiten emsig
wie Bienen den Honig, den andere genies-
sen. Dieselben Gründe, welche sie daran
hinderten, eine glänzende Rolle zu spielen,
haben sie aber dazu geführt, einen nachhal-
tigen und wohlthätigen Einfluss auf unsere
Politik im grossen Ganzen auszuüben, denn
gerade aus den deutschen Reihen rekrutirt
sich das sorgfältige, konservative imd un-
abhängige Votum. Der Deutsch-Amerika-
ner fordert keine politischen Gefälligkeiten
und prostituirt sein Votum für Niemand.
Er will eine ehrliche, gerechte und patrio-
tische Regierung für und durch das Volk
haben und fragt nicht, was für ilui dabei
herauskoimnt. In den Worten des Dich-
ters:
,.Es ist besser für das Recht zu kämpfen.
Als über das Unrecht zu spotten."
Er geniesst das Leben, denn er glaul)t :
,,Dass es für einen guten ^Menschen schäd-
lich ist. traurig zu sein;" doch geniesst er
es mit Weib und Kind, denn wo sich letztere
nicht auch freuen können mit ihm. da hat
er seiner Ansicht nach nichts zu suchen.
„„Das, was vor uns liegt im täglichen Leben
zu erfassen, ist die erste Weisheit. ' '
Ja. es ist unsere Pflicht als patriotische
Amerikaner, dass wir die edlen Gaben, die
ims von unseren Vorfahren überkommen
sind, festhalten und pflegen. Denn was
Griechenland für Rom war, das ist
Deutschland — im weitesten Sinne — für un-
ser geliebtes Vaterland, nur mit dem Unter-
schied zu unseren Gimsten, dass der Grieche
mit seiner Kultur eine verderbte Moral imd
ekelhafte sinnliehe Laster nach Rom
brachte, während der Deutsche mit seiner
Kultur in seine neue Heimath eine derbe
Biederkeit und ein reines, glückliches Fa-
milienleben mitbringt.
Doch dies Alles muss der lieben lugend
fest eingeprägt werden, denn :
Kann man 's nicht in Bücher binden.
Was die Stimden Dir verleih 'n ;
Gieb ein fliegend Blatt den AVindeu,
JMuutere Jugend hascht es ein."
Indem wir dies zu thim bestrebt sind,
dienen wir imserem Lande auf die beste
Weise, denn ,. Erziehen heisst: jeden Ein-
zelnen so zum gegebenen gesellschaftlichen
Typus heranbilden, dass seine Fähigkei-
ten entwickelt, seine grösste Brauchbarkeit
imd Glückseligkeit erreicht werden und
dass zu gleicher Zeit das höchste Wohl der
Gesellschaft bewahrt wird."
Prof. MARION DEXTER LEARNED.
/ Deutsche Ideale in Amerika.
MARION DEXTER LEARNED, Professor an der Universltaet von Pennsylvanien.
Die deutsehen Avnrdeu vor allen andren
Kolonisten in Amerika durch ihre Ideale
geleitet. Sie wanderten nach der neuen
Welt aus, um diese Ideale verwirklichen
zu können. Die romanischen Ansiedler in
Süd- und Mittelamerika suchten „Eldo-
rado"— das Goldland — um reich zu wer-
den. Die Kavalierpflanzer in Virginien
wollten ebenfalls ihren materiellen Zustand
verbessern. Die Holländer in Neu-Nieder-
lancl gingen ebenfalls auf Profit aus und
wollten ihren Handel nach der neuen Welt
ausdehnen. Nur die Puritaner, und in
einer Hinsicht die Quäker, lassen sich in
Bezug auf geistige Ideale mit den deutschen
Ansiedlern vergleichen. Die Puritaner, wie
die deutschen Sektenleute befanden sich
unter dem schweren Druck der tyranni-
schen religiösen Intoleranz und suchten
ein Asyl, wo sie ungestört durch Staat oder
Kirche ihren religiösen und politischen
Ansichten gemäss leben konnten. Trotz der
schroffen Gegensätze in ihrem Charakter
hatten die Puritaner und Deutschen diese
Eigenschaft gemein, dass sie stets nach
einem geistigen Ideale strebten und bereit
waren, im Nothfall für dieses Ideal das
Leben zu opfern. Das erklärt die führende
Stellung, welche diese beiden Elemente in
der kulturellen Entwicklung des amerika-
nischen Volkes eingenommen, ein Beweis,
dass die höchste Macht einer Nation nicht
in ihrem materiellen Wohlstand, sondern in
ihren kulturellen Gütern besteht.
Die erste bis auf unsere Zeit bestehende
deutsche Kolonie in Nordamerika ist Ger-
mantown oder Germanopolis, wie sie Pas-
torius, der Gründer der Stadt, pedantisch
nannte. An einem Sommerabende vor zwei-
hundertfünfundzwanzig Jahren, am 20sten
August 1683, segelte das kleine Schiff
,, America" mit etwa achtzig Passagieren
in den Hafen von Philadelphia ein. Die
kleine Schaar Einwanderer war schon ein
recht amerikanisch zusammengesetztes
Mischvolk, bestehend aus Engländern, Wal-
lisern (,,Welschen"), Holländern imd
Deutschen. Unter den Passagieren war ein
jimger deutscher Jurist mit neun Beglei-
tern als Vorhut der späteren Crefelder und
anderer deutscher Ansiedler in Pennsylva-
nien. Dieser Jurist, Franciscus Daniel
Pastorius, der Sohn eines bekannten deut-
schen Juristen, des damaligen Oberrichters
und Bürgermeisters der alten Reichsstadt
Windsheim in Franken, hatte die besten
deutschen Universitäten besucht, in Winds-
heim und Frankfurt am Main und Umge-
gend Jura praktizirt, lange Reisen mit Bo-
naventura von Bodeck in Deutschland, Hol-
land, England, Frankreich und der Schweiz
gemacht und auf dieser ,, grossen Tour" die
Frivolität und den Luxus der damaligen
feinen Welt kennen gelernt und gekostet.
Aber diese frivole Welt hatte er auch wäh-
rend seiner Reise als eitlen Dunst verachten
gelernt und war mit Freude in den Kreis
seiner Pietisten-Gemeinde in Frankfurt zu-
rückgekehrt. Hier im Freimdeskreise, im
alten Saalhof, hatte er sein Lebensideal ge-
funden, das Ideal eines ,, friedsamen und
stillen Lebens", abgesondert von der eitlen
Welt. Dieses Ideal eines isolirten Lebens
fand in dem Gedanken einer spezifisch
deutschen Gemeindeansiedlung in German-
toMTi Ausdruck. Schon die ersten deutschen
Kolonisten hegten den Wunsch, eine Stadt
für sich zu haben, wo sie, abgetrennt von
30
DEUTSCHE IDEALE IX AMERIKA.
den Eugläiulciii. Wallisei-n uiul anderen
eDglisi-hspreehenden Ansiedlern, zusaiuiiuii
wi»hnen könnten.
p]rst uai-h Ankunft der dreizelm C'refel-
der Familien am 6. Oktol)er wai- Pastorius
im Stande, eine Kolonie zu »rriuulen. Älit
den Crefelder Käufern ersuditt er Penn,
den dent.sclien Kolonisten ihr Land anzu-
wei.sen. was am l'iten Oktober greschah. Am
24slcn ikssclbin Monats gründete Pastorius
die deutsche AiisicdluiHj, welche er German-
ioivn benannte. Je naelulem die Loosr
fielen, erhielten die Ansiedler ihre Grund-
stücke und fin<ren sofoi't an. sich Iläu.ser zu
bauen. In kurzer Zeit entstand eine kleine
Industriestadt, die einzij^e ihrer Art im
ganzen Lande. best(»hend zum grossen Theil
aus Leinewebern. Neun Jahre später be-
schrieb der enjrlische Dichter Richard
Frame die deutsche Stadt in folgenden
Vereen :
The German-Totci), of which I spoke before,
Whicli is, at Icast, in length one Mile and More,
Wliere lives Ilifih-German Peoplc and Low-Dutch,
Whose Trade in woavinfj Linnin Cloth is much,
Thcre grows the Fla.x, as also yon may know,
That from the same they do divide the Tow;
Their Trade fits well within this Ilabltation,
We find Convenience for tlioir Occnpation.
One Trade brings in eniploynient for another,
So that we may suppose each Trade a Brother;
From Linnin Rags good Paper doth derive,
The first Trade keops the socond Trade alive:
Withont the first the sccond cannot l)e,
Therefore since these two can so well agree,
Convenience doth approve to place them nigh,
One in the Gcrman-Toivn, 'tother hard bv.
A Paper-Mill near Gcrman-Town doth stand,
So that the Flax,which first Springs from the Land,
First Flax, then yarn, and then they must begin,
To weave the same, whieh they took pains to spin.
Also, when on our backs it is well [wor]n,
Some of the same remains Ragged and Tom;
Then of the Rags our Paper it is made,
Which in process of tinie doth waste and fade;
So what comes from the Earth, appeareth piain,
The same in Time returns to Earth again.
Betrachten wir, was Amerika dieser klei-
nen idealistischen deutsehen Ansiedlung
Germanto\A"n zu verdanken hat. Hier ^^Tlrde
ein Anfang zu der grossen industriellen
Entwickelung des Landes gemacht. Die
Lcincweherei der Crefelder, die Papier-
mühle lies lklll( nhoiisc, und einige Jahre
später die Buchdruckerei des Christoph
Säur, sind zu den wichtigsten industriellen
I'nlf ni( hnnuigcn d< r damaligen Zeit zu
rechnen.
Aber einen noch grö.sseren Dienst haben
die ersten Deutsehen in Germantown dem
amerikanis<'hen Volke, ja der ganzen
^lenschheit, geleistet, untl zwar auf dem
Gebiete des sozialen Lebens. Sie waren es,
welche schon fünf Jahre nach ihrer An-
kunft in Amerika den imwiderlegbaren
Protest gegen den schändlichen Sklavenhan-
(1(1 eiiileglen. Weiui je den ei'steii Deut-
schen \()ii (iennaiilown ein Denkmal ge-
setzt wirtl, sollten die unsterblichen Worte
dieses Protestes mit goldenen Buchstaben
in den Denkstein eingegraben werden. Die
Webereien, Papiermühlen und Druckereien
mögen alle in Vergessenheit gerathen, aber
die Freiheitslehre dieses alten Dokuments
gewinnt an Bedeutsandseit von Generation
zu Generation und darf wohl als das
höchste ideale Gut betrachtet werden, wel-
ches uns die Deutschen über das ]\Ieer mit-
brachten. Der Protest wurde an die
gleichgesinnte Quäkergemeinde in German-
town gerichtet und blieb trotz der verschie-
denen Quäkerversanunlungen. die er durch-
machen musste, nicht unbeachtet. Es sollte
nach hundert Jahren dieselbe Frage von
einem berühmten Quäker, AYamer IMifflin,
dem amerikanischen Kongress vorgelegt
und vertheidigt werden. Der Krieg mit
England im Jahre 1812 kam dazwischen,
aber nach dem Kriege kam die Frage wie-
der auf. und abermals traten deutsche
Idealisten wie Karl Folien und Franz Lie-
ber und später Karl Schurz in die Reihe
der Verfechter der Sklavenbefreiung, bis
die flackernde Flamme zu einem ver\\üs-
tenden Feuer entbrannte und vier iMillio-
nen Neger befreit wurden. Deutsche Ge-
lehrte, deutsche Staatsmänner, deutsche
Turner begeisterten sich für den ausbre-
DEUTSCHE IDEALE IN AMERIKA.
21
eilenden Krieg gegen die Skhivei'ei, und
viele besiegelten ihre Begeisterung mit dem
Leben. Es ist den Sehulkindein noch nicht
genügend gelehrt worden, dass den stillen,
quäkergesinnten Deutsehen in German-
town, Garret Ilendericks, Francis Daniel
Pastorius, Dirck und Abraham op den
Graeff, eine Ehrenstelle unter den Helden
des Bürgerkriegs gehört. Wenn einmal die
amerikanische Geschichte unparteiisch ge-
sehrieben sein wird, werden die heranwach-
senden Amerikaner erfahren, dass das
grösste Ereigniss in unserer Geschichte
schon vor zweihmidert Jahren von den
„friedsamen und stillen" deutschen Idea-
listen in Germantown angeregt wurde, und
mit der Hülfe der deutschen Idealisten der
ersten Hälfte des nemizehnten Jahrhun-
derts vollendet wurde. Es ist im höchsten
Grade schicklich, dass die Eegicrung dieser
Republik die alte deutsche Stadt Germax-
toivn als eine geweihte Stätte anerlienne
und durch die gebührende Ehre eines Na-
tionaldenkmals auszeichne. ^lan kann mit
Recht behaupten, dass Germantown in
der amerikanischen Geschichte eine Stelle
neben Jamestown und Plymouth Rock ge-
bührt.
Gingen die ersten deutschen Ansiedler in
Germantown freiwillig unter die pennsyl-
vanischen Wilden in 's Exil, so war es ganz
anders mit den darautfolgenden sogenann-
ten „Pf älzern ' ', welche nicht nur aus der
Pfalz, sondern aus Württemberg und an-
deren angrenzenden Ländern, durch Lud-
wigs XIV. mordlustige Soldaten vertrie-
ben, sich unter den Schutz der englischen
Regierung flüchten mussten. Auch das
Ideal dieser Deutschen, wie das von Pasto-
rius und den Crefeldern, war ein religiöses.
Die Pfälzer kamen aber, statt wie diese mit
einer organisirten Landkompagnie, zum
grossen Theil als hilfesuchende Redemp-
tionisten nach Amerika.
Die eigentliche Pforte, durch welche
diese Pfälzer nach der neuen Welt gelang-
ten, ist von den Historikern übersehen wor-
den. Schon während der letzten zwanzig
Jahre des 17. Jahrhimderts hatten bemit-
telte Deutsche — Deutsch-Schweizer und
besonders Hugenotten — ihren Weg nach
New York gefunden, wo die Hugenottenan-
siedlung New Rochelle entstand. Es waren
diese Hugenotten die Vorläufer der grossen
Massenauswanderung der Pfälzer nach
Nord-Carolina, New York, New Jersey,
Pennsylvanien und Maryland. Sie bildeten
eigentlich die Vorposten der Pfälzer in den
damals entlegenen Gegenden, wie Oley in
der jetzigen Grafschaft Berks und die Pe-
quea Ansiedlung in der jetzigen Grafschaft
Lancaster. In den Jahren 1690 — 1700 fin-
den wir Hugenotten unter den Einwohnern
von Germantown und LTmgegend. Im Jahre
1710 kamen die Schweizer Brüder Hans
imd Christian Herr nach Pennsylvanien
und suchten sich in der Pequeagegend Land
aus, wo sie sich sofort niederliessen. Im
selben Jahre kauften einige Hugenotten
imd Schweizer ein grosses Grundstück am
Pequea und Hessen den Kauf durch einen
noch erhaltenen Kaufbrief bestätigen. ]\Ian
mag sich wundern, weshalb sich diese An-
siedler so weit von Germantown nieder-
liessen. Die Erklärung ist sehr einfach.
Die ersten englischen Kolonisten in Penn-
sylvanien, y/elche zum grossen Theil Quä-
ker waren, hatten die ganze Gegend zwi-
schen Philadelphia und dem Hügelland,
welches die östliche Grenze der jetzigen
Grafschaft Lancaster bildet, aufgekauft
und angesiedelt, und es blieb den Deutschen
nichts übrig, als über die Berge zu gehen,
da das Land am JManatawny-Fluss schon
aufgenommen, oder wenigstens angekauft
war. So kam es, dass die verarmten und
vertriebenen Pfälzer unter dem Schutz der
englischen Regierung in den Fusstapfen
der ersten Hugenotten nach dem Hudson
gesandt wurden. Aber, da die Erfahrungen
der am Hudson verweilenden Pfälzer nicht
gerade erfreulich waren, gingen die meisten
in den folgenden Jahren nach dem gelobten
22
DEUTSCHE IDEALE IN AMERIKA.
Lande der Provinz William Penn 's. Bald
wimmelte das innere Penn.sylvanien von
Pfälzern. welche so zahlreich ankamen, dass
alle neuen deut.schen Einwanderer der da-
maligen Zeit „Pfälzer" genannt wurden,
obwohl viele aus andren deutsehen Ländern
stammten. Die ^lennoniten und Omi-
sehen hatten sich im Pequea-Tlial aucli
reeht zahlreich angesiedelt.
Unter allen deut.schen Stämmen, welche
sich in Peunsylvanien niederliessen. haben
wohl die deutschen Schweizer und Menno-
niten die deutlichsten Spuren zurückgelas-
sen. Ihre Sitten und Gebräuche, und be-
sondei*s ihre Trachten luid Kcligion. haben
sich in ihrer danuiligen Keinheit und Ein-
fachheit bis auf den heutigen Tag erhalten.
Es war aber die ]\Iassenauswanderung
der armen Pfälzer, welche fast das ganze
Innere Pennsylvaniens in dem erstaunlich
kurzen Zeitraum von zwei Jahrzehnten be-
völkerte. So zahlreich waren die.se Pfälzer
geworden, dass der Gouverneur Keith die
Befürciitung aussprach, dass Peunsylva-
nien bald zu einer deutschen Provinz wer-
den möchte. Selbst der weitblickende
Yankee Benjamin Franklin konnte seine
Abneigung gegen diese Deutschen nicht
iinterdrücken ; denn er nannte sie ein
bräunliches Volk (,,a tawny people") und
bekannte, dass er den blonden Norddeut-
schen — den sogenannten Sachsen — den
Vorzug gebe.
Diese Pfälzer aber waren, trotz ihrer Ar-
nmth, die eigentlichen Begründer des deut-
schen Landvolkes in Peunsylvanien. Wäh-
rend die Schweizer ihren Ackerbau auf
pennsylvanischen Boden verptianzten und
sich hauptsächlich darauf beschränkten,
vertraten die Pfälzer alle möglichen Be-
rufsarten, wie aus den damaligen Einwan-
derungslisten zu ersehen ist. Diesen pfälzer
Handwerkern verdanken wir die seltne
Schreiner-, Weber-, ^Maurer-, Schmiede-
und Druckerarbeit des IS. Jahrhunderts in
Peunsylvanien. Fast alle Waaren. welche
auf den Markt der Städte kamen, wurden
von diesen Deutschen gemacht. Der durch
Pennsylvanien Reisende befand sieh da-
mals, wie in einigen Gegenden heute noch,
in einer rein deut.schen L'mgebung und
hörte fast ausschliesslich, sowohl in Städ-
ten wie auf dem Lande (..im BiLsch und
Städtl"), die pfälzer ^Mundart. Was sich
die ersten Germanto\nier gewünscht hat-
ten, nämlich eine abgesonderte deutsche
Ansiedluug. hatte sich hier fast ohne Ab-
sicht verwirklicht, imd zwar in viel grösse-
rem T^nifang.
Dieses Pfälzervolk gehörte zum grossen
Theil der lutherischen und reformirten
Konfession an ; es war in mancher Hin-
sicht viel liberaler als die ]Mennoniten, Omi-
schen. Dunker und andre Separatisten,
und spielte selbstverständlich eine viel be-
deutendere Rolle im politischen imd sozia-
len Leben der Provinz. Kurz, es bildete
das fortschrittliche Element unter den
Deutschen und betheiligte sich an der ma-
teriellen und kulturellen Entwickelung
Penn.sylvaniens. Es wurde unter den
Deutschen, was die Scotch-Irish imter den
englischen Einwohnern waren — die Unter-
nehmenden in der Gemeinde.
Obwohl die Handwerker- imd Bauern-
klassen bei den Pfälzern in überwiegender
Zahl vertreten waren, fehlte es doch nicht
an tüchtigen geistigen Führern. Unter
ihnen befanden sich Gelehrte, welche die
besten deutschen Universitäten besucht
hatten. Künnuerte sich das Volk im Allge-
meinen wenig um die Ereignisse in der
alten Ileimath, so war es doch nichts desto-
weniger eifrig bemüht, die mitgebrachten
Geistesgüter in der neuen Heimath fortzu-
pflanzen. Jede Sekte gründete bald eine
oder mehrere Kirchen u. Schulen, wo deut-
sche Sprache gepredigt und gelehrt wurde.
Auch wurde die religiöse Literatur der Zeit
gepflegt, deutsche Bücher wurden gedruckt
oder abgedruckt, und deutsche Zeitungen
wurden ins Leben gerufen. Der deutsche
Scliulmeister war mit dem deutschen Hand-
DEUTSCHE IDEALE IN AMERIKA.
23
u-erker und Bauern ausgewandert und fand
in Pennsylvanien und andren Provinzen
vielfache Verwendnng für seine in Dentseli-
land gesammelten Kenntnisse. In den
Jahren 1710 — 1740 entstanden etwa zwan-
zig deutsche Schulen in Pennsylvanien —
ein Zeichen, dass die Kinder der deutsehen
Kolonisten nicht vernachlässigt wurden.
Das erklärt, wie Benj. Franklin, der Yan-
kee-Buchhändler in Philadelphia, es für
rathsam finden konnte, deutsche Bücher zu
drucken, wie kurz darauf Chr. Säur in
Gennanto-w-n eine fast rein deutsche Presse
gründen konnte imd Profit dabei erzielte;
wie es möglich war, dass in dem damals
entfernten Ephrata eine deutsche Presse
gedeihen konnte. Diese Pressen waren in
beständigem Betrieb und lieferten hunderte
von deutschen Büchern und Broschüren für
die damalige Lesewelt. Man erstaunt heute
noch über die reichhaltige deutsche Litera-
tur, Avelehe während des 18. Jahrhunderts
in Pennsylvanien gedruckt wurde, ein Be-
Aveis, dass der geistige Zustand der deut-
schen Kolonisten nicht hinter dem der eng-
lischen Bewohner zurückstand.
Will man die idealen Bestrebungen der
Deutschen in Amerika während dieser Zeit
mit einem Worte bezeichnen, kann man sie
schlechthin m^ystisch-religiös nennen. Ob-
gleich Reisende wie Gottlieb Miitelherger
in den 50er Jahren des 18. Jahrhunderts
sich über den unsittlichen Zustand dieser
Deutschen recht laut beklagten, kann man
doch den Deutschen als Volk das Ernst-Re-
ligiöse nicht absprechen. Die Älassen
gruppirten sieh in Sekten, imd sämmtliche
Sekten waren von dem mystisch-religiösen
Geist der Zeit durchdrimgen. Selbst die
Lutheraner und Reformirten wurden von
diesem Geiste beeinflusst. Es konnte der
Einzelne so sittenlos und lasterhaft sein,
wie er wollte, er konnte sich doch dem
Zwange der herrschenden religiösen Mei-
nung nicht ohne Weiteres entziehen. Die
Kanzel hatte damals ihre Verdammungs-
maeht über den Sünder noch nicht verloren.
Es kommt noch häufig vor, dass sich einer
nach langen Jahren sündhaften Lebens aus
Furcht vor einer hoffnungslosen Ewigkeit
in den Schoss der Sekte zu retten sucht.
Die Deutschen der Kolonialzeit, welche
sicli schon über die Grenzen der alten Sitze
von New York und Pennsylvanien bis in
das „grosse Thal" der Allegheny Gebirge
und das Ohio-Thal verbreitet hatten, waren
vor dem Ausl)ruch der Revolution getreue
Unterthanen der englischen Regierung.
Aber sie Hessen sich eben so wenig wie die
englischen Kolonisten ihre Rechte nehmen.
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhimderts
lebten sie still und zufrieden in ihrem länd-
lichen Glück, bis Gouverneur Keith seinen
Alarmruf ertönen lie.ss und Misstrauen
gegen die englische Regierung erregte. Da-
zu kamen die bitteren Streitigkeiten zwi-
schen den deutschen Sekten, wie z. B. zwi-
schen den Herrnhutern und Lutheranern.
In den 50er Jahren machte die ,, Society for
the Propagation of the Gospel in Foreign
Lands" Propaganda, um die Deutschen zu
anglisiren. Durch die Bemühimgen von
Micliael Sehlatter und andren in England
und Amerika wurde der Plan der ,,Chari-
table School "-Bewegung ausgearbeitet und
ins Werk gesetzt. Die nöthigen Gelder
wurden zum grossen Theil in England ge-
sammelt, und eine Anzahl Schulen wurde
in den entlegenen Gegenden der Provinz
eröffnet. Dann brach infolge der hartnäcki-
gen Opposition des antienglischen Chr.
Säur ein Kulturkampf aus, welcher schliess-
lich die nativistischen Bestrebungen zu
Nichte machte und dadurch eine unüber-
brückbare Kluft zwischen deutschen imd
englischen Idealen entstehen Hess.
Als der französische Krieg der 50er
Jahre dazwischen kam, bewahrten die na-
tionalgesinnten Deutschen ihre Treue der
englischen Regierung, obgleich sich schon
damals einige ]\Ieunoniten gleichgültig zeig-
ten und den Schluss des Krieges abwarte-
ten, um sich auf die Seite der Sieger
24
DEUTSCHE IDEALE IN AMERIKA.
ZU stellen uiul in ihrem liiiusliehen Glüek
lind materiellen AVolilstande nieht gestört
zu werden.
Kaum war der französische Krieg vor-
bei, so begann die englische Regierung, ihre
leere Kasse mit amerikanischem Gelde wie-
der zu füllen und den Kolonisten dahinzie-
lendc Stempel- und Theesteuern aufzubür-
den. Dadni-ch wurde der wunile Fleck der
Deutsehen — die Geldtasche — berührt,
und ihr Protest licss nieht lange auf sich
warten. Sie waren unter den allerersten
Kolonisten, welche gegen das Vorgehen der
englischen Regierung eifrig Einsprache er-
hoben. Ganz besonders .stark eiferten sie
1768 gegen die sogenannte ..Bill of Rights".
In diesem Kamjif um die Rechte der Kolo-
nisten finden wir wieder, wie zur Zeit des
alten Säur, einen wackeren deutschen
Drucker und Verleger an der Spitze. Dieser
Deutsche war der furchtlose Henrich
Miller, welcher damals durch seine Zeitimg,
den ..Pennsylvanischen Staatsboten", das
wichtigste deutsche Blatt und eine der
ersten Zeitungen des Landes, das ganze
Deutschthum der Kolonien aufbrachte und
»norm viel zur Beförderung der patrioti-
schen Sache beitrug. Das waren die Vor-
zeichen des kommenden politischen Stur-
mes, welcher in der amerikanischen Revo-
lution zum Ausbruch kam.
Die aus bescheidenen Anfängen heran-
wachsenden amerikanischen Kolonien hat-
ten in der Revolution ihre Rechte tapfer
vertheidigt, die Engländer aus dem Felde
geschlagen und in dem kiirzen Zeitraum
v(m zwölf Jahren eine feste, von den
gr()ssten ^Mächten Europas anerkannte Re-
iuil)lik gebildet. Die meisten Deutsehen in
den Kolonien fügten sich ohne AVeiteres in
die neue Staatsordnung. Nur eine kleine
Anzahl ]\Icinioniten fühlte sich verpflich-
tet, dem Bürgereid, den sie dem englischen
König geleistet hatte, treu zu bleiben, und
deshalb ihre alten Sitze in Pennsylvanien
zu verlassen und nach Canada überzusie-
deln, wo ihre Xachkommen bis auf den
heutigen Tag Unterthanen der englischen
Regierung sind.
Die amerikanische Revolution übte einen
gewaltigen F^inHuss auf die europäische
Politik aus. Schon Friedrich der Grosse
hatte seine Bewunderung für die junge
Republik und deren grossen General,
Geo. "Washington, ausgedrückt, imd der
junge deutsche Dichter Friedrich von
Scliiller dem Kriege in Amerika die grösste
Aufmerksamkeit gewidmet und das ]\Iotiv
des Soldatenhandels in seinem Drama
,, Kabale und Liebe" verwendet. Auch
Wieland brachte in seinem „Deutschen
]\Ierkur" regelmässig Berichte über Ame-
rika und verbreitete dadurch amerikani-
sche Ideen in Deutschland. Kurz nach
dem Kriege zollte Herder in seinen „Brie-
fen die Humanität betreffend" dem gros-
sen Vertreter der amerikanischen Ideen in
Europa, Benj. Franklin, reichliches Lob.
Die französische Revolution, welche durch
die amerikanische beschleunigt wurde, ver-
setzte ganz Europa in Schrecken, und die
Napoleonischen Feldzüge brachten alle
europäischen Völker auf den Kriegsfuss.
Die von den Deutschen in Amerika errun-
gene Freiheit drohte, das Gottesgnaden-
thum der Fürsten im alten Vaterlande zu
erschüttern.
Die Niederlage der Preussen im Jahre
1806 bei Jena und die Bildung des
Rheinbundes hatten dem alten deutschen
Reich ein schnelles Ende gemacht, da er-
schien ein neuer Prophet, der alte Turn-
vater Jahn, welcher auf der Hasenheide
bei Berlin das neue Evangelium der körper-
lichen Erziehung predigte, um ein neues
Geschlecht kräftiger deutscher ]\Iänner zu
Schützern des Reichs heranzubilden. Die
Früchte dieser Bewegung zeigten sich
.schon in den siegreichen Heldentaten der
Deutschen in der Schlacht bei Leipzig,
1813, wo die Napoleonischen Truppen das
Feld räumen mussten. Die Turner hatten
sich schon gerechtfertigt. Turnvereine wur-
den überall in Deutschland gegründet, und
DEUTSCHE IDEALE IN AMERIKA.
25-
die Lehre der körperlichen Erzieluuig fand
überall Anklang. Aber dann kam der im-
glüekliehe Tag mit der Sand-Kotzebue-
Affaire auf der Wartburg, und bald darauf
die Turnsperre. Die Turnhallen wurden
geschlossen, die jungen heranwachsenden
Stützen der Reichssache kamen in Verdacht
und wurden eingekerkert, viele der besten
jungen Deutschen mussten das Vaterland
verlassen, um ihr Leben zu retten.
Die Reaktion hielt überall Wache.
Nun beginnt eine neue, ganz andere
deutsehe Auswanderung nach Amerika —
eine Auswanderung von politischen Flücht-
lingen, welche zugleich die Blüthe und
Hoifnung des deutschen Vaterlandes
waren, denen doch nicht erlaubt war, für
die vaterländische Sache die Lanze zu bre-
chen. Diese Deutschen waren keine mysti-
schen Träumer, wie so viele der früheren
Einwanderer des 18. Jahrhunderts, sie
waren ernste Streber auf allen Gebieten des
Lebens und widmeten sich mit dem ganzen
Herzen dem neuen Adopti\^'aterlande. Sie
wollten das Alte und Veraltete ganz nach
ihrem Sinne umschaffen. Die Losung für
sie, wie für ihre Landsleute des vorigen
Jahrhunderts war Freiheit, aber keine wi-
derstandslose, passive freie Existenz, wie
sie sich die Sektenleute des 18. Jahrhim-
derts minschten. Diese neuen Deutschen
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
waren ein freidenkendes und freifühlendes
Volk. Nach ihrer ]Meiniuig sollte der
Staat ein Freiheitsverband sein, in welchem
jeder Bürger gleiche Rechte und Privile-
gien geniesst. Die Kirche sollte vom alten
Zwang befreit imd gereinigt, die Schule
eine Pflanzstätte für liberale Gedanken und
Ideale werden.
In drei Richtungen zeigten sich in über-
raschend kurzer Zeit die Früchte dieser
idealen Freiheitsbestrebungen, und zwar
auf dem Gebiete der Politik, Erziehung
imd Wissenschaft. Kaum waren diese po-
litischen Flüchtlinge gelandet, so fingen sie
gleich an, ihren freien Gedanken, besonders
ihren politi.schen und sozialen Idealen, Luft
zu machen. Sie gründeten deutsche Zei-
tungen und schrieben auch für englische
Zeitungen. Sie nahmen sofort Partei in
der amerikanischen Politik mid erklärten
sich gegen die Sklaverei imd den ,,Know-
nothingismus" jener Zeit. Unter den Vor-
läufern der grossen Auswanderung, der
sogenannten 48er. waren Flüchtlinge wie
der Oesterreicher Carl Postl (Chas. Seals-
field) und Deutsche wie Carl Beck, Carl
Fallen (Follenius), Franz Lieber — jeder
in seiner Art ein Vertreter der liberalen
republikanischen Bestrebungen in Europa.
Sealsfields Einfluss beschränkte sich kei-
neswegs auf seine literarische Thätigkeit.
Obwohl er einer der glänzendsten Roman-
schreiber der Zeit war, griff er tapfer die
Reaktion in Oesterreich an, luid zwar in
seinen ersten Schriften, besonders in
seinem .,Austria as It Is". Während
Sealsfield sich unter einem Pseudonym
nach Amerika geflüchtet und für die Frei-
heitssache die Feder geführt hatte, waren
Folien und Lieber von Anfang an offene
Verfechter der liberalen Ideen der Jalin'-
schen Richtung. Folien hatte schon in
Deutschland versucht, die deutsche üniver-
sitätsjugend aufzuwecken und für die neue
Freiheitsbewegung zu begeistern. Noch be-
sitzt sein berühmtes Freiheitslied einen
unheimlich bezaubernden Klang, wie die
französische ^Marseillaise :
Brause du, Freiheitsstrom
Lieber war ebenfalls ein furchtloser
Patriot der neuen revolutionären Ordnung
und hatte seinen Befreiungseifer im Grie-
chenkriege zum Ausdruck gebracht, indem
er nach Griechenland ging, um sich an der
Revolution zu betheiligen. Als er aber zu
seinem grossen Erstaunen und Verdruss
erfuhr, dass die Griechen selbst nicht einig
waren und sieh nicht besonders für die
patriotische Sache begeisterten, kehrte er
enttäuscht nach Rom zurück und richtete
seine Schritte später nach Amerika, dem
26
DEUTSCHE IDEALE IN AMERIKA.
Lande der Freilieit. wo er ein freies Feld
für seine liest rehuii^en fnnd.
Diesen Vorläufern foljrten in den .■:50er
und 40er Jaliren die grosse I\Iasse der Vor-
ach t und vicniger imd daiui der ISer. Der
beständig waelisende Strom deutscher
Flüehtlinge brachte nicht nur die besten
Kräfte der jungen Generation, sondern
auch die lihnli, weh'he sich im alten Vater-
lande nicht verwirklichen liessen. //( das
)i( u< A<lni>lirvaf(rlan(l mit und gritf eifrig
in die amerikanische Kulturentwicklung
ein. Seihst die Zahl dieser neuen Einwan-
dercM- wäre an sich von grosser Bedeutung,
wenn man die amerikanischen Verhältnisse
der damaligen Zeit in Betracht zieht, einer
Zeit, welche einen wichtigen Wendepuid^t
der anuM'ikanischen Nationalökonomie und
Geschichte bildet. Die junge Republik
hatte das alte ^Mutterland. England, zum
zweiten?nal geschlagen imd stand als ein
stolzer Sieger an der Schwelle einer
grossen p]poche ihrer Entwicklungsge-
schichte. AVährend es sich im alten Europa
um konstitutionelle Freiheit handelte,
hatte Amerika mit grossen wirthsehaftli-
chen. ökonomischen, industriellen und
sozialen Problemen zu kämjifen.
Die Landivirflisciiafl der ersten dent-
schru Ansiedler bildete das Fmidament des
amerikanischen JhieJifJinnis. Die Indus-
trien waren noch nicht mit dem neuen Geist
des Dampfes und der neuen Erfindungen
belebt. Der Conestoga-Wagen und der alte
im neuen Lande. Der deutsche Astor
erblickte mit Seheraugen die grossen ^lög-
lichkeiten des inländischen Handels und
die grossen zukünftigen Handelswege zwi-
scIkmi dem Atlanti.schen Ozean und dem
Stillen Meer und gründete die Handels-
stätte Astoria an der Pacifischen Küste,
dadurch die "Wege zeigend, welche später
die Eisenbahnen nehmen sollten. Derselbe
Astor wurde später einer der ^länner,
welche unser verwirrtes amerikanisches
Finanzwesen in Ordnung brachten. Astor,
Drcxel und Bdmont sind Namen, welche
noch jetzt in der Finanzwelt einen guten
Klang haben, xmd ihre Träger waren aus
Deutschland eingewandert.
Auch un.ser Indu.strie- und Geschäfts-
weseu wäre ohne die Deutschen einfach
undenkbar. Sie gründeten deutsche und
englische Zeitungen, unter deren Redak-
teuren sich ^Männer befanden wie Schnauf-
fer, Klauprecht, Raine, Eödtcr, Schäfer,
Kümelin, SchönUer, Georg Seielensticker,
WoUenweber, Preetorius und Ottendorfer.
Unter ihnen befanden sich grosse Ge-
schäfts)nänner wie Baum. Je^hann Schmidt
und ^yiIhebn Gail, berühmte Gelehrte wie
Beck, Folien, Lieher, Xordheisner, Adler,
Schele de Vere, die Sellkamps. Engclmann,
Blätterma)ni. Fauch, List. Xordhoff, Bötti-
cher, Forsch und Schaff. Ingenieure wie
Ililgard und Böhling. Advokaten wie Göpp,
Kribboi und Sfallo, Staatstnänner und
Politiker wie Bielefeld, Brentano, Degener,
Postwagen waren die Hauptmittel des in- Eickhoff und Schurz, Aerzte wie Wiesen-
ländischen Verkehrs. Auf allen Gebieten ihal, Wesselhöff und Hering, Historiker
des amerikanischen Lebens mangelte es an wie Kapp, Eattermann und Oswald Sciden-
technischer und wissenschaftlicher Schu- sticker, Künstler wie Bierstadt, Eckstein,
hing, genauer Kenntniss in den Gewerben die Frankensteins, Keppler und Rindesha-
iind vor Allem an Ausdauer und unermüd- eher, Dichter wie Zundt, Castelhun, Kirch-
liehem Fleiss. Dies waren die Verhältnisse,
welche die deut.schen Einwanderer der
30er — 40er Jahre hier vorfanden und
deren Bes-serung sie sich widmeten.
Betrachten wir die unermessliehen Ver-
dienste die.ser neuen Deutschen. Selbst
die ersten Vorläufer waren Bahnbrecher
hof und Brühl. Sie gründeten Turnge-
meiuden, Gesangvereine, religiöse Ge-
meinden und Gemeindeschulen. Sie führten
dfis deutsche Theaterwesen in den grossen
Städten ein. Kurz, sie lieferten die Bau-
steine zu dem prächtigen Nationalbau des
amerikanischen Volkes.
DEUTSCHE IDEALE IN AMERIKA.
Die Folge dieses kulturellen Einflusses
dieser deutschen Einwanderer war eine
völlige geistige Umwälzung in Amerika,
welche eine ganz neue AYendung in die
nationale Entwicklung des Landes brachte.
Während in den ersten Jahren des 19.
Jahrhunderts englische Traditionen, eng-
lische Sitten, engliscl,ie Literatur die Ober-
hand gewannen und die siegreichen Ameri-
kaner zu besiegen drohten, sahen sich die
Amerikaner nach andren Idealen um, und
zwar auf dem europäischen Festlande.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts nahmen
sie die Franzosen zum ^Muster, aber nach
dem zweiten Kriege mit England richteten
sie ihre Blicke nach Deutschland, dem
neuen Athen jenseits des Rheins. Sie hat-
ten schon seit Jahrzehnten in den engli-
schen Zeitschriften und Büchern von
deutscher Literatur und ^V issenscliaft ge-
lesen imd gingen nmi im zweiten Jahrzehnt
des 19. Jahrhunderts selbst ins Land der
Dichter Gessner, Lessing, Kotzebue, Göthe
und Schiller. Schon 1815 gingen drei
junge amerikanische Studenten nach der
damals in England und Amerika bekann-
testen Universität, der jungen Georgia
Augusta in Göttingen, um ihre Studien
fortzusetzen Die amerikanischen Colleges
— von L^niversitäten im eigentlichen
Sinne war damals noch keine Rede —
waren kaum über den Studienplan der
jetzigen besten Vorbereitungsschulen hin-
ausgewachsen, und die wissbegierigen
Amerikaner hungerten thatsächlich nach
Wissenschaft und Kultur. Was auf dem
amerikanischen College in ziel- und zweck-
loser Weise studirt wurde, lehrte man
an den deutschen Universitäten nach der
strengsten Methode und mit einem be-
wussten Zweck und Ziel ; kurz, man lehrte
und lernte mit deutscher Gründlichkeit.
Das Resultat dieser Gründlichkeit Hess sich
bald in den Leistungen von George Tick-
nor, welcher die amerikanische Literatur-
geschichte nach deutschem INIuster grün-
dete, von Edward Everett, welcher die
literarische Kritik nach Amerika ver-
I)rtanzte, und von George Bancroft, der die
amerikanische Geschichtsschreibung ins
Leben rief, erblicken — alle glänzende Bei-
spiele der in Deutschland herrschenden
Lehrmethode und des deutschen For-
scluingsgeistes.
Dem Forscher und Kritiker folgte der
Dichter nach dem Lande der geistigen
Ideale. Longfellow besonders verdient
als der beste Vertreter aller deutschen
Ideale in Amerika hervorgehoben zu wer-
den. Während die jungen Amerikaner
ihre Kenntnisse auf deutschen Universitä-
ten bereicherten, hatten Schotten und Eng-
länder, wie Wm. Saylor^von Norwich, Wal-
ter Scott. Coleridge. W^sworth und spä- -^■^ J
ter Carlyle. die neuen deutschen Ideen
nach England und durch ihre Schriften
nach Amerika gebracht. Der letztgenannte,
Thomas Carlyle, hatte in erstaunlich kur-
zer Zeit zu Hause die deutsche Literatur
kennen gelernt und durch seine kernige
englische Sprache und seinen, dem An-
scheine nach, germanisirten Stil Epoche in
England und Amerika gemacht ; er wurde
als Gründer der neuen Kritik anerkannt.
Gleichzeitig mit der Verpflanzung deut-
scher Ideale durch Schotten und Englän-
der auf amerikanischen Boden kamen die
vorachtundvierziger Deutschen mit eben
denselben Idealen herüber. Beck lehrte
klassische Sprachen an dem Harvard Col-
lege, Folien ertheilte ebendaselbst Unter-
richt in den neuen Sprachen, besonders im
Deutschen, und Lieber bekleidete eine Pro-
fessur zuerst in Columbia, S. C, und dann
später eine ähnliche am Columbia College,
New York. Damit waren vor Schluss der
30er Jahre die deutsche Unterrichtsmethode
und Wissenschaft in den höheren Anstalten
Amerikas eingeführt.
Die Zahl der deutschen Einwanderer
wuchs von Jahr zu Jahr und brachte immer
noch dieselben geistigen Ideale mit. Eben-
falls wuchs die Schaar der amerikanischen
Studenten, welche nach den deutschen
28
DEUTSCH K IDEAl^H IX AMKHIKA.
liiiviTsitäten {liltrerti'H uiul mit wisscii-
sc'haftliclu'ii Kenntnissen ivichlich ausj^c-
stattet znriii'kkaiiitMi. Ans den öOcr Jah-
ren halx'ii wir iioeh lebende Gelehrte, wie
Goifdiriti von der Harvard rniversität imd
Gildei-sleeve von der J<ilins Hopkins Tni-
versität. denen die jünjjfere (ienei'ation
amerikanischer (Jelehrter so maneherlei
Anreirung zu vei-danken hat.
Wie anders als im Anfang des vorijjeu
•Jahrhunderts sieht es heute auf tlciii CJe-
biete dei* amerikanisehen Erziehung und
AVissenschaft aus! Das «ranze Erziehungs-
wesen in Amerika liat eine gewaltige Tm-
wälzung erfahren, weiche in der Geschichte
einzig dasteht. Neue riiivrrsitäfi )i sind
)iarh tliKlscInni M Hsh r ;/( (/rüiiflct worden,
uiul viele alte Colleges nach eben dem.selben
]\Iuster zu Tnivei-sitäten umgestaltet. Das
dent.sche Seminar und Laboratorium haben
sieh hier völlig eingebüi-gert. und die deut-
sclie Dissertation ist in der Hand des
amerikanischen Kandidaten in ein ganz
neues Entwicklungsstadimu gekommen.
Fonicitcn ist jetzt die geistige Losung der
amerikanischen Universifätni, und die An-
nguiHj d(v deutschen Hochschulen macht
sich auf allen Grhirfen der Wissenschaft
fühlbar, Was, zur Zeit des Hunuuiismus,
Collet von Griechenland sagte: ., Griechen-
land ist über die Alpen gekonnnen", kann
man heute in älndicheni Sinne von Deutseh-
land behaupten: „Deutschland ist nach
A ni e rika a usge wa ndert.'/
Die Deutschen in Amerika haben auch
noch andre Ideale mitgebracht, und zwar
- V soziale Anschauungen, welche sie in deut-
sehen Kreisen bis auf den heutigen Tag
erhalten haben. Es waren diese Ideale die
Veranlassung zum gros.sen Streit zwischen
Deutschen und Angloamerikanern zur Zeit
der „Knownothings", zwischen Einwande-
rern und Xativisten. Dieser Streit hat
sich in den letzten Jahren wieder erneut,
aber in einer ganz andren Form. Damals,
in den 50er Jahren, war es zum grossen
Theil der blinde Ha.ss zwischen dem schon,
wenn auch nur vor kurzer Zeit, angekom-
menen Engliscli sprechenden Aiiicriknner
1111(1 dem noch nicht liürgerlich anerkann-
ten Fremden, dem deutschen p]inwanderer
— dem sogenannten ,, Alien". Von Idealen
wni- damals ^\■enig die Red»'. Das Gefühl
und die Leidenschaft waren die führenden
^lotive. Jetzt aber ist es ganz anders. Die
Deutschen des 48er und späterer Zeiten
haben sich schon lange eingebürgert uiul
gehören zu den anerkannt besten Bürgern
dieser Republik. Ihr Bürgerthum und
Ileldenthum haben sie in zwei grossen
Kriegen an den Tag gelegt. Sie sind keine
Fremdlinge mehr; im Gegentheil, viele von
ihnen stehen schon in der zweiten Genera-
tion und sind amerikanische Bürger von
Geburt. Die Frage ist jetzt eine rein
soziale und sittliche. Es handelt sich um
ein sittliches Ideal — das Ideal der sittli-
chen Freiheit. Der Streit ist in der That
eine Fortsetzung des alten Kampfes um
Freiheit, den Pastorius und die drei
andren, ähnlich denkenden Deutschen im
Jahre 1688 in Germantown mit dem Pro-
test gegen die Negersklaverei hervorriefen.
Der Deutsche will gleiche Freiheit für
alle und will nicht von den veralteten
Ideen und Gesetzen einer früheren Zeit
beherrscht werden. Er will seine eignen
Gedanken denken, über sein eignes Ich ver-
fügen, aber zu gleicher Zeit seinem ^lit-
menschen dasselbe Recht geben. Er eifert
gegen allen unberechtigten Zwang. Er will
nicht, dass eine Klasse in dem Gemeinwe-
sen von einer andren heral)gesetzt werde.
Er besteht auf ]\lässigkeit und Ordnung,,
vernünftigen Gesetzen und moralisch sitt-
lichem Lel)en.
Hierin besteht der grosse Unterschied
zwischen dem Ideal der neuen deutschen
Einwanderer des 19. Jahrhunderts und
dem der früheren deutschen Kolonisten des
18. Jahrhunderts. Während Letztere so-
fort nach der Ankunft in der neuen Welt
auseinander gingen und jeder auf eigne
Faust sein Glück suchte, waren die späte-
DEUTSCHE IDEALE IX AMEKIKA.
29
ron Deutschen bemüht. Vereinigungen zu
gründen und gemeinschaftliches Leben
aufrecht zu erhalten. Es ist dieser Streit
in den letzten Jahren durch die Opjiosition
der Prohibifionistcn in den Vordergrund
der amerikanischen Politik getreten. Wir
stehen jetzt an einem wichtigen Wende-
punkt in unsrer sozial-sittlichen Entwick-
lung. AYir haben die Negersklaverei abge-
schafft und im spanisch-amerikanischen
Kriege imsere Stellung als Weltmacht ge-
sichert. Wir sind materiell reich gewor-
den, aber wir sind doch iiocli kein freies
Volk. Der Kampf wüthet noch zwischen
den Klassen und ^Massen, zwischen Kapital
und Arbeit, zwischen ,.Blue Blood" und
,,Get rieh cßiick". zwischen Stadt und
Land, zwischen Keligion und Wissen-
schaft. In diesem heissen Kampfe haben
sich die Deutschen in die vordersten Bedien
der Freiheitsverfechter gestellt. Ihr Ideal
bezweckt die Erhaltung des Familienlebens,
und zwar nicht allein in den einzelnen
Heimstätten, sondern auch im gesellschaft-
lichen Verkehr. Das erklärt das Entstehen
und Fortbestehen der vielen Vereine unter
den Deutschen, wo, wie in Deutschland, der
Verein zugleich eine Kestauration imd ein
Familienlokal ist. und nicht blos ein Her-
renklub mit geschlossenen Thüren, und
noch lange nicht der amerikanische
„Saloon" oder die amerikanische Bar,
Avo man sein Schnäpschen eiligst ver-
■schluckt imd zur Thür hinausschleicht, da-
mit man ja von Niemand auf der Strasse
«rkannt und gesehen wird. Dieses deutsehe
Ideal gründet sich auch auf Gemüthlich-
keit, jMässigkeit, freundschaftliches Zusam-
mensein, vernünftige Unterhaltiuig — mit
■einem Wort — auf vernünftigen, geselligen
Umgang der Menschen.
Daher kommt der schroffe Gegensatz zwi-
schen dem deutschen Gasthofe und dem
amerikanischen Hotel. In Deutsehland
findet man überall, selbst im Bahnhofe
«ines kleinen Ortes, eine gute Restauration
mit massigen Preisen, während man in
Amerika nur in den ko.stspieligsten Hotels
zu einem unerhörten Preise gut bewirthet
wird. Bedenkt man die hunderte von er-
bärmlich schlechten Hotels an der Küste
und in den Gebirgen Amerikas, mit denen
sich, die ^Mittelklassen l)egnügen müssen,
so sehnt man sich nach einem einfachen
deutschen Gasthaus im Sehwarzwald, wo
es noch nicht so weit gekommen ist, dass
der Wirth Himmel und Erde besitzt und
sich Luft und Sonnenschein bezahlen lässt.
Gerade dieses Ideal des vernünftigen ge-
sellschaftlichen Zusannnenseins und der
damit verbundenen gastwirthschaftlichen
Einrichtung hat für uns Amerikaner
vieles, was Nachahmung verdient.
Die Geschichte des deutschen Einflusses
der letzten 200 Jahre in Amerika lehrt
luis, dass der Deutsche vor allen nicht eng-
lischen Elementen durch seine idealen Be-
strebungen dem amerikanischen Volke
seinen Charakter luid seine Kultur aufge-
stempelt mid die grösste Einwirkung auf
die kulturelle Entwicklung der neuen Re-
publik ausgeübt hat. Das geschah nicht
allein durch direkte Verpflanzung von
Ideen, Sitten und Gebräuchen nach Ame-
rika, sondern vielmehr durch Ausgleichung
der Gegensätze und allmählige Annäherung
der Rassenelemente. Das amerikanische
Volk i.st nicht deutsch geworden, und eben-
sowenig ist das amerikanische Volk eng-
lisch geblieben. Es ist, wie seine Kultur
eine Verschmelzung englischer und deut-
scher Kultur-Elemente ist, eine Vermisch-
ung englischer und deutscher Volksele-
mente, welche so ineinander verw^achsen
sind, dass man es sofort als ein ganz neues
Volk erkennt. In dieser Annäherung, Aus-
gleichung und Verschmelzung der Volks-
elemente liegt die Hoffnung der Zukunft
der amerikanischen und der deutschen
Nation.
Die herrliche Feier der alten englischen
Quakerstadt Philadelphia und der eben-
bürtigen deutschen Stadt Germantown
in den ersten Oktobertagen des Jahres 1908
30
DEUTSCHE IDEALE IN AMERIKA.
zur p]rinnening an die vor 225 Jahren er-
folgte Stadtwerdung Pliiladelphia's und
das 22r)jähri«re Jul)iläinn der ersten dent-
sclicn Kin\vanderun«i: liat hoffentlieli nieht
nur als Erinneriuig der treuen Hruder-
liehe der ei-sten englisehen und deutsehen
Ansiedler in den sorgensehweren Jahren
der beiden Ansiedlungen gedient, sondern
auch als Symbol und Bürgschaft für die
weitere friedliche Entwicklung dieser
Stämme in der grossen amerikanischen
Kepu])lik. flögen sieh die Worte, welche
Pastori US vor mehr als 200 Jahren der
deutschen Nachkommenschaft der ersten
Germantowner zurief, verwirkliehen ! „Heil
Dir, deutsches Brudervolk!"
Die ersten deutschen Einwanderer, die Gruendung
Germantowns und Franz Daniel Pastorius.
Nach OSWALD SEIDENSTICKER und Prof. M. D. LEARNED.
Die erste grössere deutsche Einwande-
rimg erfolgte am 6. Oktober 1683 und lan-
dete in Philadelphia. Vielleicht hätte na-
hezu ein halbes Jahrhundert früher ein Zug
von Deutschen nach Amerika stattgefim-
den, wenn Gustav Adolph 's projektirte
Handels- und Kolonisa tions - Gesellschaft
ihre Zwecke luid Ziele hätte verwirklichen
können und nicht durch des König 's Tod
auf dem Schlachtfelde von Lützen am 16.
November 1632 in 's Stocken gerathen
wäre. Dieser hatte es bei seinen Plänen
auf eine starke Betheiligung der Deutschen
abgesehen und liess durch Wilhelm Usse-
linx luiter Zusicherung erheblicher Vor-
theile eine Aufforderung an sie ergehen,
sich dem Unternehmen anzuschliessen. Ein
INIemorial führt den Titel : „Älercurius Ger-
maniae, das ist Sonderbare Anweisung für
Teutschland Wie beneben dem Allgemeinen
Wesen der Kaufhandel und Seefahrt und
insgemein alle Nahrung darinnen sehr zu
vermehren und zu verbessern. Also dass
selbige Lande hierdurch zu ihrem vorigen
Flor luid Wohlstand in Kurtzem wieder-
umb gelangen mögen." Es wird im Ver-
lauf dieser „Sonderbahren Anweisung"
daran erinnert, dass ,, Teutschland durch
die Tyranney und Räuberey wie auch das
wilde imordentliche Wesen des kaiserlichen
imd spanischen Kriegsvolkes seiner Nah-
rung und Wohlstandes beraubt und fast
gänzlich ruinirt worden."
Die schwedische Majestät sicherte der
deutschen Nation eigene Geschäftsführung
und Ausrüstung von Schiffen nach Belie-
ben. LTsselinx weist nach, dass Deutschland
bei dem Unternehmen mehr gewinnen wer-
de, als Schweden. Gustav Adolph erlebte
die Verwirklichung seiner Pläne nicht.
Zu einer schwedischen Niederlassung in
Amerika kam es erst, als der in schwedische
Dienste übergetretene erste Gouverneur
von Neu-Amsterdam, Peter ]\Lnuit, im
Jahre 1638 mit den beiden Schiffen
„Schlüssel von Colmar" und „ Vogel
Greif" das Ufer des Delaware erreichte.
Unter den Passagieren befanden sieh meh-
rere Deutsche, doch war ihre Zahl im Ver-
hältniss zu den Schweden gering.
Als der deutsche Edelmann John Printz
von Buchau, der unter Gustav Adolph im
dreissigjährigem Kriege ein Kommando ge-
führt hatte, im Jahre 1642 als Gouverneur
nach Neu-Schweden kam, befanden sich
imter seiner militärischen Begleitung auch
Leute, deren Namen deutschen Ursprungs
waren, wie Hans Lüneburger, Jürgen
Schnee weiss, Peter Mai j er, Constantin
Grüneberg, Isaac von Eysen u. a. m. Die
schwedische Kolonie umfasste Delaware
und den angrenzenden Theil von Pennsyl-
vanien. Die Gerichts-Verhandlungen, die
in dem heutigen Chester stattfanden, imd
die Unterhandlimgen mit den Holländern
wurden meist in deutscher Sprache ge-
führt; auch die kirchlichen Verhältnisse
weisen darauf hin, dass die schwedische
Kolonie eine bedeutende Anzahl deutscher
Ansiedler aufwies. Die Holländer erober-
ten später die schwedische Kolonie, wurden
aber im Jahre 1668 von den Engländern
32 DIE ERSTEX DEUTSCHEN EINWANDERER, DIE GRUENDUNG GERMANTOWN.
viTilräiijrt. An die Sclnvedenzeit erinnert
jioch die ..Gloria l)ei"- oder ..Cid Swcdes'"-
Kii-elie im siidliehen Theile des heutiiren
Philrulelphia. den die Indianer ..AVieea-
eoa" nannten, was sd viel wie ..angreneluner
l*Iatz" bedeutet.
Der dreissitrjähriire Kriecf, dnreh welchen
Dentscliland vollständijr verwüstet wDrdcii
war. hatte indes.sen daselbst den Wunsch.
die Stätte der Greuel mid der reli»iösen Be-
drückunir /u Nci-lasscn. inniicr lebhafter
sich unter Gefahren aller Art ein neues
\'aterland gründen wollten.
Darin, sowie in der Bedrückung und Ver-
folgung der ausserhalb der drei Konfessio-
nen, der Katholiken. Lutheraner und Re-
forniirten. denen durch den westphälischen
Frieden Religionsfreiheit garantirt worden
war. stehenden religiösen Genieinsehaften
ist die IIaui)tursache zu der Auswanderung
der Deutschen in grossem Stil zu suchen.
Die .Mennoniten. die Sehwenkfelder, die
werden lassen. Die Leute, welche sich
vollständiger Verarmung gegenübersahen,
hatten den ]\Iuth verloren, an der Stätte,
welche den Niedergang ihres Glücks gese-
hen, von Neuem wiederanzufangen. Sie
waren auf eine Auswanderung angewiesen,
und zu ihnen gesellten sieh die imzufriede-
nen Charaktere, die Bedrückten und Ver-
triebenen, die Glücksjäger und Abenteurer,
welche der alten Ileimath müde geworden
waren imd fern derselben in wildem Ringen
Pietisten und ^Mystiker sahen sich in den
stürmischen Jahren, welche unter den
Nachwirkungen des Krieges zu leiden hat-
ten, stetiger Anfeindung gegenüber. Die
Quäker nahmen innigen Antheil an ihren
Brüdern im fremden Lande, die ebenso
wie sie steten Verfolgungen ausgesetzt wa-
ren. Verschiedenen Quäker-Aposteln ge-
lang es, namentlich imter den Mennoniten,
deren Glaubenslehre jede Gegenwehr und
das Führen des Schwertes, sowie den
DIE BESTEN DEUTSCHEN EINWANDERER, DIE GRUENDUNG GERMANTOWN.
33
Schwur als Eutheiligimg des Namens
Gottes verbot, Anhänger zu gewinnen.
William Penn besuchte zweimal, in den
Jahren 1671 und 1677, Deutschland. Er
richtete Dankschreiben an den Bürger-
meister und Rath der Stadt Danzig und
die Obrigkeit von Emden, in welchen er um
Duldung für seine leidenden Freunde er-
suchte. Auf seiner zweiten Reise erwarb
er sich namentlich unter den Pietisten in
Frankfurt am Main viele Freunde, und sie
bildeten im Jahre 1682 die „Frankfurter
Compagnie", welche 15,000 Acker in Penn-
sylvanien ankaufte.
Am 16. November 1682 kehrte ein junger
Rechtsgelehrter, Franz Daniel Pastorius,
geboren am 26. September 1651 in Som-
mershausen in Franken, ein Sohn des spä-
teren AVindsheimer Bürgermeisters Mel-
chior Adam Pastorius, nach einer Reise
durch verschiedene Länder Europa 's, die
er als Hofmeister des Junkers Johann Bo-
naventura von Bodeck gemacht hatte, nach
Frankfurt am Main zurück, um die Rechts-
praxis wieder aufzunehmen. Pastorius
hatte an der Universität Altdorf Jurispru-
denz unter Professor Ernestus Cregelius,
zugleich aber auch klassische imd orienta-
lische Sprachen studirt. Er bestand da-
selbst am 25. November 1676 sein Examen,
prakticirte zunächst in "Windsheim und
siedelte dann nach Frankfurt am Main
über. Er hatte übrigens während seiner
Studienzeit auch die Universitäten Strass-
burg und Basel, wo er sich mit der franzö-
sischen, und Jena besucht, wo er sich mit
der italienischen Sprache vertraut machte.
Nach seiner Ankunft in Frankfurt wurde
er durch Dr. Herb, einen Schwager Dr.
Philipp Jacob Spener's, mit Letzterem und
anderen Pietisten bekannt. Seine Reisen
mit Junker von Bodeck führten Pastorius
nach Holland, England, Frankreich, der
Schweiz und einem Theile von Nord-
deutschland. Sie dauerten vom 26. Juni
1680 bis 18. November 1682. In seiner in
englischer Sprache verfassten Selbstbio-
graphie, die sich wohlerhalten im Besitze
seiner Nachkommen befindet, schreibt er :
,,Bei meiner Rückkehr nach Frankfurt im
Jahre 1682 freute es mich, die Gesellschaft
meiner alten Bekannten und christlichen
Freunde, die sich in dem sogenannten
Saalhofe versammelten, wieder geniessen zu
dürfen, nämlich Dr. Spener, Dr. Schütz,
Notar Fenda, Jakob Van de Walle, Älaxi-
milian Lersner, Eleonore von ]\Ierlau,
Maria Juliane Bauer u. s. w. Diese er-
wähnten zuweilen William Penn von Penn-
sylvanien und zeigten mir Briefe von Ben-
jamin Furly, auch eine gedruckte Nach-
richt über die besagte Provinz ; endlieh
konnte mir das Geheimniss nicht mehr vor-
enthalten werden, dass sie 15,000 Acker
Land in diesem entfernten Welttheile kau-
fen wollten. Einige waren fest entschlos-
sen, sich mit Familie imd Allem dorthin
zu begeben. Sie erweckten in meiner
Seele eine Sehnsucht, in ihrer Gesellschaft
zu verbleiben und mit ihnen ein ruhiges,
gottseliges und ehrbares Leben in einer
wilden Wüstenei zu führen."
Pastorius wurde zum Agenten und Be-
vollmächtigten der Gesellschaft erwählt.
Er sollte die Bebauimg des Bodens anord-
nen, Arbeiter anwerben, Theile des Landes
an Andere abtreten und die jährlichen Re-
venuen oder Pachten einziehen. Er sollte
im Verhältnis zu letzteren entschädigt
w^erden. Die Vollmacht war unterzeichnet
von Jacobus Van de Walle, Johann Wil-
helm Petei-sen und seiner Frau, geb.
Eleonore von Merlan, Daniel Behaghel,
Johann Jacob Schütz, Caspar Merian,
Franz Daniel Pastorius.
William Penn, der übrigens nebenbei be-
merkt, mit Wühelmine Marie Springett
vermählt wm; natte im Jahre 1681 es
durchgesetzt, dass ihm an Zahlungsstatt für
eine Schuld von 16,000 Pfund, welche die
britische Regienmg an seinen verstorbenen
Vater, den Admiral gleichen Namens, zu
zahlen hatte, der nördlich von Maryland
gelegene Landstrich, welcher dem Admiral
34 DIE ERSTEN DEUTSCHKX KINWANDERER, DIE GRUENDUXG GERMANTOWX.
zvi VAwm lU'ii Xaiiu'ii PiMinsylvaiiien i-r-
lialten hatte, als Lehn tiejjt'lH'ii wurde. Die
könisli'-lK' Hestätit-'unfr dieser Schenkung'
erfoljrte am 4. Mär/ ItiSl. Bald darauf
ei-sehieu in London eine Besehreibung
Pennsylvanien's. in welelier seine Vorzüge
für Auswanderer gehülirend liervorgehoben
wurden, und in Aiusterdani eine soh-lie in
deutsj'her Spraehe unter f(tlgendeiu Titel:
,.Kine I Xaeh rieht | wegen der Landsehaft |
Pennsylvania | in | Anieriea: | AVelehe |
Jüngstens luiter dem Grossen Siegel | in |
r:ngelland | an | AVilliani Penn. &e. | Sambt
den Fi-eyheiten und der :\Iaeht ] so zu be-
höriger I guten Regierung derselben nötig ]
übergeben woi'den \ und | Zum Unterricht
derer | so etwan bereits bewogen | oder
noeh I möchten bewogen werden | umb sich
Selbsten darhin { zu begeben ] oder einige
Bediente und Gesinde j an diesen Ort zu
senden | hiermit kund gethan wird. | Aus
d«'m in London gedrucktem und aldar bey
P>en.jamin Clarck j Buchhändlern in Geor-
ge-Yard Lombard-street befindlichem | Eng-
lischen übersetzet. ] Nebenst beygefügtem
ehemaligem im 1675. Jahr gedrucktem |
Schreiben des obcrwehnten Will. Penns. |
In Amsterdam gcdi-uckt bey Christoft'
Cnnn.d.n. I Tm Jahr 1G8L"
Penn war im Herbst des Jahres 1681
nach seinem neuen Besitz gekommen. Vor
iinn waren zwei Deutsche. Heinrich Frey
und ein gewisser Plattenbach, nach Pcnn-
sylvanicn gekommen. In der Zeit vom 8.
.Mai l>is zum ti. Juni UiS;j kaufte Pastorius
in London ir),()UO Acker Land in Pennsyl-
vanien für die Frankfurter Gesellschaft.
Er fuhr am 6. Juni 1683 an Bord der
,, America" nach Philadelphia ab. Am 20.
August langte er in Philadelpiiia an. Seine
Baarschaft bestand im Ganzen aus einund-
achtzig Pfund, davon hatte ihm sein Vater
250 Keichsthaler und Junker Bodeck 20
Reichstiialer für die Reise mitgegeben. AVas
er sonst mitnahm, zählt Pastorius. wie
folgt, auf:
An Sill)erwerk nahm ich mit mir:
Ein Sackührgen. .so ich in Engelland ein-
tauschte gegen deme. welches mir Frau
Banrin verehrt hatte.
Meine gewöhnlichen löfel.
Neun Dutzend glatte knöpf.
Drey j)aar Hembdcr knöpf.
An -Messing &c.
Einen Ring e.\ Mercurio coagulato.
Mein pettschatt't mit silbern plättg F I) I'.
Ein zusammenfaltende gold wag in kupfer-
ner Tos.
Ein tabac Tos. Zwey Circuln.
Ein Sonnenweiser. Zwey Schnupftabac
büchsgen.
Ein bleyweis-feder. Scliueschnallen.
Ein metallen Glöcklein.
An Zinn mid Blech.
En Buttcrbüchs. dii' mir Doctor Schütz
zur reisgedächtniss gab.
Zwey rieb-ei.sgen. 6 Dutzend zinnerne
Knöpf.
Ein breit feder-rohr. Futteral zur Tal)ack-
pfeif.
Ein dreyeckigte büchs. Hosen sacken.
An Eisen.
Zwey Schlüsselring. Ein .schuesporn. Zwey
Vo r h a n gsc h 1 össe r .
Stählerne Sclnieschnailen.
An ]Mes.sern &c.
p]in taschenmesser mit schiltkrotteu helft.
Ein andei-s mit hirschbeinen hefft.
Ein weisz niesser u. gabel. Zwey feder-
messer.
Drey Seheer-messer. Zwey Scheeren.
An Bein und Hörn.
Ein heltfenbein. papier zu falten.
Zwey Zahnbürstg. Ein rothlöfelgen.
Poudre beutel Haubt. Zwey biesem büxgen.
Schreibzeug. Zwey Schnuptabae Tosgen.
Etliche Kämm.
DIE ERSTEN DEUTSCHEN EINWANDERER, DIE GRUENDUNG GERMANTOWN.
35
An Gläsern.
I}in Perspectib. Zwey Ferngläser.
Ein paar äugen gläser. Ein Spiegel.
An andern Dingen.
Ein Flinten röhr, so mir Jacobus van de
Walle verehrt.
Ein Scheerinesser-stein. Ein blau prob-
steiu.
An Linneuzeug.
JZwolff neue, und etliche alte Hembder.
Acht Schlaff- und Drey Paruquen mützgen.
Sechszehn lange Halsbinden.
Zwolff weise- und acht gefärbte nastücher.
Sechs paar weisz leinen Strumpf.
Acht paar Socken. Ein lange Handquell.
An Kleidern.
Zwey gestrickte Schlaffniützen.
Zwey Hauben aus schwarzem Krep.
Ein Haub von braunem Krep.
Zwey graue Hut.
Ein blauen ^Mantel.
Ein ])raun tüchern langen Oberrock.
Zwey lackene rock mit zwey paar Hosen.
Ein tüchern- und Ein ledern Camisol.
Ein weisz Zeugen Camisol. Ein ledern
Gürtel.
Ein paar lederne Hosen.
Zwey paar lederne strumpf.
Zwey paar gestrickte strumpf.
Ein paar Handschue.
Zwey paar Schue. Ein paar Pantofeln.
Ein paar überzihstiefel.
Noch hatte ich eine schwartze reiskist;
Span. röhr.
Ein heltzern kistgen.
Ein bleyern Schreibzeug. Ein Schwamm.
Ein Kehrbür.st.
ledern federrohr. ledernen garn Tos. 2
Riech-büxgen.
Am Tage nach seiner Ankunft in Phila-
delphia hatte Pastorius sein Beglaubigungs-
schreiben dem Eigenthümer der Provinz,
William Penn, unterbreitet und war von
ihm sowie dessen deutschem Sekretär Jo-
hann Lehenmann freundlich empfangen
worden. Penn sandte ihm häufig Einla-
dimgen zum Essen, zu Spaziergängen und
Ausritten und suchte ihn sogar in seiner
Hütte auf. Er forderte ihn auf, ihn mehr-
mals in der Woche zu besuchen, und er-
klärte einst in Pastorius' Gegenwart seinen
Käthen : ,,Ich habe die Deutschen gern und
wünsche, dass auch Ihr sie lieben möget."
Später stellte Penn auf eine Anfrage des
älteren Pastorius, wie sich sein Sohn in
Amerika aufführe, Franz Daniel Pastorius
das Zeugniss aus, er sei ein nüchterner,
rechtschaffener, kluger und frommer ]\Iann.
der sich unter Allen des besten und unbe-
scholtensten Rufes erfreue. Zwischen Pcini
und Pastorius bestand auch in Zukimft ein
Verhältniss gegenseitiger Hochachtung und
Freundschaft.
Die erste grössere Ansiedler-Gruppe,
welche nach Pennsylvanien hinüberkam
und welche die erste deutsche Einwande-
rung darstellte, bestand aus dreizehn Fa-
milien. Sie fuhren am 24. Juli 1683 vmi
Gravesend an Bord der „Concord" ab.
Ueber die ,,Mayfiower" der deutsehen Pil-
grim- Väter, die „Concord", berichtet der
Quäker imd Londoner Kaufmann James
Claj^poole, wie folgt:
„Das Schiff ist die „Concord." Kapitän
Jeffries, mit einer Kapazität von fünfhun-
dert Tonnen oder mehr. Es führt 26 Ka-
nonen und ist mit vierzig Matrosen be-
mannt. Der Kapitän ist ein sehr freundli-
cher und höflicher ]Mann und ist sieben oder
acht Mal an der dortigen Küste gewesen,
daher er sie gut kennt.
Die „Concord" ist ein vortreffliche;,
tüchtiges, stark gebautes Fahrzeug, für
Passagiere bequem eingerichtet, das beste,
das nach Westindien fährt. Es kann hun-
dertundachtzig Passagiere nehmen, was e;
leicht thun kann. Es misst auf dem Zwi-
schendeck 180 Fuss in Läng(^ und 'A2 Fuss
Breite. Für grössere Familien werden be-
sondere Räume eingerichtet, wo sie mit
ihren Betten etc. für sich sein können. Was
3C.
DIE ERSTEN DEUTSCHEN EINWANT)ERER, DTE GRUENDUNG GERMANTOWN.
di.' Vcrproviiiiitiniiifr betrifft. s(» werden
wir den .Metz^rer. Häeker und Brauer sio\hst
wählen. Andere Hequendiehkeiten und
Einriehtunfren zu erwähnen, wäre zu weit-
läutijr. Wejren der Kanonen, die im Wegre
sein uiöehten. hat der Kapitän vei-sproehen,
etwa ein Drittel in den unteren Kaum zu
stauen. Das Fahrj^'eld hetrii^'t fünf l'fund
für l'ersonen ühi'r zwölf .Jahren, und füuf-
zi«r Shilling: für Kinder unter zwölf Jahren,
ausfren<»ninien Säutrlinjre unter einem Jahre,
Klleiiwaaren werden zu vierzig Shilling die
Tonne. (Jeträid<e zu viennidzwanzig Shil-
ling die Tonne hereehnct. rntci- diesem
Preise können Kigenthümer und Kapitäne
weder l'a.ssagiere noch l^adung nelnnen.
es sei denn nach Virgin ien. Bai'l)adoes oder
einem anderen IMatze. wo Hüekfahi't sieher
ist. Was für Artikel sieh am l^esten zur
Ausfuhr eignen, darüber kann ieh kaum
eiiu'n Kath ertheilen. aber Butter und Käse
niöeiiten am IMatze sein, aueh Kleidungs-
.stüeke für zwei oder drei Jahre; Eisenma-
terialien zum Hauen. Handwerkszeug für
Arbeiter jegliehei- Art. Stricke. Fischnetze,
Flinten, um Vögel und wilde Thiere zu
jagen, ete."
Das SehifT hatte viele be(iueme Sehlaf-
stellen. auch einige l'rivat-Kabinen für Fa-
milien. Vierzehn Oeiisen. dreissig P^'a.ss
Bier nebst hinreichendem Brod und Wasser
bildeten den Proviant. Die Reise dauerte
ziendich lange. Die ..Concord" l)ehielt die
Küste von England drei W^ochen lang in
Sicht und Idaiiclite dann 40 Tage, ehe Land
in Sicht kam. Die Landung erfolgte am 6.
Oktober 1683. Auf der Reise war die Zahl
der deutschen Auswanderer um einen ver-
mehrt worden. Johann Bleickers wurde
nändich initt-rwegs von seiner Frau mit
«'inem Knäblein beschenkt. Die Auswan-
derer wurden von Franz Daniel Pastorius
empfangen. Tu den einleitenden Worten,
womit F. D. Pastorius das bis vor Kurzem
in der Recorder 's Office zu Philadelphia
aufbewahrte, dann in den Besitz der Histo-
rischen Gesellschaft von Pennsvlvanien
übergegangene „Grund und Lagerbuch
von Germantown" eröffnet, sind die
^länner. welche an der Spitze der
deut.schen Einwanderung stehen, der Nach-
welt genaiuit worden. ..Bald darauf,"
sagt Pastorius. ..den H. des Monats Oktol)ri}i
kamen ebenfalls in besagtem Philadelphia
an: Dirk und Ilerman und Abraham
Isaaks ()p den (iräff. Lenert Arets, Tünes
Kunders, Reinert Tisen, Wilhelm Strepers,
Jan Lensen, Peter Keurlis, Jan Simens,
Johann Bleickers. Abraham Tünes und
Jan Lücken mit dero respective W^eibern,
Kindern inul Gesind, zusannnen ]'■] Fa-
milien."
Die Genannten waren fast alle Familien-
väter aus Crefeld, wo sich eine stark be-
drückte Quäker-Gemeinde befand, und
dessen rnigebung. Der Webstuhl im
Stadtwai)pen von Germantown hatte seine
Berechtigung, denn es waren der Mehrzahl
nach Leinweber, die mit der ..Concord"
nach Philadelphia kamen. Sie waren mit-
einander verwandt und verschwägert. Die
drei Op den Grafts waren Brüder und
stammten aus einer alten mennonitischen
Familie. Ihr Gros.svater Herman op den
Gräff' war einer der Unterzeichner des im
Jahre 1632 von der Synode in Dordrecht
angenonnuenen mennoniti.schen Glaubens-
15ekenntnis.ses. Auch ihre Schwester Älar-
garethe kam mit den Brüdern. Wilhelm
Strepers war ein Vetter der Op den Gräffs.
Kunders und Arets waren mit Schwestern
v(m Strepers verheirathet, und Jan Stre-
pers' Frau war eine Schwester von Reinart
Tisen. Auch die anderen dürften mit
einander verwandt gewesen sein.
Am 6. Oktober waren die Einwanderer
gelandet, am 2-4. fand die Vermessung statt,
am 25. verloosten sie die Baustellen und
fingen an, die Keller auszugra])en. Noch
vor Eintritt der kalten Jahreszeit waren
die Hütten fertig, in denen sie den Winter
nicht ohne ,, Beschwerlichkeit" zubrachten.
Es fehlte vor allen Dingen an Nahrungs-
mitteln. Es wurde sogar vorgeschlagen,
DIE ERSTEN DEUTSCHEN EINWANDERER. DIE GRUENDUNG GERMANTOWN.
37
■die Stadt statt Gerinantown ArinentDwn zu
jiennen. In dem Winter von 1683 imd 1684
wurden die ersten Heimstätten fertig ge-
stellt. Die kleine Niederlassung erhielt auf
die Kunde, dass William Penn völlige Re-
ligionsfreiheit garantirt hätte, beständig
Zuzug, namentlich aus Crefeld. ^Mülheim
und Krisheim (Kriegsheim bei Worms)
und dem westlichen Deutschland.
Die Einwanderer hatten geglaubt, ihr
von der Gesellschaft angekauftes Grundei-
genthum in einem Stücke an einem schiff-
baren Flusse wählen zu dürfen, aber darin
wurde ihnen nicht gewillfahrt. Penn bot
ihnen am Schuylkill. etwa 8 Meilen ober-
halb der Stadt, wo jetzt ]\Ianayunk liegt,
eine Strecke Landes an : dies wurde wegen
Elin Blockhaus, wie es die ersten Ansiedler in Amerika bauten.
allzu unebenen Terrains (..seiner hohen Ge-
bürg halber") abgelehnt. Darauf einigte
man sich über das weiter landeinwärts gele-
gene und flachere Gebiet, worauf German-
town erbaut ist; ein Theil dieses Landes
reichte bis an den Schuylkill; als aber das
nächste Jahr auf Penn 's Anordnung das
Land neu vermessen wurde, mussten die
Deutschen es sich gefallen lassen, dass der
an den Fluss grenzende Strich, etwa
eintausend Acker enthaltend, abgeschnit-
ten wurde. Die Grösse des Gebiets,
welches nunmehr die „German Town-
ship" hiess, betrug 5700 Acker, also
etwas über Sy^ englische Quadratmeilen ;
€S erstreckte sich aber weit mehr in die
Tiänge als in die Breite und reichte noch
über den obern Lauf des W^issahickon, jen-
seits von Chestnut Hill, hinaus.
Von diesen 5700 kamen nur 2675 Acker
auf den Antheil der Frankfurter Gesell-
schaft. In der Stadt Philadelphia, wo die
Bauplätze, damals Loose (Lots) genannt,
so ziemlich alle vergeben waren, erhielt
Pastorius für die Gesellschaft drei volle
Stellen (102 Fuss breit und -100 Fuss tief)
im südlichen Theile der Front und Zweiten
Strasse, die ui-sprünglieh für William
Penn 's Sohn bestiunnt waren.
In das Grundbuch von Germantown hat
Pastorius in lateinischer Sprache einen
Gruss eingetragen, der in Oswald Seiden-
sticker 's Uebersetzung. wie folgt, lautet:
..Sei gegrüsst, Nachkommenschaft ! Nach-
komm«ischaft in Germanapolis ! Und er-
fahre zuvörderst aus dem Inhalte der fol-
genden Seite, dass deine Eltern imd Vor-
fahren Deutschland, das holde Land, das
sie geboren und genährt, in freiwilliger
Verbannung verlassen haben (oh! ihr hei-
mischen Herde!), um in diesem waldrei-
chen Pennsylvanien. in der öden Einsam-
keit, minder sorgenvoll den Rest ihres Le-
bens in deutscher Weise, d. h. wie Brüder,
zuzubringen.
Erfahre auch ferner, wie mühselig es
war. nach Ueberschiffimg des atlantischen
Meeres in diesem Striche Nord-Amerika 's
den deutschen Stamm zu gründen. Und
du. geliebte Reihe der Enkel, wo wir ein
]\Iuster des Rechten waren, ahme unser
Beispiel nach. Wo wir aber, wie reumüthig
anerkannt wird, von dem so schweren
Pfade abgewichen sind, vergieb uns, und
mögen die Gefahren, die Andere liefen,
dich vorsichtig machen. Heil dir. deut-
sches Brudervolk ! Heil dir auf immer ! ' '
Das erste Gemeindehaus war eine aus
Fichten-Brettern zusammengenagelte Hüt-
te. Im Jahre 1686 wurde in Germantown
eine kleine Kirche gebaut, in der alle Be-
wohner der Ansiedlung gemeinsam beteten.
Doch fanden dort auch in I]rmangelung
eines passenden Gebäudes Gerichts-Sitzun-
38 DIE ERSTEN DEUTSCHEN EINWANDERER, DIE GRUENDUNÜ GERMANTOWN.
gen statt, l'ebrigens hatte Pastorius in der
ersten Zeit die Absieht, die Kolonie zu ver-
hissen und nach Deutsehhind zurückzukeh-
ren, wuiile aber von seinen Freunden AVm.
Penn, Thomas Uoyd und Dr. Griffith Owen
überredet zu bU'iben. Später scheint er
sich in sein Sdiicksal gefunden zu haben,
als er ein Haus nacli dem anderen errichten
sah und allmähiig Zufriedenheit ihren Ein-
zug hielt.
Am 6. November 1688 verheirathete er
sich mit Ennicke Klostermann, geboren am
15. Dezember UiöH in ^lülheim an der Ruhr
als Tochter eines Arztes. Sie brachte in
die Ehe mit :
^1// Silh(r(/(l(l. 'M. Reichsthaler oder
1V\). U)s. di.sslandisch.
An Kleidern :
Ein schwartz seiden Kaper, 12s.
3. reichleiber,
1. paar zeugerne Ermel,
1. tücheru hembdroek,
2. schwartz gronrasch Leibergen,
1. schwartz gronrasehen Schürtz,
2. blaue röek,
I. blau leinen Schürtz,
6. Sehützeltücher,
3. paar gestrickte strumpf,
3. paar gestrickte strumpf,
2. paar .schue, und 1. paar pantofeln.
An leinen Zeug:
ein yard Xesseltuch,
II. Ilollaiidsciu' Elen fein linnen,
8. hembdcr.
8. nastücher,
3. bett lacken,
4. Servieten,
5. halstücher,
4. l'nter.sten,
6. Kroplappen,
5. Sonnentüeher,
5. Kappen,
18. Dreckmützen.
An Hausgeräth :
eine neue kist,
1.' Spinnrad sammt haspel.
An Büchern :
Jerem. Dyckens würdiger Tisehge-
noss. 12s.
Saldeni Christliche Kinder-schuel. 12s.
Christliches Gedenkbüchlein. 24s.
Im nächsten Jahre kaufte die junge
Frau 50 Acker Land in Germantown. Der
Ehe entsprossen zwei Söhne, Johann Sa-
muel, geb. 30. :März 1690, und Heinrich,
geb. 1. Ai)ril Uii)2. Der ältre lernte bei
Paul Kästner die Weberei, der jüngere
wurde später Schuhmacher. Mit seinem
Vater unterhielt Pastorius eine lebhafte
Korrespondenz. Auch Frau und Söhne
schrieben häufig an ihn.
Seiner Religion nach war Pastorius
Lutheraner; sein Vater, der Katholik war,
hatte in Sommershausen sich zum Ueber-
tritt zur lutherischen Kirche veranlasst ge-
fühlt. Ob Franz Daniel Pastorius zu den
Pietisten oder Quäkern übergetreten war
imd seinen Glauben gewechselt hatte, ist
nicht bekannt. Dem evangelischen Pastor
Fabricus in Philadelphia macht Pastorius
den Vorwurf, dass er dem Trünke ergeben
sei und sich um den inneren ^lenschen
nicht kümmere. Das aber steht fest, dass
Pastorius mid seine deutschen P>eunde die
Versammlungen der Quäker besuchten. Er
fertigte Kopien von Gebet- und Ritual-
Büchern für Quäker-Gemeinden in Chester,
New Castle und Bucks County an. Er er-
hielt dafür 10 Pfund. Der Zuzug von wei-
teren ^lennoniten sowie Reformirten in
Germantown gab wiederholt zu religiösen
Kontroversen Anlass.
Inkorporirt wurde Germantown im Jahre
1689. Im Jahre vorher war der Protest der
Deutschen gegen die Neger-Sklaverei er-
folgt und der Quäker- Versammlung unter-
breitet worden. Das historisch denkwür-
dige Dokument, das natürlich in englischer
Sprache abgefasst und in Pa.storius' Hand-
schrift geschrieben war, lautet in deutscher
Uebersetzung, wie folgt :
„Aus folgenden Gründen sind wir gegen
den Menschenhandel. Gibt es irgend
DIE ERSTEN DEUTSCHEN EINWANDERER, DIE GRUENDUNG GERMANTOWN.
39
Jemand, der es zufrieden wäre, wenn ihm
so geschähe, oder wenn man ihn so behan-
delte, nämlich ihn verkaufte, und für seine
ganze Lebenszeit zum Sklaven machte?
Wie erschrocken sind viele auf der See,
wenn ihnen ein fremdes Schiff begegnet
und sie fürchten, es sei ein Türke, der sie
gefangen nehmen und sie in der Türkei als
Sclaven verkaufen könnte ! In wie fern
aber ist Jenes besser, als was die Türken
thun ? Eher ist es schlechter seitens Derer,
die sich Christen nennen. Wir hören, dass
die meisten Neger gegen ihren Willen hier-
her gebracht werden, und dass viele der-
ben gestohlen sind. Sie sind allerdings
schwarz, aber wir begreifen nicht, wie das
ein besseres Recht gibt, sie zu Sclaven zu
machen, als weisse zu halten. Es ist luis
gesagt, wir sollen allen Menschen thun. wie
wir wünschen, dass uns selbst geschehe ;
kein Unterschied wird gemacht mit Rück-
sicht auf Nation, Abstammung und Farbe.
Auch ist es gleich, ob man I\Iensehen stiehlt
und raubt, oder ob man sie kauft und ver-
handelt. Es bestellt hier zu Lande Freiheit
des Gewissens, das ist recht und vernünf-
tig; aber auch dem Leibe kommt Freiheit
zu, es müsste denn ein Verbrecher sein,
was eine ganz andere Sache ist. Aber da-
gegen, dass man ^lenschen hierher bringt,
sie raubt und gegen ihren Willen verkauft,
erheben wir Einsprache. In Europa müs-
sen Viele Unterdrückung leiden, des Gewis-
sens halber; hier unterdrückt man Slen-
schen von schwarzer Hautfarbe.
,,Wir wi.ssen, dass wir keinen Ehebruch
begehen sollen ; es begehen aber ^Manche
Ehebruch in der Person Anderer, indem
sie Frauen von ihren Männern trennen und
andern übergeben. Einige verkaufen die
Kinder dieser armen Geschöpfe an Fremde.
Ach, überlegt doch, die ihr dies thut. ob
ihr möchtet, dass euch so geschehe, und
ob dies mit dem Christenthum überein-
stimmt. Nicht in Holland und nicht in
Deutschland geht man so weit. Es bringt
euch in schlimmen Ruf, wenn man in
Europa erzählt, dass die Quäker hier mit
JMenschen verfahren, wie'' man dort mit dem
Vieh verfährt. Aus dem Grunde haben
Viele keine Lust und keine Neigung hier-
her zu kommen. Wer könnte auch für eure
Sache einstehen und sie vertheidigen ?
Fürwahr, wir können es nicht, es sei denn,
dass ihr uns eines Besseren belehrt und
überzeugt, Christen dürfen dergleichen
thun. Was in der Welt kann uns Schlim-
meres zustossen, als wenn man uns raubt,
stiehlt, in fremde Länder als Sclaven ver-
kauft, den ]\Iann von Frau und Kindern
trennt? Und da dies nicht nach der Weise
ist, wie wir wünschen, dass uns geschehe,
so legen wir Einsprache ein und erklären
uns gegen den IMenschenhandel. Wer an-
erkennt, dass es unrecht ist, zu stehlen, der
soll auch das Gestohlene nicht kaufen,
sondern vielmehr dazu helfen, dem Rauben
und Stehlen, wo möglich, ein Ende zu
machen. Jene ^Menschen sollten aus den
Händen der Räuber erlöst und, wie in
Europa, auf freien Fuss gesetzt werden.
Dann wird Pennsylvanien einen guten Ruf
erlangen, statt des schlechten, den es dieser
Sache halber jetzt in andern Ländern hat.
Dazu kommt, dass die Europäer gern wis-
sen möchten, wie die Quäker ihre Provinz
regieren ; die meisten blicken auf uns mit
neidischem Auge.
..Wenn einmal diese Sclaven, die num
für so gottlos und hartnäckig hält, sich zu-
sammenrotten, für ihre Freiheit kämpfen
und ihre Herren und Herrinnen ebenso be-
handeln, Avie sie selbst von jenen behandelt
wurden, werden diese Herren und Herrin-
nen mit dem Schwerte in der Hand gegen
die armen Sclaven Krieg führen? Ja,
einige allerdings wohl, aber haben die Ne-
ger denn nicht so viel Recht ihre Freiheit
zu erkämpfen, wie ihr habt, sie in der
Knechtschaft zu halten ?
,,Ueberlegt die Sache wohl. Ist sie gut
oder schlecht? Findet ihr, dass es in Ord-
nung ist, die Schwarzen auf diese Weise zu
behaiulehi, so bitten und ersuchen wir euch
40
DIE ERSTEN DEUTSCHEN EINWANDERER, DIE GRUENDUNG GERMANTOWN.
hiermit in aller Liebe, uns zu belehren
(was bisher nie gresehehen ist), dass näni-
lieh Christen die Hefufrniss haben, so zu
verfahren ; auf dass wir über diesen Punkt
beruh i^'t werden und unsere Freunde und
Bckannti' in unserem Geburtslande beru-
hi^'en. Jetzt ist es für uns ein schreekli-
i'her Gedanke, dass man in Pennsylvanien
Mensehen auf diese Weise kneehtet.
„So gesehehen in unserer Versannnlung
zu Germantown am 18. des zweiten Monats
(d. Ii. A|)ril) 1()88. Der ^lonats- Versannn-
lung bei Kiehard AVorrell zu überweisen.
(Jarret Henderieks, Franeis Daniel
i*astorius. Direk Op den Graft",
Al)rahaiii ()|) den (rräft'.*"
In einer sehr diplomatiseh gehaltenen
Ei-klärung verziehteten die Quäker in ihrer
General-Vei-sannidung auf eine Be.sehluss-
fassung in Bezug auf den Protest. Die
Bedeutung desselben ist an anderer Stelle
gesehildert worden.
In wenigen Jahren arbeitete sieh das
fleissige Volk von Germantown aus dem
Gröbsten heraus, und die neue Ansiede-
lung erwarl) sich dui'ch ihi' freundiiehes
Aus.sehen und den gewerbliehen Fleiss der
Bewohner weit und ])ivit einen guten Leu-
mund.
Dureh die JÜtte der Stadt lief eine 60
Fuss breite Strasse, die mit Pfirsiehbäumen
eingefasst war. Jedes Wohnhaus hatte
einen Gemüsi^- luid Blumengarten, der 3
Aeker mass. Eine Querstra.sse. 40 P^uss
breit, durehsehnitt die Ilauj^tstrasse und
am Kreuzungspunkte befand sieh der
Marktplatz. Die Feldnuirk lag nördlich
und südlieh von der Stadt.
Bald waren die Früehte. welehe das er-
giebige P^rdreieh lieferte, hinreiehend, die
geringen Bedürfnis.se der Bewohner zu be-
friedigen. Was sie von dem gezogenen
Getreide nieht selbst verzehrten, vertausch-
ten sie gegen andere nützliche Artikel.
Selbst ein Handel mit dem Auslande kam
schon sehr früh in den Gang; das von den
Lidianeni gekaufte Pelzwerk ging naeh
England, Getreide und Vieh nach Bar-
badoes. Dafür erhielt nuui Zucker. Syrup^
Salz. Bianntwein. Mit den Indianern
standen sieh die Deutschen sehr gut. Be-
.sonders Pastorius war ihnen sehr gewogen.
Gewi.ss war es den Hlieinländern eine
fi'eudige Ueberra.sehung, als sie fanden,
dass die Weinranke in Pennsylvanien wild
wuehs. die Bäume des Waldes umschlin-
gend. Sclum bald nach ihrem Eintreffen
daehten sie daran, aueh hier, in ihrem
neuen Vaterlande. Reben zu ziehen, und
mit dem Ansuehen um Feld- uiul Garten-
sämereien vei'band Pastorius 1684 den Auf-
trag. ,,Weinfexer'' herzuschicken. So viel
versprach mi\n sich vom Weinbau, dass die
Traube im Kath.ssiegel von Gernunitown
einen Ehrenplatz erhielt.
Ein anderes Gewächs, das in German-
town mit \"(»r]iebe gezogen wurde, war der
Flachs, woran sich die Bearbeitung dessel-
ben durch Spinnen inid Weben schloss.
Pastorius versichert, dass das Ki-])]ü)ien
der jungen Stadt vornehm; ich (liesem In-
dustriezweige zu verdanken sei. ..Die In-
wohner dieser Stadt," sagt ei- an einer
andern Stelle. ..sind meistentheils Iland-
wei-ksleute. als Zeug-. Barchet- und Leine-
weber. Schneider. Schuster. Schlosser.
Zinnnerleute, die aber alle zumahl aueh
mit Ackerbau inid Viehzucht versehen
sind."
Till die in Germantown angefert igten
Stoft'e abzusetzen, diente das der P^rank-
furter Gesellschaft in Philadelphia zuge-
hörige Kaufhaus. ül)er welches Pastorius
die Oberaufsicht führte. Iliei- lagen schon
ein Jahr nach der Ankunft unserer Deut-
schen die Produkte ihres Gewerbfleisses
zum Verkauf aus. Auch die St nun pf We-
berei wurde mit entschiedeiu^m Erfolge be-
trieben, und die Strümi)fe von German-
town hielten sich lange Jahre im Philadel-
phier Markt als ein gesuchter und willkom-
mener Artikel.
DIE ERSTEN DEUTSCHEN EINWANDERER, DIE GRUENDUNG GERMANTOWN.
41
Das Rathssiegel von Gerinantown zeigte
in einem dreiblätterigen Kleeblatt eine
l^^'eintranbe, eine Flaehsblütbe und eine
Weber.spule und die lateinische Inschrift
„Vinum, Linum et Textrinum" (der Wein,
■der Lein, der Webeschrein). Dr. Brühl
in Cincinnati hat das Rathssiegel von Ger-
niantown zum Gegenstand des folgenden
<jredichtes gemacht :
Wie sinnig ..Wein, Lein, Webeschrein,"
Ja, Frohsinn. Ackerbau. Gewerbe
Das soll der Deutschen Banner sein.
Das ihr Svmbol. ihr stolzes Erbe !
Sie sollen ihre heitre Lust
Ins starre Yankeeleben tragen.
Froh soll ihr Herz in freier Brust
Nach ächter deutscher AVeise schlagen.
]Mit Reben soll der Hände Fieiss
Die waldumkräuzten Hügel krönen,
L^nd, kosten sie der Traube Preis,
Ihr Lied das stille Thal durchtönen.
Die Axt. der Spaten und der Pflug.
"Sie seien ihre Liebling.swaffen.
Den Urwald, d'rin der Wilde sehlug
Sein Zelt, in Gärten umzuschaffen.
Auch in der Werkstatt soll die Hand.
Die ems'ge, sich geschäftig rühren.
Und, an die Arbeit fest gebannt.
Den Hammer und die Spule führen.
Soll leiten der Paläste Bau.
Der Brücken, die das Dampfross tragen,
Der Dome, die in 's Aetherblau
INIit ihren stolzen Thürmen ragen !
So waren die deutschen Einwanderer in
kurzer Zeit dahin gelangt, an dem Platze,
den sie sich zur Heimath erkoren und ein-
gerichtet, die gewohnte Werkthätigkeit des
Taterlandes ins Leben zu rufen luid sich
der jungen Kolonie William Penn 's als
nützliche und geachtete Glieder einzurei-
lien. Das Saatfeld hatte de)i Wa'd gelich-
tet, Einfriedigungen durchschnitten als
Wehr und Grenzscheide die Feldmark,
freundliche Wohnungen, mit Sitzbänken zu
beiden Seiten der Thür, umschlossen Fami-
lien, bei denen Frohsinn wieder eingekehrt
war, in den Gärten mischte sich der Duft
deutscher Blumen, aus mitgebrachten
Sämereien entsprossen, mit dem der einhei-
mischen ; Weinrebe und Bienenstock ver-
hiessen die Würze, deren sich die Altväter
erfreut hatten. Wo wenige Jahre zuvor
noch des Waldes Schweigen geherrscht, da
schwirrte das WeberschitiHein, da pochte der
Hammer, da summte der friedliche Lärm
der Werkstatt, da ertönte das deutsche
W^ort zwischen Alten und Jungen, da
jauchzten blauäugige Kinder, die während
ihrer unerhört langen Ferien den Eltern
bei der Arbeit gerne halfen.
Nachdem Germantown im Jahre 1691
städtische Gerechtsame erhalten, bekleidete
Pastorius einmal das Amt des auf ein Jahr
gewählten Bürgermeisters und neunnull das
des Stadtschreibers.
Jahrmärkte fanden in Germantown vcmi
Jahre 1701 an alljährlich statt. Bei der
Ertheilung des Bürgerrechtes war eine Ge-
bühr von 1 Pfund Pennsylvanisehen Geldes
($2.66) zu entrichten, aber die Zahlung
derselben muss wohl beanstandet oder ver-
nachlässigt worden sein, denn ein Besehluss
im Jahre 1702 gewährt ..den jetzigen Be-
wohnern von Germantown" das Bürger-
recht frei mit der Verpflichtung, sich in
das dazu bestimmte Bürgerbuch einzuzeich-
nen. Die später Hinzukommenden hatten
6 Shilling zu entrichten.
Pastorius war als Gelehrter, Sprachkun-
diger, Schriftsteller und Dichter von
grosser Vielseitigkeit, dabei war er Lehrer,
Jurist, Schreiber und JMoralist. Er gab
unter Anderem eine Fibel, eine Beschrei-
bung Pennsylvaniens und vieles mehr
heraus. Für Arzt und Apotheker hat er
während seines Aufenthalts in Pennsylva-
nien nur 3 Shillinge ausgegeben. Er starb
in den letzten Tae-en des Jahres 1719. Wo
42
DIE ERSTEN DEUTSCHEN EINWANDERER, DIE GRUENDUNG GERMANTOWN.
er begraben liegt, weiss Niemand. Kein
Grabstein bi'zeichnet die letzte Ruhestätte
des Grüntiers Gerniantown's.
Ueber hundert Jahre, schreibt Oswald
Seidensticker. blirb Gerniantown, was sein
Name besagt!', eine deut.srhe Stadt. Doi't
predigte Wni. Penn IdSS in Tunes Kun-
der's Hause in deutscher Sprache, und Ge-
neral AVashington wohnte 1793 (Icni deut-
schen Gotte.sdienstc in der reforinirtcn
Kirche bei. als ihn das in Philadelpliia
grassirende gelbe F'ieber nöthigte. seinen
AVohnsitz zeitweilig nach Gennantown zu
vei-lcg{>n. liange Zeit war es die erste Rast-
stätte der ileutschen Einwanderer, die nach
Pcnnsylvanien zogen und sich über die
östlichen Bezirke, die Couutie^ von 3Iont-
Der Marktplatz von Germanlown in frueherer Zeil.
goniery. Berks. Laneaster, Lebanon. York.
Hucks. Lehigh und Xorthanipt( n verbrei-
teten. Noch länger blieb es der ^littel-
punkt des geistigen Verkehrs, der Ort. wo
deutsche Büclier und deutsclie Zeitiuigcii
herauskamen. Im Jahre 1738 errichtete
Christoph Sauerdort eine deutsche Drucke-
lei und Vei'lagshandlung. welche 40 Jcdire
lang erfolgreich bestand und dann nur
durch eine gewaltsame Katastroplie im
Strudel der Revolution unterging. In Ger-
mantown wurde 1748 die deutsche Bibel in
einer stattlichen (^uart-Ausgal)e gedru<'kt.
die erste Bibel, die auf dem we-itlichen
Kontinente in einer europäisclu n Spra<'he
erschien. Dort kam am 20. August 17:^!)
das erste Zeitungsblatt heraus, der „Hoch-
deutsch Pensylvanische Gesehiehtschrei-
ber", welcher den Reigen der deutsch-ame-
rikanischen Presse eröffnet. In German-
town war die erste amerikanische Papier-
mühle und erste Schriftgicsserei. Die In-
dustrie, welche die deutschen Leineweber
und Strumpfwirker von 1G83 begründet
hatten, erfreute sich während des folgenden*
Jahi'hunderts und darüber hinaus des
besten Rufes.
Lange Zeit gab es dort Jahrmärkte, wo
es in deutscher Weise beim Kaufen und
Zechen lustig herging, und der deutschen
Kiiulerspiele auf den Stra.ssen konnten sich
noch vor einem Menschenalter die älteren*
Leute erinnern. Diese wussten auch von.
Washington 's ehrlichem Freunde, dem
Oberbäckermeister der Armee, Chri.stoph
Ludwig, zu erzählen, der seine alten Tage-
in Gennantown verlebte und mit kräftiger
Stinniie die Vorübergehenden so munter
ansprach, dass es von ihm hiess: „Da kommt
un.ser General."
Jetzt freilich ist Alles anders gewoi-den.
Die ländliche Anmuth zog die Stadtbewoh-
iiei- von Philadeljjhia seit dem Anfang des
neunzehnten Jahrhunderts nach dem stillen-
Gennantown, und bald beschämten herr-
liche Landsitze die kleinen moosbewachse-
nen Steinhäuser der alten Ansiedler. In
dei- Ilauptstrasse verdrängten Kaufläden
die ehemaligen Wohnstätten. Die wach-
sende Zahl der Anglo-Amerikaner machte
dem Vorwalten der deutschen Sprache ein
Hnde. und selbst die Namen der Pioniere,,
wie Lücken. Schumacher, Jansen, Kunders,
nahmen ein englisches Gewand an, als
Lukens, Shoemaker. Johnson. Conrads.
Pastoiius' Nachkonunen. von welchen drei
den berühmten Namen ihres Vorfahren,
Franz Daniel, führen, können des.sen deut-
sche Schriften nicht lesen. Das deutsche
Germantown wurde allmälig ein Gegen-
stand der Tradition. Viele, die in German-
town wohnen, wissen sich von dessen Na-
men erst seit der grossen deutschen Feier
am 6. Oktober 1908. dem Tage des 225.jäh-
DIE BESTEN DEUTSCHEN EINWANDERER, DIE GRUENDUNG GERMANTOWN. 4$
rigen Jubiläums der ersten deutschen Ein-
wanderimg, Rechenschaft zu geben. Seit
dem Jahr 1854 hat es aufgehört, eine be-
sondere Ortschaft zu sein. An die grosse
Nachbarstadt annektirt, bildet es die 22ste
Ward von Philadelphia. Die Zustände der
alten Zeit mutlien uns an wie ein verklun-
genes Idyll, eine traumhafte Sage. Aber
mag die pietätlose Gegenwart, die nur ein
Auge für den ]\Iarktwerth des Grund und
Bodens hat. in unserm Germantown weiter
nichts finden als eine Anzahl von Häusern
und Baustellen einer Ward von Philadel-
phia, für den Deutschen der Ver. Staaten
wird es stets eine denkwürdige Stätte blei-
ben. geM'eiht durch die Erinnerung an die
'^ - ...
Pioniere' von 1683, die sich hier eine neue
Heimath in der neuen Welt schufen imd
die grossartige Wanderung der Deutschen
nach Amerika einleiteten.
Professor A. P. FAUST.
htv BmtBtl^m in Ammka.
DIE DEUTSCHEN AUSWANDERER.
Von Pastor J. HOFMANN. Baltimore.
1. DIE DEUTSCHEN PILGER VAETER.
Das 17. .Tahrhuxdert.
Erschein uns, vorlieissene Ferne!
Du strahlst herauf
Aus sinkender Sonne,
Du grüssest uns aus dem Abendsterne.
Im dritten ^lond
Durchfurcht der Kiel
Unwirtlich Ackerfeld.
Doch, pfluggewohnt.
Die Hand das Steuer hält.
Die Frauen:
Versunken ist der Pfad zur Heimat
Im Wellengrabe.
Die Männer:
Im Herzen wahres Wort
Und rein? Lehr Avir tragen:
Genug der Habe!
Alle:
Was sollten wir zagen?
Der Rettung Stunde
Muss endlich sehlagen.
CHORAL :
'Wallfahrtslied aus dem 13. .Iahrhuxdert.
In Gottes Xamen fahren wir.
Sein Hilf und Gnad begehreu wir,
Des Vaters Güte bei uns bleib,
Bewahr die Seel und auch den Leib,
Kyrie eleis!
2. DIE SOELDNER:
Das 18. Jahrhundert.
Wilder rase, Sturm, au Rah und Mast!
Wilder wüte, Meer, zerschelle
Deine fluchbeladne Last!
Kannst, oliiimächt'g, du uiclit si)rengeii
Unsre Bande,
So zerbrich den Kerker!
Himmel, bei der Hand voll Erde
Aus g-liebtem Vaterlande,
Aiette uns die Manneswürde!
Unsre freie Seele sühn im Tod •
.-ile Schande!
Soldatenlied :
Aus Schubarts Kaplied.
Lebt wohl, ilir Freunde, sehn wir uns
A'ielleicht zum letzten Mal;
So denkt, nicht für die kurze Z-it,
Freundschaft ist für die Ewigkeit,
Und Gott ist überall.
3. DIE ACHTUNDVIERZIGER:
Das 19. Jahrhundert.
Frührotglühende Wellenweite
Weckt uns mit freudigem Schauer,
Scheucht der Verbannten,
Westwärtsgewaudten
Letzte, grollende Trauer.
An die bebende Brust ich drücke
Fahne, dich, teure, schwarz rot and gold.
Die du zu Einheit, zu Recht und Freiheit
Deutschlands Söhne führen gesollt.
Heiliges Zeichen, du sollst uns geleiten,
Frei, die Befreiten zum freiesten Land.
Dort auch rauschen die deutschen Eichen:
Freudig dort wollen zum Bunde wir reichen
Bürger den Bürgern die Bruderhand.
Feder und Pflug, die Waffen des Friedens,
Wollen wir füiiren ! Es ruhe das Schwert !
Wirkend wir pflanzen konnnendon Erben:
Treu im Hoffen, in Leben und Sterben,.
Bleiben des deutschen Namens wir wert.
4. AN DTF-: VORFAHREN.
Das 20. Jahrhundert.
Vorfahren ihr!
Verklärt, im Glanz der Sonno steht
Die Heimat, die im Wolkenschatten
Ilir liesset.
\'on ihrer Vollkraft lebt das Erdrund,
Und ihre Söhne führt
l'ralt Germanenlos
Xiiin fernsten Strand.
Vorfahren, seid gesegnet
Uns, die wir ernten
Die frühe Aussaat
Der unverdrossen schweigenden Mühsal T
Ihr wandeltet Wald und Wüste,
Bezwangt den Fels und den Strom,
Die Höhen, die Tiefen erschloss euch
Kühnhoifende Tatkraft.
Doch freundlich des Lebens Ernste
Das heitere Spiel der Kunst gesellend^
Vereintet Anmut ihr der Würde.
Uebersicht ueber die Geschichte der Deutschen
in Amerika.*
Prof. A. B. FAUST, Cornell Universitaet Ithaca, N. Y.
v
Der erste Dentsehe, der den Boden
Amerikas betrat, Avar Tyrker, der treue Be-
gleiter Leif Eriesons auf dessen Entdeck-
ungsreise au der nordamerikanischen
Küste. Dass die kühnen Seefahrer Islands
mehrere Jahrhunderte vor der Entdeckung
Amerikas durch Columbus den Versuch
machten, auf dem Festland Nordamerikas
eine Kolonie zu gründen, unterliegt keinem
Zweifel, nur über Ort und Zeit ist man im
l'nklaren. Vermutlich war es schon im
elften Jahrhundert, dass Leif Ericson, an
einem nicht näher zu bezeichnenden Kü-
stenpunkte zwischen Labrador und Neu
England, ans Land setzte. Nicht ohne Hu-
mor erzählt die nordische Sage, wie Tyrker,
der geliebte Pflegevater Leifs, in der AVild-
nis irre gegangen war, sich aber in sehr hei-
terer Laune befand, als man suchend auf
ihn stiess. Ganz gegen seine Gewohnheit
redete er in den unver.standenen Lauten
seiner ^Muttersprache, bis er auf nordisch
die Erklärung abgab, er habe Weintrauben
genossen, so wie er sie in seiner deutschen
Heimat hatte kennen lernen. Leif Ericson
liess vor der Abreise reichlich AYeintrauben
einsammeln und nannte ihnen zu Ehren
das neuentdeekte Land ,. "Weinland."
Zur Zeit der grossen Entdeckungen des
15. und 16. Jahrhunderts waren die Bin-
nenstaaten Europas gegenüber den Län-
dern entlang der atlantischen Käste sehr
im Nachteil. Deutschland litt noch dazu
an der unglücklichen Zersplitterung in
kleine Staaten, deren ohnmächtige Staats-
kunst sich nicht zu einer Kolonialpolitik
hinaufschwingen konnte. Dass man unter
den grossen Seefahrern und Entdeckern
neuer Weltteile wenig Deutsche fand, ist
deswegen keine erstaunliche Tatsache.
Desto mehr verschaffte sich der wissen-
schaftliche Zug des deutschen Geistes Gel-
* Quellenangaben wurden in dieser kurzen his-
torischen Uebersicht wegen Mangel an Eauni ver-
mieden. Ein Quellenverzeichnis ist zu finden in
des ^>rfassers Werk? über das deutsche Element in
den Vereinigten Staaten. Dasselbe behandelt das
vom Conrad Seippschen Preisausschreiben gestellte
Proljlem : „Das Deutsche Element in den Vereinig-
ten Staaten, mit besonderer Berücksichtigung des
politischen, sittlichen, gesellschaftlichen und er-
zieherischen Einflusses," und ward im April 1908
mit dem ersten Preise gekrönt. Das Werk erscheint
zu gleicher Zeit in englischer und in deutscher Aus-
gabe unter den Anspielen der Universität von Chi-
cago und ist folgendermassen in zwei Teile ein-
geteilt :
I. Teil : Die Geschichte der deutsehen Einwan-
derer im 17., 18., und 19. Jahrhundert; Zeit und
Ort der Ansiedlungen, deren Geschichte; die Be-
teil'gung der Deutschen an den amerikanischen
Kriegen und an der Eroberung des Westens.
IL Teil: Der Einfluss des deutsehen Elements in
den Vereinigten Staaten.
1. Eine statistische Untersuchung über die
Zahl der Deutschen und deren Nachkommen in
der Bevölkerung der Ver. Staaten.
2. Der Einfluss der Deutschen auf die ma-
terielle Entwickelung des Landes, (a) im
Ackerbau und verwandten Erwerbszweigen;
(b) in der Manufaktur und Technik.
3. Der politische Einfluss der Deutschen.
4. Einfluss auf Schulen und Erziehungs-
wesen. Kindergarten; Mittelschulen; Uni-
versitäten ; Privatschulen.
5. Einfluss auf Kultur und Kunst, (a) Mu-
sik; (b) Malerei; (c) Bildhauerei; (d) Archi-
tektur; (e) Zeichenknnst; (f) Theater; (g)
Literatur; (h) Journalismus.
6. Gesellschaftliclier und moralischer Ein-
fluss. Die T/ebensfreude; Vereinsleben; Tem-
perenzfrage; Pflichtgefühl, Arbeitslust, Bie-
derkeit.
50
KrXK (iKScmcilTLICHK 1' KI'.KWSKilT rKIlKK" DIK l>KrT8CIIt:N' IN AMKKIKA.
tuiig und Xaiiicii durch Ve^hl•eitun^: der
neuen Ideen im liücherdrucU und in K.ti-
tenzeiehnun^en.
Unter den Kosnio^niplifn und Karto-
graphen jener Zeit giebt es keine bedeuten-
deren als die Deutsclim. Maitin Hehaiiu.
Mt'reator ((ierhard Krenier) und iMartin
"Waldst'enu'iller. Der erste, «reboren um
14')!), aus einem altadelij;en Xürnberircr (ie-
sehh'eht, wurde 14S3 vom Köni^- Johann II.
von Portugal in die Kommission zur An-
fertigung eines Astrolabiums ernannt. Im
folgenden Jahre begleitete er den portu-
giesi.sehen Seefahrer Diego Cao als Kosmo-
graj>h auf seiner neunzehnnionatliehen
Entdeekungsreise naeh der Westküste Af-
rikas. Darauf begab er sieh naeh der a/.ori-
sehen Insel Fayal, wo er die Tochter des
Bürgermeisters der dortigen vlämischen
Kolonie ehelichte. In den Jahren 1591-93
besuchte ^Martin Behaini seine Vater.stadt
Nürnberg und verfertigte doi-t die 1»'-
rühnite p]rdkugel, die er der Stadt /um
Geschenk hinterlie.*is. Darauf kehrte er
wieder zur Insel Fayal zurück, rei.ste lö06
nach Lissalion. wo er in demselben Jahre
starb. Mit C'olumbus und ]\Iagelhaens
(]Magellan) war Bdiaim bekannt, wie wohl
auch mit den mei.sten der hervorragenden
Seefahrer jener Zeit. Seine Kenntnisse
mögen wohl eine anregende Wirkung, aber
keineswegs den bedeutenden Eintlu.ss auf
die Entdeckung Amerikas und die Umsege-
lung der Erde gehabt haben, wie man ihm
von portugiesi.scher Seite oft angedichtet,
ja die Behauptung aufgestellt hat, Behaini
habe zeb.n Jahre vor C'olumbus die brazili-
anische Küste von Pernambuco entdeckt.
Solehe rebertreibungen haben dem grossen
Namen Behaims eher geschadet als ihm bei
der Nachwelt besseren Klang verliehen.
Als Kosmograph noch bedeutender war
Mereator, im Jahre 1512 zu Rupelmonde
(Belgien), von deutscher Abkunft geboren.
Er hatte den dentschen Familiennamen
Kremer (Krämer), den der gelehrte Kar-
tenzeichner naeh der herrschenden Sitte ins
Lateinische über.setzte. Er verfertigte im
Auftrag Karls V. eine Erd- und eine Ilim-
melskugel und übertraf damit alle Vor-
gänger. Sein grö.sstes Werk aber war sein
Atlas, wovon die erste Ausgabe 1594 er-
schien (Duisburg), abgedruckt von Kup-
fei-platten, die er mit eigner Hand herge-
stellt hatte. Andere deutsche Kartenzeieh-
nei- waren Schöner (Globus 1515 und
1520). Heisch (Karte 1518) nnd der Nie-
derdeutsche Ruysch (Karte 1508). Der
,,({lol)us .Mundi" mit der Anwendung des
Namens ,, Amerika" erschien in Stra.s.sburg
1509.
Entscheidend .scheinen die deulsehen
Kartenzeichner auf den (iebrauch des
Namens „Amerika" eingewirkt zu haben.
Den er.sten gedruckten Beweis liefert das
lateinisch geschriebene liuch ,,Cosmogra-
phiae Introductio" (1507) mit begleitender
Karte, von Martin Wahhfcniülhr (oder
Waltzemüller), geboren 14:^0 zu Freiburg.
In dieser Einleitung in die K(xsmographie
erscheint der Name „Amerika" gedruckt
zum erstenmale und wird darin zu P^hren
des Weltenentdeckers Aniericus VesputiiLS,
dessen Verdienste aufgezählt werden, em-
pfohlen.
Das XVII. Jahrhundert.
Spuren deutscher Ansiedler findet man
in den ersten am atlantischen Küstenstrich
gegründeten nordamerikanischen Kolonien.
]\Iit den Hugenotten, die im Jahre 1562
bei Port Royal (Süd Carolina) eine bald
von den Spaniern zerstörte Kolonie grün-
deten, befanden sich anch einige elsässiche
mid hessische Protestanten. Die er.ste An-
siedlung der p]ngländer, Jame.stown in Vir-
ginien (1607). führte nach den ^Mitthei-
lungen des Captain John Smith auch einige
Deutsche mit. ..Dutchmen" werden sie ge-
nannt, worunter man wohl nicht Holländer
zu verstehen hat, da einei* von ihnen spe-
ziell als Switzar (Schweizer) bezeichnet
wird. Sie gehörten nicht zu den verkom-
menen, arbeitsscheuen ..Gentli'men " der
EINE GESCHICHTLICHE UEBERSICHT UEBER DIE DEUTSCHEN IN AMERIKA. 51
verfehlten Kolonie, sondern waren meistens
Zinunerleute, die imter dem Druck der
müssigen oberen Klasse schwer zu leiden
hatten. Ihnen wurde einmal der Auftrag,
den König Powhatan in einem neuerriehte-
ten Hause in die Gefangenschaft zu locken,
wobei sie ihren Herren untreu wurden, und
es vorzogen, bei den Rothäuten ihr Brot zu
verdienen. Diese Auffassung ist leicht aus
der „wahrheitsgetreuen Reisebeschreibung"
des selbstgefälligen Smith herauszulesen,
obgleich er die ..Dutchmen" mit Schimpf-
worten überladet. Ihr Vergehen erscheint
weit geringer als die Untreue der ränke-
vollen Nebenbuhler des Führers, dessen
Amt und Leben durch jene so oft gefährdet
wurde.
Im Laufe des ITten Jahrhunderts fehlte
es nicht an abenteuerlustigen Deutschen,
die sich auf Entdeckungsreisen in die un-
begrenzte amerikanische Wildnis wagten.
Vater Hennepiu erzählt, dass der Württem-
berger Hiens (Heinz. Hans) den grossen
französischen Pfadfinder LaSalle auf dessen
^Mississippi fahrt begleitete, als er im Jahre
1687 das Delta des Vaters der Ströme zu
entdecken suchte. ]\Ian hatte sich nach
Texas hinein verirrt, und dort gipfelte die
Unzufriedenheit über die AVillkür LaSalles
in dessen Ermordung. I\Iit einem Verbün-
deten rächte dann Hiens den Tod des
Führers an dessen ^Mördern Duhaut und
Liotot.
In den meisten Fällen war es aber wieder
der wissenschaftliche Drang, der den
Deutschen auf Entdeckungsreisen trieb.
Der deutsche Schweizer Peter Fabian be-
gleitete 1663 eine Reisegesellschaft nach
Carolina im Interes.se der ..Engli.sh Caro-
lina Company," worüber Fabian nach aller
Wahrscheinlichkeit den Bericht (1665) ver-
fa.sste, da die ]\Ieilenrechnungen nach
deutsehen Äleilen er.scheinen. Johann Le-
derer wurde in den Jahren 1660-70 von Sir
William Berkeley, Gouverneur von Vir-
ginien, auf drei verschiedene Reisen, süd-
lich und westlich vom James River ge-
schickt. p]r schrieb sein Tauebucli auf La-
teinisch und zeichnete eine Karte dazu, wo-
raus zu sehen ist. dass er bis an den Santee
River nach Süd Carolina drang. Lederer
wurde von den ihn im Stiche lassenden
Reisegefährten übel verleumdet, setzte aber
seine Reise mit einem einzigen indianischen
Führer fort imd musste sich, als er uner-
wartet mit dem Leben zurückkam, gegen
seine Feinde verteidigen. Dabei half ihm
Sir William Talbot, Gouverneur von Mary-
land, der seinen Verdiensten und seiner Ge-
lehrsamkeit ein grosses Lob spendete und
sich die Mühe gab, Lederers Tagebuch ins
Englische zu übersetzen.
Unter den Deutschen des 17ten Jahr-
hunderts finden wir swei Persönlichkeiten
ersten Ranges, deren Lebenslauf epoche-
machend in die Geschichte der amerika-
nischen Kolonien eingritit', Peter ^linnewit
(]Minuit). erster Statthalter von Neu- Am-
sterdam, Gründer von Neu-Schweden. und
Jakob Leisler, Vertreter der Volkspartei,
Gouverneur von New York, der Einberufer
des ersten amerikanischen Kongresses.
Peter Minnewit, geboren zu Wesel am
Rhein, kam 1626 mit fast unbeschränkter
]\Iacht als Direktor der holländisch-ameri-
kanischen Kolonie nach Neu-Amsterdam.
Seine erste historische Tat war der Ankauf
der Insel ]\Ianhattan. die er von den Indi-
anern für 60 Gulden, circa $24. erwarb.
Er baute ein steinernes Fort als Schutz
gegen Indianer und führte einen Pelz-
handel ein, der mit den Puritanern zuerat
wetteiferte und sie bald überflügelte. Un-
ter sehr günstigen Bedingungen kamen
viele neue Kolonisten aus Europa, und 1631
baute man das Schiff ..Neu-Niederland"
von 6-800 Tonnen Gehalt, eines der gröss-
ten Fahrzeuge, das zur Zeit den Ozean be-
fulir. Aber ^Minnewit erntete für sein er-
folgreiches Streben nur Undank. Das Pa-
tronatenwesen. nach dem gro&se Land-
schenkungen an bevorzugte Familien, die
sich verpfiichtet hatten, eine Kolonie von
wenigstens 50 Personen zu gründen, über-
wiesen wurden, brachte die Gefahr eines
WWI¥tR5ITY OF ILLINU-
53
EINK GESCHKllTLR'lIK UEBKKSICITT UEHEK DIE DEUTSCHEN IN AMERII-U.
neuen Feiulalailols und stiftete selbst unter
den Direktoren Unfrieden. Minnewit stand
im Vcrdaeht. die neuen Feudalherren be-
«rünstiirt zu lial)en, obirleieh er nur pHieht-
•retrcu dfu AVillen der Direktoren aus-
«reführt liattt. Da seine Gegner die
Obi-rhand erhielten, inusste er 1631 sein
Amt niederle<_'en. Er versuchte sich in
Anistei-dain zu reehtfertiiren, konnte auf
den blühenden Zustand der Kolonie hin-
weisen, brachte auf seinem Schiffe 5000
Biberfelle, die er durch (Jefahren gerettet,
fand aber unter den feindlichen Direktoren
keine Gerechtigkeit, und der entlassene
(iouvei-neur wandte sich ('i'l)itt<'rt ab.
Nun bot ]\Iinnewit seine Dienste den
Schweden an, bei denen durch Anregung
des genialen Usselinx mit Unterstützung
des Königs Gustav Adolf Kolonisations-
pläne schon begonnen waren. Der Tod des
Königs störte aber die ehrgeizigen Ent-
würfe der Schwedischen Süd-Companie,
Usselinx trat zurück, und ]\Iinnewit erhielt
dessen Stelle. ]\Iit der Zustimmung des
Kanzlei-s Oxen.stierna gab dieser den hoch-
fahrenden I'länen der Schweden eine prak-
tische Wendung. Va' wies auf das Gebiet
zwischen Xeu-IIolland und Virginien, und
kam Ai>ril des Jahres l(j88 mit zwei Schif-
fen imd fünfzig wohlversorgten Kolonisten
in der Delaware Bay an, zur Gründung
Neu-Schwedens. Er baute Fort Christina
an der Mündung des ]\Iinquaskill in den
Delaware, nahe bei der heutigen Stadt Wil-
mington. Seine Erfahrung und Umsicht,
seine Kenntnis der Schwächen seiner Geg-
ner, das An.sehn des auf den europäischen
Schlachtfeldern siegreichen Schwedens,
hielt die Virginier im Süden und die Hol-
länder im Norden in Schach und verbürgte
der Kolonie ein sicheres Gedeihen. Unter
den ersten Ansiedlern waren vermutlich
auch Deutsche, da die O.stseestädte Stral-
sund, Stettin und Danzig regen Anteil an
der Gründung der Schwedischen Süd-Com-
panie genommen. Zum zweiten Male hatte
IMinnewit die Genugthuung, eine von ilun
gegründete Kolonie zur Blüte reifen zu
sehen. Er starb auf seinem Posten 16-41,
Xeu-Schweden erhielt sich bis zur Einver-
leibung in Xeu-IIolland (1655), unter dem
energischen Stuyvesant.
Ungefähr fünfzig Jahre später ward ein
anderer Deutscher, Jakob Leisler, der ]Mit-
telpunkt der Xew Yorker Provincialge-
schiclite. In Frankfurt a/]\I. geboren, kam
er 1660 im militärischen Dienst der Hollän-
dischen Westindischen Gesellschaft in Xew
York an, widmete sich aber bald dem Han-
del. Seine Unternehmungen gelangen der-
massen, dass er einer der reiclisten Bürger
der Stadt wurde, mit einem Vermögen von
15,000 Gulden. Durch Heirat verbündete
er sich mit der holländischen Aristokratie,
blieb aber ein ^lann des Volkes und ward
durch seine Redlichkeit, Humanität und
Festigkeit zum Ideal der Volkspartei. Eine
Volks- luid Oppositi(mspartei ])i!dete sich,
als der König von England, Jakob IL, über
die drei Kolonien Xew England, Xew York
und X'^ew Jersey einen einzigen Gouverneur
setzte, und zwar den unbeliebten Andrus.
Als 1688 die Nachricht von der Vertreibung
König Jakobs eintraf, wurde auch dessen
Stellvertreter Lieut. Gov. Xicholson durch
einen Volksaufstand aus Xew York ver-
trieben, und der Volksmann Jakob Leisler
ward an die Spitze gestellt. Dieser erklärte
sich bereit, das Fort und die Stadt für
König AVilhelm zu halten, bis ein neuer
Gouverneur herübergeschickt werde. Ein
Sicherheitskomite wurde vom Volke ge-
wählt, um Leisler beizustehen, wobei man
begreiflicherweise keine Aristokraten zu-
liess. Leisler schickte einen Bericht über
sein Verhalten an König AVilhelm, der
ihm leider keine Beachtung schenkte. In-
zwischen nahm man in Xew York einen
Brief des Königs in Empfang, der an
Lieut. Gov. Xicholson oder in seiner Ab-
wesenheit an die regierende Macht in New
York gerichtet Avar. Derselbe erteilte das
Recht, das Regiment weiter zu führen,
bis neue ^Massregeln getroffen. Kraft des
Briefes nahm Leisler am 11. Dezember
EINE GESCHICHTLICHE UEBERSICHT UEBER DIE DEUTSCHEN IN AMERIKA.
53
1689 den Titel Lieut. Governor an, und
schaltete, nachdem die Rädelsführer der
Jakobiten unschädlich gemacht, als allein-
iger Herrscher. Kaum waren die inneren
Feinde beseitigt, da erwuchs von aussen
«ine grosse Gefahr, ein Krieg mit den Fran-
zosen und den verbündeten Indianern un-
ter der Führung des tapferen Frontenae.
Nun handelte Leisler mit staatsmännischer
Besonnenheit : er berief einen Kongress der
gefährdeten Kolonien. Die Gouverneure
von ]\Ia.ssachusetts, Plymouth, Fast und
"West Jersey, Pennsylvania, Älaryland und
Virginia wurden eingeladen, einen Plan der
Selbstverteidigung zu erwägen, und es
tagte darauf, anfangs April 1690, der erste
Kongress auf amerikanischem Boden, der
Vorläufer des Continental Congress. Jede
Kolonie wurde aufgefordert, im Verhältnis
zur Einwohnerzahl beizusteuern, um einen
Zug nach Canada zu stände zu bringen.
INIassachusetts sollte ausser einer etwas ge-
ringeren Zahl Truppen eine Flotte zur
Besetzung des St. Lawrence Stromes aus-
rüsten. Der gemeinsame Kriegszug blieb
leider erfolglos wegen der Zwistigkeiten
der leitenden Kräfte, und die Flotte
erlitt infolge von Stürmen und der Plan-
losigkeit ihrer Bewegungen eine vollkom-
mene Niederlage. Leisler, dem das Ver-
dienst gebührt, die ersten aus dem New
Yorker Hafen auslaufenden Schiffe ausge-
rüstet zu haben, hatte allein einen einzigen
Sieg errungen, die Wegnahme von sechs
französischen Schiffen, die sich zu weit an
den New Yorker Hafen herangewagt hat-
ten. Zur grossen Freude aller New Yorker
kamen sie als Kriegsbeute unter den Ham-
mer.
Infolge des verunglückten Zuges nach
Canada entstand eine Kriegsschuld, die
man nun durch Erhebung von Steuern ab-
tragen musste. Diese Last gewann der Re-
gierung Leislers keine Freunde, und als die
Anerkennung seiner treuen Dienste seitens
des englischen Thrones gänzlich ausblieb,
verlor Leislers Partei immer mehr an
Anhängern. Ein neuer Gouverneur, Col.
Henry Sloughter, wurde nach New York
entsandt, um die Herrschaft anzutreten.
Das Schicksal wollte, dass dessen Schiff
durch Stürme von den übrigen getrennt
wurde, und ein anderes mit JNIajor Richard
Ingolsby, dem zweiten im Rang, zuerst in
New York ankam. Dieser forderte sogleich
die L^ebergabe des Forts, die aber Leisler
verweigerte, bis ihm die Legitimation des
herrischen Militärs überreicht würde. Alle
Staats-Dokumente befanden sich aber auf
dem Schiffe des Gouverneurs, und es ent-
stand ein hartnäckiger Strassenkampf, wo-
bei jeder der beiden Führer dem andern
drohte, ihn wegen Vergiessung unschul-
digen Blutes verantwortlich zu macheii.
So erwartete man ängstlich die Ankunft
des Gouverneurs, der die Stadt von den
Unruhen erlösen sollte. Sloughter erschien
auch im März 1691, empfing die Vertreter
der Aristokratie auf seinem Schiffe, er-
laubte ihnen den Volksführer anzuschwär-
zen und liess den Boten Leislers ohne
Verhör ins Gefängnis werfen. Nach Ein-
nahme des Forts wurde Leisler verhaftet
und von seinen zu Richtern erhobenen
Erzfeinden, darunter Bayard, Nicolls,
Philipse und Van Cortlandt, wegen Re-
bellion, Eigentumsangriff's und unbefug-
ter Steuererhebung mit seinem Schwieger-
sohne Milborne zum Tode verurtheilt.
Aehnlich wie Egmont und Hörn weigerten
sich die Angeklagten, die Gesetzmässigkeit
des Scheingericht&s anzuerkennen, und
stolz im Gefühl ihrer LTnschuld verharrend
verdarben sie ihren Freunden die Mög-
lichkeit einen Aufschub zu gewinnen. Die
Feinde fürchteten einen Aufstand, dräng-
ten umsomehr, den verhassten Volkstribun
zu beseitigen, und bewogen Gouverneur
Sloughter, es heisst im Weinrausch, das
Todesurteil zu unterzeichnen. An der Ecke
von Pearl und Centerstrasse wurde das
Schafott aufgestellt, und an einem nasskal-
ten Maitage, 1691, fand die grauenerre-
gende Hinrichtung statt. Vor seinem
54
EINE GESCHICHTLICHE CEHEHSICHT l'EHEH DIE DEl'TSCHEX IN AMERIKA.
Tode liiflt LrishT eine Anspnu'lie. man
solle die rnfj:ertrhtij,H<cit. tlir iliiii wider-
fahren. ver«ressen. seine Asche solle jede
Spnr der üblen Feindseli'rkeiten der beiden
Parteien vertil»;en. Doch war mit dem
Tode Leislers nnd seines Sehwie^ersohnes
der Kam|)f nicht zu Ende. Sieben Jahre
nacliher war die N'olkspartei wider oben,
nnd unter Gouverneur Hellomont wurden
die Gebeine der ]\lärtyi-cr unter «grossem
Volksandrantr im Kirchhof der holländi-
schen Kirche feierlich bestattet. Nach
redlieiier Anstrenjrvui<: des jun^n'u Leislev
wurde. l()J)ö. vom englischen Parlament die
Anklai^e «re»ren seinen Vater vollkonnnen
widerrufen, seine llaltun«: «rutgeheissen,
luid das jran/e Vermö^'en der Familie zu-
rückerstattet. In der amerikani.sehen Ge-
schichte f-^ebührt dem ehrlichen uneiiren-
nützifien Dieiu'r des Volkes. Jakob Leisler,
der Ruhm, dun-h sein uiu»bhängiges Auf-
treten in der Hevolution und seine Beruf-
un«,' des ersten ron^re.s.ses im (Jebiete der
VereinifTten Staaten das Prinzip der
Selbst re«;ienni«r erheblich geföi'dert zu
haben.
Zu den Xachkonunen Leislers gehört
(iouvernein- .Monis. .Mitglied der Verfas-
sungsconvention von 1787, einer der bedeu-
tendsten Staatsmännei- in der Jugendzeit
der amerikanischen Republik. Des.sen
Stannnvater war dci- Hugenotte Abraham
Morris, der die AVitwc Miibornes (geb. Ma-
ria Leisler) heiratete. Der Sohn aus dieser
Khe heiratete Gertrude Rynd(>rs. die En-
kelin Jakob Leislers.
Xelx'ii den Spuren gi'o.sser Taten ward
das siebzehnte Jahrhundert ereignisvoll
durch den Hau einer festgegründeten Kolo-
nie, eines Ausgangspunkts der späteren um-
fangreichen Einwanderung des achtzehnten
Jahrhunderts. Die Griunluug von Ocr-
monfoirn im Jahre 1688 l)edeutet den Ein-
tritt (Ifs (h'utschcn Volkes In die Koloninl-
(fcschichtr Amerikas. Den Antrieb hatte
1()77 die Keise des Quakers "William Penn
in die Rheiidande ircireben. uiul e-.- wurde
liald darauf in den pieti.stischen Kreisen
Frankfurts eine Gesellschaft zur Heförde-
ruiig einer Auswanderung nach dem Lande
Penns gebildet. Da erschien zur rechten
Zeit der rechte .Mann. Franz Dan'ul l'as-
torius, der im Verkehr mit den Frankfurter
Pietisten von *h-v Begierde hingeri.s.sen
wurde, mit den gottesfürchtigen Freunden
in dci- amerikanischen Wildnis ,,ein still
»nid christlich Leben zu führen." Von den
Mitgliedern der (Jesellschaft entschlo.ss sich
aber keines auszuwandern. Dreizehn Fa-
milieidiäupter der Mennoniten in Crefeld
wurden daher die ersten Kolonisten. Die-
selben waren durch Penns eindringliche
Predigten zu de.ssen Lehre bekelirt. hatten
von ihm 18.000 Acker Landes in Pennsyl-
vanien erstanden, inul machten sich nun
bereit, unter Pa.storius' Führung eine
Kolonie zu gründen.
Mit einem Gefolge dienender Leute zog
Pastorius sechs Wochen im voraus, als be-
vollmächtigter Agent der Frankfurter Ge-
sellschaft, von der Heimat fort und kam
am 20. August 1683 in Philadelphia an.
Die Crefelder wurden durch Furley. Penns
Agent, von Rotterdam abgeschickt und
landeten am 6. Oktober desselben Jahres,
daher der 6te Oktober in der deutschameri-
kanischen Geschichte als der ..Deut.sehe
Tag" festlich begangen, und das Schiffchen
,,Coneord" als die deutsche ,,Mayflower"
gefeiert wird.
Schwere Arbeit, bittere Entbehrungen
waren das Los der Kolonie in ihren ersten
Jahren, und Pa.storius sprach wehmütig
lächelnd von einem Arnuni- statt German-
town. .Mächtig aber waren der eisenie
Fleiss und die unermüdliche Ausdauer der
Deutschen, denn es waren Leute, wie sie
Cai)t. John Smith für Jamestown geri>
hätte herbei.schatfen wollen, Ackerbauer.
Zimmerleute, Weber und Handwerker.
Bald entstand in der Wildnis ein freund-
liches Städtchen, das sich längs einei-
IIauptstras.se dahinzog. Für die Ga.st-
freundschaft der Ansiedlune war ein Motto
P:IXE geschichtliche UEBERSICHT UEBER die deutschen in AMERIKA.
55
bezeiehend, das Pastorius' BloeUliültc
zierte: „Klein ist mein Haus. Doch Gute
sieht es fjern. Wer gottlos ist, Der bleibe
fern." Ebenso kennzeichnend für (Kn
Wirkunjiskreis der strebsamen Kolonisten,
war der 8tadt\vahlsprueh : ..Vinum. linum
et textrinum". der Wein, der Lein, und der
Webesehrein ; denn sie zogen Wein und
Flachs luid woben Leinwand: sie hatten
Freude am Leben und beschäftigten sich
mit Ackerbau und Gewerbe. Die Webe-
reien Germantown wurden weit über die
Grenzen der Provinz bekannt, und guten
Absatz aller Produkte fanden die Deut-
schen in ihren vorbildlichen Jahrmärkten,
die seit 1704 oft zweimal jährlich abgehal-
ten wurden.
Durch die Papiermühle von Willtclm
Entiinffhansen {Rittenhouse) aus Arnheim.
Holland, .stieg die industrielle Bedeutung
Germantowns. aber noch grösseres An-
.sehn erwarb die um 1738 gegründete Buch-
druckerei von Christoph Säur, die sich
durch den ersten vollständigen Bibel-
druck auf amerikanischem Boden verewigt
hat. Diese deutsche Bibel, deren er.ster
Druck 1743 erschien, hatte nur einen Vor-
gänger, die Ausgabe (1661-3), aber nur
des Neuen Testaments , in indianischem
Dialekt, welche John Eliot in ]\Iassachu-
setts zum Unterricht seiner bekehrten In-
dianer verfertigen liess. Zur Zeit des Er-
scheines der deutsehen Bibel Saurs war in
englischer Sprache noch keine Bibel in
Amerika gedruckt worden.
Aber noch ein anderes ideales Bestreben
erhöht die Bedeutung Germantowns mid
greift ereignisvoll in die Kulturgeschichte
des amerikanischen Volkes ein. Es war der
Protest gegen die Sklaverei im Jahre 1688.
Denselbe hatte seinen I^reprung in einer
Versammlung am 18. April, deren Be-
schluss dahin lautete, die Verwerflichkeit
des ^Menschenhandels in der nächsten mo-
natlichen Versammlung der Quaker zur
Sprache zu bringen. Wegen seiner Trag-
weite und innern Berechtigiuig wurde der
schriftliche Protest von der monatlichen
an die vierteljährliche, von dieser an die
Jahresversanunlung gewiesen. Der Be-
schlu.ss dieser höchsten Behörde der Quäker
lautete: ..Es wäre nicht als passend er-
achtet worden, dass die Versannnlung ein
bestimmtes Urteil über die Vorlage aus-
spreche, da der Gegenstand derselben zu
manchen andern Angelegenheiten in naher
Bezieluuig stehe." Diese diplomatische
Abfertigung einer heiklen Frage konnte
aber den Widerspruch des Sklavenhandels
mit der christlichen Lehre nicht entfernen:
die Quäker erklärten sieh 1715 gegen den
überseeischen Sklavenhandel, 1770 durften
Sklavenhalter nicht zu Gemeindeäjtesten
gewählt werden, und im Banne der Ent-
rüstung gegen das Uebel das Menschen-
handels erliess Pennsylvanien 1780 Gesetze,
die nach und nach die Abschaftung der
Sklaverei in den Grenzen des Staates zur
Folge hatten.
Der Protest gegen die Sklaverei erschien
in der Handschrift von Pastorius, den wir
wohl auch als den Verfasser des einzigarti-
gen Schriftstücks betrachten dürfen. An
Bildmig ragte er weit über seine Umgebimg
hinaus, war den eisten seiner Zeit eben-
bürtig, hatte auf den Universitäten Alt-
dorf, Strassburg, Basel und Jena die
Kechte studiert, hatte eine zeitgemässe
Meisterschaft der klassischen Sprachen er-
reicht, war aber nicht weniger in mehreren
lebenden Sprachen bewandert, wovon er in
seinem handschriftlichen Sanunelfolio
„Bienen.stock " reichlich Zeugnis ablegte.
Doch verspürte er im Wissensqualm die
Beklemmung des im neunzehnten Jahr-
hundert so oft erseheinenden "Lateinischen
Farmers"; unter den schwirrenden Web-
stühlen und geschäftigen Handwerkern
Germantowns empfand er die Beschämung
des Gelehrten vor den Praktisch-Gebilde-
ten, und iimncher Seufzer entstieg ihm,
dass er nicht seine Zeit verwendet habe
auf „Engenier-Sachen und Buchdrueker-
kunst", die ihm nun besser wären zu stat-
56
EINE GESCHK-HTLICHE UEBERSICHT UEBER DIE DEUTSCHEN IN AMERIKA.
ten gekonunon als ..alle Aristotelische Syl-
losrisinen, durch welche kein wilder ^leusch
oder l'nchrist zu Gott «rebraeht. viel weni-
ger ein Stück Brodes erworben wiu-den
kann.'" Tastorius widmete lebenslänglich
seine besten Kräfte dem Wohl der deut-
schen Kolonie, bekleidete zu verschiedenen
Zeiten vielerlei Aemter. als Hürgermeister,
Stadtschreiber. Notar. Jurist und als
Lehrer ( zuei-st in Philadelphia an der eng-
li.schen Quäker.schule. später an der deut-
schen Schule in Germantown). — eine der
edelsten Ei*scheinungen in der Geschichte
der Deutschen in Amerika.
Unter den frühen Ansiedlern in der Um-
gegend von Germantown, befand sieh eine
Gruppe religiöser Sonderlinge unter ihrem
Anführer JoJtaini Kclpius aus Sieben-
bürgen. Der Gründer des Ordens war der
Astronom Zinnnermann, der aber vor der
Abreise starb. Die ..Erweckten" kamen
](i!)4 an und erwarteten in der amerika-
nischen Wildnis den Untergang der AVeit
und die Wiederkunft Christi. Abgeschie-
den von der Welt siedelten sie sich, „das
Weib in der Wüste", am Wissahickon an,
wo Schluchten inid Höhlen ihnen zu ihi-em
mysti.sehen Ritas dienten. Auch bauten sie
eine Sternwarte, von woher sie zu ]Men-
schenleben und Häuserbauten das Horo-
skop lasen, ferner dienten sie ihren aber-
gläubi.schen Alitnicnschen als Verfertiger
von Talismanen, Entdecker unterirdischer
Erze luid Gewässer, aber auch als Lehrer
und Ratgeber. Ihre Einsiedelei befand
sich im gegenwärtigen Fairmomit Park in
Philadelphia, wo Namen wie Hermit
Bridge, Hermit Lane, Hermit Glen noch
auf die Spuren der mystischen Brüder-
schaft wei.s<'n.
Eine ähnliche mystisch-.schwärmerische
Gemeinde stiftete viele Jahre später Con-
rad Beissel, der von den Tunkern ausge-
gangen, zuerst mit seinen Gläubigen sich
am Conestoga ansiedelte, dann um der
Wildnis am Coealico Creek das Kloster
Ephrata gründete. Klosterbauten schieden
Mönche und Nonnen, eine strenge Askese
und Arbeitsptiicht wurden durchgeführt.
Der vielgeptlegte Chorgesang der Gemeinde
wurde von reisenden Zuhörern sehr be-
wundert und liefert das erste Beispiel
eines gemischten Chores und einer freier-
fundenen und komponierten Kirchenhynuie
auf amerikanischem Boden.
Das XVIII. Jahrhundert.
Ueberaus gross war unter den deutschen
p]inwanderern vor 1750 die Zahl der Sek-
ten. Die Unterdrückten und Verbannten
fanden in Pennsvvanien ein Asvl, .,um der
gütigen Regierung und der Gewi.s-sensfrei-
heit wegen" (Säur). Lancaster County
füllte sich im ersten Viertel des achtzehn-
ten Jahrhunderts mit dem fleissigen, acker-
bautreibenden Volke der ]\Iennoniten.
Dazu gehörten die Ameniten, noch rigor-
oser in ihren Sitten, nach ihrem Apo.stel,
dem Schweizer Amen genannt. Diese
beiden Zweige der ]\Iennoniten brachten die
Grafschaft Lancaster zur dauernden, gar-
tenähnlichen Blüte eines europäischen Kul-
turlandes. Die Tunker. deren Name von
der Art der Taufe, eintunken (eintauchen),
abgeleitet ist, nahmen früh nach Pennsyl-
vanien ihre Zuflucht. Sie Hessen fast
keinen ihrer Sekte im alten Weltteile zu-
rück imd siedelten sich in Berks County
und am Conestoga an. Zu ihnen gehörte
Peter Becker (Baker), Chri.stoph Säur und
Conrad Beissel vor seinem Abfall von der
Sekte. Ferner gab es Schwenkfelder, eine
aus Luthers Zeiten stammende Gemeinde,
den Anabaptisten verwandt, die sich meis-
tens in der Nähe von Goshenhoppen (Mont-
gomery County) ansiedelten.
Von weit grö.sserer Bedeutung an Zahl
und Wirkung wurden aber die drei protes-
tantischen Kirchen der Lutheraner. Refor-
mierten und Herrn huter, besonders da sie
imter solchen Führern wie ]\Iühlenberg.
Schlatter und Zinzendorf eine einheitliche
Leitung erhielten. Die Vereinigten Brü-
der oder Herrnhuter (oft, aber irrtümlich
EINE GESCHICHTLICHE UKBKRSICHT UEBER DIE DEUTSCHEx\ IN AMERIKA.
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^,Müravians" genannt) hatten sieh zuerst
mit den Salzburgern in Ebenezer angesie-
delt, yerliessen aber, als man von ihnen
Militärdienst erwartete, die Provinz Geor-
gia lind gründeten unter der Leitung
David XifschnuDDis, des Seli\viegerst)hns
von Zinzendorf, ihren Stannnsitz Betlile-
hem in Pennsylvanien. Während seines
Aufenthalts in Amerika nmehte Zinzendorf
den Versueh. alle Sekten in einer einzigen
Christliehen Kirche zu vereinigen, der
grossgedaehte Plan seheiterte aber an der
Eifersucht der die Obermacht der Herrn-
huter fürchtenden Sekten. Unter Bischof
Spangenberg, der zwanzig Jahre lang die
Kirche der Vereinigten ßrüder leitete,
gründete die Brüdergemeinde viele Kolo-
nien, die sich durch friedlichen Wandel
und Wohlstand auszeichneten. Einen
schönen Dienst leistete die Kirche mit
ihren Schulen, besonders den sogenannten
Frauen-Seminarien. und hervorragend über
alle andern Confessionen waren die Ver-
einigten Brüder als ]Missionäre. Die In-
dianer-Kolonie Gnadenhütten in Pennsyl-
vanien, die späteren Gründungen am IMus-
kingum im Staate Ohio, die Leistungen
solcher ^Missionäre wie Zeisherger, Hecke-
welder, Post, Rausclt, Jungmann, Sense-
man)i, verschafften den Vereinigten Brü-
dern den wohlverdienten Ruhm, unter
allen Indianermissionsversuchen in den
Vereinigten Staaten das Höchste erreicht
zu haben.
Die verechiedenen Sekten, und mit ihnen
die Quäker und Vereinigten Brüder, bilde-
ten einen Gegensatz zu den zahlreicheren
Lutheranern und Reformierten. Sie ver-
traten den Grundsatz der Duldung, des
Friedens, der strengen Sitten im täglichen
Leben, sie führten keine Waffen und be-
kleideten keine staatlichen Aemter; Müh-
lenberg und Schlatter dagegen, Führer der
Lutheraner und Reformierten, vertraten
neben einer heiteren Lebensauffassung das
Kämpfen gegen alle feindlichen Mächte,
mit Waffen in der Hand und mit der Ge-
walt einer selbsteingeführten Gesetzgebung
im Rückhalt. Dieser Gegensatz verschärfte
sich zur Revolutionszeit, da Kriegs- und
Friedensparteien sich bildeten. Als nach
schwerem Kampf die wehrhafte Partei in
Pennsylvanien den Sieg davon trug, gingen
die Sekten aber nicht zu den Tories über,
sondern Hessen aus ihren Kornkammern
der patriotischen Sache Unterstützung zu-
Üi essen.
Als Heinrick MelcJiior Mühlenberg, 1741,
nach Pennsylvanien kam, fand er verödete
ZiLstände und verwahrloste Herden. Er
bekleidete zuerst die Pfarrerstellen zu New
Hanover, Providence und Philadelphia, bis
ein rasches Wachstum immer mehr neue
Kräfte in Anspruch nahm. Mit Takt, Um-
sicht und unermüdlicher Ausdauer baute
er an einem Gotteshaus, das sich bald über
alle von Deutschen angesiedelte Landes-
teile, von New York bis zum fernen Geor-
gia, erstreckte. In seinen Nachrichten an
die Hallischen Kirchenväter berichtet er
umständlich über alle kirchlichen Ange-
legenheiten, eröff'net aber auch einen tie-
feren Einblick in das innere und äussere
Leben jenes keimenden Zeitalters.
Energisch und erfolgreich wirkte eben-
falls Micitacl Scldatter an dem Bau der
deutschen Reformierten Kirche in Amerika,
vereinigte seit seiner Ankunft, 1746, die
zahlreichen meistens aus der Pfalz einge-
wanderten Reformierten in Gemeinden,
Hess Prediger aus Europa kommen, konnte
aber, wie es anderen auch erging, niemals
ihrer genug finden, sodass auf dem ein-
zelnen Seelsorger ungeheure Lasten ruhten,
die er ptlichtgetreu aber mühevoll zu tra-
gen suchte.
Unter den zeitgenössischen Urteilen über
die Pennsylvanisch-Deutschen (Pennsyl-
vania-Dutch), denn unter diesem Namen
kannte man im 18ten Jahrhundert wohl die
gesammte deutsche Einwanderung, da sie
meistens von Pennsylvanien ausging, giebt
es kein treffenderes oder glaubwürdigeres
Gutachten, als das des vielseitigen Arztes
58
ElNK GESf'HICHTMClIK rKUKKsmiT I • K I '. K K" DIK DKCTSfll KX IX AMKKIKA.
Dr. Ik^njamin Rush, rntci-zcicluKM's dci-
l'nahhäni^i^keitserklänin^, Schatzmeisters
des Münzaiiits der Vei-ciiii'Jften St;i;itcii.
"Wie einst Taeitus den Höinei'ii, so hält er
den ('iiiai'ljortien Ainei'iUanerii die \'()rzü<re
des (h'Utseheii Volkes vor. mit Ix'soiuhM'cr
Betoiiun«r ihi-es Fh'isses und ilii-er Kennt-
nisse als Aekei-])aner. ..Die Di'Utsehen un-
tei*seheiden sich." sajrte er. ..von den Hin-
trewanderten aiidei-ei- Nation un<l den Kin-
gel)oinen in foltrender Weise: Sie suchen
sieii «rntes Land aus. halten fest daran und
gehen ihren Ansiedlun^en Dauerhafti«;keit.
Sie halten ihr Land von liaumstnmpfen
und Steinen rein und sind bestrebt, den
irrössten Ertrag von .iedem Acker Landes
zu erzielen. Der Eingeborne ist verschwen-
derisch, der Deutsche spai-sam im (jeschäft
inid im Haushalt. Er lä.s.st sein Vieh nicht
wild umherlaufen, sondern hält es unter
Dach, heizt im Winter den Stall und spart
nicht mit Nahrung und Pflege. Seine
Scheunen sind noch imposanter als sein
Haus: letzteres wird in der zweiten Gen-
eration gewöhnlich von Stein gebaut. Der
Deutsche verrichtet alle Arbeit selbst und
wird dabei von seiner Familie unterstützt.
Er behält sein Gut in der Familie und
kauft die Nachbarn aus, dass sie wegziehen
müssen." Der Erfolg des deutschen
Hauers gründete die ökonomische Selbstän-
digkeit der Kolonien, und seine Kornkam-
mern, spricht Kush. brachten dem Lande
Millionen von Dollars ein, machten die
Gründung der Bank von Nordamerika
(1780) möglich.
Aber auch in Industrie und Gewerbe
waren die Pennsylvanisch-Deutschen her-
vorragend. \m Kleingewerbe waren sie als
fertige Handwerker liekannt. im Handel
konnte man sich auf ihre Ehrlichkeit im
Schuldenbezahlen verlassen, in der In-
dustrie wirkten sie bahnbrechend mit iiireii
]\Iühlen. Webereien. Glashütten. Eisen-
giessereien. Papierfabriken und iJudi-
drnckereien. Baron Stiegd gründete. 1758.
das Städtchen ^laimheim in Lancaster
Gounty. das ganz .seinen grossartigen in-
dustriellen rnternehmungen gewidmet
war. seiner Kisengiesserei. worin unter an-
derm die berühmten Ofen])latten verfertigt
wurde!', und seiner (llasliütte, der ereten
derartigen (iründunu' in retinsylvanien.
Hin solcher Kern wohnte in dein Volks-
stannii der Pennsylvanisch-Deutschen. die
von Philadelj)hia aus rasch die Counties
Montgomery, Jjancaster und Berks be-
setzten, sodann nach Norden und Westen
über Lehigh, Northampton und Monroe,
ferner über Lebanon und I3auphin sich ver-
breiteten, vom Susfpiehannah unauf gehal-
ten, festen Fuss in York, (Hnnberland und
Adams Counties fassten und nun die
Völkerwanderung weiter schoben, nach
Maryland und Virginien, über den Po
lomac ins Shenandoahtal, bis zur Wasser-
scheide hinauf und weiter, links nach Nord
Carolina, rechts nach den Toren des Süd-
westens, Kentucky und Tennessee. Im
Kampfe mit der ungezähmten Naturgewalt
und im beständigen Vernichtungskrieg
mit den streitbaren Indianern traten sie
siegreich hervor als Verteidiger der ameri-
kanischen Grenze von New York bis Geor-
gia, und als Gründer d^s landwirtschaft-
lichen Reichtums der Vereinigten Staaten,
Die Änsiedlung des deutschen Stammes
in cTcr Provinz Xew York hat ihre besondere
Geschichte, deren Anfänge nach der Hei-
mat in der Rheinpfalz zurückgehen, dem
Herzen der deutschen Auswanderung des
18ten .Jahi'lnuiderts. Das schöne (»arten-
land wurde in den unaufhörlichen Käm-
pfen des 17ten Jahrhunderts das Opfer der
wütenden Kriegsfurien. Im Dreissig.jähri-
gen Kriege wurde des Winterkönigs Land
zuerst von General Tilly, darauf von
Freund und Feind ohne T'ntei-schied be-
i-aubt und verwüstet, bis nichts mehr zu
plündern war. Hungersnot und Seuchen
taten das übrige, verführten den verkom-
menen Bauern zum Leichenraub oder trie-
ben ihn unter die Soldaten. Nachdem der
grosse Krieg vorbei war, kamen die furcht-
EINE GESCHICHTLICHE TEHKUSICHT CKUKH DIK DEUTSCHEN IX AMERIKA.
09-
baren V(n'heenni«»'i'ii der Kriejiszügc unter
Louis XIV. ]Man liess dem j^eduldi^tMi
Bauer den Samen zum Spott, daiuit er die
näehste Ernte wiedei- den Soldaten zu-
bereite. Zuletzt maehte der Franzose die
sieli immer wieder raseh erholende Pfalz
zur Wüstenei, damit sie seinen Feinden
nicht zur Verproviantierung diene.
Ausser den A'erheerunuen des Kriesfs
kamen noch andere Ih-saehiMi zur Auswan-
derung hinzu. Das wüste Treiben der
kleinen P^'ürsten (Landesväter Landesver-
räter), deren Schulden schwere Abgaben
von den Untertanen erpressten. be-
schleunigte den Verfall des Bauers. Da
Karl Ludwig noch auf dem Throne sass.
bestand unter katholischer Regierung Keli-
gionsfreiheit. Anders aber wurde es unter
seinen Xachfolgern. denn wurde auch tli'U
Lutheranern und Reformierten der .Kirch-
enbesuch gestattet, so hatten die Sekten,
wie Quäker, ^Mennoniten, Waldenser, auch
Hugenotten keine zugestandenen Rechte.
p]s hatte der spanische Erbfolgekrieg im
Jahre 1707 neue Verheerungen in der Pfalz
angerichtet, und unter den Heimatlosen be-
fanden sich Josua von Kochertal und einige
sechzig Pfälzer. Als ihnen die Erlaubnis
zum Auswandern nicht gegeben worden,
schifften sie sich ohne den Pass des Kur-
fürsten nach England ein. Dort lernten
sie die ^Mildtätigkeit der Königin Anna
kennen, als diese jedem einen Shilling pro
Tag zum Lebensunterhalt auszahlen liess.
Die Londoner „Lords of Trade", zum Teil
auch auf ihren Vorteil bedacht, schickten
nun die wackem Auswanderer als Pioniere
und Orenzvert eidiger nach ihrer Provinz
New York. Dort gründeten sie, 1709. Xew-
burgh (Xeuburg) am Hudson, während die
ganze Kolonie unter Kochertals Obhut ..The
Palatine Parish by the Quassaick" hiess.
Kocherthal starb im Jahre 1719, seine
Xachfolger waren Jusfus Falkner, (Jhris-
fopli Berkennuijer und Christian Knoll.
Die den Kocherthalern zugekommene Un-
terstützung wirkte auf die auswanderungs-
lustigen Pfälzer wie ein "Willkornmenheis-
sen. Xeben den vielen erwähnten Ursachen
zur Auswanderung, kam noch die inige-
wöhnliche Strenge des Winters 1708-9
hinzu. ,, Vögel starben im Flug, Tiere in
ihren Höhlen, und Menschen fielen am
Wege hin," so berichtet Conrad Weiser d.
jüngere in seinem Tagebuch. Die Furcht
vor Hungersnot und die Hoffnung auf ein
sorgenfreies Heim reiften die Wanderlust
in den kummervollen Herzen der Pfälzer,
und wie durch vereinbarten Entschluss,
entstand eine seltsame Bewegung unter
ihnen, eine Strömung nach den Gestaden
Englands, um von dort aus durch der
Königin Anna Gunst nach dem Lande der
Verheissung geschickt zu werden.
Im Mai fingen die Pfälzer an, in London
zahlreich zu erscheinen, bis Juni waren es
ihrer 5000, bis Oktober 13,000, die obdach-
los die Wohltätigkeit Londons in Anspruch
nahmen. Ehrenvoll löste der Brite das
schwierige Problem der Beköstigung und
Versorgung der Tausende. Der Anblick
der bedürftigen, zum Teil in Zelten unter-
gebrachten Heimatlosen, flösste sogar eini-
gen auf Besuch in London ei"scheinenden
Indianerhäuptlingen ^Mitleid ein. Von
ihnen wird erzählt, dass sie der Königin
Anna zur Ansiedelung der Pfälzer ein
Stück Landes anboten, am Schob arie ge-
legen in der Provinz Xew York, daher die
Pfälzer dasselbe als ein Geschenk der In-
dianer an sie betrachteten luid seitdem
nicht ruhten, bis sie in das gelobte Land
gekommen.
Ungefähr 5000 der in Ltmdon angekom-
menen Pfälzer fanden Arbeit in ver-
schiedenen Gewerben zu Wasser und zu
Land, 3800 wurden als Kolonisten nach
Irland in die (»raf.schaft .Munster geschickt,
etwa 600 zogen unter (J raffen rieds Leitung
nach Nord-Carolina, der Rest von über
3000 ward für die Provinz New York be-
stimmt, zur xVusführung eines gros.sartigen
Planes dci- Verfertigung von Schiffsharz.
Teer und sonstigen Flotten Vorräten, die
man bisher aus nordischen Ländern hatte
60
EINE GESCHICIITLR'HK UEHERSICHT UEBEK DIE DEUTSCHEN IN AMERIKA.
importieron iiiüs.slmi. Der neue frouver-
neur. Obei-st RobiTt IlniitiT. war mit clor
Aiisfülinmj; l)eauftniy:t uv.d stit'ss mit d Mi
auf /A'hii Schilien verpat-ktni Plal/.i'ni im
April 1710 in die See. Es üeleii bald
dunkle Sehatten auf dir liotViiuii^'svoUeii
Pläne, da 773 der Kolonisten aul" der Reise
oder kurz i-acli der Ankunft den Sehiffs-
kranklieilcn crlau'en. Ilunter sehritt aber
ent.seho.ssen vorwärts, «gründete East und
AVest Camp zu beiden Seiten des Hudson,
in der Nähe der jetzigen Stadt Khinel)eek,
und Hess, sobald es die Jahreszeit erlaubte.
Fiehtenbäume fällen. Die angekauften
6000 Aeker. ein Teil des Livingston IManor.
hatte er von dem sehlauen Robert Living-
ston erstanden, dem nun aueh die Bekö-
stigung der Pfälzer kontraktlieh übergeben
wurde, wobei Livingston seinen Eigennutz
walten lie.'-s und seiiu^i Reielitum noch ver-
grösserte. Die 1189 Kolonisten von East
Camp hatten allein den Zwang der Teerraa-
nufaktur zu ertragen, und es regte sich bald
Unzufriedenheit unter ihnen. Teils war
ihnen die barsche militärische Art der Lei-
tung vei'hasst, teils glaubten sie sich in der
schönen Hoffnung auf freie Arbeit mit
eigenem Grundbesitz getäuscht, da Gouver-
neur ILuiter ihnen die Aussicht auf die
jedem Pfälzer nach bestandener Arbeit ver-
sprochenen vierzig Acker verschloss. Die
Kolonisten hatten ausgezeichnete Führer,
unter ihnen Johann Koiixtd Weiser (aus
Gro.ss-An.spach, Württemberg), ein hart-
näckiger, ungebeugter Verfechter dei-
Rechte seiner Landsleute, ein ^Michael Kohl-
haas auf amerikanischem Boden. INIit dem
Beistand von Tru])pen aus Albany wurde
ein Ausstand der Arbeiter unterdrückt,
danach hörte alle Selbsregierung auf. und
East Camp wurde eine Zwangskolonie. An
emsiger Arbeit Hessen es die Pfälzer nicht
fehlen, denn bis zum Sonuner 1712 hatten
sie 100,000 Bäume umgehauen und zube-
reitet. Aber aus diesen Fichten gab es an-
statt 30,000 nur 200 Fässer Teer. Aufsehei-
Cast war der Aufgabe nicht gewachsen,
und das Heranziehen eines technisch gebil-
deten Ausländei's hatte man versäumt. Die
Londoner ..Lords of Trade" verloren dius
\'ertrauen in Ilunter und besonders in des-
sen Ratgebei' utul verweigerten ihm das
Zurückzahlen der grassen Sunnnen, die er
aus sein.em Pi'ivatvermögen vorgescho.ssen
hatte. Im September 1712 machte Cast
bekannt, dass die Arbeit eingestellt werden
müsse, da.ss die Pfälzer zum Broterwei-b auf
.■^ich .'-ellist angewiesen wäi'cn, sich ai)er be-
reit halten .'••.ollten auf unbestimmte Zeit,
damit die Arbeit allenfalls wieder anfangen
könne. Die Bestüi'zung, welche unter den
Pfälzern herrschte, wurde nur durch einen
rm.stand gemildert, die Hoffninig auf das
gelobte Land, denn ..hin nach Schoharie"
wurde ihre Losung.
Im gemeinschaftlichen Rat wurde be-
schloi-sen, einige der Führer, darunter Wei-
sser und den schon im Indianerkrieg be-
währten Kneiskern, auf Kundschaft auszu-
schicken. Von Schenectady bahnten sich
dieselben einen Weg bis nach Schoharie,
wurden von den Indianern freundlich em-
pfangen und erhielten die Krlau])niss sich
anzusiede'n. Etwa ein Dutzend Familien
lie-.'-en sich weder von dem Verbot des Gou-
verneurs, nocli von Hunger und Kälte ab-
sehrecken un.d zogen sogleich nach Scho-
harie, wählend der Hauptzug im ^lärz 1713
folgte, ^lan kaufte Land von den India-
n(M-n und gründete sieben Dörfer, die sieh
vom kleinen Schoharie bis zum Cobleskill
hinzogen und Namen der Führer, wie Wei-
sersdorf, Kneiskerndorf, Hartmannsdorf,
Fuchsdorf etc. trugen. Nicht alle Pfälzer
zogen mit nach Schoharie, die mei.sten blie-
ben in der Nähe von Ea.st Camp an.sässig,
gründeten auf dem Lande des benachbarten
Holländers Beeknmnn Rhinebeck (Rhein-
beek), ihm und dem vaterländischen Strom
zu Ehren getauft, oder siedelten sich in
Dutche.ss County an. gi-ündeten nördlich
davon Germantown. andere Hessen sich auf
der Westseite des Hudson nieder, in West
Camp, Kingston und E.sopus.
EINE GESCHICHTLICHE UEBEKSICUT UEBEK DIE DEUTSCHEN IX AMERIKA.
Gl
Die Leidensgesehic'litc \v;ir aber im «lelob-
ten Lande noch nicht zu Eiulc. Gouverneur
Ilunters Zorn über d-is ,ueschoitert(> Tiiter-
nehnien wandte sich nicht geg?n seine
wirklichen Feinde, sondern geoen die
imglüeklichen Pfälzer. Einer Anzahl Aris-
tokraten in Albany übertrug er zu einem
billigen Preise dasselbe Land, das die Pfäl-
zer kürzlich besetzt hattei^ SchwL'rer aber
war es für die Käufer, von dem Lnmli' Be-
sitz zu nehmen, denn tiot/ Drohungen aller
Art verharrten die wackern Bauern auf
ihrem von den Indianern geschenkten, von
der Königin Anna versproehrnen Besitz-
tum. Da beschlo--en die Ffälzer, ihre g'ite
Sache vor den ensr-^ieh' i^ Thron z'\ bringen,
und schickten Wci- er. S^beff und Walrith,
um einen gültigen Rocht'; ti Lei zw vermitteln,
nach England. Sic schiilten ?:ieh heim-
lich in Philadelphia ein. fielen aber in
die Hände von Se.^räubem. woliei AVeiser
dreimal an den ^last gebunden und jam-
mervoll geschlagen wurde. Li Boston
landete das beraubte Schiff, um das Nö-
tigste zur Weiterreise einzulegen. Als Wei-
ser und seine fiefährten in London ange-
kommen waren, wurden sie in e n Schuld-
gefängnis geworfen. Weiser und Seheff
hielten aus, Wallrath kehrte zurück, starb
aber unterwegs. Sie wurden durch Unter-
stützung von Schoharie von Schulden be-
freit und legten schriftlich ihr^ Klage ein.
Das Ansehen des anwesenden Hunter galt
aber mehr, und nach langem Ausharren
mu.sste auch Weiser unverrichteter Dinge
die Rückreise antreten. A^ls er 1723 wieder
in Sehoharie erschien, herrschte Uneinigkeit
unter seinen Landsleuten. Man disputierte,
ob die recht günstigen Bedingungen der
neuen Herren in Sehoharie angenommen
werden, ob man sich neue Ländereien am
Mohawk geben lassen, ob man den Zvvistig-
keiten der New Yorker Provinz auf ewig
Lebewohl sagen und zu den deutschen Brü-
dern in Pennsylvanien übersiedeln sollte.
Der nnversöhnliche Johann Konrad Wei-
ser zog das letzte vor und wanderte mit
grossem Gefolge, bepackten Wagen und
gro.'-.'-en Herden, nach Berks County, Penn-
sylvanien. am 'l'ulpehocken und Swatara,
und gründete dort Womelsdorf, ein MitteL
punkt de3 Friedens und blühenden Lebens.
Ein anderer Teil der Pfälzer konnte sich
von Schoharie, das so lieblich an die Heimat
zwischen Taunus und Ilardtgebirge erin-
nerte, nicht trennen. Sie überwanden
ihien (Jroll und wurden unter annehmbaren
Bedingungen handelseinig. Der dritte Teil
nahm die Offerte des neuen Gouverneurs
Burnett an, der ihnen schönes Land am
oberen biloba wk anbot. Freilich hatte er
dabei den Zweck, die östlicheren Ansiedlun-
gtn durch die pfälzischen Grenzwächter zu
beschützen ; man konnte aber auch ein Ent-
gegenkommen der Regierung darin er-
blicken. Konr;id Weisers Reise hatte doch
Frucht getragen, l'nter der Führerschaft
von Gi'ilaeli zol'- ein gros.scr Teil der Pfälzer
nördlich, ins IMohawktal. An beiden Ufern
de.; Fli'.s-es l)!ühten bald ihre Besitzungen
auf, von Fort Ilnnter im O'-'ten, b"s Frank-
fo:-t fünfzig IMeilen westwärts, in den heu-
tigen IMontgomery, Herkimer und angren-
zenden Counties. Die Namen Palatine
Bridge, ]\Ianheim, Oppenheim, Newkirk,
German Fiats deuten auf ihre Anwesenheit.
Ein mit Recht gefeierter Name unter den
im Jahre 1710 eingewanderten Pfälzern, ist
der des Druckers Johann Peter Z enger, des
Urhebers des ersten Kampfes für die Frei-
heit der Presse. Er befand sich imter den
in der Stadt New York zurückgelassenen
Waisenkindern; er wurde dem Drucker
Bradford in die Lehre gegeben, und bei ihm
lernte er nicht allein das Druckerhandwerk,
sondern auch die Kun.st, eine Zeitung zu
redigieren, denn Bradford gab 1725 die
erste New Yorker Zeitung „The N. Y. Ga-
zette" heraus. Acht Jahre später erschien
Zengers ,,The New York Weekly Journal",
eine Oppositionszeitung, die der Volkspartei
Stimme verlieh. Beiträge der hervorra-
gendsten Patrioten erhöhten das Ansehen
der reuen Zeitung, dei-eu bei.ssende Satire
■i}-.
KiXR cKsciiicirrMciiH ri;iiKHsi(iiT rKiiiiH dik DKrTsniKx in amkrika.
und kecke Wahrhcit-streiit' (l«'r willkürliclit'ii
Reo:ienin«; ein Dorn im Auirc wurde. Auf
(Jrund der Veröffentliehunir /wt'iei- beson-
ders scharfer Artikel wuide Zenirer 17:U
verhaftet und vor (leridit an«;ekhiirt. den
(iouverneur, den unniittell)Jiren Stellver-
treter des Köniirs. in vei-seliiedt-ncn ..fal-
schen, sehJindlifhcM und anfrühreriselien
Schniähsehi-iften" anireiri-iffen und dahei'
Frieden und Lil)i n der Kolonie <:-efiihi"det
zu hahen. Man herief die Itesten An-
wälte (U'r Provinz, es kam aber aus IMula-
delphia ein Ketter, der hervorraijende.
schon hetat;te Advokat Andi-ew TTaniilton.
der nnt diesem i'i'ozess seine »rrossartige
Laufbahn irlänzend abschloss. Kr verfocht
das j*i'inzip. dass bei einei- an<i,('blichen
Schmähschrift der Heweiss der Wahrheit
zugelassen werden müsse, ein l*rinzip. das
erst 1792. mit Hinweis auf dm Zenger-
Prozess durch ,.Fox' Libel liill" in die eng-
lisclie Jurispru(h'nz eingeführt wurde. ]Mit
Hilfe von Hamiltons siegreichc^r Verteidi-
gung begründete der Zenger-Prozess die
am(»rikanische Pressfreiheit und wirkte
segensreich auf die Gesetzgebung des ^lut-
terhuuU^s. Dem furchtlosen Zeitung.sher-
au.sgeber, der sein Verdienst durch wört-
liche Veröffentlichung der ganzen Verhand-
lungen noch ei'höhte. gebührt die Ehre,
zun» ersten ]\Iale der amerikanischen Jour-
nalistik das Beispiel eines furchtlosen Ver-
fechters der öffentlichen Meinung, eines
Vorkümj^fers der Freiheit und Gerechtig-
keit gegeben zu haben.
Nach den üblen Erfahrungen dei- Pfäl-
zer ei-hielt New Yoi-k weuiii- deutsche Ein-
wanderer, und diesem ('instand darf man
zum gro.ssen Teil das Zui'ückbleibcn New
Yorks im Vergleich mit der sieh rasch ent-
wickelnden Provinz Pennsylvanien zu-
schreiben. Obgleich die Häfen der Chesa-
peake Bay, Ainiapolis und Baltimore, auch
Charleston in Süd-Carolina, deutsche Emi-
grantenschiffe empfingen, ei-hielt doch
Philadelphia den Ijöwenanteil an der deut-
sehen EinwandeiMuiüT. Voi- der Pcn-olution
dai'f man drei Perioden untt'rscheiden : die
erste, von lÜSA — 1710. bedeutete den An-
fang der Ansiedlungen in Peiin.sylvania
inid New York; in dei- zweiten Periode.
1710—27, verstäi'kte sich die Einwanile-
rung; die dritte Periode, 1727 — 7"). l)i'achte
die Einwanderung ziun Höhepuid<t. da
jähi-lich fünf bis acht tausend Deutsche an-
kamen. Das .lahi- 1727 l)e/eichnete den
Anfang der letzten Pei'iode. weil man da-
mals eine amtliche Pi-otokoUierung der im
Hafen Aid<onnnen(len einfühlte.
Als die Einwanderung anfing, sich be-
deutend zu vergrö.s.sern, suchten Agenten
und Schiffskapitäne ihren Vorteil daraus
zu ziehen. Anstatt zu fallen, ging der
Preis des Traiisj^orts innnei' mehr in die
Höhe. Die \Vei'l)er. gewölnilich ..Neulän-
der" genannt, nalniien hüben und drü))en
ihre Taxen von Schiffskapitänen oder Un-
ternehmern und dazu noch das, was sie aus
den Auswanderern selbst erpi-essen konn-
ten. Schlinnn, wenn ehi Unglücklicher da.s
Sümmchen seiner Ersparnisse dem ehrlosen
Neuländer anvertraute, er nm.sste, mittellos
angekonnnen, sich zu jahrelangem Dienst
verkaufen lassen. iNIit schweren goldenen
Ketten pnuikend, schmeichelten sich die
Neuländer mit märchenhaften Erzählungen
vom leicht erworlienen Wohlstande bei den
schlichten Bauei-n ein, zeigten ihnen Briefe
von angeblich wohlhabenden Jjandsleuten
im goldenen Ameiika und l)ahnten leicht
auf verborgenen Wegen die Khein- und
Seereise an. Der gefährliche Neuländer
wurde aus süddeutschen Ländern gesetzlich
verbannt, die Verbote hinderten ihn aber
nicht in seinem heindichen Treiben. Sein
Geschäft wurde durch das sogenannte Rc-
(h')nptio)issijstcm begünstigt. Diesem zu-
folge konnte ein unbemittelter Auswande-
rer, nach seiner Aid<unft in Amerika, die
Kosten seinei' Heise a])verdienen. Er wui'de
vom Schiffskapitän an einen Herrn ver-
kauft, dem er sich verpflichtete, drei bis
sieben Jahre zu dienen, bis alle Auslagen
allbezahlt wäi-en. Darauf ward er mit Klei-
EINE GESCHICHTLICHE UEBERSICHT UEBER DIE DEUTSCHEN IN AMERIKA.
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dung und einer kleinen Siinnue Geldes ent-
lassen iukI Trat sofort in die Rechte eines
Bürgers ein. Diese Einrichtung schien zu-
erst gerecht genug, sie gab dem Annen, wie
dem Reichen, dieselbe ^Möglichkeit zur Aus-
wanderung. Schon lange war das System
in den spanischen und französischen Kolo-
nien eingeführt worden, und seine Anwen-
dung auf die deutsche Auswanderung
seit 1728 beförderte sie ohne Zweifel
sehr. Jedoch der Unfug eines ]\[enschen-
handels, die Ungerechtigkeiten und Erpres-
sungen, worunter die Bemittelten oft noch
mehr litten als die Redemptionisten, deren
Tri^nsport grössere Profite möglich machte,
nötigti' zur Abschaffung des Systems. Viel
fi'üher entstand aber eine Gründung zur
Abhilfe vieler Leiden der Einwanderer, die
Dnilsche GfScUschaft von Fcnnsijlvünkn.
176-1, nach deren Vorbild ähnliche In.stitute
in New York. Baltimore und Charleston
folgten. Nun durfte der Einwanderer in
amerikanischen Gerichten eine Klage erhe-
ben ; die grössten Uebel wurden beseitigt :
so das Verpacken der Einwanderer in zu
kleine Räume, Avorin oft die Hälfte einer
Schiffsladung zu Grunde ging, Kinder fast
obre Ausnahme: die Scheidung der Passa-
giere von ihrem Gepäck, das auf anderen
Schiffen oder gar nicht nachgeschickt
wurde : die Verantwortlichkeit der ge-
sannnten Passagiere für die Reisekosten der
auf der Seereise Verstorbenen. Tiotz aller
Verbesserungen blieb doch die Reise nach
heutigen Begriffen ein gefahrvolles Unter-
nehmen ; sie dauerte in den kleinen Segel-
schiffen monatelang, Stürmen und Seuchen
musste Widerstand geleistet werden, dann
lauerten auf sie Seeräuber, die ihre Ge-
fangenen zu eirem Sklaventum unter tro-
pischer Sonne verurteilten.
Wenden wir uns nach den übrigen atlan-
tischen Provinzen, so finden wir in fast
allen einen Kern deutscher xVnsiedlungen
vor dei' Revolutionszeit. In AVw Jorac]i
feiern die Xachkonnr.en der ersten Deut-
schen das Jahr 1713 als den Anfang ihrer
( Jescliiclitc. Die meisten Hessen sicli nieder
in den (Jrafschaften Hunterdon, Somerset,
Morris und zum Teil in Sussex und Warren.
Die Städtchen Newton und Lambertville
bezeichnen die ({renze im Norden und im
Süden, Bound Brook und der Delaware im
O.sten und im Westen. Es wird erzählt, dass
eine Anzahl Deutsche aus Wolfenbüttel und
Halber.stadt, von Stürmen in die Delaware
Bay getrieben, auf der Wanderschaft nach
New' York, ihrem Ziel, in die annuitige Ge-
gend von Museonetcong und Passaic gekom-
men seien, und sicli dort so wohl befunden
hätten, dass sie ein deutsches Tal, German
Valley, im IMorris County gründeten.
Ausser German Valley liegen die Ortschaf-
ten Fox Hill (Fuchs war besonders wegen
seines vorzüglichen Weizens bekannt),
Lebanon, New Germantown, Unionville,
Flanders, Spruce Run, Schooley's ^loun-
tain, Pleasant Grove im Herzen des alten
deutschen Bezirks. Jeder Ort hatte se'ne
Lutherische oder Reformierte Kirche, zu-
weilen di(mte dasselbe Haus beiden Konfes-
sionen, ^lan widmete sich dem Ackerbau
imd fand einen blühenden Ertrag. Von
d(ni alten Deutsehen New Jerseys stammen
viele wohlbcAannte Famir.en, wie z. B.
Werts. Frelinghuysen und Rockefellar
( Roekefeller). John D. RockrfeUrr, dessen
gros.sartige Stiftungen in der Weltge-
schichte ihresgleichen suchen, dessen letzte
Gabe von 32 Millionen an den Gene, al
Edncation Board ..die grösste Gabe eines
^Mannes in der Geschichte der IMenschheit
für einen wohlthätigen Zweck" gewesen,
hat kürzlich ein Denkmal anfertigen las-
sen zu Ehren seines Vorfahrs, Jobann Peter
Roekefeller, der „im Jahre 1733 aus
Deutschland einwanderte und 1783 st-irb".
Das ^lonument steht im Dorf Larrison's
Corner, nahe bei Flemington. Hunterdon
County.
Sogar in den rasch angesiedelten Yankee
Kolonien finden wir Spuren von Deutschen.
In Maine gründete 1741 Samuel Waldo.
Sohn eines ponnnerschen Edelmannes, der
64
EINE GESfHICHTLK'HE rEBEHSK'HT UEBKK DIH DEUTSCHEN IN AMERIKA.
in Boston A^cnt eines Ilanihuriror Hauses
wurde, das Städtchen \Valdol)ui'^' an der
Bfoad Bay. Trotz strcn<j:er Winter und d'v
Ind'aneikricüf biet die Kolonie stand und
wurde von Zn/.üiiU'rn verstärkt. Sie litt
unter wiederholten Streitijrkeiten weijen
des Landeijientmnsreehts und verlor da-
dureh viele Kolonisten, die naeh Süd-Caro-
lina auswanderten. Andere .\n<iedhuit:en
der Deutsehen in ?^Iaine befanden sieh am
Kennebee ( Frankt'ort -Dresden ) . und am
l*ema(|uid ( Bremen ).
Die Kejrierunii' von Massachuscffs wurde
dureh die deut^ehe Einwandcnnm- in Xova
Seotia (Liuieiduirii) aufmerksam und Hess
im We.sten der Provinz Ansiedhuiiicn grün-
den, wovon Adamsdorf, Bernardsdorf und
Leyden deutsehe Namen tragen, deren Ge-
.schiehte bis jetzt aber in Dunkel gehüllt ist.
Von ganz anderer Bedeutung waren die
deutschen AnsieLllungen in Mdri/hiiul und
Vlrcjinic)i. Schon im 1 7ten Jahrhun-
deit hatten einzelne Deutsche ^Tarvland
aufgesueiit. daruntei* der Tabakhändler
Augustin Ilei-mann, der bereits in Xeu-
Amsterdam eine bedeutende Kolle gespielt,
in Mai'vland C'eeil County gründete. Mit-
glied des General Assend)ly wurde und
eine Landkarte der Provinz für Lord Bal-
timore zeichnete. Im 18ten Jahrhundert
wurden aber die Deutschen zahlieieher,
teils kamen sie in den Häfen von Aniui-
poli.s und Baltimore direkt von Deutsch-
land an, oder sie wanderten von Pennsylvn-
nien herunter oft mit nicht unbedeutenden
Rütteln- versehen, womit sie in der Stadt
Baltinu)re dem Handel und Gewerl)e Vor-
schub leisteten. Durch ihren Beistand
konnte Baltinmre der früher gegründeten,
mit besserem Hafen versehenen Stadt An-
napolis den Vorrang streitig machen und
dieselbe ])ald überflügeln. Drei der ersten
Stadträte l^altimores waren Deutsche,
einige der ältesten Stra.ssen führen noch
deutsehe Xamen. die ersten Hotelbesitzer.
Brauer, Schlächter, und viele der Kauf-
leute waren Pennsylvanisch-Üeutsche. Ln
Revolutionskriege stellte Baltimore selb-
ständige deutsehe Komiiauien. zu Kiule des-
• lalii luuideits stifteten ilie Bremer Kheder
in Baltimore eine Agentur, inul der regel-
mässige Verkehr zwischen Baltimore und
Kuropa hol) den Handel dei* Seestadt. Im
ÜMtii .lahi'hnndert vergrösserte sieh der
Einfluss der Deutschen auf Handel und Ge-
weibe, bis das deutsche Blut in der Be-
völkei-ung.-zahl auf ein Drittel stieg, aber
an der (leschichte des Emporblühen-! der
Stadt einen noch grösseren Antheil sich er-
warb.
Die ersten deutschen Ansiedler im west-
liehen Maryland waren, auf der Wander-
ung von Penn.sylvanien mich \'irginien, auf
die verlockenden Ländereien am IMonocacy,
in den heutigen Frederick und Carroll
C(mnties aufmerksam geworden, und Hes-
sen sich durch die äusserst günstigen Be-
dingungen des Charles Lord Baltimore
festhalten. Die am weitesten im Westen
Hegenden Oerter Ccmogocheague und Ila-
gerstown waren deutsche Ansiedlungen^
letztere von dem tüchtigen Joimthan Hager
1762 gegründet. Dort verteidigten sie die
Grenzen, und mehrere Familien, z. B. die
Poes (Poh) und Prathers. genossen einen
besonderen Ruhm als Tndianerbekämpfer.
Nicht alle Ansiedler kamen aus Pennsyl-
vanien. Johann Friedrich Amelung; aus;
Bremen baute 1784 mit etwa 'MH) bis 400
Kolonisten seine am ^lonocacy (nahe bei
Frederick) gelegene Glashütte, die von
Washington in einem Briefe an JetTerson--
sehr gelobt wurde, und deren Produkte,
feine Gläser, Schalen und Spiegel noch als
grosse Schätze aufbewahrt werden. Frede-
rick wurde 1745 von den zehn Jahre früher
in Annapolis angekonunenen Einwanderern
gegründet ; sie standen untei- dei- Führung
Thonuis Schleys. Der Schullehrer Schley,
wie Ulmer, wehrhafter Schullehrer in Wal-
doburg (Maine), Ilolzklo in Gennantown.
(Virginia), Pastorius in Pennsylvania,
lieferte das Beispiel eines ganzen ^lannes,
der neben seinem Lehramt, beim ^Mangel aa
EINE GESCHICHTLICHE UEBERSICHT UEBER DIE DEUTSCHEN IX AMERIKA.
65
Geistliehen Seelsorger, an Beamten Ge-
sehäftsleiter der Kolonie ward. Er wurde
der Vorfahr einer bedeutenden Familie, die
sich in Maryland und Georgia weit über die
Grenzen eines heimatlichen Ruhnu^s erhob.
Ein Sohn ward Hauptmann im Befreiungs-
krieg, ein I]nkel, Wilhelm Schley, Gouver-
neur von Georgia und Congressmitglied,
dessen Bruder Richter der Supreme Court
in Georgia, während von der ^laryland
Linie Admiral AVinfield Scott Schley als
Retter der Greely Nordpolexpedition imd
als Sieger von Santiago sich den Dank des
ganzen amerikanischen Volkes erworben
hat.
Die erste deutsche Ansiedlung in Virgi-
nicn hiess Germanna. Sie wurde gegründet
unter den Auspizien des Gouverneurs
Spotswood, der für seine Eisensehmelzerei,
nordwestlich von Frederieksburg (im .jetzi-
gen Orange Co.). erfahrene deutsche Ar-
beiter aus Westfalen kommen liess, die
ereten 1714. spätere, zum Teil aus AVürt-
temberg. 1717 imd 1720. Nachdem die
Eisengiesserei eingegangen, gründeten die
deutschen Arbeiter mehrere Ansiedlungeu,
die Reformierten Germantown am Licking
Run (Faucjuier Co.), die Lutheraner eine
Kolonie um Hebron Church beim Zusam-
menfluss des Conway und Robinson River
(Madisou Co.). Der Strom der Einwande-
rer flo.s.s in diesem Staate aber nicht von
Osten nach Westen, sondern von Norden
nach Süd-We.sten, zwischen den Gebirgs-
ketten der Blue Ridge und Allegheny
Mountains. Von Pennsylvanien her zog die
Wanderung über die westlichen Ansiedlun-
geu von ]\Iarvland zum Potomac, und von
dort längs des Shenandoah oder Opequon
talaufwärts. Nach Braddocks Niederlage
(1755) waren die westlichen An.siedlungen
Pennsylvaniens den Angriffen der über-
mütigen Indianer ausgesetzt, und man
suchte eine geschütztere Lage, wie sie es das
schöne Shenandoahtal, auf zwei Seiten von
hohen Gebirgsketten gedeckt, versprach.
Der allererste Ansiedler im Tal bildete aber
eine Ausnahme von der Regel des südlieh
gehenden Stromes. Es war Adam Müller,
der, die Spuren von Gouverneur Spotswoods
Entdeckungsritt verfolgend, von Osten her
durch Swift Run Gap in das Shenandoahtal
drang und 1726—27 nahe bei dem jetzigen
Elkton sieh niederliess. Bald folgte aber,
1732, Just US Hcicl (Joist oder Yost Hite)
von York, Pa., kommend, mit seinen drei
Schwiegersöhnen und mehreren Freunden,
im ganzen sechzehn Familien, die sich in
der Nähe vom heutigen AVinchester ansie-
delten. Robert Harper besetzte 1734 die
[Mündung des Shenandoah in den Potomac
und wurde Fährmann, wie im Namen des
historischen Orts „Harpers Ferry" ange-
deutet ist. Die Flut der Wanderung vor
und nach dem Befreiungskriege drängte die
deutsehen Ansiedlungen bis über die
Scheide des Tals, d. h. weiter als Lexington
in Rockbridge Co., aber auch durch die Ge-
liirgsschluchten hindurch nach Osten. Den
nördlichen Teil des Shenandoahtals hatten
die Deutschen fast ganz inne, am südlichen
Abhang wohnten Deutsche unter einer weit
grösseren Zahl Irländer. Schotten und
Hugenotten. Im Bürgerkrieg wurde das
fruchtbare Shenandoahtal der Zankapfel
der beiden Heere, denn Süden sowohl als
Norden erkannte den Vorteil der vollen
Scheunen und der guten Verkehrsstrasse,
die zwischen W'ashington und Richmond
über Lynchburg führte.
Nord- iDid Süd-Carolina wurden gleich-
falls früh im ISten Jahrhundert Pflanz-
stätten deutscher Kolonien. Die Schweizer
Graffenried und ]\Iichael brachten im
Jahre 1710 ungefähr 650 Pfälzer und
Schweizer nach der Mündung der Flüsse
Neuse und Trent imd gründeten Newbern
(Neu-Bern) in Nord-Carolina. Weder der
Indianerkrieg, dem im ersten Jahr der
zehnte Teil der Kolonisten zum Opfer
fiel, noch die späteren Wirren, hervor-
gerufen durch Landansprüehe verschie-
dener Parteien, konnten die Verbreitung
der Deutschen im gegenwärtigen Cra-
66
EINE GESCHICHTIJCIIK UEliKKSlCIIT UEBER IHK DKUTSt'HEN IN AMKRIKA.
veu County verhindern. Die Stadt Cliar-
leston beherbergte die ersten Deutsehen
von Süd-Carolina, diente aber in erster
Zeit nur als Station der deutsehen Kolonien
im Innern der Provinz, Saxe-Gotha \uid
Oran<rel)nrg. Diese hatten sehon 1737 einen
daselbst ansässicren Pastor, Charl(\ston erst
1759. Die ersten Kolonisten kamen 1735
nach dem Orangeburg Distrikt, Pastor
{riesscndauncr folgte zwei Jahre später mit
der dritten Verstärkung. Es waren arbeit-
same Ackerbauer und Handwerker, die bald
ihr gutes Auskonunen fanden. "Weiter
nach Westen lag Saxe-Gotha (seit 1872
Lexingtou genannt), hundert englische
Meilen von Charleston entfernt auf dem ge-
raden "Wege durch Orangeburg. Den Na-
men Saxe-Gotha hatte wahrscheinlich die
Königin Anna gegeben, und das Land zur
Kolonisienuig der Deutschen im Süden,
wie Schoharie zu ihrer Heimat im Norden,
bestimmt. Dies gelobte Land im Süden
wurde von tüchtigen Bauern aus den
Rheingegenden, "Württemberg, Baden und
der Schweiz besetzt. Ihr erster Seelsorger
TJicus gehörte zur Reformierten Kirche. In
Carolina wurde die Kolonialregierung ge-
zwungen, zur l^nterstützung der Kirchen
und Schulen beizutragen, sonst drohte man
nach Pennsylvanien oder einer anderen
Provinz auszuwandern, wo alle Vorzüge zu
finden seien. Die Ausdehnung deutscher
Kolonien im Innern Süd-Carolinas lässt
sich leicht ersehen aus der Verbindung
(Corpus Evangelicum) von fünfzehn deut-
schen Kirchen im Jahre 1788. Die Artikel
der Inkorporation wurden von neunzehn
Predigern und Kandidaten unterzeichnet.
Ausser den fünfzehn Kirchen bestand noch
eine einflussreiehe Gemeinde in Charleston,
wo das Deutschthum sich durch die Grün-
dung eines wohltätigen Versicherungsver-
eins auszeichnete, der „German Benevolent
Society" (1766) . Ferner entstand in Char-
leston das tüchtige deutsche Füsilier-Regi-
ment, das im Befreiungskriege gute Dienste
leistete. Der im Süden vielgeliebte Dichter
Timrod war der Nachkomme eines Offiziers
desselben Namens in jenem Regiment.
Eine frühe aber bald eingegangene Kolo-
nie in Süd-Carolina hiess Purysburg. in
Beaufort County, gegründet 1732 viui
Johann Peter Pury aus Neuchatel. Bedeu-
tend wurde dieselbe wegen ihrer Seiden-
zucht, sie litt aber wäiirend des Rin'olu-
tionskriegs und erholte sich nicht wieder,
da die Einwohner nach den höher gelege-
nen westliehen Teilen des Staates zogen.
Eine interessante Völkerinsel findet man
im Innern Nord-Carolinas, deut.sche An-
siedlungen, die um 1750 nicht etwa wie in
Süd-Carolina von der Küste, sondern von
Norden her, vom fernen Pennsylvanien ihre
Kolonisten bekonniien hatten. Auf beiden
Seiten des Yadkin liessen sie sich nieder,
etwas östlich von den schottisch-ii-ischen
Ansiedlungen am Catawba, aber mit der
Zeit stark mit ihnen vermischt. ^Man holte
in Pennsylvanien noch die Ernte ein, ver-
kaufte Haus und Hof und zog n)it vielem
Hab und Gut und reichlicher Versorgung
für den Winter, weit nach Süden, wo man
um wenig Geld einen schöneren Landbesitz,
als man ihn in Penn.sylvanien sich hatte
leisten können, ankaufte imd in einigen
Jahren grösseren Wohlstand errang. Als
die Deutschen in Nord-Carolina keinen
Prediger aus Pennsylvanien beziehen konn-
ten, wandten sie sich mit Erfolg an das
Consistorium von Hannover. Pastor Adolf
Nussmann und Lehrer Gottfried Arndt
wurden ihnen zugeschickt imd erhielten
lange die deutsche Sprache und Sitte auf-
recht. Es wird berichtet, dass man noch in
den Coimties Alamance, Guilford, David-
son, Rowan, Cabarrus, Stanly, Iredell, Ca-
tawba, Lincoln im Jahrzehnt, 1820 — 30, das
Pennsylvanische Deutsch hat reden hören.
Noch zu erwähnei^ ist die Ansiedlung der
Vereinigten Brüder in Nord-Carolina. Sie
hatten von Lord Granville 100.000 Acker
angekauft, und nach mühevoller Wahl
grändete Bischof Spangenberg im Forsyth
County, 1753, den „Wachovia Tract". Der
EINE GESCHICHTLICHE UEBERSICHT UEBER DIE DEUTSCHEN IX AMERIKA.
()7
Name wurde dem Lande zu Ehren Zinzen-
dorfs, Besitzers des irac/m«tales in Oester-
reieh, gegeben. Bethabara wurde zuerst ge-
gründet, dann Bethany 1759; 1766 fing
man mit Salem an, dem Ilauptsitz der
„Unitas Fratrum" in Nord-Carolina. Zuerst
baute man abgeschlossene Gebäude für
]\Iänner und Frauen, später aber wurde das
Cölibat aufgehoben, und mehrere Kolonien
kamen dazu. Im Jahre 180-1 Avurde die
höhere ^Mädchenschule in Salem gegründet,
welche stets die Töchter der besten Fami-
lien des Südens anzog. Salem-Winston ist
bis zum heutigen Tag Hauptsitz der Verei-
nigten Brüder des Südens geblieben ; das
friedliche Leben, die schöne Ostermusik und
die althergebrachten Sitten üben einen
wohltuenden Einfluss auf die ganze Umge-
bung aus.
Auch die am weitesten südliche Provinz
■erhielt beim ersten Entstehen deutsche Ein-
wanderer. Eine Kolonisationsgesellschaft
«rhielt von König George I. im. Jahre 1732
eine Vollmacht, den südlichen Teil von
Carolina als Georgia zu besiedeln. General
Oglethorpe gründete 1733 Savannah, imd
schon im folgenden Jahr kamen die Salz-
burger nach Georgia, ein kleiner Teil jener
aus dem österreichischen Erzbistum Salz-
burg im Jahre 1731 verstossenen Protes-
tanten, deren trauriger Zug von Goethe in
„Hermann und Dorothea" besungen ist.
Der ]\Iehrzahl nach fanden sie in Preussen
ein Asyl, aber auch England brachte ihnen
ein Willkommen entgegen. Die Londoner
„Society for the Promoting of Christian
Knowledge" verband sich mit der Koloni-
sationsgesellschaft zu Gunsten der Salz-
burger, und man interessierte auch Ogle-
thorpe für sie. ]\Ian machte ihnen höchst
annehmbare Bedingungen, und besonders
versprach der Christliche Verein die Kos-
ten der Auswanderer bis Rotterdam zu
bezahlen und ihnen Kirchen und Pastoren
zu unterhalten. Baron von Beck, ihr Füh-
rer in der Verbannung, begleitete sie, ihre
"Seelsorger und Ratgeber wurden Bohhis
imd Gronau, ersterer damals Superinten-
dent, letzterer Lehrer am Ilalleschen Wai-
seuhause. Weihnachten feierten sie in Lon-
don, fuhren einige Tage später ab und
kamen im ]März 1731 in Savannah an, wo
sie mit Kanonensalven und Jubelrufen der
am Strande versammelten Einwohner.schaft
(darunter einige Deutsche) empfangen
wurden. Die AVahl eines dauernden Auf-
enthalts wurde den Führern freigestellt
und fiel auf eine Stelle am Savannahfluss^,
zwanzig Meilen von der Stadt, dreissig von
dem Meere entfernt. Da nahmen sie einen
Stein, nannten die Kolonie Ebenezer, den
Stein der Hilfe, imd sprachen : „Bis hierh'^r
hat uns der Herr geholfen." In einer zwei-
ten Schiffsladimg kamen die nötigen Ziiu-
merleute imd Handwerker, an denen es ge-
fehlt hatte, eine dritte, 1736, brachte von
Reck, der zu diesem Zwecke sieh wieder
nach Europa begeben. Letztere enthielt
ausser achtzig Salzburgern. siebenimd-
zwanzig Herrnhuter, unter der Führung
David Nitschmanns, auch einige Engländer
imd Schotten. An Bord war John Wesley,
Begründer des ]\Iethodismus, der auf Einla-
dung Oglethorpes zur Bekehrung der In-
dianer und zur Plege der Religion in der
Kolonie gekommen war. In seinem Tage-
buch erscheint die Beschreibung des tiefen
Eindrucks, den er im Sturm zur See von
den Salzburgern erhalten. Wütende Wo-
gen drohten jeden Augenblick das Fahr-
zeug zu verschlingen, doch verhielten sich
die Salzburger gefasst und sangen Lieder
und Psalmen zur Ehre Gottes. Als der
Sturm sich gelegt, fragte Wesley einen der
schlichten Leute : „Hattet Ihr keine Furcht,
und auch nicht Eure Frauen und Kinder?"
„Nein," war die Antwort, „wir und unsere
Frauen und Kinder fürchten uns nicht vor
dem Tode." Nach der Ankunft verkehrte
AVesley viel mit Nitschmann und den
Herrnhutern, und zwei Jahre darauf
schrieb er in sein Tagebuch : ,,Icli zog nach
Amerika, um die Indianer zu bekehren,
68
EINE GESCHICHTLICHE UEBERSICHT UEBER DIE DEUTSCHEN IN AMERIKA.
und fand, dass ii-li selbst nicht bekehrt
war." liier war jiuf reli«riöseni Gebiete
eine Küekwirkuiiir Amerikas auf Europa
geschehen.
Noch in einer andern Beziehun«; erheben
sieh die Salzbnr<rer ül)er das Niveau der
meisten Koh^nisten. und zwar in der Skla-
venfrage. Dit S(ihhtir<f(r weigerten sich,
Sklaven zu halft n. als die Frajje an Georgia
kam. Tm sieh ans der üblen Lage zu ret-
ten, denn die englischen Kolonien forderten
die Kinführung der Schwarzen, wandten
sieh die Pastoren Bolzius und Gronau an
die heimatliche Kirche und erhielten von
ihrem Ratgeber II. S. Urlsperger in Augs-
bui'g die ^Mahnung nachzugeben, was sie
unter Zögern und Missbilligiuig .schliesslich
taten.
Zwei -Jaiire nacli der (Jrüiidung voii Ebe-
nezer verlegten die Salzburger wegen der
ungesunden Lage des Orts ihr Städtchen
acht Meilen unterhall) an den Savannah
River. Neben Ackerbau, dem Ilaupter-
werb.szweig, wurde in El)enezer wie im nahe
gelegenen Pui-ysburg Seidenzucht einge-
führt und mit Erfolg betrieben. ]\Ian
schickte 1751 tausend Pfund Kokons vnid
vicrundsicbzig Pfinid roher Seide nach
England. Die deutsche Bevölkerung Geor-
gias wuchs ziLsehencLs und zählte schon 1741
1200 Protestanten. Eine Festung zum
Schutze nach Süden, Frederica, wurde vom
Gouverneur auf der St. Simons Insel ge-
baut, wollin neu angekonnnene Deutsche,
aber keim' Salzburger, hinzogen. Den
Ilerrnhutern wurde durch die Aufforde-
rung, an dem s])anischen Krieg teilzuneh-
men, Georgia verleidet, und sie zogen bald
alle nach Bethlehem. Pennsylvania. Das
Städtchen Ebenezer zählte zur Zeit seiner
grös.sten Blüte an 500 Einwohner, hatte
einen regen Verkehr mit Savannah und bil-
dete den ^Mittelpunkt der deutschen Ansied-
lungen, die sich längs des Savannahflus.ses
hinzogen, zwischen den Städten Savannah
und Augusta, im Westen vom Ogechee
River begrenzt. Die Pastoren Bolzius und
Gronau .sorgten bis zu ihrem Lebensende
unbestritten für das Wohl der friedsamen
Gemeinden : nach ihrem Tode entstand einst
ein Kirchen.strcit, der vom Patriarchen
Mühl( iilx nf, 1774 — 75, während eines vier-
monatliehen Aufenthalts geschlichtet wur-
de. Er predigte in allen fünf Kirchen,
Savannah. Bethany, Jerusalem, Go-shea
und Zion, machte ein Inventarium des Kir-
cheneigentuiiis luid Hess einen gültigen
Rechtstitel auf den Landbesitz ausschrei-
ben. Im Revolutionskrieg wurde Ebenezer
von englischen Truppen besetzt, denn die
rege Teilnahme der Salzburger an der Re-
volution wurde ihnen verraten. Die Wahl
des Salzburgei's Johann Adam Trcntlen
zum ersten ''Provineial Governor, " den
man zu einer Zeit mit der ]\Iacht eines Dik-
tatoi-s der Provinz bekleidete, liefert ein
treffendes Zeugnis des hohen Ansehens der
deut.schen Bevölkerung in Georgia.
Betrachtet nuui auf einer Karte die Lage
dei' deutschen Ansiedlungen vor dem Revo-
lutionskrieg, .so sieht man. dass die Deut-
schen sich einen übergrossen 'feil der besten
Ländereien in den Staaten von New York
bis nach Georgia angeeignet hatten, dass
sie ferner durch ihre Ernten dem Lande
eine feste miabhängige Grundlage gewähr-
ten. Die Ehre der Grenz wacht ist in der
Geschichtsschreibung gewöhnlich den Iren
inid Schotten überlassen worden, forschen
wir aber genau nach, so sind auf dem
langen Gebiete der amerikanischen Grenz-
linie eben so viele deutsche Kolonien fest-
zustelh^n. In den Provinzen Neu-Englands
war wohl das englische Element an der
Grenze wie im Innern am zahlreichsten,
anders aber war es in New York. Dort
standen die deutschen Ansiedler am ]Mo-
hawk und am Schoharie am weitesten hin-
ausgeschoben, und ihre fruchtbaren Felder
und zahlreichen Herden waren beständig
das lockende Ziel der beutesuchenden Rot-
häute. Keine Landschaft von Maine bis
Georgia hatte mehr zu leiden als sie. denn es
gab keinen rüstigeren Feind als die Six Na-
EINE GESCHICHTLICHE UEBERSICHT UEBER DIE DEUTSCHEN IN AMERIKA.
69
tions unter allen Indianerstämmen Nord-
amerikas. In Pennsylvanien teilten die
Deutsehen mit den Iren und Schotten die
Mühseligkeiten der AVaclie. Nach Brad-
docks Niederlage kamen die Schrecken des
Grenzkrieges bis nach den mittleren deut-
schen Gebieten. In ^Maryland gab es keine
Ansiedhmgen weiter westlich als die deut-
schen, Hagerstown und Conogocheague.
In Yirginien lagen die deutschen Besitzun-
gen in den hohen westlichen Tälern des
Shenandoah, Opequou, Patterson Creek,
South Brauch of the Potomae, New River
und Great Kanawha. und nur im südwest-
lichen Teil Yirginiens hatten sieh Iren,
Schotten und Hugenotten zahlreicher ange-
siedelt. In Nord-Carolina lagen Iren etwas
weiter nach Südwesten vorgeschoben, sie ge-
währten aber den Deutschen am Yadkin
keine Deckung ; in Süd-Carolina hatten die
Deutschen eine lange Grenze gegen den
Stamm der Cherokees zu verteidigen, in
Georgia standen sie bis nach Augusta an der
Front.
Die Kriege des XVIII. Jahrhunderts.
In den Indianerkriegeu des zweiten und
dritten Viertels das achtzehnten Jahrhun-
derts M'aren zwei Deutsche ihrem Adoptiv-
lande von ungeheurem Nutzen, der Dol-
metscher Conrad Weiser imd der Missionar
Friedrich Post. Conrad "Weiser hatte unter
ZiLstimmung seines Vaters Johann Conrad,
des Führers der Pfälzer, einen Teil seiner
Jugendjahre, als Liebling des Häuptlings
Quagnant, unter den ]\Iohawks verbracht,
lernte viele Indiauerdialekte kennen und
genoss das Vertrauen der Iroquois oder Six
Nations. Schon 1737 gelang es ihm, bei
Onondaga (N. Y.) im Auftrage der Gouver-
neure von Virginien und Pennsj'lvanien die
Häuptlinge der nördlichen (Six Nations)
und südlichen (Cherokees und Catawbas)
Indianerstämme zu einem Waffenstillstand
zu bewegen. Im Sommer 1742 war er der
Hauptvermittler zwischen den siebzig
Häuptlingen der Six Nations und dem Gou-
verneur von Pennsylvanien, als man zwei
schwierige Probleme vor sich hatte, nämlich
die Indianer für Landraub zu entschädigen
und ihren Beistand gegen die Franzosen
zu gewinnen. Drei Jahre später war er
wieder in Onondaga und in der weiter
nördlich gelegenen Indianerhauptstadt Os-
wego, um die wegen Länderraub erzürnten
Six Nations von einem Einfall in das ^lo-
hawktal abzuhalten. Im Auftrag des Gou-
verneurs von Pennsylvanien brachte er 1748
Geschenke an die Indianer des Ohiotals,
kam bis nach ihrem Dorfe Logstown, west-
lich von Pittsburg, an der Grenze von Ohio,
und veranlasste die Indianer, von einem
Bimde mit den Franzosen abzustehen. Die
Erfahrungen dieser Reise kamen ihm im
Kriegsrat von 1754 sehr zu statten, als
Deputierte von sieben amerikanischen Pro-
vinzen mit den Häuptlingen der Six Nations
einen Plan berieten, zur Vertheidigung ge-
gen die westlichen Indianer und Franzosen.
Weiser hatte den Neid der Indiauerstämme
des Ostens und Westens kennen lernen und
verstand es klug, den Stolz der Iroquois
aufzustacheln.
Christian Friedrich Post sprach den De-
laware Dialekt, kannte den Charakter der
Indianer genau und stand bei ilmen in An-
sehen. Seine Heirat mit einer Indianerin
nötigte ihn, aus dem Amt eines ^Missionars
der Herrnhuter zu treten. Desto grössere
Dienste leistete er als Gesandter und Ver-
mittler zwischen den beiden Rassen. Im
„French and Indian War" (1756-63)
Avard er einst nach der Delaware-Haupt-
stadt KushkiLshkee, nordwestlich von Fort
Duquesne, gesandt und erklärte den India-
nern kaltblütig, dass es in ihrem Interesse
liege, sich von den Franzosen zu trennen,
denn der Sieg der heranziehenden engli-
schen Armee sei gCAviss. Das Ergebnis war
eine grosse Versammlung der Delawares,
3Iohicans und Iroquois mit den Weissen in
Easton und darauf ein Friedensbeschlass,
den Post beauftragt wurde, den Ohioindia-
nem zu überbringen. Nach vielen Aben-
EINE GESCHICHTLICHE UEBERSICHT UEBER DIE DEUTSCHEN IN AMERIKA.
teuern gelaiifr es ihm durehzusetzou, dass
die Delawares. Sliewauoes und ]\Iingos das
Krie»irsbeil begruben. Dadurch wurde die
Einnalnne von Fort Duquesne gesichert,
denn die Franzosen räumten das Fort, als
sie sich von den verbündeten Indianer ver-
lassen sahen.
In demselben Kriege w'urde das Regiment
„Royal Americans" gegründet und unter
die Führung des Schweizers. Oberst Bou-
<iu(t, gestellt. Es bastand aus vier Batail-
loiu^n, zu je tausend ]Mann ; fünfzig der Offi-
ziere sollten ausländische Protestanten sein,
die Rekruten wurden hauptsächlich aus der
deutschen Bevölkerung Pennsylvauiens aus-
gehoben. Die Bataillone dienten in allen
Teilen der amerikanischen Provinzen aber
auch ausser Landes : in Quebec, Louisburg,
llavana, Martinique. Ihr schönstes Ver-
dienst aber war die Einnahme von Fort
Duquesne unter den Generälen Forbes und
Bouquet, zugleich die Rettung des durch
Braddocks Niederlage eingebüssten Kriegs-
ruhms. Waren diese Feldzüge eine Vorbe-
reitungsschule für den Befreiungskrieg, so
bildete dies Regiment unter der deutschen
Bevölkerung einen militärischen Kern, der
selbständig und kriegserfahren antreten
konnte, sobald man sich von England los-
sagte.
Der Antheil am Befreiungskriege.
Beim Ausbruch des Befreiungskriegs war
etwa ein Drittel der Bevölkerung auf der
Seite des Königs, in New-England und Vir-
ginien war der Prozentsatz der Loyalen
kleiner, aber in Georgia Avar das Verhältnis
fast gleich und gleich. Sicher ist jedoch,
dass in jedem Bezirk die deutschen Anhän-
ger des Königs weit unter dem Prozentsatz
der Tories des betreffenden Distrikts stan-
den. Die deutschen Ansiedler gehörten
nicht zu den Aristokraten, deren Glück von
der Gun.st der Krone abhing. Sie hatten
nicht dieselbe Pflicht der Dankbarkeit,
nicht den Stolz auf die Herrlichkeit der
englischen Nation. Was sie w^aren, hatten
sie mei.stens ihrer fleissigen Hände Arbeit
zu verdanken, und wie alle Pioniere, liebten
sie ein selbständiges Schalten und Walten.
Die vielen Sekten, wie ]\Iennoniten, Tnnker
u. s. w., denen ihre Religion die Waffen-
führung verbot, winden deswegen keine
Tories, sie brachten der patriotischen Partei
oft grosse Opfer, sie öffneten ihre Speicher
dem hungernden Heere. Die llerrnhuter
in Nord-Carolina wurden beispielsweise
durch Zahlung einer dreifachen Steuer vom
Kriegsdien.st entli()l)en. Dagegen war die
^Mehrzahl der Deutschen kampflu-stig, und
viele gehörten zu den ersten Aufwieglern,
darunter viele Kaufleute Philadelphias, w^ie
der Bäcker Ludwig, der Finanzier Ilillegas,
der Drucker Henry ]Miller, dessen ,, Staats-
bote" kräftig in die Flammen blies, ja alle
evangelisch - lutherische und reformirte
Kirchenräthe, Avie auch die Beamten der
Deutschen Gesellschaft in der Stadt Phila-
delphia. Unter Zustimmung des lutheri-
schen Patriarchen Älühlenberg druckte
man eine vierzig Seiten lange, vom 1. Au-
gust 1775 datirte Broschüre, die man an
die Deutschen von New York und Nord-
Carolina schickte, zur Bekanntgabe über
die politische Situation und die Nothwen-
digkeit der Waffenergreifung, dass man in
Pennsylvanien kampfbereit stände, dass
man ^lilizkompagnien und Jäger-Corps ge-
gründet, die sich bereit hielten, sofort in
irgend einen Landesteil zu marschieren.
Im Shenandoahtal hielt die fast ganz
deutsche Bevölkerung von Woodstock, un-
ter dem Vorsitz Peter Mühlenbergs, eine
Versammlung, in welcher in schriftlichen
Resolutionen mit Unabhängigkeit und
Krieg gedroht wurde. Dieselbe fand am
16, Juni 1774 statt, nur einige Wochen
später als die allererste derartige Ver-
sammlimg in Fredericksburg (Va.) am 1.
Juni, und zwei Jahre vor der Unabhängig-
keitserklärung der gesammten Kolonien,
Deutsche Regimenter gab es schon zu An-
fang des Krieges; das erste entstand nach
Beschluss des Congresses, 1776, und wurde
EINE GESCHICHTLICHE UEBERSICHT UEBER DIH DEUTSCHEN IN AMERIKA.
von fünf Kompagnien ans Pennsylvania
neben vier ans Maryland gebildet. Unter
Snllivans Oberbefehl niaehte das Regiment
dessen Kriegrszng' gegen die Indianer mit,
stie.ss zu Washingtons Truppen, beteiligte
sieh an den Sehlaehten von Trenton, Prin-
cetou und Brandywine und verbraehte den
schlinnuen Winter 1777—78 in Valley
Forge. Armands Legion hiess ein anderes
deutsches Regiment, das aus verschiedenen
schon gedienten Kompagnien zusammenge-
setzt war, z. B. Schotts Dragoner und von
Ottendorffs Fussvolk. Das Regiment zeich-
nete sieh in den späteren Feldzügen aus,
bei der Belagerung von Yorktown und
New York. Sehr viele Deutsche waren in
den Pennsylvanischeu Regimentern I. bis
XIII.. wie man aus den im ,, Deutschen Pio-
nier" gedruckten Namenslisten sehen kann.
Die Leibwache George Washingtons be-
stand zum grossen Teil aus Deutschen,
initer dem Befehl des unter Friedrieh dem
Grossen gedienten Preussen, Major von
Tlccr, der seine Leute meistens aus den
den Grafschaften Berks und Lancaster er-
hielt. Sie dienten vom Frühling 1776 bis
zu Ende des Krieges. Die Gründimg der
Füselier-Kompagnie Charlestons und die
Ernennung des Salzburgers Treutlen zum
Gouverneur von Georgia sind bereits er-
wähnt worden. Das „Georgia Council"
gab Treutlen im Jahre 1778 die Gewalt
eines Diktators, und in der Ausführung
seines Amtes liess er vom Salzburger,
Oberst Ebert, das Fort Frederica und zwei
englische Kriegsschiffe erobern.
ALs typische Patrioten unter der deut-
schen Bevölkerung jener Zeit nennen wir
einen ]\Iann aus den gebildeten Kreisen
und einen Mann aus dem Volke, Peter
Mühlenberg und Christoph Ludwig, deren
Schicksale an anderer Stelle in diesem
Buche geschildert worden sind.
Die Ansiedler im jMohawktal und in
Schoharie hatten während der Revolutions-
jahre mit wenig Unterbrechungen die
Greuel eines Grenzkrieges mit den Stäm-
men der Six Xations zu ertragen. Im vor-
hergehenden Krieg gegen die Franzo.sen
waren sie Verbündete gewesen, luui aber
war es den Engländern gelungen, die Iro-
quois auf ihre Seite zu locken. Die bunt-
i'öckigen Soldaten der Briten und deren be-
stechende Geschenke schienen auf grössere
]\Iacht zu deuten. Der Vortheil der Beute,
an Vieh und Getreide, konnte auch leichter
unter Feindschaft mit den Ansiedlern ge-
wonnen werden. Engländer und Tories
hetzten die Indianer gegen die unglückli-
chen Ansiedler, die nun nicht länger auf
den ausbleibenden Beistand des Congresses
warten konnten, sondern sich selber helfen
nmssten. I^nter dem Oberbefehl Nikolaus
Herchheimers (Herkimer) organisierte man
vier Bataillone zum Schutz von Tryon
County, vertrieb alle Tories, deren Anfüh-
rer Sir William Johnson, Schwager des ge-
fürchteten Indianerhäuptlings Brant, die
befreundeten ^Mohawks mit in seine Partei
zog. Im Juni 1777 trat General Burgoyne
seinen iMarsch nach der Provinz New York
an, um dieselbe von New-England abzu-
schneiden. Oberst St. Leger sollte nun von
Westen her die AIohawk-Ansiedlung über-
fallen und ihre Ernten zur Beköstigung der
Burgojaieschen Armee nach Albany
bringen. Diesen Plan vereitelte aber
Herchheimer mit seinen tapferen Scharen
dnrch den Sieg bei Oriskany; neun Tage
nach der Schlacht starb Herchheimer an
einer in derselben erhaltenen Wmide.
Unter den vielen ausländischen Offizie-
ren, die vom Ideal des Befreiungskrieges
angezogen wurden^ leistete keiner dem ame-
rikanischen Volke grössere Dienste als
Friedrich AVilhelm Freiherr von Steuben.
Lafayette, zur Zeit seiner Ankunft (1777)
ein Jüngling von zwanzig Jahren, mit
warmem Herzen und offener Hand, erhielt
glänzende Posten. Aber an wirklichen fort-
schrittlichen Leistungen ward der kriegser-
fahrene Steuben, ein Lieblingsschüler
Friedrichs des Grossen, unter allen Gene-
72
EINE GESCHICHTLICHE UEBERSICHT l EBER DIE DEUTSCHEN IX AMERIKA.
rälen im Frpiheitskrii'*rr nur von Washing-
ton und rjreent' ül)ertroffen.
Als zweiter unter den deutschen Offizie-
ren ist zu nennen Johann Kalb, der zu
Hause ein sorgenfreies Leben verliess. um
den anierikanisehen Patrioten ])eizustehen.
Er hatte aueh im siebenjährigen Kriege ge-
dient, hatte Amerika auf einer frühereu
Reise kennen lernen, war ein erfahrener In-
genieur und Topograph. In dem Kriegs-
zug nach Süden unter General Gates
wurde er über die ^Maryland und Delaware
Truppen gestellt. In der Schlacht von
Caniden siegte er mit seinen Regimentern,
wurde aber von dem unfähigen Gates im
Stiche gelassen, setzte den Kampf bis zum
Aeus-sei-steu fort mid starb den Heldentod.
Andere bedeutende Xamen unter den
deutschen Freiheitsfreunden waren die
deutschen Offiziere Weedon (Wieden),
AYeissenfels. Ziegler, Lutterloh, Schott,
Kalteisen. Bei den französi.schen Truppen
unter Rochambeau standen einige deutsche
Regimenter und deutsche Offiziere, z. B.
das Garderegiment Zweibrücken unter dem
Befehl des Prinzen Christian von Zwei-
brücken : Prinz "Wilhelm von Zweibrücken
war Obei-st-Leutnant, Freiherr Eberhard v.
E.sebeck ]\Iajor, Graf Haake Hauptmann.
Unter den Reitern des Herzogs von Lauzun
befanden sich viele Deutsche. Lauzuns
R^^iter, Wiedens 1200 ]\Iili/.soldaten und
Armands Legion schlugen General Tarle-
ton in dem einzigen Ausfall, der in der Be-
lagerimg Yorkto\nis versucht wurde, zu-
rück. Das Regiment Zweibrücken hatte die
Ehre, eines der beiden Forts zu er.stürmen ;
Prinz Wilhelm ward im Angriff verwundet,
Hauptmann Heinrich Kalb, Xeffo des in
der Schlacht von Camden gefallenen Jo-
hann Kalb, war der erste im feindlichen
Fort, dessen Einnahme den Untergang
Yorktowns besiegelte.
Die verhassten, übel verleumdeten Hes-
sen, mit ihren tüchtigen Offizieren Riede-
sel, Heister, Knyphausen u. a. m. bewährten
sich als tapfere Soldaten in der Schlacht,
in der Gefangenschaft als vortreffliche
Menschen. Ungefähr fünf bis .sechs taiLsend
(aus 30,000) mögen nach der Revolution
sich in Amerika angesiedelt haben. Die
mei.sten zei-streuten sich in den deutschen
Ansiedlungen, denn an andern Orten sah
man sie doch immer noch mit Argwohn an
Die Eroberung und Besiedelung
des Westens.
Das Vordringen in den Westen .jenseits
der Alleghanygebirge ging nicht, wie man
wohl erwartet hätte, zuerst vom Ohiotal,
sondern vom Südwesten aus, d. h. von Ken-
tucky und Tennessee. Hauptursache war
die Feindschaft der an den XebenHü.ssen
des Ohio ansä.ssigeu Indianerstämme, die
sich mit ihren Erbfeinden, den Six Nations,
oft in blutigen Kriegen gemessen hatten und
nun den Weissen jeden Zoll breit Landes
streitig machten. Dagegen lag das Tal des
Cumberland und Tennessee zwischen den
feindlichen Indianerstämmen des Nordens
und Südens: beide benutzten da.s.'ielbe zu
ihren Jagdzügen, wagten aber nicht es in
Besitz zu nehmen. Da kam ein dritter
]\Ienschen.stamm und raubte ihnen das Pa-
radies der Jäger, Kentucky, „das dunkle,
blutige Gebiet". Schon lange .standen die
Weissen an den Toren des Südwestens, an
den Quellen des Tennessee und Grossen
Kanawha, machten schon vor dem Frei-
heitskrieg Streifzüge, ja legten sogar An-
siedlungen an. wie Harrod.sburg 1774, Boo-
nesboro 1775, im bestrittenen Jagdrevier.
Als aber der Krieg mit der englischen
Krone nicht mehr die Kräfte der Koloni-
sten in Anspruch nahm, strömte es unauf-
hörlich aus A'irginia und Carolina gen
Westen zu.
Die ersten Pioniere, die es am besten mit
Indianern und der W^ildnis aufzunehmen
verstanden, waren durch.schnittlich Einge-
EINE GESCHICHTLICHE UEBERSICHT UEBER DIE DEUTSCHEN IN AMERIKA. 73
borne, darunter Avaron abor von deutsohor
Abknnft ebenso viele wie Abkönnnliniie
anderer Nationen. Michad Sfoiicr (Stei-
ner), Vorfalir der Kentneky Stoners. war
der Begleiter Boones auf de.s.sen frühe.sten
Streifzügen imd hatte mit Harrod vor
Boone da.s Wild am Cnmberland gejagt.
Kasper Manskcr (jNIansko), ebenfalls von
deutscher Abkunft, Oberst der ^Nliliz. war
einer der bedeutendsten Indianerbekämpfer
in Tennessee, dessen Flinte „Nancy" die
Indianer wie ein Gespenst des Todes heim-
suchte. Alle Indianerjäger des ganzen
Landes übertraf aber Ludwig Wetzel, der
Hotspur des Ohiotals. Wenn auch nicht
einige vierzehn vor dem Frühstück, so
tötete er doch über dreissig Indianer mit
eigener Hand, mehr als von den beiden
Armeen von Braddock und St. Clair zu
Fall gebracht Avurden. Ludwig Wetzeis
Vater war in der Pfalz geboren und wurde
in der Gegend vom heutigen Wheeling
meuchlings von den Indianern ermordet,
darauf tat der Knabe einen Racheschwur,
den er mit entsetzlicher Treue ausführte.
Er Hess sich durch keinen Friedensschluss
in seiner Indianerhetze stören, geriet des-
wegen mit der Regierung wiederholt in
Konflikt, verlor aber darum doch nicht das
Wohlwollen der rauhen Pioniere, deren
Herzen er auch bei seinem späteren Aufent-
halt in Natchez und Texas vollkommen für
sich gewann.
Im allgemeinen gehörten aber die Deut-
schen und deren Nachkonnnen zur Klasse
der dauerhaften Ansiedler, die das bessere
Land besetzten, bebauten und festhielten.
In zeitgenössischen Urteilen wird dieser
Charakterzug betont, so sagt z. B. der
Staatssekretär von Kentucky, Toulmin.
dass unter je zwölf Familien neun Deut-
sche, sieben Schottische und vier Irische ge-
diehen, während die übrigen zu Grunde
gingen. Aus den Nachforschungen Ratter-
manns geht hervor, dass wenigstens zwei
Drittel der wegen seines Ackerbaus und
seiner Viehzucht berühmten ,,Blue Grass
Region" von Kentucky früh von deutschen
Ansiedlern besetzt wurden, besonders der
mittlere und westliche Teil. Darunter
waren viele pensionierte Soldaten der deut-
schen Regimenter im Revolutionskrieg,
denen anstatt Zahlung vom Congress Land-
schenkungen bewilligt wurden. Berichte
von reisenden lutherischen IMissionären an
die Synode von Nord-Carolinas (1803) be-
weisen, dass die Deutsehen Nord-Carolinas
sich viel auf die W^anderschaft nach Ken-
tucky und Tennessee begaben und sehr
früh dort angesiedelt waren.
Die ersten sich dauernd niederlassenden
Weissen im Staate Ohio waren die IMissio-
näre der Herrnhuter, Post, Zeisberger,
Heckewelder und Ettwein. Post hatte es
schon 1761 versucht, eine ^Mission in Stark
County zu gründen, wurde durch Pontiacs
Krieg vertrieben, kam 1767 aber wieder zu-
rück. David Zeisberger und dessen An-
hänger gründeten vier Städte am oberen
IMuskingum (Coshocton Co.). Schönbrunn,
Gnadenhütten, Lichtenau und Salem. Diese
JMissionen für christliehe Indianer gediehen
vortrefflich, zu Ende 1775 zählten die Ge-
meinden 414 Seelen, Ackerbau und Ge-
werbe blühten, eine Fibel und ein Lesebuch
wurden in der Delaware-Sprache für sie
angefertigt, das Experiment der kulturellen
und christlichen Erziehung der Indianer
war den ^Missionären gelungen. Da brachte
ihnen der Revolutionskrieg Unfrieden und
Verderben. Die westlichen Indianer hatten
mit den Six Nations gegen die Kolonisten
Partei genonnnen, und die friedlichen In-
dianer waren zwischen zwei argwöhnischen
feindlichen IMächten eingekeilt. Als das
Gebot der Six Nations eintraf, die friedli-
chen Indianer tot oder lebendig von ihren
Besitzungen fortzuschaffen, waren die
raublustigen Wyandots bei-eit, den Befehl
auszuführen, und l)rachten die Hilflosen in
das nördliche Ohio an den Sandusky Fluss.
Da sie dort grosse Not litten, wurd(^ einem
Teil, etwa 150, erlaubt, im Februar 1782
einen Zug nach der Heimat am ]\Iuskingum
?][XK GESCHICHTLIC'HK rKBKKSKlir IKl'.Ki: DIK DKITSUHEX IX AMETilKA.
'/AI iiKK'lien, um (Jctreitle und Li-lieusiiiittcl
einzuholen. AbiT als sie schon ihfe Säcke
zur Abfahrt «repackt hatten, um vom Mus-
kinfjnni wieder nach dem Sandusky /.u wan-
dern, w ui(U':i di;' christlichen Indianer von
einer rohen Ilorile Hinterwäldler iiherfalliii
und mit Frau und Kind erschlayen und
skalpiert. l'iese .Metzelei, ein cwiuer
Schandfleck in der (Jeschichte dci' J-]robe-
run«r des Westens, fand keine Billigung
unter den an«!;eseheneren Pionieren, vei'ur-
sachte aber auch keine allgemeine Knt-
lüstunüf. denn den meisten erschien in
dieser fui'chtbareu Epoche des \'ernich-
tun^rskrieirs Indianer gleichbedeutend mit
Teufel.
Der Sieg blieb lange auf Seiten der Rot-
häute. Die Expeditionen der Generäle
Ilarmar inid St. Clair erlitten entsetzliche
Niederlagen und ermutigten die Indianei-
zu noch häufigeren Au.sschreitungen. p]nd-
lich zwang der Feldzug des tapferen, um-
sichtigen General Wayne im Jahre 17!>4
den Indianern den Frieden ab, und das In-
nere Oliios ward eröffnet. Vorher hatte
man iiui" gewagt, an den Flussmündungen
tastend Fuss zu fassen, so wurde IMarietta
1788 an der ^Mündung des ^Muskingum u.nd
Losantiville (aus L für Licking. os Mün-
dung und anti gegenüber) 1789 der ]\Iün-
dung des Licking gegenüber gegründet. ]\Iit
Lo.santiville stritten Columbia und Cleves,
alle drei am nördlichen Ufer des Ohio gele-
gen und ungefähr zur selben Zeit gegrün-
det, um die Herrschaft des ]\Iiamitals, bis
der Bau des Fort Washington bei Losanti-
ville zu dessen (Junsten entschied, aber der
Name wurde, 1790. in Cincinnati umge-
tauft. ColumhUi liegt in den (Jrenzen des
lieutigen Cincinnati. zählte schon 1792 nach
Ileckeweldcrs Tagebuch 1100 Einwohner
und wurde von Major Sfitcs (Steiz), einem
Dcufsclicn, gegründet. Der im Freiheits-
krieg sehon verdiente David Ziegler (geb.
in Heidelberg 1748) wurde 1802 zum ersten
Bürgermeister von Cincinnati erwählt, aus
Dankbarkeit für seine Vertheidigiuig des
Ohiotals gegen die übermütigen Indianei-
horden nach St. Clairs Niederlage; er
wni-de im folgenden Jahr einstiiiiinig wie-
dei'eiwählt. Ein andei'cr Dciitschci'. im
Klsass gebürtig, wiiktc bilnibi-echrnd in
den frühei'en Jaliicii ( "iiiciiuiatis. (\cv Liciii-
aie Kaufnunni Martin Bautn, (\^v mit Gene-
ral Wayne nach Ohio gekonunen und da-
rauf sich in Cincinnati niederliess. S(in
..general störe" bildete den Anfang eine»
Vermögens, das er zu rnternelunungen
gros.sen Stiles anwandte, (1810) zum Bau
dei- ersten Eisengies.serei des Westens, zu
einer Zuckerfabrik, zu Webereien und
Dampf mühlen. zur Gründung eirer Bank.
Er führte zinn t-rsten ^lale Segelschiffe im
Flussverkehr ein und veranstaltete regel-
mässige Fahrten zwischen Cincinnati und
New Orleans. p]r wurde 1807 uiul 1S12
Zinn Bürgermeister erwählt und war I\Iit-
l)egründer einiger ]\IiLsik- luid Kunstver-
eine Cincinnatis. Er war einer der ersten
Landbesitzer von Tededej (Port Lawrence),
das er als Endpunkt einer Verkehrslinie
zwischen Cincinnati und den grossen Seijn,
durch das ]\Iiamital befürwortete. Diesen
Plan auszuführen, gelang in späteren Jah-
ren den Fabrikbesitzern Gross und Dietrich,
die auf eigene Kosten die Dayton und ^li-
eh igan Eisenbahn von Dayton nach Toledo
bauten, eine Strecke von 143 ]\Ieilen, mit
einem Kostenaufwand von drei ^Millionen
Dollars.
Am kleinen Miami befand sich eine in-
teressante Kolonie, „Little Germany", de-
ren Gründer, Cliristian WaldscJimidt, die
erste Papiermühle westlich von Virgin ien
aufsetzte. Am grossen ]\Iiami gab es seit
General Waynes Heerfahrt die Städte
Dayton, 179ö. und Germantown. 1814; letz-
teres machte bald Dayton den Rang streitig,
der Canal von Dayton nach Cincinnati
(1828) gab aber Dayton den Vorrang. Am
oberen ]\Iuskingum gründete der Pennsyl-
vanisch-Deutsche Ehcnezcr Zane (Zahn)
das Städtchen Zanesville; er bahnte zwi-
schen Wheelintr über Chillicothe räch
EINE GESCHICHTLICHE UEBERSICHT UEBER DIE DEUTSCHEN IN AMERIKA.
75
Maysville (Kentucky) einen Weg, breit ge-
nug für Pack-Pferde, über den die Post
zum ersten ]\Ial 1797 getragen wurde. Die
eigentlichen pennsylvaniseh - deutsehen
Counties in Ohio sind : Stark, TuscaraAvas,
Wayne, Ilolnie.s und /um Teil Kichland.
Sie liegen südlich vom Western Reserve,
meistens von Neu-Engländern angesiedelt,
die lieber Viehzucht (daher der Name Kä-
si'distrikt), die Deutschen mit Vorliebe Ge-
treidebau zum riaupterwerbszweig mach-
ten. Die Städte Canton, jMassillon, Alli-
ance, ^Minerva "wurden von Deutschen be-
gründet, wie auch eine Reihe anderer mit
deutschen oder von den Sekten herrühren-
den biblischen Namen. Aus den Reisebe-
schreibungen des ^lethodistenpredigeis
Heinrich Böhm (1808) oder des Roman-
schreibers Charles Sealsfield (1825-6) er-
kennt man, wie zahlreich zu ihrer Zeit die
Deutschen im Ohiotal gewesen sein müssen.
Bischof A.sbury, der den deutschredenden
Böhm als Reisebegleiter mitführte, er-
zählte, Böhm habe bei seinen Predigten
einen grösseren Zulauf als er, weil jener
deutsch predige.
Obgleich das Illinoisgehict schon seit
Jahrzehnten (1778—1779) eröffnet wor-
den, durch den ruhmvollen Zug des Erobe-
rers Clark, mit seinen deutschen Adjutan-
ten Boinnan und Helm, nach Kaskaskia
und Vincennes, so entwickelten sich Indi-
ana und Hlinois doch nur langsam, wenig
im Innern, höchstens längs des Ohio. Den
Nordwesten verkannte man ; nach dem ]Mis-
sissippi, der grossen Verkehrsader, steuerte
man zu. Der sehnliche Wunsch der west-
lichen Pioniere im achtzehnten Jahrhun-
dert, die Eröffnung des ]\Iississippi, wurde
]803 mit 'dem Kauf des Louisianagebietes
erfüllt. St. Louis und New Orleans wur-
den zuerst das Ziel, dann der Ausgangs-
punkt der Eroberer des Westens.
Erst um 1830 fingen die Deutschen an
in grösserer Anzahl in New Orleans zu lan-
den, sie hielten sich aber gewölyilich wegen
des Fiebers und der Sklaverei nicht länger
auf. Tn den llafen.städten blieben aber
inniicr Kinwandcrer hängen, so zählte New
Orleans im Jalu-e 1840 an 10,000 Deutsche.
Da sie unljemittelt waren und in der Fie-
berzeit sich nicht entfernen konnten, füll-
ten sie haufenweise die nassen Gräber der
Stadt. Dennoch gewöhnten sich wieder an-
dere an das Klinui, besiedelten das Gebiet
des Red River, oder zogen nach den
Städten Alexandria, Natchitoches und
Shreveport. Bei Little Rock, Arkansas,
siedelten sieli Deutsche an, unter der Füh-
rung ihres Pastors Klingerhöffer, des
Freunds und Gastwirts von Friedrich Ger-
sfäcker, dessen ,, Regulatoren in Arkansas",
„Flusspiraten am ^Mississippi", „Nach
Amerika", ,, Streif- und Jagdzüge" dort
und am untern Missi.ssippi nach der Natur
gezeichnet wurden.
jMeistens zogen aber die Deutschen strom-
aufwärts, erreichten St. Louis, und von
dort aus l)esetzten sie beide LTfer des Mis-
souri. Epoche machte die Reise Gottfried
Dudens im Jahre 182-4, der sich am J\Iis-
souri in AVarren County eine Farm kaufte
und sie bebauen Hess. Inzwischen verfasste
er eine romantische Beschreibung seiner
Reise und zollte der Missouri-Gegend beson-
deres Lob, das bei der grossen Verbreitung
des Buches eine bedeutende AiLSwande-
rung nach ^Missouri zur Folge hatte. Duden
kehrte zurück, aber seine Farm wurde der
^Mittelpunkt deutscher Ansiedler aus al-
lerlei Gesellschaftsklassen. Besonders viele
Gebildete waren unter ihnen, weswegen
man der Ansiedlung den Namen , .Latin
Settlement" schenkte. Viele der „lateini-
schen Farmer" setzten aber ihr Geld zu,
während der an Arbeit gewöhnte Bauer
sein gutes Auskonunen hatte.
Die Idee einer konzentrierten Einwande-
rung in das ^Mississippital entstand in dem
Bunde der Freunde Paul Ff^llenius und
Friedrich Münch. Die beiden Idealisten
nahmen im Vaterlande das Scheitern aller
Freiheitsideen wahr, konnten sich aber
76
EINE GESCHICHTLICHE UEBERSICHT UEBER DIE DEUTSCHEN IX AMERIKA.
lange nicht zur "f ahnen flucht igm" Aus-
wandcruni; entscheiden. l)i.s ihnen die
pol izei Helle .Macht inierträglich wurde.
Sie fanden ihre Kettung in dem Plan, ein
neues freies Deutschland auf amerikani-
seheiii Boden zu gründen, wenn möglich
einen ahgesonderten Staat /u bilden, der
jährlich einen Zuzug neuer Einwanderer
bekommen .sollte. So entstand die ,.Gies-
sener Gesellschaft'", ..um deutschem Volks-
leben eine würdige Heimstätte zu ver-
.sehaffen". Im Jahre 1884 ankommend
wurde .sogleich das erste Ziel der Kei.se. der
Staat Arkansa.s. aufgegeben, man zog wei-
ter nach St. Louis und verteilte sich dort.
Viele wandten sich rechts nach Illinois,
andere folgten Follenius ujid ]\Iüneh nach
Dudens idyllischem Heim am ^Missouri. Nun
wurde erst recht AVarren County das Zen-
trum einer wachsenden deutschen Bevölke-
rung, die sich über die Counties St. Char-
les. Franklin und (ia.seoiiade erstreckte und
bald auch die jetzigen Counties St. Louis.
Lincoln, ]\Iontgoiiiery, (^sage und Cole be-
siedelte. In allen Städten von St. Louis
bis Jefferson Citv. ja noch weiter. 1)is Kan-
sas City, längs des ]\Ii.s.souri. ist die Hälfte
der Bevölkerung eleufscJi. ^Mächtig zog St.
Louis die deutschen Einwanderer an, wurde
für den We.sten, wa.s einst Philadelphia für
den Osten, der Ausgangspunkt der deut-
.sclien Stämme. St. Louis war zur Zeit
viermal so gro.ss als Chicago, hatte zwei
täglich erseheinende deutsche Zeitungen
(1845), hatte das ^Monopol der Schiffahrt
auf dem ]\Ii.ssi.ssippi. beförderte die Ein-
wanderung nach Illinois, Iowa und dem
bald mit Riesenkräften emporwachsenden
Nordwesten.
St. Louis gegenüber auf der Illinoisseite
lag die unverge.s.sliche Kolonie Belleville,
111.. ]\Iittelpinikt der starken deutschen Be-
völkerung von St. Clair County. Viele
Burschenschafter und spätere Achtundvier-
ziger fanden sich dort zasammen, die
Engchnanns, Dr. Bimsen. Tlieoelor Hilgarel,
Georg Neuhoff': Gustav Körner und Fried-
}-ic}i Herlier, die sich auf der Universität im
Duell gegenüber gestanden, reichten sieh
hier die Hand: deutsches VoUcsleben hatte
eine würdige Heim.stätte gefunden, wenn
auch die Idee eines abgesonderten Staates
niemals verwirklicht wurde. Die Deutsehen
Bellevilles griffen auch in das politische
Leben des Staates ein (z. B. wurde Gustav
Ki'iriiir 1852 zum Vice-Oouverneur von
Illinois erwählt), wie auch ihre Brüder am
Missouri, denen man die Rettung des Staa-
tes für die rnionspartei (1861) zuerkennen
darf.
Der Nordwesten wurde erst durch den
Indianerkrieg von 1882, genannt Black
Ilawk AVar, für amerikanische Ansiedler
entdeckt. 3ilan war nie auf das schöne
Klima, den vorzüglichen Boden und den
Reichtum an ^lineralien aufmerksam ge-
worden. Im fJahre 1830 war beispielsweise
die Bevölkerungszahl von Wisconsin 3635;
1840 war .sie 30,945: 1850, 305,391: 1860,
775.881. In jedem folgenden Jahrzehnt
kam ein Zuwachs hinzu von etwa 300.000,
bis der Zensus von 1900 als Gesanimtzahl
2,069,042 und für das deutsche Blut
709,969 angab. Ein ähnliches Waeh.stum
erfuhren auch die Staaten Illinois. Michi-
gan und Iowa, wurden aber noch von Min-
nesota übertroffen. Zu dieser neuen Bevöl-
kerung lieferte Deutsehland von allen euro-
päischen Ländern die grö.s.sten Ala-ssen, die
in diesem der Heimat ähnlichen Gebiet vor-
trefflich gediehen.
Der deutscheste Staat im Bunde bleibt
Wisconsin, mit seinen 34.4% deutschen
Bluts; auf die anderen Ausländer kommen
zasammen ein zweites Drittel, das übrige
Drittel gehört den Eingeborenen. Für die
starke deutsche Bevölkerung herrschen be-
sondere Unsachen. Er.stens hatte man einst
wie mit ]\Ii.s.souri, den Plan, einen deutschen
Staat zu gründen, daher schon früh ein
Hervorheben der unbestreitbaren Vorzüge
AVisconsins. Noch anziehender wirkten die
günstigen Erfahrungen der ersten Ansied-
EINE GESCHICHTLICHE UEBERSICHT UEBER DIE DEUTSCHEN IN AMERIKA. 77
1er mit dem gesunden Klima, dem iiuten
Boden, der die bekannten Produkte Weizen,
Hafer und Roggen hervorbrachte. Die Ver-
fassung des 1848 eingetretenen Staates ge-
währte dem Ausländer schon nach einem
Jahre die Bürgerrechte : es herrschten keine
Schuldenlasten, deren Abbezahlung ihm
durch Steuern abgenötigt wurde : mau gab
dem Einwanderer ein Grundstück zu höchst
billigem Preise ($1.25 pro Acker) und ver-
kaufte sogar gutes Land auf Kredit.
Aeusserst wirkungsvoll war. von 1852 an,
die Ernennung eines Einwanderungskom-
missärs, der geschäftsmässig Korresponden-
zen führte, in deutschen Zeitungen und weit
verbreiteten Broschüren die Schönheit Wis-
consins und dessen günstige Bedingimgen
für Einwanderer recht anschaulich dar-
stellte. Von seinem Bureau in der Stadt
New York aus, konnte er den Einwanderern
in mancher Weise behilflich sein, sogar Gel-
der in Empfang nehmen und an ihren
Bestimnnuigsort schicken. In manchen Jah-
ren hatte Wisconsin, anstatt eines Kommis-
särs ein Bureau, sogar einst einen Agenten
in Quebec. Die Ehrlichkeit und Hilfsbe-
reitschaft der Konnnissäre waren in ganz
Deutschland bekannt. In Wisconsin sie-
delten sich die Deutschen besonders in den
östlichen und nördlich-mittleren Counties
an, d. h. in den dicht bewaldeten Teilen
des Staates. Obgleich der Anfang schwerer
war als auf der Prairie, so wusste doch der
deutsche Bauer, da.ss die besten Hölzer auf
dem fettesten Boden wachsen, und er zog
den langsamen, sichern Gewinn dem
raschen, ungewissen vor. Nach Jahren
musste mancher schuldenbeladene Eingebo-
rene den kleineren freien deutschen Bauer
wegen seiner Klugheit beneiden und bewun-
dern.
Aber nicht allein im Ackerbau tat sich
der Deutsehe hervor, sondern auch in der
Industrie, im Handel und Verkehr auf den
gro.ssen Binnenseen. Das rasche Empor-
blühen Milwaukees und der ^Metropole des
Westens, Chicago, ruht auf einer sicheren
Grundlage, die deutscher Fleiss und deut-
scher Unternehnunigsgeist zum grossen Teil
geschaffen.
Im fernen Südwesten, im Staate Texas,
hatte eine deutsche p]inwanderung begon-
nen, die sich an der Kultur des Bodens
und am texanischen Befrei ung.skrieg gegen
:\Iexico beteiligt hatte. Nun entstand, an-
fangs der vierziger Jahre, zum dritten ]Male
der Plan, einen deutschen Staat zu gründen,
und zwar wählte man in diesem Falle ein
Gebiet, das ausserhalb der Grenzen der Ver-
einigten Staaten lag. In England sah man
nicht ungern, dass das Ziel des „^Mainzer
Adelsvereins ' ' Texas werden .sollte. Es war
nur Gewinn dabei, wenn eine fremde ]\Iacht
der Ausbreitung der amerikanischen Repu-
blik ein Hemmnis in den Weg setzte. Graf
von Castcll, Adjutant des Herzogs von
Nassau, entwickelte einen Plan, nach dem
die AiLswanderung aus Hessen und den
Nachbarländern auf Texas konzentriert
werden sollte. Eine Anzahl Fürsten ]\Iit-
teldeutschlands zahlten als Mitglieder ihre
Beiträge in die Kasse der Kompagnie. ^Man
schickte 18-42 Kundschafter hinüber, erhielt
o-ünstiü-e Nachrichten und kaufte am San
Saba River eine gro.sse, aber nicht gut ge-
wählte Strecke Landes. Im ]\Iai 1844
schiffte sich Prinz Carl von Solms-Braun-
fels nach Texas ein, und 150 Familien in
drei Schiffen folgten ihm nach. Im Dezem-
ber kamen sie in Lavaca Bay (Indianola)
an. wurden in Karren, mit Ochsen be-
spannt, durch die Sümpfe ins Innere trans-
portiert, kamen im ]März 1845 an den Comal
River, wo Sohns auf einem neu-erkauften
Land.stück eine Stadt gründete, das ihm zu
Ehren genannte Xcu-Braunfds. Eine
zweite Gruppe Einwanderer kam hinzu, da
aber die Kasse erschöpft war, Hess der Ge-
neral-Kommissär Solms-Braunfels die Ko-
lonie im Stich und kehrte nach Europa zu-
rück. Der 1845 angekonnnene von Meuse-
hach wurde nun auf den schwierigen Posten
gestellt, wirtschaftete klug mit den übrigen
Besitztümern und gründete das neunzig
78
EINE GESCHICHTLICHE UEBERSICHT UEBER DIE DEUTSCHEN IN AMERIKA.
Äfeilen entfernte Fricdrichshurg. Da er-
hielt er plötzlich die Xaeliiicht. da.ss einige
tausend neuer Kinwanderer vor Galveston
ständen. Als er dort anirekomnien. fand er,
dass der Adelsverein keinen Dollar (ieldes
mit heriil)er»i:e.sehiekt hatte, dass .so«rar die
der Konipa<;nie anvertrauten Gelder der
Auswandei'er aus<rel)liel)en waren. Durch
solche Naehlässi«rkeit wurden sogar die Be-
mittelten allen Entbehrungen ausgesetzt.
]\Ieusebaeh borgte mit ^lühe etwas Geld in
New Orleans, brachte die Menschen massen
nach und nach von Galveston bis nach In-
dian Point, von wo aus sie ins Innere trans-
portiert werden sollten. Fünfzig wurden
vorausgeschickt, um einen Aufenthaltsort
zu bereiten, die übrigen wurden unter
schlecht geschützten Schuppen und Hütten,
von ihrem Gepäck eingeengt, untergebracht
und den Fiebern, ]\Iosquitoschwärmen und
Unbilden des tropischen Klimas ausgesetzt.
Peinige hundert, die Hoffnung jemals nach
Neu-Braunfels zu kommen aufgebend, bil-
deten eine Voluntär-Kompagnie und zogen
mit der Armee der Vereinigten Staaten in
den mexikanischen Krieg. Derselbe hatte
alle Transportmittel in Anspruch genommen
und vergrösserte noch die Beschwerden der
Einwanderer, die, als sie sich doch schliess-
lich aufmachen durften, den ganzen AVeg
mit Leichen ihrer Angehörigen und Trüm-
mern ihrer Habseligkeiten bedeckten. Ob-
gleich die schlimmen Erfahrungen der
Einwanderer und der Eingang des
Adelvereins den Plan einer Einwan-
derimg grossen Stils vereiteln konnten,
so hörte doch die deutsche Einwan-
derung nach Texas in folgenden Jahren
keineswegs auf. Nach 1848 wurde das
Dreieck zwischen Seguim, New-Braunfels
und San Antonio fast ausschliesslich von
Deutschen besetzt, erhielt wie in andern
deutschen Distrikten das Aussehen eines
Gartenlandes, während die Bevölkerung
den Ruf eines schönen Ordnungssinns und
einer miLsterhaftcn Ehrfurcht vor dem Ge-
setze sich erAvarb. Die grös.seren Städte in
Texas, Galveston, Austin. Houston. San
Antonio, Dallas, haben eine zahlreiche deut-
sche Bevölkerung, deren Einflu.ss stets fülil-
bar gewesen. In den Kongi-essmitgliedern
Giisfar Schlcicli(r und Eduard I)( (ji in r
hatten die Deutschen in Texas anerkannt
tüchtige politische Führer. Letzterer war
18(1!) in Braunschweig als Sohn eines
Bankiers geboren, liess sich in Texas im
Jahre 1850 nieder, war ein Freund des
Nordens, verlor zwei Söhne, die sich der
Fnion.sarmee anschliessen wollten, aber mit
ihren Freunden eingeholt wurden und im
Kami^fe mit den Konfoederirten fielen,
musste seihst längere Zeit im Gefängniss zu-
biingen. ehe er gegen Bürg.schaft entlassen
wuide. Er war bereits 1860 ^litglied des
K<mgresses.
Im fernen Westen finden wir in frühes-
ter Zeit die Spuren von hervorragenden
Vertretern des deutschen Elements. Jolin
Jakob Astor, der deutsche Grosshändler
New Yorks, gründete 1811 A.storia in Ore-
gon, zur Ausführung eines genialen Planes,
das ^Monopol des Pelzhandels im Nordwes-
ten den Engländern zu entrei.ssen. Sein
Freund Washington Irving hat in seinem
Buch „Astoria" das grossartige Unter-
nehmen geschildert, das leider durch den
Krieg mit England zu Grunde gehen
musste. Kein Unternelimer leistete mehr,
um die Eröffnung der Territorien Montana,
Dakota und Washington herbeizuführen, als
Henry Vülavd, Gründer und Präsident der
Nördlichen Paeific-Eisenbahn. Er war 1835
in Speyer geboren, kam 1853 nach Amerika
und änderte seinen Namen Hilgard in Vil-
lard. Er starb 1900. Der Deutschamerika-
ner Henry L. Yesler (geboren zu Leiters-
burg, ]\Id.,) war der Gründer der Stadt
Seattle ; er eröffnete deren Holzhandel, auf
dem der Wohlstand das Ortes ruht.
In Californien finden wir als einen der
bedeutendsten Pioniere in der Geschichte
des Staates den Badenser Johann Siitter.
Er war im Jahre 1803 in Kadern, Baden,
geboren und 1834 nach Amerika gekommen.
EINE GESCHICHTLICHE UEBER8ICHT UP]HKR DIE DEUTSCHEN IN AMKRIKA.
79
Als noch Californien unter mexikanischer
Herrschaft stand, wnv er als Gouverneur
der nördlichen Provinzen im Sacramentotal
■ansässig, in seinem reuen Helvetia. Als
California amerikanisch wurde, ernannte
man ihn zum Alkalden. Dem reichsten
Mann in Californien ward aber das (llück
zu hold, es wurde nämlich auf seinem
Lande zuerst das Gold entdeckt, das Cali-
forniens Reichtum begründete. Die Nach-
rieht konnte nicht verheimlicht werden,
eine Horde Goldsucher überfiel seine Gü-
ter, verwüstete seine Ernten und schlach-
tete seine Herden. Sogar der Besitz seines
Landes wurde ihm streitig gemacht, und
wiederholte Klagen konnten ihm keinen er-
heblichen Ersatz bringen. Dass er in hohem
Ansehen im Staate stand und Ehrenposten
•erhielt, mochte ihm wohl einige Genugtu-
ung verschaffen. Im Jahre 1873 liess er sieh
in Lititz, Pennsylvanien, nieder, wo er
sieben Jahre später arm gestorben ist.
Die Einwanderung des XIX. Jahrhunderts
Die Einwanderung zwischen den Jahren
1790—1820 dürfte verschwindend klein ge-
wesen sein. Um 1820 wurde sie aber stark
genug, um Aufsehen zu erregen, und man
fing an, Statistiken zu führen, zwar nur an
■den Hauptlandungsorten. In jenem Jahre
liamen 968 Deutsche in den Häfen der Ver-
einigten Staaten an, eine kleine Zahl im
"Vergleich mit den grossen Einwanderungs-
ziffern des 18ten Jahrhunderts. Eine Stei-
gerung erfolgte 1831—40, 10,000 kamen in
dem Jahre 1832 an, 29,000 im Jahre 1840,
im ganzen Jahrzehnt 152,000. In Deutsch-
land herrschte zur Zeit eine Uebervölke-
rung in den ackerbautreibenden Gebieten,
•der kleine Handwerker wurde durch das
Emporkommen der Fabriken ruiniert; da-
gegen war in Amerika Arbeiternot, und bil-
liges Land war im weiten We.sten zu haben,
■der nun durch den Bau des Erie-Kanals
viel näher gerückt war; im Südwesten
konnte der Bemittelte mit Baumwollen-
zucht sich raschen Reichtum verschaffen.
^Yieder kam eine Steigenuig in den beiden
folgenden Jahrzelintcn, 1840—60, beson-
ders in den Jahren 1846—54, als die deut-
sche Einwanderung alle andern überstieg,
sogar die irische. Von 57.500 stieg die
Zahl bis 215,009, die Zahl der deutschen
Eiriwanderer im Jahre 1854. In den drei
Jahren 1852—54 kamen über 500.000
Deutsche nach Amerika, dann fiel die Ein-
wanderung ab. bis nach dem Bürgerkrieg.
In Deutschland war (\s die Epoche der Re-
volution von 1848, die manchen Sohn der
Freiheit nach Amerika brachte. Dazu
kamen Arbeitslosigkeit und Missernten, .so-
dass die Auswanderung sogar von den
Fürsten begünstigt wurde. Zu gleicher
Zeit eröffneten die Eisenbahnen in Ame-
rika grössere Gebiete des Westens. Gold
lockte nach Californien, Grundbesitz die
Einsichtsvolleren. Nach dem Bürgerkrieg
kam wieder eine Hochfluth deutscher Ein-
wanderung. Von 1866 an bis 1873 war der
Durclischnitt etwa 130,000 jährlich. Mit
dem finanziellen Krach von 1873 fiel die
Einwanderung bis zur Hälfte ab, hatte sich
um 1879 wieder erholt und erreichte im
Jahre 1882 den Höhepunkt mit 250,630
deutschen Einwanderern, eine nie wieder
erreichte Zahl. Bis 1885 dauerte die starke
Einwanderung, dann fiel sie ab, erhöhte
sich wieder 1891—92, mit 244,000 in den
beiden Jahren, erreichte dann bald den nie-
dersten Stand, 17,111 im Jahre 1898, und
ist seitdem wenig gestiegen, z. B. 28,304 im
Jahre 1902. Deutschlands grossartige in-
dustrielle Entwickelung, die wohltätigen
Versicherungsgesetze zum Besten der arbei-
tenden Klasse, die Kolonien in Afrika, ver-
treiben dem Deutschen die Lust zum Aus-
wandern nach Amerika. In Amerika besteht
nicht mehr die Lockung billigen Grundbe-
sitzes, und auf dem Arbeitsmarkt herrscht
die Konkurrenz der tieferstehenden Slaven
und Südeuropäer, die dem Deutschen wohl
nicht den Broterwerb unmöglich macht,
aber doch sehr erschwert.
80
EINE GESCHICHTLICHE UEBERSICHT ÜEBER DIE DEUTSCHEN IX AMERIKA.
In den Krie«ren des neunzehnten Jahr-
hunderts beteiliy:ten sieh die Deutschen in
demselben ]\Iasst' wie im Hev(>lutionskrie5i;e.
Im Kriejr <re«ren Eiitrland zo^'' dnidal
S(ri(k(r 1S14 bei North Point ^reiien (.Jene-
ral Hoss. (Jeneral Arniistead (von den Vir-
j;inier-Deutsehen abstammend) hielt Fort
IMellenry «reiren die britiselie Flotte wäh-
rend des An^M-iffs auf Baltimore. Im Nor-
den zeiehnete sieh General Walbdch am St.
Lawrence aus. In diesem Kriey: wie in fol-
gendi'U waren es jedesmal deutsehe Kom-
pairnien. die unter den neuentstehenden
l\e»rimentei'n zucist ijebildet wurden. Im
ernannt. Nach der Rückkehr ward Quit-
man (1850—51) zum (Gouverneur von ^lis-
si.ssippi erwählt.
Die Vei'dienste der Deutsehen im Erhal-
t( II (lif riiloii sind unberechenbar. Die
deutschen Turner mit dem Schwarzen
Jäger-Korps retteten das Arsenal in St.
Louis, lösten Camp Jackson auf und verei-
telten durch ihr energ:i.sehes Vorgehen den
Plan, den Staat Missouri den Konföderier-
ten zuzuführen. Zweihunderttausend in
Deutschland (ieboi-ene waren im Bürger-
krieg unter den Soldaten der nördlichen
Armee, rechnet man aber die Nachkonnnen
' '- > 1 "9-' . i*- t-.i*
1
INDIANER BEIM ANGRIFF AUF WEISSE ANSIEDLER IM NORDWESTEN
Mc.cikanischen Krieg wurden Ileintzel-
mann, Kautz, Keniper, Quitman ehren-
volle Namen. Sohn eines lutherischen
Pastors in Schoharie, N. Y., wanderte Gen.
.1. (Jidtnuiti nach dem vielversprechenden
Südwesten, spielte eine hervorragende
Rolle in der Politik, im Pflanzerleben und
in den abenteuerlichen Unternehmungen
seiner Zeit. Im mexikanischen Krieg zeich-
nete er sieh aas bei ]\Iontere.v. Vera Cruz
und Puebla. ganz besonders bei der Erstür-
mung von Chapultepec und der Einnahme
von Mexico. Der erste betrat er die Grand
Plaza der Stadt ]\Ieriko und wurde da-
selbst von General Scott zum Gouverneur
von Deutschen dazu, so erhält man die dop-
pelte oder dreifache Zahl als die Beteili-
gung deutschen Blutes am Kampf gegen
Sklaverei und Zersplitterung. Unter den
vielen deutschen Offizieren, deren p]rfah-
rung im europäischen ^Militärdienst beson-
ders am Anfang des Krieges der Disziplin
der nördlichen Armee sehr zu statten
kam, sind besonders zu nennen Sigel,
Ileeker, Blenker (die Leiter der Badischen
Revolution), Steinwehr, Willich, Busch-
beck, Schurz, Sehimmelpfeiniig, Engel-
mann, Moor, Dilger (Artillerist), Weitzel
(Ingenieur), Thielemaun und Kautz (Ka-
valleristen). Auf südlicher Seite waren die
EINE GESCHICHTLICHE UEBERSICHT UEBER DIE DEUTSCHEN IN AMERIKA.
81
bekanntesten Wagener, Von Zinken und
Von Boreke ( Stabsobei-st des Reitergenerals
Stuart). Unter den vielen deutsehen Re-
gimentern im Bürgerkriege waren die dem
XI. Korps angehörigen unter Steinwehr
und Sehurz stehenden Divisionen in allen
Entscheidungstreft'en des Ostens hervor-
ragend beteiligt. Bei Bull Run hielten sie
unter wenigen Regimentern der fliehenden
Armee stand ; in der Sehlacht von Chancel-
lorsville widei*stand das 10,000 Mann starke
XI. Korps über eine Stunde lang den 25,000
Veteranen Stonewall Jacksons; bei Gettys-
burg hielten sie unter grossen Verlusten die
mächtige Armee Lees einen Tag lang vom
raschen Vordringen ab, so dass das Heer
vom Potomae sich sammeln und sich in sei-
ner Stellung befestigen konnte; Steinwehr
wählte seinen Posten auf Cemetery Ridge,
von wo aus seine Geschütze den unermüd-
lich anprallenden Feind inmier wieder
zurückwarfen. Glänzend Avar der Bajo-
nettangriff derselben deutschen Regimen-
ter in der Schlacht von Lookout Mountain
(Battle of the Clouds).
In den Indianerkriegen des neunzehnten
Jahrhunderts findet man viele deutsche
Namen unter den Mannschaften und Offi-
zieren. Den Heldentod starb General
George A. Custer (Küster), der Nach-
komme eines in Amerika angesiedelten hes-
sischen Soldaten. Im Bürgerkrieg war
Custer einer der schlagfertigsten Reiterge-
neräle gewesen, tat sich im späteren Dienst
in den Indianerkämpfen hervor, wurde
aber 1876 mit seiner kleinen Schar von
200 Mann von 2500 Sioux unter Sitting
Bull im Tal des Little Big Hörn, ]Montana,
überrascht. Von den pennsylvanischen
R<?gimentern im spanischen Krieg waren
wenigstens 15% Deutschamerikaner, auf
den Schiffen war der Prozentsatz derselbe.
Unter den Admirälen waren Deutschameri-
kaner Winfield Scott Schley, Albert Kautz,
Lewis Kempf und Norman von Heldreich
Farghar. Schley, von einer deutschen ]\Ia-
rylander Familie stammend, rettete den
Nordpolfahrer Greeley und sechs seiner Ge-
fährten, schlichtete als Kapitän des Kreu-
zers „Baltimore" einen Streit in Chili, war
im spanischen Krieg Befehlshaber der
„Flying Squadron" und führte in der Ent-
scheidungsschlacht von Santiago den Ober-
befehl. Sogar des Admirals schlimmste
Feinde haben seine heldenhafte Haltung
unter dem Kugelregen der auf sein Schiff
hinzielenden gesamten spanischen Flotte
nicht bestreiten können.
Die Einwanderung des neunzehnten
Jahrhunderts brachte neben einer Mehrheit
von Arbeitern und Bauern eine grosse An-
zahl hervorragender Männer, besonders in
und nach den Revolutionsjahren 1830 und
1848. Dieselben bildeten ihre Landsleute
heran, gründeten Zeitungen, deren Sprache
und Ideenkreis einen grossen Fortschritt
bedeuteten. Im achtzehnten Jahrhundert
wanderten ungezählte wegen ihrfer Religion
vertriebene Deutsche aus, im neunzehn-
ten kamen politische Flüchtlinge. Diese
traten als politische Führer auf, darunter
Geisteshelden wie Carl Schurz, Franz Lie-
ber, Gustav Körner, Karl und Paul Folien,
Friedrich Münch^ Gustav Schleicher. Im
AVesten fiel das deutsche Votum schwer in
die Wagschale zu Gunsten Lincolns und
der jungen republikanischen Partei. Kein
Redner führte in den Sklavendebatten
solch überzeugende Gründe vom allgemein
menschliehen Standpunkte ausgehend wie
Carl Schurz, keines Mannes Urteil über
Völkerrechte \var in Washington so mass-
gebend wie das Franz Lieber 's. Die Deut-
schen hielten fest an ihrer Kultur und
brachtien sie zur Geltimg. Ihre Turner-
und Gesang- Vereine und das gesellige
Treiben wirkten erfrischend auf die
ernste, hastige Lel>ensführung des Ame-
rikaners. Die deutsche Musik siegte
in öffentlichen Konzerten und fand
ihren Eingang in jedes amerikanische
Haus. Im neunzehnten Jahrhundert war
aber das amerikanische Volk empfänglicher
und bildung-seifriger und half selbst in der
82 EINE GESCHICHTLICHE UKBERSICHT UEBER DIE DEUTSCHEN IN AMERIKA.
Einführung des Besseren ; nach eijrener schichte der deutschen Einwanderung ge-
Wahl wurde von ihm selbst das deutsche stattet jedoch keinen Raum zu einer Be-
Erziehuiigswesen der l'niversitäten. Kin- sprechung der Eintlüsse des deutschen
dergärtcn und zum Teil der iMittcl-Sclmlcn Wesens auf die wei-dende Ainei-ikanische
eingeführt. p]ine kurze Uebersicht der Ge- Nation.
■ii:
i^r i^utörh^ tn hm Kvit^m hn
Der Antheil der Deutschen am Unabhaengigkeitskriege.
RUDOLF GRONAU, New York.
I.
Das Erwachen des Freiheitsgedankens.
Die zahlreichen Deutsehen, welche wäh-
rend des 16. und 17. Jahrhunderts nach
Amerika auswanderten, kamen in der
Hoffnung, dort nicht blos ihre soziale Lage
verbessern zu können, sondern auch grösse-
rer religiöser und politischer Freiheit
theilliaftig zu werden.
Aber die Zustände, welche sie in den
englischen Kolonien vorfanden, entspra-
chen durchaus nicht immer ihren Erwar-
tungen. Vornehmlich die sozialen und po-
litischen Verhältnisse Hessen vieles zu
wünschen übrig und forderten zur Kritik
heraus.
Keine Einrichtung mehr, als die überall
bestehende Sklaverei, deren Ungerechtigkeit
von den streng religiösen Deutschen um so
tiefer empfunden wurde, als sie mit den er-
habenen Lehren des Christentums in
schroffstem Widerspruch stand. Nicht zu-
letzt waren es auch die Erinnerungen an
die eigenen, in der alten Heimat erduldeten
schweren Bedrückungen, welche die Bewoh-
ner von Germantown bereits im Jahre 1688
bestimmten, gegen die abscheuliche Ein-
richtung jenen energischen Protest zu er-
heben, der im Ruhmeskranz der Deutschen
in Amerika eines der glänzendsten Blätter
bildet.
Unter den anderen IMissständen traten
besonders diejenigen grell zu Tage, welche
durch das Uebertragen des in Europa be-
stehenden Feudalsystems nach der neuen
Welt hervorgerufen worden waren. Die
Ansiedler, welche jeden Fussbreit Boden
durch mühsame Arbeit, oft unter blutigen
Kämpfen erringen mussten, empfanden es
als eine schreiende Ungerechtigkeit, dass
die englische Regierung ungeheure
Strecken des wertvollsten Landes durch ein
paar Federzüge an bankerotte Höflinge
verschleuderte, die nur nach den Kolonien
kamen, um die sich hier bietenden Gelegen-
heiten zur Herstellung ihrer zerrütteten
Finanzen in der gewissenlosesten Weise aus-
zunützen. Neben diesen Drohnen gab es
Heere hochfahrender Beamten, die auf die
Ansiedler voll Ueberhebung herabblickten.
Unter ihnen befanden sich viele, die Un-
kenntniss des Englischen für gleichbedeu-
tend mit Unwissenheit hielten und der An-
sicht huldigten, dass der wahre Mensch erst
mit dem Engländer beginne. Sie hielten
es natürlich mit den Gün.stlingen der Re-
gierung und bildeten mit ihnen sowie den
Geldaristokraten eine besondere Klasse,
deren masslose Selbstsucht und Ueberhe-
bung den bitteren Groll der Ansiedler und
Bürger hervorriefen.
Langsam aber unaufhaltsam entwickel-
ten sieh Gegensätze, die sich immer mehr
vertieften und zu Ende des 17. Jahrhun-
derts im Entstehen einer Volkspartei offen-
kundigen Ausdruck gewannen.
Bedeuteten die schweren Zwiste zwischen
dem vom Volk erwählten interimistischen
Gouverneur Jacob Leisler und der aristo-
kratischen Partei der Kolonie New York
recht eigentlich die erste Sclilacht in dem
Kampf des amerikanischen Volks für seine
86
DER AXTHEIL DER DETTSCHEX AM UXABHAEXGIGKEITS KRIEGE.
Unabhäiitriirkt'it, so wurde das ebenso iiner-
sehroekciie Auftreten des in der {^deichen
Stadt lebenden deutschen Druekers Johann
Pctcr Zcnfjcr gegen die Kolonialbehörden
die Veraidassung zu einem noch bedeutsa-
meren Siege. Dem amerikani.sehen Volk
wurde eines seiner höchsten Vorrechte, die
Pressfreiheit, erkämpft.
Die Gegensätze zwischen Volk und Re-
gierung verschärften sich, als die letztere
nach Verdrängung der Franzosen vom
nordamerikanischen Kontinent über ihre
eignen Kolonien ein Aasbeut&system ver-
hängte, das notwendigerweise tiefe Erbitte-
rung heraufbeschwören musste. Die für
die Kolonien erlassenen Gesetze berücksich-
tigten nicht etwa die Bedürfnisse und be-
rechtigten Ansprüche der Ansiedler, son-
dern ausschliesslich die Interessen der in
England lebenden Kaufleute nnd Fabrik-
herren. Den Kolonisten wurde das Her-
stellen aller indu.striellen Erzeugnisse so-
wie der Handel mit fremden Nationen ver-
boten, um sie zu zwingen, sännntliehe Be-
darfsgegenstände aus England zu beziehen,
dagegen alle eignen Erzengnisse dorthin
abzuliefern. Kein Nagel, kein Wagenrad
sollte in den Kolonien hergestellt werden
dürfen. Die Anfertigung von Kleiderstof-
fen, Maschinen, Hüten, Werkzeugen, Papier
u. s. w. war untersagt. Infolge dieser Vor-
schriften nnissten die Koloni.sten den engli-
sch<'n Kaufleuten für alle Waaren, die sie
meist ebensogut und billiger herstellen
konnten. Wucherpreise bezahlen, während
sie. die nur mit dem ^Mutterland Handel
treiben durften, für ihre eigenen Stapelpro-
dukte sich mit solchen Preisen begnügen
sollten, die von den englischen Kaufleuten
geboten wurden und weit unter denen des
internationalen Marktes blieben.
ALs die Regierung die Kolonien obendrein
mit schweren Steuern belastete, ohne ihnen
in der gesetzgebenden Körper.schaft, dem
Parlament, eine entsprechende Vertretung
zuzugestehen, da begann bei allen ihrer
Älanneswürde bewussten Amerikanern der
Wunsch zu entbrennen, sich von dem un-
würdigen Druck loszureissen und selbstän-
dig zu machen.
Nicht zuletzt in den Herzen der Deutsch-
Amerikaner. Sie hatten unter der Anmas-
sung, Habsucht und Geringschätzung der
engli.sehen Beamten und Lords am
schlimmsten gelitten. Sie hatten auch am
wenigsten Ursache, dem durch kein natio-
nales I^and mit ihnen verknüpften engli-
schen Königshause Treue zu halten. Insbe-
sondere waren sie dem selbstsüchtigen
König Georg III. für keinerlei Gunstbezei-
gungen zu Dank verpflichtet. Es kann da-
rum nicht überraschen, dass Deutsche mit
an der Spitze der Protestversammlnngen
standen, die an vielen Orten gegen die
^Massnahmen der englischen Regierung ein-
berufen wurden.
So unterzeichneten zahlreiche deutsche
Kauflente die von den Handeltreibenden
der Stadt Philadelphia im Jahre 1765 erlas-
sene Erklärung, dass sie fortan keine engli-
schen Waren beziehen würden, wenn die
von der Regierung verordnete ungerechte
Stempelsteuer nicht aufgehoben werde. Als.
bald darauf Vereinigungen zum Schutze
der den Kolonien verliehenen Gerechtsame
zusammentraten, bildete sich auch eine
deutsche unter dem Namen: „Patriotische
Gesellschaft der Stadt und Coioitu Phila-
delphia". Sie bezweckte ..die Wahrung der
Rechte und Freiheiten, welche durch die
Gesetze und Freibriefe der Provinz f&stge-
setzt sind, gegen jeden Versuch selbige zu
kränken und zu schmälern, es sei hier oder
jenseits des Weltmeeres."
Anstatt ihre ]\Iissgriffe zu erkennen und
gut zu machen, verschärfte die Regierung
ihre schroffen Massregeln. Obendrein
sperrte sie den Bostoner Hafen. Die Folge
waren zahlreiche Protestversanunlungen in
allen grösseren Ortschaften. An einer in
Philadelphia abgehaltenen beteiligten sich
über 8000 Personen, darunter die ange-
sehnsten deutschen Bürger der Stadt.
Diese Versanniilung erwählte am 18. Juni
DER ANTHEIL DER DEUTSCHEN AM UNABHAENGIGKEITS-KRIEGE.
87
1774 einen Correspondenz-Ansscliuss, der
den Auftrag empfing, sich mit den Bürgern
der anderen Kolonien in Verbindung zu
setzen, um gemeinschaftlich energische
Massrcgeln zur Abwehr der englischen
Uebergriffe zu beraten. Diesem Ausschuss
gehörten die Deutschen Cliristoph Ludwig,
Georg Schlossev, Paul Engel und Michael
Hillegas an.
Für die entschiedene Haltung der Deut-
schen giebt es keine schlagenderen Beweise,
als die Baschlüsse, welche bereits am 16.
Juni 1774 von dem aus lauter Deutschen be-
stehenden Sicherheitsausschusse der Ort-
schaft Woodstock in Virginien angenom-
men wurden. An seiner Spitze stand
Pastor Peter 3Iilhlenl)erg. Er war als der
älteste Sohn des Patriarchen der lutheri-
schen Kirche in Amerika, Pastor Heinrich
i\[elchior ^Mühlenberg, am 1. Oktober 1746
in Trappe geboren worden. Der Ausschuss
unterbreitete der Versannnlung folgende
Beschlüsse :
„That we will pay due Submission to
such acts of government as his ]\Iajesty has
a right by law to exercise over his subjects,
and to such only,"
„That it is the inherent right of British
subjects to be governed and taxed by re-
presentatives chosen by themselves only,
and that every act of the British Parlia-
ment respecting the internal policy of
America is a dangerous and unconstitu-
tional Invasion of our rights and Privil-
eges.
,,That the enforcing the execution of the
Said act of Parliament by a military power
will have a necessary tendency to cause a
civil war, thereby dissolving that union
which has so long happily subsisted between
the mother country and her colonies; and
that we will most heartily and unanimously
concur with our suffering brethern of
Boston, and every other part of North
America, who are the immediate victims of
tyranny, in promoting all proper measures
to avert such dreadfull calamities, to pro-
cure a redress of our grievances, and to
secure our common liberties."
Diese an Bestinnntheit nichts zu wün-
schen lassenden Beschlüsse kamen nebst
einer ausführlichen Schilderung der Ver-
sammlung in der „Virginia Gazette" vom
4. August 1774 zum Abdruck und erregten
begreiflicherweise grösstes Aufsehen.
Wie weit sie den einen IMonat später in
Philadelphia zusannnentretenden „Ersten
Kontinental Kongress" beeinflussten, lässt
sich nicht mehr nachweisen. Wir wissen
nur, da.ss dieser gleichfalls beschloss, der
fortdauernden Bedrückung Widerstand
entgegenzusetzen. Er forderte sogar das
Volk auf, sich für den Notfall im Gebrauch
der Waffen zu üben.
Die revolutionäre Bewegimg ergriff auch
die in der Kolonie New York am Schoharie
und im IMohawktal lebenden Pfälzer. Sie
hatten am wenigsten Ursache, der Kolo-
nialverwaltung dankbar zu sein. Waren sie
doch stets in der scheusslichsten Weise aus-
gebeutet und als Vorposten gegen die
Feinde der Kolonie benützt worden, ohne
dass man ihnen in Zeiten der Not geeigne-
ten Schutz hätte zu teil werden lassen.
Der leitende Geist unter diesen Pfälzern
war Nikolas Herchheimer, derselbe, welcher
während des Franzosenkrieges als Verteidi-
ger des von seinen Laudsleuten im ]\Io-
hawktal erbauten Forts, das er achtzehn
JNIonate gegen die vereinten Angriffe der
Indianer und Franzosen behauptete, sich
die Sporen verdiente. Er war im Jahre
1728 im INIohawkthale als der Sohn des aus
der Pfalz eingewanderten Johann Jost
Herchheimer, der 1775 starb, geboren wor-
den. Er war einer der ersten, welche
sich für die Sache der Freiheit erklärten
und jener, am 27. August 1774 am Ufer des
IMohawk abgehaltenen grossen Protestver-
sannnlung beiwohnten, die zwar noch Georg
III. als rechtmässigen König anerkannte,
aber die einseitige Besteuerung als einen
Eingriff in die Rechte der Kolonisten zu-
rückwies und den bedrängten Bewohnern
88
DER ANTHEIL DER DEUTSCHEN AM UXABHAENGIGKEITS-KRIEGE.
der Stadt Boston pliysisehen und morali-
schen Beistand verspraeli.
Bereits am IS. Mai verkündeten diese
Pfälzer den in New York und Albany zu-
sanunentretenden Aiussi-hüssen von Frei-
heitsfrennden ihren festen Entschluss. alle
vom Kontinental-Kongress empfohlenen
Massregeln auszuführen und frei zu sein
oder zu sterben.
Am 21. ^lai Hessen sie die nachstehende
Erklärung folgen: ,,Auf einander angewie-
sen durch die Bande der Religion, Ehre,
Gerechtigkeit und Vaterlandsliebe, vereini-
gen wir uns in dem festen Vorsatz, nie Skla-
ven werden zu wollen, sondern unsere Frei-
heit mit Gut und Blut zu veHheidigen." —
Am 2. Juni fand unter dem Vorsitz
Ilercldieimers die erste öffentliche Ver-
sannnlung von Abgeordneten aller Bezirke
des ^lohawktales statt. Von den erschie-
nenen Abgeordneten waren mehr als die
Hälfte Deutsche. Ihre erste Massregel be-
stand im Einsetzen eines Sicherheitsaus-
schusses zum Ueberwachen der im Tal woh-
nenden zahlreichen Anhänger des König-
tums, der sogenannten Tories. Zu diesem
Zweck wurden die Milizen des ]\Iohawkge-
bietes auf die Stärke von fünf Bataillonen
gebracht. Zu dif.sfn kamen noch ein Ba-
taillon Scharfschützen, drei Kompagnien
Jäger und eine Kompagnie TTülfstruppen.
Um die straffe Organisirung dieser IMacht
erwarl) Ilerchheimer sich so grosse Ver-
dienste, dass die Versannnlung der New
Yorker Abgeordneten ihn zum Brigadege-
neral und Bcft'hlsliaber aller westlich von
Schenectady stehenden ^Milizen ernannte.
Die Anordnungen, welche Herchheimer in
dieser Stellung traf, schüchterten die Kö-
nigstreuen dermassen ein, dass sie Hals
über Kopf das Weite suchten und nach Ca-
nada flohen.
In Pennsylvanien, wo die Regierungsbe-
amten seit langem darüber klagten, dass die
früher so friedliebenden Deutschen hals-
starrig und aufrührerisch würden, schürte
die zum Schutz der Einwanderer gegrün-
dete „Deutsche Gesellschaft" das Feuer. Im
Verein mit den Vorstehern luid Pastoren
der in Philadelphia bestehenden lutherichen
und reformirten Kirehengemeinden liess sie
am 1. AugiLst 1775 eine Flugschrift
drucken, welche die in den westlichen Tei-
len Pennsylvaniens sowie in den andern Ko-
lonien lebenden Deutschen mit den Ursa-
chen bekannt machen sollte, die den Konti-
nental-Kongress bewogen hätten, zum be-
waffneten Widerstand gegen die englischen
Unterdrücker aufzufordern.
Im Vorwort dieser Flugschrift heisst es:
,.Wir haben von Zeit zu Zeit täglich mit
unseren Augen gelesen, da.ss das Volk in
Pennsylvanien, Reiche und Arme, den Ent-
schluss des Congresses approbiren. Sonder-
lich haben sich die Teutschen in Pennsylva-
nien nahe und ferne von uns sehr hervorge-
than und nicht allein ihre ^Milizen errichtet,
sondern auch auserlesene Corpos Jäger for-
mirt, die in Bereitschaft sind zu marschi-
ren, wohin es gefordert wird. Diejenigen
unter den Teutschen, Avelche selbst nicht
Dienste thun können, sind durchgehends
willig nach Vermögen zum gemeinen Besten
zu contributiren." —
Auch Heinrich Miller's „Staatsbote"
brachte einen feurigen Aufruf an alle Deut-
schen, sich der Freiheitspartei anzuschlie.s-
sen. ,, Gedenkt daran, wie bitter die Knecht-
schaft war, die ihr in Deutschland erfahren
miLsstet. Gedenkt inid erinnert die Euri-
gen daran, daas ihr nach America gegangen
seid, um der Dienstbarkeit zu entrinnen
imd die Freiheit zu geniessen. Gedenkt,
da.ss die englischen Staatsdiener und ihr
Parlament Amerika auf eben den Fuss wie
Deutschland und vielleicht ärger haben
möchten."
Nicht vergessen darf auch des gewaltigen
Einflusses werden, den zahlreiche deutsche
Pastoren auf ihre Gemeinden ausübten,
indem sie von der Kanzel herab die be-
drückte Lage des Landes erörterten und
mutig für die Sache der Freiheit eintraten.
DER ANTHEIL DER DEUTSCHEN AM UNABHAENGIGKEITS KRIEGE.
89
Gar manche, wie z. B. Pastor Tlclfenstein
Ton Laneaster, Pa , beschworen durch ihr
offenkundiges Eintreten für die Sache der
Freiheit bittere Verfoloungen seitens der
Regierung über sieh herauf. So inussten
•die beiden Söhne des greisen Patriarchen
Älühk^nberg ihre Stellungen in New York
und Phihulelphia preisgeben und gen Wes-
ten fliehen, um drohender Kerkerhaft zu
entgehen. Für die Einlieferung der Pasto-
ren Johann Wilhelm Schmidt von German-
town und Nevelling von Jersey waren hohe
Belohnungen ausgesetzt. Der letztere hatte
iiuf seinen Grundbesitz hohe Anleihen auf-
genommen und das Geld dem Kontinental-
Kongress geliehen. Die beiden Prediger
Weyhcrg und Schlatter mussten wochen-
lang in düstern Gefängnissen schmachten.
Als sie aus denselben erlöst wurden, fanden
sie, dass inzwischen ihre Häuser von den
britischen Soldaten geplündert worden wa-
ren. Die Wohnung des Pastors liahcnJiorst
in der Salzburger Kolonie Ebenezer in
Georgia wurde sogar niedergebrannt.
Aber alle zur Unterdrückung des Frei-
heitsgedankens bestimmten Massregeln ver-
mochten das Feuer der Begeisterung nicht
mehr zu dämpfen. Zu mächtig hatte die
von dem virginischen Advokaten Patrick
Henry ausgegebene trotzige Losung: „Give
me liberty or give me death ! " in den Her-
zen sowohl der patriotischen Amerikaner
wie der Deutschen gezündet. Und als mit
den blutigen Zusammenstössen bei Lexing-
ton und Bunker Hill das Signal zum Auf-
stand gegeben w^ar, da flogen die Freunde
der Freiheit allerorten zu den Waffen. Die
Deutschen voran.
IL
Zu den Waffen.
Die Kaufleute Hessen ihre Geschäfte im
Stich; die Handwerker schlo.ssen ihre
Werkstätten; die Bauern küiinnerten sieh
nicht länger um Saaten und Ernten; die
Grenzbewohner nicht um Jagd und Fisch-
fang, sondern folgten dem dumpfen Klang
der Sturmglocken, die überall zum Kampfe
riefen.
Vortrefflich charakterisirte der Pfarrer
Helnnith die gro.ssartige Bewegung in
einem an die „Hallesehen Nachrichten" ge-
richteten Brief mit folgenden Worten:
,, Durch das ganze Land rüstet man sich
zum Krieg. Beinahe jeder Mann ist unter
den Waffen. Der Eifer, welcher bei diesen
traurigen Umständen gezeigt wird, lässt
sich nicht beschreiben. Wenn hundert
Mann verlangt werden, stellen sich sofort
viel mehr und sind ärgerlich, wenn sie nicht
alle genommen werden. Quäker und ]\Ien-
noniten entsagen ihren religiösen Grund-
sätzen und nehmen Teil an den kriegeri-
schen Uebungen. Das ganze Land von Neu-
England bis Georgia ist eine Seele und in
vollkommener Begeisterung für die Frei-
heit."
Es ist natürlich unmöglich, an dieser
Stelle alle Phasen des Unabhängigkeitskrie-
ges, an welchem die in den englischen Ko-
lonien lebenden Deutschen so grossen An-
theil nahmen, zu schildern. Nur diejenigeij
Ereignisse sollen berücksichtigt werden,
bei welchen Deutsche im Dienst ihrer neuen
Heimat und der Freiheit zu handeln beru-
fen waren.
Den Deutschen in Pennsylvanien rühmt
der Vater der amerikanischen Geschichts-
schreibung, George Bancroft, nach, sie hät-
ten alle auf selten der Freiheit gestanden.
Dafür giebt es in der Tat tausende Belege.
Einer der vollgültigsten ist ihre überaus
starke Teilnahme an den revolutionären
Ausschüssen, welche auf Empfehliuig des
Kongresses in den einzelnen Grafschaften
die militärische Organisation der Freiwil-
ligen oder sogenannten „ Associators " be-
Avirkten.
Von welchem Geist die in Pennsylvanien
lebenden Deutschen beseelt waren, zeigen
am klarsten die Vorgänge in Reading. Als
dort die jüngeren Leute drei Kompagnien
Bürgergarde bildeten. Hess es den deut-
90
DER ANTHKIL DER DEUTSCHEN AM UNABHAENGIGKEITS-KRIEGE.
sehen Graubärten keine Hiilu'. Sie traten
zu einer ..Konipatrnic der alten Männer''
zusannnen. ..Diesel Ix.' bestellt ". so meldete
der daniali«re ..Pennsylvanisehe Staatsbo-
te", „aus etwa 80 Ilochdeutselien von 40
Jahieii und darüber. Viele von ihnen sind
in Deutsehland im Kriejrsdien.st «rewasen.
Ihr Anführer ins Feld ist !H Jahre alt. ist
40 .lalirr in I\ rief.'sdiensten «rewesen und
bei 17 liauptselilaehten : ihr Tronnnc^lsehlä-
^'er ist S4 Jahre alt." —
Wo so ti(>firehende Besreistei-untr für die
Saehe der Freiheit herrsehte, muss es als
.«elbst verständlieh er.seheinen, dass die
Deutsehen auch einen grossen Prozentsatz
jener Seharfsehützen .stellten, die nach
einem am 14. Juni 1775 gefassten Besehluss
des Kontinental-Kongre.sses von den Kolo-
nien Penn.sylvanien, ^Maryland und Virj^i-
nien auftrebraeht werden sollten. Pennsyl-
vanien sollte sechs, die beiden letztgenann-
ten Provinzen je zwei Kompagnien stellen.
Anstatt der verlangten 800 .Mann meldeten
sich 14(i0. Von den neun Kompagnien, die
Penn.sylvanien ausrüstete, hatten vier aus-
schliesslich deutsche Offizieie.
Sehon mehrere Wochen nach dem Erlass
de.s Kongre.ssbeschlu.sses befanden sich star-
ke Abteilungen .solcher Scharfschützen auf
dem hunderte von Meilen weiten Marsche
nach Hoston. zum IIaupt(iuartier des mit
dem Oberbefeiil der amerikanischen Armee
betrauten (Jenerals (ieorge Wa.shington. Die
ersten Seharfsehützen, welche sich dort mel-
deten, waren Deutsche der penn.sylvani-
.sclien (Jrafschaft Berks unter dem Befehl
der Kapitäne Nagel und Daudel; kräftige,
wetterfeste Gesellen von sechs Fuss Höhe
und darübei-. Sie trugen noch ihre aus der-
bem Zeug oder Ilii'scbleder gefertigten
Jagdröcke sowie indianische Leggins und
INFoccasins. Die über jeder lernst in grossen
Ijcttern zu lesende T^osung: ..Tiiberty oi-
Death!" verkündete die einste Entschlos-
senheit, welclie diese .Männei- beseelte.
Ausser Jagdnie.s.ser und Tomahawk führte
jeder seine eigne Kiflebüchse, in deren Ge-
bi-aneh viele eine erstauidiche Meisterschaft
erlangt hatten. Ihi' Betragen war beschei-
den : ihre Diseiplin für die ganze Armee ein
Vorbild.
Diesen Kompagnien folgten bald solche
aus andei-(Mi Teilen Pennsylvaniens sowie
aus Maryland und Virginien. Die Vii'gi-
iiicr wuideii von Kapitän Dtiiiid Morgan
befehligt. Als sie sich am 17. Juni an einer
bei Schäferstown ( Shephei'dtown ) gelege-
nen Quelle versammelten, kamen sie voi-
ihrem Abmai-.sch überein, da.ss diejenigen,
welche nach 50 Jahren noch am Tjeben
.''■eien. an dem gleichen Datum sich an der-
.selben Quelle wieder einfinden sollten.
Dieser Verabredung gemäss .stellten sich
am 17. Juni 1825 vier Männer an der be-
zeichneten Stelle ein: Die Brüder Heinrich
und (ieorg Michel Bedinger, der er.ste aus
Virginien, der zweite aus Kentucky; ferner
Feter Lauck aus Winchester und GoitJiold
Hülse aus Wheeling. Die echt deutschen
Namen dieser vier Veteranen bekunden aufs
unzweideutigste, da.ss unter den berühmten
jMorgan 'sehen Scharfschützen sich sehr
viele Deutsche befunden haben müssen.
Als die.se Abteilung nach 600 jMeilen
weitem ^Marsch am 10. August im amerika-
nischen Lager bei Cambridge eintraf, er-
s{)ähte sie der gerade von einem Rekognos-
cirungsritt zurückkehrende Wa.shington.
Ln (Jalopp eilte er auf die Wackern zu, und
als ihr Führer meldete : ,, Scharfschützen
vom i-echten Ufer des Potomac!" stieg
Washington schnell von seinem Ross und
schritt, während ihm die hellen Freuden-
ti'äncMi über die Wangen i-annen. auf die
Virginier zu, um jeden einzelnen .seiner
Xachbai-n mit einem ki'äftigi^i Händedruck
zu bcwillkommen.
Alle diese Schai'fschützen lei.steten wäh-
rend der bis zum 17. März 177() dauernden
Belagerung von Boston vortreffliche
Dienste. Sie wurden an die wichtig.sten
l*unkte gestellt mit der Weisung, ihr
llauptaugenmei'k auf die Beseitigung der
DER ANTHEIL DER DEUTSCHEN AM UNABHAENGIGKEITS-KRIEGE.
91
feindlichen Offiziere zu richten, damit die
ihrer Führer beraubten Regimenter dann
um so leichter in Unordnunti' ^•e])racht und
besiegt werden möchten. AVelche Dienste
die Scharfscliützcn in dieser Beziehiuig leis-
teten, ist aus dem Verlauf der Kämpfe um
Boston bekannt. Die überraschend grosse
Zahl der dort gefallenen oder kampfun-
fähig gewordenen englischen Offiziere ver-
anlasste den Abgeordneten Burke im Par-
lament zu dem erregten Ausruf: ., These
Americans know much more of your arniy
than your return can give them. They conp
it up, besiege it, destroy it, crusli it. Your
officers are swept off by the rifles, if they
show their noses. "
Da die deutschen Grenzbewohner die ein-
zigen waren, welche Riflebüchsen führten,
so darf ihnen die in den zornigen Worten
des englischen Abgeordneten enthaltene
Anerkennung in erster Linie gutgeschrie-
ben werden.
Jedenfalls waren es diese von den deut-
schen Scharfschützen erzielten Erfolge
welche den Kontinental-Kongress am 25.
]\lai 1776 zu dem Beschluss veranlassten,
ein rein deutsches Bataillon zu errichten,
zu welchem Pennsylvanien und IMaryland
je vier Kompagnien stellen sollten. Penn-
sylvanien hatte bereits im Juli fünf Kom-
pagnien vollzählig.
Dieses anfangs von dem Obersten Nikolas
Hauscggcr, dann von Baron Arendt und
endlich von Ludwig Weltner befehligte
Bataillon zeichnete sich zunächst bei dem
kühnen Ueberfall der Engländer in Tren-
ton aus. Später focht es mit bei Princeton,
am Brandywine und bei Germantown. Es
ertrug die schwere Leidenszeit im Winter-
lager in Valley Forge, wo es der Brigade
des Generals Peter ^lühlenberg angehörte.
Darauf ward es der Expedition des Gene-
rals Süll i van zugetheilt und marschirte mit
dieser in das Quellgebiet des Susquehanna
und zum ^lohawk, um die dortigen Nieder-
lassungen gegen die Feberfälle der mit den
Engländern verbündeten Irokesen zu
schützen.
Zu ch'n regulären Regimentern, die
während des Jahres 1776 in Pennsylvanien
gebildet wurden, stellten die Deutschen,
wie aus den noch erhaltenen Li.sten der
Pensionäre des Unabhängigkeitskrieges er-
sichtlich ist, gleichfalls einen gewaltigen
Anteil an Soldaten und Offizieren. Beson-
ders stark waren sie im 2., 3., 5., 6. und 8,
Regiment vertreten. Als am 4. Juli 1776
die Abgesandten von 53 Bataillonen sich in
der pennsylvanischen Stadt Lancaster ver-
sannnelten, um zwei Brigade-Generäle zu
wählen und über gemeinsame IMassregeln
zu entscheiden, ergab sich aus der Liste
dieser Abgeordneten, dass ein Drittel der-
selben deutsche Namen trug. Es fügte sich,
dass in der Stunde, in welcher diese Frei-
willigen gelobten, treu für die Sache der
Freiheit einzustehen, der in Philad(4phia
versammelte Kongress die Unabhängig-
keitserklärung annahm.
Die Deutschen der Kolonien ^Maryland,
Virginien, Carolina, New York, Äla.ssachu-
stets und ]\Iaine standen in der Betätigung
ihres Patriotismus hinter den Pennsylva-
niern nicht zurück. Leider ist über ihre
numerische Teilname wenig bekannt, da
fast alle Dokumente und Musterrollen des
Unabhängigkeitskriegs im Jahre 1800 bei
einer im Krieggministerium ausgebrochenen
Feuersbrunst verbrannten.
In Charleston, Süd Carolina, organisirte
der Württemberger Michael Kalteisen im
Jahre 1775 eine aus lauter Deutschen be-
stehende Kompagnie Füsiliere, welche wäh-
ren der ganzen Dauer des Unabhängigkeits-
kriegs sich durch gewissenhafte, energische
Dienstleistungen auszeichnete. Am Sturm
auf Savannah, 1779, nahmen sie tapfern
Anteil. Kalteisen ward später Befehlsha-
ber des Forts Johnson.
Auch die 150 Mann starke Leibwache
Washingtons bestand ausschliesslich aus
Deutschen der pennsylvanischen (iraf-
«2
DER ANTHEIL DER DEUTSCHEN AM UNABHAENGICxKEITS-KRIEGE.
Schäften Berks und Lanca-ster. Ihr Be-
fehlshaber war th'r preiissisehe Major Bnr-
tholoniiiiis i'oit H(tr. Jakob M(i/ti)i(/( r
<lientt' als Hauptmann: I'liilipp Strübing
und Johiiuu Mufft r als Lieutenants. Aus
-der Tatsache, da.ss viele Soldaten dieser
Leibwache jrar ni<'ht oder nur wenig der
englischen Sprache mächtig waren, hat
man ge.schhxssen. da.ss die Zusanunensetz-
ung der Leibwache aus solchen sprachun-
kundigen p]lemcnten von vornherein beab-
sichtigt gewesen sei. weil es unter den eng-
lisch sprechenden Truppen des amerikani-
üchen Heeres von Spionen imd Verrätern
wimmelte. Die königstreuen Tories be-
<lienten sieh der infamsten ^Mittel, um ame-
rikani.sche Soldaten und Offiziere zum De-
sertiren und zum Verraten militärischer
Geheimnisse zu verleiten. Ein Komplott
lief sogar darauf hinaus, sieh der Person
"Wa.shingtons zu bemächtigen und ihn den
Tories auszuliefei'n. Da die Deutsehpenn-
sylvanier der englischen Sprache wenig
mächtig waren, so waren sie solchen Versu-
-chungen natürlich weniger ausgesetzt.
Diese deutsche Leibwache begleitete
AVashington durch alle Fährnisse des sieben
Jahre währenden Feldzugs. Erst nach der
glücklichen Beendigung desselben Avurde
sie aufgelöst. Der wackere ]\Ia,jor von Heer
sowie Hauptmann ]Meytinger blieben nebst
«inem Sergeanten, einem Trompeter und
acht Gemeinen bis zum 31. Dezember 1783
im Dien.st, um ihren geliel)ten Feldherrn
wohlbehalten zu seinem in Virginien gele-
geneu Landgut ]\Iount Vernou zu geleiten.
Dort stellten sie sieh noch einmal vor
<lem General in Parade auf. Nachdem sie
ihm zum letztenmal die militärischen Ehren
erwiesen hatten, ritten sie schweigend da-
von. „Denn", so erzählt einer der Vetera-
nen, ..unsere Augen waren voller Thränen,
dass wir nun von dem geliebten Feldherrn,
dessen Leiden und Lasten wir so lange ge-
sehen und geteilt hatten, auf immer schei-
den mussten."
IIL
Nikolaus Herchheimer und die deutsche
Bauernschlacht bei Oriskany.
Den wackeren Pfälzern des Mohawktals
bot sich erst spät Gelegenheit, in den
Kampf einzugreifen. Das Jahr llHi hat-
ten sie mit Vorbereitungen zur Vertheidi-
gung verbracht. Denn sie wussten nur zu
wohl, dass sie auf einem der wichtigsten
und gefährlichsten Pasten standen. Die
nach Canada geflohenen königstreuen Eng-
länder hatten nämlich durch reiche Ge-
schenke und Versprechungen sämmtliche
in der Kolonie New York hau.senden India-
nerstämme für die Sache des Königs ge-
wonnen. Für die Amerikaner war es na-
türlich eine Frage von höchster Bedeu-
tung, wenn nicht die Freundschaft, so doch
wenigstens die Neutralität dieser Indianer-
stämme, besonders des mächtigen Irokesen-
bundes, zu gewinnen. An der Spitze des
letzteren stand der den Weissen unter dem
Namen Joseph Brant bekannte Kriegs-
häuptling der ]\Iohawks, Thayendanegea.
Diesen auf die Seite der Amerikaner hinü-
berzuziehen, wurde Nikolas Herchheimer
im Sommer 1777 au-sgesendet. Thayenda-
negea weilte damals in dem am obern Sus-
cpiehanna gelegenen Indianerdorf Una-
dilla. Von 400 IMiliz-soldaten begleitet
brach Herchheimer im Juni des genannten
Jahres dorthin auf. Aber seine Hoffnung,
den Häuptling günstig .stimmen zu köinien,
erfüllte sich nicht. Thayendanegea liatte
bereits seinen Entschluss gefasst und wäh-
rend eines Besuchs in England, wo man
ihm am königlichen Hof die glänzendsten
Versprechungen und Geschenke machte,
sich für die Sache der Engländer entschie-
den. Obendrein war die augenblickliche
Lage der Amerikaner zu ungün.stig. um
dem berechnenden AVilden Vertrauen ein-
flös.sen zu können. Denn obgleich die
Amerikaner da luid dort Erfolge errungen
hatten, so hielten ihre Gegner das Heft
doch noch fest in den Händen. Gleichzei-
DER ANTHEIL DER DEUTSCHEN AM UNABHAENGIGKEITS-KRIEGE.
9a
tig holten sie zu einem Ilanptsehlage ans,
bei welchem dem Irokesenhäuptling eine
Aviehtige Rolle zugedacht war.
Um die aufständigen Xeu-England Ko-
lonien von den südlichen Kolonien zu tren-
nen, so dass sie nicht länger einander unter-
stützen und einzeln leichter unterworfen
werden könnten, planten die Engländer
einen dreifachen Vorstoss gegen den Hud-
son, an dessen [Mittellauf die Amerikaner
sich festgesetzt hatten. Von Canada aus
sollte General Burgoyne mit 8000 i\Iann
über den Georgsee zum oberen Hudson vor-
dringen, während gleichzeitig eine starke
Flotte von New York aiLS den Strom hin-
aufsegeln und die Rebellen vom Süden aus
angreifen sollte. Der Obenst St. Leger end-
lich erhielt Befehl, mit 750 Truppen und
1000 Indianern unter der Führung Thay-
endanegeas von AVesten her in das ]\Io-
hawktal einzufallen und die Amerikaner in
der Flanke zu fassen. Glückte dieser mei-
sterhafte Plan, so .war das Schicksal der
Aufständigen besiegelt und die schnelle
Unterdrückung der Revolution gewiss.
Da Thayeudanegea an dem Gelingen
keinen Augenblick zweifelte, so blieben na-
türlich die Bemühungen Herchheimers,
ihn auf die Seite der Amerikaner herüber-
zuziehen, ohne Erfolg.
Tatsächlich hatten die Engländer bereits
mit der AiLsführung ihres Planes begonnen.
Burgoyne sowohl, wie St. Leger befanden
sich schon auf dem ]\Iarsch. Davon erhiel-
ten die Amerikaner durch befreundete
Oneida Indianer früh genug Kunde. Zu-
gleich erfuhren sie, dass Gouverneur
Hamilton fünfzehn indianische Abteilun-
gen auf die Ansiedler losgelassen habe.
Da musste Alles mobil gemacht werden,
was Waffen tragen konnte. Denn glückte
es nicht, die Feinde zurückzuschlagen, so
war allen Ansiedlern der Untergang unter
den Tomahawks und Skalpirmessern der
Rothäute, unter den Bajonetten und Ku-
geln der englischen Soldaten gewiss. Den
furchtbaren Ernst der Lage erkennend,
richtete Herchheimer am 17. Juli einen
Aufruf an alle zwischen 16 und 60 Jahren
stehenden Jünglinge und ]\Iänner, sich un-
verzüglich in dem an Stelle der heutigen-
Stadt Ilerkimer angelegten Fort Dayton
einzufinden, 800 Manu folgten dem
Aufruf.
Bereits am 4. August meldete ein Bote^
dass St. Leger mit seinen Truppen und In-
dianern vor dem am obern Mohawk ange-
legten Grenzfort Stanwix angekommen sei
und mit der Belagerung desselben begonneu
habe. Unverzüglich liess Herchheimer zum
Abmarsch blasen, um den Belagerten zu
Hülfe zu kommen. An Oberst Gan.sevoort,.
den Befehlshaber des Forts Stanwix,
sandte er einen Boten, um ihn zum gemein-
samen Handeln zu veranlassen. Gansevoort
sollte an dem Morgen, an dem die Pfälzer
den Feinden in den Rücken fallen wollten^
einen Ausfall unternehmen. Drei rasch
aufeinander folgende Kanonenschüsse vom
Fort aus sollten den Pfälzern das Zeichen
geben, dass man im Fort zu dem gemein-
samen Angriff bereit sei.
Leider glückte es dem Boten erst am
]\Iittag des betreffenden Tages, die feind-
lichen Reihen zu durelischleichen und in
das Fort zu gelangen. Mittlerweile hatten
aber auch die Engländer durch ihre india-
nischen Kundschafter von dem Anrücken
der Pfälzer Kenntniss erhalten und eiligst
an einer engen Waldschlucht, die von den
Deutschen passirt werden musste, einen
aus zahlreichen Scharfschützen und meh-
reren hundert Indianern bestehenden Hin-
terhalt gelegt. Der kriegskundige Thayeu-
danegea hatte die Stelle ausgewählt.
Als Herchheimer mit seiner Schaar ge-
gen neun Uhr ]\[orgens hier anlangte, ver-
riet kein Zeichen eine Gefahr. In tiefstem
Schweigen lagen die unabsehbaren Urwäl-
der, durch die nur ein schmaler, überaus
schlechter Weg auf der rechten Uferseite
des ]\IohaAvk zum Fort Stanwix führte.
Kaum waren aber die Pfälzer in die
Schlucht eingetret'^n, als plötzlich aus hun-
94
DER AXTHEIL DER DEUTSCHEN AM rNABHAENOrOKEITS-KRIEGE.
derten von Kehlen das grauenhafte Kricgs-
greheul der Indianer ertönte. Im irleiehen
Auirenl)liek krachten von allen Seiten und
aus den Wipfeln der liäunie niäehti^'e
Salven auf die Zusannneuiredränjjten. und
dann tauchten hinter jedem Busch, hinter
jctlcm Fels.stück nackte, schauerlich he-
malte Wilde auf. um sich üleich l'antern
auf die völlig üherraschten Deutsehen zu
stürzen.
Nur ein Kampf bis aufs Messer konnte
die letzteren vor gänzlieher Vernichtung
retten. Diese Erkenntniss trieb sie, mit der
Wut der A'erzweiflung zu fechten. Galt es
doch Haus und Hof. Weib und Kind zu
retten! Da entspann sieh nun im Trwald-
diekieht wutknir.sehendes Ringen, in dem
deutsehe, durch harte Hinterwäldlerarbeit
gestählte Kraft mit indianischer Schläue
und Gewandtheit stritt. ^lit zerschnittener
Kehle oder zerschlitzter Brust sanken
Weisse und Rote übereinander, sich noch
in der Todesstarre krampfhaft umschluii-
gen haltend. Gar mancher Irokese wurde
vom schnellen Blei ereilt, als seine Hände
giei-ig dabei waren, seinen gefällten Gegner
zu skalpiren.
Herchheimer war einer der ersten, die
im Gemetzel verwundet Avurden. Eine
Kugel zer.schmetterte sein linkes Bein un-
terhalb des Knies und tödtete zudem sein
Rass. Aber er verlor nicht die Geistesge-
genwart, sondern feuerte mit lautem Zu-
ruf die Seinen zu immer heftigerem Wider-
stände an. bis es ihnen gelungen war, den
ersten Anprall der Gegner abzuschlagen.
Dann Hess er sieh auf eine den Kampfplatz
überschauende Anhöhe tragen und am Fuss
eines Urwaldriesen niedersetzen.
Auf seinen Satt(d gestützt, der ihn um-
schwirrenden Pfeile und Kugeln nicht
achtend, .sondern kaltblütig die Pfeife rau-
chend, leitete er von dort den immer hefti-
ger entbrennenden Kampf, der mit aller
Verschlagenheit hinterwäldlerischer Fecht-
weise geführt wurde.
Auch die Deutschen hatten .jetzt hinter
mächtigen Bäumen Deckung gefunden und
suchten von dort aus ihren Fe'nden beizu-
kommen. Aber diese lagen auf der Lauer,
und gar oft gelang es einem Indianer, einen
deutschen Schützen, wenn derselbe einen
Schuss hinter dem Baum hei" abgefeuert
hatte, zu ereilen und niederzuschmettern,
])evor jener Zeit fand, seine Büchse wieder
zu laden. Der alte Herchheimer. welcher
die Taktik der Wilden durchschaute, po.s-
tirte nun .stets zwei ^Fänner hinter einen
Baum, von denen der eine, wenn sein Ge-
nos.»-:e gefeuert hatte, sofort anlegte, um den
anspringenden, seines Opfers sicheren In-
dianer niederzuknallen. Diese Anordnung
wirkte so sicher und ri.ss so gewaltige
Lücken in die Reihen der Feinde, dass bald
kein Indianer mehr wagte, die alte Fecht-
weise anzuwenden.
Bereits hatte das Gefecht mehrere Stun-
den gedauert, als plötzlich die Entrländer
Verstärkung durch eine Abteilung Königs-
jäger erhielten. Unter diesen befanden
sich viele königstreu gebliebene ehemalige
Bewohner des ]\Iohawktals, die mit den
englischen Lords nach Canada geflohen
waren. Frühere Freunde und Nachbarn
erkannten einander. Aber der bitti'C Ila.ss,
der sie einst im politi.schen Wortstreit ent-
fremdet hatte, schlug nun in lodernden
Flammen empor. ^Mitten hinein in das Ge-
töse krachten heftige Donnerschläge. Von
den Kämpfenden unbemerkt war ein
schweres (Jewitter heraufgezogen. T'nter
flammenden Blitzen und erderschüttern-
dem Rollen sich über den Häuptern der
Kämpfenden entladend führte es durch
seine mächtig niederströmenden Regen-
fluten eine Ruhepause herbei. Kaum aber
hatten die schweren Wolken sich verzogen,
so begann das Schlachtgetöse den triefen-
den Wald aufs neue zu durchhallen.
Da endlich, nachdem das Gemetzel schon
mehrere Stunden gedauert hatte, erdröhn-
ten von Fort Stanwix die von den Deut-
schen längst ersehnten drei Kanonen-
DER ANTHEIL DER DEUTSCHEN AM UNABHAENGIGKEITSKRIEGE.
95
Schüsse. Sie erfüllten die Pfälzer mit
neuern Kampf esnmt und machten ihr aber-
nialiges Vorgehen so unwiderstehlich, dass
die ob ihrer schweren Verluste bestürzten
Indianer unter den Klagerufen „Unah !
Unah!'' in wilder Flucht den Kampfplatz
verliessen und die englischen Truppen mit
sich rissen. Als sie im Lager vor dem Fort
Stanwix wieder anlangten, fanden sie, dass
es mittlerweile von der Besatzung des Forts
überfallen worden war, und dass diase
sännntliches Gepäck, alle Papiere und fünf
Fahnen erbeutet hatte. Der Sieg der unter
Herchheimer stehenden Pfälzer war schwer
erkauft, lieber 240 waren gefallen : von
den Ueberlebenden hatten die meisten so
schwere Verwundungen erlitten, dass man
an eine Ausnutzung des Sieges nicht den-
ken konnte, sondern auf den Rücktrans-
port der Toten und Verwundeten bedacht
sein nnisste. ALs man am 8. August mit
denselben in den heimischen Dörfern an-
langte, erscholl überall herzbrechendes
Trauern und Klagen, denn kaum war ein
Haus, in dem nicht ein Angehöriger tot
oder verwundet lag.
IManche Familien hatten ihren ganzen
IMannesstanun eingebüsst. So waren 5 Bel-
lingers, 9 Schells, 4 Müllers, 4 WoJilhöfers,
5 Fuchs, 3 Walrats, mehrere Kasts, Kellers,
Kostlers, Dunkels, Baumanns und Demuths
gefallen,
Sich dumpfer Trauer hinzugeben, dazu
blieb den Pfälzern aber keine Zeit, denn
noch war Fort Stanwix nicht entsetzt und
der Feind nicht aus dem Lande vertrieben.
Nachdem die Toten begraben worden,
schlössen die noch waffenfähigen Männer
sich aufs neue zusammen und zogen, durch
€ine Anzahl regulärer Truppen verstärkt,
unter dem Befehl des Generals Benedikt
Arnold zum zweitenmal den Feinden ent-
gegen. Als diese durch ihre Späher Kurde
vom ' abermaligen Anmarsch der Pfälzer
■empfingen, licssen sie, von Schrecken er-
füllt, Zelte und Geschütze im Stich und
kehrten eiligst nach Canada zurück. Die
geplante Vereinigung mit der Armee Bur-
gojines war vereitelt, und damit der ganze
FeUlzugspla)! der Engländer gescheiteH.
Nunmehr konnten die Amerikaner und
I*fälzer ilu'e gesannute Kraft auf die Be-
kämpfung Burgoynes wenden. Es gelang
ihnen in der Tat, diesen so hart zu bedrän-
gen, dass er sich am 16. Oktober mit seinem
Heer bei Saratoga ergeben musste. Wenn
damit der amerikanische Freiheitskrieg
auch nicht sein Ende fand, so war doch
eine der schlimmsten Gefahren, die seinen
Erfolg in Frage gestellt hatten, glücklich
abgewendet. Kein Geringerer als George
Washington erkannte die Verdienste der
Pfälzer um diese glückliche Wendung an,
indem er schrieb, dass Herchheimer zuerst
die düsteren Aussichten des Feldzugs im
Norden ins Gegenteil umgewandelt habe.
Leider erlebte Herchheimer diese von
dem grossen amerikanischen Freiheitshil-
den ihm gezollte Anerkennung nicht mehr.
Als er nach dem Kampf bei Oriskany auf
einer Tragbahre nach seiner Wohnung ge-
bracht worden war, fiel er einem jungen
unerfahrenen Wundarzt in die Hände, der
bei der Amputation des zerschossenen
Beines so ungeschickt verfuhr, dass der
wackere Haudegen verblutete. Das war
am 17. August 1777. Unweit seines Hauses
wurde er auf einem Hügel begraben.
Bereits im Oktober desselben Jahres be-
schloss der Bundeskon gress, 500 Dollars zu
einem Denkmal für Herchheimer zu bewil-
ligen. Aber die immer heftiger entbren-
nenden Kriegs.stürme drängten diesen Vor-
satz in den Hintergrund und Hessen ihn
allmählig in Vergessenheit geraten. p]rst
unser Geschlecht erinnerte sich der tapfe-
ren Helden des Mohawktales. An derselben
Stelle, wo sie ihr Blut für ihre neue Heimat
vergo.ssen, lie-s der Geschicht.sverein der
Grafschaft Oneida einen stattlichen Obe-
lisken errichten. Auf seiner Vorderseite
verewigt eine Bronzetafel die Namen der
im Kampfe umgekonnnenen Helden. Zwei
auf den Seiten des ^Monuments eingelassene
96
DER AXTIIEIL DER DEUTSCHEN AM ÜNABHAENGIGKEITS-KRTEGE.
Bronzcrt'liofs stellen Seenen aus ileiu
Kampfe sowie den altt-n Ilerehheinier dar,
wie er verwundet am Fu.s.s eines Haumes
sitzend, seine Pfeife in der Iland, Befehle
ertheilt.
Am 12. November 18JX) wurde auch we-
nige Seh ritte neben dem Grabe Ilerehiiei-
mers ein herrlieher Obelisk aus weissem
Granit erriehtet. "Wie die Aufschrift be-
kundet, vom Staat New York, der seine
Dankbarkeit ferner bewies, indem sowohl
der Ort, wo der wackere Pfälzer creboren,
wie auch die Grafschaft, in der er lebte und
starb, mit seinem freilich anglisirten Na-
men TTerkimer belegt wurden.
IV.
Peter Muehlenberg.
Beschränkten die meisten deutsehen
Pastoren sieh darauf, der Sache der Frei-
heit durch Schrift und Wort zu nützen, so
kennen wir aber auch ein Beispiel, dass
ein Gottesstreiter seinem Beruf entsagte,
um als Soldat am Kriege theilzunehmen. Es
war derselbe Pastor Peter Mühlenberg, der
als Vorsitzender des von den Bürgern der
virginischen Stadt Woodstoek gebildeten
Sicherluitsaus.schu.sses jene denkwürdigen
Beschlüsse aufsetzte, die als die ersten
öffentlichen Proteste gegen die j\Ii.ss-
bräuche der englischen Kolonialregierung
betrachtet werden können.
Bei diesen papiernen Einsprüchen Hess
der wackere Pastor es nicht bewenden.
Denn bald nach dem Ausbruch der
Kämpfe, im Januar 1776, kündigte er an,
dass er sein Amt niederlegen und von sei-
ner Gemeinde Abschied nehmen wolle.
Diese Nachricht lockte zahlreiche ]\Ienschen
herbei. Sowohl die Kirche wie der sie um-
gebende F'riedhof waren mit Andächtigen
gefüllt, die aus weiten Entfernungen ka-
men, um noch einmal den Worten ihres ge-
liebten Seelsorgers zu lauschen. Derselbe
sprach in beredter Weise über die Pflich-
ten, die dir Bürger dem Vaterlande
schulde, und schlo.ss mit den klangvollen
Worten, es gebe eine Zeit zum Predigen
und Beten, aber auch eine Zeit zum
Kämpfen. Diese Zeit sei jetzt gekommen.
Und nun folgte eine Scene, die wohl einzig
in ihrer Art da.steht. Pastor ]\Iühlenberg-
warf seinen Talar ab und stand da in
voller Kriegeruniform, uml)raust v(m dent
Jubel .seiner Gemeinde, deren Begei.sterung
in hellen Flannnen aufloderte. Als jetzt
draassen das Rasseln der Werbetronnneln
ertönte, drängten die ]\Iänner zu Dutzen-
den herbei, um sich in die Li.sten der Frei-
heitsstreiter eintragen zu la.ssen und ihrem
Pfarrer in den Krieg zu folgen. Ilochbe-
tagte Greise brachten ihre Söhne, Frauen
ihre Gatten, und bevor der Tag zur Neige-
ging, hatten sich dreihundert Jünglinge
und ]\Iänner zur Teilname an dem Kampf
gegen die Engländer verpflichtet.
Der wackere Pa.stor, der früher als Re-
krut eines englischen Regiments das Solda-
tenleben gründlich kennen gelernt hatte,,
wurde mit dem Befehl eines meist aus;
Deutschen bestehenden Regiments betraut.
An der Spitze desselben kämpfte er ein
Jahr lang in Virginien, den Carolinas und"
Georgia, wobei er so grosse Fähigkeiten
entwickelte, dass der Kongre.ss ihn am 21.
Februar 1777 zum Brigadegeneral erhob.
Als solcher stiess jNIühlenberg mit seiner
aus vier Regimentern virginischer Linien-
truppen bestehenden Abteilung im ]Mai
1777 zu Washingtons Ilauptarmee und
nahm am 1. August an der unglücklichen
Schlacht am Brandywine teil. Seine Bri-
gade deckte den Rückzug und verhinderte,,
indem sie sich kühn der ganzen feindlichen
Macht entgegenstemmte, den .son.st unver-
meidlichen Untergang des amerikanischen
Heeres.
Auch an der Schlacht bei Gerniantown
nahm Mühlenberg teil und brachte durch
einen glänzenden Bajonettangriff den lin-
ken Flügel des Feindes zum Weichen. Des-
DER ANTHEIL DER DEUTSCHEN AM UNABHAENGIGKEITS-KRIEGE.
97
gleichen bewährte Feine Bri<racle in der
Sehlacht bei ^Monniouth ihren guten Ruf.
Später, nach mancherlei Scharmützeln im
Süden, war es ^lühlenbei'g noch vergönnt,
bei dem letzten entscheidenden Schlage, der
Belagerung von Yorktown, in hervorragen-
der Weise mitzuwirken.
ten Kongre.s.ses; als Vertreter Pennsylva-
nien.s im Hundes.senat sowie als Steuerbe-
amter von Philadelphia.
Für den Rest seines Lebens wählte Müh-
Icnberg Philadeljihia zum Wohnsitz. Als
Präsident der dort bestehenden ..Deutschen
Gesellschaft" während der Jahre 1788.
Die Schlacht bei Germantown und der Kampf um das Chew Haus.
General Muehlenberg zeichnete sich in der Schlacht aus.
Nach einer zeitgenoessischen Skizze.
Bereits bei den Bemühungen, dem Feind
den Rückzug nach dem Süden abzuschnei-
den, hatte Mühlenbergs Brigade ausge-
zeichnete Dien.ste geleistet. Später ge-
hörte sie zu der Sturmkolonne, Avelche die
linke Redoute der Festungswerke von
Yorktown durch einen Bajonettangriff
eroberte. In Anerkennung dieser grossen
Verdienste wurde ]Mühlenberg zum Gene-
ralmajor ernannt.
Nach der glücklichen Beendigung des
Feldzuges suchte ]\Iühlenbergs frühere Ge-
meinde zu Woodstock, ihn zur Rückkehr in
das Predigeramt zu bewegen, aber er lehnte
diesen Ruf mit dem Bemerken ab, dass es
sieh nicht zieme, dem Kriegsmann den
Pfarrer aufzupropfen.
]\rühlenberg widmete sieh nun dem
öffentlichen Leben. Er tat dies mit bemer-
kenswertem Erfolge als Vice-Präsident des
vollziehenden Rates des Staates Penn.sylva-
nien ; als ^Mitglied des Repräsentantenhau-
ses während des ersten, zweiten und sechs-
1802 bis 1807 erwarb er sich auch um das
Deutschtum Penn.sylvaniens unvergäng-
liche Verdienste. Er starb an seinem 61.
Geburtstage, am 1. Oktober 1807. Oswald
Seidensticker widmet ihm in seinen „Bil-
dein aus der deutsch-pennsylvanischen Ge-
schichte" ftjgende schöne Worte:
,,Er war von der Natur gewissermassen
zum Soldaten geschaffen und glitt in diese
Bestimmung, sobald die Gelegenheit sich
bot. Sein ]\Iut und seine Entschlossenheit
paarten sich mit der ruhigen L'eberlegung,
Avelche die Lage richtig zu erfassen Aveiss.
I^nd so fand AVashington, mit dessen Cha-
rakter der seinige viel Aehnlichkeit hatte,
in ihm nicht allein einen vortrefflichen
Offizier, sondern auch einen zuverlässigen
Ratgeber. In seinem Auftreten war er
offen, liebenswürdig und anspruchslos. Soll
aber ein Zug genannt Averden, der sein Le-
ben, seine politischen Grundsätze und sein
innerstes Wesen kennzeichnet, so war es die
Liebe zur Freiheit."
98
DER AXTHETL DER DEUTSCHEN AM rXABTIAEXCKiKEITSKRIEGE.
Deutscher Patriotismus im Unabhaen-
gigkeitskrieg.
Die Oesehiehte hat manche Belege dafür
aufbewahrt, dass die in Ani.'rikii lebenden
Deutschen ihren Nachbarn anderer Ab-
stannnung weder an hochherziger Opfer-
willigkeit noch an echtem ITeldennnit nach-
standen. Aus der gro.ssen Zahl solcher Be-
lege greifen wir nur einige heraus, welche
Deutsche betreltVn, die sich wegen ihres
Altei-s, Geschlechts oder ihrer religiösen
Grundsätze nicht in der Lage sahen, Feld-
dienste zu verrichten, aber doch in irgend
einer Weise zum Gelingen der grossen
Sache beitragen wollten.
Die in Pennsylvanien wohnenden INIenno-
niten, Herrnhuter, Tunker und Separisten,
denen ihre Religion verbot, Waffen zu
führen oder Kriegssteuern zu zahlen,
waren auf eine am 5. November 1775 an
den Kongress gerichtete Bittschrift hin in
diesen Ausnahmerechten bestätigt worden,
zumal sie sich verpflichteten, in anderer
Weise beizusteuern. Sie taten dies, indem
sie während des ganzen Feldzugs bedeu-
tende ]\rengen von Getreide, Lebensmit-
teln, Kleidern, Verbandzeug und anderen
notwendigen Dingen aufbrachten und der
amerikanischen Armee zuführten. Ferner
unterzogen sie sich der Pflege der Kranken
und Verwundeten. Bethlehem, Lititz und
Ephrata waren die bedeutendsten Lazarete
in den :Mittelkolonien. In der erstgenann-
ten Herrnhuter Niederlassung waren
sämmtliche Gebäude oft mit Blessirten
überfüllt.
Hier fand auch der verwundete La-
fayette sorgsame Pflege. Als er eines Tages
den Besuch des aus Europa herbeigeeilten
und in das amerikanische Heer eingetre-
tenen polnischen Edelmannes Pulaski em-
pfing, bekundeten die herrnhutischen
Schwestern ihre lebhafte Anteilnahme an
dem Unabhängigkeitskampf dadurch, dass
sie dem Polen ein von ihnen selbst gefer-
tigtes, reich mit Stickereien verziertes sei-
denes Banner verehrten. Da.s.selbe flatterte
der von dem Freihcitshelden gebildeten Le-
gion in allen Gefechten bis zum ruhmvollen
Tod Pulaski 's voran.
Die Herrnhuter der Kolonie Lititz wid-
meten sich vornehmlich der Pflege der am
Typhus Erkrankten. Beim Ausüben dieses
Samariterdienstes fielen zwei herrnhutische
Aerzte, fünf als Krankenwärter tätige
Brüder und der Hülfsprediger Schmick
der gefährlichen Krankheit zum Opfer.
Mit den Herrnhutern wetteiferten die
frommen Bewohner des Klostci"S Ephrata.
Nach der Schlacht am Brandywine nahmen
sie über 500 Verwundete auf. Von diesen
erlagen 200 den erlittenen Verletzungen
und wurden auf dem kleinen Friedhof des
Klosters neben den bereits zur ewigen Ruhe
eingegangenen Klosterbrüdern und Schwes-
tern begraben.
Zu den Patrioten, welche sich die Ver-
pflegung der im Felde stehenden Truppen
angelegen sein Hessen, gehört auch der
wackere Bäckermeister Christoph Ludwig.
Er war einer der rührigsten Bürger Phila-
delphias und beteiligte sich an allen von
den Befürwortern der Freiheit beschlosse-
nen ]\rassuahmen. Er war am 17. Olrtober
1720 in Giessen geboren und von seinem
Vater, einem Bäcker, schon als Knabe zum
Handwerk angehalten. >\rit 17 Jahren
wurde er Soldat, kämpfte gegen die Türken,
half IMaria Theresia vertheidigen, leistete
Kriegsdienste unter Friedrich dem Grossen,
fuhr 31/0 Jahre als Bäcker auf einem Ostin-
dienfahrer, wurde dann INIatrose und kam
nach Philadelphia, avo er in Laetitia Court
eine Bäckerei anlegte, sich mit einer
Wittwe verheiratete und seines stolzen
Ganges wegen, „der Gouverneur von Laeti-
tia Court!" genannt wurde.
Als in einer öffentlichen Versammlung
freiwillige Beiträge zur Beschaffung von
Gewehren für die ^Milizen gefordert wurden
und die Sammlung nicht recht in Flass
DER ANTHEIL DER DEUTSCHEN AM L'NABHAEXGIGKEITS KRIEGE.
99
kommen wollte, rief Ludwig: „Herr Präsi-
dent, ich bin zwar nur ein einfacher Pfef-
ferkuchenbäcker, aber schreiben Sie meinen
Namen auf mit 200 Pfund."
Im Laufe des Jahres opferte Ludwig sein
ganzes Vermögen auf dem Altar seiner
Adoptivheimat. Im Frühling 1777 erhielt
er die verantwortliche Stelle des Ober-
bäekers der Armee. Als solcher öffnete er
der Verwaltung über eine bisher unbemerkt
gebliebene Betrügerei die Augen, Als ihm
nämlich aufgegeben wurde, für jede hun-
dert J\rehl auch hundert Pfund Brod zu lie-
fern> antwortete er: „Nein, Christoph Lud-
wig hat nicht die Absicht, durch den Krieg
reich zu werden. Aus hundert Pfund ]\Iehl
bäckt man 135 Pfund Brod ; so viele werde
ich auch abliefern." Von dem mit dem
]\Iehl vermengten Wasser, Avelches das Ge-
wicht vermehrt, hatten Ludwig 's Vorgän-
ger geschwiegen und den dadurch erzielten
Gewinn ruhig eingesteckt. Washington
nannte ihn seinen „ehrlichen Freund".
Nach Beendigung des Krieges erwarb sich
der ehrliche Bäcker ein neues Vermägen,
welches er bei seinem Tode zu gemeinnützi-
gen Zwecken , in erster Linie für die Er-
richtung einer Freischule für arme Kinder
verwandte. Sein Tod erfolgte am 17. Juni
1801. Das „Ludw^ck Institute" ist nach
ihm, seinem Wohlthäter, genannt.
Auch das Andenken der edlen Frau
Margarethe Greider, geb, Arkularius ver-
dient in Ehren gehalten zu werden. Ihr
]\Iann in zweiter Ehe war der Bäcker Wil-
helm Riell. Er stand beim amerikanischen
Heer, imd mit ihm versorgte sie. die Trup-
pen vier IMonate lang mit Brod, ohne für
ihre Dienste Bezahlung zu nehmen. Oben-
drein sandte sie an Washington die damals
beträchtliche Summe von 1500 Guineen
zum beliebigen Gebrauch für die Armee,
und zwar zu einer Zeit, als die Sache der
Freiheitskämpfer infolge der unglücklichen
Schlacht von Germantown verzweifelt und
hoffnungslos zu sein schien.
Aus den Tagen des Unabhängigkeits-
kriegs klingen ferner die Namen dreier
Heldinnen herüber, deren kühne Taten so-
gar in vielen anglo-amerikani.schen Ge-
schichtswerken Erwähnung fanden : Marie
Heis, Elisabeth Zane und Emilie Geiger.
Die erste betheiligte sich an der blutigen
Schlacht bei Monmouth. Ihr ]\Ianii .stand
als Kanonier bei Washington 's Truppen,
Um sich nicht von ihm trennen zu milssen,
begleitete sie die Armee ins Feld und
machte sich nützlich, indem sie di(^ Ver-
Avundeten pflegte oder während der Ge-
fechte den Soldaten in einem mächtigen
Kruge (engl, Pitcher) Wasser herbeitrug.
Nach diesem auffälligsten Stück ihrer Aus-
rüstung war sie allen Soldaten unter dem
Spitznamen „Molly Pitcher" bekannt.
Bei ]\Ionmouth wurde Molly 's Gatte zu-
gleich mit mehreren Kameraden niederge-
streckt, so dass die Batterie infolge man-
gelnder Bedienung ihr Feuer einstellen
musste. Das drohte für die Amerikaner
verhängnissvoll zu werden, da gerade jetzt
die Feinde mächtig vordrangen. In diesem
Augenblick stürzte „Molly Pitcher" herbei,
setzte ihren Wasserkrug schleunigst zur
Erde, ergriff den ihrem verwundeten Gat-
ten entfallenen Kanonenwischer, schwang
ihn hoch in der Luft und stellte sich an den
von ihrem Mann innegehabten Platz ;in
dem Geschütz. Ein „Hurrah für IMolly
Pitcher!" erscholl aus hundert Soldatcn-
kehlen. Einen Augenblick später waren
die zwischen den Bedienungsmannschaften
entstandenen Lücken geschlossen, und
gleich darauf eröffnete die Batterie ihr
Feuer lebhafter denn je zuvor. Der An-
sturm der Feinde wurde siegreich abge-
schlagen,
Elisaheth Zane> die zweite deutsche Hel-
din des amerikanischen Unabhängigkeits-
krieges, war die siebenzehnjährige Schwes-
ter der beiden Ansiedler Ebenezer und Silas
Zane, welche die ersten Hütten der späteren
Stadt Wlieeling in West Virginien bauten.
100
DER ANTHEIL DER DEUTSCHEN AM UNABHAENGIGKEITS-KRIEGE.
Zum Schutz der rasch aufhlühciuliii Xic-
deHassun«: hatten ilirc Bewohner linen aus
seliweren Haunistännnen «iczimnierten Turm
erriclitet. Dieser zu Elircu des Patiioten
Patrick Henry ..F(trt Henry" «getaufte Zu-
fluchtsort wui'de im September 1777 von
einer durch den britischen Gouverneur z:i
Detroit aus<resandten Schar von India-
nern angefaUcn und behi^'ci-t. Die Situation
wurde bedenklich, a!s die Zahl der von dem
zui- alliiemeinen l'eberraschun«; auch Elisa-
l)eth Zane. ]Mit der f]rklärunt]r. die Be-
satzun<r (hs Forts sei bereits zu sehr zu-
samii;en<i('sehmolzen. als dass das Leben
eines der iMänner auf's Spiel jresetzt werden
düife, verlangte sie, dass man das Tor
öffne, da ihr Leben weniger wertvoll sei.
Alle P^inwände abweisend, setzte sie ihre
Forderung: durch ui-d wandelte langsamen
Schrittes zu (h'i- Hütte, als ob in den Wäl-
Marie Heis, geborene Ludwig, in der amerikanischen Geschichte bekannt als „Molly Pitcher ', bedient das
Geschuelz in der Schlacht bei Monmouth.
Hauptmann Scliäfer befehligten Vertheidi-
ger infolge vieler Verwundungen von 42
bis auf 12 herabsank und obendrein das
Pulver zur Neige ging. Zwar war noch ein
Fä.sschen Pulver in der Hütte der Zanes
vensteckt. AIxt die Hütte big 180 Fuss
vom Fort entfernt und war sanuut der zwi-
schen den beiden Gebäuden befindlichen
Strecke dem Feuer der in den Wäldern
vei'borgenen Indiar.er ausgesetzt. Nichts-
destoweniger musste man den gefährlichen
Versuch Avagen. das Pulver zu erlangen.
Beim Ruf nach Freiwilliiren meldete sich
dern ringsum kein einziger Indianer ver-
borgen läge.
Die Kothäute, welehe das sonderbare Be-
nehmen di\s ^Mädchens nicht zu deuten wu.ss-
ten, lie.s.sen es unbelilstigt. Erst nachdem
die Jungfrau die Hütte betreten und bald
diirauf mit dem unter einem Tuch verbor-
genen Fä.sschen erschien, erkannten die Tn-
dianei-, um was es sich handelte. Aber ob-
wohl sie der eilenden Laufes dem Fort Zu-
strebenden Dutzende von Kugeln nach-
sandten, erreichte dieselbe unversehrt ihr
Ziel. Ihr kühner iMut erfüllte die Verthei-
DEK ANTHEIL DER DEUTSCHEN AM UNABHAENGIGKEITS-KRIEGE.
101
diger der kleinen Feste mit so grosser Be-
geisterung, dass die Indianer an der Ein-
nahme des Forts verzweifelten und endlich
abzogen.
Emilie Geiger, die achtzehnjährige Toch-
ter eines deutschen Pflanzers in Süd Caro-
lina, übernahm es, eine wichtige Botschaft
des Generals Grecne an die unter IMarion
und Sumter stehenden Abteilungen zu be-
fördern. Dieser Auftrag war um so ge-
fährlicher, als feindliche Patrouillen das
ganze Land durchstreiften. Das ^Mädchen
wurde auch, nachdem es zu Pferde bei Cam-
den durch den Wateree Fluss geschwom-
men, am zweiten Tage von einer solchen
Patrouille aufgegriffen. Als man abei-
nichts Verdächtiges fand, liess man das
Mädchen frei. Die Reise fortsetzend, konnte
es sich bald darauf seines Auftrags glück-
lich entledigen.
Zu den vielen Deutschen, die sich durch
Tapferkeit vor dem Feinde auszeichneten,
zählen in erster Linie auch die männlichen
Mitglieder der aus Westphalen nach Penn-
sylvanien eingewanderten Familien Heister
oder Hiester. Fast alle nahmen als Offi-
ziere pennsylvanischer Regimenter am
Kriege teil. Joseph Hiester machte die un-
glückliche Schlacht auf Long Island mit,
geriet in Gefangenschaft und verlebte auf
dem berüchtigten Schiff „Jersey" sowie in
dem Gefängniss zu New York eine schwere
Leidenszeit. Nach seiner endlichen Aus-
wechslung trat er wieder in die Armee ein,
wurde für seine bei Germantown bewiesene
Tapferkeit zum Obersten befördert und
brachte es nach Beendigung des Kriegs zu
hohen Ehrenstellen.
In ähnlicher AVeise zeichnete sich der
pennsylvanische Hauptmann Kicldein aus,
von dessen 100 Mann starler Kompagnie,
als sie "Washingtons Rückzug von Long
Island decken half, 79 fielen. Auf diese
Helden bezog sich ein amerikanischer His-
toriker, als er sagte : „Long Island war das
Thermopylae des Revolutionskriegs, und die
Deutsch-Pennsylvanier waren seine Spar-
taner."
Ebenso hervorragende Dienste leistete
der in amerikanischen Geschichtswerken
unter dem Namen Weedon erscheinende
Georg Gerhard von der Wieden. Dieser
Hannoveraner war nach langen Kriegs-
diensten in Oesterreieh und den Niederlan-
den mit dem Obersten Heinrich Bouquet
nach Amerika gekommen. Als Lieutenant
machte er mit den von Bouquet befehligten
„Royal Americans" die Züge gegen das
Fort Duquesne sowie nach Ohio mit. Beim
Ausbruch des Unabhängigkeitskrieges
wurde AVieden Oberst des 1. virginischen
Regiments. Infolge seiner militärischen
Kenntnisse und der in den Schlachten am.
Brandywine und bei Germantown bewiese-
nen Tapferkeit stieg er bis zum Brigadege-
neral empor. Vor Yorktown befehligte er
die virginischen INIilizen.
Im Westen machte sich der deutsche
Hauptmann Leonhardt Helm als Befehls-
haber des Grenzforts St. Vincennes einen
Namen. Als die Engländer mit grosser
]\Iacht gegen dasselbe anrückten, stellte sich
Helm, obwohl die ganze Besatzung des
Forts nur aiLS ihm und zwei Gemeinen be-
stand, mit der Zündstange an eine Kanone,
gebot den Feinden ,,Halt" und fragte,
welche Vergünstigungen sie der Besatzung
einräumen würden, wenn man das Fort
übergebe. Erst nachdem die Briten freien
Abzug unter Beobachtung der üblichen
Kriegsehren zugesichert hatten, erschien
Helm mit seinen beiden Soldaten auf der
Bildfläche und zog zum grossen Aerger der
englischen Befehlshaber stolz von dannen.
Im Süden machte der im Jahre IT-tl in
Rotterdam von kurhessischen, auf der Reise
nach Amerika begriffenen Eltern geborene
Alexander Gillon von sich reden. In Char-
leston zum angesehenen Kaufmann gewor-
den, rüstete er im INIai 1777 auf eigene
Faust ein Schiff aus, um die Briten zur
See zu beunruhigen. Zunächst nahm er
102
DER ANTHEIL DER DEUTSCHEN AM UXABHAEXGIGKEITS-KRIEGE.
ihiu'ii drei Kreuzer weg. Dann begab er
sieh naeh Frankreieh. mietete dort eine
Fregatte, die er ..South Carolina" taufte,
und erbeutete mit derselben zahlreiehe
englische HandeLssehiffe. Im Mai 1782
l)raeh er als Befehlshaber eines grösseren
fte-schwadei-s auf und nahm den Englän-
dern die Rahama Inseln weg.
l'iul ('in Ibltl uiitci- den deutseh-ameri-
kanisehen Patrioten, welehe den Vereinig-
ten Staaten während ihres Ringens grosse
Diciuste lei.steten. war auch der wackere
Michael IliUcgas, welcher während der
Jahre 1776 bis 1789 als Schatzmeister der
stets mit den schwersten finanziellen Verle-
genheiten kämpfenden Bundesregierung
ohne Zweifel eine der sorgenvollsten Stel-
lungen bekleidete, die jemals von einem
Beamten ausgefüllt werden musste. Er
war am 22. April 1729 in Philadelphia von
deutschen Eltern, seiner Vater war ein
angesehener Kaufmann, geboren, imter-
stützte den Kolonien mit seinem Vermögen,
war 1781 einer der Gründer der Bank of
North America, eifriger Musiker imd starb
in seiner Geburtstadt am 29. September
1804.
VI.
General-Major Kalb und sein Heldentod
in der Schlacht bei Camden.
I'nter den europäischen Nationen, welche
den Vorgängen des amerikanischen Unab-
hängigkeitskrieges mit grös.ster Spannung
folgten, stand Frankreich obenan. Es hatte
den Verlust seines unter so ungeheuren
IMühen und Kosten aufgebauten Kolonial-
reichs Neu-Frankreich oder Canada, das
ihnen von den Engländern entrissen worden
war, noch nicht verschmerzt, sondern war-
tete sehnsüchtig auf eine Gelegenheit, um
sieh an seinen alten Erbfeinden für die
ihm zugefügten Demütigungen zu rächen.
Diese Gelegenheit kam, als der Aufstand
der englischen Kolonien ausbrach. Schon
als die ersten Zeichen einer Verstinunung
derselben gegen England bemerkbar wur-
den, sandte die französische Regierung
einen geheimen Agenten nach Amerika, da-
mit derselbe sieh über die Gesinnung der
unzufriedenen Kolonisten unterrichte und
sie der Hülfe Frankreichs versichere.
Dieser Agent war der als ]\Iajor in fran-
zösischen Diensten stehende Deutsche
Johann Kalb. Derselbe war am 20. Juni
1721 in Ilüttendorf bei Erlangen geboren.
Nachdem er den Kampf ums Dasein als
Kellner begonnen, geriet er nach Frank-
reich und trat hier in das aus Elsäs.sern und
Lothringern bestehende Regiment Löwen-
dal, in dem er sich während verschiedener
Kriege zum Hauptmann emporschwang.
Durch eine reiche Pleirat und Erbschaf-
ten kam er zu Vermögen und erfreute sich,
später zum Ober.st befördert, in Paris einer
angesehenen gesellschaftlichen Stellung.
Seiner gras.sen Fähigkeiten Avegen wurde
er im Jahre 1767 von der französischen Re-
gierung aaserlesen, Beobachtungen über
die Zustände, Gesinnungen und Ilülfsmittel
der englischen Kolonien anzustellen, wes-
halb er sich im genannten Jahre naeh
Amerika begab.
Sein Bericht lautete, da.ss die Unzufrie-
denheit der Kolonisten beständig waeh.se,
dass sie jedoch noch nicht zur Rebellion
reif seien. Ei-st mehrere Jahre später war
dieses Stadium eingetreten, und nun luiter-
stützten die Franzosen die Kolonisten in
ihren Bemühungen, sich von England los-
zureissen, wo immer sie konnten. Ergriff
die Regierung zwar noch nicht offen Partei
für die Amerikaner, so begünstigte sie je-
doch die Reise des jungen ]\Iarquis de La-
fayette, der mit einer Anzahl gleichgesinn-
ter Franzosen im Jahre 1777 auf einem
von ihm ausgerü-steten Schiff nach Ame-
rika segelte, um an dem bereits ausgebro-
chenen Kampf gegen die Engländer teilzu-
nehmen. Johann Kalb, der inzwischen
durch Ankauf einer grossen Besitzung ein
Grand Seigueur oder Baron geworden, be-
DER ANTHEIL DER DEUTSCHEN AM rNABHAEXCTflKETTS KRIEGE.
103
gleitet*-' den erst iieimzelinjährig:en ]\Iarqnis
als Brigadegeueral der französiseheu
Armee.
Beide traten als General-^Majore ins
amerikanisehe Heer ein nnd nahmen an
zahlreiehen Gefeehten und Sehlaehten teil.
In der Armee des General Gates wohnte
Kalb der Gefangennahme de.s englischen
Generals Bnruovnc hei Saratoga bei.
diesen gelang, die Amerikaner zu verjagen.
Beide Heere beobaehteten einander und be-
zogen beim Anbruch des AVintei*s ihre Quar-
tiere. Nur gelegentlich kam es zu Schar-
mützeln von untergeordneter Bedeutung.
Da das Jahr 1780 keine Aenderung ver-
hiess, so war Baron Kalb froh, als er mit
seiner 2000 ^Mann starken Division nach
dem Süden abkommandirt wurde, um Ge-
BARON DE KALB.
Aus dem von General Gates geplanten
Feldzuge nach Canada, während dessen
Lafayette und Kalb den Oberbefehl führen
sollten, wurde freilich nichts, da es an
Truppen und Waffen gebrach. Auch die
Sommermonate der Jahre 1778 und 1779
ver.striehen. ohne dass sich dem tatendur-
stigen Baron Kalb die ersehnte Gelegenheit
bot, einen grösseren Sieg zu gewinnen. Er
stand mit seinen Truppen in der Umgebung
von New York, von wo die Engländer eben-
.sowenig vertrieben werden konnten, als es
neral Lincoln bei der Verteidigung der
durch 7000 Engländer belagerten Stadt
Charleston zu unterstützen. Doch ehe er
dort eintraf, kam die Nachricht, dass der
Ort gefallen sei. Baron Kalb marschirte
nun weiter nach Süd-Carolina, um aus den
]\lilizen jener Kolonie eine neue Süd-Armee
zu bilden, die stark genug wäre, den 12,000
feindlichen Truppen entgegenzutreten.
Das war für Baron Kalb eine schlimme
Zeit, denn die Verpflegung der Truppen
war in dem armen Lande mit ungeheuren
104
DEK AXTHEIL DER DEUTSCHEN AM UXABHAEXGIGKEITS KRIEGE.
Schwierigkeiten verbunden. Obendrein er-
wiesen sieh die Behörden im Erfüllen ihrer
Verspreehunfren so nnznverläs.sig. dass
Kalb fast /.ur Verzweifhuifr gebracht
wurde. Verlangte er Transportmittel, so
blieben dieselben regelmä.ssig aus. Forderte
er die in Carolina zusannnengezogenen ^li-
lizen auf, zur IIaui)tarmee zu .stossen, so
kamen ihre Offiziere den Befehlen nicht
nach, weil sie vorzogen, auf eigene Faust zu
kämpfen.
Unter diesen widerwärtiiicn Verhältnis-
sen betrachtete Baron Kalb es als eine
wahre Erlösung, da.ss der Kongre.ss den
General Gates mit dem Oberbefehl über
sänniitliehe im Süden stehenden Truppen-
abteilungen beauftragte.
Aber die Hoffnung, dass Gates der im
Süden waltenden Verworrenheit Herr
werde, erfüllte sich nicht. Auch der toll-
kühne Entschluss des Generals, in grader
Linie auf die Stadt Camden zu marschiren
und die dort stehende englische Streitmacht
zu überrumpeln, erwies sich als eine über-
aus verhängnissvolle Massnahme.
Kalb hatte gerathen, dass, falls man den
Plan eines Vorsto.sses gegen Camden beibe-
halten wolle, man auf Umwegen dorthin
vordringen möge, welche durch fruchtbares
Gelände führten, wo die Verpflegung der
Armee leichter bewerkstelligt werden
könne. Der ungeduldige Gates bestand
aber auf dem p]inhalten der graden Strasse,
obwohl diese den ödesten Teil Süd-Caro-
linas durch.schnitt.
Der drei Wochen dauernde ^NFarsch legte
den unter der grossen Sonniierhitze leiden-
den Truppen so schwere Strapazen auf.
dass viele unterwegs zu.sammenbrachen oder
desertirten. Als man endlich vor Camden
anlangte, zählte das Heer nur noch 2000
Mann. Trotzdem diese sieh in der denkbar
schlechtesten Verfassung befanden, wollte
Gates einen nächtlichen Ueberfall wagen
und setzte sich nach kurzer Käst am Abend
des 15. August in Bewegung. Aber seine
Gegner hatten von dem Anmarsch der Ame-
rikaner längst Kunde erhalten und .sämrat-
lielie in der Umgegend befindlichen Streit-
kräfte zusaiinnengezogen, so dass sie ihren
Feinden weit überlegen waren.
Zufällig hatten auch sie den Plan ge-
fasst, die Amerikaner während der Nacht
zu überrumpeln. Und so fügte es sich, dass
beide Heere in der Dunkelheit unvermutet
auf einander stiessen. Die sofort entbren-
nenden' Vorpo.stengef echte zogen sich hin
bis zum ^Morgengrauen. Daini begann der
eigentliche Kampf, dessen Aasgang von
vornherein nicht zweifelhaft sein konnte,
da den gutgenährten, an straffe Diseiplin
gewöhnten engli.schen Truppen eine geringe
Zahl halbverhungerter, durch lange
]\Iärsehe und Ruhr herabgekommener ^Nlili-
zen gegenüber stand. Viele von ihnen waren
nie im Feuer gewesen. Diese warfen,
als die ersten energischen Vorstösse der
Briten erfolgten, augenblicklich die "Waffen
weg und flohen, so dass die das Centrum
bildenden Truppen Kalbs sich bald allein
den Angriffen der ganzen englischen ]\lacht
preisgegeben sahen. General Gates, der
Stellung hinter der Schlachtlinie genom-
men, ergriff mit den ]\lilizen die Flucht,
und zwar so eilig, dass er am Abend des-
selben Tages bereits in der achtzig ^Meilen
entfernten Ortschaft Charlotte sein Nacht-
quartier aufschlagen konnte.
"Während er auf seine Rettung bedacht
war, bemühte Kalb sich tapfer, die An-
stürme der Briten abzuschlagen. Zu diesem
Zweck Hess er wiederholt Bajonnetangriffe
auf die Gegner unternehmen, wobei er so-
gar eine Anzahl Gefangener machte.
Die Flucht der ^Milizen hatte aber seine
linke Flanke entblösst. Kaum erspähten
die Engländer diese Schwäche, als sie
gleichzeitig zu Front- und Seitenangriffen
übergingen. Nun entspann sich ein furcht-
bares Handgemenge, in dem die Artierika-
ner mit wilder Verzweiflung fochten. Kalb
stellte sich an die Spitze seiner Leute und
drang dreimal gegen die Feinde vor. Sein
Pferd wurde unter ihm erschossen, er
DER ANTHEIL DER DEUTSCHEX AM UNABHAENGIGKEITS-KRIEGE.
105
selbst durch einen Säbelhieb am Kopfe ver-
wundet. Nachdem sein Adjutant die Wunde
mit der Schärpe verbunden, stürmte er den
Rotröcken aufs neue entgegen. Aber er
vermochte den unulücklichen Ausgang der
Schlacht nicht länger aufzuhalten. Er
konnte nur noch die Soldatenehre retten.
AVährend er mit mächtiger Stimme die
Seinen zum Angriff leitete, ward er von
mehreren Kugeln durchbohrt und fiel.
Sein treuer Adjutant warf sich über ihn.
lim ihm das Leben zu retten, üeber beide
brauste die Schlacht hinweg, die rasch ein
für die Amerikaner ungünstiges Ende
nahm. Sie verloren neunhundert Todte
und Verwundete und tausend Gefangene.
Unter den letzteren befand sich der mit
elf Wunden bedeckte Baron Kalb. Die
Sieger behandelten den tapferen General
mit grösster Hochachtung und brachten
ilni nach Camden, wo sie ihm jede mögliche
Pflege zu teil werden liessen. Aber am
dritten Tage nach der Schlacht erlag der
Held seinen so ehrenvoll erhaltenen Wun-
den.
Als der Kongress die Trauerbotschaft
vom Tode Kalbs empfing, beschloss er, dem
Gefallenen ein Denkmal zu setzen. Das-
selbe wurde allerdings erst am 100. Jahres-
tage seines Todes in den Anlagen der ]\Ia-
rine-Academie zu Annapolis errichtet. Es
trägt folgende Inschrift : „Dem Andenken
des Freiherrn von Kalb, Ritters des könig-
lichen Kriegsverdienstordens, Brigadiers
der französischen Armee, Generalmajors im
Dienste der Yer. Staaten. Nachdem er mit
Ehre und Ruhm drei Jahre lang gedient
hatte, gab er einen letzten und glorreichen
Beweis seiner Hingabe für die Freiheit der
]\Iensehheit und für die Sache Amerika 's in
der Schlacht bei Camden in South Caro-
lina. An der Spitze der regulären Truppen
von ^Maryland und Delaware begeisterte er
sie durch sein Beispiel zu Taten der Tapfer-
keit, wurde mehrfach schwer verwundet
und starb am 19. August 1780 im 59. Jahre
seines Lebens. Der Kongress der Vereinig-
ten Staaten von Amerika hat ihm in dank-
barer Anerkennung seines Eifers, seiner
Dienste und seines Ruhmes dieses Denkmal
errichtet. ' '
Freiherr von Kalb war ein echter Soldat
von scharfem, praktischem Verstand, über-
aus thätig und wegen seines freundlichen,
zuvorkommenden, offenen Wesens beliebt.
Viele seiner Zeitgenossen betrachteten ihn
mit scheuer Verehrung, weil manche Züge
seines Wesens unei'klärlich, geheimnissvoll
schienen. Seine Erlebni.sse und Beobach-
tungen legte er in einer nur ihm bekainiten
Chiffreschrift in einem grossen Foliobuch
nieder, das leider verloren gegangen ist.
Neben dem wackern Nikolas Ilerchheimer
ist Freiherr von Kalb der zweite General
deutscher Abstannnung, der sein Leben für
die Freiheit Amerikas opferte.
VIL
Friedrich Wilhelm von Steuben, der
Organisator und General-Inspektor
der amerikanischen Armee.
Keine Beihülfe, die den Amerikanern in
ihrem langen Ringen um die Unabhängig-
keit von fremder Seite zuteil wurde, erwies
sich so wertvoll, als diejenige eines preussi-
sclien Offiziers, der am 1. Dezember 1777
im Hafen von Portsmouth in New Hamp-
shire landete und bei seiner Einfahrt durch
einen von sämmtlichen Geschützen der
Festung und der Schiffe abgefeuerten
Salut bewillkommt wurde.
Dieser Offizier war Friedrich Wilhelm
von Steuhen, der Abkömmling eines zum
L'radel gehörigen Geschlechts, welches zu
Anfang des achtzehnten Jahrhunderts im
Herzogtum IMagdeburg ansä.ssig war und
den preussischen Herrschei-n manchen
tüchtigen Soldaten lieferte. In der Stadt
^Magdeburg wurde diesem Geschlecht am
15. November 1730 sein ruhmvollster
Sprosse geboren : unser Steuben.
lOti
DER ANTHEIL DER DEUTSCHEN AM IX A1511 A EXtUCiKElTS-KRIEGE.
Als Sohn ciiu's i)i'»Mis.si.s{'liiii IiiLicnirui-
hanptiiKiiins Wiir t-i- n.icli Durflihiufcii «Icr
Krie»!:.s.schule in (l;is Wwv Fricdi'ichs des
Grassen einirctivtfii und hatte nih' Stürme
des sieben jälu'iiieii Ki'ie.m's iiiit.u.i'i!iaelit.
Vor Priiir foeht er «retren die Oesterreieher.
bei Hossbiieh «rej^en die Franzosen, bei Kay
und Kunersdorf (jejren die Ixnssen. wobei ei-
sich so auszeielniete, dass (h't- Küiiii; ihn
zum Stabskapitän und Flü^cladjutanteii
erhob. In dieser Eitrensehaft iiiachte er im
Krie.irsvorräten, das Beaufsichtigen und
Kinexerziei-en (hi- Solchiten betraf.
Xacli Be.'udigini'j: (h's Krieges kam
Stcubt n um seine Kntla.ssung ein, worauf
ci- als Ilofmarschall im Dienst der Fürsten'
V(Ui Ilohenzoliern-IIechingen und des
.Mai'kgrafen von Ba(U'n tätig war. AVährend
eirei- im Jahre 1777 unternonnnenen lieise-
<liiich Fiaiikii'icli maelite Steuben die Be-
kanntschaft des l'i-an/.ösischen Kriegsminis-
ters St. (Jermain sowie i\rs in Paris k'benderb
BARON FRIEDRICH VON STEUBEN
Gefolge des Königs die berühmte Belage-
rung von Schweidnitz. die eigentliche
Schlussepisode des siebenjähi-igen Krieges,
mit.
Als Ad.iutant des grossen Monarchen
wurde Steuben nicht blos mit dem aktiven
Felddienst, sondern auch, da er den Ver-
kehr mit dem Generahiuartiermeister zu
vermitteln hatte, mit allem vertraut, was
die Verpflegung grosser Truppennias.sen,
das Beschaffen und Instandhalten von
amerikanischen Gesandten Benjamiö
Franklin. Diese Beiden suchten den er-
fahi-enen Offizier zum Eintritt in die ame-
rikanische Freiheitsarmee zu bestinnnen.
Bisher waren die Kolonien in ihreni
Kami)f gegen das ^Mutterland nicht beson-
ders glücklich gewesen. Wohl hatten die
Amei-ikaner in manchen Schai'mützeln, wa
sie die gegen die Indianer geübte Fecht-
weise anwenden konnten, Erfolge errungen;
in offenen Feldschlachten hingegen wäre»
DER ANTHKIT. DER DEUTSCHEN AM UXABHAENGTGKEITS-KRIEGE.
107
sie von den kriey:.sgeühten Briten stets ge-
schlagen worden. Daraus ergab sich die
dringende Notwendigkeit, das amerikani-
sche Heer einer sachkundigen Organisation
und Schuhnig zu unterwerfen, ohne welche
es auf die Dauer schwerlich siegen konnte.
Da die Kolonien über erfahrene Truppen-
führer nicht verfügten, so beauftragte der
Kongress Benjamin Franklin, Verhandlun-
gen mit fähigen europäischen Offizieren,
Avelche die Organisierung einer Armee be-
wirken könnten, anzuknüpfen.
Dass zur Lösung cinci- so schwierigen
Aufgabe niemand so berufen sei als Baron
von Steuben, der die Schule des grössten
Kriegsheldeu jener Zeit durchlaufen hatte,
erkannten Franklin wie St. Germain bei
der Begegnung mit demselben auf den
ei"sten Blick. AVie die preussische Armee
durch den Glanz ihrer Waffentaten als die
erste Europas galt, so waren ihre Offiziere
als Lehrmeister und Organisatoren in frem-
den Armeen überall gesucht. Ein Alveus-
leben hatte die spanische, ein Graf Lippe
die portugiesische, Salis die neapolitanische
Armee reorganisiert. Im russischen Heere
waren Schomberg und Hanstein, im fran-
zösi.schen Pirch und Luckner tätig. Der
Gedanke, das ungeschulte amerikanische
Heer durch einen Offizier des grossen
Friedrich wirklich kampffähig zu machen,
hatte demnach nichts Ungewöhnliches.
Es bedurfte keiner grossen Ueberre-
dungskünste, um Steuben zur Uebernahme
der Aufgabe zu gewinnen. Die Sache der
amerikanischen Freiheitsstreiter hatte be-
reits einen mächtigen Widerhall in seinem
Herzen erweckt. Aber manche Bedenken
waren zu überwinden. Nach den Berichten
verschiedener, ins amerikanische Heer ein-
getretener Franzosen gehorchten die undis-
ciplinierten, in voller Freiheit gro.ssgewor-
denen amerikanischen Milizen nur ungern
fremden Offizieren. Daneben galt es, die
starke Eifersucht der amerikanischen Offi-
ziere zu überwinden.
Diese Gründe veranlassten Steuben, zu-
nächst als einfacher Freiwilliger, ohne
K'aug und Gehalt, nach Amerika zu gehen,
darauf rechnend, dass man ihm eine seinen
Fähigkeiten entsprechende Stellung zu-
weisen werde.
Gleich nach seiner Landung in Amerika
richtete er an den Kongress ein Schreiben
folgenden Inlialts: ,,Der einzige Beweg-
grund, der mich diesem AVeltteil zuführt,
ist der Wunsch, einem Volke zu dienen,
welches einen so edlen Kampf für seine
Rechte und Freiheit kämpft. Ich verlange
weder Titel noch Geld. Alein einziger Ehr-
geiz besteht darin, bei Ihnen als Freiwilli-
ger einzutreten, mir das A^'ertrauen Ihres
Oberbefehlshabers zu erwerben und den-
selben in allen Feldzügen ebenso zu beglei-
ten, wie ich während des siebenjährigen
Krieges dem Könige von Preussen folgte.
Ich möchte gern mit meinem Blute die Ehre
erkaufen, dass mein Name eines Tages
unter den Verteidigern Ihrer Freiheit ge-
nannt wird."
Der Kongress nahm dieses, von edler Be-
geisterung zeugende Anerbieten mit herz-
lichem Dank an und erwies Steuben
grössere Aufmerksamkeiten, als je zuvor
einem Fremden. ,,Man wün.scht sich aller-
seits Glück zu der Ankunft eines Alannes
von seinen militärischen Erfahrungen", so
schrieb der damalige Kriegsminister. , .Seine
Dienste sind uns besonders wertvoll zu einer
Zeit, wo der Alangel an Disciplin und inne-
rer Verfassung in unserer Armee aufs
tiefste empfunden und beklagt wird."
Auch auf George AVashiugton machte
Steuben den besten Eindruck. Er berich-
tete am 27. Februar 1778 an den Kongress ;
„Baron Steuben ist im Lager ange-
kommen. Er ist offenbar ein Edel-
mann im vollen Sinne und, so weit ich
urteilen kann, ein Alann von militäri-
schem AVissen und AA^elterfahrung."
Als Baron Steuben beim Heer eintraf,,
war die allgemeine Lage überaus düster.
108
DER AXTHKIL DER DEUTSCHEN ANr UNABHAENGIGKEITS-KRIEGE.
Sänuiitlioho ITaiiptstädte (lt.s Landes lie-
fandi'ii sich in i1»mi Händen der Briten:
deS|_'leiehen behen'sehten dieselben die
ganze Küste. Das kanni noch fünftausend
IMann starke anierikanisehe Heer hatte ein
AVinterhiger in Valley Forire l)ez();ien. un-
fähig, einen entseheidenden Seldag /u
lesen, welehe Steuben im elften und zwölf-
ten Hand seiner im Besitz der New York
Ilistorieal Soeiety befindliehen Papiere
niederlegte. ..Die Armee", .so schreibt er,
,.wai- in Divisionen, Brigaden und Regi-
menter eingeteilt, die von (Jeneral-^Iajoren,
Britrade-Generäb^n und Obersten konnnan-
Washington besucht die hungernden und frierenden Soldaten im Winterlager in Valley Forge.
führen, obendrein der notwendigsten Dinge
und Nahrungsmittel entbehrend. Die Sol-
daten besassen weder Uniformen, noch
Waffen und Zeltt\ In zerri.ssene Decken
gehüllt, vor Hunger und Frost zitternd,
hausten sie in armseligen Blockhütten,
deren leere Fen.sterhöhlen dem Regen und
Schnee ungehinderten Einla.ss gewährten.
Um das in der Armee herrschende Chaos
zu. verstehen, muss man die Schilderungen
diert wurden. Der Kongre.ss hatte die Zahl
der Soldaten für jedes Regiment und jede
Compagnie festgesetzt; allein die ewige
Ebbe und Flut der nur auf sechs oder neun
^lonate angeworbenen Leute, die täglich
kamen und gingen, machten den Bestand
eines Regimentes oder einer Compagnie
stets so schwankend, da.ss die Worte Com-
pagnie. Regiment, Brigade oder Division
gar nichts bedeuteten, am allerwenigsten
DER AXTHKIL DER DKrTSrHKX AM UXAHU A HNMiKiK KTl S KK" lEUE.
109
einen ^lasstab für die Berechnung der
Stärke eines Korjjs (»der dci- Aniice abga-
ben. Die Zahl iliier .Mannschaften war so
inigleieh und verschieden, dass es unmög-
lich war, irgend ein [Manöver auszuführen.
Oft war ein Regiment stärker als eine Bri-
gade. Ich sah ein Regiment von dreissig
]\Iann und eine Compagnie, welehe nur aus
einem einzigen Korporal bestand ! ¥An ge-
naues Verzeiehni.ss der ^Mannschaften eines
Regimentes zu erhalten, war sehr schwierig,
oft geradezu unmöglich.
Die Stärke der Armee sollte monatlich
festgestellt werden. Diese Operation ge-
schah folgendermassen :— jeder Hauptmann
fertigte eine Liste meiner Compagnie an,
ohne Rücksicht auf die Anwesenden oder
Beurlaubten. Er beschwor dann vor seinem
Vorgesetzten, dass sein Berieht nach bestem
Wissen und Glauben in Ordnung wäre. Der
]Musterungsinspekt()r zählte die Anwesen-
den und schrieb den Beurlaubten ihren
Sold auf den Eid des Hauptmannes hin
gut. Ich bin weit entfernt von der Vor-
au-ssetzung, da.ss irgend ein Offizier absicht-
lich Betrug verüben wollte : allein ich will
den Zustand einer Compagnie etwas ge-
nauer prüfen, woraus man dann einen
Sehlu.ss auf die sogenannte Richtigkeit eines
derartigen Rapports selber ziehen kann.
Die betreffende Compagnie hatte nur
zwölf [Mann zur Stelle. Ein [Mann, der
einem zweihundert [Meilen entfernt postier-
ten Offizier als Bursche diente, war seit
achtzehn [Monaten abwesend. Ferner fehlte
ein [Mann, der seit zwölf Monaten bei einem
Quartiermeister als Knecht arbeitete. Vier
[Mann dienten seit ebenso langer Zeit als
Gehülfen in den Hospitälern. Zwei waren
als Fuhrleute, mehrere als Bäcker, Zimmer-
leute, Schmiede und Kohlenträger beschäf-
tigt, obwohl alle uisprünglich nur auf neun
[Monate Dienste genonnnen hatten.
Stand ein [Mann einmal auf der Com-
pagnieliste, so wurde er bis in alle Ewigkeit
als Glied derselben geführt, er nuisste denn
vor den Augen des Hauptmannes desertiert
oder gestorben sein. Auf Grund dieser
Listen wurde aber die Stärke der Armee
berechnet und Löhnung und Proviant aus-
«.eteilt. Die Soldaten waren nach allen
Richtungen hin verstreut [Man hätte die
Armee als eine I-Crziehungsanstalt für Be-
diente betrachten können, denn jeder hielt
es für sein Recht, wenigstens einen Bedien-
ten zu hal)en. Wir hatten mehr Connnis-
säre und Quartiernie^ster als aTe Armeen
Europas zusannnengenommen. Der beschei-
denste derselben besass nur einen Burschen,
andere verfügten über zwei, viele sogar
über drei.
Ein Ding wie militärische Di.sc'plin
existierte nicht. Kein Regiment war regel-
mässig formiert. Das ein(^ hatte drei, an-
dere fünf, acht oder neini Glieder; das
canadische Regiment besass deren .sogar
einundzwanzig.
Jeder Oberst hatte sein eigenes Exerzier-
System bei sich eingeführt -. der eine be-
diente sich des englischen, der andere des
französischen, der dritte des preussischen.
Nur in einem Punkt herrschte Einheit, und
das Avar die Art des [Marsehierens bei [Ma-
növern lind auf dem [Marsch : sie bedienten
sich alle des Reihenmarsches der Indianer.
Urlaub und Abschied wurden ohne jede
Anfrage bei den höheren Vorgesetzten be-
willigt. Befanden sich die Truppen im
Lager, so blieben die Offiziere nicht bei
ihnen, sondern wohnten in oft mehreren
[Meilen weit entfernten Quartieren. Wäh-
rend des Winters gingen die Offiziere meist
nach Hause. Oft waren ihrer nicht mehr
als vier beim Regiment. Sie glaubten, dass
ihre einzige Pflicht darin bestehe, auf
Wache zu ziehen und sich im Kampf an die
Spitze der Soldaten zu stellen.
Der amerikani.sche Soldat kannte seine
Watfe gar nicht, hatte deshalb kein Ver-
trauen zu ihr und benutzte das Bajonnet
höchstens dazu, lun sein Beefsteak daran
zu braten. Den Anzug der Truppen kann
ich am leichtesten beschreiben, denn sie
110
DE.l AXTHEH. D!:!! n:;:"IS' H i:X am IXAr.IIAKXUIOKEITS-KRIKGE.
Washington und Steuben (zu Pferde) und Lafayelte in Valley Forge.
waren im eijrentlichcn Sinne des Wortes wollenen Decken oder Bettüberzügen ge-
fast nackend. Die wenigen Offiziere, macht waren.
welche überhaupt Röcke besassen. hatten Dass es etwas wie die innere Verwaltung
solche von beliebiger Farbe und jedem eines Regimentes gebe, war allen unbekannt.
Schnitt. Bei einer grassen Parade sah ich Infolgedessen herrschte überall die denk-
Offiziere in Schlafröcken, die aus alten bar grösste Unordnung, ohne dass für die
DEK ANTIIKIL DER DEDTSCHEX AM INABU AEXGIGKEITS-KRIEGE.
111
aufgewendeten grossi'n Mittel ir^rendw^
entsprechende Erirebnisse zu seilen gewesen
wären.
80 wenig die Offiziere über die Zahl
ihrer Leute Keehensehaft al)legen konnten,
ebensowenig veriiioehten sie dies über deren
"Waffen, ^Munition luid Ausrüstung. Nie-
mand führte Buch oder Keehnung, ausser
den die verschiedenen Artikel hei-beisehaf-
f enden Lieferanten."
Aus anderen Berichten wis.«en wir, dnss
es gebräuclilicli war. da.ss sänuntliche Sol-
daten nach Ablauf ihrer neun Monate
Avährenden Dienstzeit nicht blos ihre Uni-
formen, sondern auch die Waffen sowie alle
übrigen Bestandteile ihrer Ausrüstung mit
nach Hause nahmen. Die Nachfolger er-
hielten dann aus den öffentlichen Nieder-
lagen andere. Da ein mit Bajonnet ver-
sehenes Gewehr nach amtlicher Schätzung
achtzehn Dollars kostete, so ist ersichtlich,
dass durch diesen Brauch dem Lande un-
nützerweise Kosten aufgebürdet Avurden,
die sich auf viele ^Millionen Dollars be-
liefen.
Da jeder Kommissär und Quartiermei.ster
von allen durch ihn verausgabten Geldern
Prozente bezog, so wurden natürlich keine
Ausgaben gescheut, S(mdern künstlich aller-
hand Bedürfnisse geschaffen, für welche
nicht die geringste NotM'cndigkeit vorhan-
den war. Aus gleichen Gründen schaffte
man obendrein nicht die zweckmässigsten
sondern die teuersten Gegenstände für die
Armee an. Infolge dieser beständigen An-
zapfungen befand sich der Kongrcss ewig
in Geldverlegenheiten. Um denselben zu
begegnen, sah er sich zur Ausgabe von Pa-
piergeld genötigt. Den Kredit desselben
nntergruben die Briten, indem sie unge-
heure Älengen wohlgelungener Fälschungen
in Umlauf brachten, soda.ss viele Personen
sieh weigerten, Papiergeld anzunehmen.
Infolgedessen trat eine derartige Entwer-
tung des Papiergeldes ein, da.ss man vierzig
Papierdollars für einen Silberdollar gab.
Ein Paar Stiefel ko.stete vierhundert bis
seeiishundert Dollars. Der I\Ionatssold
eini s Soldaten reichte gei'ade zum Bezahlen
eines M ittagse.ssens.
Wäre Bai'on von Steuben nur ein dem
(iold und Titeln nachjagender Glücksritter
gewesen, .so hätte er angesichts solcher Zu-
stände sicher Kehrt genuicht. Aber er nahm
die ihm vom Kongress angebotene Stelle
eines Generalinspektors der Armee an und
begann .sofort, die Trui)pen einzuexerzieren
und solche Regeln der Verpflegung und
^^'rwaltung einzuführen, wie sie damals im
preussischen Heer üblich waren.
Natürlich fiel die Aufgabe, die in völli-
ger Ungebundeiiheit aufgewachsenen Ame-
rikaner an Drill, Subordination und die
Befolgung militäri.scher Regeln zu gewöh-
nen, dem wackern Steuben herzlich schwer.
Er eröffnete seine Tätigkeit damit, da.ss er
eine aus 120 ]\Iann bestehende, zugleich
als Stabswache für den Obergeneral
dienende Lehrkompagnie bildete. Zu-
nächst trug er dafür Sorge, da.ss dieselbe
gut uniformiert und gleichmä.ssig bewaff-
net war und dadurch in ihrem Erscheinen
ein respektables Au.ssehen zur Schau trug.
Diese Truppe exerzierte Steuben in Gegen-
wart aller Offiziere der Armee täglich zwei-
mal; Hess sie Kolonnen formieren, sich ent-
falten, mit dem Bajonnet angreifen, Front
wechseln u. s. w. Von den leichteren
Uebungen führte er sie allmählig zu schwie-
rigeren Bewegungen. Alle diese Manöver
waren für die jungen amerikani.schen Offi-
ziere und Soldaten ein ganz neues, mächtig
interessierendes Schauspiel, zumal es einer
gewi.ssen humoristischen Beimischung nicht
entbehrte, da Steuben des Englischen nicht
mächtig genug war, um in dieser Sprache
Befehle erteilen zu können.. Darum musste
er sich eines Dolmetschers, des Hauptmanns
Walker, bedienen, welcher die auf franzö-
.sisch gegebenen Kommandos ins Englische
übertrug. Ging etwas nicht nach Wunsch,
so Murde Steuben bisweilen wild und be-
gann in einem Kauderwelsch von Deutsch,
Französisch und Englisch zu fluchen, wobei
112
DER ANTUKH. DKR DKUTSCHEN AM rNAbHAENGIGKEITS-KRIEGE.
er vergass. dass dii- Lcuti' ilin iii;-ht \vv-
staiulen. Kam ihm dies wictU'r zum Be-
wusstscin, so rief er seinen Dolmotsehcr
herl)ei : ..Vicns. niun ;iiiii Walkt-i'. romt' aiul
swear f(ir im- in Knjrlish. je nc puis plus —
I can fiirsi« tlirm no more— dese tVllows
will ni»t do wliat I Itide dem!"
Die ühtT den Uomisehen Zorn des
waekern Ilaudeiren amüsirten Soldaten be-
mühten sieh aber, den Befehlen naehzukom-
men, und erfüllten ihre Pfliehten so »rewis-
senliaft, dass bald ein iranz andm-or Geist
in die .\rmee einzoii'.
Das erjribt sieh am khirsten aus einem
vom 8. Ajiril 1778 datierten Brief des ame-
rikaniselun (ienerals Seannnel an seinen
Kolle«,'»'!! (Jeneral Sullivan : — .. Baron Steu-
ben ireht uns mit einem wahrhaft edlen
Beispiel voran. Er bewährt sieh in allem,
von den ^^'osseii Manövern an bis in die
kleinsten Einzelheiten des Dienstes als
vollendeter Meister. Offiziere und Solda-
ten l)ewundern «rleiehmässig einen so ausge-
zeielmeten ^lann, der unter dem »rossen
jireussisehen Monarehen eine hervori^aüende
Stellung: einnahm und sich jetzt trotzdem
mit einer nur ihm eifrenen Würde herab-
lässt, selbst einen Haufen von zehn bis
zwölf ]\Iann als Exerziermeister einzuüben.
Unter seiner Leituni;: machen Disciplin und
(^rdnunfr in der Armee ganz ausserordent-
liche Fortschritte,"
Indem Steuben die einzelnen ^Mitglieder
seiner Lehrabteilung in allen Zweigen des
militärischen Dienstes unterrichtete und
sie dann als Apostel seiner Lehre anderen
Truppenkörpern zuteilte, sah er sich bald
imstande, Exerzitien in grösserem ]Mass-
stabe auszuführen.
Als im Lager die Nachricht vom Ab-
schluss eines Bündnisses mit Frankreich
eintraf, konnte diese Freudenbotschaft auf
Wunsch Washingtons bereits durch ein
grosses ^Manöver gefeiert werden. Dasselbe
ging vortrefflich vonstatten. Bei dem am
Abend folgenden Festmahl überreichte
Washington Steul)en i in Ilandschreibou,
welches seine Ernennung zum General-
Major und General-Inspektor der Armee
enthielt.
Scll)stvtiständ'.ich Hess Steuben es sich
angelegt'u sein, auch eine tüchtige innere
Verwaltung der Arniee ins Leben zu rufen.
Das war um so schwieriger, als gerade auf
diesem (Jebiet unbeschreibliche, durch Tn-
kenntnisse und Korruption verursachte Zu-
stände herrschten. Aber Steuben, der als
Adjutant des gi-o.ssen Friedrich in der
Armeeverwaltung bedeutende Erfahrungen
tresammelt hatte, zeigte sich auch dieser
Aufgabe gewachsen. Er führte System
und Sparsamkeit ein und erliess für alle
Zweige der Verwaltung solche Vorschrif-
ten, wie .sie nur ein damit dui'chaus ver-
trauter Soldat zu geben vermochte.
]\Iit welcher Genauigkeit Steuben in
seinen Inspektionen verfuhr, ergibt sich
aus einer späteren Schilderung seines Ad-
jutanten William North:— ., Ich sah, wie er
und seine Assistenten eine aus dici kleinen
Regimentern bestehende Brigade sieben
lange Stunden inspizierten ! Ueber jeden
abwesenden ^lann mu.sste Auskunft erteilt
werden. Jede IMuskete wurde geprüft, jede
Patrontasche geöffnet, sogar die Feuer-
steine und Patronen gezählt. Hierauf
mussten die Tornister abgenommen, der
Inhalt auf einer Decke ausgebreitet und
mit dem Verz(Mchniss des Notizbuches ver-
glichen werden, um zu sehen, ob das von
den Vereinigten Staaten Gelieferte noch
vorhanden sei, und wenn nicht, wohin es
gekonnnen. Ilospitalvorräte. Laborato-
rien, kurz alles mus.ste der Inspektion offen
stehen. Da wurde manchem Offizier bange,
wenn er über Verluste oder Ausgaben nicht
genaue Rechenschaft ablegen konnte. Diese
monatlich wiederkehrenden Inspektionen
hatten eine wunderbare Wirkung, nicht
allein auf Oekonomie, sondern auch auf den
Wetteifer, den sie unter den verschiedenen
Korps anfachten."
DER AXTIIEIL DER DEUTSCHEN AM ÜXABHAENGIGKEITS-KRIEGE.
113
Da Steuben selbst in seiner Unerniüd-
liehkeit imd Pünktliebkeit das beste Bei-
spiel des von ihm angewendeten Systems
war, ein gütiges, grossmütiges Herz besass
und persönlich darüber wachte, dass sowohl
die dienstfähigen Lente wie die Kranken
gut verpflegt wurden, so erwarli er sich
sich trotz aller Strenge nicht nur die Zu-
neigung seiner Offiziere und Soldaten, son-
dern auch das unbegrenzte Vertrauen
Washingtons. „Es wäre eine Ungerechtig-
keit", so berichtete derselbe an den Kon-
gress, „wollt(^ ich länger über die Verdienste
Baron Steuben 's schweigen. Seine Tüch-
tigkeit und Kenntnisse, sowie der un-
ermüdliche Eifer, den er seit seinem
Dienstantritt gezeigt hat. lassen mich ihn
als einen bedeutenden rjewinn für das
Heer erscheinen."
Durch seine rastlose Tätigkeit verwan-
delte Steuben die amerikanische Armee in-
nerhalb weniger Monate in eine Maschine,
die mit Ruhe und Sicherheit zu arbeiten be-
gann. Die günstigen Folgen zeigten sich
bereits im nächsten Frühling, als die Ame-
rikaner bei Barren Hill und Stony Point
ihren Gegnern zuerst als wirkliehe Soldaten
entgegentraten und sie zum Rückzug zwan-
gen. Noch auffallender war ihr Verhalten
am 28. Juni 1778 in der Schlacht bei
Monmouth.
Durch geschickte ^Manöver war es Wash-
ington gelungen, die Briten zum Aufgeben
der Stadt Philadelphia und zum Rückzug
nach New York zu zwingen. Es galt nun,
die Abziehenden zu bedrängen und ihnen
möglichst gro.s.se Verlu-ste beizubringen.
Aber der mit dem Befehl der amerikani-
schen Vorhut betraute General Charles Lee
führte, den Verrat der amerikanischen
Sache im Herzen tragend, die von Wash-
ington erhaltenen Weisunsren in so unbe-
friedigender Weise aus und setzte seine
Offiziere durch Befehle und Gegenbefehle
in solche Verwirrung, da.ss die Truppen den
heftigen Stö.ssen der Engländer bald nicht
mehr .«standhalten konnten. Ihro Rück-
wärtsbewegung drohte in wilde Flucht
au.szuarten.
In diesem kritischen Augenblick erschien
durch eine von Lee 's Offizieren abge-
sandte Stafette herbeigerufen, General
Washington auf dem Felde. Ehe er sich
mit seinen eigenen Truppen den vorstür-
menden Engländern entgegenwarf, l)efahl
er dem ihn begleitenden Steuben, die flie-
henden Truppen Lee 's hinter der Schlacht-
linie zu sannneln und ihm dann als Ver-
stärkung zuzuführen. Vom Erfolg dieses
^Manövers hing das Geschick des Tages ab.
Diese Aufgabe löste Steubini in so glän-
zender Weise, dass er Washington bald da-
rauf mit drei Brigaden unterstützen und
dadurch die Entscheidung herbeiführen
konnte. Oberst Alexander Hamilton, wel-
cher die Tätigkeit Steubens aus nächster
Nähe beobachtet hatte, erklärte, er.st hier
habe er einen Begriff davon erhalten, was
militärische Disciplin und echte ]\Iannes-
zucht wert seien. Der grösste Erfolg des
Tages bestand aber darin, dass die ameri-
kanische Armee von nun an von dem Be-
wusstsein erfüllt war, dem Gegner ge-
wachsen zu sein.
Während des Winters 1778 auf 1779
arbeitete Steuben. um die Verwaltung und
das Exerzitium aller amerikanischen Trup-
penabteilungen so vollkommen und gleich-
massig als möglich zu gestalten, seine be-
rühmte ,, Regulation for the Order and
Diseipline of the Troops of the United
States" aus. Dieselben bestehen aus 25
Abschnitten, denen die Prinzipien des
preussischen Reglements zugrunde liegen,
die aber den völlig verschiedenen amerika-
nischen Zuständen in glücklichster Weise
angepa.sst sind. Sie besprechen sehr aus-
führlich die Bewaffnung, Ausrü.stnng und
Zusammensetzung, den Unterricht, die
Uebungen und IMarschweisen der einzelnen
Truppengattungen ; das Auf.stellen und Be-
dienen der Feldgeschütze; das Anf.schlagen
der Lager; die Inspektion; das Signalwe-
114
DER ANTHEIL DER DEUTSCHEN AM UNABHAENGIGKEITS-KRIEGE.
sen ; den Waehtdienst ; das Instandhalten
der "Waf fon ; die Bt'handlun«; der Verwun-
deten und Kranken, sowie das Abhalten von
Revuen.
Auf Empfehlung;: "Washingtons billigte
der Kongress dieses im Felde unter ausser-
ordcntliehen Sehwierigkeiten entstandene
Werk und ordnete seinen sofortigen Druck
an. Es blieb viele Jahre lang die Richt-
schnur der amerikanischen Armee und
wurde erst im vorigen Jahrhundert durch
andere Werke ersetzt, als mit der Einfüh-
rung neuer Waffen auch neue Fechtweisen
nötig wurden.
Ein Hauptverdienst Steubens besteht in
der Schaffung der leichten amerikanischen
Infanterie, welche sich in vielen späteren
Kämpfen der Vereinigten Staaten aufs
glänzendste bewährte. Steuben erkannte
mit scharfen Blick, dass die Fechtwei.se,
welche von den Kolonisten im Kampf
mit Indianern angewandt wurde und bei
der jeder einzelne unabhängig von dem an-
dern stritt, den Amerikanern nicht nur am
meisten zusagte, sondern in dem an unge-
heuren Wildnissen reichen Lande unbe-
streitbare Vorzüge besass. Gebietsstrecken,
in welchen die in Europa übliche ge-
schlossene Fechtweise sich anwenden Hess,
waren in Amerika verhältnissmässig selten.
Deshalb legte Steuben bei der Organisation
des Heeres das grösste Gewicht auf die Bil-
dung einer leichten Truppengattung, die
im Stande war. sich allen vorkonnnenden
Terrain.schwierigkeiten anzupassen und zer-
streute Gefechte zu liefern. Friedrieh der
Grosse, welcher den Verlauf der amerikani-
schen Unabhängigkeitskämpfe mit äusser-
ster Aufmerksamkeit verfolgte, adoptierte
die von seinem früheren Adjutanten ge-
schaffene neue Truppengattung und er-
zielte mit derselben gleichfalls grosse Er-
folge.
Welch ungeheuren Einfluss Steuben als
Ratgeber Wa.shingtons auf die Gestaltung
des Krieges ausübte, lässt sich kaum mehr
feststellen. Wir wissen aber aus seinen
noch erhaltenen Papieren, dass er auf Er-
suchen des Oberbefehlshabers vor Beginn
der einzelnen Feldzüge wiederholt sorg-
fältig ausgearbeitete Operationspläne ein-
reichte, und dass Washington sich fast
stets nach ihnen richtete. Einige der wich-
tigsten dieser Vorschläge sind im fünf-
zeluiten Kapitel der von Friedrich Kapp
verfassten Lebens.schilderung Steubens
wörtlich abgedruckt.
Es lag in der Natur der Sache, dass
Steuben den Wun.sch hegte, auch aktiv an
den Feldzügen teilzunehmen und sich
durch Befehl der von ihm in die Künste
des Krieges eingeweihten Truppen grösse-
ren Ruhm zu erwerben. Washington fand
diesen Wunsch nicht mehr als billig und
übertrug ihm wiederholt das Kommando
über grössere Armeekorps, mit welchen er
hauptsächlich im Süden operierte. Leider
bot sieh ihm aber dort keine Gelegenheit,,
gegen die seinen Truppen weit überlegenen
und auch besser verpflegten Engländer
einen entscheidenden Schlag zu führen.
Obendrein hatte er schwer unter der Eifer-
sucht der amerikanischen Generäle zu lei-
den, von denen manche, wie Arnold, Lee
und Gates, sich durch krankhaften Ehrgeiz
zu den unwürdigsten Ränken, ja zum Ver-
rat der amerikanischen Sache führen
Hessen. Wie Washington mit solchen Miss-
helligkeiten bitter kämpfen nnisste, so sah
auch Baron von Steuben sich durch diesel-
ben oft schwer beeinträchtigt und um die
erhofften Erfolge gebracht.
Einen besonderen Triumph hatte das
Schicksal für Steuben aber doch aufge-
spart und ZNvar, als im Jahre 1781 die eng-
lische Hauptarmee in der virginischen
Festung Yorktown eingeschlossen wurde.
Dass hier die seit Jahren erstrebte Ent-
scheidung des ganzen Feldzuges kommen
müsse, erkannte Steuben sofort. Deshalb
ersuchte er Washington, ihm Avährend der
Belagerung ein regelrechtes Kommando zu
übertragen. Dem entsprach der Oberbe-
fehlshaber um so bereitwilliger, als Steuben
DER ANTHEIL DER DEUTSCHEN AM UNABHAENGIGKEITSKRIEGE.
115
unter allen amerikanischen Offizieren der
einzige war, welcher jemals die Belagerung
einer Festung mitgemacht hatte (diejenige
von Schweidnitz unter Friedrich dem
Grossen). Steuben erhielt den Befehl über
die vereinigten Divisionen von Yirginien,
Pennsylvanien und ^Maryland. ]\Iit diesen
nahm er im Contrum der Belagerungsarmee
Aufstellung.
Es heisst, Steuben habe auch die Pläne
der Belagerungsarbeiten entworfen, doch ist
darüber nichts sicheres bekannt, da sämmt-
liehe Dokumente des Unabhängigkeitskrie-
ges im Jahre 1800 bei einem im Kriegsmi-
nisterium zu Washington ausgebrochenen
Brande zugrunde gingen. Nachgewiesen ist
aber, dass Steuben gerade den Oberbefehl
führte und mit seinen Truppen die weitest
vorgeschobenen Gräben innehatte, als nach
manchen harten Kämpfen der englische
General Cornwallis am 17. Oktober die
Uebergabe der Festung anbot.
Noch waren die Kapitulationsverhand-
lungen im Gange, als der gleichfalls im
amerikanischen Heer dienende Franzose
Lafaj-ette erschien, um Steuben abzulösen,
wobei er darauf rechnete, dass ihm die Ehre
zufalle, die Kapitulationsverhandlungen zu
Ende geführt zu haben. Aber Steuben
weigerte sich, seinen Posten zu verlassen,
und zwar mit dem Hinweis, es sei in
Europa Kriegsgebrauch, dass derjenige
Offizier, welcher die ersten Anerbietungen
der Kapitulation in Empfang nehme, im
Konmiando bleibe, bis die Verhandlungen
beendet seien.
Da Washington den Streit zu Gunsten
Steubens entschied, so ereignete es sich,
dass im amerikanischen Unabhängigkeits-
krieg der Befehlshaber der letzten briti-
schen Armee vor einem deutschen General
kapitulierte
Die Division Steubens war es auch, die
am ]\Iittag des 19. Oktober zugleich mit dem
im französischen Hülfsheer dienenden
pfälzischen Grenadierregiment Zwei-
brücken zuerst in die eroberte Festung ein-
rückte und über derselben das Sternenban-
ner hisste, während die Pfälzer das franzö-
sische Lilienbanner entfalteten.
Wenn Washington in seinem am nächsten
Morgen erlassenen Tagesbefehl der Ver-
dienste Steubens aufs ehrenvollste gedachte
und denselben auch später, als die Auflö-
sung der Armee erfolgte, in einem eigen-
händigen Brief seiner beständigen Hoch-
achtung versicherte, so waren diese Aus-
zeichnungen um so mehr verdient, als
Steuben die amerikanische Armee auf ihren
hohen Standpunkt erhoben und zum Sieg
über die Gegner fähig gemacht hatte.
Selbstverständlich konnte die Tüchtig-
keit desjenigen, welcher die Armee im
Stillen ausbildete, nie in so glänzendem
Licht erscheinen wie die des Führers, der
diese Armee zum Siege führte. So tritt auch
die Figur Steubens vor der blendenden
Erscheinung Washingtons zurück. Darum
versagen aber die echten Historiker unserem
Steuben nicht den verdienten Lorbeer, son-
dern bezeichnen ihn rückhaltlos als die
wertvollste Hülfe, welche die Vereinigten
Staaten in ihrem Unabhängigkeitskampfe
aus Europa empfingen.
Er war die glückliche Ergänzung Wash-
ingtons. Gilt dieser als die Seele, als der
leitende Geist der grossen Bewegung, so
war Steuben der starke Arm, der ihn zum
Dreinschlagen, zum Siege befähigte.
An den wackeren Kämpen dargebrachten
Ehrungen Hessen die dankbaren Bürger der
Vereinigten Staaten es nicht fehlen. Penn-
sylvanien ernannte ihn im Jahre 1783 ziun
Ehrenbürger des Staates und verband mit
dieser Auszeichnung eine Landschenkung
von 2000 Acker in der Grafschaft Westmo-
reland. Virginien übertrug ihm 15.000
Acker zAvischen dem IMuskingum und gros-
sen IMiami, im heutigen Ohio. New Jersey
verlieh ihm die lebenslängliche Nutznie.s-
sung einer grossen Besitzung in der Graf-
schaft Bergen, auf welche Steuben aber zu
Gunsten des früheren in Not geratenen
Eigentümers hochherzig verzichtete. Der
116
DER ANTHKIL DER DEUTSCHEN AM UXABHAENGIGKEITS-KRIEOE.
Staat New York schenkte ihm am 5. ^Nlai
1786 16,000 Acker, die mau zu eiuer besou-
dern, mit Steubeus Xameu beh-gteu Sektion
erhob.
Nach der Auflösung der Armee blieb
Steuben in seinem Amt und erwarb sich zu
seinen früheren Verdiensten neue durch die
l)raktiselien Vorsehläge, die er für die t^r-
riehtung eines .stehenden Heeres und die
Gründung einer Militärakademie ausarbei-
tete.
Beide p]inrichtungen hielt Steuben zur
Sicherung des Landes für unbedingt not-
wendig. Im (Jegen.satz zu vielen andern
lioeh.stelienden :\lännern, die von solchen
Inslitutionen nichts wi.ssen wollten, weil
dieselben mit den demokrati-schen Grund-
sätzen einer Republik unvereinbar, ja für
dieselben gefährlich seien. In seinen bis in
die kleinsten Einzelheiten ausgearbeiteten
Vorschlägen, die den vollsten Beifall
Wa.shingtons fanden, ging Steuben von der
Voraussetzung aus, dass in einer Republik
jeder Bürger im Gebrauch der Waffen ge-
übt und für die Verteidigung seines Vater-
landes bereit sein müsse. Er befürwortete
deshalb, das stehende Heer aus einer 3000
:Mann starken Legion von Bunde-struppen
bestehen zu la.ssen, wozu 1000 Artilleristen
und Pioniere, sowie 21,000 :Miliz.soldaten
konnnen .sollten, sodass die Gesammt.stärke
der Friedensarmee sich auf 25,000 :\Iann
belaufe.
Sowohl dieser Vorschlag wie auch Steu-
beus Plan für die Anlage einer :Militär-
schule wurden angenommen. Die letztere
wurde freilich erst nach Steubens Tode in
Westpoint am Hudson geschaffen und be-
steht noch heute.
Leider fand die amtliche Tätigkeit des
hochverdienten ]\Iannes im Jahre 1784
ihren Abschluss.
Durch den Rücktritt des Kriegsmini.sters
Lincoln war das Amt desselben frei gewor-
den. Steuben bewarb sich um das Amt,
musste aber erleben, da.ss man da.sselbe dem
viel jüngeren General Knox übertrug, weil
Steuben ein „Ausländer" sei und es gewagt
scheine, einem solchen ein so wichtiges Amt
anzuvertrauen. ( !)
Diesen Vorwand empfand der in seinem
ganzen Fühlen und Denken längst zum
Amerikaner gewordene, mit Herz und Seele
für die Vereinigten Staaten eingenonunene
Steuben als bittere Kränkung, als eine An-
zweifelung seiner Ehrenhaftigkeit. Er
reichte deshall) am 24. ^lärz dem Kongre.<^s
seine Entlassung ein, die am 15. April an-
genommen wurde.
Leider wurde der Kongress, der den
Groll des Ki-iegsmannes durch Verleihen
eines goldenen Ehi-endegens zu besänftigen
suchte, für Steuben noch die Quelle ande-
ren Verdru-sses. Während des Krieges hatte
Steuben, da der Kongre.ss sieh stets in Geld-
nöten befand, einen sehr gro.ssen Teil seines
eignen Unterhaltes und .seines Stabes aus
der eignen Tasche bezahlt. Das ihm zuge-
sicherte Gehalt hatte er nur /.um klein.sten
Teil empfangen. So kam es, dass seine
Forderungen zu Ende des Krieges sich auf
rund 70,000 Dollars beliefen.
Die-^e Sunune wurde Steuben jahrelang
vorenthalten. Denn auch nach dem Kriege
war die Bundeskasse beständig leer. Hun-
grige missgünstige Generäle umschwärmten
den Kongress und drängten sich mit ihren
Ansprüchen vor. Sieben Jahre nui.sste
Steuben mit Not und Sorgen kämpfen, ehe
der Kongress ernstlich an die Erfüllung sei-
ner Verpflichtungen Steuben gegenüber
herantrat. Auch dann noch wurde dem
wackeren Kriegsmann keine volle Gerech-
tigkeit zuteil. IManehe Abgeordnete wollten
den rechtskräftigen Abschlu&s eines Ver-
trages zwischen dem Kongress und Steuben
anzweifeln, um der Notwendigkeit, Steu-
bens Forderungen bezahlen zu müssen, ent-
hoben zu sein. Das erregte Entrüstung im
ganzen Lande. Und als die Vorlage der
Entschädigung Steubens am 7. ^NFai 1790
aufs neue zur Verhandlung kam, trat der
Abgeordnete Page mit folgenden Worten
für dieselbe ein : „Dieser berühmte Veteran
DER AXTHEIL DER DEUTSCHEN AM UXABHAEXCrOKEITS-KRIEGE.
117
bot uns sein Schwert unter so grossniütigen
Bedingungen an und leistete uns so wesent-
liche Dienste, dass ich für den Kongress er-
röten würde, falls die Ansichten einzelner
^Mitglieder zu Beschlüssen erhoben werden
sollten. Es ist des Kongresses unwürdig,
dass, nachdem er so lange die Vorteile dieser
Dienste genossen hat, er jetzt ängstlich die
Bedingungen untersuchen will, unter denen
sie angetragen wurden. Ich wäge sie nicht
mit den vorgeschlagenen Dollars ab ; ich
halte sie für bedeutender als die höchste
Summe, die wir dafür geben können. Wenn
es von mir abhinge, eine Belohnung für die
Opfer vorzuschlagen, die er brachte, um
nach Amerika zu kommen und unsere
Schlachten zu schlagen, so würde ich, da-
rauf können Sie sich verlassen, eine viel
grössere Summe bestinnnen, als irgend einer
von Ihnen vermutet."
Erst am -1. Juni 1790 wurde die uner-
quickliche Sache aus der Welt geschafft,
inid zwar durch den Beschluss, Steuben, so
lange er lebe, eine Pension von 2500 Dollars
auszuzahlen.
Den Rest seiner Tage verlebte Baron von
Steuben in der Stadt Xcav York. Im Som-
mer pflegte er sein im Herzen des Staates
gelegenes Besitztum aufzusuchen, wo er in-
mitten der grossartigen Waldwildnis ein
geräumiges Blockhaus erbauen liess und
seine Zeit mit landwirtschaftlichen Arbei-
ten und wissenschaftlicher Lektüre ver-
brachte. Da er nie verheiratet war, so be-
schränkte sich sein Verkehr auf einige ver-
traute Diener, die ihm freudig in die Ein-
samkeit folgten.
Leider war dem wackeren Kämpen kein
längerer Lebensabend beschieden. Eben
04 Jahre alt geworden, ward er von einem
Schlaganfall betroffen, dem er am 25. No-
vember 1794 erlag.
Seinem Wunsche gemäss wurde er in
seinem Soldatenmantel, geschmückt mit dem
unter Friedrich dem Grossen erworbenen
hohen Orden, begraben, und zwar inmitten
eines uralten, aus Eichen und Buchen be-
stehenden Hains, der auf der höchsten, alle
Lande überschauende Höhe der Grafschaft
Oneida liegt und dessen Umrisse, aus weiter
Ferne gesehen, den Glauben erwecken könn-
ten, als befinde sich dort ein mächtiges
Hühnengrab, einer jener mit Gras und Ge-
strüpp überwucherten Erdhügel, wie sie
während vorgeschichtlicher Zeiten in Skan-
dinavien über den Leichen gewaltiger
Recken aufgehäuft wurden, um denselben
nicht nur als Ruhestätten sondern zugleich
als würdiges Malzeichen zu dienen und die
Jahrtausende zu überdauern.
Erst beim Näherkommen sehen wir den
vermeintlichen Hügel sich in zahllose Baum-
gipfel auflösen und erkennen voll Staunen,
dass wir uns am Rand eines inselgleich zwi-
schen den Feldern und ]\Iatten gelegenen
Restes jener unermesslichen Wildniss be-
finden, welche noch zu Anfang des acht-
zehnten Jahrhunderts den ganzen Staat
New York bedeckte.
Treten Avir in den Hain ein, so umfängt
uns geheimnissvolles Dunkel, und über uns
klingt seltsames Raunen und Rauschen, als
wollten die Blätter daran mahnen, dass wir
uns auf geweihtem Boden befinden. ]\Iäch-
tige, vor langer Zeit vom Sturm gestürzte
Urwaldriesen liegen umher, gleich Helden,
die im grimmen Kampfe fielen, als es galt,
den erhabenen Führer zu schützen. Beim
Hinwegsteigen über die moosüberwucher-
ten, morschen Stämme fallen die erstaunten
Blicke auf ein in der Mitte des Hains sich
erhebendes Grabmal, dessen graue Quader
einen über einer abgeflachten Pyramide
ruhenden AVürfel bilden. Vier an den
Ecken des J\Ionumentes mit den Älündun-
gen in den Erdboden eingerammte Ge-
schützläufe sowie einige Kugelpyramiden
verraten, dass hier die Ruhestätte des
ruhmvollen Feldherrn ist. Aber weder In-
schriften noch Jahreszahlen verkünden, wo
derselbe geboren wurde, welche Taten er
verrichtete und wann er seine irdische
Laufbahn besehloss. Nur der von einem
118
DER ANTHEIL DER DEUTSCHEN AM UNABHAEXGIGKEITS KRIEGE.
Eichenkranz umgebene Name „Steiiben"
verkündigt, wer hier ruht.
Die das Donknial uingel)ende "Wildnis
ist nicht die Folge mangelhafter Fürsorge
für das Grabmal des grossen Todten. Sie
entsprang der letztwilligen Bestimmung
Steubens, dass keiner der sein Grab umge-
benden Bäume weggeräumt werden solle,
wenn sie einst fallen würden. Sie sowohl
wie die vom Sturm abgerissenen Aeste soll-
ten Symbole der Vergänglichkeit sein, wel-
cher das "Weltall wie sännntliche lebende
"Wesen unterworfen sind.
Inmitten seiner entlegenen "Waldeinsam-
keit wird das Grab nur .selten besucht, aber
der Name Steubens ist mit leuchtenden Let-
tern in die Geschichte eingetragen und wird
klingen, so lange es eine dankbare Erinne-
rung gibt.
Was Steuben in seinem ersten an den
Kongress gerichteten Schreiben wünschte:
„dass sein Name dereinst unter den Vertei-
digern der amerikanischen Freiheit genannt
werden möge", wurde ihm voll und ganz
zuteil. Indem er seine Kräfte der jungen
amerikanischen Nation widmete, verwob er
seinen Namen unlösbar mit dem grössten
und folgenreichsten Ereigniss der moder-
nen Geschichte, dem Unabhängigkeitskampf
der Vereinigten Kolonien.
Solange das Andenken an dieses Ereig-
niss erhalten bleibt, so lange wird auch das
Gedächtniss Steubens lebendig bleiben.
Antheil der Deutschamerikaner an den
Kriegen von 1812 und mit Mexiko.
Die Kriege, welche die Union im 19.
Jahrhundert gegen England und INFexico
führen musste, gaben den Deutschameri-
kanern überreiche Gelegenheit, ihre be-
währte Loyalität gegenüber der Adoptiv-
heimat aufs neue zu beweisen. Es wieder-
holten sich dabei dieselben Beispiele hoch-
herziger Aufopferung und Tapferkeit, an
denen die Deutschen es während der Kriege
des 18. Jahrhunderts nicht fehlen Hessen.
Die wichtigsten Ereignisse das im Jahre
1812 entbrennenden Kampfes mit England
spielten sich meistens zur See und an der
canadischen Grenze ab. Sie nahmen die
Mithülfe der Bevölkerung wenig in An-
spruch. Diese Zeit kam erst im Jahre
1814, als nach der für die Amerikaner un-
glücklichen Schlacht bei Bladensburg die
Engländer am 24. August die Bundes-
hauptstadt "Washington überfielen und das
Kapitol, das Schatzamt, das Ai-senal, die
Kasernen, den "Wohnsitz des Präsidenten
sowie zahlreiche Privatgebäude plünderten
und niederbrannten.
Kühn gemacht durch diesen Erfolg, be-
reiteten die Briten einen ähnlichen Hand-
streich gegen Baltimore vor. Diese Stadt
war ihnen besonders verha.sst, weil von hier
aus zahlreiche Kaperschiffe ausliefen, die
der englischen Handelsflotte ungeheuren
Schaden zufügten. ..Baltimore is the great
repository of the hostile spirit of the
United States again.st England", so hatte
man im Parliament nicht mit Unrecht er-
klärt.
Es war am Sonntag, den 11. September,
als das aus 70 Fahrzeugen bestehende bri-
tische Geschwader bei dem 12 ]\Ieilen von
Baltimore entfernten North Point erschien
und 7000 unter dem Befehl des Generale
Ross stehende Fussoldaten und Artilleri-
sten landete. "Während die.se gegen die
Stadt vorrückten, segelte das Geschwader
die Patapsco Bai hinauf, um das den Hafen
schützende Fort IMcITenry zu erobern. Aber
die Feinde fanden die Bewohner der Stadt
wie die Besatzung des Forts wohl vorbe-
reitet. Sämmtliche ^Milizen standen unter
den Waffen. Eine 3000 :\lann .starke Ab-
teilung unter General Johann Stricker (geb.
1759 zu Frederick, ]\Id., als Sohn des Ober-
lieutenant Georg Stricker vom deutschen
Bataillon des Staates Maryland) rückte den
Engländern entgegen und fügte ihnen die
ersten schlimmen Verluste zu, Avobei die
Scharfschützen den General Ro.ss so schwer
verwundeten, dass derselbe noch während
DER AXTHEIL DER DEUTSCHEN AM UNABHAENGIGKEITS-KRIEGE.
119
des Rücktransports nach den Schiffen
«tarb.
Vor der bedeutenden Uebermacht muss-
ten zwar die Truppen Strickers sieh laug-
sam zurückziehen, aber sie hielten die
Feinde beständig in Sehach.
Am Morgen des 12. September eröffnete
<ias englische Geschwader ein furchtbares
Bombardement auf Fort McHenry. Hier
befehligte der Artillerie-]\Iajor Georg Arm-
■stadt oder Annistead (geb. 10. April 1780
zu New ]\Iarket, Virginieu, als Sohn des
Hessen-Darmstädters Johann Arnistadt).
Die Kanonade währte 36 Stunden lang. In
•der Nacht vom 13. auf den 14. September
unternahmen die Belagerer auf Booten und
Barken einen Sturm gegen das Fort, wur-
den aber von der tapferen Besatzung mit
•so schweren Verlusten abgewiesen, dass sie
keinen zweiten Angriff Avagten, sondern
sammt den Landtruppen auf die Schiffe
zurückkehrten, ohne irgendwelche Erfolge
erzielt zu haben. Das Geschwader stach
am 16. September Avieder in See, worauf
die Bewohner von Baltimore aufatmen
konnten. Die an jenen kritischen Tagen
von deutschen und amerikanischen ^Milizen
Terrichteten Heldentaten waren es, welche
Francis Scott Key zu dem Lied „The Star
Spangled Banner" begeisterten, welches die
Nationalhymne der Amerikaner geworden
ist.
Der Anteil der Deutschamerikaner an
•der ruhmvollen Verteidigung der Stadt
Baltimore war, abgesehen von den Leistun-
gen des Generals Stricker und des Majors
Armstadt, bedeutend. Denn unter den Mi-
lizen der Stadt waren sie, wie die „Histori-
sche GeselLschaft von ^Maryland" nachge-
wiesen hat, ausserordentlich stark vertreten.
Zu diesen gesellten sieh in den Tagen der
Bedrängnis deutsche ^Milizen mehrerer
Nachbarstädte, die auf die Alarmsignale
schleunigst herbeieilten.
Auch als die Vereinigten Staaten ihren
Streit mit ^Mexico aiLsfochten, offenbarte
sich, wie Franz Löher in seiner „Geschichte
der Deutschen in Amerika" schildert, der
lustige Kriegsmut der Deutsehen in herr-
lichster Weise. „Dreimal rief der Präsident
Freiwillige auf, und jedesmal waren die
Deutschen zuerst auf dem Sammelplatz.
Beim ersten Aufruf waren in St. Louis drei
deutsche Freischaaren von 260 :\Linn acht
Tage vor den 282 Amerikanern fertig, und
135 deutsche Artilleristen machten sich
bald darauf aus derselben Stadt auf. St.
Charles sandte 109 Husaren; der kleine
Ort Hermann seine schmucken Jäger. Aus
New Orleans gingen sofort 600 Deutsche
zum Kriegsschauplatz ab. In Cincinnati,
Louisville, Columbus, Dayton, Pittsburg,
Buffalo, Baltimore und vielen anderen
Städten zeigten die Deutschen gleiche Be-
geisterung. Unter den vielen, die sich in
diesem Kriege auszeichneten, ist vor allen
Johann Anton Quitmann zu nennen, ein
Sohn des aus dem Rheinland stammenden
Predigers Friedrich Heinrich Quiftnann.
Unser im Jahre 1798 zu Rhinebeck. N. Y.,
geborener Held zählte zu denjenigen Ame-
rikanern, welche beim ersten Aufflackern
der Unabhängigkeitsbestrebungen in dem
noch zu Mexico gehörigen Texas dorthin
eilten, um den Texanern Beistand zu leis-
ten. Als im Jahre 1845 der längst erwar-
tete Krieg mit Mexico au-sbrach, wurde
Quitmann vom Präsidenten Polk zum Bri-
gade-General ernannt und der 6000 Mann
starken Armee des Generals Taylor zuge-
wiesen. Mit dieser beteiligte er sich im
September 1846 an der Eroberung der
stark befestigten, von 10,000 :\Iexicanern
besetzten Stadt IMonterey. Quitmann fiel
die schwierige Aufgabe zu, mit seinen
Truppen die Stadt von vorne zu berennen,
während Taylor 's Regimenter die hinter
der Stadt liegenden Höhen erstürmten. Ob-
wohl die in den Häusern und auf den Dä-
chern der Stadt verschanzten Mexicaner
den Truppen Quitmanns einen wahren Ha-
gel von Kugeln entgegensandten, gelang es
denselben doch, zum ^Marktplatz vorzudrin-
gen und auf einer Turmspitze die amerika-
120
DER AXTHEIL DER DEUTSCHEN AM UNABHAENGIGKEITS-KRIEGE.
General Quitmann hä der ErstuermuDg von Chapultepec.
DER ANTHEIL DER DEUTSCHEN AM UNABHAENGICKKITS KRTEOK.
121
nische Flagge zu entfalten. Dann folgte
ein erbitterter Kampf, während dessen jede
Behausung, jedes Daeh erobert werden
mnssten, ehe die Mexicaner sieh zur üeber-
gabe entschlossen.
Qnitmann nahm, für seinen Heldenmut
zum General befördert, im Frühling 1847
an dem Bombardement der Stadt Vera
Cruz teil. "Während General Scott die
amerikanische Flotte kommandirte, befeh-
ligte Quitmann die Landbatterie. Die
fürchterliche, vier Tage andauernde Kano-
nade endete mit dem Fall der Stadt.
Darauf zog Quitmann mit der siegreichen
Armee Scott 's gegen die Hauptstadt
Mexico. Am 13. September erstürmte er
zunächst mit seiner Brigade die für unein-
nehmbar gehaltene Felsenfestung Chapul-
tepec. Dann folgte die Beschiessung der
Hauptstadt ]Mexic<> und am 15. September
deren Einnahme, worauf Quitmann in An-
erkennung seiner vielen Verdienste zum
Gouverneur von ^Mexico ernannt wurde.
Nach dem Friedenssehluss leistete Quit-
mann als Gouverneur des Staates ]\Iissis
sippi sowie als ^litglied des Bundeskon
gresses noch hervorragende Dienste.
jNIit hoher Auszeichnung fochten ferner
im mexikani.schen Kriege die deutschen
Offiziere August Moor, von Gilsa, Samuel
Peter Ileimclmann, CJiristian Steinwehr,
Julius Kaith, Heinrich Bohlen, Aelolf von
Steinivehr und viele andere. —
Den hier genannten war es Avährend des
furchtbaren Bürgerkriegs der Jahre 1861
— 1865 besehieden, zu den höchsten militä-
rischen Ehrenposten innerhalb des ameri-
kanischen Heeres emporzusteigen.
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Der deutsche Soldat im Buergerkriege.
WILHELM KAUFMANN, Cleveland, Ohio.
Oft ist die freilieh nie zu entscheidende
Frage e-estellt worden, wek'hes wohl die
schönste und ruhmreichste Ei)izelihat in
dem Wirken der amerikanischen Deutsehen
sein möge. Soll man dem deutsclien Bauer
den ersten Platz in dieser Rulnneshalle zu-
weisen ? Oder besitzt der deutsche Kauf-
mann imd Industrielle mit seinen zahllosen
Sehwärmen geschulter Arbeitskräfte, der
Städteerbauer inid Förderer von Handel,
Industrie und Gewerbfleiss ein besseres
Anrecht darauf? Oder aber hat der deut-
sehe Gelehrte und dessen weitverzweigter
Kreis von Ingenieuren, Technikern. Schul-
männern, den Fachleuten auf dem Gebiet
des Bergbaus, den Künstlern u. s. w. dem
neuen Vaterlande das Beste dargebracht.
was das alte Deutschland zu geben ver-
mochte? — So hat man oft gefragt, ohne
sich auf eine xVntwort einigen zu können.
Aber doch ist diese Frage durchaus keine
müssige gewesen. Denn dass man sie stel-
len und ernsthaft darüber verhandeln kann,
beweist uns immer die Vielseitigkeit der
Befruchtung Amerikas durch Deutschland,
welches seit über tausend Jahren die ganze
"Welt mit seiner Kultur durchtränkt und
belebt hat. und welches auf das erste IMut-
terland Nordamerikas, auf England, als
auf seine fruchtbarste Tochter hinblicken
kann.
Wenn wir nun behaupten, dass zu dem
deutsehen Bauer, zu dem Kaufmann und
Gelehrten aus unserem Volke, sich noch
«in viertes Element, der deutsche Soldat,
stellen imd berechtigten Anspruch auf
Theilhaberschaft an jenem Ruhmeskranze
erheben kann, so wird das zunächst wohl
befremden. Denn das AVerk des Soldaten
ist ja auf Zerstörung gerichtet. Aber wenn
dieses Werk die Grundlagen zu einem noth-
wendig gewordenen Neubau der Republik
schafft, wenn durch jenes AVerk ein böses
Gift aus dem Volkskörper ausgeschieden
wird, welches diesen zu untergraben
drohte, so kann man auch das Wirken des
Soldaten als kulturfördernd ansehen.
Durch den Ausgang des Bürgerkrieges
wurde der Zerfall der Republik verhindert,
und sie sellist wurde durch diese Blut- und
Feuertaufe auf hoffentlich unzerstörbaren
Stützen neu errichtet und konsolidirt. Das
Bestehen des Eiiihcits^ta-äte^ ist aber die
Vorbedingung jeder fortschrittlichen Ent-
wicklung innerhalb desselben.
Welchen Antheil der deutsche Soldat an
dem Weiterbestehen der Union, an der Ver-
hinderung der Theilung des Landes in
zwei nothwendigerweise sich feindlich ge-
genüberstehende Sonderstaaten hat, das
soll hier in kurzen Frarissen geschildert
und den Lesern dargelegt werden. Ver-
wiesen wird dabei immer auf des Verfassers
grössere Arbeit ,./)/r Dcutxchf)) Im Bürger-
krirc/f", welche vor Kurzem in etwa him-
dert deutschen Zeitungen Amerikas er-
schienen ist und später in noch beträcht-
lich erweiterter Form als Buch zugänglich
werden wird.
Der Antheil der Deutschen an der Nie-
derwerfung der Rebellion ist weit wichtiger
und ent.scheidender gewesen, als sich aus
der Zahl der deutschgeborenen Soldaten
und aus deren Kriegsthaten nachweisen
124
DER DKUTSCHE SOLDAT IM BUERGERKRIEGE.
lässt. Wenn nur die Gnippivuncj der Deut-
schen im Gebiete der l'nion eine iindere ge-
Avesen wäre, wenn sieh z. B. die Deutschen
gkMchniiissig über das (janzc Land zerstreut
hätten, so hätte der Süden sicheilich den
Sieg davongetragen. Demi in solchem
Falle hätte der Süden statt ÖU .Millionen
AVeisse, deren sicherlich zwei ^Millionen
mehr besessen und dfr Xordeii, statt wenig
über 1!» Millionen, deren nur 17. Was aber
hätte eine .solche Kräfteverschiebung be-
deutet .' .Alan denke dabei nur an die
Kriegstage di-r ersten drei Jahre, nament-
lich an den Alai 1863.
Die ganze Wucht der deutsehen Einwan-
derung ist dem Norden zu Gute gekommen.
Von deutschgeborenen Einwanderern und
Nachkonnnen früher eingewanderter Deut-
schen lebten 1S60 im Norden sicherlich
sechs Alillioncn. AVelclie A^olkskraft und
Kulturkraft steckte in diesem Stannue!
Dem General Lee wird das AVort zuge-
schrieben: ,,Ta1:c thc Dutch out of the
Union armics and ivc could wliip the
Yankees easihj." Ob das Lee wirklich ge-
sagt hat. erscheint zweifelhaft, aber Recht
hätte er wohl gehabt, wenn er sich so ge-
äussert haben würde.
Geborene Deutsche wohnten 1860 nach
dem Census in den A^er. Staaten 1,205,694.
Davon kamen auf den Norden und die
Grenzstaaten 1,135,313*, auf die elf Con-
föderirten Staaten nur 70,381 Deutsche.
Ganz ähnlich war das A^erhältniss des im
Norden geborenen Xachwuchscs deutscher
Einwanderer zu den im Süden wohnenden
Deutschnachkonnnen. Es gab 5i/4 Alillio-
nen Alenschen deutschen Stammes im Nor-
den gegen kaum eine halbe Alillion dieses
*) Genauer: Freier Norden 977,722 geb. Deut-
sche. Die vier Grenzstaaten Missouri, Kentucky,
Maryland und Delaware 157,591 geb. Deutsche. Da
aber die Deutschen der Grenzstaaten (mit wenigen
Ausnahmen wesentlich in ^laryland, welche Aus-
nahmen durch deutsche Unionspatrioten in Texas
dreifach aufgehoben wurden), unionstreu bis ins
Mark waren, so kann man obige Gruppirung als
richtig betrachten.
Stanniies im Süden. Alit anderen Worten:
Es kämjifti'n 141,^ ^Millionen »('c7< /deutscheu
Stanniies und öy^ Alillionen deutschen
Stannnes auf Seiten der l'nion. und 5 Alil-
lioiicii Aiigcisacliseii. Kelten und Lateiner,
sowie eine halbe Million tleutsclier Abkunft
für die (Vmföderation. Dieser Schätzung
wii'd jeder Keinier der Nationalitätsver-
hältnisse in den Ver. Staaten zustimmen
müssen. A^ielleicht ist die Schätzung von
einer halben Alillion teutonischen Stanniies
für den Süden noch etwas zu hoch.
Es ist gar nicht nothwendig, auf den
vielleicht Äusschlag-gehenden Antheil des.
deutschen Elements an der Kriegsentschei-
dung näher einzugehen. Jene Ziffern sind
überzeugend genug.
Zunächst sei aufmerksam gemacht auf
das merkwürdig rechtzeitige Einsetzen der
beiden grossen deutschen Auswanderer-
ströme. Bald nachdem die erste grosse
Einwanderung reiner Angelsachsen in den
Jugendjahren der Kolonien um 1650 abge-
flaut war, beginnt um 1683 die deutsche
Flüchtlings- und Proletarier-Einwande-
derung (schon vorher waren zahlreiche
Deutsche in Amerika), welche sich erst
um 1770 erschöpfte. Diese Pioniere, welche
Pennsylvanien und AVest-AIaryland in
einen Garten verwandeln, New Jersey, das
Shenandoah-, das Hudson- und ]\Iohawk-
Thal stark befruchten und selbst schon
nach dem fernen Süden kräftig vorstossen,
werden von den englisch schreibenden
Historikern niemals gebührend gewürdigt.
Aber die dadurch bewirkte Verstärkung
der jungen amerikanischen Nation war
weit bedeutender, als man allgemein an-
nimmt. Alan lese darüber nament-
lich Rupp. Sicherlich war 1775 ein Fünf-
tel des weissen A^ilkes in Amerika deutscher
Abstammung. Hatte die A^orsehung diese
Leute nicht gerade rechi zeitig nach Ame-
rika geschickt.? Freilich, eine Geschichts-
schreibung, welche heute noch die tausend-
mal widerlegte Hessenlüge dem deutschen
Volksthum aufs Kerbholz setzt, wird die
DKR DKrTSCIIR SOLDAT IM BUERORRKRTEOE.
125
Kraft, welche dieser Volkseiiisehlag zur
Zeit you Washingtons grösster Noth bedeu-
tete, niemals anerkennen.
Aber ebenso rechtzeitig setzte der zweite
Strom der deutsehen ^Masseneinwanderung
gerade dann ein, als sieh das Sturmjahr
1861 schon längst angekündigt hatte und
man der Deutsclieii am meisten 1)eduri'te.
Nur ein einziges Jahrzehnt. 1881 — 90,
brachte mehr Deutsche nai-h Amerika, als
die Periode 18öl — 60. unmittelbar vor dem
Kriege. "Wähi-cnd dieses Jahrzehnts wan-
derten 951.667 Deutsche ein. Rechnet man
aber die Dentsch-Elsiisser. die ferner sehr
zahlreichen Schleswig - Holsteiner, die
Luxemburger und die über Canada einge-
Avanderten Deutschen hinzu, welche damals
fils Franzosen. Dänen. Holländer. Canadier
gezählt worden sind, so ist es rund ri)ie
Million.' l'nd diese deutsche Einwande-
rung birgt seltsamer Weise die besten
Kräfte, welche die Union jemals von dem
germanischen Theile ihrer ^lutterländer
empfangen hat.
AVelche Volkeskraft steckte in der ]\Iil-
lion deutscher Einwanderer von 1850 — 60!
Darunter Avaren 600.000 männlichen Ge-
schlechts, gemäss des Gesetzes, wonach auf
drei auswandernde ^Männer zwei Frauen
kommen. T^nd von jenen 600,000 standen
über zwei Drittel im Alter von 15 — 40 Jah-
ren. Die Zahl der ül)er 50 Jahre Zählenden
war ganz gering, die Zahl der Knaben
unter 15 Jahren desto grösser. Kein altge-
gliedertes Volk kann soviel jugendliche
IMännlichkeit besitzen, als ein solcher Aus-
wandererschwai'in. und aus diesem Ausnah-
mezustande erklärt es sich auch, dass die
amerikanischen Deutschen einen so viel
grösseren Prozentsatz Soldaten stellen
konnten, als das in Amerika eingeborene
Volk. Avelches verhältnissmässig weit mehr
Frauen. Kinder und ältere IMänner barg.
Und dann bestand jene INIillion Deutscher
zum grossen Theile aus einer Auslese der
deutschen Nation. Die Veranlassung dieses
Völkerstroms war die deutsche Revolution
von 1848 gewesen. An dieser hatten sich
aber vornehmlich die deutsche Intelligenz
und die freisimiigen ]\Iänner aus dem Mit-
telstande betiieiligt, die werthvollsten.
fortschrittlich denkenden Elemente des
deut.schen Volksthums. Auch haben die
Einwanderer jenes Jahrzehnts A'olklich
hesser /usanniiengehalten. als ihre Vorgän-
ger und ihre Nachkommen. So wurden
Viele, welche in Deutscliland der Revolu-
tion noch fein gestanden hatten, erst in
Amerika Achtundvierziger, d. h. sie wurden
dort zu freiheitlich denkenden ]\Iännern er-
zogen in den Agitationsschulen, welche die
GENERALMAJOR W. S. ROSECRANS.
vielen gei.stig bedeutenden Flüchtlinge in
der damals rasch aufblühenden Presse, in
den Turnvereinen und in den Freimänner-
Ininden errichtet hatten. Wenn es auch
Avahr ist. dass manche der Bestrebungen
jener Idealisten uns heute als Utopien, oder
als Entgleisungen eines ungezügelten Re-
formeifers anmuthen. so hat jene Agitation
die amerikanischen Deutschen doch vor-
trefflich für die Kriegszwecke vorbereitet.
Zu den 1,135,313 Deutschen des Nordens
kamen bis 1864 noch 180,000, und zwar
überwiegend junge ]\Iänner, denn während
des Kriegs Avanderten nur wenige Familien
126
DER DEUTSCHE SOLDAT IM BUERGERKRIEGE.
aus. Beide Ziffern ergeben zusammen
1,315,313 Deutsehe. Dieses Volk hat
216,000 deutsehgeborene rnionskämpfer
gestellt. (Siehe die Berechnung in Kauf-
manns „Die Deutsehen im Bürgerkriege".)
Das ist eine fast beispiellose militärische
Lei.stung und kommt derjenigen Cstpreus-
sens während der Jahre 1813 und 1815
durchaus gleich. Und freiwillig kamen die
IMeisten. denn unter den 216.000 Mann
befanden sich nur 36.740 Conscribirte.
Die Betheiligung der Deutschen am Bür-
gerkriege war bedeutend stärker als dieje-
nige jedes anderen Volkselementes in Ame-
rika (mit Ausnahme der Canadier.*)
Nach der Gouldschen Statistik, welche in
den amtlichen Berichten publizirt worden
ist, liätten die Deutschen in Amerika, ge-
mäss ihrer Volkszahl, 128,102 jNIann auf-
bringen müssen. Sie haben aber 216.000
Mann gestellt, demnach 87, 898 mehr als
ihre Pflichtzahl betrug, oder achtundsech-
zig und ein halb Prozent mehr, als sie
hätten stellen müssen ! Damit wurde das
von den eingewanderten Irländem und
Engländern gestellte Contingent bedeutend
übertroffen. Auch lässt sich leicht der Be-
weis führen, dass unter den unionstreuen
Elementen des Südens die Deutschen am
entschieden.sten und aufrichtigsten für die
Union Stellung nahmen. In Texas sind
mehrere hundert deutsche Unionsmänner
im Kampfe mit ihren seeessionistischen
Nachbarn gefallen, und viele Deutsche aus
Texas kämpften in Missourier Kegimentem
für die Union. In New Orleans war das
Misstrauen der conf. Behörden gegen die
Deutschen so stark, dass man Letzteren
nicht gestattete, ein deutsches conf. Regi-
*) Die Canadier sind nicht in demselben Masse
ansässig in der Union, wie die Deutschen, Irländer,
Erjländer etc. Sie wandern viel zwischen Canada
und den Ver. Staaten. In den letzten Kriegsjah-
ren nahmen sie massenhaft Dienst, um die hohe
„Bounty" zu verdienen. Als sog. „Bounty- Jump-
ers" (Stellenvertretungs-Schwindler) waren sie ge-
radezu berüchtigt.
ment zu bilden. Den vier deutschen Kom-
pagnien des Oberst Reichard wurden vier
irische Kompagnien beigegeben, und so das
20ste Louisiana Regiment geschaffen.
Zu jenen 216,000 deutschgeborenen
Uni<mssoldaten traten noch 8000 bis 10,000
deutsche Schweizer und wohl gegen 4000
Deutsch-Oesterreicher. Letztere waren da-
mals wenig zahlreich in Amerika, doch
wurden durch den Krieg mehrere hundert
österreichische Offiziere zur Auswande-
rung und zum Kriegsdienste für die Union
veranlasst.
Die in Amerika geborenen Nachkommen
deutscher Einwanderer werden bei obigen
Angaben nicht in Betracht gezogen, doch
sei erwähnt, dass dieses bei Ausbruch des
Krieges weit über vier Millionen zählende
Volkselement in manchen Theilen des Lan-
des eigene Regimenter gebildet hat. Das
geschah dort, wo diese Deutschnachkommen
eigene Siedlungen hatten. So bildeten sie
in Pennsylvanien 20 Infanterie- und vier
Artillerie-Regimenter. Das 43ste Illinois
Regiment bestand ausschliesslich aus Söh-
nen der deutsehen Pioniere von Belleville.
Auch im westlichen Theile Marylands, im
Osten von Ohio, in Wisconsin konnte man
solche Regimenter von Deutschnachkom-
nien finden. — Doch kann man sagen, dass
zwei Drittel des Contingents von Wiscon-
sin (79,260 Mann mit drei Jahren Dienst-
pflicht), ein gutes Drittel der Ohioer
Armee (240,000 ]\Iann), über ein Viertel
der Illinoiser und Indianaer (214,000 und
153,000), ein gutes Drittel der Missourier
(86,000) aus geborenen Deutschen und aus
Nachkommen deutschen Stammes bestan-
den haben müssen. Femer, dass fast ein
Drittel der Mannschaft der westlichen
Heere, welche den jMi.ssissippi, dann Ten-
nessee eroberten und endlich den grossen
]\Iarsch durch Georgia und die Carolinas
durchführten, von deutscher Abkunft war,
oder aus geborenen Deutschen bestanden
hat. Beweisen lässt sich diese Behauptung
allerdings nicht, wenn man nicht eine aus-
DER DEUTSCHE SOLDAT IM BUERGERKRIEGE.
127
führliehe Geschichte der deutschen Besied-
lung des Westens dazu beibringen kann.
Namentlich bei den Deutschen im Osten
zeigte sich sofort die Neigung, eigene Re-
gimenter zu bilden. So entstanden in New
York die fast nur aus geborenen Deutschen
bestehenden Infanterieregimenter 7, 8, 20,
29, 41. 45, 52, 54, 58 und 64, einige halb
deutsche Reiterregimenter und mehrere
Batterien mit nur deutschen ^lannschaften.
In Pennsylvanien waren rein deutsche
Regimenter: Nr. 21, 27, 73, 74 und 75. In
Ohio: Nr. 9, 28, 37 und 107; dazu sieben
Regimenter, welche zu über die Hälfte
deutsch waren. Indiana stellte das be-
rühmte 32ste deutsche Regiment. Illinois
die beiden Hecker Regimenter 24 imd 82;
Wisconsin Nr. 9 und 26 ; :\Iissouri Nr. 1, 2,
3, 4, 5, 12, 15 (halb schweizerisch), 17, 39,
40 und 41. — ]Mit Ausnahme von Missouri
und Ohio haben sich die Deutschen im
Westen weit mehr auf andere Regimenter
vertheilt, als es Anfangs im Osten geschah.
Doch bildeten sie in vielen Regimentern be-
sondere Kompagnien. Die meisten deut-
schen Regimenter zogen mit der deutschen
Kommandosprache in 's Feld, und mehrere
trugen sogar preussische, auch bayerische
Uniformen. Doch wurde Letzteres bald
abgeschafft. Die meisten der rein deutschen
Regimenter traten schon unter den 75,000
Mann des ersten Lincoln 'sehen AiTfrufs
vom 15. April 1861 auf. Ja es bestanden
schon geschlossene deutsehe Truppenkör-
per, ehe jener Aufruf überhaupt erfolgte.
In ^Missouri exerzirten die Sehwarzen Jäger
bereits im Januar 1861, in Iowa bildeten
sieh um dieselbe Zeit deutsche Truppen,
und die Turner-Kompagnien von Washing-
ton imd Baltimore Avaren ebenfalls schon
vor dem Ausbruch des Krieges zur Stelle.
Innerhalb zweier Tage nach dem 15. April
hatte das 9te Ohio Regiment bereits einen
Ueberschuss von ^Mannschaften. Das gilt
auch von den Turnerregimentern 7 imd 20
von New York, wie denn überhaupt die
deutschen Turner nicht allein die Ersten
waren, welche sich für den Krieg bereit
machten, sondern auch unter allen büi
liehen Organisationen in den Ver. Staaten
diejenigen waren, welche verhältnissmässig
das stärkste Contingent aus ihrer Mitte
stellten. Fünfzig Prozent aller deutschen
Turner Amerikas kämpften für die Union.
Es wurden leider nicht genug rein deut-
sche Regimenter gebildet, und deshalb war
es unmöglich, grössere deutsehe Truppen-
einheiten zu schaffen. Von den 216,000
deutschen Soldaten haben höchstens 36,000
in rein deutschen oder in wesentlich deut-
sehen Regimentern gestanden. Die übrigen
180,000 Mann haben sieh zerstreut unter
den Kriegern anderen Volksstammes. Ueber
eine einzige, allerdings sehr starke, deutsche
Division kam man niemals hinaus, imd nur
in Missouri gab es ausserdem noch eine
deutsehe und mehrere halbdeutsehe Briga-
den. Aus diesem Grunde wird das Wirken
der Deutsehen auf den Schlachtfeldern
sehr schwer nachweisbar, und für sich
allein konnten unsere Landsleute keine der
grossen Feldschlachten gewinnen. Diese
Zerstreuung der Deutsehen ist sehr zu be-
dauern. Man wende da nicht ein, dass
dieses ein amerikanischer Krieg war, dass
unsere Landsleute als amerikanische Bür-
ger zu den Waffen gegriffen hatten und
dass das Deutsehthum dabei keine Rolle
spielte. Ein solches Argument klingt zu-
nächst bestechend, geht man jedoch näher
darauf ein, so sinkt es zu einer tönenden
Phrase herab. Denn die Deutschen hätten
der Unionssaehe sicherlich noch bessere
Dienste leisten können, wenn sie massen-
haft in grösseren deutsehen Einheiten auf-
getreten wären, wenn sie mindestens zwei
rein deutsche Armeecorps, eins im Osten
und eins im Westen, gebildet hätten, was
bei einigem guten Willen (die Stimmung
in Washington war zu Anfang des Krieges
dem durchaus nicht ungünstig) Avohl hätte
geschehen können. Ist es denn nur ein Zu-
fall, dass alle rein deutschen Regimenter
Elitetruppen waren ? Welcher hohe Werth
il28
DER DEUTSCHE SOLDAT TM BUERGERKRIEGE.
ist bei der preiissisi-hcn IIeeri'.s()r»riniisation
stets darauf p:elt'irt worden, dass das CJefiihl
der Landsuianiischaft jrcpriejrt wurde! Krst
iiaehdeni sieli dieses Prinzip in den Krietren
von 1864, 1866 und 1870 so vortrefflich
bewährt hatte, liaben es aueh die Franzosen
sieli zu eigen geniaclit. und die Oesterrei-
cher. lu'i denen es sehoii früher l)estand.
lud)en es el)en falls weiter austrehildet. Die
Tradition der einzelnen Truppenköriier
s]»ielt eine jifrosse KoUe in der Feldsehlaeht.
Das anierikanisehe Freiwilliirenheer ent-
behrte fast aller Traditionen, deshalb hätte
nuui diejeni«ren bet.»-ünsti«ien sollen, welehe
sieh doeh darboten. Sehurz hat einmal fol-
genden Satz ausgesproehen : ..In meinem
iranzen Wirken in Amerika bin ieb stets der
Mahnung gefolgt, dass ieh meinem Deutseh-
thum keine Sehande maehen dürfe."
Dieser Ausspruch des grössten Deutsch-
Amerikaners unserer Zeit ist hunderttau-
senden von Landsleuten aus der Seele ge-
sprochen, und er ist besondei-s zutreffend
für die Anschauung der deutsehen Solda-
ten gewesen. Das Zusammenhalten der
Deutsehen in grossen und starken Einhei-
ten hat. wie der glänzende Reeord der rein
deutsehen Regimenter zeigt, nur Vortheile
geschaffen. Tnd ganz gewiss hat das Ame-
rikanerthum dieser Soldaten nicht darunter
gelitten. Die Veteranenverbände jener
deutsclien Regimenter beweisen uns das
noch heute. Bessere amerikanische Patrio-
ten, als man unter jenen deutschen Vete-
ranen antrifft, findet man anderswo aueh
nicht.
Die deutschen ^Mitkämpfer in der Unions-
armee haben auch die Schlagfertigkeit der
letzteren ausserordentlich erhöht. Es be-
fanden sich sehr viele alte Soldaten nament-
lich luiter den deutschen p]inwanderern des
Jahrzehnts 1850 — 60. Einzelne Regimen-
ter, so das 8te und (bis 41ste New Yorker
Regiment, bestanden ausschliesslich aus
deutschen Veterani'n. und in den ül)rigen
deutsehen Regimentern war die Zahl der
Gedienten sehr hoch. Jedoch auch unter
den anglo-amerikanisehen Ti-upjx'n war
vielfach ein starker Stannu gedienter Deut-
scher anzutreffen. Diese Leute avancirten
rasch zu Sergeanten und haben viel zu der
Ausbildung der Truppen beigetragen. Be-
sonders viele erfahrene Artilleristen stell-
ten die Deutschen, und es war dieses eine
dei- Pi-sachen, weshalb die l'nions-Ai'tillerie
derjenigen des Feiiules gleich zu Anfang
des Kamiifes beti'ächtlich ül)erlegen war.
Auch die üt)i-iircn Spezialwaffen waren
sehr stark mit Deutschen durchsetzt, na-
mentlich das Ingenieurwesen mit tüchtigen
deutschen Offizieren. Nur einige dersell)en
mögen hier genannt wei-den : Ilassendeu-
bel. Flad. Weitzel. Iloffmaiui. IIaui)t und
Xeffers. In der tni)()urai)hischen Abthei-
lung wimmelte es von ehemals (hnitschen
Offizieren. Sie waren da stets überwiegend
und zahlreicher als die Anglo-Amerikaner.
Die ])esten Ki'iegskarten viMvbniken wir
Deutschen.
* * * *
Wie die Deutschen in Bi^zug auf die Skla-
vereifrage gesinnt waren, zeigte sich bei der
Präsidentenwahl von 1860. Schon 1856
hatten Ohio, ^Michigan, Iowa und Wiscon-
sin, in Folge des massenhaften Uebertritts
der Deutschen von der demokratischen zur
neuen i-epublikanischen Partei, für Fre-
]nont gestimmt. 1860 stinunten nicht nur
diese Staaten, soiulern andi Indiana (13),
Illinois (11) und ]\Iinnesota (4 Electoral-
stimmen) für Lincoln. Letzterer hat selbst
oft genug zugestanden, dass er dem politi-
schen Umschwünge der Deutschen im
Westen seine Erwählung verdanke, und
Senator Sumner hat diese Thatsache eben-
falls am 25. Februar '62 im Bundessenate
erwähnt. Die ganze genannte Staaten-
gruppe zählte 66 Electoralstimmen. Hätte
Douglas dort nur 19 Stimmen erhalten, so
hätte Lincoln eine Stimme weniger bekom-
men, als zur Erwählung nothwendig war,
und die Präsidentenwahl wäre ^Mangels
einer ^Mehrheit für einen der vier Kandida-
ten durch den Kongress entschieden wor-
DER DEUTSCHE SOLDAT IM BUERGERKRIEGE.
129
den. Es wird behauptet, dass damals
300,000 Deutsehe in jenen sieben Staaten
aus der demokratisehen Partei ausgetreten
sind und anstatt für Doughis. für Lineoln
gestinnnt haben. Beweisen lässt sieh das
natürlich nicht. Doch waren wohl nicht
nur eingewanderte Deutsche, sondern auch
ein Theil ihrer Xachkomnienschaft unter
jenen 300,000 vertreten. Ausserdem er-
theilten "Wisconsin, ^Michigan imd Indiana
den Eingewanderten damals schon nach
einjährigem Aufenthalte im Staate das
Stimmrecht.
Der deutsche Sieg in Missouri.
Die schönste und wichtigste Kriegsthat
der Deutschen wurde sofort nach Ausbruch
des Konflikts vollbracht. Da diese That aber
nicht mit einer grossen Schlacht verknüpft
war, sondern eigentlich aus einem vortreff-
lich durchgeführten Handstreich bestand,
so wurde sie niemals gebührend gewürdigt.
Und doch, welche Tragweite hatte dieser
Sieg ! ]\Iissouri, ein Sklavenstaat, ist we-
sentlich dadurch für die Union gesichert
worden, luid gleichzeitig wurde hier das
Schicksal des Sklavenstaats Kentucky mit
entschieden. Diese beiden Staaten zählten
nahezu zwei ^Millionen weissen Volkes. Ohne
das Eingreifen der Deutschen wären die-
selben sicherlich der Seeession anheimge-
fallen. Dazu kam noch die ausserordent-
lich wichtige Lage von Missouri. Dieser
Staat stösst w'eit gegen Norden vor. Im
Besitze von Missouri hätte der Süden leicht
in Illinois und Indiana einbrechen können,
und die Kriegslage wäre wahrscheinlich
eine ganz andere geworden. Hören wir
darüber General Graut. Er schreibt in
seinen Memoiren, Band II, Seite 465, wie
folgt :
,,]Man hat fast ganz die glänzenden Leis-
timgen vergessen, welche im Anfange des
Krieges in ^Missouri vollbracht wurden.
"Wenn St. Louis damals von den Rebellen
gekapert worden wäre, so würde das einen
gewaltigen Unterschied in der Kriegfüh-
rung bedeutet haben. Es wäre eine furcht-
bare Aufgabe gewesen, St. Louis zurückzu-
erobern, eine der schwierigsten, welche
einem Feldherrn gestellt werden könnten.
Statt eines Feldzugs vor "Vicksburg wäre
dann ein solcher vor St. Louis nothwendig
gewesen. Wir verdanken die Rettung von
St. Louis Frank Blair und Gen. Lyon,
hauptsächlich Blair. Die Rebellen hatten
unter dem "S^orwande militärischer Schu-
lung ihre ]\Iilizregimenter nach einem
Camp Jackson genannten Lager (innerhalb
der Stadtgrenzen von St. Louis) geschickt.
Es war nothwendig, rasch einen entschei-
denden Schlag zu thun, und dazu entschloss
sich Blair. Es waren dort einige reguläre
CARL SCHURZ ALS REKRUT.
Truppen (200 Mann, nebst 200 Rekruten)
unter Lyon. Blair rief seine deutschen Re-
gimenter herbei, stellte sich (imd diese
deutsehen Regimenter) unter Lyon 's Be-
fehl, ging gegen Camp Jackson vor, drohte
zu feuern, falls die Rebellen im Camp
Jackson nicht kapituliren würden, und
brachte dann die ganze Bande als Gefan-
gene nach St. Louis. Die Eroberung des
Camp Jackson hatte eine gute imd eine
schlechte "Wirkung. Viele Unions-Demo-
kraten wurden dadurch gereizt, sie erblick-
ten darin eine Verletzung der Staaten-
rechte. Es wurde behauptet, dass die Re-
130
DER DEUTSCHE SOLDAT IM lU'ERGKRKRIEGE.
g-ioniiiü- allzu scliroff vorjrt'lie. Sodann liat
die That.saclio. dass l)< titsciu dazu b< nutzt
wurdiii. um Amerikaner abzufaiifren (to
eoerce Amerieans) — freie Amerikaner,
welehe in ihrem eignen vom Gouverneur
des Staates eingerichteten Lager standen —
Veranlassung zu Tadel gegeben (gave
offense). Al)er kein wirklich loyaler ]\Iann,
dem die Union das Höchste war. hat jenuils
jenes Vorgehen missl)illigt. — Die Erobe-
rung jenes Lagers rettete uns St. Louis, er-
sparte uns eine lange und schreckliche Be-
lagerung der Stadt und war einer der bes-
ten Erfolge des ganzen Krieges."
Soweit die rein militärische Bedeutimg
des Sieges von St. Louis in Betracht kommt,
ist wohl Niemand zur Beurtheihmg zustän-
diger als Graut, der Bezwinger von Vicks-
burg. Aber was soll man zu der Auffas-
sung Grant's sagen betreffs der Rolle, wel-
che die Deutschen bei jener glorreichen
That spielten? Den ganzen Ruhm spricht
Graut Herrn Blair zu. die Deutschen wer-
den nur sozusagen als ^Mitläufer behandelt.
Blair rief „seine" deutschen Regimenter
herbei!! „Seine" Regimenter! Diese
Truppen waren nicht Blair 's Schöpfung,
sondern ausschliesslich das Werk der deut-
schen Patrioten. L^nd vor wem hat denn
das Rebellenlager eigentlich kapitulirt?
Etwa vor Herrn Blairs schönen Augen?
Gewiss nicht. Sondern nur vor den 4200
deutschen Bajonetten. Das war's allein,
wodurch der Sieg errungen Avurde. Ohne
diese deutschen Soldaten war Herr Blair
eine Null.
General Grant meint, die Eroberung des
Camp Jackson habe auch eine schlechte
"Wirkung gehabt, insofern, als sich wohl-
meinende Demokraten darüber empörten,
dass man ihre Anschauungen über Staaten-
rechte nicht geschont habe, sowie dass
„freie Amerikaner" durch Deutsche zur
Kapitulation gezwungen Miirden ! "Wenn
diese ,, wohlmeinenden Demokraten"
unionstreu waren, so hätten sie sieh freuen
sollen, dass es doch noch I\Iänner gab,
welche die alte Flagge retteten. :\ran wii-d
den Eindruck nicht los, dass Herr Grant
selbst etwas ungehöriges darin erblickt,
da.ss „freie Amerikaner" (d. h. hier Rebei-
len) dui-ch Deutsche (d. h. hier Patrioten)
eingefangen wui-deii. Grant spricht sich
ganz unbefangen aus und hat sicherlich
nicht die Absicht gehabt, die Deutschen zu
beleidigen und sie als Bürger zweiter
Klasse hinzustellen. Er thut das aber doch,
und zwar ganz unbewusst, aus der dem
Angloamerikaner eingeimpften Anscliau-
ung heraus, dass der „Xative" eine Alt
höheres "Wesen gegenüber dem P^ingewan-
derten darstelle. Es ist das die durch Er-
ziehung und Gewöhnung gezeitigte und so
schliesslich als etM-as ganz Berechtigtes em-
pfundene Anschauung des Aristokraten ge-
genüber dem Plebejer; dieselbe Ueberhe-
])ung, welche der deutsche Junker dem
Bürgerstande, der ehemalige Sklavenbaron
dem armen "Weissen des Südens entgegen
brachte.
Gewiss, es gab damals auch unionstreue
Angloamerikaner in St. Louis. Aber zähne-
knirschend und seufzend standen sie bei
Seite, als es sich darum handelte, der Ge-
walt Gewalt entgegenzusetzen. Sie waren
eingeschüchtert von dem frechen Treiben
des Rebellengouverneurs Jackson. Anders
die Deutschen. Die hatten seit Monaten die
Krisis kommen sehen und sich vorbereitet.
Unbekümmert um die Folgen einer etwai-
gen Niederlage, nur getragen von dem Be-
wus.stsein, dass ihre Pflicht als amerikani-
sche Bürger sie zu den "Waffen rufe,
nahmen sie den Kampf gegen die gesammte
Staatsmacht von IMi-ssouri ganz allein auf.
Es war das eine That, die nur mit der Er-
hebung Bostons im Revolutionskriege ver-
glichen werden kann, obschon es in St.
Louis 1861 verhältnissmässig weit mehr
Secessionisten gegeben hat, als es 1775 in
Boston Tories gab.
Ich will Blair 's ^Mithilfe nicht unter-
schätzen, aber man sollte sein Verdienst
auf das gebührende Mass beschränken.
DKK DKUTSCHE SOLDAT ^^\ P.T'ERC.KRKRTEGE.
131
Dasselbe gilt von Lyon. i\vv wie ein Löwe
kämpfend bei Wilson Creck- den Heldentod
fand. Die schönsten Hliitlci- in dem Lor-
beerkranze, der in der Behanptnnt;: von St.
Louis errungen wui'de. gel)ühren nicht
jenen beiden ]\lännei-n. sondern den deut-
sehen Patrioten. — .Man stelle sieh vor, die
Irländer hätten jene That vollbracht, wel-
ches Aufheben würde wohl davon gemacht
werden ? Aber wir beschämend bescheidene
Deutsehe ! !
St. Louis, damals die grösste Handels-
stadt des Westens, war Avesentlieh durch
den Dampferverkehr auf dem IMississippi
gross und reich geworden. Sein IMarkt lag
vorwiegend im Süden. Und wohin die St.
Louiser Waaren gingen, dahin gingen auch
die Sympathien der St. Louiser. Die
Stadt wird von Grant ein KcbcUonicst ge-
nannt, und Grant hatte dort lange gelebt.
Für den Staat Misso^^ri bedeutete St. Louis
damals dasselbe, was Paris für Frankreich
bedeutet. Die Stadt zählte fast ein Sechs-
tel der Bevölkerung des Staates, sie war,
abgesehen von New York, Boston und Phi-
ladelphia, die reichste Stadt des ganzen
Landes.
Als Lincoln am 15. April 75,000 Frei-
willige aufrief, zu welchen Missouri 4,000
Mann zu stellen hatte, sandte der Gouver-
neur Jackson von Missouri sofort folgende
Antwort an den Präsidenten :
„Ihre Requisition ist ungesetzlich, unkonstitu-
tionell und revolutionär, in ihren Zwecken un-
menschlich und teuflisch und es kann ihr nicht
entsprochen werden. Nicht einen Mann wird Mis-
souri liefern für einen so unheiligen Krieg ! ' '
Seit j\Tonaten hatte derselbe Gouverneur
heindich für die Kebellion gerüstet, imd die
secession istisch gesinnte Legislatur hatte
ihn freudig imterstützt. Die infamsten
Gesetze wurden erlassen, um ]\Iissouris Ein-
tritt in die Rebellion einzuleiten. Das Ent-
führen eines Negersklaven wurde mit To-
desstrafe bedroht ; St. ' Louis wurde die
eigene Polizei genommen, und dafür eine
nur aus Secessionisten bestehende Staats-
polizei eingesetzt. In St. Louis koiniten
10,000 Schulkinder keinen Unterricht cm-
lifangen, weil das für Bildung.szwecke aus-
gesetzte Geld von der Legislatur zu Rüs-
tungen bestinnnt worden war. ^Missouri
zählte damals rund eine I\Iillion Weisse und
etwa lOO.OOO Sklaven. Die deutschgeborene
Bevölkerung betrug 1861 höchstens !)0,(!()()
Köpfe, doch stand der in Amerika gebo-
rene Nachwuchs der Deutschen wacker zu
seinen lOltern. Unsere Landsleute in Älis-
souri ^\aren unionstreu bis ins Mark.
Das Deutschthum der Stadt erhielt von
den deutschen Farmern der angrenzenden
Coimties Franklin, Gasconade, St. Charles
und Warren sehr starken Zuzug, und
ausserdem schickte Belleville in Illinois
zahlreiche Hülfstruppen. So kam es, dass
die Deutschen sofort mehr als die doppelte
Anzahl von Truppen stellen konnten, als
Präsident Lincoln von dem ganzen Staate
Missouri verlangt hatte. Schon am 20.
April standen vier ganz deutsehe Feldregi-
menter und eine Pionier-Kompagnie, zu-
sammen 4200 Deutsche, bereit, dazu kamen
kurz darauf noch das fünfte Regiment, so-
wie fünf Regimenter imd mehrere Kom-
pagnien deutscher Heirawehr, im Ganzen
über 8500 Mann. Nach Börnsteins Anga-
ben waren kaum hundert Angloamerikaner
dabei, die ganze übrige Mannschaft be-
stand aus Deutschen.
Aber es dauerte sehr lange, bis diese
Truppen Waffen erhielten. Dass dies end-
lich am 22. April geschah, verdankt man
wesentlich dem Einflüsse des von Gen.
Grant schon genannten Herrn F. P. Blair,
dessen Bruder, IMontgomery Blair, Mitglied
von Lincolns Kabinet war. Lincoln, nicht
vertraut mit der Lage in IMissouri, hat
lange geschwankt, bis er die Erlaubniss zur
Bewaffnung der Deutsehen gab. Erst als
Letztere drohten, IMissouri zu verlassen und
sich dem Staate Illinois zur Verfügung zu
stellen, erfolgte die Bewaffnung.
In IMissouri waren damals zwei Bundes-
arsenale, ein kleineres in Liberty, l\Io., und
132
DER DEUTSCHE SOLDAT IM BUERGERKRIEüE.
der grosse Waffen platz (Areenal) in St.
Louis, dessen Beliauptung schon deshall)
von grösster AViclititrUeit war, weil nur von
dort aus die Freiwilligen von Iowa, Illi-
nois und Indiana ausgerüstet werden konn-
ten. Bewacht wurde das St. Louiser Arse-
nal von 200 Mann regulärer Infanterie
unter Befehl von Capt. Lyon.
Der Rebellengouverneur Jaekson hatte
am 20. April das Arsenal in Liberty über-
rumpelt und sieh die der Bundesregierung
gehörenden Waffen angeeignet. Gleich
darauf wollte Jackson das St. Louiser Ar-
senal angreifen. Um das zu bewerkstelli-
gen, hatte er dicht bei St. Louis, ungefähr
dort, wo später der Weltausstellungspark
war, mehrere tausend Secessionisten zusam-
mengezogen. Aber kurz vor Ausführung
dieses Planes hatten die deutschen Frei-
willigen endlich die Erlaubniss zum Ein-
züge in das St. Louiser Arsenal erhalten,
und am 23. April standen mehrere tausend
gut bewaffnete Deutsche neben den 200
]\lann Lyon 's zur Vertheidigung des Waf-
fenplatzes bereit.
Diese Truppen machten alsdann einen
Ausfall gegen das Jackson 'sehe Lager, um-
zingelten dasselbe, zwangen die Besatzung
zur Kapitulation, luid 1010 Mann nebst 75
Offizieren wurden dort gefangen genom-
men (die meisten Rebellen waren vorher
entflohen) ; ausserdem wurden die in Li-
berty gestohlenen Waffen zurückerobert.
Die Verluste des Tages wurden durch einen
secession istischen Mob verursacht, von sog.
Zuschauern der Kapitulation. Diese feuer-
ten auf die deutschen Regimenter, tödteten
Capt. Blendowski imd mehrere Soldaten,
worauf die Trui^pen, ohne Befehl, feuerten
und sechzehn ^Mitglieder des Mobs er-
schossen.
Das war der Handstreich, von welchem
oben gesprochen wurde. Dadurch wurde
die Stadt St. Louis gerettet, ein grosser
Theil der conf. Staatstruppen unschädlich
gemacht, das Arsenal mit seinem unschätz-
baren Inhalt der Union erhalten, auch die
in Liberty gestohlenen Waffen zurückge-
wonnen, mid vor allen Dingen ein gr»)s.ser
moralischer Sieg erfochten. Die nichtdeut-
schen unionstreuen Elemente in St. Louis,
welche sich bis dahin nicht geregt hatten,
schöpften wieder ^luth, und der secessio-
nistischen ^Mehrheit unter den Bürgern
wurde ein heilsamer Sehreck eingejagt.
Dass dieser grosse und so wenig blutige
Sieg ausschliesslich den Deutschen zu ver-
danken ist, ersieht man am besten aus dem
Tone der zeitgenössischen Rebellen presse
vcm St. Louis.
Einige der Führer des St. Louiser
Deutschthums in jenen ersten kritischen
Tagen des Bürgerkriegs mögen genannt
werden. Es waren Olshausen, Börnstein,
Münch, Ileeker, Körner. Göbel, Sigel, Ber-
nays, Dr. Hammer, Osterhaus, Hertle. Dr.
Weigel, Dr. Döhn, Hugo Gollmer, Vize-
Gouverneur Hoff mann von Illinois, C.
Eberhard Salomon, Richter Krekel, die
Engelmanns, Hilgards und Ledergerbers
aus Belleville. Das Schönste an der Sache
war, dass sich kein Streber unter den deut-
schen Führern befand, dass Niemand es
versuchte, für sich Lorbeeren zu pflücken,
dass alle diese wackeren ]\Iänner der von
jeder Selbstsucht freie Geist der Pflichter-
füllung beseelte. jMan wird in der ameri-
kanischen Geschichte wenig Beispiele einer
derartig selbstlosen Hingabe, einer solchen
Reinheit der Motive und eines Idealismus
finden, der so mit Klugheit und Wachsam-
keit gepaart war.
Nach jener Entscheidung strömten mas-
senhaft anglo-amerikanische Freiwillige zu
den I^nionsf ahnen ; aus Kansas, Iowa und
Illinois kamen eine Anzahl Regimenter
dazu, und die Deutschen waren nun nicht
mehr allein im Vordertreffen. Capt. (jetzt
General) Lyon übernahm die Führung der
]\Iissourier Unionsarmee, Sigel war zu-
nächst der Zweite im Kommando. Die
Hauptstadt Jefferson City wurde rasch
DKR DKUTSCHK SOLDAT IM BUERGERKRIEGE.
133
erobert, der Rel)ellen-G()uverneur durch
einen Unionsmann ersetzt, und am 10. Au-
gust kam es zu der unentseliiedenen furcht-
bar blutigen Sehhieht von AYilsons Creek.
wobei die von Sigel geführte Al)theilung
aufs Haupt geseillagen und zersin-engt
wurde, während die von Lyon gefüln-te
Ilauptniaeht erst nach dem Rückzüge der
Feinde das P\^ld räumte. Hier fiel der Ge-
neral Lyon, und Sigel übernahm für einige
Tage den Befehl, wurde aber von Fremont
abgelöst und auch nach dessen Rücktritt
GENERALMAJOR FRANZ SIGEL.
Übergangen, denn der Westpointer Curtis
erhielt den Oberbefehl. Tnter dessen Lei-
tung wurde an der Grenze von Arkansas
und ^Missouri am 7. und 8. ]\Iärz '62 die
Schlacht von Pea Ridge geschlagen, welche
wesentlich durch das Eingreifen von Sigels
Artillerie mit einem glänzenden Siege der
Union endete. Hier trat auch Ostrrhaus
als Führer hervor. Seine deutsche Brigade
stürmte den Elkhorn Pass, die Haui)tstel-
lung des Feindes, nachdem Sigel dessen
Stellung stark erschüttert hatte. Pea Ridge
ist Sigels glücklichste That während des
ganzen Bürgerkrieges gewesen. Da ihm
Gen. Curtis die verdienten Lorbeeren rau-
ben wollte, verliess Sigel den westlichen
Kriegs-schauplatz und erhielt ein Korps-
kommando in der Potomac-Armee, ein
Wechsel, der sicherlich verhängnissvoll für
Sigels ganze Wirksamkeit im Kriege ge-
wesen ist.
]Mit dem Siege von Pea Ridge war ]\Iis-
souri vorläufig von Bedrohungen des Fein-
des befreit. Der Schwerpunkt des Erfolges
in INIi.ssouri liegt aber in dem ersten deut-
schen Siege von St. Louis.
Die Deutschen bei Bull Run I.
Al)er nicht nur in ^Missouri wurden bei
Ausliruch des Krieges rühmenswerthe deut-
sche Thaten vollbracht. Zunächst erfolgte
eine That, welche weit ireniger bedeutete,
als der St. Louiser deutsche Sieg, welche
aber den Deutschen von den Washingtoner
Behörden und von der öffentlichen ]\Iei-
nung weit höher angerechnet wurde, als
jener grosse Erfolg im Westen. Dieser
zweite deutsche Sieg ereignete sich unmit-
tell^ar vor den Thoren Washingtons und
erschien als der einzige Lichtblick in der
ungeheuren Niederlage von Bull Run I.
Aus einigen der New Yorker und Pennsyl-
vanischen Regimentern wurde bereits Ende
]Mai 1861 zunächst eine deutsche Brigade,
später eine aus drei Brigaden bestehende
deutsehe Division gebildet, welch' letztere
die Stärke eines kleinen Armeekorps besass
und über ] 0,000 Mann zählte. Schon in der
ersten Sehlacht von Bull Run, 21. Juli
1861, war die erste Brigade dieser Divi-
sion, fast 4000 i\Iann, als geschlossener
deutscher Truppenkörper unter Oberst
Blenker vereinigt, nahm aber nicht an der
Hauptschlacht Theil, sondern stand in der
Reserve. In dieser Stellung erwartete die
Brigade die verfolgenden, siegestrunkenen
Conföderirten. Aber die feste Haltung
dieser Brigade flö.sste dem Feinde einen
134
DKR DEUTSCHE SOLDAT IM BUERGERKRIEGE.
derartigen Respekt ein, dass er die Verfol-
gung einstellte und naeh kurzem Vorjios-
tenkanipfe sich zurückzog. Später crkläi'-
ten die Coutoderirten. dass sie vor einer
Brigade regulärer Truppen zurückgewi-
chen seien. Die deutsehe Brigade wurde
also vom Feinde mit den altberühmten
Kerntrupi)en der Union, mit den „Regulä-
ren", verwechselt. In Washington, wo man
damals in tausend Aengsten schwebte,
wurde die Blenker'sche Brigade alsdann in
etwas überschwenglicher Weise gepriesen,
und die Rettung der Bundeshauptstadt
wurde den Dcufsdicn zugeschrieben. Die-
ser Ruhm ist ein unverdienter, denn gegen
die damals schon gut armirten Forts von
Washington hätte die leichte Feldartillerie
der Conföderirten nichts ausrichten kön-
nen, aus.serdem war die feindliche Armee
selbst so stark desorganisirt, dass sie einen
Sturm auf Washingtcm gar nicht unter-
nehmen konnte. — Nur der Blenker 'sehen
deut.schen Brigade wurde nach der Schlacht
gestattet, mit klingendem Spiel und fliegen-
den Fahnen in Washington einzuziehen.
Diese Anerkennung hatte die Brigade wohl
verdient. Ihr Führer jedoch gefiel sich
etwas zu sehr in seiner Rolle als ,, Retter von
Washington".
Die deutsche Division.
Die grösste deutsche Truppeneinheit, die
einzige deutsche Division der ganzen Frei-
willigen-Armee, hat leider stets imter einem
ungünstigen Stern gestanden. Sie erhielt
als Führer den Obersten Ludwig Bleuler,
der wohl ein tapferer alter Soldat, aber für
jenes hohe Kommando sonst ganz ungeeig-
net war. Er besass wenig Bildung, sprach
' ein schauderhaftes Englisch und konnte
weit eher als Repräsentant des deutschen
,,Saluhn "-Elements gelten, denn als Ver-
treter der militärischen Tüchtigkeit des
deutschen Volks. Es wurden auch sehr
bald recht schlimme Anklagen wegen Un-
terschlagung gegen ihn erhoben, und wenn
man auch sagen kann, da.ss Blenker selbst
ein ehrlicher ^Nlann gewesen ist, so hat er es
doch au der nöthigen Aufsicht einzelner
Untergebener fehlen lassen und mit den für
Armeezwecke bewilligten Geldern nicht in
der i'orsehriffsmässigen Weise gewirth-
.schaftet*). Blenker wurde übrigens ehren-
voll entlassen, und die gegen ihn vorge-
brachten Anklagen sind niemals untersucht
GENERAL LUDWIG BLENKER.
worden. Er ist schon im zweiten Kriegs-
jahre als armer Teufel gestorben.
*) Die Veranlassung der Blenker vorgeworfe-
nen Unregelmässigkeiten war der ganz ungewöhn-
lich starke Generalstab der deutschen Division.
Doch war es nicht Blenker 's Schuld, dass dieser
Stab so gross war. Obergeneral McClellan schickte
viele deutsche und österreichische Offiziere, welche
auf Anstellung warteten, zu Blenker. Dessen Stab
wurde dadurch eine Art von "Wartesaal. Nun aber
wurden die Wartenden nicht besoldet. Da es meis-
tens arme Kerle mit grossen Ansprüchen waren, so
kostete es Blenker ein Heidengeld, um die ihm zu-
gewiesenen Offiziere vor Hunger und namentlich
vor Durst zu schützen. Da der Obergeneral ihm
die Offiziere zusciiickte, so meinte Blenker, dass
der Staat auch für deren Unterhalt einstehen
werde. Das Auditors-Departement war jedoch an-
derer Ansicht. Blenker war sicherlich kein Betrü-
ger. ,\ber er war, obschon ein Protz, ein viel zu
gutmüthiger Kerl und er war ganz und gar nicht
„smart". Uebrigens war der Champagnerkonsum
bei Blenker ein ganz riesiger. Der Rodensteiner
hätte seine helle Freude daran gehabt.
DER D?:UTSCHE SOLDAT IM BUEKOERKKTEGE.
135
Die Stellung eines deutsehen Divisio-
närs in der Potonuie-Annee war eine be-
sonders selnvierige. Die Westpointer Offi-
ziere behandelten jeden nieht ihrem Kreise
angehörigen Kameraden als ?]indringling.
Wer sieh als Deutseher in einem hohen
Kommando neben dieser Clique behaupten
wollte, musste neben tüehtigen Kenntnissen
und einer imponirenden Persönlichkeit
aueh viel Takt und diplomatisches Talent
besitzen. In letzterer Beziehung hat auch
Franz Sigcl, der sofort nach Blenkers Ab-
gange Corpsführer in der Potomac-Armee
wurde, versagt. Sigel ist, obschon er ein
höheres Konnnando hatte, doch, in seiner
Eigenschaft als Deutscher, als Nachfolger
Blenkers zu betrachten, denn er wurde der
höchste deutsclie Offizier der Potomac-
Armee. Sigel verstand es nicht, sich
Freunde unter den Westpointern zu erwer-
ben. Er besass, wie auch sein Freund
Schurz hervorhebt, etwas Kaltes und Ab-
weisendes in seinem Wesen und von dem
,,]\Iagnetismus der Persönlichkeit", den die
Amerikaner so hoch einschätzen, keine
Spur. Zunächst freilich hatten die West-
pointer einigen Respekt vor der militäri-
schen Tüchtigkeit, welche Sigel in der
Schlacht von Pea Ridge gezeigt hatte. Aber
dieser Respekt schwand bald in dem tägli-
chen Verkehr mit dem kleinen, dürren
Planne, der zu Pferde eine recht unglück-
liehe Figur machte und in seinem Aeusse-
ren mehr einem deutschen Schulmeister, als
einem forschen ^Militär glich. Von derar-
tigen Aeusserlichkeiten ausgehend bildete
sich bald ein Uebelwollen und eine ]Miss-
gunst gegen Sigel unter seinen aiiglo-ame-
rikanischen Kameraden heraus. Aber nicht
allein Sigels Stellung in der Armee wurde
dadurch beträchtlich erschwert, sondern
auch die übrigen höheren deutschen Offi-
ziere hatten darunter sehr zu leiden.
Die deutsche Division selbst galt zuerst
als eine der besten der Freiwilligen-Armee,
und war es auch. Namentlich Obergeneral
ÄlcClellan hat sich ausserordentlidi günstig
über diese Truppe ausgesprochen, und noch
in seinen später geschriebenen ^lemoiren
klagt er darüber, dass das Kriegsdeparte-
ment ihm diese Elitetruppe nicht für sei-
nen Feldzug nach der Halbinsel mitgegeben
habe. Statt dessen wui-de die Division (da-
mals noch unter Blenker) dem Heere zuge-
tlieilt, welches dem gefürchteten feindlichen
General Jackson entgegentreten und so
Washington decken sollte. ]Man .schickte
die Deutschen um ]\Iitte ]März 1862 zu der
weit im Westen .stehenden Abtheilung des
General Fremont. Um zu diesem zu stossen,
musste die Division die unwirthlichen, da-
nials noch stark beschneiten virginischen
Gebirge durch(|ueren, drei oder vier wilde
Bergketten. ]Man hatte weder Karten noch
Führer. Die Soldaten waren gar nicht für
einen Winterfeldzug ausgerüstet. Es man-
gelte an allem, an geeigneter Bewaffnimg,
an Ambulanzen, am Train, am Proviant
und vor Allem an warmer Kleidung und
Decken. Dazu kam, dass in Folge von
Brückeneinsturz und anderer Unglücks-
fälle die nachgesandten Ausrüstungszüge
sich verzögerten. So entwickelte sich der
Schrecke ustnarsch der Division. ^Mehrere
Wochen lang war jede Spur von den Deut-
schen verloren. Furchtbar waren die Ver-
luste in Folge von Hunger und Kälte, sowie
durch die Büchsen der zahlreichen feindli-
chen Buschklepper, welche dem Heere folg-
ten. Als die Division endlieh Ende April
bei Berryville und Winchester im Shenan-
doahthale eintraf und von General Roseu-
erans aufgenommen wurde, fehlten über
2000 :Maim von den 10,000! Allerdings
wurde die Ausrüstung nun vervollständigt,
und nach längerer Rast zog die Division
weiter über die Great Northern ^lountains
und über das wilde Shenandoah-Gebirge
nach Romney im heutigen Westvirginien ;
sodann in Eilmärschen südlich nach Peters-
burg, wo man auf Gen. Fremont traf, und
endlich noch weiter südlich nach Franklin,
wo die Division eine Woche lang furchtbar
hungern nuisste, weil die Proviantwagen
136
DER DEUTSCHE SOLDAT IM BUERGERKRIEGE.
am anderen Ufer des li(ich»resch\v()llenen
Süd-Potoniac Flusses standen. Da sieh
Jaekson wieder zurüekj^ezogen hatte, so
mussten die Deutsehen, jetzt im Verein mit
Fremonts ührigen Truppen, den firössten
Theil des Anmarseliwejres zurück nuiehen.
\nu in (his Slienandoah-Thal zu gehuigen.
Die Division hat mit den viek>n Irrpingen
sieherlieh gejjen 500 ]Meikni. meistens im
Gebirge, zurückgelegt.
Endlich, am 8. Juni '62. kam die Division
in 's Feuer bei Cross Kcijs. Va. Sie hat sieh
mit Ileldenmuth gesehhigen. aber das
Ergebni.ss des Kampfes war unbefriedi-
gend. Beim ersten Angriffe der Brigade
Stahel gab der Oberst Wutsehel vom 8. N.
Y. Keg. vorzeitig den Befehl zum Vorgehen.
Mit gefälltem Bajonett stürzten die Achter
(lauter gediente deutsehe Soldaten) auf
den in einer AValddeekung stehenden Feind
an und wurden dann von Artillerie- und
Gewehrfeuer niedergemäht. Vei"lust 220
Todte und HOO ^lann Verwundete in
wenigen I\Iinuten. Der Sturm wurde abge-
sehlagen, und die Achter rissen auf ihrem
Rückzuge das 45ste N. Y. Regiment mit
sieh. Obsehon die beiden anderen Regi-
menter der Brigade (27. Vn. Buschbeck
und 41. X. Y.. von Gilsa) Vortheile errun-
gen hatten. mus.sten auch diese Regimenter
zurückgezogen werden in Folge der
Schlappe ihrer Kameraden. Ein späterer
Angriff der Brigade Bohlen scheiterte
ebenfalls, weil die Artillerie in Folge eines
j\Iissverständnisses nicht eingriff. (Siehe
eingehende Schilderung der Schlacht von
Gross Keys in des Verfassers grösserer Ar-
beit). — Der Feind zog sich schliesslich zu-
rück, erreichte aber doch sein Ziel, einen
geordneten Rückzug über die Shenandoah-
Brücke bei Port Republic.
Blenker hat in der Schlacht von Gross
Keys gar nicht mitgewirkt. Die vielfach
verbreitete Angabe, dass Blenker mit der
Steinwehr 'sehen Reservebrigade noch
grosse Vortheile erkämpft habe, ist falsch,
denn die ganze Steinwehr 'sehe (damals von
Koltes befehligte) Brigade hatte nur einen
Verwundeten ! Blenker verschwindet nach
Gross Keys (ebenfalls AVutschel). und am
Tage nach der Schlacht trifft General
ScJmrz bei der Fremont 'sehen Armee ein,
und ;iiii 1. Juli '()2 tritt Sigel als Gorps-
führer iiu Fremont 's Stelle. Schon fünf
Tage s|)äter löst Sigel die deutsche Division
auf, indem er deren einzelne Brigaden den
anderen Divisicmen seines Armeekorps
überweist. Sigel behauptet, dass die Diffe-
renzen unter den deutschen Brigadegene-
rälen die.se Auflösung der Division ..im In-
teresse des Dienstes" nothwendig gemacht
hätten. Jedoch hat Sigel, der erst e])en
vom Westen eingetroffen war, in dieser
Sache sicherlich voreilig gehandelt. Die
Differenzen der Generäle waren bereits im
Schwinden begriffen, und wenn das Inter-
esse des Dienstes eine Aenderung ver-
langte, so hätte man gewiss leichter einen
oder den anderen Brigadegeneral versetzen
können, anstatt die dcuische Division auf-
zulösen ! Dass ein Deutscher diese einzige
grössere deutsche Truppeneinheit aufge-
löst hat. ist doi)i)elt l)eklagenswerth. Die
HHMsten der deutschen Soldaten kamen
allerdings zu der neuen Division Schurz.
Aber diese war mit Regimentern anderen
Volksstannnes durchsetzt und deshalb nicht
mehr deutsch. Als Sigel das Corps über-
nahm, war Schurz bereits Divisionäi-. —
Die Auflösung der deutschen Division ist
uin .so mehr zu bedauern, als im Jahre 1863
eine Anzahl deutscher Regimenter ans dem
Westen (darunter 26. AVisc, 82. 111. und
107. Ohio) zur Potomac-Armee abkomman-
dirt wurden und so die ^Möglichkeit gegeben
wurde, doch noch ein deutsches Armeekorps
zu bilden. Nachdem aber die deutsche Di-
vision einmal verschwunden war, wurde es
unmöglich, eine noch grössere Einheit zu
schaffen.
Bull Run II.
Die eigentliche Kriegsgeschichte kann
auf dem hier zugemessenen Räume nicht
einmal angedeutet werden, und deshalb
DER DEUTSCHE SOLDAT TM BrERCERKRIEGE.
137
muss ich darauf verzichten, die besonders
rühnienswerthen P^inzeltliaten deutscher
Truppenkörper eing-ehend zu schildern,
denn solche Darlegun§ren würden ja nur
verständlich im Rahmen einer Kriegs-
gcscJnchtc. Was sich hier von den Thaten
imseres Volksstammes erzählen lässt. kön-
nen nur P^ragmente sein.
In dem grossen Halbinselfeldzuge gegen
Kichmond. April bis Ende Juli 1862. unter
]\IcClellan kamen nur wenige rein deutsche
Regimenter zur Geltung, obschon sicherlieh
10 Prozent der ]\IcClellan 'sehen Armee aus
geborenen Deutschen bestanden hat. Wich-
tiger ist das Eingreifen der Deutsehen im
Pope'schen Feldzuge. Juli und August '62.
Avelcher mit der zweiten Bull Run Schlacht
endete. Dabei führte Sigel das erste Corps,
welches gut zur Hälfte aus Deutschen be-
stand und noch alle Regimenter der alten
deutschen Division enthielt. In diesen
Kämpfen fielen die deutschen Brigade-
führer General Bohlen und Oberst Koltes.
Hier empfing Divisionär Schurz seine
Feuertaufe und bestand sie in glänzender
AVeise. Auch die deutschen Generäle
Stahel und Schimmelpfennig, die Briga-
diers Obersten von Gilsa. Kezyzanowsky.
Buschbeck traten hier ruhmvoll hervor. Der
deutsche Artillerieheld Hubert Delyrr, der
trotz seiner vielen von der gesammten Ge-
schichtsschreibung anerkannten Glanztha-
ten bis zum Ende des Krieges Captain blieb,
hat sich dort mit misterl)lichem Ruhme be-
deckt. — Dieser ganze Feldzug wurde je-
doch von der Oberführung derartig ver-
pfuscht, dass auch Bull Run IL (die
Schlacht fand auf demselben Gelände statt,
auf welchem das erste grössere Treffen der
Gegner ausgekämpft wurde) mit einer Nie-
derlage der Unicmstruppen endete. Es war
die einzige grosse Schlacht, an welcher
Sigel theilgenommen hat. Er hat sich hier
ehrenvoll ausgezeichnet, obschon er wäh-
renddes ganzen Feldzuges von Pope stark
behindert worden ist.
Durch einen Zufall entdeckt Sigel die
wahre Stellung des feindlichen Generals
Jackson und greift dessen doi>i)elte Ueber-
macht am Frühmorgen des 29. Juli (bei
Groveton und Sudley Springs) an. Von
fünf Uhr fi'üli bis zwei l'hr Nachmittags
haben Sigels schon vorher al)gehetzte Trup-
pen im Feuer gestanden und wirklich
Grosses geleistet. Namentlich Division
Schurz. dab(M die deutschen Regimenter 74
und 75 Pa., 54 und ^'>S N. Y.. wozu noch
aus der Reserve die deutschen Regimenter
29 und {)S N. Y. uiul 73 Pa. stie.s.sen (und
auch das irische Rg. 61. Ohio, sich glänzend
l)ewährte), hat sich mit Ruhm bedeckt. Sie
warf Jackson aus dessen günstiger Verthei-
digungsstellung hinter dcMu Eisenbahn-
damm heraus, und die Schurz 'sehe Brigade
Schinnnclpfennig drang sogar noch weiter
vor und besetzte die Farm Cushing. Der
Eisen])ahndannn wurde von den Schurz '-
sehen Truppen, trotz der wüthendstiMi An-
griffe Jacksons, bis zwei llir Nachmittags
behauptet, bis endlich die völlig erschöpften
und unter ]\Iunitionsmangel leidenden
Truppen von einer frischen Brigade abge-
löst wurden. — Auch die deutsche Brigade
Stahel (in Div. Schenck) hat sich auf einem
anderen Theile des Schlachtfelds vortreff-
lich geschlagen, fand aber nicht so Gelegen-
heit zur Auszeichnung, wie die Schurz '-
sehen Truppen. Die von dem tapferen
Koltes geführte deutsche Brigade von
Steinwehr wurde nach und nach Schurz zu
Hilfe geschickt. Am Nachmittage dessel-
ben Tages kämpften andere Truppen der
Pope 'sehen Armee, erlitten aber trotz
tapferen Verhaltens Niederlagen, weil sie
nicht rechtzeitig eingesetzt wurden.
In der nutzlosen Schlacht des folgenden
Tages hal)en sich Sigels deutsche Trupi)en
bei der Vertheidigung von Bets Hill und
Henry Hill Avieder glänzend bewährt. Sie
haben wesentlich dazu beigetragen, dass die
von der feindlichen Armee Longstreet's ge-
I)lante Umfa-ssung der Union.struppen miss-
glückte, und sie haben schliesslich noch den
Rückzug der völlig ge.schlagenen Pope'-
138
DER DEUTSCHE SOLDAT IM BUERO ERKRIEGE.
sehen Armee gedeekt. Hezüglieh Sitrels sei
noeh besdiulers hervor^chol)»!!. dass er an
diesen beiden Ta<ren vortrefflieh über seine
Ti-nppen dispunirt nnil die Probe anf sein
Führertab'nt j^ut bestanden hat. 8i«rels Ver-
luste betrugen ein Viertel seiner Mann-
seh aft.
In den dami folgenden Seldaehten von
Antietam und Frederieksburg traten die
deut.sehen Regimenter Sigels nieht in
Aktion. Doch haben in jenen Sehlaehteu
aueh manelie ganz- und halbdeutsehe Regi-
menter gekämpft, so unter Gen. Weber bei
Antietam namentlich das 20ste Turner-
Regiment von New York, aueh das Tte Reg.
de.s.selben Staates, die Artillerie des ^lajor
Arndt (gefallen), des Capt. Ilexamer und
des ^lajors von Kusserow. Bei Frederieks-
burg verlor das deut.sehe Tte X. Y. Reg.
unter Oberst von Sehach die Hälfte seines
Bestandes.
CHANCELLORSVILLE.
1., 2., 3., f. Mai 1863, östlicher Kriegsschauplatz.
Der neue Oberführer der Potomac-Armoe, Gene-
ral Hooker. will mit 125,000 Mann den conf. Gene-
ral Lee (61,500 Mann) aus dessen fester Stellung
von Marye's Hill (hinter Fredericksburg) heraus-
manöveriren und Lee in dem offenen Gelände
hinter Marye's Hill die Entscheidungsschlacht auf-
zwingen. Die Ausführung des Planes missglückt,
weil Hooker bei dem ersten Zusamment reifen mit
dem Feinde (1. Mai) in die Waldwildniss von
Chancellorsville zurückweicht und nun in der De-
fensive zu kämpfen hat. Die dreitägige Schlacht
kann hier nicht behandelt werden; uns?re Auf-
gabe kann nur in der Schilderung des entsetzlichen
Schicksals von Hooker 's elftem Armeekarps be-
stehen. Denn dieses Corps galt als das deutsche
Corps, obschon von den 11,500 Mann nur -1600
geborene Deutsche waren.
Das elfte Corps war wesentlich das Si-
gel'.sehe des Pope 'seilen Feldzuges von
1862. Gen. Stahel war abgegangen (zur
Kavallerie) ; hinzugekommen waren die
drei rein deutsehen Elite-Regimenter 82.
111. (Hecker), 26. AVise. aus Milwaukee und
]07. Ohio aus Cleveland. Aber Sigcl führte
das Corps nicht mehr. p]r hatte resignirt,
weil er sieh zurückgesetzt fühlte. Sigel
hatte in letzter Zeit eine sog. Graiid Divi-
sion l)efehligt (Corjjs 11 und 12). Die
Grand Divisions wuiden aljer aufgelöst, uiul
die frühere Eintlieilung in Armeekorj>s trat
wieder ein. Von den übrigen Führern der
Grand Divisions war Ilooker jetzt Oberge-
neral, Sumner war todt. Franklin hatte
frülier allgedankt. So war Sigel der Ein-
zige unter den vier Befehlshabern von
Grand Divisions, der in die neue Eintliei-
lung nicht hineiii]ias.ste. Lincoln konnte
für Sigel aber keine Ausnahmestellung
schaffen. So bot er ihm das elfte Armee-
korps (also im Wesentlichen Sigels früheres
Kommando) an. Aber Sigel liess seine
persönlichen Angelegenheiten Herr werden
über seinen Patriotismus.*) Er lehnte ab
und begab sieh damit in eine Art von
Selbstverbannung, welche ein ganzes Jahr
andauerte und Sigel die schönste Gelegen-
heit zur Auszeichnmig raubte. Je weniger
man über Sigels damaligen Rücktritt sagt,
desto besser. Er sell)st hat diese Thorheit
ja bitter genug bereut. Wie mag Sigel ge-
gen sich selbst gewettert haben, als er das
furchtbare Sehicksal seiner alten Kamera-
den erfahren hatte.
An Stelle Sigels trat der Teniperenzfana-
tiker und Kirchenmann 0. 0. Howard an
die Spitze des elften Corps. Als Schurz
diese Ernennung erfuhr, wollte er sich mit
seiner ganzen Division in ein anderes Corps
ver.setzen lassen, besann sich aber schliess-
lich eines Besseren. Howard war gewiss
kein Heuchler. Er war fromm aus innerer
Ueberzeugung, wie es ja viele amerikani-
sche Generäle waren. So der conf. Held
^) Anglo-amerikanische Generäle in weit höhe-
ren Stellungen, als Siegel sie bekleidet hat, handel-
ten ganz anders. Di<> ehemaligen Obcrgeueröle der
Potomac-Armee, McDowell, Burnside und Hooker,
wirkten, nach ihrer Absetzung, später als Corps-
führer und sahen nichts Schimpfliches darin. Auch
McClellan wäre nach seiner Absetzung als Olier-
general sicherlich mit einem wenitrer hohen Kom-
mando bedacht worden, wenn er nicht schon früh-
zeitig auf die demokratische Präsidentschafts-
Xomination für 186-1 hingearbeitet hätte.
DER DEUTSCHE SOLDAT IM BUERGERKRTFXtE.
139
Jackson, der stmulenlan^i: auf di'u Knieen
rang, ehe er in die Selilaeht zog ; so dessen
grosser Kamerad Lee und auch viele
Unionsgeneräle. Aber diese frommen Krie-
ger waren im Ilauptheruie Soldaten.
Howard aber war das nur imXchoibcrufe,
wie sich bald zeigen wird. In der amerika-
nischen Freiwilligen-Armee spielt die Per-
sönlichkeit eines früheren Führers eine
grosse Rolle. Die Deutschen im elften
Corps waren in der Schule der 48er Frei-
geister gewesen, und das sagt genug. ^lit
dem frommen Kirehenmanne Howard hät-
ten sie sieh wohl noch abgefunden, aber der
Temperenzler Howard war ihnen wider-
wärtig. Diese Stimmung steckte auch die
Irländer imd die Angloamerikaner im 11.
Corps an, und wenn General Howard die
Fronten abritt, öffnete sich kein Soldaten-
mund zum herzlichen Zurufe (Cheers) —
so sagt Schurz, Divisionär unter Howard,
und Schurz war doch immer dabei.
Howard brachte noch zwei Fremde in das
Corps. Gen. DeA^ens wurde Divisionär (ne-
ben Schurz und Steinwehr), imd Barlow
wurde Brigadier an Stelle eines mit dem
Corps verwachsenen Offiziers. Auch diese
Ernennungen machten böses Blut. Die
Elfer hassteu alle drei Neulinge, Howard,
Devens und Barlow (den Letzteren mit Un-
recht). Die Soldaten begriffen auch da-
mals nicht, dass Sigel aus freien Stücken
resignirt hatte. Sie betrachteten Howard
(mit Unrecht) als einen Eindringling. So
schwand bei den Soldaten des Corps das
Vertrauen in die Oberführung.
* * * *
Dieses elfte Corps bildete den äussersten
rechten Flügel der Hooker 'sehen Aufstel-
limg in der Waldwildniss von Chancellors-
ville. Es war weit auseinandergezogen,
weil die Wälder eine kompakte Aufstellung
verhinderten und der Train und die Vieh-
heerden viel von dem offenen Lande in
Anspruch nahmen. Die äusserste Spitze
bildete Division Devens, dessen Brigade von
Gilsa zur Hälfte im dichten Buschwalde
steckte. Hinter Devens stand Division
Schurz; auf der Hawkins Farm, mehr nach
Norden zu hinter Schurz: Division von
Steinwehr. Die meisten Regimenter stan-
den an der Landstrasse, welche das Gebiet
durchzieht. Die Front hatte das Corps
nach Süden gekehrt ; dahin waren auch die
wenigen Schanzwerke gerichtet, welche
man aufgeworfen hatte, und die Vorposten-
kette deckte ebenfalls die Südfront. Nur
Division Steinwehr hatte eine Anlehnung
an das benachbarte 12te Corps. Die meisten
Truppen Howards waren völlig isolirt.
General Jackson 's Kundschafter hatten
diese exponirte Stellung des 11. Corps er-
kannt, und Jackson erhielt von Gen. Lee die
Erlaubniss, mit 30,000 ^lann einen I'mge-
huugsmarsch anzutreten, der diese Trup-
pen in die ganz mibeschützte westliche
Flanke des 11. Corps bringen sollte. Früh-
morgens am 2. ^lai rückte Jackson zu diesem
]\Iarsche ab. Es war ein überaus kühnes Un-
ternehmen, denn die 61,000 Conföderirten
wurden dadurch in drei Haufen getheilt.
10,000 :\Iann blieben in Marye's Hill bei
Fredericksburg stehen, um das Unioncorps
Sedgwick zu beobachten. Lee selbst mit
21,000 ]ilann stand, etwa in der :\Iitte zwi-
schen Fredericksburg und Chancellorsville,
allein der viermal überlegenen Hooker 'sehen
Hauptmacht gegenüber, und Jaclcson's
30.000 :Mann marschirten. Dieser Marsch
wird von Hooker genau beobachtet. Man
konnte durch das Fernglas die conf. Regi-
menter zählen und genau erkennen, dass
Jackson nur Ambulanzen und ]\Iunitions-
wagen bei sich hatte. Zuerst glaubt Hooker
an eine L^mgehung und an eine vom Feinde
geplante Ueberrumpelung des 11. Corps.
Bald aber (von 10 Thr früh an) ist Hooker
der 2Ieinung, dass sich der Feind nach
Gordonville zurückziehen will. Nun aber
stand Lee doch noch (am Tabernacle) vor
Hooker 's Front! Lee musste sich durch
die Absendung eines Theils seiner Armee
geschwächt ha])en. AVas wäre nun natür-
licher gewesen, als dass sich Hooker 's un-
140
DER DEUTSCHE SOLDAT IM BUERGERKRIEGE.
geheure rebenunclit auf die 21.000 3Ianu
Lee 's gestürzt liättc' Al)er nichts clernr-
tiges geschieht. Dagegen geseliieht etwas
ganz Anderes. Ein grosser Theil der
Hooker 'sehen Armee wird gegen 11 l'hr am
2. Mai. als Jaekson schon einen Vorsprung
von fast fünf Stunden hat. diesem nadige-
sehickt. l^enutzt werden dazu die Trui>pen.
wciclie die Verbindung des abseits stehen-
den 11. Corps mit der Ilauptnuiclit bihlen,
Tbeih^ des ."?. und 12. Corps. So ist das ge-
fährdete 11. Corps um Mittag vollsfändig
isolirt, in ganz falscher Stellung im dicksten
Buschwalde. Aber das Vngla üblichste
passirt um 4 Chi' .\achmittags. Die Brigade
Barlow vom 11. Corps, 2,950 ]\Iann, die
einzige Heservc dieses Corps, wird eben-
falls al)komnmndirt und den Trui)pen.
welelie Jaek.son ,, verfolgen" sollen, beigege-
ben. Somit zählte das Ute Corps nur noch
8500 Mann, als Jackson 's 30.000 :\Iann über
dasselbe herfallen ! Ilooker's Dispositionen
waren genau so. als liabe er die Vernichtung
.seines rechten Flügels herbeiführen wollen.
Aber die Dummheiten des Oberführers
werden von Corpsfühi-er Howard und des-
sen Divisionär Devens womöglich noch
übertroffen. Von 11 l'hr an laufen von
den Vorposten bei Howard imd Devens
^Meldungen ein. dass starke feindliche
iMassen im Westen des 11. Corps auftreten.
IMajor Schieiter meldet, dass er die Kom-
mandos der feindlichen Offiziere gehört
habe. IMajor Rice schickt vier Boten nach-
einander mit ähnlichen ^Meldmigen, Oberst
Friend hat die Feinde selbst gesehen, Ge-
neral Schinnnelpfennig berichtet Aehnli-
ches, desgleichen Oberst Lee. Captain
Dilger reitet ins Vorderterrain und erhält
Feuer vom Feinde. Aber Corpsführer
Howard glaubt alles das nicht. Sein Freund
Devens, dessen Truppen den ersten Stoss
des Feindes aushalten müssen, schreit die
Offiziere, welche jene Meldungen bringen,
an und nennt sie Feiglinge! General
Schurz, der schon .seit dem frühen ^Morgen
wegen eines IVberfalls besorgt ist, bettelt
förndich bei seinem Chef Howard darum,
dass die Division Devens eingezogen werile
und dass sieh das ganze Corps auf dem
freien Felde der Hawkins Farm zur Ver-
theidigung. mit der Front nach Westen,
aufstellen möge. Es war nocli um 2 dir
Nachmittags Zeit genug dafür vorhanden.
Howard will nichts davon wissen. ..das
Dickicht im Westen könne keine Truppe
durchbrechen", meint Howard, und alles
l)lei])t beim Alten. Schurz erhält nur die
Erlaubniss, drei seiner Regimenter die
Fnmt wechseln zu lassen, so dass sie gegen
Westen zu forinii't werden. Auch Stein-
wehr befürchtet schon am ^lorgen Schlim-
mes. Er lässt seine Division Barlow Schan-
zen mit der Front nach Westen aufwerfen.
Aber als die Brigade Barlow um 4 Chi- al)-
konnnandirt wird, begleitet von Steinwehr
diesell)e auf Befehl Howards, denn Stein-
wehr kennt das Terrain. Auch Howard
selbst reitet mit, so dass weder der Corps-
führer noch der eine Divisionär bei ihren
Trui^pen sind, als der Ueberfall erfolgt.
Viele Stunden sind verflo.ssen, bis Jack-
son zum Sprunge bereit ist. Um 5.15 ]\Ii-
nuten bricht er los. überrennt v. Gilsas
Vorposten und die beiden von dessen Re-
gimentern, welche an der Strasse stehen.
Ln Walde kämpft Oberst von Gilsa mit den
beiden andern Regimentern seiner Brigade
etwa 10 ]\linuten lang. Dann droht ihm
T'mgehung, und er muss zurück. Die Ohio
Regimenter 75 und 25 nehmen v. Gilsa auf.
und ein weiterei- Widerstand wird Jackson
entgegengesetzt. Aber wieder wird der
tapfere Haufen umgangen imd muss
zurück.
Die meisten ünionsregimenter standen an
der Chaussee, alle mit verkehrter Front.
Links und rechts von der Chaussee dichter
Wald. Nur auf der Strasse können sich
die Truppen formiren. Aber eine ]\Iasse
von Nichtkombattanten, Trainsoldaten mit
Wagen, Viehtreiber, ^lusikbanden und
Tross Hüchten die schmale Strasse entlang,
durchbrechen die sich aufstellenden Regi-
DER DEUTSCHE SOLDAT IM BUERGERKRIEGE.
14L
menter, und eine entsetzliehe Konfusion
tritt ein. Von allen Seiten feuert der Feind
in die wirren Haufen auf der Strasse. In-
nerhalb 15 ^Minuten ist die ganze Division
Devens auf der Flucht.
Hinter Devens stand Schurz. Auf dieje-
nigen seiner Regimenter, die sich in Eile
jetzt formiren (61. Ohio und 75. Pa.) stür-
men die Devens 'sehen Flüchtlinge los,
durchbrechen Schurz' Reihen und reissen
Viele mit. Die meisten Schurz 'sehen
Regimenter stehen aber nördlich von
der Strasse auf Hawkins' Felde. Hier
hält Schurz fünfzehn ^Minuten Stand.
Schrecklich sind seine Verluste. Oberst
Peisner wird erschossen, Oberst Hecker
verwundet, dessen ]\Iajor Roishausen
schwer. Das 26ste Wisconsin Regiment,
lauter Deutsche aus ]\Iihvaukee, blutet
furchtbar, ebenfalls Hecker 's 82. 111. sowie
das 82. Ohio imd das 119. und 56. N. Y.
Bald rückt der Feind auch von Norden
gegen Schurz, und dieser muss zurück, oder
wird umzingelt. Er fällt in die von Bri-
gade Barlow aufgeworfenen Schanzen zu-
rück. Wenn nur die 2950 ]\Iann Barlows
noch dort gestanden hätten ! ! Aber sie
waren anderthalb Stunden früher abkom-
mandirt worden !
Die zweite Brigade Steinwehrs unter
Buschbeck, 27. und 73. Pa., 129. imd 157.
New York, drei deutsche und ein anglo-
amerikanisches Regiment, stand in süd-
wärts gekehrten Schanzen südlich der
Strasse auf Doudall's Farm. Diese Brigade
wurde von der Panik nicht beeinflusst.
Buschbeck, der eigentliche Held von Chan-
eellorsville, sieht sofort, dass ihm seine
Schanzen gegen einen vom Westen vor-
dringenden Feind nichts nützen. So zieht
er in die nach Westen gerichteten sog. Bar-
low'sehen Schanzen, welche auch über die
Strasse hinwegführen, und trifft dort mit
den ebenfalls dahin geflüchteten Resten der
Division Schurz zusammen. Hier hat
Buschbeck (mit Schurz) den Feind drei-
viertel Stunden aufgehalten und hat einen
völlig geordneten Rückzug angetreten, als
ihm iiiclit nur von Norden, sondern auch
von Südwesten Umfassung drohte. Die
conf. Brigaden Ramseur und Colquit,
welche vom Südwesten aus vordrangen,
hatten sich um eine Stunde verspätet und
rückten erst um 7 Uhr gegen Busehbeck
vor. Hätte jene Verspätimg nicht stattge-
funden, so wären diese beiden conf. Briga-
den direkt auf die Schurz 'sehe Stellung ge-
troffen und hätten Schurz 's Truppen in
der Flanke gehabt.
Bald nach Buschbeck 's Rückzug kommt
der ganze Jackson 'sehe Angriff zum Ste-
hen. Die Conföderirten Avaren erschöpft.
Seit 4 Uhr früh waren sie unterwegs. Der
lange Anmarsch (15 Meilen), das Durch-
schreiten des Dickichts, dann der fast zwei-
stündige Kampf hatten die Leute ver-
braucht. Es i.st nicht wahr, dass Jackson
durch den Angriff der Unions-Division
Berry zum Halten gebracht wurde. Berry
kam kaum auf 800 Yards an die Spitzen
des Feindes heran. Das elfte Corps hat
nicht die geringste Unterstützung erhalten.
Es hat ganz allein gekämpft, imd glorreich
hat es gekämpft. Und ein Zufall wollte es,
dass wesentlich die deutschen Theile des
Corps den Kampf führen mussten. Von
den 8500 ]\Iann wurden während knapp
zwei Stunden 1500 getödtet oder verwun-
det, nur 1100 Mann wurden gefangen.
Buschbeck 's Widerstand war eine der
glänzendsten Einzelthaten des Bürgerkrie-
ges. Busehbeck hatte nur eine einzige Ka-
none, diese aber wurde von Held Dilger be-
dient. Die Artillerie konnte in diesen Wäl-
dern wenig nützen und wurde bis auf Dil-
gers Geschütz zurückgeschickt.
Die Deutschen als Suendenboecke.
Am 3. j\Iai wurde die grosse Armee
Hooker 's von Lee 's weit geringerer Macht
auf's Haupt geschlagen und am 4. ]\Iai
erlitt Hooker 's Corps Sedgewick, welches
Lee von Fredericksburg aus in den Rücken
fallen sollte, (30,000 ]\Iann) eine schreckli-
142
DER DEUTSCHE SOLDAT IM HrERGEHKRIEGE.
ehe XifdiTiag-f. liul iiiiclulcni dies Alli-s «re-
sehehen war. behaiiptt'ti' die Westpoiuti*r
Clique (Generäle Hooker. Haneoek. Siek-
Ics. AVari'fii u. s. \v. ). dii /)<u1>iche}i Jtäftrn
die ganze Niederlage rerschuhlct!.'*) lud
diese un«reheijre Lü^'e. welehe erfunden
wurde, lun die rnfälii«rkeit dci- Westpoin-
ter Offiziere zu versehleiern. wurde im
ganzen Lande geglaubt. Weil 8500 in un-
günstip:ster "Weise aufgestellte, vollständig
isolirte Soldaten die ]>lötzlieh über sie her-
*) Es ist ekelhaft, auf diese Beschuldigungen
einzugehen. Die Soldaten der übritren Corps (na-
mentlich des Sickles "sehen dritten) vorhöhnten
ihre unglücklichen Kameraden vom elften. Ober-
general Hooker wollte das Corps auflösen und
wurde nur durch politische Gründe daran verhin-
dert. Nach vielen Jahren behauptete er noch, die
Deutschen seien wie eine Heerde Büffel davonge-
rannt. An Lincoln berichtete Hooker sofort nach
der bchlacht, er würde gesiegt haben, wenn ihn
das elfte Corps nicht im Stiche gelassen hätte.
Corpsführer Howard, neben Hooker der nächste
Schuldige, gestand in einem Kriegfsrathe am 4.
Mai zu, sein Corps habe sich „schlecht benom-
men". Die Presse wüthete gegen die Deutschen
in schandhafter Weise. Einige Blätter forderten,
dass man die Ueberlebenden des Corps todt-
schiessen solle! Horace Greeley meinte, man
solle das Corps „decimiren ' '. In seiner Kriegsge-
schichte „The American Conflict", erschienen
1877, hcisst es, die Division Schurz habe sich
schon zurückgezogen („perhaps fled is the apter
Word"), ehe der Feind in Sicht war (und gerade
Schurz kämpfte fünfzehn Minuten auf dem
Hawkins-Felde und dann noch dreiviertel Stunden
neben Buschbeck). In den zahllosen Regimentsge-
schichten wimmeln die greulichsten Lügen über
die Deutschen bei Chancellorsville. und in vielen
Leitfäden, welche beim Geschichtsunterrichte be-
nutzt werden, stehen heute noch ähnliche Märchen.
Erst später finden sich anglo-amerikanische Ge-
schichtsschreiber, welche die Anschuldigungen ge-
gen die Deutschen zurückweisen und die wahren
Schuldigen, Hooker, Howard und Devens, nennen.
So Doubleday (Scribners Sammlung), Bates,
Dodge, Underwood, am besten und gründlichsten
Augustus C. Hamlin, ehemals Medical Inspector
des 11. Corps und ein Neffe des Vizepräsidenten
Hamlin von Maine. Diese Schriften, vornehm-
lich Hamlin 's Werk, erschienen 1896, auf welches
sich auch Schurz in seinen Memoiren am meisten
stützt, sind hier benutzt worden, neben vielen Pri-
vatmittheilungen von Veteranen an den Verfasser.
fallciidni :j().(l()() .Mann Jacksons niclit zu-
i-üekgesehlagen haben, deshalb sollte der
ilreifägige Kaini»f von Chaneellorsville ver-
loi'en worden sein! Die Sehlaeht vom 2.
.Mai war ein Einzelkaiiipf des elften Corps.
Die ungeheuren Niederlagen des .'1 und 4.
^lai hatten mit jeiHMii Einzelkampfe gar
nichts zu thun. Auch die preussisehe Garde
hätte zurück müssen, weini sie, in ähnlieh
tölpelhafter Weise aufgestellt, von einer
fast vierfachen Cebernuicht ])l()tzlieh ange-
fallen worden wäre. Eine Armee von
Löwen wird gesehlagen, wenn Esel ihre
Führer sind. — Der einzige Erfolg der
Union bei Chaneellorsville war der Tod des
conf. Generals StonewaU Jackson, nächst
Lee der beste Führer des Feindes. Aber
Jackson wurde am Abende des 2. Mai von
seinen eigenen Truppen verwundet, welehe
ihn in der Dunkelheit mit einem Unionsof-
fizier verwechselt hatten.
Vom elften Corps waren am Abende des
2. ]\Iai völlig intakt: Brigade Barlow (die
nicht am Kampfe Theil genommen hatte),
Brigade Buschbeck, trotz der furchtbaren
Verluste noch über 1000 ]\Iann stark, und
über die Hälfte der Division Schurz, von
ihrem Führer noch während des Abends
reorganisirt. Das Corps hätte am 3. Mai
wieder mit gegen 7000 ]\Iann an der
Sehlacht theilnehmen können, denn auch
starke Reste der Division Devens waren
wieder geordnet. Aber sie wurden nicht
mehr verwendet. Ebenfalls kamen die
Corps I und V nicht zum Schlagen. Hooker
konnte sich nicht entschliessen, seine Re-
serven einzusetzen (ein Fehler, der den
meisten Westpointern eigen ist), und so
mussten gegen 42,000 Unionstruppen der
Vernichtung ihrer Kameraden am 3. und 4.
Mai (abgesehen von einer Division des
Corps V) zusehen, ohne einen Schuss ab-
zufeuern. Diese Zaghaftigkeit im Ein-
setzen der Reserven ist neben den geschil-
derten Fehlern der Oberführung die Ur-
sache der Niederlage gewesen.
DER DEUTSCHE SOLDAT IM BUERGERKRIEGE.
143
GETTYSBURG.
Kurzo Skizze.
1., 2., 3. Juli ISii.s. Lee ist zum zweiton ^lalc,
mit SO. 000 Mann, nach Maryland und Pennsylva-
nien vorgestossen, um woniöirlieh riiiladelplüa zu
erobern, und im Besitze dieser Stadt den Xorden
zur Anerkennung der Conföderation und zum
Frieden zu zwingen. Ihm tritt mii 100,000
Unionstruppen der neue Uberü;eneral Meade (an
Stelle des abgesetzten Hooker) entgegen. — Get-
tysburg (das alte deutsche Götzburg) liegt in
Süd-Pennsylvanien, hart an der ^larylander
Grenze. Wichtiger Strassenkreuzungspunkt. Lee
will dort sein stark zerstreutes Heer sammeln.
Auch Meade will sieh den wichtigen Platz sichern.
So streben beide Heere .ienem Orte zu und zwar
ohne zu wissen, dass der Gegner die gleiche Ab-
sicht hat. Gettysburg wird eine weder von Lee
noch von Meade gesuchte Begegnungssclüacht. Die
wichtigste Position dieses Feldes, der einer Fisch-
angel ähnelnde langgezogene Rücken des Fried-
hof shügels (direkt hinter der Stadt Gettysburg)
liegt aber der Anmarschlinie der Union günstiger
und wird auf Anrathen des deutschen Generals von
Steinicehr besetzt. Auf diesem Höhenzuge sam-
melt sich nach und nach das ganze Heer Meade 's,
findet dort eine wunderbare Vertheidigungsstel-
lung und zwingt Lee zum Angriffe auf dieselbe. —
Lee hätte den Hügel am Abend des 1. Mai leicht
stürmen können, aber sein Unterführer Ewell ver-
sagte. Letzterer wollte seine übermüdeten
Truppen schonen. Das Glück ist der L^^nion in die-
sen kritischen Tagen ausserordentlich günstig ge-
wesen. — Am 1. und am Morgen des 2. Juli be-
sitzt Lee eine L'ebermacht, denn der Aufmarsch
der Conföderirten vollzieht sich rascher, als derje-
nige der Gegner. — L^^eber Gettysburg sind Bände
geschrieben worden. Wir werden die grosse Nie-
derlage der Conföderirten hier in wenige Sätze
zusammendrängen.
1. Juli Frühmorgens trifft Reiterdivision
Buford westlich von G. auf die sorglos an-
marschierenden Spitzen Lee 's. Ein hinhal-
tendes Gefecht entspinnt sich. Niemand
ahnt, dass es der Anfang der grössten Feld-
sehlaeht des Bürgerkrieges ist. 10i/> Uhr
trifft Unionscorps I ein. Der Kampf wird
ernsthafter. Unionsgeneral Reynolds fällt,
die conf. Brigade Archer wird gefangen.
1214 Uhr treffen die im Eilmarsch an-
rückenden Truppen des 11. Corps ein. Aber
nur zwei Divisionen desselben gehen neben
Corps I in die Schlacht. Division v. Stein-
wehr l)leil)t auf dem Friedhofshügel in Re-
serve. Gen. Howard ül)eniimiiit an Rey-
nolds' Stelle die Ül)erfülirung. Schurz
führt das elfte. l)oul)le(lay das ei-ste Corps,
Scliurz's zwei Divisionen ( Scjiimmclpfen-
nig und Barlow) zählen 60(K) ^lann. Si-hurz
steht im freien Felde ohne jede Deckung.
Durch das Ungestüm Barlow 's wird dessen
Division viel zu weit vorgeschoben. Es
entstehen Lücken in der Unionslinie, aber
durch das treffliche Schiessen der Batterie
Dilger wird der Feind stark zurückgehal-
ten. Doch hat derselbe um 2 LThr schon
30.000 :\[ann gegen die 16.000 Unionstrup-
pen in Stellung, und stündlich treffen neue
Divisionen des Feindes ein.
Den aussichtslosen Kami)f hätte ein er-
fahrener Oberführer schon um 2 Uhr ab-
gebrochen. Aber Howard lässt seine Sol-
daten stehen. Schurz 's Truppen konnnen
dem Feinde so nahe, dass sich die Geg-
ner in die Augen sehen können. Erst um
4 Uhr erfolgt der Rückzug. Dieser wird
bei einigen Regimentern zur Flucht. Li
den Strassen von Gettysburg werden viele
von Schurz 's Truppen gefangen. Der
durch einen Kolbenschlag betäubte General
Schimmelpfennig entgeht wie durch ein
Wunder diesem Schicksal.
Von Steinwehr nimmt auf dem Fried-
hofshügel die Reste der beiden Corps auf.
Auch das erste Corps hat stark gelitten und
heldenmüthig gekämpft. Furchtbar bange
Stunden folgen. Wenn jetzt der Feind
stürmen würde! Ewells Truppen stehen
ja in der Stadt, unmittelbar unter den auf
der niedrigen Anhöhe postirten Trünunern
der beiden Corps. Aber Ewell rührt sieh
nicht (ganz gegen den Wunsch Lee 's). In
der Abenddänunerung trifft dann das XII.
Unionscorps bei den Kameraden vom I.
und XI. Corps ein, und die Gefahr ist
überstanden.
2. Juli Morgens. Lee hat noch innner
eine starke I\^berlegenheit. aber nützt die-
selbe zu spät aus, oder vielmehr der zum
Angriff befohlene Gen. Longstreet zögert
144
DER DEUTSCHE SOLDAT IM BUERGERKRIEGE.
mehrere Stumlen mit der Aust'ülinm^ des
Befehls. So entwiekehi sieh die fiir^-ht ba-
ren Kämpfe im AVeizenfelde, Pfirsieh-
Garten. in der ..Teufelshöhle" und am
Little Round Top (linker Flü^'el der
Unionsstellunfr) erst pegen 5 Ihr Xaehmit-
tags. Jetzt hat Meade den grösseren Theil
seines Heeres herangebraeht und kann den
Punkten, wo Longstreet angreift, starke
Reserven zusenden. Der Angriff seheitert
unter nngelieuren Opfern auf beiden Sei-
ten. Aueh ein Angriff auf den Friedhofs-
hügel und benaehbarteu Culp-Hügel (eonf.
Corps Ewell) wird von Corps XI, XII und
I abgesehlagen. Dabei haben sieh die
deutsehen Regimenter unter Schurz und
Steinwehr vorzüglich gehalten.
3. Juli. Naeh einem furchtbaren Artil-
leriekampfe führt Lee seine Sturmhaufen
(an der Spitze die eben eingetroffene Elite-
Divisi(m Pickett) zum Hauptangrilfe auf
das Centrum der Cemetery Ridge vor. Dies
ist wohl der kritischste Augenblick des gan-
zen Bürgerkrieges gewesen. Die Stürmen-
den, welche zunächst eine Ebene von II/2
jNIeilen Breite durehlaufen müssen, gelan-
gen liis in die Brustwehren der Yertheidi-
ger, werden aber unter ungeheuren Ver-
lusten abgeschmettert. Damit ist die grösste
Feldschlacht des Bürgerkriegs entschieden.
p]s gelingt Lee, ohne nenneswerthe Ver-
folgung über den noch dazu hochgeschwol-
lenen Potomac zu entkommen. Verluste
der Union: 2,834 Todte, 13,709 Verwun-
dete, 6,643 Vermisste. Conföderirte : 2,665
Todte, 12,599 Verwundete, 7,464 Ver-
misste. Doch .ist letztere Angabe wahr-
scheinlich zu niedrig. Die Conföderirten
haben ungefähr 30 Prozent, die ünions-
kämpfer 25 Prozent ihrer Mannschaft ver-
loren.
IM WESTEN.
Skizze. — Der Krieg im Westen war zunächst
auf Sicherung von Missouri und Kentucky ge-
richtet. Alsdann galt es, den Mississippi für die
Union zu gewinnen. Die Stundung wurde von
Farragut durch einen überaus kühnen Handstreich
der Flotte genommen, und schon Anfang Mai war
New Orleans in den Händen des Unionsgenerals
Butler. Von ähnlichem Glück war die Eroberung
des Stromgebietes in der Gegend der Ohio-Mün-
dung begünstigt. Columbus, Kv.. das eonf.
,.(Jil>raltar des Westens", musste geräumt werden.
Island Nr. 10 wurde erobert, dann fielen rasch
Memphis und Cairo. Die Kanonenbootflotte ging
auf den Tennessee- und ("umberland-FIüssen vor.
Fort Henry fiel und bald darauf nach heissem
Kampfe unter Grant das starke Fort Donelson be-
reits am 16. Februar. Die erste gros.sc Schlacht
des Krieges wurde am 6. und 7. April 1862 bei
l'ittsburg Landing (Shiloh) geschlagen und, nach
herben Misserfolgen, infolge des ^Eingreifens des
General Bück für die Union gewonnen. Es folg-
ten die Kämpfe um Corinth, die grossen Schlach-
ten von Perryville und Murfreesboro. Trotz
mancher Rückschläge war ein stetes Vordringen in
Tennessee bemerkbar. Am 4. Juli '63 kapitulirt
Vicksburg und damit ist der Mississippi völlig in
den Händen der Union. Die westlich des Flusses
gelegenen Theile von Louisiana, ferner Texas und
Arkansas, sind vom Hauptsitze der Rebellion abge-
trennt. Die Union drängte nun ostwärts in Ten-
nessee vor. Trotz der furchtbaren Niederlage von
Chickamauga (18.— 21. Sept. '63) wird das Ziel
erreicht : Chattanooga wird nach den Unionssie-
gen von Lookout Mountain und Missionary
Ridge (24. und 25. November '63) erobert, und
Knoxville wird entsetzt. Jetzt ist Tennessee ganz
in den Händen der Union (spätere Kämpfe bei
Franklin and Nashville Mitte Dezember 1864), und
S]ierman beginnt Anfang Mai 1864 seinen welt-
berühmten Feldzug gegen Georgia, erobert At-
lanta, marschirt nach Savannah an der atlanti-
schen Küste, und von dort (Januar bis April '65)
durch Süd- und Nord-Carolina, um Grant vor
Richmond die Hand zu reichen. Ehe Letzteres
eintritt, kapitulirt Lee bei Appomatox Courthonse,
(9. April '65), und damit ist der Krieg that-
sächlich beendet. — Der westliche Krieg ist eine
Umfassungsmassregel grossen Stils gewesen. Vom
Westen aus wurde die Conföderation in zwei
Stücke gespalten und so eines wesentlichen Theils
ihrer Hilfsquellen beraubt. Ein durch vier Jahre
sich hinziehendes Vorwärtsdrängen ist dieser west-
liche Krieg, dessen Schauplatz so gross ist wie
Deutschland, Frankreich und Oesterreich zusam-
mengenommen. Vom Westen aus wurde die Con-
föderation immer mehr eingeschnürt, immer mehr
nach Osten zurückgedrängt. Wesentlich ist an
diesen Siegen die Flotte betheiligt gewesen, deren
Wirken im Bürgerkriege überhaupt eine weit
grössere Bedeutung besitzt, als meistens zuge-
standen wird.
An diesen Erfolgen im Westen ist unser
Volksstamm ausserordentlich stark bethei-
DER DEUTSCHE SOLDAT IM BUERGERKRIEGE.
145
ligt gewesen. Aber es ist ganz iinniöglich,
diesen Antheil im Einzelnen nachzuweisen,
denn gerade in den westlichen Heeren war
die Zerstreuung der Deutschen unter den
Soldaten anderer Volksstännue besonders
stark. Nur eine (fast) deutsehe l^rigade
(die alte Osterhaus 'sehe unter Wangelin)
trat im Westen auf. Allerdings gab es viele
deutsche Regimenter auch im Westen, aber
Recriments-Einheiten sind zu klein, um
Der deutsche General Schöpf hielt sich
lange am Cumberland Flusse gegen eine
grosse Uebermacht des conf. Generals Zol-
likofer (schweizerischer Abstammung).
Schöpf wurde daini durch General Thomas
verstärkt und Thomas, der Held von
Chickamauga, übernahm die Führung. Am
19. Januar 1862 entwickelte sich die
Schlacht von Mill Springs, Ky. Zollikofer
wurde auf's Haupt geschlagen, er selbst er-
ANGRIFF DES 9. OHIOER REGIMENT BEI MILL SPRING
Entscheidimgen zu bringen. Einzelne Er-
folge der Deutschen gleich im Anfange des
Feldzugs traten jedoch sehr hervor. Eine
der ersten Siegesnachrichten war der
Kampf von Theilen des Willich 'sehen 32.
Ind. Regiments, unter von Trebra, bei
Mumfordsville, Ky., am 17. Dez. '61. Der-
selbe endete mit dem Zurückwerfen einer
fünffachen Uebermacht von 2000 texani-
schen Reitern. Hier zeigte sich zum ersten
Male der Werth gründlich ausgehüdeter
Truppen. Das Gefecht war nur klein,
aber seine Folgen waren gross, denn durch
den Sieg der Deutschen wurde die Brücke
über den Greene River, Ky., gesichert, über
welche das Nordheer marschiren niusste.
Ein grösserer, wesentlich deutscher Sieg
erfolgte bald darauf:
schössen, seine grosse Uebermacht zer-
sprengt. (Man nennt diese Schlacht „das
westliche Bull Run".) Errungen wurde
dieser Sieg durch einen ungemein mächti-
gen Bajonettangriff des 9ten deutschen
Ohio Reg. (Turner von Cincinnati), imter-
stützt vom 2ten ]\Iinn. Reg., welches zu
einem Drittel deutsch war. Willich war
auch der Exerziermeister des 9ten Ohio
Reg. gewesen.
Beim Sturm auf Fort Donelson sind meh-
rere deutsche und halbdeutsehe Regimenter
betheiligt gewesen, bei Shiloh ist deutsches
Blut in Strömen geflossen. Hier erlitt das
43ste 111. Reg., bestehend aus den Nachkom-
men der deutschen ..Lateiner" in Belle-
ville, furchtbare Verluste. Hier fiel der
deutsche Brigadier Raith, sowie Oberst
146
DER DEUTSCHE SOLDAT TM BUERGERKRIEGE.
Gerber, hier luaehte das 32ste Ind. Reg.
unter AVillii-irs Führung? einen Angriff,
der in allen Kriegsgesehiehten als eine echte
Heldenthat «rerülunt wird. Auch in den
Kämpfen um C'orinth (wo sieh der deutsehe
Ingenieur Oberst von Sehrader glänzend
auszeichnete), bei Perryville und ^lurfrees-
boro (wo Brigadier Schäfer fiel und Gen.
AVillich abgeschnitten und gefangen, aber
bald ausgewechselt wurde) haben die deut-
sehen Kegimenter mit grosser Bravour ge-
kämpft.
General Osfcr1ia)(s. der nach seinen
Kämpfen in Missouri lange den undankba-
ren Dien.st im westlichen Arkansas hatte,
tritt in den Kämpfen um Vicksburg sehr in
den Vordergrund. Kr führt ein selbst-
•ständiges Komuumdo am Black River und
lö.st die Aufgabe, eine Verproviantirung
der Festung zu verhindern, in glänzender
"Weise. Seine Division Wangelin gehört zu
den Truppen, welche bei den unglücklichen
Stürnu^n auf Vicksburg am weitesten vor-
drangen und am meisten zu leiden hatten.
Bei Chickamauga hat sich das 9. Ohio
Reg. so glänzend ausgezeichnet, dass Gene-
ral Thomas dasselbe als einziges unter allen
seinen Regimentern besonders belobt. Die
Neuner eroberten eine vom Feinde genom-
mene Unionsbatterie zurück und gaben
gleich darauf den Ausschlag beim Zurück-
weisen eines conf. Angriffs auf die Bri-
gade, zu welcher dieses deutsche Regiment
gehih-te. Es verlor aus 500 ]Mann elf Offi-
ziere und 237 Mann an Todten und Ver-
wundeten, die stärksten Verluste unter
allen Regimentern. Auch das lote schwei-
zerisch-deutsche Regiment von ^Missouri hat
sich unter Conrad hier glänzend geschlagen.
"SVillich's Brigade hatte furchtbar gelitten,
aber sie musste noch den Rückzug der gan-
zen Thomas 'sehen Armee decken. — Die
Hälfte der Osterhaus 'sehen Truppen,
welche den Lookout Berg stürmten, waren
Deutsche (^Mittheilung von Osterhaus an
den Verfasser), und ausserordentlich stark
waren unsere Landsleute bei dem Sturme
auf ]\Ii.ssionary Ridge betheiligt. (Siehe
unter AVillich.)
Infolge eines Zufalles trafen auf den
Schlachtfeldern um Chattanooga mehrere
der berühmtesten deutschen Offiziere der
Potomnc-Armee mit ihren deutschen Ka-
meraden von der westlichen Armee zusam-
men. Wir finden hier Schurz, Buschbeck,
Stein wehr. Krzyzanowski und Hecker von
der Polomac- Armee und Osterhaus, Wan-
gelin, AVillich, Laibold, Conrad mid Andere
von den westlichen Heeren, allerdings in
verschiedenen Corps wirkend. Auch meh-
rere der deutschen Elite-Regimenter beider
Unionsheere betheiligten sich an den ruhm-
vollen Sehlachten. Das 45. N. Y. unter
]Ma.jor Koch, das 26. Wisconsin Regt, unter
Winkler, Hecker 's 82. Illinois Regt., die
75er Pennsylvanier unter Ledig, das 58. N.
Y. unter Isenbach. das 68. X. Y. unter v.
Steinhausen. Buschbeck 's altes Regiiu ■ jt
Xo. 27, Pa., unter Riedt, das 37. Ohio uriter
Siber, dazu Wiedrich's Batterie aus Buf-
falo und natürlich Dilger's Batterie "J",
leichte Ohio Artillerie (die war stets dabei,
wo es zu kämpfen galt.) sowie die Ohioer
Batterie ..K" aus Dayton (Capt. Sahm) —
kämpften hier vereint mit der alten Oster-
haus'.sehen Brigade (3., 12. und 17. Mo.
und 44. 0.) ; dem 2. und 15. Mo. Regt., mit
Kämmerling's 9. Ohio imd mit Erdelmey-
er's 32. Ind. Regt. Ausserdem waren an
diesen Kämpfen viele halbdeutsche Regi-
menter betheiligt, welche ich hier nicht auf-
führen kann. W^ahrscheinlich haben die
Truppen, welche die glänzenden Siege am
Lookout-Berge mid bei Missionary Ridge
errangen, zu fast einem Drittel aus Deut-
schen und aus Deutschnachkommen be-
standen. Schurz befehligte hier mehr nicht-
deutsche, als deutsche Regimenter, und in
der ganzen Division Steinwehr befand sich
nur noch ein rein deutsches Regiment (das
27. Pa.)
An dem Sherman 'sehen Marsche durch
Georgia w^aren die meisten der oben ge-
nannten Regimenter betheiligt, einige wur-
DER DEUTSCHE SOLDAT IM BUERGERKKIEGE.
147
den mit der Thomas 'sehen Armee nach
Tennessee zurückgeschickt und haben bei
den Orten Franklin und Nashville ge-
kämpft. Bei vielen Kegimentern ist die
Dienstzeit abgelaufen. Diejenigen Vete-
ranen, welche weiter dienen, treten in neue
Regimenter; auch sind die Divisions- und
Brigade- Verbände verändert, so dass man
viele Details beibringen müsste, um zu sa-
gen, wo die alten deutschen Kampfgenossen
jetzt stehen. Doch findet man sie meistens
im 15ten Corps (welches Osterhaus von
Atlanta ab führte) und im 20sten Corps,
das aus der Verschmelzung der beiden
Corps XI und XII entstanden ist. Beson-
ders ausgezeichnet haben sich wiederholt
die ]\[issourier Brigade unter Wangelin.
ferner die INIilwaukeer Deutschen (26.
Wisc.) imter Winkler und die 81er 111.
unter Oberst Edward Salomon (kein Veb
wandter der vier Brüder Salomon). In
den Kämpfen am Keseuaw Berge und in
den Entscheidungsschlachten von Peach-
tree Creek und Atlanta haben diese deut-
schen Truppen vortreffllich gekämpft, aber
auch entsetzliche Verluste erlitten. Für
weitere Einzelheiten fehlt es hier leider an
Eaum.
Von den deutschen Heerfuehrern.
Die Zahl der deutschgeborenen General-
stabsoffiziere betrug dreihundertunddrei-
undsechzig. Von diesen erreichten sechs
den höchsten Rang in der Freiwilligen-
Armee: Osterhaus, Sigel, Schurz, Stahel,
Weitzel imd Kautz wurden Generalmajore ;
drei andere : Willich, von Steinwehr und
Friedrich Salomon erhielten den Titel Ge-
neralmajor. Dazu siebenundachtzig deutsch-
geborene Brigadegeneräle, einschliesslich
derjenigen Obersten, welche diesen Rang
nur als Kompliment erhielten.
Der bedeutendste deutsche Heerführer
ist Peter Joseph Osterhaus gewesen. 1823 in
Koblenz geboren, lebt er noch in voller Rüs-
tigkeit in Duisburg. Er diente von der Pike
auf, kämpfte vmunterbrochen über vier
Jahre bis zum Frieden. Betheiligt an
vuruiichlre issig Schlachten: Als Major bei
"Wilson Creek, ]\Io., als 01)erst mid Briga-
dier bei Pea Ridge, Ark., dann als Divisio-
när auf einem undankbaren und gefährli-
chen Posten in Arkansas, stets mit grosser
Auszeichnung kämpfend. Hervorragend
betheiligt bei Vicksburg, wo er (am Black
River) ein wichtiges selb.stständiges Kom-
mando hatte, ferner bei den Stürmen auf
GENERAL-MAJOR OSTERHAUS IM 84. LEBENSJAHRE.
Vicksburg. Sodann der glänzende Sieg
am Lookout-Berg, Verfolgung des Feindes,
Kämpfe bei IMissionary Ridge und na-
mentlich bei Ringgold, Ga. — Marsch
durch Georgia. 0. führt das 15te Armee-
korps von Atlanta nach Savannah. Zuletzt
Generalstabschef des Gen. Canby in Mo-
bile. Osterhaus konnte Aveder politischen
noch deutschvolklichen Einfluss geltend
machen. Sein Aufrücken ist ausschliesslich
die Folge eignen Verdienstes. ]\Iannhardt
148
DER DEUTSCHE SOLDAT INf BUERGERKRIEGE.
behauptet, dass der Feind iliiii den Eliren-
titel des amerikanischen Bayard, des Rit-
ters ohne Furcht und Tadel, gegeben habe.
Damit ist Osterliaus am irlücklichsten ge-
schiklert.
Franz Sifjcl ist derjenige deutselie ]\Iili-
täi". der sdion im ei-stcn Kriegsjalire Gene-
ralma.joi- und gkMch (hu-auf Corpstuhrer
wird. Ijctzteres wesentlich auf Grund
seines cnf schiede iku Auftretens in der
Sehlacht von Pea Ridge, Ark. Am 1. Juli
'62 wird Sigel Nachfolger Fremout's und
Führer des 1. Corps der Pope 'sehen Poto-
mac-Armee. Leitet die zweite Bull Rim
Schlacht ein (29. Juli), wobei sich nament-
lich seine Division Schurz glänzend aus-
zeichnet. Sigels Führung an diesem 'Mor-
gen (5 Uhr früh bis 2 Uhr Nachm.) wird
mit Recht gerühmt. Auch am folgenden
Tage (30. Juli) schlugen sich seine Trup-
pen mit grosser Ausz<Mchnung bei der Yer-
theidigung von I^old Hill und Henry Hill
luid deckten dann den Rückzug der Pope'-
scheu Armee. Pea Ridge mid Bull Run II
waren die beiden Glanztage in Sigels Lauf-
bahn, dazu der sehr gut durchgeführte
Rückzug bei Carthage, Mo. Dem stehen
leider gegenüber die Niederlagen von Wil-
son's Creek (Sommer '61) und New Market
im Shenandoah-Thale (15. Mai '64), beide
Niedei-higen unter Sigels selbstständiger
Führung. Sigels eigentlicher 7ir/e(/srecord
ist folgender: April '61 — ^März '62 Kam-
pagne in ]\Iissoiu'i. ] . Juli '62 — 30. August
'62 der Pope 'sehe Feldzug; ]\Iai '64 wenige
Wochen im Shenandoah-Thale. Später
noch ein unblutiger, aber von Sigel gut ge-
führter Stellungskampf am Potomac bei
Earley's Einbruch in jNIaryland (Sommer
'64). Sigel befehligte von Herbst '62 —
Frühling '63 eine Grand-Division (Armee-
korps n. mid 12.), diese hatte aber nur
Garnisondienst (Washington) und war bei
Fredericksburg in der Reserve. Dann
rcsignirte Sigel und brachte sieh dadurch
um die besten Gelegenheiten zur Auszeich-
nung. Sein Wiederauftreten im ]\Iai '64
ist nur als eine Epi.sodc anzu.schcn. Genau
betrachtet ist Sigels eigentliche Kriegslauf-
bahn eine weit kürzere gewesen, als dieje-
nigen seiner hervorragenden deutschen Ka-
meraden. — Sigel war ein ausserordentlich
tapferer j\Iann und bei seinen Soldaten be-
liebt. Er ist von der in der Potomae-Armee
herrschenden WestjKunter Clif|ue stark be-
hindert worden, andererseits muss aber
auch betont werden, dass er kein Talent be-
sass, um sich den in der Potonuic-Armee
herrschenden Zuständen einigennassen an-
zupassen. Das Nähere darüber in des \'er-
f assers ausführlicher Arbeit ,,Die Deut-
schen im Bürgerkriege".
GENERALMAJOR CARL SCHURZ.
Carl Schurz. Sigels Wirken im Bürger-
kriege wird von den Deutschamerikanern
meistens iVöerschätzt, dagegen i.st Schurz 's
Kriegsrecord von seinen Landsleuten viel-
fach nicht nach Gebühr gewürdigt worden.
Das mag darin liegen, dass uns Schurz we-
sentlich in seiner bürgerlichen Laufbahn
als grosser Deutschamerikaner näher getre-
ten ist, doch spielten auch andere Gründe
dabei mit, welche der Verfasser an anderer
Stelle darlegt. Schurz ist aber auch als
Militär glänzend hervorgetreten. Nur am
ersten Schlachttage von Gettysburg hat
Schurz ein Armeekorps geführt, sonst
konnte er nur als Divisionär wirken. Seine
Feuertaufe bei Bull Run II hat Schurz mit
DER DEUTSCHE SOLDAT IM BUERGERKRIEGE.
149
den höchsten Ehren bestanden. Wäre bei
ChaneeUorsville der Rath des „Civilisten"
Schurz befolgt worden (Zusanunenziehiing
des 11. Corps und Aufstellung desselben in
kompakter Schlaehtlinie mit der Front
nach Westen), so wäre der 2. Mai '63 wahr-
scheinlich der schönste Ehrentag der Deut-
schen im Bürgerkriege geworden, denn der
ganze Verlauf des Jackson 'sehen Ueber-
falles beweist, dass die Vertheidiger in ge-
schützter Stellung und auf den Kampf vor-
bereitet, sehr wohl die Uebermacht hätten
zurück\Aerfen können, denn diese Ueber-
macht konnte in Folge der Terrainschwie-
rigkeiten erst nach imd nach zur Geltung
kommen, und ausserdem waren die Angrei-
fer schon zwölf Stunden auf den Beinen
gewesen und demnach stark verbraucht. —
Auch Schurz 's Haltung bei Gettysburg
ist eine höchst rühmenswerthe gewesen. Im
Westen kam Schurz eigentlich nur noch bei
dem Xaehtgefechte von Wauhatchie in Ak-
tion; bei Missionary Ridge stand er in Re-
serve, bei Knoxville kam es überhaupt nicht
mehr zum Kampfe. Dann wurde Schurz
im Winter '63 — '64 nach Xashville abkom-
maudirt und resignirte im Frühling '6-i,
um sich auf Lincolns Wunsch der Politik
wieder zu widmen.
Julius Sfahcl (Deutschungar), der rich-
tige Name ist Graf Ferenzi, trat bei Gross
Keys als Brigadier hervor, später ruhmvoll
in der Schlacht von Bull Run II. Dann
ging er zur Reiterei über, seiner alten Lieb-
lingswaffe, und hat da zunächst als Reorga-
nisator der Kavallerie, dann besonders im
Shenandoah-Thal glänzende Waffenthaten
geleistet. Bei Piedmont schwer verwvmdet
(Sommer '64) wirkte er später wesentlich
als Exerziermeister. Lebt noch als rüstiger
Greis in New York.
Gottfried Weitzcl und August V. Kautz
kamen beide zeitig nach Amerika und be-
traten die militärische Laufbahn im regu-
lären Heere. Weitzel war einer der tüch-
tigsten Ingenieure der Armee, Kautz einer
der berühmtesten Reiterführer. Weitzel
zog als Erster in die geräumte Rebellen-
hauptstadt Richmond ein.
Adolf von St ein wehr war wahrscheinlich
der am gründlichsten vorgebildete deutsche
^Militär in Amerika. Aber die Führung
einer Brigade oder einer Division behagte
ihm nicht. Er Hess sieh während der ersten
Kriegsjahre beständig vertreten, wirkte
aber stets im Hauptquartier (leider viel zu
sehr im Stillen) als Berather der Komman-
direnden. Von Steinwehr 's einzige Kampf-
that ist mit Gettysburg verknüpft. Aber
das war auch eine Grossthat.
August (von) Willich ist der ]Marschall
Vorwärts des Bürgerkriegs. Vorzüglicher
Organisator und Exerziermeister. Die bei-
den deutschen Heldenregimenter Nr. 9,
Ohio und 32, Ind. sind von Willich gedrillt
worden. AVar schon ein Fünfziger, als der
Tanz losging. Aber im Kampf stets ein
Jüngling. Allen voran. Held von Shiloh,
von Chickamauga und namentlich von
Missionary Ridge. In letzter Schlacht
hatte Wlllieh Befehl, am Fusse der Höhe
liegen zu bleiben. Aber ruhig zu liegen,
wenn die Kugeln sausen, das konnte AVillich
nicht. So ging er die Höhe hinan, ohne Be-
fehl. Und seine neun Regimenter folgten
dem Alten. Das steckte die benachbarten
Brigaden und Divisionen an, und Alle klet-
terten sie nun ohne Befehl in die Höhe.
Und ehe man es recht wusste, war man auch
oben und hatte die Conföderirten geschla-
gen. Aehnliche Heldenthaten hat W. aucn
bei Chickamauga vollbracht, aber sie treten
nicht so sehr hervor. Dort hat W^illich auch
den Rückzug gedeckt. Er war es auch, der
die Pässe in den wilden Bergen südlich von
Chattanooga eroberte, durch welche nach-
her die Rosencrans'sche Armee marschiren
konnte. Vor der Schlacht von ^Missionary
Ridge stürmte Willich den Orchard Hill,
wo später das Hauptquartier Grants war.
Am Anfange des Shennan 'sehen ^Marsches
durch Georgia trifft eine Kugel den alten
Helden in. der Schulter so schwer, dass er
150
DER DEUTSCHE SOLDAT IM BUERGERKRIEGE.
seinen Defien (-1. ]\l5ii '64) niederlegen
niuss.
Friedrich Salomon. Es waren vier Brü-
der SaloMion. Friedrieh der Generalmajor
,,bv Brevi't," der Ix'deutcndste. Die an-
deren waren Eberiiard S., Obei-st des 9.
AVise. Reg., Edward Salomon, 1862 Gouver-
neur von Wisconsin (der letzte noch lebende
Ä'rjVf/sgouverneur) luid ein vierter Bru-
der, der gemeiner Soldat war. — Friedrieh
S. ist der Sieger von Helena. Ark.. und ein
tapferer und umsichtiger Führer in der
undankbaren Red River Kampagne (im
Südwesten) gewesen. Ist viel zu wenig ge-
würdigt worden, da Salomon's Kriegs-
tliaten sich auf einen abgelegeneu Schau-
platz beschränkten.
Das waren die deutsehen Generalmajore.
Von den deutsehen Brigadiers könnten wir
in grösserem Rahmen viel erzählen.
Da ist Buschheck zuerst zu nennen; der
Held von Chancellorsville, wurde leider
nicht Generalmajor, obschon er es sicher-
lieh verdient hätte. Dann von Schimmel-
pfennig, alter preussischer Offizier, Freund
und quasi militärischer Lehrmeister von
Schurz; aber ein bedauernswerther Pech-
vogel. Schimmelpfennigs Brigade hat
Jackson bei Bull Run II. über den Eisen-
bahndamm hinaus, bis über die Farm
Cushing verjagt, auch am zweiten Tage
sich glänzend geschlagen. Wüthend über
die schmachvolle Beschimpfung der Deut-
sehen nach Chancellorsville Hess sich v. Seh,
in das lOte Armeekorps versetzen. Vor
ihm kapitulirte dann später der deutsche
cong. General Wagener in Charleston. —
Vorher kämpfte Schimmelpfennig glänzend
bei Chancellorsville und am ersten Tage
von Gettysburg. Verwimdet dort, flüchtete
er sich in einen Schweinestall, um der Ge-
fangenschaft zu entgehen, und sass dort,
umwogt von der Schlacht, zwei lange Tage,
bis er befreit wurde. Starb nach dem
Kriege an den Folgen der schrecklichen
Strapazen. Von den deutschen Brigadiers
fielen in der Schlacht Bohlen, Kaltes. Baith,
Schäfer und Zook, fünf der Besten. Dann
sind von den Brigadiei-s zu nennen in der
Potomac- Armee zunächst von Gil.sa und
Krzyzanowski, tapfere Führer, beide blie-
ben nur Obersten, ersterer. weil die Prin-
zessin Salm — Salm gegen v. Gilsa intri-
guirte (sie erzählt das selbst), und Letzte-
rer, weil keiner der Senatoren den polni-
schen Xamen aussprechen konnte (oder
wollte), als Krzyzanowski von Lincoln dem
Senat als General v<H'geschlagen wurde.
Auch der verdienstvolle ..Kriz" starb bald
nach Friedensschluss. Weitere tüchtige
Brigadiers im O.sten waren Ma.r von Weher,
der Held von Antietam, Fricelrich Hecker
BRIGADIER FRIEDRICH HECKER.
(nur bei Chancellorsville imd Chattanooga
hervorgetreten), Minelel von New Jersey,
G. R. Paul, j\Ioor von Ohio, von Härtung,
von Schack.
Im W^esten traten hervor als Brigade-
führer Hugo von Wangelin, einer imserer
Besten, treuer Waffengenosse von Oster-
haus, Führer der westlichen deutschen Bri-
gade. Reg. 3, 12, 17 :Missouri und 44 Ohio,
mehrfach schwer verwundet, verlor einen
Arm, aber blieb bei der Fahne, bis ilm eine
andere Kugel bei Atlanta kriegsunfähig
machte; sodann Adolf Engelmann, Bern-
hard Laiholdt, Joseph Conrad, Louis Wag-
ner, Schöpf, von Blessing. Erdelmeyer (32.
Ind.), Kämmerling (9. Ohio) und. ganz
1
DER DEUTSCHE SOLDAT IM BÜERGERKRIEGE.
151
hervorragend, F. C. WinJdei' (26. AVisc.
Ht4denregiinent, wek-lies imter 1000 Älann
fast zweihundert Todte verloren hat). —
Die berühmtesten deutseheu Ingenieur-
Offiziere waren Hassendeubel (gefallen),
Hoffuiann, Flad und Haupt ; im General-
stab haben mit Auszeichnung gedient :
Meysenburg, Asmussen und Albert.
Ganz ausserordentlich viele deutsehe
Artillerie-Offiziere haben im Bürgerkriege
ruhmvoll gewirkt. Der tüchtigste Artille-
rist der Armee war ein Deutscher, Capt.
Hubert Dilgcr, ehemals badischer Offizier,
lebt noch als Farmer in Virginien. — So-
dann Oberst Pilsen, Phil. Daum, Landgm-
ber (wegen seiner Schnelligkeit der ..flying
dutchman" genannt), L. Hoff mann,
Wölfle, Mann, Bahr (t), Pfänderer. In
der Potomac-Armee Oberst Arndt (t);
Leppicn, Hcxamer, v. Puttkamer, v. Kusse-
row. Schirmer, Wicdrich, Römer, Gust.
Wagner, Nöcker u. s. w.
Deutsche Conföderirtc. Es ist nicht fest-
zustellen, wie viele geborene Deutsche in
der conf. Armee gekämpft haben. Viel-
leicht waren die meisten unserer Landsleute
im Süden unionstreu. Eine grosse Zahl,
namentlich aus Texas und Louisiana, wo
das Deutschthum am stärksten war, flüch-
tete nach dem Norden. Bei der scharfen
Konskription, die im Süden betrieben
wurde, mag die Zahl der Deutschen in der
Rebellenarmee doch gegen 10,000 Älann be-
tragen haben. Doch ist die Zahl der conf.
deutschen Offiziere nicht unbedeutend ge-
wesen.
Der hervorragendste conf. Deutsche ist
Oberst Heros v. Borcke. Er kam aus Preus-
sen, um in die conf. Armee einzutreten.
Seine Leistungen wurden vom conf. Kon-
gress durch ein Dankesvotum belohnt, und .
sein Schlachtschwert hängt als eine Art
Reliquie im Kapitol zu Richmond. — v.
Borcke 's Freund, der preussische ]Major
Scheibert, kommt wesentlich als ]\Iilitär-
schriftsteller in Betracht. Als Generäle
dienten die Deutschen Büchcl imd Hen-
ningsen. Ersterer ist ruhmvoll gefallen.
Y. Buchholz war Chef der Artillerie. Die
Obersten Reichard und von Zincken führ-
ten das 20ste Louisiana Regiment, wel-
ches halb deutsch war. Auch die berühmte
AVashington xVrtillerie von New Orleans
hatte einen starken deutschen Einschlag.
Desgleichen war das 1. Art. Reg. von Süd-
Carolina sehr stark mit Deutschen durch-
setzt. Ihr Führer war Oberst Johann A.
Wagener (mit Generalsrang), ein echter
deutscher Yolksmann, auch als Schrift-
steller und Dichter geschätzt. Er ist blu-
tenden Herzens in den Krieg gezogen. Das-
selbe lässt sich sagen von seinem Freunde
Bleichers, von dem hervorragenden Schul-
mann und Geschichtsforscher H. Schu rieht
aus Virginien, von Gustav Schleicher aus
Texas, welcher später so lange und so
tüchtig im Kongresse gewirkt hat und Avel-
chem Garfield eine herrliche Gedächtniss-
rede widmete. Älehrere Deutsche haben
in hervorragenden Civilstellungen während
der Kriegszeit im Süden gewirkt. So war
C. G. Memyninger der Finanzminister der
Conföderirten, M. Schele de Ver, aus Pom-
mern gebürtig, einer der bedeutendsten Ge-
lehrten des Südens, Professor an der vir-
ginischen Universität. Er befehligte ein
conf. Regiment und war im diplomatischen
Dienste der Conföderation thätig. Der
hervorragendste und geistig bedeutendste
Deutsche des Südens war Karl Minnigerode
aus Hessen, Pastor der St. Pauls Episeopal
Kirche in Richmond, welche von Jefferson
Davis, General Lee mid allen Häuptern der
Rebellion besucht wurde. ]\I. beherrschte
die englische Sprache so gut wie die deut-
sche. Er war der berühmteste Kanzelred-
ner des Südens. Im Norden nannte man
ihn den „Beichtvater der Seee-ssion", weil
M. nach dem Kriege oft das Gefängniss von
Jefferson Davis besuchte, um dem Ex-Prä-
sidenten das Abendmahl zu reichen. Der
Einfluss IMinnigerodes auf seine Umgebung
ist ein sehr grosser gewesen. ]\I. war inner-
lich kein Freund der Sklaverei. Er musste
152
DER DEUTSCHE SOLDAT IM BUERGERKRIEGE.
in Deutschland mehrere Jahre im Gefäng-
nisse schmachten, weil er dieselben Gesin-
nungen zur Schau getragen hatte, wie
Gustav Könier und Fritz Reuter. — ]\Iinni-
gerode war ein Staatenrechtler extremster
Färbung. Das geht aus vielen seiner
Schriften und Reden hervor. Er hat sicher-
lich sehr stark auf seine deutschen Lands-
leute gewirkt imd viele derselben veran-
lasst, für Virgiuicn, für die neue Ileimath,
einzutreten. — Uebrigens hatten unsere
Landsleute kaum eine Wahl. Wenn sie
nicht freiwillig unter die Waffen traten,
so wurden sie durch die grausamen Kon-
skriptionsgesetze dazu gezwungen. Wäh-
rend der letzten Kriegsjahre war jeder
Weisse vom 16. bis zum 60. Jahre dienst-
pflichtig, imd in Richmond gab es ein Re-
giment, welches das silbergraue hiess, weil
die ^lehrzahl der Mannschaft an der Grenze
des Greisenalters stand.
* * * *
Das letzte Kriegsjalir braucht hier nicht
wi'iter behandelt zu werden, denn unsere
Landsk'ute treten alsdann zu wenig in
deutschen Trupiieneinheiten hervor. Aber
gekämpft haben sie für die Union bis zum
letzten Schuss. Sie standen jetzt aber zer-
streut unter Kameraden anderen Stammes;
über 180,000 Deutsche haben überhaupt
nur in solcher Zerstreuung gefochten. Von
dieser grossen Mehrheit unserer Deutschen
meldet aber ,,kein Lied, kein Heldenbuch".
Sie theilen sich mit den übrigen mehr als
zwei ^Millionen Unionskämpfem in denje-
nigen Ruhm, den Alle verdienen, welche
die Zerstückelung der Republik verhindert
haben.
ÜHtrtrt Olnlumhta, ÄMt-Hirgim^tt, am
Uiit^r^u HtBBtBatppt, in äUinnia n. iMiöönnri.
Staedte und Orte, die von Deutschen
gegruendet wurden.
Die deutschen Einwanderer gründeten
zahlreiche Dörfer und Städte in dem Gebiet
der jetzigen Vereinigten Staaten, jedoch ist 1710:
es charakteristiseli. dass nur wenige dieser
Gründungen ihren ursprünglich deutschen
Charakter behielten. Sie verfielen ebenso
wie die Nachkommen ihrer Gründer dem
Amerikanisirungs-Prozess, der sich unauf- 1713 ;
haltsam vollzieht. Von den zahlreichen
Orten und Städtchen — zu einer grossen
Städte-Gründung hat es die deutsche Ein-
wanderung als solche nicht gebracht, soviel 1714 :
sie auch dazu beitrug, amerikanischen
Städten einen grossstädtisehen Charakter
zu geben und sie zu Riesen-Handels- 1717 :
Centren zu entwickeln — haben nur ganz
wenige ihre ursprüngliche Art bewahrt imd
sind deutsch geblieben. Aber auch sie
dürften in nicht zu langer Zeit ihren deut-
sehen Charakter einbüssen imd zu amerika-
nischen Städten in vollem Sinne des Wortes
werden. Unter ihnen nehmen die hervor- 1719 ;
ragendste Stelle ein i Hermann in ]\Iis-
souri luid Egg Harbor City in New Jersey.
Eine chronologische Aufzählung von deut- 1721 :
sehen Einwanderern gegründeter Städte
und Ortschaften darf indessen in dem 1722 :
j.Buch der Deutsehen in Amerika" nicht
fehlen und soll deshalb hier eine Stelle 1723
finden.
Deutsche Ansiedlungen und Orts-
Gruendungen. 1725
1683: Gennantown in Pennsylvanien durch
Pastorius und die Crefelder.
1702 : Skippack (:Montgomery County, Pa.) 1728 ;
durch deutsche ^Mennoniten.
1709: Neu-Bern (Xewbern), Nord-Caroli- 1729
na, gegründet von Graffenried und
Michel.
Newburg am Hudson in New York
durch Pfälzer.
Gründimg von Rhinebeck und Ger-
mantowai auf dem Ostufer des Hud-
son durch Pfälzer.
Ansiedlung von ]\Iennoniten am Pe-
cpiea Fluss in Lanca.ster County, Pa.
Besiedlung des Schoharie-Thales in
New York durch die von ihren ur-
sprünglichen Siecilimgen am Hud-
son verdrängten Pfälzer.
Deutsche Ansiedlungen an den
Ufern des Rappahannock in Virgi-
nien und Gründung von Germanna.
Trappe und Goschenhoppen in
IMontgomery County. Pa., durch
deutsche Lutheraner und Refor-
mirte.
Lutheraner aus dem Elsass und der
Pfalz siedeln sich in Spottsylvania,
Va., an.
New Hanover (Falkner 's Swamp),
]\Iontgomery County. Pa., Ansied-
lung deutscher Lutheraner.
Deutsche Ansiedlungen am luiteren
Älississippi.
Indianer treten Land am ^Mohawk in
New York an deut.sche Ansiedler ab.
Uebersiedlung vieler Deutschen vom
Schoharie nach dem ]Mohawk-Dist-
rikt. Andere ziehen nach dem Tul-
pehocken in Berks County, Pa.
Deutsche Siedlungen am westlichen
Ufer des SiLsquehanna ( Kreutz
Creek) in Pennsylvanien.
Earlto\\'n, Laneaster County, Pa., ge-
gründet von Hans Graf (Earl).
Conrad Weiser siedelt sich in der
Nähe des heutigen Womelsdorf in
Berks Countv, Pa.. an.
150
CHRONOLOGIE DEUTSCHER ANSIEDLUNGEN JN AMERIKA.
1730: Deutsehe Ansiedlunjr in Isloiioeacy,
Maryland.
1732: Schweizer unter .loluinn Peter Pury
aus Xeufehatel ^'runden Pni-ysl)urg
in Süd-Carolina.
Deutsche lutherisehe Ansiedliuig iu
Karitan, N. J.
Deutsche Ansiedlungen im Shenan-
doah-Thal in Virginien.
Er.ste deutsehe Kirehe auf dem
AVest-Ffer des Monocacy in :Mary-
land.
1733: Aus der Heiniath vertriebene Salz-
burger Protestanten gi-ünden Ebene-
zer bei Savannah in Georgia.
1734: Deutsehe Ansiedhiugen in Lehigh
County, Pa.
Deutsehe lutherisehe Gemeinde in
Charleston, S. C.
173Ö: Gründung des Klosters Ephrata in
Laneaster County, Pa.
Ileri'nhuter unter Bisehof Spangeu-
berg siedeln sieh in Georgia an.
Deutsche und Sehweizer die ersten
Kolonisten in Orangeburg County,
S.-C.
1740: forste deutsehe Ansiedlung an Broad
Bay. :\Ie.. Waldboro.
1741 : Gründung von Bethlehem und Naza-
reth an der „Gabel des Delaware" in
Pennsylvanien durch Ilerrnhuter
imter den Bischöfen Nitschmann
und Spangenberg.
Schätfertown in Lebanon County,
Pa.. durch Schäfer.
1746 : Ilerrnhuter- Ansiedlungen am Ma-
honing Creek, Pa.
1751 : Zweite deutsehe Ansiedlung in
Broad Bay, i\Ie.
1753: Ilerrnhuter - Ansiedlung Wachovia
in Nord-Carolina.
1757: Lititz in Pennsylvanien durch
Ilerrnhuter imter N. Seidel imd J.
Reuter.
1758 : Gründung von Manheim in Lan-
easter County durch ..Baron" F.
W. Stiegel.
Deutsche lutiierisehe Kirche in Bed-
minster, \. J., eingeweiht durcli
Pastor Mühlenberg.
17t)l : Wiiiiamsburg (jetzt Jonestown) in
Lebanon County, Pa., von Deutschen
gegründet.
p]rste IIerrnhuter-]\Iission in Stark
County, 0., gegründet von Fred.
Post.
1762: Deutsehe Siedlungen in Womels-
dorf, Berks, und Allentown, Lehigh
County. 1^1.
Ilagerstown in Maryland, genannt
nach Jonathan Hagar, seinem ersten
Ansiedler.
1763: Gründung von Ilummelstown in
Daui)hin County, Pa., und Hano-
ver in York Coimty, Pa.
1765 : Pfälzer und Württemberger siedeln
sich in Süd-Carolina an.
1768: ]\Iyerstown, Lebanon County, Pa.,
gegründet von Isaac ]Myers.
1770: Gründung von Friedensdorf in Ohio
durch David Zeisberger als Heim
für die Friedens-Gemeinde.
1772 : Deutsche Ansiedlungen in der Re-
gion der Blauen Berge.
Gründung von Schönbrunn am Tus-
carawas in Ohio durch Zeisberger.
Gnadenhütten und Salem, Ilerrn-
huter-Ansiedlungen am oberen ]Mus-
kingum in Ohio.
1773: Waldoborough, Broad Bay. ]Me.,
eine deutsche xVnsiedlung, erhält Ge-
meinderechte.
1774: Berlin in Somerset County, Pa., ge-
gründet von J. Keffner mid anderen.
1781 : :Mary Ileckewelder, die Tochter eines
deutschen Herrnhuter - ]Missionai"S,
am 16. April als das erste weisse
Kind nördlich vom Ohio geboren.
1785: Lewisburg in Union County, Pa.,
gegründet v(m Ludwig Derr.
Selinsgrove in Snyder County, Pa.,
gegründet von Kapt. A. Selin.
1793: New Berlin in Union County, Pa.,
gegründet.
CHROXÜLUCJIE DErTSCHEK AXSIEDLL'NGEN IN AMERIKA.
157
1837 ;
1838;
1839 :
1840
1841
1795: „Gerniany", die erste deutsehe An-
siedlim«: im ]Miami-Thale in Oliio ge-
gründet.
1796: Orwigsburg in Sehnylkill County.
Pa.. gegründet von I'eter (^rwig. 1832
1797 : Deutsehe siedeln sieh in Ilighhnid.
]Miaini und Jefferson County, 0., an.
1798: Vevay in Indiana von Sehweizern
gegründet.
1801 : Laneaster, 0., von Pennsylvauiseh-
Deutsehen gegründet.
1805: Die aus Württemberg im Jahre 1804
eingewanderten Anhänger Georg
Rapp's, die ,.Rappisten", gründen
Harmony in Butler County, Pa.
1806 : Deutsehe Ansiedlung von Luthera-
nern und Reformirten in Boone
County, Ky.
1813 : Lebanon County in Pennsylvanien
organisirt. Der östliehe Theil des-
selben fast ausschliesslieh von Deut-
schen besiedelt.
1815: Die Rapp'sehe Kolonie „Harmony"
bei Pittsburg wird verkauft luad
„New Harmony" in Indiana ge-
gründet.
1817 : Württembergische Separisten imter
Joseph ^Michael Bäumler gründen
Zoar in Ohio auf kommunistischer
Grundlage.
GermautOMTi in Ohio gegründet.
1819 : Einwanderer aus Hannover gründen
Vandalia in Illinois.
1823 : Bastrop am Colorado in Texas, ge-
gründet von Baron von Bastrop.
1824: Die Rapp'sehe Kolonie „New Har-
mony" in Indiana wird an Robert
Owen verkauft und „Economy" in
Beaver Coimty. Pa., gegründet.
1828 : Oberst Jacob Weiss gründet Weiss-
port an der Stelle von Gnadenhütten 1845
und Fort Allen, Pa.
1831 : Proli aus Offenbach, ein Schwind-
ler, der sich „Graf Leon" nennt,
wandert mit seinen Anhängern nach 1846
Pennsylvanien aus und lässt sich in
1842
1843
1844
der Nähe der Rapp 'sehen Kolonie
nieder.
Schweizer Ansiedlung in Ilighland.
Illinois.
Deutsche p]iiiwanderung in St. Clair
County, 111.
Erstes Blockhaus in Green County,
Wis., errichtet von Funke.
Erstes Blockhaus in Calumet Coun-
ty. Wis., errichtet von Westfal.
Stallotown (^Minster), New Bremen
imd New Glandorf in Ohio von
Deutschen gegründet.
Die Stadt Hermann in Gasconade
County, ]Mo., gegründet von Deut-
schen aiLS Philadelphia.
New Alsace (Neu-Elsass) und Ol-
denburg in Indiana gegründet.
Nueva Helvetia gegründet von Kapt.
Sutter in Californien.
Starke Einwanderung von Deut-
schen in Wisconsin.
Gründung der sozialistischen Kolo-
nie „Teutonia" durch den von
Pastor H. Ginal in Philadelphia ge-
gründeten Gewerbe - Verein (Be-
glückimgs - Verein) in ]\IcKean
County, Pa.
i\Iennonitische Ansiedlungen in Elk-
hard County. Ind.
Eben Ezer bei Buffalo, N. Y., ge-
gründet von der Gesellschaft der
deutsehen „Inspirirten".
Zweite Einwanderimg von Alt-Lu-
theranern imd Ansiedlungen in Wis-
consin.
St. :Mary's in Elk County, Pa., ge-
gründet von deutschen Katholiken.
Bethel in IMissouri, eine kommu-
nistische Kolonie von Deutschen in
Cincinnati, gegründet von Dr. Keil.
Wartburg in Ost-Tennessee, von
Deutschen gegründet.
New Braun f eis in Texas, eine Kolo-
nie des deutschen Adelsvereins.
Friedriehsburg in Texa.s vom deut-
schen Adelsverein gegründet.
158
CHRONOLOGIE DEUTSCHER ANSIEDLUXGEX IN AMERIKA.
1848: Starke Einwaiuk'ruu^ von Deut-
sclieu in AVist-onsin.
1849: Das „Goklfiebcr" veranlasst viele 1855;
Deutsehe aus allen Theileii der Ver-
einigten Staaten zur Auswanderung
naeh Californien.
1850: Deutsehe Ausiedlungen in ^Michigan. 1856;
1851 : "Walhalla, eine deutsehe Kolonie in
Süd-Carolina.
1852: Buftalo City. Wisc., von der deut-
selien Arbeiter-Liga in Cincinnati
gegründet.
1853 : Teil City, eine Schweizer Siedlimg,
in Indiana.
1854: New l'lm in ^Minnesota, eine Grün- 1857:
düng deutscher Turner. (Indianer-
Ueberfall am 28. August 1862. Viele
Bürger getödtet.)
Vjgg Ilarbor City, New Jersey, von
Deutsehen gegründet, die sich zur
„Gloueester Land and City Associa-
tion" vereinigt hatten.
^Marathon County, Wisc, von Deut-
sehen aus Pittsburg besiedelt.
Aurora in Oregon, eine kommu-
nistiselie Ansiedlung, von Dr. Keil
gegründet.
Die kommunistische Kolonie Ebene-
zer wird nach Jowa verlegt und
nennt sich Amana.
Annaheim in Süd-Californien, eine
deutsche Kolonie.
Die Deutschen in Pennsylvanien.
Mit Zugrundelegung der Forschungen Ex-Gouverneur Pennypacker's, Prof. Oswald Seidensticker's,
C. F. Huch's und H. A. Ratlermann's.
Zweihimdert und füufimdzwauzig Jahre
waren am 6. Oktoljer 1908 vergangen, seit-
dem die erste grössere Sehaar von Deut-
sehen ihren Fuss auf amerikanischen, und
zwar auf peunsylvanischen Boden setzte.
„Das "Waldland des Penn" (Pennsylvania)
ist als die eigentliche "Wiege des Deutsch-
thums in Amerika zu betrachten, denn hier
war es. wo der Frankfurter Rechtsgelehrte
Franz Daniel Pastorius Germantown. der
Deutschen Stadt, die erste deutsche An-
siedluug gründete, hier war es auch, wo
die erste deutsche Kirchenschule in Ame-
rika und, einige Jahrzehnte später, die
erste deutsche Zeitimg in der neuen "Welt
gegründet Avurde.
In der Kolonialzeit stellte Gouverneur
Thomas den Deutschen das Zeugniss aus.
sie hätten die Provinz Pennsylvanien zu
ihrer Blüthe gebracht. Andere schätzten
die Deutschen minder hoch, so namentlich
der deutsche Geograph Ebling in seinem
berülimten "Werke ..Die Geschichte imd
Erdbeschreibung von Nordamerika", der
sie auf rund 100,000 unter etwa 200,000
Bewohnern der Kolonie bezifferte. Soviel
steht jedenfalls fest, dass zur Zeit der Un-
abhängigkeitskämpfe die deutsche Sprache
in Pennsylvania mindestens so viel Bedeu-
timg hatte wie da.s Englische. Bei der
entscheidenden Abstimmung, ob Englisch
oder Deutsch Staatssprache werden sollte,
ergab sich Stimmengleichheit. Der deut-
sche Sprecher ^lühlenberg entschied
schliesslich für das Englische, von der Er-
wägung ausgehend, dass unter 13 Staaten
sich nicht einer durch eine andere Sprache
absondern, sondern seine Sonderwünsche
dem allgemeinen "W olil fall rtsint er esse un-
terordnen müsse.
"Wie gross die Macht des Deutschthimis
im späteren ..Keystone "-Staate zur Kolo-
uial-Zeit war, ersieht man vielleicht am
deutlichsten aus dem "\^erhalten Benjamin
Franklins ihm gegenüber. Dieser kluge
Politiker wusste ganz genau, dass er ohne
die Deutschen nichts ausrichten könne, imd
daher war er es, der durch eine Zeitimg
Eintluss auf sie zu gewinnen suchte. Er
gründete 1732 die ., Philadelphia Zeitung",
die erste deutsche Zeitung in Amerika.
Als sein Blatt, das es nur auf 50 Abonnen-
ten gebracht hatte, nach einigen ^Monaten
schon wieder einging, entrüstete er sich
nicht ganz mit Unrecht, über die ,,diunmen
deutschen Hinterwäldler " ( " German
Boors"), die seinem kühnen Adlertluge
nicht zu folgen vermochten. Diese Leut-
chen hatten in der That, im Guten wie im
Schlimmen, mit den afrikani.sehen Buren
eine gewisse Familien-Aehnlichkeit imd
brachten durch ihre Dickköpfigkeit selbst
so geduldige Landsleute wie jenen Land-
geistlichen aus dem Bruschthale in "\^er-
zweiflimg, der seine Abschiedspredigt mit
folgenden, an Deutlichkeit nichts zu wün-
schen übrig lassenden Worten schloss:
..Gott regiert die "Welt imd Dummheit die
Bnisch "Walley (vom englischen „Valley":
Thal), und die meischte kann mee's im
Agesicht lese. Als Calver (Kälber) haw
ich sie agenomme, als Ochse miiss ich sie
verlasse! In Gottes Namen, Amen!" Es
ist daher auch ein Unrecht gegen das An-
160
DIE DEUTSCHEN IN PENNSYLVANIEN.
denken an Benjamin Franklin, wenn man
ihn wegen seiner erregten Aenssernng
über die ..Buren" zum üeutschfeinde
stempeln will, da er sieh im Gegentheil nm
die deutsehe Saehe ausserordentlieh ver-
dient gemacht hat.
\Villiam Penn, der Gründer von l'enn-
sylvania, suehte sein Land mögliehst
sehnell zu besiedeln und eriirt'nete es Allen,
dit' sieh ihres Glaubens wegen verfolgt
sahen. PLx-Gouverneur Samuel W. Penny-
paeker, der von deutsehen und holländi-
schen Ansiedlern Germantown's. nämlieh
Ilendriek Pannebeeker. Abraham Op den
Graeff. Cornelius Tyson, Paul Küster,
Ilendriek Seilen. Hans Peter Umstat und
Peter Conrad, abstammt, hat darauf hin-
gewesen, dass Deutsehe Urheber der Be-
wegung waren, die zur Kolonisirung Penn-
sylvauien's führte. Um das Jahr 1520 ent-
stand imter den Anhängern des schweizer
Reformators Zwingli eine Sekte, die für
völlige Trennung von Kirche und Staat
eintrat, gegen den Krieg und Schwur sich
aussprach und für friedliches Beieinan-
derwohnen war. Ihre Anhänger wur-
den verfolgt, und viele von ihnen auf dem
Scheiterhaufen verbrannt. In Holland
wurden die Wiedertäufer, welche gegen
die Taufe von Kindern uud für die von
Erwachsenen sich aussprachen, von jNIenno
Simons zu einer Kirchengemeinschaft ver-
einigt, welche nach ihm sich Mennoniten
nannte. Auch Kaspar Schwenkfeld aus
Schlesien vertrat ähnliche Ansichten. Die
Quäker stützten ihre Lehre auf die religiö-
sen Ueberzeugungen dieser religiösen
Sekten. Penn hatte aus diesen Gründen
eine besondere Vorliebe für die Deutschen,
unter denen er für die Quäker neue An-
hänger zu gewinnen suchte.
Die Folge seiner ]\Iissionsthätigkeit in
Deutsehland war die erste deutsche Ein-
wanderung in Pennsylvanien. die am 6. Ok-
to])er 1683 in Philadelphia landete und
unter Pastorius' Leitung Germantown
gründete. Die Gründung von Germantown
ist in einem anderen Kapitel dieses Buches
ausi'ührlich behandelt worden. Die Ein-
waiulerung nahm bald einen für die dama-
ligen Verkehrs- Verhältnisse riesigen Um-
fang an.
Die Mennoniten.
Schon im Jahre 1702 wurde von M( iiiio-
niten Skippack in ^Nlontgomery County an-
gelegt. Sechs Jahre später konnte die aus
52 Mitgliedern bestehende Mennoniten-Ge-
meinde in Germantown ihr erstes Gemein-
dehaus errichten. Es folgten solche in
Skippack. Conestoga. Great Swamp uud
.Manatany. Im Jahre 1730 wurde das Ge-
meindehaus in Franconia Township, ^Nlont-
gomery County, errichtet. Die Besiede-
lung von Lancaster Comity durch Deutsche
und Schweizer, der IMehrzahl nach ]\Ienno-
niten, nahm ihren Anfang im Jahre 1709.
Zuerst Hessen sie sich am Pequea-Fluss nie-
der. In so grossen Schaaren langten sie
luid andere Deutsche in den Jahren 1714 —
17 in Pennsylvanien an, dass Gouverneur
Keith um die britische Vorherrschaft zu
sorgen anfing. Im Jahre 1727 war die
Einwanderung der Mennoniten besonders
stark. Auch als Pioniere der Industrie
waren sie eifrig thätig. So errichtete
der Mennonit Kurtz im Jahre 1726 eine
Eisengiesserei am Octorara Creek in Lan-
caster County. Im Jahre 1770 waren
4.000 Mennoniten in Pennsylvanien. und
Lancaster eine bedeutende Stadt. Im Jahre
1811 führte der Führer der Reform-^Menno-
niten, Pastor Herr, eine striktere Disziplin
ein. Ex-Gouverneur Pennypacker schreibt :
,.Es ist oft für merkwürdig gehalten wor-
den, dass die Bevölkerung von Lancaster
County in ihren Ansichten öffentlichen An-
gelegenheiten gegenüber so radikal ver-
schieden ist von der von Berks County.
Diese IMeinungs-Verschiedenheit geht auf
die Zeit der Ansiedlung zurück. Es waren
in den beiden Counties verschiedene Sor-
ten von Deutschen. Die Leute in Lancaster
Coimty liebten von jeher den Frieden, da
DIE DEUTSCHEN IN PENNSYLVANIEN.
161
sie Meunoniten waren, während die Be-
wohner von Berks County. welche deutsche
R^forniirte luid Lutheraner waren, mehr
an Kampf und Streit zur Erlangung ihrer
Rechte glaubten. Sie differirten in der
Politik in der Kolonial-Zeit, und sie diffe-
riren bis auf den heutigen Tag."
Lutheraner und Reformirte.
Natürlieh machten auch Lutheraner und
Reformirte, welche beständig durch starken
Zuzug aus der Heimath verstärkt wurden,
eifrig sich an 's Werk, neue Ansiedlungen
zu gründen. Zunächst erstreckten sich
ihre kolonisatorischen Bemühungen auf
das an Philadelphia angrenzende Montgo-
mery Coimty. Trappe imd Goschenhoppen
waren die ersten Siedlimgen. Die alte
lutherische Kir.che in Trappe und das Ge-
meindehaus der ]\Ienuoniten in Germau-
town sind die ältesten bis auf unsere Zeit
erhaltenen Kirchen. Im Jahre 1719 grün-
deten die Lutheraner in New Hanover
(Falkner 's Swamp) iu Montgomery
Coimty eine Gemeinde, die von Johann
Heinrich Sprögel fünfzig Acker Land
zum Geschenk erhielt. Dort Avurden bald
darauf eine Kirche imd ein Schulhaus er-
richtet. Ueberhaupt folgten Gemeinde-
schulen fast überall der Grimdimg von
deutschen Kirchen auf dem Fusse. In der
er.sten Zeit bedienten .sich oft Lutheraner
imd Reformirte derselben Audachtshäaser.
Als erster Prediger der Letzteren iu Mont-
gomery County trat 1720 Johann Philipp
Böhm auf, der fünf Jahre später die erste
reformirte Kirchenordnung für Amerika
verfasste. Der erste lutherische Geistliche
in Amerika war Justus Falkner, der im
Jahre 1700 mit seinem Bruder Daniel nach
Philadelphia gekommen war imd bestimmt
wurde, seine in Deutschland gemachten,
aber nicht abgeschlossenen theologischen
Studien hier praktisch zu verwerthen. Er
wurde im Jahre 1703 in der alten Schwe-
denkirche in Wicaco (dem jetzigen Soutli-
wark in Philadelphia) ordinirt, siedelte
später nach New York über, wo er als einer
der Nachfolger Jo.sua von Kochersthal 's
Führer der Pfälzer wurde. Er starb im
Jahre 1725 in New York. Im Jahre 1723
begann ein gro.sser Zug der deutschen
Lutheraner imd Reformirten von Schoharie
in New York nach Tulpehocken in Berks
County. Dort wurde 1727 die erste luthe-
risclie Kirche errichtet. In demselben
Jahre langte auch Georg Michael Weiss,
Prediger der Reformirten Kirche, in Phila-
delphia an und übernahm die Gemeinde in
Skippack. Conrad Weiser, der berühmte
Indianer-Unterhändler, über dessen Le-
ben.sschicksale an anderer Stelle berichtet
wird, lie.ss sich in der Nähe des
.jetzigen AVomelsdorf in Berks Coimty nie-
der. Das war im Jahre 1729; aus dem.sel-
ben Jahre wird die Gründimg einer luthe-
rischen Gemeinde in dem zehn Jahre vorher
besiedelten Trappe gemeldet. Auch in
Lancaster gewannen die Lutheraner an
Boden, dort predigte Johann Kaspar
Stöver der Jüngere. In Indianafield, Mont-
gomery County, wurde von den Luthera-
nern im Jahre 1730 eine BlockhaiLs-Kirche
gebaut. Ein gemeinsames Schulhaus wurde
von Lutheranern und Reformirten in
Goschenhoppen, :\Iontgomery Coimty, Pa.,
im Jahre 1732 errichtet. Die Berg-Kirche
iu Lebanon County wurde ebenfalls ge-
meinsam von den Bekennern beider Kon-
fessionen benutzt. In Philadelphia diente
ein Holzgebäude an Areh Str. Lutheranern
und Reformirten im Jahre 1734 als An-
dachtsstätte. In Philadelphia war die erste
lutherische Kirche die St. Michael's Kirche,
zu Avelcher der Grundstein im Jahre 1743
gelegt imd die 1748 eingeweiht wurde,
während die erste Reformirte Kirche in
Philadelphia, die sogenamite „Ilexagonal"-
Kirche, im Jahre 1747 errichtet wurde.
In« York, Lancaster und Lebanon Counties
breiteten sich Lutheraner und Reformirte
sehr .schnell aus. Eine strengere Schei-
dung der beiden Kcmfe.ssionen erfolgte
erst, als „der Patriarch und Gründer der
162
DIE DEUTSCHEN IN PENNSYLVANIEN.
lutherischoii Kirche iu Amerika", Pastor
Heinrieh ^lelehior ]\Iülilenl)er^'. welcher im
Jahre 1741 von den lutherisehen Gemein-
den Phihuleli)hia, New Ilanover nnd l'ro-
videuee naeh Amerika berufen worden
war, in Phihidelphia um 25. November
nächsten Jahres anhingte. Ev liielt fest an
dem lutherischen Glaubensbekenntniss und
wünschte keine Verschmelzung mit den
Reformirten. Auch der Organisator der
reformirten Kirche in Pennsylvanien,
Pastor ^lichael Schlatter, der im Jahre
174G angelangt Avar, war Gegner einer
Kirchen-Union. Er berief am 12. Oktober
eine Konferenz von reformirten Geistlichen
nach Philadelphia, welcher etwa ein Jahr
später die erste SjTiode folgte. Die Luthe-
raner hielten ihre erste Synode im Jahre
1748 in Philadelphia ab, und nahmen eine
„Kirchen-Agende" an. Die Ankunft meh-
rerer lutherischer und reformirter Geistli-
ehen in Philadelphia gestattete eine stren-
gere Scheidung der beiden Konfessionen.
Dass aber trotzdem ^Mangel an Geistli-
chen vorhanden war, geht wohl am besten
daraus hervor, dass die lutherische Ge-
meinde in York, Pa., einen Redemptionis-
ten, d. h. einen Einwanderer, der die
Kosten seiner Ueberfahrt hier abverdienen
musste, kaufte, um die Dienste eines Seel-
sorgers zu verrichten. Des IMannes Name
war Schwcrdfcger. Von den vielen Kir-
chen, welche in den nächsten Jahren
von Lutheranern imd Reformirten gebaut
wurden, hat die 1754 gebaute, fünf Meilen
von Lebanon entfernte Ziegelkirche eine
Berühmtheit erlangt. Die lutherische
Kirche hatte im Jahre 1759 in Penn-
sylvanien 22 Gemeinden. Pastor Hand-
schuh, der Nachfolger des im Jahre 1765
verstorbenen Pastors P. Brunnholtz von der
St. Michael's Kirche in Philadelphia, taufte
in einem Jahre 326 Kinder und hatte -fOO
Kommunikanten. 1765 zählte die lutheri-
sche Kirche in Philadelphia 700 Familien-
Häupter. Der Grundstein zu einer der
grössten deutschen Kirchen Philadelphia 's,
der Zions-Kirche, wurde am 16. !Mai 1766
gelegt; sie wurde am 15. Juni 1769 einge-
weiht. Das lutherische Schulhans an Cherry
Strasse, in dem am 2. Weihnachtstage
1764 die Deutsche Gesellschnft von IVnn-
sylvanicii gegründet wurde, wai- vier .Jahre
vorher erriclitet worden, ebenso die ..Ger-
iiiantown Akademie". Den Gottesdienst in
dvv Zi(ms-Kirche besuchte später \VasJii)ig-
toii, der übrigens seinen Xaiiien ,.Vairr des
Das lutherische Schulhaus in der Cherry Strasse in Philadelphia,
in welchem am Nachmittag des zweiten Weihnachtstage 1 764
"Die Teutsche Gesellschaft zu Philadelphia in der Provinz von
Pennsylvanien" gegniendet wurde.
Vaterlandes" von einem Deutschen erhielt,
der 1779 einen Kalender in Lancaster
herausgab, auf dessen Titelblatt die Ruh-
mcgöttin mit einem Bilde Washington 's
in der einen Hand und einer Trompete in
der anderen dargestellt war; aus der
Trompete drangen die "Worte hervor:
„Des Landes Vater." In der Zions-Kirche
wurde auch die von der ,,Philosophical
Society" veranstaltete Trauerfeier an-
DIE DEUTSCHEN IN PENNSYLVANIEN.
16S
lässlich des Ablebens Benjamin Franklin 's
im Jahre 1792 abgehalten.
Die Sprachenfrage kam in den lutheri-
schen Kirchen Philadelphia 's am Anfange
des vorigen Jahrhunderts auf. Im Jahre
1803 wurde von den Gemeinden beschlos-
sen, am ausschliesslich deutschen Gottes-
dienst festzuhalten. In der Zions-Kirche
kam es der Sprachenfrage wegen im Jahre
1805, sowie 1815 zu ernstlichen Kontlikten ;
Pastor Helmuth mahnte beständig zur Auf-
rechterhaltimg der deutschen Sprache in
Kirche, Schule und Haus. Die erste luthe-
rische Kirche in Peunsylvanien, in welcher
Englisch gepredigt wurde, war die 1809
eingeweihte St. John 's Kirche in Phila-
delphia.
Auch die reformirte Kirche, welche im
Jahre 1792 ihre Yerbindmig mit der Sy-
node in Holland gelöst hatte, vermochte nur
mit schwerer ]Mühe, die deutsche Sprache
aufrecht zu erhalten. So schieden die
deutsch sprechenden ^Mitglieder der ersten
deutschen Reformirten Kirche an Race
Strasse in Philadelphia aus derselben im
Jahre 1817 aus imd gründeten eine neue
Gemeinde, die Salem-Kirche. Dasselbe er-
eignete sich einige Jahre später in Lan-
caster. Der Plan, den schon Graf Zinzen-
dorf vergeblich durchzuführen versucht
hatte, eine Vereinigimg der lutherischen
imd deutschen reformirten Gemeinden der
Ver. Staaten, war im Jahre 1822 wieder zur
Debatte gekommen, gelangte jedoch nicht
zur Ausführung.
Die Gründung eines theologischen Semi-
nars war bereits im Jahre 1785 diskn-
tirt worden. Namentlich trat der im Jahre
1770 gelandete Pastor Johann Christoph
Kunze, der in Philadelphia in 1773 eine
höhere Schule eröffnet hatte, lebhaft dafür
ein. Er war bei ]\Iühlenberg 's Rücktritt
1779 Rektor der lutherischen Kirche ge-
worden. Er war in Artern, Sachsen, im
Jahre 1744 geboren, verheirathete sich mit
einer Tochter Pastor Mühlenberg 's mid
wurde im Jahre 1780 Professor der orien-
talischen Sprachen an der Pennsylvania
Universität. Später erhielt er eine Beru-
fung an die Columbia Universität in New
York, wohin er im Jahre 1784 übergesiedelt
war. Gleichzeitig war er ein vorzüglicher
]\Iathematiker, denn er hatte diesen Zweig
des Wi.ssens in Leipzig neben Theologie
studirt. Er befürwortete den Unterricht
deutscher Kinder in englischer Sprache.
Im Jahre 1807 starb er. Er hat das erste
lutherische Gesangbuch in englischer
Sprache herausgegeben.
Die Gründung des lutherischen theologi-
schen Seminars in Gettysburg, Pa., tiel in
dasselbe Jahr wie die des reformirten in
Carlisle. An das Seminar in Gettysburg
wurde 1830 Professor Ernst Ludwig Ha-
zelius berufen, der in Neusalz, Schlesien,
im Jahre 1777 geboren war, unter den
Herrnhutern studirte, sich besonders in
klassischen Sprachen auszeichnete, 1800
an das Herrnhuter Seminar in Bethlehem
Pa., kam, in Philadelphia eine nicht ren-
table Privatschule gründete, dann an das
Hartwiek-Seminar im Staate New York be-
rufen Avurde. Aus Gettysburg schied er
nach dreijähriger Thätigkeit, um Rektor
des Prediger-Seminars in Lexington, S. C,
zu werden. Er wirkte daselbst bis zu
seinem am 20. Februar 1852 erfolgten Tode.
Sein Hauptwerk war „Die Geschichte der
lutherischen Kirche in Amerika von ihrem
Anfang im Jahre 1685 bis 1842." Der
hervorragendste Lehrer an dem reformirten
Seminar in ^Mercersburg, Pa., war der in
Chur in der Schweiz im Jahre 1819 gebo-
rene, aber an den Universitäten Tübingen,
Halle und Berlin gebildete Philipp Schaffn-
er war im Jahre 1844 einem Rufe nach
Amerika gefolgt. Er wirkte später in New
York am Union Theological College. Er
war ein bed^^utender Kenner der Kirchen-
Geschichte. Er starb in New York im Jahre
1893. Er hat viele "Werke verfasst und war
noch in seinem Todesjahre auf dem Reli-
gions-Kongress in Chicago für eine Eini-
gung der Christenheit eingetreten.
164
DIE DEUTSCHEN IN PENNSYLVANIEN.
Die Herrnhuter.
Einen sehr grossen Antheil an der Be-
siedlung und Erschliessung Pennsylva-
nien's hatten neben den deutsehen ]\Ienno-
niten, Lutheranern und Refonnirten die
Herrnhuter. Als erster Missionar langte
der 1704 in Klettenburg. Preussen. gebo-
rene und in Jena theologisch gebildete
Auf/ust (ioiühh Spange nherg an. Er war
vorher in AVestindien und in Georgia als
IMissionar thätig gewesen. In der Nähe von
Savannah hatte er eine Kolonie gegründet.
Er wurde im Jahre 1744 Bischof imd hatte
16 Jahre lang die Leitimg der Angelegen-
heiten der Sekte in Amerika in Händen.
Er wurde nach Europa zurückgerufen und
starb iin Jahre 1792 in Bartheisdorf.
Saehsen. Sein Hauptwerk war ..Idea Fidel
Fratrum oder kurzer Begriff der christli-
ehen Lehre in den evangelischen Brüderge-
meinden."
Spangenberg folgten im Jahre 1740 viele
Herrnhuter nach, welche sich in Georgia
angesiedelt hatten, aber in Gewissens-Kou-
flikte mit der Kolonial-Regierung geriethen.
Im November 1741 langte Graf Zinzendorf,
der Gründer der Sekte, in Philadelphia an.
Es begann nun eine rege Kolonisations-
Thätigkeit. An der „Gabel des Delaware"
wui-den von Spangenberg und Nitschmann
5.5()() Acker Land gekauft imd darauf
Bethlehem und Nazareth gegründet. Zin-
zendorf kehrte nach vergeblichen Versu-
chen. Lutheraner und Reformirte mit den
Herrnhutern zu einer evangelischen Ge-
meinschaft zu vereinigen, nach Europa zu-
rück. Im Jahre 1742 wurde der Eckstein
der Herrnhuter-Kirche an der Race und
Broad Strasse in Philadelphia gelegt, Beth-
lehem wurde das Centrum einer kommu-
nistischen Brüderschaft, die bis zum Jahre
1762 bestand. Der regen ]\Iissions-Thätig-
keit der Herrnhuter, sowie dem Zuzüge,
den sie von Europa erhielten, gelang es,
Gemeinden in Lititz. Lansaster, York, am
Mahoning Creek zu gründen. Aber sie
begnügten sich nicht damit, in den schon
vorhandenen Ansiedlimgen oder in der
Nähe derselben festen Fuss zu fassen, sie
drangen weiter nach Westen vor, gründe-
ten Friedenshütten in Bradford County
imd waren die Ersten, welche nach Ohio
vordrangen. Friedensdorf, Schönbrunn am
Tusearawas. Gnadenhütten und Salem am
oberen ]\Iuskingum sind die ersten Ansied-
lungen in Ohio. Das erste weisse Kind,
das nördlich vom Ohio-Flusse geboren
wurde, war ^lary Heckewelder, die Tochter
eines Hermhuter-Missionars. Sie erblickte
am 16. April 1781 das Licht der Welt.
Das Hauptverdienst der Herrnhuter be-
stand darin, dass sie es verstanden, Ein-
tiuss auf die Indianer zu gewinnen. Ihre
Missionäre bekehrten viele Indianer. Sie
eigneten sich deren Sprache an und mach-
ten sich mit den Sitten und Gebräuchen so-
wie ihren Ansichten vertraut. Besondere
Verdienste nach dieser Richtimg hin er-
warben sich Da viel Zcishergcr, der im Jahre
1721 in ^Mähren geboren, in Herrnhut
in Sachsen erzogen worden war und zuerst
in Georgia, dann in Pennsylvania wirkte.
Vom Jahre 1743 bis zu seinem im Jahre
1808 in der von ihm gegründeten Kolonie
Schönbrunn in Ohio erfolgten Tode war er
unermüdlich im Interesse der Indianer
thätig. Seine diesbezüglichen Dienste ste-
hen in der Geschichte des Landes ohne
Gleichen dar. Wie grosser Beliebtheit er
sich unter den Indianern erfreute, geht
daraus hervor, dass er zum Häuptling der
Irokesen ernannt und in die Stammes-
gemeinschaft der Delawaren aufgenommen
wurde. Seinem persönlichen Einfiuss ist
es zu verdanken, dass er die Delawaren ver-
hinderte, sich ihren früheren Verbündeten
anzuschliessen und gegen die um ihre Frei-
heit kämpfenden Amerikaner die Waffen
zu ergreifen. Nach dem ^Massaker einer
Schaar von christlichen Indianern bei Gna-
denhütten im Jahre 1782 führte er den
Rest seiner Schützlinge nach ^Michigan,
dann nach Canada mid schliesslich.
DIE DEUTSCHEN IN PENNSYLYANIEN.
165
im Jahre 1798 zum Tuscarawas, wo die
Ortschaft Goschen gegründet wurde. Er
gab eine Fibel in der Delaware Sprache
und ein AVörterbuch derselben heraus.
Sein fähiger Gehilfe in der Indianer-]\Iis-
sion war der im Jahre 1743 in Bedford,
England, von deutschen Eltern geborene
Johann Göttlich Ernst Heckeiveldcr. Als
lljähriger Knabe war er nach Pennsylva-
nien gekonnnen. wurde Herrnhuter-Geistli-
cher und 1771 Gehilfe David Zeisberger's.
Fünfzehn Jahre war er als Älissionar in
Ohio thätig. In den Jahren 1792 mid 1793
war er behilüich. Verträge zwischen den
Vereinigten Staaten und den Indianern,
I)ei denen er sehr beliebt und geachtet war,
abzuschli essen. Im Jahre 1810 kehrte er
nach Bethlehem, Fa., zurück, wo er bis zu
seinem im Jahre 1823 erfolgten' Tode sich
mit Abfassung seiner Beobachtungen imd
Erfahrungen unter den Indianern lieschäf-
tigte. In deutscher und englischer Sprache
erschienen folgende AVerke von ihm: ,,Ein
Bericht über die Geschichte, die Sitten und
Gebräuche der Indianer-Völker, welche
einst Pennsylvanien und die benachbarten
Staaten bewohnten"; „Geschichte der Mis-
sonsthätigkeit der Hermhuter imter den
Delaware- und ]\Iohegan - Indianern ' ' ;
,, Namen, welche die Lenni-Leuape- und
Delaware-Indianer den Flüssen, Strömen
und Ortschaften gaben". Ebenso zeichnete
sich Friedrich Post als Indianer-Missionar
aus und machte im Jahre 1758 die Indianer
bei Fort Du Quesne den Franzosen ab-
spenstig.
Auch als Gründer von höheren Lehr-
An.stalten zeichneten sieh die Herrnhuter
aus. In seiner ,,Universal-Geschichte und
Geographie" stellt ihnen Paine des Zeug-
niss aus, dass zu damaliger Zeit (1799) die
Herrnhuter-Schulen die besten im Lande
waren. So gründeten sie eine Knaben-
schule in Nazareth und eine ^Mädchenschule
in Bethlehem, sowie ,, Linden Hall", eine
höhere Töchterschule, in Lititz.
Die Tunker und Konrad Beissel.
Die erste Einwanderimg der unter dem
Namen Tunker bekannten Sekte, die an die
Ueberleibstaufe, an das Untertunken,
glaubten, erfolgte unter Alexander Mack
im Jahre 1719. Im Jahre 1729 trafen wei-
tere Tunker, dreissig Familien, ein. In-
zwischen hatte Konrad Beissel, der im
Jahre 1690 in der Pfalz ge])oren war,
Bäckergeselle wurde, Musik trieb, sich zu
einem passablen Geiger ausgebildet und
die Universität Halle besucht hatte, von wo
er im Jahre 1720 wegen Abhaltens von Er-
weekuugs- Versammlungen verbannt worden
Avar, nach kurzem Aufenthalte in German-
town, wohin er ausgewandert war, und
nach dreijährigem Einsiedler-Leben am
:Mühlbach in Lancaster Comity, die Ueber-
zeugung gewonnen, der Samstag und nicht
der Sonntag müsse als Tag des Herrn ge-
feiert werden. Er kehrte nach Germantown
zurück und schloss sich dort den Tmikern
an. Er predigte die Ehelosigkeit und
gründete im Mai 1725 die Sekte der Sieben-
täger. Im Jahre 1732 zog er sich wieder
in die Einsamkeit am Cocalico-Fluss zu-
rück, aber seine Anhänger folgten ihm,
und dort gründete er im Jahre 1735 das
Kloster Ephrata in Lancaster County. Er
selbst wurde „Vorsteher". Im Jahre 1740
wurde in Ephrata die erste Sonntags-
Schule für die Kinder der nicht zum Klos-
ter gehörigen Leute von Ludwig Höcker ge-
gründet, und von Beissel Privat-Eigenthum
für eine Sünde erklärt, also der Kommu-
nisnuis etablirt. In seiner interessanten
Skizze „Ephrata, eine amerikanische Klo-
stergeschichte" hat Oswald Seidensticker
über Beissel und seine Gründung Ge-
naueres erzählt. Nachdem er die Revolu-
tion der Eckerlins zu nichte genuicht hatte,
blieb Beissel bis zu seinem Tode, am 6.
Juli 1768, unbeschränkter Herrscher in
Ephrata. Bald darauf verfiel das Kloster.
Was es besonders berühmt gemacht hat,
ist seine im Jahre 1745 gegründete Drucke-
rei, aus der etwa 100 Bücher hervorgingen.
166
DIE DEUTSCHEN IX TENNSYLVANIEN.
Das grössto "Werk, dass in der Kloster-
Druckeroi entstand und zn«jclei('li das
unifangreiehste war. das vor der Revolution
erechien, ist ein Neudruck des von dem PIol-
länder Van Braght geschriebenen Buches
„Der Blutige Sehauplatz oder ^Märtyrer-
Spiegel". Es wi'rden darin die Schicksale
und Leiden der ^lärtyrer der ^lenuoniten
gesehildert. Der damalige Prior des Klos-
ters, Peter Füller, war ersucht worden, es
aus dem Holländischen in 's Deutsche über-
setzen und drucken zu lassen. Mit der Be-
aufsichtigung der Uebersetzung betrauten
die IMennoniteu Dielman Kolb und Hein-
rich Funk. An dem l.oOO Seiten starken
Buche setzten, druckten und banden fünf-
zehn ^Mönche drei Jahre lang.
Anhaenger anderer Sekten und Glaubens-
Bekenntnisse.
Ferner kamen nach Pennsylvanien An-
hänger der „Inspirirten" imd anderer Se-
paristen im Jahre 1726, 1730 Sehwenkfel-
der, denen ein Jahr später weitere Glau-
bensgenossen an Bord des „St. Andrew"
folgten, Swedenborger unter Bülow und
Reichenbach 1788, welche sieh in Lancaster
niederliessen. Ferner wurden in Pennsyl-
vanien gegrimdet „Die evangelische Verei-
nigung", von Jacob Albrecht 1800, daher
„Albrechtsleute" genannt, imd die ..Verei-
nigten Brüder in Christo", von Philipp W.
Otterbein.
Die ersten latholischen Gemeinden ent-
standen 1741 in Goschenhoppen, ]\Iontgo-
mery County, gegründet von Pater Schnei-
der, 1745 die St. :Mary's Kirche in Lan-
ca.ster. 1762 die neue katholische Kirche in
Lanca.ster, die heilige Dreifaltigkeits-Kirche
an 6. und Spruce Str. in Philadelphia
1788, eine katholische Kirche in Reading
1791 und andere mehr.
Die erste jüdische Gemeinde, die in
Pennsylvanien sich sammelte, war die
Rodef Shalom in Philadelphia im Jahre
1780. Zwei Jahre später wurde daselbst
ein Tempel gebaut. Im Jahre 1783 beklag-
ten sich die Juden in Penn.sylvanien, dass
in dem Entwurf der Konstitution ihnen
wichtige bürgerliche Rechte versagt wären.
Die Deutschen und die Indianer.
Mit den Lenni Lenapes aus dem Stannne
der Dela waren, welche einen Theil von
Pennsylvanien bewohnten, kamen die fried-
liebenden Quäker und Deutschen ganz gut
aus. Sie waren im Stande, ihre Ansied-
lungen, die zunächst in der Nähe von Phi-
ladelphia sich befanden, innner weiter hin-
auszuschieben, und hatten bereits den gan-
zen östlichen Theil des späteren Staates be-
siedelt, als die Indianer anfingen, mit we-
niger AYohlwollen als bisher die Eindring-
linge imd die Eroberer ihrer Jagdgründe
zu behandeln. Es Avaren nicht mehr die
gutmüthigen und friedliebenden Lenni
Lenapes, denen Pastorius ein so gutes Zeug-
uiss ausgestellt hat, mit denen es die deut-
schen Pioniere zu thun hatten, sondern ein
kriegslusteriges Volk, der unter dem Na-
men ,, Sechs Nationen" bekannte Indianer-
Bund, zu dem allerdings auch die Dela-
waren gehörten.
In dieser Zeit greift ein Deutscher in die
Geschichte nicht allein Pennsylvanien 's,
sondern der gesammten Kolonien ein. der
sich in den Verhandlungen mit den India-
nern von geradezu unschätzbarem Werthe
erwies: Konracl Weiser. Die nachstehende
kurze Skizze ist einer Biographie Konrad
Weiser 's, einem Beitrage des Sekre-
tärs des Deutschen Pionier- Vereins von
Philadelphia, Herrn C. F. Huch, in den
]Mittheilungen des Vereins entnommen,
welche für die deutsch-amerikanische Ge-
schichte von bleibendem Werthe sind. Da-
nach wurde Konrad Weiser am 2. Novem-
ber 1696 in Astädt im württembergischen
Amte Herrenberg als Sohn Johann Konrad
Weiser 's geboren. Ueber denselben ist in
Prof. Faust 's ausführlicher Darstellung
der Geschichte der Deutschen in New York
berichtet worden. In Amerika langte die
Familie Weiser am 13. Juni 1710 an. Als
DIE DEUTSCHEN IN PENNSYLVANIEN.
167
löjähriger Knabe wurde Kourad von dem
Häuptling Quagnant in dessen Stamm auf-
genommen und erlernte die ]\Ioha\vk-
spraehe. Er verheirathete sieh am 22. No-
vember 1720 im Hause seines Vaters mit
Anna Eva. Der Familien-Namen dersel])en
ist nicht bekannt. Die Vermuthung, dass
sie ein Iiulianer-Mädehen war. erseheint
unbegründet. Ihre Tochter heirathete
Pastor ]Mühlenberg. und dessen Nachkom-
men zeigten keine Spuren indianischer Ab-
stammung. Weiser lebte mehrere Jahre
miter den Indianern als Landmann. Im
Jahre 1729 folgte er seinem Vater und des-
sen Landsleuten, die im Jahre 1723 bereits
nach Berks County, Pa., übergesiedelt
waren, imd liess sich in der Nähe des heuti-
gen Womelsdorf nieder. Von dem Jahre
1731 an begann seine Thätigkeit als Unter-
händler zwischen den Kolonien und den
verschiedenen Indianer - Stännnen. Als
solcher diente bis dahin den ,, Sechs Na-
tionen" der Oneida-Iiäuptling Schikelli-
ney, der in der Gegend des heutigen Slia-
niokin, Pa., wohnte. ]\Iit diesem begab sich
Weiser 1731 nach Philadelphia und wurde
zum Indianer-Agenten der Kolonie er-
nannt. Auch die Kolonien New York, Vir-
ginien imd ^Maryland nahmen seine Dienste
in Anspruch. Als die „Sechs Nationen"
im Jahre 1736 eine drohende Haltung an-
nahmen, war Konrad Weiser der Friedens-
Vermittler. Im nächsten Jahre drohte ein
Krieg der Choctaws und Cherokesen im
Süden mit den nördlich wohnenden ,, Sechs
Nationen". Weiser wendete denselben ab.
Auch im Jahre 1743 gelang es seinem Ein-
flüsse bei den Indianern, die er in Shamokin
und Onondaga aufsuchte, sie von der Zer-
störung der Ansiedlungen abzuhalten. Als
Dolmetscher war er im nächsten Jahre in
Lancaster in den Verhandlungen mit den
„Sechs Nationen" thätig. Dasselbe geschah
im Jahre 1750 und in 1753. Es ist Wei-
ser's EinHuss, sowie demjenigen des Ilerrn-
huter-^Iissionars Friedrich Post im höheren
Masse als den Bemühungen des britischen
Superintendenten der Indianer - Affairen,
William Johnson, der von amerikanischen
Historikern dafür die alleinige Anerken-
nung erhalten hat, zu danken, dass die von
den Franzosen angebahnte Waffenbrüder-
schaft der ihnen befreundeten Algonquins
mit den Irokesen nicht zustande kam.
Wäre das geschehen, so hätte der im Jahre
1754 ausgebrochene Kolonialkrieg zwischen
England und Frankreich, der sogenannte
..French and Indian War", der englischen
Herrschaft in Amerika ein Ende gemacht.
Der Friede zu Aachen im Jahre 1748
hatte die Frage einer genauen Grenzreguli-
rmig der Kolonien England 's und Frank-
reich's in Amerika offen gelassen. Beide
]\lächte beanspruchten das Ohio-Thal. Die
britische Kolonie Virginien behauptete, das
Ohio-Thal gehöre zu ihrem Territorium,
Als die Franzosen es von Canada aus be-
setzten, wurde George AVashington, der
damals 21 Jahre alt \md General-Adjutant
der ]\Iiliz von Virginien war, von Gouver-
neur Dinwiddie an den französischen Kom-
mandanten von Fort Le Boeuf. an der
Stelle des heutigen Erie, mit einem Schrei-
ben gesandt, in welchem formell Protest
gegen die Anlage des Forts erhoben wurde.
Ein Deutscher, Namens Theodor Gist, war
AVashington 's Führer. Der Protest war
fruchtlos.
Vergebens versuchte Gouverneur Din-
widdie. die Kolonien von der Gemeinschaft-
lichkeit ihrer Interessen und der Nothwen-
digkeit vereinten Handelns zu überzeugen ;
vergebens bemühte sich Benjamin Franklin
auf dem Kongress in Albany, 1754. eine
I''^nion der Kolonien zu Stande zu bringen.
Hatte schon das Jahr eine beständige Be-
unruhigung der Ansiedler gebracht, so
wurde die Gefahr akut, als General Brad-
dock in der Nähe von Fort Duquesne. am
ZusammenHuss des Alonongahela und Al-
legheny, mit .seinen dreizehnhundert Mann
am 9. Juli 1755 eine vollständige Nieder-
lage erlitten hatte. Sechshundert india-
nische Verbündete der aus 300 :\Iann be-
168
DIE DEUTSCHEN IX PENNSYLVANIEN.
stehenden, schnell geschlagenen französi-
schen Abtheilung führten Braddock's Nie-
derlage herbei, der zu eigensinnig war, um
dem Käthe Washington 's. die iiulianisehe
Taktik anzunehmen und aus gedeckter
Stellimg anzugreifen, gemäss zu handeln.
Die Folge ihrer glänzenden "Waffenthat
war eine ühermüthige Siegestrunkenheit
der Indianer, welehe die Ansiedhmgen in
der Nähe der Blauen Berge in Virginien
und Pennsylvanien überfielen. plünderteUv
die Bewohner mordeten imd skalpirten und
ihre Häuser und Scheunen in Brand
steckten. Vierhundert Deutsche marschir-
ten nach Philadelphia und verlangten von
der Assembly wirksamen Schutz. AYieder
nuisste "Weiser helfen und wurde zum
Oberst der in Berks County zu rekrutiren-
den Freiwilligen ernannt. Er hatte an
einem Tage 200 ]\Iann zusammen, sandte
50 ^Nlann* zur Vertheidigung des Swatara-
Passes ab und marschirte mit den anderen,
die unterwegs Verstärkungen erhielten und
der ]\Iehrzahl nach mit Büchsen bewaffnet
waren, zum Susquehanna nach Lancaster
County. Der drohende Einfall der In-
dianer unterblieb, und Weiser kehrte mit
seiner Schaar zum Schutze der Ileimath
zurück. Im nächsten Jahre wurden die
Indianergreuel noch schlimmer. Die Deut-
schen litten besonders schwer. Das „Royal
American Regiment", das fast ganz aus
Deutschen bestand, wurde geschaffen, und
Blockhäuser und Forts auf Weiser 's Rath
an den Grenzen von Berks und Lancaster
County errichtet. Er selbst suchte in
Easton mit den Indianern zu unterhandeln
und sie zum Frieden zu bestimmen. Erst
im Jahre 1757 gelang es endlieh, die India-
ner, die in Berks, Lebanon, Lancaster und
anderen Counties Raul). ]Mord und Brand-
stiftung verübt hatten, zum Frieden zu be-
stinnnen. Weiser starb auf seiner Farm
bei Womelsdorf, Pa., am 13. Juli 1760. Auf
dem einfachen Grabstein befindet sich fol-
gende, halbverwitterte Inschrift :
Dieses ist die Ruhe-Stätte des weyl.
geachten ^I Conradt Weisers'. Der-
selbige geboren 1696, den 2. November
im Amt Herrenberg im Wittenberger
Lande und gestorben 1760 d. 13. Julius
ist alt geworden 64 Jahr 3 'M. 3 W.
6 T.
Wie ersichtlich i.st eine Sprachsünde dem
Anfertiger des Grabsteins passirt. Es war
das Württemberger Land, aus welchem
Konrad Weiser stammte. Die Indianer
nannten ihn Tarachawagon und behaupte-
ten, dass die eine Hälfte seines Herzens
dem rothen ^NFanne gehöre, die andere dem
AVeissen, und dass dadurch Beiden Vor-
theile erwüchsen.
Wenn auch zwischen Franzosen und
Engländern Frieden geschlossen wurde
und der in Paris 1763 zu Stande gekom-
mene Vertrag der französischen Territo-
rial-Herrschaft in Amerika ein Ende
machte, so hatten doch die England nicht
freundlich gesinnten Indianer nicht das
Kriegsbeil begraben. Die Zerstörung der
Indianer-Stadt Kittanniug am Allegheny
hatte zwar den Rothhäuten den Stützpunkt
ihrer Raub- imd ^Mordzüge in die Kolonie
Pennsylvanien genonnnen. aber als Ptmtiac,
aus dem Stannue der Ottawas, denen sich
fast alle Stännne der franzosenfreundlichen
Algonquins, sowie die Senecas von den
„Sechs Nationen" angeschlossen hatten,
seine grossartig inscenirte Verschwörung
zur Ueberrumpelung aller englischen
Grenzforts und Ermordung ihrer Besatz-
ung in 's Werk setzte, da wurden ausser
den Ansiedlungen an den grossen Seen
auch diejenigen Virginien 's und Pennsyl-
vanien's schwer bedrängt und erlitten
grosse Verluste an ^Menschenleben und
Eigenthum. Erst drei Jahre später waren
die Indianer-Unruhen beendet. Aber die
furchtbarste Indianer-Heimsuchung sollte
erst mehr als zehn Jahre später kommen.
Im nördlichen Theile des mittleren Penn-
sylvanien liegt zwischen zwei Bergzügen
ein prächtiges Thal, das ..Wyoming
DIE DEUTSCHEN IN TENNSYLVANIEN.
169
Valley", durehströnit vom Sustiueliaiina.
Ueber den Besitz hatten sieh die beiden Ko-
lonien Pennsylvanien und Conneetieut. die
es beide beanspruehten, nieiit einigen kön-
nen. Das Thal war besiedelt worden und
zu blühenden Feldern und Fluren durch
den Fleiss der Kolonisten gediehen. Im
Sommer 1778 tiel eine aus nach Canada
nahmen mit Frau inid Kind Zutlucht in
..Forty P^ort", dem heutigen Wilkesbarre.
Vierhundert ]\Iann grift'en am 3. Juli 1778
die ^Eindringlinge an, wurden aber voll-
ständig gesehlagen. Der britische Befehls-
haber meldete, dass ..227 Skalpe" genom-
men wurden, wofür er natürlich die In-
dianer verantwortlich machte. Viele Ge-
DAS WYOMING MASSAKER Gerr.aelde von F. O. C. Datley
Copyright 1905. by John D. Morris & Co.
vertriebenen Tories und Indianern beste-
hende Bande, nachdem sie die German
Fiats und Cherry Valley in New York ver-
heert hatte, in das Wyoming-Tlml ein. Sie
war 1.100 ]\Iann stark, darunter 700 India-
ner. Die Ansiedler, deren waffenfähige
jüngere Mannschaft zum Theil der Kon-
tinental-Armee sich an^re.schlos-in hatte.
fangene wurden gefoltert, eine Grausani-
keit, an welcher sich auch die ,,Squaws",
die Indi.anerfrauen. betheiligten. Die reber-
lebenden waren in das Fort geflohen, muss-
ten sich aber am nächsten Tage ergeben.
Dann begann das [Massaker von Neuem. Die
Indianer bekünnnerten sicli in ilirer Blut-
gier nicht um das von dem britischen An-
170
DTE DEUTSCH KX IX PEXXSYLVAXIEN.
führer, Oberst .lolm liutlfi-. ire^ebene Ver-
spn'C'lu'ii. Wri- iiiiiiici" viTinochti'. tloli in
die Wälder und luicli ili'ii näclisteii Ausiod-
lungen. Hundert Frauen kamen infolge
der Strapazen, des St-hrei-kens und di's
Manirels an Xahrunfrsniitteln in dem
Sumptlande um. das seitlier die ..Schatten
des Todes" t;enannt wird. Die erfolglose
Vertheidigun«.' des Wyomin^r-Thales leite-
ten Oberst Zebuion Butler und ein Deut-
seliei-. Namens Ilollenbaeli. Nachdem die
Indianer und ilire sehurkisehen Verbüude-
trn in Xi'w York von General Sullivan bei
Newtown gesehlajren. ül)er 40 Indianer-
Dörfer, sowie die p]rnte verbrannt worden
waren und Oberst Broadhead im Thale des
Alleglieny in Pennsylvanien eine ähnliche
Straf-Expedition ausgefühi-t hatte, hörten
in Pennsylvanien die Indianer-Unruhen
auf. Auch New York blieb davon ver-
schont.
Die Deutschen im politischen Leben.
Im politischen Leben haben die Deut-
schen in der Kolonialzeit Pennsylvanien 's
einen gewissen Eintluss ausgeübt, der nicht
luiterschätzt werden dai-f. Im Jahre 1700
war das erste Naturalisations-Gesetz von
der A.s.send)ly ei-lassen, aber fünf Jahre
später wieder aufgehoben worden. Im
Jahre 1706 wurden 150 Deutsche, welche
sich zweiundzwanzig Jahre im Lande be-
fanden, auf ihren Antrag hin vom Provin-
cial-Rath zu Bürgern gemacht. Durch eine
Special-Akte der Assend)ly. zum Gesetz er-
hoben am 28. September 1709, wurde auch
Pastorius, der Gründer Germantown 's, mit
achtzig deutschen Landsleuten naturalisirt.
Da die Zahl der Deutschen, welche ein-
wanderten, immer grö.s.ser wurde, begannen
die Briten um ihre Vorherrschaft besorgt
zu werden. Es wurde deshalb 1729 von
der Assendjly eine Gesetzvorlage passirt,
welche einen „Einfuhr-Zoll" auf Einwan-
derer festsetzte. Offenbar aber sahen die
Herren Gesetzgeber die Thorheit dieser
Massnahme ein und widerriefen sie im
nächsten Jahre bereits. Das ei*ste allge-
meine Naturalisations-Gesetz wurde im
•lahre 1740 passirt. Im Jahre 1743 wurden
in Philadelphia allein 304 Deutsche natu-
ralisirt.
Besonders ereignissreich für die deutsche
Einwanderung war das Jahr 1749, in wel-
cliem IJ.OoO I)( ulschr in Philadelphia lan-
deten. Die Besorgniss. dass die Provinz
vollständig gennanisirt werden könnte,
stieg beständig. Dass die Deutschen der
damaligen Zeit angethane Beleidigungen
niclit uidx'merkt vorübergehen Hessen, ging
aus dem Widerstände hervor, welchen sie
Benjamin Franklin 's Assembly-Kandida-
tur entgegensetzten.
Dass sie in der Zeit vor dem Unabhän-
gigkeits-Kriege vollzählig auf Seiten der
P^reiheitsfreunde standen und die Vor-
stände der Deutschen Gesellschaft, der
lutherischen und reformirten Kirche in
Philadelphia bereits am 1. August 1775 in
Philadelphia einen Aufruf erliessen und zu
bewaffnetem Widerstände gegen die Be-
drücker aufforderten, ist früher erwälmt
worden, ebenso ihre Bereitschaft, für die
heilige Sache der Freiheit ihr Blut zu ver-
giessen.
Als die Einnahme Philadelphia 's durch
die Briten im Jahre 1777 bevorstand, ver-
liessen viele Deutsche die Stadt, da sie von
den Feinden keine gute Behandlung er-
warten konnten. Die Engländer wandelten
die deutschen Kirchen in Hospitäler um.
Die St. Peter 's Kirche in Barren Hill,
]\rontgomery County, benutzten sie sogar
als Pferdestall. Auch die deutschen Kir-
chen in Pottstown und Reading wurden als
Hospitäler verwandt. Erst im Jahre 1782
konnte die Zions-Kirche in Philadelphia
ihrer Bestinunung wiedergegeben werden.
An dem furchtlosen Agitator für Freiheit
der Kolonien, Heinrich Miller, rächten sich
die Engländer dadurch, dass sie sein Eigen-
thum wegnahmen und fortschleppen Hessen.
Welche Verdienste die Deutschen Penn-
sylvanien's sich um die Annahme der
DIE DEUTSCHEN IN PENNSYLVANIEN.
171
Bundes- Vorfassimo: erworben, deren lUO-
jähri^es Jubiläum im Jahre 1887 in Phi-
ladelphia in grossartiger Weise gefeiert
wurde, ist in einem anderen Kapitel darge-
legt worden.
Selbstverständlieh betheiligten sieh die
Deutsehen am 4. Juli 1788 an der ersten
grösseren Feier des Unabhängigkeits-Tages
in Philadelphia.
Aber Dankbarkeit ist nie die starke
Seite von Republiken gewesen, imd das
mussten aueh die Deutschen empfinden.
Die Partei der Föderalisten, deren siegrei-
cher Präsidentschafts - Kandidat John
Adams am 4. ^lärz 1797 inaugurirt worden
war, passirte Gesetze, welche gegen die
Ausländer sich wandten. Ein Ausländer,
welcher sich der Aufreizung des Volkes
verdächtig gemacht hatte, sollte ohne AVei-
teres, ja ohne Prozess und Angabe der
Gründe, vom Präsidenten ausser Landes
gewiesen werden können. Auch sollten
Ausländer erst nach l-ljährigem Auf-
enthalt das Bürgerrecht erlangen. ]\lehr
noch empörte die deutschen Farmer von
Lehigh, Berks, Bucks und Northampton
Counties die Land- und Haus-Steuer. Die
Land-Steuer sollte nach dem Werth des
Besitzes festgestellt, während die eines
Hauses nach der Zahl und Grösse der
Fenster bestimmt werden sollte. Es kam
im Jahre 1798 zu einem Aufstande unter
Führung von Johann Fries. Der Präsident
sandte Truppen in die Aufruhr-Distrikte.
Die Empörer wurden auseinander getrie-
ben, imd John Fries gefangen genommen
und zum Tode verurtheilt, aber von Präsi-
dent Adams begnadigt. Die ,, Alien Act",
deren Ausführung dem Präsidenten ob-
lag, blieb, da Adams kein radikaler Reak-
tionär war, ein todter Buchstabe und trat
zwei Jahre später aus.ser Kraft.
Der erste Bürger deutschen Stammes, der
zum Gouverneur von Peunsfjlvanieu, und
zwar im Jahre 1808, gewählt Ax-urde, war
Simon Snyder (Schneider) ; der zweite
Joseph Riester (1820) ; der dritte John
Andrew SShultzr (Schnitze), früher L*astor
einer deutschen Gemeinde (1823) ; der
vierte Joseph Kitner (1835), der von einer
aus Schlesien stannnenden angebliehen
Adelsfamilie abstannnte, den Bau der
Pennsylvania-Bahn förderte, für das Volks-
schul-System eintrat und ein Verfechter
der Sklaven-Befreiung war; der fünfte
Franz K. Shu)ik (1845) ; der sechste John
Frederic Hart rauft, der zweimal nach dem
Bürgerkriege Gouverneur war und dessen
hauptsächlichstes Verdienst in der Reorga-
nisati(m der ]\liliz bestand.
Bundes-Senator war Albert Gallatin
(1793—1794), der im Jahre 1761 in Genf
in der Schweiz geboren, 1782 am Harvard
College französischen Unterricht gab, in
Fayette County, Pa., einen Laden etablirte,
sich in der kon.stituirenden Versaunnlung
von Pennsylvanien auszeichnete, als ]Mit-
glied der Legislatur gegen das Bundes-
Accise-Gesetz auftrat, seines Sitzes im Bun-
des-Senat verlustig erklärt wurde, weil er
vor weniger als neun Jahren Bürger gewor-
den war, indirekt sich an der Whiskey-In-
surrection betheiligte, von 1795 bis 1801
Kongress-oMitglied war, der Führer der Re-
publikaner im Kampfe gegen die Födera-
listen wurde, von 1801 bis 1813 als Schatz-
amts-Sekretär der Vereinigten Staaten
fungirte, dann im diplomatischen Dienst
als Gesandter in Paris und später in Lon-
don sich hervorthat, im Jahre 1828 nach
New York übersiedelte, wo er Präsident der
ersten National Bank und einer der Grün-
der der New York I^niversität wurde, die
,, American Ethnological Society" in 's
Leben rief \uid am 12. August 1842 starb.
Er gilt als einer der hervorragendsten
Financiers der Ver. Staaten, deren Staats-
schuld er wesentlich reducirte. Ebenfalls
Bundes-Senator war Michael Leih, von
deutschen Poltern m\ Jahre 1759 in Phila-
delphia geboren. Als ^Mitglied des Bundes-
Repräsentantenhauses machte er besonders-
Gallatin Opposition. Er wurde Bundes-
Senator im Jahre 1808. Er schied aus dem
172
DIE DEUTSCHEN IN PENNSYLVANIEN.
Amte im Februar 1814 aus. um Post-
meister in Philadelpliia zu werden. Gene-
ral-Postmeister Granir^T, der ihn trotz der
Opposition des Präsidenten dazu ernannt
hatte, wurde seines Amtes entsetzt, und es
wurde bestimmt, dass in Zukunft P^rnen-
nuntjen zu Postmeistern vom Präsidenten
ausijehen sollen.
KongTess-]\Iit^lieder deutseher Alistam-
mung von Pennsylvanien waren ausser den
beiden genannten : Israel Jacobs, Friedrich
Conrad, Adam Sci/bcrt, Johann Hahn.
Jacob Krebs, Johann Bitter, David liiitchi,
Win. E. Lehmann, Meyer Strauss; letzterer
wai- in Deutsehland geboren, als T.iähriger
Knabe mit seinen F.ltern naeh Pottsville,
Pa.. gekommen und ^yar später als Zei-
tungs-Herausgeber und Advokat in Phila-
delphia thätig.
Als ;iiii 14. Dezember 1790 Washington's
irdische Laufbahn zum Absehluss kam,
fand in der deutsehen Zions-Kirehe am 26.
Dezember in Philadelphia auf Veranlas-
sung der Regierung eine grosse Trauerfeier
statt. In seiner Gedenkrede charakteri-
sirte General Henry Lee den Entschlafenen
mit den Worten: "First in war. first in
peace and first in the hearts of his country-
men." Die Kirche war zu klein, um die
Älenge der Trauernden zu fassen.
An dem Kriege gegen England (1812),
dem Seminolen-Kriege (1837), dem ..Bnek-
shot War" (1839), dem Kriege gegen
Älexico (1846). und namentlich am Bür-
gerkriege war die Betheiligung der Deut-
schen Pennsylvanien 's und ihrer Nachkom-
men eine sehr bedeutende.
Auf den Kampf der Deutschen im Inter-
esse von Gesetzen zum Schutze der Einwan-
derung ist bei der Geschichte der Deutschen
Gesellschaft von Pennsylvanien hingewie-
sen worden. Der andere grosse Kampf be-
traf die Sprachenfrage, später waren es die
Einführung des Turn-Unterriehts und in
neuester Zeit die Prohibitions-Propaganda
resp. die der Vorläuferin derselben, der
Local Option, welche die Aufmerksamkeit
der Deutschen fanden und ihr politisches
Eingreifen nothwendig machten.
Schon beim Ausbruch des französisch-
indianischen Krieges war von dem Provost
der l'niversität von Pennsylvanien, Wil-
liam Smith, die Befürchtung ausgesprochen
worden, die Deutschen könnten dem Lande
ihre Sprache sowie Gesetze geben, und sie
verdächtigt worden, es mit den Franzosen
zu halten. Angesehene Deutsche protestir-
ten dagegen in einer Eingabe an den Gou-
verneur.
Bes(mders nahmen sich die deutschen
Kirchen, welchem Glaul)ens])ekenntniss sie
auch dienten, der deutschen Sprache an,
und ihren Bemühungen, sowie denen der
deutschen Presse ist es vor allen Dingen zu
danken, dass erstere erhalten blieb, selbst
im Anfange des vorigen Jahrhunderts, als
die deutsche Einwanderung fast ganz auf-
hörte oder doch so gering war. dass sie
kaum noch in 's Gewicht fiel.
Den grössten Erfolg erzielten die Deut-
schen, als es den Bemühungen der beiden
deutschen Geistlichen Joh. Chr. Kunze
und Caspar Weiberg gelang, den Verwal-
tungsrath der Universität von Pennsylva-
nien am 10. Januar 1780 zur Annahme des
folgenden Beschlusses zu bewegen :
,,Dass ein deutscher Professor der Philo-
logie angestellt werde, dessen Ptiicht es sein
soll, die lateinische und griechische Sprache
durch Yermitthoifj der Deutschen sowohl
in der Akademie wie in der Universität zu
lehren."
Interessant sind die Ansichten des er-
wähnten Pastor Kunze, des ersten deut-
schen Professors an der Universität. Er
sagte am 29. September 1782 in einer Rede :
,,In einem Lande, darinnen es noch an ge-
lehrten Aemtern fehlt, \uid darinnen nur
das Handwerk und die Ilandelschaft einen
güldenen Boden haben, müssen wir anfan-
gen, die Armen zu Gelehrten zu machen,
wenn wir so viel vom europäischen Gefühl
noch in uns haben, dass uns das L^rtheil der
Welt über unsere Einsichten nicht gleich-
DIE DEUTSCHEN IN PENNSYLVANIEN.
173
gültig ist." ,.lt-'h kann," heisst es an einer
Stelle, „von der vcrnuiUdichcn Dauer loise-
rer Sprache in Amerika einem Jeden gern
seine ^Meinung lassen. Mir kommt es )iicht
tvahrscheinlich vor, dass sie je wieder aus-
stirbt. Im Lande sieht's nicht aus, wie in
der Hauptstadt."
Das deutsehe „Institut" der Univereität
ging jedoch im Jahre 1787 ein, und Pastor
Helmuth, der es geleitet hatte, wurde Pro-
fessor der deutsehen Sprache. Zur He-
bimg der Kenntniss der deutschen Sprache
und Ptlege derselben wurde im Jahre 1789
die Mosheimische Gesellschaft in Philadel-
phia gegründet, ein literarischer Verein
von Jünglingen, welcher sich die Pflege der
deutsehen Sprache zur Aufgabe machte.
Zwei Jahre vorher war „Die Deutsche
Hochschule" in Lancaster (Franklin Col-
lege) gegründet worden, luid sie mag dem
deutschen Institut der Universität Abbruch
gethan haben.
In der Folge hatte die deutsche Sprache
einen schweren Stand. Vergeblich suchten
eine zweite ^Mosheimische Gesellschaft und
in Reading die ..Deutsche literarische Ge-
sellschaft" neues Interesse an der Erhal-
tung der deutschen Sprache hervorzurufen.
Auch in die Kirchen wurde der Sprachen-
kampf verlegt. Er führte zur Trennung
von deutschen Gemeinden, und selbst die
Deutsche Gesellschaft von Pennsylvanien
gebrauchte von 1818 — 59 Englisch als Ge-
sehäftssprache.
Allmählich hörte auch die deutsche Ein-
wanderung über Philadelphia auf, wenn-
gleich eine beständige Zunahme der deut-
sehen Bevölkerimg der Stadt zu verzeich-
nen war. Schon vor 1848 Avurde sie auf
über 50.000 Seelen geschätzt.
Sehr Avenig befriedigend hatte sich bis
zum Anfang der dreissiger Jahre des vori-
gen Jahrhunderts die Lage des Deutsch-
thums gestaltet. Es war keine Nacht der
materiellen Trübsal, welche es umgab, aber
eine geistige Dunkelheit lagerte auf ihm.
Ein ungenannter Deutsch - Amerikaner
schildert in seinem von der ,, Alten mid
Neuen Welt" in Philadelphia im Jahre
1836 verötfentlichten Tagebuche die Ver-
hältnisse, die er 10 Jahre früher bei seiner
Ankunft in Philadelphia unter den Deut-
schen vorfand. Da die Charakteristik auch
heute noch zum Theile wenigstens zutriflft,
mag sie hier eine Stelle finden. Sie lautet :
,, Seine (des Deutschen) Grösse steht so
deutlich der "Welt vor Augen, dass noch
kern einziges Volk es wagte, sie ihm streitig
zu machen. Im Gegentheil, es beeifern
sich alle Bessern und Edleren der Nationen,
ihn unangetastet auf der Himmelshöhe zu
lassen, in die er sich emporgeschwungen
hat. Doch er selbst kennt sich am wenig-
sten. Er trägt ein Königsgewaud imd
sieht es nicht. Er herrscht durch die ^Nlacht
seines Geistes und hat doch das Ansehen
eines sich schmiegenden Sklaven. Ein Krö-
sus, behängt er sich mit fremden Lumpen.
Die vier kleinen Wörter: ich hin ein Deut-
scher! kommen nur selten vor sein Gemüth
in ihrem vollen Wohlklang und Gewicht.
In dieser Hinsicht schien es mir lange Zeit
hindurch, als ob der Deutsche der neuen
Welt noch sehliefe. Es gibt rühmliche
Ausnahmen. Im Allgemeinen aber sind
dumpfe Trägheit imd, fast möchte ich
sagen, exemplarische Gleichgültigkeit gegen
die Grösse seiner alten Heimath die vergan-
gene Geschichte der Deutschen in Nordame-
rika. Selbst Philadelphia, einer der ersten
und ältesten Stapelplätze einwandernder
Deutschen, macht hierin keine Ausnahme."
Die Vorachtundvierziger, welche die De-
magogen-Verfolgungen, sowie die Nachwir-
kimgen der erfolglosen freiheitlichen Be-
strebungen in der Pfalz, Hessen, Württem-
berg, Dresden, Frankfurt, Göttingen und
anderen Städten imd Ländern und oft
grundlose Verdächtigungen aus der Hei-
nuith vertrieben hatten, waren eifrig be-
müht, ihre geistig zurückgebliebenen Lands-
leute zu fördern und das höhere Kultur-
leben ihnen zu erschliessen. das im alten
Vaterlande nach der Befreiung vom napo-
174
DIE DEUTSCHEN IX PENNSYLVANIEN.
leoniseht'U Joche sit-h g:elteiKl gemacht
"hatte
Die erste Konvention dditschtr Bürger
der Vereinigten Staaten, die am 18. Okto-
l)er 1837 in Pittsburg zusammentrat, zählte
Delegaten aus Pennsylvanicn. Ohio. New
York. .Missouri und Maryland. „Als her-
vorragendste Figur derselben", schreibt
Kattermann. ..sowohl was Geist als auch
Einriuss betraf, stand Franz Joseph Grund
da. neben Albert Gallatin und Karl Schurz
imbedingt der bedeutendste, wenn auch
nielit erfolgreichste deutsch-amerikanische
Politiker. Er war im Jahre 1798 in
Klosterneuburg bei Wien geboren und kam
1827 nach Amerika. Schon wenige Jahre
später treffen wir ihn als Professor der
.Mathematik an der „Harvard Universität"
in Cambridge, ^lassachusetts, wo er auch
(1833) seine ,,:Mathematischeu Lehrbü-
cher" herausgab. Nach kurzem Aufenthalt
in New York Hess er sich in Philadelphia
dauernd nieder. Er verfasste hier ein
,Jjeben und Wirken Martin Van Buren 's"
und nahm an dem Präsidentschaftswahl-
kampf des Jahres 1836 auf Seiten der De-
mokraten lebhaft Theil. Er gewann den
Ruf des bedeutendsten deutschen Yolksred-
uers in den Vereinigten Staaten. Präsident
Van Buren ernannte Grund noch während
der Pittsburger Konvention zum Ver. St.
Konsul in Antwerpen, wohin er sofort nach
Schluss derselben abreiste. Im Jahre 1839
trat Grund zur Whigpartei über, gab in
Philadelphia eine deutsche Zeitung „Der
„Pennsylvanisch-Deutsche" im Interesse
dereelben heraus \uid redigirte zu gleicher
Zeit eine englische Whig-Zeitimg „The
Standard". Auch sehrieb er mm ein „Le-
ben des Volkskandidaten William Henry
Harrison", das sowohl in deutscher wie
englischer Sprache erschien. Nach der
Erwähhmg Harrison 's ernannte dieser ihn
zum Konsul in Bremen, von wo er jedoch
bereits im Jahre 1842 zurückkehrte. Seit-
dem war Grimd wieder eifriger Demokrat
und Avurde der deutsche Wortführer der
Partei in den Präsidentschaftswahlen von
1844. 1848. 1852, 1856 mul 18ÜÜ. In der
Kampagne vom Jahre 1860 trat er gegen
Lincoln für Stephen A. Douglass ein und
bereiste als Redner für ihn das Land.
Douglass fa.sste eine grosse freundschaft-
liciie Zuneigung zu ihm. Auf dessen Rath
kaufte er Grundbesitz in Chicago, der
später Grund *s Wittwe und Sohn zu gros-
sem Reichthum verhalf. Als er im Jahre
1863 die politische Herrschaft der republi-
kanischen Partei auf längere Zeit gesichert
glaubte, entschloss sich Grund zu einem
abermaligen Parteiwechsel. Er redigirte
damals die demokrati.sche Zeitung ..The
Age" in Philadelphia. p]nde September
1863 erschien er in der ,, Union League" da-
selbst und erklärte in feuriger Rede seinen
L^ebertritt zur republikanischen Partei.
Natürlich erregte die Fahnenflucht des
,, hervorragendsten deutschen Demokraten
des Landes" grösste Sensation; die Repu-
blikaner begrüssten sie mit Jubel, während
die Demokraten den Renegaten in Acht und
Bann thaten. Grund fühlte sich plötzlich
seines Lebens nicht mehr sicher, mid als am
Abend des 29. September die Demokraten
der Stadt die Anwesenheit General ]Mc-
Clellan's zu einer grossen Demonstration
benutzten, der Fackelzug vor Grimd's
Hause in 's Stocken gerieth imd lauter Un-
willen laut wurde, glaubte Grund, es sei ein
Sturm auf sein Haus beabsichtigt, floh
durch die Hinterthüre in die nächste Poli-
zei-Station, bat athemlos um Hilfe und
brach dann, von einem Schlaganfall getrof-
fen, zusammen. Ehe ärztliche Hilfe zur
Stelle war, hatte er ausgelebt. Grimd war
eine elegante Erscheinung und huldigte
Napoleon 's I. Grundsatz, der bekanntlich
für Tafelfreuden und Frauen eine grosse
Schwäche besass. Er sprach ausser deutseh
imd englisch, fliessend französisch, italie-
nisch und spanisch, war sehr belesen, da-
bei war er witzig und hatte stets eine pas-
sende Anekdote zur Hand. Als politi-
scher Redner war er von grosser Bedeutung-
DIE DEUTSCHEN IX TENNbYLVANIEN.
175
,. Seine Worte sind Sehniiedelunnmer-Sehüi-
ge". erklärte Charles Summer."
Der Senior des Konvents war Friedrich
Karl Speyerer, ein Bruder des 1882 in
AVeingarten in Württemberg gestorbenen
Pfarrers Elias Speyerer und seit 1812 in
Beaver County, Fa., als Farmer ansässig.
Er war in der Heimath Advokat gewesen,
aber seine seharfe Kritik des Rheinbundes
machte ihn bald den Behörden verdächtig,
und so tloh er, wie so viele deutsche Fatrio-
teu, nach Amerika. Er ,, verbauerte" aber
fluch als Farmer nicht, sondern blieb bis in
sein hohes Alter geistig frisch, ein stattli-
cher alter ]\Iann mit weissem Haar, blühen-
den Wangen und flannnenden Augen mid
ein warmer Kämpfer für die deutsche
Sache.
Ein Parlamentarier, mit allen joarlamen-
tarischen Regeln vertraut, war Peter Kauff-
mann, geboren im Oktober 1800 in jNIünster-
IMaifeld bei Koblenz, Schulmeister von Be-
ruf und seit 1820 in Amerika. Im Jahre
1831 liess er sich in Canton, 0., nieder,
redigirte anfänglich die von Johann Georg
Sala gegründete und später von ihm erwor-
l)ene deutsche Zeitung daselbst, versuchte
durch Kalender populäre Philosophie, eine
Art von unverdautem „Hegelianismus", im
Volke zu verbreiten, war ein eifriger Poli-
tiker auf demokratischer Seite imd starb in
1869 in Canton, 0.
Andere hervorragende ]Mitglieder waren
der aus Bramischweig stammende protes-
tantische Qe\st\\ch^^¥^nlelm Steinmeier, der
Cleveland vertrat. Er wurde vom Herzog
begnadigt, kehrte 1838 nach Braunsehweig
zurück, wo er die höchsten geistlichen
Stellen später bekleidete; der 1808 in Al-
tenburg geborene, in Bern und Leipzig zum
Juristen ausgebildete und nach kurzer Haft
in Leipzig, wo seine Verhaftung wegen de-
magogischer Umtriebe erfolgt war, im
Jahre 1834 nach Amerika entflohene ^Y^l-
helm Weber, der anfänglich in Belleville,
111., ansässig war, dann Redakteur des , .An-
zeiger des Westens" in St. Louis wurde
und daselbst 1852 als Friedensrichter starb;
der aus Görlitz gebürtige und im Jahre
1886 in Sullivan County, X. J., gestorbene
erste Redakteur der ,.Xew Yorker Staats-
Zeitung" (1834) G. A. ycumaHn; der in
Urach, Württemberg, geborene, in Tübin-
gen zum protestantischen Theologen ausge-
bildete, seit anfangs der dreissiger Jahre in
Peinisylvanien und Ohio als Pfarrer thätige
und später in Cincinnati als Zeitungs-Re-
dakteur ansässige Georg Walker, den im
Jahre 1849 die Cholera dahinraffte; der
Humorist der Konvention, der im Jahre
1813 in Ulm geborene, seit 1836 als Jour-
nalist und Buchhäiuller in Philadelphia
ansässige W. L. J. KidcrUn, der nach kur-
zem Aufenthalt in Cincinnati und seiner
Verheirathung mit einer reichen Amerika-
nerin nach Philadelphia zurückkehrte,
amerikanischer Konsul in Zürich war,
später württembergischer Konsul in Phila-
delphia, wo er im Jahre 1877 als Ritter des
württembergischen Kronen-Ordens starb ;
der berühmte Erbauer der Drahtseil-
brücken über den Niagara, den Ohio bei
Cincinnati, den East River zwischen New
York und Brooklyn, Johann August Böh-
Ung, geboren zu IMühlhausen in Thüringen
1806, gestorben in New York 1869; der
1804 im Stifte Borstel, Fürstenthum Osna-
brück, wo sein Vater Stiftsprediger war,
geborene Dietrich Hermann Heinrich Wil-
helm Möllmann, der 1831 Prediger in Alba-
ny, N. Y., dann in Cincinnati wurde und
am 7. ]\Iai 1840 daselbst starb, nachdem er
ein Jahr vorher die ,, Norddeutsch-Lutheri-
sche Gemeinde" gegründet hatte; der badi-
sche Flüchtling Friedrich E. Zerrlaut, der
in 1835 nach New York gekommen war,
dort den ,, Herold" redigirte, später nach
Baltimore übersiedelte, avo er eine Buch-
handlung betrieb; der im Jahre 1832 nach
Amerika gekommene Theodor ümhstädter,
Sohn des Posthalters Johann Umbstädter
aus Neustadt an der Hardt, der vielgesuch-
ter Advokat in Cleveland und später in
Pittsburg war, und der Berichterstatter der
176
DIE DEUTSCHEN IN PENN«YLVANIEN.
Konvention, der in ISll in Plattenburg,
Westfalen, fjehori'ne uiul nach pliilosdphi-
sehen Studien in Marhiirtr lS;3:i nai-h Ame-
rika «rckoiniiiene Dr. Willnltn Sciunölc. der.
naclidt'iii er sich in lMiilati('li)liia als Zei-
tnnjrs-Hedakteui' versucht, an der honiöo-
l)athisciit'n Schule in AUcntow ii. Ta.. Medi-
zin siudirtc und 1S87 als Arzt und Schrift-
leiter medizinischer Fachzeit un^-cn in l'lii-
ladi'lphia starb.
Die Konvention führte zur Annahme
fol«renden Heschlus.ses :
..In allen Staaten, Couuties und Town-
ships. wo es Bedürfniss und ausführbar
ist und mit dem AVolile der respcktiven
Staaten st)\v()hl als mit dem AW)hk- tler
Uniijn. die zu erhalten unser höchstes Prin-
zip i.st, vereinigt werden kann, soll auf ge-
richtliches Verfahren in der deutsehen ne-
ben der englischen Sprache, Anstellung von
Beamten, die beider Sprachen mächtig
sind, und auf Veröifentlichung aller beste-
henden und noch zu erlassenden Gesetze in
deutscher Sjirache gewirkt werden, und die
Konvention soll dies mit allen ihr zu Ge-
bote stellenden Rütteln unterstützen."
Ferner wurde einer Schulkonunission um-
fassende Vollmacht ertheilt, Gelder zum
Zweck der Gründumj eines cleutsch-ameri-
kanischen Lchrer-Semiuars zu sammeln mid
durch eine Adresse an die Deutsehen des
Landes zu Beiträgen aufzufordern. Ferner
wurden alle Eingewanderten ermahnt,
möglichst 1)ald l>ürgerrechte zu erwerben.
Auf der anderen Seite sei es THicht der
Deutschen, nach Kräften zu verhüten, dass
iNIissbrauch mit den Einwanderungs- und
Einbürgerungsgesetzen getrieben würde.
Die Uebensehififung gemeiner Verbrecher
aus Europa müsse verhindert werden, und
die Deutselien der Seestädte wurden auf-
gefordert, den Behörden nach Kräften da-
bei behülflieh zu sein ; politische Flücht-
linge aber dürften nicht zur Verbreeher-
klasse gerechnet werden. Dem Xativismus
und der eben damals entstandenen "Native-
American "-Partei wurde mit Schärfe ent-
gegengetreten. Jede Partei, die auf reli-
giösen, sektionellen oder Klassen-l'nter-
seliieden ihre E.xistenz behaupte, sei zu be-
kämpfen. Es sei Pflicht der Deutschen, so-
wie aller freisinnigen Bürgt'r in ilen Ver-
einigten Staaten. ..bei der Wahl öffentlicher
Peamten keinem Kandidaten ihre Stinnne
zu geben, der den bestehenden Einwande-
rungs- und Einl)ürgerungsgesetzen feind-
lich gegnüber stehe". Die deutsche Presse
des Landes wurde zur thätigen Alithülfe
dieser Bestrebungen aufgefordert. Die
Vertagung des Konvents erfolgte am 25.
Oktober. Es wurde beschlossen, am 18.
Oktober 1838 Avieder zusammenzutreten. '
Auf die A'erhandlungen und lieschlüsse
dieser ersten Konvention deutscher Bürger
der Vereinigten Staaten ist deshalb an die-
ser Stelle eingehend Bezug genonnnen wor-
den, weil die dort angeregten Ideen luul
Bestrebimgen in vieler Beziehung grundle-
gend waren für den erst mehr als 60 Jahre
später gegründeten Deutsch-Amerikani-
schen National-Bund ; die Anregungen,
welche auf dem ersten Pittsburger Konvent
gegeben wurden, dem im nächsten Jahre
ein zweiter ebendaselbst folgte, fanden
durch ihn ihre Verwirklichung. Der zweite
Pittsburger Konvent führte zum Ankauf
des von dem Offenbacher Proli. genannt
Graf Leon, bei Phillipsburg erworbenen
Landbesitzes zum Zwecke der Errichtung
eines deutsehen Lehrer-Seminars, das im
Jahre 18-10 inkorporirt wurde.
Natürlich gab auch in den grösseren
Städten l'ennsylvanien 's mit starkem deut-
schen Bevölkerungs-Elemente, namentlich
in Philadelphia, die deutsche Revolution im
Jahre 1848 zu lebhaften Sympathie-Kund-
gebungen inul zu glänzendem Empfange
der Freiheitskämpfer wie Friedrich Hecker
und Anderen Anlass. Auch Gottfried Kin-
kel's Aufforderung zu Beiträgen für den
Revolutions-Fonds blieb nicht unbeachtet.
An der grossartigen Samndung von Liebes-
gaben für die Verwundeten imd Kranken
der im Jahre 1870 — 71 gegen Frankreich
DIE DEUTSCHEN IX PEXXSYLVANIEN.
177
kämpfeiulfii deutschen Arnieeu. welche
über eine ^Million Dolhirs ergab, betheilig-
ten sich die Deutschen Pennsylvanien's in
hervorragender Weise. Hei der AVeltaus-
stelluug in Philadelphia im Jahre 1876
waren deutsch-aiueriUmiische Arbeit imd
deutsch - auierikanischcr rnternehmungs-
geist bedeutende Faktoren. Die Errvmgen-
schaften des Deutsch-Amerikanischen Cen-
tral-Bundcs von Peunsylvanien, die haupt-
sächlich in Einführung des Turn-ünter-
richts in den öffentlichen Schulen, sowie
Abweisung der Prohibitions-Bewegung be-
standen, sind an anderer Stelle ausführlich
behandelt worden.
Ein deutscher Samariter,
In der furchtbaren Gelbfieber-Epidemie,
weiche Philadelphia in den Jahren 1793,
1707 und 1798 heimsuchte, wurden 1,003
^litglieder der lutherischen, 484 der refor-
mirten und 1S6 der römisch-katholischen
Kirche dahingerafft. Als Furcht und Ent-
setzen alle Gebote der Humanität über den
Haufen geworfen hatten und alle Bande
<ler Ordnung gelöst waren, erboten sich der
]\Iilliouär Stephen Girard imd der von
deutschen Herrnhutern abstammende Peter
Helm, die Aufsicht über das Pesthaus in
Bushhill und über die Kranken in Privat-
häusern zu übernehmen. Furchtlos erfüll-
ten sie die selbstübernomraene Pflicht an
der Stätte des Grauens und des Todes.
Deutsche Feste.
Die grosse Betheiligung der Deutschen
an der ersten Una])hängigkeits-Feier in
Philadelphia am 4. Juli 1788 ist schon er-
wähnt worden.
Der Sieg der Deutschen in der Schlacht
bei Leipzig wurde von Deutschen, Hollän-
dern und Schweizern am 14. Februar 1814
gefeiert. Ein Herr Herrmann hatte zur
Feier des Tages sogar einen Blücher-
Marsch komponirt.
Am 24. Juni 1840 feierten die Deutschen
Philadelphia 's das vierhimdertjährige Ju-
l)11äum der Erfindung der Buchdrucker-
Kunst mit einer Parade, der sich ein Ban-
kett im Gray 's Ferry Garden an.schloss.
Lagerbier gab es übrigens damals noch
nicht. Es wurde erst 1842 von Joliaiui
Wagner in Philadelphia gebraut.
Das ei-ste allgemeine Sängerfest fand
vom 15. — 18. Juni 1850 in Philadelphia
statt imd führte zur Gründung des Nord-
östlichen Sängerbundes.
Das erste allgemeine Turnfest wurde
vom 29. bis 30. September 1851 auf Lemon
Hill, Philadelphia, abgehalten.
Am 25. Dezember desselben Jahres
wurde zu Ehren Kossuth's, des ungarischen
Patrioten, ein grosser Fackelzug von deut-
schen Vereinen veranstaltet.
Wie in allen grösseren Städten wurde
auch in Philadelphia am 10. November
1859 der 100. Geburtstag Schiller 's gefei-
ert, und zwar in der „Academy of Music".
G. Remak hielt die deutsche, W. Fumess
die engli.sche Festrede, während das musi-
kalische Programm in der Auft'ührung des
Romberg 'sehen Chorwerks „Die Glocke"
bestand.
Am 14. imd 15. September 1869 wurde
der hundertste Geburtstag des grossen Na-
turforschers, Alexander von Humboldt, ge-
feiert. Der Grundstein zu seinem Denkmal
im Fairmount Park, das am 4. Juli 1876
enthüllt worden ist, wurde am 14. gelegt
und am folgenden Tage eine grosse Feier
in der Academy veranstaltet.
Das Friedensfest anlässlich der Beendi-
gung des deutsch-französischen Krieges
war die grossartigste Demonstration des
Deutschthums des Landes. Es fand in
Philadelphia am 15. Mai 1871 statt.
Nicht minder bedeutend war das Bi-Cen-
tennial der deutschen Einwanderung am
6. Oktober 1883, von der die Feier des
Deutschen Tages herrührt.
Das grossartigste Fest in den letzten
Jahren nach der Enthüllung des Schiller-
Denkmals, später des Goethe-Denkmals, des
178
DIE DEUTSCHEN IN PENNSYLVANIEN.
Bimdes-Sängerfestes im Jahre 1897, des 22r)jährige Jubiläum der ersten deutsehen
Bundes-Turnfestes im Jahre 1900 und des Einwanderung am 6. Oktober 1908 und die
hundertsten Gedenktages des Todes Schil- feierliehe Enthüllung des Ecksteins zum
1er 's, sowie der Eröffnung des Deutschen Pastorius-Denkmal im Vemon Park ia
Theaters am 16. September 1906. war das Germantown.
Die Deutschen in Maryland.
Skizze von
L. P. HENNIGHAUSEN, Baltimore.
Der grosso Antheil der Deutschen au der
Besiedlung imd Eutwioklimg des Staates
Maryland ist bis jetzt weder gründlieh
erforscht noch genügend erörtert worden,
jedoch immer von den Bewohnern des
Staates bereitwillig anerkannt. "Wohl in
keinem Staate von Nord-Amerika hat das
deutsche Element, ohne seine Identität
aufzugeben oder zu verleugnen, sich mit
den anderen Bewohnern so amalgamirt
wie in diesem Staate. AYir haben keine
Statistik der Einwanderer, welche sich im
Staate niedergelassen, und müssen Sclüuss-
folgerungen aus geschichtlich begründeten
Thatsachen ziehen. Ehe die deutsche Ein-
wanderung im Jahre 1732 begann, war
Älarjdand eine höchst unbedeutende Ko-
lonie. Im Jahre 1633 gegründet, von aus-
schliesslich englischen Ansiedlern, hatte
sie nach Verlauf von 56 Jahren, in 1689,
nur imgefähr 2.5,000 EinM'ohner. Nach der
Restauration der Stuarts in England hörte
die englische Einwanderung faktisch auf.
In den nächsten 21 Jahren bis 1710 ver-
mehrte sich die Einwohnerzahl um 5000
Personen, und in 1733 betrugen alle männ-
liche Einwohner über 15 Jahre, Neger mit
eingerechnet, 31,170. Es waren unter diesen
eine geringe Zahl Deutsche. Die Sekte der
Labadisten des Städtchens "Wieward in
Friesland unter der Führung von Peter
Schlüter, Jasper Dankers und Johannes
Moll hatte am 11. August 1681: von Augus-
tin Herrmann 3750 Acker Land im jetzigen
Cecil County erworben und mit mehr als
100 Personen besiedelt. Darunter waren
viele Deutsche. Die Sekte zerstreute sich
im Laufe der Jahre; strenge Zucht, harte
Arbeit imd magere Kost behagte ihnen
nicht, imd in 1724 waren nur die Führer
Inhaber aes ganzen Landsitzes von 3750
Acker. Peter Schlüter war ein reicher
]\Iann geworden ; Dankers und ]\Ioll ver-
kauften ihre Antheile an Schlüter.
August in Herrmann, ein Deutsch-Böh-
me, 1621 in Prag, Böhmen, geboren, erhielt
eine gute Erziehung und ging als junger
Mann nach Amsterdam, wo er in die
Dien.ste der Holland West-Indischen Com-
panie trat und damit um das Jahr 1613 in
Neu- Amsterdam (jetzt New York) landete.
Er nahm schon 1649 eine hervorragende
politische Stellimg ein und heirathete 1650
die reiche Kaufmannstochter Jannek Yer-
lett, eine nahe Verwandte des Gouverneurs
Peter Stuyvesant von Neu- Amsterdam. Er
kam als politischer Agent 1659 nach Virgi-
nien imd Hess sich 1660 in Marjdand nie-
der. Am 17. September 1663 erhielt er von
der Gesetzgebung von ^Maryland das Bür-
gerrecht. Im Jahre 1660 machte er Lord
Baltimore den schriftlichen Vorschlag, um
die Grenzstreitigkeiten mit den angrenzen-
den Kolonien zu regeln, eine genaue Karte
seiner Ländereien auszuarbeiten, für 5000
Acker Land Belohnung. Der Vorschlag
wurde angenommen und ausgeführt. Herr-
mann erhielt 1663 sein Patent für die
5000 Acker, in Cecil County an den Ufern
des Elk' Flusses gelegen. Er erweiterte
diesen Besitz durch Ankauf von Lände-
reien auf ungefähr 20,000 Acker imd
nannte ihn ,,Boheraian Maaor", worauf er
sich mit seiner Familie niederliess. Ilerr-
mann hatte kein Glück mit der Ansiedlung
der Labadisten auf seinem Gebiet. Sein
ältester Sohn Ephraim schloss sich, gegen
den Willen des Vaters, der Sekte an, ver-
liess das väterliche Haus und versuchte,
seinen Bruder Casparus und seine Schwes-
tern ebenfalls demselben zu entfremden.
Herrmann gibt in seinem Testament, er-
180
DIE DEUTSCHEN IN MARYLAND.
rit-htet lGb4 und Kodicill. cn'lffia't 1G86,
Ausdruck üln-i- dio Vt'rirruugen seiner
Kinder.
?]in \V(»lilli;il)t'nder Deutsrlu-r Xaineus
"NVillinni Hlaukenstein, Gent, kaufte im
Jahre 1G85 vierhundert Aeker Land iu
Ceeil County, ebenso kauften Johann Falk-
ner und Martin Falkner Land für baares
Geld. Der interessanteste deutsche Ansied-
ler dieser frühen Zeit in ^Maryland, dessen
Naehkoninien noch im Staate leben sollen,
ist Johann Leckrer, ein Gelehrter, der
französisehen. italienischen und klassischen
Spraclien mächtig:, jedoch nur uothdürftig
der englischen Sprache. Er kam im Jahre
ltU)9 nach Virginien, um den kürzesten
"Weg über Land nach Indien zu entdecken.
I\Ian war zur Zeit allgemein überzeugt, dass
Indien hinter dem Alleghen}' Gebirge liege.
Es gelaug ihm, Sir William Berkeley, zur
Zeit Gouverneur von Virginien, zu bewe-
gen, im Laufe der nächsten zwei Jahre drei
Expeditionen auszurüsten, welche imter
Lcdercr's Leitimg den Pass durch die Ge-
birge nach Indien erforschen sollten. Le-
derer war ein mutiger Manu. Er erreichte
die Gebirge und wandte sich südlich bis
Florida. Seine Berichte über die Sitten,
Gebräuehe, Eeligion imd politische Ein-
richtmig im Leben der verschiedenen In-
dianer-Stänuue, welche er besuchte, sind
sehr interessant. Auf seiner dritten und
letzten Expedition in das Gebirge bekam
seine Eskorte es mit der Angst imd verliess
ihn schmählich, sich zurück in die Kolonie
flüchtend. Hier verunglimpften die Feig-
linge den Mann, welchen sie in der Gefahr
verlassen hatten, beschuldigten ihn der Un-
ehrlichkeit, sowie dass er durch die grossen
Kosten, welche die Forschungsreisen verur-
sachten, die Kolonie in Schulden stürze.
Lederer fühlte sein Leben bedroht und
flüchtete nach ^Maryland, sich unter den
Schutz von Lord "William Talbot, dem
Sekretär der Provinz, stellend. Lord Tal-
bot untersuchte genau die erhobenen Be-
schuldigungen und fand dieselben im wahr.
Er besi'luvibt Lederer als einen l)eschcide-
nen. intelligenten und sehr gelehrten
.Mann, welcher viel Unrecht erlitten habe
und nur Bewunderung verdiene. Er nahm
ilui in Schutz und wurde sein Freund, un-
terhielt sich viel mit ihm und übersetzte
seine Reiseberichte, welche Lederer in latei-
nischer Sprache geschrieben, ins Englische
und Hess das Buch im Jahre 1072 in Lon-
don drucken unter dem Titel „The Disco-
veries of John Lederer in three several
marches from Virginia to the west of Car-
olina and other parts of the Continent.
Begun in ]\Iarch 1669 and ended in Sep-
tember 1670, Together with a general map
of the whole territory he traversed. Trans-
lated out of Latin by Sir AVilliam Talbot.
Baronet. &c." Lederer erzählt in dem
Buche, dass er in der Indianerstadt Ake-
natzy einen fremden Indianer von dem
fernsten Nordwesten getroffen habe, wel-
cher ihn über die gro.sse Entfernung des
Landes aufklärte. Ein Exemplar des
Buches befindet sich in der Kongress-Biblio-
thek in Washington. Lederer wurde im
Jahre 1671 naturalisirt und wolmte in Tal-
bot County, ^Maryland, wo noch Nachkom-
men von ihm leben. Andere Deutsche,
welche vor 1732 hier waren, nahmen be-
scheidenere Stellungen im Leben ein.
Da die Besiedlung Marylands weit hinter
dem schnell aufblühenden Pennsylvanien
zurückblieb, erliess Charles Lord Balti-
more, Eigenthümer der Provinz ^Maryland,
am zweiten März 1732 eine Proklamation,
worin er einer jeden Person mit Familie,
welche sich binnen dreier Jahre ansiedeln
würde, zweihundert Acker fruchtbaren
Landes, zwischen den Flüssen Potomac und
Susquehanna gelegen, ohne Kosten und
nach Ablauf der drei Jahre zu vier Schil-
ling I\Iiethe pro Jahr, für jede hundert
Acker, anbot ; sowie einer jeden ledigen
Person, männlich oder weiblich, im Alter
von fünfzehn bis dreissig Jahren, einhun-
dert Acker desselben Landes, unter den-
selben Bedingungen. Die ersten Jahre
IHE DEUTSC'HEX IN MARYLAND.
181
solltoii frei von j(»«i:lii'lu'r T.ixc sein, mit der
VcrsicluM-unjr. ilass die Ansiedler alle
Keehte und Freiheiten in ^laryland genies-
sen sollten, welche in irgend einer anderen
Kolonie in Amerika gewährt würden.
Lord Baltimore hatte mit dieser Prokla-
mation die Absieht, einen Theil der deiit-
.sehen Einwandernng. welche nach Penn-
sylvanien strömte, nach Mni-yland zu len-
ken, und hatte damit einen bedeutenden
Erfolg. Schon im nächsten Jahre wurde von
aus Pennsylvania eingewanderten Deut-
schen am ^lonocacy Fluss eine deutsche
Kirche errichtet. In 1735 kamen ungefähr
einhundert deutsche Familien direkt von
der oberen Rhein-Gegend und siedelten sich
in der Nähe, ungefähr zehn Meilen unter-
hall) der erwähnten Kirche, wo später in
17-J-ö die Stadt Frederick angelegt und in
1748 zum Countysitz erhoben wurde, an.
Unter diesen hundert Familien war der
Schullehrer und Organist Johann Thrnnas
Seide i), welcher das erste Haus in Frede-
rick erbaut haben soll. In Ermanglung
eines ordinirten Predigers leitete er den
Gottesdienst der Deutsch-Reformirten Ge-
meinde. Der ^lissionar ^Michael Sehlatter,
welcher Frederick in 1747 — 48 besuchte,
erklärt, dass Schley ein sehr gebildeter und
fähiger ^lusiker und Lehrer sei. William
Schley, in 1825 Oberriehter, in 1832 Kon-
gressmitglied, in 1835 Gouverneur von
Georgia ; John Schley, Richter des obersten
Gerichtshofs in Georgia; Oberst William
Schley im Bürgerkrieg; der berühmte Ad-
miral AVinfield S. Schley und andere be-
rühmte ]\Iänner de.s Namens sind Nach-
konniuMi dieses Schullehrers von Frede-
rick. Nach den Berichten von Pastor
iMelchior ]Mühlenberg von der Lutherischen
Kirche, welcher in 1747 Frederick l)esuch-
te, uiul des erwähnten Pastors Sehlatter,
müssen in den Jahren 1747 — 48 bereits
über eintausend Deutsche im Thal des Mo-
nocacy sich niedergelassen haben ; die An-
siedlung der Deutschen erstreckte sich
schon danuils von Baltimore bis an die
westliclic (Ji-enze des Staates. William
Eddis. ("in Engländci- und Beamter des
(«ouverneurs Eden, welcher 1769 bis 1776
^Maryland bereiste, sdirciljt in seinen Brie-
fen an einen Freund in EIngland, veröf-
fentlicht in London 1792 unter dem Titel
,, Letters from America", dass hauptsäch-
lich die Einwanderung der Deutschen, wel-
chen er grosses Lob spendet, gewaltig die
Bevölkerung von ^Maryland vermehrt imd
Wohlstand geschaffen hat; dass sie mas-
senhaft ihr Vaterland verlassen und hier
sich eine bessere Existenz gegründet haben.
Gouverneur Eden von ^Maryland in sei-
nem Bericht vom 29. Januar 1773 an Lord
Dartmouth in England schreibt : ,,In Folge
der Ermunterung durch Gesetze (Statutes)
haben sich sehr viele Deutsche in den
Grenz-Counties von ^laryland angesiedelt.
Sie sind durchschnittlich ein flcissiges. hart
arbeitendes Volk. Viele von ihnen haben
bedeutendes Eigentum erworben. Sie
haben eine Wildniss in eine fruchtl)are,
wohlhabende Gegend verwandelt. Das
Beispiel und der wohlthätige Einfluss
ihres aussergewöhnlichen Fleisses haben in
nicht geringem Grade die anderen Ein-
wohner zur Nachahnumg angeregt. Dass
sie ein äusserst nützliches Volk sind und
allgemeine Achtung verdienen, ist von
Allen, welche mit ihnen bekannt sind, an-
erkannt." Die er.steu deutschen Ansiedler
im westlichen ^Maryland kamen direkt von
Pennsylvania, später jedoch in grosser Zahl
auf Schiffen, welche in Annapolis landeten.
Die Schiffsregister von Annapolis sind
zerstört, und nur die von 1753 bis zum 16.
Januar 1755 wurden gerettet. In diesen
Jahren landeten 1060 deutsehe Emigran-
ten auf vier verschiedenen Schiffen in An-
napolis. Lord Cecilius Calvert, Sekretär
des Lord Baltimore, sandte ein Schrei-
ben an die Schiffsagentur in Annapolis,
worin er diese Emigranten, welche sich
nach Frederick County begeben wollten,
besonderem Schutz und Futerstützung
empfahl, voi- Allem verlangte er. dass sie
182
DIE DEUTSCHEN IX MARYLAND.
nicht übervortheilt würdi'U, weil die Zu-
nahme dieser Emigranten sehr \vü!isehens-
werth sei ; Alles möglielie solle gethan wer-
den, sie in der "Wald ihrer Niederlassung
zufrieden zu stellen. Nach diesen mageren
Berichten ist wohl anziniehinon. dass die
grös.sere Zahl der deutschen p]inwanderer
in der Koloiiialperiode in Annapolis lan-
dete. Nach dem Frieden des Unabhängig-
keits-Kriegs wandte sich diese Einwande-
rung ausschliesslich der inzwischen auf-
blühenden Stadt Baltimore zu.
Jonathan Hager, welcher von der Pfalz
einwanderte und 1747 durch einen Akt der
Gesetzgebimg sein Bürgerrecht erlangte,
erwarb zwischen den Jahren 3739 bis 6-4
käuflich 2488 Acker Land in "Washington
Coimty, worauf er im Jahre 1762 die
schnell aufblühende Stadt Hagerstown
gründete. Hager nannte sie, seiner Gattin
zuliebe, ,,Elizabethtown". aber nach seinem
Tode verordnete die Gesetzgebung des
Staates, dass die Stadt den Namen ihres
Gründers Hagerstown erhalte. Hager
wurde 1771 und 1773 als INIitglied der Ge-
setzgebimg erwählt und starb hochgeachtet
und allgemein betrauert im Jahre 1775.
Eine Anzahl der vornehmsten Familien in
]\Iaryland heutigen Tages beanspruchen,
Nachkommen von Hager zu »sein. Die
grosse ]\Iehrzahl der Deutschen wohnte auf
ihren Farmen ; Pastor Wildbahn von der
Lutherischen Kirche zum Beispiel hatte
acht Landgemeinden in Baltimore County
in der Kolonialperiode imter seiner geist-
lichen Obhut. Grössere Ansiedlimgen und
Sammelpunkte der Deutschen waren nebst
Frederick und HagerstoN\Ti noch George-
toAni. Sheperdsto^^-n, Krügersto^^^l, Thomas
Creek, Sharpsburg, Point Creek, Owens
Creek, St. John. Littleto^vn, ]Mechanics-
to\\'n, Union Bridge, Emmitsburg, West-
minster. ^Manchester in Carroll Coimty, wo
1760 die erste Liith. Kirche errichtet
wurde, besonders aber die Stadt Balti-
more. Baltimore, die jüngste der grossen
Städte an der Ost-Küste von Amerika,
hatte im Jahre 1752 nur ungefähr zweihun-
dert Häuser. Gouverneur Sharji berich-
tete am 2. Mai 1754 an Lord Baltimore in
England :
„Ich habe seit meiner Ankunft die Gele-
genheit wahrgenommen, die Stadt Balti-
more zu besuchen, Avelche in der That das
Aussehen des blühendsten Ortes der Pro-
vinz hat ; doch meinen Erwartungen hat sie
nicht entsprochen, denn sie kann weder an
Zahl der Häuser, noch in der Bevölkerung
mit Annapolis rivalisiren und was die Lage
betrifft, so steht sie weit hinter dieser
Stadt zurück. "Wenn man jedoch die Han-
delsverhältnisse und das weite Hinterland
berücksichtigt, so stellt sich die Sache weit
günstiger für Baltimore. "Würden einige
reiche Herren sich dort niederlassen und
sich dem Handel widmen, so würde es bald
ein blühender Ort werden, aber weil bis
jetzt wenige, ausser den Deutschen, welche
im Allgemeinen wohlhahend sind, sich dort
niedergelassen haben und sich anzusiedeln
Neigimg zeigen, so befürchte ich, dass aus
dem Ort nicht viel werden wird."
Goiiveraeur Sharp gehört nicht unter
die Propheten ; das damalige Annapolis
war, wie heutigen Tag 's, die Hauptstadt
von Maryland mit einer fast rein engli-
schen Bevölkerung und ist eine kleine
Landstadt von etlichen Tausend Einwoh-
nern geblieben. Baltimore, zum grossen
Theil von Deutschen gegründet, besiedelt
imd bewohnt, ist die reiche ]\Ietropole des
Südens mit über 600.000 Einwohnern ge-
worden. Im Jahre 1750. als Baltimore nur
25 Häuser und weniger wie 200 Einwohner
zählte, bildete sich die erste Deutsch-Re-
formirte Gemeinde. Die Deutsch-Lutheri-
sche Gemeinde baute 1756 das erste Schul-
haus. Die zweite Kirche, welche in Balti-
more errichtet wurde, war eine deutsche,
imd sclmell entwickelte sich der Wohlstand
mit Vermehrung der deutschen Einwohner-
zahl. In 1764 wurde die erste, und zwar
eine deutsche Druckerei von Xicholas Has-
selbach in Baltimore errichtet ; es bestan-
DIE DEUTSCHEN IX MARYLAND.
183
den drei deutsehe Gemeinden. Die Yolks-
zähhmi? ^larylandes in 1761 ergab 16-4,007
Einwohner, ungefähr 100,000 mehr als in
1733. Da keine nennenswerthe Einwan-
derung von anderen europäischen Län-
dern, ausser den deutsehen, in diesen Jah-
ren verzeiclinet ist, so ergibt sieh, dass
diese starke Vermehrung in 28 Jahren
hauptsächlich den Deutschen gutgeschrie-
ben werden muss. Bei Ausbruch des Un-
abhängigkeits-Kriegs war die deutsche Be-
völkerung auf Seiten der Amerikaner. Die
Deutschen waren besonders imwillig, dass
sie, trotzdem sie ihre eigenen Schulen imd
Kirchen imterhielten, noch Kirchensteuer
au die englische Hochkirche zahlen niuss-
ten. Pastor ]\Ielchior ^Mühlenberg imd
Andere hatten vergeblich darüber bei dem
Gouverneur Beschwerde geführt. Viele
der englischen Bewohner neigten sieh auf
die Seite Englands; es wurde Militär von
den westlichen deutschen Counties nach
den südlichen englischen Counties gesandt,
um die militärische Organisation der
Tories zu Gunsten Englands zu verhindern.
Major Ludwig ^Yeltner von Frederick
kommandirte das deutsche Bataillon, wel-
ches in Frederick Coimty gebildet wurde,
er wurde später Oberst des achten Mary-
land Regiments; in seinem Regiment war
der spätere General John Sfricler Capi-
tain, welcher sich in der Schlacht von
North Point (1814) auszeichnete; Chris-
tian Orendorff, ein reicher Einwohner von
Frederick, war Major des sechsten Regi-
ments. Doktor Karl Frieder ich ^yiesen-
thal, Gründer der medizinischen Fakultät
in Baltimore, war General-Arzt der Mary-
lander Truppen. Eine deutsche Militär-
Kompagnie wurde 1776 in Baltimore orga-
nisirt. Capt. Peter Mackenheimer, George
P. Keeport (Kuhbord), John Lohr, Christ.
Meyers, Samuel Gerock, John Lindenber-
ger, John Mackenheimer, John Ritter imd
George Cole sind als Offiziere der deut-
schen Kompagnie verzeichnet. John
Mackenheimer wurde später Oberst. Ausser
dieser war noch eine deutsche Jäger-Kom-
pagnie, von welcher mir die Namenliste
fehlt. Kurz nach Friedensschluss kamen
Einwanderer-Schiffe nach Baltimore, da-
runter mit Deutschen, welche als Redemp-
tionisten auf fünf Jahre Dienstzeit zur Be-
zahlung ihrer Ueberfahrt verkauft wur-
den. Die dadurch entstehenden Uebel-
stände veranlassten im Jahre 1783 die Bil-
dung der Deutschen Gesellschaft von ]Ma-
ryland (in Nachahmung der Deutschen Ge.
Seilschaft von Pennsylvania) zum Schutz
imd zur Unterstützung der Einwanderer.
Karl Friederich Wiesenthal war Präsident,
Conrad Zollikofer Sekretär und Dr. Wil-
helm Zollikofer Arzt. Die Gesellschaft
wirkte sehr segensreich, hat Himderttau-
sende von Dollars für Unterstützimg und
Schutz von armen, hilfebedürftigen und
kranken Deutschen ausgegeben imd ist
auch heutigen Tags in blühendem Zastand.
Da die grosse nationale Landstrasse (Na-
tional turnpike) von Baltimore durch ]\Iary-
land über das Allegheny Gebirge bis Wheel-
ing am Ohio Fluss von der nationalen Re-
gierung gebaut und unterhalten und damit
der beste Weg nach den westlichen Staaten
eröffnet wurde, so wurde Baltimore der
beliebte Einwanderimgshafen für Deut-
sche nach dem Westen. Nach den Büchern
der Deutschen Gesellschaft wurden von
den Jahren 1833 bis 1876 (frühere Jahr-
gänge nicht vorhanden) 272.218 (kleine
Kinder nicht gerechnet) deutsche Einwan-
derer in Baltimore gelandet, von welchen
viele v(m der Deutschen Gesellschaft mit
Rath und That unterstützt wurden.
In 1783 landete hier Johann Jacob Autor,
welcher sich nach kurzem Aufenthalt nach
New York begab. 1784 landete Johann
Friederich L. Amelung mit einer Anzahl
Glasbläser und begab sich nach dem IMo-
nocacy Fluss, Frederick County, wo er die
erste Glashütte in Maryland errichtete und
im Jahre 1796 nach Baltimore verlegte.
Die erste Zuckersiederei in Baltimore
wurde 1796 von den Deutschen Gartz und
184
DIE DflUTSCHEN IN MARYLAND.
Leopold errriclitct. Die grosse Handels-
firma Von Kiipf und Ansl)aeli. Schiffs-
rheder imd Tabakexport, wurde ]7!J5 hier
etablirt. Von allem Anfanire an war das
Kleingewerbe, Bäcker, Schläfliter. Sehuli-
iiiaehcr, Sclnieider. Tischler, Küfer u. s. w.
in deutsehen Händen, und so ist es geblie-
ben bis zum heutigen Tag. Deutsehe Aerzte
nahmen damals und bis in jüngster Zeit
geachtete Stellungen in Baltimore ein. Es
bestand in 1790 in Baltimore eine grosse
deutsch-reformirte, zwei lutherische, eine
Baptisten- und eine Dunkard-Gemeinde.
Die erste gesetzgebende Körperschaft des
Staates fas.ste 1787 und 1789 den Beschluss,
dass Gesetze in die deutsche Sprache über-
setzt und Exemplare in Frederick, AVash-
ington und andern Counties vertheilt wür-
den. In 1792 veröft'entlichte Samuel Sauer
eine deutsche Zeitung und druckte in den
Jahren 1795 bis 1801 zehn verschiedene
deutsche Bücher Der Xame der ersten
deutschen Zeitmig in ^Maryland war ,,]Mary-
land Staatsregister '\ die zweite „Der Neue
Unparteiische Bote", welcher mit dem
Staatsregister vereinigt wurde. In Frede-
rick imd Ilagerstown waren im ISten Jahr-
hundert deutsche Druckereien, welche deut-
sche Zeitungen und Bücher veröffentlichten.
Xicholas Reitenbauer, Nicholas Tschudi,
John Schultz im 18ten Jahrhundert imd
Schäffer und ^Maund im ersten Viertel des
19ten Jahrhunderts, waren die deutschen
Buchhändler in Baltimore; Schäffer und
Alaund publizirten ein Gesangbuch imd
andere deutsche Bücher. Peter Frick war
1797 der Präsident des ersten Stadtraths
der Stadt Baltimore. Im Jahre 1806 be-
stand der Stadtrath aus sechzehn :\Iitglie-
dern. worunter folgende zehn Deutsche
waren, nämlich : Iste Ward, George Decker,
Henry Stauffer; 2te Ward, Jacob Small;
3te Ward, William Lorman ; 4te Ward,
George P. Keeport (Kuhbord) ; 5te Ward,
Baiser Schäffer, John Schrim ; 6te W^ard,
John :\Iiller; 7te Ward, Ludwig Ilerring,
Friedrich Schäffer. Der genannte Jacob
Small. Vicej)räsident der Deutschen Gesell-
schaft, wurde 1826 zum Bürgermeister der
Stadt Baltimore auf vier Jahre gewählt.
3 792 errichtete Daniel Barnitz die erste
Bierbrauerei in Baltimore. Einen rühm-
lichen Antheil nahmen die Deutschen von
^Maryland an dem Krieg von 1812 bis 1814,
besonders in der Vertheidigung der Stadt
Baltimore gegen den Angriff des britischen
Heeres und der Kriegsflotte am 12. und 14.
September 1814. General John Stricker,
ein Vicepräsident der Deutschen Gesell-
schaft, kommandirte eine Brigade, welche
im Vordertreffen in der Schlacht von
North Point stand. Major George Arm-
stead von der Ver. Staaten Artillerie, von
deutscher Abkunft, kommandirte in Fort
]\IcHenry während des Bombardements.
Der kommandirende britische General Ross
fiel in der Schlacht, und seine Armee zog
sich zurück. Die Baltimorer Jäger, kom-
mandirt von Captain Sadtler ; die LTnion-
Jäger unter Captain Bader; die ^Maryland
Artillerie unter Capt. Jacob Bär von Fre-
derick; die Hagerstowner Freiwilligen, die
Franklin Artillerie unter Capt. Joseph
]Meyers; Steiner 's Artillerie von Frederick
und die Grauen Jäger, lauter Deutsch-
Amerikanische ]\[iliz - Organisationen, wa-
ren in der Sehlacht betheiligt. Deutsche
waren in jedem Regiment. Oberst Henry
Amich kommandirte ein Regiment. Die
Capitaine Daniel Schwazauer, Georg Stee-
ver, Haubert, iMichael Peters, Andrew
Smith, John ]\Iatthews, John D. ]Miller,
Thomas Warner, Andreas E. AVarner,
Henry Aleyer kommandirteu Kompagnien.
Capt. Alichael Spangler mit seiner Kom-
pagnie von York und Capt. Fred. ^Metzger
mit seiner Truppe von Hanover, Pennsyl-
vania, waren zu Hülfe geeilt und nahmen
Theil an der Schlacht.
Die deutsehe Einwanderung nach Mary-
land wurde durch den Unabhängigkeits-
krieg, 1776 bis 1782, und durch die napo-
leonischen und englischen Kriege, 1792 bis
1815, unterbrochen und damit auch zum
185
DIE DEUTSCHEN IN MARYLAND.
grossen Theil die geistige Verbindung zwi-
schen der Knltnrentwieldnng des alten
Vaterlandes und der Deutsehen in Ame-
rika. Die Jahre 181(j, 1817 und 1818 waren
im nördliehen Europa, besonders Deutsch-
land, durch schlechte Ernten Ilungerjahre.
Durch bittere Noth getrieben, wanderten
in dem Jahre 1817 bis 18 60,000 Personen
nach Amerika, wovon viele in Baltimore
landeten. Die meisten dieser Einwanderer
hatten kein Geld, um die kostspielige
Ueberfahrt zu bestreiten, und verpHichteten
sich, das Fahrgeld als Redemptionisten bei
ihrer Ankunft hier abzuverdienen. Die
Redemptionisten wurden unter dem Gesetz
zu fünf Jahren Dienst verdingt und ge-
wöhnlich öffentlich versteigert ; es war
natürlich, dass bei diesem Verfahren oft
Unrecht und Grausamkeiten vorkamen. Die
Deutsche Gesellschaft, welche in der Zwi-
schenzeit Avenig oder nichts zu tliun hatte,
reorganisirte sich aus den älteren Einwoh-
nern iukI sammelte in der ersten Versamm-
lung, Februar 1817, von ihren 149 ^litgiie-
dern die Smnme von 2000 Dollars, und
später regelmässige Beiträge zur Unter-
stützung und zum Schutz der deutschen
Einwanderer. Die Gesellschaft hatte solch
grossen Einfluss, dass sie schon in der
nächsten Gesetzgebung ■ von ^Maryland,
Februar 1818, Gesetze zur Regelung des
Redemptionistensystems und zum Schutz
der Einwanderer erlangte. Ein Registra-
tor mit ausreichender Gewalt sollte vom
Gouverneur ernannt werden, um bei der
Ankunft eines jeden Schiffes mit Einwan-
derern jeden Verdingungskontrakt der Re-
demptionisten gesetzlich festzustellen, zu
beglaubigen und genau Buch darüber zu
führen, sowie sonstigen Schutz den Ein-
wanderern zu gewähren. So lange das Re-
demptionistensystem bestand, wurden nur
Älänner, 'von der Deutschen Gesellschaft
empfohlen, von dem Gouverneur des
Staates zu diesem Amte ernannt. Die Ge-
sellschaft erwirkte auch in späteren Jahren
und bis in die neueste Zeit vom Staate Ge-
setze zum Wohl und Schutz der deutschen
p]inwand('i-t'r. In den letzten Jahren wur-
den ungctalir 150 arme Wittwen mit 400
l)is öUU Waisenkindern, alle Xaehkonniien
von Deutsehen, durch monatliche Beiträge
II. s. w. unterstützt.
An Industrie und Handel haljen die
Deutsehen der Stadt einen grossen Anteil.
Der Tabakhandel ist fast au.sschliesslieh
in ihrem Besitz, die Namen der Firmen
Gail & Ax, Gebrüder :\Iarburg, F. W. Felg-
ner, Fabrikanten von Rauchtabak; A,
Schumacher ifc Co., Gieske & Nieman, IL
Lantz & Co., Tabak-Exporteure, und die
Handelshäuser Gebrüder Boninger, W.
Dresel & Co., Geyer & Wilkins, Von Kapf
& Arens und zahlreiche Andere sind weit
über die Grenzen des Staates bekannt. Die
Deutschen haben die bedeutendsten Piano-
fabriken dahier, worunter die 1836 gegrün-
dete ..Knabe 'sehe Fabrik" einen Weltruf
erlangt hat. Anton Weiskittel war der
Gründer einer Eisengiesserei, J. B. Adt
hat eine grosse IMaschinenfabrik.
Unter die ersten Rhederfirmen der Stadt
gehörten im 18ten und 19ten Jahrhundert
Von Kapf & Anspach, Louis Brantz, F. W.
Brune & Söhne und Andere. Von deut-
schen Zeitungen, die in Baltimore zeitwei-
lig herausgegeben wurden, sind mir be-
kannt: Marvland Staatsregister 1792, Der
Neue Unparteiische Bote 1796, Die Balti-
more Post 1799, ^Maryland Deutsche Zei-
tung 1822. Die geschäftige Martha 1838,
Der Demokratische AVhig 1839, Der Deut-
sche Correspoudent 1841, Die Fackel 1846,
Der Baltimore Herold 1849, Der Baltimore
Wecker 1851, Die Katholische Volkszei-
tung 1860, Der Lutherische Kirchenfreund
1865, Der Fortschritt 1881, Die Maryland
Staatszeitung 1869, Das Baltimore Jour-
nal 1882, Der Neue Deutsche Correspcm-
dent 1868, Der Volksfreund 1879, Die
Biene 1885, Die Turnzeitung 1856, sowie
eine Anzahl belletristischer und religiöser
Blätter von kurzem Bestand.
186
DIE DEUTSCHEN' IX MARYLAND.
In Hagerstown hatten Johann Gruber
und in Frederiek G. Bartüris Ende des
ISten imd in der ersten Hälfte des 19ten
Jahrhundertes deutsche Buehdruekereien,
welche Zeitungen. Bücher und Kalender
herausgalx'n. Der Hagei*sto\nier Kalender
erscheint heute noch, nacii mehr als 125
Jahren, in deutscher und englischer
Sprache. In 1836 wurde „Der Lieder-
kranz", der erste deutsche Ge.sangverein in
Baltimore, gegründet ; die Zahl der Ge-
sangvereine ist jetzt mehr denn 15. Die
Zahl der deutschen Gemeinden ist über 45,
die deutschen Privat- und Kirchenschulen,
welche sehr zahlreich waren, sind mit we-
nigen Ausnahmen eingegangen. Seit 1874
eröffnete die Stadt fünf grosse englisch-
deutsche Freischulen mit 48 deutschen und
63 englischen Lehrern, worin selbst die
Schulbücher und ^Material kostenfrei an die
Schüler geliefert werden. ]Mit dieser libe-
ralen öffentlichen Einrichtung konnten
weder Privat- noch Gemeinde-Schulen kon-
kurrireu. Die englisch-deutschen Schulen
werden von ungefähr 5000 Schülern be-
sucht. Das deutsche Vereins- und Logen-
wesen ])lüht in Baltimore wie in anderen
amerikani.sdien Gros.s.städten. Die Ein-
wandenuig von Deutsehen ist seit den letz-
ten 25 Jahren gegen früher sehr gering.
Die Ehen zwischen Deutschen imd Ameri-
kanern englisclier Abkunft sind so häufig,
dass sie keine Aufmerksamkeit erregen.
Söhne von Deutschen werden in den Kon-
gress, Senat und die Gesetzgebung gewählt
und können fliessend deutsch sprechen.
Auf der obersten Gerichtsbank der Stadt
sitzen Kichter, welche, wenn es nöthig ist,
Prozess - Verhandlungen in deutscher
Sprache führen. Die Deutschen haben ein
grosses AVaisenhaus, ein Altenlieim und das
deutsche St. Joseph 's Hospital, welche
Zierden der Stadt sind. Es werden viele
Generationen in ^Maryland vergehen, ehe
das Deutschthum erloschen ist, imd für
immer ist sein Einfluss auf die Kultur der
Bevölkerung des Staates gesichert.
m^ ■-^-— • '-^^ *.^V5^^Ä5iSNÜ--^^ - ?!,■ r t
^^.,^:..' "■
Die ersten Deutschen im District Columbia.
Von GUSTAV BENDER, Washington, D. C.
Die deiitsehgeboreno, rielitig'er tjosagt, die
im lieutig-en Deutschen Keiehe geborene
Bevölkerung des Distrikts Columbia, denn
die aus Oesterreicli, der Schweiz und an-
derswoher stammenden deutschsprechen den
Distriktsbewohner, zusammen vielleicht
200, sind in den nachstehenden Ziffern
nicht einbeg-rift'en, hat in dem Jahrzehnt
vor der letzten Censusaufnahme (1900), in
welchem das eingewanderte Deutschthum
in den von Deutschen am stärksten besie-
delten Staaten New York, Wisconsin, Illi-
nois, Pennsylvanien, Ohio, Kansa.s, ]Mis-
souri, Michigan, Iowa, Kentucky und Loui-
siana sich vermindert hat, um annähernd
100 Köpfe zugenommen. Sie bildete im
Jahre 1900 mit 5857 gegen 5778 in 1890
ungefähr den fünfzigsten Theil der Ge-
sammtbevölkerung. Das ist gewiss kein
hoher Prozentsatz. Immerhin aber ist das
deutsche Element von allen ausländischen
Nationalitäten im Distrikt Columbia nicht
nur am zahlreichsten, sondern, man darf es
ohne Ueberhebung sagen, auch am besten
vertreten. In manchen Geschäftsbetrieben,
wie in dem der Fleischer, Bäcker, Wirthe
und Schneider, die vor drei oder vier Jahr-
zehnten fast ausschliesslich in deutschen
Händen lagen, stellen die eingewanderten
Deutschen heute noch ein hervorragendes
Kontingent; die Besitzer mehrerer der
grössten Ladengeschäfte sind in Deutsch-
land geboren, und die Zahl derer, die in
verschiedenartigster Thätigkeit der Bun-
des- oder der Distriktsregierung dienen, geht
hoch in die Hunderte. Bezüglich der letzt-
erwähnten Klasse unserer Landsleute darf
jedoch eine Bemerkung nicht unterdrückt
werden. So ehrenvoll es für die Deutschen
ist, dass gerade solche Stellen im öffentli-
chen Dienste, in denen fachmännisches Wis-
sen und stetige gewissenhafte Arbeit erfor-
derlich sind, vielfach mit Deutschen be-
setzt sind, so bedauerlieh ist es, dass von
den deutschgeborenen Regierungsangestell-
ten nicht wenige ihr Deutschthum sehr ge-
ring achten, wenn nicht ganz verleugnen.
Am stärksten war die Zunahnie des
deutsch-amerikanischen Elementes auch
hier in dem Jahrzehnt zwischen 1850 und
1860. In diesem Zeitraum stieg die Zahl
der deutschgeborenen Distriktsbewohner
von 415 auf 3222. In jene Jahre fällt auch
die Entstehung der ersten deutschen Ver-
eine, von denen der Turnverein, der sich
zuerst sozial-demokratischer, später Cohim-
hia Turnverein nannte, und der WasJiing-
toit SüngerhiDid heute noch blühen und ge-
deihen. Ueber die ältesten Deutschen im
nachmaligen Distrikt Columbia hat Dr. H.
Christian Strack, der Redakteur der einzi-
gen jetzt noch hier erscheinenden früher
täglichen, jetzt wöchentlichen deutschen
Zeitung, des ..Washington Journal", in
zwei Vorträgen, die er vor der „Deutschen
Historischen Gesellschaft für den Distrikt
Columbia" hielt und die in den ..Berich-
ten" dieser Gesellschaft veröffentlicht
sind, die Ergebnisse sorgfältiger Forschun-
gen zusammengestellt, von denen ich die
hauptsächlichsten hier in Kürze mittheilen
will.
Um ein volles Jahrhundert älter als die
Bundeshauptstadt ist das heute unt^r dem
Namen West-Washington das Westende
derselben bildende Georgeto^\^l. denn dieses
im Jahre 1751 gegründete Town entstand
auf dei"selben Stelle, auf welcher schon im
Jahre 1690 scliottisch-irische Einwanderer
sich angesiedelt hatten. Sein rasches Auf-
188
IHK KRSTKN DEUTSCHEN IM DISTKKT COLUMBIA.
l)lühen vcrdankto (l;is iuhil' Ciciiu'iiiwr.si-n
einer stai'keii Hiii\\;m(leriin<r Deutselier. die
theils von Amiapolis, theil.s über t'redei'iek
aus älteren deutselieii Orten Pennsylva-
niens. wie Laneaster >iiid lieadinjr. und aus
den in den damaligen Indianerkrie.2:en ver-
lieerten westlichen ( Irenzdistrikten Penn-
sylvaniens dorthin kamen. Am Ende des
seciisten .lahrzeiuits des 18. Jahrhunderts
gab es in (ieorgetown mehr Deutsehe als
BürLTiM- andei-er Nationalitäten. Beweis
dafür ist. dass die ei'ste Kirelie, welche dort
(17ü8) erbaut wurde, eine deutsche luthe-
rische Kirche war. Heute noch steht da,
wo inmitten eines Begräbnissplatzes die
älteste Stätte deutscher Gottesverehruug in
Georgetown augelegt wurde (au der Ecke
der :V2. und (^ Strasse, Nordwest.) eine
lutiieri.sche Kirche: aber sie hat längst auf-
geiiört. deutsch zu sein.
Kurz ehe GeorgetoAvn sein erstes, ein
deutsches. Gotteshaus erhielt, hatte Jakob
Funk, ein Deutsch-Schweizer, auf einem
Theil des drei Jahre vorher von ihm ei-stau-
denen (ieländes, zwischen dem Potomac
und dem Tiber, ein Towu angelegt, das er
Hamburg nannte, das aber ihm zu Ehreu
,,Fuuktown" genannt wurde.
Von den '2'.V.) Bau.stellen gingen 110 in
den Px'sitz von Deutschen aus Georg(^town,
Ale.xandria und Bladensburg über.
nie älteste deutsche Kirche <1im' heutigen
Bundeshauptstadt steht auf derselben
Stelle tles alten Eunktown, welche dessen
(iründer den lutheri.schen Bewohnern als
Baustätte für $ö verkauft hatte, und es ist
fast gewiss, da.ss der Gruiul und Boden,
auf welchem heute das „AVei.sse Haus"
steht, zu dem Grundl)esitz Funk 's gehörte.
Der grösste Theil des Distrikts Columbia,
soweit die Regierung ihn nicht für sich re-
servirt hatte, befand sich allerdings im Be-
sitz nicht-deutscher Eigeuthümer, von
denen manche ganze ,.S(|uares" liesassen ;
aber der Zahl nach waren die deutschen
Landeigenthümer, obschon keiner von ihnen
mehr als eine einzige Baustelle sein nannte,,
bei Weitem in der Mehrheit.
Der Ausl)rucli der Revolution war wohl
der Hauptgrund, da.ss ausser einem Haus,
das Funk für sich selbst baute, keiner der
l^au.stellenlx'sitzer auch Hausbesitzer
wurde.
Im Jahre 17i)l beschlo.ss nach langem
Hin- und Herreden der Kongre.ss, dass die
Federal City an der gegenwärtigen Stelle
angelegt werden sollte. Präsident George
AVashington hatte die ersten drei Kommis-
säre eingesetzt. L'Enfant's Stadtplan war
fertig, und es wurde nun uothwendig. Ar-
beiter für die ersten Regierungsgebäude,
das ..Kongresshaus'' und das ,. Präsiden-
tenhaus", herbeizuschatfen. Am fi. ]\Iärz
1792 schrieb Staatssekretär Thonuis Jef-
ferson an die Konnnissäre einen Brief, in
dem die folgende Stelle vorkommt : ,. Halten
Sie es nicht für rath.sam. Deutsche und
schottische Hochländer in gro.'-,ser Zahl zu
importiren .' AVenn Sie die EinfuJir von
Deutscheu billigen und eine gute Bezugs-
(juelle wissen, so bedienen Sie sieh dersel-
ben, wenn nicht, dann Icann ich Ihnen zu
einer verlielfen."
Bezugnehmend auf di<\sen Brief seines
Staatssekretärs schrieb zwei Tage später
(ieorge Washington an Dr. David Stuart,
einen der drei Kommi.ssäre: ..Der von
Herrn Jefferson angeregte Gedanke, Deut-
sche und Hochländer als Handwerker und
Arbeiter einzuführen, ist meiner Ansicht
nach, von einem ökonomischen Stand])unkt
aus, sehr beachtenswerth. auch wird ja da-
durch die Bev()lkerung des Platzes ver-
mehrt."
"Wir Avi.ssen nicht, in welchem Umfange
damals Deutsche nach AVashington gezogen
worden sind. Bis zum Jahre 1798 aber
stand zwischen der E und F und der 24.
und 25. Strasse. Nordwest, ein altes Farm-
haus, das als Enngrantenhaus für deutsche-
Ai-l)eiter eingerichtet und stets voll besetzt
war.
dip: kkstkx J)KIT8cui-:n im distkict culumbia.
189
Deutsche Kanfleute ans Georgetown wa-
ren die ersten, welolic in Wa.sliin<;ton Kanf-
läden erött'neten. Ein DentseluT iiauiens
Klieber richtete in der näclisten Nähe des
„Weissen Hauses" die erste l^äckerei in
Washington ein ; ein Deutscher namens
Ililtzheinier erötfnete ein Kleiderg(\schäft
au Greeuleaf's Point; ein tleutscher Huch-
binder namens Stettineus war einer der
Ersten, der mehrere Baustellen an Penn-
sylvania Avenue für Geschäftszwecke
kaufte und in einem der ersten Häuser, die
dort aufgeführt worden, führte ein Deut-
scher namens Heinz ein Blechwaarenge-
schäft; der erste Drucker, der sich in der
Bundeshauptstadt niederliess, war ein
Deutscher namens Graff.
Im Jahre ISOO eröffnete ein Deutscher
namens Betz in einem alten zweistöckigen
Holzhaus an der F Strasse, zwischen der
13. und 1-4. Strasse, die erste Schenke, und
-an der Südseite der Pennsylvania Avenue,
nahe der Neunten Strasse, g-ründete ein
Deutschei- iiaiiicns Herfoi'd die erste
l^rauerei.
Diese Namen von Deutsehen, die schon
in den ei\sten Jahren nach der Gründung
von Washington sich dort Geschäfte gi'ün-
(Iclcii, liessen sieh leicht verzehnfachen,
al)(_'r diese wenigen mögen genügen, um die
Behauptung' zu rechtfertigen, dass unsere
Landsh'ute schon an der frühesten Ent-
wickelung der Bundeshauptstadt einen her-
vorragenden Antheil gehabt haben. Das-
selbe gilt von alh'U folgenden Jahrzehnten
bis in die Gegenwart. Es dauerte freilich,
wie schon oben angedeutet, bis in die ]\Iitte
des vorigen Jahrhunderts, ehe unter dem
Einflu.ss der Achtundvierziger Einwande-
rung auch hier die Deutschen das Bedürf-
niss empfanden, sich in Vereinigungen
enger zusannnenzuschliessen, und erst in
dem letzten Jahrzehnt des vorigen Jahr-
hunderts brach sich innerhalb dieser Ver-
einigungen die Erkenntniss Bahn, dass sie
alle zu einer Zentral-Organisation gehören
sollten.
m^f^smif!
" V. .
^fetA * "
iSag&Mniirt-
nji nnwLMW— iJ^iqjL»<knaw>.i>W'ui.i'i if^ iniiiWWiwatf-.*.a»*^*Tg*^'
Die Deutschen in West-Virginien.
Von C. W. BENTE. Wheeling. W. Va.
Wer die l'reinwohner von West-Vir-
ginien waren, ist in Dunkel gehüllt. Es
waren nicht die Indianer, sondern eine Na-
tion oder Ra.sse von Grabhügelbauem, denn
von sok-hen Bauten finden wir Spuren im
ganzen Staate, und der Mamniuth-Grab-
hügel der Wheelinger Vorstadt Moundsville
i.st der grö.s.ste seiner Art in den Vereinig-
ten Staaten.
Sechzig Jahre vergingen .seit der Grün-
dung von Jamestown, ehe eines Wei.ssen
Auge irgend einen Tlieil von West-Vir-
ginien erblickte. Aber im Jahre 1670 zog
Johann Lederer, ein Deutscher, im Dienste
des englischen Gouverneurs Berkeley von
Virginien. mit seiner Truppe von zehn
Eii<.'liiji(leni und fünf Indianern auf eine
Entdeckungsreise nach Westen und kam
den Rappahannok hinauf zu den Blauen
Bergen, von deren Rücken er das Shenan-
doahthal erblickte und den Grossen Nord-
berg und andere West-Virginische Berg-
riesen erspähte. Sechsundvierzig Jahre
vergingen, bis Virginien wieder einen Gou-
verneur hatte, der sich für westliche Ent-
deckungsreisen interessirte. Es war Alex-
ander Spottswood, der im Jahre 1716 selbst
mit einer Expedition auszog, vom Thale
Shcnandoah, den er Euphrat nannte, im
Namen König Georgs des Ersten Besitz er-
griff und bei .seiner Rückkehr nach Wil-
liam.sburg, dem Regierungssitze von Vir-
ginien, den Orden der Transmontanen oder
Ritter vom Goldenen Hufeisen gründete,
indem er jedem seiner Begleiter und allen,
die sich verpflichteten, eine ähnliche Expe-
dition zu imtemehmen, ein kleines goldnes
Hufeisen mit der Inschrift "Sic jurat
transcendere montes" schenkte. Die Be-
siedelung des Staates durch Weisse sollte
nun nicht mehr lange auf sich warten las-
sen. Im Jahre 1727 Hess sich ein Walli.ser,
Namens ^Morgan, in der Nähe von Bunker
Hill in Berkeley County nieder, und noch
im selben Jahre kreuzten Deutsche aus
Pennsylvanien, die aus Mecklenburg
stammten, den Potomac bei der sog. ,, Al-
ten Packpferd-Furt" und gründeten eine
Meile weiter westlich, am südlichen Ufer
des Flusses ein Dorf, das sie Mecklenburg
nannten. Reges deutsches Leben ent-
wickelte sich dort, deutsche Kirchen und
Schulen erblühten, eine lutherische imd
eine reformierte, und alle Gemeinderaths-
verhandlungen wurden in deutscher
Sprache geführt.
Das Land, auf dem die neue Ansiedelung
gegründet wurde, bildete einen Theil des
riesigen Gebietes, welches dem Lord Fair-
fax verliehen worden Avar. Den ersten
Siedlern folgten bald andere Deutsche aus
der Gegend von Lancaster und Philadel-
phia, und bis zum Jahre 1736 hatte sich
eine beträchtliche Kolonie auf dem herrlich
gelegenen Platze eingefunden, den sie als
ihre Heimstätte erkoren — ein sanft wellen-
förmiges Plateau hoch ü]>er dem Flusse, mit
zahlreichen Springbrininen, die sich damals
wie jetzt aus dem Kalkgestein ergo.ssen, eine
Gegend fruchtbar und einladend und reich
gesegnet von der Natur. Als Lord Fair-
fax seinen Rechtstitel auf das Land geltend
machte, bezahlten die ehrlichen ,,Squatter"
ihm, was er verhingte, und es gibt viele
werthvolle Farmen dort, die niemals ver-
kauft wurden, sondern sich vom Vater auf
den Sohn während einhundert und fünf-
undsiebenzig Jahre vererbt haben. Andere
Kolonisten kamen von Zeit zu Zeit, darun-
ter manche direkt von Deutschland. Unter
DIE DEITSCHEX IX WEST-VIRGIXIEX.
191
diesen befanden sieh viele tüchtige Hand-
werker. AVeber. Hutmaeher. Se-hreiner.
Töpfer. Gerber u. s. w.. die ihr Gewerbe
dort zu hoher Blüthe brachten.
Im Jahre 1762 war die Ortschaft so an-
gewachsen, dass die Bürger sich veranlasst
sahen, sich an die Legislatur in "Williams-
burg zu wenden, welche auf ihr Ersuchen
das ..To\\-n ^leeklenburg. im County Fi-ede-
riek*' inkorporirte.
Die erste Kirche, welche die deutschen
Siedler bauten, war eine lutherische. Es
war die ei-ste Kirche, welche auf AVest-Vir-
ginischem Boden errichtet wurde. Schon
1735 wurde im neuen Aleckleuburg deutsch-
lutherisch gepredigt. In den fünfziger
Jahren jenes Jahrhimderts wurde die Ge-
meinde permanent organisirt. und seit
1765 liegen Berichte über regelmässigen
Gottesdienst vor. Der erste angestellte
Prediger war Pastor Bauer. Bedeutend
entwickelte sich die Gemeinde unter dem
Pfarrer Johann David Jung, der 1790 aus
Pennsylvanien nach Mecklenburg berufen
^^-urde und grosse Thatkraft und Energie
besass. Er unternahm den Bau einer neuen
backsteinernen Kirche und führte das Pro-
jekt erfolgreich durch. Ein sehr solider
Bau wurde errichtet, in welchem noch bis
zum heutigen Tage die Gemeinde ihre
Gottesdienste hält. Er ist mehrmals reno-
virt worden, aber der Hauptbau steht
noch, wie er zuei*st errichtet worden. Auf
einem anderen Bauplatze ist die Gemeinde
jetzt dabei, eine neue moderne Kirche zu
errichten. Die Xamen derjenigen Gemein-
deglieder, die sich im Jahre 1795 um den
Kirchenbau besonders verdient machten,
sind Heinrich Büdinger sen.. Heinrich
Kuckes, Afartin Endler. Philipp Kleber.
Nikolaus Hahn. ^lartin AVohlfarth u. A.
Viele Xachkommen von diesen sind noch
heute Glieder der Gemeinde. Die Kirchen-
bücher wurden bis zum Jahre 1817 in deut-
scher Sprache geführt.
Bald nach der lutherischen bildete sich
eine deutsche reformirte Gemeinde; diese
war vollständig organisirt im Jahre 17S0,
als Pastor Alichael Schlatter zum ständigen
Pastor berufen wurde. Auch die Refor-
mirten errichteten ein solides backsteiner-
nes Gotteshaus mit einem Thurm aus
Stein. Als letzterer fertig war. liess man
eine neue Kir^^hengkxke aus Frankreich
kommen, die unter grossen Feierlichkeiten
eingeweiht wurde. Im Laufe derselben
\mrde dii Glocke umgikihrt u)hI mit Loud-
w(in gffiiUi. Zuerst genossen daraus die
Vorsteher dann die übrigen Glieder der Ge-
meinde. Manche sollen so oft davon ge-
nippt haben, dass sie umtielen. So wird
ntx4i heute erzählt. Die reformirte Gi*-
meinde führte ihre Protokolle in deutscher
Sprache bis zum Jahre ISOS.
Dass sich in den ersten Zeiten Lutheraner
und Reformirte noch gut vertragen ha-
ben, erhellt daraus, dass sie zusammen eine
deutsche Pfarrschule unterhielten, die. so-
weit bekannt, die älteste Schule im Gebiete
des Staates AVest-Virginien war. Die Kos-
ten des Gebautes waren durch freiwillige
Beiträge von Gliedern der beiden Kirchen
aufgebracht worden.
Obschon fast zweihundert Jahre ver-
tiossen sind, seit die ersten Deutschen da<i
jetzige Shepherdstown gründeten, so bilden
die Träger ihrer Xamen noch jetzt die an-
gesehensten und eintlussreichsten Bürger
der Stadt, und fast alle setzen ihren Stolz
darin, ihren Stammbaum von den deut-
schen Pilgervätern abzuleiten. Freilich
sind die Xamen im Laufe der Zeit vielfach
umgeändert worden ; aus Endler wurde
Eutler. aus Büdinger Bedinger. aus Kuckes
Cookus. aus Schneider Snyder. aus Baier
Byers. aus Linck Link, aus Ronymus Rone-
mous, aus ^löller Aloler. aus Hendrik
Ilcndricks. aus Bauer Bowers u. s. w. Die
alte Stadt hat sich in hundert Jahren wenig
geändert, und viele Häuser stehen noch, die
schon über hundert und fünfzig Jahre alt
sind.
In Xeu-Mecklentnirg waren 1784 Georg
Washington und andere berühmte ^länner
i92 DIE DEUTSCHEN IN WEST-VIRGINIEN.
zugegen ln'i der < rfolfjnicht ii Probefahrt Tjouis "Wetzel befand sich unter den Pio-
des JaiiKs Bumsey^schcH Bootes, des ersten nieren, die sieh ihnen anschlössen. Die
Dampfbootes in der AVett. AVeh-lie Be- Härten und Gefahren des PionieHebens,
deutung der Ort zu jener Zeit hatte, erliellt (h'iien diese [Männer, uiul bald auch Frauen
daraus, dass ei- 17!K) sit'h d<n-uni bewai"b. die unter iluien. unterworfen -waren, geben
Statte der Bundesregierung der Vereinig- ihnen ein Anreelit darauf, dass ihre Namen
ten Staaten zu werden. ITDS wusste es ein in der Oesehiehte erhalten ])leiben. 1774
,,I)roininenter'' Bürger, ..Ca|)taiir" Thomas bi-achcii die I iidiaiiei-feiiulseligkeiten am
Shepherd. der von einem biederen ^leek- ärgsten aus, wie man allgemein annimmt,
lenburger Namens Schäfer abstammte, infolge des grausamen ]\[assakres zu Yellow
durchzusetzen, dass der Name ^Mecklenburg Creek, zwisclien Pitts1)urg und Wheeling,
in Slieidierdstown umgewandelt wurde, dem die Familie Logan's, des berühmten
Unter diesem Namen ist es jetzt die älteste IIäui)tlings des ]Mingo Stammes, zum Op-
Stadt in "West-Virgin ien. Seit vierund- fer fiel. Die blutige Allianz der Indianer
dreissig .Jahren ist es der Sitz eines Zweiges mit dvn Briten folgte bald darauf, und
der Staats-Nornud.schule von West-Vir- damit hub der langwierige Grenzkrieg au,
ginien. Jene ganze Gegend ist historischer der jeden Hügel und jedes Thal in dieser
Boden; an der ^Mündung des kleinen Ca- Gegend zu Scenen blutiger Grausamkeiten
copon kreuzte General Braddock's Armee machte und erst mit dem Jahre 1782 zum
den Potonuic auf dem ^Marsche nach dem Abschlüsse kam, als Col. Zane und seine
T'nglücksfelde von ]M(mongahela. und ge- Braven die Hauptmacht des heimtücki-
genüber von Shepherdstown, in IMaryland, sehen Feindes mit solcher Bravour zurück-
ist das reizende kleine Antietam-Thal, das schlugen, dass ihm das Wiederkonnuen
sich auf innner einen Platz in der ameri- gründlich verleidet wurde. Zwar hörte
kanischen Geschichte bewahren wird, und man auch nach dieser Zeit noch von ver-
Harper's Ferry ist jedem Schulkinde in einzelten Ueberf allen durch zerstreute
den Vereinigten Staaten bekannt. jMäch- „Kundschafter", doch sorgte die Trefif-
tige Heere rangen einst um die Obergewalt Sicherheit eines "Wetzel und anderer guter
an diesen "ufern, aber längst hat des Poto- Schützen dafür, dass diese ,,Scouts" im-
mae's stolze Fluth den Blutfleck jener Zeit mer weniger wurden.
hinweggespült und grüsst auf beiden So standen denn die Wiegen des Deutsch-
Seiten seines Laufes nur ein ejeeinigtes ^hums von Westvirginien in dem nordöst-
Brudervollc. liehen imd dem nordwestlichen Zipfel des
[Mittlerweile war auch der nordwestliche Staates, die zwischen [Maryland und Virgi-
Theil des Staates, der sich seither des nien, zwischen Ohio und Pennsylvanien ein-
grössten Fortschrittes zu erfreuen hatte, gekeilt, der östliche, bez. nördliche ,, Pfan-
der Besiedelung erschlossen worden, und nenstil" genannt worden imd "Westvirgi-
auch an diesem Pionier-Kulturwerke haben nien den Namen des „Panhandle-Staates"
Deutsche hervorragendsten Antheil ge- gegeben haben. In den dreissiger Jahren
nommen. Im Jahre 1770 wurde "Wheeling, des letzten Jahrhunderts erhielt unser
die [Metropole des Staates, an einer Stätte, Deutsehthum stärkeren Zuzug aus frischer
die durch die Indianerkriege und den Be- Einwanderung, der sich zumeist nach
freiungskrieg berühmt wurde, gegründet. AVheeling wandte, das seither die führende
Mitglieder der Familie Zane (Zahn), die Rolle in der Geschichte des Deutschthums
das Jahr zuvor die Gegend ausgekund- im Staate innegehabt hat, obschon auch in
schaffet, nahmen die .sog. „Tomahawk- Parkersburg, wo im Jahre 1910 der Gerraa-
Besitzergreifmig" dort vor. Der Deutsche nia-Gesangverein sein goldenes Jubiläum
DIE DEUTSCHEN IN WEST-VIEGINIEN.
193
feiern wird, in der Universitätsstadt ]\Ior-
gantown, wo der Coneordia Turnverein
seine eigene prachtvolle Halle besitzt und
ein blühender Zweig des Deutsehen Unter-
stützungs-Bundes sich befindet, in Elkins,
in der Staatshauptstadt Charleston, in der
Schweizer Niederlassung Helvetia in Ran-
dolph Couuty und an manchen andern
Plätzen Pflegestätten des Deutschthums
sich befinden.
Die ersten deutschen Vereinigungen in
Wheeling, von denen wir wissen, waren
kirchlicher Art. Bis in das Jahr 1832
lässt sich die Sammlung der ersten deut-
schen Gemeinde verfolgen, aus der sich die
jetzige blühende, noch ganz deutsche St.
Johannes-Gemeinde entwickelte und von
der sich im Laufe des Jahres mehrere an-
dere deutsche Gemeinden abzweigten. Im
Jahre 1835 bildete sich eine deutsche ]\Ie-
thodistengemeinde in "Wheeling, welche
1839 die erste deutsche Methodistenkirche
der "Welt erbaute, die noch heute ein Wahr-
zeichen der Stadt AVheeling ist. Bereits
1808 war der ]\Iethodistenpfarrer Heinrich
Böhm als "Wanderprediger dort gewesen,
und 1811 wurde der „Oestliche Wheelinger
Bezirk" von den Methodisten etablirt, als
dessen erste Beamten Pfarrer Simon Lauch
imd Aeltester Jacoh Gniber fungirten. Im
Jahre 1806, als TVheeling inkorporirt
wurde, finden wir Friedrich Beymer als
Mitglied des ersten Gemeinderathes der
Stadt, und in seiner Gastwirthschaft,
welche die beste des Ortes war, wurden die
Gemeinderathssitzungen abgehalten.
Da in jenen ersten Zeiten unsere deut-
schen Landsleute einen schweren Stand
hatten in dem Kampfe um 's Leben in frem-
dem Lande, so war es naturgemäss, dass
der erste weltliche Verein, den sie gründe-
ten, ein Verein zur gegenseitigen Hilfe-
leistung war. So wurde denn 18-4-1 der
Deutsche Unterstützungsverein gegründet.
Es folgten bald mit dem Erstarken des
Deutschthums Gesang-, Tum- imd Bauver-
eine in grosser Zahl, und bereits um das
Jahr 1860 sehen wir das Deutschthum so
frisch und fröhlich emporblühend, dass es
im Staude war, ein glänzend durchgeführ-
tes Bezirkssängerfest zu geben, dem sich
später das zweite Wheelinger Sängerfest
von 1885 und neuerdings das dritte, vom
Jahre 1906, zugesellten.
Während des Bürgerkrieges, der die Ab-
trennimg imseres Staates von dem Rebel-
lenstaate Virginien mit sich brachte, stan-
den unsere Deutschen zum grössten Theil
fest zur Sache der Union, obschon es auch
unter den Deutschen an Anhängern der
Sezession nicht fehlte ; so diente von den
beiden Söhnen des damaligen Pfarrers
Friedrich der eine im Unions-, der andere
im konföderirten Heere. ^Mehrere deutsche
Kompagnien A\T^irden gebildet, die sowohl
im offenen Feld, wie in dem an der Grenze
zwischen Süd imd Nord so wichtigen
Patrouilledienst dem deutschen Namen
Ehre machten. Der enge Rahmen dieses
Aufsatzes verbietet auch hier näher auf die
Leistimgen dieser Braven einzugehen.
^Mächtig strebte das Deutschthum in den
siebziger und achtziger Jahren empor. Wir
erwähnen aus dieser Periode die grosse
Siegesfeier von 1871, die grossartig ge-
plante und durchgeführte erste Deutsche-
Tag-Feier von 1883 und die Agitation zu
Gunsten des Deutsch-Amerikanischen Leh-
rerseminars, die die Erwerbung von drei
Antheilscheinen des Seminars durch das
Wheelinger Deutschthum zur Folge hatte.
Nach der Feier des Deutschen Tages im
Jahre 1890 trat ein merklicher Rückschritt
ein, bis mit der Deutschen-Tag-Feier von
1900 und der bald darauf folgenden Grün-
dung des Centralbundes eine neue Epoche
eingeleitet wurde.
Auch in geschäftlicher und industrieller
Beziehimg hat unser Deutschthum stets
einen guten Namen gehabt, und deutscher
Gewerbfieiss steht hier in hohen Ehren.
Wir erwähnen aus der Fülle des ims zu
Gebote stehenden Materials nur die drei
Weltfirmen : die grossen Kalikowerke, die
194
DIE DEUTSCHEN IN WEST-VIRGINIEN.
von den Pionieren Stifel gegründet und
von ihnen und ihren Naehkonunen zu einem
Riesengesehäfte ausgebildet wurden ; das
Sehenk'sehe Fleisehversandtgesehäft ; die
Ilofi'niann 'sehe Gerberei, ferner die Deut-
sehe Feuerversieherungsgesellschaft unter
Leitimg des Hm. F. Riester; die Brauin-
dustrie, imter deren bedeutenden Vertre-
tern die HII. Anton Reymann und Col.
Heinrieh Sehmulbach hervorragen. Auch
im Bankwesen, in der Töpferei-, Emaille-,
Glas- und Eisenindustrie sind die Deut-
sehen vertreten.
Schon der erste deut.sch-amerikanisehe
Xationalkonvent. der in Pittsburg im Ok-
tober 1837 abgehalten wurde, aber leider
oluie permanente Resultate blieb, war von
Wheeling aus mit Hm. Andreas Schwarz
beschickt Avorden, während die gegenüber-
liegenden Ohioer Counties Belmont und
^Monroe durch Hm. Joseph Jenny, bezw.
Hrn. Andr. ]\Iühlemann vertreten waren.
Die ersten Deutschen am unteren Mississippi.
J. HANNO DEILER,
Professor Emeritus der Tulane Universitaet in New Orleans.
Der erste Deutsehe am miteren ]\Iissis-
sippi war einer der letzten Gefährten des
kühnen Reisenden nnd Entdeckei's La Salle,
und da auch die Gründung der ersten deut-
sehen Colonie in die älteste Zeit fällt, wollen
wir zuerst einen flüchtigen Blick in die Ge-
schichte der Entdeckung der Mississippi-
Mündung und der Besitzergreifung der
nördlichen Golfküste werfen.
Schon mit der zweiten Reise des Colum-
bus (1-193) war Spanien durch die Ent-
deckung von Cuba, Haiti, Portorico, Domi-
nica, Jamaica und Guadeloupe Herr des
Golfes von ]\lexiko geworden. Zwanzig
Jahre später kam Ponee de Leon nach Flo-
rida, und 1519 begann Cortez die Erobe-
rung des Aztekenreiches Mexiko.
In demselben Jahre unternahm ein
anderer Spanier, Pineda, von Jamaica aus
eine Fahrt zur Umschiffung Floridas, das
man damals noch für eine Insel hielt, und
kam dabei, da er die nördliche Golfküste
entlang immer westwärts segelte, an die
Küste von ]\Iexiko. Auf dieser Reise muss
Pineda am Mississippi vorüber gefahren
sein, ohne die durch Sandbänke, Treibholz
und Gebüsch versperrte ]\Iündung des Stro-
mes bemerkt zu haben. Von dieser Reise
datieren aber die Ansprüche Spaniens auf
die ganze nördliche Golfküste von Florida
bis Älexiko.
Zweiundzwanzig Jahre später begann
De Soto seinen abenteuerliehen Zug von
Florida ins Innere, auf welchem er den Mis-
sissippi zwar entdeckte, aber auch sein Grab
darin fand, worauf ÄIoscoso mit den Trüm-
mern der Expedition den Strom hinabfuhr
und endlich auch die spanischen Besitzun-
gen im Golf erreichte. Das war die erste
Entdeckung der ]\rississippi-]\ründung, die
aber ohne praktische Folgen blieb, da 140
Jahre lang keine zweite Fahrt dahin unter-
nonnnen wurde.
Inzwischen hatten die Franzosen sich
(1608) in Canada festgesetzt und den
oberen ]\Iississippi entdeckt und auch be-
fahren, aber 74 Jahre vergingen, ehe La
Salle dem Strom von oben herab in seinem
ganzen Laufe folgte, die IMüudung er-
reichte und dort am 9. April 1682 das
ganze ]\Iississippital für Frankreich in
Besitz nahm und, seinem König zu Ehren,
"Louisiana" nannte. Dann kehrte er auf
demselben Wege nach Canada zurück und
ging nach Frankreich, um zu berichten und
seinen Plan, durch den ]\Iississippi eine
Verbindung zwischen Canada und dem
Golfe herzustellen und den Handel mit den
Indianern dieses weiten Gebietes durch An-
lage mehrerer Forts für Frankreich zu
sichern, dem König zu unterbreiten.
Seine Vorschläge fanden Beifall und
am 24. Juli 1684 segelte er mit einer Flo-
tille unter dem Commando Beaujeau's von
La Rochelle nach dem Golf von jMexiko ab
mit der Absicht, von dort aus in den Älis-
sissippi einzufahren und dort eine franzö-
sische Niederlassung zu gründen.
Auf dieser Reise wurde im Hafen
Petit Gouave auf San Domingo zu längerem
Aufenthalt gelandet. San Domingo war
damals schon seit mehr als 50 Jahren das
Hauptquartier der Buccaniere, deren Ge-
werbe eigentlich schon von a'tersher, be-
sonders aber seit der Zeit, als die spani-
schen SilberschiflPe von INFexiko und Peru
und die vielen Handelsbeschränkungen zum
Schmuggel und zur Seeräuberei geradezu
herausforderten, als ein legitimes Geschäft
galt, von der hochachtbaren Kaufmann-
schaft gar mancher Handelsstadt betrieben,
von vielen den höchsten Ständen Angehö-
196
DIE ERSTEN DEUTSCHEN AM UNTEREN MISSISSIPPI.
rigen durch Stelhinjr oder Ausriistuni? von
SchirtVn gefördert und von allen als eine
hoehwillkonnuene Einnahmequelle betrach-
tet wurde. Franzasen, Enirländer und
Holländer fanden sich in San Domingo /u-
samnien, und auch Deutsehe, die in den
wilden Traditionen des aOjährigen Krieges
aufgewachsen waren, schlugen sich zu
ihnen. In dieser Gesellschaft gaben sich
XjR Salle's Leute den gröbsten Ausschwei-
fungen hin, so dass viele dem Fieber erla-
gen inid neue :Mannschaften angeworben
werden mussteu.
Der erste Deutsche.
Unter diesen Neugeworbenen befand
sich auch ein Deutscher, ein deutscher Buc-
canier, ein Kanonier, der nur unter dem
Namen „Hans'' bekannt war. Die Fran-
zosen .schreiben den Namen „Ilieus", was
in Anbetracht der Veränderungen, welche
deutsche Namen unter den Händen der
Franzosen zu erleiden pflegen, ebenfalls
Hans bedeuten mag, aber der Holländer
Ilennepin, ein Zeitgenosse, nennt ihn aus-
drücklich „Hans", und alle, die ihn per-
sönlich kannten, sind darin einig, dass er
ein Deutscher war.
T.a Salle's Versuch, die :\lississippi-
Mündung vom CJolf aus zu finden, niisslang.
Er geriet an die texanische Kilste, wo er,
von dem Commandanten seiner Flotille ver-
lassen und durch Unfälle aller seiner
Schiffe beraubt, den verzweifelten Ent-
schluss fasste, mit 16 auserlesenen Gefähr-
ten Überland von Texas nach Canada zu
mai-schieren und dort für .seine in einem
Fort zurückgela-ssenen Colon isten Hilfe zu
holen.
Einer der auserlesenen 16 war Hans,
der deutsche Buccanier, ein Beweis dafür,
dass La Salle ihn für einen ]\Iann hielt, auf
den man sich verlassen konnte.
Ueber zwei Jahre lang schlug sich die
kleine Schaar durch die Schreekni.sse der
Wildnis, bis sie in die Nähe der Westgrenze
des heutigen Staates Louisiana kam, wo
wegen der übergrossen Strenge des Führers
unter einem Theil der Mann.schaft eine Ver-
schwörung entstand und La Salle von dem
Franzosen Duhaut, der die Führerschaft
selbst an sich reissen wollte, meuchlings er-
mordet wurde.
Dem ^Mörder, vor dem sich alle fürch-
teten, trat aber der Buccanier Hans entge-
gen, und der Pater Athanasius Douay, ein
Augenzeuge, berichtet darüber folgendes:
„Jene, die den ]\Iord ihres Comman-
„danten und Führers am meisten be-
„dauerten, hatten sich alle dem Hans
„angeschlassen, der zwei Tage darauf
„die Gelegenheit ergriif, Mord mit
„Mord zu bestrafen. In unserer Ge-
,,genAvart schoss er den Mörder La
„Salle's mit einer Pi.stoh^ ins Herz.
„Der starb auf der Stelle, ohne Beichte
„und ohne auch nur den Namen
„„Jesus und Maria"" anrufen zu
„können. Hans wollte auch noch den
„L 'Archeveque niedersehi essen, um den
„Tod La Salle's vollständig zu rächen,
„aber Joutel besänftigte ihn."
Als sich die kleine Schaar dem franzö-
sischen Arkansas Posten am Mississippi
näherte, wo dem Hans für seinen Racheakt
das Gefängni.ss drolite, beschloss er, sich den
Coenis Indianern, die er eben auf einem
siegreichen Zug gegen einen feindlichen
Stamm geführt hatte, anzuschliessen. Ehe
er aber seine Gefährten verliess, verlangte
er von diesen ein in lateini.scher Sprache
geschriebenes Zeugnis, dass er an dem
Morde La Salle's unschuldig gewesen sei.
Das erhielt er auch, und .seine Gefährten
ehrten sein Gedächtniss. indem sie dem
Fluss, an welchem das Dorf der Coenis
Indianer, seine künftige Heimat, lag, den
Namen ..Hans River" gaben.
Von den letzten Gefährten La Salle's
erreichten nur wenige Canada.
Und nun vergingen zehn Jahre, ehe
wieder Schritte zur Gründung einer fran-
zösischen Niederlassung an der nördlichen
GolfkiLste getan wurden. Endlich aber, im
DIE ERSTEN DEUTSCHEN AM UNTEREN MISSISSIPPI.
197
Jahre 1698, segelte der Canadier Iberville
mit vier Schiffen von Brest ab. Er fand,
dass sieh in der Zwischenzeit die Spanier
auf der Stelle des heutigen Pensacola fest-
gesetzt hatten. Aveshalb er weiter westlich
segelte und bei seiner am 13. Februar 1699
erfolgten Ankunft in der Biloxi Bay da,
wo heute das Städtchen Ocean Springs,
Miss., steht, ein Fort erbaute. Von dort
aus fand er am 2. ]\Iärz 1699 die Einfahrt
in den ^Mississippi, wo er auf dem ersten
hohen Land ebenfalls ein Fort errichtete.
Die Hauptniederlassung wurde aber „Fort
Louis de la Louisiane", das heutige Mo-
bile, Ala. Und hier, oder vielmehr zwi-
schen der dem Hafen von Mobile vorlagern-
den ,,Dauphine Insel", der Bay von Biloxi
und der nahen, mit einem ausgezeiclmeten
Hafen versehenen Golfinsel ,,Ship Island"
(J. aux Vaisseaux) coucentrierte sieh in
den näclisten 20 Jahren das Leben der Co-
lonie Louisiana, hier spielten die Haupter-
eignisse, und hier landeten auch die ersten
Deutschen.
Die Franzosen begingen anfangs den
grossen Fehler, dem Ackerbau keine Auf-
merksamkeit zu schenken. Zwei Jahre nach
der Gründung von ^Mobile zählte die ganze
Civilbevölkerung Louisianas erst 23 Fami-
lien mit 10 Kindern, die den Strand ent-
lang in Hütten mit Palmetto- oder Stroh-
dächern wohnten, fischten, jagten und wohl
auch Gärtchen vor ihren Wohnungen hat-
ten, sich im übrigen aber auf die Pro-
viantschiffe von Frankreich verliessen. ]\Ian
könnte auf dem saudigen Boden der Golf-
kilste nichts ziehen, hiess es. Aber die In-
dianer hatten doch Korn, Bohnen u. s. w. ?
Die Wahrheit ist, dass die französischen
Colonisten nicht arbeiten wollten, und die
damaligen Gouverneure haben in ihren Be-
richten auch bitter darüber geklagt.
Und so blieb es auch, als 1712 der
französische Kaufmann Crozat die Verwal-
tung übernahm. Er bekam das Handels-
monopol auf 15 Jahre, sah sich aber schon
nach 5 Jahren veranlasst, den Regenten
von Frankreich um Aufhebung des Ver-
tvags zu bitten, welche dieser auch be-
willigte.
John Law und die "Westliche
Compagnie."
Dann kam die „Westliche Compagnie"
(von 1719 an die „Indische Compagnie"
genannt) an die Reihe, deren leitender
Geist der berüchtigte schottische Finanzier
John Law war. Diese Gesellschaft erhielt
ausser dem auf 25 Jahre lautenden Han-
delsmonopol das Privilegium der unbe-
grenzten Aktienausgabe und das Recht,
Land nicht nur bedingungsweise abzulas-
sen, sondern auch zu verkaufen, wogegen
sie verpflichtet war, während der Vertrags-
zeit Avenigstens 6000 Weisse und 3000 Ne-
ger einzuführen. Für den Werth der
Aktien bürgten die zwar noch nicht ent-
deckten, voraussichtlich aber unermessli-
chen Mineralschätze Louisianas, die fabel-
hafte Produktionskraft des Bodens, die
man ebenfalls noch nicht kannte, und die
zu erwartenden ungeheuren Einkünfte aus
dem Handelsmonopol.
L^m alle diese Quellen gehörig auszu-
beuten, sollte nun auch der Ackerbau im
Grossen betrieben werden. Zu diesem
Zweck wairden reichen Franzosen grosse
Strecken Landes, sogenannte „Conzessio-
nen", bewilligt mit der Bedingung, die
nötigen Arbeiter zur Cultivierung des Bo-
dens nach Louisiana zu bringen.
Der grösste Conzessionär war John
Law selbst, der Direktor der Compnijni'^,
der sich am untern Arkansas, ungefähr da,
wo der Buccanier „Hans" sich von seinen
Gefährten getrennt hatte, ein Territorium
von 12 Meilen im Geviert bewilligen liess,
das zu einem Herzogtum erhoben wurde.
Er verpflichtete sich, 1500 Arbeiter dahin
zu bringen und zum Schutz derselben ge-
gen die Indianer eine Compagnie Dragoner
zu unterhalten.
Als tüchtiger und weltkundiger Ge-
schäftsmann wusste Law, dass zum Erfolg
198
DIE ERSTEN DEUTSCHEN AM UNTEREN MISSISSIPPI.
seines Unternehmens, neben trenüjiendeni
Kapital, auch Ansiedler frehörten, die ar-
beiten konnten und auch wollten. Und da
ihm die Erfahrungen nicht unbekannt sein
konnten, die man in Louisiana in der Ver-
i;;an5,M'uhcit mit französischen Colonisten
gemacht hatte, bcsciiloss er, für seine
eigene Con.zession ausschliesslich deutsche
Banernfamilien, Elsässer, Pfälzer und
Lothringer anzuwerben.
Es wurde jetzt also eine grossartige
Agitation ins Werk gesetzt, einestheils mn
die Bemittelten zum Aktienzeichnen und
Ankauf von Ländereien zu bewegen, an-
dernteils um die Armen zu veranla.ssen,
sich als Arbeiter für die Conzessionen an-
werben zu lassen. Nach dreijähriger
Dienstzeit sollten auch die Angeworbenen
Land erhalten und damit Gelegenheit be-
kommen, reich zu werden.
Eine deutsche Beschreibung Louisianas
aus dem Jahre 1 720.
Auch in Deutschland erschienen da-
mals Flugblätter und Broschüren mit Aus-
zügen aus Briefen von Colonisten, und eine
solche, 1720 von „J. Fried. GledLschens
seel. Sohn", Leipzig, in zweiter Auflage
herausgegebene „Beschreibung des an dem
grossen Flu.sse ^Missi.ssippi in Nord-Ame-
rika gelegenen herrlichen Landes Loui-
siana" erzählt, „dass durch den grossen
Avanturier Chri.stophum Columbum eine
grosse ]\renge derer Europäer ausserhalb
Europam nach Americam getrieben wor-
den, sonderlich nach denen damalen annoeh
unbekannten Ländern". Die Ausdehnung
der Colonie wird folgendermassen be-
schrieben :
„Die Gräntzen von Louisiana sind
„gegen ^Morgen Florida und Carolina,
„gegen Norden aber Virginien und
„Canada. Die nordischen Gräntzen
„sind gantz unbekannt. An 1700
, .passierte ein Canadier ^Mr le Sueur
„den Fluss St. Ludewig (]\Ii.ssissippi)
„und zwar auf die 700 INIeilen hinauf.
„Es ist aber von dieser Gegend noch
„ein Di.strict, der über 100 Meilen
„austrägt, bekanndt. Dannenhero fast
„zu vermuthen, da.ss sich dieses Land
„bis an den Polum arcticum erstrecken
, .möchte. "
Der Boden wird als ,, ungemein-ange-
nehm" geschildert. Vier Ernten im
Jahre. „^lan kann sich den Ueberflu-ss
dieses Landes nicht gro&s genug einbilden."
Es giebt darin auch Wild, das jeder
schiessen darf:
„Leoparden, Bären, wilde Ochsen,
„Wölfe, Rehe-Böcke, ganze Compag-
„nien von Indiani.schen Ilünern,
„Schnepfen, Turtel-Tauben, Iloltz-
„Tauben, Wachteln, Biber-Ottern,
„^Marter, wilde Katzen, Papegoyen,
„Trappen, Enten, Rebhüner und
„anderes Gevögel, welche ich jetzund
„nicht beschreiben kan."
Am nützlichsten seien die Rehböcke,
,,und treiben die Frantzosen ein
„starkes Negotium mit denen Rehfel-
„len, so sie von den Barl)aren einhan-
„deln. Vor eine solche Haut giebt
,,man zehn oder zwölf bleyerne Ku-
o-eln."
Die Hauptsache aber waren die ]\Iinen:
„Das Land ist mit Gold-, Silber-,
„Kupffer- und Bley-lMinen angefül-
„let. Will man ^linen suchen, so
„darf man nur in das Land der Nat-
„chitotcher gehen. Wir werden hier
„gantz gewiss stücke von Silber-ISIinen
„aus der Erde ziehen können : Nach
„denen ]\Iinen wollen wir Kräuter
„und Gewächse für die Apotheker
„suchen, die Wilden werden uns die-
„selben bekannt machen. Bald wer-
„den wir heilsame ^Mittel vor die aller-
„gefährlichsten Blessuren antreffen,
„ja auch untrügliche wie man vor-
„giebt. vor die Früchte der Liebe."
(So soll ein Marineoffizier an eine
Dame ( !) geschrieben haben.)
DIE ERSTEN DEUTSCHEN AM UNTEREN MISSISSIPPI.
199
Die Aktien der Conipafjnie stiegen bis
auf den (lOfaehen Nennwert und entfaeh-
ten eine unerhörte Spekulationswut. Auch
die Agitation im Elsass, in Lothringen
und in der Pfalz trieb Früchte, so dass
bald Tausende sich zur Reise nach Frank-
reich und Louisiana rüsteten.
Zehntausend deutsche Einwanderer auf
der Reise nach Louisiana.
Deutsche Geschichtsschreiber behaupten,
dass damals 10,000 Deutsche nach Loui-
siana ausgewandert seien. 10,000 Deutsche
mögen die Heimat verlassen haben mit der
Absicht, nach Louisiana zu gehen, aber in
Louisiana angekommen sind sie nicht.
3000 darf man als die Wahrscheinlich-
keitszahl für die in "der John Law 'sehen
Periode in Louisiana gelandeten Deutschen
annehmen. Das sehliesst aber immer noch
nicht aus, da.ss 10,000 auf die Reise gingen.
Lesen wir doch, dass damals alle nach
französischen Hafenplätzen führenden
Strassen mit Deutschen bedeckt waren und
viele unter den Strapazen und Entbehrun-
gen der Laudreise zusammenbrachen und
starben. Auch sollen in den französischen
Hafenstädten, wo keine Vorbereitungen
für ihren Empfang getroffen waren und
die Leute zusammengepfercht und unge-
nügend genährt oft monatelang auf die
Abfahrt der Schiffe warten mus.sten, epide-
mische Krankheiten unter ihnen ausgebro-
chen sein und eine grosse Zahl hinwegge-
rafft haben. In den alten Trauregi-stern
von Louisiana, wo ja stets die Eltern der
Brautleute angegeben sind, heisst es oft,
dass diese im Hafen von L 'Orient oder in
La Rochelle in Frankreich gestorben seien.
Andere mögen, der Xot und des langen
Wartens müde, in Frankreich Arbeit ge-
sucht haben und dort geblieben sein.
Und erst die VerliLste auf der Seerei.se!
Die dauerte auf Segelschiffen oft 5 bis 6
Monate, und wenn schon kräftige Leute
auf einer solchen mit gro.ssen Entbehrun-
gen und Strapazen verbundenen Reise sich
hinlegten und starben — wie mag es da
erst den in den Hafen-städten ausgehun-
gerten \uul geschwächten bei der elenden
Verpflegung und dem Mangel an Trink-
wasser in den stinkenden Schiffsräumen
ergangen sein ! Einmal kamen V(m 200 an
Bord gegangenen Deutschen nur 40 in
Loui.siana an.
Auch waren Krankheiten und Hunger
damals nicht die einzigen Gefahren einer
Seereise. Zu jener Zeit hausten im Golf
von Mexiko noch die Buccaniere, die auf
die Einwandererschiffe Jagd machten, weil
diese ausser den Passagieren oft grosse
^Mengen Provisionen, AVaffen und ^Muni-
tion für die Truppen und auch Geld an
Bord hatten, und manches Schiff, das zwi-
schen Frankreich und Louisiana lief, ist
verschollen geblieben.
Franzoesische Kolonisten.
Ausser John Law, der nur Deutsche
anwarb, betrieben auch die ,, Westliche
Compagnie" und die andern Conzessionäre
die Agitation, diese aber fast nur in Frank-
reich. "Wie es da zuging, beschreibt der
Chevalier Champigny :
„Man las die Armen, die Bettler und
„die Prostituierten auf und brachte
„sie mit Gewalt auf die Schiffe. Bei
„ihrer Ankunft in Louisiana wurden
„sie verheirathet und erhielten Land
„zugewiesen. Aber das Faulenzerle-
,,ben von drei Vierteln dieser Leute
,, hatte sie zum Ackerbau untauglich
„gemacht. Die meisten starben im
,, Elend oder kehrten nach Frankreich
„zurück und brachten solche Ideen mit,
,,wie ihr Mi.sserfolg sie ihnen eingab.
,,Die schrecklichsten Gerüchte über
„den ]Missi.ssippi begannen sich bald
„in der Oeffentlichkeit zu verbreiten
„und zwar zu einer Zeit, als deutsche
„Colonisten an .seinen Ufern neue und
„äussenst erfolgreiche Niederlas-sungen
„errichteten. Diese Ländereien, welche
,,noch immer von ihren Nachkommen
200
DIE EKSTEX DEFTSCHEX AM I'XTEREN MISSISSIPPI.
„bebaut werden, bilden den besteulti-
„vierten und bevölkertsten Teil
„unserer Colonie, und ich betrachte
„die D e u t s eh e u und die Canadier
„als die Begininder aller unserer Nie-
„derlassunf^en in Louisiana."
Die Klagen der Conzessionäre und
selbst der „We.stl. Conipaynie'' über dieses
Gesindel wurden denn aueh bald so häufig
und dringend, dass die französische Regie-
rung am 5. Mai 1720 solche Deportationen
verbot, so dass die französi.sche Einwande-
rung \(m dieser Zeit an bedeutend zurück-
ging und die deutsche die Oberhand
gewann.
Ankunft der ersten Masseneinwanderung.
Als das Datum der ersten ]\Iassenein-
wanderung mu.ss der 25. August 1718 an-
gesetzt werden. An jenem Tage landeten
von den Schiffen „La Vietoire", „La
Duehe.ss de Noalles" und ,.]\Iarie" in Loui-
siana, das damals nur 700 Einwohner
zählte, 800 Personen, so dass die Bevölke-
rung der Colonie an diesem einem Tage
mehr als verdoppelt Avurde. Wie viele
Deutsche sich unter diesen befanden, lä.sst
sich nicht sagen. Da aber mehrere Con-
ze.ssionen genannt werden, wohin damals
Leute geschickt wurden, und die Kirchen-
bücher Namen von Deutsehen aufweisen,
die auf jenen Conze.ssionen dienten, mu&s
angenommen werden, dass Deutsche dabei
waren. Auch für die Law 'sehe Conzes-
sion scheinen damals Leute gekommen zu
sein ; denn Le Page du Pratz sagt, nachdem
er die Opfer Law 's im Hafen von L 'Orient
auf „beinahe 1000" und die in Biloxi auf
„über 200" geschätzt: „gar nicht von jenen
zu reden, die zur selben Zeit mit mir
herüberkamen." Und Dupratz kam auf
einem der drei Schiffe mit den 800 Ein-
wanderern.
Im Frühjahr und Sommer 1719 ruhte
die Einwanderung nach Louisiana, weil
zwischen Frankreich und Spanien Krieg
ausgebrochen war. Die französischen
Truppen von Louisiana nahmen Pensacola,
verloren es aber wieder an die Spanier und
eroberten es zum zweiten ]\Ial. Auch vor
Dauphine Island, wo sich Conzessionäre
mit ihren Leuten befanden, erschien eine
spanische Flotille, welche die Insel 12 Tage
lang cinschlo.ss. Die Mannschaft eines
spanischen Kanonenbootes plünderte das
auf dem Strand liegende (Jut der Conzes-
sionäre, wurde aber bei einem zweiten Ver-
such von den französischen Soldaten, In-
dianern und den Leuten der Conzessionäre
in die Flucht geschlagen.
Im Oktober 1719 wird gemeldet, dass
das Schiff „Les Deux Freres" eine gros.se
Anzahl (un grand nombre) Deutscher bei-
derlei Geschlechts „mit vielen Effekten und
AVaaren aller Art, die ihnen gehörten",
nach Ship Island gebracht habe. Diese
Leute müssen keine Arbeiter für Law ge-
wesen sein; denn nach dem zu urtheilen,
was sie mitbrachten, waren sie bemittelt
und beabsichtigten, sich unabhängig anzu-
siedeln.
Im November 1719. als das Haupt-
quartier der Compagnie nicht mehr auf
Dauphine Island bei ^Mobile, sondern in
Alt-Biloxi, dem heutigen Ocean Springs,
war, Hess man, da ein Teil des alten Forts
abgebrannt war, den Wald auf der andern
Seite der Bay von Biloxi klären, wobei,
wie Dumont berichtet, eine Compagnie
stännniger deutscher Soldaten tätig war.
Woher die deutschen Soldaten kamen, er-
fahren wir aus dem „^Memoire pour Du-
verge", wo es heisst, dass man eine Com-
pagnie von 210 Schweizer Pionieren nach
der Colonie gesandt habe. Sie holzten das
Land ab, bauten ein Fort, HäiLser und
Barracken für Soldaten und Offiziere, Ma-
gazine und „sogar eine Cisterne". Dieser
Ort wurde „Neu-Biloxi" (es ist das heutige
Biloxi, Miss.) genannt, und dahin be-
schloss die Compagnie am 20. Dezember
1720, ihr Hauptquartier zu verlegen. Auch
der Gouverneur Bienville nahm am 9.
September 1721 dort seinen Wohnsitz, ver-
DIE ERSTEN DEUTSCHEN AM UNTEREN MISSISSIPPI.
201
legte ihn aber schon im Augiist 1722 nach
New Orleans.
Die Schweizer bildeten von da an bis
zur spanischen Periode (1769) einen inte-
grierenden Teil der französischen Truppen
in Louisiana. Sie erhielten regelmässig
Nachschub und viele von ihnen siedelten
sieh nach Ablauf ihrer Dienstzeit an. Es
war sogar Regel, jährlich je zwei Soldaten
jeder Schweizercompagnie Land, Aus-
rüstung und Rationen zu geben, um ihnen
die Gründung eines Hausstandes zu er-
leichtern. Wie die Kirchenbücher (Trau-
und Sterberegister) ausweisen, waren die
meisten ..Schweizer" Deutsche aus allen
Gegenden des alten Vaterlandes unter
schweizerischen oder elsässischen Offizie-
ren. Von letzteren ist Philipp Grondel
aus Zabern als der grösste Haudegen und
gefürchtetste Duellant der ganzen Colonie
berühmt geworden. Er wurde Chevalier
des Militärordens vom Hl. Ludwig und
Commandant des Hallwyl Regiments.
Zu Anfang des Jahres 1720. so be-
richtet Penicaut weiter, kamen 7 Schiffe
mit über 4000 Personen. ..sowohl Franzo-
sen als Deutschen und Juden". Es waren
die Schiffe .,La Gironde", „L'Elephant",
„La Loire", ..La Seine", ,,Le Droma-
daire", „La Traversier" und „La Venus".
Da das Schiff .,Le Dromadaire" die ganze
Ausrüstung für die Law 'sehe Conzession
an Bord hatte, wird Mr. Elias, der jüdische
Geschäftsagent Law 's, mit seinen Gehilfen
mitgekommen sein. Aus demselben
Grunde dürfen wir annehmen, dass auch
ein Teil der mit diesen Schiffen angekom-
menen Deutsehen für Law bestimmt war.
Und am 16. September desselben Jahres
brachte das Schiff ..La Profonde" wieder
240 für Law bestinnnte Deutsche.
Deutsche in Pascagoula.
Im Januar 1721 kamen 300 Colonisten
für die Conzessionen der ^Madame Chau-
mont in Pa.seagoula u. a. Da.selb.st befand
sich schon früh eine, wahrscheinlich auf
den Trünnnern des Chaumont 'schon oder
eines andern Unternehmens, vielleicht aber
auch auf Grund eigener Conzessionen er-
standene deutsche Colonie. Der engli.sche
Capitän Ronuin fand dort 1772 bei dem
deutschen Farmer ,, Krebs" Baumwolle luid
eine von Krebs selbst erfundene „Roller
Cotton Gin", wohl die erste Cotton Gin in
Amerika ; und in demselben Jahre heisst es
bei der Beschreibung eines grossen Stur-
mes, da.ss er ..bei Krebs und den Deutschen
in Pascagoula" am ärgsten gewüthet habe,
Hugo Ernestus Krebs stanmite aus Neu-
magen an der ^losel. Er hinterliess 14 er-
wachsene Kinder, deren Nachkommen die
alte ,, Krebs-Farm" in Ea.st Pascagovda
auch heute noch besitzen.
Am 3. Februar 1721 kamen wieder 147
Schweizer, Soldtruppen in französischen
Diensten.
Empfang und Versorgung der Einwanderer.
Eine rasche Vermehrung der Bevölke-
rung eines Gemeinwesens, besonders eine
Verdoppelung derselben an einem einzigen
Tage, wäre selbst für die tüchtig-ste Ver-
waltung eme Quelle von Verlegenheiten
und es Avürde der sorgfältigsten Vorberei-
tungen und der ausgiebigsten Beschaffung
und Aufspeicherung von Lebensmitteln
schon im voraus bedürfen, um die Ernäh-
rungsfrage befriedigend zu lösen. Aber
auf Dauphine Island und an der Biloxi
Bay, wo die Direktoren der Westlichen
Compagnie regierten, avo man zu leben
pflegte, wie die Lilien auf dem Felde, nie-
mand säte, niemand erntete und alles auf
die Proviantschiffe von Frankreich war-
tete, die oft genug ausblieben, so dass man
die Soldaten zu den Indianern in die Wäl-
der schicken musste, damit sie dort ihren
Unterhalt, so gut es gehen mochte, mit der
Angelrute und der Jagd fänden, da war
nichts zum Empfang der Einwanderer ge-
schehen. Sil wurden an Land gesetzt, wo
gelinde Hungersnoth der permanente Zu-
stand der Bevölkerung war, und wo man
202
DIE ERSTKN DKrTSCiTEX AM rNTEREN MISSISSIPPI.
den Conzessionären selbst ikh'Ii die /.\ini
Unterlialt der eiirenen Arbeiter init<rebraeli-
ten eigenen Provisionen we«rnabni. um sie
unter die hiuiirernden Soldaten zu vi-rtei-
len, so dass die Einwanderer von dem leben
nuissten. was sii' in der heissen Sonne am
Strande fiu'ien und von dem Korn, das
ihnen die liiloxis. Paseairoulas. Choctaws
und MobiU' Indianer vielU'ieht schenkten.
Die Einwanderer nnissten monatelang
auf Dauphine Island und an der Riloxi Bay
lieiren, wo sie massenweise verhungerten
oder an epitlemisehen Krankheiten starben.
Man darf annehmen, dass an beiden
Plätzen zusammen ebensoviele den Tod fan-
den, wie auf hoher See. Viele starben
aueh, sagt Dumont. „weil sie in ihrem
Hunger Pflanzen assen, die sie nicht kann-
ten, und di-^ statt Kräfte zu geben, den Tod
herbeiführten, und die meisten, die man
zwischen den Haufen von Austernsehalen
todt fand, waren Deutsche." Inzwischen
lasren die P]ffekten der Conzessionäre und
der Einwanderer, den Elementen und der
Sonne preisgegeben, in grossen Haufen auf
dem Sande. Von dem Schweizer Kolly,
der für seine bei Xatchez gelegene Plan-
tage 70 Arbeiter hatte konnnen lassen,
heisst es ausdrücklich, dass er mit seinen
Leuten ein ganzes Jahr in Biloxi liegen
musste. und die zu Anfang des Jahres 1720
angekommene Austattung für die Law'-
sche Conzession samt der Ausrüstung für
die Dragonereompagnie — eine Ladung,
deren Werth auf eine Million Livres ge-
schätzt wurde, lag in Biloxi 15 :\Ionate im
Freien, bis das Schiff „Le Dromadaire"
im :\Iai 1721 auf Befehl des Gouverneurs,
aber gegen den Protest des Direktoriums,
nach der ]\Iissi.ssippi-;Mündung fuhr. Eine
Folge dieser Verzögerung war, dass auf der
Law 'sehen Conzession erst im August 1721
mit dem Klären und Bepflanzen der jedem
Arbeiter zugetheilten vier Arpents begon-
nen werden konnte.
Kein Wunder, wenn sich unter .solchen
Verhältnis.sen alle Bande der Ordnung zu
lösen drohten und die vollkommene
Anarchie mir durch barbarische Strafen
verhindert werden konnte. Eine Com-
pagnie Schweizer zwang in Abwesenheit
ihres Hauptmanns den Kapitän der Barke
„Elisabeth", sein Schiff zu wenden und
sie zu den Spaniern nach Havana zu brin-
gen, eine andere ging zu den Engländern
nach Südearolina. Auch die Schweizer in
Port Toulouse, oberhalb ^lobile, empörten
sich. Diese wurden aber gefangen genom-
men und auf indianische Weise, durch Zer-
schmetteruno: der Schädel, getödtet; einen
von ihnen packte man in ein Fass, das-
durchgesägt wurde, und ein armer Teufel
von einem r.ungernden deutschen Einwan-
derer, der sich am Proviant im ^Magazin
vergriffen hatte, wurde vom Superior
Council verurtheilt, fünfmal unter dem
Kiel eines grossen Schiffes hinweg durchs
Wasser gezogen zu werden.
Unter solchen Verhältnissen kamen die-
deutschen Einwanderer in Louisiana an,
und trotz des grässlichen Elends kamen
immer noch mehr.
Am 1. März 1721 kamen die zwei
Schiffe ,.Les Deux Freres" und ,.Le Fou-
droyant", die zusanniien 40 Deutsche für
die Law 'sehe Conzession brachten. Die
andern 160, die noch an Bord gegangen
waren, waren auf der Seereise gestorben —
..verhungert", meint Charles Patton
Dimitry.
Ende Mai 1721 brachte das Schiff „St.
Andree" 100 deutsche Familien, die nicht
für Law bestimmt waren, sondern sich un-
abhängig ansiedeln wollten. Sie wurden
auf verschiedene Conzessionen am Älissis-
sippi. die ihnen bewilligt worden waren, ge-
bracht, und man gab ihnen Neger mit. um
ihnen zu helfen.
Wenige Tage darauf landete das Schiff
,,La Durance" noch einmal 100 deutsche
Familien vor der inzwischen angelegten
Niederlassung New Orleans, die auf Conzes-
sionen im Illinois District. am oberen ]\Iis-
sissippi, vertheilt wurden.
DIE EKSTEX DEUTSCHEN AM UNTEREN MISSISSIPPI.
20S
Endlich kam am 4. Jniii 1721 das
Schiff „Porlefaix", das letzte der Law'-
schen Schilfe, mit 330 meist deutschen Ein-
wandereren für Law 's Conzession. Ein
anderes, gleichfalls für Law ))estimmtes
Schiff erreichte nämlich sein Ziel nicht
mehr. Es war ,,La Garonne", von welcher
„La Venus" am 15. Juli 1721 berichtete,
dass es mit mehr als 300 sehr kranken (tres
malades) deutschen Law-Leuten an Bord
in der Nähe der Samana Bay auf San Do-
mingo von Buccanieren wefrgenonnnen wor-
den sei. Was aus den 300 kranken Deut-
sehen geworden, hat man nie erfahren.
Bankerott und Flucht Law's.
]\Iit dem Schiff ..Portefaix", so be-
richtet La Ilarpe, traf in Louisiana auch
die Nachricht von dem Bankerott und der
Flucht Law's aus Frankreich ein. Der
Agent am Arkansas Fluss, Le Yens, wei-
gerte sich, die Anordnungen der Com-
pagnie zu befolgen und das L^nternehmen
auf Rechnung derselben weiterzuführen.
Und da man diesen Mann trotzdem in seiner
Stellung beliess (er wurde erst im ]März
1722 durch Dudemaine Dufresne ersetzt)
ereignete es sich, dass die Deutsehen am
Arkansas Fluss in der Zwischenzeit weder
von der einen, noch von der andern Seite
Unterstützung erhielten, um sich bis zur
ersten Ernte halten zu können, und dass
sie, um ihr Leben zu fristen, gezwungen
waren, sich an die Sothuis und die Arkan-
sas Indianer, ihre einzigen Freunde, um
Hilfe zu wenden und, als auch da die Vor-
räthe auf die Neige gingen, alles im Stich
lassen und auf und davon gehen mussten.
Sie beschlossen denn auch (es muss
Ende Januar oder im Februar 1722 gewe-
sen sein), die Conzession zu verla.ssen, und
fuhren auf dem ^li.ssissippi nach New
Orleans herab. Nur 47 Personen blieben
zurück, die La Harpe am 20. ]\Iärz 1722 bei
seiner Ankunft am Arkan.sas vorfand. Als
er aber von seiner ]\Ii.ssion am 21. April
wieder an denselben Ort zurückkehrte,
waren auch diese fort.
Die plötzliche Ankunft der Flotille der
Deutschen vom Arkansas Flu.ss nui.ss für
die New Orleanser keine geringe Ueberra-
schung gewesen sein. New Orleans war
damals noch in seinen allerei-sten Anfängen
und scheint mehr einem Mining Camp als
einer Stadt geglichen zu haben. Der Li-
genieur Pauget, der im ]\Iärz 1721 hinge-
kommen war, um die Stra.ssen auszulegen,
fand dort unter den Bäumen und im Busch
nur eine Anzahl mit Palmettoblättern oder
Cypressenrinde gedeckter Hütten, wie Jäger
und Fischer sie aufzustellen pflegen, und
der Jesuit Charlevoix schrieb von dort am
10. Januar 1722, also unmittelbar vor der
Ankunft unserer Landsleute vom Arkansas
Fluss, da.ss New Orleans ein wilder, einsa-
mer, noch beinahe ganz mit Bäumen und
Röhricht bedeckter Platz von ungefähr 100
Hütten sei, mit zwei oder drei Häusern, die
keinem französischen Bauerndorf zur
Zierde gereichen würden, einem grossen
hölzernen Waarenhaus und einem armse-
ligen Laden, dessen eine Hälfte man dem
lieben Herrgott geliehen habe, den man
aber, nachdem er kaum eingezogen, schon
wieder hinaushaben wolle, um ihn in einem
Zelt unterzubringen. New Orleans zählte
damals noch keine 200 Einwohner, während
die von Arkansas herabgekommenen Deut-
schen die Bevölkerung der Stadt an Zahl
bedeutend übertrafen. Aber Gouverneur
Bienville legte sich ins ^Mittel und bot alles
auf, sie zum Bleiben zu bewegen.
Das Resultat der Unterhandlungen war:
1) dass die Deutschen jetzt in der
Nähe von New Orleans reiches Al-
luvialland zum Eigciithum er-
hielten ;
2) dass man ihnen Ackergeräte,
Vieh und Vorschü-sse in Waaren
und Provisionen gab;
3) dass der Geschäftsführer am Ar-
kansas abiresetzt und den dort zu-
204
DIE EKSTKX DEL'TSCIIEX AM UNTEREN MISSISSIPPI.
rüokgebliebenen Deutschen Hilfe
gesandt wurde;
4) dass man einen Deutschen, Karl
Friedrich von Aronsburg. einen
früheren schwedischen Offizier,
zum ^liliz - Commandanten und
Amtsrichter der zu gründenden
neuen deutschen Niederlassung
ernannte.
Die Familie v. Arensburg.
Da die Familie v. Aren.sburg für uns
sehr wichtig ist und über die Abstammung
derselben bisher Zweifel herrschten, soll sie
hier eingehend behandelt werden.
Adelige Familien sind gewöhnlich nach
ihrem Stammsitz benannt. Es giebt nur
zwei ,. Arensburg". Ein Schloss Arens-
burg liegt bei Bückeburg in Schaumburg-
Lipi)e, Deutschland. Ein zweites ist auf
der Insel Oesel im ^Meerbusen von Riga. Da
Riga 1202 von Deutschen gegründet wur-
de. Tausende von Deutschen — Colonisten,
Handwerker Kaufleute, Priester und viele
Ritter — sich dort niederliessen und das
Land bis 1520 vom Orden der Deutschen
Ritter beherrscht wurde, kann es keinem
Zweifel unterliegen, dass Aren.sburg bei
Riga nach einem Bückeburger Ritter von
Arensburg benannt wurde.
Die Insel Oesel kam 1645 an Schwe-
den, und da der ]\Iilizcommandant und
Amtsrichter der Deutschen in Louisiana
vor seiner Auswanderung Offizier in schwe-
dischen Dien.sten war, ist anzunehmen, dass
er der jüngeren, der baltischen Linie der
Familie von Arensburg angehörte und also
deutscher Abstamnnuig war.
Seine Frau war eine Schwäbin, Ihr Fa-
milienname war ^Margarete „Metzer", und
nach der Familientradition .stammte sie
aus Württemberg. Unsere Hi.storiker be-
richten ferner, dass mit Arensburg noch
dreüssig schwedische Offiziere nach Loui-
siana gekonnnen seien. Da die Heimat
Arensburg 's 1721. also serade im Auswan-
derung.sjahre, rassisch wurde, ist anzuneh-
men, dass viele in Livland, Esthland und
Ingermanland geborene deutsche Offiziere,
die bis dahin auf der schwedischen Seite ge-
gen Russland gefochten hatten, das Exil der
Russifizierung vorzogen und auswanderton.
Es werden also auch die oO „schwedischen"
Kam<_'i-aden .Vrensl)urg's deutsche Offi-
ziere aus den baltischen Provinzen gewesen
sein.
Karl Friedrich von Arensburg diente
über 40 Jahre als ]\Iilizcommandant und
Amtsrichter ,.au.x Allemands" und wurde
1765 zum Chevalier des IMilitärordens vom
Hl. Ludwig ernannt. Er starb am 18. No-
vember 1777. Seine Frau war ihm am 13.
Dezember 1776 vorau.sgegangen. Sie hin-
terliessen eine sehr zahlreiche Nachkommen-
schaft.
Die neue deutsche Niederlassung.
Der den Deutschen zugewiesene
Distrikt beginnt 20 ^Meilen oberhalb New
Orleans und zieht sich gegen 30 ^Meilen auf
beiden Ufern des ]\Iississippi hinauf. Das
Land unmittelbar am Fluss ist wegen des
dort bei jeder L^eberschwemmung zurückge-
lassenen Erdreiclis ziemlich hoch, in einer
Entfernung von 2 bis 3 ^Meilen vom ]Missis-
sippi wird es aber tief und geht in die mit
Cypressenwaldungen bestandenen Sümpfe
über. Es ist also auf jeder Seite des
Flusses immer nur ein Streifen von zwei
l)is drei ]\leilen Breite culturfähig. Aus
diesem Grunde wird dort das Land auch
nur nach der FliLssfront gemessen und zu
jedem Arpent (192') Front gehören 40
Arpents in die Tiefe. Das ist, was in den
Besitztiteln „die gewöhnliche Tiefe" ge-
nannt wird.
Der District wurde bei seiner Grün-
dung „La Cote des Allemands", gewöhnlich
aber nur ,,Aux Allemands" genannt. In
der spaniscUen Zeit (von 1769 an) war der
Name des Hauptortes ,.E1 Puerto de los
Alemanes". und als der Distrikt getheilt
wurde, gab es eine .,Primera Co.sta de los
Alemanes" und eine „Segunda Costa".
DIE ERSTEN DEUTSCHEN AM UNTEREN MISSISSIPPI.
205
Seit 1802 heisst der untere Theil „St.
Charles Parish" und der obere „St. John
the Baptist Parish". Beide zusammen
bilden „The German Coast".
Und so gingen denn die schwergeprüf-
ten deutschen Bauern wieder in die Wild-
nis, halfen ihrem Commandanten ein Fort
bauen, das sie, ihm zu Ehren, (er wird
wohl ihr fähigster Anwalt bei den Unter-
handlungen gewesen sein) „Karlstein"
nannten, und begannen, das Land zu
klären.
Was es heisst, dort eine Wilduiss zu
lichten, das kann nur der ahnen, der den
südlichen Urwald kennt, den Urwald auf
mannstiefem schwarzem Alluvialgrund, den
jede Ueberschwemmung des IMississippi mit
neuem reichem Schlamm bedeckt. Älillio-
nenfaches Keimen weckt da die südliehe
Sonne in jedem Fussbreit Boden. Riesige
Lebenseiehen mit langen Moosbärten stehen
wie seit Ewigkeiten und spotten der Axt.
Dazwischen dichtes Gehölz, Gebüsch und
Gesträuch und ein wahrer Filz von krie-
chenden, sich wändenden, schlingenden und
emporkletternden Pflanzen, unter deren
Schutz eine Welt von menschenfeindlichem
Getier und Gewürme haust. Sengende
Hitze, Leoparden, Bären, Panther, wilde
Katzen, Schlangen und Alligatoren und die
Miasmen der mit dem Pflug geöffneten
jungfräulichen Erde verbanden sich mit
den das ]\Ienschenwerk hassenden Fluten
des Mississippi zum Kampf gegen die deut-
schen Colonisten.
Die ersten deutschen Pioniere litten
von Ueberschwemmungen, wie eine am 17.
Mai 1722 an das Superior Council gerichtete
Eingabe beweist, in welcher Jakob Foltz,
ein deutscher Colonist, erklärt, dass er in
Folge einer Ueberflutung seiner „habita-
tion" durch den Mississippi von der Arbeit
einas ganzen Jahres nur drei Fass Reis habe
ernten können, sich darum in grosser Not
befände und um leihweise Ueberlassung
einiger Fass Reis bitten müsse, damit er mit
seiner Frau und seinem Kinde bis zur
nächsten Ernte, bei welcher er alles wieder
zurückerstatten wolle, leben könne.
Und auch die Indianer waren eine
Quelle beständiger Sorge, besonders um das
Jahr 1729, als die Xatchez die Franzosen
im Fort Rosalie (jetzt Natchez, Miss.) ma.s-
sakrierten, und noch 1748 wird von einem
Ueberfall der Deutschen durch Choctaw
Indianer berichtet. Es mussten darum
selbst die Frauen und JNIädchen im Ge-
brauch der Waffen geübt sein, und auf ent-
legenen Plätzen, wo man auf freistehenden
hohen Bäumen Observationsposten einge-
richtet hatte, pflegten, wenn die Männer
auf die Felder gingen, Frauen und Mäd-
chen, Gewehr im Arm, in die Kronen der
Bäume hinaufzusteigen und Ausschau nach
dem Sumpf hin zu halten, aus welchem die
Rothäute sich heranzuschleichen pflegten,
um die ]\Iänner auf dem Felde bei nahen-
der Gefahr durch Alarmschüsse zu warnen.
Aber trotz aller Drangsale haben
deutscher j\Iut, deutscher Fleiss und
deutsche Ausdauer auch in diesem Kampfe
gesiegt und dem Boden nicht nur die
knappe Notdurft, sondern im Laufe der
Zeit sogar hohe Prosperität abgerungen,
und schon bald nach dem ersten schweren
Kampfe berichten Reisende, einen wie
freundlichen Eindruck die auf beiden
LTfern des ^Mississippi in endloser Reihe da-
stehenden hübschen Häuser der Deutschen
auf sie gemacht hätten und wie die Deut-
schen an den Samstagen mit schwerbelade-
nen Ruderböten den Älississippi hinab nach
New Orleans zu fahren pflegten, um dort
am Sonntag Morgen auf der Stelle des heu-
tigen französischen Marktes ihre Pro-
dukte : Gemüse, Korn, Reis, Tabak und In-
digo zu verkaufen, und wie sie die New
Orleanser, die ja nichts produzierten und
auf die Proviantschiffe von Frankreich an-
gewiesen waren, durch ihre Zufuhren mehr
als einmal vor schwerer Hungersnot be-
wahrten.
In New Orleans Hessen sie anfangs
auch ihre Kinder taufen, dort fanden die
206
DIK ERSTEN DEUTSCHEN AM UNTEREN MISSISSIPPI.
Trauunfren statt. Leider sind die meisten
der New .Orleanser Kirehenbiielier l)ei dem
grassen Feuer vom 21. ^lärz 1788. welehem
856 liäiiser zur Beute wurden, verbrannt,
und aueh die l^üeher der 17^0 von den
Deutsehen in ihrem eij^enen Distrikt, dem
heutigen St. Charles Farish, erbauten soge-
nannten „Roten Kirehe" — 136 Jahrgänge
— sind 1877 beim Brand des Pfarrhauses
verloren gegangen.
Aber die der 1770 im oberen Teil der
deutselien Küste, im St. John the Baptist
Parish, erbauten Kirche, deren erster
Pfarrer ein Deutscher war, der Kapuziner-
pater Bernhard von Limbach, sind uns er-
halten geblieben.
Das waren die ersten Deutsehen am
unteren [Mississippi. Ihre Nachkommen
sind die Creolen deutscher Abstammung.
Creolen sind die Nachkommen der vor
dem Jahre 1803, also in der Colonialperio-
•de, aus Europa in Louisiana eingewander-
ten weissen Bevölkerung. Sehr zu betonen
ist „der w^ e i s s e n Bevölkerung", weil es
Leute giebt, welche dem Louisiana Creolen
eine IMischung von kaukasischem, afrikani-
schem und indianischem Blut nachsagen.
Eine solche Deutung des "Wortes ,,Creole"
mag für die Creolen auf den westindischen
Inseln, in Centralamerika, Mexiko und
Südamerika, für die Nachkommen der
s p a n i s eh e n Colonisten, die ihre Rasse
nicht rein bewahrten, gelten, nicht aber für
die Creolen Louisianas. Louisiana war eine
französische Colonie, in welcher schon
am 10. September 1724 der berühmte „Code
Noir" promulgiert w'urde, welcher das Ver-
liältniss der Weissen zu den Schwarzen
regelte und Heiraten zwischen ihnen
strenge verbot und mit schweren Strafen
ahndete. Selbst der aussereheliche Bei-
schlaf zwischen Angehörigen der beiden
Rassen war untersagt, und wenn eine
"Sklavin von ihrem Herrn ein Kind bekam,
musste dieser 300 Livres Strafe zahlen, und
wurde die Negerin nebst ihrem Kind Eigen-
thum des Haspitals. Neben der gesetz-
lichen Strafe folgte solchen Verl)in(lungen
auch stets der soziale Bann und die Niclit-
anerkennung der solchen Ehen entsprun-
genen Kinder, durch die Familie.
Wie stark sind die Creolen deutscher
Abstammung?
Auf diese Frage muss mit einem viel
missbrauchten, hier aber angebrachten
Ausdruck geantwortet werden — „wie der
Sand am Meere". Die Kirchenbücher von
St. John weisen nämlich unanfechtbar
nach, dass sich die Deutschen, besonders
aber die alten Colonisten, eines ganz wun-
derbaren Kindersegens erfreuten. Es
seheint, als ob der Himmel sie für die vielen
Todten, die sie vor und nach ihrer Ankunft
in Louisiana beweinen mussten, auf diese
Weise wieder habe entschädigen wollen.
Zehn und zwölf Kinder in einer Familie
waren nichts Aussergewöhnliches. 14, 16,
18 und einmal sogar 22 kamen vor.
Und dabei hatte es mit der Versorgung
der zahlreichen Töchter nicht die gering-
sten Schwierigkeiten, da in der Colonie ein
gros.ser Mangel an Frauen herrschte. So
gross war die Noth, dass man in Paris ein-
mal Prostituierte aus den Spitälern zusam-
menholte und nach Louisiana sandte, um
die Colonisten mit Frauen zu versorgen.
Nach dem Census vom 23. November 1721
— das war zur Zeit, als die Deutschen noch
am Arkansas waren — kamen im Distrikt
New Orleans auf je 100 ]\Iänner nur 31
Frauen und 19 Kinder.
Kein Wunder also, wenn gerade die
Söhne der besseren französischen Familien
bei dem grossen ]\Iangel an passenden fran-
zösischen IMädchen unter den moralisch und
physisch kerngesunden und von ihren I\Iüt-
tern zu tüchtigen Hausfrauen herangezo-
geneu deutsehen Mädchen Umschau hielten,
und diese gewöhnlich noch sehr .jung, oft
schon im Alter von 14 und 15 Jahren hei-
rateten.
Von der aus Deutschland stammenden
Familie Ileidel (jetzt „Haydel"), deren
DIE ERSTEX DEUTSCHEN AM UNTEREN MISSISSIPPI.
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Nachkoinniiii so zahlreich sind, da.ss einer
-derselben sagte : ,.]\Ieine Familie kann ganz
-allein einen Parish (ein County) bevöl-
kern", haben in den fünf Generationen
weibliehe Glieder in nicht weniger als 74
verschiedene französische Familien gehei-
ratet, und nur sehr selten blieb es zwischen
zwei Familien bei einer einzigen ehelichen
Verbindunsr.
Ja, selbst in die exclusivsten Kreise, in
•die Beamten- und reichsten Kaufmannsfa-
milien drangen die deutschen IMädchen ein,
sie wurden die Frauen altadeliger französi-
scher und spanischer Offiziere und Cheva-
liers, in deren Nachkommen das deutsche
Blut noch immer weiterfliesst.
Nur ein einziges Beispiel. Weibliche
Nachkommen des Milizcommandanten und
Amtsrichters der Deutschen, Karl Fried-
rich von Arensburg (jetzt „d'Arens-
bourg"), der selbst Offizier und Chevalier
war und dessen Familie sich darum die
Kreise der Standesgenossen öffneten, hei-
rateten in die Familien de la Chaise, de la
'Tour, de Lagrue, de Villere, de L'homme,
'de Yaugine, d'Olhond, Laland d'Apremont,
-de Boisclair, de Livaudais, de Blanc, de la
Barre, de Lery, de la Vergne, de Buys,
Porstall, Trudeau, Perret, St. Martin, Mon-
tegut, Lanaux, Beauregard, Duverje, Ur-
•quardt, de Reggio, Rathbone, Durel, Lumi-
nais, Bermudez, Bouligny, Suzeneau, le
Breton und Tricou.
Als der spanische General O'Reilly
Xouisiana im Jahre 1769 das spanische
■Joch aufzwängte, wählte er seclis der her-
vorragendsten Bürger aus, die er, um die
Bevölkerung einzuschüchtern, ersehiessen
liess. Unter diesen waren nicht weniger
als drei, welche Frauen aus deutschen Fa-
^nilien hatten :
Joseph Milhct, der reichste Kauf-
mann der Colonie, hatte eine IMar-
garethe Wiltz, deren Vater aus
Eisenach und deren Älutter aus
Frankenthal im Königreich Sach-
sen stammte;
Marquis, der Oberct)mmandant der
Aui.ständischen, welcher Louisi-
ana zu einer Republik nach dem
Muster der Schweiz machen woll-
te, hatte die Tochter eines elsässi-
schen Offiziers, Gregor Volant
aus Landsee bei Strassburg, und
Joseph de Villere, unter dessen Com-
mando die Deutschen 1768 gegen
die Spanier marschiert waren,
hatte eine Enkelin des alten
d'Arensbourg zur Frau,
^leistens nahmen die deutschen ^läd-
chen aber deutsche IMänner, und ganze Fa-
milien heirateten ineinander hinein, was
dafür spricht, dass die Ehen in der R(^gel
glücklich gewesen sein müssen. Um ein
Beispiel anzuführen, heirateten von den
zehn Kindern eines Jakob Troxler nicht
weniger als acht in die Familie Heidel.
In solchen Familien erhielt sich auch
die deutsche Sprache am längsten. Creolen
erzählten, dass ihre Grosseltern noch
deutsch verstanden, wenn sie es auch nicht
mehr lesen und sehreiben konnten, weil es
an der Küste der Deutschen nie deutsche
Lehrer gab.
In Folge der vielen verwandtschaftli-
chen Beziehungen zu französischen Fami-
lien und der Sitte der Creolen, fast immer
in die Verwandtschaft zu heiraten, ist aber
auch in jenen Familien, die drei Generatio-
nen reindeutsch geblieben waren. Franzö-
sisch zur [Muttersprache geworden.
Aber einzelne deutsche Wörter kann
man gelegentlich noch hören, besonders
Namen von Lieblingsspeisen, ,,die die Gross-
mutter noch kochen konnte, die aber heute
niemand mehr machen kann". Auch
deutsche Personennamen sind in verstüm-
melter Form erhalten geblieben, wenn man
auch ihren Ursprung heute nicht mehr
kennt. So heisst es z. B. in der Familie
Ileidel, dass der erste in Louisiana gebo-
rene Heidel „Anscopp" geheissen habe.
Er hiess ,.TTansjakob" und aus dem
„Hansjakob" ist nach der bei den Fran-
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DIE ERSTEN DEUTSCHEN AM UNTEREN MISSISSIPPI.
zosen üblichen Abwerf uug des anlautenden
„h" „Anscopp" geworden. Aehnlieh ging
es mit „Anipete", das „Ilanspeter" be-
deutet.
Am sehnelisten ging es mit der deut-
sehen Sprache abwärts, wenn ein junger
Deutseher eine Französin heiratete. Da
wurde überhaupt gar nicht mehr deutsch
gesprochen, und auch die bei den Deutschen
übliclien Voriuunen verschwanden da schon
in der ersten Generation, weil jetzt auch
die französische Mutter und ihre Ver-
wandten bei der Namengebung berücksich-
tigt werden nuissten. Statt Hanspeter,
Ilansjakob, Hansmichel, Andre und Mat-
this nannte man die Buben der deutschen
Bauern Sylvain, Ilonore, Achille, Anatole,
Valcourt, Lczin, Ursin, ]\Iarcel, Sympho-
rion, Onesiphort und Onesime. Statt Anna
]\Iarie, Barbara, Katharina, Veronika, Ur-
sula und ^larianne hiessen die ]\rädchen
der Deutschen Hortense, Corinne, Elodie,
Enphemie, Felieite, Melicerte, Desiree, Pe-
lagie, Constance, Pamela n. s. w., und nach
der französischen Revolution hatte beinahe
jede Familie ihre Marie Antoinette.
Schicksale der deutschen Familiennamen
unter den Creolen.
Sehr zu bedauern sind die Verände-
rungen, welche die deutschen Familien-
namen erlitten haben. i\Iit Ausnahme
zweier, „Wiltz" und „Keller", ist die
Schreibweise überall geändert worden. Es
wissen die Nachkommen der Deutschen
heute nicht mehr, wie die ursprünglichen
deutschen Namen ausgesehen haben.
Zur Aenderung der deutschen Fami-
liennamen haben verschiedene Umstände
beigetragen, am meisten aber wohl der,
dass viele der alten deutschen Colonisten
nicht schreiben konnten. Ihre Jugend war
ja noch in die ersten fünfzig Jahre nach
dem 30jährigen Krieg gefallen, wo es in
Deutschland wegen der allgemeinen Zerstö-
rung und Verwilderung mit den Schulen
recht kläglich bestellt gewesen sein muss.
Es war also nicht ihre Schuld. Und da sie
ihren Kindei-n nicht sagen konnten, wie die
Namen gesehrieben wurden, nuissten diese
sieh an das halten, was ihnen französische
oder spanische Lehrer oder Priester sagten,
und was sie in amtlichen Schriftstücken
fanden. Lehrer, Priester und Beamte hör-
ten die deutschen Laute aber durch franzö-
sische oder spanische Ohren und schrieben
sie nieder, wie sie glaubten, dass man sie
französisch oder spanisch schreiben sollte.
Dazu kam, dass Lehrer, Priester und Be-
amte jener Zeit, wie die noch vorhandenen
Dokumente beweisen, in ihrer Sprache
selbst nicht recht sattelfest waren. Endlich
sprachen die Deutschen ihre Namen nicht
lautgereeht aus, sondern nach dem heimi-
schen Dialekt.
Dafür als Beispiele die drei Namen
„Schaf", „Schön" und „Manz". In Süd-
deutschland, woher die Leute kamen, wird
„o" dunkel ausgesprochen, so dass es sich
dem „o", nähert, und der süddeutsche
Bauer sagt nicht „meine Schafe", sondern
„meine Schof ". Und so schrieben denn die
Franzosen statt Schaf ,,Chauff". So ist
der Name heute noch, doch sprechen ihn die
Creolen jetzt wie deutsches „Schauff " aus.
Aus ,,Sch«c\n", das wohl ,, Schelm" gespro-
chen wurde, machten sie „Chesne" und
,,Chaigne", und ,,]\Ianz" w'urde nach der-
selben Regel zu ,,Montz".
Viele Aenderungen in der Schreib-
weise der deutschen Familiennamen folgen
dem allgemeinen Gesetz der Lautverschie-
bung. ]\ran pflegte also Laute, die mit
demselben Sprachorgan erzeugt werden,
gegen einander auszutauschen.
Auch Tauf-, Orts- und Spitznamen
wurden zu Familiennamen. Die Tochter
eines Jakob Helfer wurde bei ihrer Trau-
ung als ,,]\Iademoiselle Yocle" eingetragen,
weil man den Vater statt Jakob „Jockl" zu
heissen pflegte.
Johannes Ettler pflegte seinen Namen
„aus Colmar" beizufügen. Daraus wurde
„dit Cowmar", „alias Colmar", und als
DIE ERSTEN DEl'TSCHEX AM UNTEREN MISSISSIPPI.
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seine Tochter Agnes starb, liiess sie „Ines
Colnmr".
]\lerkwürdi;i: waren die Schicksale das
Namens „Hof mann". Die Formen: Ofman,
Anfman, Eanfman, Ilanfman, Ophnian,
Oghman, Oman, Ilochman, Ilaukman,
Hacmin und Ocmane sind nicht die einzi-
gen Wandlungen, die er erfuhr. Die Fa-
milie kam aus Baden, und so folgte auf den
Namen oft der Vermerk „de Bade". ]\Iit
der Zeit verlor sich die Erinnerung an die
Bedeutung des „de Bade" aber und wurde
ein neuer Familienname, „Badeau", da-
raus.
Die älteste Tochter eines Hofmann
heiratete einen ]\[ann namens „Achtziger",
dessen Name, der für einen Nichtdeutschen
allerdings sehr schwer zu schreiben ist, viel
Kopfzerbrechen gemacht zu haben scheint.
Man liest Ilacksiger, Oxtiger, Oxtixer,
Harxstinger, Astringer und Haxsitper,
aber schon früh schrieben die Beamten
statt Achtziger „Quatrevingt", dem sie
den ursprünglichen Familiennamen, so gut
sie konnten, als „alias" anhängten. Da
nun die älteste Tochter des Hofmann ^Ma-
dame Quatrevingt hiess, scheint man die
jüngere Schwester scherzweise ,,i\Iademoi-
selle Quarante" genannt zu haben. Denn
der Name blieb ihr, und als sie heiratete,
schrieb man ins Trauregister „Mademoi-
selle Quarante, alias Hocman".
Auch der Name „Zweig" ist übersetzt
worden. ]\Ian schreibt heute „La branche".
Die Familie stammt aus dem Bistum Metz
in Lothringen. Am Ende des Ehekontrak-
tes heisst es, dass der Bräutigam nicht
schreiben könne. Dadurch erhielt der fun-
girende Notar, der den Namen ,, Zweig"
auch nicht schreiben konnte, eine Gelegen-
heit, die Familie in ,,Labranche" umzu-
taufen. Die Tradition von der deutschen
Abstammung hat sich in der Familie ,,La-
branche" bis auf den heutigen Tag erhal-
ten. Glieder derselben konnten auch noch
den alten Namen „Zweig" sagen, sprachen
ihn aber „Sweig" (mit sehr sanftem An-
laut) aus.
Endlich sei noch ein Name erwähnt,
den man heute „Sechsschneider" aus-
spricht. p]s heisst, es seien sechs Brütlcr
namens „Schneider" nach Louisiana ge-
kommen, und man habe jeden von ihnen
einen der sechs Schneider genannt. So sei
der Name entstanden. Diese Tradition ist
aber, wie so manche andere, falsch: dcini
der erste Pfarrer von St. John, der d e u t-
s c h e Kapuzinerpater Bernhard von Lim-
bach (1772—1775), der selbst die schwie-
rigsten deutschen Namen, wenn auch nicht
so, wie heute üblich, so doch immer lautlich
richtig schrieb, trug den Namen „Scheck-
sclmeider" ein.
Die Creolen deutscher Abstammung
bilden auch jetzt noch einen grossen, wenn
nicht den grössten Teil der Bevölkerung in
den Parishes St. Charles und St. John the
Baptist, aber früh schon breiteten sie sich
auch über die angrenzenden Distrikte aus.
Zuerst gingen sie nach St. James hinauf,
wo sich manche auch mit den Acadiern
vermischten, dann nach Ascension bis zu
dem Städtchen Donaldsonville. Von dort
läuft ein 110 ]\Ieilen langer Wasserarm
vom ]\Iississippi nach dem Golf, der Bayou
Lafourche, an dessen Ufern reiches Allu-
vialland liegt. Dorthinab zogen sie, und
zwi.schen Donaldsonville und Thibodeaux
ist wohl keiji Ort, wo ihre Namen nicht zu
finden wären. Auch am Bayou Teche und
in anderen Gegenden Hessen sie sich nieder,
und das AVort „Teche" soll von „deutsch"
stammen.
Aber grosse Veränderungen sind im
Laufe der Zeit mit ihnen vorgegangen.
Nicht so sehr im Typus. Noch innner fin-
det man urgermanische Gestalten unter
ihnen, die das aufgenonunene fremde Blut
nur durch ihr lebhafteres Temperament
verrathen ; noch immer giebt es blonde
Haare und blaue Augen, wenn in manchen
Familien die beiden Typen, der germani-
sche und der romanische, auch nebeneinan-
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DIE ERSTEN DEUTSCHEN AM UNTER KN MISSISSIPPI.
der herzugehen scheinen ; auch der reiche
Kindersegen ist geblichen; noch immer
zeigt der Cieole deutscher Abstauiinung,
wenn er im allgemeinen auch schlanker ge-
worden ist, den kräftigeren Körperbau, und
die weit und breit verzweigte Familie ,,L"
liefert auch heute noch dieselben Riesen
wie damals, als die Urgrossväter die
Aeadier zu Paaren trieben, wenn diese von
St. James herabkamen, um das samstäg-
liche Tanzvergnügen der Deutschen zu
stören.
Die Verändennigen beziehen sich
vielmehr auf ihre ökonomische Lage. Durch
den Bürgerkrieg haben sehr viele Familien
mit ihren Sklaven auch ihren ganzen
Grundbesitz, die Quelle ihres Reichthums,
verloren. Sie haben also das Loos der an-
dern Creolen geteilt, indess haben sie, dank
ihrer anererbten Tatkraft, auch den zu
ihren Ungunsten veränderten Verhältnis-
sen eine Existenz abgetrotzt und sich mit
der neuen Zeit abgefunden. Und jetzt,
nachdem der durch den Bürgerkrieg unter-
brochene, in den letzten 20 Jahren aber
wieder energisch betriebene Eisenbahnbau
in Louisiana ^lillionen Acker neuen, frühen'
unzugänglichen Landes der Cultur geöff-
net, nachdem Handel und Industrie einen
hohen Aufschwung genonnnen halben, und
der Bau des Panama-Canals New Orleans
sowohl, wie dem Staate Louisiana, eine un-
geahnte Aera der Prasperität verbürgt, ist
auch für die durch den Krieg so schwer be-
troffenen Creolen wieder eine bessere Zeit
im Anzug, und viele derselben befinden
sich in der Tat schon jetzt w'ieder auf dem
Weg zum AYohLstand.
Aber ihr goldenes Zeitalter ist doch
vorüber und wird, so wie es war, nie mehr
wiederkehren. Das wissen sie auch, und
darum wenden sich ihre Gedanken mit Vor-
liebe der Vergangenheit zu. Auch ihrer
deutschen Abstamnnmg gedenken sie noch
gern, und wenn sie heute wehmütig auf das
Land hinblicken, das ihre Ahnen einst der
Wildnis und dem ^li.ssis.sippi abgerungen,
das auch ihnen gehörte, has heute aber an-
dere bebauen, dann sagen sie noch immer
mit Stolz : „Wir sind die Nachkommen
jener Deutschen, die aus der Wildnis hier
ein Paradies geschaffen, wie Louisiana nie
ein zweites b'csass."
Die Deutschen in Illinois.
EMIL MANNHARDT. Chicago.
Schon unter den Franzosen, welche zur
Zeit, als General George A. Clarke durch
die Einnahme von Kaskaskia und Vineen-
nes das Gebiet von Illinois für Virginien
eroberte, so ziemlich dessen einzige weisse
Bewohner waren, befanden sieh dort
einige, wenn auch wenige, Deutsche. Und
zwar sowohl unter den Soldaten und Offi-
zieren, wie imter den höheren Beamten.
Zumeist waren es wohl Elsässer; doch von
Einem, dem Richter Fhilipp Engel, wissen
wir, dass er ein Hessen-Darmstädter Avar.
Kaimi mehr als ein Dutzend Deutsehe
Hessen sich während des letzten Jahrzehnts
des achtzehnten und während des ersten
Jahrzehnts des neunzehnten Jahrhunderts
in Illinois nieder, und aus dessen zweitem
Jahrzehnt ist nur die Niederlassimg eines
deutschen ]\Iaurers in Belleville und die
dreier Schweizer-Familien in der Nähe
dieses Ortes festgestellt. ' Dagegen hatte
während dieser 30 Jahre eine ziemlich an-
sehnliche Einwanderung deutscher Nach-
kommen aus Nord- und Süd-Carolina, Ala-
bama, Kentucky und Tennessee, zum Theil
auch aus Pennsylvanien und A^'irginien
stattgefunden, — Nachkommen, welche
noch der deutschen Sprache oder der penn-
sylvanischen Abart derselben mächtig
waren. Denn sie bildeten Kirchengemein-
den, in denen noch bis in die vierziger luid
fünfziger Jahre hinein deutsch (imd eng-
lisch) gepredigt wurde. Von einer in
Union-County wissen war sogar, dass sie
erst im Jahre 1869 ihre bis dahin deutsche
Gemeinde-Verfassung durch eine in engli-
scher Sprache abgefasste ersetzte.
Das dritte Jahrzehnt brachte einige sehr
tüchtige Landwirthe, welche die Eingebo-
renen den diesen bis dahin unbekannten
Weizenbau lehrten, nach dem südlichen
Illinois; wie überhaupt dieses vor dem
Jahre 1830 fast ausschliesslich von der Ein-
wanderung, der inländischen wie ausländi-
schen, aufgesucht wurde. Im mittleren imd
nördlichen Illinois gab es, weil diese Gegen-
den noch nicht von den Indianern gesäu-
bert waren, nur erst wenig vorgeschobene
weisse Niederlassungen an den Flüssen
(Alton, Quincy, Beardstown, Peoria,
Kickapoo, Springfield), bei den Bleigru-
ben in und um Galena, imd die aus wenigen
Hütten bestehende um das Fort Dearbom
herum am Michigan-See — das zukünftige
Chicago. Unter der bunten Grubenbevöl-
kerung in und bei Galena befanden sich
einige Deutsche und Schweizer; der erste
Bürgermeister des Ortes hiess Stahl und
war von deutschen Eltern in Baltimore ge-
boren worden. In Beardstown hatte sich
der bedeutende Geschäftsmann und Städte-
gründer Franz Arenz (geb. in Blankenburg
im Regierungsbezirk Cöln und 1827 nach
Amerika gekommen) niedergelassen.
Erst das vierte Jahrzehnt brachte, wie
in die sämmtlichen ]\Iittelstaaten, so nach
Illinois, eine bedeutende deutsche Einwan-
derimg. Und das südliche Illinois wurde
besonders begünstigt durch die Niederlas-
simg einer beträchtlichen Zahl hochgebil-
deter und studirter ]\Iänner, welche durch
die trüben politischen Verhältnisse in der
Heimath und die, der verunglückten revo-
lutionären Erhebung von 1833 folgende,
politische Verfolgimg zur Auswanderung
getrieben waren. Sie übten nicht nur
durch ihre hohe Bildimg auf ihre Umge-
bimg einen aufldärenden imd verfeinern-
den Einfluss aus, sondern machten sich als
Aerzte {Trapp, Berclielmann, Reuss), als
hohe Beamte (Gouverneur Körner), als
bahnbrechende Pädagogen (Georg Bim-
sen), als hervorragende Forscher und Ge-
lehrte {Wislicenus, Georg Engelmann, Ju-
212
DIE DEUTSCHEN IN ILLINOIS.
lius und Eugen Wohhniar Ilihjard), als
bedeiittnide Fiiiaiizinämu'r {Eduard
Ahcud, lliunj Villard) und als taptVre
Soldaten und Heerführer im Bundeskriege
(Eiigflmann. Gaugcliu, Kirchcr u. A.)
nicht nur iiu-er näheren Tnifrebung nütz-
lich, sondern wurden zum Theil für das
ganze Land von hervorragender Bedeu-
tung. Ungefähr zu gleicher Zeit mit die-
sen, die sich Belleville und Umgebung zum
"Wohnsitz erkoren, kamen nach ]\Iadisou
County die KöpfU und Suppuirr aus der
Schweiz und legten den Grund zu den
grossen schweizer Niederlassungen in
jenem County. Gegen Ende des vierten
Jahrzehnts erhielt das südliche Illinois
noch einen starken Zuzug von Lutheranern,
einige davon Sachsen, die mit dem Bischof
Stephan gekommen waren, meist aber pom-
mersche Bauern, die der von Friedrich Wil-
helm IIL von Preussen dekretirten Ver-
schmelzung des reformirten und lutheri-
schen Bekenntnisses aus dem Wege gingen
und die sich meist in den südlichen Coun-
ties Washington, Randolph und ^Monroe
niederlies.sen. Nach dem Black Hawk-
Kriege, wälirend dessen Chicago in der
Person des ^Marketenders und Bäckers
Matthias Megcr seinen ersten bleibenden
deutschen Bewohner erhielt, begann auch
die Einwanderung Deutscher in die nörd-
liche Hälfte des Staates einen Anlauf zu
nehmen. Als Chicago 1837 Stadt wurde
und seine ersten Beamten wählte, zählte
man unter den Wählern bereits 18 Deut-
sche. In dem nordwestliehen Winkel von
Cook County und den angrenzenden Thei-
len von Du Page County li essen sich seit
1834 eine Anzahl Bauern aus dem westli-
ehen Hannover imd dem Schaumburgi-
schen nieder, die schon 1837 gemeinsam
mit den Chicagoer Protestanten eine eigene
Gemeinde bildeten, welche am 1. Januar
1839, dem erhaltenen Kirchenbuche zu-
folge, über 100 ]\Iitglieder zählte. Ueber-
haupt bildet das Jahr 1837 den Ausgangs-
punkt der kirchlichen Gemeindebildung
unter den Deutschen in Illinois. In
C^uincy lindet sich eine protestantische und
eine katholische, in Belleville eine katho-
lische luid eine freie protestantische, in
Washington Coimty eine lutherische Ge-
meinde.
Der Bau des Hlinois-lMichigan-Kanals
führte Ende der dreissiger und in den vier-
ziger Jahren eine Anzahl deutscher Arbei-
ter in den nördlichen Theil des Staates, aus
denen später Ansiedler wurden. Das Ende
des fün1t(Mi und das .sechste Jahrzehnt
brachten viele Achtundvierziger, zum Theil
hochgebildete ^Männer, von denen einige,
wie Georg Schneider, Lorenz Brentano,
Caspar Butz, Rössler, Wilhelm Rapp und
Hermann Raster (dieser kam freilich erst
nach dem Bürgerkriege nach Illinois), sich
einen nationalen Namen gemacht haben.
Der ]\Iehrzahl nach aber waren es tüchtige
Bauern. Handwerker und Geschäftsleute.
Da in Illinois noch viel gutes Land billig
zu haben war, zog es besonders den deut-
sehen Bauernstand mächtig an, und in-
folge davon auch den Handwerker, dem in
den schnell aufhlülienden kleinen und
grossen Städten sicherer Verdienst in Aus-
sicht stand. Im siebenten Jahrzehnt
brachte nach dem Bürgerkriege das wäh-
rend desselben angenommene Ileimstätten-
gesetz eine neue starke landwirthschaft-
liche Einwanderung ; an den gro.ssen deut-
schen Einwanderungen der siebziger und
achtziger Jahre nahm Illinois in gleichem
Masse Theil, wie der übrige Norden.
Die deutsche Einwanderung in Illinois
stellte sich in den einzelnen Jahrzehnten
nach einer auf die jedesmaligen Bestände
an deren Ende gegründeten Berechnung
wie folgt :
Bis 1840: 10,356
Von 1841 bis 1850: 36,678 J
Von 1851 bis 1860: 143,290 ^
Von 1861 bis 1870: 87,855
Von 1871 bis 1880: 88,284
Von 1881 bis 1890: 143,220
Von 1891 bis 1900: 82,171
A
DIE DEUTSCHEN IN ILLINOIS.
213
Im Jahre 1900 hatte der Staat Illinois
nach der auitliehen Volkszählung jenes
Jahres •4.7;34.873 weisse Bewohner. Davon
waren 359,679 eingewanderte Deutsehe —
Reiehsdeutsehe, Deutseh - Oesterreicher,
Deutseh - Schweizer und Luxemburger —
die auch in den oben angeführten Ziffern
eingeschlossen sind. Nicht eingeschlossen
darin sind die Ungarn, vcm denen die grosse
]\Iehrzahl gute Deutsche sind, und auch
nicht die aus dem deutschen Reiche kom-
menden Polen, von denen ein beträchtlicher
Theil deutsche Gesittmig angenommen hat.
Deren Zahl betrug allein in Cook County
im Censusjahre 34,285.
Zu diesen eingewanderten Deutschen
kamen 934,149 deutsche Nachkommen der
deutschen Einwaudermig des letzten Jahr-
himderts, wovon der Volkszählung zufolge
650,070 auf die von deutschen Eltern in
den Vereinigten Staaten geborenen Kinder,
der Rest von 284,879 auf die Enkel imd Ur-
enkel derselben entfallen. Im Ganzen also
belief sich der von der deutschen Einwan-
derung des 19ten Jahrhunderts zur Bevöl-
kermig von Illinois gestellte Antheil im
Jahre 1900 auf 1.293.828 oder 26.S3 Pro-
zent der weissen Bevölkerung. Das ist aber
noch lange nicht der Gesammtantheil deut-
schen Blutes daran. Denn auch die Nach-
kommen der deut.schen Einwanderer des
17ten imd 18ten Jahrhimderts sind
in Illinois in grosser Stärke vertreten.
Ihren Antheil an der Hand amtlicher Er-
hebungen zu ermitteln, ist leider nicht
möglich, denn in den amtlichen Volks-
zählimgsberichten sind sie selbstverständ-
lich, wie auch die Enkel der im letzten
Jahrhundert Eingewanderten, als Kinder
einge])orener Eltern aufgeführt. Giebt
auch der Census an, wie viele der im Jahre
1900 in Illinois wohnenden Personen in
anderen Staaten geboren sind, so würde
selbst die Kenntniss des Verhältnisses der
Bevölkerung deutscher Abstannnung zur
Gesammtbevölkerung in diesen Staaten
nicht genügen, um den Antheil deutschen
Blutes an diesem Zuzüge festzustellen.
Denn die deutschen Naclikommen scheinen,
wie die Besiedlungsge.schichte des Nord-
west gebiets deutlicli beweist, sich in Ame-
rika die deutsche Wanderlust bewahrt zu
haben. Nachweisbar befanden sich unter
denen, welche im ersten Drittel des 19ten
Jahrhunderts aus Nord-Carolina nach Il-
linois übergesiedelt sind, ein reichliches
Drittel deutscher Nachkommen, und die
haben natürlich wegen ihres fast hun-
dertjährigen AVohnsitzes im Staate eine
zahlreiche Nachkommenschaft gezeugt. Es
verdient hervorgehoben zu werden, dass
einige dieser Familien sich rein deutsch er-
halten haben. Von den Nachkonnnen der
Deutschen, welche einst das Shenandoah-
Thal in Virginien und das westliche ^lary-
land bebauten und bevölkerten, und von
dort verschwunden sind, haben sich viele
in Illinois angesiedelt. So befindet sieh
eine bedeutende Niederlassimg von Dim-
kers deutscher Abstammung im illinoiser
County Ogle. Besonders stark war der
Zuzug dieser deutschen Nachkommen aus
Pennsylvanien, Virginien imd ^Maryland in
den Jahren 1840 bis 1860. Das ergiebt sieh
aus den geschichtlichen Aufzeichnimgen
der einzelnen Counties. Und sie waren
in dem noch menschenleeren Staate vor
Anderen willkommene Gäste, sowohl als
tüchtige xVckerbauer, wie ganz besonders
die Pennsylvanier als Handwerker und
^Mechaniker. Fast immer findet man ihre
Geschicklichkeit gerühmt, und besonders
wird hervorgehoben, dass sie ihre "Werk-
zeuge mitbrachten. Denn an solchen man-
gelte es auch noch in den fünfziger Jahren
so sehr, dass in manchen Gegenden die Axt
alle andern ersetzen und alle Arbeit des
Tischlers und Zimmermanns verrichten
musste. Die ^Mehrzahl der ersten INIühlen
im Staate scheint von Deutsch-Pennsylva-
niern angelegt worden zu sein. In Chicago
und Umgegend wohnen mehrere Nachkom-
men von Deutschen aus dem ^lohawk-Thal,
deren Ahnen unter Ilerckheimer fochten.
214
DIE DEUTSCHEN IX ILLINOIS.
Aber ist auch die Zahl difser deutschen
Naehkoiumen nicht an der Hand amtlicher
Erhebungen festzustellen, so lässt sie sieh
doeh mit einiger Sieherheit aus dem INIi-
schimgsverhältniss berechnen, das im Jahre
1830 unter der amerikanischen Bevölke-
rimg bestand. Naeh solcher in den D. A.
Geschicht.sblättern, Band 4. Heft 3. veröf-
fentlichten Berechnung, an deren annä-
hernder Richtigkeit zu zweifeln bis dahin
kein Anlass vorliegt, stellt sich dieser deut-
sche Antheil auf 674.089, und bringt den
gesammten deutschen Antheil an der
weissen Bevölkerimg von Illinois auf
1,967,926 oder 41.56 % der weissen Bevöl-
kerimg.
Jedoch nicht die Älenge giebi den Aus-
schlag, sondern das Thun. Was haben diese
vielen Deutsehen und deutschen Nachkom-
men in Illinois für Illinois und dadurch
für das ganze Land geleistet '?
Nim, gar Manches. Zuächst hat der
deutsehe Bauer einen ganz hervorragenden
Antheil an der landwirthschaftlichen
Blüthe des Staates. Rühmte man schon den
Deut.sch-Pennsylvaniern nach, dass sie
ihre Farmen in besseren Zustand zu brin-
gen und darin zu erhalten wus.sten, als ihre
Nachbarn, so ward dasselbe Lob in noch
höherem j\Iasse von absolut imparteiischer
Seite den im vorigen Jahrhundert einge-
wanderten deutschen Bauern zu Theil. —
AVenn in den zehn Jahren von 1850 bis
1860 der Bestand des angebauten Landes
in Illinois sich fast verdreifacht, der Werth
der Farmen auf das Vierundeinhalbfache
steigt, Illinois als Korn- und Weizen-Pro-
duzent an die erste Stelle rückt, die But-
terfabrikation von ein auf achtimdzwanzig
Millionen Pfund klimmt, während die Be-
völkerung sich nur verdoppelt, so darf man
wohl dieses ausserordentliche Ergebniss
zum guten Theil auf Rechnung der hun-
derttau.send fleissigen und tüchtigen deut-
schen Bauern setzen, Melche das Jahrzehnt
dem Staate gebracht hatte. An der He-
bung der Viehzucht, deren Werth auf das
Dreifache gestiegen war. und der des Wei-
zenbaues, dessen Ertrag von 9 auf 24 Mil-
lionen Busheis erhöht war, hatten sie jeden-
falls den Hauptantheil. Denn der Wei-
zenbau war den Amerikanern im allgemei-
nen noch eine unbekannte, und die Vieh-
zucht zum Zwecke der ^Meierei eine zu
mühsame Sache.
Aus dem Census geht hervor, dass im
Jahre 1900 22.43 Prozent aller Farm-Heim-
stätten in Illinois von Deutschen und deren
Kindern bewirthschaftet wurden, und dass
sie von 22.01 Prozent derselben die Eigen-
thümer waren. Durch die Enkel und die
Nachkommen der deutschen Einwanderim-
gen früherer Jahrhunderte steigt der deut-
sche Antheil an der Farmbewirthschaftung
auf 47.79, der am Farmbesitz auf 47.53
Prozent. Darnach ist ein Zweifel daran,
dass die deutschen Bauern den grössten
Antheil am Wohlstände von Illinois hatten
und haben, nicht gut mehr möglich. Auch
steht ein Rückgang, wenigstens so weit 'das
eingewanderte deutsehe Element in Frage
kommt, nicht zu befürchten. Denn immer
noch werden eingewanderte Deutsche erst
Pächter und dann Besitzer von amerikani-
schen Farmen, auf denen sie zuerst als
Knechte gedient hatten. Der Farmbesitz
in der LTmgegend von Chicago — in Cook,
Du Page und Will County — geht mehr
und mehr in deutsche Hände über, imd es
gie])t wenigstens ein Township, in welchem
alle Farmen Deutsclien gehören, und eine
Anzahl, denen das gleiche Schicksal bevor-
steht. Im südlichen Illinois, in Washing-
ton, Madison, St. Clair imd Monroe
County, macht sich eine ähnliche Erschei-
nung geltend.
Aus dem Census geht femer hervor, dass
die im 19ten Jahrhundert eingewanderten
Deutschen imd ihre hiergeborenen Kinder
einen ihren Antheil an der Bevölkerung
übersteigenden Antheil an der Familien-
bildung (25.92%) haben: Auf der Fa-
milie aber beruht die Sicherheit des Staates,
und der Besitz der eigenen Wohnstätte ist
UTE DEUTSCHEN TX TTJ.TXOTS.
215
«ines der sichersten Kennzeieheu solideu
Bürgerthiims.
Den sehr bedeutenden Antheil des deut-
schen Elements in Illinois am Handel imd
an der Industrie zu bestinnnen, ist äusserst
schwierig. Denn der Census giebt für die
Betheiligimg der einzelnen Elemente an
diesen Dingen nur Anhaltspunkte, und
deren sehr geringe. Und der Gegenstand
der Untersuchung ist ein so umfangreicher
und so sehr verzweigter, dass selbst bei
deren Beschränkung auf einzelne Zweige
oder Lokalitäten jedes Ergebniss der wün-
schenswerthen Genauigkeit entbehren
wird. Auch die gewiegtesten Finanzleute
Chicago 's z. B. — ^Männer, die seit einem
halben Jahrhundert imd darüber im Bank-
geschäft thätig sind imd an der Spitze
grosser Bank-Institute stehen — erklären,
dass die Bestimmung des deutschen An-
theils auch nur am allgemeinen Geschäfts-
Kapital Chicago 's zu den Unmöglichkeiten
gehöre. Doch giebt einer derselben zu, dass
wenn man diesen Antheil auf ein Drittel
schätze, man sich auf der sicheren Seite be-
finden werde. Das stimmt mit der allge-
meinen Annahme überein. Aber ob diese
für Chicago richtig ist, imd ob sie auch
für den ganzen Staat Illinois zutrifft, da-
für müssen wir versuchen, einige hindeu-
tende Belege zu finden.
Einen solcher Belege sollten die Credit-
nachschlagebücher bieten. Aus ihnen
sollte man die Grösse des Geschäftskapitals
imd des Credits der Firmen ermitteln kön-
nen. Aber es ist leicht ersichtlich, dass
auch diese Quelle nur annähernde Ergeb-
nisse liefern kann, sobald man in 's Auge
fasst, wie viele Deutsche als Voll- oder
Theilbesitzer hinter Firmen und Corpora-
tionen stehen, deren Namen man es nicht
ansehen kann. Aber immerhin wird diese
Quelle eine Hülfe sein. Weitere Hülfe
muss in den Adressbüchern gesucht werden,
wo solche existiren. Und endlich müssen
•einzelne bekannte Thatsachen als Finger-
■zeige herangezogen werden.
Ziehen wir letztere zuerst heran und
wenden wir uns zunächst zur Industrie,
zum grüs.sen und kleinen Gewerbe. Von
ihrem ersten Eintreffen an waren die deut-
schen Handwerker ihrer Geschicklichkeit
und Ausdauer halber gesuchte Leute, und
in Folge des guten Verdienstes und ihres
Strebeus vorwärts zu kommen, bald in den
Stand gesetzt, sich selbständig zu machen.
Wie die ersten den Grund legen halfen zu
den grossen Industrien von heute, so halfen
die später kommenden diese Industrien
ausbauen. Die grosse Einwanderung der
achtziger Jahre bestand zum überwiegen-
den Theile aus geschickten Handwerkern,
die für die Entwicklung der Grossind iistrie
von grossem Nutzen wurden. Nicht etwa
nur als Arbeiter: Deutsche Ingenieure in
Chicago (Hemberle, Lassig, Gottlieb,
Meyer, Binder u. A.) haben einen sehr
grossen Theil der grossen Eisenbahn-
Brücken des Landes konstruirt, wie z. B.
die Pittsburger Brücke über den ]\Iononga-
hela, die Mississippi-Brücken bei La Crosse
und Quincy, die Missouri-Brücken bei At-
chison, Glasgow und Omaha, die Riesen-
brücke über den Hudson bei Poughkeepsie,
mehrere der grossen Viadukte der Pacific-
Bahnen, und wahrscheinlich die ]\Iehrzahl
der kleineren eisernen Brücken aller von
Chicago westlich führenden Bahnen. Ein
deutscher Kunsttischler hat den Pullman-
Wagen zwar nicht erdacht, aber dem ersten
die erste Einrichtimg gegeben und sie aus-
geführt. Einige der grossen Illinoiser In-
dustriellen auf den Gebieten der Wagenfa-
brikation, der Eisenindustrie, der Gelb-
giesserei, der Eismaschinenfabrikation, der
Kupferschmiedekunst, der Holzindustrieen,
der Pianofortefabrikation, der feinen ]Mö-
belfabrikation und Office-Einrichtung sind
Deutsche. Die Backstein-Fabrikation ist
zu fünf Sechstel in deutschen Händen. Auf
den Gebieten der Graveurkimst, der Litho-
graphie, des Stahlstichs, des Buntdrucks,
nehmen Deutsche die erste Stelle ein. Dass
die Illinoiser Brauereien mit ganz wenigen
216
DIE DEUTSCHEN IN ILLINOIS.
Ausnahmen von Deutschen pe^ründet wor-
den sind und Deutsclien freh()ren. ist wohl
kaum besonderer Erwähnung werth. Alle
Braumeister sind entweder eingewanderte
Deutsehe oder auf den zwei Chieagoer
Brauerschulen vorgebildete Söhne von
solchen. In der grossen elektrischen In-
dustrie, welche die Neuzeit gebracht hat,
stehen Deutsche an der Spitze der wissen-
schaftlichen Leitung. In fast allen Be-
trieben, die deren Mitwirkung erfordern,
sind die Chemiker Deutsche oder deutsche
Nachkommen. Die grösste Zinkschmelze
des Landes (in La Salle), die grösste Fa-
brik von Wasserleitimgs-Einrichtimgen, die
grösste Glukose-Fabrik (beide in Chicago)
sind von Deutschen gegründet und in deren
Besitz. Die grösste Gerberei in Chicago ist
in den fünfziger Jahren von einem Deut-
schen gegründet, der seinen Namen vereng-
lischt hat. Die Kleiderfabrikation liegt,
wie im ganzen Lande, so in Illinois, in den
Händen von Deutschen jüdischer Abkunft.
"Was die Baukunst imd das Baugewerbe
betrifft, so waren die deutsehen Architek-
ten, welche ]\Iitte der fünfziger Jahre sich
einstellten, so ziemlich die ersten, welche,
wenigstens in Chicago, das Bauwesen auf
eine wissenschaftliche Grundlage stellten ;
sie nahmen Jahrzehnte lang unter ihren
Collegen den ersten Platz ein und genies-
sen auch heute noch durchweg grosses An-
sehen. Schwerlich hat es, bis in die neueste
Zeit hinein, irgend eine irgendwie bedeu-
tende Architekten-Ofifice gegeben, in wel-
cher nicht Deutsche als Zeichner imd Be-
rechner angestellt gewesen wären. Fast
bis zum Ende des 19ten Jahrhunderts
waren die Hausbau-Unternehmer (Maurer,
Zimmerer, ]Maler) in überwiegender Zahl
Deutsche, und sie nehmen auch heute noch
einen bedeutenden Prozentsatz darunter
ein. Die bedeutendste Steinhauer-, die an-
gesehenste Stuckatur-Kontraktoren-Firma
sind Deutsche; die für diesen Zweig bahn-
brechende riesige Northwestern Terra Cot-
/«-Fabrik i.st ein rein deutsches Unter-
nehmen.
Wenden wir uns zum Handel, so finden
wir. da.ss drei der Chicagoer Riesenbazare
im Mittelpunkte der Stadt (The Fair, The
Boston Store, Rothschild & Co.) von Söh-
nen eingewanderter Deutschen gegründet
worden sind, und ihren Familien gehören.
In mehreren andern ist deutsches Kapital
stark vertreten. Die bei weitem grosse
^Mehrzahl gleicher Geschäfte in den Aussen-
bezirken ist in deutschen Händen, und es
giebt darunter einige, die an Grösse des
Umsatzes denen im Centrum nur wenig
nachstehen. In allen Mittelstädten des
Staates sind die grösseren Geschäfte dieser
Art im Besitz von Deutschen. Das Juwe-
liergeschäft ist im ganzen Staate vornehm-
lich in deutsehen Händen; die selbständi-
gen Uhrmacher sind fast sämmtlich Deut-
sche, desgleichen fast alle Kürschner. Doch
es Avürde zu weit führen, alle einzelnen Ge-
schäfte und Gewerbe auf diesen Punkt zu
untersuchen.
Gross ist die Zahl der Deutschen, die in
grossen amerikanischen Unternehmungen
als Geschäftsführer oder Abtheilungschefs
leitende Stellungen einnehmen. Der Prä-
sident der grössten Buch- und Schreibma-
terialien-Handlung Chicago 's und viel-
leicht des Landes ist ein Deutscher. Eine
der grossen Rhedereien, w-elche den Ver-
kehr zwischen Chicago und den Häfen am
Michigan-See und Superior-See vermitteln,
ist vor mehr als 40 Jahren von Deutschen
gegründet worden, die oder deren Söhne
auch heute noch die Leitung und den
Hauptantheil haben. Dass in den illinoiser
deutschen Versicherungs - Gesellschaften,
deren es mehrere giebt, Deutsche an der
Spitze stehen, und dass ihre Chieagoer Ver-
treter Deutsche sind, ist selbstverständlich,
doch ist auch ein Deutscher General -Ge-
schäftsführer der westlichen Abtheilimg
der „Aetna" von Hartford. Ein Deutscher
ist westlicher Hauptgeschäftsführer der
Sanford Map Co., eines der grössten Ge-
DIE DEUTSCHEN IX ILLINOIS.
21;
Schäfte dieser Art in den Ver. Staaten. Ein
Dentseher i.st Vice-Präsident des ersten
Geld-Instituts von Chicago, der First Na-
tional Bank, und zugleich Präsident der
Bankers-Association von Illinois. An meh-
reren anderen Chicagoer Banken befinden
sich Deutsche in gleicher oder ähnlicher
Vertrauensstellung. ^Mehrere bedeutende
Privatbanken Chicago 's sind deutsche. In
Peoria. Quincy und Belleville nehmen die
deutschen Banken den ersten Platz ein.
Nach Bess „Geschichte der Deutschen in
Peoria" waren dort von 1,459 Kleinhänd-
lern und etablirten Handwerkern im Jahre
1905 766 oder 52.50 Prozent, und von 128
Grossgeschäften und Fabriken 78 oder fast
61% Deutsche. Der deutsche Bevölke-
rungsantheil in Peoria beträgt aber nur
knapp 28%. In Quincy sind von 961 auf-
geführten Geschäften 544 oder 58.61%
deutsche, und davon entfallen 49.63% auf
das Klsingeschäft. Der deutsche Bevölke-
rungsantheil in Quincy beläuft sich auf
nicht mehr als 38%. — In Freeport, dem
Hauptort von Stephenson County, sind
von 373 aufgeführten Geschäften 206 oder
55.22% deutsche und 45.11% davon deut-
sehe Kleinge.schäfte. In anderen ]\Iittel-
städten stellen sich diese Prozentsätze auf:
Aurora 42.16 und 35.45; Alton 43.55 und
40.71; BeardstoAra 56.59 und 42.63%r. In
der Staatshauptstadt Springfield, deren
deutsehe Bevölkerung nur 18.75% beträgt,
— es ist in allen diesen Angaben nur auf
das der Einwanderimg des 19ten Jahrhim-
derts entstammende Element Bezug ge-
nommen— sind nach dem klassitizirten
Adressbuch von 1902 von 702 Geschäften
362, also 50%, deutsche.
Auch in den kleineren Orten von Illinois
ist der Prozentsatz der deutschen Ge-
schäftsleute fast durchweg erheblich höher,
als der des deutschen Elements darin. In
96 mit A beginnenden Orten mit zusammen
43,628 Einwohnern, welche über 68 der 102
illinoiser Counties vertheilt sind und wo-
runter nur vier Orte mit mehr als 2000
Einwohnern sind, waren im Jalire 1907 von
2010 Geschäften 611 oder 30'/; deutsche.
Imd diese 96 Orte liegen zum grossen Theil
in Counties mit sehr geringer deutscher
Bevölkerung. "Wie natürlidi herrscht in
diesen kleinen Orten der Kleinhandel vor,
und nur 1.85% von den auf die Deutschen
entfallenden 30% können dem Grossge-
sehäft zugezählt werden. Aber das Ge-
sammtverhältniss zwischen Gross- und
Klein-Handel wird in diesen Orten kaum
ein anderes sein. Unter diesen 96 Orten
sind 22, allerdings sehr kleine. — blosse
"Wegkreuzungen — welche gar keine deut-
sche Geschäfte aufweisen. Ob es Orte
giebt, die nur deutsche Geschäfte haben,
bedarf noch der Ermittlung, sicher ist,
dass gerade die stark deutschen kleineren
Orte, wie Belleville. Teutopolis, Millstadt,
0 'Fallen, ]Mascoutah, Lebanon u. a.. in
stark deutschen Counties, da sie nicht mit
A anfangen, in den obigen Angaben nicht
vertreten sind. Sie würden den Durch-
schnitt erheblich erhöht haben.
An die Aufgabe, in gleicher Weise wie
in den angeführten ^Mittelstädten den deut-
schen Antheil an dem Riesengeschäft Chi-
cago's zu ermitteln, hat sich Schreiber
dieses noch nicht heranwagen können. Dass
er am Kleingewerbe sieher grösser ist als
der deutsche Bevölkerungsantheil, dafür
mag als Beleg gelten, dass nach einer da-
mals vorgenommenen Zählung im Jahre
1899 41% aller Grocer und 64'^; aller :Metz-
ger in Chicago Deutsche waren. Das heu-
tige Verhältniss wird wohl in der Folge der
starken Zunahme der slavischen imd ita-
lienischen Einwanderung ein wenig, wenn
auch nicht viel, zu Ungunsten der Deut-
schen geändert sein. Dass der deutsche
Antheil am Grossgeschäft seinem Bevölke-
rungsantheil zum mindesten gleichkommt.
i.st eine bereclitigte Annahme. (Das älteste
Grossgeschäft in Groceries, Ilnirif SchöU-
köpf, gegründet 1855. ist ein deutsches.)
Unter den gros.sen FleischhändkM-n sind die
Deutsehen stark vertreten ; der grossten
218
DIE DEUTSCHEN IX ILLINOIS.
einer, der kürzlich verstorbene Xcison
Morris, war, trotz seines ano:enoinnienen
englischen Namens, ein geborener Baier.
Aus allen diesen Angaben lässt sieh ohne
Zwang der Sehluss ziehen, dass der Antheil
der Deutschen an der Volkswirth.sehaft von
Illinois sich auf sieher ein Drittel, und
M-ahrscheinlieh auf sehr viel mehr beläuft.
Die Stärke des deutsehen noch deutseh
sprechenden Elements spiegelt sieh in der
Statistik der religiösen Gemeinden und der
Vereine.
Was letztere betrifft, so fanden sich, so-
weit es sich ermitteln Hess, im Jahre 1900
in Illinois vor: 255 Gemeinden der zur
;Missouri-Synode gehörigen Lutheraner,
(in Chicago 31) femer 74 zur Wartburg-
Synode und 20 zur deutschen Iowa-Synode
gehörige lutherische; 209 evangelische; 124
ausschliesslich deutsche und in der Diözese
Belleville noch 10 katholische Gemeinden
mit überwiegend deutscher ^Mitgliedschaft.
auch giebt es zahlreiche deutsche Gemein-
den der evangelischen Gemeinschaft (Al-
brechtsbrüder), der bischöflichen Metho-
disten, der protestantischen ^Methodisten,
einige reformirte, Baptisten und iMenno-
niten Gemeinden. Eine bemerkenswerthe
Thatsache ist, dass nicht nur die Prediger
dieser deutschen Gemeinden eingewanderte
Deutsche oder Söhne von solchen sind, son-
dern dass in den englischen Gemeinden
fast aller dieser Bekenntnisse die deutschen
Nachkommen in grosser Zahl vertreten
sind. — in besonders grosser bei den Luthe-
ranern, Baptisten und Methodisten.
Von diesen Gemeinden haben die der Lu-
theraner und der Katliolikcn ohne Aus-
nahme, die Evangelischen in vielen Orten,
Gemeindeschulen, in denen die deutsche
die Haupt-Unterrichtssprache bildet. Die
Lutheraner haben aus.serdem höhere Lehr-
anstalten zur Heranbildung von Predigern
und Lehrern in Springfield, Addison und
Carthage, die Evangelischen in Elmhurst,
die Katholiken in Quiney. Die Letzteren
haben sieh sehr um die Allgemeinheit ver-
dient genmcht durch die Errichtung vieler
Krankenhäuser ; alle grösseren Bekennt-
nisse haben ihre Altenheime und Waisen-
häuser. Alle diese Gemeinden sind in
volkswirthschaftlicher Beziehung von nicht
geringer Bedeutung, hauptsächlich durch
ihre Förderimg der Baukimst und des
Kunstgewerbes. Ihre Kirchen sind meist
die schönsten und kostbarsten ihrer Orte,
Die deutsche Presse ist in Illinois vertre-
ten durch 13 tägliche, 48 wöchentliche, 2
halbwöchentliche, 4 zweiwöchentliche oder
halbmonatliche Zeitungen, 10 Sonntags-
blätter und 8 religiöse ^Monatsschriften.
Wie im ganzen Lande giebt es in Illinois
eine gewaltige Anzahl deutscher Vereine,
die, abgesehen von den von ihnen geförder-
ten Zielen, wie die Kirchengemeinden,
grosses zur volkswirth.schaftlichen Ent-
wickelung des Staates beigetragen haben..
Die Deutschen in Missouri.
Von KARL GUNDLACH, St. Louis.
Einer etwas unsiehereu Ueberlieferimg
zufolije war der erste weisse ]\Iann. der den
Boden des jetzigen ^Missouri betrat, ein
deutseher Landskneeht. den der Entdeeker
De Soto als Knndsehafter voranssehiekte.
und der zuerst den ^Mississipjii mit Angen
sah. die.se Entdeckung aber unter den
Pfeilen der Indianer mit dem Tode büssen
musste. Ein ganz liübselies Geschiehtchen.
aber bewiesen ist es nieht, weini auch im-
merhin möglieh, denn seit die Deutsehen
Ulli der Bildtläehe der AVeltgesehiehtebühne
erschienen sind, sind sie auch immer
dabei gewesen, so oft etwas gutes imd leider
auch so oft etwas sclfechtes in der Welt
geschah. Besonders in damaligen Zeiten
trieben sich Deutsche in aller Herren
Diensten herum, und manclier Flüchtling
uns dem grossen deutschen Bauernkriege
mag sieh wohl auch luiter den Abenteurern
befunden haben, die nach Amerika ver-
sehlagen wurden. Ihre Spur ist freilieh
nicht nachzuweisen, und so bleibt auch das
Geschichtehen von dem ersten Entdecker
■des ^Mi.ssissippi eine hübsche Sage; den
Ruhm hat De Soto und ein Grab im Vater
der Ströme dazu. Bei der Geschichte der
folgenden Entdeeker und Ansiedler sind
"vvolil kaum Deutsche gewesen, luid erst nach
der Aufnahme des Staates in die Union
rückte Mi.ssouri in den Gesichtskreis derer,
die sich aus ihrem Yaterlande fort sehnten,
nachdem sie erkannt hatten, dass das deut-
sche Volk seinen Befreiung.skampf gegen
Napoleon nur gekämpft hatte, um die eine
Knechtschaft mit der andern zu vertau-
schen, und dass man dem Volke die blutig
erkämpfte Freiheit vorenthielt. Von da ab
setzt eine lebhafte Einwanderung nach
Amerika imd besonders nach den unbe-
•siedelten Staaten des Westens ein.
Der erste Ansiedler, dessen Xaiue in der
Geschichte ]Missouri's erscheint, ist der
Rheinländer Gotlfricd Duden, der im
Jahre 1824 mit einem Freunde Louis Evers-
inaini in St. Louis er.schien und sii-h im
Fennne O.sage-Thal. im jetzigen Warren
County, niederliess, in der Nähe der Stelle,
wo heute das Städtchen Dutzow liegt. Er
hielt es allerdings nui- drei Jahre aus und
ging dann nach Deutschland zurück, aber
er verbreitete dort in Wort und Schrift
wunderbare Geschichten über die Herrlich-
keit des neuen Landes und gab damit den
Anstoss zu weiterer Einwanderung. Schon
1832 finden wir in der Xähc seines verlas-
senen Landsitzes neue deutsche Ansiedlei".
vornehme gebildete Familien, wie von Bock
und von Marfds. Bock legte das Städtchen
Dutzow aus. und bald zeigte sich deutsches
Leben in der Gegend: am 18. ]Mai 1834
wurde der erste deutsehe Verein gegründet,
imter dessen Stiftern sich Namen finden,
die in der. Geschichte der deutschen Ein-
wanderung den besten Klang haben, wie
Rasmus, Behrens und Iluttawa. Und nun
kam die ,,Giessener Auswanderungsgescll-
schaft''. und mit ihr liekam das Deutsch-
tum in ^Missouri erst seinen festen Halt und
eine sichere Grundlage für die Zukunft.
Ja, man sagt nicht zu viel, wenn man be-
hauptet, dass ihr vorzugsweise die Ent-
wickelung des industriellen und politischen
Lebens des Staates zu verdanken ist. Denn
die Gründer und ^litglieder dieser Gesell-
schaft waren h()chgel)ildete Leute, die es
verstanden, in geistiger Beziehung das ein-
gewanderte deutsche Element zusammen zu
halten. I\Iänner wie Friedrich Münch und
Paul Folie ni US waren nicht von der Sorte,
die ihr Deutschtum verleugnen kcmnten,
und ihr Beispiel wirkte auch noch, nach-
220
DIE DEUTSCHEN IN MISSOURI.
dem sich die Einwanderun^stjesellsehaft —
sie kam im Jahre 183-1: an — über eine ge-
meinsame Ansicdlung: nieht einigen konnte
und sich zerstreute. Ein Tiieil blieb in St.
Louis, ein anderer siedelte nach Illinois
über, , und der Rest liess sich an beiden
Ufern des ]\Iissouri nieder. Zu ilen letz-
teren gehörte auch Friedrich Münch, der
in Dutzow seinen "Wohnsitz aufschlug und
dann als Landwirth, AVeinlKUier und
Schriftsteller eine rührige Thätigkeit ent-
faltete und auf die Entwickelung des deut-
schen ?]lementes wie auch auf die Ent-
wickelung des ganzen Staates einen ge-
radezu bestimmeiulen Eintiuss gewann.
]\lan kann an der Figur dieses ^lannes
nicht vorübergehen, ohne ihr einen langem
Blick zu widmen.
In einem stillen Pfarrhause stand seine
"Wiege ; in dem Dorfe Xiedergemünden in
der dannstädtischen Provinz Oberhessen,
wurde er am 29. Juni 1799 geboren, und
er war nach einer trefflichen wissenschaft-
lichen Erziehung bereits wohlbestallter
Pfarrer und Nachfolger seines Vaters, als
ihn die Ueberzeugung von der Hoffnungs-
losigkeit der politischen Zustände seines
"S^aterlandes veranlasste, alles von sich zu
werfen und im Auslande sein Glück zu
suchen imd die Freiheit, die einem Planne
von hoher Gesinnung in Deutschland da-
mals versagt war. So gründete er mit Paul
Follenius die "Giessener Auswanderungs-
ge.sellschaft" und ging dann selbst mit in
das neue Land, und zwar, hauptsächlich
durch Dudens glänzende Berichte veran-
lasst, in die Gegend, wo jener gelebt hatte.
Aber ancli unter den grössten IMühselig-
keiten und Entbehrungen, welche die ersten
Jahre dieses Lebens in der AVildni.ss mit
sich brachten, l)etlieiligte er sich luiermüd-
lich an der Entwickelung des geistigen
Lebens des ]\Ii.s.sourier Deutschthums und
trat mit unerschrockener Energie für die
freie Entwickelung des Staates selbst ein,
vor allem für Abschaffung der Sklaverei.
Das letztere war kein ungefährliches Be-
ginnen, deini ^lissouri war als Sklaven-
staat in die Tnion aufgenommen inid hatte
infolgedessen durcli die Einwanderung
wolllabender Sklavenhalterfamilien aus
den ö.stlichen Staaten eine starke südlän-
dische Bevölkerung erhalten, die sieh als
..Xative Americans" gegen die Einwan-
dei'ung, vor allem gegen die deutsche
Einwanderung richteten. Münchs Leben
war daher, besonders in den ersten Zeiten
des Bürgerkriegs, nieht selten bedroht, al-
lein er liess sich nicht entmuthigen und trat
mannhaft für die Sache der Union ein. _
Das erwarb ihm das Vertrauen seiner ]\Iit- 1
bürger in einem Grade, dass ihn sein Dis-
trikt in 1862 in den Senat der Staatsgesetz-
gebung wählte, in der er bis 1866 blieb.
Später zog er sich mehr und mehr zurück,
wenn er auch noch mehrere öffentliche Aem-
ter bekleidete und überhaupt als Schrift-
steller rastlos bis an sein Lebensende
(1884) thätig blieb. Besonders als Mitglied
der Staatseinwanderungsbehörde wirkte er
viel Gutes.
Diese Einwanderung liatte sich nämlich
bedeutend entwickelt, theils durch Ein-
wanderungsge.sellschaften, theils auch durch
einzelne Zuzügler aus Deutschland wie aus
dem Osten. Die letzteren bestanden aller-
dings, wie sch(m bemerkt, meist aus
Sklavenhaltern, daneben aus ärmeren Far-
mern, englischen wie deutschen, die sich
mit ihren vielen Kindern und noch mehr
Hunden überall zer.streut ansiedelten und
ein zum Theil wenig Avünschenswerthes Be-
völkermigselement bildeten.
Ungleich werthvoller für die Entwicke-
lung des Staates waren die deutschen Ein-
wanderungen seitens der thüringischen, in
]\[ühlhausen gegründeten, Gesellschaft, der
die Gebrüder Rohling und Karl Angelrodt
angehörten. Letzterer siedelte sich bereits
1832 auf der Südseite des ]\Iissouri bei
Lewis Ferry an. in welcher Gegend sich
dann in den folgenden Jahren weitere
deiitsche Ansiedler einfanden. Er war
1799 bei ]\lühlhausen in Thüringen geboren,
DIE DEUTSCHEN JX MISSOURI.
221
wurtle Eigroiithüincr einer \\\)llsi)imiL'rei,
IMitglied des Laiultages der preussiseheu
Provinz Saehsen, erregte dureh seine frei-
sinnige Gesinnung Anstoss und wanderte
ans. Xaeh einem niissglüekten Versueh als
Farmer, siedelte er nach St. Louis über,
wo er Chef eines grossen Handelshauses
und Konsul Preussen's, anderer deutscher
Staaten und Oesterreich's wui-de. Si'inen
Lebensabend, der im Jahre 186!) zum Ab-
schluss kam, verbrachte er in Karlsruhe in
Baden. Andere Einwanderer Hessen sich
am Cape Girardeau am IMississippi nie-
der. Sie traten bereits im Jahre
1838 zusanuuen und erliessen energische
Beschlüsse gegen den Versuch der „Native
Americans", die liberalen Xaturalisations-
gesetze zu ändern, und l)ildeten einen
Wachsamkeitsausschuss, dessen Aufgabe es
sein sollte, gegen alle I^ebergriffe der Na-
tivisten thatkräftig einzuschreiten. INIan
sieht, das deutsche Element begann sehr
frühzeitig sich zu fühlen.
Das zeigte sich auch bei einer andern Ge-
legenheit. Die deutschen Ansiedler hatten
sich nämlich inzwischen stark nach Westen
hin ausgebreitet und überall Niederlas-
sungen gegründet und, nicht zu vergessen,
Kirchen gebaut. Protestantische wie
katholische Gemeinden finden wir seit 1837
bereits in den westliehen Counties. Dort
hatten sich um dieselbe Zeit die :\Iormonen
niedergelassen, besonders im Jackson
Coimty, so wie in den Counties Clav, Cald-
well und Davies, wo sie die Stadt Far West
gründeten. Das Leben dieser Heiligen der
letzten Tage erregte aber sehr bald das
Aergernis der umwohnenden Ansiedler,
imd so kam es zu Reibereien und
Streitigkeiten. Schliesslich ward die Er-
bitterimg der Bevölkerung so gross, dass
die ]\Iormonen weichen nuissten. Das war
nicht zum gering.sten Theile den deutschen
katholischen Gemeinden zu danken.
Zu derselben Zeit war eine neue Einwan-
derun gsgesellschaft angelangt. Am 19.
Februar 1839 landete eine grosse Gesell-
schaft deutseiicr Kiin\ andcixT, auf vier
Dampfern kotinnend, in St. Louis. Das
waren die Alt-Lutheraner, die,<?ich von hier
aus w 'itcr am ^Mississippi nhwärts nieder-
lie.s.sen und die Städtchen Wittcnhenj und
Ältc»bnr<j gründeten. Diese Gemeinden
sind allerdings infolge des Sinkens der ]\Iis-
sissij>[)i-Schitfahrt in der Entwifkelung zu-
rückgcblielx'n, hal)en abci* ilire deutsche
Sprache dafür auch Ijcwahrt und trotz un-
günstiger Vei'hältni.sse ein Bild deutschen
Fleis,ses und deutscher Tüchtigkeit gegeben.
Der Rest dieser Gesellscliaft. der in St.
Louis zurückblieb, hat sich aus kleinen xVn-
fängen zu einer der bedeutendsten Kirchen-
gemeinschaften von ^Missoui'i, Ohio, Illi-
nois u. s. w. entwickelt, der auch in dem
Concordia-Verlag in St. Louis einen eige-
nen Vei'hig und Druckerei besitzt.
Neben diesen gesellschaftlichen P^inwan-
derungen ging, wie besagt, die Einwande-
rung einzelner Familien oder mehrerer in
Verbindung her, die sich theils in St. Louis
niederlie.ssen, theils sich Plätze aussuchten,
wo ihnen das Land gefiel. Das waren,
ebenso wie die IMitglieder der Giessener Ge-
sellschaft, meist gebildete Leute, die miss-
muthig über die Geschicke des Vaterlandes
das Ideal einer freiem Existenz und ein
idyllisches Leben im Urwalde suchten, wo-
hin .sie allerdings nicht immer pas.sten. Die
Brüder Heinrich und Älhcrt Kayser
(ersterer 1811, letzterer 1815 in St. Goars-
hausen am Rhein geboren) machten in
dieser Beziehung trübe Erfahrungen. Sie
kamen im Jahre 1833 nach ^Missouri und
siedelten sich in der Nähe von Angelrodts
Farm, 32 :Meilen von St. Louis, zwei :Meilen
südlich vom ^Missouri an, massten aber
nach fruchtloser harter Arbeit nach zwei
Jahren das Farmerleben aufgeben. Hein-
rich Kayser ging nach St. Louis, wo er mit
Zeichenunterricht und :\rusik.stnnden sein
Leben fristete, bis ihm seine Fälligkeiten —
er war Architekt von IlaiLs aas — eine
Stelle als erster Assistent des späteren Ge-
nerals Robert E. Lee vom Ingenieurkorps
222
DIE DEUTSCHEN IX MISSOURI.
bei den Flussregnli runden ik'S ^lississippi
verschafften. Später wnrtle er Zivilinge-
nieur der Stadt St. Lonis und bekleidete im
Lanfe der Zeit noch andere Aemter. Dabei
wai- t'r stet.s für die Entwickelnng des
Dent.schthunis in Mi.s-sonri thäti«r nnd
machte sich nm die I'tlege der Musik, die
ja ganz in deutschen Händen lag, sehr ver-
dient. Albert Kayser wurde in St. Louis
Advokat. Aehnlich wie ihnen erging es
dem mit der Giessener Gesellschaft ins
Land gekommenen David Göbel, einem ge-
Das Denkmal General Franz Sigel's in St. Louis.
lehrten Mathematiker, der sich aber trotz
seiner Mathematik nicht im Urwalde zu-
recht finden konnte. Er war im Jahre 1788
in Kol)urg geboren, wohin er als Greis zu-
rückkehrte und 1872 starb. Sein Sohn
Gert hatte mehr Glück. Das war ein
Mann der That, der die Axt zu schwin-
gen verstand imd mit der Feder um-
zugehen wusste. der in der Gesetzgebung
wacker für die Abschaffung der Skla-
verei eintrat und in seinem Buche :
„Länger als ein ^Menschenleben in IMissou-
ri" eine unvergleichliche Schilderung des
Lebens der ersten deutschen Einwanderer
und der amerikanischen Hinterwäldler gab,
einen interessanten Beitrag zur Kulturge-
schichte der westlichen Staaten und zur
politischen Geschichte des Staates ]\Iis-
souri.
Aueh in St. Charles auf der Xordseite
des Missouri, einer alten französischen An-
siedlung, hatten sich zu Anfang der
dreissiger Jahre gebildete deutsche Fami-
lien niedergela.ssen, wie die des Ilofraths
Weber, Bertram Kribben, Dr. Krug, Dr.
Behrens u. a. Einer der bedeutendsten
dieser Ansiedler war unstreitig Arnold
Krekel, der im Jahre 1815 bei DiLsseldorf
geboren, 1832 nach Amerika kam, als Far-
mer anfing und zuletzt Bundesrichter in
Mis.s()uri war. Er gründete 1850 den „St.
Charles Demokrat", den er selbst lange
Jahre redigirte und in welchem er entschie-
den für die Abschaft'ung der Sklaverei
eintrat.
AU diese Einwanderung von zum Theil
liochgebildeten Deutschen fand im An-
fange der dreissiger Jahre des vorigen Jahr-
hunderts statt und erreichte ihren Höhe-
punkt zwischen den Jahren 1882 und
1835. Mit dem Jahre 1848 nahm sie
einen neuen Aufschwung, und auch dies-
mal brachte sie einen bedeutenden Zuwaclis
an Intelligenz und Bildung, der nun aller-
dings vorzugswei.se der Stadt St. Louis
selbst zu gute kam. Dem Farmerleben
wandten sich zwar innner noch manche
Gebildete zu, aber doch ward mehr und
mehr St. Louis das Ziel der neuen Einwan-
derer. Auf das Land zogen jetzt mehr die
wirklichen Bauern, die sich seit den fünf-
ziger Jahren einfanden und sich über den
ganzen Staat verbreiteten. Die Leute
machten freilich noch nicht von sich reden,
da sie sich wenig um Politik kümmerten
und sich hauptsächlich darauf beschränk-
ten, es im neuen Lande zu einer gesicherten
Existenz für sich und ihre Nachkommen zu
bringen. Für die Entwickelung des
Deutschthums in unserem Staate sind sie-
DIE DEUTSCHEN IN MISSOURI.
223
von wenig Bedeutung. Sie hielten wohl an
der deutsehen Sprache fest, hatten auch
wenig Zeit und Gelegenheit, sieh um die Er-
lernung einer andern zu künniiern, aber,
wenn sie nicht durch die kirchlichen
Verhältnisse einen Halt bekommen hätten,
würden wohl doch die meisten in der eng-
lischen Umgebung aufgegangen sein. In
dieser Beziehung hat die deutsche Geist-
lichkeit durch Gründung von deutschen
Schulen sich ein hohes Verdienst um die
Erhaltung deutscher Sprache und deut-
schen "Wesens überhaupt erworben. Zum
Theil kamen ja schon bei den Gesellschafts-
einwanderungen, wie z. B. bei den Alt-
Lutheranern, Geistliche mit ins Land, und
von diesen Gemeinden aus wurden auch in
andern Gegenden, wo nur immer genügend
Deutsche vorhanden waren, deutsche Kir-
chengemeinden gegründet. Sodann ent-
wickelte der Katholizismus eine rührige
Thätigkeit, und deutsche Priester waren
allerorten bemüht, Kirchen und Schulen zu
gründen und zu erhalten. Diesem Um-
stände ist es zu verdanken, dass sich auf
dem Lande noch ein gut Theil der Bevölke-
rung deiTtsch erhalten hat. Leider ist aber
infolge der Entwickelung des staatlichen
Schulwesens darin in der neueren Zeit ein
Umschwung eingetreten. Durch die Grün-
dimg von staatlichen Schulen werden die
Kircheuschulen beeinträchtigt, weil die
Farmer immer mehr ihre Kinder in die
öffentlichen Schulen schicken, wo sie voll-
ständig verenglisiren und lernen, sich ihrer
deutschen Abstammung zu schämen. Es gibt
eine ganze Anzahl deutscher Farmerfami-
lien, die es zu etwas gebracht haben und gar
nicht nöthig hätten, auf die englische Be-
völkerung Rücksicht zu nehmen, in deren
Familien nur noch von der Grossmutter
deutsch gesprochen Avird. Die lieben Enkel-
chen sträuben sich mit Händen und Füssen
gegen jedes deutsche "Wort und bestreben
sieh auch in anderer Hinsicht echt ameri-
kanisch zu werden. Dahin gehört auch die
Verachtung des Landlebens und die Sehn-
sucht nach der Stadt. Um gerecht zu sein,
es gibt auch noch eine ganze Aneahl deut-
scher Farmerfamilien, die sich deutsche
Sprache und Sitte und die Liebe zur
Scholle bewahrt haben, und das sind die ge-
bildetsten unserer Landbewohner, die es
auch am weitesten gebracht haben und die
weder selbst noch ihre Kinder daran den-
ken, die Farm zu verlassen. ^Man findet in
]\[is.souri Farmhöfe, die sich den schönsten
der Welt an die Seite stellen können. Leute
aus der Stadt, die solche Farmhöfe sehen,
bekommen Lust zum Landleben, und
mancher würde sich keinen Augenblick be-
denken, hinauszuziehen, wenn er nicht an
die Arbeit in der Stadt durch seine knappe
Vermögenslage gebunden wäre. Jeder
sehnt sich eben nach dem, was ihm vom
Schicksal versagt ist.
Einen bedeutend stärkeren Halt als an
dem Farmer hat das Deutschthum an dem
Theil der Einwanderer, die sieh in den
Städten, hauptsächlich in St. LouLs selb.st,
niedergelassen haben und den Ilaupttheil
der Arbeiterschaft bilden. Hand in Hand
mit der Entwickelung der Industrie ging
auch die Einwanderung der deutschen Ar-
beiterschaft in die Städte. Ein grosser
Theil dieser Leute kam ja auch vom Lande
und war im Besitze einer verhältuissmäs-
sigen Bildung, unterschied sich also schon
dadurch bedeutend von der englischen Ar-
beiterschaft, die zum Theil aus dem Osten,
zum Theil aus den Fabrikdistrikten Eng-
lands kam. Das erklärt, weshalb die Ar-
beiterschaft von St. Louis eine verhältniss-
mässig hohe Stelle in der Geschichte des
Deutschthums unseres Staates einnimmt
und weshalb unsere Stadt in Bezug auf ihre
geistige Entwickelung zu den ersten der
Union zählt. Infolge des geistigen Ein-
flusses des hochgebildeten Theiles der
ersten Einwanderung hat das deutsche Ele-
ment hier einen gewissen vornehmen An-
strich bekommen, der durch geschäftlichen
Erfolg und dadurch herbeigeführte ge-
sichertere Lebensstellung eines grassen
^n
DIE DEUTSCHEN IN MISSOURI.
Tlu'ils der BevölkLn-uny oiiion festen Halt
gewonnen hat.
Die EntAvii'keluny des Städtewi'sens in
[Missouri entsi)raeh der Besehaft'enheit des
Landes und der Verhältnisse. Die frueht-
baren Gegenden westlieh von St. Louis am
]\Iis.souri entlang waren vorwiegend in den
Händen der sklavenhaltenden Bevölkerung,
und dcshiill) gelang es den deutschen Ein-
wamlerrrn nur vereinzelt, geschlossene An-
siedlungen zu bilden. Es gelang ihnen
allerdings, längs des ^Missouri eine Anzahl
freundlicher Landstädtchen ins Leben zu
rufen oder doch wenigstens bereits vorhan-
dene Städtchen so zu sagen in deutsche um-
zuwandeln, aber die eine Zeitlang waltende
Städtegründungsmanie brachte es meist
nicht weit über den schön gezeichneten
rian hinaus, wie z. B. die Gründung von
Dortnnnid durch Julius MaUinckrodt, der
dann seine Stadt in eine Baumschule ver-
wandelte, womit er mehr Glück hatte. Auch
andere von Deutschen gegründete Städte,
wie das obengenannte Dutzow, blieben in
den Anfangsgründen der Entwickelung
stehen und nur das von der s. g. Philadel-
phiaer Gesellschaft gegründete Hermann
nahm einen grösseren Anlauf und ent-
wickelte sich zu einer hübschen deutschen
Stadt.
Was aber den Deutschen durch selbstän-
dige Gründungen nicht gelang, das erreich-
ten sie zum Theil in den von Englisch-Ame-
rikanern gegründeten Städten, in denen
bald die Bevölkerung einen starken deut-
schen Einschlag bekam. In Jefferson City,
Boonville, Lexington Avidmeten sieh die
Deutschen meist dem Handel oder betrieben
ein Handwerk und waren selbst von der
sklavenhaltenden Bevölkerung gern gese-
hen. In St. Jo.seph und Kansas City brach-
ten es die Deutschen zu einer gewissen vor-
tretenden Geltung, die sie allerdings in
letzterer Stadt im Laufe der Zeit wieder
eingebüsst haben. Die Schuld daran trägt
freilich ein Theil der Deutschen .selbst, der
sich aus geschäftlichen oder son.sti gen Rück-
siehtcn diMii Deutscht hum entfremdete und
in der engli.schen Bevölkerung aufging,
Uebrigens ist ein grosser Theil der bedeu-
tenderen geschäftlichen Unternehnnnigeu
der Stadt von Deutschen gegründet und
noch in ihren Händen, und das deutsche
X'ereinsleben ist ein sehr gemüthliches,
wenn es auch keine besonders hervorra-
gende Rolle spielt. In andern Städten, wie
Springtield, Sedalia, Augusta, "Washington,
bilden die Deutschen einen bedeutenden
Prozentsatz der Bevölkerung, ja einige da-
von Avie Washington könnte man ebensowie
St. Charles fast deutsche Städte nennen.
Das, Avas in allen diesen Städten und
Städtehen den Ilaupthalt des Deutsch-
thums bildet, ist das deutsche Vereinswe-
sen. Man mag dagegen eiuAvenden, Avas
man Avill, die überall, avo Deutsche in grös-
serer Zahl beisammen sind, bestehenden
Turn- und Gesangvereine tragen mit das
meiste zur Pflege deutscher Sprache und
deutschen Wesens bei.
Eine schlimme Zeit hatte das Deutsch-
thum zu bestehen, als sich die Gegensätze
zAvischen Süd und Nord inuner mehr zu-
spitzten und schliesslich zum Bürgerkrieg
führten. Ein Avichtiges, ja entscheidendes
Element in diesem Kampfe zu Gunsten des
Deutschthums brachte die bereits erAvähnte
EinAvanderung der s. g. Achtundvierziger.
Sie kam gerade früh genug, um sich mit
den politischen und sozialen Verhältnissen
des Staates vertraut zu machen und das
Stimmrecht zu erwerben, so dass sie mit
vollen Kräften für die Sache der Union ein-
treten konnte. Von der PräsidentenAvahl
im Jahre 1860 an, aa'o die meisten Stimmen
für Lincoln fielen, und dem thatkräftigen
entschlossenen Auftreten der deutschen
Turner in St. Louis, Avodurch diese Stadt
der Union erhalten blieb, bis zum Ende des
Krieges haben die Achtundvierziger eine
entscheidende Rolle gespielt. Damit ver-
lassen wir aber auch das Gebiet der Spe-
zialgeschichte, und Namen wie Sigel, Schurz
u. a. gehören der Geschichte der Vereinig-
DIE DEUTSCHEN IX MISROrRI.
225
ten Staaten an, ebenso wie der Bürgerkrieg,
auf den wir deshalb hier auch nicht näher
eingehen können.
Das Feld^ auf dem die gebildete deutsche
Einwanderung ihre ganzen Kräfte entfal-
ten konnte und auch entfaltete, war eni
friedliches. Wissenschaft, Kunst und In-
dustrie boten den rührigen Geistern Gele-
genheit, den sozialen Aufbau des Staatos
zu fördern und ihm ihren Stempel aufzu-
drücken.
Vor allem war es die deutsche Presse, die:
seit den vierziger Jahren schnell zum Kno-
tenpunkt aller geistigen Bestrebungen des
Deutschthums in Älissouri wurde nnd sich
besonders in St. Louis sehr bald in selbstän-
diger "Weise entwickelte. Am 31. Oktober
1835 erschien die erste Nummer des „An-
zeiger des Westens", gegründet von Chris-
tian Bimjyage und von ihm in Verbindung
mit B. J. von Festen herausgegeben. Im
Februar des folgenden Jahres ging aber die
Redaktion bereits in die Hände von ^Yil-
helm Weber über. Er war im Jahre 1808
in Altenburg geboren, wurde als Student
politischer Umtriebe verdächtigt, entfloh
aus dem Gefängniss imd kam nach Ame-
rika. In St. Louis war er zuerst als Biblio-
thekar thätig, ehe er Redakteur wurde. Mit
ihm trat die Zeitung mitten in das soziale
und politische Leben des Staates ein, und
das war ein kampfreiches und gefährliches
Leben. Weber hatte sich durch scharfe
Kritik eines an einem Neger durch den
Feuertod vollzogenen LjTichgerichts die
]\Iissbilligung der englischen Zeitungen zu-
gezogen. Er wurde daran erinnert, dass
er nur „das Gastrecht der Grossmuth" als
Fremdgeborener geniesse. Seine Druckerei
sollte zerstört werden, aber AVeber bewaff-
nete sich und seine Arbeiter und zog
Freunde heran, und sein entschlossenes
Auftreten verleidete dem Pöbel den beab-
sichtigten Gewaltstreich. In einer Zu-
schrift an das englische Blatt, das ihn be-
sonders angegriffen hatte und in der er im
besten Englisch seinen Artikel rechtfer-
tigte, cikliirtc er: ..Wie sehr wii- tiurh d\e
Güte und Grösse des amerikanischen Vol-
kes zu sehätzen wissen, so hängen wir doeh
keineswegs von dersell)en, sondern von uns
sell)st und vrm den ^Mitteln ab. die wir uns
dui'eli unsi-e Fähigkeiten, so gering sie auch
sein mögen, zu ver.schaffeii wissen. Wir
fordern nur. was uns die (Je^ctze des Lan-
des zugestehen, und wenn wii-. um der Fi-ei-
heit wi]l(>n verbannt, a's Flüditlinge an
FRANZ HASSENDEUBEL. ArzI der Missouri-Freiwilligen.
diese gastliehen Ufer steigen, um unter frei-
sinnigen Gesetzen, unter einer vernunft-
mässigen und glücklichen Verfassung zu
leben, so kommen wir nicht als Bettler, um
persönliche Güte und Grossnnith anzu-
sprechen, sondern als ^länner, welche die
Freiheit zu würdigen wissen und stets be-
reit sind, sie im Verein mit jedem Bürger
des Landes zu vertheidigen." Weber .schied
im Jahre 1850 aus dem ,, Anzeiger des
226
DIE DEUTSCHEN IX MISSOURI.
Westens" und starb im Jahre 1852, dem
Gründun^sjcihre des gemeinen Ordens der
„Know-Xt)things", der Xativisten. ..Der
Anzeiger des Westens" Miirde unter Arthur
Olshauscn, Heinrich Bönistciu, Karl Dän-
zcr imd ('. L. Bcrnays weitergefülirt. Die
Stürme des Bürgerkrieges brachten das
Bhitt im Jahre 1863 zwar auf kurze Zeit
zum Sehweigen. Karl Dänzer brachte es
aber noch im selben Jahre wieder auf die
Beine und führte es in mustergültiger Wei-
se durch. Neben dem „Anzeiger des Wes-
tens" erschienen von 1838 an eine ganze
Anzahl deutscher Zeitungen in St. Louis
selbst wie auch in den andern Städten, wo
das deutsche Element zu einer gewissen
flacht gekommen war. Die „Tribüne" von
Friedrich Krctschmcr, der „Antipfaff"
und ..Vorwärts" von Hermann Koch, der
,3Ii.ssouri Demokrat" und die von Paul
Folie nius begründete „Waage" hielten sieh
freilieh nicht lange, ebensowenig Glück
hatten ,.Der Reformer" und die „St. Louis
Zeitung". Länger, von 1844 bis 1852,
hielt sich die ..Deutsche Tribüne". Die
ersten Blätter, die ausser dem „Anzeiger
des Westens" kräftig gegen die Sklaverei
auftraten, Avaren das in Hermann von
Eduard Mühl und Strehly im Juni 1845
zuerst herausgegebene ,,TTermanner Wo-
chenblatt" und ,,Der Lichtfreund", die
aber beide mit dem Tode des Redakteurs
eingingen, im Jahre 1854. ]\Iühl, der im
Jahre 1800 bei Zittau geboren und Theo-
logie studirt hatte, musste wegen zu frei-
sinniger Ideen, die ihn verdächtig gemacht
hatten, nach Amerika auswandern, wo er
zuerst in Cincinnati als Prediger wirkte
und dann nach Hermann übersiedelte.
Von 1850 bis 1860 traten dann in
St. Louis ins Leben: „Unsere Zeit",
die aber schon in 1851 wieder ein-
ging; das , .Katholische Sonntagsblatt".
das 1852 in den noch heute beste-
henden „Herold. des Glaubens", das Organ
der Katholiken, überging; die „Freien
Blätter", ein Organ freireligiöser An-
schauungen, von 1851 bis 1853 ; die „Tages-
chronik", die mit Ernst Kargau 1863 in
den „Anzeiger des Westens" aufging; die
,,Demokrati.sche Presse", die als ..^li.ssouri
Zeitung" in 1854 einging; das Witzblatt
,,Die Lichtputzc", horaiLsgegeben von
Hammer und Bchr, dem Börnstein ein<^
zweite ..Lichtputze" entgegensetzte; ,, Deut-
sche Blätter", die es aber nicht über die
erste Xununer hinausbrachten, welches
Schicksal die „Unterhaltungsblätter" theil-
ten. Als Tageblatt erschien neben d(Mu
„Anzeiger des Westens" von 1855 an das
„St. Louis Volksblatt", da.s in 1857 einging.
In demselben Jahre 1857 erschien, von Karl
Dänzer und Friedrich Wenzel herausgege-
ben und redigirt, die ,, Westliehe Post", die
thatkräftig für die Grundsätze der damals
eben erst ins Leben tretenden republikani-
schen Partei eintrat. Nach Wenzels Tode
und Dänzers Rücktritt übernahmen in 1860
Theodor Olshausen und Lischer das Blatt.
1865 trat Emil Preetorius an Olshausens
Stelle in die Redaktion ein, die er von 1867
in Gemeinschaft mit dem von Detroit,
]\Iicli., nach St. Louis übergesiedelten Kurl
Scliurz führte. Letzterer trat später aus
der Redaktion aus und widmete sich ganz
der Politik. In der Zeit der siebziger und
achtziger Jahre wuchs die ..Westliche Post"
allmählich den andern Blättern über den
Kopf, und im Jahre 1898 gelang es Dr.
Emil Preetorius, den „Anzeiger des Wes-
tens", der vorher schon die „Tribüne" und
das „Tageblatt" aufgesogen hatte, mit der
„Westlichen Post" zu vereinigen, die nun
mit den „^lississippi-Blättern", (Sonntags-
ausgabe) die grösste deutsche Zeitung des
Westens ist. Von den anderen Zeitungen
hat sich nur die im Jahre 1872 gegründete
„Amerika", eine katholische Tageszeitung,
gehalten. Der 1852 gegründete , .Herold des
Glaubens", das offizielle Organ der Katho-
liken, i.st ein Wochenblatt; die „St. Louis
Abendschule" erscheint alle 14 Tage. Von
den Versuchen, die an andern Plätzen des
Staates mit der Herausgabe deutscher Zei-
DIE DEUTSCHEN IN MISSOURI,
227
tungen gemacht wurden, sind ausser den
bereits erwähnten 1845 in Hermann veröf-
fentlichten „Ilermanner AVoehenblatt" und
,. Lichtfreund" noch der im Jahre 1853 in
Jefferson City herausgegebene „Jefferson
City Demokrat", der „Götter Freund und
Pfaffen Feind" von Bäsei in Hermann, der
von Arnold Krekel in St. Charles gegrün-
dete „St. Charles Demokrat" und der
,, Franklin Courier" von Heine in Franklin
herausgegeben zu nennen. Ferner „Der
Wächter am ]\Iis.souri" in Boonville, die
„AVestliche Presse" in Cape Girardeau,
„Ilermanner Volksblatt und Gasconade
Zeitung" in Hermann, die „Kansas City
Presse" in Kansas City, ein Tageblatt, das
„St. Joseph Volksblatt" in St. Joseph, das
„Sedalia Journal" in Sedalia und eine An-
zahl kleinerer Wochenblatter. Besonderer
Erwähnung verdient, dass der „Puck", das
einst weltberühmte deutsch-amerikanische
Witzblatt, das später in New York seinem
Jüngern englischen Bruder zum Opfer fiel,
im Februar 1871 hier in St. Louis das Licht
der Welt erblickte.
Auch auf dem Gebiete des Schulwesens
gingen die Deutschen früh selbständig vor.
und alle bedeutenden kirchlichen Gemein-
den der verschiedenen Bekenntnisse grün-
deten ihre eigenen deutschen Schulen,
Ausserdem bestand früher eine freie deut-
sche Schule, die „Tönsfeld 'sehe", die aber
eingegangen ist. Ferner besteht an der
Washington Universität ein Lehrstuhl für
deutsche Sprache und Literatur, gestiftet
von ÄdolpJius Busch.
In Bezug auf gemeinnützige Stiftungen
sind die Deutschen allewege mit in den vor-
dersten Reihen gewesen und haben sich an
allen dergleichen An.stalten in hervorra-
gender Wei.se betheiligt. Als rein deutsche
Stiftungen sind zu nennen : Das „St. Louis
Altenheim", malerisch auf einem Felsen-
hügel am ^Mississippi .südlich von der Stadt
gelegen; das „Samariter Altenheim" und
vier deutsehe Waisenhäuser. Und im St.
Louis Park erhebt sich, von dem deutschen
Brauereibesitzer Karl G. Stifel geschenkt,
das Standbild unserers Nationaldicht^is
Schiller, unstreitig eine der schönsten Zier-
den der Stadt.
Zu diesen Zierden gehören zum Theil
auch die von deutschen Kirchengemeinden
erbauten Kirchen, das lutherische Coneoi--
dia-Seminar, sowie all die grossartigen (Je-
l)äude, die der deutsehen Wirksamkeit auf
industriellem Gebiete zu verdanken sind,
u. a. die verschiedenen Brauereien, unter
denen die von Anheuser-Busch, die grös.ste
Brauerei der Welt. Ferner die Halle des
Liederkranz-Clubs und die Hallen der
grösseren Turnvereine. Ihnen wird sich
hoffentlich bald auch ein neues deutsches
Theatergebäude würdig anreihen, worin das
deutsche Schauspiel und die deutsche Oper
eine bleibende Stätte finden sollen. Eine
deutsche Konzerthalle wird wohl ein Traum
bleiben, weniger durch die Schuld der deut-
schen Bürger, als infolge der internationa-
len Wirksamkeit der ]\lusik, die alle Bevöl-
kerungskreise durchdrungen hat und des-
halb von den Deutschen nicht abgesondert
gepflegt werden kann.
Während die deutsche Presse und das
deutsche Theater in ihren kulturellen Wir-
kungen auf das deutsche Element be-
schränkt blieben und auch beschränkt blei-
ben müssen, der Natur der Sache nach, sind
auf dem Gebiete der IMusik hier wie überall
in der AVeit die Deutschen nicht nur Bahn-
brecher gewesen, sondern haben auch bis
jetzt eine fast unbeschränkte Herrschaft
ausgeübt. I\Iit der ]\Iusik war es bei den
englisch-amerikanischen Ansiedlern, gelinde
gesagt, sehr dürftig bestellt; der Engländer
ist von Haus aus ein ganz unmusikali-
scher Gesell, und besonders die alten Puri-
taner waren nichts weniger als musik-
freundlich. Hier in Ari.s.souri und besonders
in St. Louis und den Orten, wo Franzosen
sich angesiedelt hatten, stand es wohl etwas
besser, aber, weini auch in den französischen
Familien die ]\Iusik eine gewi.sse Rolle als
Unterhaltungsmittel spielte, das musikali-
228
DIE DEUTSCHEN IX MISSOURI.
scIk' Lelx-n fing doch iMgcntlieh erst mit dem
EintrettVn der Deiitseheii an. AVenn man
sagt, wo vier Deutsche zusammen kommen,
gründen sie einen (Jesangverein, so schicsst
man damit nielit allzuweit vom Ziele. So-
wohl in Kirchen wie in weltlieluMi Vereinen
wurde hii'r frühzeitig .Musik und (Jesang
geptiegt, im Jahn- lJ>;JS der erste Singver-
ein und im folgerden Jalire von Kari Bal-
vur das ei-ste Orchester gegründet, das zum
Theil aus Berufsnnisikern. ziun Theil aus
Dilettarten bestand. Kurz darauf gründete
MAJOR LEO RASSIELR. St. Louis. Mo.
Heinrich Weber, der von seiner Farm bei
St. Charles nach St. Louis übergesiedelt
war, eine Gesangsehule. Das erste grössere
Streichorchester wurde unter dem Namen
„Polyhymnia" von deutschen Bürgern ins
Leben gerufen. Von da ab spielt die Musik
im gesellschaftlichen Leben von St. Louis
eine erste Rolle, hörte aber auch damit auf,
ein Sonderbesitz der Deutschen zu sein.
Allerdings, die ausübenden Kün.stler wie
Musiklehrer sind mit nur sehr wenigen
Aiusnahmen Deutsche, auch sind die meisten
bedeutenderen ]\Iu.sikgeschäfte von Deut-
schen gegründet und geführt, allein die von
den besser gestellten englisch-amerikani-
schen Bürgern gegründeten musikalischen
und Gesangvereine haben mit dem Deutsch-
thum nicht das gering.ste zu thun, und die
deutsche Sprache ist in diesen, zum Theil
sehr vornelunen Vereinen, ein unbekanntes
Ding. Auch in den nuisikalischen Unter-
riehtsanstalten der Stadt, die ebenfalls von
Deutsehen ins Leben gerufen sind und noch
unter deutscher Leitung stehen, zählen
als ihr Lehrerpersonal fa.st ausschliesslich
deutsche ^lusiker, aber der Unterricht wird,
um den vielen englisch redenden Schü-
lern zu gefallen, meist in englischer Sprache
ertheilt. Die deutsche Sprache bleibt auf
die deutschen Gesangvereine beschränkt,
welche sich der Pflege des deutschen
Liedes widmen. Deren giebt es allerdings
eine ziemliche Zahl, von denen einige im
deutschen gesellschaftlichen Leben eine
Rolle spielen. Im allgemeinen wiederholt
sieh in St. Louis dasselbe, was uns im gan-
zen Lande begegnet : die Deutschen haben
das miLsikalische Leben begründet und spie-
len auch selbst als ausübende Künstler die
erste, fa.st einzige Rolle, in seinen Wirkun-
gen aber ist die ^IiLsik nicht auf das
Deutsehthum beschränkt geblieben, sondern
hat sich auf das ganze Volk erstreckt. Da
haben also die Deutschen einen vollständi-
gen Kultursieg errungen.
Die eigentliche Stütze und Pflege findet
die deutsche Sprache ausser in der deut-
sehen Presse vonviegend in den deutschen
Gesangvereinen und dem deutschen Thea-
ter. In den Gesangvereinen wird auch hier
wie im ganzen Lande nur deutsch gesungen
und auch deutsch gesprochen, ebenso ist die
offizielle Sprache in den Turnvereinen die
deutsche, allein hier wendet sich die Jugend
mehr und mehr der englischen Sprache zu,
und nur durch die altern IMitglieder hat
deutsche Sprache und Literatur einen Halt.
Es ist das Verhängniss des Deutschthums
DIE DEUTSCHEN IN MISSOURI.
229
unsen's franzen Tjaiules, dass ps nicht im
Stande ist, sich die Jugend zu erhalten,
wenigstens nieht im grossen Ganzen, wenn
aueli im Einzelnen die Erziehung in vielen
deutschen Familien durch PHege deutscher
Sprache und Literatur sieh auszeichnet
luid so eine kräftige Stütze des Deutsch-
thiims bildet.
Das deutsche Theater ist hier -wie überall
das Schmerzenskind derer, denen es um das
Gedeihen deutschen Wesens zu thun ist.
Dass es gelungen ist, dem deutschen Thea-
ter hier eine Stätte zu bereiten und allzeit
zn erhalten, das haben wir eben der zahl-
reichen gebildeten deutschen Einwande-
rung zu danken, die dem Deutschthum ja
auch in der Familie eine sichere Stätte be-
reitet hat. Eine Geschichte des deutschen
Theaters können wir hier ebensoAvenig brin-
gen wie eine Geschichte der deutschen Ge-
sang- lind Turnvereine, nur soviel sei noch
bemerkt, dass der Bau eines neuen deut-
schen Theaters im Wei'ke ist, um St. Louis
wieder einen ^Mittelpunkt für seine geisti-
gen Bestrebungen zu schaffen. Wieder,
denn schon mehrfach hat die deutsche
Kiuist hier ein eigenes Heim gehabt, wie
in dem Kapitel ül)er ..Das deuts'-lie Th(?ater
in Amerika" dirgethan wird. Die Vorbe-
reitungen für den Bau eiiu's eigenen Hau-
ses sind getroffen, und d.i wii'd dann hof-
fentlieii audi die deutsehe Oper wieder
neben dem Schauspiel eine bleibende Stätte
finden.
Es war ein weiter Weg von der ersten
Blockhütte in den Trwäldei-n am Mis.souri
bis zu den .stolzen Farmhöfen, den behagli-
ehen Wohnhäusern, den Bildungs- und
Wohlthätigkeitsanstalten und den glänzen-
den Fabriken der .stolzen Metropole des
Westens. Leicht fürwahr ist dieser Weg
den deutschen Ansiedlern und ihren Kin-
dern und Xachkonunen nieht geworden; sie
haben arbeiten und i'ingen und dulden und
bluten müssen, aber sie haben sich durch-
gerungen und etwas ganz Erkleckliches vor
sich gebracht. Das macht, weil sie den
deutschen Idealismus, den sie aus der alten
Heimath mit herübergebracht, sieh bewahrt
haben, den lieben Idealismus, der das Leben
verschönt und es erst zum Leben macht.
i
i
I
Iratrrbungnt in ^tntathm in Amerika.
Slul^alt.
9ir örutsrl)c iKirrl)? m\h (6rmrtuöpörl|ulp,
Pastor Q»rarg van ÜJiisar.
irutßrhr IK'atbnltkrn in Antprika.
fr. ilflBpf «mit.
Sic öputsrlipu Juöptt tu Amerika.
Ifeixx (Srramt.
Hhtpt Ilahrhunöprl öntlflrl|pu Ilntprnrl|ta in öptt
Brrrtutijtpn i>taatpn,
?j. Biprrrk.
Ifittsrl^r ICrlirrr imö üanmrr öpr 3iisBPusrI|aft,
m. fiptnriri.
iBrutsrhrr tiuflusa auf h\t iEulluirkliuig örr
IRpötiiu uuh (EbtrurgtP.
Prof. Jnhti C l^rmmrtrr.
Die deutsche Kirche und Gemeindeschule.
GEORG von BOSSE, Pastor der St. Paulus Kirche in Philadelphia.
]\Iit deu Bedürfnissen unserer Zeit
sind auch die Anforderungen, Avelehe an
den Mensehen gestellt werden, gestiegen.
Ueberall sind die höchsten Kräfte anzu-
spannen, inn nicht in dem allgemeinen
"Wettlauf nueh hochgesteckten Zielen zu-
rückzubleiben. Vereinigung. Zusammen-
schluss von Kräften, die entweder ihrer
inneren Xatur nach zusammengehören
oder doch V(enigstens das.selbe Ziel verfol-
gen, ist auf allen CTcbieten, dem kirchlichen,
sozialen, politischen u. s. w. heute die Lo-
sung. Unsere Tage haben den Zweibund,
den Dreibund, den Pangermauisnms, Pan-
slavisnnis, Panamerikanismus, die Arbei-
ter-Unionen, Trusts u. s. w. gezeitigt, sie
haben uns auch den eleuisch-eimenkeinischen
Xationalbund gebracht, den Zusammeu-
schlu-ss allei- Deutsch-Amerikaner in den
Vereinigten Staaten, eine der stärksten
Vereinigungen, die je unter Deutschen be-
standen hat. Die Zeiten sind vorbei, hof-
fentlich für immer, da ein einzelner Verein
meinte, grosse Aufgaben lösen zu können
und da man um recht minderwertiger Prin-
zipienfragen willen sich zersplitterte oder
gar gegenseitig befämpfte und seine schöne
Kraft unnütz vergeudete. Nicht Sonderin-
tere.ssen gilt es mehr in er.ster Linie zu ver-
folgen, sondern ein gro.sses allen Deutsch-
Amerikanern gemeinsam am Herzen liegen-
des Ziel, und das ist die Erhaltung und
Pflege des Deutschtums, deutscher Spra-
che, deutschen Geistes und deutscher Kul-
tur. Dass deutsche Kirche und Gemeinde-
schule das gleiche Ziel verfolgen, ja sogar
gras.ses geleistet und erreicht haben in der
Beziehung, wer wollte es in Abrede stellen ?
Zwei grosse Weltanschauungen, zwei
Lebensanschauungen stossen heute in allen
Erdteilen auf einander und ringen inii die
Vorherrschaft auf der Erde, es sind die
germanische und die englische, gew-Ähnlich
anglo-sächsische genannt.
Der Kampf ist auch in den Vereinig-
ten Staaten entbrannt und wie in Ru.s.sland,
in Ungarn, in Brasilien, so stehen auch in
den Vereinigten Staaten deutsche Kirche
und Gemeinde-schule in den vorder.sten
Reihen und kämpfen insbesondere um deut-
sches Christentum und deutsche Frömmig-
keit und damit um deutsche Sprache und
deutschen Gei.st.
Obschon "Weltreligion, d. h. nicht ge-
bunden an ein bestimmtes Volk, Land oder
eine bestimmte Sprache, sondern eine Reli-
gion für alle ]Menschen, hat das Christen-
tum doch luiter "Wahrung der Grundwahr-
heiten ein wunderbares Anpassungsvermö-
gen. Es pa.sst sich dem Charakter eines
jeden Volkes an und zeigt sich in seinen
äusseren Formen und der äusseren Betäti-
gung von Seiten seiner Anhänger, in der
Frömmigkeit, in mannigfaltigster "Weise.
i\Ian kann daher wohl reden von engli-
schem Christentum und engli.scher Fröm-
migkeit. Wie der Engländer au.sserordent-
lich selb.stbewus.st, ja anmassend als Mensch
auftritt, so auch als Christ. In seinen
Augen gilt nur das als wahres, echtes Chri-
.stentum, was englisches Gepräge trägt.
Daraus erklärt es sich, dass die engli-
sche Heilsarmee glaul)te, auch in Deutsch-
land ihren Einzug halten zu müssen, dass
englisch-amerikanische Kirchenkörper Tau-
.sende von Dollars bewilligten zur ,. Bekeh-
rung" der Deutschen in Deutschland
selbst, dass ein Dr. Pierson von Philadel-
phia in dem Blatte „]\Iissionary Review of
the World" schreibt : „Man lasse diese Aus-
234
DTE DErTSClIK KIlMrH l'NO C KM KFX DKscnrEE.
länder (wdiuiitfi- natürlich auch die Deut-
schen) die Anierikanischo (so viel wie Ku;^-
lisehi?) Relifjion annehmen, ehe man ihnen
die Rechte des amerikanischen Hürj;ertums
einräumt", daher das stete Drängen nach
Veranjjlisirun^ der deutschen Cicmeiiulen
in den Vereniiy:ten Staaten, denn es ist eine
Tatsache, da.ss mit Einführuiii:' der euiili-
schen Sjirache meist auch englischer Geist
und eny:lisches Christentum einziehen.
Dieses euglische Christentum al)er,
welche Züge weist es auf im Unterschiede
vom deutschen? Es würde zu weit führen,
allen Einzelheiten nachzuspüren und nach-
zuweisen, wie das englische mehr in die
Weite, das deutsche mehr in die Tiefe geht,
jenes mehr nach aussen hervortritt und die-
ses sich mehr in die Stille zurückzieht, wie
die englische Reformation asketische Stren-
ge, düsterer Ernst und Unfreiheit des
Denkens, für die es eigentlich keine Wis-
senschaft gibt, kennzeichnen, während in
der deutschen Reformation bei tiefster
Frömmigkeit menschliche Freude und
menschlicher Genuss, der in Wissenschaft,
Poesie und ^NFusik herrliche Güter den
^Menschen vei-ehrte, gewaltet, wie dem Eng-
länder das Chri-stentum sich vornehmlich
als eine soziale ^Macht darstellt, während es
dem Deutschen, ihm, dem Gemütsmenschen,
in erster Linie eine Herzenssache ist.
Nur auf zwei l)esonders hervortretende
Züge möchten wir kurz hinweisen, die vor
allem den Unterschied des englischen nnd
des deutschen Christentums zeigen, das ist
Sahhat ismus und Tcmpercnz. In diesen
beiden Punkten steht das englische Chris-
tentum auf dem Boden des alten Testamen-
tes mit seinem Gesetz, das deutsche Chri-
stentum auf dem Boden des neuen Testa-
mentes mit seiner Freiheit.
Ueber den englischen Sabbat ist schon
viel geredet und geschrieben worden, dafür
und dawider.
Eines steht fest, einen Tag der xVus-
spannung, der Ruhe nnd f]rholung bedarf
nach einer gewissen Anzahl von Arbeitsta-
gen jeder .Alensch und jedes Volk. Die
Vereinigten Staaten haben deshalb auch
einen solchen Tag festgesetzt, es hätte
irgend ein Tag sein können, da aber allge-
mein der Soinitag als ein .solcher bereits
galt, so li;it man ihn gleichfalls erkoren.
In unserem Lande, wo Staat und Kirche
getreinit sind, sollte der Staat auch nur
das eine Interesse im Auge haben, ilem
Volke einen Tag der Ruhe und Erholung
zu bieten, und sollte zufrieden sein, wenn
er dieses erreicht. Es ist aber ein Unrecht,
wenn der Staat einem Teil der Kirche zu
Liebe solche Gesetze erlässt, durch die jeg-
liche pcj'sönliche Freiheit vernichtet wird,
indem selbst die einem Chri.sten am Sonn-
tag erlaubten Genüsse und Erholungen
verboten werden, und es ist ein L'nrecht
von Seiten dieses einen Teiles der Kirche,
wenn er. nm seinen religiösen Ansichten
vom Sabbat Geltung zu verschaffen, die
Gewalt des Staates anruft.
Nach Ansicht der deutschen Kirche, und
sie steht dabei voll und ganz auf neute-
stamentlichem Grund und Boden, bezeich-
net nicht et\\a die vollkommene Ruhe die
rechte Feier des Sonntags, sondern das sei-
nem Gott dienen. Bei diesem Gottesdienst
ist aber jeglicher Zwang auszuschliessen,
denn bei einem Zwang würde von Anfang
an das fehlen, was allein zum Gottesdienst
treiben soll und den Gottesdienst erst zu
einem rechten macht — die Liebe.
Die falsche Auffassung vom Sonntag ist
die Quelle all der I^ngereimtheiten, wie
sie sich so vielfach bei englischen Kirchen-
leuten finden. Tausende von fronnnen
Amerikanern tun nichts am Sonntag und
halten es für eine gro.s.se Sünde, einen Brief
zu sehreiben oder einen Spaziergang zu ma-
chen, aber das ist w'ieder keine Sünde, wenn
reiche Pastoren im Sommer die Kirchen ein-
fach zuschlie.ssen luid auf Wochen ins Land
gehen, und auch das ist keine Sünde, wenn
dieselben Leute oft dem Zeitungsmann ihre
Predigten am Sonntag geben und der Setzer
am Sonntagnachmittag und -abend arbeiten
I
DIE DKrTSClIR KTRCIII-: UND (JKMEIXDESCHULE.
235
muss, um den Lesern iiiit/utheilen, was sie
am Sonntag Lrepredigt haben.
Als aber deutsche Gemeinden in l'hihi-
Idelphia an einem Sonntage in einem sehö-
Inen Park ein ]\Iis.sionsfest abliielten und
maelilier sieh an einem einfachen Essen und
[einer Tasse Kaffee auch leiblich erquickten,
da erschien in einem englischen Blatt ein
gewaltiger Protest gegen solche Sabhat-
scJiHiidioif/.'
Aehnlich, wie mit dem Sabbatismus ver-
hält es sich mit dem Temperenztum.
Eins steht auch da wieder fest, rechte
Massigkeit sollte in allen Dingen geübt wer-
den, das ist eine Forderung, welche die
Sittlichkeit und Wohlanständigkeit an
jeden ^Menschen stellt. Völlige Enthaltsam-
keit von diesem oder jenem Genussmittel ist
dem anzuraten, dem es an Leib oder Seele
zum Schaden gereichen würde. Verkehrt
ist es aber wieder, Avenn man deswegen, weil
eine Anzahl von Leuten nicht ]Mass und Ziel
halten können, nun ein Verbot von Genuss-
mitteln für alle, auch für die, welche ihre
Selbstbeherrschung nicht verlieren, ergehen
lässt, denn der Mis-sbrauch hebt den rechten
Gebrauch nicht auf: unkonsequent ist es,
wenn man sich dann auf ein bestimmtes Ge-
nussmittel, wie z. B. das alkoholische Ge-
tränk versteift und nur dieses verbietet und
andere, die vielleicht ebenso missbraucht
werden, den ^Menschen zum Gebrauch lässt;
grundverkehrt ist es ferner, wenn die engli-
sche Kirche die völlige Enthaltsamkeit von
alkoholischen Getränken als ein Ilauptkenn-
zeiehen des Christentums ansieht und, um
die ^Menschen zur völligen Enthaltsamkeit
zu zwingen, den weltlichen Arm des Staates
zur Hülfe anruft. Die deutsehe Kirche —
und sie steht auch da wieder auf biblischem
Boden — verwirft irgend ein weltliches Ge-
setz, das alle zur völligen Entlialtsamkeit
zwingt oder vielmehr zwingen will, und
wenn sie die Forderung der Massigkeit und
zwar in allen Dingen stellt, so sieht sie in
dem massigen Genuss selbst alkoholischer
Getränke keine Sünde und keinen Mangel
eines wahren ehri.stlichen Lebens. Das Mit-
tel aber zur Erreichung rechter ^Milssigkeit
und zwar in allen Dingen, liegt für sie in
der Erzichuiifj. Sie will fnir Menschen
heranziehen, die Herr über sich selbst blei-
ben und die nicht nöthig haben, sich Fe.s.seln
zur Zügelung der Begierden anzulegen oder
vielmehr anlegen zu lassen. Die deutsche
Kirche ist auch eine Feindin der Erschei-
nungen, die einseitigem erzwungenem Sab-
batismus und Temperenztum notwendiger
Weise folgen, namentlich der Heuchelei.
Es ist dem deutschen Charakter nichts wi-
derwärtiger und verächtlicher, als gerade
diese I'ntugend, und auch darin steht der
Deutsche dem Stifter der christlichen Reli-
gion besonders nahe, der ja gleichfalls
nichts mehr gegeisselt hat. als gerade die
Heuchelei.
Xach alledem ist es erklärlich, wenn
deutsche Pastoren schon um des willen
kämpfen für Erhaltung der deutsehen
Kirche, weil mit Darangalie der deutschen
Sprache und des deutschen Gottesdien.stes
eben ein anderer Geist in die Gemeinde ein-
zieht.
Das hat auch jener einfache Dorfpfarrer
in Xeuendettelsau (Bayern) Wilhelm Lohe
erkannt, der seinen ausgewanderten Pfarr-
kindern und Glaubensgenossen die herrli-
chen AVorte nachrief: ..Ihr seid Deutsche.
p]ine schöne Sprache habt Ihr über den
Ozean gerettet. Im Gewirr der Sprachen,
die man jen.seits spricht, ist keine schöner.
Behaltet, was Ihr habt ! Ihr habt durch
Gottes Gnade das gute Teil . . . Eure
Sprache ist neben Eurer Kirche Euer gröss-
tes Kleinod, das Ihr in die "Wüstenei Eurer
Wälder mit herübergenommen habt. Ueber-
legt wohl, was Ihr verliert, wenn Ihr diese
edle Gabe Eures Gottes undankbar dahin
werfet! Wir wollen es p]uch mit grossen
Buchstaben vor Augen malen. ]\Iit Eurer
Sprache verliert Ihr Eure Gescliiehte. Eure
Lieder, die bis in den Hinnnel wiederklin-
gen. Eure Katechismen, die ihresgleichen
nicht haben, Eure Po.stillen, die so herzlich
230
DIE DEUTSCHE KIRCHE UND GEMEINDESCHULE.
siml. Faivc Krhiiuiiiiirshüchcr, dir so kind-
lich beti-n, Euro ^'aiize heiniatliclu' Litera-
tur, die ireistliehe und jede andere, endlieh
Eurer Väter Sinn und Ait. ja auch die Ach-
tung diesseits \\\u\ jenseits hei den Zeitge-
nossen ; denn der ist wahrlieh keiner Aeh-
tung Mcvt, der seine Erstgeburt für ein
Linsengerieht dahingibt. — Dannn behaltet,
was Ihr habt! Behaltet es für Euch und
Eure Kinder! In Euren Häusern, in
Euren Dörfern, in Euren Städten, in Euren
Sehulen. in Euren Kirchen, in Euren Syno-
den lel)e und herrsche die deutsche Sprache
Eurer deutsehen Kirche, das beste Wort des
besten Sinns, der schönste Laut zum edel-
sten Gedanken. Ferne aber bleibe von Euch
die Strafe, die sich an Verachtung Eurer
Muttersprache knüpft. Denn wahrlich, ein
Deutscher, der nicht deutsch ist, ist ein ge-
strafter ]Mann auf Erden, weil ihm alle Pri-
vilegien, die ihm Gott vor den Nationen aus
Gnaden gab, entwendet und — mit nichts
erstattet werden können."
An Kaiiii)f um deutsche Sprache und
deutschen Geist hat es in vielen deutschen
Gemeinden und manchen deutschen Syno-
den nicht gefehlt. Es scheint nun einmal
die Bestinnnung des Deutschen zu sein, dass
er allüberall um seine Selbständigkeit, seine
Eigenart und Sprache kämpfen mu.ss, und
am heftigsten oft gegen die Abgefallenen
seines eigenen Stammes.
Die leidige Sprachenfrage hat schon
manche (icmeinde in ihren fJrundtesten er-
schüttert. Bereits in den ersten deutsch-
lutherischen Gemeinden Philadelphias kam
sie auf, und schon damals wurden die
Gründe geltend gemacht, die noch heute
vorgebracht werden : Wir leben in Amerika,
einem Englisch sprechenden Lande, und da-
her ist es nöthig, dass auch die Gottes-
dienste in englischer Sprache abgehalten
werden ; den alten Deutschen, die kein Eng-
lisch kennen, mag noch deutscher Gottes-
dienst zugestanden werden, aber für die
Jugend ist englischer unbedingt nötig, sonst
geht sie der Gemeinde und der Kirche, zu
der sie von i-eehtswegen gehören sollte, ver-
loren.
Die Sprachenfrage schuf dann auch eine
aiulere Frage, nändieh die, ob eingewan-
derten oder eingeborenen Predigern der
Vorzug zu geben sei bei der Berufung au
deutsche Gemeinden, da die Erfahrung
lehrt, da.ss die eingewanderten meist fester
am Deutschtum halten, als die eingebore-
nen. .Muss man in Zeiten, da das eigene
Land den Bedarf an Predigern nicht
decken kann, auch notgedrungen .seine Zu-
flucht zu eingewanderten nehmen, so ist
der Grundsatz des engli.sch gesinnten Teiles
der Kirche doch stets : ,,we nnist have a
nativc ministry".
Um einer deutschen Gemeinde das Da-
sein noch saurer zu machen, fängt man häu-
fig mitten im Bereich einer deutschen
Kirche eine englische ^Mission an und sucht
vor allem die Kinder an sich zu locken.
Leicht wird es den deutschen Pastoren
und Gemeinden mit der Erhaltung des
Deutschthujiis nicht immer gemacht, und
mancher deutsche Pastor und manche deut-
sche Gemeinde haben schliesslich den
Kampf aufgegeben und sind ins engli.sche
Fahrwasser liinübcrgesegelt.
Aber tausende haben doch festgestan-
den und haben durch alle Stürme hindurch
ihr Deutschthum gerettet. ^Manche haben
auch in den Kämpfen gelernt, wie
man für die Zukunft neuen Anstürmen ge-
gen das Deutschthum zu begegnen hat.
So ging's z. B. in Reading. Pa. Dort
wurde vor etwa hundert Jahren eine rein
deutsche Gemeinde gegründet, aber bald
nach der Gründung wurden Stimmen laut,
die das baldige Aussterben des Deutschen
prophezeiteji und rieten, bei Zeiten für das
Englische zu sorgen. So wurde denn dem
deutsehen Pfarrer ein englischer Ililfspre-
diger zugesellt. Als der deutsche Pfarrer
starb, wurde der engli.sche TTilfsgei.stliehe
Ilauptpastor und ihm ein deut.scher Ililfs-
geistlicher beigegeben. Auf die Dauer liess
sich das Verhältniss nicht halten, man
DIE DEUTSCHK KIRCHE UND GEMEINDEsrilULE.
237
sagte, ein Pastor ist genug, uiul da ja doch
alle englisch verstehen, so geben wir dem
deutschen llilfsgeistlichen den Laufpass
und machen die Gemeinde ganz englisch.
Nun wachten aber die guten Deutschen
auf. sie fühlten sich in ihrer Kirche nicht
mehr daheim und merkten, dass ein ganz
anderer Geist jetzt dort regierte. Sie pro-
testirten. doch das half nichts. Bisher hatte
man den noch Deutsch-Gesiiniten geschmei-
chelt und ihnen alle möglichen Verspre-
chungen gemacht, nun man aber das Heft
in der Iland hatte, wies man ihnen lachend
die Türe. So nnissten sie denn abziehen,
ohne dass ihnen ein Cent für die Kirche,
die sie gebaut hatten, ausbezahlt wurde. Sie
gründeten eine neue Gemeinde unter dem
deutschen Pfarrer, dem man den Stuhl vor
die Türe gestellt hatte. Durch Erfahrung
klug gemacht, trugen sie nun aber Sorge,
da.ss die deutsche Sprache und der deutsche
Geist erhalten blieben. Sie gründeten eine
Gemeindeschule und nahmen in ihre Ge-
meindeverfassung die Bestimmung auf.
dass in den Gottesdiensten und der Sonn-
tagsschule nur die deutsehe Sprache in
Gebrauch sein dürfe. Die Gemeinde wuclis
luiter der treuen Arbeit des Pastors, der
noch heute seines Amtes in ihr waltet, und
steht heute da als eine der grössten, rein
deutschen, besitzt eine prachtvolle Kirche,
ein grosses Schulhaus, einen eigenen Gottes-
acker mit Kapelle und ist eine Pflegestätte
deutscher Sprache und deutschen Geistes.
Will man das Deutschtum in einer Ge-
meinde auf die Dauer erhalten, so muss
notwendiger Weise in der Beziehung für
den Xachivuchs gesorgt werden, sonst ist
alle Liebesmühe vergebens. Darum ist aber
auch die deutsche Kirche hierzulande eine
der Ilauptstätten zur Pflege und Erhaltung
des Deutschtums geworden, weil sie durch
ihre Schulen und Bildungsanstalten gerade
die Kinder und die Jugend in deutscher
Sprache und deutschem Geiste erzieht.
Anfangs gab es in Amerika nur solche
Schulen, die unter kirchlicher Aufsicht
standen. Die Puritaner sollen die erste
Schule gegründet haben, nach anderer An-
gabe gebührt den holländi.sch-reformierten
Ansiedlern dies Verdienst. Als die Luthe-
raner einwanderten, war ihre erste Sorge,
für sich und ihre Kinder Kirche und
Schule zu errichten. So hatte die schwe-
disch-lutherische Gemeinde zu Chri.stina im
Jahre 1699 eine Gemeindeschule mit einem
eigenen Tjchrer.
Ileinrii'h ^Ick-hior .Mühlcnberg. der Pa-
triarch der lutherischen Kirche in Amerika,
und seine ^Mitarbeiter schenkten der Ge-
meindeschulsache gleichfalls be-sondere
Aufmerksamkeit, und auf der ersten S.vno-
dalversannnlung, die 1748 in der deutschen
ev.-luth. ]\richaelis-Kirche zu Philadelphia
stattfand, wurde jede Gemeinde gefragt,
wie es mit den Schulen stehe. Im Jahre
180-1 berichteten 26 Gemeinden über 89
Schulen, 1813 waren es 161 Schulen in 52
Gemeinden und 1820 wurde aus 84 Gemein-
den über 206Parochialschulen berichtet. Die
deutsche Zions-Kirche in Philadelphia allein
unterhielt 4 Schulen. Diese deutsch-luthe-
rischen Gemeindeschulen in Pennsylvanien,
Nord-Carolina. Virginia und andern Kolo-
nien haben in jener Zeit wesentlich zur
Volksbildung beigetragen und christliehen
Sinn und deutche Sprache erhalten und ge-
fördert.
Der deutsche Schulmeister hat sich eben
damals schon bewährt. Vor allem waren
es in der Kolonialzeit vier Schulmeister,
deren Namen der Vergessenheit entrissen
werden sollten und daher an dieser Stelle
Erwähnung finden mögen. Der eine war
Johann Ulmer, der Schulmeister von Wald-
boro (jetzt zum Staate Maine gehörig),
einer deutschen Niederlassmig, als deren
leitender Geist er sich jahrelang erwies.
Der andere, Johann Thomas Schley aus
der Pfalz, baute das erste Haus der nach-
maligen Stadt Frederick in Maryland
und war ein halbes Jahrhundert lang die
Stütze der deutschen Schule, Gemeinde und
Kirche. Als Schlatter, der Pionier- Apastel
238
DIE DEUTSCHE KIRCHE UND GEMEIXDESCHULE.
der re formiert eil Kirclie in Amerika, ilin '
auf seinen Keiseii diirehs Land kennen ye-
leriit hatte, schrieb er über ihn : ,,Es ge-
reicht dieser Gemeinde zum srrossen Vorteil^
dasssie den besten Schulmeister hat, den ic],
in Amerika kennen Gelernt habe.'' Der hi
lühmtcste Xachkommc (hs Pfälzcr Schul
mcistcrs i'on Frederick ist A(Jmiral ^V^^i-
ficlcl Scott Schhy, dn- Sia/rr von Sa)ifiar/\>.
Der dritte war Ludwig Höcker, ein
vertrauter Freund Christoph Sauer 's, des
berülimten Druckers von Oermantown, mit
dem er zu der dortigen Tunker-Gemeinde
gehörte. Höckers Wirken -wird in Sauers
Abnanach von 1752 in dem bekanten Dialog
mit einem Neuankömmling über die Vor-
züge des Lebens in der Kolonie Pennsylva-
nia eingehend geschildert und gebührend
gewürdigt.
Als vierter ist Christoph Dock zu nen-
nen, der gleichfalls Sauers Freund und ]\Iit-
arbeiter war. Er ist der Verfasser der
ersten Schriften, die in Amerika über Schul-
wesen und Erziehungsmethoden veröffent-
licht wurden — sell)stverständlicli ur-
sprünglich in deut.scher Sprache. Seine
Schulordnung ist mehr als ein halbes Jahr-
hundert massgebend gewesen, w^eit über die
Grenzen Pennsylvanieus hinaus. Dock, ein
bescheidener und gottesfürchtiger ]\rann.
schrieb sie auf Sauers Veranlassung und
vollendete sie im Jahre 1750. Er lieferte
das ]\ranuskript an Sauer ab, jedoch unter
der Bedingung, dass sie erst nach seinem
Tode veröffentlicht werde. Erst im Jahre
1769 gab er dem Drängen seiner Freunde
nach und Avilligte in die Veröffentlichung
ein. Das "Werk war sofort vergriffen und
eine zweite Auflage erfolgte im nächsten
Jahre. Es würde zu weit führen, auf die
Lehrmethoden Docks näher einzugehen ; ihr
"Wert lag darin, dass Dock sich mit jedem
einzelnen seiner Schüler in geistige Berüh-
rung setzte, jeden einzelnen nach seiner
Eigenart behandelte und erzog, und nicht
nur das, er suchte auch einen geistigen Ver-
kehr der Kinder unter sich herbeizuführen.
Wie .sehr ihm das geistige und leibliche
Wohl seiner Schüler am Herzen lag, das hat
er noeli in s( iner Todesstunde bewiesen. Er
ptlegte nach Schluss der Schulstunden eine
Zeitlang allein im Schulhause zu verweilen
und für das Wohlergehen seiner Schüler zu
beten. Eines Abends im Herb.st 1771 fand
man ihn im Schulzimmer tot auf den
Knieeii liegend, mit den Händen gefaltet
über dem Xamensverzeichnis seiner Pflege-
befohlenen.
Es war damals eine Zeit, wo das Deut-
sche in Blüte stand und Englische sogar
eine Verdeutschung Penn.sylvaniens be-
fürchteten. Dann aber kam das Freischu-
lensystem. Im Jahre 1838 weigerten sieh
von 10(10 Schuldistrikten noch 239 dem
nachzukommen, doch nach und nach
brachte das Freischulsystem im Verein mit
den Folgen des Freiheitskrieges, überhand-
nehmender kirchlicher Gleichgültigkeit,
dem ^Mangel an nötigen Lehrkräften und
verminderter Einwanderung, der Gemein-
deschule und mit ihr der deutschen
Sprache und deutschen Kirche den Unter-
gang. Ganze Synoden wurden damals ver-
englisiert. _
Und nicht nur in der Kirche, überall
stand es damals traurig um das Deutsch-
tum. Doch die Zeiten sollten sich ändern.
Ein neuer Einwanderimgsstrom von Deut-
schen ergoss sich nach Amerika, diesmal
vornehmlich nach dem Westen. Neben
den sogenannten Achtundvierzigern kamen
auch viele kirchlich gesinnte Deutsche — es
entstanden die Synoden von Buffalo, ^lis-
souri, Iowa, Wisconsin, von Texas, ]Michi-
gan, ^Minnesota, lauter rein Deutsche, und
wie diese Synoden zum Teil wuchsen, kann
man daraus ersehen, dass die ^Missouri
Synode allein von 1847-1893 357,153
Glieder sammelte. Diese lutherischen
Deutschen ebenso wie die katholischen
teilten mit den freigerichteten Achtund-
vierzigern die Ansicht, dass der öffent-
lichen Schule, als einer Einrichtung des
von der Kirche getrennten Staates, ihr reli-
DTE DEl'TSCHE KIRCHE UND GEM KI X DESCHULE.
239
gionsloser CharaktiM- ilurc-haus gewahrt
bleiben müsse, um aber doch ihren
eigenen Kindern eine religiöse Erziehung
angedeihen zu lassen, war von Anfang an
ihr Augenmerk darauf gerichtet, in jeder
Gemeinde auch eine Gemeindesehule zu er-
bauen, ^lan gründete Seminare zur Her-
anbildung von Lehrkräften, und wo kein
Lehrer zu haben war. unterrichtete der
Pa.stor in der Schule. In diesen Gemeinde-
schulen wurde selbstverständlich der deut-
sehen Sprache neben der englischen ihr ge-
bührender Platz zugeteilt^ und so sind denn
gerade sie segensreiche Pflegestätteu des
Deutsclitums geworden.
L^m eine Ahnung zu bekonunen, was hier
geleistet wird, betrachte man folgende Sta-
tistik vom Jahre 1907 :
Die ]\Ii.ssouri-Synode hat 2018 Gemeinde-
sehulen. 933 Lehrer, 96,96i Schüler.
Die Vereinigte Deutsche Synode 354 Ge-
meindeschulen, 131 Lehrer, 28,092 Schüler.
Die Wisconsin-Synode 240 Gemeinde-
sehulen, 105 Lehrer, 20.892 Schüler.
Die ^Minnesota-Synode 80 Gemeindeschu-
len, 21 Lehrer, 5800 Schüler.
Die ^Michigan-Synode 18 Gemeindeschu-
len, 3 Lehrer, 800 Schüler.
Die Nebraska-Synode 16 Gemeindeschu-
len. 2 Lehrer, 600 Schüler.
Diese Synoden, die gemeinsam die soge-
nannte Svnodal-Konferenz bilden, haben
also insgesammt : 2706 Gemeinde.schulen,
1195 Lehrer und 153,148 Schüler.
Da, Avo kein Lehrer angestellt ist, unter-
richtet, wie schon gesagt, der Pa.stor.
Die deutsche Ohio-Synode hat 279 Ge-
meindeschulen, 91 Lehrer, 9664 Schüler.
Die deutsche Iowa-Synode 471 Gemeinde-
schulen, 39 Lehrer, 11.467 Schüler.
Dazu kommen noch kleinere Synoden
wie die von Texas, von Buffalo u. s. w.
Auch die evangelische Synode pflegt das
Gemeindeschnlwesen.
Im Osten des Landes steht es in der Be-
ziehung leider lange nicht .so g-ün.stig. so
weist z. B. die grosse Pennsylvania Synode
nur 29 (ieiiK-indeschulen mit 51 Leinvren
und 1619 Seliülern auf, die New York Sy-
node 96 Gemeindeschulen, 69 Lehrer und
4563 Schüler.
Die gräs.ste Gemeindeschule im Westen
hat eine zur Missouri-Synode gehörende
Gemeinde in Chicago, es unterrichten da
neun Lehrer 929 Schüler, und zwar morgens
in deutscher und nachmittags in englischer
Sprache.
Im O.sten besitzt die blühendste Gemein-
deschule die St. Paulus-Gemeinde in Phila-
delphia. Hier war es Pastor F. Wi^tchan
gewesen, der unermüdlich auf den Wert
der Gemeindeschule als rechte Pflanzstätte
auch des Deutschtums hingewiesen und
dem die Hebung seiner eigenen Schule be-
sonders am Herzen gelegen hatte. Sie zählte
1907 bei vier Lehrkräften 283 Schüler.
Natürlich dürfen diese Gemeinde.schulen
hinter den öffentlichen Schulen nicht zu-
rückbleiben und müssen in jeder Beziehung
den höchsten Anforderungen, die an eine
heutige Schule gestellt werden, genügen.
Das tun sie aber auch, ja, übertreffen als
zweisprachige und als nach deutschen Er-
ziehungsgrundsätzen geleitete ohne Frage
die öffentlichen Schulen. Die Schulausstel-
lung der ]Missnuri-Synode auf der Weltaus-
.stellung in St. Louis 1904 war damals Be-
Aveis dafür. Eine derartige Aus.stellung
geschah zum erstenmal in der Geschichte
der Kirche und des Landes, und sie hat von
allen Seiten her hohe Anerkennung und
Bewunderung gefunden. Es waren daran
261 über 27 Staaten unserer Union verbrei-
tete Stadt- wie Landschulen beteiligt, und
im ganzen hatten 460 Lehrer, darunter 22
schulehaltende Pastoren, und 37 Lehrerin-
nen ausgestellt. Die Schularbeiten ujnfass-
ten : englische Spracharbeiten, (ieschiehte
der A^'ereinigten Staaten, Arithmetik, (ieo-
graphie, Keligion, deutsche Spraeliarbeiten,
Physiologie, Zoologie, Botanik. Weltge-
schichte, Schönschreiben in beiden Spra-
chen inid Zeichnen.
240
DIE DEl'TSrHE K1K( IIK rM> CiKMinXDESCllULE.
Auch ilas lA'Invi-si'iiiiiiar zu Aiklison,
III . tlio sfit 1>.'>4 ht'stfhfncle syiiodalo An-
stalt zur Ausbilduujr von Gcnu'incloschul-
li'hriTn. am il«'i- in don U-tzten 20 Jalin-n
71!» Lehrer herv(»ri,'0«rnnjron sind, liatte re-
p'lniässiirt' Khissi'iiarln'iti'n und ExaiiM>nar-
heiten ausgestellt, ausserdem fand der Besu-
cher SOO photttirraphisehe AbhiMuiiixen von
Sehuluehäuden und ^'an/.<'n SeliulUlassen
sowie Bilder. Insehrift(>n und Zeiehniui^en
nls WaiuLschniueU dii'sor hoehinteressanton,
lehrreiclKMi und verdienstvollen Schulaus-
Ktellun^' vor.
Der enirlisehe Teil, der Tausende von
Sehülerarheiten umfasste, konnte sich nach
faehniänniseheni Urteil mit den Arbeiten
der besten öffentlichen Sclnileu messen,
während der deutsehe Theil den Vergleich
mit deutschländischen Schulen nicht zu
fürchten brauchte. Pls war der Beweis ge-
liefert, dass in zwei Sprachen gleich gute
Hesultate erzielt werden können.
Dieser Schulaustcllung wurde denn auch
vom Preisrichter-Kollegium der ^Yeltaus-
stellung die goldene ^ledaille zuerkannt.
Aehnlich verhält es sich mit den katholi-
schen Pfari-schuh'n. Die Deutschen hielten
von .ieher fest an der katholischen Pfarr-
schulc und wo eine deutsche Gemeinde ent-
stand, durfte, wenn es inunor möglich war,
die Pfari-schule nicht fehlen, und so sind
sie PHegestätten des Deutschtums geworden.
An Angriffen auf diese Gemeindeschu-
len, die nuui als unamerikani.sch hinstellte,
hat es von nativisti.scher Seite aus nie ge-
frhlt. So wogte im Herbst 18!)0 in Illinois
und Wisconsin ein gewaltiger Kampf um
die Gemeindt^chule. als das berüchtigte
Kdwards- und Bennet-(Jesetz erschien, das
den deutschen Kirchenschulen den Garaus
machen sollte. Es standen aber damals die
Lutheraner und Katholiken treu Schulter
an Schulter, und ihren vereinten Kräften
gelancr es. das Gesetz zu Fall zu bringen.
In Saginaw, Michigan, sah sich ein eng-
lisch-amerikanischer Frauenverein bemüs-
sigt. feierlich an alle dortigen Schulen ame-
rikanische Fahnen zu verschenken, mit der
darauf in englischer Sprache angebrachten
Ijisehrift: ..One Country, One Flag. One
]>anguage. " Zugleich bestimmten die Ge-
berinnen, die Sehulkinder .sollten diesen
Spruch stets beim Aufhissen der Flagge
laut aussprechen. Als dann ein deutsch-
lutherischer Pfarrer, dessen Gemeinde auch
eine deutsch-englische Gemeindeschule un-
terhält, sich weigerte, eine solche Gabe an-
zunehmen, da gabs ein mächtiges Ilallo,
und eine Abordnung des besagten Frauen-
vereins erschien im Pfarrhause, um den
Bewohner wegen einer angeblichen Belei-
digung des Sternenbanners zur Rede zu
stellen. Doch der Pastor Hess sieh nicht
einschüchtern, sondern entgegnete den allzu
patriotischen Damen: „Wir haben ja ein
Land und eine Fahne. AVarum also noch
darnach verlangen? Was aber die eine
Sprache betrifft, so scheint es mir, dass sieh
da allerlei hinter dem Vorhang abspielt.
Diese Frage von der einen Sprache spukt
im ganzen Lande herum. INIan versucht ein-
fach, alle Sprachen ausser der englischen
aus den Schulen zu verdrängen, und würde
gern alle Schulen aufheben, in denen auch
eine nicht englische Sprache gelehrt wird.
Gern würde man uns zwingen, nur eine
Sprache zu sprechen und nur eine Sprache
zu lehren. Ist das gerecht und ehrlich? Ich
weigere mich entschieden, die Fahne anzu-
nehmen, es sei denn, dass .jener Spruch
vorher von ihr entfernt wird." Die Ab-
ordnung der Knownothing-Frauen zog dar-
nach mit langen Nasen wieder ab.
Da. wo eine deutsche Gemeinde keine Ge-
meindesehule hat, unterhält sie doch eine
deutsche Sonntagsschule, die freilich nicht
die Gemeindesehule im entferntesten er-
setzen kann, aber gleichwohl auch an ihrem
Teile zur Pflege des Deutschtums beiträgt
und jedenfalls eine noch weit grössere Zahl
von Kindern erreicht, als die Gemeinde-
schule es tut.
Durch deutsche Sonntagsschul-Bibliothe-
ken, deutsehe Lieder, deutsche Kinder- und
I
DIE DEUTSCHE KIECHE UND GEMEINDESCHULE.
241
Jugendblätter sucht man dann weiter Sinn
und Verständniss für die deutsche Sprache
zu wecken. Pastoren, die es treu meinen,
halten wohl auch eine deutsche Samstag-
schule und suchen im Konfirmandenunter-
rieht die Kinder in deutscher Sprache zu
fördern. In den Singchören, die mit ihren
deutschen Liedern den Gottesdienst ver-
schönern, und in den Jugendvereinen ist
ein weiteres Feld zur Pflege des Deutsch-
tums gegeben und dann vor allem in dem
deutschen Gottesdienst selbst mit dem deut-
schen Gotteswort, den deutsehen kräftigen
Chorälen und dem deutschen Geist, der in
dem deutschen Gottesdienst nicht etwa eine
Unterhaltung, sondern eine Erbauung sieht
und sich daher frei hält von allen sensa-
tionellen und in ein Gotteshaus nicht hin-
eingehörenden Dingen.
Zu erwähnen sind noch die deutschen
"Waisenhäuser, sowie die deutschen Lehran-
stalten, wie Colleges, Seminare, in denen
weitere Tausende in deutschem Geist erzo-
gen Averden.
Es ist das alles eine stille Arbeit im Ver-
borgenen, aber gleichwohl eine äusserst se-
gensreiche, und jeder in Vorurteilen nicht
befangene Beobachter muss zugeben, dass
die deutsche Kirche trotz aller Schwierig-
keiten und Anfeindungen grossartiges für
die Erhaltung des Deutschtums geleistet
hat und noch heute ein Hort deutscher
Sprache und deutschen Geistes ist. Und das
ist um so höher anzuschlagen, als die in
einer Staatskirche aufgewaclisenen einge-
wanderten Deutschen an ein systematisches
freiwilliges Geben nicht gcAvöhnt waren
und meist auch hier in den ersten Jahren
schwer um ihre Existenz zu kämpfen hat-
ten. Aber sie haben Millionen von Dollars
gern und willig geopfert und opfern sie
noch heute zur Erhaltung ihrer deutschen
Kirche und Schule.
Vergessen wollen wir auch nicht, dass,
während die deutschen Landeskirchen so
gut wie nichts zur geistlichen Versorgung
der ausgCAvanderten Deutschen getan ha-
ben, es etliche Persönlichkeiten waren, die
ein warmes Herz für die auswandernden
Glaubensgenossen hatten und ihnen Geist-
liche nachsandten, allen voran ein August
Hermann Franke, dessen Liebeswerk sich
auch auf die zu Anfang des achtzehnten
Jahrhunderts nach Amerika, namentlich
nach Penn.sylvanien, ausgewanderten Deut-
schen erstreckte. Aus seinen Anstalten
gingen die Älänner hervor, denen das deut-
sche Volk so viel verdankte, ein Heinrich
IMelchior IMühlenberg, Brunnholtz, Kurtz,
Handschuh, Heinzelmann und andere, die
als lutherische Prediger in Pennsylvanien,
Virginien, JMaryland und New Jersey
wirkten und die grössere Zahl der ausge-
wanderten Deutschen zu Gemeinden orga-
nisierten und deutsche Schulen errichteten.
Diese Geistlichen sandten Berichte über
ihre Amtstätigkeit an das iMutterhaus in
Halle, und dort Avurden sie im Verlage des
Frankeschen Waisenhauses gedruckt und
als Buch herausgegeben unter dem Titel :
„Kurtze Nachricht von einigen evangeli-
schen Gemeinden in America", allgemein
bekannt geworden unter dem Namen : „Hal-
lesche Nachrichten". Vor einigen Jahren
ist ein Neudruck dieser Halleschen Nach-
richten erschienen, sie sind neben den von
den Reformierten herausgegebenen Berich-
ten (Urlsperger) die besten, aber leider
fast die einzigen zuverlässigen Quellen über
die grossartige deutsche Besiedlung Penn-
sylvaniens.
Mitte des neunzehnten Jahrhunderts war
es dann der bereits erwähnte Pfarrer Wil-
helm Lohe in Neuendettelsau, der sich der
hauptsächlich nach IMichigan auswandern-
den Deutschen annahm, auch die Pastoren
Harms in Hermannsburg (Provinz ILanno-
ver) und Jensen in Breklum (Provinz
Schleswig) sowie die IMi.ssionsanstalt in
Basel taten in der Beziehung manches. In
neuster Zeit ist ein Johannes Paulsen zu
nennen, der in den achtziger Jahren in
seinem Pfarrdorf Kropp bei Schleswig ein
Predigerseminar zur Ausbildung junger
242
Dil: DtL TSCHE KIRCHE UND OEMEINDESCHULE.
Leute zu lutherisclu'ii (1 eist liehen für die
deutsehen CJenioinden in Amerika i,'riuulete
und seitdem treten 200 Kandidati-n herüber-
sinulti>. die mit grossem Sejjen an teilweise
erat von ihnen gej?ründeteii dfiitsehcn (le-
UH'inden wirken und tü«htit,'e Verfeehter
des Dfutsi'hthums sind. In/.wisclitMi haben
ja fn'ilifh di«* t'inz«'lnfn Kinhenkiii'ix'r in
Amerika ihro oigenrn Anstaltt-n zur Ausbil-
dung; juniri-r Leute zu Ueistliehcn ge«3'rün-
det. ab«'r tlooh ist es «rerade für unsere rein
deutschen (Jemeinden im Ost«'n des Landes,
wo der Veren»:lisierun<xsi)rozess anschei-
nend leichter vor sich geht, als im Westen,
noch heute nötiir. dass sie solche ^liinuer
als (iristliehe bekommen, die in Deutsch-
land ihre Ausbildung empfangen und ein
fi-stes deutsches Herz halx'n.
Wenn es auch natürlich ausserhalb des
Kaiimens dieser Arbeit liegt, die Entwicke-
lung der deutschen Kirche in Amerika von
ihren ei-sten Anfängi-n an zu verfolgen, so
würde doch ein wesentliches Stück fehlen,
wenn nicht der heutige Stand und die heu-
tiire Maebtausdehnung der deut,sch*?u
Kirche in den Vereinigten Staaten kurz Fa-
widuiuiiL' fände.
Alle kleineren kirehlieben Oemein.schaf-
tcn. die namentlich in der Kolonialzeit blü-
hende «h'ufsehc Gemeinden hatten, wie Tun-
kt r. Minnonitcn, Schwenk fehler, Herrn-
hiifir u. s. w.. sind zu keiner grösseren
Bedeutung gekommen und im Laufe der
Zeit fast ganz verenglisirt, wenigstens in
den Städten, während sie auf dem Lande
noch hie und (h> an der Sprache ihrer Väter
und den alten einfachen Gebräuchen in
ihren Gotte.s<lienst<Mi mit grosser Zähigkeit
festhalten. Die Ilerndiuter (Moravians)
geben sogar noch ein deutsches Blatt „Der
Brüder Bot sehn fter" in Bethlehem, Pa.,
ihrer alten Ansiedlung. heraus.
Die Gemeinschaft der Vcreinieftcn Brüehr
in Christo, gegründet von dem 1726 in Dil-
lenburg. Xa.s.sau, geborenen Philipp Wil-
hflm Otterbein (daher auch Otterbeinleute
genannt) zählt gegenwärtig gegen 270.000
Glieder, aber meist englische. Sie besitzen
eine grosse Druckerei und einen Verlag in
Dayton, Ohio, wo auch ,,Dcr fröhliche Bot-
schafter", das Organ der Deutsehen, er-
scheint. (Otterbein wurde am 4. Juni 1726
in Dillenburg. Nassau geboren, war mit 23
Jahren Prediger und wurde von Schlatter
zur Auswanderung nach Amerika veran-
lasst, wo er 1752 in Lancaster, Pa., seine
Wirksand<eit begann. Er begründete eine
Gemeinschaft mit demokratischen Grund-
sätzen, welcher er den angeführten Namen
gab. Er starb im Jahre 1813. Ilarbaugh
bestreitet übrigens, da.ss er jemals aus der
Reformirten Kirche au.sschied.)
Die Evangelische Gemeinschaft, gegrün-
det von dem 1769 bei Pottstown, Pa., gebo-
renen Jakob Albrecht, einem kerndeutschen
]\Ianne, verfügt über eine Gliederzahl von
etwa 160,000, von denen die Hälfte deutseh
sind. Ein blühendes Verlagsge.schäft in
Cleveland Ohio, gibt, den „Christlichen
Botschafter" und verschiedene Jugendblät-
ter heraus. (Albreeht war der erste Bi-
schof der Gemeinschaft. Er starb im
Jahre 1808.)
Die deutsche Presbyterianerkirche, in den
vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
entstanden, zählt zur Zeit 153 Gemeinden
mit gegen 13,000 Gliedern, sie unterhält
ein deutsches Seminar zu Bloomfield, N. J.,
und eine deutsche presb.yterische Schule zu
Dubuque, Iowa. An deutschen Blättern
erscheinen : „Der Presbytcrianer", wöchent-
lich herausgegeben in Dubuque, und der
„Deutsche Evangelist" in Brooklyn, N. Y.,
ferner der Sabbeitschul-F reund, ein deut-
scher Kalender, und etliche kleinere
Blättchen.
Die deutsche Baptistenkirche, die im
Jahre 1853 erst 25 Gemeinden mit 864
Gliedern zählte, hat jetzt 268 Gemeinden
mit 26,274 Gliedern. Es besteht ein deut-
sches Predigerseminar in Rochester, N. Y.,
und ein grosses Verlagshaus in Cleveland,
Ohio, wo die deutschen Blätter: .„Der
Scnelbote", „Jugend-Eerolel", „Der mun-
DIE DEUTSCHE KIRCHE UND GEMEINDESCHULK.
243
tere Sacmann", ''Unsere Kleinen" und
etliche andere erscheinen.
Die deutsche Methodistenkirche wurde
von dem ans Württemberg eingewanderten
Wilhelm Xast 1835 begründet. Sie hat
zurzeit gegen 70,000 Glieder und etwa 1000
Gotteshäuser. In Berea, Ohio, unterhält
sie ein deutsches College und eine AVaisen-
anstalt. Die in dem methodistisehen Vcr-
lagshaus von Jenniiigs und Graham in Cin-
cinnati erscheinenden deutschen Blätter
haben fast alle eine grosse Verbreitung ge-
funden, so der wöchentlich erscheinende
„Christliche Apologet e" über 25,000 Leser,
die ]\Ionatsschrift „Haus und Herd" etwa
9000, die „Sonntagsschul-Glocke" 30,000.
(Wilhelm Nast war im Jahre 1807 in Stutt-
gart geboren, wanderte 1828 nach Amerika
aus, wurde Lehrer der deutschen Sprache
an der Militär- Akademie von West Point,
dann Professor der hebräischen Sprache am
Kanyon College, Ohio, methodistischer
Reise-Prediger, Gründer der ersten deut-
schen j\Iethodisten-Gemeinde in Cincinnati
und starb im Alter von über 80 Jahren in
Berea.)
Die reformirte Kirche in Amerika ver-
dankt ihre Gründung dem 1716 in St.
Gallen, Schweiz, geborenen und 1746 in
Philadelphia gelandeten Michael Schlatter.
Von den jetzt bestehenden 8 Synoden gelten
drei noch als deutsch. Diese zählen 343
Pastoren, 414 Gemeinden und 64,089 Glie-
der. Die deutsche Lehranstalt ist das 3Iis-
sionshans in Sheboygan, Wis., mit seinen
drei Teilen, dem Theologischen Seminar,
dem Kollegium und der Akademie. In dem
deutschen Central Publishing House zu
Cleveland, Ohio, erscheinen „Die Kirchen-
zeitung", „Der Missionshote", „Das Ver-
gissmeinnicht" und „Der Lämmerhirte".
(Schlatter hatte schon nach einjähriger
Wirksamkeit eine Synodal- Versammlung
abhalten können. Nach einer Agitations-
Reise nach Europa, um Geistliehe und
Gelder für die reformirte Kirche in Ame-
rika zu gewinnen, gründete er Schulen,
wurde später Kaplan im Royal American
Regiment, liess sich in Chestnut Hill bei
Philadelphia nieder, wo sein Haus von bri-
tischen Soldaten im Unabhängigkeits-
Kriege gänzlich ausgeplündert wurde, und
starb am 1. November 1790.)
Die Deutsche Evangelische Synode von
Norda^nerika datiert vom Jahre 1840. Sie
hat Fühlung mit der Evangelischen Landes-
kirche in Preussen und ist fast ganz deutsch
geblieben. Die Zahl der Pastoren beläuft
sich auf 955, die der Gemeinden auf 1218.
Diese Synode weist auch über 300 Gemein-
deschulen auf, in denen 230 Pa.storen und
108 Lehrer und Lehrerinnen gegen 10,000
Kinder unterrichten. Wo keine Gemeinde-
schule besteht, Avird eine deutsche Sonntag-
oder auch eine Samstagschule gehalten. Die
Lehranstalten sind das evangelische Predi-
gerseminar bei St. Louis, Mo., und das Pro-
seminar in Elmhurst, 111. In dem grossen
Eden-Verlagshaus erscheinen „Der Frie-
densbote" mit gegen 30,000 Lesern, „Der
Missions freund", „Die Kinderzeitung" mit
über 50,000 Lesern, „Der Deutsch-Amerika-
nische Jugendfreund", „Unsere Kleinen"
mit etwa 20,000 Lesern und verschiedene
andere Blätter.
Es folgen nun die zwei Kirchengemein-
schaften, welche die grösste Anzahl deut-
scher Gemeinden aufzuweisen haben, das
sind die lutherische und die katholische.
Die lutherische Kirche hat über zwei INIil-
lionen Glieder, von denen sich 909,000 der
deutschen Sprache im Gottesdienst be-
dienen.
Von den drei grossen lutherischen Kir-
chenkörpern ist die General - Synode, die
sich aus 25 Einzelsynoden zusanunensetzt,
fast ganz englisch, nur zwei, die Wartburg-
und die Nebraska-Synode, gelten noch für
ganz deutsch, die Synode von New York
und New Jersey ist zur Hälfte deutsch, in
den übrigen finden sich nur vereinzelt deut-
sche Gemeinden. Das Organ der Deutschen
ist der „Lutherische Zionshote".
244
DIK DEUTSCHK KIRCHE UND GEMEIXDESCHULE.
Das Gcitcral-Konzil unifnsst 12 Einzelsy-
nodi'ii, davon sind die von New YorU. von
C'anada und dw .Manitoha-Synode t,'anz
deutsch. Dii* alt«- Mutti'isynode. die penn-
sylvanischi', deivn (J runder Heinrich Mel-
chior MühUnhmj wnr, weist neben etlielieu
gniss«'n rein dentsehen selir viele dentsch-
en^lisehe (.Jenieinden anf. Ein deutsches
College besteht in Hoehcster, X. \ .. (Wag-
ner College). An jrrösseren deutsehen Blät-
tern erseheinen das ^.Lutherische Kirchcn-
bhill". ,.I>er lutherische Herold" und das
,.K<iuii(lische Kirche nblatt'', ausserdem „Si
Loiih", tler .Jitf/oitl-Freund". „Illustrierte
Juf/i nflhliitt( r" und „KinderliUHtchcn".
( llfini'ieh .Melfhioi* .Miihlcnbery; wurde
am S. September 1711 in Eimbeek. Hanno-
ver, geboren. Trotz seiner dürftigen Ver-
hältni.sse gelang es ihm, wenn aueh erst im
Alter von 24 Jahren, in Göttingen Theolo-
gie zu studireii. Franke zog ihn nach
Halle, wo er auch in dem Waiseuhause un-
tt'rriciitete. Mühlenberg war im Jahre
M'W) in Leipzig ordinirt worden und begab
sich auf \'eraidassung der Pietisten in
Halle nach Amerika. Im Jahre 1742 be-
gab sieh Mühlenberg nach der von vertrie-
benen Salzburger Protestanten gegründe-
ten Kolonie El>enezer in Georgia, im Xo-
vend)er kam er nach Philadelphia, wo er
die Michaelis-Gemeinde sammelte und dann
die Gemeinde ..an der Trappe'' gründete,
wo er eine kleine Kirche baute. Er grün-
dete 174S ..Das deutsche evangelisch-luthe-
rische .Ministerium von Pennsylvanien",
um der Missionsarbeit des Grafen Zinzen-
dorf. des Gründers der Herrnhuter, entge-
genzuwirken. Xicolaus Ludwig. Graf von
Ziuzrndorf und Pottendorf. war am 26.
^fai 17(X) in Dresden geboren Er war
schon als Kind mit Spener. dem Wort-
führer der Pietisten, bekannt geworden,
wurde sechs Jahre lang v<m Franke in
Halle erzogen, bereiste später Holland und
Frankreich, gestattete den mährischen
Prüdein. die bitter ihres Glaubens wegen
verfolgt wurden, sich auf seiner Besitzimg
in der Ober-Lausitz niederzulassen und die
Kolonie ..Herrnbut" zu gründen. Xach-
(lem er unter tinirirtem Namen Theologie
studirt und ordinirt worden war, wurde er
im Jahre 1736 als gefährlicher Religions-
Neuerer aus Sachsen verbannt, gründete in
Holland. Esthland und Livland Herrnhu-
ter-Kohmien. wurde 1739 auf Veranlas-
sung König Friedrich Wilhelm 's l. von
Preussen Bischof der mährischen Brüder,
begab sich 1741 nach Amerika, gründete
Bethlehem, kehrte 1743 nach Europa zu-
rück und starb am 9. ]Mai 1760 in Herin-
hut, Sachsen. ]\Iühlenberg's Gegnerschaft
gegen Zinzendorf 's Bemühungen, eine reli-
giöse Gemeinschaft aller Deutschen Penn-
sylvanien's herbeizuführen, hatte darin
seinen Grund, dass er das lutherische Be-
kenntniss rein erhalten wollte. Er musste
viel herumreisen, um den begonnenen Aus-
bau der lutherischen Kirche in Amerika zu
fördci-n und Zwistigkeiten beizulegen.
Während des Krieges hatte er von den Bri-
ten, die ihn und die Seinen als Freunde
der Unabhängigkeit kannten, viel Unge-
mach zu erleiden. Er starb am 7. Oktober
1787, nachdem er 8 Jahre vorher sein Amt
niedergelegt hatte. Er wurde auf dem
Kirchhof der noch vorhandenen Kirche in
Trappe beerdigt, neben ihm ruhen seine
Frau, eine Tochter des bekannten Indianer-
Unterhändlers Konrad AVeiser. und sein
Sohn Peter, der berühmte General. Ein
anderer Sohn, Heinrich Ernst :\Iühlenberg,
war ein berühmter Botaniker, ein dritter,
Friedrich August. Sprecher des ersten
Bundes-Kongresses. )
Die Synoclal-Konferenz, die aus 8 Einzel-
synoden besteht, ist fast ganz deutsch und
dabei der ejrösste lutherische Kirchenkör-
per, sie zählt 2444 Pa.storen, 3101 Gemein-
den und 643.599 kommunizierende Glieder,
dabei 2385 Gemeindeschulen, 1071 Lehrer
und 125,499 Schüler. Die zur Synodal-
Konferenz gehörige grosse ]\Iissouri-Synode
(1847 gegründet) hat an An.stalten 3 Col-
leges, je eins in Fort Wayne, Ind., IMilwau-
DIE DEUTSCHE KIRCHE UND GEMEINDESCHULE.
245
kee, Wis., und St. Paul, ^Minu., sowie zwei
Progymuasien, eins in Addison, 111., und
eins in Seward, Nebr., ferner 2 Predigerse-
minare, das Coneordia Seminar in St. Louis
und eins in Springfield, 111. Sie unterhält
ausserdem eine ganze Reihe AYaisenhäuser,
Altenheime und Hospitäler. In dem Con-
eordia Publishing ITouse zu St. Louis, Mo.,
dessen Ueberschuss (in drei Jahren allein
207.071 Dollars) für Synodalzwecke ver-
wandt wird, erseheinen luiter vielen ande-
ren deutschen Veröffentlichungen „Der
Lutheraner" in 40,000 Exemplaren, „Lehre
und Wehre", „Lutherisches Kindcrhlatt",
„LntJierisches Jugendblatt", „Missionstau-
be". Diese Missouri-Synode ist wohl der
best organisierte und dabei deutscheste
Körper. Amerikanischer Kirchengeist hat
hier fast gar keinen Eingang gefunden.
Alles, Pastoren wie Gemeindeglieder, Er-
waclisene wie Kinder, sind wie aus einem
Guss. Ausserordentlich tüchtige INIänner
hat aber auch gerade diese Synode gehabt,
wie Ferdinand Wilhelm Walther, 1811 in
Sachsen geboren und 1839 nach Amerika
gekommen, der erste Professor an dem Con-
eordia Seminar in St. Louis (gestorben da-
selbst am 7. Mai 1887), sowie Prof.
Dr. F. Fieper und Dr. S. L. Graehner
(geb. am 10. Juli 1849 in Frankentrost,
IMiehigan, gestorben am 7. Dezember 1904).
Trotzdem die ]\Ii.ssouri-Synode sehr strenge
in Lehre und Praxis ist, hat sie ein AA^'achs-
tum aufzuweisen, das an das "Wunderbare
grenzt, nicht zum wenigsten Dank ihrer
trefflichen Gemeindeschulen und Erzie-
hungsanstalten. Die übrigen zur General-
Konferenz gehörigen kleineren Synoden be-
sitzen das weit berühmte College in Water-
town, Wis., ein Seminar in IMilwaukce,
"Wis., und ein Lehrerseminar in New T^lm.
Minn.
Von den sogenaimten alleinstehenden
lutherischen Synoden sind als durchaus
deutsche noch zu nennen: Die Ohio-Hipiode
mit 556 Pastoren, 733 Gemeinden und
110,877 Gliedern sowie 279 Gemeindeschu-
len, 91 Lehrern und 9664 Schülern. Pre-
digerseminare bestehen in Columbus, Ohio,
luid St. Paul, i\linn., ein College in Colum-
bus, Ohio, und ein Lehrerseminar in Wood-
ville, Ohio. Ilauptblatt ist die „Lutherische
Kirchenzeitung" .
Die Iowa-Synode mit 487 Pa.storen, 927
Gemeinden und 99,895 Gliedern, sowie 471
Gemeindeschnlen, 39 Lehrern und 11,467
Schülern. Ein Predigerseminar befindet
sich in Dubuque, la., ein College in Clinton,
la., und ein Lehrerseminar in Waverly, la.
Organ der Synode ist das „Kirchenhlatt".
Weitere rein deutsche aber kleinere Syno-
den sind die Buffalo-, die Immanuel- und
die IMichigan-Synode. Ausserdem gibt es
noch eine Anzahl unabhängiger, d. h. in
keiner Synodal - Verbindung stehender
deutsch-lutheri.scher Gemeinden.
Eine besondere Stellung nahmen die
„Deutsche Evangelische Protestantische
Kirche in Amerika" mit etwa 40 Predigern
und 52 Gemeinden und „die evangeUsch-
protestantische Prediger-Konferenz" mit
21 Gemeinden und der gleichen .^ahl Pre-
diger ein. Beide Vereinigungen vertreten
auf kirchlichem Gebiet eine freiere Rich-
tung, sind aber gute Stützen des Deutsch-
tums und verfügen zum Teil über grosse
deutsehe Gemeinden mit prächtigen gottes-
dienstlichen Gebäuden.
Einen Hauptbestandtheil der katholi-
schen Kirche in den Vereinigten Staaten
bildet der Deutsche. ]\Ian hat den deut-
schen Katholiken schon manchmal das Le-
ben recht sauer gemacht iiiul sie zu tre-
ten gesucht, aber sie lial)en stets mann-
haft um ihr Volkstum gekämpft und unter
tüchtigen Führern und treuen deutschen
Priestern doch ihre ^Machtstellung be-
hauptet. In einem ausführliehen Artikel
ist in diesem Huche über die deutschen
Katholiken berichtet worden.
Kirchlich-kommunistische Anstalten.
Der Vollständigkeit hall)er seien hier
auch die deutschen Ansiedlungen. die nach
246
DIK DEL'TSCHE KIRCHE UND GEMEIXDESCHULE.
koinnmnistischen Grumlsiitzon polcitot wer-
den, cenannt.
Obenan, schon der Zalil drv Hctlieiligrteu
nach, steht die der ,,ltisi)iriir(in" in Iowa
(eine Ansiedlunp findet sich auch in Ca-
nadaV Von Deutschland 1S42 aus«rewau-
<l.'rt. kauften .sie sich zuerst 8 .Meilen von
iJutTalo. N. Y., an uird gründeten die Ort-
schaft Ehenezer. Dank ihrem Fleisse wur-
den sie bahl wohlhabend. Da ihr Gebiet zu
kk^in wurde, verkauften sie aHes und zogren
in den Jahren 1855—1864 nach Iowa, wo
sie in einer schönen Geirend. 78 ^Feilen
westlich von Davenport. 25.0(11) Acker Land
erwarben und die . frnuze Ansiedlung
Aniaiia nannten. Sie lcj.Mcn sieben Ort-
schaften an: Aniana (Ilauptsitz). Ost-.
AVest-. Süd-, Mittel- und Ober-Amana
und Ilomestead. Die Zaiil der ]\Iit-
glieder beläuft sich auf uiifrefähr 1,800,
deren rnifran«rssprache nur die deutshe
ist und sein darf. Alles ist hier streng
nach konnnunistischen Grundsätzen einge-
richtet : Keiner hat einen Besitz für sich,
Allc.s besitzen sie gemeinschaftlich. Jeder
einzelnen Familie ist ein liacksteiidiaus zu-
gewie.sen ; die öfTentliehen gemeinschaftli-
ehen Gebäude, meist aus Holz errichtet,
sind: Sclunieden, Sattlerei, zwei Wollspin-
nereien, drei Schäfereien, eine Stärkefa-
brik, eine Kattundruckerei, eine Seifensie-
derei, zwei Mühlen, vier Brauereien u. s. w.
Ihren Gottesdien.st halten sie in Versamm-
liuigslokalen ab. die einfach, ohne allen
Luxus eingerichtet sind. In besondei"s da-
zu geballten Häusern werden die ]\Iahl-
zeiten gemein.schaftlich eingenommen. Die
Kleidung bei beiden (Jeschlechtern ist sehr
einfach. Die obei-ste Leitung der Gesamnit-
gemeinde liegt in den Händen eines Präsi-
denten, dem ein Vize-Präsident, ein Sekre-
tär und ver-schiedene Aelteste beigegeben
sind. Die letzteren versehen auch das Amt
ein(^ Kichtei-s und Lehrei-s. "Wer sich der
Gemeinde an.schlie.ssen will, muss freiwilligr
konunen und .sein ganzes etwaiges Vermö-
gen in die gemeiu.sehaftliche Kasse zahlen;
will er sich wieder trennen, so erhält er
sein eingezahltes Vermögen ohne Zinsen
zurück. Die Mitglieder halten fest zusam-
nu'u. uiul ihre Kolonie ist im blühendsten
Zustande.
Als Begründer der Inspirirten, die 181-4
zui'rst als religiöse Gemeinschaft auftraten,
gelten Ebirhard Ludwig Gruher und Jo-
hann Friedrich Rock, ersterer ein früherer
lutherischer Geistlicher, letzterer ein Pas-
torssohn. Sie erhielten ein A.syl im Jahre
1830 in Hessen, wurden aber auch dort ver-
folgt und beschlossen auf Grund einer ,. In-
spiration" eines ihrer Führer, Namens
Christian Metz, die Auswanderiuig nach
Amerika. Die Sekte ist gegen ]\Iilitär-
zwang, Kriegsdienst und gerichtliehen Eid.
Ebenfalls deutschen Ursprungs ist die
Gemeinde der Kommunisten von Zoar, Tas-
carawas County, im östlichen Ohio, halb-
wegs zwischen Cleveland und Pittsburg.
Die Gemeinde Avar ursprünglich von einem
gewissen Joseph Bäumler in Württemberg
gegründet, nach dem die Glieder noch heute
oft Bäumler oder ,.Bimmler" genannt wer-
den. Im Jahre 1817 kam die Gemeinde
nach Philadelphia und zog von da nach
Ohio, wo sie unter Leitung des AVürttem-
bergers Auber und des Baiern Ackermann
die Kolonie Zoar gründete. Sie blühte
.schnell auf, und die Teilhaber wurden alle
wohlhabend. Alle Einkünfte flies.sen in
eine gemeinschaftliche Kasse, die von er-
Mählten Beamten, drei Trnstees und einem
Ausschüsse von fünf Bürgern verwaltet
Avird, und diese Beamten liefern allen An-
gehörigen der Niederlassung Wohnung, Le-
bensmittel, Kleidung.sstücke u. s. w. Sie
haben keinen Prediger, am Sonntag liesst
gewöhidich einer der älteren Einwohner ein
Kapitel aus der Bibel und knüpft daran
einige Betrachtungen. Fast alle Lebensbe-
dürfnisse werden in der Kolonie hergestellt ;
auf Viehzucht wird grosse Sorgfalt ver-
wandt, auch ein geräumiges Gasthaus wird
von ihnen gehalten. Berühmt sind die
schönen Gärten Zoars, welche unter Auf-
DIE DEUTSCHE KIKCHE UND GEMEIXDESCHULE.
247
sieht des sehwäbisehen Kunstgärtners
Simon Beuter stehen. Die Sprache der
Kolonie ist durchweg die deutsehe.
Eine dritte deutsche Kommunistenge-
meinde i.st „Economy" am rechten Ohio-
Ufer in Beaver Co., Pa. Der Gründer die-
ser religiösen Gemeinschaft, deren An-
hänger sich Harmoniten nennen, war
Georg Rapp, ein Württemberger. Er war
im Jahre 1757 in ]Maulbronn geboren. Er
kam 1803 mit der Gemeinde nach Amerika
und gründete zuerst in Butler Co., Pa., die
Kolonie Harmonij. Später zog man nach In-
diana und kaufte am Wabash-Fluss 27,000
Acker. Als der bekannte englische Sozialist
Robert O^-en im Jahre 182-4 diese ganze An-
siedlung Rapp für einen grossen Preis ab-
kaufte, zog er nach Beaver Co., Pa., und
legte Economy an. Der Ort ist freundlich
gebaut, hat etwa 200 Häuser, darunter ein
schönes Schulhaus und eine Kirche, und ist
sehr wohlhabend geworden durch Woll-
und Flanellfabriken, Gerbereien und Obst-
zucht. Als Rapp am 7. August 1847 starb,
hinterliess er ein Riesenvermögen, das
1892 sieh bis auf 50 ^Millionen Dollars ver-
mehrt hatte. Vor einigen Jahren wurde
die Gemeinde als solche aufgelöst.
Ehemalige Mitglieder der Rapp 'sehen
Gemeinde trennten sieh 1840 unter Füh-
rimg des früheren ]\Iodewaarenhändlers
Keil aus Darmstadt und gründeten die
ebenfalls auf Gütergemeinschaft fussende
Kolonie Bethel, 40 Meilen von Hannibal in
Missouri. In den sechziger Jahren rief
Keil eine Zweigansiedlung in Aurora, Ore-
gon, ins Leben. Beide Kolonien gelangten
zur grössten Blüte, und wenn auch heute
die kounuimistischen Bande gelockert sind,
so hält die Blüte doch an. Das Deutsche
wird auch in den drei letzgenannten Kolo-
nien in Ehren gehalten.
Schlusswort.
Wir sind am Ende; wenn auch niu- kurz
skizziert, wird der Leser doch gewiss ein
ungefähres Bild von der ]\Iacht, Ausdeh-
nung und Arbeit der deutschen Kirche in
den Vereinigten Staaten erhalten haben.
]\Iit der deutschen Kirche sind Tausende
anderer deutscher Vereine und Gemein-
schaften bemüht, das Deutschtum zu hegen
und zu pflegen, und -das, was jeder an
seinem Teile wirkt, will der deutsch-ameri-
kanische Nationalbimd vereinigen zu einer
grossen, gewaltigen, achtunggebietenden
JMacht gemäss des Wortes „e pluribus
unum ' '.
Aber eins dürfen und wollen wir nicht
vergessen — alle Arbeit ist nur verlorene
Liebesmüh', wenn nicht das deutsche Haus,
die deutsche Familie eine Pflegestätte des
Deutschtums ist. Hier liegt die Quelle der
Kraft, hier das Geheimnis des Erfolges,
hier die Gewähr einer verheissungsvollen
Zukunft, hier der Grundstein des Bollwer-
kes gegen alle Angriffe. Darum an Euch
die Mahnung, Ihr deutsehen Väter und
]\Iütter, erziehet Eure Kinder in deut-
schem Geist und lehrt sie die deutsche
Sprache, Euch zur Freude, Euren Kindern
zum Vorteil, der deutschen Kirche und all
den deutschen Vereinen zum Heil und dem
ganzen Lande zum Segen.
Deutsche Katholiken in Amerika.
Dr. JOSEF BERNT, Philadelphia.
Die Aufgabe, in kurzer Zeit und in einem
knapp bemessenen Räume einen geschichtli-
chen Ueberblick über die Anfänge, die
Fortscli ritte und die gegenwärtigen Ver-
hältnisse der deutschen Katholiken unseres
Landes zusammen zu stellen, ist sehr
schwierig, denn die Quellen für eine
solche Arbeit sind noch niemals gesammelt
worden und sind nur ganz zerstreut in einer
von Pater l^onaventura Hammer aus dem
Franziskaner-Orden im Jahre 1897 in deiit-
sclier Sprache herausgegebenen „Geschichte
der katholischen Kirche in den Vereinigten
Staaten Xord-Amerikas", in Aufsätzen der
deutschen katholischen Presse und in Fest-
schriften, die bei Gelegenheit von kirchli-
chen Feierlichkeiten, grösseren Versamm-
lungen deutscher katholischer Vereine, Ju-
biläums-Feierlichkeiten und ähnlichen An-
lässen erschienen sind, zu finden. Denn
auch die katholischen Deutsch-Amerikaner
unseres Landes haben den grossen Fehler
ihrer übrigen deutsch-amerikanischen ~SUt-
bürger Ijegangen, dass sie ihr Licht unter
den Sclieffel gestellt haben, sich ihren Eng-
lisch sprechenden Glaubensbrüdern unter-
ordnen Hessen und erst in neuester Zeit an-
gefangen haben, sich ihrer ^Machtstellung
bewu.'^st zu werden und sie geltend zu
machen. Sie haben eine lange Reihe her-
vorragender Bischöfe. Priester, Ordens-
leute beiderlei Geschlechtes und Laienmän-
ner aufzuweisen, welche nicht allein ihrer
Kirche gro.sse Dien.ste geleistet, .sondern sieh
als treue amerikanische Bürger und Bürge-
rinnen erwiesen haben. Um die Pflege, die
Erhaltung und die Fortpflanzung der
deutschen ^Muttersprache unter ihren Nach-
kommen haben sie sich ausserordentliche
Verdienste erworben, denn v(m allem An-
fange an haben sie mit ihren Kirchen deut-
sche Pfarrschulen verbunden, in welchen
auf den Unterricht in der deutschen
Sprache gro.sser Werth gelegt und . es als
eine wichtige Aufgabe angesehen wurde,
den Kindern nicht allein die katholische
Religion und weltliche Kenntni.sse zu leh-
ren, sondern ihnen auch deutsche Treue,
deutsche Sitte, deutsche Biederkeit un<l
deutsche (Jemüthlichkeit einzupi-ägen.
Als allgemein bekannt darf vorausgesetzt
werden, da.ss nicht die katholischen Spanier
unter Christoph Columbus, sondern ein
katholischer germanischer Volksstannn die
Ehre beanspruchen kann. Amerika zuerst
entdeckt und besiedelt zu hnbi'u. Denn
bereits um das Jahr 1000. fa.^t volh« 500
Jahre vor Columbus, waren die Xormannen
unter Leif. dem Sohne Erichs, des Rothen.
von Island aus nach (Grönland gckonnren
und bis zu den heutigen Xeu-England-
Staaten vorgedrungen. Ihnen folgten
bald ^Missionäre nach, die in diesem Gebiete
katholische Gemeinden gründeten. In d"r
IMitte des 14. Jahrhunderts verfielen aber
diese ersten christlichen Niederla.ssungen
unseres Landes und bliel)en von da an ver-
schollen.
T^nter den Spaniern, die sich mit und
nach Columbus nach dem heutigen Gebiete
der Ver. Staaten begeben haben, mögen viel-
leicht einzelne deutsche Katholiken gewesen
sein, es fehlen aber darüber zuverlässige
Nachrichten.
Anfaenge der katholischen Kirche
hier zu Lande.
Die Anfänge der Geschichte der katholi-
.schen Kirche unseres Landes liegen in
der Kolonie ^larylaml. die von Lord Balti-
more, einem Katholiken, im Jahre 1634 be-
gründet wurde und den unvergänglichen
250
l)i:rT8CHK KATHOLIKEN IN AMERIKA.
Huhni bositzt, (lii>.s in ihr im .liiliiv l<i4y die
ei-ste ToU'iauz-Akti' i'ilnssi'ii wurde, die
anordnete, „dass Niemand, der den Cilauben
an Jt«iun l'hristiim bekennt, auf injend eine
Wei.m« seiner reliiriö.'^en An.siehten wejjren
beunrubii.'t oder verfnlirt oder in der freien
Keliirionsübuni: ^'eliindert werden .soll."
Kine ähnliehe TohM-anz-Akte erhielt die
Kolonie Penn.sylvania unter Wni. Tenn im
Jahre HiSL'. und desshalb fanden die Ka-
tholiken in diesen beiden Kolonien eine
Frel.stätte. während sie in den meisten
übriiren Kolonien nur «rediildet oder .so<rar
dureh mehr oder minder strenire Poenal<ie-
setze verfolirt wurden. VoU.ständiire reli-
piö.se Freiheit erhielten sie aber aueh in
diesen beiden Kolonien erst naeh Annahme
der rnabhänjii^^'keit.s-Erkliirunu: im Jahre
177t). Diesen Umständen ist es zuzusehrei-
ben, da.ss sieh unter den ei-sten deutsehen
Ansiedlern unseres r>andes nur wenige deut-
sehe Katholiken befanden. So wird berieh-
tet. dass unter dem grossen Sehwarme von
Deut.sehen. der im Jahre 1701) in London
eintraf, um Transportation naeh Amerika
zu finden, über 4(>(>l) Katholiken waren.
])i«>s('n wui-de aidieimgegeben, entweder
Protestant i.seh zu werden und des königli-
chen Schutzes theilhaftig zu bleiben oder
in ihr Vaterland zuriiekzukehren. Das
Letztere wählten MöS4.
Die ersten katholischen ^lissionäre,
welche naeh .Maryland kaim-n. waren Jesui-
ten. Deshalb war auch dci- erste kirch-
liche Obere, den die katholische Kirche in
unserem Lande erhielt. Johannes Carroll,
der erste ajxKstolische Präfekt und nachma-
lige Bischof und Erzbischof von Baltimore,
ein Jesuit. Jesuiten waren die ersten
Mi.ssionäre, die nach Pennsylvanien kamen
und unter den B«'wohnern dieser Kolonie
zerstreut eine Anzahl von Katholiken, meis-
tens deut.sehe Pfäl/.er. vorfanden.
Die aeltesten deutschen katholischen
Kirchen.
^y^e älteste katholische Kirche des Staates
Pennsvlvanien. die im Jahre 1732 gegrün-
dete St. Jasef.s-Kirche in AVillings Alley in
Philadeli)hia. ist heut zu Tage wohl eine
engli.sche Kirche, aber zur Zeit ihrer (Ji-ün-
(lung bestand di<' ^lehrzahl ihrer ^Mitglieder
aus deut.sehen Katholiken. l'nter den
ältesten Seelsorgern dieser Kirche finden
wir desshalb auch mehrere mit deutschen
Namen, wie llarding, Fleming und Oräs-sl.
Aueh Pater Farmer, der von 1758 bis 1786
Pfarrer von St. Josefs gewesen war. wa^
ein Deutscher, denn er hatte ursprünglich
Steinme.ver gehei.ssen. Dieser Priester ent-
faltete eine ausgedehnte Thätigkeit, grün-
dete im westlichen Penn.sylvanien mehrere
Kirchen, drang bis nach New York vor und
gab in der Stadt New York den ersten An-
stoss zur Gründung einer deutschen katho-
lischen Oemeinde. Er genoss die grö&ste
Achtung, denn seiner Leichenfeier (er
starb am 17. Augu.st 1786) wohnten fast die
gesammte protestantische Geistlichkeit, die
^Mitglieder der philosophischen Gesellschaft,
die Professoren und ..Tru.stees" der Univer-
sität und Bürger aller religiösen Bekennt-
nisse bei. Die erste rein deutsche katholi-
sche Kirche der Stadt Philadelphia ist die
im Jahre 1788 gegründete Kirche zur hl.
Dreifaltigkeit an der 6. und Spruce Strasse,
das letzte öffentliche Gebäude in Philadel-
phia, zu dessen Baue die damals übl-chen
roth und schwarz glasirten Ziegeln ver-
wendet wurden. Das ehrwürdige Gebäude
ist heute noch in s(»inem ursprünglichen
Zustande erhalten geblieben ; es erinnert
der IMangel eines Thurmes an die Zeiten, in
denen die Katholiken nur geduldet waren.
Diese Kirche ist die ]Mutterkirche von elf
rein-deutschen katholischen Gemeinden, die
heute in Philadelphia bestehen.
Eine andere alte deutsche Kirche in
Pennsylvanien ist die im Jahre 1741 ge-
gründete Kirche zum hl. Herzen, heute zu
Tage zum Allerh. Sakrament, in dem ehe-
maligen Goshenhoppcn. das später Chureh-
ville genannt wurde und heute Bally heisst.
Auf dem Friedhofe dieser Kirche findet
man heute noch alte, aus dem 18. Jahrhun-
DEUTSCHE KATHOLIKEN IX AMERIKA.
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dert staiuinende Grabsteine mit deutsehen
Inschriften. Die deutsehe St. Marien-Kirehe
in Laneaster, Pa.. wurde im Jalire 1745 ge-
gründet. Im Jahre 1757 soll die Zahl der
deutsehen Katholiken im Staate Pennsyl-
vania 900 betragen haben.
Fuerst Gallitzin.
Als (J runder der deutsehen katholischen
Kirchen im westlichen Pennsylvaiiien er-
scheint der russische Fürst Diiiiitri Gal-
litzin. geboren im Haag am 22. Dezember
1770, als Sohn der geistreiehen Fürstin
Adellieid Amalia Gallitzin, die den gefeier-
ten [Mittelpunkt des ,,]\IÜKstersehen Freun-
deskreises" gebildet und gegen Ende ihres
Lebens die katholische Religion angenom-
men hatte. Der junge Fürst, der schon als
Kind ein russisches Offizierspatent erhalten
hatte, wurde äusserst strenge erzogen und
sehr abgehärtet. Nach dem "Wunsehe seines
Vaters sollte eine Reise durch Xord-Ame-
rika seine Ausbildung vollenden. Die erste
Xachricht. mit weleher der junge Reisende
seire Familie in Europa überraschte, war
die p]rklärung, „dass die geistige Xoth der
Katholiken in Nord-Amerika ihn bestimmt
habe, sich mit Leib und Seele, Hab und
Gut, dem Dienste Gottes und dem Heile des
Nächsten zu weihen". Die Ver. Staaten
hatten damals eben in Johannes Carroll von
Baltimore ihren ersten Bisehof erhalten ;
ihm zur Seite standen einige aus Deutsch-
land inid Frankreich gekommene Priester,
unter welchen der Emigrant Nagot, früher
Dii-ektor des Pariser Seminai-s von St.
Sulpice. hervorragte. Ein französischer
Theologe, Bastin, und Fürst Gallitzin
vollendeten als die Erstlinge der katholi-
schen Kirche in Nord- Amerika unter Na-
gots Leitung ihre theologischen Studien.
Gallitzin empfing am 16. ]\Iärz 1795 die
Priesterweihe. Der Vater freute sich der
Charakterstärke seines Sohnes und äus.serte,
„wenn ein junger ]Mann von solcher Geburt
und solchen Aussichten sich zum Priester-
thunie entschlies.se, müsse er auf alle irdi-
schen Pläne verzichten und entweder
]\Iönch oder wie Dimiti'i Mi.ssionär wer-
den". Da in den wenigen katholischen (ic-
meinden, welche bis dahin bestanden, nach
den protestantischen Vorbildern das
Trustee-System vorherrschend war, und
diese sogenannten ,,Trustees" die Kirche
als ihr Eigenthum und den Priester als
ihren bezahlten Diener ansahen, so fasste
Fürst Gallitzin den Plan, im Frwalde eine
neue, nach katholischen Grund.»«ätzen einge-
richtete Kolonie zu gründen. Er zog auf
die Höhen des Alleghany-Gebirges und
gründete an der AVa.sserscheide des Ohio
und Susquehanna den Ort Loretto. wo er
von 1799 bis zu seinem Tode, am (5. Mai
1840, als Vater. Freund. Helfei- und Seel-
sorger mit der grö.ssten Selbstaufopferung
und unter unsäglichen blühen und Be-
schwerden wirkte und von da aus in St.
Joseph 's, St. August in und Carrolltown
ähnliche Kolonien gründete. Auch als i-eli-
giöser Schriftsteller entfaltete er eii:e
fruchtbare Thätigkeit.
Die älteste deutsche katholische Kirche
der Stadt New York ist die St. Nikolaus-
Kirche an der Zweiten Strasse, zwischen
Avenue A und 1. Avenue, die im Jahre
1833 gegründet wurde. Es würde zu weit
führen, in jedem einzelnen Staate der
Union die alten Kirchengi'üudungen deut-
scher Katholiken anzuführen, aber es mag
genügen zu sagen, dass sie in allen Staaten
unseres Landes vertreten sind und in allen
grösseren Städten eine grössere oder gerin-
gere Anzahl deutscher Gemeinden besitzen.
Deutsch-amerikanische Bischoefe.
Die deutschen Katholiken hal)en ihi-er
Kirche eine .stattliche Zahl hervorragender
Erzbi.schöfe uiul Bischöfe gegel)en. Unter
den Verstorbenen mögen erwähnt wei-den
der er.ste Bischof und p]rzl)ischof Martin
Ilenni von iNIilwaukee, ein deutscher
Schweizer; der zweite Erzl)ischof von ^Fil-
waukee, IMichael Ileiss, ein Bayer; der
dritte Erzbischof \ou Mihvaukee, Friedrich
Katzer, ein Obei'österreieher : der zweite
DEUTSCHE KATHOLIKEN IX AMERIKA.
Kizbisciu.f von Orogoii City, "Wiii. II. Gross,
als Sohn arutsclicr Kit. tu in liültiniore {ge-
boren; lU'r ci-sti' liiscliof von Detroit,
Frii'ilri<'li lU'sc, ein Wcstfale, und der erste
dentsehe Priester, der in den Ver. Staaten
zur hisehöfliehen Würde erhoben wurde;
der vierte Bisehof v«)n Philadelphia, Johann
Neponnik Neiunann, ein Deutsehböhnie;
der ei-ste Hisehof von Alton, Heinrich Da-
niinn Jiniker, ein IiOthrin«:er ; der erste Bi-
schof von Fort Wayne, Johannes II(>inrieh
Luoi-s, ein Oldenburtror ; der erste Bisehof
von (iH'en Bay. Jos. .Meleher, ein Wiener;
der /weite Bi.sehof von Covin<rton, Augf. ^I.
Töl»be, ein Hannoveraner; der zweite Bi-
sehof von Alton, l*eter Jos. Baltes, ein
Rheinpfälzer; der dritte Bi.sehof von
Detroit, Kaspar Ileirnieli Borjress, ein 01-
denbur<rer; der zweite Bisehof von Fort
Wayne. Josef Dwengrer, als Sohn deutscher
Eltern in Ohio ircboren; der /weite Bischof
von (Jreen Bay, Franz Xaver Krautbauer,
ein Bayer ; ilei- apostoli.sehe Vikar von Nord-
Minni'sota, Hupert Seidenbusch, ein Bayer;
der zweite Bi.sehof von Xesqually, Aegidius
Jünirer. ein Hheinländer ; der zweite Bi-
sehof von Tia Crosse, Kilian Flasch. ein
Bayer; der erste Bischof von AVilininirton,
Del., und sechster Bi.sehof von Savannah.
Thomas A. Becker, als Solni deutscher
Kitern in Pittsburg geboivn ; der erste Bi-
.sehof von Leavenworth und Kansas City,
Ludwig ^r. Fink, ein Bayer; der dritte Bi-
sehof von Cleveland, Ignatius F. Horst-
mann, als Sohn deutscher p]ltern in Phila-
delpliia geboren; der vierte Biscliof von
Xashviile uiul dritter Bischof von Fort
Wayne, Jos. KadcMnacher, als Sohn deut-
scher Kitern in ^lichigan geboren ; der
dritt«' Bi.scliof von ^larquettc, Jolinnnes
Vertin, ein Krainer; der dritte Bi.scliof von
Newark, Winand ?klichael Wigger, als
Sohn deutscher Kitern in d<'r Stadt Xew
York geboren; der erste Bi.sehof von St.
Clond. Otto Zardetti. ein Schweizer; der
erste Bischof von Fall River, :\Iichael
Stang, ein Baden.ser.
Unter den gegenwärtig in den Ver.
Staaten wirkenden Erzbiscliöfen und Bi-
sehöfen befinden sich die folgenden Deut-
sehen : Der vierte Erzbischof von ]Milwau-
kee, Sebastian Gebhard ^le.ssiner, ein
Schweizer ; der vierte Erzbischof von Cin-
einnati, Heinrich ^Möller, als Sohn deut-
sehei- Eltern in Cincinnati geboren; der
vierte Bischof von Fort Wayne, Ilennann
Jos. Alcrding, als Sohn deutscher Poltern in
Xewjioi't, Ky., geboren; der vierte Bischof
von Maiupiette, Friedrich P^is, ein Khein-
länder; der Biscliof von Nord-Carolina,
Leo Ilaid, als Sohn deutscher Eltern in St.
Vincenz, Fa., geboren ; der erste Bischof
von Bellcville, Johainies Janssen, ein
Hheinländer; der zweite Bischof von Den-
ver, Xikolaus W. j\Iatz, ein Elsässer; der
erste Bischof von Grand Rapids, Heinrich
Jos. Richter, ein Oldenbnrger; der erste
Bischof von Superior. Augn.st F. Schinner,
als Sohn deutscher Eltern in ^Milwaukee ge-
boren ; der dritte Bischof von La Cro.sse,
Jakob Schwebach, ein Luxemburger; der
er.ste Bischof von Lead, Süd-Dakota, Jo-
hann Stariha, ein Krainer; der vierte Bi-
.sehof von St. Cloud, Jakob Trobee, ein
Krainer. und der Hülf.sbi.schof Jos. INI.
Koudelka von Cleveland, ein Dentsch-
böhme.
Die Zahl der deutsch-amerikanischen
Priester unseres Landes dürfte ungefähr
2700 betragen. Rein-deutsche katholische
Kirchen bestehen in unserem Lande unge-
fähr 1200; es befinden sich unter ihnen
nicht wenige Prachtbauten, die sowohl hin-
sichtlich der Reinheit des Stiles, wie auch
in Bezug auf reiche und geschmackvolle
Ausstattung den schönsten Gotteshäusern
der Alten Welt an die Seite gestellt werden
dürfen. So wenig es bis jetzt gelungen ist,
die Zahl der Katholiken unseres Landes ge-
nau festzustellen, ebenso wenig i.st es bis
jetzt möglich gewesen, die Zahl der deut-
schen Katholiken auch mir aiuiähernd fest-
zustellen. Xacli der Zahl ihrer Kirchen
imd Priester sollten sie ungefähr ein Fünf-
DEUTSCHE KATHOLIKEN IX AMEEIKA.
253
tel der gesanimton katholischen Bevölke-
rnn«r, die nach freilich nicht sehr verlässli-
chen (Quellen nahezu 14,000,000 betragen
soll, erreichen.
Deutsch-amerikanische Orden.
Da von allem Anfange an unter den deut-
schen Katholiken unseres Landes ein gros-
ser ^langel an Priestern herrschte, der lange
Zeit durch aus der Alten Welt eingewan-
derte deutsche Priester gedeckt werden
musste, wurden viele deutsehe Ordenspries-
ter nach den Ver. Staaten verpHanzt, deren
Orden im Laufe der Jahre eine grosse Ver-
breitung erlangt haben.
Die Benediktiner von Xursia wurden von
dem Abte Bonifatius Wimmer aus dem
Kloster IMetten in Bayern, Diözese Regens-
burg, nach Nord-Amerika verpflanzt. Am
16. Dezember 1846 landete Pater Wimmer
mit vier Studenten, die später Priester wur-
den, und vierzehn angehenden Laienbrü-
dern auf Einladung des damaligen Bischofs
O'Connor von Pittsburg und ging nach
dem westlichen Penn.sylvanien, wo sie in
St. Vincenz, Westmoreland County, ein
Kloster gründeten, das bereits am 24. Au-
gust 1855 zu einer Abtei und später zu einer
Erzabtei Avurde. In dem damit verbunde-
nen Priester-Seminar wurden viele Welt-
und Ordeuspriester herangebildet, und von
diesem ]\Iutterkloster aiLs die Benediktiner-
Abteien in Collegeville, INIinn., in Atchison,
Kansas ; in Belmont, N. C. ; in St. Bernard,
Cullman Co., Ala. ; in Chicago, 111., und
Priorate in Canada und im Staate Wash-
ington gegründet, die gegenwärtig über
400 Patres zählen und eine Universität und
mehrere Priester-Seminare unterhalten.
Eine zweite Benediktiner-Niederla.ssung
in unserem Lande wurde im Jahre 1853
von dem berühmten Benediktiner-Kloster
in Einsiedeln in der Schweiz gegründet.
Das Mutterhaus dieser Gründung befindet
sich in St. ^Feinrad in Spencer Co., In-
diana. Von dort aus wurden in Spieler-
ville. Arkansas ; Covington. Kentucky ;
Richardton, Nord-Dakota, und Mt. Angel,
Oregon, neue Abteien gegründet, in denen
zusammen 190 Patres tliätig sind.
Von den deutschen Franziskanern wur-
den vier Niederlassungen gegründet. Das
Mutterhaus der von der Tiroler Provinz im
Jahre 1844 nach Cincinnati entsendeten
Franziskaner befindet sich in St. Bernard
bei Cincinnati ; es wurde damit eine Ge-
nossenschaft von Brüdern des dritten Or-
dens verbunden, welche den Unterricht in
verschiedenen Pfarrschulen übernahmen.
Im Jahre 1858 kamen dann Franziskaner
aus der säclLsisch-wcstfälischcn Ordenspro-
vinz nach Alton, 111., und im Jahre 1878
Franziskaner aus der bayrischen Ordens-
provinz in [München nach Louisville, Ky.
Die kurhessischen Franziskaner, welche der
preussische Kulturkampf nach den Ver.
Staaten verschlagen hat, haben in den Diö-
zesen Newark, N. J., und Ogdensburg, N.
Y., einen neuen Wirkungskreis gefunden.
Die Kapuziner kamen im Jahre 1857
nach unserem Lande. Ihr ^Mutterhaus be-
findet sich in Calvarv, Fond du Lac Co.,
Wisconsin. Diese Avaren aus der Schweiz
gekommen ; es folgten ihnen dann Ange-
hörige der bayerischen Kapuziner-Provinz,
deren ^Mutterhaus sich in Pittsburg befin-
det, und später kamen rheinisch-westfäli-
sche Kapuziner, welche der preussische
Kulturkampf aus ihrer Heimat vertrieben
hatte. Die Zahl dieser Kapuziner-Patres
beträgt gegeuAvärtig ungefähr 130.
Die deutschen Karmeliter- Patres wurden
im Jahre 1864 von dem Kloster Straubing
in Bayern nach den Ver. Staaten ver-
pflanzt und zählen gegeuAvärtig in den
Staaten Pennsylvanien und Kansas zwei
Prioriate.
Die deutsehen Jesuiten wurden im Jahre
1868 in den Ver. Staaten eingeführt, indem
die zwei bis dahin von Jesuiten aus New
York pastorirten Gemeinden in Buffalo,
N. Y., von deutschen Jesuiten übernommen
wurden. Sie besitzen zwei im hohen An-
sehen stehende höhere Lehranstalten in
Buffalo, N. Y., und Prairie du Chien, Wis.
254
ÜKl'TSrHE KATHOLIKEN IX AMERIKA.
Di»' »-rsten UoiUnipt'"''''''" kaiiHMi im
Juli 1S:VJ nach Amerika. <1<h*Ii kuiiiiti'n s'w
i-i-st im .Jaluv \s:V.) in Pittshiir,-: einen f<'sten
WohiLsit/ erlan^ren uml sieh kl.isteilieli ein-
lirhtrn. l'm die Seelsoi^'e der deutsehen
Katholiken »nid die innere Mission haben
sie sieh jrnvsse Verdienste erworben. Sie
he.sit7.en jetzt zwei Provinzen mit 325
Patn-.s und vereehen in nielireren -rrossen
Städten un.sen's Landes. wi<' in Philadel-
phia. New York. Haltimon>. i'ittsbnr'r. C'iii-
fiiL'o. Haston u. s. w. blühende Cemeinden
und Ix'sitz.-n mehrere vortrefflieh einjjerieh-
tete Studien-Anstalten iiii.l Mis.sion.shäiiser.
Die Väter vom kostbaren Blute oder San-
truini.sten kamen im Jahre 1843 iiiuli Ame-
rika. Sie bejrannen ihre Thäti^'keit in Ciii-
cinnati und verbreiteten sich von da aus
naeh mehn-ren westliehen Diözesen.
Währt-nd des Kulturkampfes kamen fer-
ner noeh die Väter vom hl. Geiste, deren
Mutterhaus sieh in Cornwells, Bnel« Co.,
Pa.. bffindet. und die Väter vom Göttlichen
Worte aus Steyl in Holland, deren ^Mutter-
haus sieh in Teehny, Cook Co.. 111.. befin-
det, naeh den Ver. Staaten.
Auch die Väter und Brüder ]\Iariä, eine
im Klsass bestehende relifriöse Genossen-
schaft, welche sich den rnterricht der Ju-
gend als Auf^'abe frestellt hatte, eröffneten
im Jahre 1850 in Dayton, Ohio, eine ameri-
kanische Niederlassung, welche seit dieser
Zeit einen irro-ssen Anfschwnnrr genommen
. hat.
Ferner verdienen noch erwähnt zu wer-
den die Alexianer-Brüder, die im Jahre
18r>5 von dem Mutterhan.se in Aachen ent-
sendet wurden, um in Chicago eine neue
Niederlassung zu eröffnen, und in dieser
Stadt wie auch in Klizabeth. X. J., gro.sse
Hospitäler eröffnet haben. In Cskash,
Wis.. leiten sie seit dem Jahre 1879 ein
grasses Haspital für Gei.steskranke und
Nervenleidende.
T'nter den Pa.ssioni.sten, den Dominika-
nern. Lazaristen und den Priestern vom
hl, Kreuz befinden sich ebenfalls manche
tU'Utsche Priester, die hie und da unter den
Deutschen, luuipt.sächlich in sprachlich ge-
mischten (iemeinden, wirken. Auch unter
den Christlichen Scludbrüdern befindi'n
sich viele Deutsche, die an mehreren grassen
deutschen Pfarrschulen die Knabenkla.ssen
mit dem grö.ssten Erfolge unterrichten.
\'«in den katholi.schen deutschen Frauen-
Genossenschaften haben mehrere eine
grosse, fa.st das gesannnte Gebiet unseres
Landes umfa.ssende Ausdehnung erlangt.
Auf Veranlassung der Redemptoristen
kamen die Schulschwestern von Xotre
Dame im Jahre 1847 aus ^München in die
Diözese Pittsburg. Von da aas gründeten
sie ein Kloster in Baltimore, und 1850 be-
lief sie Büschof Henni nach ^Milwaukee.
Die Genos.senschaft breitete sich so ra.sch
aus, dass sie bereits im Jahre 1876 in zwei
Provinzen getheilt werden konnte. Diese
Schwestern haben in 33 Diözesen der Ver,
Staaten und in einer Diözese in Canada
264 Niederla.ssungen, in welchen 3368
Schwestern und Novizen thätig sind.
Die Armen Schwestern des hl. Fran-
ziskus aus Aachen kamen im Jahre 1858
nach Cincinnati, wo sie ein Krankenhaus
eröffneten, das seit dieser Zeit wiederholt
vergrössert werden nuisste. Gegenwärtig
leiten sie in Hoboken, X. J. : Jersey City,
X. J.: Brooklyn, N, Y..; New York, X. Y.;
Quincy, 111.; Covington, Ky. ; Dayton,
Ohio, und Cincinnati, Ohio, mehr oder w^e-
niger gro.s.cc Hospitäler, in denen sie jähr-
lich 30.000 Kranke verpflegen.
Die Schwestern des dritten Ordens des
hl. Franziskus der Genossenschaft von
Oldenburg wurden im Jahre 1850 von
Wien aus naeh Amerika verpflanzt. Ihr
erstes Kloster er.stand in der deutschen
Ansiedelung Oldenburg im Staate Indiana.
Sie zählen heute etwa 700 Schwestern und
Xovizen, welche in mehreren westlichen
Diözesen den Unterricht in Pfarrschulen
ertheilen.
Die Franziskanerinnen des dritten Or-
dens aus Colpe in Westfalen wurden durch
DEUTSCHE KATHOLIKEN IN AMERIKA.
255
den Kulturkampf aus Preussen nach Ame-
rika vertrieben. Im Jahre 1S75 eröffneten
sie in Lafayette, Indiana, ein Krankenhaas
und übernahmen dann aueh den Selndun-
terricht in einer deutsehen l*farrschule
dieser Stadt. Bereits im Jahre 1896
machte dieses Ho.sj)ital einem mit allen
modernen Verbesserunjren ausjrestatteten
Neubau Platz. Die Zahl dieser Schwestern
beträgt gegenwärtig ungefähr 750 und sie
sind in 13 Diözesen thätig.
Im Jahre 1853 landeten in New York
mehrere Schwestern vom hl. Dominikus
aus Regensburg, um in Nord-Amerika eine
Mission zu gründen. Sie Hassen sich in
AVilliamsburg, Brooklyn, N. Y.. nieder iind
übernahmen die Leitung der Schule der
Dreifaltigkeits-Kirche. Später übernah-
men sie auch die Leitung des St. Katharina-
Haspitals. Sie besitzen jetzt 24 Niederlas-
sungen, meistens in der Diözese Brooklyn,
und zählen ungefähr 400 Schwestern und
Novizen.
Die Schwestern L^nserer Lieben Frau
kamen im Jahre 1874 aus Cösfeld in West-
falen nach Cleveland, wo sie eine deutsche
Pfari-schule übernahmen. Dann über-
nahmen sie eine deutsche Pfarrschule in
Covington, Ky., die später der Mittelpunkt
der amerikanischen Häuser dieser Genos-
senschaft wurde, in der in 31 Niederlassun-
gen 300 Schwestern wirken.
Die Geno.ssenschaft der Schwestern der
Christlichen Liebe (Mallinckrodt-Schwes-
tern), die im Jahre 1849 von Pauline von
Mallinckrodt, der Schwester des deutschen
Reich.stags-Abgeordneten Hermann von
Mallinckrodt, gestiftet worden w^ar, besitzt
in unserem Lande zahlreiche Niederlassun-
gen. ALs der preiLSsische Kulturkampf
auch die Niederla.s.sungen dieses Ordens in
Preussen zu zerstören drohte, wandten sich
die Blicke der Oberin nach den Yer. Staa-
ten, denen sie einen Besuch abstattete; sie
wählte Wilkes-Barre in Pennsylvanien als
den für eine solche amerikanische Nie-
derlassung am besten geeigneten Platz
aus. Der im Jahre 1878 begonnene Klo.ster-
hiin wurde im Jahre 1895 vollendet. Diese
neue Ordensgründung erlangte schnell
eine grosse Yerbreitung. Die Zahl der
Schwestern beträgt gegenwärtig ungefähr
700. Sie ertheilen in 54 Pfarrschulen
ungefähr 17.000 Schulkindern rnterricht.
Der von dem Bi.schofe Johann Nepoiinik
Neumann ursi)rünglich als ein rein deut-
scher Orden gegründete Orden der Schwes-
tern vom dritten Orden des hl. Franziskus,
dessen ^Mutterhaus sich ursprünglich in
Philadelphia befand und dann nach Glen
Riddle, Pa., verlegt wurde, hat in den letz-
ten Jahren seinen rein deutschen Charakter
verloren, aber eine ausserordentliche, fast
das ganze Gebiet der Yer. Staaten umfas-
sende Yerbreitung erlangt. Die Zahl der
Schwestern beträgt gegenwärtig 1500.
Sie leiten in ungefähr 25 Diözesen Pfarr-
schulen, Krankenhäuser luid verschiedene
Wohlthätigkeitsanstalten, wie das St.
Marien- und St. Agnes-Hospital in Pliila-
delphia und Hospitäler in Reading und
Lancaster.
Rein deutsche katholische Anstalten.
LTnter den vielen grösseren und kleineren
Lehranstalten, Hospitälern und anderen
"VYohlthätigkeits-An.stalten, die bis auf den
heutigen Tag ihren rein deutschen Cha-
rakter bewahrt haben, verdienen besonders
drei hervorgehoben zu werden : das Sale-
sianum in St. Francis bei ]\Iilwaukee, Wis. ;
das Josephinum in Columbus, Ohio, und
das Leo-Haus in New York, N. Y.
Das Salesianum in ]Milwaukee verdankt
sein Entstehen hauptsächlich dem uner-
müdlichen Eifer des Dr. Jos. Salzmann, der
im Jahre 1847 aus Oesterreich nach ]\Iil-
waukee gekommen war und in allen Theilen
des Landes Gelder sammelte, um nahe Mil-
waukee ein deutsches Priester-Seminar zu
gründen. Dieser im Jahre 1855 begonnene
Bau konnte bereits im Jahre 1856
vollendet werden ; es wurde damit im
Jahre 1870 ein Lehrerseminar verl)unden,
25t>
DEUTSCHE KATHOLIKEN IN AMERIKA.
ZU (lein Köiiiir Ludwig <l« r Kiste vdii
HaviTii riiK* Summe vom :UKM) (iuldcn bei-
gfstinuTt hatte. Dieses Seminar zälilt lieute
284 Studenten. .Mit diesem I'rie.ster-Semi-
nar sind eine deutselie katlioliseli»' N(>rm;il-
sehule (,das I.rlirer-Seminar) . eine kauf-
männisehe Sehule. zwei Waisenhäuser, eines
für Knal)en, das andere für Miidclien. und
eine Tanl>sHnnmen-Ans1;dt verbunden.
Das .IcKs.-phinum in Cttlumbus, Ohio, ist
eine (Iründuni: (h's deutsehen Priesters Jos,
Jessin^'. der im Jahre 1873 mit der lleraus-
jjabe eines he.seheidenen deutsehen katholi-
sehen Wochenblattes, des „Ohio Waisen-
freund", der lieute eine }j;ras.se Verbreitung
erlangt hat. begann, um mit des.sen Ein-
nahmen ein Waisenhaus für katholische
Knaben zu unterhalten. Dieses AVaisen-
haiis wurde später von l'omeroy nach Co-
luml)us. Ohio, verlegt und erlangte rasch
eine grosse Hlüthe. Nicht allein besorgen
die Zöglinge dieser Anstalt den Satz und
den Druck des ..Ohio Waisenfreund", son-
dern es ist mit ihr auch eine bedeutende
Kunst.sehule verbunden, in der Statuen,
Kanzcli). Altäre u. .s. w. hergostellt werden,
die man heute bereits in vielen Kirchen
unseres Landes finden kann. Im Jahre
ISSS wurde mit diesem Waisenhause ein
Kollegium zur Heranbildung mittelloser
deutscher Knaben und Jünglinge für den
Priestei-stand verbunden. Dieses Kolle-
gium zählt IHG Studenten.
Das Leo-Haus in New York verdankt
seine Gründung der Feier das goldenen
Priesterjubiläunis des Papstes Leo des
Dreizehnten im Jahre 1887 und wurde aus-
.schlie.sslich aus Beiträgen der deutschen
Katholiken unseres Landes erbaut, um als
Heim für deutsche katholi.sche Einwan-
derer in New York zu dienen. Es hat in
dieser Beziehung eine sehr segensreiche
Thätigkeit entfaltet.
Das deutsche katholische Vereinswesen,
Das deutsche katholi.sche Vereinswe.sen
hat eine gros.se Blüthe erlangt und beson-
ders in den letzten Jahren durch eine ge-
schlo.ssene, fast alle Staaten der Union um-
fas.sende Organisation eine grosse Bedeu-
tung gewonnen. I);i .lueli die deutschen
Katholiken die Nothwendigkeit erkannten,
sich gegenseitig zur gegen.seitigen Hilfe- j
leistung in Krankheits- und Todesfällen zuj
vereinigen, wurden schon frühzeitig mit
vielen deutschen katholischen (Jemeinden
deutsche Unterstützungs- Vereine verbun-
den, die einen ausgesprochenen katholischen]
Charakter trugen und deshalb nur deutsche
Katholiken als Mitglieder aufnahmen. Be-
reits im Jahre 1854 erkannten mehrerei
dieser Vereine die Nothwendigkeit eines
engeren Zusammenschlusses ; es tratei
deshalb im Jahre 1855 auf eine vorher er-
gangene Einladung siebzehn solcher Ver-
eine aus St. Louis. ]Mo. ; Rochester, N. Y.
Buffalo, N. Y. ; Wa.shington, D. C. ; Alieg-
heny. Pa. : Birmingham, Pa.; PittsburgJ
Pa . und Baltimore, Md., zusammen, uml
einen Central-Verein der deutschen r(
misch-katholischen Unterstützungs- Vereine
zu bilden. Es entstand auf diese Weise
der „Deutsche r. k. Central-Verein". Lth
sprünglicher Zweck dieses Vereines w;
neben der Stärkung des katholischen Be-
Avusstscins vor allem die materielle Hilfe-
leistung der Vereine untereinander. Später
Avurde dieses Programm dahin erweitert^
dass dieser Central-Verein für alle katholi-
schen Interessen im Sinne der katholischer
Kirche eintreten und in allen wichtigei
Zeit- und Streitfragen Stellung nehmei
und besonders auf sozialem Gebiete seiner
Einfluss geltend machen soll. Dieser Cen-
tral-Verein hält alljährlich Delegaten-Verj
Sammlungen ab, die eine immer grössere
Bedeutung erlangten, da sich allmälig die
IMehrzahl der deutschen katholischen Ver-]
eine unseres Landes diesem Central-Verein«
anschlo.ss und sich seine Versammlungen
nach dem Vorbilde der Generalversaram-
lungen der Katholiken Deutschlands zu
grossartigen Kundgebungen der deutschen
Katholiken unseres Landes gestalteten, in
DEUTSCHE KATHOLIKHX IX AMERIKA.
257
denen die wielitijrsten Ta«resfraji:en eiiiffe-
heud erlörtert werden. Ganz besonders
aber hat sieh der Central-Verein um die Er-
haltung der deutsehen Spraehe und des
deutselien Wesens verdient greniacht. Eine
grosse Stärkung erhielt er durch die in den
letzten Jahren erfolgte Gründung von
Staatsverbänden. In den meisten Staaten
der Union, in welchen eine grössere Anzahl
deutscher katholischer Vereine zu finden
ist, wurden diese zu besonderen Staatsver-
bänden vereinigt, welche auf jeder Ver-
sannnlung des Central-Vereines durch De-
legaten vertreten sind und dadurch mitein-
ander in eine enge Verbindung treten. Nach
dem letzten amtlichen AiLsweise zählte der
Central-Verein nahezu 100,000, über 31
Staaten der Union vertheilte :\Iitglieder.
Ausserdem bestehen noch in mehreren
grösseren Städten unseres Landes, wie in
Philadelphia, Pittsburg, Buffalo, New York
u. s. w., besondere A^erbände der in diesen
Städten bestehenden deutschen katholischen
Vereine. Es giebt ausser diesen Unter-
stützungs-Vereinen an vielen deutschen
katholischen Kirchen Jünglings-, Gesel-
len-, Literatur-, dramatische und ähnliche
Vereinigungen, welche ihren Alitgliedern
harmlose Unterhaltung in geselligen Zu-
sammenkünften bieten. Auch werden in
der neuesten Zeit grosse Anstrengungen ge-
macht, die deutschen Katholiken unseres
Landes nach dem Vorbilde des Volksver-
eins für das katholische Deutschland in
einem grossen Volksverein zu sammeln,
dessen Hauptaufgabe darin bestehen soll,
die :\litglieder zum Verständniss der
sozialen Frage zu führen, damit sie auch an
der Lösung dieser ungemein wichtigen
Tagesfrage erfolgreich mitarbeiten können.
Die deutsche katholische Presse.
Die deutsche katholische Presse hat in
den letzten Jahren eher Rückschritte als
Fortschritte gemacht, hat jedoch dabei nur
das Schicksal der weltlichen deutschen
Presse getheilt, die in den letzten Jahren
dasselbe Schicksal gehabt iuit. Die deutschen
katholischen Tageszeitungen in Cincinnati,
Pittsburg, Philadelphia und New York
nuLssten nach einem theilwei.se langen Be-
stände aus ver.schiedenen Ursachen ihr Er-
scheinen ein.stellen. Heute zu Tage be-
sitzen die deutschen Katholiken nur noch
zwei tägliche Zeitungen: die „St. Louis
Amerika", ein blühendes und weit verbrei-
tetes IMorgenblatt, und den „Buffalo
Volksfreund", der als Abendblatt erscheint
und ebenfalls stark verbreitet ist.
Die erste deutsehe katholische Zeitung,
die in den Ver. Staaten erschienen ist, war
der ,, Wahrheitsfreund" in Cincinnati, der
im Jahre 1837 von dem nachmaligen Erz-
bischofe Henni von Milwaukee, der damals
deutscher Pfarrer in Cincinnati war, ge-
gründet wurde, aber im Jahre 1907 sein
Erscheinen einstellen nmsste und mit dem
„Ohio Waisenfreund" verschmolzen wurde.
Auch das nächstälteste katholische Wochen-
blatt, die ,, Katholische Kirchenzeitung",
die im Jahre 1846 in Baltimore gegründet
und 1851 nach New York verlegt wurde,
musste im Jahre 1882 ihr Erscheinen ein-
stellen. Dasselbe Schicksal traf auch an-
dere deutsche katholische Wochenblättei-.
Heute zu Tage bestehen noch :
Der „Herold des Glaubens" in St. Louis
seit dem Jahre 1850.
Die „Katholische Volkszeitung" in Bal-
timore seit dem Jahre 1860.
Das „Katholische Wochenblatt" in Chi-
cago seit dem Jahre 1860.
Der „Katholische Glaubensbote" in
Louisville, Ky., seit dem Jahre 1866.
Der „Wanderer" in St. Paul, Minnesota,
seit dem Jahre 1867.
Die „Luxemburger Gazette" in Dubu-
que, Iowa, seit dem Jahre 1871.
Der „Ohio Waisenfreund" seit dem
Jahre 1873. ]\lit diesem Woehenblatte
wurde im Jahre 1907 der Cincinnati
„Wahrheitsfreund ' ' venschmolzen.
Die „Nord-Amerika" in Philadelphia
seit dem Jahre 1873.
2/18
DEUTSCHE KATHOLIKEN IX AMERIKA.
Der „Nordstern" von St. Cloiul, :Minn..
seit dem Jahre 1874.
Die ..Iowa" von Du])U(Hn\ INIinn., seit
dem Jahre l.s74.
Die ..Stimme der AVahrlifit" iu Detroit,
Mich., seit dem Jahre 187').
Die ,.Chri.st liehe Wodie" in Bnffalo seit
dem Jahre 1875. .Mit (lir.snn Woehenbhitte
wurde vor mehreren Jain-en die im Jahre
18")! ztieret erschienene ..Aurora" ver-
sehmolzen.
Die „Colnmliia" in Mihvaukee. .seit 1873.
Das ..Katlioli.sehe Familienbhitt" in
IMttshur^' seit dem Jahre 1880.
Das ..Sternenl)anner" in Evansville, In-
diana, seit dem Jahre 1880.
Das ..Katholi.sehe Sonntag.sblatt" in
Chieajiro .seit dem Jahre 1881.
Die ..(Moeke" in Indianapolis, Indiana,
seit dem Jahre 1892.
Das „Exeelsior" in ^lilwankee seit dem
Jahre 1884.
Der „California Volksfrennd" in San
Franeiseo seit dem Jahre 1896.
Ausserdem liest eben noch eine deutsche
katholi.sehe JuL'endschrift nnd mehrere in
deutscher Sprache enseheinende Erbanungs-
Blätter, die meistens monatlich erscheinen
und von katholischen Ordensanfrehörigen
lierausiregeben werden Für die Reform
der katholischen Kirchenmusik wirkt dir
seit dem Jahre 1874 in St. Francis bei
Milwaukce in deutscher Sprache anschei-
nende ..Caecilia".
Schluss-Bemerkungen.
Dieser blühende Stand der deutschen
Katholiken un.seres Landes verdient um so
grüssere Anerkennimg. da es ihnen wahrlich
nicht leicht gemacht wurde, ihn zu erringen
und bis auf die Gegenwart zu behaupten.
Im Anfange hatten sie mit einem gro.ssen
Mangel an deutschen Priestern und der
grös-sten Armuth zu kämpfen, und viele der
grässten katholi.schen Gemeinden und An-
stalten haben auf die ärmlichste Welse be-
gonnen und hatten die grässten Schwierig-
keiten zu bewältigen, blanche von ihnen
hätti'ii sich ohne die Hilfe der ]\Ii.ssions- Ver-
eine in Deut.scliland und deut.scher katholi-
scher ^Monarchen nicht behaupten können.
Später kainen dann Anfeindungen verschie-
dener All. .Mit wenigen Ausnahmen ))rach-
ten die irländi.schen Bischöfe den deutschen
Katholiken kein besonderes Wohlwollen
entgegen, und einzelne von ihnen gingen so
weit, dass sie die deutschen Katholiken in
iln-en Diözesen mit Gewalt amerikanisiren
wollten oder versuchten, ihnen nicht ihrer
Nationalität angehörige PfaiTcr aufzu-
drängen. Die Gründung neuer deut-
scher Gemeinden wird meistens iiin- ungern
gesehen und sehr erschwert. Dazu konnnt
noch die unbestreitbare That.sache, da.ss
trotz der deutschen katholi.schen Pfarr-
schulen ein gro.sser Theil der heranwachsen-
den Jugend nicht allein der Kirche, sondern
auch dem Deutschthum vollständig ent-
fremdet wird, was sogar in manchen rein
deutschen Gemeinden zu der leidigen Ge-
pflogenheit geführt hat, dass ausser der
deutschen sonntäglichen Predigt noch eine
kurze englische Predigt gehalten werden
niuss. Es gibt zwar Schwarzseher, die be-
haupten, dass es keine übermässig lange
Zeit dauern werde, bis die deutschen katho-
lischen Kirchen und An.stalten hier zu
Lande dem Aussterben nahe sein werden,
aber diese Zeit wird noch lange auf sich
warten la.ssen. Denn fast in jeder grö.sseren
deutschen katholischen Verein.sversannn-
lung kann man junge ^Männer sehen, die
mit jugendlicher Begeisterung in die Fuss-
stapfen ihrer Vorfahren treten und in
der von ihren Eltern ererbten deutschen
Sprache nicht allein für die Interessen der
katholi.schen Kirche, sondern auch für die
Ei"haltung der deutschen Sprache und
Sitte kämpfen. Die deutsch-amerikani-
schen Katholiken mit ihren zahlreichen
Kirchen, Pfarrschulen, höheren ünterrichts-
Austalten, Hospitälern. AVaisenhäu-sern,
Vereinen und Zeitungen bilden einen so be-
deutenden und einflussreichen Bruchtheil
DEUTSCHE KATHOLIKEN IN AMERIKA.
259
unserer deiitseh-amerikanischen Bovölko-
rnn<T. dass jeder Rück«:antr in ihrer Mitte
auch auf das ge.saniinte Deutsehtlmni un-
seres Landes einen luiehst naehtheiliiren
Einfluss aiLsüben iniLsste, doeh sollten auch
sie in ihrem eigenen Interesse nicht allein
ihre katholischen Interessen, sondern auch
ihre deutsch - amerikanischen Interessen
sorgfälti.u: hüten, denn je prrösser und stär-
ker der p]influss der Deutsch-Amerikaner
in unserem Lande werden wird, desto fester
und sicherer wird auch die Stellung der
deutschen Katholiken unseres Landes sich
gestalten.
DR. ISAAC M. WiSE.
der Vater der juedischen Refcrm-Bewegung in Amerika.
Die deutschen Juden in Amerika.
FELIX N. GERSON. Philadelphia.
Die Grossmaeht-Stellung. welclie Ame-
rika sich in dem verhältnissmässig kurzen
Zeitraum seiner politischen und industriel-
len Existenz unter den Nationen der Welt
errungen hat. verdankt es zum nicht gerin-
gen Theile der ^Mitwirkung seiner jüdischen
Bürger. Seit den Tagen der Geburt un-
seres Landes hat an dessen nationaler Ent-
wicklung das jüdische Volk einen hervorra-
genden Autheil genommen. Juden gaben
das Geld her, durch welches die Reise des
Columbus ermöglicht wurde, und unter
Denen, welche ihn auf seiner ersten aben-
teuerlichen und gefahrvollen Fahrt über
das unbekannte Weltmeer ])egleiteten, be-
fanden sich mehrere Juden. An den ersten
Anfängen unseres ausländischen Handels
waren die Juden hervorragend betheiligt ;
mit ihrem Kapital wurde die Holländisch-
Westindische Handelskompagnie gegrün-
det, und unter den Importeuren und Ex-
porteuren Neu-Amsterdams waren sie die
bedeutendsten und hervorragendsten Kauf-
leute, und ihre Namen hatten auch in den
ersten Annalen des Philadelphiaer Handels
einen gar guten Klang. Was der Jude für
die Sache der amerikani.schen Revolution
that, lehrt die Geschichte unserer Nation.
Seine finanzielle Unterstützung der Kolo-
nial-Bewegimg Avurde vom Kongress in
glühenden Worten anerkannt.
Seit jenem denkwürdigen Tage im
Jahre 1654. als eine Gesellschaft von drei-
undzwanzig Juden auf der ,.St. Caterina"
Brasilien verliess, um später in New-
Amsteraam zu landen, ist Amerika für den
Juden ein Zufluchtsort und ein Land der
Verhei.ssimg. Was die Toleranz der neuen
Welt den Juden gab, das haben diese reich-
lich an Amerika zurückgezahlt, indem sie
demselben mit zu seinem Reichthum. seiner
Macht und seinem Ruhme verbal fcn. Tm
Jahi'e 16<)1 wurde Asser Levy durch den
Erwerl) von Grundeigenthum in New
Amsterdam der erste jüdische Bürger in
Amerika. \'(tn jenem Tage an bis auf den
heutigen hat der Jude jederzeit — bei
jeder Krisis — die Sache dieses Landes zu
seiner eigenen gemacht, da er weiss, dass
er selbst einen wesentlichen Theil des
amerikanischen Volkes ausmacht. Der Jude
hat sich als Amerikaner im vollsten Sinne
des Wortes erwiesen, obwohl er in seinem
Innersten — seinem Glauben und seiner
Religion nach — Jude geblieben ist.
Die ersten jüdischen Ansiedler in den
Ver. Staaten kamen aus Spanien und Por-
tugal, von wo sie durch die Judenverfolg-
ungen des Jahres 1492 vertrieben worden
waren. Lange Jahre hindurch bildeten
sie allerdings einen verhältnissmässig
kleinen Theil der Bevölkerung, da die weit
stärkere deutsche Einwanderung, welche
mit Ende des 17. Jahrhunderts begann,
:Mitte des 18. Jahrhunderts das Ueberge-
wicht erlangt hatte. Um die Zeit der Revo-
lution kamen Juden aus Deutschland und
Polen, welche Schutz vor der Verfolgung
suchten, nach Pennsylvanien, liessen sich
in verschiedenen Theilen des Staates
nieder und nahmen thätigen Antheil au
dessen Entwicklung. Eine weitere starke
jüdische Einwanderung brachte der allge-
meine Nothstand in Süddeutschland wäh-
rend der napoleonischeu Kriege, und zahl-
reiche deutsche Juden suchten daher
Zuflucht in Amerika, ^^nl da ab nahm die
Einwanderung stetig zu bis zum deutsch-
französischen Kriege im Jahre 1S70.
Die erste Gemeinde-Bildung unter den
deutschen Juden unseres Landes war
die in Philadelphia erfolgte Gründung
der „Deutsch-Jüdischen Rodeph Shalom-
Ge-sellschaft". welche am 12. August 1S02
262
DIE DEUTSCHKN JLDEN l.N AMEKiKA.
einen Chart«'r crlii.'lt. Die Xebengesetze
dieser Ges«'lls(lialt. welche im Jahre 1810
eutwi>rfen und »ntri'uoinincn wurden, tra-
gen die Unterschrift folgender Mitjrlicdcr:
A. B. Cohen. Michael Levy. Abraham Hart,
Abraham Gumperts. Abraham Moses, A.
Stork, L. AUcn. >b)s.'s Al)raliam. Isaae
Emanuel Oppenheimer, Mayer Ulman, J.
Stuttgard. Abraham Joseph und A. Shoyer.
Die ersten Gottesdienste fanden auf der
Nordseite der Pear Strasse, (welche sieh
westlich von der Dock Str. bis zur Dritten
Stra.s.se, zwischen "Walnut und Spruee Str.,
hinzog) statt. Diese Gesellschaft war die
DR. HENRY BERKOWITZ.
der ieizige Rabbiner der aeltesten von deutschen Juden gegruendeten Gemeinde in den Ver. Staaten.
^larks, Elias Ilyni'man. Benedict Nathan, Vorläuferin der heutigen Rodeph Shalom-
Lyon Cadet (der Gros.svater der Frau Wil-
liam B. HackenburgK Alexander Benja-
min, Abraham Eliezcr Israel, Levi Abra-
ham, Jacob de Lange. Moses Spyers, L. ]\I.
Goldsmit. ^laver Arnold, Simon Caufman,
Gemeinde, deren prächtige Synagoge an
der Ecke der Broad und Mt. Vernon
Stras.se steht und deren Seelsorger Rev. Dr.
Henry Berkowitz i.st. Die Rabbiner dieser
Gemeinde erwarben sieh mehr als nur loka-
DIE DEUTSCHEN JUDEN IN AMERIKA.
263
len Ruf. Unter ihnen befand sieh Jaeob
Frankel, gebürtig aus Grünstadt in Bayern,
sowie der verstorbene ]\Iarcus M. Jastrow
aus Posen, einer der hervorragendsten
jüdischen Gelehrten seiner Zeit.
Andere deutsch-jüdische Gemeinden ent-
standen in der Folge rasch nach einander
in Philadelphia, in New York, sowie in
den grösseren Städten des Westens. In
New York wurde die erste deutsch- jüdische
Gemeinde im Jahre 1825 gegründet, wäh-
rend in Philadelphia die Beth Israel-Ge-
meinde im Jahre 1840 in 's Leben gerufen
wurde. Aber schon lange vor dieser Zeit
spielten die deutschen Juden in Charleston,
Süd-Carolina, eine wichtige Rolle. Zu Be-
ginn des 19. Jahrhunderts hatten die dorti-
gen deutschen Juden die damals grösste
Gemeinde in den Ver. Staaten gebildet, und
viele ihrer ^Mitglieder bekleideten hohe poli-
tische Aemter, so z. B. ]\Iayer ]\Ioses, der im
Jahr 1810 in die Staatslegislatur von Süd-
Carolina gewählt wurde.
Eine religiöse Organisation deutscher
Juden in Philadelphia, die sich im Laufe
der Jahre wohl zur grössten und hervorra-
gendsten ihrer Art in Amerika entwickelte,
wurde im Jahre 1847 gegründet. Es ist
die Reform-Gemeinde Keneseth Israel, an
deren Spitze heute der als Kanzelredner im
ganzen Lande rühmlichst bekannte Rabbi
Dr. Joseph Krauskopf als Seelsorger steht,
und (leren Tempel — eines der grossar-
tigsten Bauwerke seiner Art — an der
Broad Strasse, oberhalb Columbia Avenue,
sieh erhebt.
Es ist nicht die xVbsicht des Schreibers
dieses Artikels, hier die vielen religiösen
und erzieherischen Institute aufzuzählen,
welche ihre Entstehung den deutschen
Juden in Amerika verdanken. Es soll viel-
mehr nur darauf hingewiesen und dabei
hervorgehoben werden, wie diese ]\Iänner
und Frauen allmälig einen der wichtigsten
Faktoren und integrirenden Bestandtheile
unserer Nation bildeten und zu deren fort-
schrittlicher Entwicklung in nicht gerin-
gem Masse beitrugen. Auch ist es nicht
möglich, hier an dieser Stelle die vielen Er-
rungenschaften deutscher Juden während
der letzten anderthalb Jahrhunderte, in
denen sie die Geschichte und die Grösse der
amerikanischen Naticm bilden und schaffen
halfen, einzeln aufzuzählen.
Ein deutscher Jude von weitestgehendem
Eintlu-ss imd ein Gelehrter von internatio-
nalem Rufe war Isaac Leeser, welcher
jahrelang der ]Mikveh Israel-Gemeinde in
Philadelphia als Rabbi vorstand. Derselbe
wurde im Jahre 1806 in Neuenkirchen, in
der preussischen Provinz Westfalen, gebo-
ren und folgte, erst 23 Jahre alt, im Jahre
1829, dem von Philadelphia aus an ihn er-
gangenen Rufe an die Gemeinde ^likveh
Israel. Als Seelsorger derselben nahm er
in der Folge an der Gründung fast aller be-
deutenden jüdischen Anstalten und Insti-
tutionen in Philadelphia theil. Er war der
erste Rabbi, welcher die Predigt in engli-
scher Sprache in den Synagogen einführte,
imd ihm hauptsächlich verdanken die
Hebrew Education Society, das Jüdische
Hospital, die ursprüngliche Jewish Publi-
cation Society of America, sowie die Union
of Philadelphia Jewish Charities ihre Ent-
stehung. Fünfundzwanzig Jahre hindurch
(von 1843—1868) gab Rabbi Leeser „The
Occident and American Jewish Advocate"
heraus. Eines seiner wichtigsten Ver-
dienste um das Judenthum in Amerika war
seine englische Uebersetzung des gesanun-
ten hebräischen Bibeltextes, ein Werk, an
dem er 18 Jahre lang arbeitete.
Eine andere hervorragende Gestalt in
der Geschichte der deutschen Juden in
Amerika war Isaac M. ^yisc, der Vater der
jüdischen Reformbewegung hierzulande
und Gründer des Ilebrew Union College in
Cincinnati, der Centralkonferenz amerika-
nischer Rabbiner, der Union of American
Congregations und vieler anderer natio-
naler jüdischer Organisationen. Bei seinen
Bemühungen zur Gründung der reformir-
ten jüdischen Kirche in diesem Lande stan-
264
DIK DELTSLJIRX .irPKX TN AMHKIKA.
den Kaltl)i Wisr noch zw.'i andi're horvor-
raK'i'iidc Deutsche — die Rabl)iner David
Einhorn und Sanunl Hirsch — fähig zur
Seite. IJeide hatten früluT die Kanzel im
Tempel der Gemeinde Keneseth Israel in
Plnla«lel|)liia iinu'. Kahhi Sannu'l Hirsch
war der Vater des Rev. Kmil O. Hirsch, zur
Zeit Hahhi des Sinai-Tempels in (Miicafro
und Professor der semitischen Sprachen
im der Inivci-sität jener Stadt.
Von den Juden, welche in den Tagen der
amerikanischen Rev<)luti<m die Saehe der
amerikanischen rnahhängigki'it thatUriif-
wurde 17!>4 Oberstlieutenant der Xational-
garde von l'ennsylvania) gehörten zu den
1*4 jüdischen Offizieren, welche sich in
jenem Kriege besonders auszeichneten.
Nicht weniger als öO Juden nahmen am
Kriege v(m 1S12 \uul ca. GO am mexikani-
schen Feldzuge theil. Zwischen 7,0(10 und
S.0(»0 Juden machten den Bürgerki-ieg mit,
einzelne mit ganz besonderer Auszeich-
nung. Fast alle diese waren deutsche
Juden. 1 iiter den jüdischen Offizieren be-
fanden sich 0 Generäle. 18 Oberste. 8
Oberstlieutenants, 40 ."Majore 1200 Il.nipt-
DAS JUEÜISCHE HOSPITAL UND HEIM IN PHILADELPHIA.
tig unterstützten, waren die meisten Deut-
sche, resp. deutscher Abstamnnmg. Unter
den .Mätuiern. welche im Jahre 1765 die in
Philadelphia angenommenen ..Xon-Impor-
tation "-K«';solutionen (gegen jede englische
Einfuhr) unterzeicluu'ten. befanden sich
mindestens acht Philadelphier Juden, und
fünf deutsche Juden unterzeichneten die
17»i!) in New York gefassten äluilichen He-
.sehlüs.se. Nicht weniger als 100 jüdische
Ortiziere und Mannschaften dienten im
Revolutionskriege. Oberst David S. Fiaiiks
und Lieutenant Tsaac Franks (Letzterer
leutc uwd Rittmeister (Captains), 325
Lieuteimnts. 48 Adjutanten und 25 ]Militär-
äi-zte. Im spanisch-amerikanischen Kriege
fochten auf Seiten der Amerikaner 59 jüdi-
sche Offiziere und 2.402 Unteroffiziere und
Mannschaften, sännntlich Juden, mit. Die
meisten dei's(^ll)en waj'cn deutscher .\b-
stannnung.
Von der Zeit an. da Georgia noch eng-
lische Kolonie imd ein Jude deren Gouver-
neur war. und seit Ilaym Salomon dem
schwindenden Kredit des Revolutions-Kon-
gre.s.ses wieder aufhalf uiul aus eigener
DIE DEUTSCHEN JUDEX IX AMERIKA.
265
Tasche einige der hervorragendsten Führer
jener Zeit unterstützte (wodurch allein
deren werthvolle Dienste dem Lande er-
halten blieben) bis zu dem Augenblick, da
Präsident Roosevelt Herrn Oscar S. St raus
in sein Kabinet berief (als Sekretär des
Department of Connnerce and Labor)
haben deutsche Juden ununterbrochen in
den verschieden.stcn öffentlichen Stellungen
dem Lande ihre Dienste gewidmet.
Fünf Juden — drei derselben Deutsche,
resp. deutscher Abkunft — wurden bis
jetzt in den Bimdessenat gewählt, während
das nationale Rei)räsentantenhaus bisher
ca. 40 Juden, und zwar fast durchweg
Deutsche, zu seinen ^Mitgliedern zählte.
Eines der hervorragendsten derselben, das
noch jetzt dem Hause angehört. Herr
Henry Gohlfogle von New York, hat sich
durch seine Bemühungen, die russischen
Behörden zur Anerkennung amerikanischer
Pässe im Besitze von Juden zu zwingen,
ganz besonders hervorgethan.
Aber nicht allein im Felde oder in
öffentlicher politischer Stellung hat sich
der deutsehe Jude in Amerika ausgezeich-
net — auch auf allen andern Gebieten
menschlicher Thätigkeit. in der "Wissen-
schaft. Kunst und Literatur, sowie im be-
ruflichen Leben hat er Grosses geleistet und
viel zur nationalen Entwicklung des Lan-
des beigetragen. Viele unserer hervorra-
gendsten Aerzte. medizinischen Schrift-
steller und Professoren an medizinischen
Hochschulen sind deutsche Juden. Der
Advokaten-Stand hat zahlreiche Namen
deutscher Juden aufzuweisen, und gar
mancher berühmte Rechtsgelehrte befindet
sich darunter. In der Skulptur sind die
Namen von Ezekiel. Keyser und Cohen gar
wohl bekainit. In der ^Malerei sind vor
allem zu neinien Tjouis Tjoeb. Max und
Albert Rosenthal. Henry Mosler. Albert E.
Stemer und Leo ]\Iielziner. I'nter den
Karikaturenzeichnern ragen Henry ^Meyer
und F. Op]K'r hervor. Bernard Berens(ni
ist einer der bedeutendsten Kunstki-itiker
der Gegenwart, und Chas. Waldstein eine
anerkannte Autorität auf dem Gebiete der
altkla.ssischen Kun.st. Von den namhaften
Erfindern in den Ver. Staaten sind Emil
Berliner (Erfinder des Telephon-LTebertra-
gers), sowie die beiden Brüder Louis Ed-
ward Levy und Ma.x Levy von Philadelphia
(Erfinder eines photographischen Kupfer-
druck-Verfahrens) deutsche Juden. Be-
rühmte Architekten sind Dankmar Adler
von Chicago und Arnold W. Brunner in
New York.
Unter den Juden, welche als Professoren
an Universitäten thätig sind, stehen obenan
]\r. Bloomfield und J. H. Hollander an der
Johns-Hopkins Universität ; Franz Boas,
Richard Gottheil und E. K. A. Seligman an
der Columbia ; ^Morris Loeb an der Univer-
sität von New York; ^Morris Jastrow und
Leo S. Rowe an der Universität von Penn-
sylvania ; Joseph Jastrow an der Univer-
sität von Wisconsin : Charles Gross in Har-
vard; Ernst Freund an der L^niversität
Chicago und Isidor Loci) an der Universität
von ^Missouri. Simon Flexner ist einer
unser hervorragendsten Pathologen und
Direktor des Rockefeller Institute of
Medical Research.
Auf dem Gebiete der Literatur und des
Journalismus sind die deutschen Juden so
stark vertreten, dass nur einige wenige der
bedeutendsten Namen hier aufgezählt wer-
den können, darunter Emma Lazarus, die
Dichterin ; ]\Iichael Heilprin. Angelo Heil-
prin und Louis Heilprin. Redakteure und
Encyklopädisten : Ainiie Nathan :\Iayer;
Emma Wolf und :Mary Wolfenstein. Ro-
manschriftstellerinnen; ^lordecai M. N"ah
und Fabian Franklin, Journalisten ; Simon
Wolf und Herbert Friedenwald. Ge-
schichtsschreiber.
In der Haute Finance haben sich die
Bankiers Jacob Schiff und die Seligmans
hierzulande einen Xauien erworben, der
dem der Rothschilds in Euroj^a gleich-
kommt.
*.'66
DIK DKUTSniKN .TTDEX TN AMERIKA.
In all (itii ^Tossfu (ü'sc hilft Seen tren vom
atlaiitisclu'ii bis zum pazitisrhcn Ozean
halM'M JiuUmi j;r()ssartifre Fal)rikunt«'rneh-
meii trcjrrüiidet und leiten dieselben ; riesige
„Department-Stores" in New York. IMiila-
delphia. Chieapo. Haltimore, San Fran-
eiseo und ainlern Städten tra«ren die Namen
deut.seh-jütliseher Finnen, die in d<Mi iran-
zen Ver. Staaten bekannt sind.
seines wohlbekannten Präsidenten Williain
li. Uack( ubnrg legen beredtes Zeugniss ab
für den Wohltliätigkeits- und Barndierzig-
keits-Sinn der Juden. Im Jahre 186") v(m
einem Komite, bestehend aus den Herren
Ma.r TlidUii inicr, Abraham Suhbfrgcr,
Sohnmni lloßlu imrr, h'apliad Tdicr, Lewis
Ellin(/(r, Sannid \V(il und Isaac Lrrscr
gegründet, nmfasst dieses grossartige IIos-
WILLIAM B. HACKENBURG.
Was die ileut.sehen Juden in Amerika
mit der Erriehtung und (Jründung von
Wnhlthätigkeits-Anstalten gcthan liaben,
dürfte indess wold mein* zu dem Kufe, in
welehein sie bei ihren Mitmenschen stehen,
beigetragen ha])en, als all iiire mehr mate-
riellen Erfolge in der Geschäftswelt. An-
stalten und Institute wie z. 1>. das Jüdische
Hospital in Philadelphia unter der Leitung
pital heute zehn Gebäude : — ein allgemeines
Krankenhaus; ein Heim für alte und ge-
brechliche Israeliten; die ..Mathilde Adler
Dispensary" (Polyklinik für Unbemittel-
te), das Lueien ]Moss Ilome für Unheilbar-
Kranke jüdischer Keligion. die ,, Henry D.
Frank ^lemorial Synagogue"; das Gug-
genheim-Gebäude für Privatpatienten ; das
..Eisner Home for Nurses" (Heim für
DIE DEUTSCHEN JUDEN IX AMERIKA.
267
Krankenwärterinnen) ; das Loeb'sehe Ge-
bäude für Operationen ; das Fleischer So-
larium (Sonnenrauni für Patienten), sowie
vier Isolir-Gebäude. Die jälirliehen Aus-
gaben für das Jüdische Hospital belaufen
sieh auf nahezu $125,000. Etwa 7000
Patienten werden im Durchschnitt jedes
Jahr in diesem Hospital behandelt.
Eine andere Phihulelphier ^lusteranstalt.
die von deutschen Juden gegründet luul
grössert worden und kann über 200 Kinder
aufnehmen.
Aehnliche Anstalten und Institute wie
das Jüdische Hospital und das Jüdische
Waisenheim werden von Juden in jeder
grossen Stadt des Landes unterhalten. Wir
haben diese beiden nur herausgegriffen,
weil es ^luster-Anstalten sind, deren Kuf
sich über die ganzen Ver. Staaten verbreitet
hat.
LEO LOEB.
grösstentheils auch von ihnen unterhalten
wird, ist das ,,Jewish Foster Home and
Orphan Asylum" in Germantown. welches
seine Entstehung der im Jahre 1850 erfolg-
ten Anregung einer bekannten Phihulel-
phier Jüdin, Rebecca Gratz, verdankt. Der
überaus tüchtige Präsident dieser Anstalt,
Herr Leo Loch, ist seit 1892 ununterbro-
chen im Amte. Das Heim ist kürzlich ver-
Deutsclie Juden begannen schon zu An-
fang des verflossenen Jahrhunderts mit der
Gründung der grossen Verbrüderungen
und Oi-dcn, die sich als mächtige Hilfe zur
Förderung des Fortschritts luid des Ein-
flusses des amerikanischen Judenthums er-
wiesen haben. Der grösste und bekann-
teste dieser Orden ist der B'nai H'rith
(Bundessöhne), der im Jahr 1843 in Phila-
2m
DIK TiEUTSCHEN JUDEN IX AMKHIKA.
d«'l|.liia ^r.'jrründt't wurclt'. Dieser Orden
iinterliält WaiseiihJiuser. Hospitäler und
Schulen in vielen Städtt-n der Tnion. Di»'
B'nai B'ritli ül)er«:iil)en im Jahr 1S7G der
Stadt JMiilach'lphia die Statue der religiö-
sen Freiheit, das Werk des liildlwiuors
Moses Kzekiel. das im Fairmount Park, in
der Nähe der .Mem(»rial Hall. Aufstelhniir
fan«!. Andere jüilisehe Orden. (Jesellsehaf-
ten und Verhrüderun«ren in diesem Lande
folirten ra.se h ; die meisten derselben wur-
«len von deutsehen Juden «rejrründet.
Kine herv«)rra«rende Fiirui' unter den
amerikanisehen Juden deut.sehor Gehuit ist
liuhfrr Mayer Suhhnycr von Philadel-
I»hia. der infolire seiner gros.sen Gelehrsam-
keit und infoljre seiner unermüdlichen Thä-
tit.'keit auf allen Gebieten jüdischer Arbeit
heute wohl der hervorra^rendste und ange-
sehenste Jud«' iTi den «ranz(Mi Ver. Staaten
ist. Richter Sulzberircr ist der Organisator
und Voi-sitzende des ..American Jewish
Connnittee". Voi-sitzender des Publika-
tions-Komites der ..Jewish Publication
So<*iety of America" und der leitende Geist
des kürzlich gegründeten ..Dropsie College
for Hebrew & C'ognate Learning", dessen
Präsident Dr. Tyrus Adlci-. Kiclifer Sulz-
bergers Cousin, i.st.
Die edle und hochherzige Gabe des ver-
storbenen Harons ]\Iaurice v. Hirsch — ein
Fonds von .t^.öl »().()(((» niit einer Jahres-Zu-
weisung von .i<l 20.000 zur Unterstützimg
jüdischer Einwanderer in Amerika — ist
in den Händen eines amerikanischen Ver-
waltungsrat lies (Tioard of Trustees") inid
ist zur ?]rrichtung einer landwirthschaftli-
chen Schule für jüdische Knaben und ]Mäd-
ehen in Woodbine. N. J.. sowie zur Grün-
dung jüdischer Kolonien im südlichen
Theile des Staates New Jei-sey verwendet
worden. Cnter den ursprünglichen Trus-
tees dieses Fonds In-fanden sich die leiten-
den deut.sehen Juden des Landes, die Her-
ren Richter Maver Sulzberger und "William
man und Dr. Julius Goldman von New
Yoi'k. Die Kolonie in Woodbine. X. J., ist
die grös.sti' dei' mit dem (leide des Haron v.
Hirsch gegründeten Kolonien im südlichen
New Jersey. Das Anwesen, welches einen
Landkomplex von ö.OOO Acres umfasst.
wui-<le im Jahre lHf)l käuflich erwor!)en.
F>inigc Jalii-e spiitt'r folgte die Gründung
einer weiteien Schule füi" Laiidwii'thscliaft
und für Heranbildung tüchtiirer Farmer
und Leiter vt n Kolonien. Hs war dies die
RICHTER MAYER SULZBERGER.
..National Farm School" in Doylestown.
Pa. Der Gründer derselben ist der be-
kannte f\abbi Dr. Josej>h Krauskopf. Seel-
sorgei- der Gemeinde Kene.seth Israel in
Philadclpliia. Tn jener Schule erhalten
jüdische Knat)en und junge Leute gründ-
liche wissenschaftliclie Anleitung und Aus-
bildung in allen Zweigen der Landwirth-
schaft. Die bisher mit diesen Schulen er-
zielten Resultate waren im höchsten Grade
B. Hackenburg von Philadelphia; Jacob befriedigend. Die von Rev. Dr. Krauskopf
H. Schiff. !Mayer S. Isaacs. Emanuel Leb- gegründete National-Farmschule in Doy-
DIE DEUTSCHEN JUDEN IN AMERIKA.
269
lestowii wiiJ voll Juden im ganzen Laiido
unterstützt und macht von Jalir zu Jahr
grössere Fortsehritte.
Xieht zu untersehätzen ist endlieh der
deutseh-jüdisehe Eintluss auf die Entwiek-
lung vieh'r wichtiger Pliaseii amerikani-
schen Lebens. Dass die deutscheu Juden
mit den Deutsch-Amerikanern anderer
Konfessionen zusammen inmitten unserer
grossen amerikanisclien Nation ein neues
Vaterland gefunden haben, ist überall und
allenthall)cn ersichtlich. Leben. Hab und
Gut. ja sogar ihre geheiligte Ehre haben sie
oft bereitwillig und opferfreudig für ihr
Adoptiv-Vaterland und dessen Wohlfahrt
auf's Spiel gesetzt, und überall sind sie als
wahre, gesinnungstreue und patriotische
Amerikaner bekannt und werden als solche
geschätzt und geachtet. Was die deutschen
Juden für dieses Land waren und sind,
wird einst in der Geschichte der Ver.
Staaten willig anerkannt werden. Es war
ihre Pt^icht und Aufgabe in kritischen
Zeiten, in den Tagen der Prüfung und
Trübsal im alten Vaterlande ihren Tausen-
den von Glaubensgenossen, welche in spä-
teren Jahren durch grausame und bittere
Verfolgung aus dem östlichen Europa ver-
trieben wurden, den Weg hierher an die
Gestade dieses Landes der Zuflucht und der
Freiheit zu zeigen und ihnen hier eine
freundliche Aufnahme möglich zu machen.
Dass sie diese ihre Pflicht und Aufgabe
wohl erfüllten, das zeigt die Geschichte
ihrer Wohlthätigkeits-Anstalten sowie des-
sen, was sie im Dienste der IMenschheit ohne
Zögern und ohne Murren, stets zu neuen
Opfern bereit, geleistet haben. Und heute
sind sie als ein wesentlicher Bestandtheil
unserer grossen amerikanischen Nation,
noch ebenso unablässig und opferwillig be-
müht, die neuerdings wieder aus ihrem Va-
terlande vertriebenen Glaubensgenossen
dem Lande zuzuführen, das ihnen selbst
ein.st eine Freistätte bot und in dem sie eine
neue, bessere und schönere Heimath
fanden.
Der in den Vereinigten Staaten und über
deren (Jrenzen hinaus bekannte Rabbiner,
Schriftsteller und Förderer jüdischer He-
strebungen, Dr. Joseph Krauskupf, wurde
am 21. Januar 1858 in Ostrowo, Preu.s.sen,
geboren und kam im Jahre 1872 nach Ame-
rika. Er absolvirte im Jahre 1888 die l'ui-
versität Cincinnati und bestand zu gleicher
Zeit die Rabbiner-Prüfung im ..Ilebrew
TTnion College" ebenda.selbst, v(m dem er
zwei Jahre später den Doktor-Titel erhielt.
Nachdem er in Kansas City, Mo., als Rab-
biner gewirkt hatte, wurde er im Jahre
1887 an die Reform-Gemeinde Keneseth
Israel in Philadelphia berufen, der er noch
jetzt vorsteht. Er gründete die „Jewish
Publication Society of America", ferner
die „National Farm School" bei Doyles-
town, Pa., deren Präsident er heute noch
ist. In ihr werden Kna1)en prakti.sch und
theoretisch in der Landwirthschaft unter-
richtet. Die Schule hat grcxs.se Erfolge auf-
zuweisen und ist eifrig bemüht, das An-
sehen der Landwirthschaft zu heben und
Lust und Liebe dazu zu erwecken. Dr.
Krauskopf wurde im Jahre 1898 zum ]Mit-
giiede der Spezial-Kommission ernannt, die
nach Cuba gesandt wurde, um dort hilf-
reich zu wirken. Im Jahre 1900 wurde er
vom landwirthschaftlichen Departement der
Vereinigten Staaten zur Pariser Ausstel-
lung als Spezial-Kommissär gesandt, um
über die Ausstellungen der landwirth-
schaftlichen Schulen zu berichten, sowie
solche zu besuchen und darüber dem De-
partement Bericht zu ei^tatten. Im Jahre
1903 wurde Dr. Krauskopf zum General-
Direktor des „Isaac ]\I. Wise IMemorial
Fund" erwählt, der auf eine Höhe von
if!400.000 gebracht werden sollte, um die
nöthigen Mittel zum Unterhalt des ,,Hebrew
Union College" zu erhalten. Im Jahre
1904 — 5 war Dr. Krauskopf Präsident der
Centralen Konferenz amerikanischer Rab-
biner. Er ist der Verfasser folgender
Werke und Schriften : „Jews and Moors
in Spain"; „Evolution and Judaism"; „A
270
DIK DEUTSCHEN JUDEX IX AMERIKA.
Hiil)his Impn'ssions of Oht'nniniicr^'aii Pas-
sion IMay": ..Soiiu« iikhUm-h Hnititudcs" :
„Thr Si'wn Atri-s of Man'*: ..<>M Trnth in
New Hooks": ..So<-i(>ty iind Its Morals":
..Sonic Isnis of T(»-(la\ ": ..(ilcaniiijjs fn.ni
Onr Vinfvanl"; ..Pn-judict'— Its ({«Miosis
nnd Kxodiis**: ..Froiii .Ifsus tlu' Man to
Christ tlu' Doity": ..Tho Service Manual":
..The Scrvic.- Witual": ..The School Ser-
vice": ..The Kiddush": ..Th.- Sed.r Srr-
vice
DK. JOSKPH KKALSKOPK.
Twentv-one series of Sundav dis-
courses 18H7— 1!»08".
Henry B<rhnuHz wurde am IS. März
1857 in Pittsbiw»r. l*a.. «relwren. absolvirte
die dortige ,.Ccntral Ili^di SchcM)!", studirte
an der ..Cornell rnivci-sity" in Ithaca,
N. V., und aljsolvirte da.s ..llcbrew Tnion
CoUcjio" in f'incinnati. Nachdem er als
Kabbiner an jüdischen Gemeinden in ^Mo-
bile, Ala.. und Kansas City. Mo., jrewirkt,
wurde er an die Rodeph Shalom Gemeinde
in Philadelphia, Pa., berufen, der er seit
dem Jahre ISÜ'J vorsteht. Er ist der Grün-
der und Kanzler der ..Jcwish Chautaiujua
Society" seit 18!»:^ Mitjrlied des ,. Board of
Governors" des ..llel)rew Union College",
.Milirlicd des PubliUations-Koniites der
...lewisli Publieation Soeiety", des Exeku-
tiv-Komiti's der Central-Konferenz ameri-
kanischer Kabbiner. Vize-Präsident der
Friedens-Gesellschaft von Penn.sylvanien
und dci- ..Playirfoinuls Association of IMii-
ladclpliiü". sowie ein eifriger Förderer er-
zielu'ri.scher, wohlthätiger und religiö.ser
Bestrebungen. Auf eine p]inladung der
...lewish Study Soeiety" besuchte er Eng-
land im Jahre 1900 und 1904 und veran-
lasste die in Ramsgate in dem von Sir
Moses Montefiore gegründeten „College"
all.jäliilich stattfindenden Sitzungen der-
selben. AiLSser zahlreichen Beiträgen für
.jüdische und andere Zeitschriften .stanunen
von ihm folgende Schriften: ..Bible
Ethics", 1883; „First Union Ilebrew
Reader" and ..Second Union Hebrew
Reader", 1883; „Judaism and the Social
Question", 1888: „The Pulpit :\ressage",
1892: „The Open Bible", 1896— a guide to
a choice of reading from the old Testament,
taking aceount of the eritical standpoint;
..Kiddush. Sabl)ath Sontinient in the
Home", illustrated, 1898.
Maijer Sulzhorjer, präsidirender Richter
in Philadelphia, wurde am 22. Juni 1843 in
Ileidelsheim, Baden, geboren. Er kam als
Kna])o mit seinen Eltern nach Philadel-
]>hia. .studirte Jurisprudenz, ist Mitglied
der American Philosophical Society, der
TTistorical Society of Pennsylvania und der
American Oriontal Society. Er hat sich
grasso Verdienste um das Judenthum
Amerika 's erworben.
William Bowcr Ilackoihurg wurde am
2. Juni 1837 von deutschen Eltern in Phila-
del pliia geboren. Er erhielt bei seiner Voll-
jährigkeit einen Antheil an dem grossen
Shawl- und Ellenwaaren-Gesehäft seines
Vaters, das er nach dessen Tode im Jahre
DTE DEUTSCHKX JUDKN IX AMKKIKA.
271
18()2 allein fühi'tc. An allen ji'ulisehen He-
strebim^en nahm er in hervorrafrender
"Weise Antheil.
Jacob Hmri) t^chiff \s\ nicht allein einer
der hervorrajrendsten -Inden in Amerika,
sondern aueh einer der hedeiitentlsten Fi-
naneiers unserer Zeit. Er wurde im Jahre
1847 in P^rankfurt am ]\Iain g:eboren und
kam im Alter von IS Jahren nach Aiiu'rika.
wo er sich in Xi'w York niederliess. Er
wurde ^Mitglied der weltbekannten Ban-
kiers-F'irnui Kuhn. Loeb & Co., gehört dem
Direktorium grosser Finanzinstitute. Eisen-
bahnen, der AVestern Unicm Telegraph Co..
Lebensversieherungsgesellsc'haften ete. an.
ninnnt lebhaften Antheil an Kunst und
Wissenschaft, gründete das ..Jewish Theolo-
gieal Seminary". das Semitische ^Museum
der Harvard Universität, ist Präsident des
]\Iontetiore Home for Chronic Invalids.
Trustee des ..Baron de Hirsch Fund", Mit-
glied von Kunst- und wissenschaftlichen
Gesellschaften und ein erprobter Rathgeber
der Bundes-Regierung in wichtigen finan-
ziellen Fragen Er wohnt in New York.
SaJomon Schi)idle)\ der Superintendent
des „Leopold Morse Home for Infirm
Hebrews and Orphanage" in Mattapan.
Mass.. ist als Philantrop wie Schriftsteller
gleich bedeutend. Er wurde am 24. April
1842 in Neisse geboren, kam im Jahre 1871
nach Amerika, war Rabbiner in Boston bis
1894. wurde Superintendent der dortigen
„Federation of Jewish Charities" und er-
hielt 1899 das Amt, in welchem er segens-
reich wirkt. Yen seinen Schriften sind zu
nennen : ..Messianic Expectations and
.Modei'ii Judaism". ..Y(tnng AVe.st. a Sequel
to Bellamy's Looking Hackward" und Ar-
tikel in ,,The Ai'ena".
Isidor Singer, der Redakteur der ..Jewish
Encyclopaedia ", wurde in ^VeisskirchcIl in
Mähren am 10. November 1859 geboren,
studirte an den Universitäten Wien nnd
Berlin, promovirte 1883, gab in Wien ein
Jahr lang die ,, Allgemeine Oesterreichische
Literaturzeitung" heraus, ging als Sekretär
und Bibliothekar des ehemaligen fran/ö-
sischeji Botschafters in Wien, des Grafen
Alexandre Foucher de Careil, nach Paris,
wurde [Mitglied des Press-Bureaus des fran-
zösischen xVuswärtigen Amtes, war einei-
der hervorragendsten Yorkämpfer des Ju-
denthums der anti-semitischen Bewegung
gegenüber und kam im Jahre 1895 nach
Amerika, um hier sein Lebenswerk, die Re-
daktion der ,, Jewish Encyclopaedia",
durchzuführen. Ausserdem ist er der Re-
dakteur der ,. Encyclopaedia of Compara-
tive Theology". Yon seinen Schriften sind
zu nennen: ,, Berlin. Wien imd der Antise-
mitismus", „Presse und Judenthum", „Sol-
len die Juden Christen werden?", ..Briefe
berühmter christlicher Zeitgenossen über
die Judenfrage". ..Die beiden Elektren-
Humanistische Bildung und der klassische
I^nterrricht". ..Auf dem Grabe meiner
.Mutter" (in 's Hebräische übersetzt von
Salomon Fuchs), „Der Kampf der Juden
um 's Recht", ausserdem zahlreiche Ueber-
setzungen französischer Werke in 's Deut-
sche und Schriften in französischer Si)ra-
che. Singer wohnt in New York.
PROF. JOHN W. BURGESS.
der erste amerikanische Austausch-Professor,
von der Columbia-Universitaet in New York, geb. am 26. August 1844. Er hielt 1906 Vorlesungen
an den Universitaelen Berlin, Bonn, Jena und Leipzig ueber die ,, Verfassungsgeschichte der Vereinigten
Staaten von der Begruendung der Kolonien bis zum Jahre 1876" und leitete seminaristische Uebungen
zur ,, Verfassungsgeschichte der Vereinigten Staaten und deren Auslegung durch das Oberbundesgericht.
Zwei Jahrhunderte deutschen Unterrichts
in den Vereinigten Staaten.
L. VIERECK, New York.
Die Geschichte des deutschen Unterrichts
in unserem Lande lässt sicli ungezwungen
in drei Entwickluugsepochen eintheilen,
die charakteristische Unterschiede aufwei-
sen, nämlich:
1) Vom Beginn des 18. Jahrhunderts
bis zum Jahre 1825,
2) Vom Jahre 1825 bis zum Jahre 1868,
und
3) Vom Jahre 1868 bis zur Gegenwart.
Es soll nachstehend vereucht werden,
«ine jede dieser Epochen zu charakterisie-
ren imd zugleich aus ihr die wichtigsten
Thatsachen, die zur Beurtheilung heranzu-
ziehen sind, in Kürze anzuführen. Wer
eingehender belehrt sein will, möge die in
cler Anmerkung angeführten grösseren
Arbeiten des Verfassers über das nämliche
Thema selbst nachlesen.*
Die erste Epoche ist charakterisirt durch
■die Kirchenschulen der deutschen Kolo-
nisten vom Ende der Kolonialzeit, durch
■die ersten „Entdeckungsreisen'' einzelner
hervorragender Amerikaner zu Studien-
zwecken nach Deutschland und endlich die
ersten schüchternen Ansätze, die an ein-
zelnen höheren Lehranstalten gemacht wur-
den, um den deutschen Unterricht that-
sächlich als Lehrgegenstand einzuführen.
Auf letztere gehe ich hier nicht näher ein,
weil sie sich sämmtlich nur als eine vor-
* Vergl. des Verfassere unter dem glei-
chen Titel bei Friedrich Vieweg u. Sohn
in Braunschweig 1903 erschienenes Buch
,j und die Abhandlung ,,German Instruction
in American Schools" im U. S. Bureau of
Education, Report of the Commissioner
■of Education for 1900-1901 (Chapter U).
übergehende Erscheinung heraiLsstellten.
Um so nachdrückliclier muss dagegen auf
die Kirchenschulen und ,, Entdeckungsrei-
sen" hier verwiesen werden.
Die meisten deutschen Einwanderer der
Kolonialzeit hatten aus religiösen Motiven
ihr Vaterland verlassen, nämlich weil sie
daheim in der freien Ausübung ihres Be-
kenntnisses beeinträchtigt wurden. So
strömten denn Pietisten, Mennoniten, Dun-
ker. Herrnhuter, Quäker, aber auch Refor-
mirte, Lutheraner und zuletzt noch Katho-
liken ins Land, denen es vor allem darum
zu thim war, sich ganz frei nach ihrer
Ueberzeugung Kirche imd Schule einzu-
richten. Bis zum Aii^gange-des-l-S, Jahr-
hunderts lag in Deutschland das Lehramt
ausnahmslos in den Händen der Geistli-
cjien, die regelmässig auch eine Lehrerprü-
fung zu bestehen hatten. Es lag also nahe,
dass zunächst die Gemeinden, die mit ihren
Seelsorgern zusammen auswanderten —
wie das öfters geschah — sieh eigene Kjx^
clienschulen einrichteten, imd später auch
die anderen deutschen Gemeinden, soweit
sie es verraochteu, diesem Beispiele folgten.
Das war um so mehr am Platze, als seitens
der englischen Kolonialverwaltung dem
Volksunterricht so gut wie gar keine Pflege
zutheil wurde, und die Kinder der Kolo-
nisten meist nur so weit Gelegenheit hat-
ten, sich irgendwie unterrichten zu lassen,
als ihre eigenen Väter für Schulgründung
Sorge trugen.
Soweit sich feststellen Hess, hat Pasto-
riiis die erste deutsche Kirchenschule 1702
in Germantown begründet. Man unter-
richtete dort die Kinder sowohl im Engli-
schen wie im Deutschen ^z eine Grundlage,
u-
I
274 ZWKI JAlIKUrNDKRTE DEUTSCHEN UNTERRICHTS IN DEN VER. STAATEN.
der m;m auch in tlt-r Fi.lp- strts treu blieb.
Die bcrühmti' Schiiluriliiuug des „deutsch-
aiiuTikaiiischcn Pestalozzi" — wie ein be-
kannter amerikaniseher Pädafjojre den Men-
nonilenb'lirer Vhnstoplur Dock bezeich-
nete — steht auf demselben Standpunkte. !
und bis zum heutifjeu Tage dürfte sich ,
darin nichts geändert haben. Doch scheide
ich lue Kirchenschuh'n hier aus. weil da-
rüber ein bi'Sdiulcrer Autsatz in diesem
Buche den Leser unterrichtet.
Miilili nb( nj. der als Schüler des be-
rühmten Franke 'sehen Pädagogiums nach
Pennsylvanien ausgewandert war. fühlte
sich 17().'{ veranlasst, seine beiden Söhne zu
Franke dem Jüngern nach Halle auf die
Universität zu schicken. Das waren wohl
die ersten amerikanischen Studenten auf
deut.schen Hochschulen und wahrscheinlich
auch für einen langen Zeitabschnitt die
einzigen. Denn erst die denkwürdige
Reise, die Binjamin Franklin 1766 nach
(iottingcn unternaiun. hatte es zur Folge,
da.s.s die Amerikaner auf die deutschen
Tniversitäten aufmerksam wurden. Bis da-
hin war es überhaupt etwas ganz Ausser-
ordentliches, dass jemand zur p]rlangung
einer gelehrten Bildung nach p]uropa
hinüberging, und dann waren Oxford und
Cambridge, oder aber eine schottische Uni-
versität das Ziel d«'s Unternehmens.
Hannover stand damals, gleich Nord-
amerika, unter englischem Szepter, und
dieser Umstand mag dafür mitl)estimmend
gewesen .sein, dass Franklin nach Göttingen
kam. Er wohnte dort einer Sitzung der
Akademie der Wi.s.senschaften bei und Hess
sich alle Universitätseinrichtungen genau
erklären. Das brachte ihn auf den Plan,
den er hier .schon fa.sstc und mit den deut-
schen Gelehrten diskutirte. daheim eben-
falls eine gelehrte Schule zu gründen, die
gewis.sennas.sen das „amerikanische Göttin-
gen" abgeben sollte. Diesen Gedanken
verwirklichte er dann auch 1779, wo — auf
sein Betreiben — das städti.sche öffentliche
Kollegium von Philadelphia in die Univer-
silät von I'i nnsylvanien umgewandelt und
dieser zugleich auch eine eigene „Deutsehe
Fakultät'' beigegeben wurde. Ein Student
dieser Universität, Benjamin Smith Barton
von Lancaster, war dann der erste Anglo-
amerikaner, der 1789 die Universität Göt-
tingen bezog und dort mit seinem Namen
das sog. amerikanische Koloniebuch eröff-
nete. Aber erst viel später, nämlich von
1815 bis 1817, fand er in den Neu-Englän-
dern Edward Everett und George Ticknor
Nachfolger, denn Deutschland war zu jener
Zeit nach der glaubhaften Versicherung
von Henry Adams „den Amerikanern
ebenso unbekannt wie China." Es be-
durfte daher auch grosser Anstrengungen
von Seiten Everetts, um bei der Harvard
es durchzusetzen, dass George Bancroft von
seiner Alma JNIater ein Reisestipendiura
nach Göttingen erhielt und dort als vierter
amerikanischer Student von 1818 bis 1820
verweilen durfte. Bancroft versuchte es
dann nach seiner Rückkehr, gemeinsam mit
seinem Göttinger Studiengenossen Cogswell
in der Round Hill School eine Art von
deutschem Gymnasium zu errichten, hatte
damit aber ebenso \venig Glück wie die Ge-
brüder Divight, die einen ähnlichen Ver-
such in New Haven unternahmen.
Cogswell und Bancroft waren die ersten
Amerikaner, die dem Beispiele vieler her-
vorragender Engländer folgten und nach
Weimar reisten, um Goethe ihre Hochach-
tung auszudrücken. Cogswells erster Be-
such erfolgte am 27. März 1817 und führte
dazu, dass der junge Amerikaner und der
damals fast schon 70jährige Dichterfürst
mehrere Jahre hindurch einen brieflichen
und persönlichen Verkehr mit einander
pflegten. Goethe freute es ungemein, dass
die amerikanische Intelligenz anfing, sich
mit deutscher Sprache und Literatur zu be-
fassen. Das befestigte seine unumstössliche
Ueberzeugimg. dass die Amerikaner auch
son.st noch die Welt durch ihre Leistungen
in Erstaunen versetzen würden. So be-
merkte er zu Eckermann, dass die Ver.
ZWEI JAHRHUNDERTE DEUTSCHEN UNTERRICHTS IN DEN VER. STAATEN. 275
Staaten es sieh gewiss nicht würden ent-
gehen hissen, selbst einen Wasserweg zwi-
schen dem Golf von ^Mexiko und dem Stil-
len Ozean herzustellen. Um seiner Hoch-
achtung vor der ..Fördenmg einer vor-
nehmen und gediegenen Ausbildung ihrer
Zöglinge" Ausdruck zu geben, deren sich
Harvard seit „einer so langen Reihe von
Jahren" beflissen habe, stiftete er dieser
ältesten amerikanischen Universität ein
Exemplar seiner sämmtlichen Werke mit
einem eigenhändigen, höchst schmeichel-
haften Geleitschreiben. Diese Bücher sind
noch heute in der Universitätsbibliothek
vorhanden, w^o sie als eine Art Heiligthum
gehütet werden.
Die zweite Epoche beginnt mit der Ein-
setzung eines deutschen Gelehrten in die
Professur für moderne Sprachen an der
neuerrichteten Universität von Virginien
imd dem noch folgenschwereren Schritte,
dem Professor Karl Folien die Ertheilung
von Unterrieht in seiner ]\Iuttersprache am
Harvard-Kollegium zu gestatten. Inner-
halb der 43 Jahre dieses Abschnittes wan-
dern fast drei Millionen IMenschen in die
Ver. Staaten ein, die sich des Deutschen
als Verkehrssprache bedienen, darunter
viele Tausende von akademisch gebildeten
Männern. Es entstehen nicht nur zahl-
reiche deutsche Privatschulen in den ver-
schiedenen Landestheilen, sondern man
entschliesst sich auch in vielen Städten mit
starker deutscher Bevölkerung, in den
öffentlichen Volksschulen den deutschen
Unterricht einzuführen. In dieser Zeit be-
ginnt man auch an den besten höheren
Lehranstalten des Landes mit der Einfüh-
rung fakultativen deutschen Unterrichts,
nachdem — zum Theil auf dem Umwege
über England und Frankreich — deutsche
Unterrichtsmethoden, deutsche Literatur
und deutsche Wissenschaft den Gebildeten
näher bekannt geworden waren. Wesent-
lich wirkte zur Herbeiführung dieses
Standes der Dinge der Umstand mit, dass
die deutschen Hochschulen je länger desto
mehr von amerikanischen Studenten fre-
quentirt wurden und zwar mit der Wir-
kimg, dass sieh letztere nach ihrer Heim-
kehr meist für eine amerikanische Unter-
richtsreform nach deutschem Vorbilde ge-
radezu begeisterten.
In den Jahren 1818 und 1819 hatte ein
namhafter New Yorker Pädagoge, Griscom,
eine Studienreise nach Europa gemacht
und über seine Beobachtungen ein Buch
veröffentlicht, das wie kein zweites in der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Eintiuss
auf das amerikanische Unterrichtswesen
gewinnen sollte. Das bezeugt u. a. auch
kein Geringerer als Thomas Jeffcrson, mit
dem Hinzufügen, dass er die darin enthal-
tenen Winke bei Einrichtung der Univer-
sität von Virginien benutzt habe. ]\Ian hat
darin also den Schlüssel für das nicht un-
wichtige Ereigniss zu suchen, dass der
deutsche Gelehrte Dr. Blättermann dorthin
als erster Professor der modernen Sprachen
an einer amerikanischen Universität beru-
fen wurde. Leider dauerte diese Lehrthä-
tigkeit aber nur 15 Jahre, nämlich von
1825 bis 1840. Man scheint dem freisinni-
gen I\Ianne aus ähnlichen Gründen wie
später Franz Lieher am South Carolina
Collegium das Leben verleidet zu haben,
so dass er abdankte. Glücklicherweise
hatte zu jener Zeit aber der Süden schon
längst nicht mehr die Bedeutung für
unser Land, wie zur Zeit des Unabhängig-
keitskrieges, und die gleichzeitigen Vor-
gänge in Neuengland waren deshalb von
weit grösserer Bedeutung, als diese uner-
freulichen Vorgänge im Süden.
Der als Burschenschafter in Deutsch-
land kompromittirte Karl Folien (oder
Follenius) war im Jahre 1825 nach Boston
gekommen, um sich dort durch Ertheilung
deutschen Unterrichts zu ernähren. Auf
Ticknor's Betreiben wurde ihm gestattet,
an der Harvard selbst einen deutschen
Kursus zu eröffnen, für den es anfänglich
276
ZWHI .lAllKHUNDKKTE DEUTSCHEN UNTERRICHTS IN DEN VER. STAATEN.
schwer genug hielt, ganze acht Tlu'ilneh-
mer zusammenzutrominelii. Aber Folien
verstand es, den Entliusiasnius seiner
Schüler tlun-h seine Rezitationen aus
Schiller. (Joethe. Herder und Theodor
Körner zu erwecken und sieh dadurch
einen grosseren Wirkungskreis zu erobern.
Schon 18:W wurde ihm von der Univei-si-
tätsleitung eine regelrechte Professur für
deutsche Sprache luul Literatur verliehen.
Folien trat sein neues Amt mit einer
Rede über „Die Bedeutung des Studiums
der deutschen Sprache und Literatur" an,
in der er unter anderem folgendes bemer-
ken durfte:
„Die Schätze, die in den deutschen Bü-
chern enthalten sind, entgehen jetzt nicht
mehr der Aufmerksamkeit des Publikums,
vielmehr nimmt man an ihnen dasselbe ver-
ständnissvolle Interesse wie an allen übri-
gen Erscheinungen, die das "Wissen zu be-
reichern luid den Geist zu vertiefen ver-
spreciien. An dieser Universität, an der
früher die deutsche Literatur unter der
Rubrik ..non legimtur" (d. h. werden nicht
gelesen) flgurirte, wurde kürzlich die
Bibliothek \un eine beträchtliche Anzahl
von wert h vollen deutschen "Werken berei-
chert, die Tniversitätsdruckerei druckt
selbst Bücher in deutschen Lettern, und die
Zahl der Studenten, die Deutsch treiben,
beläuft sich .schon auf durchschnittlich 50
in jedem Semester. Ausserdem gibt es
jetzt schon deutsche Lehrer und deutsche
Bücher an allen bedeutenderen Plätzen
dieses Landes. "Während man mir glaub-
haft versichert, dass sich speziell in Boston
vor etwa 50 Jahren noch nicht eine einzige
deut.sche Grammatik oder ein rieutsches
Wörterbuch auftreiben liess, gibt es jetzt
dort genug Leute, die Deutsch sprechen
können, und noch mehr, die wenigstens
Deut.sch zu lesen, sowie in das Verständniss
der gelesenen Bücher voll und ganz einzu-
dringen vermögen. Und gar manche deut-
sche Klassiker haben ihren Weg bis in die
Privatbibliotheken der Gebildeten gefun-
den!"
Dieser gewaltige Fortschritt hatte sieh
also in der kurzen Zeitspanne von fünf
Jahren vollzogen, innerhalb deren es hier
Fi>llen vergönnt war, seinen EinHuss auf
die akademische Jugend auszuüben. Aber
leider sollte seine Wirksamkeit hier nur
noch fünf Jahre dauern. Da er sich bei
der Abolitionistenbewegung für seine Stel-
lung zu stark agitatorisch betheiligte —
er erliess einen Aufruf gegen die Sklaven-
halter, der wegen seines leidenschaftlichen
Tones peinliches Aufsehen erregte — so
wurde ihm die weitere Lehrthätigkeit ver-
boten. Aber das konnte glücklicherweise
den einmal ins Rollen gebrachten Stein
nicht mehr auflialten. Schon 1838 begann
hier der alte Göttinger Student und welt-
berühmte amerikanische Dichter Longfel-
low seine ausgezeichneten Vorlesimgen
über Goethe 's ..Faust", die dazu führten,
dass sie mit der Zeit auf allen amerikani-
schen Universitäten Eingang fanden, und
die gebildeten Amerikaner sich nicht nur
im ,, Faust" sehr gut auskennen, sondern
sich sogar an der einschlägigen Spezialfor-
schung lebhaft betheiligen. Ausserdem
führte die intimere Bekanntschaft mit der
deutschen Sprache zum Studium der deut-
schen klassischen Literatur, die man jetzt
in Neuengland erst in ihrer Ursprache ken-
nen lernte. Dieses Studium aber belebte
dann wieder die grosse schaffende Periode
der amerikani^clien Literatur, die durch
die Namen Longfelloiv, Margaret Fidler
und die sogen. Transszendentalisten ver-
treten wird.
„Sie schöpften alle," sagt darüber ein so
kompetenter Beurtheiler wie es Prof.
Learned zweifellos ist. „entweder indirekt
durch Carlyle oder gleich direkt aus dem
deutschen Quell und schufen in prosaischer
oder metrischer Form eine wahrhaft schöne
amerikanische Nationalliteratur, wie sie die
Folgezeit nie wneder erreicht hat. Long-
fellow als Vermittler der deutschen Poesie
ZWEI JAHRHUNDERTE DEUTSCHEN UNTERRICHTS IN DEN VER. STAATEN. 277
in schöner, reiner poetischer Form behaup-
tet noch den höchsten Platz unter unsern
Dichtern, so gerade da, wo der Amerikaner
den grossen Dichter verkennt ; in der ., Gol-
denen Legende" erscheint er ein würdiger
Nachahmer und Interpret des Altmeisters
Goethe. Seine ganze Auffassung der
Christustrilogie ist Goethesch und echt
deutsch, obgleich er den Stoff theilweise
dem amerikanischen Leben entnahm. Was
wäre Emerson ohne Kant, was wären die
Transszendentalen, ]\Iargarct Puller, die
anderen Concorder Dichter und die
Schwärmer der Brook Farm ohne diese
deutsche Anregung? Es war kulturelle
Geschichte, dass der grosse Philosophen-
essayist Emerson einen deutschen Schüler
haben sollte, wie Hermann Grimm. Von
William E. Channing bis James Rüssel
Lowell ist der deutsche Einfluss auf unsere
Literatur unverkennbar, und imsere gröss-
ten Dichter haben bewusst oder unbewusst
unter diesem Einflüsse gedichtet und ge-
schrieben. Wo eine Rückkehr zu rein eng-
lischen Vorbildern stattgefunden hat, ist
der ]\Iangel an schöpferischer Kraft, poeti-
scher Tiefe imd kulturhistorischer Auffas-
sung leicht bemerkbar. In dieser Periode
der deutschen Anregung in Neuengland
haben wir die Anfänge amerikanischer
Germanistik zu suchen, aus der unsere Ge-
schichtsschreibung, imser späteres akade-
misches Erziehimgswesen, unsere Gym-
nastik, unsere ]\Iusik, zum Theil unser For-
sehungstrieb auf dem Gebiete der Natur-
wissenschaft, unsere liberale Tendenz in
Theologie und Religion, besonders die
sogen. ,,neue Kritik", unsere Philosophie
und zum grossen Theil unsere schöne Lite-
ratur und angehende literarische Kritik
direkt oder indirekt erwachsen sind. Von
dieser Zeit an war Deutschland für den
gebildeten Amerikaner ein zweites Athen,
und der Strom der amerikanischen Studen-
ten nach Deutschland wuchs von Jahr zu
Jahr."
Zu den Faktoren, die den deutsehen Ein-
fluss auf die Gestaltung der amerikanischen
Zivilisation vergrösserten, sollte höch.st
merkwürdigerweise auch, wenigstens indi-
rekt, die französische Julirevolution zählen
und zwar durch folgende eigenartige Ver-
kettung der Umstände : Das Bürgerkönig-
thum entsandte im ]\Iai 1831 den berühm-
ten Gelehrten luid Philosophen Viktor
Cousin nach Deutschland, um dessen Un-
terrichtssystem eingehend studieren zu
lassen. Sein zweibändiger Bericht erregte
in der ganzen Welt, namentlich in Frank-
reich und England, .so grosses Aufsehen,
dass man zunächst 1834 eine englische
Ueber.setzung davon veranstaltete. In Ame-
rika aber fand dieses Londoner Buch eine
so ungewöhnlich lebhafte Nachfrage, dass
eine New Yorker Firma einen Nachdruck
davon unternahm. Dadurch sollte aber die
Cou.sin'sche Arbeit für die Gestaltung des
Unterrichtswesens in dem sich entwickeln-
den Westen der Union von der weitesttra-
genden Bedeutung werden.
Gerade zu dieser Zeit nämlich war die
Staatenbildung in Michigan so weit ge-
diehen, dass man dort an die Organisation
des öffentlichen Schulwesens herantreten
konnte. Hierfür hatte ein hochbegabter
Sonderling, der Richter Woodward, ein bis
auf die Namengebimg originelles System,
nach dem alles von unten bis oben organi-
sirt werden sollte, ausgetüftelt. Leider
konnte zwar sein „Epistemii System" aus
nahe liegenden Gründen in diesem jungen
Gemeinwesen nicht durchgeführt werden,
aber der Rev. John D. Pierce, dem als
höchsten Schulbeamten des Staates die
Einrichtung der neuen Staatsuniversität in
Ann Arbor übertragen wurde, betrachtete
es unter der Einwirkimg des Cousin 'sehen
Berichts als seine Aufgabe, das deutsehe
Unterrichtswesen, so gut es ging, dem
amerikanischen Wesen anzupassen. Die
Studenten .sollten hier als freie Erwachsene
behandelt werden, denen man die akademi-
schen Bildungsgelegenheiten zum niedrig-
278
ZWEI JAHRHUNDERTE DEUTSCHEN UNTERRICHTS IN DEN VER. STAATEN.
sten ühcrhaupt iiir.«;lielien Entpolt zur Ver-
fü<runp stollto. PVnior borilto man sich,
unter dorn Nanim llot-hsclmlen (High
Sohools) ein System von Vorbereitungs-
s<'hulen zu sehaflfen. ohne deren Abgangs-
zeugniss in der Kegel niemand zur Univer-
sität selbst zugelassen werden sollte; man
schuf also Anstalten, die einen ähnlichen
Zweck wie in Deutschland die Gynmasien
erfüllen .sollten.
Präsident Tlennj 0. Tappan, der Xach-
folg«'r von Pieree, sorgte dafür, dessen
Gründung einer deutschen Universität
immer ähnlicher zu gestalten. Aus diesem
Grunde schafTte er vor allem die seltsame
Einrichtung ab. die Lehrstühle an die ver-
.sehiedenen Religionsgemeinschaften gleieh-
mä.ssig zu vertheilen. und bemühte sieh
statt de.s.sen, die tüchtigsten Lehrkräfte zu
gewinnen. So berief er Andrew D. White
zur Professur der Geschichte und engli-
schen Literatur, den Astronomen Brünnoic,
einen der besten Schüler von Encl<e aus
Hcriin. zur Leitung der Sternwarte, und
Ilfnry S. Friese zur Professur der alten
Si)ra<'hcn. Und seine Nachfolger, nament-
lirh Dr. K. 0. Haren (1863 bis 1869) und
J. li. An(iell (seit 1871), traten in seine
Fu.sstapfen und brachten die Institution
dadurch zu ihrer jetzigen sehr angesehenen
Stellung.
Der leider zu früh verstorbene B. A.
TTinsdnlr. der hier den Lehrstuhl für Pä-
dagogik innehatte, fa.sstc die Bedeutimg
seiner Universität für das amerikanische
Unterrichtswesen in folgende AVorte zu-
sammen : ,,Die L'^niversität von ^Michigan
ist zum Vorbilde geworden, dem alle spä-
teren, wirklich bedeutenden Staatsuniver-
sitäten mehr oder weniger genau nachge-
bildet wurden. Man hat schon früher da-
rauf hingewiesen, dass es die Staatsimiver-
sitäten waren, die dem u-dtlichoi Faktor
zu seinem Einflu.ss auf die höhere Bildung
verhalfen. Diese Thatsache in Verbindung
mit ihren verhältnis.smä.ssig reichen Hilfs-
quellen hat diesen Institutionen in vielen
westlichen Staaten einen mächtigen, wo
nicht nui.s.sgebenden Eiufluss verschafft."
Man kann diese tonangebende Macht der
Universität von Ann Arbor wohl kaum
besser beleuchten, als mit dem Hinweis,
da.ss sich durch sie den deutschen Ideen im
allgemeinen und dem deutschen Unterricht
im besonderen thatsächlich der ganze
Westen erschloss. Freilich wäre dieses Re-
sultat wohl schwerlich zu verzeichnen ge-
wesen, wenn sich nicht zugleich nach Been-
digung der Revolutionswirren und mit dem
Fortschritt der Ozeandampf schitfahrt zu
einem Massenbeförderungsmittel die deut-
sche Eimcanderung in geradezu riesigen
Dimensionen entwickelt hätte. Es mögen
in der Zeit, um die es sich hier handelt,
gegen drei Millionen Deutsche nach den
Ver. Staaten gekommen sein. Das Gros
derselben zog sich aber gerade nach dem
mittleren "Westen, avo es sich namentlich in
Ohio, Indiana, ^Missouri, Kentucky, Illi-
nois, Wisconsin, ^Minnesota und Michigan
schaarenweise niederliess. Da dieses neue
Bevölkerungselement i n der Regel ent-
schlossen war, an seiner ^Muttersprache
festzuhalten, so entstanden jetzt vielfach
deutsche Vereins- oder Privat schulen, die
im Gegensatz zu den bereits erwähnten
deutschen Kirchenschulen einen rein welt-
liehen Charakter trugen.
Schon im Jahre 1837 war in Piftshurg
eine von sieben Staaten aus beschickte
deutsche Nationalkonvention zusammenge-
treten, die u. a. beschlossen hatte, ein
deutsches Lehrerseminar ins Leben zu
rufen. Aber obgleich $3000 zu diesem
Zwecke zusammenkamen und damit in Phi-
lippsburg thatsächlich ein solches Institut
eingerichtet worden war, zeigte es sich, dass
die Zeit dafür noch nicht reif war. Das
Interesse daran erkaltete ziemlich schnell
wieder, und das Seminar ging ein. Um so
günstiger entwickelte sich der deutsche Un-
terricht in Ohio. Die „Deutsche Emigran-
tenschule", die 1836 in Cincinnati aus Pri-
vatmitteln begründet worden war, gewann
ZWEI JAHRHUNDERTE DEUTSCHEN UNTERRICHTS IN DEN VER. STAATEN. 279
unter der Leitung von tüchtigen, in
Deutschland aasgebildeten Lehrkräften
eine solche Bedeutung, dass man auch in
diesem Staate sich entschloss, das deutsche
System des öffentlichen Unterrichts nach-
zuahmen. Professor Calvin 0. Stowe wurde
zu dessen näherem Studium nach Europa
entsendet und später die preussischen Un-
terrichtsverordnungen dem Staatsschulge-
setze von Ohio von 1839 zu Grunde gelegt.
Darin wurde u. a. verordnet, dass in ge-
mischtsprachigen Bezirken thunlichst
deutschsprechende Lehrer angestellt, in
allen Schulen aber bei genügender Bethei-
ligung deutsehe Lehrkurse eingerichtet
werden sollten. Dem Beispiele von Ohio
und Michigan folgten dann auch baldigst
die Nachbarstaaten, namentlich Indiana,
Wisconsin und Illinois, die seitdem zu einer
so ausserordentlichen Blüthe gelangten.
Je besser die Schulen in einem Staate sind,
desto besser sind dessen Bürger und die
von diesen geleiteten Verwaltungen.
Alle diese Fortsehritte wurden sehr we-
sentlich durch zwei Faktoren beeinflusst,
deren Wirksamkeit sich um die Mitte des
vorigen Jahrhunderts besonders bemerkbar
machte : die wachsende Zahl amerikanischer
Studenten an deutschen Universität e7i und
die sog. Achtundvierziger Einwanderung.
Auf erstere werden wir noch im Schlusska-
pitel dieser Abhandlung zurückkommen
und erwähnen hier nur noch den späteren
Unterrichtskommissär der Ver. Staaten,
Dr. M. T. Harris, der als einfacher Lehrer
seine Laufbahn begann, um es dann unter
dem Einfiuss gründlicher deutscher wissen-
schaftlicher Bildung zu einem der bedeu-
tendsten Schulreformer in ganz Amerika
zu bringen. Er war es auch, der in Mis-
souri den deutschen Unterricht einführte
Tind in St. Louis zu einer nicht wieder er-
reichten Blüthe brachte.
Aber daran besteht wohl kein Zweifel,
dass ohne die deutsche Masseneinwande-
rung um die IMitte des vorigen Jahrhun-
derts die amerikanische Unterrichtsreform
sieh niemals in so wirksamer Weise, wie sie
thatsächlich erfolgte, hätte verwirklichen
können. Namentlich wird man den Ein-
fiuss der ,, Achtundvierziger" auf die ge-
sammte amerikanische Entwicklung, be-
sonders aber auf die Erschliessung des so
unvergleichlich blühenden, von über 30
i\Iillionen ]\Ienschen bevölkerten ,, mittleren
Westens" der Union, schwerlich über-
schätzen können. Man stösst häufig selbst
da auf ihre Spuren, wo man es am wenig-
sten erwartet hatte, und findet sogar heu-
tigen Tages noch manche in erstaunlich
geistiger und körperlicher Frische ihres
Berufes waltend. Ein angloamerikanischer
Beurtheiler kleidet seine bewundernde An-
erkennung ihrer Leistungen in folgende
Sätze :
,, Diese Deutschen gründeten eine kräf-
tige deutsch-amerikanische Presse sowohl
für Defensiv- wie für Offensivzwecke.
Einige von ihnen träumten sogar von einem
grossen deutschen Freistaat in Amerika.
Aber die meisten imter ihnen waren I\Iän-
ner mit kühlen Köpfen, die unverwandt
ihre Blicke auf die Zukunft der grossen
Republik richteten. Sie nahmen die Anti-
sklavereisache auf und brachten bewun-
dernswerthe Opfer für die Erhaltung der
amerikanischen Union. Sie verpflanzten
die neuen Turnvereine in dieses Land und
belebten die Pflege gymnastischer Uebun-
gen, die ihrerzeit schon Beck, Folien und
Lieber eingeführt hatten, von neuem, in-
dem sie den Grundsatz befürworteten, der
inzwischen zu einem der Grundprinzipien
der amerikanischen Erziehimg geworden
ist, dass ^Mannhaftigkeit das Rückgrat der
Stärke einer Nation bedeute. Sie führten
den Geist und die wissenschaftlichen !Me-
thoden ihres Vaterlandes ein, wobei viele
selbst wichtige Faktoren in dem amerika-
nischen Bildungswesen abgaben. Sie führ-
ten die deutsche Kunst, besonders aber
deutsche ]\Iusik, bei uns ein, indem sie die
Amerikaner zu Bewunderern der reichen
Melodien des deutschen Gesanges machten
280
ZWKI .FAHKIirNPERTE DEUTSCHEN UNTERRICHTS IN DEN VER. STAATEN.
und so die Meister der itidieniselien Oper
venlräugten. Sie inaugurirteii mit einem
Worte eine neue Acra deutschen Einflusses
auf das amerikanische Leben, und wir sind
als Nation jetzt auf dem Ilöliepunkt dieser
grossen deutsehen Wiedergeburt."
Die dritte Epoelie wird mit der Grün-
dung der Cornell- und der Johns Ilopkins-
rniversitäten eingeleitet. Letztere sieht
gleieh bei ihrer Organisation die Fakjiitä-
teneintheilung vor, stützt sich bei iiiren
Arbeiten auf deutsehe Methoden und ver-
ansehaulieht auch sonst die Thatsache, dass
der hohe liildungswcrtli der deutschen
Sprache und Literatur jetzt als allgemein
anerkannt gelten darf. Nicht nur folgen
die seitdem neubegründeten Universitäten,
namentlich Chicago und die Lcland Stan-
ford jr.-Universität dem hier gegebenen
Beispiele, sondern es treten auch die be-
deutendsten älteren Kollegien, wie Har-
vard, Yalc und Columbia, in einen Um-
wandluugsprozess in derselben Richtung
ein. Mau fängt jetzt damit an, schon bei
der Aufnahme in alle erstkla.ssigen Kolle-
gien den Nachweis geivisser deutscher
Ke7intnisse zu verlangen und auch bei der
Entla.ssung von der Universität keine
höheren akademischen Grade mehr zu ver-
leihen, wenn die Kandidaten sich nicht
wenigstens so weit mit der deutschen
Sprache vertraut gemacht haben, um die
deutschen Bücher luid Zeitschriften, deren
sie zu ihrem Studium benöthigen, in der
Originalsprache zu verstehen. Diese
jüngste P^ntwicklungsperiode i.st aber noch
keineswegs al)geschlos.sen, vielmehr scheint
sie dahin führen zu wollen, dass man
durchaus deut.sche Studien zu einem obliga-
torischen Bestandtheilc der akademischen
Bildung (College Education) erhebt und
damit zugleich bewirkt, da.ss die Vorberei-
tungs.schulen ausnahm.slos dem nunmehr
unentbehrlichen deutschen Unterrichte bei
ihren Lehrplänen die grösste Berücksiehti-
ginig zutheil werden lassen.
Die Eröft'nung der Corncll-Universität,
die am 7. Oktober 1868 zu Ithaca, N. Y.,
erfolgte, darf insofern als epochemachend
gelten, als der Gründer, Esra Cornell, der
den Grundstock dazu hergab, Prof. Andrew
D. White in deren Einrichtung völlig freie
TTand liess, und dadurch deutsche Studien
und Lehrmethoden in noch nie vorher da-
gewesener Weise in den Vordergnmd tra-
ten. Der berühmte Gelehrte imd Diplo-
mat schrieb darüber dem Verfasser:
,,Ich möchte bemerken, dass der deutsche
Unterricht seit der Zeit, wo ich auf einer
Hochschule, einem Kollegium und einer
Universität meine Studien absolvirte,
grosse Proportionen angenommen hat. In
meinen Jünglingsjahren hatten selbst die
tonangebenden Universitäten in den Ver.
Staaten, wenn überhaupt, dann nur in sehr
bescheidenem Umfange Kurse in der deut-
sehen Sprache und Literatur aufzuweisen.
Was geboten wurde, lag ganz ausserhalb
aller gewöhnlichen Studienkurse und fand
nur wenig Beachtung. Im Jahre 1853, wo
ich an der Yale-Universität graduirte,
hatte man den Studenten überhaupt gar
keinen deutschen Unterricht zu bieten, und
doch war diese Universität die zweitwich-
tigste im ganzen Lande.
Seit der Zeit hat aber eine geradezu über-
raschende Entwicklung Platz gegriffen.
Als ich im Jahre 1865 den Organisations-
plan der Cornell-Universität vorlegte, legte
ich als deren erster Prä,sident besonderes
Gewicht auf die Einführung des Unter-
richts in deutscher Sprache und Literatur,
und seit der Eröffnung der Universität im
Jahre 1868 hat sie eine besondere Pflege
gefunden. Speziell zu dem Zwecke, um In-
teresse an ihr zu erwecken, berief ich einen
der w^ärmsten Vertreter der deutschen Lite-
ratur, den verstorbenen Baijard Tailor, um
Vorlesungen über den Gegenstand zu hal-
ten, und berief eben.so einige ständige Pro-
fessoren und Lehrer, um die regelmässigen
deutschen Unterriehtskurse abzuhalten. An-
dere grosse In.stitute thaten dasselbe, und
ZWEI JAHRHUNDERTE DEUTSCHEN UNTERRICHTS IN DEN VER. STAATEN. 281
jetzt ist die Sache so weit gediehen, dass
ein derartiger Unterrieht in den Lehrplä-
nen von so zienüieh allen besseren Lehran-
stalten einen sehr wichtigen Bestandtheil
bildet."
Wie sehr letzteres zutrifft, beweist na-
mentlich die genau acht Jahre später er-
folgte Gründung der Johns Hopkim Uni-
versität in Baltimore, bei der — natürlich
mit den durch die besonderen amerikani-
schen Verhältnisse gebotenen Verände-
rungen — das deutsche ^Muster bewusst als
Vorbild gegolten hat. Sie ist mit einem
„College" verbunden, dessen Lehrkurs
etwa den drei Oberklassen eines deutschen
Gymnasiums entspricht. Das Reifezeug-
niss dieses Kollegiums berechtigt ohne wei-
teres zur Aufnahme in die Universität.
Beim Studiensystem der letzteren wurden
von vornherein Privatissima- und Seminar-
kurse vorgesehen, wie sie in Deutschland
üblich sind. Der Lehrkörper wurde vom
Präsidenten Gilman ausschliesslich aus
Lehrern zusammengesetzt, die in Deutsch-
land studiert und dort auch ihr Doktor-
examen gemacht hatten, zum Theil auch in
Deutschland das Licht der Welt erblickt
hatten, wie der Assyriologe Paul Haupt
und der Philologe Julius Gühel. Die
Gründimg der Johns Hopkins wurde auch
in deutschen L^niversitätskreisen sehr bald
als ein bedeutendes wissenschaftliches Er-
eigniss anerkannt. So schrieb im Jahre
1887 der Rektor der Heidelberger Univer-
sität, Professor Kühne, einen Brief an Prä-
sident Gilman, in dem sich folgender
Passus findet:
,, Johns Hopkins-LTniversität haben wir
schon bei ihrem Eintritt und als wir
Kenntniss erhielten von ihrer vortrefflichen
Organisation, als eine wissenschaftliche
Schwester der Neuen Welt mit besonderer
Freude begrüsst, vollends nachdem sich die
neue Anstalt durch ihre ausgezeichneten
Leistungen überall die grösste Anerken-
nung erworben hat. Unser altes Heidel-
berg hat damit beim Antritt seines sechsten
Jahrhunderts einen neuen und jungen
Freund erworben imd wer weiss, ob es nicht
dereinst von dem jugendkräftigen Genos-
sen übertiügelt wird. Wie es aber auch
kommen mag: lernen kann man immer ge-
genseitig, und ich kann den Wunsch nicht
unterdrücken, da.ss die Zöglinge unserer
Universitäten öfters Gelegenheit finden,
sich bei Ihnen umzusehen, wie es Ihre
Landsleute bei uns thun."
Dieser Brief ist ein schönes Zeugniss da-
für, dass die deutschen Akademiker ihre
amerikanischen Kollegen als einen durch-
aus gleichberechtigten ^litbewerber in der
grossen internationalen Gelehrtenrepublik
ansehen wollen, obgleich die letzteren erst
seit verhältnissmässig kurzer Zeit um die
Palme zu ringen begonnen haben. Die
Amerikaner haben offenbar den grossen
Vortheil, ohne von irgendwelchen Ueberlie-
ferungen zurückgehalten zu werden, von
den Errungenschaften aller älteren Kultur-
völker zu ihrer eigenen Förderung einen
ganz beliebigen Gebrauch machen zu kön-
nen, und sie haben diese Gelegenheit treff-
lich ausgenutzt. Einstweilen wissen aber ge-
rade die tüchtigsten Lehrer und Leiter der
amerikanischen Hochschulen am besten,
dass sie noch sehr viel von Deutschland zu
empfangen haben und gerade die deutsche
Sprache eins der wichtigsten Medien bildet,
um die Geistesschätze zu heben, die hier
verwerthet werden sollen. Das belegt fol-
gende bemerkenswerthe Stelle in einer
Rede des Präsidenten Gilman an seine Stu-
denten :
„Wie im Mittelalter das Lateinische, so
ist heute dm Deutsche die Sprache der Ge-
lehrsamkeit und Bildung, und kein Student
kann auf diese Anspruch machen, wenn er
das Deutsche nicht vollkommen be-
herrscht."
Gilman sagte damit keineswegs etwas,
was vom Standpunkt der übrigen Universi-
tätsleiter unserer Landes wesentlich ab-
wich. Im Gegentheil betonte Charles M.
Eliot, der Präsident der Harvard, in einer
282 ZWEI .lAIlKHUNDERTE DEUTSCHEN UNTERRICHTS IN DEN VER. STAATEN.
Aufsehen orn'frondon Rede über die Aufgra-
ben der modernen Bildung;, dass Franzö-
sieh und Deutsch el)onso luierlässliehe Stu-
dienobjekte für den ainerikanisehen Stu-
denten abj;eben niüssten. wie seine Landes-
spraehe. und erfoljrte im gleichen Sinne
Ende Dezember ISS;? die Gründun jr des
modernen Philoloycn Verbandes („^lodern
Languatre Association of America"). Diese
vt'rlan«rtc in ihren prundlegrenden Satzun-
gen ausdrücklich, dass alle Studenten, be-
vor sie selbst nur in ein Kollegium Auf-
nahme gefunden, schon die Pvlcmente des
Französischen uiul Deutschen bewältigt
haben müsstcn.
Man hätte in amerikanischen Universi-
tätskrei.sen schwerlich daran denken kön-
nen, .schon an die Vorbereitungsschulen zu
den hölieren Lehranstalten derartige An-
forderungen zu .stellen, wenn sich nicht die
deutschen Lehrer im ganzen Lande seit
Langem bemüht gehabt hätten, in deren
Lehrpläne deutsche ^lethoden und vor
allem auch deutschen Sprachunterricht ein-
zuführen. Diesen wichtigen Zwecken diente
der seit dem Jahre 1870 bestehende „Natio-
nale deutsch-amerikanische Lehrerhund".
Uel)er die Ziele imd die bisherigen Erfolge
der Bundesthätigkeit ging dem Verfa.sser
von einem der namhaftesten Bundesmit-
glieder folgende gedrängte Uebersicht zu.
Danach erstrebte der Bund
1. Die Einführung von Kindcrrjnrten
nach den Prinzipien von Pestalozzi und
Fnibel. wie sie seit 1870 auch bei den
anglo-amerikanischen Pädagogen immer
mehr Anerkenniuig gefunden. In Detroit
wurde z. B. einer der ersten Kindergärten
durch den Bund etablirt ; in ^Nlilwaukee ist
mit dem Seminar sowohl ein Kindergarten
wie eine Kindergärtnerinnenschule ver-
bunden.
2. Die Einführung des Turnunter-
richts in den Lrhrplnn der öffentlichen
Schulen. In denjenigen Städten, wo dieser
besteht, ist seine Einrichtung auf Betreiben
des Bundes erfolgt, der hierin namentlich
auch von den deutschen Turnvereinen
wärmstens unterstützt wurde.
3. Die Einfülirung des Ilandfertigkeits-
unterrlchts in den Volksschuloi. Es ist
hinlänglich bekannt, dass der Turn- wie der
Ilandfertigkeitsunterricht in den Schulen
von Deutschland längst eingeführt sind.
Alle fortgeschrittenen Pädagogen sind aber
darüber einig, auch für Amerika diese Re-
form zu verallgemeinern, deren günstige
"Wirkungen ja auch in diesem Lande hin-
länglich erprobt sind.
•4. Der Bund hat stets mit grösstem
Nachdrucke dahin gewirkt, die früher in
Amerika, namentlich in den Distriktschu-
len herrschende Methode des mechanischen
Auswendiglernens durch die deutsche zu
ersetzen, die dahin zielt, das Verständniss
für den Unterriehtsgegenstand planmässig
zu erschliessen und das Denkvermögen der
Schüler zu entwickeln.
5. Der Bund hat sieh stets bemüht, das
rcheru'uchern der iveihlichen Lehrkräfte,
die Uelerfüllung der Lehrklassen und die
Beschränkung des Unterrichts auf die be-
rühmten drei R's (Lesen, Schreiben und
Rechnen von ,,read", ,,write" und „arith-
metic") abzusehaifen.
6. Der Bimd hat endlieh die Noth wen-
digkeit einer seminaristischen Ausbildung
der Lehrkräfte, der Beaufsichtigung der
Schiden durch kompetente Fachleute,
sowie den Xutzcn eines mehrsprachigen
Unterrichts, besonders im Englischen imd
Deutschen, stets betont und das Publikum
darüber aufzuklären gesucht.
Behufs Ausführung dieses Programms
hatte der Lehrerbund seine ganze That-
kraft daran gesetzt, das so lange geplante
Deutsche Lehrerseminar endlieh zu ver-
wirklichen. Seine Eröffnung erfolgte 1878
in Milwaukee, wo es mit einer Vereins-
sehule, einer deutsch-englischen Akademie
und einer Tumlehrerbildungsanstalt ver-
bunden wurde. Letztere ist neuerdings
vom Seminar wieder abgetrennt und nach
Indianapolis verlegt worden. Das Lehrer-
ZWEI JAHRHUNDERTE DEUTSCHEN UNTERRICHTS IN DEN VER. STAATEN. 283
Seminar selbst hat sieh aber fast seit 31
Jahren durch alle Sehwieriujkeiten durch-
zuwinden gewusst, obgleich es an chroni-
scher (bisher leider noch immer nicht ge-
hobener!) Finanznoth zu leiden hatte. Hier
wci'den jahraus jahrein nach deutschem
System Lehrer für die Volks- und Sekun-
därschulen ausgebildet, und es seh webt
gen zu einer dauernden Einrichtung er-
hoben wurden, so ist sie auch in der Bezie-
liuiig vorbildlich geworden, dass sie die
grösste und leistungsfähigste deutsche Fa-
kultät in dem ßewusstsein unternahm, da-
durch „zur Pflege deutscher Ideale in Ame-
rika beizutragen." Es ist darüber in einer
für die Weltaus-stellung in Chicago verfass-
DAS DEUTSCHE LEHRER-SEMINAR IN MILWAUKEE.
seinen Leitern als Ziel vor, aus dem jetzigen
Institute noch einmal eine deutsch-ameri-
kanische Normalschule im höchsten Sinne
dieses Wortes zu entwickeln. Möge sich
dieser herrliche Gedanke auch verwirk-
lichen !
Wie die „Harvard" die erste Tniversität
war, an der überhaupt deutsche Vorlesun-
ten kleinen Denkschrift folgendes zu lesen:
„Während der ganzen Zeit von Follens
Rücktritt (1835) bis zu der Berufung des
Prof. Hedge (1872) befand sich die Ab-
theilung in stagnirendem Zustande, und
selbst unter des letzteren Amtsführung
litt sie an unzulänglichen Lehrkräften imd
beschränkten Zielen. Allmählich aber ist
284 ZWKI JAIlKIirNDKKTE DEUTSCHEN UNTERRICHTS TN DEN VER. STAATEN.
«•in riiiscli willig' (liidiinli lu'rlu'igefühi't
wui-iUmi. (lass tiiif An/Jihl L«'lin'r an die
l'nivtM-sität iH'nitV'ii \\t)r(lt'ii sind, die ob-
\V(thl sir i'int' tr>*«>s.st' MaiiiiifrfaltiirUfit von
Interfs.s('ii auf dein Gebit'te der Literat ur-
^e.schichte \irid IMiilolttjiie vertreten, sich
di'im<»<-li in dem einen lie.streben verbunden
fübb'U. /u der Pflefre der deutsehen Ideale
in Amerika beizutratren. Dadun-li hat die
deut.sehe Abtheilunf; der Harvard Tniver-
sität einen Grad von faeluuä.ssiger Ausbil-
dung' und Tüehtifikeit erreicht, welcher ihr
tlas Hecht fjibt. besondirc Heachtung von
selten d»'r deut.sch-anierikanischen Bevölke-
rung und aller derer, denen die P^ördermig
deut.scher Studien am Herzen liegt, zu er-
warten."
Die Küekwirkung des Entstehens derar-
tiger deutsclit'r Sf udienabtbeilungen zeigte
sieb alsbald in der starken Zunahme des
deutschen Studiums au den Sekundärschu-
len. Es beschäftigten sich beispielsweise
in Massachusetts mit dem Deutschen im
Studienjahre
IHHJ)— i)0: 34,208 = 11.48 Prozent der
Oesanuntzahl,
1S!I7— 98: 78.01)4 = 14.25 Prozent.
IJjOO— Ol : 1 ()(>.( »(!(»= 20 Prozent (ge-
schätzt.
Aebniicb düi-ftc sich der Fortschritt
auch anilcrwärts gestaltet haben, und es
kann als feststehend gelten, dass die deut-
schen Studien an den höheren Lehranstal-
ten seit tler .Jahrhundertwende nicht ab-,
sondern vielmehr stark zugenonnnen haben.
Einen umfänglichen Beweis dafür anzu-
treten, würde hier natürlich viel zu weit
führen. Nur auf die p]ntwicklung in Kali-
fornicn soll hier noch kurz Bezug genom-
men werden, zinnal sie in gewisser Bezie-
hung für die Vorgänge im ganzen Westen
typisch ist.
..Die deutsche Lehrervereinigung von
Kalifornien" (heisst es in einem interes-
.santen Hundschreiben dieser Gesellschaft
von 1897). ,,die sich aus den Professoren
des Deutschen an beiden Universitäten und
den Lehrern an den verschieden.sten höhe-
ren Lehranstalten dieses Staates zusanunen-
setzt. untersuchte kürzlich die Verhältnisse
des deutsclicii Tuterrichts an unseren Se-
kundärschulen mit dem Ergebnisse, dass
gegenwärtig nur an 35 von den bestehenden
SO Hochschulen deutscher Unterricht er-
theiit wii-(l. Es wurde ferner festgestellt,
dass von den 7163 St-hülern. die an den 35
Iloch.schulen mit deutschem Unterricht
vorhanden sind, nur 918 oder weniger als
12 Prozent im Deutschen thatsächlich un-
terrichtet werden, während alle 7163 Schü-
ler lateinischen Unterricht geniessen, ob-
gleich wahrscheinlich nicht mehr als ein
Drittel von ihnen später eine Universität
beziehen dürfte.
..Angesichts dieser Thatsachen bittet Sie
die Lehrervereinigung, die von dem grossen
erzieherischen Nutzen deutscher Studien
durchdrungen ist. Ihre Aufmerksamkeit
auf folgende Punkte zu lenken :
„Vor allem sind es zahlreiche praktische
Gründe, die für die schleunige Einführung
des Deutscheu in den Lehrplan der Hoch-
schulen sprechen. Angesichts des grossen
I Prozentsatzes von Deutschen in der Bevöl-
kerung dieses Landes und angesichts der
ständig zunehmenden Handelsbeziehungen
zwischen Amerika und Deutschland hat die
Kcnntniss der deutschen Sprache für Ge-
schäftszwecke einen unschätzbaren Werth.
In allen grossen Geschäftshäusern unseres
Landes werden junge Leute, welche die
deutsche Sprache beherrschen, bei der Stel-
lenvergebung solchen vorgezogen, die kein
Deutsch verstehen.
„Ferner ist es eine wohlbekannte That-
sache. dass auch ]\Iänner. die in solchen Be-
rufen, wie z. B. als Anwälte oder Aerzte
thätig sind, gerade so gut von einer prakti-
schen Kenntniss des Deutschen Nutzen
ziehen. Und es ist kein Grund ersichtlich,
weshalb unsere Hochschulabiturienten,
nachdem sie von einem tüchtigen Lehrer
drei Jahre unterrichtet wurden, nicht ge-
nügende Kenntniss im Sprechen erlangen
ZWEI JAHRHUNDERTE DEUTSCHEN UNTERRICHTS IN DEN VER. STAATEN.
285
sollten, um sich dadurch die grossen prak-
tischen Vortheile dieser Kenntniss zu
sichern.
„Aber auch der rein erzieherische Werth
des deutschen Studiums muss als gleich
gross betrachtet werden, besonders für die-
jenigen Ilochschulabiturienten, welche die
Univei-sität beziclien. Es gibt gegenwärtig
keinen Zweig der Wissenschaft, worin nicht
Deutschland unstreitig vor allen übrigen
europäischen Nationen den Vorrang bean-
spruchen dürfte, und deshalb ist es für die
Studenten in jedem Zweige des Universi-
tätsstudiums imerlä-sslich. dass sie wenig-
stens Deutsch zu lesen verstehen. Als Kon-
sequenz hiervon ist es bei allen tonange-
benden Universitäten dieses Landes gestat-
tet, Deutsch an Stelle einer der alten Spra-
chen beim Eintrittsexamen zu setzen."
Das Rimdschreiben schloss mit dem Hin-
weise, dass es nur eine Frage der Zeit sei,
dass jede Universität die Kenntniss des
Deutschen offizieU für die Aufnahmeprü-
fung vorschreiben werde, und hatte dann
auch den Erfolg, dass seitdem der von der
Vereinigung vorgeschlagene dreijährige
deutsche Lehrkurs für den Vorbereitungs-
unterricht angenommen mid die Zahl der
Sekundärschulen, die deutschen Unterricht
ertheilen, sich stark vermehrte. Gleichzei-
tig machten sieh im ganzen Lande die Wir-
kungen der „Deutschen Konferenz'' gel-
tend, die 1896 in New York zusammenge-
treten war. Dieses Vorgehen bezweckte,
für alle Universitäten einheitliche Grund-
lagen Zinn Studium des Deutschen zu
schaffen, und man erreichte es schon 1898,
dass sich zunächst 22 höhere Lehranstalten
zusammenthaten, um einen einheitlichen
Aussehuss für die Aufnahmeprüfungen
einzuführen. Es liegt auf der Hand, dass
wir dadurch dem grossen Ziele, das Deut-
sche zu einem obligatorischen Be.standtheil
unserer akademischen Bildung zu machen,
wiederum ein grosses Stück näher gerückt
sind!
Ganz besonders mögen aber auch dafür
noch zwei Faktoren in die Wagschale fal-
len, von denen der eine schon seit etwa
einem Jahrhundert wirkt, der andere aber
ganz neueren Datums ist: der immer noch
.so zahlreiche Besuch höherer deutscher
Lehranstalten durch amerikanische Studen-
t(n auf der einen, der gegemeitige Profes-
soren- und Lehreraustausch auf der ande-
ren Seite. Auf letzteren glaube ich hier
nicht weiter eingehen zu sollen, da seine
Bedeutung wohl schon jedem Leser dieses
Artikels bekannt sein dürfte. Dagegen
mag es nicht überflüssig sein, über die
ausserordentliche Einwirkung, die von den
ehemaligen deutschen Studenten unter den
Amerikanern auf die Denkweise des ganzen
Landes ausgeübt wird, noch zum SchliLss
eine Bemerkung anzufügen. Am 12. No-
vember 1898 fand auf Anregung des welt-
bekannten grossen Finanzgenies James
Pierpont Morgan im ]\Ietropolitan Club zu
New York ein Bankett statt, bei dem sich
zwischen 30 und 40 ehemalige Göttinger
Studenten zusammenfanden. ]Man hatte
bei den Einladimgen festgestellt, dass da-
mals nicht weniger als 225 alte Göttinger
noch lebten, von denen die grosse ]\Iehrzahl,
nämlich 137, dermalen an amerikanischen
Universitäten, eine Lehrthätigkeit ausüb-
ten, also ganz unmittelbar den akademi-
schen NachAvuchs beeinflussten.
Es dürfte ganz unmöglich sein, die Fülle
gei.stiger Beziehimgen zwischen Deutsch-
land und Amerika zu erschöpfen, die allein
diese ..Göttinger" rep rasen tiren. Nun ist
aber Göttingen nur eine unter einem paar
Dutzend deutscher Hochschulen ! Vor
1850 fanden da neben Göttingen besonders
Berlin und Ilalle Berücksichtigung, später
kamen dann noch Leipzig, München, Hei-
delberg, Freiburg, Würzburg und andere
in Aufnahme. Präsident Thwing von der
Western Reserve-Univei*sität schätzte schon
vor mehreren Jahren die Gesammtzahl
derer, die drüben studierten, auf etwa 700
im Semester. Die genaue Ziffer mag sieh
2«ö
ZWEI JAllHUrXDERTE DEUTSCHEN UNTERRICHTS IN DEN VER. STAATEN.
schwer feststcllfii lassen, insolrni aiu'h
viele teohni.si-lu' IhK-hscIuilt'ii. Kunstakade-
inien und jihiilicho höhere I3ildun«rsanstal-
t«'ii in Deiitsehland. Oesterreieli und der
Schweiz üher ein«' ainerikanisehe Student-
schaft verführen. Für die liedeutiui^' des
akadenii.sehen Hleinents aus Amerika
spricht al)er auch der rinstand. dass be-
reits mehrfach hochmoderne ..Landsmann-
schaften" sicli zusanuneufrcfunden haben.
anin-ikanisvliv Stuth lüini'crciuc an deut-
schen IlochschuU'n. die es sich zur zeitge-
niä.s.scn Aufgabe steHcn. die zu Studien-
zweckeu aus der Neuen Welt Eingetroffe-
nen in ihre neue Umgebung einzuführen
Ganz bestimmt kann man aber in den Ver.
Staaten selber viele Tausende von Vollblut-
amerikanern lebend antreffen, die sich ge-
rade so gut und so gern an die schönen
Zeiten an ihrer deutschen ,.alma mater"
erinnern, w^ie die speziell erwähnten ..alten
Herren" im ..Metropolitan Club", und in
der Regel auch darauf bedacht bleiben, die
kulturellen Beziehungen zwischen den bei-
den ihnen wichtigsten Nationen zu fördern.
Deutsche Lehrer und Universitaets-Professoren.
Wie in der interessanten Abhandlung
Herrn L. Viereck 's hervorgehoben, hat der
Deutsehe im Unterrichtswesen der Verei-
nigten Staaten eine grosse Rolle gespielt
und sich nicht allein als Lehrer sowie als
Reformator des Schulwesens ausgezeichnet,
sondern auch als Universitäts-Lehrer und
Mann der "Wissenschaft Grosses geleistet.
Unvergesslich bleiben wird in der Ge-
schichte des amerikanischen Unterrichtswe-
sens Karl Folien, der die ersten deutschen
Vorträge an der Harvard-Universität hielt
und deutsches Turnen in der Neuen Welt
einführte. Geboren am 4. September 1796
in Romrod bei Giessen, wo sein Vater Land-
richter und Hofrath war. hatte Folien als
Student am Kriege gegen Napoleon, 1813,
theilgenommen, dann nach beendeten Stu-
dium sich in Jena als Privat-Dozent der
Jurisprudenz niedergelassen. Das Attentat
Karl Sand 's, der am 23. März 1819 in
Mannheim den russischen Polizei-Spion luid
Bühnendichter, Geheimrath A. von Kotze-
bue, erdolcht hatte, kompromittirte auch
Folien, der ebenso wie der am 20. Mai 1820
hingerichtete Attentäter ein eifriges ]\Iit-
glied der Burschenschaft war. Folien tloh
nach der Schweiz, erhielt in Basel eine Pro-
fessur, musste aber 1824 mit seinem
Freunde Dr. Karl Beck nach Amerika aus-
wandern, als die preussische Regierung
seine Auslieferung verlangte. Er wurde
Lehrer der deutschen Sprache an der Har-
vard - Universität, gab Privat - Vorlesun-
gen über römisches Recht, verfasste eine
deutsch-englische Grammatik, die jahrelang
für die beste galt, errichtete 1826 die erste
Turnschule in den Vereinigten Staaten,
wurde dann erster Professor für deutsche
Sprache und Literatur an der Harvard-Uni-
versität im Jahre 1830, büsste drei Jahre
später dieselbe seiner lebhaften Agitation
im Interesse der Anti-Sklaverei-Gesellschaft
wegen ein, wurde Unitarier-Prediger und
kam auf der Rückreise von New York nach
Boston beim Brande des Dampfers „Lex-
ington" am 13. Februar 1840 um 's Leben.
Die nachstehenden Biographien von
deutschen ]\Iännern, die um das Unter-
richtswesen unserer neuen Heimath, sowie
das wissenschaftliche Leben derselben sich
verdient gemacht haben oder zur Zeit darin
sich bethätigen, bilden ein Ruhmesblatt in
der Geschichte Deutsch- Amerikas und sind
eines ihrer stolzesten Kapitel. Hinzuge-
fügt wurden biographische Notizen über
einige der amerikanischen Austausch-Pro-
fessoren. Beginnen wir mit Karl Folh-n's
Freunde :
Der am 19. August 1798 zu Heidelberg
geborene Karl Beck kam durch seinen Stief-
vater, den Theologieprofessor de Wette,
1810 nach Berlin, wo er seine Studien ab-
solvirte. Da sein Stiefvater der Begünsti-
gung staatsgefährlicher Umtriebe, wie man
sie in der Burschenschaftsbewegung er-
blickte, verdächtig schien, wurde er seines
Amtes entsetzt und musste nach der
Schweiz auswandern. Hier kam Beck mit
Folien in nächste Berührung und schloss
sich dem Freunde an, als dieser nach Ame-
rika flüchtete. Gleich nach seiner Ankunft
in New York gab er die Erklärung ab, ame-
rikanischer Bürger zu werden, und die Re-
publik hat jedenfalls keinen treueren Bür-
ger wie ihn besessen. 1830 hatte er vorüber-
gehend eine eigene Lehranstalt zu Philipp-
town am Hudson geleitet, sonst aber seine
Lehrthätigkeit bis zu eintretender Invali-
dität als Professor der lateinischen Sprache
an der Harvard ausgeübt. Nachdem er der
Universität Lebewohl gesagt hatte, widmete
er sich mit unermüdlichem Eifer .seinen
Pflichten als Staatsbürger und seinen Pri-
28S
DKl-TSrilK LKHRKK IND UNI VERSITA ETSPROFESSOREN.
vatstud'u'ii. Zweimal wiinl»' «r /.um Mit-
glifiU' «Irr Staatslf^rislatiir iTwiihlt. zut?loich
war er Mitirliiil Vfi-schit'doiirr frclt-lirtcr Ge-
srllsrhaftj-n uiid tinan/irlh'r rütt'riu'linmn-
gcn. Ih'utsi'hlaiul Itcsmlit«' er dreimal,
theils zur Krlioluu^'. thcils literarischer
Zwecke wc^jcu. Heim Aushriich des Hür-
gerkricires konnte den melir nis <)()jährif;en
Greis nichts ahhalfen. in ein«' Kompa^Miie
von Camliriil^'c als (Jemeiner einzutreten,
und willig; unterzog er sich den schweren
Ptlichten eines Soldaten. Seines hohen
Alters w»"pen wunh* ihm jedoch bei der
Einmustcrunfr der Eintritt in die Armee
von den Behörden vcrwci»rert. Er ent.schä-
digte sich dafür, da.ss er Hunderte, völlig
nnsperüstet. in das Feld sandte. Seine
Wohlthätijjkeit kannte überhaupt keine
Grenzen.
Am 1!). März 1866 raffte ihn ein Schlag-
anfall plötzlich aus dem Leben, als er mit
seiner Tochter einen Spazierritt unternahm.
Die ihm gewidmeten Nachrufe bewiesen.
welche Ehre er dem deutschen Namen in
Amerika gemacht liatte.
Der erste wirkliche Profes.sor des Deut-
schen an einer amerikanischen Universität,
Gtnrf/ lilätlt rniaini. darf gewiss an dieser
Stelle nicht übergangen werden. Von Ilaus
aus Jurist — er promovirte als Dr. juris
utriusque in Göttingen — wfmdte er sich
später der Philologie zu und zwai- mit. sol-
chem Erfolge. <lass er einen Kuf als Pro-
fes.sor nach Oxford erhielt. Von dort kam
er 182.') an die Staats-! 'niversität von Vir-
gin icn. Hier beschäftigte er sich neben
seiner Lehrthätigkeit besonders mit der
deutschen ujid angelsächsischer. Sprachver-
gleichung. Wie oben envähnt. verliess er
im Jahre 1840 sein Amt. Seine Amts-
nachfolger waren der frühere Arzt Dr. med.
Karl Kreutzer und Dr. phÜ. Maximilian
Schrie de Vere. Geboivn in Schweden von
einer aus Pommern stammenden Familie
im Jahre 18*J0. studirte Schele in Honn luid
Berlin, wurde preu.ssischer Regierungs-Re-
ferendar in Minden, wanderte 1842 aus.
redigirte in Philadelphia die ..Alte imd
Neue Welt", wurde Prut'e.s.sor der moder-
nen Sprachen an der Virginia Universität,
wai- diplomatischer Agent der Konfödera-
tion in Deutsehland während des Bürger-
krieges, nahm dann .seine Proitssur wieder
auf. Aus .seiner vielseitigen literarischen
Thätigkeit sind vortreffliche Ueitcrsetzungen
Spiclhagen "scher Roni.nie zu nennen.
Der zu den bedeutendsten Männern unter
alh'n Deutsch-Amerikanern zählende Jo-
Jiaini Bernhard Stalio, der am 16 März 1823
im Oldenburgischen als der Sohn eines
friesi.schen Schul lehrers geboren worden
war, wirkte in Amerika ein Jahrzehnt
(18.'W — 49) als Lehrer, verfasste ein deut-
sches „A B ('- Buchstabir- und Lesebuch"
und war 17 Jahre lang Examinator der
Lehramts-Kandidaten für die ötfentlichen
Schulen Cincinnati's, wo er sich 1839 nie-
dergelas.sen hatte. Nach einer mehrjährigen
Thätigkeit am St. Johns College in New
Vork und Arbeiten philo.sophi.se hen Inhalts
kehrte er nach Cincinnati zurück, studirte
die Rechte, wurde 1853 Ricliter, wandte
sich dann der Advokatur zu, vertheidigte
die Turner gegen die Knowtiothings vor
Gericht, trat gegen den Religionsunterricht
in öffentlichen Schulen ein, betheiligte sich
lebhaft an der Politik, wurde 1888 von Cle-
vcland zum Ver. St. Gesandten in Rom er-
nannt. Er ist im Jahre 1900 gestorben.
Der im Jahre 1793 zu Frankfurt a. i\I.
geborene Georg Bunsen, w'elchor in seiner
Vaterstadt vierzehn Jalire lang ein päda-
gogisclies Institut im Geiste Pestalozzi 's ge-
leitet hatte, kam 18.34 nach Belleville. 111.,
wo er eine ]\Iuster-Schule gründete und als
^litglied der Staats-Schulbohörde sich be-
sondere Verdienste um das Schulwesen er-
warb. Er richtete die Staats-Normal-
Schule in Bloomington, 111., ein. Im Jahre
1874 starb er.
Zu den bedeutendsten Universitätsleh-
rern in der Geschichte der Vereinigten
Staaten gehört der am 18. ]\Iärz 1800 in
Berlin geborene Franz Lieber, der im
Kriege gegen Napoleon, 1815, verwundet
worden war, für die Hellenen gekämpft
DEL'TSClir^; LKURKK UND UNIVERSITAETS-PROFESSOREX.
289
hatte und nach längerer Haft wegen Be-
theiliguug au der Burschenschaft im Jahre
1827 ausgewandert war. Er kam auf Ver-
anlassung seines Studienfreundes Folien
nach Boston. Er bearbeitete unter Heran-
ziehung geeigneter Kräfte das Brock-
haus'sehe Konversations - Lexikon für
Amerika unter dein Titel "Encyclopaedia
Americaua based on the Conversations
Lexicon". Nach fünfjähriger Arbeit er-
(1857). "Wähivnd des Bürgerkrieges war
er Lincoln 's Berather in Fragen des Völker-
und Kriegs-Rechts. Von epochemachender
Bedeutung war jedoch seine — im Auf-
trage des damaligen kommandirenden Ge-
nerals Hallcck — unternommene Kodifika-
tion des humanen Kriegsrechts, die als
..Generalorder Xr. 100" pubüzirt und an
alle Stabsoffiziere der Armee vertheilt
wurde. Die Kritik würdigte diese Arbeit
FRANZ LIEBER.
schien das 13 Bände starke Werk. Im
Jahre 1835 wurde er Professor der Ge-
schichte und Staats-Wissenschaft am South
Carolina College in Columbia, S. C, ver-
fasste die Werke „]\Ianual of Political
Ethics" (2 Bände), „Legal and Political
Hermeneuties" (1 Band) und ..Civil
Liberty and Selfgovernment" (2 Bände).
Diese Werke sicherten ihm die Berufung
an die Columbia Universität in New York
mit Recht als ein ^Meisterwerk ersten
Ranges, das unter anderen auch Bluntschli
als Anhang zu seinem ..^lodemen Völker-
recht" veröffentlichte.
Liehers Wirksamkeit an der Columbia,
die er bis zu seinem — am 2. Oktober 1872
erfolgten — Tode fortsetzte, war deshalb so
erfolgreich, weil er sich deutscher Lehrme-
thoden bediente und es stets ins Auge
fasste, vor allem das Verständniss des be-
290
DEUTSCHE LEHRER UND UNIVERSITAETS-PROFESSOREN.
handelten Gegenstandes l)ei seinen Sehülern
zu erwei'ken. Am Ende jeder Stunde 1)6-
zeiehnete er die Stellen aus vr ischiedenen
grossen Autoren, die vor der nächsten Lehr-
stunde gelesen werden sollten. Alle Defi-
nitionen, Eigennamen und Daten wurden
von ihm selb.st an die schwaiw Tafel ge-
.sehrieben, um nieht falseh verstanden zu
werden. Jeder Student niusste für seine
Disziplinen sieh ein gut gebundenes No-
tizbuch anlegen, in dem freie Seiten für
wichtige Nachträge offen blieben. So wusste
er das Interes.se seiner Studenten stets
wach zu erhalten, und die Art seines Ver-
kehrs mit ihnen bewirkte es. dass sie stets
mit grosser Liebe und Achtung an ihm
hingen.
M. R. Thaifcr, der iliin am 13. Januar
1873 in der ..Histori.scben Gesellschaft von
Penn.sylvanien" einen begeisterten Nachruf
widmete, rühmte von ihm. er sei ein echter
Anu^rikaner gewesen, obgleich er mit gan-
zer Seele an dem Lande seiner Geburt hing.
Er sei nie blind gewesen gegen die Fehler
der Amerikaner, die er zu verbessern
suchte. So ist er zum ]\Iu.ster eines Deutsch-
Amerikaners geworden, der nie vergessen
soll, dfi.ss er aus Deutschland stammt, aber
ebensowenig, was er seinem Adoptivvater-
lande schuldig geworden ist.
Eine treffliche kurze Biographie Lichcrs
lieferte Rechtsanwalt F. W. Eolls in New
York Cgeb. am 1. Juli 1857 in Pennsylva-
nien. gestorben am 23. Juli 1903), Mitglied
der amerikanischen Abordnung zum Haa-
ger Friedenskongresse, in einem 1882 ge-
haltenen Vortrage, der danach als beson-
dere Broschüre ei-schien.
Als Professor des Civilrechts hat sich
Christian Eosdiun ausgezeichnet, der zu den
bedeutendsten Deutsch - Amerikanern zu
rechnen ist. Er wurde am 10. August 1803
in Thedinghausen bei Bremen geboren. Aus
unbekannten Gründen ging er als IGjähri-
ger Knabe auf das Bremer Segelschiff ..Ju-
piter" und kam mit diesem am 11. Juli
1820 in New Orleans an. wo ihn der Heraus-
geber des ..Louisiana Advertiser", der einen
Lehrling brauchte, gegen Erlegung der
Licberfahrtskosten auslöste und auf 21/2
Jahre als Redemptionisten zugewiesen er-
hielt. Roselius warf sich vom ersten Tage
an mit allem Eifer auf das Studium der
englischen Sprache und nachdem er darin
genügende Fortschritte gemacht hatte, be-
nützte er jede freie Stunde, besonders die
Nächte (er .schlief auf einem Bett luiter
den Setzkästen) zur Lektüre der Gesetz-
bücher, welche zu Nachschlagezwecken in
der Druckerei gehalten wurden. Nach Ab-
lauf seiner Dienst- imd Lehrjahre trat
Roselius beim „Louisiana Courier" als
Setzer ein und 1827 verband er sich mit ]\Ic-
]\[icken zur Herausgabe des „Halyeon",
eines litterarischen AVochenblattes. Nach
sechs jNIonaten zog er sich von diesem aber
wieder zurück. Er widmete sieh seinem
Lieblingsstudium nun ganz in der Office des
Advokaten Davezac. und am 23. Jiuii 1828
wurde er nach glänzend bestandenem Exa-
men zur Praxis zugelassen. Schon 1836
wurde er allgemein für den besten „Civi-
lian" des Staates gehalten. "As a civilian
he was the front figure. He would have
graeed a seat on the bench of the United
States Supreme Court", sagte Judge J. Ad.
Rozier von ihm, als er bei der Gedächtniss-
feier im November 1873 ihm einen Nach-
ruf widmete. 1841 Avurde Roselius in die Le-
gislatur des Staates gewählt, doch nahm er
seinen Sitz nur kurze Zeit ein. da ihn Gou-
verneur Roman zum General an walt des
Staates ernannte. 1845 und 1852 war er
^litglied der Staatskonventionen. 1861
sandten ihn seine Konstituenten mit über-
wältigender ]Majorität in die sogenannte
Secessionskonvention. wo er eine heftige
Rede gegen die Secession hielt und sich
Aveigerte. die Secessionsordinanz zu unter-
zeichnen. 1864 wurde Roselius wieder in
die Staatskonvention gewählt, doch zog er
sich wegen des den ^Mitgliedern abverlang-
ten Eides schon am zweiten Tage zurück.
Von nun an nahm er kein politisches Amt
DEUTSCHE LEHRER UND UNIVERSITAETS-PROFESSOREN.
291
mehr an. Von 1850 bis 1873 war er Pro-
fessor des Civilreehtes an der Staatsuniver-
sität (der jetzigen Tulane Universität), in
welcher Stellung er mit Auszeichnimg
wirkte. Am deutschen Leben hat Roselius
nie theilgenommen. Er vermied, öffent-
liche Lokale zu besuchen, und lebte ganz
seinen Studien und seiner Familie. Wenn
die Deutschen aber seines Rathes und seiner
professionellen Hilfe bedurften, dann konn-
ten sie stets auf ihn zählen. Er starb am
5. September 1873.
Grosse Verdienste um die Einführung
des deutschen Unterrichts hat sieh Dr.
Friedrich Rölkcr erworben. Er wurde 1809
in Osnabrück geboren und nach absolvirtem
Gymnasium zu :Münster seminaristisch aus-
gebildet. Nachdem er einige Zeit in Osna-
brück gelehrt hatte, kam er ]\Iitte der
dreissiger Jahre an die öffentliche Schule
nach Cinciunati, welche Stellung er indes-
sen mit der eines Oberlehrers an der katho-
lischen Dreifaltigkeitsschule vertaiLschte.
1843 in den Schulrath gewählt, brachte er
es durch sein massvolles, aber rastloses
Arbeiten dahin, dass diese Behörde ihre
feindselige Haltung gegenüber dem deut-
schen Sprachunterricht fallen Hess und
ihm in der Folge in den öffentlichen
Schulen mehr Raum gab. Bald danach
konnte Eölkcr den Triumph erleben, dass
die Schulen mit deutschen Klassen im Eng-
lischen bessere Resultate lieferten als die
einsprachlichen Volksschulen. 1846 bis
1847 fungirte er als Schul-Examinator.
Dann wurde er Arzt. Er gilt als Begrün-
der des deutschen Unterrichts in den Schu-
len Cincinnati 's.
Unterstützt wurde er in seinen Bestre-
bungen von dem 1803 in Württemberg ge-
borenen und nach Studium der Rechte in
Tübingen 1836 ausgewanderten Notar und
deutsch-amerikanischen Journalisten Au-
gust Eenz.
Grosse Verdienste um die deutsch-ameri-
kanische Geschichtsforschung erworben hat
sich Dr. Oswald Seidensticker. Er war als
Sohn eines Advokaten am 3. :Mai 1825 in
Göttingen geboren. Sein Vater, Dr. Georg
Pricdrich Seide nstickcr, war ein Gesin-
nimgsgenosse der berühmten Göttinger Sie-
ben und musste wegen „hoehverrätherischer
Handlungen" 15 Jahre im Kerker zubrin-
gen, um dann 1846 nach Amerika auszu-
wandern. Er hatte Napoleon 's Zug nach
Russland als österreichischer Offizier mit-
gemacht. Oswald Seidensticker widmete
sich in Philadelphia mit grossem Eifer
dem Studium der Medizin und später
der Philosophie und Philologie. Sein Vater
starb am 24. Dezember 1862. Nachdem
Oswald Seidensticker in Brooklyn
imd Philadelphia eigene Schulen geleitet
hatte, wurde er 1867 an die Universität von
Pennsylvanien berufen, um hier die deut-
sche Professur zu bekleiden. Dieses Amt
hat er bis an sein Leben.sende (10. Januar
1894) mit dem grössten Erfolge versehen.
Seidensticker zählt unbedingt zu den nam-
haftesten deutsch - amerikanischen Ge-
schichtsforschern. Seine Beiträge im „Deut-
schen Pionier" von Cincmnati, im
„Deutsch-amerikanischen ]\Iagazin" Ratter-
manns und im „Pennsylvania IMagazine of
History" sind von grösstem AVerthe. Er
verfasste folgende Bücher: „Geschichte der
Deutschen Gesellschaft von Pennsylvanien
1764 bis 1876", Philadelphia! 1876.
,,Ephrata, eine amerikanische Klosterge-
schichte." Cinciunati, 1883. ,.Die erste
deutsche Einwanderung in Amerika." Phi-
ladelphia 1883. ,, Bilder aus der deutsch-
pennsylvanischen Geschichte." New York
1886. ,,German-American Events, princi-
pally of Pennsylvania, up to 1870. Collected
and chronologically arranged by Oswald
Seidensticker." Philadelphia 1882. „The
First Century of German Printing in Ame-
rica, 1728—1830." Philadelphia 1893.
Obwohl nicht deutscher Abstammung
wäre die Liste deutscher Lehrer und Uni-
vereitäts-Professoren in den Vereinigten
Staaten nicht vollständig, wollte man einen
unerwälint lassen, der durch seine Versen-
2«2
DKrTScHK LKHRKR l'ND UXIVERSITAETS-PKOrKSSOREN.
kuiifr in (loiitsclif Spriii'lic. dtMitsclu' Litci-a-
tur, (Iriitscht's \V«'st'ii iiiul die Gescliiclit»'
des Dt'utschtliums in Amerika ein anirrika-
nischer Deutscher tr«'\vorden i^t. Professor
Marion Dcxtcr Lcanud von der P« imsyl-
vanin-Univorsität. die treue Stütze aller
deutsehen Bestrebunjren.
Geb(»ren am !•'. -luli ISÖT /u Dover in
Delaware, «rra.lnirti' er ISTii i;i Wilminirton
1SS4 setzte er seine Spraehstudieu an der
.loluis Ilopkins-riiiversität und im folgen-
de ii .lalire an iWv Tniversität Leipzig fort
Als ..Fellow "' der Johns Hopkins für
neuere Sprachen verweilte er 1886 wie-
derum in Deutsehland. Er promovirte
ISST zum Dr. phil. an der Johns Hopkins,
wo er etwa ein Jahrzehnt (1886 bis 1895)
;iii der deutschen Fakultät eine erfolgreiche
PROF. OSWALD SEIDENST ICKER, hervorragender deutech-amerilcanischer Geschichtsforscher
und Professor des Deutschen an der Universitael von Pennsylvanien.
und trat dajiu in das Dickinson-Kollegium.
liier erwarb er sicii den Magistc rgrad aber
erst 1884. da er sein Fachstutüum mehrfach
unterbrach, um eine höhere Lehrthätigkeit
als Akademiedirekt<tr (1878 bis 1879) und
Professor der Sprachlehre am ^Villiams-
porter Seminar (1880 bis 1884) auszuüben.
Lehrthätigkeit ausülite. 1895 übernahm er
dann die ordentliche Professur und Lei-
tung der deutschen Abtheilimg an der
Tniversität von Pennsylvanien. Er hat
eine Reihe von deutsch-amerikanischen Ge-
schichtsforschungen veröffentlicht. Sein
neuestes. 1908 erschienenes Werk, führt den
DEUTSCHE LEHRER UND UNIVERSITAETS-PROFESSOREX.
293
Titel „The Life of Francis Daniel Pasto-
rius, the Foimder of Gennantown". Von
seinen Schriften sind ausserdem noch zu
nennen: „The Pennsylvania-Gernuin Dia-
leet", Baltimore 1889; „The Saga of Wal-
ther of Aquitaine", Baltimore 1889; „An-
fänge der deutschen Kultur in Amerika",
Baltimore 1894; „The German- American
Turner Lyric", Baltimore 1895
„Wenn das Deutsch-Amerikanerthum",
schreibt H. A. Rattermann, „die Reihe der-
jenigen IMänner mustert, denen es beson-
deren Dank schuldig ist, weil sie den
eigenen Yolksgeist aas der starren Lethar-
gie emporrüttelten, in der er zu versinken
schien, so nuiss in erster Reihe auch
Friedrich Kapp genannt werden. Hat
doch Kapp mit seinen deutsch-amerikani-
schen Geschichtswerken, sowie mit dem
kritisch-ätzenden Volks- und Sittenschilde-
rungen dieses Landes das Selbstgefühl
unseres Elements wieder neu erweckt, und
zugleich den Blick der Denker auf uns
gerichtet, so dass nunmehr frisches Leben
unser Volk durchströmt." Friedrich Kapp
wurde am 13. April 182-1 zu Hamm in
Westfalen als der Sohn des Gymnasial-
Direktore Dr. Friedrieh Kapp geboren.
Letzterer war ein politisch und religiös
freisinniger ^Mann, ein begeisterter Schüler
Hegel's, der den früh seiner Mutter be-
raubten Sohn mit liebender Sorgfalt erzog.
Im Jahre 1842 bezog Friedrich Kapp als
Studiosus der Jurisprudenz die Universität
Heidelberg. Er wurde dort mit Ludwig
Feuerbaeh und Berthold Auerbach be-
kannt. Im Sommer 1844 siedelte er zu
weiterem Studium und Absolvirung seiner
einjährigen Dienstpflicht nach Berlin über.
Am 7. April 1845 bestand er sein AiLskul-
tator-Examen, trat in den Justizdienst ein,
wurde Referendar, gab aber den Staats-
dienst auf, als die Bewegung von 1848 auch
ihn erfasste. Er begab sich nach Frank-
furt am Main, wo er als Korrespondent für
mehrere Zeitungen thätig war. Er wurde
Sekretär des „Kongresses der Demokra-
ten", deren Präsident Julias Froebel war.
Der September{)utseh, der mit der Ermor-
dung General von Auerwald's und des
P'ürsten Lichnowsky endete, an dem Kapp
aber nicht t heil hatte, veranlasste ihn zur
L\^bersiedlung nach Paris, wo er Lehrer im
Hause Alexanderllerzen's wurde. Er kehrte
1849 nach Deutsehland zurück, begab sich
da im nach der Schweiz, siedelte aber im
^lärz 1850 nach Amerika über, als auch
die Eidgeno.ssenschaft die Ultra-Radikalen
nur ungern sah. Seine Braut, Louise
Engels, Tochter des Konnnandanten von
Köln, General Friedrich Engels, folgte ihm
später über 's :\reer, und in New York fand
die Trauung statt. :\rit Franz H. Zitz und
Julius Froebel begründete Kapp die Advo-
katen- und ül)erseeische Kollektions-Firma
Zitz, Kapp & Froebel. Er wandte sich
der Politik zu, war eine Zeit lang Redak-
teur eines neuen sozialdemokratischen
Blattes, der ..New Yorker Abendzeitung",
die von einer „Association der Schrift-
setzer" ins Leben gerufen war, gab die
Stelle aber bald auf. Er Avurde „Whig",
schrieb zahlreiche Artikel für die Partei,
grössere Abhandlungen über die „politi-
schen Parteien in den Vereinigten Staaten"
und „Die Sklavenfrage". Die Gründung
der Partei der „Republikaner" au.s den
Trümmern der zusannnengebroehenen
„Whig" und ,.Know Xothing" Parteien,
mit Hinzutritt derjenigen „Demokraten",
die der Diktatur des allzuviel fordernden
Südens nicht mehr willig gehoreamen woll-
ten, brachte auch Kapp mit in den Vorder-
grund der Politik. Sein Buch stellte ihn
in die R^ihe der gegen die Sklaverei agiti-
renden Schriftsteller, und er selbst schloss
sich, nachdem er als amerikanischer Bürger
sich hatte naturalisiren lassen (8. März
1855), der neugegründeten republikani-
schen Partei an, in welcher er als einer
der leitenden Politiker über fünfzehn
Jahre und bis zu seiner Rückkehr nach
Europa wirkte. Er hat nur zwei politische
Aeniter bekleidet, das eines Präsideuten-
294
DEUTSCHE LEHRER UND UNIVERSITAETS-PROFESSOREN.
EK'ktoi-s 1860 und eines Einwanderuugs-
Koniniissärs für New York 1867 — 70. Im
Jahre 1870 kehrte er nach Deutschland
zuriiek, wurde 1872 Reiehstajrsniitglied.
Während des deutsch-französischen Krie-
ges war er in Berlin Vertreter des deutseh-
anicrikanischcii ITilfs-Ausschusses, der rie-
sip> Suninu'M nach der alten Heimath
sandte. Im Kcichstaf? war er zueilst
^litfilicd der national-liberalen, dann der
deutsch-freisinnigen Partei. Am 29. Okto-
ber 1884 erlag er der Diabetes, Aus
Kapp 's Schriften sind ausser den schon
genannten anzuführen : ..General von
Steuben", „Generalmajor von Kalb", ,,Der
Soldatenhandel deutscher Fürsten nach
Amerika", „Geschichte der Sklaverei in
d<'n Ver. Staaten", „Friedrich der Grosse
und die Vereinigten Staaten", „Justus
Erich Hollmann" und die viel angefoch-
tene „Geschichte der Deutschen im Staate
New York bis zum Anfang des neunzehnten
Jahrhunderts".
Johann Hanno Deilcr wurde am 8.
August 1849 in Altoetting, Ober-Bayern,
geboren, war Schullehrer in Bayern und
wurde 1871 als Vorsteher an eine deutsche
Schule in New Orleans berufen. Er lan-
dete am 22. Januar 1872 in New York. Im
Jahre 1S79 wurde er Professor des Deut-
.scht'u an der University of Louisiana (jetzt
Tulanc l'niversität). Er liess sich beson-
ders die PHege des deutschen ]\Iännerge-
sangs unter seinen Landsleuten in New
Orleans angi'legen sein und suchte fördernd
auf (leren geistiges Leben einzuwirken.
Seit einer Keihe von Jahren i.st er Präsi-
dent der Deutschon Gesellschaft in der
Il.ilbmondstadt. Va' gründete den New
Orleans Quartett Club, einen der besten
Gesang- Vereine des Südens. Da er selbst
nnisikalisch gebildet ist, wurde er dessen
Dirigent. Piof. Deiler leitete die Massen-
chöre beim grassen Sängerfest des Nord-
amerikanischen Sängerbundes im Februar
1890 in New Orleans, welches zu einem
gro-ssartiuen Erfolge sieh gestaltete. Prof.
Deiler wohnte dem 4. Allgemeinen Deut-
schen Sängerbundfest in Wien 1890 und
dem 5. in Stuttgart 1896 bei und fand als
Redner eine geradezu enthusiastische Auf-
nahme. Seit 1890 ist er Präsident des
Nordamerikanischen Sängerbundes. Be-
sonders gro.ss sind seine Verdienste um die
Erforschung der Geschichte der Deutschen
des Südens. p]r gründete das Archiv für
deutsche Geschichte. Im Jahre 1907 legte
er sein Amt als Prof&ssor der deutschen
Sprache und Literatur an der Tulane Uni-
versität, das er 28 Jahre in verdienst-
vollster Weise bekleidet hatte, nieder, um
sich ganz seinen literarischen Arbeiten zu
widmen. Erschienen sind von ihm :
1. Germany's Contribution to the pre-
scut Population of New Orleans. With a
Census of the German Schools. A paper
read before seetion C of the New Orleans
Academy of Sciences, April 27, 1886.
(Vergriffen.)
2. Das Redemptionssystem im Staate
Louisiana. Sally Müller, die weisse Skla-
vin. 2. Auflage, 1901.
3. Zur Geschichte der Deutschen Kir-
chengemeiuden im Staate Louisiana. Mit
einem Census der New Orleanser deutschen
Schulen und der fremdgeborenen Bevölke-
rung von 1850 bis 1890. 1894.
4. Louisiana, ein Heim für deutsche An-
siedler. 1895. (Vergriffen).
5. Geschichte der Deutschen Gesellschaft
von New Orleans. ]\Iit einer Einleitung:
Die Europäische Einwanderung nach den
Vereinigten Staaten von 1820 bis 1896. Ju-
biläumsschrift. 1897.
6. Die Europäische Einwanderimg nach
den Vereinigten Staaten von 1820 bis
1896. Separatausgabe. 1897.
7. Eine vergessene deutsche Kolonie.
Eine Stimme zur Vertheidigimg des Grafen
de Leon, alias Proli, alias Bernhard Müller.
1901.
8. Geschichte der New Orleanser Deut-
schen Presse. I. Theil. 1901.
DEUTSCHE LEHRER UND UNIVERSITAETS-PROFESSOREN.
296
9. Die ersten Deutschen am unteren Mis-
sissippi und die Creolen deutscher Ab-
stammung. 1904.
10. The Settlement of the German Coast
of Louisiana. 1908.
Zu den anerkannt bedeutendsten Ken-
nern der amerikanischen Verfassungsge-
schichte gehörte ein Deutsch-Russe, der am
7. Juni 18-41 in Fellin, Livland, geborene
Hermann Eduard von Holst. Er studirte
an Schem's Deutsch-Amerikanischem Kon-
versations-Lexikon. Im Jahre 1872 wurde
er Professor der Geschichte an der Univer-
sität Strassburg, von wo er zwei Jahre
später an die Universität Freiburg im
Breisgau berufen wurde. Er wurde in den
badischen Landtag gewählt, dessen Vice-
Präsident er später wurde. In dem Win-
ter-Semester 1878—79 und im Jahre 1884
besuchte er studienhalber die Vereinigten
FRIEDRICH KAPP.
in Dorpat und Heidelberg und wurde im
Jahre 1866 Ilaaslchrer in St. Petersburg,
Im folgenden Jahre wurde er jedoch eines
der russischen Regierung anstössigen Flug-
blattes wegen verbannt und wanderte nach
Amerika aus. Er wurde Lehrer in einer
kleinen Privatschule in New York, hielt in
der Präsidentschafts-Kampagne von 1868
einige politische Reden und war ^Mitarbeiter
Staaten. Im Jahre 1892 erhielt er den
Lehr.stuhl der Geschichte an der neuge-
gründeten „University of Chicago". Im
Jahre 1900 zwang ihn seine angegriffene
Gesundheit nach Frciburg zurückzukehren,
wo er am 20. Januar 1904 starb. Sein her-
vorragendstes Werk ist „Verfassung und
Demokratie der Vereinigten Staaten von
Amerika" (in 5 Abthoilungcn von 1873 —
296
DEUTSCHE LEHRER UND UNIVERSITAETS-PROFESSOREN.
91), eine überaiLs fälii.uH' Darstellung der
politischen G(«('hichto AiiHM-ika's vom
föderalistischen und Anti-Sklaverei-Staud-
punkte aus. Gleiclit'alls eine bedeutende
Arbeit Hermann von Holst 's ist „Das
Staatsrecht der Vereinigten Staaten von
Amerika" (1885) ; ferner sind zu nennen
die Biographien Jolm C. Calhoun's und
John Brown 's und ..The French Revolution,
Tested by ^lirabeau's Career" (1894).
Der Herausgeber des zwölf bändigen
„Deutseh - Amerikanischen Conversations-
Lexicons" war Alexander Jacob Sehern.
Geboren im Jahre 182() in AVostphalen,
studirte er an den Universitäten Bonn und
Tübingen, bethätigte sieh dann als Redak-
tfur in seiner Ileimath und kam im Jahre
l.söl nach Amerika. In den Jahren 1854
bis 1860 war er Professor der hebräischen
und der modernen Sprachen am Dickinson
College in Carlisle, Fa., legte aber seine
Lehrthätigkeit nieder, um sich ganz seiner
Lieblingsbeschäftigung, der Statistik, nnd
schriftstellerischen Arbeiten zu widmen.
Von 1874 bis zu seinem im Jahre 1881 er-
folgten Tode war er Hilfs-Superintendent
der New Yorker Schiden. Ausser statisti-
schen Kalendern gab er im Verein mit Rev.
George R. Crooks ein lateinisch-englisches
Schullexicon nnd mit Henry Kiddle eine
„Cyclopaedia of Education" heraus. Auch
war er einer der Redalstteure von ,,The
Methodist" und „The :Methodist Quaterly
Review".
In Basel am 20. Februar 1850 geboren
wurde der frühere Superintendent des mo-
dernen Sprachunterrichts in den öffentli-
chen Schulen Chicago 's, Dr. Gustav Zim-
incrnuinn, der b&sonders sich um Deutsch-
Amerika verdient gemacht hat durch seine
Bücher , .Deutsch in Amerika", „Beiträge
zur (Jeschichte der deutsch-amerikanischen
Literatur" und das einzig empfehlens-
werthe Werk über amerikanische Ge-
schichte in deutscher Sprache „Vierhundert
Jahre amerikanischer Geschichte".
Kutw Fianckc, Professor der deutschen
Kultur-Geschichte und Kurator des Germa-
nischen ^Museums an der Harvard-Univer-
sität, wurde am 27. September 1855 in Kiel
geboren. Er studirte in Deutschland imter
Giesebrccht und promovirte 1878 in Mün-
chen. Nachdem er unter auderem zwei
Jahre lang unter Waifz als "Mitarbeiter an
den ..]\I(mumenta Germaniae historica"
thätig gewesen, wurde er 188i nach Cam-
l)ridge berufen, wo er seinen Hauptberul"
darin erblickt, deutsche und amerikanische
Kultur zu versöhnen. In diesem Sinne
mögen folgende Schriften von ihm beson-
ders hervorgehoben w^erden : „Social Forces
in German Literature", 1896. „Glimpses
of :\Iodern German Culture". 1898. ..His-
tory of German Literature" 1901. „The
Germanic ^Museum of Harvard", 1906
und „German Ideals of To-day". 1907.
Zur Goethe-Gedächtnissfeier in New York
und Cleveland hielt er die äusserst interes-
sante Festrede über „Goethes Vermächtniss
an Amerika", in der er die mannigfachen
Beziehungen, die zwischen Goethe und dem
geistigen Leben Amerikas bestanden haben
und auch noch heute bestehen, in geistrei-
cher Weise beleuchtete. Er ist unter An-
derem Ehrendoktor der juristischen Fakul-
tät der Staats-Universität von Wisconsin.
Das Germanische Museum an der Har-
vard, das zweite seines Namens in der
Welt, ist die bildliche Darstellung des ein-
heitlichen Ursprungs der germanischen
Stämme. Es verkörpert jene Bestrebun-
gen, welche in dem deutsch-amerikanischen
Professorenaustausch einen persönlichen,
nicht minder nachhaltigen Ausdruck finden.
Es ist ein Denkmal der Kulturgemeinschaft,
welche die Völker Deutschlands imd Ame-
rikas verknüpft. Schon 1901 wurde auf
Anregung Professor Kimo Francke's, des
Kurators des ]\Iuseums, eine verhältnis.s-
mässig bescheidene Summe zur Durchfüh-
rung der Idee diesseits des Ozeans gesam-
melt. Im selben Jahre verkündete der
deutsche Kaiser seine grossartige Sehen-
DEUTSCHE T.ETTT^ET^ T^XD UNIVERSiTAETS-PROFESSOREN.
297
kling für das Musi'uiii, welche im iiäelisleii
Jalire im Hause Professor ^Münsterbergs
der Universität formell übergeben wurde.
Kurz darauf hielt I*rofessor Franeke eine
viel beachtete Anspi-aehe im Königliehen
Kunstgewerbenniseinii zu Berlin, in dei- ei-
anregte, dass das deutsehe \'(ilk. (lein liei-
Inil iiuf, und so wiu'de, wenigstens nach
dem Berichte des Präsidenten Elicjt die
Grundlage zu dem Professorenaustausch
gelegt.
Das (iermanische ^luseum besteht
heute eine kurze Spanne von Jahren; den-
niieli eiilhäll es bereits nielir .\aehbildungon
PROF. KUNO FRANCKE.
der Cruender des Germanischen Museums der Harvard Universitaet.
spiel des Monarchen folgend, auch seiner-
seits ein Seherflein zur Bereicherung des
Unternehmens beitragen solle. ]\Iit der
Zeit Hessen sich Vorlesungen rcichsdeut-
scher Gelehrten mit dem Museum verbin-
den. Ministerialdirektor Althoff, der bei
der Debatte zugegen war, griff die Idee so-
deutseher Kunstschätze als irgend ein an-
deres Universitätsmuseinn. Von Karl dem
Grossen bis zum zehnten Jahrhundert, vom
I\Iittelulter bis zu Dürer, llolbein und
Peter Vischer sind Skulptur, Malerei und
Kunstgewerbe vertreten. Die Reforma-
tionszeit, die Renaissance und, soweit wie
298
DEUTSCH K LEHRER UND UNR'ERSITAETS-PROFESSOREN.
mö^'licli. selbst dit* Modornc. kurzuni jode
wichtitr«' Stufe in (in- Kiitwiekhuig deut-
scher Kultur und Kunst, sind hier veran-
s»'haulieht. Ohuolil das Museiun nur zwei
Ta<re der Woche (h'iii Puhlikuni otTen steht,
haben l)ereits hunderttausende von liesu-
clu'i-n die.se Sehatzkanuner unvergänglicher
Wert he hesuelit. Schon .ji'tzt jedoch ist
das .Museum fnindistcns (hriwal zu klein,
um die Kunstwerke, die es beherbergt, ge-
bührend zur Geltung zu bringen. Vm.
seinen Zweck erfüllen zu können, ist für
das .Museum ein neues Gebäude geplant, da
eine gros.se Kultur nur in einem entspre-
chenden (tcbäuile wirk.sam in ihrer histo-
rischi'u Entwicklung vor Augen geführt
werden kaini.
rrofc.s.sor JI( niiann Colliiz, seit 1907
Prnfes.sor der germani.schen Philologie an
der Johns Hopkins-Universität in Balti-
more, kam im Jahre 1886 nach Amerika,
nachdem ei- ein Jahr lang Privat-Dozent
für Sanskrit und vergleichende Sprachwis-
senschaft in Halle gewesen war. Er wurde
hier Professor an der trefflichen Frauen-
HcK'h.schule zu Bryn Mawr in Pennsylva-
nien. Geboren am 4. Februar 1855 in
Bleckedi'. Hannover, .studirte Collitz in
(;öttiny:cn uiul Berlin. Er hat sich durch
verschiedene bedeutende wis.senschaftliche
Arl)eiten in der Gelehrtenwelt einen Na-
men gemaclit. Er ist Vize-Präsident des
Germanischen ^Museums der Harvard-Uni-
versität.
Iliins Karl Gihühcr v. Jarjcmann, Chef
der AbthciJung für moderne Sprachen an
di-r Harvard-Universität, ist in Grottkau
(Schlesien) geboren. Er begann seine
Stiulien in Leipzig und beendete sie an
der Johns Hopkins-Univei-sität. Früher
Präsident der „.Modern Language Associa-
tion" und Mitherausgeber der „^Modern
Languages Notes", entfaltete er für die
wichtige Gesellschaft eine umfangreiche
Thätigkeit. Von 1886 bis 1889 wirkte er
als Professor der deutschen Sprache und
Literatur an der Universität von Lidiana
und wurde von dort an seinen jetzigen
I Nisten berufen.
Profes.sor der Psychologie an der Har-
vard Universität ist der am 1. April 1863
in Danzig geborene Hugo Mün>,tcrh ()•(), der
.seine Studien in Genf, Leipzig und Heidel-
berg absolvirte und nach mehrjähriger
Lehrthätigkeit an der Universität Freiburg
im Breisgau an die Harvard-l'niversität im
Jahre 1892 berufen wurde. Er trat lebhaft
für die Anknüpfung und Festigung freund-
.schaftlicher Beziehungen zwischen Deutsch-
land und den Vereinigten Staaten ein und
organisirte den internationalen Gelehrten-
Kongress in der St. Louiser AYeltausstel.
lung. Er verfasste etwa 200 Essays, ferner
erschienen von ihm: „Beiträge zur experi-
mentellen P.sychologie ", „Grundzüge der
Psychologie", „Psychology and Life",
„Eternal Life", „Science and Italism",
..Philosophie der Werthe", „American
Traits". ..Der Amerikaner" und 1908 ein
Buch, da.s sich mit den Deutschen in Ame-
rika befas.st und „Aus Deutsch-Amerika"
betitelt ist. Als Dichter hat er sich unter
dem Pseudonym Hugo Terberg mit Erfolg
versucht.
Der bekannte Lehrer der ,, politischen
und sozialen Ethik" an der Columbia Uni-
versität in New York, Felix Adler, erblickte
in Alzey, Deutschland, am 13. Augu.st 1851
das Licht der Welt, kam 1857 mit seinen
Eltern nach Amerika, studirte an der Co-
lumbia Universität und machte sein i)hilo-
sophisches Doktor-Examen 1872 in Berlin,
war Professor der hebräischen und orien-
tali.schen Literatur an der Cornell Univer-
sität, gründete 1876 die ,,New York Society
for Ethical Culture" und Avurde dann Pro-
fessor der Ethik an der Columbia Univer-
sität. Er verfasste „Creed and Deod",
„The :\roral In.struction of Children",
„Life and Destiny" und „Marriage and
Divorce".
Professor des Deutschen an der Univer-
sität New York wurde im Jahre 1846 der
1821 in Leipzig geborene, aber als 12jähri-
DEUTSCHE LEHRER UND UNIVERSITAETS PROFESSOREN.
299
ger Knabe nach Amerika gekommene Georg
J. Adler. Er studirte in New York. Als
Professor wirkte er bis zum Jahre 1854.
Sein „German-English Dietionary", seine
„German Grammar", sein 3Ianual of Ger-
man Literature" sind noch heute im Ge-
in New York ansässig ist. hervorgethan.
Er hatte das Gymnasium in Hannover be-
sucht, sich dann der Offiziei-s-Karriere zu-
gewandt und den deutsch-französischen
Krieg als Seconde-Lieutenant mitgemacht.
Bald nach demselben siedelte er nach New
PROF. HANS VON JAGEMANN,
von der Harvard Universitaet, Chef der Abtheilung der moderne Sprachen.
brauch. Er starb im Jahre 1868 im Irren-
hause in Bloomingdale, N. Y.
Als Lehrer der deutschen Sprache und
Mitarbeiter an G. J. Adler 's „German-
English Dietionary" hat sieh der am 3. Mai
1849 in Deutschland geborene Eduard
Althmis. der seit Anfang der 70er Jahre
York über, wo er als Lehrer der deutschen
Sprache an verschiedenen Privatschulen
thätig war.
In Washington wirkte von 1882—96 als
Leiter des deutschen Unterrichts der in
Halle an der Saale geborene Veteran des
deutsch - französischen Krieges Wilhelm
300
DEl'TSCHK LKUHKK VSU IM VKKSITAETSPROFESSOBEX.
Bernhardt, dt-r an tltr rnivi-isitäl Liii)zig
IMiilolo^'io studirt halt»' iiiul im Jahre 1881
nach den Vcr. Staaten «.'fkoninien war. Ya'
verfiussto Sehull)iu'lK'r zun» rnterricht der
deut.selien Sprache und eine deutsche Lite-
ratur-! icschichtc Besonders verdient sio-
niaeht hat er sieh als IIeraus«reber von
Sehul-Au.s^rahen deutscher Prosawerke uiid
Dicht un^'en mit erklärenden Ainnerkun-reu
in en*;liseher Sprache. Er ist in Wasli-
inyton an.sä.ssitr.
l*r(ifes.sor iV's Khivier-rntei-richts und
der Musik-Theorie an der Syraeu.se Univer-
sität ist der in Sehwerin, Mecklenburg, im
Dezember 1864 geborene WilJirhn B< rwald.
Kr hatte an den Konservatorien in Mün-
elien und Stuttgart unter Riieinberger und
Faisst studirt. Auch als Kapellmeister
und Komponist hat er mit ?]i-folg sich ver-
suciit. Kl- kam im Jahre 189'J iiacli
Amerika.
Als katholischer Schriftsteller liat sich
einen Namen gemacht der Lehrer am Ca-
nisius-KoUegium in Buffalo. Franz Betten,
geboren am 26. Api-il lSG:i in "Woeklum,
Kreis Arnsberg, "Westfalen. Er über-
setzte die Jugendsehriften Francis James
Finn's ..Tom Plavfair", „Perev Wvnn",
J.Ada Merton" etc. in 's Deutsche und ver-
fa.sste den Katalog der katholischen "Werke
in der Butl'aloer Stadtbibliothek.
Professor der Biologie an der Tulane
Univei-sität in New Orleans ist Dr. Georg
Emjin Beyer. Am 9. September 1861
in Dn^den geboren, war er ein Schüler
Dr. Alfred Brehm's. des bekannten Verfas-
sers des „Thierleben ", des f]ntomologen Dr.
Otto Staudinger und des Botanikers Dr.
Engelhart. Nach Forschungsreisen durch
Central- und Süd- Amerika lie.ss er sieh im
Jahre 1883 in New Orleans nieder. Er
wurde im Jahre 1899 ordentlicher Profes-
sor an der genannten Universität. Er ver-
fasste werthvolle natunvi.ssenschaftliche
"Werke, sowie den Berieht der nach "\'^era
Cruz. Mexico, gesandten Gelbfieber-Kom-
mission.
Profes.sor ilcr Anthropologie an der Co-
lumbia-Universität in New York ist der am
9. Juli 1858 in .Minden. "Westfalen, gebo-
rene Franz Boas. Er studirte in Heidel-
berg, Bonn und Kiel. In 1883 und 1884
erforschte er Battin's Land, dann .studirte
er die Indianer in Britiseh-Columbia und
leitete die Operationen und Publikationen
der Jesup 'sehen Xord-Paeific-Expedition.
Er docirte an der Universität Berlin, dann
an der Clark Universität in "Worce.ster,
Ma.ss., war erster Assistent der anthropolo-
gischen Abtheilung des naturwi.s.senschaft-
licheii [Museums in New York, deren Ku-
rator er 1900 wurde. Seit 1898 i.st er Pro-
fessor der Anthropologie an der Columbia-
L'niversität in New Y'ork. Er ist [Mitglied
der bedeutendsten anthropologischen Ge-
sellschaften Europa 's. Die Resultate seiner
Forschungen hat er in einer R<'ihe von
AVerken niedergelegt, von denen die meisten
in engli.scher Sprache, ..Baffin LaiuU' und
„Indianische Sagen" in deutscher Sprache
geschrieben sind.
Mitglied des Verwaltungsrathes der imv
Jahre 1850 in Columbus, O., gegründeten
Capital University und langjähriger Lehrer
an derselben ist Pastor Ernst Adolf Böhme,
geboren am 11. Mai 1848 in Zittau, Sach-
sen. Er ist auch Präsident des deutschen
theologi.schen Seminars in der Staats-
TTauptstadt von Ohio. Er war mehrere
Jahre Redakteur der ,, Kinderfreude" und
der „Kirchenzeitung". Er wirkt als Pastor
an der [\Iartin Luther Kirche in Youngs-
town, 0.
Oskar Bolza, der Professor der IMathe-
matik an der Universität von Chicago ist,
erblickte am 12. [Mai 1857 in Bergzabern,
Deutschland, das Licht der Welt. Er stu-
dirte in Berlin, Heidelberg, Stra.s.sburg und
Göttingen. Er ist [Mitglied der ,, American
IMathem. Society" und der „Deutschen
Mathematiker-"Vereinigiing".
Seit 1883 ist Professor des Deutschen am
Hamilton College in Clinton. N. Y., der
am 15. Dez. 1850 in "Pilsen (Hannover) ge-
DEUTSCHE LEHRER UXD UNIVERSITAET.S-PROFESSOREN.
301
borene IIcniKUin Carl (horij Brandt. Er
wirkte eine Zeit laiiy an dei- Johns Hopkins
Universität. Er ist unter anderem der Ver-
fasser eines dentseh-en^Iisehen und enij:-
lisch-deutsehen AVörterl)uelu's.
Als Redakteur der Zeitsehriften „The
Open Court" und „The ^fonist", sowie als
Greifswahic und Strassbury. wai- Ober-
lehrei- am königlichen Kadetten-Korps in
Dresden, kam ISSI naeli Amerika, wo er
zuerst als Lehrer und Sehrift.steller und
seit 1887 als Redakteur wirkte. Nament-
lich interessant sind seine Abhandlini^'en
und Essays über Buddha und den Budd-
PROF. HUGO MUENSTERBERG,
von der Harvard Universitaet, der um den Professoren-Austausch sich verdient gemacht hat.
Philosoph und Schriftsteller hat sich der
in La Salle, 111., ansüssige Paul A. Carus
eine hei-vorragende Stellung erworben. Er
\vurde als Sohn des späteren General-
Superintendenten Gustav Carus am 18.
Juli 1852 in Ilsenburg im Harz geboren,
studirte an den Universitäten Tübingen,
hisnms, sowie die chinesische Philosophie
und chinesisches Denken, Leben und Sit-
ten : er schreibt in englischer Sprache, ist
Älitglied der „American Oriental Society"
und anderer gelehrter Gesellschaften.
Als Austausch-Professor an der Harvard-
U^niversität wirkte von 1907 — 8 Dr. Paul
302
DEUTSlHK LKHRKK IM) IM VKKSITAETS-PROFESSOREX.
deinen. Professor der Kunst-Geschichte an
der l'niversität Bonn. Er erl)lickte am 31.
Oktober ISG«) in Sommerfeld ihis Licht der
Welt, studirte in Leip/i«r. lionii inid Strass-
l)ur«r und wurde 1!><>"J l'rote.ss(.r in Jioiui.
nachdem er dn-i .lahre huij? Professor der
Kun.st-Oescliichte und Literatur an der
Kunst-Akademie in l)üs.sehh)rf gewesen
war. Kr beschäfti<rt sich haupt.sächlicli mit
th'ut.schcr Kunst.
Henry Cohn war 1847 in Breslau ffeboren,
aber schon als Knal)e hier ein<rewandert. Er
graduirte 1870 am New Yorker Columbia
College, um später noch drei Jahi'e in Ber-
lin CJeschichte. Pliilosophie und Germa-
nistik zu Studiren. Nach einer Lehrthätig-
keit an verschiedenen höheren Schulen
wurde er 1876 Profes.sor am Amherst Col-
lege in Ma.ssachusetts, um später die —
bis an sein Lebensende äusserst erfolgreich
bethätigte — Leitung der deutschen Ab-
theilung an der „Sonuneruniversität" zu
Chautau(|ua zu übernehmen. Seit 1893 bis
zu seinem 7 Jahre später erfolgten Tode
war er Ililfsprofessor des Deutschen an der
Northwestern L^uiversität in Evanstön —
Chicago.
Vom Jahre 1888 bis zu seinem lOO-i er-
folgten Tode hat sieh Verdienste um das
deutsche Lehrer-Seminar in INIilwaukee der
am 20. August 1841 in Emmerichenhain
im Na.ssauischen geborene, im Seminar in
Usingen ausgebildete und im Jahre 1864
ausgewanderte Emil DappricJt erworben.
Er wurde später Lehrer der Naturwissen-
schaften an der Hochschule in Belleville,
111., und daiui Schul-Superintendent von
St. Clair Co. Im Jahre 1888 wurde er
nach ^lilwaukee berufen.
Ebenso wie Professor Learned ist Prof.
Robert Waller Dcering als ein Vorkämpfer
für deut.sche Sprache in Amerika zu be-
zeichnen. Er lehrt germanische Sprachen
und Literatur an der Western Reserve Uni-
ver.sity in Cleveland, 0., seit 1892. Geboren
in Hogansville, Ga., am 27. Juni 1865, er-
hielt er seine wissenschaftliche An.sbildung
an der Vanderbilt University in Nashville,
Tenn.. und in Leipzig, wo er 1889 promo-
virte. Er lehrte zuei-st an der Vanderbilt
l'niversität und dann an der Western Re-
.serve. Er hat Schiller 's „Wilhelm Teil"
und Goethe 's ..Egmont" mit erklärenden
.\iimerkungen lierausgegeben. Er veröf-
fentlichte ausserdem /ahlreiche Monogra-
phien in fachwissenschaftlichen Blättern.
Am ..Ilebrew Tnion College" in Cincin-
nati. ().. ist seit dem Jahre 1891 Professor
Gutthanlt Deutsch thätig. der am 31.
Januar 1859 in Kanitz, ^lähren, geboren
wai-. Im Jahre 1903 wurde er Direktor des
College. Er hatte in AVien und am Jüd.
Theol. Seminar in Breslau studirt und war
im Jahre 1891 nach Amerika berufen
worden.
Ein hervorragender Deutsch-Amerikaner
ist der in Milwaukee, Wis., ansässige prak-
tische Arzt imd Präsident des nordameri-
kanischen Bundes der freien Gemeinden,
F. Werner Dodel, geboren am 19. Februar
1850 in Affeltrangen, Kanton Thurgau in
der Schweiz. Er studirte in Zürich, war
Lehrer in der Schweiz, in England und
von 1875 in Amerika. Im Jahre 1894—97
studirte er Medizin am Wisconsin College
of Physicians and Surgeons, Aveil er als
Lehrer vielfach seiner freigeistigen An-
schauungen wegen angefeindet wurde.
Seine Schriften sind namentlich in den
freien Gemeinden bekannt.
Lehrer der deutschen und französischen
Sprache in den Schulen New York 's ist der
am 1. Juni 1835 in Strassburg im Elsass
geborene Adolf Brey spring. Er hat zahl-
reiche Schulbücher verfasst.
Professor der Zoologie an der Indiana
Universität in Bloomington, Ind., seit 1891
ist der in Flehingen, Deutschland, im
Jahre 1863 geborene Carl H. Eigenmann.
Er hat namentlich über Fische viele Ab-
handlungen geschrieben.
Ein hei-A^orragender Pädagoge und fach-
wissenschaftlieher Schriftsteller ist der
Vorsteher der „Woodycliff School" in
DEUTSCHE LEHRER FXD UNI VERSITA ETSPROFESSOREN.
303
South Orange. X. J., Wilhelm Julius
Eckoff, geboren in Hamburg am 24. März
1854. Er absolvirte das dortige Lehrer-
Seminar, studirte dann an der „Sehool of
Pedagogy" der Universität der Stadt New
York und erhielt den philosophischen Dok-
tor-Titel von der Columbia-l^niversität. Er
wirkte eine Zeit lang als Direktor des ,.Co-
legio National" in Granada. Niearagua.
und als Professor der Philosophie und Pä-
dagogik an der Universität von Colorado,
sowie als Professor der Pädagogik an der
Universität von Illinois.
Arnold Emch, geboren am 24. März 1871
in Ilessigkofen in der Schweiz, ist seit 1902
Professor der Mathematik an der Univer-
sität von Colorado in Boulder, Colo. Er
schrieb ,.Au Introduction to Projective
Geometry".
Präsident der Northwestern Universität
in "Watertown, Wis., seit 1870 ist der am
25. Juni 1841 in Hannover geborene und
im Jahre 1863 nach Amerika gekommene
lutherische Theologe Aiigust Friedrich
Ernst, der mehrere Jahre lang Präsident
der Vereinigten Synode von Wisconsin,
Älinnesota und ^Michigan war.
Präsident des Lutherischen Seminars in
St. Paul und Professor der Theologie seit
dem 5. Januar 1885 ist der in Anspach-
Uringen am 17. IMai 1842 geborene Heinrich
Ernst. Sein theologisches Examen hat er
am Concordia College in St. Louis be-
standen.
A. B. Faust, Professor des Deutschen an
der Cornell-Universität in Ithaca, N. Y.,
und früher in gleicher Stellung an der
Wesleyan-Universität in ^Midietown, Conn.,
wurde 1870 in Baltimore, >Md., geboren,
studirte an der Johns Hopkins-Universität,
wo er 1892 als Dr. phil. promovirte. Seit
1896 leitete er die deutsche Abtheilung an
der AVeslej^an-Universität. L'nter seinen
Schriften dürfte die Biographie des , .Dich-
ters beider Hemisphären", Charles Seals-
field, am meisten interessiren. Für seine
„Geschichte des Deutschthums in Amerika"
erhielt er anfangs des Jahres l!)()8 den
ersten Preis in Höhe von $3.000.
Als l*rofessor des Deutschen wirkt am
IVnnsylvania State College der von deut-
schen Eltern in Bernville, Berks County,
Pa., am 3. Jimi 1864 geborene und am
Lafayette College in Easton. Pa., gebildete
Daniel Fchr.
Voi-steher des deutschen T'nterrichts an
den ölfentlichen Scliulen Cinciiniati's ist
der am 16. August 1849 in Lübeck gebo-
rene und 1864 ausgewanderte H. H. Fiel:.
Ehe er sich dem Lehrfach widmete, war er
journalistisch thätig. Eine seiner Arbeiten:
,,Die Ptlege des Schönheitssinnes in der Er-
ziehung" wurde vom Lehrerbund preisge-
krönt. Verdienstvoll ist auch seine Abhand-
lung über „Die deutsch-amerikanische
Dichtung". Der Lehrerbund wählte ihn
im Juni 1909 auf dem Konvent in New
York zu seinem Präsidenten.
An Dr. Ziegfeld 's „Musical College" in
Chicago seit 1905 A^rkt Kapellmeister
Alexander von Fielitz, der am 28. Dezem-
ber 1860 in Leipzig das Licht der Welt er-
blickte, das Konseiwatorium in Dresden ab-
solvirte und in Zürich, Lübeck, Leipzig
imd später am Stem 'sehen Konservatorium
in Berlin thätig war.
Professor der germanischen Sprachen
und Literatur an der L'^niversität von Ne-
brasca in Lincoln ist der in Württemberg
am 12. März 1857 geborene Lorenz Fosslcr.
Er ist seit 1872 in Amerika.
Professor der Rechte an der Universität
Chicago ist der am 30. Juni 1864 in New
York geborene, aber in Deutschland erzo-
gene Ernst Freund, der seine Studien in
Berlin und Heidelberg sowie an der Colum-
bia T^niversität in New York absolvirte.
Ln Jahre 1892 wurde er Dozent an letztge-
nannter Universität und ward 1894 nach
Chicago berufen.
Ludwig E. Fürbringer ist Professor der
Theologie am evangelisch-lutherischen Con-
cordia-Seminar in St. Louis. Er wurde am
29. Älärz 1864 in Francemuth, Mich., gebo-
304
DEUTSCIIK LKIlKKi; IM» IM VF:ks1TAKTS-PRüFESS0REX.
ren. Sein Vat«'r war l'astor dasclltst uml
stamnito aus einer alten .luristen-Faniilie in
(Jera. Keuss j. L., während die Alutter. p-b.
A^nes Hünj:er. einem alt<'n Pastoren-Ge-
sehh'eht im Köni«?reieh Sjiehsen an.i;ehörte.
l'rofessor wurile Ludwi«; Fürbrin^'er im
.lalire ISW.i.
Ei-ster Hilfs-liibliotliekar an der „Public
Library" in (*hieajj:o ist der am 81. Aujrust
1S4'J in Stuttgart «jeborene Ernst F. L.
(iauss. Er kam aLs 17jährii?er nach Ame-
rika, diente in der rnions-Armee in den
.Jahren 1801 — ()3, wurde dann (Jeistlieher,
war von 1S74 — 78 im Kirehendienst des
Kantons Zürieh in der Scliwei/, war Pastor
in (Jalena. 111.. und ist seit 1887 erster
Ililfs-Hibliothekar in Chieago. Er zeich-
nete sich namentlich als Uebersetzer au.s.
Julius (iöbd wurde 1857 in Frankfurt
a. .M. tri'boren. .studirte Philosophie und
Sanskrit in Leipzig und Tübingen, kam
daini mit seinem Vater, dem bekannten
deut.seh-amerikanischen Pädagogen Ludwig
(ii)b(l. naeh Amerika und erhielt bald einen
Ruf an die Johns Hopkins. Sehr erfolg-
reich waren .seine deutsehen öffentliclien
Vorträge über Literaturgeschichte in den
Jahren 1886—87. Von 1888 bis 1892 redi-
girte er das ., Belletristische Journal" in
New York, darauf wirkte er an der neuge-
gründeten Leland Stanford jr.-Universität
in Californieii. 1894 gelang 'es ihm, den
Ankauf der berühmten Rudolf Hilde-
brand'sehen liibliothek für diese Univer-
sität durclizu.setzen. Nach einer längeren
Wirksamkeit an der Harvard-Universität
folgte er einem Rufe an die Universität
Chicago. Von seinen zfihlreichen Schriften
dürften die folgenden für das grosse Publi-
kum am interessantesten sein : „Ueber die
Zukunft unseres Volkes in Amerika",
..Faust-Studien", „Zur Geschichte der Sieg-
friedsage". Seine Festrede zur Fichte-
Feier fand überall gros.sen Beifall.
Professor der Chemie an der Landwirth-
sehaftlichen Schule des Staates ]\Iassachu-
setts in Amhcrst seit 1869 ist der am 13.
Juni 1827 in Naumburg geborene und an
der Tniversität (Jöttingen wissen.schaftlich
gebildete Kiirl Anton (jOfssmanii. p^r war
im Jahre l,sr)7 nach den Ver. Staaten ge-
kommen und war zuerst in Zuckerfabriken
und anderen indu.striellen Betrieben als
Chemikei- thätig.
Dapprich's Naehfolger nach dessen Tode
im Jahre 1904 als Direktor des Deutsch-
Amei-ikanisehen Lehrer-Seminars und der
Deutsch- Englischen Akademie in ^lilwau-
kee. AVise., wurde der am 18. Juli ISfJl in
Zduny. Prov. Posen, geborene Max Alfred
August Grichsch. Er war naeh Absolvi-
rung des königlichen Lehrer-Seminars in
Bunzlau. Schlesien, im Jahre 1890 nach
Amerika ausgewandert, wo er zuerst in
Cincinnati und dann in .Mihvaukee thätig
war. Er ist ein eifriger Vertheidiger der
Beibehaltung, beziehungswei.se Einführung
des deutschen Si>rachunterriehts in den
öfTentliclien Schulen und Redakteur der
.Monatsschrift für deutsche Sprache und
Pädagogik.
Profes.sor an der deutschen Abtheilung
der Yale Universität wurde im Jahre 1897
der 1863 in New-Haven geborene Gustav
Grüner. Er hat an der Yale Universität,
.sowie in Berlin und ]\Iünchen studirt.
Seit 1900 wirkt an der Universität von
Nebraska in Lincoln als Professor der deut-
schen Literatur der am 4. Oktober 1872 in
Indianapolis von deutschen Eltern gebo-
rene Paul II. G rummann.
Professor der Physik an der Staats-Uni-
versität von Iowa in Iowa City seit 1905
ist der in Hannover am 5. IMärz 1866 gebo-
rene, an den Universitäten Strassburg,
Berlin und :\Iarburg gebildete und 1892
nach Amerika gekommene Karl Eugen
Guthc. Sein Spezialfach ist Elektrizität.
Direktor des Obser^^atoriums der
„Georgetown University" in Washington
seit 1888 ist der am 6. März 1847 in Bre-
genz am Bodensee geborene Astronom
Johann Georg Hagen. Er studirte in
:Mün.ster und Bonn und trat 1863 in den
DEUTSCH t: hi:ilKEK lyiD UNiVKlJSiTAi:T«-i'KUi''E««UKl-:N.
305
Jesuiten-Ortlon ein. Im .Inhri' 1880 kiiiu
er nach Amerika. Von seinen Werken sind
zu nennen : ,. Synopsis der Höheren ^lathe-
matik", „Atlas Stellaniiii Vai-ialiiliiiin'".
(Beobaclituniren veräiidcrlieher Sterne j.
Professor der Psyeliologie an der Chi-
cago Normal Sehool ist der am 20. Oktober
1836 in Glaris in der Sehweiz geborene
Dr. Wilhelm Nikolaus Ilailmann. Er hatte
Schulen, Superintendent des Schul-Unter-
rifhts in Dayton, O. Er hat zahlreiche
Sehriften verfasst ül)er Anschauungsunter-
i-icht, Geschichte der Pädagogik, Kinder-
garten-Pflege, Jugend-Erziehung u. s. w.
Er ist in Chicago ansässig.
Professor der semitischen Sprachen und
Direktor des orientalischen Seminars der
Johns Hopkins Universität seit 1883 ist Dr.
PROF. DR. WILLIAM HAUSSMANN.
der Verfasser des Protestes gegen Botschafter James Bryce's Herabsetzung der Deutschen in Amerika
und Verkleinerung ihrer kulturellen Verdienste in dessen Lehrbuch "The American Commonwealth".
Medizin und Naturwissenschaften, sowie
Pädagogik studirt. Er war Direktor der
„German and English Academy" in Louis-
ville, Ky., Direktor der „German and
English Academy" in Milwaukee, Direktor
des „Deutsch- Amerikanischen Seminars"
in Detroit, Schul-Superintendent in La
Porte, Ind., Superintendent der Indianer-
Paul Haupt. Er hatte am 25. November
1858 in Görlitz, Schlesien, das Licht der
Welt erblickt. Er studirte in Leipzig,
Glasgow und Berlin, war 1880—83 Privat-
dozent in Göttingen und wurde im letztge-
nannten Jahre zum ausserordentlichen
Professor der Assyriologie daselbst er-
nannt. Im gleichen Jahre wurde er an
30«
DKUTSdlK LKIIKKH UND UNIVERSITAETS-PROFESSOREX.
die .lolins Hopkins berufen inul war bis
zinii .liilire \Hf<\) an beiden l'niversitäten
tbiiti}.'. niinili«-b im Sommer in (Jöttinjjen
und im Winter in lialtimore. Prof. Haupt
ist Kbren-Kurator tb'r bistoriseh-arehäolo-
i;iseben Abtbeilunjr des Ver. St. Xationiil-
Rlnseums in Wasbiiiirton. besonders ])e-
rülniit «rewonb'U ist er dureb die Heraus-
<:abe dir ,.l'oIyebrome-Bil)le". einer kriti-
selieii .\us«,'abe (b's bebräiselien Textes des
Alten Testaments neb.st einer neuen enjrli-
seben l'elH'rsetztni^ (b'ssell)en mit erklä-
reiKb'u Ainnei-kun^'eii. Das Ei<renartiu:e an
dieser Bibehiusj^abe bestebt (birin, dass ver-
sebiedene Farlx-n verwandt worden sind,
um die einzelnen (^ueUen und Bestand-
Ibeib' in (b'u Büebern des Alten Testaments
kbii- zu untersebeiilen. Die Hearl)eitung
eines jeden derselben war einem beson-
deren Kenner überwie.sen worden. Unter
Haupt *s as.svrisehen lieiträijen sind liervor-
zubeben seine Ausgrabe des „Ximrodepos"
(Tbe (}il«ramesb Epie). „Akkadiselie und
sunu*risebe Keil.sebrifttexte". ..Die akkadi-
.sebe Spraebe", „Sunun-isebe Familien-Ge-
setze" und anderes nu'br. .Mit Friedrieb
l)elit/-seb «riebt Haupt die in Leipzig er-
sebeinenden ..Heiträge zur Assyriologie und
semiti.selien Spraebwisseuscbaft ' ' beraus.
Willidiii IlaKssnuiini wuivle in Stuttgart
am 4. Mai ISTO geboren, kam im Herbst
1880 mit seinen Elteni und drei Brüdern
naeb l'biladelpliia, l)esuebte die öft'entlieben
Sebulen und absolvirte die Knabenboeb-
sebub' im Jujii 1888. Er versuebte sieb
eine Zeit lang als Handelsgebilfe, wurde
jedoeb dureb seiiini ältesten Bruder, den
in deutseb-amerikaniseben Kreisen woblbe-
kannten. für alle Bestrebungen der Deutseb-
Amerikaner begeisterten und tbatkräftig
eintretenden Sekretär des ^Musik-Komites
der Vereinigten Sänger von Philadelphia,
in den Stand gesetzt, die ibm niebt zusa-
gende kaufmännisebe Laufbahn mit der
akademiseben zu vertausehen. Er bezog im
Herbst 181)1 die Univei-sität Johns Hopkins
(Baltimore), bestand ein Jahr darauf sein
Baeealaureatsexamen und maehte den
Doktor im Juni 18!!."). Ei- war als Lelirt'r an
folgenden Anstalten thätig: Southern
Fenuile College. Petersburg, Va. (1895 —
96) ; Burlington Aeadeniy, Burlington,
X. J. (1896—97) ; Allegbeny High Seb(.ol,
Allegbeny. Pa. (1897 — Jan. 1901) ; Central
High Sehool. Philadelphia (von .lau. 1!)(»1.)
Seinen Erfolg im Lehrberufe und die
geaehtete Stellung, welche er nunnu'hr inne
liat. verdaidvt er hauptsäehlieh seiner
^lütter, eiiu'r Frau, die. nachdem der
Vater wenige Wochen imeh Landung d(;r
Familie dem tückischen Tyj^bus erlag,
durch eine Arbeits- imd Opferwilligkeit, wie
nuin sie selten findet, es ihren Söhnen er-
möglichte, der Vortheile einer höheren
Bildung thcilhaftig zu werden und sieh
emporzubringen. Seine Uebei-setzung der
Genealogie der ]\Ioral von Friedrich Nietz-
sche weist zwar als Erstlingsversuch eines
allzubegeisterten Schülers eines grossen
Kleisters nicht abzuleugnende Schwächen
und Mängel auf. dürfte aber dennoch ihren
Platz neben anderen im Schoose der Zu-
kunft liegenden Uebertragungen dieses
^Meisterwerkes dialektischer Vortragskunst
behaupten. Für Leser des vielbewunderten
und vielgeseholtenen Dichterdenkers dürfte
es noch von Interesse sein, dass Haus-
mann's Uebersetzung der „Geburt der Tra-
gödie" — des p]rstlingswerkes des Philoso-
l)hen — im ^lai 1909 erschienen ist.
Bibliothekar an der Lenox Library in
New York ist Richard Ernst Hdhig. Er
erblickte am 15. September 1870 in Frau-
kenberg in Saelisen das Licht der Welt.
Der Tod seines Vaters im Jahre 1883
machte den Plan, in Deutschland zu studi-
ren, undurchführbar. Im August 1884 kam
ITelbig nach Amerika und vollendete seine
Avisseuschaftliche Ausbildung. Er erwarb
sieh ein grosses Verdienst durch die An-
lage der Deutsch-Amerikanischen Sannn-
lung der Bibliothek.
Otto Heller ist Professor und Lehrer des
Deutschen an der Washington-Universität
DEUTSCHE LEHRER UND UNIVERSITAETSPROFESSOREN.
307
ZU St. Louis. Er wurde am 15. Juii 1863
geboren, besuchte das Gyninasiuiu in Brüx,
Oesterreich, später in Dresden, studirte in
Chieap:o, Berlin, ^München, wirkte seit 1886
als Dozent, dann als Professor.
Professor der lateinischen Sprache und
Literatur am College der City of New York
ist Dr. Carl Georg Herhermann, geboren
am 8. Dezember 1840 in ^Münster, West-
falen ; er kam mit seinen Eltern als elfjäh-
riger Knabe nach Amerika. Er absolvirte
(las College St. Francis Xavier in New
York, war bis zum Jahre 1869 Lehrer des-
selben und wurde dann an das College der
Stadt New York berufen. Herbermann ist
Präsident der U. S. Catholic Historical
Society, Chef-Kedakteur der „Catholic En-
cyclopaedia ' ', Herausgeber lateinischer
Texte, Verfasser des „Business Life in
Ancient Rome" und L'^ebersetzer von Thor-
modus Torfaeus' oder Thormodr Torfa-
son's „Historia Yinlandiae xVntiquae",
einer im Jahre 1705 erschienenen Ge-
schichte des alten Vinland, der von Island
aus entdeckten Küste von Amerika.
Der Lehrstuhl für deutsche Sprache an
der berühmten Frauen - Universität in
Poughkeepsie, N. Y., dem ., Vassar College",
nimmt Ottilie Hcrliolz ein, geboren am 31.
Januar 184'4 in Ost-Preussen. Sie absol-
virte die höhere Töchterschule und das Leh-
rerinnen-Seminar in Thorn, West-Preussen,
kam 1872 ols Lehrerin der deutschen
Sprache an die Volksschulen Cincinnati's,
wurde 1890 Lehrerin der deutschen Sprache
am Vassar College und erhielt zwei Jahre
später die Professur. Sie hat später an der
Berliner Universität studirt.
Professor der Agrikulturchemie an der
Staats-L'niversität von Californien in Ber-
keley, Cal., Direktor der dortigen Ver-
suchsstation, Inhaber der Liebigsmedaille
für Verdienste um die Landwirthschaft,
Ehren-Doktor der Universitäten von Michi-
gan, Columbia und ^Mississippi und einer
der hervorragendsten fachwissenschaftli-
ehen Forscher ist Eugen IV. Tlilgard, gebo-
ren am 5. Januar 1833 in Zweibrücken in
der Kheinpfalz. Seine Mutter stammte
von dem Ilofprediger der Königin von
Xavarra (um 1550) Peter Toussaint de
Beaumont ab, dessen Sohn Ilofprediger
und später Rektor der Universität Heidel-
berg war. Seine Poltern wanderten mit ihm
und 7 andern Kindern im Jahre 3 835 nach
Amerika aus, landeten in Xew Orleans und
liessen sich in Belleville, 111., nieder. Der
Vater Eugen 's, Theodor Erasmus HiUjard,
war Ober-Appellations-Gerichtsrath gewe-
sen. Er wanderte der unerquicklichen
politischen Verhältnisse Avegen aus, beschäf-
tigte sich auf seiner Farm bei Belleville
mit Obst- und Weinzucht, gründete .,Free-
dom" in ]\Ionroe County luid West-Belle-
ville, brachte seinen Lebensabend in Hei-
delberg zu und starb im Alter von 82
Jahren. Ein älterer, am 7. Januar 1825 ge-
borener Bruder Eugen 's, Julius Erasmus
Hilgarel, war ein hervorragender Civii-In-
genieur, ]\Iitglied der Küsten-Vermessungs-
behörde, Chef des Bureaus der Gewichte
und Masse des Schatzamts-Departements,
Delegat zur internationalen metrischen
Kommission, die 1872 in Paris tagte, 1881 —
85 Superintendent des Küsten-Vermes-
sungs-Dienstes, eine Zeit lang Präsident
der „American Association for the Advan-
cenient of Science" und starb im Jahre
1891.
Eugen W. Hilgard Avurde 1849 nach
Europa gesandt und kehrte im Jahre
1855 nach Amerika zurück, nachdem seine
Studien durch 20-monatliclien Aufenthalt
in ]\Ialaga gesundheitshalber luiterbrochen
worden waren. Er wurde Land-Vermesser
des Staates ^Mississippi, dann Professor der
Chemie an der Staats-Universität daselbst
und 1875 Professor an der Staat.s-Uui-
versität von Californien, wohin er sich ge-
simdheitshalber begeben hatte. Seine Un-
tersuchiuigen über Geologie, Physik und
Chemie des Bodens, Botanik und Bedeu-
tung der natürlichen Vegetation für Boden-
.schätzung, Einfluss des Klimas auf die Bil-
30S
DEUTSCHK I.KHRKR VSD UNIVERSITAETS-PROFESSOREX.
duiig und Zusan.iiH'nsi.tzunt; des licdens sciiscliaitlichcr Leiter der von ihm veran
sind cpoeheiiiat'heml p'wordm.
Viel anjjefeindet wehren der V(tn ilmi eiit-
deekteu ..Teini)el-nil)lii»tli<'k V(.n Xippur"
wurde in den letzten .hiliren der bedeutende
Assyriologe, Professor Ilcnnaun Vollral
Ililprecht, Lehrer der assyrischen und se-
st.ilteteii E.\i>editioii naeh Xippur im Jahre
ISSS. Die Resultate dersel])en wurden von
Trof. Ililpreeht veröffentlicht. In 1892—
93 reorganisirte er die babylonische Abthei-
lun^ des kaiserlich ottomanischen Museums
in Konstantinopel. Zahlreich sind die Ab-
PROF. HERMANN V. HILPRECHT, von der Univenilael von Pennsylvanien.
mitischen Sprachen an der Universität von
Pennsylvanien. Er wurde am 28. Juli 1859
in Hohonerxleben, Deutschland, geboren,
studirte Theologie, Philologie und Rechte
an der Universität Leipzig, wurde Kurator
der semitischen Sektion des Museums der
Universität von Pennsylvanien und wis-
handlungen und faehwissensehaftlichen
Werke Hilprecht's, der durch hohe Orden
und Ernennung zum Mitgliede hervorra-
gender gelehrter Gesellschaften ausgezeich-
net wurde.
Einer der bedeutendsten Chemiker und
Lehrer der Chemie ist der in Lunden in
DEUTSCHE LEHRER UND UNIVERSITAETS-PROFESSOREN.
309
Holstein am 2. Dezember 1836 geborene
Gustav Detlef Iliiirichs. Seit 1903 ist er
Professor der Chemie an der medizinischen
Fakultät der St. Louis Universität, nach-
dem er schon im Alter von 25 Jahren als
Professor der Chemie und Physik an die
Staats-Universität von Iowa berufen wor-
den war. Von 1889 an wirkte er als Pro-
fessor der Chemie an dem College of Phar-
maey in St. Louis. Er führte Klassen-
Kurse für Laboratorium-Arbeit ein. Er
gründete 1875 das erste staatliche Wetter-
Observatorium in den Vereinigten Staaten
in Iowa City. Als Sachverständiger wird
er mehrfach von den Bundes- und Staats-
Behörden herangezogen. Er hat zahlreiche
wissenschaftliche Abhandlungen verfasst,
und zwar in deutscher, dänischer, englischer
und französischer Sprache. Er ist ]\Iit-
glied zahlreicher chemischer Gesellschaften.
Der am 22. Mai 1852 in Luxemburg ge-
borene Dr. Emil G. Hirsch, der als Profes-
sor der rabbinischen Literatur und Philo-
sophie an der Universtät Chicago wirkt,
nachdem er an der Pennsylvania-Universi-
tät, sowie in Leipzig und Berlin studirt
und als Rabbiner in Baltimore, Louisville
und Chicago gewirkt hatte, hat zahl-
reiche Monographien verfasst und gilt als
einer der hervorragendsten Redner der Ver-
einigten Staaten.
Professor der chinesischen Literatur an
der Columbia-Universität in New York ist
der am 16. April 18-15 in Gräfentonna,
Sachsen-Gotha, geborene Dr. Friedrich
Eirth. Er studirte an den Universitäten
Leipzig, Berlin, Greifswald und Rostock.
Im Jahre 1890 erhielt er den preussischen
Professor-Titel. Von 1870—97 stand Dr.
Hirth in dem Dienst der chinesischen Zoll-
verwaltung. In China selbst machte er
sich mit der Sprache und Literatur des
Landes bekannt. Er hielt darüber in ]\Iün-
chen Vorträge. Hirth 's umfassende Kennt-
niss von Land und Leuten in China veran-
lasste Reichskanzler Bülow im Jahre 1900
ihn in Bezug auf die von China zu foi*-
dcrnde Kriegs-P]ntschädigung zu konsul-
tiren. An die Columbia-Universität wurde
Prof. Hirth im Jahre 1902 berufen. Die
Kaiserliche Akademie der Wissenschaften
in St. Petersburg und die Königlichen
Akademien in ^München und Budapest er-
nannten ihn zu ihrem ^Mitgliede, andere
zum Ehren- und korrespondirenden Mit-
gliede. Dr. Hirth hat in deutscher Sprache
folgende chinesische Studien veröffent-
licht : „Chinesische Studien ' ', „Die Länder
des Islam nach chinesischen Quellen",
„Fremder Einfluss in der chinesischen
Kunst", „Ueber die einheimischen Quellen
zur Geschichte der chinesischen Malerei"
und anderes mehr in deutscher, sowie in
englischer Sprache. Hirth 's im Jahre
1907 erschienene „Ancient Ilistory of
China" verdient besondere Hervorhe-
bung. Hirth ist Kanzler des russischen
Stanislaus-Ordens, sowie Ritter des Zäh-
ringer Löwen-, des Franz Josef- und des
Ernestinischen Hausordens.
Karl Frieelrich Eichard Hochdörfer ist
seit 1891 Professor der modernen Sprachen
an dem mit Recht renommirten Wittenberg-
College zu Springfield, Ohio. Geboren
185-4 in i\Iagdeburg, studirte er in Berlin
und Halle und folgte nach mehrjähriger
erfolgreicher Lehrthätigkeit 1884 einem
Rufe nach Amerika. Er promovirte 1888
an der Harvard-Universität auf Grund
einer interessanten Arbeit, betitelt „Obser-
vations on the Language of the Court of
Love". Während der Sommerferien dozirt
Hochdörfer auch an der Universität von
Chicago.
Wenn auch nicht direkt als Universitäts-
Lehrer, so doch als Mann der Wissenschaft
ausgezeichnet hat sich Dr. Friedrich Hoff-
mann. Er galt als Autorität auf dem Ge-
biete der Pharmacie nicht allein in Ame-
rika, sondern auch in Deutschland. Im
Jahre 1832 in Wriezen an der Oder gebo-
ren, studirte er Pharmacie, dann Botanik
und Por.stwissenschaften. Im Jahre 1862
k;ini er nach Aiiicrilca. ('tal)Iii'tt' sich in
310
DEUTSCHE LEHRER l'XD UNIVERSITAETS-PROFESSOREX.
New York nls aiialytisclicr CluMiukor, hc-
känipfte als Saelivfi-stämlifrcr mit Erfolg
(las an>r«'l)li<'lu' Monopol dw französischen
Anilin-Farl)«'n-Fal)rikant('n, war anoh als
faclnvisscnschaftlicluT Lt'hivr thätig, be-
trit'l» ]{') Jahre lang in New York eine Apo-
theke, war Sachverständiger des staatliehen
Gesnndheitsaiiites von New York und ent-
schiedener (legner aller Patent-^fedizinen
und (Jeheiinniittel. Sein llandbueh für
Prüfung der Arzneimittel war ein epoche-
mnehendes Werk, das eine Reihe von Auf-
lagen erlebte. Er gründete 1882 die „Phar-
maeeutisehe Rund.schau". die er 14 Jahre
lang dirigirte. Er wurde vielfach ausge-
zeichnet, so auch durch Verleihung der
Ilelmholtz-Medaille und Ernennung zum
Ehren-Präsidenten der ..American Pharma-
ceutical Association ' '.
Ahxanih r Riidtilf Benno Ilohlfeld ^vurde
am 29. Dezember 1865 in Dresden geboren
und studirte l'hilosophie. Philologie und
Gi'.sehichte in Leipzig, wo er 1888 ]n'oiiio-
virte. Nachdem er seine Studien in Eng-
land und Frankreich fortgesetzt hatte, kam
er als Lehrer dt'V neueren Sprachen 1889
nach Amerika und zwar an die Vanderbilt-
Universität in Xashville. Tenn., die ihn
bald zum Profes,sor und Dekan der Fakul-
tät aufrücken liess. Trotzdem folgte er
1901 einem Rufe an die Staats-Universität
von AVisconsin in Aladison. Wis.. als Leiter
der deutschen Abtheihuig. da sich ilnu hier
ein weit aussicht.svol leres Feld eröffnete.
Hohlfeld hat verschiedene Arbeiten veröf-
fentlicht; seine Doktordis.sertation behan-
delte die alt<»nglischen ^Mysterienspiele. Er
veröffentlichte Schulaasgaben deutscher
Literaturwerke und lieferte wissenschaft-
liche Beiträge in zahlreichen amerikani-
schen und deut.schen Zeitschriften. Er ist
Mitglied gelehrter Gesellschaften in Ame-
rika, England und Deutsehland.
77. IIuss. Profes.sor des Deutschen an der
Schule der Wis.senschaften zu Princeton,
New Jersey, ist 1847 in Thüringen gebo-
ren, studirte seit 1867 und promovirte 1870
in Jena. Tm auch die romanischen Spra-
chen gründlich zu erlernen, verweilte er
längere Zeit in Genf, Florenz imd Neapel
und wirkte .sechs Jahre lang als doitscher
Lehr(>r in Rom. Von hier wurde er nach
Princeton berufen, wo er imter anderem
auch I\Ius.se zu zahlreichen Schriften fand.
Am 13. August 1861 in "\Vai*schau als
Sohn des Rab])iners ^Marcus J. Ja.strow, der
später in Mannheim. Worms und Philadel-
phia wirkte und im Jahre 1903 hochge-
achtet starb, geboren wurde Morris Jastrow,
Jr., Professor der semitischen Sprachen an
der LTniversität von Pennsylvanien. Er
studirte an letzterer von 1877 — 81 und an
deutschen Universitäten bis 1885. Er be-
schäftigte sich besonders mit Studien über
die Religion Babyloniens und Assyriens
und hat mehrere diesbezügliche Werke ver-
ütit'entlicht. Er ist ^Mitarbeiter von Ha.st-
ings' Dictionary of the Bible, der Encyclo-
paedia Biblica, ,,The Jewisch Encyclopae-
dia", des ..Journal of the American Orieu-
tal Society" und der ..Zeitschrift für Assy-
riologie". Er gilt als Autorität auf dem
Gebiet der Religion, Sprache und Literatur
semitischer Völker.
Docent der deutschen Literatur-Ge-
Geschichte am Bryn ]Mawr College in der
Nähe von Philadelphia, Pa., ist Dr. Chr.
Karl Detlev Jessen, gelx)ren am 13. Juli
1872 in Winnemark, Schleswig-Holstein.
Er war 1892 nach Amerika ausgewandert.
Er studirte an der L'niversität Chicago, von
1898—1901 in Kiel und Berlin, envarb an
letztgenannter Universität den philosophi-
schen Doktorgrad, wurde Docent an der
Harvard Universität und 1904 Lehrer der
deutschen Literaturgeschichte an der
Frauen-Hochschule in Brj'n IMawr. Er
verfa.s.ste zalilreiche Essavs über Literatur
und Politik, sowie über die Beziehungen
zwischen Deutsehland und Amerika. Er
ist ]Mitarl>eiter der ..New Yorker Staats-
Zeitung", Vossischen Zeitung" in Berlin,
des „Boston Transcript", ]Mitglied der
Goethe Gesellschaft in Weimar, der
DEUTSCHE LEHRER UND UNIVERSITAETS-PROFESSOREN.
311
„Modern Langnage Association", der
„Deutsehen Bibliographischen Gesell-
schaft" u. a. m.
Professor des Deutschen an der Univer-
sität von Illinois in Urbaua, 111., wurde
Gustav F. Karsten, 1859 in Westpreussen
geboren ; er studirte in Leipzig. Königs-
berg, Heidelberg und Tübingen germani-
sche imd romanische Philologie, wirkte als
Dozent in Genf, wurde 1886 an die Staats-
Universität von Indiana berufen und dann
als Leiter der Departements der modernen
Sprachen und Professor des Deutschen
nach Urbana. Er stai'b im Januar 1908.
Harry Frederick Keller, Chemiker und
Direktor des wissenschaftlichen Unterrichts
Dr. H. F. KELLER.
an der Central High School in Philadel-
phia, wurde am 15. Dezember 1861 zu Phi-
ladelphia als dritter Sohn von Dr. Wilhelm
C. C. Keller und Augaste ]\Iarie, geb.
Cramer, geboren. Er erhielt den ersten
Unterricht an einer Privatschule, dann im
Gymnasium in Darm.stadt; später zwei
Jahre lang in den Public Schools seiner
"Vaterstadt und studirte vier Jahre an der
Universität von Pennsylvanien da.selbst.
Er graduirte als B. S. 1881, bekleidete dann
zwei Jahre Stellungen als analvti-scher Che-
miker und Probirer in verschiedenen Hüt-
tenwerken. Von 1883 — 1885 war er As-
sistent und Lehrer der analytischen Chemie
an der Universität von Pennsylvania; stu-
dirte dann weiter, erst im Laboratorium
von Prof. Fresenius in Wiesbaden, dann
an der Universität Strassburg, wo er 1888
als Dr. phil. nat. promovirte. Von 1888
bis 1890 war Dr. Keller Dozent der Chemie
an der Universität von Pennsylvania ; von
1890 bis 1892 Professor der Chemie und
Probirkunde am Michigan College of Mines
zu Houghton ; seit 1892 Professor der
Chemie und seit 1894 Direktor des wi.s.sen-
schaftlichen Unterrichts an der Central
High School in Philadelphia. Er ist ver-
heirathet seit 1892 mit Henriette Marie,
geb. Hexamer (Schwester von Dr. C. John
Hexamer). Er i.st ]\Iitglied von amerika-
nischen und deutschen chemischen Gesell-
schaften, der American Philasophical
Society und des Franklin In.stitute, sowie
der Deutschen Gesellschaft von Pennsyl-
vanien; Verfa.sser und Herausgeber ver-
schiedener Lehrbücher der Chemie und
vieler Beiträge zu Fachzeitschriften auf
den Gebieten der Chemie, ^Mineralogie und
Physik. Seit ca. 20 Jahi-en ist er auch
thätig als Analytiker und Sachverständiger
in der chemischen Indastrie, der IMetallur-
gie und geologischen Praxis.
L. R. Klemm wurde 1845 zu Düsseldorf
geboren und zum Lehrer ausgebildet. Er
kam 1866 nach den Vereinigten Staaten,
wo er an verschiedenen Schulen thätig war.
In Cleveland avancirte er zum Inspelctor
der deutschen Klassen an allen Elementar-
schulen. Während seiner Amtsthätigkeit
(1870 bis 1880) stieg die Zahl der am deut-
sehen Unterrieht sieh betheiligenden Volks-
schüler von 600 auf 8000. Nachdem er
mehrere Jahre in Cincinnati am städtischen
Lehrerseminar gewirkt, studirte er in
Europa die Schulsysteme der wichtigsten
Länder gründlich und berichtete darüber
in der amerikanischen Fachpresse. Zu-
rückgekehrt wurde er Rektor der techni-
312
DEUTSCHE LEHRER UND UXIVERÖlTAETS-PKOFESSOKEN.
sehen Schule in Ciiu-iniiiili und viui dort
1889 als Spezialist im ausländischen Schul-
wesen au diis Bureau of P^ducation in
TS'ashington beruf «'U, wo er noch heute
thätig ist. Seine Verdienste um die Grün-
dung des deutsch-amerikanischen Lehrer-
Bundes wie des deutschen Lehrer-Seminars
in Milwaukee stehen mihestrittcn da. Als
Verfasser zahlreicher, stark verbreiteter
Schulbücher, sowie von Berichten, die für
die Entwiekelung des amerikanischen
Schulwesens von grosser Bedeutung waren,
besonders in den ..Reports of the Commis-
sioner of Education", verlieh ihm die De
Pauw-Universität in Greenea.stle, Ind., das
Doktordiplom in der philosophi.sehen Fa-
kultät honoris causa. Dr. Klemm ist seit
1879 auch Professor der Didaktik an der
Howard-Universität in Washington.
Der am 28. August 1841 in Garbenheim
bei "Wetzlar geborene frühere Schul-Super-
intendent von Evansville, Indiana, Karl
Knoriz studirte Philosophie und Germa-
nistik in Heidelberg und wurde 1863 als
Lehrer nach London berufen. Von hier
kam er 1864 nach Amerika. Als Lehrer an
der Schule des Detroiter Seminarvereins
nahm er Veranlassimg. die Indianerspra-
chen der dortigen Gegend zu studiren. 1868
wurde er von Detroit als Profes.sor der
deutschen Sprache und Literatur an die
Hochschule zu Oskosh, Wisconsin, berufen.
1871 übersiedelte er nach Cincinnati. wo er
die deutsche Abtheilung am städtischen
Lehrerseminar übeniahm und 1874 auch
den 5. Jahrgang des ,.Deutsehen Pionier"
redigirte. Von da ging er zuerst nach In-
dianapolis, dann nach Johnstown in Penn-
sylvanien. wo er als Sprecher der freien
Gemeinde fiuigirte. 1882 übersiedelte er
nach New York, wo er als Privatgelehrter
nur seinen literari.schen Arbeiten lebte, bis
er sich 1892 zur Uebemahme des Amtes in
Evan.sville entschloss. Er legte dasselbe
Ende des Jahres 1905 nieder und siedelte
dann nach North Tarrj'to\vn. N. Y., über,
wo er literarisch thätig ist. Knortz ist un-
bedingt der fruchtbarste und auch vielsei-
tigste deutsch-amerikanische Schriftsteller.
lu Willstädt, Baden, wurde am 12. ]\Iai
1844 Prof. Dr. Georg August König gebo-
ren, der seine Studien in Karlsruhe, Hei-
delberg, Berlin und Freiburg machte und
1872 Ililfs-Professor der Chemie und ^le-
tallurgie an der L^niversität von Pennsylva-
nien wurde. Im Jahre 1892 wurde er an
das ..^lichigan College of Mines" in
Iloughton, ]\Iich., berufen.
Präsident des ,,Hebrew Union College"
in Cincinnati ist der am 10. Mai 1843 in
Fürth in Bayern geborene Dr. Kaufmann
Kollier, der die Rabbinerschulen in Mainz
und Altona und die Universitäten ]\Iün-
chen, Berlin und Leipzig besucht hatte imd
1869 als Rabbiner nach Detroit berufen
wurde. Nachdem er in Chicago und New
York als solcher gewirkt, wurde er 1903
Präsident der von Dr. Isaac M. W^ise ge-
gründeten Rabbiner-Schule, des Hebi-ew
Union College. Er ist Mitredakteur der
„Jewish Enc3^clopaedia ". In Chicago
führte er den Sonntagsgottesdienst ein und
kämpfte für Fortschritt, Refonn und frei-
wi.ssen.sehaftliche Forschung.
Seit dem Jahre 1871 ist Sprachlehrer am
Stevens Institute of Technology in Ilobo-
ken der am 28. ^März 1846 in Darmstadt
geborene Carl Friedrich Kröh, der als
zweijähriges Kind mit seinen Eltern nach
Philadelphia gekommen war, Chemie und
Physik, sowie deutsehe Sprache und Lite-
ratur .studirt hatte, von 1866—68 als
Redakteur am ..Philadelphia Demokrat"
thätig und Lehrer des Deutschen und
Französischen an der Lehigh Universität
in South-Bethlehem, Pa., gewesen war.
Seine Lehrmethode richtet ihr Augenmerk
darauf, dass der Schüler in der fremden
Sprache denken lernt. Er hat zahlreiche
Unterrichtsbücher geschrieben.
Der ordentliche Professor der Philo-
sophie an der Universität Breslau, Eugen
0. K. Kühnemann, geboren am 28. Juli
1868 in Hannover, hat in Amerika interes-
DEUTSCHE LEHRER UND UNIVERSITAETS-PROFESSOREN.
313
saiite Vorlesungen im Jahre 11)08 gehalten.
Er machte namentlieh Sehiller. Herder
und andere Heroen der deutschen Literatur
zum Gegenstande seiner fesselnden Vor-
träge.
An der Illinoiser Staats-rniversität in
ürbana wirkt als Docent der deutschen
Sprache der von deutschen Eltern am 5.
März 1879 in Sedalia. ^lo.. geborene C.
Julius Kulhner, der an der Harvard-Uni-
versität, sowie in Heidelberg studirt hat.
Professor der romanischen Sprachen,
namentlieh der spanischen und portugiesi-
schen Literatur und Volkskunde, au der
Yale L^niversität in New Ilaven, Conn.,
ist der am 22. September 1853 in Wartach,
Kauton St. Gallen in der Schweiz, gebo-
rene Dr. Hennj E. Laug, dessen Vater
wegen Betheiligung an der revolutionären
Bewegung des Jahres 18-48 seine Heimath
"Württemberg verlassen und Geistlicher,
sowie Führer des kirchlichen Liberalismus
in der Schweiz geworden war. Seine Stu-
dien hatte Henry R. Lang in Zürich und
Strassburg gemacht. Er ist Mitglied vieler
gelehrter Gesellschaften.
]\Iit einer Enkelin des verstorbenen Füh-
rers der freireligiösen Bewegung in Ame-
rika und Gründers und Sprechers verschie-
dener freier Gemeinden Schünemann-Pott,
Ida Louise Denicke, verheirathet ist der
Professor der Astronomie und Geodäsie an
der Staats-Universität von Californien in
Berkeley Armin 0. Lcuschner, der am 16.
Jan. 1868 in Detroit, INIich., von deutschen
Eltern geboren wurde und seine Studien
am königliehen Wilhelms-Gymnasium in
Kassel, ferner an den Universitäten ]\Iichi-
gan, Californien und Berlin machte.
Seine Doktor-Dissertation lautete: „Bei-
trag zur Kometenbahnbestimmung". Er
machte sein Doktor-Examen im Jahre 1897
in Berlin.
Docent der griechischen und römischen
Kunst-Geschichte an der Harvard-Univer-
sität ist der am 1. August 1870 auf dem
Rittergut seines Vaters bei AVandichow,
Ponuuern. geborene Edmund li. 0. von
Mach, der nach beendetem Schulstudium
in Deutschland im Jahre 1891 nach Ame-
rika gekonnnen wai- und an der Harvard-
Universität studirt liattc. Er verfasste
unter Anderem ein Handbuch der griechi-
schen und römischen Skulptur.
Professor der romanischen Sprachen an
der Leland Stanford Jr. Universität in Ca-
lifornien seit dem Jalire 1893, INFitarbeiter
der Fachzeitschrift ,,:\rodern Philology",
:\Iitglied von gelehrten Gesellschaf-
ten, Herausgeber französischer und
spanischer Textbücher, ist der am 20.
Oktober 1862 in Breslau geborene und an
der Johns Hopkins Universität wis.sen-
schaftlich gebildete Johann Ernst Matzke.
In Limden in Schleswig-Holstein gebo-
ren Avurde am 12. 3Iärz 1865 Ernst 11.
Mensel, Professor der germanischen Philo-
logie an der unter dem Namen Smith Col-
lege bekannten Frauen-Universität in
Xorthampton. :\Iass. Er absolvirte das
Gymnasium in Husum, kam dann nach
Amerika und studirte an der Universität
in Ann Arbor, ]\Iich.
Als Aegyptologe hat sich der am 10.
Oktober 1860 in Lyck, Ost-Preussen, gebo-
rene Carl Eduard Moldenke, der an der
Columbia Universität in New York und in
Strassburg im Elsass studirte, wo er im
Jahre 1884 promovirte, einen Namen ge-
macht. Er Avar in Strassburg ein Schüler
des berühmten Aegyptologen Johannes
Dümichen. ]Moldenke, der in Watchung,
N. J.. ansässig ist, sehrieb „The Egyptian
Origin of Our Alphabet", „Egyptian ("la.s-
sics" u. a. m.
Jacob Isidor Momhert, der am 6. Novem-
ber 1829 in Cassel geboren und seit 1882 in
Paterson, N. J., literarischen Arbeiten ob-
liegt, hatte nach kurzer geschäftlicher Tliä-
tigkeit in London dort, in Berlin und Hei-
delberg studirt, war Geistlicher der bischöf-
lichen i)rotestantischen Kirche geworden
und hatte als .solcher in Canada und den
Vereinigten Staaten gewirkt. Von 1870 —
314 DEUTSCHE LEHRER UND UNIVERSITAETS-PROFESSOREN.
7;') war ov Pastor der amt'rikaiiischt'ii Iclii-ttT (ü'si'llschafton. Er schrii'b: .,Asia
Kirclu" in Drcsilrii. Xacli seiner Küikkehr anil p]iirope after the Egyptian ^lonu-
nat'h Amerika war er Geistlieher in Jersey nients", „The Love Poetry of the Ancient
City und dann in Passaie. N. .1.. gewesen. Egyptians" und andere Werke.
Er sehrieh: ..Authentic llistory of liMii- Arnold Eduard Ortma)in wurde am 8.
caster C'«).. Pa.". ..Faith X'ictorious" April 1S().'{ in Magdeburg. Preussen, gebo-
(Lehensl)esehreil)ung des Areliidiakonus ren. Er studirte Xaturwi.ssensehaften an
.lohaini Ebel in Königsberg). ..llandbook den Universitäten Jena, Kiel und Strass-
of English Version of the Bil)le". „(Jreat l)urg. In Jena erhielt er 1885 die philoso-
Lives". ..Sliort llistory of the Crusades" j)liis('be Doktorwürde; er genügte im 5.
und veröfTentlichte einen wörtlichen Neu- Thüringischen Infanterie-Regiment seiner
druck von William Tyndale's IT):?!) ei-schie- ]\lilitärpriicht, wurde Lieutenant der Re-
ncnen ..Five Pooks of Moses" u. a. m. serve, machte als Zoologe und Paläontologe
Professor der .Mathematik an der ..Uni- die wissen.schaftliehe Expedition nach Zan-
vei-sity of Washington"' in Seattle. Wasli.. zibar. Afrika, 1890 — 1 mit und kam im
ist Dl-, h'olx rl E. Moritz, der in Chris- Jahre 189-1 nach den Ver. Staaten. Er war
tiansthal bei Iladersleben in Schleswig ge- ^litglied der ..Princeton Arctic Expedi-
l)oren wurde, mit ll' Jalin-n nach Amerika tion" (Parry Relief) im Jahre 1899. Er ge-
kam. zuerst als Farm-Arbeiter und Lehr- hört mehreren gelehrten Gesellschaften an
junge thätig war. im 17. Lebensjahre sich und ist seit 1903 Kurator des ^Museums der
Studien zuwandte, in Chicago. Lincoln und wirbellosen Zoologie und Paläontologie am
Stra.ssburg studirte. Profes.sor am Ilastings Carnegie Institute in Pittsburg. p]r hat
College in Nebraska und 1904 an der Uni- mehrere fachwissenschaftliehe Werke und
vei*sität Washington wurde. Abhandlungen in deutscher und englischer
Seit 1S92 Lehrer der neueren Sprachen Sprache verfasst.
in Lockport. X. V.. ist der 1867 in Bett- Professor der semitischen Sprachen und
Weiler bei Rohrbach in Lothringen gebo- Literatur und Willard Ives Professor der
rene Alexis Victor Mario Müller, der nach englischen Bibel an der Universität Syra-
Absolvirung seiner ]\Iilitärzeit in Zwei- cuse. N. Y., i.st der am 8. Januar 1863 in
bi-ückcn und seminaristischen Studien zu- Breslau geborene Dr. Ismar John Perifz.
erst im Kaufmannsgeschäft seines Vaters Er absolvirte das Friedrichs- und Elisa-
thätig war und daini luu-li Amerika aus- beth-Gymnasium in Breslau, trat 1885 in
wanderte, wo er seine unterbrochenen Stu- London zum Christenthum über, besuchte
dien fortsetzte. Er war 1!)03 — 5 Sekretär das Drew Theologische Seminar in ]\Iadison,
des Deut.sch-Amerikanischen Lehrerbimdes. N. J., wirkte als Seelsorger an Kirchen der
In Philadelphia ansässig ist der Orien- New Yorker Konferenz der bischöflichen
talist \V. Mar Miilhr, der am 15. Mai 1862 IMethodisten - Kirche, studirte semitische
in Gleissenberg geboren wurde. p]r stu- Sprachen und Literatur an der Ilan^ard-
dirte an den Universitäten Erlangen, Leip- Universität und wurde 1896 Professor der-
zig. Berlin und München. In den Ver. selben an der Syracuse-Universität.
Staaten ist er seit 1888 ansässig. Er hat Professor der Theologie am Concordia
wiederholt bei archäologischen Forschun- Lutherischen Theologischen Seminar in St.
y
'??'
gen in Aeg>-pten mitgewirkt und wurde im Louis ist seit dem Jahre 1887 der in Pom-
Jahre 1904 vom Carnegie Institute in mern am 27. Juni 1852 geborene Franz
Washingtim dorthin gesandt. Er ist Mit- August Otto Pieper, seit 1899 General-Prä-
glied der American Oriental Society, des sident der Lutherischen Synode von Mis-
Philadelphia Oriental Club und anderer ge- "feouri. Ohio und anderen Staaten. Er hat
DEUTSCHE LEHRER UND UNIVERSITAETS-PROFESSOREX.
316
eine Reihe theologischer Schriften in deut-
scher nnd englischer Sprache veröffentlicht
und ist Redakteur von „Lehre und Wehre".
Von deutschen Eltern in Providence.
R. I., im Jahre 1870 geboren wurde Cmi
C. Pletha, Professor der Finanz-Wissen-
schaft und Statistik an der l'niversität von
Californien in Berkeley. Er studirte an
der Bonner Tniversität und in Göttingen.
Der erste Rektor des reformirten Predi-
gei-seniinars in ^Nlercei-sburg, Pa., des 1835
gegründeten ^larshall College, Friedrich
August KuucJi. war am 27. Juli 1806 zu
Kirchbach in Kurhessen geboren Avorden.
Sdion im Jahre 1830 war er Professor der
Theologie in Giessen geworden und wurde
1831 nach Pleidelberg berufen, musste aber
vor Antritt des neuen Amtes fliehen, weil
er demagogischer Umtriebe verdächtigt
war. Er starb am 2. ]\Iärz 1841. Seine
,.Phylosophy" war ein früher sehr viel be-
nutztes Lehrbuch. Das ]Marshall College
wurde später mit dem Franklin College
zum Franklin and ^Marshall College in Lan-
caster. Pa.. vereinigt.
Deutscher Abstammung ist der am 27.
Februar 1858 in Nittany. Pa.. geborene
Professor der ^Mechanik und Dekan der
Ingenieur-Schule des Pennsylvania State
College Louis E. Reher. Er war Kommis-
sär von Pennsylvanien für die Pariser und
die Chicagoer Weltausstellung.
Als Sohn des Pa.stors Georg Reinscli in
IMilwaukee wurde im Jahre 1869 der Pro-
fe.s.sor des Staatsrechts an der L'niversität
von Wisconsin in Madison Faul S. Reinsch
geboren.
Professor Albert Hugo Rennert, Lehrer
der romanischen Sprachen an der L'niver-
sität von Pennsylvanien, wurde als Sohn
des begabten Uebersetzers deutscher Ge-
dichte in 's Englische und Besitzers einer
grossen Cigarren-Fabrik in Philadelphia
Hans Rennert am 6. ]\Iai 1858 geboren.
Er studirte an der L'niversität Pennsylva-
nien, in Göttingen und Freiburg im Breis-
gau und wurde im Jahre 1885 Professor.
Er beschäftigt sich hauptsächlich mit spa-
nischer Literatur.
Austausch-Professor an der Universität
Berlin im Jahre 1907 war Theodore ^yil-
liam Richards, geboren am 31. Januar
1868 in Germantown, Pa., als Sohn des
Landschafts- und ]\Iarine-]\Ialei-s William
Trost Ridiards und der Dichterin Anna
Matlack Richards. Er studirte in Har-
vard. Göttingen. ^lünchen und Leipzig
Chemie und arbeitete praktisch in Dresden.
Einen Ruf als ordentlicher Professor an
die Universität in Göttingen schlug er aus.
An der Harvard-Universität, an der er seit
1903 die Stelhmg eines Direktors der
chemischen Abtheilung einninunt, wirkt er
seit 1888.
Der Hilfs-Profes.sor der deutschen Philo-
logie an der Staats-L'niversität von Wis-
consin in I\Iadison. Wis., Edwin C. L.
Roedder, wurde am 8. April 1873 in Xie-
derwasser im Badischen Schwarzwald ge-
boren ; er besuchte die L'niversität Heidel-
berg und später die Staats-Univei-sität von
^Michigan in Ann Ar])or, nachdem er im
Jahre 1892 nach Amerika übergesiedelt
war. Im Jahre 1900 wurde er an die
Staats-L^niversität von Wisconsin berufen.
Als Orientalist und Philologe hat sich der
in Pasadina, Californien. ansässige Fried-
rich Otto Roehrig einen Xamen gemacht. Er
erblickte in Halle an der Saale am 19. Juni
1819 das Licht der AVeit, studirte an den
Universitäten Halle, Leipzig und Paris
orientalische Sprachen und ^Medizin, erhielt
vom kaiserlichen Institut von Frankreicli
den Valney-Preis, war 1841 Attache der
preussischen Gesandtschaft in Konstantin-
opel, wurde Professor am Coli. Beziers in
Frankreich, hielt 1851 Vorlesungen an der
königl. Orientalischen Akademie in Paris,
wurde 1853 IIilfs-Bil)liothekar der A.stor-
Bibliothek in New York, 1858 Profes.sor der
Materia ]\Iedica und Therapeutik am Medi-
cal College in Philadelphia, diente von
1861—67 als Militär-Arzt in der V. St.
Armee, erhielt 1868 vertretungsweise den
816
DEUTSCHE LEHRER UND UXIVERSITAETS-PROFESSOREN.
Posten eines Hibliothekai-s in tlciii Hurt'üu
des (Jeneral-Arztei? der V. St. Armee in
\Vasliinjrt(.n. war von 1869—1885 Professor
des Sanskrit nnd der neueren orientalisehen
Sprachen an der C'ornell Tniversität in
Itliaka. N. Y.. wurde 1886 Lehrer der semi-
tisehen Spraelien und orientalisehen Philo-
logie an der Leland Stanford Jr. l'niver-
sität. Kr ist ^lit^'lied verschiedener orien-
talischer Gesellschaften. Kitter des Medji-
die-Ordens und hat sieh auch als Kom-
ponist für Klavier aus{j:ezeiehnet.
In Ann Arbor, Mich., ansässig ist der
Geologe und Paläontologe Carl Ludwig
Homintfir, geboren am 31. Dezember 1820
in Schnaitheim, AVürttemberg. Er studirte
Chemie und I\Iedizin in Tübingen, erhielt
ein Staats-Stipendium zur Durchführung
zoologischer Studien. Sie führten ihn 1848
nach den Vereinigten Staaten. Hier prak-
tizirtc er 25 Jahre lang als Arzt, wandte
sieh aber dann ganz seinem Lieblingsstu-
dium, der Geologie und Paläontologie, zu.
Er ist Inhaber der Verdienst-^NIedaille der
königliehen Akademie in Münehen.
Langjähriger Präsident des deutsch-ame-
rikani.sehen Lehrerbundes, eifriger Förde-
rer des deutschen Lehrer-Seminars in Mil-
waukee und seit 1879 Professor des Deut-
schen an der Staats-Universität von Wis-
consin war der am 10. September 1842 ge-
borene M^ühclm Heinrich Eosenst enget, der
1865 einem Rufe zur Leitung einer Privat-
schule in St. Louis gefolgt war und eine
segensreiche Thätigkeit entfaltete.
Um das Forstwesen des Staates Penn-
sylvanien verdient gemacht hat sich der
von Deutschen abstammende und am 9.
Ajtril 1839 in ]\IcVeytown, Pa., geborene
Professor der Botanik an der Pennsylvania
Universität Joseph T. liotlirock.
Präsident des Calvin College in Cleve-
land. O., das hauptsächlich durch seine
Bemühungen gegründet wurde, ist der
Achtundvierziger Hermann Julius Ruete-
nik, geboren am 20. September 1826 in
Denierthiii. Deut.schland, er studirte Theo-
logie in Halle. Die deutsche Revolution
vcranlas.ste ihn zur Auswanderung nach
Amerika. Kv wui-dc im Jahre 1852 Geist-
licher der Keformirten Kirche, lehrte und
amtirte in Easton, Pa., Tifflin, O., und ^lis-
sion Ilouse. AVis. Er schrieb ..Erlebnisse
eines deutschen l'farrers in Amerika",
,, Feine Bildung". ..Settlement im Busch",
..Kirchengeschiclite", ,,Gennan Grammar",
..Indianer-CJcschichten", ., Pioneers of the
Reformed Church in America", ,, Berühmte
deutsche Vorkämpfer für Fortschritt, Frei-
heit und Friede in Nord-Amerika".
l^m die deutsch-amerikanische Ge-
schichtsforschung hat sich grosse Ver-
dienste erworben der am 22. November
1842 in Philadelphia von deutschen Eltern
geborene Julius Fricelrich Sachse, der [Mit-
glied der Historischen Gesellschaft von
Pennsylvanien und der Penusylvania-
German Society ist.
In Deutschland im Jahre 1853 geboren
ist der Astronom der Staats-Universität von
[Michigan in Ann Arbor, John Martin
Schäberle; er war Lehrling in einer Chica-
goer [Maschinen-AVerkstätte. als er den P"nt-
schluss fasste zu studiren. Er machte die
p]xpeditionen zur Beobachtung der Son-
nenfinsterniss nach Cayenne. Chile und
Japan im Auftrage des Lick '.sehen Obser-
vatoriums mit. Er hat zahlreiche Beiträge
für astronomische Fachzeitungen geliefert.
Präsident von ,,The Je^vnsh Theological
Seminary of America" in New York ist
Professor Dr. Salomon Schechter, der Ent-
decker von Genizah bei Kairo. Er war,
ehe er nach Amerika kam. Docent an der
Universität Cambridge in England und bis
zum Jahre 1902 Professor des Hebräischen
am L"^niversitv College in London. Er war
1849 geboren und hatte an den Universi-
täten Wien und Berlin studirt.
Forstmeister luid Direktor der Forst-
Akademie in Biltmore, S. C, ist der am
25. [März 1868 in Darmstadt geborene G. 0.
('. Scheuch, dem im Jahre 1905 der Titel
„Grossherzoglich - Hessischer Oberförster"
Dh:L'T8CllK LKliKKH LND L"-\i\ EliSlTAETS-PROFESSORKX.
317
verliehen wurde. Er stiulirte Cameralia
und Forstwissenschaft, erhielt in Giesscn
den philosophischen Doktor-Titel, naclidem
er die Prüfung „sunuiia cuiu laude" be-
standen hatte, luid übernahm im Jahre
1895 die Leitung der Vanderbilt 'sehen
Foi"sten in Biltmore. wo er drei Jahre
später eine Forstakademie gründete. Er
schrieb ..Forstlich-finanzielle Probleme".
„Grundriss der Forstpolitik", ..Forstliche
Verhältnisse der Vereinigten Staaten".
„Forstliche Vorlesungen über Waldbau.
Forstbenutzung und Holzmesskunde".
Seit 1887 wirkt als Professor der Natur-
wissenschaften am Franklin and ]Marshall
College in Lanca.ster, Pa., der am 21. Sep-
tember 1859 in Weissenfeis in Preussen ge-
borene Richord Franz Conrad Schiedt. Er
studirte Mathematik, Zoologie und Chemie
an den Universitäten Erlangen und Berlin,
dann Theologie in Laneaster, Pa., und er-
warb die philosophische Doktor-Würde an
der Universität von Pennsylvanien. Er hat
mehrere wissenschaftliche Werke und
solche erzieherischen Inhalts verfasst.
Hugo Karl Schilling, geboren am 28.
März 1861 in Saalfeld, Sachsen-lMeiaingen,
bezog 1878 die Universität Leipzig; hielt
sieh 1880 bis 1882 in England und 1882 bis
1883 in Paris auf zur Vervollkommnung
in den neueren Sprachen ; von 1883 bis zu
seiner Doktorpromotion im Jahre 1885 in
Leipzig war er Schüler Zarnckes, Hilde-
brands, Eberts imd Wülkers. 1886 bis 1891
wirkte er als Professor der modernen Spra-
chen am Wittenberg College in Springfield.
Ohio; 1891 bis 1901 war er Hilfs-Professor
des Deutschen an der Harvard-Universität
in Cambridge, Massachusetts; seit 1901
Professor der deutschen Sprache und Lite-
ratur an der Staats-Universität von Cali-
fomien in Berkeley.
Professor der modernen Sprachen an der
Universität von Oregon in Eugene, Ore.,
ist Dr. Friedrich Georg Gottloh Schmidt.
Geboren am 17. November 1868 in Bayern,
studirte er in Erlangen und dann an Johns
Hopkins in Baltimore. Im Jahi-e 1896 war
er stellvertretender Lehrer der deutsehen
Sprache am Cornell College in Ml. N'ernon,
Iowa, war als Lehrer in verschiedenen
Theilen der Ver. Staaten thätig. machte
ausgedehnte Keisen und nahm dann die er-
wähnte Professur an. Er i.st unter Anderem
^Mitglied des Vereins für bayerische Volks-
kunde und I\Iundartforschung. Er schrieb
eine Abhandlung über die ..Ricser-^Tund-
art" und gab deutsche und französische
Dichtungen mit erläuternden Anmerkungen
heraus.
Der ausserordentliche Professor der ger-
manischen Philologie an der Universität
Chicago Hans M. Schmidt-Warte nhcrg
wurde am 16. Januar 1861 in Cöslin. Pom-
mern, geboren, kam nach dem Besuch der
Universitäten Jena, Berlin und Strassburg
im Jahre 1885 nach Amerika, wo er an der
Cornell-Universität seine Studien beendete.
Nach Lehrthätigkeit in Nord-Carolina,
New York, Utah, Süd-Dakota und ^Nlissis-
sippi kam er im Jahre 1893 nach Chicago.
Geboren 1861 zu Oppeln, studirte Her-
mann Schönfeld in Berlin, Breslau, Leipzig,
Paris und St. Petersburg. Seine amerika-
nische Lehrthätigkeit für moderne Spra-
chen eröffnete er 1888 an der Brown-T Uni-
versität in Providence, wirkte dann von
1891 bis 1893 an der Johns Hopkins, um
1894 die Professur des Deutschen und der
europäischen Geschichte an der Colum-
bian-Universität zu übernehmen. In der
Zwischenzeit war er Ver. St. Konsul in
Riga und machte von dort aus weite Stu-
dienreisen. Als Frucht dieser Reisen er-
schien sein Buch über „Höhere Erziehung
in Russisch-, Oesterreichisch- und Preus-
sisch-Polen ". Schönfeld hat auch sonst
eine Reihe von Schriften veröffentlicht, so
über Brants „Erasmus", ,.Erasmus und
Rabelais", über „slavische Literatur und
Geschichte", „die Ziele der grossen sibiri-
schen Eisenbahn", „Germ. Histor. Prose",
„Leopold von Ranke", „Maria Stuart" etc.
Schönfeld ist Mitarbeiter von Brockhaus'
318
DKrTSCHK LKHRER UND UNIVERSITAETS-PROFESSOREN.
K.inversatioiisicxikoii. Er lehrt in Wash-
in«rton (U'utschc luitl kniitincntalc Ge-
schiclltr.
I'ntfrssttr (li'r Matlu'iiiatiU an ilcr „New
York rniversity" ist Dr. Arthur SchuUzc,
«Icr am 'MV März 18(il in Dcutsdilancl gebo-
ren war und seine Stndifii an ili-n l'nivcr-
sitäten Leip/.ijj:. Berlin und Kid al)solvirt
hatti'. Kr war Lehrer der Mathematik an
der Friedrieh Werder 'sehen Ki-alsehule in
lierlin, Assistent im Staats-Ber*rwerks-
Ilureau in San Francisco. Lehrer der
Mathematik an der Ilohokem-r Akademie,
daini an der Stanton-IIochshule luid der
ILiiidels-IIoehschule in New York. Er ist
der Ertindi-r des Dynamischen Heizappa-
rats (Dynamie Heatpr) und Verfasser
fachwis.sensehaftlieher Abhandlungen.
In dem von Friedrich dem Grossen für
protestantische Böhmen im Regierungsbe-
zirk Potsdam gegrüiuleten Dorfe Xowawes.
das übrigens über 12.000 Einwohner zählt
und das Mutterhaus der auf Hebung der
geistigen wie matei-iellen Zustände der Be-
völkerung hinarbeitenden Oberlin-Vereine
I)esitzt, wurde am 3. Februar 1840 August
ScIniKzr geboren, der nicht allein als
Lehrer und als Theologe Bedeutung hat,
sonth'rn auch als einer der Vorsteher der
llerndiuter in Amerika, Schriftsteller und
lu'ilakteur. Er ab.solvirte das Pädagogium
der Brüllergemeinde in Niesky, Schlesien,
daiMi das theologische Seminar in Guaden-
t'eld. Er war ein Jahr lang Lehrer an der
französi.schen Akademie in Lausanne in
der Schweiz, wirkte dann in Niesky, wurde
Brofes.sor und sjiäter Präsident des ,,]Mora-
vian College and Theologieal Seminary" in
B<'thlehem. Pa.. wai' zwölf Jahre lang einer
der drei Vorsteher und Leiter der Ilerrn-
huter in Amerika. Redakteur des „Brüder-
Botschafter", stellte ein neues deutsches
Gesangbuch zusannnen. gab in englischer
Eskimo-Sprache im nordwestlichen Alaska,
t'inen ..Führer im alten Ilerrnhuter Fried-
hof in Bethlehem" und theologische Schrif-
ten. Er wohnt in Bethlehem, Pa.
Professor der ^Mathematik an der l'ni-
versität von Pennsylvanien ist der Deutsch-
Russe ./. ./. Schwatt. Er wurde am 18.
Juni 1S()7 in Mitau, Kurland, geboren. Er
ist ^litglied des „Vereins Deutscher Mathe-
matiker" und hat sich namentlich durch
Febersetzung bekannter deutscher mathe-
matischer Werke ausgezeichnet.
Professor der landwirthschaftlichen
Chemie an dei- Fniversität von ]\Iissouri in
Colunihia. Mo., sowie Chemiker der land-
wirthschaftlichen Versuchs - Station da-
selbst ist Paul Schweitzer, geboren am 16.
]\Iärz 1840 in Berlin. Er machte seine
chemischen Studien in Göttingen. 1865
wurde er Assistent am Polytechnischen
Institut in Philadelphia. 1866 an der Berg-
werksschule am Columbia College und 1872
Professor an der Universität von ]Mis-
souri. Er erhielt die goldene ]\Iedaille bei
der Pariser W^eltausstellung.
Jahre lang im städtischen Schulwesen
]\Iilwaukee's thätig. so auch als Superin-
tendent der Schulen, ist Heinrich Otto
Budolf Siefert, geboren am 11. Februar
1841 in Grabenstein, Reg. Bez. Cassel, und
seit 1855 in Amerika. Er hat unter
Anderem auch ein ..Liederbuch" für
Schul zwecke herausgegeben.
Professor der Chemie am Baltimore Col-
lege of Dental Surgery seit 1888 ist der am
20. Februar 1844 in Eberstadt, Hessen, ge-
borene, an der Universität Giessen wissen-
schaftlich gebildete und seit 1870 in Ame-
rika befindliche Dr. Wilhelm Simou. Be-
sonders bekannt wurde er durch sein
„^lanual of Chemistry ' '.
Zu den festesten Stützen des Deutsch-
thums in Amerika gehört der als Festred-
nnd deutscher Sprache den Katechisnuis ner bei deutschen Feiern gesuchte Profes-
der Hermhuter heraus, schrieb „Die Mis- sor der Theologie am Lutheran Theologieal
sionsfelder d<'r Erneuerten Brüderkirche", Seminary in ]\It. Airy, Pa., Philipp Fried-
eine Grammatik und "Wörterbuch der rieh Adolf Theodor Späth. Geboren in
DEUTSCHE LEHRER UND UNIVERSITAETS-PROFESSOREX.
319
Esslingen, AVürtteniberg, am 29. Oktober
18.S!), ahsolvirte er 1S()1 die Universität
Tübingen, war Ilaiislebi-er in der Familie
des IIerzoj;s von Argyle in Sehottland,
wurde ISB-l an die Zions-Kirehe in Phila-
delphia berufen, dann an die St. Johainiis
Kirehe daselbst und 1873 an das Luthe-
rische Theologisehe Seminar. Sein Pasto-
rat behielt er Jahre lang bei. Er war acht
.lahre lang Präsident des General-Konzils
der evangeliseh-lutherisehen Kirehe in
Amerika. Er war Redakteur des „Ju-
gendfreund", ist ]\Iitarbeiter der ..Luthe-
i-iin Eneyelopaedia". der ..Protestant Real-
Eneyelopaedia", der ..Lutheran Chureh
Review". Verfasser von theologischen
Schriften, der ..Liederlust" und ,, Saat-
körner" und Komponist von Kirchenlie-
dern.
Professor der Theologie an dem 1848
gegründeten Iowa College in Grinnell, la.,
ist der in Wien am 1. November 1866 ge-
borene Eduard Ä. Steiner, der an den
Tniversitäten Heidelberg, Göttingen und
Herlin studirt hat. Er wirkte an mehreren.
Kongregationalisten - Gemeinden, bis er
1903 an das erwähnte Kongregationalisten
Kollegium berufen wurde. Unter seinen
Schriften sind zu nennen : „Tolstoy the
Man".
Professor der Theologie und des Deut-
schen an der Capital-Universität in Co-
lumbus, 0., ist Dr. Friedrich Wilhelm
Stdlhorn, geboren am 2. Oktober 1841 in
Hannover. Er erhielt seine theologische
Bildung in Amerika, war Professor an der
Northwestern T'^niversity in Wisconsin und
am Concordia College in Fort AVayne, Ind.,
ehe er nach Columbus berufen Avurde. Er
redigirte Jahre lang die ,, Lutherische Kir-
ehenzeitung" und die ..Theologische Zeit-
blätter". Er sehrieb ,,Kurzgefasstes Wör-
terbuch zum Griechischen Neuen Testa-
ment", ..Die Pastoralbriefe Pauli über-
setzt und erklärt" u. A.
Wenn auch nicht als Universitätslehrer,
so doch als Forscher auf dem Gebiet der
Zoologie und Verfasser zahlreicher Ab-
handlungen über Protozoen und Mollus-
koiden ist iler am 27. September 1846 in
Solothuin in der Schweiz geborene
Victor Shrki bekannt, der in Hern und
München ^Medizin studii't und an erstge-
nannter Universität promovirt hatte. Seit
September 1883 ist er in Amerika an-
sässig, und zwar seit Jahren in New Phila-
delphia, 0. Er ist ^Mitglied der ..Ohio
Aca<leiii.\- of Sciences" und der ..Deutschen
]\r;dakozo()logisehen (von ]\Ialacoz();i —
Weicht hiere) Gesellschaft".
In Iloboken. N. J., am 26. ]\Iai 1867 von
deutschen Eltern geboren, aber in Deutsch-
land erzogen, wo er das Realgymnasium in
Karlsruhe, sowie die Univei^sitäten Berlin
und Göttingen besuchte, wurde der Profes-
sor der Chemie an der Universität von
Chicago. Julius Stieglitz, der seit 1892 da-
selbst thätig ist.
Johann Ludwig Tellkampf war 1804 zu
Bückeburg geboren, studirte Jurispi-udenz
und Hess sich 1835 in Göttingen als Privat-
dozent nieder. ]\Iit den ,. Göttinger Sieben"
verliess er aber diese Universität und folgte
1838 einem Rufe als Professor der Staats-
wissensehaften und deutscher Lehrer an das
Union College in Schenectady, New Yoi-k.
Dort erfreute er sich sehr am Lerneifer
seiner Schüler. 1844 wurde er in gleicher
Eigenschaft an die Columbia nach Xew
York berufen, wo er bis 1846, dem Jahre
seiner Rückkehr nach Deutschland, thätig
blieb. Er bemühte sich während dieser
beiden Jahre besonders um die Entwicke-
lung des New Yorker Volkssehulwesens
und die Herstellung der Dampferverbin-
dung New York — Bremen. Er wurde 1846
ordentlicher Professor der Staatswissen-
schaften an der Universität Breslau und
starb in Berlin als INIitglied des Herren-
hauses am 16. Februar 1876. Sein am 27.
April 1812 geborener Bruder Theodor kam
1839 nach Amerika. Er war Arzt und be-
schäftigte sich besonders mit dem Studium
320
DEUTSCHE LEHRER UND UNFV'ERSITAETS PROFESSOREN.
der Stnifanstaltfii. Er war ein Ge<?ner der
Einzelhaft.
Im liuniU'stliciist wirkt dvr liedentende
Astronom nn<l (M'odiit (Klo Ilihfard Titt-
7)inini. der von dcutsclien Eltern — seine
.Mutt.T war eine «r»'l»»ren»' Ilil^'ard— in der
deutsfhrn Ansiedlunitr l^'Uevillr. 111.. am
20. Auf,Mist isr)() «jehoren war. Seil (l<in
.lahre 18()7 i.st er besehäftigt im Kii.sten-
und (Jeodäti.sehfii Hiin-au der Bnnde.s-Ke-
piernn^'. Tittmaim wurde als Ililfs- Astro-
nom dt'r wi.ssensehaftliehen Expedition
zur lii'ohachluuir d''s V(Mins-Durcliy;anges
nach Japan 1.S74 l)eijregel)en. Er leitete
mehren' Kü.sten - Vermessnngs - Expeditio-
nen, wurde zum Studium der IMasse
nnd Oewiehte. nanientlieh des nietri-
sehen Systems, nach London, Paris und
Berlin t^e.sandt. w;ir Delegat der Ver.
Staaten zur internationalen geodätischen
Konferenz in Berlin. 1895, ist ^Mitglied
liervorragcnder geodätischer Gesellschaften
und seit 1000 Superintendent des ,,U. St.
Coast and Geodetic Survey". Er war Ver-
treter der Ver. Staaten bei der Alaska-
Grenz - Kegulirung. Tittmann wohnt in
"NVa.shington.
Im Jahre 1846 in Dresden geboren, be-
suchte Kufhlf Tombo sen. die Kreuz.schule,
das Gymna-sium seiner Vaterstadt, imd
bezog im Jahre 1865 die Universität Leip-
zig, wo er unter F. W. Ritschi. Georg Cur-
tius und Friedrich Zarncke Philologie stu-
dirt«'. Er wurde, nachdem er im Steno-
graphen-Konkurrenz-schreibeu in Berlin ge-
siegt hatte, in das stenographische Bu-
reau des Norddeutschen Reichstags berufen
und gehörte demselben während des kon-
stitnircnden und des ersten ordentlichen
Reichstags an. Im AVinter 1868 siedelte er
von Leipzig nach Berlin über, wo er seine
Studien fortsetzte und im Jahre 1869 die
Staatsprüfung pro facultate docendi be-
stand. Im Jahre 1870 promovirte er auf
Gnind einer Dissertation zum Dr. phil.
Als Gefreiter im 7. Brandenburger In-
fanterie-Regiment No. 60 nahm er am
deutsch-frmizösischen Kriege theil und
kehrte im Sommer 1S71 wohlbehalten in
die Ileimath zuriu-k. Darauf war er eine
Reihe von Jahren als Lehrer an höheren
Sehulen in Eschwege und Barmen thätig,
nahm aber gelegentlich, soweit sein Beruf
das gestattete, die alte, liebgewonnene Thä-
ligkeit als praktischer Stenograph wieder
auf und stenographirte in Provinzialland-
tagen, Stadtverordneten - Versammlungen,
Gerichtsverhandlungen u. s. w.
Auch in New York, wo er sich im Jahre
1883 niederliess. konnte er sich der faszini-
renden stenographischen Thätigkeit nicht
entziehen. Er nahm also im Jahre 1884
freudig Antheil an der Gründung eines
..Gabelsberger Stenographen-Vereins" da-
selbst, -welcher sich die Pflege, Verbrei-
tung und den Unterricht in dem deutschen
Stenographiesystem Gabelsbergers sowie
der Richter 'sehen Uebertragimg desselben
auf das Englische zur Aufgabe gemacht
hat. Er leitete ihn in den letzten Jahren
ununterbrochen als Vorsitzer. Es ist dem
Verein gelungen, den Namen des genialen
Erfuiders der deutschen Stenographie nicht
nur in New York, sondern in ganz Amerika
zu Ehren zu bringen, und er glaubt damit
ein, w^enn auch recht bescheidenes Stück
deutscher Kulturarbeit in diesem Lande ge-
leistet zu haben
Tombo 's Hauptthätigkeit war jedoch im
neuen Vaterland dem deutschen Unter-
richt gewidmet, und er hat nicht nur zahl-
reiche Privatschüler in der deutschen
Sprache ausgebildet, sondern auch in Schu-
len, Vorbereitungsklassen und Colleges er-
folgreichen Unterricht ertheilt. Gegen-
wärtig lehrt er am Adelphi College in
Brooklyn. Von 1898—1905 gehörte er der
deutschen Abtheilung von Columbia an.
Auch ist er Vorsitzender des Vereins deut-
scher Lehrer von New York und Umgegend.
Der Begründer der empirischen ]\Iinera-
logie in Amerika, Gerhard Troost, war zwar
von Geburt Holländer, denn er wurde in
Herzogenbusch in der jetzigen niederländi-
DEUTSCHE LEHRER UND UNIVERSITAETS PROFESSOREN.
321
sehen Provinz Xord-Brabant im Jahre 1776
geboren, doeh im innersten Herzen deutsch,
wie er am Besten dadurch bewiesen hat.
dass er in Nashville. Tennessee, eine Deut-
sehe Gesellschaft gründete, deren Präsident
er mehrere Jahre war. Er rief auch einen
deutsehen Leseverein in 's Leben, dessen
Bibliothek er bedeutende Schenkungen
machte. Seine wissenschaftlichen Metho-
den waren deutsch, denn er war in Freiberg
ein Sehüler Abraham Gottlob Werner 's ge-
wesen, des Begründers der Geologie oder
Geognosie, der Wissenschaft von der Zu-
sammensetzung imd dem Bau der Erde als
eines aus organischen Stoffen bestehenden
Weltkörpers. Troost hatte vorher an den
Universitäten Leyden und Amsterdam ]\Ie-
dizin studirt. Im Jahre 1809 wurde er, als
er sieh mit einer wissenschaftlichen Expe-
dition auf der Fahrt nach Java befand,
von einer englischen Kaperschiff-]Mann-
schaft gefangen genommen und nach Dün-
kirchen gebracht. Von dort begab er sieh
nach Paris und setzte unter Hauy. dem
Begründer der wissenschaftlichen Krystal-
lographie, seine Studien fort. Auf der
Reise nach Holländisch-Ostindien, die er
über Amerika machte, wechselte er das Ziel
seiner Fahrt imd liess sich in den Verei-
nigten Staaten nieder. Zwei Jahre lang
gehörte er der Owens 'sehen Kommiuiisten-
Gemeinde in New Harmony, Ind., an. Er
wurde einer der Gründer und der erste
Präsident der Academy of Natural Sciences
in Philadelphia, war Professor der ]Mine-
ralogie und Chemie an dem College of
Pharmacy und am Philadelphia ]\Iuseiun
und wurde 1828 als Professor der Chemie,
Geologie und ^Mineralogie an die neuge-
gründete „Cumberland University" in
Nashville berufen. Er hat eine „Geologi-
sche Vermessung der Umgegend von Phi-
ladelphia" verfasst und andere Werke. Er
gründete die erste Alaun-Fabrik in den
Vereinigten Staaten in Cape Sable, Md. Er
starb im Jahre 1850 in Nashville. Seine
^Mineralien-Sammlung soll die grösstc uinl
vollständigste in den Vereinigten Staaten
gewesen sein.
Als Kthnologe imd Arcliäologe, sowie be-
sonders durch seine archäoh)gischen For-
schungen in Peru und anderen südameri-
kanischen Ländern hat sich der in Dresden
am 25. März 1856 geborene Friedrich Max
Vhde einen Nanuni erworben. Er lehrt
an der Universität von Californien in
Berkeley, Cal. Er hat archäologische und
sprachwissenschaftliche Beiträge zu faeli-
wissenschaftliehen Zeitschriften geliefert.
Seine Studien hatte er in Göttingen und
Leipzig gemacht.
An der George Washington Universität
ist der am 18. November 1872 geborene
Carl WilJidin August Veditz als Professor
der National-Oekonomie und Sociologe
thätig. Er hatte an der Universität von
Pennsylvanien, in Halle, Berlin. Leipzig
und Paris studirt. Er ist Mitglied einer
Reihe gelehrter Gesellschaften, darunter
der ,, Internationalen Vereinigimg für ver-
gleichende Rechtswissenschaft" in Berlin,
sowie amerikanischer Korrespondent der in
Paris erscheinenden ,, Revue Germani(iue".
Er schrieb in deutscher Sprache: ,,Thü-
men's Wortlehre", veranstaltete die ameri-
kanische Ausgabe von Charles Gide 's
,,Principes d 'economic politique" imter
dem Titel ,.Political Economy" und ver-
öffentlichte 1904 .,The American Revo-
lution".
Lehrer am ,, College of the City of New
York" ist seit Ende der 90er Jahre der
am 14. Dezember 1851 in Meseritz, Posen,
geborene Dr. phil. Titus Voelkel. Er stu-
dirte in Königsberg, Caen und Paris, war
Oberlehrer am Lehrerinnen-Seminar in
Wolfenbüttel, Sprecher der Freien Ge-
meinde in ^Magdeburg, Flüchtling in der
Schweiz und von 1894 — 96 Sprecher der
Freien Gemeinde in Braun.schweig, von wo
aus er nach Amerika übersiedelte. Er ist
Schriftführer des A. D. Sprachvereins und
Verfasser mehrerer Schulbücher.
322
DEUTSCHE LEHRER UND UNIVERSITAETSPROFESSOREN.
In Miidison wirkt als Professor der
deutschen Philologie an der Staats-Univer-
sität von Wisconsin Ernst Karl Johann
Heinrich Voss, {jeboren am 13. Oktober
1860 in Hutzow. Mecklenburg-Schwerin.
Er besuchte die Universitäten Rostock,
Marburg und Leii)zig, kam nach einjähri-
gem Aufenthalte in England im Jahre
1889 nach Amerika und wirkte als Lehrer
des Deutvschen in Saginaw. ]Mich., und
später an der Staats-Universität von ]\Iichi-
gan in Ann Arbor. In den Jahren 1893 — 95
vervollständigte er seine Studien an der
Univei-sität Leipzig, wo er promovirte.
worauf er von 1896 an als aasserordentli-
cher und von 1901 an als ordentlicher
Professor an der Staats-Universität von
Wi.sconsin lehrte.
In Unkei-sdorf bei Dresden am 31. ]\Iai
1851 geboren wurde der Professor der
deutschen Sprache und Literatur am Wil-
liams College in Williamstown. ]\Iass.,
Georg M. ^y^hl. Er studirte in Halle und
Leipzig.
Ein deutsch-russisch-jüdischer Sprach-
foi-scher und Gelehrter ist der an der Har-
vard-Universität wirkende Professor der
slavischen Sprachen, Uebersetzer der Werke
Tolstoi 's. Verfasser einer „Anthology of
Russian Literature". der ,.Yiddish Litera-
ture in the Xincteenth Century" und Her-
ausgeber von Moritz Rosenfeld 's Ghetto-
liedern in Prosa-TelHM-setzung. Lto Wi( ncr.
Er war am 26. Juli 1S(;2 in Russland ge-
boren, studirte in Warschau und Berlin
und wirkte eine Zeit lang als Lehrer der
ileutsclifii ninl romanischen Si)rachen an
der Universität von ^Iis.souri. Professor
Wiener v'ehört zu den vielseitigsten Lin-
gui.sten der Gegenwart.
Gelmren am 4. September 1866 in Oester-
reieh empfing Max Winkhr seine Schulbil-
dung in Cincinnnti luid besuchte später
die Ilarvard-T'niversität. an der er 1889
graduirte. Er lehrte dann bis 1892 an den
Universitäten von Kansas und ^lichigan,
wo er zum Dr. phil. promovirte. Ein Jahr
studirte er noch in Berlin und kehrte 1893
an die Universität von Michigan in Ann
Arbor zurück, wo er seitdem ununterbro-
chen thätig ist. 1902 wurde er definitiv
Leiter der dortigen deutsehen Abtheilung.
Er gab unter anderen deutsche klassische
Dramen mit erklärenden Anmerkungen
heraus.
Lehrerin am Wellesley College in Wel-
lesley, Mass., ist die am 12. August 1871 in
Kassel geborene Natalie WippUnger. wel-
che in Bern ihr Abiturienten-Examen be-
stand, nach einem Besuch von Vorlesungen
in England und an der Sorbonne in Paris,
in Freiburg und Leipzig studirte und an
letztgenannter Universität den Titel „doc-
tor philosophiae" erwarb. Seit 1900 wirkt
Dr. W^ipplinger in Amerika.
Eine Zeit lang Lehrer an der Harvard
Universität war der berühmte deutsche
Chemiker Johannes Wisliceniis, geboren
1835 in Kleineichstädt. Provinz Sachsen.
Er studirte in Halle und kam, als sein
Vater Gustav Adolf Wisliceniis (1803 —
75), der wegen Betheiligung an der Bur-
schenschaft 1824 zu 12 Jahren Festung
verurtheilt worden war, von denen er fünf
absitzen musste, in dem Jahre 1853 zwei-
jähriger Haft wegen seiner Broschüre
..Die Bibel im Lichte der Bildimg unserer
Zeit" durch die Flucht sich entzog, nach
Amerika. Als der ältere Wislicenus. der
in Iloboken eine Schule gegründet hatte,
im Jahre 1856 nach Europa, und zwar der
Schweiz, zurückkehrte, begleitete ihn .sein
Sohn. Er lehrte an dem Polytechnischen
Institut in Zürich und später an den Uni-
vei"sitäten Würzburg und Leipzig. Er
starb im Jahre 1002.
Deutscher Einfluss auf die Entwickelung der
amerikanischen Medizin und Chirurgie.
Von Dr. med. JOHN C. HEMMETER. Dr. phil. Dr. L. L., Professor der Physiologie
an der Universitaet von Maryland, Baltimore.
In einer Nation, in welcher die ange-
wandten und industriellen Fähigkeiten der
Rasse solch' ein eretaunliches Entwicke-
lungsstadium erreicht haben, wie in den
Vereinigten Staaten, liegt die grosse Ge-
fahr vor, dass man die Thatsaehe aus dem
Auge verliert, dass Handel, Industrie und
das Geschäft im Allgemeinen nicht in sich
selbst abgeschlossene Dinge sind, sondern
dass sie von der intellektuellen und kultu-
rellen Entwickelung der Rasse abhängen.
Wenn wir in den Irrthum verfallen, in-
dustrielle und kommerzielle Entwickelung
als die höchsten zu erstrebenden Ziele
anzusehen, dann verfallen wir in den
zweiten Irrthum, den hauptsächliclisten
Zweck des menschlichen Lebens in dem
unablässigem Ringen nach materiellem
Erwerb zu suchen. Der göttliche jMeister
und die grössten Lehrer der ^Menschheit
haben zu allen Zeiten und unter allen Na-
tionen uns die Hinfälligkeit dieser Idee
dargethan. Erwerb ist das Ziel, das ein-
zige Streben des erhabenen Ich 's. Es ist
ein individueller und egoistischer Zug. Bis
zu einem gewissen Grade mag dieser Zug
unter den Verhältnissen, unter denen un-
sere Rasse gegenwärtig lebt, nothwendig
sein. Wenn man mich fragen würde, wo-
rin der wichtigste Einfluss der deutschen
gebildeten Klassen auf die Entwickelung
der grossen amerikanischen Nation bestand,
würde ich antworten, dass es das Aufrecht-
erhalten hoher Ideale der ^NForal war, und
dass ^Moral Selbstkontrolle, Selbstüberwin-
dung und die Unterordnung individueller
und persönlicher Neigungen unter die
Mächte bedeutet, welche die Hebung der
Rasse als Ganzes anstreben.
Es ist eine unentschiedene Frage, ob die
Geschichte den ^Mann macht, oder ob der
Mann, d. h. die mächtige Persönlichkeit, die
Geschichte macht. Auf dieselbe Weise
könnten wir fragen, ob unsere deutsch-
amerikanischen Bürger die amerikanische
Geschichte gemacht oder zu ihr beigetragen
haben, oder ob die amerikanische Geschichte
die schlunnnernden. männlichen Eigen-
schaften der Deutschen, welche sich in
diesem Lande angesiedelt haben, erweckte.
Bei Beantwortung dieser Frage wird
wahrscheinlich keine strenge, feste Grenze
gezogen werden können, denn die Deut-
schen haben Geschichte, und die Geschichte
hat Deutsche in diesem Lande gemacht.
Dies ist besonders wahr, wenn wir von dem
Einfluss der Deutschen und Deutsch-Ame-
rikaner auf die Entwickelung der amerika-
nischen Medizin und Chirurgie sprechen.
Denn selbst in der Wksenschaft, speziell in
der ^Medizin, hat sich bisher eine gefähr-
liche Neigung der amerikanischen Aerzte
geltend gemacht, sich zu sehr an die ange-
wandte ^Medizin anzulehnen. Es sind dies
die Phasen der Wissenschaft, welche mehr
Aussichten auf eine sofortige Beloh-
nung gewähren. A])er der Deutsche ist d<'r
Vorkämpfer des IdealisnuLS in seinem
wahi-sten und edelsten Sinne. Andere
Rassen mögen sich selbst im Interesse d<'r
Wissenschaft, der Kunst, der :\Ioral oder
des allgemeinen Fortschritts erschöpfen,
aber sie nuichen diese Anstrengungen und
suchen diese Kenntnisse, um Nutzen aus
ihnen zu zielu-n. Sie .suchen die Kunst, da-
mit sie gefalle, die IMoral. damit sie den
Komfoi-t der Menschlichkeit herbeiführe;
und sie suchen die Wissenschaft, damit sie
324
DKUTSCHEK EINFLUSS AUF MEDIZIN UND CHIRURGIE.
ir«;i'iul ein praktisclii's Kecultat einl)rinirt.
alxT ilcr wirklich «irbildctc Di-utsdu' stn'l)t
nach (lern Sdiüncn. dem Ciutcn und
Walircn um seiner seihst wilh'ii; niclit.
weil es nüt/lieh. sondern weil es ethisch
und dauernd werthvoll ist: nicht, weil es
Very:nüiren macht, .snndei-n. wi-il ilie PHieht
jedem int«'llijrenten menschliehen "Wesen
gebietet, mitzuwirken an dem Aufbau einer
Welt von bh'ibendem Werthel AVerthe im
ethi.schen. intellektuellen und subjektiven
Siinie. Das war tier Erfoljz der Ai-beit der
Deutsehen auf medi/.ini.schem (iebiete in
unsen-m Lande. Wann innner ein wissen-
schaftlich trebildeter deutscher ]\Ianu
an (h'r Lösun«; eines J'roblems bez. der
men.sehliehen Ka.s.se theil^enommen hat,
wurdt' die EntdeckunjJT jremaeht, da.ss intel-
lektuelle Kultur einen in die Augen sprin-
genden Hi-folg auf die Bethätigung ameri-
kanischen Lebens hervorgebracht hat. Das
ist ein gro.sser Segen für das amerikanische
Volk, uuil es nmss bitter lieklagt werden,
dass die Einwanderung dieser hochge-
bildeten und freiheitliebenden Klasse von
Deutschen, die zwischen 1848 und 1870 in
unser Land kamen, sich so stark vermindert
hat. aber doch gewährt Deutschland noch
eine Quelle starker Intellekte, moralischer
wie intellektueller Leuchten. In diesem
Sinne ist Deut.schland eine Missionärin der
Wissenschaft und Kultur!
Wähi-end des Kevolutionskrieges war der
deutsche Arzt und Chirurg mit seinen an
den berühmtesten Tniversitäten Deut.sch-
lands gewonnenen wi.ssenschaftlichen
Kenntnissen von den Amerikanern sehr ge-
sucht. Hierzu kam die ludürliche Neigung
der Aerzte, freiheitlich gesinnt zu sein,
denn wer .sollte die unanfechtbaren Rechte
der Mensehen bes.ser ver-stchen, als der
Aiv.t. der sich das schwierige Studium des
Körpers und der Seele als Brotei-wei-b er-
koren hat.'
Nachdem der Kevolution.skrieg zu Ende
und die "Wunden des Kampfes geheilt wa-
ren, wurden diese AFänner noch nüt/lichei-,
nicht nui- um Leiden zu mildern und Krank-
heiten zu bekämpfen, .sondern durch ihren
erzieherischen Eintiuss nnd bei der Grün-
dung von Hildungsanstalten. Wie weitrei-
chend der Eintlass der deut.sch-amerikani-
.schen Aerzte in dei- früheren (Je.schichte
unseres Landes war. hier zu schildern,
würde über den Kahmen dieser kurzen Ab-
handlung weit hinausgehen. Dieser Artikel
müsste sich dann auch in eine Beschreibung
von Einzelheiten einlassen — die trockenste
CJeschichte, die man sieh denken kann. Ich
möchte hier nur einen I'mri.ss der Haupt-
personen und der Resultate geben. Dabei
würde es aber weder recht noch prakti"<ch
sein, wollte ich nicht die Namen einiger
dieser grossen deutsch-amerikanischen Pio-
niere der ]\Iedizin und Chirurgie erwähnen.
Oiebt es doch unter ihnen ^Männer, welche
sogar noch in unserer Zeit als Leuchten der
Wi.ssenschaft und medizinischen Tüchtig-
keit gelten und in den besten Anstalten
der medizinischen AVissenschaft und des
Fortschritts leben und wirken.
Unter den Aerzten im Staate New York
war Dr. David Hosak, Herausgeber des
er.sten medizinischen Journals in den Ver.
Staaten. Er war in New York 1769 von
deutschen Eltern geboren, studirte in
Princeton, Philadelphia und Europa, wurde
Profes.sor der Hebanimekunst am neu ge-
gründeten "College of Physicians and Sur-
geons" in New York. Er starl) im Jahre
1835. I^nzählige tapfere Wohlthäter der
^Menschheit deutscher Abkunft waren thä-
tig im Staate New York, und einige, welche
den Grund zu wissenschaftlicher .\rbeit
und zur Hebung der Ileilkunst gelegt
haben, leben noch heute, wie z. B. Lange,
C. Hcrtcr, S. J. Meltzer und A. Jacobi.
In Schenectady im Staate New York
wurde vor einigen Jahren ein IVfonument
für den hervorragenden deutsch-amerika-
nischen Arzt von Spltz(r (die Amerikaner
nennen ihn de Spitzer) errichtet. Mein
Freund Professor Frei. "Wilkens, früher
DEUTSCHER EIXFLUSS AUF MEDIZIN UND CHIRURGIE.
325
am „Union College" zu Sehenectady,
jetzt an der Columbia Universität, New
York, tlu'ilt mir mit, dass von Spitzer Ge-
neral-Stab.sarzt bei den Kolonial- und den
Revolutionstruppen des Staates New York
gewesen ist. Die Stadt New York hat eine
berühmte deutsch-medizinische Gesellschaft,
mit über 300 [Mitgliedern und Dr. //. J.
Bohlt als Präsidenten, der die ..Deutsche
^Medizinische ]\Ionats.schrift" da.selbst her-
ausgiebt. Der grosse Chirurg und Anatom
Kaspar Wister, berühmt in der medizini-
schen Geschichte Philadelphias, war deut-
scher Abkunft. 1761 daselbst geboren. Pro-
fessor der Anatomie imd Chirurgie an der
Pennsylvania Universität, Verfasser des
berühmten Werl« ,.A System of Anatomy"
und war bis zu seinem, im Jahre 1818 er-
folgten Tode Präsident der "American
Philosophical Society" als Nachfolger
Thomas Jcfferson's. Die meisten hervor-
ragenden Aerzte in Philadelphia sind heut
entweder Deutsche oder von deutscher Ab-
kunft.
Das hervorragende chirurgische Genie
Nicholas Senn, Professor der Chirurgie
an der Universität von Chicago. Autor von
zahlreichen. epochemachenden Werken
und speziellen Arbeiten über Chirurgie,
wurde in Buchs in der Schweiz im
Jahre 1844 geboren, kam 1853 nach
Amerika, studirte ]\Iedicin in Chicago imd
München, wurde 1888 Professor der Chi-
rurgie und machte als General-Arzt des 6.
Korps den Krieg mit Spanien mit. -/.
Loeh, der angesehene Professor der Phy-
siologie an der Universität von California,
Forseher in Phvsiologie und Verfa.sser von
"Werken von fundamentaler Wichtigkeit,
war bei Bonn am Rhein geboren, und zwar
im Jahre 1859. Er studirte in Berlin,
München und Strassburg, wurde 1891 als
Hilfs-Professor der Biologie an das Bryn
Mawr College berufen und kam. nachdem
er auch in Chicago thätig gewesen war,
1902 an der Universität von Califoraien.
In den Neu-England-Staaten, besonders in
Boston, war die deutsche Bevölkerung
innncr klein, woraus es sich auch erklärt,
dass in den Annalen der Bastoner medizi-
nischen Bibliothek kein Record über deut-
sche Aerzte gefunden werden kann.
Der eintlussreichste deutsche Arzt,
welcher für den Fortschritt der Medizin im
Staate [Maryland während des 18. Jahr-
hunderts thätig war, war Dr. C F. Wicscn-
thal ; er wurde 1726 in Preussen geboren
und Hess sich 1755 in Baltimore nieder. E.s
wird von seinen Verwandten behauptet,
da.ss er Leibarzt von Friedrich dem Gros-
sen war, das i.st jedoch geschichtlich nicht
festzustellen. 1776 wurde er zum Arzt
im Range eines [\Iajors im 1. [Maryland Ba-
taillon unter General Smallwood ernannt.
Erwiesen ist. da.ss er die erste medizini.sehe
Schule in Baltimore, welche sich an der
Ost Fayette Str.. zwischen Gay und Frede-
rick Stra.sse, befand, gründete. Diese
Schule hörte zu bestehen auf. als die medi-
zinische Abtheilung an der Universität von
[Maryland gegründet wiu'de. Wiesenthal?
Einfluss behauptete einen hohen Platz, so-
wohl des durch ihn gegebenen Beispiels
wegen, als infolge seiner Rechtlichkeit.
Er war der angesehenste deutsche Arzt
in [Maryland im 18. Jahrhundert. Er
veröffentlichte niemals etwas, doch sind
einige Berichte über Fälle vorhanden,
welche Zeugniss ablegen, dass er ein ge-
schickter Chirurg war. Er wurde in
schwierigen Fällen während der Revo-
lution von französischen Aerzten häufig
konsultirt. — Sein Sohn Andrew genoss
seine Ausbildung im St. Thomas-Hospital,
London, 1786—1789, und war ein bekannter
Lehrer der Anatomie; auch hatte er einen
Ruf als Chirurg. Er führte seines Vaters
anatomische Schule bis zu seinem frühzei-
tigen Tode im Jahre 1798 weiter. Er war
der Entdecker des ..Syngamus Trachialis"
— ein Parasit, welcher die „Vermiceous
Tracheo bronchitis" bei dem Geflügel ver-
ursacht. Das Avar die erste Entdeckung
des Parasiten einer ansteckenden Krank-
326
DEUT«C1JEK KIM'LL'.SÖ AUF MKDIZIN VSD C'HIRURCJIE.
heit in Ainorika. Sein Artikel, datirt
1797, welcher iiacli seinem Tode im Lon-
doner niediziniseli-j)hysikaliselu'n flournal
1799 erschien, war seine einzi«re Veröftent-
lichnng. — Dr. Carl Friedrich AVicsen-
thal war ein eifri«:t'r Lutheraner, und die
erste lutherische Kirche, welche in Balti-
more gebaut wurde, dankt ihren Bestand
zumeist der Liberalität und Enerjjfie dieses
Arztes. Dr. Wiesenthal war auch Phisi-
dcnt Ulli! Aiv.f (Ici- Deutschen Gesellschaft
von Baltimore in 1784.
Dr. Conrad Sniall war ein her\'orragen-
der lU'utscher Arzt im letzten Theile des 18.
Jahrhunderts, er war auch Quarantaine-
Arzt in Baltimore.
Drei von den Gründern der medizinisch-
chirurfrischen Fakultät von jMaryland
waren Deutsche : Jacob Schnively, Peter
"Waltz von Washington County und JoJni
Tlurmas Schaaf von Annapolis und später
von Georgetown. Schaaf war der hei-vor-
ragondste von ihnen; geboren in Frederick
County in 1752 von deutsehen Eltern,
praktizirte er in Annapolis. Er war der
erste Schatzmeister der medizinisch-chirur-
gischen Fakultät 17t>9 — 1801 und resig-
nirte in 1801, war ^Mitglied vom Governors
Council 1798 — 1800, Verwaltungsrath vom
„St. Johns-College", Annapolis 1802, sie-
delte nach Georgetown über, war einer der
Gründer der medizinischen Gesellschaft
vom Distrikt Columbia in 1819 und Vize-
präsident vom Columbia-Institut. Er prak-
tizirte viele Jahre in Georgetown und starb
dort am 3. :\Iai 1819. Er wurde auf dem
Kongrcss-Friedhof in Wa.shington beer-
digt; seine Grab.schrift trägt die Inschrift
„Alumnius Edinburgh", doch erscheint
sein Name nicht unter den Graduirten die-
ser Universität. Dr. Samuel Baker von der
Univei-sität von Maryland und Gründer der
medizinisch - chirurgischen Fakultät von
Maryland, war der Sohn eines Deutschen.
Eine Anzahl von deutschen Namen er-
scheint in den Annalen unter den Präsi-
denten der medizinisch-chirurgischen Fa-
kultät von Maryland. Da sind z. B. M. S.
und Jakob Bär, C. IL Ohr, W. M. Kemp,
Miltenberger, G. II. Kohe, und unter den
vier Präsidenten, Ritchie, Diifenderfer,
Humrickhause und Neuhauser; Lange und
Dr. Schweinitz sind unter den Ehrenmit-
gliedern genannt. — Da sind viele deutsche
Namen unter den 2400 Eingetragenen in
der Biographie der medizinisch-chirurgi-
schen F"akultät von Maryland, wie A. B.
Arnold, Ileldman, Iloffman, L. H. Steiner,
Simon. Stenecke, Dunkel, Uhler, Swope,
(Schwab?) Bencke, Wiss, Zeller, Zollick-
hoffer. Salzer, Reuling, Pape, Laub, Klüber,
John Morris (Moritz). Keerl (hessischer
Chirurg, gefangen bei Trenton), Uhl (Chi-
rurg w^ihrend der Revolution), Frick,
(Georg und Charles) Hitt, Morris Wiener,
Hintze, Gleitsman, Erich, Ealer, Cob-
lenz (?), Brune (?), Böi-stler (?), Bantz,
Morawetz, Fred. Reinhard, Mathieu, Gom-
bel, Schapiro, Seidner, Aaron Friedenwald
und seine Söhne Julius Friedenwald, Harry
Friedenwald, Gichner, Sebald und ein Heer
von anderen. Die Deutschen beanspruchen
Geo. Frick als einen geborenen Deutschen,
aber er wurde in Baltimore geboren. Es
ist erstaunlich zu sehen, wde viele Chirurgen
Avährend der Revolution Mitglieder der
medizinisch-chirurgischen Fakultät waren.
Dr. W. C. Kloman. ein Deutscher, geboren
in Eschwege, Hessen, diente als Chirurg
während des Bürgerkrieges und praktizirt
noch heute in Baltimore. Dieser gelehrte
Arzt ist ein ausgezeichneter Linguist ; seine
prächtige Uebersetzung von „Rindfleisch 's
Pathologie" gibt Zeugniss von seiner
gründlichen klassischen Bildung; er diente
in Mahon's Brigade (General Anderson 's
Corps) im 6. Virginia Regiment der konfö-
derirten Armee.
Sir Henry Sumner, ]\Iaine. sagte in Be-
zug auf die Griechen : ,, Einem kleinen ij
Volke war es gegeben, die Anfänge des i]
Fortschrittes zu schaffen, das waren die
Griechen : mit Ausnahme der blinden
Kräfte der Natur, bewegt sich nichts in
DEUTSCHER EINFLUSS AUF MEDIZIN UND CHIRURGIE.
327
dieser Welt, das nicht «ri'ieehischen Ur-
sprung hat." Diese Behauptung, wie alle
allgemein oratorischen Ausdrücke, muss
„cum grano salis" genommen werden. Da
sind viele Sachen in dieser Welt zu unserer
Zeit, welche sich bewegen, und nicht grie-
chischen l'rsprungs sind. Alle die prakti-
schen Anwendungen von Dampf, Licht,
Wärme und Elektrizität, welche so unmess-
bar den Zustand der jMenschheit im 20.
Jahrhundert verbessert haben, sind keines-
wegs griechischen Ursprungs. Der moderne
Fortschritt in der ^Medizin und Chirurgie
ist fast ganz deutschen Ursprungs. Ich
will durchaus nicht die Leistungen des
Pasteur-Institutes in Paris oder des In-
stitutes für experimentale ^Medizin in
St. Petei-sburg, oder die verdienstli-
chen Forschungen unseres eigenen Landes
übersehen, aber die Arbeiten dieser For-
schungs-Laboratorien sind nur kleine
Bruchstücke im modernen medizinischen
Fortschritt. Sogar in jenen Fällen, wo
von einem Forscher einer anderen Nationa-
lität ein wichtiger neuer Beitrag gebracht
wird, zeigt es sich, dass oft seine Schuliuig
und Erziehung von Deutschland her-
rührt. Jedermann, der dort lange genug
gelebt hat. um in das Leben der deutschen
Rasse einzudringen, hat Vertrauen zu der
Zukunft Deutschlands, des Landes der
wissenschaftlichen AYiedergeburt, welches
für viele Amerikaner ein zweites Vaterland
geworden ist ! — Besonders bewahrheitet das
sich l)ei ^Medizinern. AYo immer wir eine
grosse Anzahl von Deutschen in einer
amerikanischen Stadt finden, da finden wir
auch zahlreiche Aerzte und Chirurgen ent-
weder deutsch von Geburt, deutscher Ab-
st^mnnuig oder von deutscher Erziehung.
Die Stadt New York hat 325,000 geborene
Deutsche, und wenn wir andere hinzufügen,
deren beiderseitige Eltern Deut.sche waren,
kann man die grosse Zahl mehr als verdop-
peln. Thatsächlich sind ein Fünftel dieser
grassen Metropole, welche S^-j ^Millionen
Einwohner zählt, entweder geborene Deut-
sche, oder sie hatten deutsch geborene
Eltern. In Baltimore giebt es 125,000
Deutsche; in Cincinnati ist ein Drittel der
Bevölkerung deutsch, oder 107,000 sind
deutscher Abstammung. In Chicago ist es
ein Fünftel, oder um genau zu sein,
362,000 von einer totalen Bevölkerung von
1,700,000 sind Deutsche im obigen Sinne.
Ein Drittel der Bevölkerung von St. Louis
und die Hälfte der Bevölkerung von Mil-
waukee sind Deutsche. So wie wir dem
deutschen Volke verpflichtet sind für des-
sen charakteri.sti.sche Gewissenhaftigkeit, so
sind wir ihm auch für dessen Ehrlichkeit,
guten Glauben, Aufrichtigkeit, Ernsthaftig-
keit, seinen Geist der Wahrheit und
Treue im Ausdruck in Sachen der Wissen-
schaft verpflichtet, und das amerikanische
Volk schuldet ihm Dankbarkeit, nicht nur
weil es die ersten Pioniere der ^Medizin und
Chirurgie uns gegeben, sondern in der
Folge Inspiration zum gründlichen me-
dizinischen Studium geliefert hat, welches
ununterbrochen seit der Gründung unserer
grossen Nation gepflegt wurde.
Vor allem Andern müssen wir bedenken,
da.ss, um den richtigen AVerth der Ver-
dienste der deutsch-amerikanischen Aerzte
zu würdigen, wir nicht allein mit einer kri-
tischen Betrachtung der medizinisch-chirur-
gischen Thätigkeit allein uns begnügen
sollen, sondern es ist unsere Pflicht, auch
den Einfluss auf allgemeine Erziehung in
Betracht zu ziehen, denn in einem neuorga-
nisirten Lande sind gewöhnlich Aerzte die
er.sten ^Männer der Bildung und Kutlur,
und sie sind es, welche die Anfänge der all-
gemeinen Kultur mit sich bringen.
Im Anschluss au die trefflichen Ausfüh-
rungen des Herrn Verfassers des vorstehen-
den Aufsatzes möge hier, gewi.ssermassen
als bescheidener Beitrag zur Vervollständi-
gung des Obigen, ein Rückblick in eine
gleichfalls zum Theil nicht mehr lebende
Generation gestattet sein, in eine Genera-
328
DEl'TSCHKR KINFLUSS AUF MKDIZIX UND CHIRURGIE.
tioii voll herülimten deutsohon Vorkämpfern
für Fortschritt. Freiheit und Friede, die
ein .stattliche.s Kontin«:ent von deutsehen
Aer/ten ireliefcrt liat. die nicht nur zur Aus-
übun«: ihrer Kunst luid AVis.senschaft hier-
herkamen, sondern im Lande der Freiheit
auch eine alliremeine kulturelle ^Mission er-
füllt haben. Hiniire dieser braven :\Iänner
seien hier kurz, skizzirt :
Der Vater der Homöopathie Amerikas,
Kohstantiu IIiri)i(/. wurde am 1. Januar
1800 in Oschatz. Sachsen, geboren und stu-
dirte ^^edizin. Er war ein enthu.siastischer
Forscher, weswegen ihn seine Regierung
schou 1826 nach Südamerika sandte, um
das Pflanzen- und Thierreieh wissenschaft-
lich /u erforschen. Secks Jahre später
löste er .sein Verhältniss zur Regierung, zu-
mal ihm der Auftrag geworden war. ein
Buch gegen die eben aufgekonnuene ITo-
ni(>opathie, speziell gegen Ilahnemann's
Werke, zu .schreiben. Saulus wurde zum
Pajilus. Hering ein begeisterter Anhänger
Hahnemann 'scher Lehren. Tu Paramaribo
wurde Hering mit Dr. Bute, einem Arzt
und ^lissionär. bekannt, der ihn veran-
las.ste. 1832 nach Philadelphia zu reiseji.
Dorthin verpflanzte er auch die Lehre
Hahnemann's. die schliesslich viele Anhän-
ger fand. Er starb da.selbst am 23. Juli
1880 in hohem Alter, geachtet und hoch-
geehrt.
Wtlhchu WcsscJhöft studirte in Jena
^ledizin. nuisste aber nach der Schweiz und
später nach Amerika flüchten, lebte bis
1840 in Penn.sylvanien als liomöopathiseher
Arzt und lehrte als Professor an dem
homöopathischen College in Allentown. das
er zusanunen mit Hering 1836 gegründet
hatte, das aber wegen ^langels an ^litteln
einging; dann ging er nach Boston, wo er
als Arzt hoehbetagt starb.
Boberf Wcssrlhöft kcmnte erst nach 15-
jähriger Freiheitsstrafe Amerika 's ga.stlich
Gestade erreichen. Er folgte dann seinem
Bruder "Wilhelm nach Boston und begrün-
dete von dort aus die in den Ver. Staaten
zu grosser Berühmtheit gelangte Wasser-
heil-Anstalt zu Brattleboro, Vermont, nach
deren Vorbild viele andere ähnliche Heil-
anstalten in allen Staaten der Union be-
gründet worden .sind.
Eduard Florenz Rivinus, Spross einer
angesehenen deutschen (Jelehrten-Familie,
wurde am 1. Januar 1802 in Düben in der
])reussischen Provinz Sachsen geboren. Er
studirti- in Leipzig ^Medizin, kam seiner
liberalen (iesinnung wegen mit den Behör-
den in Konflikt, musste seine Studien al)-
brechen und machte auf einer Fu.ssreise
durch Norddeutschland, Dänenuirk und
p]ngland botanische Forschungen. Er
schrieb ein 182-4 in Leipzig erschienenes
Buch über England und kam im Sonuner
1825 nach Amerika, wo er in Philadelphia
im Jahre 1830 seine medizinischen Studien
beendete. Während der Cholera-Epidemie
1832 wirkte er an dem auf .seine Anregung
hin gegründeten Cholera-Hospital mit
grö.sster Aufopferung. Er verheirathete
sich mit Elizabeth Caldwell, der Tochter
des Bundes-Geriehts-Aktuars David Cald-
well. Eine seiner Töchter ist die Gattin
des Philadelphia 'er Advokaten H. S.
Cai*sou. Besonders verdient machte sich
Rivinus durch die Herausgabe einer in
Ticipzig erschienenen Zeitschrift über Ame-
rika. „Atlantis", in welcher er zuverlässige
Nachrichten belehrenden Inhalts über seine
neue Heimath veröffentlichte. Es sind nur
drei Bände der ,, Atlantis" erschienen, da
die sächsi.sche Regierung sie unterdrückte.
Im Jahre 1837 wurde Rivinus Kon.sul in
Dresden, ein Amt, das er zwei Jahre lang
bekleidete. Er unterstützte den Enkel Ben-
.iamin Franklin 's, Alexander Dallas Bache,
bei der Organisirung des „Girard College"
in Philadelphia. Er praktizirte später in
Wa.shington und West-Chester, Pa., über-
setzte Tiedemann's „Psychologie" und
Baron Sarcy's ..^Militärische Chirurgie",
widmete sich seit 1856 in Germantown ganz
wissen.schaftlichen Studien, namentlich der
Botanik, und .starb am 14. Februar 1873
DEUTSCHKR KrXFI>rss Al'F MKT)i::i\ rXD ciriHlKc;!
32"J
in dem südfranzösist-hen Badeort Ilyeres,
wohin er sieh seiner angeorrift'enen (iesund-
lieit \ve;/en bey:eben hatte. Priec liat ei-
klärt, es wären nur Wenige so tief in den
Geist der englischen Sprache eingedrungen
wie Rivinus.
h'arl Aloys Lützcnbnrg wurde am 5. Juli
1805 in Verona geboren, jedoch im Elsass
erzogen. Im Jahre 1819 wanderte er mit
seinem Vater aus und studirte in Amerika
^Medizin, besonders Chirurgie. Iin Jahre
1829 wurde er als Wundarzt in New
Orleans angestellt. ALs v^>r vom gelben Fie-
ber ergriffen wurde, heilte er sich selbst er-
folgreich durch Blutentziehuiig, eine von
ihm selbst erdachte ^Methode. Später un-
ternahm er eine mehrjähri-je Studienreise
nach allen europäischen Hauptstädten und
ihren Hospitälern. Nach New Orleans zu-
i'ückgekehrt, wurde er zum Dekan des ]Me-
dieal College erwählt. Er gründete ein
Spital, das seinen Xamen erhielt. Er starb
leider schon 1848 an Herzkrankheit.
Im Jahre 1822 wurde in Würzburg,
Bayern, Eduard G. F. Derech geboren,
welcher seine Studien auf der Universität
München beendete und dann von seiner
Regierung mit einer Sendung nach Wien
beauftragt wurde. Im Herbst 1849 führte
er eine Anzahl Auswanderer iiach Ame-
rika. Hier liess er sich in ^Icnroe, i\Iich.,
als Arzt nieder, wo er eine lohnende Praxis
fand, sich aber auch eifrig an dei-
Politik betheiligte. Er gab mehrere Jahre
lang ein republikanisches Blatt heraus und
trug viel zur Erwählung von Abraham Lin-
coln bei, zu dessen Elektoren er gehörte.
Ein Achtundvierziger ist der aus Sulz-
burg in Baden am 19. Nov. 1825 gebürtige,
in Detroit ansässige Arzt Hermann Kiefer.
Er hatte an den Universitäten Freiburg.
Heidelberg, Prag und Wien ^Medizin stu-
dirt. Zur Auswanderung gezwungen, lie.ss
er sich im Oktober 1849 als Arzt in Detroit
nieder. Er war bis zum Jahre 1902 Pro-
fessor der Medizin an der Universität I\Ii-
chigan. Am politischen Leben nahm er
lebluifteii Antheil. Von 1883 — 88 war er
Ver. Staaten Konsul in Stettin. Was Dr.
Kiefer ülsAizt ganz besonders auszeichnete,
war seine Hilfsbereitschaft armen Patien-
ten gegenüber, für welciie er mit der
liebenden Sorgfalt und Opferwilligkeit
eines Vaters sorgte. Als ei- sieli viui der
Praxis zui'üekzog, zeigte es sich erst, welche
grosse Verehrung er genoss. Er war als
Arzt im vollen Siinu' des Wortes ein Wohl-
thätei" dei' ^lenschheit gewesen.
PROF. DR. G. E. E. WEBER, Ckveland, O.
Nachdem er vor mehreren Jahren am
Abend einer Ehrung, die ihm. dem glän-
zenden Chirurgen und Förderer und Be-
reicherer der ärztlichen Wissensdiaft, dii-
Aerzte des Staates Ohio erwiesen, das
Opfer eines Sehlaganfalls geworden, ver-
bringt Dr. (hisiav K. E. Wdxr seinen
Lebensabend in Zurückgezogenheit auf
seinem stillen Landsitze in Willoughby l>ei
Cleveland. Er wurde als Sohn des Uni-
versitätsprofessors Weber, der sieh als
Chirurg und Verfasser hervorragender
medizinischer Werke einen Namen gemacht
330
DKUTötllEK hllNFLUö« AlF MEDIZIN UND CHIRURGIE.
hatte, am 2t). Mai 182S in Bonn am Rli«'iii
jfeboren, absolvirtc das dortige Gymna.sium
und bezog dann, mn Medizin zu studiren.
die Universität sein« r Vaterstadt, ein Stu-
dienpenosse v(m Carl Schurz, der damals
den Kechtsstndien oblajr. Die Aufre<;unf;
d«'s Kfvolutinnsjalires liess den feurifren
.Iün«rlintr nicht rulien ; es trieb ihn mit
Macht in die Welt hinaus, und er wan-
derte 1840 nach Amerika aus. wo er sich
zunäehst in der Nähe von 8t. Louis nie-
derliess. tun sieh der Landwirthsehaft zu
\vi(bnen. Doeh bald trieb ihn der Drantr.
seinen Wis.sens.schatz zu erweitern, nach
Kurn|»ii zurück, wo er in Wien. Paris und
Amsterdam seine medizinischen Studien
zum Abschluss braehte. Im Jahre 1853
kehrte er nach Amerika zurück, wo er
.sieh zunäehst mit seinem in New York
wnhnhaften Bruder, ebenfalls einem Arzte,
a.s.soeiirte. Nach dessen Tode übernahm er
die Praxis allein, die derart an Ausdeh-
nung frewann. dass er sie wegen Ueberar-
beitung temporär aufgeben musste. Als er
auf einer Krholungsreisc Cleveland be-
rührte, wohin sein Ruf als Arzt und
Chirurg schon gedrungen war. wurde er
veranlasst, dort bleibenden Sitz zu nehmen.
Er «-rhielt eine Profes.sur am ..Cleveland
Medieal College^', die er von 1856 bis 1863
inne hatte. Nach dem Ausbruch des Bür-
gerkrieges ernainite der damalige Gouver-
neur Tod ihn zum Generalarzte der ]Miliz
des Staates Ohio, in welcher Eigenschaft
er auf den Schlachtfeldern so Hervorra-
gendes leistete, dass ihm der Kriegsmi-
nister Stanton in einem eigenhändigen
Seil reiben seinen Dank für seine glänzen-
den Verdienste aussprach. Aber der Feld-
dienst hatte die Ge.sundheit Dr. Weber 's
derart untergraben, dass er den Dienst
quitt iren mus.ste. So kehrte er nach Cle-
veland zurück und nahm seine Praxis
wieder auf. Von nah und fem kamen
Patienten herbei, um sich von diesem be-
deutenden Chirurgen behandeln zu lassen.
Das veranla.sste ihn zur Gründung de.s
„Charity Hospital Medieal College", dem
er .seine Dienste unentgeltlich widmete;
später wurde dieses College mit der
..Wooster Cniversity" verschmolzen. Als
Oj)erateur genoss Dr. Weber einen benei-
denswerthen Ruf, der sich über das ganze
I>and erstreckte. ]\Iit sicherer Hand und
geübtem Auge verband er eine Ruhe und
Kaltblütigkeit, die die ärztliche Welt ge-
radezu in Erstaunen versetzte. Dr. W^eber
hat auch zwei wichtige Erfindungen ge-
macht. Die erste ist eine neue Methode,
bei Operationen die Aterien zu schliessen
und Verblutung zu verhüten, wodurch das
Eindringen fremder Substanzen in 's Blut
verhindert wird, was leicht Blutvergiftung
zur Folge haben könnte. Die zweite Er-
findung ist eine iMethode zur Entfernung
von Geschwülsten, Tumors, aus der Speise-
röhre. Im Juli 1897 wurde Dr. Weber
vom Präsidenten ^McKinley zum Konsul in
Nürnberg ernannt, und mehrere Jahre be-
kleidete er diesen Posten zu hoher Ehre
seines Adoptivvaterlandes. Bei all seinen
Verdiensten zeichnete sich Dr. Weber, eine
Zierde seines Standes und seines deutschen
Stammes, stets durch Bescheidenheit und
Anspruchslosigkeit aus. Wie viele Arme
gedenken stets dankbar des edlen, hilf-
reichen ]\Iannes, der ihnen im entgeltlich
seinen Beistand hat angedeiheu lassen.
Ahraliam Jacohi. der Xe.stor der deut-
sehen Aerzte in Amerika, erblickte am 6.
]\Iai 1830 in Hartum, We.stphalen, das Licht
der Welt. Er besuchte von 1842 bis zum
]März 1847 da.s Gymnasium in ^Minden, stu-
dirte in Greifswald, Göttingen und Bonn
^Medizin und wurde im ]März 1851 an der
letztgenannten Laiiversität zum Doktor pro-
movirt. In den Communisteu-Prozess ver-
wickelt, sa.ss er von 1851 bis zum November
1852 als „Hochverräther" in den Zucht-
häusern von Berlin \uid Köln in Untereu-
chungshaft. Nach Beendigung dieses Pro-
zesses wurde er wegen ]\Iajestätsbeleidigung
zu Gefängnisshaft venirtheilt und sa.ss bis
zum Sommer 1853 in den Gefängni.ssen von
DEUTSCHER E1NFLU88 AUF M EDI /IN l'ND dl 1 KT Ix'(;lE.
331
Minden und Bielefeld. Nach Ablauf seiner
Strafzeit */m^ er nach Eny:land und von
dort im Herbst 1853 nach New York, wo er
sieh als praktischer Arzt niederliess. Im
Jahre 1860 wurde er Professor der Kinder-
krankheiten am New York ]\Iedical College,
und 1869 am New York College of Phy-
sicians and Surgeons. Dabei war er auch
Arzt am Deutsehen Hospital, am ]\Iount
Sinai- und am Kinderhospital (Infant
Hospital) in New York.
Unter der Masse von litei'arischeu Arbei-
ten Dr. Jacobi's sind ausser zahlreichen
Beiträgen zu verschiedenen medizinischen
Zeitschriften namentlich zu nennen die in
Gemeinschaft mit E. Noeggerath heraus-
gegebenen „Contributions to ]\Iidwifery,
and Diseases of Women and Children, with
a Report on the Progress of Obstetrics, and
Uterine and Infantile Pathology in 1858"
(New York 1859) ; „Dentition and its De-
rangements" (New York 1862) ; ..The Rai-
sing and Education of Abandoned Children
in Enrope, with Statistics and General Re-
marks on that Subject" (New York 1870).
Von 1868—1871 war Dr. Jacobi Mitheraus-
geber des American Journal of Obstetrics,
and Diseases of Women and Children.
Von grösseren Werken Dr. Jacobi's,
welche meist auch in 's Deutsehe übersetzt
wurden, sind zu nennen : , .Infant Hygi-
ene"; „Diphtheria"; „Therapeutics of
Infancy and Childhood"; ..Infant Diet";
„Intestinal Diseases" etc. Auf dem Ge-
biete der Kinderheilkunde hat Dr. Jacobi
sich einen Weltruf erworben.
Die Staats-Universität von ^Michigan
(Ann Arbor) ehrte den hochverdienten Ge-
lehrten und Arzt 1898 durch Verleihung
des Titels L. L. D. (Doktor beider Rechte),
und die T^niversität Columbia (New York)
ernannte ihn zAvei Jahre später zum Doctor
utrius(iue juris honoris causa. Seit 1902
ist er Professor emeritus des New York
College of Physicians and Surgeons.
Prof. Dr. Jacobi bekleidete im Laufe der
Jahre zahlreiche hohe Ehrenämter; so z. B.
war er PrJLsident der New York State Medi-
cal Society (1882); Präsident d.'r X. V.
Acadcmy of Medicine (1885— '89) ; Ver-
sitzender der amerikanischen Kommi.ssion
auf dem 14. Internationalen Aerzte-Kon-
gress in JMadrid. im Jahre 1903.
Trotz seiner mehr als 78 Jahre versieht
Prof. Dr. Jacobi noeh inuner eine ausge-
dehnte Privatpraxis. Mit dem vei-storbe-
DK. JOSEPH SPIEGELHALTER. 5i. Loui». Mo..
geslorben am 7. Juni 1909.
\un Call Schurz verl)aii(l ihn eine iiuiige
Freund.seliaft.
Dr. Joseph SpiccjclIiaUa; der Senior der
deutschen Aerzte von St. Louis, .starb am
7. Juni 190!) im Alter von 75 Jahren. Es
dürfte schwer fallen, in St. Louis eine Per-
.sönlichkeit zu finden, die sich grö.s.serer
Achtung erfreute, als Dr. Spiegelhalter. Er
332
DEUTSCHKIJ KINFIJSS ACF MKDIZIN l'-\I> < H I HlKMil 10.
war «'iiKT iliT (iründci- des ..Ai-inii des
AVestens", dos „Lirdcrkranz". und dfs
..rnion Clul)" und <:i'hörU' ein lialbes Jahr-
hund.rt dem „St. Loui.s Turnverein" an,
in dem «-r wiederholt da.s Amt des cnsten
Spreehei-s bekleidete. Ferner war tr Mit-
jrlied de.s ..Frank V. Ul.iir Po.sten.s". der
..Loyal L«'«rion" uiul der ..Soeiety of tlif
Army of tlie Tenne.s.see*'. und war Sehatz-
iin'ister des Franz Si^'el Denkmal-Vereins;
nu.s.st rdem «rehörte er einem halben Dutzend
ärztlieher tnid .son.stijrer wis.sensehaftlieher
Vereine an. .foseph Spieirellialtei- war 1S.'34:
in Oberndorf. ^VürttelnberJr. jreboren und
kam 1S,')4 nach Amerika. Nachdem ir im
Osten ein paar Jahre in einer Apotheke
frearl)eitet. wandte er sieh naeh Sit. Louis
und .studirte hier Medizin. (Jerade als er
.seine Studien beendet hatte, brach der Bür-
«rerkrieir aus. und er trat unter (ieneral
Peter Ostcrhaus. einem intimen Freunde,
in die rnions-Armee. Xach dem Kriege,
den er bis zum Sehluss mitmachte, wurde
er zum städtischen .\rzt ernannt und be-
kämpfte als .solcher auf's AVirksamste die
CholtM-a-Epidemie des Jahres 1866. Seine
damali«ri' Thätigkeit trutr ilun zweimal hin-
tereinandei- die Erwählung zum Coroner
ein. Dann studirte er drei Jahre an deut-
sehen rniversitäteii. und nachdem er zu-
rückgekehrt wai-. wurde er ^litglied des
Ocsundheitsrathes. dem er elf Jahre lang
angehörte. Ri.s wenige Wochen vor seinem
Tode versall ei- noch leirelmässig seine rie-
sige Praxis, bis ihn ein Augenleiden zwang,
das ITaus zu hüten.
lanac Adler, der Profe.s.sor der klinischen
Pathologie an der New Yorker Polyclinie
School. wurd«' in Alzey. Deutschland, am
6. April 1849 geboren, kam mit den Seinen
1857 nadi Amerika. Er studirte iledizin
an der Columbia Cniversität in New York,
sowie in Heidelberg. Wien. Prag und Ber-
lin. Er promovirte 1871 in Heidelberg.
Er ist besuchender Arzt und Pathologe des
Deutschen Hospitals in New Yoik.
Der in Erfurt. Deutschland, am 11.
Februar 1S65 geborene Arzt und Ortho-
päde Erust Hermann Arnold war im Jahre
188-4 nach Amerika gekommen. Er wurde
in INIilwaukce zum Turnlehrer ausgebildet,
bestand an der Yale l'niversität in New
llaven. Conn., 1894 sein medizinisches
Doktor-Examen, .studii'te ein Jahr lang an
den rniversitäten Halle und Leipzig luid
wurde Lehrer der orthopädischen Chirur-
gie an der Yale rnivcrsität. Ausserdem ist
er Leiter der Xcw llaven Normal School
of (iynnia-stics und Hilfsredakteur von
„]\lind and Body". Er hat mehrere Werke
verfa.«.st. so „Elementary Apparatus
Works". „^lanual of School Cyinnastii-s"
und ..(lymna-stic Games".
Als Befürworter von Bädern bei der Ge-
.sundheitsptiege und Krankenbehandlung,
sowie als Gegner der übermässigen Anwen-
dung von Arzneien hat sich Dr. Simon
BarucJi. Professor der Wa.sserheilkunde an
der New Yorker Po.st - Graduate School
einen Namen gemacht. Ei- wurde am 29.
Juli 1840 in Schwersenz in der preussi-
schen Provinz Posen geboren, besuchte das
königliche Gynuiasium in Posen, kam nach
Amerika und absolvirte das ..^ledical Col-
lege of Virginia" 1862. Er war :\Iilitär-
Arzt in General Lee 's Armee und wurde
auf den Schlachtfeldern von South Moun-
tain. :\ld.. und Gettysburg, Pa , gefangen
genommen, als er Vi'rwundeten ärztliche
Hilfe brachte. Nach dem Kriege prakti-
zirte er als Arzt in Camden, S. C, und
siedelte 1881 naeh New York über, wo er
als Spezialist für chronische Krankheiten
sich bald einen Namen machte. Er dia-
gno.stizirte den ei-sten Fall perforirender
Appendicitis. der erfolgreich operirt wurde,
und zwar 1889. Seine beiden Werke ..Uses
of Water in Modern Medicine" und „The
Prineiples and Practiee of Hydrotherapy"
sind auch in Deutschland in deutscher
Sprache verlegt worden.
An der Washington Universität in St.
Louis lehrt der im Jahre 1837 in Clausthal
DKUTSCHER EINFLUSS AUF MEDIZIN UND CHIRURGIE.
333
geborene Prof. und Dr. Med. Gustav Bohiii-
gartdi, der seit dem 1. Januar 1850 in Ame-
rika ansiissig ist und Assistenz-Arzt in der
Ver. St. Flotte war, seit 187o Physiologie
und seit 1887 ^Medizin.
Als Chinii-y zeiclnict sit'h aus der am 4.
April 18r)() in Xeckar«iemünd, Deutsehland,
geboi-ene und nach Ahsulvinnig seiner me-
dizinisehen Studien an den Universitäten
Heidelberg, Berlin und Jeiui im .lahre 1882
nach den Vereinigten Staaten gekonnnene
Dr. Carl Beck, der als Professor der Chi-
rurgie an der New York Pbst-(Jraduate
Sehool wirkt, .sowie am St. ^lark's und am
Deutsehen Hospital thätig ist. Er ist Prä-
sident des Vereins alter deutscher Studen-
ten in Amerika, sowie Mitglied gelehrter
Gesellschaften. Er verfasste „Manual on
Surgieal Asei)sis'". „Text Book on Frac-
turts", ,,Die Röntgenstrahlen im Dienst
der Chirurgie". „Roentgen-Ray Diagnosis
and Therapy", ..Röntgenehirurgie". „Prin-
ciples of Surgieal Pathologie".
Sanitäts-IiLspektor der Bundes-^NIarine
ist der am 28. Oktober 1850 in Saehsen ge-
borene Heinrich Gustav Beyer. Er bestand
im Jahre 1876 sein medizinisches Doktor-
Examen am ]\Iedieal College des Bellevue
Hospitals in New York und trat in das
Sanitäts-Korps der Marine ein. Seit 1904
ist er Profes.s()r der Hygiene an der Naval
Medical Schoi)l in Washington und hält
Vorlesungen über Kriegsschiff-Hygiene an
der ^larine-Kriegssehnle in Newport, R. I.
Er wohnt in Washington.
Als Gynäkologe geniesst ein vorzügliches
Renomme der am 24. Juni 1856 in Berlin
geborene Dr. Hermann J. Bohlt. Er prak-
tizirt seit 1879 in New York und ist seit
1891 Spezialist für Frauenkrankheiten. Er
hat verschiedene Apparate und Instru-
mente, sowie einen Operations-Tisch für
Unterleibs-Chirnrgie erfunden, der in der
Pariser Weltansstellung 1900 eine Medaille
erhielt. Er ist Professor der Gynäkologie
an der New Yorker Post-Graduate Sehool,
Arzt in verschiedenen Hospitälern und
Präsident der Deutsehen Medizinischen
( Jesellschaft von New York.
Einer der Mitl)egründer der deutschen
Polyklinik in New York und Aiv.t an ver-
schiedenen Hospitälern der Stadt ist der
am 15. Juli 1840 in Sclilüchtern, im preuss.
Kegierungsbezirk Ka.ssel, geborene Dr.
Carl Eduard Dcnhard, der im Jahre 1874
au der Universität der Stadt New York
sein medizinisches Doktor-Examen bestaiul.
Er ist Mitglied einer Anzahl fachwisseii-
sehaftlicher (Jesellschaften.
In Oe.sterreich am 12. November 1864
geboren wurde der bekannte New Yorker
Kinder-Arzt Dr. Louis Fischer, der in New
York und Berlin seine wi.ssenschaftliche
Aus])ildnng erhalten hatte. Er i.st unter
Anderem besuchender Arzt der Kinder-
Abtheilung des Deutschen Hospitals in
New York. Er hat zahlreiche Beiträge
zur Behandlung der Diphtheritis, der Kin-
derkrankheiten und Kinder-Ernährung ge-
sehrieben. Sein bekanntestes Werk ist
„Infant Feeding in Health and Disease".
Professor der orthopädischen Chirurgie
an der l'niversität Cincinnati ist der von
deutschen Eltern in Cincinnati am 17.
August 1868 geborene, an den Univei-sitäten
seiner Ileimathstadt, sowie in Würzburg,
Strassburg, Berlin und Wien gebildete Dr.
Albert H. Freiberg. Er ist Verfa.sser meh-
rerer fachwissensehaftlicher Abhandlun-
gen.
Spezialist für Hantkrankheiten und Pro-
fessor an der „New York Sehool of Clinical
Medieine" ist der in Berlin am 5. April
1859 geborene Dr. WiUuhn Samuel Gott-
heil. Seinen wissenschaftlichen Ruf be-
gründet haben folgende Werke: „Illustra-
ted Skin Disea.ses". „^Manual of General
Ilistology" und „Syphilis".
Zum Hilfs-General-Arzt in der Ver. St.
Armee gebracht hat es der aus Oesterreieh
stannnende und am 4. Dezember 1828 ge-
geborene Dr. Anton Heger. Er trat im
Jahre 1856 in das Sanitäts-Otlizier-Korps
der Ver. St. Armee und erhielt am 13. ^lärz
3;u
DELTSCHKR KIXFLL'S« AUF MEDIZIN UND CHIRURGIE.
1865 für triMU' und verdienstvolle Dienste
während dts Krieges den Rang eines
Oberst-Lientenants. Am '2.\. April 1904
wnrde er zum Range eines Hrigade-Ciene-
rals heftirdert und pensionirt. Dr. Heger
starb in Washington am L'4. Januar li)ü8.
Prof. Dr. Jii/in ('. Hininnhr wurde am
2'). April 1S»).S in Baltimore. Md., geboren.
Kl- war der Sohn des in 1850 aiLs Bayern
inieh Amerika eingewanderten Johann
Ilemmeter. weleher viele Jahre lang Gene-
ral TaNsa gier- Agent der ..Baltiniore-Ohio-
Bahn"' für Kinwandci-i'i- \vai- und /.u den
ProJ. Dr. JOHN C. HEMME.TER.
^litbegründern und Direktoren des „Allge-
meinen Deutschen Waisenhauses" und der
„Allgemeinen Deutsehen (Jrei.senheimath"
gehörte. Er besuehte das königl. (Jymna-
sium zu Wiesbaden. In ISS-J: erhielt er auf
der Universität Maiyland den Grad als
Doktor der Medizin und in 1890 erhielt er
von der Johns Hopkins Fnivei-sität den
Titel als Doktor der Philo.sophie. Dann
nahm er unter Du Bois Reymond einen
Nachkursus in Physiologit« an der I'niver-
sität zu Berlin und in Chemie im Fresenius-
Laboratoriinn in Wiesbaden dureh. Seine
Praxis als Arzt begann Dr. Ilemmeter 1884
als Oberarzt des Bayview-Asyls bei Balti-
more. Den Bemühungen Dr. Hemmeter's
war es zu verdanken, dass genügend Mittel
aufgebracht wurden, das klinische Labora-
torium des Hospitals der Maryländer Uni-
versität aaszurilsten. Er ist Professor der
Physiologie und klinischer Professor der
Medizin in der ^laryländer Univei*sität seit
1908. Dr. Hemmeter's klinische experi-
mentellen Forschungen auf dem Gebiete
der Krankheiten der Verdauungsorgane
haben seineu Namen in der ganzen medizi-
nischen Welt vortheilhaft bekannt ge-
macht; seine zahlreichen Abhandlungen
über dieselben sind in amerikanischen,
französischen und deutschen Journalen er-
schienen. Er hat viele werthvolle Werke
veröffentlicht, die bekanntesten darunter
sind : „Die organischen Erkrankungen des
Magens", 1897; „Magenleiden". 820
Seiten Octav, 1. Ausgabe 1898, 4. Ausgabe
1905; „Krankheiten des Darmes", 2
Bände, 1901. Im Juni 1905 wurde ihm von
der Fakultät des St. Johns College in An-
napolis der Titel eines Ehreu-Doktors der
Rechte verliehen und ein lebensgrosses
Gemälde von ihm selbst, welches der Künst-
ler Herr Louis Dietrich gemalt hat. wurde
Prof. Dr. Hemmeter von seinen Kollegen
und früheren Schülern überreicht. Ein
grasses und werthvolles Werk über physio-
logische Anatomie wurde ihm von Dr. Erd-
man H. Brand von New York gewidmet.
Viele seiner Schüler sind bedeutende
Lehrer an anderen T^niversitäten geworden.
Als homoeopathiseher Arzt hat sich der
am 5. September 1811 in Solingen geborene
Karl Julius Ilrmprl einen Namen von
nationaler Bedeutung gemacht. Er studirte
in Paris und sjniter, nach seiner Ueber-
siedlung nach Amerika im Jahre 1835, an
der New York University. Im Jahre 1857
wurde Dr. Hempel Professor der Arznei-
mittellehre am Hahnemann INIedical College
in Philadelphia. Später praktizirte er
in Grand Rapids, ]\Iich., wo er im Jahre
1879 starb. Er war auch als Schriftsteller
DEUTSCHER EIXFLUSS AUF MEDIZIN UND ('lirRTROIE.
335
bedeutend. Schon als Student in Paris
war er bei der Herausgabe von Miehelet's
„History de la France" behilflich. Er
übersetzte Ilahnemann's ..Chronische
Krankheiten" imd Jahn 's ,. Geisteskrank-
heiten". Besonders hervorragend ist sein
„System of ^lateria Medica and Therapeu-
tics". ,,The Science of Honioeopathy " und
„Christendoni and Civilization".
Als Augenarzt und Professor der Oph-
thalmologie an der Chicagoer Polyclinic
und am Rush ^ledical College daselbst hat
sich ausgezeichnet Dr. Carl Ferdinand
Hotz, geboren am 12. Juli 1843 in Wert-
heim in Baden. Er studirte in Jena und
Heidelberg. An letzterer Universität pro-
movirte er in 1865. Nachdem er in der
süddeutschen Armee den Krieg zwischen
Preussen und Oesterreich 1866 mitgemacht
und weitere Studien für sein Spezialfach,
Augen- und Ohrenheilkimde, an den Uni-
versitäten Berlin. Wien, Paris und London
gemacht hatte, kam er im Jahre 1869 nach
den Vereinigten Staaten und liess sich in
Chicago nieder. Seit Jahren ist er Direk-
tor der Oeffentlichen Bibliothek in Chicago.
Am 9. Oktober 1869 wurde in Suhl,
preuss. Regierungsbezirk Erfurt, der Pro-
fessor der Magen- und Unterleibs-Krank-
heiten an der Post-Graduate Medical
School des Districts Columbia in Wa.sh-
ington, D. C, Dr. Franz August Richard
Jung geboren ; er machte an der Univer-
sität Leipzig sein medizinisches Staats-
Examen. Der Zar verlieh ihm den Sta-
nislaus-Orden.
Grosse Verdienste um die Bekämpfung
der Schwindsucht hat sich als ^Mitglied
des Direktoriums und der Exekutive der
„National A.ssociation for Study and Pre-
vention of Tuberculosis" Dr. Arnold Carl
Klvhs in Chicago erworben. Er war am
17. März 1870 in Bern in der Schweiz ge-
boren, studirte Minlizin an den Uiiiversi-
täten Zürich. Berlin, Kiel, Würzburg.
Bern und Basel, bestand 1898 daselbst das
StaatsExamen, promovirte 18!>4 in Hasel,
war A.ssistent der Polyklinic in Basel und
des Pathologischen Instituts in Zürich,
hielt sieh Studien halber in London und
Paris auf und liess sich 1897 in Ciiicago
nieder, wo er sich bald einen XanM-n zu
machen wusste. Er hat mehrere A})hand-
lungen verfasst, die sich auf Bekämpfung
der Schwindsucht beziehen.
Als Augenarzt und Professor der Oph-
thalmologie an der Columbia Universität in
New York hat sich der am 17. ]\Iärz 1832
in Dauborn, Preussen, geborene und an den
Universitäten Giessen, London und Paris
gebildete Dr. Hermann Knapp einen Namen
gemacht. Er war Professor in lI(Mdelberg
von 1864 — 68, siedelte dann nach New York
über, gründete das „New York Ophthal-
mie and Aural In.stitute" und richtete
die Archive für Augen- und Ohren-Heil-
kunde ein. Er lehrte zuerst an der Univer-
sität New York und dann bis 1902 an der
Columbia Universität.
Einen Weltruf als Spezialist für Tuber-
kulose hat sieh Dr. S. Adolf Knopf in Xew
York erworben, dessen berühmtes Werk
..Die Tuberkulose als Volks-Krankheit luid
deren Bekämpfung" von der Konunission
des Tuberkulose-Kongress vom Jahre 1900
publizirt imd in fünfzehn Sprachen ühci--
setzt wurde. Die englische Uebersctzuug
wui-de von dem Verfasser selbst besorgt.
Dr. Knopf wurde am 27. November 1857
in Halle an der Saale geboren, promovirte
1890 an der Sorbonne in Paris, nachdem er
zwei Jahre vorher das Bellcvue ^Medical
College in New York absolvirt hatte. Er
ist besuchender Arzt mehrerer Lungenheil-
anstalten in New York und Umgegend.
Direktor der ,, National A.ssociation for the
Study and Prevention of Tuberculosis",
Laureat der ^Medizinischen Akademi' iu
Paris und Eliren-Mitglied vieh'r medizini-
scher Gesellschaften. Kr liat zahlreiche
Beiträge zui- Bekämpfung dci- Schwind-
sucht und deren Behandlung in Anstalten
und in der Familie veröffentlicht.
336
DEUTSCHER EINFLUSS AUF MEDIZIN UND CHIRURGIE.
Als Arzt. iiu'ilizinisi-luT Schriftsti'llrr
uiul fa('h\vis.st'nschaftli('lu'r Lflircr liat sich
Dr. Adolf Köhhr in !*ittsl)ur^'. Pa.. ans-
pozoiclinct. (liT am 'Ml OktdluT IS"),') in
^Vi^^:i•s\\ vi. Kantdll licin in der Sclnvciz.
gi'hori'ii wnrdt'. Kv «'rliielt seine wissen-
schaftliehe AushiKlnnjr in den Vereinigten
StaatiMi, wo er seit 1879 praktizirt. \'oii
1885 bis ]})(>;} war er l'rofessor der Arznei-
mittel-Lehre am IMttshnrg College of Phar-
niaey. Er war mehrere Jahre lang Redak-
teur der ..l'ittshurg Medieal Review" und
s|>äter des ..Pennsylvania .Medical Jour-
nal". Als Arzt erfreut er sieh eines
gros.sen Wirkungskreises, der sieh auch auf
mehrere Hospitäler erstreckt.
Als Elektro-Therapeut. einer der ersten
E.xperimenteure mit X Strahlen in den
Vereinigten Staaten. Ertinder zahlreicher
Apparate und In.strumente. fachwis.sen-
sehaftlieher Sehriftsteller, Dichter und
Arzt hat sich der am 22. November 1871 in
Hannover geborene Dr. F. S. Rolle her-
vorgethaii. Er wohnt in Brooklyn, N. Y.
Mitarbeiter des ..Rockefeller Institute for
Medical Research". Präsident der ,, Society
for Biology and .Medicine" und der ,, Ame-
rican Gastro-Enterological Association",
konsultirender Arzt des Ilarlein Hospitals,
Mitglied vieler gelehrter Gesellschaften
und \'erfasser zahlreicher Abhandlungen
über Biologie. Physiologie und iMedizin i.st
der in Russland am 22. .Alärz 1851 gebo-
rene und in Königsberg in Preussen ge-
biltlete Dr. N. J. Mdtzer. VjV hat seinen
Wohnsitz in New York.
In Niederweningen bei Zürieh in der
Schweiz wurde im Jahre 186<i der jetzige
Direktor des patlialogisch-p.sychiatrischen
Instituts des New Yorker Staat.s-Hospitals
und Profes.sor der Psychiatrie an der niedi-
zini.sehen Fakultät der Cornell I'niversität
in Ithaca, X. Y.. Adolf Mrifrr, geboren. Er
hat in Paris. Edinburgh. Lond(»M. AVien und
Zürich .studirt und siedelte im Jahre 1892
nach den Vereinigten Staaten über, wo er
zunächst an der Chieagoer. dann an der
Clark rniversität in Worcester, ^Mass.,
lehrte. Seit 1902 betindet er sieh in Xew
York.
Professor dw speziellen Pathologie am
Ilahnemann Medical College in Philadel-
phia war lange Jahre der am 11. Mai 1820
in Sachsen geborene, in 1848 nach Ame-
rika gekommene Dr. ('. G. Haue. Er hat
sich auch als homoeopathischer Schrift-
.steller ausgezeichnet.
Von deutschen Poltern stanu-it der in Phi-
ladelphia am 5. Februar 1855 geborene, da-
selbst als Profe.s.sor der Physiologie wir-
kende Dr. tjdward T. Reichert, der in Phi-
ladelphia. Berlin, Leipzig und Genf .seine
Universitätsstudien absolvirt hat und zahl-
reiche medizinische und wissenschaftliche
Artikel verfasste.
Professor der Augen- und Ohrenheil-
kunde am Baltimore ]\Iedieal College i.st
seit 1886 der in Romrod, Hessen, am 11.
November 1839 geborene Dr. Gconj Rcu-
lh\(j. Er promovirte in Giessen im Jahre
1865, .studirte Augenheilkunde in Berlin
und Wien und später in Paris, war preus-
sischer Militär - Arzt im ö.sterreichischeu
Kriege 1866 und kam im Jahre 1868 nach
Baltimore. Er erfand mehrere Instrumente
für Augen- und Ohren-Chirurgie, schrieb
eine Reihe fachwissenschaftlicher Abhand-
lungen und ist JNIitglied der Ophthal mologi-
sehen Gesellschaft in Heidelberg und der
Amerikanischen Gesellschaft für Kehlkopf-
luid Ohrenheilkunde.
Professor der ^Medizin an der „Post
Graduate ]\Iedieal School " in New York ist
der am 4. November 1839 in Rulila, Thürin-
gen, geborene und an der Universität Jena
gebildete Dr. Achilles Rose. Er hat sich
aus.ser mit medizinischen Forschungen auch
mit solchen der griechischen Sprache seit
Konstantin dem Grossen beschäftigt.
Als einer der Uebersetzer von Ziems.sen's «I
..Handbuch der speziellen Pathologie und ij
Therapie" hat sich gro.s.se Verdien.ste um i|
die medizinische Wissenschaft in Amerika
erworben der am 11. September 1839 in
DEUTSCHER EINFLUSS AUF MEDIZIN UND CHIRURGIE.
387
Wien geborene Dr. Eduard Wilhelm
Schauffler, der seit 1869 in Kansas City
praktizirt. Er ist einer der Gründer des
Kansas City Medical College, an welchem
€r Professor der Prinzipien und Praxis der
Medizin ist. Er war 1859—60 Ililfs-Sekre-
tär der V. St. Gesandtschaft in Konstan-
tinopel und machte den Bürgerkrieg als
Lieutenant und Adjutant und später als
Captain im 127. N. J. Freiwilligen-Regi-
ment mit.
Als medizinischer Schriftsteller und Ver-
fasser mehrerer werthvoller Werke hat sich
■der in Pittsburg von deutschen Eltern ge-
borene und in Philadelphia seit 1893 an
■der Pennsylvania Universität als Professor
■der klinischen Medizin thätige Dr. Alfred
Stengel einen Namen gemacht.
E. Gustav Zinke, M. D., Moirde am 29.
Mai 1846 zu Spremberg geboren und trat,
für den Seemannsberuf bestimmt. 1862 in
•die Königl. Preussische Marine ein. Nach
acht Jahren quittirte er den Dienst, kam
nach Amerika und Hess sich in Cincinnati
nieder, wo er sich dem Studium der Me-
•dizin widmete. Seine Studien absolvirte er
1875 am Ohio Medical College, zu dessen
Lehrkörper er seit 1876 gehört. Zinkes
"Werdegang als Arzt ist der Werdegang des
Self-]\Iade IMan, das Resultat angestreng-
testen Fleisses, nie erlahmenden Pflichtge-
fühls und strengster Selbstdisziplin. Nach-
•dem er drei Jahre lang als Assistent in der
Augen- und Ohrenheilkunde gelehrt hatte,
trat er in jenen Zweig des medizinischen
Wissens über, in welchem er die grössten
Erfolge erringen und in gewissem Sinne
l)ahnbrechend wirken sollte : Frauenleiden
und Geburtshilfe. Nachdem er von 1879 bis
1888 als Assistent in diesen Fächern thätig
gewesen war, übernahm er den klinischen
Theil, wurde 1891 zum Hilfs-Professor und
1896 zum ordentlichen Professor der Ge-
burtshilfe und klinischen Frauenkrankhei-
ten ernannt. Neben seiner angestrengten
Lehrthätigkeit fand er Zeit zu schriftstelle-
rischen und humanitären Werken, fülirte
dabei viele schwierige Operationen aus. die
seinen Ruf w(Mt über die Grenzen der hei-
mathlichen Scholle trugen. Im Jahre 1888
begründete er die externe obstetrische
Klinik des Ohio Medical College, 1892 das
Ohio Maternity Hospital und seit 1888 steht
er als Präsident an der Spitze des ärztlichen
Stabes des Deutschen Evang. Prot. Diako-
nissen-Hospitals, dessen Gründung mit
seiner Initiative zu danken ist. Als Chirurg
hat Zinke in Cincinnati den ersten, für
Mutter und Kind erfolgreichen Kaiser-
schnitt und Schamfugenschnitt ausgeführt
(1893). Im Jahre 1900 entwickelte er vor
einem Aerzte-Kongress in Cleveland seine
Ansicht, dass der Kaiserschnitt für gewisse
Fälle von Placenta Praevia gerechtfertigt
sei. Nach zwei Jahren war seine Idee sieg-
haft durchgedrungen, die nun als richtig
auch von deutschen Autoritäten anerkannt
wird. Dr. Zinke gehört verschiedenen
medizinischen Gesellschaften des Landes
an und hat in denselben die höeiisten
Ehrenstellen bekleidet. Seine chirurgische
Thätigkeit umfasst mehrere tausend Opera-
tionen, die Zahl seiner Geburtsfälle geht
über 4000. Er lag in den ersten 16 Jahren
seiner Thätigkeit der allgemeinen Praxis
ob, hat sich alx^r seit 18 Jahren nur der
Geburtshilfe, Gynaekologie und Al)(l()iiiinal-
Chirurgie gewidmet. Viele seiner geh'hrten
Abhandlungen und Vorträge haben ihren
Weg in massgebende medizinische Lehr-
bücher gefunden. Das Ohio ^Medical Col-
lege, zu dessen Professoren er zählt, ist die
medizinische Abtheilung der Universität
Cincinnati. Ausser seiner Alma mater ver-
dankt Zinke sein AVissen und Können
eifrigen Studien, denen er an den medizini-
schen Ilochscliulen zu Paris. Wien, London,
Birmingham und New York obgelegen hat.
t'
X
"^^.M^
SCHILLER-DENKMAL IM ST. LOUIS PARK.
i^utarlj-Ammka uttö hit SCuttöt
Subaltfi-HrrErtrlnüBö.
..Drutfirb-Amrrtkauisrhr iHalrr. lilöhaitpr mtö Ktt[\\Ukttt\*
Van £u^iilf (Gronau.
„Sputßrlirr Etufluss auf öaa iHusikkbni Am^rikaa"
Bon (9. <^. &onnprk.
„Drutarhp Sirl^tkunat in hnx Hpretmgtpn ^taat^n"
Van H. C CpBrr.
„lliJn fBrarhlmijpl. Snttarh- Amerika a groraaler iSaUaöenötrl|tn"
Hon (6. &. Bierprk.
,.SfitlarI|-Amprtkaniarhp Sirhtungpn"
,.9aa önüarhr ühpattr tu Amerika"
Deutschamerikanische Maler, Bildhauer und Architekten.
Von RUDOLF GRONAU. New York.
Der erste deutsche Künstler, welcher
nach Nordamerika verschlagen wurde,
dürfte der im Jahre 1700 in Danzig gebo-
rene Maler Johann Valentin Haidt gewe-
sen sein. Er hatte in Rom, Florenz, Paris
und London studirt, war dann in Beziehun-
gen zu den Herrnhutern getreten und im
Jahre 1754 nach ihrer in Pennsyivanien ge-
gründeten Niederlassung Bethlehem ausge-
wandert. Dort schuf er bis zu seinem im
Jahre 1780 erfolgten Tode zahlreiche bibli-
sche Gemälde und Bildnisse, von denen
manche noch heute zu sehen sind. Ein ge-
schickter, besonders bei den Patriziern der
Stadt Philadelphia beliebter Portraitmaler
war auch der 1776 zu Lancaster, Pa., gebo-
rene Jacob Eichholtz. Im Jahre 1844 Hess
sich Präsident Van Buren von einem in
Düsseldorf ausgebildeten und in St. Louis
ansässigen Maler portraitiren, von Philipp
Gerke, einem Sohne des in ]\Iadison County,
111., ansässigen Dr. H. Ch. Gerke. dessen bei
Perthes erschienener ,, Nordamerikanischer
Rathgeber" viele werthvolle Aufklärung
über Land und Leute in Amerika giebt.
Philipp Gerke 's Portrait fand allgemeinen
Beifall. Er schuf auch einige geschicht-
liche Gemälde, starb aber schon im
Jahre 1848.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhun-
derts traten in den Vereinigten Staaten
drei in Deutschland geborene Künstler auf,
deren Namen in der Geschichte der amerika-
nischen Malerei stets Ehrenplätze behaup-
ten werden: Emanuel Lciitze, (geb. 1816
in Schwäbisch Hall) ; Karl Ferdinand
Weimer, (geb. 1829 in dem Dorf Röttchen
bei Bonn) und Albert Bierstadt, (geb. 1830
in Solingen).
Alle drei, von denen jeder nach einer an-
deren Richtung die amerikanische Kunst
beeinflussen sollte, kamen in frühester Ju-
gend nach den Vereinigten Staaten. Hier
empfingen sie auch die ersten Anregungen
und Anleitungen für ihren Beruf. Später
zogen sie nach der berühmten rheinischen
Malerstadt Düsseldorf, um ihre Ausbildung
zu vollenden.
Jahrelang dort verweilend und engen
Verkehr mit Schadow, Lessing, Achenbach
und anderen berühmten Künstlern unter-
haltend, entwickelten sich die drei Deutsch-
Amerikaner zu trefflichen Meistern, deren
Gemälde in Composition, Technik und Par-
bengebung zwar unverkennbar die dama-
lige Düsseldorfer Schule verraten, durch
die gewählten Motive aber sich von allen
anderen Bildern derselben unterscheiden.
Tief hatten in den Herzen der drei jungen
Künstler die mächtigen Eindrücke ihrer
Adoptivheimat Wurzel geschlagen. Ihre
Seelen waren durchtränkt mit der grossen
Vergangenheit der neuen Welt, ihr Geist
erfüllt mit den von wilder Romantik um-
kleideten Gestalten der Indianer und Wald-
läufer, der grossen Entdecker, Eroberer
und jener hochherzigen Helden, die wäh-
rend des Unabhängigkeitskampfes die Be-
wunderung der ganzen Älensehheit errun-
gen hatten. Und für alle diese verlocken-
den Figuren bildeten die jungfräulichen
Landschaften Ur-Amerikas den passenden
Hintergrund. Kann es überraschen, dfiss
die drei Künstler diese ihnen vorschweben-
den Gestalten und Landschaften mit Vor-
liebe auf die Leinwand zu bannen suchten?
Ertwnuel Leutze, der im Jahre 1841 nach
Düsseldorf pilgerte, fühlte sieh zunäclist
durch die hehre Figur des Weltentdeckera
Columbus mächtig angezogen. Sein erstes
in Europa geschaffenes (Jemälde zeigt den-
selben vor dem hohen Rat in Salamanca.
342
DEUTSCHAMERIKANISCHE MALER, BILDHAUER UND ARCHITEKTEN.
Es erregte so grosses Aufsehen, dass der
Kuastvercin das Bild sofort für seine
Saimnlung erwarb.
Noch inehrmals besehäftigte sich Lentze
mit dorn (Jrnuesen. Er stellte ihn dar im
(Jt'spräch mit seiner hohen (iünnerin, d^r
KöiiiL'in I.sabella: ferner seine Heimkehr
von der i'i-sten Entdeckungsreise, und auch
im Kerker, mit Ketten belastet. Das letzte
Bild trug Leutze in Brüssel eine goldene
Mt'dailh' ein und machte ihn in Amerika
Es zeigt uns das ^Morgengrauen eines
frostigen Wintertags. Durch eine wolken-
überhangene öde Landschaft wälzt der De-
laware seine mit Eisschollen bedeckten
Fluten. Auf roh gezinunerten Ruderbooten
arbeiten sich kräftige, den Stempel der
Entschlossenheit auf ihren Stirnen tra-
gende Gestalten durch die brodelnden Ge-
wässer. Tm vordersten Boot steht hochauf-
gerichtet der unvergleichliche ITeld des Be-
freiungskrieees, seinen klai'cn Blick in die
\X ASHINGTONS UEBERGANG UEBER DEN DELAWARE.-Gemaelde von Emanuel Leutze.
berühmt. Darauf folgte ein mächtig wir-
kendes Gemälde: Die ei-ste Landung der
Normannen in Amerika.
Leutze 's glänzendste Schaffenszeit fällt
in die Jahre 1845 bis 1858. Während die-
ser Periode ent.stand auch sein berühmtes
Gemälde ..Washingtons Tebergang über
den Delaware", ein Bild, das bis jetzt von
keinem anderen amerikani.schen Ilistorien-
gemälde an Grösse der Auffa.«sung erreicht,
geschweige denn übertroffen worden i.st.
Ferne sendend. Jede der zahlreichen, auf
diesem Riesenbild veranschaulichten Ge-
stalten atmet den tiefen Ernst jener Zeit,
von der Thomas Paine sagte: „These are
the times that try men's souls. "
Das herrliche Gemälde trug seinem Ur-
heber die grosse preiLssische ^Medaille für
Kunst und Wissenschaft ein. Während es
selb.st einen Ehrenplatz in der Gallerie des
New Yorker Kunstkenners Marshall 0.
Roberts erhielt, wanderten durch Stahl-
DEWPSCHIAMERIKANISCHE MALER. BILDHAUER UND ARCHrTHK'TEX.
343
stich und ,Steiij(drnek hergrest eilte Naehbil-
duDgen in vielen hunderttansenden Exeni-
plaiseji in alle Pflliiste land Hütten der Ver-
einicrten Staaten. Ueberall mit p:leieher Be-
geisterun^r aufirenoninien, wurde das Bild
im wahren Sinne des Worts zu einem Xa-
tionalirut des amerikani.sehen Volkes. Zu
Anfano; des 20. Jahrhunderts ginii' das (Jc-
mälde in den Besitz des ,,iIetropolitan Mu-
seum of Art" der Stadt New York über,
unter dessen Perlen es eine der köstlichsten
ist.
Die meisten späteren Arbeiten Leutze's
sind durch ihre Einverleibuna: in Privat-
gallerien^für das grosse Publikum so gut
wie verlören gegangen. Aber er schenkte
dem amerikanischen Volk noch eine glän-
zende Gabe, indem er im Auftrag der Bun-
desregierung im Kapitol zu Washington ein
gewaltiges AVandgemälde schuf, dem das
geflügelte Wort zu Grunde liegt : ..West-
ward the star of empire takes its way!"
Das Bild veranschaulicht einen Zug jener
kühnen Westfahrer, die um die ]\Iitte des
19. Jahrhunderts mit Axt und Spaten, mit
der Büchse und den zum Bergbau benötig-
ten Werkzeugen die Felsen gebirge über-
schritten, um an den Küsten des Grossen
Ozeans neue Staaten und Gemeinwesen zu
gründen. Jede einzelne Figur des mächti-
gen Gemäldes ist ein IMeisterwerk an
charakteristischer Auffassung und Zeich-
nung. Von fern her über die unermessli-
chen Steppen kommen in den mit allerlei
HaiLsgerät beladenen Planwagen die West-
fahrer gezogen. Entschlo.ssene, wolilbewaff-
nete, von Trappern geleitete ]\ränner ver-
leihen der Karawane den nötigen Schutz.
MüLsam ist der Zug durch die pfadlosen,
an Gefahren reichen Gebirge. Aber bald
ist der schwierige Uebergang vollendet,
denn schon haben einige der jungen Leute
die Höhe des Passes erklommen und lassen
ihre strahlenden Blicke über die in golde-
nem Sonnenglanz schwinunenden Gefilde
des AVestens schweifen, die den Freude-
trunkenen wie ein Land der VerheiKsuns:
erscheinen. ' • .
Unstreitig war P^manut'l Lrutze der be-
deutendste amerikanische Historienmaler
des 19. Jahrhunderts. Ein neuerer Kunst-
kritiker urteilt über Leutze im September-
heft 1879 des „Harper's -Magazine" folgen-
dermassen : ,,He was a man who was cast
in a large mould. capable of a grand
enthusiasm, thoroughly imbued with a
patriotic love for the land and its
history and the spirit of its institutions;
aspiring to grasp soaring Ideals. Althongh
his ai-t was often at fault, it makes us feel,
notwithstanding. that in contemplating his
works we are in the presence of a colo.ssaI
mind. He drew from wells of seemiiigly
inexhaustible inspiration. He was Byronic
in the impetus of his genius, the rugged,
incompleteneas of his style, the magnificent
fervor and rush of his fancy, the epic
grandeur and energy. dash and daring. of
his creations. To him we owe our best
hi.storical art previous to 1860."
Leutze starb am 17. Juli 1863 in Wash-
ington
Weit kürzer als seine Laufbahn war die-
jenige von Karl Ferdinand Weimer bemes-
sen. Die Eltern desselben hatten sich nach
ihrer im Frühjahr 1844 erfolgten Einwan-
derung in St. Louis niedergela.ssen. dem
damaligen Ausgangspunkt der gen Westen
ziehenden Handelskarawanen. Trapper und
Indianer gehörten damals in den Strassen
dieses Orts zu den alltäglichen Erscheinun-
gen. Ihr phantastischer Anblick entfachte
in dem für die wilde Romantik des Gren-
zerlebens empfänglichen Jüngling eine
schier unwiderstehliche Neigung, die nack-
ten Formen der Indianer, ihre maleriscluMi
Kostüme und eigenartigen Gebräuche in
Bildern festzuhalten. Alehrere Reisen, die
er als Dampfbootanstreicher auf dem Mis-
sissippi und Missouri zurücklegte, brachten
ihn mit den Rothäuten in nähere Berüh-
rung, befestigten aber auch seinen Ent-
schluss, ^laler zu werden und die bunte
S44
DEUTSCHAMERIKANISCHE MALER, BILDHAUER UND ARCHITEKTEN.
"Welt des ^Vestt'ns zu verewijjen. Dass ihm
die nötijxe künstlerische Ausbildung
niaii^le. einpfaiid er sehinerzlieh. Deshalb
wandte er sieh, als ein ^.düeklieher Zufall
ihm eine kh'ine Krbsehaft bescherte, nach
Dü.sseldorf, um unter der Leitung Leutze's,
der gerade damals Triumphe feierte, die
Mängel auszugleichen. In Düsseldorf schuf
Weimer einige .seiner besten Gemälde, da-
runter ,.Das gefangene Schlachtrass". Das
Kiuistwcrk zeigt das herrliche Reittier eines
im Kampf gefallenen amerikanischen Offi-
ziell, das unter heftigem AViderstreben von
den Mördern seines Herrn, einigen wildaiis-
sehenden Indianern, davongeführt wird.
Ein zweites Gemälde veranschaulicht
eine auf dem Kriegspfad befindliche india-
nische Streiftruppe, die am Rand eines
kleinen Bächleins rastet.
Als fertiger Künstler kehrte Weimer im
Jahre 1855 nach St. Louis zurück, um nun
alljährlich Reisen unter die am Mi.ssouri
hausenden Indianenstämme auszuführen
imd Studien zu sanuneln, die er im Winter
zu neuen Gemälden verwertete. Den Un-
tergang der roten Rasse vorau.ssehend,
stellte er sich die Aufgabe, ihre Typen,
Trachten und Sitten so getreu wie möglich
wiederzugeben und so der Nachwelt ein
Bild d<T rrbewohner Amerikas in ihrer
wilden Natürlichkeit zu überliefern.
Leider wurde der hoch.st rebende Kün.stler
inmitten dieser Arbeit im November 1863
vom Tode abberufen. f]r musste die Vollen-
dung seiner Aufgabe späteren ^Meistern,
einem Frederick Remington, Charles
Sehreyvogel und anderen Darstellern des
wildwe.stlichen Lebens überlassen, als deren
Vorläufer Weimer zu betrachten ist.
Die Poltern Alhert Bierstadt's hatten nach
ihrer Einwanderung sich in New Bedford,
Mass.. niedergelassen. Im Athenäum des
benachbarten Boston empfing der junge
Biei-stadt seine erste künstlerische Ausbil-
dung, die er später in Düsseldorf vollendete.
Aber er schlug in seinem Schaffen eine
andere Richtung ein, wie Leutze und Wei-
mer. Hatten diese die amerikanische Ge-
schichte, die bunte Menschenwelt des fernen
Westens als Domäne erkoren, so wandte
Bierstadt gleich nach seiner Rückkehr in
die Vereinigten Staaten sein ganzt« bedeu-
tendes Können darauf, die jungfräuliche
Schönheit und überwältigende IMajestät der
amerikanischen Landschaft, in.sbesondere
des fernen Westens, darzustellen. Das hatte
vor ihm kein Künstler versucht. Die erha-
benen Scenerien der Felsengebirge kannte
man nur aus den dürftigen, farl)lo.sen An-
deutungen, welche die rauhen, für die
Schönheiten der Natur kaum empfängli-
chen Kulturpioniere zu geben im stände
waren. Deshalb wirkten die herrlichen
Gemälde, die Bierstadt im Jahre 1863 als
Früchte einer mit dem General Lander
nach den Felsengebirgen unternommenen
Expedition ausstellte, auf die kun.stliebende
Welt geradezu als Offenbarungen. Sie
waren der Avirksamste Protest gegen die be-
sonders bei den Europäern fast zum Dogma
gewordene Annahme, dass Amerika ein
reiz- und poesieloses Land sei, wo kein
Vogel singe, keine Blume Wohlgeruch ent-
wickle und wo es keine Natursehönheiten
gebe.
Dem mächtigen Gemälde „Landers
Peak" liess Bierstadt zahlreiche andere
folgen, welche die wunderbaren Hochge-
birgsketten der Sierra Nevada, die erhabe-
nen Granitdome und FeLskathedralen, die
rauschenden Wasserfälle des Yosemite-
Thales, die Schneekuppen der ]\Iounts
Shasta und Hood, die Farben glorien eines
Sonnenuntergangs am goldenen Thore ver-
anschaulichten.
Ein Bild erregte grösseres Staunen als
das andere. Und bei jedem steigerte sich
die Bewunderung für den unerschrockenen
Künstler, der es wagte, in die damals noch
von tausenden Gefahren wimmelnden Wild-
nisse des fernen W^estens einzudringen, um
mit seinem Zauberpinsel ihre Wunder auf
die Leinwand zu bannen.
DEUTSCHAMERIKANISCHE MALER, BILDHAUER UND ARCHITEKTEN.
345
Bierstadt war kein Künstler, der sich
damit begnügte, die Natur einfach abzu-
schreiben und die Formen der Landschaf-
ten photographisch getreu zu copiren.
Gleich den grossen Düsseldorfer Meistern,
welche seine Lehrer und Genossen waren :
Schirmer, Lessing und Achenbach, bemühte
er sich, die Seele, die Stimmung der Land-
schaft zu erfassen und festzuhalten. Das
ist ihm in vielen seiner, in heroischem Stil
komponirten und wunderbar effektvollen
Bildern vortrefflich gelungen. Der , .Sturm
in den Felsengebirgen", die ,, Einfahrt in
die Bai von San Francisco," „Ein Abend
am ]\Iount Tacoma" und manche andere
Bilder gehören zu den bedeutendsten Wer-
ken der Landschaftsmalerei des 19. Jahr-
hunderts.
Man hat Bierstadt .,den Entdecker des
malerischen "Westens" genannt. jNIit vollem
Recht. War er doch der erste jener Künst-
ler, welche die erhabenen Scenerien des fer-
nen Westens der ^Menschheit in farbensprü-
heudeu Meisterwerken vorführten. Un-
zweifelhaft verdanken die hervorragendsten
dieser Interpreten : Thomas Moran, Tho-
mas Hill, Julian Rix u. a. sehr viel dem
mächtigen Einfluss, den Bierstadt durch
seine Schöpfungen auf die amerikanische
Landschaftsmalerei ausübte. Er starb am
19. Februar 1902 in New York.
Den aus dem Hannoverschen stammen-
den Theodor Kaufmann, einen „Achtund-
vierziger", hat man den „Historienmaler
des Bürgerkriegs" getauft. Sein grosses
Gemälde ,,Farragut" mit der Unterschrift:
„Damn the torpedoes, go ahead boys!"
wurde in vielen tausend Nachbildungen
verbreitet. Auch die beiden Gemälde „Lin-
colns Ermordung" und ,,Sherman am
Wachtfeuer" werden von Vielen zu den
besten künstlerischen Schöpfungen gezählt,
welche auf amerikanischem Boden ent-
standen seien. Er war im Jahre 1814 in
Uelzen, Provinz Lüneburg, geboren, war
1855 nach Amerika gekommen, hatte den
Bürgerkrieg mitgemacht und wohnte später
in Boston.
Auch zu den Künstlern der Neuzeit lie-
ferte das Deutschamerikanertum manche
treffliche Vertreter. Zum Beispiel den fein-
sinnigen Robert F. Blum (geb. 1857, gest.
1904) dessen „Japanische Zuckerwaaren-
händler", ein Meisterwerk an scharfer
Charakteristik und blendender Farbenge-
bung, zu den besten modernen Bildern des
Metropolitan Museum of Art in New York
gehört.
Ferner Arthur Thomas, der das Gerichts-
gebäude der Stadt South Bend, Indiana, die
Memorial Hall zu Columbus, Ohio, das Rat-
haus zu St. Louis, sowie die Wohnsitze zahl-
reicher amerikanischer Kunstfreunde mit
herrlichen Frasken zierte. LTnd weiter den
New Yorker Charles Schreyvogel, dessen
überaus lebendige Scenen aus dem westli-
chen Soldatenleben ihm rasch einen hochge-
achteten Namen machten. Er war 1861 am
4. Januar geboren, studirte in ^München
unter Franz Kirchbaeh und Carl ^Nlarr und
ist in Hoboken, N. J., ansässig.
Sein erstes bedeutendes Bild ,,ÄIy
Bunkie" zeigt einen seines Reittieres ver-
lustig gewordenen Kavalleristen, der von
einem rasch herbeisprengenden Kameraden
aufgenommen und aus dem Kampfgewühl
getragen wird. Ein zweites ebenso beweg-
tes Bild veranschaulicht den erbitterten
Kampf um ein mit Palisaden umgebenes
westliches Fort, dessen Besatzung bereits
auf ein kleines Häuflein zusanunenge-
sehmolzen ist. Schon beginnen die von allen
Seiten anstürmenden Rothäute die hölzerne
Umfassung zu ersteigen und versuchen, die
tapferen Verteidiger durch hereingesclileu-
derte Feuerbrände zu vertreiben.
Die Gemälde „IIow Cola". „The Dis-
patch Bearer", ,,Breaking through the
Circle" und viele andere erregten sowohl
durch die ausserordentliche Lebendigkeit
der Aktion, wie Sicherheit der Zeicluiung
und die Klarheit des Kolorits gleichfalls
gerechte Bewundenmg.
34«
1)EUT«(H.\MKKMKANLSCHE MALER, BILDHAUER UND ARCHITEKTEN.
Der iKTÜhmte Kariknturonzeiohiier Th/)-
mas Nast lieferte ineliren' (^el^^eniälde. von
welchen der ..Au.sniars«'h des 7. New Yorker
Re«rinients am 19. April ISfil" sowie „Lin-
colns Kinzuj; in Riehniond" die bekannte-
sten sind. Das »M-st':<'nannte. in AiitVas.siniir
und Farbeii'rt'liMn.'r vor/.ü<rliche Bild
s.'liniüekt die Waffenhalle des jrenannten
He^'inients. Kr war im Jahre 1840 in
Landau in Bayern jreboren. doch wander-
ten seine Eltern l>ereits im -lahre 1846
nach Amerika aus. Schon als Ujähriger
.Tun.ire fand er als Zeichner Besehäftijiung
für Frank L(>slie's Ulustrated Xewspaper.
Er war Schlachtenmaler im Kriesre (ia-
rii)aldi*s in Italien, kehrte dann nach
Amerika zurück und zeichnete Bilder aus
dem Bürjrerkriegre für ..Harper's Weekly".
Er starb am 7. Dezember 1002 in Guya-
(|uil. P^cuador. wohin er als amerikanischer
(leneral-Konsul gesandt worden war.
.\och ein anderer deutsch-amerikanischer
Karikatnrenzeichner hat sidi ciucii Weltruf
ci-wurbcu. Kr licfcit Beiträge ausser für
amerikanische, für deutsche (..Fliegende
Blätter"), französische und englische AVitz-
blätter und .Monatsschriften. Ks ist der in
Worms am Rhein am IS. Juni 1868 gebo-
rene Ilcnrij Mnifir. der im Jahi'e L'->S7 in
Cincinnati seinen wahren Beruf entdeckt
hatte. Kr wohnt in New York. Er hat
sieh auch als humoristischer Schriftsteller
mit Erfolg versucht, und seine ..Autobio-
grajihie eines Affen" und ..Phantasien in
,.na — IIa'' haben manch fröhliches Lachen
hervorgerufen, also ihren Zweck erfüllt.
Zu den Darstellern des kriegerischen
Lebens gehört der Deutsch-Pennsylvanier
Peicr Ixothfrmfl, dessen bedeutendstes Ge-
mälde die Schlacht bei Gcttysbiu'g veran-
schaulicht. Das.selbe befindet sich in der
Älemorial Hall im Fairmount l'ai-k in Phi-
ladelphia, seine ..Einschiffung Columbus"
in der Pennsylvania Academy daselbst.
deren Direktor er von 1847 bis 18");") war.
Von seinen Gemälden sind ferner zu nen-
nen : ..Columbus vor Königin Isal)ella"
und ..Die Christlichen Märtyrer". Roth-
ermel war in Nescopack. Pa.. \\\\ Jahre
1817 geboren. Er starb in der Nähe von
Pottstown. Pa.. im Jahre 1895. Seine
Technik lässt manches zu wünschen übrig,
wenn ihm auch ein gewisses Konipositions-
talent nicht abzusprechen ist.
Zu den Schöpfern hervorragender alle-
gorischer Darstellungen zählt der Hanno-
veraner Friedrich Diclmann, der seit 1899
den Ehrenpo.sten eines Präsidenten der
,, National Academy of Design" in New
York bekleidet. Er lieferte die Entwürfe
zu den IMosaikbildern ,, Geschichte und
Mythologie" in der Kongre.ssbibliothek zu
Washington und der Sparbank zu Albany,
N. Y. Ferner die Wandgemälde im (Je-
bäude des „Evening Star" in Wa.shington.
Er war im Jahre 1847 in Hannover gebo-
ren, kam früh nacli Amerika, war von 1866
— 72 Topograph und Zeichner im V. St.
Ingenieur - Departement, studirte dann
unter Wilhelm Diez in München und er-
öffnete im Jahre 1876 ein Studio in New
York.
In der Kongre.ssbibliothek finden wir fer-
ner ein bedeutendes Gemälde des früher in
St. Louis, jetzt in Wa.shington lebenden
Karl Gutherz. „Das Lieht der Civilisation".
Er war 1844 in der Schweiz geboren, kam
mit seinen Eltern 1851 nach Amerika,
wurde in Cincinnati erzogen, begann in
:Memphis, Tenn.. 1866 die Ausübung der
^Malerei, studirte in Paris, Brüs.sel und
Rom. kehrte 1872 nach ^leniphis zurück,
gründete die St. Louis School of Fine Arts,
lebte dann 12 Jahre in Paris, empfing Aus-
zeichnungen für Gemälde von der Philadel-
phia'er und der Pariser Weltausstellung,
kehrte nach den Ver. Staaten zurück, war
:\Iitglied der Kunst-Jury der St. Louis
Weltau-sstellung 1904 und siedelte dann
nach Washington über.
T^nter den deutsehamerikanischen Land-
schaftern erwarben sieh Gottfried Fran-
henstein. Wilhelm Sotnitag, Hermann
Füchsel und J. H. T wacht mann grossen
DEUTSCHAMERIKANISCHE MALER, BILDHATER UND AB<JHlTJiKTKN.
347
Ruf. Frankensteins Gemälde vom Niagara
Fall veranlassten durclrihre teehnis<?li,eiVol-
lendung sogar die Kunstkritiker Englands
zu begeisterten Lobpreisungen. ! i
]\Iihvaukee war der Wohnsitz des Rhein-
länders Heinrich Viandcn. Seine jMotive
entlehnte er mit Vorliebe den amerikaui-
sehen Wäldern, deren stille Feierlichkeit
untl herbstliehe Farbenpracht er mit gros-
sem Geschick wiederzugeben verstand.
Rudolf Gronau (geb. 1855 in Solingen)
wandte sich der künstlerischen Ausbeutung
des fernen Westens zu. Durch seine in der
..Gartenlaube", der ..Leipziger Illustrirten
Zeitung" sowie dem Prachtwerk ..Von
Wunderland zu Wunderland" veröffent-
lichten Zeichnungen nach der Natur wur-
dt'ii die grossartigen Landschaften des
Yellowstone National -Parks. der Bad
Lands, des Columbia, des Yoseniite Thals,
des Grand Canyons des Colorado u. s. w.
in Deutschland zuerst bekannt. Sein l)e-
deutend.stes Gemälde ..Ein Rencontre in
den Felsengebirgen" veranschaulicht den
Zusannnenstoss einer wandernden Indianer-
horde mit Goldsuchern, die inmitten einer
wildzerklüfteten Gebirg.slandschaft am
Green River campiren. Ein zweites Ge-
mälde trägt den Titel ..Sonnenuntergang
der roten Ra.sse". Es zeigl einen an den
Grabstätten seiner Vorfahren sitzenden
Sioux Lidianer, dessen Blicke von hohem
Hügel herab über ein vom Glanz der
Abendsonne übergossenes Flu.sstal schwei-
fen, durch welches eben ein Eisenbahnzug
— das Symbol der der roten Rasse den Un-
tergang bringenden Civilisation — dahin-
eilt.
Als Portrait- und Landschaftsmahn- und
Professor an der ..Yale School of Fine
Arts" wirkt der in Bremen am 25. Juni
1839 geborene Johann Hdnrich Niemeyer.
Er studirte in Pai is unter hervorragenden
Meistern. Er ist in New Haven, Conn..
ansässig.
Von den innerhalb der Vereinigten
Staaten lebenden deutschen Künstlern sind
ferner Richard PotUiAist, John Ehninger,
John Evers, li. Launitz, Edward Kuntze,
Alfred Kappes, B. F. Reinhardt, Alexander
Wüst, Albert Groll, Louis Kronberg, die
Porträtisten Johann Oerke, Emil Fuchs,
Adolf Müller l'ry, Paul Sclingtr, Karl L.
Brandt. W. J. Baer, Wdhelm Funk, die
Tiermaler Karl Rungius, E. H. Osthaus und
die Illustratoren Louis Loch (gestorben
12. Juli 1909). Max F. Klepper, Joseph
Legendecker, Erich Pape, F. Schell und
Blumenschein zu erwähnen.
Unter den ' im Auslande ■ Schaffenden
deutschamerikanischen ^lalern errangen
vor allen Tohy Rosenthal (geb. 1848 in New
Haven. Conn.) als Schöpfer zahlreicher
feinsinniger GenreV)ilder, sowie Carl Marr
igeb. 1858 inMilwnnkee) hochanircsehcn.'
Namen. ]Marr erhielt seine künstlerische
Erziehung in Deutschland und lebt seit
zwei Jahrzehnten als Profes.sor an dei-
Kunstakademie zu München. Seine hervor-
ragendste Schöpfung ist das im Besitz sei-
ner Vaterstadt ]\Iilwaukee befindliehe Ko-
lossalbild „Die Flagellanten". Es stellt
einen Zug jener von religiösem Wahnsinn
befallenen Sektirer da, die, sieh sell)st
den schwersten Kasteiungen unterwerfend,
zu den eigenartigsten Erscheinungen des
christlichen :\Iittelalters gehörten. Das
IMuseum der Stadt New York besitzt ein
„Ahasver" benanntes Bild, welches den in
die Betrachtung einer an den Strand ge-
spülten ]\rädchenleiche versunkenen „ewi-
gen Juden" darstellt.
Gemälde des im Jahre 18(i(") in Detroit
sreborenen Gari Mdch) rs zieren die Galle-
rien zu Dresden, ^München, Berlin. Paris
und Philadelphia. Obendivin trug dieser
Künstler die höchsten Auszeichnungen im
Pari.ser Salon und anderer Ausstellungen
davon. Seiner Hand entstannrt auch der
kür.stlerisehe Schnniek eine.s Saales der
Kongressbibliothek zu Washington. Für
das hohe Ansehen, welches (Jari Melchers
auch im Au.slande genie.s.st. spricht gewiss
die Tatsache, da.ss er im Jahre 190S zum
348
DKUTSCUAMKKIKANISCHE MALER, BILDHAUER UND ARCHITEKTEN.
Proft-ssor an der Akademio zu "Weimar er-
niiniit wurde.
Der im .Jahre IMl zu New York «geborene
Iienry Moslir sehuf viele küstliehe Genre-
bilder, darunter eine dem Älu^eum seiner
Vaterstadt tjfehöri<;e „Hochzeit in der Bre-
ta^'ue".
Der im .I.ihrc 1858 pleiehfalls in New
York «^eborne Charles F. Ulrich malte das
in der Coreoran Art (Jallerie zu Washing-
ton befindliche Bild ,.ln the Land of
l^romi.se", welches da.s Treiben in der
früheren New Yorker Einwandererstation
Ca.stle (Jarden aufs lebhafteste veranschau-
licht. p]in zweites Werk desselben Künstlers
„Die Glasbläser in Burreno" ist Eigentum
des „Metropolitan Art MiLseums" seiner
Vaterstadt. Den in Europa bestehenden
amerikanischen Kün.stlerkolonien gehören
ferner Hermann Haitwich, Walter Gay
und manche andere Maler deutsehamerika-
iiischcr AbstanuiuHig an.
******
Kaum minder zahlreich als die deutsch-
amerikanischen Maler sind die deutsehame-
rikani.schen Bildhauer. Der erste deutsche
Bildhauer, der in den Vereinigten Staaten,
wenn auch wenige Jahre wirkte, war ein
Schüler Schadow's, dei- in Berlin im Jahre
1787 geborene Friedrich Eckstein, der im
Jahre 1825 in Cincinnati eine Kimst-Aka-
demie eröffnete, die jedoch nach seinem
Tode in« Jahre 1832. der durch Cholera
verursaciit wurde, einging. Der ]\Ialer
(rollfried Frankcnst( i)i eröffnete sie im
Jahre 1888 wieder, doch erfreute sie sich
keines längeren Bestandes. Ein Schüler
Eckstein 's war Iliram Powers, dessen
„Griechische Sklavin" und „Eva an der
Quelle" als bedeutende Kunstwerke gelten
können. Ein anderer deutscher Bildhauer,
der in Amerika sich einen Wirkungskreis
suchte und 1835 nach Philadelphia kam,
war ein Schüler Thorwaldsen's, des grossen
dänischen Meisters, der 1800 in Dresden
geborene Ferdinand Pcttrich. Seine Grab-
denkmäler für den Laurel Hill Friedhof in
Philadelphia und andere Werke erregten
Auf.sehen. Präsident Tyler berief ihn
nach Washington, um ein Denkmal des Va-
ters der Republik zu schaffen. Das At-
tentat eines italienischen Bildhauers, das
Pettrich. der im Weissen Hause in der
Familie des Präsidenten selbst liebevolle
Aufnahme und Pflege fand, fast das Leben
gekostet hatte, und der Mangel geeigneter
Bewilligung für die Durchführung des
Planes veranlassten Pettrich nach Europa
zurückzukehren. Leider boten sich Bild-
hauern bei dem noch wenig entwickel-
ten Kunstsinn der amerikanischen Bevölke-
rung nicht gar zu häufig Gelegenheiten, ihre
Fähigkeiten zu zeigen. Denn die seltenen
Aufträge beschränkten sieh in der Haupt-
sache auf schmucklose Monumente für
Friedhöfe und auf einzelne Kriegerdenk-
juale.
Trotz dieser ungünstigen Verhältnisse
schufen Franz Meynen in Philadelphia,
der später dort Photograph wurde,
Ephraim Kaiser in Cincinnati, der roman- '
tisch veranlagte Franz Xaver Dcngler in '
Boston, der hochbegabte Christoph Paulus,
der knorrige Henry Bacrer, die gedanken-
reichen Georg Hess und Caspar Buherl in
New York manche vortreffliche Gruppen
und Büsten.
13ie umfangreichste Arbeit Buberl's sind
fünf gewaltige Bas-Reliefplatten für dast
Garfield-Denkmal in Cleveland. Sie ver-
anschaulichen mit ihren über 100 lebens-»
gnxssen Figuren Scenen aus dem Leben des-
Präsidenten : Garfield als Dorfschullehrer/
als Depeschenträger im Bürgerkrieg, alsl
Volksredner, als Präsident und als ]\Iärty-
rer auf dem Sterbelager.
Ferner stammt eine vor dem National-i
Museum zu AVashington errichtete Kolassal-l
gruppe, „Columbia als Schirmherrin der
Industrie, Kunst und Wissen.schaft", vonn
Buberl's Hand. Für das Patentamt zu
Washington lieferte er die allegorischen
Gruppen „Elektrizität und ^Magnetismus",
., Feuer und Wasser", „Erfindung und lu-
DEUTSCHAMERIKANISCHE MALER, BILDHAUER UND ARCHTTEKTEN.
349
dustrie", „Ackerbau und Bergbau".
Ausser manchen anderen Allegorien, Krie-
ger- und Schlachtendenkniälern fertigte
Buberl für die Regierung von Venezuela
ein Standbild des Ritters Ponce de Leon,
des durch seine erfolglose Suche nach dem
Jungbrunnen berühmt gewordenen Ent-
deckei-s von Florida.
Ueinnch Baerer modellirte die beiden
Kolossalbüsten Beethovens im New Yorker
Central Park und im Prospect Park zu
Brooklyn. Ferner Portraitbüsten des
Brückenbauers Johann August Roebling,
des Dichters John Howard Payne, eine
Statue des Generals G. K. Warren, ein
Schubert-Denkmal u. s. w. Er starb im
Dezember 1908 nach längerem Leiden. Er
war im Jahre 1837 in Kirchheim (Hessen-
Kassel) geboren und hatte die Kunst- Aka-
demie in i\Iüncheu besucht. Joseph Sibhel
in New York lieferte für zahlreiche ka-
tholische Kirchen Statuen von Heiligen und
Aposteln, desgleichen biblische Gruppen,
von denen manche an Schönheit des Auf-
baus und Innigkeit der Empfindung sich
mit dem besten vergleichen lassen, was auf
diesem Gebiete in Europa geschaffen
wurde.
Von einem wirklichen Aufschwung der
Bildhauerkunst in Amerika kann man erst
reden, seitdem mit den Ausstellungen
zu Chicago. Omaha, Buffalo, St. Louis und
Portland für die Kleister des IMeissels die
längst ersehnten Gelegenheiten kamen, ihr
Können zu bethätigen. An der Aus-
schmückung der gewaltigen Paläste und
Festplätze hatten die deutschamerikani-
schen Bildhauer einen hervorragenden An-
teil. Dem aus Wien eingewanderten Karl
Bitter, der in New York rasch Fuss gefasst
hatte, fiel sogar die Oberleitung sämmtli-
cher Bildhauer- Arbeiten für die Aus-
stellungen zu Buffalo und St. Louis zu.
Bereits für diejenige zu Chicago hatte er
den Skulpturenschmuek des Verwaltungs-
gebäudes geliefert. Für Buffalo schuf er
zwei mächtige, die Triumphbrücke des Fest-
platzes zierende Bannerträger auf bäumen-
den Rossen. In St. Louis war das hochra-
gende, zur Erinnerung an den Ankauf
Louisiana 's bestimmte Louisiana Purchju-e
Monument sein Werk. Auf dem Gipfel
trug es die Friedensgöttin; an seinem
Sockel waren entzückende allegorische und
historische Gruppen zu sehen. Zu den
neuesten Schöpfungen Bitters gehört ein
in der Stadt New York aufgestelltes Reiter-
standbild des Generalmajors Franz Sigel.
Karl Theodor Franz Bitter wurde am 6.
November 1867 in Wien geboren, studirte
an der dortigen Kun.st-Akademie und kam
1889 nach Amerika. Er wurde vielfach
ausgezeichnet. Bitter ist in Weehawken,
N. J., ansässig.
Einem Landsmann Bitter 's, dem Wiener
Isidor Konti, wurde gleichfalls auf den ge-
nannten Ausstellungen Gelegenheit ge-
geben, seiner reichen Phantasie die Zügel
schiessen zu las.sen. Es fielen ihm die Auf-
gaben zu. in Buffalo den Tempel der Musik
mit den Gestalten der Musen, in St. Louis
die grossen Kaskaden mit über zwanzig
Gruppen anmutiger Nymphen, ausgelasse-
ner Kobolde und fabelhafter Seeungeheuer
zu schmücken. Er entledigte sich dieser
Aufträge mit überraschendem Geschick.
Von anderen umfangreichen Gruppen
Konti 's lenkte „Das despotische Zeitalter"
auf der grossen Skulpturenausstellung zu
New York die Aufmerksamkeit auf sich.
Sie zeigt einen finster blickenden Tyran-
nen, dessen schwerer Wagen von keuchen-
den Sklaven gezogen wird. Ein furien-
haftes Weib treibt die unter ilii-em harten
Loos fast Zusammenbrechenden mit schar-
fen Geisseihieben zu den äu.sser.sten Kraft-
anstrengungen an. Konti ward am 9. «luli
1862 in Wien geboren, bezog bereits als 17-
jähriger die dortige Kunst-Akademie und
beendete seine Studien an der Meister-
schule Prof. Karl Kundmann 's. Nach
längerem Aufenthalt in Rom war er in
Wien thätig, bis er 1890 nach Amerika
kam. Er wohnt in New York.
350
I)K!'T8('H.\MEHIKANISrHE MALER. BILDHAIKK IND ARCHITEKTEN.
Kill jimlt'n'r Landsmann und Studiengc-
iMissc Hittfi-'s. (l.T Wit'nor Max Manch,
wirkt»' «rl('i<'lifall.«< in C'lii('a«;o und St. Loui.s
mir. Von .seinen Arbeiten in der letztj^e-
nannt.n Stadt sind l)e.s<)nder.s eine Statue
von (iobi'lin. dem Seli.ipfer der naeh ihm
benannten Tapi-s-serie-Indastrie, und die
«;rnppe ..Der Fortseliritt. die Theorie und
Praxis willkommen heissend", zu erwäh-
nen. .Maueh .sehuf die.selben für den
IIanptein<:an«: der Masehinenhalle.
Dt-r in C'ineinnati. Ohio, von deut.schen
KItein im Jalire 1855 geborene Charles
Iliiii!/ Mihdus gehört zweifellos zu den
fruchtbarsten und erfolgreieh.sten amerika-
nisehen Hildliauern der Neuzeit. Nachdem
er (Te Kirl. Akademie zu München durch-
lauft n lind nach der Rückkehr in die Hei-
mat seinen dauernden Wohnsitz in New
V(»rk genommen, schuf er zahlreiche kraft-
v(tlle Kun.stwerke, die in den vei-schieden-
.sten Städten der Union Aufstellung fan-
ileii. Da.s Kapitol zu Washington besitzt
die Standbilder (Jarfield\s. Allen 's und ]\Ior-
ton's. Die Kongre.ssbil)liothek enthält die
Statuen von Mases und GibV)on. Aasserdem
befindet sich in Washington das von Nie-
haus geschaffene Denkmal für den berühm-
ten Ilonneopathen Ilahnemann. In Muske-
gon, Michigan, sind die IMonumente Lin-
coln's und Farragnt's zu sehen; in Cänton.
Ohio, ein Denkmal McKinley 's; in India-
napolis das Denkmal des Präsidenten Ilar-
rison. Auf der Weltausstellung zu St.
Loiiis war Xiehaus durch eine gro-ssartige
Ap(»theose auf Ludwig IX., König von
Frankreicji. vertreten, die später, in Bronze
gegossen, eine bleibende Erinnerung an
jene Weltausstellung wurde. Au&ser die-
sen Hauptwerken .schuf Niehaus zahlreiche
Reiterstat iK'ii. Kriegermonumente, Bü.sten
uml andere Kunstwerke, die diesem tüchti-
gen Deut.si'hamerikaner die gebührende
Beachtung sichern. Zu bemerken ist noch,
da.ss Niehaus für eine Statue „Die entflie-
hende Zeit" in München die enste Medaille
erhielt, die .ie einem Amerikaner von einer
deutschen Kunst-Akademie zugesprochen
worden war.
Kine der ergreifendsten Gruppen der
Weltau.sstellung zu St. Louis war un.streitig
Adolf \\'( iitntaiui's ..De.stin.v of the Hcd
Man". Sie veran.sehaulichte den unauf-
haltsamen Niedergang der roten Rasse. Der
ern.ste Zug wurde durch einen riesigen
Büffel eröffnet, jenes G&schöpf, de.s.sen
E.xistenz füi- das Dasein der Urbewohner
Amerikas von so ungeheurer Bedeutung
war. Der Büffel verfiel zuerst der Ausrot-
tung. Ihm folgen die ernsten Krieger, die
Häuptlinge, der Medizinmann und die
unter ihrer Bürde seufzende Squaw. l'nd
mit ihnen entschwebt ]\Ianitu. der über den
Wolken thronende „Grosse Geist", die
einstige Hoffnung der roten Rasse. Adolph
Alexander Weinmann wurde am 11. De-
zember 1870 in Karlsruhe, Baden, geboren
und in New York erzogen. Er ist ein
Schüler ]\Iartin.v's, Augustus St. Gaudens'
und Olin French's. Seit 1891 ist er in New
York als Bildhauer ansässig.
Den Gegensatz zu dem niederdrückenden
AVerke Weinmann 's bildete Friedrich G.
Roth 's überaus lebendige Danstellung eines
.seine wild dahinstürmenden Ro.s.se antrei-
benden römischen W^agenlenkers. Friedrich
Georg Richard Roth wurde im April 1872
in Brooklyn. N. Y., geboren, erhielt seine
Schulbildung in Bremen, seine künstleri-
sche Ausbildung an den Kunst-Akademien
in Wien und Berlin. Er ist in White
Plains, N. Y., ansässig.
Ilenrij Linder, Hennj Augustus Lukc-
ma)i, Bruno Louis Timm, Carl Heber, A.
Schaff und Albert Jägers sind die Namen
anderer deutsehamerikaniseher Bildhauer,
die mit Werken auf den Weltaasstellungen
zu Chicago und St. Louis vertreten waren.
Von diesen erhielt in neuester Zeit der aus
p]lberfeld stammende Jägers den Auftrag,
auf Kosten der Bundesregierung ein Denk-
mal des Generals Friedrich Wilhelm von
Steuben für die Stadt Washington auszu-
führen. Der Entwurf zeigt den Feldherrn
I>F,rTSCHAMERIKANISrHE MALER. BIl.DHArKR rXT) ARCrnTEKTEX.
351
iu der Zfit, wo er im Winterlager zu Valley
For«i:e mit dem ^Einexerzieren der amerika-
nischen Soldaten begann. Seine Fifjur, ein-
fach und riihitr dargestellt, die linke Hand
leicht a\if das Schwert gestützt, ist die eines
inspicirenden Militiiis. Die Feldbinde ge-
mahnt an Stenbens Dienste unter Friedrich
dem (ir(xs.sen. Steubens Lebensarbeit, die
Heranbildung der amerikani.schen Armee,
ist durch eine am Sockel des Denkmals an-
gebrachte Gruppe verbildlicht, die einen er-
fahrenen Krieger darstellt, der einen Jüng-
ling im Gebrauch des Schw^erts unterrichtet.
Die Gruppe der anderen Seite stellt die
„Amerika" dar, welche ein Mädchen an-
weist, einen Zweig zu Steubens Andenken
auf Amerikas wachsenden Baum des
Ruhmes zu jn-opfen. Albert Jägers wurde
am 28. :\Iärz 1868 in Elberfeld geboren.
Seit 18iK) ist er Bildhauer; er ist in Xew
York ansä-ssig.
Auch bei der Ausschmückung der Kon-
gressbibliothek zu Washington waren
deutschamerikanische Bildhauer, darunter
Alhcrt Wcincrt, F. W. Riickstuhl, Philipp
Martiny, Theodor Baur und Niehaus be-
teiligt. Ruckstuhl lieferte die Statuen
Solon's, Goethe 's, jMackauley 's und Frank-
lin's ; Baur die Allegorie „Religion" und
Martiny die figürlichen Darstellungen der
I Erdteile Amerika, Europa, Asien und
! Afrika. Von den genannten wurde Fred.
Wellington Ruekstuhl am 22. :\rai 1853 in
Breitenbach im ELsass geboren. Er kam
als Kind mit seinen Eltern nach St. Louis,
studirte acht Jahre lang in Paris. Eine
seiner Statuen ist diejenige General John
F. Hartranft 's auf dem Kapitol-Hügel in
Harrisburg, Fa., andere Bildwerke des
Künstlers haben in St. Louis, New York,
Baltimore, Little Rock, Ark., und Colum-
bia, S. C, Aufstellung gefunden. — Philip
Martiny wurde am 19. :\Iai 1858 im Elsass
geboren, studirte in Paris, wurde später
ein Schüler St. Gaudens' und i.st in New
York an.sä.ssig.
Von den nicht .sehr zahlreichen Architck-
turwerken Amerikas, welche mit Recht An-
spruch auf da.s Prädikat ,, schön" erheben
können, entstammen einige der besten
deutschen und deutschamerikanischen Ba>i-
meistern.
Die Gebrüder ff nid in Xew York ent-
warfen den aus Braunsandstein aufgeführ-
ten, vornehm wirkenden Doppel pal ast der
[Millionäre Vanderbilt; die deutschen In-
haber der Firma Ddrmos & Cordes schufen
die herrliche Halle des Gesangvereins
„Arion" zu Xew York. ff< xrij Ilnrdfnherq
lieferte die Entwürfe zu den Xew Yorker
Riesengasthäusern ,, Waldorf - Astoria",
,,]\Ianhattan" und ,. Dakota".
Otto Eidlitz löste in seinem Entwurf für
den bis an die Wolken ragenden Palast der
Xew Yorker ..Times" die äusserst schwie-
rige Aufgabe, mit solchen, in erster Line
dem Xützlichkeitsprinzip dienenden Hoch-
bauten künstlerische Schönheit zu ver-
binden.
Der gleichfalls in X^ew York lebende
Architekt Iloruhostel erdachte die Pläne
für die von Andrew Carnegie gestiftete
Techni.sche Hochschule zu Pittsburg. Der
Deutschamerikaner Schmidt erbaute das
Rathaus der Stadt Cleveland; Ernst Ilel-
fenstcllcr das ,, Star-Gebäude" und die
neue Halle des ,,Liederkranzklubs" in St.
Louis. IL C. Koch i.st der Architekt des
schönen Rathauses der Stadt ]\Iilwaukee,
Tuid Alfred C. Clan der Erbauer der dorti-
gen Bibliothek sowie derjenigen zu ]\Iadi-
son, Wisconsin.
Von hervorragender Bedeutung als
Architekt ist der in Wimpfen am 17. !März
1850 geborene und in St. Louis ansässige
Carl Theodor Linlx, dier iu Heidelberg,
London und Paris Studien gemacht hatte.
Die grösste Bahnhofs-Anlage der W>lt
(St. Louis Union Station) ist nach seinen
Plänen, für welche er den ersten Preis er-
halten hatte, und unter seiner Aufsicht
gebaut worden. Er war konsultirender
Architekt beim Rathaus-Bau in St. Louis,
362
DEUTSCHAMKKIKANISCHE MALER, BILDHAUER UND ARCHITEKTEN.
erbaute das „Missouri State Ilouse" und
zahlrciclu* andere Gebäudr in St. Louis und
Unif;e^'end.
Auch die riäne /n der herrliehen Kon-
pr»'sshil)|it»thek in \Vashin^'t(tn. I). ('.. ent-
sprauiren deutsehamerikanisehen Meistern :
dem im .Jahre 1S41 zu Seitendorf in Schle-
sien i;ehorenen I'oiil Johannes Pelz und dem
Wiener Johann L. S< hniitnn ijcr.
Pelz kam schon in früher .lu^'end nach
Amerika und wurde hier ein Schüler das
aus Holstein stammenden Architekten
Detlef liienau. welcher in New York ein
Atelit'r autV'esehlafren hatte. Später vollen-
dete pelz si'ine Studien in Berlin und
Par's. Im Jahic l'^liT lie.ss er sieh in Wash-
infrton nieder und lieferte der Bundesreprie-
runjr zahlreiche Entwürfe für Leuchttürme.
Kr entwickelte dabei solche P^ijrenart, da.ss
im Jahre 1873 das Leuehthausamt für di&se
Zeiehn\ni«ren auf der Wiener Weltauastel-
lung den ersten Preis erhielt.
Tm jene Zeit verband Pelz sich mit dem
gleichfalls seit länjreren Jahren in Wash-
ington an.sä.s.sifr «lewordenen Baumeister
Johann L. Schmitmeyer. Als im Jahre
1873 der Hundcskongre.ss einen Wi^ttbe-
werb um Entwürfe für ein neues Kongress-
Bibliotheksgebäude au.s.schrieb, beteiligten
die Beiden sich an dieser Konkurrenz und
trugen mit ihren Plänen über 28 ^litbewer-
ber, darunter die hervorragendsten Bau-
künstler Amerikas und Fluropas, den Sieg
davon. Sic behaupteten denselben auch, als
das Bibliothek-Konunittee im Jahre 1874
weitere Bewerber zuliess. deren Zahl auf
40 anwuchs.
13 Jahre lang blieben darauf Schmit-
meyer und Pelz mit der steten Verbasse-
rung ihrer Pläne beschäftigt. Ferner un-
ternahmen sie Stud'f^n reisen nach Europa,
um die Einrichtungen der dort bestehenden
gros.sen Bibliotheken mit besonderer Be-
rücksichtigung auf Licht. Heizung und
Feuerfestigkeit kennen zu lernen. Be-
währte Einrichtungen gebührend l)each-
tend, nahmen die beiden Architekten auch
zahlreiche neue, praktisch scheinende Vor-
schläge an und schufen durch Verschmelz-
ung alter Erfahrungen und zeitgemä.sser
Neuerungen eine ]\Iusterbibliothek, wie sie
augenblicklich in der Welt einzig dastehen
dürfte.
Auch in künstlerischer Hinsicht ist das
Gebäude un.streitig das schönste der Verei-
nigten Staaten. Mit seiner herrlichen, im
italienischen Renai.ssancestil gehaltenen Fa-
cade , mit seiner goldüberkleideten Kuppel
macht es sogar neben dem gewaltigen Ka-
pitol einen bedeutenden p]indruck. Gera-
dezi; glänzend ist seine innere Gestaltung
und Ausstattung. Die Treppenaufgänge
und Korridore, die zahlreichen Säle und
Versammlungsräume, vor allen die mäch-
tige Rotunde, bieten das Bild verschwende-
rischster, in ihrer Farbentönung zugleich
unbeschreiblich harmonischer Prachtentfal-
tung. Aus drei Weltteilen schleppte man
die kostbarsten ]Marmorarten herbei, um
jene Symphonie von Goldbraun, Malachit-
grün und anderen Farbentönen zu erzielen,
welche jeden in diesen Raum Eintretenden
bezaubert.
Die im Innern 120 Fuss hohe und 100
Fuss weite Rotunde wird bei Tage durch
acht mit den Wappen der Bundesstaaten
geschmückte Oberlichtfen.ster von je 31
Fuss Breite, Abends durch eine den ^lit-
telpunkt der Kuppel bildende elektri.sche
Sonne erleuchtet. Die 300 Lesern Raum
bietenden Lcsetisehe sind kreisförmig um
eine die Mitte einnehmende erhöhte Tri-
büne angeordnet, auf welcher der Ober-
bibliothekar mit seinem Stabe thront.
IManche andere Rotunde mag gewaltigere
Bauverhältnisse aufweisen. Sicher aber
übertrifft keine diese in Anlage und Aus-
stattung.
Angesichts dieses in jeder Hinsicht voll-
kommenen Architekturwerkes ist es um so
tiefer zu beklagen, dass seine Ausführung
für die L^rheber eine Quelle schwersten
Verdrusses wurde. Es hatte 13 Jahre ge-
dauert, ehe die Pläne der Firma Schmit-
DEUTSCHAMERIKANISCHE MALER, BILDHAUER UND ARCHITEKTEN.
353
raeyer und Pelz vom Kongress angenom-
men wurden. Bevor man den l'rhebern
die Ausführung des Baus übertrug, lösten
sie auf besonderen Wunsch des Kongress-
aussehusses ihre Geschäftsverbindung, wo-
rauf Schmitmeyer die Ernennung zum
ersten, Pelz zum zweiten Architekten er-
hielt. Aber schon im Jahre 1888 wurde
Schmitmeyer seiner Stellung enthoben and
die Leitung des Baues dem Chef des Inge-
nieurkorps der Vereinigten Staaten, Gene-
ral T. L. Casey, übertragen. Da dieser
wegen seiner lediglieh militärischen Aus-
bih^ung nicht fähig war, den Bau künstle-
risch zu leiten, so behielt er Pelz als Archi-
tekten bei. Erst nachdem dieser die Ent-
würfe für die gesammte innere Aus-
schmückung der Bibliotek geschaffen hatte,
erhielt auch er seinen Abschied, da man
„eines Architekten nicht länger bedürfe".
Dass dieser Grund nur ein Vorwand war,
um einen ^Mitarbeiter zw beseitigen und eine
andere Person an des.sen Stelle zu setzen,
zeigte sich, als Casey bald darauf seinen
25jährigen Sohn, welcher in Paris architek-
tonische Studien betrieben hatte, zum Ar-
chitekten ernannte und denselben mit
einem weit höheren Gehalt als dem Pelz
gewährten bis zur Vollendung des Bau-
werkes im Jahre 1897 beibehielt.
Natürlich figurirt Casey Jr. auf der
über dem Eingang der Bibliothek ange-
brachten Inschrifteutafel, welche die Na-
men der Erbauer verewigt, auch als einer
der Urheber der Bibliothek. Diese Tafel hat
folgenden Wortlaut :
"Erec'ted under tbe Acts of Congrcss of
April 15, 1886, October 2, 1888, and Maicli
2, 1889, by
Brig. Gen. Thos. Lincoln Casey, Chief of
Engineors. T'^. S. A.
Bernhard E. Green, Supt. and Engineer.
John L. Smithmeyer, Architekt.
Paul .J. Pelz, Architekt.
Edwnrd IVTirr-o Cnsov, Architeet."
Gegen diese unberechtigte Teilung des
künstlerischen Anspruclis erhoben die Ar-
chitekten Schmitmeyer und Pelz Einwand.
Aber nui- mit dem Erfolg, dass der Präsi-
dent und der Sekretär des „American In-
stitute of Architects" folgende Erklärung
abgaben: „We are familiär wilh this
building, from the beginning to the present
time, and feel that no one can, with pro-
priety or honest}', be entitled to the credit
as architects of this building except J. L.
Smithmeyer and Paul J. Pelz. They have
devoted the best years of their lives, from
1873 to 1893, in perfecting the plan and in
designing the exterior and interior of that
building."
Die Zeitschrift „Architecture and Build-
ings" bemerkte in ihrer Nunnner vom 3.
April 1897 dazu: „It looks queer to pro-
fessional men that the names of the pay-
master who drew the money for the bnikl-
ing out of the Treasury on his signature
and the clerk of the works or Superinten-
dent, with the supernumerary and super-
fluous title of engineer (as if there had
been anything to „engineer" in the build-
ing, save the appropriations in Congress)
appear above those of the architects, who
created it in their minds and who are in
truth the fathers of the structure. Why
does there appear a line of demarkation
below the Chief of Engineers, putting the
architeet ,, below the salt" as it were? —
It must be remembered here that the advent
of General Casey was at a time. when
^Messre. Smithmeyer & Pelz had, likc Co-
lumbus, already discovered America; their
plans were complete and ready to be pro-
ceeded with."
Aber nicht blos um die Wahrung ihres
geistigen und künstlerischen Eigentums
mussten die Architekten kämpfen, .sondern
auch um die materielle Entschädigung für
ilue jalirzehntelangen Bemühungen. Denn
bis /.um Jahre 1908 waren ihre auf 108.000
Dollars sich bemessenden Ilonorarforde-
rungen noch unerledigt. Und Schmitmeyer
354
DEUTSCHAMERIKAXISCHK MALER. BILDHAUER UND ARCHITEKTEN.
starb am V.i. März 1!)08 im Providence-
II(xspital zu Washingrttni. ohne die reclit-
mä.ssifje Aiierkeiinungr seiner Leistungen er-
lebt zu haben.
Ausser seinen Plänen für die Kongress-
Bibliothek schuf Pelz das CoUegegebäude
zu Georgetcnvn. die Caniegie-Bibliotek und
die Musikhallt' in Alleghenv. Pa. ; das
Chamberlin Hotel in Old Point Comfort,
Va. ; die Ibxspitäler zu Ilot Springs, Ark.
Desgleiehen erregten seine Entwürfe zur
Grant-^^emorialbrüeke über den Potomac
bei Washington sowie für ein neues Präsi-
dentsehaft.sgebäude im ganzen Lande Auf-
sehen und allgemeinen Beifall. Eine seiner
letzten Leistungen war die grossartige Ma-
schinenhalle der Weltausstellung zu St.
Louis.
• * * * *
Unsere Zusammenstellung erhebt keinen
Anspruch auf Vollständigkeit. Sie dürfte
aber genügen, um zu zeigen. da.ss die Leis-
tungen der in den Vereinigten Staaten le-
benden deutsehen und deutschamerikani-
.schen Maler, Bildhauer und Architekten
sowohl in quantitativer wie qualitativer
Hinsicht bedeutende sind. ^Manche ihrer
Werke zeichnen sich durch Grösse der Auf-
fassung, Gedankenreichtum und echt meis-
terhafte Durchführung aus und werden in
der Geschichte der amerikanischen Kunst
stets Ehrenplätze behaupten.
Das Washington-Denkma! Rudolf Siemering's im
Fairmount Park in Philadelphia.
Deutscher Einfluss auf das Musikleben Amerikas.
O. G. SONNECK, Washington.
]\Ian begeht in deutsch-amerikanischen
Kreisen vielfach den Fehler, dem IMusikle-
hen unseres Landes nur insoweit wirklichen
Wert beizumessen, als es von deutscher
^lusik und deutschen INIusikern beeinflasst
AV'orden ist. Nicht dass man diesen Einfluss
überechätzt — das wäre angesichts der ge-
schichtlichen Thatsachen verzeihlich —
aber man unterschätzt, was an unserem
•eigentümlichen ^Musikleben undeutsch ist,
und missbilligt fast den musikalischen Un-
abhängigkeitstrieb in denen, die sich nun-
mehr als Amerikaner fühlen. Das kann
-der deutsehen Sache in Amerika nicht
nützen und es schadet ihr, wenn viele Deut-
sche, die auch sonst im täglichen Leben zu
amerikanischen Einrichtungen und Sitten
keine rechte Fühlung gewinnen können, in
Wort und Schrift sieh nach den nnisikali-
schen Fleischtöpfen Deutschlands zurück-
sehnen und über das Älusikleben Amerikas
die Nase rümpfen, soweit es nicht deut-
schen ]\ lustern folgt. Dabei vergessen sie,
dass auch im MiLsi kleben Deutschlands
nicht alles fest und sicher gefügt ist. Auch
dort wird heutzutage die IMusik vielfach
nicht als Kunst sondern als Geschäft be-
trieben. Auch dort reicht der musikalische
Horizont eines grossen Teils der Bevölke-
rung nicht über Bierkonzerte, ]\Iilitärmusik
und den manchmal etwas anfechtbaren
Wert des Liedertafelstils hinaus, und
durchaus nicht jeder Deutsche besitzt Ver-
ständniss für die Meisterwerke der Genies,
die Deutschland zum Volke der Denker,
Dichter und Musiker gemacht haben. Es
wird auch in deutsch-amerikanischen Krei-
sen, oder richtiger in amerikanisch-deut-
schen Kreisen, oft nicht scharf genug unter-
schieden, in wie weit die IMusikbethätigung
der Deutschen in Ajuerika einen mittelba-
ren oder nur unmittelbaren Einfluss auf
das gesammte ^Musikleben unseres Landes
ausgeübt hat und noch ausübt. Ferner darf
man nicht übersehen, dass im Durchschnitt
die Bildungsstufe der deutschen p]inwan-
derer der letzten Jahrzehnte nicht auf der
Höhe der Generation eines Karl Schurz
steht, soweit diese Einwanderer in ernsten
musikalischen Dingen mitzählen. Jeden-
falls scheint es mir wenigstens kein Zufall
zu sein, dass die teilweise unbedingte Vor-
herrschaft deutscher Musik und deutscher
IMusiker hierzulande in runden Ziffern erst
um das Jahr 1850 zum Durchbruch kam.
Es versteht sich von selbst, da.ss die Deut-
schen des siebzehnten Jahrhunderts ihre
Volkslieder, ihre Choräle, überhaupt ihre
Liebe zur IMusik mit über den Ocean tru-
gen, aber auf das ^Musikleben des Landes
hätten sie schon deswegen keinen nennens-
werten Einfluss aasüben können, weil im
engeren Sinne ein solches bis gegen die
Mitte des achtzehnten Jahrhunderts hier
überhaupt nicht bestand. Dann entfaltete
es sich ra.sch. indessen, und das ist zum
Venständnisse der weiteren Entwickhnig
von Wichtigkeit, ganz nach englischem
]Muster. Es ist hier nicht der Ort, diese an
und für sich schon einleuchtende Thatsache
des näheren zu belegen. Genug, da.ss seit
der Einführung von (iffentlichen Konzer-
ten und Oper in Gestalt der sogenannten
, .bailad operas" am das Jahr 1730 unser
Musikleben bis tief in das neunzehnte Jahr-
hundert einen vorwiegend englischen
Stempel trug imd dass diese Farbe trotz
der mächtigen und erst in allerletzter
Zeit wieder abnehmenden deutschen Bei-
mischung nicht verblichen ist. Dass wir im
35«
DKrTSCHKR EINFLl'SS All' DAS MISIKIJOHKN AMKKIKAS.
arhtzchntt'!! Jahrhimdcit al)i'r ein wirkli-
ches Miisiklfbi'iJ lu'Siisscn, wciiiirstcns für
srewisso Z\vt'i«ri' der Musik, ist rrst währeml
der U'tztrn .lalirc uii/wcidciitiu'. j;e\visscr-
iiiasst'ii ilokunicntarisch, bowicsen wordtMi.
VorluT wurde das (Jef.'eiitheil anjr(MU>inineii.
1111(1 Amerika ..<»1" the oldm lim**" jiiiit als
ein I.aiid primitivster Psalmodie. .M.iii
wird darum verstehen, wie eine falsehe ^e-
sehiehtliehe Tersp-ktive es erlaubte, aueli
da es sieh nachweisen lässt, da.s.s unser An-
teil, wenn aueh zu all«'rerst in bescheidenem
.Masse, bis an die "Wurzeln des amerikani-
schen Musiklebens zurückreicht. Freilich
nicht in der Weise, dass man Konrad Bels-
scl und seiner kuriosen Ephrata-Gemeinde
ii'iiendwelehen nnisikalischen ICinfluss zu-
gesteht, oder den der ^lährisehen Brüder zu
l^ethlehem und anderswo auf ihre engere
und weitere Umgebung zu breit ansetzt.
J. FRED WOLLE.
den deutschen Anteil .ni der f]!;twieklun.i:
i'ines amerikanischen [Musiklebens einer-
seits sozusatren nur in der Verkürzunii' /'i
sehen. anderers''its in unnatürlicher Ver-
gr<j.sserunir. da man gewohnt war. (h'u An-
fanir zu sehr in den zeitlichen Vordergrund
zu rücken.
Statt die Berieht iirung der gescjiiehtli-
ehen Perspektive zu bedauern, sollten wir
Deutsch-Amerikaner uns darüber freuen.
Dass Benjamin Franklin, Samuel Adams,
(Jeorge Washington und andere geistig
bedeutende Amerikaner der Kolonial-
Periode einen tiefen Eindruck vom ~Sln-
sikleben dieser Kern-Deutschen gewan-
nen, wissen wir. ebenso dass dieses Musik-
leben in Haus. Kirche, Feld und in mehr
künstlerischem Sinne in dem nach guter
deutscher Art um 1750 in Bethlehem, ihrer
ITauptansiedlung. gegründeten Collegium
DEUTSCHER EINFLUSS AUF DAS MUSIKLEBEN AMERIKAS.
357
Musicum wirklich hlülite. worunter niclit
eine Musiksehule sondern eine ^lusik-
gesellsehaft zu verstehen ist. Jedoeli, wer
nur einigermassen die Geschichte dieser
tüchtigen, sittenstrengen und doch so le-
bensfrohen Gemeinde kennt, weiss, warum,
ausser durch einzelne ^litglieder, ihr Ein-
fluss auch in musikalischen Dingen sicli
nicht weit über die Grenzen ihrer Nieder-
lassungen erstreckte, und erst durch den
begeisterten Bach-Kultus unter Fred Wolle
in weiteren Kreisen Aufsehen erregte. Der
deutsche Einfluss ist anderswo und in einer
anderen Richtung zu suchen.
Wie macht sich ein solcher Einfluss gel-
tend? Zunächst durch die ]\Iusik, die ge-
pflegt wird, dann durch die INIusiker, die sie
ausüben, und überhaupt durch musikalische
Einrichtungen, Gebräuche u. s. w. Wendet
man diese Anatomie auf die obige Behaup-
tung an, dass im achtzehnten Jahrhundert
das amerikanische ^Musikleben sieh ganz
nach englischem ]\Iuster entwickelte, so
kommen paradoxerweise wir Deutsch-Ame-
rikaner von selber zu unserem geschichtli-
chen Rechte— Mit-Paten des amerikani-
schen ^Musiklebens genannt zu werden. ]Man
weiss, welch ungeheuren Eindruck Händel
und vielleicht nicht durchweg zum Nutzen
der englischen ]\Iusik auf England ausge-
übt hat, wie er fast als erster Deutseher,
obwohl nicht als Deutscher sondern als
quasi italienischer Komponist, ein Gegenge-
wicht gegen die Italiener bildete. Da ist es
bezeichnend, dass sein "Messias" ausser-
halb Englands mit nur einer oder keiner
Ausnahme zum ersten ^Male in Amerika ge-
geben wurde, und zwar 1770 zu New York.
Dieselben engen Beziehungen zwischen dem
Mutterlande und den Kolonien machten
sich auch bei anderen deutschen IMeistern
geltend, die in England festen Fuss ge-
fasst hatten. Auch sie kamen in Ame-
rika neben den englischen, italienischen
und französischen Komponisten zu Gehör.
Nicht so sehr mit ihren Gesangswerken,
denn auf dem Gebiete waren und blieben
die hiesigen Verhältnisse lange primitiv
oder beschränkten sich naturgemäss, und
namentlich in der Oper, auf englische Er-
zeugnis.se, sondern mit ihrer Instrumental-
musik. JohaiDt und „Carlo" Stamitz und
die anderen Vertreter der Mannheimer
Schule fanden liier einen lauten Anklang,
und (^s dauerte nicht lange, bis Haydn den
Ehrenplatz auf den Programmen einnahm,
in gemessenem Ab.stande luii ihn herum
viele andere deutsche Komponisten wie
Abel, der „Londoner" Bach, Pleyel, Stei-
helt, Wranitzky, Pichl, Andre, Dittersdorf,
Hoffmeister u. s. w. Ja, selb.st Gluck und
Mozart waren im achtzehnten Jahrlumdert
in Amerika durchaus nicht unbekannt.
Unter den IMusikern, die zur musikali-
schen Bildung der Amerikaner beitrugen,
überwogen natürlich die Briten. In der
ersten Hälfte des Jahrhunderts begegnet
man nur vereinzelten Deutschen, wie z. B.
dem wanderlustigen Carl Theodor Pachel-
hcl, der vielleicht ein Verwandter seines
illustren Namensvetters war. Der Letztere,
Johann Pachelbel war im Jahre 1653 in
Nürnberg geboren. Er war hervorragend
als Organist und Komponist, ein Schüler
Heinrich Schwemmer 's, studirte in Alt-
dorf, Regensburg und Wien und starb als
Organist der St. Sebaldus-Kirche in Nürn-
berg im Jahre 1706. Er förderte die Kir-
chenmusik und führte in Deutschland eine
Art Ouvertüre für das Pianoforte ein.
Nach und nach mehren sich deutsehe
Namen und bezeichnenderweise nicht nur
in Pennsylvania. Allerdings muss man
vorsichtig sein und nicht stets hinter einem
deutsch klingenden Namen olnie weiteres
einen deutschen Musiker wittern, wie im
Falle Jacob Leonard's, der mit einem ande-
ren zusammen in den sechziger Jahren zu
New York eine Art IMusikschule gründete.
Dagegen können keine solchen Zweifel auf-
steigen angesichts Hermann von Zedwitz's
Originalgenie, weiland preussischer Lieute-
nant, Schornsteinfegermei.ster, ^Musiker,
Oberstlieutenant im Freiheitskriege und
358
DEUTSCHER EINFLUSS AUF DAS MUSIKLEBEN AMERIKAS.
schliesslich ganz tremcincr Vorräter an der
amerikaniseheii Sachr. In dieselbe Zeit
und später pehört l'hilip liath, deutscher
Militär-Kapellmeister in en«:lischen Dien-
sten, der hier erwähnt zu werden verdient,
weil er einer der beiden Kandidaten für
die Urhebei-schaft des „President Mareh"
ist, den 175>S Josi-ph Ilopkinson als nuLsi-
kalische rnterlaire für die Xationalhyiiuie
„Ildil Columbia" benutzte. Während des
Krie«:es erstand dem deutschen ^lusikele-
niente ein Zuwachs aus den Reihen solcher
Hessen, die unser Ijand ihrer eiirentlichen
Heimat vorzogen, und nach dem Kriege
kamen bald deutsche ^Musiker zu Dutzen-
den hierher, ohne indessen den Engländern
die Führerrolle streitig machen zu können.
"Wir dürfen z. B. den bedeutendsten ]\Iusi-
ker Amerikas jener Zeit. Alexander Rei-
nagh. nur auf dem Umweg über seine
üsterreicliischen Vorfahren den unseren
nennen. Dagegen sind solche nennenswerte
Älusiker wie der Kirchenchorleiter Heim
zu Philadelphia. Ilupfeld. die van Hagen,
Johann Christoph Möller, Hans Gram, die
Gilfert und andere ohne Zweifel Deutsche.
Was „rank and file" in Orchestern
anbelangt, so besitzen wir zeitgenössische
Zengni.s.sc dafür, dass sie schon damals
stark auf die Deutschen angewiesen waren,
und weiHi man di«- alten Adre.s.sbücher
durchblättert, i.st man förmlich über-
ra.scht, so vielen Deutschen unter den Mu-
sikern und Musiklehreiii zu begegnen.
Ein Künstler bedarf der Erwähnung,
weil sein Einfln.ss weit in das neunzehnte
Jahrhundert hineinreichte :6'o///»V& Graup-
ner. Weiland Hannoverscher Regiments-
oboist kam er 1795 nach Amerika und Hess
sieh nach einigen Jahren in Bo.ston nieder,
wo er als Virtuase. Miisiklchrer und ]\Iit-
gründer einer ..Philharmonie Societv"
(1810 oder 1811 — 1824) ganz unzweideutig
einer der wichtigsten Pioniere deutscher
Kunst in Amerika wurde. Graupner war
auch zeitweise ^lusikverleger, und diase
Thatsache führt niunittelbar zur Beobach-
tung, wie überhaupt schon damals im Mu-
sikhandel und namentlich im amerikani-
schen Instrumentenbau die Deutschen eine
mitführende Rolle spielten. Es ist sogar
Thatsache. dass bereits im Jahre 1799 (oder
1800) die deutsche Weltfirma Breitkopf &
Ilärtf-l mit Hutter in Lancaster, Pa., ame-
rikanische Oe.schäftsverbindungen an-
knüpfte.
Was ganz besonders die Instrumenten-
bauer anbetrifft, geht nuin wohl kaum
fehl, in Henry Neering, mit dem die Vestry
der Trinity Church zu New York schon
1703 in Unterhandlungen wegen einer
Orgel stand und den wir darum als den
ersten amerikanischen Orgelbauer betrach-
ten dürfen, einen Deutschen zu sehen. Die
Unterhandlungen zerschlugen sich, indes-
sen gehört die Ehre, für Trinity Church
die erste Orgel gebaut zu haben (1739 —
1740) doch einem Deutseh- Amerikaner,
nämlich Johann Gottlob Klemm. Ihm
ging anscheinend in Philadelphia ein ge-
wisser Matthias Zimmermann mit dem Bau
einer Orgel voraus, und ihm folgte eine
ganze Reihe deutscher Orgelbauer, von de-
nen nur Daviel Tannenberg besondere er-
wähnt sei. Auf dem Gebiete des amerika-
nischen Klavierbaus gilt Johann Behrend
als der Pionier, da er nachweislich 1775
bereits ein Pianoforte baute, doch ist es
nicht ausge.schlossen, dass David Wolhaup-
t< r in New York, ebenfalls ein Deutscher,
ihm diesen Ehrenplatz streitig machen
darf. Jedenfalls ragte aber an Wichtigkeit
für diese Industrie ein dritter Deutscher,
Charles Albrecht in Philadelphia, weit über
sie beide hinaus. Als Curiosum sei schliess-
lich erwähnt, dass Johann Jakob Astor als
Klavierhändler den Gnuid zu seinem Ver-
mögen in Amerika legte.
Dies war die Signatur des achtzehnten
Jahrhunderts. ^lit Absicht wurde länger
bei dieser Periode verweilt, weil nur so die
Logik des stetig imd schliesslich wie eine
Sturmflut anwachsenden deutschen Ein-
flusses auf das amerikanische ^Musikleben
DEUTSCHER EINFLUSS AUF DAS MUSIKLEBEN AMERIKAS.
359
zum Vorschein kommt. Dem Historiker
bietet darum das ueimzehnte Jahrhundert
nur insofern neue Gesichtspunkte, als
die Gunst der Bedingmigen uns erhiubte,
dort deutsche Absenker zu püanzen, wo
bislier der Boden für uns brach lag.
Das ausgehende achtzehnte Jahrhundert
und das erste Viertel des neunzehnten
standen unter dem Banner Händeis und
Haydns, was schon (unter Graupner 's er-
fahrener ^Mitwirkung) in der Gründung
der berühmten und epochemachenden
„Handel and Haydn Society" im Jahre
1815 einen beredten Ausdruck findet. Nun-
mehr traten zu Vater Haydn nach und
nach ]\Iozart, Beethoven, Weber, jNIendels-
sohn, Schumann, Brahms, Wagner, Bach
(der ewig moderne) und die anderen deut-
schen ]\Ieister, welche die Neue Welt wie die
alte deutscher Tonkunst unterthänig mach-
ten. So selbstverständlich ist dies, dass es
eigentlich der Erwähnung nicht bedarf.
Immerhin wäre es eingehenden Studiums
wert zu veranschaulichen, dass dieser Ein-
fluss deutscher Kunst in Amerika mehr
Quellen entsprang als anderswo, nämlich
nicht nur durch die eingeborenen Ameri-
kaner und die eingewanderten Deutschen,
sondern immer noch wie früher auf dem
Umwege über England. Wenn z. B. ]\I()-
zart's Figaro 1823. seine Zauberflöte 1832,
Weber 's Freischütz und Oberon schon 1825
bez. 1827 und Beethoven 's Fidelio 1839 hier
zu (Jehör kamen, so waren das nicht deut-
sche Aufführungen, weder in Sprache noch
Geist, sondern englische, fast möchte man
sagen, Paraphrasen. Es drückt sich darin
unzweideutig die geschichtliche Thatsache
aus, da.ss auf dem Gebiete der Oper die
Deutschen noch eine lange Strecke wan-
dern sollten, bis sie die englische Oper aus
dem Felde schlugen und Gleichberechtigung
neben Italienern und Franzosen errangen.
Ei-st 1855, wenn ich nicht irre, wurde deut-
scher Oper auf deutsch eine kurze Saison
in Niblo's Theater in New York gewidmet.
Als einer der wichtigsten ^Marksteine in der
Geschichte deut.schcr Musik auf ainrrika-
nischem Boden nni.ss daini die Aufführung
von „Fidelio ' ' in der New Yorker Academy
of Music am 29. Dezember 1856 unter Carl
Bergmann gelten. Derselbe echt deutsche
Künstler, dessen Verdienste um deutsche
Kunst in Amerika allzusehr in den Schat-
ten von Theodor Thomas gestellt worden
sind, führte Richard Wagners Tannhäuser
zum ersten Siege in Amerika im Jahre
1859, \uid elf Jahre sj)äter machte er einen
LEOPOLD DAMROSCH.
weiteren Ver.sui-h. im alten Bowery Stadt-
theater deutsche Oper hier einzubürgern.
Bemerkenswert ist ferner ein ähnlicher Ver-
such vdu Carl Änschütz 1862, der ^Madame
rappcnUiim 1878, Adolf Xeuendorf's
..Walküre- p]xperiment", G. Carlhny's
Er.stauffühi'uug des ,. Fliegenden Hollän-
der" in IMiiladelpliia. bemerkenswert
schliesslich die Goncert- und niauehmal
auch Bühuenauffühiungeii tleutscher
Opern durch die deutsehen (Jcsangve reine,
jKinieiitlieh des .Mittelwestens. Doch über
360
DEUTSCHER EINFLUSS AUF DAS MUSIKLEBEN AMERIKAS.
rein doutsohe Kreise dran^'en diese Ver-
suche nicht weit hinaus, und nach wie
vor blühte die Perversität der Inipresarii,
deutsche Meisterwerke den Amerikanera
auf italienisch von z. T. deutschen Künst-
lem vorsini;en zu lassen. Ph-st der Külm-
heit Leopold Damrosch's glückte es am
Ende seiner se<;ensreichen Laufbahn, diesen
Unfiii; zu unterjLrraben. ]\Iit seiner Besitz-
erprcifun«; des Metropolitan Opera liouse
brach für die deutsche Oper im Jahre 188-4
eine neue Zeit an, in der des genialen Anton
Seidl's That, 1888|89 allen Schwierigkeiten
zum Trotz die Xibelungen-Trilogie durch-
gesetzt zu haben, stets ein ^Markstein bleiben
wird.
Auf dem Gebiete der Chor- und In.stru-
mentalinusik lagen die Dinge einfacher,
weil hier seit den Tagen Frederick Ame-
lung's ..Apolloninn Society'' (Pittsburgh.
1807) die Amerikaner deutscher und engli-
scher Zunge sich in der Pflege deutscher
Kunst stützten und ergänzten. Dass auf
dem Gebiete der Chormusik :\reisterorato-
rien wie z. H. Haydn's Schöpfung bereits
1816. ^rendels.sohn 's ..Paulus" gar 1838.
also nur zwei Jahre nach der Düsseldorfer
Taufe des Werkes, und Schumann 's „Para-
dies und Peri" 1848 (imter H. C. Timm
zu Xew York) fast durchgängig in der
Landessprache gesungen wurden, liegt in
der Natur der Dinge. Ja. es fragt sicli, ob
nicht die Kulturaufgabe deutscher Oper in
Amerika eine bes.sere Lösung gefunden,
wenn, wie überall sonst in der Welt ausser
in London, auch in Amerika die Landes-
sprache zur offiziellen Sprache im Opern-
leben gemacht worden wäre, wie das einer
der (allerdings verunglückten: „American
National Opera Company" 1886) Lebens-
träiune von Theodor Thomas gewesen ist.
Hunderttausende von Deutschen hätten
freilich eine Einbusse an ihrem Kunstge-
nüsse und an ihrem Gefühl der Stannnesge-
meinschaft erlitten, aber IMillionen nur des
Englischen mächtiger Amerikaner hätten
gewonnen.
Es ist dies Spraeh-Problem einer der
Gründe, warum der eigentümlich deutsche
]\Iännergesangverein mehr nur einen mit-
telbaren Einfiuss ausgeübt hat. Die Deut-
schen selber, ob hier geboren oder einge-
wandert, haben natürlich an diesem Kunst-
zweige einen der allerstärksten Anhalte
gefunden, um deutsches Wesen zu pflegen
und sich ihrer Zusammengehörigkeit be-
wu-sst zu bleiben. In diesem Sinne besitzt
der feucht-fröhliche ]\Iännergesang für die
Geschichte des Deutschtums in Amerika
und dessen :\Lacht im Rate der Staaten eine
Wichtigkeit, mit der selbst der wenig san-
geslustige aber um so stimmengierigere
Politiker rechnen muss. Schon die That-
sache, dass die Deutschen das :\Iännerge-
sangvereinswesen, recht eigentlich auch
im Vaterlande erst eine Blüte des neun-
zehnten Jahrhunderts, mit einer fast un-
heimlichen Schnelligkeit hierher verpflanz-
ten und ausbreiteten, beweist, welche Not-
wendigkeit sie dieser Verquickung des an-
genehmen mit dem nützlichen auf ameri-
nischem Boden beimassen. 'Sinn bedenke,
was das besagen ^^•i]]. wenn im fernen Wes-
ten, in St. Louis, schon 1838 ein deutscher
;Männergesangvei-ein gegründet wurde,
wenn Philadeliiliia und Baltimore bereits
1846 an ein Zusannnenwirken denken konn-
ten und wenn bereits 1849. also vier Jahre
nach dem ersten Sängerfeste in Deutsch-
land, die Dinge auf amerikanischen Boden
so lagen, dass durch Zusanunensehluss von
Cincinnati. Louisville, IMadison, Ind., das
erste Sängerfest des Nordamerikanischen
Sängerbundes in Cincinnati stattfinden
konnte. Es wäre eine mehr als dankbare
Aufgabe, einmal eine zusammenfassende
Geschichte des deutschen ^Männergesange.s in
Amerika zu sehreiben, aber an dieser Stelle
ist es nicht einmal meine Aufgabe, die wich-
tigsten Daten zu erwähnen. Die Ansicht,
da.ss die deutschen ^lännergesangvereine
auf das amerikani.sehe ^Musikleben in weite-
rem Sinne nur einen mehr mittelbaren Ein-
fiuss und einen geringeren als die minder
DEUTSCIIHR KIXFLUSS AUF DAS MrsiKLKHKX AMKHIKAS.
361
zahlreichen (ilce Clubs und ähnliehe .Män-
nergesangvereine nach englischem Muster
gehabt haben und haben, wird auf lebhaf-
ten Widerspruch stossen. Indessen stehe
ich mit dieser Auffassung der Dinge durch-
aus nicht vereinzelt da. Dass die deutsehen
Männergesangvereine aber auch einen nen-
nenswerten unmittelbaren p]influss gehabt
haben, das wird kein vernünftiger ^Men.seh
leugnen. Der macht sich jedoch nicht so-
wohl durch die rein deutsehen Vereine gel-
tend als durch solche, die, wie etwa der
Washington Sängerbund, eine stark angel-
sächsische oder irische Färbung tragen, und
ganz besonders durch die Sängerfeste.
Schon durch das Aufgebot riesiger Sänger-
massen und überhaui)t ihrer Dimensionen
wegen locken die Feste viele Tau.'-ende an
und treiben sie in dsn Bann deutsehen
Sanges und deutscher Gemütlichkeit, die
sich sonst für den ..Dutchman" nur inter-
essieren, wenn sie ihn für politische Zwecke
ausbeuten könmn, und die nicht daran
denken würden, sebst die ehrgeizigsten
und schönsten Concerte der einzelnen Ver-
eine zu besuchen, ^lag aber dieser Ein-
fluss mittelbar oder unmittelbar sein, je-
denfalls ist er vorhanden. Er .sickert durch
und erstreckt sich b's auf die Universitäten,
wo eine ganze Anzahl der beliebtesten Lie-
der aus dem Schatze deutscher Studenten-
und Volkslieder geborgt worden ist.
A.uf dem Gebiete der In.strumental-]Musik
konnte sich weder das Sprachen- noch
irgend ein anderes Probleii) in die uneinge-
schränkte Pflege deutscher Kunst hinein-
drängen.
Ohne Schwierigkeit und — sei es ruhig
eingestanden — ohne die sonst stellenwese
bemerkbare und begreifliehe Auflehnung
der Angel-Sachsen gegen die teutoniselu
"S'orherrschaft, konnte sieh hier der deut-
sche Einfluss breit ausfluten Es ist merk-
würdig, wie z. B. in der Kammermusik be-
reits um 1750 zu Philadelphia der deutsche
Dr. Kuhn neben Francis Ilopkinson und
Governor Penn als Pfle<;er dieser Kunstgat-
tung genannt wird, die erst gegen Mitte des
neunzehnten Jahrhunderts aus der „Kam-
mer" in den öffentlichen Concertsaal ver-
l)flanzt wurde. Und wieder waren Deut-
sche unter den Ilauptbahnbrechern, z. B.
der (1838) allzu früh gestorbene Daniel
Sc}ilrsingcr und Männer wie Kirchhoefer,
Rak( mauu. Schmidt, KoclUrr. Von ihnen
zu der Propaganda auf diesem intimsten
aber auch „schwer.sten " IMusikgebiete von
Theodor Eisfeld (1851), Theodor Thomas
Ca)i Bergmann und Genassen (1855), des
reiselustigen und vorwiegend deutsehen
„Mendelssohn Quintet Club" (lb49) wnr
es nur ein kurzer Schritt. Was seitdem das
Spiering Quartett im Westen, das Kneisel
Quartett im Osten, um nur zwei der alier-
wichtigsten deutschen Kunst lei-vereinigun-
gen zu nennen, für das ^Musikleben Ame-
rikas bedeutet haben, das bedarf des nähe-
ren Hinweises wahrlich nicht.
Auf dem Gebiete der Orehesteriinisik
liegen die Dinge ganz ähnlich. Orchester
kamen und gingen, blühten und verblüh-
ten in Ost und West. Wahr.scheinlich wären
Beethoven und die anderen Grossmeister
der Symphonie eben.so unaufhaltsam ohne
die deutschen Dirigenten und Orchester
durchgedrungen, aber jedenfalls nicht mit
der Sturmeseile, wie es thatsäehlich gesche-
hen i.st. ]\Ian erregt Staunen in Eui-opa
nicht nur, sondern auch unter den Deutsch-
Amerikanern neuerer Jahrgänge, wenn
man ihnen mittheilt, da.ss Beethoven 's Er.ste
schon 1821 von der Musical Fund Society
in Philadelphia gegeben wurde, dass dies
wahrscheinlich nicht einmal die erste Auf-
führung in Amerika war, da^ii^ Schmidt 1841
in Boston die erste und fünfte Symphonie
Beethoven 's, ^Mozart's Jupiter, Mendels-
sohn *s Schottische gab, oder die epochema-
chende New Yorker Philharmonische Ge-
sell.schaft die Neunte Symphonie bereits
1846: und es wäre ein leicht(\s, nachzuwei-
sen, dass nicht nur dieses 1S42 gegründete
co-operative Orchester, sondern auch die
anderen berühmten und in ihr.M- Zusam-
362
DEUTSCHER EINFLUSS AUF DAS MUSIKLEBEN AMERIKAS.
nieiistflluii«: vorwic^'i'iul deutschen Orches-
ter, ob in Chicago, Cinciuuati. St. Loiii.s,
Milwaukee, Hoston. Pittsburjrli, Philadel-
phia, oft vielen, mauchnial den meisten inid
nicht .selten allen herüluiitcn Orchestern
de.s Vaterlandf.s mit der l'ropa^'anda für
neue Werke deutscher und fremder Meister
v()ran«:e«ran«ren sind. Ma^ sieh dieser That-
bestand auch zum Teil auf den Wunsch des
Amerikaners. ..up to date" zu .sein, zurück-
führen la.ssen und auf die Thatsache, da.ss
tniser Land auf ein viel älteres Musikleben
zurückblickt, als man gewöhnlich annimmt,
immerhin ist es bezeichnend. da.ss seit etwa
18r)() fa.st aus.schliesslich deutsche Dirigen-
ten und Orehesternuisiker diesem Wunsche
Kechnung getragen haben. Jedenfalls wäre
die Entwicklung im Westen nicht so bei-
spiellos rasch vor sich gegangen ohne die
Pionierarbeit solcher reisenden Orchester
wie Carl Eckardt's „Saxonia", August
Fries' „Lombardi" und Carl Bergmann'' s
noch viel wichtigeren „Germania Orches-
ter". Sie ebneten die AVege für solche
Männer des Westens wie Hans Balatka, die
nicht nur den guten Willen besa.ssen. wirk-
lieh gros.ses zu leisten, sondern auch die
nötige Künstlerschaft. Damit soll keines-
wegs das Verdienst der Ur-Pioniere, wie
Julius Dgrcnfurth, Henry Ahner. Julius
Unger (Chicago). Frederick Amelung
(Pittsburgh), ^Vilhelm Feltow (Cincin-
nati). Williebn liohifn, Joh. Georg ^Vessel-
hoeft, Egmont Froihlich, B. Fuchs (St.
Louis ) und vieler anderer im geringsten
verkleinert werden.
Wenn es. wie gesagt, selbstvenständlicli
ist. da.ss deut.sche Musik in Amerika eine
zweite Heimat fand, was auch ohne ]\Iillio-
nen deutscher Einwanderer hier wie in
Ru.ssland geschehen wäre, so i.st es ganz ge-
wi.ss nicht ebenso selbstverständlich, da.ss
gerade die Deutschen als Dirigenten und
Orehesternuisiker die flacht an sich geris-
sen haben, noch dazu aasser dem normalen
Verhältnisse zu dem an und für sich sehr
beträchtlichen deutschen Elemente im ame-
rikanischen Volke. Selbstverständlich höch-
stens im Westen, wo der Deutsche nicht wie
im 0.sten auf breite angel-sächsische Fun-
damente stiess, sondern selber erst die Fun-
damente legen niusste. Nichts gleiches
liLsst sich aus der Musikgeschichte herbei-
ziehen ausser der Vorherrschaft der Italie-
ner in Europa im achtzehnten Jahrhinidert.^
.Mit diesem grund.sätzlichen Unterschiede
jedoch, dass die Italiener aus-serhalb Ita-
liens immer Italiener, Fremde blieben,,
während die Deutschen hier zu guten Ame-
i"i kauern werden konnten und wurden. Ihre
Söhne gar (man denke nur an Wallt r und
Frank Damrosch) unterscheiden sich in
nichts au-sser im Namen von Vollblut-Ame-
rikanern. Die.se Anpa.ssungsfähigkeit ist
ein Grund, warum der Amerikaner das
deutsche ]\Iusik-Joch ohne viel ^furren
trägt. FAn anderer entspringt dem natür-
lichen Gefühl der Dankbarkeit. ]\Ian frage
nur Amerikaner, die sich nicht in deutschen
Kreisen bewegen und die ein bisschen ]Mu-
sikgeschichte getrieben haben, wem das
.Musikleben ihres Landes im neunzehnten
Jahrhundert am meisten zu verdanken hat
ausser Männern wie Uriah C. Hill, John
Know^les Paine. John Sullivan Dwight,
Benjamin C. Lang, Albert A. Stanley, Wil-
liam Lawrence Tondins. William C. Wood-
bridge und Lowell Mason, deren beider
Verdienste um die Schulmusik schliesslich
auf Pe.stalozzischen und Nägelischen Ge-
danken fu.s.sen, sie werden, glaube ich, nen-
nen: Henry C. Timm. Hans Balatka, Carl
Bergmann. Leopohl Damrosch, Carl Wolf-
Zerrahn. Anton Seiell, Fritz Scheel, Theo-
dor Thomas. Namentlich der letztere, ob
im rechten Verhältnisse zu anderen oder
nicht, lebt im Angedenken des amerikani-
schen Volkes wie kein zweiter deutscher
Musiker; denn der ?]indrnck. den v. Bülow,
Rubinstein mid die genialen Gesangsmei-
ster und ^leisterinnen deutscher Zunge auf
unser Volk gemacht haben, war ja schliess-
lich nur vorübergehender Natur. W^ir
jüngeren, die wir Theodor Thomas viel-
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3ü4
DEUTSCHKR EIXFLUSS AUF DAS MUSIKLEBEN AMERIKAS.
K'iclit nur iuii VauW. am Ziele seiner Lauf-
hal.n «:eli»">Jt lialien. können luis kanni einen
reehten Hefri iff von dem Seiren machen, den
t'f «restiftet, »nid erst, weini die Krinnerunjr
an ihn inneren mn-iikalischi'n Veteranen
die Zunp' löst. iM-me-iscn wir. was Amerika
diesem ^'n>s.s(n Verkünder'dentseher Kunst
willip verdankt.
I'eber die^eiii Ilcroenkultns dürfen wir
aber nieht ih-u Antheil ühei-sfhen. ih-n die
z-ddlosrn (h'ntschen Mnsikh'hrer an (hi- niu-
WILHELM GERICKE,
drt Unoaehrige Ldter des Bodoner Simphonie-Orchesters.
sikali.*^clu-n Kr/.it'liinH_' (h'r amerikanisehi n
Jntrend ^rehal)t hal)i'n. .soweit sie os h'rnten,
ihre Methoden vernünftig' und zweckmäs-
sijr dem am» rikani.schen Vollvseliarakter an-
znpa.sst-n inid soweit sie nicht, was h'ider
hänfi<r «resehchen. deutsche (Jründliehkeit
und deutsche (Jewi.ssenhaftiirkeit aus (ie-
sehäftsintcre.sse dem ..llumhuir" opferten.
Auch <larauf dürfen wir Deutsch- Amerika-
ner mit Stolz liinwtM.scn. da.«s unter den be-
deutendsten ^Insik.sehulen des Landes die
deutschen Gründungen einen ehrenvollen
Platz einnehmen und dass z. B. Dr. Flo-
re »er ZiajfchVs ..Chicago IMnsieal College"
aueli sclion zeitlich sich neben dem ,.\ew
England Conservatory of ]\Insic" sehtn
la.s.sen kann, da beide seit 18(37 bestehen.
Selbst wenn all dies nicht dei- Fall wäre,
so hätte doch der deutsche ]\Iusik-.. Profes-
sor" unauslöschlich seinen Stempel made
in GcniKiin/ uns Amerikanern aufgedrückt.
.Mit vereinzelten Ausnahmen haben nämlich
die bedeutendsten amerikanischen Kompo-
nisten ein gut Teil ihres Handwerks auf
deutschen Conservatorien gelernt. Das hat
liii- die Entwicklung eines amerikanischen
.Musikstils in dem Sinne, wie es einen nor-
wegischen, ru.ssischen, französischr'n. deut-
schen u. s. w. giebt. ganz gewi.^s seine Schat-
ten.seiten gehabt, aber Thatsache bleibt es
nun einmal doch, da.ss zum mindesten die
k-ompositorische Technik eines Dudley
Huck. John Knowles Paine, CJeorge W.
Chadwick, Edward ]Mac Dowell. Iloratio
Parker. Henry K. ITadley. T:thell)ert Nevin,
Fi-ederick S. Converse u. a. zum grossen
Teile aus Deutschland stammt. Und deutsch
ist nicht nur die Technik, sondern offenbar
auch das Blut solcher bedeutenden ameri-
kanischen Komponisten wie Henry Schoe-
nefeld, Johann H. Beck., Ernest Bichard
Krocgcr, Adolph M. Foerster, Bruno Oslar
KU in. Nicht nur dies, hunderte, ja tau-
sende tüchtiger amerikanischer Instrumen-
talisten haben sich in Deutschlaiul ihre
Küi\stlerschaft erworben, wiewohl sie be;
Ijicht b(»sehen, bei den in Amerika ansässi-
gen Virtuosen und Theoretikern genau das-
selbe hätten lernen können.
I^nter ]\Iusiklehrer versteht man gewöhn-
lich nur den, der einem unter ohrenzerreis-
senden Martern Tonansatz, Anschlag,
Strich beibringt. ^lan vergi.s.st oft. dass
ernst zu nelnnende ^Musikkritiker und
]\Iusikschriftsteller — nicht solche, deren
Feder meist schamlos offener oder geschickt
verdeckter Reklame dient — ebenso bean-
spruchen dürfen, Volkserzieher genannt zu
3Ü6
DEUTSCHKR EINFLUSS AUF DAS MUSITCLEBEN AMERIKAS.
werdi'ii. Wt'iii! iiimii in (li;'st'ni Sinne dar in
dtMikt. \vi,' lii'ilsain. aufUIän-nd. bt'lt'hreiid
nel)o:i rincin nwiirlit. Ilal«-. Ilcndcrson.
Apthorp. Aldrich. MäniMT wi»* Karl M»mz,
V.u\\\ l/<'l)liiiir. <Justav Kol)!).-. I'hili|) II.
Goepp. Lnnis ('. Kl.son. Ilrniy T. Fiiick.
Henry Kdward Kn'lil)i<'I auf das anicrika-
nisclu' Volk «rt'wirkt halM'ii. so jcnchtct ohne
weiteres ein, wie auf ilieseiii (Jehiete der
deiit.selie Kinfluss nieht irerin^^ irewesen ist.
Fast nn'x'hte man eiruMi der Pioniere unter
den .Musikhistorikern Amerikas, nämüeh
<]en höehst verdien.stvolien Komponisten
und Diriirenten Frederick L. Richter, in
diese Phalanx reehnen. wenn dem nieiit die
kit/.Iiehe Thatsaehe widerspräehe. dass er
zu französischer Zeit in Strasshuror geboren.
Dairejren dürft ii wir nieht zu viel Wesens
von den zahlreichen Musikzeitschriften
deutscher Zuiitre maclien. die in Amerika
entstanden. Sie haben nie einen nennens-
werten Kinfluss auf amerikanische Verhält-
nisse ausgeübt, und es ist ganz zweifellos,
da.ss z. H. die Thätigkeit eines Augu.st
Spanuth an der New Yorker Staatszeitung
mehr erzieheri.sehen Wei't füi- unser Land
gehabt hat. als all diese deutsehen Musik-
zeit.sehriften z\isanwnengenommen.
In der Einleitung dieses Auf.satzes wurde
darauf hingewiesen, wie schon gleich zu
Anfang dei- Entwickhnig Deutsche auf dem
Gebiete des Musikhandels und des Musik-
baues ein gewicht iires Woi-t mitredeten.
Statt leiser wiii'de dieses Woit mit der Zeit
lauter. Es genüge in einem Aufsatze, der
die Kraft des deutschen Einflu.sses nur
skizzenhaft andeuten kann, zu behaupten,
dass innner ein noch unverhältnissmä.esig
grosser Teil der amerikanischen ]\Iusikin-
dustrie in deut.seh-amerikani.schen Händen
ruht. Man liUst amerikani.sche Musikverle-
ger Revue pa.ssieren. und wenn man engli-
sche Namen wie John Chiirch, Oliver Dit-
son auf die eine Wagschale legt, dann wie-
gen auf der andern solche wie Schirmer,
Schmidt, Fischer gewiss ebenso schwer.
lud gleichfalls, wenn solch genialen Kla-
vierbauern englischei- Abkunft wie Jonas
Chickering der verdiente Tribut gezollt
woi'den ist. dann mag der Deutsch-Ameri-
kaner mit Stolz auf ebenso alt-ehrwürdige
und vielleicht noch weltbekanntere Namen
wie Steinwaij und Knabe hinweisen, die auf
amerikanischem Boden eleutsche Geschäfts-
urd deutsche Er'findungsgabe zu p]hren ge-
bracht haben.
Die musikalische Landeskunde Amerikas
liegt bekanntlich noch sehr im Argen. We-
nig ist geschehen, um in zuverlässiger Dar-
stellung die Musikgeschichte der wichtige-
ren Städte, namentlich des Westens, zu-
gänglich zu machen. Das Gebiet i.st viel zu
gewaltig, als da.ss o\n einzelner es unter-
nehmen könnte, sich als geschichtsschrei-
benden Gewährsmann für das ganze Land
auszurufen, obwohl derartige an sich
verdienst V()lle und gut gemeinte Versuche
natürlich gemacht worden sind. Erst wenn
einmal die Ortsgeschichte unparteiisch ins
Reine gebracht worden, kann der metho-
disch geschulte Allgemein-Historiker hof-
fen, die richtige Summe der Geschehnis.se
zu ziehen. Voraussichtlich wird dann
manche Verschiebung in unseren landläufi-
gen Ansichten erfolgen, gewisse Persön-
lichkeiten werden in den Hintergrund und
andere in den Vordergrund rücken, und
wahrscheinlich wird der Antheil des angel-
sächsischen Elementes auch im Westen
stärker betont werden müssen. Aber eine
gänzliche Umwertung der Werte ist kaum
denkbar, und der Anteil der Deutschen
wild gewiss nie an Klang verlieren. Was
auch im Rate der Historiker beschlossen
werden mag, wir Amerikaner deutscher
Abkunft werden in d»^' ^Musikgeschichte
des Landes nie unseren Ehrenj)latz ver-
lieren. Das legt Ptlichten auf, das sollte
uns antreiben, auf musikalischem Gebiete
solche deutsche Kulturerrungenschaften
und Kulturhebel nutzbar zu machen, die
uns hier noch fehlen. Der Musikwissen-
schaft in deutschem Sinne und nach deut-
DEUTSCHER EINFLUSS AUF DAS MUSIKLEBEN AMERIKAS.
3ü7
scher Art einen Wirkunt^skreis auf ameri-
kanischen Hochschulen, wo sie gänzlich
fehlt, zu schaffen, wäre eine dieser Aufga-
ben. Eine andere die, den Herren Politi-
kern einmal begreiflieh zu machen, dass
Musik nicht nur zu Verdauungszwecken
und zum Zeitvertreib da ist. Dass die
Deutsehen ein Musik- Volk sind, das wissen
sie wohl, aber sie wissen nicht, da.ss die
Deutschen es nie in dem Masse ohne staat-
liche und städtische Unterstützung der
Tonkunst geworden wären. Und wenn das
ästhetische oder kulturelle Argument nicht
zieht, dann sollten die Amerikaner deut-
scher Abkunft sie mit dem Hinweise auf
den ökonomischen und geschäftlichen Vor-
theil umstimmen, den staatliche und städti-
.sche Opern und Musikschulen, und als
höchstes Ziel eine National-Oper und ein
National-Conservatorium, unserem Lande
in allerreichstem Masse ermöglichen und
bringen würden.
l.O.NRAD K.REZ.
der Dichter des liefempfundenen Gedichts „An mein Vaterland'
der herrlichsten Schocpfung deutsch-amerikanischer Poesie.
Deutsche Dichtkunst in den Vereinigten Staaten.
Von L. L. LESER. Philadelphia.
Das Vorhandensein eines reichen Ge-
mütslebens bei den Deirtsehen ist wo^och
Älter als die deutsehe |€j.iltiir. Aus sagen-
haftester Vorzeit sind uns Gebräuche, hei-
lige Handlungen überliefert, die den Stem-
pel eines ausgeprägten Sinnes für Verin-
nerlichung, Veredlung der Geschehnisse
•des menschlichen Daseins tragen. Die her-
ben, wundervollen Mythen des nordischen
Götterhimmels, die herrlichen Drapas der
Scalden, das uralte, sinnige Volksmärchen,
vor allem, das ewig junge, von Anbeginn
-ZU Anbeginn ertönende Volkslied, alles
alles liefert beredtes Zeugniss, dass Sinn
und Gefühl der Germanen, selbst in primi-
tiven Verhältnissen, nach Höherem, Reine-
rem verlangte, als es das rohe Tagesleben
tietet.
IMochte nun der Deutsche innerhalb der
•Grenzen des Heimatlandes verbleiben,
mochte ihn "Wage- und Wanderlust weithin
über den Erdball führen, überall trug er
■das ureigne Erbe der Väter, das deutsche
Gemüt, die deutsche Innigkeit, in alle
-Zonen und Verhältnisse. Wie oft ist über
•diese Verinnerlichung gehöhnt und gespot-
tet, Lst sie uns gar zum Vorwurf gemacht
worden, — sie hat sich allen Anfeindungen
zum Trotz unentwegt da behauptet, wo der
Deutsche in Wort und Gesinnung ein Kind
seiner Heimat blieb, wie stark er sich auch
•den ihn umgebenden Verhältnissen ange-
passt haben mochte.
Allüberall wohin die Kinder Germanias
auch die Schritte lenkten, trugen sie ein
Stücklein jenes Nibelungenhortes, der
deutsche Poesie heisst, mit. Nicht darf es
also Wunder nehmen, dass das gewaltige
Land, welches zuerst Normannen betraten,
•ehe der grosse Genuese es endgültig der
staunenden Mit- und Nachwelt darbot,
fast nur ein Vierteljahrhundert später, be-
reits der deutschen Dichtkunst ein Plätz-
chen auf diesem neu erworbnen Boden ein-
räumte.
Vor ungefähr siebzig Jahren wurde in
Amsterdam durch Friedrich ]\Iüller der
Brief eines dem Namen nach unbekannten
deutschen Abenteurers veröffentlicht, der
unter Ferdinand Cortez nach jMexico und
Yucatan gelangt war. Die „Newzeit"
nennt sich dieser Bericht des verschollnen
Wanderlustigen, der die Unternehmungen
Cortez' sowie das Land und seine wilden
Bewohner schildert. Um 1520 ist dieser
merkwürdige Brief geschrieben, d&ssen
Schlussworte ungefähr lauten : „Derjenige
so dissen Brieff schreibet, ist in Gesell-
schaft eines Ritters in India gefahren, hiess
Fernand Cortez." Schon zwölf Jahre
später erschien ein zweites derartiges
Schreiben, — die Erzählung des Ulmers
Nicolaus Federmanns des Jüngeren, der
seine Abenteuer und Erfahrungen in Vene-
zuela mitteilt. Das Buch ist 1536 in Ha-
genau gedruckt und von hohem Interesse.—
Ein drittes Werk, welches beweist, dass die
deutsche Feder von jeher so vielfach und
schneidig geführt wurde, wie das deutsche
Schwert, ist die „Zeitung aus India";
welche zwar erst gegen Ende des achtzehn-
ten Jahrhunderts aufgefunden wurde, doch
schon 1541 geschrieben ward. Sie erschien
im ersten Bande des „Historisch-Litterari-
schen Magazins" des weiland Johann
Georg :\Ieusel und hat den letzten Gouver-
neur der Deutschen in Venezuela zum Ver-
fasser. Das war der Junckherr Philipp
von Hütten, ein Neffe Ulriclis von Hütten.
Auch Mendoza's Feldzug in Argentinien
370
DEL'TSCHK DK llTKLNiST IX DKN VEREIiXIGTEN STAATEN.
fand eiiK' nusfürlii-ho BeselUTibuiiL' (luirli
eini'ii Deutschen. ririeli Schiiiidt nus
Straubing' Ix-rielitet darüber in seinen Rei-
sen nneh drni Kio d«' Iü Plata. \ö\n). Sio:is-
niiuid FeiiM-alx'nd drM<-ktt' fllichr Jahre
spät.'i- das Werk, w.-lchcs .■]■ Itis zu vier
Aufla-rt-n hnu-hle. Hans Stade "s „Fahr-
ten in Brasil im" er.seliifn.'U heim VeHetrer
Weiirand Hau in Frankfurt 1557 und er-
lebten nielirfaeht' AufhiLren. - Johannes
Lederer 's Hei.sen in d'ii .Mh'irhany (Jebir-
gen in deji Jahren l(i(i!» — 70 waren, wenn-
gleich lateini.sch jtreseh rieben, eine Gabe
deut.seher Schriftstellerei. Schon 1672 er-
.schien eine enirli.sche rel)erset/un<r der
wertvollen Arbeit iti London. Der deut.sch-
anierikani.sehe Dichter inid Schriftsteller
Udtlo-maiiii übei-trug das lateinische ins
deutsehe und veröffentlichte das AVerk im
„Pionier". — AVenn aueli diese ersten Ver-
fa.sser deut.seher ArV)eiten ihren bleibenden
Wohnsitz nicht auf amerikanischem Boden
hatten, .so liefern sie doch den volljrülti^en
Beweis, da.ss selb-st unter rauhen, ja gefahr-
vollen Lebensbedin<runii:en der Trieb, das
(Jesehaute uiul Erlebte dichterisch fest-
zuhalten, den Deutschen von Alters her
treulich überall hinbegleitete. — Diesen
mehr oder minder abenteuernden Reisen-
den folgte wenigt^ Jahre später die erste
Woge deutscher Einwanderung in Ame-
rika. Bestand dies Häuflein Men.schen
auch zum grö.s.sten Teil nur aus armen We-
bern, .so verlies.sen doch die meisten von
ihnen die Heimat aus idealen (Jründen:
um des Glaubens willen. Wenn auch nichts
davon bekannt ist, dass unter den dreizehn
ersten deutschen Familien, die in Amerika
einwanderten, sich ein Dichter befunden
habe, .so kann man dctch den wackern Cre-
feldern. di<' am (i. Oktober 1BS3 auf der
„Coneord" in Pliiladelphia eintrafen, kei-
neswegs die .iahrlnuidertalte deutsehe In-
nigkeit absprechen. Ihnen war bereits
etwas früher, wenn auch im selben Jahre,
ein dichterisch reich Beanlagter, der am
26. September 1651 in Sommerhausen in
Franken geborne Franz Daniel Pastorius,
der Gründer der ersten deutschen Ansied-
huig in Amerika, voi-ausgegangen. Seine
eolonisatori.sche Tätigkeit tat seiner Vielsei-
tigkeit als Autor keinen At)hruch. I^eider
.sind viele seiner Schriften vei-loren gegan-
gen. Eine (icdichtsanunlung, sowie zahl-
reiche Abhandlungen ül)er Geschichte,
(Geographie und dergleichen liefern den
Beweis von der reichen Begabung dieses
Bahnbrechers deutsehei- ("ultur in Ame-
rika.
Die er.ste Hälfte des achtzehnten Jahr-
hunderts brachte eine Anzahl Gedichte des
religiösen Schwärmers Conrad lid.ssel
(l(j()0— 1768). Er kam aus der Pfalz nach
Ainerika, wo er zuer.st seinem Gewerbe als
Jiäcker nachging und später die erste deut-
sche Druckerei, in dem von Pa.storius ge-
gründeten Germantown. einrichtete. Er
stiftete das Klostei- Ephrata. um völlig
.seinen religiö.sen Neigungen zu leben. 35
Brüder und 22 Schwestern lieferten neben
ihm Beiträge zu AVerken wie: ,,Der Zioni-
tische Weihrauchshügel", „Das Gesang der
einsamen und verla.ssnen Turteltaube'*,
„Paradiesisches Wunderspiel, welches in
den letzten Zeiten und Tagen in denen
Abend-Ländischen AV elt-Theilen als ein
Vorspiel der Neuen-Welt hervorgethan ".
Der Siebenbürger Johann Kelpius (1668
— 1708) kam 1694 nach Germantown, doch
mass ihm dieser aufblühende Ort zu welt-
lich gew'csen sein, denn er zog sich in die
Einsamkeit am Wissahickon zurück. Hier
gründete er mit einigen Gesinnungsgenos-
sen eine kleine Gemeinde, die ,,Das Weib
in der Wüste" genannt wurde, nach Capi-
tel 112, Vers 1—6 in der Offenbarung Jo-
hannis. Kelpius' Verse sind ganz im Sinne
seiner pietistischen Zeitgeno.ssen. Zwei
seiner Iland.schriften, deutsehe Briefe und
ein lateinisches Tagebuch, sind noch vor-
handen. Von ihm sind: „Das paradoxe
und .seltsame Vergnügen der göttlich Ver-
liebten", „Ein verliebtes Girren der trost-
losen Seele in der Alorgendämmrung'V
DEUTSCHE DICHTKUNST IN DEN VEREINIGTEN STAATEN.
371
„Bittersttsse Naehts-Odo der sterbenden,
jedoch sieh vergnügenden Liebe" und
iiianehes andre.
Xaeh dieser Periode meist kirchlicher
Dichtungen ist ein gewi&ser Stillstand im
poetischen Sehaffen der Eingewanderten
/.u bemerken. Unterlag doch das ganze
gros.se Land den ungeheuerlichsten rmwäl-
zungen. und wenn sich auch die Deutschen
durch Tapferkeit. Opfermut und Hingabe
wärend dieser ganzen Zeit auszeichneten,
so sind uns nur wenige Proben dichterischer
Betätigung überkommen. Erst nach dem
ersten Viertel des vorigen Jahrhunderts
beginnt der Strom deutscher Poesie auf
amerikani.schem Boden wieder zu flie.ssen,
imd eine imabsehbare Anzahl von Ein-
wanderern, darunter sogar bedeutende
Geister, hat eine Fülle deutschen Dich-
tens der neuen Heimat entgegengebracht.
Der Anführer dieser gewaltigen Schaar,
die ununterbrochen bis zum heutigen Tage
in poetischer Form ihr Bestes der Welt
gab, ist Franz Lieher. Eine Biographie
des berühmten Deutsch-Amerikaners ist an
anderer Stelle in diesem Buche veröffent-
licht. Von seinen Werken sind hier
„Tagebuch in Griechenland", ,,Wein- imd
Wonnelieder", ,, Erinnerungen an Nie-
buhr" und andres zu nennen. Der „Deut-
sche Pionier" brachte viele seiner Dich-
tungen.
Friedrich Münch, (1799—1884) Nieder-
gemünden. Oberhessen, der „dem deut-
schen Volksleben über dem atlantischen
Ozean eine würdige Heimstätte verschaffen
wollte", kam 1838 in Gesellschaft zahlrei-
cher Auswanderer in Missouri an. Unter
seinen mannigfachen Werken befinden
sich: „Ueber Religion und Christenthum",
„Der Staat Missouri". ,, Geisteslehre für
die heranreifende Jugend" imd andres.
(Ausführlichere Skizze unter „Die Deut-
schen in Missouri.")
Ludivig Storck, (1803—1883) hatte, be-
vor er 1834 nach Amerika kam, als „Frem-
denlegionär" den französischen Feldzug in
Algier mitgemacht. Ein bedeutender
Sprachkundiger, war er als Lehrer und an
Zeitschriften tätig. Er .starb in grosser
Not in South-Bethleliem.
Jakoh Svhtnidf, redigirte in den zwan-
ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts den
..Ohio Adler" in Lanca.ster, Ohio, später
den „Adler des AVastens" in Pittsburg. Er
ist der Verfa.sser i'ieler Gedichte.
Der Redacteur der er.sten deutschen Zeit-
schrift in Charleston, S.C, des „Teutonen",
war Johann Andreas Wagcn^r, (1816 —
1876). In Sievern bei Bremen geboren,
wanderte er 1831 aus. Er arbeitete unab-
lässig an der Hebung des Deutschtums.
Ein Kämpfer im Secessionskriege brachte
er es bis zum General in der conföderirten
Armee, später wurde er ]\Iayor von Char-
leston. Seine ..Geschichte der Deutschen im
Süden" wurde im „Pionier" veröffentlicht.
Clemens Hnmnur. katholi.scher ]\Iissions-
priester, aus der Nähe von Prag gebürtig,
kam 1838 nach Amerika. Fast dreissig
Jahre an der Marienkirche in Cincinnati
tätig, kehrte er in die Heimat zurück und
starb 1878 in Prag.
Robert Giemen, (1816—1869) Geistli-
cher, wanderte 1838 aus. „Blätter aus der
Kirchengeschichte". ..Robert Wiclaf" und
andres.
Carl von Schmidt-Bür geler (1820—1875)
auf Gut Bürgelen bei Weimar geboren, kam
1846 nach Amerika, war zuerst Schauspie-
ler, später Journalist. Er focht mit Aus-
zeichnung im Bürgerkriege.
Paul Schmidt (1811—1876), Alten-
schlirf, Hessen, wanderte 1831 aus und war
ein Vorkämpfer für deutsche Sprache, gab
in Pennsylvanien und Ohio deutsche Zei-
tungen heraus. Während des Krieges war
er Sheriff und Älarschall im St. Charles
County, ]\Io. „Erstes Lehr- und Lesebuch
für die deutsehen Volksschulen in Nord-
amerika", „Gedichte".
Ludwig August Wollenweher (1807 —
1881), „der Alte vom Berge". Als einer
der Veranstalter des Hambacher Festes im
372
DEUTSCHE DKIITKrN.ST IX DEN VEREINIGTEN STAATEN.
Jahre 1832 war er zur Flucht gezwimgi-n
Er rettete sieh nach P'rankreich. von da
nach Holland und fuhr über Amsterdam
nach Pliiladelphin. liier fand er keinerlei
Beschäftigung und durchzog Pennsylvania
nach Arbeit suchend. P^r kehrte nach IMii-
ladelpliia zurück, und da er in seiner Hei-
mat. Ixheini bei Zweil)rüeken. das Bueh-
druckergewerbe erlernt hatte, fand er He-
nach Heading und b&sehäftigte sieh aus-
.sehlies-slich mit litterarisehen Arbeiten.
Von ihm sind: ..Gila, das Indianermäd-
chen", „Freuden und Leiden in Amerika",
..General Peter ^lülilenberg" und anderes
mehr.
Carl Ilciiing, (1816—1883) Weissen-
fels, ein Schumacher von Gewerbe, kam
1854 nach Amerika. Er siedelte sich in
JULIUS HOFMANN, Baltimore.
schäftigung in der Stadt New York. Bald
darauf gründete er selbst in i'hila-
delphia ein Wochenblatt „Der Freimütige"
und dann die später täglich erschei-
nende Zeitung ,,Der Demokrat". Im
Jahre 1853 verkaufte er die Zeitung an
seinen Schwager Hoffmann, dem sich dann
Dr. E. ^lorwitz anschloss. Einige Zeit da-
rauf ging Wollenweber nach Lebanon. dann
Charleston, S. C. an. Er hinterliess viele
sinnige Dichtungen.
Carl Friedrich Eberhard Backhaus,
(1808—1871), Petershagen. Er kam 1834
nach Cincinnati, wo er eine Apotheke eröff-
nete. Gedichte, Erzählungen und einige
Lu.stspiele. Carl de Haas, ein Schulmann
aus dem Wupperthale, kam Anfangs der
vierziger Jahre nach den Vereinigten
DEUTSCHE DICHTKUNST IN DEN VEREINIGTEN STAATEN.
373
Staaten. War eine Zeit lang Theaterdirek-
tor in Detroit. Sein Buch ,, Nordamerika,
Wisconsin, Winke für Auswanderer" er-
regte grosses Aufsehen. Er starb 1875 in
Fond du Lac, Wise. Fried rieh Faucr,
Moritz ^Victler, Friedrich Luedeking, Max
LiUenthal, Heinrich von Martels, Leopold
Albeiii, Carl Aidenbach, Carl Weiters-
hausen — auch einer vom Hambacher
Fest — , Heinrich A. Bielefeld, sie alle
haben Gedichte gemacht. In Deutsehland
geboren, in jungen Jahren ausgewandert,
haben sie eine tiefe, unauslöschliche Ver-
ehrung für die alte Heimat im Herzen, und
dieses Gefühl findet oft einen ebenso ele-
mentaren wie ergreifenden Ausdruck in
ihren Dichtungen. Es ist eine stattliche
Schaar, diese sogenannten „Vorachtund-
vierziger", und fast ein Jeder hat sowohl
dem Lande seiner Geburt wie seiner Wahl
zur Ehre gereicht.
Die folgenden biographischen Notizen
über deutsch-amerikanische Dichter und
Schriftsteller sind dem bekannten Werke
„Deutseh in Amerika", Beiträge zur Ge-
schichte der deutsch-amerikanischen Lite-
ratur, von Dr. G. A. Zimmermann, dem
langjährigen Superintendenten der deut-
schen Abtheilung der öffentlichen Schulen
von Chicago, entnommen. Das Buch ist
eine Fundgrube für alle diejenigen, welche
sich eingehender mit der deutsch-amerika-
nischen Literatur beschäftigen wollen. Die
Notizen wurden ergänzt durch die Mitthei-
lungen in der deutsch-amerikanischen An-
thologie, welche von Dr. Gotthold August
Neeff in Ellenville, N. Y., unter dem Titel
„Vom Lande des Sternenbanners" im Ver-
lage der Winter 'sehen Universitäts-Buch-
handlung in Heidelberg herausgegeben
worden ist, sowie durch eigene Ermitte-
lungen.
Die Reihe der Achundvierziger führt
Caspar Butz an (1825-1885). Ein Sohn
der roten Erde, in Hagen geboren, kam er
1854 nach Amerika. Seine Beteiligung am
Aufstande hatte ihn aus der Heimat ver-
trieben, hl Chicago nahm er Anteil an den
politischen Kämpfen und an der Bildung
der republikanischen Partei. Man wählte
ilin 1857 in die Legislatur. Während des
Bürgerkrieges lieh er seine Feder der guten
Sache und schuf in jener bewegten Zeit
einen Teil seiner besten Werke: „Gedichte
eines Deutsch-Amerikaners" und vieles
mehr.
Carl Heinrich Schnauf f er, (1823—1854)
Heimsheim; ein Kämpfer im badischen
Aufstande, flüchtete nach Baltimore. Hier
gründete er den „Baltimore Wecker".
,,Cromweir', "Totenkränze" und andres.
Carl Heimen, (1809—1880) Greven-
broich bei Düsseldorf, wurde von Bonn we-
gen rebellischer Reden relegirt, ging nach
Batavia, machte sich aber nach seiner Rück-
kehr so viele politische Feinde, dass ihm
sogar die SchM'eiz das Asylrecht entzog. Er
floh nach New York, ging aber beim Aus-
bruch der Revolution 1848 nach Deutsch-
land zurück, musste abermals fliehen und
kam 1850 nach den Vereinigten Staaten. Er
ist der Begründer des „Pionier". „Ge-
dichte" und vieles andre.
August Becker, (1814 — 1871) Hochweis-
sel in Hessen ; schloss sich geheimen Ver-
bindungen an, die ihm eine vierjährige
Haft eintrugen. Betheiligte sich 1848 am
Ausstand und floh 1852 nach Amerika,
redigirte den ,, Baltimore Wecker", die ein-
zige Anti-Sklaverei-Zeitung in I\Iai'yland,
Avard beim Ausbruch des Secessionskrieges
Feldkaplan des Steuben-Regiments von
New York, war drei Jahre im Felde, wurde
dann Avieder Redakteur des „Wecker" und
redigirte später in Cincinnati verschiedene
Zeitschriften. Wilhelm Bothacker, (1828—
1859) ein Badenser, den gleichfalls die Be-
teiligung am Aufstande aus Studium und
Heimat vertrieb, floh 1850 nach Amerika.
An verschiedenen Blättern in Pittsburg
und Cincinnati tätig, läclielte ihm das
Glück in der neuen Heimat nicht, er starb
in traurigen Verhältni.ssen. Mclas MiUhr,
(1809—1875) Langenau bei Ulm. Auch
374
DEUTSCHE DICHTKUNST IN DEN VEREINIGTEN STAATEN.
ihn er«rriff die 1848or Bcwojiung und er
floh in die Schweiz, dann 18r>:3 nach New
York. Dort war er Schriftsetzer und
trründete dann ein eiirenes G&schäft.
„Lieder" und andres. Gustav Wil-
helm Kismlohr. ( ISll — 1881) Lörrach in
Baden, wurde wegen .seiner Beteilifjung am
Aufstände des lloeliverrats angeklagt, floh
nach Texas. p]r hatte in Halle und Heidel-
berg Theologie .studirt. wirkte in Amerika
in Neu-Braun f eis. Tex., Cineinnati, 0., und
Dallas. Tex. ..Christliehe Lyra", eine Pe-
trarca rehci-stezung und andivs.
Wohl der hedevjtcndste untr den Män-
nern, welche die 48er Bewegung nach
Amerika vei-sehlug. war Friedrich Ha^ssnu-
trk. Geboren am 8. Oktober 1832 zu Wien,
betheiligte sich als ^Mitglied des Studen-
tenkorps an der Achtundvierziger Revolu-
tion, wurde leicht verwundet und kam 1849
nach Amerika, wo er sich in Cineinnati
niederliess. Ei- widmete sich hier der
Journalistik, gab längere Zeit den ..Hoch-
wächter" heraus; gründete, in Gemein-
schaft mit einem gewissen Karl Obermann
den ..Frei-]\Iänner-Verein": begann von da
ab seine Thätigkeit als Volksredner in allen
Thcilen der Vereinigten Staaten. 1857
widmete sich Hassaurek der Rechtspraxis;
erwarb sich eine glänzende Klientel, be-
theiligte sich aber nebenbei lebhaft an der
Politik; half die republikanische Partei
gründen; war 18fi() und 1868 Delegat auf
den republikanischen National konventionen
zu Chicago und wurde 18G1 vom Präsiden-
ten Lincoln zum Gesandten in Ecuador er-
nannt. 1865 kehrte Hassaurek nach den
Ver. Staaten zurück und übeniahm die
Redaktion des ..Cineinnati Volksblattes",
nachdem er sich einen halben Antbeil an
der Zeitung erwoH)en. Er hat zwei in
englischer Sprache erschienene gediegene
Werke verfas.st : ,.Four Years am(mg
Spanish-Americans" luid ..The Secret of
the Andes". welche beide in 's Deutsche
übei-setzt wurden, sowie eine Sammlung
von Gedichten in deutscher Sprache unter
dem Titel „Welke Blüthen und Blätter"
herausgegeben. Als Volksredner und Jour-
nalist hatte Hassaurek unter den Deutsch-
Amerikanern kaum seines Gleichen. Er
sprach mehrere Sprachen und besass in
der englischen Sprache dieselbe Fertigkeit
und Gewandtheit, wie in der deutsehen. Er
begab sich anfangs der achtziger Jahre
nach Europa imd starb am 3. Oktober
1885 in Paris.
Eine der interessantesten Frauengestal-
ten in Deutsch-Amerika ist Mafhihh Fran-
ziska Äiineke. Geboren als Tochter einer
angesehenen katholischen Familie. Namens
Giesler, am 3. April 1817 in Blankenstein
an der Ruhr, heirathete sie. 10 Jahre alt,
einen Herrn von Tabouillot, von dem sie
sich jedoch ein Jahr später scheiden Hess.
Ihre umfangreiche Bildung und ihr schrift-
stellerisches Talent befähigten sie, ..Das
Westfälische Jahrbuch", für welches auch
Levin Schücking und Ferdinand Freilig-
rath Beiträge lieferten, zu redigiren. Lii
Jahre 1847 heirathete sie den früheren
preu.ssisehen Artillerie-Offizier Fritz An-
neke. Während der politischen (Jefangen-
schaft desselben gründete sie die ,.Neue
Kölniische Zeitung" und dann eine für
Frauen- und Arbeiter-Rechte eintretende
,, Frauenzeitung". Beide wurden prompt
unterdrüclct. Sie betheiligte sich mit ihrem
]\ranne an der Revolution luid zog mit dem-
selben, hoch zu Ross, an der Spitze der
pfälzischen Revolutions-Armee in Karls-
i"uhe ein. Als politische Flüchtlinge kamen
die Gatten 1849 nach Amerika. Sie grün-
dete 1852 in Milwaukee die „Deutsche
Frauenzeitung", w^elche sie später nach
New York, dann Jersey City und Newark
verlegte. Infolge ihrer längeren Krankheit
ging die Zeitung ein. Von 1860 — 65 lebte
Frau Anneke als Korrespondentin des
,,Belletristi.schen Journals" und der ..Illi-
nois Staats-Zeitung" in der Schweiz. Sie
gründete nach ihrer Rückkehr in ^lil-
waukee eine Privat-Mädchenschule. Sie
starb am 25. November 1884 nach schwerem
DEUTSCHE DICHTKUNST IN DEN VEREINIGTEN STAATEN.
375
Leiden. Sie war eine Frau von Geist und
edlem Charakter. „Produkte der rothen
Erde", ..Das Geisterhaiis in New York"
(Roman).
Eduard Dorsch. (1822—1887), wurde
ebenfalls durch das Sturmjahr luerher
gels, nahm am Auf.stande Teil, floh 1853
nach Amerika. Er machte den Bürger-
krieg mit, wurde sofort zum Oberst er-
nannt und war später General - Adju-
tant von ^lissduri. ,, Gedichte" und andres.
Hans Ilcrnunui Behr, 1S18 in Köthen ge-
^^
L-.
Lii.lviyAug\M!l!fiiwi'l)iT ümruul JIit AUi- \om l'i.-nrr
rirmiiliT di'S.niilauclplii.i ilfiiinkriit."
FflljfMlJt
LUDWIG AUG. WOLLENWEBER. ..Der Alte vom Berge".
vertrieben. Er hatte in iNIünchen und
"Würzburg, seiner Geburtsstadt. ]\Iedizin
studirt. Er praktizirte in IMonroe, Mich.
Er war einer der Lincoln-Elektoren. ,.Aus
der alten und neuen Welt" und vieles mehr.
Albert Sigel^ (1827 — 1884) Sinsheim,
Baden, ein jüngerer Bruder General Si-
boren. machte grosse Reisen nach Austra-
lien, Afrika u. s. w.. nahm am Aufstande
Teil und kam 1850 nach Amerika. Er war
Arzt und später Professor am Pharmaccu-
tischen Colleg in St. Francisco. „Ge-
dichte". Der Schleswigtu- Friedrich Lexow
(geb. 1827) wurde wcgtMi politischer Agi-
376
DEUTSCHE DICHTKUNST IN DEN VEREINIGTEN STAATEN.
tation zii aelit jäh rigor Zuchthausstrafe ver-
urtheilt. wurdo aber zu t'in.jäliriger Fes-
tungshaft begnadigt. 1853 wandte er sich
nai'h New York, wo ihn sein Vetter Rudolf
Lexow bei seiner Zeitschrift „Belletristi-
sches Journal*' anstellte. „Gedichte" und
vieles andre. liudolf Lexow war am 10.
Januar 1823 in Schleswig geboren, kam in
den vierziger Jahren nach Amerika und
gründete die erwähnte Zeitschrift.
Otto Brcthaucr, (1832-1882) Unter-
franken, gleichfalls durch die Revolution
vertrieben. Trotz harter Lebensschieksale
ein unverwüstlicher Humorist. „Aus meiner
Mappe". Friedrich Otto Dresel (1824—
1881) Detmold, wurde wegen Hochverrats
zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt, floh
1849 nach Baltimore. Politisch tätig, musi-
kalisch und schriftstellerisch hoch begabt,
machte er wegen verfehlter Spekulationen
seinem Leben ein Ende. „Oscar Weiden",
preisgekrönter Roman, und vieles mehr.
Conrad Krcz, 1828 in Landau geboren,
wnirde wegen Teilname am badischeu Auf-
stande in contumaciam zum Tode verur-
teilt. Er floh 1850 nach Amerika. Jurist
von Hause aus, Hess er sich in Sheboygan,
"Wisconsin, nieder und wurde später zum
Staatsanwalt gewählt. Am Bürgerkriege
theilnehmend brachte er es bis zum Bri-
gadegeneral und wandte sich nach Fine-
densschliLss wieder der Advokatur zu.
Er wurde 1886 von Cleveland zum Bundes-
Steuer-Kollektor in Milwaukee ernannt.
1892 wurde er Stadt-Anwalt von Milwau-
kee und 1895 Gerichts-Kommissär. Er
starb am 8. März 1897. Unter seinen Dich-
tungen sind ganz besonders hervorragend:
„An mein Vaterland", „Der Flüchtling",
,,Der Landstreicher", ,, Entsagung und
Trost", „Die deutsche Muse in Amerika"
u. s. w.
Unter den zahlreichen bedeutenden und
gebildeten ^läuneni, die das Jahr 1848
vertrieb, sind noch zu nennen : Emil
Dietzsch (1829—90), Edmutid Märklin
(1816-92), Julius Dresel (1816-91)*.
Carl Adolf Pohlc {1S13— 59), Albert Wolff,
1825 geboren, Theologe, später Redakteur
der ,, Volkszeitung" in St. Paul, ]\Iinn.
Theoelor Hielscher, 1833 in Nimptsch,
Schlesien, der Lessings „Nathan der
Weise" aus dem Deutschen und das
„Buch der Schöpfung" aiLs dem He-
bräischen meisterhaft übersetzte. Emil
Querner (1839 — 86), Adalhert Höpkc, der
zuerst Goldsucher in California war und
sieh später als Arzt und Journalist einen
Namen machte, bis ihn der Tod im Jahre
1873 abrief. Henricus vom See, eigentlich
Wilhehn Dilg, 1837 in Nierstein am Rhein
geboren, kehrte 1884 nach Deutschland zu-
rück. Rudolf Puchner, 1829 geboren in
Beutelsbach, Württemberg, ausgewandert
und ansässig in Neu Holstein, Wisconsin.
Auejust Steinlein (1823—92), Trier, Lehrer,
1843 nach New York, ^vu^de Buchdrucker,
Gründer einer deutschen Zeitung in La
Crosse, Wis., setzte Einführung deutschen
Unterrichts durch, später Advokat.
Der 1816 geborne Maler und Bildhauer
Heinrich Berger und Joseph Zentmcyer
(1826—89), seit 1853 in Philadelphia an-
sässig, Verfertiger ausgezeichneter ]\Iikros-
kope, de&sen goldner Humor allen seinen
Freunden zu Gute kam, schliessen deu Rei-
gen der Dichter und Schriftsteller, die in
der frohen Hotfnung, in Amerika das Ideal
verwirklicht zu sehen, das ihnen die Hei-
mat nicht gewährte, ihr Vaterland ver-
liessen. Vielen lachte das Glück, viele ver-
schlang das Leben, aber keiner entäusserte
sich seines besten Erbteils, — des deut-
schen Idealismus. — Dass die Neuzeit den
vergangnen Tagen in Bezug auf ihre Geis-
teshelden nicht nachsteht, ist wol mit gu-
tem Gewissen zu behaupten.
Auch die Nachfolger der hier einst
Zuflucht Suchenden, die sich im Geiste
eins mit der Heimath ihrer Väter fühlten,
haben ihr reichlich Teil zur Verherrlichung
und Verbreitung deutschen Empfindens in
Po&sie und Prasa beigetragen, so dass eine
überreiche Fülle deutsch-amerikanischer
DEUTSCHE DICHTKUNST IN DEN VEREINIGTEN STAATEN.
377
Dichtkunst Zeugniss dafür ablegt, welche
Höhe deutsches Wort und Wissen hier er-
klommen haben.
Zuerst sei Heinrich A. Kattermann ge-
nannt. In Ankum. Westfalen, am 14. Okto-
ber 1832 geboren, kam er 1846 nach Ame-
rika. Zuerst Ziegelbrenner, dann ]\Ialer,
später Inhaber eines Spezereigeschäftes,
war sein Leben ein müliseliges. Es gelang
ihm 1874 die Leitung des ..Pionier" zu
übernehmen, die er bis 1885 inne hatte.
Das Blatt ging zwei lahre später ein. Rat-
termann gründete 1886 das „Deutsch-
Amerikani.sche ^Magazin ' ', von dem indessen
nur ein Jahrgang erschien. Seine Gedichte
veröffentlichte Rattermaun unter dem Pseu-
donym ..Hugo Reimmimd". Besonders
dankenswerth sind Rattennann 's Beiträge
zur deutsch-amerikanischen Geschichte und
die vielen Anregungen, die er nach dieser
Richtung hin gegeben hat. Er wohnt in
Cincinnati.
Dr. Gustav Brühl, unter dem Namen
Kara Giorg (serbisch: der schwarze Georg)
bekannt, 1826 in Herfort geboren, ver-
fa.s.ste: ..Poesien des Urwaldes" und
andre Dichtungen von wilder Schönheit,
geachteter Arzt imd Gelehrter in Cincin-
nati. Er starb am 16. Februar 1903.
Der 1829 geborene Wiener Heinrich Bin-
der ist eigentlich noch unter die 48er zu
rechnen. Er Avanderte 1852 aus, wurde
Redacteur der ..111. Staatszeitung" und
später Chef-Redakteur des „Puck". Er
starb in New York im Jahre 1901.* Jo-
hann W. Dietz, 1835. Köln, kam 1854 nach
Amerika ; zuer.st in Druckereien arbeitend,
schwang er sich schnell empor. Er war es,
dem die Einführung des deutscheu Sprach-
unterrichts in einem Teil der öffentlichen
Schulen in Chicago zu verdanken war.
„Herb.stblätter" nennt sich eine Gedicht-
sammlung von ihm.
Julius Loch, 1822 in Edenkoben. Rhein-
pfalz, geboren, siedelte 1860 als Kauf-
mann nach New York über. ,.Gediehte"
und andres. Otlo Weiden, eigentlich P. J.
Reuss. Fulda, 1834. ging 1851 nach New
York ; er machte den Bürgerkrieg als Arzt
mit. „Carl der Zwölfte". Drama, und
vieles andre. Gottfried Worch, (1810—
81) Vatterode bei Mansfeld; erfreute sich
Tieck's, Fou<[ue's und Alexander von Hum-
boldt's Protektion, kam 1853 nach Ame-
rika, wo er als Gelegenheitsdichter sein
Leben fri.stete. ,.Zeitgesänge" und andres.
Georg Hess, 1832 in Pfungstadt geboren,
wanderte 1850 aus. kehrte 1877 in die
Heimat zurück. „Kirehweihfreuden" u.
JOHANN B. HLRTZOG.
s. w. Pliilipi) Ilcinilxiili, 1S27. .Mainilu''m.
siedelte 1851 nach Amerika über. ..Die
Waise" und andres. Er starb in IMiiladel-
phia. wo er seit dem -Jahre 1852 ansässig
war. und zwnr im .hilii-c l!»<>2. Friedrich
Grill. 1838 aus Kusel in der l'falz. h.'teiligte
sich am Bürgerkriege als Offizier. ..Ge-
dichte".
Ferdinand Moras wurde 1821 in Dovein
bei Aachen geboren. ..Gedichte und
Randzeichnungen". Er kam 1854 nach
378
DErTSCHK DICHTKUNST IN DEN VEREINIGTEN STAATEN.
Philadflpliia. }r»üii(l«'ti' eine litlu>j.'raplii-
sche Anstalt. Kr starb daselbst im -laliii'
1908.
Einer der licrvoiTajrtMidsten dcntsch-
aim'i-ikaMisclH'M Dichter, wenn nicht der
bed»'Uti'ndste. ist Tlitodor }\ irchlioff. 1828
in l'etersen. I Inistein. <;eboren, bereits auf
dem Oynuiasiuni \'erfasser vieler iyrisehei-
Gedichte, machte den sehleswitj-liolsteini-
schen Krie<r 184!l mit untl wanderte naeii
Heendi'.'tni«; desselben aus. Nach abwech-
selndem Aufenthalt in St. Louis. Davenport.
Ilulmesville. O.syka. :Miss.. Clarksville. Tex.,
.\ew Oi'leans. Altona und Kiel, wo sein
\'ater Bürgei-meister war. kehrte ei- 1863
nach den Vereinigten Staaten zurück. Von
New York rei.ste er über Panama nach San
Franci.sco, lie.ss sich daini in The Dalles,
Ore.. nieder, wo er bald ein einträuliches
Geschäft irründete. Durch Nicaragua
reiste er nach Xew (^i-leans : er hielt sich bi.s
18»)? im Süden auf. inachte dann die be-
schwei'liehe Stage-Rei.se nach Idaho, war
dui't und in Oregon geschäftlich thätig und
licss sich 18(i!) in San Francisco nieder.
Sechs .lahre lang betrieb er eine Engros-
llandlung vmi (;oldwaaren und Schmuck-
sachen. Dann widmete er sich literai-i-
sehen Arbeiten, machte weite Reisen, die
ihn auch nach den Santlwich-Inseln führ-
ten, und starb am 2. :\lärz 1899 in San
Francisco. Kr lieferte Beiträge für ..Die
Gartenlaul)e". ..Daheim''. ..Deutsche Blät-
ter". ..(Jegenwart" u. s. w.. ..Californische
Kulturbilder" und vieles mehr.*
Ernst Anton Zlnidf. 1819 in (ieor^'cn-
berg bei .Mindelheiin in Württemberg gebo-
ren, studirte in München Philosophie und
Jurisprudenz, kam l8r)7 nach Amei-ika. wo
er in (ireenbay. AVi.seonsin. die ..(^reenbay
P(wt" herausgab. Redigirte daiui die von
Otto Kuppius geleitete Zeitung ..(Jradaus"
in Milwaukee und war Mitarbeiter an Zei-
tungen in St. Louis und Minneapolis. In
Jefterson City, wo er den Lebensabend bei
seinem Sohne zubrachte und im Mai 1897
starb, gab er deutschen l'nterrieht an
Volksschulen. ,, Einsame Stunden", dra-
matische Dichtungen. Festspiele und
vieles andre.* Jdliob Hcintz, 1833,
Alze.v. Ile.ssen. .Möbelfabrikant in New
York, eifriger Turner; ,.Aus ]\Iussestun-
den". Hugo Andriessen, 1843. Langen-
berg bei Düsseldorf, Apotheker in Beaver,
Pa.; Gedichte*. Anton Thorniählen, ge-
boren im .Jahre 1829 in Varel, Grossherzog-
thum Oldenburg, seit 18r)t) in Milwaukee;
„L'nser tägliches Brod gieb uns heute" und
andres. Emil Sufro Schückhuj, Aachen,
1832, wanderte 1800 aus, seit 1858 Kauf-
mann in Baltimore; Gedichte. Ernst licin-
hohl Sohjcr, (1820—1866) Stettin, kam mit
Kassuth nach Amerika. „Assistant Regis-
ter" des Schatzamtes in Washington,
D. C, unter Präsident Lincoln ; ,,Das
Staatensy.stem in Europa" und andres.
Victor I'nrhL 1820, Bremen, kam 1S62
nach Amerika, kehrte später wieder in die
Ileimath zuinick, ..Jakob Leisler" und
andres.
Frirdrich Carl Castelhiin, 1828, Ni>rd-
lieim bei Worms, wanderte 1846 aus. stu-
dirte in Amei-ika und Deutscliland .Medi-
zin, praktizirte als Arzt in St. Louis und
eine Zeit lang in San Francisco; ., Ge-
dichte".* Er starb im Jahre 1905.
Jidins Brnck. 1833, Brieg in Schle-
sien. War Assistenzarzt im New Yoi-ker
Steuben-Regiment während des Bürger-
ki-ieges, praktizirte in Newark. N. J., war
eine Zeit lang Redakteur der „Zickel'schen
Zeitschriften", ging 1889 in die Heimath
zurück. ,, Bunte Blüthen", Festspiele und
andres. Frirdrich Albirt Schmidt, 1852,
Hilchenbach, Westfalen, übersiedelte 1872,
wohnte in Louisville. später in St. Loui.s
und Cincinnati und starb daselbst als Fär-
liereibesitzer 1890. (Jedichte und Ueber-
setzungen, darunter eine vorzügliche von
Edgar Ellen Poe 's „The Raven". Max
El)rrhardt, 1843, Germersheim, kam 1852
nach New York, studirte Jurisprudenz, war
Advokat in Cincinnati, siedelte 1868 nach
Chicago über. Gedichte, kulturgeschicht-
DEUTSCIIK DU HTKIINST IN DKX VEREINIGTEN STAATEN.
379
liehe AbhancUungen, „Deut.sfch-anierikani-
sche Geschiehtssehroibung" und andres.
Otto Körting, (1840—78). De.ssau. bekann-
ter Geiger, wandte sich 1870 naeli Ame-
rika, erster Violinist bei Theodor Thomas,
Concertmeister. ]\Iusikk^hrer und Kritiker
in Cineinnati. Rudolf Knimann, Pseudo-
nym Rudenz Edehvaeht. geboren 1848, Cin-
einnati, Ohio, praktischer Arzt in Batavia,
Bremen, wanderte 1854 nach den Vereinig-
ten Staaten aus. Kehrte später in die
Heimat zurüek. „Gediehte". Paul Label,
SchauspiekM- und Komiker, später auch
Journalist in Baltimore, verfiel in Schwer-
mut und töc^tete sich .selbst. ,, Gedichte".
Ilnyo Schlag, (1836 — 86) Sangershausen a.
d. Ilaardt, 1868 ausgewandert, Setzer,
starb in New York. „Thomas IMünzer",
F. H. LOHMANN.
Ohio. Gedichte. Theodor Häring, 1833,
Frickenhau.sen, Baiern, wanderte 1860 aus,
machte den Bürgerkrieg als Arzt mit, prak-
tizirte in Green Bay, Wis., Bloomington,
111.. La Grange, 111. „Gedichte". Adolf
Pohlc, P.seudonym Julius Blume, Bautzen
1848, kam 1851 nach Amerika, zuerst
Geistlicher, dann Apotheker in St. Louis.
Gedichte. Heinrich Lange, (1836 — 74),
Trauerspiel. WilJtehn Riggert, 1852, Sta-
dorf bei Hannover, wanderte 1873 aus.
Er ist in Brooklyn, N. Y., ansässig. „Stun-
den der Dämmerung". Frank Silier, 1835,
St. Petersburg, kam 1850 nacli Amerika.
Milwaukee, Wis., im Winter in Gotha. Fla.,
wo er Orangenzucht betrieb. „Rei.sebriefe
aus dem Süden". ..The Song of Manitoba
and other Poems", und vieles andre. Otto
SSO
DEUTSCHE DICHTKUNST IN DEN VEREINIGTEN STAATEN.
Souhron, Brenu'ii, 184(5. kam als Kind nach
Amerika, in Milwaukee. Bearbeiter deut-
scher Dniint-n für englische Bühnen, Dra-
mendichter. ..fieidenseliaften", ..Entrel
von Trenton" und vieles mehr. Julius
(iugler, 184S. Stutti;art. 1854 nach Ame-
rika. Uebersetzer von Ilerwcgh's Arbeiter-
Edfjar, 1865, Berlin, 1883 amgewandert.
Er ist in Brooklyn, X. Y., ansässig; viele
seiner Arbeiten in „Deutsch-amerikanische
Dichtung" abgedruckt. Maurice Reinhold
von Shni. ..l'roletarierlieder".
Willibald Wincklcr wurde im Jahre 1838
in ^lagdeburg, Provinz Sachsen, geboren,
FRIEDRICH MICHEL.
Liedern ins Englische. Besitzer einer
grossen lithographischen Anstalt in ^lil-
■Nvaukee. „Gedichte" und andres.
Friedrich Michel, 1865. Ingweiler. Elsass.
1881 ausgewandert, besitzt in New York ein
Damenhüte-Ge.schäft. Beliebt als Hccita-
tor. „Asraklänge" und aiidies.* Friedrich
begab sich 1855 nach Kairo, Aegypten,
.schrieb eine Grammatik des Vulgär-Ara-
bischen, kam 1863 nach New York,
bereiste Mexiko als Berichterstatter der
..Kölnischen Zeitung", wurde von Kaiser
^laximilian ausgewiesen, war journa-
listisch thätig in Chicago, Milwaukee,
DEUTSCHE DICHTKUNST IX DEX VEREIN KiTKX STAATEX.
H81
1/
starb
Jahr
Ilallberger's gefolgt
Aegypten", „Lieder
', „Vier Sehreckens-
Cincimiati und Baltimore und
1871 in Stuttgart, wohin er ein
vorher einem Rufe
war. Gedichte, ..In
eines Wandervogels '
tage in New York'', historische Novelle,
„Schulze und ^Müller in Amerika", ,,Die
deut.schen Klein.städter in Amerika'", ., Ma-
ximilian's I. letzte Tage", ein Trauerspiel,
u. a. m. Friedrich ir. Hess (Friedrich
Adolf Hasselt) 1838, Hamm. 1858 ausge-
wandert, machte als Arzt den Bürgerkrieg
mit, später in Baltimore und Cincinnati.
starb 1877. ,,Eine neue IMagdalenc".
BudoJf Thomann (1847—90), Lüneburg,
wanderte 1870 aus. Redakteur des ..C;tli-
fornia Demokrat" in San Francisco. „Ta'-
ben und Taten von Johannes Schaute, alias
John Shoddy".
Leopold von Scheuch, (1843 — 86), Hei-
delberg, wanderte 1868 aus, nachdem er das
glänzende Elend des Offizierslebens, dem er
sich nach verschiedenen Universitäts- Jah-
ren zugewandt, kennen gelernt hatte. Nach-
dem er auf einer Farm, dann in einer Zie-
gelei gearbeitet und sich als Lehrer ver-
sucht hatte, wurde er Journalist, zuerst im
Westen ; dann übernahm er die Redaktion
der ,,N. J. Freien Zeitung" in Newark und
wurde 1876 Redakteur des „Puck" in New
York, in welcher Stellung seine geniale Bi^-
gabung voll zur Geltung kam. Er starb am
13. April 1886. Emil A. Knotser, Wien,
kam 1873 nach Amerika, war Redakteur
v^ des „Seebote" in ]Milwaukee und seit 1886
des „Puck" in New York. Er starb am 28.
April 1888. „Die seligen Eltern", Schau-
spiel, und andres. Patd Julius Immergrün,
1833, Riede bei Bremen, 1869 in New York
gelandet. „Herz, Welt und Vaterland"
und andres. Curt Tiersch, 1845, Eiben-
stock, wanderte 1871 aus, Redakteur in
Kansas City. ,, Gedichte". Fritz zur
Windmülücn, 1853, Rastede, Oldenburg,
kam 1876 nach Amerika, Redakteur des
„Demokrat" in Lancaster, 0., ,, Heimat und
Fremde".
Ein Schriftsteller, Gelehrter und l'hi-
lanthroi) von mehr als nationaler Bedeu-
tung ist der Bibliothekar der Astor-Biblio-
thek in Xcw Yoi'k. Hirniann Iiosen(h(d,
geboivn am 6. Oktober 1843 in Friedrich-
stadt, Kiu'land. Im Jahre 1881 kam er
nach Amei'ika und gründete als Sekretär
der Baron II ii-sch 'sehen Gesellschaft die
erste Ackerl)au-Kolonie für russische Ju-
den, r.nd zwar in i.ouisi.nia, der weitere in
Süd-I)al<i)la nid .\e\v Jersey folgten. Fm
Jaliie l(S}i2 wuide Ro enthal von der
\/
DR. B. A. B.AER.
„Great Northern Railway" nach dem
fernen Osten gesandt und erstattete im
Jahre 1893 Bericht über seine in Japan,
China und Korea angestellten p]rhebungen.
In 1893—94 war er Sekretär der Deutsch-
Amerikanischen Reform-Liga. Ev gaV) mit
Conrad Nies „Deutsch-Amerikanische Dich-
tung" heraus. Seit 1885 liefert er Beiträge
für die „New Yorker Staats-Zeitung". Er
ist Redakteur des „Ilebrew :\Ionthly Intel-
ligencer" in New York, wurde durch Ver-
leihung der Rothe-Kreuz-Medaille ausge-
382
DEUTSCHE DICHTKUNST IN DEN VEREINIGTEN STAATEN.
zeichnet. Redakteur dt-r nis.sisehon Ab-
tlu'ilun«r ih'V ..Jewish Kiicyclopaedia" imd
•Mitjrlied der Kaiserl. Kussisrlicn Wai.sen-
haus-CJe.sellschaft. Husriitlial übersetzt f
/mii ersten .Male ans dem liel)räisehen Ur-
text in 's Deutsehe „Ki»heb'th oder Worte
des Sannnlers", das aus dem 4. oder :].
.lahrhnnih'rt v. Chr. stammendt' liueli des
Alten Testaments, das Sah)mo als Weis-
heit.slehn'r auftreten liisst. daher Prediger
Salomo; ferner stannuen von Rosenthal
..IJed der Lieder'' und eine Tebersetzung
von Hugo Ganz's ..Das Land der Käthsel"
( Russland).
Kihinrd F. L( ijli, L^-K), Meimers, Sachsen-
.Meinintren, L^^bl ausgewandert. Er .starb
als Redakteur des „Deut.sehen Corre.spon-
denten*" in lialtimore am L'. Juli l!K)l.
Zweifellos war Leyli einer der bedeutend-
sten Sehrift.steller und Poeten, welche die
deut.sch-amerikanisehe Journalistik bese.s-
sen. Auch als Uebersetzer lei.stete er
(Jrosses. Vorzüglich gelungen i.«t .seine
l'ebertragung des „Star Spangled Ban-
ner". „Der Tannhäuser'' und vieles mehr.
.Mitarbeiter der „Gartenlaube", „Grenzbo-
ten'' u. s. w.*
WHInhn Kcilmann, 1845, Ilechtsheini bei
Mainz. Journalist und Redakteur in In-
dianapolis und p]vansville. Lid. ..Ilerzcns-
blüten" und vieles andre. Seine F'estcan-
tate zur Columbasfeier 1892 wurde preis-
gekrönt. Hrrmaun Detcrmann, 1841,
Amsterdam, wanderte 1870 aus, Redakteur
in Evansville. Lid , und Columbus. O.
P.sendonym Willibald Roland. „Gedichte".
Emil I). Kanjaii, 1832. Grünberg in Schle-
sien. Bis zu seiner Erblindung 1888 ^Lt-
redakteur der ..Westlichen Past". Er starb
im Jahre 1907 in St. Louis, (iedichte u. s.
w. Wilhrlm Fcistkorn, 1847, Steimbke bei
Hannover, machte den deutsch-französi-
schen Krieg mit und kam 1872 nach Ame-
rika. Redakteur in St. Louis, .später in
Cleveland. ]\Iilwaukee. Chicago, Baltimore
und dann wieder in Chicago. Georg Jura-
schek, 1853. Grünberg, 1885 ausgewandert,
.starl) 1908 in New York, wo er Jahre lan«'
joui-nalistiseh thätig war. „Liederbuch der
ehri.stlielieii Israeliten". Carl Keutcr-Kcr-
<l<r. lS(i4, Wiedeiibrück, kam 1883 nach
.\i'w Orleans, dann in Californien, Xew
York, Detroit und Fort Wayne, Ind. (ie-
dichte. Joseph Alexander Seehaum, 1846,
Warschau, wanderte 1873 aus, ]Miisiklehrer
in Chicago, Ilerau.sgeber des seiner bitter-
bösen Satire und seines beissenden Sar-
kasmus wegen bekannt gewordenen humo-
ristischen Wochenblattes ..Tamtam", das
bei seinem vor einigen Jahren erfolgten
Tode einging. „Durcheinander" und
vieles andre. Carl Lorenz, 1858, Stuttgart,
1880 nach Amerika, Journalist in Xew
York, dann in Cleveland. ..Welke Blätter".
Carl Knortz, 1841, Garbenheim (Wahlheim
in Werthes Leiden), wanderte 1864 aus.
Studirte die Indianersprachen, zeitwei.se
Redakteur des „Pionier". Cincinnati, jetzt
in Evansville, Ind. Er ist Verfas.ser
zahlreicher Werke. „Märchen und Sagen
der Nordamerikani.schen Indianer" und
vieles mehr.* M'iJh(hn Müller, 1845, Hep-
penheim, kam 1866 nach den Vereinigten
Staaten, zuerst Lehrer in Indianapolis und
Cincinnati, nach Schenk 's Tode Redakteur
des „Puck", trat krankheitshalber zurück,
jetzt in Arlington, X. J. „Scabiade, oder
Leben und Taten Fritz Schäbigs" und
andres. Hermann von Wahlde, 1846, Xeu-
enkirchen, Oldenburg, verliess 1866
Deutsehland. Organist, dann Lehrer in
Louisville und Cincinnati. „Gedichte".*
Heinrich H. Fick, 1849, Lübeck, kam 1864
nach Xew^ York, dann Lehrer in Cincin-
nati, Chicago und wieder in Cincinnati. Ge-
dichte. Wilhehn Alpers, 1851, Harburg,
verliess 1871 Deutschland, Lehrer in Xew
York. „Die Heldenbraut". Carl Theodor
Eben, 1836, Ravensburg, kam 1853 nach
Amerika. „Grammatik der englischen
Sprache" und vieles mehr. Er ist in Phi-
ladelphia ansässig. Vortrefflicher Ueber-
setzer. Georg Herrmann, 1840, Württem-
berg, verliess Deutschland 1867, Direktor
DEUTSCHE DK'HTKrNST IX DHN VKh'KIN ICTEX STAATEN.
383
cltM- (U'utseh-ainerikanisclun Seininarselnilo
in Detroit. ..Lyrische Blätter" und andres;
ist zugleich Komponist. Mn.r Hcmpcl. 1868.
Dresden, verliess 1881 die Heimat. Lehrer
in Omaha. Neb., und St. Louis. .Turner-
lehen'". Hermann Niilildiid. IH'.V.], (irolmde
in Hannover, kam 18().S naeh Amerika.
Lehrer in Chicago. ..Aehrenlese" und
andrus.
sehen Dichtunjr ". ..Die Volkerstiedel". ..Die
Hache (liM- Wiildci'". prrisirekrönt. BaUi-
iiioici- Blumt iispit'le, und vieh'.s mein-.*
Plillipp W. HicUcl, 1839, Weinheim. ISÖÖ
aus«re\\andt*rt. kehrte 1871) nach Dciilsch-
hmd /urüek. ,.IIeimatklän«re.* Johannes
Itadolf. lS."):i. Schreiherhau. verlie.ss
Dent.vfhhiiid 1875 und wurde Pastor (h-r
deiitst'li-jire^ln-terischen (iemeinde in Lli-
HERMANN ROSENTHAL.
Conrad Nies, der im Jalire 1862 in Alzey
geboren war und Deutschhind 1883 ver-
lassen hatte, ist zweifellos einer der form-
gewandtesten deutsch-amerikanischen Lyri-
ker. Er war Schauspieler. Reisender, Leh-
rer, Mitarbeiter von Zeitungen und erfolg-
reicher Recitator. Herausgeber der inzwi-
schen eingegangenen ..Deutsch-amerikani-
zal)ctli, X. .J. „(iedichte". Emil Sclniei-
der, 1835. ]\lühlberg an der Elbe. Machte
d(=n schleswig-holsteinischen Krieg 1864
mit. Verliess 1874 die Heimat, ging 1886
zurück. Pseudonym : E. Sartorius. „Das
Wort der Wahrheit" und vieles mehr.
Aufjust Johann Berens, 1843, Hamburg,
kam 1877 nach Amerika. Evangeliseher
sw
DEUTSCHE DICHTKUNST IN DEN VEREINIGTEN STAATEN.
(JeistlieluT. aiiitirtc in Miniusota Lake,
.Minii.. Wasliinj^'ton. Mn.. uii«l Kliiiliui'st.
III ..Frühlin«rsl)«)ti'n" uiul andres. lUdro
lliji lt. IS«)!». Wiesbaden. ( Jeistliehei-. Wurde
liSSIl l'a.st()r in HiLrhland. JH.. seil 1S!U in
St. Louis. ...\in (iolf von Mexieo" und
viele.s andre, ./oliiiini C. EhirJiard, 1S27,
Bern, kam ISöH naeh .\nierika. foelit im
Hürjrerkrieire. l'astor in \Vheelin«r. dann in
St. Lituis. ..Abend^rlocken"" und andre.s.
/•'. 11'. fh rzhcrycr. IcS')!!. Baltimore, Pa.stor
in Ilanuiiond. Ind. ..Deut.sehe Verdienste
um un.ser Land" und andres, (intilkh C.
Ii( rkt ni( i< r, Pittshurir. CJei.stlieher, Avurde
iSSf) Direktor des "Wartburir Waisenhau.ses
in Mount Vernon. X. V. (iediehte. F. W.
A. Lief cid, 1H;U, Tjud\vii:.sfelde. wanderte
1866 aus. Pa.stor in Lynnville. Ind. „Ern-
tekranz" und andre.s. Carl H. Rohe, 1846,
Syraeu.se. X. V. Pastor in Joliet, III.,
Detroit. ^lieh.. und Columbus. O . Redak-
teur der „Lutherischen Kirchenzeitung",
...Morjrenrrlocken" und andres. L. H.
St< i>ltv, 18-11, ]Maar, Hessen, kam 1856 nach
Amerika. Pa.stor an der 2. deutsch-refor-
mirten Gemeinde in Cleveland, 0, „Frei-
heit. Oleichlieit, Brüderlichkeit", ein Tier-
Gedicht. Ferdinand Schreiher, 1831, ]\[ar-
bur«r. verlie.ss Deut.scldand 18ö6, katholi-
scher Gei.stlicher in Ilavana, 111. ,, Klänge
aus Kom" und andres. Wilhelm Färber,
1841. Sonneborn bei PJlberfeld. kam 1863
naeh Amerika. Pfarrer in St. Louis, ge-
storben am 18. April 1905. „Ilerb.stblu-
men.* Eurjcn Funckcn, 1831 — 1889, kam
als apastolischer ^lissionar nach Amerika.
Gründer des gros.sen deutschen Waisen-
hau.se.s in St. Agatha. Ont., Canada, avo er
starb. Gedichte und andres. Ferdinand
Hundt, 1835, Attendorn, Westfalen, ver-
liess 1859 die Heimat. I*riester. Rich-
mond. Indiana. ,,]\Iaienlieder" und andres.
Alexander Bcrejhold, 1838. St. ^Margare-
then, Steiermark, ging 1864 nach Amerika,
Priester in Belle Plaine, Gründer einer
katholischen Gemeinde in New Um. dann
in St. Paul. ..Indianer-Rache" oder „Die
Schreckenstage von Xew Ulm", ,,Prairie-
i'osen" und andres. Minna Klecherg.
( 1844 — 1878) Elmshorn, kam 1866 naeh
Amerika. Gedichte. Marie liaihle, Unter-
Insingen, Württemberg, Alton, 111,
..Deutsch-Amerika" und andere Gedichte.
Hella Fiehincj, (1832—1878) Warmenau,
Hannover, kam 1850 nadi Amerika, Gattin
des P"'riedeiisrichters Fiebing in ]\Iihvaukee.
Gedichte. Fauline Widenmann, 1839,
Stuttgart, kam 1840 nach Amerika, Gattin
von August Widenmann, Ann Arbor, Mich.
, .Lieder und Gedichte" und andres. Fanny
Gumpert, (1809 — 82) Bernburg, verlie-ss
Deutsei: '"jd 1856. Ihre Gedichte erschie-
nen in Leitungen Philadelphia 's, wo sie
Avohnte. Dorothea Böttcher, Schwerin, kam
1876 nach Amerika. Evan.ston, HL, dann
in Chicago Lehrerin. ,,Die Erbschleiche-
rin" und andres.* Heinrich Harhaugh,
1817, AVainsboro, Pa. Begabter Dialekt-
dichter. Professor der Theologie am ]\Ier-
cersburg (Pa.) Seminar, starb am 28. De-
zember 1867. „Harbaugh's Harfe".* Hein-
rich Fischer, Washington, Pa., gleichfalls,
neben vielen andern, Dialektdichter. „Kurz-
Aveil und Zeitvertreib, odder Pennsylva-
nisch-deutsche Folkslieder" und andres.
Ferdinand ^y. Lafrenz, 1,859, Fehmarn,
wanderte 1873 aus. Erst Lehrer in Chica-
go, dann in Cheyenne, Wyo., und in Ogden,
Utah. „Nordische Klänge". Vorwort
dazu von Klaus Groth. Alfred Arnemann,
1835, Domaine Eibingen bei Hannover,
kam 1854 nach Amerika. Lehrer in Omaha,
Neb. „Feierabend". Carl Munter, 1831,
Verchen in Pommern, ging 1854 nach New
Orleans. Pastor in Delaware, Ripley Co.,
Ind. „Das Oekumenische Concil" und
andres. Wilhelm Diescher, 1844, Hamburg,
1882 ausgewandert. Herausgeber der
„Extra Po.st", Brooklyn, N. Y., gestorben
1907. „Erstlingsblüten" und andres.
Nicolaus F. Butenscliön, Holstein, geboren
anfangs der vierziger Jahre, kam als junger
]\rann nach New York, starb daselbst 1888.
„Uns' Modersprak". Georg Asm.us, 1830,
DPJUTSCHE DICHTKUNST TN DKN VEREINICTflN STAATEN,
385
(ii(S.«^en. verliess die Ilciniat 1862. Berg-
werks Sachverständiirci' in New York.
,./. nierikanisehes Skizzeiibüchele" und
vichs andre.* Jolunut Mari in Bürckle,
\S'2, Plattenhardt. Württeniberfr, 1859
a is^ewandert. in New Bremen. O..
Redakteur des ..Vetter ans Sehwaben".
„Veilchen" und vieKs mehr. Xicofniia
('.onn(t\ 1835, Lnxembur*r, wanderte 18()5
wandert. (Jras.«es Weingesehäft in San
Francisco. (Jedichte. Alexander Conze,
(1819 — 47) Biickebur-r. fiel im mexikani-
schen Krie«re in dir Schlacht bei Buena
Vista. Gedichte.
Gustav Herrbvandt, geboren 1819 in
Reutlingen. Wegen Betheiligung am Auf-
stande v«m 1848 sieben Monate auf dem
IIohcM-Aspcrg gefangt'ii. kam 1850 nach
FRAU L. L. LESER. Philadelphia.
aus, Redakteur der ..Luxemburger Gazet-
te" in Dubuque, la. „Prairieblumen" und
andres.* Johann Baptistc Nnu, (1859 —
91) Luxemburg, kam 1880 nach Amerika.
Gedichte. Xicolaus Eduard Becker, 1842,
Wormeldingen, wanderte 1854 aus, Frie-
densrichter in Dubuque, la. (Gedichte.
Bernhard Bellmann, lebte in den fünfziger
Jahren in Cincinnati. Gedichte. Carl
Bundschu, 1842, ^Mannheim, 1864 ausge-
Amerika. Gründer des ,, Schwäbischen "Wo-
chenblatts" in New York 1876, das einen
grossen f]rfolg erzielte. Er starb am 2(5.
^lai 1896. ..Das Lob der Schwaben" und
andres. Sein Bruder Robert Ileerbrandt
starb am 9. April 1909. Er war ebenfalls
am „Schwäbischen Wochenblatt" betheiligt.
Johann />'. Ilrrtzog, 1831, Bechthcim bei
Worms, wanderte 1856, nachdem er in
Giessen studirt hatte, aus. War Bibliothe-
386
Di:iTMCIIK I>I« iriKINST INDEX VEKEIXlCTKN STAATEN.
kar diM- Dcutschm ( Jcscllschfift in IMiiliuld-
phi.i 1111(1 li'iti'tc (Init dir (l»Mitsch-aiiU'rik;i-
nisclu* Alx'iitlscliuli'. s^wii- i-iiu' \au\H' Zt*it
rtorirciidi' DiMitsch-Aiiu'rikanischt' Schul«*.
Er starl) am iL'. Scptfinhcr liMll. (Ic-
dicht«'. Lt'lirl)üclifr und vieles andre*
Ein luTvorratrender «reistlieliei- Diditei-
ist Pati'P liouovi ulutd HatnuHr. .Mitijlied
des MiiKtriten-Ordens ; er wirkt in Fort
Wayne. Ind. Kr li.it .iiissei- (tedichten ein
Schau.spiel ..('»»hnnlnis" geschrieben, sowie
Lehensl)c.schreil)uniren von IIeilij;en, reli-
giöse Ahhandlungeii und anderes. Er
wurde in Durniei-sheini. Baden, im Jahre
1842 gehören, kam aber .schon 4 Jahre
später mit .seinen Eltern nach Amerika.
Ernst Oflo Ilnpp, 1841. Ahtshagen in
Pommern, kam 18Ü() naeh Amerika, kehrte
1875 in die Heimat zurüek. „Unter dem
Sternenhannei'" und vieles andre.*
Franz L. .X.ighr, 1849. :\Iühldorf in
Sachsen, als Kind naeli Amerika, Theo-
loge. Präsident des St. Paul's College der
PiseliiiHiehen ]\Iethodisten-Kirehe in St.
l'aui Park. M\uu. ..Rei.se in den Himmel"
und viele.s mehr.* Carl August PätJi,
Zemmin. Pommern, kam 1878 nach Ame-
rika, l*astor der unabh. evang. Innnanuels-
Kirehe in Chicago. „Deutsche Lebensbil-
der" und andres.* Heinrich Pfäfflin.
1842. Schweigern. Württemberg, wanderte
18(i() aus. Zuerst Lehrei-, dann Redakteur
an der „R^ehe.ster Al)endpast" in Roehes-
ter, X. Y. Gedichte. Ernst Wilhelm
Pieper, Löbegallen, Ostpreussen, (1828 —
93) machte den Krieg gegen Oesterreich,
1866, als Landwehroti'izier mit, wanderte
im Herbst 1866 aus. Er war 16 Jahre lang
Chef-Redakteur des ..Seebote" in Mil-
waukee. wo er 1893 starb. Gedichte.
Johann Hermann R. Peffelt, (1811—89)
Bramsche an der Hase, wanderte 1856 aus.
Lehrer in New York und IToboken. ..Dieh-
t untren".
Gertrmle Bhcdc (Pseud. Stuart Sterne).
geboren am 10. August 1845 in Dresden,
seit 1850 in Amerika, hat in ensliseher
Sj)i-ache gedichtet. Besondei-s bekannt ge-
worden ist ihr Roman ..The Story- of Two
Lives". Sie starb in Brooklyn 1905.
Lnn nz h'ohr. 1846, Rheinpfalz, kam 1869
nach Amerika. Zuerst Lehrer. 1884 Chef-
Redakteui" des ..Kvansville Demokrat".
Gedichte.
Heinrich Bosshard, dei- Dichter des
..Sempacher Liedes", das dem reichen
Schatze dei- Dichtung des Schweizervolkes
eine köstliche Perle zufügte, wurde am 11.
Ai>ril 1811 zu Bolstern, im Kanton Zürich
gelegen, geboren und nachdem er die Volks-
.schule seines Heimatlisortes ab.solvirt hatte,
bezog er das Lehrerseminar zu Küssnaeht,
sich für den Beruf eines Jugendbildners
vorzubereiten. 17 Jahre lang war er
später an der Schule zu Schwamendingeu
thätig. Ein Lnngenleiden zwang ihn im
Jahre 1849 der Lehrthätigkeit zu entsagen,
die ihm jährlich das „fürstliche" p]in-
kommen von 500 Franken sicherte. Fa'
wandte sich ganz der Bienenzucht zu. aber
unbefriedigt von dem monotonen Leben
imd im Besitze einiger Geldmittel, bereiste
er das weite Gebiet der Ver. Staaten, imd
als Frucht dieser Streifzüge ei*schienen
seine vielgelesenen Reisebriefe. Auch die
Abwechselungen, mit welchen Reisen ver-
bunden .sind, führten zu einem Gefühl der
Uebersättigung und dem Verlangen nach
Ruhe. Amerika wurde alsdann seine Hei-
math und abseits von belebten Heer- und
Yerkehrsstrassen war der Jura bei High-
land. 111., wie geschaffen dazu, das zu ge-
währen, was er suchte. Er widmete sich
dem Weinbau und der Bienenzucht ; er
starb im April 1877. Dem Dichter des
,. Sempacher Liedes" wurde in Highland
ein Denkmal errichtet ; Prof. Albert Peter
aus St. Louis war der Präsident der Denk-
nuil-Kommission. Die Enthüllungsfeier
fand am 14. Juni 1909 statt.
Adolf Strodtmann, (1829—79) Flens-
burg, kam 1852 nach Amerika. Buchhänd-
ler in Philadelphia, dann Journalist in
Xew York und anderen Städten, kehrte
DKrTSCÜK DKHTKrXST IX DKX XKRKIXKiTHN STAATEN.
387
1856 nach der Heimat zurück, stai-h in
Berlin. Tebersetzer. Anierikani.sche Antlio-
lojrie; Gedichte und vieh's mehr.* ('ml
Aiu/Kst Tih-ch( , (1808 — 86) Brandenhurir.
1858 aus<rewandert, Pa.stor in Cineinnati.
starb in Chicago, (jedichte, ..Deutschhnids
Befreinnp:", 'ri-auei-.spicl. Cnrl rtu/itr,
1855. Bonn, wanderte 1S77 aus. JourUfdi^t
in Chicauo untl St. Ijoui.s, später .'«^tädti-
rnioK.^-Armee. Journalist in Chicajio, dann
St. Louis. Cediehte u. s. w. Willirlm Apel,
1860. Elvershausen. .seit 1887 in Amerika,
Buchdrucker, ..(Jermania". Milwaukee. Ge-
dichte. Aufjiisf F. Aiujustiii, 1868. Penz-
lin. kam 1884 nach Amerika. Pa.stor in Kau
(Mair. Wis (iedichte.
H( ftliohl A. Bat r wurde am 3. ]\Iärz 1867
in Bi-uchsal. Baden, tictxtren. Er wanderte
DR. GOTTHCLD AUGLST NEEFF.
«eher Beamter dase:i)st. Geilichte. Willirlm
Vocke, Preussisch-Minden. 1889. kam 1857
nach Amerika, kämpfte im Büi'gerkrieire,
Journali.st. dann Advokat in Chica^n).
Uebersetzer deutscher Dichter. Redner.
„Handbuch der Rechtspflege in den Ver.
Staaten". Gedichte. Ludwig Willich, Frei-
herr von Pöllnitz. 18-40, Darmstadt, erst
Offizier in der deutschen, später in der
vor einer Reihe von Jahren nach Amerika
aus. war /uei\st in San Fi-ancisco und ist
jetzt in Philadelphia ansässig. Er ist ]\rit-
ai'beiter aller hervorragenden humoristi-
schen Zeitschriften und mit Humoresken
und Novellen in vielen deutschen Zeit-
schriften vertreten. Er ist Redakteur
des deutsehen Departements der ,, Phila-
delphia Press". Verschiedene seiner Ge-
388
I)P:UTSI"HE DICHTKUNST IN DEN VEREINIGTEN STAATEN.
dichte sind von den besten Komponisten
I vertont. Er ist Ileraustrcber und Redak-
teur der ..(Jlocke" und wurde zweimal bei
den KtUner Blumenspiclen \nid mit zwei
I'reisen beim Baltimorer ausgezeichnet.
Von ihm erschienen sind bis jetzt folgende
Werke: ..Die Grafen von Manderscheid."
Epos; „Leidenschaften." Schauspiel in
drei Aufzügen: ..M«'ine Lieder." Gedichte;
..Herzens- Angelegenlu'iten."- Amerikani-
.sche IIum()resken und Novellen. Erster
liand ; ..Wilde Ko.sen". Gedichte; ..Zeitkin-
der." Gedichte; ..Xette Geschichten." Ame-
likani.sche Humoresken und Novellen. 2.
Hand: ..Engel und Teufel." Kriminal-
Roiium. Autorisirte Bearbeitung; ..War'
nicht die Liel)e." Gedichte. 3. AuHage ;
..Das Milli(»när-Habv." Kriminal-Roman.
Autorisirte Bearbeitung: ..Meister Er-
hard." Ein Sang aus früher Kaiserzeit.
Epos. In Vorbereitung befinden sich:
..Wilde Rosen." Neue Gedichte. 2. Bnid;
..Der Weg zum Herzen." Novelle; ..Sie
mu.ss nachgeben." Amerikanische Humo-
resken und Novellen. 3. Band; ..Der Ku-
chen Preis-Konte.st" und andere amerika-
nische Humoresken. 4. Band; ..Das lachen-
de Grab" und andere amerikanische No-
vellen. 5. Band. Sein Lustspiel ..Das stei-
nerne Herz" wurde anfangs des Jahres
1908 im Deutschen Theater in Philadelphia
mit Erfolg aufgeführt.
EwdJd F. Bnrfpmnni, 1860, Sehwartau
bei Lübeck: .seit 1888 in Amerika, Ilaupt-
zeiehner der Hlinois Central in Chicago.
Gedichte. /•;. Wdshiiujton Banich, New
York, 1869, Mediziner, Vorlesungen litera-
rLschen Inhalt.s an der Columbia Universi-
tät in deut.scher Sprache. „Gedichte" und
andres. Carl Ferdinaud Bauer, 1869,
Crailsheim. 1883 au.sgewandert. Professor
am Proseminar der deut.schen evangelischen
Synode in Elndiurst. TU. Gedichte.
Hrrnianii WHIhIih Iliinrirh Bmifpius,
geboren am 17. Fel)ruar 1861 zu Heil-
bronn, trat als onlentl. Studirender in die
Stuttgarter Techni.sche Hochschule ein.
Kam 1882 nach Amerika. Hier sind seine
Schicksale Wechsel volle gewesen. Er ist
gegnwärtig Zeitungskorrespondent und
Zeichner. Er wohnt in Atlantic City. X. J.
..Welt.stromlieder", „Dichtungen" und
sein neuestes illustrirtes Buch über ameri-
kanische Landschaften ..Stimmen der
W^asser". das die eigenartigen Schönheiten
der amerikanischen Land ;chaftsgebilde
poetisch verklärt.
CONRAD NIES.
Doktor Clara L. Xicolajf. geboren in Ber-
lin am 27. Februar 18f3, erhielt ihre Aus-
bildung daselbst. Ging später auf einige
Jahre nach England, wo sie theils lehrte,
theils studirte. Kam im Jahre 1897 nach
Amerika. Wohnt seitdem, mit kurzen Un-
terbrechungen, in Philadelj^hia. Promo-
virte zum ..Doctor Philosophiae" an der»
University of Pennsylvania am 17. Junii
1907. nachdem sie einige Jahre zuvor am
derselben Hochschule den ..^Magister«
Artium" erlangte. Unterrichtet an ver-
schiedenen Schulen alte und neue Sprachen
DEUTSCHE DICHTKUNST IN DEN VEREINIGTEN STAATEN.
389
and ist seit drei Jahren am Bryn iMawr
College angestellt. Gedichte, Novellen,
Skizzen, wissenschaftliche Abhandliuigen.*
Georg von Bosse, geb. 1862 in Helmstädt,
wanderte 1889 aus. Zur Zeit Pastor in
Philadelphia, Pa. Gedichte.* Paul Brand-
ner, 1852, Weissdorf in Baiern, kam 1883
nach Amerika, Architekt in New York seit
1890. Johannes Braun, 1857, IMarienwer-
der, verliess die Heimath 1885. Dr. Phil..
Cor US, 1852, Ilsenburg, kam 1884 nach
Amerika. (Ausführliche Biographie an an-
derer Stelle.) „Helgri und Sigrun" u. vieles
mehr. Hans Demuth, 1868, St. Wendel,
kam 1893 als Zeitungs-Korrespondent zur
Weltausstellung nach Chicago, Herausge-
ber und Redakteur des Wochenblatts
„Nachrichten-Herold" in Sioux Falls, S. D.
Gedichte.* Martin Drescher, 1863, Witt-
stock, wanderte 1891 aus. Redakteur in
Chicago. „Gedichte" und andres.* Gcorij
Edward, 1869, Giessen, wanderte 1893 aus,
Professor Northwestern University, Evans-
ton, 111. „Symphonien" und andres. AmaUe
von Ende, 1856, Warschau, kam als Kind
nach Amerika, New York, ^Mitarbeiterin
der „N. Y. Staats-Zeitung", Schriftstelle-
rin. ..Vier Lieder" und andres.
Edna Fern, (Fernande Richter), 1861,
Rössing bei Hannover, wanderte 1881 aus,
Gattin des Arztes Dr. Geo. Richter in St.
Louis. ,, Märehen", „Gedichte" und vieles
mehr.* Carl August Fickeissen, 1847,
Pfalz, wanderte anfangs der siebziger Jahre
aus, Grundeigenthums-]\Iakler -in Brook-
lyn, N. Y. Gedichte. Joseph Erhardt
Fischnaller, 1862, Innsbruck, wanderte
1884 aus. Gedichte. Kuno Francke, 1855,
Kiel, 1883 an die Harvard University in
Cambridge, Mass., als Professor berufen.
Gedichte und andres.* Julius Göbel, 1857,
Frankfurt a. M., kam als Kind nach Ame-
rika. „Gedichte". Martha Gödel, Her-
ford, Westfalen, kam 1894 nach Philadel-
phia, seitdem in die Heimat zurückgekehrt.
„Gedichte".* Constantin Grehner, Bronn-
bach, 1830, kam 1875 nach Amerika, Päda-
goge, Oberh'lircr an di-n Schulen Cincio-
nati's. Gedichte und andres. M. Green-
hlatt, 1842, Tann a. d. Röhn, wanderte 1866
aiLs, war IT Jahre Chef-Redakteur des
„California Demokrat" in San Francisco.
Gedichte und anderes. Carl Gundlach,
1852, Springstille, Schmalkaldcn. wan-
derte 1887 aus, Journalist, Philadelphia,
dann in St. Louis. Verfasser von Romanen
und Dramen.' ,,(iedichtc". Friedrich Adolf
Harter, 1843, Bärwalde, 1856 ausgewan-
dert, machte den Bürgerkrieg mit. Deut-
FRAU FERNANDE RICHTER. PSEUDONYM
EDNA FERN.
scher Buchhändler in Chicago. „Erinne-
rungen aus dem Kriege" und andres. Ernst
Henrici, Berlin, 1854, kam 1902 nach Ame-
rika, seitdem nach Deutschland zurückge-
kehrt. Bedeutender Dramatiker. Gründer
des Baltimorer Blumenspiels, Foi-scher und
Recitator. „Aztekenblumt^" und vieles
andre.* Adidbrrt von Hiifiir, Xei.sse, 1836,
wanderte 1862 aus, focht im Bürgerkriege,
wurde bei Fredericksburg schwer verwun-
det. Journalistisch thätig an der ..(Jernia-
nia" in Los Angeles. Gedichte Mfnd
390
DETTSrHK DKIITKUNST IN DKN \ KKKIXIGTKN STAATEN.
.•111 aiicliMvr
iiiul andres.
]S«J7; 18J)8
Fi'csiu). C'al.
Walttr IliUlthmiuL lS«i2. Schkcuditz. l'ic-
vinz Sarhst'ii. (.Jclstlichcr. waiidcrtf ]8i(Ü
ein. Pastor in Circcnficld. -Ma.ss. .,Ge-
dii'hte".* Julius Iloffmauu, 184Ö. Worms,
kam 1881 nach Amerika. Praktischer Arzt
in New York. Gediclite.
Friedriih von Höhlt. Ilainburjr. 1860,
wanderte 1SS2 ein. Denver. Coh). Ge-
dichte, llihmit /'. HoUcr, 1871. St. :Mar-
gareten in Holstein, wanderte 181)5 ein.
(Ausführliche Hi(»<rrapliic
Stelle.) ,.S{)härenreiireii ""
Luiz Ilurn. Gei-daueii.
einjrewandert. Tastor in
„Stinnnmi^swellen ".
Ein freisti^ ;.mii/. hcsniidcrs hei'\or-
ragender Deutscii-Amerikancr. ja zwei-
fellos der bedeutendsten einer in der
jüngeren Generation deutscher Vor-
kämpfer ist Julius Hof Uta tili, ireboren zu
Friedberg in der AVetterau. 1865, studirte
Theologie. Philosophie. Germanistik und
Geschichte in Giessen. 188!) an die Zions-
Gemeinde von Baltimore berufen. Lizeii-
tiat der Theologie, ehrenhalber, der Uni-
versität Gie.ssen. Gedichte. Ii)(i7. Hedeu-
tender Redner. Lehi-er an der Johns
Hopkins Universität.
Friedrich ^\'ilhclnl IJnir, 1835, Schwerte
in Westfalen, seit mehr als zwanzig Jahi'cn
in Amerika. Dr. pliil.. Bergwerks- Inge-
nieur. Gründer von Gi-aphitville. X. (\
(iedichte. Amiu J\ irclish in. Pi'üm in der
Eifel. kam ls68 nach Amerika. Chicago,
(iedichte und andres. (iior<j I\<n}h. 1861),
Heppenheim. 1886 eingewandert, katholi-
.scher Geistlichei- in Xeier. .Mo. Gedichte.
Fililxrt Korndörfir. Darmstadt. 1860,
wanderte 1886 ein. Importeur von Apothe-
kerwaaren in New York. Gedichte. Laura
Willnhnini Krich. Suhl. Thüringen, lebt
in Haekensack. X. J. Cedielite. August
Lanff«. 1867 in P^lfsen. Westfalen. Geist-
lieher. kam 18;i(> nach Amerika. Pastor
einer der grös.sten deutschen Gemeinden
des Landes, der evang. St. Johannes-Kirche
in Evansville. Ind. ..Aus stillen Stunden"
und andres. Ernst Eduard L< nicke, 1844.
Pasewalk. kam 1861) nach Amerika, Buch-
händler in New York, Chef der P'irma
Ijemcke & Büchner. Theilhaber der Braun-
seliweiger Verlagsfirma B. Westermann &
Co. In Deutsch. Knglisch und Französisch
..Creation-Re-Creation ".
/•'. //. L(dnnann. 1848, Eckernförde, 1857
eingewandert. Er kam mit seinen Eltern
nach Texas, wo er zur Zeit le])t. Er war
als deiitsclier Lehrer mit Lrfolg thätig. Im
GEORG VON SKAL.
Jahre 1908 veröffentlichte er ein Bändchen
Gedichte unter dem Titel „Texasblüthen",
die viel Schönes enthalten. Besonders be-
merkenswertli sind die Gedichte ..Glück'^
und ..(). deutsches Lied''. Ausserdem ..Die
deutsche Sprache". Carl Eugen Gustav
Lorenz. 1858. Stuttgart, kam 1880 nach
Amerika. ..Welke Blätter". Fred. R.
Minuth, 1854. Ostpreussen. Fast zwanzig
Jahre in Amerika. ..Ihr Verbrechen" und
andres.*
DEUTSCHE DICHTKUNST IN DEN VEREINIGTEN STAATEN.
391
Lotta L. Leser, geb. Xieolay. wurde am
15. September 18(j4 in Berlin geboren. Ihre
erste Novelle ...Johannistag" erschien im
Jahre 1880 in der Sonntagsbeilage der Ber-
liner ..Volkszeitnng" im Dniek. Dem
schlössen sieh zahlreiche Novellen. Skizzen.
Märehen und dergleichen an. L. L. Leser
lieferte Beiträge an: ..Sehorer's Familien-
blatt". ..Post". ..Norddeutsehe Allgemei-
ne", ..Staatsbürgerzeitung". ..Deutsches
Tageblatt". ..Volkszeitung". ..^lontags-
blatt", „Stuttgarter ]\Iusikzeitung". ..Mün-
chener Jugendblätter" etc. Im Jahre 1888
hei rat bete sie Dr. Victor Leser aus Phila-
delpliia. ging mit ihm im Jahre 1892 nach
Amerika; sie wohnt seitdem in Philadel-
l)liia. Sie erhielt von der ..Glocke" in
Chicago den ersten Preis für eine deutsch-
amerikanische Humoreske, von der Redak-
tion der ..Deutschen Hausfrau" in Mil-
waukee den zweiten Preis für eine kurz«'
Novelle. Ihre Dramen ..Naiiiego'' und
„]Maskenfreiheit ". sowie ihr ]Märchenspiel
„Schön-Rothtraut" und das Volksstück
„Die Glücksucher in Amerika" (Im Lande
der Lotophagen) wurden in Philadelphia
aufgeführt. ..Schön-Rothtraut" sowie ein
Band Novellen. ..Das zerrissene Bild und
andere Erzählungen" erschienen im Jahre
1904 in Buchform.
Ä. 0. Müller. 1845. Altmark. 1899 einge-
wandert. Leiter des deutschen Unterrichts
an den deutschen Schulen in Davenport. Im.
„^lüllerlieder". Hiifjo Miui.sterb( rg. 18(j:}.
Professor an Harvard. ]Mass. Psychologi-
sche und ethische Arbeiten. Gedichte, hei--
ausgegeben unter dem Pseudonym Hugo
Terberg.*
Gotthold Aiigitsf yo lf\ New York. lS(i(i.
Geistlicher in Ellenville. N. V. Heraus-
geber von: ..Im Lande des Sternenban-
ners", „Primula veris" und vieles andre.*
Pastor Neef starb am 20. Juli 1909.
Nicolaus Jr)h(i)uies Otto, Filsch bei Trier,
1871. wanderte 1895 aus. katholischer
Geistlicher in Chicago. ..Stille Weisen".
Jos( ph Bainer, Kaltem. Tirol. 1845. kam
18(57 nach Amerika, seit 1887 Rektor des
Salesianum. d<'s bekannten Priester-Semi-
nai's in St. Francis. Wis. Wurde 1904 zum
Ilausprälaten Pins" X. ernannt. „Jubel-
klänge aus Amerika", Gedenkblatt zum
Papst.jubiläum, und andres. Ernst Richard,
1859. Bonn, wanderte 188:i aus, Lehrer an
der Cohuiibia Cniversität in .New York.
..Alte (Jeschichten aus dem Mohawktal "
Hl NR^' F. URHAN.
und andres. Mallliids lüihr. /«■iniiier liei
Trier. 184(i. wanderle 18»)8 ein. Kedakleur
des ..Volksfreund" in Buffalo. N. Y.. dann
General-Agent d<'r ( Jeniiaiiia-iiebensversi-
chennigsgesellscliaft (lasell)st. ..Am Nia-
gara", (instar Iionnnd. Königseggewald,
\Vürttemberg. wanderte 1877 ein. .New
392
DEUTÖCHt: DICHTKUNST IN
dichte. Johamns Krtisf littthi nstrinrr,
tur. 1860. 8t. Louis. M.».. katholi.sclicr (icist-
licIitT in Frederickstown. Mo. ..IiMliancr-
.sommer" und andn-s. Elisabeth Rudolf,
Dresden, leht in lialtinioiv. Gedichte.
Friedrich Ilditrich Saun-, Wiesl)aden.
18«;!, verlie-ss Deutsehhind 1882. Gediehte.
Chniens Auffust Schlüter, 1837. Nordkir-
chen. AVestfahMi. 1872 eintrewandert. l'far-
rer am St. Joseph Hospital in Lancaster.
Pa. „Natur und Gnade". Grorf/ M. A.
Schöner. IStU. Steinach. Baden, wanderte
18J>0 ein. katholischer Geistlicher in Roches-
tcr. Pa., Sachverständiger der kirchlichen
Architektur. ..Deutsche Weisen aus Ame-
rika". Heinrich Christian Strack, 1848.
Keiskirchen, nes.sen, wanderte 1884 ein.
Redakteur des ..Wasliington Journal".
Gediehte. Johanms WiUuhn TJiciss, 18(53.
Zelionopol. ]*a. Lutherischer Geistlicher in
Los Antreles. Cal. ..(Jeptlückt am "Wege"
mit Zeichmnigen des Verfassers. ..In der
Feiei-stunde" und andres. Martha Toeii-
Jitz. 1872, Breslau. Gattin des Arztes Di-.
Ma.\ Toeplitz. lelit in New York. Ge-
dielite. Carrie Freifrau von Vcltheini-
Ilülse, Beirut, Syrien, lebt in Berkley, Ca-
lifornien. Gediehte * (ic<tr<j Siflcester
Viereck, 1884, ^München, seit 1897 in Ame-
rika. „Gedichte" und vieles andre.* Jo-
hann Bernhardt Vinckc, 1854. Ileede a. d.
Ems, kam 1873 nach Amerika. Verlor sein
Lelx'ii beim Unterganir der ..Elbe" am 30.
Jaiuiar 1805. Gedichte.* Hermann Wei-
gand, 1858. Halbei-stadt. wanderte 1887
aus. Geistlicher. Gedichte. Carl Chris-
tian Wendel, 1857, Bierstedt bei Wiasba-
den, lebt in Brooklyn. Gedichte.* Paul
Wienand, 1857, Zellin a. d. Oder, 1869 aus-
gewandert. Prediger der deutschen ref.
Christus-Kirche in Brooklyn. N. Y. Ge-
dichte. Stanislaus vo)i Wiszcewsly, 1875.
Stolp in Ponunern. lebt in New York. Ge-
dichte. Friedrich A. M'ifneken, 1866, Ober-
schlesien, lebt in San Francisco. Gedichte.
Georg von Skal wurde in Posen im
Jahre 1854 geboren, ehemaliger deutscher
DEN VEREINIGTEN STAATEN.
York. (ieriiiania-Lebensversicherung. _ Ge-y
Offizier; wanderte 1876 aus. Versuchte
zuerst auf mannigfache Weise sein Heil in
iWv neuen rmgebung. wurde dann Redak-
teur der New Yorker Staats-Zeitung, spä-
ter Rechnungskommis.sär der Stadt New
York. Vertreter des Berliner Lokalanzei-
gers und nerausgel>er der Zeitschrift
..America". Hervorragender Redner. Ge-
dichte. Skizzen etc. ..Das amerikanische
\'o]k" und vieles mehr.*
Hugo Bcrtsch, 1851. ]\Iai-garethcnhausen
im Schwarzwald ; lebt als Kürschner in
ALBERT PULVERMACHER.
Brooklyn. N. Y. ..Die Geschwister" und
andres. Rudolf Cronau, Solingen. 1855,
lebt in New York. Bekannter Rei.sen-
der und Vortragskünstler. ^litarbeiter
an zahlreichen bedeutenden Zeitschriften.
,.Tm wilden Westen" und vieles mehr,
Ernst Freijhurger, Karlsruhe. 1858. wohnt
in New York; Redakteur. Erzählungen
und andres. P. Hann, Horiz in Bihiiien,
1855, wohnt in New York. ..Anspruchs-
lose Geschichten" und andre;. Theodor
DEUTSCHE DICHTKUNST IN DEN VEREINIGTEN STAATEN.
393
Hoster, Winnweiler, Rheinpfalz, 1854 ge-
boren. Früh ausgewandert, lebt in New
York. Herausgeber des „Scientific Ame-
rican". Emil Klässig, 1881 in New York
geboren, sehrieb Skizzen und andres. Vitiis
Völkel wurde im Jahre 1849 in Wirsitz in
Posen geboren, wohnt jetzt in New York.
„Aberglaube und Bilder" und andres
mehr.
Rei.sebiklern aus der alten Ileimath. Skiz-
zen über bedeutende Frauen und andres
mehr. Albert Pulvermaehtr, 1866 in Hrom-
berg geboren, studirte zuerst Medizin,
machte später philologische und litterari-
sche Studien. War eine Zeit lang in Paris
j\Iax Nordaus Anmnuensis; wanderte 1892
aus. Nacheinaiuler am ..Pittsburger Volks-
blatt", der ..lIol)okener Al)endpost" und
ADOLPH SCHAFFMEYER.
V
Henry F. Urban, in Berlin geboren.
Humorist und Satyriker, ein Nachkomme
von Johann Heinrich Voss. Mitarbeiter
an vielen bedeutenden Zeitschriften in
Deutschland und Amerika. ..Im Dollarlan-
de". ..Maus Lula" und vieles andere
mehr.* Marie Jüssen, in ]\Iadison. Wis-
consin, geboren. Seit 1904 Redactrice
der ..Deutschen Hausfrau" in Mil-
waukee. Verfasserin einer Reihe von
dem .,Xcw Yorker Morgen-Journal" thätig,
wurde er 1897 Redakteur und Dramaturg
der „New Yorker Staats-Zeitung". Sinn-
sprüche und andres*. Frau Louise Lübbe,
in der Altmark geboren, le])t in Chicago
Verfas-serin zahlreicher Novellen und Ge-
dichte. Adolf Sehaff'meijer, wohnt in New
York. Redakteur der ..New Yorker Staats-
Zeitung". Verfa.sser mehrerer bedeuten-
der Romane, sowie der mit gro.s.sem Erfolge
894
DKrTSfUK l>h IITKCNST IX DKN VKKKINIGTEN STAATEN.
{;('<.'('h('iii'li DiiiiiH'ii : ..\)rv IliTi- l'ücoii".
,.Khrlicln' .Mcnsclicn" uiul aiulrrs.
JfiniKiini Ah.rnn<l<r. (irüiulcr (U's
iiiifaiiirs <It's .lalircs llKiü rin«rt'^an fernen
„KcIki" in N't'W V«ti*k. (h-r sich seihst in fol-
fr«'ntlri- Weis«' si'hihh'i-t : ..In l'oiiiiiii-i n ire-
hon'ii vor rüiifuiulvitTzigr Jahri'ii. Hcsudite
die (Jyninasicti in Stolp uiul Daii/i«; und
hatte eine Zeit lan^' die Ahsielit. TheohtjJrio
zu studiren. Ks schien niii' nach reitiicher
l'ehei leirun«: indessen hesser. als Schi'it't-
stelh'i- die Welt aus den Anj;elii /u liehen.
Sic hlieh aher drin, ohwold ich zu dem
/wecke im .lahre 1S81 speziell nach .\iiic-
rika kam. liier t'ühi'te mich sein- hald
mein Kismet der Tajrespresse zu. Ich
wuchs mit (h'm ..New Yorker Herold" auf.
arl)eitete mieh zu h'itender Stelluuir empor
und schied nach nahezu zwanziir.iährijici-
Thäti<rkeit von (h-r Stätte einer Wirksam-
keit, der meine tranze Lielte gdiört hat.
(irüiKh'te (huui ein ei«renes Hlatt. (his .\e\v
^'|>ri<c|• ..Mcho" ". heute im siehenten -lalire
sein«'s Hesteliens. \V;is ich von meiner
früliesten Kiiuh'i'zeit an je fresündi^t. hahe
ich als (Icutschii- Zeit un^sherausy;el)ei'
reichlich al>«rehüsst. (ieschriehen hahe ich
ausser einem halhcn hundei-t kleinerer
Skizzen nur i'iiic auch nicht sehr srrosse
Novelle, die mir heute laujtre nicht mehr so
sehr iniponirt. wie in der Stunde ihrer Ge-
hurt. (Jedichtet hahe ich meistentheils nur
Karnevals-l'oesie und die dichte ich noch.
Hermann Alexander."
Einer der herufensten unter den dcul-
schen Dichtein und Schriftstellern unserer
neuen Ilcimath war zweifellos Holti il
Iidizd. der wohl eine kurze Würdi^'uu«:?
viidicnt. Kr war am '21. danuar 1S41> zu
\V«'ilenau im Schwarzwald gehören. Kr
verlor friih die .Mutter, mit dem \'atcr
verhand ihn nicht viel (}emeinsames. Zum
Theoloiren hestiiumt. hezo^ Rohert Reitzel
die Fniversität IIeid(>lherir. Im Jahre
1870 kam er nach .\merika uiul schlui?
sich mühsam als ..(irüner" mit allen Arten
von Heschäfti'.''un^eii durch. Die dahei ire-
sammeltcn Krfahrun^en verötf entlieht*' er
später im ,, Armen Teufel" unter dem
Titel: ...Mx'uteuer eines Grünen." Unab-
hän^n^'keit imd Leidenschaft für die Frei-
heit sind di<' Fundamente des Charakters
von Keitzel. Sic hrachten ihn in Kontlikt
mit der Kiiche. Das Knde war. dass er den
Talar jranz auf die Seite lei;tc. Kr hefrann
ein AVandeilchi n als ..Iveisercdncr ". In
DR. WILLIAM L. ROSENBERG.
Tunivereineu und radikalen Ge.sell.sehaften
war er sehr helieht.
Tu Detroit wurde es ihm Ende 1SS4
durch Heihilfe von Freunden luöirlich ^e-
iiiacht. ein Hlatt herauszujtrehen. ,,Der
Arme Teufel": erste Nummer erschien
am (1. Dezemher 1884. „Der Arme Teufel"
war nicht nur hi'lieht. er wurde gelieht,
und jede Nummer wurde freudig erwartet.
DEUTSCHE DICHTKUNST IN DEN VEREIN ICTEN STAATEN.
395
Reitzel schrieb iiielit luu-li (Miiem Pro-
gramm; er gab sieh selbst und viele fan-
den, es sei das sehüner und grösser wie
eiu I*rogrannn.
Er vermittelte den
Deutsch-Amerikanern die Literatur des
Jüngsten Deutsehland: Karl Plenkell, J.
H. ^laekay, AVedekiud, Hauptmann. Auch
machte er sie mit amerikanischen Denkern,
wie Emerson und Thoreau. bekannt. Seine
eigene Prosa ist wohl die beste, die in
Deutsch-Amerika geschrieben worden ist.
Aber er wollte nicht nur ein Schöngeist
sein ; ül)er Allem stand ihm der Kampf
für die Freiheit, und zwar nicht für die
phrasenreiche ..politische Freiheit". Die
genügte ihm nicht. Er wt)l) sich sein
eigenes Freiheits-Ideal.
Unheilbare Krankheit warf Reitzel Jahre
hindurch auf das Schmerzenslager. Aber
ob er auch physisch schwer litt, seinem
„A. T." erhielt ei' doch den alten Humor
und die .junge Frische. Am 81. März 1898
starb Reitzel in Detroit.
Karl Kiiicp. Xcwfirk. X. J.. geboren am
6. Oktober 1845 zu Hannover, seit 1866 in
Amerika. Gründete in Xewark ein Engros-
Geschäft. Verfasser der Begrüssungs-
Hyiinie zum 21. Xational-Sängei-fest und
der Gedichtsanniilung ..Durch Sturm und
Sonnenschein in vierzig Jahren."
ir. L. lioscnberg. geboren 10. Januar
1850 in Deutschland. (Westfalen) von
lutherischen Eltern. AVar als Lehrer des
Lateinischen lange Jahre tliätig, schrift-
stellerte dazwischen und liess seine ersten
Gedichte im Jahre 1880 in Frankfurt a. AI.
erscheinen.. AVanderte im Jahre 1881 nach
den A^r. Staaten ein. warf sich hicn- auf
das Studium der Xational-Oekonomie und
nachdem er in Hostcm zwei Jahre als Lehrer
angestellt gewesen, ti-at er ins politische
Zeitungsfach über, zuerst in Ciiicngo. dann
in Xew York, später in {Mnciiuiati und vom
Jahre 1898 ab in Cleveland. wo er im Jahre
1901 eine Anstalt für Sprachgebrechen und
geistig zurückgebliebene Kinder eröffnete.
Seine Begabung für dii' Bühnendich-
tung bewies H(»senbei-g (hin-li mehrere
Werke. ..('ramblcton " (isti!)); ..Auf der
Aloralwoge" ; ..Der Fiiedensstifter" und
„Der Ileld von San Juan Hill" sind die
Titel einiger seint^- di'aiiuitischen Erzeug-
nisse, welche den allgemeinen Beifall der
Zuhörer fanden. In ;ill diesen Werken be-
handelt der Dichter soziale Tliemata mit
einem ]).sychologischen rntergriuide. Ho-
senberg, der viel gereist und ein überreiches
HLHMANN .ALEX.ANDF.R.
Leben hinter sich hat. ist luizweifelhaft
einer der vielseitigsten Schriftsteller der
deutsch-amerikanischen Literatur. Seine
Erzählungs-Sanunlung ..Aus dem Reiche
des Tantalus" (ISSS. /iiii.-li> f;ind irrossen
Anklang.
Seit fast vier Jalirlninderli'ii fliegt nun
ununterbrochen der dentsdie Gei.stesfunke
hinüber nach der neuen Weit, die längst
396
DKUTSCHK DICHTKUNST IN DEN VEREINIGTEN STAATEN.
keine neue mehr ist. Dn ist es nicht
zu verwundern, da.ss deut.sehes Ilandleln
und Denken. Wirken und Empfinden, ein
starker Faktor im amerikaniselien Leben
wurde. Xoeh «rrösser als er bereits ist, sollte
er freilich werden, wenn der Deutsche seine
allzuirros.se Bescheidenheit abwürfe. —
l'nd docii. trotz iliescr scheuen Zurück-
haltung ist die dcutsclie Dichtkun.st nuith-
voll auf dem ihr unirünstiurcn Boden Ame-
rikas emporgeblüht. ]\Iag auch die über-
reiche Schaar deutscher Autoren in den
Vereinigten Staaten Sterne allererster
Grösse unter den Ihren zählen, so ist das
ehrliche Ringen auch der bescheidner Be-
gabten, gewiss mit grösster Genugthuung
zu betrachten, denn sie sind die treusten
Wahrerdeutschen Empfindens, die Banner-
träger deutscher Ideale auf fremdem Bo-
den, diese deutsehen Dichter in Amerika.
DEUTSCHE DICHTKUNST IN DEN VEREIN IGTEN STAATEN.
W,
UDO BRACHVOGEL.
Deutsch-Amerikas groesster Balladendichter.
Udo Brachvogel ist eine der bekanntesten
litterarisehen Persönlichkeiten Deutsch-
Amerika 's. Er wurde im Jahre 1835 ge-
boren, hat sich aber die ewige Jugend-
lichkeit des Poeten gewahrt.
p]r studierte die Rechte in Jena und
Breslau, gab in Wien ein Bändchen viel-
versprechender „Jugendgedichte ' ' heraus
und kam in 1866 nach den Vereinig-
ten Staaten, wo er eine Zeitlang ^Mitredak-
teur der „Westlichen Post" in St. Louis
war und später die Redaktion des seiner-
zeit blühenden „Belletristischen Journals"
in New York übernahm, in dem viele seiner
Gedichte erschienen sind.
Der jüngeren Generation ist er am bes-
ten als Prosaist bekannt. Sein Roman
„King Corn", der bereits verschiedentlich
in Zeitungen, aber nie in Buchform erschie-
nen ist, schildert die Beziehungen des
Menschen zur Erde mit einer Intimität, die
an Zola 's gewaltiges Werk ,.La Terre" er-
innert. Ein weiterer Roman von Bedeu-
tung ist „Irregang auf der Prärie". Be-
sonders kraftvoll ist in dieser Erzähliuig
die Beschreibung eines Blizzard, wie auch
in der Poesie die grossen Regungen der
Natur, die Feuersbrunst und der Orkan zu
den Lieblingssujets des Verfassers gehören.
Es verdient der Erwähnung, dass Brach-
vogel es war. der Bret Harte 's erste Arbei-
ten in 's Deutsche mustergültig übersetzte,
wie er überhaupt ein meisterhafter Ueber-
setzer ist. Zum Dank hierfür und in
warmer Anerkennung seiner Verdienste hat
ihm der Amerikaner seinen ersten grösseren
Roman als ..Udo Brachvogel, Esq." zuge-
eignet. Ferner verdient hier noch bescm-
derer Erwähnung die ergreifende, in Ver-
sen geschriebene ,, Novelle der Künstlerin".
Brachvogel's Poesien liegen unbegreifli-
cher W^eise nicht in Buchform vor. Doch
selbst auf die wenigen in Anthologieen ent-
haltenen Proben hin erklärt ein Kritiker
vom Rufe eines Carl Busse Udo Brachvogel
für den bedeutendsten deutsch-amerikani-
schen Dichter. Wie weit dies zutrifft, kann
die Kritik erst entscheiden, wenn der
jugendfrische Greis seine Gedichte gesam-
melt herausgegeben hat. Doch nach den
Manuskripten und Ausschnitten, wcldie
der Dichter liebenswürdigst zur Verfiigiuig
stellte, ist es unzweifelhaft, da.ss wir ihm
den Lorbeerkranz unseres grössten Halla-
den-Dichters nicht vorenthalten köjincn.
Er hat Verve, Farbenpracht, Musik. Bil-
der, wie kein anderer unserer Poeten. Seine
Lehrmeister waren Rückert und Freilig-
rath, denen er ein würdiger Schüler ist.
Für ihn ist die Sprache ein Toninstrument
und eine Palette. Er macht die gewagtesten
Experimente oft mit grossem Erfolg.
Allerdings muss gesagt werden, dass sein
Gefühl für das. was schön klingt \uid sich
farbenprächtig ausnimmt, gelegentlich sein
Sprachgefühl überwiegt. In dem Bestre-
ben, nie dagewesene Effekte zu schaffen,
wird das kunstvolle Schnitzwerk manchmal
zur Schnörkelei, die Kunst erkünstelt. Doch
das ist bei dieser Dichter.schule unvermeid-
lich und bei Brachvogel durch den Erfolg
glänzend gerechtfertigt.
Er ist bewusster in seinen künstlcrisclicn
Absichten, als irgend ein anderer deut.sch-
amerikanischer Dichter, er grübelt oft
Tage lang über einem W^orte nach, denn er
wei.ss, dass es in jedem Falle innner mir
ein Wort giebt, das das richtige ist.
Wäre Brachvogel nur gross in äusserlich
künstlerischen Effekten, so wäre das aner-
kennenswertii genug und würde ihn hoch
über das Heer der meisten unserer Poeten
stellen. Denn die Form — parado.x wie es
kling«'!) mag — ist die Seele der Kunst.
Brachvoirel hat der Seele audi einen Kör-
per gegeben. Seine Stiiiimungi'n. seine
398
ItKrTSlUK I>I< IIIKINST IN DKN XKKKINKiTKN STAATKN.
Sujfts sind «'ijrt'iiartiir und |>;ickt*ii(l. Ks
sind nur ^moss«- niäclitijrt' Thcinata. meist
mit :mtik«'m. Iiistorischcni nint<M-«;rund.
dir ihn Jinzirlicn. d« r lii-.ind I^oms. l*«M*se-
polis. Ljikrrtia. Ilaninhai. Na|)(»lt'nn und
Kh'opatra. Mit kühnem (Jritl' wählt rv das
riclitiirr .Moment im Lehen seiner Ilehli'ii.
in «rluthyitUe Vei-se kh'i(h't er sein Lied.
Ks ist katnn möirlicli. dem Diehtei- in
dem l\ahmen diest-s kurzen Aufsatzes ge-
?-ei-ht zu wi'iden. Es erseheint nur statt-
haft, einifje seiner hedeutendsten (iediehte
kurz anzufüliren. Da ist vor alh-m die
meisterhafte und weithin bekannte S<'höp-
funjr ..Ktimische Xaeht". AVie alle Braeh-
V()«rersehen (Jediehte ist sie verhältnissmäs-
si«; lanir. I'nser Uiehter seheiut eben Poe 's
Ansieht, dass ein poeti.sches Kunstwerk, tun
zu wirken, einer s;ewis.sen Länge, von etwa
hunch-rt N'ersen l)edürfe. zu theilen. Es
lässt sieh manches für dieses Prinzip sagen,
wenn man sieh auch der Ansieht nieht ver-
schlies.sen kann, da.ss hier und da die
Längen ein wenig ermüden, dodi trägt uns
bei Braelivogel die gluthvoUe Spraelie
darüber hinweg. Des Xero bhmder Lieb-
ling liest den Virgil ihm vor.
,.r><>cli jiliitzlicli schweigt <les Liel)lings Stimme,
llinül) zum Kaiser sinkt sein Haupt —
„l'm.sonst hier brechen meine Schwingen,
Sieh vor dem Dichter mich vergehn,
Soll icli sein Lied dir würdig singen,
Miiss ich erst Troja brennen seh 'n "
Da zuckt es um des Weltherrn Stirne,
„Dein Wahnsinn, Knabe, sei gestillt."
Und während Ronui in Flammen ver-
sinkt, greift der junge Sänger zur Leyer:
„Jetzt kann ich den Vergil versteh "n. "
Pyroteehnische Effekte sind es auch, die
der Dichter in dem wenig bekainiten .,Per-
sepolis" mit gewaltiger Kraft zu benutzen
weiss, wo der Ammonide der Hetäre Thais
verspricht, im Brande der Stadt das
Abendroth noch einmal zurückzuzaubem,
ehe er sie verlässt.
..riid die Krde wir(l erschrecken,
Al)er jauchzen wird dein Herz."
..Kosen am .Nil" reiht sieh diesen Gedich-
ten würdig an. o})wohl hier die Effekte
manchmal zu sehi- den Eindruck des Ge-
suchten machen. Es sind aber Zeilen in
dem Gedichte, die einen mit Staunen und
Bewunderung erfüllen, würdig der Köni-
gin, die
.. — Rom wohl zweimal trug im Haar
An einem Feste des Anton."
„Capua'' ist in der Form vielleicht das
gelungen.ste der Brachvogel 'sehen Gedichte
und enthält einige neue Effekte:
„Die trotz 'gen Häupter, welche
Kein Alpenschnee verletzt,
Schnee der Orangenkelche
Beugt und begräbt sie jetzt."
Wenn Brachvogels Gedichte erscheinen,
und sie müssen erscheinen, werden sie
nicht verfehlen, grosses Aufsehen zu
machen. Sie haben alle einen seltsamen
Reiz, eine .starke Individualität, und wir
können vielleicht nicht besser thun. als mit
ein paar Zeilen aus einem Brachvogel'schen
Gedichte „Die wohlriechende Kerze" zu
schliessen. die den grandio.sen Flug seiner
Poesie trefflich charakterisieren:
„Ich seh vor mir im Myrtenschimmer
Aus meiner Phantasien Schacht,
Aufsteigen jene alte Pracht,
Davon das Echo wie Gebet
Um ausgegrabne Tempel weht."
G. S. Viereck.
Deutsch-amerikanische Dichtungen.
AN DIE FKKUXDE, WKU'HK DION GARTEN
BESUCHEN.
It'li finde in der weiten Welt
Nichts denn nur Aufruhr, Krieg und Streit.
In meinem engen Gartenfeld
Lieh, Friede, Ruh und Einigkeit.
^fein' Blümlein fectiten niininerniclii-.
Was ilnien alles auch geschieht;
Sie wissen nichts von Gegenwehr,
Kein Waffen man da jemals sieht,
Druml)' acht ich ihr (iesellschaft hoch
I'nd hin hei ihnen gern allein.
Gedenke oft, dass Christi Joch
Will ohne Räch' getragen sein.
Frait: Dcuiirl Pastorius.
Wie ist mir so wohl.
Wenn ich 's sagen soll.
Ich kann 's nicht vor Liebe nennen,
Was in mir vor Brunst thut brennen.
Wenn ich 's sagen soll :
Ich bin der Liebe voll.
Ich bin verliebt, ich kann 's nicht hehlen,
0 reine, keusche Himmelsbraut!
Ich will von deiner Lieb' erzählen.
Die sich mit mir im Geist vertraut.
Denn deine Treu hat mich bewogen,
Dass ich dir gebe alles hin:
Du hast mich ganz in dich gezogen
Und hingenommen meinen Sinn.
Conrad Beissel.
O quälende Liebe! O süsseste Plag!
Verkürze die Zeiten! lass kommen die Stund!
Verlege, verschiebe nicht länger den Tag,
Denk an den getreuen, gnädigen Bund,
Und mache denselben für alle Welt kund!
Johann Kelj'ius.
AN MARIE.
(Süd-Carolina 1849).
Dein Ring! — Das ist so trüb im ^Menschenleben,
Dass sie vergessen — nicht im Hader scheiden.
Nicht missverstehend, sich bedächtig meiden;
Dass sie der kleinen ^fühe sich entheben.
Der besten Lebensblume das zu geben,
Was jeder Halm bedarf, soll er nicht leiden.
Sic soh'n, wie Jahre tief und tiefer schneiden.
Wenn Seelen sich nicht mehr und mehr verweben
Sie kennen schon die reichen Liebesgarben
Und lassen Liebe doch verwelkend darben,
Nachlässig, was verbunden war, sich trennen.
Und so vergessen Herzen, sich zu nähren.
Die aber können sich des Grams nicht wehren.
Die das Vergessen nicht vergessen können.
Franz Lieber.
FAST ALLEIN .Nocif.
(Januar 1S77).
^yie oft in trautem Freundeskreise,
Vor vielen Jahren da und dort,
Verflog die Zeit in lieit 'rer Weise
Bei Scherz und andi hei ernstem Wurt !
Der lieben Menschen waren viele
Mir nahe durch ein enges Band:
Wir rangen nach dem gleichen Ziele.
Wir waren eins mit Herz und Hand.
Wo sind sie hin, fast Alle, Alle
Mir nun entrückt, doch einst so nah?
Bin, der ich noch auf PJrden walle.
Bin ich allein, allein noch da?
So fliegt zu längst entschwund 'nen Zeiten
Mein Geist zurück und fraget wohl.
Ob ich allein noch länger streiten
Und leben, athmen, streben soll.
Wann wird auch meine Stunde schlagen.
Der ich so viele scheiden sah ? —
Ich werde straucheln nicht und zagen.
Wenn gleich fast nur allein noch da.
Ich klage nicht; es muss vergehen.
Was ist, — verjüngt muss alles sein,
Lasst Winde meinen Staub verwehen.
Ein Andrer uim.mt die Stelle ein.
Friedrich Münch.
FAHRT AUF DER WESER.
Motto: Schau um dich her, du siehst in weiten
Fernen
\ur JVa.sser und des Himmels Spur,
Doch sehau hinauf, dort über jenen Sternen,
Dort ivohnt der Vater der \atur.
Rings umwallt von weissbeschäumten Wogen
Und vom Hauch der Lüfte fortgezogen,
Gleitet ruhig schwebend wie der Friede
„Amphitrite' '.
Und nach den Wolken streben ihre Masten,
Tief im Räume rulin die schweren Lasten
Vuii in Höh' uml Tiefe winuneln ihre
Passagiere.
Die sich an des Vaterlandes Plagen
Satt geseh 'n und übersatt getragen.
Und dem Sclavenjoche zu entfbelien.
Weiter ziehen.
Paul Schmidt.
400
DKrTSCH-AMEKIKANISCHK DK ITirNGEN.
KU HIN K PRNNSYLVAENIER.
Ich hin i- l't'niisvKiiiiicr
Driifl" liiii ii'li stolz un fr.ili.
Da» Land is schö. <1«' Loiit ' sin nett,
IVi Tst-hinks! ic-li mac-li ' sohior en 'ge Wett,
'S hiots kl' Laiul iUt Welt.
Mir stainmc viiini ilc Di-utsrlu' Irt,
Druff bin ii'h a recht stolz,
Dil- Dciitsrlie sin uTg brave Lcut,
Sin sj>arsani. flcissiy iin j;f8uliout,
yio biet ke Volk der Weltl
Da jjnek nur ens tlrn (Jarte an.
Wir l'cnnsylvänir iiesst,
Warlist (lo net alles sfhö un jjiit
Viu\ hot net jeder jj'sundes Blut.
'S biets kt' ImimI dir WrU!
Un net ailenig uf der Erd '
Wachst alles schön un gut,
A drunne gebts so viel ihr wollt
Kohle. Eise — nieh ' werth wie Gold.
'S liiets ke Land der Welt.
Ludwig August Wollenweber.
Da lienimt kein Bergsturz, kein blinkender See,
Fern grüsst sie im Osten das Land,
Die .Niauern der Städte, die grüne Höh'
Umzieht sie mit silbernem Band.
Durch tobenden Sturz, durch Höhlen und Nacht
Bricht sie herrlich und strahlend her,
Sie schaukelt dii' Brigg und die tanzende Yacht
Mit Schätzen beladen zum Meer.
So auch die Menschheit, durch Kampf
Schlacht
Wird sie siegreich zieh 'n ihre Bahn,
In der Zukunft frei, in Glanz und Pracht
Vergisst sie den Streit, den Orkan.
Niagara 's Donner an meinem Ohr,
Im Herzen die Hoffnung der Zeit,
So brachen gewaltsam die Worte hervor.
Die ich Euch, ihr Känipfer geweiht!
Caspar Butz.
ERINNERUNG.
Der Schein und Wirklichkeit vereint,
Der Spiegel, drin das Alte .iung.
Das Todte lebend dir erscheint,
Er heisst Erinnerung.
Karl neiu.~en.
und
AM NIAGARA. (1852).
(Unter dem Tafelfelsen).
Vom Fels«'n sickert es tropfenweis
In langsam einförmigem Tact,
Nur vor mir schäumt er wie siedendheiss
Der tobende Kataract —
Hoch oben die ragende Felsenwand
Ein Baidat hin für das Haupt,
So sitz ich, den (Jriffel in der Hand
Vom N'ebi'l des Sturzes umstaubt.
Welch ein Dichtersitz! Mir zu Füssen liegt
Die sprudelnde Wasserwelt.
Uebcr Klippen, die sie im Kampf besiegt,
Stürzt sie wild, wie ein zürnender Held.
In ewigem Hingen, in stetem Kampf
Hat sie Bahn bis zum Meer sich gemacht,
Der Nebelschleier ihr l'ulverdampf,
Ihr Tosen der Donner der Schlacht.
Und allein im wilden, tosenden Streit
Sitz ich einsam am Felsenhang,
Gedenke des grossen Kampfes der Zeit,
Den gekämpft wir nun schon so lang.
Niagara 's Lauf und der Menschheit Loos
Ein ewiger Kampf um die Bahn;
Zur Bahn der freien Entfaltung getrost
Und wild str«>l)en beide hinan.
Hernieder stürzet des Stromes Lauf
Den Felsen mit donnerndem Krach.
Hoch sprudelt der (iischt. die Woge wallt auf,
Dann stürzt sie der anderen nach.
Kein Hemmen, kein Halte n, hinab die Bahn,
Sie trctzet dem hemmenden Stein,
TTnd stolz und brausend zum Ocean
Wälzt sie siegesgewiss sich hinein.
UMWOELKTE TAGE.
Graiiuunflorte Nebeltage,
Wolil und Weh' ist eure Trübe,
Passt so gut zu meinem Trübsinn,
Passt zu meiner toten Liebe.
Wenn nur nicht die böse Sonne
Dieses traute Düster störte.
Und dem nachterfüllten Auge
Seinen Thränenflor verwehrte.
Sonne, bist so bitterböse
Mit dem beissend scharfen Lichte;
Spottest nur mit deiner Helle
Meiner düsteren Gedichte.
Friedrich Hassaureck.
WUNSCH.
Lasst meinen T>eib von Feuersgluth verzehren,
Wenn iliin entwichen Leben und Bewegung!
Mich schaudert vor der kalten Gra besiegung
Und vor dem Loos, die Würmer nur zu mehren.
Gönnt mir zuletzt des Scheiterhaufens Ehren!
Gleicht doch der (Jeist auch einer Flammenregung,
Die freudig loht zu hehrer Weltausfegung,
Wenn Uebermuth und Knechtsinn sie verzehren.
Die Sonne legt allabendlich sich nieder
Auf jenen Brandjifülil, den aus Wolkenroth
Der flieh 'nde Tag aufschichtet immer wieder.
Von ihr umleuchtet lasst nach meinem Tod
Von Feuersgluth verzehren meine Glieder,
Das Gold in Gold mein Leib zum Himmel loht.
Eduard Dorsch.
DEUTSCH AMERIKANISCHE DICHTUNGEN.
401
DEN TURNERN.
Reckt euch und streckt mit Macht — doch geistig
auch müsset ihr ringen;
Blosses Klettern, bedenkt, habt ilu mit Affen ge-
mein.
AN EINEN SATYRIKER.
Schwinge die Geissei nicht der Satyre, wenn du
nicht Geist hast ;
Wolle Mephisto nicht sein, wenn du nur Grobian
bist !
AN EINEN „HUMORISTEN".
So mancher dünkt sich, Humorist zu sein in Schrift
und Rede,
Und ist doch nur zu jeder Frist 'ne giftge-
BchwoUne Kröte.
Otto Brethauer.
DAS REICHSPANIER. (1870).
Willkommen, schwarz-roth-weiss Panier!
Weh ' stolz voran, wir folgen dir,
Zu kämpfen und zu siegen!
Ein blut 'ger Lorbeer schmückt dich schon.
Voran! Bald wird des Franken Thron
In Schutt und Trümmer liegen!
Auf, auf zum Kampf I Die Loosung sei :
Ein ein'ges Deutschland, stark und frei!
Was wir gehofft, nur still gedacht.
Des Feindes Spott hat 's wahr gemacht :
Es giebt ein Deutschland wieder!
Kein Preussen, Baden, Baierland ;
Am Rhein wie an der Nordsee Strand,
Allüberall nur Brüder.
Auf, auf zum Kampf, die Losung sei:
Ein ein'ges Deutschland stark und frei!
Ob schwarz-roth-weiss, ob schwarz-roth-gold ;
Das Banner Deutschlands ist entrollt
Gefahr mag dräu 'n, Verderben,
Wir achtens nicht, ziehn in 's Gefecht
Mit Sang und Klang für deutsches Recht,
Für 's Vaterland zu sterben !
Auf, auf zum Kampf, die Losung sei :
Ein ein'ges Deutschland stark und frei!
Friedrich Otto Dresel.
AN MEIN VATERLAND.
Kein Baum gehörte mir von deinen Wäldern,
Mein war kein Halm auf deinen Roggenfeldern,
Und schutzlos hast du midi liinausgetrieben,
Weil ich in meiner Jugend nicht verstand,
Dich weniger und mehr micli selbst zu lieben.
Und dennoch lieb ich dich, mein Vaterland!
Wo ist ein Herz, in dem nicht dauernd bliebe
Der süsse Traum der ersten Jugendliebe?
Und heiliger als Liebe war das Feuer,
Das einst für Dich in meiner Brust gebrannt.
Nie war die Braut dem Bräutigam so theuer,
Wie du mir warst, geliebtes Vaterland!
Hat es auch Manna nicht auf dich geregnet,
Hat doch dein Himmel reichlich dich gesegnet.
Ich sah die Wunder süillicherer Zonen
Seit ich zuh'tzt auf deinem Boden sfan<l.
Doch sciiöner ist als I'ahnen und ("itmnen
Der Apfell)aum in meinem N'aterland !
Land meiner Väter! länger nielit das meine,
So heilig ist k<'in Boden wie der deine.
Nie wird dein Bild aus meiner Seele sehwinden,
Und knüpfte mich an dich kein lebend Band,
So würden mich die Toten an dich binden,
Die deine Erde deckt, mein Vaterland!
O würden Jene, die zu Hause blieben,
Wie deine Fortgewanderten dieh lielM^n,
Bald würdest du zu einem Heiehe wer<len.
Und deine Kinder gingen Hand in Hand,
Und machten dich zum grössten Land auf Erden,
Wie du das beste bist, o Vaterland!
Conrad Krez.
SONST UND JETZT.
Einst schweift ich im Land der Romantik,
Ein irrender Ritter, umher.
Bald stritt ich mit Bären und Drachen,
Bald fuhr ich in 's leuchtende Meer.
Mit Gnomen versah ich die Wälder,
Mit singenden Nixen den Strand,
Mit tanzenden Elfen den Mondschein —
Wie hat sich das Blättclien gewandt. —
Fort sind die phantastischen Träume,
Die Ungeheuer sind tot ;
Nun kämpf ich, ein deutscher Philister,
Den Kampf um das tägliche Brot.
Von Grotte. Hügel und Buschwerk
Zog längst der Kobold aus;
Zwei muntere .Tungen rumoren
Dafür jetzt durch Garten und Haus.
Und singt die Mama, so hüpfen
Sie flüchtig wie Elfen im Moos;
Wie bricht in der Badewanne,
Der plätschernde Jubel erst los!
Den Zauber der Waldromantik
Ersetzt mir des Christbaums Pracht,
Wenn aus sechs glückliciien Augen
Der Himmel entgegen mir lacht.
Edmund Märllin.
VERGAENGLICHKEIT.
Es war noch nie ein Erdentraum
Voll Glück und Seligkeit.
Der sich niciit allzu bald vermischt
Mit Schmerz und tiefem Leid;
Der sich nicht losriss von dem Herz,
Das er durch Wahn bethört,
Und das die wilde Leidenschaft
Dann rettungslos verheert.
402
DKrTSCH AMKRIKANISCHE DICHTUNGEN.
Es war not-li nie tiii trolics Any,
Das TliräiK'ii nidit nft'iillt,
l'nd (U'sst'n lii-it 'irr Strahl noch nie
Ein Trauerflor iiinliiiilt.
Wir 8»'h 'n die schönste Hliimo blüh 'n —
Sic wi'lkt lind ist dahin; —
Wir suchen einen Stern und seh 'n
Nur Nacht, wo er einst scliien.
Es war noch nie ein edles Herz,
Ein (ieist voll Werth uml Kraft.
Dem für sein hohes Streben niciit
Die Welt nur I'ein ^joschafft, —
^Vio oft verbirj^'t ein T>orbeerkranz,
Der hehr die Stirn umflicht.
Ein ödes Her/ und einen (Jeist,
Der in X'erzweifluu!,' bricht.
Es war noch nie — uml wird nie seiu —
.■\nf Erden eine Zeit.
Wo sich von W.mIiu und Leidenschaft
Die Menschheit yanz befreit.
Wohl wechselt alles, doch es wird
Nur schmider Lüye Kaub —
l'nd weit vom Ziele sinken die
•Tahrhunderte in Staub.
Ailolith WaUich.
Ar.scIlIK!) \()N DKrTSCIILAND.
„Wir ztiyeii hinali den Khein.
Die Andern lachten und sangen,
Doch mir die Thränen, die Thränen mir
In mi'ine .\uyen s|)ranfjen.
Die .\ndern tranken froh den Wein,
Der Eine, der sidilug die Zither,
Mir war es. als s[irängen die Saiten all',
l'ml der Wein, er schmeckte mir liittor. "
Adolph Pitchner.
A rs W A N 1 ) EK EKS SCHICKSAL.
Wohl mag die Jugend sich in Hoffnung wiegen,
Die ahnungsvoll, wie märchenhaft Geläut
In Träumen uns auf ödem Pfad erfreut.
Wenn wir vom Vaterhaus ins Weite fliegen.
Du gehst und ringst, um spät vielleicht zu siegen.
War's dann dein Himmel, was die Fremde beut? —
Du f l(di 'st ilie Heimat — ach! und kehrst du heut',
Wo schlägt ein Herz, dich warm noch anzu-
schmiegen ? —
Ich möchte lieber drum im A'aterland
Sei's nur ein engbescheiden Eons erwerben,
Doch mir die Se«-! ' im Hauch der Heimat baden.
Als schwer mit Schätzen einer Welt beladen.
Getrennt auf ewig, dort am fernen Strand,
Sehnsinlit im Tbi/.n. in .lir Knimdc sterben.
J tili US Dresel.
BAU AUF DICH SELBST.
Bau auf dich selbst! Verlass dich nie auf .\ndre.
Dass sie des Lebens Last dir helfen tragen!
Des Kindes Fuss, damit es sicher wandre
Von Stuhl zu Stuhl, muss selbst die Schritte
wagen.
Dass festen Tritt's es einst zu gehen wisse
Und man 's nicht stets auf Händen tr:igen müsse!
Bau auf dich selbst! .Mit Iroiiem Selbstvertrauen
Ergreift der Steuermann des Kuders Speichen;
Auf eig'nen .\rm und Scharfblick muss er bauen.
Will er im Sturm den siclieiii Tort einreichen;
Mit Schiffbruch aber würd ' die Fahrt wohl enden.
Wollt er sich bittend erst an .Andre wenden!
Bau auf dich selbst! Die Menschen sind gar
wankend,
Seh 'n sie das Glück von dir hinw eggezogen.
Wie mancher, dir sein eigen Wohl verdankend.
Hat in dem rnglück dich \-erlassen und betrogen!
Die meisten sind ja nur voll Lug und Tücke
Und fragen nichts nach AndeiiT (iesciiicke!
Bau auf dich selbst! Trag keines Andern Ketten,
Ob sie vom feinsten (iolde auch getrieben.
Kannst du dir nur die eigne Achtung retten.
Ob Bettler, bist ein Krösus du geblieben.
Und ob vom Schicksal noch so schwer geschlagen,
Darfst du das Haupt doch stolz erhoben tragen!
August Sfeinlciii.
AN DEN LENZ.
Rondeau.
Du holder Lenz, du breitest deine Schwingen
Nun wieder über Feld und Fluren aus,
Und im Gefolge eilest du, zu bringen
Den Frohsinn frisch erneut in jedes Haus.
Verschwunden ist des Winters Wiiulgebraus.
Und in die freie Luft lockt uns hinaus
Der Vögel Scliaar, die frohe Weisen singen.
Der Blumen Pracht, die rings umher entspringen.
Geschmückt mit Perlen frischen Morgenthaus.
Dies alles, alles konntest du vollbringen.
Du holder Lenz.
Drum wollen wir erneut dein Loblied singen.
LTnd für den ersten frischen Blüthenstrauss.
Der Vögel erstes Lied, das sie uns bringen.
Durch deine Ciunst, o Lenz! soll laut erklingen
Ein Lobgesang heut froh von Haus zu Haus
Dem holden Lenz!
Heinrich A. nultcrman».
TUPAC AMARU.
Auf den Bergen lohen Feuer,
Auf den Bergen grau und nackt.
Vom Geklüft, ein Ungeheuer,
Tobt der wilde Kataract.
Wie Demanten in den Fluthen
I^litzt der grelle Wiederschein,
Und der Flamme lichte Gluthen
Leuchten weit ins Land hinein.
DErTSCII AMERIKANISCH K DK HTrXC KX.
403
In dem Staul». in dtii ilic' Wogen
Beim gewagten Sprung zersprülin.
Spiegelt sieh ein liegenliogen.
Wie beim Abendsonneiiglüliii.
Auf den Hergen lolien Feuer,
Auf den Bergen naekt und grau,
Leueliten auf ein alt (ieniäuer,
Hines Inkatenux'ls J^au.
Wild gespenstische Gestalten
Lagern in dem Andenthal.
Jede Stirn in finstern Falten,
Jedes Aug' ein Blitzesstrahl.
In des Tempels nuirschen ^lauern,
Halten die Kaziken Kath.
l'nd die Krieger draussen lauern,
Mordgewohnt, auf blut'ge That.
In dem ernsten Hänptlingskreise
(Jleisst der goldnen Krüge Israelit,
Drin nach hergebrachter Weise
Hold der (Jeist des ]\Iaises lacht,
Einer hebt sich aus der Mitte
Dessen Haupt die Llautu ziert,
Wie es einst der Incas Sitte,
Als das Scepter sie geführt.
„Freunde, der von hehren Ahnen,
Euern Fürsten ich entstammt,
Kief evich ]wr zu meinen Fahnen,
Drauf ihr strahlend Wappen flammt,
^lir hat das Geschick, das herbe,
Herrscherstab geraubt nnd Thron,
A'on den Bäubern heischt sein Erbe
Jetzt der Sonne letzter Sohn.
„Abenteurer, nngerufen.
Brachen sie in unser Land,
Stiessen von des Thrones Stnfen
Seinen Herrn mit frecher Hand.
Ohne Hirten ward die Heerde
Leicht der Frevlen Beutepreis,
Beutepreis die Heimaterde,
Beutepreis der Hände Fleiss.
„Die den Gott der Liebe lehrten.
Raubten Glauben nns nnd Gut,
Die wir schier als Brüder ehrten.
Lechzten schnöd ' nach unserm Blut.
Fluch und Tod der fremden Horde.
Die nns knechtet, unterdrückt.
Die nicht schreckt vor feigem Morde,
Und mit Fesseln uns beglückt!
,,Hier stand Yiracocha's Bildniss
In des Tempels heil 'gem Raum,
Der auf C'hita's rauher Wildniss
Meinem Ahn erschien im Traum.
Der ihm Krieger schuf aus Steinen,
Ihm, ein Heiland, half zum Sieg,
Helfen wird er jetzt den Seinen,
Helfen im Vernichtungskrieg.
„Seht, dort glänzt sein Regenbogen,
]\reiner Väter Wappenzier,
IIa. der Gott ist uns gewogen,
Auf zum Kampfe, folget mir.
Auf der Sonne Tempelstättcn
Lacht der Freiheit Morgenroth,
Auf nach Cuzco, sprengt die Ketten,
Trinket auf der Christen Tod!"
Also sprach mit /cirnesgrollen
Sprach der stolze Inkaspross.
Dem das Wort wie Donnerroileu
Bebend von den Lipjien lloss.
Jeder greift mit Gier zum Becher,
Wie auf Beute stürzt der Weih',
Cnd im ernsten Kreis der Zecher
Driilint dei
Hacheschrei.
,, Fluch und Tod den Christen! " .schallt es
Laut und lauter in der Rund';
„Fluch und Tod den Cliristenl" hallt es
Ans des Felsenkindes Muinl.
Jauchzend ziehn hinan die Schaaren
An dem steilen Felsenhang,
Zu befreien die Stadt tier Laren
Von des Fremdenjoches Zwang.
Bald verstummet in der Ferne
Ihres Racherufs Choral,
Freundlich funkeln hell die Sterne
In das düstre Andenthal.
Auf den Bergen glimmen Feuer,
Auf den Beigen nackt und grau,
Stille ruhet das Gemäuer,
Stille ruht aer öde Bau.
Kara Giorg {Dr. Gustav Brühl).
DEX VETERANEN.
Am Gräberschmückungstag.
Entrollt die Fahnen, die geweht im Krieg,
Zerfetzt von Kugeln, schwarz vom Pulverdampfe,
Die euch vnrangeweht, als ihr den Sieg
Errangt im rühmlichen Befreiungskampfe!
Schaart um die Banner euch und zieht hinaus
Zu jener Stätte, wo im letzten, süssen,
Traundosen Schlaf vom Kamjtfe ruhen aus
Die Kameraden, um sie zu begrüssen.
Streut Blumen jedem Tapfern, der da gab
Sein Herzblut, um die Union zu retten.
Bekränzet jedes Freiheitsstreiters Grab,
Der brechen half die schwarzen Sdavenketten!
Doch wenn ihr an den Gräbern sie geehrt,
Die sich den Dank der Republik erworben,
Dann denkt auch jener, die am öden Herd
Verlassen und in bittrer Not gestorben.
(iedenket ihrer, dass in eurer Brust
Sich rege das (Jefühl für ihresgleichen,
Dass ihr gelobt : auch »Ti'.s'.sr/i Sdaven musst
Menschlich die Hand, die helfende, ilu reichen.
ITnd dann begrabt den Hass! Löscht aus den
Brand,
Den Feige neu zu schüren nie ermüdim;
Ihr Tapfern reicht den Tapferen di(> Hand —
Die Bruderhand der Norden reich ' dem Süden.
Heinrich Binder.
CALIFORNIA.
Warum du mir lieb wardst, du Land meiner Wählt
Dich liebt ja der warme Sonnenstrahl,
Der aus Aeitherstiefe, azurrein.
Deine Fluren küsst mit goldenem Schein!
404
DEUTS( II AMKRIKANISCHt: DICHTUNGEN.
Dich liebt ja des Südens balsaniisehe Luft,
Die im Winter dir sclicnkt dt-n Hliithendiift,
Deine Feliler si-lunüekt mit smaragdenem Kleid,
Wenn 's friert im Osten und stürmet und schneit!
Ob auch die Heimat noch so fern,
Im Herzen steht 's geschrieben :
Stets leuchtet uns ein jjolduer Stern,
Ihr I.icd ist uns geblieben!
Dich liebt ja das Meer, das „Stille" genannt.
Das mit Silber umsäumet dein grünes Gewand,
Das ilich sehützend umarmt, mit sclnvellender Lust
Dich wonniglich presst an die wogende Brust! —
Wie dein Meer, wie der Lüfte Balsamhauch,
Wie die Sonne di<'h liebt, so lieb ich dich auch.
Deine Söhne zumal — ihr rasclu>s Blut.
Pulsierend in fri)hem Lebensmuth,
Deine Töchter, mit Wangen frisch und gesund,
Die Seele im .\uge. zum Küssen der Mund.
Warum du mir lieb bist .' — Ni<'ht ist es dein Gold,
Du Land, wo die westliche Woge rollt.
Ich wählte zur Heimat diesen Strand,
Weil ich offne, warme Herzen hier fand.
Weil fremd hier, der niedere, kleinliche Sinn,
Der nur streikt und trachtet nach kargem Gewinn,
Weil die eigene Kraft hier den Mann erprobt,
Nicht ererbtes Gut den Besitzer lobt.
Eine Welt für sich, voll Schönheit, trennt
Dich die hohe Sierra vom Continent:
Doch schlugst du mit eiserner Brücke den Pfad
Ueber wolkentragender Berge Grat
Und täglich vernimmst du am goldnen Port
Von den fernsten Gestaden der Völker Wort.
Du bewahrtest das Feuer der .Tugend dir,
Den Geist, dem Arbeit des Lebens Zier,
Der wagt und ringet und nie verzagt.
Und, wo es sich zeiget, das Glück erjagt.
Ja! ich liebe dich, blühendes, westliches Land,
Wo die neue, die schöne Heimat ich fand,
Wer früge wohl noch, der ilich Herrliche sah.
Warum du mir lieb, California?
Theodor Kirchhoff.
DAS DEUTSCHE LT ED.
Blau ist der Himmel, lau die Luft,
Man hört 's im Wähle rauschen.
Die Rose sehnt sich, ihren Duft
Für Lieder auszutauschen.
Aus höchsten Zweigen schallt herab
Ein tausendfaltig Singen;
Jed' Vöglein will zur Morgengab
Sein Liebesliedchen bringen.
Nestvögelchen selbst möchten gern
Die kleinen Schwingi-n lüften;
Es locket ja von nah und fern
Aus Büschen und aus Lüften.
So (juillt's auch aus der Menschenbrust
Beim Frühlings- Auferstehen :
Bald klagt es leis voll süsser Lust,
Bald braust's wie Sturmeswehen.
Das Lied — das Lied — das deutsche Lied,
Gleich ewig frischen Bronnen.
Entströmt es heilig dem (Jemüth
Voll Macht, voll hoher Wonnen.
Schall ', deutsches Lied, durch alle Welt,
So weit die Sonne scheinet!
Du bist es. das uns froh erhält.
Als Brüder uns vereinet!
.Stark ist im Kampf der deutsche Mann,
Hat manchen Sieg errungen;
Doch, deutsches Lied, in deinem Bann
Wird jedes Herz bezwungen!
Frisch auf, ihr Sänger, singet, singt,
Columbia lauscht den Tönen!
Wo man der Freiheit Banner schwingt.
Wird man den Sänger krönen.
Ernst Atito)i Zündt.
DAS IST EIN SELIG WANDERN.
Das ist ein selig \> andern!
Der Eine folgt dem Andern ;
So geht 's bergauf, bergab. —
L^^nd blüthest wie die Ros' du
Doch sinkest in den Schoos du
Des Tod 's, — ins kühle Grab.
Dein Dichten und dein Trachten,
Ein Sehnen war's, ein Schmachten;
Ein Ringen für und für.
Begeistert Idealen
Bist du gefolgt — nur Qualen,
Enttäuschung wurde dir!
Du hast gelebt, gelitten ;
Im Kampfe mitgestritten.
Weil Unrecht dich empört. —
Nach allem Leid und Tvummer
Sehnst du oich nur nach Schlummer, —
Den kein Erwachen stört.
Das ist ein ewig Wandern !
Der Eine folgt dem Andern.
Man keucht bergauf, — und dann
Bergab geht 's immer schneller. —
Dein Blick wird immer heller : —
Dich blendet mehr kein Wahn!
Hugo Andriessen.
EIN GRUENER.
Nicht s'ammst vom Harz du oder Schwarzwald
Nicht Vjeugte dich der Alpen Föhn.
Du bist ein Neuweltsohn, dich sandten
Der Alleghanies wald 'gc Höhn.
Und dennoch blickst du auf mich nieder
In deinem grünenden Gewand,
Als kämst du eben grün von drüben
Wo einst auch mir die Wiege stand.
DEUTSCH-AMEKIKANISCHE DK HTUNGEN.
405
Wie Blut umspielte deine Almen
Der Kothaut Lagert'euergliit, —
Es wird um dich verklärend fliessen
Der Weihnaehtskerzen Sill)ertlut.
Sei mir gegrüsst. Amerikaner,
Vom .Strahle deutsehen Lielits geküsst,
Wie uralt auch dein Landesstammliaum,
Sei mir als Grüner froh gegrüsst!
Und wo V(uu deutsehen Wort umklungen,
Du in der Armut eugt-m Raum,
Wo in des Keichthiims gold "nem Prachtsaal
Du flammen wirst als Weihnachtsbaum :
O mache auch den letzten Winkel
Und auch das letzte Herz erhellt,
Im Lichterglanz der alten Heimat,
Im Huffnungsgrün der neuen Welt!
Doch wo umtost von fremden Lauten
Du strahlen wirst im Feuerkleid,
O strahle ihnen in das Herz auch,
Das ganze Herz der Weihnachtszeit!
Und wie gering und ungeschickt auch
Der Schmuck, der dir beschieden ist;
Vergiss es nicht, du bist ein Grüner
Und darum ein Erobrer bist!
Ja, ein Erobrer und ein Sieger,
So wandle deinen lichten Gang
Uns aber sei und bleib auf immer
Ein voller, ganzer Heimatklang.
Was mit ins neue Land wir brachten
Gemütvoll tief und flammend kühn,
Das lehr' uns wahren! Des zum Pfände,
Du Grüner, bleib uns ewig grün!
Udo Brachvogel.
AN MEINE KINDER.
Hegt die deutsche Sprache,
Hegt das deutsche Wort;
Denn der Geist der Väter
Lebt darinnen fort.
Der so viel des Grossen
Schon der Welt geschenkt.
Der so viel des Schönen
Ihr in 's Herz gesenkt.
Was ein Lessing dachte,
Was ein Goethe sang,
Ewig wird's behalten
Seinen guten Klang.
LTnd gedenk ich Schillers,
Wird das Herz mir warm :
Schiller zu ersetzen,
Ist die Welt zu arm.
Theuer, meine Kinder
Sei uns dieses Land;
Doch an Deutschland knüpfet
Uns der Sprache Band.
Wahrt der Heimat Erbe,
Wahrt es Euch zum Heil ;
Noch den Enkelkindern
Werd' es ganz zu Theil!
Wenn dereinst entfallen
Mir der Wanderstab,
Wenn ich längst schon ruhe
In dem kühlen Grab:
Was die Gunst der Muse
Freundlich mir beschied,
Ehrt es meine Kinder,
Ehrt das deutsche Li,-,] !
Pflegt die deutsche Sprache,
Hegt das deutsdie Wort;
Denn der Geist der Väter
Lebt darinnen fort.
Der so viel des Grossen
Schon der Welt geschenkt,
Der so viel des Schönen
Ihr in 's Herz gesenkt.
Friedrich Carl Castelhun.
DIETRICHS DIENSTWERBUNG.
(Aus König Rothers Brautfahrt.)
Vervehmt und vertrieben
Enterbt und entehrt,
Ist nichts mir geblieben
Als du nur, mein Schwert!
Du Schwert meiner Ahnen,
Das Helden bezwang,
In der Hand meines Vaters
Die Herrschaft errang,
Dir, hunischer König,
Sei's künftig geweiht!
Für dich will ich 's schwingen.
Für dich soll 's erklingen
Zu jeglicher Zeit.
Den Inseln des Meers hat
Geblitzet dein Stahl;
Die Feinde am Festland
Zerstreute dein Strahl.
Du Schwert meines Vaters,
Du Stolz seiner Hand,
Schriebst scharf seinen Namen
Auf feindlichen Strand;
Errangst ihm den Ruhm in
Unsterblichem Sang
Du Freude der Feldschlacht,
Du Trost auf der Deckwacht,
Mit dir in der Thing-Acht
Ist niemals mir bang.
Gefallen in Schlachten,
Verschollen zur See,
Ist all meine Sippe
Vereinsamt ich steh'.
Mein einziges Erbe
Bliebst Siegbringer, du!
Und du wirst noch mein sein.
Legt man mich zur Ruh .
So wie wir uns beide
Einander geweiht —
Noch in spätesten Tagen
Wird man singen und sagen,
Wie wir Schlachten g,'schlagen
Zu unserer Zeit!
Eduard F. Leyh.
LACHE!
Tiefes Leid bleicht deine Wange,
Und dein Blick wird täglich trüber;
Ruhig. Freund; wie alles Andre,
Geht dein Leben auch vorüber.
406
DEUTSCH- AM ERIKANISCHE DICHTUNGEN.
Tausondo lu-lohtor Körpor
Kreisen in «lein Woltt-nraiime;
Sic vorsoll winden und ihr Dasein
Glich nur einem kurzen Traume.
Gräm ' dich nicht, der Dinye Kreislauf
Kehrt sieh nicht an deine Klage.
Keines Menschen Denkerstirne
Löst des Lehens schwarze Frajje.
Keine Thrän' dem Gegenwart 'jjen,
Dem Vergang 'nen nnd Zukunft 'gen.
Merk', am schnellsten naht der Erdqual
Sohluss. dem lachenden Vernunft 'gen!
Karl Kttortz.
DIE RACHE DER WAELDER.
Des Nachts, wenn die Sonne im Meere entschwand.
Und die Wolken im .Sturme jagen.
Da geht in den Lüften ein Brausen durchs Land,
Wie geächteter Rechte Klagen.
Aus den Catskills kommt "s. wo die Eichen wehn
Aus Pennsylvaniens Gebreiten,
Von den Tannen von Minnesotas Seen,
Aus Texas' waldigen Weiten,
Aus den Führen und Fichten bricht es hervor
In Coloradas Gesteinen,
.Vus den Rotholzriesen am golil 'neu Thor,
.\ns den ('«'dern in Floridas Hainen.
.\us Ost und West, aus Süd und Nord.
Durch Klüfte und Felsen und Felder
Erschwillt er im donnernden Sturmaceord : !
Der Racheruf der Wälder.
„Wir wuchsen und wuchsen viel tausend Jahr
Bei der Wildniss rotem Sohne;
Wir boten ihm Obdach und Waffe dar,
Und lji«'be ward uns zum Lohne.
Wir sprossten in Frieden, wir grünten in Ehr',
Wir schützten und schirmten die Lande.
Da brachen die Bleichen waldein übers Meer
LTnd lösten die lieiligen Bande.
Sie danken uns Heimat, sie danken uns Herd,
Die Bleichen, die Feigen, die Feinen,
Doch d.-inkhis verwüsten, von Habgier verzehrt,
Das Mark sie von Wäldern und Hainen!
I'ns Hüter des Hochlands, uns Wiichter der Seen,
Der Vorzeit heilsj.endende Erben.
Sie fällen uns herzlos, in frevlem Vergehn,
Um Haufen von Gold zu erwerben;
Doch eh' wir zerbrodien, .-ils hbli.ses Gut,
Der Habsucht uns fügen zum Dache,
Hört. Sturm, uns, und Erde und Feuer und Flut.
Euch rufen herl>ei wir zur Rachel
Ihr seid uns Genossen seit ewiger Zeit;
Die Urkraft verlieh euch die Waffen.
Drum sollt ihr Vergeltung im rächenden Streit
Am Werk.' der Menschen uns schaffen.
Was immer gezimmert aus unserm Gebein,
Der Städte Getürni und Gemäuer,
Reiss CS ein, du. o Sturm, reiss es ein, reiss ein!
Verzehre in Flamme es Feuer I
Die Brücken der Ströme, die Schiffe im Meer
Mit unserm Herzblut errichtet.
Verschling' sie, o J'lut, bis Weile und Wehr
A'erstrudclt, verstrandet, vernichtet!
Verschütte, o Erde, du, Mine und Schacht,
Die unserm Schose entragen! . . .
Auf! auf! ihr Genossen der Nacht, zur Schlacht,
Bis die Werke der Menschen zerschlagen!" . .
So hallt es und schallt es im nächtlichen Chor
Durch Klüfte und Felsen und Felder,
Vom Hudson landein bis zum gold 'nen Tor;
Der Schrei der geächteten Wälder. —
Und täglich und stündlich erstarrt uns das Blut,
Wenn neu uns die Kunden umwogen,
Dass Sturmwind und Erde, dass Feuer und Flut
Die Rache der Wälder vollzogen.
Konrad Xiess.
BUSCH UN SCHTEDTEL.
(In pennsylvanisch-deutscher Mundart.)
Dheel Buschleit hen keen Lusclit darheem,
Sie hänkere noch der Schtadt.
Vor mci Dheel. ich hab immer noch
Kee Noschen so gehatt.
'S mag gut gennng im Schtedtel sei' —
Geb' mir das griene Land;
Do is nit alles Haus un Dach
Net alles Schtross un Wand.
Was hat mer in der Schtadt for Freed?
'S is nix als Lärm un Jacht,
M'r hot kee Ruh de ganze Dag,
Kee Schloof de ganze Nacht.
De Buwe gucke matt un l)lee(h;
De Mäd sin weiss un dinn;
Se hen woll scheene Kleider a '.
'S is aber ni.\- recht 's drin.
De Schtadtleit sin so zimberlich;
Se rege schier nix a';
Sie brauche net ihr' weisse Hend.
Aus Forcht, 's kummt eppes dra'!
Mir is zu wenig Grienes do,
Kee Blumen, un kee Beem;
Wann ich 'n Stund im Schtedtel bin.
Dann will ich widder lieem.
Heinrich Harbaugh.
Al\S
„AMERIKANISCHES SKIZZENBUE-
CHELE".
Die Kunst macht Fortschritt, ganz brillante
Pianos giebt 's hier mehr wie drauss;
Gott was e Land for Dilettante
Vom Tanzbär bis zum weisse Haus!
DEUTSCH-AMERIKANISCHE DIL UTUNGEX.
407
Wie glorreich siu doch die Skulpture !
In Griechenland war nix so scheen,
Indianer, herrliche Figure,
Die vor die Tabaksläde stehn.
Die Bildhauer vollbringe Thatv'
In Bronze und in Marinelstein,
Das will jedoch nicht recht gerathe,
Am beste Hesse se das sein,
Die blase auf den Leonardo,
Auf Angelo und Rafael,
Was die gekonnt, kann jeder Xarr do
Und jeder Anstreichergesell.
Und was se jetzt for Kirche baue,
Davon träumt drauss kein Architekt;
Sechs Styl in einem kann nier schaue —
Ein ganz unglaublicher Effekt!
Ich hör' es ist normännisch-jonisch,
Mit dorische Rokokozöpp.
Und indisch-gothisch-babylonisch-
Romanische Alhambraknöpp.
Bei euch ist alles steif und enge.
Ihr sucht in dem System das Heil,
Wogege hier die Leute hänge
Durchaus an gar keim Vorurteil.
In Opern sind wir vorzugsweise
Ganz ausserordentlich verwöhnt,
Da man uns oft für niedre Preise,
Von drüben eine Stimme lehnt.
Gern mag ich 's englisch Lustspiel höre
LTnd 's Drama könnt vortrefflich sein,
Nur thunse eim mit Klatsche störe,
Brüllt einer recht pathetisch dreiu.
Das wahre Xationaltheater
Is gar e sehenswerthes Spiel,
Se heule wie gequetschte Kater
Und tanze wie die Löffelstiel.
Nur Neger spiele se da wacker.
Und das gefallt den Leuten sehr,
Wenn nur an dene schwarze Racker
Noch was zu persif lire war !
Bei Künste is noch anzuführe.
Und ich thu 's wirklich mit Genuss;
Nur hier verstehn se das Balwire,
Un wie mer Stiwel putze muss.
Gcorc) Asmus.
Ueber deinen Zinnen schweben
Hohre Geister alter Zeit,
Deren hohes, edles Streben
Deinem Hulinie war geweiht.
Ja, von eurem treuen Walten
Zeugen alle Herzen laut;
Nimmer wird die Liel) erkalten
Die euch Klireiitmipel baut.
Der zum Segen mild erhoben
Noch die Rechte auf uns hält.
Von den hohen Sternen droben
Blickt am weiten Himmelszelt:
Jliiu zum Preise, ihm zum Lohne
Stimmet an den vollsten Tun!
WiUigis, dir sei die Krone
Hier, und vor des Ew'gen Thron.
Preisend sei 'st auch du besungen,
Der der Bürger höchstes Gut
Treu gewahret und gerungen
Gegen Feindesübermuth.
Sieh, es prangen deine Saaten
Trotz dem wilden Streit der Zeit!
Wie, Walpodcn, du gerathen.
Blühen wir durch Einigkeit.
Und es ruht im hohen Dome
Ein geliebter Sängergreis.
Der in seines Lieder Strome
Sang der edlen Frauen Preis.
Dich beweinend, schweben Geister
Um die stille, kühle (iruft;
Frauenlob, du hehrer Meister,
Schlummre unter Rosenduft !
Lasst den letzten Sang erschallen.
Der sich jubelnd aufwärts zieh'.
Ihm, dem Ersten unter .\llen.
Der den Worten Schwingen lieh;
Der das Licht vom stillen Herde
Weithin trug in 's ferne Land:
Gutenhcrg, dir jauchzt die Erde,
Der die Kunst der Künste fand !
Lasst denn hoch die Herzen schwellen!
Strfimet aus im IJodesuuith
Sprudelnd des Gesanges Wellen,
Brausend wie dos Rlieines Fhith !
Denn in nie erbliclnier Schöne
Steht die Hohe prangend da.
Und es jub^'ln deiiK^ S-inne*
Heil dir. Heil, ^^()glIlltia!
Johann B. Eertzog.
DAS GOLDXE MAINZ.
Frei lass ich mein Lied ersehallen.
Denn ich bin ein Sohn des Rheins,
Aber dich sing ich vor allen.
Mein geliebtes, goldnes ^lainz!
Denn in nie erblichner Schöne
Stehst du stolz und praiig<^iid da.
Und es jubeln deine Söhne:
Heil dir, Heil, Moguntia!
EIN HOCH DEM RECHT — DER SKLAVEREI
DEN TOD.
Zur Erinnerung an die New Yorker Volksver-
sammlung der Deutsch-Amerikaner am
L5. Oktober IS.IS.
Ein Geisteraufruhr tobt im g.nizeu Lande,
Verkündend eine tatenreiche Zeit;
Es brechen der Parteien alte Bande,
Und deutsche Männer sind voran im Streit,
Verlnindet gegen Sklavendicnstes Schande,
Für Menschenliebe und (ii-rechtigkeit.
408
DErTSni AMERIKANISCHE DICHTUNOEX.
Es sammeln sich dor Froiheit od]o Söhne,
Die tief >;efülilt der l'ntenlrütlvten Not;
In Narlit nn<l Not erbrausen ernste Töne:
„Ein Hoeh «lern Recht — der Sklaverei den Tod! "
Da wird es Licht; in ^olduniflnssner Schöne
Erglüht des andtrn T;ij;cs Mor^'enrot.
Vernichtet steh "n die Spötter und die Feigen,
Die nie vertraut dem sittlichen Gehalt,
Der wol dem Volke, niemals ihnen eigen,
Und eben jetzt im Ruf zur Tat erschallt,
Da müssen Bosheit. List und Lüge schweigen,
Die Heuchelei und jede Truggestalt.
Mit Macht voran du Kern des Volks und Hüter
Der walin-n Freiheit und (Jerechtigkeit !
Du hast erkannt, dass alle Menschenhrüder
Durch Satan, den Rebellen, jäh entzweit;
Auf, kühn ans Werk — und Trotz dem Höllenwüter,
Bis dieses Land von seiner Schmach befreit!
Nur dann wird Friede auf der Erde wohnen
Und Arbeitslust, die reichsten Segen bringt,
Wenn Menschlichkeit in Hütten und auf Thronen
Als höchste Herrscherin das Scej)ter schwingt;
Der Geist der Duhluiio alle Nationen,
Zum Heil der Welt erlösend erst durchdringt!
Es zündet schon; des Geistes Funken sprühen,
Ein heiiger Odem hat sie angefacht!
Der Lebensbaum der Freiheit soll erblühen,
Im Lichte strahlen nach der langen Nacht . . .
Ihr Trägen, die erschlafft in Werktagsmühen,
Vernehmt den Donnersturm der Zeit — erwacht!
Philipp Haimbach.
Kein Himmel, um darin zu beten,
Auf Erden ihm kein .lagdgebiet,
Wohin die Freiheitssehnsucht flieht —
O Volk, so bist du ganz zertreten!
Ernst Otto IIopp.
DIE PRAIRIE.
Wie Gottes ewige Gedanken
Unendlich, masslos, vor uns liegen,
So sieht man sonder Zahl und Schranken
Das Gras sich auf den Steppen wiegen.
Von Duft umwoben, fern und einsam,
Der Sonnenball im Westen schwebt,
Das Auge Gottes, das da lebt.
Wo Erd' und Himmel scheint gemeinsam.
Der Sturmwind, wenn er fernhin bringet
Des Wi'lteiigeistes ew 'ge Lieder
Er ist's allein, der sie durchdringet.
Der sie durchstürmet hin und wieder.
Wenn er aufschirrt die schnellen Rosse,
Hei, was ein schwanker, lust'ger Ritt!
Nur der Gedanke flieget mit
Und folgt der Wolken wildem Trosse.
Da hört man feur'ge Melodien
Die öde Steppenwelt durchbrausen,
Der Indianer der Prairien
Hört oft des Geistes wildes Sausen:
Vom grossen Geist verlass 'ne Spuren
Zn spüren meint er in der Brust,
Die sonst des Odems nur bewusst,
Des Freiheitsgeistes dieser Fluren.
Nun man den (iarten ihm genommen.
Wo wird er fürder geh 'n zu jagen?
Kaum sind zum Herzen ihm gekommen
Des ew 'gen Paradieses Sagen.
O DU MEINE LIEBLICHE LIEBE.
Es war dort unter dem Lindenbaum,
Da träumt' ich seligen Frühlingstraum;
Sie hielt den Becher in weisser Hand,
Ich aber jauchzte in 's helle Land :
„Dein Wohl du liebliche Liebe ! ' '
Es war dort unter dem Lindenbaum,
Da hab' ich begraben den .Tugendtraum;
Kein Stern erhellte die kalte Nacht,
Als sie die Aeugelein zugemacht,
Die bleiche, sterbende Liebe.
Nun sitz' ich unter dem Lindenbaum,
Und denk ' an den flüchtigen Liebestraum,
Bei Nacht und bei Tage, bei Tag und Nacht!
Mein Ein und mein Alles, gut Nacht, gut Nacht!
Leb wohl, du liebliche Liebe!
Adolf Strodtmann.
RINGEN.
Ich darf die Tränen, die aus den Tiefen so plötz-
lich quellen.
Nicht fliessen lassen.
Ich muss die Perlen, die warmen, flüchtigen, ge-
dankenhellen.
In Dämme fassen.
Ich würde sonst ja in ihren Fluten
Im Leid ersterben.
Ich könnte sonst ja in Sturmfeuergluten
Nicht Himmel werben.
Sei stark und treu, Herz! Sei Stahl, mein Wille,
Dem Wandelbaren ! Dem Ewiggeist 'gen
Allein das Siegen!
Wilhelm Heinrich Benignus.
SIC TRANSIT GLORIA MUNDL
(St. Louis 1904).
Hoch seh ich ragen jene stolze Stadt,
Umgeben von des Waldes grünem Kranz; —
Was nur des Menschen Geist ersonnen hat,
Hier zeigt es sich in wunderbarem Glanz.
Ein edles Ringen um des Ruhmes Krone
Umschliesst in friedlichem Verein
Die grossen A'ölker jeder Zone,
Vom Mississippi bis zum Nil und Rhein.
Und Abends, wenn die dunkle Nacht
Den Schleier webt um all dies Schöne,
Dann glüht es auf in märchenhafter Pracht,
Dass rings das Licht des Menschen Werke kröne.
DEUTSCH-AMERIKANISCHE DICHTUNGEN.
409
Doch liort'h! Schon hör' ich Aextc sausen
Hernieder auf den stolzen Bau.
Mein Herz erfasst ein banges Crausen.
Ach, der Zerstörung Werk ich scliau.
So Grosses auch der Mensch vollbracht,
Für eine Ewigkeit stehts niemals da,
Laut die Vergänglichkeit nur höhnend lacht:
Sic transit mundi gloria.
Georg von Bosse.
DEUTSCHAMERIKANER.
Der deutschen Heimat fremd gc\Yorden,
Kein echtes Kind dem fremden Land,
Ob auch im Süden oder Norden
Dein Wanderfuss die Ruhe fand.
Dein Kinderglaube ging verloren —
Du lerntest: Lebensziel sei Gold.
Und dennoch klingt Dir 's in den Ohren
Vom Glück, wie Du es einst gewollt.
Des Lebens wunderhohe Weise,
Die Dir gerauscht der deutsche Wald
Zur Jugendzeit, — die kaum noch leise
In Deiner Seele wiederhallt.
Und das, worauf Dein Hoffen baute:
Die Kinder — achten, wo Du liebst,
Sie kennen Deiner Heimat Laute,
Doch fremd ist ihnen, was Du giebst.
Du liebst das Land, das sie geboren.
Du liebst die Luft, die sie umweht
Und Dich; doch ist der Weg verloren,
Auf dem Ihr eng zusammengeht.
Im tiefsten Herzen deutsch geblieben,
Und doch so fremd dem deutschen Blut,
Kein rechtes Hassen, rechtes Lieben,
Das ist der Fluch, der auf uns ruht! —
Edna Fern.
Der Kinderglaube ging dalnn,
DiMi liätti'ii wir ancli dort vcrlmen;
Dass Lebensziel nur Gt>ldgewinn,
Die Lehre findet off'ne Ohren
Nidit nur im neuen He'matliland,
Auch drülien wird sie anerkannt.
Doch wird's der l^elire nie gelingen.
In Aller Herzen einzudringen.
Der Lebenskampf ist härter hier,
Da gilt's, die Zeit nicht zu versäumen;
Auf Pusten stehen müssen wir
Und finden selten Zeit zum Träumen.
ITnd in dem Kampf m;incii ' armer Thor
Sein Herz und sein Ciemüth verl-.r;
Manch ' Andrer wusst 's auch zu erhalten
Trotz aller feindlichen Gewalten.
Die Kinder, ja, da stimm' ich bei.
Sind meistens aus der Art geschlagen;
Doch ob dies zu lieklagen sei,
Ist nicht so unliedingt zu sagen.
Wo alles Deutsche ausgewischt.
Der letzte Hoffnungsstrahl verlischt;
Doch öfters an der Art, der neuen,
Kann unser Herz sich nur erfreiien.
Weit freier fühlt sich hier das Kind
Und sucht schon jung sein Recht zu wahren,
Erfasst, was brauchbar ist, geschwind.
Geht sichrer schon in jungen .laiiren.
Wenn dann Gemüth echt deutscher Art
Mit Freiheits-Thatendrang sich paart.
Wird es den rechten Weg schon finden.
Was schön, was nützlich, zu verbinden.
Ob's Kind auch öfters seitwärts schweift,
Ihr könnt den Weg zusammen gehen.
Beacht ', was in ihm blüht und reift.
Versuch ' sein Denken zu verstehen
Und präg' der jungen Seele ein.
Stets edel, echt und wahr zu sein.
Was Du ihm Gutes dann gegeben
Vom Deutschen, wird stets in ihm leben.
Karl Kniep.
DEUTSCH-AMERIKANER.
Eine Erwiderung auf Edna Fern's gleichnamiges
Gedicht.
Es ist nur theilweis recht und wahr.
Was Du von Lieb' und Hass gesungen.
Die neue Heimath hat uns zwar
Manch ' neue Ansicht aufgezwiingen ;
Dass minderwerthig, uns gelehrt.
Gar manches, was wir einst geehrt;
Gelehrt, das Lieben und das Hassen
Dem neuen Felde anzupassen.
Warum sollt ' lau die Liebe sein.
Die wir zur neuen Heimath fassen.
Der wir hinfort die Kräfte weih 'n ?
Was zwingt uns, lau zu sein im Hassen
Von Allem, was den Fortschritt hemmt.
Von Allem, was sich störrig stemmt
Entgegen jedem edlen Ringen,
Der Menschheit bess'res Loos zu bringen?
AN DAS AMERIKANISCHE VOLK.
Wach endlich auf in hellem Zorne,
Amerikan 'sches ^'olk, wach auf,
Duld nicht, dass man zum Sklavenmarkte
Die Freiheit länger schleppt zum Kauf —
Die Buren halfst du schweigend hetzen
Verzweiflungsvoll von Hof und Gut,
Von deinem Sternenbanner träufelt
Der Filipinos Freiheitsblut.
Was kümmern dich Rumäniens Juden t —
Denk erst an deine eigne Not!
Es wollen deine eignen Söhne
Zuerst Gerechtigkeit und Brot;
Es fordern hunderttausend Streiter,
Trotz Bajonett und I'ulverdampf,
Verzweiflungsvoll, und docii geduldig,
Ihr Recht im grossen Menschlieitskampf.
Wenn Ihr beim traulichen Kamine
Zum leckern Mahl euch niedersetzt.
Dann liegt vielleicht tief in der Erde
Der Bergmann wimmernd, bhitzerfetzt;
410
DEUTSCH AMERIKANISCHE DICHTUNGEN.
Urul wiilircixl etirt> Kinder spioloii
In liluiiit'ii und im .Sonneusi-licin,
Da schleicht ans dürft 'gor Brottorhütte
Sein .Tünpst<>r Moich don Schailit liinoin.
Und weil ihr, hart«' ManiiiKinsfürsteu,
Mit ihror Arbeit Hlut oiuh labt.
Und stolz in glänzender Karosse
Zu euren 7'runkpalästeii trabt.
Drum fordern liuiiderttausend Stroiker
Almosen nicht - — nur ihren Lohn,
Sie käm|)fen auch um Sonnenschein
Für Haus und Weib und Sohn.
Zu lange hast du schon gezaudert
.\merik:inisclie Nation,
Zu lange hast du schon geduldet
Der Mammonsfürston grininion Hohn;
Wie einst der Heiland ans dem Temj>oI
Die Seeleidiändler zürnend trieb.
So wache auf in heil 'gem Zorne,
Wenn dir die eigne Freiheit lieb!
O hüte dich vor düstorn Augen,
Daraus der Hunger drohend blitzt!
Heiz" länger nicht die wilde Hestie,
Die sj>rungl)ereit im Menschen sitzt.
Die, wenn sie hungernd losgelassen.
Verstohlen um ihr Opfer kreist
Und, wenn sie einmal Blut geroelien,
Wild alles blindlings niederreisst.
O wecke nicht die Rachegeister
Der blut 'gen Revolution,
Und wahr" der Menschheit Ideale
Der künft 'gen (ieneration !
Befreit hast du die se]nc(ir~eii Sklaven
In hoissem Streit und Pulverdampf,
Um irri.ssr Sklaven nicht zu schaffen,
Focht aus den neuen Menschlieitskampf !
Hans Dem Utk.
DKR VAGABUND.
Fiel es dem (ilück am Endo ein.
Nach mir auszublicken.
Fand es mich sitzen am Wiesei. rain.
Wo die Veilchen nicken.
Blies ich behaglich den blauen Rauch
Meiner Pfeife ins Weite,
Schatten bot mir ein Brombeerstrauch,
Labung der C^uoll zur Seite.
Stutzte das filück. Wie goldne Perl
Sah ich 's im .\ug ihm blitzen.
Und mit dem Wort: „Du glückiichor Kerl!"
Liess er mich lachend sitzen.
Miirtiii Drescher.
GRUESS DK II, MEIN VATERHAUS.
Grüss dich, mein \aterhaus.
Zieh in die Welt hinaus.
Leichtbeschwingt, wie da zieht der Vögloin Heer.
Steh mit der Sonne auf.
Folg' ihr im Sit>geslauf,
Weit über Borgeshöh 'n und über 's Meer.
Fand' ich der Länder Pracht,
Schön, wie die Märchennacht,
Lockt mich ihr Zauber auch heimisch und mild.
Tief in der Seele ruht
Rein, wie ein Gottgobet,
Hoiniathland, Vaterland, immer dein Bild!
DIE KLEINEN LIEDER, DIE ICH SCHUF.
Die kleinen Lieder, die ich schuf,
Sind Kinder meiner Seele,
Und da von Menschengoist erdacht.
Nicht gänzlich frei von Fehle.
Wenn wa.s lyiich freute, Freude schafft
Dem trauernden Gemüthe,
Und wenn mein Lied mitfühlen lässt.
Was mir im Herzen glühte.
W^enn eine Seele mich versteht,
Ein Herz ich aufgerichtet,
Dann hab ' ich nicht umsonst gelebt,
Und nicht umsonst gedichtet.
Berthold A. Barr.
MITTAG.
Ich stehe auf felsiger Halde
Urwildniss Aveit und breit, —
Es rauscht über'm dunkeln Walde
Rauschen der Ewigkeit.
Sonnenwogen ergiessen
Sich wallend talauf, talab,
Und Riesenschatten fliessen
Schweigend die Felsen hinab.
Es gleitet, gleitet, gleitet,
Hinab der Erde Leid,
Und rings liegt ausgebreitet
Staunen und Seligkeit.
Kitno Francke.
DIE FRIEDENS-HEXE.
War einstmals eine alte Hex
Au meinem Kreuzweg gesessen!
Es hat das klapperdürre Gewächs
Mit Grünaugen mich fast gefressen.
Sie blickte mir forschend auf Stirn und Hand.
Starrt totkalt mir in die Augen
Und sprach in den Wind und kratzt in dem Sand
Hexsprüche, die nichts taugen:
„Wirst finden auf Erden, du. du, du,
In Süd, West, Ost und Norden,
Auf Bergen und Meeren nicht Rast noch Ruh,
W^irst deinen Frieden morden."
„Schweig still, Dürrhoxe, was freut oder plagt
Meine Unrast dich oder Frieden?
Hab' nimmer noch nach Ruh gefr.'igt. —
Geh, Hex, deine Suppen sieden ! ' '
Der Sturm will tosen mit sausender Hast,
Die Flamme will fressen und zehren.
Und die Memmen nur wimmern nach Fried und
Rast
Und lecken sieh ihre Schwären.
DEUTSCH-AMERIKANISCHE DICHTLNUEN.
411
Dass sie Frieden pred 'gen und beten um Ruh,
Bis Mark und Bein ihnen rotten.
Und die Herzen rotten beim Gohl in der Truh,
Und die Seelen wie Eintagsmotten.
In Kampf und Not, bei Tag und Nacht,
Bis das letzte Morgenrot dämmert:
Meine Seele versehrieb ich dem Gott der Schlacht,
Der das eherne Schicksal hämmert.
Wann klingt die Trompete, wann ruft sie zum
Streit,
Wann grünen die Lorbeer-Reiser?
Wann trag ich noch einmal dein Ehrenkleid,
Mein Vaterland, mein Kaiser ?
Will nicht um Leben, um Gut und Geld,
Will um Krieg und Sieg nur werben:
Du Herr der Schlachten, du Sturmgott der Welt,
Lass mich keinen Strohtod sterben!
Ernst Henrici.
DAS DEUTSCHE VOLKSLIED.
Du hast mit deiner schlichten Weise
Mein Herz gebracht in deinen Bann ;
Dass ich aus deinem Zauberkreise,
Der mich umschlingt so lieb und leise,
Mich nimmermehr befreien kann.
Es sang mit deinem süssen Klange
Die Mutterliebe mich zur Ruh ;
War noch so tränennass die Wange,
Die Mutter sang! Und beim Gesänge
Sehloss mir der Schlaf das Auge zu.
Beim frohen Reigen um die Linde
Erklangst du in der Sommernacht.
Der Liebste sang's dem schmucken Kinde,
Der Wanderbursch im Morgenwinde,
Und der Soldat auf stiller W^acht.
Da ich nun fand auf fremder Erde
Nach langem Wandern Ruh und Rast,
Bliebst du in Treue mein Gefährte,
Und bist an meinem neuen Herde,
Du, deutsches Lied, mein liebster Gast.
Alfred Walter Hildebrandt.
HERBST UND FREMDE.
Grau ist der Himmel, Regen rieselt nieder.
Die Bäume kahl, und traurig rauscht der Wind,
Ich sitz' in fremder Klause, sinne wieder.
Wie Lenzestage schnell entschwunden sind,
Und schau hinaus ins trübe Herbsteswehen.
Dabei wird mir ums Herz so herb und weh; —
Mir ist, als ob in der Natur Vergehen
Mein eignes Schicksal ich hier vor mir seh. —
Der Heimat fern und fern von meinen Lieben,
Steh einsam ich hier in der Welt Gewühl.
Der Kampf um 's Dasein hat mich fortgetrieben.
Und steter Kampf nur bleibt der Weg zum Ziel. —
Zn enge wird mir 's in der öden Klause,
Hinaus zum Meere lenk' ich meinen Fuss;
Dort, bei der Wogen und des Sturms Gebrause,
—Tönt dieser Laut doch wie ein Heimatsgruss! —
Will ich nach Herzensfrieden wieiler suchen.
Vor mir das Meer: die Wogen schäumen wild;
Fast klingt es hier, als ob ein zornig Fluchen
Dem weisen Walten der Natur cnt(|uillt.
Auf einem Felsblock setze ich mich nieder,
Schau zu der Brandung majestät 'schem Spiel :
So höre ich wie einst im Geiste wieder
Das klagend Wort von dem verfehlten Ziel :
„Was schreibt die Woge in den Sand ?
Sie schreibt hinein ihr bittres Leiden,
Ihr ewig Kouunen, ewig Scheiden,
Die kurze Rast am teuren Strand.
Ich aber starr ins Meer hinaus. —
Mein selig Hoffen, freudig Lieben —
Ich hab es in den Sand geschrieben.
Die nächste Welle löscht es aus.
Die nächste Welle löscht es aus. —
So hallt es traurig mir im Herzen wieder. —
Die nächste Welle löscht es aus.
Und Schwemmt drückt mein letztes Hoffen nieder.
Da tönt ein Laut durch Sturm und Wogenliraus,
So süss wie einer Mutter Wiegenlieder:
Dein selig Hoffen, freudig I^ieben
Es ist nicht in den Sand geschrieben,
Und keine Welle löscht es aus.
Mag auch des Schicksals Brandung tnseii.
Den Nachen führe nuithvoll fort
Zur Heimat und den Lieben. Dort,
Wenn du auf sonn 'ger Haide liegst
Und still dich im Vergessen wiegst.
Werden linde
Frühlingswinde
Die Sorg' dir von der Stirne kosen." —
Fred. R. Minnth.
SO KOMM NUR STURM.
Schon durch die Sonne schwarze Wolken gehn.
Heiss über die wogenden Präriegräser wehn
Sturmbange Präriewinde. . . . Prärieföhn!
Und trotz des Sonnenscheins! ... in tiefster Seele
Schon schau ich Wnlkenschichten, — schwarze,
scheele, — , ^ , i i
Die künden: Schicksals heisser Föhn nicht fehle !
So komm nur Sturm, ich steh mit finstern Brauen
Fest in der Seele Nacht und wogendem Grauen: —
Werd' dir in dein Cyklopenauge sdiauen !
Gotthold Auau.^it Xecff.
LETZTE LIEBE.
Du bist die Tropensonne, denMi Flammen
Des Spätherbsts Laub versengen auf der Flur.
Die Knospen fallen bald zu Staub zusammen.
Der Wind verweht der letzten Blüten Spur.
Du bist die Tropensonne, deren Glufen
Im müden Herzen neue liUSt entfacht ;
Die Wunden brennen, und es muss verbluten
Bei all dem Glänze deiner Strahlenpracht.
Hermann Fosenthal.
412
DKUTSCHAMERIKANISCIIK DK HTUNGEN.
ZWKI THIPTYCHEN,
J.
1. .s'/(/j-. dir Strom des Todes.
Gcbnu-lu-n kauert ich an seiner Flut.
Ks starrte (l<'r Fels,
Mein Seufzen allein belebte
Den si'lianri),' stiiinineii.
Zu nieiiieii Kiisscn laj; 's «h-ni Auge tot.
Nur wenn die schwar/e Fläelie
Fnhörhar fernen Schlag
llcrübcrtrug.
Starb gurgelnd Well um Wrlle aui fie;stein,
('nd ieli!
(ileiehwie der Erde glühend Innres
Den Herg versetzt, das Tal zerreisst,
Warf niieh Verzweiflung
In uiarkvrrzeliniider Heimsuchung Qual.
Sie brach mich nieder,
Sie ris« mich empor,
Sie zwang mir die Hände, bebend
Nach <l«'m Erlöser Tod.
Charon! schrie ich.
l'nd siebenfach kam mir der Schrei gedoppelt
wieiier;
Doch bracht er nicht
Den schattenentführenden Nachen.
2. Litlu, der atrom des l'crgessens.
Hiesst, ihr Tränen,
Hiniiet reicher!
Letzte Quellen verborgener Tiefe,
Steiget herauf!
Hreiter, ra.scher, geschwellt von euch,
Kausche der Strom, der mich trage
Weit Von dem Menschen, um den ich weine;
Mich rette vor mir;
IHnweg mich führe, von jenen Zeichen hinweg.
Da ich .lugend begrub und Unschuld!
Ach wie hab ich mit nacht 'gen Tränen
Ich sein Holz genetzt!
Wie h:ib ich den Himmel angervifen
l'm das Wunder, dass es grüne!
Doch es steht in fluchbeladner Dürre,
Und der Reue rote, heisse
(ilut verzehrt die Tränen,
Die ich weine.
3. Pha.\on, der Strom des Lebens.
Herr, ich versinke! Gläubig halb
Und halb noch zweifelnd stiess ich 's aus.
Er aber hälts, erbarmend, nicht für Kaub
Die sünd 'ge Hand zu fassen,
Und mit ihm wandle ich
Nun des lebendigen Wassers
Heruhigten Spiegel.
Aus der Ufer ewigem Grün
Zu meiner Seite
Ertönen Lieder.
Und singen Christo als einem Gotte.
Und wann sie das Höchste ausgesungen,
Wird ihr Schluss zu neuem .\nfang:
..Ich war tot, und, siehe ich bin lebendig!"
Und wie die Muschel des Meeres Kauschen
Geheimnissvoll erinnernd festhält.
So lebt in mir d r Druck seiner Hand
Und das Wort des Lebens.
II.
DAS SEUFZEN DER KREATUR.
Auf ToiinenccI:. in den Alleifhenies von Pennsyl-
vanien.
Letztes hingehauchtes Glühn des Sonnenrotes
Zerrinnt an des Urwalds Tannen,
Drohen hoch.
Wehniütig nun dem .\ben<l entgegen
Leuchten die Gründe, die der Tag vergass
Nebelleiber stehen auf und recken
Lange, schlanke Arme um den Herg,
Drunten tief
Der aber steht starr, und seine Bäume reglos.
Nur die Zitterpappel fröstelt am Waldrand.
Dann wird es Nacht,
Stille, tiefe, weite Nacht.
Mir aber ist, als rüste irgendwo
Sich ein verborgner Feind
Und nähme mir ein Liebes,
Das mir teuer ist auf Erden.
2.
Ein langer, hohler Schrei —
Wie zornig und doch wieder mitleidsvoll —
Vom Tale her!
Des Frachtzugs schwarzer Wurm
Biegt fauchend um den Waldessaum.
Sein einzig Riesenauge droht.
Und unter seinem Dräuen wächst
Die Finsterniss.
Sein Atem steigt in Stössen, angstvoll.
Als ringe seine Brust
Mit unerhörter Last,
Bis seines Zornes Gischt
Verloren ist im Nebelmeer.
Dann wieder fällt der Berg
In düstres Schweigen,
Das die Sprache ist des Steins,
Des unerlösten.
3.
Da regt s:chs hinterm Berge
Von neuem Glanz.
Der Mond geht auf.
Allein nicht wohlig weich
Schmiegt sich der Felsenrücken seinem Leuchten!
Hart ragt der Stein, verfinstert,
TJnd scharf zerschneidet
Der Eiche knorriges Geäst die blasse Scheibe.
Sie aber steigt, als wolle der .starren Umarnumg
Sie entfliehen.
Und grösser nur stiert aus dem Einen
Glutleeren Auge m'ch an
Das Rätsel dieser Nacht.
Julius Hofmann.
FUER FEIND T'ND FREUND.
Mir bleibe fern der T'nkenchor der Heuchler,
Mir bleibe fern, wer lächelt stets und witzelt.
Mir bleibe fern, wen nur Gemeines kitzelt,
Mir ])leiben fern die Hündler und die Schmeichler!
DEUTSCH AMERIKANISCHE DK^HTUNGEN.
413
Ich lieb' sie niclit, die stets bedächt'g Weisen,
Auch niflit, die stets das Ross des Pathos reiten.
Auch nicht, die jammern stets von schlechten
Zeiten.
Auch nicht, die stets im selben Ringe kre'sen.
Ich lob mir leichte, lustige Gesellen,
Die gerne sind, wo volle Becher winken,
Und gern der Schönheit an den Busen s'nken,
Doch die auch, wenn zum Kampf die Hörner gellen.
Begreifen unsrer Zeit gewalt 'ges Ringen,
Im Herzen heil'gen Zornes Springquell tragen,
Der Freiheit ihre Schlachten helfen schlagen —
Und köstlich Herzblut ihr zum Opfer bringen.
Robert Reitzel.
(Dieses Gedicht bildete eine Art Einleitung in
der ersten Nummer des ,.A. T.")
MEIN HERZ.
Mein kleines Herz, wie bist du gross!
Wie viele Wünsche, wie viele Träume
Begrubst du schon in deinem Schooss —
Und aus den Gräbern immer wieder
Sprosst neues Leben, Blumen, Lieder.
Mein grosses Herz, wie bist du klein !
Du kannst nicht fassen, kannst nicht halten
In dir die Liebeswonne dein.
Du überquillst und kündest Allen,
Welch Glück vom Himmel dir gefallen.
Mein kleines Herz, wie bist du gross!
Was durch das Weltall schafft und wirket,
Der Gottheit Geist hältst du im Schoos,
Du baust dir, selber Gott geworden,
Den schönsten Tempel aller Orten.
Mein grosses Herz, wie bist du klein!
Du, das sich so unendlich fühlet.
Ein schwacher Körper schliesst dich ein;
Du sehnst dich über Thal und Hügel
Doch ach! es fehlen dir die Hügel.
O Herz, mein Herz, doch bist du reich ;
Denn du hast andre dir errungen.
Die dir an Freiheitssehnsucht gleich.
Und die in Thränen um dich klagen,
Wenn du einst aufgehört zu schlagen.
Robert Reitzel.
NOCTLTJNO.
In stiller Nachtt
Wachen die träumenden Herzen al'
Aus der schweren Ruhe des Tages auf.
Mit Zauberinacht
Locket und singt ein verklungner Schall —
Und am Himmel kreiset der Sterne Lauf,
In stiller Nacht.
Der Tag ist laut und hell — er übertönt
Manch leises Lied und manche st'ile Frage;
Am Tage scheiden Herzen unversöhnt.
Die Räder sausen und der Hammer dröhnt.
Des Lebens heisse Schlacht gehört dem Tage.
Doch wenn die Nacht dt-m tiefen Thal entsteigt
Im Fliederduft, im bleiciieii Mondi sstrahle.
Wenn s'e die lang vt-rgi-ssncn Bild.'r zeigt.
Manch liebes .\ntiitz sich herniederneigt.
Und Frieden strömt aus ihrer Silherschale.
In stiller Nacht, da geht ein Düft.^n schwül,
Das stillet unser Sehnen, unser Wuhnen,
Der Brunnen rauscht geheimnissvnl! und kühl,
Traumelfen schweben über deinem Pfühl —
Die alte Zeit he'scht ihren Zoll vt n Thränen.
In stiller Nacht
Wachen die Todten des Herzens all.
Und lächeln und winken und sehn dich an,
Und flüstern sacht
Wie langsam sterbender Wiederhall.
Das ist der uralte Zauberbann —
In stiller Nacht.
C. L. Nicolaji.
ICH ZWINGE DICH GLUECK.
Ich zwinge dich Glück!
Und willst du entfliehen,
Nicht nah ich dir lockend
Mit Schmeichelbemühen
Nein, rauh fass ich dich
Mit gewaltsamer Hand,
Du musst, ob gezwungen
Auch halten mir Stand
Und wenden zu mir dich
Und kehren zurück —
Ich zwinge dich Glück!
Ich zwinge dich Glück —
Denn ich weiss, wer verzagt,
Der muss dich verlieren,
Gewinnen nur, der wagt!
Fest, fest, drum erfass ich
Dein schimmernd Gewand
Und halt dich — ob reisst auch
Der brechliche Tand —
Dass nimmermehr weiche
Dein strahlender Blick —
Ich zwinge dich Glück!
Carrie Freifrau von reltheim-IIülse.
DIE ROTE BLUME.
Es war in den Tagen, den Tagen der Rosen,
Da küsstest von Kummer das Herz du mir frei!
Jetzt blühen im Garten die Herbstzeitlosen,
Und Herbstzeitlosen bekränzen uns zwei:
Gestorben die Liebe, das Glück und der Mai,
Und kalt ist und trostlos ein ieglicher Ort,
Die Tage der Rosen sind längst vorbei:
Und die rote Blume ist längst verdorrt.
Einst wollte allewig die Lippen ich küs.sen,
Die rot wie der Mantel der Königin sind,
Einst glaubt' ich allewig dich lieben zu müssen,
Mein traumschönes, braunes, liebreizendes Kind,
In den Kronen der Bäume da raschelt der Wind,
Er trägt in die Ferne die Blätter hinfort,
Die Liebe erstirbt; und der Sommer verrinnt;
Und die rote Blume ist längst verdorrt.
414
DKI'TSCH-AMERIKANISCHE DICHTUNGEN.
Wir lialun vom lloni;,' .Icr Liobo gegessen,
Wir liabni gctrunkfii tltii .SoniuMisolicin.
Wir hiiht'ii <lio Srhiüsscl zum Garten besessen,
Wo hliilirt .11.' Kose so rot wie der Wein.
Da stalil Hill ein goldi nes Vögeiein,
Es lilitl» unsrer Li« l.e iiielit Zutlnent noeli Tlort,
Es lierbstelt <la tlrinnen wie <iraussen im Uniii:
Und die rote Hlume ist längst verdorrt.
Es ändert «las Seliieksal nielit Elfe noch l\i,
leli finile nie mehr das erlösende Wort.
Nichts zaubert Verg:in;,Mics wieder herbei:
t'iul di<' inte r.lniue ist längst verdorrt.
Gcotuj Si/lrester Viereck.
ES snih'ITT
IHK SIKNDK
NACHT.
DURCH DIE
Es sehritt die Sünde diireli die Nacht
Die .julischwüle, sternenhelle
In nieinem Innern rief's: „Hab acht,
Uml hüte dich \iir ihr, Cicselle!"
l)o(di weh! \'erw(uren war mein Sinn,
Und alle iuein(> l'ulse klopften.
Zu ihren Füssen sank ich hin
Und tausend süsse (üfte tropften.
.Aus ilin>s Hauches Feuerghit
Hab (iötterwonnen ich gesogen.
Wihl tobte rascher .Tugend Blut
Und heisser Leidenschaften Wogen.
Du hast, berückend schöne ilaid,
Der Stunde Cdück mir nur beschieden
Und nahmst mir meine Seligkeit
Und meines Herzens tiefen Frieden.
Friedrich Michel.
LIEBE.
Ist Liebe nur ein flüchtig Rauschen,
Wie WinrU'swehn im Huciienliain, —
SobaM wir es erlauschen.
Hat's aufgehört zu sein?
Oder gleicht sie dem Funken, der zündet,
Der seinen Weg zum Herzen findet, —
Der glimmt und glüht und nie erlischt.
Den selbst kein Tod verwischt?
Johann Bernhadt VincJce.
NOVEMBERNACHT.
Sanft klagend dringen leise durch die Nacht
Mir Clockenkliinge fernher. Stille, sacht
Schleicht sich Erinnrung weich um meine Seele,
Die Trauer zieht durch mein Gemüt, als fehle
Mir ein verloren fJlück. Es schweben wieder
Der Heimat Klänge aus den Lüften nieder,
Im Schmeichelton. vom Winde liergetragen;
Und Zitterharfen, unsichtl>ar geschlagen,
Die wecken neue Sehnsucht nach der Ferne.
Hoch über mir ziehn ihre Hahn die Sterne
Durchs ungeniessne All in hehrer Pracht.
Kalt schauernd weht die Luft: Novembernacht!
Carl Christian Wendel.
„FUEK' DAS l!l« 11 DER DEUTSCHEN."
Des .lahrliuiiderts (iedaiik<': Evolution,
Das \(ilk im Werden: Unkel Sam 's Nation,
Der Entwicklung Faktoren: ein Babylon,
Der Willkomiiieiistcii Einer: Deutschlands Sohn.
.llbcrt I'iihcrnuichcr.
SPIELE.
Nun bist du sanft und liiclieliid eingeschlafen,
Du liebes Kind.
Dein kleines P.ocit /.cht in den stillen Hafen,
Dein Tag zerriiiiil.
Und all (lein Junges frohes l'iipixnsiiielen
Ist nun \-orbei.
Und all die Blumen rings, die dir gefielen.
Zerknickt der Mai.
Und iiieiniils wieder sattelst du zum Reiten
Dein Schaukelpferd,
Und niemals wieder wird mit Schularbeiten
Dein Herz beschwei-t.
Und di'iiie Schwester geht allein zum (iarten
Mit bangem Schritt ;
Sie soll nie wieder dich zum Spiel erwarten,
Du spielst nicht mit.
Du liegst nun still und friedlich, wie in Träumen,
So träume zu ... .
Und sorg dich nur iiiclit um dein Spielversiiumen
Und deine Ruh.
Die frohen Spiele s|i!(leii wir nicht langt»;
Glaub, liebes Kind.
Dort auf dem erlisten, weiten Lebeusgange
Weht rauh der Wind.
Durchs Leben gelm, lieisst kämpfen uml hcisst
leiden
Tief bis auf's Blut, —
Und wer als Kind von seinem Spiel kann scheiden,
Der hat es gut.
Hugo Terberg, (Prof. Hugo Münsterberg.)
EIN ABSCHIED.
Xiiu wird es still und traurig
In Heide und (ndieg.
Eiskalte Nebel suchen
Sich durch das Tal den Weg —
Und ich muss alles lassen.
Was mein vor langer Zeit,
T'^nd wandern muss ich, wandern,
Gott weiss alhin. wie weit.
Das ^lühlrad ist zerbrochen.
Im Winde knarrt das Tor.
I"nd auf dem stillen Teiche
Verfault der Kahn im Rohr;
Die Blumen sind verdorben
Schon lange vor der Zeit,
Die Welt wie ausgestorben,
Und jeder Pfad verschneit.
DEUTSCH-AMERIKANISCH K DI« imNciKN.
415
Am Wi'ge draussen liegen
Zwei Gräber unterm Sclinee —
Da miiss ich nodi vnriilier.
Wenn ich nun wandern <jeli ".
Da grab icli ans dem (irunde
Mir eine Handvoll Sand,
Die will ieli mit mir tragen
Hinaus ins fremde Land.
Und Eine mag wo! weinen.
Weil sie verlassen blieb —
I)()(di morgen, acli. schon morgen
Herzt sie ein ander Lieb —
Dann ist mir nichts geblieben,
Und alles still und leer —
Ach Gott, mein (Jott, dann habe
Ich k«'in(> Hi'im;it mehr!
0(01(1 Edward.
DIE FK.VXZEH.
Unter den LindiMi in Berlin —
Ein Herbstxormittag warm und klar — ■
Heim Glase Bier sitzt im Cafe
A^ergnügten Sinns ein Freundespaar.
Der eine spricht, im grauen Bart,
Mit hellem Aug" nml sonngebräunt:
„Yes — mit der alten Vaterstadt
Ist 's doch so 'n eigenes Ding, mein Freund.
Ich war in ganz Boerlin herum,
Vom Siden aus (pier nach Norden,
Doch fihl ich gar niciit mehr daheim.
Bin ein Fremdling hier geworden."
Unter den J^inden in Berlin
Der Kahle spricht und lacht dabei:
„Na ja — 's is weit ieber dreissig Jahr,
Dass wir aus Frankreich kamen, wir Zwei.
Du jingst dann jleich nach Amerika,
Das Jlück, es hat «lir dort jelacht,
Du hasts zu einem Haufen Jeld
L'^nd sojar zu Hans und Hof jebracht.
Und doch, dass du ein Vankee wardst,
Wird deine Freunde schmerzen —
Sag. Ma.x. is denn fir Deutschland nu
Kein Raum mehr in deinem Herzen?"
„Well." meint der Max. ..b"i uns zu Land
Da kennt man nicht so die blasse Noth;
Der Aermste noch hat sein Sandwich dort —
Heissts auf deitsch nicht belegtes Butterbrodf
Und der Eine ist dort dem Andern gleich —
Ich bin soviel wie der X'aenderbilt I
Und niemand wird ins Zuchthaus gesperrt,
Weil Roosevelt er 'neu Esel schilt.
No sir — I'm now an American!
Ich .sch^vör auf die Streifen und Sterne —
Doch horch, klingt das nicht wie Musik
Von irgend wo aus der Ferne?"
Der kahle Fritz zieiit seine Uhr,
„Es wird woU die Wachtparadc sein —
Erinnerst du Dich ? Zur Mittagszeit
Ziehn sie ins alte Schloss hinein.
Noch heute ist 's wie um siebzig einst,
Wo wir Beide, die nischt jetrennt.
Ins alte Schloss gezogen sind
Mit dem Kaiser Franz-Rejiment.
Trink aus. Wir sehens uns mal an.
Wie se um die Ecke biejen —
Trotzdem Du heute ein Vankee bist,
Macht Dir 's vielleicht dnrli Ver.inüjen! "
Unter den Linden in Berlin
Steht der Graubart ans Vankeelan.l.
Da kommt's die Strasse schon herauf
Und sprüht im Sonneid.rand :
Die Trommel rollt. <lie I'feife sdirillt,
\'(tran dii' .lungenSchaar.
Die „Franzer" sind 's, sein Regiment,
'!r:id wie's um Siebzig war!
l'nd näher noch — ein l'auk<'nschlag,
Der S(hellenbaum gen Himmel! —
Und der l'ariser Einzugsmarsch
Jauchzt über das Gewimmel.
Und das ist Ma.xens Lieblingsmarsch,
Sie spielten einst ihn vor der Schlacht,
Wo ihn des Feindes Säbelhieb
Fast um den linken Arm geluacht.
Sie spielten ihn. wie mit Hurrali
Am Hügel sie vorbeimarschirt.
Wo Wilhelm droben, hoch zu Hoss,
Die Sieggekrönten salntirt.
Und plötzlich — seht den (Jraubart doch!
Ist er im Schwärme drinnen.
Der mit den Franzern froh stolziert,
Und zieht im Schritt von hinnen.
Die Brust heraus, den Bauch herein,
Marschirt der Vankee tapfer mit.
Und jubelnd braust der Einzugsmarsch,
Und klipp und klapp geht Ma.xens Tritt.
„Max bist Du toll." ruft Fritz ihm zu
Und zieht vergeblich ihm am Rock,
l^nd klipp und klajip geht Maxens Schritt,
Wie ein (Jewehr trägt er den Stock.
Der Kaiser.'.' — „Rieht' euch! Augen links! "
Schnarrt es die Reihen nieder.
Hei, fliegt dem Yankee da das Bein —
Germania hat ihn wieder!
Henry F. Vrban.
DIE WEIHE DES WLIXES.
Auf den Bergen hoch am Rheine wächst der echte
deutSv-he Wein,
Und er saugt vom Sonnenscheine täglich Feuer-
gluten ein.
Emsig aus der tiefen Erde zielnn seine Wurzeln
Kraft.
Dass er süss und milde werde, trinkt er dunkler
Wolken Saft.
Aber dass von allen Arten so ganz anders er ge-
deiht.
Was ihm seinen wunderzarten. zaub«>rischen Duft
verleiht.
Der ein Netz aus goldnen Fäden uns um Herz und
Sinne spinnt.
Und mit seiner Würze jeden für der Schöhcit Licht
gewinnt.
Dess' geheimnissvolles Walten in Gesang und
Liedern lebt.
Der uns hilft, das zu gestalten, was in Träumen
uns unisclnvcbt.
Das sind Bilder, die erstehen in der lichten Som-
mernicht.
Wenn die Winde la^itlos wehen und kein menschlich
Auge wacht.
4iri
DEUTSCH-AMKRIKANISCTIF DirTITrxnEX.
Wenn Ifis zitt.-riKi in der Fi-rno AhtMi(lKl«»fkehen8 Sorgsam hüten sie vor Sehädon, vor Gewürm, da3
Ton verklingt . kriv.lit iin I sdileiclit.
T'nd der (ihuiz der ersten Sterne durch den dunklen Weicher Wurzel feine Fäden, dass kein Unheil sie
Himmel dringt ;
Wenn im Mondlifht silbern schimmert wie verstei-
nert Lied der l'om
Und wie Hüss'ge Perlen flimmert krauser W^ellen
Spiel im Strom;
Knorriges tJeäst der Eiche auf die Wiesen, licht-
l>estr-ihlt.
Schwankende, gespenstergleiche schwarze Schatten-
risse nmlt ;
Wenn verfalln.'r Hurgen Keste in des Forstes
tiefem Urün
Lichtbegossen, als ob Feste man dort feiert, blen-
dend glüh 'n —
Dann l>eginnt es sich zu regen, knarrend tut sich
auf d;is Tor,
Die im tiefen Schlaf gelegen treten hinter ihm
hervor.
Sind für eine kurze Stunde aus der ew 'gen Haft
befreit.
Schnell erweckte sie die Kunde: ..Heute wird der
Wein geweiht."
Licht erglänzt in den Ruinen, neu belebt sich altes
Sehioss,
erreicht.
Dichter, bunter das Gedränge, und gewaltig steigt
empor
Aus der vielgestalt 'gen Menge ernster, feierlicher
Chor.
,. Grüne, saft 'ge. kräft 'ge Rebe, die du kühlen
Trank uns gab.st,
Gut 'ger Götter Wille gebe, dass du viele Menschen
labst.
Unser Trachten, unser Denken, unser längst ver-
gang 'nes Sein
Wollen wir dir heute schenken, flössen es den
Trauben ein.
Was die \'orzeit auch erlebte, Liebe, Freude, He.--
zelei<l.
Was zu Sagen sie verwebte, sei dem neuen Wein
geweiht.
Alle, die mit reichen Händen einst beschenkte Vater
Rhein,
Segen kamen sie zu spenden seinen Gauen, seinem
Wein."
Da — ein Hahnenschrei verkündet, dass im Ost d'e
Sonne steigt.
Von den Fackeln grell beschienen regt im Burghof Schnell die Geisterscliaar verschwindet, einsam liegt
sich .1er Tross. die Flur und schweigt.
Klirrend sprengt in schwerer Rüstung stolzer Rit-
terschaar durchs Land,
Von des hohen Söllers Brüstung winkt zum Ab-
schied zarte Haml.
Blondgelockt .lung Siegfried schreitet, längst ver-
gass er Kampf und Streit,
Zärtlich Chrimhild ihn geleitet, frei von Gram und
Herzeleid.
In gestickten Prachtornaten zielit die Klerisei
heran,
Fürsten, Helden, deren Taten unvergesslich, folgen
dann.
Gelle Rufe der Walküren tönen jauchzend durch
die Luft,
Karl, den gross<>n Kaiser, führen treue Diener aus
der Gruft.
Einsam schleicht der grimme Hagen, noch im
Tode unversöhnt.
Von den Wellen hergetragen Rheines Töchter Lied
ertönt.
Längst gestiirzte Götter schweben auf den Wolken
nun herbei
Von dem Fels, bekränzt mit Reben, lockt das Lied
der Loreley,
Und es nah 'n mit schnellen Schritten alle, die
für 's Vaterland
Seit Jahrhunderten gestritten um des heil 'gen
Stromes Strand.
Jeder, der am holden Flusse Lieder dichtete und
sang.
Dem hier mit dem irstri} Kusse Liebe in die Seele
dr:ing.
Wer dem echten, sorglos tollen Leichtsinn einmal
nur erlag,
Wein und Frohsinn schlürft ' in vollen Zügen einen
einz 'gen Tag,
Heute kommt er. Und im tiefen, feuchten Erd-
reich regt es sich.
Gnomen, die schon lange schliefen, weckt der
rauhe Alberich.
Wer in weihevollen Stunden Wein aus grünem
Römer trank.
Hat die Zauberkraft empfunden, die bis in die
Seele drang.
Was wie fernes Glockenläuten durch Gemüt und
Sinne zieht,
Kann das klare Auge deuten, das verborg 'ne
Schätze sieht.
Nicht die Elemente schenkten uns allein den
goldnen Saft,
Alle deutschen Stämme senkten in ihn ihre ganze
Kraft.
Und was mild und doch gewaltig uns geheimniss-
voll umfängt.
Farbenprächtig, vielgestaltig sieh durch Nebel-
schleier drängt.
Uns umschwärmt wie lichte Falter, wenn die ers'c
Rose blüht.
Tönend bald wie heil 'ger Psalter, bald wie jauch-
zend ' Liebeslied —
All' das ruht im duft 'gen. klaren Weine, der am
Rhein gedieh.
In dem Sammelquell der wahren, heil 'gen deutschen
Poesie.
Georg von Skal.
MAERCHEXGRUSS.
Waldeinsamkeit und stille Waldesnacht,
Ein leichter Nebel streift den Ilügelrand. —
Im tiefen Dunkel eine Felsenwand,
Darüber scheint der Moml in Silberpracht.
Gigantisch ragt des Forsts zerrissner Schatten
Bis in den Himmelsdom, den schimmernd matten.
Es spiegelt sich sein Bild im lichten See,
Der n^gungslos zu meinen Füssen ruht.
Erloschen ist des Tages Lebensglut.
Die Nacht durchzittert es wie frostig Weh.
Ein Klageruf ertönt aus nahen Zweigen,
Die sich herab zum Wasserspiegel neigen.
DEUTSCH-AM KR IRANISCHE DICHTUNGEN.
417
Durch meine Seele zieht ein süsser Traum.
Die Welt und ihre Sorgen liegen fern,
Entrückt, wie der verklärte Abendstern,
Der freundlich scheint im weiten, stillen Raum.
Ein fremder Zauber hält den Geist umfangen.
Das Herz erfüllt ein seliges Verlangen.
Da plötzlich sass im bleichen Dämmerlicht
Auf langem Ast vor mir ein holdes Kind,
Das lächelnd sich im leisen Abendwiml
Die Locken strich vom liebliciien Gesicht.
Zwei grosse, helle Augen ruhten
Auf ros 'gen Füsschen, plätschernd in den Fluten.
Jetzt wandte sie den klaren Blick nach mir,
Erhob die kleine Hand zum neck 'sehen Gruss
Und warf mir zu den aHcrlicbsten Kuss:
„Was hast du Menschenkind, zu suchen hier?
Icli bin das Märchen aus vergangnen Zeiten,"
Und Hess sich in des See 's Tiefe gleiten.
Ja, schönes Märchenkind, was wollt' ich dort?
Schon zeigt der Silberfaden sich im Haar.
Doch ist das Herz noch wie es einstens war,
Und träumt von dir und liebt dich immerfort,
Entfliehe nicht, o du, mein einzig Lieben!
V^jn allem bist allein du mir geblieben.
Carl Eugen Gustav Lorenz.
DAS ALTE SCHULHAUS AN DER KRICK.
AUS HARBAUGH'S HARFE.
Heit is 's 'xäetly zwansig Johr,
Dass ich bin owwe naiis;
Nau bin ich widder lewig z'rick
T^n schteh am Schulhaus an d'r Krick,
•Tuscht neekseht an 's Dady's Haus.
Ich l)in in hunncrt Heiser g'west,
Vun ^Märbelstee' un Brick,
Un alles was sie hen, die Leit.
Dhet ich verschwappe eenig Zeit
For's Sehulhaus an der Krick.
Wer mied deheem is, un will fort,
So loss ihn numme geh' —
Ich sag ihm awwer vorne naus
Es is all Humbuk owwe draus,
Un er werd's .sei wert seh'!
Ich bin draus rum in alle f]ck',
]\I 'r macht 's jo ewwe so ;
Ilab awwer noch in keener Schtadt
Uf e'mol so viel Freed gehat
Wie in dem Schulhaus do.
418
DEUTSCH-AMERIKANISCHE DICHTUNGEN.
Wie heomelt mich da alles a'I
loll sditt'li. UM (U'llk. Uli jruck ;
üu was ich schier vorgressc liab.
Kuninit wiiltlcr z'rick wie aus seim Grab,
Un sehtcht d«» wii- cn Schpuck!
Des Krickh' sclii)it'lt verbei wie 's hot,
AVo idi noch jr'schjjielt hab dra ' ;
\hi unuer seUe Ilolh'rbiscli
Do schpieU^ nocli die kU'ciic Fisch,
So schniiirt wie sclli Zeit.
Die lautre Desks rin<;s an der Wand —
Die ^rose Schieler drum ;
rf eener Seit die grose Mäd.
l'n dort die Buwe net so bleed —
Guk, wie sie piepe rum !
Der jMeesehter watscht sie awwer scharf,
Sie gewe besser acht :
Dort seller, wo loHetters schreibt
Un seller, wo sei Schpuchte treibt,
Uu seller Kerl wo lacht.
Der Weissccch sditeht noch an der Dhier —
flacht Schatte iwwer's Dach:
Die Drauwerank is ah noch grie' —
Un's Amschel-Nescht — guk juscht mol lii' —
0 was is dess en Saeh !
Die Grose uu die Kleene all
Sin unner eener Ruhl ;
Un dess is juscht der rechte Weg:
Wer Ruhls verbrecht, der nemmt die Schleg
Odder verlosst die Schul.
Die Schwalme sclikippe iwwer's Feld,
Die veddei-scht is die beseht!
Un sehnseht du dort am Giebeleck
*N Haus vun Schtojiple un vun Dreck?
Seil is eu Sehwalme-Xescht.
Inwennig, um der Offe rum
Hocke die kleene Tschäps,
Sie lerne artlich hart, verschteh,
Un wer net wees sei' A B C —
Sei' Ohre kriege Räpps.
Die Jimge leie allweil schtill.
Un schlofe alle fescht.
Ward bis die Alte kriege Werm
No'd herscht du awwer gross Gelerm-
Vun ]\Ieiler in dem Nescht!
Ja, alles dess is noch wie 's war
Wo ich noch war en Buh ;
Doch anner Dings sin net meli so,
For alles dhut sich ennere do
Wie ich mich eiiiieic dliu.
S 'is hart zu hocke uf so Benk —
Die Fiess, die schteli'n net \ii-
En Mancher kriegt en weher Rick
In sellem Schulhaus an der Krick,
Un fiehlt gans krenklich druff.
Die arme Drep ! dort hocke se
In Misserie — juscht denk!
Es is kee' Wuuuer — nemm mei
Dass se so wenig lerne dort.
Uf seile hoche Benk.
AVort—
Ich .scliteh wie Ossian in seim Dhal
l'n seh in 's Wolkeschpiel, —
Bewegt mit Freed un Trauer — ach!
Die Dhrene kumme wann ich lach!
Kansclit denke wie ich fielil.
Mit all was mer so sage kann.
War's doch en guti Schul;
Du Anseht keen ]Meeschter so, geh, such-
Der seifre kann durch 's ganze Buch,
Un schkippt keen eeni Ruhl.
Do bin ich gange in die Schul, Bees war er! ja, dess muss ich g'schteh;
Wo ich nodi war gans Idee'; G 'wippt hot er numme zu;
Dort war der :Meescliter in seim Schtuhl, Gar kreislieh gute Ruhls gelehrt
Dort war sei' Wip. un dort sei' Ruhl, — Un wer Schleg kriegt hot, hen se g'heert,
Ich kann's noch Alles seh'. Hot eppes letz gedhu'.
DEUTSCH-AMERIKANISCHE DICHTUNGEN.
419
Wann 's Dinner war, im Schul war aus,
Nor'd hot mer gut gefiehlt;
Dheel is 'n Balle-Gehni gelunge,
Dheel hen mitnanner Rehs g'schprunge,
Un Dheel hen Sold'seher g'sehpielt.
Die grose jNIäd hen ausgekehrt —
Die Buwe nausgeschtaabt !
Zu helfe hen en Dheel pretend.
Der ]\Ieeschter hot sie naus gesendt:
Die Ruhls hen 's net erlaabt.
Die kleene Mäd hen Ring geschpielt
Uf sellem Waasum da;
Wann grose jNIäd sin in der Ring —
'S is doch en wunnervolles Ding! —
Sin grose Buwe ah!
Die Grose hen die Grose 'taggt,
Die Kleene all vermisst!
Wie sin se g'schprunge ab un uf,
Wer g'wunne hot, verloss dich druf,
Hot dichdiglicli gekisst!
Am Chrischdag war die rechte Zeit —
Oh wann ich juseht dra' denk!
Der ]\Ieeschter hen mer naus geschperrt,
Die Dhier im Fenschter fescht gebärrt—
"'Nau, Meeschter, en Geschenk!"
Nor'd hot er awwer hart browirt,
Mit Fors zu kumrae nei';
Un mir hen, wie er hot gekloppt,
'N Schreiwes unne naus geschtoppt,
"Wann 's seinseht, d<mii kannscht du
rei!"
Nau hüt der ^leesehter i-aus gelänst.
Gar kreislich schiepisch 'gui-kt!
Eppel un Keschte un noch meh',
'S war juschtement in fäet recht schee',
Mir hen 's itiit Luschte g 'schluckt.
0 wuh sin nau die Schieler all,
Wo hawe do gelernt?
'N Dheel sin weit ewek gereest,
Vum ünglick uf un ab gedscheest,
Dheel hot der Dodt geärnt!
Mei Herz schwellt mit Gedanke uf,
Bis ich schier gar verschtiek I
Kennt heile, 's dhut m'r nau so leed,
Un doch gebt 's mir die greeschte Freed,
Dess Schulhaus an der Krick.
Gut bei ! alt Schulhau-s — Echo ki-eischt
Gut bei ! Gut bei ! zurick ;
0 Schulhaus! Schulhaus! muss ich geh',
Un du schtehscht nor'd do all allee',
Du Schulhaus an der Krick!
Oh horcht, ihr Leit, wu nooch mir lebt.
Ich schreib eich noch des Schtick:
Ich warn eich, droh eich, gebt doch Acht
Un nemmt uf immer gut enacht.
Des Schulhaus an der Krick !
HEINRICH CONRIED.
der als Schauspieler, Regisseur und Direktor in der deulsch-amerikanischen
Thejier - Geschichte eine hervorragende Rolle spielte und mehrere Jahre
Direktor der ., Metropolitan Opera Co." war.
Das Deutsche Theater in Amerika.
Die ersten Anfänge des deutschen Thea
ters in den Vereinigten Staaten von Ame-
rika datiren zurück auf den Ausgang der
dreissiger Jahre des vorigen Jahrhunderts.
Ein geistiges Erwachen im Leben der
Deutsclien war angebrochen, als nach dem
Hambacher Fest am 27. ^lai 1832, einer
grossen, für ein einiges Deutschhind mit
republikanischer Verfassung Propaganda
machenden Volksversammlung, politische
Verfolgungen begannen und viele hochge-
bildete I\Iänner zur Flucht und Uebersied-
lung nach Amerika sich veranlasst fühlten.
Sie gründeten deutsche Zeitungen und b"-
sassen nicht allein Geist und Kenntnisse,
sondern auch das ehrliehe Streben, das bür-
gerliche, sittliche und wissenschaftliche
Leben der Deutschen zu veredeln und ein
Band zwischen den Fortgewanderten imd
der alten Heimath zu knüpfen, deren geis-
tige Errungenschaften hier imbekannt
waren oder doch nicht die Anerkennung
und Werthschätzung fanden, die sie im
reichsten ]\ lasse verdienten.
Natürlich ergab sich daraus auch das
Verlangen, die Schöpfungen der dramati-
schen Literatur Deutschland 's durch Auf-
führungen auf den weltbedeutenden Bret-
tern einer grösseren Anzahl von Lands-
leuten zugänglich zu machen und dafür
Interesse zu erwecken. Zunächst musstc
man sich mit Dilettanten-Vorstellungen be-
gnügen. ]\Ian konnte um so weniger daraa
denken, Aufführungen zu veranstalten, die
vor der Kritik bestehen konnten, als '^s
nicht allein an schauspielerisch gebildeten
Kräften fehlte, sondern auch keine Bühnen
zur Verfügung standen, die auf einen sol-
chen Namen Anspruch machen konnten.
Im Hintergrunde von Bierstuben wurden
„Bühnen" improvisirt, und in den rauchi-
gen Räumen suchten kunstbegeisterte Dilet-
tanten dem Publikum die Vorzüge deut-
scher dramatischer Dichtungen mit dem
Aufwände des ihnen zu Gebote stehenden
Talents vor Augen zu führen. Willielm
Müller erzählt in einem Artikel über das
deutsch-amerikanische Theater, der in dem
unter dem Titel ,. Amerika" im Jahre 1886
erschienenen Buche zum Abdruck gelangt
ist. dass in Indianapolis anfangs der acht-
ziger Jahre noch ein danuils als Wagenre-
mi.se benutztes Holzgebäude gezeigt wurde,
in welchem auf einer etwa 10 Fu.ss breiten
und 8 Fuss tiefen Bühne ein hünenhafter,
mit gewaltigem Organ begabter Herr von
Adlerberg als Teil den verhängnissvollen
Apfelschuss ausführte und später den
Tyrannen Gessler bestrafte. Dass der l)e-
rühmte Felsenvorsprung eine alte "Waaren-
kiste war. dass die Waffe des kühnen
Schützen die Brust Gessler 's berührte und
Teil, da er sich auf so kurze Distanz zu
schiessen schämte, den grausamen Vogt mit
dem Kolben seiner Armbrust ersehlug,
störte die Illusion der Zuscliauer nielit in;
Geringsten. Obgleich ihnen die f^inrich-
tung der Bühne Shakespeare 's vernnithlieli
unbekannt war. besas.sen sie doch die leb-
hafte Phantasie der Zeitgenossen des
Schwans von Avon.
In New York. Philadelphia. Cineinnati,
New Orleans und St. Louis fanden in
den vierziger Jahren des vorigen Jahr-
hunderts nur vereinzelt Tiieatervorstel-
lungen statt. Dass es in denselben an
komischen Zwischenfällen nicht felilte. da-
für diene als Beispiel ein Gesehiclitchen,
das E. D. Kargau in seinem Buche „St.
Louis in früheren Jahren" erzählt. Dort
waren für die ei-ste deutsche Voi-stellung.
Avelche im Jahre 1842 stattfand. Schiller 's
422
DAS DEUTSCHE THEATER IN AMERIKA.
„Räuber" gewälilt worden. :\Iit der Ein-
nalinie des Abends wollte iiiiin dem völlig
mittellos angelangten Schauspieler Rudolf
Riese eine ausreiehende ünterstütziuig ge-
währen. Der Speisesaal eines Kosthauses,
in welchem mau eine sehr i)rimitive Bühne
errichtet hatte, dii-nte als Theaterlokal.
Riese gab den Karl ]\Ioor, die übrigen
Rollen waren durch Dilettanten besetzt.
Aber eine Amalia fehlte. Kein weibliches
Wesen war zu finden gewesen, welches
sich zur Darstellung der Räuberbraut her-
bei las.sen wollte. Vor dem letzten Akte
weigerte sich Riese jedoch auf das Ent-
schiedenste, ohne eine Amalia, von der bis
dahin nur gesprochen worden war, die aber
doch auf der Bühne erstochen werden
musste, weiter zu spielen. Die Köchin des
Hauses wurde daher in aller Eile in ein
weisses Kleid gesteckt und auf die Bühne
geschoben, um den Todesstoss zu empfan-
gen ; da sie aber nicht vorschriftsmässig zu
Boden fiel, versetzte ihr Riese einen wuch-
tigen Schlag, der die erwünschte Wirkung
nicht verfehlte.
Das Repertoire der ersten deutschen
Theatervorstellungen in Amerika wurde
von Kotzebue beherrscht. Das erklärt sich
zum Theil wohl daraus, dass er im Anfang
des vorigen Jahrhunderts eine unum-
schränkte Herrschaft über die englische
Bühne ausübte. ..^Menschenhass und Reue",
,,Rollas Tod", „Der natürliche Sohn".
„Bruder Moritz", ..Gustav Wasa", „Die
Macht der Verläumdung", „Der häusliche
Zwist". ..Falsche Scham" waren Reper-
toirestücke aller englischen Bühnen. Ja,
Bayard Taylor behauptete in seiner Ge-
schichte der deutschen Literatur, dass
Kotzebue das grösste dramatische Genie
wäre, welches Europa seit Shakespeare her-
v(»rgebraeht habe. Von anderen deutschen
Bühnendichtungen, die in T^ebersetzungen
auf der amerikanischen Bühne in der
ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ge-
geben wurden, seien erwähnt Heinrich
Zschokke's „Abälino. der grosse Bandit",
einige Schiller 'sehe Dramen, die jedoch
keine besonders günstige Aufnahme fan-
den, Birch - PfeitTer'sche Stücke und
Halm 's „Der Sohn der Wildniss".
Uebrigens war die junge amerikanische
Republik dem Theater nicht günstig ge-
sinnt. Unter englischem Regime wurde die
Schaubühne, nachdem am 5. September
1752 in Williamsburg, der damaligen
Hauptstadt von Virginien. zum ersten Male
in Amerika von berufsmä,ssigeu Schau-
spielern eine Theater-Vorstelliuig, und
zwar Shakespeare 's „Kaufmann von Vene-
dig", gegeben worden war, begünstigt. Die
Väter der Republik betrachteten sie nicht
als „moralische Anstalt" im Schiller 'sehen
Sinne, sondern unterdrückten sie, weil „die
Pflege der Künste zu einer Verschlechte-
rung der Sitten führe, das Freiheitsgefühl
der Bürger schwäche und die Existenz der
Republik gefährde". Erst in den aller-
letzten Jahren des achtzehnten und zu Be-
ginn des neunzehnten Jahrhunderts be-
quemte man sich zu etwa.s weniger puritani-
schen Ideen und gab Avenigstens das
Theater frei. Es ist aber heute noch vielen
Geistlichen in Amerika ein Dom im Auge.
Anfangs der vierziger Jahre des vorigen
Jahrhunderts fanden in Bierhallen oder
bisweilen auch in wirklichen Theatern
deutsche Theatervorstellungen in New
York, Philadelphia. Hoboken, Cincinnati,
St. Louis und anderen Städten statt. Es
waren nur wenige berufsmässige Schau-
spieler vorhanden, aber desto mehr Dilet-
tanten, die aus „künstlerischem Ehrgeiz"
einander Konkurrenz machten und zwei, ja
drei Theater errichteten, wo für eins kaum
ein genügendes Publikum vorhanden war.
Unter den verschiedensten Namen tauchten
sie auf. so gab es in Philadelphia im Laufe
weniger Jahre einen ..Dramatischen Unter-
haltungsverein", ein ..Deutsches Liebhaber-
Theater", eine „Thalia Gesellschaft", eine
„Germania Gesellschaft", eine „Urania",
eine „Concordia", einen „Schiller und
Gcpthe Verein", ein ..Deutsches National-
DAS DEUTiSCHE THEATER IN AMKKIKA.
423
Theater" und ein ..Deutsches Theater",
welche der dramatischen ]\Iuse nach ihrer
Art Tribut darbrachten und an, die Unter-
stützung des Publikums appellirten.
Sie beschränkten sich übrigens nicht auf
Theatervorstellungen, sondern suchten in
anderer "Weise dem I'nterhaltungsbedürt!-
niss Genüge zu ,thun. So wurden Ver-
losungen arrangirt, um das Publikum an-
zulocken. In Philadelphia winkten Bilder
und Spiegel dem glücklichen Gewinner, in
St. Louis einmal sogar ein fetter Hammel.
Dampfer-Exkursionen und ländliche Feste
waren im Sommer ein beliebtes ]\Iittel, um
dramatischen Aufführungen, welche die
Hauptnunnner des Programmes waren,
Publikum zuzuführen. Die Eintrittspreise
zu Theatervorstellungen waren sehr ver-
schieden, ^lan begnügte sich anfangs mit
25 Cents. In Bierhallen wurden 10 Cents
für einen Herrn und zwei Damen verlangt,
und dafür gab es in der ersten Zeit noch
zwei Glas Bier. Später wurde bei 10 Cents
Eintrittsgeld nur ein Glas Bier gratis ge-
geben. Otfenbar wurde die dramatische
Kost, die es als Zugabe gab, höher be-
werthet. In wirklichen Theatern waren
75. 50, 25 und 12i/£> Cents die üblichen
Preise.
Nach dem Revolutionsjahre 18-48 wurden
auch deutsche Berufs-Schauspieler hier
häufiger, und damit beginnt eine Aera
deutscher dramatischer Kunst in Ame-
rika, welche vor dem Bürger-Kriege sogar
zu grosser Blüthe gelangte. Statt einmal
wöchentlich gab es in New York, Philadel-
phia und St. Louis täglich deutsche Auf-
führungen. Namhafte Kräfte wurden von
der alten Heimath herangezogen, und
ihre Gastspiele fanden auch vor dem ame-
rikanischen Publikum Gnade. Es war ein
reges deutsches Theaterleben in der neuen
Heimath erblüht, als der Bürgerkrieg dem-
selben ein Ende machte, da auch von den
Schauspielern nicht wenige der Union ihre
Dienste anboten und mit in 's Feld zogen.
Es dauerte geraume Zeit, bis sich die deut-
sche dramatische Muse wieder Geltung ver-
.schaffen konnte. Erst nach dem siegrei-
chen deutsch-französischen Krieg, der den
deutschen Xationalslolz auch der Fortge-
wanderten mächtig anregte, erstand das
deutsche Theater in Amerika zu neuer
Blüthe. Es hatte dann seine „Aufs und
Abs" wie so vieles im amerikanischen Le-
ben. Es bü.sste numchen Vorposten ein,
den es jahrelang standhaft und oft mit
gro.ssen Opfern vertheidigt hatte; heute
haben nur New York, Philadelpiiiti. Cin-
cinnati, Davenport, ]\Iilwaukee. Chicago
und St. Louis deutsche Theatervorstellun-
gen. Um der Geschichte des deut.schen
Theaters in Amerika gerecht zu werden, ist
es nothwendig, sein AVerden und Entstehen
in den Städten zu schildern, in welchen es
festen Fuss fasste und besondere Glanz-
perioden erlebte. Für die Anfänge des
deutschen Theaters in New York und Phi-
ladelphia waren die Alonographien von C.
F. Huch in den ^Mittheilungen des Deut-
schen Pionier- Vereins von Philadelphia die
Hauptquelle, ferner der Eingangs er-
wähnte Aufsatz "Wilhelm ]\Iüller's, dei- aucl;
die deutschen Theater in anderen Städten
der Union bis zum Jahre 1884 behandelt,
für St. Louis das erwähnte Buch E. D.
Kargau 's, für die weitere Geschichte des
deutschen Theaters in Philadelphia die
chronologischen Aufzeichnungen des lang-
jährigen Theater-Sekretärs S. Renmk uii 1
für die deutsch-amerikani.sche Theater-Ge-
schichte bis zur Gegenwart Korresponden-
zen der deutschen Theaterblätter „N. Y.
Figaro" und ..X. Y. Echo". AVerthvolle
Informationen verdankt der Verfa.sser
ausserdem Herrn Carl Pletz vom ,.Cinciu-
natier Volksblatt" und in Bezug auf das
deutsche Theater in New York dem Stadt-
Redakteur der „Staats-Zeitung". Herrn
Arthur G. Abrecht. Beginnen wir mit New
York.
Das deutsche Theater in New York.
Im Jahre 1840 wurde der erste Versuch
gemacht, ein deutsches Theater in New
424
DAS DKUTSCHK THKATKR IX AMERIKA.
York ZU ^TÜiuU'n ; er sehlug fehl, da es an
einem geeigneten Lokal und guten Kräften
mangelte. Vereinzelte Vorstellungen waren
jinloeh bis zum Jahre ISrtO nieht selten. Die
Herren K. Riese, F. Wiese und Dietz ver-
anstalteten dieselben in dein nur fünfhun-
dert Zuschauer fa.ssenden Franklin Theater
an der C'hatham St. Im Jahre 1850 wurde
von W. Ilermaiui in Mager 's Konzerthalle
in der Elizabeth Stra.sse ein Deutsches
Theater gj'gründet. das längeren Be.stand
hatte. Iiules.sen befriedigte weder Lokal
noch Darstellung. Neue Männer und neue
Theaterlokale bewarben sieh um die Gunst
des Publikums, aber ohne besonderen Fa'-
folg. Fas.sert. Burgthal. Stein. Alexander
Pfeitfer vom Manidu'imer Iloftheater. Otto
Hoym. lienroth. Eduard Krüger, Alexan-
ilcr IMeyel versuehten in den nächsten
Saisons nach einander ihr Glück als Direk-
toren. ;il»ei- mit ebenso negativem Erfolge
wie der eigentliche Pionier der deutschen
Bühne im Osten der Vereinigten Staaten.
"\V. ITermann. der schliesslich entniuthigt
der Neuen Welt den Rücken kehrte und
sieh wieder nach Deutschland begal).
In der Wintersaison 1853 — 54 konnte
endlich von Eduard Ilamann im Charles-
Theater an der Bowery. im ]\Iittelpunkt des
deut.sehen Viertels, das erste ständige
deutsehe Theater New York 's eröffnet wer-
den. Durch das Engagement der ersten
Liebhaberin Elise Hehl aus Darmstadt und
des vorzüglichen Komikers Wilhelm Bött-
ner, sowie durch abgerundete Vorstellungf^n
wurde das Interesse des Publikums wach-
gerufen und dem rnternehmen ein Erfolg
gesichert. Der schon erwähnte Otto Hoym.
der von seinen Gastspielreisen nach dem
Westen zurückgekehrt war. übernahm
später die Spielleitung, und Elise Hehl
wurde seine Frau. Das nicht unbedeutende
Vermögen derselben setzte das junge Paar
in den Stand, in Gemeinschaft mit Hamann
einen alten Circus an der Bowery in ein
neues Theater umzubauen, das den Namen
„Netv York Si mit -Theater" erhielt und
etwa zehn Jahre lang bestand. Die mäch-
tig aufgeblühte deutsche Presse wusste die
Freude an deutschen Vorstellungen in
innner weitere Kreise des Deutschthums zu
tragen und der deutschen Schauspielkunst
eine bleibende Stelle zu sichern. Die deut-
sche Bühne New York 's gab Vor.stelhuigen,
deren sich kein Iloftheater zu schämen ge-
habt haben würde. Das Personal bestand
aus zwanzig Herren, zwölf Damen, .sowie
aus einem Chor von zwölf männlichen und
acht weiblichen ^Mitgliedern. Im Stadt-
Theater wurde auch Sonntags gespielt.
Opern-Vorstellungen erhöhten gelegentlich
die Freude an dem Besuch des Stadtthe-j-
ters und trugen zur Bereicherung des Re-
pertoires bei. Als Otto Hoym bei Ausbruch
des Bürgerkrieges als Ilauptnmnn im 42.
Regiment, N. Y. F., in 's Feld zog. konnte er
die LTeberzeugung mit sich nehmen, dass
für seine Frau reichlich gesorgt sei.
,. Durch das Emporblühen des Stadtthea-
ters," schreibt Herr Huch. ..wurden noch
andere Unternehmungen ins Leben geru-
fen, und selbst in Vereinskreisen fand«:'n
dramatische Vorstellungen statt, um das
Verlangen danach zu befriedigen. Wie aus
den Anzeigespalten des „Beobachters am
Hudson" zu ersehen ist, gab es im Jahre
1858 in New York noch die nachstehend ei'-
wähnten Theater, bei denen jedoch der
Bierverkauf die Haupteinnahmequelle ge-
wesen zu sein scheint. So betrug der Ein-
tritt in Eustachis Volkstheater in der Vier-
ten Strasse nur zehn Cents, wofür man ein
Glas Bier erhielt. Das gleiche Eintritts-
geld, bei Verabreichung eines Glases Bier,
wurde im Deutschen Volksgarten-Vaude-
ville-Theater und Wintergarten von Herren
erhoben, während Damen und Kinder frei
waren. G. Gustav war hier Regisseur und
Schleicher JMusikdirigent. Sogar nur sechs
Cents ko.steten der Eintritt uiul ein Glas
Bier in G. Lindenmüllers Odeon und Na-
tional-Lokal-Theater. wo E. Schimonski
Bühnenleiter war, und in Busams Fortuna-
Halle, wo Damen frei waren. In Fayos
^Fuseum und Lokal-Theater war der Ein-
tritt ganz frei. Ferner bestanden noch
DAS DEUTSCHE THEATER I\ AMEK'TKA.
425
Hoyms Theater mit K. Iloym und Ila-
mann als Eigenthüniem iiinl Direktoren,
sowie C. Ilartinanns Theater mit W. Voli<
hind als Regisseur."
Otto von Hoijm, der die Schauspieler aus
dem „Theilungs - Sehmieren - Verhältniss"
befreite uiul regelrechte Theater-Zustände
schuf, war Sohn eines Kammerherrn in
Gera, hatte als Offizier Sehiffhruch gelitten
und war nach Amerika gekommen. Seine
schauspielerische Begabung, sein Regieta-
lent, sein prächtiges Organ und seine wahr-
haft adonisartige äussere Erscheinung prä-
destinirten ihn zum Erfolge auf der Bühne,
und er bliel) auch nicht aus. Tioyni war
di'r Liebling des weiblichen Publikums,
und das war von vornherein bestimmend für
den guten Besuch des Theaters. Als Otto
von Hoym in den Krieg gezogen war. hatte
er das :\Iallieur, in dem siebentägigen Ge-
fecht bei White Oak Swamp, Ya., in die Ge-
fangenschaft der Konföderirten zu gera-
then. Er wurde nach längerem Aufenthalt
in dem berüchtigten Libby-Gefängniss aus-
getauscht und als Held in New York ge-
feiert. Er konnte bald darauf in das ..Xeue
Stadttheater'' einziehen, das aus dem frühe-
ren Yolksgarten, Xo. 45 — -47 Broadway, ent-
standen war und am 6. September 1864 mit
„Der Graf von Schwerin" unter der Direk-
tion von Hoym und Hamann eröffnet wurde.
Das.selbe hatte 3,500 Sitze und war das
(jrösste Theater der Yereinigten Staaten zu
daiiuiliger Zeit. Und das ^lerkwürdigste an
diesem Riesenkunsttempel war. dass er an
sehr vielen Abenden bis auf den letzten
Platz besetzt war. :Man hatte damals noch
Geld für 's deutsche Theater übrig und sah
im Besuche desselben fast ein Lebensbe-
dürfniss. Wie sich die Zeiten geändert
haben! Im Yorderhause des Theaters be-
fand sich Hartmann 's Hotel, daneben das
„Cafe National" mit der Logel in g 'sehen
Konditorei, der gesellige Sammelplatz des
Theater-]*ublikums. Ein Augenleiden zwang
Hoym, sich im Jahre 1867 vom Theater zu-
rückzuziehen. Er kehrte mit seiner Gattin
und einem Yermögen von !)!4(l,0()() nach
Deutschland zurück, wo er in Xürnlx'rg im
Jahre 1878 gestorben ist. Seine Gattin
überlebte ihn nahezu zwanzig Jahre.
Im „Neuen Stadt-Theater" trafi-n M;irie
Methua-Scheller. das Zerboni.sche Ehepaar,
ferner Daniel Bandmann. WillieJmine
Rhode, Oskar Guttmaini und Andere auf.
Die Sai.son 1865 — 66 erhielt in der Hotten
Berliner Soubrette Ottilie Genee. deren
si)rühender Witz und weibliche Komik das
Publikum enthusiasmirten, einen zugkräfti-
gen :\lagneten. Ihr folgte in der näch.sten
Saison Bogumil Dawison. der damals 47
Jahre alt war, in der vollen Reife seiner
glänzenden Charakterisirungskunst uiul der
erschütternden ]\Iacht seines ergreifenden
Spiels. In diesem Winter war es, als in
New York mit Dawison zusannnen Edwin
Booth in ,.Othe!h)" auftrat. Die beiden
grossen Künstler spielten abwechselnd die
Titelrolle und den ,,Jago". der eine in
deutscher, der andere in englischer S]iraclH'.
und Frau ]\Iethua-Scheller sprach als
„Desdemona" die Scenen mit Dawison
deutsch, die mit Booth englisch. Damals
hatte Dawi.son auch die ei-sten ..jf^KKiO-
Abende" zu verzeichnen, und das bei Ein-
trittspreisen, bei denen der theuerste Piatz
im Hause 75 Cents kostete. Dawison
schloss sein Gastspiel Mitte April als
„Lear". Niemand ahnte, dass es sein
letzter Bühnen-Abend sein würde und dass
der Wahnsinn, dessen grausige Realistik
als die Offenbarung eines schauspielerischen
Genies in seiner höchsten Form erschien,
ein Yorläufer der geistigen Nacht sein
.sollte, welcher der gros-se Künstler bald
nach seiner Rückkehr nach Deutschlaiul
unrettbar verfiel.
Nach Hoym 's Ausscheiden aus der Direk-
tion blieb Eduard Ilninann alleiniircr Di-
rektor. Er war seines Zeichens Zimmer-
mann gewesen und hatte später in der
Bi'oome Stras.se eine Porzeüan-Impoit-
Handlung etablirt. Er war ein Original.
Das deutsche Theater ging ihm über a'!es
426
DAS DLL TbCHE TIIFATEB IX AMERIKA.
tn>tz sfinor Knauserigkeit. Einmal im
Jahre, an seinem Benefiz, trat er se!l)st auf.
und zwar gewöhnlieh in .W'stroy's Zauber-
ptisse ..Lunipaei-Vagahundus". in welcher
er die Titeln^Ue .sehon aus dem (innide
spielte, weil der Darsteller naeh dem 1. Akt
fertig ist. Er konnte dann an die Kas.se
eilen und naehzählen. wie die Eiiniahmen
det se heinahe platzten", ärgerte sieh der
stets berlinernde und etwa.s lispelnde Herr
Direktor nicht wenig. Uebrigens verlor
Ilamann später sein ganzes Venna?gen und
starb anfangs der siebziger Jahre im bit-
tersten Elend.
Nach Iloyiii wurde ein junger Wiener
Bankierssohn. II» nun im Ro.^fyihrrfi. auch
D.AS DEUTSCHE IR\I.\G PLACE THE.ATER IN NEW ^ ORK
standen. Einmal machte er eine Aus-
nahme: erspielte den ..Mauerpolier Kluck"
im „Fest der Handwerker" luid blieb derart
stecken, dass Frau Hübner. die noch in
Elizabeth. N. J., lebende Schwester der
Frau HojTn. seine ganze Rede sprechen
musste. Er revanehirte sieh, indem er ihr
ein Paar weisse Atlasschuhe schenkte, l'eber
die „andern Fratzen, die jelacht hatten.
der ..schöne Rosenl>erg" genannt. Ha-
mann's Mitdirektor. Zu dem Ensemble ge-
hörten unter Anderen die hervorragenden
und später berühmt gewordeneu Schauspie-
lerinnen Magda Irs^'hick und Eugenie
Schmitz. Unter den Gästen sind zu nennen
Hermann Hendrichs. Auguste von Baern-
dorf. Friedrich Haase. das Ehepaar L'Ar-
ronge. mit dem Suppe 's Operette ..Die
DAS DEUTSCHE THEATER IX AMERIKA.
427
schöne Galatho" ihren Siegeszng bis San
Franeiseo niaclite. Marie Seebaeh und
Andre.
Die Gäste waren sieherlirh Meister ihrer
Kunst, aber sie kosteten auch viel Geld,
mehr als die ^lehreinnahinen reehtfertis^-
teu. Die Unkosten steigerten sieh bedeu-
tend, als der 1843 in Hamburg geborene,
aber seit seinem 12. Jahre in Amerika wei-
lende und zum ^lusiker ausgebildete Adolf
Ncucudorff als Kapellmeister des Stadt-
theaters mit Opernvorstellungen grössten
Stils begann. Er gab ausser französischen
und italienischen Opern in der Saison 1870
— 71 Wagner 's ..Taiinhäuser'', dessen ei*ste
amerikanische Aufführung am 4. April 1859
unter Carl Bergmann "s Leitung im alten
Stadt-Theater erfolgt war. Xeuendorff
war es. der ..Lohoujriu" zuerst in den Ver-
einigten Staaten zur Aufführung brachte.
Die Vorstellung fand am 3. April 1871 statt.
Theodor Habelmann sang die Titelrolle.
Vierling den „Telramund". Franosch den
„König". "Wilhelm Formes den ..Heer-
rufer". Frau Frederici die ..Ortrud" und
Frau Louise Lichtmay die ..Elsa". Xeuen-
dorff' hatte sich allerdings, um die Auf-
führung zu ermöglichen, kein Gewissen
daraus gemacht, die Partitur für ein
Orchester von zwanzig ]Manu zusammen-
zustreichen, aber es klang, das Publikum
war zufrieden und hatte einen musika-
lischen Genuss erhalten, der ihm bei
einem pietätvolleren Kapellmeister über-
haupt versagt geblieben wäre. Das
hohe C Theodor AVachtel's, der als Gast
von Xeuendorff engagirt worden war,
kostete so bedeutende Summen, dass trotz
eines riesigen äusseren Erfolges das Schick-
sal des Stadttheaters besiegelt wurde und es
im Jahre 1872 versteigert werden musste.
Es ^^^^rde zu einem englischen Theater, das
den Xamen ..Windsor Theater" führte.
Emil von der Osten, der später gefeierte
erste Held und Liebhaber der Dresdener
Hofbühne, spielte dort den ..Geschundenen
Raubritter", und zwar unter der Direktion
keines Geringeren, als des jetzigen grossen
Opern-Impresario Oskar Ilammcrstcxn.
In Berlin 1847 geboren, seines Zeichens
Cigarrenmat-her. w;ir Ilaiiunerstein der
richtige :\rann für Amerika. Xachdem er
mit dem ..Geschundenen Raubritter", der
sich auch als lustige Parodie auffa.s.scn
Hess, ein kleines Vermögen gemacht, wurde
er Cigarren-Fabrikant und erfand die
Formen für die .Massen-Fabrikation von
Cigarren. Sie werden heute noch ge-
braucht und bringen ihrem Erfinder all-
jährlich ein recht anständiges Sümmchen
ein. Gleichzeitig war Hammerstein Redak-
teur einer Tabak-Zeitung und erwarb ein
grosses Vermögen in glücklichen Grundei-
genthums-Spekulationen in Ilarlem. Dort
baute er sein erstes Theater, das Harlem
Opera House. eine wahre Goldgrube. Er
liess das ..Columbia" folgen, dann a.sso-
ciirte er sich mit Koster & Bial und baute
ein prächtiges Haus in der 34. Strasse.
Die Firma blieb aber nicht lange bestehen.
Hammerstein liess sich auskaufen, und aus
Hass gegen .seine früheren Kompagmms
baute er als Konkurrenz-I^nternehmen das
..Olympia". Beide mussten ihren Banke-
rott anmelden. Freunde kamen Hammer-
stein zu Hilfe. Er baute das ..Republic"
(Belasco) und das ..Victoria", um endlich
seine Befähigung zum Opern-Impresario zu
erkennen und der grossen Oper in Xew
York im ..^Manhattan" und in I*hiladelphia
im .Philadelphia Opera House" glänzende
Heimstätten zu errichten.
Das Windsor Theater brannte anfangs
der achtziger Jahre ab. sammt Ilartmann's
Hotel, wurde aber wieder aufgebaut. Im
Jahre 1898 wurde es zu einem ..yiddischen"
Theater und 1908 abgebrochen, um Raum
für die Zugänge zur neuen Manhattan-
Brücke zu schaffen.
Xeuendorff wurde 1872 Opern-Dirigent
in der „Academy of Music". Er gab unter
anderen den ..Holländer" und zum ersten
Mal in Amerika ..Die Walküre". Frau
Eugenie Pappenheimer sang „Senta" im
428
DAS DEUTSCHE THEATKW IN AMERIKA.
„Ilolländrr" luul die „liniiihiUit'" in d.T
am 2. April 1S72 stattjr<'habtrn Ei-stanf-
fühniiig der ..Walkün-". Der spätere
Hrooklyner (lesaiijrvereiiis-l)irijieiit August
Hisi-luitT saiijr den ..Sie«rniuntr'.
Als \Viederl)ejrründer des d»'Utsehen
Theatei-s erschien 1S74 Adolf Xeuendorff
anf dem IMaii. Kr liatte ein kleines
Theater in Tammany Hall pachten
können. das er initer dem Namen
(Jermania-Tiieater unter ^län/A-nden Auspi-
eii-n eröt^'nete. Die Lajje war vortrefHieh.
Pariser Sittenkomödien v»in Sardou und
dem jünjreren Dumas gerade sehr beliebi,
luul das Knsemble, das in Gustav Scheren-
I)erg einen };anz vorzüglichen Regisseur
hatte, für die Dai-stellung solcher Bühnen-
dichtungen wie geschaffen. Gäste wie*
Fanny .lanauscheck. Lina I\Iayr. ]\Iagda
Irschick und Karl Sontag erhöhten das
Interesse am Germania-Theater, dessen
Zukunft. trotZAlem der beschränkten Zahl
der Sitze wegen nur .^800 als höchste Tages-
einnahme erzielt werden konnten, gesichert
ei-seliien. Da wurde NeuendorflP's grösster
Triumph der Wendepunkt seines Glücks
und der Beginn zum Niedergehen seines
Sternes.
p]r liatte seine komische Oper ..Der Rat-
t«'nfänger von Hameln" zur Aufführung
gebra«'ht. luid zwar mit geradezu phänome-
nalem Krfolgel Das Werk ei-lebte eine
solche Reihe von Wiederholungen vor aus-
verkauftem Hause, wie es einem deutschen
Theaterstück in New York noch nie passirt
war und wie man es auch nicht für möglich
gehalten hätte. Aber es war ein Danaerge-
•schenk des Schicksals! AVenn XeuendorlT
bisher ein zwar bescheidenes, aber iunner-
hin genügendes Auskoiiunen bei dem
Schauspiel gefunden hatte, so verdrehte
ihm der Erfolg .seiner Oper den Kopf, und
er sah iiui- noch dai'in sein Heil. Dass
auch sein Kai>ellmeister- und Musiker-
Ehrgeiz erwachte, ist begreiflich.
Das kleine, bescheidene Haus in der 14.
Strasse wurde verlassen, und man zog in
Wallack 's Theater, und das war sein
Verderben. Seine nächste Oi)er war ein
Fehlschlag, die Kosten waren luigeheuer,
ein Konkurrenztheater entstand, und
schliesslich musste XeuendorfT das l'nter-
nehmiMi aufgeben. Das war wohl der
häi-teste Schlag, der ihn in seinem wechsel-
vollen Dasein getroffen hatte, hing an
seinem Germania-Theater doch sein ganzes
Leben, sein ganzes Sein und Fühlen !
Noch einmal versuchte er es mit der
deutschen Kunst im Apollo-Theater, aber
sein Stern war erloschen — nach kaum vier-
zehntägigem Bestehen mus.ste er das Thea-
ter wieder schliessen. Und doch hätte es
gerade Neuendorlf, wie kein anderer, ver-
dient, in seinem rnternehmen von den
Deutschen New Yorks unterstützt zu wer-
den, denn sie hatten gerade ihm viele
künstlerische Genüsse zu verdanken.
Es war Adolf Xeuendorff. der sich zu-
erst daran wagte. ..Die Walküre" (1872)
zur Aufführung zu ('ringen; er war es. der
Wachtel herüberbrachte ; er war es. der die
Bekanntschaft von Künstlern wie Fr.
Haase, Karl Sontag. Paul ine Lucca und
vieler anderer vermittelte, und wenn es dei
Wohlthätigkeit galt, dann wandte man sicli
nie vergebens an ihn — er war immer be-
reit, mit allen seinen Rütteln für einen
guten Zweck in die Schranken zu treten..
Seine Gutmüthigkeit und seine Nachgiebig-
keit den weiblichen [Mitgliedern seines
Theaters gegenüber, die „Das Direktor-
chen" um den Finger wickeln und stets
von allen Strafgeldern sich losbitten konn
ten. trugen dazu bei. die Disziplin zu unter-
graben, und ])eeinträchtigten dadurch den
künstlerischen Erfolg nicht unwesentlich.
Welcher Beliebtheit aber sich Adolf Xeuen-
dorff erfreute, das zeigte die Riesen-Menge,
welche sich am 7. Dezember 1897 in der
Beethoven- ]Männerchor-Halle in Xew York
eingefunden hatte, um dem Todten die
letzte Ehre zu eiweisen. An Zeichen auf-
richtiger ;Mittrauer hat es Adolf Neuen-
dorff 's Wittwe, der früheren W'iencr
DAS DKUTSCHK TIIKATKR TX AMERIKA.
429
Prima-Donna Georgine von Jaiiuschowsky,
wahrlich nicht gefehlt. Xeucndorff hat in
der deutschen Theater- und Musik-Ge-
schichte des Landes sich einen Platz er-
run«ren. der bisher von keinem anderen er-
reicht worden ist.
Im Frühling 1879 hatte (Just;iv Amherg.
der damals zum er.stfu Ma!e in Xew York
auftauchte, im „0!d Bowery Theater" eine
Anza'.l VI n Sonder- VorstelhMi^jcn gegeben,
NEW YORKER STADT THEATER.
die so erfolgreich waren, dass Wilhelm
Kramer. der Besitzer des Hauses und des
daneben liegenden ..Atlantic Garden" mit
Mathilde CotreUy und Gustav Andierg in
Verbindung trat und ihnen das Haus als
Heim der deutsehen ]Muse anbot. Kramer
hatte den „xUlantic Garden", ein Name,
dei- älteren deutsehen Einwanderern wohl
unvergesslieh ist, Ende der sechziger Jahre
von dem ..Revolutionär" und Bierwirth
Lindenmüller gekauft, der einen Ehrgeiz
darin erblickt hatte, in seinem Li.kai nur
Träger hochadeligcr Namen, vom Freiherrn
und Baron aufwärts, als Kellner zu be-
schäftigen. Kramei- wusste aus dem
Lokal bald den ersten Kcmzertgarten von
Amerika zu machen. Am Vor- inid .\ach-
mittag spielte ein Orchestrion, das erste
seiner Art in Amerika. Abends aber <las
erste New Yorker Damen-Orchester. Leere
Biergläser wurden nicht geduldet, und
ein möglichst gro.sser Konsum von Frank-
furtern wai- ei'wünscht. \n\ September
IST!) wurde das neue deutsche Theater unter
Direktion Mnfliihh Cntrflhj's eröffnet. Sie
war ein Import Xeuendorff's gewesen, der
sie für das Germania-Theater im Jahre
1S75 engagirt hatte. :Mathilde Coti-elly war
in Hamburg als eine Toehter des Orchester-
Dirigenten der grossen Oper. Wilhelm
Meyer, geboren, hatte schon als Sieben-
.jährige ihr Debüt auf den weltbedeutenden
Brettern als „Georgette" in „Drei Tage aus
dem Leben eines Spielers" gemacht, dann
in Stendal in allen möglichen Rollenfächern
sieh versucht und war mit 15 Jahren die
anerkannte Soubrette des Berliner Vaude-
villes. ]Mit 1(J Jahren heirathete sie den
damals bekannten Cirkuskünstler Georg
Cotrelly und zog mit ihm nach St. Peters-
burg. Nach drei.jähriger Ehe verlor sie den
Gatten und kehrte als 19jährige .junge
Wittwe mit einem zwei Jahre alten
Söhnchen nach Berlin zui'ück. Erst im
Jahre 1873 setzte sie sich durch. Sie
wurde Soubrette des AVallner Theaters in
Berlin, wo Karl Heimerding sie unter
seine Fittiche nahm. Lu Germania-Theater
in Xew York debutirte sie als ,,]\Iargarethe"
in ,, Ehrliche Arbeit". Sie blieb zwei Jahre
lang dort, nuichte dann Gastspiel-Reisen bis
nach Californien, wo sie sich als ,,Fatinitza"
zum ersten ]\Iale auf der englischen Bühne
versuehte. Dann wurde sie Direktorin.
Heinrich Conried wai- unter ihrer Direk-
tion Regisseur, vor ihm L'Hame. Sie legte
1881 die Direktion nieder. Carl Hermann
und Gustav Amberg wurden ihre Xaeh-
430
DAS DEUTSCHE THEATER IX AMERIKA.
fol^er. .Miitliildi' Cotrclly j.mii^' auf Gast-
spiel-Reisen. In New York scliloss sie sich
der ..MeCaull ()|>era ('(»." an und trat am
21. OktolMM- 1882 als ..Irene" im ..Spitzen-
tucli (iiT Köni^rin" auf. Dif (n'sellsehaft
hatte frr(>.s.se Erfoljje zu verzeichnen, dann
aber crfolfTte ein Zusainnienbruch. mid
Mathilde ('otrelly verlor ihr fjanzes Ver-
mooren. Sic schloss sich darauf englischen
Truiipcn an. Einmal versuclitc sie in
Philadelphia das Park-Theater für dent.sche
Vorstellun«rcn zu gcwimien. abei- die \'('r-
liandlungen zersehlugen sieh. ^Mathilde
Cotrclly mimt heute noch. Den Sommer
bringt sie auf ihicr Farm in Maywood,
X. .1.. /AI. Sic i.st in dritter Ehe mit einem
Amerikaner. Xamcns "Wilson, vcrheirathet.
Von ihi'cm zweiten ]\Ianne. einem gewissen
Weste, hatte sie sich scheiden lassen. Ihr
einziger Sdhn starb vor mehreren Jahren
als hochangesehener Bankier.
Mit And)erg und Conricd treten zwei
Männer in die Geschichte des deutschen
Theatere der Vereinigten Staaten von Ame-
rika, deren Lebenslauf auf allgemeines In-
teres.se Anspruch machen kann.
Giistar Amhcrg ^v^rde vor GO Jahren.
]849, in Böhmen geboren, hatte sich in
vielen Erwerben versucht, so soll er ,,Ad-
vance Agent" eines Circus, Leiter deutscher
^Militärkapellen etc. gewesen sein, bis er auf
die Idee kam. Theater-Direktor zu werden.
p]r leitete 8 Jahre lang das Thalia-Theater,
dann das Deutsche Amberg-Theater am
Irving Place, gab Operetten im Terrace
Garden und übernahm für die Saison
1899—1900 das Germania-Theater, in wel-
chem er die Truppe des Stettiner Theater-
Direktors Resemaim gastiren liess. Seine
achtjälirige Direkt ion.scpoche im Thalia-
Theater war eine Glanzzeit in des AVortes
vollster Bedeutung in der X. Y. Theaterge-
schiehte. In jene Periode fallen die glän-
zendsten Aufführungen von Schauspielen,
Operetten und Opern mit geradezu vor-
züglichen Ensembles und berühmten Gäs-
ten, an welche Kunst freimde noch jetzt
mit Enthusiasmus zurückdenken. Auf der
Bühne des Thalia-Theaters traten unter
seiner Direktion die berühmtesten Künstle-
rinnen und Künstler der zeitgenössischen
deutschen Bühne auf. Hier entzückte eine
Geistinger das Publikum in der Vollkraft
ihres Könnens, durch Darbietungen auf
dem Gebiete der Operette, der Posse, des
Dramas, die noch jetzt unerreicht da-
stehen, liier absolvii-te Adolph Sonneiithal
sein erstes Gastpiel. und der leider seiner
Kun.st so früh entri.ssene Friedrich Mitter-
wurzer riss das Publikum zur höchsten Be-
wunderung hin ; und welche Triumi)he
feierten hier Ernst Possart und Ludwig
Barnay! Am 17. April 1888 traten sie
sogar zusammen im „Kaufmann von Vene-
dig'' auf. Anlass war das 100. Aufti-eten
Possart 's als Gast. Er wurde riesig gefeiert.
Gertrude Giers spielte die ,,Portia".
Dazu kommen alle die Erstaufführungen
der Operetten, die damals in Europa
Furore machten und hier gleich glänzende
Wiedergabe fanden ; erwähnt seien : ,,Der
Bettelstudent", ,. Boccaccio", ..Trompe-
ter", „Nanon" und zahlreiche andere.
Am 1. Dezember 1888 fand die Eröffnung
des Amberg-Theaters am Irving Place
statt. Es war mit Wm. Steinway's Gelde
erbaut worden. Auch hier verfolgte
Amberg sein Prinzip, dem Publikum das
Beste zu bieten, was auf dem ,. Dramatischen
]\larkt" zu finden war, sowohl in Bezug
auf Novitäten wie hinsichtlich eines treff-
lichen Ensembles imd berühmter Gäste —
und ohne zugkräftige Gäste kann nun ein-
mal ein deutsches Theater in New York
anscheinend nicht bestehen.
Herr Amberg brachte im Laufe der
Jahre : Possart. Barnay. Sonnenthal, Mit-
terwurzer, INIatkowsky. Kainz. Geistinger,
Giers, Barkany. Irschick, Botel, Jimker-
mann, Thomas und Andere. Dazu kam
noch 1890 — 1 das geradezu glänzende
Gastspiel des ]\Iünchener Ensembles unter
]\rax Ilofpaur. Es ergab 45 ausverkaufte
Vorstellungen. Ferner das Gesammt-Gast-
DAS DEUTSCHE THEATER IN AM Elfi KA.
431
spiel der Plattdeutsehen, der Seldiersee'er
Bauernspieler, der Tegernsee'r und des
Reseniann 'sehen Ensembles.
Noch glänzender erging es Heinrich
Conried in Amerika. Geboren am 18. Sep-
tember 1855 in Bielitz in Oe.sterreiehiseh-
Sehlesien, als Sohn Joseph und Hertlia
Cohn's, sollte er. wie sein Vater, Weber
werden. Xaehdem er die Oberrealsehule in
Wien besucht, entsehloss er sieh für den
kaufmännisehen Beruf und fand Anstel-
lung in einer Bank. Er besuchte fieissig
das Theater. Im Jahre 1872 wurde er mit
<lem Hof Schauspieler Leo Friedrich be-
kannt und trat in dessen Yortragsschule
<-in. Bei einer festlichen Veranstaltung der-
selben, bei welcher Conried ,,Die Kraniche
des Il)ykus" vortrug, wurde Dr. Förster,
der Oberregisseur des Burgtheaters, auf ihn
aufmerksam und erniuthigte ihn, zum
Theater zu gehen. Strakosch und der da-
mals allmächtige Heinrich Laube nahmen
sich des jimgen Kunst-Eleven auf Föi'ster's
Empfehlung an. Bei einem Vortragsabend
im Saal der ,.grünen Insel" deklamirte er
Francois Coppee's „Strike der Schmiede"
mit solchem Erfolge, dass ihn Dingelstedt
zwei Tage später zum Probespiel im Burg-
theater aufforderte. Dasselbe fiel zu Gun-
sten des Kunstjüngers aus, und im Januar
1873 erhielt der im 19. Lebensjahre Ste-
hende einen dreijährigen Kontrakt an das
erste deutsche Theater. Ein Nervenfieber
verhinderte ihn am sofortigen Auftreten.
Am 28. Februar aber betrat er die geweih-
ten Bretter als einer der ,. Argonauten" in
Grillparzer's ,, Argonautenzug".
Nach einem Engagement am Berliner
Xational-Theater unter Direktor Buchholz
wurde Conried 1876 von Dr. Förster als
erster Charakterspieler für 's Leipziger
Stadttheater gewonnen. Ein Streit während
eines Barnay-Gastspiels führte Conried von
Leipzig an das Stadttheater in Bremen.
Finanzielle Schwierigkeiten zwangen den
Direktor zum Niederlegen seines Amtes.
Conried sprang in die Bresche und leitete
das Theater so erfolgreich, dass nielit allein
die ^Mitglieder ihre Gagen erhielten, son-
dern sogar ein Feberschass erzielt wurde.
1878 wurde Conried von Xeuendorff als
Oberregisseur an das Germania-Thi-atcr in
New York engagirt. Er trat am 17. Sep-
tember 1878 zum ersten ]\Iale in Aim'rika
und zwar als „Gringoire" auf. Die Gunst
des Publikums eroberte er sich als „Franz
Moor". In nächster Saison machte er eine
Gastspiel-Tournee und wurde dann Oberre-
gisseur des Thalia-Theaters. Zwei Jahre
lang war er der artistische Leiter des
Casino und organisirte englische Operetten-
Truppen. Am 1. Mai 1893 wurde er Direk-
tor des Irving Place Theaters. I]r vermit-
telte als solcher dem deutschen Thcater-
Pul)likum die Bekamitschaft liervorragcii-
der Künstler und Künstlerinnen. Beim
Besuch des Prinzen Heinrich von Prcussen
in X'^ew York fand im Irving Place Theater
eine Gala-Vorstellung statt, welcher der
hohe Gast der amerikanischen Xation bei-
wohnte. Vorher, am 23. Februar 1898,
hatte Conried sein silbernes Schauspieler-
Jubiläum feiern können und war in gross-
artiger Weise ausgezeichnet worden. Im
Jahre 1903 wurde Conried der Xachfolger
^Maurice Grau 's. Er führte zum ersten
]\Iale in Amerika im ^Metropolitan Opera
House Wagner 's ..Parsival" auf. Bei dem
Gastspiel der Oper in San Francisco büsste
er infolge des Erdbebens riesige Summen
ein, und die weitere Aufführung ili-r
,,Salome" verbot das Direktorium des
^letropolitan Opera Ilouse. Im Jahre 1908
legte Conried auch die Direktion des
Opernhauses nieder, die des Irving Place
Theaters hatte er schon früher aufgegel)en.
Er begab sich seiner schwer angegritfeiien
Gesundheit wegen in 's Ausland. In hieran
in Tirol ist er am 27. April 1909 gestorben.
Am 20. Mai fand in New York eine grosse
Trauerfeier im Metropolitan Opera Ilouse
statt. Conried, der Ritter mehrerer Orden
war, hatte sieh m Jahre 1888 mit Augusta
Sperling verhcirathet. Der Ehe ist ein
432
1)A8 DEUTSCHE THEATER IN AMERIKA.
Sohn t'iitsprosst'ii, dt-r im .Inliiv 1!H)8 die
Cohiiiihia-riiiversität absolvirt hat.
Nacli iVirsvv kiiizcn Abschweifung von
der (»»'.srliichto des diMitschen Theaters New
Vork's. die in Anbetracht der Bedeutung
Ici- bei.lcii .Mäinier für das Theaterleben
nothweudig erschien, kann die geschicht-
liche Darstellung des deutschen Theaters
in New York fort?_'csef/t werden. In der
i'rsten Saison unter lleniiann und Ani-
berg im Thalia-Theater trat Marie Gei.stin-
ger als Gast auf. und wälirend sie unter
And)erg's Führung ihren Triumphzug
durch das Land machte, gastirte an der
Howery Kathi Schratt. In der Saison
]g^2 — S'^. als Tewele und Knaalc in New
York gastirten. bereiste eine vortreffliche
Operetten-Gesellschaft das Land. Es folg-
ten ein Gastspiel Ludwig Barnay's im klas-
sischen Drama in New York, und eine
Tom nee Josephine Gallmeyer 's mit einer
Possentruppe durch die grösseren Städte
des Landes, die .iedoch zu keinem nennens-
wcrthcn Erfolge sieh gestalten wollte. Di"'
Geldopfer waren viel zu gross, und ant
Ende der Saison sehied Karl Hermaini
aus der Direktion.
.Mit Beginn der Spielzeit 1884 — 85 war
Gustav Aniberg der Leiter des Thalia-
Theatei-s. Ilennann hatte seine Direktions-
Ei-fahrungen mit .tlUO.OOO theuer erkauft.
Als Gä.ste traten im Tlialia - Theater
Magda Irschick, Herr Friese luid An-
tonie Janisch vom AViener Burgtheater
auf. Auf Grund einer Vereinbarung zwi-
schen den Herren Amberg luid Conried
fand unter Leitung des Letzteren, begin-
nend mit dem it. März 1885, ein auf H
Abende festgesetztes Gastspiel von Adolph
Sonncnthal statt. Gegeben wurde : .,Uriel
Acosta", „Vater und Sohn", ,,Ein verarm-
ter Edehnann", ..Handet". ..Fronumt jr.
und Riesler sen.". „Lorbeerbaum und Bet-
telstab" und ,.Der Marcpiis von Villemer".
Gleichfalls unter Leitung Conried 's fand in
dieser Saison in Xiblos Garden die Auf-
führung von Poole und Gilmore's Au.s;tat-
tungs.stück ,,Die sieben Raben" statt.
Die Saison 1885 — 86 erötfnete Direktor
And)erg im Thalia-Theater mit ..Czar uiul
Zinnnermann". Friedri<'h ]\Iitterwurzer
und Lori Stubel gastirten, letztere im ,, Boc-
caccio" und ,,Der AValzerkönig". Die Ab-
schiedsvorstellung .Alitterwurzer's fand am
28. 3Iärz unter Leitung von Dii-ektor Am-
berg statt.
In demselben Winter liatte der Charak-
terdarsteller Emanuel Lederer zusanniien
DAS „NEUE STADT THEATER" l.\ NEW YORK.
mit der bekannten Theater-Agentur Bloch
in Berlin ein Bureau zur Vertretung der
Interessen deutscher dranmtischer Schrift-
steller in Amerika ei'öffnet.
Die Saison 1886 — 87 brachte m; Thalia-
Theater dreissig Vorstellungen des voll-
ständigen Lustspiel-En.sembles dt^ Berliner
Residenz-Theaters. Im Concordia-Theater
an Avenue A wurde unter der Direktion
von Frl. Lori Stubel gespielt.
Direktor Amberg führte seinem Publi-
kum in der Saison 1887 — 8S vier auserle-
DAS DEUTSCHE THEATER IN AMERIKA.
433
seue Gäste vor, nämlich die Herren TLcin-
rich Böte}, Ernst Possart, Augwit Junker-
mann und Emil Thomas. Vom 2. bis 14.
Januar 1888 veranstaltete Heinrieh Con-
ried im Star-Theater ein Gastspiel der
Frau Hedwig Niemann-Raahe, sowie vom
12. bis 24. ]\Iärz in der Aeademy of Music
gemeinsam mit Direktor Hermann das
Absehieds-Gastspiel Ludwig Barnay's.
Während des Sommers 1888 gab Amberg
Vorstellungen im Terrace-Garden. Am
1. Dezember 1888 eröffnete Amberg am
Irving Place sein „Deutsches Amberg-
Theater", wo während der Saison fol-
gende Künstler als Gäste auftraten:
E. Possart, Joseph Kainz, Felix Schweig-
hof er, Frau Claar-Delia, Ilka Palmay aus
Wien und Frl. Constanze Bonita aus
Köln. Direktor L. Hangen leitete wäh-
rend des W^inters ein Unternehmen, welches
den Namen Neues Deutsches Volks-
Theater führte.
Im Sommer 1889 gab Direktor Amberg
deutsche Opernvorstellungen, während im
Central-Turnverein unter der Direktion der
Herren Schultheis, Kierschner und Walter
Theater gespielt wurde. Im Winter des-
selben Jahres fanden im Amberg-Theater
Gastspiele von Carl Schnitze mit seiner
ganzen Ge.sellschaft sowie von Herrn F. J.
Braekl statt.
Die Saison 1890 — 1 sah im Am])erg-
Theater wieder eine Keihe berühmter
Gäste, nämlich: Joseph Kainz, Adalherf
Matkowsky, Marie Barkany und Emil Tho-
mas. Im Thalia-Theater gaben die Gebrü-
der Rosenfeld Vorstellungen. Sie brachten
die „Meininger" ; echt waren an ihnen die
Austattung, sowie die Ma.ssen-Scenen. Auch
in der Imitation waren die „Meininger", zu
denen unter anderen Pfeil und Kober, sowie
die Haverland gehörten, eine Offenbarimg
der Regiekunst für Amerika. In der Saison
1891 — 2 wurden Krisengerüchte bezüglich
der Direktion des Amberg-Theaters laut.
Im Sommer 1892 folgte eine kurze Operet-
ten-Saison unter Xeuendorff. Dci" Winter
1892—1898 brachte den erwarteten Dirck-
tions-Wechsel, denn an Stelle des llerni
Aml)erg waren Leo von Raven und ^lax
Mansl'eld getreten. Hei iinien gastirte das
ge.sammte Berliner „Emil Thomas En.sem-
hlc", während Herr Conried ein Gastspiel
der Ferency'schen Opcrctt enge Seilschaft
arrangirt hatte.
Der Winter 1893—94 findet Herrn Con-
ried im Irving Plaee-Theater, wo er eine
Reihe von Jahren bleiben und welches er
zu hoher Blüthe bringen .sollte. Tnter
seiner Leitung gastirte die Ferency '.sehe
Operetten-Gesellschaft. Noch ein zweites
Ereigniss hatte diese Saison zu verzeich-
nen: Adolph Philipp zog in das Germania-
Theater ein, wo er sich mit seiner New
Yorker Lokalpos.se, „Der Corner-Grocer",
rasch die Gunst des Publikums zu erwerben
verstand. In Niblo's Garden gaben in
diesem Winter die ,, Liliputaner" unter der
Direktion der Gebrüder Rosenfeld ein Gast-
spiel.
Das Jahr 1894 und der folgende Winter
verliefen ereignisslos. Im Sommer spielte
die Ferency-Truppe im Terrace-Garden, im
Winter H. Conried und A. Philipj» in ihren
resp. Müsentempeln. Das nächste Jahr
brachte insofern eine Abwechslung, als
Amberg die Schlierseer Bauernspieler im
Äletropolitan Opera House gastiren liess.
Der Sommer 1896 brachte zunächst Vor-
stellungen der Conried-Ferency-Truppe im
Terrace-Garden und später ebenda Lust-
spiele und Possen einer Gesellschaft, die
unter Leitung der Herren Ad. Philipp und
L. V. Raven stand. Während des Winters
gastirte bei Conried Frau Agnes Sorma, bei
Philipp Marie Geistinger. Die Winter-
Saison 1897—98 wurde im Irving-Place-
Theater durch Gastspiele von Agnes Sorma
und Frau Julie Kopaczi-Karczag aus-
gefüllt.
Adolph Sonnenthal kehrte im nächsten
Winter zu Direktor Conried zurück, und
dieser Umstand veranla.sste auch Adolnb
434
DAS DEUTSCHE THEATER IN AMERIKA.
riiilipp zu ^Miiz besondei-s grossen Austrcn-
^un^'cn.
Felix Scliwcifrhofer erfreute während des
Wintei-s 18!>U— IJMIU die New Yorker durch
ein (}asts|iit'l im Trvinir-l'iaee-Tlieater. Im
Germania-Theater liatte Gustav Amberg
Herrn IMiili|)|) als Direktor abgelöst, und
bei ihm wan-n Anna Führing und die
Trupi»«' Il<irii Lrnii Resemann's zu Gaste.
Mit Beginn der Saison 1901 — 02 kehrten zu
Conried die Fereney-Truppe, und in das
Germania-Theater Adolph Philipp zu-
rück. Di«' nächste Saison war insofern
bedeutungsvoll, als bei Conried zum ersten
Male Fl nliitaiKl Hoini Ga.stn)llen gab,
wiilircnd .-im Schlüsse d«'s AVinters das Ger-
DAS THALIA-THEATER IN NEW YORK.
mania-Thcatcr. in welchem Gustav Am])erg
wiedei-um das Seepter geführt hatte, zu
existiren aufhörte.
\\\v haben uns nunmehr bis zum
Schlu.sse des .lalires lOOti — 07 au.ssehliess-
lieh mit Herrn ('<mried und dem Irving-
Plaee-Theater zu beschäftigen. 1903 — 04
gastirten Frau Odiloii und die Herren
Bonn und Clirisliatis. 11 104 — 05 fand eine
grasse Sehillerfeier .statt, während als Gä.ste
Bonn, Christians, Waiden und Frl. Bar-
scscii auftraten. Zahlreich waren die Lor-
beeren, welche Herr Conried in der Saison
1905 — 06 erntete. Zunäch.st verdient das
Gastspiel von Frl. AbarhattcU P]rwähnung,
dann das der Frau Arnold, das von Marie
Reisenhofer sowie der Herren Christians
imd Waiden. Ausserdem ward Herrn Con-
ried die Ehre zu theil, Herrn Dr. Ludwig
Fulda als seinen persönlichen Gast in
seinem Kunsttempel begrüssen zu dürfen.
Das Jahr 1906 — 07 war das letzte der Herr-
schaft Conried 's am Irving-Place. Es
brachte das Thaller 'sehe, .sowie Anna Dir-
kens-Gastspiel. Der scheinbar unver-
wüstliche Direktor hatte durch die vor
einigen Jahren erfolgte Uebernahme der
Leitung des ^Metropolitan Opera House
an Stelle des Herrn ^Maurice Grau, dessen
Geschäfte er neben denen des eigenen
Theaters führte, sich zu viel zugemuthet,
denn noch vor Schluss der Saison brach er
körperlich vollständig zusammen und
musste seiner glänzenden Laufbahn auf un-
absehbare Zeit Yalet sagen. An seine Stelle
trat der Schriftsteller Br. Maurice Baum-
fehl, doch sollte dessen Thätigkeit in Con-
i'icd's Theater nicht von Dauer sein, weil
er sich mit höher fliegenden Plänen trug.
Tn kurzer Zeit gelang es ihm, von kapi-
talkräftigen Deutsch - Amerikanern die
Büttel zur Errichtung eines neuen Kunst-
tempels in der oberen Stadt aufzubringen,
inid schon mit Beginn der Saison 1908 — 09
konnten er und der Wiener Hofschauspieler
Euqen Burg das ..Neue Deutsche Theater"
an 59. Strasse und IMadison Avenue als
Bühnenleiter beziehen. Als Gäste waren von
ihnen für die Saison die Herren Emaniiel
Reicher und Conrad Dreher, der Lieb-
lings - Schauspieler Bismarek's, engagirt.
Leider kam es anfangs des Jahres 1909 zu
Differenzen zwischen den Direktoren,
denen sieh H. Blitz zugesellt hatte. Die
Heri-lichkeit kam vor Schlu.ss der Sai-
•son zu Ende, mid das Neue Deutsche The-
ater hörte als solches zu existiren auf.
DAS DEUTSCHE THEATER IN AMERIKA.
435
Die Leitung des Irving-Plaee-Theaters lag
in der Saison 1908—1909 in den Hän-
den des Direktors Oiio Weil, welcher sich
als Gast den Schauspieler Otto Gebühr vom
Hoftheater in Dresden verschrieben hatte.
Für die Saison 1909 — 10 wurden von dem
Pächter des Irving Place Theaters. August
Lüchow, Theodor Burgarth imd Carl
Wilhelm als Direktoren gewonnen.
„On revient toujours ä ses premiers
aniours" mag Adolph Philipp gedacht
haben, als er mit Beginn der Saison
1908 — 09 nach der Metropole des Ostens
zurückkehrte, um im ,, Schwarzen Adler",
ebenfalls in der oberen Stadt, seine Lokal-
possen, die ihre Zugkraft anscheinend noch
nicht eingebüsst haben, imd die er noch um
ein Erkleckliches vermehrt hat, zu geben.
In Brooklyn wurden unter Leitung von
L. Stefano 1884 — 85 Vorstellungen gege-
ben. Das nächste Jahr sah Minnie Raaber
als Leiterin ; sie wurde von Direktor L.
G. Böhm abgelöst, welcher auch dreimal
wöchentlich in Jersey City imd Paterson
spielte. Dann war es mit der Herrliclikeit
der Kirchenstadt als selbständiger Pfie-
gestätte des deutschen Theaters zu Ende,
denn der L^mstand, dass im "Winter
1898 — 99 die Tegernsee'r unter Amberg 's
Leitung einen kurzen Abstecher nach der
„Schlafstube New Yorks" unternahmen,
fällt kaum in 's Gewicht.
An theatralischer Bethätigimg in Buffalo
fehlte es bei dem regen geistigen Leben und
der numerischen Stärke des dortigen
Deutschtums schon in frühen Jahren nicht.
Im Jahre 1884 wurde im Germania-
Theater unter Leitung von Fräulein
Dora ]\Iundt-]\Iühlbach gespielt. Im zwei-
ten Jahre führte ein Herr von Gühlen
die Direktion und gab als erste Vorstel-
lung: ..Anna zu dir ist mein liebster
Gang". Derselbe Herr leitete den Thes-
piskarren auch in den beiden nächsten
Jahren, gab jedoch in 87 — 88 nur acht
Vorstellungen, nach welchen das Theater
geschlo.ssen wurde. Von 1888 ab stand das
deutsche Theater unter folgenden Direk-
tionen : SS Richard Stolte, 89 Alexander
Varena. 90 — 93 Heinrich Jentsch, 95 — 97
L'Hame & Baureis, 97 — 98 ,, Theaterver-
ein", 98—99 Frau Anna Diehl-Franosdi
zusammen mit der Theatcrgesellschaft von
Cleveland. In der Sai.son 1906 — 07 gab die
Gesellschaft des Herrn Vollmar und der
P>au Piunk in Buffalo und Rochester Vor-
stelhmgen.
Das deutsche Theater in Philadelphia.
Deutsche Vorstellungen gab es in Phila-
delphia den Aufzeichnungen Hermann
Nachtigall 's, des jetzt im National Soldici-s
Home in Virginien seinen Lel)en.s- Abend
beschliessenden Divisions-Schreibei-s Carl
Schurz 's, zufolge schon vor dem Jahre
18-40. "Der deutsche dramatische Untcr-
haltungsverein " fühlte sich veranla.sst, von
Zeit zu Zeit den Familien und Freunden
seiner j\Iitglieder etwas vorzumimen. Bei
den Versuchen war der "Wille natürlich
mehr zu loben als die Kräfte, we'che
sie ausführten. Der erste Schauspieler,
welcher in der Stadt der Bruderliebe auf-
trat und eine Benefiz-Vorstellung V(>ran-
staltete, war ein gewisser Alwin Boll. der
am 27. September 1842 im Saale des Herrn
Zimmermann in der Lätitia Court zwischen
Front und 2., sowie ]\Iarket und Chestiuit
Strasse, unter Mitwirkung des genaimten
Vereins "Toni oder die Schreckensnacht
auf Sankt Domingo", die Dramatisirung
einer Erzählimg von Theodor Körner, zur
Aufführimg brachte. Die Zwischenpausen
füllte ein Fräulein Friedauf durch Tänze
aus. In der Folge fanden verschiedentlidi
Vorstellungen statt, die jedoch lediglich v<m
Dilettanten gegeben wurden. Eine gute
Truppe unter Leitung der Herren W. Dietz
und "W. Herrmann fand im Jahre 1848 wie
ein dem Deutschthum der Stadt von der
„Freien Presse" gegebener Rüffel zeigt,
nicht die Unterstützung, welche sie ver-
diente. Bei der Abschiedsvorstellimg in
436
DAS DKl'TtsCHE THFATER IX AMERIKA.
Wt'k'irs Xatiitiiiil Circus am -l .Iiini 1848
§;al) die Trupiu' ..Ilinko. ilcr Fiviknecht"
von Cliarlottt' Hirch-Pfi'iffcr iiiid die Aii-
gely'sche I\)sse ..l'aris in roimncrn"
Zwischen Imiden Stücki'ii sang oin Männcr-
quartclt. und am Schluss tnigr dor "Opern-
sänjrcr" Uccr dir Marseillaise vor. Ein
,, Deutsches Lichliabcr-Thcatfr" und ..Die
Thalia-Ciesellschaft " hatten im weiteren
Verhalt" tles Jahres ehenso wenig Erfolg.
liall und Kni-Lotterie suchten vergeblich
das Tultlikum zu lehhaftei-riii Besuche der
Vorstellungen zu veranlas.sen. Im Jahre
18;')! wurden unter G. Anton 's Leitung im
Chestnut Street Theater Schiller 's „Wil-
helm Teil" uiul Kleist 's ..Käthchen von
lleiihronn" vor sehr gut besetzten Häusern
gegeben. Xachdeni die dramatische Ge-
sellschaft Thalia von Baltimore unter W.
Rullmainrs Leitung durch Antführuugen
von ..Dr. Wespe" und „Kabale und Liebe"
vergeblich eine grös.sere Theaterfreude zu
erwecken versucht hatte und verschiedene
dramatische Vereine unter der ^Mitwirkung
von Berufsschauspielern, wie C. Fayaux.
August Ilöniing. Louis Hochheim, C. Bur-
niester. Paul Dupree, J. Dardenne, sieh
gegenseitig Konkurrenz zu machen bestrebt
gewesen waren, wurde am 20. August 1855
im Mclodeon in der Chestnut Strasse, über-
halb der 6., ein täglich spielendes deutsches
Theater unter Wilhelm Biittner's Leitimg
enifl'net, das als ein entschiedener Fort-
schritt sich darstellte. Die Vorstellungen
wurden dann nach dem City ]\Iuseum, einer
zu einem Theater umge])auten I/niversalis-
tenkirche, in der Callowhill Strasse unter-
halb der 5. verlegt. Die zweite Spielzeit
fand unter der Direktion Brimo Berndt's
statt. Es wurden unter dem Namen „Sa-
cred Concerts ' ' aueli Sonntagsvorstellungen
gegeben. In den Jahren 1855, 1856 und
1857 waren die Voi-stellungen im Allge-
meinen gut besucht. Es fehlte nicht an
vollen, ja ausverkauften Häusern. Das
deutsch-amerikanische Stück , .Fürsten zum
Lande hinaus" wurde fünfmal gegeben.
Zu den darin dargestellten Personen ge-
hörten König Friedricli Wilhelm IV. von
Preussen, König Ludwig von Bayern und
der Berliner Revolutionär uiul spätere New
Yorker Bierwirth Liiulciuuüller, der einer
der Vorstellungen beiwohnte. Von Schil-
ler'sehen Di-amen wurden ..Wiliielm Teil"
,,Die Räuber", ..Maria Stuart" mehr als
zweimal aufgeführt ; ausserdem wurden
von klassischen Stücken gegeben : ..Wal-
lenstein's Lager", „Wallenstein 's Tod",
„Die Jungfrau von Orleans", ..Fiesco"
und „Don Carlos" von Schiller. Goethe 's
,.Götz von Berlichingen", Lessing's „Na-
than der Weise" und Shakespeare 's ,. Ham-
let" und „Othello". Die meisten Auf-
führungen, nändieh acht, erlebten ,,Lum-
paci Vaga])undus" und „'s Lorle", Schil-
ler's ,,Die Räuber" sieben. Ausserdem er-
zielten mehr als zwei Vorstellungen : ..Käth-
chen von Heilbronn", „Till Eulenspiegel"
,. Einen Jux will er sieh machen", .,Der
Glöckner von Notre Dame", „Deborah",
,,Wenn Leute Geld haben", ,,'s Lorle aus
dem Schwarzwald", ,,Die Lichtensteiner",
„Ben David", „Ein Prophet", Das Donau-
weibehen", ,,Der Verschwender", „Die
Räuber auf Maria Culm", ,, Unter der
Erde und im ersten Stock", „iMoses",
,, Robert der Teufel", ,, Königin Margot",
„Staberle", „Die Jüdin", „Die Töchter Lu-
cifers", ,,Der fliegende Holländer", das
Melodrama ,,Domi, der brasilianische Affe",
von W. Böttner, „Die Grabesbraut". ,,Ingo-
niar", ,,Der Turm zu Nesle", ,, Humoristi-
sche Studien", ,,Don Cjpsar de Bazan",
,,Die Karlsschüler", ,, Gaston oder die
eiserne Maske", „Kean", ,,Pfefferrösel",
,, Steffen Lauger", ,, Bajazzo", ,,Zopf und
Schwert" „Marie Anne", ,,Preciosa",
,, Doktor Fausts Zauberkäppchen", „Der
Lumpensammler von Paris", ,,Der Wirr-
warr", ,.IIinko", ,, Rochus Pumbernickel",
,, Hunderttausend Taler", ,.Drei Tage aus
dem Leben eines Spielers", ,,]\Iutter.segen",
,,]\Iensclienhass und Reue", ,,Der Alpen-
könig", ,,Lucretia Borgia", „Griseldis",
DAS DEUTSCHE THEATER IX AMERIKA.
437
„Sfhloss Greifensteiii". niid ..Das Fest (In-
Handwerker".
Das Verzeiehniss wunle der llucirsclu'u
SUizze über das deutsche Tlieater in Phila-
delphia entnommen. Es eharakterisirt den
Gesehmaek des deutschen Theater-Publi-
kums jener Zeit. Der später zur englischen
Bühne übergegangene Daniel Bandmann de-
butirte in Philadelphia im April des
Jahres 1857 mit grossem Erfolge, und um
dieselbe Zeit wurde im deutschen Theater
sogar eine Oper aufgeführt. ..Der Barbier
von Sevilla", mit Herrn Knmfeld und
Frau ]\Iartini d'Ormi in den Hauptrollen
und unter Mitwirkung der Herren Oehr-
lein. Xeufeld und Klein. Ein glänzender
Erfolg war das Gastspiel Herrn Otto
Hoym's und Frau von New York in „Die
Waise von Lowood". Glänzend verlief das
mehr-abendliehe Gastspiel der Bergmann-
'schen Operntruppe in der ..Academy of
^lusic". bei welchem nur deutsche Opern
gegeben wurden.
Da der erwähnte Daniel Bandmann einer
der wenigen deutschen Schauspieler ist.
wenn nicht der einzige, welche mit ihrer
Kunst das englische Publikum sich erober-
ten, so ist eine biographische Skizze wohl
am Platze.
Daniel Eduard Bandmann war am 1.
November 1840 in Hessen-Cassel geboren.
Er trat als Schauspieler zuerst im Deut-
schen Theater in New York und Philadel-
phia auf. kehrte im Jahre 1859 nach
Deutschland zurück und trat mit Erfolg
am Hoftheater in Neu-Strelitz, in Prag,
Wien und Budapest auf. Im Jahre 1862
kehrte er nach New York zurück, wo er im
Deutschen Theater als „Hamlet", „Shy-
lock". „Richard III.", „Mephisto" und
„Narciss" Furore machte. Im folgenden
Jahre wandte er sich der englischen Bühne
zu und gastirte in Niblo's Garden in New
York als ..Shylock", „Othello", „Jago",
„Richelieu" und „Narciss". Auf Gastspiel-
touren in England, Irland, Schottland,
Au-stralien, Indien, China und Singapore
fand er die .schmeichelhafteste Anerken-
nung. Loi-d Lytton schrieb für ihn ,,The
Kightful Ileir". Tom Taylor ,.l)ead or
Alive". Er war der erste Darsteller von
Robert Louis Stevenson 's .,Dr. Jekyll aiul
^Ir. Ilyde". Im Jahre lSi)() zog er sich
von der Bühne zui'ück mid wurde N'ieh-
züchter und Bergwerksbesitzer in .Missoula.
[Montana. Er starb am 23. Noveml)er 1!)(>5.
Im August 1857 eröffneten Böttner und
Serges das deutsche Theater wieder, doch
erst das Gastspiel des Iloym 'sehen Eiie-
paares vom New- Yorker Stadttheater im
Oktober lirachte grössere Sunnnen in dit
an Mangel an Einnahmen krankende The-
aterkasse. Nur der Besuch der Sonntags-
Vorstellungen war ein guter, an den an-
deren Abenden waren leere Sitze die Regel.
Böttner gab am Schluss der Saison die
Direktion auf. Die neue Spielzeit stand
unter der Leitung von Meaubert und
Josue. Zur Eröff'nimg dichtete Oswald
Seidensticker den Prolog. Ein Theil des-
selben mag hier eine Stelle linden :
Ob auch clor Deutsche in die Fremde zieht,
Ilim folgt der Frohsinn, folgt das deutsche Lied.
Sciiickt ihn nach Grönland oder der Türkei,
Er bleibt der Dichtkunst, der Musik doch treu.
Er liel)t aucli unsre Kunst, die nirgends fehlt,
"\^ (j Bildung reclit das ganze X'olk beseelt.
]\Iit Eurer Gunst ermutigt unser Spiel,
Euch zu gefallen ist ja unser Ziel.
Kommt zu uns, deutsche Freunde, zaudert nicht,
Denn hört nur, wie die Muse zu Euch spricht.
Komm her, sagt sie, du Mann, der wirkt und
schafft.
Hier wirst du deiner engen Welt entrafft.
Dein Geist, gebeugt vom ew'gen Einerlei,
Wird durch den Kuss der Muse wieder frei.
Hier bei dem Wechselspiel von Ernst und Scherz
Verjüngt, Ijelebt sich dein gedrücktes Herz.
Fnd du, der Mann, der ins Geschäft vertieft,
Das Buch des Habens und des Sollena prüft,
Sei nicht allein aufs Business ver])icht.
Die Noten sind der Güter höchstes nicht.
Du weisst es ja, sobald '\w Panik droht,
Verwandeln deine Noten sich in — Not;
Und ist dein Herz in deiner Brust nicht warm.
Beim vollen Beutel bist du bettelarm.
Erfrische deinen Geist am Musensiöcl
T'nd sju-kulicrc aucii 'mal in — Gefühl.
Komm, deutsche Frau, hier atme freier auf,
Vorülier ist des Tagewerkes Lauf.
Hier findest du nach überstandner Last
Mit dem Gemahl Erh<'iterung und Rast.
Du bist willkommen. Durch der Frauen Gunst
Verfeinert und veredelt sich die Kunst.
438
DAS DEUTSCHE THEATER IN AMERIKA.
Auch dich, o deutsches Mädchen, lad ' ich ein,
In diesem Hause oft ein (Jast zu sein.
Wenn du die Welt in ihrem Spiegel kennst,
So täuscht dich nicht der Schein, der golden glänzt.
Hier wird der Lauf der Welt dir ofifenbart
I'nd bittere Erfahrung dir erspart.
I).><-li hält hei dir dies Argument nicht Stich,
So hab' ich noch ein andres Wort für dich.
Vielleicht hast du von Liebe schon gehört,
Die alle Welt beseligt und — betört.
Wie sie den einen überglücklich macht
I'nd Höllenfeuer für den andern facht.
Du wüsstest von der liiebc gern noch mehr,
Denn dies Kapitel int 'ressiert dich sehr.
Nun denn, vertraulich flüstr' ich in dein Ohr:
Hier kommt in jedem Stück von Liebe vor.
Ob 's was zu lachen oder weinen gibt.
Verlass dich drauf, es wird dabei geliebt.
Die poetiselie ^Mahnung Oswald Seiden-
st ieker 's hatte jedoch keine dauernde Wir-
kung. Der Besuch war kein guter. Be-
zeichnend für den Geschmack des Publi-
kums i.st der T'mstand. dass das Zauber-
spiel ,. Kohlenpeter" sieben Aufführungen
erlebte, während eine Festvorstellung zum
Besten eines Schiller-Denkmals so leer war,
dass der Direktion ein Deficit von zehn
Dollars daraus erwuchs. Die nächste Sai-
son, ]859 — 60, unter Josue's Leitung
brachte nur einige Lichtpunkte in finan-
cieller Beziehung, die Gastspiele des
Iloym'schen Ehepaares und Fi'l. Antonie
Grahn's von New York. Vom 7. Januar an
spielten die Schauspieler auf eigene
Rechnung. Schon Ende Februar löste sieh
die Truppe auf. Ein Philadelphiar Lokal-
und Original-Stück von Otto AVittmer.
..König Gambrinus und Fürst Alkohol", in
welchem die Bekehrung vom Schnaps-
zum Bier-Gen uss tuid Trink- und Sauf-
Seenen die Hauptsache waren, hatte die
Sai.son nicht zu retten vermocht. Im
Sommer 1860 wurde in drei Lokalen Thea-
ter gespielt und ebenso im Winter auf 6L
Der Bürger-Krieg hatte natürlich ein
völliges P^rkalten der Theaterfreude zur
Folge, dem Böttner's Schwiegersohn, Gus-
tav Ostermann. vergcl)lich entgegenzuar-
beiten versuchte. In den nächsten Jahren
wurden deutsdie Theatervorstellungen nur
als Gratisbeigabe zum Bierkonsum in zwei
Lokalen gegeben. Ln Jahre 1866 waren
Gastspiele von Otto Hoym und Frau, sowie
Mitgliedern des New Yorker Stadttheaters
tuul im November ein fünfmaliges Auftre-
ten Bogumil Dawi.son's die f]reignisse im
deutschen Theaterleben. Das Gastspiel der
Härting 'sehen Thalia-Gesellschaft von New
York, welches am 18. Januar 1867 im Deut-
sehen Theater an Callowhill Strasse statt-
finden sollte, wurde nicht gerade günstig
eingeleitet — der Eisenbahnzug der Truppe
blieb im Schnee stecken, und es dauerte
vierzig Stunden, ehe sie von Nlew York in
Philadelphia anlangte. Härting zog sich
bald zurück, und die Herren F. Ahlfeld
und F. Lohmann übernahmen die Direk-
tion, ohne in der am 6. April nothge-
driuigen geschlossenen Spielzeit finanzielle
Erfolge erzielt zu haben.
Bemerkenswerth war es. dass die Gast-
spiele der Tragödin Fanny Janauschek. die
bekanntlich später zur englischen Bühne
übertrat imd am 29. November liXH in
Brooklyn, N. Y.. im Alter von über 74
Jahren starb, im December 1867, im April
1868 und im März 1869 sich eines lebhaften
Besuches erfreuten und den Beweis liefer-
ten, dass hervorragend gute .schauspiele-
rische Leistungen bei den Deutschen Pliila-
delphia's die gebührende Würdigung fin-
den. Auch ein Gastspiel IMarie Seebach 's,
der einstigen Gattin des Tenoristen A. Nie-
mann, der am 3. August 1897 ver-
storbenen Gründerin des ^larie Seebaeh-
Stifts für bedürftige Bühnenkünstler in
Weimar, im November 1870 war ein Er-
folg. Dasselbe lässt sich von den Opernvor-
stellungen sagen, welche anfangs des
Jahres 1866 von Grover's Deutscher Opern-
truppe, im Mai des folgenden Jahres von
einer Gesellschaft imter Julius Bernstein
und Adolph Neuendorff — zu ihr gehörten
unter anderen Theodor Habelmann. der
spätere und inzwischen verstorbene Diri-
gent des Brooklyner Sängerbundes Wil-
helm Groeschel, die Brüder Carl und Theo-
dor Formes, von denen der erste ein vor-
züglicher Bass-Sänger und brillanter
Schauspieler im Jahre 1889 in San Fran-
DAS DEUTSCHE THEATER IX AMERIKA.
439
ciseo starb, während Theodor auf der
Tournee zeitweilig seine Stimme, einen
prächtigen und vollen Tenor, einbüsste,
nach "Wiedergewinnung derselben wahn-
sinnig wurde und im Jahre 1874 in einer
Heilanstalt bei Bonn von seinen Leiden er-
löst wurde — im Januar und März 1871
von ]\Iax ]\Iaretzek und einer guten Truppe,
im Deeember 1871 und Anfang 1873 von
Adolf Xeuendorff mit Theodor Wachtel als
„Star" gegeben wurden.
In das Jahr 1867 fällt die Gründung der
Gesellschaft „The German Theatre of
Philadelphia", mit Th. A. Demme als Prä-
sident, Chas. Bonn als Sehatzmeister,
zwecks Errichtung eines eigenen deutschen
Theatergebäudes. Das Unternehmen kam
nicht zustande, die Aktionäre verloren
Alles.
Innerhalb kurzer Zeit brannten zwei The-
ater, in denen deutsche Vorstellungen ge-
geben wurden, nieder, das Callowhill-
Strassen-Theater im November 1868, das
jedoch bald wieder aufgebaut imd von Otto
Hoym und Ottilie Geuee vom New Yorker
Stadttheater als Concordia-Halle am 18.
November 1869 eröffnet wurde, und
ein provisorisches deutsches Theater an
Coates (jetzt Fairmount Avenue) und
Franklin Strasse (jetzt ^Männerchor-Halle)
am 8. März 1870 eine Stunde vor der Vor-
stellimg von Hebbers ..Genoveva". Die
Concordia-Halle, die Turnerhalle an 3. und
Willow Stra.sse, und Ladner 's Militär-Halle
in der 3. Strasse, das spätere Germania-
Theater, waren die Plätze, in welchen in
den nächsten Jahren der deutschen Muse
gedient und ihr von einem ,. verehrlichen
Publikum" mit der Gabe des Gambrinus
gehuldigt wurde. Von den Darstellern, die
lungen der im Entstehen begriffenen Tages-
zeitung „Gazette" einen Namen machte
und am 1. Oktober 188ö starb. Seine
Gattin, Amalie Serges-Chius. die erst«
Heldinnen dai-stellte, in Oktober 1846 im
Jo.sephstädtischen Theater in Wien zum
ersten Male aufgetreten war. am 20. Okto-
ber 1871 ihr 25jähriges Schauspieler-Jubi-
läum nach fast ununterl)r()chen('r 16jähri-
ger Thätigkeit in Philadelphia feierte und
im Jahre 1003 in Edwin Forrest Home, wo
sie ihren Lebensabend beschloss, verschied,
Oberregisseur Rudolf Beckier, der heute
noch in Philadelphia ansässig ist, Älarie
Dardenne, die im Mary Drexel Home ihren
Erinnerungen lebt, und Max Brückmann,
der es später zu grossem Wohlstand
brachte, natürlich nicht als deutscher
Schauspieler, und auf weiten Reisen oder
in seinem Tusculum in Philadeljihia dem
Dasein die besten Seiten abzugewinnen
sucht.
Charakteristisch für den Geschmack des
Publikums ist es, dass H. Börnstein's
Lebensbild ., Deutsehe Einwanderer in
Philadelphia oder Der Schutz der Deut-
schen Gesellschaft", Geza Berger 's Sen-
sations-Drama ,. Barbara Ubryk oder Das
Verbrechen im Nonnenkloster zu Krakau"
imd desselben Verfassers Lel)ensbild mit
Gesang ,,Die Geheimnisse von New York
oder Die Jesuiten in Amerika" die zahl-
reich.sten Wiederholungen erlebten.
Geza Berger, deutsch - amerikanischer
Schauspieler, Theaterdichter und Journa-
list, wurde am 5. Dezember 1842 in l*re,ss-
])urg, Ungarn, geboren. Besuchte die So-
chotzka'sche Wiener Theatersehule durch
drei Jahre und wurde, 18 Jahre alt, von
Direktor Wallheim als jugendlicher Cha-
in dieser Zeit sich redlich bemühten, dem rakterspieler für das Haml)urger Stadt-
deutschen Theater Freunde zu gewinnen,
sind zu erwähnen Heinrich Serges, ein
früherer Officier, der erste Helden, Ilelden-
väter imd Characterrollen spielte, später
durch seine humoristischen Schilderungen
der Central - Polizei - Stations - Verhand-
theater engagirt. Er .sollte kurz darauf am
]\reininger Hoftheater engagirt werden. Die
Verhandlungen scheiterten jedoch an seiner
,, Knabengestalt". Lii Jahre 1862 wurde
er von Direktor Strampfer für das Theater
a. d. Wien engagirt. In den nächsten
440
DAS DEUTSCHE THEATER IX AMERIKA.
Jahren spielte er auf den verschiedensten
Bühnen Oesterreieli's. wo er, seiner Wan-
derlust \ve«ren. hald als der ..kleine, uiistäte
lierp-r" allenthailten bekannt war. Im
Jahre IS»;.") zo^' er nach Ihnnhur^'. jrründete
ein humoristisches Wochenblatt augusten-
burgi.seher TentU'nz, ..Ihnnburger Buniler"
betitelt, wodurch er «las Wohlwollen des
IIerzot.'s Christian v. Augustenburg, des
Vaters des Prätendenten, sieh erwarb.
je(h)cii aus Wandsbeck, seinem Wohnort,
von der |)reussischen Polizei ausgewiesen
wurde. Heim Ausbruch des preussisch-
österreieiiisclien Krieges ging er nach
Es.sek. wo er im Verein mit dem Buchhänd-
ler Carl Lehmann die erste deutsehe Zei-
tung Slavoniens gründete. Im Jahre 1869
kam er nach New York, wo er von Hamann
& Rosenb(>rg als „Intriguant-Charakter-
spieler" für das Stadttheater engagirt
wurde. Hier schrieb er das Sensations-
stück ..Barbara ri)ryk", welches den gröss-
ten Ka.s.senerfolg, den je ein deutsches
Stück in Amerika aufzuweisen hatte, er-
zielte. Ausserdem hat er die Sensations-
stücke „Geheimnisse von St. Louis", ,,Auf,
nach Cuba", ,, Massenmörder Thomas".
„Die Armen und Reichen von Cincinnati"
verfas.st. Im Jalire 1872 war er als Regis-
seur am New Yorker Stadttheater thätig.
wo er das erste grosse deutsche Ausstat-
tungs.stück in Amerika. ..Uriella und Sata-
nas", in Szene setzte. Als Schauspieler
war er an den deutschen Bühnen in New
Orleans, Chicago. St. Louis, IMiiladelphia
und viele Jahre in Cincinnati thätig.
Im Jahre 1886 wandte er sieh wieder der
Journalistik zu, seit welcher Zeit er als
Kentuckyer Editor dem ,.Cincinnatier
Volksblatt" angehört. Er ist Ehrenmit-
glied des Schleswig-IIolsteinischen Unter-
stützungs-Vereins in Cinciiuiati.
Eine wirkliehe Besserung in den The-
ater -Verhältnis.sen Philadelphia 's trat erst
ein, als am 1. September 1874 die Herren
Gottlob Hammer und Henry Oberkirsch
die Tunierhalle übernahmen und wirklich
gute Vorstellungen mit ausgewähltem Per-
sonal gaben. Zu ihm gehörte der Charak-
ter-Darsteller Fritz Weilenbeck vom Na-
tional-Theater in New Orleans, der auch
als Maler nicht l'nbedeutendes leistete und
am n. Januar 1897 hochbetagt starb.
Oberkii*sch und Hammer führten das
Theater in der Turnerhalle bis zum 30. Mai
1877. worauf es an Holfelder und August
Schmidt überging. Dagegen übernahm
Ilaiinner am 4. August 1877 Ladners ]Mili-
tärhalle luul nannte sie Germania-Theater.
Sie wurde im April 1880 geschlossen, nach-
dem sie aber zu einem regelrechten Theater
umgebaut und eingerichtet worden war, be-
gann am 15. September 1881 eine neue
Spielzeit, Hammers letzte, die am 6. ]\lärz
1882 endete. Hammer war aus Württem-
berg eingewandert, wo er am 30. Juli 1835
geboren war. Er starb als vermögender
]\Iann am 25. September 1895 in Phila-
delphia. Inzwischen hatte Robert Tagg
am 18. Dezember 1880 die Concordia-
Halle als Operetten-Theater eröffnet, das,
gleichfalls nach einem L^mbau, im Septem-
ber 1881 von B. Reinach als Direktor über-
nommen wurde. Die Direktion des Ger-
mania-Theaters übernahmen am 18. Sep-
tember 1882 Conried und Hermann vom
New Yorker Thalia-Theater, traten sie je-
doch schon im Dezember an Alexander Kost
ab, der sie bis zum 31. April 1885 führte
und dann das Concordia-Operetten-Theater
von J. F. Betz übernahm, das am 22. ^lärz
1886 geschlossen wurde.
Um das Germania-Theater aufrecht zu
erhalten, setzte sich dessen Eigenthümer,
Chas. Theiss, mit Alexander AVurster in
Verbindung, der es infolgedessen am 16.
September 1885 wieder eröffnete und ihm,
in künstlerischer Beziehimg höchst erfolg-
reich, bis zum 25. April 1891 als Direktor
vorstand. Dann übernahm es Georg Ileine-
mann und gab darin Vorstellungen vom 30.
September 1891 bis zum 5. Mai 1893. Ihm
folgte Adolf Binkert als Direktor, der das
Theater am 25. September 1893 mit einem
DAS DEUTSCHE THEATER L\ AMERIKA.
441
von J. 1^. Ilertzog «jedit'htoten und von
Fräulein Olga Walburg vorgetragenen
Prolog und dem Stüeke „Gro.ssstatltlut't "
eröffnete, aber bald zurüektrat, worauf die
vereinigten Sehauspieler weiter spielten.
Der näehste Direktor war Jos. E. Metzger,
der am 27. September 1894 die Vorstel-
lungen begeinn, die jedoeh sehon am 1.
Februar 1895 aufhörten.
Als Fnieum verdient die Art und Weise
Ei'wähnung. wie in der Saison 1890 — 91 das
Sonntags-Gesetz umgangen wurde. Es fan-
ALEXANDER WURSTER
den ,.Saered Coneerts" an 30 Sonntagen
statt, an welchen keine Billete verkauft
werden durften. Es wurde dasselbe Ver-
fahren eingesehlagen, wie in Wana-
nuiker's Kirche, d. h. die Sitzanweiser
l)rachten die Leute an ihre Plätze für 50
Cts. oder 25 Cts. und gaben denselben einen
reservirten Sitz. Auf der Gallerie wurde in
der Zwischenpause mit einem Hut in der
Hand gesammelt.
Hervorzuheben sind aus dieser Zeit ge-
legentliche Gastspiele der Truppe Adolf
Neuendorff's, dessen ,, Rattenfänger von
IlaiiK'ln" im Januar 1882 im Chestnut
Sti-asscii Theater eine ganze Woche hin-
durch vor ausverkauften Häusern gegei)en
wurde, die 25malige Auirührung der Ope-
rette „I'inafore" unter Gottlob Ilammer's
Direktion, die glänzende Aufnahme Ma-
thilde Cotrelly's in „See-Kadett", das En-
gagement des Sängers .Alax Heinrich, der
Berliner Possen-Soubrette Anna Wagner,
der gefeierten Rivalin Ernestine Wegcner's
und jetzigen Eigenthümerin einer Villa in
Secane bei Philadelphia, des Opeivtten-
Tenors und späteren Komikers Gustav
Adolfi. dessen Begräbniss vom Gernuuiia
Theater aus am 16. Oktober 1890 zu einer
Trauerkundgebung des ganzen Deutsch-
thums der Stadt Anlass gab, Ga.stsjiiele
Lori Stubel's, ]\Iarie Geistinger's, Fried-
rich Haase's, Leon Resemann's, Ado'f Rö-
sicke's. Magda Ir.sehick's. Friedrich Mitter-
wuizer's. Hertha Fiebach's. der jetzigen
Wittwe Oberst ^larkbreit's von Cincinnati,
das 25jährige Schauspieler-Jubiläum Alex-
rnder Wurster 's am 5. Dezendjer 1889 mit
ihm selbst in der Titelrolle des bekannten
Lustspiels ,,Dr. Wespe", das 25jäh-
rige Schauspieler - Jubiläum Direktor
Georg Heinemann 's am 22. April 1893 in
der Academy of ^lusic mit ^Mathilde Co-
tie!ly als Gast in ..Pusere Don Juans", die
Aufführung eines amerikani.schen Volks-
stückes am 3. Juni 1883 ..Im gelobten
Lande Amerika" und die 38malige Auffüh-
rung des deutsch-amerikanischen Lebens-
bildes ..Die Grünhörner" unter der Direk-
tion ^Metzger von Hans Dobers-Kissling,
der in der Saison 1908 — 9 wieder als Ope-
retten-Tenor in Philadelphia engagirt war.
Nach dem 1. Februar 1895 trat eine lange
theaterlose Zeit ein. bis eine deutsche Zei-
tung, die ..Philadeljdiia Gazette", die Agi-
tation für Wiedererrichtung einer deut-
.sehen Schaubühne mit grosser Energie und
Beharrlichkeit aufnahm. Auf Anrathen
Siegfried Remak's wurde ein deutscher
Theater- Verein gegründet, der durch Siche-
rung von Abonnements und Aufbringung
44:
DAS DEUTSCHE THEATER IN AMERIKA.
eines Garantie-Fonds einem tüehtifren Di-
rektor den nöthijrt'ii Srlmtz vor finanziellen
Vrrlust.Mi bi.'t.'M sollte. Die Herren Dr.
J. C. llexaiiier. Arno Leonhardt mul Hans
Weniger stellten sieh an die Spitze des
Deutsehen Theater- Vereins, und bald war
derselbe so weit erstarkt, dass er im Jahre
lixn .\le.\ander Wurster, der, am 9.
Februar 1S43 als Sohn eines Geistlichen in
Frankfurt a. M. geboren, seit 1866 in Ame-
rika weilte, in allen (rrös.seren Städten der
l'nion n»it Ausnahme vom New York deut-
.sehe Theater geleitet hatte und sieben
Jahre lang, bis zum Jahre 1891 Direktor
Tegernsee'er und des Resemann 'sehen p]n-
sembles unter Amberg 's Leitung stattgefun-
den. Es wurde als deutsches Theater
im September 1901 eröffnet. Während
zweier Saisons wusste Herr Wurster mit
einer guten Truppe, welche an allen Wo-
chentag-Abenden imd am Samstag Nach-
mittag spielte, künstlerische sowohl wie
finanzielle Erfolge zu erringen. Leider sah
er sieh am Schluss der zweiten Saison im
Mai 1903 aus Gesundheitsrücksichten ge-
zwungen, die Leitung des Theaters nieder-
zulegen. In seinem Abschieds-Schreiben
an den Theater- Verein sagte er:
Das Deutsche Theater in Philadelp'nia. von Deutschen fuer Deutsche erbaut.
des Germania-Theaters in Philadelphia ge-
wesen wai*. vei-anlasst^n konnte, aus seinem
Tuskulum in Waukeegan. 111.. nach der
Stadt der Bruderliebe zu kommen und die
Leitung des neuerstandenen deutschen
Theaters zu übernehmen. Das alte Arch
Street Theater der verstorbenen Frau John
Drew, einer berühmten anierikanischen
Schauspielerin, deren Söhne John und
Sidney Drew zu den liekanntesten Darstel-
lern der amerikanischen Bühne gehören,
wurde gemiethet. Es hatten daselbst in
1899 und 1900 Ga.stspiele der Adolf Phi-
lipp'sehen Gesellschaft von New York, der
..Ich habe bewiesen, dass Philadelphia ein
täglich spielendes deutsches Theater erhal-
ten kann, und das ohne Garant iefonds. Ich
habe bewiesen, dass es hier genug Freunde
der deutschen Kunst giebt, welche AVillens
sind, ihre deutsche Bühne am Leben zu er-
halten."
Alexander Wurster starb bald darauf am
19. Dezember 1903 in Waukeegan. Er war
einer der Pioniere der deutschen Theater-
Di. ektoren in Amerika und hat sich grosse
Verdienste erworljen. Sein Nachfolger als
Direktor des Deutschen Theaters in Phila-
delphia wurde Herr Carl Saake, dem eine
DAS DEUTSCHE THEATER IN AMERIKA
443
fast lebenslängliche Erfahrung im Hülmen- dem Hijou-Thcatfr. aber die Gegend war
wesen, wenn auch nicht als ausübender dem finanziellen Erfolge ungünstig.
Künstler, zur Seite stand. Als die Besitzer Carl Saakc war am 20. Juni 184G in
des Arch Street Theaters einen bedeutend ^lannheim in Baden geboren. Er erhielt
Innen-Ansichl des Deutschen Theate s in 1 liiiadelpi.u.
höheren Pachtzins für die nächste Saison in seiner Vaterstadt eine gute Schul-
unter Direktion Saake verlangten, verlegte bildung und wai- dort, nachdem er \'ür
derselbe die deutschen Vorstellungen nacli den Kaufmannsstand vorgebildet war. bis
444
DAS DHrTSnii: TIIHATKK IX AMKRIKA.
ZU siincni 2(1. Lchfiisjahrt' Buclihaltcr in
uiui'iii jrinsscu Gi'si'hiirt. lS7;i siedelte er
iiaei» IMiiliulelphiii ülx-r iiiul irrüiidete da-
selbst das »rrusse Ktistüm-CJeseliäft. das er
noch heute betreibt. Kr ist ein wohllialK'U-
der Manu «geworden.
Als Aufanirs iles .lahres i:i04 eine Wie-
derpaehtun«r d<'s Areli Street Theaters des
htiiieren Pachtzinses wegen nicht mehr in
Frage kam. wurde bescidossen. ein eigenes
deutsches Theater zu bauen. Die „German
Theatr«' Kealty Company "" wurde urgani-
sirt. lue Ausgabe von Aktien in Höhe von
$ir)().()(>() zu $10 pro Stück beschlossen uiul
Yen iid)arungen getrot^'eii. um diu'ch Auf-
nahme einer Hypothek von -i^llKl.CKH) die
für den Ankauf eines Grundstücks, den
Hau des Theaters und seiner Nebengebäude
zur Verfügung stehende Sunniie auf eine
Viertel-Million Dollars zu bringen.
Nachdem ein Grundstück an der Girard
Avenue und Franklin Street erworben
worden wai". wurde unter Leitung des
jungen ileutsch-amerikanischen Architekten
Carl P. Berger, dessen Vater als Theater-
maler sich einen Namen in Auieiika ge-
macht hat, mit dem Bau begonnen. Es
staiul ein Bauplatz von 114 Fuss an der
über 100 Fuss l)reiten Girard Avenue zur
Verfügung mit einer Tiefe von 192 Fuss an
der Franklin Str. Das voriuindene Eck-
Gebäude wurde in ein grosses Hotel, welches
den Namen ..Hotel Schiller" erhalten hat,
luiigebaut. die nicht benfHhigten unteren
Hiiuiidichkeiten in Laden-Lokale umgewan-
delt, durch die Mitte des Ganzen ein impo-
santes Eingangsportal zum Theater selbst
geführt und für möglichst gewinnbringende
Ausnützung der vorhandenen Räundichkei-
ten gesorgt.
Das eigentliche Theaterge])äude hat an
der Franklin Street eine Front von 73 Fuss,
und zu beiden Seiten befinden sich die Gal-
lerie-fjingänge. Treppen inid Feuerthürme.
Drei sechs Fu.ss breite Thüren führen in die
V(»rhalle. Das Theater bietet 1.556 Per-
sonen Sitzplätze ; Stehplätze sind in den
Theatern Philadelphia 's nicht gestattet,
weil alle (iänge und Ausgänge freig"halten
werden müssen. Die Bühne ist 74 Fuss
1)1 eil uHil hat eine Tiefe von 40 Fuss. Sie
hat an beiden Seiten Ausgänge, die in die
beiden Seitenhöfe führen. Das Theater ist,
ebenso wie das grosse Portal an der
Girard Avenue, aus feuersicherem Mate-
rial hergestellt. Die Zahl der Treppen, Thü-
ren und Ausgänge ist eine so grosse, djiss
es in zwei Minuten geleert werden kaini.
Für den Baustil war dem Architekten
die Renaissance massgebend. Im Zu.schau-
erraum sind Alt-Elfenbein. Crenu» und
Grün, mit Anflügen von Roth, Violett und
Rosa die vorherrschenden Farben. Von
den hellen Tönen der Decke geht das Kolo-
rit zu dem lebhaften Grün der Wände über,
mit welchem das Dunkelgrün des Teppichs
harmonirt. Das Hellgrün und Rosa der
Draperien, die Elfenbein-Farbe der reich
ornamentirten Rang- und Logen-Brüstun-
gen, sowie der Prosceniums-Säulen stehen
im wohlthuenden Kontrast zu der übrigen
dekorativen Ausstattung des Inneren. Die
Fresko-I\Ialereien der Knppeldecke versinn-
bildlichen in vier Gruppen Lustspiel,
Schauspiel, Drama und Po.sse, die Gruppen
über dem Proscenium, dessen Bogen 42
Fuss breit und 34 Fuss hoch ist, die Poesie
und Musik.
So bildet das Ganze einen herrlichen
Tempel der deutschen ]Muse. ein prächtiges
Denkmal deutscher Kunst, denn zu de>n
Bau wurden so weit wie möglich d.nitsche
Männer herangezogen. Der Architekt,
Herr Berger, ist deutscher Abstamnuuig,
ebenso der Baumeister, Herr Raymond
Ralf, welcher die Pläne des Architekten
ausgeführt hat. Die prächtigen Fresken
wurden von einem deutschen Künstler,
Herrn Frank Sima, geschaifen. und die
Scenerien von Herrn Armbruster genialt,
einem deutschen Dekorationsnuder aus Co-
hunbus. O. In pietätvollem Gedenken an
den grössten Dramatiker der klassischen
Periode der deutschen Literatur wurde der
DAS DEUTSCHE THEATER IN AMERIKA.
445
erste Spntenstieh zum deutschen Theater
am 9. ^lai 1905 vorurenommen, dem hun-
dertsten Todestage Friedrieh von Schil-
ler's. Das Programm der Feier hatte in
Orchester- und Gesang- Vorträgen, einem
von Frau L. L. Leser, einer in Philadelphia
ansässigen Schriftstellerin, die auch mit
dramatischen Arbeiten mit Erfolg vor
die Oeflfentlichkeit getreten ist. verfass-
ten Prolog und einer Festrede Dr. C. J.
Ilexamer's bestanden. Der damalige, in-
zwischen verstorbene deutsche Botschafter
in Wa.shington. Baron Speck von Stern-
burg, sandte durch die ..Gazette" dem
Deutschthum Philadelphia 's nachstehenden
telegraphischen Glückwunsch :
Washington, D. C, 9. Mai 1905.
German Daily Gazette, Philadelphia.
Den hochverehrten Bürgern deutscher
Abkimft sende ich zu dem heute begon-
nenen patriotischen Werke meinen auf-
richtigsten Glückwunsch. 'Möge dasselbe
die Traditionen des Vaterlandes heilig
hüten, nach Wahrheit und nach Schön-
heit ringen, nur das Göttliche und Hehre
erstreben und den Kampf aufnehmen
mit dem Schlechten und Gemeinen.
Sternburg.
In feierlicher Weise wurde dann am 4.
Juli, dem Geburtstage der amerikanischen
Nation, die Grundsteinlegung zum Theater-
bau vorgenommen, imd am 15. September
1906 konnte die Eröffnimg stattfinden, bei
welcher Botschaftsrath Graf Ilatzfeldt eine
kurze Ansprache hielt und versicherte, dass
der Kaiser an dem vollendeten Werke die
freudigste Theilnahme nehme. Die erste
Saison im eigenen Heim der deutschen
Muse stand unter Leitvmg Direktor Saa-
ke's, dem als Ober-Regisseur Albert Schrn^-
der vom königlichen Theater in Potsdam
zur Seite stand.
Die Erfahrungen der Sai.son, welche am
15. Mai 1907, also nach achtmonatlicher
Spielzeit schloss, hatten gelehrt, dass das
deutsche Publikum sein Theater ebenso wie
das amerikani.sche hauptsächlich be.sucht.
um sich zu amüsiren. Die Posx-. der
Sehwank, das Lustsjjiel und eventuell noch
das Volksstück erwiesen sich iiifol «redessen
als bedeutend zugkräftiger als Schauspiel
unil Drama. Dem Zuge des amerikani-
schen Lebens nach sinnfälliger Unterhal-
tung im Theater musste auch das deutsche
Theater folgen. Es musste seinen Spiel-
plan erweitern, um der Konkurrenz der
amerikanischen Theater begegnen zu kön-
nen. Die neuen Direktoren, Max Hanisch,
der seit Jahren in Amerika mit grossem
Erfolge auf deutschen Bühnen wirkt, und
sein Kompagnon beschlossen, dem Zuge der
Zeit und dem Geschmack des Publikums
Rechnung zu tragen und die Operette auf
den Spielplan zu setzen.
Es gelang tlurch II«*ranziehung geeigneter
Solo-Kräfte, sowie durch Bildung eines aus
Schülerinnen des deutschen Gesangmeisters
Carl Schachner und berufsmässigen Cho-
risten geworbenen Chors ein treffliches Ope-
retten-Ensemble zusammenzu-stellen. wel-
ches den finanziellen Erfolg der Saison zu
sichern wusste. Als Kapellmeister wurde
August Rodemann gewonnen, der fi-üher
.stellvertretender Dirigent des Philadelphia
Symphonie-Orchesters war, das zur Zeit
unter Leitung Carl Pohlig 's steht, des
früheren Stuttgarter Hof-Kapellmeisters.
Folgende Operetten wurden in der Saison,
welche am 14. September 1907 mit Schil-
ler's ,, Jungfrau von Orleans" eröffnet
wurde und am 30. :\Iai 1908 schloss. gege-
ben : ..Zigemier-Baron", ,. Bettelstudent".
..Don Ca-sar". ..Fledermaus", „Boccaccio".
„Fatinitza", ..Gasparone". „Die schöne
Galathe", „Flotte Bursche" und „Das ver-
wunschene Schloss". Die Vorzüge der
deutschen Operetten-Musik eroberten auch
das amerikanische Pu])likum, welches dem
deutschen Theater in noch nie dagewesener
Weise seine Gunst ziiwandte. die ül)rigens
nicht auf die Operetten-Vorstellungen be-
schränkt blieb. Eine Nach.saison brachte
drei Wochen lang au.sverkauftc Häuser der
AAC>
DAS DELTbLllE THEATER IN AMERIKA.
L«'harVhenOpon*tto..Dielusti^'oAVittvve". Ensembles in Newark. X. J.. und in Bal-
Aber aiu-h das Scha\ispiel iiikI Lustspiel tinioic Md.
waren nicbt vernacblässi^n wordt-n. Das deutscbe Theater in Philadel pbia hat
Um das Interesse des literarisdi irel)ilde- die finanzielle Depression, welehe sieh in der
ten und amerikanischen Publikiniis am Saison IJIOT— 8 in den Vereinigten Staaten
deiitsohen Theater zu heben, fand am 2. in füiill)arster Weise g-eltend machte, gut
und 4. -Montag im Monat ein sogenannter überstanden. Seine Zukunft erscheint ge-
literarisch. -r Abend statt, an welchem die sichert. Die S-iisen 1908—9. welche
Direktor MAX HANISCH vom Deutschen Theater in Philadelphia.
moderne Bühnendichtung zu Worte kam.
Das Repertoire setzte sich ausserdem aus
bekannten älteren Lustspielen, Schwänken
und Pos.sen zusammen. Auch zwei erfolg-
reiche L^rautTührungen gab es: Frau Lotta
L. Leser 's deutsch-amerikanisches Yolks-
stück ..Die Glücksucher in Amerika" und
Dr. Berthold A. Bär 's Lustspiel ..Das stei-
nerne Herz"'. Dazu kamen Gastspiele des
unter alleiniger Direktion von ]Max Ha-
nisch stand, erhielt eine weitere Bereiche-
rung des Repertoires durch Aufnahme der
Spiel-Oper.
Am 18. JMai (russischen Styls) 1863 in
St. Petersburg in Russland als Sohn des
Kaiserlieh russischen Hofschauspielers An-
ton Hani.sch geboren, spielte Ma.r Hanisch
am Hoftheater in St. Petersburg von
DAS DEUTSCHE THEATER IN AMERIKA.
447
seinem 4. bis 12. Jahre Kinderrollen, dann
kleine Bursehenrollen. Er besuehte bis zu
seinem 14. Jahre die .,Eng:lisehe Heimle"
daselbst. Seine grosse Liebe zu Pferden
zog ihn zur Kavallerie. Er bat seinen
Sehwager, Dr. Alexander von Lysareh-
Königk-Tollert (den Mann seiner ältesten
Sehwester), der ein Freund des Grafen
Sievers, des Direktore der Kaiserlichen
Reitschule, war, seine Aufnahme in diese
Schule zu erwirken. Er wurde nach einem
Sonder-Examen aufgenommen, und sclion
am näclisten Tage ging der Reitunterricht
an. Nach zwei Jahren hatte er jedoch ge-
nug davon und durfte durch Vermittelung
des Grafen Sievers wieder austreten. Er
hatte es bis zum Portepee-Jimker gebracht.
Dann versuchte er sich in der Bildhauer-
kunst und ^Malerei. Das Maltalent hatte er
von seinem Vater geerbt, aber keine Lust
zum ]Malen gehabt. Er kam in eine grosse
Monumentmeisslerei. wo sehr gute italieni-
sche ]\Ieister engagirt waren. Sein Chef
hatte ihn sehr gern, und so durfte er den
Marmor massenhaft ruiniren. Ein schla-
fender Engel war das Einzige, was er zu
Stande brachte. Er wurde sehr billig ver-
kauft und steht auf dem Wolkowo-Fried-
hofe in St. Petersburg. Kurz vor seinem
18. Geburtstage rieth ihm die ]\Iutter, zum
Theater zu gehen. Er war sofort einver-
standen, und sein Vater verschaffte ihm ein
Engagement bei Direktor Fritz Guutau in
Halle a. S. Stadttheater. Bei dem Direktor
hatte auch Max Hanisch 's Vater angefan-
gen, ungefähr 32 Jahre früher. Von Halle
a. S. kam er an das Grossherzogliche Hof-
theater in Oldenburg, wo er für Liebhaber-
und Naturbiirschen-Rollen engagirt war.
Nach dreijährigem Aufenthalt in Deutsch-
land ging er wieder nach St. Petersburg
zurück, wo er unter der Direktion Wladi-
mir Arbenin's am kleinen Kais. Ilofthea-
ter engagirt wurde ; er verblieb dort drei
Jahre. Er spielte in russischer Sprache
das Fach der Naturburschen und sang
Tenorbuffoparthien. Dann zog es ihn wie-
der nach Deutschland, und war wiederum
sein erstes Engagement in HaHe a. S., wo
er im Ganzen vier Jahre war. Weitere
Kngagements waren: Breslau, Lobet lieater,
drei Jahre; Königsberg. Freiberg, Ca.ssel,
Riga, Weimar, Kiel, Hannover. In Frei-
l)erg in Sach.sen lernte er seine Frau. Eiiiilie
Schönfeld, kennen, welche damals die
ersten Versuche als Soubrette machte. Von
Hannover wurden Hanisch und Frau nach
Amerika engagirt. und zwar an das Grand
Opera House in Cineinnati. Direktion
Louise Schmied. Dann gingen sie nach
New York an das Germania-Theater, später
nach Philadelphia. Dii-ektion Wurster, wo
sie mit Unterbrechung einer Winter-Saison
blielien, welche sie in St. Louis bei der Di-
rektion Heinemann & AVelb verl)rachten.
Mit denselben machten sie auch die Mexiko-
Tournee mit. Die Mitglieder der Truppe
waren die ersten deutschen Schauspieler,
welche in ]\Iexiko deutsche Komixlie spiel-
ten. Im Jahre 1907 übernahm Herr Ha-
niseh mit einem Kompagnon das Deutsche
Tlicater in Philadelphia und führt seit Be-
ginn der Saison 1908 — 9 die Direktion
allein. Besonderen Erfolg erzielte er mit
einer Operette „Die lustige AVittwe in zwei-
ter Ehe", welche er im Verein mit dem Ka-
pellmeister des Deutschen Theatei-s. Carl
von AVegern. komponirte und deren Auf-
führungsrecht er an einen amerikanischen
Theatcr-I'nternehmer verkaufte.
Das deutsche Theater in Reading und
Pittsburg.
In Reading wurde am 17. Februar 1858
ein deutsches Theater eröffnet. Das.selbe
hatte jedoch nicht lange Bestand. Es wur-
den indessen gelegentlich in der Hauptstadt
von Berks County deutsche Vor.stellungen
gegeben, so eine in der Saison 1906 — 7 von
Direktor Saake von Philadelphia.
In Pittshurg gab es eine Zeit lang ein
ständiges deut.sches Theater, so in der S-ii-
son 1886—87 unter Direktion Herrn Juliu.s
448
DAS DEUTSCHE THEATER IX AMERIKA.
Ilt'nnaiiii's. ISST — SS unter Direktion
Ilcrni II Ilansold's. K'mvu woiteren Ver-
sucii mit einem stiinditren Theater in der
Rauehstadt iiiaelite Direktitr J. Junker in
der Saison liHH — 2. Seither sind daselbst
keine ständi^'en deutschen Theater zu ver-
zeichnen gewesen.
Das deutsche Theater in Newark.
Die Schauspielkunst in Xeuark la^. wie
die ..New Jersey Freie Zeitunj;" in ihrer
hochinteressanten Fest- Ausgabe anlässlich
ihres .")( »jährigen He.stehens — sie wurde im
Jahre 1858 gegründet — berichtet, anfäng-
lich in den Händen eines deutschen Ver-
eins, des ..Humor". In den 60er Jahren je-
doch kamen berühmte europäische Künst-
ler von New York nach Newark und gaben
im ..Opernhaus" Vorstellungen, die jedoch
mehr Heifall als Dollars einbrachten. So
traten Adelaide Ristori. Fanny Janaii-
.schek und Hermann Hendrichs auf. Dann
lieferten Adolf Neuendorff, Gustav' Ain-
berg, Heinrich Conried und Adolf Philipp
mit ihren Gesellschaften Vorstellungen in
der Academy of Music. jetzt Blaney's Thea-
ter, der Sängerhalle, jetzt Krueger Audito-
rium, dem jetzigen Empire und dem
Newark Theater. Der Besuch dieser Vor-
stellungen liess sich anfangs recht gut an.
fiel aber sehr ab. als das Publikum merkte.
da.ss es durch rücksichtslose Kürzungen und
Besetzen der Rollen durch Kräfte ..zweiter
Garnitur" getäuscht wurde.
In den 80er und 90er Jahren hatte
Newark ein ständiges deutsches Theater
unter Direktion der Ik-rren Lothar und
Schober, sowie unter der des Herrn Adolf
Heine. Die Gesellschaft der Herren Lothar
und Schol)er war eine recht leistungsfähige
und allgemein beliebte, soda.ss die Direkto-
ren, die ausserdem Gastvorstellungen in
Paterson. Stapleton und Union Hill gaben,
auf ihre Rechnung kamen. Leider ver-
anla.s.ste ein Rivalitätsstreit der Gattin-
nen der Direktoren. Lina Lothar- AValdau
und Lina Kindt. eine Autiösung der Gesell-
schaft. Es folgte dann die Zeit der Gast-
spiele Conried "s. Philipp 's und Wurster 's
und das rnternehmen des Herrn Heine,
welches gleichfalls nicht von langer Dauer
wai'.
Nach einer mehrjährigen theaterlosen
Zeit nahm sich daini im Herbst 1902 der
Deutsch-Amerikanische Central-Verein der
deutschen Muse an. schloss einen Kontrakt
mit dem Direktor des deutschen Theaters
in Philadelj)hia. Alexander Wurster, ab
und gab einnuU monatlich im Empire
Theater deutsche Vorstellungen. So lange
Direktor Wurster an der Spitze der Phila-
delphiaer Gesellschaft .stand, war der Be-
such ein derartiger, dass der Central-Ver-
ein mit einem Ueberschuss abschloss, wel-
cher den deutsch-englischen Schulen zu
Gute kam. Herr Carl Saake übernahm das
deutsche Theater in Philadelphia, sowie die
Vorstellungen in Newark. Es trat dann
eine einjährige Pause ein. In der Saison
1906 — 7 spielte wieder Herrn Saake 's
Truppe und in der Saison 1907 — 8 die der
Direktoren Hanisch und Co. Die letzte
Saison, welche am 26. April 1908 zu Ende
ging, endete mit einem für den Central-
Verein namhaften Defizit. Während der-
selben veranstaltete der Verein zwei Vor-
stellungen monatlich, ein Experiment, wel-
ches sich nicht bewährte. In der Saison
1908—1909 gab die Burg-Baumfeld 'sehe
Truppe von New York Vorstellungen.
Jersey City Heights genoss während des
Jahres 1901 den Vorzug einer eigenen
Bühne unter Leitung des Herrn Henry
Jentsch.
In Hohokoi spielte in der Saison 1888 —
89 Direktor S. Pleus im Thalia-Theater, und
im folgenden Jahre Direktor S. Cronheim
im Germania-Theater. Die Saison 1892 —
93 brachte Gastvorstellungen des Personals
vom New Yorker Amberg-Theater an Ross-
IIoboken-Theater. In 1907 gastirte im
Lyrie-Theater die Truppe von Philadelphia.
DAS DEUTSCHE THEATER IX A.MKKIKA.
449
Das deutsche Theater in Bahimore.
Im Jahre 1850 bestand in Baltimore eine
dramatische Gesellschaft Thalia, die unter
\V. Huttmann's Leitung gute Vorstellungen
gal). Doch inuss sich das Geschäft nicht
hczahlt haben, denn in Januar 1851 siedelte
sie nach lMiiladcli)hia über, wo sie sich
nach einigen Vorstellungen autiöste. Die
Bemühungen des Concordia Clubs. Balti-
more ein ständiges deutsches Theater zu
geben, schlugen ebenfalls fehl. Als Eduard
Ilärting in New York mit seinem Lustspiel-
Ensemble im Jahre 1866 vor der Konkur-
renz des dortigen Stadttheaters die Segel
streichen musste. siedelte er nach Baltimore
über, doch war trotz guter Aulfühnuigen
der Besuch nicht ausreichend, um die Exis-
tenz des deutschen Theaters zu ermöglichen.
Ebenso imgünstige Erfahrungen nuichten
seine Nachfolger, die Direktoren Scheeren-
berg und Meisel. Seither wurden wohl ver-
schiedene Versuche gemacht, die deutsche
Bühne zu neuem Leben erstehen zu lassen
mid zu erhalten, aber sie waren vergeblich,
Baltimore nnisste sich auf gelegentliche
deutsche Gastspielvorstellungen beschrän-
ken. Direktor Saake von Philadelphia
veranstaltete zwei in der Saison 1906 — 7,
sein Nachfolger zwei Operetten-Aufführun-
gen in der folgenden Spielzeit ohne nen-
nenswerthe p]rfolge, während 1908 — 9 das
Bhiladelphiaer Ensemble einige gutbe-
suclite Gastspiele gab.
Das deutsche Theater in New Orleans.
In New Orleans waren schon 1843 zwei
ständige deutsche Theater vorhanden, das
eine an der Old Levee, zwischen Barracks
und Hospital Str.. unter Direktion Rudolf
Riese und ^ladame Thielmann ; das zweite
in der Vorstadt Lafayette. dem heutigen 4.
Distrikt, dem F. Brooks 1849 an Camp und
Boydras Str. noch ein drittes, .,Das Neue
Deutsehe Theater", zufügte. Sie gingen
später wieder ein. Am 30. Dezember 1852
hatte New Orleans einen interessanten Be-
such: Lola .Alontez, die in Schottland ge-
borene „spanische" Tänzerin, die sich in
das Herz Kihiig Ludwig's I. von Bayern
hincingetanzt und durch ihre Frechheit
und die unumschränkte politi.sche Macht,
die sie ausübte, in .München einen Auf-
stand veranlasst hatte. Sie trat in .New
Orleans in einem von ihr .selbst verfas.stcu
Stück. ..Lola .Montcz in Bayern", auf.
Hanno Deiler erzählt von diesem Gastspiel:
..In New Orleans figurirte Lola Monte/, in
Skandalen, selbst vor Gericht wurde sie
<-itirt. wo .sie „leichten Schrittes, gleich
einer Gazelle, in den Saal gehüpft" kam.
Dem Geschäftsführer des Placide Theaters,
der sie verklagte, weil sie ihm einen Fuss-
tritt versetzt um! ihn einen Schuft und
Schurken genannt hatte, erwiderte sie im
Gericht: „Ach. das sind Sie ja noch immer,
mein Lieber!" Gegen den Richter drückte
sie l)eim Anl)lick der grossen Zu.schauer-
menge ihr Bedaueiii aus, nicht $2.00
Entree verlangt zu haben; den Advokaten
der Gegenpartei nuichte sie mit ihrem Re-
destrom die Haare zu Berge stehen, und
ihre frechen Bemerkungen riefen oft ein
schallendes Gelächter hervor, in welches
„Bench and Bar" einstimmten. — Auf
dem ]\Ii.ssissippi-Dampfer, auf welchem sie
von New Orleans abreiste, verlangte sie,
dass ihrem Schosshündchen an der Table
(THote ein eigener Sitz neben ihr reservirt
werde. Und da dies nicht geschah, wollte
sie den Kapitän auf ihre AVeise abkanzeln.
Dieser verzog keine Aliene. bückte sich aber
nieder, packte den Köter beim Genick und
warf ihn in den Missi.ssippi hinaus, und als
er an die nächste Haltestelle kam, setzte er
auch die wuthsehnaubende Lola ans
Land." Lola starb übrigens im 53. Lebens-
.jalu'e am 16. Januar 1861 in Astoria bei
New York.
-(
New Orleans' gro.sse dreitägige Schiller-
Feier im November 185i). aulässlich de.s
100. Geburtstages des Dichterfürsten,
brachte am Vorabend, am 9. November,
eine Festaufführung der „Räuber" nuten-
der Regie G. PL Braun 's. Sie sollen eine
450
DAS DKrTSCHK TIIHATKR l\ A.MKinKA.
ausiifi'zcichncti' Wicdcrjralu' ^'cfuiulcn lia-
ben. Im .lalin- ISIK» ci-öffnctc Wm. liöll-
ncr. frülicr Direktor in IMiiladclpliia.
mit einer friiteu Truppe ein cleutsehes
Theater. Es wurde dort aueli Sonutajrs ge-
spult. Sein Scli\\ie«rersolni C)steniiann
üliernahui später die Direktion, uaehdeiu in
den Krie^rs. jähren eine Interhreehunj; der
deut.selien Vorstell untren eingetreten wai-,
die auch nadi Beendigung der Feindselig-
keiten zwischen Nord und Süd fortdauerte.
Ei-st als Frau Methua-Seheller dort grosse
Erfolge erzielt hatte, gestaltete sich die Zu-
kunft des deutschen Theaters rosiger. (Die
tretiliche Schauspielerin erlag im Jahre
1S77 im Memphis dem gelben Fieber.) Die
Firma Schneider und Zuber])ier erbaute ein
deutsches Theater, das unter Ostermann 's
Direktion gestellt wurde. In der Spielzeit
1868 — 9 war (»in glänzender financieller
Erfolg zu verzeichnen, der in der näehsten
Saison Gustav Ostermann zu kostspieligen
und nicht rentablen E.xperimenten veran-
lasste, die dazu führten, dass er im Jahre
1M(I die Direktion niederlegen musste. Da
warf sieh ein aus den reichsten und an-
gesehensten Deutsehen der Stadt gebildeter
..Xationalklub" in die Bresche und ver-
pflichtete sich zur Pflege des deutschen
Di-amas und zur Aufrechterhaltung des
Theatei's. welches den stolzen Xanien
..Deut.sches National-Theater" führte. Es
wurden Gelder in genügender Höhe depo-
nirt. um ein eventuelles Deficit bis $10.000
zu decken. Oskar Guttmann übernahm mit
einer vortrefflichen Truppe die Leitung,
veranstaltete abgerundete und künstlerisch
bedeutende Vor.stellungen. stellte ein ab-
wechlungsreiches Repertoire auf und
machte die griksten Anstrengungen, um das
Publikum für das deutsche Theater zu in-
teressiren. aber, nachdem das Strohfeuer
der anfänglichen Theater-Begei.sterung ver-
flogen war. trat eine Apathie ein, die dem
Nationalklub schwere Opfer auferlegte und
ihn schliesslich veranlasste, den hoffnungs-
losen Kampf zur Bekehrung des Banausen-
thums aufzugeben. Bald darauf büsste
New ( )i'leans sein deutsches Theater ein. das
einige Jahre lang eine Kunststätte von her-
\<»i-ragender liedeutung gewesen war.
Das deutsche Theater in Cincinnati.
In Cincinnati. ().. wo schon früh ein
reges geistiges Leben unter den Deutschen
sich entwickelte, datirten die Anfänge des
deutschen Theaters von den vierziger
Jahren her. Zunächst waren es Dilettanten-
Vorstellungen, welche zur geistigen An-
regung des Deutschthums beitrugen. In
der zweiten Hälfte dei' fünfziger Jahre ent-
stand in der ..Freie ^länner-I lalle" eine
deutsche Bühne, auf welcher mehrmals in
der Woche deutsche Vorstellungen statt-
fanden, die xVnerkennung fanden und sich
der Futerstützung des Publikums erfreu-
ten. Der Bürgerkrieg machte auch in Cin-
cinnati der deutschen Bühne ein Ende.
Xach demselben übernahm die Turnge-
r-einde. wie in Philadelphia, die Pflege der
;1 'utschen Kunst. Sie sicherte sich die
Dienste mehrerer Berufs-schauspieler,
welche sich durch Dilettanten ergänzten
und im Theatersaal der Turnhalle anfangs
dreinud wöchentlich, dann nur Sonntags
deutsche Vor.stellungen veranstalteten.
Das Jahr 1877 bildete insofern einen
Wendepunkt in der Geschichte des deut-
schen Theaters in Cincinnati. als Anton
Föllger, der in St. Louis unter Heinrich
Boprnstein seine ersten schauspielerischen
Erfolge errungen hatte, die deutschen Vor-
stellungen von der Turnhalle nach Robin-
son's Opernhaus verlegte. In der näehsten
Saison wurden unter Direktion von Hein-
rich Wallner, einem Sohne von Franz Wall-
ner, der in Berlin im Jahre 1864 das Wall-
ner-Theater gegründet hatte, besonders
Posse und Schwank gepflegt. Die gefeierte
Tragödin Marie Wolff, deren ..Deborah"
den älteren Freunden des deutschen Thea-
ters in Amerika noch in Erinnerung sein
dürfte, übernahm darauf die Direktion und
gab mit einer ganz vorzüglichen Truppe in
Robinson 's Opernhause vortreffliche Vor-
DAS DEUTSCHE THEATER IN AMERIKA.
4Ö1
Stellungen, die sieh zwjir eines t,niten Be-
suehes erfreuten, aber nieht im Stande
waren, die Saison zu einem finanziellen Er-
folge zu gestalten. Trotzdem Hess sich
Alexander Wurster nieht abhalten, sein
Glüek in Ciueinnati zu versuchen. Er gab.
Sehmid, als Leiter, welcher auch in der
verflossenen Sai.son (1908—09) die Di-
rektion führte. Aus seiner Thätigkeit ver-
dient hervorgehoben zu werden, dass er in
1904 — 5 eine erfolgreiche Schiller-Feier
arraugii-te und zu Beginn des Jahres 19<)(i
wie überall, wo er das Direkt ionsscepter ge- Herrn Dr. Ludwig Fulda, der in allen Städ-
führt hatte, gute Vorstellungen, aber auch
ilmi leuchtete kein guter Stern, zumal da
infolge der Agitation der Fanatiker meh-
rere Sonntags- Vorstellungen von der Poli-
zei kurz vor Beginn inhibirt wurden.
Julius Collmer übernahm später die
Direktion. Er führte am 7. Januar 1884
eine deutsch-amerikanische Bühnendich-
tung zum er.sten jMale auf: W. Müller 's
Charakterbild „Ein lateinischer Bauer".
Noch eine zweite Uraufführung gab es
während derselben Saison. Der „Phoenix
Club" liess auf eigene Kosten eine neue
deutsehe Operette, deren Verfasser und
ten mit deutschem Theater beim Besuch
derselben durch Aulführung einrr seiner
Bühnen-Dichtungen geehrt wurde, als
Ehrengast der Stadt Cincinnati empfangen
durfte.
Die nachstehenden biograj)hischen Skiz-
zen dürften interessiren und hier einen
Platz verdienen :
Julius Collmer wurde in den dreissiger
Jahren des vorigen Jahrhunderts in der
Rheinpfalz geboren. p]r genoss eine sehr
gute Erziehinig und widmete sich früh-
zeitig der Bühne. War an bessern deut-
schen Bühnen engagirt, viele Jahre in Lue-
Komponist dem Deutsch-Araerikanerthum beek als Charakterspieler und Intriguant.
angehören, aufführen. Es war die Oper Kam 1866 nach Amerika und wurde zu-
„Sichelha^ngen" von L. Röscher und Ernst nächst von der Direktion Hamann & Ro-
Troy, Musik von A. Nembach. Letzterer, senberg für das New Yorker Stadttheater
ein namhafter Komponist im mittleren engagirt. 1870 ging er nach St. Louis und
war daselbst von 1871 bis 73 Rcgi.sseur.
Dann kam er nach Cincinnati, wo er sich
im alten Turnhallen-Theater durch eine
unvergleichlich inscenirte Egmont-Vorstel-
lung einführte. Diese brachte ihm Gast-
spiele in Chicago, Älilwaukee und St. Louis
ein. 1880 associirte er sich mit Isenstein
und Wurster, die dann auf gemeinschaft-
liche Rechnung die Saison in Milwaukec,
Chicago und St. Louis leiteten und ScliilT-
bruch erlitten. Collmer kehrte nach Cin-
ciniuiti zurück und bekam das Thejiter,
dank dei- Beihülfe seiner Freimaurer-Brü-
dei'. Im Cinciniuiti war er längere Jahre
im Kompagniegeschäft mit Philip S::u'ir-
srhina thätig. Anfangs der neunziger
Jahre ging er nach St. Paul, wo er das
Theater übernahm und auch .starb. Collmer
war mit der deutschen Sängerin und
Schauspielerin Nielsen verheirathet, wel-
cher Ehe zwei Kinder entsprossen. Eins
Westen, ist vor mehreren Jahren in Cincin-
nati gestorben. Die Librettisten weilen
noch unter den Lebenden.
In 1885 führte wie im Vorjahre Herr
Julius Collmer die Direktion. Die Auf-
führungen fanden im Grand Opera-House
statt. Friedrich Mitterwurzer gastirte.
Im Jahre 1888 trat Herr F. Szwirschina als
]\Iitdirektor ein. und Frl. IMarie Wolff trat
in Gastspiel-Rollen auf. In den nächsten
drei Jahren wechselten die Direktionen
Molchin & Heinemann resp. Collmer &
Szwirschina mit einaiider ali. bis im Jahre
1890—91 Herr .Alolchin der alleinige Herr
war. Von 1892 bis 1896 leitete Herr Szwir-
schina die deutsche Bühne, und dann
wurde er durch Fräulein Louise Schraid
abgelöst, welche bis zum Ende der Saison
1902 Vorstellungen im Grand Opera-House
gab. An ihre Stelle trat in der darauffol-
genden Saison ihr Bruder, Herr E. 0.
452
DAS DKITSi IIK TlIKATEK IX AMKKIKA.
dieser Kinder, eine Tm-lilfi-. ijrehört der
en«rliselien Bühne jiu.
l'Inlip SzwirscliiHa kam im Jahre 186S
mit seiner (Jattin. der vorzüjrli'ht'ii Sdiau-
spielerin Mari»* Krhe. narh Amei-ika. naeli-
dem rr in l'rovinzstädten Bayerns iiml
auch in .München als Schauspieler aut^etre-
ten war. liier war er in Huffalo und
Detroit als Re^'is.seur und Schauspieler
und spiitei- in (Meveland auch als Direktor
thäti«r. Im .Jahre 1877 kam er nach Cin-
einnati, wo er unter der Direkticm von
Wallner. Ka^'all und Tettenhorn als Regis-
seur für das deutsche Theater in Robin-
son "s Opendiaus engatrirt wurde. Seine
gründliche Kenntniss des Theaters, sein
stark ausgeprägter Kunstsinn, stellen ihn
in die ei*ste Reihe der deutseh-amerikani-
sehen Hühneideiter. Seine Inszenirung des
Goethe 'sehen ..Faust" in Cineinnati war
eine Meisterleistung, wie sie in diesem
I.<ande kaum ihres Gleichen fand. Er
wirkte am deutschen Theater in Cineinnati
in den Jahren 1878 — 1885. Im Herbst
18SJ) übelnahm er in Gemeinschaft mit dem
Schauspieler Jul. Collmer die Direktion <les
deutschen Theaters im Grand Opera lloiise,
welche bis 1889 währte. Im Herbst 1892
übernahm Szwii-schina die Direktion auf
eigene Rechnung und führte dieselbe bis
1897. als er sich, nachdem er Tausende für
die deut.sehe Kunst geopfert hatte, von der
Direktion und der deutschen Bühne für
innner zurückzog.
Das deutsche Theater in Cleveland.
Die Geschichte des deutschen Theaters
in Cleveland l>eginnt am 13. Juni 1855 mit
einer klassisehen Vorstellung. Sehiller's
..Räuber" wurden gegeben, denen am 11.
April 1857, also nahezu zwei Jahre später,
die zweite klassisehe Vorstellung, Sehiller's
Freiheitsdrama ..Wilhelm Teil", folgte.
Kritik wurde nicht geübt. Zwisehen diesen
beiden ..klassischen" Ereignis.sen lag die
Saison unter Direktion H. F. Bonnet 's im
deutsehen Xational-Theater in Potter 's
Block an Ontario Strasse. Der Regis.seur
hie.ss Xaver Strasser. die erste Liebhaberin
w;ir eine Frl. Körner. Nach der Vorstel-
lung gab es stets ein Tanzkränzchen. Als
KröflFmnigs- Vorstellung wurde gegeben:
..Der Thurm von Xesle" oder ..Die ge-
krönte ^lörderin", Drama von Th. Dünkel.
Eine Vorstellung ohne Ritterstiefel, Burg-
verliess und Sehwertgerassel war zu jener
Zeit in Deutsch-Amerika anseheinend nieht
denkbar. Eben.so wenig durfte im Titel
«'in ..oder" fehlen. Das Repertoire wies
Stücke mit folgenden vielversprechenden
Titeln auf: ..Otto von AVittelsbach" oder
..Der Kaisermord zu Bandierg", ..Die
Räuber auf .Maria Culm" oder ..Die Kraft
des Glaubens", „Hans Sachs" oder „Der
Kaiser und der Schuster", ,.Der Graf von
Burgund" oder ..Die Liebe in der AVild-
niss"; ja sogar bei der Posse gab es ein
..oder", wie folgender Titel zeigt: ..Der
Wirrwarr" oder ..Herr Timotheus Sebas-
tian von Langsam". Die Direktion seheint
mit dem Publikum bisweilen Schwierig-
keiten gehabt zu haben, denn auf dem
Theaterzettel wurde in fetter Schrift be-
kannt gegeben, dass „Ruhestörer ein für
allemal ausgewiesen werden und nie mehr
Zutritt haben". Zur Weihnachtszeit, als
das Geschäft tlau ging, kündigte Herr
Bonnet folgende Attraktion an :
„Bruno, der Eisenkneeht" oder .,Die
Vehme vorm Blutgerüst". Während der
Vorstellung: Verloosimg eines ausgewach-
senen, reichverzierten Lammes! Das in
dem Schauspiel vorkonnnende Lamm wird
nach Schluss des 4. Aktes öffentlich ver-
loost und zwar erhält eine jede erwachsene
Person, die eine Eintrittskarte für 25 Cents
löst, ein Freiloos! Das mitwirkende Schaf
wird den Abend für das geehrte Theater-
publikum zum genussreichsten der Saison
machen, weshalb man bittet, die Vorstel-
lung ja nicht zu versäumen, um ein
brechend volles Haus zu machen I ' '
Der Herr Direktor kannte offenbar sein
Publikum. Der besagte Hannnel hat ihn
DAS DEUTSCHE THEATER IN AMERIKA.
4.'i3
nicht auf den Hund gol)r<U'ht. Von der
„zufriedenen Theater-Gesellschaft" wurde
am ,. dritten Osterfeiertage" sogar ein Ball
veranstaltet, bei welchem ,,für gute Speisen
und die besten Getränke, sowie gute IMusik
und strenge Tanzordnung garantirt"
wurde. Was gutes zu essen und zu trinken
und aus.serdem Tanz ! Kann man mehr
verlangen ? Der vei*storbene Heinrich
Conried sagte einmal zu dem Verfasser:
„Wenn Sie in Amerika bei täglichen deut-
schen Vorstellungen gut besuchte Häuser
haben wollen, müssen Sie dem verehrlichen
Publikum bei 25 Cents Entree ein Beef-
steak und mindestens zwei Glas Bier gratis
geben! Dann vielleicht „unterstützt" es
die deutsche Kunst."
In nächster Saison gab Bonnet 's Nach-
folgerin. Frau Keller, statt der „Blut- und
Eisen "-Stücke ^lärchendichtungen. wie
„Azarel" oder ..Der verlorene Sohn",
„Der Alpenkönig" oder „Der Misan-
throp" ..Die Loreley" oder „Die Nymphen
des Rheins", ,,Uriel" oder ,,Der Liebes-
dämon". Nach jeder Vorstellung stieg die
erste Heldin und Liebhaberin von der
Bühne in den Zuschauerraum und ver-
theilte duftige Blumensträusschen an das
entzückte Publikum. Auch ein Genuss !
Die Frau Direktorin hatte zahlreiche
Nachfolger. Die deutschen Zeitungen
kümmerten sich nicht sonderlich um das
Theater. Wiederholt wurden Vorstellun-
gen, wie folgt, abgefertigt: ,,Wir waren
gestern verhindert, der Aufführung beizu-
wohnen, es soll aber ganz nett gewesen
sein." Bei Regenwetter ging das deutsche
Publikum damals schon, wie noch jetzt,
nicht in 's Theater. Einmal hatte sich,
es war unter der Direktion von Doeblin
Ende der sechziger Jahre, wirklich Publi-
kum an einem Regenabend eingefunden,
aber es musste nach Hause geschickt wer-
den, weil die Schauspielerinnen nicht er-
schienen waren. Sie hatten geglaubt, dass
bei dem Regenwetter doch Niemand in 's
Theater kommen ^AÜrde.
Philip Szwirschina, der 1872 die Direk-
tion übernahm mid sieben Jahre lang die
deutsche Bühne leitete, brachte neues
Leben. Er bot ein klassisches und moder-
nus Repertoire ; tüchtige Kräfte, deren
Leistungen auch vor der Kritik Ix-stflicii
konnten, und wus.ste sich ein Publikum
heranzuziehen. Eine besonders glückliehe
Idee Szwirschina 's, der noch in Ciii-
cinnati seinen Erinnerungen lebt, waren
die von ihm arrangirten Kinder- Voi-stel-
lungen, deren Wiedereinführung unserm
jetzigen deutschen Theater - Direktoren
nicht dringend genug empfohlen werden
kann. Szwirschina gewann dafüi* die
Kinder der angesehensten Deutschen der
Stadt und erweckte auch in der heran-
wachsenden deutsch-amerikanischen Gene-
ration Interesse und Verständniss für das
deutsche Theater.
Schliesslich aber kam es zu einem Krach,
veranlasst durch die Rivalität zweier Kon-
kurrenzblätter, die auch das Pei-sonal des
Theaters in zwei feindliche Lager theilte.
Der Komiker sang auf der Bühne Spott-
verse auf seinen Direktor, und Szwirscliina
entliess sein gesammtes Personal. Nach
einem IMonat hatte er eine neue Truppe um
sich gesammelt, welcher die Entlassenen
Konkurrenz machten. Zwei deutsclie
Theater waren zu viel für Cleveland. und
Ende der siebziger Jahre schlössen beide
ihre Thore.
Erst 1884 entstand wieder ein deutsches
Theater unter der Direktion Wolkenstein
und Goldschmidt. Aber die Herren rück-
ten mit der Kasse schon anfangs der Sai-
son aus, nachdem sie an einem Sonntag
Nachmittags ,, Wilhelm Teil" und Abends
,, Gebrüder Bock" gegel>en hatten. Als
Gast war bei ihnen Theodor ^lühlbach-
Mundt, ein Sohn der bi-rühmten Verfas-
serin historischer Romane, Loui.se Mülil-
bach, aufgetreten. Richard Stolte. Hein-
rich Jentsch & Carl von Wegern und dann
Jentsch allein versuchten sich als Theater-
leiter, aber mit so negativem Erfolge, dass
454
DAS DEUTSCHE THEATEK Ui AAIEKIKA.
nach der SaisoTi 1889 — 90 die deutsche
Bühne in C'leveland zn existiren aufhörte.
Erst 1896 versuclite sieli wieder Frau
Anna Franoseh-DieliK welche naive Rollen
mit viel Geschick luid Anuiuth spielte, als
Direktorin. Sie brachte unter Anderen
Theodor BoJlniann und Christian Schober
mit. Alwr der Erfolg blieb aus. und nach
zwei Saisons trat sie zurück. Im Frühjahr
1899 wurde ein deutscher Theater- Verein
gegründet, und am 27. September über-
nahm Alexaniler Wurster das Direktions-
Seepter. Er blieb zwei Saisons; ihm folgte
Alexander Sandory, der in der Saison
1903 — t von Fritz Xolte abgelöst wurde,
der in einer zu einem Theater umgebauten
Kirche Vorstellungen gab. ^lit der Saison
schloss das „Neue Deutsehe Theater".
Seither musste sich Cleveland mit gele-
gentlichen Ga.stspiel - Vorstellungen der
Truppe von Cincinnati begnügen.
Das deutsche Theater in Chicago und
Milv^aukee.
Die Geschicke des deutschen Theaters in
Chicago und Milwaukee sind so eng mit
einander verknüpft, dass sie nur in der
ersten Zeit des Bestehens von einander ge-
trennt werden können. Seit mehr als 20 Jah-
ren liegt der künstlerische Schwerpunkt des
deutschen Theaters beider Städte in Mil-
waukee. Die späteren Versuche, Chicago
ein selbständiges deutsches Theater zu
geben, endeten in jedem Falle mit finanziel-
len Verlusten für die Unternehmer.
In Chicaffo war .schon 1852 — 53 unter
Direktion des aus Flen.sburg stannnenden
Direktors Adolf Benroth, der später mit
seiner ganzen Familie in New Orleans dem
Gelbfieber erlag, und 1853 — 54 unter
Direktion Kurz in deutscher Sprache ge-
mimt worden. Auch das Thielmann 'sehe
Ehepaar hatte in den fünfziger Jahren
Direktion geführt. Dann hatten vor dem
Jahre 1871 in verschiedenen Vereinshallen,
darunter im „Deut.schen Hause", Gesell-
schaften mit mehr oder weniger stark aus-
geprägtem dih'ttiintischem Charakter sich
gegenseitig Konkurrenz gemacht. Das Re-
pertoire bewegte .sich in denselben altehr-
würdigen Geleisen wie in den ersten zwan-
zig Jahren der deutschen Theater in New
York und Philadelphia. Da trat der eigent-
liche Begründer des deutschen Theaters in
Chicago, Alexander Wurster, auf den Plan
und eröffnete in der „Aurora-Turnhalle"
mit einer ausgezeichneten Gesellschaft ein
neues deut.sches Theater. Er hatte Erfolg
und verlegte in nächster Saison die Vor-
stellungen nach einem grossen englischen
Theater. Der Neubau der Stadt nach dem
grossen Brande vom 8. bis 10. Oktober 1871
hatte Tausende von Arbeitern, welche hohe
Löhne verdienten und von dem Grundsatze
ausgingen ..Leben und leben la.ssen", nach
der Stadt geführt. „Alle Geschäfte", er-
zählt Wilhelm ]\Iüller in seinem schon
mehrfach erwähnten Artikel über das
deutsche Theater, „erfreuten sich eines
ungewöhnlichen Aufschwungs. Die israe-
litische Einwohnershaft, die In allen ameri-
kanischen Städten das verhältnissmässig
stärk.ste Kontingent der Besucher deutscher
Theater bildete. Avandte dem neuen Fnter-
nehmen ihre volle Gunst zu. Unter diesen
Umständen sah sich der Direktor drei Jahre
lang befähigt, mit tüchtigen Kräften das
moderne Lustspiel in grosser Vollendung
zu kultiviren und auch anderen Kunst-
formen Rechnung zu tragen, ohne da.ss der
Schatten eines zu erwartenden Deficits von
vornherein die Schaffensfreude verdüsterte.
Emil Höchster arbeitete nach Wurster im
gleichen Sinne und mit besonderer Berück-
sichtigung des klassischen Repertoires
weiter, ohne jedoch dieselben finanziellen
Erfolge zu erzielen."
.,Im Herbst 1882 vereinigten sich die Di-
rektoren von Chicago, St. Louis und Mil-
waukee, die Herren Isenstein, Wurster und
Collmer, um die geschäftliche und künstler-
ische Leitung der drei Bühnen nach gewis-
sen Vereinbarungen gemeinschaftlich zu
DAS DEUTSCHE THEATER IN AMERIKA.
4Ö5
zwei K(>llkui-I-('IlZ-('llfrl-|i,.|i|iH.||. (|;is ..Dcut-
sclic Tliciitci-"' uuXvv Leitung von Georg
Isciistciii und S. Selig, sowie das „Apollo
Tlu'jilei-"' unter .M. Xeuinann. Tni .lahre
ülji'nielunen. Dui'<-Ii \\'r\venduiig dersel-
ben Künstler an den versehiedenen Bühnen
hoffte man nieht allein die Reti'iehskosten
zu verringern, sondein audi ein iiiainiieli-
faltigeres Repertoire bieten und dem Ver- 18S7 fand eine Interessen-Vei-sehmel/.ung
fangen des Publikums naeh .neuen' Darstel- zwisclicn llci-rn Selig und der Direktion
lern Reehnung tragen zu können. Das Ex- der Herren Weib. Kiduiid und \Va<-hsner
perinient erwies sieh als ein vei-fehltes, denn V(.n .Milwaukee statt, wodureh der künst-
sehon naeh zweinionatliehem Bestehen Iciisclie Schwerpunkt des 1 'nternehmens
löste sieh die Firma auf. Isenslein führte nach .Milwaukee verlegt wui-de. Zu
JULIUS RICHARD, Milwaukee.
das Theater in Chieago weiter, Collmer
wandte sieh nach Ciueinnati, und St. Louis
nuisste für den Rest der Saison mit gele-
gentliehen Vorstellungen vorlieb nehmen."
Auch die folgenden Saisons in Chieago
standen unter Georg Lsenstein's Direktion.
Die Saison 1885 — 6 wurde mit ..Durehge-
gangene AVeiber" (M-ötf'net. Ein Gastspiel
Friedrich ]\Iitterwurzer's wai- das Haupt-
ereigniss. Die Spielzeit lS8ti — 87 brachte
gleicher Zeit hatte sieh in tler ,,Aurt)ra
Turidndle" eine deutsche Bühne etablirt,
auf welchei- untei- ih'\- Aegide der Frau
Schaund)urg und des Ilei-rn L. Schindler
Vorstellungen gegeben wui'den. Das Jahr
1888 — 89 findet die deutsche Bühne in Mac-
Vi<'kers Theater unfi'i' alleinigei- Leitung
der Herren AVelb. Richard uiul Wachsnt'r
von ^Milwaukee. Zu gleicher Zeit .jed«»ch
spielte ein En.semble unter Ilerm L. Neu-
466
DAS DEl-TSCHK THEATER IN AMERIKA.
manu in Germania-Theater, wo Herr Au-
gust Junkermann als Gast auftrat. 1889 —
90 gaben sowohl die Mihvaukeer Direk-
toren, wie aueh Herr Neumann deutsche
Vorstelhmgen. Im nächsten Jahre be-
herrsehten die Herren von Milwaukee wie-
der das Terrain allein. Sie hatten als Gäste
zunächst Herrn Kmil von der Osten, dann
„Die ^lünchuer'' und endlich „Die Lili-
putaner". Im Jahre 1891 war Julius
Richard dem Direktorium durch den Tod
entris.sen worden, welches aus den Herreu
Weib und Wachsner bis zum Jahre 1899 —
1900 fortbestand. In den nächsten Jahren
wurde im Schiller-Theater gespielt. Eine
glänzende Schillerfeier in der Saison
UK»-1 — 5 und ferner Gastspiele hervor-
gender Künstler mid Künstlerinnen, die
unter der Direktion Weib und Waehsner
und sjiäter unter letzterem allein von ]\lil-
waukce aus gastirten. waren besonders be-
nu'rkenswerth.
Julius Eichard war im Jahre 1880
als Regisseur nach St. Louis engagirt Avor-
den. Er war ein ausgezeichneter Clmrak-
terdarsteller und vorzüglicher Spielleiter.
Später übernahm er gemeinsam mit Weib
und Wachsner die Direktion in ^lilwaukee-
Chicago. Der grosse künstlerische Erfolg
der ersten Jahre wurde Richard zuge-
schrieben. Er starb, wie erwähnt, im
Jahre 1891. Er war im Jahre 1848 in
Hannover geboren, sollte auf Wimseh der
Eltern Seidehändler werden, ging jedoch
im Alter von 20 Jahren zur Bühne und
errang bedeutende Erfolge. Er war ]Mit-
glied des Iloftheaters im klassischen Wei-
nutr. als er dem Rufe nach Amerika folgte.
In Milu-nul-cr hatte sich seit ^Mitte des
vorigen Jahrlnuiderts ein reges Interesse
für deutsche Bühnendichtung und Schau-
spielkunst kuudgethan. Im Jahre 1856
hatten sich Louis und ^larie Pelosi. das
und waren dort mit Erfolg aufgetreten.
Ebenso waren daselbst p]duard Ilärtiug
und Hedwig Hesse von New York im Jahre
1863 mit otfenen Armen empfangen worden
und hatten reussirt. Später wurde dann
das Milwaukee Stadttheater nacli dem
Plane des Salzburger Stadttheaters gebaut,
und dort führte ..Papa Kurz", wie der
Pionier der dramatischen ]\Iuse im Nord-
westen \t»n den Jüngern Thalia 's genannt
wurde. Jahre lang das Regiment. Unter
seinem Nachfolger Julius Collmer, der
sieben Jahre lang Direktor in Milwaukee
war. entfaltete sieh dort ein reges Theater-
interesse. Alle klassischen Dramen und
alle modernen Stücke von Bedeutung wur-
den von tüchtigen Darstellern dem Publi-
kum vorgeführt. Es wurde zweimal wöch-
entlich — am ^Mittwoch und Sonntag —
imd, wenn Gäste engagirt waren, auch am
Freitag gespielt. Selbstverständlich suchte
auch in Milwaukee wie in anderen Städten
eine unvernünftige Konkurrenz, die von
Schauspielern unter Zuziehung von Dilet-
tanten auf Vereinshallen-Bühncn dem legi-
timen Theater gemacht wurde, den finanzi-
ellen Erfolg desselben nach Kräften zu
beeinträchtigen.
Als Collmer sich nach Cincinnati ge-
wandt hatte, übernahm ein Herr Aronson
das Stadttheater. In der Saison 1885 — 6
gastirte bei ihm Friedrich ^Mitterwurzer.
In 1884 hatten Richard. Weib & Wachsner
das Deutsche Theater übernommen.
In der nächsten Saison wurden reguläre
Vor.stellungen von der Direktion Richard,
Weib und Wachsner im Stadt-Theater ge-
geben. Dieselbe Direktion veranstaltete im
nächsten Jahre im Stadt-Theater die Er.st-
aufführung von ..Das lachende ^Milwaukee"
und bot ihrem Publikum einen besonderen
künstlerischen Genuss. indem sie die königl.
sächsische Schauspielerin Anna Haverland
Künstlerpaar, welches später der deutschen für ein Gastspiel engagirte. Im Jahre vor
Bühne St. Louis' eine so werthvolle Stütze her hatte eine Truppe unter Leitung von
werden sollte, von Philadelphia nach dem Wilhelm Fleck im Thalia-Theater mit
Deutsch-Athen am ^lichigan-See begeben Fräulein Emma Abbott als Gast gespielt
DAS DEUTSCH p] THEATHK l.\ AMHKIKA.
•l.-,7
und am Weihnachts-Abend „Com" zur
Aufführung: trcliracht. In 1887 — 88 wurde
in demselben Theater unter der Leitun»; der
Herren Fritz Plitzi^ratli und Dröjrer gre-
spielt. Im AVinter 1888 — 81) tinden wir im
Stadt-Theater die Herren Weib. Richard
und Waehsner und im Thalia-Theater
Herrn K. Alexander als Hühnenleiter.
1889 spielten die erstgenannten Herren im
deutsehen. 1890 im Stadt-Theater.
LEON WACHSNER, Milwaukee.
Im Jahre 1891 verblieben die Herren
Weib und Waehsner in der Direktion im
deutschen Theater und hatten das Glück,
ihren Gönnern Joseph Kainz als Gast vor-
stellen zu köinien. In dem Theater wurde
in den folgenden Jahren unter derselben
Direktion gespielt, und es ereignete sieh
nichts Erwähnenswerthes bis zum Jahre
1897. welches durch ein Gastspiel der Frau
Agnes Sorma l^edeutung gewann. Die
nächste Saison bot Gastspiele von
Em:mnel Reicher, Adolph Sonnenthal und
(Im ..Tegernseeni'". Die Saison 1900 — Ol
l)rachte die Erüffuiuig des Pabst-Theaters,
in welches Herr Lcnn Wachsner. nachdem
Herr Weib ausgeschieden war, als AUein-
heri'scher einzog. Von späteren Ereigiiis-
si'U verdient inn- die glänzende Schillerfeier
in der Saison 190-1—") Ei-wähnuiig.
Direktoi- Leon Waehsner i i-c-te Wachs-
manu 1 wurde am l'J .März 1,^.')4 in Stettin
geboren. Kr widmete sich dt-m Kauf-
mannsstand ntid kam im Jalif 1880 nach
Amei'ika. Kv w.'.v nui- mit uei^imii-n (Jcld-
mitteln ausgerüstet, und. ila er in dei- Hei-
math schon in Dilettantentheatern aufge-
treten war, kam er auf den Gedanken, auch
hierzulande sein Glück auf den weltbedeu-
tenden Hrettei-n zu versuchen. Am "J").
September 1880 trat er in Williamsbui'g.
Xew Yoi-k, in dem bescheidenen Theatci-
der Frau Direktor Hulda Freud.'uthal, und
zwar in .MosenthaTs Trauerspiel ..Isabella
(^rsini" als Vittorio Capella auf. Intimen
Bekannten zeigte der Direktor Wachsner
zuweilen den vergilbten Zettel seints De-
büts und fügte dann in seiner liebenswür-
digen Weise hinzu, dass er schon in dieser
tragischen Rolle den Beweis geliefert ha])e.
dass er sich zmn Komiker eigne. Xun galt
es von der Pike auf im Bühnendienst zu
wirken und den trüben Tagen, mit sechzehn
Dollars monatlicher Gage, folgte endlich
Sonnenschein, als ihn Direktor Adolf
Xeuendorff vom Germania-Theater in .\ew
York als Lude in der Po.sse „Ihre Familie"
von Engels-Stinde spielen sah und ihn so-
fort für seine Bühne gewaini. Balil retrte
sich in dem .iungen Künstlei- dci" Wunsch,
den Zug nach dem Westen auzuti-eten. Mit
Friedi'ich Ilaase unti'i-nahm Direktor N'eu-
endoi-ff eine Kün.stlerfahrt. die auch Mil-
waukee in sich schlo.ss. Mit dieser Trupp«'
trat Leon Wachsner dort zum erstenmal,
und zwar im ehemaligen Academ.v-Theater.
auf. Ein längeres Engagement folgte dann
für ;\Iilwaukee im Jahre 1880. wo damal>
Herr Otto O.sthoft' im Schlitz-Park e-ncr
deut.sclien Tlieatergesellschaft vorstii:d.
4Ö8
DAS DEUTSCHE THEATER IN AMERIKA.
I),T WiiitiT 1>!82— 8:^ führfe ilm nach
Chicii^'»» zur Dircktinii ColliiuT, Isiaistrin
und \Vur.st«T. lli<T wiirdni Julius Richard,
Ferdinand Weih und L»'<>n Wachsncr mit
cinandtT bekannt, die dann am 1». Sent. ni-
hei- 1S^4 das so«.'enannte alte Stadttlieater
an der Dritten Strasse in Milwankee üher-
nahnien. Von Anfang' an la.ir die «;p.sehäft-
lieh«' Leitunjx des rnternehniens in Waelis-
ner's Händen. Auf der liühne erwarb er
sieh immer mehr «lie (iunst der Zuschauer
durch tue (Je.staltunir erster komischer
Hollen. Da entstand sein Schuster Weiuelt
in ...Mein I.eojiold". Miselxk in ..Sehöne
rn^'arin". Marnj)»' in ..Stal).strompeter".
Striese in ..Haub der Sabinerinnen ', um
nur einiire zu erwähnen.
Am IS April ISilO wur(h> mit einem
(Jastspiil vdii Direktor Passart von .Mün-
chen als Kiinijr Lear das alte Stadttheater
für iniiner geschlossen.
Am 17. Sei)tember 18D0 eröffnete sochnin
(bis neue Stadt theat er an der Oneida
Strasse seine Pforten mit (ioethes E«rniont.
Hier feierte am 20. April 18i)4 Direktor
Wachsner mit seinem daniali^en Kollegen
Ferdinand Weib (bis zeluijährig'e Dii'ck-
tionsjubiläum. Dem Theater wai- kein
lan«res Leben beschieden. Es ging in
Flanuneu auf.
.\n seiner Stelle wurde das gegenwär-
tige Pabsttheater enichtet. Direktor Leon
Waehstn-r war am P2. Mai lSi)4 eine Ehe
mit Mary Litt, (h-r Tochter des Direktors
vom Hi.jou Opera Ilouse. eingegangen, die
ihm den Lebensabend verschönern half.
Im Frühjalir lüOO schied sodatui Direk-
tdi- Will) aus (h-r Dii'cktion und von nun
an übernahm Direktor Lion Wachsner
allein die Leitung.
Als aktives Mitglied liatte sieh Direktor
Wachsner immer mehr von der Bühne /.u-
rückgezogen. Nur eine Holle nahm er noch
hier und da zum Auftreten vvahi-. Den
(Jiesecke im ..Weissen Höss'l" spielte er
noch. Es knüpfte sich füi- ihn daran eine
angenehme Erinnerung. Kr war in ihr in
der alten Heimath aufgetreten, in Marien-
bad, wo er sommerlich zur Kur sieh aufzu-
hallen pflegte. Die deutsclic Presse hat
ihm damals alles ].,ol) dafür gespendet, abei-
nur intimen Freunden gewährte ei' einen
Eiid)lick in die darüber erschienenen
schmeichelhaften Kritiken. Eine weitere
(ienugthuung wurde ihm zutheil durch die
Verleihung des Kronenordens im Oktober
lilöf). Noch einmal hatte er sieh vorge-
nommen als Künstler vor das Pul)likum zu
treten. Am 20. April 1!»0!) wäre er 25
.Jahre Direktor gewesen. An seinem Jubi-
läumsabend wollte er in ..Kurmärker und
Pikarde" auftreten, eine seiner Glanz-
rollen verklungener Zeiten. Y.H war ihm
nicht beschieden. Ein Herzschlag raffte
ihn am Samstag, den 20. F'ebruar. kurz,
vor 11 Uhr Abends, im Schlafwagen vor
Huffalo. auf dem Heimwege von New York
nach Milwaukee begriffen, dahin. Seine
AVittwe führte die Direkti<m weiter.
Das deutsche Theater in St. Louis.
Schon in der Einleitung wurde erwähnt,
dass die erste deutsche Theater- Vorstellung
in St. Louis im Jahre 1S42 Schiller "s Ju-
genddrama ..Die Räuber" bot, mit dem
Schauspieler Riese als ..Karl ^loor". Dilet-
tanten übernahmen dann die Pflege der
dramatischen Kunst, unter ihnen der Ad-
vokat Christian Kribben, sein Bruder Wil-
helm, der Steuermann auf einem Missis-
sipi)i-Dampfer war, Henry Lischer, Wil-
helm .Mackwitz und andere mehi'. Eine
Thalia-Gesellschaft gab drei Jahre hin-
durch mit gewissen Unterbrechungen Vor-
stellungen. Direktor Strasser, dessen Frau
und Tochter ebenfalls der Bühne angehör-
ten, erölTnete eine mit einigen Luftlöchern
versehene Bretterbude im Arsenal-Park im
Jahre 1851 unter dem euphemistischen
Namen „Sommertheater". Dann gab der
St. Louis Sängerbund, der älteste Gesang-
verein der Stadt, unter ]\Iitwirkung des-
Schauspielers und Sängers Benrodt eine
Heihe von Vorstellungen, deren erste „Der
DAS DEUTSCHE THEATER ]N AMEHIKA.
4.^9
Ih'inithsaiiti-a^' auf Ilelgoland" war. Im
Jalire iJ^öii gründete der Ileraus^a'lx'i- und
Redakteur des ,, Anzeiger des Westens",
Heinrieh Boernstein, die ..Philodraniati-
sehe Gesellsehaft". welche die ]^asis bildete
für die erste ständige deutsehe IMiliiu' dci-
Stadt im ..St. Louis Opernhaus". Boern-
stein war Direktor imd spielte ebenso wie
seine Frau Marie häutig mit. Es wurden
.sogar unter Leitung des tüchtigen Musikers
Adolph AVillhartitz Opern gegeben. Der
100. Geburtstag Schiller 's, 1859. wurde
eine ganze Woche lang gefeiert und wäh-
rend derselben ..Kabale und Liebe". ..Die
Räuber". ..^Maria Stuart", „Wallenstein 's
Tod", „Wilhelm Teil" und „Fiesco" gege-
ben. Es wurde an jedem Abend gespielt,
auch im Sommer. Die Sonntags-Einnahmen
deckten das Defizit der weniger gut be-
suchten Vorstellungen an Wochentagen.
Da inhibirte ein AVillkürakt der secessio-
nistisch gesinnten Polizei am 14. März 1861
die Sonntags- Vorstellungen. Ohne die war
ein Fortbestand des Theaters nicht möglich,
und dei- Ausbruch des Bürgerkrieges that
das Uebrige. Boernstein zog als 01)erst
in 's Feld und mit ihm verschiedene seiner
Schauspieler. Später wurde im Apollo-
Theater und im Xational-Theater. das im
April 1866 durch Feuer zerstört wurde,
unter der Direktion von Wilhelm Koser,
Hannes Lewens und Ant(m Foellger ge-
spielt. Es gastirten während der Zeit Otto
Hoym, Eduard Ilaerting. Hedwig Hesse,
Ottilie Genee aus Berlin. Herr und Frau
Pelosi. der Komiker Julius Ascher und die
damalige jugendliche Gesangssoubrette Jo-
hanna Claussen. welche den tüchtigen
Schauspieler Julius Koch heirathete und
später als komische Alte in den meisten
deutschen Theatern des Landes engagirt
war. Nach dem Brande des Xational-Thea-
ters verlegte Koser seine Vorstellungen
nach den Varietes, wo auch Emil uiul
Louise von der Osten gastirten. In der
Saison 1867-68 waren unter Anderen in
St. Louis Alexander Kost, der später in
IMiiladelpliia Diicktor wui'de. und K\n'l
Lasswitz engagirt. Gastspiele Fanny Ja-
nauscheck's .Marie Seel)ach's und des
L'Arronge 'sehen l'aaics erhüliten die
Freude am deutschen 'riie;it«r. Im .M;ii
ISfiS übernahm Alf'ons von Zei-lmni. des.sen
Gattin eine gute Gesangssoul)!"elte war. die
Direktion. Er starb im .\ugus1 d«'s.selben
Jahi'es, und .seine junge (iattin. welche den
Tod des geliebten Matnies ni<'lif überleben
konnte, beging Selbstmord. Ein Gast-
spiel der Tragödin Fiau von Haeindorf im
Anfang 1869 ergab ein finanzij'll günstiges
Resultat. Eine Operetten-Saison unter
Kapellmeister Schrainni war ei-folgreich.
weniger gut schnitt Direktor .Julius Her-
mann, ein Sänger von Profession, mit
Opernvoi-steliungen ab. Im Juni 1872 wie-
dei'holte er den Versuch, und er sowohl wie
sein Nachfolger in der Direktion. Theodor
Hal)elmaini, erzielten Erfolge. Anderthall)
Jahre lang hatte St. Louis eine stehende
deutsche Oper, deren treffliche I^eistungen
allgemeine Anerkennung fanden.
Im Oktober übernahm Louis Pelosi die
Direktion. Ei' wie seine Frau waren in
St. Louis sehr helieht und fülirlen neun
Sai.sons hindui'cli. allei-dings mit l'nterbre-
ehungen. veraidasst durch Reisen nach
Deutschland und gelegentliche Kuhepausen.
die Direktion. Im Jahi-e 1884 starb Fi-au
Pelosi. nachdem sie und ihr Gatte im .lalire
1879 ihr 25jähi-iges Schauspieh'i--.Iul)iläum
hatten feiern können, und bald darauf zog
sich dei- trauei-nde Gatte \-on der Bühne
zurück. Am Schluss der ersten Pelosi '-
sehen Saison wurde ein von l)i-. -lohn
Ilartnuum von St. Louis verfasstes Stück
..Die deutsche Landwehr odei- die Belage-
rung von Strassburg" unter .Mitwirkung
der Simi)son 'sehen Battei'ie und dei- (Jarde-
rianen aufgeführt und erzielte einen
grossen Erfolg. Dasselbe gilt von einer
anderen rrautführung. <Ut des von dem St.
Louisei- Diehtei- .1. (i. Woeiiier vei-fassten
Schaus|)iels ..Skla\in". Später wurden in
St. Louis novh zwei l ■rautführuniren gege-
■im
DAS DEUTSCHE THEATER IN AMERIKA.
ben: Unter Ilonnann Riottc's wenif; glüek-
licluM- Direktion in der Saison 18J)0— 1, die
in seehs MonatfM in nenn verscliiedenen
Lokalitäten si)it'ltf und dn-cn «rrüsstes Lei-
den eint' von Dcntscldand initheriiherore-
Itraehte lier/lieh scldeehte Opem^esellschaft
war. das anierikanisrhf Sitti-uliild ..Sihyl"
von Clias. (iildclians inid in der Saison
IIKC, — (i Hans Kissiinjr's cnerjriseh abgre-
Icinites ..Schwcinctien" - Lnstsi)iel ..Die
Ironnne Helene".
GEORG HEINEMANN.
Hs wnrdf irt'wiiindicli nur Sonntags im
Olynipic Theater jjespicll. in einzelnen Sai-
sons jedoch aneh zweimal wöehentlieh im
Apollo-Theatei-. l'elosi's fjrösste Stütze
war der Komiker .Max Lnl)e. de.ssen Gattin
Josephine elienfalls sehr gut gefiel. Tm
Sommer 1875 wurden im Apollo-Theater
unter Habelmann's Leitung mit Karl
Formes als Gast wieder Opern gegeben.
In der Saison 1S76 — 7 spielte Alexander
Wurster mit seiner Gesellschaft Sonntags
im Olympie und machte glänzende Ge-
schäfte. In der nächsten Saison machte
Wurster den Pelosis Koid<nrrenz. Sein Re-
gisseur war der spätere Redakteur des .,Da-
veni)oi't Demokrat". Gustav Donald. Von
187!) an war Direktor Rieckhoff der Leiter
des deutschen Theaters in St. Louis. In
der Saison 1881 — 2 erschien Wurster wie-
dei- auf dem Plane mit dem Ilof.schauspie-
1er Karl Sontag aus Hannover und der Ge-
sangssoubrette Anna Wagner als Hauptat-
traktionen. Das mehrwöchentliche Gast-
spiel der Geistinger 'sehen Operetten-
Truppe unter Andjerg's Leitung, sowie ein
achttägiges Gastspiel Friedrich Ilaase's
Ihat ihm bedeutenden Abbruch, während
Rieckhoff auf einer Gastspieltournee im
Staate grosse Summen einbüsste.
Hill Operetten-Theater im Sommer 1882
erlebte einen schmählichen Krach, trotzdem
die Soubrette Alwine Heynold nach der
Flucht des Direktors die Leitung der Ge-
schäfte übernahm. Die Direktionsthätig-
keit der Brüder Victor und Hugo Sarner,
des Komikei's ..Fdtlie" Schmitz und Her-
mann Kiotte's waren kein Erfolg. Die
Saison 1893 — 4 wurde im Germania-Thea-
ter von Alexander Wurster eröffnet; er
liracli jedoch die zweite ])lötzlich ab. sodass
die Schauspieler sich genöthigt sahen, auf
eigene Rechnung weiter zu spielen. Daim
folgten einige Saisons, in welchen Vorstel-
lungen bald in diesem, bald in jenem Thea-
ter gegeben wurden. Das war schlinnn,
sclilinnner al)er waren, wie die ,, Westliche
Post" schrieb, die gegebenen luid nicht er-
füllten Versprechungen, die Enttäuschung
der Abonnenten, die für ihr Geld keine ent-
sprechende Gegenleistung erhielten. Der
Kredit des Theaters sank von Jahr zu Jahr.
Da ergriff Georg Heinemann im Jahre
1898 die Zügel der Leitimg und ging mit
frischem Muthe an die schwierige Aufgabe,
das fast ganz geschwundene Ansehen der
deutschen Bühne St. Louis' wieder zu he-
ben. Es galt einen schweren Kampf, ins-
besondere in der zweiten Saison, als dem
muthigen Leiter noch eine Konkurrenz
durch Frau Anna Diehl-Franoseh im Ger-
DAS DEUTSCHE THEATER IN AMERIKA.
4ül
inai:ia-Theater entstand. Aber er verza^rte
nicht, kämpfte niiithit; weiter luul hatte
bakl die Genuj.'tlniuntr. dass sich ch'r lie-
siu'li der Vorstellungen lanjj:saiii. aber ste-
tig, inib. dass auch das dem deutschen
Theater entfremdete bessere Pu])lil\uiii sich
wieder einzustellen betrau n, ins])es()ndere
na<"lideiii im .J^dlre 1900 durch di n Eintritt
des Herrn Ferdinand AVell). früher .Mit-
direktor d<M- ho'haniresehcneii deutsehen
FERDINAND WELB. St. Louis. "
Bühne in ^lilwaukee, das allgemeine Ver-
trauen i:i die Direktion eine mächtige
Stärkung erfahren hatte. Sorgsame Aus-
wahl der Gesellschaft, gut und sorgfältig
vorbereitete Vorstellungen und kluge Spar-
samkeit, wo solche ohne Schädigung des
künstlerischen Ansehens der Vorstellungen
ausgeübt werden konnte, wirkten zusam-
men, um wieder einen festen Grund für
das Theater zu schaffen, das auch während
der Wcitausstellungszeit vor <lcii Gästen
aus der alten Ileimatli mit Khini bestehen
k(»nnte. l'nd nicht einmal das ewige Wan-
dern vom Olyiiipic nach dem ()<|e(»ii mid
vom Odeon wieder nach dein (Mympic
konnte seinen I^estand gefährden.
Ileinemann iiielt streng darauf, dass
neben dei- künstlerischen auch die ge-
schäftliche Ehi-e seines rnternehmens
fleckenlos ei-haiten werde, und erwarl) sich
währeiul seiner lOjährigen Direkt ions- und
Schauspieler-Thätigkeit in St. L(»uis ein
Heer von Freunden. Ein Glanzpunkt in
(Jeo. lleinemainrs Direktions - Thätigkeit
war eine (Jastspielreise seines durch Max
Ilanisch und Emilie Schönfeld von Phila-
delphia verstäi-kten p]nsend)les naeli Mexico
nach Schluss der Saison 11104 — 5 unter
Aegide des Impresario II. M. Campbell.
Zweifellos müssen die Leistungen vortreff-
lich gewesen sein, sonst wüi-de der deutsche
Gesandte. Freiherr von Wangenheim, ein
ständige)- Besucher der Vorstellungen, die
im Hidalgo-Theater der Stadt ^Mexico statt-
fanden, nicht wiederholt Gelegenheit ge-
nommen haben, der Direktion imd ihrer
wackeren Künstlerschaar .seine vollste An-
erkennung auszusprechen. Auch in Pueblo
und Guadalajara wurde mit grossem Er-
folge gespielt. Die Truppe war die erste
deutsche Schauspieler-Gesellschaft, die in
der Xach])ar-Republik gastirte.
Eine würdige Schiller-Feier wai' in der
genannten Saison veran.staltet worden.
Herr Heinemann starb Anfangs Februar
1908; sein Ableben wurde allgemein be-
trauert. Die Saison 1908 — 9 stand unter
der alleinigen Leitung Ferdinand Weib 's.
Feber ileinemann 's Lebenslauf .stehen
nur verhältnissmässig dürftige Notizen zur
Verfügung. Er selbst war viel zu .sehr ein
]\Iensch der Gegenwart, um viel von .seiner
Vergangenheit zu reden, wenn er auch
gerne und unterhaltend von seinen Wan-
dertagen in Wisconsin redete, wo die deut-
schen Künstler, besonders die von Milwau-
kee, früher allsommerlich Kunstreisen zu
46S
DAS DKl-TSCHK THKATKK IX AMKKIKA.
uiiterijrhiiu'ii pricjrt.-n. IleiuiMiianii war im
.Fahrt' 1S47 als S(»liii cim's Militärarztes in
Itrrliii p'lM>r«'n. «miut seiner Brüder ist
HofsrhauspieU-r in Hannover, ein anderer
(Jeriehtsrath in Berlin, wälirend ein dritter
in CliieaUM wohnt. (Jou-jr Ileineniaiui er-
n'irhte ein Alter von (il .lahreii. Selion in
.seiner .lu^rendzeit zeigte er eine ans^'e-
s|»nM-hene Neipini«: znr Bühne, dir er.
naelnleni »-r heranirewaehsen. au«h tuljrte.
luul halil führte ihn sein Wandertrieb
üIht's Meer, wo er znnäeh.st im Jahre 1869
in rhiladelphia auftrat und dann unter
Direktor Ciuttniann's Leitung; in New
Orleans s|)ielte. Im Jahre 1881 finden wir
ihn als «resrhätztes Mitfilied des Chieago-
Mihvaukeer Ensembles unter der Direktion
Collmer & Isenstoin. wo er aueh seinen
nachnialifjen Partner Weib kennen lernte.
Später spielte er unter Wurster in St. Louis
und lMiiladel|)hia, um dann naeh kurzer
Direkti<»n.s-Thäti{rkeit in Cincinnati die Lei-
tung des deut.sehen Theaters in Philadel-
phia zu übernehmen. Als er dieser Thätig-
k<'it müde «ri'worden war. sa^e er der
Bühne auf einijre Zeit Valet. Er übernahm
als Pächti'r das Belleview-Hotel in f]lkhart
Lake vHid sj)ätt'r l'o|»f's Hotel in She-
Imy^'an. Dann wunlr dri- Reiz des Ram-
penlichts wieder zu mäehtig in ihm. und er
übernahm die Direktion in St. Louis.
FtnlinniKl Wrlh. in 1852 in Fraidvfurt
a. M. «rebitren. ursprüiifrlieh Architekt,
betrat die Bühne seiner Vaterstadt im
Jahre 1S72. Als Schauspieler war er
thätin in Salzburg (1874); Budai)est
(1875); (lastspiel reisen mit Albin Swobo-
da's Cie.sell Schaft nach Triest und Venedig
(1876) : später Hoftheater in Meiningen.
Stadtthejiter Basel (1878) ; Hoftheater
Oldenburg (1879); Otto Devrients Faust-
AufTührungen im Berliner Xationaltheater
(Sonniier 1880) ; Stadttheater in Königs-
berg (1880—81). Weib kam naeh Ame-
rika im Herbst 1881 an die vereinigten
deut.sehen Theater von ]\Iilwaukee und
Chicago, Direktion Collmer und Isenstein.
als Schauspieler, später auch als Regisseur.
Er übernahm im Jahre 1884 im Verein mit
Julius Richard und Leon Waehsner die
Direktion des Deutschen Theaters in Mil-
waukee. welches im Jahre 1886 mit dem
Deutschen Theater in Chicago vereinigt
wurde. Im Jalire 1900 trennte sich Weib
von Wachsner und übernahm im Herbst
desselben Jahres im Verein mit Georg
Ileinenuinn die Direktion des Deutschen
Theatei-s in St. Louis. 1900—01 Olympic
Theater. 1901—03 Germania-Theater, 1903
—04 Odecm, 1!)04 — 05 wieder Olympic
woran sich eine Gastspielreise durch Alt-
]\Iexiko. die ersten deut.sehen Schauspiel- ,
Vorstellungen auf dem Boden der Repu-
blik, anschloss. 1905 — 08 wurde wieder im
Odeon gespielt, dessen Direktion er seit
Heinemann's Tod (Februar 1908) allein
weiterführt, in der Hoffnung auf das im
Herbst 1910 zu eröffnende neue deutsche
Theater in St. Louis.
Das deutsche Theater in Detroit.
Philip Szwir.schina entdeckte Ende der
sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts
die Eignung Detroit 's zur Heimstätte der
deut.sehen ]Muse. Er eröffnete da.selbst in
einer Vereinshalle eine deutsche Bühne, der
er den Namen Stadttheater gab. Bis zum
Schlüsse der Saison 1871 — 2 war ei- in
Detroit thätig; er konnte mit einem Ueber-
schuss von dannen ziehen und verlegte
seine Thätigkeit nach Cleveland. E^
wurde auch nach Szwirsehina in Detroit
deutsche Komödie gespielt, namentlicli
liess sich der Thalia Theater- Verein dir
Pflege der deutscheu Bühne angelegen
sein. Im Herbst 1888 wurde der Komikei-
Karl Schmidt Direktf)r des Deutschen
Theaters. Auch in der Saison 1889—9«'
führte erdas Direktionsseepter. Im W^inter
1892/93 wurde in der Germania-Halle
unter Leitung des Turnvereins gesi)iel1
gleichzeitig aber gab in der Arbeiter-Hall'
Direktor Chr. F. :Meyer Vor.stellungen.
DAS DEUTSCHE THEATEK I\ AM KKl Ka.
4ti3
Diese müssen wohl von Erfolg gekrönt ge-
wesen sein, denn wir finden denselben
Herrn aneh wälu-end der folgenden Saison
an der Spitze des deutsehen Theaters. In
den näehsten Jahren versuchten sieh ver-
schiedene Direktoren in Detroit, darunter
Theodor Bollniann in den Saisons 11)00 — 1
und 1!M)1 — 2. aber keinem blühte ein wii-k-
lieher Erfolg; so hörte denn Detroit auf.
deutsehe Theaterstadt zu sein. In dei-
Saison 1903—4 gab Direktor Fritz Nolte
von Cleveland in Detroit sechs Yoi-stel-
luugen.
Zelte in dci- (Maus Groth-IIallf aufgeschla-
gtMi liatle. lierrschte Direktor Fritz Singt-r.
Wälirend der Spielzeit 1!)04 — ().') leitete
Direktor Seiiober für den Thcalcrvcrein
das Institut, von 1905 bis 1!K»7 di-r N'crcin
selbst.
In letztgenanntem .fahre übernahmen die
Herrin Ackermann und Wengefeld die
Direktion. Nach der in künstlerischer inid
finanzieller Hinsicht äusserst erfolgreichen
ThcMtersaison 1907 — 08 entschlossen sich
die Direktoren Aekermaiui ntid Wengefeld.
Das deutsche Theater in Davenport.
Eine fruchtbare Pfianz.stätte der theatra-
lischen ]Muse ist seit Anfang der 60 'er
Jahre Davenport gewesen, wo fiott deutsche
Komödie gespielt wurde, ohne dass jemals
ein Schauspieler einen Cent Geld einge-
büsst hätte. Ein ernstes Streben im Dienst
der Kunst fand beim Publikum die erfor-
derliche Anerkennung. Besonders erfreu-
lich gestalteten sich die Theater- Vorstel-
lungen Davenport 's. als Gustav Donald, der
frühere Regi.sseur Direktor Wurster 's.
luich Davenport kam und sich die Pfiege
des Deutschen Theaters angelegen sein
Hess. Das hat er auch in seiner späteren
Stellung als Redakteur des „Davenport
Demokrat" redlich und mit grossem Ver-
ständniss gethan. Im Jahre 1885 begann
der plattdeutsche Verein mit der Veran-
staltung regelmässiger Sonntag.s- Vorstel-
lungen, und Herr John Hill, der Besitzer
der Turnhalle, fungirte gleichzeitig als
Direktor. In der Saison 1888—89 führte
ein Herr Neumann die Direktion, ihm
folgte von 1889 bis 1901 Direktor Berthold
Kraus. Diese Vorstellungen fanden in d<'r
Turnhalle statt. Während der Saison
1!)0;5 — i behei'bergte Davenport sogar zwei
Theater-Unternehmen in seinen .Mauern.
Das eine unter dem I'rotektorat des Thea-
tervereins, wurde vom Direktor Schmalii-
feldt geleitet; im anderen, welches seine
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DIRECTOR HANS WENGEFELD. D.vcnpori.
dem Di'utschthum Daveni»ofts das 'i'licatcr
auf eine weitere Spielzeit zu ei-ha".ten.
Das leistungsfähige Personal war um
zwei Künstli'i- vermehrt und das (ii-and
Opera House. dessen alleinigei- Pächter
Diicktni- Ackeruuiini war. vollständig mo-
dernen Ansprüchen gemäss rennvii-t. so
(hiss dasselbe unstreitig zu den scli("n-;fen
Tlieatein im Staate Iowa gehött. Die liisle
^Vv .Vbonneiiten war eine überaus grosse,
trotz Ak'Y Eiliöliung der Preise, welche
zwischen -tl-^O und I^") Cents variirlen. und
4U4
DAS DErTSCHK THKATKH IN AMERIKA.
dii' jährliclu' SuhvciitidM von (iÖiiiktii ili-ut-
scher Kunst war aiif .1:^ di.pp.'ltc crliüht
\vortl«*n.
Direktor tl« /<(/*/W«/ uiinlf am *-'•"). 'luui
1S»;S in Cass.-! als dt-r Sühn liochancicsehe-
ner KltiTn p-hom». Nadi Absolvirung des
«h.rtipMi (iviiinasiunis war .r znni Offizicrs-
IxTuf ans»'rs«'lirn. Alu-r Wii- LiclH» zur dar-
strlli'ndrn Kunst war so ^'ross, dass er nacli
H.Tlin ^'in«.^ um dramatischen ('ntcrricht
zu ni'hmt'U. Nach fincm .lalirc licrcits
putlii'ss ihn s.iri.' Kchnucisti-rin als ., fertig?"'
DIKLCIOK CÜETZ ACKERMANN, Davenport.
und «T imicht«' in seiner Vaterstadt Cassel
sein Dehnt. Ks fol^rten Engagements in
Aachen, Dresch-n. Ilambur», Rostock, Xeu-
Streütz, Danzig u. s. w. Er machte Gast-
s|)ieltourne( n durch Kussland. Serbien, die
Türkei inid ging für die Saison 1JKI6 — 07
nach Amerika, an das de\itsche Theater zu
Cineinnati. Im darautToIgenih-n Frülijahr
lernte er Herrn Ackermann kennen.
I)irekt(»r Arhrrmnun. mit richtigem
Namen Constantin Muth, wurde am 18.
Dezember 1878 in lierlin geboren. Sein
Vater war Rittergutsbesitzer in Russiseh-
l'olen, seine Mutter die Zweitälteste Toch-
ter des berühmten und hoch geachteten
Professors Carl Chaubeau, Lehrer am
königl. franz. G.vnuiasiinn zu Berlin und
Erzieher seiner königl. Hoheit des Prinzen
Friedrieh Carl von l'reus.sen. Bis zu
seinem (i. dahie lebte Herr Ackermann mit
seinen Eltein auf Reisen. Schon als
•huige spürte er den tiefen Drang zur
Huhne, stand ai)er, so schnuM'zlieh es auch
für ihn war, von seinem Vorhaben, Kün.stler
zu werden, ab, weil seine iMutter nicht da-
mit einverstanden war. So wurde er Land-
wirth ; diente bei der reitenden Abtheilung
tles Feld-Artillerie-Reginu^nts Xo. 74 zu
Wittenberg an der Elbe sein Jahr ab, ging
darauf wieder auf Güter als Verwalter in
Stellung, sah aber schliesslich ein, dass er
zum Landwirth kein Talent habe, und ging
rasch entschlossen nach Amerika, um unge-
stöi-t nur der Kunst leben zu können. Nach
Engagements in New York und St. Louis
kam er nach Davenport, wo er zwei Saisons
dem Deutsehen Theater als [Mitglied ange-
hörte, um dann glücklicher Ehemann und
thatkräftiger Direktor des Theaters zu
werden.
Das deutsche Theater in Denver.
Die einzige Stadt im Minenstaate Colo-
rado, in welcher Thalia 's Dienst gepflegt
wird, ist Denver. Dort gab im Winter
1884 85 ein Herr Klotz mit einer Dilet-
tantentruppe deutsche Theater- Vorstellun-
gen. Dieses Unternehmen seheint sich je-
doch keines langen Lebens erfreut zu haben,
denn erst die Saison 1889 — 90 berichtet von
einem deutschen Theater, welches unter
Leitung des Direktors Louis York Vor-
stellungen in der Turnhalle gab. Bis 1903
fanden dann nur vorübergehend Auffüh-
rungen statt. Diese Pause war jedoch zu
rühriger Agitation für die Bildung eines
deutschen Theater- Vereins benutzt worden,
der in dem genannten Jahre gewisser-
DAS DEUTSCHE THEATER IN AMERIKA.
465
masson als Girant eines deutsehen Masen-
tenipels in Aktion trat und heute noch
existirt.
In den Saisons 1903—04 und 1 904— 05
führte unter seinem Patronate Herr Victor
Neuhaus das Scepter, welcher in letztge-
nannter Saison eine würdige Schiller-
Feier arrangirte. ]Mit Beginn der Saison
1905 übernahm der Theater- Verein selbst
die Leitung und hat sie auch heute noch
inne. Im ersten Jahre wurde in Elitsch's
Garten, seit 1906 wird in der Turnhalle
gespielt.
Das deutsche Theater in St. Paul.
In St. Paul, Minn., gab im Winter
1886/87 der Theater-Direktor Fr. Stampfer
aus Wien erwähnenswerthe Vorstellungen.
Die Saison 1890—91 brachte Gast- Vorstel-
lungen der Riehard, Weib, Wachsner 'sehen
Gesellschaft. In der Spielzeit 1892—93
wird von einer „Vereinigten Gesellschaft
von ]Minneapolis & St. Paul" berichtet,
welche unter der Leitung von Theodor
Bollmann spielte, der sich später auch in
Detroit versuchte und dann Regisseur in
Philadelphia war. Er war später in New
York und Cincinnati thätig.
Eine längere Pause scheint eingetreten
zu sein, denn erst im Winter 1903/04 hat
eine Gsellschaft unter Leitung von Wilhelm
Maeurer in der Mozart-Halle sechs deut-
sche Vorstellungen gegeben. Im Jahre 1905
wurde mit Direktor Julius Eisemann, der
früher in Philadelphia und anderen
Städten mimte, an der Spitze eine „Stock-
Company" gegründet, welclie Avährend des
Winters spielte, gleichzeitig aber auch in
.Minneapolis zehn Sonntags-Vorstellungen
gab. Direktor Eisemann stand auch wäh-
rend der Saison 1906—07 an der Spitze des
deutschen Theaters, hatte aber mit der Kon-
kurrenz eines zweiten Unternehmens zu
kämpfen, welches unter Direktor Hahn in
der ]\Iozart-Halle Vorstellungen veran-
staltete. In der Saison 1908 — 9 gaben
Schauspieler aus Milwaukee in St. Paul gut
besuchte Gastspiele.
Das deutsche Theater in St. Francisco.
Das Verdienst, das deutsche Theater in
San Fi-ancisco aus dem Stadium diT
,, Schmiere" zur llölie eines Kunstinstituts
emporgelio])en zu haben, gebülii-t Ottiiie
Genee. Fünfzehn Jahi-e liiiig Iml diese
seltene Frau das deutsehe Tiieater in ziel-
bewusster Weise, mit grosser f^nergie und
immer i'egem Vertrauen auf eine bessere
Zukunft geleitet. Sie hatte, als sie im
Jahre 186S sich entschloss, in der Stadt am
goldenen Thore deut.sche Tlieatervorstellun-
gen zu geben, besonders unter dem Mangel
eines geeigneten Lokals zu leiden, daiui
kam ein Theaterbrand hinzu und schliess-
lich der Sonntagszwang, der ihr wie den
deutschen Theater-Di i-ektoren in den meis-
ten anderen Städten des Landes die besten
Einnahmen entzog. Doch sie lie.ss sich
nicht entmuthigen. Sie kämpfte weiter,
um der deutsehen Kunst eine würdige
Stätte zu schaffen. ,.Die heitere, wie die
ernste Äluse, das klassische Drama, wie die
moderne Operette fanden verständige PHe-
ge. Ausgangs der Saison 1881 unternahm
Frau Genee mit ihrer Gesellschaft eine
Rundreise durch die gi'össeren Städte des
Landes und gab auch in New York Vorstel-
lungen, die anerkennende Beurtheilung
fanden. Ol^schon ein gewisser Tlieil der
Deutschen San Francisco 's dem Unterneh-
men mit unverbrüchlicher Treue zur Seite
stand, war die Zahl derselben doeli iiieht
ausreichend genug, das finanzielle Gedeihen
des Theaters zu sichern.
Am Ende der Saison 1883 sah sich Frau
Genee veranlasst, den theatralischen Ilerr-
scherstab nii'derzulegen und der Stadt am
goldenen Thore Lebewohl zu sagen."
Einem San Francisco 'er Blatte, welches
die Gründe hiefür erörterte, entstammen
folgende Zeilen: „Je höher die Anforde-
rungen werden, welche das Publikum an
46U
DAS DKrTSrllK THKATKIv' IN A.MKHIKA.
da.s Thnit»T st.'llt. ihm so ^'ioss.t sind ili»'
Ki»sttMi ; (li<* linittiM'inualiiiM'ii Mfilu'ii abt-r
im [wsU'U Kall»' (lifscllM'ii. und dtr Nftto-
«Ttrau wird iiimuT jri'riiifrt'r. Di»' Ausjra-
\h'U. w«'1('1u' mit dt'P L«'itun}; eines d«'utsehen
Theat«'i-s in San Franeis«-»» verknüpft sind.
Htelu-n 7M «len Kinnahni»'!! nielit in einem
ri«'litiu»'n Verliältnisse ; p'hen die Gesehälte
lirdlant. s.» kann di«' Direktion eben ho-
st.'li»'n. sind diesell)en alter nur einiger-
nnissen t\n\\. so wird (Jeld verloren, und ein
n'^'neriselu-r Sonntair kostet mehr, als einige
jfnt lM'sn<'ht»' Voi-steilnnp'n an Hein«rewinn
al>werf«'n. Die Salaire der Schauspieler
sind liier l)ere»'htigtermassen höhei". als in
Europa. al)»'r »1er ix'kuniäre Nutzen, den
die Direkt i»»n aus der Thätijjrkeit ihrei-
Kraft»' ziehen kann, ist ein viel greringerer.
In Kuntpa zahlt eine Direktion ihren
Sehaus|»ielern füi" einen aus di-eissig. resp.
einunddreissig Arbeitstagen bestehenden
M»inat eine Monatsgage ; unter hiesigen
Verhältnis.sen erhält der Sehauspieler für
ein viernudiges .Vuftreten mehr, als er in
Deut.schland bekäme, wenn seine Direktion
ihn .i»'den Abend im Monat besehäftigte,
j»'«l»'n AImmuI sein Talent ausbeutete. liier
nl)er ist ein .s(hle»hter Theaterabend an und
für sieh eigentlieh ein unersetzlicher Ver-
lust, was das Risiko des Unternehmers be-
deutend erhöht. Mit den Gä.sten hat die
Dir.'ktion erst reeht ihre Xoth. Gute Gäste
machen g<'wöhnli<'h sehr hohe Ansprüche,
so da.ss <ier Keingewinn für die Direktion
Ihm einem äusserst erfolgreichen (Jastspiel
nur ein sehr geringi'r ist."
(»ttilie (Jcnee. welche mit so viel Aus-
dau»'r und Kinistl)egeistenuig im Interesse
<icr d.'utsc|i»'n liühne in Amerika wirkte,
ist die T»M'hter des verstorbenen Danziger
Theaterdirektors (Jenee und die Schwester
d«'s ()perett»'nk»»mponisten Richard, wie des
Literaturliist»»rikers Rud<»lph Genee. Sie
wiinle am 4. August ]S:iti in Dresden gebo-
ren uinl begjnin ihre schauspielerische
Thätigk«'it in Kinch-rrolleji an der Bühne
ihres Vaters. In Berlin getiel sie als
Soubrette und pikante Darstellerin von
IIos»'nrolIen. Zahlreiche Gastspiele machten
sie in Xortideutsehland sowie in Wien be-
kannt. Im Jahre 1865 heirathete sie in
Dresden einen bayerischen Ottizier, Namens
Fi-itsch. und reiste mit ihm nach Amerika,
wo sie eine (lastspieltournee bis San Fran-
cisco initernahm. Dort wurde sie Direk-
torin des deutschen Theaters. Nach ihrer
Rückkehr nach Europa im Jahre 1884 trat
sie in Berlin in älteren komischen Rollen
auf. bis sie der Bühnenthätigkeit entsagte
und sich ausschliesslich der Lehrthätigkeit
widmete, die im engeren Zusammeiduuige
mit den Eleven des königlichen Schauspiel-
hauses steht.
Bezeichnend für den Ausgang der Saison
in San Francisco nach dem Scheiden
Ottilie Genee 's ist folgende Notiz:
„Das deutsche Theater wurde nach der
letzten Vorstellung geschlossen. Die Direk-
toren Hirsch & Bajack haben vergeblich
Alles gethan. um es zu retten."
In 1885 und 1886 leitete das Theater Di-
rektor Franz Reinau. und im letzgenannten
Jahre gastirte Franz .Alitterwurzer. In den
Jahren 1887 und 1888 stand Ottilie G(-ner
nochmals der deutschen Bühne vor. Ge-
spielt wurde vom 16. Juli bis zum 16. De-
zendser. Im letzteren Jahre absolvirte
Fräulein Mathilde Cotrelly ein Gastspiel.
1889 fungirte Heinrich Maret, 1891 die
Herren Becker, Kahn &Hirsch als Bühnen-
leiter, während im Jahre 1893 unter Fritz
Ilitzigraths Leitung, mit ^Maurice .Alorri-
son als Gast, gespielt wurde. In den beiden
nächsten Jahren leitete Direktor Benno
Hirsch das Theater, an welchem im zweiten
Jahre die Conried'sche Gesellschaft vom
Irving Place Theater in New York gastirte.
Im Jahre 1899 .sehen wir Frau Fabricius-
Müller, 1908 Herrn Jul. Ascher und Frau
Fleischer-Kahle an der Spitze des iMusen-
tempels. Während des letzteren Jahres
gab aber auch eine Truppe unter Leitung
des Herrn Hugo Breitter in der Turnhalle
Vorstellungen, wie auch im nächstfolgen-
DAS DKUTSCHE THEATER IN AMERIKA.
467
den -Jahre. Während desselben (1904)
^ab das Alanieda-Lustspiel-Ensenible im
('(.lunil)ia-Theater deutsehe Vorstellungen,
während zum UeberHusse noeh eine Truppe
der Frau Fleischer-Kahle spielte. Diese
Dame führte übrigens aueh die Direktion
im nächsten Jahre, in dem ausser der
ihrigen noch drei Gesellschaften im Felde
waren, nändich. Henry Maret im Volks-
theater. Arthur Becker im Columbia Thea-
ter und Hugo Breitter in der Eintracht-
halle. Von all den Genannten behauptete
sich nur Direktor Maret auch im folgenden
Jahre.
Theater-Vorstellungen in anderen
Staedten.
Verfügbare Nachrichten über deutsches
Hühnenwesen in Omaha. Xebr., datiren bis
zum Jahre 1884 zurück; damals stand ein
Fräulein Spahn, die in Figur und Sprache
der Geistinger glich, der deutschen Som-
merbühne vor. Ihrem Ensemble gehörten
einige frühere Mitglieder des Thalia-Thea-
ters in New York, darunter die Herren
P\ils. Bechtel u. a., an. Es wurden Sonn-
tagsvoi-stelhmgen gegeben. Im Winter
1885 wurde das dortige deutsche Theater
gegründet und die Leitung desselben den
Herren Selig und :\Iolchiu übertragen. Der
Winter des nächsten Jahres brachte deut-
sche Vorstellungen im Turnverein, während
im Winter 1887/88 die Herren Baureis und
Puls die Direktion führten. Im Sommer
. 1888 erstand ein Bühnen-Unternehmen mit
Herrn :Molchin an der Spitze. Im W^inter
desselben Jahres stand das deutsche Thea-
ter, dessen Vorstellungen im „Wintergar-
ten" stattfanden, unter der Leitung von
Peter Goos.
In Kansas Citxj, ^Mo., wurde im Jahre
1885/86 und schon vorher unter Herrn
Varena Theater gespielt. Als erste Vorstel-
limg ging „Die Toc^hter des Herrn Fabri-
eius" in Scene. Eine zweite Saison wurde
im Winter 1888/89 unter Herrn Julius
Herrmann 's Leitung absolvirt.
Boston, die ..Stadt der Iiitelligcn/". l«--
sitzt kein ständiges deutsclies Theater, wohl
al)er einen deutschen TheatiT-N'crein. di r
zum ersten Male in 190:{— 1904 \'(.r-
stellungen in der Turnhalle gai). In den
beiden folgenden Wintern wui-de im Dud-
ley Street Opera House gespielt.
In Indianapolis wagte sich dt-r doi-tige
Turnverein, welcher zu diesem Zwecke
einen dramatischen Klub gegründet hatte,
während des Winters 1901 02 zuerst mit
einigen Vorstellungen vor die Oetlentlich-
keit. Der Erfolg war so ermuthigend. dass
der Plan, einen deutschen Theater- Verein
zu gründen, bald feste Gestalt annahm.
Der Verein war bereits im Jahi-e 1905 so
kräftig an Kapital und ^Mitgliedern, dass
er in diesem, wie in dem nächsten Winter
den Direktor Schmid von Cinciniuiti für je
sechs Vorstellungen engagiren konnte.
Auch das St. Louiser Ensemble gastirte
dort.
In Evansville gastirte während des Win-
ters 1905/06 gleichfalls die Theatergesell-
schaft von Cincinnati.
Natürlich fanden auch in anderen
Städten gelegentlich Theater-Voi-stellungeu
statt, so in Belle ville und Proria, 111., in
Clinton und Piain Vitw, Mich., in Gnl-
veston und Austin, Tex.
Lonisi'illc, Ky.. konnte sich sogar in den
siebziger Jahren einer ständigen deutsciieu
Oper rühmen, die in der Liederkranzhalle
mehrmals während der AVoche Vorstellun-
gen gab. Im ersten Jahre prosperirte das
rnternehuK'n, im zweiten arningirte die
Direktion Gastspiele in den benachbarten
Städten und erlitt dadurch bedeutende
Verluste. Der Liederkranz liess sich die
Oper monatlich $2.000 kosten und lieferte
ausserdem Bühne und Orchester. In der
Saison 1875—6 gab es in Louisville vor-
zügliche deutsche Theater- Vorstelliuigeu.
468
DAS DKl'TSCHE TIIHATER IN AMERIKA.
Hat das deutsche Theater in Amerika
eine Zukunft ?
Das ist in trrosscn rmiissni die Ge-
.s«'hi«-htt' des »Icutsclifii Theaters in Aiiie-
rikn. die wohl erpäii/f und i'iwt'ittTt wer-
den kann, aher im Allirenieinen ein riclitiges
Bihl des.selheii jriel)t. Die ()l)iir. Darstelhmg
hat jrt'zeijrt. dass (bis deutsche Theater in
dt'ii V.'rriniirtrn Staaten auf sc'iwanUfndem
Moden stt'ht und von Zutalli^'keiten ab-
hänjrt. deren oft verliän«;nissv'tlle Wirkung
man bisher nicht in «reeigneter Wei.se einzu-
dännnen vei-stan<len hat. Auf d:is Deutseh-
thuni alh'in kann sich ein täirli'h si)ielendes
Theater nieht stützcMi. Ersteres genügt
nicht, um ihm die erforderlichen Existenz-
Mittel zu gewähi-en. wenn es nur auf Wo-
chentag-Vorstellungen angewiesen ist und
Hin Sonntag geschlossen bleiben niuss. Die
Zukunft des deutsehen Theaters wäre ohne
Zweifel in den Städten (h'V Inidii. in wel-
chen täglich gespielt wird, gesichert, wenn
der Sonntag freigegeben würde; aber da-
ran ist nicht zu deidvcn : im Ovgentheil, es
sind alle Anzeichen voi'handen, dass auch
dort, wo es bisher nicht besteht, ein Verbot
der Sonntags-Vorstellungen i.i Kürze er-
las.sen werden wird.
Die in täglich spielenden deutsehen Thea-
tern gemaehten Erfahrungen ergaben, dass
das gebildete Amerikanerthum, welches der
deut.sehen Sprache zum Theil wenigstens
mächtig ist. das deutsche Theater ganz gern
besucht inid es als Bildungs-Stätte betrach-
tet, in welcher es nicht allein seine Spracli-
kenntnis.se bereichern, sondern sich auch
mit den sittlichen Anschauungen des deut-
schen Volkes und seinem gesellschaftlichen
Leben bekannt machen kann. In keiner
Form der Poesie spiegelt sich das Charakte-
ristische des Volksthums einer Rasse so klar
und gewissermas.sen greifbar wieder, wie im
Drama, in der Bühnendichtung überhaupt.
Das Theater ist deshalb ein j.»anz vorzüg-
liches Mittel ziun Studium einer Nation.
ein Anschauungs-Unterricht, der haftende
Eindrücke hinterläs.st. Sicherlich würde
dei- gel)il(lete Amerikaner in seiiuMu eigenen
Lande ileni deutschen Theater noch viel
nu'hr Beachtung schenken, wenn die oft
i-echt guten schauspielerischen Leistungen,
die darin geboten werden, in einem Kahiiien
sich zeigten, der seinem in dieser l>ezie-
hung sehr ver-wöhnten Gesclnnacke nur
halbwegs ents|)räche. Leider aber liegt in
der mangelhaften Ausstattung, den weni"»
stil- und stimmungsvollen Bühnenl)ildein.
den bisweilen geradezu lächerliehen Ana-
chronismen des ^Milieu imd der Dürftigkeit
und rnbeholfenheit der Komparserie ein
Felller dei" deutselien Theater in Aiiiei-ika,
dem selbst von tüchtigen Bühnenleitern zu
wenig Gewicht beigemessen wird. Die
Zeiten der Shakespeare-Bühne sind in der
jungen Repulilik. die dem Theater erst im
Anfang des vorigen Jahi-hunderts wider-
willig eine gewisse Duldung gewährte da
es ihrem puritanischen Geiste nicht als
Volks-Erziehungsmittel erschien, nicht be-
kannt gewesen. Sie lernte die Schaubühne
erst kennen, als sie in Europa ihren Ent-
wicklungsgang abgeschlossen hatte und auf
den hohen AVerth dekorativer Wirkungen
nicht mehr verzichtete. Der Amerikaner
will sehen, um zu glauben, was er von der
Bühne herab hört. Er würde zu einem be-
gei.sterten Bewunderer der deutschen
Schauspielkunst werden, wenn sie etwa.s
mehr von den Principien bei Auflführun;?
namentlich klassischer Stücke sich leiten
lassen wollte, die der Herzog Georg IL von
Meiningen aufgestellt hat luid deren ver-
ständnissvolle Durchführung die mit vcr-
hältnissmässig geringen ^Mitteln untei-hal-
tene Truppe eines kaum mehr als 10,0(W
Einwohner zählenden Landstädtchens zu
einer europäischen Berühmtheit machte.
Die Lehrer der höheren Bildungs-Anstal-
ten haben in den letzten Saisons angefan-
gen, ihren Deutsch lernenden Schülern und
Schülerinnen den Besuch der Aufführungen
klassischer Dramen im deutschen Theater
besonders zu empfehlen. Der gute Rath
hat Beachtung gefunden und die studirende
Jugend veranlasst, in grosser Zahl bei sol
DAS DEUTSCHE THEATEK IN AMERIKA.
4(iy
chen Anlässen eins deutsehe Theater zu be-
suchen. Wüi-tlen Schiller 's und Les.sing:'s
Bühnendichtungen in sorg-fkltigster Ein-
studirunjr. tadeUoseni Zusaunnenspiel und
in irecijrneteni Rahmen gegeben, so könnten
die Direktoren mit Bestimmtheit darauf
rechnen, die gebildete amerikanische Ju-
gend dem deutschen Theater zu gewinnen,
und das würde der Zukunft der täglichen
deutschen Bühne eine freudigere, weniger
trübe Perspective eröffnen, als sie ihr unter
jetzigen Verhältnissen beschieden ist. Es
wäre nicht nöthig, den kostspieligen Aus-
stattmigs-Aufwand zu machen, den Direk-
tor :\Iaurice Baumfeld in New York in der
Saison 1907—8 für „Götz von Berlichin-
gen" aufbot; die Mittel unserer deutschen
Theater-Direktoren reichen dazu nicht aus,
aber auch mit kleinen Summen lässt sich
in der Welt des Scheins eine grosse Wir-
kung erzielen, natürlich wenn der betref-
fende Direktor bereit ist, sie zu wagen, um
zu gewinnen. INIit dem einfachen „Her-
ausbringen von Stücken" ist es nicht ge-
than. wenn num der deutschen Kunst und
Hühnendichtimg im fremden Lande unter
dessen Eingesessenen Freunde, Bewunderer
und Vierehrer erwerben will. Auch fehlt es
deutschen Schauspielern hierzulande niclit
selten an der richtigen Erkenntniss der
Missi(m. zu der sie auf dem vorgeschobenen
und der Ileimath fernen Vorposten deut-
scher Kunst berufen sind, imd der Ver-
pflichtungen, welche sie auferlegt. ]Mehr
als einer von ihnen hat aufgehört, von
künstlerischem Streben, das allein in den
höchst erreichbaren Leistungen Befriedi-
giuig findet, beseelt zu sein, und ist zu einem
Kunsthandwerker geworden, der nur das
unumgänglich zulässige Pensum Arbeit
leistet, um zur Erhebung der Gage am 1.
und 16. jeden :\Ionats berechtigt zu sein.
Natürlich sind derartige uidierufene Jün-
ger Thalia 's der deutschen Bühne in Ame-
rika, MO jeder bis zur Erschöpfung arbeiten
und sich mühen muss, um seine Stellung zu
behaupten und sich durchzusetzen, ein
Hennnsehuh, hindern ihre gedeihliche Fort-
entwicklung luid werden zu Todtengräbern
ihrer Zukunft.
Es ist ein irriger (jiaul»' dcutschci- Thea-
ter-Direktoren, dass das deutsche Publikum
an dem klassischen Drama kein Gefalleu
mehr findet. Der Beginn der Saison
1908 — 9 hat dafür den Beweis geliefert: In
Xew York 's neuem deutsciiein Theater er-
wies sieh Schiller 's Jugenddrama „Die
Räuber" als das zugkräftigst." Stück, und
in Philadelphia wurde ..Wilhelm Teil"
dreimal vor ausverkauften! Hause gegeben.
Es ist damit aber ein weiterer Grund gege-
l)en, auf die Einstudirung der werthvollsten
Dichtungen der deutschen Bühne, die heute
wie vor hundert Jahren ein begeistertes
Publikum finden, iiielit die geringste Sorg-
falt, sonderri die allergi-össte zu verwenden,
damit alle in ihnen steckende Wirkungen
herausgeholt wei-den und so dem Publikum
ihr hoher und bleibender AVerth voll und
ganz erschlossen wird. Zur Zeit der natu-
ralistischen ITochtluth, in dei-en Zeichen
das Theater der deutschen Reichshauptstadt
vor etwa 18 Jahren stand, zogen „Wallen-
stein" im königl. Schauspielhause inid
„Faust", 1. und 2. Theil, im Deutsehen
Theater allabendlich übervolle Häuser, uiul
wir hier in Amerika empfinden noch ur-
sprünglicher und sind für das wahrhaft
Grosse und Schöne noeh empf;inglicher wie
unsere mehr blasirten Rassegeno.ssen im
kaiserlichen l^erlin.
Selbstverständlich nuiss das Repertoire
des deutschen Theaters in den beiden
Städten Amerika 's, in welchem? täglidi ge-
spielt wird, New York und Phihi.lelphia
(in letzterer Stadt allerdings nicht am
Sonntag). al)wechslungsreich sein und
Allen etwas bringen, deiui seni Publikum
ist trotz der numerischeu Stärke <les
Deutschthums nicht so gross, wie es wün-
schenswerth und zu erwarten wäre. Es
müssen deshalb in jeder Woche ein, ja zwei
neue Stücke gegeben werden, nnd die ernste
wie die heitere Dichtung zu ilirem Rechte
kommen. Direkt<.r Wurster erzielte z. B.
am Freitag Abend im Arch Str. Theater in
DA.S l»i:i-TS. IIK TIIKATKR IN A.MIlUiKA.
470
Philadi'li'hia fast stets si-hr -iif l)rsuclite
HäuMT. iml.'iii rr Wnwrv Lustspirli'. die
an i\i'u (Jcsflimatk (U-r K«'l>il«l«'t('n deutschen
Juden apiM'llirten. autrülm-ii liess. Sie
wan-n ein dankbares IMihliUiiiii. denn die
Voi-stellnn^'en vr'i'i-'«'" ^>'>'^- ^^■'''' ^^''^ Stück
an «len beiden el-sten Abenden der Woelie
seine ..(Jeneral-I'rolM'n"" et lebt l\atte und
einp'spielt war, was sieh luii so b'iehter be-
werkstellip'U liess. als am .Montag' und
Dienstajr nur ein versehwiiuh-nd kU^ines
Pultlikuni sieh einzusteUen ptiejzte.
l'm aber die deutseh-anierikanisehe Ju-
gend, die Söhne und Töehler deutscher
Kitern. deren Kenntniss der deutschen
Sprai'he in (h'r ül)erwie,u:enden Mehi'zahl der
FäMe bedauerliehe Lücken aufweist und die
deshalb in enjrliseiien Theatern sieh woliler
fühleu. (h'iii (h'utsehen Tlieater zu Freun-
den und Besu<'liern zu «rewiniu'ii. luit sich
nichts als besseres Mittel erwiesen als <bis
in der Saison 1007 — 8 in Philadelphia mit
den aller«rünstiirsten Resultaten unternom-
mene Experiment deutscher C>peretten-Auf-
t"ührun«;en.
Das Interesse am deutschen Theater
erhielt einen ne\icn. kräftigen Impuls;
dem Melodien-Keichthum und dem musika-
lischen und textlichen AVerthe der deut-
sehen Operette fjetrenüber versasjte die
frühere Anziehuntrskraft (h-r sot;enannten
..Comic 0|)eras" dci- amerikanischen
Bühne.
Kine lnlcrcsscn-\'i'reini^'un,Lr der deut-
schen Theater IMiiladelpbia's uiul New
York 's. wo das lebenstahi«rere deutsclic
Theater die Konkurrenz des anderen ja
schon abtjestossen hat. wäi'e am IMatze.
Dadui'ch wÜ!-(le es möiriich werden, deut-
sche ()peretten-Voi-stellun«ren in beiden
Städten zu fjeben. Das deutsche Schau-
spiel könnte (hiiui eine sorjrtait irrere Hin-
studirunjr erhalten als bisher. Auch
sollten sich im Laufe der Saison (jast-
s|)iel-\'orstelliuif;en in Städten mit starkem
Deutsehthum, die kein eigenes (Unitsches
Tlieatei- haben, veranstalten lassen, wcim
die Sache nur einigernuissen richtig ange-
fasst würde uiul alle Zweige des Deutsch-
Amerikanischen Xationalbundes sich zu
energischer Agitation dafür aufraffen
wollten.
Die Hauptsache aber ist ein eigenes
Heim der deutselien Muse zu einem Paeht-
zinse, der den Verhältnissen angenies-sen
ist und den möglichen t]innahnuMi ent-
si>richt. Eine befriedigende Lösung für
diese schwierigste Lebensfrage (h'r täglich
spielenden deutschen Bühne wäre zu fin-
den, weiui unter wohlhabenden und gebe-
freudigen Deutsehen die erf()rd<M'liche Agi-
tation geuuieht würde. Ferner muss —
und das kann nur mit Hilfe der in engli-
seher Spraehe erseheinenden Zeitungen ge-
schehen, die allerdings nur wid( rwillig ihre
Spalten dem deutschen Theater öffnen —
das gebildete Amerikanerthum ihm zuge-
führt werden. Es wird als Publikum erhal
ten bleiben, wenn die Direktoren ihre
Pflieht erfüllen und bis in 's Detail sorg-
fältig einstudirte uiul gut inscenirte Auf-
führungen den Freunden deutscher Kunst
l)ieten wollten, welch" ictztci'c auch iler
Amerikaner zu schätzen und zu ehren weiss.
iir Ö0ut0rl}0 JPr^öö^ m Amerika.
3lulialtö-lfrr2rtrbmBB.
Allijfmriur iBcmrrluimicu urbcr „üp öputörl| - amertkamsrhr
llrrssr". ^ Dir (Brsrbtrlilr örr rratni örutsrl)pn Zritungru in
Ainrrika. J- 3ir iEntluirhlunri örr örutsdirn Hriluitgrn im 19.
Jlabrliuniirrt. J- (ßrsrliirbt^ örutsrl|rr dagra - 2rilmtgrn \xv^
^linuraphirn ibrrr 1§rrausi;rbrr. ^ l^rrborragrttör örutsrl]-
amrrikauiörbr Jüurualistrn. jß» BuUatarnöiörs Urrjrirbuiss
örr örulsrhru 2ritmuiru in öru Urrriniötru ^taatrn. «^ ^
Die Deutsche Presse in Amerika.
Die deutsche Presse in den Vereinigten
St;iattii tlürfte den Höhepunkt ihrer Ent-
wicklung erreicht haben. Die Gründung:
neuer deutscher Tages-Zeitungen ist nicht
walirscheinlich. im Gegentheil ist in den
letzten Jahren ihre Zahl wesentlich zusain-
iiiengeschrunipft. Während im Jahi'e 1883
ileiii Koweirschen „American Xewspaper
Directory" nach die Zahl der deutschen
Tages-ZeitungTn 82 betrug, führt dieselbe
Quelle für das Jahr 1908. also 25 Jahre
si)äter. nur 67, genau so viel wie im Jahre
1873. an. von denen mehrere im Laufe des
.Jahres ihr Erscheinen eingestellt, resj).
sich mit anderen lebenskräftigeren deut-
schen Tages-Zeitungen konsolidirt haben.
Ihre Zahl stellt sich jetzt auf 60.
Der Hauptgrund dieses numerischen Rück-
ganges der deutschen Tages-Zeitungen in
den Vereinigten Staaten ist jedoch weniger
darin zu suchen, dass sie an Eintiuss und
Leserpublikum verloren haben, als viel-
mehr in der totalen Aenderung ihrer Le-
bensbedingungen und den bedeutend ge-
steigerten Ansprüchen, die an ihren Inhalt,
namentlich an ihren Xachrichten-Dienst,
gestellt werden. In früheren Jahren wurden
im Osten der Union zwei und drei Cents
für die einzelne Nunnner der Tages-Zei-
tung vei-langt und willig bezahlt. Dafür
wurde ein vier Seiten starkes Blättchen ge-
liefert, das mit geringen Kosten herge-
stellt werden konnte. Es ergab sich au.s
den Eingängen des Zeitung.sverkaufs ein
Teberschuss für den Herausgeber über die
Kosten der Her.stellung hinaus, die danmls
der weit geringeren Arbeitslöhne der
Setzer und Pressleute wegen bedeuteiul
niedriger waren. Jetzt kosten nur wenige
Zeitungen im Osten mehr als einen Cent
und ihre Seitenzahl ist verdoppelt, ja
verdreifacht worden. Dabei sind die Pa-
pierpreise enomi gestiegen. Es hat sich
infolgedessen eine wesentliche Aenderung
des Nährbodens des deutschen Zeitung.sge-
schäfts vollzogen. Die ILiausgeber sind
völlig auf die aus de n Annoncen sich erge-
benden Einiuduiien angewiesen und müs.sen
einen starken, oft veizweifelten Kamjjf \nil
die E.xistenz ihres Blattes führen. Dass
die Mittel, die dabei in Anwendung kom-
men, nicht inniier die besten sind, i.st er-
klärlich. Einzelne deutsche Zeitungen
haben den Boden gefumlen, auf welchem
sie sieh behaujiten können, luul bewahren
trotz aller Anfeindungen ihic Stellung.
Sie werfen den Eigenthümern reichliehen
Gewiini ab, während amlere trotz einer
langen Periode des Gedeihens uiul allge-
meinen Ansehens sich nicht zu halten ver-
mochten. Sie waren nicht etwa iniialtlicli
minderwerthig geworden, die Leistungen,
die sie in sich begriffen, hatten sich nicht
verringert, sie hatten innner noch ihi-eii
Leserkreis und vielleicht sogar eintluss-
reiche Freunde und Gönner, ja sie mochten
sogar, vom reinjouinalisti.schen Standpunkt
aus betrachtet. Besseres leisten als ihre
Konkurrenz, aber sie hatten tlen inniiren
Kontakt mit der grossen ]\Iasse des Deutsch-
thums verloren und damit ihre Popularität.
Der deutsch-anuM'ikanische Herausgeber,
welcher weiss, wi«' er die Ma.sse für sein
Blatt gewinnt, hat stets begiündete Aus-
sicht auf Erfolg, trotz offener und unver-
hohlen bekannter Abneigung .selbst promi-
nenter deutscher l^ürger gegen seine Zei-
tung. Ja. je mehr die Anfeindungen,
gleichviel ob aus iier.söin liehen .Motiven
entsprungen oder begründi't in der l'eber-
hebung des alles besser wissen wollenden
Emporkönunlings, der es zu etwas ge-
bracht hat und daraus folgert, sein l'rtheil
— und das allein — müsse massgebend sein.
^.^ IHK DKlTSi IIK I'U'KSSK IN AMKUIKA.
zuiM'hiiM-ii. (li-sto iiK'lir wini <li.' Z.'ituuir jr»-- V..rsti'llmi'r von in ilin-n Kiwnrtuiu^cii e;,..
Ii'si'n; um sc. klanT wird ;iIht ;in«-li lu'i täuschten und von .'iuer scharfen Kuukur-
«Icn CJ«viicrn die Krkeiuituiss. dass man ivn/. an «lic WautI jredrückten Zeituii^s-
uhiie deiitsclic Zeituutreu nicht bestellen Ileraus^reheni uiul den ludivistisch an}?e-
kann. dass sie uu/crtrenidich sin<l mit dem haucliten Amerikanern, welche jedes Zei-
(fi'wieht lUid der pitlitischcu uml in «re- chen von voi-ülieri:ehender Scliwäche und
wisser lieziehuuir auch sozialen iiedeutuns erlahmeiuleni Knthusiasmus falsch deuten
d.'s Dcutschthums in Amerika. — uiul stets zu rngunsten des Deutsch-
Von der Presse unserer Heimat h ist ein- thums.
mal jresit«rt woiden : ..Die ehrsanu' und Ich ^dauhe die l'eberzeugunj; ausspre-
tapfere Üuchdruckerswitih. die. ihren kl-i- du ii zu können, dass die ZJukunft der
neu Hetrieli uml die Leistunjrsfähi«:keit der deutsehen Presse in Amerika auf .Jahre
ererbten |)aar (^uet.schen auszunützen, he- hinaus fresichert ist. trotzdon ihr numeri-
lierzt ihr Klättchcn irründet. das im Laufe scher Bestand von Jahr zu Jahr zurück-
der Me;rel>eidieiten duicli (Juust der l'm- ^'eht. Die Zahl der deutsehen Ta^res-Zei-
stände zum Welthlatt wird, die *rehöi-t tun,ir<'n — und nui' von üukmi ist jetzt die
länjrst und für ewii; der Leiren<h' an Es Wedt — wird nach 2") Jahren yranz hedeu-
ist auch in utulenkliclK'r Zeit kei»» Fall zu teiul mehr zusammengeschrumpft sein, ~
verzeichnen gewesen, dass ein Journal sieh aber (pialitativ werden die im Felde blei-
erst in kleinerem l'mfange Vertrauen ge- benden. um nicht das Schicksal ihrer weni-
wann und einen Leserkreis sich sicherte, ger lebensfähigen Schwestern zu theilen,
«Icr ihm auch getreu blieb, wenn es danach das reiclilicli ersetzen, was die deutsche
seiinMi l'mfani: erweiterte. Das hat sich Tages-Presse (piantitativ eingebüsst hat.
schon lange ni<-ht meiir begeben." Wenn jede amerikanische Grossstadt oder
Lud das. was J. J. David im Obigen in jeder Staat mit zahlreichem Deutschthum
seiner tret!"lichen Monographie ..Die Zei- ^uich nur eine deutsche Tages-Zeitung auf-
tung". die als fünfter liand der Martin zuweisen haben sollte, so wird letztere dein
KuImt sehen Samiidung sozialpsychologi- v.irklich vorhandenen Bedürfni.ss vollstän-
schcr Monographien im Jahre UM)? in t^i^ genügen können, wenn sie sich be-
Frankfurt am Main erschienen ist. von den uiüht. auf der Höhe der Zeit zu stehen,
Zeitungen unserer deutschen Heiuuith be- "ikI ihre Herausgeber den redaktionellen
hauptet hat. gilt heutzutage auch von den Thcil dem Verhältniss der Steigerung
dejitschen Tages-Zeitungen in Amerika, ihrer xVnzeigen-p]innahmen entsprechend
weini allerdings für sie die Zeit <*rfolgrei- mein- sich kosten lassen. Die unbe-
cher (Jründungen von ganz kleinen An- schränkte Herrschaft der Scheere und des
rängen iins noch nicht in legendärer Ferne Kleistertopfes, dei- wichtigsten Hilfsmittel
iicirt. Die Kosten einer lebensfähigen einei* deutsch-amerikanischen Redakti(»n.
deutschen Zeitungsgründung sind immer müsste ilann ein Ende finden ; damit würde
höher geworden. Es gehört ein sehr he- aber auch die Zeit des ..literarischen Pira-
dentendcs Kapital dazu, inn sie zu ermög- tenthiuns". des rücksichtslosen Xaeh-
lichcn. und wer würde das auf's Spiel drucks, aufhören, dem, mit drei Aus-
setzen angesichts der rnsicherheit des Ei-- nahnuMi vielleicht, sännntliche deutsch-
folges und des beständigen Klagens über amerikanische Tages- und Sonntags-Zei-
den angeblichen Rüi-kgang des Deutsch- tungen sich ergeben haben,
thums in Amerika? Ich habe von einem Zur Zeit. luid das hat auch Prof. Hugo
..angeblichen Rückgänge" gesprochen. Münsterberg von der Hai'vard Universität
denn in Wirklichkeit existirt er nur in der in Cambridge in seinem Ende des Jahres
DIK DKl'TSCHK I'KIOSSK IN AMF.inKA.
47/)
llldS erschienenen Hnclie ..Ans Deutseli-
Anierika" erklärt, ist es selileehtei'(lin«rs uii-
iiiöirlieli. (lass die (lentseh-aniei'iUanisclie
ZeitnniTs-Literatnr ilie Last von Honoraren
an die Antoren tragen könnte. Dieselben
kämen übrigens hanptsäehlieli hei kleinen
Novellen und Erzählungen. Humoresken.
Witzen. Seherzen, gesehiehtliehen und
sonstigen wissensehaftliehen Beiträgen in
Frage, denn der moderne deutsehe Hoiiian.
soweit ei- in Mareel Frevost. i\Iaui)assant
und aiulern Franzosen seine Vorhildei*
sucht, das Sexuelle und Animalische allzu
sein- in den Vordergrund treten lässt oder
in allzu freigeistigem und frivolem
Fahrwasser sieh bewegt, kommt für die
deutsch-amerikanische Tages- und Sonn-
tags-Zeitung, die vor allen Dingen ein Fa-
iiiilienblatt sein will und sein muss. über-
hau|)t nicht in Frage. Es würden nur
wenige deutsch-amerikanische Sonntags-
hlatt-Kedakteure es wagen. Sudernuuni 's
..Das Hohelied" oder ähnliche Erfolge des
modernen deutschen Hüehermarktes nach-
zudi'ucken.
Aber was einzelnen Tages- und Sonntags-
Zeitungen unter gegebenen Umständen
eventuell noch möglich wäre, nämlieh die
Zahlung von Honoraren, würde für die
grosse Masse der kleinen deutsch-amerika-
nischen Wochenzeitungen ein Ding der Fn-
niöglichkeit sein. Ein allgemein gültiges
Xachdrucksverbot würde sie von der Bild-
Häche verschwinden lassen zum ungeheuren
Schaden des deutschen Bewusstseins. dei'
deutsciien Sprache und der deutschen Kul-
tur. „Die in dem Lande zerstreute Millio-
iienmasse der Deutsch- Amerikaner", hebt
Prof. .Münsterberg in dem erwähnten Buche
sehr richtig hervor. ,,will die kleiiuMi Lokal-
blätter mit den Neuigkeiten über den eige-
nen Gesang- und Turn-Verein und den von
Platten, für zahlreiche Blätter gemeinsam
gedruckten Erzählungen. Ronuuien. feuille-
toiiistisehen Artikeln und humoristischen
Beiträgen als Zugabe. Verschwinden diese
vielhuiidert Blätter, so verschwindet aus
Inuulerttansend Familien das Lel/.tc. was
^i<' iiiit dem Dentschthum änsserlich ver-
l>indet. Die Kinder ziehen ja längst vor.
nur englisch zu sprechen, wie sie es in der
Schule gewohnt sind; die eingewandelten
Hltern verlieren selbst tägli«-h mehr die
Fnergie. das Deutsche festzidialten, in d;us
unaufhaltsam das be(|ueiiiei'e Hngüseh ein-
dringt. Die deutsche Zeitung, vor allem
das deutsche Somitagsblatt. ist noch t|e|-
letzte feste Boden : ist der auch erst hinweg-
gespült, dann bleibt von der deutsehen
Sprache in solchem Kreise nichts übi-ig. Es
ist ja traurig genug, zu sehen, wie .lahr für
.lahr die deutschen Zeitiuigen am Wege um-
siidcen und liegen bleiben: auch (bis geistig
ödeste Blättchen hatte da seine Kultur-
Aufgabe für die Erhaltung des Dentscli-
thums. und die Blätter waren gar nicht
einmal so öde, weil dei- Nachdruck auch
gutes Material umsonst vei-schat^^'te. AVer
die Ptlege dei' deutschen Spi-ache im Heim
der deutsch-anu'rikanischen Masse erludten
wi 1. der uuiss den deutsch-amerikanischen
Zeitungen die Wege ebnen und nicht (hirch
Frheberschutzgesetze unübersteigbare Mau-
ern in den Weg bauen."
Die dentsch-anuMÜkanischen Schriftstel-
ler vor der Konkurrenz di'r deutschen zu
schützen, würde sieh kaum empfehlen, denn
die wirklichen Talente werden von den
Tages-Zeitungen zui- Hedaktittus-Ai-beit
herangezogen uiul behalten mir wenig Zeit
zu schriftstellerischer Bethätigung. Eine
.schöngeistige Literatur in Deutsch-Amerika
durch Schutz gegen deutsciie K(»nkurrenz
gi'ossziehen zu wollen, wäi'c ein von vorn-
herein verfehltes Fntei'fangen. denn die
Leistungsfähigkeit un-eier Dichter und
Schriftsteller wäre nicht Ix'deutend ninl
ergiebig genug, um einen erzwungi'uen
Verzicht auf lieimathliche Erzeugnisse nicht
bald sehnu'rzlieh em|)tiiMlen zu lassen. Der
\'(Mlust, den deutsche Schriftsteller durch
den honorar'osen Nachdrui-k in Amerika zu
erleiden glauben, hat nur in der VoiNte!-
lung riesige Dimensiendi angenonniicn. in
4:«i
DIE DEUTSCllK PRESSE IN AMERIKA.
W iikliflikiii i>i tr Kiium «It-r Rt-df wcrtli.
«Ifiin (las ^'i'hildt'tr DtMifsi-htliuiii Aincrilo's
kauft Hnmaiii' rtr. in liudilnnii. iiiitl für
li'tztrrc kniniiit «Irr Naclulriick kaiiiii in
Betrurlit. hat sotrar iM'iiialic franz. aiitV'e-
hört. Di»* hit'si^'cn IioIh-ii ArluMtslöliiic und
HiM-sti'lluntJskostcii macluu «l« n Naclidiuck
dcutscli.'r BücluT in jrutrr Ausstattung
nirht protitaln'l. Anjln-iscits ist dit' stets
l)ori'it\villif.'st ^M-atis «rcwälirt«' Kcklanic
weicht' die dfutscli-anit'rikanischcn Zcituii-
jrt'n ni'urn deutschen literarisehen Erzeuy-
nissrn /u^Mite kommen lassen, auch etwas
werth. weil sie das einzijre Mittel ist. den
•;el»ildt'ten Deiitseh-Amerikaner. der dcut-
.srhe liüfher kauft, zu erreiehen. „Je iiiclii-
nai-hp'di-uekt wird, desto mehr Aussieht ist
vorhanden, den Verfall des deutsehen Kul-
turiruts in Amerika aufzuhalten", he-
liaupti-t Prof. .Münsterher^. und welch'
Wissender und mit ilen einschlägigen Ver-
hält nis.stn Vertrauter würde das be-
streiten ?
Sil sclir auch die dcutsch-aiucrikanischcn
Tages- und namentlich Sonntags-Zeitungen,
so weit ihr feuilletonistiseher und unterhal-
tender Theil in Betracht kommt, von der
Ileimath al)hängig sind und in dei'en litei'a-
riseher Produktivität die starken AVurzeln
ihrer Kraft sehen müssen, auf rein journa-
listischem Gebiete sind sie ihren deutschen
Si-hwestern in mehr als einer I^eziehung
entschieden überlegen. In der Schnellig-
keit, mit welcher die deutsch-amerikanische
Tages-Zeitung die wichtigsten Begebenhei-
ten <ler Welt in ausführlichen Depeschen
ihren Lesern mittheilt, wird sie von keinem
deutsehen Blatte Übertroffen und von den
wenigsten erreicht. Ereignisst*, welche der
deutsch-amerikanisehe Leser am Früh-
st üekstiseh in seiner Zeitung in ausführli-
cher Schildennig am nächsten Morgen
.schon liest, theilen die deutschen ihren
Lesern, wenn überhaupt, nur in wenigen
Zeilen und Worten mit. In der Behand-
lung und Berichterstattung von lokalen
Begebenheiten kann die Presse der alten
llciuiath noch recht viel von ihrer deutsch-
;uiici'ik;.nisehen Schwester lernen. (Jcrade
im Inkali n Tlieile deutscher Zeitungen in
Amerika wii'd in jedem Falle Gutes, von
einigln, die ül)er einen Stat) wii-klich lic-
gabtcr .Mitarbeiter verfügen, sogar IIei'V(»r-
ragendes geleistet. Das erstreckt sich nicht
allein auf das wirkliche Xeuigkeits-Budget,
soiulern auch auf die Berichterstattung
übel' Vereins- Versammlungen. Festüchkei-
ten. Theater. Konzerte und Oper. Was nach
dieser Richtung hin von der deutsch-ame-
rikanischen Tagespresse erreicht wird,
grenzt au das Wunderbare und stellt einen
Aufwaiul von Arbeit. Routine und jour-
nalistischer Fi.xigkeit dar. den man in
Blättern der Ileimath nur ausnahmsweise
findet.
I'nd dabei herrscht in deutsch-amerika-
nischen Zeitungs-Stuben das ehrliche Be-
streben, möglichst gutes Deutseh und einen
guten Stil zu schreiben. Gewiss laufen bei
der Schnelligkeit, mit welcher Nachrichten
zu Pajner gebracht werden. u]id häufig
auch der ]\Iasse der zu bewältigenden
Arl)eit wegen ein geläufiger englischer
Ausdruck, eine englische Satzkonstruktiim
und eine nicht ganz einwandsfreie Rede-
wendung mit unter, aber in den grösseren
deutsch-amerikanischen Zeitungen wird
fast au.snahmslos ein recht gutes Deutsch
geschrieben, das in vielen Fällen sogar
besser ist, als das des oft recht armseligen
lokalen Theils der Zeitungen unserer Ilei-
math. Nicht selten erheben sich die Lokal-
berichte deutsch-amerikanischer Blätter zur
Höhe feuilletonischer Darstellung und las-
sen, wo die geschilderten Vorgänge es ge-
statten, auch den Humor zu seinem Rechte
konnnen, wodurch sie sich vortheilhaft un-
terscheiden von dem trockenen Poüzeibe-
richt-Stil der Lokahuicbrichten deutscher
Blätter.
Die Fülle von Begabung und die Viel.sei-
tigkeit positiven Wissens, die in den Leit-
und den Spezial-Artikeln deutsch-amerika-
nischer Tages- und Sonntags-Zeitungen sich
DIE DKUTSCHE PRESSE I\ AMERIKA.
477
kiui(I.iri,'lti 11. kl iiiu'ii mii- von (It'iijcnii'cii voll
».-ewüidiy:t werden, welelie in dei- La.i^e
.sind, sieh darül)er zu inforniiren und Ver-
(jleielie mit dem {inzustellen. was in der
Presse der Ileimath geleistet w iid.
Eines aber, was die ileutseh-aiiicrikani-
selie Journalistik besonders eharaktei-isirt
und \-on dem Deutsehthum Amerika 's,
dakteure (lentscli-amcrikanisclicr Zcitunirt-n
kaum am IMatze.
Die Geschichte der deutschen Presse
in Amerika.
Die Gesehiehte dn- di-utseh-amerikani-
sehen Pre.sse ist mii- um 42 .lalii-e Jünger
wenn üln-rhaupt. lange nieht gebührend ge- '^^^ ''"' '^^'^ ameiikiMiischfii. Das erste
würdigt wird, das ist ihr opferungsfreudi-
ger Enthusiasmus für die deutsehe Sache
und di'u dornenvollen, an wirkliehen Freu-
den so armen und so enorme Anforderun-
gen an Körper und Geist stellenden Beruf,
der nur den Allerwenigsten ein sorgenfreies
Leben und ein gutes Gehalt gewährt, die
]\Ieisteu aber zwingt, für eine sechstägige
Arbeitswoche mit oft recht langen Arbeits-
tagen sieh mit einem Lohn zufrieden zu
geben, der durrhschnittlich bedeutend ge-
ringer ist. als derjenige der in den Zeitun-
gen beschäftigten Schriftsetzer, welche für
eine fünftägige Arbeitswoche bei strikt
achtstündigem Arbeitstage .$21 und mehr
verdienen. Dieses ^lissverhältniss zu Un-
gunsten geistiger Arbeit sollte geändert
werden, denn der deutsch-amerikanische
Journalist, der Jahre lang in treuer Arbeit
für sein Blatt sich bemüht, verdient es,
dass seine Leistungen höher eingeschätzt
und besser bezahlt werden.
Eins noch erscheint wichtig, ja der gröss-
ten Beachtung werth ; das ist Förderung
deutsch - amerikanischer Geschichtsforsch-
ung seitens deutscher Zeitungen. Es kann
nach dieser Richtung hin nidit genug ge-
than werden, denn jedes Steinchen, das
Blättehen, welches anf amerikanischem
Boden gedruckt winde, ei>:chien am 25.
September 1690. als Benjamin Harris in
Boston in winzig kh'inem Format scijn'
„Public Occurrenees" veröffentlichte, l^as
erste deutsche Blatt in Amerika, die ..I'lii-
IndclpJiia Zcituii;/", erschien, allerdings
nur in wenigen Nummern, im Jahre 17.S2.
und kein geringerer als Benjamin Franklin
war der Drucker. Allerdings brachte es die
Zeitung zum grossen Aerger des rnterneh-
mers nur auf fünfzig Abonnenten, und das
hat der grosse I\Iann den Deutschen i*enn-
sylvanien's nie vergel)en. Eine deutsche
Zeitung von längerem Bestände gründete
Christoph Säur in Germantown im Jahre
1780, nachdem er ein Jahr vorher dasell)st
eine Druckerei angelegt und znm ersten
]\Iale deutsehe Schriftzeichen in Amerika
verwandt hatte. Die deutsch-amei-ikanisehe
Presse des 18. Jahrhunderts entstand in
Pennsylvanien, der Wiege der deutsehen
Einwanderung, und war darauf l)eschränkt.
Da sie eine Fülle kulturhistorischen ]\Iate-
rials enthält, erscheint es angebracht, näher
auf sie einzugehen. Oswald Seidensticker's
Darstellung der Anfänge des deutsch-ame-
rikanischen Zeitungswesens sind die naeh-
lierl)eigetragen wird, und jeder Artikel, der folgenden Auszüge entnommen, welche zu-
zur Bereicherung der leider in den minsten ^'^'i^'l^ PJri«'» Einblick gewähren in die
Fällen traui'ig geringen deutsch-amerikani- deutsch-amerikanische Volk.sseele des 18.
sehen Geschichtskenntni.sse der Leser dient, Jahrhunderts und wertlivoUen Aufsehhiss
sollte hochwillkommen sein und einen geben über den Bildungs.stand der dcnt-
Ehrenplatz gewissermassen in der Zeitung sehen Bewohner Pennsylvanien 's, deren
erhalten. Journalisten, die für deutsch- Rassegenossen in andern Kolonien resp.
amerikanische Geschichte kein Ver-ständniss Staaten sicherlich kein höher entwickeltes
haben und sie vernachlässigen, sind als Re- Geistesleben aufweisen konnten.
478
DIK DKL'TSC'HE PRESSE IN A.MKWIKA.
Im 18. Jahrhundert.
1 7 ."5 !) Ix'^'iiiiii CJnistoph Sam- in Gci'-
iiiantowii (lif Hci-aus^abc des anfaiijürs drci-
monatlich, später nionatlicli erscheinenden
Die deutschen Z.'itunj:s-(Jründnnjren in Blattes ,J)rr Ihnluhuische PcHiisijlvaiii.
I'.'iinsylvanien iiii>^'cn liier in clironolo^ri- sehr (iisvhiclifssclnrihrr^' oder „Soininlu)ig
scher Vol^'e einen IMat/ finden. Sie wnr- irirlififfrryaclniclihii aus drin Xaltir- und
den erst niüjrlich. nachdem Willicltii Kit- Kinhoi-Rdcli". Dann erhielt das seit
tin^'hnyscii die erste |'a|>i»'rmülile in Ame- dem 7. März 1747 gewöhnlich zweimal
rika im .lalire ltil»> an einem Arme des monatlich (M-scheinende lilatt, das ur-
\Vis.sahickoii errichtet hafte und im Laufe sprünfrlich l"? Zoll lanjr und i) Zoll ])reit
»h-r Zeit im Sfande war. auch Druck-I'apier war. den Xaiiu^n ..Penn.sylvanische He-
/.n liefern. richte o(h'r Sammlunji: wichti^rer Xachrich-
Dir enle Papiermuehle, von Wilhelm Rillinghuysen (Rillenhouse) an einem Arme
de» Wissahickon, Cermanlown, 1690 errichtet.
Ma«r hier in cIironolo«rischer Anordnunfjj
das Knfstehcn der (h'utschen Presse in
Amerika kurz skizzirt wenh'ii. (Jrundle-
«rend dafür waren, wie schon vorher er-
wähnt, die Aufzeichnnn«ren Oswald Seiden-
stieker's. Danach entstanden deutsehe
ZeitnnpMi zeitlich in foljjender Keihen-
fol<;e:
1 7 3 2 wurde die erste deutsche Zeitung
in Amerika, die „Philadelphia Zeitung",
von Benjamin Franklin gegründet. Sie
war nur von kurzem Bestände.
ten aus dem Xatur- und Kirchen-Reich".
Schon 1751 liatte die Zeitung 4.00(1 Abon-
nenten, und die Fulirleute beschwerten
sich über die grossen Packete. Säur 's
Sohn, der nach seines Vaters Tode im
•lahre 1758 des.sen Geschäft übernahm, gab
ihr den Titel : ..Germantovvner Zeitung
oder Sammlung wahrscheinlicher Nach-
richten aus dem Xatur- und Kirchen-
Reiche, wie auch auf das allgemeine Beste
angesehene nützliche Unterrichte und An-
iiierkun<ren." Von 177ö an erschien die
DIE DEUTSCHE PRE88H IN AMKIilKA.
479
Zcituntr wöclu'iitlich zum nUm PriMs»* von
3 Shilliiij; pi'o -liilii". Di«' AlMdiiiciitcu
waiTM vielfacli siiumiirt' Zaiilci-. In Laii-
caster waren solche, die dreizehn Jahri;
hin": das Abonnement schuldeten, l^eitar-
tikel pTJih es nicht, wohl aher Korrespon-
denzen, in denen anjresehene Hürii:er die
öffentlichen An^eleijenheiten beleuchteten.
(Quellen für die der Hauptsache nach aus
KriefTsnachrichten l)estehenden Mitthei Inn-
igen waren die eufrlisehen Wochenblätter.
Es kamen merkwürdige Uebersetzungs-
hlüthen vor. und über Ereignisse, die in
Europa sich abgespielt hatten, wurde erst
in fünf oder sechs ^Monaten berichtet. Be-
sonders beschäftigte sich Säur 's Blatt mit
der Einwanderung. und gegen die
Schrecken des Transports trat es energisch
ein. al)er nicht mit dem prätentiösen
,.wir". sondei-n mit dem bescheidenen
„man" oder ..der Drucker". Eine Xotiz
in der Zeitung, wie man l^riefe in dama-
liger Zeit befördern musste, ist interessant.
Sie schildert die „Briefheförderung nach
Deutschland", wie folgt:
..Es geht alle ]\Ionat ein Post-Scliilif von
England nach Xen-York und wieder hin-
aus. Wer dann einen Freund in London
hat, der den Brief empfängt nnd weiter
nach Holland sendet nnd dieser Engellän-
der einen Freund in Holland hat. der den
Brief empfängt und bezahlt bis Colin und
einen Freund in Eranckfort, der den Brief
empfängt, bezahlt nnd weiter sendet, der
kann seinen Brief selber zu Philadelphia
auf die Post legen. Ein einfacher Brief
kostet 15 Pens nach Neu-YorJi. Hernach
biss Engelland 18 Pens. Das kan er in
I'hiladflpliia bezahlen. Hernach muss sein
Freund 18 Pens biss Holland bezahlen und
sein Freund, der ihn empfängt und weiter
sendet, der bezahlet etwa 18 Pens biss
Colin. Ein doppelter Brief oder ein Um-
sehlag nm den Brief macht doppelt Preiss.
Wenn dieses mangelt, so bleibt der Brief
schon in Lmidnn liesjen. Weiss d(M- Hol-
länd) r seine Auslagen nicht zu itekommen,
so bleibt der Brief in Holland liegen."
Kl)en so Übel bestellt wai- es mit dem
Keisen. Wer sich jetzt von Philadelphia
nach Xew York begeben will, hat tägiicli
oder wenigstens sechsmal die Woche die
Wahl unter ein |»aai- Dutzend Zügen, luid
der Schnellzug legt die Strecke in zwei
Stunden zui'ück. I'nd niui soll uns
Chrstoph Säur .sagen : U'/( num im Jahn
17 ')i von Philadelphia nach .\< n- Yarl:. fnhr.
,,Wei' von Philadel|)hia nach .\ew York
reissen oder wer Güter oder Waai-en dahin
senden will, der findet alle .Montag und
Dienstag ein Marckschitf an der Wasser-
strass am Krukket Billet Wartf ; der Capi-
tain oder Kleister davon .\ike>lai(s Ceorge
loschieret dabey im Wirthshaus zur Köni-
gin Alma und fähret, (wan der Wind oder
das Eis nicht hindert) dass er den .Mitt-
woch nach Bordentown kommt Allda
konnnen die ^lenschen oder die Waaicn auf
einem verdeckten Post-Wagen den Don-
nerstag nach Amboy auf die Ferry. da-
selbst hält Abraham Wthh ein beiniemes
Marckschiff", das fähret Freytag nach Xeu-
York. I'nd alle Freytag und Samstag
loschiert ein anderer Schiffer. Carl Taglnr
in eben dem gemeldten Wii-thshaus umi hat
eine Schalupp an demselben Warff"
u. s. w.
Mit besonderer Befriedigung wird am "J.
Januar 17(U darauf hingewiesen, welche
vorzügliche Gelegenheit man .jetzt habe,
nach lieading zu fahren und Zeitungen
dorthin zu versenden. Im Winter ging alle
vierzehn Tage, im Sommei- aber eijunal
jede Woche der ..neue Po.st wagen" nach
der jungen Stadt in Berks County. Frei-
tag ^Morgen fuhr er bei Leonard Milchir in
der Zweiten Strasse ab und kam Samstag
Abend bei Adani Wiflwann in Heading an.
Der Fahrpreis war 10 Schillinge ($1.:^:^)
und der Reisende hatte -Jd IM'd. Gepäck
frei.
Die jetzt in Aiiu'rika verpönte Lotterie
wni-de .".f^'entlif'h betriehen, wie aus .Mit-
480
niK DKUTSCHP] PRESSE IN AMERIKA.
(frPf (2fitf Don (^^rifiopl) 3aur'ft ^titünm, Jlo. 1, dorn 20. «uflufl 1739.
fnfp(ü(intf(^t
eftpicpt
(ßtetßer
;
ODer
amminng
^ic!)n(j<r *^achncbftf: auß ocm 9?arur « i.nD >\Ma}':n*3;eid)
j^^rfjcö Stiicf 2lug!»|l lo / 1759
<Bcncigrer fi.€(<r
)^fl<«Tanöern2(^9dfreni; Denen Die
0röbe unb-fubfflleQB^ftt)^ fcge-^
rwrtrtrt €briOcn Dienet, ifl r.icbr
Dcr^fvjnaflcDcr'B^tvt^. (^uvi*
^iriiriinDv^ccjicrOcganc offf n?ii5 iicucö
311 (^auen. ju •/^orcn'unD ju ^iffn^
Tiucl) iu ^Sa^cn ^'efcm ^IfhcnienfifciKii
©i'i|] rftii ein Opff^l' zubringen mir ?lus(«?
S^biixtc^ ^i<f5fr Qlammlurtg/ , ift man qani?
n'd)r iriüenö/ nof^rrmincr, fifb fe(bl> Pamir
uciuhrt'ifi'n/ cÜprOiiihni unD'i5?u?i(fn ju
!itd)cn, fon^ern trrti mnn fbmahlen ucr^
Iprocbni» Dtc nij$(ict)flf unD n?id)riq|]r (^c^»
fchtcbre u ^c.qcbcnbertfn hffiinr jumofbcn/
-tyinn fu N'n9}?enfd)fn juObrmuiiD05t^
lichrr PommeTT/öffferö ncfiffin^inDrucf unD
OTnrhDftriffn errcqrn, atö I)inqc Die Da
fo^ffijii *»ö«*onvmni fp »t^olre miin Dann
!if*rij^if^ln«nyrt|tfng nincbcp/ mif fclcf)en
^r^tn.^iffcr.'3'oifro m DjcfemunDanDcrnf
%0rt*%iUtilüreIicl)unDiurcrkifr3acfcf;t9l
hen. m -Hoffnung c6 rocrDc mclK ol)nc einw
aen 'D'^ui^cn, mcniöll Der ?lufn?fcfun3 unD
Deö^^lu|frd)aucnöbci? einigen/ Diecölef .>
fd)nffcn 2lud) möc^en n)ol)l fünffti^ ei>
n^^^tnmcrcfunq'cn unD Dcr3^ic Dienliche
giiigcn crnfldcbenC^jcmuf bcin jum^acl)(tni
ncn/ oDer aiict) iiH>bl einige nufnd^tige ^Inf«
njorr Darauf ju gcben/in i)crgfeicf)cnÖam6
limg herausgegeben n^evDcn. ^crÄ.c(e:
lebe ivobi/ uttö brauch ce wie er (oW,.
'l[^rr tt>eni(^ ^Af)ren Wvre mw/ Daf öfi*
perfi^ttifT unDDcT Curcfegrpfffp 5\rifv^
harren ; taum harfe Derpcrfl^aner nur Den<
CürcPengrieDc, fo ^arte er mir Dcni grof»
rncgct njtegegfnmdrri3 ^iicg-, unDtJct
Koimfchr Ä^Tler Ijarre fflttm'SnlifivmD
Hilf Dem .^ön.'g von 5ran<^fid>/ fo gmc5
er fanir tXlafcau gegen Die ^urcPett "wln-
fnngö tJiciovifirten Die tnofcoiriter an
hn (Lürcf 01 ; ba(D menDcre fiel) Daö ^(art
um/ unD ftegren Die Citrcf c«/ ;eDoct) fieljed
/lenoc^ be^txrfeitö miteinonDcr ju ü^^^^-
5if fo a«^ ö«r Ä<i7fnr mit DcmCörcffn/
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
481
theilimgen des Blattes hervorgeht. Selbst
die Assenibly von Pennsylvanien bezalilte
aus dem Ertrage einer Lotterie 5250 i*t'und.
Die Deutsche Gesellschaft bediente sich
desselben IMittels zur Aufbringung der
nöthigen Fonds zur Bezahlung ihres
Grundstücks.
Auch die Anzeigen des „Hochdeut-
schen Geschichtsschreibers" haben einen
kulturellen Werth. "Wirths- und Vergnü-
gungs-Anzeigen gab es darin nicht. In
Philadilphia irar in jedem grösseren Hause
eine WirtMscIiofl. Festlichkeiten in deut-
schen Kreisen gab es nur in der Familie,
und Theater waren verpönt. Gefundene
Artikel, Waaren, „verseelte" Dienstleute,
d. s. Einwanderer, die ihre Ueberfahrt ab-
verdienen nuissten, entlaufene „Serven",
durchgegangenes Vieh, eine ausgerissene
Gattin, für deren Schulden der Ehemann
sich nicht haftbar erklärt, die er aber nicht
wieder haben will, werden angezeigt. P.ei
einigen Kolonisten-Frauen scheint das Aus-
reissen chronisch geworden zu sein. Den
.\nzeigen zufolge passirte das ]\Ialheur
einem Planne sogar siebenmal.
Damals schon wurde die deutsche
Sprache durch Aufnahme und Verdrehung
amerikanischer Worte verunziert. So wur-
den aus „Bonds" (Schuldverschreibungen)
„Banden", aus „plantation" ., Planta-
sche", für ..Klingel" wurde „Bell" ge-
sagt und der Name des Gasthauses ..TJising
Sun" sogar in „Reisende Sonne" ..ver-
deutscht". Es wurden von 1759 an sogar
schon rohe Holzschnitte für Anzeigen ver-
wandt, um sie mehr hervorzuheben. Die
Säur 'sehe Zeitung ging im Jahre 1777 ein,
als ;nif Veranlassung des Kongresses das
Eigenthum Säur 's, der im Verdachte
stand, auf Seiten England 's zu stehen, kon-
fiszirt wurde.
Es war der Sohn Säur 's, der den Ver-
lust des ererbten väterlichen Geschäfts er-
lebte. Er hiess, wie sein Vater, Christoph
Säur. Der ältere Säur wurde im Jahre
1693 in Laasphe, einem Städtchen an der
Lahn, im jetzigen westfälisclicn Regie-
rungsbezirk Arnsberg, gcbon-n. Saur's
(Jeburtsstadt hatte es 19U5 auf 2.:U2 Kin-
wohner gebracht. Säur war nidit Schnei-
der von Profession, sondern hatte eine ge-
lehrte Erziehung erhalten und in Halle
Medizin studirt. Dort hatte er sich auch
mit der Buchdruckerei beschäftigt. Seine
religiösen Ueberzeugungcn veranla.sstcu
ihn im Jahre 1724 zur Auswanderung nach
Pennsylvanien, wohin er .seine Frau und
sein drei Jahre altes Söhnchen Christoph
mitbrachte. Erst im Jahre 1731 lic.ss sich
Säur in Germantown nieder. Eine
Druckerei eröffnete er im Jahre 173fS und
druckte zunächst mit deutschen Lettern,
die er aus der Schriftgies.serei von Hein-
*'i: ">
Das Saur'sche Haus in Germantown.
rieh Ehrenfried Luther in Frankfurt am
Main bezogen hatte, den ersten deutschen
Kalender, der den Titel führte „Der Hoch-
deutsch Amerikanische Kalender". Das
war der erste deutsche Druck in .\mcrika.
Nach seiner Zeitungs-Gründung und der
Drucklegung der ersten vollständigen Bi-
belausgabe in Amerika, und zwar in deut-
scher Sprache, nahm Säur auch den Druck
englischer Texte auf. Später verband er
mit seiner Druckerei eine Papiermühle,
eine Schriftgiesserei. die erste in Anu-rilca,
und eine Druckerschwärze-Fabrik. Auc-h
die Anfertigung eiserner Oefen wird ihm
zugeschrieben. Er .starb am 25. September-
1758. Sein 1721 geborener Sohn Christoph'
wurde sein Nachfolger. Er veröffentlichte;
482
zwfi w.-itciv HilK'l-Ausgalx'ii 17(Ui
177(1. txiiiiuh'tc (Isis erste religiöse Hlatt
unter (Ifiii Naiiu'U ..Geist lidies Magazin"
luul bemühte sieh eitrig um die Gründung
der ..Gennnntown Akademie", in welcher
I)euts<-h und Kngliseh gelehrt wurde. Naeh
der KonJiszirung .seines Kigeiithinns ging
es Säur sehr schlecht . Kr starb am 2(5.
August 17S4 in Armuth.
17 4 3 erseheint eine neue Zeitung in
nii; DKlTölHE PRESSE IN AMHHIKA
inid
tiuig erschien alle zwei Woehen. Sie hatte
einen Doppeltitel: „Die Lancastcr'sche
ZiilutKj" oder ,,E{n kurzer Begriff der
haupfsäcJilichsien Ausländisch- und Ein-
heimischen Xeuigkeiten" und „The Lan-
casfcr Gazette ; Or A Compendium of the
Most Material Foreign and Home Xcws."
17 5 5 : Unter den Auspizien der ,.Cha-
!-ity Scliool 8oeiety" veröffentlichten Hen-
jamin Franklin und Anton Arndjruster die
lMiiladel|)hia. „Hns Ilochdrutsrhe Pennsijl- J'h iladelphische Zeitung". Die Gesell-
ranischi Journal", gedruckt und heraus-
gegeben voll Jnstph CreUius. Dieselbe be-
stand nicht lange. Crellius verliess später
IMiiladelphia und wurde Auswanderungs-
Makler unter dem Titel „Connnissarius für
Neu-Kngland". Er betrieb neben der Zei-
tung auch eine Abendscluile im AVinter
und einen Handel mit alli'rlei gangbaren
Waaren.
1 7 4 .S Hess Gotthart Armbrustcr, der bei
Saiu' drucken gelernt hatte, eine deutsche
Zeitung ei*seheinen. Der Name derselben
i.st nicht erhalten. Sein Bruder Anton war
ihm bei der Herstellung des Wochenblattes
behiltlieh. Letzterer übernahm 1752 das
Geschäft. Heide waren aus [Mannheim ge-
liürtig und 174:} eingewandert. Ob die
Ziitung schon vor 17r)2 eingegangen ist,
wird nicht mitgetheilt.
1 7 •') 0 gab Johann Böhm, ein nach Phi-
sehaft hatte den Zweck, ,,die Deutschen in
Pennsylvanien mit Schul- und Religions-
Unterricht zu versorgen". Säur war da-
gegen. Das Blatt wurde von dem luthe-
rischen Geistlichen Johann Friedrich
Handschuh redigirt. der bei seiner kleinen
luthcrisclien Gemeinde nicht genug erwai-b.
um sich und seine Familie zu erhalten. Es
diente den Interessen der lutheri.schen und
reformirten Kirche und brachte unter
Anderem Nachrichten über den Indianer-
krieg, unter dem die Deutschen an der da-
maligen Grenze so schwer zu leiden hatten.
Armbruster, der sich 1758 von Franklin
getrennt hatte, fallirte zwei Jahre später,
gab aber
17 6 2 eine neue Zeitung heraus. „Die
Phil adelphische Fama", die jedoch zwei
Jahre später einging. Er starb im Alter
von 79 Jahren in 1796. Er arbeitete Jahre
ladclphia gekonunener Kupferdrucker und lang als Gehilfe für andere Drucker.
.seit 1749 Benjamin Franklin 's Kompag-
non, eine neue Zeitung heraus, die
,,Fama" genannt war. Er gerieth in eine
Kontroverse mit Säur, der gegen höhere
Bildung war. weil Jesu Jünger auch unge-
schult waren. Böhm starl) im folgenden
rlahr. luid damit erlischt die ..Fama".
17 5 1 wurde von Franklin eine
„Deutsch- und Englische Zdlung" heraus-
gegeben.
Kaum war in PhiladeliJiia eine doppel-
j.praehige Zeitung erschienen, so wurde
auch in Lancaster von H. ^lüller und S.
Holland eine solche herau.sgegeben. ^lüller
oder Miller zog sich bald zurück. Die Zei-
Kräftiger entwickelte sich die in dem-
selben Jahre publizirte Wochenzeitung
Heinrich Miller 's, der 1776 Drucker des
Kongresses wurde, „Der Wöchentliche Phi-
ladelphia Staatsbote". Miller war nach
Säur der erste erfolgreiche deutsche Zci-
tungsherausgeber und offenbar ein geistig
bedeutender und gebildeter ^lann. Gebo-
ren in Rhoden in Waldeck kam er mit
seinen Eltern im 13. Lebensjahre in die
Schweiz, erlernte die Buchdruckerei, hielt
sich in Zürich, Leipzig, Altona. London.
Amsterdam, Basel, Genf, Tübingen. Ham-
burg, Amsterdam, London, Paris und wie-
der in London auf, wo er mit dem Grafen
DTK DRUTSniK I'KESSK [N AMKKIKA.
483
Zinzi'ndorf bekannt wurde niul mit ihm
und dessen Begleitern nach Philadelphia
reiste. Am 29. November 1741 landeten sie.
Im August 174:2 kehrte Füller auf Ersu-
chen Zinzendorf's naeh Europa zurüek,
überbrachte Briefe naeh Herrnhaag. wo
er die Gemeindedruekerei einrichtete und
die Vorsteherin des Sehwesterchors, Jo-
hanna Dorothea Blaumer. eine sehr gebil-
dete Dame, heirathete. Er wurde wieder
von der Reiselust ergriffen, die ihn nach
England, Schottland und Irland führte,
fuhr 1751 mit Spangenberg uikI andern
Herrnhutern nach Philadelphia, erhielt
wie beim ersten Aufenthalt in Philadelphia
tcn" wai- eine sciir anständige, die Sdiritt
gefällig und von reichlicher Auswahl für
verschiedene Zwecke, der Druck sauber,
das Papier stark. Tm Januar 17(18 änderte
sich der Titel in ..Du- Wnchcntlichc Penn-
stfli'anisclie Staalsholi'" und wiederum im
]\Iärz 1775 in „Ilcnrich Millers Pennsylva-
vischer Sfanlshole". Vom letztgenannten
Datum bis zum 26. Juli 1776 erschien der
,, Staatsbote" wöchentUeh zirrimal aiil' hal-
bem Bogen. Beim Herannahen der Krisis,
welche der Gang der Ereignisse ankün-
digte, leistete der Herausgeber (birch diese
Aenderung seinem gespannten Leseimbli-
kum ohne Zweifel einen gros.sen Dienst.
die Zusage von Beschäftigung, kehrte aber Keine der englisehen Zeitungen erschien
1754 abermals nach Europa zurück. Seine
Frau trat in das Schwesterhaus in Bethle-
hem ein und gab bis zu ihrem am 6. April
1779 erfolgten Tode Unterricht im Fran-
zösischen und im Aquarell-Zeichnen. Naeh
sechsjährigem Aufenthalt in London, wo
er Prof. ^Müller's Berichte über die russi-
schen Entdeckungen im Polarmeor über-
setzte und druckte, kehrte er 1760 nach
Philadelphia, wohin er seine Presse mit-
nahm und wo er sich dauernd niederliess,
zurück. Er druckte in englischer, hollän-
discher, lateinischer und deutscher
Sprache.
In der ersten Nvimmer, welche am 18.
Januar 1762 erschien, verspricht der Her-
ausgeber in einem Vorworte an den ..Gün-
stigen Leser", seinen deutschen Landsleu-
ten mit einer ivohl-einge richteten deutschen
wöchentlichen Zeitung treulich und nach
bestem Vermögen zu dienen. ,,ohne die
Geldschneiderei zu seinem eigentlichen
Augenmerk zu machen". Schon in dieser
ersten Ankündigung gibt Füller seinen
Ueberzeugungen warmen Ausdruck. Ein
Chri.st, der Alles zu Gottes Ehiv thun solle,
könne durch eine Zeitung nicht nur den
allgemeinen Nutzen, sondern auch selbst
die Ehre Gottes befördern, und dieses Ziel
erklärt er sich entschlossen, seiner Zeitung
zu stellen. Die Ausstattung des ,,Staatsbo-
damals ntrhr als finnial dir Woche.
Das Blatt muss eine grosse Girkulation
gehabt haben. Es war nicht allein in ganz
Penn.sylvanien, sondern auch in New
Jersey, New York, ]\raryland. Virginien.
Süd-Carolina, Georgia und Xeu-Schi>ttland
(und zwar in Halifax) zu haben. Mit Säur
hatte ]\liller oft Kontroversen, namentlich
, als dieser vor der I^inwanderung gewarnt
hatte. [Miller war ein begeisterter Frei-
heits-Freund. ]\Iiller's historische That be-
stand darin, dass er zuerst den Erlass der
Unabhängigkeits-Erklärung veröffentlichte,
früher als englische Zeitungen, und
durch die Schriftzeichen die Bedeutunir
derselben hervorhob, während die eiiu'li-
schen Zeitungen davon in ganz gewöhnli-
ehen Lettern Notiz nahmen. Der Vierte
Juli 1776 fiel auf einen Donnerstag. Frei-
tags kam keine englische Zeitiniir heraus,
und so war denn der ..Staatsbote", der
Dienstags und Freitags erschien, das erste
Blatt, welches die Annahnu» der Unabhän-
o-iHseits-Erklärung meldete, freilich nur in
Foi-m folgender Schlussjioti/. :
„Philadelphia, den 5ten July. Gestern
hat der ACnTBAUE COSdUEtiS dieses
VESTEX LANDES die Vcninigten Colo-
nicn FliEYE und VS ABU AFACJdE
STAATES <rl:liinl.
481
DIE DKUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
„Dit'se Doi'larati«)!! in Kn^'lisch ist in der
l'n'sse: si«' ist datirt. tlcii 4. Jiily 177«). und
wird h«Mit.' oder iiiorircn im Driu-k er.schei-
nen."
Die "IN'nnsylvjinia Evcnin^' Post" vom
»i. .luli hra.'lito den Text d.T Krklärung
vollständig'. alMT in ^'an/ •rfwühnlichein
Druck inmitten andcnT Nadiriclitcn. Das-
s«'IIh' trilt von drr VfrötTfiitlichunp dcrsol-
hrn am 10. .Tuli im " rcnnsylvania Jour-
nal" und in der " IN'unsylvania Gazette".
Die deutsche «rut al)«,'efasste Uebersetzung
der rnal>liän«rit:keit.s-Erk]ärun^ findet sicli
im ..Staat.sl)«)ten" vom i). Juli (Dienstag)
auf volii-r Seite in stattlicher Schrift mit
irros.sem Kopfstück. Dies enthält die
W.-rfe:
..Im CoiKjnss. <h II i. Juli/ J77(l.
EISE EUKLAEKUyO
durch die lu Präsentanten der
Vcriini(ft( n Staatt n von America
im General (' o n g r e s s versamnu'lt.''
.\ls die Engländer Philadelphia, das sie
am l2<i. Se|)t. 1777 be.setzt hatten, verwüste-
ten, nuisste Miller lliehen. Seine Drucke-
rei wiu'de fortgenonniien. Erst ;;m •).
August 177s konnte Miller seine Zeitung
wieder herausgehen. Am 2Ü. Mai 1770
theiltc er den Lesein mit. dass er seines
hohen Alters wegen — er war nahezu 80
Jahre alt — die Herausgabe des ..Staats-
bott'u'' aufgebe. Ei- starl) in Bethlehem
am A]. .März 17S2. Audi als Dichter hat
er sieh nicht ohne Erfolg versucht.
17 7 7. bald nach dem p]inzuge der Eng-
länder luid ihrer deutschen Hilfst ruppen
in Philadelphia, erschien eine neue deut-
.sche Zeitung, nämlich ../>rr Pcnnsiftvani-
stlu Staats - C'ourirr oder einlaufende
Worin nt lieh 0 .\achrichten'\ 1777 — 1778.
Tiiter dem Namen erschien in i'arantiiese
folgende Notiz: Diese Zeitung wird alle
^Vochen herausgegeben von Christoph
Säur, jun. und Peter Säur in der Zweiten
Strasse zu Philadelphia. Sie trat ohne
jeden Vorbehalt für die Sache der Eng-
länder und gegen die ,, Rebellen" ein. Sie
düi-ftc hauptsächlich für die deutschen
Hilfstruppen im Solde der Engländer be-
stimmt gewesen sein: die Hessen, Ansba-
cher, Braunschweiger und Baireuther. die
etwa 4,000 bis -l.OOO Mann stark waren.
C'hristoiih Säur wird deshalb auch von
Heinrich Miller „der deutsche Drucker
des Gen. Howe" genannt. ,,Die Perle aller
loyalen Herzensergiessungen, die sich im
.,Staats-Cüurier" vortinden", schreibt Os-
wald Seidensticker, ,,ist folgendes Gedieht, |
dessen plumpe Naivität wirklich unbe-
zahlbar ist:
Gespraech zweier Bauern in Tolpchocken des Abends
bey einem Glass Wisky und gutem Hickory Feuer,
am 1. May 1778.
Was neues gibt es wohl, was sagen die Rebellen f
Was spricht die soliniide Rott, samnit ihren Spies-
gesellen ?
Sie sagen zwar nicht viel; allein ihr Tluiii und
Wesen
Kann jedermann sogleich aus einem Bilde lesen i]
Von einem Bösewicht in Lancäster erdacht.
Erzehle mir es doch, Avie hats der Schelm ge-
macht ?
Kr stellte Wasi-hington auf einem Throne vor.
Wie weiter? rede fort, komm sage mir's ins Ohr. '|
Der König liegt vor ihm, auf einem Knie gebogen, i]
Und dies ist würcklich wahr? Herr, es ist nicht
gelogen.
Und was noch ärger ist, er soll mit Fingern
zeigen.
Der König möge doch das andre Knie auch l|
beigen.
Ist das nicht unverschämt? Den Frevel niuss «|
man strafen.
Heisst das ein freyes Volk? Nein — Sie sind <J
Congress Sclaven.
Auf! Auf! ihr Briten auf! Ihr Hessen frischen
Muth!
Marschirt nur hurtig vor; des Königs Sacli stt ht
gut.
So lang als Sonn und Mond den Erden Ball be-
scheinen
Die Ströme Delawar und Sehulkill sich vereinen,
Bis dass der Bau der Welt und Firmament ver-
alten
Soll Britens Helden Hand den Scepter aufrecht >|
halten.
Die beiden Saurs begaben sieh nach dem
Abzug der Howe 'sehen Armee nach New
York ebenfalls dahin. Christoph Säur, ge-
boren 1754, erhob nach Beendigung des
DIE DEUTSCHE PKESiSK IN AMERIKA.
485
Krieges bei der britischen Regierung An-
spruch auf Entschädigung und erhielt in
S>t. John. New Brunswick, die SteHe eines
Postnieistei-s und Druckers. Er gab dort
die ..Royal Gazette" heraus, siedelte 1799
nach Baltimore über, avo sein Bruder Sa-
muel Säur eine Druckerei betrieb, und
starb daselbst am ^^. Juli 1799. Peter
Säur, geboren am 8. Januar 1759. wurde
Arzt und starb im Jahre 1784 auf Cat
Island. "Westindien, am gelben FiebiM-.
17 7 8 erschien in Lancaster ..Das Pcnn-
sylvanische Zeitungshlaf' oder ..Samm-
lung Sowohl Ausicärtig- als Einheimischer
Neuigkeiten", herausgegeben von Frantz
Bailey in der Königsstrasse. Lancaster.
Dort tagten der Kongress und die Staats-
behörden. Der VoUziehungsrath hatte am
27. Januar 1778 auf eine Bittschrift ange-
sehener deutscher Bürger beschlossen,
wöchentlich 500 Exemplare der deutschen
Zeitung zu kauf in und zu vertheilen. Das
erwähnte ..Blat" erschien am 4. Fe])ruar
1778, ging aber ein. als am 24. Juni 1778
bereits die staatliche Unterstützung auf-
hörte.
17 7 9. Von kurzem Bestände seheint
die von John Dunlap. dem Herausgeber
des ..Pennsylvania Packet", publizirte
deutsche Zeitung gewesen zu sein.
In demselben Jahre traten zwei ^Männer
in IMiiladelphia mit einem Zeitungs-Unter-
nehiiien vor die Oeffentlichkeit. das den
Titel führte: ..Philadclphischcs Staatsre-
gister, enthaltend die neuesten Nachrich-
ten von den merkwürdigsten In- und Aus-
ländischen Kriegs- und Friedens-Angele-
genheiten nebst verschiedenen anderen ge-
meinnützigen Anzeigen", Melchior Steiner
und Carl Cist. Ersterer war aus Winter-
thur in der Schweiz gebürtig und im Jahre
1749 mit seinem Vater. Johann Conrad
Steiner, einem Geistlichen der Reformirten
Kirche, nach Amerika gekommen. Er er-
lernte bei H. Miller die Buchdruckerei und
gründete 1775 mit Carl Cist. der in der Re-
dakticm des „Staatsbitten" angestellt war.
ein eigenes Ticschäft.
Die neue FiiMiia dcbütirtc mit Verlagsar-
tikeln von äus.serst revolutionärer Fär-
bung, wie Thomas Paine's „Common
Sense" in deutscher Cebersetzung und des-
sell)cn Verfas.sers ..American Crisis" im
Original. Die englische Regienuig .soll
über dies Pamphlet so entrüstet gewesen
sein, dass sie dem Sheriff Befehl gab, es
öffentlich von Henkers Hand verbrennen
zu lassen. Aber das Volk, iieisst es,
lö.schte das Feuer aus und warf die Beam-
ten mit todten Hunden und Katzen. — Als
die Engländer in Philadelphia einrückten.
war es den beiden A'erlegern nicht ge-
heuer, und sie fanden es rathsam, wie der
alte Henrich Miller, ihre Sicherheit in der
Ferne zu suchen.
Die Ausstattung des ..Staatsregisters"
war bei AVeitem schöner als die der gleich-
zeitigen Zeitungen in englischer Spraciie.
Das Fornmt war 16^ bei lOi Zoll, und
die Einzehuunmer kostete ..zwey Schillinge
und sechs Pens". Das Blatt war drei-
spaltig gedruckt, und seine grcsse deut-
liche Schrift machte einen guten Ein-
druck. .\ur Eigennamen wurden mit
grossen Anfangsbuchstaben im Text ge-
druckt. Der enorm hohe Preis (65 Cents
pro Exemplar) erklärte sich daraus, dass
der Werth des Papiergeldes damals derart
gesunken war. dass man ein Paar Stiefel
mit 600 Dollars bezahlte. Abgelöst wurde
das ..Staatsregister" durch die
..Gemein niUzige Ph iUulelph ische Corre-
spondenz". die v«m 1781—1797 erschien;
Herausgeber war ^lelchior Steiner. Die
erstv^ Nummer wurde am 2. Mai 1781 publi-
zirt. Das Format war Folio 16 x 9U,
Zoll. Die beiden früheren Kompagnons
Steiner und Cist hatten sich getrennt. Die
ersten Redakteure der ..Corresi^ondenz"
waren die lutherischen Prediger J. C
Kunze und J. H. C. Helmuth. Sie erhiel-
ten ein Jahresgehalt von je 133:', Dollars.
Ausser Tagesnachrichten Itraciite die neue
4R«>
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
Z«'it\in^ Knirtonmf;«'!! iilli-rlci Frafrt'ii. zu-
meist in Form von Zuschriflfn. ilif /n
Kontrovt'i-si'n Anhiss •rillten. Dif iMeln-zalil
difs.T ..Kinfjt'sinidts" dinllf von tli-n Re-
daktoun'u «jt'scIirii'lM'n worden sein. Die
Int.'i-srhril'ten ,Xrnsor'\ „Curiosus",
..IMiilantliropus", ..Satyric-us". ..IMiiloiier-
iiiaiuis", ..ViTus". ..l'ancfjyrista" etc. ver-
rif'then kla.ssisclie Kilduiifr. und die war
damals wie heute unter den Deutsehen i'lii-
ladelphia's recht rar. Oswald Seiden-
stieker sehreiht üher die ..Zusciiriften " der
..('orres|>oiidenz'*: „Zudem liahen jene
Beiträge eine auflallende Aelndiehkeit im
.Stil: es ist die spröde, etwas stelzenhafte,
gezierte Sehreihweise der vorklassischen
l*eriode, das hedäehtige Ausholen, die
milde Sehalkhaftijrkeit, die plauderhaften
Krfrü.s.se zur ..Kelusti^'ung des Verstandes
nntl ties Witzes". Der Sturm und Drang,
der das Seliriftwesen in Deutsehland er-
sehütterte und um.schul". hatte seine Wel-
len noch nicht an das diesseitige Ufer ge-
worfen. Die Gegen.stände. worüber sich
diese allzu redseligen Aufsätze verbreite-
ten, waren theils sittlich-religiöser Art
(Massigkeit, innere Glaubwürdigkeit der
ehristliehen Fieligion u. dgl.), theils Fragen
der Zeit, der Politik, der Finanzwirth-
seliaft. der Vei-waltung; eben so erhielt die
Stellung der Deutsehen einige Beachtung.
Z\ir Veränderung kamen auch wohl anti-
kisiren(h' Stücke (wie Gespräch des So-
krates und der Timoklea) und rührende
Krzählungen (..Antonio und Angelina, ein
Bild der Treue urul Grossmuth,") vor.
Nur wenige Jahre indes.sen wahrte die
,.('orresi)ondenz" diesen halb doktrinären,
halb feuilletonist ischen Zug. Dann sank
sie in einen bequemen Schlendrian zurück
und beschränkte sich vornehmlich auf die
aus dem Englischen übersetzten Neuigkei-
ten. Man darf wohl vermuthen, dass der
Rücktritt Kunze 's und Ilelmuth's von der
Keihiktion mit dem lahmeren Gange der
Zeitung zusammenhing. AVir wollen un-
sere Leser nicht mit „Stilblüthen" belästi-
gen, gelMMi aber doch ein Beispiel, um zu
zeigen, wie gedankenlos drauf losgeschrie-
ben wurde. Als der Ehrwürdige Iliiiirich
Melchior Mühh nhcry 1787 gestorben war,
widmete ihm die ..Correspondenz" einen
Nachruf, worin es heisst : ,, Seine erblassten
Gebeine wurden am 10. Oktober in Provi-
dence zur Kühe gebracht." — Einen fri-
.schen Anlauf nahm die ..Correspondcnz"
im Oktober 1790. Melchior Steiner hatte
einen neuen Redakteur gewonnen mid ver-
sprach sich von dessen AVirksamkeit einen
.so entschiedenen Aufschwung der Zeitung,
dass er diese nimmehr unter dem Namen
,,Neue Philadel phische Correspondenz" er-
scheinen und ihre laufende Nummer wieder
von vorn anfangen Hess. Zu gleicher Zeit
kam die Zeitung nunmehr zweimal die
^Voche heraus. Der Name des Redak-
teurs, welcher das Blatt auf eine ganz
neue Bahn lenken sollte, ist uns nicht
überliefert. Vielleicht war es Carl Fried-
rich Kelche, der im Januar 1790 den „Gene-
ral-Posthot en" gegründet hatte, diesen aber
schon Ende Juni desselben Jahres aus
^Mangel an genügender Unterstützung wie-
der aufgeben musste. "
Dieser neue Redakteur schrieb gewandt,
war über europäische Ereignisse und Zu-
stände gut orientirt imd veröffentlichte
— zum ersten ^IMale in der Geschichte der
deutsch-amerikanischen Zeitung — wirkliche
Leitartikel. Wahrscheinlich veranlasste ein
abermaliger Redakteurwechsel das Zurück-
sinken der ,, Correspondcnz" in den alten
Schlendrian. Am 23. jMai 1792 erschien die
,, Correspondcnz" wieder nur einmal
wöchentlich. Im November des genannten
Jahres associirte sich Steiner mit dem an-
gesehenen Papier- und Buchhändler ^1.
Kämmerer, der 1789 Präsident der ..Deut-
schen Gesellschaft", 1793 der , .Deutschen
republikanischen Gesellschaft" und 1792 —
94 .Mitglied der Assembly war. Das Blatt
erschien wieder unter dem Namen ..Phila-
delphisehe Correspondcnz". Nachrichten
aus deutschen Zeitungen wurden bisweilen
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
487
darin abgeclnu-kt. aber häutig; erst 'J l)i.s 12
Monate später. Üen grossen Ereignissen in
Europa gegenüber beobaehtete das Blatt
eine stumpfe Gleiehgültigkeit. Es wurde
immer matter und kleinmüthiger, ein Spie-
gelbild des Niedergangs des Deutsehtluims
in Philadelphia am Ende des achtzehnten
Jahrhunderts. Die Zeitung dürfte bald
naeh der am 20. Juni 1797 erschienenen
und noch erhaltenen Xunnuer eingegangen
.sein.
Der frcnizösisclicn Hevulution gegenüber
l)e\vahrte die ,,Correspondenz" eine völlig
inditferente Haltung. Selbst die Hinrich-
tung Ludwig 's XVI. gab ihr zu keinem
Konunentar Anlass. Um so interessanter
ist ein Bericht über das Gastmahl der
Beut scheu Gesellschaft an ihrem 28. Stif-
tmigsfest. am 26. Dezember 1792. An
Enthusiasmus fehlte es dabei nicht. Dem
Herzog von Braunschweig, dem „Anführer
der Sclaven". wurde Bourgoyne's Schick-
sal gewünscht. Auch die biederen Deut-
schen in l'hihKlelphia ergriff ein Freiheits-
taumel. ]\Ian tanzte um Freiheitsbävnue,
geschmückt mit der französischen Trico-
lore rnid dem Sternenbanner, und sang nrit
Begeisterung die Marseillaise. Dem Bür-
ger P^dmond Charles Genet, dem im April
1793 in Philadelphia, der damaligen
Hauptstadt des Landes, eingetrotfenen Ge-
sandten der französischen Republik, der
durch seine Unverschämtheit selbst Wash-
ington in Harnisch ])rachte, überreichte die
„Deutsche Republikanische Gesellschaft"
ein Huldigirngsschreiben, in welehenr die
Unterzeichner erklären, die Betrachtimg
schmerze sie, „dass eine Nation, von der wir
al)stammen. in der Verschwörimg gegen
Freyheit den Ton angeben musste". Genet
erwiderte, die Verantwortung für den Krieg
gegen Frankreich trüge nicht das deutsche
Volk, sondern dessen Tyrannen.
Xativistische Eoguiigen gab es schon am
Ende des 18. Jahrhunderts. In der „Cor-
respondenz" legte „ein Deutscher" dage-
gen Verwahrung ein und erklärte, die
Deut.schen seien, zum Tlieile wenigstens,
für diese Geringschätzung verantw(»rtlich,
weil , .manche imter ihnen aus üimunhcit
ilinr Xationalität sich schäincn.'" Selbst
dem in Amerika geborenen zweiten Sohne
Pa.stor ^lühlenberg's, Friedrich A. .Mühleu-
l)erg, dem Sprecher der Assembly, wurde
.seine deutsche Abstamnumg zum Vorwurf
gemacht. Die Vei'hunzung der .schönen
deutschen ^Muttersprache seitens der Deut-
schen in Amerika durch Aufnahme engli-
scher Worte und Redewendungen ver-
spottet schon Johann David Schöpf, der
17S:3 und 1784 die Vereinigten Staaten be-
r-eiste. Er spricht von „geradebrechtem
^Mischmasch" und ,, Bastard - Kauiler-
welsch". Lessing, Schiller und Goethe
waren den Deutschen in Amerika am Ende
des achtzehnten Jahrhunderts unbekannte
Gi'össen. Als Kuriosum verdient ange-
führt zu werden, dass eine englische Ueber-
setzung von ..Werther 's Leiden" in Phila-
delphia wohl in englischer Uebersetzung zu
haben und in deutschen Zeitimgen an-
gezeigt war. nicht a1)er im deutschen
Original.
W^ie lange die an jedem Dienstag und
Freitag Abend erscliienene „Fennsylrani-
sche ('orrcspondonz" Heinrich Schweitzer's
bestand, ist nicht bekannt. Sie dürfte mit
dem Jahre 1799 eingegangen sein. Ausser-
dem ist zu nennen die 1790 von Friedrieh
U. Reiche herausgegebene Zeitung „Der
Gencral-Posthothc an die deutsche Xation
in America''. Das Blatt war nur von
kurzem Bestände. In dem Prospekt hatte
der Gründer erklärt, die Ausgewanderten
müssten sich namentlich vor Knauserei in
Ji'zuej auf Erziehung und Erziehungsmittel
hüten und selb.st den Schein meiden, „als
halje unser Vaterland nur La.stträger und
Packesel in die Fremde entsandt."
Ausserdem wurden in Pennsylvanien am
Ende des 18. Jahrlumderts noch folgende
Zeitungen gegründet :
1787: Am 8. August die „Neue Unpar-
thevisehe Zeitung" in Laneaster.
488
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
1788: Am \>. F.'l)niar <li.' ..NVuc l'npar-
thfyisk'ho Zfitunj?" in lu-adiiifr.
1793: Eine deutsche Zeitung in Eastou.
1704: Die „Uopartheyisehe Ilarrisburg
Zeitung" in Harrisburg, welelie später den
Titel ..Ilarrishurger .Morgenrot he" erhielt.
179Ö: Eine „Deutsehe Zeitiuig" in York.
17%: Am 29. XovemlMT der „l\tadin(j
Aiihr". die älteste deutsche Zeitung in den
Vereinigten Staaten, welehe noeh heute be-
stellt.
17!i!L- Am 25. Mai ,.I)er Laueaster Cor-
respondent".
1801 : In Easton der ,.Xorthainpton Cor-
respondent", ein lilatt. des.sen letzte Xuni-
mer am 21. Mai 190;i erschien.
Zu erwähnen ist. dass ausserhalb Penn-
sylvanien's nur in einem Staate am Ende
des achtzehnten .Jahi-hunderts deutsehe
Zeitungen ci-sehienen. nämlich in Marij-
iaml. und zwar waren es das von Samuel
Säur herausgegel)ene ..Maryland Staatsre-
gister" und ..Die Baltimore Post".
Geschichte der aeltesten deutschen Zei-
tung in Amerika, des „Reading Adler."
Die älte.ste deut.seh-amerikanische Zei-
tunir. der ..Reading Adler", der im Jahre
17!Mi gcfrründet wurde, erhielt am 26. Juni
1 :>()!> einen neuen Eigeiithümer. Das Blatt
kam damit aus dem Besitz einer Familie,
<len'n Angehi.rige es ganz oder theilweise
fast von seiner Gründung an geleitet hat-
ten. Auch das Festhalten an dem ererbten
Besitz i.st eharakteristiseh für das Deutseh-
thum Penn.sylvanien's. bei welchem sich
die deut.sehe Sprache, wenn auch in kor-
rumpirter Form, seit der Zeit der ersten
Si.MlIungen. also über zweihundert Jahre
lang, erhalten hat. Der neue Besitzer des
..Reading Adler" ist Herr John Weiler,
der Nachfolger des Veteranen der deut.sch-
amerikanisehen Jounialistik in Amerika,
des der wohlverdienten Ruhe pflegenden,
ülx-r 86 Jahre alten Herrn Wilhelm Rosen-
thal, in der Herausgabe der täglich er-
scheinenden ..Reading Post", des Sonntags-
blattes „Die Biene", genannt nach dem
Schiff, mit welchem Rosenthal, sein Grün-
der, vor 60 Jahren nach Amerika kam, und
des Organs des Ordens der TTarugari „Die
Deutsche Eiche". Die Firma Ritter & Co.,
die frühere Eigenthümerin des ..Reading
Adler", löste sich auf. da ihr Chef, Milford
X. Ritter, sieh seiner angegriffenen Ge-
sundheit wegen vom aktiven Geschäft zu-
rückziehen wollte.
Es war im November 1796, als von Jacob
Sehneider und Georg Gerris die erste
Nummer eines neuen deutschen Blattes
herausgegeben wurde, und zwar unter dem
Titel ,,Der Unpartheyisehe Reading Adler".
Das Büd eines Adlers befand sich zwischen
dem zweiten und dritten Worte des Titels.
Der Adler hatte in seiner Klaue eine Rolle,
auf welcher das Wort „Freyheit" stand.
Das Blättchen war dreispaltig und 16 bei
24 Zoll gross. Der am 29. Novend)er publi-
zirten ei-sten Nummer folgte die zweite erst
am 10. Januar 1797. Von da an ist das
Blatt regelmässig am Dienstag jeder Woche
erschienen, nur wurde der ursin-üngliehe
Titel schon in den ersten Nummern in
„Reading Adler" geändert. An Gerris'
Stelle trat am 29. Juni 1802 ein Neffe
Schneider 's, ein praktischer Drucker, Na-
mens John Ritter, in die Firma ein. welche
den Namen Schneider & Ritter erhielt.
Zwei Jahre später zog sich Schneider vom
Geschäft zurück, und Ritter 's Schwager.
Carl A. Kessler, wurde dessen Kompagnon.
Der Name der Firma wurde John Ritter &
Co. Kes.sler starb im Jahre 1823, Ritter,
der von 1843 bis 1847 Kongress-Mitglied
war. im Jahre 1851. Chas. Ke..s.sler, ein
Neffe John Ritter 's übernahm das Blatt
und leitete es bis zum 1. April 1864. als er
das.selbe an William S. Ritter, einen Ver-
waiulten, der im Jahre 1820 als Setzer-
lehrling in die Offiein des Adler eingetreten
war und sich allmählich hinaufgearbeitet
hatte, übertrug. Derselbe a.ssociirte sieh
mit Jesse G. Hawley unter der Firma
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMKRIKA.
489
Ritter & Co. Sie «rründeten im Jahre 1868
den „Daily Eagrle" und kauften später die
Woehenzeitung „Reading Gazette and De-
mocrat". welehe sie als ,,Weekly Eagle"
herausgaben. Im Jahre 1874 trennten sieh
die Kompagnons. Herr Ritter lieliielt den
„Reading Adler", und Herr Hawiey über-
nahm die beiden englischen Blätter. Im
Jahre 1876 erhielt der ..Adler" ein statt-
liches Druekerei-Gebäude an 6. und Coui-t
Strasse in Reading.
Der neue Eigenthümer lässt den ..Read-
ing Adler" naeh wie vor erseheinen, wenn
aueh einige Aenderungen vorgenommen
wurden.
Die älteste in englischer Sprache erschei-
nende Zeitung, die ..Portsmouth Gazette",
ist nur um vierzig Jahre älter ah ihre
deutseh(> Kollegin in Reading.
Die deutschen Zeitungen in der ersten
Haelhe des 19. Jahrhundert?.
In den drei ersten Jahrzehnten des 19.
Jahrhunderts waren deutsche Zeitungs-
Gründungen, die sich allerdings fa.st aus-
schliesslich auf i*enn.sylvanien beschränk-
ten, nichts Seltenes, aber sie verschwanden
der ]\Iehrzahl nach fast ebenso schnell, wie
sie entstanden waren. Die einzigen Zei-
tungs-Gründungen dieser Zeit, welche heute
noch bestehen, sind der im Jahre 1810 in
AUentown zuerst erschienene „Vnahliängige
Keijublikaucr" (zur Zeit von Wm. Schlech-
ter herausgegeben) und der ebendaselbst
1812 gegründete AUentown „Friedensbote''.
Sie niüs.sen neben dem ,. Reading Adler"
als die „Patriarchen der deutschen Presse
in Amerika" bezeichnet werden. Der
„AUentown Friedensbote" wird von der
„Welt-Bote (gegründet 1854) Publishing
Co." herausgegeben.
Von den vielen Blättern, welche kamen
and gingen, gewann nur eines eine wirkliche
Bedeutung, ja war in vieler Beziehung
bahnbrechend und vorbildlich für die
deutsche Presse in xVmerika, nämlich die in
Philadelphia lu'rau.sgegcbcne Wochenst-lirift
„Die Alte und die Xcue Will", weldit' am
4. Januar 1834 zuerst erschien und bald
darauf ihn'ii Titel in ..Alte und .Neue
Welt" umänderte. Der Herausgeber der-
selben. Johann (i(org W(sselhöft, war am
•M). Juni 1805 in Meyendorf. Amt Hagen.
Haiuiover, geboren. Er wollte Theologe
werden, aber die ^Mittel des Vaters reichten
dazu nicht aus. luid so wurde er zu seinen
Oheimen Fromann und Wesselhöfl. die in
Jena die Fromann 'sehe Buchhandlung iiiul
Buchdi'uckerei betrieben, in die Lehre ge-
geben. Nachdem er im Jahre 1>24 die
Lehrzeit beendet, griff ei- nach alter deut-
scher Sitte zum Wandei"stab. war aN Buch-
drucker in Frankfurt am I\Iain. in LDudim.
Brüssel, Paris, in der Schweiz, in Siid-
deutschland. Magdel)iirg und Berlin thätig
und be.schloss nai-h einem missglüekien
Vei'such, sich in Hannover selbst ständig zu
machen, seinem nach Anu^rika der Verf:)l-
gungen der [Mainzer Untersuchungs-Ko.M-
mission wegen geflüchteten Freunde rnd
Vetter. Dr. Wilhelm Wesselhöft. zu folg.'U.
Nachdem er sich mit Johanna IMonses ver-
heirathet hatte, kam er nach r)2tägiger
stürmischer TVberfahrt am 31. Oktober
1832 in New York an. von wo aus er si'-h
zunächst zu Dr. Wesselhöft nach Bath.
Pa.. begab. In Xazareth. Pa., wurde ihm
sein einziger Sohn Wilhelm geboren. Er
besuchte Philadelphia. Baltimore. New
York und I^oston und Hess sich schliesslich
(1833) in Philadelphia nieder, weil er die
Stadt der Bruderliebe als den ..Zentral-
punkt deutschen Lebens" erachtete, „von
welchem durch sein und gleichgesinnter
Männer Wirken auf ein neues verjüngtes
Leben in der deutschen Bevölkerung hin-
gearbeitet werden sollte." Wes.selh:)ft
kaufte die Ritter 'sehe Druckerei und Bu-h-
handlung; er fülirte wirklieh gute deut-
sehe Bücher. Zweiggeschäfte wurden
schim in den dreissiger Jahren in New
York (Wilhelm Radde). in Cincinnati.
Baltimore, New Orleans und Washington
490
DIE DEUTSCHE PKESSE IN AMERIKA.
m'j.'rümli't. Wrssclluift reiste viel uiul
knü|»fte inr..lp'ilcs.m'n Ik'/iehnn^'eii zu den
luTVorra^emlstt-n tl."utsch«'ii Miinncin des
Lniid.'s an. An alU-n deuts.-licn Bcstre-
hunjren nahm er w.Tkthätij;«!! Antlieil.
Kr war iler erste Präsident des im .lahre
IS.U in lMnladt'l|)liia «;cj„MÜndeten Hil-
(lunp<-V«'n'ins. aus welchem am 1">. De/cui-
ber IS.T) drr erste deutsch»' ?ilännery:esan«r-
Verein. der ..Mäniu'rchor" (durch 1'. -M.
WolsietTer in 's LelM'ii frerufen) entspranjj.
Die K<»htnie Hermann in Missouri zählte
ihn zu iliren (Jründern. Kr war eilrij;
bestreht. die Dcjjtschen zu einiiren, die
Muttersprache zu erhalten und das An-
sehen des deutseben Namens zu heben. Er
war keindeutsch und übte ein wohlthuen-
des Gejren«rewicht solchen Deutschen ge-
frt'UÜber aus, welche bcmülit wai-cii. ihr
Vulksthum so schnell wie möglich aufzu-
gellen, ja ihre Abstanunun«; so^rar vei'leug:-
neten. Dem Präsidenten Tyler unterbrei-
tete er den Plan, ein anu-rikaniscbes Gene-
ral-Konsulat für «ranz Deutschland zu er-
richten. Ks solle die Kinwanderune retreln
nnd die Auswand<M-er über Land luid
Leute in der .Neuen Welt belehren. Der
Präsident verwies ihn an den Kongress. Ob
der N'orschlag demselben jemals unter-
breitet wonh'U ist. lässt sich nicht fest-
stellen, hu .lahre LS:^8 verlor Wesselhöft
seine Frau. Die in demselben Jalirc hei--
einbrecheiule linanzielle Krisis, die l)is in
das .lahr 1S44 dauerte, zwan«.' ihn zur Auf-
gabe seines Geschäfts in Philadelphia. Kr
siedelte nach St. Louis über, wo einer
seiner lirüder etablirt war. Seine Schwester
w<»hnte in Hermann. Mo., seine Tochter
Johanna in .Mascontah bei Belleville. IH.
Vnn 1S4:J— 5;i betrieb \Ves.selh(ift in St.
Louis eine linchhandhnu; und Schreibma-
terialien-Handlun«,'. reiste im Hei'bst 1S54
nacli der Heimat h und kehrte zwei Jahre
später imch Amerika zurück, um die
letzten Jahre seines Lebens, die ilnrch
schweres körperliches Leiden getrübt
waren, abwechselnd bei der Schwester imd
der Tochter zu verbringen. Am 24. Januar
185!) starl) ci-. Auf dem Friedhofe in Her-
mann fand iler wackere deutsche Mann die
letzte Rubestätte.
.\iil" Johann Georg Wesselhöft 's LcIk^u
und Wirken ist an dieser Stelle ausführlieh
eingegangen worden, weil das Blatt, dessen
Gründer nnd Herausgebei- er wai-. wie
schon (ilicn licrvoi-gehoben. bahnbrechend
und vorbildlich für die deutsehe Presse in
Amerika wurde. Die obigen Mittheilungen
sind der Selbstbiographie Wesselhöft 's
entnonnnen. welche in Gustav Körner's
Werk ..Das deutsche Klement in den Ver-
einigten Staaten von Nor(buuerika. 1S18 —
1848" Verwendung fand. Bezeichnend
ist, dass die „Alte und Neue Welt" in
ihrer einen AVoebennummer mehr Lese-
stoff enthielt, als die damals in Deutsch-
land erscheinenden Tageblätter. die-
..Augslmrger Allgemeine Zeitung" viel-
leicht ausgenommen, in einei- Woche ent-
hielten. Sie erschien l)ereits im zweiten
Jahie ihres Bestehens in Gross-Royal For-
nuit. Die erste Seite brachte rnterlial-
tungslektüre: kleine Novellen und Erzäh-
lungen neuerer deutscher und französi-
scher Schriftsteller, biographische Notizen.
Mittheilungen naturwissenschaftlichen und
kulturhistorischen Inhalts und Gedichte
der deutschanuM ikanischen ]\Iuse. Euro-
päische Nachrichten, deutschen Zeitungen
und den euroi)äischen Korrespondenzen
amerikanischer Blätter entnonnnen. Be-
richte des Korrespondenten der ,. Alten
und Neuen Welt" in Frankfurt am IMaiu
über deutsche politische Verhältnis.se. Aus-
züge aus Botschaften des Präsidenten der
Vereinigten Staaten und des Gouverneurs
\<)ii Pennsylvanien, sowie aus den Debatten
des Kongresses und Reden bedeutender
amerikanischer Staatsmänner und Artikel
belehrenden Inhalts über die Gasehichte
des neuen Vaterlandes füllten die zweite
Seite, während die dritte amerikanische
Nachrichten, solche über Philadelphiaer
Lokal-Ereignisse und Korrespondenzen aus
DIE DEUTSCHE PRESSE IX AMERIKA.
491
dem Inlande aufwies. Die vierte Seite war
Anzeigen irewidinet. Das Blatt war Ui'iii
ausgesprochenes Partei-Organ ; es hatte
eine Seliwenkung von der Whigpartei zur
Denu)kratie gemacht, vermied es jechx-h.
durch allzu scharfe Sprache sich Gegiu'r
unter den Deutschen zu nuichen. Seine
Haupttendenz bestand darin, das Deutsch-
thum zu stärken und zu einigen, und ein-
seitige Partei-Politik war damals wie auch
heute noch dazu das allerungeeignetste
Mittel.
Die ,,Alte und Neue Welt" bestand bis
zum Jahre 1843 und zählte zu ihren Re-
I dakteuren. ausser dem Herausgeber, C. L.
I ...
I Walz, Samuel Ludvigh und ^laxunilian
I Sehele de Vere. Sie Avar freisinnig in
Politik und Religion, befleissigte sich einer
gewählten Ausdrucksweise, hielt sich fern
von allen Rohheiten der Hemdsärmel-
Journalistik, zeigte lebhaftes Interesse für
Homöopathie und Wasserheilkmide, zeich-
nete sich durch IMässigung und milde Be-
urtheilung selbst ihrer Gegner aus und
war mit Erfolg bemüht, den verschiedenen
Bildungsstufen ihrer Leser gerecht zu
werden. Daraus erklärt sich, dass die
„Alte und Neue Welt" eine Verbreitung
in allen Theilen der Vereinigten Staaten
gewann, wie sie kein anderes deutsches
Blatt jener Zeit erreichte. In den Städten
des Ostens und Südens, in den weit aus-
wärts liegenden Ansiedlungen des Nord-
westens, war sie lange Jahre der stets
willkommene Wochengast, und ihr Ein-
fluss auf Gesinnung und Gesittung des
deutschen Elementes kann kaum über-
schätzt werden. Für die Geschichte der
Deutschen während jener Zeit ist sie eine
ausgiebige, ja unentbehrliche Quelle. Auf
ihrer Titelvignette befanden sich folgende
Verse :
In freier Schrift und Rede
Tliiit hier der Geist sich kund;
Pressfreiheit ist für jede
Freiheit der Schirm, der Grund.
Hier darf kein Zuiiij^licrr dräuen
Mit seinem Maciitj,'('l)ot ;
Wir liiiiuclii'ii niciits zu scheuen
Als das (icsctz lind (Jott.
Die erste (iciitsrhf Zeitung jiiisscrhalb
i'iiinsylvanicn 's und Maryland's war ,.I>tr
Deutsche Beobaclili r". der in (";ml((u. ()..
im Jahi-e 1S21 gcgi-iindct wurde. ;i1mt
nicht mehr erscheint. Die erste deut seile
Zeitung in IMttsburg. P;i.. „Der Stent des
]V(slrtis", erschien in demselben Jalire.
wie die erste dcut.sche Zeitung in Ciueiii-
nati „Die Ohio ('hronik'\ nändich im
Jahre 1826. Von den ersten deutschen
Zeitungsgründungen in Ohio hatte Bestand
das 18H6 in (.'incimmti gegründete ..('iii-
cinnatier Volkshlall". In demselben Jahre
erschien auch der ..Freiheitsfreund" in
Pittsburg.
Xew York 's Deutschthum empfau<l erst
verliältni.'>:suiässig .^pät die Xothwendigkeit
eines in deutscher Sjiraehe geschriebenen
und gedruckten Blattes. Die erste deutsche
Zeitung in New York, die „Xew YorUer
St(iats-Zeitung'\ trat am 24. Dezeiid)er
1834 zuerst voi- die Oetfentlichkeit. Eine
Bedeutung erhielt auch die im Jahre
1843 in Xew York publizirte Zeitung „Die
„Sch)ieUpost".
Das Deutsclithum St. Louis' und l'm-
gegend erhielt die erste deutsche Zeitung
im „Anzeiger des Westens", der am 31.
Oktober 1835 zuerst erschien.
Der erste Versuch mit der Herausgabe
einer deutschen Tages-Zeitunti wurde im
Jahre 183(i in Philadelphia von Ad. Siigc
gemacht, doch war das Blatt „Dir Beolmeh-
ter e,vn Delaware" nui- \iin kurzem Be-
stände. Im nächsten Jahre uuu'hte L. .\.
W^ollenweber in Philadelphia abermals mit
der von ihm gegründeten Zeitung „D(r
Freisinni(j( " di'u Versuch der Etabliruug
einer deutschen Tagespresse. Aber auch
dies Experiment schlug fehl. Auch Burk-
hard & Rottenburg erlebten mit der am
27. August 1838 begonnenen täglichen
Ausgabe des eiriiL'c .Monate voi'her als
492
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
\VtK-lu-nl)hitt u'.'irr-iiiidi^trn J'hUa<Ulphia
Demokrat" riii Fiask... Erst 1S;W wiirdf.
hIs WoIIi'Mwi'Imt .iImtiiwiIs. uiul zwar mit
dein ..Drmoknit'". <len Vei-such machte,
«'inr «l.'utsclu' Ta^'.'s-ZtMtunj; hcraus^t'^c-
WiscDiisin's erstes deutsches Blatt wurde
1S44 tregründet. Es war das in ^lilwaukee
puhlizirte „Wisconsiu Banner". 1851
folgte die von Kohhnaun und Broeg ge-
gründete „VolkshaUe", die später den
JH'ii. «las Feld der Tages-Puhlicistik der Namen „Seebote" erhielt. ,,Der Seebote"
deiits<'hcn l'ifss.' in Amerika dauernd
erobert.
Die erste deutsche Zeitung in Butt'alo.
N. Y.. ../>•/• Wilthiirtfi r", wurde im Jahre
\H'M gegründet. In demselben Jahre ent-
stand in Cineiniiati au<-h das rrst( hatlto-
UmIk ih utsilK lilnlf des Landes. „Der
Wahrhfitsfreiind". ..!>' r rliristlichf Apo-
loffftf", das deutsehe Organ des Methodis-
mus, wurde in Ciiu-innati im nächsten
Jahre gegrüiuli't.
wurde vor einigen Jahren mit dem
..Herold" verschmolzen. Die Herausgeber
desselben, die ..Gerinania-ITerold Asso-
ciati<m", verötl'ent liehen auch die ..(ierina-
nia-Aliendpost" und die ..Sonntags-Post",
^lilwaukec's Bestand an Tages- und
Sonntags-Blättern.
Die erste deutsche Zeitung in Cleve-
land. „Der Wächter am Eric", wurde 1852
gegründet.
Texas erhielt seine erste deutsche Zei-
.\ls erstes deutsehes Blatt in Illinois ist tung in dem 1852 erschienenen Blatte
iler im Jahre 1S40 gegründete „Freiheits- „Xeu-Braunsfeh Zeitung".
hotf " in 1^'lleville zu verzeichnen, dem
ebendasell).st 1S44 „Ihr Beobachfer", 1845
„l>i r Chicüffn Viillcsfreund" und 1S46 die
„Illinois Staats - Zeitung" in Chicago
folgten.
Das älteste deutsche Blatt [Maryland 's,
../>'/• Htutsche Comsponflent" in Balti-
Californien's erste und noch .jetzt l)e-
stehende deutsche Zeitimg, „Dir CaUfiiniia
Detnohrat", wurde von Louis Ilähnleu
1851 in San Francisco gegründet.
Die einzige deutsehe Tages-Zeitung,
welche der Staat New Jersey heute aufzu-
weisen hat. aber eine recht bedeutende,
niore. wurde im Jahre 1841 von Oberst Anirde von Benedict Prieth 1858 gegründet.
Frietlrieh Raine gegründet. Die erste
Nnmmer erschien am b. Februar.
Die erste deutsche Zeitung in Louis-
ville. Ky.. war die 1S41 gegründete „Volks-
biilnit ", welcher 184f) der „Louisville
Anzeiger" folgte, eine der verbreitetsten
deut.sehen Zeitungen des Laiules.
Der Staat Louisiana erhielt sein erstes
deut.sches Blatt im Jahre 1839. Es führte
di'ii Namen „Der Deutsche" und wurde
in .\ew Orleans publizirt. Es erschien
später in Deutsch und Englisch und ging
bald ein. Zahlreiche andere deutsche Zei-
tiujgen kamen und gingen. Den längsten
Bestand hatte die 184S gegründete „Xew
Orteanser Deutsche Zeitung".
Im Jahre 1848 erhielt die Bundeshaupt-
stadt die erste deutsche Zeitung. Redak-
Es ist die „New Jersey Freie Zeitung".
Die New Yorker Presse von 1849-1851.
Der Herausgeber des ..California Demo-
krat". Herr Friedrich Hess, hat für ..Das
Buch der Deutschen" folgende interessante
]\Iittheilungen übersandt :
,,Da meine Erinnerungen an die X. Y,
Deutsche Presse von anno 1849 — 1853 noch
warm sind, so dürfte vielleicht Folgendes
für Ihr Werk von Interesse sein. Während
dieser Jahre erschienen daselbst :
Die „Tägl. N. Y. Staats-Zeitung" mit
dem Sonntagsblatt, genannt ,.Der Frei-
schütz". Das Geschäfts- als auch das
Setzerlokal befanden sieh in '49 in einem
kleinen Hinterhaus, No. 11 Frankfort Str.,
teur dersell)en war Alfred Schücking. Ihr gegenüber French Hotel. Herausgeber war
Name war „Der Deutsche in Amerika". Jacob Uhl, der geschäftlich als auch tech-
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
Asr.i
nisch auf's Beste von seiner Gattin unter-
stützt wurde. Es war auch einst eine Zeit,
dass sich Frau Uhl mit dem Austra^'cn der
Zeitungen besehäftigte. und zwar in den
40er .Jaliren. Satz und Redaktion des
„Freischütz" hig einzig in den Händen des
Setzers Stephan bis 1851. Stephan ging
indess einst an die ,. Spree" — er fehlte von
Montag bis Donnerstag. Herr und Frau
Uhl fühlten sich wegen der kommenden
Sonntags-Xummer beunruhigt. Stephan
erklärte indess am Donnerstag, dass das
Blatt so gut wie immer erscheinen würde.
Das Blatt erschien, aber Stephan hatte die
Notiz gebracht, dass wegen des hochinteres-
santen Lesestoffes die letzte Nununer fast
gänzlich vergriffen und auf allgemeines
Verlangen erseheine der Satz von letzter
Woche nochmals !
Die Gesannntautlage der Staats-Zeitung
war 1849 circa 4.500. Der „N. Y. Demo-
krat" (IL Schlueter, Herausgeber) er-
schien mit dem Sonntagsblatt ,,Der Beo-
bachter am Hudson". Zur Zeit hatte der
„Beobachter" die grösste Auflage von allen
deutschen Zeitungen New Yorks und im
gleichen Gebäude. No. 77 Chatham Strasse,
wurde auch die tägliche ..Schnellpost" ge-
druckt, C. .Magnus, Herausgeber. Sowohl
der ..N. Y. Demokrat" als auch die
„Sehnellpost" hatten über ;{,0(»0 Antlage.
1850 wurde die „N. Y. Abend-Zeitung"
(Sonntagsblatt ..Atlantische Blätter") ge-
gründet. Herausgeber war eine Ass(»ei;i-
tion von 12 Buchdruckern. Das Blatt hatte
nach kurzem Krsclieinen bereits eine .\iit-
lage von :i200 Kopien. Zu den Redakteu-
ren luid literarischen .Mitarbeitern zähl-
ten die IJesten. (ii<' je eine deutsche Zeitung
Amerikas aufzuweisen hatte. Hs waren:
Dr. Carl Dilthey, Dr. Magnus Gross. Anton
Eickhoff". Feiuier von Feiiiii'i)er'.'. Di-.
Schele, später Professor an der liiiversität
von Virginia, Dr. Gottfried Kellni-r. Louis
Didier, Victor Wm. Fröhlich und ..last bnt
not least" Hermann Raster, später Redak-
teur der „niinois Staats-Zeitung". Die
,, Abend-Zeitung" hatte aber keine Mittel
zur Verfügung, und Lneinigkeit der Aktio-
näre trug nach mehrjährigem Bestehen
zum Verfall des Blattes bei.
1851 erschien auch in New York ..Der
•Zuschauer" als Wochenblatt. Herausgeber
und Redakteur war der wohlbekannte 48er
Gustav Struve.
1851 wurde auch daselbst die ..Criminal-
Zeitung", später ,, Belletristische Blätter",
von Rud. Lexow gegrüiulet. Das Blatt war
sorgfältig redigirt und hatte zur Zeit be-
deutenden Erfolg zu verzeichnen."
494
DIE DKrTScm-: pressk i\ amekika.
Deutsche Zeitungen und ihre Herausgeber.
Naclistflu'iKl <li<' (icschifhti" rini^'cr bc-
kmmtfii (Icutsfli-aiiu'riUMiii.scIu'ii Ta(;<s-Z< i-
tuii(/iii und liiotrraphit'ii iliirr 1 InausirclxT.
so wi'it sie UMS zur Vrrfiiiruiiir standen. In
spätoron AuMaiit-n des Ihii-hcs soll dieses
Kapitel er^rän/t und vervollstiindiirt wer-
ilen. Für <lie Heilienfi)l,«re der niiehsteheii-
den Zeitunjrs-(Jesehiehten und Hiojrrapliieii
waren die Namen der Staaten in al|)liaheti-
selH'r Ani)rdinniir niassirebend. in denen die
hetretTenden Blätter erseheinen.
..Sie wirkten nanientlieli in zweierlei
Hiehtun^r: aufklärend und belehrend für
das Deutseht hnni luid kämpften für Recht
und Wahrheit im reehtliehen. patriotischen
Sinne. Diesen Charakter der deutselien
Zeit untren hat sieh tue deutseh-amerika-
nische l'resse bis auf den heutiiren Tag be-
wahrt und ist trotz aller Stürme, die in der
Foltre über das I^and brausten, nicht von
dem vorgesteckten Ziele al)gewichen. In
jeder wichtigen Zeitepoche war sie das
Mundstück der liberalen Seite gegen die
rndiddsamkeit. dämiifte den Sturm der
Leitlenschaft. wenn es zum Heile des Lan-
des war. aller zog gar kräftig vom Leder-.
wenn Fanatismus. Heuchelei und ein un-
verschämter Afteriiatriotisnuis sich geltend
zu machen versuchten. Keine deutsche
ZcHiniff in (liisiiii LamU hat jetnah die
Sklaverei zu verfheidif/i n rrrsuchl, die
Seeession gebilligt, oder je zu einem Kriege
mit dem Auslande gerathen oder gar ge-
hetzt. Dabei war der Ton der deutschen
Fres.se inniier ein moralischer, und selbst
w«'nn sie Donnerkeile austheilte. hielt sie
sich .stets in den (irenze>i. die der Anstand
gebietet, rnciidüdi heilsam und wirksam
war der KinHuss. den sie vor allem in der
letzten Hälfte des verflossen eii Jahrhun-
derts au.sübte. ja sie liildete ganz direkt das
moralische Gewissen des Landes wodurch
selltst die unskru|)ellose englische Presse im
Zaume gehalten wurde. Sie war nicht nur
der getreue Eckart des Deutschtluuiis. son-
dern (lei- ganzen Nation, und alle Anfein-
dungen ihi'ei- iiiäehligen Stiefschwester, der
englischen Presse, vermochten sie nicht '|
irre zu machen an ihrem Heruf. oder die
eingeschlagene Bahn zu verla.ssen. Ihr ge-
l)ührt die hohe Ehre, dem Lande und der
.Nation in Xoth uiul in (icfahr, mochte diese
nun von äusseren odei- von inneren Feinden
di-ohen. durch ilu'e mächtige Stiiiune und
durch ihren Wahrheitsnuith die grö.ssten
Dienste geleistet zu haben, indem sie in
solcher Zeit die Gemüther aufrüttelte, be-
geisterte und enttlanunte. und so zum Ge-
lingen jeder grossen, edlen und rechten
That beitrug. Heute steht sie in ihrem
sittlichen Ernste hoch über der seichten,
demoralisireuden englischen Presse mit
deren Wust unverdaulicher, geistiger Sur-
rogate imd kolossalen Geschmacklosigkeit,
die sich namentlich in der Hlustration breit
nuicht. und einer Sensationssucht, die
ruhige Prüfung nicht kennt. Der Daseins-
zweck der englischen Presse ist rein mate-
rieller Natur, also der erzieherische ein ij
völlig verfehlter. Die Presse soll das Volk
zu sich heranziehen, ihm gewissernuissen ein
Leitstern sein, aber sie darf sich nicht zur
Schmeichlerin der Unwissenheit und des
Unge.schmacks machen. Dies thut die eng-
lische Presse aus rein materiellen Gründen »|
vielfach, und das Resultat ist keine Fort-
bildung des Volkes, sondern viehnehr eine
Verflachmig seines Denkens, eine Verwir-
rung seiner Begriffe, kurz eine moralische •{
Vergiftung. Die deutsche Presse tritt be-
lehrend und ermahnend auf. frei von aller
Sensation und wirkt im wahren Sinne
volkserzieherisch. Eine solche Presse nuiss
segensreich wirken nicht nur füi" (hisjenige 'j
Bevölkerimgselement. in dessen Sprache sie
geschrieben ist, sondern auch für die T^ür-
ger englischer Zunge. Eine solche Presse
hat nicht nur eine journalistische, sondern
DIK DEUTSCHE PRESSE J.\ AMEKIKA.
4&5
aiu'h i'ine literarische Hedeiitunir. denn sie
wirkt fördernd und l)ildend im weitesten
Sinne!"
CALIFORNIEN.
„California Demokrat" in St. Francisco.
Die erste deutsehe Zeitung, welelie in
<üalifoinien gegründet wurde, war die
„Tägliehe Cal. Staats-Zeitung". Sie ver-
•dankte ihr Entstehen besonders Jacob F.
Häluilrn. Derselbe kam 1849 von Philadel-
phia nach Californien, war Ilutmaeher von
Profession, doch widmete er sich daselbst
ausschliesslich der Politik. Er verliess San
Francisco im Jahre 1851. sicherte sich dann
in Philadelphia alles nöthige ]\[aterial zur
Herausgabe des Blattes, sowie auch Redak-
teur und Setzer. Um das Blatt so bald wie
möglich erscheinen zu lassen, wurden
Presse sowie auch Typen per Dampfer via
Panama nach San Francisco versandt. Die
Fracht über den Isthmus allein betrug 25
Cents pro Pfund. Zur Beförderung der
Fracht über den Isthmus wurden zwei
Ochsen sowie auch einige INIaulesel ver-
wandt. Das Blatt erschien in vorzüglich-
ster Ausstattiuig bereits vor Ende des
Jahres 1851. Die Eigenthümer waren
•Jacob F. Hähnlen und Benjamin F. Waltz.
Die Grösse des Blattes war -l-seitig. 5
Spalten zur Seite, der Abonnementspreis
betrug 50 Cents pro Woche. Die Kosten
■der Herausgabe waren zur Zeit enorm ; die
"Setzer erhielten anfangs ^2 pro 1000 m,
was indessen bald in Anbetracht der finan-
■zlellen Lage auf $1.50 pro 1000 m herab-
gesetzt v>urde. Das Gehalt des Vormanns
war $75 pro Woche.
Kurze Zeit nach der Herausgabe ging
•das IMatt bereits in die Hände einer Aktien-
-Gesellschaft mit .$10.000 baar einbezahltem
Kapital über, und nach 1 V-jährlichem Be-
stände ging es ein. 1853 kauften Rechts-
anwalt John A. Reichert (früher Sheriff
in Chicago) und C. F. Becherer das
l)ruckerei-]\Iaterial und gründeten die täg-
liche „Freie Presse" (republikanisch). Fast
zur selben Zeit wurde der „California De-
nujkrat" gegründet. DieHerausgcbcr wann
Dr. F<v(Uiuin(l von Ltxhr, (Idhrr chl, .\(i(-
inauH. liuli und \V(i<jn(r. FiitdricU IIis<;
war seit Gründung des ..Demokrat" da-
selbst tliätig, bis er im Jahre 1856. kaum
18 Jahre alt, Herausgeber des libittes
wurde, wiihitiid Di-. h\ \(in Loclir liis zu
seinem Tode, 1877, Redakteur blieb. Die
„Freie Presse" stellte ihr Erscheinen nach
kaum 11 ojährlichem Bestehen ein.
185-4 wurde das tägliche ..San Franci.sco
Journal" gegründet. Herausgeber waren
A. Brauer & Co, Redakteure di-r Ix'kannte
18-t8er Dr. Jul. FrochH, .lul. Koin und
Karl Krug. 1856 wurde das l^latt mit dem
„California Demokrat" verschmolzen.
1857 wurde das „S. F. Journal" .Xn. 2
(Herausgeber L. Jacobi & Co.) gegründet.
Auch erschien im selben Jahre ,,Die S. F.
Abend-Zeitung", Herausgeber C. Behrens.
Beide Blätter stellten die Herausgabe nach
kurzem Bestehen ein.
1858 ei'schien die „S. F. Abendpost",
Herausgeber Ilerzer, Schindler & Huefner.
Jul. Loewy und Leo Elsesser Redakteure.
1904, nach fast 35jährigem Bestehen er-
schien die letzte Xunnner.
1893 wurde das „S. F. Tageblatt" ge-
gründet und endete 1902 mit einem finan-
ziellen Verlust von circa .$30.000.
Ausser diesen täglichen deutschen Blät-
tein ei-scheinen in San Francisco folgende
deutsche Wochenschriften :
..Die Demokratische Presse", C. A.
rhrig. HerausgelxM-.
„Cal. Journal". Redakteur Friedri.-h
Schünemann-Pott, vormals Sprecher der
Philadelphia Freien Gemeinde.
„Humorist", Redakteure Rud. Tliomnn
und Max Uohnlieim.
„Cal. Volksfreund", sowie versrlii.'dene
andere, die indessen alle schon vm- dem
Bi-ande das Zeitliche segneten.
41Hi
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
lOOH. iiarh (Ifiii i:i(ll)fl»<ii iiiul 'l''iii Der Herausgeber des „Cal. Demokrat".
HraiuK .'rs.-hH'ii dn „Cal. Dniiokrat" Herr Friedrich Hess, wurde 1837 in
kiirzf zVit wiM-hcntlicli. l)is die auf telegra- Cohlenz a. R. geboren, langte mit seinen
phisrlu-iii W.'p' be.stt'lleten Setz-Masehinen Kit. in 1S4!I in New York an, trat im Jahre
und \V.'b-l*res.s(' eintrafen. Ks gereieht." ISöU als Setzer-Lehrling und p:xpedient in
d.MU HcrausgelH'r zur bcsdndcren Fremh'. die „N. Y. Abend-Zeitung" ein, wanderte
da.ss »lie Wi.'dt'rhrransgalM' der Tages-Aus- naeh fast dreijähriger T^ehrzeit 18.')3 nach
ir)ih«' vin d<n l;iiii.'.i;ilii'iirfn FituihIch des ralif(uni('Ji und ist fast volle 00 Jahre bei
FRIEDRICH HESS.
Hetausgeber des ,, California Demokrat'
lilattfs mit Jubfl hfgi'üsst wuidc Es ist der deutsehen Presse Amerikas thätig. Hess
jetzt die einzige deutsehe Zeitung iu San
Frr.neiseo. Kurz naeh dem Brande war die
Herausgabe mit grossen Sehwierigkeiten
verbunden. Die Herstellung des Blattes
fand zum Theil in San Franeiseo, in Oak-
land als aueh in Berkelev statt.
war 1856 :\Iitglied des S. F. Yigüanz-
Komites. war langjähriges ^Mitglied des
Direktoriums der Allgemeinen Deutschen
Unterstützungs-Gesellsehaft und ist einer
der Gründer der Deutschen Spar- und
Leihbank von San Franeiseo. Er war
I
DIE DEUTSCIIK I'KEiS8E IN AMKK'IKA.
497
vier Jahre lanj;. von 1868 bis 72, Scliiil-
Direktor vdii Alamcda. woselbst cliireh sein
Beiiiübcn der deutselie Unterrieht einge-
führt wurde. Er feierte am 20. Juli 1909
im Kreise seiner Familie und Enkel auf
seinem Landsitz Pine Crest. Xapa Co.. in
bester Gesundheit seinen 73. Geburtstag.
Oligleieh Herr Hess immer noch seine
Dienste dem ,,Cal. Demokrat" widmet, be-
findet sieh die gesehäftliche Leitung iu den
Händeu seines Sohnes, Frederiek Hess jr.
Derselbe ist aueh Expert-Linotype-^Iasehi-
nist. Ihm war es zu danken, dass der „Cal.
Demokrat" die erste Zeitung in San Fran-
cisco war, deren Satz vermittelst Setz-]\Ia-
schinen hergestellt wurde. 1892 beendete
er seine Lehrzeit in der ]Mergenthaler 'sehen
Setzmasehiuen-Fabrik zu Brooklyn, N. Y.,
•und brachte die ersten Setz-Masehinen nach
San Francisco.
ILLINOIS.
„Illinois Staats-Zeitung" und ,, Freie
Presse" in Chicago.
Die ,, Illinois Staats-Zeitung" wurde im
Jahre 1846 von dem New Yorker Schrift-
setzer B. R. Höfgen als bescheidenes
"Wochenblättchen ins Leben gerufen. Bald
fand das junge Unternehmen jedoch in
Herrn Franz A. Hoffmann, damals Pfarrer
in dem benachbarten Dunkley Grove, eine
tüchtige, kräftige Stütze. Zwei Jahre
später assoziirte sich der gerade aus
Deutschland eingetroffene Dr. Helmuth mit
Höfgen, und am 27. April 1848 erschien
die erste Ausgabe der neuen ., Illinois
Staats-Zeitung". Nach vierzelmmonatiger
Thätigkeit übergab Dr. Hemiuth die Re-
daktion Herrn Arno Voss, und dieser
wurde nach kurzer Zeit von Hermann
Kriege, einem Schriftsteller von Ruf, ab-
gelöst. Nachdem die Redaktion dann
wieder an Dr. Helmuth übergegangen
war, wurde im Jahre 1852 Herrn Georg
Si'iincidiT aus St. Louis die redaktionelle
Leitung des Blattes übertragen und dieses
selbst in eine Tageszeitinig umgewandelt.
Die Zeitung entwickelte sich von da ab
kräftig. Als nach Beendigung des Krieges
Ili'iT Silmeidei- in diplomatischer Sendung
nach Däneiiuirk ging, verkaufte er die
Staats-Zeitung an Herrn Lorenz Brentano,
von dem Herr A. C. Ilesing später den
halben Geschäftsantheil erwarb. Dieser be-
rief Herrn ^Vilhclm Kapp in die Redaktion.
Im Jahre 1867 wurde llcn- Ilesing allei-
niger Eigenthümer der Zeitung und über-
trug dem hochbegabten deutschen Schi-ift-
steller Ilernuinn Raster, der sich bereits in
New York einen sehr geachteten Xanien
auch als deutsch-amerikani.scher Journalist
gemacht hatte, die redaktionelle Leitung.
Im Jahre 1901 wurde die ,, Illinois Staats-
Zeitung" mit der „Chicagoer Freie Presse"
unter der geschäftlichen und journalisti-
schen Leitung des Herrn Richard ^lichaelis
ver.schmolzen. Bald darauf zog sich Herr
^Michaelis vom Geschäfte zurück, und an
seine Stelle traten Herr Walter R.
^Michaelis und Herr Ilorace L. Brand,
welche heute die Eigenthümer sind. Re-
dakteur ist Herr Albert Schaedlich.
Die ,, Chicagoer Freie Presse" wurde im
Herbst 1871 von dem Journalisten Richard
^Michaelis als illustrirtes Wochenblatt ge-
gründet. Nach dem grossen Feuer, das
Chicago zerstörte und dem auch die Ein-
richtung des Blattes zum Ojifer fiel, be-
gann Herr [Michaelis das schwere Werk
ohne neniu^nswerthe ^Mittel von neuem.
Ti'otz der schier unüberw'ndlichen Schwie-
i-igkeiten wagte er die Herausgabe eines
Tageblattes, r.nd da..K seinem eisernen
Fleisse, seiner Umsicht und journalisti-
schen Begabung gelr.ug das Werk. Herrn
[Michaelis stand während dieser Zeit als
treueste und thatkräftigste Mitarbeiterin
seine Gattin, die weithin bekannte und
hochgeschätzte Schriftstellerin Frau Clara
Michaelis, zur Seite. Zu den Redakteuren
des Blattes trehörte u. a. der spätere Redak-
498
t«'ur ilfs ..l'iuk". l.t'opolil Srlu'nk.
Jahiv IIMH Nvurih' die ..Freie Presse" mit
il.-r ..Illinois Staats-Zeituiig" versi-hniolzen.
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
Im
DtT oben iTW ahnte (ifofff SchiKÜUr,
p,.»M.ren am VI Dezember 1S2:^ zu l'irma-
naeli Amerika aus, gab zuerst in Pottsville,
Pa., ,,Die Leuehtkugeln" heraus, ein puli-
tisehes Wochenblatt, das ganz kurzen Be-
stand hatte, und kaufte sieh dann eine
F^arm bei Kalamazoo, Mieh. Bis zum Jahre
185!) blieb er für die WcW versehollen,
M-ns. übei-sicdclte im .Jahre 1851 als poli- ,|.jjj,j ^vandte er sieh nach Chieago, kaufte
tischer Flüehtling naeh St. Louis, wo er ni ^,j^. Hälfte des Eigenthumsreehts der
Oenieinsrhaft mit seinem Bruder die „Neue min^is Staats-Zeitimg", die unter .seiner
Zeit" in 's I.cIh'U rief. In 18o2 kani j^ej^^i^g ginen grossen Aufsehwung nahm
Sehneider an die ..Illinois Staatszeitung" ^^^^, Brentano schon 1867 in den Stand
naeh Chicago, wandelte diese in eine tag- ^g^^te, durch Verkauf seines Antheils sich
liehe Zeitung um. verfocht niit Nachdruck ^^^ ^^j^^. wohlhabender Mann von allen Ge-
die republikanischen Prinzii^ien. war 18.)6 ^,.i^:jf|^jj zurückzuziehen. Er wurde von
Delegat zur ersten republikanischen Kon- ^^/^^^^^^^ dankbaren Mitbürgern in die
ventiou in Illinois, ebenso zur Xationalkon-
vention (185()) in Philadel|)hia. 1860 war
er abermals Delegat zur Xationalkonven-
tinii. wurde unter Lincoln Konsul /.u Tlel-
singör. 1862 verkaufte er seinen Antheil
an <ler ..Ills. Staatszeitiuig" und wurde
gleichzeitig zum Inlandsteuerkollektor für
den Chicagoer Distrikt ernannt. Später
wvn-de Schneider Prä.sident der ..Illinois
Savings Institution", zog sich von der
Journalistik fast ganz zurück und nahm
seit 1871 auch am politischen Leben wenig
Antheil mehr. Er starb am 16. September
1905 in Colorado Springs.
Als Hedaklt'ur der
tung" hat während
Staats-Legislatur, zum Präsidenten-Elek-
toreu und in den Kongress gewählt. Im
Jahre 1872 wurde er zum Konsul in
Dresden ernannt. Nachdem er 1876 in
den Kongress gewählt worden war und
dieser Ehrenptlicht genügt hatte, siedelte
er nach Deutschland über, wo er lange
Zeit in Stuttgart ansässig war und 1891
starb.
Anton Caspar Hesing war, wenn auch
keiner der gebildetsten, doch einer der be-
deutendsten Deutschen, welche die Einwan-
derung des neunzehnten Jahrhunderts nach
Amerika gebracht hat. Geboren am 6.
Januar 1823 in Vechta im Grossherzog-
des Bürgerkrieges thum Oldenburg als Sohn eines Gasthofbe-
.lllinois Staats-Zei-
Lorrnz lirnitano der Sache der Union
gros.se Dienste geleistet. Geboren 1812 in
Maiuiheim und an den Universitäten Hei-
«lelberg und Freiburg zum Juristen ausge-
bildet, wjirde Brentano in das Frankfurter
Parlament 1848 gewählt. An der Revolu-
tion in Baden betheiligte er sich nicht.
wjirdj' aber nach der Flucht des Grossher-
7ogs am 14. Mai 1849 vom ..Landesaus-
sitzers, lernte er als solcher schon früh
den Umgang mit Menschen. Da er aber
beide P]ltern früh verlor, und das väter-
liche Erbe verkauft wurde, wanderte er
mit Zustiuunung .seines Vormimds im Jahre
1840 über Bremen und Baltimore nach
Cincinnati aas, wo schon viele seiner
Landsleute wohnten. Dort wurde er Gro-
cerv-Clerk. Grocer und Hotelbesitzer, ge-
schuss" an die Spitze der provisorischen rieth sehr bald in das politische Getriebe
Regierung gestellt. Da er für Ausbreitung und nahm an der Gründung der Freibo-
der Revolution nichts that. wurde er den den-Partei in Cincinnati einen sehr leb-
Radikalen verdächtig, der ..Landesaus- haften xVntheil. Besondere Freundschaft
schuss" errichtete schon am 1. Juni eine verband ihn mit Emil Klauprecht. Im
neue provisorische Regierung, und Bren- Jahre 1854 siedelte er mit seiner kleinen
tano üvh in die Schweiz. 1850 wanderte er Familie nach Illinois über und eröffnete in
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
499
diMU wenitre ]\Ieilen nordwestlich von Chi-
cago liegenden, jetzt einen Tlieil davon
hildendeii Town Jetferson eine Ziegelbren-
nerei, der aber die Krisis von 1857 und
»lie derselben folgende gänzliche Einstel-
lung der Bauthätigkeit in Chicago ein
Ende machte. Er kam dann nach Chicago,
.schlug sich als Verkäufer durch, machte
sieh ]H)litisch einen Namen, indem er in
der siebenten Ward, auf der Xordseite, die
weit überwiegend von Deutschen bewohnt
war, in der aber trotzdem bei den Wahlen
ijnmer nur Irläuder hineingezählt worden
waren, durch einen geschicken Schachzug
den Deutschen zum Siege verhalf: wurde
Ilülfs-Sheriff und schon 1860 zum Sheriif
von Cook County gewählt und hat in
dieser Stellung, die er zu voller Zufrieden-
heit ausfüllte, bei Beginn und während des
Bürgerkrieges eine rastlose Thätigkeit in
der Anwerbung von Rekruten und Be-
schaffung von Opfergaben für die Ver-
wimdeten und Kranken entwickelt. Präsi-
dent Lincoln achtete seine Thätigkeit so
hoch, dass er ihm das Amt des Provost-
Marshalls anbot, doch lehnte er dasselbe,
wie andere ihm später angetragene Bun-
desämter ab.
Nach Ablauf seiner Amtszeit als Sheriff
kaufte Hesing den Antheil von Georg
Schneider an der ,. Illinois Staats-Zeitung",
später auch den von Lorenz Brentano, wo-
durch er deren alleiniger Besitzer wurde ;
wandelte sie in eine Aktien-Gesellschaft um
und übergab die redaktionelle Leitung an
Hermann Raster.
Nachdem Ilesing, bis dahin der aner-
kannte Führer der Republikaner in Cook
County, in der Wahl von 1869 eine Nie-
derlage erlitten hatte, trat er eine auf
mehrere Jahre berechnete Reise nach
FiUropa an. Er befand sich in Berlin, als
der deutsch-französische Krieg ausbrach.
Als dort die ersten amerikanischen Liebes-
gaben eingetroffen waren, verwendete er
sich sofort lebhaft für weitere und
grössere Sendungen, erhielt solche und
brai-litc sie dann selbst veriiiittel.st eines
Sonderzuges, der ganz unter seiner Füh-
rung stand, nach dem deutschen Ilaupt-
(luarticr im Felde.
p]r war noch drüben, als das Feuer die
„Illinois Staatszeitung", all' seinen sonsti-
gen Besitz und den des grö.ssten Thcils
seiner Le.ser vernichtete. Zurückeilend
entwickelte er eine em.sige Thätigkeit bei
dem Wiederaufbau seiner Zeit\nig und der
Stadt Chicago und trat sofort wieder an
die Spitze der republikanischen Organisa-
tion des County sowohl, wie des Staates.
Nachdem aber im Jahre 1872 durch den
Bürgermeister ^ledill der Versuch ge-
macht worden wai-. Chicago der Sonntags-
freiheit zu berauben, verband er die frei-
sinnigen Elemente der Demokraten und
Republikaner zur Volkspartei und erfoclit
in der Bürgermeisterwahl von 1873 mit
einer in Chicago noch nie dagewesenen
^Mehrheit einen glänzenden und nachhal-
tigen Sieg für den offenen Sonntag, der der
Stadt bis heute erhalten ist.
Seine Hülfe bei der Wahl einer wesent-
lich demokratischen County-Verwaltung
und sein und der „Illinois Staatszeitung"
Eintreten für Tilden im Jahre 1876 zogen
ihm begreitiicher Weise den Ha.ss der Re-
publikaner zu. Sie bewirkten seine Nieder-
lage, als er von den Demokraten als
County-Schatzmeister-Kandidat aufgestellt
war, indem sie auf ihre Kosten einen demo-
kratischen Gegen-Kandidaten (Irländer)
in 's Feld führten und rächten sich weiter,
indem sie ihm nachwiesen, von den Chi-
eagoer Branntweinsteuer-Hinterziehungen
eine Abgabe bezogen zu haben. Niclit zur
Beschönigung, sondern der Gerechtigkeit
halber sei erwähnt, dass Ilesing sich da-
mals in verzweifelter, finanzieller Lage be-
fand. Durch zu gros.ses Vertrauen in die
Geschäftsführer einer von ihm gegründeten
gro.ssen Hobelmühle war er in Wechsel-
schulden von mehr als einer Viertel-Million
Dollars gerathen ; und diese Abgabe wurde
ihm angeboten als Entgelt für den ver-
500
DIE DEUTSCHE PRESSE IX AMERIKA.
nu'ii.tlü'lu'ii Srlmtz. cU-n n- durch seinen
Kintluss in Wnshiii^rton d.Mi Hirnnern ge-
p>n eine rntei-sueliuntr jrewäliren kiinne.
Kr wurde zu Gefüniriiisstnif.' ver\irtlieilt.
aln r njn
Co." und der Gründer der „Freie Presse"
und des ..Daheim'' in Chicago gewesen.
Kiehard C. .Michaelis entstammte einer
alten ])renssisehen Juristen-. Offiziers- und
h wenijren .Monaten v»»ni Präsi- Gutsbesitzer-Familie, und wurde am 1
September 1839 in Genthin, Provinz Saeli-
sen. geboren. Sein Grossvater von väterli-
ciici- Seite tiel als Rittmeister in dei
Schlaeht von Sahnnanca. sein Grossvater
inütterlieherseits. Pilegard. starb, zniii
Heere <les Feldmarsehalls Blücher gehö-
rend, als Lieutenant in der Sehlacht vnti
Ucllc-Allianee den Heldentod. In Danzij:.
wohin sein Vater als Amtsrichter ver
s(>tzt wurde, mit seiner herrlichen ümgc
bung verlebte der junge Richard seine Kita
benzeit. Er besuchte das Gymnasium ibi-
selbst. Nachdem er das Abiturienten
Examen gemacht, seiner einjährigen Mili-
tärpflicht genügt und kurze Zeit die
Fniversität besucht hatte, widmete er sich
sch(m frühzeitig der Journalistik. Seine
Artikel und kleinen Novellen fanden gros-
sen Anklang, das Feld wurde ihm aber zu
eng. er sehnte sich nach grösserer Thätig-
keit. wurde von der Wanderlust ergriffen
und kam im Jahre 186-4 nach Amerika. Er
suchte den Urwald auf und blieb im Nord
Westen. Die hier gewonnenen Eindrücke
legte er später in einer interessanten und
fesselnden Erzählung ..Die Ansiedler am
Cottonwood Flusse" nieder, in welcher die
Schreckenstage von Neu-Flm in ^linnesota
während des Indianer-Ueberfalls in packen-
der Weise geschildert worden sind. Da
kam das Jahr 1866, und ^Michaelis reiste
nach dem alten Yaterlande zurück und
machte den Feldzug gegen Oesterreich mit
Auszeichnung mit. Nach Schluss des
deuten Graut begmuligt.
Hcgreitlieherweise schädigte diese Ange-
legeidieit seinen politischen Eintluss und
.sein Ansehen. Er ging in Folge dessen
Ende der siebziger Jahre nach Sonora in
Mexiko, wo er eine Silb-rgrulie ankaufte
diH-h rentirte sich das luternehmen nicht.
Zurückgekehrt widmete er sich haui>t-
sächlich philanthropisehen Werken. Er
brachte das geplante Deutsche AUculnini
zu Stande und errichtete, wesentlich aus
eigenen Mitteln, das „Ilouse of Provi-
d.-ncf". eine Aiistalt zur zeitweiligen Fn-
Icrkunft nach Chicago gekonunener. stel-
lensuchender Mädchen. Auch war er thätig
bei der Gründung des St. Fllisabetii-IIospi-
tals auf der Nordwestseite. Ferner gründete
er eine Villen-Kolonie am Heaver's Lake
in Wisconsin, die ausschlies.slich Chicagoer
I)«'Utschen zum Sommer-Aufenthalt dient.
Hesing war ein Mann von imponirender
Gestalt. Seine hauptsächlichen Eigen-
schaften waren eine grosse Herzensgüte,
ein .sofort einnehmendes Wesen, eine grosse
redneriscjie Hegabung. ein scharfer, durch-
dringender Verstand, grosse organisatori-
sche Hegabung luid ein eiserner Wille. Das
Deut.sehthum Chicago 's und des Nord-
west<'ns hat, .seit er vom politischen Schau-
platz abtrat, keinen Mann gehabt, der mit
solcher Thatkraft und solchem Erfolge für
seine Interes.sen eingetreten ist. Er starb
i\u\ :n. März 189ö.
Krieges wurde er Redakteur der in Berlin
Einer der hervorragendsten deutsch- von Strousberg herausgegebenen ..Post"
HTnerikanisehen Journalisten und überzeii
gungst reuest en Vorkäinj^fer des Deutsch-
thums schied am 13. April 1909 aus unseren
Reihen, als Richard C. Michafli:^ die Augen
zum ewigen Schlummer schloss. Er war
und verheirathete sich dort am 2. Juli 1867
mit Fräulein Clara Leist. einer hochgebil-
deten jungen Dame. Das junge Paar ent-
schloss sich, etwa ein Jahr nach der Hoch-
zeit, nach Amerika zu reisen, und hier fand
seit 1901 Präsident der „Illinois Publishing :\Iichaelis in der Redaktion des „Seebote'
DIE DEUTSCHE l'KES8E IN AMHIMKA.
501
in Milwaiikee Beschäftigung. Der Besitzer,
Herr Deuster, übertrug ihm die Redaktion
der von ihm in Chicago gekauften „t'nion",
und so siedelte das junge Paar schon 1869
dorthin über. ]\Iichaelis wirkte in seiner
Stellung mit grossem Erfolge, als aber
Deuster die Zeitung verkaufte, bchagte das
dem jungen Journalisten nicht, luul er be-
ringen ^Mitteln die ..Freie Presse", zu-
nächst als Wochenblatt. Viele Anfein-
dungen wiu'deii ihm zu Theil, aber sein
AVirken wui-de anerkannt, und bald konnte
die ,, Freie Presse" als tägliche Zeitmig er-
scheinen, worauf als Sonntagsblatt das
..Daheim " hinzukam. Seine Lebensge-
fährtin unterstützte ihn durch treue Mit-
RICHARD C. MICHAELIS.
Gruender der „Freien Presse" und des „Daheims" in Chicago und
Praesidenl der „Illinois Publishing Co."
schloss, sich nunmehr in seiner neuen llei-
math selbstständig zu machen.
Alle Vorbereitungen zur Herausgabe
einer neuen Zeitung waren getroffen, da
brach im Oktober 1871 das grosse Feuer
aus, und in Folge dessen wurden die Pläne
durchkreuzt. Aber Richard :\Iichaelis be-
sass Wagemuth, Schaffenskraft und Ener-
gie, und so gründete er mit nur ganz ge-
ailx'it, und die Sonntags-Plaudereien der
„Frau Clara" waren eine ganz vorzügliche
Frauen-Lektüre, die für die Leserinnen
eine Quelle der Belehrung, der freundli-
chen Unterweisung und guter und l)efol-
genswerther Rathschläge. war.
Die „Freie Presse" gewann an EinMuss
und Bedeutung, und als im Frühjahr 1!I<»1
die „Illinois Staats-Zeitung" mit ihr kon-
502
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
solidirt wurd.-. trat Hi.-l.anl Mi.-lia.-lis an pon das Gebahren der „Gelben" aufzu-
die Spitze der n.'n ^'es<-hanVnen Illinois treten. Im März fand die gro.sse Protest-
Publishing' Co. Seit Jahren war .seine Ge- vei-sammlung im Auditorium statt, und
sundheit jediM'h sehon untergraben, und so dem von den Deutsehen Chicagos gegebenen
verkaufte er seinen Antlieil an der Illinois Heispiele folgte das Deutsehthum in fast
Publi.shing Co. seinem Sohne un.l Herrn allen grossen Städten des Landes. Die
Ili.raee L. lirand. zwei hier geborenen
jungen Deut.selu'U.
Hiehard Michaelis war ein .Alann von
viel.seitiger Begabung und Bildung. Er
besa.ss in hohem Grade die werthvolle Fä-
higkeit der klaren, .saehliehen und überzeu-
genden Dai-stellung und gehörte zu den
bestunterrieliteten Journalisten. Älit her-
vorragenden Staatsmännci-ii diesseits und
jen.seits des Ozeans und mit leitenden
Gei.stern auf den Gebieten der Politik. Wis-
.»•ensehaft, Kunst und Finanz sowie des Han-
dels und Verkehi-s .stand er in regem, ver-
trautem Gedaidxenaustauseh. Seiner ge-
waltigen Arl)eitskraft stand eine unermüd-
liche .\rbeit.slust zur Seite. Er vertrat das
Wirkung ist nicht ausgeblieben, und diese
Protestversannulungen bilden gewisser-
massen einen \Vendej)unkt in der Ge-
sell iclite des Deutsch- Amerikanerthums.
Richard Michaelis trat nur ungern in der
Oetfentlichkcit auf. Dun angetragene
Aemter nahm er aus Prinzip nicht an. um
seine politische Unabhängigkeit nicht auf's
Spiel zu setzen. Va' führte eine scharfe
Feder. al)er er bekämpfte seine Gegner mit
ott'enem Visir. ganz gleicbgiltig, welche
Folgen das für ihn persönlich mit sich
l)i'ingen mochte; er hatte den Muth der
Ueberzeugung in allen Dingen, und in ihm
hat das Deutsch-Amerikanerthum einen un-
entwegten Vorkämpfer für deutsche Sit-
INDIANA.
staatserhaltende Prinzip und war von tief ^™- c^e^tsche Art und deutsche Lebensan-
inm-rlieher Religiosität. Trotzdem entzog schauungen verloren.
er sich in keiner Weise dem Eintiuss des
gesunden Fort.schritts, nur mit dem reber-
modernen vermochte er sieh nicht zu be-
freunden. Er war ein dem Lande seiner
Wahl auf's Treueste ergebener Bürgei- und
hing d(K-h mit allen Fasern seines Herzens
an dem Latule seiner Gebui't. Es Avar
stets .s»'in eifrigstes Bestreben. Alles, was
in .seinen Kräften stand, zur Erhaltung der
Deutsche Presse von Indianapolis.
Die deutsche Presse in der IIaui)tstadt
des Hoosier-Staates hatte ein weciiselvoües
Dasein. Nachdem schon vorher Versuche
gemacht worden waren, ein lebensfähiges
Freundschaft zwischen Deutschland und Organ für das mit jedem Jahre kräftiger
den Vereinigten Staaten beizutragen. Als gewordene Deutsehthum von Indianapolis
erscheinen zu lassen, wurde 1852 von
Herrn Valentin Putsch eine Aktien-Ge-
sellschaft organisirt, welche die erste
dauernde deutsche Zeitung in Indianapolis
gründete. Das Blatt erschien unter dem
Xamen ..Indiana Freie Presse"; Chas.
Beyschlag war sein erster Redakteur. Nach
Richard Michaelis der Erste, der die Her- einigen Jahren übernahm Herr Richard
ausgeber d.-r anderen deutschen Zeitungen Henninger da.s Blatt und führte es bis
aufforderte, sich mit ihm zu verbinden und zum Jahre 1864.
einen Aufruf an das Deutsehthum. zu- Dann ging das Blatt an eine Aktien-
näehst Chicagos, zu erlassen, in blasse ge- Gesellschaft über, an deren Spitze die •
im Winter von 1898 — 9!» die gelbe Pres.se
des Landes, besonders auch in Chicago, in
blinder Sympathie für England's Inter-
es.sen alles Deutsche verhöhnte und gera-
dezu daraufhin zu wirken schien, einen
Krieg der Vereinigten Staaten mit Deutseh-
land vom Zaune zu brechen, da war
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
503
Herrin Hermann Lieber, Post und Dr.
Homburg standen. Naeh dem Rebellions-
kriege übernahm Herr Engelbert Metzger
die „Indiana Freie Presse" und verwan-
delte sie in ein tägliches Blatt, das unter
dem Namen „Täglicher Telegraph" er-
schien. Herr Äletzger übertrug den
,,Telegraph" wieder an eine Aktien-Gesell-
schaft, an deren Spitze die Herren Adolph
Fiey und Jacob iNIetzger standen. Im
Jahre 1869 ging der „Telegraph" an die
Gutenberg Co. über, deren Haupt-Aktio-
när und Präsident Herr Adolph Seiden-
sli(I:( r war. Herr Seidensticker zog sich
im Jahre 1882 von dem Geschäft zurück,
und Herr Ilarnj Tliudimn übernahm die
Leitung desselben.
Im Jahre 1881 gründete Herr Philip
Rappaporf ein tägliches Nachmittagsblatt
unter dem Namen „Indiana Tribüne",
welches er bis zum Jahra 1900 besass und
redigirte. Im IMai 1900 übertrug er das
Blatt an Herrn August Tamm. der es im
Jahre 1902 mit dem ..Täglichen Tele-
graph" konsolidirte, und die Gutenberg
Co. liess dann beide Blätter unter dem
Titel „Telegraph und Tribüne" als Nach-
mittagsblatt erscheinen. Seit dem Tode
des Herrn Thudium im Jahre 1907 ist
Herr August Tamm der Präsident der
Gutenberg Co.
„Freie Presse-Staats-Zeitung",
Fort Wayne, Ind.
Ft. Wayne zählt 65,000 Einwohner, und
die deutsche Bevölkerung der Stadt beträgt
volle 60 Prozent der Gesammtbevölkerung.
worin eingewanderte Deutsche und Nach-
kommen von Deutschen einbegriffen sind.
Aus diesem Grunde darf Ft. Wayne als eine
deutsche Stadt bezeichnet werden. Auch in
Ft. Wayne entwickelten die Deutschen
ganz dieselben guten Eigenschaften, die sie
überall auszeichnen. Sie Hessen sich in Ft.
Wayne und Allen County in grosser Zahl
nieder, und früh schon schlössen sich die
eingewanderten Deutschen zu Gemeinden
zusannnen und nai-lidem die Kirche gebaut,
nachdem der Pfarrer oder Pa.stor ange-
stellt wai-, war das nächste, eine Schule zu
gründen. Und so kam es, dass Ft. Wayne
so viele deutsche Genu^inden mit so vielen
Kirchenschulcn hat. in denen die Kinder in
der Religion sowohl als auch in den allge-
mein bildenden Fächern erzogen wei-den,
und zwar in deutscher Sprache, meistens
Avenigstens.
Die erste deutsche Zeitung in Ft. Wayne.
der ,,F<)rt Wayne Demokrat", erschien in
der ersten Woche im August 1856 zum
ersten Male. Das ^Material, ind. der Presse,
wurde von Dayton. Ohio, \)vv Kanal, der
im Verkehr damals eine grosse Rolle spielte,
nach Ft. Wayne gebracht. Nach zwei Jah-
ren ging die Zeitung in den Besitz von
Herrn Xcubrrt übei'. der in 1858 die ..In-
diana Staatszeitung"' gegründet hatte. An-
fangs der 60er Jahre ging die Staats-Zei-
tung in den Besitz des Herrn Johaiui l>.
Sarnighauscn über, der dieselbe im .lahre
1877 täglich ei-scheinen liess und bis zu
seinem im November 1901 erfolgten Tode
ununterbrochen herausgegeben hat. Sar-
nighauscn, der am 31. Oktober 1818 in
Brake, Hannover, geboren wai-. war Garni-
sonsprediger gewesen, ehe er 1860 nach
Amerika kam. Er wurde zweimal in den
Staats-Senat vim Indiana gewählt uiul war
Vorsitzender der Staats-Unterrichts-Kom-
mission. Bis zum September li»08 wurde
die Staats-Zeitung dann von llerni .\. L.
Griebel liei'ausgegeben und daiui von der
Ft. Wayne „Freie Presse" aufgekauft und
mit derselben verschmolzen.
Die Fort Wayne „Freie Pres.se" wurde
im Jahre 1888 von Herrn Otto Cumnurow
gegründet und von demselben im Jahre
1895 an die Ft. Wayne Freie Presse Co.
verkauft. Eine Anzahl der angesehensten
Deutschen Ft. Wayne 's sind Aktionäre
504
DIK DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
dit'stT (iesellschaft. Fort AVayne hatte für
zwei (li'titM-lic tä^lielie Zcituntrcn kein ge-
nüpemles Feld. Au.h war der Gegensatz
der Tendenzen zwisehen ihnen nicht gross
genujr. um zwei Zeitungen zu reehtfertigen.
Die ..Freie Presse-Staats-Zeitung" er- sehe Presse besessen. Der „Demokrat" er-
freut sii-h nicht allein eines gros.sen Leser- schien zum erstenmal am 15. November
IOWA.
„Der Demokrat" in Davenport und
Henry Lischer.
Davenport hat schon früh eine gut deut-
HERMANN MACKWITZ,
dri Leiter der .. freie- Presse-Slaals-Zeilung" in Fori Wayne, Ind.
kreises in Ft. Wayne iiiid Allen County, 1851, nur 15 Jahre nach der Gründung der
sondern im ganzen nördlichen Indiana. Seit
im Jahre 1895 lleii- Hermann Maekwitz die
Leitung der Zeitung übet nahm, hat die-
.selbe an EinHuss stets zugenonnnen und
zählt heute zu den besten täglichen Zeitun-
gen des Landes.
Stadt. Das Wagniss wurde von Theodor
Giilich unternommen, der in 1848 — 50 für
die deutsehe Volkssaehe und besonders für
Schleswig-Holsteins Freiheit gekämpft und
L'-eblutet hatte. Die deutsehe Bevölkerung
und die deutsehe Presse haben sich von
jeher hier günstig beeinflusst und gestützt,
DIE DEUTSCH K PK K88 IC IN AMKKIKA.
505
iiml beide wurden dadureh zu einem Kul-
tureleinent. welehes dem g-anzen Gemein-
wesen seinen eigenartigen Stempel dauernd
aufgedrüekt hat. Während des aehtund-
fiinfzig.jährigeu Bestehens des „Demokrat"
hat Henry Liseher fast 48 Jahre, von 1856
bis zu seinem in 1903 erfolgten Tode, ziel-
bewusst, rechtschaffen und allseitig erfolg-
reich an der Spitze des Blattes gestanden.
Geboren am 10. Juli 1828 zu Weingarten
in der bayrischen Pfalz, kam Henry Lischer
mit seinen Eltern schon in 1835 nach Ame-
rika. Die P^'amilie siedelte sich auf einer
Farm in St. Clair County. Illinois, an. in
einem der geistig rührigsten ^littelpunkte
des vorachtundvierziger Deutsch-Amerika-
nerthums. Schon in seinem 14. Jahre trat
er bei der englischen Zeitung ..Republican"
in St. Louis als Lehrling ein, und ein Jahr
später ging er zu dem von dem bekannten
oesterreichischcu Patrioten. Schauspieler
und Schriftsteller Heinrich Boernstein her-
ausgegebenen ..Anzeiger des Westens"
über. Nachdem er einen Theil des ]\lexi-
kanischen Krieges in einem Dragoner-Regi-
ment mitgemacht hatte, kehrte er nach Be-
endigung dieses Krieges nach St. Louis zu-
rück, wurde Vormann in der Druckerei des
„Anzeiger" und behielt die Stelle bis 1856.
Im Api-il jenes Jahres kam Lischer nach
Daveniwtt und kaufte gemeinschaftlich mit
Theodor Ohhausen, ehemaligem ^Mitglied
der provisorischen Regierung von Schles-
wig-Holstein, die Zeitung ..Der Demokrat".
Im Sommer 1860 jedoch kehrten Beide zu-
rück nach St. Louis, das ihnen ein besseres
Feld der Thätigkeit zu bieten schien, und
erwarben die einige Jahre vorher von Cai"l
Dänzer gegründete „Westliche Post". Dro-
hende Wolken ballten sich über der Nation
zusannuen, und bald kam der Bürgerkrieg
zum Ausbruch, viele Geschäftsunterneh-
mungen lähmenrl. denen eine starke füh-
rende Hand fehlte. Auch die Existenz des
„Demokrat" in Davenport war ernstlich
bedroht. Lischer hatte noch einen grossen
Theil des Kaufpreises zu fordern, und um
einen schweren Verlust abzuwerulen, ver-
kaufte er seinen Antheil an der ..Westl.
l\)st" an Olshausen und nahm im .Juni
1861 wieder Besitz vun der Davenporter
Zeitung, für deren Fortbestehen er die
nöthigen Anordnungen traf, worauf er
wieder nach St. Louis zurückkehrt«-, um
seine Dienstzeit als Gaptain einer ..ll..iiie
Guard" Company zu beendigen. Im Au-
gust kam er dann mit Familie dauernd
nach Davenport. Er rettete nicht nur die
inzwischen von einem Tageblatt in ein W.,.
chenblatt verwandelte Zeitung vor dem l'n-
tergang, sondern traf auch ungesäumt V(»r-
kehrungen. um sie wieder als Tageblatt
herauszugeben. Er gewann für die Redak-
tion den ausgezeichneten freisinnigen Ji us
Pctcr StiboJt, einen Schleswiger. und dieser
hat den Posten bis zu seinem Tode in ISST
vorzüglich bekleidet. Die folgenden se«'lis
Jahre wurde die politische Redaktion von
Gnstai' Donald, und seit 1893 wird sie von
Aug. P. Eicht er geführt, der seit 25 Jahren
dem Stabe des ..Demokrat" angehört. G.
Donald steht dem lokalen und .Manfi-ed
^lainhardt seit lSf)4 dem Depesclientln'il
vor. Die Zeitung erscheint in tlici Ausga-
ben, einer täglichen, halbwöchentlichen untl
wöchentlichen. Sie hat eine sehr gr<>sse
Verbreitung und bedeutende Lintluss-
sphäre. Es entstantlen allmälig neuartige
[Methoden in allen Geschäften, denen auch
die Zeitung sich nicht entziehen konnte.
Lischer glaubte, sich ihnen nicht mehr
recht anpa.ssen zu können, und in ISSO
übertrug er den Haui)ttheil der geschäftli-
chen Leitung auf seinen Sohn Eduard. Ein
Jahrzehnt später organisirte er mit sei!>en
drei Söhnen. Oscar. Fdu-ird und F'-ed. die
.,H. Lischer Printing Co.". deren Haupt
und geistiger Leiter er blieb, bis er am 7.
l)ezend)er 1903. nachdem er noch wenige
Stunden vorher in anscheinend guter (Se-
sundheit einer Sitzung des Direktoriums
der Deutschen Sparbank l)eigewohnt hatte,
einem Herzschlag erlag.
«06
DIK DEUTSCH K PRESSE IN AMERIKA.
Im .laluv ISiy'.i hatte Ilfir Lischer sieh türliehen Auhificn in gleieher Riehtung
mit Frl. Amin VolInitT verheinitlift. Die kräftig entwickelt. lOr wnrtle bei dem deut-
Khe war fine ülM-raus glückliche. Sie sehen Liel)hal)ertheater in St. Lonis eine
wurtic am 1<». .Mär/ ISül durch den Tod der werthvoUe Kraft und lei.stete sowohl dort
IJattin gelö.st. Vier Kinder üherlelien die als auch später in Davenport, wo er hei dem
Kltcrii — aiis.ser den bereits genannten drei in 1855 ins Leben getretenen deutsehen
Siihnen noch eine Toeliter. Hanna. Gattin Thealerverein die künstlerisehe Leitung
des .\rehitckten F. (i. Clau.sen. übernahm, in vielen Charakterrollen sehr
Von seinem be.sonderen Beruf, von den IV'deutendes. Dieser Verein löste sieh in
Aufgal)en und d.'r Würde der Pres.se daehte 1872 auf. Das deutsche Theater wurde jc-
Li.seher sehr hoch, und er hal die-;e Würde ^],„,i, durch Direktor John Hill mit Berufs-
sehauspielern weitergeführt uiid steht heute
noch, nach Ö-4 Jahren, unter der Direktion
von Ackermann & AVeng(>feld auf der Höhe
der Kunst.
Kurz erwähnt .sei noch, dass Lischer auch
auf anderen Gebieten viel Erspriessliches
gelei.stet hat. AVo es die Gründung oder
Stärkung industrieller oder finanzieller Un-
ternehmungen gemeinnütziger Art galt,
stellte er bereitwillig seine ^Mittel und Ta-
lente in deren Dienst. Er war einer der
Gründer und ein Vierteljahrhundert lang
der Präsident der Deutschen Sparbank, des
grös.sten Finanz-Instituts in Iowa, und er
war an einer Anzahl anderer I^nternehnum-
gen betheiligt, die für das ganze Gemein-
wesen von Xutzen sind. Es war seine Ei-
genart, sich nicht vorzudrängen. Er liat
Aemtei- nie gesucht; aber er entzog sich
auch nicht seiner Verantwortlichkeit als
Bürger, wenn seine Dienste verlangt wur-
den. Ausser anderen Ehrenstellen hat er
mehrere Jahre das Amt eines Stadtrathes
und eines Schulrathes bekleidet und darin
werthvolle Dienste geleistet. Er war eine
jener ruhigen Kräfte, beständig, wirksam
und anregend, aber niemals aufdringlich.
Klarer Verstand und Willenskraft waren
mit seltener Herzensgute vereint. Er war
ein Deutsch- Amerikaner im besten Sinne
des Wortes, denn bei ihm waren die besten
Eigenschaften der beiden so nahe ver-
wandten imd doch so verschiedenartigen
Volksstämme auf's schönste verschmolzen.
HENR'i' LISCHER.
der Unoaehrigv FJBcnlhucmrr d« Davenporter ..Demokral".
und seine Pnabhängigkeit stets und nach
jed«'r Richtung gewahrt. Er wai- mein- ;ils
ein erfolgreicher Geschäftsmann. Va- war
ein mustergiltiger Vertreter seines Berufs
und mit den besten Bürgertugenden ausge-
.stattet. Der Fingang in der freiheitlichen
und gros.szügigen rmgehung .seiner Ju-
gendzeit und s|>ät«'r mit dem künstlerisch
und idealisti.seh veraidagten Boernstein ist
auf den jungen Li.scher unzweifelhaft von
nachhaltigem EinHuss gewe.st'ii. l'nter
<liesem haben .sieh seine vortretTliehen na-
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
607
KENTUCKY.
„Louisville Anzeiger" in Louisville.
Die Gründung des „Louisville Anzeiger"
^el in eine bewegte Zeit. Von Enttäu-
;8chung erfüllt über zerronnene Ideale
wandten sieh 1849 viel Tausende der
neuen Welt zu, um hier zu finden, was
ihnen im alten Vaterlande vorenthalten
geblieben war. Viele der Enttäuschten
kamen nach Louisville. Eine plänesehwan-
gere Stimmung der Deutschen trat ein. und
•das Bedürfniss himmelstürmenden Geistes.
sich Luft zu machen. Avar die Ursache der
Gründung verschiedener deutscher Zei-
tungen, darunter der , .Louisville Anzei-
ger", dessen Gründer Doeru und Scheffer
waren.
Die Gründer hatten indessen einen
höchst schwierigen Stand, denn mit den
geistigen Errungenschaften hielt das finan-
zielle Ergebniss ihrer Thätigkeit keines-
wegri gleichen Schritt. Drei tägliche Zei-
tungen rangen miteinander im Kampfe
um 's Dasein — Beobachter, Herold des
Westens und Anzeiger, dazu kam noch
Carl Ileinzen mit seinem scharf geladenen
Pionier.
In der Redaktion waren
nalisten. wie John Rittig.
von Schleinitz. ^I.
von
bekannte Jour-
Paul Wolf, E.
Xostiz. Jeup,
Sehirach. Stierlin, Wittich u. A. abwech-
selnd t hat ig.
Im Jahre 1877 wurde das Unternehmen
in eine Aktiengesellschaft umgewandelt
und als solche bis auf den heutigen Tag
weitergeführt.
Fünfzig Jahre deutschen Zeitungslel)ens
sind eine Seltenheit auf amerikanischen
Boden, namentlich im Süden des Landes,
wo die Verhältnisse ungünstiger liegen, als
anderswo. Das goldene Jubiläum des An-
zeigers wurde daher durch die Herausgabe
emer bis jetzt unübertroffenen Riesennum-
mer, eines achtspaltigen, 128 Seiten um-
fassenden Folios, dem Ereigniss entspre-
chend, begangen, in der sich besonders die
geschichtliche Abtheilung auf die reich-
haltigste Weise auszeichnete.
Zum bOsten Jahrgange erschien wie-
derum eine Festnummer, die sich ihrer
Vorgängerin würdig zur Seite stellt.
Gegenwärtiger Präsident der Anzeiger
Co. ist Herr G. S. Schuhmann, dessen
Thätigkeit im Blatte sich auf 5(j Jahre
erstreckt.
Die Redaktion leiten die Herren Carl
Neumeyer und L(mis E. Stein. Geschäfts-
führei- sind die Herren Ilerrmann V.
Cohn und L. C. Schuhmann.
\
HENRY S. CCHN.
der am 18. ]\Iärz 1903 aus dem Leben
schied, wurde 1844 in Hamburg geboren.
Im Jahre 1859 wanderte er na<'h Amerika
aus und ai'beitete als Scbriftsetzei- an
deutschen Zeitungen. ]\lit Ki Jahren
nmchte er für die Sache der Union den
Bürgerkrieg mit. wo er als Leutnant
schwer verwundet wurde. Kr war zweit-
höchster Beamter des ..Anzeiger" bis zu
seinem Tode. Ein vielseitig gebildeter
]Mann und treffsicher Kenner der .Musik.
508
DIK DKrTSCHK PRESSE IN AMERIKA.
war .r vor AlIiMii fin Deutscher, der an
nlli'ii «l«'Mts<'li.'ii l5.'stn'l)M:i'jr<n li-Miaftcn
\uu\ lu'iv.trni^'tiulfii Aiitlicil iialiiii. Am-li
war rr Aldfiiiiiin nii.l im Stahr zweier
( JiiiivtiTU'ir. r.
Roschäftijrunj;. Als der Kric«; anshraoh.
•rriuHlctc er mit EdiiniiKl Iia|i|) das ..Louis-
villc VolUshlatt "'. Dii' ll»'iaiis«;el)('r eines
englischen, dei- l'nion frenndlichrn Blattes
waren, um .Mit'.'-lieder der Assoeiirten
Presse weiden /.n können. ^'e/,wnns,'en. das
Volksblatt anznkanfen. das nun unter dem
veränderten Xameii ..I'niin Presse" an
der Seite der ( ngliselu n Ausarabe als
dentselie Al)entlzeitnn<; erschien.
(}. S. Sehnlnnann wurde nun Theilhahor
der Accidenz-Druckerei des Anzei^rer und
l)ei Gründung der Anzeiger-Coinpa^nie
deren Sekretär und Schatzmeister. Beim
G. P. LOtKN.
(lehoren 1S2!) in Nassau, kam ei" mit
seinen Kitern schon als Knahe nach Louis-
ville. wo er in die Di-uckerei des „Beobach-
ter am Ohio" als Schi-iftsetzerlehrling
eintrat. Nach vollendetei" LelH'zeit grün-
<lete er gemeinsam mit Seheffer den
..Louisvilh' Anzeiger".
Als Ijctzterer austrat, führte Doern als
aiieinigt'r Eigenthümer das Internehinen
erfolgreich weiter bis zum dahre 1S77. wo
eine Aktiengesellsciiaft das ({eschäft über-
mdim. deren Präsident er bis zu seinem
im nä<-hsten dahre erfolgten Tode blieb.
Sein Nachfolger wurde Mai'tin Born-
häger. bisheriger Geschäftsführer des
.Nnzeiu'ei-. Biiinhäger starb 1884.
G. S. Sehnhm; nn kam 1858 nach Ame-
rika inid fand als l^ijiUiriger Kind)e als
Setzerlehrling in der Anzeiger - Druckerei
G. S. SCHUHMANN.
Tode des Präsidenten .Martin Bondiägei
wurde er dessen Nachfolger im Amte, da.*-
er nun ül)er fünfundzwanzig Jahre mit
Erfolg verwaltet.
MARYLAND.
Deutsche Zeitungen in Baltimore.
I'eber die P^ntstehung und die Verbrei
tung der deutschen Presse in Baltimen
entnehmen wir einer Skizze des verstor
Dil-: DKrTSCTIK l'KKSSK IX AMEIMKA.
509
benen Rcclakttniis drs ..Dmitschen Corres-
pondcnt" Ed. F. l.cyli foltrendc Notizen:
Dil' erste deutsche Zeitnno; in Baltimore
liiess ..Baltimore Post" r.iid hcsijiiid um
das -laln- 17;)!); dieselbe winde \()n einem
Pennsylvanier, Xameiis Samuel Sanr,
herausreofelitn. Dann erschien ei-st wieder
1821 eine dentsciie Zeitnnrr unter dem
Namen ...Alai-yländische Deutsche Zei-
tung", die von J. T. Ilanzsche g:edruckt
wurde. Das nächste deutsche Zeitungsun-
ternehmen war die Herausgabe eines Wo-
chenblattes unter den Titel ..Die geschäf-
tige ^Martha", welche von dem in der
.Mitte der 1830er Jahre hier eiugewander-
cn Wilhelm Raine und dessen Sohn Wil-
lielm in 1838 veröfiPentlicht wurde. Dieses
IVättcheu wurde in 1840 nach Dayton, 0..
verlegt, wo es noch viele Jahi-e als ..Christ-
licher Botschafter" erschien. Der ältere
Raine hat auch die Ehre, das er.ste deut-
sche politische Blatt herausgegeben zu
haben; denn er druckte in 1839 ein
Kampagneblatt unter dem Titel ..Dei-
d.MHokrati.sche \Vhig", das a1)er ebenfalls
nach der damaligen Kampagne wieder
einschlief, wie alle oben erwähnten Zei-
tungen. In jener Zeit traf Fritz Raine,
«'in anderer Sohn des erwähnten Zeitungs-
veteranen, aus Deutschland ein. und dieser
gab am 6. Februar 1841 das Wochenblatt
..Der Deutsche Correspondent" heraus. Im
Jahre 1844 wurde ein Tageblatt aus dem
Wochenblatte gemacht, doch dauerte das
Tageblatt nicht lange, sondern fiel zurück
auf ein Wochenblatt, dann kam es zvvei-
und dreimal wöchentlich heraus, bis in
1847 von Neuem ein Versuch gemacht
wurde, der sich als ein erfolgreicher er-
wies. Ein Philadelphier, Nanunis Sanuid
Lvdvifjh, machte in den Jahren 1836, 1839
und 1849 verschiedentliche Versuche,
deutsche Zeitungen in 's Leben zu rufen,
doch missglückten dieselben sännntlich.
Im Jahre 1849 gab S. IMaclea eine
Quartalsschrift unter dem Titel : „Didaska-
lia. Vierteljahrsschrift für Geist, Gemüth
und Pu])'izität ". l..-iai!s. Als Drucker des
l")(i Seitin starken Heftes nennl sich
Friedrich Raine, dei- in (h-mseüxii auch
seine „deutsche, en;rli.«clie und franzisische
l^uch- r.nd Kunst-Druckerei" anzeigt.
Maclea seheint auch eine Buchhandlung
betrieben zu haben, denn er nnnon -irte
zahli eiche Werke zum \'ei-k:iuf. Eine
Notiz diesei- Zeitschrift belehit. dis; \Vm.
Raine, der 1841 als Jditherausgeber des
..Correspondenten" erwähnt wird, in Chil-
licothe, 0., untei- dem .\amen ..Der Ohio
Correspcmdent" und ..('hillicuthe Anzei-
ger" mit F. T. Zanders ein Wocheid)latt
gegründet hat.
^laclea ting in der Zweiten Strasse,
nahe der Post, eine Wirthschaft an. und
doit starb er um die iNlitte der fünfziirer
Jahre.
Schon vor Madea hatte Di'. .1. (i. Koch
eine wissenschaftliche AVochensdirift unter
dem Titel „^Minerva" herausgegel)en.
Im .lahre 1S4I) wurde ein andei'es Tag-
blatt unter dem Titel ..Der Baltimore
Herold" von .den Buchdruckern ('. W
Schneidereith und Theodor Kroji vei--
öff'entlicht. dessen Redaktion der geist-
Dr. ]\I. AViener übernomnu'n hatte. Später
zog sich Herr Schneidereith von dem Fn-
ternelnnen zurück; desgleichen verlor Herr
Kroh die Lust und liess das Blatt nach
einigen Jahren wieder eingehen. Der in
der Zwischenzeit hier eingewanderte Karl
Heinrich Schitauffer gab dann den
„AVecker" heraus, und als Herr Schnauf-
f-r iu 1803 starb, führte seiue Wittwe das
Blatt weiter, bis sie ihren Schwager W.
Scliiiauffcr heirathete, dei- daini damit sein
Glück versuclite. In 1S7S ging der
..Wecker" als Tagblatt ein und wurde als
Wochenblatt weitergeführt, als welches er
jetzt noch erscheint. Von den genannten
Zeitungsveteranen ist nur noch Herr ('. W.
Schneidereith am Leben.
Die Versuche, in Baltimore deutsehe
Zeitungen zu gründen, sind zwar sehr
zahlreich gewesen, haben aber am-h grosse
510
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
4
Opfer crfonliTt. Sowi-it sich eniiitt.'ln
lii«ss. wunlcii folf.'«'Ti(l»' Zcituiifrcn iia<'li
«'iiiiUHlcr j;f<;rüii(lt't : In lS4(i ..Die
FiU'ki'l". IliTiiiistrcbcr Saimicl Liulvi^h ;
in 184*) ..Minerva". Ih'raus«rebor Joseph
KiK-h (ein Hand dieser Zeitunji findet
.sieh lUH'h im Besitze des Herrn Sehneide-
reith): in 18.')2 ..Das neue VateHand",
Ileraustreher Dr. F. Dieffenbaeh : in 1854
,.Tnrn«'rzeitunt;', Redakteur Wiii. Rapp.
später ('hiea«r(); in 18r)() ..Monatsschrift
der neuen Kirche". Ilerausjjeber Pastor A.
(). Hrickiiianii: in lS(i:i ..Ghx'ke am Soun-
lat?", IIerausjrel)er C. W. Rchneidereith ;
in 1864 „Der Leuehtthurm ■". Ilerausireber
C. W. Sehneidereitli : in 18(i7 ..Belletristi-
sche Blätter", Herausgeber Willibald
Winkler: in 1809 ..Der neue Correspon-
dent", Herausgeber Dr. E. H. Makk und
später Ed. P. Levh (ein Tageblatt) ; in
1870 ..Die Maryländer Staatszeitung", Ed.
F. Ijeyh und später F. Polmeyer (ein Ta-
geblatt) ; in 1873 „Aus beiden Welten",
Herausgelwr R. Wehrhan ; in 1873 „Protes-
tantische Volkszeitung", Herausgeber F.
Donner: in 1873 ..Die Biene von Balti-
more", Herausgelx'r Sigmund Jünger; in
1878 „Das deutsche Familienblatt", Her-
ausgeber C. G. Schlögel und Sohn: in 1879
„Baltimore Volksfreund", Herausgeber
Sigmund Jünger (ein Tageblatt) ; in 1881
„Der Fortsehritt", Herausgeber J. Rosen-
feld; in 1881 „Volksfreund und Biene",
Herausgeber Signnuid Jünger: in 1882
..Baltimorer Argus", Herausgeber Otto
Stutzbach; in 1893 ..Vorwärts", :\Ionats-
.s<'hrift des Turnvereins „Vorwärts", wel-
che zwei Jahre bestand luid gut
war.
tungsgeschäfte mit Ausnahme des deut-i
sehen Wochenblattes ..Katholische Volksn
Zeitung" und des englischen Nachmittag-
blattes ..World", beide an der Nord CaU
vert Stra.sse. vernichtet. Der ..Deiitsehel
Correspondent " inid das ..Journal" konn
ten am 7. Fel)ruar nicht erscheinen. Miü
Hülfe der Setzmaschinen der ..World '^
und geliehenem ]\Iaterial aus der Buch^'
druckerei der Firma Sehneidereith
Söhne an der Sharp Strasse wurde der.
..Deutsche Corespondent" theihveise in
deutschen und theihveise in lateinischer»
Bueh.staben hergestellt, bis in verhältniss■^
massig kurzer Zeit wieder einige Setzraai
schinen aus New York erlangt worder»
wai-en. Das Bureau war in Klemm 's Ci-
garrenladen an der Nord Calvert Strasse]
eingerichtet worden und zog dann nach]
Nr. 411 St. Paul Strasse um. Das Grund
stüek des ,, Deutschen Correspondenten''^
an der Ecke von Baltimore Strasse und
Post Office Avenue, jetzt Customhous«,
Avenue, wurde für ein Theater verkauftlj
Das ..Baltimore Journal" zog nach denr'l
..Labor-Lyceum " in Nr. 1011 Ost Baltil
more Strasse, nachdem die Zeitung ein«!
Zeit lang mit Plülfe von deutscher«
Druckereien in Süd-Baltimore hergestelH
worden war. Das ,, Bayerische Wochen*!
blatt" zog in dasselbe Lokal. Delj
,, Wecker" fand ein Heim an der Sarar"
toga, nahe Charles Strasse.
„Der Deutsche Correspondent".
dii'igirt
,,Der Deutsche Correspondent" ist di<
älteste und die tonangebende deutsch«
Zeitung in Baltimore, ]\Id.. eines der ver
Diese sänniitlichen Zeitungen. Tagel)lät- breitetsten Tageblätter südlich von Nev
ter und Wochenzeitungen, sind nach
längerer (»der kürzerer ?]xistenz wiedcM-
eingeschlafen. Als letzte ging ,. Volks-
freund und Biene" durch den Tod des
Herausgebers Sigmund Jünger in 1901 ein.
Bei dem gros.sen Brande in 1904 wurden
sämmtliche englische und deutsehe Zei-
York. Der Correspondent ist und wai
von seiner Gründung im Jahre 1841 ai
streng demokratisch. Oberst Friedricl
Raine war der Gründer. Das Blatt er
schien im Anfang als Wochenzeitung
wurde aber bald eine tägliche Ausgabi
und erwarb sich einen Ruf als gut redi
DIE DKUTSCHE l'KESSK IN AMERIKA.
51 f
giite Zeitiiig im ganzen Lande. Dem Ta- am ]:i .Mai 1822 in der Stadt Preussiseh-
geblatt wurde später ein interessantes .Minden. We.sti)hal.'n. geboren. In .Münster
belletristisches Sonntagsblättehen hinzuge- erlernte er die Huehdrm-kerkunst. und im
fügt. Dann folgte die regelmässige Wo- Jahre 1S4() f(tlgte i-r seinem bereits vier
chenausgabe des „Deutsehen Correspon- Jahre früher ausgewanderten Vater Wil-
denten" für die Landbewohner, die eine
, grosse Verbreitung in .Maryland. Peinisyl-
I vanien. Delaware, Virginien und West-
Virginien fand. Vom Jahre 1898 an wird.
I dem Zeitgeist Reehnung tragend, auch
heim Raine nach Baltimore. Im nächsten
Jahre schon gründete er den „Deutsehen
Correspondenten". Oberst Raine ent-
wickelte sich in kurzer Zeit zu einem ge-
wandten und weitsehauenden Journa-
FRIEDRICH RAINE,
der Gruender des ,, Deutschen Correspondenten".
ein gro.sses Sonntagsblatt herausgegeben, listen, der es vei-stand, gute Mitarbeiter
„Der Deutsche Correspondent " hat seit heranzuziehen, von welchen hier der un-
seinem nahezu siebzigjährigen Bestehen vergessliche deutsch-amerikanische Jour-
sehr viel für das Deutschthum in ]\Iary- nalist Eduard Leyh erwähnt werden mag,
land gethan; er trat stets für Freiheit und der im Jahre 1901 leider zu früh aus dem
Recht, für demokratische Prinzipien ein Leben schied.
und blieb der Fahne immer treu. Den militärischen Titel „Oberst" erhielt
Der Gründer des „Deutschen Correspon- Friedrich Raine bereits im Jahre lS<iS
denten". Oberst Friedrich Raine, wurde durch Gouverneur Bowie von .Maryland.
512
KIK DKnscUH PKh:SSE IX AMERFKA.
«1«T iliii an seiiH'ii Stal) ('iiniuitf. In il'Ui-
si'Wu'U Jahn" war rv auch Mitu'lictl dfs
riNtt'ii Hatlis/\vri«rt's des Uait iiiKirtT Slailt-
i-atlis als Vcrtn'tiT d.-r ü. Ward. ÖluTst
RaiiH" war «laiiials schon cim-r dir dciiK»-
kratischcn Führer in Stadt und Staat. uikI
im .lahrc ISSö hcloluitc rräsidcut Grovcr
(Mevchind ilui mit dem (Jcncral-Konsu!-
2. .Mär/ ls;U in Prcussisch-.Mindcn fjeho-
rcM wurde, ist 12 .Jahre jünjrer, als der
Gründer. Iiei welchem er als Jünfrlinf? in 's
Geschäft eintrat. p]r frründete dann ge-
nieinsehaftlieh mit seinem Schwager W.
l'oimeyei" eine Huelidrurkrrei in Halti-
iiifire. .Xacii seinei- \>rheirathung mit
Frl. K:iche! M. l-rundi«re, der Toehti-r
EDUARD RAINE.
der gegenwaertige Herausgeber und Eigenthuemer des
,, Deutschen Correspondenten".
l'osteii in Heriin. Kr stall) im Jahre 1903.
ohne Leihes-Krhen zu hinterlassen.
..Der Deutsche Correspondent" ging
nach dem Tode i\vs Gründers in den Besitz
von dessen ,iün«r:tem Bruder, P^duard
Haine, üher, welcher die Zeitung schon
seit 1885, als Ohcrst Haine die f^rneiniung
zum General-Konsul in lierlin erhielt,
geleitet hatte. Der neue Besitzer des
,. Deutsehen Correspondenten". welcher am
eines in !\Iai-yland wohlbekannten Ge-
sehäftsmannes. ging ei* nach dem Süden,
um in Haleigh, X. C. eine Zeitung heraus--
zugeben, doeh zwang ihn Krankheit in der
Familie, nach Baltimoi-e zurückzukehren.
Im Jahre 1858 ging er dann nach Ports-
mouth. Ohio, wo er den heute noch gutste-
henden ,,Portsniouth Correspondenten"
gründete, den er sehr bald zu hohem An-
sehen brachte. Zu gleicher Zeit gab er in
DIK DKUTSCIIK I'HKSSK IX AM i:i> I KA.
513
Irontoii. Ohio, ciiu' Zeitung unter doni
NaiiHMi ..Dt'i- Ilci'old" und in Riplcy,
Ohio, das Wochenblatt ..Correspondent"
heraus.
Mit diesen drei Zeitungen unterstützte
er damals die denkwürdige Douglas-John-
son-Kanipagne in ISOO, woi-auf er sich den
Kriegs-Demokraten anseliloss. In lU'U
Kriegs.jahren liatte er sieh so angestrengt.
dass er am Xervenfieber erkrankte. Wäh-
rend seiner mehrmonatliehen Krankheit
hatten sieh die Angestellten in seinen Ge-
schäften zu Tronton und Ripley der Armee
angeschlossen, und die Zeitungen waren
eingegangen, nur der „Correspondent" in
Portsmouth bestand noch. Er begann mit
neuer Energie und war sehr erfolgreich ;
er begrüiulete neben seiner Zeitung eine
Buch- und Papierhandlung und bereiste
Ohio im Interesse des 56. und des 106.
Regiments, welche neue Rekruten ver-
langten.
Anfangs der siebziger Jahre kam er auf
Wunsch seines Bruders nach Baltimore.
Seit dieser Zeit hat Herr Raine ein
grosses Interesse an dem geschäftlichen
Leben der ]Monumentenstadt genonnnen.
In der Politik ist er stets ein treuer Demo-
krat geblieben, ohne .jemals ein ött'entliehes
Amt bekleidet zu haben. Nur ein einziges
.Mal bewarb er sich um die Nomination für
das Amt eines AVaisenrichters, doch unter-
I lag er in der Primär-Wahl. Trotzdem
miterstützte er dann als guter Parteimann
seinen Gegner, welcher auch erwählt wurde.
MICHIGAN.
„Die Detroiter Abendpost" und ihr
Gruender August Marxhausen.
Die Detroiter ,, Abendpost", tägliche und
Sonntagsausgabe, wurde von August ^Nlarx-
hausen gegründet, und ihre erste Nummer
erschien am ">. September 1868, nachdem
I der Herausgeber seit dem Jahi-e 1866 ein
Wochenblatt, „Familienblätter", publizirt
hatte. Die letzteren, die jetzt zweimal die
Woche erscheinen, behielt er hei. und sie
werden noch heute in Verbindung mit der
täglichen ..Aliendpost" herausgegeben.
Vorher, d. li. voi- der Gründung der ..Fami-
lien-Blätter", wai- August .Marxliausen
Miteigenthümer des täglichen ...Mii-higan
Journal", das er dreizehn Jahre mit
seinem Bruder herausgab. Xaclulcm die
Brüder sieh getrennt, erschienen, wie ge-
sagt, zuerst die ..Familien-Blältei-". inul
aus diesen erwuchs das Tageblatt, die
,, Abendpost". Dieselbe hatte anfänglich
mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen,
aber mit Energie und eisernem Fleisse
hielt sie der Herausgeber über Wasser.
Fnd bald braclien l)essere Tage für das
.junge Blatt an. Es wuchs und gedieh,
überflügelte bald seine Konkurrenten, und
ist heute das erste und meistgelesenste
Blatt deutscher Sprache in ^Michigan.
Die ..Abendpost" ist mit den besten
Schnellpressen, modernsten Stereotypier-
Apparaten, ^lergenthaler - Setznuischinen
und sonstigen vorzüglichen mechanischen
Einrichtungen ausgerüstet und wird in
einem grossen vierstöckigen Gebäude,
Eigenthum des Herausgebers, publizirt.
Sie ist ein vielgesuchtes Anzeigeiniiedium
und nimmt unter den Blättern ]\Iichigans.
ganz gleich in welcher Sprache sie er-
scheinen, eine der ersten Stellen ein. Sie
gehört natürlich der Associirten Presse an
und hat einen vorzüglichen Nachrichten-
Dienst.
August Marxliausoi wurde am '2. .\piil
1833 in Kassel geboren. Er verlor .seinen
Vater sehr früh und trat daher schon als
zwölfjähriger Knabe in di(> Ilotop'sche
Druckerei in Kassel, in welcher er bis zu
seincMU 18. Lebensjahre blieb, die Bueh-
und Zeitungsdruckerei, Schriftsetzerci u.
s. w. gründlich erlernend. Im Jahre IS.l^
wanderte er mit seinem älteren Bruder
Conrad nach Amerika aus und übernahm
die technische Leitung der New Yorker
Handelszeitung, an der er al)er nur e'm
514
DIK DKrTSfUK PRKSSE IN AMERIKA.
.lahr blirh. d« du' HrüiliT im .laliiv 1853
fiiirn Huf nju'h Detroit frhicltcn. um hi«'r
rin .Irutsclu's lilatt /u h'itcu. Dit' P«»liti-
.S4-h,' lliiltiui«: ilifscs lilattt's. w.'l.lif von
(li'ii Diri'ktori'U fiiifr Aktirufri'st'llschaft be-
stimmt wunU-, koiivt-nirtt' <1(M1 Brüdfiii
iii.-ht. Sie traten /uriieU und •rrümleteu
im .lahre 1S:>4 eine ei«.'eue Zeitun^r. das
„Miehi^rau .lounuil".
Dreizehn .lalwe Miel) Au^'ust Marxlmu-
wn Mit«'i^renthümer tles Hlattes. dann
«luittirte er und «;al) im Jahre 18H6 ein
\V<»eh«'nl)hitt. die „Familien-Blätter", her-
aus, weleiiem zwei dahre später ..Die
Detroiter Aheudpost " folgte, mit welcher
er jflänzeiul erfoljrreieh war und die unter
Si'iner Leituufj hlülit und gedeiht.
August Marxhausen ist ein in Detroit,
ja in ganz .Michigan, hoehangesehener
Mann, der .sieh des Vertrauens des Pul)li-
kums. hesoiulers des Deutsehthums. in un-
Ix'sehränktem Ma.s.se erfreut. Wiederholt
sind ihm lukrative politische Stellungen
otTerirt worden, aber er hat sie alle aus-
jfesehlagen. mit Ausiudnne der Mitglied-
whaft der uid)esoMeten Park-Konnnissi(m,
in weh-h" letzterer er acht Jahre zu hoher
Zufriedenheit der Bürgerschaft amtirte.
Drfiinal wai- ri- Vertreter des ersten Kon-
pn*s.sdistriktes von Michigan in den repu-
blikanischen Staats - Konventionen, 1872,
1!«M( und 1IK)8. In der letzt erwähnten
musste er sich v<'rtreten lassen, da seine
(Jattin. mit der er in fünfzigjähriger glück-
liehster Elle gelebt und mit der er am 10.
Oktolwr 1!»07 die Goldene Hochzeit ge-
feiert hatte, schwer erkrankt war. Sie
sollte nicht wieder genesen. Am 20. Juni
wjirde die Getreue ihm durch den Tod
entrissen. Es war ein schwerer Schlag für
ihn. ein Schlag, den er heute noch nicht
verwunden hat, nie verwinden wird.
In Detroit erscheint ferner als Tages-
Z«'itung das „Midiiifnii Vnlksh1att'\ wel-
ches über ')() Jahre besteht, eine gros.se Ver-
breitung in Stadt und Staat hat und von
einer Aktien-Gesellschaft publicirt wird.
MINNESOTA.
„St. Paul Taegliche Volkszeitung".
Die CJcschichte der „St. l'aul Täglichen
Volkszeitung" ist in gewis.sem Sinne die
Geschichte der deutschen Presse in St.
Paul und im Staate Minnesota und zum
guten Thcil auch die Geschichte der deut-
.schen Presse des ganzen Nordwestens. Mit
der Entwicklung des Landes geht natur-
gemä.ss die Entwicklung seiner Pres.se
Hand in Hand, und in einem Landestheile,
wo die Deutschen so viel zur Förderung
der Kultur beigetragen haben, konnte es
nicht lange dauern, bis sie ihr eigenes
Organ besassen.
Bereits im Jahre 1855 erschien die erste
deutsche Zeitung als unabhängig demokra-
tisches Unternehmen \md hiess ..Minne-
sota Deutsehe Zeitung", das erste deut.sche
Blatt im Staate, die Redaktion wurde
Herrn Albert ^yolff anvertraut Nach ihm
übernahmen die Herren Hermann du
Brisson und Carl Passavant das Blatt,
aber das dauerte nicht lange, und noch im
Herbst desselben Jahres ging das Blatt an
Herrn Samuel Ludvigh, bekannt imter dem
Spitznamen „Fackelludwig", hergeleitet
v(m einem Blatte ,,Die Fackel", das von
ihm herausgegeben worden war, über, der
ihren Namen am 1. Mai 1858 in ,,]\Iinne-
sota Staatszeitung" umänderte.
Die deutsche Zeitung hatte schon da-
mals keinen geringen Eintiuss in der
Stadt und Umgegend gewonnen und
spielte eine recht hervorragende Rolle in
der Politik der jungen Stadt und des
Staates. Dann kauften Albert Wolff und
Theodor Sander das Blatt. Die beiden
Herren, von denen der eine ein erfahrener
Geschäftsmann, der andere ein bedeuten-
der Schriftsteller und Journalist war,
setzten ihre ganze Kraft daran, und ihnen
gelang es, die „Minnesota Staatszeitung"
weit über die Grenzen des Staates hinaus
zur Geltung zu bringen.
I
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
51S
Till die rJ<ihi\'s\V('iuK' cU's Jahivs 18ö() —
n? erl)lickte eine zweite deutsehe Zeitung
in St. Paul das Lieht der Welt, wobei Herr
rhilipp Ri>h)\ der ehemalige Herausgeber
der „Ptalzisehen Volkszeitung", Gevatter
stand. Er nannte sie „Volksblatt". Im
-lahre 18G1 trat Herr Rohr das Blatt an
Herrn Carl H. Licnau al). der mit fester
Hand eingriff und die Redaktion und Ge-
sehäftsführung mit Ge.sehiek und Erfolg
weiterführte. Seiner Energie, l^msieht
und rastlosen Thätigkeit verdankt ^liinie-
sota seine erste tägliche Zeitung, die im
Jahre ISGG mit dem wöchentlichen ,, Volks-
blatt" erschien. Allerdings Avar die Zeit
noch nicht reif für ein grosses Unter-
nehmen dieser Art, denn die Zeitung ging
zui-ück und musste im Jahre 1869 wieder
aufgegeben werden ; Lienau zog sich an-
derer Geschäfte halber zeitweilig von der
Leitung der Zeitung zurück, die in Herrn
Gustav Leiters Hände überging.
Es lag in der Natur der Sache, dass von
den beiden bestehenden deutschen Zei-
tungen jede der andern den Rang ab-
laufen wollte ; das Resultat war eine bit-
(tere Fehde, unter der beide Blätter litten.
Als einziger Ausweg erschien die Ver-
schmelzung der feindlichen Blätter, die
denn auch im Jahre 1877 vorgenommen
wurde. ]\Iau bildete eine Aktiengesell-
schaft, welche für das neue Blatt, das nmi
I jeden Tag als Morgenzeitung herauskam,
Iden Namen ,, Volkszeitung" annahm, ein
-Xame, den die Zeitung seitdem mit Ehren
I geführt hat.
Es war immerhin ein gewagtes Unter-
nehmen, das sich die Gründer vorge-
nommen hatten. Die erste Nummer der
täglichen Ausgabe der „Volkszeitung" er-
. schien am Sonntag, den 9. Septeml>er
1877, als vierseitiges, siebenspaltiges Blatt,
gerade zur Zeit des russisch-türkischen
Krieges. Die Redaktion ruhte wieder in
den bewährten Händen von Herrn Albert
Wolff. Herr Lienau übernahm, als der ge-
schäftliehe Erfolg ausblieb, die Zeitung
auf cigmc Rechnung und (Jcfalir. Kr
wandelte die ..\^llkszeitung" aus einem
Morgen- in ein Abendblatt um und ge-
staltete sie zu ciiiciii modernen, allen ge-
rechten Anforderungen iiitsprechenden
Blatte, das sich im Laufe der Zeit nicht
nur einen ausgebreitetiMi Leser- und An-
zeigerkreis, sondern auch eine einHu.s.s-
reiche Stellung, besondei-s im politischen
Leben der Stadt und des County's <'rwarl).
Eine Reihe von Jahren machte die
,, Volkszeitung" ununterbrochen stetige
Fortschritte; der ganze Nordwesten er-
freute sich einer Aera der bedeutendsten
Prosperität, und selbstverständlich bekam
auch die deutsche Zeitung ihren Theil da-
von ab. Dann aber kam der Rückscidag.
Das Land ging durch die schlinnnste
wirthschaftliche Panik seiner Geschichte;
die Farmer und Kautleiite hatten kein
Geld, und wie es innner in schlechten
Zeiten der Fall zu sein pflegt, war es auch
hier die Presse, welche zuei*st unter dem
allgemeinen Rückgang zu leiden hatte.
Nun brach für die „Volkszeitung" eine
Periode des Kampfes an, wie sie in der
Geschichte des Zeitungswesens selten da-
gewesen sein dürfte. Infolge von politi-
schen Spaltungen, die unter dem Stabe
der Zeitung einrissen, wurde sie au den
Rand des Verderbens gebracht. Um jene
Zeit, im Jahre 1895, endigte der bisherige
Redakteur Albert Wolff auf tragi.sche
Weise, und das Blatt verlor in ihm eine
nur schwer zu ersetzende Kraft. Dazu
kam noch, dass Herr Carl IL Lienau sich
aiulerer Geschäfte halber nach Californien
begab und die unter dem allgemeinen Ge-
schäftskrach schwer leidende Zeitung, die
auch infolge ihrer schwankenden, politi-
schen Haltung täglich an Lesern verlor,
seinem Sohne Theodor A. Lienau übergab.
Als im September 1897 das Blatt in
schwerer finanzieller Krisis sich lx>fand
und seine Aktiemäre durch eine geschickt
eingeleitete Intrigue ihres Besitzes ver-
lustig gehen sollten, gelang es Herrn F.
516
DIE DKl'TSCHE PRESSE IX AMERIKA.
W. BjTpiH'irr. »las Blatt .j«'(l«'ii Abend nii-
uiiterbnM-lu'ii fi-si-hfinfii zu lassen, bis
fiieh sehlies-slieh die Geliebte in 's Mittel
lehrten und für jede der beiden Parteien
einen Ma.ssenverw alter ernannten.
Nun lM'strei)te sieb die Partei, an deren
Spitze Herr SebetTer und Herr Berifineier
standen, die ZeitunjT von der La.st der
.Mas-senverwaiter zu befreien und wieder
auf eijrno Füs.se zu stellen. Herrn Berg-
lueier ^relanf» es. sieb mit den (iläubitreru
der Zeitung; in 's Kinvernebinen zu setzen
uiul am M. Dezember 1S!>7 die Autliebun«;
tler .Mas.senver\valtung zu erlangen.
Der Streit. I)ei dem es an dranuitiseben
Zwisebenfälleii und der Anwendung
heroiseb.'r .Mittel niebt feblte, maebte
damals ein riesiges Aufseben : die ongli-
s<'ben Zeitiuigen batten Tag für Tag spal-
teidange Artikel über tlen Kampf, den die
deiitsebt' Tagespres.se der Stadt um ibr
Leben fübrte. was verursaebte. dass die
..Vttlkszeittnig" weit über die Grenzen des
Staati's binaus bekannt wurde. Tnd als
dann <ler Kampf mit dem Siege der guten
Saebe endete, feblte es niebt an allseitiger
Anerkennung. un<l aueb das deutsebe Lese-
publikum wandte sieb seiner Zeitung wie-
<ler zu. die von mm an unter Leitung des
Herrn F. W. Bergmeier stand.
Der L .Fanuar ISOS i.st eigentlieb der
zweite Geburtstag der täglieben ..Volkszei-
tnng". die von jenem Tage an allen An-
feindiuigen und Sebwierigkeiten zum
Trotz unter der Leitung ibres Herausge-
bers Herrn F. \V. Bergmeier Sebritt für
Sebritt kämpfend sieb vorwäits arbeitete
und bereits naeb wenigen .Jabicn niebt nur
den verloreneu Boden ziirüek-, sondern
nueh neues Territorium dazu erobert batte.
Kine neue Aktiengescllsebaft. bestebeiul
aus tüebtigen (iesebäftsmjinnern. batte die
Zeitung übernonunen ; als Präsident trat
Herr Albert SebetTer an ibre Spitze und
stand dem neuen rnterjiebmen nu^brere
Jahre lang vor.
Die ..Volkszeitung" gehörte zu den
ei-sten Zeitmigeu des Landes, welehe die
moderne Setzmasehine einführten und es
damit möglieb maebten. ihren Lesern nicht
nur eine klarer gedruckte, .sondei-n ;nieh
inbaltreiebere Zeitung zu geben.
Im Februar ÜHI.S siedelte die ., Volkszei-
tung" naeh der 5. und Minnesota Strasse
über.
Im Jabi-e 1005 starb Herr F. W. Berg-
meiei- und an die Spitze des Blattes trat
sein Bruder. Herr Dr. F'ritz Bergmeier,
während die Gattin des Verstorbenen,
Frau Clara Bergmeier, das Amt der
Schatzmeisterin und Sekretärin überiudun.
Im Juni 1909 ist die ..Volkszeitung" in
ihr neues Heim, ein vierstöekiges Steinge-
bäude, in der Nähe des Union-Babidiofe»
umgezogen.
MISSOURI.
Die ,, Amerika" in St. Louis,
die leitende deutsch -katholische Zeitung des Westens.
l^nter den in den Vereinigten Staaten er-
scheinenden deutsehen Zeitungen nimmt
die A))(crika seit ihrer Entstehung eine
eigene Stellung ein. AVie es in Deutsehland
niebt zum wenigsten der Kulturkampf war,
der die Nothwendigkeit einer eigenen
Presse fürs katholische Volk hervortreten
lie.ss, so drängte auch hierzulande da.s.selbe
Ereigniss die deutschen Katholiken dazu,
ihre Presse durch Gründung von Tageblät-
tern zu verstärken, weil die deutsche Tages-
Presse sich spezifi.sch anti-katholisch gebär-
dete. Hätte jene sich damals bereits der
Neutralität befleissigt. die sie heutzutage
beweist — die „Amerika" wäre höchst
wahrscheinlich nie ins Dasein getreten.
Da nun die Dinge so lagen, entschloss sich
in St. Louis im Jahre 1S72 eine Anzahl
Alänner. ein Tageblatt zu gründen, das die
Angritfe der Gegner, Stoss mit Gegenstoss,
I
DTE DEUTSrilF: PKKSSK IN AMKI.'IKA.
517
I)arir('n sollte. Und die Saehe liess sieh
jallerdinjrs zu Anfang g:ut an; das Kapital
war rasch gezeichnet, das Direktorium ohne
Schwierigkeit gel)ildet aus Mäiniri-n. die im
öffentlichen Leben eine geachtete luul füh-
lende Stellunir einnalin;en.
DAS HEIM DER „AMERIKA" IN ST. LOUIS.
Seitdem sind 37 Jahre ins Land gezogen,
ron denen die ersten zehn der neuen Griin-
llung manche Stürme brachten, da es den
^eitern des Unternehmens nicht am guten
jiVillen fehlte, wohl aber an Erfahrung.
die dann im liaufe der Jahre erst erkauft
werden musste. Die zähe Ausdauer uiul
unentwegte Opferfreiuligkeit gewisser Di-
rektoren halfen jedoch über alle Schwierig-
keiten liinwcg. so dass die Amerika seit
mehreren Jalirzehnten l)ereits auf einer
durchaus gesicherten Tuterlage ruht, wa.s
durch die Thatsache bestätigt wird, dass
die Gesellscliart in dei- Lage war. ein für
ein englisches Zeitungsunterneluiien er-
bautes Gebäude aus eigenen ]\Iitteln zu kau-
fen, in das vor zwei Jahren, nachdem der
I>au von Grund auf umgestaltet worden
war. ih'V Kinzug gehalten wurde.
In (lei- Festnuuniier der Zeitung, die
nacli vollendetem Umzug in 's eigene Heim
\-eröffentlicht wurde, hei.sst es: „"Während
mancher Schwarzseher glaubt, mit dem
Läuten des Sterbeglöckleins für die deut-
sche l're.sse unseres Landes beginnen zu
sollen, liat der Verwaltungsrath der
Gerinan Literary Society im 85. Jahre des
lU'stehens des von dieser Gesellschaft ver-
rftVntlichten lUattes beschlossen, diesem,
durch den Ankauf und Neuausstattung
eines für Zeitungszwecke geeigneten Ge-
bäudes, eine neue Grundlage der Existenz
zu schaffen, deren Ende heute iuiabsehl)ar
ist. Seit einem lialben ]\Ienschenleben
haben manche der im Direktorenrath un-
serer Gesellschaft sitzenden ^länner sozu-
sagen die Hand am Puls des deutschen Zei-
tungswesens in Amerika. AVeit davon ent-
fernt, böse Vorzeichen des allgemeinen
Niedergangs der deutschen Presse im allge-
meinen und ihres Blattes im besonderen zu
erblicken, die es ihnen hätten ratlisam er-
scheinen lassen, wie vor einem Sturm die
Segel zu reffen, glaubten sie in der unent-
wegten Unterstützung des ausgedehnten
Leserkreises der Amerika die Maluiung er-
blicken zu müssen, die Zukunft des Blattes
so zu gestalten, dass es auch den Ansprü-
chen zu genügeti vermöge, die unsere Zeit,
an eine tägliche Zeitung zu stellen, sich ge-
wöhnt hat."
518
DIK DKrTSCHE PRKSSK IN AMERIKA.
Seitdem ist übt r das Ljiml ein«' wirth-
Rohaftlii'ho Krise jjckoiumcn : trotzdiMii liat
der Dirrktorenrath seine Heseliliisse nicht
zu iHMViien ^'elial)t. Aiieli lieilte noell bliel<t
uum an der „Anurika" fn.lijreniuth in die
Zukunft, im liewusstsein. dass die Zei-
tUMff die Ix^sten Aussiebten hat. norli viele
Jahre die Fahne des Deutsehthunis lioehzu-
halten. Dass das Hbitt so ganz lebens-
fähig Ist, ist nieht zuletzt das Verdit^nst
der Männer, die .seit Jahren im Direktoreii-
rathe sitzen und dessen materielle Daseius-
bedini:. ng f«'st <re>rründet haben. Zu
nennt'u wären da Herr Win. Druhe, der
.seit mehr als dreissig Jahnii Präsident der
Gesellsehaft ist: sodaiui Msgr. Goller und
die Herren Jos. Gunnnei-sbaeh. von der
Welttinna H. Herder, G. L. Götz und F. J.
Renuners. Ihnen haben sieh zugesellt im
Laufe der Jahre: Generalvikar 0. J. S.
H«M.g. Arthur Preuek, Jos. J. Kulage. John
Peitmeior — der Geschäftsführer des lin-
ternehnuMis — und F. P. Kenkel. der gegen-
wärtige Chefredakteur der Amerika. Seine
Vorgänger in diesem Amte waren der
hoehangesehene Dr. Eduard Preuss, der
diesem Blatte gleich zu Anfang das Anse-
hen seines Namens lieh, um ihm dann
dreissig Jahn^ lang sein tiefes Wissen und
seine grosse Arbeitkraft zu weihen. Dass
das Hlatt t(mangebend wurde, das geach-
tetste luul angesehenste Pressorgan der
deut.schen Katholiken in den Vereinigten
Staaten, verdankt nuui zum grossen Theil
dii^em .Mainie. Als er starb. ül)ernahm
sein trefflicher Snhn Arthur Preuss —
über di«' Grenzen unseres Landes hinaus
als Herausgeber der ..('atholic Fortnightly
Review"" bekannt — die Redaktion der
Amfrika, die niederzulegen ihn Gesund-
heitsrücksichten zwangen. Darnach trat
am 1. Mai IDOö der gegenwärtige Inhaber
die Stelle an, der. wie Herr A. Preuss. in
Amerika geboren ist. Denn auch das ist an
unserem Blatte bemerkenswerth : hierzu-
lande sind gel)<)ren dessen Chefredakteur,
der Lokalredakteur und mehrere Berichter-
statter, iniil last but not least. der Ge-
schäftsführer, so dass die Amerika heute
mit besonderem Recht ein von Deutsch-
Amerikanern für Deutsch-Amerikaner ge-
leitetes Blatt genannt werden darf.
„Die Westliche Post" in St. Louis
und Emil Preetorius,
ihr langjaehriger Herausgeber.
Eine der markantesten Gestalten unter
den Deutsch-Amerikanern des ganzen Lan-
des, einer ihrer berufensten Führer, ein
]Mann, der allezeit nach dem Höchsten
strebte imd die idealen Güter der ]\Iensch-
heit über die materiellen stellte, ein Typus
und Vorbild im höchsten Sinne des Wortes
— das war Emil Preetorius. Es sind fa.st
vier Jahre her, dass er von uns gegangen ;
aber die Lücke, die sein Hinscheiden ge-
lassen hat, ist noch nicht wieder ausgefüllt
und wird auch nieht wieder ausgefüllt wer-
den. Der ^Menschenschlag, zu dem Emil
Preetorius und seinesgleichen gehörten,
stirbt aus! Ein halbes Jahrhundert lang
hat er für die TVohlfahrt imd für die Ent-
wicklung seiner Adoptivheimath in den
vordersten Reihen gekämpft und sich eine
Stellung im Rathe der Weisen der Nation
errungen, die in ihrer Art fast einzig war.
Präsidenten und Gouverneure und Bür-
germeister, und nieht blos die seiner eige-
nen Partei, sind zu ihm um Rath gekom-
men ; sie haben ihn erhalten und es nicht
zu bereuen gehabt, wenn sie ihn befolgten.
Wie oft hat er uns nicht selbst in den
letzten Jahren gefehlt !
Enul Preetorius war ein Sonnenkiiul,
seine W^iege stand in der Ileinuith des
fröhlichen und ebenso tapferen Spielman-
nes Volker: in Alzey erblickte er am 15.
:\Iärz 1827 das Licht der Welt. Der Rhein
und die Nibelungenrecken erfüllten die
Träume .seiner Jugend ; in Giessen trank er
aus dem Borne der Wissenschaft und er-
warb sien, noch ein Jüngling, den Doktor-
DIK I)i:iTS( IIK I'KESSH IX AMKHIKA.
519
hut. Dann ergriffen den jungen Stürmer Man kaini vdii Dr. Kmil l'reetoriiis sagen,
die Wogen der Achtundvierziger Begeiste- dass er, als er starl). keinen Feind liinter-
rung und warfen ihn sohl i esslieh, wie so Hess. Er war weielien Herzens, sonnigen
viele andere, an die Gestade der Neuen
Welt. Seit 1853 war er ein Bürger von
St. Louis, und in all der Zeit bis zu seinem
Tode ist er sich selbst treu geblieben —
treu im Streben nach der wahren Freiheit,
ti'eu in der Liebe zur neuen Heimath, treu
Gemüths. von einem gesunden ()i)timisinus
ganz ei-füllt. eine frische, fröhlielie Käiiip-
fernatur. Er verstand es, seine Klinge
schneidig zu führen, wo es noththat. aber
er wirkte nie vei-letzend. Er konnte in
einem Satze von zwei bis drei Zeilen den
DR. EMIL PREETORIUS.
im Kampfe für das Wahre, Schöne und
Gute. Sein vornehmstes Kampfesmittel
aber war die Zeitung, die er seit 1864 lei-
tete, die „Westliche Post", das Kind seines
Geistes, der Stolz seines Vollbringens, das
heilige Vermächtniss. das er bei seinem am
19. November 1905 erfolgten Tode seinem
würdigen Sohne Rdward L. Preetorius liin-
terliess.
Kern einer Frage so sehai-f hervorheben,
dass der Leser aus diesem einem Satze
mehr l^elehrung seliö|)fte als aus manchem
spaltenlangen Artikel. Fnd ebenso ver-
stand er es, ^Menschen und I)ing<' kurz und
knMi)p. aber aueii ebenso treffend zu elui-
rakterisiren. Gerade in den kurzen «'dito-
riellen l?eniei-kungen, die seine Erfindung
waren uiul worin er unerreicht geblieben
i
520
DIE DEL'TSCHE PRESSE IN A.MKRIKA.
ist, beruliti' soiiio journalistische Bedeu-
tung in h('rv()rra<;eiuU'in Masse. Von lan-
p-n Aldiantllunp'n war er kein Fivund.
Ja. wenn es an*s Keden ^'injr. da stellte er
seinen Mann; da strömten ihm die Gedan-
ken zu aus nnei'schö|)flichem Quell, und es
fcliltrn ihm auch nicht die Worte, um sie
klar und packend /um Ausdruck /u brin-
P«Mi. so dass er ilit' Hörer mit sich fortriss
im Sclnvunire der eigenen He«;eisterung.
Dabei überra.schte er immer und innner
wieder sell)st .seine nächsten Bekannten
durch den von einem nie versagenden Ge-
dacht niss getragenen, erstaunlichen Um-
fang seines Wissens, seine seltene Belesen-
heit nicht allein in dichterischen, sondern
auch in wissenschaftlichen Werken aller
Art. und durch die Ai-t und Weise, wie er
alles (Jclesene selbständig verarbeitete.
Nicht vollständig wäre diese Skizze, wenn
wir neben und über den Vorzügen seines
Gei.stes diejeniiren seines Herzens ver-
gäs.sen. seine gewinnende Liebenswürdig-
keit, seine herzliche Theilnahme, seine
freundliche Xachsicht. seine opferwillige
Nächst cid iebe.
So lebt sein jiild, umstrahlt vom Glo-
rienschein der Liebe, bei Allen fort, die
ihn kannten, bei Gattin. Tochter und
Sohn, bei Freunden und Vertrauten und
nicht zum Wenigsten bei denjenigen, die
das Glück hatten, bei ihm in die journa-
listische Schule zu gehen und ..seines Geis-
tes einen Hauch zu verspüren". Können
sie auch nicht hoffen, ihm je zu gleichen,
so Werden sie es docli nie müde werden.
ihm nachzueifern.
NEW JERSEY.
Die „New Jersey Freie Zeitung"
und ihr Gruender B. Prieth.
Vor mehr als einundfünfzig Jahren, am
25. April 1858, zu einer Zeit, in der es ein
AVagniss war. ein deutsches Blatt herauszu-
geben, wurde die ..Xew Jersey Freie Zei-
tung" von Herrn Benedict Prieth in
Newark. New Jersey, gegründet. Freiheit.
Recht. Wahi'heit bildeten das Motto des
neuen Blattes, damals wie auch heute noch.
Das Unternehmen gedieh ti-(»tz der schwe-
ren Zeiten, die dem Kriege voi-ausgingen.
und wurde trotz aller Anfeclitungen bald
eine politische ]\Iaclit in der Stadt wie <iii
Staate, besonders als sein Besitzer und Hc-
dakteur, Herr Benedict Prieth. es in den
Dien.st der republikanischen Pai-tei stellte.
B. PRIETH— Gruender der "New Jeney Freie Zeituog".
und ihm damit seine Signrdur für alle
Zeiten gab. Das Banner führt sie auch
heute noch, aber trotzdem ist die ..Freie
Zeitung" nie zur Partei-Sklavin herabge-
sunken. Wann immer verbleiulete Führer
in die Rechte des Volkes eingreifen wollten,
machte sie gegen solche Männer Front mul
vertheidigte das bedrohte Prinzip! — Ein
Sonntagsblatt war der erste Schritt vor-
wärts, den das neue Unternehmen that. Es
war freilich nur ein kleines Blättchen, 12
Zoll hoch und 9 Zoll breit, aber es blieb
DTE DErTi=?f"TTF: PRESSE T\ AMEPTKA,
521
niflit htiiirt' so, und stobt heute mit seinen
30 und mehr Seiten an Lesestoff, Illustra-
tionen und Anzeigen, sowie der Beilage
„Für die Damenwelt " den besten deutsehen
Uliittem nieht naeh. — Im Jahre 1873 be-
zoiT die ..Freie Zeitung" ihr eigenes Heim
in 7ö Market Str., wo sie blieb bis zu dem
gelegentlieh ihres goldenen Jubiläums im
Jahre 1908 stattgehabten Umzug in ihr
neues Heim, das dcuischc Hauft, 225 Wash-
ington Str. Xaeh dem im Jahre 1879 er-
fol'iten Tode des Gründers des Blattes,
Herrn Benedict Prieth. übernahm dessen
vVittwe. Frau Theodora Prieth. die l^ei-
tung des Unternehmens und führte sie mit
steigendem Erfolge bis ihre Söhne heran-
gewaehsen waren und das Werk der Eltern
fortführen konnten. Bei der 25. Jubiläums-
feier konnte das Blatt auf eine trotz aller
Anfeindung und erl)itterter Kcmkurrenz
überaus erfolgreiehe Thätigkeit hinweisen,
und sah eine glänzende Zukunft vor sich.
Und diese hat sieh erfüllt. Unter den ge-
genwärtigen Besitzern des Blattes, Herr
Benedict Prieth trat im September 1893
in die Gesehäftsleitung ein. und sein jün-
gerer Bruder Herr Edwin Prieth im Jahre
1900, wuchs das Blatt in jeder Hinsicht.
Seit dem am 30. Januar 1906 erfolgten
Tode der Frau Theodora Prieth sind die
beiden Herren die alleinigen Eigenthümer
der Zeitung. — Ein neues Heim wurde ge-
baut und zur Feier ihres 50jährigen Be-
stehens gab die „Freie Zeitung" eine l-iO
Seiten umfassende, reich illustrirte Jubi-
läums-Nummer heraus, die in Bezug auf
Inhalt imd Ausstattung zu dem Besten ge-
hört, was jemals in der Richtung von einem
deutschen Blatte in Amerika geleistet
wurde I
Die „New Jersey Freie Zeitung" ist ein
achtseitiges Blatt, das je nach Bedarf auf
zehn, zwölf und mehr Seiten vergrössert
wird. Sie behauptet heute im Staate New
Jersey das Feld als einzige deutsche, täg-
lich erscheinende Zeitung. Inhaltlich frei
von allem, was in die deutsche Familie
nicht geliört. ist die „Freie Zeitung" in
dem hall)en .Jahrhuiulert ihres Bestehens
geblieben ein Hort deut.sehen Wesens,
deutscher Sitte, Sprache und Kultur. Das
ist die Bahn, die der Gründer des Blattes
wies, und die soll weiter verfolgt werden
unter seinen Söhnen und ihren Xaeliknm-
men im Kampfe für Freiheit. Keeht und
Wahrheit !
Herr lii^mdicl J'riith war im August
1857 nach Amerika gekommen. Ei- war in
Graun. Tirol, geboren und für die juristi-
sche Laufbahn bestimmt gewesen. Ei* halle
in Insbruck, Graz und Wien studirt. in
der österreichischen Kaiserstadt wai- er im
Jahre 1848 der dortigen Studenten-Legion
beigetreten ; dafür sehiekte ihn die österrei-
chische Regierung mich Niederwerfung der
Revolution als politischen Gefangenen auf
die Festung Salzburg. Ende 184!) win-de er
in seiner Heinuith Graun internirt. Endlieh
freitrelassen. verdiente sieh Herr Prieth die
jcmrnalistischen Sporen zuerst an der ..Bo-
zener Zeitung" und als Mitarbeiter des
..Bund" in Uern, setzte daiui aber seine
Studien in :\Iünchen und Tübingen fort
und erlaugte an der zuletzt genannten Uni-
versität die Würde eines Doktor der Reehte.
Es ist begreitlich, dass auch für diesen Mäi-
tvrer des Freiheits-Gedankens die alte \\ i-lt
keine Anziehungskraft mehr besass. llei-r
Prieth wandte sich nach Amerika und
siedelte sich sofort in Newark an. Die Vor-
liebe für Politik, seine rhetorisehen imd
journalistischen Talente führten ilui hier
ganz von selbst zu dem Berufe eines Hedak-
teurs und Publizisten, luul so kam der Plan,
in Newark eine Zeitung herauszugelien. zur
Ausführung. In dem Antritts-Artikel <ler
„New Jersey Freie Zeitiuig" vom 2«!. Apnl
1858. betitelt „Freiheit, Reeht und Wahr-
heit", legte er seinen Hauptgrundsatz in
den Worten fest: „Das deutsehe Element
in unserer Gemeinde Newark und im Staate
New Jersey zin- Anerkennung mid Geltmig
zu bringen", und treu hat er dieses Gelülnli'
bis zu seiner letzten Stunde gehalten.
522
DIK DEUTSCHE TRE
NEW YORK.
Die deutschen Zeitungen Buffalo's.
DiT L'. Di-zimiiIht 1S:{7 w.ir dtT (Jcburts-
tau (Ut t'i-stcn (Icntsclun Zfitun^' in Buf-
failo. eines Wocluiihlattcs. das unter dem
Titel ..Der Weltliürjrer" von iU'or^ Zahm
aus Zweihi'üeken. der das Huehdrueker-
Gesehäft erU'rnt liatt«-, später al)er Sehul-
lehn-r p'wordeii war. Iiei-ausfjefjeljen und
anfan«rs von Ste|»lian Molit»»r. l)ald jedoeh
von dem Herausfxeher seihst redifjirt
wunh'. Zahm war kurz vorlier vnii New
York nach ButTah» frekommen.
Die Zeitunjr hraehte an (h'r Spitze ihrer
Spalten folj;en(U' ..Ankündi^'ung". gewis-
s«'nnassen als Reehtfertigung ihres Er-
scheinens:
„Die Anzahl tdr deutschen Bevölkerung
Villi ButValu hat sich in den letzten vier
otler fünf .fahren so l)edeutend vermehrt,
und die kommerziellen sowie die politi-
schen Verhältnisse dieser Stadt erhielten
für die hier wohnenden Deutschen eine so
IimIjc Hcdentinig. dass man das Erscheinen
einer Zeitung in deutscher Sprache längst
schon als dringendes Bedürfniss fühlte. Ihr
Zweck ist Belehrung dci- Deutschen üher
die Politik des Landes und Mittheilung der
wichtigsten amerikanischen und europäi-
schen Begehenheiten. Da Belehrung der
Leser eine ihrer Haupt rücksichten ist, so
wird sie sich keiner hesonderen Partei an-
.schliessen, sondern uiud)hängig und unpar-
teiisch jene Grundsätze zu entwickeln
su«'l»en. welche zur Aufrechterhaltung der
Verfassung nothwendig sind. Iti wichti-
geren politischen Fragen sollen die An-
sichten heider Part«'ien mitgetheilt weiden.
um dii- Leser in den Stand zu setzen, ihr
eigenes l'rtheil zu fällen. Entschieden
wird sie sich gegen die ungerechten Ver-
folgungen der eingewanderten Europäer
erklären und dieselhen auf .jene Rechte
aufmerksam machen, welche ihnen Ver-
fassinig uiul Gesetze zugesichert haheu."
S8E IN AMERIKA.
In einer ..Erklärung'' auf der zweiten
Seite des Blattes werden diese Ansichten
noch des weiteren, wie folgt, erläutert:
..Wii- wünschen nicht so vei-standen zu
werden, als sei es unsere Absicht , die Deut-
schen V01- der Theilnahme an den politi-
schen Parteien zu warnen, oder zu einer
gleich unparteiischen Stellung zu ermun-
tern. In einer demokratischen Re])ul)lik
niuss jeder Bürger Parteimann sein, er
iniiss sieh zu einei" der leitenden Parteien
hekennen. wenn nicht sein Eintluss und
seine Bedeutung als Bürger verloren gehen
soll." Aber trotz des, in der ..Ankündi-
gung" ausgesprochenen Bestrebens, dass
die Zeitung ..sich keiner besonderen Partei
anschliessen werde", zeigte sie von vorn-
herein mehr Hinneigung zur demokrati-
schen Partei als zur Whigpartei.
Ueber die Zustände in den Vereinigten
Staaten heisst es: „Trotz der Vortrefflich-
keit ihrer Verfassung und trotz ihres uner-
schöpflichen Schatzes von Hilfscpiellen
treten nicht selten Stockungen und Zerrüt-
tungen der Geschäfte ein, welche ihre-
störenden und drückenden Wirkungen
über die ganze Union und alle Bürger-
klassen erstrecken. Die meisten dieser
Tebel entspringen aus dem gebrechlichen
Zustande der Banken und dem damit ver-
bundenen störenden Geldumlauf."
Die Schilderung der in Deutschland'
herrschenden Zustände unter der Rubrik
„Ueberblick über die politischen Verhält-
nisse der verschiedenen Staaten" verdient,
hier der Erwähnung, da sie die Ursache-
dor starken Einwanderung der Deutsehen
in den dreissiger Jahren darlegt; sie-
lautet: „Deutsehland, das seit seiner Zer-
trümmerung durch Napoleon als geschlos-
si'ues Reich aus der Reihe der Staaten ver-
schwunden ist, befindet sich, Iwherrscht
von vierunddreissig Monarchen, gedrückt
von Schaaren beamteter Diener, der Press-
freiheit und der Tvlittel beraubt, seinen
Bewohnern die wünsehenswerthe Aufklä-
rung zu geben, in einem beklagenswerthen
DIE DEUTSCHE PRESSE I\ AMERIKA.
ö'.'a
politischen Zustande. Der Deutsche Bund,
gebildet aus Gesandten der verschiedenen
deutschen Höfe, übt unter dem EinHus.se
von Oestreich und Preussen. den l)eiden
mächtigsten Häuptern, eine Militär-Ge-
walt, die Gesetze. Eide und heilige Zusa-
gen unter die Füsse tritt, jeden freien Auf-
schwung stört und allen P\)rtschritten des
Zeitgeistes entschlossen und beharrlieh ent-
gegentritt."
Das ..Lokale", das auch in der Folge
sehr stiefmütterlich behandelt wird, ent-
hält nur vier ]\Iittheilungen : Einen kurzen
Bericht über einen verheerenden Sturm,
der Butt'alo und Umgegend am 22. Novem-
ber heimgesucht hatte; einen andern, über
ehie ..Patrioten "-Versannnlung. die an-
lä.s.slich der in Kanada ausgebrochenen Un-
ruhen gehalten worden war. Die dritte
Mittheilung beklagt, „dass es mit dem
Geldumlauf vielleicht nirgends so schlecht
steht wie in Buffalo. da Banknoten aus
diesem und den östlichen Staaten zu den
seltenen Erscheinungen gehören." Der
vierte Bericht weist darauf hin. dass in der
näch.stcn Woche die Gerichtssitzungen be-
ginnen, und ermahnt die Leser, die ihre
Erklärung. Bürger werden zu wollen, noch
nicht abgegeben haben, diese Pflicht nicht
aufzuschieben, mit den Worten schliessend :
„Wem es bekannt ist, dass die Partei der
geborenen Amerikaner darauf abzielt, die
Bürger-Aufnahme der Einwanderer zu er-
schweren oder womöglich gar aufzuheben,
der wird die Wichtigkeit und Xothwendig-
keit einer ungesäumten Anmeldung er-
kennen."
Beiläufig .sei hier bemerkt, dass das
Treiben der „Natives", die sich um die
Jahre 1836 und 1887 in den grösseren
Städten zu Vereinen organisirten, viel dazu
beitrug, die Deutschen zu vereinigen und
zu geschlossenem Widerstände anzuregen.
Aus dem ]Marktl)ericht der ersten Num-
mer des Blattes ist zu ersehen, dass Kar-
toffeln 25 Cents pro Büschel kosteten.
Schinken 12i/, Cents das Pfund, frische
Butter lii Cents, gesalzene Butter ]:{
Cents. Hickoryholz $2.50 bis .+:{. Eichen-
holz .'f;2 bis i^'I.'iO dir Klafter. Kchl.ii
kamen damals hier n«»i-h nicht zur Ver-
wendung. Noch bis in den Anfang <l.-r
siebziger .Tiihre behalf man sich in vielen
Häusern mit Ilulzfeuerung für <leM
Küchenofen. Mit dem Erlö.schen der
Holzfeuer ist auch die einst sehr blühende
und zahlreiche ..Zunft" der Holzliacker
erloschen.
Depeschen gab es zu jener Zeit nicht.
Die erste Telegrapheidinie von Buffalu,
die mit Albany elektrische Verbindung
herstellte, wurde er.st am 8. Juli 1S4(; er-
öffnet. Die europäischen Xaeli richten
waren von vier bis sechs Wochen, die
Washingtoner Nachrichten acht Tage alt.
In der neunten Nummer des ..Weltbür-
ger" ersucht der Herausgeber die aus-
wärtigen Subskribenten, ihr Subskrip-
tionsgeld portofrei einzusenden, und be-
gründet dieses Ersuchen mit d<'m Hin-
weis auf die Thatsache. dass er für einen
Brief, der eine Michiganer i)>l-N()te ent-
hielt. 50 Cents Porto und für die Note 20
Cents Diskcmto zu zahlen hatte.
In der ersten Nununer des dritten Jahr-
ganges mahnt der Herausgeber die säumi-
gen Zahler, falls sie nicht Baargeld leisten
können, sich mit Lieferung von Butter.
Käse. Eiern. Kraut. KartotTeln. KNibeii.
Erbsen. Linsen. Bohnen. Fleisch. .Melil.
Geflügel oder sonstigem ..Essbaren" abzu-
finden, wenn sie ihre Namen nicht auf
einer ..schwarzen Liste", die verötfent lieht
werden soll, prangen sehen wo'hn. Diese
Drohung wurde bald darauf ausgeführt.
Die ,, schwarze Liste" enthielt etwa zwanzig
Namen von Leuten, welche die Stadt ver-
lassen hatten, ohne ihre Zeitung<schuld zu
begleichen.
George Zahm, der Eigen! hünier des
..W^eltbürger". wurde am 2S. SepteiidH'r in
dem Town Cheektowaga. fünf Meilen von
Buffalo. bei der Errichtung eines Frei-
heits])aumes durch das Fallen desselbeiT
5. '4
IHK DKlTtJCllK I'I.'KSSK IN AMKK'IKA.
.Ulf (Irr St»'lh' «rctiMlt.'t. ]]v war 4.") Jaliic
all p'wonlni. Der Traut*rziifr. der srinciii
Sar';«' fol^rtr. war di-r «;rösstt'. der l)is dahin
«liirch die Strassen liuffalo's sich lu'wcjrt
hatte.
.Milte S.'ptenihrr 1S4S frltlickt«' ..Der
Fn-ie Demokrat" das Lieht (h'r Welt.
I)ess«'n IIerans«.'eher war Karl Ksslin«r<'r.
ein Hnehhändh-r. Das lihitt. das nach
t»innndeinhall).jährit;eni Bestehen in (hii
iinlei- th'V l-'iniia lirunek. Held & Company
versehniolzen. jedoch als Wochenhlatt des
..Demokrat " heihehalten.
Fi-iedrich Ileld. dei- am 20. Dezember
ISIS in Hechtoldsheim, Hessen- Darmstadt,
gi'horeii war. kam als zwölfjährij/er Knabe
mit seinen Hltein nach liuffalo. liald da-
rauf ri hielt ei- Desehäftigun» beim ..Welt-
biii«rer" als Zeitnngsträger, erlernte dann
FRIEDRICH HELD,
der ventorbene Herausgeber des ..BuSalo Demokrat".
liesitz von Jacob Knapp nnd Carl ile Haas
gelangte, wnrde im Anfange 1850 in ..Der
BnfFalo Demokrat" umgetauft. Im No-
vember des.selben Jahres verkaufte Herr
Knapp .seinen Antheil an der Zeitung an
Frifdrich Hrhl. Bald darauf erschien
das Blatt täglich.
Am 18. April ISö.i wurde ..Der Welt-
bürger" mit dem ..Buffalo Demokrat"
die Schriftsetzerei und wurde schliesslich
Theilhaber an dem Blatte.
In 18Ö9 löste de Haas seine Verbindung
mit Brunck & Held. Am 1. Januar 1875
schied Dr. Brunck aus der Firma, und
Friedrich Held blieb der alleinige Eigen-
thümer der Zeitung. Nach seinem Tode
wurde der ..Demokrat" eine Zeit lang von
seiner Wittwe betrieben, bis er von dem
DIK DKrTSCllK l'RKSSK IX AMKHIKA.
525
zwi'itt'ii Sohne des verstorhi neu Frank ('.
B. Ileld, dem jetzigen Eigenthiiiuer. ül)ei-
noininen wurde.
„Der Buffalo Telegraph", ein Wochm-
l.latt. kam am :l .Mai 185;} als Tagehhitt
heraus, unter der Firma ^liUer ^^ Bender.
Später wurde Philip IT. Bender aUeiniger
Eigenthümer. I\!it dem Entstehen dei-
repuhjikaniseheu Partei fand diese im
..Telegraph" einen eifrigen Kämpfer.
Während des Re])elli()nskrieges erseliien die
Zeitung längere Zeit als [Morgen- und
Abendblatt. Von Ph. II. Inender ging der
„Telegraph" in den Besitz v(m Friedrich
Geib über, gab aber bald dai-anf. in 1S78.
sein Dasein auf.
..Der Lügenfeind", ein Woehenblatt.
herausgegeben von J. ]\Iarle, machte in
1850 als Organ der Freien Christliehen
Gemeinde sein Erseheinen. Er hielt sieh
im Kampfe um 's Dasein zwei Jahre. Einen
zweiten Versueh, ein Blatt ähnlicher Ten-
denz herauszugeben, miternahm im 8ep-
tendjer 1853 G. Scheibel. der Sprecher der
Freien Gemeinde, mit der ..]\Iorgenröthe".
Auch diese verblich nach kurzer Zeit.
„Der Lichtfreund", von F. E. Egenter in
1855 herausgegeben, ebenfalls ein Organ
der Freien Gemeinde, hatte keinen besseren
Erfolg. Er brachte es nur auf aclitzehn
Nummern.
C. Wiechmanu begann im Jahre 1853
die Verötf'entlichung einer katholischen
Wochenzeitung, ..Aurora". Nach seinem
am 2. Dezember 1898 erfolgten Tode über-
nahm sein Sohn J. D. Wiechmann die Lei-
tung des Blattes, das später mit der
..Christlichen Woche" verschmolzen wurde.
Friedrich Reinecke, ein erfahrener
Drucker, der im Jahre 1852 aus dem
schönen Thüringerlande nach Buffalo kam,
Hess im Oktober 1853 ein Wochenblättchen,
das mit Holzschnitten ausgestattet und
aussehliesslich der Unterhaltung gewidmet
war, unter dem Titel ..Humoristischer
Volksfreund" erscheinen. Der Erfolg
dieses Unternehmens ermuthigte den Iler-
ausgel)ei-. ein grösseres Woclicnlilalt . ..Dit-
l5ut1'alo Allgemeine Zeitung", zu verötTent-
lichen. Die erste .\umiiier des neuen
Blattes ei'sehicii am 17. .Mai lS5(i.
Im Septciiibei' iSliO vei'wandejte sieh
..Die UiitValo Allgemeine Zeitung" in die
„I^utlalo Freie Pi'esse". Das Blatt wurtle
nach dem Tode Friedrich Reineeke's,
1S()(). \-on dessen Sohne. Ottomar Reinecke,
zuerst allein, nach einem Jahi'e mit Franz
II. Zesch als Ge.schäftsgenossen. weiter
geführt. In 1872 erschien ..Die ButValo
Freie Presse" als tägliche Zeitung. Sie
wai" stets und ist noch heute unter ihren
jetzigen I^esitzern Reinecke & Zesch eine
treue Befürworterin der Prinzipien der
republikanischen Partei.
„Amerikanischer Beobachter" war der
Titel eines halbwöchentlich ei-scheinenden
Blattes, das von James B. Colgrove im
xVuftrage der Amerikanischen Partei von
Erie C(mnty während des Präsident-
schafts-AVahlkampfes von 1850 zur Cnter-
stützung ^lillard Fillmore's, des Kandida-
ten dieser Partei, herausgegeben wiu-de.
Das Blatt verfehlte seinen Zweck vollstän-
dig, da sich die Deutschen von den Xati-
visten nicht ködern Hessen.
.,Der Buft'alo Patriot", ein tägliches
.Morgen])latt, dessen Herausgeber Friedrich
Vogt und Joseph Young waren, er-
freute sich im Februar 1S57 eines kurzen
Daseins.
Im Jahre 1863 untei-nahmcn .Xauerl.
Ilansmann & Co. die Verötfentlichung des
„Buft'alo Journal", das nach wenigen .Ah)-
naten seines Bestehens von Ph. II. Bender,
dem Herausgeber des ..Buft'alo Telegraph",
aufgekauft und mit diesem Blatte ver-
schmolzen wurde.
In lS(i7 machte die „Central Zeitiuig",
ein katholisches Wochenblatt, von Joseph
Iloag herausgegeben, ihr Erscheinen. Das
Blatt wurde nach vierjälwigem Bestehen
vom IIerausgel)er na<-h New York verlegt,
wo es nach einigen Wochen einging.
526
DIF DKrTSCHE PRESSE IX AMERIKA.
Kirche gewidmetes Wochenblatt, das in
1877 von Berner & ]M essner heransgegeben
wurtlc. crscliien nach einigen IMonaten
unter dem Titel ..VolUslilatt für Stadt und
Tjaiid" als iiolitisch-nnabhängige tägliche
Zeitung.
Um jene Zeit gab es in Uuffalt> sechs
deutsche Tageblätter, nändich : ..Demo-
krat", ..Freie Presse". ..Volksfreund",
..Täglicher Republikaner". ..Tägliche Tri-
büne" und das ..Volksblatt". Das war
offenbar des Guten zu viel. Die ..Tägliche
Tribüne" und ,.üer Tägliche Republika-
ner" verschwanden von der BildHäche.
Das ..Volksblatt für Stadt und Land"
schloss gegen p]nde Januar 1880 seine
Laufbahn als tägliche Zeitung.
„Die Arbeiterstimme am Erie", eine
Sonntagszeitung, herausgegeben und redi-
eirt von Paul Ko])erstein. dem früheren
Redakteur der ..Buffalo Tribüne", trat,
wie ihr Titel besagte, für die Interessen
der Arbeiter ein. Die „Stimme" ver-
stummte, nachdem sie sich vom ]\Iai bis
Ende November 1878 hatte hören lassen.
Ln Herbst 1885 wurde die ..Buffaloer
Arbeiterzeitung" von einer Aktien-Gesell-
schaft, dem ..Arbeiter Zeitungsverein", als
Wochenblatt gegründet, und im September
1897 in eine tägliche Zeitung umgewan-
delt, die anfangs als ^Morgenblatt. nach
einigen Wochen als Abendl)latt. später
Z.'itung unter dem Titel .".Der Tägliche .i^^^<'C'^i ^^'p^^^^' «^^ Wochenblatt erschien
Republikaner", deren erste Nummer am ^"i^^ "'»^'l^ J^'tzt ereeheint.
1'). Oktober 1875 erschien. Am 1. Januar ..Die Sonntagspost", ein von Hermann
1878 ging das Eigenthumsrecht der Zei- Hoffnuinn herausgegel)enes und von ihm
tung auf die ..Gennan Republican Printing sehr fähig redigirtes. humoristisches Sonn-
Association" über. tagsblatt. das dem geselligen Verkehr, dem
Tin November desselben Jahres verkaufte Treil)en in Sänger-. Turner- und Sehau-
«lie ..Gi'rman Republican Printing Asso- spieler-Kreisen besondere Aufmerksamkeit
ciation" ihr Zeitung.sgeschäft an Reineeke schenkte, erlo.sch mit dem Tode des Heraus-
& Zcseli und die Venirt'eiitlichung des gebers im Januar 1896 nach fünfjährigem
..Täglichen l\i'i'»'^l'l<»nei'" wurde einge- Bestehen.
stellt. „Der Buffalo Herold", ein auf Aktien
..Die Hvangelische Gemeindezeitung", gegründetes, dem Fortschritt, der Unter-
ein den Interessen der jirotestantischen haltung. Belehrung und dem deutschen
Eine Anzahl katlu»lischer Bürger be-
schlos.sen im Sommer 1868. eine Gesell-
schaft, bestellend aus deut.schen Katlioli-
ken. zu bildi'n und eine tägliche politische
Zeitung herauszugeben, welclie die Rechte
eines jeden Bürgei-s in politischer, ge-
.sehäftlichcr und religiöser Beziehung ver-
treten und nichts entlialten soll, was der
wahren katholischen Lehre entgegen ist.
Di», (iesellsehaft Hess sich als ..Butt'alo
German Printing Association" inkorpori-
ren und gab die ei-ste Nununer ihrer Zei-
tunir. ..ButVah» Volksfreund", am L
Aiigust 1868 heraus.
Im Februar 1875 erschien die erste Num-
mer einer zw<'iten katholischen Wochen-
schrift. ..Die Christliche Woche" benannt.
Das Blatt, zum Besten des Deutschen
Römiscii-Katholischcn Waiseidiauses her-
au.sgegeben. wurde von Rev. I*. Joseph ]\I.
Sorg bis zu seinem Tode in 1888. und
wird seitdem von F. X. SchiftVrli redigirt.
Die erste Sonntagszeitung. ..Der Sonn-
tag-Herold", wurde im September 1875
von der Firma Haas. Nauert & Klein in 's
Leben gerufen, ging aber nach etwa acht
Monaten ein.
Eine Spaltung im Lager der tleutschen
Republikaner veranlas.ste Ismar S. Ellison,
der Hedakteur der ..Buffalo Freie Presse"
gewesen war. l>is er die Redaktion des
Sonntag-Herold's kurze Zeit übernahm.
zur H«'rausgal)e einer republikanischen
DIE DEUTSCH !•: PRESSE FX AMERIKA.
527
Wreinslohon g:e\\idiiietes Woehenhhitt. ;iiii
15. März 1S!)7 geboren, wurde Anfang
Jjmuar von Joseph ]\Iosler & ('o. ühci--
nominen und einige ]\Ionate spätei- mit dci-
..Buffaloer Arbeiterzeitung" verselnnolzen.
Die „New Yorker Staats-Zeitung'*,
Oswald Ottendorfer und Herman Ridder.
Die erste Nummer der „Xcic Yorker
Sfaafs-Zeitung" erschien am 24. Dezem-
ber 18;U. Die Herausgabe eines Wochen-
blattes war von einer Anzahl von Deut-
schen, die eine Aktien-Gesellschaft ge-
gründet hatten, beschlossen worden. C.
Braker stellte es in einem Zimmer des
Hauses, No. 99 Nassau Str., her. Die
Aktien-Gesellschaft löste sich jedoch bald
auf. und Gustav Adolf Xeumann, der im
lioheu Alter auf seiner Farm in Sullivan
County, N. Y., starb, wurde der Eigeu-
thümer.
Im Jahre 1845 verkaufte G. A. Neu-
maini die Staats-Zeitimg, die inzwischen
zweimal umgezogen Avar. nämlich nach 7
Frankfort Str. und 13 Chrystie Str., und
seit einem Jahre dreimal wöchentlich er-
schien, an Jacob TJU. Er war im April
1806 in Würzburg geboren und nach Theil-
nahme am Ilambacher Fest 1832 über Eng-
bind nach Amerika ausgewandert. Er
gründete in No. 11 Frankfort Str. eine
Druckerei und kaufte, wie schon erwähnt,
später die „Staats-Zeitung". Unterstützt
von eeiner Frau, die 1837 nach Amerika
gekommen war und die er im Jahre 1839
geheirathet hatte, konnte Uhl bald nach
Uebernahme der Zeitung es unternehmen,
sie täglich herauszugeben. Das erste
eigene Heim der Staats-Zeitung befand sich
in No. 214 William Str. Es war im Jahre
1850 errichtet worden. Die Einstellung
von zwei Doppel-Cylinder-Pressen mit
Dampfbetrieb war Beweis von der Prospe-
rität der „Staats-Zeitung", der Jacob Tbl
ani 14. Januar 1849 ein Sonntagsblatt,
„Dt'v Fn'iscbütz". b-'ig.-g.-b.-n batt.-. im
April 1S52 starb Jacob Tbl und hint.-Hi.-ss
auss-M- sciiici- Wittwe sechs unmündigt'
Kiiuler. Aber die wackere und khigr
Frau wusste die Zeitung, der sie im .Jahre
1857 ein für damalige Vcriiällnis.se gross-
artiges neues Heim in .Xo. 17 Chathain Str.
gab. mit Erfolg weiterzuführen. Im .Ijiiire
1859 vermählte sie sich mit Osinihl Otttn-
(lorfcr. der im Jahre 1S51 in die H.xjx-dition
des Blattes eingetreten und 1S5S /um Clief-
Kedakteur aufgerückt war. Kr führte
nach dem im April 1884 erfolgten Tode
seine,- Frau, der an ihrem Begräbniss die
in der Geschichte New York 's nodi nicht
dagewesene Ehrung zutheil wurde, da.ss die
Fahnen auf allen öffentlichen Gebäuden auf
Halbnuist wehten, die ..Staat.s-Zeitung"
allein weiter, getreu der Devise Gustav
AdoL^' Neumann 's: „Vorwärts! Schon
Stillstand ist Rückschritt " Die Autlage
der ..Staats-Zeitung" war bereits anfangs
der sechziger Jahre auf fünfzigtausend
Exemplare gestiegen. Das allen Deutschen,
die in früheren Jahren New York besucht
haben, bekannte „Staats-Zeitungs "-Ge-
bäude an der Brooklyner Brücke wurde
1873 errichtet. Dasselbe wurde später für
Verbesserungen von der Stadt angekauft,
und 1908 übersiedelte die ,, Staats-Zeitung"
nach ihrem jetzigen Heim, 182 William
Strasse. Eine völlig neue Einrichtung traf
die ..Staats-Zeitung" 1885 damit, da.ss sie
in Berlin ein eigenes Bureau errichtete luni
direkt Nachrichten aus Deutschland und
Oe.sterreieh-rngarn. olnie den l'mweg über
London, bezog. ,,The Associated Press" ist
später ihrem Beispiel auf Drängen ihrer
Abonnenten unter den deutschen Zeitungen
des Landes gefolgt. 42 Jahre lang war
Oswald Ottendorfer das geistige Haupt der
„Stants-Zeitung". Als er im Dezember
1900 gestorlxMi war. wurde flimitiii
Kiddcr. der am 1. Januar 1891 nach Kr-
wert einiger Aktien des fast ganz inj
Familien-Besitz befindlichen rnternehmens
in die ,, Staats-Zeitung" eingetreten war.
528
DIK DKrTSClIK PRKSSE IN AMKHIKA.
deri'n Lfitcr. Ilir Tojälirijrt's .Iiihiläuin
pilt iiiii 1«;. April rMi.') Aiiliiss zu einer
jrn»s>;.n Kliniiis; «Ifs DtMitsehlliuins von
CinKs-NfW Vitrk sowie <les Liindes.
Osivahl Othmlorfu-. dessen XiMiieii stets
unter den ei-sten «reuiumt wird, wenn von
den hervorrn«:endsten Deutstli - Anieiika-
nern die Ixcde ist. war zwar nielit der Be-
jrrüniler. jdier der Schöpfer der Gnisse und
B.'deut\uiir der ..New Yorker Staats-Zei-
tuujr". (iehoren am 2(). Fehninr lM'(i in
Zwittau. .Mähren, ahsolvirte er die Seliulen
seiner Vaterstadt und hezog dann die Tni-
versitäti'U von Wien und Prag, wo ei- sich
dem Kechts.studium zuwandte. Seine Tni-
vei-sitätszeit tiel in die Sturm- und Ürang-
jahre. die üher Kuropa dahiid)rausten und
aUe Staaten mächtig erschütterten. Auch
Oswald (^ttendorfer crfasste der Völker-
frühling. und als im März 1848 der Auf-
stand gegen das Metternich'sche Regiment
loshraeh. stand er mitten unter den von
Freiheitsliehe erfüllten Kämpfern auf den
Barrikaden. Als Wien im Oktober fiel,
tlüchtete Oswald Ottendorfer nach Leipzig.
An dem herühmten Dresdener Aufstand \m
Mai 184!) und der badischen Revolution im
Sonuner desselben Jahres sehen wir Osw'ald
Ottendorfer mit jugendliehem Feuereifer
theilnehmen und dann, nach dem Nieder-
werfen des Anf.standes. als Flüclitling das
harte Brod der Verbannung essen. Tm
Exil erwachte die Ileimathsliebe so stark
in ihm. dass er der (lefahr langei- Einkei-ke-
rung niclit ai-htete und nach Wien zurück-
kehrte, liier unisste er erkennen, dass
seine aufwallende Begeisterung inid sein
?]intreten für P"'reiheit und Volksrechte ihn
eines kostbaren Gutes, der Ileimath und
des Vaterlandes, beraubt hatten. Er wandte
sich nach Amerika und kam 1850 in New
York an — freimdlos. ohne Büttel, der
Landessprache nicht mächtig. Er nahm
einen Platz als Arbeiter in einer F'abrik an.
in der nur Irländer beschäftigt waren. Ob-
wohl harter Körperarbeit völlig unge-
wohnt, hielt er mit eiserner Willenskraft
mehrere Monate in dieser Stellung aus.
Dann glückte es ihm. in der OfiMce der N. Y.
Staats-Zeitung eine bescheidene (Merkstelle
zu erhalten. Nach wenigen Jahren wurde
er in den Redaktionsstab der Zeitung auf-
genoiiinicii. zu deren geistigem Leiter ei*
sich alsbald aufschwang. Mit der Ge-
schichte dieses grossen journalistischen In-
stitutes ist der Name Oswald < )tlcndoi'fer
auf das engste verwebt ; ihm vei'dankt die
X. Y. Staats-Zeitung heute in erster Reihe
ihre glänzende und einflussvolle Stellung.
Als Oswald Ottendorfer die Kontrolle üt)cr
die Zeitung erhielt, liezitferte sich ihre Auf-
lage kaum über 5000 Exemplare.
Nachdem Herr Oswald Ottendorfer im
Jahre 1859 durch seine Ileirath mit der
Wittwe des früheren Besitzers Jakol) Uhl
auch Eigenthümer des Blattes geworden,
beschränkte er sieh nicht darauf, mit der
Feder für die Wohlfahrt des Landes einzu-
treten, sondern begann alsbald, an der
Politik, speziell an den konnnunalen Liter-
essen New Yorks, thätigen Antheil zu
nehmen. Oeffentliche Aemter. so mannig-
fach sie Herrn Ottendorfer auch angetra-
gen wurden, hat er beharrlieh zurückge-
wiesen. Dennoch liess er sich bereit finden,
während der Jahre 1873 und 1874 im Board
of Aldernien zu dienen, vornehnilidi um
hier Gelegenheit zu haben, seine Ansichten
über ^Municipal-Verwaltung zum Ausdruck
zu bringen. Dass er die Arbeit und nicht
Aemter nnd Einkünfte suchte, das beweist
die Thatsache. dass er das ihm als Alderman
zustehende Gehalt von $4000 pro Jahr zu-
rückwies, weil er dasselbe ausser allem Ver-
hältniss zu den damit verbundenen Leistun-
gen erachtete. Eine Kandidatur für das
Amt des ^Nlayor der Stadt New York, die
wiederholt in seinem Bereiche war, hat
Herr Ottendorfer aus Rücksicht auf seinen
geschwächten Gesiuidheitszustand ablehnen
müssen. Tm Jahre 1880 war er gezwungen,
zur "Wiederherstellung seiner stark er-
schütterten Gesundheit auf längere Zeit
nach Europa zu reisen. Bevor er New
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
529
York verliess, gestaltete er die N. Y.
Staats-Zeitung in ein Aktien- rnternehnien
UHU dessen halben Antheil er zusammen
mit seiner Gattin behielt, wälirend d\e
andere Hälfte unter deren Kinder vertheilt
ward. Obgleieh sein Gesundheitszustand
sich besserte, irelangte er doch nie wieder
in den Vollbesitz seinei* physi.sehen Kräfte
Gemeinsam mit seiner unverf^esslielieu
Gattin hat Herr Oswald Ottendorfer eine
wahrhaft g:rossartige Wohlthäti»;ki'it «Mit-
faltet, welche seinem .\amen als IMiilan-
thi-op unverjj:än<rliches Andenken sichert.
Das schönste Denkmal für dieses von
reinster und edelster Menschenliebe getra-
gene Wirken Oswald und Anna Ottcndnr-
OSWALD OTTENDORFER.
und zog sich daher von Jahr zu Jahr mehr
von der aktiven Thätigkeit zurück. Er starb
am 15. Dezember 1900. Einer der aufrich-
tigsten und wärmsten Verehrer Ottendorf 's
war der verstorbene Ex-Präsident Grover
Cleveland, der sein Urthei über ihn in die
Worte zusammenf asste : "I look to him as
to a father."
fer's hat Carl Schurz ihnen gesetzt in der
unvergleichlich meisterhaften Gedächtniss-
rede, die er an der Bahre der am 1. April
1884 verstorbenen Frau Anna Ottendorfer
hielt und welche verdient, dass wir sie hier
bleibend festhalten :
„Wenn menschliche Grös.se darin be-
steht, dass man unter den obwaltenden Be-
530
DIK DKUTSCHK I'KESSE IN AMKKIKA.
(liiiKuupii di-v Kxisteiiz tlas Hostmöpliehe
h-istet, so war Atnia Oitonlorfir wirklich
fine pnisse Frau. Ihre Leistun^'sfähi^'kcit
srhien l)»'schränkt zu sciu nur tlun-h die
(tn'UZfn ihr.'s Wirkun^'skrt'iscs. An ihrer
Wiejre hat nicht das hlinde Glück ^'estan-
den. Das alte Vaterland, von welchem sie
auswanderte, jrah ihr weder eine aus.serge-
w.ihnliche liildun«r. noch materielles Ver-
miijren mit auf den Wegr. Als sie vor 48
.lahrcn an dieser Küste landete, besass sie
nicht.s. als gesundes Blut, einen hellen Ver-
stand, einen starken AVillen und ein braves
Herz. Das war das Kapital, aus dem Alles
entstand, was sie greworden ist und frethnn.
p' Wonnen und peschatTen hat.
Wie sie im Verein mit ihrem ersten
Gatten Schwieritrkeiten. welche sieh dem
mittellosen Einwanderer entgegenzustellen
pflegen, mit resolutem Streben überwand
und allmälig einen kleinen Besitz erwarb
und den Grund und Boden zu einem jour-
nalistischen Institut legte; wie sie dann, als
Wittwe. ohne männliche Hilfe, mit schar-
fem, sicherem Blick in die Zukunft sah
inid deren M(»glichkeiten erkamite und
dann, auf das eigene Urtheil und die eigene
Kraft vertrauend, dieses Institut festhielt
und es mit erstaunlicher Umsieht und
rastloser Thätigkeit zu ausserordentlicher
Prosperität und Macht entwickelte, schon
ehe ihr trefflicher Gatte, mit dem sie die
letzten fünfundzwanzig Jahre glücklich
vereinigt war. dem I'nternehmen seine
fähige und ers|)riessliche Leitung gab; wie
sie Alles das that. bot ihre Laufbahn ein
Kcltenes Exemjiel nicht günstiger (ilücks-
laune, sondern eines durch ungemeine Klug-
heit. Thatkraft \uid Ausdauer ehrlich ver-
dienten und gewoinienen Erfolges.
Aber wir finden darin viel Höheres noch.
Lehrt dieses Beispiel, wie ein umsichtig
praktischer Sinn mit Ehren Viel erwerben
mag. so lehrt es um so mehr, wie ein edles
Herz das von dem Einzelnen Erworbene
Allen Zinn Segen nmcht. Man darf wohl
die Achsel zucken über diejenigcMi. welche
mit emsiger Selbstsucht Dollar auf Dollar
häufen, um dann das Gewonnene entweder
mit noch grösserer Selbstsucht als un-
tai»tbaren Schatz für sich zu bewahren, oder
es in roher Genusssucht zu vergeuden, oder
mit brutaler Selbstüberhebung zur Schau
zu stellen. Aber die höchste Achtung ver-
dient der edelpraktische Sinn, der im
Kleinen .sammelt, um im Grossen zu geben,
der das Kleine erwirkt und zu Rathe hält,
um das Gro.sse zu leisten.
Und mui blicken wir auf ihr Wirken
zurück. Das war nicht das eigennützige
Streben nach Gewinn, des blossen Besitzes
wegen. Das war auch nicht jene testa-
mentarische Wohlthätigkeit. welche, wie
schätzbar sie auch sein mag. an den Gütern
dieser Welt festhält, so lange die ^löglich-
keit des Selbstgenusses bleibt, um sie dann,
wie das Geschenkte, dem Spiel des Zufalls
in einer ungewissen Zukunft zu überlassen.
Auch war es nicht die leichtfertige Genero-
sität, welche, wenn auch reichlich, aber oft
halb gedankenlos von angehäuftem üeber-
fiuss hergiebt. zuweilen weil sie nicht Nein
sagen kann, oder weil reifliches Ueberlegen
Zeit nehmen und Alühe machen würde.
Nein, die AVohlthätigkeit dieser Frau war
die Frucht der denkenden Sorge, die mit
gewissenhafter Untersuchung das Feld aus-
kundschaftet, auf welchem die Gabe die
besten Früchte tragen kann, und die, wenn
dieses Feld gefunden ist, mit um so volleren
Händen giebt, und auch dann immer noch i
sorgt und plant und wacht, damit die aus-
gestreute Saat gut bestellt und gepflügt
werde, eine ebenso weise als grossherzige
Wohlthat. die fürstlich spendet, ohne zu '
verschwenden. So finden wir denn diese
Frau, noch ehe sie reich war. inmitten
ihrer Erwerb.sthätigkeit. im Kleinen Rath
und Hilfe schatfend. wo sich Gelegenheit
und Alöglichkeit bot ; dann in Vereinen und ]
Ausschüssen nicht allein als thätiges, son-
dern als leitendes, regierendes Element,
und endlich mit der warmen Lust des
Helfen-Ki'nnens ihre Hunderttausende her-
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
531
g('l)eiul, hier um liiltloson Frauen ein be-
lia^lic'lies Obdach zu schaffen, zum An-
denken an ihre gestorbene Toehter; da um
den Unterrieht in der deutsehen Sprache,
die der echt deutsehen Frau stets theuer
blieb, zu fördern, zum Gedäehtniss ihres
gestorbenen Sohnes — denn jeder Sehiek-
salssehlag, der sie selbst traf, war ihr stets
ein Anstoss, das Schicksal Anderer zu luil-
die f^rziehung Deutscher in Amerika zu
erleichtern ; und dazwischen zahllose Wohl-
thaten. ausgestreut mit ungesehener Hand,
bei denen die linke nicht wusste, was die
rechte that. Alles dies das Werk eines
hellen Verstandes, von einem grossen Her-
zen erwärmt, luul eines grossen Herzens,
von einem hellen Verstände geführt und
bewacht.
HERMAN RIDDER,
dem oder zu verschönern ; — dann um das
deutsehe Krankenhaus in New York durch
den Frauen-Pavillon zu erweitern ; dann
um dem Dispensary ein neues Gebäude zu
schaffen ; dann um das deutsehe Spital in
Newark von seiner Schuldenlast zu be-
freien ; dann um durch Unterstützung von
Schulen und Seminarien und durch Stif-
tungen mannigfaltiger Art nah und fern
Und nun ist dieses thätige, reiche Leben
zu Ende. Der letzte Rest ihrer einst so
gewaltigen Arbeitskraft war, in Sehmerz
und Hinfälligkeit, noch dem schriftliehen
Verkehr mit Denen gewidmet, welchen sie
(hites gethan. Sie konnte in der That
sterben mit dem Bewasstsein, nicht um-
sonst gelebt zu haben. Denn nicht allein
hat sie die Thränen vieler Elenden getrock-
532
DiK i)i:rTS( 11I-: i-kesse ix amkhika.
lu-t. iii.-lil :ill.-iii iiiaiu-li.T.stivlH'mU'u Fähig- Es wurden dw uöüügvu Schritte gcthan,
k.it lU'ii \\Vgtr.Tl)iu't.snn(liM-n sii' hat Allen (Jruiul und Hod.ii in sehr «resümier und
ein leuehtendes Meispiel <:eset/t als Inspi- sehiiner Lage ;in Amsterdam Avenue \nid
ration für edlen Khrgei/. Wer das gethan, 190. Strasse, nahe dem Ilarlem River, er-
der hat nieht nur die. welehe die helfende worhen und das Werk naeh dreijähriger
Haml uinnittelhar fühlen. glüeUlieher, snn- rühriger ThätigUeit mit einem Kostenauf-
dern auch die Welt l)e.sser genuieht. His in
die weite Ferne ist der Huf ihrer hülfrei-
eh«MJ Tugend gedrungen. Die Kaiserin des
mäehtigsten lieielies der alten Welt hat sieh
.selh.st geehrt, indem sie der sehliehten
wände von über H^öOO.OOO am 19. November
IS^si) vollendet. Ilei'i- Eduard Tbl. Frau
Anna Woerishöf^'ei-, Fi-au f^nnna Sehalk
und Frau Kiedl von Riedenstein, die Kin-
der der verschiedenen Frau Ottendorfer,
(Jrösse dieser repid)likanisehen Bürgerin leisteten reichliche Beisteuern zu diesem
den Tribut ihn-r Aehtmig zollte. Vnd nun
k«)nmit von nah und fern die Stinune trau-
ernder Verehrung, und es ist, als drängten
sieh ungezählte Tausende heran, um ihr
den Kranz der I)aid<bai'keit auf das Orab
zu legen. Die Keiehen luid ^läehtigeii
mögen auf diese Bahre sehauen und sieh
fragen: Wer möchte nieht in ähnlichem
(ieiste gelebt haben, um so zu enden?
Weleli' herrlicheres Monument giebt es, als
Institute ächter ^Menschenliebe, das auf ein
gesegnetes Wirken zurückblickt.
Ein reiches, erfolggekröntes Leben —
ganz in den Dienst des Guten und Edlen
gestellt — kam mit Oswald Ottendorfer 's
Tode zum Abschluss. rnauslösehlieh siml
die Verdienste, die er sich um das Deutsch-
thum in mannigfachstei* Beziehimg erwor-
ben. Den tiefen EinHuss von Oswald
Ottendorfer 's Wirken wird man noch auf
Weiui unser \'olk .seine Wohlthäter auf-
zählt, wenn die Deutschen Amerika 's Die-
jenigen nennen, auf die sie mit dem
liöehsten Stolz hinweisen, so wird sicher-
lieh der Xame Anna Ottendorfer stets in
dei- ei-sten Reihe stehen. Ihr Andenken
wird für inuner gesegnet bleiben, wie ihr
Werk."
)
die .schönen Thaten. die sie überleben! Generationen hinaus empfinden, das Blei-
bende, das er geschaflPen, sichert seinem
Namen auch in der Nachwelt Gedenken
und wird ,,die Spur von seinen P]rden-
tagen" unvergänglich festhalten.
Der jetzige Leiter der „New Yorker
Staats-Zeitnng" ist Bcrman Eiddcr, der
am 5. ]\lärz 1851 von deutschen Eltern in
New York geboren war. dort die Schule
Die grosse Schöpfung werkthätigster besuchte, als 11-Jähriger seine geschäft-
Xächstenliebe, welche Anna Ottendorfer liehe Karriere als Laufjunge begann, zwei |i
begoiuien. ihr Gatte hat sie in ihrem Sinne Jahre später bei einer Versicherungs-Gesell-
weitergeführt und gro.ssartig vollendet. Da sehaft Beschäftigung fand, mit 20 Jahren
sieh die alte Isabella-lleimath, welehe am bereits Versicherungs-Agent war, 1878 eine
1.'). ;\I;ii ls75 zum Andenken an Frau Ot- Wochenzeitung ..Katholisches Volksblatt" j
tendorfer's Tochter, Isabella Uhl, für alte, und 1886 die „Catholic News" gründete
hilflose, alleinstehende deutsche Frauen in und im Jahre 1890 ^litglied des Venval-
Astoria gegründet worden war, für das tungsraths, Schatzmeister und Geschäfts-
stetig waelisende Bedürfni.ss als unzu- führer der ..New Yorker Staats-Zeitung"
länglieh erwies, beschlass Herr Oswald wurde. Er hat als unabhängiger Demo-
Ottendorfer. ein neues Asyl errichten zu krat an der Politik in hervorragender
lassen, das auch alten, hilflosen ]\Iännern Weise Antheil genommen und war Schatz-
eine Heimath bieten sollte, und damit zu- meister des demokratischen National-
gleich ein Haspital für chronische Invali- Komites, das Bryan's Prä-sidentschafts-
den und Rekonvaleseenten zu verbinden. Kampagne im Jahre 1908 leitete.
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMEIUKA.
533
„Herold", ,,Gross-New Yorker Zeitung" nml mit vcivintcn Kräften auf neuer, brei-
und „Revue" ^^^^^ Bush weiterzustrchcn.
und ihr Herausgeber C. B. Wolffram. , ^^^'T'^ '^'" ^"""^"^'^'»•^'•^ <'"" Tit.I
(1er tnihereil heidcn ZeitUM«reii, ..Kevue"
und ..H('<il»ii(liter am lludsuji" hcihchiclt,
ersehieu das Ta^ehlatt iinii unter d.'ni
Xamen ..Xew Yorker Zeitun«;".
Als dann im .Jahre 18S(), wälirend der
Gartield-Kampa^ne, sieh die Xuthweiidirj.
keit eines (hnitsehen Xaehmittays-lilattes
geltend machte, da erhob der im Verlag
Im Jahre 184(5 war von Wilhelm Schlü-
ter der ..Xew Yorker Demokrat" gegrün-
det worden. Das Blatt maehte langsame
und bescheidene Fortsehritte, namentlich
nachdem das deutsche Sturmjahr der Ein-
wanderung gebildeter deutscher Männer
einen so mächtigen Impuls gegeben hatte.
Im Jahre 1856 war der ..Xew Y'orker
Demokrat" in den Besitz Friedrich
Schwedler 's übergegangen. Er verstand
es sein Blatt, mit dem ,. Beobachter am
Hudson" als Sonntagsblatt, nicht nur be-
deutend zu vergrössern. scmdern auch ein
Vermögen damit zu erwerben. "Während
des Secessi(mskrieges trat der ..Demokrat"
wacker für die Befreiung der Sklaven und
Erhaltung der Union ein. Im Jahre 1876
wurde das Blatt Eigenthum Wilhelm
Player 's. der demselben den Xamen ..Allge-
meine Zeitung" gab, da „Demokrat" für
ein strannn republikanisches Blatt luige-
eignet erschien. Gegen die fast er-
drückende Konkurrenz der ..Staats-Zei-
tung'' war jedoch schwer anzukämpfen.
Xun bestand ausser den beiden genann-
ten Zeitungen danuils in Xew York noch
ein deutsches Tageblatt, das von Herrn
Charles Berthold Wolit'rani herausgege-
bene ..X. Y. Journal", welches das Ver-
dienst für sieh in Anspruch nehmen darf,
die .jetzige Aera der illustrirten Tageszei-
tungen vorausgeahnt und eingeleitet zu
haben, denn es brachte täglich der Zeit
angemessene Bilder, und so primitiv die-
selben auch waren. Bahn gebrochen hat
das Blatt in dieser, jetzt von fast allen
Zeitungen befolgten Richtung ohne alle
Frage.
Im Jahre 1878 trat ein neuer Wende-
punkt ein. Die Herausgeber der „Allge-
meinen Zeitung" und des „Jcmrnal" be-
schlossen, ihre Zeitungen zu konsolidireu
CHARLES BERTHOLD WOLFFRAM.
der Herausgeber der ..Zeitung" ei-sehei-
nende „Xew Y'orker Herold" zuerst sein
l*anier.
Zu Anfang nur als Kampagne-Blatt be-
absichtigt, erwarb sieh der neue Streiter
im Feld so rasch den Bei lall der Le.ser,
dass er hotfnungsvoll als Bewerber um die
dauernde Gunst des Publikums, das ..dem
kleinen Herold", wie das Blatt genannt
wurde, schnell lieb gewann, in der gefähr-
lichen Arena des journalistischen Konkur-
renzkampfes vei-bleibeu konnte.
534
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
J
Uebor dtMu ..Ileroltl" ist das Morgen-
blatt, die „N. Y. Zeitung", später ..Gross-
New Yorker Zeitung", nicht vergessen
mler vernachlässigt worden. Der Preis
desselben wurde ebenfalls auf 1 Cent
herabgesetzt imd die „New Yorker Zei-
tung" war das erste deutsehe Morgenblatt,
das in den ganzen Vereinigten Staaten für
einen Cent in tlic Iländc der Leser ge-
langte.
Die „Revue", das Sonntagsblatt, hat
sieh den Ruf eines tretTlichen Faniilien-
blatts erworben und „vorwärts innner,
stillsteh 'n nimmer" ist ihr Wahi*sprueh.
Im April 1S1)7 konnten die drei Blätter ein
eigenes, gerämniges Heim in 22 und 24
Nord William Str. beziehen.
Der Mann, welchem die drei Blätter
ihren Erfolg hauptsächlich verdanken,
Clinrlrs Ii< rlhold M'olffrani. wurde im
.lahre 1S48 in Stolpe in Ponunern geboren.
Er war früh nach Amerika gekonnnen.
Sein Lehrmeister war sein Onkel, Dr.
E(hiard Morwitz. der Herausgeber des
„Philadelphia Demokrat", gewesen.
Seine harmonische geschäftliche Verbin-
dung mit Obei-st Mayer wurde durch den
Tod dieses Pioniers des deutschen Zei-
tungswesens in New York erst gelöst. Die
ureigenste Schöpfung Charles Berthold
W(»ltTram's i.st der „Herold", den Namen
aber verdankt er der Gattin desselben.
Der „kleine Herold" kam sofort in aller
Leute Mund. Noch jetzt zeigt das Blatt,
de.s.sen grosser Leserkreis alle Schichten des
Deutschthums umfasst, die charakteristi-
schen Merkmale, welche dem Wesen,
Denken \md Fühlen seines Gründers eigen
sind. Mehr zielbewus.ste und fördernde
Arbeit ist selten von dem Besitzer einer
deutsehen Zeitung auf sein Blatt verwen-
det worden, luid noch heute ist Herr
Wolffram ebenso unverdrossen auf dem
Posten wie zu der Zeit, als der „Herold"
zuerst in den Strassen New York 's er-
.schien.
OHIO.
Cincinnati's deutsche Zeitungen und der
langjaehrige Praesident des „Cincinnatier
Volksblattes'*, Oberst Leopold Markbreit.
Von den in Cincinnati gegründeten deut-
schen Tages-Zeitungen bestehen zwei: Die
„Cincinnati Freie Presse" und das „Cin-
cinnaticr Volkshlatt", welches, 1836 ge-
gründet, für sich das Verdienst in An-
spruch nimmt, die älteste deutsche Tages-
zeitung zu sein. Zu deren Herausgebern
luid Redakteuren haben viele berühmte
Deutsch- Amerikaner gehört. Der im Juli
1!)()9 verstorbene langjährige Präsident der
„Cincinnatier Volksblatt Publishing Co.",
Col. Leopold Markbreit, war sogar :\Iayor
der Stadt, ein vollgültiger Beweis dafür,
wie hoch im Ansehen er stand.
Col. Leopold Markhrcit wurde in Wien
geboren und kam als sechsjähriges Kind mit
seinen Eltern im Jahre 1848 nach Cincin-
nati. Seine Erziehung genoss er in San-
dusky, Cincinnati und in Philadelphia,
worauf er im Anwaltsbureau seines Halb-
bruders Fr. Hassaurek die Rechte studirte.
Nach seiner Zulassung zur Anwaltspraxis
praktizirte Herr Markbreit als jüngerer
Partner des nachmaligen Generals und
Präsidenten der Vereinigten Staaten R. B.
Hayes. Die Firma liiess Hayes & ]\Iark-
breit, und das Geschäftslokal befand sich
an der südöstlichen Ecke der Court und
]\Iain Str. in Cincinnati. Diese Theilhaber-
schaft war jedoch nicht von langer Dauer,
da bei Ausbruch des Bürgerkrieges beide
Theilhaber dem Ruf zu den Waffen folgten.
Herr Markbreit trat als „Sergeant-Älajor"
beim 28. Ohioer Freiwilligen-Regiment
(dem zweiten deutschen Freiwilligen-Regi-
ment) ein und wurde sofort nach dem
Treffen bei Carnifex Ferry wegen bewie-
sener Tapferkeit zum zweiten Leutnant be-
fördert, worauf er in rascher Aufeinander-
folge zum ersten Leutnant, Regiments- Ad-
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
635
jutanten, Brigade-Adjutanten und zuletzt viele :Monate in di-r Gefangenschaft
zum Assistent-Adjutant-General mit Kapi- sehmaehtete.
tänsrang avaneirte. Er diente unter den Xaeh seiner Rückkehr aus dem Kriege
Generälen jMoor, Crook, Roberts, Cox und wurde Herr Markbreit von der Bürger-
Averill, machte viele Schlachten mit und schaft Cincinnatis zweimal zu einem ver-
war stets der Liebling seiner Vorgesetzten antwortlichen Amte erwählt, nämlich zu
und Kameraden. Leider wurde seine niili- dem des Clerks des Poli/.eig.'richt.s. Die
COL. LEOPOLD MARKBREJT.
tärische Laufbahn durch den sogenannten Gouverneure Cox und Ilayes verliehen ihm
„Salem Raid" Averill's, d. h. durch dessen den Oberstenrang und ernannten ihn zum
Einfall in konföderirtes Territorium zur Mitgliede ihres offiziellen Stabes. Im April
Zerstörung von Eisenbahnen, Brücken u. 18(59 wurde er zum Gesandten an Bolivia
s. w. beendet, da er gefangen genommen ernannt, und während seines Aufenthaltes
und nach Libby gebracht wurde, wo er in die.ser Republik besuchte er die verschie-
o3ö
DIE DEUTSCHE I'KESSE IN AMKHIKA.
denen LamlfstheiK* uiul inachto dii^o lan-
pon H<'isrii iiifol«;»' Maii^'i-ls an Verkehrs-
stnussiri in Holivia fast dnn'liwo«: zu
I'l'iTilt'. l)«'r Sitz (Irr (li'sandtscliaft befand
sich nicistcntht'ils in der Hauptstadt La
raz. und hier war Herr Maikbrcit Augen-
zeuge vei'seliiedener. zum Theil sehr bluti-
ger Revolutionen. Bei solehen (Jelegenhei-
ten besehützte er oft mit eigener Lebensge-
fahr d;i.s Lfbt'ii und Kigeiitliuin der Mit-
glieder tier gestürzt«'!! Kegiei-inig, welelie in
dt-r anierikaniselien ( Jesandtschaft Zu-
Huei!t g»'su('ht hatten. Tni Jalü'e ISll i-et-
tete er Mariaiio Donato Munoz, dem Pre-
!!!ier!iiinister des gestürzten Pi'äsidenten
Mt'lgajero, das Leben. ]\Iunoz hatte sich
in die amerikanisehe (lesandtsehaft ge-
flüehtet. von wo aus er dann seine Flucht
nach IVru l)ewerkstelligte. AVäie er der
siegreichen I'a!-tei in die Hände gefallen, so
wäi-e sein Leben verwii'kt gewesen, und der
Pöbel hätte ihn unsti-eitig in Stücke zerris-
sen, da er der bestgehasste ]Mann seiner
Pa!-tei war. In den Jahren 1873 — 1875
machte Herr Markbi-eit ausgedehnte Reisen
in Südamerika, sowie in Europa und kehrte
dann nach Cinciiniati zui-üek, wo er im
Mäi-z 187") Theilhal)er der Cincinnatier
Volksblatt Co. wui'de. die ihn zum Sekretär
und (Jeschäftsfühi-er erwählte. Li dieser Ei-
genschaft war er bis zum Jahi-e 1886 thätig.
Am ;3L Janua!- 1882 wu!-de er vom Prä-si-
denten Arthur zum Hilf.sschatzmeister der
Vei-einigten Staaten und Vo!-steher des Un-
tersehatzamts in Cincinnati ernannt und
verwaltete dieses Amt in so mustei-giltiger
Weise, <lass ei\ trotz des Administrations-
wechsels, auch unter dem Präsidenten Cle-
veland im A!nte blieb, ])is am 16. März
1886 sein Amtstermin abgelaufen war.
Nach dem im Jali!-.' 1885 erfolgten Ableben
des p!-äsident«'n der Cincinnatier Volks-
blatt Co., F. Hassaurek. wnrde Oberst
Markbi-cit zum Pi-äsidenten und Geschäfts-
führer des rnternehmens el'^vählt und be-
kleidete diese Ae!nter bis zum Tode. Seit
dem Jahre 1896 war Herr :^L^l•kbreit
.Mitglied der Wa.s.serwerks-Kommission, die
den Bau der grossartigen neuen Wa.sser-
werke geleitet hat. Lii Jahre 1907 ehi'ten
ihn seine ^litbürgei- dui-ch Erwählung zum
.Mayor der Stadt. Ani 29. Juli 1887 ver-
mählte sich Herr Markbi-eit mit Fräulein
Bertha Fiebach, mit der er in der denkbar
glücklich.sten Ehe lebte. Herr Markbreit
war Mitglied der Loyal Legion, einer der
Gründer des Deutschen Altenheims, ]\Iit-
glied des Queen City Clubs, der G. A. R.
und Ehrenmitglied mehrei-er deutscher
Vereine. p]r starb am 27. Juli 1909.
„Waechter und Anzeiger"
in Cleveland, und die Gruender des
„Waechters am Erie".
Der ..Wächter und Anzeiger" in Cleve-
land. der bei-eits am 9. August 1902 den
fünfzigsten Gedenktag des ersten Erschei-
nens des ..AVächters am Erie" durch eine
Goldjubiläums-Ausgabe feiern durfte, die
nach dem übereinstimmenden Urtheil der
gesammten deutschen Presse des Landes die
grösste, schönste und reichhaltigste der bis
dahin herausgegebenen Gedenkausgaben
war. ist aus der im Jahre 1893 erfolgten
Verschmelzung des ..Clevelander Anzei-
gers" (nebst „Deutscher Presse") mit dein
..Wächter am Erie" hervorgegangen. Er
hat sich seitdem eines stetigen Wachsthuiiis
erfreut und sich in der Clevelander Zei-
tungswelt, in geschäftlicher sowohl wie be-
sonders in politischer Hinsicht, eine Stel-
lung erobert, mn die ihn selbst grosse eng-
lische Blätter beneiden.
Die erste Nummer des ..Wächters am
Erie" erschien am 9. August 1852. Die
Hauptgründer des Blattes waren der da-
nuilige Vize-Gouverneur Jacob ]\Iüller und
Herr Louis Ritter, und als erster Redakteur
wurde August Thieme berufen. Die Zei-
tung, die stets ein unabhängiges demokrati-
sches Volksblatt, im Gegensatz zur Partei-
kleppereidemokratie jener Tage war, er-
DIE Di:rT8(JllE l'KKSSH IN AM KIM KA.
537
seinen {nitanirlieh zweimal, sjjäter (liciinal
in tler Woehe. nm ilann. seit (lein 21. Sep-
tember 1866, dauernd als tägliehes l'latt
herausgegeben zu werden. Sie trat, ihicm
Charakter treu bleibend, für die nengebil-
dete rejniblikanisehe Partei ein. weil diese
diei\Ienscheni-e('hte auf ihre Fahne gesehrie-
ben, und unterstützte sie bis zur zweiten
Grant-Kampagne, in der sie sieh für Iloraee
Greeley in die Sehranken warf. Später, a's
die re])ublikanisehe Partei in ihr Gegenthcil
umschlug, kehlte das Blatt wicdci- zur
CHAS. W. MAEDJE,
der Praesident der Waechter und Anzeiger Co., Cleveland, O.
demokratischen Partei zurück und unter-
stützte 1876 wacker Tilden gegen llayes.
Wie der „Wächter am Erie" ein unab-
hängig demokratisches, so war der „Cleve-
lander Anzeiger" in seinen besten Jahren,
unter AVilhelm Kaufmann, ein unabhän-
giges republikanisches Organ. Und in Be-
zug auf politische Unabhängigkeit wandelt
der „Wächter & Anzeiger'', in Xational-
und Staatsfragen die neudemokratischen
Grundsätze vertretend, in den Fusstapfen
seiner Vorgänger.
I IM das (ieschätt /.ii ei-weileiii. grüiulete
'riiieiiie im .lahre ISTI die ..Wächter am
Hi-ie Piiriliiig Co." uiul übernahm im
Februar 1S7!>. nach Autlösung der alten
(lesellschaft. pei'söidich die Zeitung, die
nach seinem im Dezember desseli)eu Jahres
erfolgten Tode von Jacob Müller und <iessen
(JcsiiHiungsgenossen weiter geführt wurde.
Im Jahre 1882 ging die Leitinig des Ge-
schäfts in die Hände der ..Wächter am Erie
riililishiug Co." über und blieb, seit 188!)
uiitei- der absoluten Kontrolle von Cha.-.. W.
Älaedje. dei- die ganzen Aktien aufgekauft
und die Gesellschaft neuorganisirt hatte, in
ihrem Besitz, bis zu der am 2. Oktober 1893
erfolgten Vei'schmelzung der deut.schen
Tageblätter zu dem ..Wächter Ü: Anzeiger",
der seitdem von der Consolidated News-
paper Company herausgegeben wird. Redi-
girt wurde der ..Wächter am Krie" nach
Thieme's Tod von Julius KiU'zer. Carl
("laussen, der zweimal als Schriftleiter fini-
giite. Dr. Christian llori.x. Ei-nst Kluss-
in;:nn und L. 1\ Korth.
Der ..Clevelander Anzeiger", im .Jahre
1871 durch Heinrich Gentz ins Leben ge-
rufen, erschien anfangs dreimal die Woclie.
Im folgenden Jahi-e ging das Blatt in die
Hände einer Aktiengesellschaft über, die es
hauptssächlich der Grant-Kamiiagne halber
erwarb uiul es noch im selben .lahi-e ;in die
Firma Böhm. Kraus c^ Co. abtrat. Von da
an erschien der ..Anzeiger" als Tageblatt.
Im Jahre 1877 übernahm Wilhelm Kauf-
mann die geschäftliche Leitung der Zei-
tung, die 1886 Moi'genblatt wurde und es
bis zum 7. August 18!)0 blieb, um dann wie-
der als Xachmittagsblatt heranszukonnnen.
Kedigirt wiirde der ..Anzeiger" von
Gustav Balzer. Dr. Bernhard Füller. Wil-
helm Kaufnunin. Fritz Glogauer und Carl
Arnold.
Das Direktorium der ..Genmui Consoli-
dated Newsi)ai)er Co.". welche .seit dem
2. Oktober 1898 den ..Wächter & Anzeiger"
herausgiebt, besteht gegenwärtig aus folgen-
den Hern-n: Chas. W. Madj.-. Präsident
■538
DIE DLUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
und Ocsi'häftsfühn'r; IL-nnann Sehinidt.
Viz.'-Priisith'nt ; .J. F. Groth.'. Sekri'tär;
Wilh.'lm Kaut'miiiui und f'arl Raid. Ht'di-
pirt wurdf der ..Wächter Ä: Aii/.t'i«;i'r" von
Carl ('laus.s.'n. I'aul Wolff. dann zeitweilig
wieder von Carl C'lausseu, Carl Arnold und.
seit den» August lSf)(). von Simon Ilickier.
Gleiehzeitig mit der Konsolidirung des
„Wäelitei-s am Krie" und des ..Clevelander
Anzeigers" erfolgte aueh die Versehmel-
zung der mit den beiden Zeitungen verbun-
<lenen Steredtypplatten-. Tiiiienseiten-. Rei-
JACOB MUELLER,
einer der Cniendet des ..Waechters am Erie" in Cleveland O.,
und Vize-Gouverneur von Ohio.
lagen- und Matrizen-Lieferungsgesehäfte zu
der „German Press & Plate Company", die
von den folgenden Direktoren und Beamten
geleitet wird: Wilhelm Kaufnunm. Präsi-
dent und Geschäftsführer; Carl Raid. Vize-
Präsiilent und fungirender Gesehäftsfüh-
rer; Otto Dereum. Sekretär; Chas. W.
Jacob Müller, einer der Gründer des
..AVäehters am Eri»»" in Cleveland, wurde
1S22 zu Alsenz in der Rheinpfalz geboren
und wandte sieh naeh Volleiulung seiner
juristisehen Studien der Reehtspraxis zu.
Als die französisehe Februar-Revolution im
Jahre 1848 ausgebrochen war und er sich in
den Dienst des Volkes gestellt hatte, wurde
er von der provisorischen Regierung in
Kaiserslautern zum Civilkommissär für den
Hezirk Kirchheindiolanden ernannt. Nach
Niederwerfung des Aufstandes ging er in
die Schweiz, von wo er sich nach kurzem
Aufenthalt naeh Amerika, und zwar gleich
nach Cleveland. wandte. Im Jahre 1854
eröffnete er mit Louis Ritter und Benjamin
Beavis eine Advokatenfirma und im Jahre
1858 die Germania Fire Insurance Com-
pany, das erste deutsch-amerikanische In-
stitut dieser Art in den Vereinigten Staaten,
das er bis zum Jahre 1869 leitete. Als be-
geisterter Fortsehrittsmann bethätigte er
sich an allem, was der geistigen Entwick-
lung nützte; in vielen Vereinen war er her-
vorragend thätig. und das li])erale deutsche
demokratische Element wählte ihn im
Jahre 1856 in den Stadtrath. Als Anti-
Sklaverei- und ..Free Soil' '-Delegat wohnte
er der berühmten Pittsburger Konvention
bei. Als Delegat nahm er auch an der Kon-
vention Theil, die Lincoln nominirte, und
er stimmte als Delegat gegen die "Wieder-
aufstellung Grant's im Jahre 1868. Im
Jahre 1871 wurde er zum zweithöchsten
Staatsamte in Ohio, dem des Vize-Gouver-
neurs, gewählt. Nach Vertagung der Cin-
cinatier K(mvention trat ^lüller aus der
republikanischen Partei aus und schloss
sich der Oppositionspartei an. Unter
Grover Cleveland wurde er im Jahre 1885
zum General-Ktmsul in Frankfurt a. M. er-
nannt, welches Amt er im Jahre 1889 nie-
derlegte. Mit der Feder und dem Worte
Maed.je und Hermann Lahrheim. Die im
Jahre 1S!I5 in Davenport. la., gegründete war er stets bereit, für Recht und Wahrheit
Filiale steht unter der Leitung des Herrn zu kämpfen, und noch in seinem hohen
John Trauffer. Alter hatte er sich die geistige Elastizität
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
539
•der Jugend bewahrt. Er starb am 31.
August 1905.
Louis Bitter wurde am 29. Januar 182G
in Kirt'hheimbolanden (Rheinpfalz) gebo-
ren und besuchte, nachdem er das Gymna-
;sium in Speyer absolvirt hatte, die Univer-
sitäten Würzburg und Heidelberg. In
ersterer Stadt, wo er die Rechte studirte.
traf ihn die Revolution von 1848, an der er.
wie tausend andere Studenten, sich aktiv
mit der Muskete betheiligte. Nach Xieder-
LOUIS RITTER,
einer der Gruender des ..Waechterj am Erie" ia Cleveland.
werfung der Erhebung in der Pfalz und
Baden ging er 1849 nach der Schweiz, von
wo er nach den Ver. Staaten auswanderte.
Auch hier, in Cleveland. studirte er die
Rechtswis.senschaft und ward 1854 zur
Praxis zugela.ssen ; er associirte sich mit der
Firma Ritter, Müller & Beavis. Kaum in
in diesem Berufe thätig, begann er die
Agitation gegen die Sklaverei der Neger, an
•der er sich mehr, als seinen persönlichen
Interes.sen dienlich war. betheiligte. Xacli-
■dem er von 1861 bis 1862 als Ililfs-Steuer-
einnehmer fungirt, trat .-r im Miirz 18G4
als Freiwilliger in das M. Ohiucr Infanterie-
Regiment ein. betheiligte sich mit ihm an
dem Feldzuge des Generals Sherman in
Georgia und der Einnahme V(»n Atlanta inid
Savannah, sowie an dem Zuge dureh Süd-
und Nord-Carolina und ward als erster
Lieutenant am Sehlus.se des Krieges in
Louisville, Ky.. ausgemu.stert. Seine Feld-
zugs-Erfahrungen hat er in einer Abhand-
lung niedergelegt, die sieh unter dem Titel
AUGUST THIEME.
Erster Redacteur und spaeier Eigenthuemer des
,,Waech(en am Erie" in Cleveland.
..Das 37. Ohio-Regiment" in dem V(»n
Whitelaw Keid herausgegebenen Ges-.'hi-'hts-
werke findet. Nach ilem Kriege gründete
er die Hemlock Coal Co. in Perry County.
Ohio. Ferner war er jahrelang im Gruiid-
eigenthums- und Versicherungsgesehäfte
thätig. wovon er sich erst in den letzten
Jahren des Lebens zurückzog. Werthvolle
Beiträge für die Pres.se lieferte er ülter die
Gold- und Silberwährungsfrage, als diese
das Land bewegte. Er starb am 3. Februar
1902.
540
l»Ii; DKrTSfHK I'RKSSE IN AMKRIKA.
Aiiffitst Thiinu. iK-r erste Ke.l.ikteur des
„Wäehters am Krie". wurde 1S22 in
Lfi|'/,i»r trehoreii. stiulirte Thet»lo«rie. t-rwarl)
siell <len Titel .'ilies Doktors iler IMlilosopllie.
widmete sieh «lern Lehrfach, hegeisterte sieli
für die freiheitlichen Mestrebun^'eii des
.lahres 1S4H und trehörte bald zu (h'U I>ei-
tein der revolutionären Bewehrung in
Sachsen, wo er auch Wortführer jener De-
putation war. welche Ilriurich XIT. von
I\cuss-(Jreiz-Schleiz-Lot)en.stein (bis Verspre-
chen einer Konstitution abzutrotzen ver-
sui'hte. Nach der staiulrechtlichen Eniior-
dunir seines Fn-uniU's Robert Hluin wunb'
er an «lessen Stelle ins deutsehe Parlament
jrewählt, wo er als (bis .jünsTste Mitglied
seintMi Sitz auf der äussersten Linken ein-
nahm. Nach der Niederwerfung des Auf-
standes tlüchtete er als Mit|;lied des Stutt-
«rarter Humpf|)arlaments und Organisator
des Landsturms nach (b'r Schweiz, von wo
er im Herbst 1S4!> nach den Vereinigten
Staaten ging. In Puffalo ernährte er sicli
einige Jahre als l'rivatb-luer und Journa-
list und siech'lte im Jahre 1852 naeh Cleve-
land über, wo rv die He(bd<tion des ..Wäch-
ti'i-s am Hrie" ülu'rnahm. An den geistigen
Bestrebungen (b-s Deutschthums nahm
Thieni«' einen hervorragenden Antheil. und
als er am L"). Dezendier 1879 starb, ris;
sein Tod in die Reihen der begabten
deutsch-amei ikanischen J(»urnalisteu eine
gros.se Lücke.
Columbus' deutsche Zeitungen.
Zu den ältesten und einflussreichsten
Zeitungeu des Staates Ohio gehört sicher-
lich das in der Hauptstadt des an Bevölke-
rung drittgrössten Staates der Union er-
scheinende Tageblatt „K.rprfss & Wfst-
bnt(". mit seinen jounutlistischen Neben-
erzeugnissen, „Ohio Soniita<fs(/ast'\ ,, halb-
wöchentlicher \V<sth(tt( '' und ..wöchent-
liche Columbus Kspnss". Die Geschichte
dieses von der German American Publish-
ing Co. .jetzt herausgegebeuen Blatte--,
weiches im Jahre 1})(<8 dui'ch Vereinigung
des .J'<i<jl\(h( n W(stbot(" luid der ..T<i<;-
lichfii Colutnbus Express" ciucn neuin
Aufschwung uixl seinen jetzigen Namen
ei-hielt. geht nahezu 70 Jahre zurück, in-
dem der ..Westbote" im Jahre 184:^ von
dem genialen, deutschen Journalist« n.
Herrn Friedrich Fieser, mit Hilfe der
finanziellen riiterstütziTug von Hi-rin
FRIEDRICH FIESER.
Jacob Reinhard, gegründet wurde. Der
in .seiner Politik starr demokratische
.,Wcsibof('\ welcher anfänglich halb-
wöchentlich, später jedoch dreimal die
Woche erschien, mit seiner über den
ganzen Staat verbreiteten AVochenaus-
gabe, erhielt im Jahre 1878 einen Kon-
kurrenten in dem „Ohio Soiiiifafjsgast",
einer S' nntags-Zeitung, die von Herrn
Leoiihard HirscJi, einem tücliti^eii .loiir-
iialisteii. der schon bedeutende Krfahrunij
im Zeitunjrsfaeh in Deutschland, En^rland
und in diesem Lande zu New Yoi-k. St.
I.ouis uiul hei (U'm alten ,,\V( siholc" ge-
sammelt, jiejjründet wuide i;iul s(t er-
t\)lgreich war. dass dem ..SoiiHku/sf/asI"
im Jahre 1890 ..die tätrliche Coliiiithiis
Express" beigefügt wui'de. Heide letztere
Dil-: di:l:t8uiie i-KK^yK in a.mkinka.
denen Händen
54I
LEONHARD HIRSCH.
Hlätter verfolgten eine unabhängig-repu-
blikanische Politik.
Nachdem die ursprünglichen Eigenthü-
nier des Westboten, welcher nach der
..Express" ebenfalls täglich herauskam, in
den achtziger Jahren gestorben waren,
ging dessen Gesehäftsleitung in die Hände
der Söhne von Herrn Reinhard über, und
lag die Redaktion desselben in verschie-
<iiM-n war (las cnist .so
nuichtige Zeit ungserzeugniss. besonders
nachdem es sich in ih-y ralmn-Kampagne
den Golddemokraten in die Acmc gewor-
fen hatte, so wenig erfolgreich, dass es
schliesslich Iiaid<erott machte Ks wurd.«
später an auswärtige Eigcnlhiimcr aus-
verkauft, kränkelte jedoch fortwährend,
bis endlich im Augu.st 1 •)():{ die \'er-
schnudzung beider Konkurrenzblätter
unter dem Xamen „Express & Wrstbotc''
mit Herrn Leonhard Hii-sch als Ge-
schäftsleiter und Ciu'fredakteur erfolgte.
Leider konnte Letzterer die Früchte seiner
Thätigkeit nicht lange geniessen. denn ihn
raffte der luierbittliche Tod aus der Voll-
ki-aft seines Schaffens im letzten Sommer,
am ]:l August IfKKS. mich nur ganz kurzer
Krankheit dahin. Die Leitung von
„Express & Wesihote" gelangte nach
Herrn Ilir.scirs Tode in die Hände seiner
drei Söhne, welche das l^latt. das seit seiner
Konsolidation von einer Aktien-Gesell-
schaft The German-Anurican Tuhlishinfi
Co. veröffentlicht wird, mit grossem Erfolg
leiten, wobei Herr Gu.stav Hii-sch als
l'räsident. Herr ]\Iax Hirscli als Vize-
Präsident und Superintendent, und Herr
Ralph Hirsch als Schatzmeister dienen,
welchen Herr Caspar Reitelbach als
Sekretär der Gesellschaft zur Seite steht.
Xelx'ii dem Tageblatt „Express & ^^'<si-
hofe" und dem „Ohio Somitnefsf/ast" gibt
obige Gesellschaft noch den ..Halbwöchent-
lichen Wesibote" und die ..Wöchentliche
Express" heraiis.
Dayloner Volkszeitung in Dayton, O.,
und ihr Gruender J. Georg Neder.
Die ..Daytoner Volks-Zeitung" wui-dc im
Frühjahr 1866 von J. Georg Neder als
Wochenblatt gegründet, erschien im selben
Jahre nocli zweimal wöchentlich, später
dreimal in der Woche, während des deutsch-
französischen Krieges täglicii und von 1876
an in täglicher und wöchentlicher Ausgabe.
542
DIK DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
i),r (irüiul.T. Il'ir .1. (ü'or^' Ncder. war
am 15. .luni 1828 in Klost.T Tlinll)a. Land-
perii-ht llaiiiiiirl^nrtr in Havi-rn. txi'homi
uii.l .rhiclt »'in.' grdi.'genf BiUhin^' in ver-
si'hiedfn.'ii Lehranstalten. Er widmete sieh
der Jonrnalistik nnd priin.h'te schon im
Jahre isr)4 eine Zeitnn^'. this ..Würzhurfrer
•Iiinrnal". das hcnt»' noeli erscheint. Im
.Jahre 18«;2 wanderte Georj; Neder mit
.seiner P'aniilie naeh Amerika ans. wo er sich
in HntTaht. X. V.. niederliess nnd a's Redak-
teur an dem tä^rliehen „BnfTalo Telejjrraph"
thäti^' war. Während der zweiten Lincoln
J. GEORG NEDER.
dete Georg Neder im Jahre 1873 in Verbin-
dung mit dem fähigen Schriftleiter James.
McLain Smith eine tägliche engli.sche Zei-
tung, die er aber nach drei Jahren nach
grossen finanziellen Opfern an einen Kon-
kurrenten verkaufen musste. Für eine frei-
sinnige politisch-selb.ständige englische Zei-
tung schien die Bevölkerung nicht reif ge-
nug zu sein. Nach dieser Zeit widmete sich
Georg Xeder au.sschliesslich der ..Volk.s-
Zeitung", die er zu einem der bedeu-
tendsten und einfiussreichsten Blätter in
Oliio zu machen wusste. Was er für recht
und gut hielt, fand seine Unterstützung in
Wort, Schrift und That. Er war immer au
der Spitze, wenn es sich darum handelte,
die Interessen des Deutsehthums zu
wahren ; ein mannhafter Kämpe, wenn es
galt, Angriffe und Uebergriffe abzuwehren
und die Angreifer in die Schranken zurück-
zuweisen.
Nach dem Tode seiner Frau. ^Marianne,
geb. Eckert, aus Zell am ]\Iain, gründete
Plerr Neder noch die Sonntagsbeilage der
täglichen Zeitung, „Gedenkblätter" ge-
nannt, ein acht Seiten grosses Blättchen in
Buchfonnat, das jede Woche ein Bild eines
verstorbenen Lesers nebst Lebensbeschrei-
bung bringen soll.
Leider hatte Herr Neder das Unglück,
schon in der vierten Nummer das Bild
seines eigenen zweiten Sohnes Maximilian
veröffentlichen zu müssen, der im Alter von
nicht ganz 40 Jahren den Seinen entrissen
wurde. Dieser Sohn hatte seinem Vater als
praktischer Buchdrucker bei dessen ver-
schiedenen Unternehmungen, worunter
auch die Herausgabe eines Adressbuches
Wahlkampagne im Jahre 1864 sehen wir
(Jenrg Neder bereits als Herausgeber einer
deut.sch-amerikanischen Zeitung, denn er
hatte in ganz aus.serordentlich kurzer Zeit
die engli.sche Sprache erlernt, wobei ihm
sein Studium der alten Sprachen sehr zu für die Stadt Daj'ton, treu zur Seite ge-
statt.'U kam. und gal) in Verbindung mit standen. Ein Jahr später, am 19. Juli
Dr. Storck das ..Buffalo Journal" heraus. 1895, starb Georg Neder nach monatelan-
Diese Zeitung ging nach dem Tode Lin- gern Leiden und wurde unter grosser Be-
eoln's wieder ein. Nachdem Georg Neder theiligung der deutschen Bevölkerung auf
sich in Dayton lieimisch gemacht und die dem Calvarien Friedhofe an der Seite
..Volks-Zeitung" infolge der danuiligen seiner Gattin bestattet.
starken Einwanderung sieh einen ausge- Das Geschäft ging dann in die Hände
(lehnt. 'ii T^cs.Tkreis erworben hatte, grün- der Geschwister Neder über, die das Blatt
DIE DEUTSCHE PEESSE JN AMERIKA.
5-13
mit gutem Erfolge bis zum lieutigen Tage
weiter geführt haben und auch die „Ge-
denkl)lätter". den Manen ihres Vaters ge-
widmet, in dessen Sinne weiterführen.
An der Spitze der Redaktion und der
allgemeinen Leitung des Geschäftes stehen
jetzt die Brüder Edward und IMoritz Xeder.
Die deutsche Presse Toledos
und der Nestor ihrer Redakteure,
C. J. Vordtriede.
Am 27. Dezember 1853, also vor 46
Jahren, wurde die ,, Toledo Express",
wenn auch vorerst unter anderem Namen
und zwar als ,,Ohio Staatszeitung" gebo-
ren. An ihrer Wiege standen vier ]\Iän-
ner, welche die Reaktion, die dem Frei-
heitssturm folgte, der Anno '48 durch die
deutschen Gauen brauste, über 's ]\Ieer
nach den Ver. Staaten getrieben hatte.
Diese Gründer des Blattes waren die
Herren Emil L., Guido und Joseph E.
Mar.r und Heinrich M. Hausschild. Gegen
Ende 1854 siedelte Heinrich M. Haus-
schild nach Bremen über, wo er Besitzer
einer bedeutenden Diiickerei wurde. Am
2. Juni 1856 wurde das Blatt vergrössert
und vom 2. Juni 1856 bis 20. Mai 1857
unter dem Titel „Toledo Express" ein
Tageblatt publizirt, für welches dann Herr
Julius Vordtriede, welcher zeitweilig
für die „Ohio Staatszeitung" thätig war,
als Redakteur engagirt wurde. Im
Februar 1857 änderte man den Namen der
wöchentlichen ..Ohio Staatszeitung" in
„Wöchentliche Express" um, wobei das
Blatt in die Hände des Herrn Joseph E.
Marx überging, während Herr Guido ]\Iarx
als Redakteur fungirte. Als ersterer im
Jahre 1864 zum Konsul in Amsterdam er-
nannt wurde, verkaufte er die „Express"
an die Toledo Commercial Co, von welcher
Herr Joseph Bender das Blatt im Jahre
1866 käuflich übernahm.
Am !). Oktober 1871 wurde die Publi-
kation der täglichen ,,?]xpn'ss" wicdt-r auf-
genonnnen. und Herrn Julius Vordtriede.
der inzwischen als Rethikteur des „Huffalo
Telegraph" in Buffah» mit grossem Er-
folge tiiätig war. die Leitung des Blattes
übertragen.
An der Spitze von „The Express i'ub-
lishing & Trinting Co." steht seit Jahren
Herr Henry C. Vordtriede. Fa.st in jedem
Jahre wurde eine Formats- Vergrö.sserung
vorgenommen und nicht weniger als drei
Zeitungen, die beiden Wochenl)lätter
„Freie Presse", welche in Bowling Green,
und ,,Die Nachrichten", welche in Toledo
erschienen, sowie das Tageblatt „Toledo
Freie Presse" aufgekauft. Als Herr
Julius Vordtriede, welcher die redaktionelle
Leitung lange Jahre hindurch geführt
hatte, erkrankte, wurde Rudolph Bartt-
lingck, welcher an den hervorragendsten
deutsch - amerikanischen Organen thätig
war, als Chef-Redakteur engagirt. Nach
dem am 30. Juli 1893 plötzlich erfolg-
ten Ableben Rud. Barttlingck's fungirte
der damalige Lokal-Redakteur der ..Ex-
press", Joseph F. Schreiber, l)is zum
29. August desselben Jahres als redaktio-
neller Leiter, um wenige ]\Ionate darauf den
Posten definitiv zu übernehmen.
Das ,, Express "-Gebäude, welches sich an
der nordö.stlichen Ecke von Jackson Avenue
und St. Clair Strasse erhebt, ist in der
modernsten Weise ausgestattet und mit
seiner künstlerisch ausgestatteten Front
eine Zierde der ganzen Naehbarsehaft. Es
legt in seiner Weise beredtes Zeugniss ab
von der Bedeutung, dem Eintluss und der
Blüthe der deutsehen Presse im nordwest-
lichen Ohio.
Carl Julius Vordtriede wurde am 25. De-
zember 1820 in Enger, Westphalen. gebo-
ren. Kaum 6 Jahre alt. verlor er seinen
Vater und wurde vim den Grosseltern Koer-
ner. welche damals in Lage, P'ürstenthinii
Lippe-Detmold, wohnten, anfgenonunen.
Bis zum Jahre 1835 l)esnelite er die Privat-
514
DIE DKUTSCHK I'HKSSK IN AMKKIKA.
„„,1 V..lkssclml«"n j.'iHT Stadt iiii.l wunlr
im .lahiv 1S40 Zil^rlintr des (Kinnasiuiiis in
Dftmold. Na.'h h.'staii(l«'n<'iu Ahiturii-ntcn-
Exam.'ii stiulirtt" er auf (l»'r riiivcrsitiit
lifi-liii IM»iIo|..«ri.' und ThcDloiji»'. Im .lalm-
ISI.') iM-stand rr s.in «i-stos throlojrisches
Exanu'U in Münstrr und naiun kuiz daiauf
v'mv StrlluiiK als llauslclinT l)fi tl»'in als
radikal lu-kannt.'n Justi/.rath David Cmnc-
cins n.dun er an den politischen Btnvcfjun-
irin der di nkwürdijren Jahi-e 1S4S — 4!)
re:j:en Antheil riul waiulte sieh sehliesslich
mit ^(1 vielen seiner Zeitgenossen iin Jahre
isr>() nach Auu^rika, wo er am 7. Juni dessel-
ben Jahies und zwai in New York, landete.
Die Familie Grcneweg. der es aueh in der
.iltiu Ileiin.-.th zu ( ng geworden war. kam
mit ihm rnd <:-i'ii;ciiis;im mit ihr wählte er
CARL JUUUS VORDTRIEDE,
der Nolor des deutschen Journalismus in Nord-Ohio,
Schulmann und Schriftsteller.
1820-1899.
weg in Güterslohe an. Durch (hm EinHuss
dieses Mannes .sagte er der Theologie Ade
und widmete sich ernsten philosophischen
Studien.
Bald trat Vordtriedc von politischer
Seite aus in den Vordergrund. Als Vor-
sitzer des demokratischen Volksvereins in
Güterslohe und später auch des Kreisver-
Germantown bei Dayton, 0., als seinen
ersten Wohnsitz. Bald hatte er aueh in
seiner neuen Heimath festen Fuss gefasst
und wurde zuerst Lehrer an einer deutsch-
evangelischen Schule, um später in dersel-
ben Eigenschaft an der dortigen Hoch-
schule zu fungiren. Sein Gehalt war nur
ein geringes und betrug 300 Dollars pro
DIE DEUTSCH K PRESSE IX AMEHIKA.
545
Jahr, für damalige Zeiten aber eine an-
nehmbare Summe. Im Herbst 185:3 nahm
Herr Vordtriede eine Stellung als Lehrer
der deutsehen Sprache in Toledo an. redi-
' girte dann später die wöchentliche ..Ohio
Staatszeitung", dann von 1855 — 57 die
j.Toledo Express", um schliesslich, im Jahre
1858, die Leitung des ..Buflfalo Telegraph"
zu übernehmen. Bis zum Jahre 1872 leitete
er diese Zeitimg. folgte jedoch in letztge-
nanntem Jahre dem Rufe seines Freundes
Bender, kehrte nach Toledo zurück und
übernahm die Redaktion der ..Toledo Ex-
press". Diese führte er, bis er sich in Folge
schwächlicher Gesundheit gezwungen sah,
nachdem er fast 21 Jahre an deren Spitze
gestanden, sich mit leichteren literarischen
Arbeiten zu begnügen.
Am 2-4. Januar 1899 rief der Tod Herrn
Vordtriede ab. Der Verstorbene spielte
auch im politischen Leben in seinem neuen
Vaterlande eine hervorragende Rolle und
war u. A. einer der fünf Kommissäre,
welche vom Gouverneur des Staates New
York ernannt wurden, um den Freibrief
für die Stadt Buffalo, N. Y., auszuarbeiten.
PENNSYLVANIEN.
Die „Philadelphia Gazette" und ihr
Gruender, Carl Theodor Mayer.
^lit Carl Theodor Mayer schliesst die
Reihe derjenigen deutschen Zeitungs-
gründer, denen es gelang, mit ganz gerin-
gen ^Mitteln ein grosses Zeitungsunterneh-
men zu gründen. Langsam war der Weg
hinauf, und als er endlich sein Blatt, die
.,Philadelphia Gazette", auf eine sichere
Basis gestellt und ihre Zukunft gesichert
hatte, entriss ihn der Tod seinem Wir-
kimgskreis. seinen Familienangehörigen
und Freunden. Seine "Wittwe, eine ener-
gische und mit dem deutschen Zeitungswe-
sen in Amerika und den Anforderungen
deutscher Leser vertraute Frau, welche
schon ihrem Planne eine wirksame Stuetze
in den Anfängen der „Gazette" gewesen
war und ihr das wurde, was Frau Aniui
Uhl-Ottendorfer der „New Yorker Staats-
Zeitung" gewesen war, und seine Söhne
führten nach seinem Tode die ..Gazelle"
fort und machten sie, nadidem die K(m-
kurrenz des „Philadelphia Demokrat" aus
dem P^elde gesehlagen war. zur verbrei-
tetsten und einflussreichsten Zeitung Penn-
sylvanien's.
Es hat für den Gründer des Blattes und
seine treue Gattin Kämpfe, Mühen und
Sorgen genug gekostet, ehe es gelang,
aus dem kleinen Nachmittagsblatte, dessen
erste Nummer unter dem Titel ..Philadel-
phia Neue Zeitung" — der Titel wurde ein
Jahr später in ,. Philadelphia Gazette" ge-
ändert— am 25. Januar 1879 veröffentlielit
wurde, eine Zeitung zu schaffen, die den
Anforderungen genügt, weldie an ein
modernes Tageblatt gestellt werden. Carl
Theodor Mayer war ein Mann, der sieli
durchzusetzen wusste. Alle Chancen, die
sich dem Vorwärtskonunen seines jungen
Zeitungs-Unternehmens boten. wu.s.ste er in
geschickter Weise auszimutzen und es in
den Vordergrund des Interesses zu stellen.
]\Ian sprach von seinem Blatte; es scheute
sich nicht, ungeschminkt die Wahrheit zu
sagen, wie sein Herausgeber sie erkannt",
und die geradezu verblüffende Offenheit,
mit der er auch den Prominentesten ge-
genüber aus seinem Herzen keine ^lörder-
grube machte, Hessen das deutsche Publi-
kum mit Spannung erwarten, was die neue
Zeitung zu sagen haben würde. Mit dem
Erfolge kamen auch die nöthigen Kapita-
lien zur Erweiterung des Unteniehmens.
Im Jahre 1891 wurde die "Gennan Daily
Gazette Publishing Co." gegründet.
Da Fortschritt stets Carl Theodor
]\rayer's Losung war, so besehl(>ss »r die
Herausgabe eines deutschen Cerilblalt'^'s
Als solches erschien am 12. April 1800 die
„Morgen-Gazette". Das Bhtlt fand so-
fort, da die anderen deutsehen Zeilungen
546
DIi: DKl-TSlUK PRESSE IN AMERIKA.
thcuror wan-ii. einen prossen Leserkreis,
wenn es zuniiehst aiuOi in kleinem Format
ei-sehien mul nur einen Tinfanfr von vier
Seiten liatte. Aln-r sflion seeiis .lalire
später war «laraus ein Blatt von aelit und
mehr Seiten rmfanir p-wonlfn. Ilaiid in
Ilan.l mit di-r stetijren Erweiterung des
Leserkreises wuelis au<-li dii' Anzeigen]);!-
tronage. der feste Hüt-kli.ilt rim-r modernen
ki'iicn ihrer Fülirer oft in freimütli irrster
Weise gegeisselt wurden, einen Halt am
deutsehen Leseri)ul)likuin «gewann, der ge-
radezu phaenomenal genannt werden
muss. Im März 1896 erschien noch eine
\ iei-te Ausgabe, die ..Pennsylvania Staats-
Gazette", ein "Wochenblatt, das besonders
tiii' die Landdistrikte des Staates bestinunt
ist. Unter den Xachfolgern Carl Theodor
CARL THEODOR MAYER.
Zeitung Der Erfolg dci- ..^Morgen-Ga-
zette" zeitigte ein neues Unternehmen: Er
veranlasste Carl Theodor Mayer im Dezem-
ber 1892 zur Herausgabe der ..Sonntags-
Gazette", welehe durch ihre Spezial-Arti-
kel, die unter dem Titel „Lokal-Plauderei
von unserem unverantwortlichen Kicker"
erschienen und in denen soziale ]\Iissstände
in dentseh(>n Kreisen und Ungeschicklich-
IMayer's in der Geschäftsführung der
,.German Daily Gazette Publishing Co."
haben die verschiedenen Publikationen, die
ihr Gründer geschaffen, glänzende Fort-
sehritte gemacht. Am 15. i\Iai 1908
wurde der „Philadelphia Demokrat", der
von Wollenweber gegründet und dessen
Redakteur jahrelang Dr. G. Kellner gewe-
sen war, von der „German Daily Gazette
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
647
Publishing Co." käuflieh erworben und
nn Stelle der ,. Abend-Gazette" als Nach-
mittatrs])latt publizirt.
Carl Theodor Mai/rr war am 10. No-
vember 1843 in Freiburg im lireisgau ge-
l)oren. Er hatte schon früh seine Poltern
verloren imd wurde daher in einem katho-
lisehen Waisenhause in strengster Weise
erzogen. Nachdem er die nöthige Reife er-
langt hatte, wurde er in der Freiburger
Universitäts-Buchdruckerei in die Lehre
gegeben und erlernte das Schriftsetzer-
Handwerk. Nachdem er sich in Freiburg
verheirathet hatte, kam er im Herbst 1866
mit Frau und Kind nach Amerika. Er
betrieb in mehreren Städten Pennsylva-
nien's Buchdruckereien und gab in Wilkes-
Barre eine deutsche Wochenzeitung heraus.
Im Jahre 1878 siedelte er nach Philadel-
phia über, wo er anfangs des nächsten
Jahres das 1^1 att gründete, welches er zu
■einer der grössten und erfolgreichsten
■deutschen Zeitungen des Landes zu gestal-
ten wusste. Er starb am 18. Juni 1900
nach längerem schwerem Leiden in Atlantic
City, wohin er sich zur Wiederherstellung
«einer Gesundheit begeben hatte. Er war
zweifellos einer der besten Tj'pen des
deutsch-amerikanischen ,,self-made man"
und brachte das zur Zeit Unmögliche fertig,
aus einer mit ganz unbedeutenden ^Mitteln
gegründeten deutschen Zeitung ein Blatt
XU machen, das unter die ersten gezählt
wird, wenn die Schöpfungen der deutsch-
amerikanischen Journalistik aufgezählt
werden.
Der „Philadelphia De^tokral", als des-
sen langjähriger Chef - Redakteur Dr.
Kellner fungirt hatte und der im Jahre
1838 von Hermann Burkhardt und Georg
Rotten.stein gegründet wurde, hat dadurch
historische Bedeutung für Deutsch-Ame-
rika, dass er die erste deutsche Tageszei-
tung gewesen ist ; schon in den ei'sten Num-
mern ihrer Wochenzeitung konnten die
Herausgeber ankündigen, dass ihr Blatt
täglich <'i-s('heinen würde. Das geschah
auch, aber bereits anfangs 1S3;> ging die
Zeitung ein. L. A. W(jllenweber. dessen
Bild und Biographie in dem Kapitel ., Deut-
sehe Dicht k\uist in Amerika" verütTent-
lieht worden sind, gründete in demselben
Jahre ein dreinuil wöchentlich ei-scheinen-
des Blatt unter dem Namen „Der Demo-
krat".
Das Blatt wurde im Janiuir 1S43 mit
dem von /•'. W. Thomas herausgegelx*-
nen ,, Anzeiger der Deutschen" unter dem
Namen „Der Demokrat und Anzeiger der
Deutschen" verschmolzen. Wollen weher
verkaufte die Zeitung 18.32 an John S.
Jloffmann, der sich 1854 mit Dr. Eduard
J. Morwitz »nter dem Firmanamen Hoff-
mann & ^lorwitz verband, und nun erst
erhielt der „Philadelphiaer Demokrat", wie
die Zeitung seit einigen Jahren genannt
wurde, den amerikanisch-deutschen Namen
„Philadelphia Demokrat". Sie war, iiirem
Namen getreu, anfangs ein demokratisches
Blatt und hielt noch 1860 und später zur
demokratischen Partei. Nachdem Hoffmann
sich im Jahre 1873 zurückgezogen hatte,
führte Dr. :\Iorwitz, der am 12. Juni 1815
in Danzig geboren war, in Halle imd Ber-
lin ]\Iedizin studirt hatte und anfangs der
fünfziger Jahre nach Amerika gekommen
war, das Geschäft weiter und nach seinem
Tode sein Sohn Joseph Moi-witz. der im
Jahre 1897 die Demokrat Publishing Co.
«'rundete. Von dieser erwarb die German
Daily Gazette Publishing Company im
Frühjahr 1908 den „Philadelphia Demo-
krat" und gab ihn vom 18. Mai an als
Abendblatt heraus. Von den vor 18r)0 in
Philadelphia entstandenen deutschen Zei-
tungen ist sie die einzige, die noch fortb«'-
steht und im September 1909 siel)zig Jalire
alt wird; denn die von /•'. IV. Thomas im
Jahre 1848 gegründete „Freie Pre.s.se".
deren ei-ster Redakteur M'ilhclm liosoifhal
war und die sich 1806 der jungen republi-
kanischen Partei anschloss, ging nach sie-
benunddreissigjährigem Bestehen eui.
548
DIK DKrTSCIli: I'RKSSE IN A.MKHIKA.
Friedrich W Hin Im Tliomns wurdf am 10.
.Iimi 1808 in Srobarh «rfhorcn, rineni Dorfi'
in Thünnj;en. Als sriii Vatt-r. d« i- ..Hiir«,'-
niüller". «rcstorbcn war, kam tlfr T.jähriirc
in ili«' WaistMiaiistalt in Xonlliansni. wo er
Im Jährt' 1837 trat Thomas mit seiiiier
.iun«ren Frau und seinem Freunde Fried-
i'ieh "Woreh, dem späteren Vormann der
Xt'W Yorkei- Staats-Zeitun^r, die Reise nach
Amerika an. und /war im Zwisehendeek
eine vor/üirlieli«' Kr/.iehnni: eihidt. Xaeli iles SchitT'cs ..Hui'iiiah" von IIaml)uri: nach
siint-r Konfirmation, im vierzehnten Le- Xew Voi-k. 'i'homas war im .lahi'c 1S;}8
iMii.sjahn'. trat er. mit di-n besten Zeuj?- an dem von Burckhardt und Hottenstein
^
FRIEDRICH WILHELM THOMAS,
nach der einzigen erhaltenen Photographie mit einem »einer Soehne.
ni.ssen versehen, als Setzerlehrlin«; in eine jrcgründcten ..Philadelphia Demokrat" be- •]
Huchdruckfn.i. .sehäfti^t. Dieser war aufänglich kein
Xaeh Hcen<li-unjr seiner Lehrzeit begann tägliches Blatt, sondern wurde es erst am
Thomas, nahezu neunzehn Jahre alt. seine 'Ml August 1838 mit der fünfzehnten Num-
Wand.'rung durch einen irro.sscn Theil ukt durch Thomas, nach seiner eigenen
Deutschlands, um die Welt zu sehen und Angabe, „indem er sich unterzog mit einem
sich in seinem Gewerbe zu vervollkonnnnen. Buben, Paul Ketterlinus, denselben mit
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
549
■wenisrer Hülfe von Burkhardt zu setzen."
Im Jahre 1839 gab er mit Samuel Ludvigh
eine Woehensehrift, ,,Der Wahi-heits.su-
«her" heraus, deren freisinniger Inhalt
bei der kirehliehen Partei aber so heftige
Opposition fand, dass das Blatt mit der
fünfzehnten Nummer aufgegeben Amrdc
Im Jahre 1840 gelang es Thomas, in Ver-
bindung mit Worch, eine Druckerei zu er-
richten unter der Firma Woreh und Tho-
mas. Sie gaben etwa Anfang 1841 eine
musikalische Monatsschrift heraus unter
dem Titel : , .Auswahl beliebter deutscher
Arien" (Populär Airs of Germany) mit
■deutschen und englischen Texten, nebst
Pianoforte-Begleitung. Leider hatte die
Liebe zur ]\Iusik unter den Englischameri-
kanern noch nicht die Höhe erreicht, um
eine solche ziemlich ko.stspielige musikali-
sche ]\ronatsschrift mit Erfolg absetzen zu
können, und nach Verlauf von sechs Mo-
naten wurde sie eingestellt.
Am 6. Juli 1842 begann Thomas die
Herausgabe einer täglichen deutschen Zei-
tung unter dem Titel „Allgemeiner Anzei-
ger der Deutschen", aber schon am 26. Juli
verband er sich mit J. G. Klenek und am
17. September trat noch Worch dazu, wo-
rauf die Herausgeber-Firma F. W. Thomas
& Co. hiess. Der Anzeiger bestand nur bis
zum 14. Januar 1843, an welchem Tage
die letzte Nummer erschien, da L. A. Wol-
lenweber ihn käuflich erworben hatte, um
ihn mit dem von ihm herausgegebenen De-
mokraten zu verschmelzen.
Der strebsame Thomas ruhte nicht lange,
denn schon am 11. März 1843 begann er
abermals eine Zeitung unter folgendem
Titel: „Minerva. Ein Wochenblatt für
Literatur, Kunst, Wissenschaft und Welt-
ereignisse. Gedruckt und heraiLsgegelx'U
von F. W. Thomas, No. 105 Callowhill
Strasse, Philadelphia." Sie erschien drei-
mal wöchentlich unter der Redaktion von
Dr. C. J. Koch. Am 13. Juli 1844 sah sich
Thomas jedoch genöthigt, ,,die Minerva auf
einige Zeit einzustellen".
Im Jahn- 184") publizierte Thomas liefe-
rung.sweise eine „Volksbibliothek der deut-
schen Klassiker", von der wegen mangel-
hafter L'nterstützung nur zwei Bände er-
schienen. Besseren Phfolg liatte er im
Jalire 1847 mit der HeraiLsgabe einer treft"-
licheii l'ebersetziuig der theologischen
Werke Thonuis Paiues, danuiter „Das Zeit-
alter der Vernunft", zu der der Ilationa-
listen-Prediger Heinrich Ginal die Vorrede
geschrieben hatte und die mehrere Autlagen
erlebte.
Die politische Umwälzung der achtiuid-
vierziger Bewegung in Europa, deren Ein-
fluss sich auch in den Vereinigten Staaten
bemerkbar machte, veranlasste Thomas im
Jahre 1848 nochmals, die Herausgabe einer
deutschen Zeitung zu wagen, die er „Die
Freie Presse" nannte. Sie erschien an-
fänglich zweimal wöchentlich und ei-st spä-
ter täglich. Ihre erste Nummer erschien
am 27. Mai. Die Freie Presse vertrat in
den ersten Jahren ihres B(\stehens vorzüg-
lich die Interessen der damaligen soge-
nannten Arbeiterpartei, seit 1856 diejeni-
gen der republikanischen Partei.
Besonders bekannt und verdient machte
sich Thomas durch die Hcrausrjnhc deut-
scher Klassiker, denn er hat dadiu-ch zu
ihrer Einführung bei dem deut.sch-amerika-
nischen Publikum und zur Hebung der Bil-
dung des deutschen Elements in den Ver-
einigten Staaten sehr viel beigetragen. An-
fänglich war dei- Al)satz dieser Werke nicht
sehr gross, aber allmählich entwickelte sich
daraus ein l)edeutender Verlag. Es gehör-
ten dazu die sämmtlicheii Werke Schillei-s,
Goethes, Lassings, IlautVs und Van der
Veldes, Zschokkes Novellen \nid Dichtun-
oen, Shakespeares dramati.sche Werke,
iibersetzt von Schlegel und Tieck. Spindlers
Ausgewählte Schriften, A\ierbachs Dorfge-
schichten, Paines Werke in «ieut.s.-her
üebei-setzung, Christoph Schmi.ls Vdkscr-
zähhmgen. nebst einer grassen Anzahl an-
derer Schriften verschiedenen Inhalt.s.
meistens Komane und Novellen, darunter
550
DUO DKrTsciii-: tkioösk in amekika.
auch Oiikrl 'rtlin ".s Hütte, nach (h-iii Engli-
schen frei hearbeitet von Adolf Strodt-
niaini. <ianz besonderen Erfolg hatte die
.lubiläunisausgabe von Ilnniholdts Kasnios,
die im Jahre 18(i!) erschien und der (iele-
gi'uheit würdii; ausgestattet war. Der Ab-
satz zählte nach tausonden von p:xeniplaren
und war angeblieh bedeutender wie der Ge-
saninitv.M-lag der Cotta 'sehen Ausgabe des
Kosmos in Di'utschland. In der Absieht,
diese literarischen Schätze auch den Unbe-
mittelten ztigänglich zu machen, publizirte
Thonuissie lieferungsweise zu ausserordent-
lich i)illigen Preisen. Er stiess bei diesen
rnternelunungen freilieh auf grosse
Sehwierigkeiten und bittere Konkurrenz,
konnte aber deshalb um so stolzer und zu-
versielitlicher auf die Erfolge seines ar-
beitsamen Li'bens zurückblicken.
Er starb am 7. Septend)er ]877, nachdem
er in den letzten .Jahren so leidend gewesen
war, dass sein 'r<»d schon längere Zeit er-
wartet wurde. Die Freie Presse ging 1885
in den Morwitz 'sehen Besitz über und ein
Jahr später ein.
In Thomas verlor das Deutschthum in
den N'creinigten Staaten einen seiner be-
deutendsten Vertreter, der durch sein kräf-
tiges Wirken auf dem Gebiete der deut-
schen Literatur in diesem Lande Grosses
pelei.stet hat. Durch die Einführung der
billigen Kl a.ssiker - Ausgaben, als deren
Pionier er unzweifelhaft zu betrachten
ist, wurde der Erhaltung dei- deutsehen
Sprache in Amerika ein wesentlicherer
Dienst erwiesen, als durch irgend ein an-
deres Besti'cben auf kulturliistorischem Ge-
biete, untergeordnet einzig vielleicht nur
dem mächtigen Einflüsse von Kirche,
Schule und Presse. Sein Andenken ver-
dient deshalb in Ehren gehalten zu werden.
Wohl der Veteran der deutsch-amerika-
ni.schen Journalisten ist der im Jahre 1823
in Xordhausen geborene W\lhchn Rosen-
thnl, der seinen Lebensabend in Reading,
Pa.. beschlies.st. Er war im Jahre 1847
Der Herausgeber des ,, Philadelphia
Sonntags- Journals", AYühelni Rcgenspitr-
ger, wurde am 20. August 1834 in Berlin
geboren. Sein Vater betrieb ein Textil-
Gesehäft. Während seiner ]\Iilitär-Zeit in
Küstrin wurden mehrere Lieder des jungen
^lannes von Musik-Direktor IMackrodt koni-
ponirt und finden sich noch in Soldaten-
Liederbüchern. Er machte die ]\Iobilma-
chung von 1859, sowie den Krieg gegen
Dänemark 1864 mit. Im Jahre 3866 fuhr
er auf einem Segelschiffe von Bremen mit
Frau und Kind nach New York, wo er
nach siebenwöchentlicher, stürmischer
Teberfahrt anlangte. Nachdem er in New
Brunswick, N. J., Philadelphia und Fort
Washington thätig gewesen war, siedelte er
nach San Francisco über, wo er ^litbe-
gründer und Sekretär des später eingegan-
genen Gesangvereins ., Deutscher Männer-
chor" wurde. Nachdem er in den Redak-
tionen des „California Journal", der ..San
nach Amei-ika gekommen. Y.Y war der
erste Redakteur der im Mai 1848 gegrün-
deten „Freien Presse" in Philadelphia. I
Später war er in der Redaktion des ,,Phila- |
delphia Demokrat" thätig und übernahm ,'
IStiü die des ,, Reading Adler", der ältesten,
in den Vereinigten Staaten bestehenden
deutschen Wochen - Zeitimg. Im Jahre
1864 gründete er ,,Das Banner von Berks"^
1867 das Sonntagsblatt ,.Die Biene", ge-
nannt nach dem Schiffe, mit welchem er
iKnli Amerika gekommen war. Im Jahre
1868 gründete er die Tageszeitung „Die
Reading Post" imd im folgenden Jahre
„Die Deutsche Eiche", das offizielle Organ
des Ordens Ilarugari. Sämmtliche von
Rosenthal in Reading gegründete Blätter
bestehen noch. Sie gingen im Jahre 1908
in den Besitz Herrn John Weiler 's über.
Am 28. März 1898 feierte Rosenthal das
fünfzigjährige Journalisten-Jubiläum. Das
gab Anlass zu vielfachen Ehnnigen seitens
seiner ^Mitbürger in der grossen Industrie-
Stadt von Berks County.
i
DIK DKUTSC'IIK PKESSK IN A M KK'I KA.
561
Friinci-sco Abeiulpost "" und ilcs ..S;m Ffaii-
cisco Humorist" tliätig gcwesou wai-. kehrte
er 1877 naeli Pliiladelphia zurüek und
kaufte 1881 ilas ..Philadelphia Sonntag.s-
Jourual"'; seine darin unter dem Xaiuen
..Bierhannes" erseheinenden humoristi-
schen lieiträge und Gedichte finden
grossen Beifall. Er hat auch in aiuleren
Zeitungen des Landes häufig Gedichte und
humoristische Skizzen und Berichte ver-
ötfcntlicht. Wilhelm Kegenspurger ist einer
der Gründer und lang.jähriger Schatz-
meister des Philadelphia Journalisten-Ver-
eins. Als Schatzmeister des National-Ver-
handes deutsch-amerikanischer Schriftstel-
ler und Journalisten ist er den ^Mitarbeitern
aller grösseren deutschen Zeitungen in
Amerika bekannt.
„Volksblatt und Freiheits-Freund"
in Pittsburg.
Der ..Freiheits-Freund" wurde im Jahre
183-1: von Ilenrv Rubv. mit Victor Scriba
als Redakteur, in Chambersburg, Pa.. ge-
gründet und im Jahre 1836 von dort nach
Pittsburg verlegt, nachdem Scriba den An-
theil Ruby's übernonnnen hatte. Im Jahre
18-1!) erwarb sich Louis Xcfb einen Antheil
an dem Blatte, während William Nerh, der
den Antheil Scriba 's an sich brachte, im
Jahre 1850 in die Firma eintrat. Beide
Herren standen übrigens schon seit dem Be-
stehen des Blattes in Verbindung mit dem-
selben, da sie als Lehrlinge und Setzer in
der Druckerei der Zeitung beschäftigt
waren. In dem ,, Freiheits-Freund" ging
1860 der im Jahre 1842 von J. G. Backofen
gegründete „Courier" auf, nachdem der-
selbe vorher von Backofen an Heinrich
Bauer verkauft worden war. Bauer trat
der Verlagsfirma als ^Mitglied bei, und die-
selbe hiess fünf Jahre lang Neeb, Bauer
& Co., bis Bauer 1865 nach Baden zurück-
kehrte. Der Firmatitel wurde dann in L. &
W. Neeb umgeändert.
Inter der Leitung des späteren Staats-
Senators John X. Xeeb. der — obwidij hier
geboren — ein Deutscher V(»n eejitem Selirot
luid Kniii genannt werden könnt«-, liel'and
sich der ..Freiheits-Freund" in seiner
P.lütliezeit. Xaeh dem allzu fi-iilicn Tudc
des Seiuitors Neeb (185)3) und dem Ableben
der Ilei-ren Louis luid William Xeeb (1896
resp. 18!)!)) kam eine \'erschmelz\nig des
..Freiheits-Freund" mit dem. unter der
fähigen Leitung der Gel)rü(ler Is(i(i< E. und
Louiü Hirsch, rapide wachsenden . i'itts-
burger Volksblatt" zu Stande.
Das ..\'olksblatt " wurde im .lahre 1859
von Carl Friedrich Baiitr gegründet, der
vorher Redakteur des ..Freiheits-Freund"
gewesen, aber mit dem obengenannten Hein-
rich Bauer nicht verwandt war. C. F.
Bauer blieb Eigenthümer des Blattes bis
1885. als er in die Redaktion des Milwau-
kee-IIeroid eintrat, und Mar Schambinj
das ..Volksblatt" übernahm. Bauer starb
in ]\lihvaukee im Jahre 1888. Herr Seham-
berg war damals österr.-ung. Konsul in
Pittsburg und übergab die Leitung der Zei-
tung den Gebrüdern 1. K. und Louis Hirsch.
Konsul Schamberg zog sich später ins Pri-
vatleben zurück, ging 18!)() nach Deutsch-
laiul und starb 1901 in .Meran, Tirol, l'nter
der energischen Fühnnig der Gebrüder
Ilir.sch begann das ..Volksblatt" mehr und
mehr von dem bisher durch den ..Freiheit.s-
Freund" beherrschten Boden zu gewiiuien,
bis schliesslich im Februar 1901 die oben
erwähnte Verschmelzung der beiden Zei-
tungen und die Gründung einer Verlagsge-
sellschaft unter dem Titel Neeb-Hirsch
Publishing Co. erfolgte. Seitdem ei*sclieinen
die vereinigten Zeitungen unter dem Titel
„Volksblatt & Freiheits-Freund" als .Mor-
gen-. Soiuitags- und AVochcn-Blatt. Die
thatsächlichen Leiter sind auch jetzt noch
Herr I. E. Hirsch, als Vize-Präsident uiul
Redaktions-Leiter, und Herr Louis Hirsch
als Geschäftsführer. Ersterer wurde 1859
in Minnesota. Letzterer 1862 in Pitt.sburg
von deutschen Eltern geboren, und Beide
55i
DTK DETTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
halH*n eine frrüiulliehe deutst-lu- Hrzichuii^
genossen. Die anilereu Jieanifen der Ver-
latrsfrcsell.srhaft sind: 11. A. Neeb (,S(»lui
des vi'i-sttirlw'nen Herrn Louis Neeb), Prä-
sident ; Charles W. Neeb (St.hn des verstor-
benen William Xeeb). Sekretär; Charles B.
MeLeau, Sehatzuieister.
Von anderen deutschen Blaettern.
Di.' Zahl der deut.sehen Blätter, welehe
einmal oder mehrmals wöehentlieh, zwei-
wöehentlieh und monatlieh erseheinen, ist
iR'deutend. Nai-hstehend sind einige Pu-
I)lil<ationen luid deren Gesehiehte kurz
skizzirt. Das seiner Zeit bedeutendste Wo-
ehenblatt sei hier zuerst erwähnt und in
Verbindung damit die Biographie seines
(Jründers und langjährigen Leiters veröf-
fentlicht. Es sind:
„Belletristisches Journal" und sein
Gruender Rudolph Lexow.
Am M'k .lull litO!) schied in Brooklyn.
X. Y.. ein -Mann hochbetagt aus dem
Ix'bcn. des.sen Blatt im deutscli-amerikani-
schen Leben einst eine grosse Kolle gespielt
hat — Rudolph Lexow, der Gründer der
..Criminal-Zeitung", des späteren ..Belle-
tri.stisi'hen Jounials". Das.selbe hat zur
Zeit des Bürgerkrieges imd bis anfangs der
neunziger Jahre hinein einen hervorragen-
den Hang unter den deutsehen Woehen-
ZeiHnig<'n eingenommen und einen gro.ssen
und heil.samen Einfluss in deutseh-amerika-
nisclien Kreisen ausgeübt. Die Konkurrenz
der billigen und doch rei<')il'.altigen Sonn-
tagsblätter hatt«' die Zirkulation des ..BeUe-
tri.stisehen Jounials". das 10 Cents per
Xunuiier kostete, in inigünstigster Weise
l)eeintlus.st.
Hudolpji T^i'xow war. wie schon an an-
derer Stelle erwähnt, am K». Januar 1821
in Tönning in der später dem preussiseben
Staate angegliederten Provinz Schleswig-
Holstein geboren. Xaebdem Lexow seine
Tniversitätsstudien iu Kiel beendet hatte,
nahm er thätigen Antheil an der revolutio-
nären Bewegung des achtundvierziger
Jalu-es. was zur Folge hatte, dass er gleich
vielen anderen Söhnen der deutsehen Erde
Hieben und dem Vaterlande den Rücken
kehren musste. Er wandte sich zunäciist
nach England, wo er seine Lebensgefährtin
fand, folgte dann dem Beispiele anderer
Flüclitlinge und begab sieb nacb Amerika,
wo er eine neue dauernde Heimath finden
sollte. Seburz. Sigel, Blencker und viele
Andere waren seine Leidensgefährten, die
fast alle der Tod hinweggeratft bat. so dass
er in den letzten Lebensjahren zu dem
kleinen Häuflein überlebender Achtund-
vierziger gehörte, welelie die Erinnerung
an jene bedeutsame Zeit der deutseben Ent-
wicklungsgesebiebte waeb hielten.
In den Vereinigten Staaten wandte sich
Lexow von Anfang an der Journalistik zu.
Die Freiheitsliebe, die ihn in der Heimath
beseelt hatte, machte ihn zu einem eifrigen
Anhänger des Unionsgedankens und der
Sklavenemanzipation, und um diesen Ideen
namentlich unter den Deutsch-Amerika-
nern weiteste Verbreitung zu geben, grün-
dete er die ..Criminal-Zeitung", später
,.Belletri.stisches Journal" genannt, das
fast ein IMensehenalter hindurch in Blüthe
stand uiul seiner ^Mission in vorzüglichster
Weise gerecht wurde. Neben der redigi-
renden Thätigkeit arbeitete Rudolph
Lexow eifrig an mehreren umfassenden
literarischen Werken, unter denen eine (ic-
schichte des Bürgerkrieges, der -ISer Auf-
staiulsbewegung und zahlreiche Novellen
hervorzuheben sind.
Lexow gehörte zu jenen deutschen Ein-
wanderern früherer Tage, die sich beson-
ders bestrebten, ihre Landsleute mit den
Gewohnheiten. Grundsätzen und dem
Geiste der Einrichtungen der neuen Hei-
math bekannt zu machen, die sie nicht nur
die Rechte, sondern auch die Pflichten als
Amerikaner lehrten. So stark auch seine
Lielie für die alte Heimath blieb, für die
DIE DKrTSCHE PRESSE IX AMERIKA.
553
Adoptivheiinath hegte er die festeste Loya-
lität lind den ehrliehsten Patriotismus.
Eine grosse Anzahl hervorragender Jour-
aalisten und Schriftsteller waren für Ru-
dolph Lexow's Blatt thätig. Im Jahre
1874 hatte er sieh mit dem bekannten
deutseh-amerikanisehen Sehriftsteller Udo
Brachvogel, der nach Lexow's Ausseheiden
-aus dem rnternehmen im Jahre 1880 es
.bis 1887 allein führte, assoeiirt. Dann
waren Mar Jacgerhnher und Dr. Julius
Goehel bis in die ^Mitte der neunziger Jahre
bemüht, das ..Belletristisehe Journal" im
-Sinne seines Gründers weiterzuführen. Es
wird noch in Hoboken. X. J., herausgege-
ben, allerdings in völlig veränderter Form.
Der „Puck" und Joseph Keppler.
Der Erste, welcher farbige ..Cartoons"
in Amerika einführte, war Joseph Keppler;
er war am 1. Februar 1838 in Wien gebo-
ren, studirte an der dortigen Kunst-Aka-
demie, ging zur Bühne und wurde Schau-
spieler und Sänger, kam 1868 nach St.
Louis, wo er in seinen ]\Iussestunden ]\Ie-
(lizin studirte. und gab dort das humo-
ristisch-satirische Witzblatt ..Puck" in
deutscher Sprache heraus. Dasselbe ging
ein, und Keppler übersiedelte nach New
York, wo er von 1872 bis 1877 als Karika-
turen-Zeichner an Frank Leslie's Tllustra-
ted Xewspaper beschäftigt war. Er associ-
irte .sich mit Ad. Schwartzmann und gab
abermals in deutscher Sprache den ..Puck"
heraus. Die farbigen Kartons des Blattes,
in welchen politische Ereignisse und her-
vorragende Staats-:Männer in humoristi-
scher Weise und zwar mit geschickter Be-
nutzung antiker und geschichtlicher ^\o-
tive und Anpassung auf das moderne Leben
behandelt wurden, fanden solchen Anklang,
■dass die Herausgeber 1877 das Blatt auch
in englischer Sprache erscheinen Hessen.
Keppler starb am 19. Februar 18!)4. Im
-Jahre 1897 ging die deutsche Ausgabe des
..Puck" ein.
Das „Washingtoner Journal" und sein
Herausgeber, Werner Koch.
Ein Veteran iV-v deutschen i'n'ss»- in
Amerika ist der Herausgeber des ..Wash-
ington .Joiu-nai". Werner Koch. .\u\ l:{.
April 18:U in Alsfeld. Gi'os.sherz(.gthum
Hessen, geboi-en. kam er im Jjihre IS.l.'i
nach Washington. 1). ('. Xaeli zweijäh-
rigem Dien.st auf einem WalHschfänger
kehrte er zu Begiini des Jalires LS.")!) nach
Washington zurück nnd gründete am 2.
April eine deutsehe Zeitung, das ..Wash-
ingtoner Intelligenzblatt", welches in der
Lincoln-Kampagiu' täglich ei-schien. 18():i
wurde die Zeitung vergrös.sert urul erhielt
den Xamen ..Columbia". Seit 1873 wur-de
die ..Columbia" mit einer anderen deut-
schen Zeitung verschmolzen und hat seit-
dem den Xamen ..Washington Joiunial"
geführt. Bis zum Jahre 1883 ei-sehien das
Blatt täglich, ward aber später in ein
Wochenblatt verwandelt. ^länner. deren
Xamen in der Geschichte der deutsch-ame-
rikanischen Journalistik wohlbekaiuit sind,
haben zeitweilig die SchrifthMtung der
Koch'sehen Zeitung geführt, so Louis
Schade. Karl Roeser. L. Ki-onheimer,
Gallus Thomaini. Alfred Schücking u. a.
Xur einmal erfühl* das Ei-sdieinen des
Blattes eine kurze rnterbrechung; das war
während des Bürgei-krieges. als Werner
Koch, ein enthusiastischer Anhänger der
Unionssache, mit dem 58. Xew Yorker
Freiwilligen-Regiment in 's Feld zog. Xaeh
dem Kriege luihiii ei- die publizistische
Thätigkeit wiedei- von Xeuem auf. .Mit
eiseiruM" Willenskraft widmi'te Koch sieh
seinem Beruf, kämpfte die zahllosen
Schwierigkeiten niedei- nnd setzte sieh
durch, nienmls entmutliigt nnd si-lbst nach
schweren Schlägen, die ihn hie und da ge-
troffen haben, stets mit inn'ntwegtem Oi)ti-
mismus sich wieder hinaufarbeitend. Zu
Anfang war er Redakteur, Setzer, Drucker,
Träger und Kollektt»r. alles in einer Per-
son; noch in seinem 75. Leliensjahre luihm
554
l>IK DKI'TSCIIK PRESSE IN AMKUIKA.
w CS mit tlfiii .lüiit^stfii am Sftzerkasten
auf. S.'in 7.'i. ({cburtslaf,' jral) den ange-
s«'li«'iist«Mi Dciitsclu'u der liun(l<'s-IIaui)t-
stadt Aiilass zu tMiicr fjrossiu Kliruutr des
wat-kcrfii Vorkämpfers drutsdicr Hestre-
huujft'M und der dcutsciR'n Muttersprache.
„Der Birmingham Courier".
In Alaliama wiril ilcr Deutsehe Taj.' in
Fnlire der Ajjitatioii, welche für die Ein-
fidirunj; dieses Festes seitens der dortigen
Woehen.schrift „Der Birmingham C<»n-
rier". die an jedem Sonnabend in Hir-
minghain, Ahi.. erscheint und deren Abon-
nementspreis nur einen DoHar pro Jalir be-
trägt, bis jetzt mindestens in drei Städten
gefeiert: Birmingham. Cnllman imd Mo-
bih'. In Biriuingham bestellt die jährliche
F'eier in einem akademischen Fe.ste, an
dem sich nicht nnr deutsche Kreise, son-
dern auch die besten Klassen der Anglo-
Amerikaner betheiligen. Vorsitzender des
Fest-K(»mites ist seit Jahren Herr Emil
Lesser. llerausgelx'r und Redakteur des
..Birmingham Couriers"; es ist der Thä-
tigkeit dieses Blattes zu verdanken, dass
die deutsehe Sprache als Lehrgegenstand
in der öfTentlichen Schule Binningham's
eingeführt wurde, dass jener Schule sei-
tens der Deut.seh-Amerikaner Birming-
hanrs eine Bibliothek deutscher Klassiker
gestiftet ward, dass die Interessen und
Rechte mittelloser Einwanderer in vielen
Fällen geachtet und vertreten wurden. Der
..Birmingham Courier" i.st nicht nur die
älteste deutsehe Zeitung in Alabama, son-
dern auch die eintlussreichste. Er ist poli-
tisch unparteiisch und erfreut sich einer
geschäftlichen Prosperität, die von wenigen
Zeitungen des Südens erreicht wird. Der
Redakteur ist ^litglied der Bundesbehörde
des Xordamerikanisehen Sänger-Bundes,
Präsident des südlichen Bezirkes jenes
Bundes, ebenso erster Sjirecher des Südli-
chen Central-Turn-Bezirkes und des Deut-
schen Turn-Vereins in Birminffbam. Kv
hat erst in diesem Jahre ein Buch
seiner Erlebnisse, die unter dem Namen
..Euro]iäische Reise-Briefe" von ihm im
..Birmingluun Courier" veröffentlicht wur-
den, und zwar im Verlage des ..Birming-
ham Couriers", herausgegeben. AVer Aus-
kunft über Alabanui will, abonnire auf den
..Birmingham Courier". Wem die Ver-
hältnisse in Birmingham, der am schnell-
sten wachsenden Stadt im Süden, mit ihrem
unermesslichen Reichthum repräsentiren-
den ^lineral-Gürtel interessiren, der abon-
nire auf den ..Birmingham Courier". Wer
das deutsche Publikum Alabamas ereichen
will, der animncire im ..Birmingham
Courier".
Die „Iowa Reform", Davenport, Iowa.
Am 12. Juli 1884 ward die zuerst
wöchentlich erscheinende deutsehe Zeitimg
„Iowa Reform'' von Adolph Petersen ge-
gründet, dessen Bruder, Gerhard, bald
nachher als geschäftlicher Theilhaber in
das Unternehmen eintrat. Das ,,Sternen-
Banner", ein 1876 von H. ]Malthey und
Sohn in 's Leben gerufenes Blatt, ward bald
erworben und die „Iowa Reform" danni
und bis zum heutigen Tage zweimal
wöchentlich herausgegeben. Sie ist seit
Jahren eine der vorzüglichsten deutschen
Zeitungen im Staate Iowa. Sie liefert an
gutem Original-Lesestotf weit mehr als
irgend eine der übrigen im Staate erschei-
nenden deutschen Zeitungen, die tägliche
Zeitung ausgenommen. Seit Anfang lf)08
wird ihr Satz mittelst Linotype-^Iaschine
hergestellt, wie denn überhaupt die tech-
nische Ausstattung der ., Reform" eine
mögliehst vollkonnnene ist.
Die ., Reform", die namentlich in der
Stadt Davenport und Umgegend eine
grosse Verbreitung hat, führt mit uner-
müdlicher Ausdauer den Kampf für Frei-
heit und ]\Ien.schen würde, und gegen die
Feinde der persönlichen Freiheit geht sie
DIE DEUTSCHE PKKSSE IN AMKK'IKA.
665
Sfharf. uneniiüilacli i lul mit allen Ar<;ii- viilc das (Jyiiiiiasimii ..Latiiia" der
meiiten clor ^esiuuU'ii Vorniuift vor. Fraiickc 'sehen Stii'luii«;eii in Halle a. S.,
An der Redaktion sind z. Z. die Herren studirte auf drr rniversität Leipzitr Jun«,
Adolph Petersen (in Ang-eln. Sehleswig- grin^' auf der liiiversiläl Halle znm Stu-
Hülstein. gebürtig und im Jahre 1872 als dium der Matlicinalik. IMivsik und Xatur-
12jähriger Knabe nach Amerika gekom-
men) und Joli. Jebens (in Tondern,
Sehleswig-Holstein. gebürtig) thätig. ]\lit
der Leitung der tediniselien Abth(Mliing
wissenseiiaften iilxi- und hestanil in diesen
Wissensehaften sein Staats-Exauien auf der
Universität .Marburg, erlangte di»rt 1S84
die facultas doi-mdi in .Mathematik umJ
O. A. HOFFMANN.
sind die Herren Gerhard Petersen und Au-
gust Westphal betraut. Die Gebrüder
Petersen führen ihr Geschäft im eignen
Gebäude: 526 westl. 2. Strasse, Davcn-
port, la.
„Der Sioux City Volksfreund".
Der Herausgeber des ,, Sioux City Volks-
freund", Oscar Arthur Hoff mann, absol-
Physik für beide I'rimen, war darauf an»
Königliehen (Jymiuisium zu ?^rfurt Candi-
datus probandns. In Halle diente er als
Einjähriger, bestand das Offiziers- Examen
und vollzog eine Tebinig als Vize-Feld-
webel der Reserve in Gera. Im April 1885
nahm er Trlaub nach Amerika, woselbst
Verwandte grossen Erfolg gehabt hatt«'n.
er reiste direkt nach Sioux City und kaufte
5.56
DIK DHIT-SCHK I'HKSSK IN AMKKIKA.
Kim!.' 188H d.'ii ..Si,.ux City Volksfmmd",
^ilir «h'Utsrllf Zritiin^'. di«' 'T •i»'ut<' noch
l.'it.'t. Kr ist A. II. (Alter Herr) des aka-
iloinisch-mathtMii. Vereins der Inivoi-sität
Halle a. S. und Mitiilied des A. II.
Vereins in dauernder Liel)e für sein Lieb-
lin^'sStudinni der Matlieniatik und i'hysik.
In Halle auf der Latina war er in den
rrinien Schüler iles (telieiiiirath Prof. Dr.
MutT. der .j.-t/t Direktor von Seludpforta
ist. In Amerika hatte er mit dem ..S. C.
Volksfreuinl" trotz panz enormer Sehwie-
rinkeit.-n Krfol^': er war Mitjrlied des
4'.\ekutiven Komites <les Nationalen Deut-
schen Tajres auf der Weltausstellung' zu
St. Louis, wo er Carl Si-hurz. Botschafter
von Sternbnrjr. Dr. Preetorius und andere
hervorra«rende Mäinier kennen lernte. In
Amerika widmete er sieh aussehlies.slieh
seinem Zeitiui^gesehäft und wurde durch
sene (tritrinelleii Artikel weit und breit
bekannt.
„Die Abendschule" und ihr Herausgeber.
Der Hefiründer des P^rfolges der „AbeixI-
srliuh" in St. Louis. Louis Laiif/f, wurde
am 2J). September 1820 im Sächsischen ge-
boren, trat nnt 14 Jahren bei einem Tisch-
ler in die Lehre, kam nach New York,
erlernte das Schrift setzen, gab mit Caspar
liutz zusanunen in Detroit das "Wochenb'att
..Die Michigan Staats - Zeitung" heraus
und gelangte 184f) nach St. Louis. Im
.lahre 1S.">4 war in HuH^'ah» ein für die
chri.stliche Familie bestinniites, zweimal
nutnatlich erscheinendes Platt. ..Die Abend-
.scliule". gegründet w<»rden. Es wurde
18")»; Tuich St. Louis verlegt. Das Blatt
wollte ni<-ht recht in die Höhe kommen,
und schliesslich erstand es Lange für i|^200.
Das war im .Jahre 18()1. Heute ist ..Die
Abendschule", welche reich illustrirt i.st.
das gelesen.ste deutseh-amerikani.sche Fami-
lienblatt. Auf Lange's Anregung wurde
das ..Concordia Publishing Ilouse" ge-
gründet. Kr starb am 2«i. September 1893.
„Der Herold des Glaubens"
wurde 1850 zu «S7. Louis gegründet, inn die
Angriife der Achtundvierziger gegen die
Religion, besonders gegen die deutschen
Katholiken, abzuwehren. Er hat sieh in
diesen 59 Jahren zu einem der einHuss-
reiclLsten Organe der Deutschen in Amerika
ausgebildet (Auflage 1908: 36.300 Exem-
plare), ist von 25 Erzbi.schöfen und Bi.schö-
fen approbirt und bildet die bevorzugte
9-:'
Mf ■<v«lM<«r 9. n*U$€9€m.
Lektüre des hocliw. Klei'us und der Laicii-
welt. besonders der Waststaaten.
Der Ilfrold des Glauhetis erscheint
wöchentlich, acht Seiten grössten Format«;
.stark, kostet in den Ver. Staaten .1i2 pro
Jahr, nach Europa $2.50, ist auf das
Sorgfältigste redigirt, enthält anerkannter-
nias.sen mehr Original-Lesestoff als irgend
ein ein.sehlägiges Blatt: in .jeder einzelnen
Xummer eine Fülle des belehrendsten und
untei-haltendsten Lesestot^'es. wöchentliche
DIE DEUTSCHE PRESS K IN AMKHIKA.
557
Orijrinal-Korro.spoiulenzon aus versehiedo-
iicii CJegenden Deutschlands und Oester-
reic'h.s, die neuesten Produkte katholischer
Romanschriftsteller, gediej^nMien ]\Iarktbe-
richt, Rundschau über die intei-essantesten
Ereijrnisse des In- und Auslandes, reichhal-
tige kirchliche Nachrichten etc. Die wich-
tigen Tagesfragen werden in klarer und
übersichtlicher Weise besprochen. Auch
eine Spalte Humoristisches ist in jeder
Xununer enthalten.
Als Gratis-Prämie erhalten die Abonnen-
ten alljährlich den FamUienfrcund-Kulcn-
d(i\ den reichhaltig-sten und schönstausge-
statteten Kalender Amerikas^ vom Herold
des Glaubens selbst herausgegeben.
Seit 1875 hat die staatlieh inkorporirt?
Abonnenten; ..l'nsere Kleinen"'. 1:{.,S44
AI).; ..Lektionshefte". 27.225 Abnehmer;
„Deutsch-Amerikanischer Jugeiulfreund",
6.058 Ab.) ; dazu kamen Kirchenagende.
Ev. Katechismus, Ev. Gesjingbuch. Schul-
bücher, der .,Evang. Kalender" ( Verl)rei-
tung: 45,000 Ex.) etc. Der Verlag big zu-
erst in den Händen des Synocbilpräses A.
Baltzer. von 1880— 18;)0 in denen des
Fast. R. Wobus in St. Charles (gest. am 5.
Nov. 1894). Am 1. Jjinuar 1890 wurde ein
eigenes Verlagsgeschäft gegründet, drei
Jahre später ward dann ein Gebäude für
den Verlag an Franklin Ave. gemiethet,
und wiederum drei Jahre nachher, im Mai
1896. konnte das eigene Verlagshaus an der
Chouteau Ave., No. 1716—18, (50 x 120,
German Printing & Publishing Association, niit ebenso grossem Bauplatz nebenan) be-
Temple Gebäude, St. Louis, Mo., die Her-
ausgabe des Herold des Glaubens über-
nommen. Präsident ist Herr Joseph Gum-
merebaeh, der amerikanische Vertreter der
Herder 'sehen Verlagshandlung in Frei-
burg: Geschäftsführer seit 1878 Herr Louis
zogen werden. Es erhielt den oben stehen-
den Namen. Im unteren Stockwerk ist der
prächtige Laden. Pressraum und die
Packerei ; im zweiten der Setzersaal mit
vier Setzmaschinen und Lagerraum ; im
dritten (seit Febr. 1901) di ^ Binderei. Im
Willenbrüek.
Blankemeier : Chef redakteur, Herr Clemens Sommer 1906 wurde in Chicago. Lakeside
Building, Cor. Clark und Adams Str.. ein
Zweiggeschäft eröffnet. Die Zahl der
Augestellten belief sich ]\Iitte Novendjer
1908 auf 56 Personen, wozu noch drei
Redakteure kommen. Die Eiiuiahmen be-
liefen sich im Jahre 1907 auf $128.480.53,
davon wurden .$31.000 an die Synodalkas.se
abgegeben. Die Bücher eigenen Verlags
betragen über 100. Englische Blätter und
Kirchenbücher werden in neuerer Zeit
auch herausgegeben.
Im Jahre 1890 berief das Verlagsdirekto-
rium Hrn. A. G. Toennies zum Verlagsver-
walter und übernahm zugleich de.ssen Buch-
handlung. Derselbe steht heute noch dem
bedeut(Mid vergrössert<Mi Gi'sehäft vor. Im
Jahre 1896 wurde der ..Frieden.sbote" in
ein Wochenblatt umgewandelt. Die Auf-
lage beträgt über 27.000 Ex. Redakteure
waren die Professoren, resp. Pastoren
Binner. A. Irion. A. Baltzer (Synodal-
präses), Dr. R. John. Am 15. Dezeiid)er
1898 übernahm P.ist. Wm. Tino. Jinii/k die
Die Publikationen des „Eden Publishing
House" in St. Louis, Mo.
Die deutsche Kirche in Amerika bedarf
zur nöthigen Herstellung und Verbreitung
ihrer literarischen Erzeugnis.se eines Ver-
lagshauses. Dieser Erkenntniss konnte
sich die „Deutsche Evang. S.ynode von
Nord- Amerika " (zuerst ..Deutscher Evang.
Kirchenverein des Westens", dann ., Evang.
Synode des AVestens" genannt) nicht ver-
schliessen. Zehn Jahre nach ihrer Grün-
dung, nämlich am 1. Januar 1850, erschien
der ..Friedensbote", der heute noch Syno-
dalorgan ist. Die Zahl der herausgegebenen
Blätter mehrte sieh beständig („Theol.
Zeitschrift"; ..Deutscher Missionsfreund",
jetzt beinahe 12,000 Abonnenten zählend;
..Christi. Kinderzeitung", vom 1. d. ]\Its.
mit 28,543, vom 15. d. Mts. mit 20.301
558
Redakt ionsarlx-it iiin ..l"ri
,.I)i'uts«'li. MissiMtistn-uiul" uiul dein
„Evanp. Kalciulcr" im V'Tla«rsliiiusc : er
vei"si«'ht diese aii<li lu'ute iincli. Im Jahre
1001 wurde eine weitere OHiee für Pastor
Karl Kisslintf. den Kedakteiir d r ..('lirist-
DIK DKFTSCHE PRESSE IN AMERIKA
edensboteii"
wüeheiitliehe Aufhi|re '.MM) Ex.) und dem
..Evaii^. ('ompaiiion", dem Bniderblatt der
..C'lii-. Kinderzeitung" (Autlage am 1. des
Monats 6238, vom 15. des Monats 4160).
So hat sieli das ..F^den Publishing
Ilouse", das zugleieli auch eine Sortiments-
DAS GEBAUEDE DES ..EDEN PUBLISHING HOUSE" IN ST. LOUIS. MO.
liehen Kinderzeitung" und der ..Lektions- Buehhandlung ist und ausser Büchern auch
hefte für die l)il)lisehe Ges-hichte" (Auf- kirchliche Scheine, Karten für die Sonn-
lag«» der letzteren 'i'M\A) eingerichtet. Im tagsschulen etc. herausgibt, zu einer Zen-
Juli 11)06 übernahm Past. ,ftil. IldrstniaHit trale der synodalen und allgemeinen Lite-
die Arbeit am ..Messenger of Peace". dem ratur entwickelt, von der ein grosser Ein-
Bruderblatt des ..Friedensboten" (zwei- fluss auf die ganze Synode ausgeht.
DIE DEUTSCHE TRESSE IN AMERIKA.
659
„Der Deutsche Vorkaempfer" und seine
Herausgeber Louis und Geo. S. Viereck
Die in Xiir York seit Neujahr li)07 er-
scheinende ^lonatssehrift ,Mcr Deutsche
Vorkämpfer'' war ursprünjjlieli nui- dazu
bestimmt, als Organ der deutselisj)reehen-
den Gruppen der „Neuen Einwauderungs-
Sehützlinge" zu dienen, sie hat aber sehr
bald ihren Inhalt wie ihr Programm in
^iner Weise erweitert, dass die Bezeichnunsr
„Organ der Deutschen in Amerika'', die
ihr mehrfaeh beigelegt worden ist, nicht
unberechtigt erscheint. Die Zeitschrift
berichtet von allen Einzelheiten der
deutschen Bewegung in Amerika, vom
EinHuss deutscher Kultur auf die neue
Welt und von allen Vorgängen, die für
Deutsche im Auslancie von Interesse
sind. Regelmässige Korrespondenzen aus
Deutschland halten zugleich die Leser über
die wichtigeren Ereignisse in der alten
Heimat auf dem Laufenden, während ein
reichhaltiger Unterhaltungsteil auch die
Frauen zu fesseln weiss. „Der Deutsche
Vorkämpfer" ist reich illustrirt, bringt in
jedem Jahrgang einen interessanten Ori-
ginalroman und die allseitig als ein vor-
treffliches Werk anerkannte, hier zum
ersten ^Male veröffentlichte „Geschichte des
deutschen Volkes" von Willy Westen in
Fortsetzungen.
Die hervorragendsten Deutschamerika-
ner, Schriftsteller wie Konrad Nies,
Prof. Hurjo Münsterherg, Prof. Kuno
Francke, Edna Fern, G. von Bosse, Dr. C.
J. Hexamer, Professor Dr. Lcarned, Prof.
Faust, Prof. Heller, Rev. J. Rotheiisteiner,
Pastor Xeeff, Hermann Bosenthal, Prof.
Tomho (Vater und Sohn) und gar viele
Andere sind häufige IMitarbeiter des Blat-
tes, aber auch IMänner wie Prof. John W.
Burgess von der Columbia, Geh. Rath
(roldberger von Berlin. Prof. Dr. Ernst
Henrici, Leipzig, Ludwig Fulda und andere
Berühmtheiten zählen zu dessen Kontribu-
enten.
Tebcr die speziellen Ziele <i,'s ..Deutsehen
Vorkämpfers" unterrichtet der Programm-
Artikel in der ersten Xunuiier der Zeit-
schrift, in dem u. A. Folgendes au.sgetuhrt
wird :
..Dt-r Deutsche Vorkämpfer" will die
Amerikaner deutscher Abstammung an-
spornen, den ihnen vom 1\ niiu-nolhiiigl imi
hingeworfenen Fehdehandschuii aufzuneli
men und für die volle Gleichberechtigung
der naturalisirtcn mit den im Lande selbst
geborenen Bürgern furchtlos und energisch
einzutreten. In.sbe.sondere will er es durch-
setzen, da.ss die eingewanderten Deutsehen
vor Zurücksetzung durch beschränkte Xa-
tivisten bewahrt werden.
„Der Deutsche Vorkämpfer" wili nicht
etwa eine besondere deutsche Partei schaf-
fen, wohl aber um alle natui-alisirten Deut-
schen in diesem Lande ein festes Baiul
schlingen, sie unablässig daran eriiniern,
dass sie drüben eine gemeinsame alte Hei-
mat besitzen und hier eine gewaltige Kul-
turmission zu erfüllen ha])en. Die .junge
amerikanische Naticm wird nur dann wirk-
lich und dauernd an erster Stelle stehen,
wenn jede ältere Nation ihi-e besten Eigen-
schaften und ihre höchsten kultui-ellen Ei--
rungenschaften auf sie überträgt. -
Es ist durchaus in den Verhältni.ssen l)e-
gründet, dass die Amerikaner deutschen
Ursprungs zumeist einer der alten Parteien
angehören, teils aber Sozialisten oder Un-
abhängige sind. Das will und kann ..Der
Deutsche Vorkämpfer" nicht ändern. Aber
jeder in Deutschland sen)st geboi-ene oder
von Deutschen ab.stammende Bürger sollte
niemals vergessen, da.ss es gewisse gemein-
same Interessen sind, die jeder Deutseli-
amerikaner unter allen Umstäiulen. weiui
er nicht selbstmörderi.seii verfahren will,
hochhalten und in dei- Oeffentliehkeit vei--
treten muss. Der aufgeklärte und loyale
Amerikaner wird auch seinen eingewan-
derten Mitbürger nur dann achten, wemi
dieser nicht feige seine eigene Herkunft
6G0
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
vrrlcutriH't. sich Jilsd iiirdriirt'i- ciTiscliiitzt
wie iU'U im Inliiiid»' (iclxtri'iu'ii.
Der schlinniist»' Wiilrrsafhcr des Deutsch-
tuiiis in Anu'rika ist daher aiu-h die (i!> ich-
<fUtl(/k(lt in tl( n eigenen h'cihen, dif oft
p'miK' zum V»'rniti' di r cnfroivn Lands-
U'ut»' führt. Dafr»'«;»'!! will ..Der Deutsche
Vorkämpfer'* natürlich in ei-ster Linie
Front machen und zn dem Zwecke die
Lanen kräftig' aufrütteln. Aher gleich da-
nach konnnt der fmsfur G< ist der Know-
nothini/s. der jetzt wieder gar bedenklieh
nmgeht nnd v(tn einem Ende des Konti-
nents zum andern die Geister beeinflusst.
Die alten Knownothings des vorigen
.lahrhunderts fassten ihre Absichten in das
Schlagwort „Antcrika für die Amerikaner"
zusammen, verbrannten die katholischen
Kirchen und suchten die deutschen Turn-
hallen zu zei*stören. Die neuen Know-
nuthings arbeiten mit minder groben, aber
(bifiir desto gefährlicheren Mitteln. All-
überall agitiren sie für die Abschaffung des
d«nitschen Unterrichts in den öflfentlichen
Schulen und für die Wiederbelebung der
veralteten Sonntagsgesetze. Sie wirken ge-
gen die persönliche Freiheit durch Einfüh-
nuig der l'rohihiiion und agitieren gegen
die Zulassung der Fremden durch grösste
Be.selu'änkung. wo nicht durch das Verbot
dt r Hinivand( runfj
Wir wollen in jeder Weise als vollberech-
tigte Bürger der Republik behandelt wer-
den, die als solche mindi\stens ebenso viel
persönliche Freiheit beanspruchen als die
Bürger irgend eines anderen Gemeinwe-
sens auf dem Erdenrunde. Wir verbitten
uns deshalb jede polizeiliche Bevormun-
dinig nach der Richtung, dass man uns vor-
sehreibt, was wir überhaupt oder an ge-
wissen Tagen geniessen oder nicht geniessen
st)llen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass
der Alkoholmissbrauch durch Prohibitions-
gesetze nicht etwa beseitigt, sondern im
Gegenteil nur noch gefördert wird.
Wir verlangen femer zum Besten der
Ge.sammtheit. da.ss unsere Kinder deutschen
Cntirrichf in den öffentlichen Schuletr
empfangen können. Gro.ss und Klein aber
sich an jedem Sonntag in echt deutscher
Weise seines Da.seins erfreuen darf. Wir
verlangen endlich, dass Jeder, der arbeiteik
kann und will, ungehindert in 's Land kom-
men darf, es sei denn, dass er sich durch
begangene ehrlose Verbrechen der Aus-
zeichnung, ein Bürger dieser grossen Re-
l)ul)lik werden zu düi'fen. unwert gemacht
hat.
Wir werden es als unsere heilige PHicht
ansehen, alle Bestrebungen zu unterstützen,
die auf Förderung der überlieferten-
Freundschaft, sowie auf Herbeiführung
eines besseren gegenseitigen Verständnisses
zwischen Deutschland und Amerika abzie-
len. Es giebt in Wahrheit keine andere
Nation, die durcli ihre ganze Kultur der
amerikanischen näher stände als die deut-
sehe, nachdem so viele ]\Iillionen Deutscher
in der werdenden amerikanischen Nation
aufgegangen sind, deutsche Geistesein-
flüsse seit einem ]\Ienschenalter auch hier
entschieden vorherrschen und die höchsten
amerikanischen Bildungsanstalten sieh
immer mehr nach deutschen A^orbildem re-
formirt haben. Das Leitmotiv des Blattes,
ist und soll stets bleiben :
"Germans to the front!"
Herausgeber und Gründer des „Deut-
schen Vorkämpfers ist Herr Louis Viereck,
geb. 21. III. 1851, Berlin. Er absolvirte
das Friedr. Wilhelm Gynuiasium in Berlin,
studirte in I\larburg und Berlin Jura und
Cameralia, nahm als freiwilliger Kran-
kenpfleger Theil am Feldzug gegen Frank-
reich. Am 10. IX. 73 wurde er Referendar
in Eberswalde, war dann in Berlin und
Frankfurt thätig. gerieth als Leiter der
zum Schutze Eng. Dühring's — seines
blinden Lehrers — unternonnnenen Be-
wegung ins soeialistische Fahrwa.s.ser,
schied 1878 aus dem Staatsdienst aus,
da man ihn fälschlich beschuldigte, mit
dem Verbrecher Nobiling bekaont ge-
wesen zu sein, wurde Anfang 1879 aus.
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AM KU K.\.
5(51
Berlin ausgewiesen. 1879 — 80 war er
Leiter iler Genossensehafts - Druekerei in
Leipzig, untc'inalun mit dein verstorbenen
Reiehstagsabg. Fritsehe eine soz.-dem. Agi-
tatiousreise durch d. Ver. Staaten, 81 — 93
Münelien. (Herausgeber der Südd. Post,
des Rechts auf Arbeit, des Südd. Postillon
und der ^Müncli. Post), 1884 Reichstagsabg.,
Leipzig — Land. 86 — 87 m. Bebel 9mouatl.
Haft. Zwickau (Teilnehmer an einer ge-
heimen Verbindung). 87 Massregelung
durch d. Parteitag von St. Gallen, beteiligte
sich an der Schriftst. Pens.-Anstalt, ]\Iün-
eheu, 96 Auswanderung n. d. Ver. Staaten
von Amerika, 1901 Bürgerrecht, 1898
stand. Korr. d. Berl. Tageblatt, 07 Her-
ausg. von ..Der Deutsche Vorkämpfer",
Monatsschrift für deutsche Kultur in
Amerika. — Verfasste Denkschrift z. Grün-
dung d. Pens.-Anstalt deutscher Jour-
nalisten u. Schriftsteller 93 ; Fridjof Nan-
sen am Nordpol, 97 ; German Instruction
in American Schools (im Auftrag der
amerik. Bundesregierung), 02; 2 Jahr-
hunderte deutschen Unterrichts in den
Ver. Staaten. 03 ; Leitfaden für deutsche
Einwanderer. 03; Der neue Süden und die
deutsche Einwanderung (in Vorbereit.)
Viereck ist Ehren-Mitgl. des Münch. Jour-
nalisten- und Schriftstclli'r-Ver.. des
deutsch. Vereins d. Tniv. Columbia — New
York. ^Mitbegründer des V('rl)andes de\it-
.scher Schriftsteller in Amerika und der
neuen Liga zum Schutz der Einwanderer.
1175 Broadway. New York, V. S. A.
Georg iSylvcstcr Viereck, geb. 3L De/l)r.
1884, ist der Sohn von Louis Viereck, der
sich trotz seiner jungen Jahre bereits in
zwei Sprachen als Dichter und Schriftstel-
ler einen in der Literatur bekannten Na-
men gemacht hat. G. S. V. ist der Verfa.s-
ser folgender Publikationen: 1. Gedichte,
1904 — Progressive Printing Co; A. Game
at Love and other Plays, 1906 — Brentano,
N. Y. & Washington ; Niniveh und andere
Gedichte, 1906, Cotta, Berlin und Stutt-
gart; The House of the Vampire, 1907 —
Moffat & Co. Beim „Deutschen Vor-
kämpfer" ist er Leiter des Feuilletons.
Sein berühmter Roman ..Im Hause des
Vampyrs" ist im Blatte zum ersten Male
deutsch ver()ifentlicht worden.
662
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
Hervorragende deutsch-amerikanische
Journahsten.
Bereits in tlcr Hinleituiijr dieser Artikel-
ivihe wurde erklärt, dass der deutseh-anie-
rikanisehe .Jouinalist hm»re nielit die allge-
meine Anerkenmin^' findet, die diesem
ptliehttreuestcn nnd iH'freistertsten Vor-
kämpfer des Deutsehtliums in Amerika ge-
bührt. Kr hat für die deutsehe Sprache,
das deutsehe Lied und die deutseh-ameri-
kanisehe Gt'sehichtsforsehung unendlieh
viel «rethan und thut es heute mit ebensol-
elien Eifer wie seine Kollegen, die vor ihm
den sehweren Kampf für Erhaltung deut-
scher Kulturgüter in Amerika gekämpft
haben.
Ohne die deutsche Presse könnte auch
die deutsehe Kirclie die deutsehe Sprache
in Amerika nicht vor Verfall bewahren.
Dadun-h. dass die deutsch-amerikanische
I*res.se die Verbindung mit der Ileimath
aufrecht und in ihren Lesern durch das
lebendige deutsehe AVort das deutsche Em-
pfinden rege erhält, übt sie eine so grosse
Macht. Wenn einmal deutsche Zeitungtrn
in den Vereinigten Staaten nicht mehr be-
stehen sollten, wird auch die deutsche
Sprache hier zu Grabe getragen sein.
Es ist leider nicht möglich, alle bedeu-
tende deutsche Journalisten in diesem
Buehe zu nennen m\(\ die Erinnerung an
sie in kurzen l»i(»grapln.schen Skizzen für
die Mit- inid Nachwelt festzuhalten. Einer
ganzen Anzahl von ihnen ist unter den
dentseli - iniierikanisehen Dichtem und
Seiiriftstellein gedaeht worden. Andere,
die einen besonders liervorragenden Platz
in der Ge.sehiehte der deutsch-amerikani-
.schen Pres.se einnahmen, sollen hier er-
wähnt werden.
Beginnen wir mit zwei Idealisten und
Freiheits-Kämpfern, deren wechselvolle
Lebensschicksale wohl eine eingehendere
Schilderung verdienen, zumal .sie als ^län-
ner, die stets den ]\Iuth ihrer Ueberzeugung
hatten, vorbildlich auch für künftige Gene-
rationen sein sollten: Es sind Gottlieb
Theodor Kellner und Carl Daniel Douai.
Gottlieb Theodor Kellner.
Gottlieb Theodor Kellner wurde am 27.
August 1819 zu Kassel im ehemaligen Kur-
hessen geboren, wo sein Vater Finanzbeam-
ter war. Er studirte von 1840 bis 1845
Rechts- und Staatswi.ssenschaften, Ge-
schichte und Philosophie in ^Marburg und
Heidelberg und lieferte Gedichte, belle-
tristische und politische Skizzen für Diugel-
stedt's „Salon" und Gutzkow 's „Tele-
graph". Als Rechtskandidat 1845 in Kas- '
sei mit literarischen und .Journal istiseheu
Arbeiten beschäftigt, wurde er wegen Theil- |
nähme an der Stiftung deutsch-katholischer
Gemeinden nebst Professor Bayrhoffer von
Marburg und wegen verschiedener Auf-
sätze in Biedermann 's „Monatsschrift"
über die Ständeversammlungen in Kurhes-
sen, in Untersuchung gezogen und liabili-
tirte sich infolgedessen 1846 an der Univer-
sität Göttingen, nachdem er dort Doktor
der Philosophie geworden, als Privatdozeut
für Politik und Staatswissenschaften. Seine
Habilitationsschrift lautete „Zur Geschichte
des Phvsiokratismus", und seine Vorle-
sungen hielt er über Politik, französische
Staats- und Rechtsgesehichte, sowie über
die Systeme des Sozialismus und Kommu-
nismus.
Beim Ausbruch der Revolutitm im Jahre >^
1848 kehrte Kellner nach Kassel zurück "
und stiftete dort mit Heinrich Ileyse,
DIE DEUTSCHE PRESSE TN AMKUIKA.
563
sfinem Vetter und Jugendfreunde, den
demokratisch-sozialen Verein. Zu gleicher
Zeit gab er „Hessenlieder" und mit Hein-
rieh Heyse ein demokratisch-soziales Pro-
gramm heraus. Auch gründete er „Die
Hornisse", die zuerst wöchentlich, dann
täglich erschien, und bei ihrer Unter-
drückung an 9000 Subskribenten hatte. Im
Jahre 1850 wurde Kellner von Bockenheim
in den kurhessischen Landtag gewählt und
war ^Mitglied des permanenten landständi-
schen Ausschusses.
Als nach dem Gefechte bei Brouzell (8.
November 1850) die Bimdestruppen, Bay-
ern und Oesterreicher, am 22. Dezember
1850 in Kassel einrückten, waren die beiden
Redakteure der Hornisse, Kellner und
Heyse, am meisten gefährdet, da der Groll
des Feldmarschall-Leutnants von Leiningen
sich besonders gegen diese richtete, so dass
er an der Gasthoftafel zu Fulda öffentlich
erklärte : ..Sobald ich nach Kassel gekom-
men bin, lasse ich die Redakteure der
Hornisse an die Kanonen binden und todt-
sehiessen." Die beiden Redakteure ver-
liessen Kassel noch vor dem Einrücken der
Bundestruppen, welche die Druckerei der
Hornisse zerstörten. Kellner begab sich
zunächst nach Bremen und dann nach dem
Klostergute "Wormeln bei "Warburg (Pader-
born), wo er und Heyse im Hause des
ihnen befreundeten und gesinnungsver-
wandten Gutsbesitzers Blomeyer gastliche
Aufnahme fanden. Doch Avährend Heyse
nur kurze Zeit dort blieb, vermochte Kell-
ner sich nicht von seiner Gattin zu trennen
und blieb in seinem abgelegenen Zu-
fluchtsorte, um hier ihre öfteren Besuche
zu empfangen. Sein Versteck wurde ent-
deckt, Kellner verhaftet und an die kur-
fürstliche Regierung ausgeliefert, worauf
er in der Nacht vom 13. auf den 14. August
1851 als Gefangener in das Kastell zu
Kassel abgeführt wurde, dessen Festigkeit
und Lage hart am Fuldaflusse jeden
Fluchtversuch unmöglich zu machen schien.
Dennoch gelang es am Alicnd des i;j.
Februar 1852, gerade sechs Monate nach
seiner Einkerkerimg, Kellner aus seiner
Haft zu befreien. Es war nämlich seiner
Gattin Regina, geborene Hess, mit der er
sich nach seiner Rückkehr von Göttingen
verheirathet hatte, und ihren beiden Brü-
dern gelungen, den Gefreiten Friedrich
Zinn und einige andere Freunde mid Ge-
sinnimgsgenossen für den Flucht plan zu ge-
winnen. Zinn benutzte seine öftere Wache
im Kastell, um sich AVachsabdrüeke des
Schlüssels zur Zelle Kellners zu verschaffen,
und konnte so, wenn er vor der Zelle auf
Posten stand, mit ihrem Insa.s.sen in un-
mittelbare Verbindung treten. Am Aiorgen
des 13. Februar gelang es ihm, durch
Tausch mit einem anderen Gefreiten, für
diesen die Kastellwache zu beziehen. Dort
wandte er sich an den wachthabenden l'n-
teroffizier mit der Bitte, ihm zu gestatten,
zur Feier seines Geburtstages seine Kame-
raden auf der Wache zu bewirthen. was
dieser auch erlaubte. Es wurde weidlich
gezecht, und man fand es nicht auffallend,
als Zinn vorschlug, auch die auf Posten
stehenden Kameraden an der Geburtstags-
feier theilnehmen zu lassen. Zinn erbot
sieh, selbst auf Posten zu stehen. Darauf
schloss er die Zelle Kellners auf und führte
ihn zum Walle. Ein Boot ruderte heran.
Kellner Hess sich hinmiter, und mit wenig
Ruderschlägen war das gegenüberliegende
Ufer erreicht. Hier warteten zwei Män-
ner, von denen der eine Architekt Hesse,
Kellner 's Schwager, war, imd führten
ihn nach einem Wagen, der in vollem Jagen
zum Thore hinaus in der Richtung nach
Paderborn fuhr, wo Kellner gerade noch
zeitig genug ankam, um mit dem Eisen-
bahnzuge nach Belgien zu fahren.
Zinn ging zu einer befreundeten Wittwe,
die ihm sechs Wochen lang in ihrer Woh-
nimg ein sicheres und verschwiegenes
Versteck gewährte, von wo er sicli dann
nach Hamburg und von dort nach einiger
Zeit nach London begab, wo er in der
664
Dil; DKl-TSCHf: PRESSE IN AMERIKA.
I)nifk«'n'i für Staiitsnotrn rint' Stfll»' als
DruckiT fand.
Die KuiuK' von drr frlücklii-hen Fliulit
der iK'idt'n vcrbnMti'to sich wie ein Lauf-
feuer dun-h die Stadt. An demselben
MMr«re!i um neun Ihr hatte sieh das
Krieirsp'rieht versammelt, um «refr»Mi Kell-
ner kriefJTsjjeriehtlieh zu verhandeln, ihn
\vef;en Iloehverratiis zu vernehmen und zu
K'benslänjilii-her Festuui-'sstrafe zu verur-
theilon. Kr kam jedoeh nieht. aber statt
dessen die Naehrieht von der Flucht. Kei-
terpatrouillen jaj;ten bald zu allen Thoren
hinaus. Die Telepra|)heiulrähte nach Frank-
furt und Kisenach waren zei-schnitten. so
COTTLIEB THEODOR KELLNER.
dass der Tclc<;i'ai)h an jenem Morgen völlig
versagte. Man erliess sofort zwei Steck-
briefe, worin für die Ergreifung Kellners
500 und für die Zinns 300 Thalor ausge-
setzt waren. Wie grimmig erbost der Kas-
seler Hof über die gelungene Flucht des
verha.s.sten ..Aufrührers'' war, geht daraus
hervor, da.ss er seine Frau verhaften liess,
und dass der Komiker Birnbaum, der auf
der Huhne, einen Gastwirth darstellend,
verzweitljingsvnll in die AVurtc ausgebro-
chen wai': ...Jetzt ist mir auch der Kellner
durchgegangen und hat für 300 Thaler
Zinn mitgenommen!" für seinen Theater-
witz brununen musste. Kellner blieb auf
Drängen der kui'liessischen Regierung, die
von der preu.ssi.schen unterstützt wurde,
eine Zeit lang in Antwerpen internirt. .,Es
war die trübste Zeit meines Lebens",
pflegte er zu sagen, ..da zu der Sorge um
meine persönliche Zukunft auch die I'nge-
wissheit über das Schicksal von Frau mul
Kindern kam." Als endlich seine Frei-
las.sung erfolgte, ging er mit seiner Frau,
die inzwischen aus Kassel entflohen war,
und seinen Kindern nach Amerika. In
New York hielt Kellner zuerst Vorlesungen,
gründete dann die Wochen- imd spätere
Tageszeitung ,, Reform", in der er mit Eifer
demokratische Grundsätze verfocht. Ln
Jahre 1856 kam er nach Philadelphia und
übernahm die Redaktion des ,, Philadelphia
Demokrat ' '.
Er betheiligte sich eifrig an allen deut-
sehen Bestrebungen. Der ]\Iännerchor er-
nannte ihn am 9. November 1881 zu seinem
Ehrenmitgliede. Dr. Kellner bekleidete
mehrere Jahre das Präsidentenamt. In
seinen Reden betonte er, dass durch ]\Iusik
und Gesang die Gesittung gefördert und
die Zeit angebahnt werde, wo kein Polizei-,
kein Temperenz- imd Sonntagszwang mehr,
sondern nur edle, humane Herzensbildung
die Geselligkeit und den durch die Kunst
gefeiten massigen, heiteren Lebensgenuss
regeln würde.
Als der Deutsche Pionier- Verein am 28.
Dezember 1882 beschloss, im Jahre 1883
zur Erinnerung an die vor zweihundert
Jahren stattgefundene erste deutsche Ein-
wanderung ein Fest zu feiern, das Präsi-
dent Oswald Seidensticker schon in der
Jahresversammliuig am 27. Januar 1882 be-
fürwortet hatte, Avar Kellner Berichter-
statter des zu diesem Zwecke ernannten
Ausschusses. Auch bei den Vorarbeiten
für das Fest, das vom 6. bis zum 9. Oktober
1883 in grossartiger Weise gefeiert wurde
DIE DKI'TSCIIH l'HKSSK IN A.M KK'I KA.
566
und (Iciii i'iiurli.sfh i-o(leiul('ii Ainerikancc-
thiini die Gleii-hberechtiguiiy dci- Dentschon
dui'cli den historischen Umzug glänzend vor
Augen führte, war er äusserst tliätig. Er
war deutscher Festredner bei der Feier in
der ]\Iusikakademie. Dieses Fest wird als
die erste Feier des „Deutschen Tages"
I)etrachtet, der auf Anregung Kellners und
durch die Bemühungen des Nationalbundes
zui- Jahresfeier der Deutschen geworden ist,
nicht l)los in Philadelphia, sondern in den
ganzen Vereinigten Staaten. Kellner war
für grosse Volksfeste begeistert, wie über-
haupt für die Bethätigung der Bedeutung
des hiesigen Deutschthums in grossen
ötf entlichen Kundgebimgen.
Auch für die Gründung eines ständigen
deutschen Theaters trat Kellner entschieden
ein. In der That befürwortete er alle Un-
ternehmen, die zur Aufrechterhaltung imd
Verbreitung deutsehen Wesens beitrugen.
Er Hess keine Gelegenheit vorübergehen,
dem eingewanderten Element die Wichtig-
keit einzuprägen, treu zu deutscher Spra-
che, deutschem Sang und deutschen Sitten
zu halten. Aber bei alledem war er ein
begeisterter Bürger seiner neuen Ileimath,
deren freiheitliche Institutionen er in über-
zeugung-streuer AVeise vertheidigte.
Am 27. August 1889 vollendete Kellner,
noch thatkräftig und jugendlich im Geiste,
sein siebzigstes Lebensjahr, und in An-
erkennung seiner vielfachen Verdienste um
das Deutschthum wurde ihm von seinen
Freunden ein Ehrengeschenk überreicht,
bestehend in einer goldenen Uhr mit Kette
und einem Diplom in Goldrahmen. Ferner
brachten ihm die Turner und Sänger am 12.
Dezember einen Fackelzug und eine Sere-
nade.
Noch am 12. :\Iai 1898 wohnte Kellner
einer Sitzung des ^lännerchors bei. Am
H. .Mai erkrankte er plötzlich, und am
Nachmittag des nächsten Tages trat Läh-
mung mit Bewusstlosigkeit ein. Zwei
Stunden später entschlief Gottlieb Kellner
sanft und schmerzlos. Sein Begräbniss
fand am l!l. M;ii statt. Ein.M- schlichten
Feier im Trauerhause folgte unter äusserst
zahlivicher Betheiligung eine (ifrentli.-hc in
der Halle ih'v Deutschen (Je.sellschaft. bei
der die Ilcn-en ('. .1. Ifcxanicr. .1. 15.
Ilertzog. Edmund Wolsietfer. Mayor Char-
les F. War\vi<-k. Louis Ilollcr und John
Weber ergreif eiule Ansprachen hielten, nnd
die durch den Gesang des Männen-hors und
des Jungen .Männerchors erhöht wurde.
Dann ging der grossartige Leichenzug nach
dem Mount Vernon Friedhofe, der letzten
Ruhestätte des wackeren deutschen Mannes.
Eine Ehrung wurde ihm noch nach seinem
Tode zutheil; auf Anregung des .Mäinier-
ehors wurde über seinem Gralx' ein Denk-
nml gesetzt und am 6. Oktober 190ti unter
grosser Betheiligung von Vereinen und
Freunden enthüllt.
Carl Daniel Douai.
Zu der nachstehenden liiographie schrieb
ein Freund, dessen Vermittlung der Her-
ausgeber dieselbe verdankt : ,, Wunderbar,
was die Idealisten geleistet haben!" Die
Leser werden diese Ansicht theilen. Der
^lann. der diese Bewunderung hervorruft.
ist Dr. Carl Daniel Douai; geboren am 22.
Febr. 181!) in Altenburg, studirte er Theo-
logie und l*hilologie in Leipzig, war 5 Jahre
Hauslehrer in Russland, gründete eine
Real- und Progymnasialschule in Alti-n-
burg und Fortbildungsvereine für Arbei-
ter, stand an der Spitze der freisinnigen
Partei des Herzogthums in 1848 und setzte
gründliche Reformen durch. Des Auf-
ruhrs angeklagt aber freigesprochen, ein
Jahi- in zwei Pressprozessen gefangen ge-
halten und V(m der Regierung verfolgt,
wanderte er im Jahi'c lsr)2 nach Amci-iUa
aus. und zwar nach Texas. .\ls i.t'hrci-
und Dirigent des Gesangvereins in .\cm-
Braunfels thätig, wurde ihm die Redakt i(»n
der ..Texas Staats-Zeitung" in San Anto-
nio angetragen, welche er am 8. Januar
IS.")!? annalnn. Die Zcitnng war eine wür-
Ötki
DIE DEUTSCHE TRESSE IN AMERIKA.
dige Vertreterin des Deutseht hiiins von
Texas. Sie \v\irile vort refflieh redi^irt und
bot den interessantesten Lesestoff" sowohl in
deut.seher wie in en^rliseher Spraehe. Schon
damals nah es in W. st -Texas eine Partei,
welche ^'e^'en die Sklaverei agitirte. mit
dorn Nel)en«reiianken. West - Texas von
Texas ahzut rennen nml zu einem P^reistaat
zu ma«hen. An der Spitze der Bewegung
standen die Deutsehen Kiolte. Theissen, Dr.
Vohl. OttoMuir von Hehr, Prof. Ernst Kapp,
Dr. Tiieodor Ilertzherc:. Jidius Dresel, Jo-
seph ririeh u. A. Die Bewegung kulmi-
nirte in der Konvention, die im ^lai 1854
in San Antonio stattfand und den Be-
sehluss fas.ste, „dass die Sklaverei ein Uebel
sei und abgeschafft werden müsste."
Die „Texas Staats-Zeitung" wurde nach
und nach ziuu Organ dieser Partei und
brachte abolitionistische Artikel nicht blos
in deutscher, sondern auch in englischer
Sprache. Selbstverständlich verursachten
diese Artikel eine ungeheure Aufregung
unter den Amerikanern, und die anglo-
amerikanische Presse begann einen erbit-
terten Kampf gegen die Zeitung. Der
Knuwnothing - Fanatismus hatte in 1855
.seinen Höhepunkt erreicht. In San Anto-
nio namentli<-h hatten sich die gefährlich-
sten Charaktere der Knownothing-Partei
angeschlos.sen, und prominente Demokraten
sowohl wie die Führer der Deutschen wur-
den mit dem Tode bedroht. Eines Tages
verl)reitete sich das Gerücht, die Know-
notliings beabsiclitigten. das Gebäude der
deutschen Zeitung zu stürmen und die
Prps.se zu zerstören. Tn weniger als einer
halben Stunde war das Zeitungsgebäude
von oben bis unten von bewaffneten Deut-
schen und auch einigen Anu'rikanern be-
.setzt, die .sämmtlich entschlossen waren, die
deut.sche l*res.se bis zum letzten Athemzuge
zu vertheidigen. Die Knownothings hatten
sich in der That auf dem Plaza versam-
melt und berathschlagten, was sie thun
sollten. Als sie hörten, dass die Deutschen
auf ihren Angriff vorbereitet waren, hielten
sie es für klüger, ihr Vorhaben aufzugeben.
Noch mehrere Tage und Nächte musste das
Zcitmigsgebäude bewacht werden, bis die
Staatswahl vorüber war und die gründliche
Niederlage der Knownothings die Ruhe im
Ijande wieder herstellte.
Als aber der Abfall für den Bestand des
Blattes bedenklich zu werden drohte, wurde
auf Verlangen des Herausgebers eine Vcr-
sannulung der Aktionäre zusammenberu-
fen, um über die zukiüiftige Haltung der
Zeitung endgültige Bestimmungen zu tref-
fen, und obgleich die ^Mehrheit derselben
sich mit der Art und Weise, -sne das Blatt
zu der Konvention und ihrem Sklavereibe-
sehlusse Stellung genommen hatte, einver-
standen erklärte, wurde dennoch der Ver-
kauf der Zeitung beschlossen. Dr. Douai
wurde der Käufer des Blattes. Eine Zeit
lang hatte es den Anschein, als ob dieser
Beweis von wahrhaft sittlichem ]\Iuthe be-
sonders den amerikanischen Gegnern eine
Art Anerkennung vmd Achtung abgezwun-
gen hätte, manche derselben hatten die
Ueberzeugung gewonnen, dass es um den
Douai 'sehen Abolitionismus in "Wirklichkeit
doch nicht ganz so schlimm bestellt war, wie
die deutschen Verleumder des Blattes es
sie glauben machen wollten ; es trat eine
kurze Ruhepause ein, während welcher das
Blatt von deutscher wie von amerikanischer
Seite verhältnissmässig unbehelligt blieb
und auch materiell wieder aufzublühen be-
gann. Jedoch war dies nur von kurzer
Dauer.
Douai 's Stellung war inzwischen unhalt-
bar geworden. Die Feindseligkeiten der
Amerikaner gegen ihn und seine Zeitung
wuchsen mit jedem Tage. Dazu kam, dnss
ein grosser Theil seiner Abonnenten, sowie
Annoncen von ihm abfiel, und er bekam es
endlieh satt, den offenbar nutzlosen Kampf
weiter zu führen, und verkaufte die Zei-
tung im Jahre 1856. Es sei aber hier er-
wähnt, dass die Neger ihn nicht vergessen
hatten, denn im Jahre 1866 erhielt er, nach
New York geschickt, ein Zeitungsblatt, des-
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMKKIKA.
5f57
sen erster Artikel lautete: „Diese von Ne-
gern geeignete, redigirte und gesetzte Zei-
tung wird auf derselben Presse gedruckt,
auf welcher Dr. Adolf Douai zuerst in
Tex<is die Neger-Emanzipation verfocht.
Sei ihm das der Dank der farbigen Rasse,
dass sie seine Bemühimgen für ihre Frei-
heit im Andenken hält".
Gleich darauf verliess er Texas und ging
nach dem Norden. Seine spätere Karriere
in Boston als Mitarbeiter an Carl Hein-
zen's , .Pionier", dann als Lehrer, seine
Uel)ersiedelung nach New York, wo er
]860 Redakteur des „New Yorker Demo-
krat" wurde, jedoch vorzog, die Direktor-
stelle an der lioboken Akademie anzuneh-
men, welche unter seiner Leitung eine
Blüthe erreichte, welche sie später nie
übertroft'en hat, dann die Gründung seiner
eigenen Schule (Douai Institute) am
Broadway und 41. Strasse sind bekannt.
Ln Jahre 1870 übernahm er die Redak-
tion der „Arbeiter-Union", welche von
fünf deutsehen Gewerkschaften gegründet
war und durch ihn zu einem täglichen
Blatte umgestaltet Avurde, jedoch nach l^^
Jahren ihr Erscheinen einstellen musste
wegen der feindseligen Haltung des Blattes
dem deutsch-französischen Kriege gegen-
über. Er wurde bald darauf zum Direktor
der Green Street Schule in Newark, N. J.,
gewählt und wirkte hier bis 1876. Seine
Thätigkeit an dieser Schule ist rühmlichst
bekannt, es sei beiläufig erwähnt, dass die
Zahl der Schüler in kurzer Zeit von 198
auf 450 stieg. Dann nahm er eine Einla-
dung an, in Irvington, N. J., eine anglo-
amerikanische Lehr-Anstalt zu gründen,
für welche Aktien gezeichnet waren, die
aber infolge der Panik zu Grunde ging. Im
Jahre 1878 übernahm er die ]\Iitarbeit an
der am 28. Januar gegründeten ,,N. Y.
Volkszeitung", wo er bis zu seinem am 21.
Januar 1888 erfolgten Ableben thätig war.
Mit Leidenschaft Lehrer, griff er zur
Schriftstellerei nur, wenn ihm nichts weiter
übrig blieb. Beim Schulehalten verlor er
sechsmal sein ganzes Vermögen ohne eigene
Schuld, weil er seine privati'U Ucberzeu-
gungcn niclit verbergen, seine pädagogi-
schen Grundsätze nicht opfern wollte. Als
Schriftsteller ist er in weiteren Kreisen
bekannt, denn als Lehrer, und doch hat er
über 5000 Kinder unterriehtct und in der
Hauptsache ihre Vorbildung vermittelt;
darunter waren bei-ühmt gewordene und
ausgezeichnete IMenschen. Seine journa-
listischen und belletristischen Arbeiten hier
aufzuzählen, wäre kaum möglich, \niter den
bedeutenderen mögen die folgenden ge-
nannt werden: ,,Die wilde Jagd", ein Ro-
man, der im Jahre 1869 in der ,, Westliehen
Post" erschien, „Fata INIorgana", für wel-
chen Roman er den ei-sten Preis in Amerika
erhielt, „Die Goldene Hochzeit", welche im
Jahre 1881 im „Philadelphia Tage])latt"
erschien, ,,Der Amerika-^Iüde" und zahl-
reiche andere Novellen iind Skizzen.
Aus der langen Reihe der Aiuh'ren haben
die Biographien der nachfolgend genann-
ten Journalisten besonders Anspruch auf
allgemeines Interesse.
Paul Loeser,
der langjaehrige Chef-Redakteur der New Yorker
Staats-Zeitung.
Paul Loeser, der 40 Jahre lang an der
Schriftleitung der „Staats - Zeitung" in
hervorragender Stellung thätig gewesen,
war am 23. Juli 1833 als der zweite Sohn
des kgl. württ. OV>er-Finanzraths Loeser in
.Ludwigsburg geboren, besuchte das Gym-
nasium in Stuttgart und U-ao^ nach rühm-
lich bestandener Abiturientenprüfimg die
Universität Tübingen, um die Rechte zu
Studiren. Im Sommer 1854 wanderte er
nach Amerika aus, wo er zuerst in New
York den üblichen harten Kampf gebil-
deter deutscher Einwanderer mit dem
Leben muthig aufnahm. Nach kurzem
Aufenthalte da.selbst b.'gab er sich nach
Buffalo und trat in die Re.lnktion des d.w-
5<iS
I>Ii: DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
tijren „Oi'iiiokrat" »-in. zujrli'itli aber auch,
\\\v damals inu-h Itci aim'rikaiiisclicn Jour-
nalisten vii'lfacli iU)licii. ilie ..schwarze
Kunst" des Sehriftsetzens iTfolgreieh er-
lernend. So hat Paul Loeser im amerika-
nischen Zeitunjrsfath von der Pike auf ge-
dient und war in allen Zweigen seines
Dienstes /.n Hause.
Im Janimr 1859 folgte er einem ehren-
vollen Hufe an die ..Xew Yorker Staats-
Zeitung", deren Kedaktionsstal)e er zu-
näehst 4 Jahre angehörte, um diese Stel-
lung vorübergehend mit einer hervorra-
gernlen Posititm an der ..New Yorker Ilan-
dels-Zeitung" zu vertausehen. Da Oswald
Ottendorfer, der Herausgeber und Chef
der ..Xew Yorker Staats-Zeitung", iuzwi-
sehen aber die werthvolle Kraft Loeser 's
sehätzen gelernt hatte, so wusste er den-
selben zu bestimmen, an sein Blatt zurück-
zukehren. Fnd seit 1864 hat Paul Loeser
dem Stabe der „New Yorker Staats-Zei-
tnng" inunit erbrochen angehört, erst als
Lnkal-Kedakteur, dann in der Eigenschaft
eines Leitartiklers und zuletzt, seit langen
Jahren, als stellvertretender Chef-Redak-
teur und vertrauter und erprobter Freund
und Herather der Herausgeber des Blattes.
186H vermählte sich Paul Loeser mit Frl.
Ottilie Wunderlich, der ältesten Tochter
des verilienten deutschen Arztes Gerald
Wunderlieh in New York, und lebte mit
ihr in glüeklichster Ehe, welcher drei
talentvolle Söhne entsprossen ; von den
Sühnen starb der älteste im jugendlichen
Alter, der zweite. Dr. Hermann Loeser,
lebt als praktischer Arzt in Südafrika,
während der jüngste, Paul, seit Jahresfrist,
nach Absolvirung des Realgymnasiums in
Stuttgart, einen Vertrauensposten in einem
New Yorker Geschäftshause bekleidet. Seit
."^lärz 1888 war Paul Loeser Wittwer.
Ein gleich nach dem Bürgerkriege von
ihm geschriebenes Buch „Leben Lincoln 's"
erregte s. Zt. berechtigtes Aufsehen und
fand unter den Deutschen der Ver. Staaten
starke Verbreitung; es blieb die einzige
grössere literari.sche Arbeit, zu deren Voll-
endung Paul Loeser in seinen spärlichen
Mussestunden die nöthige Sammlung fand.
Seine gediegenen Leitartikel über wirth-
.schaftliche und politische P^'ragen legen
Zeugniss ab von seiner grossen journalisti-
schen Befähigung.
Die letzten zwei Jahre seines arbeitsamen
Lebens waren durch schweres körperliches
Leiden dermassen getrübt, dass er die Re-
daktionsgeschäfte zunächst einschränken^
endlich aber ganz aufgeben nni.sste. Von
den Nachwehen einer im "Winter 1898 — 99
glücklich überstandenen Lungenentzün-
dung sollte er sich nie wieder erholen. Er
starb am 12. November 1900. drei Wochen
nachdem er pensionirt worden imd aus der
Schriftleitung des Blattes ausgeschieden
war.
New Yorker Staats-Zeitungs-Redakteure.
Alfred Phüippi wurde am 17. Juli 1849
in Berlin als Sohn eines angesehenen Ban-
kiers geboren. Er besuchte das Fr.-W.
Gymnasium seiner Vaterstadt und trat
dann als Lehrling in die Planer 'sehe Buch-
handlung ein. Nach Beendigimg der Lehr-
zeit und kurzem Aufenthalt in Graz und
Ravensburg wanderte er nach Amerika aus
und Hess sieh 1876 in New York nieder.
Zuerst in der Zickel 'sehen Buchhandlung
tliätig. Avandte er sieh bald dem journa-
listischen Berufe zu, war zuerst an der von
Hermann Bartsch begründeten ,. Gegen-
wart", dann am „Illustrirten Sonntags-
Joumal" und am ..Belletristischen Jour-
nal" beschäftigt und kam dann an die „N.
Y. Staats-Zeitung". Er war dort zuerst
als Theaterrezensent, dann als Assistent
des Redakteurs des Sonntagsblattes, Abra-
ham Speich, thätig, dem er nach dessen
Tode im April 1897 als Redakteur folgte.
Er starb am 6. Februar 1906. Sein Bruder
ist der Dramatiker Felix Philippi.
DII>: DHrTSCMK l'HKSSK IN AMKK'IKA.
5ül^
Johann Ivitlijj, Kcnlakteur des Souutags-
l)latts der ..X. V. Staats-Zeitung", starb
plötzlieli am IS. .luiii '[SS') an Bord des
Xordd. Lloyddainpfers ., Neckar" auf der
Falirt von Southanipton iiaeh Bremer-
haven. Er war am 26. ]März 182!) zu Prag
geboren, wo er aueb die Recbte studirte.
Als junger Student hatte er im Verkehr mit
Alfred Meissner und Andern regen Antbeil
an den Bestrebungen Jungdeutsehlands auf
dem Gebiete der Poesie genonnnen. Seine
ersten politisehen Artikel sehrieb er bereits
1848 für die „Prager Abendzeitung'
In
Prag, später in "Wien, in Dresden und end-
lieh in Baden nabm er an der revolutionä-
ren Bewegung theil und gerieth schliesslieb
am Bodensee in Gefangenscbaft. Nach
mehrmonatiger Kerkerhaft in Stoekaeh
glüekte ihm ein kühner Fluchtversuch. Er
wurde später in Prag von einem Kriegs-
gericht in contumaciam zum Tode verur-
theilt, als er schon sicher auf amerikani-
schem Boden weilte.
Nachdem er eine Zeitlang ein romanti-
sches Wanderleben in der Schweiz und in
Italien geführt, ging Rittig bei dem allge-
meinen Aufbruch der Genfer Flüchtlings-
Kolonie, infolge des Staatsstreichs Napo-
leons, über Havre nach New Orleans
und verbrachte dann 5 Jahre im Süden
und Westen Amerikas. Am 7. November
1852 erschien die erste Nummer des von
ihm gegründeten „Unabhängigen" in Cin-
cinnati. worauf er, nachdem dies Organ
1853 an den Cincinnatier Arbeiterverein
übergegangen war. in die Redaktion des
„Deutschen Republikaners" eintrat, die er
über ein Jahr lang leitete.
Von dem idealen Gedanken ausgehend,
dass die Hebung der deutschen Sprache
und Bildung vo)n Theater statt von der
Presse ausgehen müsse, wandte er sich der
Bühne zu. Als Regisseur und Direktor
"vvar er in ]\Iilwaukee, Chicago und New
Orleans thätig, kehrte aber im Herbst 1857
zum journalistischen Berufe zurück. Vom
November 1857 bis zum Ausbruch des Bür-
gerkrieges an (In- ...\. V. Staats-Zcitiuig"
beschäftigt, zog er daiui als Ki-iegs-Korre.s-
pondent in 's F<'ld, gründete 1862 das
..N. V. .Journal", dessen liedaktion er am
Ende des Krieges niedei-legte. um wii-der
luicli dem Westen zurückzukehren. Dort
war er an ver.schiedenen grösseren Blättern
als Journalist 1 hat ig. bis er 1S73 an die
,,N. Y. Staats-Zeitung" zurückkehrte. Zehn
Jahre lang, bis zu seinem Tode, redigirte
er das Sonntagsblatt der Staats-Zeitung.
Im Verlage von Iv Sieigei- ».^ Co.. New
York, erschienen „Federzeichnungen aus
dem amerikanischen Stadtleben" von Jo-
hann Rittig.
Ahrahatn Sprich wurde am 2. Januar
1840 in Tjuch.singen, Kanton Glarus, gebo-
ren und starb am 25. A\)n\ 18!)7 in New
York. Er war der Sohn eines Bäckers.
Nachdem er die Volksschule seines Ge-
burtsortes besucht, setzte er seine Studien
an der Secundärschule in Schwenden fort
und trat 1856 in das aargauische Lehrer-
Seminar ein. Nach Absolvirung de.s.selben
im Jahre 1858 erhielt er eine Lehrerstelle
an der Primärschule in l^onnyswyl, Kanton
Aargau, begab sich aber schon ein Jahr
si)äter nach der fraiizösiselien Schweiz, um
sich mit der französischen Sprache gründ-
lich vertraut zu machen. Nach kurzem
Aufenthalt in Payei-ne wurde er zum
Lehrer der deutschen Sprache am dortiger»
College gewählt untl siedelte nacii iVj
Jahi-en nach Zürich über, wo er /um Ilülfs-
lehrer am Waisenhaus gewälilt worden war.
Hier hatte er reichlich Gelegenheit, seine
Kenntnisse zu erweitern. In seinen vielen
Freistunden besuchte er tleissig die Vorle-
sungen an der Cnivensität und trieb dane-
ben Privatstudien in alten Sprachen. Nach
einem mehrjährigen Aufenthalt in Zürich
nahm er eine Lehrerstelle in Glanis und
später eine an der Sekundärschule in Stet-
stall an. Trübe Familienverhältnisse
nöthigten ihn zur Resigiuition. Er ging als
Lehrer der französisclieii Sprache an die
67Ü
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
laiidwirthsrhafflirli.' Schul.- in Ilo.liburfr als Spozial-Knrrespondent der ,.Xeu-IIan-
in Badfii. spätt-r in prlrifluT Eisj^enschaft noversehen Zeitung", des damaligen amt-
nach llorp-n. und wanderte von da nach liehen Organs der preussisehen Regierung
Amerika aus. wo er an vei-schiedenen Lehr- in Hannover, in New York an. Für das
nnstalten als Lehrer thätig war. l»is er 1873 Hlatt lieferte er regelmässig Feuilleton-
an <ler ..N. Y. Staats-Zeitung" Anstellung hriefe. die ..unter dem Strich" abgedruckt
fand und wine Kräfte diesem Blatte mit wurden. Daneben wirkte er als Rechts-
kurzen rnterbre«'hungen. in den letzten ^'2 praktikant im Hureau des damaligen Hun-
.laliren. 1885 — !)7. als Redakteur des Sonn- deskommissärs AVilliam T. Ilotfman in
tagsblattes. widmete.
Am L»<». April lSf)7 erlitt Speich beim
Verla-sscn des ..Staatszeitungs"-r)iel)äudes.
von einem plötzlichen Schwindelanfall er-
fasst. infolge eines Sturzes einen Beinbruch.
Man brachte den Schwerverletzten zuerst
nach dem Hudson Str. Hospital, von wo
er .später nach dem St. Francis Hospital
an der ö. Stra.sse überführt wurde. An-
fangs hattt'u die Aerzte begründete Hoff-
Hüboken.
Nachdem ihn eine Artikelreihe, die er
für den ..Beol)achter am Hudson", das
Sonntagsblatt des „N. Y. Demokrat", ge-
schriel)en. erfolgreich in die deutsch-ameri-
kaiiiselie Zeitungswelt eingeführt hatte, gab
er die Absicht, sich der Anwaltskarriere zu
widmen, ganz auf und wurde, was er bis
zum letzten Augenblick geblieben ist, Jour-
nalist. Ende 1869 trat er in die Redaktion
nung auf Hei-stellung des Verletzten, als des „X. Y. Demokrat" ein. Dr. Schwedler,
aber dann eine Lungenentzündung hinzu- der Chef-Redakteur dieser Zeitung, hatte
trat, begannen die Aerzte ern.stliche Be- alle Ursache, sich über die neue Kraft zu
furcht ungeu zu hegen, welche sich leider freuen, denn die luiter der Spitzmarke
bewahiheiteten. Am 25. April. Morgens,
starb Speich, eine \Vittwe und eine un-
mündige Tochter hinterlas.send.
..Suburbanische Korrespondenz" v(m Stü-
renburg geistreich und brillant geschrie-
benen, einer gehörigen Dosis des attischen
Salzes nicht entbehrenden Plaudereien
Caspar SlüniibKnj wurde am 2(). August li^^tten die Cirkulation der Zeitung ganz
1843 in Aurich. Ost-Frie.sland. geboren, beträchtlich gehoben. Als Redakteur des
Als Sohn eines der hervorragendsten hau- ••-\'- ^'- Demokrat" schrieb Stürenburg
noverschen Juri.sten jener Zeit für den gerne gelesene New Yorker Skizzen und
Staat.sdienst bestinuiit, besuchte er das Noveletten, wie auch Theater- und ]\Iusik-
Gymnasiinn seiner Vaterstadt und später Recensionen, die durch formvollendete
das in Stade, wo er 1862 (bis Reifezeugnis« Sclireibweise sich auszeichneten, ihn aber
erhielt. Nachdem er in Göttingen und ^"'''^ zu einem der gefürchtetsten Kritiker
Berlin Jurisprudenz studirt, trat er im niachten.
Jahre 1M66, kurz vor Ausbruch des Krieges, Im Jahre 1876 wurde Stürenburg von
gegen den Willen seiner weifisch gesinnten Herrn Oswald Ottendorfer als ^lanaging-
F'amilie als Avantageur in die preussische Editor an die „New Yorker Staats-Zei-
Armee ein und wurde dem 6. westphäli- tung" berufen. An der Ausgestaltung der
sehen Infanterie-Regiment No. öö zuge- Zeitung zu einem Weltblatte hat er regen
tbeilt. Keine liefriedigung im Soldaten- Antheil gehabt. U. a. verdankt auch die
lelx'n findend, zog er nach Beendigung des ständige Rubrik „Briefkasten" seiner Ini-
Krieges des K^inigs Ror-k aus und ging An- tiative ihr P^ntstehen. Als ein schweres ner-
fang 1867 als Weltausstellungs-Korrespon- vöses ^Magenleiden ihn für Nachtarl>eit
dent für verschiedene deutsche Zeitimgen unfähig machte, legte er im Jahre 1886 die
nach Paris. Im Sommer 1868 langte er Stelle als .Managing-Editor nieder. Alsdann
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
571
war er als Leitartikler, Kunstkritiker,
Peuilletonist und, von 1892—1905, als Re-
dakteur des „Abendblattes der N. Y. Staats-
Zeitung" thätijr, bis er aussi-hliesslich für
das ,,8onntagsl)latt" jene regelinässig: er-
scheinenden Aufsätze lieferte, die seinen
Namen überall zu einem bekannten und
geachteten machten. Vor Jalireu venJft'ent-
lichte er unter dem Titel „Kleindeutsch-
land" in Buchform Skizzen aus dem New
Yorker Alltagsleben, die mehrere Auflagen
erlebten, und. nominell mit E. Steiger,
zwtM Bände „Auskunft und Rath für
Deutschamerikaner", als Frucht seiner
Erfahrungen, die er als langjähriger
„Brief kastenmann" gesammelt hatte. Stü-
renburg starb am 2(i. ]\Iärz 1909.
Andere hervorragende Zeitungsleute.
Im Nachstehenden sind einige der be-
kanntesten Namen in Deutsch-Amerika
genannt, deren Träger zu den hervorra-
gendsten Deutsch-Amerikanern gehören.
In der Geschichte Deutsch-Amerika 's wer-
den Dänzer, Eapp, Raster und KiunrUn
•stets einen Ehren-Platz einnehmen. Aber
auch die neben ihnen hier genannten
Kollegen haben bewiesen, dass sie ihren
Beruf nicht verfehlt hatten, und waren
und einzelne sind noch heute die Banner-
träger des Deutschthums in Amerika.
Carl Dänzer, bekannter Journalist in St.
Louis, geb. 1826 im Grossherzogthum
Baden, studirte die Rechte, bestand das
"Staatsexamen imd hatte sich in Heidelberg
schon als Privatdozent etablirt, als die
Revolution in Baden ausbrach, an der
•er sich betheiligte. Nach der Niederlage
•der Aufständischen flüchtete er nach Ame-
rika, wo er bald die journalistische Lauf-
l)ahn einschlug und IMitredakteur der
„Westlichen Post" in St. Louis wurde. \n-
^angs der 60er Jahre wurde Dänzer Redak-
teur und Eigenthümer des ..Anzeiger des
Westens". Er t'rwart) sich d.-u Ruf ein.'s
fähigen, unersehrockeuen Journalisten. Kr
starl) am 22. September 190G.
Chefredakteur der „Germania'' in .Mil-
waukee ist Dr. Hermann DiimUmj, der
auch als Pädagoge sich ausgezeichnet hat.
Geboren am 5. Oktober 1845 in Schoene-
beck in Preassen, studirte er an den Univer-
sitäten Berlin und Heidelberg, promovirte
1866, machte den Krieg gegen Oesterreieii
mit. wurde zum Reserve-Lieutenant beför-
dert und kam 1868 nach Amerika. Er
wirkte als Lehrer der [Mathematik jui der
lutherisehen Hochschule in .Milwaukee,
als Professor der ]\Iathematik und Natur-
wis.senschaften an der ,. Normal Sehool" in
Addison, 111.. und schliesslich am Coneordia
College in Fort Wayne, Ind. Schon .seit
1878 redigirte er das in St. Louis erschei-
nende Familienblatt ..Die Abendschule".
Er schrieb ..Graded Te.xt-Book of Arith-
metik", „Animal Life", ..Physiology for
Colleges", „Bismarck and His Time".
Chefredakteur der ,. Germania" ist Dr.
Dümling seit September 1899.
Der Verfas.ser des lesenswerthen Buches
„In der neuen Heimath. Geschichtliche
Mittheilungen über die deutschen Einwan-
derer in allen Theilen der l'nion". welches
im Verlage von E. Steiger & Co. erschienen
ist, Anton Eiekhoff, ninunt einen sehr her-
vorragenden Platz unter den deutsch-
amerikanischen Journalisten ein. Geboren
in Westfalen am 11. September 1S27 und
schon seit seinem 16. Jahre schriftsti'lle-
risch thätig. wurde er politisch verdä<-htig.
wanderte aus und kam nach 84tägiger
Reise am 1. Januar 1S47 in New Orleans
an. Als SchitTsarbeiter auf Dampfern
lernte er den Mississippi, Arkansas. Ohio
und Missouri und deren Ufer-Ansiedlun-
gen kennen. Bereits im nächsten Jahre
fand er jedoch eine Stelle als Lehrer an der
von Jesuiten gegründeten „University of
572
IHK DEl'TSCHK l'RKSSK IN AMHKIKA.
St. I.ouis". Kr «riüiMli't»' im Soiniiu'r tU'sscl-
I..-I1 .lahn-s dir ..St. houist-r Zfituiiy". di«'
im näi'hstrn .lalin' (l<'i- Cluilcra und eiiuvs
j:ro.<st'n Ft-iu-iN \V('«r<'ii. wrlchf lähmciul auf
di'ii CM'schäft.sv'an«: cinwiikttii. ilir Krscliri-
Mfii <'in.st«-lltt'. Nath kurzer Thätiirkcit in
I)iiliu<|n«'. la.. und Lduisvilic. Ky.. kam
Ki.-kliotr nach N.'w York, wo «'r als Hrdak-
tcur an «l<'r ..AluMid-Zcitun^'". an iWv
..Staats-Zcitunfj". am ..Journal" und an
«l.'r ..l*n's.se" l)('schät'ti<rt war. Während
des Krieges winde ihm die Fürsor^r«' füi-
tlio Verwundeten der New Yorker Regi-
nu-nter anvertraut. Später war er Coroner
von Xi'w York und Kongress-lMitglied.
Redakteur der ..C'hiea^o Abendpost" seit
dem .lahre ISSD ist der am lö. Juli 1857 in
Deutsehland jreborene Fritz (HofjaiK r. Er
kam im Jahre 1S77 nach Amerika. Mit
deut.seh-amerikanisclun Zeitungen steht er
seit dem Jahre 1879 in Verhindun<j:. Er
«iründete die .. Ahendpost " im Jalire 1889.
M(i;iiiiis (jinss, geboren 28. September
1S17 in Fulda. IIes.sen. studirte in Giessen
Xaturwissen.schaft. besonders Chemie, und
später dasselbe Fach in Marburg. Gross
kam 184() nach den Vereinigten Staaten
inid lie.ss sich zuerst in 8t. Louis nieder.
wo er ein industrielles rnternehmen grün-
dete; wurde Korrespondent der New
Yorker „Sehnellpost" und des ..Anzeiger
des Westens"; gab später in Louisville und
Cincinnati deutsche Zeitungen heraus: war
darauf in New York und Philadelphia joui'-
nali.stisch thätig; betheiligte sich in Wort
und Schrift demokratischerseits an der
Politik, war von ISfJO— 1869 Redakteur der
politischen Abtheilung der ..New Yorker
Staats-Zeitung" und hat sich um die Ein-
fühnuig der deutschen Sprache in den
öffentlichen Schulen der Ver. Staaten
gros.s«' Verdienste erworben.
1800 in Missouri, studirte in ^lünchen
Philologie inid Kunst; sehloss sieh der
Achtundvicrzi^'ci- Pewt^gung an; mus.ste
nach der Schweiz tlüchten ; wurde zum
Tode vcrurtheilt. das rrtheil auch ,.in
etfigie" vollzogen; kam 1852 nach Ame-
lika ui;<l Hess sieh in Chicago als Advokat
nieder : wurde 1854 Redakteur der „Ills.
Staatszeitung"; praktizirte später einige
Zeit als Advokat in Dubuque. 1859 kam
Ilillgärtner nach St. Louis, wirkte hier
zuerst als IMitredakteur an der ..WestL
Post", dann als Redakteur des ..Anzeigers
des We.stens"; kämpfte in "Wort und
Schrift für die Abschaffung der Sklaverei
lind winde kurz vor seinem Tode mit einem
Bundesamte betraut. Seine Freimde haben
Ilillgärtner in St. Louis ein Denkmal ge-
setzt.
HfiiiricJi Huhn, geboren 3. IMärz 1880 in
der bayerischen Pfalz, kam 1849 als Flücht-
ling nach Amerika ; war an verschiedenen
deutschen Zeitungen thätig; wurde 1866
zum ^litglied der Staatsgesetzgebung von
^Missouri erwählt und übernahm später die
Redaktion des ..Stein des Westens" zu
Belleville, Ills. Er ist noch dort ansässig.
Gen. JlilhfiirtiK r, geboren im April \^'1\
in der Rheinpfalz, gestorben 23. Oktober
Emil Klauprcchf, einer der gewandtesten
deutsch-amerikanischen Journalisten und
Schriftsteller, geboren 1815 in ^lainz; kam
als 17jähriger Jüngling nach Amerika und
Hess sich 1837 in Cincinnati nieder, wo er
Besitzer einer lithographischen Anstalt
wurde. Später erhielt Klaiii)i"echt die Re-
daktion des ..Cincinnati Republikaner"
bekleidete diese Steile neun Jahre mit
grossem Erfolg und schrieb nebenbei einen
Roman: ..Geheimnisse von Cincinnati",.
ausserdem auch ein historisches Werk:
..Die Pioniere des Ohio-Thaies". Von.
1856 — 64 war Klauprecht :\Iitredakteur des
..Cincinnatier Volksblatt", wurde zum
Konsul in Stuttgart ernannt und verblieb'
nach Ablauf seines Amtstermines in»
in Europa, wo er starb.
DIE DEUTSCH K PRH88E IN AM KIM KA.
573
Eduard Hubert .Vakk, geboren am 23. 1865 iia.li IMiiliidclpliia. w«. w in .l.-,-
August 1832 in Ungarn: studirtc in IVstli Fabrik v..m R. & U. A. WriglK und spät.-r
und Wien: entwiekelte in iMu-opa eine viel- in dnvn ( J.-schiifts-Officc Anstellung ci-
seitige jcmrnalistisehe Tbiitigkeit : kam biHt. Am 1. Januar 1869 trat er unter
1866 nacb Amerika, war zuerst als Lebier Di-. Kellner als Hericlitci-statter in die Ke-
thätig, sebrieb nebenbei für versebiedene daktion des IMiil. Demokrat ein. wurde vier
bedeutende europäi.sebe Zeitsebriften. gab ^b)nate später als L<.kal-Redakt.-ur an <len
niebreie in deutscher und ungariseber ..Haltimore Wecker" und im März 1S72
Terfasste Werke heraus, wurde Zeitungsre- dureb Wilhelm Kapp an die ..Ilünuis
HINRICH EMIL MANNHARDT.
•äakteur in Chicago, Cincinnati. iinftalo
und Newark und war in derselben Eigen-
•sehaft zu Rochester, N. Y.. thätig.
Hinrich Emil Mannhardt wurde am 22.
Februar 1841 als Sohn des Predigers der
Hennoniten-Gemeinde in Danzig.Ja^ob IM.,
geboren, erhielt eine klassische und tech-
nische Erziehung und kam Ende 1865 nach
Amerika und nach sechswöcbentlicbem
Aufenthalt in Xew York im Dezember
Staat.szeitung" als liericblei-statter geru-
fen; wurde deren L(»kal-Kedakleur 1874;
Redakteur des Sonntagsblattes („I^pi*
Westen") 1880 und nach Raster 's Fortgang
erster Hülfs-Redakteur des Tageblattes.
Als Redakteur des Sonntagsblattes be-
mühte er sieh, die deutsch-amcrikanischf
Literatur zu wecken und zu fördern. Er
nahm an allen deut.schen liest rebungen
eifrigen Antbeil: war in Philadelphia Mit-
574
DIE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
jrlii'tl uimI lÜMidtlifkar dos Deutschen
liibliotlitk-Vereins. einer der Gründer
eines deutschen S>('hiich-Klul»s und Mit|?lit'd
d«'r Deutschen Gesdlscliaft von Pennsylva-
nicn ; erhielt in Msiltimore eine ötl'entliche
Anerki-nnunj; für sein Wirken für den
Erfolj,' der Fair zum Hesten der Verwun-
(h'ten des (h'utsch-französiselien Krieges
und hatte in Cliicap) einen Ilauptantheil
an (h'r ()r<ranisation (h'r Deutsch-Amerika-
nischen Lehrertafje in 18S1 und 1905, und
des Sän};erfestes von 1881. Er war dort
einer <h'r (i runder des ..Gesellig-wissen-
schaftlichen Vereins" und in den letzten
Jahren seines Besteliens dessen Präsident,
Gründer des Deutscli-Englischen Sehul-
Vereins und des.sen Präsident bis an 's
Ende, kurze Zeit Präsident des Deutschen
Press-Klubs, Direktor der Deutschen Ge-
sellschaft und drei Jahre lang ^Mitglied des
Verwaltungsrat hs der öffentlichen Diblio-
tliek. Er rief im Oktober 19UG den Chica-
g(K'r Zweig- Verband des D. A. National-
Hnndes in 's Leben. Nachdem die „Illinois
Staatszeitung" nach dem Tode der beiden
Besitzer Ilesing und Raster in andere
lläiule überging, gründete er 1900 die D.
A. Historische Gesellschaft von Illinois,
deren Sekretäi- und Redakteur der von
ihr herausgegebenen ..Geschichtsblätter"
er heute noch ist.
Carl Mcinckc, geboren in Oldenburg 1837
als Sohn eines hochstehenden Arztes, stu-
dirte nach Absolvirung des heimathlichen
Gynniasiums in Leipzig ^ledizin, widmete
sich aber dabei mehr und mehr ästhetischen
und literarischen Studien. Schon mit 21
Jahren kam er nach Amerika und trat in
New York 1859 in die Le.xow'sche Redak-
tion des „X. Y. Belletristischen Journals".
-Mit zeitweiliger rnterbrechung von zwei
Jahren. 1862 — 64, die er wieder in Europa
und auf Reisen in Anu'rika verbrachte, ge-
hörte er derselben in ei-sjiriessHcher feuille-
tonistischer und kritischer Thätigkeit bis
1875 an, in welchem Jahre ein unglückli-
cher Revolverschu.ss seinem Leben ein Ende
machte. Er war auch ^Mitarbeiter der Leip-
ziger ..Grenzboten" und von „Ueber Land
und Meer". Einige seiner poetischen und
humori-stisehen Arbeiten erschienen gesam-
melt in dem Büchlein: „Frühlings-Kuren,
p]ine .Mineral wässrige Centralpark- und
Charakter-Studie in schlechten Hexame-
tern abgefasst, (New York) 1869."
Moritz Mrijer, geboren 1815 zu Halber-
stadt, kam 1849 nach Amerika, gründete
1815 die „New Yorker Ilandelszeitung'*
und machte dieses Blatt zu einem der ein-
tlussreichsten und verbreitetsten Ilandels-
blätter der AVeit. Er übersiedelte anfangs
der achtziger Jahre nach Berlin, wo er
hochbetagt starb. Der jetzige Herausgeber
der „Handels-Zeitung" ist Mayer Auer-
hach.
Stephan Molitor, geboren 5. Januar 1806
in Oberfranken, studirte Philosophie in
Würzburg ; kam 1 830 nach Amerika, wurde
1835 Redakteur der ..New York Staats-
Zeitung", war in Philadelphia und Buflfalo
(„Der Weltbürger") ebenfalls als Schrift-
leiter thätig und siedelte 1837 nach Cincin-
nati über, wo er bald alleiniger Besitzer
des ,,YolksbIatt" wurde, welches er später
an Gustav Hof und Aloritz Jacobi abtrat,
^lolitor starb am 25. Juli 1873.
Theodor OlsJiausni. geboren am 19. Jimi
1802 zu Glückstadt, nahm an der Schles-
wig-Holsteinschen Bewegung regen An-
theil; kam 1851 nach den Ver. Staaten;
wirkte in Davenport und St. Louis journa-
listisch und nahm mit grosser Wärme die
Sache der Union, namentlich kurz vor Be-
ginn und während des Bürgerkrieges, wahr.
1865 kehrte Olshausen nach Europa zurück
und starb am 31. .Alärz 1869 zu Hamburg.
Wilhelm Rapp, eine der hervorragend-
sten Erscheinungen der deutsch-amerikani-
DTE DEUTSCHE PRESSE IN AMERIKA.
575-
schen Journalistik, wurdi' am 14. Juli 1828
in Württemberg gel)oren. Die freiheit-
liche Bewegung des Jahres 1848 riss den in
Tübingen studirenden jungen Theologen in
ihren Strudel. Er wurde im Jahre 184!)
auf der Flucht an der Schweizer Grenze
verhaftet und auf den Hohenasperg ge-
sandt. Nach Wiedererlangung der Frei-
heit versuchte er sich in der Schweiz als
Lehrer, wanderte 1853 nach Amerika aus,
übernahm die Redaktion der „Turner-Zei-
tung", welche danuils in Philadelphia er-
schien und mit der er 1855 nach Cineinnati
übersiedelte, worauf er Redakteur und
Mit-Eigenthümer des „Wecker" in Balti-
more im Jahre 1857 wurde. Er war durch
seine Verbindung mit der ., Turner-Zei-
tung" und Erwählung zum Präsidenten
des Xordamerikanischen Turnerbundes im
ganzen Norden bekannt geworden. p]r
wurde es noch mehr durch seine begeister-
ten Aitikel für die junge republikanische
Partei, der er sich gleich nach ihrer Grün-
dung angeschlossen hatte.
Bei Ausbruch des Bürgerkrieges trat er
energisch für die Union ein, was der kon-
föderalistische Baltimorer Pöbel dadurch
rächte, dass er das Lokal des Blattes
stürmte. Rapp vermochte sich nur mit
Mühe zu retten, wandte sich nach Chicago
und trat dort in die Redaktion der „Illi-
noiser Staats-Zeitung" ein. Lu Jahre 1866
kehrte er nach Baltimore an den ,, Wecker"
zurück. Von A. C. Hesing wurde Rapp
bewogen, als Hermann Raster 's ^Mitarbeiter
in die Redaktion der „Illinoiser Staats-
Zeitung" wieder einzutreten. Das war
anfangs des Jahres 1872. Rapp fand den
richtigen Ton für die grosse ]\Iasse, die er
zu fesseln, zu i)acken und zu l^egeistern
vermochte. Nach Raster 's Tode, am 25.
Juli 1891. wurde Rapp vollständig der
Leiter des Blattes. Als solcher trat er
energisch gegen die deutschfeindlichen
Wühlereien unserer Anglo-Sachsen auf. Er
starb am 1 . März 1907.
feiner der iH'diMitcndstcn dfutsdi-anieri-
kanischen Journalisten war zwcifcUo.s Ho-
iiKiini h'ash r. Er war am li. Mai 1827 im
llerzogthum Anhalt geboren, studirte in
Leipzig und P.crlin Philologie, Geschichte
und Xaturwis-scnschaft, nahm an den 48er
Bewegungen theil uml mu.sstc in P'olge
dessen 1851 nach Amerika übersiedeln, wo
er zuerst Landwirthschaft trieb, dann in
Buti'alo und später in New York jounialis-
tisch wirkte. In letzterer Stadt redigirte
Raster die „Abendzeitung", schrieb aber
nebenbei Korrespondenzen für einige der
angesehensten Zeitungen Deutschland 's.
1867 siedelte er nach Chicago über, um die
Redaktion der „Illinois Staatszeitung" zu
übernehmen. In dieser Stellung hat Raster,
der später auch IMiteigcnthümer des Blattes
wurde, viel Gutes gewii-kt und einen ent-
scheidenden Eintiuss auf Politik und Leben
ausgeübt. Auch in Europa geno.ss Raster
den Ruf eines gewandten Journalisten.
W^enn auch der Ton seiner Schreibweise zu-
weilen etwas derb, sein Auftreten seinen
Gegnern gegenüber oft nicht von Leiden-
schaft frei erschien, so ist die Lauterkeit
seiner Beweggründe dennoch nie von
irgend ehier Seite in Zweifel gezogen wor-
den. Raster starb am 25. Juli 1891.
Emil Rothc, 1826 in Preussisch-Schlesien
geboren, studirte in Breslau luid Berlin die
Rechte, nahm 1848 an der Studenten Ver-
sammlung auf der W^artburg theil. kam
1849 nach den Vereinigten Staaten, Hess
sich zuerst in Watertown, Wis., als Advokat
nieder, betheiligte sich bald an der Politik,
wurde mehrere JMale in die Staatsgesetzge-
bung von Wisconsin gewählt, bekleidete in
der Folge wiederholt das Amt eines Rich-
ters, siedelte 1869 nach Cineinnati über,
um die Redaktion des ..Cineinnati Volks-
freund" zu übernehmen, uml praktizirte
dann als Advokat. Er starb am 27. April
1895 in Cineinnati.
57«
Dil-: DKCTSCHK PKKSSK IN AMKHIKA.
h'iirl (Instar li'iinn liii, dt-r (JrüiuU'r des
„C'inrimiatitT Volkshlatl ". war am IJ).
Mai 1S14 in Ilcillintim .«rt'hiiicn. XaclKli'iii
or tiviniiasial-Uililiinir jrcintsscii. kam t-r
18:{2 iiarh IMiiladclpliia und ISü:} nach Cin-
cinuati. Kr half dio ..Deutsche Gesellschaft
von Cincimuiti" «rründcn und icdi^i'irte
län«H're Zeit das von ihm 183G j;e*rründete
„Volkshlatt ". iOr \\Mi-dc mehrere iMale in
<lic Staats-Lc^islatur jrcwählt. Eine An-
z^ihl von Ehrenämtern wurde ihm zutheil.
Später zofT er sich von der Politik und dem
ötVeutlichen Lehen zurück und widmete sich
auf seinem Landsitze hei Cincinnati schi'ift-
stelleri.sehen Arlieiten. Er starh am 16.
.Fanuar ISiXi. l-]r ist auch fiii- Zeitungen
in enjrlischer Sprache ^litarheiter gewesen.
\V(ilf(;ainj Scliooih. geboren 5. E'ebruar
IS.'H in Oherschwahen. besuchte die Gym-
nasien in Ehingen und Ellwangen, bezog
im Jahre 1851 die Universität Tübin-
gen, wanderte aber schon im darauf fol-
genden Jahre nach Amerika aus. Nach
einem Aufenthalte von etwa fünf Jahren
in New Y(u-k siedelte Schoenle naeh Cincin-
nati über, wo er sieh der Journalistik wid-
mete und auch seinen dauernden Aufent-
halt nahm. Im Jahre 1802 trat Schoenle
als Sergeantmajor in das KKi. Ohio- Volon-
tärregiment ein und wurde im Jahre 1865
mit dem Regiment als Kapitän ausge-
mustert. .Xacli Beendigung des Krieges
kehrte Schoenle alsbald wieder zu seinem
frühei-cn Berufe zurück und nahm neben-
bei stets regen Antheil an den i)olitischen
Bewegungen und Bestrebungen seines
Adoptivvaterlandes. Im Jahre 1878 wurde
er von Ilayes zum Ver. St. Handelsagen-
ten in Geestemünde-Bremerhaven ernannt
und im Jahre 1880 zum V. St. Konsul in
Barmen. Er .starb am .'1 Januar 1902.
fangs als Lehrer, später als Advokat ; grün-
dete 1865 die „Freie Presse für Texas",
später das englische Blatt ,.San Antonio
l'].\pii'ss". kämpfte unerschrocken für die
Prinzipien der repubjikani.schen i*artei und
hat neben seinen vielseitigen journaüsti-
.sclien Ai'beiten auch .schriftstellerisch, na-
mentlich als Novellist und Kulturhistori-
ker, gewii-kt. Er .starb am H). September
1888 zu San Antonio.
Eine ,, Allgemeine Weltgeschichte" vom
radikal republikanischen Standpunkte aus,
sowie ,,Das öffentliche Recht des Deutschen
Keichs", eine , .Geschichte der drei Volks-
erhebungen in Baden" und „Das Revolu-
tion.s-Zeitalter" hat Gustav von Struve ge-
schrieben, der 1805 in ^lünchen geboren,
bei dem Einfall in Baden im Jahre 1848
in Staufen gefangen und zu fünfjähriger
Haft verurtheilt wurde. Er enttioh nach
der Schweiz, kam von dort nach England
und 1851 naeh den Vereinigten Staaten.
Er versuchte sich in New York zunächst
als Zeitungs-Herausgeber. Das Blatt führte
denselben Titel wie das, welches er vor der
, Revolution in Mannheim gegründet hatte:
„Der Deutsche Zuschauer". Es ging l)ald
ein. Er trat beim Ausbruch des Bürger-
krieges als Offizier in 's 8. New Yorker Frei-
willigen-Regiment ein. schied aber 1863
aus, als Prinz Solm-Solm an Blenker's
Stelle Oberst wurde. Nach der Amnestie
reiste Struve nach Deutschland. Er hielt
sich in Stuttgart und Coburg auf und
starb 1870 in Wien.
Auffust Sitnitnu;/. geboivn 1880 zu
Brandenburg, studirte in Berlin Philologie,
kam ls.-)l nach Te.xas. wirkte daselbst An-
John Weimann, geboren am 22. Novem-
ber 1849 in Berlin als Sohn des Oberbm-
desgerichtsraths Alexander Weimann. er-
freute sich einer vorzüglichen Erziehung,
die ihm einiMi reichen Schatz universellen
Wissens auf die Lebensreise mitgab. Er
begaiui seine journalistisch - literarische
Thätigkeit nach dem deutsch-französischen
Kriege, den er als Einjährig-Freiwilliger
DIK DKl'rscilK I'K'Kssi: IN A.MKHIKA.
o< I
im :{. CiarcU'reginiciit initmaclilc als .Mitar- l'asslc er die pjinxlistis.-li.- i'<.ssr ..Di,. .M,.i.
Ix'itor ani^esehener (lentsehcr Zcitiinircn iiin«rcr koimncii ". dir im Tlmliii-Tli.'jif.T
und Zoitschriftcii und sii'dcltc im Jahre unter (Jusfav AndK'rir's Direktion j:rnss.Mi
]HSO nach New York über, wo er seitdem Krfolg hatte. Khenso erfnltrn.i,.|i wa,- sein
fast ununterbrochen als Journalist und \'olksstü(k ...\e\v Yorker Kinder", das im
Schriftsteller thätig war. zuerst als Redak- ( Jennania-Theater von Direktor Adolph
fi'ur der Ziekersehen Zeitschriften und Philipp /.ur AutlFührung gebraeht wurde,
der von Ilerniaiui Bartsch heraustregebenen sowie eine Anzahl von Einaktern, die im
..Gegenwart", dann als Kunstkritiker der Germania-Theatei- und im ii-vini: l'bice
JOHN WEIMANN.
.,Xew Yorker Staats-Zeitung", später als Theater unter Ileini-ich Conried's Direk-
Redakteur der ,,Xew Yorker Revue" und tion gegeben wurden. Ausserdem hat er
nachher zuerst als Redakteur der Soiui- zusannnen nnt Artliui- SchoenstadI die
tagsausgabe des .,]Morgen- Journals" und Libretti zu den ()j)ei-etten ..Yaid<ee
schliesslich als Chef-Redakteur desselben Doodle". Musik von Ludwig Knglaender.
Blattes, welche Stellung er jetzt inne hat. und ..Johannisnacht". Musik von I'ao
Seine schriftstellerische Begabung hat er Gallieo. geschrieben. Kr ist einer dei-
sowohl als Lyriker durch zahlreiche pocti- Gründer des New Yorker Deut.sehen 1'res.s-
sche Gaben wie als Dramatiker gezeigt. Klubs, in dem er mehrfaeh das .\mt eines
Unter dem Pseudonym AV. Erbinieh ver- \'ize-Bi;isidenten bekleidete und welehen er
oTS
DJK |)i:i-TSCIIK lM{i:S8H IN AMHIMKA.
i-iiic Zeit l:m«r ini.-li als jrfs.-liiiftsfülin'ndt'r
l'rjisi(l«'!it Icitt'tc. sowif clM'n falls einer der
(iriimler des \'erl)aildes delllselier Srlirift-
steller in Amerika, der ihn im -lahrc
l'KIS zinii Präsidenten wählte. Seiner Ehe
mit Kat herine Kocker sind zwei Kinder.
flu Stihn uud eine Tt»eliler. entsprossen.
Deutsche in amerikanischer Journalistik.
Tnter den zahlreiclim Deutsehen, die in
der amerikanisehen .lournalistik thätiir
waren (»der sind, seien liier dio bedeutend-
sten penannt.
In der Gesehiehte dos amerikanisdien
ZeituufTswesens spielen weiiiire .Männer
eine lierv(>rra«rendere KoUe wie Joseph
I'tililzo-, d«'r, obwohl in Buda-Post, Ungain,
und zwar am 10. April LS47 geboren, doch
zu den Dentseli-Auierikanern zu rechnen
ist. Im Jahre ISCA wanderte er naeh Ame-
rika aus iHid diente bis zum Ende des Bür-
gei'krieges in einem Bundes-Kavallerie-Re-
j.'iment. Er kam naeh St. Louis und wurde
1868 Berichterstatter für Carl Schurz 's
„Westliche Post''. Später wurde er Re-
ilakteur und Miteigenthüiner des l^lattes.
Xaclulem er Rechtswissenschaft studii't
und ziii- Ausübung der Advokatur zuge-
lassen worden war. wurde er 1869 in die
Staats-TiCgislatiir gewählt. Er war Delegat
zu dem am 1. Mai 1S72 in C'incinnnti abge-
haltenen Konvent der liberalen Republika-
ner, der auf Ilorace Greeley's Veranlas-
sung viii- dem regulären republikanischen
National - Konvent eird>erufen war. um
eine abermalige Xominirung General
(Jrant 's zum Bräsidentschafts-Kandidateu
zu vereiteln. Bei der (). Abstinnnung wurde
ITorace (Jreeley nominirt. l'ulitzer war
dann Delegat zur Verfassungs-Konvention
von Mis.souri 1S74. Tu ISTfi — 77 war
rnlitzer Korrespondent der New York
..Sini" in Washington. Im Jahre 1878
kaufte er die St. Louis ..Dispatch", verei-
nigte }*ie mit ..The Evening Post" zu „Post-
Dispat<'h" und machte dai-aus ein einthiss-
reiclies lUatt. Im Jahre 1883 erwarb er
die New Volk ..Woi'ld". die unter seiner
Leitung einen riesigen Aufschwung nahm
und zahlreiche Abojuienten gewaiui. Dem
Kongress, in welchen er im Jahre 1S84 ge-
wählt worden wai'. gehörte er nur kurze
Zeit an. um sich ganz seiner Zeitung zu
widmen. Tni Jahre 1003 .stiftete er
.^kLOOO.OOO für eine Journalisten-Scinde am
Columbia College in New Yoi-k und ver-
|)llichtet(^ sich zu eitiei- weitei'en Schenkung
xou eiiu^r ÖMillion. sobald die Schule mit
Ei-folg im Gange sein werde.
Auch Alhcrt I'iditzcr. der Bruder des
vorigen, der am 10. Juli IS.II in ;\[ako,
riigarn, geboren und 1867 nach Amerika
gekonnnen war. wo er zuenst in Leaven-
worth. Kansas, als Lehrer des Deutschen
thätig war. hat in der Redaktion eines
deutschen Blattes, nändich der „Illinois
Staats-Zeitung" in Chicago, seine journa-
listische Ausbildung genossen. Ei- war dort
von 1869 — 71 thätig. war d;um in New
York bis 1882 für diei „Sun" und später
den „Herald'' thätig, 'gründete das ,,Mor-
ning Journal", dem er auch eine deutsche
Ausgabe ,,Das ^Forgen-Journal" gab, lei-
ti^te die Blätter bis 1895 und verkaufte sie
dann, seiner angegriffenen Gesundheit
wegen, an Ilearst, welcher der englischen
Ausgabe den Namen ,,New York Ameri-
can " gab. l*ulitzer wohnte in Paris; er hat
einen Roman in fi-anzösischei" Sprache
geschrieben: ,.Le Roman de Prince
Eugene." Er endete am 3. Oktober 190!) in
AVien durch eigene Hand in einem Anfall
you Geistesstörung.
Der Redakteur des Baltimorer ..Ameri-
can", Wilhelm Friseh, der mit seinen
Poltern im Jahre 1865 nach Baltimore ge-
kommen war, ist ein Deutseh-Oesterreieher.
p]r wurde 1854 geboren. Seit dem Jahre
Dil-: DKrTSCIIK l'l.'KSSK IN A M KKI K.\.
5TH
1S72 stellt er mit dnii ..Aiiicriciin " in \'rr-
hiiuluni;. /iiorst als Hoi-ichtiM-stattcr, dann
als jxtlitiseluM- Kedaktcur und AVasliing-
toiior Korrespondent und seit 1881 als
..Managinjr Editor". In seinen ^lussestmi-
den ?il>t er Arbeitern und Arl)eiterinnen
freien rntcri-iclit in Geselii('lit(> und Lite-
ratur.
Als Redakteur des in Xew York iTsehei-
nenden ..Christian Herald" und als Wolil-
tiiäter der AFensehheit hat sieh Lmiis
Klopsch, jieboren am iMi. .März IS.l'J in
Lühben, Preussen, als der Solui eines
Arztes, einen AVeltruf ei-worben. Er war
als Knabe nach New Yoi-k gekonnnen und
wurde dort erzogen. Er wurde Besitzer
des ..Chri.stian Herald" und sammelte
dureli diesen nahezu vier ^Millionen Dollars
für lluugerleidende in Russland. Indien,
Kuba, Schweden, Finnland und China, so-
wie grosse Getreide-Sendungen. Der Kö-
nig von England und der IMikado zeichne-
ten ihn besonders aus.
Einer der Deutschen, welche es in der
amerikanischen Journalistik zu grosser Be-
diMitung gi'ltraclil li.dicn. isl hnrl \nnlliulf,
der allerdings .seine Erziehung in .\nierika
erhaltm liat. Er wurde im .lalire ]H'M) in
JMwitle in Westfalen gelmn-n. kam als
").jähriger Knabe mit seinen Eltern na.-h
Amerika, wurdi- in Cineinnali eiv.ogcn.
fuhr neun JahiM' lang auf Ki-iegs- und Ilan-
delsschitfen zur See. wai- 18.'):^ bis IHöT
für verschiedene Zeitungen thätig. gehr»r1e
dann dem Redaktions-Staite von ..Ilarper's
^Veekly" uinl der ..New York Evening
Post" an. hcn-isti- ISTI bis 187M Califoi--
nieii und Ilawai und wurde daini Km-rc-
s])ondent des ..New Ynyk Herald" in Wasli-
ingtdii. Er starb im -luli 1!>(>1 in ('alif(»r-
nien. Ausser Schilderungen des Lebens an
Bord, itolitischeii. .soziologischen und i"eli-
giösen Abhandlungen hat er ein Buch ver-
fasst. das den Titel ..l'olities fitr Y(»ung
Aniericans" führt und aueh heute noch
sein- werthvoU und nutzbringend ist. Xord-
holf war in Cincinnati von Dr. .\ast. dem
Vater des deut.schpn ]Methodismvis. erzogen
worden und lehrte kurze Zi'il au einem
.Methodi.sten-College in Indiana deutsehe
Sprache.
Deutsche Zeitungen in Amerika.
Deutsche Tages-Zeitungen. Kenim-hi/.
Loiiisvillo:— ..Anzoijror", I.onisvill.« An/.oii'iT i 'o
1S4!».
Californicn.
S:in Fraiifisfo: — „r.'ilifurnia Demokrat", ('alifor- MnijiUind.
iiia J)eiii. Piibl. Co., IS.')!, konsolidiit liMi;! mit
..Abend-Post" und .»California .Tournal" '--'If nnore:— „Der Deutsche Correspondent ' '. Kd-
(letztere? Woehonblatt). "•"<• l^aine. ].S41.
Colorado. Mir In (/an.
roit:,— „/
1867.
Co., 18Ö7.
Denver:— „Colorado Herold", Harburg & Co., Detroit:,— „Abend-Post". Auj/iist Marxhanseii
"^^'O. 1867. _,.Miclii}jan Volksblatt", Mich. V.
Illinois.
Miiiiw.sold,
Aurora:— „Volksfreund", Peter Klein, 189Ö.
Belleville:— „Post und Zeitung", P. & Z. Publ ''^'''"^ Paul : — „Voiks/.eitnng ", W l'riiit. \ l'ul.l.
Co., „Post" 3884, „Zeitung" 1849. „Tage- *'"•' ^■^"'•
blatt und Arbeiter-Zeitung", Fred. W. Kraft.
1884.
Chicago:— „Abendpost", Abendpost Co., 1889. Mi.-isoiiri.
..Arbeiter-Zeitung", Chicago Arbeiter-Zeitung ,,
Publ. Co., 3877. „Der Tägliche Republika- '^»»sas City :-,. Presse ". J'hil. Dietzgen. 1SS.1.
ner", G. F. Harmever. 1890. „Freie Presse ", '^aint Joseph :— ..Volksblatt ". Adolph Schrader
Illinois Publ. Co., 187]. ..Illinois Staats-Zei- ^866.
tung", Illinois Publ. Co., 1847. o. •„. t ,„• .•,..,,
* ■ Sinnt l^oiiis: — ...Amerika . (u-rman Kiterarv So-
Peoria:— „Demokrat", B. Cremert & Rriider, ciety of St. l.ouis. lH7l'. „Westliche p',,st ".
1860. „Sonn«", L. l*h. Wolf, 1879. (i'crm.-ui Ameiii-.-tn Press .\ssociation, 1.S.".7.
Quincy: — ..Germania", Henrv Bornmanu, Germa-
nia Print. & I'ubl. Co., 1874.
A < ('■ Jirscii.
Indiana Xewark: — ..\e\\ .Tersev Freie Zeitung", Benedic»
Prieth, 1S.18.
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TagesZoitungcn in 41 Städten iiiid IS Staaten.
Sonntags Zeitungen in 24 Städten und 13 Staaten.
;!mal wikdientl. Zeitungen in G Städten und 4 Staaten.
2mal wöchentl. Zeitungen in 15 Städten und 12 Staaten.
Imal wiM-h.'ntl. Zeitungen in 29.1 Städten und :U] Staaten un.i 1 im District of Colunilüa.
Alle zwei Woelien ersi-lieineiule Blätter in 5 Stallten und 4 Staaten.
2mal monatl. Blätter in 9 Städten und 6 Staaten.
.Monats-Blätter in 16 Städten und 9 Staaten,
In nenn Staaten sind keine deutsehe Zeitungen verhauden. nämlieli in Idaho, T.ouisiana. Maine,
Mississippi, Nevada, New Hampshire, North Carolina, Vermont und Wyoming.
i^utörbr im nrffnttlirlunt SIrlunt,
CARL SCHURZ,
der im ocffentlichen Leben der Vereinigten Staaten hervorragendste und
bedeutendste Deutsch-Amerikaner.
Deutsche im oeffentlichen Leb
en.
Carl Schurz, unbestritten der bedeutendste Deutsch-Amerikaner.
Von don letzten Ausläufern der Riesen-
Sl.idt X(nv Yoi'k niclil idlzinveit entfei'id
lic.ut ;ml" grüner ITölio ein Aeker Gottes,
dess' Krdreieh gar köstlichen Samen ])ii'L't.
"Sleepy Hollow" nennen die Leute das so
maleriseli am Ostufer des TTudson Strouu^s
über dem Städtehen Tan-ytown sich hin-
ziehende Gefilde mit seinen yrünen Bän-
iiicii. seinen üppigen Strjiuchern. seincMi
saftigen Rasen, seinen inariiiorncii Dciik-
/.('ichen an mit niunicn geschinück-tcn Grä-
hcin. Gar mancher wackere ]\Iann ruht in
diesen ..Höhlen des Schlummers" \(iii
einem l)ewegten nnd ai'beitsreichen Lehen
aus. gar manchen in die Tafeln der Ge-
.schichte mit (»luMnem Griffel tief und nn-
verlöschlich eingegrabenen Xamen liest auf
den weissen Steinen der Wanderer im
langsamen Schreiten durch den melancholi-
schen Frieden des Ruhei)latzes der T(xlten.
nianchen Namen guten und goldechten
Klanges. Einer Chronik des Bürgerkrieges
gleicht dieser Friedhof mit seinen Tleldeii-
giäbern. in denen Führei- und Kämpfer in
fast allen grösseren Aktionen des gewalti-
gen Ringens zwischen feindlichen Brüdein
zum ewigen Schlaf gebettet liegen.
Ein kleiner Hügel ragt inmitten dei-
Gräberstatt empor, wie geschaffen zur Auf-
nahme eines ganz Grossen, eines, der selbst
in dieser illustren Gesellschaft von bedeu-
tenden ^Männern noch Anspruch auf beson-
dere B(vichtung und Ehi'ung erheben darf,
^wei Xadelbäume breiten ihr stai'res Geäst
über das Blumenbeet aus. unter dem di-i
Grosse schhnnmei-f. uinl zu TTäupten des
sehlichten Gral)es erhel)t sicli wuchtig u\\(\
breit, einfach und zierlos ein Granitblock,
von des Steinmetzen kinuligei- Hand ■.o\
einem dei-ben Pyramiden-Stumi)f zug«--
•i'"'>ieii. I'iid ;iii ,i,.r iJjisis des (irabmales,
auf hcivoilicteiidei- Sehriff tafcl steht ein
.\aiiie — .sonst nichts; kein Gcburt.s-, kein
Sterbe-Tag. kein Titel, k.-in L..bspru.-Ii.
kein Wort, das ;ds Kpitaph gedeutet wei--
den könnte, .\ielits weiter, als d.-r Xanie —
Schui'z.
•Xichts als der .Xaiiie Schurz, und d«'r
genügt als Gi-absehrift für ewige Zeit-n.
Alles Andere wjire überflüssig, ja sogj.r
störend. .\ls im l-'rüliroth des 14. .Mai liKKi
dei- grosse Staatsmann. Soldat und IMiilo-
so|)li hinunterging in 's unbekannte Land,
als die Zeitungen dcy .Metr(tpole. d«»r Tele-
graph luul das Kabel es aller AVclt kurz
und kna])p vei-kündefen : Schurz ist todt —
da gab es in beiden iremisphäreu keinen
.Arejischen \dn durchschniff lieber liilduuL',
der nicht gewusst hätte, dass Amerika, dass
die deutsche Xafion i-inen dei- Edclsf-n
nnd Grössten verloicn. Hüben wie drüben
füllte man lange Spalten mit Xachrufen.
die gelesen wurden oder ani-h nicht. Was
verschlug es, wenn sie nicht gele.s«'n wui-
den .' AVer Schurz war. wusste Jedei". was
ei- in seinem langen Leben gewirkt mid g«'-
than, wusste .feder. und was dann von
emsigen Forschein an interessanten Details
aus dem Lebenslaufe des .Mannes hei-vorge-
hoben wurde, das trug höchstens dazu bei.
das I^ild. das man von ihm im Herzen tr\ig.
zu vei'vollsfändigeii. auf das l'orfrät die
letzten Lichter zu setzen. .\ls(» wozu noch
laiiL'c Worte machen.' ..Schurz ist f(»dt " —
an die Ti-agik dieser drei Worte konntv«
nichts heranreichen. —
Was an Carl Schurz Sterbliches war.
nahm .Mutter Erde in ihren Sclioss auf.
Das Andere, was an ihm war. das Cnnr'ss-
barc. rnfassbare. .\lles. was sein klan-r
Ö'J«
nKl'TS(Hi: IM OKFFKNTLICIIKN l.KHEN.
(leist ncsi'liatTcn. Mifl» in «It'i- WAt zuriu-l:
als Vrniiäfhtiiiss für koinnicndi' Ge-
schlrclit«'!-. l'iul weil in (l«'i- iiH'iiscliliclK^n
Natur tirf irefrrüiidct dir Vorclinni^' für
^vährend Schurz nach der Schweiz entkam.
Ihm Avnr das Lohon, nachdem seine
Freunde standreclitlich erscliossen waren,
nichts mehr werth, docli" schmerzte es ihn
das ErlialMMic. das Sdiöne wurzelt, weil mit tief, seinen Freund nnd Lehrer in der
dem AMflicti .'incs Orossen seine frueht- Zuchthausjaeke zu wissen. Va' heschloss,
hi-inp'iide freist ijrc Wirksamkeit noch lange ihn zu befreien. Sicherlich war der Ent-
nicht ei-storhen ist. weil die ^Menschen ein schluss für einen hilflosen .jungen Flucht-
Gefühl der Dankbarkeit gegen den Dahin- ling ein mehr als gewagter, aber Schurz
gesehiedenen empfinden, haben sie es nicht wollte lieber sein Leben lassen, als noch
dabei bewenden las.sen. mit der letzten Erd- länger seinen Freund in Gefangenschaft
schölle, die auf d«'n Sarg rollte, ihr letztes ^vissen.
Lcbewold mitzusenden, nein, sie hatten
sich vorgenoMMuen. dem Namen Carl Schur.;
aucii in anderer AVeise ihren Tribut zu
zollen.
Carl Scliurz war der jüngste der im
Sezessionskriege thätig gewesenen Achtund-
vierziger. Fr wurde am 2. ^lärz 1829 in
Liblar in der Nähe von Köln geboren,
und studirte Geschichte und Philosophie an
»jer rnivei-sität Uonn. Dort lehrte Pro-
fessor Kinkel, der in die jugendlichen Ge-
müther seiner TTöi-er liberale, freiheitliciie
(icsiMiiungen pli;iii/te. Tm Jalire 18-18
lirach <lie K'evolut ioii ans. und der .junge
Schurz betheiligte sieli ati ihr mit den
Waffen in der Hand. Der Aufstand wurd'^
nicdergesehlagen. und Sehui'Z musste nach
Baden fliehen. Dort war damals der An[-
stand noeh im (ian^n'. Sehui'z trat in das
\'(»lksheer ein und wurde Adjutant des
Gencralstabschefs uiul Konnnandanten der
Festung Kastatt. liier traf er wieder mit
Kinkel, seinem früheren Lehi'er. zusam-
men : Kinkel hatte seine ihn hochschätzen-
den llüi-er zum AVidei-stand gegen die Re-
giennig geleitet und sich mich dem ]Miss-
lingen des rheinischen Aufstandes nach
liaden geflüehtet. Abel' auch hier nnterlaj:
Unter angenonnnenem Namen begab sich
Schurz nach de»- Festung Spandau, bestach
die AVächter des Gefangenen, traf alle Vor-
bereitungen für die Flucht nach England,
und im November 1850 war das erstaun-
liche AVagestück gelungen. Kinkel ging
von London nach Amerika, sein Retter
jedoch blieb noch mehrere Jahre am
Strande der Themse, bis es auch ihn nach
dem Lande der Freiheit zog. avo er sich zu-
nächst in AYatertown. AVis., niederliess.
Kaum einem Sterblichen wohl war es wie
Schurz beschieden, schon bei seinen Lebzei-
ten von seincMi IMitbürgern die Anei-ken-
nung zu linden, die dem armen Verbainiten
in verhältni.ssmässig kurzer Zeit nach
seiner Ankmift im Lande der Freiheit zu
theil wurde. Allerdings lagen die Yerhiill
nisse für Schurz besonders günstig. Eine
mächtige Bewegung brauste durch das
Land. Die jüng.st gegründete republikani-
sche Partei hatte der Sklaverei den Krieg
bis auf das Alesser erklärt, nnd, wie alle
Achtundvierziger, schlos.s auch er sich der
jungen repnl)likanischen Partei an. Im
Jahre 1856 bereits sehen Avir ihn auf der
politischen Rednertribüne, von der h(U-ab er
der Aufstand, nur die Festung Rastatt hielt Roden für Fremont hält. Im Jahre 1858
fand der grosse politische Zweikami)f zwi-
schen Stephan Douglas, dem nördlichen
(liberalen) Demokraten, und Abraham
Lincoln in Illinois statt^ in dem sich beide
um die AVürde eines Bundes-Senatoi-s die-
ses Staates bewarben. Beide bereisten den
Staat als „Stump-Redner" zusammen,
Stand. Sie wurde eingeschlossen, nnd am
f). Juli begann das Bomliardeinent. \ls
<lie belagerten die (Jewissheit iihingt
hatten, dass alles verloren sei, ergaben sie
sich. Kommandant Tiedemann nnd dreis-
sig Genossen wurden erschossen, Kinkel zu
leben.slänglidiem Zuehthause verurth 'ilt,
DEUTS<'III-: IM OKFFKNTLK 1I|;n I.I:|{|.;X.
-.»:
wälireiid das ganze amerikanische Volk mit
atluMiiloser Spannung dem Ixcdokampfe die-
ser seiner sehärfsten Denker und beredte-
sten Kedner lausehte, denn es handelte sieh
dai'uni, ob der Nordwesten mit dem Osten
vei-einigt gegen den sklavenhaltenden Sü-
den vt»rgehen sollte, oder nieht. Hei diesem
Titanenkampt'e betheiligte sieh aueh
Schurz, und zwar fast immer in englisehei-
Sprache, die er bereits völlig bemeisterte.
Grosses Aufsehen erregte Ijesonders seine
Rede in Chicago über den ,, unvermeidli-
chen Konflikt". Douglas ward damals er-
wählt, obwohl, alle Stinnnen zusammenge-
reehnet, Lincoln eine ^Mehrheit von öOOO
Stimmen hatte. Es war aber die Einthei-
lung der Wahlkreise für ihn ungünstig.
Die junge republikanische Partei rüstet.?
.sich nun, ermuthigt durch das Resultat
dieses Kami)fes, auf die bevoi-stehende Prä-
sidentenwahl. Sie wusste aber, dass sie zu
ihrem Siege, besonders im Nordwesten, der
deutschen Stimmen bedurfte, und die Deut-
schen waren bisher in grosser ^Mehrheit mit
den Demokraten gegangen, weil dieselben
sich den Einwanderern und ihren Rech-
ten gegenüber freundlieh gezeigt hatten,
während die Whigs, die Vorgänger der Re-
publikaner, stark nativistisch angehaucht
waren. Um den Republikanern bei den
Deutschen Eingang zu verscha fiten, musste
nun der Beweis angetreten werden, das3
sie nieht nativistisch gesinnt seien. Gele-
genheit bot sich hierzu, als im Frühjahre
1859 in Boston das nativistische Zwei-
Jahrs-Amendement betrieben wurde, mit
der Bestimmung, dass Einwanderer erst
zwei Jahre nach Erwerbung des Bürger-
rechts stimmfähig .sein sollten. Auf Einla-
dung der republikanischen Partei ging
Schurz nach Boston, das Amendement zu
bekämpfen, ein Auftrag, dessen er sich
erfolgreich erledigte. Noch klarere Stel-
lung nahm die Partei bei ihrem National-
Konvent in Chicago 1860, zu dessen Dele-
gaten Schurz gehörte und im Auftrage des
einverleil)1<': ..|)i,. icpublikaiii.s.li.. l'.-.rtei
ist jeder I iniiiKlcniiig der .Xatiirali.sations-
(ie.setze (icf l'iiidii ddci- irireiid eines ein-
zelnen Staates abhol.l. .Iiinh weiclir ,li,.
I)ishei' den Einwanderern aus fremden Län-
dern bewilligten Bürgerrechte verkürzt oder
Ix'eint rächt igt werden könnten, sie i.st viel-
iiiehi- dafür, den Heciilen aller Klas.sen von
Bürgern, mögen sie eingeboren oder natnra-
lisirt .sein, vollen Schutz angedeihcn zu las-
sen, .sowohl im In- wie im Auslande". .\nf
(licsciii Konvent wurde bekanntlich i^in-
eoin iiominii-t. Schurz war .Mitglied de-s
Ausschusses, welcher Lincoln in Spring-
field von seiner Nomination in Keinitniss
setzte. Eifrig redete er in dem Wahl-
kampfe für ihn, obwohl er ui-si)i-ünglich
nicht für ihn gestimmt hatte. Ajii berühm-
testen ist .seine Kede. die er im August in
St. Louis über den „bevoi-stehcnden l'ntcr-
gang der Sklaverei" hielt. In Anerkeinnuig
dieser Dienste ernannte ihn Lincoln nach
seiner Wahl /.um Gesandten in Spanien, wo
Schurz von der Königin Isabella mit holien
Ehren empfangen wurde. Es litt ihn in-
dessen nicht lange auf dem verhält ni.ssmsLs-
sig unthätigen Posten, während daheim der
furchtbare Sezessionskrieg wüthete und
immer gefahrdrohender wurde. Er kehrte
zurück und übernahm die Fühi'ung einer
Bi'igade unter Geiiei-al Sigel. welcher da-
mals in der Potomac-Armee mitkämpfte
Dadurch hatte er Antheil an drei gnxs.sen
Schlachten : an der zweiten am Bull IJun.
wo die von Poi)e schlecht geführte Potomac-
Armee eine gi'ossc Niederlage erlitt mid
Sigel den Rückzug nach Ccntrcville deckte;
an der Schlacht bei Chancellorsville. wo
(lenei-al llodker über den Uapidan zurück-
gedrängt wurde, und an dei- Schlacht bei
Gettysburg, wo ]\Iea<le die in riiuisylvanicn
eingefallenen Konföderirten zurücktrieb.
Nieht lange nachher wurde Schurz zum
General-Major ernannt, worauf er seiner
jiöhereii Stellung entsprechend seine Fähig-
keiten in erheblich grösserem ^la.sse zur
Konventes seiner Platform folgenden Satz Geltimg bringen konnte.
598
DKrTScmO IM ÜEFI-^ENTLICHEN LEBEN.
Wälin-ml (Ifs K ri«'}j:o.s benutzte Scliuiv.
jfdi' (M'l»'};»'iilirit. wi'lclic sich hot. um im
Xordi'ti l)t'i «.Tossi'U Volk.svc'r.siimmluii.i,'('U
«lif ({i'iniithcr auf die (iiiisse der liewej^uujj;
hin/uweisen. die in nichts friösseirni be-
st ehe, als der Aufhehun«; der Skhiverei.
Zweifelhxs war Schurz im neuen V;iter-
lande vom (Jlück mehr l)e<rünstijrt. als drü-
ben, aber an Konflikten hat es ihm auch hier
ni«*ht «renianjrt'lt. Präsident Andrew John-
.soii verlanjrte. (hi.ss die in Hebelliou gewe-
senen Staaten auf di-m Civilwege wieder in
«lie l'nion aufgerionnnen werden sollten,
während der K()n«ri'e.ss der Ansicht war,
da.ss dies unter der Aufsicht der ]\Iilitärbe-
liörden L'cschehen solle. Jolni.son .sandte
Schurz nach dem Süden, um die Verhält-
nisse zwischen Wei.ssen und Farbigen zu
initersuchen. Sein Bericht war sorgfältii';
und erschöpfend, fiel aber durchaus nicht
luu'h dein Wunsehe des Prä-sidenten aus,
weswegen er luiterdrückt werden sollte.
In den nächstfolgenden Jahren finden
wii- Cai'l Schurz wieder bei und in seinem
«'igen! liehen Berufe als Literat, sei es als
Hedakteur und Eigenthümer gros.ser Zei-
tungen oder als Korrespondent für .solche,
docli auch in diesem Berufe findet er keine
dauei-nde Befriedigung. Er kehrt nach
Deutschland zurück und hat dort die ewig
denkwürdige Unterredung mit I^ismarck —
der ehemalige Revolutionär mit dem Ver-
treter des konservativsten Regierungsi)rin-
zips im alten Eui-opa. Dei-selbe Schurz, der
17 Jahre vorher bei Xacht und Nebel als
ZuchthaussträHing hatte fliehen mü.ssen,
wird vom ersten Minister als Freund em-
pfangen - — so IkiIk-u sich die Zeiten ge-
ändert.
Bald darauf erwählt<' die Legi.slatur von
.Mis.souri Schurz zmn i^unde.s-Senator, und
somit war er es. der es als erster Deutsch-
Amerikaner zu dieser Wüi-de gebracht hat.
Noch aber hatt»' er den (;ipfel nicht er-
klonnnen. ei- .sollte n(»ch höhei- stei<r<'n.
CJrant war Präsident. Dieser machte dei:
Versuch, die Insel San Domingo den Ver-
einigten Staaten anzugliedei-n. Futer .sei-
ner Verwaltung wurden den Fi-anzo.seii
während des Krieges mit Deutschland Waf-
fen verkauft, (irant huldigte dem drund-
.satze. da.ss ei- zu seiner i*arfei unbedingt
stehen müsse. Diesen Standpunkt theilte
nun Sclnirz ganz und gar nicht, .so zwar.
da.ss er zunächst eine unabhängige Stel-
lung eiiin.-ihiii und dann für eine neue, die
liberal - republikani.schc J'artei. agitirte.
Dieselbe hielt im Jahre 1872 einen Kon-
vent in Cinciiniati ab. Schurz wurde zum
Vorsitzenden gewählt. Doch wurde der
l'iiisidentschaftskaiulidat. Tloi-ace fireelev.
im AVahlkampfe geschlagen.
Sehein bar gesehlagen und erfolglos trat
im nächsten Jahre Schurz seine dritte Kei.sc
nach Europa an. Er war aber nur .scheinbar
geschlagen. Als bei der näcli.sten Wahl
Hayes Präsident wurde, sah er sich nach
gemässigten :Mäiniei-n um, die ihm helfen
sollten, .sein Amt in jener Zeit gegenseitiger
Ei'bitterung in versöhnlicher, unpartei-
ischer Weise zu verwalten, mid er glaubte
für den Posten des Sekretärs des Innern
keinen geeigneteren :\Iann finden zu kön-
nen, als Carl Schurz, welcher durch die
That bewiesen hatte, da.ss er für die (irund-
sätze seiner Partei zwar grosse Opfer zu
bringen vermöge nnd dass ei- für seine
Freunde alles Avagen könne, da.ss er sich
aber auch den ^luth per.sönlieher Ueberzeu-
gung zu wahi-en im Stande .sei. Schurz hat
das in ihn gesetzte Vertrauen wohl zu wür-
digen gewusst und auch gerechtfertigt.
Ihm und seiner Verwaltung verdanken die
Vereinigten Staaten die Idee der ("ivil-
dienst-Reform, die Idee, mich welcher die
Aemter nicht eine Beute der jeweilig am
Ruder befindlichen Partei .sein, sondern von
einem fähigen, ei-falirenen Beamten.stande
veiwaltet werden .sollten. Es war natürlich
nicht zu erwarten, da.ss eine solch umwäl-
zende Idee sich .sofort hätte Bahn brechen
können, denn gut Ding will Weile haben.
Aber dass die Anregiui^ beim amerikaui-
DEUTSCH K T^r OKFFKXTLK'HKX [.KliFV
• 599
sclHMi Volke auf fru.-l.tharen Boden .efal- kann i.l. n.il ,rnt..,M (Jewiss,-,. insol-n. in
len .st und da.ss l.esunders ,lie deutsei,- AnspruH. nelnn.-n. als ...ir 1...! IMheili.Mn..^
an.enl<an.schen Bürger «li. ( "i vildienst-Re- an i;ir..n,l„.l,..M AnHe^,enh..il,.n als d-uts-h
form tur wunsehenswerllu für ausführbar -ehnr-n..,,, Uü,-.,.,- stets d.-r ({...{-.nl-
und für notlnvendig hielten und jetzt noch ,Mass,ir.-l,..nd u.r. dass i.-h vor .dl..,, Din^Mw,
fort,,^set^t halten, das iH-weist fast jeder d.,., d..„ls..h.„ X;„.,..„ i„ A nk. nien.ais
i-'^^r:n^\\ortmu\^.hnit. S.-handr n.a.-h..,, .lürfe. Das ist nn-in
Im Jahre 1881 wurde Schurz, dei- früher i<'<lli«-hi's i'.cstreheu {,'ewesen. Alx-r ich
als Washingtoner Korrespondent der New ''"'"' H'''" niemals an<i-(Mnasst. mich als
Yorker ..Tribüne", als Herausgeber dei- ''"ühicr de- Ai,,erikanei- deutschen .Namens
von ihm in Detroit gegiündeten ..T*ost" '" •''"'■ Weise aufzuwerfen, dass ich ver-
und als Redakteur der ,.AVestlieheu Post" l-'iigte. die Deutsch-Amerikaner sollten
in St. Louis journalistisch thätig gewesen ""'lir als i,'gei,d ei,, anderer Theil der He-
war, Chef-Redakteur der „Evening Post" vülkerung mci,,,.,' Führung !)lin<llings
in New York. Im Jahre 1884 war ci- eii,er fo'^fn. Id, habe stets i,ii,- a,, ihre,, ge-
der ersten luiter den unabhängigen Hepu- "^'"idei, .Menschenverstai,d. il,,- l'tliehtge-
blikanern. Avelehe gegen James G. Blaine ^'^'''^' ^'ii"^' I'^'""«' und il,,eii Patriotismus
auftraten. In den Staaten New York, New 'ipix'Hirt und nie verfehlt, sie daran zu
Jersey, Connecticut und in einigen westli- "i'ihnei,. dass es die ei-sti- Pllicht des liür-
chen Staaten hielt Schurz Reden gegen "'''"'^ "^»'i' ''*'' ^'^r Aiisiilunig seiner politi-
den Helmbusch-Ritter imd für dessen ■'^^'l!''» Rechte sich nach bestem Wissen und
demokratischen Gegenkandidaten Grover Köi,i,e,i eine eigene Ueberzeugung zu
Cleveland. Letzterer wurde gewählt. Auch ^''hatif'ei, und dann ii,it unerschrockenem
in den beiden folgenden Präsidentschafts- -^Intl' dieser reberzeugung nach zu l,ai
Kampagnen, in welchen Cleveland demo- '^'''"- ^^'^^ ''<>'»*' inuner geglaubt, dass die-
kratischer Kandidat war, derjenigen von .i''J>i^en Deutsch- Ai,ie,ikai,ei- das Deiitscli-
1888. aus welcher Benjamin Harrisou als 1'"ii,i in Amerika am besten vertreten und
Sieger hervorging, sowie der von 1892. '"" wirksamsten heben, die i,,, besten
welche zur Wiederwahl Cleveland's führte, i^i'me des Woi-tes bestiebt si,,(|. dem
war Schurz als Redner für ihn thätig. In Lande nützlich zu sein, ihre politischen
den Kampagnen von 1896 und 1900 trat Rechte gewissenhaft auszuüben und ihre
er entschieden gegen Bryan und Preisilber ^'«'"en Pflichten dem (Jemeinwesen gegeii-
auf, unterstützte aber 1904 Pai'ker gegen *''•*''" ^'" «'i-fülle,,. Cnd solcher Vertreter
Roosevelt. 1892 wurde Schurz Präsident ^^''^ <'^ ^'i^*'^' ""^er uns. Wem, eine ge-
der Civil-Dienst-Reform-Liga. Er war ein '"''••hte Geschichtsschreibung von denje-
Gegner der Expansions-Politik. An seine,,, "igen spricht, welche die Wildnisse die.ses
75. Geburtstage, am 2. :\Iärz 1904. wui'de K'oi,tii,ents in blühende Gärten verwan-
er zum Gegen.stande grossartiger Ehrungen <l«'lten, in der amerikanischen Kinöde ge-
gemacht. Bei einer vom „Liederkranz" in ««'häftige .Märkte aufbauten. Städte mit
New York veranstalteten Feier entwickelte tleissigen. ordnungsliebenden bürgern füll-
er sein iiolitisches Glaubensbekeiuitniss und <<""• PHegeschulen der Bildung und Wis-
legte dar, wie er die Pflichten (mucs Büi'- senschaft mit wirksamer Lehi-kraft und
gers deutscher Abstammung auffasse. Er Forsclnnigsgeist beseelten und in Zeiten
•sagte in seiner Rede: ,,Es ist mii- die de,- Gefahr mit patriotischei- Opferwillig-
Ehre geworden, als Vertreter des Deutsch- keif ibi' Blut in Strömen vergos.sen. so
thums im öffentlichen Leben unserei- iie- wii'd sie zahllose deutsche .\an,en nennen,
publik bezeichnet zu werden. Diese Ehi-e Sie wird iik'Iii- sagen. Sie wird von den
ßOO
DKrTSCIIK IM (»KFFFNTl.KllKX LEBEN.
Deutschtrrhon'm'n als .Icrjciii»;»'!! Klass«'
voll Miir^'fiii sprcchm. (Ifn-ii koiiscrvalivcr
Sinn, nhiif im jr<'rinjrst»'n vi'niüiiftijrfr
Nt^iuTUiif; al)li(>l(l zu sr\u. dfii Wirbclstür-
nuMi (Ifi- Volkslaun.'. ilif dann untl wann
mit srhcinbarcr rnwid.Tsl.-lilii'hkcil üIkt
da.s I.an»l tV«r»-n. mil kühlster innl cnt-
s.-ld..s.s«'nstrr HcsoniM-nhcit sirli mltii'jr.Mi
stflltfii. Sic wird vnn ihnen sprechen als
.leinjenitren Theil der liür^'ersehaft. der
sieh am wenifrsten von despotisehem l'ar-
teip'ist (hiuemd kneeliten liess, besonders
w«'nn es die Aufreehterhaltunj? der Ehr-
lirhk«'it im ötTentliehen l.eben galt. Sie
wird noch mehr sajren. Sie wird den Ame-
rikanern deutsehen Blutes das Zeujjniss
ausstellen, ilass die warme pietätvolle
Liehe, die sie dem alten Vaterlande be-
wahrten, ihrer treuen Liebe für die anieri-
kanisehe Republik und der treuen Aus-
übung; ihrer amerikanisehen Hüry:erptlieht
nie (h'u perini^sten Kintraj; that und sie
nie dazu verleitet bat. mit ihrem Einfluss
in der anu'rikanischen Politik Interessen
zu dienen, die nielit amerikaniseh waren.''
liei einer aiuleren Gelefrenheit erklärte
er die durch die Sprachverschiedenheit der
1 )cutsch-Amerikaner f;e«jebene Sonderstel-
lun^r für eine nur scheinbare. Der deutsch-
anu'rikanische Hür«rer dürfe kein anderes
Ziel keimen, als die Förderung des allge-
nu'iiu'u Wohls. Nichts wäre unsinniger
und unstattluifter. als die Gründung einer
(h'ut.M'hen Partei, urul bei der grossen
.Masse dt-r Deutsch-Amerikaner habe ein
snlrhcr IMan auch luenuds Anklang ge-
funden. Ks gäbe in dieser Republik keine
(h'Utschc l'iilitik, es dürfe keine geben, und
es könne. Gott sei Dank, auch eine solche
eben.so wenig geben, wie es irgend eine
ander«' Politik geben sollte im Interesse
einer freiiulen Macht mit Hintansetzung
anu^rikanisclier Interes.sen.
Als Carl Schurz starb, überlebte ihn ein
Sohn. <ler in New Y(»rk ansässige Anwidt,
Carl L. Schurz, inid zwei Töchtei-. Pj-äsi-
dcnt Koosevelt erklärte: ..Das TiMiid hat in
Carl Scbui'z eiiu'u Staatsinaini aus der Zeil
Abraham Lincoln 's verloren, dessen Dienste
im Krieg uiul Frieden zur Zeit der
gros.sen Krisis in der Geschichte \uiserer
I{e|)ul)lik unv<'i-gesscn l)!eil)eii werden."
Gouverneur Joseph Ritner.
..Der deutsche Gouverneur, dem Petinsylvanien seine oeffent-
lichen Schulen und seine Eisenbahnen verdankt".
Cnter dieser l'ebersehrift erschien am
27. I)e/end)er 18f)7 in der damals noch
von Frank M(djaughlin herausgegebenen
..Philadelphia Times" ein mit ,,Justitia"
unterzeichnetes Eingesandt, dem hier fol-
gende Stellen entnommen seien :
.,\Vir verdanken dem ,, Pennsylvania
Duteh Governor" Joseph Ritner nicht
allein unser Freischul-System, sondern es
gebührt ihm auch ohne allen Zweifel die
p]hre und das Verdienst, das Eisenbahn-
System unseres grossen Staates begonnen
und fortgesetzt, resp. unterstützt zu haben.
Die Empfehlungen, die er der Legislatur
Muichte, seine persönlichen Bemühungen
und Anstrenginigen, die von ihm getroffene
\V;dü von ]\länneiu für das Amt der Ka-
nalkommissäre — einer Behörde, welche
Kontrolle über innere Verbcsserungen
hatte — dies alles beweist das hohe Inter-
esse, welches Gouverneur Kitner für das
Verkehrswesen des Staates hatte. Da er
in "Washington County, dicht an der neu-
gebauten Cundierland oder National Pike
— der gro.ssen Chaussee zwischen Ost und
West — wohnte, so erkannte er mit richti-
gem Blick, wie wichtig es für den Staat
sei, dessen reiche Hilfsquellen durch ein
System allgemeiner Verbesserimgen zu cr-
.schliessen und weiter zu entwickeln. Es
war ihm iiu'hr luii Eisenbahnen als um wei-
tere Chausseen und neue Kanäle zu thiui.
da erstere seiner Ansicht nach für den
Staat wichtiger waren. Cnd diese An-
sicht theilten auch seine ^Mitbürger in
Washington County, wie es sich bei einer
DEUTSCHE TM ORFFHX'riJcil KN I.F.UHN.
601
öffciitliclicn ^'('^salllllllull^■ im ( i('i'i('lits<>j('-
l)äii(le (C'oiiil lli)iis(') voll \V;ishiii«>:t<»ii
C'ounty, 51111 27. Dezonibcr IS.'iO. (Icutlirli
zeigte. Zu jener Zeit l)efan(leii sich iioeli
keine fünfziu; ^UmIch Eisenbahn in den
Ver. Staaten. Die ..Alhaiiy und Sehenec-
tady Bahn" war im Jahre 1826 privilegirt
und am 12. September 1831 eröffnet wor-
den: die Baltimore & Ohio K. K. ("o..
welche 1827 die Konzession /um Bau einer
l^alm erliielt, begann mit (Kt Konstruk-
tion derselben am 4. Juli des darauffolgen-
den Jahres, während die kleine, i)rimitive
Bahn auf Sehienen aiLs Bandeisen, Avelche
sich vom Philadelphier Ufer des Delaware
über den Schuylkill hinweg in der Rich-
tung nach Columbia hinzog, noch später
erbaut wurde. Diese, zusammen mit der
kurzen Savannah Bahn und der nur we-
nige ]\[eilen langen Bahnstrecke, auf wel-
cher Granit aus Quincy, ]\Iassachusetts,
herbeige.sehaft't wurde, machten alles aus,
was im ersten Drittel des Neunzehuten
Jahrhunderts an Bahnen in Amerika vor-
handen war. Die ,,AA''ashington & Pitts-
burg Railroad Company" wurde 1831 in-
korporirt, und zwar erhielt die Gesell-
schaft ihren ,, Charter" am 18. März 1831.
Der Civilingenieur General De Ilass wurde
ermächtigt, die nöthigen Vermessungen etc.
vorzunehmen. Das war der erste Schritt
zur Erlangung einer Bahn westlich vom
Allegheny-Gebirge. Joseph Ritner, Bürger
von Washington County, war Feuer und
Flamme für das Unternehmen und nahm
mit Herz und Seele daran Antheil. Das
war der Anfang des Eiscnhahn-Systcms
von Pennsylvania.
Als Joseph Ritner dann Gouverneur des
Staates wurde, sollten sich die Hoffnungen
der Freunde und Befürworter von Verbes-
serungen im Innern des Staates erfüllen.
Und Gouverneur Ritner ging rasch und
energisch vor. In einer Botschaft an die
Legislatur empfahl er derselben ]iromi)te
Massnahmen. Er berief Joseph Lawman.
einen seiner Freunde aus Washington
Connly, zu sich nach llarrisburg und er-
nannte ihn zu einem Mitgiiede der Kanal-
Kommi.ssion, während er General De lla.ss
zum Chef-Ingenieur machte. Auf die ein-
dringlichen Vorstellungen des Gouver-
neurs liin |)assirte dann die Legislatur am
18. Fel)ruai- 183() ein Gesetz, welches sich
...\ii acl to rcpeal the State ta.\" lietitclte
und \'ermessungen anordnete; ein zwi-ites
derai'tiges Gesetz für weitere Vermessungen
wurde am 2. April 1S.3(; von der Legislatur
erlassen. Cnter diesen Gesetzen ordnete
die Kanal-Kommissiim dann am 21. .Mai
1836 Vermessungen von Lewisbnrg bis
Iluntingdon County. an und lieauftragte
den Chef-Ingenieur General De Mass mit
der Leitung derselben. In eitici- anden-n
Verfügung vom U). September 1836 wurde
Chef-Ingenieur Chas. De Ilass von der
Kanal-Kommission beauftragt, das Alle-
gheny-Gebirge zu vermessen und die sog.
..inclined planes" dei' ..Bortage Hailway"
■/AI entfeinen, wie dies in einer Hesohition
vom 16. Juni 1836 beschlossen worden.
lud Jetzt, zum Schlüsse meines Ein-
gesandts, noch ein Wort: Als Akt ein-
facher Gerechtigkeit gegen diesen tüchti-
gen und bewiihrten Gouverneur von Penn-
sylvania, in Anerkennung seiner un-
schätzbaren Verdienste um den Staat, und
um das Andenken dieses grossen Bürgei-s
Pennsylvaniens in verdienter Weise zu
ehren, möchte i<'h es den leitenden lieam-
ten der grossen Eisenbahn-Gesellsi-harten,
deren Schienen-Netze nicht nur «len Staat,
sondern den ganzen Kontinent ilniih/ie
hen, nahelegen, dem Gouvei-iieiir Jose; h
Ritiier ein passendes Denkmal zu er-
richten.
Philadel|)hia. 27. Dezember 18'I7
Jiisliliii."
.josi'i>h Kitner war am 2"). .März 178») in
Berks County. Pa.. geboren. Sein Gross-
vater war im Jahre 17r)ü eingewandert und
stammte aus einer schlesischen Adelsfa-
milie. Die Mängel seiner Schulbildung
ti02
DKrTSClIK IM OKFFKNTLKIIKX LKIIKN.
vcraiihisslfii .los.'i.li. sie .liir.li ••ifri^'cs
Sludiuiii iius/ii.irl«'i«-li"n. Im .IüIiic lS:i.)
wunl»' i'i- /Ulli (ioiiviTiiciir <l<'s Staates
IN'nnsylvanirn crwülilt. Kr ti;it mit
Kiicrjrii' für das Frciscluil-Systcm fiii. um
(h'P .Iut:<'u<l Ix'sscn« Uil(luii.«rs-(J.'lcp'iili('it('ii
zu scliatVi-ii. als si.- si.-li ihm scll)st •,'cl)«>tfn
linttrii. Kr starli am Iti. OktolxT lS(i(» iti
.Mt»uiit Hofk lu'i Xcwvillc. Pa. Kiii .Mai-
iiiurldnrk. IS Zoll im (^ua<li-at uiul drei
Fu.ss Ikh-Ii. tliT auf i'iiirm Saudstcin-Fun
damcnt ruht. hczi'icIuM't die letzte Ruhe-
stätte eines der bedeutendsten ^Männer, die
der Staat IN-niisylvanien je hervur<;e-
1, rächt hat. und deulschcn Stammes
war er.
Gouverneur Michael Hahn von Louisiana
Lincolns Ralhgeber in allen den Sueden
betreffenden Angelegenheilen.
(iouvcnuHr Michad llnhn von Louisiana
war am 14. .Xi.vemher 1S3() zu Kliiij^cn-
münstiT in i\vv Hheinpfalz geboren. Seine
Mutter wanderte als Wittwe mit fünf Kin-
dern aus und .starb 1S41 mit Hinterlassung
aller ihrer Kinder zu New Orleans am
gelben Fieber. (Jute Seelen nalnnen sieh
der Kinder an. und Michael, der seh'r
talentvoll und als Krüppel (er hatte ein
verdrehtes Hein und ging zeitlebens an
Krüeken) /u keiner körperliehen Arbeit
tauglieh war. dui-fte die Iloehsehule besu-
chen, die er mit Aiiszeiehnung absolvirte,
worauf er unter Roselius sieh der Reehts-
kunde widmete und ISf)! zui- l'i-axis zuge-
lassen wurde.
Im Alti-r Von 'l'l .laliicii w;ir er Mit-
glied des Schulraths und später dessen
Präsident. In der Politik bekannte ersieh
zu Stephen Douglas, nach dem .\ufl)rueh
der Charlestoner Konvention hielt er am
8. Mai liSfiO im Ijafayette Scpiare eine sehr
entsehiedene Rede zu Gunsten dei- Fnion.
\ind als die Behörden nach der Annahme
der Seeessionsakte von allen Heamten die
Ablegiuig eines neuen Anitseides verlang-
ten, welcher das Verspi-eehen der lieobach-
tung der Konstitution \nul Gesetze der
Konfötleration enthielt, weigerte er sieh,
diesen Kid zu leisten.
Nach der Kinnahme von New Orleans
schloss sieh Hahn der l'nionsadministi'ation
an und bet heiligte sieh als ausgezeichneter
Redner eifrigst an der Gi'ündung von
l'nionsklubs, wodui'ch er sieh das besondere
\'erl lauen des Generals Hutler erwarb, der
die Aufmerksandceit des Präsidenten Lin-
coln auf den talentvollen jungen Mann
leidcte.
Am 3. Dezend)er 1862 wurde Hahn in
den Kongress gewählt und erhielt dabei
mehr Stimmen, als die drei anderen Kandi-
daten zusammen. Tm Kongress gewann er
das Vertrauen Lincoln 's in so hohem
(Ji-ade, dass dieser ihm seine wärniste
Freundschaft schenkte und ihn in allen den
Süden betreffenden Angelegenheiten zu
Rathe zog.
Nach Ablauf seines Amtstermins kaufte
Hahn ..The True Delta" und redigirte das
Blatt mehrere Jahre. Es war die einzige,
einem Bürger von Louisiana gehörende
englische Zeitung, welche die Sache der
Repul)likaner vertrat.
So kam das Jahr 1864. Um diese Zeit
schien Napoleon sehr geneigt, die Konföde-
ration anzuerkennen. Seine Eroberung
Mexiko 's und ..Reorganisati(m der lateini-
schen Rasse" waren auf dem besten Wege
zum Erfolg. Puebla und die Stadt Mexiko
waren gefallen, und Maximilian landete am
24. Mai I8(i4 zu Vera Cruz. Der Zerfall
der Uni(m konnte dem neuen Kaiserthum
mir nützen, und an Vorwändeu zur Einmi-
schung fehlte es nicht. Die Versieherungen
Seward's. dass der Krieg von kurzer Dauer
sein wüi-de, hatten sieh nicht bewahrheitet;
denn selbst im dritten Jahre war der Aus-
gang noch immer ungewiss. Dazu kam
noch, dass Louisiana mit seiner starken
französischen Bevölkerung, welcher die
Ver. Staaten 18U3 für ewige Zeiten eine
DEITTSCIIK IM OEFPENTLKH HX LKMKX.
(SOS
iviniMikanisclic Ixcirii'i-ungsfoi-ia irt'wälii'-
Icistot liatti'U. trotz riitiTWcrfuiiy: nun
schon zwei Jjihre iiiitt'r militürist-lun- Dik-
tat ni- litt und die in Paris weilenden Ver-
treter dieser Bevölkerung ihr ^lö«,diehstes
thaten, um Napoleons Einniisehung herbei-
zuführen.
Dies erklärt, weshall) T.incoln gerade in
Louisiana niögliehst rasch eine Civiladnii-
nistration einzuführen wünschte. Aiu 22.
Februar 18()-1: fand auf General Bank's Be-
fehl eine AVahl für Civilbeanite und eine
Konstituante statt, luid aus dieser Wahl
tring ^lichael Halm als erster Gouverneur
des Freistaates Louisiana hervor.
Das i^olitisehe Glaubeusbekenntniss, wel-
chem Hahn besonders die Unterstützung
seiner deutschen ^Mitbürger und seine AVahl
verdankte, war: „Ich billige die Abschaf-
fung der Sklaverei ; ich billige die Erzie-
hung der Neger, aber ich bin gegen ihre
politische und soziale Gleichstellung mit
der weissen Rasse imd opponire der Verlei-
himg des Stimmrechts an die Neger."
Wenige Tage nach seiner Wahl erhielt er
von Lincoln folgenden Brief:
Executive ]\Iansion, Washington, D. C,
:\larch l:3th, 186-1.
^ly dear Sir: I congratulate von on
having tixed your name in history as the
first Free State Goveruor of Louisiana.
Now that you are about to have a Conven-
tion, which. among other things, will prob-
ably define the elective franchise, I barely
suggest, for yoiu" private consideration.
whether some of the colored people inay not
be let in. as, for instance, the very intel-
ligent, and especially those who fought gal-
lantly in our ranks. They would probably
help, in some trying time to come, to keep
the jewel of liberty in the family of free-
dom. But this is only a suggestion, not to
the public. ])ut to you only.
Yours truly
A. Lixcoi.N.
HuiX. .Michael ILviin.
in rebcreinstiiiMinuig mit diesem Wun-
sche Lincoln 's fügte die konst iluircnde Ver-
sanuidung der dem Volk von Louisiana zu
unterbreitenden Kon.stitutionsvorlage fol-
genden Passus bei :
Artiele XV.— "The legislalurc shall
have the power to pass laws e.xlending
sutfrage to such persons, Citizens of th«'
l'nited States, as by military serviee, by
ta.xation to s»i|>poi-t the government. or
by intellectual titness niay be deeiiied en-
titled thereto. "
Nach der Annahme der neuen Konstitu-
tion trat die Legi.slatur zusaunnen und
wählte Gouverneur Hahn im Januar 18»).")
zum Ver. Staaten Senator, worauf ei- das
Gouverneursamt niederlegte und sich nacii
Washington begab.
Dort fand Hahn, dass die geplanten und
von ihm gutgeheissenen Rekonsti'uktions-
massregeln, besonders aber der durch die
Ermordung Lincoln 's (A|u-il 18«).")) sehr ei--
starkte EinHuss des radikalen Flügels der
republikanischen Partei, der Zula.ssung
südlicher Senatoren im Wege standen, wes-
halb er seinen Anspruch auf einen Sitz im
Senat nicht weiter betrieb,
l'nter diesen Umständen wui'de auch
Hahn innner mehr nach dem radikalen Flü-
gel der repid)likanischen Pai-tei hinge-
drängt, bis er sich am 4. .hdi LSH") bei der
Emancipationsfeier in Washington \uid
später, vor der Ecpuü Riglits As.sociation.
orten und unbedingt für <lie nlhjiimim
\"erleihung des Stimmreciits an di«' N'egei-
erklärte. Diese Reden fanden grosse \'er-
lii'citnng und ei-regten unter Hahn 's fi-üh-
ereii l'ai'teigeiiossen in Louisiana pein-
liches Aufsehen.
Gouverneur Madison Wells. Hahn 's Nach-
folger, weigerte sich, seitiem Beispiel zu fol-
tren uiul seiiu' Hand zur Frtheilung des
Stinnnrechts an die Neger zu leilieii. und
dieser Standi)unkt war es. der ihm an» «i.
Novend>er 1805 .seine Wiederwahl zum Giui-
verneur, und zwar mit überwältigender .Ma-
jorität, sielierte.
Ii04
nKr'rscHK im okim-^hnti-i» iikn lehkx.
Nun kam es zum ortViu'ii KonHikt /wi-
srlu'ii WfUs und (l.-ii l'.irt.'ihiiui.trni /.u
Washiii^'tDM. und Hahn ualuii au th'iu
Kampf irr^rn W.'lls thätip'U Antlicil.
Ku(lli<-Ii war dt-r Alt«- müHu-. Ks hicss.
,11.- Wci^'.TunK dt's S.'uals. s.'iiit'U von Liii-
.•olu zum Xaval Otlic-r in Nrw Orleans er-
luunitt'u Sohn Thomas zu hi'stäti^:t'n, sei
W.'lls sehr nah.' jr»'jrsiii^'cn.
K. K llowrll. dir Präsidi'ul dt-r von Gen.
Uauks lS(i4 .'uihonitViK'u Konstituante,
wi'k'he iiaeh der Annahme der von ihr aus-
•learheiteten Konstitution allfremein als de-
funkt an!,'eseheu wurde, berief diese unter
dem Vorwande. dass sie sieh uieht „sine
,Ue". sondern „subjeet to eall by the presi-
(h'iit" verta^'t habe. v(m Neuem ein. mu
durch sie ^\^•u Ne^'eru das Stinnnreelit er-
Iheih'n zu bissen, und Gouverneur Wells er-
liess am '21. .luli 186() eine Proklamation, in
welcher er für alle jene Farishes, welche
1864 noch von den konföderirten Truppen
besetzt und in jener Konvention nicht ver-
treten waren. Delejjateuwahlen zu der von
llowell auf den 'M. Juli einberufeneu Kon-
vention anordnete.
Inzwischen waren die Neger von fanati-
schen Radikalen in Versannulungen durch
feurige Keden auf das bevorstehende Ereig-
niss in einer Weise vorbereitet worden, dass
sie ganz ülnM-spannte Ideen bekamen, sich
bewaffneten, in Prozessionen durch die
Stra.ssen zogen, die Union vor ihren weissen
Feinden retten zu müssen glaubten und
Jeden niederzuschiessen drohten, der dem
Zusanum'utreten der Konvention llinder-
nis.se in den Weg legen würde.
Die Zeitungen ermahnten die weisse, wie
die schwarze Bevölkerung, sich am Tag der
Eröffnung vom Konventionslokal, dem ^le-
chanics Institute (der jetzigen Tulane Hall
an der Diyades Strasse), fernzuhalten. \nn
einen Zusanunenstoss zu vermeiden.
Als aber die Mitglieder der Konvention
sich am 'U. Juli in der Halle viM-sannnelten,
marschierte eine Prozession bewaffneter
Neger nach der Common und Dryades Str..
wo sie zwei harndose weisse Zuschauer miss-
handelten und auf die diesen zu Hilfe
eilenden Polizisten schössen. Das war das
Zeichen zum Pegiini des berüchtigten
..Mechanics Institute Kiot".
Die Milglieder der Konvention vei-han-i-
kadirten sich im Gebäude unter dem Schutz
von :}5() bewaffneten Negern, die Strasse
füllte sich, die Polizei versuchte, ins Ge-
l)äude einzudringen, ein Schuss fiel aus dem
Fenster — uiul der Sturm begann. Die
•Menge auf der Strasse bombardirte das Ge-
bäuile mit Steinen, in den Fenstern postirte
Neger schössen auf das Volk herab, und
erst nachdem eine starke Polizeimacht die
Strasse gesäubert hatte und eine zweite
Kolonne von der Baroune Strasse aus an-
rückte, steckten die von allen Seiten um-
zingelten Neger an einem Hinterfenster ein
weisses Taschentuch und ein Stück einer
Ver. Staaten Fahne zum Zeichen der Unter-
werfung heraus. Nun drang die Polizei
von allen Seiten ein, räumte die Barrikaden
weg und verhaftete alle Anwesenden.
In und vor dem Gebäude lagen 20 todte
luid etwa 100 verwundete Schwarze, die auf
Expresswageu nach dem Hospital geschaff't
wurden. 250 wurden gefangen abgeführt.
Aber auch viele Polizisten und weisse Bür-
ger waren verwundet und mussten nach
ihren Wohnungen geschaff't werden.
Viele Neger sprangen aus den Fenstern
und fielen dem Volk in die Hände, wie auch
nu'hrere Älitglieder der Konvention, welche
sich aus dem Gebäude entfernen wollten.
Unter diesen befand sich auch der Ex-
Gouverneur ]Michael Hahn. Bei seinem Er-
scheinen erhob sich ein furchtbares Wuth-
geschrei, und an der Ecke der Common und
Dryades Strasse wurde er von einem Revol-
ver.schuss und einem Schlag schwer ver-
wundet niedergestreckt. Die Behauptung,
dass er damals zum Krüppel geschossen
worden sei, ist aber nicht wahr, da er sich,
wie bereits erwähnt, schon von frühester
Kindheit an einer Krücke bedienen musste.
DEUTSCHK TM OKFFKXTI.KIl KN IJÜiKN.
(W5
1867 wurde Ilalin Ileraiisgebor des ,,New
Orleans Republiean" und Administrator
des Charity Hospitals, und 1871 zog er sieh
nuf seine Plantage in St. Charles Parish
zurüek. wo er das Städtehen ..TTahnville"
anlegte. Und dort gelang es ihm, sieh die
Liehe und Aehtung aller Kreise und beidei-
Kassen in einem solehen Grade zu gewin-
nen, dass er von nun an, Avann immer er
einwilligte, als Kandidat für irgend ein
Amt aufzutreten, stets beinahe ohne alle
Opjiosition gewählt wurde. ,,ITahn owiis
St. Charles", pflegte man zu sagen. Er
wurde 1871 Sehuldirektor, 1872. 1874 und
187() ^Mitglied der Legislatur, 1878 Poliee-
.Turor, 1878 Direktor der Yer. Staaten
.Münze. 1870 Distriktsriehter nnd 1884 für
dasselbe Amt auf weitere fünf Jahre ge-
wählt.
liei der Kongi'esswahl iiu Xoveml)er 1884
befand sieh die republikanisehe Partei in
grossei' Verlegcniheit. In keinem Distrikt
des Staates hatte sie Aussieht, einen Ver-
treter in den Kongress zu wählen. Nur
wenn Hahn sieh bewegen liess, im zweiten
Distrikt aufzutreten, war Hoffnung auf
Erfolg. Hahn lehnte mehrere ^Nlale ab.
doeh wurde ein soleher Druck auf ihn aus-
geübt, dass er endlieh einwilligte. Er
wurde, obwohl sein Distrikt eine demokra-
tische Majorität von 3000 Stimmen zu ge-
ben ])flegte, mit einem ]Mehr von 1;U)0
Stimmen gewählt.
Das war das letzte Amt. das er verwal-
tete. Als ein fai-biger Diener des AVillard
Hotels zu Washington. D. C. am 14. Mäi'z
1886 auf seiner ^forgenrnnde das Zinuner
No. IG öffnete, um Feuer zu machen, fand
er Hahn im blutüberströmten Nachtkleid
ausgestreckt auf dem Boden liegen. Die
Rechte hielt ein zerknittertes Taschentuch.
die Linke war gegen die Seite gepresst. wie
um Sehmerzen zu lindern. Ein Gefäss in
der Nähe des Herzens war gesprungen, und
er hatte fern von seinem, ihn wie einen
Vater liebenden Volk einen jähen Tod ge-
fimden. Er starb ohne Familie und als
armer Mann, obwohl er während der zur
( 'arpetbaggerzeit herrschenden allgemeinen
Korrjiption oft Gelegenheit gehabt hätte,
sich zu bereichern.
Seine politischen Gegner stellten ihm bei
der am 1.'). Mai 1886 im Kei)rä.sentanten-
haus zu Washington veranstalteten Ge-
dächtnissfeier das Zeugniss aus. dass er von
allen leitenden Republikanern in L(»uisiana
der am wenigsten Gehas.ste, in der Erliii-
lung seiner Pflichten unbeugsam, im Leben
ein achtenswerther, generöser, gütiger, un-
bescholtener und wahrer ^lann gewesen ist.
..Seine Popularität in seinem Di.strikt war
beispiellos. Sein Volk liebte ihn. Kiri
guter ]Mann ist aus unserer .Mitte ge-
schieden." ,/. 11 (III HO f)< ih r.
Johann Peter AlhjthJ, der am :{(•. Dezi-ni-
ber 1847 in der Nähe von liei-lin geboien.
aber schon als Kiiul mit seinen Elteiii nach
Amei'ika gekonuiien war. besass Eigen-
schaften, die ihn zu einiMu Volkstribun wie
geschaffen erscheinen Hessen. Furclitlo>
und tapfer ti'at er schon als Kijähriger in
die Unions-Armee ein und iua<-hte di-n
Kiieg bis zum Ende mit. Seine Eltern hat-
ten sich nicht lange nach ilirer .\nkiuifl in
AnuM'ika in der Nähe von Manstield. ()..
niedergelassen. Doi-f hatte er eine düi-f-
tige Schulbildung erhalten. Dui-eh eisernen
Fleiss und Sell)ststudium Itildete er sich
jedoch weiter. Das befähigte ihn. in Mis-
soui'i. wo ei- sich nach dem K liege nieder-
liess. eine Schulmeister-Stelle anziuu'luuen.
Tu seinen ^Ius.sestunden studirle er Juris-
prudenz und wurde 1869 zur Ausübmig
der Advokatiu- zugelassen. Tm Jahre 1874
bereits wurde er zum Staats-Anwalt von
Andrew County, :Mo.. gewählt. Er siedelte
nach Chicago über, wo er .schnell Eintluss
zu gewiiuien wusste. Von 1886 l)is IHfM
war er Richter der „Superior Court" und
von 189.S bis 1807 Gouvenieur von Illinois.
?:r begnadigte di«', wegen des Bomben-At-
tentats auf dem Haymarket in Chicago am
3. iNIai 1886, zu lebenslänglicher Zuchthaus-
,;(„i DKrTSCIll-: IM OKFFHXTLICIIEX I.KlfHX.
sfnifr v«'nirtliriltfii Aiinrcliistcii Ficldrii. I jcutciiiiiit-rjoiivcriicnr von Illinois war
.\cfln' uimI S.-liwjil». Das <ral) /.u alifälli^'i-n l-'ninz Jlnffmaini, uclMJrcii \u IIci ford.
Kritikru Aiilass. Sein IcMwiTtcs Kiiitrclfii Westfalen. 1S2:^ \uii\ ls:5!l nach Amerika
für Kreisillier iin»l Hryaii in der Präsident- irekoinmen. l-]r kam nach Cliieajro. wurde
selinfts-Kanipajiiie V(ui ISiKi wurde elien- SclniUelirer. dann l*i-edi<rei- in Duuklev's
falls niissltillijrt. Tm die (!efiin^nuss-l\e- (inive. Du l'aire ('muity. ieirte sein Amt
form, sowie um den Sehutz der Kirelieii- nieder und ei'üt1"nete IH')! in Cliieago eine
schulen nuiehte sieh Alttr»'l<l. der ein feuri- Land-OfHee. Er nahm für Lincoln Partei
^er und i)ej;eislei-nder Redner war. sein- und liielt Reden. Er wurdi» 1S60 zum
verdient. Kr war ein ül)erzeu}run«rstreuer Lieutenant-rJouverneur jri'wählt. Er ver-
N'crfeehter dei- luteresseji des \'olkes. wie i-i* waltete das Amt in jener sehwieriiren Zeit
sie erkannte. Di'r rnterdrüekten nahm er sehr ^mi1. Tm -Tahi-e 1S()7 «rründete er die
sit'h an mit dem vollen Einsetzen seiiu'r Internat innal liank of ('hiea«r<>. nachdem er
Pei-söidiehkeit. Er starh. als er ihrer Sache Muliei- mit einem Pankinitei-nchmeu iu-
dieute: während er am PJ. .Mäi'z P.I02 in fn'«:(' dt-r Geschäftski-iso. veraidasst durch
.loliet. Hl., eine mächti<r er«rreifende Rede den Krietr. Schitt'hruch erlitten hatte. Er
für die Puren hielt, wurde er vom Schlage irdifrirte. nachdem er sich 1S75 auf seine
tretrotVen und vei-schied. Farm hei Jefferson. Wis.. zurückirfzogeu
und das Amt des liaidx-Präsidenten nieder-
Couvenieur von Xehraska und Pundes- .ü<'le.ut hatte, die landwirthschaftliche Al)-
Senator war der von deut.schen Eltern am theilun^' der ..Germania" in Milwaukee.
2»J. Xovemher IS.vi in Aurora. 111.. ^'ehoreuo 'l''ii -Haus- uiul Pauernfreuud " unter dein
Clxirhs fliiirii Ditlricli. Pis zum P"). Pc- Naiiien ..Hans Puschhauer"". Ei- starh am
hensiahr.' hesiu-hte er die Schule. Dann -••■ -liniuar P)():^.
arheitete er auf Farmen, in Per^werken
und Plantajren im Süden, um sieh PSTS in /u den im politischen Lehen hervorra-
IIastin«rs. Xeh.. dauernd niederzulassen und ._,,.,,, leu Deutschen Amerika "s gehört Gitshtr
sieh geschäftlich ZU hethätigen. Er wurde h'ön,( r, der in einer kritischen Zeit die Iii-
Präsidcnt der Geniian National Pauk, vt)m teressen der ruion in Spanien vertrat und
repuhlikanischen Staat.s-Konveut am i». .Mai Pieutenant-Gouveineur des Staates Illinois
PIOO per Akklamation zum Gouverneurs- ^^..,,. Gustav Kiirner wurde am 20. Xovem-
Kandidaten nominirt und gewählt. Er i,,.,. isiü) zu Frankfurt a. M. gehören, stu-
legte sein Amt jeih.ch nieder, um zum ,|i,.t,. j,, J,.,ia und München, nahm an den
Puudes-Senator am 2S. März P)()l von ^h-v fn-iheitlichen ßestrehuugeu der Dreissiger
Legi.slatur gewählt zu werden. Er ist im j;,),,.,. theil, war hei dem missgiückten
.lahre 1!»(»7 gestorhen. Sturm auf die Frankfurter Hauptwaehe
dahei. inusste Hiehen und kam mit der Fa-
Zum (Jouveineur von .Xevada lirachte es milie Engelmann naeh Illinois. Zwei Jahre
der in Preusseii am pi. .Januar PS48 geho- später erhielt er die Pefugniss. sich ilcr
reiH> lidnliohl Sadirr. Kr wurde P'-t!».") zum Reehtsjiraxis zuzuwenden. Er erwarh sich
(iouverneur-I.,ieutenant gewühlt ; ;ds der im Staate Illinois hald einen grossen Ruf
(touverneur. J. E. .loiies. .schon am 10. als AiPokat und eine ausgedehnte Klientel;
April ]XU{i starh, wurde Sadler sein Amts- war Peisitzer des Apiiellations-Gerichts von
naehfolger. Er wui-dc dann (Jouverneurs- Illinois und wurde \H~y2 zum Gouverneur-
Kandidat der Freisilher-Partei und zum Lieutenant von Illinois erwählt. Heim Aus-
Gouverneur gewählt. Er starh im Jahre hrueh des Pürgerkrieges organisirte Körner
T*06. eii^ Regiment, wurde von Lineoln zum
DEUTSCHE IM OEFFK.\TI,l(||i:x LKlIK.N.
G(J7
Oberst enuiniit uiul in dio Armee eiii<re-
stellt. in welcher er im Stabe General Pre-
luoiit's und si)äter Ilalleek's Dienst that,
iiahiii 18G2 aus Gesundheitsrüeksiohten
seinen Abschied und g'mg als Xaehfolofcr
Carl Schurz 's als Gesandter nach Spanien,
wo es ihm gelan«:, die Regjierung von einer
Anerkennung und Untei-stützung der Kon-
V('rl»r;iclitc seinen Leliensalicnd
ville. III. Kl- sf;iili iiiii !l. A|ti-i
Kongress - :\rit«rlie(l AiuJnu
lidirli )'(](} wurde von deutsehen
Pitts])ui-g. I'a.. am IS. M.ü ISO!
absolvirle das .TetTersun .Medieal
IMiiladelpliia im .lalirc 1SS4 u
in lielle-
I isiid.
Jackson
Eltern in
? gel)oren.
College in
nd wurde
GUSTAV KOERNER.
Vice-Gouverneur von Illinois, Gesandter in Madrid und Verfasser des
bedeutenden Werks „Das deutsche Element in den Vereinigten Staaten
von Nord- Amerika. 1818-1848".
toderation abzuhalten. Später bekleidete
Körner noch mehrere öffentliclu^ Aemter,
betheiligte sich an der Politik, war schrift-
stellerisch thätig und schrieb das gehalt-
volle Ruch: ,,Das deutsche Element in den
Vereinigten Staaten von Nord- Amerika,
1818 — 1848". Die erste Autlage erschien
im Jahre 1880, die zweite 1884. KJirner
Ai-zt in seiner X'aterstadt. Er war meb-
i-ere .Jahre lang Stadt-Arzt in Tiltsburg.
Mitglied des Stadtraths nnd wnrde IIM).')
in den IJundes-Kongrcss gewählt. Er wai-
Deh'gat zum Friedens-Kongress in Brüs.sel.
Kongress-Mitglied h'iclifird liarlhohll von
St. Louis, der Ixeilaktenr (h'V St. iionis
tm
DKirscilK iM oKFFKN'ri.KlIKX IJ'.I'.KX.
..Tril)»int'". wunli' aiii "J. Novi-imIht IS.").")
in lliiiiiliur«.' frcbnrrii, kam als IT.jäliriiicr
nai'li (Itii V<'r. Staatt'ii. wandte sich in
Brooklyn Ann Zcitunjrsir.'scliäl't zu. und
/.war »'rlcrntc <'r dasselbe praktisdi in der
Druckerei der ..Kreien J'resse", denMi
lleraus«rel)er sein Onkel. Oberst luxlir.
war. und «rini: dann als ,I.)Uina]ist nach
St. Louis, wo er l)ald in der repnblikani-
Fiiner di-r deulschen lv()ny:i'i'ss-Kepräsen-
tanten Philadelphia 's war der am 22. ^läiz
1!)()7 vei-slorbene Friedrich llallcniKiint.
Kr war im Oktober 1S81 in Vegesaek bei
Bremen in Dentschlaiid ncboi-en nnd kam
im Septembei- 1S4!) nach Amerika. Kr
siedelte sich sofort in IMiiladelphia an. das
seine Ileimathstadt wurde.
Kr etablirte sieli als Gi'ocer und führte
sehen Partei eine Rolle spielte. Im .Tahre das Tiescliäft aclitunddi-eissin; .Jahre lang.
FRIEDRICH HALTERMANN.
lHf).S wurde er in den Kongress gewählt. Seit 1S.")4 amerikanischer Bürger, war
Seine Haupt Verdienste sind die Befürwoi'- Friedrich ITaltennann bis zum Ausbruch
tiuig der Aufhebung der Krieg.ssteuern des lUirgerkrieges Demokrat gewesen,
des spani.schi'ii Ki-ieges, die Erwirkung des wui-de aber dureli eine Rede, welehe Carl
Charters für den Deutseh-Amerikanischen Schurz in Philadelphia hielt, zum Re]'"'''''
.\atioinil-Bund \nid die (iiiindung der kanismns hekt'hi't. Seitdem war Hai-
interparlamentarischen l'nion zur Förde- termann ein prinzipientreiier Anhänger der
rung internationaler Sehiedsgeriehte.
Partei Lincoln 's. Im Jahre 1894 wurde i*
DEUTSCIIK TM OKFFK.XTLTCII KX I.KIJKX.
W»9
Ilalteniuinii in doii Koiiijfi'css «rcwälilt. in
wck'liom or sich durch seine Ehrcuhafli^-
keit niul sein gesundes Urtheil viele
Freunde erwarb.
^litglied des Kongresses ist der am 28.
Februar 1861 in Baden (Kuppenheini)
geborene Julius Kahn. YjV kam mit seinen
Eltern 1860 nach Californien, Avurde in
San Francisco erzogen, wurde Schauspie-
ler, kehrte 1890 nach San Francisco zurück,
studirte Jurisprudenz, wui'dc 1892 in die
Legislatur und 1899 in den Kongress ge-
wählt. p]r gehörte demselben von 1899 —
1903 nud von 1905—1909 an. Er ist in
San Francisco ansässig.
Gustav KüsIcniHDiii. Kongress-Repräsen-
tant des 9ten AVisconsiner Distrikts, wurde
am 24. ]\Iai in Detmold. Deutschland, gebo-
ren. Nachdem dersell)e das Gymnasium
I seiner Vaterstadt absolvirt hatte, nahm er
j in 186-1 eine Stelle in einem Engros-Ge-
schäft in Hamburg an. Im Jahre 1868
wanderte er nach den Vereinigten Staaten
aus und liess sich in Green Bay. Wisconsin,
nieder, welche Stadt noch heute sein und
seiner Familie Wohnsitz ist und wo er bis
zum Jahre 1903 ein sehr erfolgreiches Buch-
iind ^Musikalien-Geschäft betrieb.
Stets einen regen Antheil an der Politik
nehmend, bekleidete er mehrere öffentliche
Aemter und war Postmeister von Green
Bay. Wis., von 1892 bis 18!)6. Im Jahre
1901 wurde er zum ]\Iitglicd der Central-Be-
hörde von Wisconsin ernannt, deren Präsi-
dent er von 190-4 bis 1907 war. Von der
republikanischen Partei als Kandidat auf-
gestellt, wurde er als ^Mitglied des 60. Kon-
gresses erwählt mid. wiederum im Jalirc
1908 für einen zweiten Termin.
Fünfzehntausend Personen gaben in San
Antonio. Tex., einem deutschen Maime am
16. Februar 1879 das letzte Geleit und der
ganze Staat trauerte, als Kon gre.ss- Mitglied
(i'iislnr S(lilti(h(r zu (Ji-abc ;,'iir;ij:cn
wurde. Auf jeder Station in Tc.\as. auf
welciier der Zug. der .seine Leiche von
Washington, wo er am 9. Februar gesti)rl)en
wai-. nach San Antonio überführte, anhielt,
drängten sich trauernde Bürger an den
Sarg, ei-klang die Wei.se eines Trauernuir-
sches und felille es nicht an Elirenbezeu-
gungen und lieweisen tiefer Trauer.
Der .Mann, der sidi in so hohem (Jrade
die Liebe und Achtiuig seiner Mitbürger er-
worben hatte, war am 19. November 1829
in Darmstadt gel)oren. Er war mit der
..\'ierziger Gesellschaft" nacli Texas ge-
kommen. a])er die am obci'cu Llano ge-
gründete Kolonie Castell ging ein. da die
Herren zu wenig von praktischer Arbeit
auf dem Felde verstanden. Er siedelte
nach San Antonio über. vei*suchte sicli
kurze Zeit als deutscher Zeitvnigs-IIeraus-
geber und wai" ausserdem als Feldmesser
und Eisenbahn-Ingenieur thätig. Er wurde
in die Asseml)ly und später in den Senat
der Staats-Legislatur gewählt, enthielt sich
während des Krieges jeder autfälligen
]*arteinahme. trotzdem er. wie alle Deut-
schen in Texas, zui- Tnion liielt, und wurde
1874 in den Krtngress gewählt. Seine zwei-
malige Wiederwahl ist der beste Beweis
dafüi". dass er die Intei-essen seiner Wähler,
die durch räuberische Einfälle von Mexico
her viel zu leiden hatten, in zufriedenstel-
lender AVcisc vertreten hat.
Kongress-Mitglicd für den 26. Distrikt
von Pennsylvanien wai- lüdö -7 <ler in
Nazareth. Pa.. ansässige hervorragende
Fabrikant \nid (Je.schäftsmann <!. A'lolph
S(Jni((h<li. geboicn am 23. Novenilx-r 18:)3
in Neusalz, Preussen. Er hatte seine Er-
ziehung in P.ethlehem nnd .Nazareth erhal-
ten. Er ist Sekretär dei- Tru.stces von Na-
zareth Hall.
Der Deutsch Amerikaner bet heiligt sich
im Allgemeinen wenig an dci' Politik. Zu
d.n hervorragenden Männern deutschen
nio
DEUTSCHE IM OEFFilNTIJrilEX LEBEN,
Sfaiiiiiii's. wclclic in dit'scr Hcziehuiijr eine
Aiisiiiiliiiic voll der Ii»'«r('l iiiiiclu'ii, gehört
h'uflolf liliiiihi iilnoii in IMiiliidi'lpliia. Kr
hat sich als licfürwcirtcr von Kcfonn-Hcwi'-
giinjrt'ii t'iiit'ii iialicinalm Kiif ('i-worlx'ii. Im
»lalin- 1S4:{ in Lippc-Dctniold gclHiirii. lan-
tloto (M' am 1. März 18()0 in Aiiiorika. Kr
war zehn .lalirc lan^' Reisender iiii- die
Firma Ilni-stmann & Sölme in IMiiladel-
phia. Kahrikanten nnd Importeure von
Posament irwaaren. srründete daiui seihst
ein ähnlieln's (Jescliiift. das zu einem der
frrössten seiner Branche \vui"de und üher
L'di» Antrestellte l)eschiifti«rt. Die Fii-nia
H. Iilankeid)urg & Co. liat Filialen in New
York. Chicatro. lioston, Denvei- und Yoko-
hama. Japan. \(>n wo sie Seidenzeuge im-
portirt. Im .Jahr«' 1880 wai' er einei' der
repuhlikanischen Elektoren. trat in der
Folge unerschrocken für nuniizipale Re-
formen ein. hekämpfte den AVa hl betrug,
deckte die Betrügereien in der Ai'inen-
haus- Verwaltung auf, machte den AVu-
eherzinsen im Pfandleih-Oeschäft ein
F^nde und half die Xoth von Tausenden
mildern. Im Jahre 1802 war er einer der
Feherhringer der Iviehesgaben i'üi- die Be-
wohner i]('V IIungersnoth-Distrikte Russ-
lan(Fs nnd nahm in der lokalen AValilkam-
pagne in I'hiladelphia. die im November
1!K).') zur Niederlage der republikanischen
Partei-Organisation in der Sfadt fülirte.
hervorragentlen Antheil. Als County-
Kommi.s.sär verzichtete er auf das mit dem
Amte verbundene Jahres-Gehalt. Er war
mehrere Jahre liindurch Präsident der
Deutschen Gesellschaft von Pennsylvanien.
Au«'h als politischer Schriftsteller maehte
er sich einen Namen. Im Jahre 1909 zog
er sich von seinem Geschäft zurück. Er
bewährte sich in allen nationalen Fragen
als gesiiniungstüchtiger Republikaner, aber
als ent.schicdener und gcfüi-clileter Gegner
der ..Poss"-TT..rrschaft.
Tlirodore Jirciifaiio in Chicago luierwähnt
lassen. Sein Vater, Lorenz Brentano, darf
wohl zu den hervorragendsten Deutschen
in AiiH'rika gezählt werden. Theodore
Brentano wurde am 29. ]\lärz 1854 bei
Kalamazoo, >\Iich.. geboren, als sein Vater,
übersättigt vom jxtlitisehen Leben, das er
in den Sturm- und l)rang-Jahr(Mi Baden 's
zur Genüge kennen gelernt, sich in die Ein-
samkeit geriüchtet hatte und als Farmer
sich luid die Seinen zu ernähren sueiite.
Im .l.ihre 1859 siedelte Lorenz Brentano
nacli Chicago über und dort, sowie s])äter in
Schulen in Deutschland und der Schweiz
ei'hielt Theodore seine wissenschaftliche
Erziehung. Er wurde 1882 zur Advokatur
zugelassen, die er in Chieago ausübte. Seit
dem Jahi-e 1890 i.st er Richter der „Supe-
i'ior Court" von Cook County. Er ninuiit
trotz seiner hohen juristischen Stellung an
allen deutschen Bestrebungen in thätiger
AVeise Antheil.
Eine liei\nrragende Erscheinung in
deutseh-amerikanischen Kreisen New Yorks •
ist der am 11. Juli 184:? in Borkendorf,
Deutschland, geborene . Anwalt Arthur
von Bricscn, in Firma Briesen & Knauth.
Er kam als lojähriger nach Amerika. Er
nuichte den Bürgei-krieg als Sergeant mit.
studirte dann Juris])nulenz und wurde im
Jahre 1868 zur Advokaten-Praxis zug'e-
lassen. Auch im jKjlitisehen Leben hat er
sich heivorgethan. Ihm wurde sogar die
Ehre zu theil. dass Präsident Roosevelt
in seiner Botschaft vom Jahre 1903 seiner
Ei-wähnimg that. P]r ist Ritter des
Kreuzes der französischen Ehrenlegion.
Es hie.s,se eiiu'U verdien.st vollen Deutsch-
Amerikaner übergehen, wollte man Richter
In Louisville. Ky., als Anwalt ansä.ssig
war dei- am :{. Februar 1833 in Zirkc. Pro-
vinz Posen, geborene Louis X. Dcmbitz.
El' absolvirte das Gynniasium in Glogan,
studii'te in Prag, dann in New York und
wurde 1858 zur Ausübung der Advokatur
zugelassen. Er war Ililfs-Stadt-Anwalt von
DEUTSriTR T^r oefpkxtlfciikx lkhkx.
tili
Louisville von 1S84 — 88 und war einer der
Ilauptinitarbcitei- an dem ersten australi-
sclien liallot-Gesetz, das in den \'er.
Staaten, nämlieli 1888, passirt wurde. Er
hat mehrere Werke ü])er Jurisprudenz ge-
schriel)en und war ;Mitar])eiter an der
..Jewisli Eneyclopaedia ". Er starb 1!)()7.
Eine Rolle bei dtMu ersten republikani-
schen Xational-Konvent. der im .Tabr(> 1856
in Philadelphia abtrehalten wurde, sjjielte
der Gastwirth und Postmeister Philipp
DorchJuimer aus Buffalo. N. Y.. indem er
Fremont's Nomination befürwortete. Er
war im Jahre 1797 in AVollstein in der
Kheinpfalz geboren und ISIH als :\Iüllei--
l)nrehe naeh Amerika gekommen. Später
war er Staats-Sehatzmeister von New York.
Lineoln ernannte ihn zum Binnen-Steuei'-
Kollektor. Er starb '[S66.
..Supreme Court" - Riehter Lronhard
Anton Giegerich von New York hat am
20. :\rai 1855 in Roetz. Bayern, das Licht
der Welt erblickt. Er war ein Jalii- alt,
als seine Eltern, Leonhard und liarbara
Giegerich. ihn nach den Ver. Staaten
brachten.
Den hohen und verantwortungsvollen
Posten eines amerikanischen General-Kon-
suls in Frankfurt am :\Iain erhielt am 1.
Januar 1899 der in Potsdam am 30. No-
vember 1845 geborene Richard Günther.
Er hatte in der Heimath den Beruf eines
Apothekers gewählt, wanderte aber der
gros.sen ^Mittel wegen, die in Preussen zur
Gründung einer Apotheke gehören und die
er nicht besass. nach Amerika aus. Er hielt
sieh ein Jahr in New York auf und siedelte
dann in die aufblühende Stadt am Winne-
bago-See, Oshkosh in Wisconsin, über. Er
eröffnete dort eine Apotheke, spielte in der
Politik eine Rolle, war 1878—1882 Staats-
Sehatzmeister von Wisconsin, von 1881 bis
1889 :Mitglied des Kongresses, von 1890—3
V. St. General-Konsul in .Mexico, erincit
dann eine staatliche Stellung, bis er Geiic
ral-Konsnl in Frankfurt am .M.iii, unrd.-
Bundes- Richter für d.-n .ist liehen
Distrikt von Missouri von 190.')— 7. .Mjt.
glied des Kongres.ses von 18(58—72. Legjs-
latur-.AIitglied von lSfi4— 8, republikani-
scher Kandidat für das Amt des Gouver-
neurs von ^li.sscmri (187(i) und für das
Amt des Staats - Supreme - Coiwt - Richters
(1898) war der in St. Louis ansässige An-
walt Gustav A. Finhdnbarf/. geboren in
der Nähe V(m Köln am Rhein. Er kam
mit seinen Eltern nach Amerika, erhielt
seine Schulbildung in St. CJiarles. Mo.,
studirte am Cincinnati Law College die
Rechte und wurde im Jalire iStiO zur Aus-
übung der Advokatur im Staate Mis.souri
zugela.ssen. Er .schrieb mehrere juristische
AVerke. Das Amt des Bundesrichters legte
er nach zweijähriger Thätigkeit als solclier
nieder.
Scliatzmeister des Staates Illinois war
der aus der Pfalz gebürtige Jaloh Gtnss,
der am 11. Februar 1840 das Licht der
Welt erblickt hatte. Als Lljähriger kam er
zu Verwandten in Chicago und wui'dc
Zinnschmied. Im Bürgei-kriege wurde ihm
in dem Gefecht bei Dallas, (}a.. das i-echte
Bein zei-schmettert. Es musste amputirt
werden. Nach dem Ki-iege wandte er sich in
Chicago dem Baidvgeschäft zu. bekleidete
mehrei-e Aemter, darunter das erwähnte,
und wui'de Mitglied der Bankiers-Firma
Felsenthal, Gross & Miller.
Ludwig Paul TTf nnighausni wui'de am
18. Dezember 1840 in Fubla. Hessen-
Xassau. gelioren. besuchte Bürger- und
Heal-Schulen in Hersfeld und erhielt
durch Privat-Lehrcr l'nterricht in der
englischen und fi-anzösischen Sprache.
Zeichnen. Geometrie u. s. w. Im .Jahre
1855 wurde ei-. in i\ry ()i)liut eines Freun-
012
DKrTSCIlK IM oKFPKNTlJrllKN LKÜHN.
des (liT Kiiiiiilir. zu sfiiiciii in l>;i!liiiinr('
w«»liiiciMlt'ii älteren Unitler };esiiii(lt und
liiudefe daselbst ihm 17. September IS.M.
Kr beuul/te bier die Al)endsebub' <lei-
fn'ieii l*ul)lie Selinol uiul beirniMi die eui,'-
liseheii Kbissiker ZU b-seu. uni die Spraebe
zu benieisteru. In <b'U dalireu IS.'jS l)is
1,S()(I war er al)\veebsehid in New York.
Cineinnali. Wasbiiiirten. D. ('.. \\i\i\ Kieli-
niond. Va.. Ibätii;. iJaltinioi-e stets als Ilei-
'i'ui nei'-Sebützeii leisteten eine Zeit lanjr
ficiw ilüire Dienste inid \\ur<len am 11.
.\pi-ii lS(il Ciii' drei Mitnate in die Ai'mee
ein^emustert. Sie nainiien Tbeil an den
(iet'eebten am oberen Potonnie. Naeb Ab-
laut" der drei [\Ionate wurde Ilenni^'bauseii.
weleber Aut'niei-ksandvt'it eri'ej;t batte
dui'eb rebersebwinnnen des Potomae \nul
Wetiuebmen feindlieber lioote. die Stelle
eines Orti/ieis in einem New Yorker Kegi-
LOUIS PAUL HENNIGHAUSEN.
iiiatb beiraelilend. (Jinsscn Kintiuss auf mento anjjetrajjen. Kr trat, noeb nieht
ilni batten die Heden uiul Vorträ^^' der 21 Jabre alt. als II. Lieutenant in das 46.
4S('r Au<rust Willieb. Friedrieb llassau-
rek. Stallo. Karl lleiuzen. Samuel Lud-
vipb. Fr. Kapp u. a. in dm Turnballen
<ler Städte. Im Herbst lS(i(). den droben-
den Au.sbrueb des IJiirjrerkrieges erwar-
tend, verlicss er liiebmond. fubr naeb
AVasbin'irtttn und .sebloss sieb den Turner-
Sebützen. Capt. Jos. (Jerbardt. an. Dir
Kegt., N. Y. Vol.. Oberst von Kosa. In
1862 wurde er zum I. Lieutenant befördert
und ei-bielt das Kommando einer Koin-
paj^nie. Das Regiment oj)erirte an der
Küste \(>n Soutb Carolina und (leorgia.
Sybee. Ililton Ilead. lieauford, Ediste
und .James Islands, uiul kam naeh Ttägiger
Seblacbt naeb Xewport Xews, sodann
DEUTSCH !•: IM OHFFKNTI.KIl KX LKl'.KN.
(ii:{
nach Fi'pderii'ksl)ui'y:. \'a. Laiiy:\vi('rij;o
Kraiiklu'it. verursacht durch aiistrcn<r('ii-
(Icii Dienst in (h'ii Sümpfen von Soutli
Carolina und (ieorj^ia. veranhisste Ilennig-
liauscn auf (hinjrench'u Kath dci- Acizte
zum Ausschei(hMi aus dci- Aiiiiee. Er
frin<r nach Haltimoi-e. wo ei- l\ui'zc
Zeit im deutschen Bucldiandel thiitij^ war,
und (huHi eine LehrerstelU' in Washinjjrton
annahm. Ki'mutlii^''t durch die Stabsofti-
/iere im Ilauptiiuartier seiner Division,
welche im Privatleben meist Reclitsan-
wälte waren. l)enützte jetzt Ilennitjhauscii
seine freie Zeit, Gesetzbücher zu lesen. l)e-
siichte später in l^altiniore die ^laryhuid
Law School. trat in die Office des tüchtijien
Rechtsanwalts Patrick ^IcLaughlin. be-
stand im .März 18(j8 sein Examen,
wurde zur Geriehtspraxis zugebissen und
l*ai'tner seines l*räcei)tors McLaughlin.
Ilennighausen hatte als Rechtsanwalt von
Anfang an und dauernd grossen Erfolg.
Er nahm keine Kriminal-Fälle an. ausser
auf Ersuchen der Richter, weini ein armer
Deutscher in zweifelhaften Fällen vor die
Schranken kam. In Civil-Fällen führte
ihn seine Praxis bis vor ;,The Suprenie
Court of the Fnited States", den höchsten
Gerichtshof der Ver. Staaten. Er weigerte
sieh, irgend ein i)()litisclies Amt anzuneh-
men, zweinuü wurde ihm einstinnnig von
dem republikanischen Konvent seines
Distrikts die Kandidatur für den Kongress
angeboten und von ihm abgelehnt. In
früheren Jahren hat er jedoch als Kam-
pagne-Redner der republikanischen Partei
mitgeholfen. Seit Januar 1887 ist er Prä-
sident der Deutscheu Gesellschaft von
Maryland, welche seit 1783 besteht. Neben
seiner Rechtspraxis ist seine Liebling.sarbeit
die Ei-forschung der Geschichte der Deut-
sehen in Amerika. Er hat dai-in manches
Werthvolle dem Staube der Vergesseidieit
entrissen und der Geschichte einverleibt.
Arztes am Id. Dezember ISOI in ("jiarlot-
tenburg bei liei-lin geboren worden war.
Das .\ttentat auf Kotzebue ISII) führte
zur N'rrhaftung des Hui-schenschafters
Albert Lange, der zu l.")jähriger Festung.s-
lialt in (ilogau verurtheilt wurde, licgna-
digt. wanderte er nach Amerika aus, wo er
sich schliesslich in Terre-IIaute. Ind., nie-
derliess. Piiisidcnl Taylor gab ihm das
Konsulat in Amsterdam, dann eine Stell;*
im liundesdien.st in Washinirtcm. aber beide
Aemter behagten Lange nicht, uiul er
kehlte nach Terrc-l laute zurück. Im Jahre
1S()() wurdt' ('!• von <len l\epul)likanei-n zinii
Staats-Auditor gewählt. Er machte sich
verilient um die Aufbringung der Freiwil-
ligen-Regimenter. Später war er Mayi>r
von Terre-IIaute. Er starb 18ti!). Sein
Begi'äbniss war das gro.ssai'tigste, das die
Stadt je gesehen.
Zum y. St. General-Konsul in Ilavana
auf Culta hat es der in .München am 12,
.Mai 18G4 geborene Franz Maximilian
Si( iiiluirt gebracht. p]r hatte eine gute Er-
ziehung genossen, war 1882 als Gemeiner
in die V. St. Armee eingetreten und wurde
bald zum Korporal und dann zum Sergean-
ten befördert. Er wurde Clerk im Haupt-
quartier der Division des ^lissoui-i in Chi-
cago. Im Mai ]S\)^ wurde Steinhart zum
Chef-Clerk des ersti'U Armee-Korps er-
lumnt und begleitete als solclu-r General
Diooke nach Porto-Rico und später nach
Cuba. Im Jahre 11)03 wunh" er zum Gene-
ral-Konsul in Ilavana ernannt.
Staats-Auditor von Iiuliana war Alhcii
Lauge, der als Sohn eines ang(!sehenen
(Jeneral-Konsul in Rio de Janeiro, lirasi-
lien. ist ein deutsch-amerikanische!- Jour-
nalist. l'Ui<i( n S((!/<r: geboren am 1. .Mai
LS;");} in Süd-Deutschlaiul. hatte er in Paris
und .München studirt. war nach .\merika
ausgewandert und Redakteur der „Freien
Presse" in Chicago, des „California Demo-
krat" in San Francisco und der „\«'W
Jersev Freie Zeitung" in N'cuark. .\. J..
(W4
i;('\vo|-<lfii. Hl- iiJiluii iiii tl'M
s«-h5ifts-Kam|)ii«rtifii im liitoresse »I.t rcpu-
l)lik;inisrlu-M Tiirtci l.'l)lwif1('ii Antlicil.
St'inc Kinrnmiii^' /um (IriuTal-Konsiil in
Kin dr .liiiu'iro fi-folK'te 1S!)7. Kr vcnltrciil
liflit»' zwei Hüclicr: „(Miica.iro. die wuikUt-
vollr Stadt" und ..(Jarfi.'ld und ^''in«' /A'it".
DEL-TSLllK IM ÜKFFKNTI-K IIKN LKHKN.
PräsidiMit-
Klu'Mso iM'dt'utond als Fabrikant wie im
pulitisrlu'U Leben ist der frühere .Mayor
v.)ii Brooklyn. N. V.. Corl Aduli)h Schuren;
.^'i'boren in ilcr Jxbciniirovinz am 28.
Fri)ruar K^-J-, kam er 185(j naeh Amerika,
war i>is zum l'l. .lahre in seines Vaters
(•i«;arren- und Tabak-Laden angestellt,
wunh' dann Clerk in einer Treibriemen-
Fabrik, errichtete 18G8 selbst eine kleine
Treibriemen-Fabrik, die zu einer der gröss-
ti'u in den Vereinigten Staaten geworden
ist. Die Firma Charles A. Schieren & Co.
hat Weltruf. Schieren ist Präsident imd
Direktor der CJermania-Sparbank, ^Mitglied
des Aufsichtsrathes der Aachen und Mün-
chener Feuer - Versicherungs - Gesellschaft,
d.r r.rooklyn Trust Co., der Germania
Lebens - \'ersicherungs - Gesellschaft, der
.Nassau National Bank. Präsident und Di-
rektor der Prooklyner Academy of ]Music
und L Vize-Präsident des Brooklyner In-
stitute <)f Arts and Sciences. Zum ]\Iayor
von Brooklyn wurde er im Jahre 18*).'} ge-
wählt. La Käthe der repul)likanischen
Partei geniesst Carl A. Schieren hohes An-
sehen. Er wohnt in Brooklyn.
Hin .Mann, der .stolz ist auf seine deutsche
.\bstanninnjg. ist Hichter William Iliaton
Slaala in IMiiladelphia, l*a., der von deut-
schen Eltern am 5. Dezend)er 18-16 in
Brooklyn. .\. Y.. geboren, aber in Philadel-
phia seine Schul- wie seine Universitäts-
Bildung erhielt. Er war im .]ahi-e 1868
zur Ausübung der Advokatui' im Staate
Pennsylvanien zugelassen worden. Er hat
.sich namentlich bei den Bestrebungen, die
Gesetze der verschiedenen Staaten mclir
einheitlieh zu gestalten, ausgezeichnet und
bekleidet in vielen AVohlthätigkeits-Anstal-
teii hervoi'ragende Ehi'«'nst eilen. Kichter
des Civil-Gerichts in Philadelphia ist Herr
Staake seit dem Ki. Mai lüUÜ.
Herr Oskar Saloinoii St raus, der bekannte
Diplomat und unter Theodore Roosevelt
Seki'etär des llantlels- und Arbeits-Depar-
tements, ein Bruder von Isidor inid Nathan
St raus, wiu'de in Khein-Bayern und zwar
am 2'-i. Dezember 1850 geboren: Er stii-
dii-te in New York Jurisprudenz, prakti-
zirte von 1872 — 81 als Advokat, trat dann
in das Töpfer- und Ghuswaaren-Import-Ge-
schäft seines Vaters, das den Firma-Namen
L. Straus & Sons führte, ein, war von
1887— i) und von 1898—1901 V. St. Ge-
saiulter in Konstantinopel, wurde am 19.
Dezember 1906 Sekretär des Handels- und
Arbeits-Departements und dadurch Kabi-
nets-^Iitglied und wai'd 1909 von Präsident
Taft zum Botschafter an die Türkei er-
nannt.
Bürgermeister von Cineinnati von 1897
— 1899 und einer der Gründer des ersten
Turn-Vereins da.selbst im Jahre 1848 war
Gustav Tafel, der in ]\Iünchen am P5.
Oktober 1830 geboren war. Er besuchte in
rim und Schorndorf höhere Schulen, kam
im Septendjer 18-17 nach Cineinnati, er-
lernte die Buchdruckerei, wurde Journalist
und 1858 Advokat. In den Krieg zog er
als Gemeiner, als Oberst des 106. Regiments
der Freiwilligen von Ohio wurde er ausge-
mustert. Im Jalu-e 1865 wurde er in die
Legislatur gewählt.
Bundes - Richter für den östlichen
Distrikt von Arkansas, mit Wohnsitz in
Little Rock. Ark., ist der am 6. Oktober
1853 in Deutschland geborene und dort
und in St. Louis erzogene Jacob Tnchcr.
Er wurde im ^fai 1876 in Arkansas zur
Ausübung der Advokatur zugelassen. Von
DEUTSCHE IM OEFFi:\TI,|('lli:\ LKI'.KN.
)il5
1807—1900 war t>r Hniules-Aiiwall,
1900 ist er Buiulcs-Kichter.
seit in (Iciliscllx'il seil
Zu den angeselieiistt'ii Hiiry:('ni des Lin-
des deutselier Al)staiuninng geliört General
Louis Wa</>icr in Piiiladelphia. Er wurde
am 4. August 1838 iu Giessen. Hessen, ge-
boren und kam im Jahre 184:9 mit seinen
Eltern nach Philadelphia. Er erlernte das
schwer verwundet und im
Jalire iSii.j zuni lirevet-Hrigade-(Jeneral er
iiaiint. im Stadtrath von i'hiladelphia enl-
talli'te er als N'orsitzer des Finanz- Kumites
uml Präsident des Coinmon ("oiuieil eine
segensreielie Thätigkeit. war .Mitglied d.-s
Sehulrathes. Heeoider «»f Deeds, (hinn unter
^Mayoi- Fitler der erste Direktor des Depar-
teilieiils (]rv ("in'cill lidleii Werke uuter dem
GENERAL LOUIS WAGNER.
Geschäft eines Lithograplien, war einer der
ersten Lehrer der deutsch-englischen
Abendschule und eröffnete später eine Ver-
sicherungs-Agentur. Er war beständig be-
strebt, an seiner Weiterbildung zu arbeiten,
und das gelang ihm auch dank seines eiser-
nen Fleisses, seiner Energie, seiner unge-
wöhnlichen Begabung und raschen Auffas-
sungsgabe iu bester Weise. Am Bürger-
kriege nahm er rühmlichen Antheil, wurde
Bullitt 'sehen Stadt-Charter luid ist gegen-
wärtig Präsident dei" Dritten Xational-
Bank, die unter seiner Ijeitung gros.se Fort-
sehritte gemacht hat. Eines wie gros.sen
^'ertrauens und wie hoher Achtung sich
General Louis Wagner in den weitesten
Kreisen der Büigersehaft erfreut, geht
daraus hervor, da.ss er seit Jahren Präsi-
dent der City Trusts ist, welche den .Nadi-
la.ss von Stephen Girard, de.s.sen Werth ge-
GlÜ
DKUTSCIIK IM OEFPKNTTJCHEN LEBEN.
•ri'iiwärtivr $40.1 >(>(•.(•<'<) ülxTstcij;!. iiiul an-
tlfiT für dir Stadt frcniiichU' Stirtuii'rrii vci -
walt.-M. (It'iuTal Wairiifi- ist ein licfvoii-a-
j;.Mi»l«'s Mit^'lifd diT (Iraiid Ai-iii\ <W tlu-
lii'IMil)!!«- und i\vv i-'iviiiiaurcr. In iU'V
DiMitschcii Cicscllschaft von IVnnsylvanicn
hat sich G»MU'ral Wairiirr als laii^rjälirij^nT
Voi-sitzcr ihres Schulkniiiilcs trrossc W'V-
dieiistt* iTwnilu'ii. Iiitcr (icii. WagiK'r's
rräsith'iitscliaft hrwahrt«- dir Deutsche Ge-
sellschaft ihren vocnehnien, konservativen
Charakter, und sein Verdienst ist es, dass
(h-r rnterstüt/.unK ai-mei- Kinwanch'rer
mehr Aufnierksiind<eit von Seiten dersellx'n
•rewithuet wurde, als dies unter etlichen
seiner Vorgänger iler Fall war.
Der hervorra»;ende (U'niokratische \uhI
anti - imperialistische Kampagne - Hedner
((Jold-Demokrat). Lehi-er des Verfassungs-
Ixechts an der Jolni Marshall Law School in
Chicago und Gatte der berühmten Pianistin
{•'annir lU(»omfield-ZeisIer. ><i(/iitiiii(l Z<is-
h r. wui-de am 11. Api'il lS(i(> in liielitz,
Oesterreichi.sch-Scldesien, geboren. Er stu-
dirle Jura inid ('aiiici-;dia in AVien. maelite
(h)rt 188:5 den Doctor Juris, kam nach Ame-
rika, studirte an der Northwestern Univer-
sity nnd wurde 1884 ])ereits zur Advokatnr
in Chicago zugelassen. Er half die Anar-
«•liistcn 1886 — 87 vertheidigen, war 1893 — 4
«■rster llilfs-Stadt-Anwalt in Chicago,
mus.ste aber seiner angegritfenen Gesund-
lieit wegen sein Amt aufgel)en luid reisen.
.Nach Chicago zurückgcUelii-t war ci- als
.\nwalt tliätig.
Deutsch-Amerikaner in der Armee
und Marine.
Der kriege risdien Verdienste der
Deutsch- Amerikaner ist in anderen Kapi-
teln dieses Buches l)ereits gcdaclit worden.
Die Lebensgescliichtc eines Mannes ist
jedoch an dieser Stelle nachzutragen, der
ein geborener Ki-iegsmann und dem es He-
diii-fni.ss war, sich auf dem Schlachtfelde
zu betliätigen. AVo inuner (Jelegenheit
sich bot. dei" K i'irgstrompetc zu folgen,
war er dabei. Kr wiire zu einer anderen
Zeit ein zweiter (jcoi'g von Krundsberg
geworden, der als dei- ..Vatei- der deutschen
Landsknechte"" in der (rescliichte fortlebt.
Doch mag die Geschiclite .seines Lebens inul
seiner Thaten ilie Richtigkeit des angezo-
genen \'ergleichs bestätigen.
Henry Bohlen.
lOine der iiitei'c.ssantesten Krscheinungeii
im deutsch - aniei'ikanischcn Leben ist
Ih iiijj nohlrii, der am 12. Oktober 1810
in Bremen geboren wurde, als seine in
Philadeli)hiH an.sässigen Eltei'n in der
alten Ilan.sastadt sich aufhielten, M'ohiu
seinen Vater die Abwicklung von Ge-
.schäften des Handelshauses B. & J. Bohlen
gerufen hatte. Der junge Bohlen hatte
eine entschiedene Neigung zum Soldaten-
leben. Auf Empfehlung Lafayette's
wurde der junge .Mann im Jahre 1831
Adjutant des französischen ^Marschalls
Etienne ^Maurice Count de Gerard, als
derselbe die Niederländer aus Belgien
verdrängen sollte. Mit ihm naiuii
Bohlen an der Belagerung von Antwerpen
theil. dessen Citadelle von dem nieder-
ländischen General David Henri Baron
Chasse .so heldcnmüthig vom 29. November
bis 23. Dezember 1832 vertheidigt wurde.
Nach I'hiladelphia zurückgekehrt, trat
Bohlen in das von seinem Vater, Bohl
Bohlen. gegründete Handelshaus, das
sjjätei- den Firnuuiamen lleni'y Bohlen c^
Co. erhielt, l'm seiner Passion Genüge zu
thun. schuf er 183(1 in Philadelphia eine
.Miliz - Kompagnie, die ..Washington
(iuards", dei-en Hauptnuum dci* aus der
Ludwig.sburger .Militäi'-Vei'schwörung von
1832 — 33 bekaiuite Oberlieutenant Eni-sl
Liidwifj Kosrrilz wai-. Der ]\litverschwo-
i-ene Ko.seritz's, der alte Feldwebel Ldir.
wai- E.xerziermei.ster, Bohlen „Captain".
DEUTSCH!-: IM OEFPEXTI.K'II KX IJll'.KX.
(u:
l'W lit'ss iiiii-li ciiii' zwH'ite KoiiipaiiMiic bil-
den, sdwie ein Musik-Koi-ps von 'A2 Mmiiii.
Am Kricjic mit ^Icxiko iialim Uolilcii im
Stabe (Jeiieral Wortli's tlicil. Aiicb bei
dem Kiiizufie in die Hauptstadt war er
daliei. Kr liielt sieb mit seiner Familie
fierade in Europa auf. als der Kriiidvi-ie»;
ausbraeli. Uohlen zog als französischer
Otifi/.ier in den Krieg uud nuiehte die He-
lageruug von Sel)ast<)pol mit. Daiui kehrte
er zu seiner Familie, die in Holland weilte,
zurüek. Die Xaehrieht von der Einnahme
von Fort Sumpter veranlasste Bohlen zur
sofortigen Einsehitt'ung naeh Amerika. Er
organisirte in Philadelphia ein deutsches
Regiment, das 75. der Pennsylvanischen
Fi-eiwilligen. und deckte die Rekruti-
i-ungs-Kosten aus eigener Tasche. Er
wurde Befehlshaber der 3. Brigade in Ge-
neral Blenkei-'s Division, zeichnete sich in
der Schlacht bei Cross Keys rühmlichst
aus und fiel, als er am 22. August 1862
seine Brigade am Rappahannock im
mörderischen Feuer zum Angriff auf den
Feind führte. Er war Vize-Präsident der
Deutschen Gesellschaft von Pennsylvanien
von 1843 — 46. Folgender Vers aus dem
„Gesangbuch für Col. H. Bohlen 's Regi-
ment, Philadelphia. 1861" charakterisirt
am Besten den IMann :
Und opferst Du Dich auf. wohlan!
Vergehens stirbt kein Ehren-^Mann.
Als Offiziere in der Armee und Flotte
der Vereinigten Staaten haben in unserer
Zeit folgende Deutsch-Amerikaner eine
hervorragende Stellung sich erworben :
Zum Kontre-Admiral in der V. St. Flotte
hat es der Sohn des bei'ühmten deutsch-
amerikanischen ^Malers Emanuel Leutze,
Eugene Ileunj Leutze, gebracht. Er war
am 16. Novendjer 1847 in Düs.seldoi'f gebo-
ren. Präsident Lincoln veranlasste seine
Aufnahme in die .Marine-Akademie im
Jahre 1863. Aber bereits im Sommer des
Jahres trat der junge Leutze als Freiwil-
liger in (|,Mi Floltendi.'Mst utid madite an
Pord der ...Montieello". dir zum nonlatlan-
tischen Geschwader geliiu-te. den Krieg mit.
Im spaniseh-amerikaiii.selien Kriege /cicli-
iiele er sich dadur.li aus. dass er d,-n .Moni-
tor „Moiiterey" befehligte, als dieser seine
gefahrvolle Rei.se na.-li Manila antrat. Die
.,Monterey" njduii an d.T Belagerung luxl
Einnahme von Manila einen hervorragen-
den Antheil. da ihre drolienden Batterien
den Spaniei-n di-n .Muth nahmen, i-s auf
eine Pesehiessung der Stadt aid<ommen zu
lassen. Kapt, Leutze war auch an deti
Kämpfen mit Aguinaldo betheiligt. Er
war Konnuandant der Flottenstafion Ca-
vite auf den Philippinen, später Superin-
tendent dei- Marine-Ge.schütz-Fabrik in
Washingt(m, Befehlshaber der neuen
,. Alaine", Konnuandant des SchitTsbau-
hofes in Washington und wurde am 6. .luli
lf)()7 zum Kontre-Admiral befördert.
Einer der hervon-agendsleii ( )l1iziere der
Bundes-Armee ist der am 23. DeztMnber
180!) in Cnterböhringen, Oberamt Gei.slin-
gen in Württend^erg geborene ('(irl lidcli-
iiKiHii. der von 1877 bis Sl an den Tniver-
sitäten Tübingen und München studirt
hatte. Er kam nach Amei-ika. trat als Ge-
meiner am 6. Dezember 18S1 in die Bun-
des-Armee ein. hatte es aber am 6.
August 1884 schon zum ruter-Lieutenant
gebracht. Er absolvii'te die Infanterie-
und Kavallerie-Schule im Jahre 1889.
wurde 18i)l Premier - Lieutenant und
1898 Kapitän der V. St. Infanterie. Er
nuichte als ]\Iilitär-Attache den Buren- und
später den russi.sch-japanisehen Ki'ieg mit.
zeichnete sich vorlier in den Kämpfen auf
den Philii)pinen aus und übersetzte vi-r-
sehi(Mlene deutsche kfiegswissen.scliaft liehe
Werke in 's Englische. Reichmann ist zur
Zeit dem Kriegs-Departement in Wash-
ington attachirt.
Mil dem Range eines Kontre-Admirals
schied am 22. September lil()3 ans .lei- linn
618
DEUTScHi: IM ()Hfpknti>kiip:n lp:ben.
(Ii's-Mann.' il.-r im -liiluv 1S41 in Osiia-
hrück jrchomi.' l\<nl Hafml h'odLn: Kf
war Schitfs-In^'ciiicur. In «l«''i Flottcn-
Dinist war .t im .laliiv lSti2 cin^'i'tretcn,
ISIUI ward er Clu'f-lii^'cnii'iir. am ö. März
]W2 fol^'tt' scinr KnicnmiiiM: >''nni Captain
un.l am L**J. S<-pti-ml).'r l!>(i:{ hei seiner Pen-
sioniruntr lüi' zum Kontre-Admiral. Zuletzt
war er im Fiselierei-Bureau des Ilandels-
und Arheits-Departements thätij,'.
Als Hriiraile-(j!eneral der i-egiuäreii
Armee wurde im Fel)ruar 1!)(»1 auf eijjenes
(iesueh naeli 40.iähri^rer Dienstzeit peusin-
nirt der am !). Juli 1S41 in Deutschland ge-
horene Thfodnr Schwan. Kr war im .Jahre
ISöT naeli Amerika gekonnnen. Er zeich-
nete sieh in ileu (.Jefeehteii bi'i Chapel
Ilouse, Va., und l'eehles Farm, l'a., im
Oktober l^!(j■i aus. kommandirte die west-
liclie Kolonne di-r Porto-Kieo-Armee, war
Stal)s-('hef tier Philipi>inen-Divisiuii und
die rechte Hand des Militär-Güuverueui*s
(U'r Inseln.
(lewalt i<res Anfsthen eri'e«;te seiner Zi'it
in militärischen Kreisen die Erfindung des
pnenmatiselieii Dynamit - Türi)edo - Ge-
seliiit/.es, von dem man sieh eine Uniwäl-
zun«r (Um- ijanzen Kriegsführung versprach.
Die Hrtindung hat das nicht gehalten, was
man von ihr erwartete. Der .Mann, der sie
machte, war in Deut.schland, und zwai- in
Kiu'uik in der l'rovinz Posen am P5.
Dezend)er 184JJ geboren, aber als 4 Jahi'e
alter Knabe bereits mit seinen Eltern nach
Amerika gekonuiieii. Sie Hessen sich in
Seneca Falls, X. Y., nieder. Der Knabe
besuchte dort uiul in Syracuse die Schule.
Er trat als freiwilligei* Adjutant in den
Stab General Nelson A. Miles' im Jaiire
18H4 ein luid machte den Krieg bis zum
Ende mit. Es war Kdnntiul Louis Gray
Zaliiishl. Im Februar 1865 war er wegen
bewiesener Tapferkeit in der Schlacht von
Ilatchei-'s Kiui zum Lieutenant Ix'föi-dert
worden. Ei* wui'de dann Artillerie-Offizier
in der regulären Armee, wirkte als Profes-
sor tier .MilitärAVissenscluiften am Ma.ssa-
chusi'tts Institute of Teclinology, absolvirte
die V. St. Artillerie-Schule in Fort >b)nroe.
\'a., luid die ,,Sehool of Sul)marine Min-
ing" in Villett's Point, N. Y., beschäftigte
sich von ISS'i — 1889 mit Experimenten und
der Vervollkommnung seines Dynamit-Ge-
.schützes, wurde im Dezember 1887 zum
Captain befördert, reiste im Auftrage der
Armee 1889 — 90 in Europa, um militäri-
sche Informationen zu sannueln, nmchte
mehrere Erfindungen für das Kriegswesen,
schied 1894 aus der Armee und erliielt 1904
^lajors-Kang. Er wohnt in New York.
Deutsche Maenner, die sich verdient
gemacht haben.
Andere Deutsche, die sich Verdienste
erworben haben und deren nocli nicht
Erwähnung gethan wurde, sollen an dieser
Stelle genannt werden.
Der amerikanische General - Betrieks-
Leiter der Hamburg-Amerika-Linie ist der
am 15. November 1854 in Görlitz geborene
Emil Leopold Boas. Er kam im Jahre
1873 nach Amerika und ist seit 1892 Gene-
ral-Betriebs-Direktor der Hamburg-Anie-
rika-Linie in New York. Er ist Ritter
zahlreicher Orden, ^Mitglied verschiedener
Ge.sellschaften und Vereine, darunter der
Germanistischen Gesellschaft von Amerika,
der New Yorker Handelskammer und Prä-
sident der „Atlas Steamship Co.".
Unbestreitbare \'erdienste um da.s
Deutschthum des Landes und seine kultu-
rellen Bestrebungen hat sich Dr. Karl
liüiiz, zur Zeit deutscher Gesandter in
:\Iexiko, erworben. Er erblickte in ^Manie,
Holstein, das Licht der Welt, studirte in
Kiel, Leipzig und Berlin, trat 1887 in den
Dienst des Auswärtigen Amts, war von
DEUTSr'FFK IM Ol^FPl-NTIJci 1 1;.\ LKliKN.
OI<t
1892— 1890 deutseher Konsul in Ciiii-ago
Präsident der Preisrichter-Behörde füi"
Kunstgewerbe und freie Künste wälirend
der dortigen Ausstellung und \\\irde im
NoxxMuber 1899 zum deutsehen General-
Konsul in New York befördert. Er wii-kte
in dieser Stellung neun Jahre lang. Kr
war einer der Gründer der Gennanistisehen
Gesellsehaft von Amerika, die seit Jahren
eine überaus rege Thätigkeit in Bezug auf
den Austausch geistiger Errungenschaften
Deutschland 's und der Vereinigten Staaten
entfaltet hat.
ent im V. St. Küsten- und Erd-
niessung.sdienst seit dem 1. Juli 1871 ist
der am 29. Januar 1841 in Braunschweig
ireboreue Wilhelm Einihcck. Er hat auch
Erfindungen für den Yermessung-sdienst
gemacht. Er wohnt in AVashington.
l'm die Erforschung Arizona 's hat sich
IhniHinn von EJirenherg, geb. 1830 in
-Marien Werder, verdient gemacht. Er war
Burschenschafter und musste fliehen. Er
kam nach Texas und betheiligte sich an
dem dortigen Freiheitskampfe gegen
Mexico. Er schilderte die Erlebnisse der
texanischen Revolution in einem Buche.
Dami wurde er Feldme.sser, war als solcher
in Arizona thätig und erforschte das Land.
Werthvolle Beiträge zur Geschichte un-
seres Landes geliefert hat der am 23. No-
vember 1837 in Inovrazlaw (seit 3905
Hohensalza) geborene Berthold Fcrnoiv.
Er war Reserve-Lieutenant der preussi-
schen Armee, als der Bürgerkrieg ihn ver-
anlasste, nach Amerika auszuwandern. Er
trat als Gemeiner in das 4. Kavallerie-Re-
giment von ]\Iissouri ein, wurde Lieutenant
nii 3. V. St. Infanterie-Regiment (farbig),
war topographischer Ingenieur der Küsten-
Division des Departements des Südens
(1864) und Staats-Arehivar in Albany von
1876 bis 1889. Er sehrieb „Albany and
•ts Pia.-,, in ,1,, iii,,,,,,. ,,,. ,,,,. j.^^^j^^j
Stales", ..Ohiu Vi.lK.y in Cnjunial Davs".
'■'•••.■msuvlMT ,,,„1 rebei-setzcr von ..d'o.mi-
'iH'Hts Krlatin- tu ('„jnnial lli.story of NVw
Vnrk". „New Vnrl< in th.- Kt-volution ".
..H.Tnnls ,.r .\,.u .\i„sf,.rdanr\ ferner
ordncle er die .\ivliivc v..n NCu .In-sey von
KS})8-1!M)2. Kr i.st Mitgli..,! des Military
Order of Loyal Legion, vieler liistori.s.-li,.|-
Gesellschaflcn und des Ariiiy and .\avy
(Mull in Xcw York.
'^'''" '^';><«'i- ^\'-r lilni(|rn-.\nstall.-n in
Penn.sylvanim wnv ./ ulius L'i inhnhl Frud-
länder. Er hatt.- in Deutsehland |{lind.-n-
Anstalten kennen gelernt und kam als
erster Lehrer des 1833 in Pliiiad.'iplii;. von
Quakern gegrümleten ..Pennsylvania In-
stilut«'" iiacli Amerika. Di.- Anstalt ist
zur Zeit eine tlci- besten dw Welt. Pri.'d-
länder richtete die Schule si-hr .sorgfältig
ein. Er stellte die Arbeiten .seiner blinden
Zöglinge aus und machte die Legislaturen
von Pennsylvanien. Delaware und .\e\v
Jersey darauf aufmerk.sam, sowie auf die
Noth wendigkeit eines systenuitisehen Pn-
teri-iehts von Blinden. Sämmtliehe drei
Staaten machten Bewilligungen für die
Blinden-Anstalt. später am-h der Staat
Mai-yland. Leider ist Friedländer .seliun
im Alter \-on 38 Jahren gestorben. Er war
in Berlin geboren.
Dl-. 11'. A. /'lilscli, geboren am 22. .NH-
vend)er 1841 in Gollnow. PomiiuM-n. be-
suchte das Real-Gynniasium in Stettin
und kam. naeh dem Tode seiner Litern
18()2. zu \'erwandten nach Amerika. In
Evansville. Indiana, wo er sii-h nieder-
liess. trat er in das 13(i. Indiana Infan-
terie - Regiment mit \ielen andern
Deutschen und machte den letzten Tlieil
des PnidU-Krieges mit. .\acli dem Kriege
studirte er .Medizin und graduirte von drr
Pnivei-sität in Cin«'innati als Doefor
Medieinae. worauf er sieh in Kvansville.
Ind., als pi-aktiseher Arzt niederliess. Gou-
Ü20
DEUTOClIi: IM ()EFFK.\TIJCIli;.\ LKÜKX.
venuMir (Jray cnianntc ihn zum .MitKÜi'tli'
(Um- Staiits-iJcsumlhcits-Bchördc. wclclics
Amt vv vier .liilirc iiiiu' liatfc und wälirciid
(U«'s«'r Zrit für dif jiilii-liclicii lu-ports viele
lieitrÜKt- lieferte. lliter Plilsidelit Cleve-
land war Dr. W. A. Kritseh Mitjudied des
., Board of Pen.sioii Iv\aiiiiiiiiiK Surgeoiis"
in Kvansville: er jrehört dem Farragut
l'ost der (irand .\niiv of tlio Kepuhlie an.
I'nter den Deut.sehen hat sich Dr. Fritseh
dureli seine vielen Beiträge für dentselie
Zeitnn^'en. hier nnd in Deutseliland,
hekannt «remaelil. Fr ist \'erfasser folgen-
der Selwiften :
..Zur (Jesehiehte des Dentselithums in In-
diana", von \V. A. Fritseh. F. Steiger &
Co., 1896.
..Au.s Amei-ika. Alte und Neue Ilei-
math". von \V. A. l-'ritsch. \\'rlag von
Wilhelm Prange, Stargai'd. J*oinmern,
UM Mi.
..Deutsehe Spraeho mid Deutsches Stre-
iten in Anu'rika", von einem Deutsch-
Amerikaner, 1!)07. (Dr. W. A. Fritseh.)
Dr. W. A. Fritseh ist Vorsitzer des Komi-
tes für Geseljiehte im Staatsverbande von
Indiana nnd hat als solcher auch mehrere
geschieht liehe Aufsätze nnd Berichte ge-
liefert.
Die ei-ste Küsteuverme-ssung der Verei-
nigten Staaten naeli wissenschaftlicher
Methode wurde von Ferdinand Rudolph
Ilasslcr, einem Deutsch-Schweizer, vorge-
nonnnen. der am 6. Oktober 177U in Aarau
in der Schweiz geboren war. Sein Vater,
ein wohlhabender und angesehener Uhr-
macher, wollte ihn die Rechte studiren
las.sen ; er wunh' Landmesser und nahm
Vermessungen im Benier Lande vor, bei
denen er das System der Triangulation,
das damals noch neu war, in Anwendung
brachte. Va' hatte sich durch den Besuch
von Fniversitäten und Sternwarten nicht
allein z»i einem Fxi)erten in seiiu'm Fache,
.sondern auch zum nandmften ]\Iathemati-
ker und Astronomen ausgebildet. Im
.lahre 1805 eut.scldoss er sich zur Auswan-
dei-nng nach Louisiana, wo er Land durch
Vermittlung eines Agenten gekauft hatte.
Aber bei der Ankunft in Philadelphia war
der Agent, der vei-sprochen liatte, ihn zu
ei-wartcn, nicht da. lla.ssler stand mit
seiner Frau und seinen vier JuJigen Alex-
ander, Scipio, Aeneas und Ulys.ses rathlos
da. Fr gelangte nicht nach Louisiana,
wohl aber durch seines auf See gewon-
nenen Freundes Vaughan Vermittlung
als Profes.sor der Mathematik in die Kadet-
ten-Anstalt in "West Point, wo er vou 1807
— 1810 lehrte. Darauf wurde er Lehrer
am Fnioii College. Fr wurde beauftragt,
sich uach London zu begeben und die
neuen Instrumente zur Landes- Vermessung
nach dem Triangulations-Sj'stem anferti-
gen zu la.ssen. Der Krieg brach aus, und
Ilassler wurde als Offizier der Vereinigten
Staaten auf ein Gefangenen-Schiff ge-
bracht. Nach zweijähriger Haft wurde er
entla.sscn und kam nach Amerika zurück.
An Vornahme der Vermessungen war nicht
zu denken, da es an Geld fehlte. So wurde
Ilassler Farmer. Er kaufte Land im nörd-
lichen Theile des Staates New York. Als
Farmer war er nicht erfolgreich, aber als
Verfasser wissenschaftlicher "Werke, welche
ihm den Ruf eintrugen, der bedeutendste
.Alathematiker Amerika 's zu sein. Endlich
hatte sich die finanzielle Lage des Landes
gebessert, und Ha.s.sler wurde der erste
Superintendent des Küsten-Vermessungs-
dienstes. Er bezog als solcher $6,000 Ge-
halt, während einer seiner Söhne als sein
Assistent $3,000 erhielt. Er war auch eine
Zeit lang der Leiter des Schatzamts- j
Bureaus für blasse \u\d Gewichte, als es
sich darum handelte, eine Norm dafür zu
scliatfcu. Ilasslcr starb am 20. November |
18-1:3 an den Folgen einer Erkältung, die 1
er sich im Dienst zugezogen hatte. Seine
wissenschaftlichen Werke haben auch in
Europa Anerkennung gefunden.
"Wie hoch Hassler 's Verdien.ste von der
Bundes-Regierung geschätzt wurden, er-
DiaiTsciif-: nr oeffkntlk iikx i.hhkn.
621
hellt daraus, dass ein Küstenverinessungs- boren, wo er his zu sciii.in vierz.-luil.-ii
Dampfer naeh ihm g:enaiint und die erste Jahre die Garnisonseliule hesuehte. Als
Tiefsee-Forsehungs-?:xpedition von Reden- daiui sein Vat<-r als Znlleinuehmer iiaeli
tunjr. welche von dei- Vereinig:ten Staaten einem hiannsehweitriseh.ii Dnrf,-. .Mt-rxliau-
Küstenvermessunir aus^nnn.. .. Kassier Ex- sen, versetzt wurde, erhielt er no,-h l'nt.'r-
pedition" frenannt wurde. Die Expedi- rieht hei dem Pastor d.-s henaeliharten
tion. zu der Pi-of. Louis Agassiz. Di-. V. haniKlvciisclun Dorfes .Maekensen und
CARL FRIEDRICH HUCH.
Steindorfer ( lchtliyol(t>re) , Graf l'ourtales wurde ilort Uonlirmirt. Im .lalnv ]S4»i kam
und andere trehörten. fuhr am 4. Dezember er als Sehriftsetzerlehrling in eim- liueh-
1H71 von Boston ab und erreiehte San di'uekerei in liraunseliweitr. verliess sie
Francisco im Au<,nist 1872. jedoch Ostern 184S. um im dortifreii Colle-
jrium Carolinum Tnf?enieurwissenschaften
Carl Friedrich IIucli wurde am 5. Sep- zu stndiren. Er nalun vo^n\ Antheil an der
tnnber 1830 in der Stadt Braunschweig ge- danudigen freiheitliehen [Bewegung un<l
DEUTSCHE TM OEFPHNTl.K HEN LEBEX.
wunlt' Miffrücd dt-r von den ('(»llcjriaiKM-n
und Tum. 'IM ircbildeten Volkswohrkoni-
patruic. Im S»'|it('iub('r ISfjO wanderte er.
als erster seinei- Familie, mich Amerika aus
und kam am (i. Xnvendier mit dem Seliifi'e
..Louise Marie". Kapitän Weneko. als
Zw iseiiendeekspas.sa«rier mit einem Baarver-
mö^'en von fünf Dollai-s in IMiiladelpliia an.
Da es ihm ni<-lit };elan}?. in seinem Stu-
dienfaelie Beseliäft ipfuiig 7.\\ finden, so nahm
er nach einijren "NVoehen eine Stelle als
St'tzer an einer .onffüsehen AVoehenzeitnn«;
an, da ihm die enirlis<-he Spraehe sehon «re-
läufi^' war. Kr durehreisto Aniei-ika bis
naeh St. lionis und arbeitete als Set/er.
fast innner in Taireszeitun!.'s-l)i-uekei'eien.
in riiiladelphia. New York. Norfolk und
Cineinnati. Im Januar TSr)4 erliielt er eine
Stelle im Kontor der {rrössten und ältesten
Schrift«ries.serei in rhiladeli)hia, wurde
ISöt) zum Bueldialter mid Kassirer beför-
dert und als. nach dem Tode eines der
Theilhaber. diereberlebenden anfangs 1885
das (Jesehäft unter dem Nanu»n Tiie ^lae-
Kellar. Smith aud Jordan Company in-
korporiren Hessen, erwarb er einen Antheil
und wurde einer der Inkorporatoren und
Direktoren. Als im Jahre 1889 der Sehatz-
meister John F. Smith starl). wui-de ei- zu
dessen Xaehfolirer erwählt und verwaltete
dieses Amt noeli. als die Kom])a«rnie im
Xovend)er 1892 ihre im Jahre 179ö gegrün-
dete Schrift- und Stereotypen-Giesserei an
die American Type Foundei*s Company
verkaufte.
Iluch zog sieh mm ganz vom Geschäft
zurück, behielt jedoch seinen AVohnsitz in
Philadelphia, verbrachte aber jedes Jahr
die Sommermonate mit seiner Familie auf
seinem Landsitze in den Allegheny-Bergen.
Er verheirathete sieh im Jahre 1873 mit
einer hier geborenen Deutschamerikanerin,
Anna Greutz. die ihn mit einer Tochter und
drei Söhnen beschenkte. Im Jalire 1902
besuelite er mit Frau und Tochter das alte
Vaterlantl zum ersten Male wieder und
sandte im Jahre 1906 seine beideii
jüngsten Söhne dorthin, damit sie deut-
.sciies Leben aus eigem-i" Anscliauung
l<eiinen lerjiten.
Finen grossen Tlieil seiiiei' freii'U Zeit
Ncrwandte Iluch auf das deutsehe Vereins-
leben. Kv betheiligte sieh an fast allen
Sängerfesten des Nordöstlichen Sänger-
bundes, sowie an vielen kleineren in ])enn-
sylvanischen Laiulstädten. und vertritt
noch jetzt seinen Verein, die Harmonie, als
Delegat bei den Vereinigten Sängern Phi-
ladelphias. Im Jahre 1880 wurde er ^lit-
gründer des Deutschen Pionier- Vereins,
einei- zur Förderung deutsch-amerikani-
scher Geschichtsforschung von Professor
Oswald Seidenstlcker in 's Leben gerufenen
Gesellschaft. Als Sekretär derselben leitet
ei- die Herausgabe seiner ..^littheihmgen".
Hl- ist ^litglied der Deutsch-xVmerikani-
schen Historischen Gesellschaft und war
ihr erster Vize-Präsident. Auch der Ilisto-
rical Society of Pennsjdvania gehört er an.
Obgleich Hnch schon in den Jahren
1848—50 einiges für die ..Blätter der Zeit"
in Braunschweig schrieb, so hatte er doch,
während er in Amerika geschäftlieh thätig
war. weder Lust noch Zeit zu literarischen
Arbeiten, die er deshalb nur sehr selten
unternahm. In der jüngsten Zeit hat er
sich aber anhaltend mit deutsch-amerikani-
scher Geschichtsforschung beschäftigt und
das p]rgebniss zum Theil in den ..German-
AnuM-ican Annais" nnd den ..Mittheilungeii
des Deutsehen Pionier-Vereins" veröf-
fentlicht.
..Je lauer die öffentliche Sympathie für
Personen ist, auf denen der Verd;icht einer
entehrenden Handlung lastet, desto ver-
dienstvoller ist es. den unschuldig Betroffe-
nen aus seiner bejammemswerthen Lage
zu erretten. Die Wohlthaten. welche aut
diese Weise erwiesen werden, sind nicht
nach der Anzahl verausgabter Dollars zu
messen, wohl aber nach den getrockneten
Thi'änen. dei" abgenonnnenen Unglücks-
bürde und der AViederhei-stellung des
DEUTSCill-: IM ÜEFFEXTIJCIIKN LKUKX.
628
Lebeiisglückes", schreibt Oswald Seiden-
stk'ker in einer Schilderung des Lebens
Joseph Kinikc's. Derselbe hat sich durch
seine Bemühungen für unschuldig Verur-
theilte luid für entlassene Gefangene
grosse Verdienste erworben. Xainentlich
deutscher Landsleute nahm er sich an.
Kinike. der 1811 in p]rkeln bei Brakel,
"Westfalen, geboren, in IS-lf) iiacli Pliila-
deljihia gekoinuien war inid in den Jahren
]g^-) — ]867 als Spirituosen-Grosshändler so
viel erworben hatte, dass er sich vom Ge-
schäft zurückziehen konnte, war unermüd-
lich im Dienst der Humanität bemüht.
Er war ]\Iitglied des Verwaltungsraths der
Deutschen Gesellschaft und des Deutschen
Hospitals, bekleidete Vertrauensposten in
beiden, nahm sich verwahrloster Kinder
an. förderte den deutschen I"interricht, war
Präsident des Jungen ]Männerchors. half
das Humboldt-^Ionument im Fairmount
Park errichten, veranstaltete Weihnachts-
bescheerungen für arme Kinder in den
Räumen der Deutschen Gesellschaft und
hat als Direktor der Gesellschaft zur Be-
freiung unschuldig Verurtheilter und Für-
sorge für entlassene Gefangene unermess-
lich viel Gutes gewirkt. Kinike starb im
Jahre 1884.
lUidoIph Koradi, dessen Familie ur-
sprünglich von Oberneuntorn, Kanton
Thurgau. in der Schweiz stammt, wurde
am 24. Dezember 1824 in Zürich geboren,
wo er seine Erziehung und Schulbildung
erhielt. Im Jahre 1840 trat er bei dem
dortigen Buchhändler Friedrich Schulthess
in die Lehre. Im Jahre 1850 entschloss
Koradi sich zur AiLswanderung nach Ame-
rika, wo er sich, nach einem Aufenthalte
in New York und verschiedenen Reisen,
im Herbste 1851 mit dem Leipziger Buch-
händler Ernst Schäfer in Philadelphia
unter der Firma Schäfer und Koradi ver-
band. Nach dem Tode seines Tlieilhabers
und Schwagers im Jahi-e 1878 fühi-te er
das Geschäft unli-r der alt.n l'^imm auf
eigene Rechinnig wt-ilcr.
1)11 XdvciiilxT 1S.')7 wurdr er auf Eiii-
pfeblung des damaligen schw«'iz('risi'li('n
(Jencral-Konsuls. Jolui Hilz Scn. iu Wash-
ington, zum Schweizer Konsul für die
Staaten IN-nnsylvanien und New Jci-sey er-
nannt, welches Amt er naliezu fünfzig
.Jahre bekleidete, so dass er sich von den
konsularischen Vertretern in Amerika am
längsten im Amte befunden hat.
Iiii I)ezend)er 1897 feierte i'i- sein vier-
zigjähriges Amtsjubilämn. wozu ihm. bei
einem V(m seinen Landsleutfii veranstal-
teten Ehrenbankett, durch den sdiweizeri-
schen Gesandten Dr. J. B. Pioda. ein aner-
kennendes Glückwunschschreil)en »h'r hei-
mathlichen Bnndesbehörde, nebst brielli-
chen Gratulationen der früiieren Ge-
sandten, Oberst Emil Frey und Dr. Alfred
de Glaparede. überreicht wurde. Im
Jahre 1860 gründete Hud(»lpli Koradi
die Schweizer Wohlthätigkeits - Gesell-
schaft, der er seit jener Zeit, also nahezu
siebenundvierzig Jahre, als Präsident vor-
gestanden hat. P\M-ner war es der Sezes-
sionskrieg, der ihm in seiner Stellung viel-
fache Gelegenheit bot. verwundeten und
gefangenen Landsleuten hilfreiche Hand
zu leisten. AVährend der Ausstellung im
Centennialjahre 187() war er Mitglied der
schweizerischen Ausstellungs - Kommission.
Alle patriotischen Feste seiner Landsleute.
so die im August 1801 abgehaltene Jubel-
feier zur Erinnennig an das (ilMljährige
Bestehen der P^idgenossenschaft, suchte
Koradi zu fürdern. inul fast stets war er
dabei Festredner.
Bei seinen Landsleuten war Koradi all-
gemein beliebt und geachtet, und wo es
galt, irgend eine gemeinnützige Sache zu
fördern oder :Misshelligkeiten zu schlichten,
da wandten sie sieh an ihn. i)«'n Bedräng-
ten unter ihnen, in wie ausscrliall» IMiila-
(leli)hia's. war er stets zu heli\-n bereit.
Obgleich er schon seit einiger Zeit kränk-
lich war. so trat sein Tod doch plötzlich
6. '4
DErTSCHK IM ()KFPF':NTLI( IIKX LKI'.KN.
am 1-J. .lami.ir l!>t>7 ein. Kr wunlc am
Hi. .lamiar auf ih'iu Siid-Laiiri'l-IIill-
Frit'dliuff ln'jrral)«'ii.
|).T lirdciitfinlstr 1 iol/scltiicidcr ili di'M
X'.-rriiii^'tfii Staatt'iJ bis zu sciucm 1I>(>7 ci--
ft.lu'lrn Tode war der in Düsseldorf 1S4:^
ir.-lM.n-iK' diistar Knull. Kr war ein Schü-
ler IJieliard Hreiid 'anuMirs in Düsseldorf.
Kr siedelte im .lalire 1S78 nach den Vei-ei-
ui-rteii Staateil üher. Seinen Wohnsitz
hatte er in Käst Oraii^'c. X. .1. besonders
zeiehnete er sieh als Portrait-Ilolzsehneider
aus. Kr wurde ehrenvoll erwähnt auf der
l»ariser Weltausstellung; ISS!), erhielt IS!»:?
eine Medaille hei (h-r Ausstelhui^r in Chi-
eai^o und l!l<>4 die ^foldeiie .Medaille in St.
liouis. \']r war .Mitirlied der . Society of
Amei'iean Wood Kn«ri"iivers".
Der liefreier der österreiehisehen Ban-
ernsehaft von llalhhöri^'keit. Zins- luid
Dienst ptiieht. Dr. II ans Kndlich, hat seit
vielen .lahren in .Vmerika sein TTeini. und
zwar in Ilohoken. X. .1. Kr wurde im
•lahre lS2:i in (h'in Dorfo Lohenstein in
Oesterreiehiseh-Sehlesien «gehören, wurdi
in den Kämpfen der Wiener Märztage ver-
wundet, kehrte zur l'f1ej=^e auf den heimath-
lielien Hof zni'üek und winde auf Grund
(h'r gewährten Verfassung als Voi-kämpfer
für die He<'hte der Hauern in den ersten
konstituirenden Reichstag gewählt. Kr
tiat am 10. Juli 1S4S als jüngstes Mitglie<l
in denselheii ein. Schon zwei Wochen spä-
ter, am 2.'). .Juli, reichte er. wie er seinen
Wählern veiNprochen, den folgenden An-
trag ein: ..\'on nun an ist (his Gutsunter-
thänigkeits-Verhältni.ss sannnt allen daraus
entspringenden Hechten und Pflichten auf-
g«'hohen. vorhehaltlieh der Hestinnnnngen,
ol) und wie eini' Entschädigung zu leisten
sei." l'eher diesen Antrag wurch' sechs
Wochen verhandelt, nicht im Aus.schnss^
sondern in otTener \'ersamndung. ?]s wur-
den in (lieser Zeit 141 Reden gehalten, T-\
.Vmendenu'iits und einmal die Kahinets-
Frage gestellt, l'nd endlieh wurch' ein den
Bauernstand völlig hefriediirendes (Jesetz
vei'cinhart. welches am 7. September 1S4(S
die Sanktion des Kaisers erhielt. Tn seinem
IIeimatlis(h)rf ist dem liefreiei- der öster-
reii'hischen Hanenisehaft zu Klii-en ein
Hans Kudlich-Thurm ei-i-iehtet worden. diT
seinen Kulim der dankhai'cn Xachwelt ver-
kündet.
Gründei- von Kaktus-Farmen und Kx-
porteur von Kaktus-PHanzen an alle hota-
nisehin (lärten dei- Welt ist der in Phöni.x.
Arizona, ansässige, in Altenhurg am 27.
Ajiril 1S;^S gehoi-ene Di". Ixichard Ernst
h'ititz'. Kr hatte, ehe i-r nach Ai-izona
ühersiedelte und doit Studien üher die
Pflanzen- und Tnsekten-Welt des Territo-
riums, namentlich in P>ezug auf ihren
Werth füi- die Ai-zneimittel-lii'hre. auf-
nahm, in Xew Yoi'k' in-aktizirt. Er hat
mein eie fachwissenschaftüche Ahhandlun-
iren geschrieben.
Frii (li-i<h Leser, geboi-en am 1. Februar
]S'M in Lahr. Grossherzogthum Baden, be-
suchte bis zum 14. Jahre das dortige Gym-
nasium, trat als Lehrling in eine Gr(>s.s-
handlung. ging 1853 nach Amerika, kam
1857 nach St. Louis, ]\Io.. wo er sieh 1860
mit Fräulein Kmilie Vogel ans Sachsen
verheirathete. Dieser Khe entsprangen 0
Kinder, von denen 5 Söhne und eine Toch-
ter noch am Lehen sind. 1880 kam er nacii
Philadelphia, nachdem 1886 seine Frau ge-
storben, ging er 188!) mit Fräulein Klise
Iloman eine zweite Khe ein. Sowohl in St.
Louis als auch bis heute in Philadelphia be-
kleidete er verantwortliche Stelhuigen in
Pauken und anderen Geschäften. Fa- ist
Mitglied des Turnerbundes seit 52 Jahren,
und der Deutsclien Gesellschaft von Pa.
gehört er seit dem Jahre 1880 an; er
war Schatzmeister des Vororts vom Turner-
Inuid in St. Louis und des \'ei-waltinigs-
DEUTSCHE IM OEFPENTLICIIEN LEBEN.
Ö25
nithes clor Deutschen Gesellschaft von
rciiusylvanien in Philadelphia. Er hat
überhaupt, trotzdem er als junger ^lann
nach Amerika kam und .lahre lang deut-
schen Umgangs entbehrte, seine Vorliebe
für deutsches Wesen, Sitten imd Gebräuche
beibehalten und seinen Kindern soviel als
möglich übermittelt und eingepflanzt. Beim
Ausbruch des Bürgerkrieges trat er in die
rnions- Armee und diente zwei Jahre im
17. ^lo. Western Turner Rifle Regiment
als Adjutant, bis ihn eine schwere Ver-
letzimg zwang, seinen Abschied zu nehmen.
Friedrich List gehörte zwar nur kurze
Zeit den Vereinigten Staaten an, doch er-
scheint er bedeutend genug, um in diesem
Buche eine Stelle zu finden. Er war in
Reutlingen im Jahre 1789 geboren. Sein
Vater war ein wohlhabender Gerberei-Be-
sitzer. Friedrich List wurde im Jahre
1817 zum Professor der National-Oekono-
mie an der Universität Tübingen ernannt,
musste jedoch 1819 zurücktreten. Aus
dem württembergischen Landtage wurde er
1822 wegen einer der Regierung anstössigen
Kritik ausgestossen und entzog sich zehn-
monatlieher Gefängnissstrafe durch die
Flucht. 1825 kam er nach Pennsylvanien,
versuchte sich als Farmer, dann als Redak-
teur einer deutschen Zeitung in Reading
und veröffentlichte 1827 eine Flugschrift,
betitelt „Outlines of a New System of
Political Economy", in welcher er die
Schutzzoll-Doktrin vertheidigte. Die Ent-
deckung von Kohlenlagern auf seiner
Farm machte ihn zum Avohlhabenden
Manne. Im Jahre 1830 wurde er zum
V. St. Konsul in Hamburg ernannt, erfuhr
aber bei seiner Ankunft daselbst, dass der
Bundes-Senat die Ernennung nicht bestä-
tigt habe. Er wurde 1833 Konsul in Leip-
zig, gab aber die Stellung bald auf, da er
bei der sächsischen Regierung persona non
(jrafa war. Seiner Agitation war der Bau
einer Bahn von Leipzig nach Dresden zu
verdanken. Kr trat nncnnüdiicli für den
Bau von p]isenbahncn nnd Schntzzoll ein.
Auch regte er die Bildung von Fabrikan-
ten-Vereinigungen an, mn deren EinMuss
zu he])en. Im Jahre 1837 begab er sieh
nach Paris imd sehrieb für die „Augsbur-
ger Allgemeine Zeitung" Aufsätze volks-
wissenschaftlichen Inhalts. Si.' wunlt-n
1841 in Buchform unter dem Titel „Djw
nationale System der politischen Oeko-
nomie" publizirt. Im Jahre 1843 gründete
er in Augsburg „Das Zollvereinshbitt", in
welchem er einen deutsciien Zollverband
und die Gründung einer deut.schen Flotte
befürwortete. Er besuchte 1844 Oester-
reich und Ungarn und 1846 England zu
dem Zwecke, ein handelspolitisclies Bünd-
niss zwischen Deutschland und England
abzuschliessen. Er war nicht erfolgreich.
Im Jahre 1846 erschoss er sieh, da er auch
sein Vermögen verloren hatte und seine
Gesimdheit zerrüttet war. Er behauptete,
Schutzzoll sei für jede Nation geboten,
deren Industrie und Handel noch nicht
entwickelt sind, Freihandel aber das Ziel,
welches alle Nationen erstreben sollten.
Die erste deutsche Zeitung in Neu-
Braunfels, Texas, gründete 1853 der tüch-
tige Botaniker, Erforscher der Flora von
Texas und Stiefsohn Georg Bunsen's, Fer-
dinand Jakoh Lindhcimer. Er war 1802
in Frankfurt am Main geboren, war 1834
nach Amerika gekommen, hatte am texani-
schen Aufstande in hervorragender Weise
Antheil genommen und beschloss seine
Laufbahn als Friedensricliter in Neu-
Braunfels am 8. Dezember 1879.
Als Schriftsteller und lutlicrisflicr Theo-
loge hat sich Dr. Wilhelm Julius Mann
ausgezeichnet. Er war im Jahre 1819 in
Stuttgart geboren, studirte Theologie in
Tübingen, wurde 1841 ordinirt und kam
drei Jahre später nach Amerika. Er Hess
sich in Philadelphia nieder, war zimäclist
626
DEUTSCIIK IM OEFFENTLICHEN LEBEN.
Pastor «'iinT rcfonnirtfii (Jciiiciiulo, dann
alu-r der Zion's nnd St. .Michaers Kirche
von 1850 his 18S4. Seit 18()4 \v;ir er Pro-
fessor der Symbolik am Inthcrischen theo-
lofjischcn Seminar, eine Stellniif;. die er
fast bis zu seinem im .lahre 1S!)2 erfolgten
Al)lel)en bekleidete. Mit Dr. Schaff zu-
sanwiien reditrirte er eine Zeit lang die
Zeitschrilt „Der deutsche Kirchenfreund".
Dr. Mann verfasste „Plea for the Augsburg
Confession" (1856), ..Lutheranism in
America" (1857) luid ..Life and Times of
Ilenrv .Melchior Muehlenberg" (1887).
Kill .Meister der Aetz- und Kadii'kunst
i.st der in Deutschland am 24. Mai 1860
geborene Carl Friedrich Wilhchn Midnlz.
Er war bei der St. Louis Ausstellung ^lit-
glied der Internationalen Jury für Radi-
rungen mul Gravirungen. Er ist Lehrer
der Kadirungskunst an der ,. National Aea-
demy of Design" in New York.
Der Führer der Alt-Lutheraner, Hein-
rich K. G. von Rohr, wurde im Kadetten-
haus in Stolpe (Ponnneru) zum Offizier
au.sgebildet und trat in seinem 11. Jahre
als Page in die Dienste der Prinzessin Wil-
helm am Hofe des Königs Friedrieh Wil-
helm 111. Er nahm als Lieutenant am Be-
freiiuigskriege theil nnd avanzirte später
zum Hauptmann. Er war ein .streng luthe-
rischer Mann und weigerte sich, an dem
nnionistisehen Gottesdienst, wie er vom
König sankt ionirt war. theilzunehmen. Er
wurde deshalb in lS:i7 aus dem ]\Iilitär-
dienst entlassen, zuerst in Ungnade, dann
aber auf sein Innnediatgesuch beim König
hin in vollen Ehren.
Heinrich v. Rohr organisirte die erste
grosse Auswanderung preussiseher Luthe-
raner. Er reiste in 1838 nach Amerika
voraus und nahm dann die Einwanderer,
die in drei Schiffen kamen, in New York
in Empfang. Ein Theil dieser Einwan-
derer gründete in Niagara County. N. Y.,
20 Meilen von Bnffalo entfernt, die Dörfer
New Bergholz, ]Mallnow. Johannisburg imd
INIartinsville. Ein anderer Theil siedelte
sieh bei Freistadt, Wis., an, wohin auch v.
Rohr sich begab, da ein Stück Land erwarb
und mit seinem frühereu Unten)ffizier Bütt-
ner bewirthschaftete. P]r zog jedoch bald
nach Buffalo, nm sich dort auf das Pre-
digtamt vorzubereiten. Nach vollendetem
Studium übernahm er ein Pastorat in Hum-
benstone, Kan. Er wurde dann Pastor in
New Bergholz. Mallmow luid Joiianui.s-
burg. Er starb im Jahre 1874 in Winona,
Minn. Sein Sohn Philipp, der am 13.
Februar 1843 in Buffalo, N. Y., geboren
war, wurde sein Nachfolger. Pastor IMii-
lijip von Rohr, seit 1888 Präses der evang.-
lutherischen Wi.sconsin-Synode, starb am
22. Dezember 1908 in Winona.
Prä.sident des Chicagoer Schul raths war
Otto C. Schneider, der am 5. Dezember 1856
in Kusel, Rheinpfalz, Bayern, geboren und
als 9jähriger, elternloser Knabe nach Chi-
cago gekommen war. Er war zuerst Apo-
theker, dann Chef der Tabak-Firma August
Beck & Co., Präsident des Germania ^län-
nerchors nnd Leiter der fünftägigen Schil-
ler-Feier im Jahre 1905.
Friedrich Schünemann-Pott, geboren am
5. April 1826 in Hamburg, erhielt seine i|
Erziehung in einer der besten Schulen der
Stadt, der Schlüter '.sehen, bis sein Vater
im Jahre 1836 sich entschloss, nach Rodeii-
berg in Kurhessen, seinem Geburtslande,
zu ziehen, wo Friedrich seine weitere wis-
senschaftliche Bildung in der damals unter
der Leitung von Carl Fr. i\Ieyer stehenden :
Rektorschule erhielt. Trotz seiner ent
sehiedenen Abneigung und aller seiner
Vorstellungen ungeachtet, wurde er zum
Bäcker bestimmt und gezwungen, als Lehr-
ling in das Geschäft seines Vaters zu treten.
Durch die einflussreiche persönliche Dazwi-
schenkunft und Verwendung seines frühe-
DEUTSCHE IM OEFFENTLICHEN LEBEN.
62;
ren Lehrers i\Ieyer wurde der Vater be-
stimmt, seine p]inwilligung dazu zu geben,
dass Friedrieh das damals unter Leitung
von Dr. "Weber stehende Gymnasium zu
Kassel beziehen durfte, um später Theo-
logie zu studiren. Naeh Ablegung der ]\Ia-
turitätsprüfung in 1845 bezog er im Winter
desselben Jahres die Universität Marburg,
wo namentlich Theodor Bayrhoflfer einen
mächtigen persönlichen Einfluss ausübte
und die von ]\Ieyer in ihn geptianzten
Freiheitsideen in dem Studium der Halle '-
sehen Jahrbücher, wie der Schriften von
L. Feuerbach und D. Strauss kräftige
Nahrung fanden. Seine Versuche, den-
selben in seinen ersten akademischen Pre-
digten Ausdruck zu geben, hatten jedoch
die Folge, dass ihm das Recht zu predigen
entzogen wurde. Er schloss sich der da-
mals eben in Fluss gekommenen freige-
meindlichen Bewegung an. Am 5. Dezem-
ber 1847 hielt er seinen ersten freigemeind-
lichen Vortrag in Halle, von wo er jedoch
ausgewiesen wurde und sich nach Nord-
hausen wandte. Hier wirkte er im Vereine
mit Eduard Baltzer durch Wort und
Schrift, bis er auch von hier am 16. März
1848 ausgewiesen wurde. Der durch die
]\Iärz - Revolution herbeigeführte Um-
schwung der Dinge brachte ihn wieder
naeh Nordhausen zurück, wo er wirkte, bis
ein am 16. Dezember 1848 gegen ihn an-
hängig gemachter Prozess wegen Hochver-
raths und ]\Iajestäts-Beleidigung, der je-
doch erst zu Anfang des Jahres 1850 durch
Niederschlagung zur Erledigung kam, ihn
nach einer vorübergehenden Gefängniss-
haft veranlasste, im Jahre 1849 nach Hal-
berstadt überzusiedeln, wo er in Stellver-
tretung des aus Gesundheitsrücksichten
beurlaubten A. T. Wislieenus ein Jahr lang
als Sprecher der dortigen freien Gemeinde
wirkte. Hier machte er die Bekanntschaft
des Baron Ernst von Pott, der eine väter-
liche Neigung für ihn fasste und ihn, um
ihn der ihm drohenden Landesverweisung
als Ausländer zu entziehen, zu Anfang des
Jahres 1850 unti-r iln- Bcdinginig als Sohn
adoptirte, dass er seinem ursprüngliciun
Familiennamen den scinigi-n liin/.uriivti-.
Nachdem er dann im Frühling dt-s .Jiilavs
1850 einem Rufe nach (^iifdlinhurg als
Sprecher der dortigen im Januar von ilim
gegründeten freien Gemeinde gefolgt war
und am ;51. August desselben Jahres in
Kassel die Zivilehe mit seiner ilim seit
mehreren Jahren schon verlobten iiraut
eingegangen war, ging er am 19. November
1851 nach Lübeek, wo er Spreeher der
dortigen freien Gemeinde und Herausgeber
der am 1. Juli 1853 von ihm ins Leben
gerufenen „]\Ionatsblätter" war. Die fort-
gesetzten Massregelungen der Regierung
veranlassten ihn, nach Amerika auszuwan-
dern. Er verliess am Ki. Juli 1854 mit
Weib und Kindern Hamburg und landete
am 28. August im ILifen von New York.
In Amerika war er Sprecher der freien
Gemeinde Philadelphia 's, Herausgeber der
Blätter für freies religiöses Leben, Projia-
gandist für freies ^lenschenthum auf zahl-
reichen, die ganze Unicm umfassenden Vor-
tragsreisen, sowie Gründer uiul Sprecher
der freien Gemeinde in San Francisco. Es
möge daher nur noch bemerkt werden, dass
im Juni 1877 mit dem 21. Jahrgange die
Herausgabe der „Blätter für freies religi-
öses Leben" aufliörte, Sehünemann-Pott
aber schon am 1. Jainiar desselben Jahres
die Schriftleitung des Wochenblatts „Der
AVeeker" übernonuiien hatte, das die
Grundsätze und Bestrebungen des Buiules
der Radikalen vertrat, aber inii- zwei Jahre
bestand. Der Kämpfer für geistige Frei-
heit starb im Jahre 1891.
Holzschneider von Ueruf ist der 1862
in Leipzig geborene und an europäiselien
Kunstschulen gebildete E. Svhl<uUlz. Kr
ist in New York ansässig. Seine Arbeiten
sind vielfach ausgezeichnet worden.
Am 15. Februar 1908 beging Enist
Steiger sein fiOjähriges Uuchhändler-Jubi-
628
DEUTSCHE IM OEFFENTLICHEX LEBEN.
läuiii. Als l.")jäliri<rt'r .lün^'liiiv war er in
die Bufhl)jnulluii<r von Bcnihanl llcnuann
in Lt'ipzi»; einfrctreti'u. Am 4. Oktobor
1832 in der Nähe von Oschatz in Sachsen
geboren und zmn BnclibäncUcr bcstinnnt.
absolvirte Stci«r«'r in Tjcipziu' und Dresden
seine Lehrzeit. Kr erhielt dureli Her-
mann's Vermittlun«; eine Stelle in der
Buehhandlnn«: des Schwagjers des Letzte-
ren. Westennann in New York, und langte
am 21. Februar 1851 da.selbst an. Er war
eine Zeit lang stiller Theilhaber der Firma
"We.sternunni & Co. Die Steiger 'sehe Buch-
handlung in New York dürfte wie die von
Schäfer & Koradi in l^hiladelphia allen
Deut.sclicn im Osten der Vereinigten Staa-
ten bekannt sein. Ein be.sonderes Ver-
dienst erwarb sieh Herr Steiger als Verle-
ger von Beiträgen zur deutsch-amerikani-
schen Geschichte und Literatur. Er wurde
durch Verleihung des preussi.schen Kronen-
und des österreichischen Franz Josephs-
Ordens geehrt.
Als Krforsdier der Felsengebirge und
des nördlichen ^lexico's hat sich Dr.
Frirdricli Adolph WisUzoius ausgezeich-
net, der im Jahre 1810 in Thüringen ge-
boren war und an dem Versuch, die
Frankfurter Ilauptwacbe zu stürmen,
theilgenonnuen hatte. Er nnisste fliehen,
machte in Zürich sein medizinisches Dok-
tor-Examen und kam dann nach Amerika.
Er praktizirte in New York und später in
Belleville. 111. Seine Reiselust veranlasste
ihn. sich Pelzhändlern anzuschliessen. die
zu den Fel.sengebirgen zogen. Er durch-
streifte sie unter Führung seiner indiani-
schen Freunde, kam bis I'tah und Oregon
und kehrte über Arkansas und Kansas
nach Mi.s-souri zurück. Dann durchstreifte
er Neu-^Iexico, gerieth in mexikanische
Gcfangen.schaft, wurde aber vom Oberst
Dariphon nach dessen Siege bei Sacra-
mento Creek befreit. Er folgte ihm als
Militärarzt. Sein Buch „^lemoir of a Tour
to Xurthern ^lexico in 1846 — 47, bv A.
AVi.slizenus. .M. 1).". wurde im Auftrage
des Kongresses in 5,000 Exemplaren ge-
druckt. Die Ilöhenanschläge, die Wisli-
zenus angestellt hatte, waren aucli für
Alexander von Hund)oldt nuissgebend.
Nach weiten Reisen durch Frankreich,
Italien und der Türkei und seiner Verhei-
ratliung mit der Schwägerin des amerika-
nischen Gesandten Geo. P. ^Marsh in Kon-
stantinopel kehrte er nach St. Louis zu-
rück. Als Ai'zt war er sehr gesucht. Er
gründete die dortige „Academy of
Science".
Präsident de.i Chicagoer Musical Col-
lege ist der in Jever, Oldenburg, anfangs
der 40er Jahre geborene Florenz Zicgfcld.
Er absolvirte das Leipziger Konservato-
rium, kam 1863 nach Amerika, lie.ss sieh
in Chicago nieder und eröffnete dort 1867
seine jMusikschule. Er nahm lebhaften
Antheil an der ]\Iiliz. Er war Oberst des
2. Infanterie-Regiments der National-
Garde von Illinois, Hilfs-General-Inspek-
tor und Inspektor der Schiessübungen
derselben.
Aus Basel in der Schweiz gebürtig ist
der Karikaturen -Zeichner des ,.Judge",
Eugene Zimmermann. Er war am 25.
Mai 1862 geboren, kam mit seinen Eltern
nach Paterson, N. J., besuchte dort die
Volksschule, war als Junge bei einem
Farmer beschäftigt und dann als Gehilfe
eines Ilausirers mit Fischen, arbeitete in
einer Bäckerei und wurde später Schilder-
maler. Endlieh entdeckte er sein Talent
zum ..Karton "-Zeichner. Er fand als
solcher von 1882—85 beim „Puck" und
dann beim ..Judge" Beschäftigung. Seine
Kartons sind mit ,.Zim" gezeichnet. Er
hat auch ein Buch über seine Kmist ver-
öffentlicht.
Bedeutend als ^Mathematiker und Lehrer
der theoretischen ^Mechanik ist Prof.
DEUTSCHE IM OEFFEXTLICHEN LEBEX.
029
Alexander Ziivet, geboren in Breslau am
8. Februar 1853. Er absolvirte 1880 das
Polytechnikum in Karlsruhe. In dem-
selben Jahre kam er nach Amerika, wurde
in Detroit bei der Vermessung der grossen
Seeen .seitens der Bundes-Regierimg be-
schäftigt, dann im KüstenAVrmessungs-
Bureau in Washington. p]r wurde Lehrer,
Hilf.s- und dann ordentlicher Professor der
Mathematik im Ingenieurs-Departement
der Universität von Michigan in Ann
Arbor. Er übersetzte aus dem Russischen
in 's Deutsche Somoff's „Theoretische ]Me-
chanik". Er selbst hat „An Elementary
Treatise on Theoretical I\Iechanics" ver-
fasst.
Der Leiter der Philadelphia ^Musical
Academy seit 1876 ist der in Stendal am
30. April 1850 geborene Bichard Zeckwer,
der nach Absolvirung des Leipziger Kon-
servatoriums 1869 als Lehrer genannter
Anstalt nach der Stadt der Bruderliebe
kam. Er ist ein hervorragender Pianist
und hat auch als Komponist sich ausge-
zeichnet. Er schrieb „A Scientific Inves-
tigation of Touch".
Deutsche Handelsherren und
Financiers.
Da.ss deutsche Energie und deutscher
Unternehmungsgeist auf dem Gebiet des
Handels und des Finanzwesens Grosses
gelei.stet haben, dafür liefern die nachste-
henden Biographien den Beweis.
Johann Jacob Astor.
Der Begründer des ersten amerikani-
schen Riesen-Vermögens war ein Deutscher,
Johann Jacob Astor. Als er am 29. ]\Iärz
1848 mit Hinterlassung eines Vermögens
von $30,000,000, das beim Tode seines
gleichnamigen Enkels (1890) auf $100.-
000,000 angewachsen war, aus dem Leben
srhifd. war ..("nimiK.dore" Vaiid.Thili nst
auf dem AVegc. mit seinen DaniplTähivn
uiul Dampfern Multi-:Milli(.niir zu werden,
Jay Gould zählte ci-st zwölf, der spätere
„Trust-Kaiser" John Pierpc.nt .Morgan
sogar erst elf Jaln-e. wäiirend Andrew Car-
negie als 11 jähriger in Schottland das
Brot der Arnnith ass.
A.stor war am 17. Juli 1763 in Walldorf
bei Heidelberg in Baden geboren. Sein
Vater war Schlächter, aber arm. Si'ine
zweite Frau, eine AVittwe, brachte aus
erster Ehe mehrere Kinder mit. Der Dorf-
schulmeister Valentin Jeune unterrichtete
Jacob im Lesen. Schreil)en und Rechnen.
Im Jahre 1779 folgte Jacob dem zweiten
seiner drei Brüder, einem ]\Iusik-Instru-
menten-]\Iacher. nach London. Er lernte
die engli.sche Sprache, sparte und fuhr
1783 nach Amerika. Ev hatte seine Er-
sparnisse in einem Dutzend Flöten ange-
legt. Das Schiff wurde, da die Cliesa-
peake Bay infolge des ungewöhnlich
strengen Winters zugefroren war. lange
aufgehalten. Astor erfuhr von den Vor-
zügen des Pelzhandels. Er kam auf die
Idee, es ebenso zu machen wie die mäch-
tige „Hudson Bay Co." und direkt mit
Indianern und Trappern zu handeln.
In New York war er auch Agent seines
in London etablirten Bruders, des Musik-
Instrumenten-]\Iachers. und handelte sogar
nnt Klavieren. Bei einem Küi-schner er-
lernte er die Beluuidlung von Pelzwaaren.
Sein in New York ansässiger Bruder, der
dritte der vier Söhne des Walldorfer
Metzgers, betrieb einen Handel mit Häu-
ten. Er leistete, da er selbst kinderlos
war, seinem jüngeren Bruder in jeder
Weise Vorschub. Derselbe führte seine
Idee aus und begann bald ^ineii rdzliandel
mit England über Montreal. Kr kaufte
in direktem Handel mit den Indianern zu
lächerlich billigen Preisen, bereitete die
Pelze selbst zu und brachte sie dann zum
Export. Von England brachte er Waaren
mit. auf deren vortheilhaften Absatz er in
630
DEUTSCHE IM OEFFENTLICHEN LEBEN.
Amerika rechnen konnte. Bereits in
sechs Jahren soll Astor, dessen Rnuler in-
z\vis<'lu'n trestorhen war, ein Vermögen
von $2(>0.(KM) erworben haben.
Er besehloss China dem amerikanischen
Pelzwerk zu erschliessen. Knssland hatte
bis dahin dort das Monopol. Doch zu dem
rutemelimen grliörte ein grosses Kapital,
ein grös.seres. als A.stor es besass. Aber
ihm wurde die linanzielle Unterstützung
zutlu'il. deren er bednrfte, und der Erfolg
der Erschliessnng C^hina's für den ameri-
kanischen IVlzhandel war ein riesiger. Zur
Krönung seines "Werkes machte sich Astor
daran, im Nordwesten Amerika "s. wo die
IIuds(m Bay Company ebenfalls das Pelz-
Ilandel-^Nhmopol hatte, festen Fuss zu
fassen. 1809 wurde die „American Für
Co." gegründet, an welcher sich Astor
bereits mit einer ^Million Dollars bethei-
ligen konnte. ^Mit Genehmigung des Kon-
gre.s.ses sandte er zwei Expeditionen nach
Oregon an die Älündung des Columbia-
Flus,ses; die eine zu Schiff um 's Kap Hörn,
die andere auf dem Landwege. Das
Schiff langte 1811 an der Mündung des
Cohunbia an. und Astoria wurde ge-
gründet. Al)er der Schiffs-Kapitän hatte
es mit dt-n IndiMnern verdorben. Sie
überfielen das Schiff. Im Kampfe gerieth
das Pulveniujgazin in Brand, und das
Scliiff mit seiner Ladung und seineu Vor-
rätlu'U tiog in die Luft. Auch der Gene-
ral-Agent AIcDougal, der früher im
Dienst der Hudson Bay Co. gestanden
hatte und derselben anscheinend immer
noch zu dienen suchte, war nicht der
richtige Mann am richtigen Platze. Die
Land-E.xpedition unter Führung Kapt.
Hunt 's war erfolgreich gewesen. Die rie-
sigen Schwierigkeiten des Marsches durch
völlig unerforschte Landstrecken und des
Cebcrganges über das Felsengcbirge wur-
den überwupd<'n und das Ziel erreicht.
Da kam der Krieg mit England. ]\Ic-
Dougal benutzte Hunt 's Abwesenheit, um
mit seinen Leuten der Hudson Bay Co..
resp. ihrem nordwestlichen Ableger, der
„Northwest Co.", sich anzuschliessen. Die
Engländer besetzten Astoria und nannten
es Fort St. George. Erst im Jahre 1818
räumten sie Astoria. Astor erlitt riesige
Verluste, die aber durch glückliche Land-
Käufe in dem Stadtgebiet von New York
und deren glänzende Erträgnisse wieder
aufgewogen wurden. Er wui'de seines
grossen Grundbesitzes wegen der „Land-
lord of New York" genannt. Astor war
mit Washington Irving innig befreundet,
dcr.selbe schrieb ein interessantes Buch,
betitelt : ,, Astoria or Anecdotes of an
Enterprise Beyond the Rocky ]\Ioun-
tains" (1836). Astor 's Liebhaberei für
Bücher und seinem Drange wissenschaft-
licher Fortbildung verdankt die Astor-
Bibliothek in New York ihr Entstehen, für
die er $350,000 verausgabte und der er
$250,000. sowie Bücher im Werthe von
$200,000 hinterliess. Er baute das „Astor
House" am unteren Broadway. Seinem
Heimathsort Walldorf bewahrte er ein
freundliches Gedenken. Er errichtete dort
das Astor-Haus, eine Erziehung-sanstalt
für arme Kinder und ein Versorgungshaus
für alte Leute. Was Johann Jacob Astor
ahnenden Geistes voraussah, die Bedeutung
der West-Küste der Vereinigten Staaten,
das wurde später, nachdem Gold in
Califoruien gefunden worden war, allge-
mein anerkannt. Der Walldorfer ]\Ietzger-
Sohn, dessen Schiffe einst auf allen
]\Ieeren der Erde zu finden waren, Avar
der Erste, der für Amerika einen Theil
des Welthandels ersehloss und ihm die
Wege wies zu friedlichen Eroberungen in
der Zukunft.
Der Chef des New Yorker Welthauses
Gustav Amsinck & Co., Bank- und Kom-
missions-Geschäft, No. 6 Hanover Strasse,
Gustav Amsinck, der im Juni 1909 im 72.
Lebensjahre starb, wurde als Sprössling
der alten Hamburger Patrizier-Familie
DEUTSCHE IM OEFFENTLIOHEX LEBEN.
a:n
Ainsint'k sreboron, welche heute noch das
grosse Handelshaus Johann Schiibach
Söhne betreibt. Im Jahre 1858 kam er
nach New York, wo er in das von seinem
Bruder Erdwin einige Jahre vorher ge-
gründete Geschäft eintrat. Er widmete
sich dem Geschäft mit solchem Eifer, dass
sein Bruder ihn sehr bald zum Theilhaber
machte, und als solcher verstand es der
nunmehr Verstorbene das bescheidene Han-
delshaus zu einem Welthause zu machen,
das nach allen Theileu der Erde Verbin-
dungen unterhält und speziell in Süd-
Amerika eine dominirende Stellung ein-
nimmt. In den letzten Jahren brachte er
einen grossen Theil seiner Zeit in Hamburg
und am Corner See zu.
Zu den bekanntesten Financiers des
Landes gehört der in Alzey, Rhein-Hessen,
im Jahre 1816 geborene und im Jahre
1887 als Vertreter der Rothschilds nach
New York gekommene August Belmont.
Von 1814 — 50 war er österreichischer Ge-
neral-Konsul in New York. Im Jahre
1853 wurde er von Präsident Pierce zum
Geschäftsträger Im Haag. Holland, er-
nannt. Er wurde dort Gesandter und be-
kleidete das Amt bis zum Jahre 1858. Er
war Vorsitzender des demokratischen Na-
tional-Komites von 1860 bis 1872. Er in-
teressirte sich für Rennpferde luid Kunst
und war Besitzer einer werthvollen Ge-
mälde-Gallerie. Er starb im Jahre 1890.
Der Gründer eines AVelthauses. der Ban-
kier-Firma Drexel & Co.. wurde der im
Jahre 1817 hier eingewanderte und im
Jahre 1792 in Dornbirn in Tirol geborene
Franz Martin Drexel; er war anfangs Por-
trait-Maler, dann wandte er sich dem süd-
amerikanischen Handel zu, nuichte viele
Reisen und gründete in den zwanziger Jah-
ren des 19. Jahrhunderts in Philadelphia
ein Bank- und Wechselgeschäft, das zu
einem der grös.sten und .solidesten d.-r W.-lt
emporwuchs. Er starb am 5. Juli Ist;.')
Einer seiner drei Söhne, Aitfliuni/ J.
Drexel, gründete 18;)1 in Philadelphia das
„Drexel Institute of Art, Science and In-
dustry". Da.s In.stitut. dessen Gebäude
und Ausstattung ungefähr !f;4.000.()(M) ge-
kostet haben, und das die Zin.sen von
.+2.(»(l(),0()() alljährlieh bezieht. unter-
richtet junge ^Männer und Damen in der
Kunst, im Kunsthandwerk, in Technologie
und anderem mehr.
Einer der hervorrageiulsten Bankiers des
Landes ist Otlo IL h'alni. seit dem 1.
Januar 1897 -Mitglied des \e\v Yorker
Bankhauses Kuhn, Loeb & Co. Er wurde
am 21. Februar 1867 in Mannheim geboren,
absolvirte das Gynuiasium, diente sein Jahr
in der deutschen Annee ab, trat in ein
Bankhaus ein, war fünf Jahre in der lion-
doner Filiale der Deutschen Bank be.sehäf-
tigt. kam im August 1893 nach Amerika,
war zwei Jahre lang bei Speyer & Comp
thätig, machte Reisen in Europa und
trat dann in das ei-wälmte Xew Yorker
Welthaus ein. p]r interressirt sich lebhaft
für Kunst. ^lusik und Theater. Er geliört
zum Direktoren-Kath der Metropolitan
Opera Co. und ist Sehatzmeister der ..Xew
Theatre Co.", welche ein amerikanisches
National-Theater schaffen will.
Im Jalu-e liH)5 stiftete die lvo(xsevelt-
Professur, und zwar mit einer Dotation von
200,000 :\Iark, der Chef des Hauses Spey»'r
& Co., der am 23. Juli 1861 geborene Jamrs
Si)eyer. Er wurde in Frankfurt am .M.nn
erzogen und trat im 22. Jahre in das dor-
tige Bankhaus der Firma ein. Dann wurde
er in den Zweiggeschäften in Paris nn<l
London längere Zeit beschäftigt. ])is er die
Leitung des New Yorker Haascs erliielt. Er
ist jetzt der Senior der Familie Speyer.
632
DEUTSCHE IM OEFFENTLICHEN LEBEN.
Der Giiinilor der berühmten Mcxlewaa- Laue Savings Bank und Direktor in ver
ren-Firnia, der Siegel-Cooper Co., deren sehiedenen Korporationen, sowie Gross
Läden sieh in Chieago und New York be-
fuuh'n und die .seehs grosse Department-
Läden besitzt, Iloiry SirifcL hatte in Eu-
biglieim am 17. Mai 1852 das Lieht der
AVeit erblickt und war 1867 naeh Amerika
gekonunen. wo er sich von kleinen Anfän-
gen emporarbeitete. Er begann seine ame-
rikanische Laufbahn als Laufjunge und
Verkäufer in einem Kleiderladen in Wash-
ington mit $4 pro "Woche.
Der ])ekannte Gro.sskaufmann Isidor
Slraus, Mitglied der New Yorker Departe-
nuMit-Laden-Firma R. j\L ISLicy & Co., und
der Brooklyner Firma Abraham & Straus,
war in Rhein-Bayern am 6. Februar 1846
geboren, aber schon als neunjähriger Knabe
mit seinen Eltern naeli Amerika gekommen.
Er war Mitglied des Kongresses und hat
als Busenfreund Wilson 's eine hervorra-
gende Rolle bei dem Entwurf der AVilson-
Tarif- Vorlage gespielt. Herr Straus ist an
zahlreichen erzieherischen iiiul wohlthäti-
gen Bestrebungen betheiligt.
Sein Bruder Xalhan S frans wurde am
31. Januar 1848 geboren. Er ist ebenfalls
Mitglied der Firmen R. :\1. ]\Iacy & Co. und
Alu-aham & Straus. Grosse Verdienste er-
worben liat sich Herr Nathan Straus um
die Bekämpfung der Säuglings-Sterblieh-
keit in New York, indem er sterilisirte
I\Iil<-h durch Vertheilungs-Stationen an
arme Mütter ausgeben Hess. Auch dadurch
erwei.st er sich als praktischer Freund der
Armen. da.ss er Kohlen im AVinter an sie
vert heilen lässt.
Einer der Vize-Präsidenten des Gernuini-
schcn Aluseums in Cambridge, Alass.,
Schriftsteller, Alitglied \o\\ AVohlthätig-
keits-Gesellschaften und der New Yorker
llaudekskanuner. Präsident der ]Maiden
kaufmami ist der in Alünstei- im Jahre
183") geborene und seit 1853 in New York
ansässige Louis WincJmüUer.
Deutsch-amerikanische „Captains of
Industry".
Henrich Wilhelm Stiegel,
einer der ersten Gross - Industriellen Amerika's.
An der Entwicklung der Industrie in
Amerika haben Deutsche ihren vollen
Antheil, und viele von ihnen .sind die
Gründer und Pioniei'c neuer Zweige der
gewerblichen Thätigkeit geworden. Be-
ginnen wir mit dem ersten „Captain of
Industry" in der Zeit vor der Revolution.
Ein romantiseher Schinuner umgiebt
das Leben Henrich Wilhelm Sfiegcrs, ge-
nannt Baron Stiegel, der zweifellos das
Zeug in sich hatte, ein Grossindustrieller
im modernen Stil zu werden. Aber er
lebte vor 150 Jahren in Penusylvanien,
und das war noch kein Land unbegrenzter
Alöglichkeiten. Trotzdem ist es erstaun-
lich, Avas Stiegel geleistet hat. Er ist
mehr als einer Industrie der Gründer und
Bahnbrecher geworden und verdient daher
einen Platz unter den hervorragendsten
Deutschen Amerika's. Er stammte aus
JMannheim und soll nicht Stiegel. sondern
Freiherr von Stengel geheissen haben. Doch
fehlt dafür der dokumentarische Beweis.
Er kam am 31. August 1750 mit dem
Schiffe „Naney" von Rotterdam nach
Philadelphia. Er wäre also, da er 1730
geboren worden sein soll, zwanzig Jahre
alt gewesen. Angeblich brachte er ein
Vermögen von 40,000 Pfund mit. sowie
gute Empfehlungen von England, wo er
sich aufgehalten hatte. Was er in den
ersten seehs Jahren nach seiner Ankunft
getrieben hat. ist nicht bekannt, wie so
DEUTSCHE IM OEFFENTLICHEN LEBEN.
633
-vieles im Leben dieses seltsamen Menschen.
Er scheint die damals im Entstehen be-
griffene f]iseuindustrie studirt zu haben,
für welche er sich interessirte, da er
metallurgische Kenntnisse besass. Am 7.
November 1752 vermählte er sich mit
Elisabeth Huber, geb. am 27. ]März 1734,
deren Vater, Jacob Iluber, damals in Eli-
zabeth Township. Lancaster County, Land
lind einen Hochofen besass. Sie starb
1758 im Kindbett; sie hatte ihm zwei
Töchter geboren. Im nächsten Jahre
heirathete Stiegel Elisabeth Holtz aus
Philadelphia, die ihm einen Sohn gebar.
Im Jahre 1757 erwarb Stiegel das Eigen-
thum seines Schwiegervaters und errichtete
an Stelle der alten eine neue grössere
Eisenschmelze, die er seiner Gattin zu
Ehren ..Elisabeth" nannte. Er schloss im
folgenden Jahre einen Theilhabervertrag
mit John Barr in Lancaster und den Phila-
delphiaer Kaufleuten Charles und Alex-
ander Stedman ab ; der Name der Firma
war ..Elizabeth Furuace Co." Für Yer-
waltimg der Werke und Rechnungsfüh-
rung erhielt Stiegel 75 Pfund jährlich.
John Barr musste ausscheiden, da er
seinen finanziellen Verpflichtungen nicht
nachkommen konnte. Zu der Eisen-
schmelze war der Charming Eisenhammer
am Tulpehocken, nördlich von "Womels-
dorf, dazugekommen. Die Eisenschmelze
lag am östlichen Abhänge der Blauen
Berge, etwa anderthalb ^Meilen nordöstlich
von Bickerville. Die Berge waren mit
Kastanien und Eichen bestanden und lie-
ferten die Holzkohle. Ausserdem gab es
in der Nähe reiche Kalksteinlager. Die
Kompagnie besass schliesslich einen sehr
grossen Land-Komplex. Stiegel verfer-
tigte die ersten Holzöfen nach deutschem
Muster, die aus sechs Platten bestanden
und eingesetzt wurden. Stiegel machte
später auch freistehende, aus zehn Platten
zusammengesetzte Oefen ; übrigens i.st auch
Chr. Säur nachgerühmt worden, er hal)e
diese Oefen zuerst fabriziit. AVoüenweber
will in Lcbancm einen StiegePschen Ofen
gesehen halben, der in gothischen Lettern
die Inschrift trug:
Baron Stiegel ist der .Mann.
Der die Oefen gies.sen kann.
Ausser Oefen wurden in Elizalieth noch
Kessel. Kochtöpfe, Bratpfannen und an-
dere Gegenstände gegossen, wälii-end das
Roheisen in dem vier Meilen entfernten
Eisenhammer zu Barren verarbeitet wurde.
Im Jahre 17()() waicn duit 75 Leute ange-
stellt. Von den 25 Arbeiterwohnhäusern,
die Stiegel erbaut hatte, stehen heute noch
einige.
Im Jahre 1770 wurde Stiegel allei-
niger Eigenthümer von Manheim. einem
Industrie-Städtchen, das er im Jahre 17(12
mit den Stedmans angelegt hatte. Auf
dem ^larktplatze errichtete sieh Stiegel
1763 ein prachtvolles "Wohnhaus. Die
rothen Ziegelsteine brachten seine (Je-
spanne aus Philadelphia, die innere Ein-
richtung kaufte er in England, wohin er
sich 1763 in Geschäften begab. Der zweite
Stock war durch Korridore in drei Theile
getheilt. Die südliche Hälfte war gewölbt
und bildete die berühmte Kapelle mit einer
Kanzel, auf der Stiegel zu predigen uml
den Gottesdienst seiner Arbeiter und
Nachbarn, von denen maneiie weither
kamen, nach lutherischem Brauch und in
deutscher Sprache zu leiten pllegte. Die
andere Hälfte enthielt ein Vorder- und ein
Ilinterzimmer. Der Kamin der Kapelle
war mit Ziegeln verziert, auf denen sieh
Bibelsprüche befanden und l)iblische
Szenen dargestellt waren. In äliniicher
Weise war der ei-ste Stock abgetheilt. Die
innere Ausstattung dieses Gebäudes, dsis
erst im Jahre 1765 vollendet wurde, \)e-
sonders des Bankettsaales im ersten Stock,
die Vertäfelung. die Gesimse, die h'ben.s-
grosse Szenen einer Falkenjagd darstel-
lenden Landsehaftsgemälde. sowie die
prächtigen Porzellanöfen und Ornamente,
die die Säle zierten bewiesen feineu
634
Gesc-hiuack
DEUTSCHE IM OEFFENTLICHEN LEBEN.
Noi-h ein ainU'ies Ziegcl-
steintri'bämU' erricliti'tc Stietrel. dns ihm
als Gescliäftslxirt'im difiite uiicl iiocli an-
faiifrs dieses .lalirlniiiderts als Wohnhaus
benutzt wnnU'. Aueh in Klizahetli besass
Stiejrel ein stattliehes Haus, das von den
einfachen deutsehen Naehbain ..Stie^el's
tei nehmen der erste erfol«rreiehe Versuch.
Glas hier zu Lande zu fabriziren. Erst im
Jahre ITT;! wurde Glasborou^h. X. J., von
deutschen Glasbläsern ^e^ründet.
Im Jahre 1772 gab Stiegel der lutheri-
schen Zionsgemeinde in Manheim einen
Kaufbrief für ein Stück Land zum Hau
Sehloss" genainit wurde. Es war aus einer Kirche, und um ihn gesetzgültig zu
Sanilsti'in aufgeführt. Sticgcl war sehr nuichen. wai- der Preis auf fünf Schillinge
gastfrei. .\ucli tieorge Washington soll angegeben, nebst ,.an annual rental of one
seine Gastfreuiulschaft genossen hal)en. red rose in the month of June, when tiie
Im Jahre 17()0 baute ersieh einen 70 Fuss same shall be legally demanded.". Diese
hohen Thurm auf einem Hügel bei Schaf- Grundrente wurde zweimal an Stiegel be-
ferstown. Lebauon C'ounty ; dort be- zahlt uiul dann nicht wieder verlangt,
wir! bete (Ici- Baron ebenfalls seine Freunde. Vor mehreren Jahren erbaute die Ge-
Die Bauern luuuiten den Thurm „Stiegel's meinde, an Stelle der alten, im Jahre lsr)7
Follv". Sobald der Baron mit seinen niedergerissenen, eine schöne neue Kirche,
Freunden eines seiner Schlösser besuchte, die sie die ..Baron Stiegel ^Memorial
wurde ein Salut mit Kanonen abgefeuert. Chureh" nannte uiul in deren Thurm sie
die nuisikalischen Arbeiter mussten ?ilusik ein Gloekensiiicl von zehn Glocken zu
nuiehen und durften erst wieder nach des s(Mnem Andenken zu setzen beabsichtigte.
Barons Abreise in die Hochöfen oder in Zugleich beschloss die Gemeinde, den
den Eisenhammer.
Bald nach der (Jründung von .Manlieim
errichtete Stiegel eine Glasfabrik. Sie
führte den Namen „Anu'riean Flint Glass
Factory". Ein grosses Ziegelstein-Ge-
bäude, das so gross gewesen sein soll, dass
nuui darin vierspännig hätte herumfahren
können. \ni(l eine Höhe von imhezu 100
Fuss hatte, enthielt die Fabrikräunu\ In
Brauch, eine rothe Rose jährlich zu zahlen,
zu erneuern, und zu diesem Zwecke feiert
sie jetzt jedes Jahr in Juni ein Roscnfcst,
bei dem einer der weit zerstreuten, zahl-
reichen Xaehkommcn Stiegel's zugegen
ist. um die Rose in Empfang zu nehmen.
Das Fest der Rose ist das Ereigniss des
Jahres für ]\Ianheim und Umgegend.
I^m das Jahr 1769 vscheiut Stiegel im
denselben wurden durch von Europa im- Zenith seines Glückes gewesen zu sein. Er
portirte erfahrene Glasbläser Flasclien. beschäftigte über 200 Arbeiter. Seine
Trinkgläser, Weinglä.ser, Vasen, Krüge. Glasfabrik soll ihm ein jährliches Ein-
schalen, Röhren, Spielsachen luid far])ige kommen von 5,000 Pfund gebracht haben.
AVaaren hergestellt. Die Ilandmalerei Er lebte in verschwenderischer Pracht,
wurde von einem I\Ialer geliefert, der 40 fuhr vierspännig und galt für einen der
Pfund Jahresgehalt, freie Wohnung und reichsten und angesehensten ^Männer der
Feuerung erhielt. Die Glaswaaren der Kolonien. Aber seine Besitzthümer waren
Stiegel'sehen Fabrik konnten sieh mit den nnt Hypotheken belastet, Konkurrenz be-
im portirten messen. Die Verkaufslager einträchtigte den Absatz seiner Ofenfabrik,
befanden sich in Philadelphia. Die erste und die Stockung von Handel und Wandel
Glasfabrik in den Kolonien wurde von vor der Revolution that das Uebrige.
Kaspar Wüster (Wistar), der 1717 einge- Trotzdem er den Wohlstand von Lancaster
wandert und in Philadelphia sich niederge- County um 150,000 Pfund vermehrt hatte,
lassen hatte, bei Salem, X. J., errichtet, wurde er zum Bankerott getrieben, und
doch war nach Ellis & Evans Stiegel's Un- sein Besitz durch den SheriiT verkauft.
DEUTSCHE IM OEFFENTLICHEX LEBEN.
635
Statt ihm Zeit zu geben, wurde er ge-
drängt und schliesslich sogar ITT-t in Phi-
ladeli)hia in 's Schuldgefängniss gesetzt.
Durch eine Spezialakte gewährte ihm am
24. Dezember desselben Jahres die As-
sembly die Freiheit. Im Jahre 1776 wurde
Stiegel von Robert Coleman als Aufseher
in der Elizabeth-Eisenschmelze angestellt.
Stiegel verschaffte seinem Arbeitgeber eine
Regierungsbestellung für Kanonen und
Kugeln, veranlasste ihn, eine Anzahl bei
Treuton gefangener Hessen sich zu ver-
schreiben und machte grosse Verbesserun-
gen. Aber als Ende 1778 die Regierungs-
Aufträge aufliörten, verlor Stiegel seine
Stellung, ernährte sich kümmerlich als
Schullehrer und Prediger und starb Endo
August 1783 im Herrenhause des Char-
ming Eisenhammers, nachdem ihm ein
Jahr vorher noch seine Frau entrissen
worden war. Der Deutschen Gesellschaft
von Pennsylvanien gehörte er seit ihrer
Gründung an. Er war eines der ]Mit-
glieder des Komites, das im Jahre 1765
das erste Grundstück für sie kaufte, und
arrangirte eine Lotterie zur Abtragimg
des Kaufpreises.
Claus Spreckels,
der „Zucker-Koenig von Amerika".
Am 26. Dezember 1908 gelangte m San
Francisco ein thatenreiches imd von gera-
dezu phänomenalen Erfolgen gekröntes
Leben zum Abschluss. Im Alter von 80
Jahren starb ein Deutsch-Amerikaner, dei
neben Astor wohl der beste Zeuge der
unbegrenzten ^Möglichkeiten Anu^rika's
war, der „Zuckerkönig" Claus Spreckels.
Als achtzehnjähriger armer Bauernbursche
war er, um dem ^Militärdienst zu entgehen,
aas dem Hannoverischen nach Amerika
gekommen ; als der Tod ihn abberief, war
artigen Prachtgebäuden, ganzen Gesdiäfts-
vierteln in San Francisco, einer Eisenbahn,
einer Dampferlinie und cint'r ganzen Flot-
tille von Segelschiffen für den Zuckertrans-
port bestand.
Zu Lamstedt, Hannover, im Jahre 1828
geboren, kam Claus Spreckels lS4«i nach
Amerika und landete als Zwischendecks-
l^assagier in Charleston, S. C., mit einer
Baarschaft von drei Dollai*s. In einer
„Grocer>'" begann er seine geschäftliche
Laufbahn, achtzehn Monate .si)äter hatte er
bereits seinen Brotherrn ausgekauft und
führte ein eigenes Gesdiäft. In wenigen
Jahren hatte er es soweit gebracht, dass er
sich 1855 nach New York begel)en und da-
selb.st ein grösseres Geschäft derselben Art
beginnen konnte. Doch das kalifornische
Goldfieber, das im Jahre 18-41» zuei-st auf-
trat, hatte sich noch nicht gelegt; auch
Claus Spreckels wurde dadurch veranlasst,
dem neuen Dorado sich zuzuwenden. Im
Jahre 1856 landete er in San Francisco,
begab sich sofort in die Minengegend und
fing daselbst eine Grocery an ; das Gold-
graben überliess er Anderen. Ki- erübrigte
in kurzer Zeit .$50,000 und .sah sich nach
etwas Grö.sserem um. In San Francisco
kaufte er die Albany Bi-auerei. arbeitete
selber darin wie ein Braukneeht und
konnte sie nach ein paar Jahren für $75.000
verkaufen. Er er-fasste den günstigen Mo-
ment, um seines Gliickes Schmied zu wer-
den. Von Hause aus mit der Zuckerin-
dustrie bekannt, sah er dafür in Califor-
nien ein überaus vielversprechendes Feld.
Im Jahre 1863 organisirte er die ..Bay
Sugar Reflning Co." In Kurzem liatte er
die übrigen Geschäftstheilhaber ausgekauft
und war alleiniger Besitzer. Er schaffte
verbes-serte Maschinen an und inaelite
enorme Profite. Doch er war damit nicht
zufrieden; er wus.ste. dass er noch nicht
die beste und neueste Fabrikations-Methode
er Besitzer eines Vermögens, das auf vier- befolgte. Deshalb verkatifte er zwei Jahre
zig bis fünfzig Millionen Dollars geschätzt später seine Raffinerie zu hohem Preise und
ward und in riesigen Liegenschaften, gross- begali sich zwecks Kadistudicn znrü<-k
636
DEUTSCHE IM OEFFENTLICHEN LEBEN.
nach Deutschlaml. Obwolil ein reicher
Mann, zog er in Maj^deburg Arbeiterkleider
an und arbeitete um Lohn in einer dortigen
Raffinerie (Zuckersicderei) sechs ^Voehen
hing, um mit den neuesten ^Maschinen und
Zul)ereitungsarten sieh genau vertraut zu
machen. Er kelirte zurück nach Califor-
nien, und weil er erkannt hatte, dass die
Zeit für den Zuckerrübenbau noch nicht ge-
konunen sei, warf er sieh zunächst mit
aUer :\Iacht auf den Anbau von Zuckerrohr
in Ilawai, wo miter seiner Leitung bald ge-
waltige Zuckerplantagen entstanden. In
Wntsonville, Cal.. erwarb er 1,500 Acres
Laml, die er mit Zucker-Rüben bebaute,
und errichtete eine grosse Zuckersiederei.
In Ilawai war er der wirkliche ^Machthaber.
Sein Freund. König Kalakaua, war nur
eine IMarionette in seinen Händen, da der-
selbe finanziell immer mehr von Spreckels
abhängig wurde. Um eine bessere Verbin-
dung zwischen San Francisco und Hawai
herzustellen, gründete Spreckels die ..Ocea-
nic Steamship Co.", deren Dampfer neben
Segelschitfen hauptsächlich dem Zueker-
transport von den Inseln nach Californien
dienten.
Nachdem sieh in den Vereinigten Staaten
der Zucker-Trust gebildet hatte, suchte
derselbe, sich auch jenseits der Sierras ein
Absatzgebiet zu sichern, und Spreckels
wurde ersucht, auszuverkaufen. Er wei-
gerte sich. Der Trust gründete hierauf die
San Francisco Zuckerraffinerien, verkaufte
den Zucker an der Westküste mit Verlust
und machte ihn im Osten durch höhere
Pi»eise weder gut. Aber Spreckels war
nicht der hilflose Gegner, für den man ihn
gehalten hatte. — ehe man es sich versah,
war er mit $5.000,000 in Philadelphia und
erbaute dort die grösste Zuckersiederei der
"Welt. Er konnte nun dem Trust auf
dessen eigensten Gebiet die Schlacht an-
bieten luid konnte diktiren. Der Trust sah
ein, dass er mit Spreckels nicht fertig wer-
den konnte, envarb zu hohem Preise die
Zucker-Raflfinerie in Philadelphia und über-
liess dem starken Gegner die Pacific-Küste.
Trotz seines vorgerückten Alters wid-
mete Spreckels bis zuletzt den zahlreichen
Unternehmungen, an denen er betheiligt
und interessirt war, die eingehendste Auf-
merksamkeit, und noch wenige Wochen vor
seinem Tode erschien er vor dem Kongress-
Komite für ]\Iittel und Wege, um als Auto-
rität in Sachen der Zuckerzölle auszusagen.
Sein ältester Sohn, John Dietrich
Spreckels, übte seit Jahren neben seinen
sonstigen Obliegenheiten einen l)edeutenden
Einfluss auf den orientalischen Handel aus.
Er hatte das Polytechnikum in Hannover
besucht. Er gründete im Jahre 1880 mit
einem Kapital von $2,000,000 die J. D.
Spreckels & Bros. Co., welche bedeutende
Rhederei-Geschäfte machte. Er ist Präsi-
dent der ..Oeeanic Steamship Co.", welche
jetzt nicht allein den Fracht- und Perso-
nen-Verkehr mit Hawai, sondern mit
Australien und Neu-Seeland unterhält.
Auch als Zeitungs-Herausgeber hat der am
16. August 1853 in Charleston, S. C, ge-
borene älteste Sohn Claus Spreckels' Er-
folge aufzuweisen. Er ist der Eigenthü-
mer des ,,San Francisco ]\Ioming CalL"
Sein Bruder Rudolph ist Präsident der
First National Bank in San Francisco und
war einer der hauptsächlichsten Unter-
stützer der Verfolgung der ..Grafters", zu
der er Tausende von Dollars beisteuerte.
Ein anderer Sohn Claus Spreckels.
Adolph B. Spreckels. ist in den verschiede-
nen Betrieben des Verstorbenen tliätig.
Friednch Weyerhaeuser,
genannt der ,,Holz-Koenig von Amerika .
Ebenso wie Spreckels war Friedrich
Weyerhäiiser ein Bauern-Sohn. Der erstere
wurde der ..Zucker-König", der letztere
der ,, Holz-König Amerika 's". Weyerhäu-
ser, der im Jahre 1908 starb, hatte am 21.
November 1834 in dem Dorfe Niederfaul -
heim bei ^Nlainz, wo sein Vater ein Bauern-
DEUTSCHE IM OEFFENTLICHEN LEBEN.
63;
gut besass, das Lieht der Welt erbliekt. Im
Jalire 1852 wanderte er naeh Amerika aus,
landete am 1. Juli in New York und l)lie])
in North East, Brie Countj', Pa., bis zum
Jahre 185G. Er ging naeh dem Westen
und Hess sieh in Roek Island, 111., nieder.
Dort gründete er mit F. C. A. Denkmann
(geb. am 8. April 1822 in Salzwedel, 1849
ausgewandert und in Roek Island, wo er
am 3. ]\I;irz 1905 aus dem Leben schied, zu
Wohlstand gelangt) die Firma Weyer-
liäuser und Denkmann, die ihren Geschäfts-
Betrieb mit einer Sägemühle begann und
dann weitere dazu erwarb. Weyerhäuser
war mit Elisabeth Blödel, Denkmann mit
Anua Catharina Blödel verheirathet.
Weyerhäuser 's Ehe sind vier Söhne und
drei Töchter entsprossen. Die beiden Kom-
pagnons gründeten die Rock Island Lum-
ber Co., kauften grosse AValdländereien
auf und wurden in kurzer Zeit reiche
Männer. Weyerhäuser steuerte $18,000
zum Bau einer Bibliothek in Rock Island
bei und bedachte auch die deutsche luthe-
rische Gemeinde. Im Jahre 1891 siedelte
er nach St. Paul über. Er Avurde Präsi-
dent der „Weyerhäuser Timber Co." und
der Leiter des sogenannten ,,W^eyerhäuser
Syndicate". An zahlreichen anderen in-
dustriellen Unternehmungen war er bethei-
ligt, auch war er Präsident zweier Bahnen
und Vize-Präsident der „German-Ameri-
can Bank" in St. Paul. Er gehörte als
Multi-]\Iillionär zu den reichsten Männern
des Landes.
Die Horstmanns,
Begruender der Seiden-Posamenlerie-lndustrie
in Amerika.
Der eigentliche Begründer der Seiden-
Posamenterie-Industrie war Wilhelm Hein-
rich Horstmann. Er war in Hessen-Cassel
am 16. August "1785 geboren, wo er die
Litzen- und Fransenweberei erlernt hatte.
Nach Ablauf seiner Lehrjahre war er auf
die Wanderschaft gegangen. Er lernte
vich' Länilcr kennen, bihlete sich immer
mehr im lN»samentir-Gewerbe aus luid
war in Paris Voriuaini eines bedeutenden
Geschäfts. In seinen dortigen Aufenthalt
fielen die ,, hundert Tage" zwischen H1I)h
und Waterloo. rcbi-igcMs hatte Hoi-st-
mann aueli das Ki-iegsleben kennen ge-
lernt, denn er hatte in der österreichischen
Armee als Husar gedient und 1809 die
Schlacht bei Aspern mitgemaclit, in welcher
Erzherzog Karl am 21. und 22. .Mai Napo-
leon besiegte.
Im Jahre 1815 kam Horstmann nach
Philadelphia. Mit geringem Kaj)ital eta-
blirte er 181(3 in 55 Nord 3. Stra.sse eine
Litzen- und Fransenweberei. Er führte
den maschinellen Betrieb in der Welierei
ein und war der Erste, der den Jacfpiard'-
schen Webestuhl in Amerika anwandte,
und zwar schon im Jahre 1825. Webema-
schinen, welche sein Sohn. William J.
Horstmann, erfunden und eingeführt
hatte, ermöglichten die Ilei"stellung bes-
serer Posamentier-Arbeit als der impor-
tirteu. Namentlich das Weben schmaler
Borten war ein Vorzug der Horstmann '-
sehen Webemaschine. Im Jahre 1823
machte Wilhelm II. Horstmann eine Reise
nach Europa. In der Nähe des Hafens
von llavre scheiterte das Schilf. Mit
eigener Lebensgefahr rettete Horst manu
einen der Passagiere. Der ältere Ilorst-
mann hatte im Jahre 1831 eine Fabrik an
der Germantown Road und Columbia Ave.
errichtet, welche bis 1852 benutzt wurde.
Besatzartikel und Ausrüstungsgegenstände
für 's :\Iilitär, wie Epauletten, Schnüre,
Knöpfe, Trommeln, Griffe und Scheiden
für Degen und Schwerter, Fahnen etc..
sowie Tuch- und Posamentier-Artikel für
Kutschen waren die hauptsächlichsten, aber
nicht einzigen Fabrikate seines ausge-
dehnten Etablissements, das unbedingt das
grösste seiner Art in den Vereinigten
Staaten war und geblieben ist. Kr starb
am 5. August 1850. Aus seiner im Jahre
1817 geschlo.ssenen ?:he mit ein<'r Tochter
638
DEUTSCHE IM OEFFENTLICHEX LEBEN.
des (loutschcn Fahrikanti'U Ilocckly. der
bereits MU.i in IMiilii(lt'l|)liia Kutschen-
spitzen, Fransen und (Quasten hei*stellte,
entsprossen dri'i Söhne und zwei Töeliter.
Der älteste Solni. William J. Ilorstniann.
wurde 1S1!> geboren. Er besuchte mit
seinem Jiruder Sifrismunil J. Ilorstniann
die Seluile Ilerni .1. Ueek's in Litiz, Pa.,
seine weitere Ausbildunjr erhielt er in
Deutsehland und Frankreich. Beide Brü-
der wurden 1S40 Kompaj^nons ihres
Vaters, der sich 184") vom Geschäft zu-
rückzo<r. das an Au.sdehnung und Man-
ni«rt'altigkeit gewobener und gewirkter
Fal)rikate beständig zunahm. Die patrio-
tische Gresinniuig des Gründers der Firma
Iloi-stmann geht am Besten daraus hervor,
da.ss er eine Kompagnie von deutschen
F'reiwilligen bald nach Ausbruch des
Krieges mit ^Mexiko anwarb, vollständig
<M|uipirte und auf seine Kosten miterhielt,
bis die Kegierung sie übernahm. Diese
Kompagnie, die „Steuben Rities", leistete
wert h volle Dienste im Felde.
Die grosse Fabrik an 5. und Cherry
Stras.se wurde 1852 errichtet. An der
Stelle hatte sich früher der Friedhof der
St. .Michaelis-Kirche befunden. Herr Wm.
J. Horst mann war von 1866 bis zu .seinem
am K». Mai 1872 in San Francisco er-
folgten Tode, wo er Be.s.serung eines Luu-
genleidens erhotft hatte, Präsident der
Deutschen Gesellschaft. Sein Bruder
Sigismund war bereits 1870 gestorben.
William .1. Horstmann 's Söhne, F. Oden
und AValter Horstmann, wurden die In-
haber des Geschäfts, das Filialen in New
York, l^oston, Baltimore, San Francisco
und Detroit, sowie in Lond(m. Paris, Ber-
lin, Wien und Ly(ms erhielt. Im Jahre
1893 wurde die Firma inkorporirt und die
..Wm. H. Ilorstniann Co." gegründet; der
ei-ste Präsident derselben war F. Oden
Ilorstniann. x\n seine Stelle trat, als er im
folgenden Jahre starb, Herr Walter Ilorst-
mann, der auch jetzt noch Leiter des
Riesen-Etablissements, dessen Fabrik an
5. und Cherry Str. 600 Weber etc. beschäf-
tigt, ist. Die andern Beamten der Horst-
mann Co. sind: Samuel Eckert, Vize-Prä-
sident, seit 1873 in dem Geschäfte thätig;
Henry Freund, Schatzmei.ster, seit I8öü
daselbst angestellt ; II. Mc^Ianus, Sekretär,
seit 1873 im Dienst der Firma, und
Georg p]iler, Jr., General-Geschäftsführer,
seit 38 Jahren angestellt. F. Oden Horst-
mann, Jr., ein Urenkel des Gründers, ge-
hört zu den Direktoren der Kompagnie.
Zu erwähnen ist noch, dass vor allen
anderen den Bemühungen W^m. J. Horst-
mann's die „Silk Association of America"
ihr Entstehen verdankt, die allerdings erst
nach seinem Tode, und zwar in einer am
26. Juni 1872 abgehaltenen Versammlimg
von Seidenfabrikanten der Vereinigten
Staaten zur Thatsache gemacht wurde.
Friedrich Baare ist am 19. Juni 1823
in Preussiseh-iMinden a. d. W^eser geboren
als Dritter der fünf Söhne des dortigen
Kaufmanns Friedrich August Baare, gest.
4. August 1842.
Er genügte der ^Militärpflicht als Ein-
jähriger 1846 im 29. Inf. -Regt, in
Coblenz. als Reservist 1848 im 25. Inf.-
Regt. in Cöln und erhielt .seinen Abschied
1852 als Offizier der Landwehr, 15. Regt.,
blinden. Xemi Jahre lang bekleidete er
Reisestellen im Farbwaaren- und Dro-
gueu-IIandel in IMinden, Coblenz und
Cöln und unternahm 1850 von ]Mimlen
aus. in Verbindung mit Bochum. West-
falen, mit Erfolg den Absatz der Ruhr-
Kohle über Bielefeld hinaus.
1852 kam er nach New York, um der
dortigen Firma seines Schwagers, J. Gross
Garelly, als Theilhaber beizutreten. Das
Ge.schäft bestand seit 1846 und lietrieb
Importation und Fabrikation von Besatz-
artikeln für Damen-Kleider und ]Män-
tel (Ladies' Dress- and ^lantilla-Trim-
niings). Es nahm die vier Stockwerke des
Gebäudes 61 John und 111—113 William
DEUTSCHE IM OEFFENTLICHEN LKHHN.
639
Str. ein. In 1804 trat Garelly vom Ge- In ISTO ülMTsicdcItc er na.-li Tatorson.
Schäfte krankheitshalber zurück, worauf X. J.. wo unter Beitritt von Milf,'! ledern
Baare in Theilhaliei-sehaft mit George der Firma John Kyle & Co. die Haare
Warren Geer unter der Finna Raare & iMannfaeturinf? Co. organisirt und h-diglieh
Geer es fortfülirte. Nach zweijährigem Sei(h'n-Hreitstoffweherei mittelst Kraft-
Aufenthalte in Europa gesundet, nahm stuhlen in der Upper Murray Mill in .Mill
Garelly neuen Antheil am Geschäfte mit Street betrieben wurde.
Domizil in Paris 31 Faubourg Poisson- Xaeh l'ebergang der Firma livle & Co.
niere und Aenderung der Firma in Xew in die der Pioneer Silk Co. JM-trieb Haare
York in Baare. Geer & Co., 29 Barclay die besagte Fabrikation, in ein eigenes
Str. Seiden-Bänder, Seiden-Stoffe, Spitzen Lokal an Sussex, naiie Brock Str., Süd-
FRIEDRICH BAARE.
und Sammete wurden als Artikel der Im-
portation und Fabrikation beigefügt, welch'
letztere in Xew York, in Union Hill, X. J.,
und Schoharie, N. Y., gleichzeitig betrieben
wurde. Acht Jahre darauf löste die Firma
in Uebereinstimmung sich auf. Haare
widmete sich in Schoharie fortan gänzlich
der Seiden-Breitstoff-Weberei auf Kraft-
stühlen, mit eigner Verkaufsstelle in 96
Reade Str., Xew York, unter seinem
Namen.
Paterson vei-legt. allein untl ei-liolj dort
.seine Fabrik-]\Iethode und Ma.sehinerie zu
der modernen Vervollkommnung, die in
allseitiger Anerkennung als die im (Je-
werlx" jetzt heri-schende Anwendung fand.
Ev nahm mit Ehren und Auszeichnung
Aul heil als Aussteller an d<'r Centennial-
E.\hibiti(m und übertrug das Jahr darauf.
1877, sein Geschäft durdi Verkauf an die
Sauquoit Silk Co. in Philadel|)hia, wo er.
das.sell)e für ein .lalir pei-sönlicli l.-iieiid.
640
DEUTSCHE IM OEFFENTLICHEN LEBEN.
Soiden-Breitsott'-Wi'IxTci crfoljrn'ii-h ciii-
tulirte.
Nach Patcrsoii 187S zurürkireki'hrt. fand
er den (Jfscliäfts{raii<r bcliiiidort durch
Manj;»'] an •rt-sclinllcn WicUlerinncn und
errii'hteto im \'aii Honten Marktfrobände
cini' Spi'zial-AVindcroi, die er nach Kintuli-
runj; verbesserter ^Vickehnethode. wodurch
Separat-Winderei cntbelirlicli wurde, 1883
verkaufte. Seitdem hat Friedrich ßaare
anffjrehört. an dem Betriebe der Seidonfa-
brikation sich aktiv zu betheiligon. Er ist
seit Jaln-en in Ilazleton. Pa., ansässig.
Die grossartigeu Werkstätten der J. G.
lirill Company in PliiUidelphia, wold die
bedeutendste Strassenbahuwagen - Fabrik,
verdanken zwei Deutschen, Vater und
Sohn, ihr Entstehen, dem aus Kassel ge-
bürtigen und 1888 in Philadelphia gestor-
l)enen Kunsttischler J. G. Brill und seinem
Sohne G. Martin Brill. Letzterer war am
6. Februar 1846 in Kassel geboren. Im
Jalu-e 1868 baute er mit seinem Vater den
ersten Stra.ssenbahn-Wagen. Nach dem
Tode J. G. BrilPs wurde die Firma J. G.
Brill & Co. in die J. G. Brill Company
umgewandelt. Martin Brill wurde Präsi-
dent. Sie hat Fabriken in St. Louis, Cle-
veland und Elizabeth, N. J., erworben. Es
sind 58 Millionen Dollars in dem Unter-
ncluncn angelegt. Die Philadelphiaer
Fabrik ist die grösste ihrer Art. jMartin
Brill starb im Jahre 1906.
Als Fabrikant der nach ihm genannten
Deimel'sehen Unterwäsche hat sich Dr.
Henry L. Dcimel einen Namen gemacht. Er
wurde in Soest, We.stfalen, am 31. Oktober
1858 geboren. Er besuchte das dortige
Gymnasium, studirte in Amerika ]\Iedizin
und befürwortete das Tragen poroeser
Leinwand-Unterwäsche. Er ist der Präsi-
dent der „Deimel Linen-^NIesh System
Co.", San Francisco.
Der ^lann, wt'lclier in seinen ausgedehn-
ten Fabriken die Arbeiter-Alters- Versor-
gung und Lebensvei-sicherung als er.ster in
Amerika praktisch durchführte und den
Beweis lieferte, dass sie auch ohne Staats-
hilfe sich ermöglichen lassen, kann wohl
auf einen breiteren Raum in diesem Buche
Anspruch machen, da er in beschränktem
Kreise eine Volkswohlfahrtseinrichtung ge-
trotfen hat, die schliesslich doch einmal zu
einem nationalen Institut werden muss.
Die amerikanischen Verhältnisse bringen
das mit sieh. Eine Nation, deren Arbeiter-
geber das Recht des älteren ]\Iannes auf
Arbeit nicht anerkennen wollen, mu.ss zur
AI tersversorgungs- Versicherung sich ver-
stehen, wenn sie eine bedrohliche Zu-
nahme des Pauperismus verhindern will.
Der Mann, welcher die Durchfülirbarkeit
den Zweitlern praktisch demonstrirte, ist
ein Deutscher von Geburt und Erziehung,
Alfred Dolge. Geboren am 22. Dezember
1848 in Chemnitz, Sachsen, erhielt Alfred
Dolge seine Erziehung in Leipzig, wo sein
Vater, August Dolge, eine Pianoforte-
Fabrik gegründet hatte. Als Dreizelin-
jähriger trat er als Lehrling in dieselbe
ein und begab sich, 17 Jahre alt, nach
New York, um sieh über die amerikanische
Pianofabrikation zu informiren. Ein Jahr
später kehrte er zurück, aber nur, um
seinem Vater mitzutheilen, er werde sich
in Amerika niederlassen. In New York
fand er Beschäftigimg in der Pianofabrik
von Frederick Mathuschek. Nebenbei
führte er. in kleinem Masstabe allerdings^
deutsches Klavierhammerleder und Poehl-
mann 'sehen Draht ein und erwarb sich
mit dem Verkauf ein kleines Vermögen.
Im Jahre 1869 gab er die Arbeit in der
Fabrik auf und beschäftigte sich allein
mit dem Import von ^Materialien zum Kla-
vierbau. Da es ihm nicht gelingen wollte,
auch Klavierhannnerfilz zu beziehen, da
dessen Import das ^Monopol grösserer Kon-
kurrenten war, so beschloss Dolge im Jahre
1871, den Artikel selbst herzustellen, und
DEUTSCHE IM OEFFENTLICHEN LEBEN.
• 41
gründete die Eagle Feit Company, wclclic
in Brooklyn mit einem Ballen Wolle den
Betrieb begann. Der erste Filz, der her-
gestellt wurde, entspraeh den p]r\vartungen
nielit, die drei Freunde Dolge's zogen sieh
zurück. Durch fortgesetzte Experimente
gelang es Dolge in kurzer Zeit, eine
bessere Qualität Klavierhammerfilz herzu-
stellen, als in Europa. Um der Güte
seiner Waare allgemeine Anerkennung zu
hatte. Auf der ( 'entennial-Ausstelhuig in
Philadelphia erliielt l)nlg..'s Fabrikat zwei
^ledaillen uiul zwei Dipbmie. Kr baute
eine zweite Fabrik zur Ilei-stfllung von
Kesonanzbüdrn und erwarb Waid-Län-
dereien in den Adirondaeks. Er verfer-
tigte ausserdem Filz für verschiedene
aiulere Zwecke und begaini im Jalire 1883
mit dei- Fabrikation von Filzschuhen,
welche er später der Daniel Green Shoe
ALFRED DOLGE.
verschaffen, sandte er seinen Klavierham-
merfilz zur Wiener Weltausstellung im
•fahre 1873 und erhielt dafür den höchsten
Preis. Auch von europäischen Pianofabri-
kanten erhielt er Aufträge. Seine Fabrik
in Brooklyn erwies sich als zu klein, und
so verlegte er sie im Jahre 1874 nach
Brockett's Bridge, 200 Meilen von New
York entfernt, wo er am Ufer des East
Canada River eine alte Gerberei gekauft
Company ülx'itrug. Im .lahrc 1882
ehrten die Bewolmci- von Brockett's
Bridge Alfred Dolge dadurch, dass sie den
Ort Dolgeville muniteii, eine Namensände-
rung, welchi' von den Washhigtoner Be-
hörden prompt bestätigt wurde. Was
Dolge besonders auszeichnete, war seine
Arbeiterfürsorge. Kr Hess seine zahl-
reichen Angestellten an dem Profit seiner
Fabriken theilnehmcn, er .sorgte für Alters-
642
DEUTSCHE IM OEFFENTLICHEN LEBEN.
und Lebensvei-sirhorimfr. vr baute Schulen,
er stiftete zwei Parks für Erliolungs-
zweeke, streckte dein Turnverein in Dolge-
ville $40.(»()() vor zum Bau einer Halle mit
Theater, Turnsaal und Klubräumlichkei-
ten und sorgte für moderne Arbeiter-
häuser, deren f^rwerb er seinen Ange-
stellten nach Kräften erleichterte. Später
wurilcn andere Fabriken nach Dolgeville
verlegt ; es wurde durch eine Eisenbahn
mit Little Falls und der New York Central
verbunden \nid mit allen modernen Ein-
richtungen und Verbesserungen versehen.
Dolge ist seiner schutzzöUnerischen An-
sichtt'U wegen von Freihandels-Zeitungen
lieft ig angegriffen und ihm der Vorwurf
des Renegatenthums gemacht worden, weil
er angeblich allzu amerikanisch gesinnt
sei und zu wenig deutseh. Der Vorwurf
ist unbegründet. In dem Dolge 'sehen
Hause wird deutsch gesprochen, und die
fünf Söhne des grossen Fabrikunterneh-
mers und Gründers einer neuen Industrie
in Amerika sprechen deutsch. In seinem
Turnverein hat er der wahren ^Massigkeit
das AVt)rt geredet, aber den Genuss von
Bier und Wein empfohlen, weil sie das
Herz frei nuichen, die Zimge lösen und
Geselligkeit und Fröhlichkeit befördern.
Wogegen er sich aber aussprach, war das
Absondern von Bürgern anderer Rasse.
Bei Deutsch-Amerikanern sollte seiner
Ansicht nach der Accent stets auf dem
zweiten Theil des Doppelwortes liegen.
Nikolaus Ilerchheimer, den Sieger von
Oriskany. hielt er für das nachahmungs-
wertheste Beispiel eines deutseh-amerika-
ni.sehen Patrioten. Es gäbe keine Zukunft
für Deutsche als solche in unserem Lande,
aber eine grosse Zukunft für deutsche
Kultiir, deutsches Denken, deutsehe Gesel-
ligkeit in Amerika. Als erstrebenswerthe
Ziele der deutschen Bewegung in den Ver-
einigten Staaten erklärte er die Einfüh-
rung des deutschen Sprach- und des
deutschen Tum-Unterrichts in den Schu-
len. „Unsere deutschen Dichter und
Sehrift-steller und unsere deutschen Philo-
sophen sind auch heute noch die Ge-
fährten meiner Mussestunden. Ich denke
und fühle Deutsch, aber ich bin Ameri-
kaner."
Nachdem er Dolgeville im ]\Iai 1899 ver-
la.ssen hatte und sich nach Californien be-
geben hatte, betrieb er in der Nähe von
Los Angeles Obst- und Weinbau. 1903
wandte er sich wieder seiner früheren
Liebe, der Filzfabrikation, zu. Er grün-
dete Dolgeville in Californien, errichtete
dort eine Anzahl von Fabriken, welche
sich gut entwickelten. Nicht allein als
Gründer einer neuen Industrie, sondern
auch vor allen Dingen als der erste Arbeit-
geber in Amerika, welcher Alters- und
Lebensversicherung im industriellen Be-
triebe ohne Hilfe des Staates durchführte,
wird Alfred Dolge 's Name einen Platz in ,
der Geschichte der Gewerkthätigkeit und
Wohlfahrtsbestrebimgen Amerika 's er-
halten.
Als Fabrikant, Erfinder und Grosskapi-
talist hat sich der am 30. ]März 1848 in
Westfalen geborene Wilhelm Edenborn
einen Namen gemacht. Er kam im Jahre
1867 nach Amerika, arbeitete als Hand-
werker in St. Louis von 1869 — 71, wurde
1871 Präsident der St. Louis Wire Mill
Co. und dann der „Consolidated Steel &
Wire Co." bis 1898. Auch war er Vize-
Präsident imd ^Mitglied des Exekutiv-
Komites der American Steel and Wire Co.
Von 1901 bis 1904 war er [Mitglied der
Exekutiv- und Berathungs-Behörden der
United States Steel Corporation. Er ist
Präsident der Louisiana Railway and Navi-
gation Co. und der „Pitt.sburg & Southern
Coal Co.", sowie Direktor verschiedene!-
anderer Korporationen. Er machte werth-
volle Erfindungen für Draht-Fabrikation.
Als analgetischer und konsultirender Che-
miker hat sich der in Gieboldehausen in
DEUTSCHE IM OEFFENTLICHEN LEBEN.
643
Hannover am 23. Juni 1885 geborene
Franz Ernst Engclhardt einen Namen ge-
macht. Nach Studien in Göttingen kam
er .1857 nach Amerika und liess sich in
Syracuse, N. Y., nieder. Vorher war er
Chemiker in Philadelphia, Assistent am
Columbia College, Professor der Chemie
am St. Francis Xavier College und Pro-
fessor der ]\Iateria ]Medica am New York
College of Pharmacy gewesen. Längere
Zeit war er Chemiker der Onondago Salt
Co. und Chemiker der Staats-Sanitäts-Be-
hörde. Als solcher hatte er namentlich
Biere, Weine und Liköre zu untersuchen.
Er ist auch Chemiker und IMilchiuspektor
der Sanitäts-Behörde in Syracuse. Seine
Untersuchungen und Abhandlungen über
Petroleum. Salz. Spirituosen, Biere etc.
haben Engelhardt den Rang einer Auto-
rität zugewiesen.
Eberhard Faher, dessen Urgrossvater im
Jahre 1761 in Stein bei Nürnberg in
Bayern eine Bleistift-Fabrik gegründet
hatte, die durch den späteren Freiherrn
Johann Lothar von Faber (1817—1896)
zur Weltbedeutung gelangte, war im Alter
von 29 Jahren im Jahre 1849 nach New
York gekommen, um ein amerikanisches
Zweiggeschäft zu gründen. Er erwarb
Cedern-Waldungen in Cedar Keys, Fla.,
und errichtete dort eine Sägemühle. Eine
Bleistiftfabrik gründete er in Brooklyn,
N. Y., eine Radirgummi-Fabrik in Newark,
N. J. ; er führte verschiedene, menschliche
Arbeitskräfte ersparende INIaschinen ein.
Es starb im Jahre 1879. Sein Sohn,
Johann Eberhard Faber, geboren am 14.
März 1859 in New York und in Deutseh-
land. Frankreich und Amerika praktisch
au.sgebildet, übernahm das Geschäft und
associirte sich später mit seinem Bruder
Lothar. Der Firma-Name ist Eberhard
Paber Pencil Co.
Landes, der „Dubu«iu(' Cabinet Makers'
Association", ist liichard Ilerrmann, ge-
boren in Chemnitz am 10. .März 1849. Kr
kam im Jahre 1861 mit .sehiem Vater nadi
Amerika, war als Dolmetscher, Farmer und
Bahuarbeiter-Aufseher thätig, bis er sich
1877 in Dubuque, la., dauernd niederlicss.
Er beschäftigte sich in seinen Mu.s.sestun-
den mit zoologischen, paläontologi.schen,
archäologischen und ethnologischen Stu-
dien und gründete das ,,II('rnnann Mu.seum
of Natural Ilistory". Er schrieb eine
Reihe von wissenscliaftlichen Abhandliui-
gen, ferner ,,Life and Adventures of J>iliaii
Dubuque" (des Gründei-s der Stadt, die
ihm auf Ilerrmann 's Anregung hin ein
Denkmal gesetzt hat) und gab eine „Col-
lection of Choice German Songs" heraus.
Gründer einer der Gross-Schlächtereien
des Landes war der im Schwarzwald am 21.
Januar 1839 geborene Nelson Morris, der
als 12jähriger nach Chicago kam, in Gros.s-
Schlächtereien und Fleiseh-Verpack-IIäu-
sern arbeitete und schliesslich die Firma
Nelson ]\[orris & Co., sowie die Fairbank
Canning Co. gründete. Er war an tinan-
ziellen und anderen Instituten betheiligt.
Er starb im Jahre 1907.
Der Begründer der Hafermehl- Industrie
im Lande war der in Celle, Hannover, am
30. :März 1822 geborene und im Ai)ril 1908
verstorbene Ferdinand Schuhmacher, der
1850 nach Amerika gekonnnen war und im
Jahre 1856 in Akron, 0., mit der Fabrika-
tion von Hafermehl, Graupen etc. begann.
Er vereinigte die verschiedeneu „Oat-
Meal "-Fabrikanten zur „American Cereal
Co", deren Präsident er bis zum Jahre
1899 war. Ein war ein eifriger Förderer
der Teraperenz-Bewegung.
Präsident und Schatzmeister einer der
grössten Möbel - Fabrikanten - Firmen des
Selten hat das Ableben eines Deutsch-
Amerikaners so allgemeine Trauer hervor-
gerufen, wie der am 30. November 1896
641
DEUTSCH i: TM OEFFEXTLICHEX LEBEX.
crf(tljrte Tod ]Villiam Strinirajj's. "Wenn
irp'iid Jt'iiiaiul Aiisprudi darauf crliclH'n
kann, dass sein Aiuli-iikfii girlirt wird, so
dieser geradezu enthusiastische Förderer
deutscher Kunst in Amerika. Er gab mit
vollen Händen, und Hunderte von aufstre-
IxMiden Talenten haben in ihm einen Mäcen
gefunilen. an des.sen Edelmuth und Hilfs-
bereit.schaft kaum jemals vergeblieh appel-
lirt wurde. Geboren am 5. März 18:^6 in
Seesen im Harz als der vierte Sohn und
das seehste Kind Heinrieh Engelhard Stein-
way's. des Begründers der weltberühmten
l'ianofabrikanten-Firma Steinway & Sons,
erhielt "William eine gute p]rziehung. Seine
aussergewöhnliehe musikalische Begabung
trat schon früh hervor. Nachdem die F'a-
milie 1850 nach Amerika übergesiedelt
wa»-. wo der 14jährige bei den New^ Yorker
Piano-Fabrikanten Xunns & Co. in die
Lehre trat, wurde am 5. ]März 1853 die
Firnui Steinway & Sons gegründet. In der
Fabrik arbeiteten ausser William auch
seine Brüder Henry Jr. und Charles mit
dem Vater. Der schnelle Aufschwung der
Falirik bedingte, dass "William mit der
Leitung der Geschäfte der Firma betraut
wukIc. Das war ein geeignetes Feld zur
Bethätigung seines kaufmännischen Ta-
lents, und er war es hauptsächlich, der den
AVcltruf der Firma neben der anerkannten
Vorzüglichkeit ihrer Instrumente begrün-
den half. William Steinway war deutseh
in seinem Denken und Fühlen. Erst seine
Zusicherimg, da.ss er das Sängerfest unter-
stützen werde, setzte die New Yorker Ver-
einigung in den Stand, das im Jahre 1894
abgehaltene zu übernehmen. Er wurde
zum Lhren-Bräsidenten gemacht. Er deckte
das Defizit von $1.471.24. Zahlreiche Aus-
zeichnungen wurden ihm in seinem Leben
zu theil, so die Ernennung zum Ehren-
Milgliede der königlichen Akademien in
Berlin und Stockholm und der königlichen
St. Cäcilia- Akademie in Rom (1584 von
Palestrina gegründet) sowne zum Ehren-
Bürger seiner Geburtsstadt Seesen. Den
2.").(M)(). Konzertflügel der Firnui. der am
4. Mai 1872 fertiggestellt wurde, kaufte der
daiiuilige Zarewitsch. Das Haus Steinway
& Sons wurde zu Hoflieferanten der bedeu-
tendsten ^lonarchen Europas ernannt.
William Steinway 's Leichen-Feier am 2.
Dezember 1896 in der Halle des deut-
schen Liederkranzes, des,sen l'räsident
der Verstorbene mehrere Jahre war, ge-
hörte zu den grossartigsten Trauer-Kund-
gebungen der Stadt New York.
Deutsche Ingenieure, Chemiker und
Erfinder.
Deutsche Ingenieure, deutsche Chemiker
und Erfinder spielen in der Geschichte von
Handel und Wandel in den Vereinigten
Staaten eine bedeutende Rolle. Einige der
hervorragendsten seien hier genannt.
Johann August Roebling.
Der ]\lann. der eines der modernen Welt-
wunder geschaffen hat, die in schwindeln-
der Höhe den East River überspannende
Brooklyner Brücke, ist ein Deutscher ge-
wesen, Johann August Roebling. Geboren
am 12. Juni 1806 in :Mühlhausen in Thü- j
ringen, besuchte er das Polytechnikum in
Berlin. Er wandte sich dem Strassen- und
Brückenbau zu. Er schloss sich der Kühl-
häuser Auswanderung.s-Gesellschaft an und
kam mit seinem Bruder im Jahre 1831 nach
Amerika, um eine rein deut.sche Kolonie zu
gründen. In Beaver Comity. Pa.. nicht
weit von der Rapp 'sehen Ansiedlung Har- ;
mony entfernt, kauften sie Land an. aber
als Farmer hatten die gebildeten Männer, (m
welche von ^Iühlhau.sen herüberkamen,
keinen Erfolg. Im Jahre 1837 nahm Roeb-
ling an der Pittsburger Konvention (s.
Pennsylvanien) theil. Bald wandte er sieh
jedoch seiner früheren Beschäftigung, dem
Stra.ssen- und Brückenbau, wieder zu.
Nachdem er in untergeordneten Stellen
thätig gewesen war. erhielt er Auftrag, die
DEUTSCHE IM OEFFENTUCHEN LEBEN.
(>45
Route über die Allejrhanies für die Penn-
sylvania-Bnliii zu vermesseu. Im Jahre
1844 — 5 beuutzte er zuerst Drahtseil zu
Aquächikt- und Hrückeu-Hauteii. Die
erste Dralitseil-lläujrehrüeke. die Koebliug
baute, spannte sieh über den Mouongahehi
bei Pittsburg. Sie hat eine Länge von
1,500 P\iss. Er verlegte seine Drahtseil-
Fabrik naeh Trenton, N. J. ; im Jahre 1851
begann er mit der Konstruktion der grossen
Hängebrüeke über den Niagara, welche be-
stimmt war. den Zügen der Grand Trunk
Bahn den Verkehr zu vermitteln. Die
Brücke hatte eine Spannweite von 821 Fuss
und eine Breite von 15 Fuss. Zwei 10 'li-
zöllige Kal)el trugen die Brücke; jedes der
Kabel l)estand aus sieben Strängen, deren
jeder aus 520 Drähten gebildet war. Die
Brücke ist übrigens im Jahre 1898 — 9
durch eine Stahl-Bogen- Brücke ersetzt wor-
den. Später erbaute Roebling die Cinciu-
nati und Covington Brücke über den Ohio,
deren Spannweite bei einer Gesammtlänge
von 2,252 Fuss 1.057 Fuss beträgt. Die
hierbei verwandten Kabel hatten einen
Durchmesser von 12^/4 Zoll. Die Brücke
dient dem Strassen- wie dem Strassenbahn-
Verkehr. Im Jahre 1897 — 8 wurde die
Tragkraft der Brücke, bei deren Bau Roeb-
ling's Sohn, Washington Augustus Roeb-
ling, Hilfe geleistet hatte, durch zwei
neue, direkt über den alten angebrachte
Kabel und neues Eisenwerk verstärkt.
Roebling 's Brücken zeichnen sich durch
die Kühnheit des Entwurfs sowohl, wie
durch die Eleganz der Linien aus.
Auf die Vorarbeiten seines grössten
Werks, der „New York and Brooklyn Sus-
pension Bridge", hat Roebling Jahre ver-
wandt. Bis in 's kleinste Detail hatte er die
Berechnungen aufgestellt, er hatte die i\Iög-
liehkeit der Durchführung des Riesen-Pro-
jekts ü])erzeugend dargelegt und Kosten-
Anschläge ausgearbeitet, welche nur da-
durch bedeutend höher wurden, als wesent-
liche Aenderungen auf Wunsch der Bun-
des-Regierung in den Plänen vorgenommen
werden musstcii. Dir Brücke ist die
läng.ste Hängebrücke dir W.-It. wenn auch
ihre Spaiuiweite von der neuen Käst River
Brücke, nut deren Bau 1SI)7 begonnen wor-
den war. übertrort'en wird. Die New Y(»rk-
Brooklyn-Brücke hat eine Fluss-Spann-
Weite von 1,595'ij Fuss, die Länge jedes
Land-Spannes beträgt 9;{() Fuss, die Länge
der Brooklyner Auffahrt !>71 Fuss. die
Länge der .\e\v Yorker Auffahrt l..'>ti2'j
Fuss und die Gesammt-Länge der l>iiieke
5,989 Fuss. Die Brücke ist 85 Fuss breit.
Sie wird von vier Kabeln getragen, deren
jedes aus 6.300 j)arallelen Stahldrähten
besteht. Das ganze Kabel befindet sieh
in einem Cylinder von 15'j Zoll Dureh-
messer. Die Brücke vermag 11.200 Tonnen
Gewicht zu tragen. Sie hat im (ianzen
.$9,000,000 gekostet.
Bei Leitung der Arbeiten wurde Roeb-
ling von einem Balken getroffen. Melirere
Zehen nuissten amputirt werden. Blutver-
giftung setzte ein, und der kühne Brücken-
bauer .starb infolge von Mun(ls|)erre am
22. Juli 1869. Er war nicht allein ein
grossartiger Ligenieur. ein erfolgreicher
P'abrikant, dessen Stahldraht-Werke in
Trenton zu den grössten der Welt gehören,
sondern auch ein Freund der Armen.
Roebling wurde in Trenton ein Denkmal
errichtet.
Sein Sohn Washington Augu.stus R«»eb-
ling, geboren im Jahre 1837 in Sax(»nburg
bei Pittsburg, führte das Werk des Vatei-s
weiter. Er hatte sieh im Bürgerkriege als
Brückenbauer für die Fnions- Armee aus-
gezeichnet. Er war der Erste, welcher
Lee 's :\Iarschbewegung von Frederieksburg
nach Pennsylvanien, die in dei- blutigen
Schlaelit von Gettysburg iiir Ziel fand, von
eineiii Luftballon aus auskuiulseliaftete
Er trat an seines Vaters Stelle. .\ber der
beständige Aufenthalt in den mit koinpri-
mirter Luft gefüllten Caissons liess lioeb
ling von der Krankheit befallen werden,
welche als „The Bends" (Krüiiunen) be-
zeichnet wird. Sie besteht in einer Er-
646
DEUTSCHE IM OEFFENTLTCHEX LEBEN.
schlaffiin«? der ^luskeln und Krümmung
der Glieder. Von seiner Erkrankung im
Jahre ISl-i an bis zur Vollendung der
Brüi'ki' im Jahre ISS.S leitete er den
Bau von seinem Kranken-Zimmer aus; er
konnte von demselben aus die Brücke lang-
sam i'mporwarhsen sehen. Er ist Präsident
der John A. Roebling's Sons Company in
Trenton. Fabrikanten von Eisen- und
Stalil-Draht und Drahtseilen.
Als Elektro-Teelmiker hat sich Bernhard
Arlhur lirhrvnd einen Namen gemacht. Er
wurde am !). Mai 1875 in Pommern geboren,
studirte am l'olytechnikum Cliarlotten])iu-g.
ist jetzt Chef-Ingenieur der Sillcox Electri-
ca! Manufacturing Co. in Cincinnati und
hält Vorlesungen am IMcGill College in
Montreal, der Universität von "Wisconsin
und (li'i- Leland Stanford Universität. Er
ist Mitglied fachwissenschaftlicher Vereine
in Deutschland, der Schweiz und den Verei-
nigten Staaten und Verfasser von ..The In-
duction Motor — Its Theory and Design",
„The Debt of P^lectrical Engineering to C.
E. L. Brown" und zahlreicher Abhandlun-
gen in fachwis.sensehaftlichen Zeitschriften
hier und in Deutschland. Viele von ihm er-
fundene elektrische Apparate und von ihm
konstruirte elektrische Maschinen wurden
in St. Louis 1904 preisgekrönt.
Ein Erfinder von Ruf ist Emil ßcrliiur.
geboren in Hannover am 20. ]\Iai 1851. Er
kam im Jahre 1870 nach den Vereinigten
Staaten. Seine Erfindungen und Verbesse-
lungen galten nanu^ntlich der Telephonie.
Im Jahre 1887 erfand er das Grannnoi)hon,
einen Apparat zum Aufzeichnen und spä-
terem Wiedererzeugen der menschlichen
Hede und anderer Tongel^ilde. Er unter-
.seheidet sieh vom Phonograi»hen. der später
erst erfunden wurde, dadurch, dass der
zeichnende Stift parallel zur Zeichentiäche
bewegt wird und dass er in derselben nur
unmerklichen AViderstand findet, so dass
eine reinere Fernwiedergabe stattfindet als
beim Phonographen. Der Stift arbeitet auf
einer rotirenden, mit einer dünnen Wachs-
schicht überzogenen Zinkplatte und erzeugt
Wellenlinien, die mittels lOprozentiger
Chromsäure in die Zinkfläche vertieft ein
geätzt werden. Diese geätzte Zinkplatte
oder ein Abklatsch in Kupfer oder Hart
gunnni dient zur Wiedergabe. Berliner
hat seinen Wohnsitz in Washington. Ei
erhielt vom Franklin Institute in Philadel-
phia die John Scott ^ledaille.
Ein Lithograph von hervorragender Be-
deutung ist der im September 1826 in Iles-
sen-Cassel geborene Julius Bicn, der im
Jahre 1849 nach Amerika gekonnnen war.
Er begann bereits im nächsten Jahre mit
einer kleinen Handpresse das lithographi-
Geschäft. Seine ]\Iussestunden füllte er mit
Portrait- und Banner-Malen aus. Er
machte lithographische Illustrationen zu
wissenschaftlichen und Kunst-Arbeiten zur
Spezialität, so lieferte er die Illustratio-
nen zu ,, American Locomotives and Kail-
roads" (1852), zu den Küstenvermessungs-
Berichten, für das Census-Amt und andere
Bundes- luid Staats-Berichte. Besonders
verdient machte er sieh durch den „Atlas
of the Reeords of Rebellion" und ..Atlas of
U. S. Censuses". Er war Chef der gro.sscn
New Yorker Lithographen-Firnui Julius
Bien & Co. Er erhielt mehrere Diplome
und ^Medaillen bei W^elt- Ausstellungen.
Als Bergwerks-Ingenieur hat sich der am
27. Februar 1847 in Lüneburg, Hannover,
geborene Max Böhmer sehr verdient ge-
macht. Er absolvirte das Polytechnikum
in Hannover; 1872 wurde er Ilülfs-Ingc-
nieur der Bundes-Regierung und als solcher
sieben Jahre lang bei den Arbeiten zur Re-
gulirung des ^Mississippi und ^Missouri be-
schäftigt. Von 1879—98 war er Ingenieur
in der :\linenstadt Leadville in Colorado.
Im Jahre 1878 waren bei Leadville reiche
DEUTSCHE IM OEFFENTLICHEN LEBEN.
647
Lager von Blei-Silber-Erzen gefunden wor-
den. Das hatte einen niäehtigen ..Boom"
der Ortschaft zur Folge, welche 1860 ange-
legt worden war, als Gold in der Gegend
entdeckt wurde. Aber die Gold-Lager
waren anscheinend bald ei-schöpft, und da-
mit die Bedeutung Leadville's. Böhmer
war in hervorragender Weise an der p]r-
schliessung der Erdschätze in und um
Leadville thätig, die nicht allein Blei und
Silber, sondern auch Gold, Zink. Kupfer,
Bismuth und Älangan ergaben. Dann sie-
delte er als Bergwerks-Sachverständiger
nach Denver über. Er ist Expert in Bezug
auf Bestimmung der Ertragfähigkeit von
Bergwerken und als solcher sehr gesucht.
Eine grosse Vielseitigkeit technischen
Wissens zeichnet den am 14. November
1844 in Deutschland geborenen, seit
seinem 16. Jahre in Amerika befindlichen
Veteran des Bürgerkrieges Wülielm Theo-
dor B rannt aus. Er hat sein Geschäfts-
lokal in Philadelphia. Er schrieb Abhand-
lungen über Bierbrauerei ; Behandlung der
Rohmaterialien und Fabrikation von Leim,
Gelatine, Kitt, Kleister und Gummi-Ara-
bikuui ; Rohmaterialien, Distillation und
Rectificirimg von Alkohol und Hei*stel-
lung alkoholischer Getränke, Liköre und
Bitters, ein „Techno-Chemical Receipt
Book", Fabrikation von Seife und Bon-
bons, Handbuch für ]\Ietallarbeiter, für
Anstreicher, Vergolder und Lackirer. für
Kleider-Reiniger und Färber, Abhandlun-
gen über Firni.sse, Lacke, Druckerschwärze
imd Siegellack, über Petroleum, über ani-
malische und vegetabilische Fette und Oele,
Metall - Legirnngen, Essig - Fabrikation,
Kautschuck, Gutta-Percha und Balata,
Werkzeugstahl u. a. m.
Eilers. Er .studirte an der Bergschule in
Clausthal und der ['niversität Göttiiigen.
Er kam im Jahre 1859 nach Amerika, war
von 1869—1876 V. St. IIilfskommis.sär für
Bergwerksstatistik, war in hervorragenden
Stellungen an Bergwerks-rnternehmuugcn
betheiligt und ist einer der Gründer des
,, American In.stitute of Mining Engi-
neers". Er hat eine Reihe fadiwissen-
schaftlicher Aidiandlungen ütier Metal-
lurgie geschrieben.
Im Eisenbahnwesen spielt eine hervorra-
gende Rolle der am 21). November ]H'-i\ in
Deutschland geborene Henri/ Fink, der
nach Studien am Polytechnikum in Darm-
stadt im Jahre 1851 in den amerikanischen
Bahndien.st eingetreten wai-. Im .lahre 1876
wurde er ]\Iassenverwalter und General-
Betriebs-Direktor der Norfolk & Western
Balni. deren Präsident er im Oktober 1896
wurde. Vorsitzender des Direktoriums der-
selben Bahn wurde er im .März 1902.
Ausserdem bekleidete Fink hervorragende
Stellungen bei der Eastern Tennessee, Vir-
ginia und Georgia Rd., der ]Memi)his &,
Charleston Rd., der Virginia, Tennes.see &
Georgia Air Line, der Richmond & Dan-
ville Rd., der ^Memphis & Charle.ston Rd..
der Cincinnati. New Orleans & Texas
Pacific Rd., der Alabama Great Southern
Rd. Er wohnt in New Yoi-k.
Bergwerks-Ingenieur und Äletallurge
von Beruf ist der in Brooklyn, N. Y., woh-
nende und am 14. Januar 1839 in Nassau,
Deutschland, geborene Anton Frieelrich
Von deutschen Eltern stammt einer der
bedeutendsten Ingenieure un.seres Landes.
General Hermann Haupt, geboren am 26.
März 1817 in Philadelpliia. gestorben im
Dezember 1905. Er trat in die Kadetten-
Anstalt zu Westpoint ein, absolvirte die-
selbe 1835, wurde Lieutenant im 2. Infan-
terie-Regiment, schied jedoch aus der
Armee aus. um llilfs-Ingenieur der öffent-
lichen Arbeiten in Pennsylvanien zu wer-
den. Im Jahre 1S44 wui-dc (M- Professor
der Civil - Ingenieurs - Wissenschaften am
Pennsylvania College. Dhm Jahre später
648
DEUTSC'HK IM OEFFENTLICHEN LEBEN.
gab vv dir St fl hing auf und wurde konsul-
tiirndcr Ingenieur uml sj)äter Cieneral-
Superintendi-nt und Chef-Ingenieur der
Pennsylvania-Balin. In den Jahren 1856
bis 1861 leitete er den Kau (hs lloosae-
Tunnt'ls. Im Bürgerkriege war er Chef des
\'. St. .Militiir-Iiahn-Hureaus mit dem
Kange eines Obei-sts und später eines Gene-
rals. Von 1872 bis 1876 war er General-
Hetriebs-Direktor der ..Piedmont Air-Line
Kailroad". von 1876—78 Clief-lngenieur
der ..IVinisylvania Transportation Com-
pany and Sea-board IMpe Line", von 1881
— 85 General-Betriebs-Direktor und von
ISSö — 1886 General - Superintendent der
„Northern Paeifie Bahn". Er erfand eine
Bohr-Maschine, die aueh in Europa ehrende
Anerkennung fand, und war der Erste, der
die ^Möglichkeit eines Petroleum-Transports
in Röhren naehwies. Er hat mehrere faeh-
wissensehaftliehe Abhandliuigen geschrie-
ben. Sein Sohn, Lewis Mühlenherg Haupt,
der am 21. März 1844 in Gettysburg, Fa.,
geboren wurde, ist ebenfalls ein hervorra-
gender Ingenieur,
Für die Entwicklung der Photographie
in Amerika hat Wilhelm Kurz, geboren im
Jahre 1834 in Hessen-Darmstadt, viel ge-
than. Er erlernte in Deutschland Litho-
graphie, wanderte aus. um der Dienst-
ptlicht zu entgehen, wurde aber in London
durch Noth gezwungen, sich der britisch-
deutschen Legicm anzuschliessen, mit der
erden Krimkrieg (1854) mitmachte. Nach
L(mdon zurückgekehrt, schlug er sich als
Zeichnenlehrer, dann als Werkmeister in
einer Fabrik durch, bis er 1857 zur See
ging, l'nter dem Aequator erlitt er Schiff-
l)ruch in der Nähe der afrikanischen
Küste, wurde mit seinen Genossen an Bord
eines nach New York bestimmten Schiffes
genonnnen und zu AVeihnachten 1859 in
New York an 's Land gesetzt. Er fand zu-
näch.st Aufnahme in der Zufluchtsstätte
für Seeleute „Sailors' Snug Harbor". Eine
Anzeige brachte ihm Beschäftigung in
einem nagucrrcotyp-Atelier. Nach kurzer
rnterbrechung seiner neuen Beschäftigung
durch den Krieg, in dem er drei Monate
als Sergeant diente, konnte er im -Jahre
1865 sich selbstständig machen. Er erfand
wesentliche Verbesserungen der Photogra-
phie, war der erste, welcher ]\Iiniatur-l*ho-
tographien auf Porzellan aufnahm, führte
den „Rembrandt-Effekt" ein, erbaute 1873
die Kurz-Gallerie am Madison Square in
New York, die $l:5(),()()() kostete, und
machte sich namentlich verdient um die
p]inführung der Kreide-Zeichnimg-Bilder,
für welche er ein besonderes Uebertra-
gungs-Verfahren erfand. Schon in Paris
hatte er 1867 ein Diplom für gute Leistun- •
gen in der Photographie, das erste für
Amerika, und auf der AViener Welt-Aus-
stellung die ^Medaille für künstlerischen
Geschmack in der Aufnahme von Photo-
graphien erhalten. Bei der Centennar-Aus-
stellung in Philadelphia (1876) fanden
seine Crayon-Bilder sogar in der IMemorial-
Halle, wo Photographien ausgeschlossen
waren, Aufnahme. Er patentirte Apparate
zur photographischen Aufnahme von Ge-
mälden.
In dem Artikel „Deutsche Juden in Ame-
rika" sind die Erfinder des photographi-
schen Kupferdruck - Verfahrens Louis
Edward und Ma.r Levij als deutsche Juden
bezeichnet worden. Der erstere wurde in
Stenowitz, Böhmen, geboren, kam aber
schon als Kind nach Amerika und wurde
in Detroit erzogen. Seine Untersuchungen
über mikroskopische Photographie und da-
mit in Verbindimg stehende Experimente
führten zur Entdeckung des photo-chemi-
schen Gravirungs- Verfahrens, das den
Namen ..Levytype" erhielt. Er erhielt da-
für 1875 das erste Patent, das in diesem
P'ache einem amerikanischen Bürger gege-
ben wurde. Er gründete die zuerst in Bal-
timore befindliche, dann nach Philadelphia
verlegte Le^ytype Co. Für Erfindung des
„Levy Line Screen" erhielt er zusanuiien
DEUTSCHE IM OEFFENTLK IIKN LKMHX.
649
mit seinein Bruder ^lax die ...John Scott
Lesacy Medal" und für das unter dem
Namen „Levy Acid Blast" bekannte Ver-
fahren die ..Elliott Cresson" goldene Me-
daille vom ..Franklin Institute" in Phila-
(i(^lphia. Von der Chieagoer Ausstellung
(M-hielt er eine Medaille nebst Diplom für
originale ?]ntdeckungen, ferner eine Aus-
zeiehnuMg und ein Diplom von der Kaiserl.
Photographisehen Gesellschaft in Moskau,
die goldene ]Mcdaille in Paris 1900 und
190-4 in St. Louis für das ..Acid Blast "-
Verfahren, sowie eine weitere goldene ]Me-
daille daselbst für die ..Etch-Powdering
Machine". Dafür verlieh ihm das Frank-
lin Institute 1907 abermals die goldene
Medaille. Von 1887 bis zum Juli 1890 war
Levy Herausgeber von „The Evening
Herald", von 1887—91 der Sonntagszei-
tmig „The ]\lercury". Im Jahre 1884
gründete er die ., Association for Relief and
Protection of Jewish Immigrants". Er
schrieb mehrere Abhandlungen. Er wohnt
in No. 854 Nord 8. Str., Philadelphia. —
Sein Bruder ]Max wurde am 9. ]\Iärz 1857
in Detroit geboren. Er studirte Archi-
tektur, wandte sich aber dem Photographie-
Verfahren zu. welches er wesentlich ver-
vollkommnen half. Die ..Half-Tone"-
Bilder der Zeitungen sind durch die Erfin-
dungen der Gebrüder Le\y ermöglicht
worden. ]\Iax Levy wohnt in Germantown.
Der Erfinder der Setz-:Maschine, Ottmar
Uergenthaler, wurde in Württemberg im
Jahre 1854 geboren. Er war :Mechaniker
geworden und kam anfangs der siebziger
Jahre nach Baltimore, Md., wo ein Onkel
von ihm. der ^Mechaniker und Elektriker
Hahl. etablirt war. In der :\Iitte der
siebziger Jahre kamen zu Hahl mehrere
Kapitalisten und legten ihm nahe, eine
Setzmaschine zu erfinden. Bis dato hatten
alle Erfindungen und Verbesserungen im
Druckerei-Gewerbe der Vervollkomnniung
der Presse gegolten. Der Erfinder der
Schnell presse, Friedrich König, der am 17.
Aj)ril 1774 in Eislelx'u geboren war und
am 17. Januar \K\'.\ starb und die erste
Druckmaschine mit cylinderiscliem Druck
herstellte, würde sich wundern, wenn er
sehen könnte, was Walter, Bullock, Scott
und vor allen Dingen Hoe juis seiner Er-
findung gemacht haben.
Die Kapitalisten, welche von Hahl ein«*
Setzmaschine konstruirt haben wollten,
waren ausserordentlieli lil)eral, und er
erfand tapfer darauf los. Aber nach Expe-
rinumten, die sich über ein Jahr erstreck-
ten, kam er zu der Ueberzeugung. da.ss er
auf dem begonnenen Wege nieiit zum Ziele
gelangen konnte, und warf die Flinte in 's
Korn. Aber was dem Onkel nicht gelungen
war. suchte der Neffe durchzuführen. Er
trat mit einer originellen Idee dem l'roblem
näher. Während sein Onkel sich bemüht
hatte, eine Maschine zu erfinden, die Let-
tern setzte, suchte Mergenthaler a\if
maschinellen Wege Matrizen an einander
zu reihen und Zeilen zu giessen.
:\Iergenthaler wandte sich mit seinen
Plänen an dieselben Kapitalisten, die von
Hahl die Lösung des Problems der Setz-
maschine vergeblich erwartet hatten. Er
fand verständnissvolle Unter-stütziuig. Eine
neue Gesellschaft wurde organisirt, und
:Mergenthaler erhielt die nöthigen Mittel zu
weiteren Experimenten. Er richtete sich
eine Werkstätte ein und arbeitete mehrere
Jahre lang mit vier bis sieben Geliilfen.
Die Erfindung wurde so geheim gehalten,
dass die Mitglieder des ..Liederkran/.",
dessen Präsident .Mergentlialer wiederhctlt
gewesen, keine Alunuig von der Bedeutung
des Maiuies und seiner Erfindung hatten.
In Baltimore hörte nuni erst 1885 davon,
und zwar durch Mittheilungen auswär-
tiger englischer Blätter. 1SS7 war die
„Mergenthaler Linotype.setting - Madiine"
eine Thatsache geworden. Die „Mcrgen-
thaler Kompagnie" beschäftigte damals
schon mehr als dreihundert Arbeiter. S.'it-
her sind die Werkstätten von Baltimore
nach Brooklyn verlegt worden. Die Ma-
650
DEUTSCHE IM OEFFENTLICHEN LEBEN.
sehine ist im Laufe der Jahre wesentlich
verbessert und \un^;»'staltet worden. Sie
Iflilt ht'Ut<' in keiner Buchdruek- und Zei-
tuntr^-Onicin des Landes und hat auch in
p^urnpa Kiufranf? tjefunden. Es ist nicht
zu viel iM'hauptft. wenn man erklärt,
Ottmar Mer^renthahr habe das Buch-
drui-kerei-Gewerlx^ revolutionirt. Er starb
in Baltimore :mii 28. Oktober 1899.
Als Verletjer von Kunstwerken und Her-
steller von Farbendrucken hat sich der am
iL', .hnii 190!) in Los Angeles. Cal., ver-
stirrbene Lithograph. Louis Prang aus
Boston, einen AVeltruf erworben. In Bres-
\n\\. Deutsehland. im Jahre 1824 geboren,
bct heil igte er .sich an der Revolution von
1848 und war infolge dessen gezwungen,
aus Deutsehland zu fliehen. Er kam 1850
nach Boston. Die von ihm hergestellten
vorzüglichen Farbendrucke und Reproduk-
tionen berühmter Gemälde erwarben iliiii
einen AVeltruf. Er hat auch Lehrbücher
über Kunst verfasst und Zeichnen- und
Schreibbücher erfunden, die in den Schu-
len der Ver. Staaten, Canada's und anderer
Länder im Gebrauch sind. Auf dem Ge-
biete der P^arbenlehre hat er Hervorragen-
des geleistet und Probleme gelöst, an wel-
chen viele Andere sieh vergeblich versucht
hatten. Er stand Jahre lang an der Spitze
der itiionnnirten Firma L. Prang & Co.
in Boston und Springfield. auch war er
Präsident der ..Prang Educational Co."
von New York.
Einer der bedeutendsten Brücken- und
Stahl-Konstruktions-Tngenieure des Landes
ist Karl Knnrad Schuridfr, der am 24.
April 1843 in Apolda. Sachsen, geboren
wurde. f> absolvirte das kJWiigliche Poly-
technikum in Chenniitz im Jahre 1864, war
in Deutschland in grossen ]Maschinen-Fa-
briken praktisch thätig und kam 1867 als
Konstruktions-Zeichner an die Rogers 'sehe
Lokomotiven-Fabrik in Paterson. N. J. ; er
war dann in verschiedenen Stellungen,
praktizirte mehrere Jahre lang in New
York, wo er Entwürfe für Stahl-Konstruk-
tionen und Brücken machte und deren Bau
leitete, und wurde in 1886 Chef-Ingenieur
des Brücken- und Konstruktions-Departe-
ments der Pencoyd Iron Works in Philadel-
phia. Im Jahre 1900 wurde er Vize-Präsi-
dent der American Bridge Co. und seit 1903
konsultirender Ingenieur mit Spezialität im
Brücken- und Stahlkonstruktion.s-Bau. Er
baute unter anderen 1882 für die Canadian
Pacifie-Bahn die Cantilever-Brücke über
den Frazer-FIuss und 1883 die Niagara-
Cantilever-Brücke. Er erhielt den ersten
Preis für den Entwurf zur AVashington-
Brücke über den Ilarlem. Schneider ge-
hört zahlreichen fachwissenschaftliehen
Vereinen in Amerika und dem Verein deut-
scher Ingenieure in Berlin an. Er hat
mehrere fachwissenschaftliche Werke ver-
fasst. Er wohnt in Wissahickon, Phila-
delphia.
Als Bergwerks-Ingenieur. Philantrop
und Mayor von San Francisco hat sich
Adolph Heinrich Joseph Sutro ausgezeich-
net; er war im Jahre 1830 in Aachen ge-
boren, kam 1850 nach Amerika und begab
sich zur Pacific-Küste. Er entwarf und er-
baute den berühmten Sutro-Tunnel zur
Ventilation und Drainage der Comstock'-
schen Silber-^Minen in Nevada. Der Tun-
nel ist 20.500 Fuss lang und kostete $6,-
500,000. Er entsprach nicht ganz den
daran geknüpften Erwartungen. Durch
glückliche Grund-Eigenthums-Spekulatio-
nen in San Francisco wurde Sutro ^lillio-
när. Tni Jahre 1880 legte er den Sutro
Ileights Park daselbst an, machte der Stadt
viele Schenkungen und gründete die Sutro-
Bibliothek. welche etwa 260,000 Bände ent-
hält. Im Jahre 1894 wurde Sutro :\Iayor
der Stadt als populistischer Kandidat. Er
starb vier Jahre später. In seinem Test-
ment hatte er den Sutro-Park, die Sutro-
Bibliothek und die Sau [Miguel Ranch der
DEUTSCHE IM OEFFENTLlCHi:,N LEHKN.
651
Stadt geschenkt. Das Testament wurde
angefochten und unigestossen. da Sutro bei
Abfassung desselben nicht im Vollbesitz
seiner geistigen Kräfte gewesen sein soll.
Den hervorragenden Posten eines Chef-
Ingenieurs der American Bridge Co. in
Philadelphia bekleidet seit 1901 der deut-
sche Ingenieur Paul Ludwig Woifcl, gebo-
ren am 19. April 1862 in Dresden und am
<ioi-tigen Polytechnikum gebildet: er kam,
nachdem er zwei Jahre lang als Hilfs-Pro- de Lancey Ellwanger, sich ein»Mi Xaiiu'ii .-r-
fes.sor am Polytechnikum in Prag gewirkt worben hat.
OKst,sorten ein. Kr gründet.« Obstbaum-
sduilcn in aiHlnii Orten, war einer der
Gründer der ersten Stra.ssenbahn in
Roehe.ster, haute eine Kirelie in (Jross-
IFappaeh in Württeiiilx'rg, seinem (Jel)urt,s-
ort. und ein Alteiilieiin in Roehe.ster. Auch
der Iligiiland Park in Roebester ist KUwan-
ger's Werk. Er .starb im Jabre l!K)(i. so
auch .sein ältester Sohn, (Jeo. Hermann Ell-
wanger. der als Sehrift.steiier und Diebter.
eben.so wie sein jüngerer Bruder. William
hatte, 1888 nach Amerika, war zuerst in
•den Pencoyd Iron Works beschäftigt und
trat dann in den Dienst der ..American
Bridge Co."
Deutsche Gaertner und Obslzuechter.
Der hervorragend.ste deutsch-amerikani-
sche Landschaftsgärtner seiner Zeit und
ein Bahnbrecher seiner schönen Kunst war
Adolph Strauch, geboren am 30. August
1822 in Preussisch-Sehlesien. gestorben
1883 in Cincinnati. Er schuf den ..Spring
Orove Cemetery" bei Cincinnati. in land-
schaftlicher Hinsicht einer der schönsten
Begräbnissplätze der Welt.
Nicht minder bedeutend als Gärtner war
der in 1827 in Frankfurt am Main geborene
Karl Beck,, der seit 1847 in Amerika wirkte.
Besonders schön sind die Garten-Anlagen
der Soldaten-IIeimath in Dayton, Ohio,
welche von ihm herrühren. Ferner sind
die meisten Landschaftsgärtner der Eisen-
bahnen und der grossen Landsitze unserer
Plutokratie Deutsche oder deutscher Ab-
stammung.
Als Blumen- und Obstzüchter hat sieh
der 18'l(j in AVürttemberg geborene (iforg
Ellwanger einen Namen gemacht. Er Hess
sich 1835 in Rochester, N. Y.. nieder. Er
gründete die Mount IIoi)e Xurseries da-
selbst, associirte sich mit Patrick T?an-y in
Firma Ellwanger & Barry und fübi-te viele
Dass die Deutschen im Weinbau Bedeu-
tendes geleistet haben, ist allgemein be-
kannt. Dafür sind die Weinstädte Egg
Jlarbor. N. J.. und Ilermarwi, .Mo., .sowie
die Weingärten in New York, am Ohio und
namentlich in Californien vollgültige Be-
weise.
Deutsche Klavier- und Orgelfabrikanten.
Als Orgel-, Klavier- und Pianobauer,
sowie als ^MiLsik-Instrumentennuicber haben
die Deutschen Grosses geleistet luul haben
diese Industrie erst in Amerika gegründet.
Die erste Orgel wurde vcm Johann Gotllieb
Kleiniii für die Ilerrnhuter-Kapelle in
Bethlehem gebaut, während Johann lldi-
rens in IMiiladelpliia der Rulnii gebührt.
1775 das erste Klavier gebaut zu halten.
Berühmter als Klennn als Orgelbauer war
D. Tanneherg in Litiz. Pa. welcher <lie
Orgel der Zion's Kirche in Philadelphia
baute, damals die grösste in Amerika; sie
wurde am 10. Oktober 17iH) eingeweiiit.
Schon vor dem Jabi-e 17SI) haute Charles
Alhrechl in Philadelphia Klaviei-e. welche
einen Ruf gewannen. Knde des 18. inid
Anfangs des 19. Jahrlnuiderls waren JtJm
(reib & Söhne in Philadelphia berühmte
Orgelbauer. Tn Cineimiafi erri<-htete 1S31
Mal Ji ins Stluenh eine Orgelbauwerkstätte.
Der Erste, welciu'r ilen .Metallrahinen
aus einem Guss für Klaviere erfand inid
einführte, wai- der Philadelphiaer i'iano-
652
DEUTSCHE IM OEFFENTLICHEN LEBEN.
Kahrikaiit <'n„niil Mi i/w. Dir Piano-
Faltrik vom /(nabf & (liihlc, später nur
Knal»'. wurde 1880 in Baltimore gegrün-
<let. Die Knahe 'sehen Instrumente er-
hielten Weltruf. Wilhelm Knabe war ISO:}
hei Eisenaeh geboren, kam lS;i5 als Tisehler
nach Baltimore, trat in eine kleine Biano-
Fal)rik ein und maehte sich dann selbst-
ständig. P^* starb 1864.
Die Bianit-Fabrik von Aihn-t M'(hfr
wurde 1S.")2 in New York gegründet; die
Fabrik von Shiinnvf & Si>lni( im folgenden
.lahre. Bedeutende Erfolge als Pianobauer
habi'n auch aufzuweisen Otio Wissncr in
Brooklyn. N. V.. und Cliristoph Hippe in
Bhilaih'lphia. geboren in Allendorf 1833,
gestorben in Bhiladeljihia 1906.
der überwiegenden Mehrheit naeh deutsche
Goldschmiede und Juweliere, wenn na-
türlieh aueh Franzosen und Italiener ihren
Anthcil an dem Aufblühen der Sehmuck-
saehen- Industrie hierzulande haben. Spe-
zi tiseh deutsehe Goldschmiede-Gesehäfte,
<Iie Sehniueksaehen u. s. w. fabriziren, be-
finden sich in Xewark, N. J., der bedeutend-
sten Gold- und Silbersehmiede-Stadt der
Vereinigten Staaten, sowie in Xew York,
Bhiladelphia. Chieago und andern Städten.
Unter den Xewarker Fabrikanten sind zu
nennen Chas. Keller & Co., Ahig & Wagner,
('. Rech & SoJdi, Gebrüder Hodecker.
Deutsche Fabrikanten chirurgischer
Instrumente.
Die Fabrikation ehinirejischer Insfni-
menie ist durch deutsche Instrumenten-
maeher hier wesentlieh gefördert worden.
l'nter ihnen sind zu nennen Johann Christ-
mann, geboren 1824 in Bayern, ansässig
.seit 1852 in Syraeuse. X. Y.. wo er 1905
starb; Chas. Leniz & Söhne in Philadel-
I)hia, Hetz & Co. in Chieago. Lorenz und
Tietnann & Co. in New York. Teufel &
Bros, in Philadelphia. D. IV. h'nlhe & Co.
in Philad(^lithia u. a. m.
Deutsche Goldschmiede.
Auch an der Entwieklung der Golel-
sehmiedekunsf haben Deutsehe, namentlich
Schüler der Hanauer Goldsehmiede-Aka-
demie, hervorragenden Antheil, wenn aueh
die grössten Geschäfte wie TiflFany. Cald-
well. Bailey, Banks & Biddle und andere
in amerikanischen Iliinilen sieh befinden.
^Vetler Titfany. der im Staate Connec-
ticut geboren war. noch die übrigen waren
praktische Goldschmiede. Die wirklichen
Verfertiger der prächtigen Juwelen-Kunst-
schätze, die sie auf den Markt bringen, sind
Die Deutschen in der Eisen-Industrie.
Aus Dr. Ludwig Beck's Geschichte des Eisens.
In Folge der That.sache, da.ss e.s Englands
Vortheil war. so viel wie möglich von seinen
industriellen p]rzeugni.s.sen nach den ameri-
kanischen Kolonien zu verkaufen, ent-
wickelte sieh die Eisenindustrie des Landes
nur langsam und spät, obwohl man wus.ste,
da.«s reiche Erzlager vorhanden seien. Im
Jahre 1608 wurden südliche Eisenerze nach
England gebracht und dort zu Ei.sen ge-
schmolzen, das dann an die O.stindi.sehe
Kompagnie für 4 Pfund Sterling per
Tonne verkauft wurde. 1637 entdeckte
nuin Eisenerze in ^lassachusetts, und im
Jahre 1645 wurde nicht weit von Lynn ein
Hochofen gebaut. Das enste Gu.s.sstück von
diesem Ofen und überhaupt im ganzen
Lande w-ar ein eiserner Kochtopf, der noch
im Besitze der Familie Ilud.son ist. auf
deren Grund und Boden der Hochofen
stand. Das Dorf, welches um den Hochofen
entstand, wurde Hamniersmith genannt.
Gouverneur Winthrop schrieb .'■einem
Sohne im Jahre 1648, dass der Hochofen
gut arbeite und da.ss wöchentlich acht Ton-
nen Eisen erzeugt werden. Im Jahre 1646
wurde zu Blaintree, Norfolk Co., Mass., ein
zweiter Hochofen gebaut und im Jahre
1652 ein dritter zu Taunton. :\Iass. Das
DEUTSCHE IM OEFPENTLICIIEN LEHFA'.
(i53
Ict/tiM'e AVci'k war bis in dir Neuzeit im
Hetiiel) und wurde 1890 niedor*rerissen.
Im .Jahre 1(>62 wurde die Aust'ulir von Erz
aus den Kolonien verboten, luii di'm .Mut-
terlande keine Konkurrenz zu machen.
p]ine Strafe von 10 Pfuiul Tabak wurde auf
jedes Pfund ausp'führten Eisenerzes ^e-
le^t. Sehliesslieh verbot das Parlament die
Einrichtung' von Eisenwerken in Amerika.
Aber die Kolonisten kehrten sieh nicht da-
ran, und als der verschwindende IloJzvor-
rath P^nylands dort die Eisenerzen^i'ung
immer sehwieriger machte, war man froh,
Eisen aus den Kolonien zu erhalten. Ein
en<rlischer Quäker. Namens Rutter, war der
erste in Fennsylvanien, der Eisen herstellte,
abnesehen von einem kleinen Versuch im
Jahre 1692. der 40 Pfiuid Eisen ergab.
Rutters Eisenwerk lag drei ]\Ieilen ober-
halb Pottstown, hiess Pool Forge und wurde
1716 in Betrieb gesetzt.
Das zweite Eisenwerk wurde von dem
Quäker Nutts am French Creek in Chester
Co. im Jahre 1717 erbaut, dem bald meh-
rere andere folgten. Im Jahre 1728 wurde
das erste Eisen, 27-4 Tonnen, von Pennsyl-
vanien nach England ausgeführt. Bis da-
hin waren es ausschliesslich Engländer und
Schotten, welche in Amerika Eisenwerke
betrieben. Im Jahre 1749 erscheint zum
erstenmale ein Deutscher in der Geschichte
der J]isenfabrikation, und zwar Michel
Miller, der den ..Tulpehocken p]isenham-
mer" mit Hilfe des Schmiedes I. G.
Niekol erbaute. Im Jahre 1763 gehörte
dieses Eisenw-erk dem Deutschen //. W.
Stieget. Von diesem kaufte es im Jahi-e
1774 John Ege, ein Holländer. Dieser Ege,
der das Eisenwerk 50 Jahre lang führte,
kaufte im Jahre 1779 vom Kongrcss 34 ge-
fangene Hessen für 30 Pfund Sterling, 150
Dollars, per Stück, dem damaligen Kauf-
preis eines Negersklaven. Diese gefangenen
Hessen sprengten einen Kanal für das
Eisenwerk. Im Jahre 1765 baute der
Deutsche Dietrich Welker bei Reading den
Oley Hochofen.
Hereits 1750 baute Jolni HuIhi, ein
Deutscher, den Elisabeth Ofi'U l>ei liickers-
ville in Lancaster Co. An diesem Iloeh-
ofi'u war die Inschrift angel)raciit : ..Jo-
liann llul)er. der erste Deutsehe .Maiui. der
das Eisenwerk V(tllführen kaiui." liubt-r
verkaufte den Ofen an seineu !ian<lsmann
Wilhdin V(Ht Sli((f(l, der einen grös.seren
Ofen an seiner Stelle baute und ()ef«'n gnss.
die die lns<-hrirt trugen: ..Baron Stiegel
ist der .Mann, der die Oel'en machen kann."
Der Elisabetii-Ofen kam später in Besitz
von Rubelt Colcmdu. Auch U. Colcman
kaufte von der Vereinigte Staaten Regie-
rung erst 42. dann weitere 28 gefangene
Hessen, die er zum Kanali)au verweiulete.
Er bezahlte 30 Pfund Sterling pro Mann.
Der er.ste ursprüngliche Elisabeth-Ofen
war bis zum Jahre 1856 im l^etriebe. Robert
Coleman machte die Ketten, mit denen der
Delaware bei Philadelphia gegen die bri-
tische Flotte abgesperrt wurde.
Der 1716 in Remscheid geborene I'dir
Hanenetever legte 1765 grosse Eisenhännuer
und Industriewerke am ]\Iohawk in New
York an, wo er 52,000 Acres gekauft hatte.
f:in bedeutender Ilüttenbesitzer in New
Jersey war der aus Basel gebürtige Johann
Jacob Faeseh, der Besitzer der Mount Hope
Werke, die im Freiheitskriege Kanonen
und Geschosse lieferten.
Im Jahre 1781 wanderte (Uemciis lit nt-
gen aiLs Zweibrücken nach Amerika aus \nid
Hess sich am French Treck in Chester
Co., Pa., nieder. Er kaufte da.selbst zwei
Eisenhännuer und versuchte Stahl zu
machen. Ei- baiite auch ein kleines Walz-
werk. Die Anlage wurde Pikclaiul-Works
genannt. Am 17. November 17«)6 erhielt
Rentgen ein Patent i'üi' ein vnu ihm erfun-
denes verbessertes Verfahren. Achsen. Mol-
zen und Rund.stäbe zu .schmieden.
Der Deutsche Georg Anschütz erbaute im
Jahre 1796 den Huntingdon-Hoehofen in
Huntingdou County. Dieser Anschütz war
der erste Betriebsleiter des Westmoreland-
654
DEUTSCHE IM OEFFENTLICHEN LEBEX.
Hochofens im LijiroMiertal. der im Jahre
1792 von einem J. TroUst erbaut wurde.
Anschütz war ein Elsässer aus Strassburg
und kam im Jahre 17S!) naeh Shadyside bei
Pittsburp, wo er im Jahre 1792 einen klei-
nen Hochofen am Two Mile-Run baute, der
aber im Jahre 1794 wegen Mangel 's an Er-
zen einging. Er übernahm dann die Lei-
tung des "Westmoreland-Ofens. Georg An-
sehütz. der verdienstvolle Gründer der
Eisen- und Stahlindustrie Pittsburg \s, .starb
daselbst am 28. Februar 1837.
Jacob Mcicr, ein Deut.seher, baute den
Bourbon-Furnaee am Slate Creek in Ken-
tucky im Jahre 1792. den ersten Hochofen
ausserhalb der ursprünglichen 13 Staaten.
In Lehigh County erbaute im Jahre 1809
der Deutsche David Ilcimhnch den Hamp-
ton-IIochofen bei Shimersville. Der schon
oben erwähnte Clemens Kentgen erhielt am
27. Juni 1810 ein Patent, Eisen rund zu
walzen. Er baute im Jahre 1812113 ein
Walzwerk in Chester und war der erste in
Amerika, der Rundeisen walzte.
J. M. IlaldenuDi, der Sohn eines Schwei-
zers, zog in 1806 von Lancaster nach New
Cumberland, wo er einen Eisenhammer
kaufte und ein Walzwerk dazu baute. In
Clearfield Countv erbauten im Jahre 1814
der Deutsche Peter Karthaus aus Ilamburc-
und der Geistliche Friedrich W. Geissen-
]ieimcr aas ]\Iühll)erg in SaclLsen einen
Hochofen am Mosquita Creek. Im Jahre-
1808 erwarben Georg Anschütz und Georg
Schönherger ein Viertheil des Ilunting-
don-IIochofens und errichteten ein grosses
Eisenschneidewerk dabei. Der Juniata-
Ilammer bei Petersburg wurde im Jahre
1804 von Georg Schönberger und Samuel
Fahnenstocli erbaut. Im Jahre 1805 über-
nahm Georg Schönberger das W^erk allein.
Georg Schönberger war von Lancaster mit
seinem Bruder Peter Schönberger nach
Iluntingdon gezogen, wo sie sich am Sha
vers Creek ansiedelten. Georg Schönberger
gründete verschiedene Eisenwerke, die naeh
seinem Tode in 1814 sein Sohn Dr. Peter
Schönberger erbte.
Dr. Peter Schönherger war die Seele der
zahlreichen Hochöfen und Ei.senwerke,
welche im ersten Viertel des vorigen Jahr-
hunderts in Central-Pennsylvanien entstan-
den. Die Schönberger-]\rills in Pittsburg
waren ein halbes Jahrhundert eines der
grössten Eisen- und Stahlwerke von Pitts-
burg, bis sie in die United States Steel Cor-
poration aufgingen. Im Jahre 1814 er-
baute D. B. Müller einen Hochofen ia
Beaver County.
tl^}^
it^ i^utörJi^n tu hn 3fotxBtvvn
xton 5j0rö-Amrrika.
Die Deutschen in der Foersterei von Nord-Amerika.
Nach Regierungs-Akten von Bund und Staaten, dargestellt von
Friedrich Baare, Hazieton, Pa.
riitor dein Xanien Försterei verstehen
wir die Kunst, Holz zu produziren unter
zwei vei-sehiedenen Gesichtspunkten, näm-
lich dem der Waldkultur, dem Inbegriff' dei-
ganzen Lehre der Vervollkonnnnung der
Ilolzernte und ihrer Erneuerung, imd dem
der Forstwirthschaft, deren Gesanuntver-
fahren darin besteht, der Ernte einen jähr-
licli wiederkehrenden Reinertrag abzuge-
winnen. Ausser dieser Hauptaufgabe ver-
folgt sie die Reguli rung der Wasserläufe,
die Läuterung der Atmosphäre von Krank-
heitserregern, den AViderstand gegen Stür-
me, Verhinderung des Ausdörrens des Bo-
^lens; dies Alles durch richtig angeordnete
und instandgehaltene Waldbedeckang der
Krdoberriäche. Aus den von ihr hergerichte-
:en schattigen Höhen und Gründen gewährt
de Anlagen von Parks und lauschigen
\Vohnstrecken. von Grotten und Hainen als
iDrte für gesellige Vergnügungen, als Zu-
jiucht für Heil- und Erholungs- Anstalten,
ilen erforderlichen günstigen Raum. Tn
hren Dickichten birgt sie das Wild, hält die
Ixewässer undvränzt in ihren Lichtungen ; in
'iächen, Teichen imd Seen schirmt sie die
[""ischzucht. Der Försterei untersteht in
Hirem Gebiete die Ausübung der W^aldpo-
jizei zur Wahrung gegen Schädigung aller
I Irt, gegen Frevel, Raub und Brand, zur
Ergreifung imd Ueberführung der Uebel-
iiäter. Alle Aufgaben der Försterei über-
fifft an rnerlässlichkeit und Schwere die
j?des F'rüh- und Spätjahr wiederkehrend
errsehende Feuersgefahr, die zu verhüten
pd erfolgreich zu bekämi)fen, die ganze
lufmerksamkeit ihres Personals in An-
uuch nimmt.
Bdihniiig des l'o/Av.s- über die Zwecke,
den Nutzen und die Mittel und Wege der
Försterei gcliört zu ihren Ptlichteii, denen
durch Herausgabe von Drucksaclien seitens
der Regierung des Binides und der Staaten
und forstwirthschaft lieber Korporationen
Folge geleistet wird. In einer Auslese des
Zweckdienlichsten dai'unter lautet in r. S.
Forest CirrtiJar ] !(i, Jnn. 1908, die Erklä-
rung von Treadwell Cleveland. jr. zu
Deutsch, wie folgt :
„^Mancher hierzulande denkt, Föi-sterei
.sei nie versucht worden, ehe die Bundesre-
gierung begann, sie auf die National-Forste
anzuwenden. Föi-sterei wird abei- in allen
zivilisirten Ländern der Welt betrieben,
nur nicht in Chiiui und der Türkei. Förste-
rei ist nichts Neues. Ihr Studium wurde
schon vor 2000 .Iah reu mit immer steigen-
der Gründlichkeit der Anwendung Ix'trie-
ben. Die Grund.sätze der Försterei sind <lie
gleichen überall, weil auf übei-all gleichwir-
kenden Naturgesetzen beruhend. Länder,
noch so verschieden an (Jrösse, Klima.
Volkszahl oder Regierung, .sobald sie Wäl-
der besitzen, gelangen sie naturgemäss zur
Försterei. Die fortschrittlich am weitesten
gedieheiu'U Länder sind auch in der Förste-
rei die Ersten im Range. ]Man könnte
füglich Förster-ei als :\Iassstab neiniien. den
Höhegrad eiiun- Zivilisation zu bestinunen.
Diejenige Nation, die Försterei im wei-
testen rmfange systcmati.sch betreibt,
würde sich als die intelligenteste erweisen.
Legt man aber den Massstab an bei Län-
dern ohne Försterei, so läs.st sich mit Be-
stinuntheit sagen, hier hal)en wir es mit
einer zurückgel)li«'benen Nation zu tlnui.
6ÖH
DIK DKITSCIIHN IN I»I:K FOEKSTKKIM V(>X NORDAMERIKA.
Eine bcsomlciv. tiicrUwiinliv:!' Aiisiialiiiir
ma<-lit Km^'ImimI. <1;is, mit (Jcliiir^- und ll'i-
(U'l.md vciNclicii. für fiiicii ;rn>s.s('ii 'Plinl
sj'incs IInl/.vcrl)i-;nii-lis die 'riii<rriiliij;kcit
hat, jedoch mit iM'fn'indi'iidi'm (ilcicliiinitlit'
sdl«' Xationt'ii ;m Miiilulir von Holz üIkt-
tritTt. iiml \'\\y sciiifii licdarf diiraii auf
auswärtitr«' H«'7.u^'s«|iu'Ilcii an«r<'\\ ifscii ist.
Im Ganzen fretiommcn liattcii dir Länder,
di.- luMite ihre Ftn-stwirthschaft auf gosuii-
drr Basis lu'tn'ilx'U. vier \'('rsii('lisstadii'n
durchzumachfn. Anfanjrs waren die Wäl-
der so ühermä.ssi«: dicht, dass sie im Wesrc
standen, wurden daher entweder \ernach-
lässiirt. odiM" zerstört. T)ai-nacli. mit dem
Zunehmen der Hesiedehnifr und der immei-
enth'^ener werdenden Entfeiiiun«r des AVal-
«les von den Verl)rauchstät1eii des Holzes,
tauclite die Fra^e der örtlichen llolzbe-
scliatTung auf. und die Schonung der AVäl-
der \nid der Forst.schutz traten ein. Drittens
«.'clanjrte man mit wachsendem ITolzmantrel
und Ki-weitcrunsr der Kenntniss der Xatui"
di's AValdcs und seines Wachstlnuns zur
Kunde des Forstes, als eines Ei'utefeldes.
wie das für Getreide es ist. dessen Ertrap:
man einheimsen muss. um ihn ncMi zu er-
rinfjen. In diesem Zustande ti"at dei- Wald-
bau in 's Lehen, odei* Forstheti-iel) in solcher
.\rt der Xachhülfe. die den besten "Wuchs
bestäiulig im (ianjre hält. Endlich, um den
natniM'Uen mit dem kultui'cllen Fortschritte
in 's (Jleichmass /m brin'j:en. ward der Forst-
betrieb so geregelt. da.ss mit Vermeidung
von Abfall und Sparsamkeit 'm\ Gebi'auch
«ler Xatui'quelle. bei Sichei-ung eines
l>ahid»reehers auf diesem Gebiete. Es hat
\ielmehr die Erfahrung aih-r andren Län-
der zu seiner Kichtschmir. Es biMlarf keiner
jahrelangen Experinumte mit unversuchten
Theorien. Forstregeln, durch hundertjäh-
rigen (lebi'auch bewähi'1. stehen ihm /n
Gebote. Es ist nur die Frage, wie sie am
besten i]rv .\nwendung auf amerikanische
X'erhjiltnisse anzuj)assen sind. Tu der
nationalen Forstverwaltung hat die Regie-
lung nicht nöthig. im Dunkeln zu tappen,
ebenso wenig, wie euroi)äische Völker exakt
zu koi)ii"en. Sie bringt erju-obte und kor-
i-ek1 Ix'fnndene (Jrundsätze in Amerika und
für Aiiierikanei- in Ausführung, die den
vollsten Gebrauch von allen For.stschätzen
füi- Alle gewährt."
Uebcr die primitiven Verhältnisse der
Fostwirthschaft in X^)rdanierika äussert
sich in der Iowa Park- und Forst-Associn-
lion J905 H. P. Baker folgendermassen :
(Aus dem Englischen).
..Die ersten Ansiedler, die von den ver-
.schiedenen Ländern Eurojjas an unserer
östlichen Küste landeten, brachten für Be-
handlung und Schutz der Wälder he-
stinnute Ideen mit. die sieh unter Kolonial-
Keginicnt in Gesetze und Verordnungen
umwandelten, welche sich im Laufe der
letzten zwei Jahrhunderte als sehr unprak-
tisch ei-wiesen. Schon KUO wurden in
Exeter. dem jetzigen Staate New Ilamp-
shii-e, Gesetze füi- das Schlagen von ?]ichen-
holz gegeben. AVilliani Penn ordnete 1G82
in Pennsylvania an. dass ..der Käufer von
Land di^ssen sechsten Theil in Wald zu
jährlich erzielten Tlolzertrags Generation i,;,itci, luit". Darauf, in 1780, crliessen
für Generation ihi- Auskonnnen fand, .i]]^ dreizehn Staaten Forstfeuer-Gesetze
Systematische Föi-sterei. von der Nation ^ach europäischem :\Iuster. aber ohne euro-
für's Volkswohl angewamlt. gelangt da zur päi^die Polizeigewalt, folglich ohne Be-
llöhe. wo die in der Schule der Forster- mühung, sie zu vollstrecken. Diese frühen,
fahrung bemeistertc letzte Lektion durch- ^^.^^.}^ Erfahrung in Europa geformten Ge-
gemacht i.st. g^,^^,, überlel)ten sich bald, als mit den
Sonach ist das h'( ich dir ]'( r(iiii(jlcn gänzlich neuen Verhältnissen unverträg-
Staatfu, in dem Vorhaben, von seinen lieh, und weil die Wälder sich als der Ent-
F'orst.schätzen fortan den besten Gebrauch wickelung der neuen Regionen bedrohlich
7A\ nuichen, nicht in der Stellung eines erfanden. Die Bäume waren der Schutz
DIE DEUTSCllK.N IN DKK' EOIOIv'STKI.'KI VON NoivI ) A M KhM ka.
<»59
der niörderist'hen TiuliMin'r und wiMcn
Bestien. diMim ^ing es an die horrende
Arbeit, sie liinweg zu räumen, einmal füi-
Aekerland. und dann zui- Sieherheit."
Auf Ponisi/h'aiiia, dem konzentrirten
Ziel deutseher Einwanderung seit Sehluss
des ITten Jahrhunderts, ist für die Schätz-
ung des AVerthes seiner Urwaldungen des-
wegen ein anderer ]\Iassstab anzulegen, weil
die ]\1 ehrzahl seiner Kolonisten Flüchtlinge
waren vor den Greuelthaten der Franzosen
unter Ludwig XIV.. dessen Invasion durch
]\roi'dbrenner-Horden den deutschen Ilei-
inathwald in Asche legten. Pennsylvania.
"Waldlaiul AiiuM-ikas. entsiu-idit im Charak-
ter dem der Rheiidande. und "William
Penn 's "Waldschutz-Klausel entsi)rach dem
Wunsche .seiner Landkäufer aus Deutsch-
land. Freudig schaarten sie sieh unter das
Banner der Penniten, deren aus Connecti-
cut bald anrüekende "Widersacher in blu-
tigem Kampfe um die Scholle aus ihren
Marken zu halten. I\rit dem Ileimathbilde
ziigleich wurzelt tief in der Seele des
Deutschen die ihm anerzogene Verehrung
des "Waldes, vom Engländer ..the ethic side
of Forestry" genannt. "Wo Deutsche ver-
eint zusannnen wohnen, wie es in Pennsyl-
vania dauernd gesebieht, vererbt sie sich
fort. Dieser Zug im deutschen Volkscha-
rakter hat sich bis auf den beutigen Tag
bewäbi't. und dem überhand nehmenden
Radikalisnuis in Alissbraucb dei- "Wälder
die "Wage gehalten. Der Ilandelswerth der
Hölzer und der übrigen Produkte des
"Waldes ward di^m Pennsylvanier bald klar.
und er nützte ihn aus nach Kräften und in
all seiner Vielseitigkeit, doch nicht zum
Ueberma.ss. wie es von vornherein anderswo
geschah. p]in anschauliches Bild der Penn-
sylvania "Waldung ist in der Ägricull uidJ
Division of Forcsirj/ 1895, S. 30. im Be-
richte von "Wm. A. ]\reader entworfen, dem
hier Platz gebührt, er lautet :
,, Pennsylvania war im Urzustände einer
der meist- wenn nicht der allerbest-bewal-
deten Staaten der atlantischen Küste. Xidit
nur waren seine Waldungen dicht und
<lercn Bäume gross und wci-thvolj. sondern
sie umfa.s.sten auch eine N'crschiedcidieil von
Gattungen hohen Ilandciswcrthcs. grikser
als er, vereinigt, irgendwo zu finden war.
Betrachte man nur die fabelhaften .Ma.s.sen
von Weisstannen, Ilemlock. Hickory.
Schwarz- und Wei.ss-Walnuss. Ka.stanie.
Eichen aller Art. Esche. Elm. Ahorn und
Akazie, die innerhalb seiner (irenzen ver-
braucht wurden. Baumleere Stellen gab es
wenig; hie und da deckte ein See «»der ein
Wiesenstrich die Obertläclic. idn-r nur zu
unbedeutenden Theilen des (Janzen. In
den Tiefen, an den Ffern der gr(ts.sen
Flüsse, im Südwesten des Staates war die
Weisseiche der werthvoU.ste Baum, sowie im
.\ordosten die Weisstanne. Um sie gesellten
sich die andern Bäume, mehrere Sorten
Hickory und Birke, vei-cint mit Kastanie
\\\\<] Walnuss lu'bst Kirsche. Höher gele-
gen, gegen ]Mitte des Staates, traten die
Koniferen in ihn- Weisstanne, dem Hem-
lock. der ITarzfichte und der norwegisdien
oder Rothtainie vorherrschend auf. während
ITartholz. wie Zucker-Ahorn. Schwarz- und
Gelb-Birke. Buche und Kii-sche die Min-
derheit ausnmchten. I^ekannt ist auch, da.ss
an den felsigen Abhängen, besondei-s der
Südgrenze, die Fels- oder Kastanien- Eiche.
Kastanie und Akazie, sehr i-eichlich auf-
traten. Die vertikale Höhe des Staates
steigt vom ]\reeresspiegel l)is auf 2S2() Fuss
zum N(>gro Berg in Somei-set County. Diese
Ansteigei'ung ist gleichwertliig nnt einem
Grade nördlicher Breite für je :i(M) Fuss Er-
höhung. Das besagt : in den höchsten
Lagen, allen obei-halb ISOO Fuss. begegnen
wir dem in den brilischen Broviiizen g«'-
wöhnlicheu Baumwuelis von Scliwarz- und
lidtii-Taiineii. Balsam und Lärche. West-
licli vom Allegheny schwinden die Koni-
fei-eii. Kastanieneiche, roth und weis.s, ist
(hl der nau|»ll>aum. Tiii Südwesten giebt
es eine .Misclnuig uusrcr gewöludichen Sor-
ten mit solchen von Kentucky und Westvir-
ginien. wie die Honig- Akazie und der Ken-
(>(K>
DIK DKrTSCHFX IN I'HIJ FOEKSTrCREI VON NORDAMERIKA.
tvirky KafFci'luiuin. Schliesslich stellt sich
heraus, dass der >^uel<ei--Aht»rii. sonst und
jj'tzt. der l>äufi«rste n.iuiii in l'cinisylviuiia
war und noch ist."
..Zuverlässijrcn Antraltcn /ufolire jrah i's
IS:».') in Tennsylvania l.").i)7.i.7;i7 Acker
offenes und n.()!)!).S17 Acker Waldland. Zu
bemerken ist jedoch, dass treffen i)S2'A (^ua-
dratnicih'U an Städten. Dörfern und Mine-
ralland und Seen nicht eiufrerechiu't sind."
Die AiistJf Innnif/ (h r aiiK rikfDiischni
W'ähhr war l)is in die Mitte des vorijjen
Jahrliunderts jranz unbekannt, und in Ei-
man}:elun^' von Ti-ansportniitteln ward die
Nähe der IIoI/,l)«'stände dem luiieni der
KuItuiNtätteu die Ilauptsaclie. Abholzen
Ix'Schränkte sich auf Strecken länjrs der
Küste und der {grösseren Flüsse. Kleine
Dorfmühlen schnitten auf Bestellung für
örtlichen Bedarf, oder flö.sseten das Holz
den Fluss hinab zu den Ilafenmärkten.
Der C'ensus des Jahres 1S40 verzeichnet
für die Tnion :n.r)(i() Scluieidemühlen mit
einem Produkt von 12.!)4:{.r)()7 oder etwas
mein- als .>f;4()U pro Mulde, l'm 1870 war es
sclion andei"s frewoi-den. nämlich der ]Müh-
lenumsatz auf ^fi.lOO j)ro Jahr gestiegen.
woraus bis ISMO .tin.OOO wurden, oder drei-
nud soviel als in 1870 bei nui- 21.011 Müh-
len. Der Kongressbeschluss des Jalires
18H4 für den Hau (h r pacifischen Eisenhahn
war das Signal der P^rregung zu dem An-
gritf auf den als unermesslich betrachteten
Keichthum der amerikanischen AVälder. Die
damit verknüpften Laiulschenkungen gaben
die erste Grundlage zur Heschatfung des
Anlage-Kapitals, und der damit Hand in
Hand gehende II» imsfäflr-Akt bewirkte die
schleunige ireranziehung der Arbeitskräfte.
Eine .Millicm von der Hand der Kriegsfurie
gepeitschter Kämpfer sahen sich der ]iIord-
waffen ledig, gritfen zur Axt, zur Hacke
und zur Schaufel, die Schätze der neuen
Welt zu helM'u. die der Sieg der Freiheit
über Sklaverei ih-v :\Ienschheit zur Be-
nutzung darbot. Der AVald war Urwuchs,
dem Ackerbauer erst dann von Werth,
wenn er i'oi-t war. Schonung für ihn gab
es nicht ; nui' Klarmachen des Bodens
Abhacken mit Stumpf uiul Stiel. Die
Eisenbahn bi-auchte Schwellen, Brücken,
Wagen und Gebäulichkeiten für Stationen,
die Ansiedlung längs der Strecken brauchte
Wohnhäuser. Energi.sche ]\Iänner, eben von
der Fahne, schaarten sich um ihren General.
Frisch ging's in die Wildniss. Auf Kom-
mando stürzten die Bäume und zu Hun-
derten knirschten die Dampfsägen. Die
Ost-Staaten hatten zur Zeit an Holz schon
nichts mehr abzugeben, die IMittel-Staaten
desto mehr, und sie kargten nicht; denn der
Greenback-Dollar, jetzt nur 50 C. werth,
gelangte auf Frwaldsko.sten bald zu par.
Denn hoch stieg der Preis der Arbeit und
über 's geöifnete Land breiteten Ortschaften
sieh aus, Städte und Dörfer in reicher
Fülle. Auch an der pacifisehen Küste
stand üppig der Wald; aueh an ihr .sam-
melte sich neues Leben zu grossem Betriebe.
Aber die Idee des Fortschritts, das Stür-
men nach Erweiterung, war zu übermäch-
tig. Bedaehtsamkeit gelten zu la.ssen. Der
Abhieb der AVälder ward mit Uebermuth
betrieben auf eine Art. aus eigner Kraft
nicht wieder zu erstehen. Eine Periode
des Schwindels bemächtigte sieh der ge-
schäftlichen Verhältnisse des Landes, gegen
die der Konservativste vergebens sieh
sträubte. AVarnende Stimmen, die sieh er-
hoben, erstickten in dem allgemeinen
Schwalle. So geschah's im Staate Penn-
sylvania, wo die Hamburger Eirma Heck-
scher in New York im Anthraeite-Distrikte
von Schuylkill County an.sehnliehe Strecken
abgeholzter Ländereien besass, zu deren
Reforstirung Carl August Heckscher einen
prakti.sehen Forstmann, Georg Otto Präto-
nus, aus Lohbergen, Königreich Hannover,
seit 1863 angestellt hielt. Dieser denion-
strirte in wohlgedeihenden Xeuaidagen in
Forestville die erfolgreiche Anwendung der
Forstkultur, niaehte für sie zunehmende
Propaganda und eiferte stark gegen das
herrschende Unwesen der Waldvemichtung
DIE DEUTSCHEN IN DER FOEIJSTKIvM;I VoX XoI.M) A MKIHKA.
i;(il
(lui'fli Ausrotten und Xiederbrennen, wie
sie ganz unvorwehrt vor sieh ging, ^lit
Diplom, datirt 28. April 1887, inaehto
(Jouverneur Bcavcr ihn zum .Mitgliede der
Konnuission, ,,appointed to examine and
survey the extent and output of Forests
and i-eport results". Durch Verschmelzung
des Jk'sitzthums mit dem Ver])aiule der
Reading Co. ging er als Surveyor in den
Dienst der letzteren über, worin er bis zu
seinem Tode, 1891, verblieb. „A populär
handbook on the Forests, illustrating its
eidture, preservation and imperative Uti-
lity" ist der Titel eines von ihm 1880 in
Minersville, Sehuylkill Co., Pa., verfassten
umfangreichen Werkes, das seine Tüchtig-
keit als Fachmann bekundet. Sehr thätig
in seinem Berufe, hat er als Mitglied der
Pennsylvania Forest Association und der
Academy of Science, Philadelphia, agitato-
rischen Eintiuss ausgeübt. Seine Wittwe,
ein Sohn und zwei Töchter, Kinder alle ver-
heirathet, überleben ihn noch in guten Ver-
hältnissen.
In 1872 war es Richard J. Haldemann,
von deutscher Herkunft, der Pennsylvania
zum zweitenmale im Kongress der Verei-
nigten Staaten vertretend, den Antrag zu
einem ersten, gediegenen Forstgesetze
stellte, und denselben in einer nachhaltigen,
sich über zwei Tage 11. und 17. April, aus-
dehnenden Rede vor dem 41sten Kongress
motivirte. Die Bill, die theil weise Refor-
stirung anordnete, mangelte weniger Stim-
men zur Annahme, zog aber Fortsetzung
der Propaganda im Kongress nach sich.
Der nächstfolgende Sehritt geschah
durch die Association for the advanccmcnt
of science in ihrer Jahresversannulung von
1873 in Portsmouth durch die Ernennung
eines Komites, um durch ein Memorial den
Kongress und die Staaten anzuregen, die
Wichtigkeit der Förderung der Waldkultur
und Ilolzproduktion in Erwägung zu ziehen
und Gesetze dafür zu erlassen. Ein Aus-
schuss desselben, bestehend aus George R.
Emerson von Massachusetts und Franklin
15. llough von Lowvijlr, X. V.. fiijiite dies
aus. Der Kongress beseldos.s. da.ss ein
Mann i\rv Wissenseiiaft beauftragt wei-de.
den jährlichen Gebraueh von Holz, den Bo-
trag des Imports und Exports virn Holz und
von anderen Waldesprodukten etc. zu er-
mitteln, wofür $2000 bewilligt wurden.
Der Commissionei- of Agricullure, llun.
Frederick Watts, ernannte dazu Dr. Fraiil:-
lin B. HoH(jh. Die dafür gemachte B«'wil-
ligung wurde vcm Jahr zu Jahr erneuert.
Kurz nach dem Auftreten Haldemann 's
im Kongress ward, LS7:J, die Forsiht uu -
<jun<j in Pennsylvania inarnjurirt durch
John Friedrich Harlranft, deut.sclier Her-
kunft, Gouverneur des Staates, dessen Le-
gislatur er zur Berathung von Ma.ssregelii
der Forstkultur aufi'orderte. Seit seiner
Administration, die 1871) schloss, blieb die
Reformbewegung in der Behandlung der
Waldländereien beständig im Zunehmen.
Die Begritt'e dav(m waren bis dahin sehr
beschränkt, und Bedächtigkeit des Vorge-
hens beugte i\Iissgriffen vor. Auf Hartranft
folgte als Gouverneur James A. Bcavcr,
ebenfalls deutscher Herkunft. Er Hess
durch die Agrikultur-Abtheilung und eine
Spezial - Forst - Kommission die Foi-stver-
hältnisse gründlich ermitteln und Bericlit
darüber erstatten, doch gelangte man noch
zu keinem Entschluss. Der folgende Gou-
verneur, Pattison, englisch, führte den
Vorsitz in einer Versamndung, welche den
er.sten Gesetzentwurf verfasste und ilifi
Forstreserven zu l)ilden verfügte, jede von
40 Tausend Ackern. Die Pennsylvania
Forest Association adoptirte die Bill; auch
ward eine Staats-Forstkonniiission <'inge-
setzt, deren Aufgabe es war, übei- ilie Foi-st-
zustände zu bei'iehten und Geselzesvor-
schläge zu machen. Sie erstattete Mericht
an Gouverneur Ha.stings 1895. Im selben
Jahre ward das AgriculturaL I)< partment
kreirt mit einer Division of Foreslry. Ge-
setze wurden erlas.sen, denen gemä.ss der
Staat für Steuer-Rückstände verkaufte
Ländereien erstehen konnte, ohne Berech-
<;(>2
Dil-: DKrTS;( IIKN IX DI:R FOEHSTEHEr VON NORDAMERIKA.
tijrmitr tlfi- Hi^Mi.'i- auf Hiu-kkauf: Hi'antl','0-
setzc g«*t;«'U FciuM-hcscliädifruiig an ^VälcU'nl
wuriU'U crlasscji. (.JouviTncur Stoiie fand
ISM!) die Üahn für wi-ilcmi Fortschritt ge-
clmrt. Joder der genannten (iouverneure
zeigte ein mit dem Laufe seiner Amtsdauer
zunehmendes Interesse: kein Stillstand oder
Kiieksehritt in Försterei kam vor. Als erster
Forslkinnniissär vmi P( inisijlriiniii ward
Dr. ./. /■. Iioihroch- eingesetzt, der Mann,
der, Deut-seh-Amerikanei-. durch AVort,
Schrift und That hervorragt im Werke der
Kinführinig der Försterei in Nordamerika.
In (h'r zu Gunsten dieser Schrift für das
Buch der Deut.schen in Amerika von ihm
seihst gespendeten, staatliclien Ausgabe des
Werkes :
Staicmcnt of Work <l<ni( h}i fhe Pennsyl-
vania Department of Forestrn diiring 1901
and in02 ist der Bericht an den Gouverneur
enthalten, der von dem Eintiusse, dem Wir-
ken und den Verdiensten dieses Älannes und
seiner Bedeutung für das Werden amerika-
nisclier Föi'sterei einen klai'cn Begriff ent-
wickelt. Im Auszuge lä.sst er sich verneh-
men, wie folgt:
..Die Volksnieinung über Försterei ist:
Es dürfen keine Bäume gefällt werden. Das
ist ein Irrthum. Förterci fängt an mit eler
A.rt. Giebt es doch im Urwald Bäume von
wenig Geldwerth die IMenge, andere er-
drückt von ihren Nachbarn und Lücken ne-
benan, wo Bäume stehen könnten. Es be-
greift sich darum, dass Urwald selten soviel
Nutzholz liefert wie der mit auserlesenem
Haumwuchs bepflanzte und sorgsam ge-
ptlegte Forst. Gewiss hat in diesem Staate
der Weisstannen der Urwald in den besten
Nadelholz-Distrikten einen enormen Betrag
Bauholz geliefert. Zweifelhaft aber ist es
doch, ob es hier jemals einen Ackergross
Urwald gegeben hat, der au fertigem Holz
Tausend Fuss Brettmass ergeben hat. Man
vei-sicliert auf gute Autorität hin, dass es in
Deutschlaiul Kultui-forste giebt, die solche
fabelhafte Ernte erzeugen. Dies stellt uns
das Geschäftsziel vor Augen, den einen
Zweck: Ernteproduktion. Alan erwarte
nicht vom Staate fortwährend Geld für
Forstzwecke ohne Rückeinkommen aus dem
Lande, (rlückliclierweise ist für uns hier
schon Gelegenheit durch Ausdüinien unse-
rer jungen liestände, das lieisst : wohlmar-
kirten Verbesserung.s.schlag, sofort Gcldein-
nahnie zu Ix'kommen, sobald wir diese Ar-
beit der Leitung eines kundigen Föi-sters
mitei-stellen. Es würde zum absoluten Ver-
derben der Staatsförsterei führen, wollte
man mit dieser Arbeit, die professionelle
Kenntniss verlangt, einen gewöhnlichen
Holzhauer l)etrauen. Zuverlässig kann die
Alont Alto Reserve viele Hundert Klafter
Holz für Gerbextrakt und für IIolzpulp .so-
foi't liefern, ausser einem tüchtigen Po.steu
Seheitholz für Holzkohlen und für Schwel-
len. Arbeit verlangt Arbeiter. Försterei in
Pennsylvania hat sich niemals einen Trupp
geschulter Kräfte geleistet, verschieden vom
Taglöhuer einerseits, und von jeder son.sti-
gen Art Handwerker andrerseits. Allein,
je eher diese P^rage erledigt ist, desto besser.
Das Forstinteresse dieses Staates ist zu
gross und zu sehr Lebensfrage, um dabei die
Volkswohlfahrt auf's Spiel zu setzen. Eines
Mannes politische Ansicht macht ihn zu
dieser Art Arbeit weder tauglieh noch un-
tauglich. Ein Missgriff heute würde leicht
zum lastenden Fluche für ein halbes Jahr-
hundert. Drum würde es nicht weniger
verkehrt sein. Jemanden auf einen verant-
wortlichen Posten in diesem Geschäfte an-
zustellen als Lohn für politische Dienste
allein, als Jemandem aus dem.selben Grunde
die Leitung eines Erziehuugswerks zu über-
geben.
In der Aufstellung einer Forstmacht für
den Staat sollte der höchste Beamte in jeder
Reservation der Oberförster sein. Dieser
sollte nicht allein tüchtige Ausbildung im
Forstfache besitzen, sondern ausserdem ein
guter Geschäftsmann sein. An den Forst-
schulen in den Vereinigten Staaten ist
Nichts auszusetzen. Sie haben sich fähig
gezeigt, Förster gut wissenschaftlich vorzu-
DIK DKrTSCHEX LN J)1;K FüHlCSTKlfi:! VON N« )lvl) AM KKI KA.
(Ui3
bikli'ii. AVas dci- EMtwickcluiig (Um- Föi-sttv
rei in Pennsylvania zur Stniule am iiieistiMi
notiitliut. ist eine geliörige Anzahl «rcscliul-
tei" Arbeiter. Die Kegel sollte feststehn,
dass es für den Staat die weiseste und öko-
noniiseh beste Art ist, sieh seine Forstleute
in seinen eigenen Revieren selbst zu ziehen.
Vorerst gilt es, eine Klasse Leute zu be-
schaffen, die vei'slehen. ein Feuer zu be-
wältigen. Bäume auszuputzen und auszu-
dünnen, einen Trupp Handarbeiter zu lei-
ten und elementare Försterei verstäiulig zu
handhaben ; vor Allein abei-, diesen Leuten
das Bewusstsein beizubringen, dass ihre An-
stellung von Dauer ist, und mit Aussieht
auf Beförderung nach Verdienst. Der
amerikanische AVald galt bisher nur als
Aufenthalt für wilde Thiere und als
für ]\lensehen unbewohnbar. Die Zeit naht
heran, für eine Klasse ]\lenschen. die vom
Walde, luid in ihm, in Wohlstand und Be-
hagen leben. Statt der Verworfenen, die
von Diebereien an fremdem Eigenthume ein
elendes Leben fristen, wird es Beschäfti-
gung geben für zahlreiche ^Menschen, dem
Walde Ernten abzugewinnen ohne Ende.
Die grösste Existenzfrage für unsere ame-
rikanischen Wälder ist die: Wie liönnen
Waldbrände iDiirrd rückt oder cingc-
schränht werde nf Ihr häufiges Auftreten
liegt in der Nichtachtung ihrer Verheerun-
gen. Jenuind wiid't achtlos ein brennendes
Zündholz in einen Haufen dürrer Blätter
und denkt nicht an die furchtbaren Folgen.
Hier liegt der Anfangspunkt für die Ele-
mentarschule der Försterei. Aus den jungen
Bursehen des Forstreviers, Burschen, für
die es Bildungsgelegenheit nur dürftig
giebt, die l)ekannt sind mit der Gegend und
an harte Arbeit gewöhnt ; aus ihnen ist eine
Klasse Forsteleven bald formirt. Diese
jungen Leute anzuwerben für einen niedri-
gen Jahreslolm unter dem Uebereinkoin-
men, dass sie, wenn gebraucht, zur Arbeit
befohlen werden, für gewöhnlich aber ihre
halbe Zeit verwenden auf Studien, verbun-
den mit Försterei, wie Arithmetik, Geome-
tri<', Tiijrnnoniet rie. Nfiniessung. Sti-a.sseii-
bau, Xivellii-en. einfaches uiul topograjihi-
sclies Kartenzeichen, hotanik. Zoologie.
Uuchhalten, llandelsreclit. llolzabsehätz-
ung. Forstanlegung etc. Der Staat erhielte
dadui'ch eine Sehaar von jungen Leuten.
Waldbrand zu Ncrbüten und zu initer-
di-'icken. Die meislen Revierarbeiten lie.s.sen
sich (lunli sie vei-richten ; s'w trügen von
Hevier zu Ke\ier die Idee, sie seien etwas
Be.<ondei-es: Forslhutc. Sie würden der
Masse (las N'ei'ständniss beibi-ingen. was
Försterei bedeutet, luid vor Allem Eintluss
aul" die Kla.sse gewinnen, von t\rv unsere
s( liliniiiislen \Valdbrän<le au.sgehen. und da-
durch, dass sie diesen Leufen zeigen, wie
das Abbi-ennen junger Waldung künftigen
Arbeiterbedarf' zei-stöi't. sie voi-sichtig
machen gegen liranderi-egung. Zwei Lehr-
jahre wüi'de eine lirauchbare Klasse junger
Leute liefern. Aus den Besten von diesen
lese num eine gewisse Anzahl für höhere
Forsterziehung aus. Wie solelu'rweise einer
wüi'digen Klasse jungei- Leute, so würde
auch dem Staate ein wert h voller Dienst ge-
leistet. Wohl in keiner anderen Weise
könnte dem Gemeinwesen gute, gedrillte,
für seine Forstirviere so nöthige Diener-
schaft gestellt werden.
Die bis jetzt fÜJ- Foi-st reservat ionen er-
woi'benen Ländereien ersti'ccken sieh üImm"
22 Counties und betragen im (ianzeii
572,722 Acker.
Das Land, welches der Staat geUault hat,
niuss er scliützen gegen Krub. gcL'cn Bi-and
und gegen Thiere.
Die meisten EingrilVe in Forsteigenthuiii
bestehen in Diebereien im Kleinen. Heifen-
.stangen. Schwellen und Bi-ennholz sind
meistens die Gegenstände, Bei (Jelegeidi^it
wie Eisenbahnaidage werden Sehwellen
nachts oft zu Tausenden entführt. Die
Grundherren wohnen meistens weit weg.
Die Leute in der Xaelibarsehaft besondi'i-s
dünn bewohnter (Jegenden .sehen in diesem
liaube ki'in rnreeht, und die Ag<'nti'n der
664
DIK nKUTSClIEN IN DKR FOERSTKRKI VON NORH AMKKIKA.
Ki^ciithüiiicr iiuK-lifii mit ilincn oft gcmoiu-
s<-haftli«-ln' Sache, ({cric'lnt (liiir<'jrfii an/u-
rufen. sollt«' ^'.'sclichcn. ahci Bi-wcisfüliniiij?
ist oft unmiijrlich. Hin lu'ss.'rt's .Mill.-! wäiv
«las. die niilhitrcii Arln-iJsltMit»' für den
Staat aus «It'ii H.'st.-n .ItT Zalil dieser Ihn-
wohner zu nehmen. Der .Mann, der Holz
stiehlt, wird aueh oft Brandstifter, die
Spuren s<'ines Rauhes zu verhergen. Ilei-
th'lheerptlüeker sehen irern alle drei Jahre
das Fetier üher ihre Strecke laufen und
verhelfen mitunter dazu, hesonders in
Counties. wo di«'se Frucht zu Tausenden
von Dollai-s werth verschickt wird. Fisclier-
Ipute verursa<-hen manchen Jirand, indem
sie Rauch machen, damit der Fisch besser
heis.se. Eisenhahnen sind häufig Ursache
von Waldfeuer mit mehr oder nimder
Verschulden durch Fahrlässigkeit von An-
ge.stellten. Es gieht keinen Grund und keine
Entschuldigung. Korporationen zu gestat-
ten, fremdes P^igenthum durch Nachlässig-
keit, die an I'nvei-schämtheit grenzt, unge-
ahndet verbrennen zu lassen. Die häufigste
Ursache von verheerenden Forstbränden ist,
den Eintragungen unseres Bureau gemäss,
da.s Verbrennen von Strauchwerk auf soge-
nanntem ., Neuen Land". Mehr als 60
Prozent aller Forstfeuer in diesem Staate
rühren davon her. Wirklich glaul>en die
meisten Leute, dass Jemand, der auf diese
Weise eine Feuersbnmst erregt, gesetzlich
dafür nicht verantwortlich ist; dass, viel-
mehr, es die Pflicht der angrenzenden Nach-
barn ist, sich .selbst zu schützen. Erstaun-
lich ist es nicht, dass den meisten Leuten,
die solche Feuer anstecken, das Land nicht
gehört, auf dem sie es thun.
Wie kann man diesen Bränden Einhalt
thun, oder sie vermindern? Es giebt da-
für zwei AVege: Einmal, da.ss man das
Publikum lehrt, sie veral)scheuen ; das an-
dere, <lass nuui die Anstifter zur Strafe
zieht. Es ist sciion Vi'^les nach beiden
Richtungen hin geschehen, und es lässt sich
sehr viel darüber sagen.
Benutzung der Staats-Foerstereien
zu Sanatorien.
Ich möchte in Küi'ze noch eine Seite der
Forstreservationsarbeit '«'leuchten, die
meistens unbeachtet bleibt ; ich meine die
Benutzung von Staatsländereien zu Sana-
torien und zu Ausdugstätten für Leute, die
Gesundheit und Stärkung suchen. Es war
lange bekannt, dass es Beziehungen gieht
zwischen Leben im Freien und Lungen-
schwindsuclit und ihrer Kur. Vor fünfzig
Jahren glaubte man, dass, wenn ein mit
dieser Krankheit Behafteter stark genug
war, in einer Kohlenbreuucrhütte zu lehen,
er gute Aussichten habe, wiederhergestellt
zu werden. Seltsamerweise schrieb man die
Heilung der Kraft des einzuathmenden
Kohlenstaubes zu. Dieser Staub, karhoua-
ceisch in Charakter, ist jedoch eine Quelle
von Gefahr, anstatt von Nutzen zu sein. Die
wajirhafte Ursache war die frische Luft,
in der man da lebte, die in ihrer Stärke
die Schädlichkeit des Kohlenstaubes üher-
kam. Dieser sonderbare Schrecken der
Nachtluft, der unsere Vorstellimg so ver-
dreht, dass wir nicht erkennen, dass frische
Luft imd Lungen besonders füreinander
passen, weswegen die Erste der Andern
nicht schaden kann, ist Schuld an Todes-
fällen Solcher, die aus I'eberschwang der
Sorge eingebalten wurden in der unge-
sunden Atmosphäi'e des eingeschlossenen
Raumes. Ich würde meine Pflicht verfeh-
len, wollte ich nicht hier in den stärksten
Ausdrücken versichern, dass ich nicht
weiss, wie die Legislatur von Pennsylvania
.soviel Gutes thun kann mit so geringen
^Mitteln, als, Obdach und Schutz in unsern
Reserven zu gewähren, wo unsere Kranken
und Nothleidenden hingehen könnten.
^Moderne W^issenschaft ist wohl imstande
das Publikum vor Harm aus diesen p]in-
richtungen zu bewahren. Irgendwie und
irgendwo muss für diese ^lenschen gesorgt
werden, die eine grössere Gefahr für das
Gemeinwohl sind, wenn frei sich selbst
DIK DKUTSCHKX IX DKR FOKKSTKin:i VON XORD AMHKI KA. (^r^
ühcrl.isst'ii. als vi'i'soi-'fl unter (icsundlicits- dt-r StruiiKiuclIcii i,ii«.'c(lcilicii zu lassen, den
lejreln. Sie sind unsere .Mitnieiiseheii. und sie für ihren \\'üss( nnhnnicli bedürfen
die Keli^'ion verbiotet uns, sie auszuweisen. Zum Beis|)iel j^ehört dem Staate jetzt das
i;edankeid()s und sorglos, um hoffnungslos J^and, von wo die Stadt (M- arüeld viel ihres
zu sterben. leh weiss, dass es Gegenden Wassers empfängt. Ein grosser Theil der
git'ht in Pennsylvania, wo Geldmäehte zu- .MeKIhattan Scheide gehört dem Staate,
sanniienstehen, Diejenigen abzuspei-ren. die \'on dort empfängt die Stadt Lock llaven
an dieser Krankheit leiden wo keine Naeh- ihren Wasserzutluss. l'nter sorgfältiger
sieht gilt, und keine Theilha])ersehaft an liehandlung sollte sieh »lie Wasserlulle :1a-
Gottes friseher Luft gestattet ist. I'eberlas- selbst vermehren. Es w rd nieht mehr
sen wir diese Leute ihrem eigenen rrtheil. lange dauern, bis der Jiegehr für Wasser-
Ks giebt Formen der Unmensehliehkeit. krait und der liedarf an Was.ser zu anderen
seiiwer zu bezeiehnen. Zwecken den unleren Theil der Ströme
Da ist noch eine Klasse, denen diese Re- allein für kommerzielle Zwoeke in Beschlag
.serven seltene Gelegenheit bieten; ich nehmen wird. Dann konnnt es darauf an.
meine die KränMichcn und Solche, die dass die oberen Zutlüsse streng in acht ge-
ein"n l'unimclplalz suclioi, zu gesunden: nommen werden, genug an reinem Trink-
Zwei ]*lätze dafür sind schon als passend Avasser zu liefern. Das beste Wasser, seihst
ausgefunden: Die Gegend bei Resica, dicht filti'irt. ist nicht liesser. als es dem Menschen
zwischen Pike und ]\Iunroe Counties und gebührt.
der Gii)fel von South Mountain hinter IMont Es ist auch an der Zeit zu fragen : Ist es
Alro, Franklin County. Gewiss giebt es in weise Finanzpolitik, holztuKjenths Land so
Penn.sylvania noch mehr ebenso gute. hoch zu besteuern, da.ss de" Eigner sich ge-
Noch ein Nutzen liegt in der Foi*stre- nöthigt sieht, es abzuholzen, um nicht in
serve; ich meine, als Jagd- und Fischerei- Verlust zu gerathen ? AYän- es nicht klüger.
Grund. Solcher Sport ist gesetzmässig, es unbesteuert zu lassen, so lange das Holz
gesimd und nützlich. Die Geschichte des steht, und erst von dem gefällten eine Ein-
Boern-Krieges, die der ]\renschlichkeit komniensteuer zu verlangen? Bäume im
Schauder erregt, belehrt ims, dass in künf- Wachsen bringen dem Staate Nutzen, und
tigen Kriegen die Büchse eine wichtige verdienen ihr Recht, unbesteuert zu stehen.
Roile spielen wird. Vergessen wir nicht ZLnstörimg von Jleidoclanihh m nur um
da'^s die Forste von Pennsylvania es waren, der Binde willen für Gerberei könnte auch
von wo das berühmte BucJdail Regiment gehennut Averden, weini die For.ststeucr
kam, unvergänglichen Ruhm zu ernten für nicht wäre." J. T. Rothrock.
den Bürgersoldaten dieses Staates. Im Dieses Sämanns Samenkorn ist auf guten
Walde ist's, avo der ]Mann geübt Avird von Grund gefallen und aufgegangen tauseiid-
Jiigend auf die Büchse zu hantiren, bis sie fältig, wie weitere Berichte ergeben,
seinem Finger passt und ihn zum unüber-
treffliclien Schützen macht. Darf ich vor- Forstbewegung im Staate New York,
greifen, so mcichte ich sagen, dass ich
glaube, unsere Forstreserven werden fortan '"i ^^'''^te New Yo.-k wurde 1S72 ein.-
ein.' Schule sein, die Hunderte vcm starken, Pai-k-Kom-nission v<m Sieben, mit Horatio
sicheren Büchsenschützen aussendet, auf Seymour an der Spitze. cingcM-tzt. die
deren Hand und Herz der Staat rechnen Wildnisse nördlich vom Mohawk zu erfor-
darf in der Stunde der Gefahr. schon zum Zweck d.'i- Anlage eines Staats-
Es war von Anbeginn ein Zug der For.st- Parks. Nur 40,000 Acker fanden sich dort
Politik, grösseren Städter«, allen Beistand als dem Staate gehörig und die Eigner des
Gtu;
DIK DKrTSCllKX IN DKK' FoKKSTKKKI Vt)X XOKD ANFKRIKA.
Uebrificu mir .l;ir;mr Ix'uaflit, «Icii Preis
für (li'M St.iat auf die Spitz«- zu treibon,
woraufhin die Koiniuission sich dai-auf bo-
schiänktr. i'int'n lOHass p"4t*" weiten' Ver-
käufe von Staatslänclereien. und für He-
sehhi«rnalnne von, wejje.i rü.Uständi^'er
Steuerscludd verfaUenen, StreeUeii Landes
der Aiiliiiuf und die ander\vt'itiy:e Erwer-
bun»r \nii iijiiid und Gebäuliehkeiten etc.
Ulli drren Verwaltung unter dem Fische-
rei-, Wild- niul Forst-Gesetze ül)ertra^en
werde. Die Mit«;lieder erhalten keine lie-
zahlunir für unter diesem Akte «?eleistet(
l)i;'nste. ai>cr Gelder zur Bestreitung der
an/inathci'. Hlf Jahre verjrinjren. ehe der nöthigen Ausgaben, einschliesslich eines
Staat. 1883, deingemäss verfidir, als er
durcii Steuerverfall in <!cn Besitz von
(i()0.(K»(l Ackern gelangt w.i.-. und erst nadi
weiteren zwei »laliren trat am l.")teii ^lai
1885 eine Forst-Kommission in's Leben
die nach zehnjährigem Bestehen dureb ein
Gesetz vom 25sten April ISl);") in die jetzt
bestehende Gommission of Fisheries, Game
juid Forests verwandelt wuide. Sie besteht
aus 5 Mitgliedern, auf 5 Jahre vom Gou-
Pei'sonals wn Assistentin. Die weitgehen-
den Rechte und Ptlicbten auch dieser Be-
hörde siiul durch \'erfügungen in 2() Sek-
tionen dieses Aktes geregelt, l'nter diesem
Gesetze veraiisgabte der Staat New York in
18f)8 -tl. 000,000 für den Ankauf von
2r)0.000 Acker Forstland, sodass des.sen
ganzer Umfang über 1,000,0(H) Acker be-
trug, imd eine weitere halbe Million Dollars
ward im folgenden Jabre zu dem gleichen
vi-rneur ernannt, vom Senat bestätigt. Der Zwecke verwendet.
Präsident bezieht als Jahresgebalt -töOOO d\q ^urch den Komjvess der Vereinigten
und Reisegelder. Seine ganze Thätigkeit Staaten 1876 erfolgte Austeilung des Dr.
i,st dem Dienste gewidmet. Die -1 Kommis- Franklin B. Ilougli als Be.'ichterstatter in
.säre empf:uigen je $1000 und Vergütung Forestry mit Bewilligung von $2000 ward
ohne besondere Besebliessung von Jahr zu
Jahr fortg.^setzt, seit 1881 aber, bei Etabli-
i'ung einer Division of Forestry. als Unter-
ahtiieilung des Department of Agriculture,
unter spezieller Bewilligung für ihn in der
von Reisekosten. Ein Sekretär zu $2000
pro Jahr und Bureau-Personal stehn zur
Seite. Die Kommission iiält jedes Jahr
mindesten.'! vier Zusammen'-.ünfte. Sie bat
volle Verfügung über den Adirondack Park
mid die Forstre.servatiouen. und die Sorge Eigenschaft als Chief of tbe Division. Dr.
für Ordnung und Sicherheit. Sie hat fünf- Hougb lieferte drei umfangreiche Berichte,
unddreissig Mann zum Schutz von Fische- ^\\^. yom Kongress in :] Bänden 1877, 1878
rei, AVild und AVald unter dem Namen ^,^1 i882 herausgegeben, ein mit vielem
Forester anzustellen, von denen Einer als Flejss und Talent verfassles Sammelwerk
Chief gilt, zwei Andere als Assistenten. v,,n 1586 Seiten bilden, das fortan für foi-st-
Der Chief Forester erhält als Salär $2000, gesetzgeberische Zwecke als kammisch be-
jcdcr der .\ssistentcn $1200 und jeder der trachtet wurde. Unter GranUs Adminis-
andcren Fiii-ster $öOO jährlich, sänuntlieh tration begonnen, unter der von R. B.
mit Vergütung der Reisekosten. Die Fimk-
tionen für das Ganze sind durch ausgiebige
Ge-setzesvoi-schriften geregelt. Am 8tcn
April lSf)7 trat ein Akt der Gesetzgebung
in Kraft, der bestinnnte, da.ss der Gouver-
neur aus der Zahl der Foi-stkommissäre
Drei, und der Landkcmimissäre P^inen unter
Genehmigung des Senats ernenne, die zu-
sainmen einen Vorstand bilden unter dem
llaves vollendet, kam seine Ausgabe von
25.000 Exemplaren, das Evangelium der
Forstkultur verkündend, als Offenbarung
unter das Volk. Die bestehenden Schäden
und IMissbräuehe in der Art der Ausfüh-
rung der Ilomestead Akte, unter der auf '
Staatsländereien der ITolzraub im Grossen
systematisch und unbehindert unter völliger
Entwerthung des Bodens betrieben wird.
Titel „The Forest Preserve Board", dem sind das Erste, was das Buch gründlieh •
DIE DErTSCHEX 1 .V DER FOERSTEREI VON NORDAMERIKA.
m;
nac'liwi'ist't und die rnzulänc'lii-likiMt jrt--
jrcn wärt ige" Systeme der Verwaltung be-
kundet. Da.s Zweite ist der Xaehweis eines
bestehenden Kechtsl)()dens. auf welclicni
der vielt'a« li gebrauchte Vorwand der
^Ia"hth)sigkeit dov Regierung, Ilolzfrevel
zu verhindern, und die Anwendung besserer
Methoden durchzusetzen, zu nichte gemacht
wird. Als solche?- gilt die Entscheidung,
die als (Attoruey General's oi)inions, T;
Wirt, May 27, 1821) ma.ssgebend angeführt
ist Der Sehluss dieses Urtheils lautet,
dass: ,,üie Vereinigten Staaten Regierung
zu dem p]iidialtsbefehl gegen Vergeudung
(waste) unter Verhindermigsweise und
zum Einschreiten durch ]3estrafung von
Uebertretung in derselben Art berechtigt
ist, wie Individuen es sind in ähnlicher
Lage. Hinzugefügt wird, dass der derzei-
tige Oberrichter der Vereinigten Staaten,
der General Anwalt Taney. in seinem
Wahrspruehe vom 22sten August 1833 das
LTtheil von "Wirt zitirt und ihm beige-
stimmt hat."
"\V. Wirt, der General-Anwalt der Ver.
Staaten, war in ^Maryland von deutsehen
Eltern geboren.
Das Folgende ist ein Auszug aus
„Brief History of the Forest movement
of the United States. Reprinted from
House Doeument No. 181. 55th Congress,
3rd Session.
As.'focialid Propaganda. (A'is dem Engl.)
In 1882, angeregt durch den Besuch des
Barons von Stcuhen, eines preussischen
höheren Forstl)eamten, ^\■ährend seines
Staatsbesuches zur Gedächtnissfeier der
Uebergabe von Yorktown, berief eine An-
zahl von Patrioten in Cincinnati einen
Pörsterei-Kongress. Eine sehr enthusiasti-
sche und repräsentative Zusammenkunft
war am 25sten April das Resultat. Sie
dauerte eine Woche, und hatte die Formi-
rung der American Forcsinj Ässociaiion
zur Folge. Diese Vereinigung, die jähr-
liehe und zwischenzeitliehe V^ei-sanunlungen
hält in verschiedenen Th.-iieii ijei- Vcr.
Staaten, ist der Mittelpunkt aller j)rivatli-
chen Bestrebungen zugunsten der Försterei
gewdrdeii. Zwölf liiimli- iihef ihre \'rr-
handlungen enthalten nich+ bios die Ge-
schichte des Fortschritts di-i- (Irüiidung iler
Forstpolitik, .sondern noch viel anderwei-
tige Belehrung von Wertli \u Foi-st.sachen.
Sie giebt jetzt ein Monalsheff : ..The
Foi-ester" heraus. Sie besteht ohne Regie-
rungshülfe gänzlich aus P.-ivatmittelu und
I^eiträgen der .Mitglieder unter unbesolde-
ten Beamten. Sie hat besonders viel ge-
than, die Forstpolitik des Biu)des zu
gründen.
In ISS.) folgte ihm im Amte .\. II.
p]gglestoii von Stockbridge. Ma.ss.. de.s.sen
Bei-icht von 462 Seiten als ei-ste Ausgabe
der Fore.stiy Division heraiiskam.
Am 13ten März 1886 übernahm Dr. /;. K.
F( rnow den Posten als Chici" of the Division
of Forestry. welche am Islen Juli durch
Kongress-Akt ein statutengemässer, fester
Theil des Agricultural Department winde.
Als Förster von Profe.ssion besa.ss er die
Erziehung einer profes-sionellen Schide. und
war er im preussi.sehen Foi*stwesen ange-
stellt. Daher war er fähig, die Arbeiten
der Division mit profe.ssioneller Kenntniss
der- fachmännischen Anfordei-ungen uiul
vom Staiuli)unkte des Forst maiuis zu
leiten. Da .seiner Anstellung ein Aufent-
halt von fast zehn Jahren ui diesem Lande
vorausgegangen war. hatte ei- au<-h dun-h
Beschäftigung in Stadt und Land, hesou-
ders seit 188)} drei Jahre lang als Sekretär
dei- American Fore.stiy Association, reieh-
lieli Gelegenheit gefuiulen. sich mit ameri-
kanischen Verhältnissen bekannt zu machen
und die Be<leutiuig der klimatischen, tlora-
len, sozialen und (»konomisehen l'nter-
sehiede kennen zu lernen.
Mit den in den folgenden Jahren all-
mählich wachsenden Bewilligungen ward
die Propaganda für rationale Behan<llung
unserer Forstschätze nicht nur fortgesetzt,
.sondern sie wurden auch dunli Ilinzuzie-
668
DIK DliUTSClIKV IX T1KR FOEHSTEREI VON NORD-AMERIKA.
hung von tcclinis.-hcr und orijjinaU'r For-
schung crweittTt. Mit d>'ui wadisiMiili-n
Int<M'esse an tU-r Sat-lu' wiidis die Korre-
spondenz mit Dcnt-n. die t-'t-hnischo rntcr-
wt'isimg suchtt'U. Das niat-lit«'. das> ausser
den gedruckten VenitVcntlicliungen der
Division lid.ono Seiten meistens spezifischer
AuhMtungen an Kt>rrespondenten während
der zwi.lfjälirigen Amtsdauer dieses Chief
of Bureau in Kopiebü<'liein verwahrt lie-
gen. AVälu-end im Laufe der Jalire von
1876 bis 1S86 die Sunune der l^ewilli-
gungen für Forschung in Försterei etwas
weniger wie $60.000 betrug, beliefen sich
die Gesannntausgalu'n währeiul der weite-
ren zwölf Jahre in i-undei- Zahl auf
$2;i,000. die jf;! 7,000 für künstliche Regen-
pr'..duktion, die nicht unter Direktion der
Division gescliali. abgerechnet. Die wäh-
rend dieser Periode ausgegebenen Schriften
umfassen, ausser nicht veröffentlichten
^lanuskriptcn. gegen 6000 Seiten P^ine
Liste der Pul)likatio?ien der Division ist
diesem Berichte beiliegend. Es ist anzu-
nehmen, dass der Inhalt der Drucksachen
zur Hälfte Originalw-rth besitzt, d. h. p]r-
gebnis.se verzeichnet von Forschungen un-
abhängigen Charakters, und nur Wahrhei-
ten enthaltend, während für die andere
Hälfte die Originalität in der Form der
Darstellung beansprucht werden kann, da
Zusammenstellung solcher Art von That-
sachen in dieser Weise anderswo n^cht zu
finden i.st. Dies bedeutet, dass wenn der
(ieUlwerth der Manuskript-Seiten von Be-
leb: ung den gedruckten Seiten hinzugefügt
wird, so ist die rnterweisung in der letzten
Periode zum Durchschnittspreise von we-
niger als $24 pro Seite erlangt, was für
Fachschrift kaum als zureichend gelten
kann, während im Laufe der früheren
Periode von nichtprofessionellen Schreibern
der Kostenpreis pro Seite gegen $30 be-
trug. Tud wenn blos die wahrhalt origi-
nale T'nterweisung, die neuen Zuwachs
unsrer Erkenntniss enthält, einbegriffen
wird, so hat sie weniger als $75 pro Seite
gekostet. Was den Geldwcrth für das Volk
bet.-ifTt, der sieh schwerlich in Dollai-s und
Cents ausdrücken lässt, so mt)gen Kalkula-
tionen an anderer Stelle dieses Berichts, den
Charakter dieser Arbeiten besprechend, ihn
erge'Den. Aus ihnen geht hervor, dass durch
die Division genug neue Belehrung ertheilt
wo'-dcn ist von einer Art, die, wenn in
Gellgewinn umgesetzt, erlangt du'-ch Er-
sparung an werthvollem Forsfmaferial im
Betrage vieler ]\Iillionen Dollars, die Aus-
lagen dafür fünfzigfach ersetzt. Der indi-
rekte Werth aber durch Erwecknng von
Fnt.^resse für die Sache und Verständniss
von ihr, der in Geld sich nicht ausdrücken
läs.si, ist unendlich viel grö.sser und wicii-
tiger.
In 1876, als die erste Agentur für Forst -
berieht im Agricultur Department eiuge-
set'jt wurde, stand selbst das Wort für den
Begriff .,Forestry" nicht im englischen
Wörterbuehe, und war im Dictionarj' das
Wort Forester definirt als: an officer ap-
pointed to watch" a forest or chase and to
l)reserve the game. Die Idee von einer
Kunst dieses Namens, von ihrem Gegen-
.stande und- ihren ^Methoden existirte luiter
unserem Volke nicht, ausser bei wenigen im
Auslande Gereisten. Heute vergeht kaum
eine Woche, in der nicht eins oder mehrere
der Tagesblätter mit aller Vertrautheit
eiu'.^ interessante Phase der Försterei durch-
nehmen, und hat diese sich zum Gegen-
stande des Tagesgesprächs, der öffentlichen
Vorträge und von Magazin-Artikeln ausge-
bildet. Dass die Division die Triebfeder zu
dieser Veränderung abgal), ist leicht er-
sichtlich aus den fortwährenden Bezug-
nahmen auf sie in Erwägungen des Gegen-
standes, den häufigen Citaten aus ihren
Bekanntmachungen und aus den ihr nicht
kreditirten gleichwohl oft wörtlich nach ihr
wiedergegebenen Aeusserungen von Schrei-
bern der Tagespresse.
Es existiren nunmehr seit 1882 eine
Nationale und eine Anzahl von Staats- und
Lokal-Forst-AssociatJonen, die sich mit Für-
DIE DEUTSCHEN IX DER FOEKSTERET VON XOKD AMERIKA.
669
deruiifr des GegJMistaiulcs in ihi-cii verschio-
ileneii "Wii-kunjrskreiscii bofasst'ii. Die Di-
vision, oder wcnijrstciis ihr Chief, war ent-
weder aktives ]\Iitjrlied oder Beamter eini-
ger dieser Körpei-sehaften, oder an deren
Entstelniiiir Ix'liültlieh. oder stand iliiien l)ei
»lit Ratli und mit Beisteuer zu ihi-ciii l*ro-
^ramnie.
Gegen zwanzig Aekerbausehulen liahcn
Unterrielit in Försterei in ihren Lehrplan
aufgeuonnnen. und „Professors of Fores-
tiy", gewöhnlieh der Botanist oder Ilorti-
kulturist dieser Anstalten, theilt sein Wis-
sen von der Sache in entweder AVahl- oder
obligatorischen Kursen mit. Die Veröffent-
lichungen der Division als die leiclitest zu-
gängliche, technische Litterf.tur des Landes,
dienen grösstentheils als Grundlag.^ dieser
Vorträge, oder geradezu als Textbuch.
Der Staat New York that einen Schritt
weiter, imd hat im Jahre 1898 eine
wohlorganisirte Schule : The State College
of Forest ry at Cornell Universit3^ eta-
\)vv Stiiiil l't iinsjfh-diiiti folgte im .Jahre
1I>()8 ilcm Beispit'Ic und betrat eine ähnliehe
Foi>tpo]itik. Kr kaufte eine Anzahl F<»iNt-
i^eservationen. die er unier die Leit.uig des
aktiven Forst-Konunis.särs .stellt«'.
Die liviulrsrcfjirnnif/ endlieh bestimmte
.■)8,000 Acker öflTenl lieber Ilolzlätidereien
f ü r Forst reserva t ionen .
()l)\vohl an Triel)kraft m<hr als Ein(s
iiötiiig war. }inscrc Iif(/{(riin<f für eine
solche Politik zu gewiinu'n. da sie vor zwan-
zig Jahren unsirr Idee von R<fjifiuii(js-()h-
iiegenhcitrn )wch ganz fremd (leqeuHhrr
stand, so ist ihr Vorgehen zweifelsohne doch
die Wirkung der hauptsächlieh von «ler
Forst-Division tu tri< h< n< n i r zieht risehrn
Kampagne. Dr. lloiigh s hlug in seinem
öritten Berichte die Zurüekziehung aller
öffentlicher llolzländei-eien vor. und erivog
die Grundzüge für dei-en Behmdlung.
Seia zweiter XaehfeAgir im Amtt fornui-
Jirte weitere ^Methoden (s. Bericlit S. 1()1.
Com. Agrie. 1886) und (uhtifete eine um-
blirt und dem dermaligeu Chief of the fassende Bill aus. die unter Befürwortung
Forestry Division die Direktorschaft ange- der American Fori'stry Association dem
boten. Der Kursus für Studenten die den Kongress unterltreitet wurdi . DItst Hill,
Grad von Bachelor in Forstwissenschaft an- später die Paddock Bill benannt, und in die
streben, ist so voll wie in anderen, ähnlichen iNlcRae Bill modifizirt. < nthidt die <i<-
Zweigen. und so koniplet wie der in den sichtspukte, auf die alle später in. Forsl-h'(-
besten Fösterei-Schulen von Deutschland, tervationen erlassene Gesetzgihnng basirt
Die wichtigste Seite dieses neuen Erzie- ist. Die Sektion des Gesetzes vom 3ten
■nings-Unternehmens ist: em Versuchsfeld ]\Iärz ]89], die Forstpolitik bestimmend,
von 30.000 Ackern, besonders bestimmt, die war vom Sekretär des Innern formulirt, der
iMethoden der Waldkultur und Forstöko-
nomie zu erläutern, um ein ^Muster für das
ganze Staatseigenthum abzugeben. Der
fctaat New York hat eine Forstresen^e von
öffentlich und im Druck seine A''eri)tlieh-
limg für die Idee dem erwähnten erzieheri-
schen Einflüsse zuerkannte. Die verL'angene
Periode von zwanzig Jahren des Bestehens
über 1,000,000 Acker separirt, um sie auf der Division of Forestry lässt sieh bezeieh-
die beabsichtigte Grösse von 3 000,000
.•\cker zu bringen. Die Gesetzgebing zum
Einsatz einer Kommission zur Verwaltung
«lieses Forsteigeuthums des Staates war von
dem Chief of Division 1885 auf Ersuchen
»■'es Staats-Senators Low verfasst, der ihre
nen als die Periode d<r Propaganda. Wir
]iab"n wäh.rend derselben den Anfang ge-
macht für ein neues Unternehmen, die
Grundmauer gelegt für den Hau.
Schliesslich jedoch miiss eine Divsion of
P'orestrv einer Regierung, die .Millionen von
l*assirung sicherte, während verschiedene Ackern Foi-stbesitz an sich gezogen hat die
andere Bills für denselben Zweck abgelehnt Verwaltung davon in die Hand nehmen,
wurden. das Detail der Sache und die Entwicklung
«70
Dli: DKITSCIIKN IN DKK FOERSTEREI VON NORD AMKKl K A.
I.T 'rt'cliliik klriiicrcM ZwciiTfii des Iiisitilts
lihrilasscml.
Ist Försl(r(\ innfilnlxl.' wird «rrfnit^t.
Vom St}iU(li)U]il<t«' der Xiitionalökonomi«'
ist siclu'ilich die Bciiiitziuijr unsores Grund
und Hodens, wo er nni- Hol/ lici'vorbrin^'t.
■ohn.-n.l. ohirlcich sie für dfii I'riv.ituntcr-
nchnicr eine hohe Tii-ntf u'u-h\ .ihwirfl.
Die Lo^'islatur von New York uuiclitc
lS!).s B<'wilIi},Mni}; für die Aida^'c eines ("ol-
IcfTc of Forestry an d<'r ("ornell l'niversität
mit einem Seludforste von HO.DOO Aekein.
Die Sehnle wui-de A|n-il ISIIS or^'anisirt mit
Dr. I'.. K. Kernow als Direktor und Dekan.
Deutsche in der Foersterei von
Nordamerika.
Grotff Olio I'racforius. geboren :3. August
183.") in Lohbergen, Königreicli Hannover.
Vater -loli. Cliristian Praetoiins. Förster in
IjolilM'rgen. Forstselude von Hannover. In
Amerika seit 18():i. Forester in Forest ville.
Sch.iylkill Co.. Vn.. nn Dienste der Reading
('(».. gestorben in .Minei-s\ ille, Sehuylkill
Co.. Ta.. ISm.
Iiichar<l J . llaldoiunin. (hunberland Co..
Post Oflfiee Harrisburg. I*a.. geboren in
HeinsIxM'g, l*a.. vo.i deulsehen Eltern.
Studn-te in der Aeademy niul in ('aptain
Parlridge's Military Sehoo. in TIai-risbiu-g.
(Iradnirte am Vale College, Ct. Aug. IS")!.
Besuchte PhH'(»pa. Studirti- in lierlin und
Hei lelborg. Begleitete Hon. \ . .Mason,
(Jesandter. als Attaehe der Gesandtschaft
in Baris: später Hon. Thomas H Seymour
ni gleicher Eigenschaft nach Petersburg.
Dunhreiste Skandinavien, Central- und
Süd-Europa und den Orient. Kaufte 1857
den „Yearly and AVeekly Patriot and
Cnion". War 18(iO Delegat zur Charleston
und Baltimore Convention. Ward zum 41.
i\ongress als Demokrat gewählt luul wie-
derinii zum 4l2. Kongress mit 1:^,866 Stim-
men gegen 10,416 republikanische. Seine
Jiede, 11. April 1873, im Kongress begann,
'.crdeutseht. wie folgt: ..Herr Sprecher!
Beim Einbringen dieser Pill über einen
grossen, bisher von (iesel/gebinig luiver-
suchien Gegenstand ninuiit der Ausschuss
iiiclit an, sie sei erschöpfend oder eine per-
fekt ' Massi-<'gel. Sie ist (''ideitend. sie ist
vei-sMchlicli. Ich iialle iiiclil zähe fest im
Fin/.elheiten. Sie gilt als einen Schritt die
Anfnun-ksandceit des Publikmus auf die
(Iriiu^cnde Xotliwendigkcit. zu leidcen. der
.\lasr>enzei-stöi'nng dei Forste, die im Lande
im (Jange ist, Einhalt zu thun. l'nd danmi
möchte ich das Haus verweisen auf das in
andern Landein Geschehene und darauf,
welche Schaden ganze Kontinente genom-
men haben durcli ruchlose, masslose Holz-
vei'schwendung. "
.Joli. Fri( (]ri(]i Ilarl laiifl . Sohn deutscher
Eltei-n. Geboren Ki. l)ezend)er 1830; ge-
storben 17. Oktober 1888. Gouverneur von
Pcinisylvania, Jan. 31. 1873 — Jan. 1876 und
.lan 18. 1876— Jan. 21. 187i). Besami
durch seine Botschaft an die Legislatur von
Pennsylvania. 1873, die Propaganda in
diesi^ni Staate für Forest i-y.
James A. Baivo'. De\itseher von Her-
kunft. Gouverneur von Pennsylvania von
1S7!)— 83. schreibt P>ellefone. Pa., 6. :März
1 !)()<) für dieses l^uch, also verdeutseht:
,.lch nahm grosses Interesse an dem Gegen-
stande der Försterei als Inhaber der Exeku-
tive und wai- ein Jahr Präsident der Ami'-
riean Forest Association. Die Frage war
damals niclil von solch praktischer Bedeu-
tung wie jetzt, und es war schwierig, die
Aufmerksandseit der Legislatur darauf zu
leid<en. 1895 war ich Präsident der Penn-
syl\-anisch-Deutsch;ni Gesellschaft.
Samuel ]V. Pc nun packe }\ Gouverneur
von l'dinsylvania 1903—07, schreibt Phila-
delphia, 11. Februar 1909 (engl.) für dies
Bucli. zu Deutseh: „leb bin ganz deut-
scher Abkunft. Der erste Schritt für
Försrerei in diesem Lande geschah von
William Penn in seinen Verträgen und
Uebereinkonunen mit seinen ersten Land-
\)[\-: Dh:L'T8CIIi:N IN DFAi KüKKSTKIiKI VON Nol»! ) AM Kl; 1 K.\.
671
käufoni. 11. Juli 1681. Kr niadite aus,
(lass beim Aufklären des liocleus gesorgt
werde, je einen Aeker von sechs in AVaid
zu belassen, in.sbesondere Eichen- und
.Maulbeerl)äuine zu schonen." Geboren 9.
April 1S4.S in Pliönixville, Pa., war P.'s
\'ater Pi-ofessor am Pliiladelphia College of
Medicine. Tuter P. ward die Forstreser-
vation verdopi)elt. Er wandte einen
grossen Goal Strike ab. Er ist Autor von
The Settlement of Germantown". Seine
Wall! war republikaniseh.
,/. 7'. Rothrock, U. D. schreibt 30. Jan.
lf)()9 für dies Buch (engl.) verdeutscht:
..Ich l)in ganz deutscher Abkunft, geboren
in Mifflin Co., Pa.. 1839. In 1880 hatte
icli nocli am 01)er-Rhein lebende Ver-
wandte, und wahi'seheinlich leben noch
jetzt solche. Ich glaul)e, ich war der erste
Penn.sylvanier. der ein Geschäft daraus
machte, die For.ste dieses Staates zu retten
und verlorene wiederherzustellen. Was
mich besonders dazu antrieb, kann ich
gerade nicht sagen. Meine Liebe zum
Walde ist die nächste zu der zu meiner
Familie, die erste Neigung, deren ich mich
erinnere. Gäbe es eine Wiedergeburt, so
erneuerte ich wohl das Leben eines wald-
liebenden Deutschen, der zu Tacitus Zeiten
lebte. Ich denke, ich werde, so lange ich
lebe, thun, was ich seit fünfunddreissig
Jahrui zu thun versucht habe, die Wälder
erneuern." Commissioner of Forestry,
Penna.
Henry Kümmel, geboren 25. ]\Iai 1867 in
Milwaukee. Eltern Julius F. Kümmel und
Anna K., geb. Barnard. Harvard Univer-
sität. Exekutiv-Beamter der Park-Reser-
vation des Staates New Jersey, Trenton.
Autor geologischer Schriften.
Georg Hermami Wirt. Eltern Jacob R.
Wirt und Sarah W., geb. Reifensnyder ;
geb. 28. Nov. 1880 in ^McVeyton. .Mill'lin
Co., Pa. Juniata College, Iluntingdon
Co., Pa., Forstschule Biltmore, S. C, Dr.
C. A. Schunck. Praktisch geübt in Deutsch-
land. Oberförster von Pennsylvania.
G(i)r(j Fridhlch Stliirtir:. Kltciii Kricdr.
Schwarz und Carniinc S.. gel». Clau.sen ;
gi'b. Baltimore. .Md.. 1;{. .\pril ISdS. Har-
vai'd College. II. Law Schunl. Foi*sts<'hulen
in Deutschland und Frankreich. Auliior
von: ..Fol'cst 'Pl'ees aund Folgest Seeueries".
..'Plle Long Leaf Piue of N'il-gin Forest".
,,Tlu' Rock River and its sun-ounding
Forests", Contributes to Foi-est «lournals.
Cimsulting Forester.
FilUxrl Uoth. Eltern P. R. Rotii. Anmlia
R.. geb. Volz; gel). 21. April 1858, Wii-
helmsdorf. Württend)ei-g. Kam 1876 nach
Auicrika. Gi-ad. Cniv. Michigan. Professor
of Forestry Cniv. ^Michigan. Auth(»i- of
..Bull 10 Tiud)er", „First Book of
Forestry".
August Ferdinand Becker. Elteni Wil-
helm Becker, Anna B., geb. Fischer; geb.
20. Juni 1865, Dürkheim, Deutschland.
Supei'intendent of State Capitol GriMuids,
Cohnnbia, S. C.
Johann Friedrich von Uajjl< n, gel». 14.
Dezemlier 1858, Bützow, ]Mecklenburg-
Schwerin. Gjminasium Güstrow. Kadi't-
tenkorps Berlin, Foi-st-Akad. Elx-rswalde,
Tharant, Eisenach. Supervisor of Forest
nursery of the Champlain Rcalty Co., Ran-
dolf, Yt.
William Lester Byers. Eltern W. Byers.
Kate B., geb. Newman ; geb. 8. Jan. 1887,
Chambersburg, Franklin Co., Pa. Public
School Chambersburg, Penna. State Forest
Academy, :Mont Alto. Forester. (Dept. of
Forestry. )
Bernhard Eduard Ftrnow. S(»hn des
Oberregierungsraths Fernow. geb. in
Owratzlaw, R.-B. Salzberg, Prcusseii. 7.
Jan. 1851. Graduirt Gymnasium Brom-
berg, Forst-Akademie ^lünden, Dept. .juris
ünivers. Königsberg. (L. L. D. ' "iv.
Wisconsin, 1807, Queen I'niv., Canada,
1003.) Im deutsch-franz. Kriege Lieut. der
Reserve. 6 Jahre im preuss. Forst fach.
Nach Amerika 1876. Im metallurg. Ge-
schäft etablirt, Brooklyn. X. Y. Chief U.
rü2
I)[K DErTSniEX TN DF:K FOI<:R.STi:RKr VON NOKD A^[EKIKA.
S. l'.iirriiu nf Fon-stry 188()— 181)S. Dircctor
Coll.-trc (.f F(HTstry. Corncll VuW. 1808—
ÜMCi. In IM-Hxis als Consultiiijr Enfjinocr
mit OrtifT in Itliaca. X. Y. und New Yoik
City l!l(>:{— IIMIT. Dean Faciilty of
Forest ry. Toronto. Caiiada. 1007.
N'crfasscr uimI Ilrrau.sf^t'bcr des ..P\)restri-
(^uatcrly ". des ersten professionellen Jour-
nals seiiii'r .\rt in <len \'i'r. Staaten. Autor
der ..Keononiies of Foi-estry"'. ..Ilistory of
Forestry". ..The earo of trees in lawn.
Street and park" und vieler Beriehte. Bul-
letins etc. über Försterei. Sekretär 188:^ —
87. \'oi-sitzei- des E.xekutiv-Komites, ei-ster
Viee-1'räsident seit 1808 der American
Forestry Association.
\V. Will. irel)oren 8. .Nov. 1772 in Bla-
densbur^'. I'rinee Geortje's Co., Md. Sein
\'at«'r. Seinveizer aus Züi-icb. starb ibni
kurz nacb der Geburt, seine ]\Iutter. Deut-
sche, vor seinem neunten Jahre. a])er sein
()id<el sorjrte für ilni. Kr liesuchte die
Schule von (ieor^etown. 1). C. luid die des
Hev. James Ilunt in .Montfromery Co., ^Id.
Während seiner Beschäftigung als Privat-
Lelirer und Schrift.steller setzte er seine
Studii'n fori, fand Zulass zu der Bar
und wurde ein |)i'oduktiver Autor und be-
rühmter Hedm-r. dessen ausdrucksvoller
Vortrag Bewunderung erregie. p]r heira-
thet«', verlor seine Frau in 1703. .stieg, zu
Aemtern enuinnt. von Stiife zu Stufe und
gewann als einer der Räthe im Staatspro-
zess gegen Aaron Burr durch seine Rede
von vierstündiger Dauer erhöhten Ruf.
S«'ine Anstellung als General-Staats-An-
walt erhielt ei- voll l'räsi(hMit .Monroe 1817
und erlangte als solcher durch Weisheit
seiner Kntsclieiduiigeii den Rang klassi-
scher Autorität. In der Rechtsfrage der
Oberiioheit des Staates in Sachen de.s
(Jrundbesitzes steht sein I'rlhcil betreffs
F()i:-<lliin(1rr(i( n unerschütterlich fest. Es
gilt als Rechtsbodeii für alle pa.ssirte Laiid-
und F(n'stge.setzgebung, und lautet ans dem
Englischen vom 27. ]\Iai 1821 zu deutsch
wie folgt: ..rnabhängig von positiven ge-
setzlichen Bestimmungen halte icli dafür,
dass in Bezug auf alles Eigenthum, real
oder iiersonal. welches die Vereinigten
Staaten unter der Konstitntion berechtigt
sind zu besitzen, sie alle ])ürgerlichcn
Hülfsmittel haben, ol) zur Verhinderung
oder Entschädigung für Cnreciit. wie In-
dividuen. So müssen die Ver. Staaten, be-
rechtigt, wie sie sind, diese Ländereien zu
empfangen und für das Gemeiinvolil zu
halten, alle gesetzlichen Mittel haben, sie
zu beschützen, wie Individuen in gleichen
Fällen. Sie sind deswegen nach meiner
^leinung berechtigt zu Einhaltsbefehl, ge-
gen Verschwendung, mittels Verwehrung,
und gegen Aussclireitung. mittels Bestra-
fung, in derselben Art wie Individuen in
ähnlicher Lage."
Bestätigt durch S])rnch von Richter
Taiiey und Anderen, diente diese Auslegung
dem vom Präsident Cleveland beorderten
Spezial-xVusschuss zur Beschaffung eines
Systems für die Forstpolitik der Union als
Grund des Rechts zur Autführung dieses
grossen Baues moderner Kultur. "Wiederum
gepiiift durch einen vom Staate ]Maine
jüngst ])erufenen Rechts-Ausschuss, mag er
auch in Kurzem vor das Forum des Volks
von Pennsylvania gelangen in Prüfung des
von Gouverneur Stuart ausgesprochenen
Vetos des in letzter Sitzung der Legislatur
erlassenen Gesetzes gegen Anstiften von
\Valdl)rand.
Die Deutsche Gesellschaft von Pennsylvanien.
Die ersle Gesellschaft zum Schulze und zur Unterstuelzung
deutscher Einwanderer.
Di«' Aniiiith s<» vich'r AiiswiiiKh'i-cr des Im. dachtrii aiii wi-ni^rstcii daran, s.-hoii an
IS. .lahrhiindtTts /wanjr einen «rrossen (h-ni Kins«liifrnnf;sorte Für «hts lii-st«' der
Theil dersellicn. ziii- Deekun«: der Kdsteii rreiwilliir .Xusjrcwanderten /u sitr^ren : iil)er-
der I'eherfalirt. jrewiihnlieh $40 bis jf;.")!). di.-s war der Transport hanptsäelilirh in
mit den Kapitänen oder Rheth-rn Dienst- (h-n Händen >\rv IInllän<lrr. die sich seit
verträfre einzudrehen, weh-he sie v.-rpHieh- hin^'er Zeit ein.n nnrühndiehen Namen in
teten. duiili .\i-hcit in (iciii neuen Lamh' i\ry .\ iis\vanderer-( Jesehiehte gemacht liat-
ihre Verl)indliehl<eiten alt/.uhisen. Die .so tiii. dniili I ehcrfüllunt.'' ihrer SehitTe mit
verpriiehtete Tei-son konnte hei .Xiclitein- mens<-hlieher Frai-ht. harte Mehan«llunjr
haltunjr (h'r Dienstzeit nieht nur zu Scha- und s<-lih-<-hfe Fiirsorjxe für .Xalirnnj; und
(h'nersatz veriirtheilt. sondern aneli (Jesnndlieit ihrer l'assajriere. (Jrauenhafle
zwanjrswi'isc zu weiteier .\ilii'it an«rehalten Szenen spielten sieh hinsieht lieh dieser
werden. Derai-titre N'erträire wai-en so- armen Kinwanderer in den Häfen von
wohl in Kn.Ldantl. wie in den eiiudisdien Philadelphia uiul l'.altimore ah. Saur's
Kolonien nichts .\eues. fanden ahei- nur Zeitnnir in (lermantown hatte vertrehens
auf .Mindei-jähriire .\n\vendunir. welche kräfti<r ihre Stimme zum Schutz der ein-
dui'ch Kitern odei- \'urmünder in die Lehre jrewanderten jjandsleute erhol)cn. Sciion im
jrehujiden und dann seihst mit (iewalt -lalirc MAS schreiht ein Koi-i-espondent der-
luiter der Fuchtel ihrer Lehihencn «reha!- „(Teistlicheu Fanui" aus (lermantown:
teil werden konnten. ..Die .Meilire .Menschen, so sieh aiifreitzeii
In mehreren Kolonien, und iiniiM-ntlich hissen, dies .lahr ins Land zu konnnen.
in Pennsylvanien. wuideii (n-setze erlas- hrin.ucii und ma.-hcn keinen •rerin«ren
seil, nach welchen auch Kinwanderer sieh dammer ins Land. Denn ausserdem. <lass
so verhinden konnten. Ks wurih- hei ch-r ^•' viele hunderte auf den SchitVeii zur
Ankunft ih-r Sehitre die Arheit der Anjre- ^«'«' durch Krankheit «restorlM-n. dafür die
knnniienen zu dem i'reise verkauft, welcher Hiiilerhlielx'iien. so ikhIi welche aus einer
di<' Schuld deckt.-. w.Mlureh Litern oft \oii l'';iiiiilie iihri-r. zahlen uikI dien.-n müssen,
ihren Kin<leiii ^n-treiint und «.«-rnsse l'eher- «•' '^1 '"'" nn^remeiner (ieldmantrel und
V()rtheilun<ren an Vielen ausjreüht wunh-n. ^'"'t' iint<-r den .Mensdien. dass es kaum zu
indem man sie \'erträ«re luiterschreihen saften ist .
liess, die sie nielit verstanden, .\ucli hat- AVeiterhin wird heriehtet. dass auf einem
ten die Behörden hiei-zulande weni«r t-'e- SchifVe l(i(>. auf einem an«leren L')(l l'er-
than. um reherfüllun«: <ler SchilT'e. \'er- seilen elend <;estorlien und auf einem
nachlässi^Min^; der rassa<riere und Uetrü- dritten nur IM Personen «resund ^rehlieheii
^ereien seitens ch-r Kapitäne und .Mann- sind. Die Schuld dieser t;rossen Sterhlieh-
sehaften zu verhüten. Die (h'utsehen keit wird <h>n Kapitänen heitremessen.
Fürsten in dei- Heimath, welche ihre Lau- ..welche die Leute so ^rrausam di<*k in
deskin(h'r für haares (ield im fremden In- einander stecken und Ictrcii." - Christoph
terosse nach Amerika und Afrika vei-kauf- Säur fü«rt einem Kriefe vom 17. Novemh«'r
676
I)i;i'l'S( 11I-; (IKSKLI.SCIIAFTKX.
17:i8 als Xacliscliriri Ix-i : ..Ks wjir juif Arv
Sei' (lies Jahr t'iiic St'U<-lit' wir die l'i-st.
Daran starhfii wolil "JOOO HcisiMuU». "
Im Ft'bniar 174.") hfrichtcto Christoph
Saiir's Zcitunjr: ..Hin aiichTcs Schitl" ist
in IMiihi(lt'Ij)hia aiijri'koiniiifii mit Tciit-
si'heii ; es wirtl jji'satjt, es scycii 4()() fjcwe-
s«'n. und <'s soHcn iiiclit viel mehr über
.'lO am L('l)«'n scyn." — — Vci-siichi' zur
Ht'sscruuf; dieser Zustände seileiterten an
der Käufliehkeil und Höswilliirkeit der Be-
hörden, und erst als im .lalwe 17(i4 die
Deutsche Gesellschaft in Peiuisylvanien
entstand. «:elan«r es, die Assend)ly zum
Erlass von Gesetzen zu hewefjen. die den
an den Kinwanderern verübten l'nnienseh-
liehkeiten steuerten.
Die VerscliitTuns; der Auswanderer,
(leren Arbeitskraft und Kruerbsfähigkeit
für die riehtijre HezahlunjJT des Fahrgeldes
u. s. w. bis auf Heller \nul Pfennig eine
siehere Garantie bot. erwies sich als ein so
profitables Geschäft für die Rheder und
deren Agenten, dass ein abscheuliches
System des AVerbens. eine wahre Seelen-
verkäuferei, daraus erwuchs. Anfangs
stellten die Hheder ihre Makler, die
hübsche Kommissionen erhielten, in den
Ilafenstätiten auf die Lauer, \nn die ein-
trefTeuden Auswanderer abzufangen, aber
mit der Zeit entwickelten sieh daraus
förmliche Menschen Jagden, wofür ganz
Süddeut.schland ein grossartiges Feld bot.
Die Werber reisten in prunkvollem Auf-
zuge umher, mn den Leuten Lust zur Aus-
wanderung zu machen. Am geschicktesten
dazii waren solche, die schon in dem neuen
Lande gewesen waren, und danach „Neu-
länder" hics.scn. Die Frechheit und Ge-
\vis.senlosigkeit dieser Seelenverkäufer
nuiss ma.sslos gewesen sein. Am schlimm-
sten trieb <'s ein gewis.ser Kapitän Jacob
Friedrich Ileerbrand. spottweise „Ilöllen-
brand" genannt, der zwanzig Unterwerber
im Solde hatte, darunter seine Brüder und
Schwäger, „abgedankte Soldaten, Jäger-
leute und allerlei andere nichtsnutzige Ge-
sellen.'" — .,Sie nahmen alle Sorten von
Bettlern, so sie auf der Strasse finden, an
und \ei-anstaltete er einen Transport nach
dem andeiii. welche v(m seinen Werbern
über Landt nach Ileydelberg geführt wer-
den. p]s wird gesaget, dass er allliereits l)ey
die ()()0 Frachten hat." — Einzelne Regie-
rungen verhielten sich übrigens nicht
gleichgültig gegen diesen Tufug. und
Christoph Säur verötfentlicht in seiner
Zeitung am 5. Februar 1751 eine Nachricht
aus Frankfurt : „Der Churfürst von der
I'falz hat einen Befehl la.ssen ausgehen,
dass in der ganzen Pfalz kein Neuländer
soll geduldet werden; sie sollen (als die
grössten Schelmen von der Welt) eingezo-
gen und in Gefängnissen verwahrt wer-
den." — Trotzdem erreichte dies nichts-
würdige System gerade in den nächsten
Jahren seinen Höhepunkt.
Diesen schreienden L^ebelständen abzu-
helfen, war die Veranlassung zur Grün-
dung der ,, Deutschen Gesellschaft von
Pennsylvanien". Am zweiten Christtage
des Jahres 1764, um 4 LThr Nachmittags,
versammelten sieh 65 deutsche ]\Iänner im
lutherischen Schulhaus an der Cherry
Strasse in Philadelphia. Ludwig AVeiss.
ein deutscher Rechtsgelehrter, hielt eine
Ansprache ; sie nahmen eine Verfas-
sung an und erwählten ihre Beamten.
,,Die Regeln, welche die Gesellschaft in
dieser konstituirenden Versanunlung zur
Richtschnur ihres Handelns aufstellte,"
berichtet Dr. Seidensticker, „haben im
Laufe der Zeiten allerdings manche Abän-
derungen erfahren; neue Verhältnisse
schufen neue Aufgaben, und diesen iinisste
wieder dieses äussere Gerüst entsprechen;
aber trotz aller Zusätze und Anpassungen,
die von Zeit zu Zeit nöthig wurden, ist der
Zuschnitt der Deutschen Gesellschaft im
Wesentlichen derselbe geblieben, wie er sich
in den ältesten Regeln darstellt."
Die Einleitung zu den ältesten Regeln
und der Verfassung der „Deutschen
Gesellschaft", welche später zeitgemässe
I
DEUTSCHI-: f:Ksi:i,I,S( IIAI'TKN.
677
Aendoi'un«;oii crfuhn'ii. niii^: hier «mik'
Stelle finden, da iiire naive Aiistlrucks-
weise und altväterliche Einfa<lih»'it an die
län«rst vertran^-Mien Zeiten iinscnr \'or-
faiiren erinnern. Sic I.uitct :
In Xttinint' Doinini Xostri Jesu ("lirisfi.
Amen.
an^rekoiiinu'n sin«: h('\vo<;cn worden, auf
Mit!»'! 7M dt-nkfii. um diesen Fremden
finifje Krleichteriujjren /u vcrsi-hafTrn. und
lialxMi mit unserem Fiirspreclien und einem
jrerinjren Beitrage in ("Jeldc mamhcn Ncn-
koimiK'ni ihn- Xofli cfwiis t'i-trä>rli<'li ^i--
mai-lit.
JOHANN HEINRICH KEPPELE.
der Gruender und wtle Pntmdenl d»r DegUchrn GesrlUchafl von Prnntylvanicn.
»."Wir, Seiner Könif?liehen Majestät von ..Dies hat un.s zum Sehluss jjehracht, so
Grossbritanien Teutsehe rntei-thanen in wie wir hier ziisammen frek(tmmen sind, i'ine
Pennsylvanien. sind bei Gelef;»'nhfit der (Jescllsciuift /\ir Ilülfr \uul Meist and der
Mitleidenswürdi>,'en l'mstände vieler im- arnu'u Fr»'mdlinjre Teutscher .Nation in
serer Landsleute, die in den letzten SehiflFen Pennsylvanien zu errichten, und einip' Hc-
von Europa in dem Hafen von Philadelphia ^'cln fcstzu.setzen. wie diese (iesellschaft
ti78
DKUTSCIIH (!1-:si:lI,S('I1AFTKN.
sirli vim Zeit /u Zi-it Vf-niiclircii. inid ilirc
(lUtthätiirkfit wt-itci' mid weiter .luslneiteii
iiiöjre. "
Kille »lep erstell Kllllllireliselliirtell dieser
(Jest'llseliaft. der erstell und iillesteii deut-
selieii (Jcsellselijift unseres Landes, wai- die
Verhesseruii}.' d<'i" Itestelieiideii N'erord-
iiiin«reii ül)er den Transport von Kinwan-
der«*rn. Diireli ein am 18. .Mai 17(i.") er-
lassoiu's (Jesetz der lie»rislatur von IN'iiii-
sylvanien wurdo hestiiumt. dass den l*as-
sa^Meri'ii mehr Kaum tre«rehen werde und
jedes SehitT einen Arzt und die nötlii«ren
.\r/.neieii mit sieh führen muss. Die Zahl
(h-r Käueherun^eii und Waseliun^en der
SehitVsräume wurde vorjieseh rieben, (h'ii
Betrügereien der l'roviantmeister iiiöir-
liehst vorgebeugt. Den dureli frühere (ie-
setze vom Staate ernannten ßeaiiiteii.
weh-lie die Sehit^'e bei ilirer Ankunft zu
besiehtiiren hatten, wurden beeidete Dol-
metscher zur Seite gestellt, welehe die Pas-
sagiere mit dem Inhalt der zu ihren Gun-
sten erlassenen Gesetze bekannt zu iiiaehen
liatten. und welehe zu gleicher Zeit über
die Inspektoren, denen man öfters vorge-
worfen hatte, dass sie mit den Schift'skapi-
tänen und Hhedern unter einer Decke
steekt<'n. eine heilsame Kontrolle au.süben
konnten. Das Gesetz enthält noch andere
zweckmässige Bestimmungen.
Auf Betreiben der Gesellschaft, deren
Präsident von 1764 bis 1781 ein reicher
deutscher Kaufmann. Johann Heinrich
Ke|)pele. war. erhielt die Gesellschaft am
*J(). September 1781 eine Inkorporations-
Akte. von F. A. Muelilenberg unterzeich-
net, in dej'selben war der ursprüngliche
Wirkungskreis bedeutend erweitert ; es
wurde namentlich der Gesellschaft erlaubt,
ihre Kinkünfte nicht nur zum Beistand dei-
Hinwänderer zu verwenden, sondern auch
zur Krriciitung und Erhaltung von Schu-
len, einer oder mehrerer Bibliotheken, zur
besseren Erziehung und rnterweisung von
Kindi-rn und .Jünglingen deut.scher (ieburt
uiul Abstammung, zur PIrbauung, Ausbes-
serung und rnterhalt von Sehulanstallcn
und ilen zu obigem Z^vecke nöthigen Häu-
sern, sowie z\li- Besoldung von Schul-
lehrei'n.
Zwischen 1781 und 1818 waren ObeiNt
Ludwig l-'aiirier, General Peter .Mülilen-
l»ei-g. .sowie Fv. A. .Mühlenl)erg. alle Män-
ner des Kevolutionskrieges, I'räsidenten der
Gesellschaft, die in den .lahren 17i)l bis
ISOO einen Zuwaehs von '2'h' neuen Mit-
gliedeili erhielt.
Da \dn dem französischen Kevolutions-
kriege bis zum Jahre 1818 die deutsche
lOinwanderung fast vollständig aufgehört
hatte, und die Gesellschaft für ihre ur-
sprünglichen Zwecke, den Einwanderern
Schutz zu gewähren und die Aenneren bei
ilirei- Ankunft zu unterstützen, kein rechtes
1^'eld mehr fand, so ist es erklärlieh, da.ss
trotz der erfreulichen Finanzlage eine all-
gemeine Gleichgültigkeit eintrat und neue
.Mitglieder nur spärlich hinzukamen. Da
die ^Mehrzahl der .Mitglieder um das Jahr
1818 aus hier geborenen Deutschen be-
stand, welchen die englische Sprache na-
mentlich in öffentlichen Verhandlungen
iiiundgereehter war. konnte sogar der Be-
schluss dui-chgehen. die Protokolle und De-
batten in englischer Sprache zu führen.
Diese letztere .^L^ssnahme bestand mit gele-
gentlichen T^nterbrechungen bis zum Jahre
18öi). trotzdem die deutsehe Bevölke-
rung in i?hiladelphia schon im Jahre 1848
auf .')().()()() Seelen geschätzt wurde. Eret
im Jahre 1847 nahm sich die Gesellschaft
wiediM- lebhaft der deutschen Einwande-
iiing an. Sie errichtete eine Agentur zur
l'nterstützung der Einwanderer und
Armen, sorgte für Rechtsschutz und ärzt-
liche Behandlung mittelloser Personen und
für Vermittlung zwischen Arbeitsuchenden
und Arbeitgebern.
Schon im Jahre 180() wurde an der
Westseite der 7. Strasse. ol)erhalb der
Chestnut Strasse, eine Halle erbaut luid im
Jahre 1821 bedeutend vergrössert und die
Bibliothek be.stäudig vermehrt, so dass sie
i)i:rTs;cifK cKsKi.r.s« iiai'tkn.
«:••
heut»' rille (l.T •ri-.isstcii (lfiiis<-li.-ii hildin- .Tl.iiiit liiit. in d.-n Ict/ti-ii .lalin-n uiil.-r .I.t
thckt'u imstMTs L;iii(l('s jri'wonlcii ist. Das l.»'itiin<r ilircs cM.'rtrisrlK'n mikI un.Tinü.lli-
wcitcrc Aufhlülicii d.'i- ( IcNclis.-liafl /u .-licii Priisidniirii \)\-. C .1 I Irsaiin-r tjaii/
schild.Mii. die freilich nueh iminer nicht die liedeiitendc Fortschritte j;eMiacht und il-r
Zahl der .Mitjjlieder. die sie hei einer s.i Mittelpunkt aller deutschen Mcwe^'nn^'cn
^'rossen Zahl von Dentsehen. wie sie l'hila- •rewurden ist. welehe in den letzten .lahren
GENERAL PETER MUEHLENBERG.
Prsetidenl drr Deutschen GocUkWi von Peniuyivanirn im Jahtr 1 76H.
delphia hesitzt. haben sollte, lie^rt ausser- das allj^enieine Intorcsso in .\ns|trueli jrc-
hall) der (irenzeii dieser Ahhandlun^r. noinnicn haheii. Ks wurdf ihr ein Fraucn-
Doeh soll darauf hin<re\viesen werden. Ililfsverein an^refü^t. und die N'ei-sanuu-
dass die Gesellschaft, die im .fahre ISSS an Innren, aus denen der jetzt eim-n ^rros.s«'n
der Noi'dwcst-Kcke der Sprint;};arden und Theil un.seres Ijandes uinfas.sende l)euts<-h-
Marsliall Strasse eine sehöue, ijrosse Halle Anierikaiiische NatioMidl)und entstanden
680
DEUTSCHK 0 KSKLT.S(IIAFTEX.
ist. wie jiucli cli«' N'crsainiiiluiitrcn, wcIcIk'
/.u der jetzt so «'rfoljrn'icli tr<'\v(>i"<l('in'n Ei'-
l);munjr fincs rituellen (Ifiilsclu'ii TlicjittT-
(ifl)äutl«'s ir.'fiihrt IuiIh-ii. sind in der Halle
der Deiitselieu (iesi'llseliaft ahfrehalteii wor-
den. Sie inuss «leslialh als die üehiirts-
stälfe dieser beiden Bahn breehenden He-
wejjinifien auf dem (ichiete deutsehen Rin-
gens und Strebens in unserem Laiule an»;e-
selien werden. Mü<re sie nocli viele, viele
.lahre blüiien und jredeilien und endlieh
eiiniial die Zeit konunen, in dei- es jeder
deutsehe Hür«rer der Stadt als i'Hieht
ansieht, dieser altehrwürdiiren (Jesellsehaft
als .Mit^'lied anzugeljören.
Der erste Praesident der Deutschen
Gesellschaft.
Es erseheint anjrebraeht. des ersten Pi'ä-
sidenten dei- Deutsehen Gesellsehai't.
Julian II Ilniirich I\(i>p<lr. in einer kurzen
HiotTraphie zu gedeid<en. Er war am 1.
Anglist ITHJ in Tresehklin«;en (Baden)
treboren ; als 22jähriti:er wanderte er aus.
Auf dem Sehiff ..Charminpr Molly", Kapt.
Charles Stedman, mit dem er naeh 25-
wöehentlieher Fahrt am !). X()vend)er 1738
in IMiila(h'li)hia von Rotterdam eintraf,
lernte i'v ;dle Schrecken dos Eiuwanderei"-
Tianspoits kennen. Es starlx'n 250 J*er-
sonen während der Tebei-fahrt. Drei-Vier-
tel der Leute an Bord, am Sehif!'s-Typhus.
In IMiiladelphia frründete er in der Mai'ket
Strasse, zwiselien 'A. und 4. Sti'.. ein Im-
port «jesehäft. Aneli wunh' er Sehitfs-
Eijrenlhümer. Ihm frehcirte die naeh seiner
Frau {lenainite ..('atliariiia '". Ka|)t. Sutton.
Im .lalire 17(14 war er .Mitglied der As-
seiid)ly. Ei- «jehörte zur Pai-tei der Erb-
anp:eses.senen. Im nächsten Jahre nnter-
zeiehnete er mit anderen KauHeuten Phila-
delphia's den Besehluss. keine englisehen
Waaren zu iniportiren. Er hatte sieh im
•hnii 1741 mit Anna Catharina Barbara
Bauer, einer Enkelin des churpfälzisehen
Jägers f'asixir ^Vüsff■r aus Ililspaeh, ver-
heirathet, von dem die in IMiiladel|)hia so
verbreitete Familie AVister oder Wistar ah-
stannnt. Die Ehe war mit acht Söhnen
und sieben Tö<-htern gesegnet, doch ist sein
(lesehleclit im .Mannesstamme erloschen,
wählend er dui-ch seine Töchter und deren
.Vachkommensehaft dei- N'orfahre vieler
angesehiiier Fannlien. wie der .Merediths,
.MeClellans. Biddles und Halls ist. Er
war ein sehr frommer .Maiui und eines der
thätigsten Mitglieder dei- St. .Miehaelis-
und der Zions-Kirche. .\ach dem Tode
seiner Frau, am 10. .Xovembei- 1774. hatte
das Leben für ihn keine rechte Freude
mehr. Er betrauerte ihren Verlust bis zu
seinem am 1. Juli 17!)7 erfolgten Tode. Prä-
sident der Deutsehen Gesellschaft war er
v<tm 2(i. Dezember 17(54. ihrer Gründung,
bis zum Jahre 1781. als ei- wegen schwin-
dendei- Gesundheit eine Wiederwahl ab-
lehnte.
Friedrich August Muehlenberg.
Sieben Jahre lang, nämlich von 1790 — '7,
Präsident der Deutsehen Gesellschaft war
Fricdnch August Mülilrnberg, der zweite
Sohn Pastor Heinrich IMelehior Mühlen-
berg's, des Patriarehen der lutherischen
Kirche in Amerika. Er war in Trappe.
.Montgomery Connty. Pa.. am 2. Januar
1750 geboren, wni'de 17().'{ nach Halle mit
seinen Brüdern gesandt, kehrte 1770 in
(Jesellsehaft Pastor Kunze 's nach Philadel-
phia zurück und wui'de Adjunkt des
Pastors Schulze in Tulpehocken. Kr
musste zu Pfei'de oft lange Reisen zurückle-
gen, um zu Gläubigen zu gelangen, die
keinen Predigei' besassen. Der Freiheit.s-
krieg und das Einrücken der Engländer
vertrieben ihn aus New York, wo er Predi-
ger geworden war. In New-Hanover einigte
er die zerrüttete Gemeinde und war in
verschiedenen anderen Orten Pennsylva-
nien's als Seelsorger thätig. Dann wandte
er sich dem öffentlichen Leben zu, wurde in
den Kontinental-Kongress gewählt, war •
PKT'TSriTR OESKl.l.st ii.\i"ri:\.
681
Sprecher dfi- StMats-Lctrislatur von rciin-
sylvanit'ii. I'räsideiit des Censoreii-Haths,
bekleidete lokale Aeniter in l'liilad<'l|»liia
und betrieb ausserdem i'iii Kaufiiianusp'-
sehäl't in Firma .Miib!fid>er^ & We^jmaiiii
in Philadelphia und Trappe. Im .Tahrt'
Hauses im 1. und .{. Im .lahi-f ITiXi ver-
hindert«' ('!• dadun-h. dass er als Sprecher
des Hauses bei Stinnnentrlcichheit sicli für
«Ich .lohn .lay 'sehen \'i'ifrat; entschied, den
Aiisbrjich eines abcrmaüj^cn Krieges mit
Kn^rland. Ki- war dei- Deutschen ricscU-
FHIKDRICH AUGUST MUEHLENBF.RG.
Praaidcnl der Deutichen GetelUchaft von Peniuylvanien von 1790—1797.
1787 wurde er Vorsitzender der Konven- sehafl. welcher er seit 177H anjjeliörte, bei
tion, welche über die Annahme resp. \'er- Krlanirini^r ihres Freil)riefes behiHlich und
werfunsr der V. St. Verfassunj; entscheiden unterzeichnete ihn als Spreclu'r des Rt'prii-
sollti». Er war für die Katifizirunj; und sentantenhauses der Slaats-Lcjrisbitur von
dran^ diu'ch. Kr frchörte den ersten viel* IN'iuisylvanicn. Die (lescllsehaft votirte
Kongressen an und wai- Sprecher des ihm ihren Dank. Seiner Khe ndt Catha-
G82
DKUTSCHK G KSKM.SCIIAFTEN.
liiiü SchätTtT. ciiHT 'Pn.-htcr di's Ziickcr-
liäckcrs Sfhäfrri-. fiitspi-osstcii vier Töchter
und /\v«'i Silliiu'. Miilil<'nl)('i-«r siswh als
Laiul-Ki'iristrator von rcimsylvanioii am
4. .Iiiiii ISdl in LancastiT. l'a.
Die Deutsche Gesellschaft von
Maryland.
Die ..Dfutsclu- (IcscUscIiaft von Mary-
liiiul" in Ualtinioif wiii-dc im .Jalirc 17S;{
jrcfrrüiulct. Diesel Ix' winde ei-st ISIT li'e-
set/lieli (>rj;anisirt. Präsident L. 1*. Ili'n-
ni^diausen sajil in seiner kürzlieh erseliie-
nencn Gesehiehtc ih'V Deutschen Gesell-
schaft vitn .M.iivliiiid. dass Reiseberichle
aus dem IS. .lahrlunuU'rl und Anfang des
letzten dahrlnnuh'rts. sowie Löher's ..Ge-
schichte der Deutsclien in Amerika" die
Deutsche Ge.sellscliaft in Maryland schon
viele dahre vor ISIT eiwähnten. Eine gi'-
nauere Forschung in ileii Annalen von Bal-
timore ergab, dass die Deutsche Gesell-
sdiaft in Nachahmung der Deutschen Ge-
sellschaft in Philadelphia zum Schutze
deutscher Landsleute, im Jahre 1783 ge-
gründet wurde und kräftig em|)()r blühte.
Die Theilmdnne an derselben wurde ge-
schwächt durch die jahrelange Unterbre-
chung der deutschen Kinwanderung. ver-
aidas.st durch die Napoleoinschen Kriege
und besonders durch die Handelssperre von
ganz Europa gegen England, so dass eine
Xeubelebung, Reorganisation und gesetz-
liche Inkorporation der Gesellschaft in
1817 natürlich erscheint. Kurz nach den
Xapoleonischen Kriegen und in den llini-
ger-Jahren von 1817 und 1818 wanderten
aus dem vi'i-armten Deutschland viele Tau-
sende unter dem Redemjjtion-System nach
Amerika aus und wurden hier als Sklaven
für fünf und mehr Jahre verkauft.
Die Deutsche Gesellschaft bekämpfte die-
sen ents<^tzliehen, schauderhaften ^Nlen-
schenhandel und vernichtete denselben nach
jahrelangem Ringen.
Die I'i-otokoUe dei- Gesellschaft von den
.lahi-gängeti 178:? t)is 1S17 sind spurlos ver-
sehwunden. Auch der W'rlust des Proto-
kollbuches dei- Gesellschaft und der Papiere
\on den dahi-gängen 1817 bis 1861 ist zu
beklagen. Es wai' der Sicherheit \nid
seines geschichtlichen Werthes halber in
einem Cicwölbe der ..IIoi)kins Place Spar-
bank" aufbewahrt und wurde von der
gro.ssen Eeucrsbrunsl vom 7. und 8.
Kebniar UM)-! vei'zehrt. Das Protokoll des
\'erwaltungsi'aths ist gei-ettet.
Das grosse Prandunglück hat nur wenige
uidx'mittelle Leute betroffen; es konnten
alle gerechten Anforderungen ;ui die Ge-
sellschaft befriedigt wei'den. ohne dass das
angelegte Kapital angegriffen wurde.
Durch gute V'erwaltung hat die Deutsche
Gesellschaft von Maryland sieh ein Grund-
kapital angesannnelt. aus welchem jährlich
ungefähi- .^^3. ;")(){) eingehen ; die Beiträge der
ca. :?()() Mitglieder und Gesidu'uke brin-
gen die Gesammteinkünfte auf ungefähr
$()()(H) pro Jahr. Die Zahl der Ilülfesucher
erreicht ungefähr 2000 pro Jahr, und der
für Verwaltung ausgeworfene Betrag er-
reicht noch keine 20 Prozent der p]inkünfte.
Ausser der Unterstützung Ilülfsbedürftiger
sorgt die Gesellschaft auch in vielen Fällen
für Arbeit von Ilülfesuehenden. Desglei-
chen steht der Deutschen Gesellschaft ein
Freibett im Maiyland General Hospital
zur Verfügung.
Die Deutsche Gesellschaft von
New York.
Der 4. Oktober 1784 wird offiziell als der
Tag der Gründung der Deutschen Gesell-
Schaft von New York angegeben. Der ei-ste
Sehritt zur Etablirung einer Deutschen
Ililfs-Gesellschaft wurde indessen bereits
am 23. August 1784 gethan, an welchem
Tage 13 :\Iänner — in diesem Falle gewiss
keine ominöse Zahl — zusannnentraten, um
zum Schutze ihrer dort aid<onnnenden
D E U T8l ' 1 1 !•; ( i i;.S i; I < Lsc 1 1 A FT l-l S. ,jg3
LaiidsItMilc t'iiic (Icutsclic Gesellschaft nach die (Iciitschc licvölUcniii^' New Yorks im
(Iciii .Mustcf (It'i- in IMiiladt'lphia bestehen- -lahre IS.U bereits eine sehr IteiU'utende
den in 's Leben zu rufen. Am 4. Oktober Kopfzahl zeigte.
kamen diese }:] .Männer mit 20 anderen zu- In diese Zeit fallen auch die Anfän^je (h'r
sanuiien, \nul an diesem Tage nalnn die weitgreifenden und wohlgeregelten Wirk-
idee einer deutsehen Ililfsgesellschaft aucli samkeit der Deutschen ( Jesellschaft. Die
greifbare Form an. da sich die (Jesellschaft deutsche Hin Wanderung schwoll zu einer
durch die Wahl der Beamten luiter di-m inniier höher wei-denden Fliith an. Im
etwas langathmigen Titel konstituirte : . lahre 18:U landeten 17. ♦;(»(» Deut.schc in
..Die Teutsche Gesellsclmft in tlem Staat Xcw York. ls:{7 i)creiis 2:{,7()(>. ],S47
von New York zui- Aufnuuiterung der Hmi- 74.(10!) und im .lahre ]H'A die auch
gration von Teutschland. Hilfeleistung für heutige liegritVc enorme Zahl von
nothleideiuler Emigi-antiMi und zui- Aus- lM'j.OOO. Diese Zahlen fielen in den
l)reitung nützlichei- Wi.ssensehaften unter nächsten Jahren allerdings stark ab. im
ihren Landsleuten in diesem Staat." (Janzen sind jedoch in den (i4 Jahren zwi-
Anfänglich war für die neugegründete sehen 1S20 und 1SH4 :^S0<).00() Deutsche in
(Jesellschaft wenig Gelegenheit voi-handen. Amei-ika gelandet, und \ier Fünftel da-
ilire Thätigkeit zu entfalten. Ln Jahre von in New York.
luu'h der Gründung. 1785, wurden iiiu' drei .Mit dei- grossen Hinwanderung li-atcn
bedürftige Familien unterstützt, und für nun au<-h gros.se Ansprüche an die Deut.sehe
diesen Zweck die Sunuue von sieben Pfund (Jesellschaft von .\ew Yoi-k heran. Niclit
Sterling verausgabt. mehr einzelne Schilfe, sondern ganze
Die er.steu 30 Jahre der Thätigkeit der Flotten von Fahrzeugen galt es zu über-
„Teutsehen Gesellseliaft" sehen sieh, mit wachen, um die Kinwanderer vor Fiohhei-
dem ]\Iassstab ihi'es jetzigen AVirkens ge- ten und Ausbeutung zu schützen. Hei
messen. ül)erhaui)t recht unbedeutend an. ilnci- Aid<unft in .\ew York wurden in
Von ..Aufnuuiterung der Fhuigration aus jenei- Zeit die Kinwanderer nicht nur von
Teutschland'' war wenig die Kede und einzelnen Schwindlern, sondern ganzen
noch weniger von der ..Ausbreitung nütz- wohlorganisirten Schwiiuilerband»'n in's
Heller AVissen.sehaften ". Die Thätigkeit (Jain gelockt, und die Deut.sehe G<'.sell-
der Gesellschaft beschränkte sich in dieser schaff betrachtete es als eine ihrei- wich-
Periode auf Hilfeleistung für deutsche tigslen Aufgaben, diesen Freibeutern das
Einwanderer oder solche Deutsehe, welche Handwerk zu legen.
in ihren Dienstverhältnissen ungei-echte Zu dei- heutigen scharfen Kontrolle ge-
Hehandlung erlitten, und einige der Letz- gen rcbervortheilung dei- Kinwanderer luid
teren wurden von der (Jesellschaft mit dem wiiksamen behördlichen Schulz, der
einem Jicchtsbeistand versehen. Die Kin- ihnen zu Theil wird, hat die Dt'ut.sche Ge-
nahmen waren aber sehr gering, uiul da- sellschaft ihi- vollgerülleltes .Ma.ss beijre-
dureh blieb die Thätigkeit der Gesellschaft tragen. Als im Jahre 1S47 die Innnigra-
auf ein kleines Feld beschränkt. tions-Kommission S4'itens des Staates kreirt
Dies änderte sich indessen, als gegen wurde, wurde der damalige Präsident der
Ende der zwanziger Jabi-i' ilie deutsche Di-ulschen Ge.sell.schaft e.\-(»nicio .Mitglied
Einwanderung eine beträchtliche Zu- und ist es .seither ständig gcblielu-n.
nähme aufwies. ^lit den Riesenzitfern spä- Mit der ziuiehmcndcn Thätigkeit «Icr
terer Jahre verglichen wai- die deutsche Deutschen (lesellschaft musslcn zur Hand-
Einwanderung auch damals noch gering zu habung der (Jeschäfle vei-schiedcne Ke.s.sorts
nennen, war indessen doch so .stark, dass errichtet werden. Zunächst das Aus-
684
DEUTSCHE GESET.LSCHAFTEN.
kunfts-Hurcjui. dann das Wohltliäli^'ki'its-
liiir»'a\i. woxu iiorli später das Uaiik-Dcpar-
tcnu'iit kam. wrlclics der (Jcscllschaft in-
dessen keine l'nkosten vernrsaelit, sondern
sojrar noch einen erliel)liehen Uebersehiiss
al)\virft. der für andere Zweeke disponibel
ist.
Im wcicir riesjireni ^Massstabe die setjeiis-
reielie Tbälijxkeil (]ei- (iesellscliaft ge-
wa«'hsen ist. jrelit ans einem Kesnme des
Jahresberichtes von IDOS hervor.
Dem y.n Fol«.'!' wni'den von der (iesell-
.sehaft t'olirende Anfwenthnigen gemaelit :
$l(i.r)4() wnrden Haar in 45(53 Armenfällen
naeh vorherfreganirencr l'ntersuehung ans-
bezahlt. $2740.08 wnrden für ärztliehe
Hehandinntr. Krankenkost. Medikamente
nnd Slimnlantien verausfrabt. $2254.76
wnrden für 71!) hall)e Tonnen Kohlen,
welehe Uedüi'ftige ei'hieiten, verans»abt.
447!) liesnehe wurden bei ai-men Kranken
kostenfi'ei durch die an«jestellten Aerzte
{gemacht. '-W^ Ai-beitslose wurden mit
Kost nnd Lo«;is versehen. 4492 Stellen
wurden für deutsche Einwanderer durch
die deutsche Abtheihuio; im Arbeitsnach-
weisnufTs-liureau \-cniiittcIt. 1059 Ein-
wandei'cin wurde auf EUis Island durch
die Vei't reter der Gesellschaft Hilfe ge-
leistet. 2508 empfangene Briefe und 1886
abgesandte Bi'iefe umfasste die Korresjion-
deiiz des Auskunfts-Bureaus. .$7000 wur-
den als dei' (iewinn der Bank-Abt heilung
aus dem Jahre li)08 dem Wohlthätigkeits-
Anssclnisse überwiesen. Die zu "Wohlthä-
tigkeitszwecken bewilligten Sununen im
(lesamnitbeti-age von $23.774.67 überstie-
gen die Einnahmen aus Beiträgen von Mit-
gliedern ($11.395) noch um $12,379.67.
Dieser Mehrbetrag ergab sieh aus Einnah-
men für Zinsen, Gesehenken und dem Ge-
winne der Bankabtheilung. Die Unkosten
der Verwaltung wurden aus diesen Ein-
nahmen gedeckt, ohne dafür auch nur den
geringsten Theil der Beiträge der Mit-
glieder in Anspruch zu nehmen.
Die Zahl der .Mitglieder der Deutschen
Gesellschaft beträgt jetzt 1104 — man
sieht, dass das gute Wei-k. welches vor
125 Jahren von 13 wohlwollenden Männern
begonnen wurde, sich gewaltig entfaltet
und Dimensionen angenonunen hat, welche
die Gründer wohl in ihren kühn.sten
Träumen nicht für möglieh gehalten
haben. Das Bureau der Gesellschaft be-
findet sich in dem Gebäude der Deutschen
Si)arbank an 14. Strasse und 4. Avenue.
Auch in anderen Städten wnrden
Deutsche Gesellschaften gegründet, so eine
in Charleston. S. C, im Jahre 1783. in
Cincinnati 1834, in New Orleans 184<). in
Nashville. Tenn.. 1850, Chicago, .Mil-
waukee. New Ilaven, Boston, Portland.
Kansas City und San Francisco. Sie
haben alle segensreich gewirkt und den
Schutz deutscher Einwanderer nach besten
Kräften ausgeübt.
Deutsche Hospitaeler und Wohlthaetigkeits-Anstalten.
Deutsche Hospitäler in IMiil.ulelpliia,
Xew York, Newark, Cineiiinati. San Fran-
cisco und Brooklyn geben Zeugniss von
(lern Wohltliätigkeitssinn der Deutschen in
Amerika und ilirer Hereitwilligkeit, kran-
ken Landsleuten nicht allein, sondei-n
leidenden .Mitmenschen, gleichviel welcher
Nationalität und Rasse angehörig, zu
helfen. Die Xotli wendigkeit der Grün-
dung solcher Anstalten ergab sich in Phi-
ladelphia und New York um die Glitte des
vorigen Jahrhunderts. Bei den erliärm-
lichen Zuständen in den bestehenden Hos-
pitälern, in denen deutsche Aerzte weder
zugelassen noch angestellt, und nicht ein-
mal deut.sche Krankenwärter gehalten
wurden, erging es den deutschen Patienten
dort nicht gut, da sie sieh oft nicht einnuil
verständlich machen konnten. Um diesen
Uebelständen abzuhelfen, veranlassten die
Doktoren Heinrich Tiedemann und \\'il-
helm Keller in Philadelphia am 27.
Oktober 1850 eine Berathung wegen Er-
richtung eines deutschen Hospitals, und
die ihr Beiwohnenden waren von dem Be-
dürfnisse eines deutschen Krankenhauses
80 überzeugt, dass sie ein Komite ernann-
ten, um „einen Plan zu entwerfen, nach
welchem ein deutsches Hospital in Aus-
führung kommen, und wie sich dasselbe
erhalten könne."
Ein Komite wurde ernannt und bciccli-
nete die Kosten für Errichtung eines
Hospitals mit 40 Betten und Wohnung für
zehn Beamte und Angestellte auf $4,()(H>;
für die ersten Ausgaben sollten ferner
noch $1.000 beigesteuert werden. Die
wöchentliche Zahlung der Patienten war
auf $8.50 festgesetzt worden, woraus man
eine Jahreseinnahme von $4.500 sich ver-
sprach, ferner $500 mehr v(m Patienten,
die im Stande waren, mehr zu zahlen,
sowie einen reberschuss von $1.000 aus der
Apotheke. Mit $(j,000 jährlieb wollte man
auskommen. Die Aerzte Tiedemann und
Keller stellten ihre Dienste gi-atis zur \'er-
fügung.
Der Plan fand nicht <lie erwünsehte l'n-
terstützung. \'erstän(lnisslosigkeit und
Engherzigkeit begegneten der Agitation
der wackeren Männer, welche unermüdlieh
(hifüi- thätig waren. Auch im Oktober
1S58 wollte die l'ropaganda i"üi- die gute
Sache keine günstigen Resultate zeitigen.
Im Herbst 1858 gründete Dr. Tiedemann
mit dem Beistande mi'hrerer Kollegen ein
Dispensarium zur freien liebandlung
kranker Landsleut«'. Die Sänger und
Turner nahmen sich des Hospitais-Plans
an und suchten durch Konzerte vuid
Feste einen Baufonds zu schatlen. Im
April 18()0 wurde in llarrisburg ein Frei-
brief für ..Das Deut.sche Hospital in Phila-
delphia" erwirkt. Der Landsitz der Fa-
milie Xorris, Penn Brook, an 20. und
Xorris Strasse, wurde für .$20.000 gekauft.
Den ersten Verwaltungsrath l)ildeten die
Herren .los. M. Reiehard. Präsident;
Jakob ]Müller. Vize-i'räsideiit ; Francis >L
Dre.xel, Schatzmeister: M. Richards
.Muckle, Sekretär; Friedrich lleyer. Soli-
citor; Jakob Kemper, Karl Wilhelm. Wil-
helm Grossholz, Georg Vogt, Karl Lorenz,
Fian/ F. WohlgiMinith. .1. Theophilus
Plate. Mayer Arnold, Friedrich Staake,
:Martin Laiulenberger. Karl Psotta. Fried-
rich L. .John. Johann P. I'ersch, Leoidiard
Benkert. F. Ibelshäuser. .Mayer (Jans. S. T.
Freeman. -l. 11. Sehomacker und Philipp
Becker. Hin von deutschen Frauen veran-
stalteter Bazar ergab $4.000. Die Damen
bildeten eine pernuiuente Vereinigung
unter dem Namen ..Frauen-IIüfs- Verein
des Deut.sclu'n Hospitals tler Stadt IMiila-
6S6
DKi'rsriiK ii()siMr.\i:i.i;i; rxD W()iiT/ni.\i:Ti(;KKiTs anstaltkn'.
(Iclpliia ". Am L'»;. .Imii isili! wufdc die
jraiizc Licjrcnschaft mit den dazu ^('hörijrcii
(lol)äiid('ii der H('jri«M-nn}r für den ircrinurcii
I'aclitpn'is von ^]2'y monatlicli für die
Vcrwiiiidclcn des Uürfrcr-Kricfrcs über-
lassen. Ei-st Knde .I\di ISUfi kam die Ge-
srllseliaft wieder in den Mesitz ihres P^i^en-
tlmms. nnd am M. I)ezend)er lS(i(i wurden
die ersten Patienten anf.irenttmmen. Die
vorhandenen K'iinnilicldxeiten trenü^'ten für
.")(• Patienten.
stall dei- \'('i'eini^'ten Staaten. Auf dem
(iiiind und Heiden des Hospital- Anwesens
befindet sieh auch das ]\lary J. Drexel
lltim für alte Leute, mit dem das Diako-
nissen-.Mutterhaus vei-bunden ist. Der
Kekstein dazu wui'de am 11. Xoveinber
1SS() ^eletrt. und das TTeini am (). Dezember
ISSS ei-iWnet. Am M. Mai 1889 wurde
dei- für das Kin(ler-IIosi)ital reservirte
Theil des Gebäudes .seiner Bestimnuui»
übergeben.
DAS DEUTSCHE HOSPITAL IN PHILADELPHIA.
im .lahre IST'J erjrab sich die Xotliweii-
di^'keit. dem Ihtspilal riuc mehr eenti'ale
Laj.'e zu «.'eben, und .so wurde das Grund-
stück an (}irar<l luid Gorinthian Avenue
trekauft. Der Kaufpreis betrug .t:^"),(){)0.
Später wurde mehr Grund und Hoden da-
zugekauft. Die vorhandenen Gebäude
wurden bereits 1874 erweitert, neue ge-
baut und dem Fort.sehritt der medizini-
schen Wi.s.sensehaft luid des Hospital-
Wesens in jeder Weise Kechniuig getragen.
Heute ist das am 2.^ Oktober 1872 eröflf"-
nete Hospital eine Muster-Kranken-An-
Dass das Deutsclie Hospital beständig
vergrössert werden konnte, ist (h'V fürst-
licheii Wohlthätigkeit des Mannes zu ver-
danken, der lange Jahre als Präsident an
der Spitze .stand, des am ."^0. August 1001
verstorlK'nen Herrn John 1). Lankenau.
Herr Lankenau war das Prototyp eines
wahren Philanthropen. Am 18. ]\Iärz 1817
in Bremen geboren, kam er. der unter den
Gesehäftsnaehfolgern seines Vaters eine
kaufmännisehe Ausbildung erhalten hatte,
am 15. September 1836 nach Baltimore,
von wo er sich direkt nach Philadelphia
DPU'TSCTIK IIOSPITAF.I.KR T'XD WolM.TII \ KTKiKKITS ANSTALT KN.
t»87
waiultc. da tT ciiio Stclluii}^ l)ci <l('r Finiui
Wicht, Werner & Co. aiitivtcn sollte. Als
Herr Werner sieh im .lahi-e IS-K) vom (ie-
sehäft zurückzog, wurde Heri- IjanUenau
als Tlieilhaber aiit'<r(nionnnen. Im Jalirr
1S4() kam Herr .lohn 1). Lankeiiau zum
ersten Male mit seinem späteren Sehwie-
t'incs KisciiliMhii-l urallcs aul" der riiiladrj-
phia und Ixeadin^f l^isenltahn. trest(irl>en,
und Herr .1. |). Laukenau ward zu einem
dcl' TestJUiielltsvollsl reckcr eiiif^esetzt. Da-
durch wurde seine Zeil vollauf in An-
si)ru(h »genommen. \'nn jener Zeit an datirt
auch seine N'erhindunjr ndt dem Deutsclien
JOHN D. LANKENAU.
der Wohlthaeler d« deutschen Ho»pil«l« und Sliher de» Mary J. Drexel Homr In Philadelphia.
fjervater, Herrn F. M. l)i-exel. in nähere
Berührung:. Am J». Oktober 184« führte
er Mary Johanna Dre.xel als seine Gattin
heim. P'a.st 25 Jahre dauerte dieser schöne
P^hehund. bis er im Mai 1S7:{ durch den
Tod der Gattin peti-ennt wurde. Am ").
Juni 1863 war Herr F. .M. Drexel. infolt;«'
Hospital. Herr Drcxel war einer der
Haupt^'önner der An.stalt luid ihr Sehatz-
nu'ister gewesen, und es war luitürlicii. da.s.s
die Freiuide des Hospitals ihn- Blicke auf
H.Trn Laidxcnau richteten als Nachfoip-r
.seines Sclnviepervaters und Vertreter der
Drexel'schen Familie im Januar 186!»
688
DKrTSClIK llosriTAKLi:!.' IM) WüilLTlI A KT KiKElT« ANSTALTEN.
wunU" Ilrrr John 1). Ljmkcniiu zum Prä-
sidenten erwählt.
Der «rros-sartifre Anfsehwiuifr, «h'ii die
Anstalt von da an f^enonimen. die Ausdeh-
nunj; ihrer Räundiehkeiten. dio rnd)auten
und Anhauten, die Ki'konstruktion der
tran/.en inneren \'er\valfun^', Ix'sonders
durch die Einführung' von Diakonissen
(am 1!>. Juni 18S4). alles das ist im
Wesentliehen sein Werk. Er kaufte zu
d«'m Eigentinnii an der Girard und Coiiii-
Anstalt frethan. Denn für ihn war jeder
einzelne Ta^' im Jahi- ein Gabentag fiir's
Deutsehe Hospital. Er jrab ihm seine
Zeit, seine .Mittel, seine reiehe Gesehäfts-
erfahi-unj; und. was melir werth ist, die
per.sönli<'he Liehe und Ilin^'ebung seines
warnu'U, men.sehen freundliehen Herzens.
Zu dem Verlust der Gattin, im Mai 1873,
kam noeh der Tod seines Sohnes Frank,
(lei- am 2.}. Februar 1877 als blühender
Jünjrlin^ hinweggerafft wurde. Es war
ELISE LANKENAU.
die edle Tochter eines edlen Vaters.
thian Avenue das ganze CJrundstüek bis
zur 22. Stras.se zwi.sehen Girard Avenue
und Poplar Stra.sse. Er ])aute den neuen
südliehen Flügel, die nuissive Mauer mit
Gitter, welche den ganzen Ilospitalgrund
\nngiebt, die neue Küelie, Kesselhans,
Waschhaus. Stall und Todtenhaus, alles
aus eigenen Mitteln, l'nd doch repräsen-
tiren diese umfassenden und auf's Beste
eingerichteten Gebäude nur einen Theil
von dem, was er .jahraus jahrein für die
dies nicht blos für den Vater, sondern auch
für die Schwester Elise, das einzig überle-
bende Kind, ein furchtbarer Schlag. Die
l)eiden Geschwister hingen in innigster
Liebe an einander. Es ist zweifellos, dass
der Gram über den Verlust des Bruders
am Lebensnuirk der Schwester zehrte, die '
fünf Jahre später dahingerafft wurde.
Der Wunsch von Vater und Tochter war '
die Gründung eines Altenheims gewesen.
DEUTSCHE HOSPITAELER UND WOHLTIIA KTKi K KITS A.NSTAl/i'KN.
(»9
Nach dem Tode der Tochter erfüllte Herr
Lankenau diesen Wunsch der Verstorbe-
nen, und das ]\Iary J. Drexcl Ilciiii. das
seinen Xanien nach der Gattin Lankenau 's
erhielt, >vurde erbaut.
So viel auch der Verstorbene in den
ersten Jahrzehnten seines Wirkens im
Deutschen Hospital für dasselbe gethan.
ist doch Alles das durch seine geradezu
fürstlichen Geschenke in dem letzten Jahr-
zehnt übertroifen worden. j\Iillionen von
Dollars wandte er demselben zu. Er Hess
einen auf's modernste eingerichteten Ope-
belautVu. Bcjd,. Institute stellte der Vcr-
.storbenc sicher, indem er denselben fa.st
seinen gesammten Xaclüass zukommen
Hess.
Das Deutsche Hospital in New York.
Der Grundstein zum Diulsclun Hasintal
in Xew York, wurde am 3. September 1S«J6
V(m dem trüberen ^layor Günther an der
Kcke der 77. Stra.sse luid 4. Avenue ge-
legt. Am 28. Oktober 18Ü« war das Ge-
bäude, welches $210,968.48 gekostet hatte,
%
DAS MARY J. DREXEL HOME IN PHILADELPHIA.
rationssaal bauen, errichtete ISIaschinen-
häuser, Schlaf.säle u. s. w.. kurz er be-
stritt aus eigener Tasche alle Neueinrich-
tungen, deren das Hospital bedurfte. Die
grossartigste Galx% welche er dem Deut-
schen Hospital machte, war der mächtige
neue Anbau, den die beständig zunehmen-
den Ansprüche an das Hospital nöthig
machten. Dieser Bau kostete allein
$200.000. Nebenbei bestritt er sämmtliehe
laufenden Kosten des ^Mary J. Drexel
Home, welche sieli .iiibrlich auf $40,000
fertig gestellt, aber darauf rubten Schul-
den in Höhe von $44,000, und für die
innere Einrichtung war noch nichts ge-
tban. -Mehrere Haustellen an der 76.
Strasse mus.sten für $2r),000 verkauft wer-
den, um die dringendsten Seluiblen zu
decken. Durch rastlo.se Agitation gelang
es G. C. Moering $11.0ir).4O in wenigen
Monaten aufzubringen, und sie ermöglich-
ten die Einstellung von achtzig 1-Jetten und
die Eröffnung des Hospitals am 14. S<»p-
tend)er 18(i!), dem 100. Geburtstage Hum-
690
DKl'TSCHK IIOSI'ITAKLKH UND WOHLTHAETIGKKITS AN8TALTKX.
bohlt's. Als Gesi'lu'iik ülnTwies am Neu-
jahr 1S7() Freiherr Friedriih v<m J)ier-
{ranlt ii» Vicrsfu. Deiitstlilaml, (h-ni Hos-
pital ^öU.OOO in V. St. IJontls. um das
AiKh'uken .seines Vater.s. des (lelieimen
Kommerzionratlis Friedrieh von Diergardt,
zu tlircn.
Trotzdem hatte this Hospital mit finan-
ziellen Sch\vi('ri«rkeitcii zu kämpfen. Dazu
kam. dass die (Jegend. ileivn Stras.sen zwar
ausm'h'gt aber nicht aufgefüllt \\ui\ drai-
nirt waren, ungesund war und Wechsel-
fichcr uiul verwandte Kj'ankheitcn im
.schlii'sscii und die Kranken anderen Hospi-
tiih'rn zu überweisen. Das wurde glüek-
liclier Weise abgewendet, und Anfangs der
achtziger Jahre trat das Hospital in eine
Periode der lang.sainen uiul sichei-en ge-
deihliehen Weiterentwicklung ein. die
später zu einem glänzenden Aufschwiuige
des Instituts führte.
Am 27. ]\Iai 18S2 wurde das von Frau
Aiuia Ottendorfer errichtete Frauen- und
Kinder-Hosjutal, für welches sie aus
eigenen ^litteln $6S.()(K) gegeben hatte, ein-
geweiht. Im Jahre ^>>>^2 erfolgte eine
BV^-,
itcrjcccfffrtrc
DAS DEUTSCHE HOSPITAL IN NEW YORK.
Hospital heimi.sch waren. p]rst im Jahre
1872 war die l'mgegend der Anstalt dureh
Drainage gesünder geworden. Das Hos-
pital kam durch die erwähnten 'Slisa-
stände in schlechten Ruf. Das Vorurtheil
wurde erst im Jahre 1876 gehoben.
In den Jahren 1873 bis 1879 hatte das
Hospital mit .solchen finanziellen Schwie-
rigkeiten und anderen Widerwärtigkeiten
zu kämpfen, dass der Verwaltungsrath
schliesslich ernstlich die Frage erwog, ob
es nicht besser sein würde, die Anstalt zu
weitere Stiftung der Frau Ottendorfer.
Sie Hess einen Prachtbau an der 2. Avenue
für das deutsche Dispensary aufführen.
Ein solches war bereits am 28. ^lai 1857 in
Xo. 132 Canal Strasse eröffnet worden,
wurde 1863 nach 8 Ost 3. Stras.se verlegt,
und der es leitende Verein hatte sich 1865
mit dem Deutschen Hospital-Verein ver-
bunden. Die Stiftung der P"'rau Otten-
dorfer, welche einen Kostenaufwand von
$140,000 repräsentirte, wurde erst nach
dem Tode der Wohlthäterin, welche am 1.
April 1884 verschied, eröffnet. In ihrem
DEUTSCH!-: JIOSIMTAKLKK TXF^ WOIH/niA KT K ; K KITS-AXSTALTKX.
f.91
Testament liatte sie dem Hospital ein
Legrat von $10,(100 ausgesetzt.
Im Jahre 1884 wurde ein Ilosjjital-
Ililfs- Verein errielitet. 1887 eine AVärte-
rinnen-Sclnde einjrericlitet. im Jahre 1888
der ^Mittelbau des Hospitals fcrtij; ge-
stellt und am 18. Februar 1889 ein Bazar
zum Besten des Hospitals im American
Institute abgehalten, der einen Keinge-
winn von $110,000 ergab, dixs glänzendste
Resultat, das je eine derartige Veranstal-
tung erzielte.
Im Jahre 1803 Avurdc das eigene Ge-
bäude der Krankenwärterinnen-Schule er-
Die Isabella Heimath in New York.
\'nii rnilicr .luircnd au hatte Isab.'lla
rill, eine Stieltochter des HerausgelM-i-s
der „New Yorker Staats-Zeitung*' Oswald
Ottendorfer. lebhafte Sympatliie für arme,
alte Frauen gehabt, die ohne Familie uml
•Mittel zum Erwerb des i.ebensiuiterhalts
dastehen. Als sie auf das Krankenbett
geworfen war und langem Siecht hum ent-
gegensah, bat sie ihre .Mutter. Frau Anna
Ottendorfer, eine Anstalt für arme alte
l-'i-MUcM zu gründen. Als Isabella Chi
ihi-eiii Lei<len erlegen war. gründete Frau
DIE ISABELLA HEIMATH AN AMSTERDAM AVENUE UND 190. STR. IN NEW YORK
Öffnet. In den folgenden Jahren wurde
das Hospital erweitert und daiiti mehr zu
einer allen Anforderungen entsprechenden
Kraidcen-Anstalt gemacht. Bis zum Jahre
1894 waren für das Hospital von Deut-
schen im Ganzen $1,700,000 ix'igetragen
worden.
Zu erwähnen sind die Bemühungen des
am 23. September 1875 verstorbenen Dr.
Ernst Krakowitzer für das Hospital, den
Dr. A. Jacobi, Dr. F. Zins.ser luid Dr. K.
Lellmann nach Ijesten Kräften unter-
stützten.
Ottendorfer. um den \Vuiiseh der Tochter
zu erfüllen, und zum Andenken an sie die
..Isabella-Heimath" in Astoria, Long
Island, welche für 2') rnsassinm-n einge-
richtet wurde. Das war am l.">. .Mai 1S7.').
Nach Frau ()ttendorfer"s Tode, am 1. April
1884. nahmen ihr Gatte und ihre Kinder
sieh der Stiftung an und besehlo.s.sen die
wesentliche V»'rgrös.serung der Anstalt ;
(liT IMan wurde ausgt'führt. und am 1!>.
Novendx'r 18S9 die jetzige Isabella-Hei
nuith an .\msterdam Avenue und 1!><»
Stras.se in \<'w York cnitTnet. Ks wird
692
DEUTSCHE HÜiSlMTAKLER UND WOHLTHAETIGKEITS ANSTALTEN.
in dem neuen Heim nicht allein für hedürf- wickeln zu können ; immer wieder traten
ti^e alte Frauen, sondern auch für alte neue Hindernisse ein, und schliesslich
Männer, für chronische Invaliden und wurde durch den Bürgerkrieg da.s Werk
Rekonvalescentcn gesorgt. Sie wurde ein für Jahre aufgehoben. Nach Beendigung
Heim für die Alten und Kranken, ohne desselben fanden sieh wiederum Männer in
Rücksicht auf (Jlaubcnsbckenntniss, Ge- „Green Street Hall" zusammen, eine neue
s«'hlecht und Nationalität. Ausser Herrn Vereinigung wurde erzielt, und man nannte
Ottendorfcr steuerten zu der Wohlthätig- die.se Organisation „The Newark German
keits-Anstalt bei seine Stiefkinder, Frau Hospital Association". Als Gründer dieser
Anna Woerishotfcr. Kdward Dil. Frau Gesellschaft haben Louis Greiner, Joseph
Kmma Schalk und Frau Hicdl von Hie- Christi. Ferdinand Wehr. John Schnellba-
den.stein. eher. Leopold Graf. Gottfried Rii)pel. Jacob
DAS DEUTSCHE HOSPITAL IN NEWARK.
Das Deutsche Hospital in Newark, N. J.
Am L'7. Februar IH.IT trat eine kleine
Anzahl wohlthätig gesinnter deutscher
Männer in Xewark. N. J.. zusammen, um zu
berathen, wie der leidenden Menschheit ein
Heim zu l)eschafT<'n sei, in welchem sie von
Krankheit wieder genesen könnte. Als
Name der Gesellschaft wurde ..American
Hospital Association" angenommen. Leider
sehien sich die Gesellschaft gar nicht ent-
Wendel, F. 1). Rumpf. C. F. Seitz, C. F.
Gotthold, Christian Stählin und A. Neigert
die Stiftungs-Urkunde unterzeichnet. Im
Februar des Jahres 1868 wurde vom Staat
ein Charter gewährt. Nun hiess es für die
IMitglieder an die Arbeit gehen, um sowohl
finanzielle ^Mittel, wie auch andere Hülfe
zu bekommen. Die erste grosse Snmine
kam durch eine ,,Fair" ein, sie betrug
$7,575. Im April des Jahres 1869 erwarb
man das Grundstück an Bank und Newton
DEUTSCHK HOSIMTAKLER UND WOHLTHAKTICKKITS-ANSTALTKN.
6V8
Street, und hej;anii bald darauf mit dem
Bau des Hospitals, welches $2r).(l(i() kosten
sollte. Am 14. September desselben .Jahres
konnte der Grundstein gelegt werden.
Es war ein Festtao:. nielit allein für die
deutsehe Bevölkerung?, nein, für «ranz
Newark. Die Chronik sagt: N'oii allen
üffentliehen Gebäuden wehte das Sternen-
banner; wo inuner auf dem Daehe eine
Flaggenstange sieh befand, da wai- audi
Konnte man ihm fiu bes.seres. schönere«
Dcidoiial .setzen, als wie es am 14. Septem-
ber jenes .lahres geschal» .' Ge<;eii K» l'hr
Morgens .setzte sich der wahrhaft impo-
sante Festzug. wie Xewark selten einen ge-
sehen liatte. in Bewegung, überall begrüs.st
von einer begeisterten Menge.
Die Grundmanein des Gebäudes ragten
schon mehrere Fu.ss ans dem lioden hervor,
dieselben waren ieduch mit Rrettern über-
DAS DEUTSCHE HOSPITAL IN SAN FRANCISCO.
mit wenigen Ausnahmen eine Fahne daran, deckt, inid stellten sich die Direktoren,
Man hatte diesen Tag gewählt, weil es der Beamten der Ilosi)ital-Association und
Redner liier auf. während die verschiedenen
Vereine und liOgcn im Halbkreise Aufstel-
lung nahmen, und mit ihren Hainiern uml
Fahnen ein äu.ssei-st malerisches Bild ilar-
boten.
Ein im Skating Hink abgehaltenes Kon-
zert brachte diesen Ged<'nktag zu einem
fröldichen Ende. D.-r K«'inertrag tlcr bei
100jährige Geburtstag Alexander von
Humboldt 's war; ein Tag zur Erinnerung
an einen der besten und berühmtesten
Söhne Germania 's, in dem deutsche Wis-
senschaft und Bildung den glänzendst«'n
Repräsentanten gefunden hatte; Huiid)oldt
war aber auch ein Mann, der für die Lei-
den seiner Mitmenschen ein Herz hatte.
094
r)KrTS( IIK H()SI'ITAI:M;Iv* TNO WOIILTlIAKTrCKETTSANSTAl/rKX.
dieser Gelogeiihoit veninstaltcteu divitä-
pipen Feier belief sieli auf $2,832.
Die HauJirbeiten sehritten min rüstip
vi>rwärls. iiiul bald stand das Hospital zur
Aufnaliine von Kranken bereit. Leider
blieb die Hülfe binter den ?]r\vartunjren
zurüek. und es stellten sieb bald tinanzielle,
wie aueb andere Scbwieriirkeiten ein ; da
biess es deini für die Deutsebeu Xewarks,
einniütbip für ibr AVerk einzutreten. So
wurde zu Anfang der 80er Jabre die Grün-
dung vnn Hospital-Ward-Vereineu be-
sehlos.sen ; selbst in Harrison wurde ein
soleber in 's Leben gerufen, wo Herr Jacob
deslialb 1887 der l'liin angeregt wurde,
einen Seitenflügel zu erbauen, nabmen die
Direktoren den Antrag sofort an; die.ses
neue Gebäude kostete $24.000, das Grund-
stüek $13.000, so dass die Gesainnitkosten
sieb auf $37,500 beliefen. Seit der Errieb-
tung bis zum Jabre 1907 inel. sind die Ein-
nabmen $3I)ö,00(). die Ausgaben bingegen
$410,000 gewesen. Die seit der Eniftnung
bis 1907 inel. aufgenommenen Patienten
betragen 14,400. Weder Rassenuntersebied
noeb Nationalität, noeb Religion beein-
flussen die Aufnabme eines Kranken in das
Hospital.
Das deutsche Diakonissen-Haus und Hospital in Cincinnati.
Stumpf die Deutseben zu einer Versamm-
lung einlud, und zwar im deutschen Schul-
lokale. Nachdem die Anwesenden zur Ord-
nung gerufen worden waren, erklärte Herr
Stumpf den Grund und Zweck der Ver-
sammhuig. worauf man zur Wahl eines
temporären Vorstandes ül)erging und zwar
mit folgendem Resultat : Jac Stumpf,
Präsident; J. N. Blum. Si-kretär; Jacob
Gloor, Schatzmeister. 19 ^litglieder traten
sofort l)ei. Um es Jedem zu ermöglichen,
^litglied zu werden, setzte man den viertel-
jährlichen Betrag auf 50 Cents fest.
Im Laufe der Zeit genügte die Anstalt
den Ansprüchen jedoch nicht mehr; als
Vor einigen Jahren empfahlen die Direk-
toren die Errichtung einer Wärterinnen-
Schule; 1895 verwirklichte Frau Christine
Trefz den Plan, indem sie hochherzig die
]Mittel zur Errichtung einer derartigen
Schule hergab. Die Einweihimg fand statt
am 30. November 1895.
AVie zu ersehen, hat das deutsche Hos-
pital sich aus kleinen Anfängen entwickelt;
Krisen blieben der Anstalt nicht erspart,
das Deutsehthum aber war sich dessen stets
bewusst, in ihr ein Wahrzeichen zu haben
von dem, was der Gemeinsinn hervorbrin-
gen kann. Das Andenken an Alexander
von Humboldt ktmnte aber nicht schöner
DEUTSrHK HOSl-ITAKI.Ki: IM) WOIILTHAKTKJK KITS AXSTALTKX.
W)5
hcwalirt \v»'i-(lt'n, als diii-fli «lirsc Stiill«-
wrrkthätijjft'r Xät-hstcnlicbe.
Das Deutsche 1 lospifal in San Francisco.
Das lUMic Deutsclu' Hospital in San
Francisco ist an 14. und Roc Strasse ge-
legen und mit einem Kosten-Aufwand von
über $700.000 errichtet worden. Es ist
aus Stahl und Konkret anfirctnhi-t inid mit
allen uk Kiemen Krankenhaus-E in rieht lui-
gen versehen. Seine Lage ist ideal. Es
liegt 50 Fuss hoch über der Strasse und
erhebt sich auf einem Grundstück, das be-
deutend niclir als einen C^uadrat-Block um-
in seiin-r Anlage und Einrielitung einzig
dasteht. Vorzüirlieh ausgestattete Opera-
tions- inid N'erltand-Zimiiier. Eab<»ratMrien
und Ivännie lür X-Sirahlen- und Einsen-
Eieht-Hehandlung fügen sieh dem (lan/.en
ein. Das Hospital dürfte eins der am
Hcstcn eingerichteten in der Welt sein.
.Mit dem Hospital ist eine Krankenwärte-
1 inncn-Scliule \erl)unden.
Das Deutsche Diakonissen-Haus und
Hospital in Cincinnati.
Das deut.sehe Diakcmissen-Haus und
Hospital in Ciiuinnali wurde am 14. Juni
Deutsch- protatantische Heimath tuet Waisen und Alte Leute in Detroit.
fasst. Die Aussicht von den gut erleuch-
teten und soiniigen Zimmern, auf deren
Ventilation besonders Gewicht gelegt wor-
den ist, auf die Bai und das umliegende
Land ist einfach herrlich. Li jedem Stock-
werk befinden sich Sonnen-Käume oder
Solarien. Eine breite und geräumige
Veranda befindet sich auf der Südseite des
Hospitals. Ein Turnzimnu'r für (»rthopä-
dische Uebungen und eine auf das \'oll-
ständigste eingerichtete Wasserheilanstalt
mit Nadel-, elektrischen uiul sonsigen
Hadern machen das Hospital zu einem, das
1888 gegründet. Die Anstalt, .sowie (bis
Frauen-Hospital und Kinderheim sind von
dem evangelisch-protestantischen Verein
für Diakonie gegründet worden. Die erst-
genannte Anstalt liegt an der Südwest-
Ecke iWv Clinton Avenue untl Straight
Strasse, gegenüber Hurnet Woods l'ark.
Das Hospital ist jedoch w<'der auf An-
hänger eines religiö.sen Hckcnntni.s.scs be-
schränkt, noih macht es rntcrschiede in
Hezug auf .Xationalifät und Farbe der
ratienten. .\n der Spitze tles Verwal-
tungsrat lies steht l'astoi- ,F, IMister.
696
DEUTSCHK HOSPITAKLKK UND WOHLTHAKTldKKlTS ANSTALTEN.
Deutsche protestantische Heimath fuer
Waisen und Alte Leute in Detroit.
Als im Jahn« ISJ)}) das sogenannte Zoar-
Asyl, No. 248 — ^ätJ Ilarvoy Avenue, ge-
richtlich verkauft wurde, thaten .sieh Mit-
glie<h'r der deutschen protestantischen Ge-
ineinch'u Detroit 's zusaiiinien, um zu ver-
liüten. dass die 2'i Waisen und 84 alten
lAMite. die zu jener Zeit im Zoar-Asyl ein
l'nterkommen gefunden hatten, ohdaehlos
wurden. Am 16. Xovend)er lSi)4 organi-
sirten sieh diese hochlierzigen Männer als
Korporation, und das Asyl wurde zum
Preise von 1),(J74 DoUars käutlieh erworben.
Fiin Viertel des Kaiifi>i'eiscs koinite sofort
ganer und Ohioer Distrikt der Evangeli-
schen Synode von Xord-Amerika hat die
Anstalten seinen Gemeinden warm empfoh-
len und auch schon recht ansehnliche Bei-
träge geliefert.
Die evangelisch-lutherische Taubstummen-
Anstalt in Detroit.
Die Anstalt wurtle im Jahre 1873 von
einer Anzahl Mitglieder der St. Trini-
tatis-Gemeinde gegründet. Anfangs be-
fand sich die Anstalt in Royal Oak. wo mit
derselben ein "Waisenhaus verbunden war.
Im Jahre 1875 siedelte sie nach Xorth-
Detroit über, woselbst ihr Herr Will Phil.
Die evangelisch-lutherische Taubstummen-Anstalt in Detroit.
abbezahlt w.-rden. Pa.stor L. G. Xollau
wurde der er.ste Superintendent der Hei-
math, gegenwärtig verwaltet das Amt
Pastor J. Xeumann.
Die von dem Verein verfolgten .schönen
Zwecke: -Minderjährigen Waisen eine gute
Erziehung und bedürftigen, würdigen
betagten Personen für den Abend ihres
Lebens ein geeignetes Unterkommen zu
verschalTen. bedürfen keiner näheren Er-
läuterimg. Die Anstalten werden aus-
schliesslich durch freiwillige Beiträge un-
terhalten. Sie sind deshalb einzig und
allein auf die Mildthätigkeit des Detroiter
Deutsehthums angewiesen. Der Michi-
Xorris 20 Acker Land schenkungsweise zur
Verfügung gestellt hatte. Schon vor der
rebersiedelnng waren die Waisenkinder
anderswo untergebracht worden, und
fortan wurde das Institut aus.schlies.slich
eine Schule für Taubstunnne.
Als erster Leiter der Anstalt wurde ihr
^litbegründer, Pa.stor G. Speckhard. be-
rufen, der ihr bis zu seinem Tode im Jahre
1879 vorstand; gegenwärtig fungirt als
Superintendent Pastor Wm. Gielow. Seit
dem Bestehen der Anstalt haben dieselbe
weit über 200 Schüler besucht. Gegen-
wärtig beträgt die Zahl der Schüler rund
40. als Lehrer sind an dem Institute thätig:
DEUTSCHE HÜSI'ITAELER UND WOHLTIIAETIOKKITa-ANSTALTEN.
«97
H. A. Qiiitmeyer, II. Mcyci- und Frl. A.
Reehlin.
Die nieiit unerheblichen rnterhnltunjrs-
]costen werden zum j?rös.sten Theil iinicr-
halb der lutherisehen Svnodcd-Konferen/
21.) Fus.s .IM ray.suii Strasse, in jfesunder
und ruhif^er (Je^'end luid doch v<»n allen
Stadtt heilen leicht erreichbar, wurde im
.\(»veinber 1SS;{ von dem (ienerHJ Stew-
art'sehen Xachla.ss für die Summe vmii
durch freiwillige Liebesgaben aufgebracht. $12.7;i() gekaiift. Im fi.lgenden Frühjahr
-da nur wenige Schüler die Anstalt besu- fand die feierliche (Jrundsteinlegung statt
chen. die das auf $10 per Monat festge- und am 17. Mai ISSf) die Kinweihung der
setzte Kostgeld bezahlen können. Der
Unterricht wird nach bewährten Methoden
■ertheilt, die sanitären Einrichtungen sintl
mustergiltig. und die Anstalt hat seit
ihrem Bestehen schon ganz Hrhebliches füi-
■die p]rleichternng des harten Loses der
«nnen Taubstummen geleistet. Die An-
stalt wird gegenwärtig von einer Anzahl
"Gemeinden geleitet.
prächtigen neuen Anstalt.
Das rothe Ziegelsteingebäude hebt siih
auf einer kleinen Anhöhe mit der Aussieht
auf die geschäftige Stadt, die herrliehe
("hesapeake-liai. die grünbewahh'ten Hügel
der rmgegend. Ks bietet ungefähr 70 alten
Leuten nach dem Daseinskampfe eine be-
hagliche ZuHuchtsstälte. Dank dei- weisen
Allgemeine Deutsche Greisenheimath in
Baltimore.
Der 24. .März 1S81 war ein bedeutungs-
voller Tag in der Geschichte der Wohlthä-
tigkeitsanstalten der Stadt Baltimore. Für
den.selben berief der Allgemeine Arbeitei--
Kranken-Unterstützungsverein eine Vei--
samndung von A^'ertretern deutscher Vei--
eine, um die Gründung einer deutsehen
Greisen-Heinuith zu liesiirechen. Die An-
regung führte zur Gi'ündung ilei- ..Gesell-
schaft für eine Allgemeine Deutsche Grei-
senheimath". r\lit Schaffensfreude ging
dieselbe an 's Werk. Die verschiedenen
deutschen Vereine veranstalteten Theater-
Aufführungen, Volks- und Sänger-Feste,
deren Reinerträge der Greisenheim-Gesell-
schaft übergeben wurden. Und bereits am
12. April 1882 wurde das neue Heim mit
drei Insassen in einem gemietheten an der
Ecke von Penn und Lombard Strasse gele-
genen Hause eröffnet.
Die nächste Aufgabe war die Erwerbung
eines geeigneten Bauplatzes für ein dau-
erndes Heim. Ein ideal gelegener IMatz,
auf der Höhe von West-Baltimore Strasse.
mit einer Front von löO Fuss an dieser und
Das Allgemeine deutsche Waisenhaus in Balümocc.
uml spai'samcn \'erwallung der (Jelder der
Greiseidieimath ist das (Jehäude sowie der
Bauplatz sclion lange schuldenfreies Eigen-
thum der Deutschen Baltimore 's. Die
Unterhaltungskosten werden zum grössten
Theil aus fn'iwilligen Beiträgen gedeckt.
Seit dem Bestehen der (!r«'iseidieimath
nahmen auch die deutschen Frauen Balti-
moi'c's einen thätigeii Antheil an deren
Liebeswerken. Am :{. Februar 1HS2 orga-
nisirte sich der ..Damenverein der Allge-
meinen Deutschen (»n'isenheimath". dem
von Anfang an die hochverehrte I'räsid«'n-
tin Frau Louise Ileiniighauscn vorstellt.
Der Verein veranstalt«'te vom •'<. I>is zum 8.
Dezember 188M in der Coneordia-I lalle
698
DKl'TSCHK H()SIMTAI:IJ:K' rxn WOlll/rHAKTKiKKITS-ANSTAI/rEX.
einen Hazar. Herzen und Ilänclt' i-e^ten
sieh mit Lust und Eifer, tlenselben zu einci-
triiinzenden Anjjele'renheit zu uiarlicii. Dri-
finanzielle Erfol«? übertraf alle Krwartun-
jr<'ii : di'f Damen- Verein konnte dem Direk-
tnrium die Sunnue von .^Id.. ")(•() üheiM-cichcn.
Das Allgemeine Deutsche Waisenhaus
in Baltimore.
Am 8. November 18(j8 konnte die evan-
jrelisch-lntherisehe Dreieinigkeits-Gemeinde
in lialtimore ihr langersehntes deutseh-i)ro-
testatisc'lies Waisenhaus — damals Xo. 69
Ost Pratt Strasse, imweit Canal Strasse
(ider .jetzt Central Avenue, einweihen.
Eine grosse freisinnige Partei der deut-
schen Mitbürger war bereit, das alte Werk
zu übernehmen, was am 13. September
lSti(i geschah. Das Allgemeine Deutsehe
Wai.senhaus wurde geschaffen. Ein grösse-
res, besseres und mehr im Centrum der
Stadt gelegenes Haus wurde 18()7 von
Ilcnii Will. McCan für $16,000 gekauft.
.\iii '). .Juli 1S67 wurde es eröffnet. Im
.lalne 1872 wurde der jetzige Bauplatz ge-
kauft und am 22. Juni 1S7:5 die Grund-
steinlegung vollzogen. Ein Jahr später,
an demselben Datmn, wai- die Einweihunsr
Dej- ganze Pau kostete $5r).()47. Die ailge-
iiieine Kollekte ergab .tl8,928. und die
schöne Fair, die unter den Auspizien des
Damen-Nähvereines — Präsidentin Frau
Johanna AVehr — in der Coneordia vom 6.
l)is 11. Dezember 1875 abgehalten wurde,
erzielte .l!l8,674. Auf diese Weise konnten
alle Verbindlichkeiten getilgt werden.
Die schulfähigen Kinder konnten 1876
den öffentlichen Schulen zugewiesen wer-
den. Die Schul-Kommissäre gaben ihre
Einwilligung, und damit hatten die Kinder
dieselbe Gelegenheit, wie die der ^Mitbürger,
sich die erforderlichen Kenntnisse anzu-
eignen.
Srr Srutsrhr SormtBrb-Svathnltörbr
I I I >
J. B. OELKERS.
Präsident d« Roemisch-Katholischen Central- Vereins, Newark, N. J.
Der Deutsche Roemisch-Katholische Central- Verein.
Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Katholiken in den Vereinigten Staaten.
Von JOSEPH MATT.
Der Deutsehe Römisoh-Katholische Cen-
tral-Verein wurde im Jahre 1855 gegrün-
det. Allerdings bestanden schon vorher in
einzelnen Städten katholische rnterstütz-
ungs- Vereine. Herr Heinrich Spaunhorst
sehreibt in der, gelegentlich der 88. Gene-
ralversammlung im Jahre 1893 zu St. Louis
veröffentlichten Festschrift : „Der erste
deutsche, von Katholiken gegründete ge-
genseitige Unterstützungs- Verein war, so
viel luis bekannt ist. der St. Georgius-Verein
in der Stadt New York .... Die Grün-
dung dieses Vereins geschah um 1842. Die
Mitglieder des St. Georgius- Vereins ge-
hörten der St. Nikolaus-Gemeinde an der
2. Strasse an. Die Mitglieder des St.
Georgius- Vereins schlössen sich dem 1845
von dem Redemptoristen-Pater Rumpier
gegründeten St. Josephs Unterstützungs-
Verein an ; dieser letztere war der erste
[deutsche katholische T'nterstützungs- Verein
'in den Ver. Staaten, ausser deni St. Bern-
hards-Verein in Covington, Ky Der
jErzbischof ^Michael Hciss, der damals
[Pfarrer an der St. ]\Iarien-Kirche in .1///-
waukee war, wandte sich an P. Rumpier in
New York und bat ihn um Auskunft über
jflen Charakter eines gewissen deutschen
I.Ordens", um zu erfahren, ob Katholiken
pich jener Genossenschaft ohne Gef;ihr
[für ihren Glauben anschliessen könnten.
lOer Inhalt der Antwort des P. Rumi)ler . . .
war dieser: ,,Um die katholischen ]\Iänner
md Jünglinge davon abzuhalten, sich der
nterstützung und irdischer Vortheile hal-
ber kirchlich verbotenen Gesellschaften an-
'-uschliessen. habe ich in meiner Gemeinde
inen katholischen rnterstützuntrs- Verein
(St. Josei)hs - Verein) gegründet. Ich
möchte Ihnen anrathen. da.sselbe zu thun."
Daraufhin berief Pfarrer Heiss die ältesten
Mitglieder der St. Marien-Gemeinde zu
einer Berathung und gründete den St. I'ius-
Verein.^ ^
Dem Beispiel der deutschen Katholiken
in New York und Milwaukee folgten die in
anderen grösseren Städten. In St. Louis
wurde am 13. November 1847 der St. Lud-
wigs-Verein gegründet, in Quincy, 111., der
St. Bonifatius- Verein, in Allegheny am 1.
Januar 1848 der St. Johannes-Verein, in
Pitt.sburg im Januar des darauiTolgenden
Jahres der St. Philomena-Verein und fa.st
zu gleicher Zeit in Baltimore die St. Lud-
gerus-Gesellschaft, im ]\Iai 1840 zu Buffalo
die St. Alphonsus-Gesellschaft. Auch in
Cincinnati bestand frühzeitig, wie wir aus
einer Schrift des Pfarrers Sdiwenniger er-
sehen, ein deutscher kath(tlisel;er l'nter-
stützungs- Verein. In mn neben Fällen ging
die Gründung eines katholischen Unter-
stützungs-Verein der Organisirung deut-
scher Gemeinden voraus und leitete die
letztere in die Wege.
I)i( li( urffffründf zur Gründung von
Vereinen dieser Art und deren Vorfhnlc
fasste der Vorstand des Central-Vereins
unter seinem vortrellliehen um das AVaehs-
thum des C.-V. hochvenlienten Präsidenten
Ji)}i. Amend nach der 5. Generalversanuii-
lung (St. Louis) in einer Erklärung vom
30. Mai 1860 in folg.'uden Worten zu-
sanniien :
Eine lange Reihe von Jahren hin-
durch be.stehen gegenseitige Unterstütz-
ungs-Vereine in allen Tln'ilen dieses gn»s.sen
701
DKR PKUTSCHE ROKMISCHKATHÜLISCHE CENTBAL-VEREIN.
fjjimlcs. .Mdflitcii wolil .-lui-li dii' Reweg-
iriiiiHU' y.nv Hildiiii«: solduT \'i'r('in(' niclit
iiiimcr ciiii' uiul (licsclht-n «jt'wcsoii sein —
\uiiiz ni;in da uikI iloi-t vicllcii-lit rinen sol-
clicn ViTcin fxi't^rüiulct lialx'ii, um über-
liaupt oinoin Vereiue anzufrehören, und an-
doixwo ausseid ij'sslicli deshalb, um in einer
s(»lidarisclien Verl)indun«? in Tagen vdii
Kraid\lieit iiiitl A'erdienstlosiirkeit eine
Schutzwelir gegen Mangel und Noth zu
haben, so ist doeli sieher anzunehmen, dass
im (»rossen und Ganzen die Beweggründe
hierzu tiefer wurzelten und die Grundui"-
saehe für da.s Bestehen unserer katholi-
.sehen gegenseitigen I^ntcrstützungs-Vereine
eine solidere, eine aehtunggebietendere war.
Wir alle sind aus dem heimathliehen Boden
auf fremdes Erdreieh versetzt — gleiehsam
wie Israel von Sion naeh den Wasserbäehen
Babylons. AVie viele von uns waren es
wohl, die nicht auch beim Eintreffen in der
Fremde ihre Harfen an die Trauerweiden
hingen? Gab es aueh wohl für ]Manehen
hier be.sseres und leiehter verdientes Brod,
als es ihm seine arme Heimath zu bieten
vermoehte, so war das Brod doch immer in
der Fremde gege.ssen und in einem Zu-
stande fortwährender Unsieherheit. In der
Heimath hatten wir alle eine Welt um uns,
die uns kannte und die wir kannten, in die
wir so zu sagen mit tausend Fasern einge-
wachsen waren. — Bande des Blutes, der
gesellschaftlichen und gemeindliehen An-
und Zusammengehörigkeit hielten uns da.
ob der eine arm. der andere bemittelt und
der dritte reich w;ir. dureh das Leben hin-
durch umschhmgen. und .jene Unsicherheit,
die man in der Fremde und in der Verein-
zelung fühlt, beschlicb nicht das arme
Men.schenherz. Hier war es anders, be.son-
ders für (li(\ welehe vor einer Reihe von
Jahren nach diesem Lande kamen. Sogar
ein kirchliches Gemeindeleben, dessen wir
uns heute sehon in einem bedeutenden
Grade zu erfreuen haben, war noch nicht
errungen, von einer sozialen An- imd Zu-
sammengehörigkeit, die durch iahrelanges
Zusniinnenleben und dureh Anknüpfung
von Familienbanden heranwächst, waren
kaum die ei-sten .schwachen Spuren zu ent-
decken, und diese nur erst noch für den
Kundigen. In Tagen solcher Verlassen-
heit, die im inneren Herzensgründe wur-
z<'lt. und d;nin ihren tiefen Schatten auf
die Aussenwelt wirft und die Dinge da
noch trüber erscheinen läs.st, als sie in
W^irkliehkeit sind, macht sich das Bedürf-
niss .solidarischen Zusammenstehens in Leid
und Noth geltend, und in unseren gegen-
seitigen Unterstützungs- Vereinen fand es,
so weit dies geschehen konnte, seine Befrie-
digung. Dies die Entstehung der Unter-
stützungs-Vereine im allgemeinen. Der
Gründung luiserer katholischen Unter-
stützungs-Vereine lag noch ein anderes, ein
höheres ]\Iotiv zu gründe. Allerwärts
durch 's Land bestehen geheime Unterstütz-
ung s-GeseU seh aften und Vereine, die man
nicht alle nennen und nicht alle zählen
kann. Das Gefühl der Vereinsamung und
das Bedürfniss der Zusammengehörigkeit '
führte Tausende und Abertausende, die i'
vielleicht sonst nie im Traume daran ge- I
dacht haben würden, in die Logen der ge- I
heimen Verbrüderungen. Da traten, und''
das ziuiächst in den grösseren Städten, wo \
auf der einen Seite das Bedürfniss eines '
solidarischen Zusammenstehens und auf '
der andern die Gefahr, in das Netzwerk ge- '
heimer Verbrüderungen verstrickt zu wer
den. am grössten war, edelherzige, glaii-
benstreue ]\Iänner zusannuen und gründe- 1;
ten katholische Unterstützungs-Vereirf
Ihre Zahl hat sieh von Jahr zu Jahr voi
mehrt, und dadurch ist uns der Beweis pc
liefert, dass die Ursache sich bis zum heu-
tigen Tage gleich geblieben ist ... ."
Zum wichtigen Faktor in der religiösen
Entwickelung des jungen Kontinent--
wurden sie. nachdem sie über dio enge In-
teressensphäre eines Lokal-Vereins hinaii
getreten waren imd ihre Thätigkeit aiil
erweiterter Grundlage aufbauten. D'''
.iugendfrische Strömung unter den Katho-
liken der deutschsprechenden Länder.
Frankreichs und Belgiens, deren Wellen-
DER DEUTSCHE KOEMISCH-KATHOLISCHE CENTRAL VEREIN.
7U3
schlag bis au die Gestade des Atlantischen
Ozeans sieh erstreckte, und die un.i;iinstige
Lage der Katholiken in der Neuen AVeit
wii-kten zusanuiieu, den Gedanken einer
über das ganze Land sich ausdelmenden
Organisation zur Reife zu bringen. So-
lauge die Vereine mit denen in anderen
Städten keine Fühlung hatten, girigen viele,
wenu sie ihren Wohnort wechselten, deni
katholi.schen Vereiuswesen wiederum rrr-
lonn: dazu drängte das Auftreten der
katholikenfeindlichen Sippe der „K)ww-
nolhinys", der Ahnen des in den achtziger
und neimziger Jahren auftauchenden
„Apai-smus", die Katholiken zum engeren
Zusamnienschluss. Die „Knownothings"
suchten die Einwanderung mit Gewalt°zu
unterdrücken, die Katholiken zu entrechten
und der katholischen Kirche in der Union
den Todesstoss zu versetzen. In Oineinnati
und Louisville veranlassten rabiate „Nichts-
wisser" Blutvergiessen, mehrfach wurden
katholische Kirchen und Anstalten demo-
lirt, der deutsehe Jesuiten-Pater Bapst
wurde in .Alaine von einem fanatisirten
Pobelhaufen in barbarischer AV^eise miss-
handelt, der päpstliche Delegat Erzbisehof
Bodini öffentlich beschimpft; es war für
jeden mit Opfern verknüpft, öffentlich als
Katholik aufzutreten, und wer in die
Kirche zu gehen wagte, konnte darauf ge-
fasst sein, mit Steinen beworfen zu werden.
Eine kräftige Organisation zur Hebung des
katholischen Bcwusstseins und nachdrückli-
chen Veriheidigung der bedrohten Rechte
war darum eine dringende Nothwendigkeit.
Dieser Forderung wurde Rechnung getra-
gen durch die Gründung des Central-Ver-
<^tns, und dieselbe bildet einen Alarkstein in
der Geschichte der katholischen Kirche
Amerikas. Und auch für das Dnihchthum
in den A^er. Staaten ist die Gründung des
Central-A^ereins von Bedeutung gewesen
und werth, von unseren A^olksgeno.ssen, die
nicht unseres Glaubens sind, mehr als das
bi.sher der Fall gewesen, beachtet zu wer-
den, weil der unparteiische Beobachter zu-
gestehen muss, dass \-ci)ic andnr rJriifsrh-
anicrilcanischc Onjanisation. ganz abgt-se-
iien von der numeri.sehen Stärke unseres
fVntral-A'ereins, für die Verthcidiyung und
Erhall ting deutscher Sprache und dtut-
sch( n ir(.s(;(.5 so viel geleistet hat wie ge-
rade dieser.
Die ei-ste Anregung zur Organisirung
eines Central-Vereins aller bestehenden, auf
katholi.scher Basis aufgebauter deut.scher
katholischen Unterstützungs-A'ereine ging
von liochcster, bezw. Buffalo aus. Am 17.
April 1854 veranstalteten der St. Peters-
uml dei- St. Josephs-Verein von Rochester
zu Ehren des von seinen Oberen von der
..Blumen.stadt" nach Pittsburg berufenen
P. Leimgruber, C. SS. R., eine Abschieds-
feier, zu der auch Vertreter der deutsclien
katholischen Vereine aus Buffalo ei*sehienen
waren. Die Zusammenkunft gestaltete sieh
zu einem herzlichen A^'erbrüderungsfest.
und mehrere der Redner — unter denen der
P. Breska, C. SS. R., und Herr Krautbauer.
Präsident des St. Peter- A^ereins und naeli-
maliger Bischof von Greenbay, waren —
betonten unter allgemeiner herzlicher Zu-
stimmung ganz besonders die Nothwendig-
keit eines engeren Zusammenschlusses der
katholischen Vereine.
Als am näch.sten Tage die Beamten und
Repräsentanten der Buffalo 'er fünf Ver-
eine während der Ileiin fahrt über den Ver-
lauf der Feier sich unterliielten. warf ein
Älitglied der St. Alphonsus-Gesellsehaft,
Herr Michael Hübsch, die Frage auf, ob es
nicht möglich wäre, eine A^'ereinigiuig aller
katholischen Vereine wenigstens der Diö-
zese herbeizufüliren. Der A'orschlag zün-
dete, jeder einzelne der Reisegesellscliaft
war Feuer und Flamme, inid in den niieh-
sten Tagen schon wurde der Plan dem .seit-
her vei-storbenen Bischof J. Timmi unter-
breitet und sein Gutachten eingeholt. Msgr.
Timon zauderte, nachdem ihm die Beweg-
gründe dargelegt worden waren, keinen
Augenblick, seine Gutheis.sung zu geben,
fügte aber die Alabnnng bei. iuigesiehts der
Katholikenhetze ja Vorsicht walten zu 1ns-
s<'n. (laiiiit nicht etwa die Gegne- (Jelegen-
704
DEK DKUTSniK KOKMlSLll KATHOLISCHE CENTRAL VEKEIN.
heit fänden, das Ganze als cinfii. von der
Geistliehkeit aus<:ehenden pdlitisehen Vor-
stoss zu verdäehti^'eu. "As tliis is a matter
of layiiian" — das waren seine Worte dem
Anssclnisse j;e«,'enül)er. als ihm dieser seine
Anfwartunir maelite — "let it not appcar
that an\ elertryman lias a liand in it."
Zieiit man alle l'mstände in Betraeht,
welche diesen \Viid< veranlassten, dann
kann man sieh nnr darüber inoulcrH. dass
man »'s in späteren .lahren fertig brachte,
aus dieser Bemerkung' eine Anklage gegen
den Central- Verein zureeht zu drechseln,
als sei dieser von unberufenen Laien und
ohne Billigung und Gutheissung der kirch-
liehtii Oberen gegründet worden. Die
durch die obige Bemerkung nicht einge-
schränkte Gutheissung des Bischofs von
Buffalo. sowie die später erfolgte Approba-
tion der Konstitution des Central-Vereins
durcli den ver.storbenen Erzbisehol Pureell
von Cincinnati im Jahre 1875, dessen Ge-
neralvikar Jair. 0. S. F., inid den Bischof
Toebbe. sowie das weiter unten in wörtli-
cher l'ebersetzung mitgetheilte Breve des
111. Vaters Pius IX., wie auch die rege
Theilnahme des hohen und niedere n Klerus
an fast alloi bisherigen Jahresversammlun-
gen strafen alle Behauptungen von einer
..unbefugten" Laien- Aktion bei der Grün-
dung des Central-Vereins Lügen.
Mit der Genehmigung des Bisehofs
Timon versannnelten sich am Nachmittag
des 29. Septend)er 1854, am Feste des hl.
Michael, die Präsidenten sämratlicher Buf-
falo'er katholischen Vereine mit Ausnahme
des St. Ludwigs- Vereins in der St. Alphon-
sus-llalle. inul nach kurzer Berathung
wurde beschlossen, einen Aufruf zu erlassen
und zur Gründung einer Central-Organisa-
tion einzuladen.
Erste General- Versammlung.
Der Einladung entsprachen anfänglich
17 Vereine, deren Vertreter zu Baltimore
am Nachmittag des 15. April 1855. am
Osternumtag. nachdem sie in der St. Al-
phonsus-Kirche dem Festgottesdienste bei-
gewohnt hatten, in der St. Alphonsus-Halle-
zur ersten General versanunlung zusammen-
traten. In dieser Versamnüung waren die-
folgenden Vereine vertreten: D. R.-K. L'n-
terstützungs- Verein von St. Louis (Reprä-
sentant Joh. Amend) ; St. Alphonsus-Ge-
sell.schaft von Rochester (Repr. Jos.
Schütte) ; St. Jo.sephs-Gesellschaft von
Rochester (Repr. Ludw. Ernst) , St. Pius-
Verein von Rochester (Repr. Georg ]\Ies.s-
mer) ; St. Alphonsus-Gesellsehaft von Buf-
falo (Repr. Georg Deuther) ; St. Josephs-
Liebesbund von Washington (Repr. Peter
Richter) ; St. Johannes- Verein von Alleghe-
ny, Pa.. (Repr. Alois Hildebrandt) ; St.
Bonifatius Wohlthätigkeits - Gesellschaft
von Birmingham, Pa., (Repr. Magnus Seg-
ner) ; St. Michaels-Unterstützungs- Verein
von Birmingham, Pa., (Repr. ^Michael
End) ; St. Philomena-Wohlthätigkeit.s- Ver-
ein von Pittsburg, Pa., (Repr. Joh. P.
Buch) ; St. ^lichaels- Verein von Buifalo,
X. Y., (Repr. Franz Iläffner) ; St. Alphon-
siis-Wohlthätigkeits- Verein von Pittsburg.
Pa., (Repr. Anton ]\leyer) ; St. Valentinus
Ililfs- Verein von Allegheny, Pa.. (Repr.
Caspar Bauer) ; St. Alphonsus-Gesellsehaft
von Baltimore. ]\ld.. (Repr. Anton Blat-
tau) ; St. Georgius-Gesellschaft von Balti-
more. ]\Id., (Repr. Jos. ]\Iauser) ; St. Peters-^
Gesellschaft von Baltimore, ]Md., (Repr.
Franz ]\Iüller) ; St. Stephanus-Gesellschaft
von Baltimore, Md., (Repr. Fr. ^Müller).
Herr Georg Deuther von ButTalo wurde
von der Versamnüung zum temporären Vor-
sitzenden, Herr Joh. P. Buch von Pittsburg
wurde zum temporären Schriftführer er-
wählt. Nachdem sich die Versammhmt'
auf diese AVeise konstituirt hatte und die
Beglaubigungsschreiben der Delegaten ent-
gegengenommen waren, wurde ein Aus-
schuss ernannt zur Aufstellung der Kandi-
daten für den dauernden Vorstand. Aus
der Wahl am nächsten Tage gingen hervor:
Hr. Anton Blattau (Baltimore), i'räsident;
Hr. Jos. Amend (St. Louis) und Anton
Aleyer (Pittsburg). Vize-Präsidenten; Hr.
Joh. P. Buch (Pittsburg), Prot.-Sekretär;
DER DEUTSCHK RüEMISCÜI KATHOLISCHE CENTRAL VEREIN.
705
Hr. Goo. Messnior f Kochestor. X. Y.). Kor.-
Sekretär.
Nach vollzogener Beamtenwahl stellte
Hr. L. Ernst von Roehester den formellen
Antrag, die Versannnlung möge besehlie.s-
sen, „einen Ccntral-Vcrcin von deutschen
römisch-hatJiolischen U nterstützungs-V erei-
nen zu bilden". Einstimmig nahm die Ver-
samnilniig den Antrag an inid schritt dann
zur liesprechung der von einem Ausschnss
bereits ausgearbeiteten Konslituiion. Die-
selbe, in ihren grundlegenden Paragraphen
bis auf den heutigen Tag in Kraft, stellt
dem kofhoUschen Denken und Fühlen ihrer
Verfasser das beste Zeugniss aus. Die Ziele
mid Zwecke der Organisation waren nach
dem Wortlaut der ursprünglichen Konsti-
tution enge begrenzt, und erst die kommen-
den Jahre brachten, den waelisenden He-
dürfnissen und den Zeitumständen ent-
sprechend, eine Erweiterung des Pro-
gramms. Die Gründer des Central-Yereins
hatten neben der Stärkung des katholischen
Bewusstseins vor allem die materielle Hilfe-
leistung der Vereine unter einander in 's
Auge gefasst. „Eintreten für katholische
Interessen im Sinne der katholischen
Kirche'', nach der Konstitution oder dem
Zweck des Vereins, war besonders auf den
jährlichen Generalversammlungen die Pa-
role. Zur Hebung des Ansehens des katho-
lischen Vereinswesens, wie des Ansehens
und des Einflusses der Katholiken des Lan-
des überhaupt waren mit der Generalver-
sammlimg. die mit feierlichem Gottesdienst
eröffnet Avurde, von vornherein öffentliche
Aufzüge und Festversammlungen verbun-
den. Es wurden auch Fragen aus dem
kirchlich -.sozialen Gebiet in den Kreis der
Erörterungen gezogen. ^Man fasste in Be-
zug darauf Beschlüsse, die auf die Förde-
rung solcher wichtiger sozialer Interessen
hinzielten, die den Central-Verein nicht
direkt angingen. Nachdem er erst einmal
aiif festen Füssen stand — in den ersten
Generalversammlungen (Buffalo. Pittsburg.
Rochester, Zanesville. 0.. und Syracuse)
waren durchschnittlich nur etwa 14 Vereine
vertreten, und die Verhandlungen dn-hten
sich gros-scntheils um Verhes.scrung und
Ausgestaltung der Konstitution — trat er
alsbald Angelegenheiten und Fragen nälier,
welche seinem eigentli<'hen Interes,senkrei.se
ferne lagen. So fand sich auf der achten
Generalversammlung zu Cincinnati (25.
Mai ISJi.'i) der uuvergesslichc, um die
Kirche Xord-Amerikas so lux-hverdiente Dr.
Salz mann ein, legte den Delegaten das
Lehrer-Seminar in St. Francis an*s Herz
und gewann den Central-Verein als I'athen
für .seinen „Benjamin".
In den Berichten der früheren General-
versammlungen findet nmn .stets eine nam-
hafte Sunune verzeichnet, so z. B. im Be-
liebt von der im Jahre 1S78 zu Detroit ab-
gehaltenen Versannnlung $3.756.22. Dane-
ben erscjieinen von anfangs der siebenziger
Jahre an stattliche Beiträge für die Fingt,
wanderten (im Jahre 1S73. $1170.73; 1874,
$320.43; 1875. $1022.27; 1876, $1067.45
u. s. w.). für die von der Chicago 'er
Feuer.sbrunst, vom 8. bis 10. Oktober
1871. Heimgesuchten ($5972.57), für die
durch Feuer im nördlichen Wisconsin
Heimgesuchten (1872. $603.00). für den
HI. Vater (dem z. B. 1877 $133;>.70 über-
sandt wurden), für arme Gemeinden u.s.w.
In Folge seiner regen, miablässigen Thä-
tigkeit zog der Central-Verein immer mehr
die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich
und wuchs von Jahr zu Jahr. Wir gewinnen
ein Bild seines Wach.sens, wenn wir aus den
Berichten der Generalversammlungen er-
sehen, dass auf der achten Jahresversamm-
lung (Cincinnati, 1863) 15), auf der neun-
ten (Erie, Pa.) 30. auf der zehnten (Mil-
waukee) 47, auf der elften (Buffalo) 65.
auf der zwölften (Pittsburg) 82. auf' der
dreizehnten (New York) Ol, auf der vier-
zehnten (Chicago) 167 Vereine vertreten
waren. Auch der hohe und niedere Kh ms
nahm immer mehr Interesse an der aufstre-
benden, sich beständig ausgestaltenden Or-
ganisation, und selbst der oberste flirte der
Christenheit wurde auf dieselbe aufmerk-
sam, nachdem die elfte Generalversamm-
706
DEK DEUTSCHK HOEMISCH KATHOLISCHE CENTRAL VEREIN.
lunj,'. dif iini 20. Mai 186G zu liiiffalo abge-
halten wurtU'. eiiu' II iildigungsadrcssc, die
von Hischof Tinum niitunterzeichnet war,
an den Hl. V.it.'r I'iiis IX.. hoehseligen An-
denkens, gesandt halt''.
Die Erwiderung des III. Vatei-s Pius IX.,
weh'he ci-st später, nach Vertagung der
Vci-saiiMidung erfolgte, ist uns nicht be-
kannt ; aber ein Antwortschreiben des III.
Vaters auf eine von dt^r Generalversamm-
lung zu New York im .lahre 1868 gesandte
Krgebenheits-Adres.se zeigt, was der III.
\'atcr V(»m Central-Verein hielt. Dieses
Autwortschreiben lautet :
Pius PP. IX.
l'u-scrcM gt'liebten Söhnen Heil und
Apostoli.schen Segen ! Jenes offene Zeug-
nis.s des Glaubens, zu dessen A])legung Ihr
jährlich von den verschiedenen Städten der
Union zusannuen zu konnnen ptlegt, spricht
auf eine so herrliche Weise von dem Geiste
der katholischen Einheit, dass wir hieraus
den süssesten Trost schöpfen. Wir sehen
an diesen Versannnlungen (ein der Kirche
würdiges Schauspiel), da zu denselben von
den Gläubigen auserlesene ^Männer abge-
sandt werden, welche mit Zustimmung und
Unterstützimg der kirchlichen Obrigkeit die
Gesinnungen der Gläubigen kund gebend,
da.selbst öffentlich und feierlieh bekennen,
dass sie mit ganzem Herzen und Gemüthe
diesem hl. Stuhle, dem ..Lehrsitz" der
Wahrheit und dem ^littelpunkte der Ein-
heit, anhängen, da.ss sie dem Stellvertreter
Christi allergeliorsamst und ehrfurchtsvoll
sieh unterwerfen. — dass sie die demselben
zugefügten Unbilden hart fühlen. — dass
sie die Heiligkeit seiner, sowohl religiösen
als bürgerlichen Rechte, anerkennen und
bekennen, — da.ss sie, was immer gegen die-
selben geschehen sei und noch geschehe,
verachten und verwerfen, — dass sie bereit
seien, für dieselben nach Kräften zu
kämpfen. — und welche nebstdem diese
öffentlichen und glänzenden Erklärungen
durch edelmüthige im Namen aller zusam-
mengelegten Unterstützungen bekräftigen.
Es konnnen auch oft die Ruchlosen aus
verschiedenen Weltgegenden zusammen
,, gegen den Herrn und seinen Gesalbten"
vom IIa.sse gegen Gerechtigkeit und Wahr-
heit getrieben, nicht von der Liebe für die-
selbe, — in der Absicht, die Ordnung zu
zerstören, nicht um sie zu befestigen, — die
Bande der Gesellschaft aufzulösen, nicht
um den Frieden und die gegenseitige Liebe
zu vermehren ; — sie scheiden aber auch
von einander, nachdem sie ihre Geschäfte
abgemacht haben imd vereinzelter, nicht
vereinter geworden sind. Und während in
katholischen Versammlungen der Geist der
Demuth und Einigkeit hervorleuchtet und
die offenbare Wirkung jenes göttlichen Ge-
betes sich kiuid gibt : ,,Ieh bete für jene,
welche an mich glauben werden, damit wir
Alle Eins seien," — tragen die Versamm-
lungen der Gottlosen offenbar den Geist des
Stolzes, des Streites und der Heuchelei
zur Schau. Und sowie man an den Erste-
ren sieht, dass in ihnen bestehe, glänze und
sich befestige die Einheit, das Pfand des
Lebens und der Kraft, die Vorbedeutung
des Sieges, — so verkündigt dieselbe den
Letzteren aber auch nicht undeutlich den
durch einen göttlichen Ausspruch vorherge-
sagten Ausgang: ..Ein jedes in sich selbst
uneiniges Reich wird zerstört ; denn wenn
der Satan in sich selbst uneins ist, wie kann
sein Reich bestehen?" — Freuet Euch des-
halb, geliebte Söhne, dass während Gott
Euch berufen hat, durch Wort und That
die Religion und die heiligen Rechte zu ver-
theidigen. Er Euch auch, nicht blos wür-
dig gemacht hat. Seinen Namen edelmüthi^'
und vertrauensvoll zu bekennen, sondern
auch zu jenem Siege beizutragen, den er
endlich seiner Kirche gewähren wird. —
Darum wünschen wir Euch Glück und ver-
künden Euch immer reichlichen Beistand
der himmlischen Gnade, durcii welche ver-
einigt Ihr in Eurem Vorhaben gestärkt
werden und mit solcher Bereitwilligkeit di-
Sache der Gerechtigkeit verf-^chten möget.
dass Ihr des Triumphes Euch zu erfreuen
vermöget. Unterdessen, als einen Beweis
DER DEUTSCHE ROEMISCHKATHOLISCHE CENTRAL-VEREIN.
707
der hiininlislu'ii Begrünst i};un^ und als ein
Pfand iinsi'ivr dankbaren (Jesinnunjr, so-
wie unserer väterlichen W(»hljre\vo<^enheit
empfanget den Apostolischen Segen, wel-
chen wir Euch und Eurer ganzen katholi-
schen Gesellschaft bereitwilligst ertheilen.
Pius PF. IX.
Gegeben zu St. Peter zu Koni, den 22.
August 1868, im 28. Jahre unseres
Pontifikats.
Nachdem Missouri bereits in der Person
des oben schon genannten Herrn Joh.
Amcnd, dem seine wohlverdiente Beliebt-
heit den Namen ,,Papa Amend" eintrug,
dem Central-Verein mehrere Jahre hin-
durch einen vorzüglichen Präsidenten ge-
stellt hatte, trat auf der Generalversamm-
lung zu Detroit am 1. Juni 1873 ein wei-
terer Missouri 'er, Herr H. J. SpntoiJiorst,
an die Spitze des Verbandes, und was er
für den Aufbau des deutschen katholischen
Vereinswesens gethan, darf von der jünge-
ren Generation nicht vergessen werden, will
sie sich nicht der Undankbarkeit schuldig
machen.
l'nter seiner Amtsführung woirde vor
allem eine verbesserte Geschäftsordnung
eingeführt und die Konsiiiuiion revidirt
(die revidirte Konstitution wurde auf der
20. Generalversammlung zu Cincinnati am
16. Älai 1875 endgiltig angenommen und
vom Erzbischof Purcell von Cincinnati,
vom Bischof Többe von Covington und voin
P. 0. Jair, 0. S. F., Generalvikar von Cin-
cinnati. approbirt). V\\\ diese Zeit kam
auch, so viel wir wissen, dank den Anregun-
gen Herrn Spaunhorst's, Herrn Fehlig 's
u. A., die Frage in Fluss, ob es zweckdien-
lich sei, innerhalb des Central-Vereins eine
Lebensversicherung in 's Leben zu rufen;
die 21. Generalversammlung, abgehalten
im Jahre 1876 zu Philadel ])hia. befa.sste
sich zum ersten ^Nlale offiziell mit dieser
Angelegenheit, die dann in mehreren Gene-
ralversammlungen gründlich enirtert wur-
de, bis die 26. Generalversammlung im
Jahre 1881 zu Covington, Kg., die von
einem im Jahre zuvo': eingesetzten Aus-
schüsse ansg.arheitete Vorlage in Bezug
auf die Vcritindung einer Lebensvensiche-
rung {WiltwLn- und Wai.si n-Fonds) mit
dem Central-Verein annahm.
rnterdessen hatte der Central-Verein
auch nach anderer Seite hin seine Thütig-
keit erweitert. So hatte er mit der „Irish
Catholic Benevolent Cnion" eine Art Car-
tell-Verbiiuhnig hergestellt luid sich vor
allem a\icli sehr eingehend mit der Einwati-
d( rungsfragr befas.st. Im Jahre 1868 war
auf der Generalversammlung des Central-
Vereins in New York ein Central-Komit-
gewählt worden, um über diese wichtige
Angelegenheit zu berathen. Der Ausschu.ss,
an dessen Spitze hochw. Schicennigcr
stand, ging von dem Gedanken aas, dass
die Einwanderungsfrage ausserhalb des Be-
reichs der Thätigkeit des Central-Vereins
liege, und dass dieser daher nur anregend
wirken könne. Dementsprechend dürfe der
Central-Verein weder seine eigene Ka.s.se.
noch die Kasse der Lokal-Vereine im In-
teresse dieser Angelegenheit in Anspruch
nehmen, sondern solle einen in New York
stationirten Ausschuss für Immigranten-
Angelegenheiten ernennen, für Baltimore
und New York zwei Vertrauensmänner er-
wählen, welche sich imentgeltlich der in
diesen Städten landenden Katholiken anzu-
nehmen hatten, unti ausserdem die Lokal-
Vereine in anderen grös.seren Städten ver-
anlassen, Vertrauensmänner aufzustellen;
der New Yorker Central-Aus.schuss solle
sich mit dem Episkopat und der katholi-
.schen Presse in den Vereinigten Staaten
und in Deutschland in Verbindung setzen^
um die allgemeine Aufmerksaiid<eit auf die
Lnmigranten-Fürsorge zu lenken; bei den
SchiffahrtsgeselLschaften auf eine men-
schenwürdige Behandlung der Auswande-
rer dringen und ausserdem in der deutscli-
amerikanischen katholischen Presse einen
Aufruf erlassen, um Liel)esgaben zur För-
derung der edlen Sache aufbringen. I^ic
gemäss diesen Vorschlägen von dem Cen-
tral-Ausschuss unternojiuiiencn Arbeiten
waren vom besten Erfolge begleitet. Mit
708
DKK dkutsl'iil: K()i:miöcii katholische centkal-vekein.
dt'in Kuiulsc-hreibiMi nii ilcn Episkopat
Deutschliinds wurden seehzchutauseud Le-
gitiiuatioiiskarteii gesandt zur Vertheilung
an katholisclic Auswanderer, damit diesel-
ben sieh l)ei den Vertrauensinännern in
New York und lialtiniore ausweisen könn-
ten. Xaeli wenigen .Monaten selion trafen
Hunderte und später Tausende von Ein-
wanderern ein, die derartige Karten in
ihrem Besitze hatten. Die Vertrauens-
männer des Central- Vereins eni]>fingen die-
selben freundlieh und gingen ihnen mit
Rath und Tliat zur Hand. In den einzelnen
L'ntei-stützuMgs- Vereinen wurden milde Ga-
ben gesammelt und an den Ceutral-Aus-
sehuss in New York und später an den
Finanz-Sekretär des Central- Vereins ge-
sandt, \\\\\ annen deutschen katholischen
Einwanderern zu helfen. Die Protokolle der
jähi-lichen Generalversammlungen des Cen-
tral-Vereins gehen über diese Leistungen
und das "Wirken zu Gunsten der katholi-
schen Einwanderer Ausweis. Weil aber
ausserhalb der Unterstützungs- Vereine Nie-
mand eine Iland rührte und auf diese
"Wei.se nur die deutschen katholischen Ar-
beiter (imd Farmer) — denn aus solchen
bestehen ja die Unterstützungs- Vereine —
allein besteuert wurden für die gute Sache,
so gab sieh leider Unzufriedenheit kund.
Aus diesem und aus anderen Gründen, die
hier nicht erörtert werden sollen, strich die
Generalversamndung in Toledo, 0., die Ein-
wanderungs-Sache vom Programm des Cen-
tral-Vereins und überliess die Angelegen-
heit dem Central-Ausschuss in New York
allein.
Auf der Generalversamndung in New
York im Jahre 1868 hatte Rev. Schwenniger
empfohlen, die Errichtung einer TIcrherrje
für arme Einwanderer in New York in
Aussicht zu nehmen. Im Jahre 1874 wurde
er vom Central-Aus.schuss in New York ge-
beten, bei dem Episkopat dieses Landes an-
zufragen, ob ein Haus für arme deutsche
katholische Einwanderer Billigung und
Hilfe finden würde. Erzbischof Henni von
INIilwaukee. Erzbischof Purcell von Cincin-
nati. l^ischof Krautbauer von Green Bay,
Bischof Toebbe von Covington, Generalvi-
kar ^Nlühlsiepen von St. Louis u. A. richte-
ten ei'nnniternde Schreilx'u an Rev.
Schwelm iger, \uid dieser hielt in mehreren
Städten des Landes Vorträge über zeitge
mässe Themata, in denen er die Errichtuntr
eines Hospitiums für Einwanderer stet^
einfiocht. Seine Bestrebungen fanden
grossen Anklang, aber da seine Zeit sonst
vielfacli i]i Anspruch genommen war, theil-
ten sich andere mit ihm in die Arbeit. Herr
Jos. Kölhlc hatte schon im Jahre 1869 den
Ozean gekreuzt, um der Generalversamm-
lung der Katholiken Deutschlands ])eizu-
wohnen. Sein Bericht über die Thätigkeit
des Central-Vereins im Interesse der Ein-
wanderer wurde mit grossem Beifall aufge-
nommen, imd Herr Kölble trat in Verbin-
dung mit dem hochverdienten, vielge-
schmähten Präsidenten des Raphaels- Ver-
eins. Herrn Peter Paul CaJieusljj aus Lim-
burg. Von da an gewann der Raphaels-
Verein in Deutschland Fühlung mit den
Vertrauensmännern in Amerika. Im
Herbst 1883 kam Herr Cahensly nach Ame-
rika — er reiste, um ein unparteiisches Ur-
theil über die Behandlung der Auswande-
rer zu erlangen, unbekannt im Zwischen-
deck herüber, — wohnte der Generalver-
sammlung des Central-Vereins in Evans-
ville. Ind.. bei und legte den Grundstein
zum Raphacls-V crcin, der alsbald unter
dem Präsidium des Bischofs ^Vigger von
Newark in 's Leben trat. Es dauerte aller-
dings mehrere Jahre, bis derselbe lebens-
fähig wurde. Erst im Jahre 1887, als der
deutsch-amerikanische Klerus, der in Chi-
cago zur Gründung eines Pricstcr-Vercins
zusammengetreten war, sich der Sach.^
voller Eifer annahm, war der Erfolg ge-
sichert. Der leider im Laufe des Jahres
1904 verstorbene W. Färber , der Besten
Einer, die je auf amerikanischem Boden füi-
die gute Sache gewirkt, machte den Vor-
schlag, in New York ein Hospiz für deut-
sche katholische Einwanderer zu gründen,
das zum Andenken an die Feier des fünf-
DER DEUTSCHE ROEMISCilKATIIOUSCIIE CENTHAL VEREIN.
709
zigjäliriijen Priester- Jubiläums des III.
Vatei-s Leo 's XIII. Leo-Haus genannt wer-
den sollte. Der Vorschlag fand begeisterte
Zu.stininnuig. und es wurde ein Ausschuss
ernannt, welcher die einleitenden Schritte
zur Ausführung des Vorschlages thiui
sollte. Der Ausschuss bestand aus den
Herren Goller aus St. Louis, Fiseher aus
Chicago und Robbers aus Covington. Herr
Goller erliess nachher einen Aufruf an das
katholi.sehe Volk dieses Landes, und dieser
Aufruf trug nicht nur die frohe Kunde in
alle Staaten, sondern weckte auch überall
eine freudige Theilnahme. Auf der Gene-
ralversannnlung in Chicago am 6. Septem-
ber konnte ]\Isgr. ^Mühlsiepen die überra-
schende ]Mittheilung machen, dass bereits
$10,000 an Liebesgaben eingegangen seien.
Was der Central-Verein angeregt und an-
gestrebt hatte, war miter der Aegide des
Priester- Vereins zur Thatsache geworden,
und seit mehreren Jahrzehnten steht den
Einwanderern die gastliche Thüre des Leo-
Hauses offen, und Tausende wurden durch
das edle Unternehmen vor dem leiblichen
und geistigen Untergänge gerettet.
Seitdem hat der Priester- Verein, mi ver-
dienterweise wie kaum je eine andere katho-
lische Organisation in den Ver. Staaten
angefeindet, zu bestehen aufgehört, und die
Geistlichkeit kann sich in Folge dessen der
Fürsorge für die Einwanderer nicht mehr
in dem Umfange widmen wie früher. Das
Leo-IIaus. wohl das schönste Denkmal, das
sich die deutsch-amerikanischen Katholiken
unter der steten ^Mithilfe des Central- Ver-
eins gesetzt haben, ist heute noch ebenso
nothircndig wie je.
Die allgemeinen deutsch-amerikanischen
Katholikentage.
Mit den jährliehen Generalversammlun-
gen des Central-Vereins wurden Katholi-
kentage verbunden. Schon Ende der sech-
ziger Jahre hatte hochw. Schwenniger als
Redakteur des „Wahrheitsfreund" die Ab-
haltung von Katholikentagen nach dem
.Must.-r der Katholikentag.' in Deutschland
eifrig befürwortet und wurde in di.'scn iJe-
strebung.ii eifrig untei-stützt durch den
verdienten, leider verstorbenen Journalis-
ten J. H. Müller und andere katholische Re-
dakt<Mire. Aber der Verwirklichung des
Projektes traten .so viele IIindernis.se ent-
gegen, dass es von vielen als unausführbar
beiseite geschoben wurde. Trotzdem Hessen
sich die Befürworter der Kath«.likentage
nicht «'inschüchtern, .sondern setzten es
durch, da.ss auf der 22. Generalversamm-
lung des Central-Vereins, die im Juni 1877
in Cleirland tagte, ein Versuch mit der
Einführung eines deutsch-amerikanischen
Katholikentages gemacht wurde. Aber die
Verhältnisse waren für derartige Veranstal-
tungen noch nicht reif, und sicherlich hätte
eine Erschlaffung im katholischen Ver-
einswesen der Ver. Staaten sich geltend ge-
macht, wäre ihm nicht von Kuroim her
neue Lebenskraft zugeströmt.
An dem Beispiel des katholischen
Deutschlands während des Kultur-Kampfes
stärkten sich die deutsch-amerikanischen
Katholiken, und eine Fl uth welle der Be-
geisterung durchströmte ihre Reihen. Da-
zu kam. da.ss durch den für Deut.schland
.so ruhmvollen Au.sgang des deutsch-fran-
zösischen Krieges das An.sehen der Deutsch-
Amerikaner in ungeahnter Weise gewach
sen war. da.ss sie den übrigen Nationalitäten
gegenüber mehr als je ihr StaiiMiiesb»*wusst-
sein geltend zu machen begannen. da.ss die
Reihen der deutsch-aiiu'rikanischen Katho
liken durch die immer mehr sich hebi'nde
Einwanderung beständig gestärkt wurden,
und da.ss die durch den ,, Kultur-Kampf"
ausgewiesenen Ordenspriester, vor allem
auch die Jesuiten, eine ausserordentlich ge-
segnete Thätigkeit mitcr ihren Landslcutcn
entfalteten.
So hatten weitere Versuche, deut.sch-
amerikanische Katholikentage abzuhalten,
auf mihr Vcrständniss und grössere Un-
terstützung zu rechnen als in früheren
Jahren, und auf der 31. General- Ver-
sammlung des Central-Vereins in Toledo,
710
DER DEUTSCHK ROK MISCH KATHOLISCHE CElSiTRAL-VEREIN.
O., wurde im ScptriubiT \^'^i\ auf An-
trag dos lioi'lnv. IltMTii Wilhihn Tapjxrt
von Covin^rton. Ky.. drr H('s<'liluss ciiistini-
mig angfnoniiiit'ii. mit der Al)lialfung d«'i'
GeneralvciNanniilung des Ccnti-.il-Vereins
die Ahhaltung eines tleutseh-amerikaui-
selien Katholikentages zu verbinden, luid
die Grossstadt Chicago als erstes Versuchs-
feld bestimmt. Der Versueh fiel, oljwohl
sieh das Cnfei-tige noch stai-k bemerkbar
machte, so befriedigend aus. dass die Ab-
haltung eines zweiten Katholikentages be-
sehlos.sen wurde. Der zweite deutseh-ame-
rikani.sehe Katholiken-Konvent tagte im
Septend)er 1888 gleichzeitig mit der 33.
Generalvei-sannidung des Ceiitral-Vereins
in Cinciniiati und gestaltete sieh, besonders
durch die Betheiligung des verstorbenen
C'entrumführers Dr. Ernst Maria Lieber, zu
einer eindrucksvollen Kundgebung der
deut.sch-amerikauischeu Katholiken. Der im
September 1889 in Verbindung mit der 34.
Generalversammlung in Clevelanel abgehal-
tene dritte deutsch-amerikanische Katholi-
kentag verlief noch glänz- und bedeutungs-
voller als .seine beiden Vorgänger. Leider
wirde aber in Cleveland der übereilte Be-
schluss gefa.s.st. die Katholikentage und die
Generalversammlungen des Central-Vereins
nicht mehr gleichzeitig und au demselben
Orte abzuhalten. Diese Zersplitterung der
Kräfte schadete sowohl dem Central- Verein
als auch dem Katholikentage. Erst wieder
im Jahre 1896 fand in Detroit der Katho-
likentag gleichzeitig mit der 41. General-
versammlung des Central-Vereins statt.
Den Glanzpunkt aller Generalversammlun-
gen und aller deutsch-amerikanischen Ka-
tholikentage bildete die Tagung zu .1//7-
waukee im Jahre 1898. Nicht weniger als
365 Delegaten hatten sich eingefunden;
Erzbischof Katzer und mehrere Bischöfe
und Hunderte von Priestern sowie Dr.
Lieber wohnten den glanzvollen Veranstal-
tungen ])ei. Noch während die Katholiken-
vei-sammlung tagte, beschlossen zu St.
Francis die ehemaligen Zöglinge des Leh-
rer-Seminars die Gründung eines katholi-
schen Lehrer-Vereins. Aber der ]Mil\vau-
kee'er (neunte) allgemeine deutsch-ameri-
kanische Katholikentag war zugleich der
letzte.
Die Resolutionen der deutsch-amerikani-
schen Katholikentage, gros.sentheils unter
dem Eintlvisse der Kundgebungen unserer
Glaubensgenossen in Deutsehland verfa.sst,
athnien einen echt katliolischen Gei.st.
Obenan stand stets die Forderung der
vollen Freiheit und Unal)hän(ji<jk( it des
apostolischen t^tuhles. Und nicht nur durch
diese mannhafte Forderung bewies der
Central- Verein seine Anhänglichkeit au
den Nachfolger Petri, sondern auch durch
namhafte Beiträge zum Peterspfennig, der
alljährlich in der ersten Sitzung der Gene-
ralversanunlung bewilligt wurde. In
nichtdeutschen Kreisen hat es bekanntlieh
viel länger gedauert, bis in Bezug auf
die i'ömische Frage halbwegs Klarheit
herrschte.
Eliiu' der wichtigsten Fragen, die schon
seit Jahrzehnten den Gegenstand lebhafter
Erörterung im Central-Verein bildet, ist die
ScJnd frage. Bereits im Jahre 1880, auf der
25. Generalversammlung zu St. Louis, im
Jahre vor dem dritten Plcnar-Koncil von i
Baltimore, wurde eine in jeder Beziehung
korrekte Resolution in Bezug auf die
Pfarrschulen angenommen. Unter Ande-
rem wurde damals schon empfohlen, die
katholischen Pfarrschulen zu Freischulen t
im vollen Sinne des "Wortes zu machen ; zu l
dem Zwecke wurde die Gründung von
Schulvereinen angeregt. In der Scluilfrage
hat auch in der Folgezeit der Central-Ver-
ein niemals gewankt. Kaum irgendwo fan-
den die Best i nun un gen des dritten Plenar
Koncils von Baltimore in Bezug auf die
Pfarrschule freudigeren Gehorsam als in
den Reihen des Central-Vereins, mid dass
sich schon seit Jahren neben jeder deut-
schen katholischen Kirche, wo immer e^
einigermassen möglich i.st, eine Pfarrschule
erhebt, ist nicht zuletzt auf die fortgesetzte
Agitation des Central-Vereins zurückzu-
führen. Auf der Tagung des Staats- Ver-
DER DEUTSCHK ROEMISCHKATHOLISCHE CENTRAL. VEKKI N
711
bandes von Minnesota zu New Thn that im
Jahre 1H04 der Biscliof J. Stariha von
Lead. 8üd-Dakota, den ehrenden Aus-
spruch: „Dir (Iddscluii hathalischcn Vir-
einc haben in Minnesota die PfarrschuU
gerettet." Dieses Lob gebührt bis zu einem
gewissen Grade cU-ii deutschen Katholiken
im (janzen Lande, an erster Stelle aber dem
Central-Verein. der neben der deutschen
katholischen I'resse das Verdienst bean-
spruchen kann, mehr als ein anderer Fak-
tor zur Schaffuntr einer öffentlichen Md-
nung in der Schul frage beigetragen zu
haben.
Heute noch steht uns die Sehulfrage als
ungelöstes Problem gegnüber. Der Central-
Verein ist sich seiner Pflicht angesichts
dieser brennendsten Zeitfrage gar wohl be-
wusst, und klar und unzweideutig fasste er
auf seinen Generalversammlungen seinen
Standpunkt zusammen in der folgenden
Resolution über die Scbulfrage:
„Die 49. Generalversammlung erneuert
die Erklärungen unserer früheren Tagun-
gen hinsiehtlicb der Sehulfrage.
„Unseren Glaubensgenossen legen wir
dringend an 's Herz, treu und unentwegt
einzutreten für unsere herrlichen Pfarr-
schulen. Denn in ihnen erkennen wir, ent-
sprechend den vielfachen Erklärungen des
Hl. Stuhles, sowie den Weisungen des
Ei)iskopats und in.sbesondere des dritten
Plenar-Koncils von Baltimore, das einzige
Mittel, um Glauben und Sittlichkeit wirk-
sam zu wahren und zu schützen.
..In Bezug auf die Leistungen in den
weltlichen Fächern stehen unsere Pfarr-
schulen anderen Schulen in keiner Weise
nach. Aber es ist nicht genug, in der bis-
herigen Wei.se fortzufahren, für die Pfarr-
sehulen einzutreten, .sondern wir müs.sen,
den Zeitumständen entsprechend, an eine
bessere Ausgestaltung unseres Schulwesens
denken. Zu diesem Zwecke empfehlen wir
von neuem, dass. wo immer dies möglich.
die Pfarrschulen zu Freischulen im vollen
nnd wahren Siiuie des Wortes gemacht wei*-
den. dass ferner Sorge getragen wird, damit
wenigstens für die oberen Knabenkla.s.sen
semu.ari.stiseh gebildete Lehrer angestellt
werden, und da.ss die Abhaltung von Schul-
pnitmigcn an die Stelle der ..E.xhibitions"
trete.
^ ..In Bezug auf die Theilnahme de.s
Staates am I'nterrichtswe.sen .stehen wir auf
dem Boden der Erklärungen der Födera-
tion katholi.scher Vereine und der frühereu
Generalversannnlungen.
..Mit aller Entschiedenheit bestehen wir,
trotz der Anfeindungen radikal<-r Logen-
Elemente, auf den Forderungen jui.serer
Hechte, wie sie durch die Konstituti<»n ga-
rantirt sind. Zu diesen Hechten geh.iren
vor allem Rt^ligions- und Gewis.sensfreiheit.
Es ist aber eine Verletzung derselben, die
Katholiken zu besteuern zu Gunsten eines
Schul-Systems. das zu benutzen ihnen ihr
Gewi.s.sen verbietet ; sie zu besteuern, obwohl
sie ihre eigenen tüchtigen Schulen besitzen.
Wir verlangen daher unseren Antheil an
den durch allgemeine Bestenerunir aufge-
brachten Geldern des Sehul-Fonds.
.M\t aller Entschiedenheit erheben wir
Protest gegen die vielfach zu Tage tretende
Tendenz, ein .staatliches Schul-M«»nopt»l zu
schaffen, und verwahren uns gegen jegliche,
dem Sozialisnms Hechniuig tragende Ge-
setzgebung, insbes(»ndere gegen einen, die
Interessen un.serer Pfarrschulen schädigen-
den Schulzwang. Einführung freier Text-
bücher, sowie endlieh auch gegen die Ein-
führung kostspieliger unnützer Fächer.
..Femer verwahren wir uns dagegen, da.s«;
man die Schulen, die mit den (n-ldern
von Steuerzahlern der vei-schiedenen De-
nominationen unterhalten werden, zu Pro-
selytenmacherei mi.ssbrau<-ht. und mü.s,sen
dalier den vielfach und unter maneherlei
Vorwändi'U zu Tage tretenden N'ersiu'lien.
die Lesung der Bibel in den ötTentlieher»
Schulen einzuführen, auf das .\l)lehnen<lst^
begegnen."
Auch auf soziaJnn Gebiet suchte sieh der
Central-Verein frühzeitig zu betliät igen. Es
ist etwa dreizehn Jahre her. dass ein Herr.
welcher der ..Catholic rniversity" in
712
DER DEUTSCHE ROEMISCH-KATHOLISCHE CENTRAL-VEREIN.
AVashiii^'toii si'hr iiiilic stand, das grosse
Wort g.'lasst'ii aussprach: ..Eine soziale
Vvnisv gibt es in Amerika nicht." In den
h'tztcn Jahren liat sidi endlieh die Er-
keuntni.ss dun-hgeilrnngen. dass man in
diesem wie in so manchem anderen Punkte
die Frage all/.u optimi.stiseh beurtheilt
hatte.
Nun war schon dii' grundlegende Thätig-
kt'it unserer deut.sch-amerikanischen l'nter-
stüt/.ungs- Vereine eine soziale. Aber auch
in dieser Beziehung wurde das Programm
im Laufe der Jahre erweitert, zu der Un-
terstützung in Krankheitsfällen trat, wie
wir oben bereits gesehen haben, eine Le-
bensversicherungs-Ka.sse (Wittwen- und
Waisen-Fonds) innerhalb des Central- Ver-
eins und Leben.sversicherungs-Gesellsehaf-
ten in einzelnen Staaten : AViseonsin, ^lin-
nesota. Iowa u. s. w.), die bei allen ]\Iän-
geln und ]\Iissgriffen im Grossen und Gan-
zen eine segensreiche Thätigkeit entfalte-
ten. Aueli die Bestrebungen im Interesse
der Einwanderer u. s. w. waren eine soziale
That. In späteren Jahren kam zu allem
diesem noch die Errichtung von Arbeiter-
Bureaux und die Gründung von Kolping'-
schen Gesellen-Vereinen in einer ganzen
Reihe von Städten. Seitdem Papst Leo
XIII. in seiner unsterblichen Ene.yklika
über die Arbeiterfrage Winke und Weisun-
gen gegeben, wie die Lösung der sozialen
Frage si/strmafiscJi angestrebt werden
nniss, trat die Antheilnaliine des Central-
Vereins an der grossen Frage immer mehr
proffraitiniafisch in den Vordergrund, und
der zweite Paragrapli der Kon.stitution be-
zeichnet als ..Zweck des Vereins ' ' vor allem
„Förderung eines kräftigen religiösen Le-
bens im Geiste der römisch-katholischen
Kirche, ent.sehiedenes Eintreten für die
Sache der Religion im ötTentlichen Leben
nach jenen Grundsätzen, die Papst Leo
XIII. in der Arbeiter-Encyklika niederge-
legt hat."
Um aber die ÄLissen für diese Aufgabe
heranzuschulen, muss vor allem das Ver-
ständuiss für deren Bedeutung und Um-
fang geweckt werden. Das bezweckt der
V(il'.s-V( rein, der im Jahre 1898 auf der
Generalversannnlung zu Evansvillc, Ind.,
unter der Aegide des Central- Vereins in 's
Leben gerufen wurde. Bestimmte Vor-
schläge zur systematischen Verbreitung
volk.sthümlicher Schriften über die grossen
P'ragen un.serer Zeit waren schon vor acht
Jahren von einer unserer katholischen
Wochenzeitungen („Wanderer") gemacht
worden und fanden die Beachtung der Ge-
neralversannnlung zu Bridgeport, Conn.
Die Berathungen, die im Anschlüsse daran
von einem von der Generalversannnlung
eingesetzten Spezial-Ausschuss geptlogen
wurden, führten, besonders dank den An-
regungen von P. Mäckel, S. J., imd Herrn
Xicolous Gönner, zu dem Resultat, dass die
Gründung eines Volks-A^ereins nach dem
^Muster des Volks-Vereins für das katholi-
sche Deutschland beschlossen wurde.
Trotz seines kurzen Bestandes hat er be-
reits Namhaftes geleistet. Auf der Gene-
ralversammlung zu St. Louis konnte im
Jahre 100-4 der Sekretär berichten, dass
der Volks- Verein 29,673 Schriften ver-
breitet habe. Dabei waren mehrere Flug-
schriften, die gratis versandt worden
waren, nicht eingerechnet.
Auch an der Politik ging der Central-
Verein nicht achtlos vorüber. Ohne sich in
den Hader der Parteien zu mischen, be-
hielt er stets jene Fragen scharf im Auge,
an deren Regelung nach den Forderungen
des Rechts und der Gerechtigkeit den
Katholiken besonders viel gelegen sein
musste. Die deutschen Katholiken haben
sich „in die Politik gemischt" in der Schul-
frage und in einer Reihe von Staaten, so
in Wisconsin, Illinois, ]\Iissouri. Minne-
sota u. s. w. mit Hilfe Rechtlichdenkender
aus allen Lagern erfreuliche Siege errun-
gen. Auch in manch anderer Beziehung
haben sie an der politischen Entwickeluncr
der Dinge regen Antheil genommen, wie
die Resolutionen des Central-Vereins zur
Genüge darthun, sei es, dass sie sich ver-
anlasst sahen, Stellung zu nehmen gegen
DKR DKUTSniE ROKMISCH KATHOLISCHE CENTHAI. \ i:i{KI.\.
ri3
die fanatische l'rohibitioHs- uiul Einwan-
dererhdze, sei es, dass die Behandlung der
hidiaiKr ilircn Widerspruch herausfor-
derte. Mit aller Entschiedenheit erh()l)en
die deutschen katholischen Vereine, er-
hob vor allem der Central-Verein (zum
ei-sten ]Male auf der 44. Generalversamm-
lung zu St. Paul im Jahre 1899) Protest
gegen die antikatholische Politik der Re-
gierung in den durch den Krieg mit Spa-
nien erworbenen Kolonien, und wenn auch
selbst aus dem katholischen Lager Stimmen
gegen diesen Schritt laut wurden — so viel
ist sicher: die Regierung zog andere Saiten
auf, und eine wenigstens halbwegs gerechte
Lösmig der Frage wurde erzielt.
Für die Erhaltung deutscher Spraclte
und deutschen Wesens hat der Central-Ver-
ein vor allem gewirkt durch seine fortge-
.setzte Agitation und den Einfiuss, den er
auf die ihm angeschlossenen Vereine und
auch, indirekt wenigstens, auf die Pfarr-
schulen in deutschen Gemeinden ausübte.
Die Resolutionen, welche jedes Jahr im In-
teresse der Erhaltung der deutschen
Sprache angenommen werden, gehen sicher-
lich nicht spurlos vorüber und rütteln
manchen wieder auf, der mitschaufeln hilft
am Grabe des Deutschthums der Ver.
Staaten. Ausserdem wurden im Laufe der
Zeit zahlreiche Beschlüsse, die bestimmt
formulirte Winke und Weisungen zur Er-
haltung deut.scher Sprache und deutschen
Wesens enthielten, von den Generalver-
versammhuigcn und Katholikentagen an-
genonnnen. Wäre der unselige Hader
nicht dazwischen gekommen, hätte der
Central-Verein seine Liebe zur deutschen
Sprache in der „Catholic University" ein
dauerndes Denkmal gesetzt. Auf der Ta-
gung zu Detroit im Jahre 1896 wurde der
Plan angeregt, dass der Central-Verein
$25,000 aufbringe für die Errichtung eines
Lehrstuhles für deutsche Sprache und
Literatur in der Washingtoner Hochschule.
Der Gedanke wurde mit Jubel aufgenom-
men, und in vielversprechender W^eise be-
gannen die Gelder einzukommen. Aber im
Herbst 1897 wurde .Msgr. Dr. ./. Schhidir,
(Irr dii' Seele des rnteniehiiiens war, in
scbiiiälilieher Weise von der „Catholie ITni-
versity" verdrängt, (hi der liocligelchrte,
durch und durch kirchlich gesinnte Mann
den Vertretern des religiiisen Liberalisnms,
des später vom Papst Leo XIH. auf djis
ent.schiedenste verurt heilten „Anu riranis-
mus" im W^»ge stand. Seine Kntrernung
von der Wa.shingtoner Hochschule um!
seine Tebei-siedelung nach Deut.scldand.
wo er im .lahre 1904 als Rector Magiii-
ticus der Universität Münster starb, verei-
telten nicht nur den Plan der Stiftung
eines Lelirstuhls, sondern übten auch auf
das katholische Deutschthum eine entmu-
tbigende Wirkung aus, die sieh mehrere
Jahre lang fülilbar machte.
WVnn aber auch nicht an der „Catholic
rniver.sity", so hat sich der Central-Verein
mehr als hundert Denkmale gesetzt, die be-
weisen, dass es ihm mit seinen Beschlüs.sen
zur Erhaltung und Fiirdening des Deutsch-
thums ernst war. Das Leo-Haus, das Leh-
rer-Seminar in St. Francis, die deut.schen
Pfarrschulen landauf, landab, die, wie wir
dargethan, gros.sentheils unter dem Ein-
flüsse des Central-Vereins entstanden, und
die von der grössten Bedeutung für die
Existenzfähigkeit eines Deutschthums in
Amerika waren und noch sind, sind Leis-
tungen, wie sie unsere nichtkatholischen
Volksgenossen hierzulande kamn aufzuwei-
sen haben.
Als eine zweite Frueht der allgemeinen
deutsch - amerikanischen Katholikentage
haben wir oben die Staats-Verhände be-
zeichnet. Die erste Anregung ging von der
Chicago 'er Tagung im Jahre 1887 aus.
und Herrn Spaunhorst's Amt.snachfolger,
die Herren Adolph Weixr von Racine,
Xic. Gonm r, Dubu<|ue. und Joh. B. Oilkrrs
von Xewark. liessen sieh die Förderung der
Staats- Verbände äusserst angelegen sein.
Die Organ isirung der Katholiken in den
einzelnen Staaten ist deshalb von grösster
Wichtigkeit, weil die Erfahrung gezeigt
hat, da.ss die für die Religions- und Gewis
'14
DKR DEUTSCHE ROEMISCH-KATHOLISCHE CEXTRAL-VEREIX.
sonsfreiheit f;«>fahrv(»Ilst('ii (Jcsotzo vor
allrin in dvn staatlit-licn Gesetzgebungen
auftaueheu und liier l)ekänipft werden
nuissen. Es entstanden in rascher Aufein-
anderfolge Staats- Verbände in Wisconsin.
Illinois. Michigan. ]Mis.souri. ^Minnesota.
Iowa. Penn.sylvania, New York, Indiana.
Ohio. Kentucky. California, Connecticut
und Arkansas. In einigen Staaten, wo die
deutschen Katholiken in dei" grossen Min-
derheit waren und man ihnen wenig Wohl-
wollen entgegenbrachte, koiniten es die
Staats- Verbände zu keinem erspriessliehen
Gedeihen bringen, in anderen hingegen
wuchsen sie zu wichtigen Organisationen
heran, welche im religiös-politischen Leben
eine bedeutende Rolle zu spielen vermögen
und thatsächlich wiederholt erfreuliche
Siege erfochten, indem sie die Annahme
pfari*schul feindlicher Vorlagen vereitelten.
Aber gerade die Stärke imd das stete
Wachsthum der Staats- Verbände führten,
nachdem der von der ..Catholic University "
ausgeführte Schlag kaum verwunden war.
den Central-Verein einer neuen Krisis ent-
gegen. Die Lokal-Vereine schlössen sich
dem in ihrem Staate bestehenden Staats-
Verbande an und kümmerten sich wenig
um den Central-Verein. so da.ss in abseh-
barer Zeit dessen Autlösung hätte eintreten
müssen, wenn niclit eine AVendung der
Dinge eingetreten wäre. Diese Wendung
wurde herbeigeführt, als die Föderation
kaiholischcr Vereine in 's Leben trat. Diese,
von weitschauenden Alännern — darunter
Erzbiscliof :Messmer und Bischof McFaul
— in 's Leben gerufen, bezweckt die Verei-
nigung von .sännntlichen katholischen Ver-
einen luid Verl)ändcn des Landes zu einer
grossen Central-Organisation. Dem Ge-
danken stinnnten gerade die deutsch-ame-
rikani.schen Katholiken von allem Anfange
an voller Begeisterung zu ; als es sich aber
zeigte, dass der Bestand des deutschen
katholischen Vereinsweseus. das in nahezu
fünfzig Jahren mit schweren Mühen und
Opfern aufgebaut worden war. durch die
junge Organisation hrdrohi wurde, ohne
dass dir Gewähr <jcbofen war, dass das Xeut
besser odrr auch nur rbruso gut sei wie das
Alte, brachte die Erkenntniss der drohen-
den Gefahr die Staats- Verbände, wie über-
haupt das gesaunnte katholische Deutsch-
Amerikanerthum wiedei- in engere Füh-
lung unter einander, und alle fanden sich
zusammen unter dem bewährten Banner
des Central -Vereins. Nachdem seit mehre-
ren Jahren vor allem die Herren Ludwig
Kaufmann, den ims leider der Tod zu frühe
entriss. Jos. Frei/, J. B. Oelkers, G. L. Götz,
Jos. Matt, l\ J. Bourseheidt, A. h'ölble.
Mich. Girten u. A. auf eine Vereinigung
der Staats-Verhände unter dem Banner des
Central-Vereins hingearbeitet hatten, wur-
den endlieh auf den Generalversammlun-
gen zu Evansville, Dayton und St. Louis
Beschlüsse angenommen, welche eine der-
artige lirorganisirung d^s Central-Vereins
ermöglichten.
Solange noch in Iliniderten deutschen ■
Pfarrschulen in deutscher Sprache gebetet i
und gesungen wird . . . ; solange deutsehe -
Priester in grosser Zahl eintreten für die
deutsche Sache; solange wir auf unseren
Tagungen Alitglieder des Episkopats be- :
grüssen können, deren unsere Sprache Her- ■
zenssache ist ; solange noch all.iährlich Hun- ;
derte von Alännern zusammenströmen aus ;
Nord und Süd und Ost imd West; solange
.iunge ^länner. geboren im Schatten di r
Sterne und Streifen, sieh schaaren um di'
Standarte, welche ihre Väter errichtet ; s
lange können wir auf uns anwenden d
Trosteswort imseres Friedrich Wilhelm
W^eber :
Hab' frischen Muth,
Du deutsches Blut!
Auf Gott vertraue
Und um dich haue!
NACHTRAG.
Für aussergewöhnliche Ausgaben hat der Central
Verein, in der ersten fünfzig Jahren, seit seinen
Bestehen die folgenden Summen ausgegeben. I'
Auszug aus den Büchern wurde von Herrn Theotl
Fchliff in St. Louis, Mo., gemacht; überhaupt V'
dankt es der Central-A'erein diesem Herrn, da
Ordnung und System in die jährlichen Be'ichte ge
kommen sind.
DER DEUTSCHE ROEMISCH-
Für Eiuwaiulerer $5,631
Für die in Wisconsin durch Waldbrände
Beschädigten 603
Für die bei dorn grossen Chicagoer
Feuer Beschädigten 6,607
Für das Lehrerseminar in St. Francis,
Wis .'j.026
Für die in New Orleans durch gelbes
Fieber Heimgesuchten 1,239
Für die abgebrannte Kirche in Owens-
boro, Ky 1 "-"^
Für die Kirche und das Hospital in
New Ulm. Minn 1.669
Für die 1883 in Deutschland durch
Ueberschwemmung Beschädigten... 4.247
KATHOLISCHE CENTRAL-VEREIN. 715
76 Für die Indianer-Mission 340 91
Für den Peterspfennig für Papst Pius
00 IX. und Leo XIII 3,142 98
Für den Peterspfennig von 1893 bis
44 1904 :!.nO() 00
Für die Verunglückten in Ualveston,
89 Texas lOO Ou
40 Im Ganzen $31,782 35
ji^g Ausser dieser Summe wurden noch viele Beisteu-
ern geleistet für verarmte (iemeinden, abgebrannte
,jQ Kirchen etc., welche von den Vereinen direct ein-
geschickt wurden und nicht durch die Bücher des
08 N'ereins gingen.
PHILIPP MATHIAS WOLSIEFFER.
der Vater des Deutschen Maennergesanges in Amerika.
it^ S^utörh^tt ^aritgrr unö Sururr,
Zur Geschichte des Deutschen Maenner-Gesangs und
des Nord-Amerikanischen Saengerbundes.
Aus dem offiziellen „Festbuch fuer das 32. Nationale Bundes-Saengcrfesl des Nord-
Amerikanischen Saengerbundes", Indianapolis, 1908.
Der weltliehe vierstimniigre ]\Iännerge-
sang (von den sehon früher übliehen reli-
giösen Ge.säugen für ^Männerstimmen soll
hier nicht die Rede sein) wurde durch den
Salzhurger Domorganisten ^Michael Ilaydn.
der im Jahre 1788 die ersten deutschen
„Männerquartette ohne Begleitung" im
Druck erscheinen Hess, in Deutschland ein-
geführt.
Dem Beispiel Haydn's folgten Nägeli
(geb. 1773) in der Schweiz, L. v. Call (geb.
1779) in Wien und Carl Friedrieh Zelter
(geb. 1758) in Berlin. Letzterer gründete
unter dem Beirath des Dichters Goethe am
28. Dezember 1808 zu Berlin den ersten
deutschen ]\Iännergesangverein, der aus-
sehlies.slich aus Dichtern, Komponisten
und Sängern bestand und nach dem Vor-
bilde von König Arthur 's Tafelrunde ..Lie-
dertafel" genannt wurde.
Bald darauf begannen die Befreiungs-
kriege, in denen die alten Barden, ..Helden
und Sänger zugleich'', wiedererstanden.
Kömer, Schenkendorf und Arndt ihre ei--
greifenden Vaterlands- und Kriegslieder
sangen, Carl ]Maria v. Weber. Reichardt,
Sucher, Kreutzer und andere für vierstim-
migen IMännerchor komponirten mid dem
deutschen Volke zu den aus früheren Jahr-
hunderten ererbten Volksliedern einen
neuen Schatz der herrlichsten Lieder gaben,
die, millionenmal gesungen, in manchen
Trübsalstagen Tröstung brachten, die Er-
innerung an die Grö.sse des Vaterlandes im
Volke bewahrten, an die Ziisammengeliörig-
keit der deutschen Stämme mahnten (..Das
ganze Deutschland soll es sein!") und
sclum fünfzig Jahre vor der Wicdcrei-ste-
hung des dcutst-hen Rcidifs ein ..DiMit.sch-
land an Herzen" sehutVn.
Der Zelter 'sehen Liedertafel in Berlin
folgten bald solehe in Frankfurt an der
Oder. Leipzig luid anderen Städten. Ks
kam zu gegenseitigen Besuchen benach-
barter Vereine. Es entstanden Gau- und
Landesverbände zum Zweck gelegentlicher
Zusammenziehung grös.serer Sängermas.sen
und der Abhaltimg von Sängerfesten, bis
endlich, im August 184"), zu Würzburg in
Bayern das ..Erste allgemeine Deut.sche
Sängerfest" stattfand, inid 18(52 zu Coburg
der ..Allgemeine Deutsche Sängerbund" ge-
gründet wurde.
Mit den EmigrantenschitTen zog das
deutsche Lied auch über 's Meer, um. wie es
in der alten Ileimath nicht ausseid iesslieh
musikalischen Zwecken dient, sondern noch
eine höhere ]\Ii.ssion erfüllt, so auch im
neuen Vaterlande die Erinnerung an das
alte wachzuhalten und dem jimgen Nach-
wuchs mit seinen süssen M«'lodien auch die
Sprache unserer Väter vermitteln und er-
halten zu helfen.
Als der älteste Mäniu'rgesangverein in
den Vereinigten Staaten gilt der auch heute
noch bestehende ..iMiiladel!)hia .Männer-
ehor". der 1835 gegründet wurde und dem
der ..Liederkranz" von Baltimore und der
..Liederkranz" von New Orleans folgten.
Das erste deutsche Sängert'est in Ame-
rika und die gleichzeitige (Jründung des
Xord-Amerikanisehen Sängerbundes fand
im Juni 1849 in Cincinnati. Ohio, statt. Es
waren dabei zugegen: drei Gesang\'erein(«
720
1H:H NOKDüKSTLKllK SAENLJEHBrXD \()\ AMEKIKA.
von Cinoinnati. t'in N't'n-iii von Mnilisoii,
Ind., der „LiederkriUi/:* von l^ouisvilk',
Ky.. und eine l)oK'«riition vom ..Colinnbus
Männfrchor". Colunilms. 0.
Von 1840 bis zum liürircrkriege fanden
die Feste des Nordamerikanisclien Sänger-
bundes jährlifh statt und /war:
Ort Jahr
1. Cineinnati. 0 1849
2. Louisville, Ky ]8r)0
J. Cineinnati. 0 18:)1
4. Columhus. () ^Ss2
ö. Dayton. () 1853
6. Canton. 0 1854
7. Clevelaiul. 0 1855
8. Cineinnati. 0 1856
9. Detroit. Mieh 1857
10. Pittsburg. Pa 1858
11. Cleveland. 0 1859
]-2. P.ufTab). X. Y 1860
Vereine
Saenger
5
118
7
125
13
247
12
20U
8
121
12
146
18
200
19
300
17
144
16
200
24
400
25
450
AVegen
der grossen Ausdehnung des
Landes und der frülier noch sehr mangel-
haften Keisegelegenheiten (die New York
& Erie-Bahu erreichte Dunkirk erst 1851,
und die Baltimore & Ohio Wheeling erst
1853) wurde aber die Gründung mehrerer
Sängerbünde not big. Und so entstanden
neben dem Nordamerikanisclien, dem
ältesten Sängerbimde, 1850 der „Nordöst-
liche Sängerbund", 1852 der ,,Deutsch-
Texanische" und 1855 der ,, Nordwestliehe
Sängerbimd" u. a.
Nach dem Bürgerkriege fanden dii3
Sängerfeste des Nordamerikanischen Sän-
gerbundes in grösseren Zwischenräumen
statt :
Ort
Jahr
1865
1866
1867
Vereine Saenger
13. ('(»luiiibns. ()....
14. LouisviUe, Ky., . .
15. Indianapolis, Ind.
16. Chicago, 111 1868
17. Cineinnati, 0., . . . . 1870
18. St. Louis, Mo 1S72
19. Cleveland. 0 1874
20. LouisviUe, Ky 1x77
21. Cineinnati. 0 1870
17
31
34
58
61
52
56
32
39
300
800
1000
1200
1800
1400
1600
1000
1100
Ort
22. Chicago. 111. . ,
23. BuflFalo. X. Y. .
24. :\Iilwaukce. ^Vis.
25. St. Louis. :Mo 1888
Jahr
Vereine
Saenger
1881
46
1400
1883
72
2100
1886
85
2482
1888
80
2208
1890
64
1700
1893
85
2200
1896
99
2300
1899
120
2757
1901
105
2600
1903
121
3037
26. New Orleans. La. .
27. Cleveland. 0
28. Pittsburg. Pa. . . .
29. Cineinnati, 0. . . .
30. Buftalo. N. Y. . . .
31. St. Louis, Mo. . . .
Bis zum 23. Sängerfest fehlte aber noch
immer der Süden im Bunde. 1883 begab
sich der Leiter des 1882 gegründeten „New
Orleanser Quartett-Clubs", Prof. J. Hanno
Deiler von der Tulane Universität, zu
Bcobacbtungszwecken zum Sängerfest naeli
ButlaUx und auf seinen Bericht entsandte
der Quartett-Club 1886 ein Doppelquartett
mit einem Sängergruss zum Bundesfest
nach IMilwaukee, wo ,.die ersten Schwalben
des Südens" eine so herzliche Aufnahme
fanden, dass sie ihren förmlichen Anschluss
an den Nordamerikanischen Sängerbund
beschlossen.
Zum 25. Bundes-Sängerfest zu St. Louis,
]\Io., (1888) erschienen bereits zwei New
Orleanser Vereine. Es waren der „Quar-
tett-Club" und der ..Frohsinn" mit je 20
Sängern, wek-he am zweiten Festtage in
einer Solonummer („Vom Rhein" von Max
Bruch) miter Deiler's Direktion einen sc
durchschlagenden Erfolg erzielten, dass die
Bundestag-satzung einstimmig und mit
grosser Begeisterung beschlo.ss, das nächste,
das 26. Bundes-Sängerfest, in New Orleans
zu feiern.
Das New Orleanser Sängerfest, an wel-
chem sich auch der Deutsch-Texanische
Sängerbund betheiligte, begann am 12.
Februar 1890 und war nicht nur in ge-
sanglicher, finanzieller und sozialer, son-
dern auch in internationaler Beziehung
vom schönsten Erfolg begleitet. All-
Kreise der Bevölkerung der Ilalbmond-
stadt wetteiferten, den Fremden Gast-
freundschaft zu erzeisren. und der franzö-
DER NORD AMERIKANISCHE SAENGERBUND.
72 F
sische Gt'sangvt'rt'in ..I/Orplu'on" cih.it
sich die Ehre, die deutschen Sänj^cr im
Eiiipfanjrskonzert mit cim-m fnmzösischen
Chor hcirrüsseii zu dürtVn.
Die Bundesbehörde des New (^rh'anser
Sänjrerfestes l)escldoss auch, eine ottizielle
l)elc<rati()n zum Vierten Ali^'emeint-n Deut-
schen Humies-Sän«rerfest nach Wien zu
senden, um den Sängern Deutschhinds und
Oesterreiehs die Grüsse des Xordamerika-
nisehen Sängerhundes zu entbieten.
Das 27. Bundes-Sän gerfest fand 18!):^ in
Clevehind. 0.. und das 2S. ISiKi in Pitts-
burg. l^l.. .statt. Beide Feste zeichneten
sich durch gesangliche Lei.stungen aus und
gaben das Bestreben kund, dem ]\[as.sen-
chor im erfreulichen Gegensatz zu manchen
früheren Festen, keine allzu schwierigen
Aufgaben zu .stellen.
Schon seit vielen Jahren hatte sich das
Bedürfniss fühlbar gemacht, dem Nord-
amerikanischen Sängerbund, der bis dahin
eine nur sehr lose Vereinigung war, die
sieh nach jedem Sänger fest auflöste und
von jeder neuen Feststadt durch neue Agi-
tation wieder zusammengesucht werden
musste, eine feste und dauernde Organisa-
tion zu geben, weshalb in Cleveland ein
Komite zur Ausarbeitung einer neuen Kon-
stitution eingesetzt wurde. Der Bericht
dieses Komites wurde in Pittsburg ange-
nommen, und dadurch neben den Festaus-
sehüs.sen der Fest.städte eine Bundesbe-
hörde geschaffen, deren ]\Iitglieder in ihrer
Mehrheit in jenen Städten wohnen, in
denen die letzten Bundes-Sängerfeste ab-
gehalten wurden, so da.ss der Bunde.sleitung
jetzt also die Erfahrungen der Vergangen-
heit und persönliche Verbindungen mit den
Vereinen in den verschiedenen Theilen des
Landes zu Gebote stehen.
Im Juni 1899 feierte der Nordamerika-
nische Sängerbund in seiner Geburtsstadt
Cincinnati .sein Goldenes Jubiläum, das 29.
Bundes-Sängerfest, zu welchem 120 Ver-
eine mit 2757 Sängern erschienen und von
allen Sängerbünden, auch vom ..Allgemei-
iKMi Dcut.schen Sängcrbinid" in Deut.seh-
land. die herzlich.sten Glückwüns<'he darge-
l)raclit wurden. Die vollendete Wieder-
gäbe seiner Ma.s.senchöre l)ildete die Krön«-
des Jubelfestes des Bundes und einen wür-
digen Abschlu.ss des ersten halben Jahr-
luniderts .seines Bestehens.
In Cinciiwuiti nuichte auch licr weitere
Ausbau des nun permauenfen Bundes er-
freuliche Fortschritte. Die i,, l'ittsburg
angenommene Kon.stitulion hatte sich in
mancher Beziehung nicht bewährt, da sie
mehrere längst als iiothwendig erkannte
Reformen unberücksichtigt gela.s.sen und
manche mir für eine lose Vereinigung zu-
lä.ssige Gesetze in den permanenten Bund
hineingetragen hatte. Diesen Verhält nis.sen
Rechnung tragend, unterbreitete Bundes-
präsident Deiler aus New Orleans in Cin-
cinnati einen neuen Kon.stitution.sentwurf,
welcher von der Bundessitzung ohne we-
sentliche Aenderungen angenonunen wunle.
Die neue Konstituti(m bezweckt, den
Sängerfesten des Bundes, die im Lauf der
Jahre, im Widerspruch mit ihren ur-
sprünglichen Zielen, immer mehr zu
Musik- und Künstlerfesten geworden
waren, durch heilsame P^inschränkung der
Programme der beiden Hauptkonzerte, in
denen der Bundes-Ma.ssenchor auftritt, den
Charakter wirklicher ,, Sänger "-Fi^te zu-
rückzugeben und dem dcut.schen Männer-
gesang die ihm auf diesen Festen ge-
bührende erste Stelle zu sichern.
Es wurde darum in der neuen Konstitu-
tion die Kontrolle über den Ma.s.senchor,
die Wald des Bundesdirigenten, wie auch
die Aufstellung und Durchführung der
Progrannne für die beiden IIau|»tkonzerte,
in denen der Ma.s.senchor auftritt, den Fest-
städten entzogen und der Bundesbehörde
übertragen, die dur<*h einen aus erfahrenen
Dirigenten best«*henden ,, Musikalischen,
Beirath" verstärkt wunle
(ileichzeitig wurde angeordnet, dass in
den beiden Haupt konzerten nur Mtisscu-
Männerchöre. Einzelvorträge auserlesener
722
DKK NORD AMKKIKAXiyCHE SAEXGERBÜND.
^läimcrposantrvereine und Städtcvcrhin-
diui^'cii. sowie cinifTo On-lu'sttM'vortriiirc die
als Atlinmnirspaiisen für die Säii<rer ^'e-
dat'lit sind, au fire führt werden sullen. liin-
peijen selhstiiiidi^'e Solonumirierii für
Künstler lind Künstlerinnen, als dem
waliri'U Felde d<'s deutschen Mäunerf^e-
sanirs — dem N'olksliede und dem volUs-
thündiehen (Jesani;e — entfjejjeng'esetzt, ver-
l)<>ten sind. I><ii Feststädten soll es indess
unhenommen sein, zur Feiei- des Festes
weit«M-e Konzerte zu vei-anstalten und da-
füi- Prii^M-anune ei«rener Wahl aufzustellen
und durehzufühi'en.
Kndlieh wui'de dureh die neue Konstitu-
tion die Bezirksorjjanisation eingefülirt. lun
einen enjr**ren Ansehluss benachbarter Ver-
eine herbeizuführen und i<leineren Städten,
welelie die Ausjifaben ijrösserer Hundesfeste
nicht erschwinjjen können, Gelegenheit zur
Veranstaltiniir von Bezirksfesten zu bieten.
Auch wurde die IIeraus<rabe eines Bundes-
Liederbuches angeordnet und das Ganze,
dem Charakter eines pernuuu'nten Verban-
des entsprechend, fester crefüsrt.
Der .sofortigen Durchfühi-ung dieser Re-
formen stellt en sich naturgemäss auch
Schwierigkeiten entgegen, doch wurden
<lie.se überwunden, und das schon im Jahre
liXll während dci- Painunerikanischi-n Aus-
stellung in der schönen Lake ?]rie-Stadt
Hutfalo veranstaltete -Mh Nationale Bundes-
Sängerfest zeigte in der Aufstellung der
Pi'ogranune für die ])eiden ^lassenehor-
Konzerte ilas Bestrel)en, die in der neuen
Konstitution niedergeleizten Tdeen durch-
zuführen.
Das iiulfalo'er Fest i'cdite sicli seinen
Vorgängern in musikalisdier Beziehung
würdig an. und am-h das luianzielle Ergeb-
ni.ss war zufriedenstellend, doch wurde die
Erfahrung genuicht. dass es nicht rathsam
ist. ein Sängerfest zu vei-anstalten, wenn in
dei- Feststadt zur .selben Zeit in einem von
i]vv Festhalle weit entfernten Stadttheil
eine gros.se Ausstellung stattfindet. Proben
und Konzertbesueh leiden darunter, und
fui die physische Kraft der Sänger, welche
Ausstellung und Sängerfest mit einande.-
\eri)inden wollen, wei-den zu liohe Anforde-
rungen gestellt.
Zu seinem ^\ . Nation den Bundes-Sän-
gerfest versammelte sich der .Nordamerika-
nische Sängerl)un(l in der Stadt St. Louis.
.Mo., wo sclion 1872 luid 1888 Sängerfe.ste
abgehalten woi'den wai'cM. deren Traditii»-
iieii im N'ei'cin mit der Begeisterung und
Energie, mit welclier Festausschuss um!
Bürgerschaft di(^ Vorbei-eitungen in Aii-
gritf' nahmen uiul der tüchtigen Geschäfts-
leitung lies grossen rnternehmens zu den
schönsten Hoffnungen berechtigten. Und
diese Hoffnungen wurden erfüllt.
Zur Festhalle wunle dem Nordamerika-
nischen Sängerbund das ..Liberal Arts
Building", ein riesiger Bau der Weltau
Stellung, zur Verfügung gestellt, und di
die Ansstellung damals noch nicht eröffnet i
wai'. that sie unserem Fest auch keinen -j
Eintrag. AVir hatten vielmehr alle Vor
theile der grossartigen Ausstellungsanstal-
ten und Verbindungen ohne ii-gcmd welchen •
Abbruch.
Gleich bei der rebernahme des Feste«;
hatten die St. Loniser verspr(»chen. die neue
Konstitution nicht nur dem Buchstaben. ■<
sondern auch dem Geiste luich loyal diu-ct
zuführen. Fnd dieses Versprechen wunN
voll eingelöst, l'eber den Eindruck d'
ganz dem Männerchor geweihten beidcii
Hanptkonzerte in St. Louis herrscht mir
eine Stimme — er war überwältigend.
Den St. Louisern gebührt auch das Ver-
dienst. de;i ersten Bezirksvei-band gegriin
det zu haben. Diesem folgten seither ii«»<li
fünf Bezirksverbände, welche jährlicli'
Bezirks-Sängerfeste abhalten und sehr vi'
zur Btlege des deutschen Liedes und zm
Hebung des deutschen Lebens in den Vd
einigten Staaten beitragen.
Das 32. Bundes-Sängerfest wurde in d.
Tagen vom 17. bis zum 20. Juni 1908 r
Indianapolis. Ind.. gefeiert. Eine iden
l>i;i: NOK'I) AMKHIKANISCIU-: SAKNCiKHHlNI).
723
Feststadt. ein liDflilHTzi^rj's. opfcrwillijji's
Deutsclithum. tüfliliirc Lokalvcrciiie mit
VenMiispalästcii. ciin' |>riiclili«;i* Fcslliallf.
hcrrliclir licistuii^fii des Massonclutrs iiikI
der Hinzclvorträ«;»' und i-ndlidi iiocli ein
bcträchtlicht'r rclMMNcliuss in di-r Fest kassc
— allt's V('i-('init;tt* sich, um dieses Fest zu
einem <ler glänzendsten und denkwür-
di«rstfn des Xurdamerik.iniselien SänjrtT-
hundes zu maelu-n. l'nd n(»eli etwas I Ks
fand «lort eine Verbrüderuiiir der deutschen
Sänjrer mit den deutschen 'rui-nern statt.
Als sich vor dem hci-i-lichen Ki-ic<:cr-
denkmal 170 Fahnen deulsclier \'ereine vor
dem von einei- liehren (icrmania auf i-eich
treschmückten \Viif;en t;.'iramMien Sämfer-
huiuleshanner neijften. erschien, zum ersten
Mal in der (Jesehichte ih'r zwei grossen
deutsch«*n liündc. ;iu<h dir Hundesfahiit'
des .N'ordamerikanischcn Turnerltuiules
zum nuldiuMUi(rsakte. ..Ilalit Dank, ihr
Söluic .lahn's. für diesen Mruderpruss'".
rief Bundespräsident |)«'iler in s«'iner An-
sprache am Fusse ties Denkmals den Tur-
nern zu. ...Mii^'en unsere Verhänd«« einan-
der stets tue Hände reichen, wann un<l wo
immer es früt. für die I(h'jde unseres
N'oikcs einzustehen."
Das nächste liundes-Sän^ferfest wird im
Jahre lf>n in .Milwaukee, Wis.. aht^ehaiten
worden.
S. K. SAENGER,
Ehrfn-Praesident der Vereinigten Saenger von Brooklyn und einer der um das
deutsche Saengerwesen verdientesten Maenner des Nordoesilichen Saengerbundes.
Der Nordoestliche Saengerbund von Amerika.
Nach C. F. HUCH'S
„Die Entstehung und Entwicklung der Saengerfeste in den Nordoesllichen Staaten".
Anrotrung zur (Jrüiuliiii»; (l<'s Xordöstli-
chen Sänfrcrhuiulos. die am IG. Juni 18ÖU
in der „Militarv Hall" in dt-r Lilinirv
Strasse in IMiiladelpliia ert'oljrte. jral> der
am 2. Juni 1841) in Cincinnati in 's lichm
gerufene Xordanierikanisclie Sängerbund.
Vorher hatten bereits deutsehe Musikteste
im Osten der Vereinigten Staaten stattge-
funden, nachdem am 1"). Dezendjer 1885
von Philii)p Mathias AVolsiefFer der ..Män-
nerchor" in lMiihul«'Iphia. am 30. Dezendjer
1836 von ebendemselben Dirigenten in Hal-
timore der ..Baltimore Liederkranz", am
4. Augu.st 1844 in Philadelphia die ..Lieder-
tafel", 1845 in New York der (Jesang-
Verein der Soeial-Reformer. am 9. Ja-
nuar 1847 der „Deutsehe Liederkranz" in
New York und im Jalire 1848 die Gesang-
Vereine ,.Eintracht". „Cäeilia" und ..Sän-
gerbund" in Philadelphia und ..Concor-
dia" (p]intraeht). ..Rheinischer Sänger-
bund" und ..Sängerrunde" in New York
gegründet worden waren.
Das erste !Musikfest fand am 27. Mai
1844 in Philadelphia statt, als WolsietVer
mit 24 Sängern des Baltimore Liederkran-
zes den ^lätniercljor besuchte und mit bei-
den zusammen ein Konzert in der ,, Musical
Fund Hall" veranstaltete. Es folgten
Musikfeste am 27. Septendier 1844 in Bal-
timore und am 31. Mai \nid 1. und 2. Juni
1846 in Philadelphia. An letzteren l)et hei-
ligten sich ausserdem noch die Philadel-
phia Liedertafel und der mit dem Männer-
chor verbundene Frauen -CJcsanL'- Verein
Harmonie.
Das erste gros.se Sängerf«»st des Ostens
fand in den Tagen vom 15. — 18. Juni 185(1
in ]'hiladelj)hia statt. Die Philadelphiaer
Vereine hatten sich zu einem Allgemeinen
CJesang- Verein von IMiiladelphia vereinigt
und waren die Fcstgelx^r. An dem Sänger-
feste betheiligten sich folgende Vereine:
Deutscher Liederkranz. So<'ial-Reform-(je-
sangverein. Sängcrrinide und Eintracht
von Xew York; Liederkranz und Bundes-
gesangverein von Baltimore: Deutseher
Männerge.sangverein von Xewark; Gesang-
Nt-rein von Boston; Männerchor von Read-
ing mul Sängerl>und von Bethlehem, zu-
sannnen 15 Vereine mit etwa 400 Sängern.
Diesem ersten Sängerfcste folgte zuerst
jährlich, und später in gn"»sseren Zwisehen-
i'äumen. eine Reihe von allgemeinen Sän-
gerfesten, nändich: In Baltimore 1851
(500 Sänger). Xew York 1852 (31 Vereine
aus 13 Städten mit 800 Sängem). Phila-
delphia 1853 (35 Vereine aus 15 Städten
mit 850 Sängern). Baltimore 1854 (31 Ver-
eine aus 10 Städten mit 700 Sängern). Xew
York 1855 (34 Ven'ine aus 16 Städten mit
870 Sängern), l'hiladdphia 18.57 (59 Ver-
eine mit 1.47.3 Sängern I. Baltimore 1859
(49 Vereine mit 989 Sängern). Xew York
1865 (83 Vereine mit 2.390 Sängeni). Phi-
ladelphia 18(i7 (105 Vereine mit 2.937
Sängern). Baltimore 1869 (62 Vereine mit
2.023 Sängern). Xew York 1871 (72 Ver-
eine mit 2.937 Sängern). Philadelphia 1882
(58 Vereine mit 1.831 Sängern). Brooklyn
1885 (71 Vereine mit 2.20(1 Sängeni V Bal-
timore 1888 (174 Vereine mit (i.O(K) Sän-
gern). Xewark 18!»! ( 148 Vereine mit 4.(K>0
Sängeni). Xew York 1894 (1()6 Vereine mit
5.0<'M) Sängern). Phila(h'lphia ls:»7 (164
Vereine mit 5.3(K) Sängeni). BnM)klyn 1!»00
(174 Vereine mit 6.(M)0 Sängern). Balti-
more 1903 (147 Vereine mit 4.800 San-
726
\)\:U NOHDOESTLTf'HE SAENGERBUND VON AMKKMKA.
^iTii) uiul Xi'waik 1 !>(><) (KiT Veri'ine mit
5.46}) SänfrtTii).
Diese allfjeineiin'ii Siiiifrerfestc wiiidni
im Namen des Xonlöst liehen Säntrerhundes
vnn Amerika «reliaitt-n. ^\^'V. wir rrwälint.
am H). Juni 1850 f;e«;rinulet wurde, aber
ei*st im Jahre ISGH zu einer festen Organi-
sation gelan«rte. Ausser diesen »rrösseren
Festen fanden mtch viele kleinere statt, be-
sonders in Pennsylvanischen Landstädten,
zu denen tue Festgeber befreundete Ver-
eine einluden.
Das erfolgreichste Sängerfest vor dem
Bürgerkriege war das im Jahre 1S57 in
Philadelphia abgehaltene. Aueh das im
Jahre ISfJT in Philadelphia abgehaltene
Sängerfest erfreute sieh eines noeh nieht
dagewesenen Hesuehes. Es hatten sieh
2.J1.S7 Sänger dazu eingestellt. Dieses Fest
führte auch zu einer festeren Organisation
des Bundes, der bisher sieh ,, Allgemeiner
Oestlieher Sängerbund" genannt hatte.
Xaeh der anfangs des Jahres 1868 ange-
nonnnenen Verfa.ssung erhielt der Bund
den Namen ..Nordost lieher Sängerbund von
Amerika". Denniaeh sollte ein Sänger-
fest alle zwei Jahre in den drei Bundes-
städten I*hiladelphia. Baltimore und New
York stattfinden. Als Ko|)fgeld für jeden
an dem Feste theilnehmenden Sängin- soll-
ten $2 zu entrichten sein. Bezüglich des
Preissingens wurde Iwstimmt. dass das-
selbe vor dem Ilauptkonzerte abgehalten
werden müsste. dass die Preisriehter ihr
Urtheil zu begründen hätten, imd dass ein
Sänger nur ein M;il auftreten dürfte.
Das Preissingen.
Das erste Preissiiigen — eine vielfach an-
gefein<lete Institution, aber doch von we-
sentlichem Werth für die Hebung des ]Män-
nergesanges — fand beim dritten allge-
meinen Sängerfest 1852 in New York statt.
Zwölf Vereine betheiligten sieh daran mit
selbstgewählten Liedern. Xui- die Vereine
der Feststadt waren davon ausgesehlossen.
Dei- .Junge MäntK rclior von Philadelphia
gewann den ersten Preis, ein Fahnenband.
ih'V Liederkranz von Hartford, Conn., den
zweiten.
Vierzehn Vereine ))etheiligten sicli am
zweiten l^reissingen, das erst bei dem New
Yorker Sängerfest im Jahre 1865 statt-
fand. Den ersten Preis, eine Standarte, er-
rang der SängerbiDid von Philadeli)ina, den
zweiten, einen .silbernen Pokal, der Junge
Männ< rehor von Philadelphia. Preisrieh-
ter waren Meierhofer. Tinnn und Thomas.
In Philadeli)hia erhielt 1867 den ersten
l'r( is unter 15 Vereinen der Deutsche Lie-
derkranz von New York, bestehend in einer
gestickten Standarte, den zweiten, einen
silbernen Pokal, der Quartett-Klub von
Ilobokoi, den dritten, ein gestiektes Fah-
nenbaud. der Teutonia Männerchor von
Xew York. Die fünf Preisriehter waren
Carl Gärtner. AVilhelm Fiseher. F. \Vm.
Künzel, W. Hartniann und C. Heinemann.
Ihre Entscheidung rief grosse Erbitterung
hervor, trotzdem sie gerecht war. Von hier
an wurde das ..Kicken" über die Preisrich-
ter - Entscheidungen ein unangenehmer
Nachklang sä mmtl icher Sängerfeste.
Bei dem nächsten Sängerfeste. 1869 in
Baltimore, wurden die Vereine in zwei
Klassen eingetheilt ; die weniger als 46
Sänger zählenden bildeten die zweite Klas-
se. Die Preise, die in Klavieren bestanden,
fielen in der ersten Klasse dem Deutsehen
Liederkranze von New York und dem
Jungen Männerehor vcm Philadelphia zu,
und in der zweiten dem Quartett-Club von
Jloboken und dem Sängerbund von ira.s/j-
ington. Die Preisrichter Lenschow. Till-
mann. Szemelenyi. Rosewald und Jul.
.Miller empfahlen, beim nächsten Preis.sin-
gen jeder Klasse dasselbe Lied vorzu-
schreiben.
Dies geschah denn auch 1871 in New
York, wo die Vereine in drei Klas.sen ein-
getheilt wurden. Die Preise der drei
Klassen, ein Konzertflügel, ein Pianino
und ein Bücher- und Notenschrank.
1>KR NORDOKSTLHIIK SAKNCKKHrNI) V«)\ AMKKIKA. 727
wMuh'n xim ilv\i\ (it iniaiiia Miimtnrlinr Vitu 4 iM-stimiiit. so dass «|ii> hiichsti' Ziff»T für
lialtiinnrr, «Icr (Imnil Sociili/ von W'asli- i-incii X'cn'in S(» l)»'lni^«'n koimtf. Si«' soll-
iiKjtoii und titr I.i) )fi rtaf« I von liiifhilo er- li-ii riicliis von «'injnnlt'r wissen, ^'i-tn-nnt
run^'cn. IMfisriiliti-r wann (' Tiimii. F. im Saale sitzm und am Srlihissc ihr Irtln-il
von Hreuiiiiijr. S. l\ Warnn. K. I,. Hiitcr versie^relt al>frel>en. Die Preise wurden fol-
iiiul (i. Mat/ka. trt'nden N'ereinen zuerkannt : der rr.s/r /VmW
Bei dem l*reissintr,.n in IMiiladelpliia ISSi' in dei- ersten Klasse dem Jiiinfin Mämitr-
erlaul)te man den naeh ihrer Mit^rliederzahl (hör von l'hHatli liihiti mit 70 l'unkten. drr
in drei Klassen einjretheilten N'ereinen zinitr d«*m Mäiiiiwchnr von l'hHadi liiliia
wieder, ihre Liedei seihst auszuwählen, und mit »IS Punkten, der drUli dem Ari(ni von
die Preise, die in prachtvoll ein<rerainnten .\tir(ii/i mit (17 Punkten, der M-.s7f I'n is in
Diplomen hestan<len. wurden den fol<rendeji (h-r zweiten Klasse dem Oijtln iis von Huf-
Vereinen zuerkannt: Kinzijxei- Preis der /'//" mit 7t> Punkten, der c*rf j7» dem /'»//»» /•
♦Masten Klasse dem (i( nitaiiia Miiiiii» rrlmr Miimn rrlmr \nu limokhfii mit 75 Punkten,
von /i«////;»<</> . ei-ster und zweiter Preis der der tlrUh ih-m l'liniiix von .\nrark mit
zweiten Klas.se dem Fmhsiini von l'itfshiirtf 7-"Pj IMuikten. dei- < rsh l'n is in der
un<l d«Mn SÜHfft rhiiiuh von limol;! ipi und dritten Klasse «lern l\niilz<r (^iinrttlt
der einzijje Preis der dritten Klasse ('hih von .\i ir Yml; mit <•!» Punkten,
der Vir>jinia von Ixiclniitnid. Preisrichter der zirnti der Hiiilrachl von Xiirai'k iidt
waren Wm. WolsietTer. I.. Kn<relke. Kmil <iS Punkten und der dritt) dem Qnor-
(Jastel. A^'r. Paur von New York und II. ft H-('lid) von riiiladt Iphin mit »17 Punkten.
Schwin«; von Paltimore. |i,.i ,i,.,„ pn-issin^ren in Xewark iSfM
In Brooklyn issr> wählte jeder N'crein wurde wi«'der eine .Xeueruu'r ein«reführt.
ahernuils sein eijjenes Lied, und die Preise Auch Städtevereinij.'un^en durften theil-
der drei Klas.sen. die in silhernen Khrcii- nehmen. Doch während für die Vereine
kränzen he.standen. wurden folgender- .jeder Klassi* wieder ein Lied vor«;eseh riehen
nu»s.sen vertheilt. Die zwei Preise der ersten war. durften die Städtevercini^run^'cn ihre
Klasse erliielten der (linmiiiiii Mäiuu rchur Lieder seihst wählen, was auch hei späti-ren
von Ii(dlinn>r( luul der Müinn rclntr von Sänir<*rfesten erlaul)t war. Die Preisrichter
Philadelphia, in <ler zweiten der Frohsinn waren IL .Moseiithal. Dudley Bück. A.
xtm l'iftshi(ri/ um] iV\t' Li( dnf<ifi I \im Huf- N'euendorfV. IL Zöllner und .Max Braun.
falo. inid in der dritten die Harmoni« von Die hiichste mö«rliche Purd<tzahl war l'J."».
Baltinion inid der Concordia Miinm nhor Am Städtepreissin^'cn lietheilitrten sich
von Carlstadl. Preisrichter waren A. Pain-. Brooklyn. Baltimore. Troy. Philadelphia.
Max Spicker. .lulius Iv .Meyer. Dudley .\ew York und Trenton. un<l der Preis, die
Bück und Alexander Hihm. Biisti Franz Sihnhnts, fiel l'hiladi Iphia
Beim nächsten Preissin^'en in Baltimore durchs Loos zu. da Baltimore die j;lei<-he
1HS8 wurden die .Namen der fünf Preis- Pindstczahl. IL"), erhalten hatte. Die an-
richter erst hei der Preisvertheiluntr l>e- deren Preise, in Diplomen hestehend. er-
kannt treniacht und ihre Kntscheidun«r zum ranircn die fo|«reiiden Vereine: den i rsh u
eisteiniiaie in Punkten «rejrchen. Ks waren t'n is in der ersten Klasse der Männi rrhor
('. Lenschow. .1. Hosewald. Kichard Ort- von Fhihiih Iphia mit IIS Pinikten. den
mann. Heinrich N'cts und Karl Kaiser, jr. zinittn <ler Aritni von lirookhfn mit 1 1 1 ''V
Als (Jrundlatre der Beurtheilun^' waren Punkten. <len i rsh n l'n is in der zweiten
vier Punkte fest^resetzt. näudich : hitnna- \\\;i^sr i\i\- (Jnarli Il-Cl nh \nu l'hiladt Iphia
tion. Präzision. Aussprache. AutTassunjr mit lL'4 Piuikten. d«'n zinitni die //r/r-
und Vortrajr. und für jeden die (irade Ohis nionii von Ihdiinuni mit Vl'l Piuikten,
728
DKR XORDOESTLTCHE SAENGERBUXD VON AMERIKA.
den ersten Preis in der dritten Klasse die
'Concordia von l'hUaiUlphia mit 115 Punk-
ten, den zweiten der Franz Schubert Män-
nerchor von New York mit 109'/^ Punkten.
Für das Preissinpren 1894 in New York
galten folgende Regeln : Für die erste und
zweite Klasse .sollte es in Kunstgesang ])e-
stolien und für die dritte ein Volk.slied aus-
gewählt werden ; fenier sollte auf je drei
preissingende Vereine ein Preis fallen. Die
ersten Preise für die Vereine bestanden in
jeder Kla.sse in Klavieren, ferner gab es
silberne Pokale und Kränze, sowie Bilder
Für die Städtevereinigimgen der ersten
Klasse war die Bromehiiste Beethovens be-
stimmt und für die der zweiten ein seide-
nes Banner. Den ersten Preis in der ersten
Klasse ei-raug der Junge Männerchor von
Philadelphia mit 115 Punkten, den zweiten
der Arion von Brooklyn mit 114 Punkten,
luid den dritten der Orpheus von Buffalo
mit 105 Punkten, den ersten Preis in der
zweiten Klasse der Williamshurgcr Sänger-
bund, den zweiten die Harmonie von
Xewark. den ersten Preis in der dritten
Kla.s.se der Syracuser Lieelerkranz, den zwei-
ten der Brookh/nrr Männerchor. Den
Städtepreis der ei-sten Klasse erhielt Brook-
lyn, den der zweiten Hudson County. Preis-
richter waren H. Balatka, Chicago; E.
Ilanno. Xew Orleans; L. Ergott. Cincin-
nati ; J. INIosenthal und F. Damrosch, New
York.
1897 sangen in Philadelphia acht Vereine
in der ersten Klasse, elf in der zweiten und
sechsimddreissig in der dritten. Die Preise
für die Vereine bestanden in hal])erhabenen
Metall-Bildern der Komponisten der Preis-
lieder, silbernen Pokalen und Diiilomen.
inid für die Städte der ersten Klasse in
Mozarts Bronz(büst( und für die der
zweiten in einem Banner und einem silber-
nen Pokale. Die Sieger waren in der ersten
Klasse der Arion von Xewark mit 139, die
Harmonie von Xewark mit 138. und der
Orpheus von Buffalo mit 137Vi! Punkten,
in der zweiten Klasse der Mänix rchor von
Xew York, der Eichenkranz von Xew York,
in der dritten Klas.se der Delaware Sänger-
bund von Wilmington, der Bremer Gesang-
verein von Xew York. Die Städte preise
wurden errungen in der ersten Klasse von
Brooklyn und in der zweiten von Hudson
County und Trenton. Preisrichter waren
]M. Spicker, A. Bischoff, ]\I. Leefson, Wm.
AVülsieffer und S. Behrens.
Beim Städtepreissingen 1 900 in Brooklyn
gewann den Preis in der ersten Klasse,
Richard Wagners Büste, Baltimore, und in
der zweiten, Franz Abts Büste, Long
Islanfl City. Die Preise für die Vereine
bestanden in Klavieren, Bildern, Pokalen
und Dii)lomen und wurden von folgenden
Vereinen errungen : Erster Preis in der
ersten Klasse — Hobokxn Quartett-Club und
Columbia von Philadelphia mit 129 Punk-
ten, zweiter — Franz Schubert Männerclior
von New York, ]\Iusical Art Club von Bal-
timore und Quartett-Club von Philadelphia
mit 126 Punkten, dritter — ]\Iozart Verein
von New York mit 125 Punkten, vierter —
Harmonie von Philadelphia mit 124
Punkten ; erster Preis in der zweiten
Klasse — Concordia von AVilkesbarre, Pa.,
zweiter — Harmonia von Xew Y(H"k. Lie-
derkranz von Elizabeth. X. J.. und
Pfälzer Harmonie V(m Philadelphia ; erster
Preis in der dritten Kla.sse — P^inigkeit von
Staten Island und Allemania von Philadel-
phia, zweiter — Allemania-Cordalia von New
York.
Den Kaiser preis, eine vom Deutschen
Kai.ser geschenkte, kostbare silberne ]Min-
nesängerstatue, errangen mit gleicher j
Punktezahl, 137, der Arion von Brooklyn
und der Junge Männerchor von Philadel- ,
phia, und es wurde bestimmt, dass jeder l
der beiden Vereine ihn achtzehn ^lonate in n
Verwahriuig haben sollte, worauf der i
Junge ]\Iännerchor aber verzichtete, da er i
glaubte, ihn allein gewonnen zu haben. Um i
diesen Preis als Eigenthum zu erhalten, i
musste ein Verein ihn zweimal gewinnen, i
Dieses Wettsingen, bei dem Bischoff, Rieg.
\)FAi XOKDOKSTLICHK .SAEXGKKnrXI) VoN AMKKIKA. 72«
llcniuiiiri. lliiiriclis iiixi Ortiiiami l'rcis- und den ilcr zweit. -ii. i-iiic liüsf.- Ihiiulds.
ric'htt'i- uiin-ii. t-rrcirti' wieder viel Missstiiii- \Viisliiiiirt«»ii.
muiit,'. In'.s(»ii(iei-s ilureli die Art und Weise In Xewark p'waim llldti d.ii hitistrpnis
der Preisvertheilmi<r. Ks «riiivfii Proteste die Concordia vcii Wilkts-Iiarn . Den
ein, und die AI)Iieferun^' dei- Preise verzö- Slädtt /in is der ersten Klasse gewann /'///-
gerte sieli. Wann mehrere Vereine zu Imh li>liia. den der zweiten Klasse Long
domseihen Preise berechtigt, so wurde er Island City. Die N'ereinsprei.se erhielten:
durehs Loos nur einem zuerkannt, während 1. Klasse, erster Preis; Ilarnioiiie von
die anderen sieh mit Diplomen begnügen l'liihuh Ijilna ; zweiter Preis. Beethoven
mussten. .Männerehor. New York: dritti-r Preis. Sän-
Es war 1!)(»:^ in Paltimore Vorkehrung ^''''''x""'- Hn.oklyn.
getroffen, dass die zusammensitzenden "• ''^''•■'•'^^•'- •'''^^••'* •'''♦''«: .lunger Mäiuier-
Preisriehter. (J. Khrhoin. F. A. Kern und '■'"""• ^«''•"«dnii : zweiter Pn-is. Beethoven
0. W. Riehter von Chieag... Th. K. liees.' "^lii ""«•'•<••>'"•. Philadelphia; dritter Preis,
von Davenport uiul W. H. Ileimendahl von ''''"'^-''«''t. Staten Island; vierter Pn-is.
Haltimore. die Vereine wohl liiwen. aber ^"X""''' -Münnerehor, Philadelphia,
nieht sehen koiniten ; auch war eine neue •^- K!a.s.se. erster Preis: Sehwäbiseher
Art der Beurthei'rng eingeführt. Wiüi- ^J'"^"'H)und. Brooklyn ; zweiter Prei.s. I'ra-
reml früher jeder d.-r fünf Preisrichter "'»' ^^"artett-Club. New York : dritter Preis,
über .i.-des einzelm- Fach urtheilte. wuid- «^ '»"^''z«''* Männerehor. Philad.'lphia ; vier-
diesmal jedem nur ein Faeh zugethei^t. und ^'''" '*"''^- '^•^"■"''•«••""•- •''''^^''.v <'ity ; fünft.-r
sollte er ausserdem über den allgemein.'!! '""''''• ^''^^-"t Männerehor. Baltim..nv
Kindruek eiitseheid.n. so diiswlie h.Histe '^''' '''-«'isriehter waren: Vi.-t..r W.
Punktezahl, die ein Verein erhalt, n k.mnt.-. ''^'■'•'^^■'" ^- '''"■"'>'• l^eliing.-r. Louis Khrg..tt.
60 Ix'trug. .Mit dieser vo!l.-n Puuktez:dil -^""''^ Küiizl.-n un.l lli.n> Ilarthan.
errang d.-r Jtinijr Mäniiirclinr von l'hiUi- Diesmal wurde be.sondei-s Klage iliniber
delpliia bei diesem Feste den Kai^erpreis, geführt. d:iss ein Verein durch soge-
während der Ari.ui von Brookl.vn 'ü nanntes Haubsing. n den Pn-is .-rlangt
Punkte erhielt. Die übrigen Preise erhiel- •''•'"'• I>i''^^«'s Haubsingen besteht darin,
ten in der .-rst.-ii Klasse die Concordia von "'''^^ "'" \V''<t^'"f-'en th.-iln.-hm.-nd.- V.-n-im-
Wilhs-Barn mit GO Punkt.-n. der Fichen- '"'•^•'•" *'•'''' •»''nitsmässig.- Sänger für .li.-
kranz von New York nut r,(; Punkt.-n um! ^'''^ ''''^ Sängerf.-stes als Mitgli.-.l.-r anwer-
der Kreutzer Quartett-Club v«m New York '"'" '^"•' ""*" '^"'^•' ^^'"'^'' "'""" "";''' ^"-
.,-,,,,., . , ., ,,, ,. bühi-.-nde Fhr.-n .-i-ringen. Dass \ erenu«
mit ;)1 Punkten, in der zweiten Klasse die . , .......
Allemania v.»n Philad.-l|)hia. der Ari.in von
Jei-sey City und dei- Frohsinn v.m Pitts-
burg, und in d.-r dritten Klasse di-r Or-
gute, alx-r unb.-mittelte .Mitgli.-der k.tsteii-
frei nach Sängerfest«'n mitnahm.-n. ist
imm.-r geschelu-n. später ist au.-h wohl vor-
gi-k.»mmen. dass preissingcinle V«'reine gute
pheus v.m X.-wark. <l.-r Kn-uzna.-her San- ^:j,,._,,.,. ^.„„ ^„,,,,.,.,.,, v-n-inen b.,rgt.-n un.l
gerbund v.m Philad.-lphia un.l .In- Fair- ^,, Mj,. lindern macht.-n. .la-.s man ab.-r
mount Lied.-rtaf.-l von Philad.-lphia. Di.- p,,d-.-ssi..n.-ll.. Sänger .-ngagirt. ist eine erst
Preise b.-standeii in Diplom.-n un.l .li.- i„ jü„g,.n-r Zeit aufg.-k.unmene l'nsitte. ,lie
Preisli.-di-r wann: ..Kais.-r Karl in .l.r .1.. unter d«'n obwaltenden rmständen fast zur
hanni.snac-ht" von H.-gar. ..Geiger 's Heim- Xothw.-ndigkeit gewonlen ist. wenn ein
k.-hr" v.m Angen-r un.l ...\m .Meer" von \rnin. b.-i d.-r Schwierigkeit der für «lie
Leu. D.n Städt.-preis ilrv eisl.-n Klass.-. e|-st.- Klasse vorgeschriebenen Lieder, mit
ein.' Büste Mendc-lssohns. gewann Newark einiger Au.ssi<-ht auf Krfolg am Preissing«'n
730
DKH NoliDoKS'lLK IIK ^AENLIKK'IMM ) \().\ A.MKHIKA.
in (lii'scr Khissc thciliK'lniicii will. Dir
Säujjcrfcsli- ;il»ci- ^»'wiiimii in iiiusikalischcr
Hcziehun«: dahfi. iii<l<'iii dir l.fistiiii^'rii der
Vcn'inc dadiinli um so voUkoiniiu'm'r
wcnlfii. und es wird schwer halten, diese
rnsille. l»ei der die heiuitteltereii Vereine
allerdinirs im Vurllieil sind, wieder zu he-
.seit ii:en.
Unterbrechung der Saengerfeste.
Dureh die AuHiisung des Xordöstliehen
Sän^'erhiindes 1871 entstand eine elfjährige
Cnterhrechun}: der Sän<rerfeste. und als
Philadelphia im Jahre 1882 wieder eines
feierte, hetheilijrten sieli daran nur zwei
New Yorker Vereine inid l)eim Hrooklyner
Keste 188.') pir keine. Allmählich schlössen
sieh die New Yorker Vereine jedoch wieder
an. aber erst im Jahre 1894. nachdem sie
dreinndzwanzig Jahre ausgesetzt hatten,
veranstalteten sie wieder ein allgemeines
Sänger fest.
Musikalische Leiter und Konzerte.
.\uf würdige Ausgestaltung der Fest-
konzerte ist. wie yiiXK Winter in dem Souve-
nir-Programm des New Yorker Sängerfestes
von 190!) mittheilt. nnt wenigen Ausnah-
men von den Feststäilten ganz besonderes
(lewicht gelegt worden. Anfangs fand, ab-
gesehen vom 7. Sängerfest in Philadelphia
im Jalire 1857. bei welchem ausser dem
Ilauptkonzert noch eine ..religiös "-musika-
lische P^röfFnungsfeier mit einem gediegenen
Programm abgehalten wurde, immer nur ein
Festkonzert statt. Später wurden meist
zwei, nändich ein Em jifangs- Konzert und
das Haupt konzei't. luid in neuerer Zeit ge-
wöhnlich drei, nämlich ein Empfangskcm-
zert uiul zwei Ilauptkonzerte, bisweilen so-
gar vier (Instrumental- oder Kinderkon-
zert) veranstaltet.
/u Leitern der Festkonzerte wurden für
die einzelnen Feste folgende Musiker be-
rufen :
1. Sängerfest: Philipp Matliias AVol-
sietfer.
J. Sängerfest: Carl Lenscliow.
;i. Sängei-fest : Agricol Paur.
4. Sängei'fest : (\ Ileuckenroth.
."). Sängerfest : C. Lenschow.
t). Sängerfest: Carl Bergmann.
7. Sängerfest: Pii. M. Woisietfer.
8. Sängerfest : C. Lenschow.
9. Sängei-fest : A. Paui- und C. Berg-
mann.
10. Sängei-fest: L. Kngelke.
1 1 . Sängerfest : C. Lenschow.
12. Sängerfest: -\. Paui- und als Orches-
ter-Dirigent L. Damrosch.
l:^ Sängerfest: Carl Sentz (für das Ein-
pfangskonzei-t) und F. AV. Künzel (für das
Ilauptkonzert).
14. Sängei-fest: A. Biscliotf und AV. Grö-
schel.
15. Sängerfest: W. H. Ileiinendahl. ■
16. Sängerfest: Johannes Werschinger
(Empfangskonzert) und Fraid< v. d.
Stucken ( Ilauptkonzert ) .
17. Sängerfest: Carl Hein (Empfangs-
konzert). Heinrich Zöllner und F. v. d.
Stucken ( Hauptkonzerte) .
18. Sängerfest: Eugen Klee (Empfangs-
konzert), Carl Samans uiul Samuel L. Her-
mann (Ilauptkonzerte) .
19. Sängerfest: Felix Jäger (Frauen- und
Kinderkonzert). Arthur Ciaassen (Ilaupt-
konzerte).
20. Sängerfest: 1). Melamet.
21. Sängerfest: Julius Lorenz.
22. Sängerfest: Julius Lorenz und Carl
Hein.
Die in den Festkonzerten aufgeführten
Chorgesänge wurden im Laufe der Zeit von
den verschiedenartigsten Choi-gruppen zu
Gehör gebracht. Von dem Chor eines ein-
zelnen Vereins bis zu dem vier- oder fünf-
tausendstinniiigen Massenchor des Bundes
findet man alle Schattirungen vertreten.
Auf den beiden ei-sten Sängerfesten sangen
die Vereine theils einzeln, theils gemeinsam.
Beim dritten Sängerfest trat im Festkon-
zert bis auf einen Vortrag des gemi.schten
Chores des Deutschen Liederkranzes. New
DHR NORDOKSTLR'IIK SAENüKKHrXI) V()\ AM Kin KA. 731
York, nur »ItT .Miisscin-lior jiHt-r aiii Prslc koii/t'it ant" firnMii Sünircrrcst«' zu Wcfjc.
tlu'iliichiiM'mli'i- Säii«r»'r auf. wälirciul sich .Mit fjrosscm Kifer studircn die Kiiidcr die
dir Vt'n'iiu' mit Hiii/.clvdrtrii^riMi im Prris- in dcMitscluT Spi-aclic zu sin^cnclj-n Masscn-
sinjrcii masscii. licini viiTtni Säii«r»'i't"«'st cliöi-»'. und mit noch frr(")ss(*n'r Iic«rt'ist('ruii«;
trat wiederum eine Neuei-unir ein. indi-m sinjren sie dicselhen in drm Festkonzerte,
neben dem .Massenelmr die Vereini»rten Kin solelies Kinderkonzeit Ideilit dt-n ,ju-
Sän^er V(Ui Baltimore und New York je ein f^endlielien Tlieilnehmein eine unauslöseh-
^emeinsames Lied san<ren. Dieses Städte- liehe IOi'iinierun<r nnd zielit dieselhen (hdier
sinjren wurd»- neben dem .Masseneh<»r <hinn aueli später immer wieder zu den Säntrcr-
znr Ke^'el luid ihireh die im .lalire lS«iS «re- festen zurück.
schatVene N'ert'assunjr so«;ar ausdrüeklicli Die Zahl der l'iir die ein/.cjni'n Feste ein-
sankt ionirt. während der Einzelch(»r in den zuiilMMiden Festlieder hat sieh zwar im
Festkonzerten nui- noch jrelejrentiich inid Laufe th-r Zeit Ix'träehtlich vermehrt, nicht
zwai' das letzte .Mal in Philadelphia im aber in ^rh'ichem Masse die von dt-n
.Jahre L'^KT wieder auftauchte, wo der Deut- Sänf;ein zu bewält ifreiuh' prosanfjliche .\r-
sche !jie(K'rkranz. New YoiU. im ersten bcit. Zu den letzten Säntrerfesten mu.ssten
Ilauptkonzert drei, und dei- .\rion. .New die auswärtigen Sanfter je 12 .Ma.ssen<*höre.
York, im zweiten Festkonzerte zwei Einzel- und die Sänjrer der Feststadt dazu noch
eliöre zum Vortra«.' i)rachten. Seit den letz- weitere sechs Clulre für das Kmpfan^'skon-
ten zwölf .lahi'cn hat dei' .Massenchor des zert lernen, während in früherer Zeit nur
Hundes die .Mleinherrschaft übei- d»'n Chor- vier bis fünf und aus.serdem vi»n der Fest-
Theil der Hauptkonzerte aiifretreten. stadt noch etwa drei Lieder für das Km-
.\eben dem .Männerchore ist der tfemi.sehte pffnitrskonzert vorbereitet zu werden
Chor wiederholt zu den liundesfesten heran- l>rauchten. .\bcr die Schwieri«rkeit der
trezo«;en worden. Den grössten Erfol^r hatte Chorwerke ist erheblich vermindert worden,
mit dem «;emi.sehten Chor bisher Fhiladel- '^u .Ma.ssenehören werden jetzt zumeist
phia zu verzeichnen, das so^'ar 1S!»7 einen Volksliedi-r oder wenifrstens im Volkston jre-
Frauenehor mit frutem Geliufren in 's Trcf- halleiie Kompositionen bestinuut. und das
fen führte. sein- zum \'oi-theil der Sän«rerfe.st<' und des
herrlichen deutschen Volksliedes, der ei^'ent-
Der Kinderchor. liehen Domäne (h's .Männer«resan^es. .Mit
Stolz kann der Nordöstliche Sän«;erbund
Seit (h*m Hrooklyner Säufrerfest im Jahre auf ilie vorzü};lichcn Leistungen seines
1*KK» cndliih ist ein Ma.ssenchor von Schul- .Ma.s.senehors im \'oIksliede in ilen Festkon-
kindern in eigens für den.selben arranjrirten Zeiten der letzten Sän^'erfeste blicken.
Konzerten aufffetreten.
Die Hetheiliirnn«; dieses sonst mit dem Die sonstigen Festakte,
Männergesant; nicht in Verbinduntr stelu-n-
den Chorköri.ers hat sich für die liundes- Aus.ser d.'u musikalischen Veranstalt un-
feste v(.n ausseronh-ntlichem Nutzen erwie- J-"'" Ix'standen «iie Festakt.- bei fast allen
seil. Insbesondere ist die Heranziehung.' der Säntr.'rfc.sten in jresehäft liehen Sitzungen.
Schulkimler für die Förderung (h-r (h-ut- l''»>^iig.'n oder Paraden. Fe.stre.len. Coiii-
sehen Sprache wie des (h-utschen Lie<h-s i'i.-i-sen iiikI N'olksfesten. .s<.g. Pjenics.
von gros.ser Bedeutung. Was tausend gute .\iif jedem Sängerfeste fand eine Deje-
Lehren in Bezug auf die Pflege und Krhal- gatenversammlung statt, in weh-her «ier
tung der deutschen Sprache hierzulande nächste Festort be.stimmt nnd <lie wi«-htifr-
nieht vermögen, bringt ein »'inziges Kinder- sten .\ngelegenheiteii des Bumles erledigt
732
DER NORDOESTLICHE SAENGERBUND VON AMERIKA.
wurden. Auch eine Sitzuntr der Rundes-
Exi'kutivt' wurde jdjfji'ludtcn.
p]in stäudijrer Akt aller Feste waren die
Festreden, welche bei der Enipfang:sfeier,
in den Festkonzerten und bisweilen beim
l'icnic trehalten wurden. Als Redner iun-
pirten bei den einzelnen Siiny:erfesten : 1.
Sängerfest : IMayor Joel Jones und Dr. Lud-
wig vom Deutsehen Liederkranz. New York.
beim Empfancr in der Independence Hall.
l)eim Picnif Dr. 11. Tiedeinann ; 2. Fest:
Pa.stor n. Scheib; 4. Fest: Ilug;!) Wesen-
donck: ö. Fest: IL Scheib; 6. Fest: Pastor
Dr. För.sch ; 7. Fest : F. Sehünemann-rott ;
8. Fest: IT. Scheib; 9. Fest: P'riedrich
Kapp und Friedrich Schütz: 10. Fest:
Fr. Schünemann-Pott, Mayor ^Morton ^NIc-
^lichael und Dr. G. Kellner; IL Fest: AViL
liam Rapp. Mayor Banks und R. C. Barry;
12. Fest: Kaufmann; 13. Fest: Dr. G.
Kellner. L.x-douverneur General John
Hartranft und Wilhelm :\Iechelke; 14.
Fest: P. Hüne; 15. Fest: Mayor F. C. La-
trobe. L. Schneider und Rayner; 16. Fest:
Festpräsident Carl Lentz, Gouverneur Leon
Abbot und ^layor Jos. E. Haines; 17. Fest:
Festpräsident Rieh. Katzenmeyer. AVilliam
Steinway, Gouverneur Flower luid ]\Iayor
Gilroy; 18. Fest: Festpräsident Arno Leon-
hardt, ^layor Chas. Warwiek und Bundes-
präsident Carl Lentz; 19. Fest: Festpräsi-
dent S. K. Sänger. Randolph LI. Guggen-
heimer, Carl Lentz und der deutsche Ge-
sandte Dr. von n()llel)en ; 20. Fest: Festprä-
sident L. IL AVieman. der Präsident der
Vereinigten Staaten Theodore Roosevelt
uml der deutsche Botschafter Baron Speck
von Sternburg; 21. Fest: Festpräsident
Aiigust Goertz. Bundespräsident Carl
Lentz. ^layor Henry ^L Dorenuis. Bundes-
senator John F. Dryden. Baron Speck von
Steniburg und Gouverneur Edward C.
Stokes.
Das finanzielle Ergebniss der Saengerfeste.
Von Anfang an sind zur Veranstaltung
der Feste recht beträchtliche Summen auf-
gewendet worden. Aus der ersten und zwei-
ten Periode liegen nur dürftige Nachrich-
ten über das tinanzielle P>gebniss der ein-
zelnen Feste vor. Fast alle schlössen mit
einem Detizit, welches von den Vereinen der
P'eststadt nach dem Vei-hältniss ihrer Mit-
gliederzahl gedeckt wurde, und das beim
3. Sängerfest in New York besonders hoch
gewesen sein muss. da auf den Deutschen
Liederkranz allein, als allerdings grös.sten
Verein der Feststadt New York. 1800 Dol-
lars zur Bezahlung entfielen. Auch das 7.
Sängerfest in Philadelphia wies eine erheb-
liche Unterbilanz. nämlich etwa 2500 Dol-
lars, auf. welche durch eine Besteuerung
eines jeden Sängers der festgebenden Ver-
einigung mit fast 8 Dollars aufgebracht
wurde. Am besten scheinen Baltimore mit
dem 2. Sängerfeste von 1851, dessen Defizit
durch eine Kopfsteuer von 19 Cents aufge-
bracht werden konnte, und Philadelphia
mit dem 10. Sängerfest des Jahres 1867.
nach dessen Schluss an jeden Sänger der
Vereinigung sogar 2 Dollars Kopfsteuer
zurückgezahlt wurde, weggekommen zusein.
Die Abrechnungen über die si)äteren
Sängerfeste sind durchweg bekainit. Nur
ein Fest, das 17. Sängerfest in New York,
wies ein Defizit auf; auf allen anderen
Festen dagegen wurde ein L\^lierschuss, auf
einigen sogar ein recht bedeutender, er-
zielt, welcher hauptsächlich auf die schon
seit mehreren Festen zur Regel gewordenen
Aufbringung eines LTnterstützungsfonds zu-
rückzuführen ist.
Beim 13. Sängerfest in Philadelphia 1882
balancirten die Einnahmen und Ausgaben.
Der nach Schluss des Festes in der Kasse
der festgebenden Vereinigung vorhamlene
Bestand von 3440.24 Dollars kam etwa dem
Ueberschusse gleich, welcher aus einem vor
dem Fest abgehaltenen Lokalsängerfeste er-
zielt worden war. — Das Brooklyner Sänger-
fest von 1885 brachte 25,159.64 Dollars Ein-
nahmen gegen 20,014.07 Ausgaben, also
einen I>berschuss v(m 5145.57 DoUai-s.
DER XORDOESTLICHE SARNGEHHl'Nn VON AM KICI KA.
733
Beim Baltiinorer Saniertest des Jalires
1888 betriitren die Eiiuialunen 28.882.14
und die Ans*raben 22.()72 Dollars.
Naeh dem 115. Sänfierfest in Newark.
1891, ergab die Sehlussabrechnunf; eine fa.st
gleiehe IIölu' von Einnahmen mid Aus«ra-
ben mit einem Hetra»re von etwas über
411,000 Dollars.
Der Vater des Deutschen Maenner-
gesangs in Amerika.
Dir Hegrinidrr d.r deutsrlicn .Mäinierjre-
.sant;-Vereine im (Jebiet der V»-n-ini^rten
Staatrn und ihrer .Mnsikfi'ste ist IMiilipp
.Matthias Wcdsieft'er. (n-bon-n in Wiini-
weiler in der Pfalz am 1"). Mai 1S()5. be-
Das 17. Sängerfest in New York 181)4 suehte er das Lehrer-Seminar in Kai.sers-
wies 57.037.01 Dollars Einnahmen gegen lautern und wurde na.h glänzend brstan-
58,509.15 Dollai-s Ausgaben auf. Das Deti- dener Trüfung Ililfs-Lehrer in Dirmst.-in
zit von 1471.24 Dollars deckte in generöser und später Lehrer in Frankenthal. Aber
Weise Herr AVilliam Stein .vay. die politisehen AVirren der alten Ileimath
Philadelphia erzielte mit seinem Feste im ^'t^»"»»la«'<ten ihn zur Auswanderung na<-h
Jahre 1897 den höchsten Uebersehuss, näm- -^'"•^''•''<''- -\"' -•» -^imi 1^33 landete er in
lieh 13.504.92 Dollars, bei 70.860.10 Dollars ^'^*'^^' ^'"'■'"'- '^''"''' «''i'.iii'i'-it-'«''- Wanderzeit
J^innahmen und 57,355.18 Dollai-s Ausga-
ben. Dabei hatte der Feststadt der Bau
einer eigenen F'esthalle allein 31,651.80
Dollars gekostet. Von dem Uebersehusse
wurden an die Vereinigten Sänger von Phi-
ladelphia 2082 Dollars Kopfsteuer zurüek-
gezahlt.
Den Einnahmen des Brooklyner Sänger-
festes von 1900 im Betrage von 27,357.00
Dollars standen etwa 23.000 Dollars Aus-
gaben gegenüber. Der darnach verblei-
bende Uebersehuss schmolz auf ungefälir
2000 Dollars zusammen.
Das Baltimorer Sängerfest von 1903 er-
gab 59.063 Einnahmen gegen 58,598.22 Dol-
lars Ausgaben, also einen Uebersehuss von
464.78 Dollars.
Das 21. Sängerfest in Xewark im Jahre
1906 brachte mit 57.162.08 Dollars Einnah-
men und 49,430.31 Dollars Ausgaben den
erhebliehen Uebersehuss von 7,731.77 Dol-
liessersieh in Philadelpiiia als Musiklehrer
nieder. Am 15. Dezember 1S35 gründete
er den ..Männerchor", den ei-stcn Männer-
Gesang- Verein in Amerika. Im nä<'h.sten
Jahre half er den ..Baltimore Liederkranz"
gründen. Xaeh längerem Aufenthalt in
Baltimore kehrte AVolsiefTt-r mit seiner
Familie nach Philadelphia zurück, wo er
bis 1857 verblieb. Er siedelte dann nach
dem neugegründeten deut.schen Wein- und
Industrie-Städtchen Egg IIarl)or City,
X. J.. über. Seine geschwächte Gesundheit
war bald wieder hergestellt. In Egg
Harbor City gründete der Pionier <lcs
deutschen ^lännerchoi-s den Gesjuig- Verein
..Aurora". Er war di'r erste Mayor der
kleinen deut.schen Stadt, die er auch in der
Staats-Legislatur vertrat. Eiule des Jahres
1861 ersuchte ihn der ..Männerchor" in
Philadeli)hia. alx^rmals die nuisikalische
Leitung zu übernehmen, was er auch unter
der Bedinginig zusagte, da.ss im Krank-
lars, von welchem 6000 Dollars zu einem heitsfalle sein in Philadelphia als Musiker
festen, zinstragenden Fond für ein späteres ansä.ssiger S()hn William ihn vertreten
Sängerfest angelegt und 500 Dollai-s dem solle. Das wurde acceptirt. luid fünf Jahre
Deut.schen Hospital und der Rest der Ka.sse lang kam Philipi) Mathias WolsiefTer zwei-
der Vereinigten Sänger von Xewark über- uml wöchentlich von Egg Harbor nadi der
wiesen wurden. Stadt der Bruderliebe, um den (Jesang-
Für das Sängerfest in New York war ein Verein zu dirigiren. dessen Gründer er ge-
bedeutender Unterstützungsfond aufge- wesen war und der ihn 1857 schon durch
bracht worden. die Ernennung zum Ehren-DirigeTiteu nus-
734
DKK NOKDOKSTLTCHK SAEXGEKBUXD VON AMHKIKA.
gezoiclinct luittc Am S. OUtohcr iSTl'
starl) er. iri'achtt't und Itflraufrt von Allt'ii.
A\if ilciii ()(1(1 Fcllows Fricdliof der Stadt
dt'i- Bnidfi-lit'lM' schläft der WackiTc diii
»•\vi«:('n Schlaf. Auch als Komponist und
Verfasser musikalischer Lehrhücher war
Philipp Mathias Wolsieffer bedeutend.
Seine (Jattin. die er im .lahre ]^'M in Ame-
rik.i j^eheirathet hatte und die duivh ihn
erst die deutsche Sprache ei-lernt hatte,
wai- eine hei-vorra^eiule Sängerin. Sie
starb am -i. .März 1S!)7. Einer der Söhne
des Verstorbenen. Edmund Wolsieffer. war
viele Jahre himlurch Präsident des ...Män-
nerchors". Dem Griuider des ersten deut-
.sehi'ii Männer-Gesang- Vereins in Amerika
hat die deutsehe Sängerwelt eine Ehren-
schuld abzutragen in Form eines würdigen
Deidvmals. Hisher ist dasselbe ein fronnuer
Wunsch geblieben.
Major Carl Lentz,
der langjaehrige Praesident des Nordoestlichen
Saengerbundes.
Major Carl Ijcnt/., der Präsident des
Xctrdöstlichen Sängerbundes, erblickte am
1. duli 1S4Ö in Handierg, Bayern, das Licht
der Welt und kam Ix'icits im Knabenalter
nach .\iiierik;i. Als der Bürgerkrieg aus-
brach, trat der erst Sechszehnjährige in
das 1. Connecticut Kavallerie-Regiment ein
und rückte sofort in 's Feld. Da er sich
durdi persöidichen Muth wiederholt aus-
zeichnete, ward er im Mai 18()-Ir zum Leut-
nant befördert. Am 10. Oktober 1864 ward
ihm in der Schlacht bei Cedar Creek. Va..
dei- i-echte Ai"m zerschmettert, und er
niusste lange Zeit im llosiütal in Wash-
ington unthätig bleiben. Nach Beendi-
gung des Krieges bezog er die Columbia-
rniversität in Washington, von wo er 1869
gradnirte. Im Jahre 187:^ erhielt er, den
Doktor juris und im November desselben
Jahres wartl er Mitglied des Barreaus v(m
N«'w Jersey und begann in Xewark zu
praktiziren. Er waiulte sich bald der
Politik zu luid bekleidete im Laufe der
Zi'it viele Aemter. Als strammer Hei)uhli-
kaner wai" er längei-e Zeit N'orsitzcnder des
republikanischen County-Komites. Major
Ijcntz ist stets furchtlos für alle deutschen
Bestrebungen eingetreten: er ist Mitglied
fast sännntlieher (iesang- und Tiu'n-Ver-
eine Xewark 's. Im Jahre 18!)1 wjir er
Festpräsident des in .Xewark abgehnlteneii
Sängerfestes und seit 1893 ist er i'räsident
des Xordöstlichen Sängerbundes. Zwei
Jahre lang war er Präsident der Xewarker
Sänger- \'ereinigung. und sein Wirken
innei'halb des Sängerwesens war ein im
hohen Grade erspriessliches. Im Hunde
war er stets der Friedensstifter, wenn die
erhitzten Gemüther aufeinander platzten.
.\uch in diesem Jahre steht der nun fast
6-ljährige Mann wieder an der Spitze des
Xordöstlichen Sängerbundes. IMajoi' Lentz
wohnt in Belmar. X. J.. \u\i\ hat sein Ge-
schäftsbureau in Xewai-k. Seit Februar
1896 ist .Major Lentz .Mitglied und seit
1905 Präsident der Staats-Steuer-Konnnis- '
sion. welche Steuer-Appellationen zu unter
suchen hat.
S. K. Saenger,
(
Ehren-Praesident der Vereinigten Saenger von Brooltljrn f
und einer der um das deutsche Saengerwesen verdientesten •)
Maenner des Nordoestlichen Saengerbundes von Amerika.
Der bekannteste uiul beliebteste unter
den Veteranen des Xordöstlichen Säuircr-
i)untles ist zweifellos der Ehren-Präsideni
der Vereinigten Sänger \'on Brooklyn. S. K
Sänger. Geboren am 25. Dezendier 18.S8 in
rngarn. kam er als 14jähriger Knabe nach j
New York. Seine gesangliche und musik.i
lische Begabung, die er auf seine Söhn'
Charles und Oskar, vererbt hat. von denen
der letztere dcv anerkannt bedeutendst
und erfolgreichste Gesanglehrer Xe\^
York 's ist, bi-aehte ihn bald mit deutschen
Sängerkreisen in Berührung. Xoch fast
ein Knabe wurde er Mitglied eines Verein^
Als der Krieg ausbrach, eilte S. K. Sänger
DKK NOKI) AMKKMKAXISCIIK SA KNC KinUNn
786
zur Fahne. Dann crriclitt'ti* er in Xtw
York und s|)äl('r in lii-ooUlyii ciin' ('i^'arrt'n-
Fal)ril<. in wclchci- er »Icn (irund zu seiiu'ni
Wnnöiri'n Icjrt»'. In Hronklynci- Säiiij(.p-
krciscn crran^r siel» l^. K. Säniicr l>al(l eine
heth'utt'udt' Stellung'. Seine lu'rvori'ayfen-
den «reselli«ren 'l'alente Hessen ihn zum
Fest-Ari'anj;eui" wie «reschaffen erseheinen.
Mit ihnen verhindet er eine volksthümliehe
Beredsamkeit, die warme Ilerzenstöne lin-
det und deshalh ihrer Wii-kung sieher ist.
S. K. Sänirer war für das Brooklynci- Siin-
gerfest im .lalire ISS.") lebhaft thäti^ inid
Leitei- des in der Kirehen.stadt im .lahi-e
1 !»<)(» ahjrehaltenen .luhiläunis-Sänp-rfeste.s.
Fr war der .\nretrer der lile«« eiru's Kaiser-
preises und wurde vom Kaiser, zusannnen
mit .\rlhiir ('lassen, hei einem B«'suehe in
Heriin naeh dein l-'este. he.s<in<lei-s aus(fi'-
zeiehnet. als sie dem Kaiser den Dank des
.Xordöstiieheii Säntrerhundes für den >re-
stifteten Preis üherhraehten. .S. K. Sän^fer
war mehreie .l;dife Präsident der N'ereinifr-
ten Sän<rer von lir(»r»klyn. ehensu des Fried-
rieh (Jlüek (^uartett-Cluhs iukI anderer
X'ereine. Den Turnein «rehilrt ei- ehen-
falls an.
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Der Nord-Amerikanische Turnerbund.
Einer <Ur wichtiiisttMi FaUtorcii in der
Kultur<re.seliiehte der Vereinigten Staaten
von Amerika ist wälirend der letzten sechs
Jahrzehnte die deutsche Turnerei gewesen,
deren weitverzweigte, sich über das ganze
Land erstreckende Fäden in dem Nordame-
rikanischen Turner])und zusammenhiufen.
In ruhiger, aber durch eiserne Ausdauer
gekennzeichneter AVeise haben die Turner
in den Vereinigten Staaten dem deutschen
Turnen Bahn gebrochen, und mit Stolz kön-
nen sie heute auf die Resultate hinweisen,
welche nur mit Uebenvindung unendlicher
und fast unübersteigbarer Hindernisse er-
zielt werden konnten, und unter welchen
die Aufnahme des Turnunterrichts in den
Lehrplan der öffentlichen Schulen wohl
eine der ersten Stellen einnimmt.
Aber nicht nur dadurch haben sie bewie-
sen, dass sie gute Bürger ihres Adoptiv- Va-
terlandes sind, Bürger nicht nur dem Na-
men nach, sondern in Wirklichkeit, denn
von den 39,692 IMitgliedern des Nordameri-
kanischen Turnerbundes sind 36,910 Bür-
ger der Vereinigten Staaten, sondern auch
dadurch, dass sie zur Zeit, als ihr neues Hei-
niatlisland in Gefahr schwebte, in gro.sse;i
Schaaren zu den Fahnen eilten und (Jut
und Blut opferten, um den grossen Staaten-
bund einig und ungetheilt zu erhalten, da
bei zugleich für eines ihrer höchsten Prin-
ppien, Abschaffung der Sklaverei, kämp-
fend.
Eine der Hauptbestrebungen der Tunier
ivar die, dem deutschen Turnen gegenüber
lern einseitigen und in vielen Fällen bru-
alen Sportswesen der Amerikaner bei dem
inierikanischen Volke Eingang zu verscliaf-
en. Leider ist der Erfolg in dieser Ilin-
icht nur ein ein.seitiger gewesen, denn dem
Sport wird ln-ute vielleicht nit-lir g<'huldit;t
als je zuvor, aber neben demselben ist auch
die deutsche Turnerei zur (Jeltung gekom-
men, denn fast alle höheren Lehranstalten
des Landes, aueh die Kriegsakademie in
West i'oint und die Marineakademie in An-
napolis haben das deutsehe Turnsystem an-
genommen. AVas aber noeh weit höher zu
sehätzen ist als dies ist die Einführung des
Turnunterrichts in den Volkssehulen, wel-
cher in einzelnen Fällen, .so z. B. in IVnn-
.sylvanien, durch Sta^itsgesetz obligatorisch
geworden ist. In l'hiladelpliia wird der
Turnunterricht in den Volksschulen gegen-
wärtig von zehn Turnlehrern und -Lelire-
rinnen ertheilt, welche unter Leitung eines
Direktoi*s der körperlichen AusbiUbuig
stehen und welche von der Stadt salärirt
werden. Ausserdem gibt es .sechzig andere
Städte, in welchen öffentlicher Turnunter-
richt ertheilt wird, und in 39 Städten sind
zusammen 96 von dem Turnerbund aasge-
bildete Turnlehrer an den öffentliehen
Schulen angestellt. Das sind sicherlich Er-
rungenschaften für das Land, auf welehe
der Turnerbund mit K«'<-ht stolz sein kann,
und welche nicht h(»ch trenu-r nn/nsclil.iL'cn
sind.
Die Geschichte der deutseln-n Turnerei
in Amerika ist aueh die des Nordameriknni-
.schen Turnerbundes, und an dci- Hand v.m
dessen Ainialen mag daher der \Verd»'gnng
der ei-stei-n verzeichnet werden.
Die Gründung des ersten Turnvereins in
den Vereinigten Staaten erfolgt«' am 23.
November 1S48 in Gineinnati. aber .s.-hon
viel früher waren hier zu Lande I»i«)niere
thätig gewesen, um das edle Turnwcsen in
den amerikanis<'lien Boden einzupflanzen,
und sie haben so Tüchtiges geleistet, djuss
738
DER NORD AMERIKANISCHE TURNERBUXD.
ihr Wirken wohl verdient, in dankbarer
ErinnenuifT behalten zu werden. Sehon zu
Zeiten des Turnvatei-s Jahn gab es wissen-
seluiftlieh gebildete Männer, die in jener
Sturm- und Drang-Periode unentwegt ein-
traten für die Freiheit und Einheit
Deutsehlaiurs. die damals noeh in nebel-
hafter Ferne lag; sieh dureh ihre glüliende
Vaterlandsliebe das Missfallen der Regie-
rungen zuzogen und sehliesslieh, um der
ihnrn drohenden Verfolgung zu entgehen,
zu ilt'iii Wanderstabe griffen, um sieh auf
fremder Erde eine neue Ileimath zu
gründen.
l'ntei- diesen Turner-Pionieren, die auf
solehe Weise als politisehe Flüehtliuge nach
den Ver. Staaten gekonnnen sind, ragten in
den ersten Dekaden der amerikanischen Ge-
schichte des 19. Jahrhunderts drei IMänner
über alle anderen hinaus: Karl Beck, Karl
Folien und Franz Lieber. Da die Deut-
schen damals in diesem Lande nicht so
zahlreicli vertreten waren, waren ihre Be-
strebungen hauptsächlich darauf gerichtet,
dem Turnen nach deutscher Art in den
Lehranstalten dieses Landes Eingang zu
verschaff en.
Karl Beck, ein deutscher Prediger, der
bereits als Student ein tüchtiger Turner ge-
wesen war, kam zu Weihnachten des
Jahres 1S24 gleichzeitig mit Karl Folien in
New York an. Im folgenden Jahre wurde
er als Lehrer der lateinischen Sprache an
die im Jahre 3823 von George Bancroft und
Joseph Green Cogswell errichtete Round
Hill Schule in Northampton, Mass., beru-
fen, und unter seiner Leitung wurde noch
in demselben Jahre das Round Hill Gym-
nasium nach dem Vorbilde der von dem
Turnvater Jahn gegründeten Turnschulen
errichtet. Karl Beck gab ferner dem Turn-
unterrichte in den Ver. Staaten die erste
systematische Gnnidlage. indem er ,JaJni's
Deutsche Turnkunde" zum Gebrauch für
amerikanische Schüler in die englische
Sprache übersetzte.
7i'«/-/ Folien, ebenfalls ein eifriger Tur-
ner, der als Freiwilliger an dem Kampfe
gegen Napoleon L theilgenommeu, hatte
ebenfalls eine Stelle als Lehrer an der
Round Hill Schule erhalten, war jedoch im
Jahre 1S26 als Professor der deutschen
Sprache an das Harvard College berufen
worden und hatte mit Hilfe der Profes.soren
der medizinischen Fakultät dieses College
im ]\Iai j. Jahres ebenfalls ein Jahn-Gym-
nasium eingerichtet.
Franz Lieber, gleichfalls ein Freiheits-
kämpfer, kam am 20. Juni 1827 nach New
York imd begab sich sofort nach Boston.
Vor seiner Ankunft hatte Dr. John Collins
Warren, Professor der medizinischen Fa-
kultät im Harvard College, der die von Dr.
Folien angeregte Gründung eines Gyiima-
siums an dieser amerikanischen Hoch-
schule warm unterstützt und an dem im
Jahre 1825 in Boston gegründeten Tremont
Gymnasiiuu den lebhaftesten Antheil ge-
nommen hatte, sich die grösste ]\Iühe gege-
ben, Vater Jahn als Direktor für das Tre-
mont Gymnasium zu gewinnen. Erst
nachdem alle seine Bemühungen, einen für
diesen Zweck genügenden Fonds zu sam-
meln, gescheitert waren, wandte er sich an
Dr. Lieber, den er als einen hochgebildeten
und für die Leitung eines öffentlichen
Gymnasiums höchst geeigneten ^lann be-
zeichnet hatte, und bewog ihn. das Amt
eines Direktors des Tremont Gymnasiums
in Boston zu übernehmen. Auf die.se AVeise
begann Franz Lieber, wie seine berühmten
Land.sleute Beck uiil Folien, seine Lauf-
bahn in den Ver. Staaten als aktiver
Turner.
Diese erste Turner-Bewegung in unserem
Lande ging mit den ^Männern, die sie veran-
lasst hatten, vollständig in das amerikani-
sche Leben über und verlor ihren ursiirüng-
lichen Charakter als eine deutsche ?]inrich-
tung vollständig.
Erst in der Zeit, als die ersten Achtund-
vierziger ankamen, erhielt das Tumwesen
einen neuen Anstoss, neue Lebenskraft.
DER NORD AMKItlKANISCHK TI'RNKRnrNI).
739
Viele Freilieitskihiipt'er uii«l politische
Flüchtling* hrachtcii ii;ich «liesciii liJUMlc
nicht allein hohe wissenschaftliche Bildung;,
sondern auch eine lietreisterun^; für Frei-
heit und alles Schöne. Kdic und (Jute, der
Niemand Widei-stand leisten konnte niul
die deshalb nicht vcrfeiilte. auf die {jesell-
schaftlicln' inid politische Knt Wickelung;
der Vi'V. Staaten ^'r<tssen Kinfluss auszu-
ühen.
Die ersten 'rnrnci'-l'iunicre waren einzeln
gekonnnen und schnell in das amerikanische
Leben auf^cfjjantren. die Achtinidviei-zi^er
kamen in Schaaren. von revolutionären
Ideen eifüllt und von «xlühendem Hasse
entbrannt {rejren jede Gestalt sozialer, poli-
tischer und rt'lifriöser rnterdrückun«r. und
traten hier sofort in die Arena ein zum
Kampfe für AVahrheit, Freiheit und Hecht.
Die Tui-ncr-l*ioniere hatten den Schwei--
punkt ihrer Best rcbun^'cn auf das rein
körperliche Turnen «relc'rt. die Achtuiul-
vierziger day:etjen fassten das Turnen in
einem viel weiteren Sinne auf. Sie wollten
neue Generationen von Recken, stark an
Geist und Körper, die diesem Lande ihr
Gepräge aufdrücken und in demselben die-
jenige ideale Republik verwirkliehen soll-
ten, die sie in ilem alten Vaterlande ver-
geblich angestrebt hatten, heranerziehen.
Wenn sie auch das von ihnen vorgesteckte
Ziel nicht vollständig erreichten, haben sie
doch viel errungen und dem Zeitalter, in
dem sie gelebt halK'n. einen unauslösch-
baren Stempel aufgedrückt.
Diesen Eintiilssen verdankte der ei'ste
und älteste Tuni-\'erein des Landes, die
„Cinciiinnd Tuni-Ucmcindc", ihr Ent-
stehen. Die Anwesenheit von Friedrich
Ilfthr, der damals als Flüchtling in Cin-
ciniuiti weilte, gab den ersten Aidjtss zu
ihrer (Jründinig, die am 21. NovtMnber 1S48
erfolgte. Kine sehr bescheidene Bretter-
bude diente urspi-ünglich als Turnlokal, bis
der Verein ein eigenes (Jebäude, ebenfalls
ein Bretterhaus, errichten konnte, das am
1. 'lanuar IS.'))) feierlich eingewt'iht wunle.
Die Vei-sanuidungcn uiul geselligen Zu-
sammenkünfte hielt der junge Verein im
lleckerhau.se, in dem di«* (Jründung des
Vereins erfolgt war und das tieshali) als
ilic Wiege iles deutseh-amerikani.s«-hea
Turnwesens angesehen w«'rden miLss.
Die noch in d«Mn.selb«'n .lahre. am 2S.
.\ovend)er 1H4S. in New York auf Ann*gung
von (tiistav Stnirr gegründete Xcw Yorker
Tiini-(r) Uli imh bestand nur kurz«' Zeit.
Dagegen besteht der walii-scheinlich am
L'LV April 1S4I) gegründete linsion Turii-
\'>niii, de.s.sen Mittelpuidvt Karl lleinzen
gebildet hatte, noch heilte und muss ties-
halb als der Zweitälteste Turn-Verein des
Landes angesehen werden.
Dann folgte die I'/iiladdphia Tiirn-Oe-
iniindi. die am lö. .M;ii 1S4Ü gegründet
wui'dc. Ks bilden demnach die Cincinnati
Turn-(Jemeinde. «h-r Boston Tum- Verein
inid <lie Philadelphia Tuni-CJeiiieinde die
dri'i l'ioiiit r-Turii-Vrn itir des Landes.
Dazu koiiiiiicM noch, als vor der Zeit
des Nord-Amerikanischen Tiirnerbuiules,
gegrüjulet«' unil noch heute l)e.stehende
Turn- Vereine, der am 12. Mai 1H50 ge-
gründete /fc»7. Louis Turn-Verein, der am
n. Juni 1850 gegründete !^o:ialistischc
Tiini-V( rein von .\<n' York luid die am 2.
September lS,j(> gegründete LouisviUc
Turn-liemcineU'.
Aus.serdem werden noch in der Turn-Ge-
schichte dieses Landes erwälint die iieutu
nicht mehr bestehenden Turn- Vereine: die
Newark Turn-(«emeni<Ie (1H4H), demokra-
tische Turn-Gemeinde von Baltimore
(184!)) und der Turn-Vereiu von Walla-
l)out. Brooklyn, (1849). auch soll sieh in
KlizalM'thtown. N. J., im .labre 185Ü ein
Turii-\'crein Ix'funden haben.
Die Idee, zwischen diesen Vereinen eine
engere \'erbindung herzustellen, eine Ver-
bindung, die alle fortschrittlichen Klenu'ute
der deut.schen Einwamlerung in sieh ver-
einigen sollte, um das deuts<-he Turnwese»
allmälig ül)er alle Staat«-n der l'nion zu
verbreiten und eine (Jrundlage zu finem
740
DKK NORD AMERIKANISCHE TURXERBUXD.
geineinscliaftlit'lu'ii II.iikIcIii zu si-liaffon,
erliit'lt schon am ]">. Juni 1850 von Seite
des Sozialist isehou Turn-Voreins von New
York einen bestimmten Ausdruek. Derselbe
mitcrnabm die Vorarbeiten für einen sol-
elit'n Tui-ner-Hund und stellte dessen vor-
läufi«;e Statuten zusammen.
Die Gründung des Turner-Bundes cr-
fol};te noeh in demselben Jahre in einem am
4. und 5. Oktober 1850 in rhiladclphia ab-
gehaltenen Konvent unter dem Namen
„Vereinigte Turn-Vereine von Nord-Ame-
rika". Das erste allgemeine Turnfest hat
ebenfalls, am 29. imd 30. September 1851,
in Philadelphia stattgefunden. I\Iit dem-
selben war eine Tagsatzung verbunden, die
am ersten Tage des Festes abgehalten
wurde. Bei dieser Tagsatzimg waren die
Städte New York, Boston, Cincinnati,
Utiea, Brooklyn, Philadelphia und Newark
durch Delegaten vertreten, während von
den Tum-Vereinen von Indianapolis, Bal-
timore, Louisville und Rochester Berichte
vorlagen.
yU\ dieser endgültigen Organisation des
Bundes nahm das Turnerwesen einen neuen
Aufschwung und breitete sich rasch über
das ganze Gebiet der Ver. Staaten aus; so-
gar in den Südstaaten, die damals nur eine
geringe deutsche Bevölkerimg besasstn,
^vurden einzelne Turn-Vereine gegründet.
Der Bund trat sofort in die politische
Aktion ein, indem er die Platform der
„Free Soil Party" ihrem vollen Umfang
nach guthiess und sich verpflichtete,
dieselbe mit allen seinen Kräften zu unter-
stützen. Die Turnvereine bildeten damals
den Mittelpunkt des Deutschthums, und in
ihren Hallen fanden die ersten Versamm-
lungen statt, die gegen den in dieser Zeit
auftretenden Nativismus Stellung nahmen
und gegen das, die deutschen Festlichkeiten
störende Kowdythum eine mächtige Schutz-
wehr bildeten. In den Jahren 1854 und
1855 verursachte die Frage der Aufhebung
der Negersklaverei den Avichtigsten Theil
der Beschlüsse des Bundes. Das erste Bun-
desturnfest wurde in Philadelphia, das
zweite in Baltimore und das dritte in New
York abgehalten, aber es trat nun bald eine
Keihenfolgc wichtiger politischer Ereignlsv^e
ein, welche auch für die Turner schwerwie-
gende Folgen haben sollten. Dem Austritt
der Südstaaten aus der Union folgte die
Gründung der Konföderirten Staaten. Am
12. April 1861 fiel der erste Schuss auf Fort
Sumter, und am 15. April erliess Präsident
Abraham Lincoln seine Proklamation, in
welcher er die Bürger der Nord-Staaten zu
den Waffen rief. In Baltimoi'e, dem dama-
ligen Bundesvorort, wurde die Tunihallo
bedroht, weil sieh die Beamten geweigert
hatten, das von der Turnhalle flatterade
Sternenbanner einzuziehen und ihre Sym-
pathie für die Sache der Süd-Staaten da-
durch zu bethätigen, dass sie das Staats-
banner von IMaryland aufhissten. Nachdem
die Turner von Baltimore ohne Zögern er-
klärt, dass sie eher ihre Turnhalle mit Pul-
ver in die Luft sprengen, als auf eine
solche Weise entehren -würden, wurde die
Halle am 20. April von einem Pöbelhaufcn
zei'stört. Zwei Tage später Aviderfuhr dem
Gebäude des Baltimore ,, Wecker", in
welchem damals die Turnerzeitimg ge-
druckt wurde, dasselbe Schicksal.
Die deutschen Turner im Kriege.
Die dem Kriege inimittelbar vorausgeg;ni-
genen Jahre waren die trübste Zeit, die
die Turngeschichte in Amerika zu ver-
zeichnen hat. aber die Begeisterung, mit
der die Turner, voller Opferwilligkeit,
für Freiheit und ^Menschen rechte eintraten
und in so grossen Schaaren der Unions-
Armee zuströmten, um die bedi'ohte Union
zu retten, macht die Kriegsjahre zu dem
rulimreichsten Abschnitte in der Turnge-
schiehte unseres Landes.
Nach einer Zusammenstellung, die jedoch
nur auf eine annähernde Genauigkeit An-
spruch machen kann und eher viel zu
niedrig als zu hoch gegriffen ist. haben
DKR NORD AMKRIKANISCHK TrRNKRBl'ND.
741
Tnifidestciis .")(> I'rozt'iit allt r Mit^'litnlrr der
Tuinvcn-iiH' an ilfiii Kaiiiitff für dw Krlial-
tuiifi? clor riiidu tlu'ilf^t'iunimH'ii. Di-r Uiiiul
umt'assti' damals l'.i Vereine mit 4(>S0 Mit-
glicdcin. t>7 N'citint'. di»' nicht zum Hunde
geholten, zählten 3300 Mitglieder, und die
in diese Zusannuenstellun»; nieht einge-
schlossenen Tuinvereine von New York,
Philadelphia. San Francisco. Sacramento
u. s. \v. zählten un^'ciahr l'iOO .Mit^li<'der.
Man kann deshall) die (Jesammtzahl der
Tuiner der damalijren Zeit auf iUKIO his
10.000 Mann veranschlagen.
Metzner sagt in seinen Jahrbüchern, da.ss
man mit ziejulicher Sicherheit annehmen
könne, dass si«'h wenigstens 5000 his (JOOO
TunuM'. die unmittelbar aus den Turnver-
einen hervorgegangen sind, in die l'nions-
Armee haben einreihen lassen und dass
sich ihnen weitere 20()(» aus alter Anhäng-
liciiUeit angesclilossen hal)en.
leberall. wc» es Turnvereine gab, zogen
die watTenfähigen Mitglieder dieser Vereini-
gungen entweder einzeln, oder wo es immer
möglich gewesen war. in wenigen Tagen
Kompagnien zu formiren. gemeinschaftlich
in 's Feld. Es wurden sogar einige Regimen-
ter, welche fast vollständig aus Tuin«'rn be-
standen, formirt. Ks gab keinen einzigen
Tui'nverein, welchei- nicht seine fähigsten
untl bewährt e.st»Mi Kräfte dem Fnionshecre
zur Verfügiuig gestellt hätte. Die Turn-
plätze waren verödet. In AVa.shington war
bereits am !>. Januar ISOl luiter dem Kapi-
tän Jaseph (Jerhardt von dem dortigen
Turnverein eine Scharfschützen-Kompagnie
gebildet worden, um bei der Vertheidigung
der Hundeshaupt.stadt gegen einen etwaigen
Handstreich der Sezession isten wirksame
Hilfe leisten zu können.
Obwohl der Staat Mi.s.souri eine abwar-
tende St<'llung eingenonunen, bedachten
sich die Turner von St. Loiiis nicht einen
Augenblick. Die Tundiallc in St. Louis
bildete da.s IIaupt(iuartier für die l'nions-
truppen im Staate Mi.s.souri. Vier deut.sehe
Kompagnien, von welchen drei aus Tui'-
nein bestanden, waren organisirt. und
hauptsächlich dieser \'ei-stärkung «lureh
diese d«>ut.schen Kom|)agnien ist es zu ver-
danken, (bi.ss der Kapitän K. Lyon das liun-
des-Arscnal in St. Lunis. welches nur eine
sehr schwa<-he Besatzung gehabt hatte, zu
halten im Stande war.
In Chicago wurden l>ald nach der Pro-
klamation des Präsidenten Lincoln die Tur-
ner-rnions-Kadetten organisirt, welche in
einer Stärke v(»n 10.") Maiui C'airo Ix-setzten.
Später wurde eine zweite Kompagnie orf^:»-
nisirt, welche dem 24. Illinoi.ser Freiwilligen
Regiment eingereiht wurde. Auch im 2.
Ilecker, im S2. Illinoiser und andern Regi-
mentern dieses Staates dienten viele Turner.
Die in Milwaukee, Wi.sconsin. organisir-
ten Turner-Schützen wurden in das ö. Wis-
consin Freiwilligen Reginu-nt eingereilit.
Aucli in dem 24. und 2<). Wisconsiner Frei-
willigen Regiment waren die Turner sehr
stark vertreten inid nahmen an den (Je-
fechten und Schlachten bei Lee 's Mills,
Williamsburgn, (lohlen's Farm. Saviige
Station, White Oak Swamp, Crampton
Gap. Antietam, Frederi<'ksbvirg. Chaneel-
loi-sville, Gettysburg. Rappahannoc Station,
The Wilderne.ss. IIaini(»ver Courthou.se,
Cold Ilarbor. Petersburg und Richmond
theil. Auch die Turner von l.,eavenworth,
Kansas, hatten eine Kompagnie gebildet.
In Cinciniuiti und Fnigcgen»! wurde
unter dem Namen 0. Ohio Freiwilligen In-
fanterie-Regiment ein Regiment gcbiUlet,
welclies später den Namen \. Deut.sches
Ohio Regiment erhielt und von «lern OlM»r-
sten McCook befehligt wurde. Kine Hälfte
der Mitglieder der Cincinnatier Tiirnge-
meinde stand in die-scni Regimcnte. I)ie.ses
Regiment machte den Deutsch-Amerikn-
nern die grös.ste Khre. da es den InMieitlens-
werthen Ruhm erwarb, eines der tü<'htij5-
st»'n Regimenter der gjuizen Minidesarmoe
zu sein. Fs nahm an den Schlachten und
TnfTen vun Rieh Mountain. Carnizer
Ferry, Mill Spring. Wrinth. am Tenn«*s.see,
Perrvville. ( 'hickamauga. ( 'liattano«ign.
742
DER NORD AMERIKANISCHE TURNERBUND.
LüL'kout Mountain. Missionary Ridge und
an dem Feldzuge unter General Shernian
hervorragenden Antheil.
In der Schlaeht von Chickainauga büsste
es die Hälfte seiner .Mitglieder an Todten
und Verwunileten ein.
Das Turner-Regiment von New York bil-
dete das 20. New Yorker Freiwilligen-Regi-
ment. Die Stadt New York selbst hatte zu
diesem R^^gimente drei, Williamsburg zwei
Kompagnien und Newark eine Kompagnie
gestellt. Die übrigen Kompagnien hatten
die Städte am Hudson und im Innern des
Staates gestellt. Aueh Philadelphia und
Boston hatten zu diesem Regiment viele
Turner gestellt. Max Weber war Oberst
dieses Regimentes, das einen Theil der Bri-
gade des Generals Th. A. Neil gebildet
hatte und später dem 6. Korps der 2. Divi-
sion der 8. Brigade der Potomae-Armee
unter General Franklin zugetheilt wurde.
Da.ssell)e nahm an den Treffen und Schlach-
ten von Fort Hatteras. Richmond. Antie-
tam. Fredericksburg. Savage Stati(m.
White Oak Swamp. ]Malvern Hill imd
South Mountain und am Peninsular Feld-
zuge theil.
Das Regiment wurde durch das folgende
Absehiedssch reiben ausgezeichnet :
An (Ji( Offiziere und Soldaten des 20. Neir
Yorker Freiwilligen-Regimentes :
Der Kommandeur der Brigade, zu der
das 20. Regiment gehörte, kann Euch, die
Hir mit ihm dem Feinde gegenüber gestan-
den seid und unter seinen Augen und unter
seinem Kommando gekämpft habt, nicht
abiiiarschiren lassen, ohne seine Zufrieden-
heit und Anerkennung au-szusprechen für
die Entbehrungen, die Hir erduldet habt;
für die Strapazen, denen Ihr Euch unter-
zogen habt ; für die Gefahren, die Ihr be-
standen hal)t. und füi- die Treue, mit der
Ihr für die Ehre unserer Fahne und den
Bestand der Union der Ver. Staaten von
Amerika eingetreten seid.
Gegeben im ^lai 1868 von
Th. A. Xeil, Brigade-General.
Die deutsehen Turner von Indianaiwlis,
Indiana, organisirten eine Kompagnie, und
je eine Kompagnie wurde von den Städten
]\Iadi.son, Aurora. Lawrenceburgh, Terre
Haute, Cincinnati.La Fayette, New Albany,
La Porte und Evansville gestellt und in das
Indiana Regiment eingereiht.
Die Turngemeinde von l^hiladdpUia
organisirte innerhalb von acht Tagen \ier
Kompagnien, doch konnte dem Wunsche
der ^lannschaften derselben, in das erste
Aufgebot der Pennsylvanischen Truppen
eingereiht zu werden, keine Folge geleistet
werden. Das Bataillon bot dem Gouver-
neur seine Dienste an, stellte jedoch die
Bedingung, dass es mit mit Hau-Bajonetten
versehenen Gewehreu ausgerüstet werde.
Da der Gouverneur diesem Begehren keine
Folge leisten wollte, wurde längere Zeit
verhandelt und in der Zwischenzeit die
Quote des Staates Pennsylvania vitii-
zählig, so dass das Turner-Bataillon, ot)-
wohl es marschbereit war. nicht mehr ein-
gereiht werden konnte. Da auch das 8.
Blenker Regiment und das 20. New Yorker
Regiment keine ^lannschaften mehr he-
nöthigten, traten die Turner Philadelphia 's
in das Astor Regiment, das damals in New
York gebildet wurde und später den Namen
29. New Yorker Freiwilligen-Regiment er-
hielt, ein. Oberst dieses Regimentes war
Adolph von Steinwehr. Es wurde der
ersten deutschen Brigade unter General
Blenker zugetheilt. Es deckte den Rückzug
der Unions-Armee nach der ersten unglück-
lich ausgefallenen Schlacht am Bull Run
und focht dann unter den Generälen Rose-
crans und Fremont im ..^lountain Depart-
ment", wo die deutsche Division viel zu
leiden und zu dulden hatte. Ferner nahm
es unter den Generälen Sigel und Pope an
den Treffen von Gross Keys und von Rapi-
dan bis Chantilly Antheil. Zuletzt focht es
bei Chancellorsville als ein Bestandtheil
der Division Steinwehr der I^rigade von
Buschbeck, die zu dem von dem gottes-
fürchtigeu General 0. 0. Howard befehlig-
I)KI{ NORD AMKKIKANIS( HK Tl-RNERHIND.
743
ton 11. Armee- Korps «ichörte. In dieser
Selilaelit lieiiinite die Division Steinwehr
den ei-sti'n An|)rall von Stonewnll .laekson.
Das 20. I\e«rinient wiir !K)() .Mann stark
von New Y(»rk abniarsehirt ; es liraelite
nnr 4.")() Mann iiaeli Hanse /.ni'iiek.
In seinem Al)seliiedsselireilten an tias
He«rimenf sajjte Cieneral von Steinwehr
u. a.: ..Ihr wäret unter den Krsten, die auf-
traten. uns«'r He«rierun«rswesen zu erhalten.
Durch Kure Tapferkeit auf ilem Schhieht-
fehle. dureli Kuei' sohiatisehes iienehmen
im Dienst habt Ihr ^'ereehte Anspriiehe auf
die Aehtun«r und die Dankbarkeit Knier
M it bürfjer erworben.
Ihr wäret in der ei*sten Sehhieht bei Bull
Run. wo l-Auv Ke<riment das h-t/,te war.
welehes da.s Feld räumte. Ihr wäret in der
Kampafrne unter (ii-neral Freimmt, die bei
C'ross Keys uni^jlüeklieh endete; nachher in
dem Feld/.n^'e unter (jeneral Sifrel am Ra-
pidan inid Ra|i|)ahanok und l)eim zweiten
Hüll Run (Jefeelit. und zuU'tzt in der blu-
ti^'en Schlucht bei rhaneeUoi-svilh'. wo Ihi-
durch hartuäekiiren ^VideI•stand gejjen die
feindliche rebermacht Huren alten Ruhm
aufrecht erhalten iial)t. Auf diesem
Schlachtfelde war es. wo Ihr sammt den
anderen Regimentern der ei*steu Brigade
meiner Division Kure Stellung tapfer vei--
theidigtet. als alles um Kuch her in wildei-
Flucht war. Die Ge.schiehte ist gerecht
und wird Vjwh von allem Tad«*l l)efr«'ien.
der für das Inheil jenes Tages Anderen
anhaften mag.
Mit iiHiigem Hedauern scheide ich von
Kuch; aber la.sset mich holTcn. dass Ihi"
meiner mit dersell)en A«'htnng gedenken
wTnh't. die ich inniM-r für lOush hegen
wj'rdc. "
Die Turner im Frieden.
Durch den Krieg war die Hunde.sorgani-
sation ziemlich in Verfall gerathen, aber
im Jahre 18(35 wurde .sie in Washington
neu organi.sirt, und von dieser Zeit an nahm
die Turnerei in den Verrinigtcn Staaten
einen raschen Aufschwung. In allen Ver-
einen bemühte num sieh. djLS System d"r
körperlichen Au.sbildung zu verbe.s.sern, und
um tüchtige Turnlehrer /.xi erhalten, wurd«;
das Turidehrer-Semiintr in .Milwaukee g"-
gründet. aus wclclu-m viele tüchtige Turn-
lehrer hervorgegangen sind, welche wesent-
lich dazu beigetragen haben da.s deutsche
Turnsystem in alle Schieht4>n der Bevölke-
i'ung zu tragen und dabei den jut'cndlichen
rebermnth und Thatendrang in Bahnen zu
lenken, wo er sich. (Jutes an Leib und See!'?
stiftend, zu bethätigen vermag.
Den ('lösten gros.sen Krfolg in turnc'rischer
Beziehung erzielte der .Milwaukee Turn-
verein mit einer I'reis-Riege, welche
auf dem Bundi's-Turnfcst in IMiiladelphia
im Jahre 1879 gnwises Aufsehen ma<'hte und
die höchsten Preise errang. Diese Erfolge
dienten den Riegen anderer Vereine ab»
Sporn zni' .Xaehahminig. .\ls Belohinmg
für den errinigenen Sieg wurde die Milwau-
keer Riege im Jahn» ISSO zum deutschen
Bundcs-Turnfcst in P'rankfurt a. M. abge-
sandt, wo .sie die in sie gesetzten Erwartun-
gen nicht täuschte. Vierhundert hatten
sieli ziMii l'rei.sturnen angemeldet, tuid von
den ausgesetzten zwanzig Prei.mMi errangen
die acht Milwaukcer Tiu'ner deren sechs.
Sie wurden übei-all in Deut.s«*hlan«l gefeiert,
und der <lamalige amerikani.sche (Jcsandtc
.\ndrew Whit«' schickte ihnen eine <initu-
lationsdepcsehe.
Im Jahre 188r) schickte die IMiiladelphia
Tnrngemeinde eine Riege zinn Bunde.-^-
Turnfest in Dresden. l!t(»4 nach Nürnberg
ninl im .lahre üldS nach Frankfurt a. .M..
von denen die Tiirner, reich an Siegen un«i
Khren, heimgekehrt sind. Auch cl.-r Nord-
amerikanische Turin'rbun«l und der New
Yorker Turnverein hatten in «licsem Jahre
eine Riege nach Frankfiirt enlsnn«lt.
W«'lche gros.sen Vcrdi«'nste sich «ler Tur-
nerbund durch die Kinfühnuig d»« Tuni-
luiti'rrichts in di»' Volks-sehulen envorbcn,
744
DER NORD AMERIKANISCHE TURNERBUND.
ist bereits Eingangs erwähnt worden, und
es ist nur zu hoffen und zu wünschen, dass
er auf dem eingesehhigenen AVege fortfah-
ren und sieh dureh keine, noch so grossen
Hindernisse ab.sehreeken lassen wird, damit
dereinst das Ziel erreicht und die deutsche
Turnerei Gemeingut der ganzen Nation
werden möge.
Der Nordamerikanisehe Turnerbund, der
stets ein treuer Hort der deutsehen Sprache
und \'ertlu'idiger der persönlichen Freiheit
gewi«en und noch ist, umfasst heute 24 Be-
zirke mit 236 Vereinen und 39,692 ]\Iitglie-
dern. Von diesen sind : 5273 aktive Turner,
4366 Zöglinge, 2215 ^litglieder von Alters-
klassen, 5283 ^Mitglieder von Frauenklassen,
5701 ^litglieder von Frauenvereinen, 13,-
199 Turnschüler, 8731 Turnsehülerinnen,
470 Fechter, 2138 Mitglieder von Gesangs-
sektionen, 756 ^Mitglieder von dramatischen
Sektionen. 170 Vereine besitzen eigne
Hallen und das schuldenfreie Eigenthum
der Vereine hat einen "Werth von
$3,644.037.
Aus kleinen Anfängen i.st der Turner-
bund zu dieser mächtigen Organisation
emporgestiegen. Das Weiterbestehen des
Bundes dürfte nur dann ernstlieh ge-
fährdet sein, wenn derselbe seine ganze
Vergangenheit verleugnete, wenn er den
Boden verliesse, dem er "Waehsthum und
Blüthe verdankt. Von Anbeginn hatte der
Bund sich die Aufgabe gestellt, deutsche
Sprache und deutsehe Sitte zu pflegen ; von
Anbeginn war er ein Bund patriotischer
amerikanischer Bürger deutschen Stammes.
Und in allem Wesentlichen hat er sich
seinen deutschen Charakter gewahrt. Die
deut.sche Sprache ist heute noch die ofifi-
zielle Sprache des Turnerbundes und seiner
Vereine, und alle Versuche, sie durch die
englische Sprache zu verdrängen, sind ge-
scheitert. Von den 236 Bimdesvereinen
haben bereits fünfzig ihr goldenes Jubi-
läum gefeiert, und voraussichtlich werden
auch die übrigen mit wenigen Ausnahmen
dieselbe Feier als Bundesvereine begehen.
Auf der im Juni im Jahi-e 1908 in
Chicago al)gehalteuen 23. Tag.satzung hat
der Nordamerikanisehe Turnerbund die
nachstehenden Grundsätze angenommen :
Allgemeine Grundsaetze des Nordamerika-
nischen Turnerbundes.
Der Nordanu^rikanische Turnerbimd ist
eine Vereinigung von freiheitlich und fort-
schrittlich gesinnten ^Menschen, zu dem
Zwecke, die Anerkennung und * usbreitung
solcher Anschauungen und Ideen zu för-
dern, von welchen auf Gnmd der wissen-
schaftlichen Erkenntniss unserer Zeit anzu-
nehmen ist, dass ihre Verwirklichung dem
körperlichen, sittlichen, geistigen und ma-
teriellen Wohle der Menschheit als Ganzes,
sowie den einzelnen Individuen nützlich ist.
Wir, die Mitglieder dieses Bundes, erken-
nen in der harmonischen Ausbildung des
Körpers und Geistes eine der Vorbedingim-
gen zur Schaffung, I]rhaltung und Vervoll-
kommnung eines wdrklichen Volksstaates.
Wir machen es unseren Vereinen zur
Pflicht, das Turnen unter den iMitgliedem
und in Vereinsschulen nach rationellen
Grundsätzen zu betreiben und das geistige
und sittliche Wohl ihrer Zöglinge, sowie
der Erwachsenen durch Gründung geeig-
neter Schulen und Veranstaltung belehren-
der Vorträge und Debatten nach Kräften
zu fördern.
Religionssysteme und Kulte sind Pro-
dukte tausendjähriger Entwicklung, und
religiöser Glaube ist zumeist das Produkt
der Erziehung. Bekenntniss und Ausü-
bung in diesen Dingen sind Sache des indi-
viduellen Gewissens. Jede Einmischung
von Seiten des Staates, jeder Zwang, jede
Bevorzugung, jedes äussere ^Merkmal Staat- ffl
lieber Begünstigimg oder Benachtheiligung
i.st ein Eingriff in die Freiheitssphäre des
Individuums. Auch ist jeder Versuch, aus
religiösen Gründen und von selten religiö-
ser Organisationen ins politische Leben ein-
zugreifen, auf's Entschiedenste zurückzu-
DER NORD-AMf:RIKANISCHE TURNERBrNIX
r45
weisen. AVii* befürworten Rrlijjidus- und
Glaul)»'nsfrt'ihi'it in iles Wortt's wcitest^je-
heniler Jk'ileutun»r. sind abi-r zujjicich l>e-
strebt, nach Kräften bcizutratjcn zur Ver-
breitun«^ einer AVeltanseliauunfr. deren
Grundla^'e die Kenntniss der in der Natur
waltenden Kräfte und ihrer Wirkinif;en
bildet, und welche für alle Ei'seheinunfjfcn
eine natürliche ri-saehe sueht.
Wir l)efürw(»rten Einriehtini<;en und i;e-
setzliche Hesti nun untren, welelic ein«'rseits
der Ausbeutung dei- Arbeitskraft dur<*h
das Kapital Sciiranken ziehen und die Ten-
denz in sieh trafen, dem Arbeiter die
Frucht seiner Anstrengunjren zu sichern,
Bestrebimjjen. welche darauf freriehtet
sind, der Entwiekhui}^ der wirthsehaftli-
ehen Zustämle eine Hiebt untr zu geben,
welche zu allinählieher Aufhebung der
Kla.ssenuntersehiede führt, anderseits Aus-
wüchse und rngerechtigkeiten im Kampfe
zwischen Kapital und Arbeit zu verhindei-n.
Eine Vorbedingung aller ]\la.ssregeln für
das materielle Wohl ist eine grössere Ach-
tung vor dem Menschenleben, während in
unseren bestehenden Gesetzen dem Eigen-
tlunn mehr "Wichtigkeit zuerkannt wird als
der Person. Gräs-serer Schutz, sowohl der
Bürger im allgemeinen gegen die Gefahren,
denen sie durch nachlässige und leichtsin-
nige Handhabung und l'nterhaltinig unse-
rer Verkehrsmittel, nachlässige ßaukon-
struktionen u. a. ausgesetzt sind, sowie vor
allem auch der Arbeiter gegen die Gefahren
ihres Berufes, i.st daher mit aller Macht an-
zustreben.
AVir befürworten möglichste Ausdehmmg
der Volksrechte, eine möglichst weitgehende
und direkte Hetheiligung der Massen an
den gesetzgeberischen Arbeiten des Volkes,
und für dessen politische Thätigkeit die
weitestgehenden demokratischen Einrich-
tungen.
Wir sind der Ansieht, da.ss der Staat als
Vertreter aller die Aufgabe hat. die intel-
lektuelle Hebung des Volke?* nicht nur
durch den Ausbau unseres Schulsystems,
soMdeiii iuich durch l'llcge der Kunst und
iler freien wissenscliiiftlichcn Forschung zu
fördern.
Wir befürworten die Schlichtung inter-
nati(tnaler Streitigkeiten durch ein Rechts-
verfahren, sowie die Förderung aller Be-
strebungen zu gemeinsamer Kulturarbeit
aller N'ölker und zum Ausgleich trennender
Gegen.sätze zwischen ih-nselben. wie über-
haupt alle Anregungen, die »lem Ziele
einer einheitlichen Organisation der ganzen
.Menschheit zustreben.
Als besondere, innere Aufgabe unseres
Bundes betrachten wir die Wahriuig seint's
deut.schen Charaktei-s durch die Pflege
deut.seher Sprache und «leutschcr Sitte.
Wir sind keine politische Partei, welche
ihre Mitglieder auf ein bestimmtes Dognni
oder gar auf bestinnute Einzelforderungen
verptliehtct, aber wir erwarten von luiseren
Mitgliedern, da.ss sie als Menschen und
Bürger allezeit im Sinne einer Weltan-
schauung leben und streben, deren Grund-
.sätze in vorstehende!- Erklärung niederge-
legt sind.
Zum Schlus.se sei n(»ch der Männer ge-
dacht, welche sieb als Sprecher und Schrift-
warte des TunuM-bundes ganz besondere
\'erdienste um die deut.sche Turnetci in
Amerika erworlten haben:
liiindis-Vorort Scw York, .V. Y.,
IHfiO— 1853.
Sprecher: Sigismund Kaufmann. ISöO — 53.
Schrift warte: isf)!)— 51. Karl EiHer; 1851
— 5J. Wilhelm Ehrmann ; 1852 — 53. Geo.
Troestereicb.
Iii(H(lis-\'(»rnrt l'/iilinh Iftliia. I'o.,
185.3—1855.
Sprecher: Wilhelm Happ. 18.53 — 55.
Schriftwarte: 18.53—54. Wilhelm Mach;
1854 — 55. (Jottfried Hecker.
Bmuh s-Vomrl Ciniinnatl. (Huu,
Sprecher: Heinrich Esmann. 1855 — 5G;
Albert Talel. is.5«i— 57: (Justav Tafel.
57; I"'. .1. Werner, — 58,
746
DKK NOHI) AMKRIKANISCHE TUKNERBUND.
Schriftwarti': 1855—56, Carl Kühne; 1856
—57. A. Fischer; 1857—1858. Fried.
Bertsch.
Bitmks-Vorort \Villionisbi(rffh. L. Island,
1856—1858.
Sprecher: Au^nist Iniiseher. 1856 — 58.
Sehriftwarte: 1856—57, H. Stumpf; 1857
— 58, Konrad Weiss.
Runih s-Viivort I>uhi(<]uc, luica.
1858—1859.
Spreeher: Johann Bittmann. 1858 — 59.
Seliriftwart: 1858—59, August Dubroek.
}ii(ntks-y<)rorf Washington. D. C,
1858—1859.
Spreeher: L. Wakleeker. 1858—59.
Sehriftwart: 1858—59. S. W. Karamer-
huber.
Bundes-Vorort Baltimore, Md.,
1859—1865.
Spreeher: C. H. Huehrke. 1859—60; Jo-
haini Jung. 1860—61; Christ. Bartell,
—1865.
Sehrift warte: 1859—60, .. Krebs; 1869—
61; Karl Schulz; 1865, A. K. Bruntsch.
Temporäre Beamte eines Vororts wäh-
rend der Kekonstruktions-Periode. mit dem
Ceutral-Au.s.sehuss in New York. N. Y.,
(186-1— 1865) :
Sprecher: Solomon Spitzer.
Korr. Schriftwart : Jacob Heintz.
Biindrs-Vorort Xcw York, .V. Y.,
1865—1872.
Sprecher: Solomon Spitzer. 1865 — 72.
Schriftwarte: Jacob Heintz. 1865 — 68;
Heinrieh Metzuer, 1868 — 72.
Bnndes-Vororf f'hiraf/o, lU..
1872—1878.
Sprecher: Franz Lackner, 1872 — 76; Abra-
ham Gottlieb. 1876—77; Carl Lotz,
1877—78.
Schriftwarte : Hermann von Langen, 1872
—73; Carl :\Ieyer, 1873—78.
Bundes-Vorort St. Louis. Mo..
1878—1898.
Sprecher: Dr. Hugo ^l. Starkloff. 1878—
84 und 1887—89; John Toensfeldt, 1884
—87; Hugo Mueneh. 1889—92; Heinrich
Braun, 1892—98.
Schriftwarte: Hugo Gollmer. 1878—88;
J. Rud. Bollinger. 1888—96; C. G.
Rathmann. 1896—98. ,
Bundes-Vorort Indianapolis, Ind..
1898—1908.
Sprecher: Franklin Vonnegut, 1898—1900;
Hermann Lieber, 1900—1908. j
Schriftwart: Theodor Stempfei. 1898—
1900.
Durch den zu Anfang des Jahres 1908 er-
folgten Tod des Bundes-Sprechers des Vor-
ortes, Turner Hermann Lieber, hat der
Bund einen schweren und unersetzlichen if
Verlust erlitten. Bei der Eröffnung der
23. Tagsatzung des Xordamerikanischen
Turnerbundes, die im Juni 1908 in Chicago
abgehalten wurde, widmete der zweite
Bundes-Sprecher, Herr Robert Nick, dem
Verstorbenen den folgenden, tiefempfun-
denen Nachruf :
..Die ersten drei Tag.satzungen des Tur-
nerbundes, die im zwanzigsten Jahrundert
zusammentraten, wurden von einem Bun-
des-Sprecher eröffnet, der durch seinen
hohen männlichen Charakter, durch seine
Begeisterung für Freiheit und Recht,
durch sein warmes, für alles Edle und
Schöne schlagendes Herz sich die Liebe
und Verehnuig des ganzen Bundes erwor-
ben hatte. Seit fünfundfünfzig Jahren
war Hermann Lieber [Mitglied des Turner-
Bundes. Während dieses langen Zeit-
raums stand er unablässig im Dienste des
Fortschritts. Von den Gebrechen des Grei-
senalters blieb er verschont, und noch im
sechsimdsiebenzigsteu Lebensjahre wid-
mete er sich mit jugendlicher Begeisterung
und Thatkraft der Verwirklichmig seiner
Ideale und der Förderiuig der Bestrebun-
gen unseres Bundes, an dessen Spitze er
DER NORD AMKKIKANiSrHK TURNERBrND.
747
vor acht Jahren l)enif('n wurde. In seiner
schlichten, aber klaren und niarkitren
Weise trat er für seine l'clu'rzeu^unjrt'n
ein. ohne die eigene Meinung als allein
massgebend zu betrachten. „Der Muth der
Wahrheit" war der Talisman, der ihn bei
allen Streitfragen auch die andere Seite
schauen und erfassen Hess und ihn dazu
führte, prinzipielle Gegner mit Toleranz
und Achtung zu behandeln. Uns allen war
Hermaiui Lieber ein leuchtendes Vorbild
höchster Manneswürde. Mannestugend und
Manneskraft."
Auch in Carl Hermann ßoppc. wi'lchcr
im Jahre 1900 in ^lilwaukee starb, hat das
Turnwesen einen eifrigen Förderer ver-
loren. Seit 1878 war er auf allen Bundes-
tagsatzungen der leitende Gei.st. Die Ver-
schmelzung des Tunilelirei'semiimi's mit
dem .\ati(»nalen Deutsch-amerikanischen
Lehrerseminar war sein Werk, desgleichen
der Bau der Bundesturnhalle. I^ange
Jahre war er Kedakteur d<'r ..Amerikani-
schen Turnzeitung" und Direktor des
Turnlchrerseminars. Für veimuiftsge-
mäs.se p]rziehung der Jugend trat er überall
mit Enthusiasmus ein. Die Frhaltung und
Verbreitung deut.scher Sprache mid Le-
hcnsanscbauung war ihm ein Lebensbe-
dürfniss. ebenso schwärmte er für deutsehe
Kunst, be.sondei-s für Theater luid Musik,
als die beiden mächtigsten Kulturmittel
zui- Fi-haltung deut.scher Sitte, Sprache
und Kunst.
Deutsche Orden und deutsches Vereinswesen.
Von deutschen Orilen sinil zu nennen der
„Orden der Jlcrmannssöhne^', anfangs der
40er Jahre zur Abwehr des nativistischen
Janhagels in New York gegründet, der
„Ordrii der Druiden", der in den Verei-
nibten Staaten seit 1839 besteht, der „Un-
\ abliäiifjige Orden der Kothniänncr", der
1 1852 entstand, als die deutschen ^Mitglieder
{ des ..Order of Redmen" sich von den
englischen lossagten, der „Orden d(r
^Sieben Weise)i Männer'', der ebenfalls
1852 gegründet wurde und sich später in
den ..Alten Orden der Sieben Weisen
Männer" und den ,, Unabhängigen Orden
der Sieben Weisen Männer" gespalten hat.
der „Deutsche Orden (Ur Ilnrugari". dei*
„Deutsche Orden der Schwarzen Ritter",
der „Orden der Veteranen und Krittln- dir
deutschen Armee".
Militär-Vereine hat es .seit dem .lalire
183H. als in Philadelphia von Bohlen unter
As.sistenz von Koseritz die ..Washington
(iarde" gegründet wurde, zahlreiche ge-
geben. Anfangs waren es wirkliche militä-
rische X'ei'einigungen. <lie eventuell auch
zum Kriegsdienst befähigt waren, später
verloren sie ihre Bedeutung für den Krnst-
fall. da sie ausserhalb dei- Xational-(iarde
standen, uiul ti-iebcn das Krieg.ssi)iel in
Fniform mit (iewehr oder Säbel luu" zum
Vergnügen. Die meisten Krieger- \'ereine.
welche .jetzt bestehen, dienen rntei-stütz-
ungs-Zwecken. ebenso «lie vel*schiedenen
uniformirten Komi>agnicn. Ivskadrons und
Batterien. Die zahlreichsten .Mitglieder
hat der Dfutsche Krieeft ritund, Arv nur
solche Leute aufnimmt, welche in der
deutsciieii .\fiiiee gedient liabiMi. Aus.ser-
dem giebt es einen ..Deutschen Landw«'hr-
rnterstützungs- Verein", einen ..('entral-
Vei-band der Veteranen luid Krie<:er ilcr
deutschen Arnu'c" u. a. m.
Die Volksfesl-Vi reint . weblie Sitten uml
(Jebräuche der engeren Heimath und die
dafür charakteristischen Festi- nach .\
rika verlegt haben, können sich rühmen,
viel zu wohll hat igen Zweck«'n. denen die
rebei-schüsse ihrer Festlichkeiten fast aus
748
DKR NORD AMERIKANISCHE TURNERBUND.
schliesslich zu ^'iitc kommen. heifretra«;cn
zu hahcn. Ausscnlcm liahcn sie auch das
amerikanische Publikum mit den Festen
der Schwahen. Bayern, Hessen. Badenser
und Plattdeutschen hekannt fjemacht. Die
Feste einzelner dieser Volksfest-Vereine
weisen einen Besuch auf. der nach Zchn-
tausenden zählt.
Das deutsche Schiilzcn-Wcsfii ist auch
nacli Amerika verpflanzt woiden. Schützen-
Vei-cine trieht es in allen grüs.seren Städten
mit zahlreichem Deutschthum. Verschie-
dene dieser Schützen-Vereinigrungen verfol-
«rc n rnterstützuntr.s-Z\vecke. und hei aiulern
Schützen-Vereinen erinnert jetzt nur noch
der Name daran, dass ihre Gründer das
Schützen-Wesen dei- alten Ileinuith in dei-
neuen pHegen wollten. Zu den ältesten
Schützen- Vereinen grehört der Philadelphia
Schützen- Verein, dci- im Jahre 1906 sein
sechsziir.iähriges Bestehen feiern konnte.
Aus.serdeni giebt es eine grosse Anzahl
fiis(Hi(/(r y<rriii(\ so Dramatische Gcsdl-
silidfh II, welche nach Art der deutschen
Liebhaber-Theater sieh bethätigen, deutsche
S(hacJi-Kli(bs, Skat -Vereine, die zu einem
grossen anierikainschen Verbände sich zu-
sanunen geschlossen hal)en und gros-se
Skat-Tourniere iiller AVenzclrittcr alle zwei
Jahre at)haltcn. Zilhvr-Klitbs. in denen
auch .Mandolinen inid (Juitarrcn gespielt
werden, deutsche Jagd- uiul Aii(/I( r-Klubs,
von denen einzelne sogar gro.sse Wald- luid
See-Reviere mit geeigneten Baulichkeiten
besitzen. Technische Vereine, die sich 1884
sch( 11 zu einem Verbände zusaiiunen
schlössen, einen über die ganze Union ver-
breiteten Braumeisti r - Verein, einen
Dr n tsch -amerika nisch c n Press- KJn !> und
einen Verein deutscher Schriftsteller in
.Amerika.
I)a^ deutsehe Vereinsleben hat sich in
überaus kräftiger Weise entwickelt und
trägt die Gewähr in sich eines weiteren
Wachsens. Blühens und Gedeihens. Viele
deutsehe Vereinshallen und Klubhäuser ge-
hören zu den sehön.sten Bauten der betref-
fenden Städte. Ein Deutsches Haus aN
geselliger [Mittelpunkt besteht in Indiana-
polis; in Albany. X. Y.. und in San Fran-
cisco sind solche in Angriff genommen.
I
Narlitranir m\h au^^r^ Artikrl
Kolonial-Praefekt Laussat's Brief.
Eine glaenzende Anerkennung der deutschen Kolonisten Louisiana's.
(Nachtrag zu J. Hanno Deiler's Monographie: „Die Deutschen am unteren Mississippi.")
Der «'i-stc Thril dieses Muchcs wjir !)«•-
ivits ^'druckt, als Professor .1. Il.iiiiiii
I)«'il«'r. <l.'n der Tod iiin iM. .Iiili i:»(i!> d»-m
ncutschtimiii dfs Ljiiidfs ciitriss, iiachstc-
hcudtii Hii.f all den Ileniiistrehcr richtet»-:
l'ovinptüu, La., lU. 7. V.Md.
Sehr treehrtei' TTerr !
liiii selir erfreut, dass ..Das Buch der
Deutschen in Amerika" nun hahl er-
scheinen wird. Kann Ihnen h'i(K'r kein
anderes Hild von mir schicken als das
eiidie«ren(h'. (hl ich kein aiuh'res hahe und
hier, in (h-n Fiehtenwählern Covinj?-
ton's, auch keins gemacht werilen kann.
Der zweite Theil meiner ..Ge.sehielite
der Xew Orh'ans<'r (h'utscheii I*res.se" ist
noch nicht fertijr. da ich das ^laterial
für manche (h-r nenk\vürdi<.'keitcn, die
ich. wie im eiNteii Theil. hineinarlieiteii
will, noch nicht hahe zusammenl)rin<j:en
können. Die Verzüj^erun^ der ehen
jetzt zu Ende ^ehraehten Veröffentli-
ehmig meines Huehes ..The Settlcment
of the Germaii Coa.st of Louisiana" in
den ,.Gerinan America n Annais" und
meine lantre Krankheit (ieh liej^e seit
dem 8. Juni heinaho Ix'ständifr im Bett
und .soll „weder lesen oder schreilM*n noch
denken") sind Scliuld daran. Sie sind
auch Schuld daran, da.ss Laussat 's Brief,
ein prächtifres Zeutriiiss für ilie Tüchlij^-
keit der ileutsehen Pioniere von Loui-
.siana aus der Feder eines franz. Beamten
au.s meiner Arheit in den Annalen we^-
hliel). Diesen Brief niüs.s«'n Sie auf
alle Fälle iinch in den Artikel ..Die
Deutschen am unteren Mi.ssissippi " liin-
einhriufren. Fs wäre ein \'errath an «ler
deut.schen Has.se. es zu unterlassen. Laus-
sat's Brief erseheint in dem Buch, wel-
ches die International Printin^ (.'(»., '2'.i6
Chestnut Str.. Philadelphia, .jetzt von
den Typen der „(Jerman American An-
nais" für mich druckt. Sie finden ihn
un>;efälir auf Seite ]:{(» des Bii<-Iies. mehr
am Fnde. und ^'erade vor dem Artikel
ülwr das Waldeck K«'^'iiiient, welches den
Selilu.ss hildet. Bitte, nelinien Sie die.seu
J. HANNO DFLILKR.
nach dem von ihm urhmandirn Bikir.
Brief noch mit in den Artikel hinein.
Ks ist da.s gros.sarti}^te Xeuf.'niss aus dem
Munde eines französischen Beamten.
Hal>e hei meinem Zustande heute viel
zu viel «je.seh riehen und muss .sofort in 's
Bett.
Mit herzli<'hen (Jrüs.sen
Ihr erjrehener
./. //. Ihilcr.
P. O. Box :J38.
Covinjrton. La.
Leider war es nicht mehr mii^jlieh. «Jen
Brief liau.ssat's in den .\rtikel einzufüiren.
da «lerselhe hereits tredruckt war. aher der
Wunsch des Todten. der mit Kvclit zu <len
<OJ
XACHTRAEGE UND ANDERE ARTIKEL.
allcrbodcutondstcn Deutscli - Aiuci-iUaiiorn
jrt'ziililt wird und i-incr der benitViisteii
VurkämptVr der dcutsi-hcn Sprache gewe-
sen ist. soll deshalb doeh erfüllt werden,
und s(t thidet das Dokument, in dessen
Xiehtverötfentliehun^r «hr Vei-storbene
einen Vci-rafh an der deutsehen Rasse ge-
sehen haben würde, hier eine Stelle. Der
betreffende Absehnitt in Ilanno Deiler's
Hueh lautet in deutscher Uebersetzung:
AhiIUcJu Aiicrhrtniung dcfi Wnilns der
(l( iifschtii rionivre von Louisiana.
Laus.sat. Kolonial-Präfekt von Loui-
siana und Bevollniäehtigter der französi-
sehen Ke^'ierung im Jahre 1803, schrieb
nachstehenden Brief :
„New Orleans, 6. ^Me.ssidor. elftes Jahr.
Der Kolonial-Präfekt von Louisiana
an den Bürger Chaptal. ^Minister des
Innern.
Hürger-^Minister :
Ich habe den Brief vom 4. Floreal
die.ses Jahres erhalten, in welchem Euer
Excellenz mir die Ehre erzeigen, meinen
Rath über die Frage der Absendung von
deutschen Einwanderern nach Loui-
siana einzuholen.
Es ist dies ein Projekt, welches die
französische Regierung während meh-
rerer Jahre systematisch betreiben sollte,
wenn sie aus diesem Lande Gewinn er-
zielen und es erhalten will.
Sein gegenwärtiger Zustand und seine
elende (mistrahlc) Bevölkerung macht
dies zur gebieterischen Nothwendigkeit.
Diese Klasse von Landleuten, und ganz
besonders diese Nationalität, ist gerade
die Klasse, deren wir l^edürfen. mul die
einzige, welche .stets in diesen Landes-
theilen vollkommenen Erfolg erzielt hat.
Was man hier als ,. Deutsche Küste"
bezeichnet, ist der betriebsamste {la jüiis
industrieusc), der bevölkertste {la plus
pcupKc), der zufriedenste {la plus aisce),
der ehrenhafteste {la jilus honnett), der
angesehenste {la plus estimee) Theil der
Einwohner dieser Kolonie.
Ich betrachte es als unerUls,slich, dass
die französische Regierimg es sich zur
Regel macht, alljährlich von tausend bis
zwölfhiuidert Familien aus den Grenz-
gauen der Schweiz, vom Rhein mid aus
Holland zu schicken ; die Auswanderer
aus unsern südlichen Provinzen taugen
nichts {n'y valent rien).
Laussat."
„Evenements de 1803, Seite 315. New
Transcripts of the Louisiana Historical
Society."
(Der [Monat ]\Iessidor war der Erute-
Monat. Er begann am 19. Juni imd
endete am 18. Juli. Das elfte Jahr war
das Jahr 1803.
NA' ÜTlJAKiiK INI> ANUKUK AKTI K Kl«.
753
Die Deutschen im Buergerkriege.
Ein Nachtrag zur Monograpliip : „Der deutsche Soldat im Buergerkriege.
Fast <*iii Jahr iiachdt'iii iiiciii an aiMh'n>r
Sti'lh' i'iNi'hciiicndt'r Aufsatz ^Tsclirii-hcii
wunh'. «rt'hiiitr »'S mir. in ih'r Aslor-liiMici-
tht'k zu Nt'w York das citizit:»' Kxt'iiiplai-
v»»ii Franz Siirt'l's ...Monthly" anl'zulindfn.
wch'hos in (h'n (iffcntlifhcn Büflu'ivii'ii it-
lialtcn <r('l)li»'l)rn ist. Ks ist «las au<'h luw
ein Hruchstück d<'s Werkes. alKT es enthält
glückliclicrweise Sifjol's SchildcrnnjjTn
seiner Krie«rsthätitrkeit bis zum Jahn* ISd;^.
Da es leider zu spät ist, an meinem Artikel
noch Aenderunjrt'U vorztniehmen. .so .sei
liier weniirstens nacht rätriich jresa«;t. dass
mein l'rtheil üher Sij^fel's Küektritt weni-
ger schroff aiLsgefallen wäre, wenn mir da-
mals das jetzt vorliegende Material zur
X'erfügung gestanden hätte. Es gehörte
ein allerdings seltenes Ma.ss Seelengrösse
und Feberwindungskraft dazu, in Sigel's
Amte zu verharren, angesichts der scham-
losen Intrigueu. welche Obergeneral llal-
leck und die "\Vesti)ointer Clitiue gegen
den verdienstvollen deutschen General Ix'-
ständig betrieben haben. Sigel hat die ihm
hinterrücks versetzten Fusst ritte ein ganzes
Jaiir lang ertragen. Als <'r endlich re.sig-
nirte, wählte er leider den ungünstigsten
Augenblick und setzt«' sich selbst in ein
falsches Licht dadurch, dass als Grund
seines Rücktrittes die Verletzung seiner
Eitelkeit erschien : die Thatsache. dass
man ihm. dei- kurz vorher :ir<i Armee-
corps befehligt halle, iiaeli der Ileeresrcor-
ganisation von lS(i;{ nur ihmIi (ins zur
Verfügung stellen konnte. Sigel s«'lbst
sagt in seinen .Memoiren kein Wort über
seinen Rücktritt, diM-h geht man wohl
nieht fehl, weini man als den eigentliehen
(innid dc.vselbeii das fortge.setzte Fntcr-
graben von Sigel's Stellung Seiti-ns «les
Obergenerals annimmt.
Die schreckliche Niederlage des Sigi'l"-
schen Flügels in der Schhu-ht am Wilson 's
('reck bespricht Sigel mit gross^-r Aus-
führlichkeit, ohne j«'<lo<'h den Eindrn<k zu
verscheuchen, «lass ihm selbst die Haupt-
schuld an jenem .Misserfolge beiztniie.s.s4Mt
ist. l'eber Sigel's zweite Nie<lerlage (New
Market, ISJU) i.st in demjenigen Th«'ile von
Sigel's Memoiren, der mir zu Gebote ge-
standen hat. nichts enthalten. Die ihm
von den West pointern vorgeworf«'ncn
Nachlä-ssigkeitcn in der Führung, nament-
lich seine angebliche Langsamkeit beim
Vormarsch nach Ccdar Mountain, erklärt
Sigel in durchaus l)efriedig<'nder Weise als
N'erlemudungen. Sigel schihlert seine
l)eidi'n glänzenden Waffenthaten. bei l*ea
Kidge und Hüll Run 11. in einer den
That.sachen «'utspreclicndcn Form tuid
ohne die landesüblidie l'i-ahlcrci. bezüg-
lich sj'incs Wirk«'ns Ihm Bull Run II wäre
Sigel durchaus berechtigt gewesen, etwas
voller in die Saiten zu greifen. Er er-
wähnt auch nicht die Verdienste sein«'r
l'nterführcr. nicht einmal die glänz«'nde
Behauptung tles Eisenbahntlammes durch
die Division Schin'z.
1\ . Kdufnianti.
r54
NACHTRAEGE UND ANDKKK ARTIKEL.
Die Entstehung des Deutschen Tages.
Aus den „Miltheilungen des Deutschen Pionier-Vereins von Philadelphia'
N;|fh (Ich rrnt<tk(»ll«'ii des l)(Mitscdu'n
PiKiiicr-Vfi-ciMs von IMiiljuU'lpliin iiiaditi' in
der .Jnhrt's-Vcrsnnindiiiifir iini 27. Jaiiunr
1882 der l'riisidfiit Dr. Si'idenstit-ker auf
die im näch.stiMi Jahiv bevorstehende zwei-
hundert ja hri<re Feier der ersten deutsehcii
p]inwan(h'nuiK aufmerksam. Xoeh bei
einitrcn andi'rni (Jelejrenheiten wurde da-
rauf hinjrewiesen, eine Feier empfohlen \ni(l
am 28. Dezendxn- ein Aussehuss dafüi- ei'-
nannt, bestehend aus Dr. Wm. ]\Iann, Dr.
G. K(>llner. II. Faber. S. W. Peunypaeker
und F. Moras. Am 1. .März 1883 fand
eine Vei-sannulung des Pionier- Vereins
statt, zu der die deutsehen Vereine einge-
laden waren, und in der Dr. Kellner als
Beriehterstatter die Vorsehläge jenes Aus-
schusses vorlegte. In einer zweiten Ver-
sammlung am 7. Aju-il, zu der abermals
die deutschen Vereine eingeladen waren,
wurden von Dr. Kellner Beschlüsse vorge-
lesen und einstimmig angenommen, welche
empfahlen, den Tag zu feiern, die vom
Pionier- Verein genuichteu Vorschläge an-
zunehmen und, in Verbindung mit dessen
Vorstande, eine Aufforderung an sännntli-
che deutsche Vereine zu erlassen, je zwei
Delegaten zu einer am 1. ^lai a])zidialtenden
Versammlung zu senden. In dieser Ver-
sammlung kam eine Organisation zustande.
und die beabsichtigte Feier fand vom 6. bis
zum '.). Oktober 1883 in grossartiger und
glänzender AVeise statt. Sie wird als die
F<'i('r des ersten Deutschen Tages be-
trachtet.
Das Verdienst Dr. Kellners besteht da-
rin, dass er dabei hervorragend thätig
wai-. wozu er sieh als begabter Redner und
Schriftleiter des ..Philadelphia Demokrat"
vorzüglich eignete, und dass er sjjäter die
jähi-liehe Feier des (!. Oktober als des
Deutschen Tages, nicht blos in Philadel-
phia, sondei'ii überall in den Vereinigten
Staaten befürwortete. In einei' Abhand-
lung über deutsch - amerikanische Ge-
schichtsforschung, worin Dr. Kellner den
wohlthätigen Eintluss Seidenstickers in
Bezug auf Fördenmg und IIel)ung des
hiesigen Deutschthums bespricht, zollt er
ihm mit folgenden AVorten die gebührende
Anerkennung als dem Urhelyer des Deut-
schen Tages: ,,Der beste Beweis von
diesem magischen Eintluss Seidenstickers
aber ist die Feier des Deutschen Tages am
6. Oktober, den wir hier zu Philadelphia
zuerst zum Pionierfest unserer deutsehen
Einbürgerung in Amerika proklamirt
haben. Nur die Forschungen und Schrif-
ten Seidenstickers über die erste deutsche
Einwanderung und die Gründung von
Germantown haben dazu die Anregimg ge-
geben. ' '
Selbst nachdem die Anordnung des
Festes den deutschen Vereinen übertragen
worden Avar. wurde dasselbe vom Pionier-
Verein und von einzelnen ^Mitgliedern
nach Kräften unterstützt. So beschloss
der Verein am 5. Oktober, der Festbehörde
eine Gabe von 100 Dollars zu überweisen,
und ausser Dr. Kellner waren noch die
Herren Hermann Faber, Georg Herzog
und August ]\Iüller thätig, indem sie für
die Ilerstelhnig und kün.stlerische Aus-
stattung der historischen Abtheilung des
grossen Festzuges die Entwürfe imd Zeich-
nungen lieferten. Dr. Seidensticker aber
verfasste die Festschrift: Die erste Deut-
sche Einwanderung in Amerika und die
Gründung von Germantown. im Jahre-
1683. C. F. Hitch.
NACHTKAKOE UND ANDKKK AKTIKKL.
75&
John Wanamaker ueber „Deutsches Bluf\
Bei der .Ialii-»'s-V«'i*siiiiiiiiluiitr «Ifi- „IN'iin-
sylvaniii (ionnau Sot-ifty'* Vdii \W~ ward
Ilrn- Jtthn Wanantaki r einst iimui^r zum
l'räsiih'utt'ii t-rwälilt. In ointT kurzrn An-
sprach»' say:ti' der neue Präsident mitor
Anderem Koljrendes: ..leli hin iiher-
laseht und <;eehrt durch Ihre Wahl, die
icli ei^entlicii nielit verdien«'. Ich wollte
/uei-st ahlehnen. weil i<'h zu alt hin. um
neue Aemter zu ühernehmen ; das deutsche
Klut in mir wollte inde.ss nicht stille sein
und dränjrte mich zur Annahme. Meine
Mutter war von französisch-holländi-
scher Ahstammunfj; meines Vaters Eltern
waren Deutsche, mein CJrossvater einer der
Pennsylvanischen Pioniere. Ich erinnere
mich noch an das Bejrrähni.ss meines Gross-
vatei*s. Er ward draus.sen in Imliana l)epr-
di^t. Ich werde nie im Leben den Eindruck
vergessen, als ich meinen eigenen Xamen
auf dem Grabsteine las; ich bin nämlich
nach meinem Grossvater benannt. Am
Grabe stehend betete ich, dass ich ein ebenso
guter .Mensch werden möge, wie der Todte
gewesen. Ich bin stolz auf mein deutsclies
Hlut. das Energie und Au.sdauer schatt't.
Ich glaube, dass ohne die Deutschen Penn-
sylvania längst in Stücke gegangen wäre.
Ich nehme die Wahl der Gesellschaft mit
X'ergnügen an."
Also spri<'ht ein Amerikaner, der frühere
General-Postmei.ster der grössten Kepublik
und der erfolgrei<-hste Kaufmaini der Welt.
Trotz seiner Grös.se, trotz seiner Eifolge
schämt er sieh seines deutschen Blutes
nicht; nein, er schreibt sogar einen guten
Theil .seiner Erfolge diesem <Ieutschen
Blute zu. das Energie inid Ausdauer giebt.
ohne welche ein Erfolg ganz ausgeschlos.sen
ist. Am Gi-abe .seines deut.schen Grossva-
ters betet er. ein ebenso guter Mens<'h zu
werden, wie der Todte es gewesen, seinem
deutschen Vorbilde gleich zu werden, l'nd
trotz seiner vorgerückten .Tahrc Tiimmt er
tlie Wahl zum Präsi<Ient«'n der ..Pennsvl-
vania (ierman Society" an. weil .sein «leut-
sehes Blut ihn dazu drängt. da.s deuisejie
Blut, das Ausdauer schatTt, das dem Mann«'
Energie giebt. rnternonnnenes zum Erfolge
zu führen.
I>tii(s(li(, ztdit (im L(lin daraus:
schämt Euch nicht Eurer Abstamminig.
Wer si«'h seiner Eltern s<-hämt. wer sein
\'aterlainl verleugnet, ist ein böser X'ogel.
verächtlicher als der, welcher sein eigen
Xi'st beschmutzt. Nehmt Euch ein Bei-
spiel ;iii dt-ni .Manne, der am Grabe Keine.4
deutschen (iro.ssvatei*s betete: ..IJerr.
mache mich so gut. wie den Todteii." Wenn
Ihr erst so gut seid, wie dii« Tixiten. wie die
Soiibiten. die für Euch gefoehten. wie Eure
( Jro.ssväter. die für Euch gepflügt, wie F^ure
Väter, die für Euch geschatTcn. daini könnt
Ihr <lott danken, denn dann seid Ihr Män-
ner. Bestrebet Euch dem Manne gleich zu
sein, den das deutsehe Blut dazu antreibt,
ein Amt zu übernehmen, selbst wenn es ihm
auf .seine alten Tage be.sehwerlieh werden
sollte; die deutsche Energie, die deut-schi'
Ausdauer wird ihm helfen, seines Amtes zu
walten, l'nd < r hat nur wenige Tropfen
deutschen Blutes in den Adi-rn. Aber Ihr.
die Ihr vollblütige I)«'ut.sch«' .seid, wie
steht's mit Eurer .\usdau«'r. Eurer Energie.
Eurem Deut.sehthum und Eurem .\hnen-
kultus? ,,Gott verlä.sst seine Deutschen
nicht", aber nur. wenn <Ii«' Deutschen ihren
(lott nicht verla.ssen. Wenn der Deutsehe
«'i-st wieder auf seine Abstanuiunig stolz ist,
dann wird w iixu-h ein besserer amerikani-
scher Bürger. Ei-st wenn der Deutsche
zeigt, da.ss er das deut.sche Blut ehrt, dann
wird auch der Amerikaner -ihn wie<Ier
ehi-en. un*I er wird dir Sti-llung im Lande
einnehmen. di<« er eiiniehmen sollte, knift
st'ines deutschen Blutes. S4'iner Energie und
seinel' .\usdauci'.
/>/. /;. .1. Ii>i>r in ..Dii (Hocke".
756 NACIITRAEGE UND ANDERE ARTIKEL.
Eine deutsche Gemeinde-Geschichte.
Deutsche evangelisch-protestantische Smithfield-Gemeinde, Pittsburg, Pa.
Es Avnr ein liohor Freudentag, (l«'n die Vienindzwanzio: Jahre waren schon seit
oben {jenainite Gemeinde am l'9. September (h'i- (iiaiiidnnjr der Ansiedlung Pittsburg
1907 mit ihren Gesinnuiijrs<renossen feier- verllosseji, ehe einige Deutsche den Muth
lieh begehen durfte, näiididi das Fest ihres fassten, sich zu einer Kirchengemeinde zu
]25jiiliriLren l'.esteliens. .Mit berechtigtem vereinen und eine Bittschrift an die damals
Das jetzige Colleshaus der aellesten deutschen Gemeinde westlich von den Alleghenies.
Stolz wurde darauf hingewiesen, dass diese in Reading. Pa., tagende reformirte Sy-
Gemeinde die älteste religiöse Gemeinschaft node richteten, ihnen einen Prediger nach
bilde in Allegheny County und die älteste dem westlichen Pennsylvanieu zu senden.
deutsche westlich von dem Allegheny Ge- Nach Gewährung der Bitte zog Pfarrer Jo-
birge. haun Wilhelm Weber über das Gebirge, um
NACIITK'AKci: r\|) WDKKK AKTIKKL.
757
in Pittslmr^' uiul aiidi'n'ii rijili<'li«'tr«'ii(l.'n juitn-ffdi. dfiiii iVu-sr wolltm lieber in
Ortscluiften Uottes Wort zu verküiulip-ii. irp-nd einer Weise als t.Mr nieht an ihren
Da erst im Jahre 1 TSC di«' älteste en>;lisclie i;<ittli<-lien Ir-sprnn«; nnd ihre hinunlischo
Gcnieindf dieser Stadt p'i.M-ündtt unid.-, I?«-sl inininntr erinnert wenh-n.
A933-/ffW
SO konnte man s(iniitii<rlicli nidit nur l)tMit- Im .lalirr ITSS enipfinfr «liese fiemcindo
sehe, sondern auch Enj;ländi'r. Schotten. in (Jeineinsehaft mit i'iner dentsehen luthe-
Irländer nnd Franzosen. Protestanten nnd risdien (temeinde. die mittlerweile entÄtnn-
Katholiken. in der einfachen HIock-Kirche den war. das jrrosse (Jrnnilstiick an der
758
nachtraegp: und andere Artikel.
Smithfield Strasse und der Sechsten Ave-
nue als Geschenk von der Familie Johann
Penn ,.zur Aufinunteruniür der ]\Io)*al.
Fröinnii^'keit inid Keiifjion". Diese beiden
Gemeinden gehrauchten abwechselnd ]\Ior-
gens und Xachniittafjs dasselbe Gotteshaus
und wurden am-h «jelejrentlich von demsel-
ben Pfarrer bedient, bis im Jahre 1812
die zwei Gemeinden sich veirinten und so-
mit in ihrer Xeu|?estaltung die erste verei-
nigte evangelische Gemeinde beider Konti-
nente bildeten.
Auf dem geschenkten Grundstück, das
damals jenseits der Dorfgrenze und hart
an einem seichten Teich lag und somit nur
einen geringen "Werth hatte, wurde gar
bald ein Friedhof angelegt und im Jahre
1781 ein Versamndungslokal aus Backstei-
nen errichtet, wclclies im Jahre 1815 durch
ein grösseres Kirchengebäude ersetzt wur-
de. 1833 wurde der Bau einer weit um-
fangreicheren Kirche vollendet, die nach
damaligem Urtheil allgemein als schönstes
Gebäude der Stadt anerkannt wurde. Das
schnelle Wachsthum der Stadt zwang die
Gemeinde zum Ankauf eines neuen Fried-
hofs auf Troy Hill (1860) und auf dem
durch Ausgraben der Leichen gewonnenen
Grundstück wurden neben der Kirche acht
Geschäfts- und neun Wohnhäuser aufge-
führt, die seit jener Zeit eine stets zuneh-
mende Einkünftequelle für die Gemeinde
geworden sind. Diese günstigen Umstände
ermöglichten im Jahre 1877 den Bau der
jetzigen imposanten Kirche \md 1886 die
Anlegung des prachtvollen ..Smithfield East
End Friedhofs". Das von der Gemeinde
verwaltete Eigenthum repräsentirt heute
einen Werth von andcrtlialb Millionen
Dollars.
Auch die innere Entwicklung der Ge-
meinde war stets eine fortschrittliche. Von
jeher war es das Streben der Pfarrei- und
Glieder, auf Grund freisinniger und ver-
nünftiger Anschauiuigen den religiösen
Bedürfnissen des ^len.sehenherzens volle Be-
friedigung zu bieten. Seit ihrer Gründung
ist die Gemeinde von folgenden Pastoren
bedient worden: Johann Wilhelm Weber,
1782—1704; Sinnuler und Steck. 17!»5—
1800 ; Prediger unbekannt. 1800—1812;
Jakob Schnee. 1813 — 1818; Johann ^I.
Ingold. 1818—1820; Heinrich Geis.senhai-
ner, 1821—1822; Heinrich Kurtz, 1823—
1826: David Kännnerer. 1827-1840; Jo-
hann Christian Jehle. 1840—1846; Roheit
Köhler. 1846-1849; J. J. Waldhurger.
1850—1853; Dr. Carl Walther, 1853—
1808 : Carl AVei'. 1868—1870; Friedrich
Huott'. 1879—1004; Gustav Probst (Pfarr-
verwalter). 1904—1905; Carl August
Voss. 1905—.
Unter der fähigen Leitung des Pfarrers
Ruoff wurden im Jahre 1887 ein Waisen-
haus und im Jahre 1891 ein Altenheim ins
Leben gerufen, die beide heute im blühen-
den Zustande sind und von dem opferfreu-
digen Sinn der deut.schen Protestanten
Pittsburg 's zeugen.
Trotzdem die Kirche im Herzen des Ge-
schäftstheils der Stadt und somit fern von
den Heimstätten der Glieder liegt. nmfa.s.st
die Gemeinde doch 450 eingeschriebene Fa-
iiiilien. Auch die Sonntagschule und sons-
tige Vereine verfügen über eine gros.se ^lit-
gliedschaft und erfreuen sich einer segens-
reichen Thätigkeit.
Die Geschäftsleitung der Gemeindeange-
legenheiten liegt in den Händen des Kir-
chenraths. der aus folgenden Herren be-
steht: Trustees: Wilhelm Freese (Präsi-
dent). Henry Graf. Otto Pregler; Aelteste:
John Luckhardt (Schatzmeister), Enist
Xickcl (Sekretär). H. W. Schowe. Theodor
Lamb. Christian Ludebühl und John
Kratz; Vorsteher: Simon Dimling. W. L.
Wittmer. Hermann F. Kuoff und Adolnh
A. Görlich.
NAniTKAKC.K UND ANDKHK AKTIKKI.. 7.S9
Deutsch-Amerikanische Sammlung der
New York Public Library.
Werthvolles Material fuer dculsch-amcnlcanisclx" CJc-scIncfüslorschung darin vereinigt.
Die ötTciitlicIit' l{il)liotlit'k der Siadt Nfw Uin^rraphi»' und (iciu'al(»^ri»' drs deutschen
York. dcn'M neuer Pnielitbau an der KN-nientes in Amerika, literarisehen und
Fünft«'U Aveiiu«'. zwisehfii 4(i. und 4*J. uissenseliaftlieln-n Arlieiten von I)<'uts<-li-
Strasse, im llerltst l!ll(> zum Kinzuir bereit Amcrikain'ni aüni diiitsclicn Werken iiliep
DIE OTTENDORFFJ* ZWEIG BIBUOTHFK HFR SFAX' YORK l'L Ol IC linRARY"
sein wird, enthält u. a. eine f;ros.se Sanim- die \i r Slaati-n und Schriften üImt
lunp von Deutseh-Anierikarui. Sie ist eine deutsch - amerikani.s<he Wechsi'll>eziehun-
Zusammensti'llun{r von handschriftlichem k'cn. Das Zustandekommen «liewr für das
Material. Hü<hern. Flutrschriften, Zeitun Deutschthum lioehst wiihtiu'cn Samudunjf
gen und Zeitschriften ühcr Cic,schicht<'. \ i-i il.mken wir der rastlosen Thätigki'it «h-s
760
X ACHTE AEGE UND ANDERE ARTIKEL.
llilfsl.ihlintlickiirs Kit-hard E. Ili-lbig.
Dui-fh jahiH'lanj;!' stille Arbeit, mit Auf-
opferuiifj lies gi'össten Theils .seiner
eigenen Zeit ohne Extrabezahlunj^. ist es
ihm grelungen. den Ankauf vieler einschlä-
giger AVerke zu bewii-ken. Anlässlieh der
Anierikareise des Pi-inzen Heinrich von
Preussen wurde im Jjenox Library Build-
ing im Frühjahr 11)02 eine umfassende
deutseh-amerikanisehe Ausstellung veran-
staltet. Im Oktober 1903 fing Heibig an,
auf bricfiichem Wege Geschenke für die
Bibliothek zu erbitten. Seitdem sind der
Sanunlung über 5000 Bände und Pam-
phlete von Hunderten von Gebern aus
allen Landestheilen als Gesclienke über-
wiesen worden. Auch dahinter steckt viel
mühselige Arbeit.
Kiehard E. Heibig ist 1870 in Deutseh-
land geboren, wurde 1883 durch des Vaters
Tod Halbwaise nebst sechs unmündigen
Geschwistern. Als Vierzehnjähriger kam
er allein nach New York, um sein „Glück"
zu machen. Im Jahre 1893 trat er als
Assistent in den Dienst der Lenox Biblio-
thek, welche 1895 mit der Astor Bibliothek
und der hinterlassenen Bibliothek Samuel
J. Tilden 's luiter dem Namen New York
Public Library vereinigt wurde. Heibig 's
Adres.se ist : Lenox Library Building, 5
Ave. & 70. Str., New York.
Die Ottendorfer Zweig-Bibliothek.
Im Jahre 1883 errichtete Oswald Otten-
dorfer von der „New Yorker Staats-Zei-
tung" an 2. Avenue, zwischen 8. und 9.
Strasse, in New York eine freie Leihbiblio-
thek und versah sie mit 8,819 Bänden,
Gebäude befindet sich neben dem vcm Frau
Ottendorf erbauten Dispensariuni des
Deutschen Hospitals. Die Bibliothek wurde
ein Jahr später unter die Obhut der „Xew
York Free Circulating Library" gestellt,
die sich im P'ebruar 1901 mit der „Xew
York Public Library" bereinigte. Das Ge-
bäude an 2. Avenue wurde infolge der Frei-
gebigkeit Herrn Ottendorfer 's mehrmals
vergrössert. Er überwies der von ihm ge-
stifteten Bibliothek Eisenbahn-Bonds im
Werthe von $10,000 imd bestimmte, da.ss
deutsche Zeitschriften daselbst aufliegen
und eine genügende Anzahl von Angestell-
ten deutsch verstehen und sprechen soll.
Von den 27.417 Bänden, welche die Otten-
dorfer Zweig-Bibliothek jetzt enthält, sind
9,558 in deutscher Sprache gedruckt. Sic
ist die deutsche Ilauptbibliothek in Xew
York.
naciitu.\i:«;k vsd andkici: aktikki.
701
Der Dichter Lenau in Amerika.
Aus der Fcslnummcr zum 70jaehrigen Bestehen der „New Yorker Slaats-Zeilung"
von Prof. Calvin Thomas.
Zwei (hnit.scho Lyriker holim Kiiiij^i-s —
die l)ci»li'ii f;rti.sst«'n sojrar — hnluMi cimiial
daran {r^'djicht. ihr Gliu'k in der Neuen
\V«'lt zu suchen, und ein »Irittor. der her-
vorragendste österreii-hische liVrikrr. liat
diesen Uedank«'!! wirklich aus«refülirt.
Alh'rdin«rs wird für den jungen (JtK'the
die verzweifelte Klu<ht nach .\merika
nicht viel mehr als eine trctriiunitc .Mög-
lichkeit gewesen sein. Im !!•. Buche von
„Dichtung und Wahrheit". w() er iiher die
tjualvolle Trennung von seiner Verlohten
..Lili" im .lahre ITT.l l)eriehtet. erzählt er:
..Wohlwollende hatten mir vertraut. Lili
habe geäus.sert. indem alle die Hindernisse
unserer Verbindung ihr vorgetragen wur-
den: sie unternehme wohl aus Neigung /.u
mir. alle dernudigen Zustände un<l \'er-
hältnisse aufzugehen uiul mit nach Ame-
rika zu gehen. Amerika war damals viel-
leicht noch mehr als jetzt ilas Kldorailo
derjenigen, die in ihrer augenblicklichen
Lage sieh bedrängt fanden."
Wie vieles wäre nun nicht andei-s ge-
\v(»nlen. wenn die hoUle Lili ihrem indenk-
.samen Liebhaber diesen Plan wirklieh vor-
gesehlagen und ihn mit ihren seluinen
Augen überredet hätte, mit ihr davonzu-
laufen I In dem Falle würde der .Name
Wiilfgang (locthe («las ..von" müsste
natürlich wegbleiben) nicht mehr den
Monarchen dci- tleutschen Literatur, son-
dern den Stanuuvater irgend eines blühen-
den (Jeschlechtes in Pennsylvanieii bed«'U-
ten. AU^r .so sollte t"s nicht sein, denn die
Eheselieu d<*s Künstlers siegte. (JcK'the er-
zählt weiter:
..Alwr eben das, was meine lIofTnungen
hätte iM'leben sollen. «Irückte sie nieder.
Mein schönes väterlieh«'s Uhus, nur wenig
hundert Schritte von dem ihrigen, war
doch innner ein leidlicher zu gewinnender
Zustand als die üi)»'r das Meer eni lernte
ungewisse riiigebinig: aber ich leiigne
nicht, in ihrer (Jegenwart traten alle lIotT-
niuigen, alle Wünsche wietl<T herA'or. und
neue l'nsieherheiten bewegten sieh in
mir."
Fünfundfünfzig .Lihre später silss Ilein-
ri«'h Heine auf dir Insel Helgoland und
grülx'lte darüber nach, welchen Welttheil
er ztniäihst mit seiner k<ir|»erlichen (Jegen-
wart beglücken sollte. Ks war im Juli
iS.iO. als er sehrieb:
..Oder soll ich na<li Amerika, nach
diesem luigeheuren Freiheit.sgefängniss. wo
die unsichtbaren Ketten mich n<M'h
schmerzlicher drücken würden, als z»i
Hause die sichtbaren, und wo der widerwä-
ligste aler Tyrannen, der Pöbel, seine
rohe Ileri-sihaft ausübt I Du weisst. wie
ich über dieses gottverfluchte I^aud denke,
<las ieh einst liebte. ;ilv ji-b ••'i nicht
kannte."
Dass .Nikolaus .Niembs«-Ii — iH-.sser Ih?-
bekannt unter dem Namen Li'iiau — «lie
Vereinigten Staaten <'inmal besucht hat.
dürfte wiihl allen bekannt sein, die sieh
auch nur ein weni«/ mit den (iedi«-hten «Hier
der Lebensgeschichte d«»s melancholis<-hen
( )esterreichers iK'fa.sst haben. S«'ine im
•lahre 1S.{2 unternonnnen«* Heise nach
Amerika war eine I)es4>nders unenjuiek-
lielu» Epi.sode in einem I)icht«'rlebcn, «las
überhaupt voll C^uäb'ri'i und Knttäuschun-
'jru g«'wesen ist. I)i«'s«'s Krg«'bni.ss war
«•in«' gren%«'nloNe Abn«'igtnig g«*g«*n alle«
Am«*rikanisehe. Kr erklärt«' «li«' Republik
jenseits «|es Ozeaiis für «'in ..Lau«! v«»U
träumerisch«'m Trug" inid s«'hwärzt«' sie
nach Kräften, s«» «»ft «T «lavttn zu r«'<l«'n
kam. Kr war d«'r «Tst«' . Am«*rikamü«l«'".
«lern nuui j«'tzt «'in«' gi-wisse g«'istige He-
«)«'Utung zusehreilx'ii kann.
7(>2
XAfHTRAEGE T'ND AXDKRK ARTIKKL.
Dr. Tlioiiins S. liakcr lial in si'iiu'i- Ab-
haiuUunp: "Lcnau a?i(l Young Gennany in
America" auf (Jruii<l genauer Xachfor-
sc'hung iiiaiich«' Kinzclhcitcn zum ci-stcii
Mal ins rt'chtc Licht frcstcllt und die
tlcutschcn BiM«.''ra|)licn tlicils berichtigt,
theils ergänzt.
Schon huige, bevor er die Rei.se antrat,
hatte Lenau sicli ein zwar hohes, aber
wunderliches hh'al von Amerika gel)ildet.
wolici das Politisclie gänzlich zurücktrat.
Kr ti'äumte von grossen Urwäldern, deren
Stille nur durch da.s Kauschen von wilden
Katarakten unterbrochen wurde, und in
deren Tiefe die würdige .stattliche Roth-
liaut wie in Cooper's Romanen ihi- AVesen
trieb. Die Gedichte, welche vor seiner
Reise das Land der Freiheit besingen, zei-
gen, da.ss seine Phantasie nicht von ii-gend-
welchen politi.schen oder sozialen Verhält-
nis.sen, sondern lediglieh von der grossar-
tigen Natur Amerikas befeuert wurde,
^lan vergleiche zum Heispiel das Gedicht
..Der Maskenball '". in dem es heisst :
Süsse Ileiiiiath, fahre liini
Nach der Freiheit Paradiesen
Nehmen wir den rasehen Zug,
Wo in heil 'gen Waidverliesen
Kein Tyrann sieh Throne schlug;
und wo Lenau eine Antwort auf die Frage:
,, Warum Polen miLsste sterben?"
In des Raubthiers wildem Schreien,
Und im Xiagararauschen
suchen will. Hesonders lehrreich für seine
daiiudige Stinniiung sind folgende Worte
aus einem Briefe, den er am 16. :März 1832
geschrieben hat :
..Tch will meine Phantasie in die Schule,
iu die noi-damerikanischen Urwälder
schicken, den Niagara will ich rauschen
hören und Niagaralieder singen. Das ge-
hört nothwendig zu meiner Ausbildung.
^Meine Poesie lebt und webt in der Natur,
und in Amerika ist die Natur schöner, ge-
waltiger als in Europa. Ein ungeheurer
Vorrath der herrlichsten Bilder erwartet
mich dort, eine Fülle göttlicher Auftritte,
die noch daliegt jungfräulich und unbc-
liilirt. wie der Boden der Urwälder."
Als dieser Brief geschrieben wurde, war
der Entschlu.ss schon gefasst. Kh gab zur
Zeit in Deutscldand geradezu ein amerika-
nisches Fieber. Der Bonner Arzt Duden
hatte 1829 eine Reisebeschreibung veröf-
fentlicht, worin er das Interesse der Deut-
scluMi für die westlichen Staaten der ame-
rikanischen Union, speziell für Missouri,
beanspi-uchte. Nun entstanden in fast
allen Thcilcii Deutschlands Auswande-
i-ungsgesellschaften. Unter ihnen befand
sich der ..Uhner Verein für Auswanderer",
in den Lenau sicli einschreiben lie.ss, und
dessen Aktien er für öOOO Fl. kaufte.
(Das Geld hatte er als Erbsehaft von
seiner Grossmutter erhalten.)
Als Lenau sieh dem ITlmer Verein an-
schloss. war es seine Absieht, die grosse
Reise im ]\Iai anzutreten und etwa fünf
Jahre in der Fremde zu bleiben. Er stand
in Briefwechsel mit einem jungen polni-
schen Freunde, einem ausgezeichneten
IMusiker, der mitfahren sollte, luid zwar
auf Lenau 's Kosten; sonst würde dii
Sehiffsgesellschaft aus lauter schwäbischen
Bauern bestehen, die ihr Glück in Mis-
souri suchen wollten. Und nun trat da>
Pech ein. Der polnische Freund beschloss
zu Hause zu bleiben, und es kamen ge-
meine Schwindeleien in der Geschäftsfüh-
rung des Ulmer Vereins ans Licht, infolge
deren Lenau es für rathsani hielt, von
dieser Spekulation zurückzutreten. Den-
noch gab er den Reiseplan nicht auf. ob-
wohl er ihn dahin änderte, dass er jetzt
nach Florida gehen und überhaupt nur
einige JMonate in Amerika bleiben wollte.
Erst Anfang Juli war er wirklich unter-
wegs. L^nd schon die Rheinfahrt war eine
harte Prüfung. Das Schiff bewegte sieh
wie eine Schnecke, und es gab längere
Pausen, wo es sich gar nicht bewegte.
Schlechter Proviant und mangelhafte Ver-
sorgung von Seiten der Kompagnie brach-
.NAt llTKAKüK INlJ ANDKUK AltTIKKL.
•63
teil »iiitcr (Ich liaiH'in fiiic l<ri«'^r<*risfln*
Stiiiiiiiuii^ luTvor.
Auf ih'iii Meere j^iiij; «'s hesser. und <ler
Dic-hter fiu^' au, die lau^r>;e|iflejrten Traum-
früellte {rewisserii lassen eiuzueruteu. Meli
rer»' (Jeiliellte. tlie er auf der l'elierfalirt
euipfanp'U lutt. /euj;eu von j;ehol>ener
Stiinuiuu^ utui von der un^etrül)teu Fäliitr-
keit. die neuen Kiiulrüeke zu tfeniesseu.
^lan verjrl«'i<'lu' zum lieispiel ..S»'enu)r-
gvu'\ Wi'leher aidieht :
Der Moryi'ii frim'li, div Winde ffut,
I)i«' Soiiiu' ylülit so llellf,
\'\ul liraiiseixl iirlit es thircli <lie FIntli.
Wie wiiiiijerii wir so (u-hiu>ile!
mit den stim-
odor ..Seejunjrfrauen '
mundvollen Zeilen :
Sinnen«] starr' ii-li nacli dem iicllcn,
Ciri'lizelilos*'!! Meere,
N:t<'li des Mondes und der Wellen
Wie wandern wir so schnelle!
Wefien des Mangels an friselier Nail-
nui^' verfiel er l»aM dem Skorbut, .jener
Krankheit, die in der alten Zeit so vielen
Auswanderern das Lehen hitter «reimieht
hat. Kndlieh war das Sehitf kein s«'e-
tü<-hlitres. Kurz nach der Ahfahrt von
Amsterdam hatte der Zimmermaini ei'-
kliirt. das Diup köiuie im ersten Sturm mit
Main» uihI Maus zu (Jrumle ^ehen. lud
Stürme kamen und erre<,'ten allfremein«'
An«rst.
Erst am 12. Oktoher lantrte das SehilV
in Baltimore an. un<l der .sehwerfreprüfti-
lyenau M^in^r ans Land, — inu sieh mitten
in einer furehtharen Cludera-Kpitlemie zu
hetinden ! Aus 81.(MI() Kinwohnern Balti-
mores sind im Jahre \H'.i2 nicht \venij;er
als '.\'ü'2 an «ler Seuche fjestorhen. Leicht
kaiui nuni si<'h die (femüthsla(;e des Dich-
ters vorstellen, der sieh nun im Kxclnuj^'c
Hotel aufhielt und <lie Din^e ahuartete.
die da kommen sollten. Kr war krank, ohne
hestinuiile Alisieht. ohne Kenntniss der eng-
lischen Sprache, und die Si-uche wüthcl«'
um ihn her. Im Hotel nuichte er die Be-
kauiits<'haft eines jun^'cn deutschen Stu
<lenten. der auch .Mtisiker war riul eim« m'-
iiieinsiniie Kunzerttour in .Mexiko und
Australien vorschlug;. Lenau s«-lu'int diesen
l'lan in idiem Krnsl erwop-n zu ludu'ii, liexs
ihn aller hahl fallen inid hcsi-hloss, nach
.\or«len zu fahren. Irircndwie war er auf
den <iedanken trekommen. seine S<'hritte
nach dem |)orfe Kconomv in \V«*Mt-l*ennsvl-
vanien zu wenden. Also kaufte er sjch ein
I'ferd und ritt fort auf »Icr trri»s.s»'n Land-
stni.s.se, die nordw«>stlich führte. Kr war
nur drei Wochen in Baltimore j;ehli»'hen.
Von den Kinzelheiten dicsi's kühh-n No-
veiidierritts wi.s.s«'n wir nicht viel. In Bed-
ford. reiina., machte er ILilt und lernte
daselltst einen jrewis.sen Alexander Kiu^
kennen, der von seinem Violinspiel so ent-
zückt war. «la.ss er die nähere Bekannt.s<-haft
des intcres-santen Fremd«'n zu nuiehen
suchte. Aher Kill}: konnte kein I)cut.s4-h.
Lenau kein Knjrlis«h. Schliesslich verfielen
sie auf das Latein und radehre»-hten ihirauf
h»s. um mit einander zu verkehren. Bei
der Trennuji«^' erhielt Lenau ein Kxemplar
Vi II Mitchell *s ••(liiide Thioiurh the Tnited
States" mit dci- Zuci^nuiij;: Alexander
Kin>; de Bedfordia «ledit ad ejus amicum
dominum Niemh.seh. In Kconomy anije-
lan^rt, ei krankte er und musste mi'hrere
\V<»chcii im Bett lietrcn. Das war die Foljre
des Skorbuts und <lcr Strapazen ih's Win-
territtes von Baltimore nach Kconomy.
Nach seiner ({»'Uesunfr iriuff er nach
rittsliurtr. wo er von einem d«'utscheu Bür-
«:er .Namens ('. L. Volz frcuntllich iM-wirthet
wuide. Der Verkehr mit \'olz hüeh ihm
fortjui eine an};enehme Krinneruii};. Am
7 I''el>ruar \H'.VA. finden wir ihn mit Volz
noch einmal in Kconomy. wt> eine Kap-
pistenkolonie aus Intliana sieh im Jahre
1S24 nicder^'ela.s.s^•n Iwitte. (Der Ort Im«-
linilct sich am Ohio, untrefähr 20 Meilefi
nordwestlich von Bittshur^r. i Kr wollt«*
sieh eine ..Kami" kaufen, von d«'r«n Krtraj;
er künftighin wie ein LonI in Deuts<hlan«l
leben könnt«'. Niitürlieh «huhte er keinen
Aiiirenhiii'k «laraii. .s«'lbst Landbauer zu wer-
d«Mi. Kr w«tllt«' vielmi'hr «li«« Kolle des
r(i4
N'ACHTKAKGE UND ANDKRK ARTIKEL.
"gcntlrnum f.irmei's" spielen. Diesen Ge-
tlnnUen verfoljjciul. jrin^ rr b.ild ii;ich New
Lishoii. Oliio. wo er in neues rnjrlück ge-
rit'th. Kntweder auf «lern Wege nach New
Lisixin, (tder wie iT sieh hindsucliend in den
l)enaj-hl)artin Wählern herumtrieb, wurde
sein Sehlitten umgeworfen. Er bekam eine
.srhwere Wuixle am K(»|)fe und iiiussle nun
wieder mehrere Tage im liett liegen. Wer
könnte es ihm verdenk«'n, wenn das weitere
Krisen in Anu'rika ihm .jelzt gründlieh
verleidet wai'I
Trotzdem blieb er seinei- Absicht in Be-
treff des Grundstückes li-cu und kaufte
sieji bald ein solches, aber nicht in Ohio,
wie die deutschen Jiiographen erzählen,
sondein ni Crawford Countv. Pennsylva-
nien. wie Dr. liaker ermittelt hat. Die von
Lenau erworbene Farm bestand aus 400
Acres Waldland, wovon der grössere Theil
anbaufähig wai-. Im Laufe der Zeit wurde
das Grundstück wegen rückständiger Steu-
ern verkauft, aber von dem neuen p]igen-
thümer. einem gewissenliaften INIanne. er-
hielt Lenau allmälig eine anständige Kauf-
sunniie zurück. Die Zahlungen liefen noch
1>>47 ein, als der unglückliche Dichter schon
längst dem unheilbaren Irrsinn verfallen
war.
Der Niagara machte auf Lenau einen ge-
waltigen Kiinlruek. der daini in den spä-
teren Gedichten ..Niagara", ..Die drei In-
dianer" und ..Verschiedene Deutung"
nachklingen sollte. Von der Xiagaragegend
fuhr er — wohl im April iS.Sii — ü])er
Albany nach New Yoi-k.
Das ^lerkwürdigste ist nur. dass ein
^lensch solchen Erfalirungen. wie Lenau
sie in Ohio und IVinisylvanien gemacht hat.
überliaupt Poetisches, abgewinnen konnte.
Der rrwald hat gewi.ss seine Poesie, aber
in diesem Falle halten Zeit. Ort. Kälte
schlecht«' Begleitung, l'nkeiujtniss. »e-
.schäftlicher Zweck und i)hysi.sches l'nbo-
liagen dazu beigetragen, alle Naturpoesie
zu \'erniehten.
Aber nicht in seinen Gedichten, sondern
in seinen Briefen finden wir den stärksten i
und derb.sten Au.sdruek jenes ]\Iissiiiuths,
<ler sieh endlich zu den Aeu.sserungen zu-
spitzte. Amerika sei ..das wahre Land des
Fnterganges. der Westen der ]Men.schheit".
und die Auswanderung nach Amerika sei
..die schlinnnste Frucht der üblen Verhält-
nisse in Deutsehland". Die Punkte, um'
welche Lenaus wegwerfende Aeusseningen 'i
sich meistens drehen, siiul namentlich die [
kalte, eintönige Natur, die kalten, rauhen,»;
ausgebrannten ^Menschen, die allgemeine;
Jagd nach Geld und der Bildungsmangel \
der amerikanischen Frauen. Er sehreibt ;
einmal, der Amerikaner kenne nichts, suche',
nichts als Geld; es gehöre .,eine Niagjir.
stimme dazu, um diesen Schuften zu |)i>-
digen. tlass es noch höhere Götter gebe als i
die im ]\Iünzhause geschlagenen". An einer»,
anderen Stelle sagt er, die Amerikaner >t
seien ., stinken de Krämerseelen, todt für '!
alles geistige Leben." Fnd so weitei
Hierüber lässt sich mui im allgemeinen be- ;
merken, dass Lenau in Amerika meistens >
mit echten Hinterwäldlern verkehrt hat. i
Hat er denn etwa unter diesen vortreffli-f'
eben ^fenschen Kunstsinn, Feingefühl, dim
weiten Blick, und .schöne Lebensformen zu
finden erwartet? Von dem wirklichen am
rikanisehen Leben, wie es sich damals in >.
besseren Kreisen gestaltet hatte, hat er -
gut wie nichts gesehen.
NACHTHAEGE UND ANDKHK AKTIKKL. 705
Eine deutsche Jahrhundertfeier.
HUGO MUIlNSniRBKKG. Proletsor an der Harvard Univcrsitact.
Dif Drutsfli«'!! Aiiu'rikas liahni iiiciiwils Im AkadiMiiij-^clwiiiil«' /.u hi-rliii Iwit
vt'i-sämnt. di«' nniss«'ii Kriimrniii^,r<tafr«' Kiclitr dm Winter vnn ISO? I»is 1M(»H Iiii|.
dfutschcr In'istcsp'st'liiclit»' in Tniic niid diiicli xnr (icliildrti-ii aller Stand«* seine
liejreisteruiJ^; zu feiern. Sie wurdt'n zu er- tiaiiinienden Ke<|en frelialten. ..SehwiTte»-
hflu'ndeui Anlass. in ernster Seihst itesin- i.nd Blitze" wollte er reden. Vnd nielil
nun«; sieh klar zu werden. \va.s die Deut- «gefahrlos war die That. Ktirz ztjvor vrni
sehen der Neuen Welt mit der alten Hei- hatte .Napoleon einen Bu<-hhändler er
math verhindet un<l was ilire t.'emeiusame seiiiessen lassen, der eine fran/.osenuii-
AutV'dx' «iiid IMIieht in der neuen Heimath lieundliehe Sehrift verhreitete. Fiehto
sein soll. Noeh ist lehendi^r iu uns allen wus.st«' W(»hl. dass er Wahrheiten ausspre-
die Weihestiuule dir .SehillerfVier. l inl ihen würde. ..die vor den (Jeriehten de.s
.sehou lenkt eine andere dahrhundert-IOrin- h^eindcs des Todes sehuhlipr sintl". .Mmt die
uoruiijr deu Hliek aufs neue zu den IMlie- Furilit voi- der (Jefahr konnte seinen sitt-
ta«;en deutsehen Gfi.sti'sh'heus. Niilit ai' liclu-n Muth nicht s<-hre«'ken. ..Nur ühyr
das SehalTen (h-r f;ros.sen Dieiiter ^'emahht den Tod hinweg, mit einem Willen, «leii
sit' uns diesesmal. sondern an eine |)eid<er- niehts. aui-h der Tod nieht. heujjt und ah-
that — an eine l)eid<erthat. die nieht ver- schreckt, tauirt <ler Mensch etwas." In
•;e.s.sen werden darf, solantre es Deutsche diesem (jiei.ste trotzte er den Vt-rächtern de^
auf Erden fjiebt : im Spätherbst des Jahres Vaterland«'s.
1S(I7 hefrann Johann (Jottlieb Fichte .seine ^^,^^.,. ^,^.,. _^,^^,,^ ^^„^.j^^ ,^..,j^. ^^j^.,,, ^_^, ,^,,.j_
..Ke<lcn an die deuts<-he Nation".
hender Wirkuu«; {geführt ; eiiu» f;ros.se Neu-
Das deutsche He.,-h war iSO.i zusamn.en- .„,„,,„„„^, ,,„„„ „i,.,„,,|, „,„ Alltajrs-e<lan-
t;e.sturzt. Napol is Frem.lhcrrschaft zer- ,.,.,, ,„.,,.„,^„.,„.„ „„,,, ,,,.„„ ^j,. .„jt Muth
trat die deut.schen IIofTnun-cn un tjanzen ,,,,,, ,^,.j,,.i.,,,.,.„„^, v.»rt;et raffen sin.l. Dau-
Lande. der franz.iseln.lc Kheud.un.l I.e- ,., ,„1,. xvi,.|<„„^; ...-zielen nur wirklich neue
kun.lete .he (Jhnmacht «Ics .h.utsch.-n (i.- ,;,.,,,,„|.,.„ ,,i,. ,„„ ,1,.,,, üi•fsW^^ (Jrunde
<lankeus. der Friede von Tilsit zerstörte ilas . , , . o ; , 1 .... 1. .;.»
sudi empor arbeiten. So ist es (l«Min kein
letzte Bollwerk deut.scher Kraft. Die „,.,,, , .11 1 w . 1 „
Ziitall. dass das ent.scheidende W (»rt in «ler
preu.ssisehen Ileere waren vernichtet, die . , , v- • • i •
. , ,, , Stunde der Notli voll den Lippen eines
hestuncen verloren, in der Hauptstadt „ , , , 1. .. 1 1 .
,.,.,.., . .. • , ., , c. .Mannes kam. der in der stillen delehrten-
Berliii verhöhnte französische lieri-schatt • m •
,■ ^, , 1 1 1, • . 1 • stub«* zu den letzten lM-at;en »Ics .Mclisclicn-
die Scfimach der Hesiejrteri : nirt;ends ein
,, , ^ , ,. ... m'i.sti's vori;edrunj;en. r ichtes ..\N is.sen-
runkt. von dem aus neue Kratt zu .sam-
mein. In dieser Stunde tiefster Scham, da >^'-i'"ftslehre" steht neben Kants \ ernunft-
das .S<.hw..rt .ler Krie-er v..rsatrt... .la '<'''' '»^ »'^ "'"** »f'waltiK'st,. W..|tans..hau.
wurde .ler (i.'ist h-b.-n.li};. Der (Jlaube an <i"^'^<^v..rk .la. .las zw.-itausen.l .laiin- .l.-ut-
d.-n heili^r,.,, Werth .l.-s I).-uts..hthums fan.i '<'-»"'»' <J"-s<'lii<-l'te lierv..rKr,.bra.-lit. Nur aus
das b.-}reisternde Wort, .las w.-it.-r wirken «'»l''»'«''- Ti.-f.- .l.-s (J.-.lank.Mis sin.l der
sollte, bis s.-.-hs Jahre später die Freiheit» .Mens.-hheit Hll.-z.-il .li.- wahrhaft befr.-i.-n-
krie^re jr«-kämpft und s.*ehs Jahrz.-hnte «b'H I«h'eii .-i-stand.-n : im h-tzt.-n (Jrunde
später das neue .l.-utseho R.-ich ruhmvoll war .-s .lo.-h stets die .stille Denkarb.-it «ler
ei*siept ward. irn>ssen riiilosoplien. .lie schliesslich alle
766
XACHTRAEGE UND ANDKHE ARTIKEL.
rm\välzun«r('ii in der KiillMrirfsiliirlitc fiii-
geli'iti't.
Für V'whXe konnte diiniber kein Zweifel
sein, (lass die Neuerstehnnfr Deutsehlands
nieht von änsserüehen Gliickszutallcn cr-
liofft werden durfte, sondern dureliaus von
einer iini.Trn rinjreslaltuni? des Volkes al)-
häniri^' war. Hine Xeuirebnrt des deutschen
(ieistes inuss einsetzen. Die Deutsehen
müssen sieh klar werden, was ihre heson-
(lere AutVahe in der Welt sei und wie sie
sieh scheiden von allen anderen Nationen.
Ist aber erst der wahiH* deutsche Geist er-
kannt, dann iiiu.ss er zum Mitteli)unkt des
nationalen Daseins werden. Dazu aber be-
darf es einer duivhaus neuen nationalen
Erzieluui.u'. welche die gesannnte Jugend
mit deutschem Geiste durchdringt. t?o
konnnt es denn, dass die treibende Kraft
der Reden an die deutsche Nation in der
B^rage liegt, was es bedeute, ein Deutseher
zu sein, welche [Mittel dem Deutschthum
dienen, welche Pflichten das Deutschthum
in sich trägt, welche Rechte das Deutsch-
thum beanspruchen soll.
Nirgends aber kann alles das heute nach
hundert Jahren voller wiederklingen, als
in der Seele des Deutschen in der Neuen
AVeit. Auch er sieht mit offenen Augen,
wie fremde Sprache und fremder Geist sein
Deutschthum bedrohen und untergraben,
inid auch er fragt sich luiwillkürlich. ob
denn der Deutsche eigentlich eine beson-
dere Aufgabe in der Welt besitze, die er
festhalten soll inmitten des andern Lebens,
das ihn umgiebt. Gewiss ist die Lage im
wesentlichen unvergleichbar: kein Napo-
leonischer Tyrann bedroht den Deutschen
hier, der Fremde ist nicht in seine Gehege
eingebrochen, sondern mit frohem Hoffen
hat er selbst den Fremder aufgesucht, um
mit ihm mitzu-^^beiten im Aufbau einei
neuen, »vunderreichen Welt. Fnd der
Fremde ist kein stammesfremder Franzose,
sondern der nahverwandte Angelsachse, der
ihn so viel des Trefflichen lehren kann. Und
dennoch bleibt es dabei, da.ss er nur mit
Wehmuth uiul Zagen das Deutschthinn, das'
.Miliinnen ül)er den Ozean trugen, in der j
täglichen Reibung zerkrümeln sieht und '
dass ('!• innner wieder fragend ausblickt, ob!
nicht inmitten des neuen Le])ens der Geist
dei" alten Ileinuith erhalteii bleiben kann. ■
In diesem Sinne sind die Reden an die i
deutsche Nation für uns geschrieben.
Füi' uns ist es geschrieben, wenn Fichte i
sagt : ..Der ]\Iensch wird leicht unter jedem j
Himmelsstriche einheimisch, und die Volks- 1
eigenthümlichkeit. weit entfernt durch den !
Wohnort sehr verändert zu werden, be-
herrscht vielmehr diesen und verändert!
ihn nach sich
Nur darauf konnnt es '
an. (lass diese Sprache ohne Cnter-i'
brechung fortgesp rochen werde, indem weit!
mehr die ]\Ienschen von der Sprache ge- '
bildet werden, denn die Sprache von den .
[Menschen." Für jede fremde angeeigni '
Sprache gilt es ja. dass ..obwohl eine solcli>-
Sprache durch den Wind des Lebens bewegt
werden mid so den Schein eines Lebens von
sieh geben mag, so hat sie doch tiefer einen
todten Bestandtheil und ist. durch den Ein- ,
tritt des neuen Anschauungskreises und die
Abrechnung des alten, abgeschnitten von
der lebendigen Wurzel." Und wiederi,
scheint es für die Deutschen in Amerika ;
geschrieben, die an der Erschliessung desi
Landes tapfer mitgewirkt: ..Unter den be-r
sonderen [Mitteln, den deutsehen Geist wie-
der zu heben, würde es ein sehr kräftigest
sein, wenn wir eine begeisternde Geschiehtci'
der Deutschen aus diesem Zeitraum hätten,'
die das Volksbuch würde, so lange, bis mr
selbst wiederum etwas des Aufzeichnens'
Werthes hervorbrächten." T'nd wiederi;
spricht Fichte von uns: ..Das, was eigent-«.
lieh in die Verworrenheit über unsere Lagei
uns stürzte, war die süsse Selbstzufrieden-»;
heit mit uns. Es war bisher gegangen und ,
ging eben so fort; wer uns zum Nachden-']
ken aufforderte, dem zeigten wir triuniphi-
rend unser Dasein und Fortbestehen. da.s
sich ohne alles unser Nachdenken ergab. Es
XAIMTKAKCK TM) ANMKIti: AKTIKKL.
767
<;iii<; iilii-r nur (lariiiii. weil wir niclit auf
die l*rt)l)e m'stfllt wunlt'ii."
Till alirr üImt dit'st's i;li'ic|i(;ülti^«' 'An-
fallsfortl)t'stt'lifii walirhaft liinaus/ukMin
iiM-n. tliiit aiit-li UMS li('iit«> «'iti<>s viir alliMii
iiiitli: «'S ^'ilt int tiffstrii zu lM'j;n'ifrii. was
der Sinn des Di'utKclitlnnns sein soll. Denn
das wird d(M'li nun wohl von allen Seiten
deutlieh erkannt, dass tlieses kraft«'rfüllte
\'«»lk nnter dem Sterneid)anner nieht etwa
ein Volk von Kn^rländern sein darf, in dem
ilas Nielitentrländerthum spurlos aufdrehen
nujss. sondi'rn dass die tüeht irrsten Natio-
nen der alten W«'lt hier zu neuer einheitli-
i-her N'erseiniielzun«; ^'elantrt sind ini<l <lass
jeder N'olksstamm nnr dann der nenen Ilei-
math würdijj ist. weini er unahlässif; sein
Ki^enstes. sein Bestes, st'in rrspriinfj-
liehstes zum neuen (Jemeinwesen lieiträjrt.
.\ur dann dient dei- Deutsehe dem neuen
\'aterlande. wenn er das edelste Deutseh-
thum in dieser Neuweltl)ildunü: zur Gol-
tnn«r brin«rt. Das deutsehe Lied und der
Weihnaehtshaum sind dafür wahrlieh nielit
{jenut;. ^'ür uns hat Fiehte es ein für alle-
mal t;esatrt. was es bedeute, ein Deut.seher
zu heis.sen.
Die Lel)«*nsautfa.ssunjr und Weltansehau-
un«r trennt ilen Deutsehen von allen ande-
ren Nationen uml adelt seine Gesehiehte.
l'm zu (hin (^uell|)nnkt zu weisen: Alle
Anderen trlaul>en. dass die tiefste (Jrund-
laf;e der Wirklichkeit ein besteheinles Sein
ist. der Deutsehe ist überzeU},'t. dass das
tiefste Wesen «'in Wollen ist. Weini die
Welt ein Sein ist, so ist tlieses fjanze Welt-
j,'etri«*be niehts als ein unendliehes Spiel
von l'rsaehen und Wirknnjreii, wir selbst
sind dann unfrei und das Leb«'n hat keinen
anderen Werth. als die Lust, die uns zu-
fällt : na«h Lust jajjen und S<*hmerz vor-
meiden, ist daiui tue einzitre Auftrabe, «lie
für den Mensehen Sinn hat. Wenn dii'
Welt dajrejren ein ewiires Wollen ist. so
liefjt der Sinn alles MensehenlelH'us viel-
mehr darin, ohne Hüeksieht auf die eijrene
Pei-son luid somit ohne Hüeksieht auf L\ist
und Sehmerz, luieli den ewijj (riilti^en Wil-
lenszielen zu streben. Nur die reinen
Welt he. di«' vom (lefallen ties Kiiizelnen
nnabhiinvri^ sind, nur die Kehle<-hthin ^ül-
ti^eii Idi'ale Werden dann zum LelxMisin-
halt des Kill/einen tnid i\rr <!emeinseliaft
Aueh die Anderen iiniiren um Wis.sensehaft
und Kunst, um Sittliehkeit und Fort.sehrilt
sieh iHMiiühen. aln'r .sie KUehen djLs Wis.sen,
tlamit es .Nutzen iirin^je; und die Kunst,
damit sie jft'fälli'pr unterhalte; die Sittli<'h-
keit. damit sie das Wohlbehagen der
.Mensehen verbreite; und den Fort.sehritt.
damit er «lem Vortheil «liene. Der wahre
(o'ist des Deutseht huins aber will, «lass tia ;
Wahre uikI Schön«- und (Jute ei^tn-bt wir«!
um sein«'r s«'lbst willen; ni«*ht weil ««s Nut-
z«'n schafft. s«nnlern w«'il es an sieh «'wijf
werthvoll ist; ni«ht weil es Lust bringt,
sondern weil die l'llieht «'s jr«'lM*ut. am Auf-
bau einer Welt ih'i' Wertlie mitzus«-haffen
od«'r, wie Fiehte sajft : ..Kwijf dau«'rndes zu
vert1«'chten in s«'in irdisches Tap'W«'rk."
In «liesem Sinn«* sajift Fiehte von den
Deut.sehen. im ({«'t.'-ensatz zu allen anderen
N'ölkein. nur l>ei ihnen ..^rreift di«* (i«'ist«*s-
bildunj; «'in ins Leben ; b«'im Ciej;«'nth«'ile
treht fjeistijj«' HiMunir und LcIhmi je«le.s
s«Mn«'n (jan^; für si«'h f«»rt". Den Deutschen
ist es ..mit alier Geistesbilduntr rechter
eijr«Mitlich«'r Krnst ". den amh-rn vi»'Im«'hr
..ein freniali.s«'hes Spiel, mit «lein sie niehts
Weit«'r wollen. Die h'tzteren haben G«'ist ;
die ei-stereil haben ZUIll Geist an«'h niM'h
(leiiiüth. Di«' erst«'r«'ii haln-n r«'dli«-hen
Fh'iss und Krnst in allen Din^«*n und sind
mühsam, da^'e^en di«* letzteren sieli im Ge-
h'ite ihr«r j;lückli«'h«'n Natur (r«'lien lassen".
So wir«! ..«l«'r deut.s«-!»» (Jeist neue S«'ha.'li-
t«'n eröffn«'!! und Li«'ht und Tajj «'infülir«'n
in ihr«' Ab^n-ün«!«*. tni«! F«'lsma.ssen von Ge-
«laiik«'!! schlemh'rn. aus denen «li«* zukünf-
tijren Zeitalter si«-h Wohnunu'cn «'rbau«'n"
.,l)«'r «'ijr«'ntli«h«' rnt«'iNehei«liniK'st;run«l
li«'>ft «larin, «il) man an ein absolut Krstes
uml riNprünj;li«'h«*s im .M«'iiscln'n s«*!!)«».*.
an Fr«'ih«Mt. an un«'n«lli«h«' Vj'rln'ssiTlich-
7f)8
NACHTRAEGK J-XD ANDERE ARTIKEL.
ki'il. an i-w i^fs Fortschreiten unseres Ge-
schleehtes frhuihe oder uh man an alles
dieses nicht erlaube". ..Wer in der That
nicht mehr ist als ein (ilied in dei* Kette
dei- Hrscheinun»ren. der kaiui wohl einen
Auj;enhliek sich frei wähnen, aber .seinem
strenireren Denken hält dieser AVahn nicht
stand : wie er aber sich .selbst findet, eben
alsi) denkt er nothwendij; sein jranzes Ge-
schlecht. We.s.sen Leben dagegen erijritfen
ist von dem AVahrhaftiiren. der ist frei luid
j.'lanbt an Freiheit in sich und anderen".
„Aber die "Wurzel aller Sittlichkeit ist die
SelbstbehiM-rschuntr, die Selbstüberwin-
dunjr. die rnterordnuni; seiner selbstsüch-
tip:en Triebe unter den liegritT des Ganzen*'.
Aueh das Leben, das uns umj?iebt. ist
auf Lu.st und Nutzen gerichtet; der grö.sst-
mögliehe Geuuss der grösstmöglichen Älasse
.scheint das triviale Nützliehkeitsziel des
ganzen Gemein.schaftslebens: Da soll sich
der deutsche Idealismus erheben und im-
mer wieder durch .seine That den Glau-
Ixn daran beweisen, dass unser Leben nieht
um des Genusses, .sondern um der Pflicht
willen uns gegeben ist. Für uns hat Fichte
es seinen zagenden Hörern zugerufen : ,,Wir
müssen eben zur Stelle werden, was wir
ohnedies sein sollten, Deutsche. Wir sollen
unseru Geist nieht imterwerfen ; so mü.ssen
vvii- el)en vor allen Dingen einen (.icist uns
anschaffen, und einen festen und gewis.sen
Geist; wir müssen ernst werden in allen
Dingen, und nicht fortfahren, blos leicht-
sinnigerweise und nur zum Scherze dazu-
sein; wii- müssen uns haltbare und uner-
schütterliche Giuuulsätze bilden, die allem
unserem ü])rigen Denken mid unserem
Handeln zur festen Kichtschnur dienen.
Leben und l)eid<en mu.ss l)ei uns aus einem
Stücke sein und ein sieh durchdi-ingendes
und gediegenes Ganzes; wir müssen in bei-
den der Natur und dei- Wahrheit gemäss
werden imd die fremden Kunststücke von
uns werfen ; wir müssen, um es mit einem
Worte zu sagen, uns Charakter anschaffen:
denn Charakter haben und deutseh sein ist
ohne Zweifel gleichbedeutend".
Die Jahrhundertfeier der Fichteschen
Reden an die deutsche Nation wurde nieht.
wie der Schillertag, mit Strassenparaden
und Festchören gefeiert. Aber wahrlich
spurlos sollte sie nicht vorübergegangen «;
sein. Sie sollte nicht vorübergegangen ■
sein, ohne dass die Deutschen der Neuen »i
Welt diesen Geist des Fichteschen Deutscli
thums in sich vertieften, um sieh ihrer uii
erschöptiichen Aufgabe lebendiger bewu.s.sl
zu werden — ..denn Charakter haben und r.
deutsch sein ist ohne Zweifel gleiehbe- i
deutend".
NA» llTKAKtiK IN AM»i;Ui: Ah'TlKKL.
reo
Deutschland und Amerika in der Weltpolitik.
Von Professor John W. Burgess, (New ^ork).
Dio lii'uti«:»' politisfhr Wi'lt ist in (Jiili-
rung hopriffcii, liauptsä«'hlicli. wril die
grössti'ii Miiclit»' lies «•uropäisriicn Fest-
lands. Asiens und Amerikas den Zustand
der nationalen Kiidieit und Konsolidinuii^
«•rlangt haben und auf die Bühne tler Wrlt-
politik fjetreten sind. Diese drei grossen
Mäehte sind Dnilschlaml. die Vrr. Staalt n
und JaiKiii. Diese drei grossen Staatm
vertreten in erster Reihe die Zivilisation
der Ztikunft. und es ist ihi'«' unahwt'isliilie
IMIieht. diese Zivilisation in aiulere Welt-
theili' »'inziiführtn. Ks ist nicht hios eim-
Hegierungspolitik oder eine Ilerrscherpo-
litik. um welche es sich handelt, sondern es
ist die expansive Macht von drei gn)ssen.
fortsehreitend«'n. mndernen Völkern, die
sowohl die IMIieht als die Macht fühlen,
nicht nur sich innerlich zu entwickeln, son-
dern auch der Weltzivilation Itcliültlich zu
sein.
Oestatten Sie mir. die heutige Weltlage
kurz und annäherml darzulegen. Die
Land-Ohertläche der Erde, soweit sie heute
hekaiuit ist. misst ungefähr r)2.öU0.0U(l eng-
lische Quadrat meilen und ist von migefähr
17fK».CMK).()(M) Menschen bewohnt. Von die-
ser Oberfläche und Bevölk«'rtnig gehören zu
Asien ungefähr IT.'iOO.tKK) (^uadratmeilen
und 1(MKK(MM1.(MK) Einwohner; zu Kuropa
ungefähr :i.H(M),(XlO (^uadratmeilen und
etwas mehr als 4(«t.(KMi.<>(i(i Kinwuhner; zu
Afrika ungefähr 12.<KM».1KM) l^uadratmcilen
und I .")(».( KU 1.00(1 Einwohner: zu Auslral-
asien ungefähr :{.(;(M>.(KKI (^uadratmeilen
und ß.fXXJ.CHM) Einwohner: zu Nord- Ame-
rika ungefähr 7.S(K),(¥K» (Juadratmeilen »nid
nO.fMX).O(K) Einwohner: zu Mittel-Amerika
luid den West-Indischen Inseln juigefähr
270.000 Quadratmeilen und 10.(KK).000 Ein-
wohner; inul zu Süd-Amerika ungefähr
7.r)0O.OfKI Quadratmeilen und 40.000.000
Einwohner, r.-li.nlif«; müssen wir ange-
ben, dass die südliciie Hälfte von Asien un-
gefähr !»00.(MM».(MM» ,jrr Tau.send .Millionen
Einwohner Asiens enthält, und die süd-
liehe Hälfte von Nord-Amerika ungefähr
1(M».0(MMKK> der 1 10.0(M>.(K)() Einwohner
.NMnI-.Xiiicrikas. Die verhält nismä.ssig tni-
bewithnten Theile der Erde sind daher <lie
nördliche Hälfte von Asien, die nördliche
Hälfte von Nord-Amerika. Australasien.
.Vfrika und Süd-Amerika. In anderen
Worten, während tue südliehe Hälfte
Asit'us, das ganze Europa und die südliehe
Iläiffc .N(inl-.\merikas sieh über nicht mehr
als ein Drittel der Erdoberfläche er-
strecken, enthalten sie mehr als fünf
Sechstel der Einwohner der Erde.
Natürlich spielt sieh hier das grosse
Drama il'v Weltzivilisation ab. Tnd weil
vom Standpunkt der Entwicklung der Zivi-
lisation .Nonl-Amerika ein neues Europa
ist, dürfen wir unser Gesichtsfeld noch
enger gestalten, d. h. wir dürfen sagen,
dass die zwei grossen Faktoren in der Zivi-
lisation der Welt der sii<Uich( asiatischr
inid der (Uf'opäischc Kontinent sind. Ob.
in Bezug auf seine Bevölkerung, Europa
blos ein neues Asien wäre, wissen wir nicht
genau. Die alten Ethnologen haben das
behauptet; aber es giebt eine neue Schule,
die die.se Behauptung abweist. Wi«* dem
auch sei, dürfen wir behaupt«'n. da.ss. wäh-
rend Asien alle gros.sen Keligionen hervor-
gebracht hat. Europa alle grossen Staaten
ge.schatTcn hat, besondei-s alle gros.sen
modernen Staaten. Die asiatischen Staaten
sind natürlich inid lutth wendigerweise
Thcdkratieen gewesen, weil das asiatische
CJenie so ganz überwiegend n'ligiös ist.
Dies ist ganz nothwendig die erste Staat«-
form in der Reihen f<»lge der Formen in der
Ent Wickelung des Staates, id)er sie ist eine
nie<lrigstehende Form der politischen Zivi
lisation und. wenn sie nieht durch das
70
NACHTRAEGE UND ANDERE ARTIKEL.
Fortschreiten zu einer höheren Form über-
winiilen wird, verni-saeht sie den Still-
stiuul und dann den Küek^'an^ und die
Entart untr. Dies ist das Sehieksal Asiens
gewesen, während Kuropa von Stadium zu
Stadiinii der politischen Organisation fort-
ge.sehritten ist, bis es nicht nur zu
einem selir hohen Zustande der politischen
Zivilisation gebracht hat. sondern sich als
die Trägerin derselben nach den anderen
AVeltthcilcn darstellt.
Die modernen Kolonialmaechte.
Kuropa hat diesen letzten Auftrag haupt-
sächlich dadurch ausgeführt und führt ihn
dadurch noch aus, dass es Kolonien überall
geptlanzt hat oder abhängige Gebiete hält
oder Sehutzherrschaften behauptet. Heute
liält Kuropa beinahe die Hälfte Asiens, das
ganze Australasien, fünf Sechstel Afrikas
und die Hälfte Nord-Amerikas unter diesen
vei-schiedenen Formen der Abhängigkeit
fest. Zwei asiatische Grossstaaten sind bis
jetzt diesem Schicksal wesentlich entwichen,
Japan und China: Japan gänzlich, weil die
Japaner mit ihrem grossen Nachahnuings-
talente das europäische politische System
mit ziendichem Erfolg studirt und in ihr
eigenes Land theil weise eingeführt haben.
was Japan zur Iloffiuuig Asiens in dieser
Hinsicht gemacht hat. China, im Gegen-
theil. mit seinem riesigen Gebiete von
4,000,000 Quadratmeilen und seiner unge-
heueren Bevölkerung von 500,000,000 See-
len bleibt wesentlich unveränderlich. Wird
es sicli dem Eindringen der europäischen
Prinzipien ötTnen wie Japan, und dadurch
sieh selbst erlösen ? Oder wird es unter die
Oberherrschaft Japans kommen ? Oder
unter diejenige der besonderen europäi-
schen flächte, die es umgrenzen und es
immer enger umschlies.sen ? Eins von diesen
Schicksalen muss ihm wie den anderen
kleineren unabhängigen Staaten Asiens wi-
derfahren. Für Afrika und Australasien,
im Gegentheil, giebt es gar keine Hoffnung
ausser in der Herrschaft Europas; gegen
welche Süd - Aiiici-ika schliesslicli allein
durch die Politik des grossen nordamerika
nischen Staatswesens beschützt wird
(Die Monroe-Doktrin ist damit gemeint.'
Aber lassen wii- uns einen Schritt näher
an unser genaues Thenui thun. indem wir
den besonderen Theil betrachten, den jeder
der europäischen und der grosse nordameri-
kanische Staat an der grossen Arbeit der
Einführung der Weltzivilisation in die bar-
bai'ischen Gebiete der Erde nehmen.
Seit dei- P]ntdeckuiigs-Periode bis heule
ist England die glücklichste Kolonialmacht
gewesen. Gegenwärtig deckt die britische
Flagge beinahe ein Viertel der Landober-
tiäche der Erde und ungefähr ein Vierte!
der Einwohner der Welt schulden ihr Ge-
horsam. In Asien erstreckt sich die Herr-
schaft Grossbritanniens über 2,000,00(1
Quadratmeilen Territoriums und 35(),000,-
000 Seelen ; in Australasien über 3.000,000
Quadratmeilen Territoriums und 5.000.000
Seelen ; in Afrika über 3,000.000 Quadrat-
meilen Territoriums und ungefähr 50,000.-
000 Seelen ; in Nord- Amerika über 4.000.-
000 Quadratmeilen Territoriums und bei-
nahe 8,000,000 Seelen; in :\Iittel-Amerika
über ungefähr 8000 Quadratmeilen Territo-
riums und 50,000 Seelen ; und in Süd-Ame-
rika über etwa 100,000 Quadratmeileu Ter-
ritoriums und ungefähr 300,000 Seelen.
Nach England steht Frankreich als die
nächstgrösste Kolonial-]Macht. Seine Fahm-
weht in Afrika über 3.800.000 Quadrat-
meileu Territoriums, von ungefähr 40,000.-
000 IMen.schen bewohnt : in Asien über etw;i
200,000 Quadratmeilen Territoriums mit
etwa 20,000.000 Einwohnern. Fraiikr^idi
hat auch in Australasien und in Süd-Ame-
rika Fu.ss gefasst. jl
Doch erwähne ich RKssland mit seinem
grossen asiatischen Besitze und seinen
grossen abhängigen Gebieten, W(^lche unge
fähr 6,000,000 Quadratmeilen Territorium^
massen und von ungefähr 30,000.000 Mcn
sehen bewohnt sind. gd
NACHTKAK(;K I'ND andkhk artikkl.
771
lud (liiiiii Ixitiiiiiit Dl uls( Iiliiii4i, (|a.s uii-
^'efjilir l.(»(M).(H»(» l^uadriitm.-ilni jifrikaiii-
selu'ii T»Mrit(triimi.s l)t\sil/.t. welches von
«'twa 1 .').(>( »().()()() .Mciusclifii lM'\v«»|iiit ist.
Di'Ut.schland liält auch riin'ii }Lsiatis«'luMi
Si'cliaftn. Kiauchan. dcssi'n T«'rritorial-
GrÖKSf i'twa 200 (Quadrat iiicil«-!! hcträ^t
und von un«rif;ilir "JO.ooo Mcnsclicn ln'-
woluit ist. Noch da/.u Ix'sit/t Deut.schland
«•ini^rc Inseln im StilU-n O/can. tlir alle /.u-
sanun«'!! ^iMionuiicn i'ini" Tci-ritdrial-Aus-
dflinun^' von nicht mehr als 100.('00 (Qua-
drat mcih-n haluMi. worauf nicht mehr als
r)(M».00(l .Mt'nschcn wohnen.
In unj;efiihr pleiehem Kani^'e mit
Deutschland steht das Köni«rreich der Sic-
dcrlaudi, das über einen KoloniallK'sit/,
meistentheils in Asien, von etwa 800.000
<^uadratmeilen Territoriums, mit einer Me-
völkerini«; von unjrefähr 40.000.000 Seelen
licn-scht. sowie lirh/itii mit .seinen !MM),000
(^uadratmeilen ahhän^'i^rer (Jehiele in Afri-
ka, die von un^'cfähr 120.000.000 Menschen
hewolint sind. l'nd ferner die Türkei,
welche ül)er etwa 900.000 Quadratmeilen
afrikanisclien Bodens lieri*scht. auf dem
zwischen S nnd K» .Millittnen M<'nschen
lehen.
in niedrigerem Raupe stehen Kolit ti mit
.seinem afrikanischen liesit/.e von uii'^'f-fähr
200,000 C^uadratmeilen Hodens, der von
etwa 1.000.000 Men.schen hcwohnt ist. und
SjHinicn, das noch einen kleinen reherre«t
KcincK einmal ungeheueren Kolonialhcsitxes
hält, das an Boden nicht mehr als 2r>0,0(lO
Quadratmcilen misst, und an Hcwolniern
nicht nu'hr als :{(K).0(H) /jihlt. Sein (iel.i.t
liejrt liaupt.säclilich in Afrika.
Zidet/t will ich die Vrr. Stanh n anfüli-
ren. <lie neueste der Kolonial-Mächte. Der
nordamerikanisclie (inissstaat liehauptet
eine Kolonialherrschaft über untrcfähr
12r).000 Qinidratmi'ilcn Hodens tnid etwa
12.000.000 M.-n.sehcn. Der trn».sst«- Thcil
<lavon ist asiatisch. nämli«'h die (iruppe d«'r
l'hilippinen-Inseln. welche an Hoden unge-
fähr 110.000 Qiuidratmeilen mes.sen und
von etwa 10.000.000 M.n.s.h.n bewohnt
sind Ausserdem sind es die liawaiilnseln
im Stillen O/can mit einer Hod.ntlächc von
etwa TttOO (^uadnitmeilen und einer Hcvöl-
kerunjr von ungefähr 200,000 Seelen; l'orto
Rico im atlantiKchen .M«'er mit einer Hoden-
tlächc von ungefähr 4000 (^inidratmeilen
und einer Hcvölkerunfr von etwa 1,(MM».(MK)
.Mensehen: und dit> Kaiwd/«uic in Panama.
Da/u .schliesslich bi'hauptcn wir eine .\rt
von Sehut/herrschaft über Kid>a. «lie l'crle
der .Antillen, die eine Ho(|enl!ä«*he von bei-
mdie .'»0.000 (^»ladratmeileii hat, die von
beinahe 2.000.000 Men.schen iM'Woluit ist.
Die teutonischen Weltmaechte.
Het rächten wir jcl/t den Charakter, «lie
Zwecke un<l die Hestrebuniren der Mächte,
Welche die Kolonialhcri-Nchaft aiuiüben,
damit wir no«*h einen Schritt nidier an die
Lösung: unserer cijrentlichen Auf'^'abe tre-
ten, - - ..das \'erhältniss /wi.schen Deutsch-
land iiml di-M \'tr. Staaten vom Stand-
punkt der Krforderni.s.se der Weltlatre. "
Für un.sercn Zweck dürfen wir die
400.000.000 Kinw<»hncr Kuropas in drei
ethnoloj;ische (iruppen einthcilen. Die
erste (Jruppc. sowohl in Hezu^: auf Zidden-
t;r»isse als auf körperliche inid jr«'istine
'rüchtijrkeit. moralische (lesundheit und
inicrmüdliche rntcrnchmunt.'Nkraft. ist die
«grosse tnttonischr Ikussr. Sie zählt unjre-
fähr ir>0,000,(M)0 Seelen. Man hat liei ihr
den enjrli.schen un«l den festländischen
Zweip zu untei-Mcheiden. Zum ersten irchö-
ren untrcfähr 40.(KM».(MM> .M.-nschcn. uutl
zum letzleren etwa 110,000.0(MI. und die
•ranz«' Ra.sse vermehrt sich ,iährlieh durch
(h-n reberschuss der C ieburtsfälle über die
Todesfälle um etwa anderthalb .Million«>n
Seelen.
hnmer wieder seit dem Verfalle d«*s alten
römischen Reieh«'s liat <li<«e jrrosse Rasse
Kuropu dadurch vcrjün^'t. «hu« sie ihr
frisch«'« Hlut uml ihre rüstijre Ii««b«'nskrnft
in «lie in Verfall (;«'rath«'n<' r«imis«'h«' Welt
772
NACHTRAEGE UND ANDERE ARTIKEL.
gcfjassen liat, wodurch die sich auHäsenden
röniisclicn Provinzen wieder ory:anisirt
und die riunischen Hassen von y:änzlicher
Aiusartunjr gerettet wurden ; und all dieses
zur selben Zeit, indem sie sich rein und
krüitii; in der alten lleimath erhalten hat,
von welcher sieh ihre Ausläufer ausge-
streckt haben. Sie hat England, Deutsch-
land, Schweden. Xorwencn. l)iineiiiai-k. die
Niederlande, Oesterreich, die Schweiz und
die \'er. Staaten geschaffen. Sie schuf den
westgothisehen Staat in Si)anien. welcher
die arabi.sche ]\Iacht aus Europa drängte.
Sie .sehuf den fränkischen Staat in OaJlien,
welcher das ganze P]uropa vor Auflösung
bewahrte. Sie organisirte den lonibardi-
sehen Staat in Italien, welcher in der Herr-
schaft des savoyisehen Hauses noch lebt
und die politische Einheit Italiens schliess-
lich zustande gebracht hat. Sie beschützte
Mittel-Europa gegen die Fluth der .slavi-
schen Invasion, die dasselbe im ^Mittelalter
zu übei-schwenunen drohte, und .stellte die
hohenzollerisehen Vorposten, Ost-Preussen
und Rumänien auf, um solche Bewegungen
auf immer im Zaume zu halten. Sie ist
seit den letzten 1500 Jahren gewesen und
ist noch heute der grosse Staatenerbauer,
und ein Drittel der Einwohiiei- der Welt
steht heute unter ihrer Herrschaft.
Ihr am nächsten an Zahlengrösse konnnt
die gras.se slavische Rasse, die beinahe hun-
dert luid fünfzig ^Millionen Menschenseelen
enthält. Zuweilen behauptet man, dass sie
die Raüse der Zukunft sei, aber soweit ich
sehen kann, giebt es gar keine Anhalts-
punkte dafür, da.ss sie je das Szepter der
Weltherrschaft aus den Händen der Teuto-
nen Ix'kommen wird. Als eine Rasse haben
die Slaven sehr wenig politisches Talent
bewiesen und haben innner der Auto-
kratie bedurft, um nicht in die Anarchie
zu verfallen. Die Welt kann sich nicht,
soweit ihre Zivilisation in Frage kommt.
auf die slavische Rasse verlassen !
l'nd zuletzt kommen die romanischen
Völker, in den drei Abtheilungen von Fran-
zo.sen, Spaniern und Portugiesen, und Ita-
li(Miern. Alle drei zusannnengenonunen
zählen etwa 100,000,000 .Mensehen. In der
weitliegenden Vergangenheit besas.sen sie
die Weltherrschaft, aber in der modernen
Zeit haben sie all mahl ig das Szepter in die
Hände der teutoni.schen Staaten übergeben
müssen ; und zeigen, .jetzt wenigsten.s, die
Spuren l)is zu einem gewissen Grade kör-
perlicher wie geistiger P]rschöpfung. Die
stärksten unter ihnen, die Franzosen,
sind kaum fähig, sieh trotz der unbedeu-
tenden Auswanderung nach ihren eigenen
Kolonien, in der alten Zahl zu erhalten,
während die teutonischen Völker sich, wie
schon gesagt, um anderthalb ^lillioncu
Seelen jährlich vermehren. Zur Zeit des
Kriegs zwischen Frankreich und Preu.s.sen
in 1870 zählten die Einwohner Frankreichs
und Deutschlands je etwa 40,000,000. Seit-
dem ist die Bevölkerung Frankreichs we-
sentlich stehen geblie])en. während die von
Deutschland auf etwa 60,000,000 gestiegen
ist. Es ist ganz offenbar, dass die Zukunft
der Zivilisation nicht in den Händen der
romanischen R^.sse liegt. W^enn wir alle
diese Thatsachen in reifliche ernste Erwä-
gimg ziehen, so müssen wir zu dem
Selilusse kommen, dass die gegenwärtige
und die zukünftige politLsche Zivilisation
der Welt in den Händen der drei grassen
teutonischen Staaten, — Deutschland, f^»{J-
lancl und die Ter. Staaten — liegt, und
da.ss das Heil der Welt es unbedingt erfor-
dert, dass diese drei Grossmächte zu.sam-
mengehen und zusammenwirken. Ich
glaube nicht, da.ss das Wohl und der Fort-
schritt der Welt auf andere Weise geför-
dert werden können. Alle internationalen
Kongresse und Konferenzen, die man ver-
sammeln kann, werden ohne Erfolg bleiben,,
wenn diese drei grossen teutonischen Staa-
ten nicht zusammenstehen und durch ihre
vereinte ]\facht die kleinlichen Wider-
sprüche, welche die Kleinstaaten gegen die
grossen Interessen der Welt immer machen^
überwinden.
NACIJTRAEOE UND AXDKKK AHTIKKL.
Enger Freundschaftsbund zwischen
Deutschland und Amerika.
Nun. wii' kiitin dies«- Ilariiiniiic m Zweck
iiikI Ilaiidluii^' /wLsflicii (licscii dn'i ^russeii
Staat«'ii crlaii^'t und cilialtfii wcrdi-n ? Icli
hin üluTZt'Ujrt, das.s der erste und wi«'liti^;ste
Schritt in dieser Kiclituut; eine fn(jc, auf-
riihtigt FriumUchaft zwitcln u ptutsch-
laiid und den l'ir. Staatni Lst ; und Im--
grüude das. wie fol^rt :
Nieniantl. erlaube ich. wird die Hi-haup
tun;: verneinen, da.ss die gras-se Weltauf-
jirahe tler \'ir. Sltiatni im Stillt n üztait
lie«rt und sich nach A.sien riehtet. Europa
steht für .sich fest und hat Afnka in Besitz
t^enoinnien. un«l wird mit der Zeit den dun-
keh'H Kontinent zivilisiren. Ks lihMhen <lio
un^reheueren Landesstrecken und die hun-
derte .Menschenmillionen .Mittehisii'ns. die
in lierührunfr mit der modernen Kultur
^'chracht und dadurch vor,jüny1 werden
miLssen. Nun. wie ist das zu erreichen ?
Kin sranz he^rreitliclics Mittel wäre, dass
dies unermessliche (Jebiet unter die Herr-
schaft Japans «rehracht würde, welches sich
als die lii'uchte Asiens betrachtet. Dslss die
Japaner den Klnxt'iz fühlen, eine solche
Kolle zu spielen, kann kaum Iwstrittcn wer-
den. Man kann auch nicht .sauren. da.ss ein
solcher Khr^reiz ihrei-seits unnatürlich oder
unwürdi«^ i.st. Sie haben selbst während
der letzten fünfzi«.' Jahre solchen irrossen
und merkwürdi^'cn Fortschritt trema<'ht,
dass ihr H«>strehen. au<'h Theil an der
AiLsbrcitun^ der m«Mlerneri Zivilisation zu
nehmen, das Erstaunen seitens der Kenner
der rje.schii'hte )ind Staatswi.s.sens<'haft
nicht erregen kann. Ich habe die grii.s.ste
HcM'hachtung für ihre Ziele und schenke
ihren Fähigkeiten meine grösste Anerken-
nuiiL'.
Aln-r trotz idledem denke ich nicht, dass
es zum höcltsten Wohle der AVeit g«'reichen
würde, wenn China luid Mittel-Asien ihre
Aufklärung durch die Herrschaft Japans
erhalten sollten. Ich wüns<'he vielmehr.
dass die Thore di»*si'r ungeheueren Oebiete
dem Handel und Verkehr Kuropas und der
Ver. Staaten weit offen gehalten wt-rden
und da.ss die Villker Chinas luid Mittel-
Asiens ihre Aufklärung durch die frie«l-
lichen uikI inäihtigen. obgleich langsam
wirkenden Kintlüs.s<' aus den «•«•hten Irhei-
mathsländern der modernen Zivili.sation er-
langen Cnd ich glaube. da.ss die Pflicht
d.r Aufrechterhaltung dieser Politik den
Im*. Slafitiit ganz Ix-siimlers obliegt.
Darin seheint mir die bes<indere und
eigentliche 1^'deutung unseres ]i(>sitzes iler
l'liiti/>l)liit II zu liegen. Sie bilden für uns
die Operalionsbasis zur Krfüilung unserer
Tflieht in liezug auf die Zivilisation
Asiens. \'(»n diesem Standpunkte aus be-
trachtet, würde die rebergal>e «xler Abtre-
tung dei-sclben ein Verbrechen gegen die
Weltzivilisation selkst sein. Ich ilenke
nicht, dass dies je gt-sehehen wird, weil wir
hierin nicht einfach mit einem Stück eigen-
nütziger Politik zu thun hal)en. .son<lern
mit «'inem 'göttlichen Impuls, seitens eines
grossen zivilisirten \'olks. Weltzivilisation
in die weniger glückli»-hen Welttheile ein-
zuführen.
Aber in dt-v Kifüllung diesi«r gnifisen
PMieht können uns vielleicht S«-hwierigkei-
ten auf der atltintischi n Siite entstehen.
Wir wissen, dass England im liihidnisse
mit Jiii>aii steht. (Jeiuiu wie weit Kni:land
in der Cntei-stützung der japanisehiu Po-
litik zu gehen verptliehtet Lst. oder wie weit
England in der That gehen würde, ist uiui
nicht genau bekannt. AlM'r wenn man das
Horo.skop der Zukunft stellt, miLss man
immer alh' Möglichkeiten, die .s<'hon ül>er
dem Horizont auftauchen, in die Here<'h-
nung einsehli(!S.sen : luid wir wissen wohl
genuiT. dass es Streitpunkte zwi.schen Japan
und den \'er. Staaten giebt. die .schon wahr-
nehmbar sin<1. iHuI in l^'zug auf wflehe
Japan möglieherweiÄc von ihrem engli.seheD
Alliirten unterstützt wenlen würde. Ks
ist w«'nigstens begreitli«'h. dass Kngland
von s«Mner sehr vortheiihnften Stelliuig und
774
NACHTRAEGE UND ANDERE ARTIKEL.
seiiuMii sehr starken Staiulpimktc in In-
di( II, und um sich »lei- russischen (Jefahr
an der indischen (Jrenze zu entledijjen, in
die TlidhuKj A.sit ns mit Jnpan einwilligen
möchte. England kann sicherlich einmal
eine Ixegierung haben, die diesen kolassalen
plan hegen möchte, und das.s .lapan auch
einen solchen Plan willkonnnen heissen
würde, ist wenigstens etwas mehr als eine
Möglichkeit, .ja es i.st beinahe eine Wahr-
scheinlichkeit.
Aber eine .solche Lösung der asiatischen
Frage würde, wie es mir wenig.stens scheint,
den lnteres.sen der Ver. Staaten sowohl als
den höchsten Interessen Asiens selbst luid
der Welt im Allgemeinen ungünstig, ja
feindlich, sein. Und es ist, nach meiner
Meinung, un.sere l'tiicht, uns selber dage-
gen zu wahren und die Welt davor v.w
warnen.
Kanada und die Ver. Staaten.
Wir dürfen nicht die Augen davor
verschlies.sen, dass eine andere, sich
schnell entwick(^lnde Nation den nordame-
rikauischen Kontinent mit uns theilt, nnd
schon so .stark nnd selb.stbewusst geworden
ist. dass sie nicht mehr ignorirt werden
kann. Es ist glücklicherweise wahr, dass
sie auch wesentlich eine teutonische Nation
ist. und da.ss die moralischen Harmonien
zwi.schen ihr und uns ])e.stehen, die zum
Frieden und /.ui- Fi-eundschaft führen.
Eine lange Zeit glaubten wir, dass diese
Harmonien und die geographische Lage
unsi'rer nördlichen Nachbarin schliesslich
zu ihrer Einverleibung in unsere ITnion
führen würden. Aber während der letzten
25 Jahre ist diese Aussicht merklich ge-
ringer gewonU'n. da die Bevölkerung
dieses gros.sen Gebiets sich ihrer natür-
lichen rnabhängigkeit bewusst geworden
und ihre nationale Konsolidirung sich ent-
wickelt hat. Sie ist .jetzt ein ziemlich er-
heblicher Staat mit einer recht gut orga-
uisirten Regierung und vielen vortreffli-
chen Institutionen geworden.
Tu 25 Jahren wird er 25.000,000 Ein-
wohner haben, und wird dann, in der That,
wie schon jetzt in manchen Bezielumgcn,
kein unwürdiger Konkurrent der Vor.
Staaten werden. Pnd hinter dieser neuen
Nation steht das mächtige England wieder
fertig und fähig mit seiner ungeheueren
atlantischen Kriegsflotte, die Interes.sen
.seines Kindes zu vertheidigen. In einem
Worte, wir, die Bewohner dieser Ver. Staa-
ten, mü.ssen aus unserer alten Einbildung,
da.ss wir der ganze nordamerikani.sche Kon-
tinent sind, heraus treten, und der That-
sache gerade in das Gesicht sehen, da.ss wir
in einem dem Europa 's etwas ähnlicheren
Zustand gekommen sind, als es bisher
der Fall war, da trotz aller Freundschaft
mit unserer nördlichen Nachbarin Reibun-
gen mit ihi' und dadurch mit England
immerhin möglich sind.
Deutschland und die Ver. Staaten.
Nun, das Verhältniss der Ver. Staaten
zu dem andern grossen teutonischen Reiche,
vom Standpunkte der Weltlage betrachtet,
i.st ganz anders. Auf keinem Flecke der
Erde scheint eine Wahrscheinlichkeit oder
gar eine sichtbare ^Möglichkeit der Ent-
stehung eines Streites mit ihm in dem
gro.ssen Werk der Ausbreitung der Zivili-
sation gegeben zu sein. Deutschlands
grös.ste Aufgabe ist die beständige Ver-
jüngung der Völker des europäischen Fest-
lands und ihre Vertheidigung gegen die
anarchistischen Tendenzen der slavi.scheii
Rassen und die Tendenz der Er.sehöpfuiiK
der ronuuiischen Rassen. Wie ich schon
gesagt habe, ist dies die grosse Aufgabe der
Teutonen .seit 1500 Jahren gewesen. Ethno-
logisch ist Deutschland zwar nicht die
ganze teutonische Welt im festländischen
Europa, aber doch i.st das deutsche Reich
der grosse politische Vertreter der festlän-
dischen Teutonen und i.st die gro.ssc vor-
wärtstreibende Kraft in der Ausbreitung.'
des Germanenthums nach den anderen
Theilen Europas. Ruhig und .schweigend,
NACHTRAEISK LWD ANDKHK AHTIKKI. 775
alx'r aiicli uii\vii|.isl,.|ilirli. (Iriii^rt (li«'se (luniii /wrift-ltm. oli wir in «I.t Li«iujf;
jrrosso Volkskraft nach allm lviclitun<;i'n nnsjMvr innenn Anft:al>on writ jrrnuj; vor-
hin und bildet di.' händfr und X'.ilki-r. die tresdiritten wären, um die Holle einer Welt-
sie berührt, nach iiinin ei^'.-iiiii \'orl»ilde maeht anf'/unehnien und mit der Krfülluntr
um. Deut.sehland ist das ;,'ros.se. immer unserer Welt j. flieht in «ler Auslireitunjr der
ül)erHie.ssende. Reservoir von Völkerkraft. Zivili.sjjtion an/ufan^'en. Ah.-r ieh hahe nie
welches seine helehenden luid hefruehten- daran p'/weifelt. (hiss wir. wie nWr anderen
<len Ausflüsse nach allen Kiehtuuiren hin zivilisirten Nationen, eine .s«.|ehe Ptlieht
sendet, und. <la die alten Kassen allmähli«'h hahen. und dass wir zu der riehtii;en Zeit
absterben, di.'selbeii durch das Kimlrint;cn die Krfüllunii derselben unternehim-n mil«-
teutonisehen Blutes \iiu\ teutonischer Zivi- sen. Wie ich die Weltu'esehichte vei-stehe,
lisation ersetzt. sin.l die Stufen <ler Kntwiekluntr .jedes cr-
Tud dann, zweitens, lie^'en tlie holomtil- foL'reieheii Sfaatsbaues: zunächst das
i i» I n-< s.s'( II l)( iilsrlihnnls, wie wir ^'eschen SehafVi-n und da.s Fesf.setzen einer wohh^e-
haben. in Afrika, wo es ein (Jebiet be- ordneten l{<';.'ierun^' ; dann die He^ründunjr
herrscht, welches viermal so i;rass als das «'iiu'r klar be<rrenzten Sphäre der indivi-
seines europäischen Heichs ist. tuid welches duellen Freiheit ; weiter die Konsolidirun^
seine Kolonialthäti:_d<eit für ein dahrhiui- 'l'i" Nation und zuletzt die Weltrolle einer
dert in Anspruch nehmen wird. In der weltzivilisirenden Macht Keine (iross-
Krfüllun«: dieser Aufgrabe kommt daher macht darf sich von der Krfülluntr dieser
Deut.sehland auch nicht in Berühruii}; mit letzten «rro.s.sen erhabenen Ttlicht zurüek-
tlen Ver. Staaten, weil die Ver. Staaten /icheii, wenn sie die vor«renannten nöthijren
keine Holle in Afrika spielen witllen. l'iu\ \'orbereitun<.'en tremacht hat. um sie mit
w«'nn wii-, tlrittens. die asiatische Politik vernünftijrei- Au.ssieht auf Hrfoltr durchzu-
des deutscheu Heiches betrachten, finden führen. Obwohl wir in 1S«>S vielleicht
wir, dass die Intere.ssen Deutsehlamls und nicht völli«: vorbereitet waren, die.se ^r«»sse
der Ver. Staaten Ilaml in Hand «rehen. d. h. Arbeit anzufan«ren. so haben wir sie «loch
sie fordern, dass China und Mittelasien er- anirefanjren, luul es ist .jetzt zu spät, davon
löst werden .sollten, weder durch <lie Herr- zurückzuweichen. Wir köniuM« jetzt unsere
.sehaft Japans, \hh-\i Enj^laiuls. noch Huss- asiatischen LäiKler mit Khre w«'d«'r ver-
lands darüber, noch durch eine Theilun^ kaufen, noch übertrafen. no«'h im Stieli
der Ileri-schaft <larüber unter ihnen, .son- hissen. Wir müssen sie behalten und sie
dern dadurch, djiss die Thore dieses uui'r- j,,,,. Theilnahme an der modernen Zivilisn-
me.s.sliehen (Jebietes dem Handel und Ver- ,i„„ ,.,v.i,.h,.n. inid dann, wenn sie der
kehr mit den Nationen weit otTen -ehalten Selb.stheri-sehaft fähitr wer.len. entweder
werden un.l dessen anjrestannuten Bewoh- j,^^^^.^^ j,^^.^. nationale rnabhänu'iv'keit sehen-
nern <lie Gelegenheit ^.'effebeu wird, unter , , ,,, i . . i> . 1
. . keil oder sie zu vollberecht l'^teu liestaild-
solchen umbildeiuleii Kinflüsseii und I ne-
ben ihre eip-ne Aufkläruntr zu erwirken.
theileii ^h^\• Ciiion machen. Wir sind jetzt
an diese •.M-osse Arbeit fest llerailjret reti'II.
Die Ver. Staaten als Weltmacht. und wir können deren j.'ewissenhafter Aus-
l)a.s.s die Ver. Staaten in .br Zukunft die lülxuntr nicht eher ausweichen, als wir der
Hauptrolle im Stillen Ozean spielen müs- Stimme «h-r Weltpfliebt. die sie iM-fiehlt.
.sen. scheint mir iranz unvermei«llich. «'d'M- der ^öttliehen Ordnung: der Welt, die
l'nsere pM)trraphi.schi' Laire und unsere sie verlangt, entjrehen können.
WeltpHieht fordiMii es. Ich selbst war Ab<r diese ^'n»s.se Aufirabe «h-r Ver
einer von .leiien. die in 1H!»8 sehr ernstlich Staaten im Stillen Ozean, die die haupt-
776
NACHTRAEGE UND ANDERE AWTIKEL
sächliche Macht der Nation in diese Rieli-
tun^' führt, lässt es. wenn niclit absolut
nothweiulijj:, doch höchst wünschenswerth.
erselieinen. dass wir einen (lufrichtigcn. zx-
rerlössigcu. mikhtigcn Freund am Atlmiti-
schen Ozean haben. Giebt es irgend einen
Zweifel l)ei Jemand, weleher diese That-
sachen der Weltlap". die ich anjzeführt
habe. erwä,<,'t. wer wohl dieser Freund in
erster Reihe sein muss ? Ich sage in erster
Keihe. weil, wie ich die Sachlage ver.stehe.
durch enge Freundschaft mit dem mächti-
gen deutschen Reiche alle unfreundlichen
Tendenzen .seitens irgend einer anderen
atlantischen ]\Iaeht im Keime enstiekt wüi-
den, die sonst durch die.se Thatsachen und
Verhältnisse angeregt und entwickelt wer-
den dürften : und F'rieden und Freund-
schaft mit allen atlantischen flächten da-
durch befestigt werden, da.ss man die Er-
folglosigkeit der entgegengesetzten Hal-
tung vom ersten Augenblick an versteht.
Wie ich schon gesagt habe, behaupte ich,
dass der Frieden und Fortschritt der Welt
in höherem (Jrade von der Freundschaft
und den harmonischen Handlungen
Deutschlands, Englands und der Ver.
Staaten abliängen, als von allem anderen.
Aber Sie werden .sagen, diese stehen schon
jetzt mit einander auf freundlichem Fusse.
Ja, im Grossen und Ganzen ist das wahr.
und, Gott sei Dank, es sind gegenwärtig
weniger Reil)ungen initer ihnen sichtbar,
als sie vor zwei Jahren vorhanden waren;
aber es giebt noch immer starke ^löglich-
keiten, gegen die wir uns .sicher stellen
sollten ; und die klare p]rkenntniss dieser
Möglichkeiten und deren Tragweite führt
uns unvermeidlich zum Schlass. da.s.s der
Frieden und die Freundschaft zwischen
diesen drei grossen teutonischen Staaten
der Welt am sichersten gestellt werden,
dass die anderen Mächte erkennen, dass
die Verhältni.sse zwi.schen dem deutschen
Reiche und den Vereinigten Staaten so fest
utKl herzlich sind, da.ss der Versuch, das
eine zu schädigen, vom anderen als eine
Kränkung empfiuiden wird. Es ist eine
Allen wohlbekannte Thatsache, dass sich
wälirend des letzten Jahrzehutes viele
Zeichen unfreundlicher Gesinnung zwi-
schen Deutschland und England in der
Pi'e.s.se sowohl Deutschlands als Englands
gezi'igt haben. Es scheint mir. dass sie
zum grössten Theil der llandelskonkurrenz
zwischen den zwei Ländern zuzuschreiben
ist. Deutschland ist sehr schnell zu einer
grossen See- und Handelsmacht herange-
reift. Seine Konkurrenz hat das alte Mn-
nopol P>nglands auf dem ^Meere durchbro
eben. Viele Engländer halten dies für ein
Vergehen, welches eine Sühne verlangt, i,
Ich glaube nicht, da.«s die .jetzige briti.sclio '
Regierung diese ^Meinung theilt. Aber ich
kann nicht umhin, zu befürchten, da.ss es
solch eine britische Regierung einmal
geben könnte.
Ich denke, dass die .jetzt bestehende
Freundschaft zwischen Deutschland und j
den Ver. Staaten schon einen sehr günsti- •'
gen Einfluss auf die Verhältni.sse zwischen
England und Deutschland ausgeübt hat.
Ich denke, da.ss es vor wenigen Jahren
einen ]\Ioment gab. wo. hätte diese Freund- i
.Schaft nicht existirt, England einer viel tj
stärkeren Versuchung, Deutsciiland anzii- '
greifen, hätte widerstehen mü.s.sen. Nun, es
würde die höchsten Interessen der Ver
Staaten gewiss niclit fördern, wenn di
Handels- und Seefahrts-Konkurrenz z>vi-
schen England und Deutschland unter-
drückt weiden, und wenn England die Wii -
derher,stellung .seines alten ^Monopols errei-
chen würde. Ja. das könnte sogar unseren
Frieden gefährden. Es ist das Beste für
uns. das Reste füi- die Welt. ,ja das Best.'
für p]ngland selbst. das.s diese Konkurren.
bestehen bleibt, und dass alle Parteien, di'
dadurch getroffen werden, zu der Ueber-
zeugung konnnen, dass dieselbe sowohl vor-
theilliaft wie rechtmässig und natürlich ist.
England i.st noch eine weit .stärkere See-
macht als Deutschland, und keine von
.seinen legitimen Interessen werden durr-n
NACHTKAKGK l'ND ANI>KI<K AKTIKKI. 777
die tkut.sc'lii' Kitiikurreiiz lu'droht. Die i;«'- Aufriilit>Kli"it h«'>;«'ii. I inl «laim lituhs-
gomvärtij: üluTwic'reiitl«' Sri'nun-ht Kiiir- l;aii:lir lliihnr, muh scjimmii kais. Ili-rni
laiuls ist. im ( Jt'^'ciitlu'il. dcii Icj^itiimii In- dt-r fälii'.'Ntf StJiat.smanii in j;aiiz Kuropa,
teressi'ii nicht nur Dfutschlands, somlfm »Irr fortwähren«! .seim* lloehaehttuiv; vor
aueh der Vor. Staaten uml aMer anderen uns und Freundseluift für uns. in dir
Staaten eine möjrliehe Hedmhun^'. ()h sie .schonen, so^ar exquisiten Wei«e, zum Auh-
eine wirklieh»' liedrohtin«: werden wird, ist dru«'k hrintrf. die ihm so trau/ ei(;enarti(r
eine Saehe. die zu jeder Zeit von der (Je- ist. Die Htffitnimi, die er unter d«'r <H)er-
.sinnnn<r <ler hritiselien liejrierun^ ahhänirt. aufsieht s«»ines kaiscrliehen Ilrrni leitet,
und ieh wiederhole die Hehauptun«:. tla.ss ist nach je<l('r Hiehtinii; hin von dem
djts li«'.stehen von en<;en freun«llieli('n Vir- fieundlieh.sttn (iefühl«' für uns dureh-
hältni.sst'n zwischen Deut.schland und den drurmcn und licscclt. lud .schliesslich das
Ver. Staaten viel dazu heitraj^eii wird, um ili iitsrln Volk im all^'cmeinen un<l in jeder
diese Gesinnim^r ^ünsliy: zu gestalten und Kla.sse fühlt sowohl .seine t-'cistiu'e al.s .seine
sie zu hewahn'ii. ethnoli»i.'i.sehe Verwandtschaft mit uns und
Freundschaftsband nuelzt beiden Theilen. '^'^''^^ "'"''"" '""' '" •■"'*" ^^"•^"" ''"" ""^-
.... • , ,. , , , . riehtiirsten Wunsch aus. mit >ni.s in der Ixi-
\N le U'h die ^'anze Saciilau'e verstehe, ist i . <• i i ».- • • i- .•
,. ,, ,,,.,. ., , , .. suii^r der .xuiirahcn dei- W eltzivili.sation
die treundschatt Deut.seliJands <len \ er. , , , •. ,.. . •
.,^ , , . , , , , ,. harmoni.seh zu arlM-iten. Walircn«! mcun's
Staaten eiHMiso nützlich und nothwendii.'. , , . , » i? .i i. ■» . , i i
,. ,, , , X. , ,, letzten lantren Auienthalts in Deutschland
wie die I* reundschart der \ er. Staaten , . , , i- > .. .
,. ^ , , , ,v r, • • , hatte ich «ranz ausserordentliehe (iele<_'en-
Deut.schland es ist. Die Zeit, m der wir , . , ' , • ,, ,-, i
... , 4 , , • , . lieiten. die (icsiniiuiiL' aller Klas.*ien des
Amerikaner dem Au.slande ein Sclinii)p- , , ,. i, -, ,
, ,, , - . , deut.s<'hcn \ olkes uns ireircnulM'r kennen zu
ehen .s<'hla^'en konnten, und in .stolzer. , ... ,. . , . , i-
,, ... , , . . lernen, uixl u*li trat nie und niri.'ends die
], II- . • M IIK II, IIIKI II II lllll lll( llilll lllli;< IIVI-« \ll\
sen)sti!:cnu^'saiiier Isolirun^' lebten, ist letzt , • ,, ,- .• i
... -„. , , , „ . , , „, . leiseste Sinir von \ ci-stimmun«;. sondern
vorüber. W ir haheii das Zeitalter der Welt- . , , , ,, . ,•
..... ,, • , , • , "II (icircnthcil den aliLMMiieinen ent.sehie-
politik in unserer hntwickliiiifr erreicht, , ' ,, , . •• ,• i •.
, . .. ,. .... , deiisteii Wunsch. 111 niojrlichst cnuen lie-
uikI wir nuLssen un.sere \ eilialtnis.se der . , , ,
• ^ ■ T 11»- X. . zieliun»ren mit uns zu lelicn.
jetzifren Lajre der Dinare anpa.ssen. Nach
meiner Meinun- i.st un.ser Wejr tranz -erade '^'^' ^"•"'•^^''- ^^■«'•""*- •"'•'"•' "*"'*' •""'''
und vüllicr klar, und der ist uns durch die '"»'••'<"-"'" ""<> ">""«''• •"»«•»•t.^-er werden-
sehr freundliche, man möchte sa-cn. herz- ''''" ^''^''"' •'"•^'*< ""•'' ""-^ '" ""'•'• •^"*
liehe (Je-sinnun- der Deut.schen für uns ''.lititTkcit dar. und na -h meiner .Mcnunvr
iranz leicht ^remac-ht. würden wir einen ^'nussen Irrthum l>.-;ehen.
Vor allen ist ihr m-..ss,.r A^z/vo. der ""'' •'''' I"t-»'«-HS'''« «l«'»- Ver. Staaten und
klÜL-ste. kenntniv^rcichstc. j:ewis.sen ha f teste •'••'• ^^'••" ^'»"'- verkennen, wenn wir du^e
frereehtcste. warmherzigste un<l pflicht-c- '•""<• '"'» «»•'••>*'•>»»"•" II.''V.llehkcit. mit
treueste Herrscher Kuropas, un.ser warmer. ";;>«•»'«'• •^"" »"-el.oten ist. nicht criiivifen
aufriebt iirer Freund. .Jeder Amerikaner, wurden.
<ler das (Mück trdiabt bat. in mibe Meiiib- Wenn wir das ahcr tbiin. bedeutet das
ruii}.' mit ihm zu kommen, nimmt k«'"»»« k"''«'«'» M»ntrel an Ki-cumlschaft für andere
(h-n-eibi'u Kindruck der ausserordentlichen .Mächte, (ianz im (Jctrentbcil. wird <s alle
freundH<'hen (M-sinnuiiL' Seiner .Majestät anderen Mächte bewe<ren oder zwinircn. in
für die Ver. Staaten mit sich. B<'i fr.-undscbafllich.'n Uczi«'hun^en mit uns
jeder (Jele^'cnheit brintrt er dieselb.' in der zu bleiben, und dadurcli den Frieden der
fditip^ten Weis.» Zinn Aus<lriick. lud Nie- Welt, den Fortsehritt der Zivilisation und
mand kann in .seine ehrlichen Aujreii sehen das Wohl der .Men.schheit fönlern und be-
ilud den 1,'erinjrsten Zweifel an seiner wahren.
Srr Drutiirh-Autrnkauiiirlir ^'altmuil-
iUlm^ itrr Urr. Staaten luni Auirrtka,
Der Deutsch-Amerikanische National-Bund der Ver.
Staaten von Amerika.
In der li»'solii<-lite dos Deutscht lunns in
Amerika wird dtr Itl. April 1899 einen
Elirenplatz oinnehnien. denn es ist der Tag,
an welchem der Anstass zur Gründung
einer Bewegung gegeben wurde, wi'U'he auf
einen Znsammenschluss alh'r Deutsehen im
Adoptiv-Vatei-laiide olme Hüeksiclit auf ge-
sellschaftliclie Stellung oder politische Par-
teiansichten, ohne Rücksicht auf lands-
mannsehaftliehe Zusammengeluirigkeit ab-
zielte inid ihre Krystallisirung in der Er-
richtung des Deutsch-Amerikanischen Zcii-
tralbundes von Pennsylvania fand.
Die Grundsätze des Bundes, zu dem sich
Männer, zunächst in Pennsylvania, zusam-
menschlassen. die nicht nach äusseren, poli-
tischen Ehren oder nach Erwerbung irdi-
scher rjlücksgüter unter Benutzung der
^facht und des Eintlusscs des Bundes streb-
ten, wurden in der folgenden Verfassung
niedergelegt :
Der Binid erstrcl)t das Einheits-Gefühl
in der Bevölkerung deutschen Ti-sprunges
in Amerika zu wecken und zu fördern, zu
nützlicher, gesunder Entwickelung. der,
wenn zentral isirt. ihr inivewohnenden
>racht, zum gemeinsamen, energischen
Schutze solcher berechtigter AVünsche und
Interessen, die dem ricmeinwithle des Lan-
des \nid den Hechten inid Pflichten guter
Bürger nicht zuwider sind; z<ir Abwehr
nativistischer l'ebergrifTe: zur Pflege und
Sicherung guter, freundschaftlicher Be-
ziehiHigen Anierikas zu dem alten deutschen
Vaterlande. Wa.s die deutsche Einwande-
rung zur Förderung der geistigen luid
wirth.schaftlichen Entwickelung dieses Lan-
de.s beigetragen \nid ferner beizutragen be-
lufen i.st. wie sie allzeit in Freud und Leid
ti-eu zu ihm staml. das Ix'weist und lehrt
seine Geschichte.
Der Bund fordert deshalb volle, ehrliche
Anerkennung dieser N'erdienste und be-
kämpft jedweden Vei-such zur Sehmälerung
derselben! Allezeit treu dem Adaptiv- Vn-
terlande, st<*ts bereit, das Höchste einzu-
setzen für dessen Wohlfahrt, aufrichtig
und .selbstlos in der Ausübung der Bürger-
pflichten, den Gesetzen unterthan — bleibt
auch ferner die Losung! Er beabsichtigt
keine Sonderintere.s.scn, keine Gründung
eines Staates im Staate, erblickt aber in d';r
Zentral isir\nig der Bevölkerung deut.schen
Ursprungs den kürzesten Weg und die best«.*
Gewähr für die Erreichung .seiner in dieser
Verfassung klargelegten Ziele; er fordert
deshalb alle deutschen Vereinigungen aul'
— als die organisirten Vertreter des
Deutschthums — für seine gesunde, kräf-
tige Entwickelung mitzuwirken und bcfür
wortet deshalb ferner die Bildung von Ver-
einigungen zur Wahrung der Intere.s.sen der
Deut.sch-Amerikaner in allen Staaten der
Union, zu schlie.ssl icher Zentralisirung der-
selben zu einem gros.sen Deutsch-Amerika
nischen Bunde, und macht es allen deut-
schen Vereiniginigen zur Ehrenprti<'ht. der
Organisation in ihrem Staate beiziitreten.
Der Bund verpflichtet sich, mit allen ver-
fügbaren gesetzlichen Mitteln unentwegt
UMil jederzeit einzutreten für die Erhal-
tung und Verbreitung seiner Prinzipien,
zu ihrer kräftigen Vcrtheidigung. wo und
wann immer in (Jefahr; er stellt ziniäclist
die folgende Platform auf:
782
DKK DKrTSCH-AMKKlKANISCHE NATIONAL-BUXD
1. Del- Hiuul — als solcher — ciitliiilt
sieh der Eiiiniischuiiir in die T'ai'tei-Politik,
jedoch iMihesehadct di's Hi'i-lites lind der
Pllielit zur Vci'theidi.min^' seiner Grund-
sätze auch auf (Umu politisdien Gebiete,
sollten dieselben durch politische An»;riflPe
oder Massre.tjeln behelligt oder gefälirdet
werden. Gesetzgeberische Massregeln zum
allgemeinen AVoiil. die der einstimmigen
Billigung seiner ^litglieder gewiss sind,
wild der Bund anregen und unterstützen.
'2. Fragen und Rachen der Keligion sind
strengstens ausgeschlossen.
'.]. Er emptiehlt die Einführung des Un-
terrichts der deutschen Sprache in öffent-
lichen Schulen auf der folgenden breiten
Gnuidlage: Neben der englischen bildet
die deutsche Zunge die Weltsprache, in den
entferntesten "Winkeln der Erde, wohin die
Pioniere der Zivilisation, des Handels und
des Verkehrs gedrungen, finden wir die
Völker beider Zungen vertreten; wo allge-
meinere, eigene Kenntniss herrscht, bildet
sich leichter selbstständiges, klares und vor-
urtheilsfreies Vei-ständni,ss lind fördert so
wechselseitige, freundschaftliche Bezie-
hungen.
4. Wir leben in dem Zeitalter des Fort-
si'hi-itts und der Erfindungen: rasch ist das
Tempo dieser Zeit, unerbittlich die An-
sprüche, die es an den P]inzelnen stellt; die
damit verbundene körperliche Anspannung
steigert die Ansprüche an die körperliche
Kraft: ein gesunder Geist sollte in einem
gesunden Körper wohnen! Auf dieser
Grundlage erstrebt der Bund die Einfüh-
rung eines systematischen und zweckdien-
lichen Turn-rnterrichts in den öffentlichen
Schulen.
■"). Er erklärt sich ferner für die Be-
freiung der Schule von der Politik, denn
nur ein von politisclien Einflüs.sen freies
Erziehungswesen kann dem Volke wahre
Lehranstalten bieten.
ß. Er fordert alle Deutschen auf, das
Bürgerrecht zu erwerben, sobald sie gesetz-
lich dazu berechtigt, sich rege am öffentli-
chen Leben zu betheiligen und ihre Bürger-
pHicht an der Wahlurne furchtlos und nach
eigenem P^rmessen auszuüben.
7. Er empiiehlt eine liberale, zeitgeniässe
Handhabung oder die Tilgung solcher Gi--
setze, welche die Erwerbung des Bürger-
rechts unnütz erschweren und häufig ganz
verhindern. — Guter Ruf. luibescholtener.
rechtschaffener Leben.swandel, Gesetzes-
liebe sollten entscheiden, nicht aber die Be-
antwortung oder Nichtbeantwortung be-
liebig heraiLsgegriffener, den Ansuchenden
leicht verwirrender, politischer oder ge-
schichtlicher Fragen.
8. Er nimmt Stellung gegen jedwede Be-
schränkung der Einwanderung gesunder
^Menschen aus Europa, mit Ausschluss über-
führter Verbrecher und Anarchisten.
9. Er befürwortet Aufhebung solcher
veralteter, dem Zeitgeiste nicht länger ent-
sprechender Gesetze, welche den freien Ver-
kehr hemmen und die persönliche Freiheit
des Bürgers beschränken.
10. Er empfiehlt die Gründung von Fort-
bildungs-Vereinen als Pflegestätten der
deutschen Sprache und Literatur, zur Wei-
terbildung Lernbegieriger, Abhaltung von
Vorlasungen über Kunst und Wissenschaft
und Fragen von allgemeinem Interesse.
11. Er empfiehlt eine systematische For-
schung der deutschen ^Mithilfe an der Ent-
wickelung des Adoptiv- Vaterlandes in
Krieg und Frieden auf allen Gebieten
deutsch-amerikanischen Wirkens, von den
frühesten Tagen an, zur Gründung und
Weiterführung einer deutsch-amerikani-
schen Geschichte.
12. Der Bund befürwortet gesetzlieho.
wirthschaftlicli i-ichtige ]Mas.snahmen znin
Schutze der Wälder des Landes.
13. Er behält sich das Recht vor. diese
Platforni zu erweitern oder zu ergänzen,
wenn neue Ereignisse im Rahmen seiner
Zeit und Zwecke es wünschenswci-th oder
erfordei-lich machen.
C. W. I'.rlltr.
Dnilscli - Aiiii'iikiniisclu'r Zentral - Bund
KHK VKIfKINiCTKN STAATKN V<>.\ AMKUIKA 783
Dass der jun«;«' liuiid iiirht nur auf «Iimii n"«|). \'en'iin' ilmvh I)i'lf|;:at«*it vertreten,
Papier st<'heii. .mtndeni seine in tier vorste- wie {i>]\i{ :
henden IMatfurm anireführten (;nn>dsiitze Zi-ntral-Verein im Distrikt Coluniliia —
in die That iniis.-tzen wollte, rrhellt.- noeh \v,„. KIterieli. Ilnn. Simon Wolf. «JiiKtav
in demscihen .Jahre, als der Voi"stan<l der Hdider. Kurt Völekner,
Hu.Ml.s-Kxekutive. Ix-stehend aus den II.m-- i ,.„|,'|,ii„^M^M.r Mür^jer- Verein von Marv-
•■•'" '^'\V- ''• "'■''" '■• '*''^'*"*"''"- "'"' land - .lohn T.iark.s. Karl A. M. Seholt/..
Adolph 'linnii. Sfkretiir. eine iveise naeh ,. •,...,•.• v %. •
,,.^^ , , , • . . Litti-ransehe (lesi'.jsclmft von .\<*w ^ ork
rittshurir unternahm, um dem eu)jr»'kerker- ,. , ,r«, .-■»..
■ .^. , , , ,. , , l(ud«)lf ( ronau. ( arl A. Stern,
teil ersten Spreeher und dem \ erwalter des ,. , . , , „ , .. 1
,, , ,, , , ,„ ,,.,- , . |)«Mit.seliAmrrikanise|u«r Zentral - iiund
hast rittshur«; I urnvereuis Ililfe zu hrni- .. , v . v . .. .. ,.
,. . , , . , . , von N«'wark. N. .1 - Noah duter. ' •
fjen. (iie sieh als so wirksam erwies. da.ss , . ,.
, ,, . , . , ... iiUiau. Krause.
(leren h reispreehun«: erzielt wurde, jin ,^ , ». • „., ,• ,,. i.
,. ., i , • ,• , , ,. , Deutsche \ ereine von \\ hei-lintr. \\.-\a.
dieser delei^cnheit erhielt der .jun<:e liuiid
lioehwillkommenen Zuwachs durch die zahl-
reichen deutschen \'creine von Pittshur-r. ... ,,. ,,
., , , ... , ,. . . . von .Minnesota — \\ m. Kop.
mit denen eine herzliche und autriehtijre ,^ , . •, • , .^ . i i. i
,,,.., <. , ,. • Deutsch - Amerikanischer Zentral - Hund
\ erbruderun«: stattiand. konnte .«sonnt ,, , ,. .. /, ■ ,■. ■> i
,. ,, ,. , n ,. , von Maho - Prot, (arl I- r. P.retle.
tliese hi-stliiiL'sthat treiidipit heirrusst wer-
1 ... ^. . lu : * 1» 1 Deutsch - Amerikanischer Zentral - Hund
den, so sollte eine zweite, nicht minder
...• i«: I 11 p 1 I r 1- 1 1 i> von Clcveland. O. — Hermann Weder,
wielitip'. bald tol<ren. Ledurlich den Be-
mühuniren des (Vntrall.un.les war es zuzu- Deutsch.Calif..rnischcr Zeiitral-liund -
schreiben, .lass die Staatsl.'trislatur von '*''<•'""'• !^t'-<'l""-
i> 1 • • /. * 1 II Deutseher Krie«;er-Bund von \\ iscoiusni
i ennsvlvama ein (Jcsetz annahm, durch "^
welclu's <Ur Tui'nuut< rrichi in diu Sdtuhn " *'
. .c.i-// I I 1 1-1 II Deutsche (iesellsehaft von Kvansvule —
(Irr Staat < t rstt r uiia zirt in r l\ Inssi nhl niii-
torisch f/nnacht Hürde. '''•'■'' •^"''" ^'- ^'^''^'''"-
Deutsch-Amerikanischer I<«'hrcr-ltuiid —
Vom Hundcsvorort wurde auf dem ein- '''''»f- ^' <^ Sehr.nrich. Prof. Dr. .Marion D.
mal betretenen Pfade rüsti«: fortjjeschritten. Kearncd.
es wurde aus.serhalb des K.'.v.stonc-Staates Schiller- Verein v..„ St. Loiiis Pnm
a<;itirt und or^'anisirt, und so konnte denn l*ernande Richter.
sclu.n am 1!>. .luni 1!>()() zur Cründunt: des Atlantic Cit.v Turn-Verein — .lakob Iler-
Xational-Hundes ^geschritten werden. An "'i-' ""<• ''"•^"'> Mülh-r.
der vorbereit«*nden Sitzung:, welche an Westlicher Zwei^ des Deutsch-Amerikn-
die.seiii Ta^je stattfand, nahmen Vertreter nischcn Zeiitral-Hundes von Pennsylvanien
aus den Staaten Penn.sylvanien, .Maryland, — llciiiy Arnold. II. (" HI.kIcI. .lohn
Ohio uikI .Miinu's(»ta theil. Der ei^rentliche Veiiny.
könnt it Hin iid( Konvent wurde unter V(»r- .lohistown Zwei-r des Deutseh-Amerikani-
sitz des Herrn Dr. Ifexamer am Sonntag, .sehen Zentral-Pundi's von Pennsylvanien —
den (). Oktober liMIl, in <Ier Halle der Deut- Conrad Hahn.
sehen f iesellsehaft von Pcnnsylvainien zu Deutsehe V« n me vnii Altoona I, <i
Philadelphia abjrchalten. In dieser Sitz- Lamade.
un<r. welche mit iniwj-sentliclH'n Abände- Zweijr Keadiiii.' des Deut.seli-AiiH'rikani-
runtren die voi-stehcn«! citirte Verfassunj: sehen Zentral Hundes von Pennsylvanien —
des pennsylvanischen Zcntralbundes an- Fred, 'riiiiii Carl Kahn. .1. Weiler. C.
nahm, wan'n die verschiedenen Verbände Iieiii|i|»is
784
DEK DKUTSCH-AMKRIKANISCHE NATIONAL-BUND
Zwei^' Laiicaster des Deutsclj-Aiiu'i-ikani- Wiii. .McKiiilcy'.s neben denen der Märty-
schcn Z<'ntriil-linnd('.s von Pcnnsylvanieu — rer-Priusidenten Lincoln und Garfidd in
(Justav Si-hniidt. tiem Herzen eines jeden ernten Di-utsch-
Di'Ut.sc'hcr ^lilitär-Verein von Laneaster Amerikaners ein bleibendes Andenken ge-
County — Adam Kopp. sichert ist.
Vorort Philadelphia des Deutsch-Ameri- Beschlo.ssen. diese Resolution dem Pro-
kanischen Zentral-Rundes von Pennsylva- tokoll einzuverleiben und eine Abschrift
- Dr. ('. .1. Ilcxamer, Arno Leon- P^'rau .^^cKinley zuzustellen."
nien —
hardt. John M. Scliilniir. Hans Wenifrer,
John Weber. 11. F. llarjes, Adolph Timm.
Ausserdem wurde Herr Fritz Künzel aus
Altoona angemeldet.
Das Stimmenverhältniss wui'de dahin
fi'sttresetzt. dass jeder Staat zu zwei Stim-
men berechtigft ist.
Die Vei-sanunlun^r kon.stituirte sich hier-
auf durch die Wahl der folgenden Beamten,
welche per Akklamation erfolgte: Präsi-
dent, Dr. C. J. Hexamer, Philadelphia; 1.
Vize-Prä.sident. Wm. L. Elterich, Wash-
ington : 2. Vize-Präsident, H. C. Blödel,
Pittsburg; Sekretär, Adolph Tinmi, Phi-
ladelphia.
Als englische Bezeichnung des Bundes
wurde ,, National German-American Alli-
ance" gewählt und beschlo.ssen, in Zeiträu-
men von zwei Jahren am 1. Sonntag im
Oktober National - Konvente abzuhalten.
Aus <li'M weiteren Beschlilssen des Kon-
vents mögen die folgenden hier erwähnt
sein :
„Als hier versammelte Delegaten zur
Konvention des Deutsch-Amerikanischen
Nationalbundes geben wir hiermit den Ge-
fühlen des ganzen Deutsch-Amerikaner-
thuiiis Ausdruck. indem wir unsere
höchste Entrüstung über eine Schandthat
wie die Ermordung des Präsidenten Mc-
Kinley aussprechen und alle zum Mord auf-
reizenden Lehren als dem wahren Men-
schenthum zuwider verdammen. ]\Iit tiefem
Bedauern beklagen wir den Verlust eines
pflichtgetreuen obersten Beamten der Re-
publik, eines guten ^litbürgers und tapfe-
ren Soldaten. Indem wir der schwer ge-
Nachdem Prof. Dr. ^Marion D. Learnod
über den Antrag Peiuisylvaniens, die Eta-
t)lirung und Weiterführung einer sy.stema-
1 ischen deutsch-amerikanischen Geschichts-
forschung betr.. refei-irt hatte und d'e
Herren Kurt Völckner, Washington, und
Rudolf Gronau, New York, mit Wärme für
den Antrag eingetreten waren, wurde der-
selbe einstimmig angenommen. Der An-
trag lautet :
Der Deutsch - Amerikanische Zontral-
Bund von Pennsylvanien empfiehlt zur
Weiterführung der Vierteljahresschrift
..Americana-Germanica" die Aufrechter-
haltung des „German Publication Fund of
America" und ferner die Inkorporirunfr
dieses Fonds unter dem Namen „German-
American Historical Society".
Die Gründe, welche uns zu dieser Em-
pfehlung bewegen, sind, dass der Publika-
tions-Foud ein bereits bestehendes Institut
ist, an dessen Spitze fähige und bewährte
]\Iänner stehen. Ferner, dass bei der Mit-
leitung des Fonds der Deutsch-Amerikani-
sche National-Bund nicht zum Herausgeber
wird, während sieh doch die Bethätigun^'
an der deutsch-amerikanischen Geschichts-
forschung als ein dauerndes Bindemittel
für den National-Bnnd enveisen dürfte.
Als einzige Bedingung stellt der ,, German
Publication Fund of America" die Belas-
sung des Sitzes der Heraasgabe der ,,Ame-
rieana-Germanica " an der Wiege des
Deutschthums in Amerika, in Philadelphia.
Dem National-Konvent wurde empfohlen,
geeignete Schritte zur Konsolidirnng der
deutschen Bühne unter einer einheitlichen
prüften Wittwe unser innigstes Beileid Leitung zu thun unter gleichzeitiger Be-
aussprechen, erklären wir, dass den Manen
rücksichtigung
deutsch - amerikanischer
DKK VKRKINKSTKN STAATKX VON AMKKIKA.
78»
liüllllflistiicl«- iitiMii «li-M Itcstcli (Irlltsrllfii
]iiihii»'ii-Kr/.i'»i}.'iii»it'ii. /uiiinl ci-stiTf für
Venin.soliauli('liini«r di's (IfUtsch-jiMn-rikaiii-
st'luMi ^^)lksl^'b^Ms iviclit'ii St(»tV hii-tcii.
Professor K.iil Otto Srliöiirirli. lialti-
iiioro, rcfi'rirtt' ülu-r die s<'iLr«'n.sreieho Tliii
tijrkoit tlts Nationalfii Dfutscli-AiMerikjuii-
schen lA'lirei-si'niiiiai-s. worauf von der
Koiivoiitioii folgende He.sehlü.sse angenoin-
iiit'ii wurden :
..1. Die Kouvt'utiou des Dcutscli-Aiiifri-
kaniselicM Xational-liundrs. vei-sauniidt in
der Halle d<'r Deutschen ( Jescllsrliaft von
Pennsylvanien zu IMiiladelpiiia, hat mit
'«rrosser Gennjjftlujun«; von dem segensrei-
chen Wirken des Nationalen Deutsch-Am«'-
rikanischen Tjchrerseminars zu Milwaukee
Kenntniss irenonniien. und von der Ehrun«:,
mit der dasselbe jüngst auf der internatio-
nalen Weltaiusstellung zu Paris vor aller
Welt ausgezeielniet wurde, indem dieser
.Afusteranstalt für ihren Heitrag von den
Preisrichtern eine Ehrenmedaille und ein
Di|)l()m zuerkamit wurde.
2. Zu diesen Errunireusehaflen entbietet
die Konvention dem tliatkräfti<ren Semi-
nar-Direktor, Herrn Emil Dapprieh, und
seiner bernfstrenen Fakultät, sowie den
opferwilligen \'erwaltungs-Beamten ihre
herzlichsten ( ilückwünsche.
:i. Die Konvention richtet an sämmtliche
deutsche Vereinigungen des Landes, an
ji-de.s einzelne Mitglied, sowie an alle
Freumle unserer Hestrebinigen die driji-
L'ende Ditte, in .jeder Wei.se zu einer kräf-
tigen finanziellen rntei-stützung des Leh-
t'ei*seminai-s beizutragen, der einzigen na-
. ionalen Schöpfung de.s Dents<'h-Amerika-
leithums. die von weitgehendster liedeu-
luig s«'in nniss für die Wciterentwiekdung
niseres Schulwesens, inid ein wichtiger
'aktor in dem liildungsprozess unsens
k'olkes."
Herr Hudoir Cronau. New York, regte
lie Gründung eines Denkmals für Kranz
)aniel Pastorius in (iermantown an und
vei-spra<'h. .Mitglicib'r de.s All»recht Dürer
Vereins von New York zur Herstelhing
von Entwürfen zu veraidjutficn. Die Anre-
gung fand den inigetheilten Meifall der
Vei-sannnlung.
Der deut.schc Kriegerbinul von Wiiwon
sin. der Schiller- Verein von St. liouis, Mo ,
und der Deutsch- Amerikanische Z<*ntral-
Pund von Cleveland. ()., meldeten ihren
Pi-itritt zum National-liundc an.
Naclulcm ncM'h bcsclilos.scn worden. Plii-
latlclphia als National- Vorort beizubehal-
ten und den näcitsten Ktinvent in Haiti
m(»re statttiiulen /m lassen, erfolgte die Ver-
tagunir de.s ersten Konvents, der überaus
harmonisch verlaufen war. al)er in vieler
Reziehnng auch anregend für die weitere
Thätiirkeit «b-r National-Exekutive wie der
einze'nen Staatsverbände gewirkt hatte.
Ehe wir uns nun ganz der Schilderung
der Thätiirkeit luid de.s Wachst lnniis dts
National-Verban(U*s zuwenden, verdienen
noch zwei Thaten des pennsylvanisehen
Zentralbundes au dieser Stelle erwäluit ZU
werden, die. wenn auch zeillich ziemlich
weit auseinanderliegend, doch in einem ge-
wissen CaiLsalne.xus zu einander stehen. Es
war bauptsäehlieh der wachsamen tnid
energischen Thäti^keit des Zentral-Hundfs
zu verdanken, «lass mehrere AngrilTe der
liCgislalur von i'ennsylvanien auf die per-
sönliche Freiheit der Bewohner dies«'S
Staates in Ftuni von Gesetzen, dureJi welche
die Lizensirnng von Vereinshallen und da-
mit der Itnin eines grossen Theils derselben
herbeigeführt werden sollte, erfolgreich ab-
geschlaL'en wurden. Durch die erft»lgrciche
.\^itatioii UK-hnrer County - Verbände
wurde dii' Wiederwahl von zwei (Jesetzge-
bern, den Repräsentanten Aehcson und
Cravcn. welche sich als schlimme Feinde
liberaler Anschauungen, dafür um.somehr
als ergebene und willfährige Diener der
Mucker. Heuchler und Finsterlinge erwie-
sen hatten, verhindert nn<l (bunit vor-
läufig ihrer legislativen .Maulwurf.sarboit
ein Ende bereitet.
rs«)
DK \i 1 )KrTS( IIA M K H I K A MS( H K X ATIOXAL-IU'XD
Am 1_'. Scpti'mix'i- VM):] vci-saiiiinelte sicli
t'inc ülx'ivius stattliche Anzahl von Delcjra-
ten. hcr/Iii'li durch fiii Kouiitc des TiimI)
Iiän^'i^rrn liürjjcrvcrtMiis von Maryland cni-
pfaiifrcn. zum swfitrn Koiivtiif <l)s .\V///o-
)i(il-Jii(H(l(s in <li'r festlich «rcschiiiücktcii
Halle des Turnvereins ..Vorwärts" in Hal-
tini(»re untei- Vorsitz Präsident Dr. (". -I.
Ilexanier's. \'on dem Wachsthuni des Xa-
tional-Bundes i^ah die lanire Liste der /.um
Hundt' irehörijjen Verl)ände und Vereine
und ihrer l)ele<?aten. welche din-ch Bundes-
Sekretär Adolph Tinnn verlesen wurde, den
besten Heweis. Die vollständige Liste lau-
tete, wit' fol^rt :
Californien — Deutsch - Amerikanischer
Verband von C'alifoi-nien : IL F. rrl)an,
Noah (iuter und Alj)hons Heins.
Delaware — Wilminjjton Turngemeinde:
C. F. Feldmeiei- und (ieoro; Weth.
Distrikt Columbia — Deutscher Zentral-
Veroin im Distrikt Columbia : Kurt Völck-
nei-. (Justav Bender und Wni. FeldhaiLS.
Georgia — Freundschafts-Bund von At-
lanta : John Frech und J. Keefer.
Idaho — Deutsch-Amerikanischer Zen-
tral-Bund von Idaho: F. O. Martin.
Illinois — Dentseh-Anierikanisehe llisto-
lische (Jesellschaft von Illinois nnd Bund
deutscher Vereine und Bürger von Chicago
und Umgegend : Emü Mannhardt.
Indiana — Verband deutscher Vereine
von Indianapolis: Jo.seph Kellei- und
Jakob Löper.
Iowa — Deutsche Vereine von Iowa:
Joseph Eiböck.
Louisiana — Deutsche Vereine von New
Orleans: Pi-of. Dr. J. Hanno Deiler.
New Jt'rsey — Deutsch-Amerikanischer
Zentral-Verband von Newark: C. ('. Liiiau.
Chas. Iloffmann und Max (Jrossmann.
Deutseh-Amerikani.scher Zentral-Verein
von p]lizabeth: F. Schlichter und Henry
S. Altai.
Deutsch-Amerikanischer Zentral-Verein
der Stadt Hnboken : Alexander Wiederhohl
und Julius Nelson.
Turner-]\Iännerchor von Atlantic Cit\
Jakob Ilernig. Jakob Müller. John Freita.:
und Cai'l \'(")Iker.
Xew Voi'k — Vereinigte Deutsche (;.
Seilschaften dei- Stadt Xew York: Dr. AI
bert J. W. Kern. Kudoljih Ci-onau und Dr.
11. A. C. Anderson.
Maryland — rnabliängiger Büi-ger- Ver-
ein von Maryland: J. Tjarks und Karl A.
-M. Scholtz.
]\Iassachusetts — B(tston Turnverein:
Carl Eberhard.
Minnesota — Deutsch - Amerikanischei
Zeiitral-Bund von Minnesota: H, .1
Xienstedt.
Missouri — Schiller- Verein von St
Louis: Frau Fernande Richter.
Ohio — Deutsch-Amerikanischer Zeii
tral-Bund von Cleveland: Gustav Ilalbadi
und IL Theuner.
Pennsylvanien — Deutsch-Amerikani
scher Zentral-Bund von Pennsylvanicii
Dr. C. J. Ilexamer, Arno Leonhardt, Prot
M. D. Learned, J. Weber und Adolph
Tinnn.
Westlicher Zweig des Deutsch-AniPrik;i
nischen Zentral-Bundes von Penusylv.i
nien : IL C. Blödel, John Yenny. Win
Kaiser inid Theodor Lamb.
Johnstown Zweig des Zentral-Huml.
von Pennsvlvanien : Conrad Hahn um
John Meise. 9
West - Virginien — Deutsch-Anierikam
scher Zentral-Bund: C. W. Beute un
Albert Beltz. ^
Wisconsin — Deutsehe Vereine von Mil
waukee: Victor A. Gangelin.
Texas — Deutsche Vereine von Tex}i>
Jtdius Schütze.
Nationales Deutsch-Amerikanisches L<'1
rer- Seminar. Milwaukee: Prof. C <
Schön rieh.
Deutsch - Amerikanischer LehrcrbuiiC
Prof. X. IL Ferren und Prof. C.
Schönrich.
DER VKKKINKiTKN STAATKX VON AMKHIKA
7«T
\'(Mii \'«ustjiiit|f des .\iitioiial-hmnli'.s
wohnte (U'iii Ktmvt'iil audi \*i/.('-l'räsi«|.-tit
Prof. Dr. M. D. L.'ani.d hri.
Trhrr ilif 'I'liätijrkt'it der liuiul('«-K.\«'ku-
tive währi'iid der Z«'it zwi.schcii dein n-sti'ii
und zwciti'ii Koiivi'iit <:sd) dti- licricht Dr.
IIt'.\ani<'r\s ausfülirliflu'ii Aufschluss. Rs
hci.sst in dfni.srlbcn n. a. wie fol«rt:
..Dfi- \'t>rttrt lU's National-Hundt'.s nius.sti'
in einer Anzahl (h'ni Kontrre.ss in Wjush-
ington vorIi('<render Antreh-^renheilen Stel-
lung nehmen. Davon .sind hervorzuheben
die schon im Vorstands-Herieht erläuterte
liurtMi-Anjri'le^t'uheit. an jeden Senator
und den rrilsideiiten u'eriehtete I'roU'st«'
p'ijen die Kin\vaiulei'uufrs<;e.setz - Vorlajre.
und die Petitionen für Krnennunjjr einer
Eiinvanderun«rs-Kommi.ssion. Obwohl e.s
nicht •relau'r. mit dem \'orsehlair (eine aiLs
Saclivei>;tändi<j:en bestehende Einwande-
run^^s-Konunission zu ern«'nnen) durchzu-
dringen, so ^'elany: es dennoch, einiire dci*
schlinniisten Hestimnuni<:ren der schon vom
IlaiLse pa.ssirten VorIap:e, wie die Erhöhung
der Bcstcucrunjr auf $;^(M) per Kopf und
den noch schlimmeren ..jiildun«j:stest*' im
Seiuit zu Fall zu bi-in<ren."
Die A»ritation. (ieneral Steubcn in der
Hauptstadt unseres Landes eine seiner Ver-
dienste würdi«re Keilei-statuc zu errichten,
war crfolirreich. Petitionen wurden an
jeden Senator, .sowie an tlen l*i-JLsidcnten
•je.schickt. luid «rlückte es. eine Verwilli-
•jun«: von $r)(l.(MM) zu erhalten. L'nterstützt
wurde ferner das (n-such um licwillijrunv
«•iner Pension für die Wittwe des (Jencrals
Franz Si«rel. In ihrer Eijrenschaft als Exe-
kutive des Zcntml-Verbandc.s von Pcnn-
sylvanien brachte di«* jiehördc die von <ler
Met ho<listen- Konferenz ausjrcarbcitctc Fox
lyocal-Optittn \'orlat:c in der zweiten I^«-
.siuitr vor der Staatsleirislatur zu Falle.
Da.sselbc Schiek.sal theilte ein (Je.sctzcnt-
wurf. (hirch wi-lchcn Sonnta^rs-Exkui-sioncn
verboten werden .sollten. EI)en.so ^rlü<*klieh
war der Staatsverband in seiner Fnter-
stützun«^' der Vorlage. dlU'ch welche dem
Verdienst V(»llen ci-Nten Sehal/mcihtcr der
\'er. Staaten, dem Dentseh-.Vmcriknner
.Mieliael Ilillctras. «'in Monument im Staat.s-
Kapitol errichtet werden s«tll. .•{;•_'<».( HM»
wurden für diesen Zweck bewilligt.
Auf den liericht Dr. Hcxam«"r*s foltrten
dicjcnijrcn der einzelnen Stantsverlmncle
durch ihre n-^p. PriLsid«>nten. Da berich-
tete Präsident Kurt Völckncr von WjlsIi-
iniiion. D. ('.. über die unucheuren Schwie-
rigkeiten, die seine < )r<;anisation in der
vom deutschen Elemente nur .schwach be-
siedelten Bundeshauptstadt zu überwinden
hatte; ().sear F. Martin vom Zcntral-Hund
von Idaho lenkte di<' Aufm«'rksamkcit der
Di'lciratcn darauf, da.ss der Staat s«» \;r*t>is
.sei wie New York un<l Penn.sylvanicn zu-
.sammen. aber nur iJiJ.ooo Einwohner,
trrösstcntheils Ackerbauer, habe. Von
diesen seien im (Janzen 2!>74 in Dcutsch-
lantl «reborenc Mäiujcr. Frauen und Kinder.
Dass num da nicht viele deul.sehe Ven-ini-
t.MUij:en erwarten könne, .sei .selbstverständ-
lich. E?' sehlo.ss seine interessanten Aus-
fiihi-uni:eu mit l"ol«renden ^Vortcn : ..I<*h
möchte hier noch bemerken, da.ss djLs. was
von Idaho «rcsa^t worden ist. sich elx-n so
irut auf die Staaten Washin«rton. Montana,
()re«ron, Nevada und Wyominjr beziehen
kann. Welch eine Zukunft steht inis ent-
ircL'en. weiMi die Schätze der friK-htbaren
Thäler und Ebenen Idahos durch den FIciss
der deutschen Lamdwirthe hervortrebrat-ht
werd«*n köiniten und die edlen Erze unserer
(Jcbiri;e, welche unserem Staat«' den w«»hl-
verdienten Namen ..Idaho. «Icr Edelstein
der Ber^'c'". trci;eben haben, durc'h die
starken Arme dcJitscher Beru'Icute auftrc-
fördert wenUn S4>lltcn un«l von ihrem na-
türlichen, nihcn Zustande durch die An-
wcndunir d«'r von deutschen (iclehrten «m-
fiMidcnen Prozc.s.sc in rein«*« Silber und
(Jold umfewandclt werden möchten. Dcs-
wt'tren sollte CS eine Aufgrabe tics I). A. N.
B. sein, besonders neu Einircwaiulertc da-
rauf aufmerksam zu nuMhen. da.ss im
Westen »uiscres Landes ihnen n<Hh die-
788
DKK DKrTSCH-AMERIKAXISCHK X ATIOXAL-BUXD
st'll)t'n (Jolegenheiti'U geboten worden,
welche unsere Väter und (irossväter im
Osten und im .Mississippi-Thale «rehabt
haben."
Präsident L\ C. Lienau vom Zentral-Ver-
band New Jersey, einem der jüngsten
Glieder der Organisation, konnte mit Stolz
darauf hinweisen, dass die Mitgliederzahl
in ilen seelis Städten Newark. Pater.son,
Iloboken, Elizabeth. Carlstadt und Tren-
ton bereits 20,000 eieieht hal)e. In seiner
ausführliehen Darlegung der (Jesehichte
wies der Berichterstatter auch auf die
gei-stigen Errungenschaften des Staatsver-
baiides hin. Hierher gehörte u. a. die er-
folgreiche W'ranstaltung von sechs deut-
sehen 'riieatervorstellungen durch Direktor
Wursters Ensemble aus Philadelphia in
Newark. die (Jründung der Freien Kechts-
Sektion, ferner natürlich die Agitation in
der Einwanderungsfrage auf Basis der viui
der Bundes- Exekutive gegebenen Anre-
gungen und endlich zwei glänzend verlau-
fene Feiern des Deutschen Tages.
Dr. II. A. C Anderson, Präsident der
Ver. Deutschen Gesellschaften von New
York, erklärte, dass der Bcsucli des Prinzen
Udnrich im John 1901 den eigentlichen
Anstoss zur Gründung der Vereinigung ge-
geben habe, die bei der ei'sten Deutschen
Tagfeier am 9. November 1902, 105 Vereine
zählte. Gegenwärtig innfa.sse die Vereini-
gung 148 Vereine mit ca. 30,000 .Mitglie-
dern. Redner sagte u. a. : ..Die Nativisten
unserer Stadt haben uns zum Kampi gefor-
dert, indem sie die deutsche Sprache, die
seit 35 Jahren in vielen Elementarschulen
mit Erfolg gelehrt wurde, willkürlieh bei
Seite schoben, und obgleich wir bei ]\Iayor
Seth L(tw und der Erziehungs-Behöi'de
eifrig dagegen protestirten. wurden unsere
Proteste nicht beachtet. Vs wurde dann
ein 25er Komite ernannt, das einen Appell
an das gesannnte Deutschthum erliess, mit
dem Ersuchen, unseren Kampf für die Er-
haltung der deutschen Sprache in den Ele-
mentarschulen als eine Ehrensache zu be-
trachten und uns nach besten Kräften zu
unterstützen, indem es sieh unserer Verei-
nigung, entweder als Verein oder als Ein-
zcjniitizlieder, ansehliesse.
Ifh habe die feste relierzeugung, da.ss
die \'ereinigten Deutschen Gesellschaften
von New York eine grosse Zukunft haben,
deiMi man merkt, da.ss der deutsche Michel,
der so lange schlummerte, am Erwachen
ist; die Deutschen müs.sen einsehen, diuss
unser schönes \'ei'ein.swe.sen. ohne deut.sche
Einigkeit. lang.sam aber sicher der Verges-
senheit angehören wird; die deutsche Ein-
wanderung ist sehwach, denn die Deutsehen
drau.ssen w!.ssen sehr wohl, da.^s Amerikii
nicht mehr das gelobte Land ist, und unsere
Söhn(^ sehliessen sich nicht den dentsclion
Vereinen an. weil sie sich schämen. Kindt-r
deutscher Eltern zu sein; wenn aber, durch
die Einigung aller Deutschen des Landes,
wir es erzwungen haben, geachtet und ge-
ehrt, ja sogar politisch gefürchtet zu wer-
den, dann werden unsere Kinder einst
stolz sein, da.ss deutsches Blut in ihren
Adern fliesst, dann werden die Vereine
jüngeren Zuwachs bekonnnen und gedeihen,
anstatt zu Grunde zu gehen."
Sehr treffend fülirte Präsident John
Tjarks vom rnal)hängigen Bürgerverein
von ^Nfarvland folgendes aus: Um sein ge-
stecktes Ziel zu erreichen, hat es der Bür-
ger-Verein von vorneweg für nöthig ge-
halten, nach zwei Seiten hin eine ..kultu-
relle Kampagne" zu führen, und zwar
erstens, dass der amerikanische Bürger
deutscher Abstammung herangcbildi-t
werde zu einer ernsten und vollkommenen
Erkenntni.ss seiner Hechte und PHichti-n
als amerikanischer Bürger, und anderer-
seits, den Stock-Amerikaner von der (^Ge-
rechtigkeit und Bedeutung der von seinen
:M!t))ürgern deutscher Abstannnung ge- ;
stellt?n Forderungen zu überzeugen.
Die erste ist die bei Weitem schwierigere
Aufgabe. Die Erfahrung hat uns ge-
lehrt, dass der Stock- Amerikaner sich ülx^r-
zeugen lässt u?id dann ein eifriger Befnr-
I
DKIC \ I:KKIM(;TK.\ STAATKN von AMKIflKA.
789
Wort«'!' (Un Aiijji-strt'hti'M \vir«l. wojrt'irin di-r
Dt'utsclH' in oiiuT Träjrlu'it und (ilfifh^riil-
tij;ktMt vrrlmrrt. ili«« fiist sträflii-h sind und
und driu'U ge^fcnüluT man «»fl v»«r/uiMf»'ln
könnte.
Dir Wahrlu'it difser Hfliauptunir wnid«'
dfUtlich wälirrnd der Sit/.iniv: diT Staats^re-
si'tzj;t»l)un«; im Anfaiiy:»' dt-s letzten .Jahn-s
bewiesen. I'n.ser lu'ehtsl)ei.stan<l hatte eine
N'orlaj^e zur Aim-ndinm«^' der ..Ulanen Cie-
setz<'". soweit sie die Stadt Ualtiniore ho-
tnifen. ausfrearlieitet : dieselbe wurde in
der (Jesetz«:«'!Mniy: vor«rele'rt. Tni die Nuth-
wendijrkeit die.«er rinänderunjr den (iesetz-
^ebern klarzuleiren. sowie lun die Vornr-
theile d«*s allgemeinen Pultlikums zu be-
kämpfen, wurde eii'e kleine lirosehiiie. die
«reseliielitlielie Kntwij'kluniT der ..Blauen
(i'e.setze" darle«rend. seitens des ..liür|.'er-
Vereins" herausjjetreben. Eine Kopie der-
selben wurde jedem Leirislaturmitirlied.
jedem Iii<*hter. Staatsanwalt und Zeitun<r>-
heraus«reber im Staate Maryland zni:'-
sehiekt.
Xaelidem all" dies y;e.seh«'lien. wurde ein
Ta«r fest<re.set/.t. um die Saelie \ov dem Le-
irislativ-Komite zu befürwort<'n: eine Auf-
forderung winde dureli die Zeituniren an
Alle, die an den Amemlementer Intere.s.se
nahmen, erla.ssen, mit naeh Aiuiapolis zu
«rehen. Der Ta«r kam. aber die guten Deut-
schen nieht — die Massen-Deleiration I).*-
stand aas acht Mann. Wäre die Saehe
kräftifj unterstützt worden, hätten wir
IlolVnnnir auf einen theilw»Msen Krfolsf
haben köinieii. <lenn vi<'le der Legislaturmit-
trlieder stimmten nn^i'i' ii fi'-'-n \nvi.Oit,ii
bei."
Herr Tjarks erklärte sieh trotz dieser
MtVenkiuidiu'cn Theilnahmlosigkeit im allue-
meineii von dem Wirken d-s Hü rirer- Ver-
eins seit .seiner (Jründnnv' befr'ediirt und
«rlaubte mit V«*rtrauen der Zukiuift enttre-
«ren.sehauen zu k<">tnien.
Nienstädf. St. Paul. Iieriehleie. in Min-
nesota habe der Deut.sehe nieht über <li<'
Verhält ni.s.se zu k'a'j-ii. Tfi politise)«.-!- !?.•-
Ziehung steht der l)»*utsehe an erster Stelle,
d. h. man nehme mir einen I)eutj<eh«-n als
Staat.ssehalznu'ister. inid nueh in anderen
Khrenstellen würden Deuts«'he berüeksieh-
tigt. Desgleieheii habe nian es erlangt,
dass der Staat alljährlich .$2000 für deut-
.sehe Mücher ausgebe. In Folge der vielen
Kirchen.schuh-n und des ewigen .Tanuners
der Politiker, «lass kein (Jeld vorhanden
sei. habe der Zentral-Verein ilie Kinführung
des d«Mitsehen rnterriehts in den Volks-
schnh'n n<M'h nicht durchgesetzt. Aber es
werde trotzdem no«'h gelingen.
Frau Fernande Richter. St, Louis, er-
grilV auf allgemein«'s Verlangen das Wort
und sagte: Die Frauen sind die Haupt-
sache. Ohne uns Frauen kann tler Nntio-
nal-Bnn«! Nichts thun. Die deutsche
Spi-ache ist kein bereit liegendes Kleid. Wir
köinien nicht von den Kindern verlangen,
dass sie deutsch denken luid fühlen, wenn
wir sie nicht deuts«'h sprechen lehren.
\'oM <len wichtigsten auf dieseni Kon-
vente gefassten Beschlüssen mögen di** fol-
genden hier Platz tinden :
New .Ici-scy beantragt, dass <lie Vertre-
tung der verschiedenen Staatsverbände luid
Vereinigungen auf den Konventen, auf
denen jeder Staatsverband zu zwei Stim-
men bere<'htigt ist. si.-h nneh der MitL'lic-
«Icrzahl richten möge.
Ks wurde vorgeseh lagen, dass diese wich-
tige Frage einem besonden'U Ansselnwa
überwiesen werde, welcher bez. dii-ser An-
gelegenheit dem näeh.sten Konvent Kmpfeh-
Inngen machen .soll. Ang«'nonnnen.
Der Antra'.', alle Natiomd-Konventionen
in Washinirton abzuhalt«'n. wurde abge-
lehnt.
Kin anderer Antrag «les Zentral-Vereins
von Washinixton. die Konvi-ntionen in den-
.M'lbcn .lahn-n abzuhalten, wie die politi-
wher Parteien, wuide ilcr nächsten Natio-
nal-Konvention zur Beschlnssfassiutg über-
wiesen.
Kin Am rag des Siaat«'s Pctui.sylvanien.
i]\<- Konventionen alle zwei .labr-- v<i jd»-
790
DER DErTSCHAMKRIKANISCHE NATIOXAL-BUND
wechseln /.n lassen, dass sie fiiiniiil im Wes-
ten nnd (las andere Mal im Osten ah^M-hal-
tcii wei-dt'ii. wurde (»liiic Debatte ans;e-
nonniieii.
Für Aiuialuin' ih's Anti-ayes Indianapo-
lis, die Konvention im .Jahre !!)(>") dort ab-
zuhalten, sprachen die I)ele<raten Keller
und Löper. unterstützt von Emil Mann-
hardt. C'hieajro; II. 1. Nienstedt. St. Paul,
und II. Theuner, Cleveland. Der Antrag
Indianapolis wurde ])er Akklamation an-
genommen. Joseph K(>llei-. Indianapolis,
dankt im Xamen des Verbandes deutscher
Vereine von Indianapolis für die Aus-
zeichnung.
Antrag des Staats- Verbandes von Ohio:
T^n in den einzelnen Staaten der Union eine
gro.sse Anzahl von Gesetzen, sogenannte
..Blaue (ie-setze", bestehen, die nicht zur
Erhaltung der öft'entlichen Ordnung die-
nen und uuv als Monumente puritanischer
Uuduldsand<eit die ^Munizipal- und Staats-
Gesetzbücher verunzieren, und von heuch-
lerischen Zeloten gebraucht werden, um
friedlichen Büi-gern die persönliche Frei-
heit zu rauben, so sei es beschlos.sen, den
Staats- Verbänden, die den Kampf für Ab-
schafVung dieser Gesetze in den betreffenden
Staats-Legislaturen unternonniien haben
oder noch unternehmen wollen, die ganze
moralische Unterstützung des National-
Hundes in Wort und Schrift zu Theil wer-
den zu lassen, lun diesen Staats-Verbänden
zum Sieg für die Rechte der persönlichen
Freiheit zu verhelfen. Angenonnnen.
Mit der Wiederwahl der bisherigen Bun-
desbeaniten kam der zweite Xational-Kon-
vent am 15. September zum Abschluss.
Am 4. Oktober 1905 trat in Indianapolis
(h r dritte Konvent des yational-Bundes,
vom Mayor John W. lloltzmann herzlich
begrüsst. zu mehrtägiger Berathung zu-
sannnen. In seinem Konvent.sbericht gal)
Bunde.s.sekretär Adolph Tinnn in wohl-
thuender Kürze eine Uebersicht der bishe-
rigen tirrungenschaften wie des gegenwär-
tigen Bestande.s des Xationalverbandes w'e
folgt :
Die Ernin(j( nseJiaften des Sniimxü-Hun-
drs seit der Gründune) sind:
Die Pro-Buren-PetitioTi mit I'm .Millionen
Unterschriften.
Der offene Brief an ( Jeneral-Majoi- Mc-
Arthur.
Der erfolgreiche Protest gegen eine Be- 1
schi-änkung der Einwanderung und Erhö-
hung des Kopfgehh's für Einwanderer.
Der erfolgreiche Kampf gegen die Hep- |
burn-Dolliver-Bill.
Der erfolgreiche Protest gegen eine im
Kongress eingereichte Gesetzes- Vorlage, den
Konstitutionen der neuen Staaten Okla-
homa und Wa.shington eine 21 Jahre dau-
ernde Prohibitions-Klausel einzufügen.
Die erfolgreiche Einreichung einer Vor-
lage im Kongress für ein Steuben-Denknial.
Die erfolgreiche Verwendung für die
Pensionirung des Generals Peter Osterhan^-
und seine Einreihung in die Altensliste der
regulären Armee.
Die erfolgreiche Agitation bei dem Re-
gent Chapter, Töchter der Revolution zu
Ilerkimer, dem projektirten Denkmal für
General Herkimer eine Inschrift mit dem
deutschen Namen Ilerchheimer zu geben
Das dem Schiller-Museum zu :\Iarbacli
gestiftete Schiller-Album.
Der jetzige Bestand des National-Bnnd« ~
ist wie folgt:
Staat s-Verhände und Städte-Vercinifjungi i».
Zentral-Bund von Penn.sylvanien .
Städte- Vereinigungen.
Staats- Verband von New Jer.sey: ''
Städte- Vereinigungen.
Staats- Verband von Ohio-, 6 Städte-Vci-
einigungen.
Staats - Verband von Galifornien: .3^
Städte- Vereinigungen. "
Staats- Verband von Indiana: 4 Städt«-
Vereinigungen.
Zentral-Bund von .Minnesota.
DKK VKKKIMCTKN STA \TK\ VON AMKHIKA.
:üi
riial)liäMi.'iL'«i" HürytT-Vfrrin vini Mary-
IhiuI.
ZfiitrHl-Vnvin im Distrikt ("olmnliiH.
/«•iitnil-Vrnin von Boston niul l'iii-
f;f«:«.*nil.
V«*r. |)ciitsclic ( icscllsclinltni von .Scw
York und Stiitlti'-V»Tt'ini«riuiir<*n in Troy,
Kocln'.st«T. llt-rkinHT l'onnty.
Z\\i*ijr-V«'rl»ain(l für St. Louis un<l »las
süilliclir Illinois.
Z<'ntral-Run«l von Idaho.
Kin/.t'l-Vt'rt'int» «rt'hön'ii d»'ni Natio'ial-
Hund in foI<rcnd<'n Staat<*n ;iri:
Alaliama •{
Colorad«» . ■")
( 'onn«*cti«'Ut 4
Dt'lawari- . "_'
Illinois t^
Iowa H
Kan.sa.s 1
Louisiaiui •'»
Mifhi«;an . -i
.Montana . . ... 3
Ni'hraska '^
( )ri'i:«>n -
South Carolina 1
T.-nn.-s.s<'f 1
T.'xas 1^4
V«*nnont ... 1
Washinirt<tn . . -^
Wisconsin
m
Der National-Huinl hat .somit in 1-
Staat«*n Staats-Vtrhämli- und Städti'-V«'r-
«•ini'^'unjri'ii und in IS wt-ilfp-n Staati'U
Kinz«'l-V«'n*inf als Mit».'li«'d»'r. »«rstnM-kt sirh
also auf M) Staaten.
Dir hfsti' Illustration für «las Warlisthum
di-s National-Hiuidrs. fuhr d.r Srkn-tär
fort, sei dir folu'riidi- : Kraii Di Ivichtcr
vortrat In-i <l<-r Baltimonr Tau'untf •■inm
«•inzflniMi Vfn'in. drii Srhilh'r-V.r»in von
St. I><Miis: ln'Ut«* wi sif mit II«rrn L<'o <)sl-
haus I)«'h'iratin cint-s irrofvs.'U V.rl>and<-s für
Mi.ssouri und das .südlirln- Illiimis. Il<rr
Carl Klxrhard habe in Haltimon- «Im Hos-
ton Turnvrn'in vi-rtn-tt-n ; heute sei er mit
ll<rrn Philip Happaport l)e|i>(;at ein«-r
^ross«Mi Städtt'-Ven'initjunt' von iViston
iukI l'mu'et'end, die Kieti in näehster Zeit
/.u einem Staats- Verliaiide für MiLssaehu-
setts au-shn-iten werde. Aueli Herr Kmil
.Maindiardt. der in Baltimore die llistori
sehe <iesellsehaft von Illinois Vi-rtrat. hahe
st'\u >fej;el>«Mies Wort, Cllieaffo his /ur
näehsten Konvention zu or^anisiren. ein^re-
löst. denn am A. Oktober habe in der Halle
drr Chiea^o Turnp'meinde eine Ort^ranisa-
t ions-VersanunlunK stattgefunden.
In seiner KonventslH>t«ehaft wies der
PriLsidt'ut darjiuf hin. dass im nationalen
Kampfe das ...\ieht rasten und niehl ru-
lieii" iran/ besomlers p-lte. Darum werde
<las thätiyere \'(»lk aiieh <Ier Sieger win.
un«l er wolle liotTen. da.ss es das «leutwho
\'olk sein niöj.'!'. Aber mit .schönen Ke<len
.sei es nicht j;ethan. «'ine umiblä.ssij;e Ajrita-
tion nur. nicht in <len «'ijrenen Krei.sen. son-
dein auch nach aus.sen. köiuie der Sachi'
li<Ift'n. lud dann mü.s.se Jeder mit erha-
btiHiii Ki-nstc b«'i (h'r Sache .sein, es müs.'^e
sieh nicht mir um einen momentanen
Sp«»rt zur Hcfrii'di^'un;: kleinlicher Kitel-
keit. .sondern um eine heilig- IMlicht. ja
einen Lebenszweck handeln. An amerika-
ni.seher ()pf<'rwilliirkeit köiuie der I)eut«eh-
.\merikaner sich .in Beispiel nehmen. Kx
.sei ja wahr, da.ss zum Theil auf Betn'iben
des Natioiuil-Binnlcs Steuben ein Standbild
in Washinirton erhalten werde, alw'r ebenso
wahr sei i-s auch, «la.ss der mit ho nn»s»M'nt
Knthuxiasnnis auf d«'m Konvent in Balti-
mori' ant;cnonnn«'ne B«*schliLss. ein I'jtsto-
rius-Dcnknud zu errichten. utM-h um keinen
S.-hritt weiter u'c<liehen .sei. V.S müsse
nicht allein ^ereilet, «'m mässe auch u'«'han-
delt. es müswten (Jcldopfcr ^'ebra^•ht werden.
Jeder in .sein«'m Krei.se nach eiijcni'm (Jlau-
ben un«I «öfühl müxse mit (öldopfern die
«l.'Ut.sche Schule, «lic «leut.sche Kin'he. das
dcut.sche Theater, deutsche Spitäler, dif
deutschen (M-sanirs-. Turn-. Interstütz-
unirs-, Sehul-. Kort bildunu^s- Vereine etc..
(92
DER i)p:utsch-amkrikanischk natioxal-bund
kurz jede deiitseh-kulturelle Bewegung
kräftig im t erst üt /eil.
Aus tleiii Heriehte de.s Distrikts AVa.^h-
Ington ist die am V2. April 11M)4 erfolgte
(iriindung der deut.seli-hist. Gosellsehaft des
Distrikts hervorzuheben. Zu ihrer Grün-
dung führte die Thatsaehe. dass fast alle
anierikanischeii (Jesehiehtsbüeher, welche
die Ciesehiehte der Vereinigten Staaten be-
l,;in,]^,l„ — grasse wissensehaftliehe Werke
sowohl, wie aueli kleinere Lehrbücher —
histori.sehe rnrichtigkeiten enthalten und
iiaiii.'iitlieh in den Theilen. welche die
Deutsch-Ainerikaner behandeln oder behan-
deln sollten, üiier diese entwedei- ganz
s<'hweigen. sie mit einigen IMuasin abthun.
oder gar deren Wirken, Handeln und Stre-
ben entstellen iiiul herabwürdigen. Die.sem
Uebelstande hottt die (Je.selLsehaft dureli
Entfaltung einer regen Thätigkeit mit viel-
seitigem Programme zu steuern.
Interessant waren die Ausführungen der
Frau Fernande Kiehter von St. Louis über
den Zweigverband v(m ^Missouri, welcher
auf Anregung des Schiller-Vereins von St.
Louis am 20. ^lai 1904 gegründet Avurde.
Der Verband besteht zur Zeit aus 47 Ver-
einen und 43 p]inzelmitgliedern, die sich
mit drii Zwecken und Zielen des National-
Bundes solidarisch erklärt haben. Zur Zeit
die.ses Konventes ist der Verband in einen
regen Kampf gegen die wiederbelebten
Sonntagsgesetze von Mi.ssouri verwickelt,
die otVi'iibar als Fühler zur Einführung der
l*rohibition dienen sollen. Der Zweigver-
band hat diesen Kampf zu Agitations-
zweckeu für tleii .\ational-Bund benutzt,
indem er seine ^Mitbürger durch Pamphlete
und Zuschriften über seine Ideen aufzu-
klären vei-suchte. und ei- hat kräftige l'n-
tei"stützung bei vei-sehiedenen englischen
Zeitungen gewonnen.
Xaelidem Philip Heiser über den Deut-
schen Bund von Xebra.ska berichtet hatte,
der G3,0U0 ^litglieder zähle und feststehe^
wie die deut.sche Eiche, auch schon einen
Deutschen zum (jJouverneur erwählt habe,
eigritV Rudolf Gronau für die Vereinigten
Deutschen (icsellsehaften das Wort, die 312
Vereine mit 30,000 Mitgliedern zählen. Er
sagte etwa fol«rendes:
Es ist hiei- nicht der Platz, ein (Ji'saimiit-
hiid der Wirksamkeit der Vereinigten
Deutschen (Jesellsehaften während des ver-
gangenen Jahres zu ge])en. Ich will nur
einige Beispiele ihrer Tliät iirkeit lieraus-
gteit'eil.
Die b( <l( itlsdnistr K Kinlfii hiiini war die
von den Vereinigten Deutschen ( Jesellschaf-
lei! veranstaltete Todtcnfrirr zu Ehrrn der
hniscnd unglücklichen Opfer (h r Slocum-
KatfistropJic. Als ganz New Voik unter
dem fürchterlichen Schlag darniederlae.
der durch den grauenhaften rntergang des
Dampfers ..Slocum" in.sbesondpre da.s
Deutschthum der Stadt traf, da lliatcn
die Vereinigten Deutschen (icsellschafteii
ihr nobelstes Werk. Sie trugen nicht nur
thatkräftig zur Linderung der über die
Hinterbliebenen hereinbrechenden Xoth bei.
sondern hielten auch eine ölfcutlichf
Tmuerfcier ab, tcie die Stadt sie ergnifen-
(!(i\ ühenrälfigender nie zuvor geseJioi Init.
Eine schier unübersehbare ]\Ienscliennienge
wohnte dieser im Weissen Garten am 14.
Juli 1904 abgehaltenen Feier bei.
Ein herrlicher Erfolg war wiederum der
Deutsche Tag. Die Betheiligung an der
Feier war eine grosse. Die Räumlichkeiten
waren bis zur äussersteu Fa.ssurtrskraft ge-
füllt.
Einen überaus glänzenden Verlauf nahm
auch die im :\Iai dieses Jahres veranstaltete
Sehillerfeier. Sie war in.sofeni eine vier-
fache, als sich drei andere Körperschaften
an ihr betheiligten : der Verein alter deut-
scher Studenten, die Vereinigten Sänger
von New Vork und die Golumbia l'niver-
sität.
Sekretär Timm l)erichtet. da«s IMiiladel-
phia eine fünftägige Schillerfeier gehabt
habe. Es werde dort .ietzt ein deutsches
Theater für eine Viertel-Million Dollars ge-
baut, welches ein Volkstheater im wahrsten
I>KI{ VKlCKlNKiTI V «.t^viKN \m\ WIKKIKA.
7t»;i
Siniii' (Irs W«>rti-s wi-rdi'. da das (J.'ld diu eh Kiii L«lii-stiilil für d«'iil.H<'h-aiii«rikaiiis<'lie
Aktii'iizi'irliimiijri.ii auf«:«'lnacli( wonlfii sei. «H-schi.-litt' «oll an »in.r aiiMTikaniM'h.'i.
Der Leliiirli Sänirrrhimd halu« sit-h «l.iii I iiivci-sität frrichtft wcrdni.
/.'Mtial-himd von l».Mn.sylvani.'n ai.tfi- n,.,. IhMitsrh - AiiH'rikants..|i.. Nati.mal-
.s.hl..s.sc-n iiixl rs sc. dir lustr A.issioht vur- ii,„„i ,„„i;,. ,|aranf arhlm. dass in den in
l.andfn. dass d.-,- Zt-ntnil-Hund au.-|> in ,|,.„ „nVntli.-lirn SohnU-n /iir W-rwcndunn
Krio Fiuvs fassf. k.)nuiH-n<l.-n L.-hrlmrlu'in di.- KiihnH-stli«.
Dir Zrntral-Vrrlmndr von IN-nnsylva- ,,.„, „rlrl,,. dmUsrlu- StainiM.-.spen..ss.n
n.en. Wo.st-Vir-ini.-n. Wisconsin. .Mary- |,i,.,/.nland,- in. K.-i.r.. «owol.l. als im Fr r-
land lu'rirht.-t.M. üb.'r «lio seit dem letzten ,i,.„ volll.ra.-liten. nieht unberüeksi.-htiirt .'.-
Konvent v'«'"iJ>eliten Ko.tselirifte. lieson- \nssm wcnien.
dei-s interess:ii.1 \va.-. was d.i- Vertreter
Marylands über den Tnrn.mterrirlit zu
sa«;en hatte. Kr könnt«- hiMielitm. ila-s
Kr \uö\:r darauf Ix'daelit sein, dass in d«'n
ötVentlielun S<'lnilen für den (icsehiflitMin-
. . tcriielit nur solche [ichrhüehcr einj^eführt
dieser in «Icn oficntlichcii Schulen sowohl, i i . i •• i i- i • *
. . ' werden, wch'hc inii»irtnisch die htstor.-
sehiii Krei<rni.s.sc si*hildern und nicht dazu
aiiLTcthan sind, das Vorurthcil des Schüh-is
{;ct;en Fl i-uid«r,.lMir< nc zu erwecken.
als auch unter den .iMn<.'en Aiiierikancrn in
den letzten beiden .lahien irrosscn Aiif-
sehwiinj; penomn.en hat. In den ötVent liehen
Schulen ist derselbe tüchti«:en d-utschcn
Turnlehrern untei-stellt un.l in vielen Vcr- ^'-•'* ^^ ''*• '''"pf"'''''". <•'••'« t^"« «i^'» «'inzelnen
eini-unir.-n u'cwini;t d.r T.irnunterricht >^<'"tral-Vcreinen ans Herz peK^irt wird, wo
stets mehr Freunde, .soda.ss di.-ses Jahr '""' '""'"''" »""?-''''•'•• «l^'»«ts.-he Theatcrtru|.-
ilUdö) am 12. September irro!<sarti«re turne- I"'" ^■" veranla.sscn. in ihren resp. Distrik-
rischc Spiele stattfanden, weh-he viele Tau- '''" ""*' l<i"-/.ere oder längere Zeit zu pisti-
s.nd.' von Neu-icri-.n anlockten und als "*"• '-^ ^""^'' ^•" 'l'^*^'"' '^«t'''^'^ '» J«'*l«*»"
-cwaltijrc Krf..l-e in der Volks.-rziel.un}; ^^•""^^- "'^•''' '»i-t'ikt-V.-rband ein Spezial-
anire.s,.hen werden. Die Freiirebi-keit ein.-s ^(.mite für Hühnen ernannt Wi-rden. Auch
Amerikaners, des Ilcrn K'obert (Jarntt. '''"'^ dai-a..f hing.'wicscn. dass so-enannte
welcher es .sich Tausendc von Dollars pro Dil'"ttantcnbühnen nur <la Futcrstützuntr
Jahr hat kosten la.s.scn. beschante di<- (ie- "'"'''" r"'"''"- '''*' überhaupt keine profes-
liithe etc. und bezahlte für das Anstellen '^■"»'•'■"•' •^i«'""' <;«'l«'!.'«*nl..it hat erfok-ni-b
deutscher Tuinlehrer auf .len r.tT.-ntlich.'i. '»"fz.it.vten.
Tuinplätzcn in den Farks der Stadt. Dei- .\atio.ial-lii..id bcschliesst. bei dem
Im Staate Indiana war i.i. Frühjahr l:t<.4 nächsten Kon;;rc.ss für die \Vi«iler«'infül.-
init der A<;itation zum Anschlu.ss an den rurir ,|,.r Armee-Kantine thatkräftiir zu agi-
.\ational- Verband bcironiMii wonlen. In tireii. eiicnso dem ( Jermanischen Mu.seum
d.r konstituircndcn Versammlun«r vom \'.l >" H<»st<»n seine -ali-sche rntei-stützunu'
.\ui.'ust 1!M)4 waren Vertreter aus Iinliana- zuz.nvcndcn.
polis. Fort Wayne. Kvansville. Jcfl'ci*son- Die liiographie von Fastorius. welche
villc und Tcrrc Ilaute anwesen<l. und bc- Prof. Learncd im Frühjahr l'.HM» beemlet
leits im Frühjahr 1!M).'> konnten an drei halu'i. wird. s(tll «liin-h den National-Itund
Orten i... Staate Si-hilb-rfcicin stattlinden. verötVentlicht und der H«'inerti*a«.' dem l'as-
Von den zahli-eichcn auf diesem Konvent torius Denkmal-Fonds zu-jewicscn werden,
ai u'cnon.mencn licschlüssen seien di.- fol- Die .\cbi-nir«'setze z.» der Verfa.ssuni.' d««
irenden hier erwiihnt : .\ational-Hun<les w«'r«len anj:enominon.
Die Kinsetzun^ von Rechtsschutz- und Das (o-halt des Hun<lessekrclärs wird auf
.\ibeits-Vermitteluiij:s-HureaiLs. .t'JöO jährlich f i'st geset zt . auch sollen den
r94
I ) F. \i 1) K l "TSC 1 1 A M !•: \i I K A X IS( 'H I<] N ATIOX A L-BUXD
Buiult'slH-aiiitt'ii ilirc Kfis-kostcii zu den
KoiivcntfU vt'i'^'ütt't ucrdfi!.
Dil' KiiiliKliiui: von New Volk. «l<-ii
uäclistt'ii Koiivfiil daselbst }il)zuhjdtt'ii,
wui'd«* aii}-'t'iioimiii'ii.
Xaclidcm HuiMlrs-Priisidciit Dr. ('. -1
HcxaiiHT l)('richt«'t hatte »'in Herr in Phi-
ladelphia otVtM-iiv $1()()() ii;i<-li sfiiicm Todi'
zur Aussetzung: <Iim- Ziusi^u dieser Smiiiiie
als Prämien für deutsehe Schüler und Sehü-
h'rinnen. wurde hesehlosMii. die Stiftung
anziuiehnien und dein Stiftei' den Dank des
liundes auszusi)reehen.
Ks erfolirte nun die Noniination und
Wahl dei- Pundesheaniten mit f()l<iendem
Hesidtat :
Präsident: Dr. ('. .1. Ilexamer, Philadel-
phia.
1. \'ize-Pi-äsident : Joseph Keller, India-
na])olis.
2. Vizo-Präsident : N'oah (Juter. Xewaik.
New .Jersey.
Seki-etär: Adolph Timm. Philadelphia.
Finanz-Sekretär: .lohn Veiinv. Ka^t
Pittsl)UI■^^
Sehatznieistei- : Hans \Veni<rer, Philadel -
j)hia.
Bemerkt sei noch, da.ss mit dem Konvent
am Freitag, den 6. Oktober, die „Nationale
Feier des Deutsehen Tages" verbunden
war. bei weleher der Vize-Präsident dv'
Ver. Staaten, Charles Warren Faii'banks,
eine Ansj^raehe liielt, wofür ihm dei' Dank
des \ational-H\nides votiit wurde An-
lä-sslieh dieses Ereignisses gingen d.'m
Hundi- aus allen iiandestheüen zahllose
< llüekwiniseh - Telegramme und Zustim-
mungsei'klärungen, sowie poetisehe (irüsse
zu. welehe einen stattliehen Aidiang zu d '::;i
Protokoll des Xatioiui'-Konvents von PH).")
bilden.
\'on Herrn Rudolf Cion lu im Xa.iieii
des Zweiges der Stadt Xew Voik und vom
Coniptroller llerman A. M<t /. Ximens der
Konventstadt Xew Vork City olifiziell be-
uiiis.st. eröt^'nete Dr. C. .J. Ilexamer den
Viiffiii Konri iif (h .^ \'a!in:i(J-B>ni<h^ am
"). Oktober lüOT im Terraee (iarden zu Xew
Vork.
.Mit < ;i'nuj.Mliuung konnte l)i-. lle.xainer
gleich zu Hingang seines l^erielite.<< konsta-
tiren, da.ss das, was bei (iriindung des
Bundes im .fahre 1 !)()() ein fromim r Wun.sch
war. jetzt Thatsaehe .sei. Kin bereits in 40
Staaten ih-v l'nion geeinigtes Deutschthuiii
mit mehr als IL. .Million .Mitgliedern .sei
geschatl'en worden.
..Die Ilauptschwierigkeit. mit we'eher
wii- z',1 kämpfen hatten." fuhi- Dr. Ib'xaiiier
fort. ..wai-. in manchen Orten i)as.sende
Kührci- zu linden, denn es ist nicht leicht.
.Männer mit den nöthigen Fähigkeiten zu
bekommen, die aus reiner Liebe zur idealen
Saehe bereit sind dafür, ohne Xebenzweeke,
bedeutende Opfer an Zeit und Held zu
bringer. Und doch, nie könnten befäJügte,
wohlhabende .junge Deutsch-Amerikaner
unserem Lande be.sser dienen, als im Dienste
unserer hehren Aufgabe. Ist es doch kein
leerer Wahn, sich ernstlich zu bemühen,
alle das (Jute. Schöne und Edle, das in der
Kultur und dem Volkscharakter des ge-
sammten Deutschthums der Welt liegt, zu
verbreiten, und herrliche Saaten werden
dereinst durch d'e von uns ausgestreuten
Samenkörnlein für das amerikanische Volk
aufgehen. .Ja. der ist der beste Amerika-
rer, der nicht ra.stet und ruht bis ,.amerika-
nisiren" gleichbedeutend mit ..germani.si-
i-en" sein soll Es ist unseiv vornehni.ste
i'tlicht — wo auch unsere "Wiege stand —
für deutsches Wissen, füi- deutsche Kunst,
für deutsche Cemüthstiefe einzutreten, und
ticgei! englische Heuchelei und .Missgunst
zu kämpfen."
Er kam dann auf die Eihaltung und
Prieuc der deutschen Muttei-sprache zurück
nrd empfahl dringend, die in dieser Be-
ziehung gemachten Vorschläge des Herrn
Dr. AV. A. Fritsch von Evansville. Irdianü.
näMilich :
1. Im deutsch-amerikanischen Hause, im
Familienkrei.se spreche man mit den Kni-
diTu deutsch : gehen dieselben zur r.fVi'ntb-
DKK VKHKINUm.N MAAlh.N \ • »N \MKKIKA.
705
«•heil Schul»*, sorv'»' man «In für. «lass si»* an
(lein tlt'ut.sclit'n I'ntiTiirlit thrilm'lun<-n,
auch schick«' man sie in eine dcnt.schc S<mn
tajrsschnlc.
•J. In den Sfätlteii. wo mehrere (Jemein-
tlen .sintl uml keine im Stande ist, eine
deutsche Schule atif/.uhallen, .sollten <lii'
(iemeinden /.usammenirehen und eine di'Ut-
sehe \'olksschule ^rünilen ; d<'n Kelijrinnsiui-
terrieht köiniten die Schüler /u bestimmten
Stunden in iler Kirche nehmen, zu welcher
dif Kltei-n ^'chüren.
:\. Man lese deutsche Zt-itunj^eu, si«' sind
in der Mehr/ahl Itcssei- wie die cii'^disclu-n
niätter initl wenisrer .sensationell wi«' diese.
4. In «h-n Städten, wo ölVentli<'he liihlio-
theken sind, sehe man danach, dass die
deutsehe Ahtheihui^r durch n«Mie trute
Büchi-r von Zeit zu Zeit virvollständi^rt
wird.
.">. .Man hctheili«;«* sieh ener«:is«-h an «hr
Politik des Landes, .s<tr«r<' dafür. «lass trutc
deutsehe Männer in den Schulrath «rcwählt
werden. tüehti«;e deut.sehe AI>«:eor«lnete in
die Staatslei^'islatiir und «la.ss nach Wash-
injrton viel mein- deutsche |\ci)räsentanlen
in d«'n Konjrress konuncii.
»!. .leden II<'rh.st feiert «las Dcut.sehthum
in Amerika «li«- ^Vi«'^lerk«•hr d«'s Taj;«'s, an
dem di«' Deutsehen zu«'rst in 's Land tre-
kommeii sind, mit H«*«I«'n un«l (Jesan«r: es
i.st der „Deutsche Ta^", welcher alle Deut-
seh«'n in der rm«.:«'«;«!!«! ztisammenhrinirt,
zur Kinifjkeit uml Zu.sannnenarlu'iten er-
muthijrt, er .sollte dcshalh v«»n .lahr zu .Fahr
ohn«' rnterhr«'«*lnn»jr p*f«'iert wi-rth-n.
Kin lautreres Kapit«*l seiner .Xusführun-
«ren widmete er den hekannten I'rinzipien
des Bun«les mit R«'zu«r auf <l«'\itseh«n
S|»ra«-h- und Turniujt«*rrieht in d«'n öfTent-
lieluMi S«'hiden. die Kratren d«'r lu-rsönlielu-n
Fn-iheit, di«' rntciNtützunj.' der deut.sehen
Presse. Bühne inid «l«s NfitionalL«'hrers«'-
minars. die Krri«'ht»nitr von ,Moiunn«'nt«'n
in Krinneruni: (h-s-sen. was «h-r Dcut.seh«' in
der (Ieschi«'hte .\m«'rika's he«leutet. Kr
empfahl den Atishau <l<r K'iilitssclmt/ Ver-
eine un<I Arl»«'its-.\a«-hweisuntrsliureHUK in
allen d«'n Staaten, in d«-nen solche n«H'h im
Anfan^sstajlium oder trarnielit «'xistireii.
••'erner empfahl «-r «len Zweii;verl)änd«'n di««
Zu.sanunenstellunt; von l|ot«'lre};istern, in
dt'tien .soh'he Plätze angeführt w«'nl«'n soll-
ten, in denen K«'isende. hes«tn«lei*s solche
aus Kur«ipa. «.Mit«' und hilli^'e Aufnahme
linden k<tnnten, und st«IIte ein Ke«-iprozi-
tätsv«'rfahren im alten Vaterland«* für
Kur«i|ta-Hci.v«'m|e in Aussi«*ht.
Dil' Ki"runt.'cnschaft«'n des Natioiud-
l>un«les seit dem Konvent in Intliamtpoli.s
wenh'U am B«'sten dun-h den Bericht d«*s
Bundess«'krctärs. IL-rrn Adolph Timm.
dar<.'cl«'t.M, dei- hier im Auszutre fol<r«'n
möy:«' :
S«*it dem in «h'ii ci-sti-n Oktoher-Tau«*n
i\rs dahres liXIf) in In«lianapolis ali<;elialte-
ncn «Iritten Ktmvent hat der National-Bund
^'anz ltedcut«'nden Zuwa«'hs erhidten. In
nicht wcni^'er als lö Staat«'n sind s<*ith«*r
Staats- \'erl)ände t.'«'t:iiin«Iet worden. Vi«'r
w«'it«'r«' Staaten, 'r«'.\as, Mi«'hij.'an, Ne-
braska und Colorad«», dürften zunächst in
ilie Ixcilie dci" Staats- Vcrl(än«lc tr«'t«'n. Sehr
ziuii Aushau i\rs Bund«*s hat di«* persön-
lich«* A«ritation ih's Bun«I«'s-Präsidenten Dr.
(". .1. Ilexamer lM'i{:«'trajr«*n. «h-r auf nn'h-
reren Atritationsreisen fast all«* Staaten <l«*r
rnion durchkreuzt hat.
Ausser «ler Anr«*^'unj: von M«>/.art- untl
Franklin-Feiern uml d«'r Stiftunj; v«in KHMl
Mark ($'J4<)) für «l«-n All'rem<-in«*n Di'Ut-
schcn Schulver«'in zur Krhaltiui^r «l«*s
I)«ut.s«-hthums im Auslaml«' zum Feste
seiru's l*.")jährit:«'n Best«'licns, welche Svnnm«'
an «l«'n F«»nd «les Deutseh- Amerikanisch«'!!
L«'hi*er-Semina!s zu!*üekv«'!-wiesen wui*<le.
jral» «'S bald im K«>njri'ess sehr viel zu thun.
w«'lel!«'!n «li-r .\atioiiaI-Bund eine Denk-
schrift zu (fUiiKten eines lIandelsv«'i*t!iiv'«»K
mit Deutschland übermitt«'lte.
Vi«'lfach betri«*b«'n«'r Mi.ssbrau«'li «l«*s
Frankatur- Privib'iriums «ler Konirress Ab-
^«•oi-dnet«'n «lur'«'h Fanatik«'r vei-aida-sste
den Bund, ilem K<>ii'_'rcss. di-m (i«*n«'ral-
796 DER DKUTSCH AMKKIKANISCHE NATIONAL BUND
P(xstiiu'ister und der an.trlo-iiiiicrikiunsclii'ii Am (5. ()kt<)l)er des voiiLrcii Jalnvs liefen
PiT.sso Protoste zuirehen zu lassen. l)i'i (;<'le'_n'iih('it der Flnthiilluujj des (irab-
Oejren die lleplmrn-Dolliver Pn.h hi- d-'nUnials für Dr. (Jottlieh Kellner in Phi-
hitions-Hill wurde in zwei Verhören vor Uulelphia Kränze und Blumenspenden aas
d..ni Justiz-Koniite des Kepräs..ntanten- '»H*^» Theilen des Landes ein. ebenso am 1.
Hauses sowie in Petitionen Stellung ge- •'""> '1^- '^^- «Jlüekwunscb-Depeseb.-n für
nonnucn. ebenso in diesem Jabre gegen die 'l^^" Hundes-l'räsidenten Dr. (". J. lI,.xa.nor
Littlcfield-Hill. welcbt' vom .lustiz-Komitc '»»'s Anlass eines Ebren-Hanketts für den-
des Senats dem näebsten Kongress über- ■''•»»'"• I^^^i* Westliebe Zweig des Z.-ntral-
wiesen wurde Xaeb dem „Congressional !>"n<bs von Pennsylvanicn sandte einen
Reeord" ist aueb dri- vorige Kongress mil silh.-i-iicn Pokal und der Zweig Haltiinor.;
Petitionen gegen nationale Probi])itionsge ^'ii.-e Tbrkette nebst goldenem Ciebänge.
setze förmlieb ül)ers('büttet worden. Der gegenwärtige Bestand des National-
AiLsser den Petitionen von Vereinen sind Hundes naeb StMats-Verl)änden ist wif
Petitionen direkt an die Kcmgress-Abgeord- folgt :
neten von grosser Wielitigkeit. Alte Staats - Verbände: Californien.
Für Beibebaltuiig der Kantine in den Distriet of Columbia. Idabo, Indiana.
Soldaten-IIeimatben wurde dem Kongress ^Taryland, ^linnesota. New Jersey. 0\m,
eine Denkseln-ift zugesandt. • Pennsylvanien, West-Virginien.
Wie scbon am 18. November 1908 tra!: Neue Staats-Verbände: Connecticut. De-
der National-Bund am (i. .luiii 1906 wie- laware, Florida, Georgia, Illinois. Iowa,
derum für die Einsetzung einer Einwände- Kansas. Kentucky, ]Massaebu,setts, Mis-
rungs-Kommission und für Vertbeilung der soui'i. New Yoi-k. Oklaboma. Soutb Caro
Einwanderung ein. lina, Virginia, AViseonsin.
Als San Francisco von dem Erdbeben Zabl der Staats-Verbände:
betroffen wurde, stellte sieb der National- Im Jabre 1905 10
Bund mit $:^00 an die Spitze einer Sammel- Im Jabre 1907 -ö
Liste und übermittelte am 12. Juli 1906 ?klitbin eine Zunabme von lö Staats-Ver-
dem San Francisco Zweige $2420.70. bänden.
Am 19. Februar ds. Js. wurde (b'r Nato- P^linzel-Vereine geboren dem National-
iml-Biuid vom Kongress inkorporirt. naeb- Bund in folgenden Staaten an:
dem sieb die Justiz-Komites des Hauses ^vie ^y^., j^. y,,„„,,„,e
des Senats überzeugt. da>s der Bund eine .,, o ^ o
. , "^ ... Alabama 3 o ^
strikt amerikaniscbe Organisation ist. /-, i i - -ir in
Coloradt) o 15 10
]\Iit dem ..Ancient Order of tbe lliber- Kansas 1 5 -i
nians" wurde ein Abkommen getroffen, in Louisiana 5 8 3
Sacben. welebe beide ()igani.sationen in- '\Iiebi"an 3 8 5
teressiren, gemeinsam voi-zugeben. ]\b)ntana 3 9 6
Der erste Versnob einer Statistik der Nebraska 8 17 9
deutseben Scbulen kann keinen Ansprucb Oregon 2 5 3
auf Vollständigkeit maeben. sollte uns je- Tenne.ssee 1 4 3
doeb anspornen, die Arbeit naeb Kräften Texas 24 69 45
zu vervollständigen. Vermont 1 1 —
Der Süden mit seinem ausgezeiebneten Wasbington 3 16 13
Deutscbtbum ninunt an den Bestrebungen
des National-Bundes regsten Antbeil. 59 162 103
^
DER VKUKINKJTKX STAATKX V(».\ AMKKIKA.
79T
Mit Kin.s<hlMss ,1er von den 15 mnun tnilhuiul in Clrvlaiul ist inirli d.-r einzit;.'.
Staats- VerlmiKlrii j;cwoiuicii.-n Wn'ine er- dor rürkwärts ^rcuaimen ist. ja lnonat*•lan^r
..'i.l.t sich .in,. Znnahni,- v,.n 1(m:(» V,.r,Mn.-n. koim- Sitzunjr.'n abhielt, alle an.ler-n Ver-
In ilen ühri'ren Staatm hat ,1er National- Imnile arlwiten im fortseh ritt liehen Sinne
Hmi,l Kinz,.|-.Mitirli,Hlor. Versnehe. mit Chüaf/n: D.t Zuvijrv,.rhan,I C'hioai;o Im--
,1.1, Deut.s.'h-Amerikanern in« Staate Main-» st.-ht znr Z«'it naeh ,l.'n Hüeh.-rn de« Sekre-
in Verhindun;: zu tnt.ii. wann ni,-lit er- tärs aus si Ven-in.-n mit »'twa !MMM> Mitjrlie-
*'"'"'■'''**•'• <l'ni. Währen,! ,las im V,.rhältni.vs zur
AiLs don zum Theil nvht umfanj:ni,h.-n Zahl ,1er l),'Utseh-Amerikan,-r in Chifatf,»
iWieht,'!! ,1er Staats- Verl.iiml,. m,i>r,'n hi,'r un,l zur Zahl ,leut.s,-her V,-r«Mn.- «larin für
dl.' ^Viehti^'sten herv,>rf;eh,.h,'n w,'r,l,-n : eifrijre zweijähri^re Arlw-it n(K-h k.-in umiiik-
.\<ir York. Der I)out.s,-h-Amorikanisehe tijre.s Kesultat Lst. ,larf .sieh ,1er Vorsttuul
Staats- Verhand New V,»rk wunle am \'>. '1''^ Z\v,'i«r-V,-rhan,l,'s ,|,'r Krwartunt; hin-
Juli l'KI») auf Anre^Muitr des Dcutseh-Am,'- }:<'I»<mi. ,la.ss in liäMe ein Ixisserw! Krcehniss
likani.sehen Hun,l«.s ,1,'r Sta,lt Ttiea und >'-" verz,*i,-hnen sein winl. Ks ist l)p«,'h hissen
Vereinstier l)»iitseh,'n d,M- (Jraf.sehaft Mn- wonlen. während i\vs Winters S,'hritt,' zur
kimer <:e«rründet. Aiusser diesen l)ei,lrn Mildtnii: «'ines Staatsvfrhandcs von Illinois
\'erhän,l,'n traten hei der (Jründunir n,x-h >'•" thun.
f,)l«rende Stä,lte hinzu: N<\v York. Seh,'- linliiiini: Der Z»'ntralv,'rhand ,»rtrani«irte
nt'eta,ly. HulValo. Alhany. Kintraeht. (ilo- in drei Stä,lten Sta,ltverl)än,l,» und jrewann
v,'i*svill,'. Syrxejise. Tr,»y. KImira. K,MdK's- aueh <'ini«re Verein,». Die Kinfühnuitr der
ter und Amstt'nlam. später .sehlossiMi sich n«>,'h!izens wurde mit Ililfc d<'s Z«'ntralver-
d»*m Verl>an<lc noeji an : Home. Oswefjo, liandes v,'rhiridert. Di,^ B,'willitr»injjr h<iherer
Newl)uri;h. l'ouL'hkecpsii- und ,l,*r Ortsver- L<'hr,'r«rehält,'r sowio ein L<'hri»rpensionsj^-
l)and Alhany. Die .Mit'_'li,',lerzidil beträirt ««'tz wurd,'n ,'rzielt.
iK'Ute cin-a Ki.OdO. w,.ruiit.r TdoO aus d.-r M,niihi„<l: Im Ilerkste des Jahn-s 11)05
Stadt New York. fa,,,! in Marylaml eine V,)lk.sah.stimmung
(Uno: Im Jahre 1!>().") Itestantl ,1er \'er- ühcr die Aiiiiahnie eines Aiiiei!,lcments zur
hantl nur au.s ,l(n Zentralhüiulen in C'love Staats-Konstitution statt. w«'le|i,'s zwar tre-
lan,l. Toledo \\\h\ ,lem Sta,lt\"*'rband in ^''H die Netrer ^,*riehtet war. aber so weit-
Ilamilton. In zwei .Jahren fr,'Ian«: ,'.s. die rei,*h,'n,l<' Vor.s,'hriften ,'nthie|t, ,la.ss »^s all,*
Zentralbün,!,' in Chillii-oth,* un,l I)ayt,»n frenHl^relMirenon Stinuii«^,>biT ,1,'r (Jiuide
für dfu Staatsvcrb:ind zu fiewinnm »nul in o,ler rn<rna<le ,1,'r Stinuntr<'b»'r-Het:Lstrato-
den folgenden Städten Verbände zu orira- ren unterwarf. Wir ortranisirten eine hef
nisin'U: Akron. Diieyrus. Cim-innati, Co- tijr«* ()pp,»siti,»n tr,*«^'fn ,Iie Aiuiahmo ,l,'ss,'l-
lumbus. Fn-moiit. Lima. Lorain. Mansfield. ben un,l siftrt,'n bei ,1,'r allu'i'meinen Wahl
•Mt. Ilea'thy. Sprin'^'fii'1,1. San,lusky. Sti-u niit tli,'<^'i'n,len Fahnt-n. olisi-hon wir jrt'm'n
beiivill,'. ( 'antun. Ma.ssillon. Allianee. Tif- die in <ler .Mjieht belindli,'he l*artei
fin. Hellaire uii,l ^'<»un^rst,»wn. Die Mit- kämpft,'n.
triiederzahl b,'trätrt IS.O(K) bis ID.OOO. I),*r Fortu,'s,'tzte Agitation pe^rcn jed«' Ver-
ZentralbuiMl in Cli-vclan,! j;ab v,»r zwei sehärfunt; der ..Hlaut-n (Jes,'tz,'". Kntsj'hei-
Jahn-n .sein,- .Mitirlie,lt'rzahl auf 12 — l'i.OOO d,'ndir Krf,»ljr in d«'r Hekämpftuit; d,T sojr.
an. zählt h»'Utc aber trotz im Frühjahr ,r- Loeal \'et,)- , »,1,'r I*reeinet-I*r,»hibiti,»n«-Hill.
fol«rter H.ortranisation tiur ,'!t. 2(MI(». Ilätt • I'« nnsiilninia: Der Staatsv,'rban,l hi,'!t
Ch'veland n,»eh ,lit' .Mitirlieih-rzahl w'<' v,<r zwei s,'hr erfoluTci,'!),' Kr»nvfnte in Pitts-
Jahren, würdi- der Staatsverband heute bur^r un,l Wilkes-Iiarr,' ab mit 10 Sta<lt-
30 — 33.000 >iit<:li«'der xiihlen. Dor Zen resp. ('o>uity-V,'rbän,l,'n. An den ersti;»'
798
DKK DErTSCH-AMKKIKAXISCHH NATIONAL BIND
iiriniitt'ii K»»iivt'iit im Jalin* 190") sehloss sich
eine Dcut.sciK' Tairfciei- Jiii. Von dem rcbi'i--
sehu.s.s wiudt'ii $100 für das I'astorius-Denk-
mal lH'\villiy:t. Kifri«:«* Ajritation für ein
Civildienst-CJesetz. für permanente An-
stellung: der Lehrer. IIel)un«r der Xornial-
seh'.ilen sowie (Jründuny: eines Pensions-
Fonds für Lehrer. Agitation zur Einfüli-
run»r des obligatorischen Turnunterriehts
in den Schulen der Städte 8. Kla.s.se. Er-
neuter Protest ire<ren Beschränkuntr der
Kinwanderuii^'. Scliliessen der Kantinen
wie ireiriMi die Ilepbui'n-Dollivei'- und
Littlefield-Bills. Errichtung des ersten
deutsehen Volkstheaters in Philadelphia.
Jährliehe Vertheilung von l'räuiieii im (Je-
sammtwerthe von $100 an die besten Schü-
ler der deutschen Schulen. Verhinderung
der Einführung von Local-Option durch
die Staats-Legislatur.
Wfst-Virgiitia und Texas: Beide Ver-
bände berichten über rü.stiges Fortsehreiten
der Agitation, wie der Organisation. Ln
ei-steren Staate wurden die D(nitsclien von
Parkersburg für den Xational-Bund ge-
wonnen.
New Jersey : Die Arbeit im Staate ist
theilweise eine schwierige, macht aber gute
P^irtschritte. Hudson County allein zählt
110 Vereine, die zum Bunde gehören. New
Brunswick und Xewark zeigen gute Resul-
tate, in Orange und Elizabeth sind Schwie-
i-igkeiten zu überwinden. Deutsche Thea-
tervorstellungen daselbst waren erfolgreich
und sollen vermehrt werden. Das Rechts-
schutz-Bureau von Hudson County erle-
digte seit seinem Bestehen annähernd 800
Rechtsfälle.
Califoniii n : Trotz der durch die Kata-
strophe am 18. April 1906 geschaffenen un-
günstigen Verhältni.sse wuchs der Verband
um sieben Vereine. Die Deutsclie Tagfeier
ergab einen Ueberschuss von $1163, wel-
cher zui- Linderung der Xoth der Deutschen
in San Francisco verwandt wurde.
Missouri und Süd-lUiiiois -. Am '2'.i. Mai
1907 wurde in St. Louis die Deutsche Thea-
tergesellschaft mit einem vorläufigen Ka-
pital von $7ö.(X)0 inkorjiorirt. Die Pläne
für den Bau, der $175,000 kosten wird, sind
bereits fertig, ein passendes Grundstück
wurde für $20,000 erworben. |^
Während im Oktober 1905 der Zweigver-
band nur aus St. Louiser Vereinen bestand
und verschiedenen Einzelniitgliedern, haben
sich im Laufe der letzten zwei Jahre in-
folge der Protestbewegung und auf direkt-
Agitation hin auch Vereine von Kan.sas
City, St. Joseph, Ea.st St. Louis, Belleviile, ,j
Lexington, Higgin.sville, Concordia. Cali- " '
fornia, Joplin, Sedalia, De Soto, Clayton.
Cpper Alton, Freeburg, Highland, Lebanon
und anderen Städten angeschlossen. Die
einzelnen Städte haben selb.stständige Ver-
])ände und zentralisiren sich in dem Staats-
Verbande für Missouri und das südlich«-
Illinois mit gerechter Vertretung aller Mit-
glieder und aller gemeinschaftlichen Inter-
essen.
Xachdem somit im Wesentlichen die
Staats- Verbands-Berichte erledigt waren,
gab Prä.sident Dr. Hexamer bekannt, dass
ein Sehreiben des Herrn W. R. Ilearst vor-
liege, welches verlesen wurde, wie folgt :
„Die Zeit ist jetzt für den Deutsch -
Amerikanischen Xational-Bund gekonnnen.
das Feld seiner Thätigkeit zu erweitern und
die Hand nach Deutschland hinüberzurei-
chen, damit die beiden Länder g«'mein-
schaftlich auf dem Wege des Fortschritts
vorangehen mögen. Zu diesem Zwecke ist
CS erwün.scht, einen Internationalen
Deutsch-Amerikanischen Verband zu grüi.-
den mit einem Zweige in Berlin, um da>
Verständni.ss für deutsche Kunst und deut-
sehe Ideale in Amerika, sowie das Studium
deutscher sozialer und ökonomischer Ver-
hältnisse zu fördern und die herzlichsten
politischen Beziehungen zwischen den bei-
den Ländern herzustellen. Es wird daher
der Vor-schlag gemacht, dass diese Konven-
tion den Präsidenten ermächtigen soll, eine
Delegation von zehn oder zwölf hervorra-
genden Bürgern, denen diese Sache am
|)i:i{ \ KKKlNMiTKN S T A A T K N Vtt\ AMI.ICIKA. 7W
II<'i-/fii lii'v't. ZU <'riM'iin«'ii. um im .litlirc 1 AiisncIium« für Mitt«-I iiii«l \Vc|L;r m>II
lüOS iiarli DiMitsflilaiul zu ui*li)-ti iiikI um Kiiipfcliluiiurn iidh-Idmi. iiuf vvflclic Wriito
im Iritt'n'ssi' «lirsfr ^rnissi'ii Such«' thätiu zu «l«*r irfpljuiti« FuikLs vom $1(M>,(MM> inift^*-
sein, und liniclfl. und Itis dii* Sumiiii* zur Vfifü^uiii;
Iln-r II.niNt wrpflirht.-t sich, mit d «-^c • >l«'l>t. «Ihs alljährlich sich citfclMMKlc iMizit
I)clctrati«)M zu ko-upcrircu und «lun-li seine '-'«'«••''•kl wcnicn kann.
acht Zcitunir'Mi in fünf Städten ihre Zwecke -• •'•''• I>«'Utsch-Amerikanische Nationnl-
und Ziele zur Kenntniss der Ue'.'i.'nuiir«-n '*'•"<• ••*""• ^^i'* •"'•«»•>'»•■ »'••••• diesmal aus
und .l.'s Volkes von Deutschland zu hrin- s.-iner Kas-we der Seniinarverw.dttiiii: ein-
neu. Ini ferner die Kosten dieser liewe- "^nnune von *-J(Ml übermitteln,
ffunj: zu hest reiten, erbietet sich Herr •*• I^«»* «'inzclnen Slaatsvcrbände und I.:»-
Il.-ai-st. alle l'nkostvn der bcsairten De'e^a- kHlvereine .sollen Mittel aufbrini-en. ui-i
tion zu trajren. einsehlies.slichsolclu'rotrent- J»ri>.'en i.cut.-n aiLs ihren Bezirken «Jen R-
lieher Funktionen, auf welche man sich in ^"«'l» '•"'^ lA-hrei-seminars zu ermiiirlichcn.
Kuropa einii;en .s«»llte. •^''•" ^«'niinar winl ein Meitra^' von $2()l)
bewillijzt.
Achtiuijrsvoll H,.schlü.ssc im Intcrc.vic des Turnunter-
Williiini Kaiidolpli llearsi " liehts:
Wir empfehlen, dass alle zum National-
\Viedcrh..:t -n.vser liedall. l;i.- K ida- ,^,,„^,^. j,,.|„;,.,.,„i,.„ Vereine ,^ sich zur
dun- wird zur weiteren Berat huni: und He ,,„;,.,„ „„„.|„.„. «lahin zu wirke. ,lass in
schlu.s.sfa.s.suni.' im nächste, Konvent wider .,|,,.,, Normals.-huleu die anirehcnd.-n Lehrer
Nor'^elc'it werften. ,,,,,l |^,.|ircrinnen befähigt werden, systcnui-
Der zweite Ta^' der Arbeiten «ler Kon- ii.sch<ii 'rurniuitcrrieht 7.\i ertheilen.
vention war im wcsLMit liehen der Hnt^'e^ren- wir empfehlen ferner, dass <lafür ire-
nahmc der Berichte der ständitjen Aus- soijrt wird, dass tlic Obcrleitunu' <les Tuin-
schüs.se und der Bes«'hlassfa.ssiuitr über die- Unterrichts \u «h'ii trrüsseren Städten nur
selben «rewidmet. I)iejcni«.'en. welche von fähigen 'rurnlehrern anvertraut wird.
cin.schneidender Bedeutunv sin<l. .seien hier ymii-y empfehlen wir. da-s die Vereine
kurz erwähnt : ^^^^ .\ational-Bundes in ihren r««spektiven
In jed«'m Orte und in .jedem County .sol- Di.strikten <lahin wirken, da.vs in Zukunft
len histori.sche (i'cs"llsehaften '_'ei.rründ.t |„.i |„.|| /u erbauenden Schulhäu.sern fs
werden, welche sich <I'M- HrforscIiMriir dei nicht an passenden Käundichkeiten fehlt,
(icschichte der l)euts<-hen in ihrem Distrikte ^^o 'ruiniuiterricht in .systematisch<*r Wei.»;«»
widmen sollen. Für Art und l infanj; dei- .rtheilt werden kann und nölhiL'c Spiel-
Foi-schuni:en wcnlen iH-stinunte Normen platze cinjrcrichtct wenicn können.
aufire.stellt. Das Kru'cbidss soll in den v.m y,,„ ,.;,„.,. ,.i-seh.ipf''"«i'*>« BehandluiitJ
i'rof. Learned. Philadelphia, und Kmil ,,,.,. Kinwan.leruiiu'sfrap- uinunt iVuser
Maniduirdt. ('hicaj;o. herau.sj;e-relM'ncn Zeit Kntivent wcj:en Zeitnuul^'els Abstand. Hin
whriftcn verötVent lieht werden. vorbereitender Berieht nebst Kmpf.hliumen
Annahme einer Krkläruntr über die Ste|- ^\,.^ Ausschuss« s soll dem nächsten Konvent
lunjr. welelie der Konvent t;cj;enübcr der ,^\ (irundla<.'e liii-ncn.
Fra^;e pci-söidiclu-r Freiheit eiiuiinunt. Die y[\j. bcKSiTcn INwtdii-nst :
selbe <leckt sich mit der l'rin/.ipien-Krklii Be.sehlossen. da.ss der .National Bun«l eine
nuij: des Bundes. Verbesserung' un.ser<'s rostdicnstes für un-
Beschlüs.se im lnt<resse «les hchrersemi- betlinjft nolhwen«liu erachtet und vor Allem
nai-s: thatkräftiu' eintritt :
i
800
DKR DErTSCH-AMKRIKANISCHE NATIOXAL-BUXD
1. Für Eiiifühniiiof der Pai-kctpost ;
•J. Für Erliüliung des (Jcwiehtes der
lirifff unter einfaeheni Porto auf vier
L'ii/.eii ;
'^. Für die Iltrahsi't/.unjr des Portos im
intcriiatioiialfn Verkehr mit Europa und
Südamerika, sowie im Allfremeinen.
p]ine Abschrift dieses Hesehlusses dem
Generalpostmeister zu übersenden.
Beschlüsse im Interesse der Erhaltung
der AVälder:
Beselilossen, dass die Konvention des
Deutseh - Amerikanischen Xational-Bundes
die Erwerbung nationaler "Wälder in den
White ]\rountains und südlichen Appala-
chen befürwortet ;
Beschlos.'«en. dass .jedes [Mitglied des Xa-
tional-Bundes den Vertreter seines Bezirks
im Kongress ersuche, auf die baldige ge-
.setzliche Aniuduue dieser ^Fassregel in der
konunendeu Legislaturperiode des Kongres-
ses zu dringen ;
Beschlossen, dass wir das Vorgehen der
American Forestry Association, insofern
als sie die Aufmerksamkeit des Volkes auf
diese Frage gelenkt hat, dankend anerken-
nen und den ^Mitgliedern des National-
Bundes die Unterstützung der Bestrebim-
gen dieser Vereinigung auf's Wärmste em-
pfehlen.
Besehlassen, einen Aussclniss einzusetzen,
der vei-suchen soll, freundschaftliche Be-
ziehiuigen zu andern grassen Xational-Or-
^'anisationen anzuknüpfen und aufrechtzu-
erhalten.
Im Interesse der Ileran^iehunir der
Frauen zum Xational-Bunde : Ein stän-
diger Aus.schuss wird eingesetzt, dessen
Aufgabe es sein soll :
1. Sich über die Weise zu unterrichten,
wie die grossen Frauen-Vereinigiuigen die-
ses Landes vorgegangen sind, die solche be-
deutende Erfolge im Guten und im Ver-
derblichen zu verzeichnen haben.
2. Sich mit den Staatsverbänden in Ver-
bindung zu setzen, zum Zweck der Ein-
setzung von rnterausschüssen in jedem ||
Staate, um auf diese Weise eine Vereini- ||
gung der durch das Land zerstreuten t|
Frauenvereine zu ermöglichen.
Die nächstliegenden Aufgaben dieser J
Frauenvereinigung des Deutsch-Amerikani- J
sehen Xational-Bundes scheinen folgende zu
sein :
.Mithülfe zur Erhaltung und Einführung
der deutschen Sprache in Familie iind
Schule.
[Mit Wirkung bei Regelung der Frauen-
und Kinderarbeit.
Stellungnahme in allen Fragen, welche
englierzige, veraltete Gesetze angehen.
Der nächste Konvent soll im Jahre 1901>
in Cincinnati abgelialten werden. Es folgt*'
nun zum Schlüsse die Beamtenwahl für die
nächsten zwei Jahre mit folgendem Re-
sultat :
Präsident — Dr. C. J. Ilexamer.
1. Vize-Präsident — Joseph Keller.
2. Vize-Präsident — John Tjarks.
8. Vize-Präsident— E. C. Stahl.
4. Vize-Präsident — I. D. Cappelmann.
Sekretär — Adolph Timm.
Schatzmeister — Hans Weniger.
Finanz-Sekretär — John Yenny.
Des Kaisers DanV an den XationaUBund,
Der deutsche Kaiser hat auf die Depe-
sche, die vom Germanischen [Musemii der
Harvard Universität ans von den Delegaten
zum Konvent das Deutsch-Amerikanischen
Xational-Bundes an ihn abgesandt worden
war, wie folgt geantwortet :
Dr. (". J. Ilexamer, Präsident des Dentsch-
Amerikanisehen Xational - Bundes.
Philndelpliia.
Dem im Germanischen [Museum z"
Harvard versannuelten Deutsch-Amen- _
kanischen Xational-Bunde danke ich auf- 'I
i-ichtig für den freundlichen und patrio-
tischen Gruss.
Wilhelm, I. R-
i)i;i{ vki{i:im(;ti:n staatkn von amkkika. 801
Die I)ope«ch.'. welche der Njiti.uuil-him.l D.r <I.Mits<lie (iniiidtun seines Charakters
an den deut.seheii Kjiiser ;il>sandte. hatte hetliäti^rte sieh in Dv IL-xaniers öffentli-
foljrenden Worthint trehaht : elieni Wirken. Mit zälier Ilartnäeki^keit
Der Deutseh-Anierikanisehe National- verft»it:t<' er ein Zi«'l. dessen Krreiehun^
Hund, vei-sanimelt im ( Jerinanisehen Mu- «'rfahremii Ki>nnern des deutsehen Kle-
seuni zu Harvard, sendet her/liehe (Jrüsse nifiits der \'ereini>;ten Staaten als in (h-n
mit der llolViiun'^' auf dauerndes (Je- Hfrfi«'h utnpiseher Träume (.'chörifr er-
deihen freundsehaftlii-lui- Iie/.iehun<ren sehien: die Kini^un^r und Zusanuiienfas-
7AviseJien dem alten und neuen \'.iter- stintr «h's l)«'Utselitluuns der rnitni.
'''"•'''• Als er mit der Verw irkliehimtr <ler I<|ee
Dr.C\./.lhramn.\'vibiu\vn\. ,i,.„ Anfan^r umehte und in IMnla.lelphia
Der Austluj; na.li Cainhridp' zinii d-uti- •'*'" ^^nnulstein le^te zu dem mäehti»; em-
gen Gennanisehen Museum der Harvard porstrehenden liau des Deutseh-Amerikani-
Tniversität war dureli Herrn Hearst's Mu- '*'*•"•" Natioiuil-Bumle.s. da sahen seihst die-
niti<-euz ermö^rlieht \v<.rd.ii. d.'ssen (iäste .^^'»'^'«•^'. w«'I«-li- Dr Hexamer wohlwollten.
die Delegaten waren. Der Kmpfang in '''"^'''* •"**''"«''* >niermü<lli<hen Agitations-
Harvard war üheraus herzlieh. •^'•'"''* ehrgeizige IMiine und selhstsiiehtige
liest rehungen. deren klares Hervoi*treten.
i-N i^ I I I weiui ilie Zeit gekununeu luid «lafür reif
UT. L. 1. Hexamer, . , ... , i i- .
•' wäre, sieh von .seil»st ergeJM'n wurde, l eln»r
D«-r Bannertraeger de» Deultchlhumi und Praetident de» Zehn .lallH* sind Vergangen. Ulld ein
Dcutsch-AmetikanUchen National -Bundes. poHti-selier Klirgelz des Führers der deut-
schen H«'wegung in Amerika ist au<'h nicht
Am 9. Mai 19(.!« vollendete ein Bürg.-r ..j,,,,,^,, „n,leutung.weise hervorgetreten,
das 47. Lehensjahr, der wohl mit He.lit der ^^.,.j| ,.,. „j^.,,^. pxistirt.
Hannerträger di*s amerikanischen Deutsch-
thums genannt werden kann: Dr. C. J. '^''***""" "■•'"'^' ^^'"'*'" '''* P''**«''>»ft •'<••"'
Hexamer. Geboren in l»hiladelphia als der ^'«»»-thede. d.e Dr. Hexan.er veranla.s.sen
Sohn eines Mannes, in dessen Jugend ,1er »«•""♦''"• «'*'»«' ^^^"'t ^•••"' »'*««"'" ""^ «e-
(leihen des Deut.sch-.Vmerikanischen Xatio-
nal-iiiuides zu widmi-n. deiui er ist tinan-
Freilieitskampf Deutschlantls und seiner
fngeren Heimath, des hadischen Landes,
hineinspielte und der dadurch eine ge- ^•'•'" vollständig unabhängig v.m der (Jnnst
wis.se (Jro>.szügigkeit des Charakters und '"!<''• Tugunst .les Publikums,
einen idi-alen Schwung erhielt, inid einer Aiieh iler lOhrtrciz. eine Holh« zu spielen,
deut.schen Mutter, welche ihrem Sohne die im Caicium-Licht der ()etTentli«hkeit zu
herrlichste Gabe des deuts<'hen V<)lkes. das posiren und Weihrauch von Spei«'hel-
deut.sche Gemüt h. und damit die Liebe zur leckern inid anderen professionellen Huliiii-
deut.sehen Sprache und deutschen Sitte mit rcdnern gestreut zu crhaltt-n. die nur <hi-
auf den Lebensweg gab. und aufgewa<'hsen rauf lauern, jedem aufgehen<l«*n Stern ihre
in einer rmgebung. in welcher ..Deutsch" Huldigung ehrerbietigst zu Füssen /u
<len (irundton bildete, auf den Alles bar- legen, um des.sen Freundschaft und (iunst
monisch gestimmt war. inusste Charles zu gewinnen un<i sie zu selbstsüchtigen
diihn Hexamer mit innigerer Liebe dem Zwecken auszunutzen, liegt Dr. Hexa-
deiit.sehen Volksthume zugethan sein, als es mer's be.seheiilcnem Sinne vollstämlig fern,
leider sonst b«'i den in Amerika geborenen Kr fühlt sieh einer ehrlich gemeinten
Sühnen deutscher Eltern der Fall zu sein Kritik gegenüber viel wohler als einer
pHegt. fallen Schiiii'ichelci.
802
DKH DHrTSCHAMERIKANISCHH XATIONALBUXD.
Dl". IlfXiiiiicr sieht tlfii scliöiistcii Ldhii
seines Wirkens für ilas Deutsehtluun der
Vereinigten Staaten in den Erfolgen,
welehe der Hnud erzielt hat und die ininier
grössere zu zeitigen vers|)reehen. Kr ist
erfüllt von dem Idealismus der Besten
deutsehen Stanunes, die niemals auf Lohn
oder Dank für das Gute gereehnet haben,
was sie ihrem Volke, der ^lit- inul Xaeh-
welt gahen. l'nd mit diesem deutsehen
Idealismus, der nienuils versagt und nie-
mals verzagt, vereint Dr. Ilexamer eehte
Liebe zur Freiheit, die bekanntlieh aueh in
der grössten und ,,freiesten" Republik der
Welt mein- in der X'orstellung als in der
Wirkliehkeit besteht.
Als es galt, der innner mäehtiger wer-
denden Prohibitions-Bewegung entgegen zu
treten, welehe die Bürger der Vereinigten
Staaten zwingen will, nach der Faeon der
"\Vas.sersimpel zu leben und zu versauern,
da waren es Dr. Ilexamer und der von
ihm gegründete Deutsch-Amerikanische
National-Bund, welche den Kampf mit den
Muckern und Gegnern persönlicher Frei-
hmeit aufnahmen. Sie errangen Tri-
umphe, die namentlich im Westen noch
grösser geworden wären, wenn Zeit und
Büttel genug sich dargeboten hätten, um
die Organisation des liberalen Elements zu
festigen und die völlig ungeübten Neulinge
auf dem Gebiete der Politik zu gewandten
Politikern zu erziehen. Im Staate Penn-
.sylvanien aber, in welchem der Deutsch-
Amerikanische Xational-Bund schon seit
Jahren besteht und sieh namentlich im
Westen desselben wiederholt i)o!itisch be-
thätigt bat. war der P>folg bei den AVah-
len, trotz der unermüdlichen Agitation der
,,Anti-Saloon League" und eines grossen
Theiles des Kirchen-Elements, ein überaus
günstiger.
Wie in jeder harmonisch gestinnuten
Menschenseele die Empfindung und die
Liebe zum Schönen und damit zur Kunst
vorhanden ist, so auch bei Dr. Hexamer.
Für Kunst, !Musik und Theater hat er ein
i-eges Interesse stets kmidgethan, luid djiss
die Deutsehen der Stadt der Bruderlieli.
sich liihmen können, ein eigenes deutsches
Theater zu besitzen, ist nicht zum ;\Iiii-
desten sein W^ei'k. .Noch ist das geistige
Erwachen des Deutschthmus der Vereinifj-
ten Staaten, das bisher mir zaghaft und
verträumt erfolgte, nicht weit genug ge-
diehen, um seinem Führer mit opferwilli-
ger Begeisterung auf dem Pfade zu folgen,
der immer höher hinauf leitet, noeli hat es
sich nicht zur vollständigen Würdigiuitr
seines Bannerträgers emporgeschwungen,
aber die beständig sich mehrende Vereh-
rung, die Dr. Hexamer von den Deutschen
des Landes erwiesen wird, und die Be-
gei.sterung, mit der er überall empfangen
wird, sind untrügliche Zeichen, dass man
das wahre Wiesen des Mannes zu erkennen
beginnt, eines Ideabnenschen, der wie kein
zweiter zur Führerrrolle berufen ist. weil
er nichts für sieh selbst verlangt, alx-r
Alles für den Ruhm und die Anerkennung
seines Stammes.
Dr. Hexamer's Vater, Ernst Hexamer.
Dr. Hexamer's Eltern. Herr P>nst
Hexamer und Frau, geborene Marie Klin-
gel, feierten am 6. August IfK'O das Fest
der goldenen Hochzeit in ihrer Villa in
Atlantic City. Das gab Anlass zu Glück-
wünschen aus Nah und Fern. Die Eltern,
deren Sohn die Einigung des Deutsch-
thums in Amerika angestrebt und damit
einen so glänzenden Erfolg erzielt hat.
haben sich den Dank aller Deutsch- Ameri-
kaner erworben, und er kam in unzähligen
Gratulationen aus allen Theilen der Union
zum Ausdruck.
Feber die Lebensschicksale Herrn Ern>it
Hexamer's, des Vaters des Gründers uiul
Präsidenten des Deutsch-Amerikanischen
Xational-Bundes, sind uns folgende Mit-
theilungen geworden :
„Ernst Emil Julius Ferdinand Ilexamer
wurde am 29. :\Iai 1827 zu Koblenz gebe-
DKK VKHKIMCTKN STAATKN \ m\ \MKKIKA.
808
r«'U. \vos«*lhst sein VattT llMtViTi«'hl>m<l-
vokjit wjir. Als Niipidfoii dir Sdliiif dfi-
lu'strn Familifu Dfiitschlimils in sciiii*
Lcihtrarile st»'«'kt«'. Mich dfiii Vater ihimtcs
.Iul)ilars dieses Scliicksal iiirht riNpart. Kr
liiusste dfii Feldzutr Iiaeli Kiisslaiid liiil-
iiiaelieii. \'tni den ausp-staiidfinMi Sira-
pa/en erholte er sieh nicht mehr. Na<'h
ilciii Tode d«»s Vatt'rs 7.0^1 die .Mutti-r. rin«-
trelHirene Kettin. njuli IIei«h'nMrjr. wnsclhst
d«*r älteste Sohn Atlolph als Doktor Medi-
einae prouiovirte. Di«- lirüdi-r Krnst nml
Wilhelm iM'sjjehten hei ihrer \'orliehe für
die Technik die Healschnle. im mütter-
lichen Hause verkehrten als Freunde des
älteren Bruders Studenten, die später eine
hetleiitende Holle spieh'n sollten, unter
ilieseii Vir«*ho\v. Kussmaul. .Moleschott.
Cienseh. dci- Dichter SchetT«'l imd dei- spii-
tere Finanzminister .Mi<|Ucl. so dass es an
geistiger Anregun^r nicht fehlte. Krnst
\uh\ sein älterer lirudcr Wilhelm wurden
nach Ahsolvirini^r ihrer Schidstudicn auf
das damals Ix-rühmtc Karlsruher Poly-
technikum gesandt, wosclhst Krnst ein
Liehlings.schüler Redtcnhachei's wurde.
Da kam die 48er Strömung \nnl riss
auch die Brüder Ile.xamer mit sich f<irt.
Sie schlos.s«'n sieh der freiheitlichen Stu-
denteid)ewegung an. Dr. .\dolph Ile.xanu'r.
ein gewandter Hedner. ihr in den prenssi-
.sehen Staatstlienst getreten war. wurde in
Berlin /.um ..Sehat/mi'ister der Demokratie
Deutschlands" gewählt, und Wilhelm und
Krnst kämpften mit Sigel in Baden. Der
jüngste Bruder. Dr. F. .M. Ilcxamer. ein
hekannter Schriftsteller auf dem (lehlete
der Agrikultur und llortikultur. focht
nngea«*htet seiner dugt-nd mit un«l wurde
..llccker's jüngster Soldat" geiuinnt.
Wie so viele Antlere tlohen die Brüilcr
nach Zusammenhruch der Bewegung zuerst
nach der Schweiz, sodaini nach Amerika.
Dr. Ado||)h ile.xamer wnnlc in New York
ein angesehener Arzt, starh aher s«-hon im
frühen Mainn-salti'r. Wilhelm, ein tücli-
tiger Ingeni«*ur. hrachte «-s l)is zum Stadt -
({eomet«'r von Ilohoken. Bei .\ushrU(*ll des
Bürgerkrieges organisirte er Batterie „A "
Von .New Jenw'v. ..Ilexamer's Itatterie",
<lcr ausscldi«*ssii<-ii Dentsclie angeh<irt)'ii
uml die iin vielen Schlai-htcn hervorra-
uendi-n .\ntheil nahm und hei Antietam
durch <ieiicral .McCh-llan ölTcntlich heioht
wurde. Infolge einer Verletzung, die
-Major iicxamer im Kriege erlitten luitto,
starh IT lu-reits im Jahre ]HH). Auch
lernst agitirte energis«h gegen «lie Skla-
verei und wurde, als er für l*'remont
stinnnte. vom i'öbei niederg«'s«'idagen un«I
als todt an dem Wahl|»latze liegen gc-
las.scn.
Seine ci-stc Anstclhnig in Amerika ver-
dankte Herr Krnst Iicxamer seinem Talent
als Kunstzeichner, indem er engagirt
wunle. lOnt würfe für (irahmonnmente zu
machen. Später trat er als (Ji'onieter in
das (leschäft vim Berris & Co. ein. die da-
mals einen Stadtplan von New York
herausgahen. Kr schwang sich in kurzer
Zeit zum technischen Leiter des Fiitcr-
nehmens empor. Als die Arheit lM'«Midct
war. gah Herr iN-rris seinem jungen
Freunde den Hath. sich in einer anderen
Stadt ein ähidiches eigenes (ies<'|jäft zu
gründen. So kam Herr Krnst Hexamer
im .Jahre IS.jJj nach l'hiladelphia. wo-
selbst er sich als Civil- ing«'nieur un«l (Jeo-
meter etahlirte. Durch iniermüdli<-licn
Fleiss und seltene .\usdauer gelang es ihm.
das (icschäft aufzuhauen. Kr führte unter
Anderem «'ine Anzahl Neuerungen ein, von
denen die Sp(>zialpläne für Versicherungs-
(i(>sellschaften. die niuimehr auf der gan-
zen Krdennnide im (}«'hraueh sin«l. beson-
dere Krwähnung verdienen."
Arno Leonhardt,
der lang)arhrit{c V'i/c-l'r«c»idcnl de» DcuIkK- Amcnkani-
•chen ZenUal-Bundri von l'cnmylvanim und nnri der
Gruendrr drMclbcn.
Als am !). .Januar 1!>()!) Arno Leonhardt
plötzlicli starb, erregte liie Kunde weit
über die (Jrenzen l'hib'Klelphia's. seiner
804
DER DErTSCH-AMERIKANISCHE NATIONAL-BUXD
Heiniatlistadt. und des Staates l'cniisylva-
nicn in dciitsclKMi Krcisi-n auf rieht ij^c
Trauer. Zu deu Tausenden, die ihm die
letzte Ehre erwiesen, jreliörteu der Gouver-
deutseh gel)liebpn waren. Gel)oren am 21.
Oktober ISöO in IMiiladelphia, erhielt er
seinen ersten Sehuluntei-rielit in einer
Quäkersehule. Fni seiiu» Keiuitnisse in der
neur von Pennsylvanien, Edwin S. Stuart, deutsehen Sprache zu befestigen und
zu
ARNO LEONHARDT. EINER DER GRUENDER DES BUNDES.
sein lang jäh riiorer Fi-eund. und Mayor Rey-
bom, sowie zahlreiche andere Würden-
träger. Arno Leonhardt gehörte zu den
hier geborenen Abkönunlingen deutscher
Eltern, welche im Grunde ihres Herzens
erweitern, besuchte er 5 Jahre lang die
imter Leitung F. Schünemann-Pott's ste-
hende Freie Gemeinde-Schule. Nach Ver-
vollständigiuig der Sehulstudien nahm ihn
der Vater, Theodor Leonhardt. 1865 in
i
I»KIJ \KI{KIM(;TKN STAATKN \(i.\ AMKUIKA.
806
seiiii' lithoj:rii|)liis«'lif Anstalt auf. Dif-
srlhe war im .Jahn- 1S.")1 jiii ilt-r '.\. Str. uii*l
Kllhow Laue t'rrirhtrt \V(»nh'ii iiiui wiinir
spütor nach Nm. 111» Siul 4. Strasse verlebt.
Der juiip' Lt'nnliar«lt wjinlf hald fin
^feister in srinnn Fach»* und war. als der
Vator am !). August 1S77 starb, «'in Lith»»-
j^rapli. wie «'S h«'ss«'r kaum «'in«'n im Lande
jjab. Tli«>«»d«»r lA'«inliar«lt war am '). ()klt)l>«'r
1818 zu Itautz«'!!. Küniirreieh Sa«*hsen. jr«*-
lM>ren. Das Sturm.jahr IS-IS veranlasste
«Jen junp'U liitlio^rapliiii. mit Krau luid
zwei Kind«'in aus/uwandein. Kr kam iiaeh
«lreini«)natli«'li«'r ltes«-liw«*rli«-h«'r Fahrt in
New V«»rk an. als «l«)rt die ('h«»l«'ra j;ras-
sirt«'. S«Mn«' ltei«l«'n Kin«l«'r erlajren «hr
Seuehe. Theodor L«'<»nhardt siedelte daini
nach Philadelphia über, w«» «»s ihm bald t;e-
lanfjf. sieh .selbstän«lit; zu maeluMi. Die Knt-
d«M'kunp dos l*«'tr«>leums im .lalir«' lS(i.') in
IVnnsylvanien und «lie zahlr«'ieh«*n Kt»m-
patrnien. w«'leh«» sieh zur AusluMituntr d«r
Krd«pielleji bildeten, waren die Hauptur-
saehe des Autseh wun«.'s der Leonhardt -
sehen Ijith«>frraphisel>en Anstalt, «la f^erad«*
«li«' II«'rstelhuitr v«in ..linnds" \nul ..('«'rtiti-
eat«'s of Stock" ihre Sp«'zialität waren.
Arno L«^«>nhardt vcrtrrös.sert«' das er«'rbte
(ipschäft be«leut«'nd uiul verh'frte «*s im
•lahre 188!) nach TJö Süd ö. Stras.se. wo es
sieh jetzt n«M-h befindet. Kr «'rhielt viel-
fa«'h«* Auszeichnunp'U. s«» 1887 ili«* Silla-rne
M«'<laille v«tm ..Marylanil Institut«*" und
1899 von «ler ...\ati«inal Kxpttrt K.xposi-
tion" in l'hiiad«*lphia. «ui«l maihte. wie sein
Vater. «*inc Sp«*zialität aus tler Ilei-stellunir
von \V«*rthpapier- luid Akti«*n-(Vrti<ikaten.
Di«' erste V«*reinitrunf.'- <l«*r Kithotrraphen
wunle v«in Arm» Leonhanlt in 's Kebeu
jj«*ruf«'n. .Tahrelanjr war er Sekr«*tär und
Schatzmeister «ler ..Lithoj;raph«*r's Asso-
«•iation ".
Im «h'utschcn LcIm-u lMiila«l«lpliias und
<l«'s Landes spielte Arno L«*oidiar«It als
Vize-I*räsi«lcnt d«'s D«*uts«*h-Amerikaniseh«'n
Z«'ntral-Hundes, l'räsi«l«*nt «l«'r ..Cn-rnum
Tl.eatre U«*alty ('«».". Ian^'jiihri^r«•r l)irekt«»r
des Nordost li<'hen Sänp-rbundes. I'rä.sidt*nt
des ^ri»s.sen Nat i«inal-Siintr«*rf«'stt's. diLs im
.lahre 1S97 in l'hibi«I«lphia mit Krf«>l^ nb-
t.'«*halt«'n wuni«*. und als I'räsid«'nt des
.lunjr«'!! .MJinner«*hors, il«'m «t wit 2.') .Jah-
ren angehört«', eine hervorra^en«le Rolle.
I'räsi«lent «ies .lunjrcn Mäini«'r«'h«»rs war er
seit «l«'m 10. .März 1884. I'nt«*r s«*in«'r IVii-
si«|ents«-haft wurde di«* prächtig«* Halle an
<). ini«l Vine Str. ^«*baut uiul «'in bleib«*n«Ies
Denkmal «lern d<>ut.seh«*n Männ«'r(;«'san(; in
.\merika «'rricht«*t. w«*l«'h«*r in Arno L«*««!-
Iiardt eine «l«'r zuv«'rlä.ssijrst«'n Stützen gf-
l'untlcn hatte. Herr L«'oidiar«lt war (irüii-
«l«*r des Zöj;lin^s-V«'r«'ins der l'hila«]elphia
Turntrcm«'in«le un«l bis zu s«'inem 'l'o«le .Mit-
•rli«'«!. fern«'r lebensliin<;lich«*s .Mitirlie«! «Ies
D«'Ut.sehen Hospitals, der I)«'Utsehen (Je-
si'llschat't. der Samarit«*r-H«'rlM'rj;e, Fn'i-
maurer und .Mitjrli«'«! «ler Veti'ninen der
Fr«*imaun*r. Kr war eiiu'r d«*r li«*benswür-
«lijrsti-n .Miinner. «li«* .je im «leutsehen Ver-
einsl«*b«*n ein«* Holle f;«*spielt hab«'n.
Joseph Keller, Indianapolis,
der ertte Vize-Prae*ident des DcuiKh-Amcnkani*chcn
National - Bunde«.
Zwisj'hcn Donau und Khein. j«*n«*r h«*rr-
liclwn sa«rcnr«*i«-h«'n (i«*p*n«l I)eut.s«'hlands.
wunle Jitst ph Killt r vi»r un^«'fähr iH) .Iah-
r«'n }rcb«»r«*n. Kr «'rhielt s»*ine Ausbildung
in «l«*r S«*lnde seines ll«'imaths«>rt«'s. sowie
«lem (Jymnasium ..ad ft»nt«'s l>afnd)ii". wie
SchetTcl .)« ne nette Sehwarzwal«lsta«It b«*-
zeicIuM't. und «l«*m Ly«-«*um in Konstanz.
Nach Ab'«*jrun^ s«*iner .Militär«li«*nstz«*it
in Fr«*iburjr i. H. kam «-r auf Anratln-n sei-
ni->. in Indianapolis wohnenden Hru«l«*rs im
.lahre 1882 na«*h .\m«*rika.
\Vi«* fa.st j«*tl«*m «leuts«'lien Kniwan«lerer
sin«! auch ihm «li«* bitt«*r«'n Krl«'bnis.se der
«rsti-n Zeit ni«ht erspart j;ebli«*b«n.
Kin kleiner \'«r«lienst in einem Depnrt-
n»«'ntires«-häft«' »ni«l «'in b«*s«'h«*id«nes N«*lM*n-
«*ink«Mnmeti v«tn Privat unt«'rri<'ht. den er in
«l«*n freii'U AlM*n«lstun«l«'n «*rth«'ilte. bot«'n
80t5
i)i:ii DKrTscii ami;hikanis( HK national- hund
ihm wild seiner juntrt'ii Frau. <lii' <■!• aus drv einer kleinen Sehaar thatkräftiger und uii-
liohen Ileiniath niitgehraeht. di-n Lebens- erschrockener Mämier in 's Leben gerufen
nnterlialt.
Im Laufe der Zeit arl)eitete er sieh zur
Stellung eines Hinkäufers in dem besagten
Geschäfte empor, und etliche .lalire später
begründete er ein Text ilwaarengeschäft.
den» er lieute uoch vorsteht.
Seit, der ersten Zeit seines Hierseins nahm
Keller regen Aiitlieil an allen deutschen
wurde. Als einei- der ei-sten schloss sieh
dieser Verband »lein Xat ionalbuiule an. uiul
Keller war einer der Delegaten zur Halti-
uioi'cr' Konvention, wo es ihm gelang, die
dritte Xationalkonvention für Indianapolis
/u sichern, in welchci' ei- /.um 1. Vizepräsi-
dciititi des Bundes gewählt wurde.
*
!
/
JOSEPH KELLER. Indianapolis,
der erste Vize-Praesidenl des Deutsch-Amerikanischen National- Bundes.
Bestrebungen, imd es ist nie ein deutsches
Fest abgehalten oder ein deutsches l'nter-
nehmen l)egonnen worden, au dein er nicht
rüstig mitgeholfen hätte.
Zwölf Termine hiiulurch war (>r Sprecher
des unabjiängigen Turnvereins uiul mit
jener starken Organisation stand er mi tlei-
Wiege des ..Verbandes deutscher Vereine
Die Gründung des Staatsverhandes In-
diana erfolgte im Jahre 1003: nur vier aus-
wärtige Städte bescliickten den ersten
Staatskonvent, der in Indianapolis abgo- |
lialten wurde. Kongressmann Richard Bar- C'
1 höhlt wohnte als Ehrengast der Versamm-
lung bei. Eine Verfassuuir und Xchenge-
I
von Indianapolis", der im Jahre 1S9S von setze wurden angent)mineu. und Keller zum
DKK VKKKINICTKN STAATEN V»)\ AMKIUKA
»17
l'räsitK'iiti'ii «h's Stjiatsvrrhjindi's erwählt,
welrlu's Amt w luMit»* inwli heklcidct.
Getfriiwiirti^' lM>stfht diT StaatsVfrhaiul
Indiana aus ti starken Stjidt««v«'rfinij;nnj;rn
und S /wi'ijfi'ii in kliMiu-n-n Städten.
In jeder Letrislaturperitide \\iiliren<l der
letzten «1 Jahre war (h-r \'erl)aiMl thäti^r;
seim-r A^'itati»^n ist das jetzip« I.ehrerpen-
siunsj;eset7„ sowie ein (Jesetz zur l*'rhi>hMiij;
der Lehrersaläre zu verdanken.
Als der ersten einer steht heute der deut-
sehe Staatsverliand Indiana im X'ordert rei-
fen für WalirunjiT »l«'r IM-rsünliehen Frei-
heit; in Selirift und in zahlreichen Hedi-ii
in heinahe jeder Stadt des Staates hat ih-v
l'räsiileiit des N'erhandes die lilieralen Kle-
iiiente zur Krhaltun»: des Seihst liest ini-
inunjrsreehtes und <ler hiirirerlieheii Frei-
heit anpefeui'rt.
In der Staatswahl im Jahre 1;K)S wurden
die S7.(MK) Stiiiunen Mehrheit, die der l'ro-
hihit ionist Haidey seinerzeit als Ciouver-
neurs-Kandidat erhielt, in eim* hes«*hämende
Niederlatr»' verwandelt, uiul dieses Resultat
hahen anerkannter Weise die Vereine des
Staatsverliandes möglieh t;emaeht
Adolf Timm,
der Sekrelaer des Deutsch -Amerikaniichen
National- Bundes.
hii- Hauptstütze des Präsidenten Dr.
II<'.\amer luid des Deut.seh-Amerikanisehen
\ational-Hun<les. den er mit aus der Taiufe
höh. ist ZWeifello.s der Hundes-Sekretär
Adolf Timm. \V«*Iehe Fülle von Arheit er
leistet und wie an^'estreijj.'t er im Dienst
des Hundes und damit des Deut.sehthums
«les Lanch's l>esehäfti«rt ist. das wissen nur
die Kint;ew»'ihten. w«'lehe den Kinhiiek p*-
wonnen halMMi in die Mas-se der Korrespon-
denz, die er zu erledi^ren hat. die l'ropa-
(randa. die er in den .Mittheilungen für die
IVes.se mit günstigstem Krfolge durch-
führt, die Menge an amtlichen S<'hrift-
stüekell. wie (lesetZ-VorlageU »Uld SitZIMIgs-
Protokollen der Kongress- un<l Legislatur-
Sitzinigeii. welche er als treuer Kekart der
pei-sdniichen Freiheit durchzidesen und auf
anti-liherale Tendenzen zu prüfen hat.
Adolf Timm war von den ersten Anfängen
t\f^ Hiuides an der «-ifrigste Förderer seiner
Hestrehungeii und ein erprohter Kämpe für
Deutschthum uml Recht
Der Sekretär des Deut.seh-Amerikani-
sehen .\ational-Hiuides erhiickte am 2. Mui
1S«>1 in Rawitsch in der preus.si.s4-hen Pro-
vinz Posen das Licht «h-r Welt. Kr wurde
in Merlin erzogen uikI war auch dort schon
journalistisch thätig. Kr hatte das Schrift-
setzen erlernt, »uul das wurde zunächst sein
Lohn-Krwfrh. als er im Jahre 18H1 naeh
Amerika, luid zwar nach Philadelphia,
ülM'i-siedcIte. Kr war in verM-hietlenen Zei-
t unirs-( )!licinen und Aeeidenz-Druckereien
thätig. !)is er im Jahre 1S!)4 sich s«'ll>st-
ständig machte und ..Die Ven'ins- und
Logen-Zeitung", ein wöchentlich ersi-hei-
nemles Hlalt. dessen T«'ndenz schttU der
Name erklärt, gründete.
Als Schritte zur (iründung einer Verei-
nigung der Deutsehen zjujäelist in der
Stadt Philadelithia gethan wurden, war
Ad.tlf Timm der Krste. welcher Dr. Ilexa-
mer sich ansehloss tuid ihm als Sekretär
seine Dienste zur Verfüginig stellte. Als
im April ISiMI der Deutsch- Amerikanis<'he
Zentralhund von Pennsylvanien gegründet
wtirde. war Ad<»lf Tiiiuii des.sen logischer
Sekretär. Das.selhe war <ler F'all. als im
nächsten Jahre der Deutseh-Amerikanis<'he
National-Hund in einem Konvent von Dele-
gaten in Phihulelphia in 's LeU-n gerufen
wurd«'. Mit erstaiudicher Knergie arlM'it«'fe
er für «las Wachsen »Uld (Jedeihen «lessel-
hen. unil wenn er heute fast üln'r das ganze
gros.se Gehiet der Vereinigten Staaten ver-
hreitet ist. s<t ist «las mit das Verdienst
Adolf Timm 's. <|es l<und«'s-S«'kretärs.
Seine liemüluuigen im Inten'sw der Ttir-
nen'i hra«hlen Atlolf Timm die Kniennunjf
zum Schriftwart d«'s Turn-Hezirks PhilH-
delphia «'in Ausser«l«*m ist A«lolf Tinun
Sekretär «Icr ..llistorisch«Mi C. -llv. linfi vi.n
Pennsvlvanien ".
808
DER DEUTSCH-AMERIKANISCHE NATIONAL-BUND
Hans Weniger,
Der Schatzmeister des Deutsch-Amerikanischen
National-Bundes.
Hans AVenifrcr. (Irr Si'liatznu'istcr des
Natioual-BnncU's, wurde am 25. September
1845 in Hannover als Sohn eines Beamten
hülfe, kam 1866 naeh Philadelphia, war
von iS()S bis 1884 Besitzer einer dortigen
Apotheke, heirathete 1879 die Tochter des
bald darauf verstorbenen Christ. F.
?]l\vert und übernahm dessen Passage-
Agentur und Bank- und Versicherungs-
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HANS WENIGER,
der Schatzmeister des Deutsch-Amerikanischen National-Bundes
geboren, besuchte dort bis zum 14. Jalu'e
die Schule, trat seine vierjährige Apothe-
ker-Lehrzeit in Celle an, war zwei Jahre
in der Raths-Apotheke in Bremen Ge-
Geschäft. Hans Weniger hat es, wie nicht
viele verstanden, durch Beharrlichkeit und
strenge Gewissenhaftigkeit sich in den brei-
testen Schichten das Vertrauen des Publi-
IU:W \ KKKINKSTKN STAATKN VnN AMKKIKA.
809
kums /u crwcrhfii iiiid i-iiif Ihm vttrraijfiHlf il.ii m-sct/t«* Vfrtnim'ii ircnM'litfiTtijrt und
Stt'IImitr in «In- (ir.s«'lüifts\vclt iMiiliidcl- »Min* hctviirrap iidc liolU* in d«'n H«'str<*-
pliia's cinztini'hnH'n. Dif Fördrrunjr dfut- hunn«!! /nr Il«-I>nn^ dfutsclu-n KinlluHs«'s
sthtT Zit'lc und IntiMrsscn fand in ihm Kt**ts ^'(»spiflt. Das I)«'Uts«-litliuni IMiiladrlpliia's
«'ini'u waniitn Vcrfrfhtff. »Icr iinnicr IxTcit sirlit mit Krclit in ihm cinrn Kühn-r und
war. si'ini* Dii'nst«* inid si'inr Zrit «'dien li«*- wcniirt si«-li stfts an ihn, wimim t*H jjilt.
strclMintri'n zu widmen. Seit .lahren ist «t ciiuT ^rrösscriMi Sachr zum Krfolj»«* zu
Sfhalziin'ister der I)tMitsch«'n (ifscllschaft. Vfrliflft-M.
iM'klfidrt seil d<T driilidun«: des Dt'Utsrh-
HENRY SCHWLMMtR.
.\mt'iikanis('hcn National-Iiinnh's dasscilic
Amt in (h-r Stadt-. Staats- und Nati«»nal-
OitrJiiiisatinn imd «'htMiso in «Irr Drutsrlim
Thfat«'rlmu-(n'scll.schaft und in di r
I)«uts«'h-Ann'rikanischrn IIistoris<'hfii (Jf-
sfllsrhaft. Kr war scincrzrit l'inanzsi'kn--
Henry Schwemmer.
Einet (in Mithr^ruriKi'-i urt Nalionalbuodc« und
I iaupliltKt/r (l«i I urnrrri.
Kin«' dir zuvi'rhi.vsifistrn Stiilzi-n «l««
Di'Ulsihthums in l'hihidi-lpliia ist II<-nrv
tär di's SiintfiT- i iid di-s Untuh-s-Turn- Schwnium'r. seit I)i'/.i'ndn'r 1!»«M» «-rster
fi'strs. die l!^l»7 n-sp. !!»((> in i'hihidfiphia Spn*rh«'r «h-r I'liihidrlphia Turnjr«'meind«',
al)£ri'halt«»n wurden. Kr hat stets das in <lie unter winer Leitiniß tlie doppelte .Mit-
810
DER DKUTSLll AMKHIKA.N iSLllE .NATlUNAL-BrXD.
gIieiU*rzahl erzielt, finanziell bedentende
Fortschritte freniacht luid ah Ansehen naeh
Aussen hin *ro\vonnen hat. Va' frab beim
Stiftiui^rsfeste im Jahre 1!)07 die Anre-
grunfr /.inii Bau einer neuen Halle. Im No-
vember l!H)^i wurde der Vorsehla«.' in einer
CJeneral-Versannnlunir zum Besehluss erho-
ben und .sofort $r),18ö.U0 gezeiehnet. Kin
1()() X KiO Fuss grosses Grundstück an
Hroad Stras.se. der Ilauptstrasse der
Stadt, und Columbia Avenue wurde er-
worben und mit dem Bau eines Vereins-
hau.ses begonnen, das $;i2().000 kosten wird.
Die neue Halle der Turngemeinde wird das
grö.s.ste deutsche Vereinshaus in den Verei-
idgten Staaten werden und ein Ehreiidenk-
mal für das Deut.schthum der Stadt der
Bruderliebe.
Henry Schwennner wurde im Jahre 1849
in Mainz geboren, erlernte das Schlosser-
und Eisenwaaren-Geschäft. wanderte nadi
Beeiuligung der Lehrzeit im Jahre 1867
nach Amerika aus und gründete im Jahre
1875 in Xn. r)22 West Girard Avenue m
I*hiladeli)hia ein Eisenwaaren-Geschäft. das
er heute noch führt. Va' ist ^Mitglied der
..Hardware Merchants Association". Seiner
im Jahre 1S71 mit Frl. Mathilde Hack ge-
schlossenen Ehe ist eine Tochter entspros-
sen, die im Jahre 1897 sich mit Louis G.
Groh verheirathete.
An allen deutschen Bestrebungen und
rnternehmungen nimmt Henry Schwem-
mer stets regen Antheil. Bei dem Turnfest
in .Nürnberg im Jahre ^W^ war er einer
{\rr \'ertreter des Xonhunerikanischen
Turuerbundes. Gelegentlich des Besuches
des Prinzen Heinrich von Preus.sen in Phi-
ladelphia im Jahi-e 1902 fungirte er als
^litglied des Empfang.s-Komites der deut-
schen Vereine. Er hat sich als Redner bei
grös.seren festlichen Veranstaltungen des
Deutschthums. so bei der P"'eier des ersten
Spatenstichs und der Grundsteinlegung
zum Deutschen Theater, die unter seiiu^r
Leitung stand, die Anerkemunig eiiuM-
nicht gerade genügsamen Ki-itik erworben.
Er wai- Vorsitzender des Festredner-
Konntes bei der Feier anlässlieh des 225-
jährigen Jubiläums der deutschen Ein-
wanderung, die am 6. Oktober 1908 in so
grossartiger Weise in Germantown und
Philadelphia unter den Auspizien des
Deutsch- Amerikani.schen National- Bundes
begangen wurde.
Einen Akt der Pietät, der ihm von dem
Deutschthum des Landes gewiss unver-
gessen bleiben wird, vollzog Herr Schweni-
mer dadurch, dass er die erste Fahne der
Philadelphia Tui'ugemeinde. die mit dem
Turner-Regiment den Bürgerkrieg niitge-
nuR'ht hat. vor weiterer Zei-störung durcli
den Zahn der Zeit bewahrte. Er sorgtr
dafür, dass sie in einer herinetiscji
verschlossenen Glasglocke luitergcbradit
wurde.
Carl P. Berger.
Der Architekt des ersten deutschen Volksthcaten
in Amerika.
T'nter den Söhnen deutscher Eltern, die
in IMiiladelphia das Licht der Welt er-
blickt haben imd die, daidv der Ausbildimg.
welche die Eltern ihnen zutheil werden
lies.sen, berufen sind, dem deutschen Namen
Ehre zu machen, nimmt Carl P. Berger,
der junge und tüchtige Architekt im hiesi-
gen Penn Square-Gebäude, 1416 & 141s
South Penn Square. Zinnner 603 — 604.
einen hervorragenden Platz ein und ist
unter den Deutschen der Stadt allgemein
bekannt.
Carl P. Berger wurde am 15. Jiuii 187;^
in Philadelphia. Pa.. als Sohn des Dekora-
tions-, Fresko- und Theater-Malers Carl
Berger aus Breslau geboren. Nach Absol-
virung der Schule trat er bei einem hiesigen
Goldarbeiter und Juwelier in die Lehre,
doch trieb ihn der W^unseh, ein tüchtiger
Baumeister zu werden, schon ein Jahr spä-
ter in das Bureau eines Architekten, wo er
Beschäftigung fand. 10 Jahre lang studirte
und arbeitete er in den Bureaus der her\'or-
M
I)KI{ VKIfKINKSTKX STAATKN VON AMKIMKA
811
rajr«Mul.st«Mi Anlii(('kt«'ii »Icr Statlt. uml il.r Nt.rtliwfsiiin Trust ( .... Itaiitm für
auch st'iiH' Mussi'stumli'ii iMMiutzlf «Ut «las |)cuts<ln- Hospital uiid «las .Mary .1.
juutr»' Mann zu s«>ituT wvit.'n-u AushihluuK. Drrx««! IL-im. Jiir »las Imlwrisi-h.- Waisrn-
Kl- war i'i-stt'r Zrirlimr und Assistt-nt liaiis. «'im« Anzahl Kirchm-. sttsvw i-uw
lu'ini Hau ilt-s Ilutcls WaltMu in IMiila»|.-l- .M.-nj;.' aiMlrn-r Mautm. tlarunli-r IhitolK.
pliia Uli»! tl<'>; St. Charl.'s ll..t.'ls in A|»artmfnts-Häus.-r. Kahriki'ii. (M'.s«-häftK-
Atlantif City. Im .lahn- ls:»!l .ntwarf lokal«'. \V«»lmhäus«r. Ilall«-n. S«|iul«ii .-li«,
»•r «lif IMäiif Tür «las si^'l»('ust«"t^•ki^!:<' «-rriflitt-t.
CARL P BRRGtR
ApartiMcMt- und Ladi'iitft'häutl*' au d«'r 13.
und Walnut Stra.s.s<'. uutl im l)«'Z«*mlM'r d«*s-
sellM'ii .lahres niat'htt' «T sich sclhständit;.
Nach sj'incn Kntwürfj-n und unter s«'incr
Aufsicht \vurd«>n «hu sii'li« nstöcki^'«* llntcl
(Janz hcsoinlciN aln-r trat Herr lt«'rtr«'r
dadurch in d«'n \'«»rdcrnrund. da.ss «-r «lic
i'läiii* für da.s immic d*'Uts<-lic Theater aus-
arlM'itet«' und als Architekt der ..(Jerinan
Th.atr«' K.«altv Co." «l«'r d«'Uls«h«'ii S.hau-
luid Apartmcnt-IIaus ..Tlu* Kdwards". «las spielkunst «'in «l:iu«'rn«l«*s Il«'im in l'hiln«l«'l-
z\v«l|fsto«-ki>re iN'iin S«|u.'ire (««'Itäud«*. «lie phia crricht«*t«'. Auch entwarf er di«-
Gebäude <!'•?• North IMiiladclphia Trust <'.. Plan.- i'iid Imif.- d i» Willi;. m P.im
812
DER DEUTSCH-AMERIKANLSCHE NATIONAL-BUXD
Theater in West-Philadclpliia, das eine
Million Dollars kostete.
Herr Berirer verkehrt mit Vorliebe in
deutschen Kreisen und ist ^Mitjrlied des
I)irekt(»renraths der ..Deutsehen Gesell-
schaft", des ..Männerehors", des „Jungen
Mäinierehors", des „Cannstatter Volksfest-
Vereins", des ..Lie(U'rkranz". aueh gehört
er zum ..Deutseh-Amerikaniselien Xatio-
nalltund".
Albert Ladner,
Polizcirichler in Philadelphia. Ein Foerderer deutscher
Bestrebungen.
Es dürfte wohl kaum zu viel gesagt
sein, wenn Polizeiriehter Albert II. Ladner
der bekannteste Deutsch-Amerikaner Phi-
latl?li)hia's genannt wird. Den ärmeren
Deutsehen der Stadt gegenüber hat er sieh
dadmch werth zu machen gewusst, dass er
in den langen Jahren, in welchen er das
Amt eines ..Magistrate" bekleidet, den
Gesetzesunkundigen seinen Rath nacli
bestem Wissen und Gewissen ertheilt und
stets versöhnend und vermittelnd einge-
gritfen liat. Albert IL Ladner wurde am
8. Januar 1846 in Plieningen bei Stuttgart
im Schwabenlande, wo sein Vater eine
Brauerei betrieb, geboren. Als Albert
sieben Jahre alt war, wanderte die Familie
aus und siedelte sieh in Philadelphia an.
Der Knabe besuchte bis zum 14. Lebens-
jahre die deutsch-lutherische Schule und
wandte sich dem ..Plumber "-Handwerk zu.
Aber schon im folgenden Jahre rief das
Vaterland die patriotische Jugend zu den
Fahnen, um die Ehre der Union zu wahren.
Diesem Rufe folgte auch der löjährige
Albert H. Ladner und trat in das 98.
Pennsylvania Freiwilligen-Regiment, das
von General John F. Ballier gebildet und
befehligt wurde, als Soldat ein. Er diente
zwei Jahre lang mit Auszeichnung. Im
Jalire 186."} wandte sich Albert H. Ladner,
nachdem er ausgemustert war. wieder dem
Plumber-IIandwerk zu. in welchem er sich
bald selbstständig zu machen wusste.
Seiner Ueberzeugung nach Demokrat,
spielte er in der Politik der 12. Ward, die
damals ganz deutsch war. eine hervorra-
gende Rolle und wurde im Jahre ISTO in
den Stadtrath gewählt. Er bekleidete das
Amt drei Termine hindurch. Im Jahre
1880. wurde er zum Polizeirichter von den
Demokraten nominirt und erhielt unter
vierzehn Kandidaten die meisten Stinunen.
Er wurde in den Jahren 1885. 1890. 1895.
1900 (mit 45,000 Stinunen) und 1905, und
zwar als derjenge unabhängige Kandidat,
der die meisten Stinunen erhielt, wiederge-
wählt. Zu erwäinien i.st, dass Herr Ladner
im Jahre 1891 von den Demokraten als
]\Iayors-Kandidat aufgestelllt worden war.
Herr Ladner. der seit einer Reihe von
Jahren Präsident der „Commcreial ]\IutujiI
Accident Co." ist. gehört den PVeiniau-
rern, den Knights Templar, dem ..United
Order of AVorkinen", dem ..Order of
Sparta" und anderen Orden an. Er ist
^Mitglied der Deutschen Gesellschaft, der
Turn-Gemeinde. des Cannstatter Volksfest-
Vereins, des Schützen-Vereins, des Jungen
r\Iännerchors. in welchem er das Amt des
Vize-Präsidenten bekleidet, und anderer
Vereine.
Henry Lierz,
Ein eifriger Verfechter der Prinzipien des Bundes und Redner.
Als eifriger Verfechter der Bestrel)ungen
des Xational-Bundes und gesuchter R«'(l-
ner. wenn es gut. für persönliche Freiheit
und gegen Prohibition zu agitiren. hat sidi
Hrnry Lkrz von Philadeljjliia erwicseii.
In Rheinbach im Regierung.sbezirk Köln
am M. März 1861 geboren, besuchte Henry
Lierz bis zum 14. Jahre die Bürger- uii<i
dann drei Jahre lang die Gewerbeschule,
wo er sich dem Maschinenl)aufach widmete.
Nach einer praktischen Ausbildtuig in den
AVerkstätten der Rheinischen Bahn in Köln
I>KI{ \ KlfKINKITKN STAATKN VON AMKRIKA
813
iM'stiiiid tr sfiii Kxaiiii'ii als liokitiiiotiv-
füliifi-. Ks 7.«t^r iliii jftliH'li in »lii* Welt
hinaus, iiiui im .laliii' ISSO laiMlfir er in
Anu'rika. Kr war zunäclist in Nr\v|Ktrl Ihm
Cinrinnati tliätijr. i-rwarl» si«'li srin«T >.'«•-
si'llijitn Tali'iiti' \vt%'fn »nul als .Mitlii'trriin-
iUt lies Arion Männ«'rjrrsan}r-\'«'rfins i'ini*n
jrrosst n Fn*un<l«*skrfis. ühi'rsi«'«li'lti' aber
ni .lalir«' 188;') na<li IMiila»lfl|>liia. wo w an
ilic Spitzt' eines auspMlelinten Druekeivi-
untl Verhitfs-(ieseluifts trat. l\v wurde
Mitglied des .Miinuendiors. tlwit sieh, naeli-
di'Ui die Städte- N'ereinijrun^r von IMiiladel-
]>hia in N'ewark ilie Sehuhert-Büst»* ^r«'-
witnnen liatte. hei der Leitun{r der Arranj;e-
liHMlts für ilii- KuthÜlluUfrst'eier im I-'.iil"-
niount l'ark h<>K«iiiders hervor und wurde
im Fehruar 1SII2 Präsident «h-r Vereinijft<Mi
Saliner.
Schon am 4. Juli (h>KsellH-n .lalin's K(|ie|-
teti dieselh«'n hei «1er I 'nahhän>;it.'keit.s Feier
eine grosse Kolh'. I'nter seiner Präsident-
schaft wurden ilie Konzerte für den l'oli-
zei-PensionsFonds. weh-he $l(l.(KM> l^eince-
wiiui er^ralien. um! für die Nothh'iilemhii
in Uusshind ^enehen. die der hetrefTiMulen
rnt«'rstützunjrs-Ka,s.se !f4.<MK) zuführten.
Dann ^ehm^r es seiner Ajjitation, die Lizen-
sirun^ di's Washinjrton Parks durchzu-
setzen, wodurch den »h'Ulschcn Vereinen
Phihulelphia's innerhalh <ler Stadt ein
Festphitz p'sch.itTcn wurde
Der Westliche Zweig des Deutsch-Amerikanischen
Zentral-Bundes von Pennsylvanien.
Di«' (M'schit'lit«' des \V('stli<-lirii Zwfi^rt's (icii ScknMär jr«'\välilt. Sntliiiiii wiir«!«- «•in
des l)»'ntsth-AiiM'rikjmischfii Zfiitral-him- \Vnlilt')ilirts-Aii.ss(lni.s.s «•intfi'srt/t. il('>vscii
«Ics VOM IN'iiiisylvimii'ii tl.-ilirl vmm (l»*r Zeit i-rstr licamli'ii die Ih-rnMi Ilfiiry Arni»l«l.
(lii- (irüiulini^ (h's Iftztcrcii. -la. in l'itts- Präsident; II. ('. lilncdd. X'i/c- j*rä.sid«Mit ;
Iiur^'-Allt'y:li«'ny faiidrii di«' X'niarltfitcn Win. KaisiT. 2. \'i/i'-l*rä.sidcnt : Krnst Axt-
statt, aus wt'lfinn «Icr Iiruil«'rl>uinl des lirlm. Schatzrnt'istcr. iin<l Wni. F. liciikisi-r.
Dcut.sriithunis der V«'n'iiii«rt<'ii Staaten Sekretär, waren. Als lieisit/er fiinirirteii
entstanil. zuiiäehst der Deutseli-Ainerika- <lie Herren Henry Iliseii. Charles Her-
nisehe Zeiitral-Hiind von Pennsylvanien mann. Ludwig' Knzian. Heinrieli Lelir-
ani 1»). A|»ril 1S!)!> und später der Deutsch- mann und Wm. WartnuiUii.
Amerikanisehe Natinnal-Hun.l der Veni- |)i,. Kühri-keit un.l die eifri^'e Atritat in,,
ni-ten Staaten am ti. Oktober 1!K>1. Die ^,j^.^^.^ A us.se hu.s.ses er,-etrte„ die Aufmerk-
Ve,vine des Westiieh,',, Zwei^res l.ildeten ^^,,,,,.,.j, ,,,.,. ^,, ^,i,.i,.|„., Xeit in ähnli.-her
t;ewis.sennM.s.sen die Vorhedin-unir. weleh,- ^^,^.j^^. vo,-jr,.he„den deut.sehe,, (J.^ellsehaf-
die Hilduntr des iiundes el-müf;l,ehte. ^^.^^ -^^ Philadelphia. Die P,v.s.sl>eriehte
Denn sehon vor der Zeit der (Jründun- veia.dassten die Ilenvn Dr. C .1. He.xam.T
.les Zentral- Bunde.s von Pennsylvanien j,,j^, ^,i„|j,|, 'pi„„„ „,„.|, i»i,tsl,u,-p zu
sahen die deutsehen Veivine und Ge- ,.,.i^,.„ , ;,„. VeT-einitrunt.' aller deut-
seUsehaftiMi v.m AllejrlH'ny. Heaver. Wa.sh- ^^.,,,.,, \-,.,eine d.-s Staates zu We^re zu
in.^'ton und \Ve.stm..reland County. sowie ,„.i„^„.„ Di,. ,.i„.^,,.|,.it,.t,.„ Verhan.llun^'en
d.r Städte .lohnstown und Altoona sieh i,.,„^.„ Krfoljr. Am L»s. danuar 1S!>!> wui-.h-
ve,anlas.st, ein Sehutz- und Trutz-Hüminiss ^.jj^^. Vei-sanniduntr unter II. C MloedePs
unter dem Namen ..V.-reinitrte Deutseh- \-,„.^i,y ahtfehnlten. Wm K Penkiser
Amerikanisehe Vereine von West-Peinisyl- ^..^^^^,^^, ^j^^^ piv.tokoll. Auf Vorsehlajr d.-s
vanien--al.zus.hli.-ssen. um tretren trehässitre ,,^.,.,.,1 (..,,., \vilkewitz wurde einstiiiunijr
nativistis,-he Vorla-en. die der L.ri><li'tur i„.^,.|,i,,^seii. den hishej-ijren Namen aufzu-
(h-s Staates unterlueitet wa,-en, Stellunj; ^,,.,,,.„ „„,, ,,.,,i„. ,,,.„ j,.,yi^,.„ „„/„„ehmeli.
zu nehmen und K«'inein.sam in allen Fi-a- ^,,^ ,,,,,,.;, ,,,.^ Staaten-Hm.des.
•Ten. die das Wohl U,nl Wehe der Vei'eine
hetrafeli. vorzu<:ehe„.
Die erste Versammlunj.' wurde in <ler
Halle des Cei,t,*al-Tu,n-Veieins an Korhes
Str.. Pittshur«:. ahtrehalten und von Herrn
William Wartmaini als Voisit /.enden >;e-
leitet. worauf eine permanente Oriranisa- Auf Antrajr des Herrn Heiuy Aniohl.
tioj, tfesehatr. n wurde. Herr H. (' weleher di«* Siizunjren des Wohlfidirls-Aiis-
Hloedel wurde zum Präsident«-,!. Herr s«-hus.s«'s l»ish«-r als P,äsi«l«'nt >r«'leitet.
W,n. Kai.s«'r zum Viz.'-Präsident«ii. IL-rr wunl«- «li«- Kxekutiv.- Iwauftratrl. sieh
Krnst A.xthelm zum S«-hatzmeister und «lureh Hinzuzi«'huntr v«ni fiinfumlzwanzitr
Herr Will. F. Penkis.r zum prot«»kollir.-n- tiuhtij;«,!. jfnu-hti-ten MürK«'r,i zu .•rträiiz«'ii.
Auf .\ntiaj; «les Herrn Tliemlor I.amI»
wurden alle hishericen Hamlluntren und
Pn>tokoll«' «l«*s Wohlfahrts Aus.sehus.st's jfut-
tr«*ln'i.sse» und auf Antrag ('«tiistaiitin ('«»„-
liHl's di«' Kxekutive i„ IN'riiiaiieiiz erklärt.
816
I)i:k deutsch amerikanische natioxal-bund
An (It'ii Dt'hattt'ii dicsci- \'fi-s;niiiiiliinM:
nahm Herr .1. Iv Ilirsdi. l'ittslmr'r. den
r('j,'st('n Antlicil. Di-r Lcitartikfl des
„IMttshiir^'t'i- \'(ilksl)hilt *' über den neuen
Bund sehloss mit den erniuntemden Wor-
ten : „Seinen liehren Zielen /u wii-il er
eniporblülien. wachsen und «reiU'ihen. dem
Freund zum Schutz, dem Feind zum
Trutz:"
In demselhen Sinne di-ückten sich die
amh'rn deutschen Zeitunjren Pittsburjr's
(himals aus; audi (h-r ..AUegheny Sonn-
tairshote" von John K. .Joos sprach seinen
(ilückwunsch. wie Futei-stützung der Be-
wehr uni; aus.
Ohne unbescheiden zu sein, darf man
vom Westliehen Zweige des I).-A. Zentral-
l^undes sagen, dass sich derselbe seit
Gründung bemüht, sein volles Theil zur
Ausführung der Bestrebungen des Bundes,
wie zur Erreichung der Ziele desselben
beizutragen.
Tlcinrich Karl Eduard Arnold wurde
1837 in Leii)zig geboren, absolvirte nach
vorherigen Elementar-Unterricht die da-
mals mit tüchtigen Lehrki'äften versehene
Gewerbe- und Baugewerkeschule in Plauen.
Sachsen ; widmete sich drei Jahre in der
Xähe von Leipzig der praktischen Land-
wirthscluift und Vermessen von Liegen-
schaften und konditionirte als Oekonomie-
Verwalter drei Jahre auf dem als ]\Iuster-
hof bekannten Rittergut ,.Schloss Löbnitz".
18ÖS wanderte er nach Anu'rika aus, und
zwar nach Pittsburg. Hier wurde er als
Verkäufer in einem ]\Iöbel-Geschäft thätig.
später als Tlieilliaber unter dem Namen
..r\Ieyer. Arnold & Co." in dasselbe Ge-
schäft aufgenommen. Nach Verkauf des
Geschäfts errichtete H. Arnold ein Grund-
eigentinun- und Versicherungs-Geschäft.
Der Vice-Präsident des Westlichen Zwei-
ges des Deutsch-Amerikanischen f'entral-
Bundes von Pennsvlvanirn, Herr //. ('.
lil(K(hl, einer der angesehensten deutschen
Bürger Pittsburgs, wurde am '1. März 1S47
in Ilaiin. Münden gelxiren und kam am 6.
August 18(j(i zum Besuche seiner verheira-
theten Schwestern nach Amerika. Kr be-
gab sich zuerst nach Pittsl)urg. wo er von
.seinem Schwager ('. L. Walther auf da.-^
Ijiebenswiirdigste aufgenommen wurde,
blieb dort einige ]\Ionate und fuhr dann
nach Cincinnati, O . wo ein anderer Schwa-
ger von ihm. TIei-r F. A. Fahll)usch, aasäs-
HENRY ARNOLD.
Praesidenl des Westlichen Zweiges des Deutsch-AmeritiniKhai
Ceniral-Bundes von Pennsylvanien.
sig war. Das Leben in Cincinnati gefiel
dem jungen ]\[anne so gut, da.ss er be-
schhxss, sich dauernd in den Vereinigten
Staaten niederzula.ssen. Er besuchte zu-
nächst Herolds Businc.s.s College in Cin-
cinnati und trat dann in das Geschäft sei-
nes Schwagei's ein. Da er jedoch bald zu
der I'eberzeugung kam, da.ss in der grossen
Industrie-Stadt West-Pennsylvanien's sich
eine be&sere Gelegenheit zu schnellem Em-
porarbeiten böte, siedelte er nach Pittshurir
OKK \ Kin;i.Nn;TK.\ staatkn von amkkika
8i:
üluT, WO er schon am /writfii Taj;i' luifh iiikI .-rzirltc diirin .TJ .Iiilir»- laut; artm^» p,..
stMiuT Aiikniift luhiMii.l.- h«'sc|iiifti^r,injr ji, srhäftlidir Krfoly;«-. Dann veranlasKti« ihti
den „l'onipaiiy Ston-s" der ^Tosst-n KiM-n- das Aller, sirh na«-li v'uwr U'U'hirrvu \U-
wt-rk«' von .lom-s & Lau^rlilin fand, l'ntfr S4'liäftiirunt.' nni/.ns.'h«'n. und «li-shall» üIm-i-
den sifh/flni ViTkänfrrn und Mu.hhalt.rn naiiin rr dir ihm schon wit .lahr.'ii anjrclKK
der ..('ompiiny Ston-s" war Herr Bhiedd tme Stdhun; als Vertreter «'iner tfn»w»'n
der ein/ii:«' Deiitsehf. Das /.wani: ihn na- Akticn-dN-wUsi-haft. wch-he er ji-t/t n«M'h
türlieh, sieh die Landessprache und amcri- cituiimmt. Der L'lücklichen Khe Herrn
H C. BLOEOEL
kanisehe Ciesehäfts-Methodt n s«'hnell an- i{|oed*rs entsprossten S4'ehs Siihne und vier
/ueiirnen. Nacluiem «'r sieh am 2'A. August Tö<*hter: vier Söhne ini«l vier Töchter
1871 mit Frl. Josephiiie Meyer, der T«M'hter wueltseti /.nr Freude cier Kitern hemn und
eines alten Acht und vier/.i^ers. Sebastian sind «leren Stolz. Die Familie HliMnlel ziihlt
Meyer aiLs laicht hei (Jie.v.sen. vi-rheirathel zur Zeit fünfundzwanziu' .Mitv'liinler. ein
hatte, kaufte Herr MliK-del das Kolonial- Ueweis dafür, dass Kavsen-Sellisimord nicht
\Vaaren-( Jeschäft .seines Schwatreix Walt her die Saeh«' «Icutscher .Männer und Frauen
an .Main und .MadLson Avenue. I'ittshur<:. in Amerika und ihn'r Naehkonunen ii<t.
Deutsch-Amerikanischer Verband von Calif
ornien.
Durch (Iw st'Ihstlosni Bei lülumjrfii ••iiii-
pT zit'llM'wussteu .Mäniifi wurtl«' »li r
I)«'Uts«li-AiiK'rikaiiis«lu' Vcrlmnd von Cali-
fornifii all) 24. Sf-ptiMiilwr 1901 >f«*irrümU*t.
und im fjiIfjciKicn Monat war «Icrsi-Ilu'
srlion im Konvt'iii iU-s Nationalhundcs vi'r-
Irrfcn.
I)«*r l«'i(l»'r zu früh vci-storlM-n»' Herr l)r.
Franz Kuckcin wurde zum «'rstrn Vor-
sitz«*nd«*n «'rwählt. wfh-ho Stellung er l>ei-
nahe drei .lahre lantr. his April lfK)4. zur
iilltremeinen Zufri»»tleiiheit iH'kleidete. Im
V'ehruar 1!I0*J veranstaltete der Verband
seine ei-ste grössere litteraris«'h-musikali-
srhe Feier zu Khren des hiesigen Diehtei-s,
H.-rmann (ilauch. Am 4. O.tolter l!Mi:{
wurd«' der erste ..Deutsehe Tag" unter den
Auspizien d«^ Verl)anils im (Jlen l'ark in
glänzender Weise gefeiert. \'on di«*ser Zeit
an blühte der Verband auf, und im näeh-
sten .Jahre, am 1(5. ()ktob«'r 11)04. I>eim
ersten Staatskonvent waren schon äO Ver-
eine von allen T»*ilen des Staates vertreten.
Zusammen mit dem Konvent wurde wieder
<lcr ..Deutsch«' Tag" in würdevolh-r Weise
gefeiert. Nun ging der Fortsehritt tles
Verbands schnell weiter, und bald waren
üIht KM) Vereine als Mitglieder iM'igetre-
ten. In Sto<'kton. Sacramento. San Jos»«
und Los Angeh's wurden Zweigverbände
gegründet.
Auf AntiJig uMMi.s Verbands hatte der
Nntionalbund be.schlos.scn. den UHijährigen
T»»destag luiseres geliebten Schillers fest-
lieh zu iM'gehen. In allen grös-seren Städ-
ten der Vereinigten Staaten wurden S<'hil-
lerfeiern veranstaltet, und die zweitägige
Feier unseres Verbands in San Fnineiseo
stand sieher keiner an<lern nach. Alle
<leutsehe Vereine beteiligten sich. <Ier
<^iouverneur unsen's Staates hielt die F«-««!-
ri'de im (jolden (Jaite l'ark. Dort wurden
Kränze von allen Vereinen durch weissge-
kleidete .Jungfrauen am Sehiller-Ou'thc
Denkmal niedergelegt. .\m zweiten Fest-
tage, am !). Mai IJK»;'). fand eine grcMwartige
Feier im Alluunbra Theater statt. S<'hil-
ler's (Jlocke wurde aufgeführt und zum
Schiu.ss Wallenstcin's Lager.
Am 24. April l!>(t:» wurde Herr Albert
Currlin als Vorsitzender d<>s Verbaiuls er-
wählt. Derselbe i.st ein tüehtiger Jour-
nalist. Herausgeber des ..Oakland Jour-
nals", „Neu San Francisco" nnd ..Califor-
nia" von San Jf>se und war vers<hie<lene
.Male Erster Sprei-her <les l'acifie Turnbe-
zirks. Kr leitete den Verband erfolgreich
l>is zum zweiten Staatsktinvcnt. welcher am
•iO. September lfK)5 abgehalten wurde, wo
dann Herr J(thn Hermann als Vorsitwnder
erwählt wurde, nachdem Herr Currlin
Wiederwahl abgelehnt hatte. H«*rr Curr-
lin wurde dann zum Khrenmitglied er-
wählt. .\m nächsten Tage wurde der
..Dcut.sclic TaL'" wieder in Glen Park \m-
ter gros.ser Beteiligung gefeiert.
Am 2!>. Januar lf»0<; wurde der \'A). Ge-
burtstag VMM .Mozart vom Verband tlureh
eine künstleris<-h volleiulete F«"stliehkeit
dem Volk in Erinnerung gebracht
Dann kam die eniste Zeit der Prüfung,
das gros.se Erdbelwii am IS. April PMKi untJ
die dreitägige Feuersbrunst, und zur Khn'
des N'erbands si-i es gi-sagt. idle Mitglieder
lM'wi(»sen sieh als «M-hte Männer. Cnser tat-
kräftiger Vorsitzen«ler. Herr J«>hn Her-
mann, weh'her sell»st seine (ield.s4*hrank-
fabrik und ein Venmigen vi'rloren hatte,
berief .sofort ein«' \'orstantIs-Sitzung; ein
Hilfs-A\is.sihuss wur«le von ihm ernannt,
und ein .\ufruf an alle l)<'ut.sche der Welt
irbissiii Die ci-str Hilfe k.iiu vom Sfndt-
820
DER DKl'TSCII AMKKIKANISCHE NATIONAL-BUND
verband von Lcs An^relcs. D« r Xational-
bund erliess ebenfalls einen Anfruf, und
in kurzer Zeit liefen Gelder V(tn allen Ilini-
melsriehtunjjen ein. Der llilfs-Aussdniss
arbeitete an^estrenf^t ein j^anzes Jabr lang,
versannnclte sieb jede Wocbe. um die Be-
riebte der rntersucbungs-Komites entgegen
zu nehnuMi, u. s. w. Jedes :\litglied balf
mit an der grossen Arbeit, keiner unterliess
es. seine Sebuldigkeit zu tun. Herr Pastor
.1. Fuendeling und drr Uorr. Sebrift-
fübrer, Carl W. Mueller, wurden als Ver-
treter des Verbands zum groasen ..General
Kelief C'ommittee" abge.sebiekt, wo diese
Herren über drei Monate lang täglich vier
Vcibands durch Gesetz von 15 Tagen auf
einen Monat verlängert. Auf diesem Kon-
vent wurde ebenfalls berichtet, dass der
deutsche Schulunterricht bereits wieder in
sechs öffentlichen Schulen erteilt werde.
Am 7. Oktober 1906 wurde wieder der
,, Deutsche Tag" in Glen i*ark unter grosser
Beteiligung gefeiert. Der rebersehass von
$1163 wurde dem Hilfs-Ausschuss über-
wiesen.
Am 17. December 1906 wurde der Stadt-
verband von San Francisco gegründet.
Am 10. Januar 1907 starb unser geliebter
erster Vorsitzendei-. Dr. Franz Kuckcin.
und am 13. Januar 1907 wurde die He-
bis sechs Stunden unentgeltlich Dienste gräbnissfeier unter den Auspizien des Ver-
leisteten. Der Hilfs-Ausschu.ss des Ver-
bands verteilte im Ganzen 6,948.02 Dollars
an 564 Bedürftige und erlangte durch den
Auxiliar-Ausschuss über 30,000 Dollars für
über 500 Pei*sonen, 30 Personen wurden
nach Porto Rico befördert und andere nach
bands unter allgemeiner Volksbeteiligung
abgehalten.
Dr. Franz Kuckein wurde am 14. Okto-
ber 1853 zu Danzig als Sohn eines Zahl-
meisters der preussischen Armee geboren.
Er studierte Medicin an den Universitäten
New York. Bridgeport, Los Angeles und i^iarj^^ji-g, Berlin, Jena und München; kam
anderen Städten. Herr Konsul F. Bopp
und Vize-Konsul Erythropel waren unter
den eifrigsten Mitarbeitern des Hilfs-Aus-
schu.s.ses. Die Herren Pastor J. Fuendeling
inid Schriftführer Carl W. !Mueller wurden
tn Anerkennung ihrer geleisteten Dienste
vom Verband als Ehrenmitglieder erwählt.
Am 30. September 1906 fand der dritte
jährliche Staatskonvent statt. Auf diesem
Konvent wurden Protest-Beschlüsse gegen
die deutschen Feuerversicherungs-Gesell-
schaften, welche ihren gesetzlichen Ver-
I>liichtungen nicht nachgekommen waren,
angenonuuen. ebenfalls wui-den die Beam-
ten des Verbands beauftragt, dahin zu
arbeiten, dass die nächste Legislatur die
Kündigungsfrist von Hauseigentümern an ersten Aerzte des Staates angesehen. Als
Mieter verlängere, da viele habgierige und echter ^lann vei-schmähte er jede Effekt-
gewisseidose Hauseigentümei- Vorteil aus luischerei. Er fuhr weder im splendiden
der schrecklichen Notlage ihrer Mitmen- Zweispänner mit auffallend luiiformirtem
sehen zogen, indem sie die ^lieten in erliar- Neger auf dem Bock, noch brau.ste er im
mungsloser "Weise enorm hinauf.schraub- kostspieligen Automobil einher, aber er
ten. Die Kündigungsfrist wurde dann vernachlässigte seine ärmsten Kranken
auch durch die Anregung der Beamten des nicht, wie sehr es auch stürmte. Als Men-
ini Jahre 1888 in New York an. ging dann
nach Chicago, wo er sich mit Fräulein Alice
Preussing verheiratete ; Hess sich im Jahre
1889 in Oakland nieder und kam zwei
Jahre später nach San Francisco. Dr.
Kuckein war einer der edelsten Männer
Californiens. Prof. A. Putzker schrieb
über ihn wie folgt :
"Er war ein ]\Iann von einnehmendem
Wesen und angenehmer Erscheinung, von
Gestalt untersetzt und sehr kräftig. Sein
charakteristisch deutsches Antlitz bot den
Alisdruck der ^^lännlicbkeit. des Ernstes,
der Entschlossenheit luid des Geistes. Dr.
Kuckein besass das Temperament eines
Arztes und wurde allgemein für einen der
I>KI{ \ KKKINKITKN ÖTAATKN VoN AMKUIKA. Hjl
sclu'nfn'Uiul fiSiliiiu «l<r N'rrlilii-lu'in' in l)i Kiickriii Im'siisk türlitii^f iiiiiKik>iliN<-|ie
«Ifii Ta^r«'!! (ItT Ntit iiiul «l«'s Klfiuis imcli K«-iintiiiss<>. vrrfütft«' ülior »•im? M-li«iiio
iliMii KnllM'lMii im hi^stni Lirlit««. Ohsrhoii Stimmr. hiit zur För«l«Tuiij; «1«t Musik an
«•r uiul seine Familie die sehwersten \'er «ier Küste viel lM*i(;et raffen und halte mMiu*r
luste erlitten llMtt«'tl und woeiienlanj: \iiM Xeit eifrif; );earlNMte|. um den jierriielieii
Zelt zu Zelt undierinten in Kälte. Kep-n l'aiitie Säii^'erlMMid ins LelM-n /u rufen.
und l'n Wetter. t»l>seli<»n er mit Sorjren über- Kr war es, dem «[er Löwenanteil nu «|em
häuft war. .so verliess er ilenn«»e|i seine Krfolj» <|er herrliehen deutvlien Mo/jirt-
Kranken keim-n Taj;. uiul Nienuind hat ein Feier am 2!>. Januar ]!»(>♦> /uift'si-hrieLMi
Wort der Klatje von seinen Lipiu-n jr«'hört. werden muss. S«'ine danuds Kehaltenu
Wir. seine .Mitarbeiter im IIilfs-Aus.sehus.s. liede war bemerkenswert h. indem Hie v«ni
wis.sen am l>esten. mit \v«'leher Opferwillig- seiner tief»'n Sehät/tni^ des MeisterN und
keit der üherarheiteti' Arzt stets bereit war. «I»'!" klassischen Musik i*in beretites Zeu>r
rnter-stützun^'sbe«lürftij.''e aufztisueheli und niss able>.M«'. Hei ^esellsehaft liehen (Jele-
ihnen freien Hat zu erteilen. Iiul wie ^'enheiten zeifft«« si«'h Dr. Kuekein von iUt
iri'«>ss und mitfiddend z«'i;rte sich sein Herz. I»ursehik«>sen. fröhlichen Seite; er verstand
wenn ein Armer an ihn app«'llirtc und er •*^. »ndern (;lüekliche Stuiulen zu iM-reiten.
die Sache Vorbrachte. Sein edles Herz hat ^ "i> welcher Seite man auch sein LcIm-u Ik--
iiin zum .schlechten Ituchhalter p-macht. trachten mai;. man findet viel Mewiui-
denn es wild si«'h zei^ren. er hat ver^'cssen. tlernswünliy:es. Da.ss ein Mann von »teiner
die wenijr«'r liemittelten für seine Dienste <!edanken-Tiefe und OtTenheil (le^ner
zu belasten, und bei «Ich Armen war kosten- hatte, konnte nicht fehlen; sie koiuitcn
lose HchandlunK' die Ke»rel. So hat er «lie meistens seinen Standpunkt und .\usfiilir
materielle Seite des Lebens veniachlässi«rt. inifren nicht erfas.sen. Die wenif;eu Feuule
wie dies bei allen Idealisten der Fall ist. tren-ichten ihm zur t;rö.s.st«*n Khre; «-s
Anderen dienen, sich scll>st verfressen, waren dj(> IIas.ser alles (iuten in der Welt.
.scheint bei ihm zuzutretTen. Dr. Kuckein -N'»<'h tausenden zählten seine Freunde, h««-
war nicht einseititr in .seiner Biiduni;. Kr wundi-rer und danklt.ire Patienten. Die
befa.sste sich mit tlen Krei«rnis,sen iWr Welt nner<rriindliche \'<»rsehuntr hat es p'wollt.
uiul war in der deutschen liitteratur trriind- <1'"'" ••astloscn Streben dieses vorziit'lich<-n
lieh Itelesen. Dalici kam ihm ein <;utes (Je- .Mannes ein plötzliches Knde zu nuich«'n ; er
«lächtniss sehr zu statten. Wenn er sprach. wird nicht mehr di«« dornenvollen Pfade
so fusNten .seine Ausführunj.'en auf trründ- «h'^* Keljcns wandern, und wir. <lie l'eber-
lichem Verständniss «1er l»ehandeltcn (Je lebenden. könn«'n ihm nur Thräneii dank-
trenstände. Dadurch dass er die deutschen barer Krinnerun); weihen."
Denk.M- in ihren trmssru Werken kannte ;^,„,.. ^,,,i ,,„,- ^^.^^,. ^^^^^^.^ Vorsitzender
wurde er vom .l.Mitschen (Je.ste tuxl Werte ,.„^,„„„..„ ,„i, verschiedenen andern Be-
••rfüllt luxl konnte mit .\ut<»rität sprechcti. .,,.,«..,, i m;, ,1:1^.1 »♦ 1 1
. ' 'iiiiten und .MitjrlH'<Iern <les \ erbatuls euiijfe
Auf diese Wci.se wurde er einer der (Jrün- 'i',..„. 1,.,.., ;.. 1 \. , 1 i» 1 .■
nitre iJUljr Ul hos An^'eb's. Der ijortnje
der des Deutsch-Amerikanischen Verband-, sta.ltverban.l veranstaltete zu ihren Khre»
in.d .l.'s.s4Mi erster Vorsitzen.h-r. Als echter ..j,,..,, (• „...^ ,,,.,. j,, ^,.|„i„^,..r \v,.ise ver-
deut.s<'her Mann im ln-stcM Siruje «les |j,.f
Wort.-s. als umsi.htipr. kimr.r Führer hat y,„ ._,,, SeptendM-r l!»(»7 wur.le der vierte
er trewirkt inid »relebt, inid in dieser Hin- Staatskonvent abjrchalten. Der wiehti^rste
sieht ist dur<h sein AblelM'u «'ine Lücke ent Bcschluss «li«>ses Kotivenls war. die Kr-
standen. die nicht leicht auszufüllen sein rieht untr eines " Deiit.schen llau-M^s" erust-
wird. denn Männer seiner Art sin«! K«'lten. lieh in AntrrilT zu nehmen.
822
DKK DKrTSCH-AMKRIKANISCHK NATIONAL BUND
Am 6. October 1907 verlief die Feier des
deutselien Tages im Shellmouiul Park un-
ter Beteiliguunj; vieler Tausenden von
Deutsehen von Nah mul Fern vom herrlich-
sten Wetter begünstigt in der denkbar
schönsten Weise und gestaltete sieh zu
einem wirkliehen Volksfest. Der deutsehe
Kaiser überrasehte bei dieser Gelegenheit
die liiesigen Veteranen der deutsehen
Armee mit einer Ehrengabe, einer pracht-
vollen Fahne, welche von Herrn Konsul
Hopp den Veteranen unter dem Jubel der
tausendköptigen IMenge überreicht wiu-de.
Am 30. Deeember 1{)()7 hielt der frühere
Vize- Vorsitzende Herr Dr. Julius C. Voje
vor dem Verband einen sehr interessanten
Vortrag über seine Europareise.
Am 6. i\Iärz 1908 veranstaltete der Ver-
band eine Fiehte-Feier. welche in gediegen-
ster Weise verlief.
Am 8. ]\Iärz 1908 wurde eine ]Massen-Pro-
testversanunlung gegen die Prohil)ition un-
ter den Auspizien des Verl)ands abgehalten,
wodurch die Annahme einer $1000 Licenz
verhindert wurde.
Am 12. :\Iärz 1908 wurde die "Deutsehe
Haus-Gesellschaft", vom Verband in 's
Leben gerufen, incorporiert mit einem
Kapital von $500.000.00 unter der Leitung
der folgernden Beamten :
J»)hn Hermann. Präsident: John Sim-
men, Vize-Präsident; Carl W. ^Nlueller,
Sekretär; Adolf Becker, Sehatzmeister:
imd der Direktoren Chas. W. Arp. Henry
F. Budde, Fritz Gereke. Julius H. Hans.
Frank Herten, Dr. "S\. Krotoszyner, Jolui
Pope, Capt. L. Sie])e. J. II. Veiten. Dr.
Julius ('. Voje inid ('. Zwiei'icin.
Am 15. ]\Iärz 1908 wirkte der Verband
mit bei dem gro.ssen deutschen Frühling.s-
fest veranstaltet vom Pacific Turnbezirk im
Shellmound Park zum Benefiz der Preis-
Riege zum Turnfest in Frankfurt am Main.
Am 17. März 1908 hielt der Kaiser Wil-
helm Professor Herr B. G. Leonhard unter
den Auspizien des Verbands einen Vortrag
über "Recht und Sprache".
Am 4. .Mai 1!H)8 hielt Herr Professor Dr.
Hermann Anders Krüger aus Hannover
unter den Auspizien des Verbands einen
Vortrag über "den deutschen Bildmigs-
i-oman von G<ethe bis auf die Gegenwart".
Am 27. Juli 1!)08 war Herr Professor
Calvin Thonms von der Columbia Univer-
sität als Ehrenga.st anwesend und hielt
einen grossem Beifall aufgenonunenen Vor-
trag.
Jetzt koiinnen wir auf die Gegenwart
und Zukunft zu sprechen. Der Verband
steht jetzt unter der Leitung der folgenden
Beamten: John Hermann, Vorsitzender:
Prof. Albin Putzker. Vize-Vorsitzender;
Heinrieh F. l^udde, Prot. Schriftführer;
Carl W. :\Iueller. Korr. Schriftführer; C.
A. Zinuuermann, Finanzsekretär; und Ju-
lius R. Hans. Schatzmeister.
Der Verband hat noch grosse Aufgaben
zu erledigen. Die Errichtung eines "deut-
schen Hauses" ist jedenfalls eine der wich-
tigsten und schwierigsten. Alle deutsche
Vereinslokale, wie die San Francisco Turn
halle, ^Mission Turnhalle. Verein Eintracht
Turnhalle. Saratoga Halle, Germania
Halle, Druiden Halle, Rothmänner Halle.
Teutonia Halle, inid noch verschiedene
andere kleinere Vereinslokale wurden in
der grossen Feuersbrunst nach dem
schrecklichen Erdbeben ein Raub der
Flammen, so dass heute kein deutsches
Vei-saiinnlungsgebäude mehr den hiesigen
etwa 150 deutsehen Vereinen zur Ver-
fügung steht, ausser einigen kleinern teni-
poiären. nach dem Erdbeben erbauten
Holzhäusern.
Somit wurde es wirklich die Pfiicht des
Verbands hier als Führer und Leiter des
gesammten Deutschtums aufzutreten.
Die "Deutsche Haus-Gesellschaft", wie
gesagt vom Verband in 's Leben gerufen,
vertitfentlichte kürzlich einen kurzen Pro-
spekt, welcher an alle Vereine abgeschickt
winde, und luicli einer Agitation von weni-
ger als zwei Monaten haben schon über
zwanziü- Vereine tausende von Anten-
DKK VKRKINICTKN STAATKN \ uN AMKKIKA.
R23
s(*iu>iii('ii jrt'kauft. Siiiiiit ist iVw Krluiuiin^
fiiu's i)ra«-litvnll«'n jrrossiMi »ItMitscIuMi IIau.s«>s
ppsicliert Ditscs Haus s«>ll als Znitral-
uinl SaniiiM'lpuukt lies drutsrluii I^cIm-iis
iiixl Ti'i'ÜM'iis (lit'iM'ii und «'hctifalls als Vvr-
i)n*ituii^'sst«'llc des (it'ulsc lii'ii Wissens und
Köiiiims. dt-r dfutschi-u Sitten und (Je-
brauche, tnid wird unl)edinjrt erdl>el»en-
und feuerfest aiuftrefülirt wenlen. Dieses
lliius wird ein l'raelitliau wenlen und der
deutseilen Killt ur zur Klire und Zi«*nle gv-
reiehei) und wird dastehen als «MM Kchöri«*s
und wirklieh niit/lirin^eiideK Denkmal, als
eine Art Leuehttiirni. als die II<M-hwaeht
des deutsehen <iedaiikens am I'aeitie Oeean.
San Franeisen. ("al.. d«'ii 1. SeptemlM*r
VM)H.
Karl \\ . Utillii. Klirr. Si-hriftführer.
Der Deutsch-Amerikanische Staats- Verband
von Connecticut.
Zum Zw«M-ke der ..Deutsehen Tau-Feier"
am A. Oktober HM)4 vei-sammelten sieh die
<leutsehen \'ereine der Stadl Hartford, um
\'orlM'reitun^en zu treffen. Das Interesse,
welelu's die Mittriieder iler Verein«' an den
Ta^r letzten, wurde belohnt durch die starke
Iiethcili«;unjr bei dieser Feier. Das war der
Anfang des Zentral- Verbandes Hartfortl.
wt'lcher am 2(). März IIX).") jireyründet wurde.
Dank den Hemühiuifrcn eines Ajritations-
Komites. liestehend aus den Herren Christ,
liosler. Richard .Nauiiian und .Jacob Walz.
verl>reiteten sich die Zcntral-Verbände im
Staate Conn<H'tieut ; die Zentral-Verbände
New Haven. Hrid^icport. .\cw liritain und
Meriden wunlen in 's L«'ben jrerufen. Am
<). uml 7. Oktober 1!MK) vereiiii«rten sieh die
obenjjenanntcn Verbände und trründeten in
einer zu diesem Zwei'ke einberufenen V«'r-
sammlun^ den Conneeticut Staatsverltand.
Die ersten Iteamten di«*ser V<'reini>;um;
waren «lie Herren: A. Lepper. Hartf«»rd,
Präsident; C'has. Keller. Mii<lireport. Vize-
Präsident; Hieb, .\auiiian. Hartford. S««-
kretär; Peter lilume. Hartford. Sihatz
meisten. Die Feier ties Deut.schen Tai/es
wurde von den Zentral- Verbänden New
Haven und New hritain ^rcleitet. In «ler
am 17. Februar l!M»7 in New Haven abjfe-
haltenen Delejraten-.Sitzunir des ('oiuie<'ti-
eilt Staats- Verb:nules wurde bes«-hl«»ssen.
sich dem National-Munde anzu.sehliesH*-n ;
Herr Chas. Keller, liridtreport. wurde als
Heisitzer erwählt. Der Zentral-\'erban«l
Sc\ iiioiir wurde auf sein Krsuchcn in den
Staats- Verband aufgenommen.
liridtreport wurde als der n»'ue V«»rort
trcwählt ; th'r Staats- Verband ist den Be-
amten dieses Vorortes jrros.sen Dank si-hul-
<litr für die rejre Agitation und die Ausbn'i-
tuiifr der Zcntral-Verbände. wurden «Um-Ii in
diesem .lahre <lie Zcntral-Verbände Am<>-
nia. Danbury und Waterbury dem Staats-
Verbantlc einverleibt. Der Deutsch«' Tajj
wur«l«' im Autrust 1!M)7 das«'lbst jrefei«»rt.
Die Versammlung «h-s Staats- V«'rban«l«'s am
2«l. .laniiar IIMIH. welch«' in Rri«l«,'«'P«»rt al>-
{r«'haltcn wur«le. zinit't«' v«»n «1cm Kifer,
welcher «las D«'utschtlium im .Staate Im«-
seelt. .Mle Verbiin«le lM'richt«'t«'n. F«»rt-
s«'hritte gemacht zu halx'n. «leut.sclie .Schulen
wunh'ii ue(;rün«I<'t un«l von Verbäinlen
unterhalten und die D«'Utsi-hen im Staate
eitiaiuler nälu'p^'ebracht. .\iU'h in p«»liti-
s«'lier nezi«>hun^. jethwli nicht in Partei-
Politik, wunle für ^«'suimI« G««s<'tZ)rebun(?
mit Krfoljr >r«'arl>«'il«'t. l>«'son«leiN wur«l««n
Vorarb«'it«'n in .\iurrifT u'cnomiiH'n in Hczutr
auf «li«* strentfen N«'w Knvdan«! S«»nntaKH-
(M'wtze. Im .fahre 1!M)H war .M«'ri«len «1«t
V«>r«trt : «»s ludxMi sieh in «liewm Jahre die
Zentral- V«'rbän«le TorrinvrtMU un«l Stam-
824
DER DEUTSCH-A^rKRIKANISCHE NATIONAL-BUND
fi)i'(l {lern Staats- \'('rl)jiii(l(' aMjji'sclilosscii. ^'lictlcrzahl im Staate Ix'träjjt nah
In zwi'i anderen Städten sind die Vorarbei-
ten zur (iründung: von Zentral- Verbänden
iK'reits soweit vorfreschritten. (biss Anniel-
diingen erwai-tet wei'deii können. Die Feier
des Dentsehen Ta«res hat im Aii.iiust 1!H)!)
in Meri(h'n stattjrefunch'n : die Feier ge-
staltete sieli zu einer grossartigen. Die Mit-
lO.OOO und ist vertheilt auf 13 Zentral-Vcr-
bände. Der Vorstand setzt sieh wie fol^rt
zusammen: Julius L. Kipp. Pi-äsident ;
Geo. ]\Iisclilci'. 1. Vize-Präsident; Ilerniaii
Krämer. 2. Vize-Präsident; Frank J.
Hi-andt. Sekretär, uiul Div Hugo j'atzold.
Schalzmeister.
Der Deutsch- Amerikanische Zentral-Verein
im Distnct Columbia.
Der Entstehung des deutschen Zentral-
Vereins im Distrikt Columbia liegt die am
6. Oktober 1890 veranstaltete Feier des
Deutsehen Tages zu Grunde. Im Herbste
des Jahres 1890 beschloss das Deutsehthum
der Stadt "Washington, die erste deutsche
f]inwanderung und (Jründung der Kolonie
Gerniantown, Pa., und den damit gemach-
ten Anfang permanenter deutscher Kultur-
entwickelung auf amerikanischem Boden in
grossem I\rassstabe zu feiern.
Seitens der deutsch-amerikanischen Ver-
eine wurden Delegaten als ein Fest-Komite
erwählt, aus Avelchem oich ein Exekutiv-
Komite organisirte, um die Feier vorzube-
reiten und auszuführen. Die Sehlusssitzung
für die Feier fand am ^Mittwoch, den 1.
Oktober 1890. in der damaligen Sänger-
bundhalle, 708 K Strasse, N. W.. unter dem
Vorsitze des Herrn Paul Schulze statt;
Herr AVm. F. Meyers fungirte als Sekretär
und Herr John Ilockemeyer als Schatz-
meister. Ausser den Beamten bildeten die
folgenden Herren das Fest-Komite: Char-
les Graff, Fr. Dietz, Kud. Säur, Ilenrv' Dis-
mer, Aug. Schwarz, Chr. Schlag, J. G.
Appich, A. E. L. Keese. John J. Binder,
Louis Rosenau, Werner Koch. John AVald-
niann, ^l. Wiegand, E. L. Treiber, Leonhard
Exel, H. H. Bergmann, Louis Kettler.
Die nach dem Festplatz, dem an der
Brightwood Ave. gelegenen Schützenpark,
ziehenden Vereinigungen hatten sich mit
Herrn Henry Beckstedt als Vorsitzer,
HeiTu D. Skutsch als Schriftführer und
Herrn Henry Dismer als iMai-schall organi-
sii't. Die Feier jenes Deutschen Tages im
Jahre 1890 war in jeder Hinsicht ein gross-
artiger Erfolg. Nach Bezahlung aller Aus-
gaben verblieb ein Ka.ssenbestand von
$885.77.
In der Sitzung des Exekutiv-Koniites am
15. Oktober 1890 wurde beschlossen, das
Fortbestehen der Organisation, welche so
emsig und thatkräftig für das wohlgehui-
gene Fest gearbeitet hatte, dadui'ch zu
sichern, da.ss die Beamten bis zur Wahl nur
in ihren Stellungen belassen und die. be-
treffenden Vereinigungen durch den Sekre-
tär aufgefordei-t würden, darüber zu be-
richten, ob entweder die seitherigen Dele-
gaten beibehalten oder neue erwählt werden
sollten.
Es wurde ferner beschlossen, dass der
Präsident ein Komite von fünf ernenne, um
eine Konstitution und Xebengesetze für
eine permanente Organisation der deutsch-
amerikanischen Vereine Washingtons aus-
zuarbeiten, welche einer später diu'ch den
Pi-äsidenten zu berufenden Delegatenver-
sanunlung zur Berathung, bezw. zur An-
nahme vorgelegt werden .sollten. Folgende
Herren wurden zu diesem Komite ernannt:
Wm. F. ]\revei-s, John Hockemeyer, A. E.
DKIC \ KKKIMCTKN STAATKN VON AMKUIKA 826
L Ivt'.vM-, Louis Ki'ttirr, il. II. Hfrjriiuiiin. Scluitziiifistfr. .lohn IIiH-kfiii«'ycr. Ilt-rr
Dicsi's Koinitf «rstattt'ti' in <lrr aiii Mit!- Siimm Wolf wurdi- «Is Klin'iiiiiitKlicil
woch. lii-ri r.i. N(iv»'mh«'r IMJMI. rln'iifalls in <lunh Akklniiiation iMuäliit. Die Ver-
(JiT Säii<:rrliuiMl-naIN' aih-ri-lialtrinn W-v- saiiiiiiliiii^' Im\sc|iI«»s.s vi«'rti*ljälirlirln' Wr-
hammliiii'^' «Kr \'rrti\'t»'r <1«t (Iriit.sclicii saiiinihin^rii.
WriMni^'unirni li.iirht. Sedizelm V.niii.- |),.,. priLsid.'iit rniaiintr dif fnlf;riKl..ii
vvanMi «lurvh 44 D.-l.-jratrn viTtivt.ii. llrir ||,.rivii als das »-i-sh- Kx^kutiv-Koniit.«:
MfViTs als Voi-sit/.rr d.-s K<Miiit.s v.rlas Cliarl.-s (JratT. A. K. L. Kn-sf. .lohn Wald-
(U'M Kiitwurf d.T K<.MstitMti..u. drim An- ,„ann. An-r. S.-hwarz. (.'••orir«' .1. h.-«sl.r.
nahino auf dii« foljrrnd«' Vn-sainmliiti^r vrr- |^,,„i.^ K.lllir. II. II. Hi-iniiianii.
schoh.'n wurd.'. I),r Jaliri'sh.'itra^' d.r Wohl dl.- jrro.ssartip;t.' r.tV.'iitliHir D.'-
\Vreini<:un^'.-n wurdr auf j.- /.hii Dollars „„„istration .s.'it«-ns «Iw D.Mits.-li-A>-..rika-
f<'.st^»*srtzt. ncrtliiniis im Distrikt Coluuilua wan-n d<'r
Die am li. iKv.i'mhrr 1S!M) in d«r Sänp-r- K,^t/.uu' nnd di-- Kfier di-s D.Mitsrli.Mi Tau'fs
l.iiud-IIalh' (WO überhaupt in den ei-sten am «J. ( )ktol..'r 1S!»1. el.rnfall« im Sehütz.-ii-
. fahren .sämmtliehe Veisanunlun«^"-!! dt*s paik.
Deut.sehen Zent ral-Vereius ahtrehaltru wur- |),.,. /„^r In-stand aus .") Ahtheiliuiytii uml
den^ nh^rehalt.-ne l)ele.^'at.-n\vr.sanimluni: /,,j: am ..W.Mssen Hause" vorhei. «J.-uen
dehattirte die Kon.stitution und Nehen/e- .-,() Kh.ats hi<-sit:er (ie.srhäftslrute mit je 4
setz«' im Kinzelnen und ludim di«-s«'lh«Mi |'f,.r«len h.-spannt. die Ver«'initrte Staaten
dann im Cauz.n an. Kavall.-ri«- v..n Fort My.r. Va.. die .Mit-
I)«'r Name: ..Zerit ral-Verein «hr deut- f;li«*«Ier d«'s Distrikts ('«»lumhia. «In- 1'. S
.selu'U (;«'sell.sehaft«'n v«tn Washinirton" .Marine Haml. auf B<'f«'hl des MariiK'-Sekre-
uurde auf \'«ii-s«-hla<: «hs Herrn Anton tärs 'rra«-y. «las K.\ekuti\ -Konnte in Kut
EIhtIv jrt'wählt. uikI «h r Zweck, wie fol«^'t. s«-h«'n un«l zahlrii<-he Or(;auiisatioiu>ii nah-
f«'St|tr«'.setzt : iiifi) an «ler Taratl«' th«"il.
1. Di.- A»ifr.-.ht.-rhaltuntr «l.-r ail.jiiiirli- l"t.M- an«|.'rn F«'i«'rn d.-s ..Deul.s.li.ii
«•h.-n Feier de.s »i. ()ktol..-r als «les .D.ut- Ta^'es". «iie erwähnt zu werd.-n ver«li.-n.-n.
.sclit-n Tavrs". '"^t «li«- v«»m (». ()kt«il)«-r iSMh in «ler Nati«»nal
Hitl«'.s Armorv Hall. I)«'r unläuirst ver-
2. Kill ent:«-r.-s Kinv.-rständiiiss mit ähn-
li«-li.-n V«-v.-in«-n and.-r«-r Stä«lte aiizustn--
hi-n. um zu.»;ammt-nwirk.-inl «Iie Ii.'elit«- «l.-r
Kinu«*wan«lerten «/e«:en Desehränkun}; «1«'.«^
storlt.-n.- liots.-haft«-r il's D«-ut.s«-hen Kei-
.Ih-s. Fp-iln-rr Sp«-«-k v«»n St«•rnl^ur^r. «Ih-
mals (jj'sehäftsti äffer, «Iie «Irei Komniissäre
des Distrikts Coliniihia. <l«'r Aehthan- L. \V.
Hurj;«'rr«'eht«*s od«'r Fjn«rritTe in «he p«'r- ,, , , , . , , o- w le
.. ..,,,.,. , ,, ..,. ... Hal»«'r«-«im und «ler Ai-Iitl>are Simon NN olt
sonli«'h«' r r«'ih«Mt iia«h Kiaiten zu K«'hutz«-ii. ,. , ,, , i i .- .
hielt.-n K«-«l«'ii. Uli«! «Ii<- \ ereiniut«-ii Saiur«-r
A. Di.- I'a.ssirun^' v«ni <;«'s«'tzeii. «li.- .l.-m tnm«-n iii«-lir.'r<- Li<«l.-r vor. Di.- D«k«»rati.tii
Wohl «l.-s Lan<I.-.s .sehä«llieh und ni«-ht mit ^\^^ Saal«-s war seh«- j:«-s«'lima«-kvoll ;
d.n f«irt.s«-hr«*iteinlen I«!«.-«-!! d«'s Z«-italterK sämmtlieh«' Ven-in«- hatten ihre Kahn.-ii auf
in Eillklall^' .st.'hen. auf u«'s«-tzli«'heiii W«'p' ,|,.,. liühne aufp-pflanzt ; zwiwh«-!! /jdiln'i-
zu verhindern sueh.-n. ,.|n.„ pahm-n iiii«! «-iiier Mank v.m K.iKen
Al.s d«T erst«* V«ii-stan«l iint.-r «l.-r K«>n- v«»r «l«'r liühii«' pran^'t«'ll «li«- amerikanisehe
stitutioii wunh'ii di«- folj.'«n«l«-ii H«-rreii auf und die «I«'Ut.H«-h«* Flajrtr«-. Tahleau.x v«>n
d«-n T«'riiiiii v«»n .-im-m .Fahr.- j:«-wälilt : liist«Mi.Keli«-ii und all.'tr.iri.s«-h«'ii Figuren aiw
I*nlsid«-nt, Paul S.hulze; 1. Viz.--I*räsi- «l.-r d.-iits.-h iim.-rikanis.h.n <M-M-hi«-l'te ho-
dent. Louis K.ll.-r; 2. Viz«'-l*nLsi<I.-nt. Hu- .s«-hl«K.s«-n «Iie «»rtizi.-lle F«-i«-r. Al.s «I<t Vor-
dolph Säur; S«-kr«-tär. Wm. F. .M«*y«'i-s; hanu M. Ktiminte «li«- iL'aiize VerKammlung
826
DER DErTSCH-AMERIKANISCHE XATIOXAL-BUXD
Stehemi mit ( )rchesterbofrl('itun^'' "Tlic
Star Spanjrlt'd lianner'' an.
Auch die fiii" die numerische Stärke des
hiesij;en Deiit.sehtlmms selir gewagte Feier
des „Deutschen Tages" während der letz-
ten Woche im November und der ersten
Woche im Dezember 1903 verdient ihres
eigenthümlichcn Charakters wegen er-
wähnt zu werden.
Ein l)ri]lantes, farbenprächtiges Bild
von ..Alt-Deutschland" mit über einem
Dutzend charakteristischer Baulichkeiten,
welche Restaurants. Bhunenläden. Spiel-
zeugbuden. Weiulüden darstellten ; Alt-
Xürnberg mit seinem "Wiirstglöckle" ; ein
deutsches Rathhaus; Ailtweibermühle; in
der Mitte der Halle ein gigantischer Weih-
nachtsbaum mit Hunderten von Glühlämp-
flicn ; Tyroler Sänger; eine ]\Ienagerie von
dressirten Thieren und andere Sehenswür-
digkeiten boten sich den Besuchern der
Konventions-IIalle dar.
Präsident Roosevelt erött'nete das Fest,
indem er vom Wei.ssen Hause aus durch
den Druck auf einen elektrischen Knopf
die Tausende elektrischer Glühlichter auf-
flammen liess.
Dr. Hexamer, der Präsident des Deutsch-
Amerikanischen National-Bundes, hielt die
englische und Kongressmitglied Richard
Bartholdt die deutsehe Festrede. Pastor
W\ A. Hildebrandt, der Verfasser des
ersten Kaiserpi-eisliedes, hielt eine An-
sprache in gebundener Rede.
Sänuntliche ^Mitglieder der beiden Häu-
ser des Kongresses waren zu der Eröffnung
persönlich eingeladen. Für jeden Abend
war ein anderes Progrannii angesetzt. Das
Fest verlief zur allgemeinen Zufriedenheit;
das finanzielle Resultat blieb jedoch leider
hint(M' dem moralischen zurück, da ein De-
fizit von gegen $2000 sieh zeigte; es muss
jedoch hier konstatirt werden, dass die
Schulden prompt bezahlt wurden.
Anlässlich des Besuches des Prinzen
Heinrich von Preussen im Februar 1901
brachten die beiden Gesangvereine Germa-
nia Männerchor und Arion unter den Aus-
spizien des Zcntral-Vereins eine Serenade
vor dem deutschen Botschaftsgebäude nnt
einem imposanten Fackelzuge; ein Koiuite
wurde auf dem Balkon des Gebäudes von
dem Prinzen in Audienz empfangen.
Als im Sommer des Jahres 1901 von Phi
ladelphia aus der Ruf erging, einen
Deutsch-Amerikanischen National-Bund zu
gründen, war der Deutsche Zentral-Verein
im Distrikt Columbia einer der ersten, der
diesem Rufe folgte. Zu der konstituiron
den Versannnlung, die am 6. Oktober 1901
in Philadelphia stattfand, sandte er fol
gende Vertreter: Wm. L. Elterlich, Gustav
Bender, Kurt Völckner.
Seitdem hat der Deutsche Zentral-Ver-
ein in allen Konventen des Bundes Verti'
tung gehabt und zwar leim zweiten in
Baltimore: Kurt Völckner, Gustav Beudtr
und Wm. Feldha\is: beim dritten in Tn(li;i
napolLs : Kurt Völckner. Wm. F<'klhaii^.
Gustav Bender: beim vierten in New York
Kurt Völckner, F. A. Rockai-. ^lartin Wi-
gand, Carl E. Gundlach.
Eingedenk seiner Verfa.ssung hat dtr
Zentral-Verein durch seine Beamten odtr
durch besondere Komiteen stets gegen di
Pa.«sirung von Gesetzen, welche gegen di
l)ersünliche Freiheit oder für das Wohl d'
Landes schädlich sind, wie Sonntag.s-, Pn
hibitions- und ähnliche anstössige Gesetz
vor den zuständigen Komiteen im Kongn>
(in mehreren Fällen in Verbindung mit
den Beamten des National-Bundes) oder
vor den Distriktsbehörden energi.seh pr*^-
testirt: und ebenfalls für solche Gesetz'
welche mit den fortschreitenden Ideen d'
Zeitalters im Einklang stehen, wie da-
Offenhalten von Museen. Bibliotheken u.
s. w. an Sonn- und Feiertagen, tüchti'-
agitirt. Das Offenhalten der Kongros.-
Bibliothek an Sonntagen ist thcilwi'ise di'-
ser Agitation zuzuschrtMbcn.
Um die deutschen Vereinigungen d»'-
Distrikts Columbia enger zu verbinden und
dem Zentral-Verein mehr Stärke zu verlei-
iu:i{ \ ki{KIM(;tk.\ staatkn von amkuika. 8S7
hen, wunl.' dei-svll).' am 10. Jjiim.ir l'.»();{ Srkndin: WM—'Xi. \Vm. K. .M.-yiT«:
unter einem Vereiuijrten Staatt-n (J«*etz 1SM4 — 1»7. li. V. Sclml).'it ; iSiJK — 1904,
unter dem Namen: "Tlu- riiil.d (Jrrman <Jii.stav Hi-mler; 1!»()5 — 6, Ilrnry K War-
Soeieties of the Distrii-t of Columhia" in- nt-sou; ll»(»7. F. K Mann: l!K»s. .loarhim
korporirt. Thodr.
Seit seiner füründinii: luaie dt-r Drut-sclie Silml :int islrr: IHIM). .Inlin H.M-k.iiM-.s - i ;
Zentral-Verein im Distrikt ('nhniil.ia fol- 1^!»1 — ÜMH. (Ji-or^r,. .1 H-ssI-t: s.it l!»02
gende Beamt«' : ('liarl.-s K. «irrner.
Dif fol^mdm '2'-\ V«'rt'init.'unj;i'n hildfii
»i'ii Drnt.srln'ii /i'ntnd-N ert'ni im Distrikt
92, L. W IlalM-noiii; lS!i:i. .I..I111 Ilo.k.--
(olumhia
mever; iS'J-i — 1S!)7, Rudolph Säur; ls:is— ,. , u- 1 .. > : \r * ,
' DfUtsrhiT W ai.sfiiiiaiwvi'rein ; > ««ti'ra-
1902. Wm. L. Elterieh; seil Juli 1!>(I*J Kurt . »• • , ... u . n ^^ ,,
inn-Nerem d»«« Aclitfn Mataillons. D. C.
^^'^ "*'■ \'. : \'i'n'in Hayrni : Aii-iii: (.'friiiania .Män-
Krstt Vl:tl'nisiih iilin : 1890— !».">. Louis n.'icli.tr: Vm-in liadi'ii; Ilt-ss.Mi-Darm-
Kettler: ISiHi. Wm. L. Kltericli : 1S!»7. B. städt.T l'ntrrstüt/uiit.'sv.'r.'in : Schwäbi-
F. Sehubert: 189S. Morit/ (MiLst-r: IS!»:» sclii-r Kranken - rnt«'i-stüt/uiips - Verein;
1900. T. L. Schmidt: 1901— 1;>04. W. Kuck- I><'Utschcr rntei-stützuntrshund Nr. ItiO;
düschcl: 190.')— l!>0»i. Hermann Vollmer: IMattdütschcr Vcrceii : Columhia: Mrauer-
.seit 1907 F. A. H«M*kar. Kiaiikcn-r!itcrstüt/un«;.sverein : ('olumhia
Mund .\r. M. D. ( ). S. \{. . Dcutsch-Ameri-
Zinlt, Viz,.rnisi,l.„tr„: ISIM). Uudolph ,,,,„i.,,,„., mtc.-stül/uiu.'svcrcin ; l)cut.s.-her
Säur: 1S1»1. (;. W. ll..r.sky: 1892. H. F. ri.tcrstüt/.u.iirshund Nr. 40: Washin-ton
Schubert: 189:1—9;'). W. Ruckdä.schel : 18!Mi. j,,,;,, >^-,. ^ y. A. ( ). I).: Washin-tn,, M-V/..
Moritz (JliLser: 1897. Wm. Brodt : 1898. jr,.,..(„t,.i-stützunr^vereiii . Wilhelm Teil
Ferd. .Müller: Is!»!». Theo. Ilanft : 1900. Lo^re Nr. '). I. (). K. ..f B. ; Columbia Turn-
W. HiiekdJLsehel: 1901. T. L. Schmidt : l!»(rj veiviii : ( Mik.l Bräsi^' Ver^Mlü«run•.'sverein ;
Henry Wa.ssmann : 190.') — 6. F. .\. Dcut.sehe Histori.sehe (iesell.schaft : \Va.sli.
Kockar: 190t» — 7. Dr. S. A. Czarra : .seit in.^'ton Sän<^'«'rbniid : Teutonia Lou'e Nr. 2.
1907 (». L. Schmidt. 0. D II S. ; Occasia Bund D C.
Indianas Staats -Verband deutscher Vereine.
Dr. WM. A. FRITSCH. tvansville. Indiana.
Der Staat Indiaina. zui.schen <1em ;{7. und iio«-h keine Kiseiibahnen \:n\>. kamen die
12. CJratl nördlicher Breite ^eh'^jen. bildet deutsehen Kinwjuulerer lilwr die Inlan«l-
remäss s<'iner La«;e (bis Thor, durch welches Seen im .Nonleii. auf dem Ohio im SiUlen.
lic Einwanderer und H«'iseiiden auf den .später von .New Orleans den Mississippi
'ielen Kisenstriiiiiri II. vom Osten koinmend. und Ohio hinauf in den Staat,
n'.s westliche. nor<l\vestli<he und siidwest- Die ci-sten deutschen Ansicdlunucn la^'U
iche fJebiet d«'r V<'r. Staaten ein<lrinj;en. zci-st reut iÜM-r den ganzen Staat hin . an ein
)ie );itnsti(;e La^e führt dem Staate noch Zusammenhalten und ZuKammen^chcn in
iele Einwanderer, darunter auch <leutsi'he widiti^en .\n>rele>renl>eilen war kaum zu
[olonistj'U. zu. Früher, als es in Indiana <lenk<n. Die .\nsiedicr musstcn durch
828
DKK DKrTSCH-AMKH IRANISCHE NATIOXAL-HUND
scinvcn' Ailii'it den mit (licliti-ii Wiildcni
bestandciu'ii l'i'WMld ;d>liii|/rii und kultivi-
i-('ii. driiiiit sie für sich und Füiiiilic voi'-
sor^dich dfii lichcnsuiiti'rluilt jf(nviinit'ii
koimtni.
Kirclif und Sdiulf wiiicn die ciNtcn Vlv-
ruiijjcusrlijit'tcii auf ^eisti.u;(Mii Gebiet»', und
dii'si* «rMl^'U denn auch \'ci nidassunu: /u
ZusaiMiiuMiUüiiftcu mit anderen Geiueiuden,
wo sich weniirstens (Ihiul)cns<ifen()ssen zu
einaiuh'r fanden.
In den Städten, wo sich die Deutschen
mehr ansannnelteii und nahe heieinander
wohnten, führte die Liehe zum (hnitschen
Gesang sie znsanimen. und sie gi-iindeten
Gesangvereine, die sicli ebenfalls mit denen
anderer Städte verbanden, wodurch es
möglich wurde, grosse Ge.sangsfeste zu
arrangii'en.
Auch die Tuiner standen niclit zni'ück.
sie sannnelten sich in Kiegen und Veivinen.
die zu immer grösseren Vereinigungen sich
ausdehnten. Im Tnionskriege marsehirten
die Deutschen am liebsten mit Kameraden
aus der alten lleiiiiath. Das ;{2. Indiana
Infanterie-Kegiment trug das Gewehr nach
deutscher Vorschrift, hatte dentsches Kom-
mando und wurde von deutschen Offizieren,
Oberst August AVillich und Oberstleutnant
V. Ti-ebi-a. über den Ohio gegen den Feind
gefühlt; auch die erste Indiani-Batterie
und die .sechste waren deutsche Abtheilnn-
gen unserer Staatstruppen, und in den an-
deren Kegimentein gab es meist ein oder
zwei ganz deut.sche Kompagnien.
So waren die Deutsehen in Freutl und
Leid, in Friedens- und Krieg.szeiten sich
näher gerückt, aber es fehlte doch noch viel
zu (hl- Kiniginig dentschländischer Bürger
aus der alten Heimat h mit den hier schon
sesshaften Deutsch-Amerikanciii : das war
aber der Fall nicht mir im Staate Indiana,
.sondern in der ganzen Tnion. Der deutsch-
französische Krieg und die Grüiulnng des
neuen deutschen Reiches weckten auch
hier l)ei uns Sympatliien für All-Deutsch-
land, und als 1882 im deut.schen Pionier-
Verein zu riiiladelphia Dr. Os.vald Seiden
sticker auf das in 1SS:{ i)evorstelien(le zwei
hundei't.jähi ige .hil)iläum der ersten dein
sehen Einwanderung aufmerksam niacliti
und Dr. Kelliici- sich ilim zuirc-iellte. un
den ..Dcuischcn Tag" ins Dasein zu rufe
da nahm man audi in Indiana diesen Hn
freudig aiil, und die Deutschen lie.sseii
sich nicht nehmen, jähilich in India'iaiirtl
Hvansville. Fort Wa.vne und Terre Ilaui
..Deutsche Tagfeiern ' zu veranstalten.
Aus den ..Deutschen Tagfeiern" heran
entwickelte sich nun ..Der deiitsch-aiiierik:
nische Xational-Bund". welcher am 1
Juni lf)()() in Philadelphia gegründet wiirc
und dessen erster Präsident Dr. C. .1. Hex
liier mit Takt und Umsicht den liiuid -
weit geleitet hat. dass er sich ausdehne
r.nd wachsen konnte. Dazu half nun m\<
die Prinzipieii-Hrklärung. welche alles vci
mied, was die Deutschen trennen köiiir
und haiii)tsächlich das betonte, was sie zi
sammenhalten sollte: Erhaltung der dein
sehen Siiraehe. die Liebe zum Mutterland'
Wahrung guter deutscluM- Sitten und (i-
wohnheiteii u. s. v,-. In Indiana fand d'
Xational-Bund gleich Anklang, bestände
doch im Staate schon mehrere Verein-
weiche eine ähnliche Prinzii)ien-Erklärnn
in ihre Konstitutionen eingefügt hatten. >
die ..Deutsche Gesellschaft von Evaii:
ville". ..der deutsche rnterstützungsvei
ein von Jetfer.sonviüe" und der Verliaii
deutscher Vereine von Indianapolis. Dio
letzte Vereinigung (gegründet ISJ)!)). d
sich durch lebhafte Agitation und trul
P^ührer auszeichnete, nahm die Initiativ'
einen Staats- Verband in Indiana ins Dasei
zu rufen. Am Ki. August 1908 feierte d«
Verband deutscher Vereine von Indiini;
polis mit seinen Gästen den ..Deutsche
Tag" in glänzender Weise im ..Geriiniin
Park ' ' daselbst. Die Gesangvereine sanir«-
ihre schönsten Lieder, und Präsident 1
Francke meinte, als er den Festredner en
führte, dass das Deutschthum von Indiani
polis „sich nicht damit begnüge deutsch z
I>i:i{ \ KKKIMCTKX STAATKN VUN AMKKIKA. 82»
snn, soitiUrn suh htsfnln, shis tUutsvhi r Keller; 1. \'i/.f-l'riisi«|ciit. |'rnf«'Hs«tr |{. Nix;
zu irtnl(n." Prof. KolM-rt Nix. \v«'lilit'r «li«' 2. Vizi'-l'räsiiliMit. Dr. K«'i>rl : Schrift fülir«*r,
Fr.str»'(K' hielt, .sprach über «lii- X'cnlicii.stc .Iin-ol» \V Locpcr; Sehnt /.meist «m*. II (),
der I)euts«-heii uiul .stellte einen X'erj.'leich Thmlimii. im Aujriist l!H».'» hielt der
damit an. was die Kntriänder den .\ni*'riUa- Staats- N'erhan«! wine /weite Konvention in
nern irewesj-n. Die Rede f;al> eine klare Kvansville al) ; der Sekretär konnte hericli-
rehei-sicht. es war kein l'nnikf.'<'dic|it diese trn. «lass neu«* N'ereine sich dem V'erhande
oratori.sch»' Leistunj.;. sond»'rn «lurdi tre- a ntresc hl os.se n hatten inid dcrselhe /iiKe-
sehiehtliehen .Nachweis zeigte der He<lner, nommen hahe. Die Verhandlungen nahmen
wie di«* l)eut.s<'hen auf di«' Amerikaner ein- einen frie<llichcn un<I »loch anregenden
gewirkt lialu n. dann empfahl er ikkIi ilcti N'erlauf; die alten Heamten wurden mit
Natituial-hund und forderte ziun Kintritt zwfi Ausnahmen wieder erwiihlt. als erster
in «lenselheii auf. Zum Schluss sprach nun \'ize-rräsidcnt wurde Herr II. .Ma<kwitz
Herr .Joseph K«'ll«'r. Vize-I'räsident des von Fort Wayne diesmal erwählt, lunl in
Indianapolis Verhandes. üher die Nothwen- die Stelle des zweiten Vize-I*räsident<Mi
dijrkeit. einen Staats- N'erhand deut.scher rückte Herr Carl Laucnstein von Kvan.«-
Vereine in Indiana zu lte«rründen. und er- ville ein. zur nächsten Konvent ioiis.stad!
munterte die Gä.ste, in ihren \'erein<'n und wunle Kort Wayne auserkoren
Städten <lahin zu wirken, da.ss dies Ziel ,„ ,..,„., Waync. ,|.r lleimath des Hern.
hald erreicht werde. In.! im näeh.sten ,, M,„.k,vitz v<.n «1er ..K..rt Wayn«- Freie
.Jahr, als «lie Zeit herankam, wi.-.h-r «l.-n |>n.s.se". einem der nMithip<t.«n Arl)eiter im
I).'ut.seh«Mi Thk zu feiern, erliess d.-r Imlia- |„,,.r».s.se «U-s Staat.s-Verl)an«l«-s. sanun.'lt.-n
nap«.lis Verband «'in.-n Aufruf an alle deut- ^j,.,, „,„ i, .\„^,„.,, ühm; ,li,. D«-h't;at«-n zur
seh.-n Vereine im Staat«-. Al)tr.'..r,ln.'te zu ,i,.i„,.„ K..nv.'ntion ; auch di«-s«- V«-rsamm-
i'in.-r am VA. Au^rust li»(»4 in d.-r Staats- |„„^, ^,., |„.fri,.,lip.n«l aus. Na.-h.Iem die
iau|.t.sta<it statt fin.l«-n«l«'n V«'rsamnduntr zu .,|,,,„ ü,..,,,,,,.,, uic.l.-rtr«-wählt un.I India-
..Miden. F.»l}r«'nde Vereine kam.'ii «li«'sem „,,,,„11^ y.,„. „äch.st«-n K«.nv.-nti.Mis.stadt Ih--
iuf«- na.h und schickt«-n I)el«-jrat.-n : Li.-, stimmt war. feiert«Mi «li«- Zutr.-reist.-n mit
l.-rkranz-Mäin.«'rchor. Kvansville: Armi- j,„.,.„ i,.,ndsl«.ut«-n vn F..rt Wayne n.K-h
lius Lotre. Kvansville; Deutsche (Jes.'ll- ,,„, „ii,.hst.'n Ta^'«^ einem S«.nnlnjr«.. im
*.haft. Kvansville; (Jermania('«.urt. Stamm (-..„tliver Tark «h-n ..Deut.seh«-n Tag". Ihm
i.Mi Ilur. Kvansville; D.'uts.h-am.'rikani- „.,.|,.|„.,. (j,.l,.^j,.„heit Il.-rr Philipp liappa-
«.her Int.-rstütz.u.ursverein. .I«-tr.'i-s«.nville ; |,,,^j ,,j,. ,,,.,„^,.1,,. Festre»le hielt.
Kri'is Stolz«'nau - Verein. F«irt Wayii«-; ... . . o. . w .■ .. ^
Die vi«*rt«' Staats-K«>nv«'nti«ui versiim-
ruinv«*rein. Fort Wavn«-: {'«•ru .Männer- ,. , ... . 1,,,,- • 1 „ :.. 1 .»
• Hielte si«-h am .{. Autrust \*MU w ii'der ni der
•li'ir. INtu; Germania 'I«'rr«' Haute; <I«'r ,. .... „, • ,, •
Halle «l«'s ..I nahhant'itr«'!! I urnv«'reuis in
inlianapolis V«'rhan«l war «lur«*h 20 Del«-- , , ,. iv ■ i » . . 1 1»..;:
' 111 In«lianap«ilis. Dank «1er A^'itati«ni <tes Ini-
raten vertret«'n In «l-r Hall«- d«'s ..l nah- . , r u- n - ... 1 1. > ;.. ......^.i.:.,
sid«'nt«*n .l«>.si'f K«Mler. w«'l«'li«*r in versenie-
läimip... Turnvereins-- in In.lianap«»lis ^ _^^ ^^ j^j..^,^^.^^ ,^^.^,^.^^ ^^^^^ ..Deuts.!,.-!,
amen di.-se D.le^'al.-n zusamm.n. un.I .p^^^,^... ^„.|,„|,,.„ y.-rein.- auftr.-su«-ht hatte
ia.h<h-n, all.- F«»rmalität.-n Iw-spnMh.-n „,„ sie zu ermuthi^'.n. «h-m Staats- V..rlmn«le
karen. .s.hi«kte man si.h an. «-in.- K«ii,.sti- iM-izutn-t.-n. dank «li«-s.-r Tl,äti»fk<-it. könnt««
iiti«»n in rehen-instimmunjr mit «ler des ,|,.p s.'kr«-tär .la.*.»h W. K.M-p.-r in sein.«!',
Cational-Mundes anzun«hmen. w«trauf dann |t.>ri«ht«- m«*ldt-n. «la.ss «I.-r N'eritan«! nun
i«- litamt.-nwahl stattfand. .\ls .-rst«« He- m.'hr aus »iS V.-r.-ii,«-n un«l "{'»H' .Mitnlied«-n»
mt«'n «h's Staats- V.-rhai,«l«-s wiir«I«-n f«>I- lM-st«-he. I)«-r FinanzlM-ri«ht wurde für
«nde Il.rn'n e«'wählt : IVäsi«I.-nt. .I«»M-f riehti^r lH-fui,d«-n um! na«h«l.iii imm-I, ein
830
DKH l)KUT8l'H-AMKKIKANIS('Hl-; NATIONAL lilM)
zeitfri'liiässci' lic. iclit dt' ; ..Komitee lih' |i<'i-
sönlichc Frcilu'it", sowie der ansfiilirlichc
Bericht des ..Kdiiiitcs für Deutscht' Spraclie
und Tuiiieu"' verlesen Wiireii. schritt uiaii
zur Wahl thr lieaniten. Die Bcaiiitcii ih->
h'tzten .lahit's wurden auch diesmal, nur
mit einei- Ausnahme, wieder gewählt : an
Stelh' tlcs 2. Vize-Präsidenten, der nicht zu-
gefren war. wurde Herr Ernst WelcUer vdu
EvansviUe eingjesetzt.
Der näcliste Konvent, der fünfte,
wurde am S. Aufiust IDOS in der Haue
der I. 0. K. of P.. Ecke Maryland Str. und
C'apitol Ave.. Indiana])olis. al)«rehalten. Die
Deh'^'aten waren 2 l'ln- Xachniittay:s alle
zur Stelle, es ging diesmal etwas lebhafter
zu wie früher, und das kam daher: Das
Koinite für Verbands-Angelegenheiten untl
das für persönliche Freiheit, welche zusam-
men arbeiteten, hatten zwei Berichte, einen
^rajoritätsbericht und einen iNlinoritätsbo-
richt. eingereicht. In Anbetracht, dass die
republikanische Partei in Indiana in de)
Temi)erenzfrage von Position zu Position
weiter gegangen sei und in ihrer letzten
Staats-Platform sich für „County Option''
erklärt habe, empfahl der Majoritätsbe-
richt, dass der Verband deutscher Vereine
von Indiana, kräftig das demokratische
Staats-Ticket unter.stützen solle. Der ]\Ii-
noritätsbericht verlangte, der Verband solle
liberale Kandidaten unterstützen, aber die
Delegaten waren es augenscheinlich leid,
mit liberalen Phrasen sich bt^säuftigen zu
lassen, sie wollten Farbe bekennen, verwar-
fen den ]\Iinoritätsbericht und stimmten
einstinnnig dafür, das demokratische
Staats-Tieket zu unterstützen. V(m den
übrigen Berichten wurde zuerst der des
provisorischen Schatzmeisters Armin Bohn.
H. 0. Thudium, Indianapolis, der letz.jäh-
rige Schatzmeister, war vor ungefähr einem
halben Jahre gestorben und (h^r erstere
hatte seine Stelle eingenonuuen, vom Revi-
sions-Komite für richtig befunden und an-
genommen. Der Bericht des Komites für
deutsch-amerikanische Ge.schichtsforsehung
u;:r(!f ^.-utgcheissen und die darin genuich
ten Vorschläge vom Präsidenten .Toset
Kt'Ilei- noch besonders emi)foh!('ii. Der H,.
rieht des Komites für Deutsche Sprach,
niiil Turnen wurtjc ebenfalls entgegen«'!-
noinmcii. Da alle aiitlci-en (Jeschäfte ihn
Eiledigung gefunden hatten, schritt man
zur Wahl tlcr neuen Beamten. Herr JoscT
Keller wurde wegen .seiner vielen Ver
dicnste um den Verband zum P^hrenmit
glied desselben ernannt uiul einst iininit:
wieder zum Präsidenten gewählt. Die Be-
amten für das Jahr 1<)08— UM) waren:
l*räside)it. Jo.sef Keller; 1. Vize-Präsident.
H. Mackwitz; 2. Vize-Präsident, Georj
Ehrenhard; Schatzmeister. Armin Bohn;
Sekretär, Jakob W. Loeper. Terre Haute
wurde als nächste Konvention.sstadt vorge-
schlagen imd auch erwählt, übers Jahr die
nächste Konvention zu beherbergen.
Der Verband deutscher Vereine in In-
diana ist nun 5 Jahre alt ; es gehörten nat-li
der Zählung von 1908 85 Vereine dazu.
und diese hatten zusammen 10,0(l(i
Mitglieder. Die Zeit w^ar zu kurz, um
Grosses zu Wege zu bringen, und doch hiit
der Verband ^lögliches angestrebt und da-
bei inuuerhin etwas zustande gebracht.
Die Deutschen im Staate sind in den
hetzten paar Jahren öfter zusammen gc-
konnnen und haben sich besser keimen fi<'-
lernt. das wird, wenn es sich darum handelt,
gemeinsame Interessen zu fördern, von
grossem Nutzen sein. Der Staats- Verbainl
mit seinen ^litgliedern hat dem National-
Bunde stets treue Bundeshülfe geleistet
und ihn mit W^)rt und That unterstützt.
Sein Komite ..für deutsche Sprache und
Turnen" hat in einem längeren Bericht die
deutschen p]inwohner im Staate Indiana
auf das Staatsgesetz betreffs Einfühninp
des deutschen Unterrichts in den Frci-
Schulen aufmerksam gemacht und dannif
hingewiesen, hoffentlich werden nun unseri"
deutschen Mitbürger in den Plätzen, wo sie
augenscheinlich das Recht auf ihrer Seite
DKK VKUKINICTKN STAATK.N \l).N AMIUIKA gSl
IuiImii. auch ilaniuf ilriii^r«'ii. daiss (UMitst-ho linirlit wiTtlrü. mi dtiss ilirs«» Atritation m-
Lt'hnT anni'strllt \\.Til«'n. — Vom Konnte Irtzt (I«Mh Kr(iA^: UnU'u imiss.
für (h'utsrh-aiiuTikaiiisrlir (J«'s«liifhtsfor- (h'^mi l'ruliihiti(»n und T«Mnp«*nMizfana.
schnnjr sind MMlin-n- Hriträjrr zur (Je- tisuius hat «ler V<'rl»and «li-utscher Ven-ine
srliichte uns«'rfs DfutschthuniK verötTent- «■nt.srliirdrn Strilunt; ^'••iiomnieii ; der Dmt-
liclit wordin. tuid untt'r .Mitwirkung «Ifr mIh- will sich «-iM-n rjielit unter Vorniund-
einzt'lnen Vereine des V«*rl)and<'s viiNpridit schaff stflU-n la.ssi-n. er hält fest am H«M-ht
«las K«»mite. Weitcn-s in diii Dni.k zu dt-r St-Ihslrrzifhunir aurli in Sai-hcn der
hrinjren. .Mä.ssijrkfit und an natiirlirher helK>ns;irt
.\ls tlic h'tzte Staatsp-setztrehunjr in die zum Wohle <ler Mensehheit führt
Sitzunjr war. wunh- aus «|«>m Kreise des So weit d«'r ..Vt-rliand tlejitsrln-r Ven-ine
Staat.s- Verbandes ein I'ensionsfjesetz für vi>ii IiMliana"; wjis er bisher anjffstreht.
Lehrer in Vors<•hla^' ^'ehracht ; ol)^'^'i<■h danach wir«! er weiter KtrelM«n. zum Wohle
da.s.s<'llH' damals zurückjrelc^M wurde, ist des Deutschthums. treu dem Natioiial-
dit'se tjern-hte Fordcrtuit: dndi aufrerejrt I^nndc. der sich jetzt ühcr alle Staaten aus-
wortlen und wird wieder vor das Forum tre- lucitet.
Unabhaengiger Buerger -Verein von Man'land.
Der ..rnahhiint^ip- liürjrer- Verein von sanunt ihre I*flichten als amerikani.sehe
.Maryland" wurde im Kridijahr li>(>0 orga- Bürger voll und ganz erfüllen und sieh
nisirt. Di«* direkte Veranla.ssung war eine nicht nur um alle öfTentli«*hen .\ngeh*gon-
|M>riodiseh auftn'tend«' streng«' Durchfüh- heiten kümmern, sondern auch eifrig an
rung iler dun-h Alt«'r g«*h('iligten Sahhaths- den Wahl«*n het heiligen wünh'U. I'artei-
(J«*setze des alt«'n Staates .Marvlaiul. Kinem Politik, partikularist is«-h«* Bestrebungen,
Aufrufe des Herrn Jolin Tjarks Folge .sowi«- eitle Brinzipienreiterei hat «1er Bür-
leistend. .schaarten sich die Vertreter der g«*r-V«'rein .stets vermieden. Weitgehend,
Baltim<»r«*r deutsch«*n V *nMnigungen zu- alter lM>stimmt, ist seine AufgalM«, wie aus
sammen und bil«let«Mi «*ine Central-Körper- «lem folgernlcn Satz«* s«'iner V«'rfa.ssiuig
■w-haft. Gleich na<*h sein«*r CJründung setzt«' ersi«'htlich ist.
-iich «1er Bürger- Ven-in s«hriftlich mit «lem ..Kr l>ezw«'ckt. «'ine l'elM'rsicht üln'r
l'entral-\'erein v«»n l'hil.i«lelphia in Ver- öffentlich«' Angeh'gerdi«'it«'n auszuülM'u. luu
hin«lung. sjuidt«» DcU-galcn im .Juni IJMM» da«lurcli eine ehrli«'he. wirksam«' und spar-
iia«'h i'hila«lelphia. um di«« Zw«'«'kmJLssigkeit sam«* V«'rwaltung der lokab'U, wie staatli-
ier (jrün«lung ««ines «lcut.s«'h«'n Nati«mal- ch«*n Int«*r«'SK«'n herlM'izuliilir«'n ; die Brin-
S'erbaiuh's zu iM-spH-thi-n. .\m i'>. ()ktolM*r zipi«'n «ler I{«'gienu>g «lun'li V«»Iksv«'rtre-
l!MH lK'theiligt«'n sieh die Vertreter Mary- tiuig zu wahn'U. p«»litis«'he mid bürg«'rliehe
an«rs an der (irün«lung d«-« NatioiuiU H«'chte zu s«'hütz«'n ; die Aufhebung veral-
iunth-s. «h's.M'n Stn-bi-n stets njich Kräften tet«'r un«l nachtheiliger (icsctz«* herbeizu-
mterstützt winl. Obgleich b«'i der Kntst«-- führen. s«»wi«' «lurch Anwendung alh-r «-hr-
mng ili's Bürger- Vereins ilie Abs«*haffung liehen und ger«H'ht«*n Mitt.l das (i«'mein-
h-r veralt«*t«'n ..Blau«'n (i«'s«'tze" als erste wohl zu fönlern."
\ufgalK' lM'tra«-ht«'t wunl«*. wdi nuui bahl Zw«'imal sah sieh der Bürg«'r- Verein ge-
in. dass «lie Auflu'bung «lersi'lben «-rst «lann nöthigt. aktiv nu «Icn Wahlen Theil zu
nöglieh sei. wenn «lie I)eut.s«'hen insge- tiehm«'n. un«l zwar mit Krfi»lg. Das erste
p
832
[)i:U DKUTSCM AMHKIKANISCHE NATIONAL-BUXD
.M:il im Ilt-rhst 1!><>.') I»«'i der Al)st iminunj]:
ül)('r (Miic Aciuleninjr der St.-uits-X'crfiis-
suii»;. wclclic den Xc^rtTii das \Valilr('<'ht
lU'hiiirii sulltt'. iicl)t'id)('i al)er das Wahl-
recht eiiifs jeden einj^ewaiiderten Bürjrers
pi'fährdete. Dieses wurde von der deitio-
kratisehen Partei befürwortet und vom
\'olke mit eiitseliiedeuei- Melu'heit vei-wor-
fen. Das zweite ^lal im Mai lilOT. wol)ei
der repuhlikanisehe Kaiuliihit für das
liürt;ermeister-Anit tluitsäeldieh von den
deutschen WähhM-n «jfeschlafren wurde. P^r
luitte dem Bürger- \'erein versi)roclien,
einen Deutschen als Vertreter in der
Schulbehörde zu ernennen, unterliess es
aber, "Wort zu lialten. Sein demokratischer
Xachfoljrer hat das Versäumte nachgeholt.
l'nterden Errungenschaften des l^ürger-
Vereins wäre zu verzeichnen: Die Beibe-
haltung und Ausdehnung des deutschen
Unterrichts in den ötfentlichen Schulen ;
die Einführung von ötfentliehen Turn-
plätzen in den städtischen Parks; die Ein-
führung von Sonntags-Konzerten in den
städtischen l^arks; die alljährliche Veran-
staltung eines deutsehen Tages; das erfolg-
reiche Zurückwerfen der Angriffe der
„Anti-Saloon Liga". In 1906 war es die
energische Opposition des Bürger- Vereins,
welche den Arbeiten der IJga Einlialt
that ; und wiederum in 1908 war es die von
einer Riesen-Demonstration. 8000 Deutsch-
Amerikaner, unterstützte Agitation in den
Ge.setzge])ungs-IIallen in Annapolis. welche
die Gesetzesvorsehläge der Liga erfolgreich
befämpfti'.
Ferner hat der Bürger- Verein oft Wohl-
thätigkeits-Anstalten und gemeinnützige
Veranstaltungen unterstützt. Manche An-
regung, die vom Bürger- Verein ausging,
wurde von der Gesetzgebung, respektive
dem Stadtrathe. in Erwägung gezogen und
trug irute Früchte.
Fnentwegt und zielbewusst arbeitet der
Bürger- Veiein. um eine .\enderung der
Snnntag.sgesetze zu erlangen. Eine eng-
lische Flugschrift, worin geschichtlich und
juristisch die Entstehung \nid Entwickluiii.'
des puritanischen Sal)l)athsgesetzes geschil-
dert wii-d. wurde in Tau.senden von Exem-
plaren gedruckt luid nach allen Richtun-
gen, wo möglicherweise ein Eintluss aus-
zuüben wai\ versandt. An die.se schlos>
sich alljährlich eine gedruckte Flug.schrift
über pi'ojektirte Verbesserungen.
Die zuständigen Beamten des Bürger-
Vereins 1908—09 sind:
John Tjarks, Präsident.
F. W. Wehrenberg. 1. Vize-Präsident.
August Köder. 2. Vize-Präsident.
Hennann Badenhoop. Sekretär.
Friedrich Lieder, Finanz-Sekretär.
Heinrich G. von Heine, Sehatzmeister.
Paul Johannsen. Anwalt.
Karl A. ]\I. Scholtz. Beisitzer zum Na-
tional-Bund.
A. F. Trappe, H. Hernuuii. Geo. Rauli.
Frank Reinhardt und Otto Brüggeniann.
^Mitglieder des Verwaltungsrathes.
Ln Ganzen genommen kann mit Befrie-
digung auf das Wirken des Bürger- Vereins
seit seiner Gründung zurückgeschaut wer-
den. Vierundachtzig der angesehensten
deutschen Vei-einigungen Baltimores und
Fnigegend. sowie viele einzelne Mitglieder
betrachten es als eine Ehre, demsell)en an-
zugehören ; und alljährlich einnuil. gele-
gentlich der Deutschen Tag-Feier, welili"
am 12. Septend)er. einem historischen
Feiertage IMaryland's. stattfindet, finden
sich 25.000 bis 30.000 Deutsche ein. um
froh uiul gesellig den Tag zu feiern, einfr«'-
denk Schiller 's edlen Worten, die sich der
Verein zinn Wahrsjinich auserkoren:
..Ja. wir sind eines Herzens, eines Bluts I
Wir sind ei)i Volk, und niiifi wollen wir
handeln I"'
DKH \ KHKINIC.TKN 8TAATKN VON A.MKKIKA.
833
Deutsch-Amerikanischer Staats- Verband von Michigan.
Dir (M-scIiii-lit«' «Kn Staats- Vorhaiult's
Mirliipit). eines der jünp<ten Zweijje des
National-Bjjiides. kniiii seil»stvei-stän«lli<'h
nielit sehr unifanjjn'ieh sein ; .jed<)<-h in Hin-
sieht des Krftiltjes in knrzer Zeit dürfte er
unter den zahlreielien Zweigen des Natio-
nal-Hundes wohl nieht an h'tzter Stelle ge-
nannt werd«'n. Die erste Ann*jjrunp zur
Gründung galt Herr Dr. (". .1. Ilfxanier von
Philadelphia, weleher nebst dem Sekretär
des Hundw, Herrn Adol|»h Timm, im No-
vember des Jahres llK»? na'-li Detroit kam.
l'nter dem Vorsitz von Herrn Conrad
Pfeiffer fand die erste Versanuidung in
der Harmonie-Halle statt, bei welcher Ge-
legenheit Dr- Hexamer in überzeugender
Weise Zweek und Zij-le d(»s Deutseh-Ameri-
kanisehen Xational-Hundes erläuterte und
aueh für das Dentsehthum von Michigan
die Xothwendigkeit eines Zweig- Verbandes
klar legte, um so mitzuwirken an i^-r
grossen Aufgabe des Deutsehthums dieser
Republik und vereint vorzugehen im
Kampfe für sein Reeht.
Dieser Anregimg folgend, wurde am 16.
Januar 1008 eine Ma.'wen-Versammlung in
<ler Halle des Sozialen Turnvereins aV)gehal-
ten. Die Betheiligung an derselben war
eine aussi'rgewöhnlit-li starke. \md das Re-
sultat war die (Jründuim eijjer Vereinigung
d«*s Detroit<'r Deutsehthums. weh-he als
Zweig de« Deutseh-Amerikanisehen Natio-
nal-Hundes gelten soll. Einem Aufruf an
<lie lVuts<'hen Detroits und speziell an die
IVen'ine wurde lM»reitwilligst Folge geleis-
tet, und sehon narh einigen Monati-n hatte
der neue ..Stadt- Verband Detroit" etwa ?••
Vinine mit über «Hkm» .Mitgliedern inid un-
geTähr 100 Einzel-Mitglieder in seinen
Reihen. Als Beamte der r.tuen Vereini-
jgiuig wurden folgende Herren erwählt :
Prä.sident. Fritz Ciünther; Vize-Prilsid<nt.
Joseph Bogenrieder: zwi-iter Vize-Präsi-
d«nt, Carl Bauer; Sekretär. Henr>' Pfeiffer;
Sehatzmei.ster. Fred. Brandt. Trotz vieler
.Miinnngsversehieilenheiten Ijei der Organi-
sation maehte der Stadt- Verband Detroit
gute Fortsehritte, tnid gegm die Wühle-
reien der Xativisten und Feinde der per-
sönliehen Freiheit konnte man nun mit gc-
.sehlos-sener Fnmt vorgehen. Denn jene«
lichtscheue Element. de.sKiMi Endziel <lie
Vernichtung der pei-söidichcn Freiheit ist.
ist auch hier in ziemlieher Anzidd vor-
liiindcn.
Die näehste AufgalM- war die Orgjinisa-
tion ein«*s Staats- Verbands. Auf Anregung
des Stadt-Verbands Detroit, und einem
.\ufruf de.s.selb<'n Folge leistend, fand am
H. September 1908 eine Konvention in
Detroit statt. Fünfundsiebzig Vertreter
deut.scher Vereine des Staates Miehigan
waren eiNchii-nen. und zwar aus folgenden
Städten: Detroit. Laiising. Ann Arbor.
Jackson. Manchester. Owos.so. Saginaw.
Sebewanig. Warren, Westphalia. Wyan-
dotte und Ypsilanti. Die Konvention war
in jeder Hinsieht erfi>lgreich. und die
fJründung eines Staats- Verbands als Zweig
des Deut.seh- Amerikanischen National-
Bundes war beschlossene Sach«*.
Die Beamten des Staats- Verban<les sind:
Präsident. Wm. (ient.s<*h: \'iz«*-Präsidenf.
Rudolph Woreh ; Sekretär, Dr. E. Rosin-
ger; Sehatzmei.ster. Christ. Schlenker; Bei-
sitzer zum Xational-Bund, Henn. Pisto-
rius. So hat niui auch Miciugan eine Ver-
einigiuig des Deutschtlnuns. welehe als
Zweig des National-Bundes sieh den an-
deren würdig an die Seite stellen kann
.Miige sie in der Pflege und l'rhaltung deut-
.seher Kultur ihren Pflichten stet« gerecht
werden, im Kampfe für unsiTc Rechte und
Freiheit in erster liinie stehen als Ruferin
im Streit.
llfnnj Pfeiffer.
834
DKR DKUTSCH AMKHIKANISCHE NATIONAL-BUND
Als im Frühjahr 1!M)8 die Civic L('a<rue,
die Anti-Sah>oii Lt'a«:iii' und andere nati-
vLstisclie. muekerisehe und fremdenfeind-
liohe OrL'anisationen ihre irejren die i)er-
söidiche Fi'eiheit jreriehtete Ajritation im
Staate .Mirhiiran l)ejrannen. da war es der
deutsehe Reehtsanwjdt und Journalist
Rudolph Wonh. der Herausgeber und Re-
Verband betheiligte sich mit Erfolg an ilei
Stadtwahl im Ai>ril und luilf später ii
Detroit bei dei- (Jründung des Staatsvcr
bandes. der Hrn. Kudolpli W(»reh zu seinem
Viee- Präsidenten wählte.
Rudolph Woi'cli. der gegenwärtige Viee
Präsident des Deutseh - Amerikanisehei
Staatsverbardes von Miehigan, wiu'de im
RUDOLPH WORCH.
Vize-Praesident des Staats- Verbandes ^/lichiKan.
dakteur des in Jackson, Mich . erscheinen-
den „Michigan Volksfreund", welcher eine
deutsche ]\Iassenvei*sannnlung in Jackson
einberief, in der dann der „Htadt verband
Jackson" gegründet wnrde, dem fünf dor-
tige Vereine beitraten und der den Ex-
Senator Hugo C. Loeser zum Präsidenten.
Carl Eberle zum Schatzmeister und Ru-
dolph Worch zum Sekretär wählte. Der
10. Juni 1846 in Potsdam geboren, kam in
April 1862 nach Ajuerika und trat sofor
in die von seinem Vater kommandirte Koni
pagnie „E" des 68. New Yorker Freiwilli
gen-Regiments (der sog. Cameron RiH<^
ein.
Nachdem er kurze Zeit im Felde ge-stan
den, wurde er krank und kriegsgefangon
doch gelang es ihm, zu entfliehen, woran
DKK vki<ki.\h:tk\ staatkn von amkkika.
»'!• im Oktolx'i- *»;2 nacli WjLshinjjton zu- ilmt" (<|rii «t ^ründfii halft. uikI Kpätt'r
rütkki'hrtc. Dort war vr Machriiiaiiilcr am ..('iiirintiaticr Volkshlatt" (iiiitrr llas-
INistlM'amttr (im Militärl)<>|>aii<MiMMit i
und Sfhulmt'ister. Von lH(i«i an war i-r
journalistisch thäti«;, und /war zuerst am
Haifimort' ..('orri'spontl«'iit " ( untiT Col.
Kr»'(|. HaintO. dann am ..NtMU-n CorrcsiMtn-
sauHM'k . Anfangs 1S72 üIxTiiahm er
dann die Srhrifth'ilunt: dtrs ..Mithi^an
N'nlksfn-und" in .Iarks4Mi, .Mi<*h.. dt-jituMi
Ki^fi-nthümcr ««r h»*ut»* ist und «li'H «t «Tfolif.
rrich leitet.
Zweig- Verband fuer Missouri und das suedliche Illinois.
Wenn dio (Jeschichte einer Vereinijrunp
sehriftlieh nieder^elopt wcrd« n soll, dann
mantrelt es oft an Kaum, allen Keeht anjre-
<leihen zu lassen, welche an dem schwieri<;en
Aufhau miti:earl)eitet hahen. (hxh Khre.
<leni Khre ^'ehührt. Darum muss vor allen
l)in«ren dessen ^'edaeht wt-rden. dessen
Kner^rie und Thatkraft den I>. A. National-
Bund nicht allein ins Lelvii frerufen. son-
«lern ihn auch üln-r das ganze Ijand ausge-
dehnt hat. Rs war unser verehrter BuTides-
Präsidcnt, Herr Dr. ('. J. llexamer. auf
dessen Autfordi'rung hin nach längeren
Vorl)«'S|)n'chungen am Freitag AImmkI. d«'n
<». Mai 1!MI4. unter den Aaspicien des Schil-
ler-Vereins die ei-ste Vei-samnduug deut-
scher Männer in der St. Ij<»uis Turnludle
stattfand, und wo der Beschlu.vs reifte.
au«h in St. liouis einen Zweigverhand zu
gründen.
An der unter dem \ oi-sitz ti«« nun v«'r-
storhenen Herrn Dr. Max IleiMpel tagendeii
Versanunlung nahmen theil- Dr. Carl
Bank. Ott.» F. Stifel. I Osthaus. Dr
Hugo Kothstein. Aug. li. IIotTmaiui. Dr.
Oeo. Richter (der die Versrunmlung eröff-
nete). Carl A. I/cihnitz. II. Ilappel inid
Frau Feriuinde Hichter. Das HesultAt
diesjT ersten VerRamndurjg war «lie (Jrün-
dung des Zweigverhandes für MLss<iuri und
das südliche Illinois, wt-lche am 17. .luni
l!K)4 im seihen I^>kal erfolgte. Neunzehn
Vereine 8ehloK.S4-n Kieh sofort «leni neuen
Zweige an. Ks waren: Di-r St. IxiuiM
Turnverein. So<'iale Sängerchor, St. liouiü
Sängerhezirk. S^M'iah' Turnverein. Sadwn
Cnterst. -Verein. Schiller- Ven-in. ('«mcortlia
Turnverein. H«M-kspring Turnverein. .\ord
St. Louis Binidcs-Chor. DfUtsche .Militär-
Verein. West St. I..ouis Turnverein, (Jerma-
nia Theaterverein. Allg. Iless«>n Cnterst. -
\'erein. Baden Sängerhund. Freie Männer-
chor. I)eut.sche Landwehrverein. I.,i«Hler-
kranz Kluh. Freie <iemeinde von Nord St.
Louis und Freie (»emein<lc von Süd St.
Louis.
Die konstituin-tidc Versjimndung nahm
nach längerer Berat hung die Verfassunvr
des Bundes nelwt Nehengesetzen an. Da-
rauf erfolgt«' die Wahl des ersten Vorstan-
di-s mit folgcnileni Hi-sultat : rrjlsident —
Dr Carl Barck : Vizi'-Brä-sitlent — Dr. (i«»«».
Richter; 2. Vize-I*räsi<lent — Chas. A. Leih
nitz; Sekn-tär — Leo (Kthaus; Finanz
Sekn*tär — Wn». I'etersen; Schatzmeister
.\ug II IJiitTnuiini und Schriftführer —
Ferrumde Richter. Der Vorstand wunlc in
der folgcndi-n Delegaten- V«'rsammlinig. am
!•». Aug\ist. «hirch folgende Mitglii'dcr «-r
gänzt : Dr. Kmil l*reet«»rius. K<1. C. Kehr.
Dr. D Heller. Dr. Max Hempel. Dr. F.
KollM'nhcvcr. Dr. Chjis. Weinsherg, Dr
(fUKtav Nautze. Otto F. Stifel. R. von Ap
piano. Julius Bogner. C. O. l*f«'ifTer. R.
Hüsgcn. Ottii K;tliii.vir und William
Seeger.
836
DKK DEUTSCH-AMKRIKANIS( HK NATH)NAL-BUND
Cfleieh im ersten J.ahre hanteii des Vor-
stniules ernste Aufirahen : Die Vorbereitun-
gen für den initer den Auspizien des Bun-
des stattfindendiMi „Cieniiniiisehen Kon-
gress" sowie für ilen ..Deutsi-hen T.ifr" auf
der Weltausstellung:.
Der ei-stere wurde am Hi. uikI 17. Sep-
tember ahirelialten und truy mehr einen
akademiselien CliaraUter. Flr brachte eine
Anzahl interessanter Beiträge zur Ge-
sehielite unseres Volksthums in den Verei-
nijrten Staaten und vei'iuittelte einen Ge-
danUenaustauseh mit den Leitern des Bun-
des, wie Dr. Ilexamer, Prof. Learned, Dr.
Beek. Ad. 8innu. Prof. IlaniKt Deiler. Dr.
Kern u. A.
Zu einer gewaltigen Kundgebung von
naehhaltiger Bedeutung gestaltete sich der
Deutsche Tag auf der Weltau.sstelhing, am
6. Oktober 1904. der einen glänzenden Ver-
lauf nahm. Die goldenen Worte, die von
so begabten Rednern wie Dr. Emil Preeto-
rius, Carl Schurz und Reichskommissar
Dr. Lewald vor dem Deutschen Hause, von
Dr. .Ma.x Ilempel. Dr. Otto Heller und Ed.
C. Kehr auf dem Kommers gesprochen
wurden, werden unvergesslich bleiben.
Im l^'brigen betleissigte sich der junge
Biuid im ersten Jahre einer regen Propa-
ganda, deren Resultat der Beitritt mehrerer
anderer Vereine war, so d.iss am Schluss
des ersten Jahres dem Missourier Verbände
26 St. Louiser Gesellschaften angehörten.
A\if Anregung des Bundes wurde eine drei-
tägige Gedächtnissfeier zu Schillers 100-
jährigem Todestage veranstaltet, die einen
tiefen Eindruck auf die ganze Bevölkerung
von St. Louis machte.
•Mit jedem Tage seines Bestehens ent-
wickelte der Biuid eine grössere Thätigkeit.
Sein Bewerben beim Schul rath der Stadt
St. Louis, den deutschen Abendunterricht
wieder in den Iloclischulcn einzuführen,
war erfolgreich. Die Hauptarbeit richtete
ef jedoch im Jahre 1905 auf die Be-
kämpfung des Sonntags-Zwanges.
(;ewissenlase Heuchler und wortbrüchii;
Beamte hatten Mis-souri die Fesseln einc.v
längst verges.senen Soiuitagsgesetzes aufer
legt. l*roteste wurden verfas.st und in i
Tausenden von ExemjJaren vertheilt. Der
Wortlaut dieser Kundgebungen zeigt-
deutlich, dass es sich nicht um eine Bier
frage, sondern um einen Prinzipienkarapf '
handelte. Der Kampf nah.m eine derar-
tige Ausdehnung an, dass am 11. Juli 190'.
ein Bureau unter der Leitung von Wm.
C. F. Lenz eingerichtet wurde, von welchem
nicht nur die Proteste versandt und Lüsten
mit Unterschriften von 7.3,000 gegen den
Sonntagszwang prote.stirenden Bürgern pe
sannnelt wurden, sondern auch regste Pro
paganda für Ausbreitung des Bundes ge-
trieben wurde. Es darf nicht vergessen
werden, dass 1500 Frauen gegen das Sonn
tagsgesetz protestirten. Das Resultat de
Fehde war, da&s die dem Staate drohend
Prohibition einstweilen verhindert wurdf.
und wennschon unsere Gasthäuser ge-
schlossen gehalten werden rnussten, unser'
Turn- und andere konstituirten Vereint
für ihre Mitglieder offen Haus halten
durften. Ein weiterer Erfolg war. das.<
unser Zweigverband in grösserem MfKs-
stabe im ganzen Staate bekannt wurde und
dadurch stetig mehr Anhänger gewann, in
St. Louis sowohl wie in den anderen
grö-sseren Städten, wie Kansas City, St.
Joseph, Joplin, Sedalia et^., welche Herr
Lenz auf seinen Propaganda reisen besuchte
und gleichzeitig an diesen Plätzen viel'
Vereine als weitere Mitglieder für den
Bund gewann.
Auf der im Oktober 1905 zu Indiana-
l)()lis tagenden Konvention (Herr Dr. Cari
Barck war inzwischen am 1. April 190.)
zum Beisitzer erwählt worden) repräsen-
tirte die Missourier Delegation bereit.s
einen Verband von 47 Vereinen und 43
Einzelmitgliedern. Diesem dritten Natio-
nal Konvent wohnten bei : Dr. Carl Barck
und Frau Fernande Richter als Delegaten.
Herr Leo Osthaus als stellvertretender
I>KK VKREIXICTEN 8TAATKX VON AMKRIKA
837
Drlf^'Ht, aus.s«*nl«'iii Dr. (mmi. Kichirt*. Wm
('. F. Lenz und Ost-ar Ilorn n«*l>st Fniu
Inzwischen «lauerte der Kampf in Mi«-
souri für und f;ej;en die Sonnta^H^'esetzo
fort und führte oft zu ernstem MeinunR«-
austauseh in Wort luid Sehrilt. Dr. (Jeo.
Kiehter war VoiNitzender de-s speziell er-
luiiintiii Kxekutiv-Koiiiites. welehes euer-
^iseh Front ^re^en alh- I'.-!».!"! ilT.- il.r J'r<>-
hiliitioni.sten niaehte.
Hin j;ros.si*r Verlast traf d«n Zweijjver-
haiul am 19. November dur^h <len T(h1 des
Herrn Dr. Kmil Preetoriiw, des lanj; Ix«-
wjihrten Führers doa Deutsehthunh <ler
Stadt St. liouis.
Da sieh im Laufe der Z«Mt verschiedene
Vereine ausserhalb der Stidt dem Zweitr-
verbande an«rese blossen hatten, wunle in
der .lahresversammlun«^, .nii 2. Februar
1906, eine Krweiterun^ d«*s Vorstandes be-
sehlos.sen unil es wurtlen foltrentle Ueainiten
gewählt :
PrJLsident. Dr. Ilu-ro Mav von Starkloff,
St. Louis.
1. Vize-i'räsideut, Dr. E. von (^uast,
Kan.sjis t'itj',
2. Vize-Präsident. C'has. A. Leibnitz. St.
Louis.
3. Vize-Präsident, (i. L. Götz.
4. Vize-Präüident, J. A. Val. Schmidt.
'). Vize-Prilsident. Hernh. Köstei-s.
Sekretär. L«*o (Ksthaus.
F'inanz-Sekretär. W. Pet'.'rscii.
Schriftführer, Fernande Hichter.
S«'hatzmeister. Auf». L. IIolTinann.
l'nd folp'nde Direktor mi: Dr. Ilu^"
Kinncr, Ijouis Wcssbecher, Kmil Leon-
hardt. Chas. S<-hwcickar<lt. Dr. <ico. Kich-
tcr, Wm. ('. F. I^nz. Wm. Vach. Lous Sel-
zer. JuliiLS Friton. ("has. I'feitTcr. Dr. A.
Wciih. Krn.st Ilosan^, A. Drcifuss. I'h.
Morlant'. Theo. Lanjje, alle in St. Ii«»uis an-
siLssifr, und John Nusser. St. Joseph : I^eo
K. Friemel, Sedalia; ('h;is. <iünp*rich.
Jopliu; G. C. Thilcnias, t'ap«' CJirardeau;
Emil Hrau.se. California, nm\ II. Galbii-
beek, Ost St. Louis.
Im Februar l'.i(>«l entsandte der Verband
!)elet;atcn nach Witshin^ton, um die Ilep-
burn-Dolliver-Hill zu l>ekämpfen. Auch
nahm der Verband cnerjriseh Stellunj; ^e-
Ki'U die Venw'härfunj.' der Kinwanderunpi-
Gesetze.
Am 18. Mai desKel)M>n Jahres wurde das
unter dem Vorsitze von Dr. (Jeo. Richter
funtrircnde K.xekutiv-Komite aufi;e|«ist. Der
\'orstand bcschbiss. den Kampf ^re^en di««
Prohibition persönlich zu leiten. Dr. Carl
Harck hatte am 11. Mai als Hundesltei-
sitzer r«*sijfnirt, tuid am \'2. Mai rcsi^rnirte
auch der Präsident Dr. Ihmo Max von
StarklotT In «Icr nächsten Sitzung; des
Vorstantl«*s. am 1'). Juni l!»<i«». wurde Herr
Wm. Prufroek als PriLsident erwählt tjnd
ciiureführt.
Lei<ler erfuhr auch in diesem Jahre d-r
Verband einen .schweren Vcr'iist durch «len
Tod de« Dr. Max Ilempel. v.elcher nach
einer schweren ()j)cration starb.
Am 29. Septeml>er 19rM) vcran.staltete der
Zwei^rverband eine I)eut.s<*he Taj; Feier in
den herrli<'hen Tyroler Alpen, welche durch
die Anwesenheit des Bund •s-Präsidentcn
Dr. C. J. Ilexamer und des Puiules Sekre-
tärs Adolph Timm von Pliibnb'lphia no<'h
an Hedeutunj; «ewann. Leider wurde das
wohl vorbereitete und gut arranjjirte F«*8t
durch »Huiufhörlichcn Heitren erheblich pe-
sehäditrt. wenn auch die Stimmunp in dem
Fistsiud «»ine gehobene und fretidipe war.
Die Vorstandswahl am S. Jajiuar 1907
zeitigte folgcmlcs Resultat : PriLsident, Wm.
Prufroek. 1. VizePrii-si«lent. Gust Giitz:
2. Vize- Präsident, i'hiw. .\. Leibnitz; Sckn».
tär. Wm. C. F. I^-nz: Prot. Sekretär, Emü
Le<inhanlt. Finanz-Sikrctär. F. J. Cartail
iuhI Si'hatzmeistcr. .\utr. II. lIofTmann.
Direktoren wurden dii- Herren: K«lw. V.
P. Sehneiderhahn. I/»uis Wi^sbivhcr, Dr.
(Jeo. Richter. Chas. A. PfeitTcr. Hernh.
Kösters. I/<'o (»sthaus. Chas Sehweikhanlt,
J. A. Val. Schmidt. Dr. Ilu-.'o Kinncr. Ph.
Morlang. Oscar Ilorn. Wm. Vn«'h. Juluu»
Honvrner und l>r \I.v W. rtl« Im L.iufe
S38
DKK DKrTSCH A.MKKIKANISCIIK XATIONAL-BIM)
(li'.s Vorjahres Iwittcii Kansas City und St.
J(».sfpli Stä(ltf-\'frl)äiMl(' iroirrüiult't inul
oi«;»'nf licanitt'n i-iwälilt. Kansas City Di',
von Quast und St. .IiKi-pli .Inlm Xiissrr al.s
Präsidcntfu.
Aidä-sslidi des 7"». 'I'odfstayos des Dieh-
t(M-fürstt.'n .Johann WoItVan»: von (Jöthe
veranstaltoto der Zw('i«rverein St. Louis im
April limT ririr akadcniisclu' Feier unter
Mitwirkun«: der deutschen Tlieater-lJesell-
.schaft.
Durch Veranstaltung dieser würdigen
(i'edäehtni.ssfcier hat sieh dei' Zweigverliand
nielit nur seinen Mitgliedern, sondern auch
aiLsserhalh des Hundes Stehenden gegen-
über ein hohes Verdienst erworben und zu-
gleich den Heweis geliefert, dass es ihm
ernst ist mit seiner Aufgabe: der Aufrecht-
erhaltung und Förderung des Dentsch-
thums.
Einen der bedeutendsten Fortschritte,
den der Zweigverband zu verzeichnen hat,
ist die Einberufung einer Staats-Konven-
tion und die Gründung des Staats- Verban-
des für ^lissouri und das südliche Illinois,
welche am 6. September in der St. Louis
Turnhalle in St. Louis bewerkstelligt wurde.
Während im Oktober 1905 der Zweigver-
band nur aiLs St. Louiser Vereinen bestand,
hatten sich im Laufe der letzten zwei Jahre
infolge der Protestbewegung und auf di-
rekte Agitation hin auch Vereine von vielen
Städten in Mi.ssouri und Illinois als ]\Iit-
glieder aufnehmen lassen. Die bestehende
Organisation des Zwci«rvei'bandes wai- nicht
mehr den Verhältnissen entsprechend. Da-
her wurde die (Jründung von Städte-Verei-
nigungen zur dringenden Xothwendigkeit.
Durch die Konventions-Beschlü.sse vom 6.
September 1907 wurden die einzelnen
Städte selbständig. Jede Städte- Vereini-
gung organisirt sich seither in Ceberein-
stimmung mit den Gesetzen des Xational-
Bundes. unabhängig von den ül)rigen
Städte- Verbänden. Das Ganze zentralisirte
sieh hinfort in dem Staats- Verband für
]Mi.«-*!0uri und das südliche Illinois.
Die ei-ste Staats-Konvention verlief sehr
harmonisch. Es waren auf derselben .')4
N'ereine durch V2() Delegaten vertreten, oii
wohl der Zweigverband damals .■^chon i)4
\'ereine als Mitglieder zählte. Der neu <:.
gründete Staats- Verband erwählte fid^einj,
Beamten: BiHulesbeisitzer. Wm. ('. ].■
Lenz, St. Louis: PriLsident, Edw. V. ]'.
Schneiderhahn. St. Louis: Vi/.e-Präsideiu
John Li])pert, Kan.sas City; Schat/.meLster.
Aug. H. Ilott'mann, St. Louis; Korresp
Sekretär, J. A. Val. Schmidt. St. Louis, und
Prot. Sekretär. Chas. Botz. Sedalia.
Im Ziusammenhang mit der Staats-Kon
vention feierte am 7. September der Vcr
band seinen Deutschen Tag in den ForiM
Pai-k Ilighlands in St. Louis. Leider wiinl
die Feier am Abend durch Regen und (Je-
witter sehr beeinträchtigt, dennoch kann
sie als grosser Erfolg bezeichnet werden.
Im Oktober 1907 .sandte der Staats- Ver
band Herrn John Xusser von St. Joseph.
Beisitzer Wm. C. F. Lenz und Frau Fer-
nande Richter von St. Louis zur Hundes-
Konvention nach X'^ew York, deren Resul-
tate in einem Berichte des Beisitzers dem
ZweigA^erband unterbreitet wurden. .'i(HMi
Kopien dieses Berichtes wurden als Propa-
ganda-]Mittel gedruckt und versandt.
]\Iit grosser Genugthuung kann der
Stadt-Verband St. Louis auf die Erfolp-
der Jahre 1906 und 1907 zurückblickt'n.
denn in dieser Zeitspanne erweiterte sifli
die ]\Iaehtsphäre des Verbandes in Stadt
und Land bedeutend, die Zahl der ihm an-
gehörenden Vereine wuchs auf über hun-
dert, auch verbesserten sich die Finanzen
des Bundes ganz bedeutend.-
Den Prinzipien, die es sich gestellt, nicht
nur einen Verband ins Leben zu rufen, son-
dern ihn auch auszubauen und zu erhalten,
und ihn zu einem kräftigen Bollwerk pe?cn
das ;^^uekerthum zu erheben, i.st Missouri
stets treu geblieben. St. Ijouis ging mit
gutem Beispiel voran, aber auch St. Jo-
seph, Kansas City sowie Joplin. Sedalia und
andere Städte haben Grfts,ses gelei.stet —
DKK VKKKINUSTKN STAATKN VON AMKUIKA
RHU
all<- luilu'ii IIhimI in Ihuid ^'fiirlu'itrt iiini
in (l«'iii .lalirr l!KiS niich inif |i(ilitis(>liciii
Fi-Mf Krfnljif fr/i«'lt.
I)it> für (Ins Jiihr l!H».s .^'.waliUi'ii Hniiii-
tni «It'.s Sta«lt-\'<'rli:iiul«'.s St. htmis sind:
I*nLsi(l»*nt. <m'o. Uückoldt : Vi/»« Priisiih-nt.
i'hns. Lfihnit/ : 2. \"i/.» -I'rä-siili'nt. H«'ii.
KösttTK; Sfhat/iin'ist.'r. Aui:. II II«>iTiiiaiiii :
Korr. Sckniär, Win. C K K«'n/. ; l*r(»t.
Srkr»'tär. Kiiiil hfonliaiilt ; Fin.-S.«kr«'tär,
F. .1 ('artall. I)«t Sta<lt-Viihan«l St. .Fo-
s««|>h iTwälilti- Ilt-rni .Inhii Niis.sfr /tun
l*rilsi<|t'nt<'ii ; »It-r Sta«lt-VciliaiHl Kansas
("ity Ilcrrii Win. Li|»|»t'rt : Ost S». I.ouis
HiTfii W. HrrltiM'k: ('alifornin llrrni .I«ilm
Asahl : Si'dalia llt-rrii Clias. liot/; .Joplin
II«'rrn I- K. Vuskainpt.
Im .lalin- l!H>S saluMi »li«' nn-isti-ii Stäiltc-
V«'rhän<le von irrüsstTfii Ffiern al). OKst-hon
St. liOiiLs (las l(N)jii))ii<4i- .liilti itiini von
Fichtt-s R»'(l«'ii an die ili-utsclu' Nation
<liir('h »'int' akadtMuisrh«' F«'irr in di-r Lii'drr-
kran/I lallt- unter der Lcitun*^ von •!. A.
Val. Schmidt in würdiy;t*r Wfis«- und rft-lit
«■rfoljrn'irh hr^inj;. (thsi-lmn St. .loscph und
Kansas City und auch Si'dalia dfutscln-
Volksfi'stf. und /war vor di-n l'rimärwah-
U'U. ahhifiti'n — im (iros.s«Mi und (Janzm
vorein irrten sich »lit* N'erliändt' /.ur jit-hcin-
Kam»*n H«'kämpfun|r <l«*s .Mu«k«*rtliums. di-r
l*rohil»iti«tn. zu i*in<*r Krzirhun^rs-Kainpajrnf
im Staatt* Missouri in Sa«-Iu'n <lfr pci-sön-
lichrn Freiheit.
rntt-r dem Vorsitz ties Präsident«-!! K»l\v.
V. 1*. Sehneideihahn hielten die Veit reter
der einzi-liien Stä«lte- Verbände. .lohn Nus-
wr. .lohn Lippert. C'has. Hotz. Auvr. II.
HofTmann. Wm. ('. F. Lenz. J. A. Val.
Sehmidt. ("hais. Leihnitz. (JiH». Küekoldt
und G. L. (lötz. Spezialversammlunv'en
ah und erläuterten «lii« später von allen Ver-
einen put^eheissenen Kampa«:nepläne.
Auf die an versehie<lent* (Jenossenwliaf-
t«'n erlassenen AutT(»rderun^'en für jtei
steuern zum Kam|>airnefond liefen hahl
v«»n allen Seiten ^'rös.sere lieiträpe ein und
« ni- trii -liten eine ener^iiwhe Durehfüh-
I !n c der Kampn(!ne.
Is war hesehlossen w«»nlen. v<»n Zeit zu
/.'eil aufklärende Pamphlete üIht «leii gan-
zen Staat zu .senden. - Uis zum 1. Sepiein-
her l!M)S en<ehienen vier Pamphlete: 1)
..Die F..l>ren «ier Prohihition"; 2) "Effwt
"t Prohihition": -i) " DitTen'Uee iN'tweiMi
r<-mpereiiee and Proliil»iti«»n" un<l 4* ein
illuvtrirte.s Pamphlet, die unlauteren Ziele
und Folgen der Pnihihition darstellend.
Wohl i-in jejler hat Kinsi«-ht in <li<'se Mro-
.»«•hün-n yenoiinnen. welche in Kxempiaren
von 100,000 und mehr nicht nur in .MiK-
.souri den ^-wünschten Krfojjr erzielten,
sondern auch auf Krsuchen weit üImt die
(Jrenzen de« Slaat»*s. in Ariz^ona, f'nliftir-
nirn. Ohio. Illinois etc. zur Vertheilun^.' ife-
lan<rten. Doch nicht ^'cnuj» mit »ler Ver-
lireituii!,' dies4-r Hroschüren. der Staats-
Verltand sandte auch He<lner ( u. A. tien
lM-rühmt< n Kämpfer Dr. Pedro Ilp-n) na»-h
Stiidt(-n. wo Prohihition in ..I./4N*al-()ption-
Wahlen" zu sieben «Imhte. Wo immer «h'r
X'crhand aktiv einjjriff. war der Sii-j; auf
s«-incl- .Seite.
AU die Primärwahlcn näher rückten,
stellte der Staats- Verhaiid Fra^'cn an
sämmtliche Kandidaten üher ihre Stellung-
nahme zur Pnihihition uml pcrsöidichen
Frciht-it uml verhreitetc «lic S4>dann fje-
druckten Antworten an all«- .Mit};lit-der und
Kampftrenossen. Kansas City und St. Jo-
seph hatten (ielepenheit. ihre Stärke in den
li>OH statt tindcndcn städti.scix-n Wahlen zu
zci|.'en. Sie nominirten einen >;n>KiM'n Theil
d<'r Kamli«laten und erwählten <|icsclhcn.
so z. li. der St. .luscph StJidt Verhand den
.\Iayor der Sta<lt.
In den Ta^cn vom '.i. Ins •>. < >klol».-r PMJrt
hielt ihr Staats X'crhand von Missouri seine
zweite .lahn'H- Konvention in «ler St. I/ouis
Turnhalle zu St. I^mis ah. in Verhindung
mit einer zweitäjrijren FciiT d«« Deutschen
Tayes anlässlich d«-« 'JJ.'»sten Jährest äfft«
der Landung der erstt-n <leutM'hen .NnsiiHl-
ler in (teriiiHntown. Die Konvention nahm
840
DEK DEUTSCHAMERIKAMSCHK XATIOXAL-BL'XD
einen ebenso hai'nioniseheii und voiwärts-
strel)enden Verlanf, wie die voi'.jähri.Lre und
es wartMi bei derselben 80 Vereiiir diiich
155 Delerjaton vci-tretcn. ol)gl('ieli der
Staats- Verband am Scblussi» des Vereins-
Jabres fine MitLrlicdscbalt von li^ö Vor-
eincn anf/nweisen hatte.
Die Heriehte der einzehien Hcamtevi über
die anjrestrenjrte Thätigkeit des Staats- Ver-
bandes von Missouri sowohl, wie des Stadt-
Verl)andes von St. Louis und die im ;ianzen
Staate erzielten grossen Erfolge bildeten
den Ibihepnnkt des p]nthusiasmus djr Ver-
sammlung und endeten mit der Ernennung
des Pi-jisi(lenten Edw. V. P. Schneiderhahn
Zinn Eliren-Pi'äsidenten und des verdienst-
vollen Kongress - Abgeordneten l\icliard
Partholdt zum Ehrenmitglied des Staats-
Verbandes, in Anerkennung ihrer Ver-
dienste um den Verband. Der bi.slierige
Bunde.s-Beisitzer Wm. C. F. Lenz wurde
l^er Akklamation wieder erwählt.
Ferner wurden die ursprüngliclien Be-
sehlü.sse der ersten Konvention gutgeheis-
sen, mit einem erneuten Protest gegen die
Vergewaltigung der politischen Rechte und
persönlichen Freiheit der Bürger durch
einseitige und unnöthige Gesetze, lespek-
tive deren Anwendung. Auch ein Be-
schluss zu Ounsten vo)i ,,IIome Rule" und
"Waldschutz wurde angenommen und auf
Emj)fehlung eines Spezial-Komites eine
Anzahl Kandidaten für Staatsämter indos-
sirt.
Als näehstjähriger Ort für die Abhaltung
der dritten Jahres-Konvention des Staats-
Verbandes wurde St. Joseph auserkoren
und demgemäss auch dieser Stadt die Zen-
trale übertragen, indem in Uebereinstim-
mung mit den Gesetzen die folgenden Be-
amten gewählt wurden :
Prilsident. John Xusser, St. Joseph.
1. A'ize-Präsident. John Lippei't. Kansas
City.
Weitere Vize-Präsidenten : Adolf Suto-
rius. Kansas City; R. Joucken, St. Joseph;
Cha.s. Botz. Sedalia.
Korr. Sekretär. Alfred Meier, St. Joseph.
Prot. Sekretär, Prof. Ernst Wolff, St.
Tiouis.
Sehatzmei.ster, Aug. Tl. IToffmann. St.
Louis.
Am lolgenden Tage, am Sonntag, den 4.
Oktobei-. fand die Fei(»r des Deutselu-n
Tages statt. Sie bestaiul aus einer grossar-
tigen Parade, einer Massen-Demonstration,
an welcher sich fast .jede deutsche Vereini-
gung der Stadt mit Fahnen. .Musikka|)ellen
und Ti'oiiiiiilei'-Korps. sowie Vertreter des
prominenten Deutschthums m Kutsehcn
betheiligten und in welcher sechs prächtige
histoiische Schauwagen mitgeführt wurden.
Obwohl die Kolonnen in Keihen von je acht
]\Ia])n marscherten, nahm es doch über
eine Stunde, um einen gegebenen Punkt zu
passiren, und ist die Zahl der Theilnchmer
am Zuge mit 25.000 stimmberechtigten
Deutsch - Amerikanern keinesweg.5 über-
schätzt.
Die Abendfeier im Odeon bildete gleich-
zeitig die EröfT^'nung der Deutschen Thea-
ter-Saison in St. Louis; es waren für diesen
Zweck vier patriotische Einakter auf den
Spielplan gesetzt: 1) ..AVeimar— LSOÜ":
2) ,, Vorwärts— 1815"; 3) ..Sturme.sgloeken
—1848" und 4) „Wörth— 1870". Die An-
sprachen der Ehrenmitglieder Edw. AV. P.
Schneiderhahn und Piichard Bartholdt
dürfen als Perlen dei- Rhetorik und der
Gesinnung bezeichnet werden und fanden
den stürmischen Beifall des Auditoriuni.**.
Wer diese herrlichen AVorte gehört hat und
sie beherzigt, wird nie zum AVrräther am
Deutsch-Amerikanerthum werden.
Ein flotter Konnners am nächsten Al)eiul
bildete den Abschluss der Deut.schen Tage
in St. Ijouis. Freilich nur der äu.sseren
Form nach. In der P^rinnerung werden sie
fortleben, diese Tage, Avelche die Bürger-
schaft deutscher Al)stanunung in Ali.ssonri
fester als je vereint haben in dem Bestre-
ben, das heilige Gut ihrer Väter, Jas auf
unantastbare Ehrenhaftigkeit, auf strentre
>rainieszucht und Jahrhunderte hindurch
I>I:K \KKKINHiTK\ STAATKN VON AMKKIKA. 841
erprobte K«clit.s- uiul (M'tvchti^rkt'it.s-IVin- siuhti" (lasi|l»st dir kntliolisclii'ii l*farr>«'liii-
zipion ba-sirt»' Htvht «Kt pi'i-söiilicln »i Fn'i- Irn, AMttirit'tit «Irr St. l<<MiiK rnivi-rsita'
heit zu uahnii. zu .schützen, :u Intj^n und iiml «l«*s .Iura ('ullf^r «li-r WasluM^toii lin
zu pfluji i> v«*|-silät. Anwalt und .Mit^li«*d i|«*s ( Uht-
Schlirs-s« II wir unsi-rn: Iti-r flit im di-ni It»'- haiisrs
w.i.sst.s..in. in <|,.n vi.-r .lainvn i\.'^ ii.-str- ./„/,„ i,,^,,„rt (4). l'raMdmt drs Stadt-
lu'iis d,^s Zuviirv.'rl.and.'s von Missouri v- ilnn.l.-s Kansas City. fr.-l)on-n lK4r> in
(Illinois ist in/\vis(.|i.'n s.'lliständi>: .^'.-wor- .\,.,iall.rnr..uth. hay.Tn. ls:,:{ ..injr«-.v"nd.Tt
den) st.'ts nur das WrsW L'«*wollt /u hnh.'n. ,„„.|, ToU-do. Soldat im Biirtr.-rkri.-t: unt.-r
"'^•ht zu iiT.'nrn pcrsiinlich.'n Vorthril siimuan. «»it 1S7!» ansiissij; in Kansus
und NutziM). sondrrn zum Wohl di-s >ro- city. |),.korat.'ur und MaU-r von Pro-
sammtt'ii Staatswcsi'Ps ftnisitm
Mö};rn unsiM'»' Nachfol'.'fr und unsere , , i- • ^. i ,, ,-\ .. ■ »•• •
- . , , . ,. , . , ,, . '/. .1. \(U. Srinindt (;j). Sfkretar d'S
Na<'likommi'n ni die »rNMchi'n russtapfi-n .... i i m i .w o
...... \ Staatsverhan<H*s Mo.. p-lMiri'H am 2(». Sep-
treti'U inid für die lichn-n Zicli- und fort- . ■ i^,-» m i r . \i • i
t<'ml)i'r IN(>.{ zu !• raiikfurt am .Main, als
selirittli«lu'n humanen Hestrchunii 'U «les i- .. iw^n i ♦ •
~ K;iutm:uui «'rzoirrn. IHh!» «'ui^ewandert in
I). A. X. Bundes weiterkämpfen, uiul «li«- » -i. i w<< i : i n . •. t^iiui
' Amerika, nach St. Louis, tlaselltst s«'it IH'Ml
Krlialtiin<; rn<l l*Me,'e i\fv Mutterspraehe i 4 u i i i. \%- 1. l'. 1 1
"^ ' als erster liuehhalter eines \N elt-Ktahlissc
ni«'lit veniaelilässifren I ., «i-.;
"^ liieiits thatltr.
\<innii th r IliaiiiliH. Auff. IL llnffiminii (Ci). p«'lM»ren am 0.
Die Beamten des Staatsverbaiules Mis- ''""' '^'•" '" ^^- '^•'"'^- •^'" • »"•'^""••"•- «•"-
souri sind auf Seite S42 al)^rel)ihlet ^•"'"*^ •^'•' ♦l«-»'t'<»'»»'" S.-hulen. :«> Jahr.« in.
.,, . f , •, , , . Kisenwaaren - (i«*sehäft tliätip; Direktor.
f fias. A. Lnhiiilz ( 1 ). \ ize-l'ra^ideiit vis i, • •• 1 . 1 . ,..,„. 1. • • i » j
...,,,,,,,. , . \ ize-rrasideiit uml seit l'MKi Präsident d"r
Stadtveihandes St. Louis. »r,.|,oi,.:i am _'S. .. ,,,,.. ^ o ■ 1 i 1 xi»
, •,,,., ,,., , . , North Westein Savin^r^ Bank. 4 .lalire Mit
.Juni Ls<)j zu hilenlmri; in S:iehsen. erzt»}ren , , , ... , .. • . •. 1
,..,,,. . „ . . 'Mied des Olierhauses. SehatZllielster des
in Leipzip. Kaurmann von Profession, seil , , • m- 1 o. 1.
,^,^,-. . . ., .- , , . . . Staatsvei handes .Mis.souri und Sta<itver-
handes St. Louis.
IHSO in Ameiika. LT) .lahie in dem Putz
waaren-Knpros-G'est'l.äft vi n (Jaier »ii Stroh
Müly (•«».. und seit fünf .Jahren Direkt«. r ''■ -l ■ <'("ioll (7). peh«.r.-n am lö. D.wm-
und Theühaher. Sehr aktiv in «h-iitseh. n '"''" ^^^'^ '" Hniuns.-hweiv. «lort erzogen.
iin«l lM'i«.ndei-s Sän«r.'r-Kr«M.sen. Kaufmann von B.'riif. s.'it ls«^l in Ame-
M- /• I' f ,.1 I, 1 .. lika 'riieilli.ili.i' .•in.'-. l-'iiirros-BauhoIr
dm. f. /•. Lf HZ (2). Bumles-Beisitzer ] .. '
für «len SlaatsverhaiKl .Miss<.uri. Skn'tär '•«'^'••'"f'''"
d.'s Sta«ltverl.an«les St. Louis, pelion-n am f"'"' -^'"•''*'^'' (^^. Präsith-nt «h-s Staats-
1. Mai IHh zu Lan.lsherpa. W.. erz..ff.'n da- verhaiul.'s un«l «les Sta.ltv.'rl>an«l.'s St. Jo-
«•Ihst als Kaufmann, spät.-r in Berlin, s.-ph. IlerausHier «h-r St. .lo-eph ..IN.st " .
Wi.n. Tri.-st. seit 1H87 in St. L..uis als jr»'»H.r«'n zu Burpen in Bayern am 14 .luli
\aufmann thätip. spät.-r als ,I<.uinalist hei 1^'»*- »'rz'»».'«-!! in Aupshurp h'k L»«hrer. ein-
her ..Amerika". Vier Jahn- Berniter der ^"•^^»ll«l'•rt 1S7:{. Im Zeitunv'sp.*s..hiift
A'eltaus.st.'lluiip. dann L.'if.-r «les Kam- '•''•' '^' '''"^^ '" M'l«»uk.-.-. «lann Si. Louis
.apiM'-Bur.'aus «h-s NatioiialPim«l.-s in .Mis- « '"1 >'»" '•> •'^' .l";e|.h. ( II-" \' '^ --r ^tirl)
«»uri. S«'it 1:mi.'» Anp.-ste||ter «l-r ..\V«-stl:- aiifanps d.-s .lahr«-s 1«m;«>. i
•>«'» l'<»st*'. f',,,// \\ /• Ltnnhanll (in. p.'lM»ren ISÜ',
r. /'. Silnit idtrhdhii (iti. Klir«-npriLsi- in Calw. \Vürtt«'mh«'rp. seit IHSM in St.
«'iit «l«'s Staatsverhan«I«'s Mo., pelwiren a»M Louis. .Mo.. Beri«'ht«Tstatt«T der ..Westl.
■i. September 1874 in St. L«»ui.s. Mo., he- Post" v..ii issti bis IHfW. später S«'kretiir
842
DER DKrTSClI AM KKIK ANISCHE NATIONAL-BUND
nKi
{ XKIfKIMCTKN STAATKN \«».N AM l.KI KA.
R43
«los 31. Natioiml-Siin^ffrft'stt's <l»'s N. Am.
Säü^frliundrs. jHzt Ituchluiltfr l»'i Otto K.
Stifcl. prot. Srkrt'tär «It-s StjMltv.rl>{iinl.>s
St. Luiiis.
i'hns. lintz (10). ^fliortMi zu Zfiitlifiii
in Hjulni nu\ 2!». Mai 1858, Bu<-Ii(lnirk r.
I[«'rams^r«'l)«'r (l«'s ..S«><|jilia .loiiriinis". «»in-
«rrwandiTt 1874. s«'it 18S2 in Si-dalia. prot.
S»'kr«*tär ili-s Staatsv«'rl)an(I(>s .Mis-sowri.
litnih. A. Knisttrs (11). ffolMjrt'ii am 1*>.
Fchruar 18.V2 in Wistf lu-i Wrrlt«' in Ilan-
n(»v«M\ Irintf «ln.s TiKchlcr-ilandwrrk. sfit
«Kmii \). SrptnnluT lh73 in Amerika. K«»n-
tntktor innl liaulifrr. Viz<'.|*ni.siiU'nl »Irh
Stallt vrrlMUul«'s St. I^'uiis.
(itit. IkiitrknhU (121. wurde am 14. .la-
nuar 1S.'>2 in Waldliappil. II«*.ss«'H-Nas- i
jrtlKirtMi. rrlcrntf da.s Ti.s«'hlfr-nand\\«: ..
seit 18S1 in St. liouis. im wIlM-n .Iah:«-
.sclltständi^ als Fabrikant. IVäsidmt lunl
Kijri'nthüiiH'r dtr Stjuuii-KtKikoldt Fi.\-
turc Co.. I'rä.si<|int d»»s Stadt vcrliHiidri
St. LouJK.
Deutsch -Amerikanischer Zentral -Verband
von New Jersey.
I)»'r DcutscIi-AiiH'rikaMisflit' Zt-ntral-X'cr-
Imnd von New .It*rstv wurde im .Jahre
UM »2 peff rundet. Derselbe hi-steht zur Zeit
aus foljrenden Städte- und County- Verei-
nigungen :
Deutseh - Amerikaniseher Zentralverein
V(tn Hudson Coiuity. zu weUhem die Zweijr-
vereine in Hnhoken. .j«'rsey C'it.v. W<h'-
hawken. W»*st-Hohoken und Town of
l'nion ffehören.
Zentralverein. Orange.
Zentrjdven'iu. Atlantie Cit.v.
Zentralverein. Trenton luid ^nl^'e^'elMl.
Zi'ntrai verein, l'aterson.
Zent ral verein. ( 'amden.
Zentral verein. .Middl(*sex County. 7m dem
Zweijfvereine in Sayn'viUe. .\ew liruns-
wiek \nul I'ertli AndM»y ^rehören.
Zentralv«*rein. 1'as.saie und rm^.'«'p'n<l.
Zent ral verein, KlizalH-th tui<i l'mjre»ren«l.
Zentralverein v<in Newark.
Die 7. .lahresversaminhnitr tand iim 4.
April 1!>(M» in der Turnhalle in Canulen
statt. Ks (falM'U sieh da.sen>st jjros.m* lie-
ffeisterunjr und enjster Wille für tlie För-
derunpen der Hi'strelMuipen «les National-
Huntles kund. .\us »len zahlreichen, zur
Annahme ^elan^teii Bes«-hlüs.s*ii situi die
naehstehenden hervorzuhelw-n .
Auf Antratr des Komiles für Bundesan-
fjelenenheiten. I»»steh«'n«l aus den Herren
A. Lankerinjr von Hudson County. (Jeorve
Herrmann, .\ewark. Kdw. Martin von
l'aterson. .Fae. Kittmann. Trenton und .\.
(»»erst von Cumden. wurde lM>sehlossen,
dass «iie Bundes- Beamten jre^jen einwaiuie-
runjrsfeindlielu' (Jesetze Stellung' nehmen
und dap-^en protestiren sttllen.
Fj*rner wur<le U'sehlos.sen. dass alle
Staatsverhäiule und I,okal-\'ereini^run^ren
di*s I)«Mit.seh-Amerikanisehen .\ationalhun-
des für Kinführunjr «h's deutsehen Spraeh-
und Turn-Cnterriehts in eleu öfTentlieheii
Sehulen des Landes eintreten und dafür
svKtematiseli a^^itin'U sollen.
Ferner wurde iM'sehloKKen. «lem nächsten
Natioiudkonvent zu empfehlen, für .Mittel
i;nd \Ve>;e zur daueriuleii rnterstützunc
des deutsehen Lehrt-r-StMuluars in .Mil
waukee zu H<inr<'n und Beitrag** dafür «ien
Staatsverhämlen und Kinz«*lvereinen ohli-
^Mtoris«'li zu nuiehen.
814
DKK DErTSCH-AMERIKANISCHE NATIONAL-BUND.
Ein fcriicrcr Bescliluss. diT ;iuf" p]in|)f('h-
lung (li's Koiiiitt's »ft'fjisst wurde, jri'ht da-
liiii, driss füi- den Pastorius-Üenkiiud-
Foiids siinmit liehe Zent r;d-\'ei-eine in New
.Jersey im \'erli;iltiiiss zur Zalil ihrer Mit-
fjlieder l)eitraj;eii. damit die Ehre und der
ffute Xame des Xationalhundes in dieser
Anjjeh'jrenlieit aufi-eelit erhalten und ge-
wahrt werde.
Es wunh' alsdann zur Spraehe ge-
bracht, dass Ex-({()uveineur .Murjjhy sieh
in wegwerfender Weise über die Einwande-
rung g(»iiusseTt und unter anderem be-
hauptet hätte, die Eingewautlerten füllten
die Zuchthäuser. Aus.serdem hatte er eine
Koj)fsteuer von $100 für jeden p]inwan-
derer empfohlen. Das zuständige Komite
berichtete durch seinen Vorsitzer. Herrn
George Grinnue aus Xewark. über die An-
gelegenheit und brachte folgende Resolu-
tion ein. die mit grossem Beifall einstimmig
angenonniien wurde :
..In Erwägung, dass Ex-Gouverneur
.Murphy gelegentlich einer Zusannnenkunft
jyromiiH'nter Hüi-ger uiul Beamten in
Tienton sich in höchst beleidigender Weise
über die eingewautlerten Bürger dieses
Landes ausgesprochen, und in fernerer Er-
wägung, da.ss besagter Ilei-i- auf eine an ihn
seitens des Vorstandes gerichtete Zuschrift
in keiner AVeise reagirt. also gewisser-
mas.sen die von der Presse veröffentlichte
Rede bestätigt hat, In Erwägung, dass be-
sagter Herr in seiner Eigenschaft als
Führer einer grossen i)olitischen Partei,
.sowie als Eigenthümer der grö.ssten in-
dustriellen p]tal)lissements einen .sehr
gro.ssen EiuHiLss auf die hiergeborene Be-
völkerung auszuüben in der Lage ist, be-
sch Messt der Deutsch- Anu'rikanische Staats-
Veiband. die in wohlüberlegter Weise ge-
machtin Ausfälle gegen das eingewanderte
Element auf das Energischste zurückzu-
weisen, und erklärt, dass solche Aeus.se-
rungen nur dazu geeignet sind, in diesem
grossen kosmopoliti.schen Lande Rassenha.ss
und gegenseitige Volksverhetzung zu er-
zeugen. Eine solche That ist in den Aii«;.-ii
des Deut.sch-AiiuM-ikanischen Staats- Vei
bandes durch einen Mann, dem der Sta;ii
New Jersey die höchste Ehre erwiesen uiitl
das höchste Amt verliehen, seiner im
höch.sten Grade unwürdig uiul erniedrigt
ihn zum Range eines Denuigogen der nir-
drigsten Sorte, auf jeden Fall unwünlit:.
noch ferner eine EinHuss bethätigendr
Rolle bei den Bürgern dieses Staates zu
übelnehmen."
Dasselbe Komite hol) auch die fort-
schrittliche Gesinnung des Einwanderunjrs-
Kommis.särs Watchorn hei-vor. mid em-
pfahl folgende Resolution zur Annahm''
die einstimmig erfolgte :
..Tu f]rwägung, dass Herr Watchorn in
der schwierigen Verwaltung seines Amtes
sich stets als humaner und fortschrittli-
chen Bestrebungen huldigender Mann er-
wiesen, da er sich in gerechter und fähiger
W^eise der fremden feindlichen Strönumtr
in den Verwaltungskreisen widersetzt hat
und die Gesetze der ^lenschlichkeit höher
stellt, als dem blinden Fanatisnui>; jui-
gcnehm.
Beschlossen, dass der Deutsch-Amerika-
nische Zentral- Verband des Staates New
Jersey die edle Handlungsweise des Herni
Watchorn hiermit öffentlich indossirt und
ihm den herzlichsten Daidc ausspricht."
Ferner wurde beschlossen, alh^ Städti*-
Vereinigungen aufzufordern, praktische
Vorschläge dem Arbeits - Xachweisungs-
Bureau der Einwanderungsbehörde zu
machen in Bezug auf die beste Vertheilun^
der Einwanderung. Der jetzt in Deutsch-
land weilende Sekretär des Einwände-
rungs-Komites des Bundes. Herr Alphons
Heins, hat versprochen, die Arbeiten des
Bundes nach dieser Richtung hin zu unter-
stützen.
Kurz vor Schluss des Konventes erregte
Delegat Louis Holler aus Camden eine
wahre Sensation dadurch, dass er zwei Ge-
setzvorlagen zitirte, die der Assembiy resp.
dem Senat der Staats-Legislatur von den
DKK VKHKINICTKN STAATEN VON AMKRIKA. H4*
Il.'mn (Hwc'll iiikI Ililary untrrhn'it.t D.n VuinjI/. in «I.t Knnwnfi.uj führt.'
wonlrii sin.l. Di.' (Hw.'ll'srhr V.»rlHtfr Im'- II. rr K. ('. Stahl von Tri-iii..ii lui.l „U
stimmt, (lass rs <i.ii Wirtlu-ii vi'rhotcn wiii S..kntiir ftm>;iit.' Il.rr Kiiist «{.niiami v..ri
s.iil. (Innh Plakat.- ...Irr Srhil.h-r in Kli/.alM-th. Di.« Ilrrn-ii A. Sanjftin.'lt«- und
F.'nstrrn .»«Irr v..r ihn-n iläus.rn Ix-kainit Ant;nst K.-ininuhaus hrjrrüssti-n «li«« rlwa
zu hcIm'U. von wcl.h.r Hram-n-i, Hnn »:<• D.hjjatm im Namm «l.r Stadt Camdm
nerci, W«'in-(Jr.»sshandlinijf vtr. die Liv- und drs L.ikalvrrltand.'s vim Camdm. un<l
tränke h.-rrühr.'n. .li.- s'w /.um Ausschank \'' rl»an.ls.|'räsidfnt Adolph Lanki'Hnif von
linn^M'ii. Il.iliiikfn v.-rlas seinen .Iahr<'sl>«-ri<-ht. in
Die Ililan'sche X'orhi}.'.' ist n.M-li w.I.Ihiii er ein.-n l'rherhiirk iiln-r <lie Im--
drastisrher; sie ermä.'hti^'t den Sta.lt rat h fri.Mlij:« nd»* Thätij;keit tles Verliandi-s wäh-
.'ines j.Ml.n (iemein\ves<M)s ein Aufsiehts- •'•'"<l <h*s vert1os.s<>nen Jidires. ninnrntlii'h
K.Miiite zu «'rnennen. d.'ssen IMIi.ht es sein •''<* I^'-känipfun«; der Lo.-al Option- Vorlaufe
soll, für strikt.« .\ustulirunir all.-r Aeeise- '" der Staats-Le^'islatur von New Jersev
ii.'stimnnui^en /u s.»rt.'«*n: fcin.r sull .las >?-''' M.rr Lankerinj; schloss M-im-n mit
Komite Listen anfertifjr.-n mi.l .Iru.k.-n U'»''ss.iii li.'ifaJI auf<.'.Mionnnenen .)aliri>slH*-
lassen mit den Xani. 11 s.»lih<'r l'ers.»nen. an '''''' '"'' f••l^'t'nd.•n Worten: ..Krfoljj ist
w.'l.-he wepn rniiiässi^'k.'it im Trink. ii '''''' •inzitr«' Lohn für zi.lhi'uusst«- Arheit.
jreistige betränke ni.-ht verahreielit w.M.li'n """' Jiiijr.-si.hts .h-r vorli.'jrmden H.-ri.hte
sollen. Diese Listen sollen in jeder Wirth- ^''•^••'i<•llt es mir zur l».'sonderen (ienu^thu-
s.'haft Huffjehän^rt werden und Wirthe. die >"'^' k.mstatinn zu können, dass überall
trotzdem an solche Personen v.-rkauf.'U. im •'n.'rjris.li.' Thätij;keit mit Krf.ilj; gekrönt
.'iNten l'ehertretuntjsfalle zu H^-')** Strafe, im ^^■"'* ""•' .Mittrli.-der, welche jfanz iK'sonden*
zweiten mit $l(Hi. heim dritten mit $!.')(» dur.li Kif.-r und Fleiss die Aufmerksam-
und hei einer nochmaiitr.'n Verl.'tziuijr des '^*''' ''""'' >ihri«r.-n auf sieh fj.'l.nkt hahen,
|Verl)ots mit Kntzi.'himtr <l.r Liz.-ns h.-- Anerkeiininitr jrcfund.-n haln-n. Diese That-
traft werden. sadi.' weist auf p-sunde Kntwiekiunt;.
Das Le-islatur-K.m.ite wunl.- heauf- '""''■'"■ ''"** ^•'■""•' '•"^'•'""•>" •'••sseren Ver-
ra^t. eneivis.h ^cp-n di.- Annahme .li.-ser "^t"'"»'"^^'''^ •'"• ""^••'•'- H«*strehunj;en eine
K.i<le„ tvrannis.h..n V..rlat:.n sei^ns d.-r "^^'*'^"' "'''" ^^"'*' "'"^ "" 'l''" '»*''*^''" ""^-
epislatur zu pn.t.. stiren. Die l,eid,-n V..r- """^'"" '"''•<•"•»'< '^"-
apen wurd.'ij in schärfster Weise ver- "^''t jrros.sem Knthusiasmus wurde liun-
lammt. des-Präsident Dr. ('. d. llexamer lM'j;rü.H.st,
Herrn Col. Ernst ('. Stahl wurde ein J**'* '" He^h'itunjr des Hundes-S«'kretärs
Vertrauensvotum ertheilt luid die Hand- -^doIph Timm d.T Versamndun^' hei-
nntrsweise (Jouvcin.'ur K<»rt'.s. der ihn wohnt.-. D.-r \'.»i-sitzende st.-llt«- Herrn
li.ht wi.-<ler als Mit^riic.l .l.-r Kommissi.m H.-.xamcr ids den ...-inzip-n Mann in den
l.-s unter seiner .Mitwirkung' f;ef,'ründ.-t.-n ^'ercini^Men Staaten vor. dem «-s t;.-lun>;en
>..ldatenhcims in Vineland ernannt hatte. '<'''• -'_• .Milli'»ii«'n Deutsche unter einen
veil Col. Stahl in Ausführunj; d.-r H.-- *'"♦ ^n hrin^ren".
chlüs.se des Zentralhundes jfe^ren Forts Dr. H.-.\am.-r hi.lt «-ine mit f^roKKem
vandidatur St.'lluuK genommen hatte, in lieifall aufuenonnuene Hede üIkt die He-
•härfst.-r Weise v.-nlammt und erklärt, strehunjren d.'s Hundes und die Pfli.-hten
ass damit dem Z.-ntralvi'rein von Trenton »l.'utsch.-r Vereine Kr kam au.li auf das
nd den» Staatsv.-rhande von New .lersey Vcrlnit von Soinitat; .\h.-iid rntcrlialtnn(.'en
in Schlatr in das (J.-si.hi vers«'tzt worden deuts.-li«-r N'ereim- in Philadelphia zu spn--
«Ik'H immI ••rkliirt«' Tin(;cltan(;el-AutTührun-
846
DER DEUTSCH-AMERIKANISCHE NATIONAL-BUND.
geil, wie sir zu (li'iii X'crhot Anlass geg('l)on
halu'ii, füi- fiii W'rhrochcn um ganzen
Dcutschtluiiii. Kiesiger lioit'all folgte den
iutei-essaiileii Ausfüliniiigeii des Redners.
liuiides-Sekretär A(U)li)li Tiiiiiii wies anf
(las p]iii|)fehlens\verthe der Ausl)reitnng
<les vor Kürze gegrünileten „Junior Order
of flu Gcrmau- American AUiancc" hin.
und «ler Konvent Ix'sehloss, den Einzelver-
einen zu t'nipfehlen. für Gründung von
Zweigvereinen des Ordens unter der
Jugend ihrer Städte und Counties zu
sorgen.
Es wurde beantragt, die bisherigen
lieaniten wieder zu erwählen, was ein-
stimmig gesehah. Die Leitung der G«-
Schäfte des Staatsverbandes verbleibt dalni
in den Händen folgender Herren :
Präsident. A. Lankering. Hoboken.
1. Vize-Präsident. G. Xeuinami vnn
Xewark.
2. Vize-Präsident. F. Wittig von New '
Hrunswick.
Sekretär, C. A. Stern, Town of Union
Finanz-Sekretär. A. J. Oberst.
Sehatzmeister. Friedrieh Hiekel von
Trenton.
Der nächste Jahres-Konvent findet am
ersten Sonntag im April in Hudson
Countv statt.
Der Deutsch-Amerikanische Staats- Verband
New York.
Die Beamten des „Deutsch-Amerikani-
schen Staats- Verbandes New York" im
Jahr«' li)08— 9 waren:
Präsident. Theodor Sutro. 280 Broadway,
New York City; 1. Vice-Präsident. Richard
F. Schmidt. Brooklyn : 2. Vice-Präsident,
Dr. Wilhelm Gaertner. Buffalo; 3. Vice-
Präsident. Werner Strecker. Troy; 4. Vice-
Präsident. Dr. Sigmund Handler. Roches-
ter; 5. Vice-Präsident. AVilhelm Grandpre,
Albany ; Sehatzmeister. Joseph Kuolt. 508
Varick Str., Utica ; Finanz-Sekretär, E. E.
Theo. Kiesenwetter, 217 Fourth Str., Troy;
Schriftführer. J. Konrad Schneider. 43
Blandina Str.. l'tica.
Legislatur-Ausschuss: Werner Strecker,
Vorsitzer. 8 l'nion Bank Building. Troy;
Dr. Wilhelm Gaertner. Sehatzmeister. 194
East-Utica Str.. Buffalo; Dr. Ernst
Richard. Schriftführer. 12 WVst 103. Str.,
New York City.
Finanz-Aus.schuss: Karl Dersch. Vor-
sitzer. New York City ; ^lax ]\Iayer. Schrift-
führer. Buffalo; AVilhelm Kuehnling.
Schatzmei.ster, Utica.
Ehren-Delegat und Beisitzer im Vor
Stande des National - Bundes : Richanl
Lohrmann. Herkimer.
Der Verband besteht aus Lokalverbändon
und unabhängigen Einzelvereinen in sei
eben Lokalitäten, in denen sich noch kein«
Lükalverbände gebildet haben.
Die Ge-sammtmitgliederzahl beläuft sidi
jetzt auf ungefähr 35—40.000.
Der Verband wurde am 15. Juli 1906 aN
^Mitglied des Deutsch-Anu^rikanischen Na
tional-Bundes auf Einladung der deut-schcii
Vereinigungen von Utica luid von Herki-
mer County gegründet. Die Gründuiifrs-
konvention fand in Utica statt, bei der di«-
Umrisse einer Verfassung angenoniincn
wurden. Als erster Präsident wurde Herr
Richard Lohrmann aus Herkimer gewählt
der sich um die Gründung des Verband»'^
besonders verdient gemacht hatte.
Die zweite Konvention fand am 22. und
23. Juni 1907 zu Troy statt, bei der elf Vor-
bände mit ungefähr IH.OOO Mitgliedern ver-
treten waren.
DKH \ KI{KINI(;TKN STAATKN von AMKIfIKA
847
Kim* aussiTonlfiitlicIu' Staats - Kniivm-
tion tajrtf am 2(1. .Faimar l!Mi7 in Alhaiiy.
um St«'lluii«r ^'rjr«Mi die in der I.r^'islatur
s»li\vt'ln'ml«'ii. di«' pcrsöiilirlu'ii H«'«htr <l«r
liürjrcr luMlnthciKlcii Z\vaiitp<^rt*s«'tz«' /u
nchmfii iiiitl iiin-h rim- Kevisiorj der
sämmtliclu'ii Smmtajrs- und Aussrliaukst;»'-
sctzc d«'s Staates New Y(»rk />> ln'für\V(»rtt'n.
Dir dritt»' Konvi'utinii ta^Mi- in SrlirmT-
tady am *J(». und L'l. .luni llXtS. in di'r
hauptsächlich «'ine gründlich ausjrcarlx'iti't«-
Kfvisidii (h*r Vcrfassunjr. einschliesslich der
Prinzipiencrklärunjr des Nat ional-Iiund«'s.
zur Aiuiahmc kam. sowie au«'h Beschlüsse
zur Hekämpfun«; sämmtlicher Zwan^rsmass-
re^'cln.
Am !t. Fehruar liKIS Ic^Mc Präsident
Li>hrmann sein Amt nie<ier, worauf Herr
Theodor Sutro. zur Zeit erster \'ice-l*räsi-
dent. als stellvertretender Präsident fun-
girte bis zur Konvent i«)n in Scheneetady.
in der er einstimmig als l'räsitlent gewählt
wurde.
Der \'erl)and ist seit seinem Bestehen
durch seinen Legislatur-Aussi-huss y.w
(lunsten lil»eraler Soniita<rs- und Aus-
schanktrcsctzireliuntr. wie auch für verhes-
sert«'n Koi-stschutz u. s. w nicht ohne Kr-
folg eingetreten.
In fast allen Städten des Staates, wo Lo-
kalverhände hesteh«*n. sind die deutschen
Tage jährlich unter gros.scr Betheiligung
und entsprechendem Krfolge gefeiert
Worden.
Im Sinne einer in der letzten Konvention
zu Scheneetady angcrKtnuiiencn Satzung
..seine (Jrund.sätze mit Nachdruck auch auf
p<»litischem Gebiete zu vert heidigen, sollten
diesellMMi in irgend einer Weise gefährdet
ersidieinen." hat der Verband angefangen,
solche Kandidaten für öffentliche Aemter
— ganz abgesehen von ihrer Parteizugc-
luirigkeit — die den Bestrebungen d«*s Ver-
bandes dun-h ihre Stellungnahme feind-
lich gegen ülH'I-stehen. ZU bekämpfen, da-
gegen solche, die mit den.selben im Kiii-
klang sind, zu unterstützen.
Die Liste der zum \'<'rband«' gehiirigen
und iniabhäniriL'cM l'',iii/i-l\ .riini- i-»t wie«
folgt :
Vereinigte Deutsche (ies«*llschaften t|er
Stadt .New York.
Zweigverband BriMtklyii
Deut.s4-h-Amerikanischer \'erl>and Buf
falo.
Di'Ut.sch-.\merikanischcr Binid von Ko-
cliestcr uml rmgegend.
Ortsverband Albany.
\'er«'in der Deutschen von Troy.
l'tica'er I)eutsch-Amerikani.s«'her Bmid.
Verein der Deutschen der (Jrafschaft
Ilerkimer.
Ortsverband Schenecta«ly.
Deut.schcr Bund von Onondaga (uunty.
Sy racu.sc.
Oswego I)eut.s<-h-.\merikanischcr Bund.
Vereinigte Deutsche von I'oughkeepsie.
Deutsch-Amerikanischer Verband von
Kingston und rmgegend.
Konie Deut.sch-Amerikanischer Btnid.
Dcutscli - Amerikani.scher Bürgerverein
von KImira.
(icsangvcrein fNmcordia. (Iloxcrsville.
'ruiiiverein Amsterdam.
.\ewburgh .Männerchor.
Fulton County Kranken-rnterstützungN-
luul Sterbe- Verein.
Theodor Sutro,
Praeiident de* StaaU-Verb*n(in .New York.
Theodor Sutro wurde /u Ajiclwn am 14.
März lS4.'i als Sohn von Kmanuel (g»*st.
1847) und H«»sa (Warendorff^ Sutro
(gi»st. 1H8:J) geiM>ren. S«*ine Mutter brachte
ihn im Jahre 1S.')(>. als jüngstes ihriT elf
Kinder, mit nach Baltimon*. S«Mt OktolH»r
1850 ist er in Amerika. Si'ine S^'hulbil-
düng erhielt er zuerst in ileuts«'hen Schulen
und <iann in den olTentlichen Schulen i auch
in der Hochschule) in Baltimon*; tlarauf
in «1er Phillips Acatlemy in Exeter. N. II.
848
DHU DEUTSCH AMERIKANISCHK XATIOXAL-BUND.
Er absolvirtf <li<' Harvard rnivcrsität in
1871, «lif Kt'chtsscluik' di'v L'ohinihia
Universität im Jalnv 1874 und ist seitdem
als Reehtsanwalt tliäti^'. P^r liat viele Pro-
zesse mann i^f alt i^'er Art geleitet, l'nter
Anderem war er lan^rjährig mit der Reor-
ganisation der Sutro Tunnel Co. beschäf-
tigt. Er leitete die damit verbundenen
Reeht.s.streitigkeiten und rettete im Subha-
stationsprozess das Eigenthum der Com-
pany. Dami reorganisirte er dieselbe als
die Comstork Tunnel Co. und wurde Prä-
sident der Korporation. Von 1895 — 99 war
er Steuerkommissär der Stadt New York
dureh Ernennung von :\Iayor Strong. Er
ist als Vorstand in vielen Geschäftsunter-
nehmungen thätig gewesen.
Selbständig ist er seit dem Jahre 1868,
indem er während seiner Studentenjahre in
Harvard zu gleicher Zeit ein Konnuissions-
gesehäft in Boston gründete und betrieb.
Sutro kam unbekannt und unvermögend
im Jahre 1873 nach New York; hatte von
Anfang an als Reehtsanwalt Erfolg; seine
Reehtspraxis dehnte sieh allmählig aus, be-
sonders in den Jahren 1889—94 unter den
grössten deutsch-amerikanischen Geschäfts-
häusern und gesellschaftlichen Unterneh-
mungen. Er wurde im Jahre 1879 zur
Praxis in dem Bundesgerichte zu Wash-
ington zugelassen und wurde allmählig
^Mitglied sämmtlicher Rechtsanwalt- Ver-
bände ; so der New York City Bar Associa-
tion, New York State Bar Association,
American Bar Association, International
Law Association und New York County
Lawyers Association. Er praktizierte
während dieser Zeit theilweise allein, theil-
weise in Gemeinschaft mit anderen Rechts-
anwälten. Seine jetzige Anwaltsfirma ist
Sutro & Wright, 280 Broadway, New York.
Herr Sutro erhielt von der Harvard
Universität den Titel A. B. und von der
Columbia Universität L. L. B. Wurde in
Harvard, wegen Auszeichnung in seinen
Studien, zum Mitglied der Phi Beta Kai)pa
Bruderschaft gewählt. In 1899 war er ]Mit-
glied der vcn dem ]\Iayor von New York
ernannten Konunission zum Empfang des
Admiral I)ew(»v. Ist .Mitglied der von
Bürgermeister McClellan ernainiten Kom-
mission zur Feier, in 1909, der Entdeckung
des Hudson-Flusses durch Henry Iludson
u. s. w. Ist oder war Vorsitzer und Beam-
ter in vielen amerikanischen und deutschen
Vereinen, unter Anderem der Society of
Medical Jui'ispruden<-e. wai- Delegat zum
THEODOR SUTRO
Praesident des Staats- Verbandes New York.
Juristen-Kongress ])ei der Weltausstellung
in St. Louis in 1904. Auch war er Delegat
zu dem Steuerkongress in Columbus, Ohio,
vor dem er als Mitglied der International
Tax A.ssociation in 1907 einen Vortrag über
Steuerreform hielt. Er heirathete am 1
Oktober 1884 in der St. John 's Episkopal ^|
Kirche zu Jersey City Fräulein Florence
Edith Clinton, eine durch seltene Schönheit
und gro.s.se Geistesgaben ausgezeichnete
Frau. Unglücklicherweise starb Frau
DKK VKWKINHJTKN 8TAATKX VON AMKKIKA.
84»
Sntro Wfuip' Taj;»' vor VoII«>ti(lini^' ilires
41 LclH'iisjahrcs. am 27. April liH)G. Die
Ehe l)Ii»*b kinderlos.
In seinem ersten Anfenthalt.s«»rt<'. Italti-
more. war er Mit^'lied des (Ji-rmania CIhIjs;
in New York war er lani»jährijres .Mitirlie«!
und Anwalt des Di'nt.sehen Vereins und
Mitglied d«'s I)«'uts('ln'ii Lii-d^rkran/j-s ; war
Präsident tl»*s l)«'uls«li -Anirrikaiiisclicii Kr-
f<»rm-Huniles, als Naclifiilut-r von (>swal«l
Ottrntlorfer. Ist VoiNtainilsmit^lit-d des
\'irl)andi's l)euts»'lier Schriftsteller in Ame-
rika, tles Gesellip-Wis-senscliaft liehen Ver-
eins, di's Allgemeinen Deut.sehen S|>raeh-
vereins ( Zwei^fverein New York). .Mittrlied
des Deutsehen Sehulvereins. ferner l'räsi
dent iler Vt'reini^'ten Deutsehen Oesell-
sehaften. Präsident Deiitseh-Amerikani-
sehen Staats-N'erbaniles und ij^ehört zum
Einwanderungs-Aussehuss des Deutsch-
Ainerikani.sehen National- Bundes.
Herr Sutro hat viel für die Presse, für
Zeitschriften u. s. w. f;e.schriel)en, sowohl
im Felde der K«*ehtswi.ssenschaft, der
Staat.sökonomie (besonders in Steuerange-
legenheiten), der l'olitik. der Soziologie,
der .Medizinisehi'u Jurisprudenz und des
Minen Wesens, wie auch der allgemeinen
Literatur luid Dichtung. Von grös.seren
Schriften sind zu erwähnen ein in engli-
scher Sprache verfa.sstt's hist(»ri.sch-kunst-
kriti.s»ln's Buch ülH«r die berühmten Ge-
mälde von Edward Moran. Er hat aueh
viel, hauptsächlich in der englis<'hen
Sprache, gedichtet uiul rebersetzungen
von deut.s«*hen (lediehteii g«'macht. Eine
von seiner Frau zusammeng<'st<'llte Samm-
lung seiner ihr hauptsächlich gewidmeten
Ge<lichte ist (privatim) im Druek erschie-
nen unter dem Titel ..Mil(»stones on Life 's
Pathway". Er hat sich als tni]d>hängiger
Demokrat an vielen öfTi-ntlU-lien Bewegun-
gen im politischen Leben betheiligt und ist
als Redner sowohl in der deut.s<'hen. wie
auch in der englischen Sprache, deren er
gleich mächtig ist. schon seit vielen Jahren
stark in Anspruch genommen. Er nahm
regen Aniheil an d«'r I{eformkampagne in
New Y<irk im Jahre 1894. Er ist ein Ken-
ner von Gemälden und KunKtsehälZ4>n, die
sieh theilweise in si'iner Wohnung. .'{20
West lO'J. StniKs«'. iM'finden. Die .«wbon er-
widuiteii l.{ historiselien Secbilder von Eil-
wanl .Moran sin<l geg«'nwärtig in ileni
Smithsonian Institut in Washington aus-
gl'StJ'llt.
Der Zweig- Verband Brooklyn.
Es war in iler regelmässigen Mitglictler-
\'ei-sammlung de« ..Turnverein von Brook-
lyn. Iv I>." im .Monate Juli liM)7, als von
dem Tunier (ruslav Schwt itpt mlick, /.. Zt.
erstem Sprecher des TurnlM*zirk»'s New
York, die Frage angeregt wurde, ob es für
den Turnverein nicht wün.s<rhenfiwerth
wäre, sieh dem ,, Deutsch-Amerikanischen
National-Bund der Vereinigten Staaten von
Amerika" anziuschliessen. Da Näheres über
lue Ziele und liest rcbiuigen dt« I). A. N. H.,
insbesondere in Bezug auf seine politische
Stellung, ni<*ht vorgebracht wenlen konnte,
»•s überhaupt zu Tage trat, djtss nur Weni-
gen etw;Ls von der Existi'uz die.s4'.s Bundes
bekannt war. so ernannte tler damalige
erste Spreeher des E. D. Turnvereins,
Turner Parizot, au jenem Alx'nd ein
Komite, Iwstehend aits den Turnern Gustav
Sehweppcndick, Richard F. S«'hmidt und
Waldenuir Schreyer. um die Angeh»gcnheit
zu untersuclu'U und <lem Vereine bald-
thunlichst zu lM*richtcn.
Da Turner G. S<'hweppendick für im« u
.Moiuit die Stadt vcrli<'ss luid bei seiner
Rückkehr Turner Richard F. Sehmidt
.schwer erknmkte, so vergingen die Monate
Juli. August und Septcml>er 1907, ohne
•lass vs möglich gewi»s«'n wäre, irgend etwas
.Nennenswert lies in Bezug auf einen Bericht
zusammenzuset eilen
Wohl aber hatte Turner Riohnrd F.
Seluiiidt, veranlasst durch wiederholte Zu-
schriften (h-s PriLsidentcn des Deutsch-Ame-
rikanischen National-Bun<les, Dr. C J.
850
DER DEUTSCH-AMERIKANISCHE XATIONAL-BUND.
Ilcxaiiicr in IMiiliiilflpliia. wiilirciul seiner
Kranklicit den Versucli •rt-inju-lit. Herrn Dr.
John \V. Schihlfji. den daniali^'en Präsi-
denten der „Verein irrten Sän^'er von Brook-
lyn", für ein genieinsehaftliehes Handeln
seiner (,)r*ranisation znsainmen mit dem E.
D. Tiirnverein. resp. für die Gründung
eines Zweigverbandes Brooklyn des D. A.
N. B. zu interessiren ; indessen gelangten
diese Vorbespreehungen derzeit nicht aus
dem Hahmen einer allgemeinen Erörterung
hinaus und führten zu keinem bestimmten
Resultate.
Unter diesen Verhältnissen rückte die
Zeit heran, zu welcher vom 4. ])is 7. Oktober
1907 die vierte Konvention des D. A. N. B.
der V. St. v. A. im Terrace Garden zu New
York City abgelialten werden sollte, und in
der dem Eröffnungstage dieser Konvention
vorangehenden regelmässigen monatlichen
Mitglieder-Versammlung des E. D. Turn-
vereins (am Abend des .'1 Oktober) stat-
tete Turner Richard P. Schmidt als Vor-
sitzender des in der Juli-Versammlung er-
nannten Komites einen Bericht ab, dahinge-
hend. (I<iss er den AnscJiluss des Turnvereins
von Brookhfn E. D. an den D. A. N. B. auf
das Wärmste empfehle.
In Folge dessen beschloss die Versamm-
lung an jenem Abend den empfohlenen Bei-
tritt und entsandte die drei Mitglieder des
betrefl'enden Komites als Delegaten in die
am darauffolgenden Tage zu eröffnende
vierte Konvention des D. A. N. B.
Delegat Waldemar Schreyer war ge-
.■qehäftlich verhindert, dieser Konvention
beizuwohnen, die Delegaten Gustav Sehwep-
pendiek und Richard F. Schmidt dagegen
arbeiteten während der drei Konventions-
tage als i\Iitglieder der Ausschüsse für das
Turnen (Schmidt) luid der guten Beziehun-
gen zwischen Deutschland und den Verei-
nigten Staaten (Schweppendick).
Bei Gelegenheit des von der ,,Xew Yorker
Staats-Zeitung" am Abend des zweiten
Konventionstages, Sonnabend, den 5. Ok-
tober, für die Delegaten der Konven-
tion veranstalteten Bancpietts, traf Richiir '
F. Schmidt den als Ehrenga.st ebenfalls doi;
anwesenden Bi'äsidenten der ,, Vereinigten
Sänger von Brooklyn", Dr. .lohn W
Schildge, und es gelang ihm, auf dem Heim
wege nach Brooklyn bei einer giMnüthlichtn
Nach- und Xachtsitzung, die durch die Ein-
drücke der vorangegangenen grossartigt-n
Festlichkeit bei diesem Herrn wachgerufi-n.
Begeisterung zur hellen Fhunme z\i entf.i
chen und sein Versprechen zu erhaltei
schon am näclisten Tage, Sonntag, den •
Oktober 1907, in der Delegaten- Versaiiim
lung der „Vereinigten Sänger von Hrool.
lyn" den Anschluss dieser Organisation anl
den Xational-Bund, resp. ein Zusannini
gehen in dieser Richtung mit dem ..Turn
verein Brooklyn E. D." zu empfehlen.
Er hielt sein Wort, denn schon am Men
tag, den 7. Oktober, lag dem Präsidium d
Bundes die telegraphische Beitrittserkl
rung der „Ver. Sänger von Brooklyn" vn
Von diesem Zeitpunkte an war die Mii
lichkeit geboten, in Brooklyn einen Stii(i
Zweigverband unter dem Staatsverbaml
New York zu bilden, an Stelle des Ansehln-
ses einzelner Vereine direkt an den Bund.i,
IMit diesem Ziele vor Augen und V"
wärts getrieben von dem beschämenden <i
fühle, dass eine Stadt wie Brooklyn mn
einer so grossen, mächtigen und reichen 1'
völkerung deutscher Geburt oder Abstan.
mung so vollständig abseits stand von il' '
Bewegung, die der D. A. N. B. der V^
St. v. A. zur Belebung, Förderung und Aiit
rechterhaltung der idealen und materiell'
Interessen der deutschen Stammesgenoss'
in unserem neuen Vaterlande in 's Werk l'
setzt hatte, übernahm es nuiuiielu- Kieh»:
F. Schmidt, einen solchen Zvveigverband n
Brooklyn in 's Leben zu rufen.
Es war sein Plan, in sorgfältiger Vor)'
reitung und Erwägung aller einschlagend
Verhältnisse, ganz besonders auch bezn
lieh der Auswahl der für die Erreiche
des vorgesteckten Zieles geeigneten MäniiH .
Alles bereit zu haben, um im :Monat Ja""
DKK VEREINIGTEN STAATEN VON AMKIUKA.
861
1908 tinri'h die KinluTufiiri^; rinur alln«-
iiieint-ii Vi'rsaimiiliuijr HnM)klym'r Bürjf.T
<leut.sch«'r Altstaiiiiiiiin^ tVw (irüiuluiif; oin.'s
..Z\vi'i^vt'rbaiuh»s Hnntklyn" lierlx-iztifüli-
ri'ii.
Da sehlujr. «'iner Roiiibt» jrl»'i«*h, in s«*iiio
ruliitr tiiul sy.st«'iiiatisch vorlM'n'iti'iulfH Ar-
ln'itfii di«' lu'kaiintr Knt.s<'ln'i(hinn iles
Supri'ine Court Kithtors 0'(ioriium in N<'\v
York ein, derzufol^re veraltete Sonntajp<j;o
setz«*, die in dem Charter von (iross-NfW
Y«>rk IMatz jrefunden hattm iiiul ihre Spitze
jranz hi^onders frepen die lieh^ewordenen
Lebenspewohnhi'iten der Deutsch- Amerika-
ner kehrten, zu einer äiisserst ritromstii
Durchführung: kommen sollten — eine Ent-
.schcidun^r, die um so vcrhIütTender wirken
nnLsst«', als eine Appellation «rejren dicsclhc
fr«'setzlich aastres<'hlosst'n war.
Dies«' ri<-hterlichc Kntschcidinij: rief na-
turpemäss eine atisserjrewöhnliche Krre«r»nig
unter der Hevölkerun«; und «ranz besonders
unter d»*n Bür«rern deutscher AKstanunung
hervtir. und es erschien daher dem mit den
VorarIxMten der (Jrüiulunt: eim-s ..Zweif;-
vercin Brooklyn" heschäftiirten Herrn
Hicliard K. Schmidt «rerade dieser Zwischen-
fall im höelusten (Jrade peeij^net. das libe-
rale Bürperthum BnM)klyn's auf die Wieh-
tijrkeit gemeinsanien Handelns in einer seine
Interessen in so hervorragendem Masse in
Anspruch nehmenden Antrele<.r,.iiln*it, hinzii-
weisen und dadurch sein Ziel, die (irün-
dunjr eines Zwei<:verban<les. w<'s<'ntlieh
schneller tuid crfi)lj;reichcr zu erreichen.
Kr verzichtete daher auf längere Vorbe-
r<*itun«ren und berief ohne Zöj^ern für den
Abend de« 9. Dezember 1H07 die Delegaten
de.s ..Turnvereins von BnMtklyn K. D. " und
der ..Vereini^rten Säntrer von Brooklyn" zu
einer Sitzung: zum Zwjvke der (iründunp
fines „Zweipverband Brtxtklyn des D. A. N.
B. der Ver. St. v. A." und der Wahl tem-
r>orärer Beamten eines soh'hen nach der
\rion-Halle ein.
l'nter Betheili^run^' der X'ertnter der ^re-
ammten deutschen l'nKse New Yorks waren
»\s l)ele(;Hten vom Turnvi-n-in Brooklyn. K.
D . <lie Herren Richard F. S«'hmi<lt. Maurice
K. i'roppint; und Walilemar S«'hreyer, von
den „Ver. Sänjrern v«»n BnMtklyn" die Her-
n*n .lohn (t. Roth und F't;on Hisenhauer in
dii-ser Versammlung.' anwesend, während
Herr Ferd. Veit am Krs<'hcinen verhindert
war.
Die (irüiitlunu' <h-s ..BnK>klyn Zweijfver-
Itand des Dcutsch-Amcrikanis^'hen Natio-
nal-Bundes der Ver. St. v. Amerika" er-
foljrti. in optima fornui und wurde zu (h-Kscn
temporärem Präsidenten HiebanI F
Schmidt, zum tempf»rän*n protok«tllirenden
Sekretär Ktron KLseidiauer und zum tenip«»-
rären S<'hatzmeister Waldenuir Schreyer er-
wählt, (ih'ichzeitifr wurdi' beschlossen, )•*'-
reits für d»'n foltrendcn Sonnta};. den 1")
Dezemiter l!K)7. Nachmittaj^'s 4 Chr. eine
.Mas-si'n-Vei-sannnlunp der Mitglieder aller
deut.schen ({»•Seilschaften, Vereine und I>o-
tren. sowie aller liberalen Kiemente ih-s
Deutsch-AmerikanerthuiiLs BnM»klyns Tuich
der Arion Halle einzuberufen und dazu den
PrJLsidentc'n des D. A. National-Binidcs.
Dr. C. J. Hexamer aas Philadelphia, diu
l'i-ofcssor (Jöbel von der Harvard Cnivcr-
sität. sowie die Herren S. K. Sänger. Khn'n-
Präsident der Ver. Sänjrer von Brooklyn,
und Herrn Carl A ichmann. Khren- Präsi-
dent des Sehwäbi.schen SänK'erbiuides. lKM(h»
letztere Von BriMiklyii. als Redner einzu-
laden.
.\m Donnerstag, den iL'. Dezemb<*r.
Abends s Chr. fand in dem Kliibhausi- ih-s.
K. D. Turnvereins «-ine ^'emeinsam^• Be-
rathunp di-s temporären \'oi"standt« statt,
bei Welcher der für die Presse Ix'stinnnte,
von «lem temporären Präsidenten Riehard
F. Schmidt ausj^earlwitete Aufruf und die
der Ma.sKen-Versannnlunp zu unterbreiten-
den Resolutionen vorp«*lei:t und (renehmiut
wurden. Trotzdem die pesanuntc deutsehe
l'reKse von (JroKs-.\ew York «iii-sen Aufrtif
in jini'rkeiuicnswerthcr Weise n>if das Kräf-
tippte initerstützte. lies« der Be.such di«'ser
.^^)lSKen-VerMtmndunp, wahrscheinlich in
852
DER DEUTSCHAMEKIKANISCHE NATION AI, P.IM).
Folge der kurzen Zeit, die zwischen Aufruf
und Versainnilung lag, doch sehr vieles zu
wünschen übrig, wenigstens was die ..Mas-
sen" anbelangte, wohingegen die Besucher
ausschliesslich den intelligentesten lOlcmen-
ten der deutsch-amerikanischen Bevölke-
rung Brooklyns angehörten und es ersicht-
lich war, dass die oben erwähnten Redner,
ganz besond(Ms Di-. ('. .). Ilexanier aus l*hi-
ladelphia. durch ilire Ausführungen und
Argumente einen bedeutenden Eindruck
auf die Zuhörer hervorgerufen hatten.
Die vorgeschlagenen Resolutionen, welche
in der Hauptsache einen Protest gegen die
B&schränkung der persönlichen Freiheit in
irgend einer Form dai-stellten. wurden un-
ter enthusiastischer Zustinunung der An-
wesenden einstinnnig angenoninicn und der
temporäre Vorstand angewiesen, Kopien
dieser Resolutionen an die Behörden von
Staat und Stadt New York zu übersenden.
Ueberhaupt war die Zustinunung zu den
Bestrebungen der jungen Organisation in
dieser INIassen-Versammlung eine allgemei-
ne, und nur so ist es zu erklären, dass be-
reits in der für den 27. Dezember 1907,
u. A. auch zum Zwecke der Envählung per-
manenter Beamten einberufenen ersten re-
gclmässifjcn Dcicgaten^Vcrsammliivg des
neugegründeten Zweigverbandes eine Mit-
gliederzahl von annähernd 3000 nachgewie-
sen werden konnte, wobei erwähnt sei, dass
der erste Verein, der sich nach den beiden
konstituirenden Vereinen (Turnverein E.
D. und Vereinigte Sänger von Brooklyn)
dem Zweigverbande mit 250 Mitgliedern
anschloss, der , plattdeutsche Volksfest-Ver-
ein von Brookhin" war. In jener Ver-
sammlung wurden zu permanenten Beam-
ten des ,, Zweigverband Brooklyn" die fol-
genden Herren erwählt, welche demnach die
ersten Beamten der hoffentlich in der Zu-
kunft sich mächtig entfaltenden, viel ver-
sprechenden Organisation waren :
Präsident: Richard F. Schmidt (E. D.
Turnverein).
Erster Vi/e-Präsidcnt: Wm. Xouman ^
( Hannover 'scher Verein).
Zweiter Vize-PhLsident: Maurice F. Prori
ping ( E. 1). Turnverein).
Dritter Vize-Präsident: Henry J,,
mann (Plattdeutscher Vol ksf est- Verein ;. ,
Vierter A'izc-Präsident : John C. Rot'
(Ver. Sänger v. P.i-ooklyn). !
Fünfter Vize-Präsident: Ferd. Ve!
(Ver. Sänger v. Hi-ooklyn). ^
Korresp. Sekretär: Bruno Schmidt (E. l!
Turnverein).
Protok. Sekretär: Egon Eisenhauer (\
Sänger v. Brooklyn).
Finanz-Sekretär: Jacob Ziinmor (Bavr
scher Central-Verein).
Schatzmeister: Waldemar Schreyor H'
D. Turnverein.)
Es mag hier gleich erwähnt werden, da '
Herr John C. Roth sein ^Mandat als Delc''
der Ver. Sänger v. Brooklyn wenige W '
eben später niederlegte und an seine Stell '
sowohl als Delegat jener Vereinigung
auch als vierter Vize-Präsident des Zu
Verbandes Herr S. K. Sänger trat; fen
dass Herr Egon Eisenhauer sich im Lau
des ]\ronats Februar 1908 in Folge geschäJ,
lieber Verhinderung gezwungen sah, se'
Amt als prot. Sekretär niederzulegen iir
an seiner Stelle Delegat Cord H. Sun
(Intscheder Plattdeutscher Club) enväl
wurde.
Sei es uns gestattet, an dieser Stelle d
beiden ausgeschiedenen Mitgliedern d
ersten Beamtenstabes unserer Vereinigii
unsern Dank auszusprechen für ihre ti'
Mitwirkung bei der Gründung des „Zw'
Verbandes" und ganz besonders der hcrv
ragenden Verdienste des damaligen pr
Sekretärs Herrn Egon Eisenhauer um <
Ausarbeitung der Statuten zu gedenken.
In jener ersten Delegaten-Sitznng am "•
Dezember 1907 wurde die durch die dr;
genden Zeitumstände begründete selbsM;
dige Handlungsweise des Vorsitzenden ?'
geheissen, welcher den neuen ..Zweigv
band" dem Staatsverbande von New Yr
DKU V kkkini«;tkn' STA ati:n Von wikuikx
M&S
untt'i-stt'Ilt und bfi «lif.siT Kör|MM-s«'haft dii'
Kinbenifiin^' «'iiiiT aiLssfronlciitlicIu-ii Tag-
sntznnyr li»-)mtrai:t hiitt«*, iiiii ciiu» «•ntj^Hiic-
dfiif Sti'llunixiiJiluii»' zur Al)\vt'hr *h'v (Jo-
fahrrn. dir dir pfi-sönlicln'ii Fnilifit iliirdi
bral»sichti«;tt' <it'.sftzi:«l>Mii^r u. s. \v. drohten,
herboiziifülin'n. Dtr V«)rsitz«'nd<' war da-
raufhin brnits in d.r La^t« niitth<-ilcMi zu
könnon. da.ss «h-r PriLsid^nt di's ..Staats- Ver-
bandes" dtMn Antraire dos ..Z\viM>;v«'rband
Brooklyn" Fol^e m'^«'lM'n und «'in»' ausser-
ardrntlicht» Staat.s-Konvi'ntion für Soiui-
tajr. d»'n iM». .lanuar l!M»s. nach der Staats
UiUptstadt Alltany cjnlxM'ufrn hat»'.
Mit d«'r Wahl pi-rnianentor Heanit«'n und
3en HfschlüsstMi (h'r eisten rt''^'clniä.s.si'^iMi
)eh'gat»'n-VcrsaiuiMlun^ war «li«- jrrundlo-
jjende ausser«' Kurni d«'.s neuen ..Zweijyver-
)and Hr<M>klvn" fresehatTcn. »unl es bej^'innt
lun eine viernionat liehe IN'riode ernstester
ukI antrestrentrtester Arbeit für die jieaiii
en der jini^ren ()r«ranisation.
Zahllose Ein«raben an Mitj^difiler des Kon
rresses der Ver. Staaten und der Le<;islatui-
les Staates N<*w York, sowie an die liehöi
h-n der Stadt New York, eine uinfanjrreielie
\orrespondenz mit dem Staatsv('rl)and •
iiid Privatperson«'!!, ausführlieh«' und häu-
i^f Berichte an die deutsche uml e!!«rlisehe
'resse, di«' Abfa.ssun«pr. I)ruekle«;uni: iiiid
rersendunijf von tausenden von Zirkuhnei:,
Mutrsehriften und Aufrufen an vi«'l«' liun
erte von deutschen \'e!'ei!!e!i B!"ooklyii 's.
ie Kntwerfun;.' der Statut«'!! un«! de!-en B«'-
athuntr, aiKhiui'rnd«' Arb«'iten alh'r Ai't ani
lüK'r«'!! AiLsbau«* tl«'r ( )r«/a!!i.satio!!. tjanz be-
i»!ide!-s au<'h die Sieh«'run{? «'iner finan-
iellen Basis. ke!!!!Z«'ichnen diesen b«Mleut
ii!!!St<>n lünl folt;ewi«'ht irrsten AUsehnitt
er K!!twi«'kelun<p<treschi«'lite uns«'r(>s Zweii;-
erl)a!!des während d«'s ersten halln-n .Iah-
t's. Beinahe nn'hr al.s aussei-uewöh!ili«'he
insprüche wur«len zi-itweil»«..' an «lie vreis-
t;«' und körp<'rliel!e Leistuntrsfähi^'keit und
|pfe!-willi<;keit des Bj'anjtenstab«'« gestellt,
msiMuehr als sich den vorhanjlenen Arbej-
n «lie Vorb«'!-eitu!!^«'n für die Bethf'ili-
is'un^; zunäelist an der K-Xtratai^it/uni; de«
Staats Verbandes in Albany am 26. Januar
IMOS. KiKlann an den öflre!!tli«'hen V«'rha!!d-
lunu'eii vor der Legislatur in Betr»'fl"«ler Be-
kümpfiüiL' «i<'r ..I/H-al Option Bill" und
schlie.sslich «l«'r .I<d!n'S • K«>!!vention dt-H
Staatsverbandes New York am !'.♦., 20. und
L'l. .funi zu S<'h«'n«'<'tady, N. Y., anreihten.
Eine überi-aseh«'nd sehneile Zunahnie der
sieh unseren! Zweijrverbande an.sehli«'ss«*n-
den Vereine war die Frucht dieser äuge-
st i'i'üfrten un<l ununterbnM'henen Thätig-
k«'it ; es s«»ll b«'i «li«'ser (i«'!egenheit nicht
unerwähnt bleiben, dass zu dem bis «hihin
und auch in den folgenden Monaten errun-
genen gi'o.ss«'n Erf«»l^'e nicht zmn Wenijpiten
mit die in vieh'n taius«'n«len von Exemphiren
zur Vei*sendung p'lantjte Agitationsschrift
unseres p!iLsi«l«'nten Kiehard V. Sehmidt:
..Kill Wich- iintl MaliHiuf an das liberale
liHnjirihum deutscher Abkunft von
liroohhfii, \. Y.",
Ein Aufi-ul zum Kampie für pei-.s'>niiche
Fi-eiheit. \Vahrheit. Sittlicl!k«'it un«l l{<'eht.
I)eii;etrag«'n hat.
An der von unseien! Zweigv«'rban«l bean-
tragten aussei'g«'wöl!!iliche!! Staats-Konven-
ti«)n am 2<l. Januar ]\H)S nahmen als unsere
Delegaten, die II«'r!*en Hicha!«] F. Sclnnidt.
Eüiil K«is«'. (lustav S«'hweppei!«li«'k und
.John Pahls. tl!«'il un«l war unser Vorsitzt-n-
der bei'iits in «lep Lag«', dem Staatsverbande
«•ine Mitgli<-«l<rzal!l v«»!! ;'>(>(»() zu niehlen.
PriLsid«'nt K'icl!a!il F. Sehmidt wu!«le an
Stelle eines aiLs.schei«h'inlen Vorstan«LsMit-
•jli«'de8 zuni «Iritten Vize-Piitsident«'!! de«
Staatsverbamh's NewY«»rk erwählt. un«l «1er
Ane!kennung «1er Thätigkeit un«l d«*s F«)rt-
.s«'hritti's des ..Zweigverband Br«M»klyn"
wurde von Seite «Icr 'rhi-ilnelüinr an d«T
Konvention !-ückhalllos .\usdnn-k ireuclM-n.
Der wi«'htigst«' ( i«'g«'nstaiMl der Konv«'n-
tion war «'in«' <'iiistim!nig angenomnu'iie Re-
solut i«>n. dahing«'h«'!nl. eine Bill in der I/e-
gislatur einzubrimren. weh'h«' «len (Jouver-
neur «'rmä«'htig«'. aus «l«'r Assembly uml d«'ni
854
DER DEUTSCH-AMERIKANISCHE NATIONAL-BÜND.
Senate sowohl, als wie aius der Bürgerseliaft
des Staatt's eine Kommission von je drei
I\[it«,diedern zn ernennen, welehe die Un-
masse der verwirrenden, intoleranten Sonn-
tatrsjiesetze und die den Getränkehandel be-
treffenden veralteten Verfiiunuif^en (soge-
nannte ..Blue Laws") einer vollständigen
Revision unterziehen und an deren Stelle
ein einhi'itliehes, dem modernen Zeitgeist«.'
Reelnnnig tragendes (Jesetz entwerfen und
der Legislatur zur Annahme empfehlen
sollten. Unser Delegat Emil Rose, zur Zeit
]\Iitglied der As.sembly für den 22. Distrikt
von Kings County. wurde von der Staats-
Konvention beauftragt und übernahm es,
sofort eine derartige Bill in der Legislatur
einzubringen, welehe unter der Bezeichnung
,.Rose Bill" in die Gesehiehte der
Legislatur ü])ergegangen ist und deren
Sehiek.sal es war. trotz glänzender Argu-
mentirung .seitens des Staatsverbandes vor
dem einschlägigen Komite beim öffentlichen
Verhöre Ende ^Nlärz 1908, von dem letzteren
überhaupt gar nicht ..einberichtet" zu wer-
den : trotzdem gebührt Herrn Emil Rose der
Dank unseres Zweigverbandes für sein
mannhaftes und unentwegtes P^intreten im
Interesse dci- persönlichen Freiheit.
Bei den au einem luid demselben Tage
stattgefundenen öffentlichen Verhören vor
den betreffenden Legislatur-Komites im Ka-
pitol zu Albany in Bezug auf die ..Rose
Bill" .sowohl, als die „Local Option" traten
von den Delegaten unseres Zweigverbandes
Gustav Schweppendick luid Fred. Weidner
mit kurzen Reden für die ..Rose Bill" und
gegen die ..Local Option Bill" auf das
Energisch.ste ein, wäiirend von unserem
Zweigverbande au.sserdem Präsident Rich-
ard F. Schmidt. AVm. Xeumann. Henry
Logenuuin. Carl Aiehmann und mindestens
25 andere Delegaten den ganzen Tag des
25. ]März ]008 im Kapitol anwesend und
agitatorisch thätig waren ; wenn auch die
„Rose Bill" diesmal nicht ..einberichtet"
wurde, so wurde doch die ,, Local Option
BiU" geschlagen.
Sowohl bei Gelegenheit der E-xtra-Staat-s-
Konvention am 26. Januar wie am Tul''-
;/ach den öffentlichen Verhören am 2H. März
1908 .statteten un.sere Delegaten in (Jenieiii
Schaft mit andern Vertretern des Staatsver-
bandes dem Gouverneur Hughes einen Be-
such ab, wurden von ihm liöHich einpfan
gen, aber in niciits.sagenden, allgemeinen
Phrasen, soweit es unsere Bitte um seiii'
Untei-stützung zur Herbeifühnuig eine;
liberaleren (Jesetzgebung betraf, ahgefcr
tigt. Seine spätere Handlungswei.se am
Schlus.se der Legi.slaturperiode rechtfer-
tigte die Annahme, da.ss das deutsch-aineri
kanische Element des Staates New York fii'
die Wahrung und Geltendmachung seiner
berechtigten Interessen von diesem Mann-
nichts zu erwarten hatte.
Eine der wichtigsten Handlungen di>
Zweigverbandes und von entscheidendem
Einflüsse auf seine finanzielle Stellnn2 wiu
der in der zweiten regelmässigen Delegaten
Versamndung am 28. Februar 1908 g.-
fas.ste Beschluss. die Bei.steuer seitens alle!
unserer Organisation angehörenden Verein'
auf fünf Cents per Jahr für jedes Mitglied
ihres resp. Vereins f est zu.st eilen und dn.
jährlichen Beitrag der Einzelmitglieder von
$1.00 per annum auf $5.00 zu erhöhen. Der
bei der Gründung des Zweigverbandes irr
thümlich geforderte jährliche Beitrag füi
:\Iitglieder von Vereinen war 2 Cents nii'l
für p:inzelmitglieder $1.00, doch .stellte «-
sich sofort heraus, dass diese Rate wohl fü'
die Bedürfni.s.se eines kleineren Plat/e.s
aber nicht für diejenigen einer Millionen-
Stadt auch uui- aiuiähernd entsprechend
wai-, angesichts der Tliatsache. da.ss jeder
Zweigverband für jedes .seiner ^litglied r
per Jahr 1 Cent an die Kasse des Bund.-
und 1/, Cent an diejenige des Staatsverhiin-
des zu entrichten hat. mithin für die B>
streitung seiner eigenen Bedürfnisse nu*-
I/o Cent per Jahr für jedes ^litglied zm
Verfügung behält.
Durch die.se Finanzmassregel sowohl, al>
durch die ^lunificenz einiger wenifjen wohl-
I>KI{ VKKKINKSTKN 8TAATKN V(>\ A.MKICIKA.
avs
hahriulrn ilfut.s..h-ai,u'rik«nis<-lu'„ Iiiiri:,.r. riu'.'i. Mt..|hvrtn.t..|Ml..„ PnUi«K.iit..|i Il.rm
wH.'ho eine cmniali-,« I)on«ti..n «rwährt.-.!. Th.MHlor Sntro. dio ,l„nn nxwU rrfol^rt.. „,„1
S..WH. auch infoljre ,U« zahlroicJuTc. H.i- ,li.. Hrwühlnn^r dos Horrn Kirliard F
tntts von Kinz.'Iinitt;li..,l,Mn zu «K-r lu-urn Srhnii.lt /.um .THt.-n Vi/,..I»räsid..nt..n d
liat.' von $.>.(H>. uurdr d.-r junj:.- Zwoi^v-r- Staafsv.-rhand.* zur Kol^'.. hatte.
(«
l)and in die Lap« v.'i-srtzt. nirht nur s««in.>.
durch Ajritations- und and.-rc unvcrni.id-
liehe Aiw^'alM-n aufjrclaufencn Schuhh-n zu
bezahlen, sondern auch dii- täirlichen An-
sprüche zu decken und einijjre weni^'c Hun-
dert Dollars als Kasseidu'staml zu behalten
— anjjesichts der (Jrösse unserer Stadt nud
seiner wohlhi'benden liürirer d<-utscln'r Ab
stainnnu)^' ein lä»'herlich •rerin^rfütriires Re-
sultat und ihnh rin riisii/ir FortsrlirUt für
unseren Zweifrverband, wenn man die enor-
nien Schwierijrkeiten berücksichtijrt. welche
si»'h der Erlan^'unjr selbst eines so kleinen
Ka|)itals enttre«r»'nst eil teil.
In der dritten re<rrlinii.ssi«;en Delciraten-
Vei>ynnndun'r des Monats März l!M1S wurde
die «gesetzliche Inkorpcu-ation unseres Zweitr-
verbandes brsehlassen und initer dem *J0.
April IMOS zur Aasfühnin«: «rebraeht : für
die dabei in unei«;ennützi<rster Wei.sr jr<'-
leistete Arbeit prehört unserem 2 Vize-Prä-
sidenten Maurice F. Proppin«; der Dank
des Verbandes. Zu der am 19., 20. und 21.
Juni 190S zu Scheneetady, N. Y.. .statt«re-
fundenen re«rt'lmä.ssi«ren Jahres-Konven-
tion d»« Staatsverbandos entsandt«* unser
Zweitrverband die Delejraten Hichard F.
R<-hmidt. Maurice F. l'roppin-^r ne„rv Lo- vurlie^'en.
pemann, liruno Schmidt. Henry ('. lieh-
rens. F. Weidner. Jacob Zimmer. <ieo.
Holstein. Emil Hose luid einitre mehr, von
lenen die meist en lebhaften Antheij an d«'n
>ebatten der Konvention nahmen. Hei der
\A'ahl der Beamten schluir das Xominatioiw-
\omite <li(> Herren Theodor Sutro von <len
Vereinijrten (Jescllschaften der Stadt New
Tork" und Flerrn 1{iehan) F. Schmidt vo!n
,Zwei<rverban<l Hmoklyn" für das Amt de«
'räsidf'nten des Staatsvi-rbandes New York
<>r. jedoch lehnte der Letztere aus (^Jrün-
len der C'ourtoisie eire Wahl ab und em-
• fahl <lie einstinuni^'c KrwähhuiiL' di»s bishe-
1'n.ser Zwcijrvcrhand war in «ler \Mfi^'
.seine nunmehrijrc .Mitu'lie<lerzahl auf
12.(MH) beim Staatsverbande anzumelden;
es stellte sieh heraus, da.ss v«»n <ler im
ab«;<'Iaufenen Jahre erfoljjtcn VerprÖHse-
rnnt: dts Staatsverliandi's um unu'cfähr
ls.<M»(l .Mitglieder allein 12.0(M> «uf drn
..ZwiMtrverband Hrnnklyn" entfiel. -n
In tiif I l■;:l■ml.•l^HI;,'l•^ D"'l<i.'ati'n \'cr-
.sammliuitr de.s .Monats Juli l:»o> bi-sehritt
unser Zweitrverband auf den Antrat: von
.Maiuii.- F. Proppintr d«'n Wcr ernstlichen
Kampfes inn die Aufrcchterhaltung und
Au.sdehnun? des rnterricht««« in der deut-
schen Sprache in den ötTeiit liehen Sehtden
.\ew Yorks; es wurde lM'sehl<»s.sen. in die-
.sem Kampfe die Mitwirkung' der ..V«'reini(j-
ten (J«-.s.-lls<-haften <lcr Stadt New York"
( D. A. N. H. ) nachzusuchen. Wir kimnen
zu ini.serer Freude berichten, da.ss der New
Yorker Verband auf unsere di«bezüirlichen
Wünsche eintjetranjren ist und nicht laiiffc
darauf penieinNam mit uns«'r«Mn Zweijrver-
bantie ein Konnte p'bildi't wurde, dem dit;
vorbereitenden Schritte in dieser so über-
aus wicht itren .\nveletretdieit zur Hrwä^unj?
So sind wir denn in dem KntwickelunK»-
ßanpe unsenvs Zwci^fvcrbandes bei r/« m l'n-
ternehmen antrelantrt. welches in Aidtet rächt
der Jugend unseres Verbandes, der whwe-
ren und lanjrwierip-n N'orarbeiten. sowie
vor Allem der aut;.ser«»rtlent liehen tiinin-
ziellen Schwil'riu'keiten i;ewi.s.serniasKcn den
Prüfstein für unsere Fähigkeit jd>trelH'n
sollte, das D«>ut.s«-h-Amerikanerthum un-
serer Sta.lt in nif/sd tis tinmal im Jahn zur
otTent liehen t.'<'iiieinschaft liehen Methäti-
L'unp iiuiiper Stannnes Zu.sannnent;eh<»rig-
keit zu veranla.sseii.
856
DF.U DKrTSCIl AMKRIKANLSCHE XATIOXAL-BUXD.
Die Feier des ei*sten
„Deutscher Tag"
in Hrooklyii. am Sonntaj;, dfii 4. Oktober
190S. wurde seit dem Monate Februar all-
mählich auf das Sor«rfältigste vorbereitet
luid in di-r i*rospecl-IIalle. Süd-Brooklyn,
iu einer ^M-ossartigen, der Wüidc und
Grösse des Hi-ooklyner Deut.sehthums eut-
spi'echeuden Weise abgehalten.
TiSOO Festtheilnehmer. den besten Kreisen
der Deutseh-Anierikanerthunis Brooklyns
angeliörig. übersehritten die Pforten der
herrlichen Halle, eine Kundgebung, wie sie
bisher von Seite der Deutschen dieser Stadt
in solchem ^Maasse noch nie zuvor stattge-
funden hat.
Die Erwartungen wurden in jeder Be-
ziehung übertroffen und es ist berechtigte
Hoffnung vorhanden, dass die beabsiehtigte
jähi liehe "Wiederholung der Feier eines
..Deutscher Tag"' die ^Machtstellung der
Büi-ger deutscher Abkunft heben und
stärken wird. Wir aber rufen Eueh aber-
mals als ^lahnung zu :
..Die Macht ist der bestimmende Faktor
alles V()lker- und Staatslebens und die.se
]\Iach1 könntet Ihr besitzen und ausüben,
wenn Ihr Eueh einmal entschlie.ssen könn-
tet. nni<) zu sein!"
RICHARD F. SCHMIDT,
der Präsident des ., Brooklyn Zweigverband
des Deutseh-Amerikanisehen \ational-Bun-
des der Ver. St. v. Amerika" und Erster
Vize-Präsident des New Yorker Staatsver-
bandes, ein in deutschen Vereinskreisen
bisher ziendieh unl)ekannter Mann, wurde
in der Musenstadt Weimar, der Residenz
des Grossherzogthums Saehsen-Weimar-
Ei.senaeh, am 14. November 1845 in be-
scheidenen Verhältnissen als der Sohn
eines Handwerkers geboren, besuchte die
erste Bürgerschule imd dann das Gymna-
sium seiner Vaterstadt. Zum Studium der
Rechte bestimmt, veranlassten ihn indessen
die beschränkten Verhältn is.se seiner Fn-
milie, kurz vor dem Abgange zur Fniver-
sität die Absicht, dem Studium sich zuzu-
wenden, aufzugeben und sich dem kauf-
männischen P"'ache zu widmen.
Zu diesem Zwecke besuchte er zwei Jahr.*
lang die danuds berühmte Handelsschule zu
Gotha und luichdem er ."> Jahre laug in
Dresden in vei-schiedenen Geschäften thätijr
gewesen war, wandte er sich nach dem
Handelsemporium Hamburg, wo es ilun ge-
lang, durch ei.sernen P'leiss und Energie
nach 10 Jahren an der Spitze eines eigenen
blühenden Export- und Importgeschäftes
zu stehen. Sehicksalsschläge schwerster
Art, die ihn .seines Vermögens und Ge-
schäftes beraubten, veranlassten ihn, im
Frühling 1884 mit seiner grossen P'amilie
nach den Ver. Staaten au.szuwnndern. Wd
er sich sofort im fernen Nordwesten, in
^Minneapolis. ^Minnesota, niederlie.ss. Ge-
wiss sind ihm die ..uj) and dowus" eines
deutschen Einwanderers ohne [Mittel und
mit grosser Familie nicht erspart gehliek'ii.
abei- im harten Kampfe mit ungeheuren
Schwierigkeiten rang er sich mit Energir
hindurch, und so sehen wir ihn .schon 4
.Jahre später als den Besitzer und Redak-
teur der heute noch blühenden deutsehen
wöchentlichen Zeitung „Freie Presse" in
]\rinneapolis. IMinn.
Nach deren Verkauf verlegte er .seinen
AVohnsitz nach Chicago, 111.. wo er berufen
wurde, den. allerdings vergeblich •rehliebe-
nen Versuch zu machen, die tägliche ..Na-
tional-Zeitung". wenige iMouate vor deren
finanziellen Zusaunuen])ruche, am Leben zu
erhalten.
Er wendete sich nun mit gutem Erfoi?'*
dem Grundeigeuthum.sgeschäfte zu und
gründete gleichzeitig eine Fabrik für die
Herstellung eines Zusatzfutters für Pferde
etc.. welche er nach neunjährigem erfolg-
reichem Betriebe an eine Aktien-Gesell-
.schaft verkaufte inid im Jahre 1899 nach
Brooklyn. N. Y.. übersiedelte. Hier be-
gründete er mit seinen beiden Söhnen eine
DKH VKKKIVf'H'rv «t V \T»'V v.,\ wiKKIKA.
B57
Fabrik «Lt ^'loichen Art wie in Chica:;«).
doriMi l'iiMlukto hiMiti' «•iiini ^riil«n Uuf
über die ^an/.ni Wr. Staat«*ii ^iMiii>KK(>ii.
Ilorr Sihmidt ist mit r'uwv Dniiu' aus alt«'in
Ilaiiilturp'r l'atriricr <M'>ilil»M'lit sfit AS
.laliiiii in trlückli<-list«'i- VAw viThriralln't.
RICHARD F. SCHMIDT.
Pruatdml da ZwasvcTbanclc« Bfooklyn.
iiiul ihr echt (Icutscilcs Heim in Minne. i|mi-
lis, (.'liicap) uiul Brooklyn wiinlr allezeit
als der Sannuel|ilat/. eines, wi-ini au«'li nur
kleinen Kr»'i.ses hiK-hgebihJeter Di'utseher
betraehtet.
Wie die Kltein. obwohl stolz auf ihr
amerikanis«-hes Adoptiv- Vaterland tuj«!
Miirtferthuni, kinultulmh in ihrem Denken
un*l Fühlen (;i>blielM'ii sind. k4> liiini^en aueh
Kintler un<l Knkel an tien ü)N>rlieferten
Sitten, (ieliriiuehen inid der Spraeho «leK
alten \'aterlan«les.
Die älteste T«M'hter «les Paares wunlf in
Chieago lii«' (iattin ih's bekannten Humo-
risten .1. I'. Steppj's. der dem Deutsi-h- Ame-
rikanerthum eine (^ross«* Anzahl der kirnt-
iiehsten hlüthen urwüehsigen IIumorK alK
Korrespondent der ..New Y«»rker Stuats-
Zeitinig" unter dem Namen „John Hit.M-h
Hs<|.." >;ej;eben hat.
Herr Sehiiiidt hat sieh lu'- nii «um- par-
tei-politi.sehe Stellung beworiHMi und ist
•ehr selten nur in Vereinskreisen hervon;e-
Ireten. ob(;l<Meh seine re<lnerisehe Mei^abun^
Im wiederholt in die OefTentliehkeit pe-
liihrt hat. so jjanz lM'son<lers u. A. Ihm CJe-
'i-tjenheit d«'r Feier der *J.')jährijren (irün-
dini^ des deutsehen Heiehes am IH. .lanuar
1896.
Seine damals im Auftravre der di-utst-hen
\'fteranen ("hieatrn's vor vielen tausenden
\i>M Festtheilnehmein gehaltene Rede
wurde von tier l*re.s.se des Westens und
Nordwi'stens übereinst inunend als eine
(ilanzleistiuit: deut.selier K«'«h'kunst ain-r-
kaniit
Herr Sehmidt ist aueh iler V«'rfa.s.ser der
vom jirooklyn Zw»'i>rverbande im Februar
mos als Atritationsmittel verolTeiit liebten
Flujrsehrift ..Kin Week- und Mahnruf an
«bis liberale hiir^iM'thum <hMit.s«'her Ab-
kunft von Hro«(klyn. N. Y.,", ein Aufrtif
zum Kampfe für persönliehe Freiheit,
Wahrheit. Sittliehkeit uiul Keeht.
Das Deutschthum m Nord-Dakota.
Vom Deut.sehthum in Nord-Dakota lässt den Fru<-ht feldern ump'staltet halN-n. wan
sieh, aus.ser da.ss tausende Von Deutsch«'!» — iM-stuiders auf den westliehen Theil iles
aus Deutsehland. 0«*.sterrei«'h-l iu;arn, Süd- Staat«"« zutrifft. ni«'ht Viele« beri«'ht«»ii.
Ru.s.sland. d«'r Schweiz inul Luxemburg; - - (Sanz «b'utwhe Gemeinwest'n tribt ««s alb'r-
die weiten Prairi«"n «h*s Staat«'s zu blüh«'n- «linjfs viele, wi«- Ashiey. L<'hr. Zceland,
858
DER DEUTSCH AM KRIKANISCHE NATIONAL-BUND.
Wishck, Xfw SaK'iii, Ilchroii. Dickiiisoii,
Glcii riliii. Leipziir, Maimliavcn. Kitiii li.
s. w., (loch ist von (Unitschem Geistesleben
erst der Anfang; henu'rkl)ar. Zwei deutsche
Vereine sind allerdinf;s zu veiv.eichnen. die
bereits in den Ta«?en des Territoriums
Dakota in 's Lel)t'n «gerufen wui-dcn. näin-
lieh der Turnverein in Wahpeton nud der
Turnverein in .laniestown. Ersterer be-
sitzt eine Turnklasse, aber keine Bären-
I\ie<re noeli Damen-Klasse. Zur Zeit ist
Ilcn- (Mias. G. Bade der Sprecher vom Ver-
ein, und hat letzterer sieh dem Deutsch-
Amerikanischen ('(Milral-Hund antreschlos-
scii. Der Tuin\'crciii in Jamestown. dei-
ISiSU ^ejrründet wurde, hat. hiicIkIciii keine
Turner melir vorhanden waren, sich den
Xamen ..Deutscher Verein" zugelegt und
ist finanziell gut gestellt. Va' besitzt eine
eigene Halle und einen daran grenzenden
Bauplatz, sowie gegen $1000 Baarvermö-
gen. Geistige Zwecke verfolgt er auch
nicht, sondern dient vielmehr, seit Einfüh-
rung dei- Prohibition im Jahi'e 1889, als
geselligei' Vei'ein. wo man in Ruhe sein
Glas Bier trinken konnte. Der Deutsche
Verein hat sich jedoch bei der Grüuduu(^
des Deutsch-Amerikanischen Central-Bun-
des demselben sofort angeschlossen, und
ist man jetzt bestrebt, der Platform des
National-Bundes gerecht zu werden. Prä-
sident ist zur Zeit Herr Georg Lippert, der
12 ]\Ieilen von Jamestown entfernt eine
hübsche Farm besitzt. Im Jahre 1901
wurde in Bismarek. dei- Hauptstadt
des Staates, ein Gesangverein in 's Leben
gerufen, der heute noch existirt. Herr
John Yegen, ein Schweizer von Geburt, be-
kleidete den Posten als Präsident währcmd
all dieser Zeit und ist zur Zeit tjhren-Pi-ä-
sident desselben. Leider ist das Deutsch-
thum in Bismarek numerisch schwach und
was die Verfolgung idealer Zwecke an-
betrifft, noch nicht erstarkt genug, doch
scheint auch hier Besserung eintreten zu
wollen : der Bismarck-]\Iännei'eiii)i- luit sich
ebenfalls dem Central-Bund angeschlossen.
Zwi.sclien Anamoose und Drake. in Mc-
Henry County, liegt eine deutsche Ansie-
delung, aus Keichsdeutschen bestehend, di-»
die Hochhaltung deutscher Sitten und Ge-
bräuche auf ihr Panier geschrieben hat.
Ihrem Township gaben sie den Namen
Sciiiller und erbauten auf zu diesem Zweckt'
gescheid<ten Boden eine hübsche Halle, der
sie ebenfalls den Xamen Schiller beilegten.
Dann gründeten sie den Roosevelt Lieder-
kranz und kamen an den Sonntagen mit
Frauen und Kindein zusanunen, um sich
nach alter deutscher Sitte zu amüsiren.
Im Mai 1907 gründeten sie auf Betreiben
v(m Herrn Jakob B. Rieder, der Vorsitzer
lies County-Rathes von McIIenry County
ist, auch eine Loge der Ilermannssöhnr.
welche den Xamen „Schiller Loge Xo. 1'"
erhielt und heute die blühendste ist, was
deutsche Art betrifft, die Xord-Dakota l)e-
sitzt. Präsident der Schiller Loge und des
Roosevelt Liederkrauz ist Herr Emil Splitt-
stöser, der zugleich ein Dichter imd Ver-
fasser von hübsehen Theaterstücken ist.
Auf Betreiben des obengenannten Ilerni
Rieder wurden auch in Gardena und He-
bron Logen der Hermannssöhne installirt.
Gardena besitzt die Hermann Loge No. 2
mit Herrn Ferdinand Thielmann als Präsi-
denten und Hebron die Feldmarschi.il
^loltke Loge Xo. 3. deren Präsident Post-
meister Gulemann ist.
Tu New Salem, Bismarek und Mandsm
wurden nach kräftig entfalteter Agitation
vom Nati(mal-Gross-Präsidenten ^VilhehM
Fölsen von St. Paul und unter Beihülfe der
Herren I\Iax Schnitze und Francois :\Iartin
ebenfalls Hermannssohn-Logen installirt.
Die deutsche Stadt Xew Salem besitzt die
Prinz Heinrich Loge Xo. 4, deren Präsident
Herr :\Iax Schnitze ist. und die Schwester-
Loge Eintracht Xo. 2, deren Präsidentin
Fi-au Elise Lehfeld ist; Bismarek hat di--
Fürst Bismarek Loge Xo. ö. deren Präsi-
dent Herr Frank Kuntz, ein alter Ansied-
h'i-. ist. und die Schwestern-Loge Edelweiss
No. 1, deren Präsidentin Frau Franco'.s
DKlf \ KKKINICTKN MAAIKN \«».\ AMKKIKA
869
Martin ist ; .Mamlau hat die Kais<'r Willi.'liu
Lo^ri' No. ♦;. .l«'nii Präsiilfiit II. rr Knis:
St(Mnl»rü«'k. Snlin ,|,..s iM'riiliint.'ii Düss«»!-
dorfj-r Mal. TS Striiil»rii«-k. ist. Kiuf weitere
(Jriiii.liiii^' von L«»ir,.|i steht in Anssi.-Iit.
Alle .liese L.»j.'.'n jr.'hürell «lein Dent.M-h-
Anierikanis.-h.'ii ( "entrHi-Bnnd an.
Was nnn diesen Letzteren seihst anl».-
tritTt. s<» wnrde ders.-ll».' nnf .l.-r am 1!'.
März IIHJS in liisniarek statt^r.-fnndenen
deutseli-anit>rikani.se|ien Konvent i(»n. die
Htulakt.Mir Fran.-ois Martin vom ..N<»r«l-
Dakota Herold** eiidiernf.Mi hatte. jfe>rriin-
det und folpMule Ilerr.'ii zn d.'ss.-n Heani-
ten erwählt :
l*rü.sident — Kedakt.'ur Franeois Martin.
Bismarek :
Vize-Präsiilent — Jakol» U. Ki.der von
Anainoo.se ;
Sehatznn-ister — Wiili.lm h.'hl'eld von
N.'W Salem.
Das Amt d.'s S.-kretärs versieht zur /<it
aneh l'räsid.-nt .Martin.
Da d.'r Staat Xord-DaUota keine «grossen
Städte besitzt, ist das V.'reinslelxM« noeh
nieht «Mitwiekelt inid hat dasselln'. I»es(»n-
ders dii' L<»i;en lier llerniannHN«»hne, von
.1. n Mu.k.Tn sehr zu leiil.-n ; ja die
s<-hlinimKten Feinde des DeutsehthumH in
.\ortl-Daki»ta sin.l .li.-s.- .Mu.-ker. welch.-
ja aueh die I'redi(;er der Trohihition und
(J.'trner j.-der nieiiKehlii-hen J^'lK'nHfreude
sind. D.-n ^'r<"»Kst«*n Kintlu.ss üIn'u sie auf
tue Kussländer (ein>rewant|erte deutseint
Kolonist. Ml aus Kussland) aus. die in ihnT
irn»vs.'n Mehrzahl niehts vnn d.*uls«-h«*n Ver-
ein.mi wis.sen w.illen und j.-dwe«leii Idea-
lismus* har sind.
D.-r j;rösst.' I'liieh. unt.'r «Lmh der Staat
Nord- Dakota zu leiden hat. ist tlie Prohibi-
tion. Deshalb hat .l.-r Ceiitral-Mund sieh
di«* Auf^rab.' fj.'stellt. «lahiii zu wirken, «lass
das Initiativ- und Kefer.*iidum-<ies«'tz in
der näehst.'ii liejrislatur zur Annahme fjo-
laii^M. w.>leh<>s uns dann <lie llan.Ihal>e
bi.'tet. das l'rohiliitions(ies»'tz alizusehüt-
teln.
Zum Sehluss sei nun iiimIi iH'iii.'rkt, «lass
«li«* Feier des I)«*ut.sehen Tajr«*s im Jahre
lüOS zum ersten Mal in .\ord-Dak«»ta abtr»«-
halten wurde, ;lller«lin^r^^ ni<ht in jrrossem
Kabinen, aber doch in allen l'lätzen. x^"
deiifscbi' \'ereilli> Hlld I.uireil bestehen
Deutsch-Amerikanischer Staats- Verband von Ohio.
Von Carl Neugart. Cleveland.
D.-r SiM-k.'l. auf .li-m der Deutseh-Aiiieri- Zur Zeil .l.-r Ortranisati.m «l.rs .National-
kaniseh.« Staatsverbaiid von Olli.» aulVebaut bund.'s bestand. -n in Oliio in «Irei Slii«lt«'n
ist. ruht in ('l«*velan«l. «ler Metr«>pol«' il«»s Centralv.-rbände «l«'Ut.s«'|i«»r Vereine: «ler
Staat«*s. D.u't. wo das ileuts.-he I...*ben. und Deut.s«h-Aiii«*rikanis.'he Ceiitralbun«! v.»n
b.*s.>nders das «h'ut.sehe N'ereinsl.'ben. von Cleveland. «li«* Deut.s.'lie Tat;-(!«'si'll.s«'haft
jeh«*r kräftig? pulsirt.-. wur«li' am 'Vi. März von Cineinnati un«l «br DeutseliAiiH'rika-
}'M)'2 «ler Staatsv.'rbainl ins Fi.'b«*n j.'.'ruf.*n. nis«'h«' Cent ralv. -rein v«»n Dayton D«'r
Die Anrejruii}; hi«'rzu ^rinj; vom «li»rtijr.'n ('«'Utralbund Clev«'Ian<l. «ler U-i «Iit ()rj;ani-
Deutseh-Am.'rikaniseheii Centralbiin.I aus. saiion .les Nati.tiialbund.'s mitgewirkt
«ler im ({ründiinusjabr .les D.Mitseh-Am.-ri- halt«', wur«!.- babi .larauf v.m «l.-r F..\.'ku-
kani.s«-hen .\.itii>i>;iM>iiiiiles in |'',\istiiiz ir.'- tive «l«'s Nationalbiin.les .'i*sueht. di«* Oru.i-
ti-«'t<>n war. nisatioii d«'s Staatsv«*rband«>s v«iu Ohio xu
860
DER DEUTSCH AMERIKANISCHE XATIONAL-BUND.
Übernehmen. Diesem Ei-suchen Folge
leistend, berief der Centrnlbund Cleveland
auf Sonntag, den 23. :Mürz 1902, eine Orga-
nisationsversammlung nach Cleveland. zu
der er alle deutsehen Vereine Ohio 's ein-
lud. An der Vei-sammlung. die in der
Sozialen Turnhalle, dem seitherigen Haupt-
quartier des Centralbundes Cleveland und
sozusagen der Herzkanuuer des deutsehen
Lebens der AValdstadt. stattfand, betheilig-
ten sieh aus.ser Cleveland die Städte Cin-
einnati. Toledo. Akron, ]Massillon, Youngs-
town und Lora in. Den Vorsitz der konsti-
tuirenden Versammlung führte Capt. Wil-
l'niii Backus, der damals Präsident des Cen-
tralbundes Cleveland imd zugleich auch
einer der Vizepräsidenten des Xational-
bundes war. Die andern Beamten der Ver-
sammlung waren : August H. Bode von
Cineinnati. 1. Vizepräsident; Otto Ilaubold
von Toledo. 2. Vizepräsident; August Zim-
mermann von Akron 3. Vizepräsident ;
Gustav ]\Iartens vcm Cleveland, Sekretär.
Nachdem die Gründung des Staatsverban-
des einstimmig beschlossen war, gelangten
die Grundsätze, Verfassung und Nebenge-
setze zur Annahme. Die Grundsätze be-
stehen erstens aus einer allgemeinen
Grundsatzerklärung in L^ebereinstimmung
mit derjenigen des Nationalbundes und
zweitens aus einer die sozialoekonomischen
Zustände imd Fragen ])ehandelnden Prin-
zipienerklärung, in der hauptsächlich
Front gegen die Versuche zur Beschrän-
kung der ^Einwanderung und zur Erschwe-
rung der Erlangung des Bürgerrechtes ge-
macht, ferner die Treue und Hingabe des
deutsehen Bürgerthums an sein Adoptiv-
vaterland und dessen Institutionen hervor-
gehoben und wahres Bürgerthum definirt
und zur Pflicht des Staatsverbandes ge-
macht wird, sich zu bestreben, das öffent-
liche SchuLsystem zur wahren Pflanzstätte
der Erzielnuig der Kinder zu guten brauch-
baren ^Menschen und patriotischen Ameri-
kanern zu machen ; aus der Verwaltung
desselben Religion und Politik fern zu hal-
ten, dagegen die Einfühnuig imd Förde-
nuig des deutsehen Sprach- und Turnun-
terrichts in allen öffentlichen Sshulen
Ohio 's zu unterstützen. Die Gründungs-
versammlung nahm einen harmonischen
Verlauf, und das Samenkorn, das da ausge-
streut wurde, ging bald auf mul ent-
wickelte sich mit der Reihe der Jalm« zu
einem mächtigen fruchttragenden Baume,
dessen Aeste heute über den ganzen Staat
verzweigt sind.
Im April desselben Jahres wählte der
Centralbund Cleveland. der von dei Kon-
vention zum Vorort für das laufende Jahr
gewählt war. die erste Exekutive des Staats-
verbandes. Diese bestand aus: Capt. Wil-
liam Backus, Präsident; C. H. Hengst. 1.
Vizepräsident ; F. M. Penndorf, 2. Vizeprä-
sident; Oscar Schmidt, Finanzsekretär: H.
Theuner, prot. und korr. Sekretär: Emil
Allniayer, Schatzmeister. Als Vizepräsi-
dent für den Staat Ohio im Nationalhund
wurde Capt. Backus gewählt. Die Exeku-
tive machte sieh sofort allen Ernstes an den
Aufbau des Staatsverbandes, indem sie die
deutschen Vereine im Staate zur Gründung
von Stadt verbänden imd zum AnschUiss an
den Staatsverband, der sieh .selbstredend
sofort als Glied des Nationalbundes anmel-
dete, aufforderte. Ausser einigen wenigen
kleinen Städten erfolgten in diesem Jahre
keine Anmeldimgen.
Die zweite Staatskonventitm fand am 17.
:\Iai 1!J<)3 an der Gründungsstätte des
Staatsverbandes, in der Sozialen Turnhalle
in Cleveland unter dem Vorsitz des Präsi-
denten Capt. Backus statt. Vertreten
waren ausser Cleveland die Städte Toledo,
Dayton, Akron, Canton, :Massillon, Youngs-
town. Lorain, Steubenville, Springfield und
andere. Die Konvention erklärte sich für
Widerruf der mittelalterlichen Blauge-
setze und imbedingte Achtung der durch *i
die Verfassung garantirten persönlichen
Freiheit, für Civildienstreform, lokale
Selb.stverwaltimg imd gerechte Steuerge-
I)KI{ VKKKINKJTKX STAATKN VON AMKKIKA.
861
setz»'. Dtr \'(»riirt wiinlf mit' /wci weitrr«'
Jahre in Clevehm»! helH.v<«'ii. Als Delejra-
teii zur Natioimlkoiiventioii im SeptemlM'r
clessclIx'M .lalin's in Baltimore wurden die
Ilern-n II 'PIumimit und (Justav Ilallunh
v«»n ("leveland luid als Stellvertreter di»'
Herren W»'in von Akmii und it. Martens
von ('leveland trrwiililt. Den hesten Auf-
seliluss ührr die Tliät ijrkeit d«'s Staatsvrr-
bandes hezw. seiner Kxekutive im ahpelau-
fenen Jahre pieht der in der Konvention
verlesene Jahresheri<'ht d«*s Sekretärs. In
diesem ist zunächst auf die Sehwierifikeiten
hinfiewieson, die sieh d«'m Atifbau de.^ Ver-
bandes entt;ef;enstellten. Kin j^rosser
Theil der deutsehen Presse im Staate lialn-
anfänfrlich eine aulTallrnde Apathii' der
\'erbandssaehe ^et;enüb«'r an den Taj; jre-
lept und unter den Vereinen selbst habe
das Interesse am Verbände nur sehr lanj;-
sam zupenommen. Schliesslich aber sei der
Ball in 's Hollen trekommen. und dann sei
es merklieh vorwärts pepaufren. Auch die
Staatspesetzpi'bunjr sei nicht vernaehliissifrt
worden. Als die Lepislatur sich mit der Be-
rat luui^r eines neuen Munizi|)alkodex be-
fasst hab«' und Grund zu d«'r Annahme
vorhanden pewesen sei, dass eine Städte-
ordniuig zusannnenpesehmiedet werden
nuk'hte, die die freien Bürgerrechte ni<*ht
unerheblich lM's<'hriink«'n könnte, habe die
E.xcktitive einen dahingehenden Protest an
alli* I^epislaturmitplieder pesitndt. — Als
Ort für die nächste Konvention im Jahre
IIH».') wurde Dayton und als Vorort bis da-
hin wiederum ("leveland pewählt. Babl
nach der Konvent i<»n wählte der Vorort zu
Beamten der Kxekutive des Stuiit.sverban-
des die folgenden Herren: (Justav Hai
baeh, PrJLsident; C. 11 Ilenpst. 1. Vizeprä-
sident; C. W. Fromm, 2. VizepriLsident ; H.
Theuner. Sekretär; C. Platt, Finan/.sckre-
tär; Emil Allmayer. Schatzmeister.
Vork(.m mnis.se im l«»kidcn Ccntralbund
('leveland, die am Ix'sten mit Stillschweigen
überpanpen werden, Vi-rschuldeten nicht
nur. da.ss die Agitati<»n für den Beitritt
zum Staatsverbandc im Staate in's St(M-ken
perietil. S4indein führten auch (bizu. da.sH
die Kxekutive «h-s Staatxverbamb's sieh zur
Kesipinition veranbiKst sidi. Das war Knde
.Mär/ 1!M)4. .\nfanps Aupust deNKelb<>n
.lahr(>K wurde dann eine neue Staat.s4«xeku-
tive pewählt. die ans «len fjilpeiub'ii Her-
ren bestand: Leopold Kilistein. Präsitjent ;
Hermann Kt-llinpcr. 1. Vizepräsi<lent ;
.\lbert Ki.sele, 2. Vizepräsi<|ent ; Kmil All-
mayer, Sehatzmeister; F. W. Prahl. Finanz-
sekn-tär; (lustav Martens. Sekn'tär. Der
neuen Kxekutive pelanp ^*s, obwohl sie unter
den bewan<lten Verhältni.s.s«'u mit pross«'n
Schwieripkeiten zu kämpfen hatte, neum
Leben in die Verbandsbewepunp 7M brinpen
und dem Staatsverbandc einipe neue V<t-
eine /.uzufüliren.
Die dritte Staatskonvention, die am 6.
Aupust liMir» in Dayton in der liarupari-
Li«'derkranzhalle unter dem V<»rsitz d«»«
PriLsidcntcn Kinstein abpehalt*-n wurde,
war die bedentt-ndste seit der (iründungH-
versammhnip im März 1902 in ('leveland.
Sie brachte naiiientlich bei den Vertretern
der Städte im südlichen Theile chni Staat«»«
ein bes.s«'res Verständniss der Verbandsbe-
wepunp zu Stan«le. Vertreten wan-n
ausser Dayton die Städte Cleveland. Cin-
cinnati, Hamilton. .Miamisburp. Sprinp-
fie!d. Toledo und Voiujpstown ilun-h 51
stimmberechtipte Delepaten. Die Konven-
tion besehloss, pewis.se positive Ftirderunpen
an die Lepislatiirkandidaten zu .stellen und
die Krwählunp «li-rjcnipcn. die sich nicht
dazu bekennen, mit allen pi'setzli«'hen .Mit-
teln zu iM'kämpfen. Zu dies«-n Fordcrunpen
pehörten die folpenden : Widerruf der
Blaupesetze (ein.schlie.ssl ich der LiK-alop-
tion- und SonntapKp«>s4>t74') : Bekämpfunp
jeiler freiheit.swidripen (Jesetzvorlape ; Ab-
underunp der Staatsverfa-ssunp im Inter-
es.se iler Lizensinuip tlcr Schiuikwirthsehaf-
ten ; oblipatoris»-he Kinführunp (b's Tuni-
initerriehts in allen öfTentlichen Schulen
des Staates; Treiinunp der Lokalwidilen
von den Staats- und Naii<»nalwahlcn ; Bei-
862
DER DEUTSCH-AMKRIKANISCHE NATIOXAL-BUXD.
bchaltiinjr der öffentlichen Kanäle unter der
Kontrolle des Staates und Ausbau dersel-
ben; Wiederherstellung der Selbstre^ne-
run^' der Städte; Einführunjr der direkten
Gesetzjjebuntr (Initiative und Referen-
dum) ; Absehaffunj; der Todesstrafe. An-
dere Besehlüsse waren : Hi-\vählung der
Binidessenatoren d\n"eh das Volk, sowie
Etablirunjr von Uundes-Sparbanken. Dea
Deutschen im Staate, allenthalben, wo keine
renti-all)ünde bestehen, wurde die jähr-
lielie Veranstaltung von Deutsehen Tag-
FeieJii empfohlen. Als Delegaten zur Na-
tionalkonvention im Oktober desselben
Jahres in Indianapolis wurden die Herren
Leopold Einstein von Cleveland und Rich-
ter August II. Bode von Cincinnati und
als Ersatzmänner die Herren Edward
Xeder von Dayton imd ^lax Henning von
Hamilton gewählt. Diese wurden instruirt.
in der Nationalkonvention dahin zu wirken.
dass geeignete Beschlüsse gegen die grau-
same Behandlung der p]inwanderer gefasst
und dem Kongress übermittelt werden.
Toledo wurde als Ort für die Staatskon-
vention im Jahre 1907 gewählt und Hamil-
ton für die nächsten zwei Jahre zum Vorort
gemacht. Von der Verlegung des Vorortes
von Cleveland. wo er seit der Gründung des
Staatsverbandes sich befunden, nach
Hamilton versprach sich die Konvention die
besten Erfolge imd erwartete vor Allem,
dass jetzt jene Städteverbände im Süden
des Staates, die dem Verbände noch nicht
angehörten, sich ansehliessen würden. Der
neue Vorort erwählte noch in derselben
Woche die folgenden Herren zu ^Mitglie-
dern des Staatsexekutive: Max Henning.
Präsident; Justus Duemer. 1. Vizepräsi-
dent; F. X. :\Iayer. 2. Vizepräsident;
Jacob Hintermeister. Sekretär; Otto Schir-
mer, Finanzsekretär: Fred. Pnppert.
Schatzmeister.
Der Noth der Zeit mehr, als dem eigenen
Triebe, gehorchend, wurde von der Exeku-
tive auf den 27. :\Iärz 1906 eine Extraver-
sammlung nach Coluinbus, der Staats-
hauptstadt. einberufen, und auf dieser
Vei'sannulung wurde der gnuidlegeiuK-
Schritt für die Organisirung des gesaiiuiiten
liberalen Elementes aller Nationalitäten im
Staate gethan. Vertreten waren alle soweit
dem Verbände angehörigen Städtevereini-
gungen, nändich: Hamilton, Cleveland.
Toledo, Cincinnati. Springfield. Youngs-
town und Dayton. Die Extratagiuig war
zu dem Zweck einberufen worden, zu be-
rathen, was angesichts der im Staate ob-
waltenden Sachlage zu thun sei, um da.s
liberale Element im Sinne der Gnuidsätze
des Staatsverbandes zusannnenzufa.ssen zu
dem Kampfe, den es führen müs.se, wenn
es sich gegenüber dem An.sturm des Prohi-
biticms- und Simntagszwangs-Fanatiker-
thums seine verfassungsmässigen Rechte
sichern wolle. Infolge der bis dahin herr-
schenden Indiffei-enz und Organisationslo-
sigkeit des liberalen Elementes war die per-
sönliche Freiheit im Staate von einer Legis-
latur-Session zur andern innner mehr be-
schnitten worden, imd die Sachlage hatte
sich bereits soweit entwickelt, dass die kon-
stitutionell verbürgten Rechte Aller .so gut
wie verneint wurden und der nächste
Schritt vollständige Prohibition gewesen
wäre. Sämmtliche an der Extravei-sainin-
lung Theilnehmenden waren ein.stiinmi^'
der Ansicht, dass das liberale Element,
wenn es seine ihm so stark beschnittene»
Rechte und Freiheiten zurückerobern und
befestigen wolle, seine Taktik ändern und
einen politischen Kampf um die Legislatur
selbst führen und das Werk sofort in An-
griff nehmen müsse. Die Versammlung er-
liess an die Deutschen des Staates einen
zündenden Aufruf, in dem auf die herr-
schende grosse Gefahr aufmerksam ge-
macht inul zur sofortigen Organisirung
des gesamniten lil)eralen Elementes im
Staate aufgefordert wurde. Der Aufruf
wurde von Herrn Simon Hickler, dem Chef-
Redakteur des „Wächter & Anzeiger" in
Cleveland, der stets furchtlos und treu für
DKH VKKKINHITKN STAATtK V»i\ AMKHIKA.
HA3
die bfstfii Iiit«T«'ss«'n «l»>s Vrrhandfs jf»*-
küinpft hat iiiiti (liin-li <lic ^ciiHniit«* Zci-
timjr srhou früluT auf du- Orjraiiisirun^r (lt*s
liluTalfii Fil('iiu'nt«'s aillcr Nationalitäten p*-
«IruMfjtMi hat!«', als das einzi^r«* wirksame
Mittt'l zur ^Vi»'^lt'rl'n»ln•run^' tiiid hcfi'sti-
^riiii^' der |M'rsöiiIiclu'ii Fn-ilifit. «'ntworfni
UJid von der Vfrsanunhmjr riiistiinmij; jrnt-
pelu'isseu. I)i»«s«'r Aufruf markirt lU'ix
Be^iiui einer nrurn Kp<M'lit' in di*r (le-
srhichte d«*s Vcrhandfs. da mit iluu «'ine
neue Kamjtftaktik in 's \V»'rk jffsi'tzt wurde,
dii' dem \'trl)and»* zu ein<'r ^Ia«•|^tst^•llun^'
verholft>n und thatsiii-hli«'li im Zusamm*-n-
schluss dt*s lilMM'alt-n Klt'mt>nt«*s aller Natio-
nalitäten im Staate resultirt hat. Als
Hiehtsehnur für die Führung; des Kampf<*s
um die persönliche Freiheit pah der Auf-
ruf die folpende. aueh heute noeh masstre-
heiule Parole aus: ..1. An allen Orten im
Staate, wo mn-h keine Oiisvereinitruntren
des Staatsverhandes In'stehen. sind solche
sofort zu ortranisiren : 2. Das lilwrale VAi'-
ment der andern Nationalitäten ist in fje-
eipneter Weise ehenfalls zur ( »r^ranisation
zu hesafTtem Zwecke zu veranlassen ; A. Alle
(ies«'tzvorlan«'n. die der Legislatur zur
Si<*herung der in so prossem Masse bereits
verloren fr«*panpenen persöidi<'hen Freihei-
ten zu unterbreiten sind, sollen in» Voraus
ausfrearlM'itet werden. 4. Auf (irund dieser
Vorlagen sind so früh als möglich die er-
forderlichen Lepislatur - Kandi«laten zu
sichern und überall <l<»rt. wo es ni<ht niöp-
li<-h ist. sie durch ihre respektiven Parteien
zu erwähliMi. sind »lieselben unabhänirip
aufzustellen und zu wählen." Der Aufnif
wurde Namens der K.xtratapunp von den
f«»lpenden Herren unterzeichin-t : .Ma.x
Ilenninp (Hamilton). Di-. .1. U. Kotheimer
( Younffstown). Albert Kisele (Clevelan«!».
Ant<»n Aman (Dayton). (Seorp Fischer
(Sprinpfield). Chas. (J. Schmidt (Cincin
nati). Fnmk Hillenkamp (Toledo».
Die vierte Staatskonventi«»n. «lie am .'i.
und 4. Aupust 1!M»7 in Toh-dc» abgehalten
wurde, war «lann «lie iM-deutsamste. die M*it
Mt'stehen j|es Verbainles stattfand. Mtwohl
in Mezup auf die Stärke der Hetheilipunp
als namentlich auch in Hinsicht auf die
pefassten liese)llüsM4>. Auf ihr wunle die
deuts4'he hewepunp im Staate in das rich-
tige Fahrwas.ser gebracht, indem jds Parole
für den politis4-hcn Kampf der S«hlac|itruf
..Was durch tue (iesetzpebunp vi-rlorcn pe-
panpeii ist. uiu.ss durch diu Cieset/pebunp
wit'der erolM'rt werden". a>i.spi»pelM'n wurde.
Vertreten waren da.se||>st atus.s«'r Tob-dn.
C'incinnati. Clevelan«!. Coiuml.'.is. Chilli-
eothe. Dayton. Hamilton. Lima. I^orain.
.Manstield. Sprint'field, .Steubenville. Stark
County. TitVm. Fremont. liucyrus. .Mt.
Healthy. Sjindusky und andere Stjidte.
Die Zahl iler Delegaten betrujf üIht drei-
hundert. Präsident Heiuiinp. di-r den
Voi-sitz führte, nahm die (ielepenheit
wahr, auf «Icn erfreidicht-n Zuwachs hin-
zuweis«'n und zu iM-richtcn. ditss «'s s«Mt der
letzten K«»nvention pelunpen si-i. die Cen-
tralbünde in Chillicothe und Dayton für
<len Staatsverband zu p«'wiiuien uiul in
achtzehn Städten Verbämle zu orpanisiren.
l'nter den deut.schi'U Kn*ipnissen im
Staate in den abgelaufenen zwei Jahren,
berichtete Herr Henning ferner, rape ein<*s
ri«*senhaft unter allen ändert) hervor: «lie
Knfliiill iiiifi (h s Schilh r-(!tn tlu -D* iiknmia
in Ch vt Ininl. Dort hab«* das Deutschthum
wie«l«*r einmal lM*wie.si'n. was es leisten
könne, wenn «*s «'inip s«'i. Die K«»nvention
nahm eine Reihe luM-hwichtiper Beschlüsse
an. die für di«* künftig«* Thätipk«'it «b*s Vi-r-
ban«l«*s von ti«'fnreif«'n«lcr \Virksamk<'it
waren und nuuH'he pute H«»sultat«' er/.i«*lt«*n.
Als Kichts«-hnur für den zu führen«len
politi.scIu'U Kampf wurde erklärt: l'nti-r-
stützunp aller Lepislaturmitplicdcr. Kan-
didaten für «lie Legislatur «Hier Kandidat«'n
für irp'ud welch«« Staaits-, ('«uinty- «nler
stä«ltis«he A«*mt«*r. «»hne Küeksi«'ht auf ihre
Part«'izujrehöri>rk«'it. «li«* in Sachen «l«*r p«'r-
K«inli«-hen und an«l<'rcr Fr«'iheit«'n pesuntle
.\nKi«'ht)-n halM-n un«l willens sind, nur
s«»l«-he iutu'tzA' zu machen tn)«l zur Kinfüh-
864
DER DEUTSCH-AMERIKA.MSCHK NATION AL-BUND.
rung zu bringen, dio eines freien Landes
und eines freien Volkes würdig sind. Aiii
der Grundlage dieses politisehen Vorgehens
soll der \'erl)and in der Staatspolitik das
folgende Programm vertreten um! nach
und naeh zu verwirkliehen suehen : Protest
gegen alle Gesetzgebung, wodurch die per-
sönliche Freiheit oder andere F':'eiheiten
der Bürger des Staates beeinträchtigt wer-
den; lokale Selbstverwaltung (honie rule) ;
direkte Nominirung der Kandidati^i: aller
Parteien am gleichen Tage; Eir.tüiinuig
der direkten Gesetzgebung; Bek/ii\n>i'ui!.g
irgend einer Loeal Option-Bill, die der
Legislatur vorgelegt werden mag; Lizensi-
rung des AVirthsgeschäftes; Annahme von
Staatsgesetzen, die den Turnunterricht in
den Volksschulen aller Städte, wo thun-
lich. obligatorisch machen. Ausserdem
wurde die Erstrebung der folgenden For-
derungen in der Nationalpolitik mit in das
Progrannu aufgenonnnen : Protest gegen
Erschwerung der Einwanderung; Protest
gegen den Kongress-Erlass zur Abschaf-
fung der Kantine in der Armee und den
nationalen Invaliden-Anstalten. Ferner
Anirden für die persönliche Bethätigung
des Deutschthums die folgenden Strebens-
ziele in 's Programm gestellt: Förderiuig
der deutschen Sprache in der deutschen
Familie; Einführung resp. Beibehaltung
des deutschen Unterrichts in den öffentli-
chen Schulen; Unterstützung und Förde-
rung der deutschen Presse; Anschaffung
von so vielen deutschen Büchern als mög-
lich in öffentliclien Bibliotheken ; Herbei-
ziehung und thatkräftige Unterstützung
guter deutscher Theatertruppen, die be-
lehrend auf das Publikum wirken ; Grün-
dung von literarischen Klubs für die deut-
schen Tjchrer, um das Studium der deut-
sehen Sprache und Literatur unter dem
amerikanischen Volke zu fördern : that-
kräftige Unterstützung derjenigen Insti-
tute, die sich die Lehrerausbildung zur
Aufgabe gestellt haben, vornehmlich des
Deutsch - Amerikanischen Lehrerseminars
in Mihvaukee; Grünilung deutscher Sclml-
vereine nach dem Muster des Allgeineinni
Deutschen Schulvereins von Cleveland;
Belehrung der neu Eingewanderten über
die Xothwendigkeit und Vortheile des Biir
gerrechts. Die Versammhuig beschloss.
künftighin jedes Jahr eine Konvention alt-
zuhalten, und zwar Ende Juli oder Anfaiii.'
August, uiul bei dieser Gelegenheit jed'
l\Ial den Vorort neu zu erwählen. Coluin
bus wurde zum nächsten Ktmventionsoi'
liestinnnt. und Cincinnati als Voi-ort für das
nächste Jahr gewählt.
In Verbindung mit der Tolcdoer Kon-
vention wurde zum ersten ^lal eine Feiti-
des Deutschen Tages von Ohio veranstaltet
die einen glänzenden Verlauf nahm. K^
war ein Ehrentag nicht nur für die Dem
sehen von Toledo, sondern für das Deutsdi
thum von ganz Ohio. Nicht nui- war <1;
Betheiligimg eine ausserordentlich rege. <•-
waren nicht allein die nach Tausendtn
luid Abertausenden zählenden Bcsuclici-
die, aus allen Richtungen der Wiiidru
herbeigeströmt, den Tag für das Deutsdi-
thum zu einem denkwürdigen gestalte-
ten, es war vielmehr die prächtige keiii-
deutsche Stimmung, welche die Theilndi-
mer mitgebracht hatten, die der Feier ilir
ausserordentliches Gepräge verlieh. Der
Festredner war Herr John Schicaab von
Cincinnati, der das zeitgemässe Thema
..Das deutsche Element" zum Gegenstand
seiner Rede gewählt hatte. Es war voi
nehmlich bei dieser Gelegenheit, aber auch
schon vorher im Verlaufe der Konvention,
dass Herr Schwaab, der seit der Toledoer
Tagung an der Spitze des Staatsverband'
steht und seine Geschicke mit starker und
entschlossener Hand auf umsichtige im'
erfolgreiche Weise zu leiten versteht, ni
den Vertretern des Deutschthums im Staab
näher bekannt wurde und sich das Zu
trauen zu verschaffen wusste, das ihm m
seiner nachherigen Thätigkeit als Führer
des Deutschthums des Staates das Prestii^'
zu seinen Errungenschaften verlieh. An-
I
DKK VKKEIXKJTKX 8TAATKX VON AMKKIKA.
8(15
il«Tt' Jit*<linT lii'i ih'v Ffi«-r waren : \V. !•".
Rcnz, Prü-sidcnl »les I)«Mils«li-AiiM'rikani-
si'hfij CVntiall»uii(l»'s von Tolftlo; Mayor
Brand Wliiil.M-k von T«».U'd«) und Staat.siv
prjls^'ntant Frank Ilillcnkanip von Toledo.
Die Feier liildete einen Markstein in der
Geseliielite des Deutsriit liuins des Staates
und dem Wunsilie. dem damals in Wort
uiiil Selirift Ausdruck vt'Hielien wurde,
dass alljiihrlieh Itei jeder Staatskonvention
eine Feier des l)euts<|ien 'Favres von Ohio
veranstaltet wenle. ist hei der näelist«'n
Konvention in C'ohunhus entsproelien wor-
<l«'n und wird wohl auch in der Zukunft
■ent.spnK'lien werden.
Der Vorort C'ineinnati erwählte für das
fol^'ende .Fahr /u .Mityriiedern der Staats-
exekutive die foljrenden Herren: Joiui
*Sehwaah, Präsident: .Folui Könip. 1. Vize-
priLsident: Frank Ilillenkamp (Toledo). 2.
VizepriLsideiit ; Henry Alhertz. Seki^-tär;
Henry Rit«s. Finanz-sekretär; \\u\. HofT-
mann. Sehatzmeister. Die neue Exekutive
entwickelte im Inter«*sse des Ausbaues des
Verbandes sofort eine zielhewusste, syste-
nuitisehe Af^itation und brachte den Ver-
band auf die Höhe, auf der er .Zither steht.
Herr Schwaab besuchte jede Stadt und
jede Ort.seliaft im Staate, wo Deutsehe sich
in fjrösserer Anzahl niederfrela.s.sen liaben.
trründete viele neue Zweigv»'rl)ände und er-
warb sieh um die Orpanisirung des
Deut.sehthums im Staate solche Verdien.ste.
<la.ss die nächste Konvention in Columbus
von der seitheriK<'n Regel, die Wahl tles
nächsten Präsidenten dem Vorort zu über-
la.ssen, abwich und Herrn Schwaab als
Träsidenten des Verbandes für das nächste
'lahr einst immiv' wieder erwählte.
Die am 1. und L'. Augu.st 1908 in der Co-
lumbia-Halle in Columbus abgehaltene
Staatskon \vnti<»n war in jeder denkbaren
Tinsieht die erfr»l<;reich.8te. die der Staat.s-
crband bis dahin abgehalten hat Nit'ht
Mir war sie charakteristis<'h durch die
stärke der Hi-f heiligung — es nahmen über
iinfhund.'i-i |).|ctr;,f,.,| ;,n ihr theil - luid
durch den Kifer und die iicjicistcruii;;. wo-
mit die Delegaten sieh den wichtigen Ar-
beilen hingalN'n, sondeni auch uikI «lii's
ganz Ix's^inderH — durch iVw Kinmüthigkeit
und Kinigkeit. die währen«! ilrr ganzen
Dauer der Konvention vorluTrschten. Wenn
es ««int'S Mt'Weises bedurfte, dasK die Deut-
s<'h«'n v«»n Ohi«» in Hinsieht aiif die wich-
tigste und hau|»tsächlichste Aufgalie, die
durcli/uführen si«- sieh zum g«'meinsamen
Ziele pi-macht : «lie Wiedcrlu'rst«'llung luid
Hefestigung «1er pers<tnli«-hen Freih«Mt, ein
..rinifi Vttik ran HrüiUrn" sind, dann iKt
dieser Hi'weis durch die Columbuser Kon-
vt'ution Voll und ganz erbracht wonlcn.
Pr;isid«'nt Schwaab hatte (Jelegerdieit, auf
Krnuigcnschaft«'!! im l«'tzt«'n Jidire hinzu-
wei.s«'n. wie sie Vorher keine Kxekutiv«* auf-
zuweis«'!! halte. Iteim Antritt .seines Amtes
iK'stand «1er N'erband aus 18 Zweigver«'in«*n.
Cnter s«'iiu'r Thätigkeit als Leiter des Gan-
zen wurden während d«'s Jahres 18 neue
liokalvereinc dem Verbaiule angeschl«>sK4>n,
so dass si<'h der Staatsverband in B«'zug auf
Lokalvereine verdopp«'It hatt«*. luid das-
selbe war auch in Be/ug auf «lie Mitglie-
«lerzahl d«'r Fall. IL-rr S«'hwaab besuchte
währ«'nd des Jahres nicht weniger als 45
Stä«lte. «'inige «lav«)n zwei un«l «Irei Mal.
hielt da.selbst Ansprachen und organisirte
Zweigvereine. Wähn-nd der Sitzung d«»r
Legislatur war er au acht v«'rs«-hviHlenen
Tag«'n in «ler Staatshauptsta«lt un«I that
s«*in Möglichst«'s. gemeins<'hädli«'he U«*setz«'
zu v»'rhin«lern. Als in der (i««s«'tzgebung
eine Bill «'ingebra«'ht wunle. mit d«'r «'s auf
di«' Einführung v«»n ('«»unty-Prohibition
abg«'.schcn war. Ii«'ss «'r im ganz«Mi Staate
Protest petiti«)n«-n — 2.'».«KKI tut «h-r Zahl —
in Cndauf setzen, die v«m üln-r llO.lMHl
Bürg«'rn unlerzei«'hn«'t wunlen. Dass diese
iVtitionen v«»n d«*n kurzsichtig«*n Gesetzge-
bern ign«irirt wur«len uiul di«* Bill zum
Gesetz erhob«'n wurde, war ni«'ht die
Schul«! «les Verbamles o<!er .seiner B«*amten.
Die Columbu.s<'r Konv«'ntion naiun eine
Keihe Bj'ScMi'ksi' jin ilic für die führende
866
DER DEUTSCH-AMEKIKANLSCHK NATIüNAL-BUND.
Rolle, die <l;is Deutscht Imiii im Staate von
jeher einnahui. für die Zukunft von ^m-öss-
ter AVichtiirkeit waren inid es noch sind.
Die hauptsächlichsten iicsclilüsse sind:
Indossirun«? von Judson Ilarnion als Gou-
verneui's- und von David Rockwell als Vi-
zeg^ouvenieurskandidat ; Iiulossirung der
Prinzipien der Personal Liherty Lca<;ut'
von Ohio mit der p]mpfehlun^ an die
Zweigverbände, sieh ihr da, wo eine lokale
Freiheits-Liga b»»steht. anzusehliessen ; For-
derung an die Staatsofesetzgehung. im In-
teresse der Einfühnuig eines Lizenssystems
für das Wirthsgesehäft die erforderliehen
Schritte zu thuu ; Autforderung an alle
^litglieder des Verbandes, die amerikani-
sche Unsitte des gegenseitigen Traktirens.
weil eine der Ilauptursaehen der Unmässig-
keit im Trinken, auf Sehritt und Tritt zu
bekämpfen ; Loslösimg der Richterwahlen
von der Politik. ^lit Bezug auf die För-
derung und Erweiterung deutscher Bestre-
bungen wurden die folgenden neuen Em-
pf^hhmgen gemacht : wo immer möglich.
auf eine verhältnissmässige Vertretimg in
öffentlichen Schulbehörden hinzuwirken ;
für Trennung der Geschlechter in den
öffentlichen Schulien vom 5. Schuljahre an
und für Anstellung männlicher Lehrer für
Knabenkla.ssen auf's Energischste zu agi-
tiren ; für Einrichtung von Gewerbeschu-
len nach deutschem ^Muster einzutreten;
als Mittel zum Zweck der Ausbreitung deut-
scher und amerikanischer Literatur deut-
sche Lesezirkel zu gründen ; öffentliche
Vorträge von ^Männern nationalen Rufes
über amerikanische Geschichte zur Richtig-
stelhmg des ^litwirkens der deutsch-ame-
rikaniselw'n Vorfahren an der Kulturarbeit
des Landes zu arrangiren ; die deutsche
Presse des Landes thatkräftig zu unter-
stützen, damit sie sich auf der Höhe der
Zeit erhalten, der wahre Hort der persön-
lichen Freiheit imd Vorkämpfer der Sache
des Verbandes sein mag. Auch hinsicht-
lich der Propaganda für deutsch-amerika-
nische Geschichtsforschung wurden, wije in
jeder vorausgegangenen Konvention wich-
tige Beschlüsse gefasst. Eine Pres-skoin-
mission wurde beauftragt, über Mittel und
Wege zu berat licii. wie die Ilcrausgalir
eines der Verbandsbewegimg würdigen, un-
parteiisch und im besten Interesse des Ver-
bandes geleitetes Verbandsorgan crinilf.'-
licht werden köime. Die Toledoer Konveii
tion hatte ein von einem Privatunterneh-
mer herausgegebenes Blatt als Verhan«K
organ indossirt. und weil die Art unil
AVeise, wie da.sselbe redigirt wurde. Ix-
gründete Unzufriedenheit im ganzen Staate
hervorrief, hatte sich die Columbuser Til-
gung zur Einsetzung der erwähnten Presv
kommission veranla.sst gesehen. Die C"
lumbuser Konvention beehrte, wie bereit
erwähnt, den seitherigen tüchtigen Präsi-
denten John Schwaab von Cincinnati mit
einer Wiederwahl, ebenso den Vorort Ciii
cinnati, und bestimmte als Ort für die Kon
vention im August 1909 die Stadt Clev
land.
Auch in Verbindung mit der Columhas« r
Konvention Avurde eine Feier des Deut
sehen Tages von Ohio abgehalten, die der
im Jahre vorher in Toledo veranstalteten
nicht nachstand. Der deutsche ^Vstredn«'
war Herr S. G. Vicn-tn-k von New York
der über das Thema „Die Deut.schen Ani«-
rikas und ihre ^Mission" sjiraeh. Herr
:\lichael Ryan von Cincinnati. Präsiden!
der Personal Liberty League von Ohio, win
der englische Festredner. Andiere Redner
waren: ]\Iayor Chas B. Bond von Colun.-
bus, Herr Joseph Dauben von Cohuubuv
Staatsverbandspräsident John Schwaal'
und Herr Robert L. Soergel, damalig
Präsident des Deutsch - Amerikanischen
Stadtverbandes von Cohunbus.
Bis zur Staatswahl im Ilerb.st 1908 hatt.-
der Verband auf politischem Gebiete so gut ,.
wie keine Erfolge aufzuweisen, die uaer-
müdliche und zielbewusste Arbeit aber, di
unter der Leitung des Verbaudspräsident<i
l>i:i{ VKKKINHiTKN STAATKN VON A.MKHIKA
867
Scliwaah p-tliati wunl«*. hlii-l» ni«'lit nliiu'
Knu'ht, niid in «Icr Staatswalil im Herbst
1;H)S liraclift' «'S (liT ViTltaml. im Mniuli'
mit tlt'P lN'i*s«)iiaI LilM-rty L«*a^ui'. zum
«Tstt-n Mal ftTtifj. i'iiu'in von ihm indossir-
tcn (fouviTiu'UiNkamliilati'n zum Sicjfc zu
vt'Hn'lft'U. Die KrwähluMtr von .hulsoii
llanuDU zum (jouvcnifur vuu Oliio ist der
erste licdoutende Siej;. de» der Verl)and in
einer Waldschlarht i'rriuij.'t'n. Durch die-
sen Sie^ hat sieh der \'erl)and eine Maelit-
stellun^r vei-sehatTt. tue für die Zukunlt
nur die hesten Früehte zeitijren kann. Bei
dieser Wahl hal)en die l)euts«'hen im Staate
ffezeigt, was sie fertig? hrinjjen können,
wenn sie unti»r thatsäehlieh unalthänjri^rer,
furchtloser Führun«r. alle l'arteife.s.seln ai)-
*»treifen<l. an der Spitze tles jranzeu freisin-
ni^'en Elementes dem jrros.'^en Ziele zustre-
Iten. Leider irelan^; es nicht, auch dem von
der ('olund)user Konvention indossirten
ViiN'Pouverneurskandidaten zur Krwäh-
lunj; zu verhelfen und eine in der Frajre
ih'r pei>!Önlichen Freilu'it absolut fjesunde
Lejrislaturmehrheit zu erwählen, obwohl in
den Vorwahlen einifien früheren Lejiisla-
tuniiittrliedern. die sich als willenl«)se
Werkzeujre d«*s Ilauptfeindes. der Anti-
Saloon-Lifra. erwiesen hatten \uu\ inn eine
Wiederwahl kämpften. t?esalzene Niederla-
jren bereitet wunlen. Auch ist zu Ix'tlau-
ern. djtss d«"r Zusaunnensetzunp dt*s in kon-
stitutionellen Fratjen der persöidiehen
FVeilwit ent.selieidendeji Staatsoberjr»'-
ri<-ht.shofs soweit nicht die fjehörijife Auf-
merksamkeit freschenkt wurde. Doch ist
betrründete A>i.ssicht vorhanden, da.ss der
\'erband. wenn er von dem von der Colum-
lin><er Knnvciit itin viirt.'e7.i'i'_Men WcL'e nicht
abweiclu, aucli ii«m-Ii die l.,c>;islatur erobern
inid einen der Saeh>' der pers<inlic|ien Frei-
hcit nicht feintilich (;e^enübcrstchcnden
StiuitsoberKcrichtshof zustande lirinK**n
wird.
Die verhältnissmässi^ kurze Zeit wines
hestehens in Betracht ifczo^cn. muss unum-
wunden zu>;t'trelM'n wenlen. «la.ss <lcr StaatK-
vcrbiui«! von Ohio schon (ir<is.H«>s geleistet
hat. l'nd vielleicht hätte er iuh-Ii (ihisseres
fertig gebracht, wenn seinen Bi'st rebungen
gleich von Anfang an ein Iws^^-res \'er-
ständniss entgegengebracht worden wäre.
I)a.ss dies nicht geschah, «la.ss das grosse
Finigungswerk anfänglich nicht recht in
(■ang kommen wollte, ist wohl nicht in
letzter Linie drm rmstande zuzuschreilx'n.
da.ss der Verband in di-n ersten .Iidiren
seines Bestehens gcwis.se sozialpolitis»-he
Forderungen in 's Programm aufnahm,
ileren Verwirklichung vom Standpunkte
fortschrittlicher Politik aus am Knde TM
wünschen wäre, über di»* alw'r au<*h im deut-
schen Lag<-r no«h lang»* nicht voll«' Kin-
stimmigkeit Ijeri-schte nnd die dannii für
Manche einen (Jrun«!, für Manclie viel-
leicht auch nur einen Vorwan«! abgaben.
si<'h dem Bunde, so lange er ..solche Par-
teipolitik" treibe, nicht anzuschli<*H.sen.
Mit der Zeit wurde aber auch in dieser
Hinsicht ein b«»s.sen*s Verständniss erzielt,
und seither ist «icr Verband rüstig vor-
wärts geschritten luid hat sich zu einer
Macht.stellung emporgenuigcn. «lie zu »len
schön.stcn HofTnungen für «lie Zukunft Ix»-
rechtigt. Man kann ihm weiteres Wachsen
\uu\ OediMhen nicht nur wünschen, son-
dern, unter den hciitievn linst ündeii, auch
prophezeien.
wvvggjyj^jyjg
^V>9«^VXS«^V>9
DER VORSTAND DES DEUTSCH-AMERIKANISCHEN STAATS -VERBANDES VON RHODE ISLAND
Die Geschichte des Deutsch-Amerikanischen
Staats -Verbandes von Rhode Island.
I)i«> Dcutschm im Staat«' HImmI«' Island
nIiuI ein l'ri»'<l!i«'lKMul«*s. i1«M.ssijr«*s Vü kriicn
und halifn k«Min* Nrijfnnif für die Politik.
I)i«'i d<Mits<-|)<> Schnlt'n i;nd rin»* dcuts«-!!«'
Kinln' in dt-r Ihinptstadt ih's Stnatos luid
• in«* d«'ntMlu' Kinlu* in I'awturkft siml
dcnkuiiidip> Stätten für «las hiesige
D« tit'iciltlur.ii. K!i<idi> Ishmd hat eine deiit-
s.-he Zeitung, tlie wöelientlirh in l*r«»videnre
i-rseheint. Das Deutsrhtluiiu von Khod«'
Ishuul hat seit dahren iunner grössere Ver-
hältnisse angenitniiiien und wird iniuier im
Wathst'u lileihfu. Im Staate Ix'stehen un-
gi'fähr •{•"» «h'utsrhi- N'erciue und Logen ; «'s
soJK-n ungefähr •KM (» Deutsche ( Kr\va<-h-
sene \u)d Kinder) üher den ganz»'n Staat
zerstn-ut sein. .Meine kurz«' Statistik hat
iiatürliih nur g«*ringeu Anspru<-h auf Ge-
nauigkeit und dürfte wohl mir annäherntl
richtig sj'in. i*s ist ah«'r eine Thatsaehe, dass
durch die politiselie Zerfahrenht'it unserer
Deutschen di«*selh< 11 iM-i vielen (li'legenhei-
teii nicht zum vereinigt«'ii Handeln kom-
men. tl«Kh wird d«'r Deutsch-Amerikanische
Staats- Verband von Rliode Island. d«*r sieh
allerdings inw-h im Stailium der Kntwiek-
lung befindet, zur Kinigkeit des gi-sammten
Deutsehthums in Rhode Island heitrajr«'n.
Am 4 Juni !!»(>•') wurde in <ler (iermann
Maiini«' D. <>. II. in l*awtu«-ket «h-r Vor-
schlag g«'macht. am 4. Juli lOO.'» ein Pick-
nick abzuhalten. Kx-(!nni Henry M. Fi<'<h
schlug dann vor. anstatt eiiu's Picknicks
einen Di'utscheii Tag zu f<'i«'rn. Herr
FM'<h Iml» «lamals in «'iner läniren-n An-
sprac'he hervor, dass seit «lern Jahre 1SH:J
d«'r Staat UlxKle Island einer der w«'nig«'n
Staaten in Amerika wäre, die den Deut-
schen Tag nicht feierten, und nachdem er
die Feier eines Deutschen Tag«'s erklärt
hatte. fi:nd se n Vors4'|i!a< auch Anklang.
Ks wurde dann ein Komite. Ix'stehend aus
den llern*n Henry M. Frech. Frank l'ü-
I i< h t nd Ht iiry C. I'ilrich. ernannt. <la :
geeignete Sehritte tliat Uli«! sieh «lureh
folgi'iides Zirkular mit allen \'. i-.io.n in
N'erbindung setzte:
..Als im Jahre 18S:{ die Deutschen ilieM'S
haiitles das 'JlNijälirige Jubiläum der
Ankunft der deuts4-hen Pilgrimväter Ih«-
gingeii. tla Wllltle der <iedanke wach, litis
amerikanische Volk an den Antheil zu er-
innern, den di«' Deutschen si'it jenem ileiik-
würdigcn Landungstag, dem (>. OktolMT
msM. an dem Aufbau un«l «h-r glorrei«hen
Kntwickelung «hr N'ereinigteii Staaten
liatteii.
Zu gl«'ich«*r Zeit sollte der Deut.sdie Tag
den 1 )eut.sch-Amerikanei n. Kingewandi-rten
uml Kingeboreiieii. zu Herz«'ii führen,
da.ss sie stolz .sein dürfen auf ihre Abstam-
mung von einem ih*r ersten Kulturvölker
der Welt.
Der (jedanke fiel auf fru<ht baren Ii«Mlen
und bald wurde d«'r I)cuts«'h«* Tag in faxt
allen grösseren Städten, w« ilie deiitKelie
H«'völkerung eine K«»lh* spielt, gi'feiert.
Warum kann dies nicht in Proviilenee
und rmgebung ges«* liehen ?
Der Irländer hat seinen ,.Si PairickV
Day ". <ler Franzose seinen ..St. Johnn
Day" und s«» weiter. Warum kann «1er
D«'Ut.s«lu' nicht Keinen ..<!erman Day"
haben ! .
Fm üImt «lies«' Frag«* zu «lebattin-n un«l
\\«)möglich Schritte zu lliun. um «lii-sen T ig
au«h in Hh«»«!«' Islan«! zu lM«g««hen. w«'r«len
Sie hi«rmit freumllichst ersiwht. zu einer
von allen d«'ut.s4'hen V«'n'in«'n. Log''" '«'id
(if»sells<-haft«'n am
870
DHU 1 ) KUTSCH- A M HH I KAN ISCH K N ATlOX AL-UTN I).
24. Juni 1906, Nachmittags 2 Uhr, in
der Th. Koerner Logenhalle,
auf (Iciii deutsclu'n Land. Pawtucket, ab-
zulialtcnden Konvention einen Delegaten
zu schicken.
Hält dieses Land in scliwerer Arlieit Prolin
Gefesselt noch des deutschen Ilochsinns
Streben,
Ein Tilg im Jidiiv sei Germania 's Sohn!
Auch in Columbia's Reiche freigegeben!
Tragt Ihr zu oft auch nur der Zwietracht
Joch
Hier, wo der neuen Ileiniath Sterne
scheinen,
Ein Tag im Jahr gehör' der alten noch.
Ein deutscher Tag soll Euch in Frieden
einen.
Für die Germann-^Mannie No. 81
des D. 0. H.
Das Komite :
Henry M. Frech,
Frank Ulrich,
Henry C. Ullrich.
Pawtucket, R. I.. 6. Juni 1906.
Da es für das Jahr 1905 zu spät wurde,
so wurde der ., Erste Deutsche Tag" am
6. Oktober 1906 in Pawtucket gefeiert.
Die Feier war in jeder Hinsicht würdig
und erfolgreich. .Alan hatte eine gute
Grundlage für die darauffolgenden Deut-
schen Tage gelegt. Der ..Zweite Deutsche
Tag" wurde am 17. Juni 1907 in Boyden
Ileights mit grossem Erfolge gefeiert. Der
..Dritte Deutsche Tag" wurde am 15. Juni
19()S in Boyden Heiglits mit glänzendem
p]rfolge gefeiert. Sr. Excellenz der Gou-
verneur des Staates Rhode Island mit
seinem Stabe und die Bürgermeister der
Städte Providence und Pawtucket beehrten
das Fest mit ihrer Anwesenheit. Als Fest-
redner fungirte Professor Camillo von
Klenze von der Brown Universität und als
Ehren-Festredner erschien der Bundes-
präsident Dr. C. J. Hexamer, der in seiner
schwungvollen, zum Herzen gehenden Rede
den Grundstein füi- den neuen deutschen
Staats- Verband von Rhode Island legte.
Dieses kleine PHänzchcn. welches im Laufe
der Zeit zu einem stattlichen Baume empor-
wachsen wird, wird hofTentlich für das hie-
sige Deutschthum ein«' nicht zu unter-
schätzende Bedeutung im Staate Rhode
Island haben.
Hermann Müll fr.
Ein schw^erer Verlust fuer den
Staats- Verband.
xVus Providence, R. L. wurde unter dem
Datum des 17. Juni 1909 gemeldet:
„Durch das heute erfolgte plötzliche Ab-
leben seines verdienten Sekretärs. Prof.
Hermann Müller, hat der Deutsch-Ameri-
kanische Verband des Staates Rhode Island
einen schweren Verlust erlitten. Sein Tdd
wurde allem Anschein nach durdi ein
Herzleiden herbeigeführt, das durch die
Aufregung der letzten Tage gelegentlieh
der grossartigen Feier des ..Deutschen
Tages" hierselbst eine Verschlinunenmg
erlitten hatte. Der Verlust für den
Staatsverbaud ist kaum zu ersetzen; als
^Nlann und als Freund war er von Allen
hochgeschätzt und stets bereit, für deut-
sches Wesen, deutsche Sprache, deutsehc
Sitte und deutschen Brauch energisch ein-
zutreten.
Prof. ]Müller wurde am 24. Oktober
1860 in :Meiningen als Sohn eines ilusikers
gcl)oren. Nachdem er Direktor der Bres-
lauer Unionschule gewesen war. wii-kte er
seit dem Jahre 1889. in dem er sich mit
Frl. Emily A. Wagner verheirathcte. als
deutscher Lehrer an hiesigen Hochschulen
uiul in der hiesigen La Sallc-Akadenüe.
Er entfaltete ausserdem eine umfangreiche
literarische Thätigkeit und zählte unter
Anderem auch zu den Mitarbeitern der
..New Yorker Staats-Zeitimg".
Ausser seiner Gattin überleben ihn ni
diesem Lande zwei Brüder. Mnx und
DKK VKKKIMCTKV ST A ATKV Vn\ \MIIMK\
871
William, »lif \h''uU' in Nfw' York wohii«-ii. < Mii'iiii«'ii livs \'rrsturl><-ii«'n /.iiHitiniiicii.
In I )<'Utsc|ilaiitl Ifht s«'iii (ir<>s.sv)it«*r. «irr Näi-Iisl drii VcnliriiKtfii l'rof. Müller 'm um
mit «lr«'i«'M si-im-r Hrüil«*r si-im-rzrit «las (Im Deutsch- AinrrikaiiiHihrii Staat«- Ver-
«•i-stf tit'r iMTÜhmteii .Miillcr-t^uartt'tt«' l»il- lian«! verlirrt vor Allem «Ut (iermania-
tlete. |)as /weite Miiller-t^iiartett. «las Kluli in ihm «-ineii s«'iiicr uiieniiii«llielisti-n
setzte sich ans dem X'atiT iiii«! drei AiiliiiiiL'i r iiiiil l''iiri!.( i r
Der Deutsch-Amerikanische Zentral-BuncJ
von West-Virginien.
Von C. W. Bcnle. Whfclmg. W.-Va.
Als zu Ani'aii^re «h's .lahrhuiulerts v«tu
riiiladelphia. w«» tli«' \Viet:e des l)«uts<li-
thums v«iii AiiM-rika «restamleti. «li«' «leutsdie
HnidtThand aiis^restHM-kt wunle. um «li«'
tl«'Uts«'heu Stamm«*sj;eu«»s.s«'u in diesem
Lanile in einem pn»sseu Verband«* zu ver-
eini^ren, waren die I)«*utseh«'n Wheelin^fs,
\V. Va.. «l«'r lautrjähri^ren Zersplitterunj;
müde. jrt*rn«' In-reit. in «li«' ihnen ti:«'l)«»tene
Reehte einziLsehla«ren. Kinem seitens der
Hedaktion der ..l)eutsth«'n Zeitun»r" «-rlas-
senen Aufruf«' foljreleist«'n«l. «'rwähllen di«'
t«inanf;«'ln'n<len Ver«'ine der Stadt Dele^ra-
ten zu Versannnlun^ren, welche die (Irün-
dun«; eines Centralltumh's l)ezwe«-kten. niid
entsanilt«'!! ('. W. Heute als ihren Vertn't«'r
nach IMiilad«'lphia. um d«'n I)euts«h-Am«'ri-
kanis«-h«'n Nationalhun«! »1er Vereini{|rten
Staaten mitzulM «^rüntlen. I)<»rt in der
Halle der historis«h«'n I)«'Utseh«'n (Jewll-
sihaft. welch* h'tzter«' iilt<'r ist als «li«« l'n-
ahhiinKij;k«'itserkliirun^' «1er Vereini^'ten
Staaten, wurde der tfross«« Vi-rhainl »re-
trründet. «1er bereits s<» viel zur Hebung des
l)«'Uts<hthums in Amerika treleistet hat und
si<h mit Ki«*senseh ritten üb«'r <las jranze
Land ausbreitet. Die Kun«le v«in «lem («e-
linti«'n «les \Verk«'s in IMiibnlelphia rief
unter «lem l)euts<hthum \Vheelinj;'s sol-
«•heu Knthusiasmus hervor. da.ss s«'h«tn im
foltr«'n«Ien Monat, am l«». NovendM«r 1!M>1.
an Schiller 's (Jeburtstajr. die (Jrün«lun^r •h's
..!)< ulsch - A IUI riknnischr» Ccnlralliiimh s
rnii Wisl-Vin/iini ii" als ««iin-s Zweijrvi'r-
ban«l«'s (h's Nationalbund«*s vollzo|;en wer-
«len konnte.
Zu «len hohen V«'rdiensto?j, «in- su-h «i«'r
("« ntralbuiul ««rworlM-n. jf«'hört in erster
liini«« lue jährli«he Vj-nuistaltunj; einer
Ih i((sch( H-Ta(/-Fi ii r. die dazu an(;ethan
ist. das deut.s«-he StanuneslM-wu.sstsein zu
we«ken. di«' Zusanunen^ehori^keit un.s«'rer
La?idsleut«' ohn«' Rücksicht auf K«»nfessi«»n
od«'r Kleinstaaterei zu fördern, die Ver-
dienst«' amerikanis«-her Mürber d«*uts«'h«'r
Abkunft um «li«'ses <xros.sc Lan«I zu «'hren
und an/uerk«-nn«'n und «'in«'n Sanuiielpunkt
für unser tr«'sammtes Deut.s«'hthum zu
bibh-n.
Kinem idealen Zwe«'k«' di«'n«*n fenn^r tlie
getliej^enen tleutschen Theatervorstellun-
jfen. tlie d«»r ('(Mitralbund seit seinem Ite
st«'h«'n jdljährli«'!« vi-ranstaltet.
Kin«' h«'rvorrat;en«le L«'istunt' «l<*s ('«-n-
tralbumles war «l«'r «'rril^rrcich«' Kampf um
«lie KrlndtunvT »h's d«*uts«-hen Spra«-hunl«'r-
ri«'hts in iniseren ötT«>ntlichen Schulen.
l)i«'se herrli«'h«' l''rrun);enschaft un.seres
Deut.schthums war iM'reit« k<» jjut wie ver-
l«»r«'n. ids der ('«'ntralbiuid M-in«- Kraft «'in-
setzte. rnt«'rs«'hrift«'n von ül>«'r taus«>nd
Hürtrern un«l St«'uerz;dd«'rn, di«' ^reir»'»! dio
AbschalTuiur «les Cntcrriehts pnitestirt«'!!.
Mniunelt«' und di«'s«'nH>ii durch eine l)«*l«'i;a-
tion pr<»minenter Hür(;<'r dem St-hulnithe
üb«'rrei«h«'n li«*ss. woU'i «h*r Wortführer «ler
Del«'^Mti<in die CSründe darleirte. weslndh
der «h'utseho Spra«'hunt«'rrieht in den
872
DER DEUTSCH A^rERrKANISCHE XATIOXAL-RrXD.
öffeutlic'lion St-lmlon beibehalten werden
sollte. Das half. Die deutsehe Sache
siegte, und seither haben wir auf diesem
Gebiete die erspriessliehe Ruhe gehabt,
welche eine gedeihliehe Entwickelung des
deutschen Unterrichts ermöglichte.
Die Schillcrfcicr von 1905 unter den
Auspizien des C'entralbimdes war das ge-
diegenste und vornehmste deutsche Fest,
das je in Wheeling vei anstaltet wurde.
C. W. BENTE.
Nationalbeisitzet fuer Wesl-Virginien, Rechtsanwalt und
Redakteur der Wheelinger Deutschen Zeitung, Mitglied
der Legislatur von W. Va.
]\Iit dem Deutch-amerikanischen Natio-
nalbunde, dessen Zweig er ist, hat der west-
virginische Centralbund stets enge Füh-
lung unterhalten. Sämmtliche National-
Konvente wurden von ihm beschickt. Zu
dem Fond für das Pastorius-Denkmal lie-
ferte er die erste Beisteuer. Ferner hat er,
hauptsächlich durch die Bemühungen des
Präsidenten F. Riester, die Summe von
dreihundert Dollars aufgebracht, um mit
dem gleichen Beitrage wie in 1876. dem
Deutsch - Amerikanischen Lehrerseminar
unter die Arme zu greifen. Er ist stets
bereit, für die Rechte des Deutschthums
einzutreten und deutsch-ideale Bestrebun-
gen nach Kräften zu fördern.
Nicht nach au.ssen allein hat der Centnil-
bund Resultate aufzuwei.sen, seine Grün-
düng hat .sich auch für die konstituirendcn
Vereine, die aus dem Pionierverein, dem
Kriegerverein, den Gesangvereinen, den
landsmannschaftlichen Vereinen. Lop..!
kirchlichen Vereinen, den westvirginiseji.ii
Zweigen des Deutschen rnterstützuntr-
F. RIESTER.
Praesident des Deutsch-Amerikanischen Zeniral-Butxla
von W. Va., Leiter der Deutschen Feuervcrsicherung»-
Gesellschaft zu Wheeling.
bimdes etc. bestehen, von grossem Seger
erwiesen. Er hat die Vereine, die siel
früher unbekannt oder gar neidisch un«
feindselig gegenüberstanden, einander n;i
her gebracht, man lernte sich gegen.seitiL
besser kennen und schätzen, das deutscln
Solidaritätsgefühl wurde geweckt, für al!
gemeine deutsche Bestrebimgen ^nirde cii
Boden geschaffen, und die Saat der Ein
tracht und Zusammengehörigkeit ist au
demselben in kö.stlicher Weise aufgegangen
Möge der Centralbund zur Ehre und zun
Heile imseres Deutschthums wachsen, blü
hen und gedeihen bis in die fernste Zeit !
Die Frau im Deutsch-Amerikanisclien National-Bund.
Von LDNA FtRN.
Dor Doutsrli - Aint'rikanisclu' National
Biiiul wendet sirh an die deutschen Frauen
Amerika 's und l>ittet um ihre Mithilfe.
Was ist der deut-seh-amerikaniselie Na-
tional-Iiund? Wie können wir Frauen uns
an seiner Arbeit hetheilif^en ? l'nd mit
welehem Nut/eii für tuis und für den
Hund?
Als der ileutseh-aiiierikanisehe National-
liund im Jahre IIMK» in der Stadt i'hila-
delphia von einer Sehanr begeisterter Män-
ner ins Leben jjernfen wurde, fand er nieht
frleieh überall aueh ebenso bejreisterte An-
hiin«;»'r. Alle die vielen Deutsehen unseres
Landes mitswimmt ihren unzählitren Verei-
nen unter einen Hut brin«reM zu wollen,
schien ein unausführbares \'erlan^'en. Ks
frali viele, di«' dieses auch »lurchaus nicht
für wünschenswert h hielt<'n.
Die Misstrauischen verg:as.sen, (Ijlss die
dem deutschen Charakter eigene Nörgel-
sucht uiui Missgunst, die im engen Betrieb
eines kleinen Vereins so blühend zu gedei-
hen pflegen, in den Ilintergrinid treten, so-
bald die grossen deutschen (Jewissensf ragen
an iniscre Kultur in Hetracht komiiM'U. l'nd
gerade dieses (iro.s.se. das uns«'re amerika-
nische Ileimath von uns erwartet, und in
dem wir uns alle einig sin<l. möchte der
National-Bund zusammenfassen »nul der
übrigen Welt gegenüber vertreten.
Dazu hat der Bund in den wenigen .Jah-
ren sein«*s Bestehens des öfteren (Jelegen-
heit gehabt. In allen Fragen, die das
I)ejits<'hthum Mild die künftige Kultur un-
seres Jungen Landes angehen, hat er Stel-
lung genommen und di<*se. Dank dem Vor
ständniss und der Knergie seiner Führer,
zu behaupten gewusst. Den Kam|)f gegen
veraltete ({«»setze, geg«*" (Jesehichtsräl-
.schung, gegen «'Ugherzige licbeiisansi'hau-
uiiir. die iliLs Hecht .\ndct^M|c|lkl ndcr
schmälern will, den Kanjpf tun das Kin-
dringen deut.sehen (Jedankens und deut-
schen Empfindens in unser I,««lM'n luit er
aufg«>nommen luid führt er mit rmsieht
und Ausdauer.
Der .National-Bund mo<hte der Vermitt-
ler sein zwisclu'n zwei fremd gewordeneu
Hrüdcrn: dem Deuts4-hland hülw'n und dem
Deut.schland drüben. Kr mochte der Ackers-
iiiann .sein, der den aufnahmebi'dürftigen
amerikanischen Bcxlen für die reiche Kul-
turaus.saat unseres deut.sehen Vaterlande»
Vorbereiten hilft.
Da.ss «'S l>ei einem .solchen gewaltigen l'n-
tiinchim-n nicht ohne innere Kämpfe u:>d
.Missverstä ndnis.se abgeht, ist ni<-ht zu ver-
wundern. Kine uncudliehe Vorsicht
scheint geboten im Aufbau eines .solchen
Kicsengebildes. Kin (Jedanke, ein Plan
noch so sorgfältig ««rwogen, wird in «lem
Augenblick, wo er unter die Vielen ge-
rät h. und von diesen wie ein Ball im Kr-
wägt'U hin- inid hergcs^-hleudert wird, eine
ganz andere (iestalt annehmen und plötz-
lich verkehrt eiNchcincn.
Es ist erstaunlich, wie .sehr bis jetzt idles
vermi«'tlen worden ist. was Zw iet nicht
säen, das gute Einvern(*hmen zwisi-hen «len
verseil ie<lenen Volksstämmen und ihren
ererbten .\nschauungen hält«* /x'rstören
können.
Dazu kommt ntH-h, diLvs wir, die wir an
alten Vatcriande s«'hon nach ..Name und
.\rt" anders g(>sinnt waren, im neu«'n
Lainle au<'h des.sen mannit'falt i-'i- AnfTm-
sung angenommen IuiIhmi.
Der Dcut.s»li - Amerikanis<*he Natiiüiid -
BuiMJ erstreckt sieh ülwr die ganzen Verei-
nigten Staaten. Von den ..VeriMnigten (Je-
sellschaften" an <ler atlantistdien Küste, bi»
874
J)i:ix' DKlTSllI-A-M I;K 1 KAN l.S( 11 K XATIOXAL-BUND.
zu den ..Zweifrverhäiulcn von Xoi'd- und
Süd-Califomien "". luit er fast in jedem
dazwischen! icjrendcn Staat seine rnterver-
hände. die wiederum die deutsehen Vereine
der einzelnen -Staaten in sich zusammen-
fassen. Jeder Staatsverl)and stellt einen
Heisitzer zu!" Xationalhehörde. die sicli seit
Gründuiiir des Hundes in Piiiladelpliia be-
findet.
Der Nai iiMiai-liund will alle deutschen
Stänune und (renossensehaften Amerikas
umfassen. Ks iziehi viele Strömungen, sie
haben die einen hier, die aiulem dorthin
getrieben. In einem aber sind wii- uns alle
einig: Deutsch .sein zu wollen und deutsch
sein zu müs.sen. die deutsche Art im VölUer-
gemiseh unseics Zukunftsstaates zu beto-
nen, ihr Anerkeiniung zu verschaffen, und
dazu vor allem unsere gro.sse, geliebte
Sprache zu ei'halten, ihre goldenen Sehätze
auszustreuen bis in iWn fernsten Winkel des
neuen Ijandes. In diesem Wollen begegnen
wir uns alle, mögen unsei-e politischen, so-
zialen Idetn auch weit auseinander gehen.
Auf diesen festen Boden führt uns, auf
diesem hält uns der Xationalbund. Indem
er dem Deutsehthum Amerikas einen Mit-
telpunkt gibt, schützt er uns davor, uns in
dem Völkergetriebe zu verlieren, eine Ge-
fahr, der wir immer noch nicht entgangen
sind.
Enger noch als der deutsche ]Mann, hat
sich die deut.sche Frau auf ihren kleinen
Kreis beschränkt und sich dadurch in
numcher Beziehung in Xachtheil gesetzt.
]\[an hat sich daran gewöhnt, die deutsche
Frau als Ideal einer Hausfrau und ^Mutter
anzusehen. Gewiss ist es das erste Recht
und die erste PHicht einer jeden Frau,
einerlei welchen Landes, welcher Nation,
ihrer P^imilie, ihrem Heim die besten
Kräfte zu widmen. Sie muss aber dabei
nur nicht stehen bleiben. Sie muss über
Haushalt und Familiensorgen hinaus an
dem geistigen Streben des INIannes uiul da-
mit an dem der Allgemeinheit theilnehmen.
Sonst ist sie die Haushälterin des IMannes,
die Mutter seiner Kinder, vielleicht eine an-
genehme Gesellschafterin, aber nicht sein
Geführte im Kampf der Welt, nicht sein
gulcf Kamerad.
Der Xational-liund miiclilc den dem
sehen Frauen Amerikas die (Jelegenhc
bieten, sieh im weiteren Kreise zu bethäti-
gen. Antlieil zu haben an der grossen
Sache, ohiu' deshalb direkt in die Öeffent
lichkeit treten zu müssen.
Er veileilil den Frauen — den Frauen-
Vereinen sowohl, wie den Einzebnitglic-
dein. — dieselben Rechte, wie den Miii;
nein; er verlangt dafür aber auch Arbci;
von ihnen, nicht ein blo.sses ^Mitgehen, son-
dern eigene Gedankenarbeit.
Vor allem erscheint ihm die deutsclir
Frau als Hüterin der deutschen Sprache
Gerade weil sie sich mehr auf den häusli-
chen Kreis beschränkt, weil sie weniger Ge-
schmack am Klubleben und Wohlthätiir-
keitsunternehmungeu grossen Stils besitzt
weil ihr ])olitische Angelegenheiten vor-
läufig noch gleichgültig sind, weil ihre Auf-
meiksamkeit noch ungetheilt erscheint, ist
sie im Stande, Bewahrerin des köstlichen
Schatzes unserer deutschen Sprache zu
sein. Aber es ist nicht genug, dass di«-
deutsche ^Mutter mit ihrem Baby deutsdi
all den lieblichen Unsinn .schwatzt, der
einem ^lutterherzen die höchste Weisheit
dünkt — ihre schwere Pflicht beginnt, wenn
das Baby über diese süsse Thorheit hinaus
ist, wenn Schule und Strasse und Spiel-
platz es ihr streitig machen.
Schule und Haus müssen in Wechselwir
kung stehen, wenn in der Erziehung efwii^
Dauerndes erreicht werden soll. Wenn di''
Kinder zu Haus nicht zum Deutsch.spr»'
eben angehalten werden und kein guti^
Deutsch sprechen hören, werden sie in der
Schule schwerlich zu den guten deutschen
Schülern gehören. Auf der andern Seite
erweckt es in dem Kinde die Achtung vor
der deutschen Sprache, wenn die.se in der
Schule gelehrt wird. Das, was das Kind in
1
miH \kkkinh;tkn »taatkn von AMKKIKA. g75
liir Schul.' h'riit. ist ihm ihi.s Ki.hti^c«- uiui linl im ..Thiiir* h'nirii wir oh Ih-xmt
Wahrt' iiiid imiss es srin. iiwirhrn.
Drshüll. st.ht uiit.r (Im ..Zw.'rk.'M und •^" ""•'" ♦'»'^'"'n F>iiin«'ii lK'th.'iIi>r,.|, ni.'h
Zich'u" (i.'s Naliuiijil-liiuKl.'s .li.' KHuiltim«; >r«'\viss nu«-h .I.'ul.s4h.. Fraum. AlM'r h!.- thuii
und Kiiifiihruii}: «l.s di-utsch.-ii liitrrrirht^i '"^ "''* '•'"•/•«•IwrwM. nirhl als .Mitjflii'd.-r.
in di'ii V.»lkss.hul.'n unsm-s Land.-s "''* Ah^.'sjuult.' rin.'r ^rr.»sM-n d.'uts»'h.-ii
olM'uan. lud trrnidi' darin kön.-n'n ihm «li«' •' rJMH'nv.'n'ini^runj;. die jÜN'r «las L'anzc-
d«'uts«'lu'n Frau.-n lu'lf.'ii. in vcrw-hi«'«!«' ''"'"' "" '^»«•miin'nhantj xi.-ht.
n«'n Staat«'n zu:ii IV'ispi«-! halu'u «li.« Fraiun ' ""' f>'«''*a«l«' das war.« v«.n unlM'r«'«h«'n-
«his Wahlr«'.ht in S«'hulanjr.'l.'K'.'nh«'it«'n. '»'"■«•"> V«»ith«'il für das I).'ut>«'lithinii.
Ith niöfht«' \\iss«'n. wi.- vir!«' «I«'uts«'h«' ^^ '"* '•"•*"<lli«"h vi«'I k«innt«' «'in«* Wn'ini-
Frau«'n von .li«'s.'m U.'.-ht (J.'hrau«-h /u -""^' «'''"^^''x''* ^'rnii.-n. «li«« nach nun«l.-rt-
niiiclu-n pllciriii .' Da ist di«' (J('lc«r.'nlicii. <J'<is.'n«lcn /.ählt.-. ^'<'^.Ml j.'m- him I-
liir «li«' Kinfülirunj: «l.'s .l.'»its«-h«'n Tntcr- ^«•'«'•«'i«'n«l«'n (;«'s.'tzc ausricht.-n. «Ii«> der
richts /u \virk«'n. l'n«! w«» wir ni«'lit «lir«'kt '^''"«•••'•inlt.'it in d,.,i V<'r.'in irrten Staat. -n.
unsj'r«' .M<'inun«r auss|)r«*ch«'n können, nniir dics.Mu Schan«|fi.'«-k auf unsi-n-r Kultur,
es auf rmw.'?r«n ^'«'s«•h^'lu'n — es ist s«'h.)n •'"''•'• <l«MM"'l*<'iini>f.' Aus.lru.-kswvis«'. thir.'h
manche Wahl «lun-h Fraum h.-cinflusst ''"-^ <>'^"'"l»'<-'<«'» tr«-s.'tzlich.'r Ilinf.-rthür.'n.
\v«ir«l«'n, auch «»hn.« das Stimmnu-ht. In "'»^••litli.h V..rs.-huh leist.'t. W.-r nur .I.mi
sere nmerikanischcn Schwestern halM-n .-s J-'«"' ">tr"<t«'H Kinl>lick in dit> ents.'t/.li.'hen
im (Jjitcn wi.' im Schlimm.'U hewiest'u. /nsian.lc ^.-than hat. wie si«' «li«' Kin«lerar-
l»'if schatTl. «Icn üherläuft .-in (irau.-n. «l.-r
Ks ist auch wünsch«'nsw«'rth. «lass die «chlic^vt ui.in.. ..;.r u-; i •. i i
•'>«nii.s.si s.'uie .'i|;.'n.'n Kui.l.'r mit «I.i|»|m1.
il«'Uts«'h«'n Frauen sich ni.ht n«'tiiss.'ntli«-h «,.- j i,.|„. .,,,^ ir..iv .... i . i.»
'^ "' i.»'« ".' .uis Merz. ^(Mlenkt vr j.'U.'r un-
im Cjetr«'nsatz zu «h'U am«'rikanisch«'n stel- L'liickliclii.n LI.. ;•..... r«.. i.- e i
"^ ^.111. MI« n«'n KM'Ui.'u (i.'s«'n«)|it«' \u «len
len. Die Am.'rikanerin h«'sitzt in «l«'r K«- nMumw..ilfal.rik.'n «l.-s Süd.'us die v.m
.^rcl «'ine ^rr.ls.s,.re ireistifr«' H.'w.'frJichk.'it. j,,r,.,„ .s.'chst.-n Jahre an in «h-n Spinn.'-
Das Klul.w..s«.n. s.. vi.'le Schatt.'nseit«'n «'s ,.,.j,.„ K.irperlich und seelis«-h zu (Jruml.' >r,..
hat. t;iht ihr «loch (J.'i.'p'nheit. sich {j.'isti^ ri.-ht.'t w.'nleii
mehr auszul«'l)«*n. si«h zu verti.'f.'U. Das v \ t . ,
, ,. , . . o. 1 ''''"' »^'•*""''' Anlaut; zu eui.'r enwisen
heis.st. «la. w«» wirklich ein «'rnst«'s Stu«linm i . i n .
. , «l.'utsclien r raii.'iiv.'n'initrunt; unt.'r «l.-r
bezweckt wirtl. i ;,. i i» . i » i .
li.'itunjr «l«'s l)«'Uts«'h-Am.'rikanis«h.'n .\a-
Was «li«' Frau«'njr«'n«>ss«'ns«'haft.'n h.'Ut«» ti«»nal-Hi!n<|es ist ^«'imu-ht w«tr«l«'n. Als ich
in d«'n Gr«»s.s.stä«lt.*n für «li«' Mass.* «1er H>'- im Jahr«' 1!M);J die zweite K«>nventi«m «leH
völkerunj; thiin. ist lM'wun«l«'rnswerth. N'ati«»nal-liun«I«'s als .'inzi|;«'r w«'il)lieh««r
Spii'lplätz«' in «l.'n ülH'rvölk.'rt.n Distrik- D.'I.'jrat lM«su«'ht.«. Ia^' dies«' I.lec n.H*h in
Ich. freie ha«l«'anstalt«'n. Luftkur.trt.' für weit.'in F.'hl«'. Zwei .Jahre später, in In-
schwach«' un«l t.''en«'s«'n«l«' Kin«l«'r un«l in «l«'n «liaiiap«»lis. traf i.-h In-nMls eine anden* D.'-
Fahrik«'!! arheit.'n«!.' .Mä.lch.'ii un.l Frau«n. l.'^alin. .li«' si.'hen Frau.'nver.'in.' aus Mal-
Freihetten in «l.'ii Hospital. Tn. \'«'rthcilcii tim«»r.' v.Ttral. Wi«'«|cr zw.-i .lahre spät«'r
Von lilumen un«l F.es.'stofT in «l.'ii Krank«n- in .\.'w Y.»rk. war.'n ««in«» tranz«- An/ahl
häus«'rn. Fortltildunt'ss«'hul«'n un«l Alwn«!- östli.her Frau.'nv«'r«'in«' v«'rtn't«'i.
Kla.s.s«'n. W. 'im «'S mitunter in «l«'r sprunu' I),.|- |tun«l«'spräsi«lent «'mannt«' «lar»uf
haft«'n. spi«'l«*ris«'h«'n Weise jr«'sehi«'ht. di.* ein iM'soinl.'r.'s K.miit«'. «las Mi«'h mit «ler
unserm tranzen preist iv'en L«'l»«'ii. aueh in (Jrün.lunj: eim-r Vereiniirunf; <l«'Uf>i«'lu'r
mancher Hinsicht «h'iii Krzi.'hutijrx>v«'sen Fraii.'U «l.'s .\ati«inalBun«l«'s lM'fass«'n s«>II.
anhaftet — es jfesehi«'ht «hn-h w«'nijrst«'ns. Frau A'. ./. Unrnlinfn' in N«'W Y«»rk (.'jOr»
876
DER DEUTSCH AMERIKANISCHE NATIONAL-BUND.
Wendover Avenue) und Frau Emma TIci/J
(500 X. 4. Str.) in Philadelphia sind die
Beamten des Aussehusses. p]s ist seitdem
kein Jahr vergan<ren. und sehon haben sieh
in New York. Philadelphia und Baltimore
Unteraussehü.sse gebildet, tlie, neben einem
geringen Geldbeitrag, grössere Opfer an
Zeit und Denkarbeit zu bringen gewillt
sind, um einen Bimd deutscher Frauen zur
Thatsaehe werden zu lassen.
Es liegt diesem Vorhaben eine tiefe Idee
zu Gnmde. Wenn wir Deutsche in der sich
bildenden Nation dieses amerikanischen
Landes die Berechtigung haben, uns als
Deutsehe zu fühlen — und wer will dieses
im Hinblick auf die reife deutsche Kultur,
die wir vertreten, leugnen wollen? so is
die deutsehe Mutter die natürliche er.si,
Hüterin und Be\vahi-ei-in deutscher Art un.
deutschen Wesens.
In ihrer ^Macht liegt es — so wie es ii
dem Aufruf des Frauenkomites heis.st: d<t>
Begriff „Deutschsein " einen Inhalt zu j:.
ben, deutsches Denken und Fühlen in di«
Seele des Kindes zu senken vom erstri
Athemzuge an.
Eine Vereinigung deutscher Frauen it
Amerika, die den offenbetonten Zweck luif
deutsch sein zu wollen und den Zielen de:;
National-Bundes zu dienen, würde eir
Faktor in der künftigen Kultur unsere*'
Landes sein.
Deutscher Unterstuelzungsbund von Pittsburg, Pa.
Gegrucndel und inkorpurirt unlcr den Gesetzen des Staate«
Pennsylvania im Jahre 1892.
Dil' Motive zur Grümluii^ drs l)rut.s<ln'ii
l'ntt'iNtiit/.uiijrsImmlcs wari'ii für ir^mul
einen Patrioten auf fraternellem (lebiete so
nalielie{?end, dass es nur einer zielbewussten
Anrejfunj? bedurfte, die bereits gereiften
Gedanken der Gründer zur Ausfühnuif? zu
bringen. Doeli ni«*ht allein die Idee, das
Deutseb-Amerikanertlunn zu einem selbst-
ätäntligen Bunde t;ep'nseitiger rntei-stütz-
LUig und Hilfeleistung in Noth und Be-
drängniss zu vereinigen, bildete die Trieb-
feder, nein : der siebtbare Rüekgang deut-
jclier Bestrebun«ren. des idealen deutseben
Lebens, die Vernaclilässi«^'ung der deut.seben
Spraclie, die nuLs-senliafte Kntfreindung der
iufwaebsenden Generation, deutseJier
>eits. von unscjn Sitten und Gebräueben,
vovon gerade die vielen Ordensgesellscbaf-
en sprecbendes Zeugniss abgeben, die fliat-
äeblieb von deut.sebgeborener Mitglieil-
ebaft dun-bwacbsen sind, die, «Mne derar-
ige Protektion suebend. sie auf deut.seber
Seite niebt finden konnte, gaben den Au.s-
elilag zur Gründung des Deut.sj-ben Unter-
tützungsbund(»s. Seine Grtnidprinzipien,
iiit denen er seinen Aufl)au In'gonnen, be-
teben in folgenden .Sätzen: Krstt ns: Gc-
■enseitige l nteiNtützung in allen Nntbla-
en des I^ebens auf der A.ssessnientbasis.
'weilens: Finanzieller Beistand den Ilin-
erbliebenen verstorbener Mitglie<ler. Dril-
rus: PHege und .\ufre<bterbaltung der
eutseben Spraebe. Viertens: I'nterstütz-
ng der deut.seben Presse. Fünftens: Ein
litbelfer in Aufreebt«'rbnltung deut.seber
eineinden. Scchslfus: Ein Vermittler
im gem<'insamen Vorgeben mit dem libe-
raldenkenden Amerikanertbum. Die
Kollektion nioiuitlit-ber Assi'ssments und
die (bifür gewübrleisteten Privib'gien und
Vortbeile bilden ein niiiebtiges Bindemittel
und belfen zu grösserem Erfolg als die
feurigsten Heden, die für ideale Bestrebun-
gen gelialten werden mögen. Also mit
diesem Progranun traten die CJründer vor
die .Mas.scn des Volki's. uml am i:{. April
1SM1> wurde dunli S. A. MeClung. Kiebter
des Geriebts von Allegbeny County. Staat
Perui.sylvania, den Applikanten zur Grün-
dung des Deut.seben l'nterstützungsbundeH,
dureb Vertretung von Knbtsnnwalt Chas.
\V Dablinger, ein Freibrief lK>\villigt. Die
Inkorporatoreii dafür sind: Louis Volz,
August F. Wedemeyer und Lojiis Tbumm.
.\m Donnerstag, <len 14. April 1892,
fand bei Henry Stu«lenrotb. No. 54C
Smitbfield Stras.se, l'ittsburg. die organisi-
rende Versiimndung statt. Anwesend wa-
ren die Mitglieder Louis Volz. I^>uiH
Tbumm. Aug K. W«<Iemeyer. Gu.st. A.
Menzennuiier. II»'nry Graf. .lul. Eieber,
l)r F. Wint.T. Advokat Cbns. W. Dablin-
ger, Freti. Funk. .lobn Henry V«)lz. Franz
Scbilling. Fred. Dillemutb. (Jeorg Krämer.
Ernst .Sang. .lohn Benber. Conrad Dippel.
K. Anke. \V. Wall. Howard Tbumn». S.
Beatty. Iam». Wagn«'r und D. H. Me-
Fnulriek.
Die WabI der ersten Beamten ergab fol-
gendj's Resultat: Louis Volz. Prilsident;
G. A .Menz«'nmaier. Vize-l'rilsident ; L.
Tbumm. Sekretär; Ih'ury (»raf. S<-batz-
meister; A. F. Wedemeyer. Verwalter; F.
Winter. rntersuebungs-Ar/' '''•'>• W
878
Daliliiii^L-r. Ki'fhtsjiiiwalt : •). lOichci'. S.
licatty, R. Anke. W. Wall und F. Dille-
iiiutli. Trustees: F. Funk. -1. Tx-itIht wwd
F. Seiiilliu'jr. Finan/.koniite; ('. l)i|)i)('l uiid
McFrt'drick. Gcsetzkoniitc ; .1. II. X'olz.
Fiiliit'i-. uiitl L. Wajiiici-, AnfscluT.
.Mil lit'ichtifrkrit iiiid i^rosseiii Kiifliu-
siasinus wurde der l^uiid in 's Lehen p-ru-
A|)i il lIMtS wurde ei- 1 (i .Jahi-e alt. .seine Mit
jrüodsehaft zählt U.IKK) \uu\ vertheilt siel
iihei- die Staaten l'ennsylvanien. Ohic;
.Maryland. Missouri. Illini>is. Indiaim
\Vest-Vir«;inien. Xew .Jei>;ey. New York
Wiseonsin und Distrikt Cnluiuhia. :{.")!
Distrikte wurtU'ii his dahin in 's liehen jr,.
rufen. — Für l\raid<lieitstalle. Todesfall-
JETZIGE VERWALTUNGSBEHOERDE DES DEUTSCHEN UNTERSTUETZUNGS-BUNDES.
G. Kramer. Finanz-Comile. L. Thumm, Sekretaer. L. Volz, Praesident.
A. Knies». Revisions-Comile. J. Bercher. Revisions-Comile. j G. A. Menzenmaier, Vize- Praesident.
Ch. Schle«el, Finanz-Comite. C. W. Bente, Gesetz-Comite. A. Wedemeyer, Verwalter.
Jos. Klaus. Schatzmeister. G. Lappig, Finanz-*, om
' H. C. Schlegel. Reviiio» j
Ch. Heiler. FinMl-O»!
F. Funk, Finanz-Comite.
M. Schlotbom, S. Arzt.
fen. Aher das Aufhauen desse]])on erwies
sieh als ein soleli sehwierifrt^s I'rohleni, dass
hereits naeh einigen ^Monaten sechs der
ersten ^Mitglieder „die Flinte in 's Korn
warfen ' '.
Was aber unennüdliehe Ausdauer und
"Willenskraft vollhringen können, das zeigt
der gegenwärtige Stand des Bundes: Im
und Au.stritte verausgabte der Hund be-
reits über eine ^Million Dollars. Der Rcser-nj
vefond beträgt über eine halbe Miliionlj
Dollars, weleher zinsenhringeiul «n
Grundeigenthuni, in Banken luul Bondsi
angelegt ist. Der Ueberschuss der inonat-JJ
liehen Einnahmen wird an die Mitgliedenl
auf Grundeigenthuni gegen erste Hypothek ij
879
ausjr«'li»'lnMi. uiul vit-lt- hiiiiili'shrihliT v<t-
«laiikt'ii ihr ci^furs llrim dein Huittl**. Ki'if
j;russ»' An/Jilil vnn Distriktfti Imlwii ihn-
<>ii;(*iu'ii Ilallcti. iiirc (icM^mpickt innen . ihn*
Mtisikkapclltii lind vtTtrrten siunit in jfiliT
Wt'ise dir l'riii/ipit'M «h's Uwn(i«*s auch in
jji'si'llsrliaftlirhtT |i<'/.ifhini^. l>«'r th-ni
Hundt' zujrt't heilt»' Haiuii in diesem hu<lie
ist viel zu kh'in. um dem ven'hrten Leser
«'inen vollständijr erklärenden Ausweis zu
jrelM'u. aber was hier lieri<-ht»'l. ^riht Zeuir-
niss. dass er tH< / nnhr ww sein«* Sehuldit;-
k«'it in deutseh-amerikaniseher (Jesehiehte
während der veriran^enen l(i .lahre jjethaii
hat. Her KJjährip' Uestainl <les Hinuh's
uih\ seine Leistuntrt'U spre<'hen für sich
seihst. Di«' Mitgliedschaft Iwsteht aus hei-
tlerlei (jes«'hlechtern. uiul viele der Damen-
Distrikte zählen zu den besten des liinides.
uiul da der Hum«1 keineswe«rs seine Frcniulc
«1er entrlischen Zuntre zurückweist, .so !>«'-
st«'h«'n auch «'ine Anzahl in eufrlischer
Sprache arlM'it«'iule Distrikt»*, »lie mit Lust
uiul Lieln« »lie l'rinzipi»'n 1). l". B. verf«'«-li-
t«*n lu'lfen.
S»'inen Alh's hi»'t»'n»l«*n Prinzipien ?»*-
mäss sollte »1er l)»-utsche rntcrstützunjrs-
Buiul eine zehnfa»'h «^rös.s»'re Mit?li»'»ls»'liaft
aufweisen. iVwst' mat; er auch ii<" ti <iiii-
»•lu'U. w»'nn »ler D«'ul.s<h-Amcrikan»>r »'inmal
zur Kinsi<'ht (fcktunmeii ist, dii>« Kein«* in
»liesem Lamli* s»i eif<*rHiiehtii; ir»*pfl«*v.'l»*n
Laiulsmaiuivhafts - V«*n*ini^un(;en von
r«*lM*l sind, und »lass »i«*r Flrfol^ all«*r
d(>ut.s<*h-am»*rikaniK4*h«*n h«*Htr<*huni;<*ii nur
«lunli .Ma.sM<*nv»*reinijfun>f zu i*rn*i«*h»*n int.
Dass auf dem (iehiete »Ich CnterNtütz-
unjrsw»*s»*ns wie «'s v«iii <l«*n verwhitMh'U«'!!
Lan»lsm)uin.s»haft»*ii im Kl«*inen )M>triflN*n
winl. durch ('»*ntralisirunj; AIhr zu linrr
Körp»*rschaft. («rossartiires j;»*h*ist»*t w«*r»len
könnt»*. wir»l alljrt*m»*in anerkannt, uiul
da.ss «liest* Vl*rt*ini^'un^r n»M*h schli»*sslich zur
X'erwirklichunu kommt, ist »len t»•nan^'e-
heiuh'U Führ»*rii anlu'imtrestellt. Der
D»*uts<*h»* rnt»*rstützun^r-<hun»l arln-itet un-
l)»*irrt an »lie.s»*r i*inzi^.' rieht ijr»*n I/tisuni; des
»lt*utscht*n Fraternalismus in <lies«*m Laiule
uml wer »lamit einverstan»l»n ist. sei herz-
li»*h willk»»Mun«'n in unseren Ht*iht*n.
Für die Ilauptvcrwaltunjr «l«*s Deuts<*h«'n
rntt*rstützuntr<-Buiules.
Louis Voh, l*räsi»l»*nt.
I'illsliur«.'. Oktolicr 1:h»H.
Drutiirli-Auirrikamn*
in hn 3)n^lUlt^^, ftrm uriirbarftlirhru
inxii brruflirhru iCrbrn.
88S
CHARLES DERSCH.
Nicllt oft jrt'srhiclit rs. dllss diT NailU'
ciiK's im Dfiitsciitliuiii rüliiiiliili lirkaiiiiti-ii
auch (ItMii ain<>rikaiiisch<Mi Klt'iiHMif»- ^r«»-
läufitr uiul an 's Hrrz ^rrwachsni is?.
Charhs Dcrsch ist «'iin' «lit'siT AiisnaliiiH'ii.
Wer sich iKX'h an »lic Slot um-Kalastrophr
liof ^'csi-hmiickt hatte; da.ss «>|in«' sein nwt-
h»s««s SchalTcii im Dienste der (iere<'htiirkeit
Van Sehaiek. »ler Kapitän des rn^Müeks-
schilTi«s. kraft einer Ritt.s«hrift mit 2.000.-
• MM» rnters4-hriften winer verdi«'nten Strafe
entmnnen wäre; und dass <|ie .Mitt;lietler
CHAKLtS ÜtJ<SCH.
dtr Crucnder da „Vcraa* dn HinlnUiriimra in ..Crtuni Slorun ' Opf«."
von 11)04 erinnert, wer der llinterhli«'h«'nen des von Herrn Dersch ^'c^rüntlcten „Vor-
di«*s«*s rn>;lücks niH'li jrt'denkt. das \0'.i] eins <h'r llinterhlielM-nen «h-r tJeneral Sh)-
Merjseheidehen kostete und Trauer in .'MM) cum Opfer" niwh hi'Ute in ihm dm treue
Familien Itraehte. der keimt auch ('harI(>M sten Kathp*lier und Krcund in <ier Noth
Dersch und der weiss. <lass ohne ihn da.s .seilen und linden; und dass alljälirli<'h die
frro.s.so SIcM'um-Denkmal niemals das (»rah Kleinen der .Mit>;lieder unter dem Mtrahien-
dcr IlinterbliclH'nen im lutherischen Kirch- den Weihnachtshaum des Vi^hmuh dankbar
884
ZU dem Manne aufblicken, der Jahr nni
Jahr seine Flusse opfert, um ihnen hilf-
reich zu sein.
Aber Herr üerseli hat diesen Liebes-
dank schwer erkauft. In 1904 weilten die
liebende Frau, eine greborene Helene Stan-
ger, die er in 1885 zum Altar führte, und
die zwei überlebenden ihrer drei Kinder in
seinem trauten Familienkreise. F'rau
Dersch und ihr l(i.jährif?es Töchterchen
v(m Adam und Eva Derscli, die acht Jahre
vorher, am Ta^e vor Weilniachten, nach
Amerika gekonnnen waren. Des Vaters
Wiege stand in Frankenberg, Kurhe.ssen,
und die der Mutter in Ileichelheim in
Haiern. und in treuer Anhängliehkeit an
des Vaterlandes Sitte und Weise erzogen
sie den Sohn zum echten deutschen Manne.
Seit fünfzehn Jahren ist nun Charles
Dersch Vertrauensnuuni und Reprä.sen-
CHARLES DERSCH. Jr.
Elsie H., sowie eine Nichte, die lOjährige
Carrie Stein, befanden sich unter den Aus-
Hüglem, die den Feiertag an Bord des
Slocum verbringen wollten. Am Abend
waren Dersch und sein Sohn, Charles, jun..
der sonst regelmässig die Fahrt mitnuichte.
diesmal aber verhindert war, die einzigen
Ueberlebenden der Familie.
Charles Dersch wurde am 10. Februar
1858 in New York City geboren, der Sohn
taut der American ^lalting Company, 63.
Strasse und P^ast River, New York, imd in
der ganzen Kohlenregion, ja im ganzen
Osten, den er in Erfüllung seines Berufes
bereist, achtet man ihn als ehrenhaften Ge-
schäftsmann und kernigen Deutschen. Sein
Sohn ist Vertreter der Standard Refining ^
Company.
Im Anfange seiner Karriere wohnte Herr
Dersch, der in der Ost Houston Strasse ge-
I
88ft
bori'ii \v)ir. im Ilorzcn ilcs altt'ii tinitsclicii
I)istrikt«*s Nfw York 's. in «Irr O.nt '-i.
Striisst". Zur Zfit. uiul srit vit'lfii .liilin-ii
wohnt er in N»>. 7(» Krst»« Av«*nur. Si'int*
Tliiitijrk»'it in VfreinskriMs»«!! U-pinn in
iSSd. als IT (Irin Bi'fthovcn .Männ«T«'hor
beitrat. Kr wunl»- Jürlin-r»' Male /.ii v<*r-
sclii»'«l»*ncn At'iiit»'rn «'rwülilt. Der \Von<l-
Imid K«'p*lklul> nrnnt ihn (iründfr. uiitl
h«'Ut«-' lUH'h steht «-r an si-inrr Spitze. Drei
.lalire htn^r war «-r Präsident der \'ereinijr-
ten Kejrelklnhs v«»n New Yi»rk um! l'ni-
gejrend. deren Khr<'npräsi<lent er seit fünf
Jahren ist.
Ks he<larf kamii der Krwähnnnjr. d;tss
ein Mann von soh-li' weilverzweiirten In-
teressen für des Deutscht hnnis Saelie an
rechter SteUe inid zur rechten Z«Mt eintritt.
In seiner Kiir«'iisc!iaft als Mittrlicd des
Fiiianzkoniites des Deut seh- Amerikanischen
Staatsverlunnles, New York, hatte er vor
nicht langer Zeit (lele^reidieit. K(>ine lilM*ra-
len Ansiejiten in einer Zuscltrift «n (ioii-
venieur Ilu^'he» zu verfiH'htcMi.
S«'ine |HilitiK«-he Thiiti(;keit fan«l ihren
Lohn in .S4'iner Krneniiunt; zu dem Khrt>n-
amt «les Schatzmeisters d«*s Iidaiid-Steuer-
Dcpartenu-nts für lien .1. Distrikt. i\ns er in
ehrenhaftester Weis«« .') .Ialin> lanii^ Iwklei-
dctc. In di«>sem Zeitraum nahm er für die
Ke^ierun^ Xi Millionen Dollars ein und
erntete tlie hiM'hste AiK'rkeniiunt? witenn
seiner Vorjfesetzten. Kurz nach der Shx'uni-
Katastrophe wunle er «lur«'h Petitionen
/um Staatsenator nominirt und hatte die
(Jcnu^thnuM^r. diese Khrun^r keiner Ix«-
stimmtcn Partei. soiHlern den vereinten IJe-
mühun(i:en s<>iner unzähligen Fn'unde und
liewiniderer. ohne Hücksiehtnahme auf po-
litische Verliinduntren. zu verdanken.
W
«1
886
OTTO WISSNER.
..Nennt nijui die Ijcsttii Xjiincn" des
Deutselitliunis Amerika *s. so hat der Otto
"Wissner's hohen Klantr. Was er sich zur
Lebensaufiral)e .setzte — die Herstellung
eines Klaviers, das den höehsten Anforde-
rungen künstleriseher Vollkonnnenheit ent-
sprechen sollte — das hat Tausenden
Freude, Genuss und Erholung und ihm
Ruhm und "Wohlstand gebracht. Seine
grosse Fabrik i.st das AVerk seiner Hände,
ein Etablissement, das, beseheidensten An-
fängen entsprungen, nun zu einem wahren
Monument deutscher Schaffenslust und
Fähigkeit herangewachsen ist.
Otto Wissner wurde ludie Giessen, in
Hessen, am 2. ]\Iärz 1853 geboren. Im Gies-
sener Real-Gymnasium, wo er grosses
Spi-achtalent zeigte, erhielt er seine Schul-
bildung. Im 16. Lebensjahre kam er navh
den Vereinigten Staaten und widmete sich
sofort dem Klaviergesdiäft, das er in ver-
schiedenen Fabriken von Grund auf lernte.
In 1878 erstand die er.ste Wissner 'sehe
Klavierfabrik in Brooklyn. Nur das beste
Material kam in die Fabrik, die grösste
Sorgfalt wurde auf die Herstellung selbst
des kleinsten Theiles verwendet und die
Klaviere, die endlich ihren Weg in 's Pub-
likum fanden, waren in Konstruktion. Vol-
leudimg und Qualität ^Meisterwerke.
Der Lohn Hess nicht lange auf sich war-
ten. Das Wissner-Klavier wurde sehr bald
berühmt. Das allgemeine Publikum sowohl
wie die Künstlerwelt erkannten schnell
seine Vorzüge an. und in ganz kurzer Zeit
war Herr Wissner gezwungen, Fabrik, La-
gerräume und Verkaufsstellen zu vergrös-
sern. Nicht lange darauf eröffnete er Fili-
alen in allen bedeutenden Städten des
Landes.
Ruf, Erfolg und nach allen Theilen der
Ver. Staaten fülirende Geschäftsreisen
brachten Herrn AVissner in enge Berührimg
mit den Grossindustriellen und Künstlern
des Landes. Emil Paur, Lillian Nordica,
.lulia Hives King. Jan Kubelik. der ver-
storbene und unvergessliche Anton Seid!
und viele andere der hervorragendsten
Künstlei- nainiten sich seine Freunde.
Zwei grosse ideale Bestrebungen wurden
dem dent.schen Fabrikanten zum Lehen •!-
zweck: die Förderung der Musik und
solcher deutscher Gesellschaften, die zi-.r
Hebung des musikali.schen Lebens im
Lande beitrugen. Im Jahre 1900 wurde er
von den Vereinigten Sängern von Brooklyn
zum ^Mitglied des Komites ernannt, das dem
deutschen Älonarchen den Dank für den
Kaiserpreis darbrachte und ihm eine
Prachtausgabe des Kaiserpreisliedes über-
1 eichte.
■^ !•■ ri 1 ^ «i'Sf'-''^
331
*'^^.
^^^^•--M
OTTO WISSNERS PIANO-FABRIK in Brooklyn. N. Y.
In politischer Hin-;icht gehört Herr
Wissner zu den rnabhängigen. Sein Heim
ist in Brooklyn, doch verbringt er in .jedem
Jahre viele Alonate auf seinem Sonunersitz
„The Westerly" in Nassau County, L. I.
Er i.st ^Mitglied der deutsch-lutherischen
Kirche, des Deutschen Liederkranzes, des
Brooklyn Arion und des Sängerbundes so-
wohl wie des Royal Arcanum und einer
Freimaurer-Loge. Er gehört dem Direkto-
rium der Alechanics Bank an und ist einer
der Trustees der Germania Sparbank.
In 1881 heirathete Herr Wissner Frl.
Katie Leckerling. Dieser Ehe entspros.sen
sechs Kinder, vier Töchter und zwei Söhne.
Die beiden letzteren führen die Klavier-
Fabrik für den Vater.
887
CARL F. LALBEK.
All allen tlt'iitsclii-ii n«>stn*l>uii^<'ii, tlmi diifür Mtr^cn. da.ss in ihn-r Faniilii' die
diMltsrlicn Theater und tleni deiltselu-n dellts«-||e Spraelie ^ehe(;t und (;e|itle|;t wirtl.
Vereins\ves«'n nehmen weni^je Deutsehe der Tr<»t/.deni er sellist als Itijähriifer Kehon
Stadt <ler liruih'rliehe regeren Antlieil als niieh Amerika kam und seine (iatlin hier.
<. AUl. I. l.ALHI J<
Carl F. Lauher. dessen Wein- und hikör- vnn «leutvlnii Klimi. neliur. ii \\ iini«-, «ird
Iniport-Piesehäft /u den ^'rössten in den im l.aul»er's«hen llmise ttentsih jrespn»-
Vereinitrten Staaten gehört. Carl F. haulMr ehen und ein e<lit denlseju's FamilieidelK-n
ist einer der wenijren deuts«hen (Jrnsskauf- ^'eführt. Die drei Kin«ler des l'aar«««. zwei
leute, die kennleuts<-h gehliehen sind und T«M-hter und ein Sohn, sprtvhen elwiiKo
^8
fliessend und «accentfrei Deutseh, als wenn
sie in Deutsehland geboren und erzogen
wären, und was das bedeutet, werden
deutsche Eltern zu sehätzen und zu wür-
digen wissen, denn die Erhaltung der
deutschen Sprache in der deutsch-amerika-
nischen Familie ist eine der schwersten
Aufgaben der Kindererziehung in der
neuen Heimath.
ging. Carl E. wurde im 9. Jahre Waise
und trat, nachdem er ein Institut besucht,
im 13. Lebensjahre als Lehrling in das
p]llenwaaren-Geschäft eines Verwandten in
Erankeuthal in der Pfalz ein, nachdem er
auf seinen Lieblingswunsch, zu studireii.
unzulänglicher Mittel W'egen, hatte ver-
zichten müssen. Am 28. Juni 1873 langte
Carl P. Lauber an Bord des Dampfers
Das Lauber'sche Geschaeftshaus in 24 und 26 N. 9. Strasse,
Philadelphia.
Carl F. Lauber wurde am 2. Januar
1857 in Worms geboren. Sein Vater war
Besitzer einer Mälzerei, Hülsenfrüchte-
Handlung, Oekonomie und AVeinbauerei
und hatte früher auch eine Branntwein-
brennerei betrieben. Seine ]\Iutter war eine
geborene Best, eine Verwandte der Inhaber
der Phil. Best Brewing Co. in Milwaukee,
die später in den Pabst 'sehen Besitz über-
„Donau" in New York an und begab sich
nacli Watertown in Wisconsin zu einer
Schwester, wo er seine amerikanische
Laufbahn mit einem ]\Ionats-Lohn von $S.
dann $12 begann. Später trat er in Phila-
delphia in das Geschäft seines Oheinis.
Philipp Jacob Lauber, ein. Er hatte die
Oberaufsicht über die Angestellten, führte
die Bücher, verwaltete im Centennial-
Jjilin« ihr KasNi-, dir Kiiiiialiiiu'n von üIht
ciiMT .Million Dollars aiil'/.iiui'isrii liatt**.
uiul «Tliiflt im 21. Ii<'l)«'ii.sjalin' vitllip« Dis-
{xtsition üIkt dii' tiiianzii'llfii Aiijfrl«';»»'ti-
lu'itcn ilrs Kii^siMim-srhäfts. Als IMiilipp
LaiilMT ^«'p'ii tli'ii Kath iiikI trotz. <li-r
^VarmlIl^'^'M srim-s Ni'tTfii ilm Uaii «'im-r
HraiuTci uiitt'riialiiii. (Ii*r für ihn in tiiiaii-
zicllt'r Mr/it'Inmj; vrrliänjriiissvoll wcnJcM
sollt»', trt'imt»' sii-li Carl K. von ihm. wunlr
sflliststänilif; und »'rölTnctt' am 22. Ntivcm-
btT 1SS() mit si'int'iii VfttiT. (Jrt». ScIiI»m-
cluT. «'in Wein-Kn^rros- und Wirtliscluifts-
Geschäft in N<». 2S Nord !>. Str. Im .lalin-
IS'KI katift.-n Carl V. LauInT & Co. das
Haus No. 20 Nord I>. Str. iwid im Friih.jahr
1S!»1 das GfbäiuU' ;k»4 Killx-rt Str.. ilic
ni«'dfr>;»'ri.ss«'n und zu i-int'in i)opj)rl^i'-
l»!iu<lt' vcrrini^rt wurdm. Am 11. .Januar
1S!>2 fand dif KrölTnunir tli-s m-ucn Lokals
statt. Am 22. April 1!MM) wurdr Il.-rrn
Lauln-i- dri- trt'Uf .Mitarln-itcr. (Jcorjj:
S<'hlci«-li«'r. dun-li den To»! i-ntris-scn. An-
fantrs d«*s .Jahres 1!I02 zoj; sich Herr Lauhi'r
vom Wirtlis (ii'S'haft zitrüi-k. Inzwisi-hcn
hattf IT auch tiiLs Haus Nu. 24 Nord I>. Str.
käuttich tTworlM>n. i\hh ni«HhTK»'rissfii
wurd«'. um d«Mu phiilitiKt-n Nfuliau, w«*l«*hor
am 24 August 1!M):{ von ihm h(>Z4>^fn
wurd**. I'latz zu mai-li<-n. Am H. .Iiuiuar
IIHI.*) hattr Herr i<aulNT cinrn jrrosMMi
\'«*rlust zu Iwklajri'U. Si'iii (jcsi'häft.sloka!
wurti«' Von fini'm srhwcn'ii Mrand«* hfimiri--
sut-hl. Mit ^'('wohnttT KntT^ir iilHTwand er
den N't'rlust, (Irr ihm »lun-h Srhit-k-sid«
'l'iii-ki' p''j«*hlaj;«'n wordm war. Di«* l*au-
Iti'rVchc \V(>in- und liikorlmport-IIandlung
ist hellt«' «*ini* der >rrös<trM «le* Laniles.
Als der Dfutsih Ami'rikanis«'ht' Zentnd-
Bund von JN-nnsylvanien. aus lU'iix der
National - limid liervorpinj;. ^e^TÜndet
wurde, war Carl F. Lauher einer der
Irrsten, welche die liedeutun« der Hewe-
}Xunt; erkannten. !•> ist <l»*m liumle stets
ein treuer Freund ^;ehlielMn und ist ein
aufriehtijrer iiewunderer seint*s (Iründers
iM>d Präsidenten. Dr. C .1 Ilexamer.
890
CARL WILDE.
Ein oifrifror Fördoror des Doiitschoii
Theaters in Pliiladelpliia, dem er iiiclit
allein durch rejren Hesueh sein Interesse
beweist, scmdern auch durch die That, ist
Herr Carl AViide. der in Xo. 357 Nord
Zweite Strasse einen grossen Delikatessen-
und Käse-Iiiipitrt-lIandel betreibt. Er hat
CARL WILDE.
Importeur und ein eifriger Foerderer des Deutschen Theaters
in Philadelphia.
in kritischer Zeit sich als ein wahrer
Freund des deu4schen Theaters und damit
des Deutsclithunis erwiesen, das in deni-
selbcn nicht ailein seinen geselligen .Mittel-
punkt, sondern auch eine Ptlegestätte der
deutsehen Sprache, der deutschen Lite-
ratur und der deutschen Kunst besitzt.
Carl Wilde wurde am 1. November 1804
zu Breslau in Schlesien als Sohn einfacher,
aber geachteter Eltern geboren. Mit 1:^
Jahren begann er die kanfmänni.sche Lauf-
babn. und dem Cmstande, da.ss er sozusagen
von dei- Pike auf in seinem Geschäfts-
zweige gedient hat. verdankt er den raschen
Erfolg, den ei- ei'zielte. Kaum hatte er die
Handelsschule absolvirt, als er in ein
grosses Delikatessen-Geschäft eintrat und
in den grössten Häusern Deutschland 's
seine Lehrjahre al)solvirte. Als er diese
hinter sich hatte, erfasste auch ihn wie so
viele seiner Landsleute der Wandertrieb,
und so kam er 1895 nach dem Land der
unbegrenzten Möglichkeiten. Er versuchte
sofort in Philadelphia sein Glück. Im
selben Jahre kaufte er gemeinschaftlich mit
seinem Stiefbruder das Delikatessen-Ge-
schäft des Herrn I. ]Mossheim. 990 Nord 2.
Strasse. Im Jahre 1903 wurde die Firma
aufgelöst, worauf Carl AVilde unter der
jetzigen Adresse sein neues Geschäft an-
fing, das von ungleich grösserem Erfolir
gekrönt war.
Tm Jahre 1897 heirathete er Fräulein
Annie Koetzer, die Tochter eines bekannten
Arztes, der Kreisphysikus in München
war. Der Ehe entsprossen keine Kinder.
Das Paar verwtMidet die freie Zeit dazu,
mit Rath und That bedürftigen Lands-
leuten beizustehen. Herr "Wilde ist einer
der Direktoren der „German Theater
Realty Co.", die das von Deutschen für
Deutsehe erbaute Deutsche Theater Phihi-
delpbia's und die zu dem Bau gehörigen
Geschäfts-Lokalitäten verwaltet.
8»!
JOHN C. OETERS.
Wenn «li«' crful^riMflH'ii (H'srliäftslriitc
dfUtsrhfi- Ili-rkiuift in tlcr Stiuit «ifi* lini-
«h'rlirhc aulV'ffülirt wrnh'H. «Iiiiiii inuss
auch Herr Jnhn ('. O^ttrs. dir lii'sitzrr
i'iiu's b(*<l(*utt'n«l«-M (i«'s<-liiifts dniuvsfii in
Hn'wiTvtnwii. fjt'nannt wcrdi-ii. Herr
Ot'tcrs wunlf am <i. .März 1S4«» in llaniluir^
p'l)(»r«'n. i'rhiflt dort «'iin' jruti' S<-hiill»il-
ilnn^r und trat natl» Altsolvirun«; ciin-r
hölii-rm Schul»' in «*in dorti>:t's Kaufnianns-
frcsciiäft ein. für \vfl(lu*s er ni«*lir«'n' .lalirr
(Srundstüfk in Hn-wrrytown und «•rhautr
darauf da« jrtzifji' (t«>s«'liäftshauH N'o. 1241!
Nord .'Jl. StniKHc, vcrhundcn mit «»inrni
^r«iH.s«-n WaarrnlapT. Stallun^fu und an-
dcriMi Ni'lM-n>rt'l»iiud<'n Kr führt Hopfen
luid .Mal/ und alh* Matfrialirn. dir in
Mraurn-it-n vi-rwandt wrnh'n. Im .lahn-
IsHS «"rriehti'ti' it «'in«* Fabrik, in \v«'lfh«-r
dii' luitrr dfiM .Nanii'U ..ZiMncntiiif" patrn-
tirtf \Vass»'rfarln' hrrp'sti'llt winl. Kr ist
si'it 1881 mit dt-r T«M'ht«'r d«*s viTst«)rlwn«'n
JOHN C. OtTERS.
lanjr als Volontär tliali^' war. Mit /.\van/i^
.Tahi't'n t*rtrri(T ihn die Wandi'rlust. und so
kam i'r in \S(')ii nach »ifU (ii-stadt-n Ameri-
ka's. liier aeeeptirte er eine Stelle als
Reisender für Hopfen und and«'ie impor-
tirte Waann. dunhzoj; Amerika kreuz un»!
«pier und lit*ss sieh vorühcrKehend in New
Orlean.s, Kansas City. St. I'aid inid an«Ieren
Städten nieder. In 1877 etahlirte er in No.
:US Nord 'S. Stras.se. IMiila<lelphia. ein
«*ijr«'ne.s Geschäft, das hjdd einen >;ros.sen
Aufsehwunp nahm. In ^><'^'^ kaufte er ein
Dr. (Jruel. seiner Zeit einer «ler antrese-
hensten «leuts«-hcn Aerzte «ler Stadt, ver-
heirathet lUid hat s.'in«' lM'i«len Kin«Ier.
einen Sohn un»l eine T<Mhter. in tleut.M'her
Weise erzogen. Herr ()«*ters. der neun
.fahre laiiK' Präsident des .Mäiuien'liors. «jes
ält«*sten .Märnier-iJesiuijf-Vereins der Verei-
nifrttn Stiuiten. war und dem deuts«'hen
Theater ein lehhaftes Intere-sM* entKe|;en-
l»rin^'l. hat sieh um die deutsche Saelu-
• •in lii-snoihrs trros.ses Verdienst dadurch er-
892
worben. dass er als Vorsitzender des Arran- und an der Politik nimmt Herr Oeters hei
gements - Komites das all.jäiirlieh vom vorraj^enden Antheil. Die vom Männerdio
Deutseh-Anierikanisehen Zentralhund von veranstalteten Deutseh- Amerikanischci
Philadelphia veranstaltete Ptin^'stfest dureh Wohlthätij;keits-Bälle, die alljährlich ir
rastlose A^'itations-Arheit zu einem immer der "Academy of Music" stattfanden
JOHN C. OETERS' GESCHAEFTSETABLISSEMENT
IN PHILADELPHIA.
grösseren Erfolge gemaeht hat. In jedem
Jahre war eine bedeutende Zunahme des
Besuches zu verzeichnen, der bis zu zehn-
tausend Personen sieh gesteigert hat.
Auch an anderen deutschen Bestrebungen
waren während seiner Präsidentschaft ge
seilschaftliche Ereignisse der Saison, ai
denen nicht allein die oberen ZehntaiiseiK
sich betheiligten, sondern auch Vertretci
der Deutschen Botschaft in Washington.
WILLIAM PENN BROCKERMANN.
EIN ABKOILMMUNC BFJ^LRMMTU* DF.UTSCHFJ* EINU'ANDFJ*FJt
Aiif (Miiipo der ältesten d<'Uts«-li« u Kiii- rikanisclun Faniilirn ^in : diu ( asselN uml
waiuliTer kann William l'eim ltr«M-k«'r- iliii her^'i-ys. Der (Srüiuier (l«'r Familie
iiiaiiii. .Ir.. p'lMtien am '20. |)e/eml>er 1SS:{ Cassrj war Yelles CasKel. ein l'retlijjer. tu--
in Philadelphia, seinen Staiinnhaum zu- boren KilH in Krie^rsheim in der Pfalz.
rü«*kfüliren. Kr hat die ..Kveniiijr SehiM»! Sein ir>47 elH'nfalls in Krie|rsheiiu ffelx»-
of Finanee and Ke«(n<»my" <ler Tniversität rener Snhn Johannes CasM*! lant^te um 2U.
von l'ennsylvanien ahsolvirt und nimmt Novendw-r lOHII. also drei Jahre Hpäter als
eine Vertrauen-Sti'llunn h«*i tier Minikiei>i- die ersten (h-utsehen Kinwanderer. in Phila-
WILUAM PENN BRCXTKFJt.MANN. Jr.
und Makler-Firma Wolf lirothers ein.
Herr Hroekmann ist mit Alma ('. Lierz.
der älti'sten Tochter Herrn Ilenrv l^ierzK.
eines hekannten l)euts«-h- Amerikaners in
Philadelphia, verheirathet.
Herr MrtK'kermarMi ^rehört semer Ah-
.stanimuiitr naeh den ältesten dt-utseh-ame-
delphia IUI und liess sieh in Ciennantown
nieder. Kr war einer der rnterreiehner
di-s (iesu«*hes um einen Freihrief für Ger-
Muintown und Mitirlied des ersten StH«lt-
raths.
Dureh Heirat h verwandt sind die ('a.s-
sels mit Wilhelm Hittenhouse Kuttintr-
894
huysen). der 1044 orplK)ren war. an eincMii
Anne des Wissaliickon l)ei Geniiaiitowii
1690 die erste Papiermühle errichtete und
1708 starb. Das wurde von dem Genea-
logen der Familie Rittenhouse und direkten
Nachkommen Wilhchu Rittenhouse 's. Da-
niel K. Cas.sel, nachgewiesen.
Abraham II. Cassel. ein anderes Mit-
glied der Familie, geboren am 21. Septem-
ber 1820. war der Ururenkel des berühmten
deutschen Druckers Christoph Säur in Ger-
mantown. der die erste vollständige Bibel-
ausgabe in Amerika, und zwar in deutscher
Sprache, druckte imd die erste deutsche
Zeitung von Bestand j)ublizirte. Ein
Druck aus Säur 's Officin vom Jahre 1749
..Yelles Cassel. the Preacher", befindet
sieh im Besitz Herrn Brockermann 's. Der
Original-Artikel ist erhalten und in der
grossen Cassel 'sehen Bibliothek, deren
Gründer Abraham II. Ca.s.sel war. Derselbe
war auch mit Peter Becker, dem ersten
Aeltesten der deutschen Baptisten in Ame-
rika, verwandt. A. H. Cassel war ^Mitglied
der Historisehen Gesellschaft von Pennsyl-
vanien und Gründer der Cassel 'sehen
Bibliothek, in welcher sich 50.000 Bände.
Pamphlete und Schriftstücke befinden und
(laiunttT die vollständige Sammlung dir
Pul)liUati<iii('n Franklin 's. Säur 's, cji-r
Presse in Ephrata und der Sclnvcnkfeld«-!
Die Ca.ssel'sche Bibliothek liefert den uii
umstös-slichen Beweis dafür, da.ss vor dti
Revolution die Deutschen in Pennsylvanitn
mehr Bücher druckten als alle anderen
Kolonien zusammengenommen.
Die Familie Bergey. von welcher Ilt-n
Brockermaini ausserdem seine Abstam-l
mung herleitet, nennt als ihren aiiierikaiü-j
sehen Ahnherrn Johann Ulrich Berge, der'
1717 nach Amerika kam und sich in Lowtr
Salford, ^Mcmtgomerj' County, Pa.. nieder-
liess. Er spielte in der Zeit vor der Revolii- j
tion eine Rolle in Pennsylvanien. l)r, I
David H. Bergey von der Universität von
Pennsylvanien ist der Historiker der Fa-
milie. Derselbe war durch Heirath ver-
wandt mit dem am 24. DezemlxT 1680 an
der 2. und Walnut Strasse in Philadelphia
geborenen p]dward Drinker. der am 17.
November 1782 im Alter von 102 Jahren
starb. Als Benjamin Franklin in England
gefragt wurde, wie alt die Leute in Amerika
werden, antwortete er: „Die Frage kann
ich erst beantworten, wenn Edward Drin-
ker .stirbt und sie für mich beantwortet."
896
OSTENDORFPS RESTAURANT IN PHII^DELIM IIA.
Fritz Orteodorif und Louit Schmidl. drr Eogralhuemer und der Gnckariiaiurhrrr
dte*e* Sammelpl«t/r« dct Dcultchlhumi.
Zu ticii S»'h('ns\viinli^rl«'iti'ii IMiilml«-!- S«'ll>stvrrstäinllir|i luit «•?» Jalin« »Tfor-
pliia's uiitl in sfim-r Art wtilil im ifHii/.cii «IitI. um ili«« SammlunKrn zu «mmit tli-nir-
LaiMih" i'in/.if; (I«>stch«-ml ist Osti-iulorff 's H««- tip-n V(>llstäiiili(;ki-it zu lirinK«-ii. in wrlrh.r
stauraiit und Caft'. No. 12:il Mark«! mitl n\v sirh lu'uti- <larMt<'ll«'U. Sio sind in ilinr
11 N<»nl l;i. Strass»'. Es ist nicht allfin In*- Art dir vnllständi^lrn im Prival-Hi-sitz.
kannt st'intT vorzü^rlit'lun «Icutschcn Kinhc Sic IuiImmi als Schcnswünli^'kcit weit üUt
wc^'cn. welche ilw KeiioMM Frau Osten- tlie (iren/en IMiihuielphia's einen Huf er-
4l(>rtT verdankt. siMulcrn auch seiner Watten- halten und werden vnn Mesuehern <ler
un<l .Ia^rdtr(^|^häcn-SaI^ndun^r we^'«'n. Die Stadt, nft von weit her. auftf«'suiht, lM»sich-
WafTcn.saniinlun^r enthält Kxeinplare a'ler tiirt und L'ehührcMd hiwundcrt D.is ( »sf.-n-
bin „Corocf" lo Onriuiuifl i Laie nm Herrn Knli C)i4rtiiia>4 und Frau.
Schusswaflfen und Sähel. die .seit d«'m licvo-
lutions-Krictr»" his zu unserer Zeit von ame-
rikanischen Krie(;ern und Soldaten henutzt
wurden. Die Ja^dtrophüi'U-Samndun^; er-
mötrlicht einen Anschauuntjsunt«'rricht für
Liehhal)er der .lajrd und Solche, die es
werden wollen. Dazu konnnen seltene Bil-
der V(tn Wcrth für die amerikanis«'he (Je-
schichte. Münz- und l'a|»icr^'eUI-Saininlini-
*H'U und manches Andere, was von Interes.sc
und zutrieich von hihlcndcm \V«'rthe ist.
«lortT'sche Kestaurant aher hat für Phila-
delphia n«H'h ein«' andere Hcdcutiuit; — m
ist der Sammelplatz des l)eul.s*-hthums tuul
zjihlt die annes«'hensten deuts«'hcn (Je-
.scIüiftshMite zu seinen Stannii(;ät.sten. Vtin
<li>rt aus sintI schon mehren* für »las
Deutschthum in Stadt lunl Staat wichti(;e
liewcj;un>rcn in die rieht inen liahnen p*-
leitet wor«lcn. «Icnn dort fand üln-r sie ein
lehhafter Meenaustausch .statt. Vt>rs4«hlätro
und (Jep'nvorwhläKe wurden erw«»jf«'n und
89<)
erörtert, das Hi-stc bi'lialti'ii uin\ tlaiiii in
geeigneter Form vor das grosse I*ublikuni
gebracht. So ist Ostendorff's Kcstaiirant
eine jener Saiiuiielstätten des Deutseh-
thuins gcwoi'di'ii. in dci" nicht aUcin
deutsche Gemüt hlichkcit das Scepter führt,
sondern auch das deutsche Stannnesbe-
wusstsein gepflegt wird, (bis deutsche Wort
regiert und (h'utscliei' Oeist ziun Segen
des Deutsclitlnuiis seine Schwingen regt.
Der Gi'ünder des Restaurants und Cafes,
Fritz Ostendorff, erblickte am 13. Septem-
derte aus und hniih'te 1881 in \\.\v York
Er fand lieschäftigung in einem p]iscnberg-
werk im Staate New York und später an
der Eisenbahn in York, Pa. Von dort
führte ihn sein guter Stern nach der Stadt
der liruderliebe. Hier arbeitete er drei
Jahre lang für die Goodwin Gas and Meter
Co.. bis er im Jahre 1886 den Dienst quit-
tirte. heirathete und selbstständig wurde,
indem er ein Hoardinghaus in Xo. 251 Xnrd
4. Str. übernahm. Nach vier Jahren grün-
dete er ein Restaurant an Race Str., über-
FRITZ OSTENDORFF.
Cruender und Eigenlhuemer von Ostendorff's Restaurant
in Philadelphia.
LOUIS SCHMIDT.
Ceschaehsfuehrer von Ostendorff's Restaurant
in Philadelphia.
ber 1856 in Lauenburg, Kreis Einbeck, als
Sohn eines höheren Forstbeamten das Licht
der Welt. Nach Absolvirung der dortigen
Bürgerschule be.suchte er das Gymnasium
in Hildesheim, trat dann als Volontär in
eine Fabrik landwirthschaftlicher ]\Iaschi-
nen in Oschersleben ein und besuchte zur
weiteren Ausl)ildung die Technische Fach-
schule in Einbeck.
Als junger ]\Iann von 25 Jahren ergriff
ihn die Lust, die Welt zu sehen ; er wan-
nahm 1898 ein Restaurant in der Sansom I
Str., und eröffnete am 1. Juli 1899 das
grosse Restaurant an der 13. und Älarket
Strasse, das heute als eines der besten U
deutschen Lokale bekannt ist und dessen
Ruf weit über die Grenzen der Stadt hin-
ausgedrungen ist.
Der langjährige Geschäftsführer des
Restaurants und Cafe 's, Herr Louis H.
Schmidt, wurde am 6. September 1868 in
Essen als Sohn Heinrieh Schmidt'«, des
Obi'rstalliiii*ist»'r.s «N-s Kaiioiifiiköiii^
Krupp. jrt'hon'M. Iirsuditt' dir hülu-n* llür
gerscluil«'. kam 1 SS.'» nai-li Amerika uii«l
wandte Ki«-Ii in l'liilaililphia lieiii H«-st:iu-
raut-Ges<häft zu. Als lUr Kriefr mit Spa-
nien (1S!>8) ausliraih. verliess rr >«'in Stel-
lung als Manager des renommirten Hm»tli-
by 'sehen Ivestaurants umi /.uj; als Knmpaj;-
nie-(^uarti«'rmeister des 'A. Heirimciits di-r
897
iler Siejj zur See weitiTe Truppeii-SiMidun-
(Ten naeh Culm unnötlii^; maehte. Im N<>-
vemlM-r 1S!»S wurde Ltiuis Sehmidt nIm
Knmpaunie - (^uartiermei.ster au.s(;enuiKtert.
kehrte zu seinem Mi'tier zurüek und trat
in 1S«M) als (ies«'häftsführ«'r in das neu -
^Mündete ()st«'ndiirlT's-he Hestaurant t-m.
dessen jrlänzeiider Krfolv mit sein Werk ist.
Louis Sehmidt ist mit .Minnie Pni, der
Die Wcflmuinmlung au* der Kriegtsochichle der kolooieo und d« Vrraniglra S(ulm
Oxeodorf 't Cafe.
Xational-Garde vim Pennsylvania in's Fehl.
Da da.ssellje nicht Kriefrsstiirke hatte, er-
hielt Louis Sehmidt Ordre, als Kekruti-
rungs-Offizier in Philadelphia zu fun^iren.
Vom 28. Mai bis Mitte .luiii hatte er l.")<i
Tiiehter des lantrjjihri^'en Präsiilenten iler
Plattdeuts<'hen Philadel|)hia '.s. verheirathet.
Aus dem aktiven Dienst der Natiuiwil-(Jarde
schied er 1!M)7 mit dem Kanne «les Kejji-
ments-(^uartiermeist«'rs aus, jrehörte alwr
Rekruten antreworln'n mul hegah sich daiui dei-selhen inaktiv noch an und kann ein-
zu seinem Retriment nach Tami>a. Fla. Ks herufen werden, sollte das Vaterlaiul je in
war bereits ein^'eschitTt und sollte nach (iefahr kommen luid •rlahn n.r Ortieiere
Santiago aur''»''l!"ti. ;i!s Si-h'ey's ijÜiii/fn- bedürfen.
898
KARL G. STIFEL.
Herr Karl G. StitVl wurde am L'8. Jamiar
1819 zu Neuffen a. d. Steinaeh im Sclnvarz-
wald als Sohn eines Brauereibesitzers (5tes
Kind von 9 Geschwistern) geboren, be-
suchte die Volkssclnilo seiner Vaterstadt
bis zum 14ten Jahre, wurde, da er zu
schwächlich war. als Sattler ausfrcbildct.
New York nach Newark. in dessen Nähe er
auf einer Farm Arbeit fand. Sein Lohn
betrug monatlich $4.00. Von dort reiste er
zu seinen Brüdern luich Wheeling. fand
abci- iiiitcrwc^s in Clarksburg lohnende Be-
schäftigung, die er jedoch nur kurze Zeil
behielt. In Wiieeling war er die recht»'
KARL G. STIFEL.
Gruender einer bedeutenden Erauerei in St. Louis, Obenl im Buergericrieg, ein
eifriger Foerderer deutscher Bestrebungen. Gruender de» deutschen allgemeinen
protestantischen Waisenhauses, des deutschen Altenheims und Stifter der Schiller-
Statue in der Stadt dea heiligen Ludwig.
Nach Sjähriger Lehrzeit durchwanderte er
Deutschland, das er im Jahre 1837 von Bre-
men aus mit dem Segelschiff ..Copernicus"
verliess, um nach 55tägiger Seereise im
selben Jahre in Baltimore zu landen.
Keine Arbeit als Sattler in Baltimore
findend, wanderte er von Philadelphia über
Hand seines Bruders Karl, der daselbst
eine kleine Brauerei betrieb ; 1844 ging er
nach Deutschland, um seinen Vater ahm-
holen; 1845 siedelte er nach Cincinnati
über und betrieb dort ein Kommissions-
Geschäft. Dort heirathete er ]847 seine
Cousine Louise. Im Spätjahr 1840 kam er
Uiu-h St. Lniiis. Kr paclitt-t»' das uiittT dfin
Xaiiien City Hrewery bfkaniitt' Anwesen an
der Ecke der Cherry und Collins Sinusse.
Zwecks Gründung einer eigenen Brauerei
kaufte Stif«'l ISöli das Grutidslück an der
Ecke der II. und llonard Strasse, auf dt m
heute die grosse City liri wer;/ stdit. Länder
als drei Jahre daiu-rte es, Baulielikeiten
luul Einriehtunp'n ferti^r zu stellen, und
erst »//» Jahre Jf<Mf könnt ( die neue liraut-
rei in litt rieh gesetzt werden.
Zwei Jahre später erfolfrte dt-r Ausl)rueh
des Hürfjerkriejres. Mit der Zeit liatte sieh
Karl G. Stifel die Aehtunjr und das Ver-
trauen .seiin-r Mitbürt;«'r in so hohem
Grade erworlMMi. dass J:^(nt unitnistrcuc
U utsche Jiiirger, die sieh zur Vt'rtheiditrmip
der bedrohten l'nion zu tinem lieginn nit
vcreinigit n, ihn auffordt rtt n. als Oherst an
ihre Spitze zu tritt n. Käni|>fen für die
'nion wollte er iiinl. wenn nöthi«;. sein
ilut verjriessen. aber die Khrenstelle als
3berst lehnte er aus He.seheidenheit ab.
^jrst ein Maehtwort des Ilöchstkonunandi-
•enden im Staate Mis.s-ouri. des Generals
'jgon, vermochte es, den 1200 Getreuen
hren Karl G. Stifel als Oberst zu |;eben.
'u«rleieh mit seiner Ernennung zum
)l)ersten wurde tlas Ke^iment in die Verei-
igte Staaten Armee einpereiht. Das Vtr-
altcn des Obersts Stift l mit .st ine in littji-
icnte am 10. Mai iCantp Jackson Dag)
nd an darauf folgenden Tagt n uunli in
nen lagen von allen unionstrt uen Zei-
tngen des ganzen Lantlts als htldt nmüthig
• rühmt.
Olx-rst Stifel 's Auftreten tru^; viel dazu
i. dass der Staat Mi.s.souri der Tnion er-
jlten wurde.
Nach seiner militärisehen Laufbahn wid-
]ete er sich wieder jranz .seinem Geschäfte.
(US sich unter seiner kundifren Leitung? so
(änzend entwickelte, dass di's.sen Erträ^r-
issc ihm mit (br Zeit pros.sen Heichthum
lachten.
Im Jahre 1872 feierte er mit seiner (Jat-
ti im engsten Familic?ikreise sein«- <illit nu
899
Hnih:iit. Dem l'aare wurde «'s von der
Voi-sehiui^r au<'h verjfönnt. n<K'h weitere 25
.lahre Frend und Leid initeiander zu
theilen und in voller geisti^'er und körper-
licher Frische am 9. September 1897 die
goldt ne Hochzeit zu feiern.
In dem Verljältni.s.se wie .sein Wohlstatul
wuchs, bewährte sich auch Karl G. Stifel*«
Gcmcinsinn. Diesen bethätij^te er gern im
Stillen. Ein in Noth jrcrathener Familien-
\at«*r. ein th-r Ililfc und I'nterstützunj; Be-
dürft i^rer. hat nie veri;cbens an seine Tijür
jreklopft. rnzJihlipe Beis[>iele von solcher
stillen Ililfcleistunj; sind b«'kannt gewor-
den, seinem Andenken zur Ehre. Kr war
eintr ihr (iründtr tlt s lU utschen allgcmri-
III n jiriiti stantischen Waisenhauses, für
dcs.scn Bedürfnisse seine (»pferwillige Hand
immer reichlich b«Msteuert«'. Als djus deut-
.sehe Attiiihtiin ins Leben geruf«*n wurde,
stand er mit an <ler Spitze jener luK'hherzi-
^'cn Männ<'r. die ein so edles Werk der
Menschenliebe durch ihre reichliehe Bei-
hülfe ermöglichten.
Für allgemeine W(»hlthätigkcit.sanstalten,
wie Hospitäler und Waisenhäiuscr, für
deutsche Schulen und L»*hranstalt»'n. war
er jederzeit ein williger Förderer und
hilfsberi'itcr Freund. Auch tlas nationale
dl utsch-amt rikanischt Li hn rsi minar in
Mdu-aukir hatte wiederholt (Jelegeidieit.
der olTcncn Hand Karl G. StifeFs dankbar
zu gedenken.
Seine schönste und für d;us ganxe
Deut.schthum der Stadt und Amerikas
Indt utungsvollste That war jedoch die
Schenkung dt r Statue unseres grossen
Dichters Schiller an die Stadt St. Ltntis.
.Mit dieser GalM» hat sich Karl G. Stifel
sell)st das .schön.ste Denkmal g«'S4'tzt.
Die Enthidlung der Statue am 13. So-
cember 1S9S, an der sich alle deutlichen
\'ereine und Schulen betheiligten, gtsital-
tete sich in ihrer Art zur gros.sjirtigMtcn
Feier, die je in St. Louis stattgefiniden
bat Vor einer nach Tausemlen zählenden
900
IMenseheiimenge, und unter den feierliehen
Klängen eines Massentnännorchors, wurde
das schöne Denkmal enthüllt und mit
Blumen und Kränzen geschmückt. Die
Festredner des Tages waren Dr. Max 11 cm-
pel und IJcrr Ed. C. Kehr. Die Tageszei-
tungen von St. Louis, sowohl deutscher wie
englischer Zunge, widmeten der erfolgrei-
chen Feier ausführliche Berichte mit Ab-
bildungen des Denkmals.
In seinem 70. Lebensjahre (1889) hatte
er sieh von seinem Geschäfte gänzlich zu-
rückgezogen und verlebte die letzten Le-
bensjahre im eng.sten Kreise der Familie.
Am 18. März 1900 ist er sanft eingeschlum-
mert zum ewigen Schlaf.
Oberst Stifel hinterliess eine WHtive und
drei Kinder, einen Sohn und zwei Töchter.
Von den beiden Töchtern i.st die älter.'.
Fräulein Clara, unvcrmählt geblieben, di'
jüngere, Louise Regina, lebt in glücklichf,
Ehe mit Herrn Edwin H. Conrades. I),,
Sohn, Otto F. Stifel, ist Präsident da
Union Brauerei und erfreut sich untt t
seinen Mitbürgern grosser Beliebtheit uinl
wohlverdienter Hochschätzmig. Er ist
einer der thatkräftig.sten Deutsch-Amerika-
ner des Landes, der jedes Unternehmen
seiner Landsleute fördert und nach besten
Kräften unterstützt, und der wegen seiiKr
Hochherzigkeit die allgemeine Hochacli
tung seiner Mitbürger besitzt.
I
901
HIL: SIKüll BRLWEKY CO.
in DETROIT. Mich.
Die Kuii.st ih-s liifrlnaiUMi.s i>i uralt. Di««
alten A»'<rypter verwaiuloltcn (Jci-stc in
Malz, vei-set/.ten es mit Safran und anderen
(jowürzen und er/.eufrtt-ii dun-li (uihrunf;
ein bierälinliehes (ietriink. Aehnliehe Ver-
fahren waren den alten Chine-sen. in Japan
und Ahe.ssinien, aber aueji bei den IMiry-
ffieni und Thrakiern bekaiuit. und alle bar-
bari.sehen Völkei-sehaften, die alten (Jer-
manen an der Spit/e. vei-standen es, aius
(Jetreide jregohrene Getränke herzustell. n.
Bier heis.st im Altdeutsehen liior. angel-
säehsieh ..beor". Hin anderer altjrennani-
seher Ausdruek für dii-ses (ietränk i.st Aln,
welcher sieh im enjrlisehen Ale bi.s auf die
Gegenwart erhalten hat.
Das erste Lagerbier wurde in Detroit von
Bernhard Stroh gebraut, der im Jahre 1H4S
ins seiner Heiniatb. Kirn an di-r Nali.-. ilmt-
lin kam. Bis dahin war in der City of the
Straits nur Ale und Porter gebraut wor-
ien. Die Stroh 'sehe Brauerei, die gegen-
wärtig zu den bedeutendsten Anlagen die.ser
\rt im ganzen Lande gehört, befand sieh
iamals (18ö0) in einem kleinen Sehujjpen
in der llastings Stra.sse und die tägliche
'roduktion stellte sieh anfangs auf wenige
''äs.sehen.
Allein unter d.r kluu'en. umKiehtit^eii
Leitung dl« Besitzers entwickelte sich das
anfant;s so bescheidene rnternehmen von
Jahr /u Jahr trras.sartiger, und iihi der
(iründersein an geschäft liehen Krfolgcn so
reiehes lA'ben aUschlosK, fand er in seinen
S.ihm-n würdig«' Xaehfolger, gcschäft«-
tüehtige, strebsame Männer, die nicht wenig
dazu beigetragen halx-n. den Huhm des De-
tn.iter Biers au<|i au.s.serhalb der Studt zu
mehren.
An der Spitze d«'s L'nternehiueu.s s.ielieu
gi'genwärtig die Herren Jidius Stroh
als l'räsideiit unti (". F. Kaiss als Vize-
l'räsitlent und S«hatzmeister. Die Kupazi-
täl der Brauerei beträgt 5(H),000 Barrels
Fass- und Fla.sehenbier. In ihr sind lüü
Leute bestliäftigt. unil »bis Aktienkapital
der Firma beträgt $l,öü(»,0(»O. Mit Fug
Mild Hecht sind die Leiter des l'nter-
nehmens .stolz auf die errungenen Krfolge,
und wenn die Detroiter Bürgei-schaft mit
N'orliebe einln*imisehe Bierc trinkt, s«» hat
die Stroli'selie Brauerei in eixter Linie dazu
beigetragen, diese sicherli<'h .schmeiehel-
hafte .\nerkemnnig zu erringen.
902
CAPTAIN FRIEDRICH PABST.
Capt. Friedrich I'ahsf wurde zu Xico-
lasrit'd. i'iiuMii klciutn Dorfe iu einer der
fruclitharsten. an^cnchinsteii und reizend-
sten Gegenden des Thürinjjer Waldes (P"'ür-
stentuin Schwarzlmrjr - Kudolstadt). am
28. März ]S3() i^elxtren. Sein Vater war
Freisasse und verwaltete ein ansehnliches
Landjrut. Er war daher einer der Hervor-
ragendsten seines Ortes und erfreute sieh
allgemeiner Achtung. Das einfache deut-
sche Landleben, die frische Luft und die
Freiheit des.selben, die man vergeblich in
Städten sucht, bewirkten, dass der Kleine
gesund und stark emporwuchs und sich
die Kräfte aneignete, deren er in späteren
Jahren bedurfte.
Im Sommer des Jahres 1848 sehnte sich
sein Vater, Gottlieb Pabst, nach Amerika.
wo er Freunde in ]\lilwaukee hatte. Er
verkaufte daher sein Landgut und kam mit
dem nöthigen Ilausgeräth und nicht unbe-
deutenden Mitteln nach der neuen Welt
und brachte den zwölfjährigen Friedrich
mit. Die Reise machte einen tiefen Ein-
druck auf das empfängliche Gemüth des
Knaben. Nach kurzem Aufenthalt in INIil-
waukee entschloss sich sein Vater, mit der
Familie nach Chicago überzusiedeln. Wie-
derum war es die Reise zu Wasser, auf dem
herrlichen Binnensee, deren mannigfalti-
gen Eindrücken sieh Friedrich mit ganzer
Seele hingab, und unauslöschlich prägte
sich seinem Gedächtniss der Name des
SehiflFes: „The Lady of the Lake", in wel-
chem er gefahren, ein.
Im Jahre 1849 hatte die kleine Familie
schwer mit Missgeschick zu kämpfen, und
alle mussten mithelfen, um nur das zum
Leben Noth wendige herbeizuschaffen. Um
den Kelch des Leidens voll zu machen,
stellte sich die Cholera, die eine Zeit lang
in vereinzelten Fällen in Chicago aufgetre-
ten war, epidemisch ein. und Friedrich 's
Mutter, Frau Friederike Pabst, fiel der
Krankheit zum Opfer. L'nverge.sslich bli'^'b
die Theuere ihrem Sohne, welcher, ob-
wohl erst dreizehn Jahre alt. schon den
Ernst des Lebens begreifen lernte und sofort
Sehritte that, um seinen eigenen Lebens-
unterhalt zu verdienen. Als er eine Stelle
im alten Mansion-IIaus in Chicago erhielt,
die ihm Kost und Logis nebst fünf Dollars
pro iMonat einbrachte, fühlte er .sich als eine
höch.st wichtige Persönlichkeit.
Diese Stelle bekleidete er fa.st zwei
Jahre lang und übernaluii dann eine ähn-
liehe im New York-IIaus. Doch es trieh
imd zog ihn mächtig zur See hin, die einen
so tiefen Eindruck auf iliii hinterlas.seii
hatte. Chicago mit seinem ausgedehnten
Seehandel bot ihm die längst ersehnte
Gelegenheit, und er entschloss sieh, sieh
dem Seemannsleben zu widmen. Dem hüb-
schen, kräftigen Jüngling von siebzehn
Jahren bot sich keine Schwierigkeit, auf
einem Dampfer der Goodrich-Linie als Ka-
jütenjunge eine Stelle zu finden. Rasch
arbeitete er sich aus dieser bescheidenen
Stellung empor, und im Alter von einund-
zwanzig Jahren avancirte er zum Kapitän
des Dampfers ..Huron" und glaubte sieh
.somit am Ziele seiner Wün.sche angelangt.
Im Jahre 1860 lernte Kapitän Friedrieh
Pabst Fräulein Marie Best kennen. Zwei
Jahre später vermählte er sich mit ihr,
und dies war der Wendepunkt im Leben
des jungen Kapitäns. So sehr ihn das See-
mannsieben anzog, so siegte die Liebe zur
Gattin endlich über diesen Hang, und dif
langen Fahrten wurden ihm immer lästi-
ger. Er beschlo.ss in Folge des.sen, in da.s
Braugeschäft seines Schwiegervaters Herrn
Philipj) Best einzutreten, welches, vom
Zauberstabe seines Genies berührt, sieh tu
ungeahnter Höhe emporschwang und seire
kühnsten Erwartungen überstieg.
Seine mühsam erworbenen Ersparnisse
legte er alle in diesem Ge.schäfte an, welches
er von Grund auf erlernte, und in wenigen
Jahren war er Mei.ster im Braufache.
I
908
Frühz.'itif; faiul rr i's für nithsiiiii. sich ein Im Alt.p v<»ii 58 .lahrm hatte Friodrich
aus^'iHkOuitcs Ahsatz^'t'l>i«-t für sriiu' Kr- Pahst stahl^raiH's Haar, «liin-hdrinufiule
zcutrnissf zu schaffen, «lic mit aiuh'rcn hiaiic .\uj;rii und ein hlühciulcs Aiisw-hen.
ihrer Art in der jranzcn Welt in Wcttl)c\vcrl> Sein Korpernniss iM'truj; üImt sechs Kiws.
treten konnten, und somit schuf er den Iv\- Kr war ein ^rrosser Mann von in>i)«»snntern
porthandel mit Milwaukecr La<:erl)ier. Acusseren. Kein üherflüssiKes Fleisch he-
KAPITÄN FRIEDRICH PABST
Nachdem sieh im Jahre 1864 Herr I'hi-
ipp Best vom Geschäft zurü«'k^fezoiren
latte, entfaltete sich Herrn Friedrich
Pabst's Schöpfertah'nt mit Macht. Dieses,
m Verein mit stren>;er H«'chtschaffenheit.
iberwand je^jliches Hinderniss, und auf
olcher firundlage wurde das Rieseuffc-
chäft aufgebaut.
einträchtigte das KlMMunass seiner kräfti-
gen (iestalt. Sein Schritt war elastis«'h.
und unermüdlich war .sein Fleiss. in«leni er
mit jeder lOinzelheit seines gigantiH<'hen
rnternchmens vertraut war. In .seinem
I'mgang war er frcun<llich. luid man
k(mnte sieli ihm gctn»st nahen; niemiuid
wurde v(m ihm mit S<'hroffheit fortgewie-
904
sen. Dahei hingen seine Aiiirestellten mit
Achtung und Liehe an ihm. indiMn er deren
Leistungen gehühn-thl wünliglc inul sie
auf diese "Weise mit Lust iiiid IJche zum
Geschäfte erfüllte.
Friedridi Pabst genoss zwar nicht die
Vortheile einer gründlichiii Schuibildung.
doch trotz alledem erwarb er sieh |)rak-
tische Kenntnisse im höchsten Grade. Li-
dern er von Natur aus ein scharfci- Jit^o-
bachter und genauer Analytiker war,
eignete er sieh im Handel und Wandel eine
vorzügliche Bildung an, wälirend sich sein
Charakter zu ausserordentlicher Festigkeit
und Selbstständiirkeit entwickelte. Indem er
Kivise .seiner Familie und seiner Freunde
und ni(> prahlte er mit dem (Jrossartigpn.
das er durch eigene Kraft errungen.
Kapitän Pabst war Inhai)er vieler Ehren-
ämter. Lange Jahre war er Direktor der
.Milwaukee E.\i)osition und ein Kommissär
ih'v städtischen Schuld. l)(.«li luihm er au
der Politik keinen öffentlichen Antheil und
strebte nicht nach politischen Aemtern. Er
war einer der Direktoren der Zweiten
Ward Pank und ebenfalls Präsident der
Wisconsin Nationalbank, die eines der her-
vorragendsten Finanz-Institute der Stadt
:\Llwaukee ist. Als englische Kapitalisten
PABST'S BREWERY IN MILWAUKEE, WIS.
frühzeitig auf sich selbst angewiesen war,
weite Reisen unternahm und auf diese
Weise Land und Leute kennen lernte,
später den verantwortlichen Posten eines
Kapitäns bekleidete, bildete er sieh in Ge-
danken, Worten und AVerken unabhängig
aus. Seine angeborene Freigebigkeit wurde
durch seine Yorurtheilsfreiheit erhöht.
Sein grosser Reichthum. der sich stetig ver-
mehrte imd in späteren Jahren noch
rascher zunahm, verdimkelte keineswegs
seinen Wohlthätigkeitssinn, und ILd)gier
war und blieb ihm fremd. Dabei war er
bescheiden imd fühlte sich am wohlsten im
in Amerika Brauereien aufkauften, schlug
er manche verlockende Offerte aus und be-
schloss, seinem eigenen Unternehmen treu
zu bleiben.
Kapitän Frederick Pabst starb zur Mit-
tagsstunde am Neu.jahrstage 1904 in seinem
Heim. Seine Wittwe und vier Kinder be-
trauern ihn. Sein ältester Sohn, C«>I
Gustav Pabst. ist jetzt Leiter des Geschäf-
tes, das jährlich 2.000.000 Fass Bier zu pro-
duzieren im Stande ist. ]Mit grosser Fähii'-
keit führt Col. Gustav Pabst das von seinem
Vater zu so staunenswerther Entwickelung
gebrachte Geschäft weiter.
IM
•11
»05
ADOLI^ULS BUSCH.
Ilrn- A<hli,h„s Ihisrh wunl.. in .I.m- Im-- liaft.. (JHrtr.Mih.-it Ix.t. riii. so «Ih-s .Iuksi-IIh.
nihiiifii altru Stadt Main/ p-hnn-ii. Kr .jwzt in «Im .Mtn-nitrstni WinMii ,|.t
P'Moss cinr ^M,t,. uimI praklisrlu' Kr/i.-l.uiij; W.-It lu-kaimt iiimI jf.-srliät/t ist.
und iTwarh sich ,li,. (IniiMilajr«' <lcr Kn.iit- In jt-nnu .laliro. ]H1:{, wiinlr dir Firma
nisse. die .T spiit.T mit si.l.ir .^'n.ssrm Ki- K. .\nli.'iis..r Ä: Co. inknriH.rirt. IL-rr An-
folg vcnverthct.'. Schon als. lüntrliii^r „an- hcns.T wurde Präsid.nt. und Herr Hn\ch
derte or nach (Icn Wrcini^rtcn Staaten ans. Sckictär und Leiter der Firma. .Nach de
Nach St. Louis kam er im .Ldire IS.")?. Kr im .lahie ISSO «.rfoljftcn AhlelM-n v.
erhielt zuerst eine Stelle als Clerk auf l|e,,„ .Knlrnnser wurde der Name <ler
einem Mississippi-D.nnpfer. In vei-schiedc- Firma in die ..Anheuser - Hu.si'h Hn-win^'
nen IlandelsHrmen funfrirto er als Hu<hhal- As.sociation " nm>,M'ändert. und Herr Ku.sch
ter bis zum Jahre IS")!», da er sich im Knm- wurde Präsident «les rnternchmens. und
niissi(ins«r«'schätte und als Mälzer etalilirte. diese Stelle hat er seit der Zeit his auf d«'n
Zwei Jahre später. ]S(il. trat er in den heutip'n Taj; inne.
Ehestand und vermählte sich mit der l'nter llerin Busch 's Leitunt: hat das
Tochter von Herrn Kherliard Anheuser, Ceschäft einen phänomenalen Aufschwung
welcher ihinuils an der liavarian Hi«'r- ^'«'nommen. .lährliih .stieg «lie (^tiiantität
brauerei iuterressirt war. \'icr Jahre spä der Produktion um vierzig- bis fünfzigtau-
ter. also in iHHö. erwarb sich Herr Musch ^''"d Fass. mnl später sogar nahm die Pro-
dureh Kauf die Kontrolle (!»••; Ktabli.sse- duktion um einhunderttausend Fass pro
ments. Zu .i<'ner Zeit war die liavarian Jahr zu. So sehen wir im Jahre liKM.
Brauerei n<»ch eine ganz primitive Anlage dass die Anheuser - liusch Hrewing As.s4>-
und produzirte jährlich nur etwa cSOOd Fass ciation über eine .Million Fass Hier ver-
Hier. Als Herr Husch die ge.s«'häftlich«' kaufte. i:nd im Jahre 1!M)7 wunlen L.V.M».-
Leitung der Firma übernahm, war die Ha- •>H> Fass Hier prnduziit. und somit über-
varian Hrauerei eine der kleinsten in St. steigt das (Quantum des Produktes der
Louis, doch durch seinen l'nternehmungs- Anheiiser-Husch Hrewing AssiM-iation das-
geist und durch seine Knergie brachte er j'nige irgen<l einer anden n Hrauerei in «Icr
das Geschäft derart in die Höhe, dass es ganzen Welt.
im Jahre 187(1 a<htzehn- mal drei Jahre Herr Husch ist nicht nur im Hesitze d«*s
später. 187:}, sogar siebeinnulzwanzigtau- gnisseicn Theiles der Aktien der .\nheuser-
send Fass Hier produzirte. Husch Hrewing As.sociation, sond«'in er ist
In demselben Jahre 187:} fühlte Herr auch an fünf Hrauereieii im Staate Te.vas
Husch als erster in Ann'rika ein nciics Ver- Aktieninhaber. .\us.s»'r«lem ist er Präsiilent
fahren ein. um Hier auf eine solche Ait einer Hank. Direktor in mehreren Hanken
und Weise in Flaschen abzufüllen, das das- und Trust-Kompagnien und in <ler Ann'ri-
selbe den Kintlüsscn Jeglicher Wittcrinig «•an Car c^i: Foundry Co. Ferner ist er
und jeglichen Klimas erfolgreich Trotz gros.sartig an Dampfbahn- und StraKseii-
bieten kann. Dies war eine entschiedene bahn-rnternehmungen betheiligt, desjrlei-
Neuerung in der Hran-Industiie. .Mit dem <ben an vielen Kisfabriken in allen Theilen
ihm eigenen Scharfsinn erkannte Herr der \'enMnigt«n Staaten. Kr ist ferner
Husch sofort den Vortheil. den er sich Kigenthümer der Adolphus Husch (»hws
über seine Konkurrenten errungen hatte. .Manufacturing ('«». und ist somit einer der
und daher führte er sein berühmtes Hud- grössten Hersteller von Fla.si-h.'U in »le:*
weiser Hier aller(»rten. wo sich eine vortheil- ganzen Welt.
906
Herr Busch ist zweifelsohne einer der dem im ganzen Gebiete der Vereinigten
populärsten Männer in den Vereinigten Staaten ist Herr Busch seiner Wohlthätig-
Staaten. Die allgemeine Beliebtheit und keit wegen bekannt und gesehätzt, ja bis
Achtung, deren er sich erfreut, ist seiner über ferne Weltmeere hinaus hat seine
Menschenfreundlichkeit und Freigebigkeit IMildthätigkeit vieler Leidenden Loos ge
mehr, als seinem Keichthuin und ungehcu- lindei-t. Ausser zahlreichen kleineren
i
ADOLPHUS BUSCH.
ren Geschäftsinteressen zuzuschreiben.
Seine mildthätige Hand ist nicht nur für
die Bedürftigen, die Wohlthätigkeits-An-
stalten, die Schulen und Lehranstalten
und Kirchen jeglichen Bekenntnisses in
seiner Stadt und im Staate geöffnet, son-
Schenkungen hat Herr Busch auch grössere
im Betrage von vielen Tausenden von Dol-
lars gemacht. So hat er z. B. binnen der
letzten paar Jahre für die Nothleidcnden
in San Francisco $100,000 hergegeben, als
im Jahre 1906 jene herrliche Stadt durch
«07
•ein sfhri'cklirlu's KnllM'lM-ii lM'iiii>;t'su<'ht
wurde. Für tlit* Wüshin^rtdii rnivt'rsität
in St. Louis hat rr $1(H».(MK> jr.-stiftrt und
■d«Mu Dcutsclu-n Musrum «irr Harvard l'ni-
versität. ('aiiil)rid>r«\ .Mass.. hat Herr Husrh
oinhuiKh'rtuudfüiifzitrtaustiid I)i>llai-s j:i'-
scht'ukt.
Aus dt'iii liier kurz, Aii^'i'^clM-iifu i.st fr-
sichtlich, da.ss Herr Busch au«*h für Kunst
und Wissenschaft Nanduiftcs >;ch'istct hat
and noch thut. Durch .sein«' Wolilthätijr-
dcr chrwünii^rcn Mo^mitiH. <l«'n«n etleUter
Sühne «'iner er ist. »«inen neuen (ilanz
v«'rliehen, iruleni er nicht nur ein jfewalti-
jji's (iesehäft durch Fh'iss. Ausdauer unu
Rcharrli<'hkeit aufhaute, Mindern auch
alh's (Jute und Schöne auf's Freiifehi>;Htft
hcnünstiirt. — Hie Anhip* «It-r Anliäuser-
Husch Mrauen-i Innh-ckt einen FMiichenin-
halt von einhundertunilsechsiu)ddn*if<Ki(;
Aen-s; es siml in «Icrw'lhen sin-hstaiwentl
Arheiter hcschäftitrt.
ANHEUSER-BUSCH BRAUEREI IN ST. LOUIS. MO.
keit und Freiffehifjkcit für edle luid fr<*-
meinnützitje Zwecke hat er sich in AlUr
irbrzen ein Andenken Resichert, das dau-
ernder ist als ein Moniniient aus Krz. Der
irrossherzog von Hes.sen verlieh Herrn
Husch im Somnicr 1 !><)!» den Titd Cehciiiicr
Konuiiercienrath.
Auf einen solchen Sohn kaum das alt«-,
•sagen uiiiwol)«*nc Mainz stolz sein un«l so
wie Karl der Grosse jene Stadt in hingst
vergangenen Zeiten vergrös.serte und ver-
«chönerte innl (h'rsi'lhcn viele Freiheiten
Ix'willigte. also hat Herr Husch (h-m Huhnie
Mit Staunen und Hewunderunj; hlicken
wir auf diesen erfolgreichen LclM-nslauf.
Im Jünglingsalter nach »h'U Ven-inigten
Staaten ausgcwan«lert. hierwilist als ein-
facher Clerk s«'ine glänzentle Laufhahn l)e-
ginnend. arU-itet er aieh nuwh »«mpor und
iiujcrhalh fünfz4'hn Jahren lunjt er ein
lilühendes iJeschäft auf. Z>i AuM-hen \uu\
Kei.htinnn gelangt, ist er U'stn'ht. d«H
geistige inid körperliche \V«»hl winer Mit-
inetis4'hen zu fördern, und viele pnMHcn
seinen Nnmen.
908
CONRAD PFEIFFER.
Herr Conrad I'fcifVcr. (W Dotroiter
Hraucrei-Hesitzer, der liici- in ^V()^1 und
Bild den Losern vor»refüliit wird, ist einer
jener Männer, die aus eifrcner Kraft sieh
eniporjrearlK'itet haben, die aus dem Kampf
um 's Dasein als Sieger hervorgegangen
sind und bewiesen halxMi. dass Amerika
niclit aUein das Land der unbegrenzten
.Möglichkeiten ist, soweit seine Hilfsquellen
in Hcl rächt koinmcn. sondern auch das
leinte zuerst die Schlosserei und Masehi-
n('id)auerei, sattelte aber im Jahre 1889 um
und widmete sich do]n Hraugeschäft.
Durcli unci-müdlichcn Flciss durcli weise
Sparsamkeit und geschäftliche Umsicht
gelang es Hrn. Pfeiffer, sein Unternehmen
auf eine solide Basis zu bringen. Der ge-
.schäftliehe Erfolg blieb auch nicht aus,
denn heute ist Conrad Pfeiffer der Besitzer
einer prächtigen Brauerei mit den mo-
4
CONRAD PFEIFFER,
der bekannte Brauerei-Beöitzer in Detroit, Mich.
Land des unbegi-enzten Erfolges des Ein-
zelnen, wenn er die Kraft und den .Muth
in sieh fühlt, die sich ihm entgegenstellen-
den Schwierigkeiten zu überwinden und
der Sehmied seines Glückes zu sein aus
eigener Kraft.
Am 7. ]März 1854 in Caldern. Kreis ^NLar-
burg, IIes.sen-Xassau. geboren, kam Conrad
Pfeiffer schon als blutjunger ^lensch mit
17 Jahren 1871 nach Amerika. Er er-
dernsten Einrichtungen luid einer Kapa-
zität von 36.000 Barrels. Dreissig Leute
sind in der Brauerei beschäftigt, und das
Kapital, welches ITr. Pfeiffer darin ange-
legt hat, betrcägt $150.000. Die Pfeiffer 'sehe
Brauerei i.st eines der jüng.sten, aber be-
kanntesten Etablissements dieser Art und
erfreut sich einer ganz bedeutenden Stadt-
kundschaft, denn ihr Produkt zeichnet sich
neben dem feinen Geschmack durch .seine
90»
absolut«' H«'iiilit'it aus. Vtiii .lahr /.u .Jahr mmui' .Mutti'rH|iraflif und i^i >>ti-ts li.i* - -
vrniiclirt sirh der Inisatz. in dvu Ict/tt-n \vi«iin «•« jfilt. für «»in il«Mits«'lu'H rntrr!.. :.
.lalii'fti hat dw Hrnxwro'x (Mticii lK>\vuiititMnH- nioii «Miir.UKtfhrii. AIk Mitt^lird Häiniiitliciur
wortiirii Aufsfhwunt; (;riit>iiiiii(*n. so ilass iriiuiscn diMitHchcn VrnMiio DflruitM nimmt
sie heuto. dank dt-r Mmsirhtitrcn Gt*s«'hiift.s- Herr PfrifTrr dm n'trsti'n Antheil am dcut-
h'itunp. zu d*-u htHK'tjtrndUon \uu\ ji'drn- whrn Ij-Immi ih-r Stadt Ihm ist auch die
n
' -Tnr?»-.-'- -f-
Ä f-^ äT r 4f i tl >r T s-g:;:*' -. ... '■■" ^iy . . A
r.1
^lül'-i^ —
JiLL.
DIE BRAUEREI DER C. PFEIFFER BREWING CO. IN DETROTT. MICH.
falls iVfUstfii lndustrie-Aiila«;<-n dieser Alt (!i ünclndi: di^ Stadtvcrlciiid«^ D.it.-ii .i.-s
in Detntit frrhüit. Dcutsch-Aim'rikanisrlifn Nati«»nal • hundes
Herr Conrad IMVilTcr ist seit 1879 f,dürk- mit zu verdanken. Seit .Jahren tjehört er
lieh verheiratliet. P> hat sieh, trotzdem er der Ilandelskaiiimer von Detroit als Mit-
ein guter Hür«rer seines Adoptiv-Vaterlan- j;lied an. ein lieweiss dafür, dass tue Ge-
des geworden ist. doeh eine gute deutsehe sehiiftswelt der "City of the Straits" tien
Gesinnung bewahrt; er sehätzt und eint deulsehm Mann zu sehätzen weiss.
f^'i^jm: i
^
910
DR. CARL BARCK.
Dr. Carl Barck. einer der hervorragend-
sten Doutseh-Anierikaner in St. Louis,
wurde im Jahre 1857 in Karlsruhe in
Deutsehland geboren. Er besuchte das
Gymnasium seiner Vaterstadt, nuiehte
später in Freiburg sein Abiturientenexa-
men und studierte auf den Universitäten
Freiburg und Berlin Medizin. Im Jahre
188U machte Herr Di-. Harck in Freiburg
und seit IKOl Professor desselben Faches
an der St. Ijouiser Fniversität.
Ilen- Dr. Harek hat stets regen Anthcil
genonniien an allen deutsch-amerikanischen
Bewegungen. In allen Kreisen beliebt und
gern gesehen, war und ist er noch heute
ein eifriges I^Iitglied des St. Louis Turn-
vereins und des Liederkranz-Clubs, welch'
DR. CARL BARCK.
Prof. der Augenheilkunde an der St. Louiser Universitaet und eine
der Stuetzen des Sl. Louiser Zweig-Verbandes des Deutsch-Ameri-
kanischen National- Bundes.
das Staatsexamen, erweiterte darauf seine
Kenntnisse als Assistenz- Arzt in Ba.sel und
kam im Jahre 1883 nach Amerika, um sich
als Spezialist für Augen- und Ohren-
Krankheiten in St. Louis niederzulassen.
Herr Dr. Barck genies.st den Ruf eines
der tüchtigsten Gelehrten seines Faches.
Seit dem Jahre 1891 ist er Professor der
Augenheilkunde am Marion Sims College
letzterem er drei Jahre als Präsident vor-
stand.
Als vor fünf Jahren der Zweigverband
des Deut.sch-Amerikanischen National-Bun-
des in St. Louis gegründet wurde, war e»
Herr Dr. Barck. der demselben als erster
Präsident zwei Jahre lang über alle Klip-
pen hinweghalf und dem heute mächtigen
Verband einen soliden Grundstein legte.
WM
JOHN DIMLING IN PITTSBLRG. PA.
Einer der am licstcii lii'kaimtcn l)fnt.s<'li- dt-s Worti-s als .s.Ifih.idi- niMii ••••Irachtct
Aiiu'rikaiit'r Pittshur^'s ist Herr .lulm urnlm.
Diniliiiß. Dt'rst'llu' wunlc am 11. Sr|>. Dimliii^'s m's«liiiftli<-lit' Thiiti(;kcit vt-r-
tc'inbor \Si\'2 in Wüstfusflbit/. Köiiiprt'iclj liiii<ltrt ihn iiidit. muh andrrMMtM mit
Bayern, ^ehon-n und kam als IT.jähripr Kath und That helfend fin/utreten. Abi
Jünf.'linfi naeh Amerika, inid zwar nach Beweis niö^re fol^rendes dienen. Er war
Baltimore, woselbst er sieb mehrere .lahre lanj:.jähri>;er Präsident der deutseh-pro-
aufliielt und die Konditorei erlernte. Im testantisehen Kirebe. Keke (J. Avenue unti
Jahr 1S72 siedelte er naeh Pitt.sbur^ über. Smitbfield Stra.s.se. welebe« »lie ält<'ste
wo es ihm in kurzer Z«'it in diesem Bienen- Kirebe dieser Stadt i.st : PriLsitb'nt der Wes-
korb der Arbeit gelan«r, eine bervorra^'ende tem Savinj^s anil l)e|><»sit Co.. eint's jfanz
Stellun«; unter dem dortigen l)euts«'htlunn deutseln'U Bank-Instituts; Prilsident <ler
zu errin^ren. Oakland Ilandelskanuner : Direktor der
. ,. Oakland Savinp< & Tru.st Co.; i.st Mitglied
Im Jahre IST.) jrründete Duiihnjr enie . , , ,
euier h reunaurer-Lo^re uiul ( oinnuindani
Konditorei an .">. Avenue; seniem .streb- ,^ . .
des Post der .Mmiiiti-d Division Kni^bt-s
.sanien Geist «renüffte die.ses Klein^resebäft
Pemplar.
jedoch nicht, er .siedelte de.sbalb im Jalire . . • ,, , >. •, i r.
Als ein LieltbalK'r vnn .Musik und (»e-
1882 naeh einem geschäftlich mehr pulsi- .. ,, ,v-
sang finden wir naturgema.ss Herrn Dnn-
renden Stadttbeile in der Market Stra>.se . .. .
ling als Mitglied und trulieren mehrjaliri-
über. ,.■■,. 1 . .
gen Präsidenten »mih*s «ler prominentesten
Hier fand er Gelegenheit für seine Ge.sang\ereine der Sta«lt llierl)ei ver-
Kräfte, sich zu entwickeln, denn er vei-stand ,|i,.„| i„.„„.,.kt /n werd.'ii. da.ss bei dem
es in verhältmä.ssig sehr kurzer Zeit, sein ^rn)s.sen. finanziell s<t erfolgreieheii Sänger-
Gesehäft .sehr bald zu einem der grös.steii. |-,.^| welches in der AiLs.stellungs-IIaIle
angesehensten und am besten frequentirten pittsburg's im Somuier ISDH abgebalten
zu erheben, indem er, verbunden mit seiner ^vunle. Herrn Dimlinp die Khre zu Theil
Konditorei, einen prachtvollen Speisesaal ^vurde. Fest-Priisitleiit und Bundes- 1'rä.si-
eröffnete und .so ein wirkliches Cafe nach ^^^,^^^ y„ ,.,.,„
deutschem Muster .schuf. Auch war John Dimling einer der Grün-
Herr Dimling ist ein Mann aus dem <l<i «les deut.sehen protestantischen Alten-
\'<.lke. .in Freund und Wohlthäter der beims in Fair Oaks. einer Station an der
Armen, ein treuer Beschützer alb-s Wahren Pittsburg un.l Fort Wayne EiM.nbabn,
und Guten. Durch seine rastlo.se Thätig- welchem Institut er als Pri.si.ient vorsteht,
keit und Willenskraft hat er sich g.^.-bäft- uml des mit so gro.s.sem Erfolg geleiteten
lieh wie auch gesellschaftlich emp..rgear. <leutschen protestantischen Wai.s,-nh«UM^
beitet und kann somit im wabi-sten Sinne m West-Kiberty. einer V..,M;.dt I-ittsburu-s
f^tm^
912
EDWARD F. ABNER, Washington, D. C
p]in „self-inii(l(> iii;m " in des '\Vortes
vollster Hodoutuiit; ist llnr Kdwnnl F.
AlmiT. der l'i-iisidciit iiiid Sekretär dei-
AbniT-Drury lin-wiii'; Coinpany in Wash-
injrton, D. C. Am 26. Juni lS(i4 in der
scliönen. (>hr\vürdi»rt'n Stadt Köln aiu Kiiein
geboren, kam Edward F. Abner am 2.
Januar 1884 — also im Alter von noch
nicht ganz 20 Jahren — aiis seiner Heimath
liierher nach Amerika.
Herr Abner ist einer der hervorragend-
sten und fortschrittlichsten Deutsch-Ameri-
kaner "Washinfrtons. Im Jahre 1896 kaufte
er die Albert Brewincf Co. aus und grün-
dete 1897 die Abner-Druiy Hrewing Co.,
deren Gerstensaft einen sehr guten Namen,
nicht nur in der verwöhnten Bundeshaupt-
stadt, sondern weit über die Grenzen des
Distrikts Columbia liinaus, hat. Die aiLs-
jicbieilele Kuiidscliaft. welche die Brauerei
der ^■enannleii Company sich erworben
bat, und der rmranj; ihres jährliehcn
Absatzes sinil dafür der beste Ueweis.
Aber trotz seines geseliäftlichen Erfolges
bleibt ITci-r Abnei- die Bescheidenheit
.selbst. Er i.st ein eifriges ^Mitglied des
Columbia Tur-nvei-eins in AVashington und
erfreut sich der Achtung seiner Mitbürger.
Herr Abner liess es sieh zur Ehre ge-
reichen, die Delegaten zum Internationalen
Tuberkulose-Kongress bei ihrer Zusanunen-
kunft in Washington festlich zu bewirthen.
und dafür ist ihm der Dank des deutschen
Kaisers wie des Präsidenten Roosevelt in
entsprechender Weise, die für ihi- überaus
schmeichelhaft war. zu Theil geworden.
ALBERT CARRY, Washington, D. C.
l'ntcr den Brauereien der Bundeshaupt-
stadt nimmt die „National Capital Brewing
Co." einen hervorragenden Platz ein, nicht
sowohl wegen der Vorzüglichkcit ihres Ge-
bräus allein, al.s auch we<ien der hervorra-
genden Eigenschaften des ]\Iannes, der seit
ihrer Gründung ihre Geschicke in selten
umsichtiger W^ei.se gelenkt hat.
Es ist dies Albert Carry, welcher dem l'n-
ternehmen seit .seiner Gründung als Präsi-
dent vorsteht, die Geschicke der Brauerei
von Anl)eginn ihrer erfolgreichen Entwick-
lung geleitet hat und sie noch jetzt mit
treuer Hingabe an seinen Tk^ruf überwacht.
Herr Carry kam im Jahre 1S72 nach
Amerika und bethätigte sich sofort in
seinem Berufe, den er im alten Vaterlande,
Ilohenzollern-IIechingen. sorgfältig erlernt
und studirt hatte. Im Jahre 1886 machte
er sich selbständig, indem er die oben ge-
nannte Brauerei gi-ündetc und in verhält-
nissmässig kurzer Zeit ihr zu einem solchen
Erfolge verhalf, dass sie sich heute den
besten des Landes getrost und stolz zur Seite
stellen kann.
Die National Capital Brauerei machte
eine Spezialität aus der Herstellung eines
Spezialbräus. welches unter dem Xanieii
,. Diamond- und Munich-Beer" bekannt ist.
Auch im gesellschaftlichen Leben der
Bundeshaui)tstadt mit ihrem numerisch be-
kanntlich sehr schwachen Deutschthuni
nimmt der geachtete Brauherr eine beliebte
Stellung als aufrichtiger Förderer aller Be-
strebungen zum Wohle seiner engeren
Landsleute ein, und sein Wort gilt viel im
Rathe des Deutsch-Amerikanischen Zentral-
Verbandcs. dessen treues Mitglied er seit
seiner Gründung ist.
»13
CHR. HEURICH BREWING COMPANY
WASHINGTON. D C.
W'jishiiii.'toii ist eine Staill der Sehens- lifi^imit mit wisseiwelinftlichen MethcMleii
würdigki'iten. Der Hesueher erwartet dort und bleibt ihnen treu, bi« dius ferti|{e Pro-
nur Neues, Modernes zu sehen, »ind er wird dukt deji Konsuin«>nten erreieht. Daher
nieht enttäuscht. Dies ist auch nicht der knnuiit es auch, «hiss dits Bier dieser Firniii
Fall, wenn er der prassen Anla'^'c der Chr. den Kuf ^'cnicsst. in <|ualitativcr iJc/iehunK
Ilcurieh Hrewin^ Co. einen Bcsueii abstat- sich stets ^jh-ich /u bleiben,
tet, denn in diesem Kiesen-Etablissement Der Erfolj» koiuito unter solclicn Cm-
haben, wie vielleielit in keinem zweiten die- ständen nicht ausbleibcti. Dieser Krfolj;
DIE BRAUEREI DER CHRISTIAN HEURICH BREWING CO. IN WASHINGTON. D. C.
ser Art, die modernen, wis.sen.sehaftlicheii bat .Icnn auch iiusserlich sichtbare Gestalt
Methoden der Braukunst eine überaiLs wirk-
same und zielbewusste Anwendung er-
fahren. Jedermann weiss heute, da.ss das
Bierbrauen eine exakte Wis.senseliaft ist.
Bei der Herstellunfr des Bieres in der
Chr. Henrich Brauerei wird auch nieht das
kleinste Detail dem Zufall überlassen. Sie kannt.
«rcwoiuieii. imlem das Bräu der de»
Schaft auf d«'r .Iame.stown-Au.sstcllunp wc-
u'cn .seiner zweifellosen reberlej;enheit die
^roldcne Medaille erhielt. Auf der Pariser
Wcltausstcllunu im Jahre VM) wurde der
Finiia die silberne, auf der -\u.sstellunff it>
Lülticb pH».') die jfoldcnc Medaille zuer-
914
Chnstian Henrich wurde geboren am 12.
September 1842 in Haina bei Röiii])ild,
Sachsen -]\Teiningen. Seit 1866 befindet er
sich in den Vereinigen Staaten. Er über-
nahm im Jahre 1872 eine kleine Brauerei,
No. 1229 20ste Strasse, N. W., Washington,
D. C. Die Verkäufe von Bier im ersten
Gesehäftsjalir waren unter 500 Barrels;
die Verkäufe von Bier im Jahre 1908 be-
trugen über 130,000 Barrels. Im Jahre
1894 wurde die Mu.sterbrauerei in Angriff
genonunen, dieselbe ist mit einem modernen
Flasehenfüllwerk ausgestattet und eine
Sehenswürdigkeit in mancher Beziehung.
Auch ist eine Eisfabrik mit einer täglichen
Kapacität von 200 Tonnen Eis mit der
Brauerei verbunden. Im Jahre 1900 wur-
den die Biere "Märzen und Senate" auf
der Pariser Weltaus.stellmig mit der silber-
nen ^Medaille prämiirt ; im Jahre 1905 wur-
den benannte Biere in Liege, Belgien, mit
der goldenen und im Jahre 1907, ..Märzen.
Senate, Lager" abermals mit der goldenen
^Medaille ausgezeichnet. Herr Ileurieh hei-
rathete im Jahre 1899 die Nichte seiner
vei'stor])enen ersten Frau; diese glückliche
Ehe ist mit drei gedeihenden Kindern ge-
segnet. In der Familie Henrich wird nur
Deutsch gesprochen; deutsche Bestre-
bungen werden von ihm stets unterstützt.
Das ^lotto der Brauerei ist: Reinheit und
l'nübertreftlichkeit; Henrichs Geschäfts-
princip : Leben und leben lassen ; aber
Feind.sehaft aller Unehrlichkeit. Christian
Henrich i.st Mitglied des Central- Vereins
und des Sängerbundes.
I
i
I
915
WM. MUEHLEISEN. Washington. D. C.
Unter den grossen industriellen Ktahlis-
t?emcnts der Hundeslinuptstadt Waslnnji:-
ton nimmt das Kufjros-Wein- & Spirituo-
sen-Geschäft der Williaiii Miihleisi-n Co,
Incorporated. einen Platz erster OrtlnunfJ:
ein, denn es ist tiiatsäehlieh das iUteste und
grüssto exklusive Gesehäft di«'ser Branelie.
Dasselbe wurde vor 42 Jahren von dem in-
zwisehcn vei*storbenen Herrn ^VilliaIn
]\Iühleisen. dem Vater des jetzi«;en Präsi-
denten der AVm. Miihleisen Co., Ine., ge-
gründet. Die Wiege des alten Hrn.
Älühleisen stand im Sehwabenlande. Am
L Dezember 1841 gei)or('n. kam er als l;i
Jähriger nach Amerika und landete iim
10. September isr)4 in IMiiladelpliia. Dort
blieb er bis zum Jahre 18(i2. worauf er
als 21jähriger junger Mann naih Wash-
ington übersiedelte und sich dort dem Ho-
telgesc'häft widmete. Fünf Jahre später
gab Herr Mühleisen sein Hotel auf und
kaufte, zusammen mit Hrn. Chr. Xander,
im März 1867 das Engro.s-Wein- und Spi-
rituosen-Geschäft von John Eichler. Die
Theilhabersehaft dauerte genau vier Jahre,
da trat Heir Xander seinen Autheil am
Geschäft an seinen bisherigen Partner Wm.
Mühleisen ab. und dieser wiirde alleiniger
Inhaber. Im Jahre 1874 kaufte Herr
Miilileisen ein Grundstüek an der 1' unlten
Stra.s.se luid erriehtcto darauf ein «Irei-
stöekiges Gel)äude, in welche« er Kein Ge-
schäft verlegte. Dils-scUm' nninn in» Laufö
der Jahre einen .solchen Auf.s«"hwjing. das»
Hi-rr .Miihh'isen sich 1HH2 zum Ankaufe
von zwei weiteren Grundstücken genöthigt
sah, auf (jenen er dann das jetzige in(Hl«>me
Htal)liss«'nn*nt errichten lies«.
Herr .Mühlei.st'u war einer der (J runder
des „(ierman Orphan Asylum" in Waush-
ington und einer der er*sten Direktoren dt-s-
selben, auch war er viele Jahre hindurch
Schatzmeister des Washington Schützenver-
eins, Mitglied iles WjLshington Sängerbun-
des, Freimaurer mid Odd Fellow. Als er
daiui am 1. l)ezend)er 1889 <1jls Zeitliche
.segnete, wurde sein Sohn, William Mühl-
eisen, jr., Leiter des gros.scn (Jeschäfts.
Am 1. Januar l!Mir) wurde die ,,W^illiam
Mühleisen Company" inkorporirt, mit
Hrn. Wm. .Mühleiscn als Präsident.
AVie sein vei-storbencr Vater, nimmt au( h
der Sohn Wm. Mühleisen regen Antheil an
deutschen Bestrebungen und am gesell-
schaftlichen Leben. Er ist Mitglied des
Sängerbundes, des Germania Männerchors
und des Waisenhaus- Vereins.
916
(
WILUAM KLANN. Pr.akknt.
ADOLF H. MEYER. I. Vlze-Pr.oident.
MARTIN J. FISCHBACH. 2. Vize-Pr.aida>t.
R. WITTMANN. SekreUer und Schatunek«.
CREAM CITY BREWING CO.
Als im Jahre 1853 die Gebrüder Georg
und Conrad Weber an der 13. Strasse, zwi-
schen Cherry und Galena Str., in ihrem
zweistöckigen Wohnhause zum ersten 'Male
Bier gebraut, hatten sie wahrscheinlich
wohl gewusst, dass „aller Anfang schwer
ist". — Sie ahnten aber gewiss nicht, dass
sie die Gründer der an demselben Orte
weitergeführten, heute zu einer der bedeu-
tenderen Brauereien iMilwaukee's zählen-
den Cream City Brewing Co. geworden,
denn schon 1860 verkauften sie das Brau-
ereichen an die Herren Johann Beck und
Stephan Weber, welch' letzterer dasselbe
1862 Herrn Beck abtrat. In 1877 von
Herrn Wm. Gerlach übernommen, wurde
das Geschäft im Jahre 1879 unter dem
Namen Cream City Brewing Co inkorpo-
rirt. Die Beamten der sich langsam, aber
sicher entwickelnden Brauerei waren zu-
erst die Herren Wm. Gerlach, Chas. Worst
und Jacob Veidt; alsdann Gerlach, Veidt
imd Louis P. Best. Nach dem Tode des
Herrn Wm. Gerlach und Jacob Veidt tra-
ten im Jahre 1884 John Meiners, Adolf H.
Meyer und nach dem Ausscheiden di'S
Herrn Louis P. Best in 1877 Herr Wm.
Klann sowie die Herren Martin H. Fiscli-
bach und Geo. F. Gerlach in die Direktion
der Gesellschaft. Im Jahr 1899 starb
Herr John Meiners. Bis auf Herrn Ru-
dolph Wittmann, der seit 1907 Sekeretär
und Schatzmeister der Gesellschaft ist, und
nach Ausscheiden des Herrn Geo. F. ßer-
laeh wird das Geshäft durch die alten Be-
amten weitergeführt.
917
FRED. MILLER BREWING COMPANY
MILWAUKF.E. WISC.
Der verstorbene Herr Frcderiek Miller,
der Begründer der nach ihm i;reTiannten
Braufirnia, wurde am 24. November 1S24
in Riedlingen, "Württemberg, geboren und
kam im Jahre 1854 nach Amerika, ein Jahr
später nach ^lihvaukee, wo er die Brauerei
gründete, nachdem er eine Anlage gekauft
hatte, die zehn Jahre lang in .srlir bcschei-
wird. hat eine Kapazität von 1000 Fass pro
Tag luid soll die modernste und gesündeste
Flaschenbier-Anlage des Landes sein. Die
Anlage wird durchweg durch Elektrizität
betrieben. Dos Areal der Brauerei ura-
fasst 44 Acker Land, von denen 25 mit Oe-
bäiidcii bedeckt sind, in welchen über 1000
ireseliiclvte Arbeiter beschäftigt sind. Das
FREDERICK MILLER.
der Cnietider der Fred. Miller Brewinf Co. in
Milwaukee. Wiic.
denem Älaa.si5tabe betrieben worden war.
Diese Anlage ist heute eine der modernsten
sanitären Brauereien der Welt.
Die neuesten Erfindungen und die besten
Maschinen sind in dem Riesen-Etablisse-
ment in Gebrauch. Die neue Flaschenbier-
Anlage, in welcher Miller's Uujh Life
Bier au.s.schliesslieh auf Fla.selien gefüllt
Maizhau.s iiiul die Speicher der Brauen'i
haben eine Kapazität von ungefähr einer
Million Busheis.
Das Produkt der Fred. Miller Hrcwing
Co., speciell Milhr's Ilif/h Life Heer, ist
eines der am meisten begehrten \un\ popu-
lärsten liochgradigen Biere des LaruU» ge-
worden und wird als eins der besten Pro-
918
dukte der Branerkunst betrachtet. Unge- N. Y. ; Boston, ]\rass. ; Montreal, Canada;
fälu- 50 Zwoigr-Etablissements werdtii in Snn Francisco. (';il. : ^Minneapolis und Du-
allen Theilen der Vereinigten Staaten nn- lutli. Mitiii.
terlialten. Die hauptsächlichsten betinden AVenige Brauereien in den Vereinigten
sich in Chicago. 111.; Cleveland, Ohio; Staaten machen grössere Fortschritte im
I
^
Pittsburg, Fa.; St. Louis, Mo.; Memphis, Verkauf ihrer Biere, als die Fred. Miller-
Tenn. ; Jacksonville, Fla. ; New Orleans, 'sehe Brauerei von Milwaukee mit ihrer
Lb.; San Antonio, Texas; New York City, Kapazität von 1,000,000 FaSS.
»19
VALENTIN BLA'l Z. Sr.
IlfiT Valt'iitin lil.itz, simi., wunlf am
1. OktolxT IS'J") in .Milti'uhtTj^ a. M. in
Bayern als Solm von Ca-spar uii«l Marl>ara
Blatz geboron. Sein Vater, Hrauer von Be-
rnt", besass eino Brauerei und war ein Mann
von «grossem Einfluss in Miltenberir. Valen-
tin besuchte die (ieineindeseliule seines (ie-
biirt.sortes bis 7.uni viei/fluiten .Jahre luid
trat dann in das (Jesehäft seines Vaters
dort j;in}^ er naeh BulTalo, wo er ein Jahr
lan^; der Aasübun^;: koIuch Ik-ruftv oblng.
Als er von dem WaeLstluim der jun^n
Stadt Mihvauke«' und den Mö(;liehkeiten
hört«', die sie junjjen initernehmenden Leu-
ten bot. reiste er dorthin im Jahre 1849
und fand bald in seinem Benife Bewehäf-
tiirunir. Dnii arlx-itete er während der
niiehsfrii .lahre ab» Vormann für vorsehie-
VALENTIN BLATZ. S».
ein. Nach drei.jähri^rer Thätifjkeit besuchte
er zur Vervüllständi^'unjj; seiner Gesehäfts-
kenntnisse die grossen Brauereien in Würz-
burg und Augsburg und verbrachte dort
vier Jahre. Einige Monate nach Erlan-
gung der Grassjährifrkeit sagte er seinem
Geburtslande Lebewohl und landete in der
Stadt New York im August 1848. Von
<lene Brauer, doch sagte ihm di^^e Art Thä-
ligkeit nicht zu. weswegen er. nach
Ansannnlung genügenden Kapitals, sieh
selbständig machte. l'nd demgomilss he-
gaiui er mit seinen Ersparnissi-n von $r>(K>.
Si'ine Brauerei war zu jener Zeit nur
klein und produzirte mit vier ArlM-itern
während «les ersten Jahres 5CK» Fässer Bier.
920
Von Anbeginn blühte sein Geschäft ; tlureh
seine unennüdliche Energie und seinen ge-
schäftliehen Takt wuchs es beständig, bis
es zur Zeit seines Todes (26. Mai 189-4)
enormen Umfang gewonnen hatte. Die
Gesehäftsleitung liegt seit dem Tode von
Valentin Blatz, sr., in den Händen seiner
Söhne Albert C. Blatz und Valentin Blatz.
jr., sowie seines Schwiegersohnes John
Kremer.
Als Mensch besass Herr Blatz viel Sinn
für das Gemeinwohl, dabei war er gross-
müthig und erfreute sich weitgehender Po-
pularität. Er hatte bei Lebzeiten viele
Ehren- und Vertrauensstellungen inne und
genass die Achtung, Liebe und Werth-
.schätzung seiner ^Mitbürger im vollsten
]\Iasse. Auch seine kerndeutsche Gesin-
nung bethätigte sich Ikü jeder Gelegen-
heit.
ADAM GETTELMANN.
Unter den Brauereien Milwaukees nimmt
die des Herrn Adam Gettelmann einen her-
vorragenden Platz ein. Dieselbe wurde
1876 gegründet und hat, dank der steten
Ausdauer ihres Besitzers und Gründers
und seiner umsichtigen Geschäftsleitung
ein stetiges Wachsthum aufzuweisen ge-
habt und es in den 32 Jahren ihres Beste-
hens auf eine sehr hohe Stufe gebracht. Tu
Bezug auf moderne Einrichtung und voi'-
treffliche Ausstattung kann Gettelmann s
Brauerei als ein Beispiel hingestellt werden.
Herr Gettelmann wurde am 27. April
1847 als Sohn deutscher Eltern in dem
Städtchen Germantown, Wisconsin, gebo-
ren. Im Jahre 1876 machte er sich
selbständig und gründete die nach ihm be-
nannte Jirauerei. Allerdings hatte er im
Anfang sehr zu kämpfen — wie dies ja bei
der Gründung eines Geschäfts sehr häuH;,'
der Fall ist — ehe sein Werk von Erfol«,'
gekrönt wurde. Doch schliesslich nui.s.ste
dieser eintreten, da das Produkt, welche^
von der Brauerei geliefert wurde, sich oh
seiner Reinheit imd seines feinen, würzigen
Geschmacks binnen kurzer Zeit viele
Freunde erwarb und bei den leitendpn
Wirthschaftsbesitzern ]\Iilwaukees raschen
Absatz fand.
Herr Adam Gettelmann gehört vielen
deutschen Vereinen an. Er ist ^Mitglied des
„Deutschen Klub", des „Calumet Club",
der Schützenge.sellschaft und mehrerer Ge
sangvereine.
Ml
CHARLES FROEB.
Im hüclisten Sinne tl«'s Wortes ein H«v vt-rhlirb. Dann uImt rt'KU' sich tiii* Thaten-
präsentant der Besten im Deutseli-Ainerika- Inst in iliiii und dfin Zu}»e nuch rnahliän-
nerthum ist Charles Frocb, dessen Enjjros- ni^k^it folgend, fest ül>erz«'U|ft. auf eigenen
Etablissement für CJ«>tränke aller Art si«h in Füssen stehen zu köinn-n. und Ix'reit« h«K'h-
No. 18 Tompkins Ave., lironklyn, N. Y., be- jfeaehtet in seinem Fach als Sa<'hverstän-
findet. Froeb's AViepe stand in Wächters- dijrcr. jrrinnlete er sich ein eitrcne« (ic-
baeh in ITcsseTi-Xassaii. wo er ;iiii L'T. Novbr. sclijift. Seine grossen FachkeuntnisMe.
CHARLES FROEB IN BROOKLYN.
1857 freboren wurde. Dort und in Frank-
furt a. yi. besuchte er die Schule und kur/.,
nachdem er seine Studien in 1871 vollendet
hatte, kam er mit seinen Eltern nach Ame-
rika, erst nach New York und später naeh
Brooklyn. Durch Besuch der Abendschu-
len vervollständifrte er seine Bildunf? und
begann seine Gesehäftskarriere in einem
Engros-Geschäft seiner jet/ifreu Branche
in Murrav Street. X. Y.. wo er bis 1SS:{
si'inc erprollte Ehrenhaflivkeit und uuer-
niüdliche Arbeitskraft brachten ihm in
kurzer Zeit den erh«»tTlen Erfolj; und nun,
nach mehr als •Jöjähritrem Bestehen i.st
die Firma eine der »rnissten in üircr
Branche in (Jreater New York.
Ilirr Froeb ist einer jen«T Deut.scb- Ame-
rikaner, die. trotz vollstäii«!iu'<'r Amcrikani-
sinniir, doch fest an deutscher Sitte halten.
Tn der Erziehunjr seiner Kinder wurde
ihnen das beste beider Länder einoreprägrt
luul unerscliütterlich ist seine Ueberzeu-
iinui^. dass die Vereinigten Staaten viel
ilires pliänonienalen Fortschrittes dem p]in-
Üusse dentseher Einwanderung zu ver-
danken liaben.
Der Förderung des deutschen ]\Iusik-
1111(1 Sängerlebens, der Bestrebung, dem
deutsehen Elemente volle Anerkennung zu
versehatl^"en. und vielen humanitären Bewe-
gungen hat llcir Froeb viel Zeit und Geld
geopfert. ^lehrere Male wurden ihm hohe
politische Aemter angeboten, deren keines
er jedoch, obwohl er gesinnungstreuer De-
mokrat ist, annahm. Im Jahre 1908 je-
doch acceptirte er den Ehrenposten eines
Electors-at-large zur Präsidentenwahl für
den Staat New York.
Herr Froeb gehört vielen deutschen Ver-
einen an. darunter dem Brooklyn Arion
des.sen Präsident er während mehrerer Ter-
mine war; dem E. D. Turnverein und an-
deren. Er ist -Mitglied des Ilanover Club,
Trustee und 2. Vize-Präsident der deut-
schen Sparl)ank von Brooklyn, einer der
Direktoren der iMaiuifacturers' National
Bank und Präsident der Froeb Co. von Xci.
(J(j Broad Str.. New York.
Herrn Froeb 's liebenswürdige Gattin
ist eine geb. Alma Kircliübel, die er im
Dezember 1880 zum Altar führte. Der Ehe
entsprossen fünf Söhne, von denen vier,
Augustus C, Charles jun.. Frank imd
Ilennann am Leben sind und. vom Vater
zu tüchtigen Geschäftsleuten herangezogen,
ihm thätig und hilfreich in seinen weitver-
zweigten Interessen zur Seite stehen.
GUSTAV crami:k.
Icr OS in St. Louis zu h<»lifiu Aiisclicii ^e-
)ra('lit luit. sowohl als Künstler wir auch als
^'ahrikant, crhlicklc am 2U. .Mai ISMS in
^iSt'hwo«;o. l*rovinz II essen -Nassau, als
M)hn von Enianuel und Dorothea C'nnn»'r
«;el). Viewe{;er) tlas Lieht der Welt. Mit
(! .Jahren vei-jiess er die Sehule, um. tlem
^Vunsehe des N'aters ^'•emäss, die Kauf-
iiann.sehaft zu erlernen. Mit 21 .laliren —
Si)i) — kam er hierher nach Amerika, und
GUSTAV CRAMER IN ST. LOUIS.
zwar nach St. Louis, wo sieh sein älterer
Bruder, der schon früher ausgewandert
war, aufhielt. Dort trat er in das photo-
graphisehe Geschäft von John A. Schölten,
damals des ersten Photosrai)hen von St.
Louis, ein und bildete sich unter Seiiol-
tens Anleitung zu einem tüchtitren Künst-
ler aus. Seine Kenntnis.se auf dem (ie-
biete der Chemie und Physik kamen ihm
dabei sehr zu statten und henihi^rtcn ihn.
viel«' s«hwierige l'roltleme in der IMu>-
tographie. die danuds sozusagen niM'h in
den Windeln la^r. /u liisen. Im .Jahre ISGU
crötTnete Herr Cranier .sein eij^ene« photu-
trraphisches Atelier. Als jed«K-h im da-
raulTolgenden .Jahre, lS«il. der BürKerkrieg
ausbrach uinl l'nisident Lincoln mmiicd
ersten Anfrul' für eine l)ien.stz<Mt von «Irei
Monaten erlicvs, da trat auch (iu.stav ('ra-
mer in die Reihen der l'nions- Armee ein,
und zwar als Scr^'cant in «lie Kompainiie
.\ (deren Hauptmann seiu Bruder .lohn
l''rederick war) des dritten Missourier Frei-
willi^'cn Ke<riments, das unter «leni Ktiin-
maiiiln des damali^'cn Obersten Franz
Sigel stand. Als Soldat nahm er an der
Sehlacht bei Carthage, Mis.souri, theil.
.Nach lieendi'^Muig seiner dreimonatlichen
Dienstzeit kehrte er <]aini nach St. Louis
zurück, wo i'v seinen Beruf als IMiotograph
wieder aufnahm. Im .Jahre lS»i4 jus.sociirte
er sich mit .J. CJross und bildete mit diesem
zusammen die I*hotogra|)hen-Firma (Vainer
& Gross. Im .l;ihrc ISSO gründete Herr
Cramer im N'erein mit Hrn. H. Norden
eine Fabrik zur IIei*stellung photogra|)hi-
seher Gelatine-TriM-kenplattcn, die bald
eine grosse Ausdehung annahm. V(»n IMSH
an führte Herr Gustav ('ramer das Ge-
schäft allein unter di'in Namen der ,.G.
Gramer Dry IMate Works". Später wurde
.las Geschäft als die G. Gramer Dry IMate
Co. iid<orporirt. Die Beamten derselben
sind (Justav Cramer. Präsident; Kuiil
Cramer. Vize-Präsident ; Krn.st Cramer,
Schatzmeister, inul Adolf ('ramer, Sekretär.
Die ..Cramer" Platten sind vorzüglich und
werden nach allen Welt t heilen vcrsaiult.
Herr Cramer ist Mitglied der Wohlthä-
tigkeits-Bchörde und des Direktoriums der
St. Louis Provident As.siK'iati«in, ferner
Vize-Präsident der Dcjit.sehen Allgemeinen
Protestantischen Waisenheimat und PriLsi-
dent des St. Louis Altenheims, an di's.sc'U
(Jründnng Herr und Frau Gramer hervor-
ragciiiicii .\ntheil genommen haben.
924
J. F. OTTERSTETTER.
Unter dm Ki ersti'u AiisicdltTii. die mit
ihren Familien unter Pastorius Gernian-
town gründeten, war Dirk Johnson. Er er-
warb bedeutenden Grundbesitz, Peter
Baynton. der wenige Jahre si)äter kam,
Hess sieh in Upland oder Chester nieder,
wenigstens erseheint Squire Peter Baynton
in den Akten von 1(586 als dortiger ,, Justice
of the Court". In diesem Heim zu l'pland
J. F. Otterstetter über, der ein inodernosi
Heim daraus schuf, dabei al)er strenge da-l
rauf achtete, da.ss der alte historische Cha-I
rakter des Hauses gewahrt wurde.
Zu Philadelphia 's erfolgreiciien Ge.
Schäftsleuten, die es verstanden hal)en,|
durch Umsicht und Thatkraft aus kleinen!
Anfängen zu einer führenden Stellimg im
Gesehäftslcbcii sicli emporzuarbeiten, gc-
J. F OTTERSTETTERS WOHNHAUS IN GERMANTüWN.
versammelten sich am 26. Dezember 1695
die Commissioners. Um jene Zeit kam
Baynton nach Germantown, erwarb einen
Aeker Land von Dirk John.son's Grundbe-
sitz und baute darauf das ..Baynton
Ilouse", das seither, trotz häufigen Wech-
sels des Besitzers, dessen Namen beibehal-
ten hat und heute noch so heisst.
Anfangs des Jahres 1908 ging das Haus
sammt Grundstück in den Besitz von Herni
hört auch Herr J. F. Otterstetter, der weit-
bekannte Grundeigenthums - Makler von
Germantown.
Herr Otterstetter 's "Wiege hat in der
schönen Pfalz gestanden ; dort erblickte er
am 9. Mai 1856 in Eppenbrunn das Licht
der Welt. Er besuchte die dortige Volks-
schule und trat dann in die Lateinschule
ein, in der er eine gute Schulbildung sich
aneignete. Die Folge war, dass dem jungen
Manne die t'u^'t'ii W'rhültnisso seiner llt-i- tliätiu war. Diese ThätiKkeit sjij»te ihm
math nicht tjeticlen und er sieh liiiiaus- ah-r nieht zu. und so siedelte er im Jahre
sehnte in die weite ^Velt. Mit 17 .Jahren 1H7H naeh l'hilailel|»liia iilx'r. Hier halte
schon ergriff ihn die Wanderlust \niil im er im Laufe der .Jalm« vers«hiedene Stel-
Jahre 1873 trat er die Fahrt üher den Inneren inne und lM's«'hI(>ss dann, in'a
J. R. OTTERSTETTER.
Ozean nach dem Lande d.-r Freiheit und (}rundeitr,.„thumsj;esehäft zu Rehen, in dc.i
der unbegrenzten Miigli.-hkeiten. die au.-h er sieh bereits .«initre Kenntnisse erworlw-n
ihm offen standen, an. Nach sei..er Lau- hatte. Kr erölTn..te in Germautown e.n
düng begab er sich nach Bost.m. Ma^s., wo (Jrun.leigenthums.C.s.haft. das .s.eh bald
er mehrere Jahre lan- im Grocery-(Jesehäft eiues guten Zuspruehs erfreut.- Die Kun
926
den wurden freundlicli und reell bedient,
und gar manelier ]\Ijuin, der heute sein
eigenes Heim besitzt, ist durch Herrn Ot-
terstetter's Voriiiittlung in dessen Besitz
gelangt.
Herr Otterstetter ist aber nii-lit nur ein
erfolgreicher Geschäftsmann, er ist auch
«ine in deutschen geselligen Kreisen be-
kannte luid geachtete Persönlichkeit. Ne-
ben seinen Geschäften hat er noch immer
Zeit gefunden, deutsches Wesen hochzuhal-
ten und für deutsche Sitten imd Ge-
bräuche zu kämpfen. Er ist einer der
Gründer und .seit der Gründung Präsident
der Gernianto\Mi Liedertafel, und in erster
Linie durch seine Energie hat dieser Ver-
ein dem deutschen Liede eine weitere
Stätte in Gerniantown geschaffen, wo es
treu gehegt und fleissig gepflegt wird. He
Otterstetter hat seit Jahren regen Anthel
an allen deutschen Bewegungen und Bo
strebungen genommen und war stets !>•
reit, nicht nur durch "Worte, scmdoni audi
durch die That sein ScherHein beizutratj»-ii
um deren Erfolg herbeizuführen. Ganz h.--
sonders verdient hat sich Herr Otterstetter
aber gemacht, als es galt, die deutschen
Bürger von Germantown zu organisireij
um eine des 225. Jahrestages der ersten
deutschen Einwanderung würdige Feier er-
möglichen zu helfen. Er schuf das deut-
sehe Bürger-Komite und arbeitete als des-
sen Präsident zum besten Gelingen der
glänzenden Feier. ]\Iit Recht gilt Herr
Otterstetter heute als einer der leitenden,
tonangebenden Deutschen in Gerniantown.
»27
F. V. WILLIAM KRENNING.
I'ntciistclu'iuli's Bild zcij^t ciiifii tli-r licr-
vorrafjciulstcii. oiiiMussrciclislcii und fort-
sclirittlichstt'u dcutscli-aiiMM-ikaiiisclu'n Bür-
ger imd einen der erf(»l«;rei('l>sten Ge-
sehäftsleute und Industriellen der Stadt
St. Louis: Herrn F. l'\ William Krenninjr.
F. F. WILLIAM KRENNING
den wohlbekannten und in allen Kreisen
hochgeachteten Vizepräsidenten der Kren-
ning Glass Co.
Herr Krenning erblickte am 13. Aj)ril
1863 in Di.ssen, im damaligen Riinigreicli
Hannover, das Lielit iler Welt. Am Ül
SeptendM'r 1SS7 kam er naeh Amerika, und
zwar din'kt naeh St. I^ouis, uc» er in die
Krenning Cda.ss Company eintrat, «leren
Vizeprä-sident er seit 20 Jahren ist. Das
Geschäft dieser P^irma wurde im .Jahre
18G3 gegründet und ent wickelte sieh aus
beselieidenen Anfängen zu einem der grüns-
ten iui«l blühendsten inilustriellen l'nter-
iielinien tler Stadt St. Louis. Die KnMuiing
(ila.ss Co. treibt einen ausgedehnten ILinch^l
mit vorwiegend einlieimi.sehen l'orzellan-
und (ilaswaaren. importirt aluT aueli «lirekt
aus Deut.seidand. Lngland. Krankreieh.
Oesterreieli luid .Fa|)an.
Im deutschen Lcljcn der Stadt St. I^uuis
spielt Herr Krenning eine hervorrag«'iule
liolle, und welch regen Antheil er an alh*n
deutschen Bestrebungen nimmt, ist be-
Uainit. Man darf <»inie rebertreiluujg sa-
ircii. da.ss dsLs Deut.sehthum von St. Louis
in ihm eine seiner zuverlä-ssigsten Stütz<'n
besitzt. Der ..Liederkranz" und «Icr ..Nord
S1. Louis Bundesehor" zählen ihn zu ihren
tieuesten und eifrigsten .Mitgliedern
ebenso der Oasis-Klub. Au.s.serdem ist
Herr Krenning Freimaurer und gehört als
solcher der Erwin-Loge A. F. & A. M.. der
einzigen deut.sehen Freinuiurer-Loge west-
lich vom Mississii)pi liiver. an. Zwei
.lalnc lang staiul er dieser Loge als ...Meister
vom Stuhl" vor. Auch zum ..Aneient
Aiabic Onh-r Nobles of the Mystie Shrine"
geholt 11 r Krenning und er war ..l'oten-
tate" des Moolah Temi.le dieses Ordens.
Als langjähriges eifriges Mitglied der
Unabhängigen Kvangelisch - l»rote.stanti-
schen Kirche an der 13. luul Tyler Strasse
steht Herr Kreiniing auch mit vei-sc-hiede-
nen AVohlthätigkeit« - Ges«'llsehaften und
dem Gemeinwohl gewidmeten Vereinen in
Verbindung mid bekleidet in densellw'n her-
928
vorragende Aemter und Ehronstollen. So
z. B. gehört er zum Verwaltungsrath des
deutschen Altenheinis, sowie zum Vorstand
der beiden deutschen Waisen-Asyle in St.
Louis.
Seines aufrichtigen, biederen und recht-
schaffenen "Wesens wegen orfreut er sich
allgemeiner Hochachtung luid Beliebtheit,
und zwar in deutschen wie in anglo-aineri-
kanischen Kreisen.
Neben seinem Antheil an dem Geschäft
der Krenning Glass Co., deren Vizepräsi-
dent er, wie bereits erwähnt, seit 20 Jahren
ist, hat Ilr. "Win. Krenning noch bedeu-
tende Interessen in andern geschäftlichen
und industriellen Unternehmungen.
J. HUGO GRIMM.
J. Hugo Grimm wurde am 17. Januar
1864 in St. Louis als Sohn des Capt. Valen-
J. HUGO GRIMM IN ST. LOUIS.
tine Grimm, eines bekannten deutsch-ame-
rikanischen Bürgers, geboren. Er genoss
seine Erziehimg in den städtischen Schulen
und graduirte im Jahre 1883 von der Gen-
tral-Hochschule. um sofort der Anwalt-
Firma Henry Hitchcock beizutreten. Im
Jahre 1886 bestand er sein Examen in der
,,St. Louis Law School" mit Auszeichnung.
Für die Abhandlung ,, Irrsinn als Verthei-
digungsgrund bei der Anklage wegen eines
Verbrechens", für welche die New Yorker
^Medice Legal Society drei Preise ausge-
setzt hatte, erhielt er den zweiten Prei«.
Vom Jahre 1887 bis zur Auflösung der
Firma stand Herr Grimm mit der wohlbe-
kannten Anwalts-Firma Hitchcock, Madill
& Finkeinburg in Verbindung. Seit jericr
Zeit bis auf den heutigen Tag hat Herr
Grimm fortgesetzt in St. Louis als Anwalt
l)raktizirt und viele schwierige Fälle e:-
t'olgreich durchgeführt.
In deutschen Kreisen ist Herr Grimm
eine wohlbekannte Persönlichkeit. Seit
vielen Jahren ist er ein eifriges ]\Iitglie(l
des Tower Grove Turnvereins. Er ist ein
eifriges INIitglied dos National-Bundcs.
dessen Prinzipien Herr J. Hugo Grimm
huldigt.
929
WM. PRUFROCK.
Einer der verdienstvollsten Leute um das
Deutscht huin der Stadt St. Louis ist Herr
Wm. Prufrock. welcher zwei Jahre lang
•den St. Louiser Stadtverbaud des l)eut.sch-
Amerikani.sehen Nationalbundes als PriLsi-
■dent reprä.sentirte. und unter de.s.sen Re-
gime der Missourier Staatsverband ins
Leben gerufen wurde.
HERR WM. PRUFROCK.
Es waren harte kritische Tage, wahre
Prüfungsjahre des jungen Staats - Ver -
"bandes von Missouri, die er in den Jahren
1906 und 1907 zu bestehen hatte, doch die
opferwillige Energie des Präsidenten hat
nicht zum Mindesten beigetragen zu der
anerkennenswerthen Entwicklung des Bun-
des im ganzen Staate. Herr Wilhelm Pru-
frock, Grossindustrieller der Polster- und
Tapezierer-Branche, kann mit Stolz auf
zwei Lrlu-nsaltcr .srliwerer, alxT erfolgrei-
cher Thätigkeit, in Krieg und Frieden, zu-
rückblicken.
Er erblickte da.s Lieht der Welt niii 20.
.März 184.3 zu Löehnitz l>ei Stettin, wosellhit
sein Vater als Postlx'amter waltete. Nach
Alisolvirung der Schule in Stettin iM-gab
sieh Herr Prufrock nach Berlin, wo er als
Tapezierer thätig war. und l.Sf;:i zur Artil-
lerie ausgehoben wurde. Er nuichte die
Feldzüge 1H(;4 und lS»i«;. den dänis<'hen
und den österreichischen Krieg, als Aktiver
mit und wurde viermal dureh Orden auH-
gezeichnet.
Lii Jahre iSdS wanderte Herr Wm.
Prufrock nach den Vereinigten Staaten
aus und gründete nach neunmonatliehcm
Aufenthalte in St. Louis ein eig«'ncs Ge-
schäft. 102-4 Franklin Ave. gelegen. Es
wai- ein Detail-Geschäft, das alter bereit-^
1870 zum Engross-Geschäft erweitert wor-
den ist.
Wenn Herr Prufrock im Jahre 1870 nur
20 Leute l>eschäftigte. .so sind heute in
seinen P'abrikcn über 300 Leute thätig.
.\us der kleinen Tapezierer-Werkstätte ist
ein Etablis.sement «'i-standen. das seine
eigenen Holz-, Tapezierer-, Matratzen- und
Möbel-Fabriken l)csitzt. aus denen die be-
rühmten Prufrock 'sehen Polster - Möb<»l
nach allen Städten der l'nion. nach New
York sowohl wie nach New Orleans. San
Francisco etc.. verstandt werden.
Was deutsehe Energie s«>wie dc\lt.seher
Fleis.s zu W<'ge l)ringen kann, dieses hat
Herr Will. Prufrock bewiesen. Als er
1808 mit 50 Dollai-s eine Werkstatt in St.
Louis eröffnete, dachte er wohl kaiuii. dass
er ein Geschäft gründete, das im Jahre
1908 einen jährliehen l'msatz von 500,000
DolIai-s haben würde.
930
DR. HUGO MAX VON STARKLOFF.
J
Der dritte Präsident des Zweigverbandes
für Missouri luid Illinois, Deutsch- Anieri-
kaniseher Xational-Bund (1906). wurde
am :i. Oktober 1832 zu \'\\n in Württem-
berg, Deutsehland, geboren, als Sohn des
Baron Carl von StarklofT. Er entstammt
einer alten kurländischcn Adelsfamilie,
welche nach Deutschland auswanderte.
Sein Grossvater war eiiu'r der deutschen
DR. HUGO MAX VON STARKLOFF.
Offiziere, welche unter Napoleon den be-
rühmten Moskauer P^'eldzug mitmachten, —
sein Vater war Oberst in einem Württem-
bergischen Regimente. Herr Dr. von
Starkloflf genoss seine S<'hulbildung auf
den Gymnasien in Stuttgart und Ulm
und .studirte auf den Universitäten Tübin-
gen, Heidelberg und Prag. Sein Doktor-
examen machte er im Jahre 1852. Noch in
dem.selben Jahre kam er nach Amerika und
hatte kurz nach seiner Landung in New
York eine sehr ernste Katastrophe zu be-
stehen.
Er machte die Reise mit dem unglückli
eben Dampfboot .,Griffith" mit, welches
auf seiner Fahrt im Eriesee bis zur Was.ser-
linie niederbrannte. Von einem zu Hilfe
eilenden Boot gerettet, landete Dr. vod
Starkloff in Cleveland, und begab sich bald
darauf als Arzt der American Für Coin-
I»any nach Californien. Im Jahre 1856 er-
hielt er eine Anstellung als :\Iilitär-Arzt im
Fort Riley in Kansas, liess sich später als
selbständiger Arzt in Gale.sburg, 111., nie-
der, pi-aktizierte dort bis zum Au.sbruch des
Bürgerkrieges, als er (1861) eine Konunis-
sion als xVrzt des •13sten Illinoiser Volun-
teer-Regimentes annahm. In Folge seiner
tüchtigen Dienste avancirte er 1862 zum
Ober-Arzt (Surgeon in Chief) der Isten
Division des 7ten Armeekorps. Von 1865 —
1875 war Herr Dr. Starkloff Arzt in den
Jefferson Barracks. Im Jahre 1885 grün-
dete er das Orthopädische Institut von St.
Louis. Als Benjamin Harrison Präsident
der Vereinigten Staaten wurde, ernannte
er Herrn Dr. von Starkloff zum Konsul in
Bremen, welchen Posten derselbe von 1889
—1894 bekleidete. Während der Cholera-
Epidemie, welche 1893 in Hamburg wüthe-
te, erwarb er sich durch seine umsichtigen
Rathschläge, Anordnungen unl praktische
Hülfe hohes Verdienst.
Nach Amerika zurückgekehrt, nahm
Herr Dr. von Starkloff seine Praxis wieder
in St. Louis auf und nahm den Lehrstuhl
eines Professors der Orthopädischen Chi-
rurgie an dem ]\Iarion Sims College ein,
Herr Dr. von Starkloff hat stets theil ge-
nommen an allen öffentlichen Fragen,
stets war er mit Rath und That zur Hand,
wenn as hiess, die Interessen des Deutsch-
Amerikanerthums und seiner ]\Iitbürger zu
wahren. Auch heute fehlt er in keiner
grossen Bewegung. Zwei Jahre lang war
er Präsident des Liederkranz-Klubs und 12
Jahre Präsident des Vorortes des Turner-
Bundes der Vereinigten Staaten.
931
HENRY NOCKIN.
Als fortsi'lirittliclu'r (icscliäftsiiuiini diMii
Leben auch eine ideale Seite iil)zuj;«'\vinneii
und in den karg bemessenen .Mussestnnden
das deutsche Sän}?er\vesen in wirkuntrs-
voUer Weise zu fördern, ist keine leichte
Sache. Henry C. F. Xockin. der Vizeprä-
sident des M. G. V. Eichenkranz von New
York und Voi-sitzender seines Musik-
Komites. ^litfrlied des Finanz-Koiiiites der
Ver. Saubrer von New York uiid Präsident
HENRY NOCKIN. NEW YORK.
des G. V. Franz Abt Schüler, hat die Auf-
gabe in erfolgreicher Weise gelöst.
Herr Nockin wurde am 15. September
1868 in Ausvveiler in der Pfalz geboren und
von seinem Vater, der einer der hervorra-
gendsten Uhrmacher in Saargemünd und
in Strassburg war, frühzeitig ins Gymna-
sium geschickt, um sich für späteres Stu-
dium vorzubereiten. Aber auch das Ge-
schäftliche sollte nicht vernachlässigt wer-
th'ii. und so besuchte der jun^e Mjuin spä-
ter eine Fach.schule. in der er sich die zu
seinem H«'rufc nöthigen technis«hen Keniit-
uissi' t'rwarb.
Da.ss Henry Xo.kin si<h dmi l)cuLs«'h-
Anirrikancrthum an.schloss, war eigentlioh
nur Zufallssache, denn er kam vor etwa
zwanzig Jahren im Laufe einer seiner Ge-
schäftsreisen nach Amerika, ohne anfangs
die Absicht zu hegen, sich hier unziLsie<lcln.
Aber es gefiel ihm .so gut. da.ss er besehl(>s.s,
im Lande zu bleiben, und alsbald etablirtc
er si.-h :ds Juwelier und l'hrmacher in
Xew York und eroberte sieh na«'Ii kurzer
Zeit einen beneidenswerrhen Plarz unier
seinen Fachkollegen.
Vov sechszehn Jahren lernte Herr .Wn-kin
Fräulein E. L. Dieter kennen, die Tochter
Herrn Jakob Dieter 's, des Ehren de legaten
der Vereinigten Sänger von New York und
Mitgliedes des Direktoriums des Nordöstli-
<hen Sängerbundes. Der glücklielien Ehe
sind bis jetzt zwei Kinder entsprossen,
Lottie B. Xockin und Henry J. L Nockin,
beide werden in echt deut.sclier Weise er-
zogen.
X^u'kiii's Sohn, ein Schüler Wersehin-
ger's. legt ungewöhnlich gros.s«'s musi-
kalisches Talent zu Tage, uiul .sein Lehrer
proi)hezeit ihm eine gros.se Zukunft als
Pianist; und würde der Vater nicht auf
methodischer Erziehungsweise bestehen, so
wäre der junge Nockin heute schon in den
weitesten Kreisen als „Wunderkind" be-
kannt.
Um nun wieder auf Herrn Ncwkin zu-
rückzukonuneu, so .sei bemerkt, dass es
haupt.sächlieh ihm zu danken ist, dnss der
Eichenkranz im Jahre 11)08 l)eschh>ss, sich
als <'rster unter den gro.s.sen Gesangver-
einen zum Kampfe um den Kaiserpreis
beim 23. Xational-Sängerfest zu melden.
932
INDEPENDENT BAKING COMPANY,
DAVENPORT. Iowa.
Eine der grössten Firmen ihrer Art in
der Herstellung von „Crackers" und „Bis-
cuit" im ganzen Westen ist die Indepen-
dent Baking Company in Davenport, Iowa.
Ihre Bedeutung lässt sich aus der That-
sache erkennen, dass die Gesellschaft jähr-
lieh im Durchschnitt 35,000 bis 40,000 Fass
$50,000 gegründet imd inkorporirt. Die
Inkorporatoren waren : \V. II. Wiese. Geo.
M. Bechtel, ]\Iinnie Wiese. ]\Iartha R. Bech-
tel, Lydia R. Smoke. Das Geschäft nahm
dergestalt zu, dass am 3. März 1906 das Be-
triebs-Kapital auf $100.000 erhöht wurde.
Die leitenden Beamten der Company sind:
iililllitifliHil
Uiiiu
] 1 TTTT iii i Mi 8 5 i I nmnmwu
DAS ETABLISSEMENT DER INDEPENDENT BAKING COMPANY.
110-120 East Front Str., Davenport, Iowa.
Mehl verbackt und dabei 200 Arbeiter be-
schäftigt. Dreizehn Reisende sind stets
unterwegs, um überall im Lande neue Ge-
schäftsverbindungen anzuknüpfen und
Aufträge entgegenzunehmen.
Die Independent Baking Company wurde
am 1. Februar 1901 mit einem Kapital von
Geo. M. Bechtel. l*räsident; E. L. Sunier,
Vizepräsident ; W. H. Wiese, Sekretär und
Schatzmeister.
Die grosse Anlage der Independent
Baking Company umfasst die Gebäude-
Nummern 110-— 120 East Front Strasse in
Davenport.
083
CHAS. P. MUGELE AND SONS.
Eine hervorragende Stellung unter den
Deutsehen Pittshjirg's niiiiiiit il;is ICngros-
Si)iritu()S(,'n-ITaus CJias. /'. Miiyilc & ISons
ein. II'Ti* Chas. P. klügele kam 1853 von
Württemberg, liess sieh in Pittsburg niedt-r
und erötTnete bereits 5 Jahre später, 1858,
an AVater Str. sein eigenes Gesehäft. Im
Jahre 1883 trat dessen Sohn Frederiek als
Theilhaber ein, und 1894 nahm sein zweiter
Sohn, Chas. P., jr., gleichfalls Antheil an
der Firma. In das rasch aufblühende Ge-
sehäft riss leider der Tod zwei tiefe
Lücken : Herr Chas. P., sr. starb im Okto-
ber 1895, und ihm folgte Chas. P., jr. im
j\Iärz 1897. Herr Fred. jMugele führte das
Gesehäft nun allein bis Mai 190(5. als sich
Herr Albert II. Ilaminer mit ihm aiajociirte.
Herr Fred. Mugele und A. II. Ilaminer
sind die jetzigen Inhaber der Firma.
(Herrn Hannuer's Vater war Theilhaber
d<r Firma Ilaimiifr & Dauler, de« ältesten
.Milbclgcschäfls (Irr Stadt.)
Heide Kompagnions standen stets an der
Spitze des Dcutsehthums und errangen
sich Achtung und Ehre unter allen Bür-
gern. Ihr G(»schäft beschränkt sieh in der
Hauptsache auf Stadt und Umgebung, je-
doch zeigt sich der Umfang dessellien da-
durch, da.ss zur Ausübung die zwei 3stöcki-
gen Gebäude 1803 — 5 Fifth Avenue kaum
mehr ausreichen.
ADOLF DERNEHL.
Zu den erfolgreichsten Geschäft.sler.ten
Deutsch- Athens gehört Herr Adolf Der-
III hl. der Besitzer des ersten und gnissten
l)elikate.s.sen-Importgeschäft,s im ganzen
.Staate AVisc<)n.sin. llrir Dernchl wurde in
Rostock, Deutschland, geboren und kam
im Jahre 1882 nach Amerika. Schon .sechs
Jahre .«päter machte er sich selbständig, in-
dem er das erste Delikates.sen-Import|fe-
schäft in Milwaukee sowohl wie überhaui»t
im Staate gründete. Durch unermüdlichen
Fleiss, Spai-samkeit \uid geschäftliche Fm-
sicht gt'lang es ihm. das rnternehmen auf
eine solide Hasis zu bringen. Herr Deniehl
ninnnt au allen deut.schen Bestrebungen
regen Antheil und ist seit Jahren Mitglied
des deut.schen Turnvereins Milwaukec.
ADOLF DERNEHL IN MILWAUKEE. WISC.
934
H. T. BRAMMER MFG. CO.
Unter den vielen von Deutschen oder
deren Nachkommen in Davenport, la., ge-
gründeten und betriebenen Fal)riken nimmt
die der H. T. Brammer Manufacturing
Company eine hervorragende Stellung ein,
nicht blos wegen ihrer Grösse, sondern weil
die Gründer derselben die Fabrikation von
Waschmaschinen in grösserem IMasstabe be-
treiben.
Im Jahre 1878 begann Herr II. T. Bram-
mer, der in Deutschland die Tischlerei er-
lernt hatte, die Fabrikation von Butterfäs-
sern imd Waschmaschinen, welche er selbst
in der Umgegend zum Verkauf brachte.
Zu dieser Zeit war es nothwendig, die
Hausfrauen im Gebrauch dieser Haushal-
timgs-Geräthe zu unterweisen, und bei den
bewu.ssten Eigenheiten der Frauen war
dieses kein leichtes Unternehmen. Aber
durch Flei.ss und Ausdauer gelang es Hrn.
Brammer, das Geschäft zu heben, sodass
er in 1881 nun einen halben Antheil ver-
kaufte imd das Geschäft bis zum Jahre
1888 unter dem Namen H. F. Brammer &
Co. geführt woirde.
In der Zwischenzeit fabrizirte die ge-
nannte Firma ausser Waschmaschinen
auch Butterfässer, Bierkisten und sonstige
Holzarbeiten, sodass die Fabrik zu klein
wurde und durch Hinzuziehung von neuem
Kapital eine Korporation gegründet wurde
imd der jetzige Platz der Fabrik, über 2
Acker umfassend, gekauft werden musste.
Bis dahin war die Fabrikation von 600
Waschma.sehinen per Jahr auf über 12.000
per Jahr gestiegen, welche iiacli allen
Theilen Amerikas sowie auch nach Europa
und Australien versandt wurden.
Während der sogenannten guten demo-
kratischen Zeiten (1892—1894), worunter
auch diese Gesellschaft zu leiden hatte,
wurde eine Reorganisation vorgenommen,
bei welcher ein Theil der Gründer der Ge-
sellschaft ihren Antheil verkauften, und
wird die Gesellschaft heute von Herrn
Brauenlich und seinem Bruder Hugo
Brauenlich kontrollirt imd geleitet. Die
Kompagnie fabrizirt jetzt über 50,000
Waschmaschinen jährlich und sind sämmt-
liehe Aktionäre, sowie auch die grosse
^Mehrzahl ihrer Angestellten Deutsche oder
deren Xachkömmliug.
Es giebt ausserdem noch drei andere
bedeutendere Waschmaschinen - Fabriken
in der Stadt Davenport. welche sämmtlich
von deutschen Abkönnnlingen gegründet
und geführt werden und welche im Ge-
sammt über 300,000 Waschmaschinen im
Werthe von über einer ^Million Dollars
jährlich fabriziren. Es werden zu dieseiu
Zweck üljer zehn Millionen P'uss Holz ge-
braucht.
Diese Industrie liegt deshalb fa.st aus-
schliesslich in den Händen der Deutschen,
weil die deutsehen Hausfrauen zuerst dieses
Ilaushaltungs-Geräth würdigten imd kauf-
ten, und erst ]Mitte der 80er Jahre wurde
wurde dieses Geräth allgemeiner Handels-
gegenstand.
995
MARTIN WIEGAND.
WasliiiifJTton ist zum Centnilpunkt für
einige der bedeutendsten Ilobelmülilen inid
Bautiscldereien in den Vereinigten Staaten
geworden, und es gieht dort wenigstens ein
Dutzend Finnen, die einen Gesainiiituinsatz
von ^lillionen von Dollai-s .jälu-Iidi lialx'ii.
^lartin AViegand. 451 Maryland Avenue,
steht an leitender Stelle unter den grossen
Geschäftsunternehniern dieses Landes. Das
"Waehsthuni seiner Ilobelniühle und Bau-
tisehlerei hat in einem wahrhaft staunen-
erregenden Tempo stattgefunden und sein
wohidnrehdaeht«'!! Mcthodt-n und <lies«*lbe
streng n'chtliehe Gesehäftspojitik.
Martin Wiegand. dem von Natur aus
eine hervorragende lii-fahigung für das
Ilolzgesehäft eigen ist, b<*gann vor 12 .Jah-
ren in be.selieidener Weis«« sein Geschäft;
von Knttäusehungen ist er In-freit geblie-
Im'ii. Schritt für Sehritt entwickelte sich
.sein rnternehmen zu der jetzigen Bedeu-
tung.
Die Wiegaiursehen Fal)rikräume sind
gross, über GO.OCM) Quadrat fu.ss bedtn-kend.
MARTIN WIEGAND'S FABRIK-GEBAEUDE IN WASHINGTON. D. C.
Erfolg war die natürliche Folge jener
Thatkraft und jenes fortselirittliehen I'n-
ternehmungsgei.stes. die bei allen Unter-
nehmen die reichsten Früchte tragen.
Das Wachsthum und die Ausdehnung
von Herrn AViegand's Ilolzgeschäft ist von
keinem der jüngeren Geschäftsunterneiuiien
in der Bundeshauptstadt übertrofTen wor-
den. Tn allen Zweigen .seines Geseliäftes
herrschen dieselbe Genauigkeit, dieselben
Die geräumigen Lagerhäuser erlaulM«n es,
immer eine gros.se Ma.s.s«' fertiger Waare
zur sofortigen Vei-sehiekung InTcit zu
haben, mehr viellei<'ht als irgend ein Kon-
kurrenzunternehmen. Die Erzeugni.ss«« der
Wiegand 'sehen Fabrik sind iM'deutend un«l
vielseitig, nicht nur auserlesene PriKlukte
der Möbelt iselderei, sondern auch alle
Arien der Bautischlerei.
936
Unter den 90 Arbeitern der F.ibrik be-
finden sieh viele wolil bezahlte und erfah-
rene, geschickte Arbeiter ihres Faches.
Herr Wiegand wurde in Deutschland ge-
boren, erlernte da die Tischlerei und kam
im Alter von 17' 2 Jahren nach diesem
Lande. Wälirend der ersten Jahre seines
hiesigen Aufenthaltes bemühte er sich mit
Erfolg, eine umfassende Kenntniss des
Ilolzgeschäftes in allen seinen Zweigen sich
anzueignen. Der hervorragende geschäft-
liche Erfolg Herrn Wiegand 's führte na-
türlicher "Weise dazu, dass er ein Mitglied
verschiedener angesehener Körperschaften
wurde ; er ist ein ]\Iitglied des Central-Ver-
eins (Delegat zur Konvention des Deutsch-
Amerikanischen National-Bundes in New
York, 1907). :\Iitglied des Board of Trade
der Lumber Excbange. des Direktoriums
des ^Metropolis Bau-Vereins, Arminias Loge
(Freimaurer), des deutschen \Vaisen-
liauses, Sängerbunds, Germania Männer-
chors, Arion Gesang- Vereins, Deutsch- Ame-
rikanischer Unterstützungs-Bundes. Cres-
cent Vereins gehört er, seit er hier i.st, der
Evang.-Luth. St. Johannes Gemeinde an.
Obgleich er ein sehr bcscliäftiger ^lann ist.
findet IMartin AViegand doch Zeit, si<'h au
wohlthätigen Unternehmungen zu bcthoili-
gen. Er ist Familienvater und bringt den
grössten Theil seiner freien Zeit im Kreise
seiner Lieben in der Stille seines gemütli-
lichen Heims zu.
AUGUST H. PLUGGE.
Klein, leider sehr klein ist die Zahl der-
jenigen Deutsch- Amerikaner, die, trotzdem
sie hier im Lande als freie Amerikaner ge-
boren sind, dennoch mit Liebe imd Vereh-
rung an der Sprache ihrer Mutter hängen,
sie hegen und pflegen und stets bereit sind,
für sie und für deutsche Sitten und Ge-
bräuche, für deren Einbürgerung in diesem
Lande, in die Schranken zu treten. Einer
dieser deutsch-amerikanischen Geschäfts-
leute ist Herr August H. Plugge, der Be-
sitzer der vormals unter dem Firma-Namen
Xander & Plugge bekannten bestrenommir-
ten "Weinhandlung in No. 1317 Siebente
Strasse, N. "W., Washington, D. C.
Herr Plugge wurde als Sohn deutscher
Eltern am 28. ]\Iai 1864 in der Bundes-
hauptstadt Wa.shington geboren. Im Jahre
1896 trat er in das Weingeschäft des Hm.
Jacob Xander ein und führte da.sselbe elf
Jahre lang mit Xander gemeinsam. Im
Jahre 1907 trat jedoch Hr. Xander von
dem Geschäft, das er vor 30 Jahren (1878)
gegründet hatte, zurück und überliess das-
selbe Hrn. Plugge als alleinigem Eigen-
tliümer. Unter der Leitung des bewährten
Geschäftsmannes blühte das Geschäft im
letzten Jahre neu auf, und heute erfreut es
sich einer ganz ausserordentlich zahlreiclien
Kundschaft.
Als ^Mitglied des ,, Columbia-Turnver-
eins" sowie des ,, Sängerbundes" nimmt
Hr. Plugge lebhaften Antheil an deutschen
Bestrebungen. Er ist ein unternehmender
Geschäftsmann von echt deutscher Gesin-
nung und hat es verstanden, sich durch
sein joviales, gemüthliches Wesen viele
Freunde zu erwerben.
987
DR. ENNO SANDER.
Dr. Enno Sandci-. der preise l'räsiilent
der Enno Samh'r .Mint'ial Watcr Co. in St.
Louis, und einer der liervorra^'cndslen
Pharmazeuten und Chemiker »les Lande.s.
erhlifkte am 27. Februar IS'J'J in (h'r Ort-
schaft Trinicnm lifi Kdthcii im .\nhalt'-
schen als Snhii von K.irl l-'i-irdi-it-h und
Emilie Sander. <;eh. Palm, das Licht di'i-
Welt. Er be.suehte in seiner .lu-riiid die
Gynuiasien in Zerbst. Eisleben inid Köthen
und studirte nach dei-en Absolvirniif; zu-
erst an der Universität Berlin inid spätei*
in Halle, von wo er im .lahre 1S47 |)i'omo-
virte. Wejjen Betheili«run<,' an der badi-
schen Revolution im Jahre 1849 wurde er
-■WjfTV-y
Das Wohnhaus Dr. Enno Sandtr in St. Louis.
verhaftet, prozessirt uml zu zehn Jahren
Gefängniss mit Einzelhaft vernrtheilt. im
darauffolgenden Jahre jedoch begnadigt,
aber ausgewiesen. Mit Andern wandelte
Sander dann nach Amerika aus. wo er im
Jahre 3853 in St. Louis eine Apotheke er-
öffnete, mit der er einen solchen Erfolg
hatte, dass er ein Jalir später eine zweite
Apotheke und im Jahre ISfi') eine dritte
anfing. Im letzgenainiten Jahre gründete
er seine ehemisehe Fabrik, die noch heute
besteht. Während di's Härgerkrieges wai-
er Major und Brigade-l^uartiermeister im
Stabe des Gen. John H. Gray.
Von 1871 bis 1874 nahm Dr. Sander
den Lehrstuhl für Materia .Mrdica nnd
Botanik am „St. Louis College <.f Thar-
maev ". »bis «-r n-orgaiilKirtc, ein, .\n
seinem K(». (ieburt.stai;, am 27. Felmuir
1IK>2. «'inaiMitf das erwähnte CuMeg»« ',hn
zum Profe.s.s»ir enieritu.s. Drei.vsig Jnhrc
lang (von lS«i4- 1H!»4) führte Dr. Sander
ein aiudyti.sehes lial>oratoriuni in St. Lonia.
Die St. Louis Academy of Science wählte
Dr. Sander isiil /u ihrem l'naokollsekretär
und im Jährt- darauf zu ihrem S4-hatzmeiM-
li'r. Im seinem 70. .lahrf crrifhletc er eine
Fabrik künsilitdu-r .Mini'ralwas.s4T. Sie
wunle 1S!»4 »niti-r th-m Naiiifii d«T Enno
SaiidiT .Mint'i-al Wati-r Co. inktir|Hirirt.
Dr. Santlt-r ist .Mitglied zahlreicher ge-
leiirter (Jesellsfhaftcn. so z H. <ler St. Louis
ÜR. KNNO .VWUKR.
Aeademy of Si-itMn-e, der Ilistorical S<H'icty
von St. Louis, der Ciiemieal StM-iety da-
selbst, der American Mcdical A.swM-iation,
der American IMiarnuiceutieal A.s,s<MMati»»n,
iliicii rräsidcnl er schon im Jahre 1871
wurtic. tlcr .Mis.souri State Phaniuieeutical
As.s(M'iation. <ler .Vnu'rican As.s«H'iation for
thc .\tlvane»*m»'nt of Science, des Verband.s
tjir .Militärärzte etc. Auch als Fachs4'hrift-
.stcller hat er sich cim n Namen gemacht
938
JOSEPH SCHLITZ BREWING COMPANY
EINE AMERIKANISCHE RIESENBRAUEREI.
Es war das bedeutungsvollo Jalir 1848,
in dem die politischen Wogen Deutschlands
hoch gingen, das den Gründer der Schlitz '-
sehen Brauerei gleich so vielen andern, die
mit den deutschen Verhältnissen unzufrie-
den waren, zwang, eine Ileimath in der
neuen Welt zu gründen, und so entstand
die kleine Brauerei in der noch verhältniss-
mässig .iungen Stadt IMilwaukee am IMichi-
gansee. Deutscher Fleiss, Ausdauer und
Sparsamkeit, gepaart mit amerikanischem
haber ein. Im Jahre ISl') unternahm Jos.
Schlitz eine Besuchsreise in seine alte Ilei-
math, doch leider sollte er sie nicht wieder
sehen, indem der Dampfer „Schiller" an
den Scilly Islands unterging und die meis-
ten der Passagiere mit sich in die Tiefe zog.
Nun lag die Geschäftsleitung in den Hän-
den der Gebrüder T^ihlein, die die Brauerei
mit solcher Umsicht betrieben, dass die Ver-
käufe von 70.000 Barrels im Jahre 1875 auf
über anderthalb [Millionen Barrels im Jahre
JOSEPH SCHLITZ.
der Gruender der Brauerei, dessen ..Bier Milwaukee
beruehmt machte".
Erfindungs- imd Unternehmungsgeist,
liessen das Geschäft wachsen, sodass es
heute eine Zierde der Stadt ist, und in
Fachkreisen als IMusterbrauerei nicht nur
der westlichen Hemisphäre, sondern der
ganzen Welt betrachtet wird.
Während die Brauerei bis zum Jahre
1873 Alleinbesitz von Jos. Schlitz war, so
wurde jetzt eine Aktiengesellschaft ge-
gründet und die Neffen des Besitzers, die
GebrüderUihlein, traten als Geschäftstheil-
1907 anwuchsen. Da.s Aktienkapital be-
trägt jetzt $12,000.000. das sich aus-
schliesslicli im Privatbesitz befindet. Die
Anlage der Brauerei selbst ist eine ideale
zu nennen ; obwohl am Berge belegen, sind
die Eisenbahnverhältnisse die denkbar
günstigsten. Die Eisenbaluistränge laufen
bis in das Herz des Riesenetablissements,
sodass nicht allein die Waggons direkt am
Abfüllhaus geladen werden, die im Som-
mer die stattliche Anzahl von 80 — 100
"Wa^j^oiis prt) Ta«; »'ri'ciclifii. s<iu«|i'iii aiidi
■die panzc Hctourtraclit v(»ji Icrron Fässern
und Kisten und Flasclicn. sowie die säinnit-
lichen Materialien, K^'J^m^I«'" direkt in di«-
speziellen DepartnuMits; in unmittelbarer
JNähe befinden sieh die Kt)hl('nhöi'e und
Eishäuser, in denen das zum Versandt des
Bieres nöthi^e Eis anfjrt'speichert wird.
Das Areal der Brauerei lunfasst etwa <i
Blocks, auf denen sieh die stattliehen
tius Stein und Stahl errichteten Gebäu-
liehkeiten erheben. Alle wissensehaft-
lichen Errun«rensehaften auf ehemiseh
brau-teehnisehem sowohl wie pHanzen-
phj'siologisehem Gebiete werden ver-
Tkverthet. und während eines Kund<ran«res
«30
sflijit't anf pneumatischem We^re herge-
stellt. Das (lährhaiLs hat einen Flaelien-
raum von \'M) x l'>(> Fuss utul sind in don
>i Sto«*kwerken hier die (fes4-hl(H«wncn
(lährbütten von je fHM) Itarrels Iidialt auf-
trestellt. Das sielM'nte St«M'kwerk dient als
jrekühlter La^ernnuii für <»(KK( Ballen
IIo|)fen. einheimischer sowohl wie aller-
feinster (Qualität böhmisi>hcr utid bnirischer
Hupfen. Die Lagerräume halM-n eine Ka-
pazität von .').'»(>.(>(>(( jiarn'ls. Die K«'ller-
räume werden alle künstlich auf einer
Temp<'ratur nahe dem (Jefrierpiuikt jjehal-
ten und siiul zu diesem M<*hufe im Sommer
8 Eismjusi'hinen mit einer täßli<'hen Kapa-
zität von :.'(>( M) Tonnen thäti«. die nelK-n
DIE BRAUEREI DER JOSEPH SCHUTZ BREWING CO. IN MILWAUKEE. WISC.
durch die ausgedehnten Räumlichkeiten er-
fasst den Fachnuuin die Bewundennig für
■die praktische Anlage allerorts, während
der Laie die allerwärts herrschende pein-
liche Reinlichkeit nicht genug rühmen
kann. Das 7-stöckige Brauhaus i.st 120
Fuss hoch, die sänuntlichen Behälter sind
gallerieartig um einen gros.sen Lichthof
Aufgestellt. Es wird nach dem Gravita-
tionssystem gearbeitet. Die jährliche Ka-
pazität beträgt 2.750,0()() Barrels. Der
ganze Malzbedarf wird im eigenen Ge-
dcn anderen Urauerci umi elektrischen
Kraftmaschinen. Iieleuchtungs;udage. I'as-
teurisirungsappa raten für Fla.schcnbiere
eine Dampfkes.selanlage von 7(HH) Tferde-
kräften erfordern. Das zum Kondensiren
des Ammoniakga.ses wie des Dampft's der
Compitundmaschinen nüthig.- Kühlwiwsi'r
wird mittelst eigener rum|»werke, die eine
tägliche Kapazität von «J Millionen (Jallo-
nen haben, vom .Milwaukee Fluss na«'h der
Brauen'i befördert. Dii« liraucrei In-sitzt
ihre eigene Fa.ssfabrik. wo alljährlich 75 —
940
100. OdO Gebinde vt'r-schicdciit'i- Grösse ver-
iVrtigrt werden; aiieli «lie irrosscMi Hierbe-
hlilter l)is zu SöO B.ii-i-els Iidi.ilt wurden im
Gesehäft sell)st fabrizirt ; In neuester Zeit
wurden aucli 300 glaseniaillirte Stahll)e-
hiUter mit einer Kapazität vini 625 Barrels
für Lagerzweeke aufgestellt. Die komplete
Masehinenwerkstätte dient zur i)r()mpten
Erledijrun«r aller vorkommenden Repara-
turen ; aus.serdem besitzt die Brauerei
eifrene Selireiner- und Anstreieherwerkstät-
ten. 100 Pferde besorjxen die nöthigen
Fuhren von Kohlen und Eis und Abliefe-
runjü: des für die Stadt bestimmten Bieres.
In der Hraueici sind etwa 500 ^Mann ange-
stellt. Die Flasehenbierabfüllanlage ist
mit allen modernen Einriehtungen versehen
\uid vielleieht die denkbar praktischste in
der ganzen AYelt. Dieselbe ninnnt einen
Fläehenraum von 250 Fuss bei 350 Fuss
ein und ist 3 Stockwerke hoeh. Auf beiden
Seiten liegen Eisenbihngeleise zum Tjnden,
respektive Entladen der Waggons, in denen
das Bier seinen Weg von Ozean zu Ozean,
man kann sagen, über die ganze Welt fin-
det. Der ganze Betrieb ist elektriseii ein-
gerichtet und herr.seht sowohl im Winter
wie im Sonnner ein bienenähnliches Trei-
l)en von ^Mäiniern. Frauen, ^Mädchen und
Knaben, die die stattliehe Zahl von 1200
im Sonnner erreichen, um die 450.000 Fla-
schen i)ro Tag abzufüllen und sehön eti-
quettirt zum Verkauf fertig zu stellen.
Eine 600 Fuss lange kupfenie Leitung
bi'ingt das Bier direkt vom Lagerhaus zum
Abfüllajiparat unter absolutem Ausschluss
von unreiner Luft.
"Wie Pilsen und ^München, so ist auch
]\Iilwaukee durch sein Bier berühmt ge-
worden ; insbesondere Avar es das Schlitz-
Bier, das. einem mächtigen Strome gleich,
von ]\Iilwaukee aus die ganze Welt über-
tiuthet und den Namen ,,!Milwaukee" über
alle Theile der Erde getragen. Mit vollster
Berechtigung trägt es daher die stolze De-
vise: *'The Beer that made ^lilwaukee
famous. ' '
941
SCHORR & KOLKSCHNEIDER BREWING CO.
EINE ERFOLGREICHE BRAUEREI-GESELLSCHAFT IN ST. LOUIS.
Unter den ei-sten Bniuoroicn der Stadt Stadt St. Louis und lirfern nur Wur in Oe-
St. Louis, welche ihre rnahhän«rif;l<eit he- l)indfn, kein Flaschenbier,
wahrt hahi'u. niuiint neben ,,Buscir' nml Die Ii<*aiiitt'n des panz deutsch-aineriku-
..Lemp" die Brauerei vun Sehorr und iii.schcn Etablissements sind: PrÜNident
Kolkselmeider eine der ersten Stellen ein. Jacol) B. Sehorr; Vize-Präsitlent und
Dieses ist um so mehr an/.uerkcinicn. weil Sciiat/mcister Iliiirv \V KolksehneidiT
TSaat^S-
DIE BRAUEREI DER SCHORR & KOLKSCHNEIDER BREWING COMPANY IN ST. Lul [,
sie erst im Jahre 1901 gegründet wurde, und Sekretär .Inlni Ci. S<-h(.rr. Herr
In dieser kurzen Spanne Zeit ist das Pro- Jae. B. Sehorr luid II«'!iry Knlksehneider
dukt dieser Brauerei mein- als venliei- waren v.r r.ründung ihrer Brauerei 28
facht worden, eine Thatsaehe, die ver- resp. L»l .Jahre Angestellte lokaler Hraue-
einter deutscher Energie und Umsieht zu- n-ien. Bei ihrem Bestrel)on, nur da« Beste
zuschreiben ist. Dabei beschränken die zu liefern, kann ihr rnteniehmen nur von
Eigenthümer ihren Handel allein auf die Erfolg begÜTi.stigt sein.
9 2
WILLIAM J. LEMP.
^Vlll. J. Leinp. der am 13. Februar 1904
verstorbene Präsident der Wm. J. Lemp
Brewing Company in St. Louis, hatte im
Jahre 1836 in Deutscliland das Licht der
Welt erblickt. Sein Vater, John Adam
Lemp, wanderte noch im selben Jahre nach
Amerika aus, liess aber den Sohn William
zurück. Zwei Jahre sjiäter, in 1838, kam
Adam lAMiip von Cinciiniati nach St.
Louis, wo er sich uiederliess und an der
Zweiten Strasse, zwischen Walnut und
Elm Stra.sse, eine kleine Brauerei anfing.
Im Jahre 1848 holte er seinen Sohn Wil-
liam, der jetzt zwölf Jahre alt war. in
Deutschland ab und brachte ihn mit sich
nach St. Louis. Dort besuchte William
erst die öffentlichen Schulen und später die
St. Louis University. Nach Absolvirimg
der letzteren trat er in die Brauerei seines
Vaters ein und brachte es bald vom ge-
wöhnlichen Arbeiter zum Vormann und
schliesslich zum ^Manager des rasch aufblü-
henden Geschäfts. Als der Bürgerkrieg
ausbrach, trat Wm. J. Lemp in das dritte
Regiment ein, wurde aber schon .im Herbst
1861 als „Orderly Sergeant" wieder „aus-
gemustert ' '. Nach dem Tode seines Vaters
im Jahre 1862 übernahm Herr Wm. J.
Lemp die volle und alleinige Leitung der
grossen Brauerei. Das Geschäft nahm der-
art zu, da.ss mehr Raum für dasselbe be-
schafft werden musste, weshalb ein Grund-
stück an der Ecke der Cherokee Strasse
und der Carondelet Avenue, der jetzigen
Dreizehnten Strasse, gekauft wurde und
die ganze Brauerei dorthin übersiedelte.
Neue Gebäude wurden von Zeit zu Zeit er-
richtet, mit dem Resultat, dass die gewal-
tige Brauerei jetzt fünf Blocks bedeckt,
einen eigenen Zugdienst hat, vielen Hun-
derten von Arbeitern Beschäftigung gibt
und das Aussehen einer kleinen Stadt hat,
mit einer breiten Avenue — nach dem
Gründer Lemp Avenue genannt — längs
dem Riesenanwesen. Die Höfe, von denea
aus das Bier versandt wird, nehmen ein
Dutzend Blocks am Fluss und am Bahnge-
leise ein, und mehrere hundert „Refrigera-
tor-Cars" sind beständig im Dienst. Die
Produktion ist eine ganz enorme, denn ab-
gesehen von der gewaltigen Nachfrage in
Stadt und Staat, wird das Bier der Wm. J.
Lemp Brewing Co. nach allen Theilen der
Vereinigten Staaten, nach Mexico, nach
Central- und Südamerika, sowie nach Aus-
tralien vereandt. Ausser der Centralstelle
in St. Louis hat die Lemp Brewing Co.
überall in den Ver. Staaten ihre Filialen
imd Depots. Hunderte von Tonnen Kunst-
eis werden überdies täglich in der Riesen-
anlage der Company produzirt. Herr Lemp
zeigte stets grosse ]Menschenkenntni.ss und
ein gesundes Urtheil in der Auswahl seiner
Assistenten und Untergebenen — nur
durchaus tüchtige und für die betreffenden
Stellen qualifizirte Männer wurden von ihm
herangezogen. Die so gewonnenen Leute
trugen wesentlich zu dem grossen Erfolge
des Riesen-Etablissements bei.
Im Jahre 1892 wurde die Brauerei inkor-
porirt unter dem Titel „William J. Lemp
Brewing Company" mit folgenden Beam-
ten: Wm. J. Lemp, Präsident; AVni. J
Lemp, Jr., 1. Vizepräsident; Louis Lemp,
2. Vizepräsident ; Charles A. Lemp, Schatz-
meister.
Herr W. J, Lemp war als Aktionär an
Brauereien in Texas, sowie an einer Reihe
von Kunsteis-Fabriken in verschiedenen
Staaten der Union betheiligt. Das von ihm
bei seinem Tode hinterlassene Gesammtver-
mögen wurde auf rund $24,000,000 ge-
schätzt. Die Hauptmasse dieses Riesenver-
mögens vermachte Herr Lemp in seinem
Testament seiner Wittwe und seinen Kin-
dern, während die von ihm schon bei Leb-
zeiten unterstützten Wohlthätigkeits-Insti-
MS
tute mit Legaten bedacht wurden. Als sen Gesehäftsuntenu-hiiieu als Aktionär \h--
Mitglied der Merehants' Kxcliange und tlieiligt.
Vizepräsident wichtiger Ivoniites dieser Am '.i. Dezemhi'r ISdl hatte Herr Leiii|»
Körperseliaft war dir \'(isti)rl)ene stets die damalige Miss Julia l'YMckert zum Altar
darauf bedacht, die industriellen und kom- geführt. Fünf Söhne und drei TcM-hter
merziellen Interessen der Stadt St. Louis sind dieser Ehe eutspros-scn, \nid von ihnen
nach Kräften zu tT>rdfi-n. Amli ;in zwei h-bcn noch: AVm .1. Leiiip. jr. ; Lt»uis F.;
WM. J. LEMP.
Bankinstituten erster Klasse in St. Louis Clu.rles .\. un,l i:.l"i., A Lomp; f.Tuor
war Herr Le,„p interessirt. und zwar als .\nna, Ga„i„ .1.^ Hrn. A .-xanaor ho a,
Mitglied der Ersten Nati,.nall«,nl<. die eines Ak.,enn,akl,..^ u> St. Lou."i "-l^'.
später in der Lafayette Bank auffing, so- die Gattn, d.. '■-'";""\™. ^.^°', J^lu
wie als Direktor der „German Savings In- l'abst, eu.es Sohne» des ^" " ";.2
stitution". Aus.serdem war der Verstor- erfiirsten. sowe d,e jüngste T-n-htcr, Kl««
bene noch an verschiedenen hiesigen gros- Lcmp.
BS
944
VICTOR SCHLITZ.
Offizier im deulsch-franzoesischen Kriege. Gross- Schatzmeister de» Ordens der Hermanns-Soehne im Staate Wisconsin
und einer der angesehensten deutsch-amerikanischen Ceschaeftsleule der Stadt Milwaukee.
Victor Schlitz wurde am 15. Oktober
1849 zu Mainz, Grossherzogthuni Hessen,
geboren. Nachdem er das Real-Gymnasium
zu Mainz absolvirt hatte, erlernte er die
Kaufmannschaft und. um seiner Militär-
pflicht Genüge zu leisten, trat er im Jahre
1869 als Einjährig-Freiwilliger in das 2.
Posener Infanterie-Regiment No. 19 ein
und diente während des siegreichen Feld-
zuges 1870 — 1871 als Lieutenant des 3ten
Hessischen Infanterie Regiments No. 117
(Leib-Regiment).
Im Jahre 1872 wanderte er nach Ame-
rika aus, kam direkt nach INIilwaukee, Wis.,
und trat in das Wholesale Wein-Geschäft
seines Vaters Charles Schlitz, welches von
dessen Bruder John Schlitz im Jahre 1869
gegründet und geführt wurde.
Im Jahre 1879 übernahm Herr Victor
Schlitz das Geschäft auf seine eigene
Rechnung; dasselbe besteht heute noch
unter dem Firma-Namen Victor Schlitz,
Importer, Distiller & Wholesale Dealer in
Wines and Liquors.
Er nahm an allen deutschen Bestrebim-
gen einen sehr regen Antheil, besonders an
(U'iii deutschen Orden der Ilerinann's
Söhne, wo er, bereits seit :J;3 Jahren ein
thätiges Mitglied, alle Ehrenstellen innege-
habt hat und seit fünfundzwanzig Jaiiren
Gro.ss-Schatzmeister des Ordens vom Staate
Wisconsin ist. Der Orden verdankt seinem
thätigen ]\Iitgliede sehr viel.
Er war Mitgründer der West Side Bank
von ]\Iilwaukee imd seit 1895 Direktor der-
selben. Victor Schlitz ist der Neffe von
Joseph Schlitz, Gründer einer der grösstcn
Brauereien der Welt (Jos. Schlitz Brewing
Company) und ist heute noch Theilhaber
derselben.
Auch ist Herr Victor Schlitz einer der
Gründer der Lake Side Distilling Com-
pany, deren Fabrikanlage eine der best-
und schönsteingerichteten Distillerieii in
den Vereinigten Staaten ist.
Er gehört zu einer grossen Anzahl deut-
scher Vereine und ist stets für die deutsche
Sprache, Sitten und Gebräuche eingetre-
ten, und wo innuer es galt, das Deutsch-
thum zu fördern, war er stets zur Stelle.
«♦4:.
CASPAR DETHARD BOISSELIER.
Wohl Wcnijrt' können mit ^rösscn'in
Rechte Anspruch auf die Bezcichiunitr
., Deutsch-Amerikaner" erheben als Herr
Caspar Dethard Hoisselier. einer der tüch-
tifT^ten. aiifjesehensten inul erfol^'reichslen
Architekten in St. Louis. Kr jreliört zu den
hierzuland«' «rel>oreuen Söhnen d«Mitscher
Klterii. die, dank der Ausliildun'fT. welche
Merlin, worauf er im Mai 1875 naeli winer
(}ehurt.ssta<lt St. Louis zurückkehrte. Nach-
dem er als erster Zeichner luid AmiKtPiit
hei vei"schietlcneii Architekten da.<iell>st
thälitr war. wurd«- er 'i'hcilhahcr «ler Arehi-
lekten-Kirma K. Junucnfchl & Co.. später
..W'idmann. Walsii & Hoisselier". Im
Jahre liKKi efalilirte sich auf cit'cnc K«M'h-
CASPAR DETHARD BOISSEUER. HERVORRAGENDER ■ARCHITEKT
IN ST. LOUIS.
sie erhalten haben, dem deutschen Nanjcii
in Amerika P]hre machen. Kr erblickte
am 14. Oktober 1854 in St. Louis das Licht
der Welt, ging aber schon im dritt<'n Le-
bensjahre mit seinen Klteni nach Deutsch-
land, woselbst er seine P^rziehung und Aus-
bildung zum Architekten genoss. Drei
Jahre laug studirte er eifrigst bei dei
iiung als Architekt. Während der W.-It-
ausstellung in St. Louis war Herr Hois-
selier Mitglie<l der .\rehitektenKommis-
sion.
Herr H<.is.selier ist zur Zeit Mitvrlied von
iicht Vereinen luid erfreut sich s.-ines auf-
ri.htigen, biederen und recht.M-hafTenen
danre Jaug siucunc er eim^-^i . u ^.i,..,.i,»,,i,ir
ArchitekteD-Fir„>a Ende & Uück.uauu ... Wcscus halber aUBeuuMner Uo..h«. htunK.
946
EIN WORT UEBER FLEISCHMANN'S.
Es oricbt wohl keinen Iliiusliall-I^etliii'rs-
Artikel, welcher weiter hekiuiiit ist oder an
Iiaektap:en in iler Familie allgemeiner l)e-
nützt wird — in Bäekereien jeden Tag —
als Fleisehmann's Hefe.
In jeder Stadt, in jedem Orte in den
ganzen Vereinigten Staaten, iji Kanada 's
Provinzen, in Kuba, I\Iexiko nnd Porto Kieo
ist Fleisehmann's Tiefe, speziell für den Ge-
hraneh der spai-samen Uansfran oder des er-
folgreichen Packers zubereitet, zn haben.
Der Einführung der Presshefe (Conipressed
Yeast) in diesem Lande ist die bedeutende
Verbesserung in der Qualität des Brotes, die
seit vielen Jahren beobaehtet werden
konnte, zuzusehreiben. Seinen Einführen!
haben die Hausfrauen und Bäcker im All-
gemeinen daher ein gut Theil des Erfolges
zu verdanken, der ihnen die Qualität des
Brotes, des ., Lebens Stütze", verbessern
half.
Die Fabrikation von Presshefe wurde in
diesem Lande zuerst vor etlichen fünfzig
Jahren von Charles und IMaximilian
Fleischmaini begonnen, die sich schon in
Europa mit der Herstellung dieses Arti-
kels befasst hatten, alhvo Pres.shefe schon
seit dreiviertel Jahrhundert als Hebemit-
tel für Brod etc. benützt wurde. Sie be-
gannen das Geschäft unter dem Firmen-
Namen Fleisehmann & Co in Cincinnati,
Ohio, und eröffneten später eine Fabrik in
der Nacld)arschaft von New York. TTni
den Artikel, den sie herstellten, einzufüh-
ren und das amerikanische A^'olk mit seinen.
Vorzügen bekannt zu machen, wurde die-
ser Kontinent in zwei Sektionen getheilt —
der westlich des Allegheny Gebirges gele-
gene Theil wurde von Cincinnati aus von
dem \niter der persönlichen Leitung des
Heri-n Charles Fleischmann stehenden
Zweig der Firma gedeckt, während der
östlich von der Trennungslinie gelegene
Theil unter der Leitung des Herrn Maxi-
milian Fleischmann stand.
im .lahre ]^1'A wurde Herr .Jaiiies H.
Gaff, ein bekanntei- Kajiitalist von Cincin-
nati. in die Firm.i aufgenommen, die dami
den Xamen Gaff, Fleisclniiann & Co. er-
hielt. Herr Gaff starb im Jahre 1879, aber
die Firma wurde unter demselben Namen
fortgeführt bis 1883, in welchem Jahre die
Herren Charles und ^Maxinulian Fleiseh-
mann den Antheil der Frau Gaff käuHidi
erwarben und den Firmaiuunen wieder in
Fleischmann & Co. umänderten. Das Ge-
schäft wurde unter diesem Namen fortge-
führt bis L ]Mai 1905, als die Firma unter
den Gesetzen des Staates Ohio als ,.The
Fleischmann Co." inkorporirt wurde.
Herr IMaximilian Fleischmann starb im
IMai 1890, Herr Charles Fleischmann im
Jahre 1897.
Der Präsident der neuen Korporation,
der Achtbare Julius Fleisehmann, ist der
älteste Sohn von Charles Fleisehmann.
Herr Fleischmann hat ausgedehnte Ge-
schäftsinteressen. Er ist aktiv an mehreren
grossen T"''nternehnumgen hetheiligt, ist Di-
rektor mehrerer Banken und nimmt auch
am politischen Leben regen Antheil. Er
wurde im Jahre 1900 zum Mayor von Cin-
cinnati erwählt und wurde nach Ablauf
seines ersten Amtstermines wiedergewälilt.
Zur Zeit seiner ersten Erwählung war er
28 Jahre alt und w^ar mithin der jüngste
Mayor. den Cincinnati je gehabt hat. Trotz
der riesigen Anforderungen, die von seinen
zahl Teichen T^ntemehmungen an seine Zeit
gestellt werden, steht Herr Fleischmann
doch in engster Verbindung mit den gewal-
tigen Interessen, die in The Fleisehmann
Co. repräsentirt sind, und er leitet pei-snn-
lich die Geschäfte der Korporation.
Fleisehmann's Hefe wurde zuerst wäh-
rend der Centennar- Ausstellung in Phila-
delphia im Jahre 1876 im ganzen Lande
bekannt. Hier war eine ausgezeichnete Ge-
legenheit geboten, die Vorzüge von Fleiseh-
mann's Hefe als Hebemittel über irgend
U47
eine andere Sorte dein Pnhlikuiii auf prak-
tiselie AVeise vor Au^cn /.n fülinii. Das
Volk l)ey:riff diese Vort heile rasch, mid so-
fort w.nrde ilir Gehraueh ein all^'enieiner.
Das Gesehäft ist mit der Zeit voraiiffe-
sehritten inid liente ist Fh'isehiuann 's liefe
so zienilieh jeder Hausfrau und jedem
Bäeker im Landt' bekannt.
In der New York ./rrilnnie" vom '_*7.
Jaiuiar IST? sajrte der verstorhene Tlnir-
U)\v \Veed mit IVzug auf Fleiselnuann's
Hefe:
„Es steht zu holTen. dass die ilel'e.
welehe soleh' ausgezeielniete Resultate er-
zielt, in nieht allznferner Zukunft von
allen Bäekern des Landes z\n- Ilei-stellung
des Brotes benutzt wird. Die «ranze
menschliche Familie i.st ge\vis.sermassen
abhängig von dem, was von der höchsten
Autorität als ..Stütze des lielM-lls" l)e/.eirli
net wurde, lirot ist der eine Artikel, der
unersetzlieh ist. Statt d«*s llleiwliwen-n
StotTes, d«T «ler \*erdauunjf spottet und
niieht liebes Alpdrüekell Ver\irs}|eht. dlts
wir alle kennen, ktinnen wir jetzt dem
nieht zu fernen Tajr entj;ej»ensehen. an dem
auf jedem aiiH-rikaniseheii Tis«'h. wie in
( »eslerreieh. bekönunliehes. süvM-M und
nahrhaftes Hrnt pranp-n wird."
Die l*nt|»hezeiunjr <U*s Herrn WNmhI ist
längst viillkommen in Krfüllung gegangen.
Heute gieht es kiMue Gros.sstadt. Stailt o«|«t
selbst Ortschaft von irgendwelcher Bedeu-
tung, die nicht ihren Prozentsatz von
Bäckern uiul Hausfrauen hätte, die sü.s.ses,
leichtes und leicht venlauliehes Brot her-
stellen, und das Mittel, welches soh-h' vor-
zügliche Resultate erzielt, ist Flei.seh-
mann 's Hefe,
948
PITTSBURGER BRAUEREIEN.
Independent Brewing Co.
Das Braiigeschäft von Pittsburg war und
ist noch fast ganz in den Händen von
Deutselien. und Folgendes möge, so weit es
die vorhandenen Qnelh>n er]aul)ten, als ein
ge.sehichtlieher Auszug dienen. Im Jahre
1858 wurde von ]\Iartin Heehelmann und
Co. die Löwen-Brauerei gegründet und
20 Jahre mit mehr oder weniger Erfolg be-
trieben; nach Verlauf dieser Zeit Avurde
dieselbe an Damas Lutz verkauft. Die
Brauerei befand sieh am Fusse von Troy
Hill an Vinial Strasse, AUegheny. D. Lutz
war schon zur Zeit der Gründung der oben
genannten Brauerei in Yerl)iiidung mit
Xav. "Walz im Besitz einer nach damaligen
Verhältnissen ganz bedeutenden Brauerei.
Der Name war Lutz & Walz Brauerei. Sie
war an Ecke von Springgarden Avenue und
Chestnut Strasse gelegen und befindet sich
heute noch, ganz bedeutend vergrössert. an
demselbe)! Platze. Im Jahre 1804 ging die
Brauerei in die Hände der D. Lutz & Son
Brewing Co. über.
1886 wurde von Enz und Schäffer
Gerst's Ale-Brauerei, an Willow Grove
Station gelegen und jetzt zur Vorstadt
"Millvale gehörig, käuflich übernommen,
eine Bier- imd Ale-Brauerei eingerichtet
und 1898 an die American Brewing Co.
ausverkauft. Unter Leitung derselben
AMirde sie theilweise umgebaut und sehr
vergrössert. Beamte waren folgende Her-
ren : Präsident, "W. P. Hanseil ; Schatzmeis-
ter. J. H. SchäflPer. Sämmtliche oben ge-
nannte Brauereien befinden sich mit Aus-
nahme der ..American Brewing Co." in der
Stadt AUegheny, der jetzigen Nordseite
von Gro.ss-Pittsburg.
1899 wurde an der 22. Sti-asse, .Südseite,
von einem Konsortium die Duquesne
Brauerei errichtet. Dieselbe bildet mit
ihrem grossen Gebäude-Komplex nicht nur
eine imposante, sondern auch architekto-
nisch schöne Brauerei. Folgende Herren
sind die Beamten : Präsident, Ilcniv Miller;
Sekretär, Charles E. Succop ; Schatzmeister,
Friedrich Stuky. Im Jahre 1900 wurde in
^MeKees Bocks, einem Vorort im AVesteu
Pittsburgs, die erste National Brewing
Co., mit allen modernen Eini'iehtungen ver-
sehen, erbaut und zwar unter der Leitung
von folgenden Beamten : V. Wyst Thal-
man, Präsident; T. F. Keeling, Schatzmeis-
ter; John Lang. Sekretär. Femer wurden
in den folgenden Ortschaften in dem Zeit-
raum von 5 Jahren, das heisst von 1900 bis
1905, folgende Brauereien eröffnet und in
Betrieb gesetzt : Butler Brewing Co.,
Butler Co. ; Globe Brewing Co., IMononga-
hela City; Andert<m Brewing Co., Beaver
Falls; New Kensington Brewing Co.. New
Kensington ; Ilome Brewing Co., Brad-
dock; Charleroi Brewing Co., Charleroi;
Chartiers Valley Brewing Co., Carnegie;
Ilome.stead Brewing Co., Ilomestead; ^lo-
nessen Brewing Co., ^Nlonessen, und Hill
To]) Brewing Co., Südseite Pittsburg.
Im Februar 1905 wurde die Independent
Brewing Co. inkorporirt. Dieselbe um-
fasst alle oben genannten Kompagnien
unter der tüchtigen Leitung der folgenden
Beamten: Präsident. John Benz; erster
Vize-Präsident, W. P. Ilansell ; Vorsitzen-
der, Anton Lutz; Sekretär, John H.
Schäffer; Schatzmeister, Charles E. Suc-
cop; Verkaufs-Agent, James P. ]\Iulvihill.
Durch Vereinigung aller dieser Braue-
reien unter einheitlicher Leitung, und zwar
alle mit den neuesten Verbesserungen ver-
sehen, ist die Independent Brewing Co..
welche ein Kapital von .$1.3.500,000 reprä-
sentirt, in den Stand gesetzt, ihren Kunden
ein gutes, nahrhaftes Produkt zu verabrei-
chen; sie ist im Stande eine Million Fa.ss
jährlich zu brauen.
Pittsburg Brewing Co.
Im Jahre 1832 wurde von John N.
Straub eine Brauerei an 3. Avenue. Pitts-
burg, eingerichtet. Nach einigen Jahren
»4»
wurde dieselbe nadi Uhio Strasse. AUej^-
lu'iiy, verlegt, und zwar unter dem Xamen
National lirauerei ; benierK'i'nswcrtli ist.
dass in dieser Brauerei das irstf liagcrhier
gebraut wurde. Im -lalirc 1S!I(I wurde von
den Naebkommen des (»bcngcnannten Jolui
N. Sti-aub an Liberty Strasse, !(!. Ward,
ein l*raebtl)au erricbtet iiiitei- dein Xamen
Straul)'s Braiu'rei und mit allen damals be-
kannten modei'nen Kini'iebtungen verseilen.
Die Leitung wui-de gefülii-t von Ilerman
Straub, Präsident; Ileni-y ?\ieli(ils. Sekre-
tär, und Josejib Geyer, Superinteiidenl.
1845 war Adam Bäuerlein im liesitz einer
kleinen Brauerei mit '^ Fass Produktions-
fäbigkeit täglieli, gelegen an ljil)ei-ty
Stras.se, zwiseben i;^. und 14. Strasse. Pilts-
burg. 1868 bauten die Söbne von oben
genannten Adam Bäuerlein eine neue
stattliebe Brauei-ei. genannt die ,.Stai-
Brauerei", in ^lillvale, einer Vorstadt
Pittsburgs. Die Verwaltung derselben lag
in den Händen der folgenden Beamten :
Christ. Bäuerlein, Präsident; Adam Bäuer-
lein, Sekretär, und Friedrieb Klussnuni,
Superintendent.
1852 wurde von C. Eberbardt die Eagle
Brauerei an Vinial Strase. am Fusse des
Troy Hill, Allegbeny, gegrüiulet. Diese
Brauerei war die erste, in weleber Dami)f
als bewegende Kraft angewendet wurde.
Sie wurde fortwährend vergi'össert, und es
erstand im Laufe der Zeit aus jenem kleinen
Anfang die berühmte Eberbardt & Ober
Brauerei unter der Leitung von W. Eber-
bardt, einem Sohne des Gründers, und J.
P. Ober.
1858 gründeten August lUiveler und
Herm. A. ]\Iiller eine Brauerei an 33. und
Liberty Strasse, Pittsburg. Dieselbe ging
im August 18G1 an die Firma Frauenheim.
Miller & Co. über, wurde im Jahre 1S(;4 als
,,Iron City Brewery" auf Frauenheiin und
L. Vilsak übertragen. 18Sf) wurde diese
Brauerei als Iron City Brewing Co. iiikor-
porirt und zwar mit folgenden Beamten :
E. Frauenbeim. l'räsident; L. Vilsak. Vi/.e-
rräsiibiit, und A. Frauenheiin, Sokretär
und Scliatziiieister. Das (J^srhiift llorirl«;
ganz bedeuten«!; infolge d<'s.M«n wurden
gros.se Neul>auten errichtet und Verbindun-
gtn mit d.iii rilt.sburger-KJKeidiahn-NVtz
iitrgestellt, so «hiss die Hnuierci eim« der
grö.ssteii im Staat«' ist
185'J wurde t'ine kh'ine liraiiirrui von den
Hrüd.rii (n-org und Philipp (lenit in
Spriiigg.irdeii Avenue, in dem damaligen
Ki'serve Townsiiip gelegen, errichtet. Durch
N'erkauf in 1883 wurde <ler Name iu Hopf,
Koth & ('«». umgt'wandclt. Kin .lahr später
trat Isaak Ilipply in das (i«>schäft, und der
.\ame der Firma war nun llijiply & II»)pf ;
ISST wurde die Brauerei durch Feuer voll-
ständig zerstört und ein Neubau unter der
liciluiig \iiii Iliiiply uml Sohn errichtet.
Im Jahre 1858 wurde von den Herren
Leonbart, SehlafTner und Wei.'i.ser die
Amber Biviuerei gegründet. Si«» ging in
]S(iO in die Leitung von F. L. über und
Bruder über und wurde unter dem Namen
F. L. Ober & Brother Bn-wing Co. 1H8Ü
inkorporirt.
1883 wurde von diii (iebrüdcrn Michael,
AVolfgang luid Alois Winter die Keichen-
baeh'sehe Brauerei, an d-r 'J7. Stra.sse,
Süd.seite, gelegen, gepachtet und wurd»* so
erfolgreich verwaltet, dass nach Ablauf von
drei Jahren die oben genannten Brüder im
Jahre 188t) an der LM. Stra.s.se, Sü«lseite.
Pittsbnrg, eine schöne gi(»s.se. mit <len
neuesten Verbe.s.sennig«'n vei*sehen»' Braue-
rei erbauen konnten. Die Beamten waren
folgende: Michael Winter, Präsident;
Alois Winter. Schatzmeister, uiul Wolfgang
Winter, Superintendent.
ISST wiinle die Keyslone lirauerei an
Carson und 32. Stra.sse, Süd.seite, Pitts-
bürg, erbaut ; dicselbi' erhielt alle mcKJer-
iicn Kinrichtungcii und stand unter der
Leitung folgender heaiiiten : Mdijainin
Schmidt. Präsident; J«>seph Lantner. Vi«e-
l'räsiih'iit. und William Kusk«'. Sekretär
und Schatzmeister. ISDI vuid.' vnn .leii
9^0
Herren Drabner und F. W. I\Iüller die an
der Ecke von L*4. und Sinalliiuni Strasse
gelegene Phönix-Brauerei käufii<'li über-
nommen. Sie wurde tbeilweise umgebaut
und mit den neuesten Einrielitungen ver-
sehen. Im Februar 1899 wurde die Pitts-
burg Brewing Co. inkorporirt und zwar
unter der Leitung folgender Herren : F. W.
]\Iüller. Präsident; L. Vilsaek, Vize-Präsi-
dent; W. Ruske, Sekretär; J. P. Ober,
Sehatzmeister; Ilerman Straub, General-
Superintendent. Die Pittsburg Brewing
Co. besitzt ein Kapital von 1^19,500.000 und
eine Produktionsfähigkeit von l.öOO.OOO
Fass Bier jährlicli. Ausser den oben be-
sehriebenen Brauereien, welclie sich
sännutlich an die Pittsburg Brewing Co.
angeschlossen und verschmolzen liabcn, ist
dieselbe nocli in dem Besitz von Zweig-
Brauereien; (liesclhcn befinden sich in
folgenden Ort.schaften und Vorstädten :
^IcKeespoi't. l'iiiontown, Latrobe, Connels-
ville, Jeanette, Mt. Pleasant und Lawrenee-
ville.
SCHUETZ. RENZICHAUSEN & CO.
Diese P'irma ist eine der ältesten deut-
sehen Firmen im Engros-Geschäfte und
gleichzeitig der bedeutendste Importeur
von Spirituosen und Getränken in Pitts-
burg und West-Pennsylvanien, ebenso die
einzige Firma, die seit der Gründung kei-
nerlei Wechsel in der Geschäftsführung
vorzunehmen sich gezwungen sah. Gegrün-
det am 1. Dezember 1879 von den Herren
Henry Sehuetz, jr., Frederick Christian
ßenziehausen und Fred. Guedeman, bezog
die Firma Frühjahr 1905 das 9stöekige Ge-
bäude, 427 Liberty Avenue, das sie ganz
allein in Anspruch nahm. Leider wai-d
Herr Fred. Guedeman im Jahre 1892
durch frühzeitigen Tod dahingerafft, wo-
rauf Schuetze und Renzichausen des Ver-
storbenen Antheil kauften und das Ge-
schäft in unveränderter Weise weiter-
führten.
Die Gründer der Firma wurden in
Amerika geboren, Herr Guedeman 's Eltern
jedoch kamen aus Deutsehland. Herrn
Sehuetz 's Eltern sind Rheinpfälzer, Herrn
Renzichausen 's Vater ist Ilainioveraner
und seine Mutter von ^lecklenburg.
Bezüglich des Geschäftes sei erwähnt,
dass die Firma wegen der Qualität und
Reinheit ihrer Waaren sich des besten
Rufes erfreut, da sie ja nur von den Fabri-
kanten und besten Quellen direkt bezieht.
so z. B. Weine und Mineralwa.sser von
Deutschland, Ciaret und Champagner von
Frankreich, Gin und Cordials von Holland.
Sherry von Spanien, Port von Portugal.
Seotch von Schottland und Irish von
Ireland.
Die Herren Henry Sehuetz und F. C.
Renzichausen sind ^litglieder der besten
deutsehen Gesellschaft, von Gesang- und
Turn-Vereinen ; sie haben stets regen An-
theil an der Entwicklung des Deutsch-
thums der Stadt genommen und sich jeder
Zeit mit offener Hand hilfsbereit und wohl-
thätig erwiesen.
BIRMINGHAM FEUER-VERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT.
Die ßinninghani Feuer- Versicherungs- Di'- .j«'t/ij,'en Roamt^n sind : Herr Chiw.
Gesellsehaft in Pittsburj,' zeic-liiu't sich .M.-lliii).r, l'HLs.; Wm. Kn.sk.'. Vi/..'.l'riüi.i
tluivh reelles FiiiKlamciit aus. Die Zahlung; Iv (J. Sclu.lz,., S.-krHiir; J..lm liu«l.)li)li*
einer halb.jährliehen Dividende von 10', S..|iiit/.ni.'i.ste^ nnd die Dir.'ktor.'H : Lwiih!
beweist, dass das den Beamten enlt,'cjrcn- KanfiiiaiMi, Fred, liiihlrr, l\-{. .1. Kwliiig,
tjebraeliti" Vertrauen gereehtferti-rt ist. (;.■<.. 'Pocrgc, (ico. llofnieLstcr. .I..lm Sei'
Gegründet am 20. August 1S71 mit r.rlli, John Kndolph. Cha.s. Srhim'lz, Wiii.
einem Kapital von $10(M)()0 wurde da.s Henning, (i.-o. Di. hl. Aenderungen in der
Kapital auf $200,000 im näehstcn Jahre er- Leitung landen slatl im .lahre IST.'), als
höht, 27. Dezend)er 1872. Die Gesell.sehaft der .jetzige l'riLsident. Herr Clias. Melling.
zeiehnet .jetzt einen Uebersehuss von $i:i8.- da.s erstemal al.s Präsident erwählt wurde,
4;^•{ und die Bezahlung der 10'; Dividende tlaiin In .hihre .später, IHH.'». und ikm-IimiuIs
ist seit Januar li)07 in Ki-aft. 1887. als Herr F. G. Öehoize zum S<'kretär
Die ersten Beamten waren: Herr John P. gewählt wnrde. welche Stelle er jetzt n<K-h
Heisel, Prtls. ; Cha.s. Foerster, Vize-Präs.; bekleidet.
Fred. ^Maul, Sehatzmeister; Wm. Ruske, Die Gesellschaft ist am 4. Dez.-mber 1!>(>4
Sekretär, und die Dii-ektoren: Ernst Kolu-- in ihr eigenes, neugebante^. prakti.s<'h und
ka.ste, John Eitenmiller, Bendi. Krugh, geschmackvoll eingerichtetes Heim 1812
Adam Krugh, (J. II. Anderson, John B. (Uirson Str., einzogen, ein zweisÜM-kiges
Lutz, Geo. Engelking, Gg. Kiefer. Backsteingebäutle mit Steinverzierung.
WM. F. BENKISER.
Ein Beispiel deutschen Unternehmungs- seren Städten Europas, Afrika.s, Austra-
geist es und Energie bietet die .4 «.s'////u//.sc/<r liens und Chinas; sie finanziert Lieferun-
AbtJuiluiig der First National Bank of gen vom uiul in das Ansland. hat ihr
Pittsburg. Als Wechsel- und Sehift'ahrts- eigenes Kredit-Brief-System üljcr die Welt
Gesellschaft ursprünglich von dem öster- und besorgt Erbsehafts-Kollektionen.
reichischen Konsul ]\Iax Schamberg im Die First National Bank, mit einem Ka-
Jahre 1866 gegründet, übernahm Herr J. pital und Tebersehuss von $:},211,(MM» und
E. Hirech 1887 die Leitung. Im Jahre Aktiva von $21,000.000 vollendet z. Z. ihr
1901 wurde das Geschäft der Firnui Max eigenes östöckiges Ge.sehäft.s-Gebäude an
Schamberg & Co. von der Fii-st National Wood und .">. Avenue. aus.sehlies.slieh für
Bank käuflich erworben und die Führung eigenen Gelirauch. und wird hier beson.lers
Herrn Win. F. Benläscr aus Stuttgart, Kücksi<-ht auf dii' Auslämli.sche Abth.-ilunR
Württemberg, anvertraut. Herr Benkiser genommen. das.s es di«- vollkommenste,
war bereits seit 10 Jahren mit der Firma gr(is.ste und modern.sfe Einrichtung erhält.
verbunden. Unter Herrn Benkiser 's Lei- Alle Bequemlichkeiten für Durclm'isende,
timg gewann das Geschäft so an Ausdeh- und vorzüglich für Damen, werden berüek-
mmg, dass die Anzahl seiner Angestellten sichtigt: alle bedeutenderen Zeitungen
von 7 auf 37 anwuchs. Europas luul Amerikas liegen auf uiul alle
Die Bank repräsentirt jetzt alle Schiff- Auskunft und rntei-stüfzung wird Frem-
fahrts-Linien, hat Guthaben in allen gros- (h-n un.l Ausländern zu theil.
9S2
C A. HARTMANN.
Ein lierber Vorlust für das hiesige Ver-
einslebcn, speziell für die versehiedeneii
(JesiiiifTvereine Philadelphias, war es, als
Ilt'n- ('. A. Ilartiiiaiiu. der «reniale Musiker
und Vereins-Diri^ent. nach langjälirij^er,
äussei-st erspriessl icher Thätigkeit sich mit
dem 1. .lanuar 1!»0S ganz vom hiesigen Ver-
einsleben zurückzog, um mir noch seiner
Familie und seiner Kunst, sowie seinem Be-
rufe als Musiklehrc)- zu leben.
C. A. HARTMANN.
Herr C. A. Ilartmann wurde am 10. ]\Iai
1859 hier in Philadelphia geboren. Sehon in
frühester Jugend bekundete er ein beson-
sonderes Talent für ^lusik. Singen war
sein grösstes Vergnügen. Im Jahre 1871
übernahm Herr James Pearce, Chordiri-
gent an der St. Markus p]piskopalkirehe,
den Gesangs-Unterricht des damals zwölf-
jährigen Knaben, der von seinem 13. bis
zum 15. Jahre Sopran-Solist des Knaben-
chors der St. Markus-Kirche (beiläufig ge-
sagt, des ersten Knabenchors in Amerika)
wai- und ein höheres TJchalt bezog, als
irgend einem Knaben vor oder nach ihm in
einer Philadelphier Kirche bewilligt worden
ist. Späterhin nahm der junge Ilartmann
dann eine Stellung in der St. Clenicii.s-
Kirche unter Leitung von W. W. (lilchri.st
an. in der er mehrere Jahre hindurch ver-
blieb. Gleichzeitig studirte er Vokal- und
Instrumental-]\Iusik bei den besten Lehrern
in der Stadt. Ln Jahre 1884 gab Ilorr
Ilartmann seine Stellung in einem hiesigen
kaufmännischen Geschäft auf, um sieh au.s-
schliesslich dem Berufe eines ]\Iusikers zu
widmen. Kurz nachdem er zum Musik-
Direktor der Liebhaber - Orchester - Gesell-
.schaft von Philadelphia und mehrerer an-
derer Organi.sationen ernannt worden war.
erhielt Hr. Hartraann im Herbst 1886 einen
Ruf nach Brooklyn, um die Leitung eines
dortigen angesehenen Gesangvereins zu
übernehmen, lehnte jedoch ab und beklei-
dete von da ab Dirigenten-Stellen in meh-
reren Vereinen in Philadelphia und Tnige-
gend, sowie in Trenton. Im Frühjahr 1889
dirigirte er den grossen Chor von 500
Stimmen bei Gilmore's ^Nlaifest. das vom
25. bis 28. Mai in der hiesigen Acadeniy of
^Insic abgehalten wurde. Bei den Vorbe-
reitungen für das 16. Nationale Sängerfest
in Xewark ersuchte ihn der Festdirigent.
Herr Franz van der Stucken, die Einübung
der Massenchöre bei den Vereinen in Penn-
sylvanien und Delaware zu übernehmen.
Nach dem Sängerfest erhielt Herr Ilart-
mann vom Beethoven >\Iännerchor in New
York einen Ruf, dem er folgte und dem
Verein 2i/> Jahre lang (1892, '93 und '94)
als Dirigent vorstand. Der Verein wün.sch-
te, dass Herr Ilartmann ganz nach New
York übersiedle, und bot ihm deshalb ein
festes Engagement für volle zehn Jahre an,
was Ilartmann jedoch — da er sein schönes
Heim und seine grossartigen Verbindungen
in Philadelphia nicht aufgeben wollte —
dankend ablehnte.
M3
Später war Herr Hart mann Diri{i;tMit dos
Philad('l]iliia (^nartett-Klul)s, dos Concor-
dia (iosaiiirviTciiis. dos Solnvoizor Müiiikm'-
ohors, doi- GosanirssoUtion der Phila. Tui-n-
<roiiiointlo, dos Ganil)rinus Sä iifjjor kränz so-
wie der Voroiniijten Sän}j:or von IMiiladol-
phia. Alle diese Vereinte lial)on unlor sei-
ner Leitung grosse l^oliobthoit und einen
beneidenswerthen Ruf erlangt.
Herr Ilartnuinn ist seit 1890 mit Anna
Katharina Dorner aus Philadelphia vorhoi-
rathet. Der Ehe entstannut eine Tochter.
Der Vater C. A. Ilartiuanns, ein WeJier
von Profession, war cinor der Froilu'itK-
känipon dos.Iahros 1H4H. Im Mjii 1H4H vrr-
liess dei-sellM- seine IFeimath KiKonaoh in
'riiiiringon inid landeto am .{. Juli in .New
York. Von dort kam er hierher iiaeh Phi-
l;nirlp|iiii. wo ei- im kaufmännisehen (Se-
sehäft t hat ig war. Für (hts (lesangs-Wi'sen
hokundete er .stets ein hohes Iriten'ss«'. Kr
war Ehrenmitglied des ..Jungen MäiUH-r-
eliors". der ..Harmonie" iuhI des ...\rion"
in Philadelphia.
GOTTLOB HAMMER.
Gottloh Hammer, geboren am 22. Juli
1863 in Reutlingen, Württemberg, kam
schon als Knabe von 2 Jahren im Jahre
1865 mit seinen Eltern, Gottlob und Katha-
rine Hammer, nach Amerika. Die Eltern
Hessen sich in Philadelphia nieder, untl der
Vater eröffnete eine Wirthsehaft, bis er in
1875 das Germania-Theater übernahm und
als Direktor desselben fungirte. Später
ging der Vater in 's Wirthsgeschäft zurück,
übergab aber in 1887 das als Hammer 's
Halle bekannte Geschäft an der Dritten
und Noble Strasse seinem Sohn, Herrn
Gottlob Hammer, der dasselbe bis ymux
Jahre li)(l3 weiter betrieb, dann aber sieli
in 's Privatleben zurückzog.
Herr Gottlob Hammer hatte vollauf Ge-
legenheit, im Verlauf der Jahre sich einen
enorm grossen Bekanntenkreis zu verschaf-
fen. Als rnii-um mag ajigoführt wonh-n.
da.ss er nahezu seohzig Vereinen und Logen
als ^Mitglied angehörte. So ist er einer der
Gründer dos Deut.sch - Amerikani.sehen
^'olksfe.stvereins und seit vielen Jahren
(le.s.sen Präsident. Lr ist ferner Vize-Prä-
sident dos Männer('h(»i"s, des ältesten deut-
schen Gesangvereins in den Vor. Staaiton.
Direktor der Deutschen (losollsehaft und
Ehioiimitgliod vei*schiodoner Militärver-
eino. Als der Doutseh-Amerikani.seho CVn-
tralbund in 's Loben gerufen wurth», war er
einei- der oi'sten, der für den.selben Propa-
ganihi mathte, und es hal)en seitdem nur
wenige Staat.s- und Xatioiud-Konvente dfü
besagten Hundes stattgefunden, denen er
nicht beigewohnt hat. Ks war daher eine
woiilverdiento Auszei<'hinuig. al.s er zu
einem iWr Vize-Präsidenten des hienigon
Zweiges erwählt wurde.
954
F. A. POTH.
\
Drnusson im iiurchvestliclieii Stadttheile hrat-lit und die Wissciiscliaft für das Braii-
von Philadeli)liia, in jener Gejrond, die den ge\verl)e erfunden hat. Im Jahre 1865 hat .
Namen Brewerytown führt, steht lieute auf dort ein .Mann, der heute allerdings nicht '
der Stelle, wo im Jalire 1865 eine kleine mehr auf Erden weilt, Herr F. A. Poth,
F. A. ROTH.
Brauerei eröffnet wurde, eine grossartige den Grundstein zu einer Brauerei gelegt,
Brauerei-Anlage, ein Etablissement, das die heute ein Stolz der Brau-Industrie Phi-
mit den modernsten und besten Einrichtim- ladelphia 's ist und die zu den besten und
gen versehen ist, welche der Fortschritt ge- bedeutendsten Anlagen ihrer Art im ganzen
956
Lande gezählt wird, eine Anlapre, die. wa.s Xord 33. Stra.s.se, vom To,l,. „l,lH.ruf,.n
I moderne Einriditunjren und Vt'rl)e.s.serun ward.'. Il.-rr Fri.'drich A. I'otli. hatte
am
, . ,. •• IIH.- Hill
^'.•n anhetnrtt, unter den crst.'u Brau-Hta- ü. .Miir/ 1S4() zu l'iniia.s..ns. nah«. Offruharh.
I blissenients der gnw/Am AVclt genannt wer- I.Mi.Mn|.falz. ihis I.irht d.-r \V..|t ».pblifkt'
den muss. K,,,!.. ,|,.,, -,,,,.,. ,j„|„.,. ,.,,„, ,.^ ^^^-^ ^.j^^^.^
I Unter unseren alten Mitbürgern giebt es Klt.-rn nach Am.-rika und war zuen<t in
I noeh Leute, die sich .in jenen kleinen An- niederen Siellungen thätig. bis e.s ihm An-
! fang erimiein. wci.-lic die lirauerei von fang .I.t (lOer .lahre gelang, sieh wllwt-
I 186Ö draussen an ;^1. und Jeftenson Strasse ständig zu machen, indem er eine Wirth-
I noeh im Geiste vorsieh sehen. AVenn solche schalt an der Hcke der .{. und (innu Str.
' Leute heute naeh Rrewerytown liinauskoiii- iilicrnalmi. Kr lieg.ini, ,hi.selbst zuerst für
j men, dann bleiben sie .staunend vor dem den eigenen (iebrau<-h liier zu brauen und
j Rieseu-Eta])lissement stehen, das nahezu erstand später ein (Jrundsliiek an der Nord-
zwei .städtische Hloeks bedeckt und das westecke der Ml. uiul .lelTei-smi Str.. wo er
I heute unter dem Firma-Namen F. A. Polh nach damaliger Sitte eim-n Kelsenkeiler nn-
I & Sons, Inc., Brcircrs, weit und breit be- legte. S|.äter übertnur er dahin die lirau-
! kannt ist. erei. und aus kleinen .\n langen wuchs
' Der Gründer der bekannten Brauerei- daraus eines der grössten Brau-Ktabli.s.so-
Firma F. A. Poth & Söhne, welcher am 21. ments nidit mir dieser Stadt, soiulern des
Januar 1905 in seiner "Wohnung, No. 21 G Landes empor.
DIE PETER SCHEMM BREWING CO.
in Philadeli)hia. welche ein Bier bi-ant. das Tod. Sein Si.lin führte das G<»sehäft
von deutsehen Bierkennern der Stadt dci- weiter. Kurz v(»r .seinem im Jahre l!M)fl
Bruderliebe mit Vorliebe getrunken wirtl. erfolgte Tode verkauft«' er di«- Brauerei an
hatte in Peter Sehemm einen erfahrenen die Brauer (Jebrüder Sehmiiit. P«'ter
deutsehen Brauer zu ihrem Gründer. Kr Sehemm .ir. war der Besitzer einer gnwtsi'n
fand auf tragische AVeise im Niagai-a den und wert livolh-n (iemähleSamndung.
956
FRIEDRICH MAYER.
Der Begruender der nach iKm benannten grossen Schuhfabriken in Milwaukee und Seattle.
Als T')ciikiii;il('r (Icutschcii Floisses und die Eiierf.'ie und den Mutli in sich fühlt.
dt'utschiT Strt'l)Sinnk('it kömicn die grossen die sich ihm ('iit<;('^('iistcncii{lcn Schwierip-
.Mjiycr'sclicn Schuh fühi-ikcii in Milwaukoo, kcitcn zu ühci'winih'n und (h'r Schiiiicd
Wis.. und in Seattle. Wasli.. insofei-ii jjel- seines (iliu-kes zu sein aus eif^ener Kraft,
tcn, als der Gründer dei'selhen. Friedrich Friedi-ich Mayer kam als junger Maini
Mayer, aus eigener Kraft sich eni- im Mai 1S51 aus seiner Vaterstadt
FRIEDRICH MAYER.
porgearbeitet hat, aus dem Kampf um 's Nierstein, Hessen-Darnistadt, hierher nach
Dasein als Sieger hervorgegangen ist und
bewiesen hat, dass Amerika nicht allein das
Land der unbegrenzten Mögliclikeiten ist.
soweit seine Hilfsquellen in Betracht kom-
men, sondern auch das ]jand des unbe-
Amerika. Er wandte sieh sofort naeh Mil-
waukee, Wis., wo er als Geselle bei dem
Schuhmacher R. Suhm Arbeit fand.
Der l'nternehnunigsgeist, der den jun-
gen IMann dazu getrieben hatte, die engen
grenzten Erfolges des Einzelnen, wenn er Grenzen seiner Heimath zu verlassen, um
967
nach den Ver. Staaten auszuwandern und
in der neuen AVeit sein Glück zu suchen.
war es auch, welcher ihn schon ein .lalir
später veranlasste, sich eine eijrcne Werk-
statt einzurichten, in der er Stiefel und
Schuhe nach ^lass machte, um] zwar in
einer Weise, wie dies niu' ein deutscher
Kunsthandwerker versteht. Die Schuhe
und Stiefel, welche Friedrich Mayer seinen
Kimden anniass und für dieselhen verfer-
tigte, waren nicht nur von bester Qualität
richtete, in der Scjnihe durch Hand- und
Maschinenltetricl) iierj;cstellt wunh'n. Kr
hatte von .Xiifjuij; an Krfi»ltr. und trar Itald
wusste man üWcrall, dass die von F Mayer
fahriziiten Srhulie Kijrcnschiifteii hatten,
wie sie jinderwiirts schwer zii tinden wairen.
Im .lahre IS'.IO hatte sieh der Uuf d.-s F.
Mayer 'sehen Fal»rikats ül»er die ganzen
Vereini«;ten Staaten verhreitet. Die Faltrik
wurde mit liestelluntrcii so überhäuft, ihiss
Herr- .Mayer sich f^enötlii|;t sah. seine Fa-
DIE MAYERSCHEN SCHUHFABRIKEN IN MILWAUKEE UND SEATTLE.
und gefälliger Form, sondern sie passten
auch stets wie angegossen, und Jeder-
mann fühlte sich wohl darin. Friedrich
Mayer ^vusste bei Jedem, der zu ihm
kam, „wo ihn der Schuh drückte", und
wusste dem abzuhelfen. So k;iiii es deiui
auch, dass er binnen kurzem derart mit
Aufträgen überhäuft war, dass er dieselben
kamii mehr bewältigen konnte.
In 1880 fing Friedrich Mayer au das
Schuhgeschäft im grösseren Massstab zu
betreiben, indem er eine Schuhfabrik er-
brikanlage zu erweitern. Heute umfa.s.sen
die Mayer '.seilen Werke, die hier im Hihie
den Lesern vorgeführte gr«)s.M' (lebäude-
(Jrupi)e. in den .Mayer 'sehen Fabriken in
.Milwaukee un.l Seattle können täglich
„iclit weniger als !».(MM» Paar Schuhe und
Stiefel liergestellt w«'rden. wozu ein ganze«
Heer V(.ii .\rbeitern erforderlieh ist. Nicht
weniger als M K4'isende sind in '2i Staaten
,l,.r Inion mit dem Vertrieb der Mayer '■
sehen Schuhe beschäftigt.
958
Friodrich ^liiycr starb am Iti. .Miiiv. 18!)3
und liinterliess das Ric'song:eschäft," das er
gt'^TÜndet und aufgebaut liatte. seinen drei
Söhnen George P., Fred. J. und Adam J.
Mayer.
"Was Du ererbt von Deinen Vätern hast,
erwirb es, um es zu besitzen" — diesem
Gnuidsatze folgten die Söhne und traten
in die Fusstapfen des Vaters, und heute
steht da-s ]\Iayer'sche Unternehmen wohl
einzig da in den ganzen Ver. Staaten und
ist, wie schon eingangs erwähnt, ein Denk-
mal deutsehen Fleisses und deutscher
Strebsamkeit.
EKHARDT & BECKER BREWING COMPANY,
EINE ERFOLGREICHE BRAUEREI-GESELLSCHAFT DETROIT'S.
Eine der renommirtesten Brauereien der
Stadt Detroit ist die der Ekhardt & Becker
Brewing Companj'. "Wenn auch nicht die
grösste Brauerei der Stadt, so nimmt die-
selbe doch eine Stellung ersten Ranges ein
infolge der feinen, vorzüglichen Qualität
ihres Produktes. Hier wird anerkannter
I\Iassen nur erstklassiges Bier gebraut, und
die Herren Ekhardt & Becker besitzen dies-
bezüglich einen weitgehenden Ruf in Stadt
und Staat.
Die Brauerei, welche schon seit 1882 be-
steht, umfasst einen Häuserkomplex von
etwa zwei Blocks. Sie ist mit den modern-
sten Einrichtungen versehen imd besitzt
eine Kapazität von 100,000 Barrels pro
Jahr. Vierzig ]Mann finden das ganze Jahr
hindurch in dieser Brauerei ihre lohnende
Beschäftigung. Das in dem genannten
Brauerei-Unternehmen angelegte Kapital
beträgt $150,000.
Die Leiter der Gesellschaft sind die
Herren August Ekhardt, "Wm. H. Becker
und Louis Becker. Sowohl Herr Ekhardt
als auch die beiden Herren Becker nehmen
am deutschen Vereinsleben den regsten
Antheil und unterstützen deutsehe Bestre-
bungen, welche darauf Anspruch machen
können, nach besten Kräften.
NAMEN-VERZEICHNISS.
Aliiior, Kdward Uli'
Ac'kerniann. Goetz n; I
AdltT, Felix ilÜN
Adirr, Georg J IjjM.»
Adler, Dr. Isaac .132
Albrecht, Charles 3.1S, 601
Albrecht. .Jacob 242
Alexander, Hermann :{jt4
Alpers, Wilhelm 382
Altgeld, Gouverneur .Johann Peter 605
Althaus, P:duard 2*19
Amberg, Gustav -i'M
Ainelung, Johann Friedrieh 64. 360
Amend, Joh 701
Anisinck, Gustav 610
Andriessen Hugo . 378
Angelrodt, Karl 220
Anneke. Mathilde Franziska 374
Anschütz, Carl 359
Anschütz, Georg 653
Apel, Wilhelm 387
Arendt, Baron 91
Arcnsburg, Karl Friedrich von 204
Arnibruster, Gotthart und Anton 4S2
Armstadt, George, Major 119
Arndt, Gottfried 66
Arndt. .Jacob i:^
Arneniann, Alfred 384
Arnold, Dr. Ernst Hermann 332
Arnold, H. K. F S16
Asmu.s, George -^^^
Astor, .Johann Jacob 26, 78, 3.58, 629, 630
Augustin, August F ' 387
Baare, Friedrich 638
Backhaus, C. F. E 372
Bachniann, Hermann ^'>8
Haer, Berthold A •"•'^"
Baerer, Heinrich 349
Baorudorf, Auguste von ■*-'•
Bäumler, .Joseph -■*6
Balatka, Hans 362
Ballier, J. F., General 1-*
F.ancroft, Geo 3, 10, 13, 27, 274
Bandmann, Daniel ^■''
Barchfeld, A. .J """
Barck, Dr. ("arl !•'"
H.'irgniann, Ewald I"
Markany, Marie
Harnay. Ludwig . .
Barth(ddt. Hichar.l
Barton. Benjamin Smith
Baruch, E. Washington
Baruch, Dr. Simon
Bauer, Carl Ferdinand
Bauer, Carl Friedrich
Baum, Martin
B.iumfcld, Dr. .Maurice
Baumgarten, l'rof. Dr. Gustav
Beaver, .James A
Beck, Karl
Beck. Prof. Dr. Carl
Becker, August
Becker, Aug. Ferd
Becker, Nicolaus Edward . .
Behaiin, Martin
Behr, Hans Hermann
Behrend, Bernhard Arthur
Bclirrnd, .Johann . .
Behrens, .Johann
Beissel, ( 'onrad
Bellmann, Bernhard
Belmont, August
Benignus, H<-rmann Wilhelm Heinrich
Benkiser, Win. F
Benroth, Adolf
Bente, C. W
H.Tcher. J
Berens, August .Johann
Berger, Carl P.
Berger. Geza . .
Bergmann, <'arl
B: ighdid, .\Iexander
Berliner. Emil
I{<'rndt, Bruno
Mt-rnhardt, Wilhelm, gestorben 1900
BerkfinciiT. (Jnttlifb <'
Berkowitz, Henry
Bertsch, Hugo . . ....
Berwald. Prof. Wilhelm
Bcttm. Kranz
]U-\rr. \'vnt'. |)r. (Seorg Eugen
Beyer, Dr. Hi-inrich «Jnstnv
Bck.i. Philipp
:i'<8
113
».»0
. üu7
. 274
. 3M
. 332
388
551
74
434
333
670
. 287,651
. 333
. 373
. 671
. 385
. M
375
646
. 358
651
.nr». 165,370
. 385
. .. 26,631
.... 3.HH
. »51
4.'>4
872, 878
. 878
3H3
. SlU
4.39
359
384
646
. 436
300
384
. 270
392
300
300
3(M>
. 333
. .383
962
Hien, Julius
Bier8tadt, Albert
BimpafTC. Christian . . .
Binder. Heinrich
Bischoff, August
Bitter, Karl
Blättermann. iSeo. . . .
Blankenliurg. Rudolf .
Blatz. Valentin, Sr. .
Blonker. General .Tulius
Bloede, Gertrude
Bioedel. 11. ('
Blum. Robert F.
646
344
•22")
377
428
349
610
919
134
386
816
345
Boas. Kmil Leopold ^^^
Boas. Prof. Dr. Franz 3'"^
Bode. Richter August H
Bodeck. B. Johann Bonaventura von
Böhm. Heinrich
Böhm. Johann
Böhm. Johann Philipp
862
33
75
482
161
Bölime, Pastor Ernst Adolf . . 300
Böhmer. Max ^"^J^
Boernstein. Heinrich ^^^
Botel. Heinrich ^'•^•^
Böttcher, Dorothea "^'^■*
436
300
452
151
820
389
Böttner, Wilhelm
Boisselier, Caspar Dethard 945
Bohlen. Henry 137, 616
Boldt, Prof. Dr. Hermann J 325, 333
Boll, Alwin -^35
Bollmann, Theodor ■^^■^
Bolza. Prof. Dr. Oskar
Bonnet. H. F
Borcke. Oberst Heros von
Bopp. Konsul F
Bosse. CJeorg von
Bosshard. Heinrich 386
Botz, Chas ^^^^3
Bouquet. Oln-rst '^
Brachvogel, Udo 397, 553
Brandner, Paul 389
Brannt, Wilhelm Theodor 647
Brandt. Prof. Dr. Hermann Carl Georg 301
Braun. Johannes 389
Brentano, Lorenz "^^^
Brentano, Theodor 61'^
Brethauer. Otto 376
Brill. J. G. und G. Martin 640
Briesen, Arthur von ^^^
Brockermann, Jr.. William Penn 893
Brück. Julius 3/8
Brückmann. Max "^39
Brühl, Dr. Gustav (Kara Giorg) 377
Brj'ce, James 3, 4
Buberl, Caspar 348
Buchau, John Printz von 31
Biinz, Dr. Karl öin
Bürckle, Johann Martin 38.5
Hunsen, Geo 288
Bundschu, Carl 385
Burg. Eugen 434
Burgess. Prof. John W 272
Busch, Adolphus 227. 9(l5
Butenschön, Nicolaus F 384
Putsch. Valentin ■'>'»2
Butz. Caspar 373
Byers, W. L 671
Cahensly, Peter Paul 708
Carlberg. G 3.')9
Carry, Albert ^12
Cartall, F. J «41
Carus, Paul A 301
Cassel. Abraham H '<94
Ca-stelhun, Friedrich Carl 378
Castell, Graf von '"
Christmann. Johann 652
eist, Carl 485
Clas. Alfred C 351
Clemen, Prof. Paul 3(H, 302
Cohn, Prof. Henry 302
Cohn, Henry S 5ü7
Collitz, Prof. Hermann 298
Collmer, Julius •*■''
Conried, Heinrich 431
Conze, Alexander 3H.o
Cotrelly. Mathilde 429
Cramer. Gustav ^"-^
Crellius, Joseph ^^'
Cronau, Rudolf 3*'
Cummerow, Otto -^"3
Custcr, General George A
Currlin, Albert
81
819
571
360
Dänzer, Carl
Damrosch, Leopold
Damrosch, Walter und Frank 362
Dapprich, Emil •^"-
436
425
ring. Prof. Robert Waller 302
Dardenne, J
Dawison, Bogumil
Dee
Degener, Edward
Deiler, J. Hanno, gestorben am 21.
Deimel, Henry L
Delger, Hubert
Dembitz, Louis N
Deniuth, Hans
Denhard, Dr. Carl Edward
Dereck, Dr. E. G. F
Dernehl, Adolf
Dersch, Charles
Dersch, Jr., Charles
Juli 1909.
78
294
640
137
610
389
333
329
933
883
884
^m
Di'tcTinaim, lleriiiaiin ,HS2
Deutsch. Prof. Gottliardt .S(I2
Diclil-Franoscli, Anna t.i.")
Diclinann, Fricdrii-li ;{4()
DiiTjjartU, Frt'iliorr von :{7()
Diesc'her, Wilhelm ;?S4
Dietrich, Gouverneur Chas. Henry (iO()
Dictz, Johann \V :{77
Dinilinji, .lolm Uli
Dock, C"hristoph 16. 2;iS. 274
Doern, (}. I' r)()S
Doljic Alfred ()4(t
Donald, CJustav 4(50. .1(1.')
Dorchheimer, Philipp (511
Dornhöfer, Frau E. J S7.")
Dorsch, Eduard ;i7.")
Douai, Carl Daniel .")(i.")
Drescher, Martin .{Sit
Dresel, Friedrich Otto MC)
Drexel, Franz ^Martin li(), (i.H
Dreyspring, Adolph, gestorben 1906 .'{(l^
Duden, Gottfried 75, 219
Diunling, Dr. Hermann 071
Dupree, Paul 4.U)
Eben, Carl Theodor 3S2
Ebert, Oberst 71
Eberhard. .Johann G .SS4
Eberhardt, Max 378
Eekoff, Wilhelm Julius 303
Eckstein, Friedrich 348
Edeuborn, Wilhelm 642
Edgar, Friedrich 380
Edward, Georg 389
Ehrenberg, Hermann von 619
Eickhoff, Anton ")71
Eicliholtz, Jacob 341
Kidlitz, Otto M 351
Eigenmann, Prof. Dr. Carl II 302
Eih'rs, Anton Friedrich 047
Eimbeek, Wilhelm <il9
Eisenlohr, Gustav Wilhelm '■>' ^
Kisfeld, Theodor ^^'il
?]lhvanger, Geo ^'-'l
Elson, Henry William •*
Emch, Prof. Arnold '-^Oli
Fnde, Amalie von -"^^^
Kngrlliardt, Franz Ernst ö43
Krdmann, Kudolf -'"S'
Kricson, Leif '^^
Ernst, August Friedrich •'"■^
Frnst, Heinrich **'•'
1' r • '^19
Eversmann, Louis -''
Everett, Edward -''*
Faber, Ernst "'^-^
Fabian, Peter •' '
Färber. Wilhelm
Kalkner. .lustus
Faust, Prof. .\. K. .
Kehr. Prof. Daniel .
Feistkorn, Wilhelm
Fern, F.diia
Fernow, B. E. . .
F.-rn-n. Prof. H. M
Fick, Heinrich II
Fickeissen, Carl .Vii^ust ....
Fiebing, Pella . .
Fielitz, .Alexander von .
Fieser. Friedrich
Fink, Henry
Finkeinburg, Gustav .\
Fischer, Heinrich
Fischer. Dr. I^ouis
I''ischn;iller, Joseph Erhardt .
Folien, Karl
Follenius. Paul
Fossler, Prof. Lorenz
Formes, Carl und Tiieodor . .
Formes, Wilhelm
Frame, Richard
Francke, Prof. Kuno
Franke, August Hermann . . .
Frankenstein, Gottfried ....
Franklin. Benjamin
Frech, Henry M
Freiberg, Prof. Dr. Albert H.
Freund, Prof. Dr. Ernst
Freyburger, Ernst
Friedländer, Julius Reinhold
Friedrich der Grosse
Frisch, Wilhelm
Froeb. Charle.s
Fündi'ling. I'astor .1
Fiirbringer. Prof. Ludwig E.
Fulda, Dr. Ludwig
Fnncken, Eugen
Flink. F
(iailatin. Albert
(iallitzin. Dimitri Fürst . .,
Gauss, Ernst F. L.
Geiger, Emilie
Geistinger, Marie
Geiiee. Ottilie
(Jericke, Wilhelm
Gerke, Philipp
Gerstäcker, Friedrich
Cettelmann. Adam
(Üegericii, Leonhard Anton
Ciiessendanner. Pastor
Gilloii, .\lexander
Cilman. Präs.
(Jlogaiier. Fritz
101
. SÜS
S03
. 3K2
.m9
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3KJ»
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. .lO.T
540
647
. 611
. .•W4
33.1
38»
. 275,287
. 219
303
438
»27
20
. 296, 3H9
241
.148
11,23,274
868
. .»33
. 303
392
«19
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. .-.78
»21
820
. 303
4.34
. 384
. 878
171
. 251
. 304
. 101
. 432
ti{5
3G4
141
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101
. 281
964
Goeb, Friedrich 15
Göbel, David 222
Göbel, Dr. Prof. Julius 304, 389, 553
Gödel, Martha 289
Goessinann, Prof. Carl Anton 304
Gönner, Nicolaus 385, 712
Gottheil, Prof. Dr. Wilhelm Samuel 333
Graupner, Gottlieb 358
Grebner, Constantin 389
Greenblatt. M 389
Greider, Margarethe 99
Griebsch, Max Alfred August 304
Grimm, J. Hugo 928
Grimme, Geo 844
Groeschel, Wilhelm 438
Gross, Jacob ^' H
Gross, Magnus 572
Grüner, Prof. Gustav 304
Grummann, Prof. Paul H 304
Grund, Franz Joseph 174
Gühlen, Herr von 435
Gülich. Theodor 504
Günther, Richard 611
Gugler, Julius 380
Gumpert, Fannj- 384
Gundlach, Carl 389
Guthe, Prof. Karl Eugen 304
Gutherz, Karl, gestorben 1907 346
Guttmann, Oskar 450
Haas, Carl de 372
Haase, Friedrich 426
Habclmann, Theodor 427
Hackenburg, William B 266, 270
Hähnlcn, Jacob F 495
Häring, Theodor 379
Haiften, J. F. von 671
Hagen, Johann Geo 304
Hager, Jonathan 64, 182
Hahn, Gouverneur Michael 602
Haidt, Johann Valentin 341
Hailmann, Prof. Dr. Wilhelm Nikolaus 305
Haldeman, J. M 654
Ilaidemann, Richard J 670
Haltermann, Friedrich 608
Hamann, Edward 424
Hammer, Bonaventura 386
Hammer, Gottlob 440, 953
Hammerstein, Oskar 427
Hangen, L •i-"^-^
Hanisch, Max 446
Hann, P 392
Harbaugh, Heinrich 384
Harris, Dr. Wm. T 1 6, 279
Harter, Friedrich Adolf 389
Hartmann, CA 9-'52
Hartranft, Joh. Fr 670
Hasenclever, Peter (553
Hassaurek, Friedrich < • ^-^
Hassler, Ferdinand Rudolph (;2()
Haupt, General Hermann (547
Haupt, Prof. Dr. Paul 30,5^ sog
Hausegger, Oberst Nikolas 9)
Hausschild, Heinrich ^I 543
Haussmann, Prof. William 4. .{(h;
Haydn, Michael 71;»
Hazelius, Ernst und Ludwig lu.i
Hecker, Friedrich j.jo
Heckewelder, Johann Gottlieb Ernst ifi.^
Heckmann, Geo. B ]\
Heer, Major von 71
Heerbrand, Kapt. J. F., gen. ,,Höllenbrand". . 676
Heerbrandt, Gustav .385
Heger, Generalarzt Dr. Anton 33.H
Hehl, Elise 404
Heid, Justus 65
Heimbach, David 6.54
Heimbach, Philipp 377
Heinemann, Geo 440
Heintz, Jakob 378
Heinzen, Carl 373
Heis, Marie, „MoUy Pitcher " 99
Heiss, Erzbischof Michael 701
Heiter, Ch 87«
Henrich, Chr 914
Heibig, Richard Ernst 306
Held. Friedrich 524
Helfenstein, Pastor in Lancaster, Pa 89
Helfensteller, Ernst 351
Heller, Prof. Otto 306
Helm, Leonhard 101
Helm, Peter 177
Hemmeter, Prof. Dr. John C 334
Hempel, Dr. Karl .Tulius 334
Hempel, ^lax 383
Hendriclis, Hermann 426
Hennighausen, Ludwig Paul 611
Henninger, Richard 502
Henrici. Ernst 389
Herbermann, Prof. Carl Geo 3()7
Herchheimer, Nikolas 11, 14, 71, 87, 92
Herder 24
Herholz, Prof. Ottilie 307
Hering, Dr. Konstantin 328
Herling, Carl 372
Hermann. Augustin 10. 64, 179
Hermann, .Julius 4.59
Hermann, Karl 43'_
Herr, Hans und Christian 21
Herrmann, George • ^^-
Herrmann, John ^'^
Herrmann, Richard 6^3
Hertzog, Johann B •^'^■^
91«
Herzbergor, F. W ;1S4
Hosiiig, Anton Caspar 41ts
Hess, Friedrich 4i».j
Hess, Friedrich W 381
Hess, Georg 377
lleyl, Emma Frau S7G
Hexanier, Dr. C. J -SOI
Hexanier, Ernst 802
Hicklcr, Simon 8(iL>
llielsc'her, Tiieodor 37(1
Hiens (Heinz, Hans), Gefährte LaSalk-'s. . ö]. UM!
Hiester, Daniel, John, Gabriel 14
Hiester, Joseph 14, KU
Hildebrand, Alfred Walter 390
Hilgard, Prof. Eugen W 3(»7
Hilgard, Julius Erasmus 307
Hilgard, Theodor Erasmus 307
Hillegas, Michael 102
Ilillgärtner, Geo ö72
Hilprocht, Prof. Dr. Hermann Vollrat 308
Hinriehs, Prof. Gustav Detlef 3(Ht
Hinsdaie, B. A 27S;
Hirsch, Dr. Emil G :i<iSt
Hirsch, Gustav ;'i41
Hirsch, Isaac E. und Louis •")")1
Hirsch, Leonhard •'>^1
Hirsch, Max -'»il
Hirsch, Kalph 541
Hirth, Prof. Dr. Friedrich 309
Hochdörfer, Prof. Karl Friedrich Eichard .... 3()9
Höchster, Emil ■i-"'^
Höcker, Ludwig -3^
Höfgen, B. K ■^•^"
Höpke, Adalbert -^'6
Hoffmauu, Aug. H ^-^^
Hoffmann, Franz . <3"6
Hoffmann, Dr. Friedrich 309
Hoffmann, Oscar Arthur •^•'5->
Hof mann, Julius -^^^
Hohlfeld, Prof. Dr. Alexander Eudolf Benno. . 310
Holdt, Friedrich von •^■""'
Holler, Helmut P •*•'"
Holier, Louis ''^-^■*
Holls, F. W -•'"_'
Holst, Hermann EdNvard von --^-^
Hopp, Ernst Otto '-^^^
TS T *■ 390
Hörn, Lutz
Horstmann, Jul ■'■'
Horstmann, Wm. J ^'-^^
Horstmann, Wilhelm Heinrich "3,
Hosak, Dr. David •'-^
Hoster, Theodor '"'■'•^
Hotz, Prof. Dr. Carl Ferdinand 33.^
Hoym, Otto von ^-•*' •*-•"'
Huber, John ''•''•^^
Ihibley, Bernhard, Oberst '•'
Huliley, Geo.
Hiu'li, Carl Fricdriili
Huhn, Heinrich
Hundt, Ferdinand
lluss, Prof. II. .
lluie, Friedrich Wilhelm
llgen, Pedro
rmmergrün, Paul JuliuH
Irscliick, Magda
Fscnstein, Geo
.lacobi, Dr. Abraham
Jaegerhuber, Max
Jägers, Albert
Jageniann, Hans Karl Günther von . . .
Jahn, Turnvater
.laiiansclicck, Fanny
Janusciiiiwsky, Georgine von
Jastrow, Prof. Dr. Morris
Jefferson, Thomas
Jessen, l'rof. Dr. Chr. Karl Detlev . . .
Jüssen, Marie
.Tung, Prof. Dr. Franz August Richard
Jungk, Wni. Theo
J linkermann, .Vugust
.luraschck, Georg
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Kaechlein. Oberst Johann Peter . .
Kämmerer. A
Kahn, Julius
Kahn, Otto H
KalVi. Johann (Baron de)
Kalteisen. Michael
Kapp, Friedrich
Kargau, Emil D
Karsten, Prof. Dr. G. F. . .
Kauffmann, Peter
Kaufmann. Theodor
Ka\itz, August V
Kayser, Heinrich und Albert
Kiiiniann, Wilhelm
Keller, Prof. Dr. Henry F.
Keiler, Jose])h
Keli.T. Dr. Wilhelm
Kellner, Gottlieb Theodor
Kelpius. Johann
Kenkel. F. P
Kei)|)ele, Johann Heinrich
Kep[>ler, Joseph
Kerger, Carl Reuter
Kiclih'in (Keichlein). Hnuptmani.
Kiderlen. W. L. J
Kiefer, Dr. Hernuinn .
Kinike, Joseph
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Kissling, Karl -558
Klässig, Emil ^^^
Klauprecht, Emil 5' 2
Klebs, Dr. Arnold Carl 335
KIcebcrg, Minna '^^^
Kloin, Bruno Oskar -^f'"*
Klomm, Johann Gottlob 358. 651
Klemm, Prof. Dr. Louis Richard 311
Klaus, Jos ^l^_
Klingorhiiffor, Pastor ' '
Kloman, Dr. W. C 326
Klopseh, I^ouis '^ ' ^
Knabe. Wilhelm 652
Knapp. Dr. Hermann 335
Knoiskern
Knicss, A ^'^
Kniop. Karl ^^^
Knopf. Dr. S. Adolf 335
Knortz, Dr. Karl 312, 382
Knotser, Emil A 381
Koch. H. C 11^
Koch, Werner ^^^
Kochertal, Josua von ^^
Köhler, Dr. Adolf ^'^^
König. Prof. Dr. Geo. Aug 312
Körner, Gustav ^^6
Körting, Otto ^'^
Kösters, Bernh. L ^^3
Kohler, Prof. Kaufmann 312
Kollo, Dr. F. S ^^^
Koltes, Oberst ^•^'
Konti, Isidor ^^^
Koob, George ^^^
Koradi, Rudolph 6-3
Korndörfer. Filibert 390
Krakowitzer, Dr. Ernst 691
Kramer, G ^"^
Krauskopf, Dr. Joseph 269
Krech, Laura Wilhelmine 390
Kreckel, Arnold --'■-
Kriegsmann, Rudolph E 868
Krez, Conrad 3/6
Kröh, Prof. Carl Friedrich 312
Kruoll. Gustav 624
Kuckein, Dr. Franz 819
Kudlich. Dr. Hans 624
Külinomann, Prof. Dr. Eugen O. K 312
Küninioi, Henry 671
Küstermann, Gustav 609
Kuhn, Dr 361
Kullmer, Prof. C. J 313
Kunze, Johann Christian 163
Kunze. Dr. Richard Ernst 624
Kurz. Wilhelm 648
Ladner, Albort «,„
Lafrenz, Ferdinand W 3^.
Lang, Prof. Dr. Henrj' R 3^^
Lange. Albort g.g
Lange. August 3^^^
Lange, Heinrich 3-0
Lange, Louis g-g
Tiankenau, .lohn D 007
Tvankonau, Elise gog
Lankoring, A o*o
I-'TP'K. <' 878
Lauber. Carl F ggy
Lodercr, Emanuel ^32
Lederer, Johann 10, 51 ]80
Learned, Prof. Marion Dexter 2I6. 292
Loeser, Isaac 053
Lehenniann, Johann 35
Leib, Michael j yj
Leibnitz, Chas. A g^i
Leisler, Jacob 52, 53, 54
Lellniann, Dr. K ggj
Lemcke, Ernst Edward 390
Lemp, William ,T 949
Lentz. Major Carl 734
Lenz, Wm. C. F 34]
Leonhardt, Arno 303
Leonhardt, Emil W. F 841
Leser, Friedrich 624
Leser, Lotta L 39]
Lesser, Emil 5.54
Leue, Gustav 515
Leuschner, Dr. Armin 0 313
Leutze, Emanuel 341
Leutze, Admiral E. H 617
Levy, Louis Edward und Max 648
Lichtmay, Louise 427
Lichtenberg, Carl 868
I^exow, Rudolph 5,52
Lexow, Friedrich 37.5
Loyh, Eduard F 382
Lick. Jacob 16
Lieber, Dr. Ernst Maria 710
Lieber, Franz 275, 288, 371
Liefeid, F. W. A 384
Lienau, Carl H 515
Lierz, Henry 812
Lindheimer, F. J 625
Link, Theodor Carl 351
Lippert, .lohn 841
Lischer, Henry 506
List, Friedrich 625
Loeb, Julius 377
Loeb, Leo 267
Löbel, Paul 379
Lohe, Pastor Wilhelm 235, 241
Löher, Franz 3, 119
M7
Loehr, Dr. Ferdinaucl von U».-,
Looser, Paul öci;
Loliiiiann, F. H üilo
LongtVIlow 27, 27C
Lorenz, Carl :{,S2
Lorenz, Carl Eugen Gustav HiX)
Lotliar 5,448
Luhe, Max 400
Lucca, Pauline 42S
Ludvigh, Sanuiel 509
Ludwig, Christoph 9,S
Lübbe, Louise ^jCi
Lüc'iuiw, August 4;i5
Lützonburg, Dr. Karl Aloys :\29
Mach, Prof. Dr. E. E. O. von :\]:\
Mackwitz, Hermauu 5(14
Maeilje. Chas. W 537
Makk, Eduard Hubert 57:5
Mann, Dr. W. J 625
Mannhardt, Hinrich Emil 57:^
Mansker. Kasper 72
Maretzek. Max 439
Markbreit. Col. Leopold 534
Martiny, Philip 351
Marx, Emil L., Guido und Joseph E 543
Marxhausen, August 513
Matkowsky, Adalbert 433
.Matzke, Prof. Dr. .Johann Fhnst 313
Manch, Max 350
Mayer, Carl Theodor 545
Mayer, Friedrich 956
Mayer, Henry 346
Mayr, Lina 428
Meier, Jacob 654
Meineke, Carl ö74
Melchers, Gary 347
Meltzer, Dr. S. J 336
Memminger, C. G l^^l
Mensel, I'rof. Ernst H 313
Menzenmaier, G. A 878
Mercator (Gerhard Kremer) ">0
Mergenthaler, Ottmar 649
Methua-Scheller, Marie 425
Metzger, Engelbert -^03
Meyer, Prof. Dr. Adolf 336
Meyer, Mathias - ' -
Meyer, ^loritz "'"^
Meusebach, von ' "
Michaelis, Richard C 'j'"^»
Michel, Friedrich 380
Mielatz, Carl Fr. \V «'26
INIifllin, Warner -"
Miller, Heinrich 1 4, 24, 482
Miller, Michel ''•'»•'^
^linnegerode, Karl '■''
Minnewit, Peter .
.Mimifh, Fred. H
-Mittrlberger, Gottiiel. .
.Mitferwnrzer, Friedrich
in. .11. 51. 52
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313
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377
314
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348
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.Mollmann, Dietrich Hermann Heinrich \Vilh«-lin 175
.Moering. G. C
.M.d.hnke, I'rof. Carl Ednar.i
Molitor, Stephan
„.Molly-l»itcher", Marie Hei«
Monibert, .Jacob Tsidor .
Montez, Ijola
Moras, Ferdinand
Moritz, Prof. Dr. Holiert E. .
^forris, Nelson
Moiwitz, Eduard J
McisliT, Henry
Muehleisen, Wm
Mufhlcnbcrg, I-Virdrich .\ugnst 14, OHO
.Mühlenberg, Heinrich Melchior 57,68, 244
.Mühlenberg. Peter G 13. 97
Müller, Alexis V. M ;tl4
.Müller, A. () ... ;jyi
Müller, Hermann 86S, H70
Müller, Carl W «20
-Müller, .Jacob " -
Müller, Johann Peter 14
Müller, Nicias 373
Müller, Wilhelm 3h2
.Müller, I'rof. \V. Max 314
Müm-h, Friedrich 219,371
Münsterberg, Hugo 298.391
Munter, Carl 3Ä4
Mnndt- Mühlbach, Dora . 435
Nachtigall, Hermann
Natrler, Franz L
Nast, Thomas
Nast, Wilhelm
Nau, .Johann Haptiste
Naumann, Max E
Neder, ,J. Georg
Neeb, Louis
Xeeb, William
Neeir, GotthoM August
Neering, Henry
Neuberf . .
Neuendorlf, Adolf
Neumann, Gustav .\dolf ...
Nevelling, Pa.stor von Joracy
Nicolay, < 'lara L
Ni<'haus, Charles Henry .
Niemann Kaabe, Hedwig
Niemeyer, .lohann Heinricii
Nies. Conra<!
Nilsihm.-inn. David
435
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347
968
Nockin, Henry . .
Nordhofif, Karl . .
Nusscr, John ....
Nussmann, Pastor
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Adolf ^^
OluM-kirsch, Henry ^_^''^
Oelkcrs, .loh. B ' ^-^
Oeters, John C
Olshausen, Theodor
Ortmann. Prof. Dr. A. E
Osten. Emil von der
Oätendorff , Fritz
Osterhaus. General ^•^'^
Osterniann, Gustav
Ottendorfer, Anna
Ottcndorfer, Oswald
Otterbein, Philipp Wilhelm
Otterstetter, J. F
Otto, Nicolaus Johannes
. . . 891
505, 574
... 314
. . . 4-J7
... 859
488
580
527
242
924
891
Pabst, Capt. Friedrich -^02
Pachelbel, Carl Theodor •^■^'
Päth, Carl August '^'^^
Palmay, Ilka ^-^'^
„Papa Kurz ' ' in Mihvaukee ^'^^
Pastorius, Franz
Paulsen, Johannes .
Pelosi, Louis
Pelz, Paul Johannes
Penn. Wm
Daniel 8,10,19,88,870
241
459
[] 852
38
Penuypacker, Samuel W K'. «"<^
Peritz, Dr. Ismar John -^1^
Petersen, Adolph
Pettrioh, Ferdinand
l'fäÜlin, Heinrich
Pfeiffer, Conrad
Philipp, Adolph
Pliilippi. Alfred
Pieper, Ernst Wilhelm
Pieper, Prof. F. A. O
Pierce, Rev. John D
Plctlia, Prof. Carl C
l'ohle, Adolf
Plugge, August H
Pohlig, Carl
Possart, Ernst
Post. Friedrich ' ^ • '^-^
Postl. Carl (Chas. Sealsfield) --J
Poth, F. A 95-^
Praetorius, Geo. Otto *''*^
(>50
87S
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56S
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314
277
315
379
936
445
430
Prang, Louis
Precht, Victor
Preetorius, Emil -'^' -^^^
Prenss, Dr. Eduard
Preussen, Prinz Heinrich von
Prieth, Benedict
Prufrock. Wm
518
431
Piuliner, Kuclolf 376
Pulitzer, All)ert 578
Pulitzer, Joseph 578
Pulvemiacher, Albert . 393
Pury, Johann Peter 66
Putzker, Prof. A 820
Quitmann, Johann Anton 119
Habcnhorst. I'astor in Ebenezer 89
Haible, Marie 384
Haine, p]duard ">1 -
Raine, Friedrich Oberst 511
Rainer, .Toseph •'91
Rapp, Georg -47
Rapi), Willhelm ■>"4
Rappaport, Philip •>"■'
Raster, Hermann •""•5
Rattermann, Heinrich A 377
Rauch, Prof. Friedrich August 315
Raue, Dr. C. G ■^^^_
Reber, Prof. Louis E •<l-'>
Reek, Baron von '»'
Reffelt, Johann Hermann R 3M6
Regcnspurger, Wilhelm ■''•>"
R(>icher, Emanuel ^'^^
Reichert, Prof. Dr. Edward T 336
Reiehiiiaiin. Capt. Carl '^' '
Reinecke, Friedrich ■'-••
Reinseh. Prof. Paul S •^^-'^
Reitelbach, Casper ■'■*!
Reitzel, Robert
Rennert, Prof. Albert Hugo
Rennert, ILins
Rentgen, Clemens
Renz, August
Resemann, Leon
Reuling, Prof. Dr. Geo
Richard, Ernst
Richard, Julius
Richards, Prof. Dr. Theodore W
Riehter, Aug. P
Richter, F. L
Ridder, Herman
Riggert, Wilhelm
Riese. Rudolf
Riester, F
Riotte, Hermann
Ritner. Gouverneur Joseph
Rittenhans. Wilhelm
Ritter. Louis
Rittig, Johann
Rivinus, Dr. Edward Florenz
Rockefeiler, der deutsche Vorfahr John D.'s.
Rodemann, August •
Johann August 16,175.644
. . 894
. . 815
. . 815
. . (553
. . 291
. .. 484
. . . 336
. . . 891
. . . 456
. . . 815
. . . 505
. . . 366
. . . 527
. . . 879
422. 424
... 872
. . . 460
60(1
... 1"
. . . 539
. .. 569
. . . . 328
63
445
21
>29 Roebling.
969
Roeblint;, Washington Augustus . . . . (it.")
Koedder, Prof. E. C. L ;{15
Roehrig. Prof. Friedrieh Otto M'}
Kiiiker. Friedrii-li :i91
Koolker, Adniiral Karl Kafacl 618
Koho, Carl H :W4
Holir, Iloinricii K. G. und Pliilip von G2G
Hohr. Lorenz Hst)
Rohr. Matthias ... :'.'.M
Rohr, Piiiiipp ölö
Honiinjior. I'rof. Carl Ludwig, gestorben 1907. . ;il(j
Ronunel. Gustav H91
Rose, Dr. Achilles :i;{(i
Roselius, Christian •_•!'( i
Rosenherg, Hermann 42(5
Rosenberg, W. L 395
Rosenstengel, Prof. W. 11 MG
Rosentlial. Hermann ^^^^l
Rosenthal. Wilhelm ~ii~
Rosenthal, Toby ^^7
Roth, Filibert '>"!
Roth, Friedrich G '-^ÖO
Roth. IMiilip ;5->^
Rothacker. Wilhelm '•'>~-^
Rothe. Emil •'»"•'5
Rothensteiuer, Johannes Ernst -JÖ-
Rothermel. Peter •'■*6
Rothrock. J. T "^1^. 671
Ruckstuhl, F. W :5"jl
Rudolf. Elisabeth "''f'-
Rudolf, Johannes ''^•'
Rueckoldt, Geo '^^'^
Rümelin, Karl Gustav "6
Ruetenik, Prof. Dr. H. J ••l*'
Ruhland. Hermann •''^•^
Ruttmann. W ^'^^
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Saake, Carl
Sachse. Julius Friedrich
Sadler, Gouverneur Reinhold
Saenger, S. K
Salonion, Friedrich
Sander, Dr. Enno
Salzmann, Dr. Joseph
Sarnighausen. .Johann 1^
Sauer, Friedrich Heinrich
Säur, Christopher jr. und Peter 484, 48o
Säur, Christoph
Schaaf . Dr. John Thomas
Schäberle, John :Martin
Schaff, Philipp
Schaff nieyer, Adolf
Schamberg. ^Fax '^-^l
Sehaumer, l'rof. Dr. E. W •<•■*"
Schechter, Prof. Dr. Salonion ' '^^^^
Scheel, Fritz •'^'-
1(1. 477.478
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Schrie de Vere, .Maximilian
Sehern, Alexander Jacob
Schenc'k, L<*i)])iild \<>n
Schenck, Prof. Carl .\l\vin
Schiedt, Prof. Richard FraiiR Conrnd .
Schieren, Carl Adolph
Schiff. .F.'uob Ilenrv
Srhil.lge, Dr. John W
Schiller, Friedrich von .
Schilling. Prof. Dr. Hugo Karl
Schimmelpfi-nnig, von
Schindler. SaloiiKOi
Schladitz. K.
Schlag, Hugo
SchlattiT, Michael . .
Schlauch, .Mathias ...
Schlegel, Cli.
Scidegel, H. C
Schleicher. Gustav
Schley, .\dmiral Winfield S«M»tt
Schley, Johann Thoniiis und wine N
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Schlitz, Josepn
Schlitz, Victor
Schlo^ser, (!eo. . . .
Schlothborn, S
Schlüter, Clemens Angiwt .
Schniid, Louise
Schmid, O. E
Schmidt, Friedrich .\lbert
Schmidt. Prof. Dr. F. CJeo. (Jottlob
Schmidt, J. A. Val
Schmidt. Pastor Johann Wilhelm .
Schmidt. Louis II.
Schmidt. Paul
Schmi<lt-Wartenberg. Prof. Dr. Han»
Schmidt, Richard F.
Schmitmeyer, Johann I.
Schmitz, Engenie
Schmiile, Dr. WiMn-im
Schnauffler, Carl Heinrich
Schnauffer, W
Schneebeli, (i. Adolph
Schneider, F^mil . •
Schneider, Geo. .
Schneider. Karl Konra.i
Schneider. Otto C. . .
Schneiderhahn. V. P
Schober. Chri.stian
Schiinberger, Dr. Peter .
Schöner. Georg ^L A. . .
Schiinfeld. Prof. Hermann
Schiinfeld llanisch, Frau Kmilie .
SchiM-nle, Wolfgang
Schii|>f. Johann |)a\i'l
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4»«7
11
970
Schreiber, Ferdinand 8S4
Schreiner, Jaeoh l^i
Schrieber, Joseph F
Schiitkinff. Kniil Siitro •iTH
Scliüiu-maiin l'dtt, Friedricli <527
Schumacher, Ferdinand (Uli
Schumann. CS öOS
Schultz. Mathias 13
Sfhiiitze. IMof. Arthur 318
Schnitze. Prof. August 31S
Schweppondick, Gustav 849
Schurz. < 'arl 136, 595
Srhwan, (icneral Theodor 618
Schwartzniann, Ad 553
Schwatt, Prof. J. J 318
Sfhwarz, (Jen. Friedrich 671
SfinveighiiftT, Felix 433
Schweitzer. Prof. Paul 318
Sehwemmer, Henry 809
Seebach. Marie 438
Seebaum, Joseph Alexander 382
Seeger, Eugen 613
Seidl, Anton 362
Seidensticker. Adolph 503
Seidt-nstii-ker, Geo. Friedrich 291
Seidensticker, Oswald 5, 291
Senn, Prof. Dr. Nicholas 325
Serges-Claus. Frau Amalie 439
Serges. Heinrich 439
Siefert, Heinrich Otto Rudolf 318
Siegel, Henry 632
Siemering. August 576
Sigel, Albert 375
Sigel, Generalmajor Franz 133
Silier, Frank 379
Sima. Frank 444
Simon, Prof. Ur. Wilhelm 318
Singer, Isidor 271
Skal, Georg von 392
Solger. Ernst Reinhold 378
Sonnenthai, Adolpli 430
Sontag, Karl 428
Soubron, Otto 380
Si.äth. Prof. Dr. P. F. A. Th 318
Spangenberg, August Gottlieb 164
Spaunhorst, Heinrich J 7ol
Speich, Abraham 569
Spencer. Herbert 16
Speyer, James 631
Speyerer, Friedrich Karl 1 75
Spiegelhalter, Dr. Joseph 331
Spitzer, Dr. von 324
Spreckels, Claus 635
Staake, W. H 614
Stahl, Col. Ernst C ^45
Stahel, Julius 1 49
Stallo, Johann Bernhard 2SK
StarkhiflF. I>r. Hugo Max von 930
Steiger, Ernst (527
Steiner, Prof. Dr. E. A ;ii9
Steiner, Melchior 4S5
Steinhart, Franz Maximilian C)\',i
Steinleiu. Augu.st .'{76
Steinmeier. Wilhelm 175
Steinway, William und Heinrich Engelhard... 641
Steinwehr, Adolf von 149
Stellhorn, }»rof. Dr. F. W :U9
Stengel. Prof. Dr. Alfred .S37
Sterki, Dr. Victor 319
Stepler, L. H .384
Stern, Maurice Heiidiold von 380
Steuben, Friedrich Wilhelm Freiherr von 14. 71, 1(»5
Stibolt, Jens Peter .505
Stiegel, Henrich Wilhelm (Baron von) 632
Stieglitz, Prof. Julius 319
Stifel, Karl G 227, 898
Stolte, Riehard 435
Stoner, Michael 73
Storck, Ludwig 371
Stowe, Prof. Calvin 0 279
Strack, Heinrich Christian 392
Strauch, Adolph 651
Straus, Isidor 632
Straus, Nathan 632
Straus, O. S 614
Stricker, Georg 118
Stricker, John, General 15, 80
Strodtmann. Adolf 386
Struve. Gustav von 576
Stucken, Frank van der 365
Stürenburg, Ca.spar 570
Sulzberger. Richter Mayer 268, 270
Sutro, Adolph Heinrich Joseph 16, 650
Sutro, Theodor 847
Sutter, Johann 78
Szwirschina. Pli 451
Tafel, Gustav 614
Tailor, Bayard 2S0
Tamni, August 503
Tanneberg. David 358, 651
Tappan. Henry 0 278
Tappert. Wilhelm 710
Tellkampf, Johann Ludwig 319
Theiss. .Johannes Wilhelm . ; 392
Thielmann, Madame 449
Thieme, August 540
Thomann, Rudolf 381
Thomas, Emil 433
Thomas. Friedrich Wilhelm 547, 548
Thorniählen, Anton 378
Thudium, Harry 503
971
Thumm, L 878
Tifknor, Geo 274
Tiedoinann, Dr. Heinrieh tlsö
TicM-sch. Curt :{sl
Tiiiiin, Adolf S(i7
Timm. H. C :it)i»
Tittmaiin, Otto Hiloanl 320
Toennies, A. G öö7
Toei)litz, ^fartha 892
Tombo, Dr. Eiulolf 820
Treutlen, Gouverneur Johann Adam (iS
Trieber. Jacob (il -4
Troost. Prof. Gerhard 820
Türcke. Carl August 8S7
Tyrker H>, 41»
Uhde. Prof. Fr. Max 821
rill. Tsabella <591
rill. Jacob Ö27
Ullrich. Frank 868, 870
Ullrich. Henry € 870
l'lnier, Johann 287
Ulrich, C'has. F 84S
Umbstädter, Theo 1 "•">
Ungar, Carl 887
Urban. Henry F 898
Usselinx, Wilhelm 81
Varena, Alexander -t3ö
Veditz, Dr. C. W. A 321
Veltheini-Hülse. Carrie Freifrau von 892
Vianden, Heinrich 347
Viereck, Georg Sylvester 892. .361
Viereck, Louis -^6"
Villard, Henry '8
Vincke. Johann Bernhardt 392
Vocke, Wilhelm 3S7
Voelkel, Dr. Titus 321
Vülkel. Vitus 398
Volz. Louis 8(9
Vordtriede, Carl Julius •^■13
Voss, Prof. Dr. E. K. J 322
Wachsner. Leon "*•"
Wachtel. Theodor •*'-"
Wagener, Johann Andreas 3(1
Wagner, Anna ^^ '
Wagner. Johann, erster Lagerbier-Brauer in
Philadelphia ' "'
Wagner, General Louis *''■'
Wahl, Prof. Geo. M ■^--
Wahlde, Hermann von ''^-
Walbach, General ^"
Waldo, Sanuiel ''■^' ^'"^
WaldseemüUer (Martin) -'^
W%'ilker, Geo ' '''
Walliicr. Heinrich , .
Weber, i'ntf. Dr. (;. K. i;.
Weber, Heinrich
Weber. Max m.ii
Weber. Wilhelm
Wedeiiieyer. .\
Weigand, llermanii
Weil, Otto
Weimann. .Toiin
Weimer. Karl Ferdinand . .
Weinmann. .\d(ilf
Weiser, .lohann Koiirad
Weiser. Konrad |
Weiss. Georg .Michael
Weiss, Ludwig
Weissenfeid, Baron .
Weitzell. ('as|>er
Weitzel. Gottfried
Weib, Ferdinand
Weiden. Otto
Weltner, Ludwig
Wendel. ( arl ( 'hristian
Wengefeld, Hans
Weniger, Hans
Wesselhöft. Johann (ieurg . . . . .
Wesselhiift. Dr. Wilhelm und Dr. RolnTt
Wetzel. Ludwig
Weyerhäuser, Friedrich
White. Prof. Andrew D
Widenmann, Pauline
Wieden. Georg (Serhard von der
Wiegami, Mari in
Wienand. Paul
Wiener, Prof. Leo
Wiesenthal. Dr. C. F
Wilde. Carl
Wiilicli, .\iigust von
Willicli, Ludwig
Winckler. Willibald
Windmühlen. Fritz zur
Wiiidmüller. Louis
Winkler, Prof. Max
Wi|)])linger, Dr. Natalie ...
Wirt, Geo. Hermann .
Wirt. W
Wischan. I'astor F
Wise, Isaac M
Wislicenns. (iustav Adolf
Wislicenus. Dr. Johannes
Wislizenus, Dr. F. A
Wissner, Otto
Wiszcewsky, Stanislaus von
Wi.ster. Dr. Kasjcir
Widf. Albert
Wolf Zerrahn, Carl
Wnlfel. Paul Ludwig
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175, 225
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WolfV, Marie 45(»
Wolffram, Charles Bertliold ö:U
Wolhaupter, David JiöS
Wdllcinvohcr, Ludwig Aufjust I^Tl
Wurcii, Gottfried •^~~
Worcb, Rudolph SiU
Wolsieffer. Philipp Matthias 7:VA
Wurster, Aiexaiuler 44(1
Wvueken, Friedricii A ^92
Yesler, Henrv L.
Zahm, (Jeorge
Zalinski, Major K. L. (1.
Zano, Ebouezer
Zane, Elisabeth
Zeckwer, Ricliard
7S
52.i
61 S
74
<l!t
()L'!I
Zedwitz, Ileruiiiuu von 3,57
Zeisiterger, Miiliae! 1(54
Zeisler, Sigmund (516
Zenger, Johann Peter lil
Zentmeyer, ,To.seph ;{7(5
Zerboni, Alfons von 459
Zcrrl;iut, Friedrich E ... 17.j
Ziegfeld. Florenz 364. 628
Zicgler, David 74
Ziuiuicrniiinn, Eugen 62S
Zimmermann, Dr. Gustav . 296, .573
Zimnu'rmann, Sr. G. A 373
Ziuimormanu, Mathias 3.58
Ziuki-, Prof. Dr. E. (J .337
Zinsser. Dr. F 691
Ziwet. Prof. Alex 629
Ziiiidt, Kriist Antoii .378
SACH-REGISTER.
Aclitundvierziger. die und ihr Eintiuss 279
Anuina, Ansiedlung der Inspirirteu 246
„America", das Schilf, auf dem Pastorius an
langte J9
Anheuser-Busch Brauerei, St. Louis 907
„Amerikanisches Göttingeu " 274
Aurora in Oregon 247
Auswanderung, Ursachen der ersten 32. 33
Baltimore und seine Deutschen 183
Baptisten, deutsche 242
Betbel in Missouri 247
Boynton House 924
Bildungszustand der ersten deutschen Einwan-
derer n
Bibel, die erste 30
Birmingham Feuer- Versiclierungs-Gesellsehtft 9öl
Bonil)en-Attentat Haymarket, Chicago 605
Breitkopf & Härtel 's erste amerikanische Ge-
schäfts-Verbindung 3.jH
Bürgerkrieg, Betheiiigung der Deutschen am. . 124
Carolina, Nord- und Süd-, deutsche Ansiedler
daselbst 6.5
Ciiristenthum. Unterschiede zwischen deutschem
und englischem 233
„Concord", Beschreibung des ersten Auswan
derungs-Schiflfes Deutseher 35, 36
< "oriiell Universität 280
Cream City Brewiug Co., Milwaukee 916
„Deutsch die Sprache der Gelehrsamkeit und
Bildung" 281
Deutsche als Freiheitsverfechter 29
Deutsche (ieselischaft von Pennsylvanien .... 63
Deutscher Bürger in Pittsburg Konvention,
1837 174
Deutscher Tag, Entstehung 754
Deutsches Lehrer-Seminar 278, 282
Deutsche Sprache und Literatur; Folien über
die Bedeutung ihres Studiums 276
Deutsche Sprache. Kampf um. in von Deut-
schen gegründeten Gemeinden 236
Deutsche Tag-Feier in Wheeling 193
Deutsche und Politik 17
Deutschland, ein „Mutterland " 16
„Deutschland, ein zweites Atiien für den ge-
bildeten Amerikaner " 277
Deutschland, Missionärin der Wissenschaft und
Kultur 324
Deutsch-Schweizer und Hugenotten 21
Deutschthum, das am Anfang des 19. Jahr-
huiiderts 173
„Die deutschen Auswanderer"' von Pastor .1.
Ilof mann 47, 48
Ebenezer, Gründung von 67
Economy, Rapp 's Gründung 247
Eintritt des deutschen Volkes in die Kolonial-
geschichte Amerika 's 54
Einwanderung, deutsche Bi-Centennial 177
Einwanderung, Deutsche, 225,iähriges Jubi-
läum 3. 5. 1 78
Ekliardt & Becker Brewing Co 958
Ephrata, Kloster 11, 56
Erdbeben, Das in San Francisco 819
Evangelische Gemeinschaft 242
Kvangelisciie Svnode, deutsclie 243
Forincy 'sehe Operettengesellscliaft
Fleisc'luiiann 's, Ein Wort üVxt
„Frankfurter Kompagnie" .
Friedensfest
Friedriehsburg, Gründung von
9G4
177
. 78
444
Kl
German Toast, the 2(iö
Germania Musical Soeieiv, Bergmann 's
Germanisches Museum
Germanna in \'irginia
German The/itre Realty Co. von Philadelphia
Germantown
Germantown's l'rotest gegen Sklaverei im
Jahre 1688 38, 89, 40
Gloria Dei oder "Old Swedes" Kirche in
Philadelphia 32
Grover 's Deutsche Üperutruppo 438
Gustav Adolph 's projektirte Handels- und
Kolonisations-Gesellschaft '.U
Gutenberg-Jubiläum, 400jähriges 177
Grammophon, Erfindung des 646
Grant über die Bedeutung der Kettung Mis-
souri's für die Union, eine deutsche That 129
„Hallesche Nachrichten"
„Hans Buschbauer''. Pseudonym für Franz
Hoffmann
Härting 'sehe Thalia-Gesellschaft
Harugari, Deutscher Orden der
Hassler Exposition
Heidelberg und .Johns Hopkins
Heldinnen, deutsche, des Unabhängigkeits-
Krieges
Hermannssöhne, Orden der
Herrnhuter
Hessen, die
Henrich Brewing Co
Humboldt-Feier
241
6(10
438
747
621
281
99
747
.')7
7'>
913
177
932
Independent Baking Co., Davenport, la. .
Indiana, Erschliessung von ' ■>
Indianer-Massakre am ^Miuskingum i-i
Industrielle Unternehmen, die ersten in Ame-
rika, deutsch -^
Jay 's Vertrag ^ ^
Johns Hopkins Universität -^"
Jubiläum der deutschen Einwanderung 3<l
Juden, deutsche, in den Kriegen in Amerika 264
Jüdische Hospital, das in Philadelphia 266
Jüdische, erste deutsche Synagoge -61
Josephinum, das in Columbus, O '-•''•
Kriegerbund, Deutscher ' ^ '
Keith 's, Gouverneur, Befürchtung '--
Kentucky und seine deutschen Ansiedler
Kneisel. Quartett "''
KnuwnothinKH. Kampf m'^^i,
Kr.-nning. F. F. Willi;,,,,
Kropp. Prediger Seminar in
Kulturl.iJder mw iMitHoh Ain.-rikn »ur Kolo
nial-Zeit .
Landwirthscliaft di-r «tmIcu .) •
Fundament ii<*H nm< :
thuniH
Lelirerliiind. iiatinnulcr i|<i-
I.elinr Seminar, deuts«-h am. i.h -...,.
Anregung zur Gründung
Lemp Brewing Co., 8t. Louin
Lenau, der Dichter in .Vnierikn
Leo- Haus, New York
Lutherische Kirche
973
479
26.58
17«
„Märtyrerspiegel " J 1
Mainzer .\delsverein 77
Meciianics Institute Rio! in New Orlenn« . »R»-!
,, Mecklenburger Erklärung " .1. 9
Meeklenburg, Town in County Frederiek, \V.
\'a M»'i
Meininger, die der Gebrüder Rnoonfel«! i...;
Methodisten, deutsche 24.1
Militär N'ereine 747
Miller Brewing Co.. Milwaukee '»'T
Mugele, Chas. P
Musieimi. Collegium, in Bethlehem 356. ;i57
Nachdruck und „literarisches Piratenthnm". . 474
National Denkmal zur Khniiii.' der ilent-M-hiii
Einwanderung 21
National Farm School -'>*»
Nativistische Regungen nach dem Freiheit«
kriege •***7
Neu- Braunsfels, tSründung von "
Neuländer ... «■>2. dUi
Neu-Schweden •*'
New Jersey, erste deutsc-ho Einwandoning ... »U
Normal-Schule, erste . "'"•
Ohio, die Erschliessung von
Oster- und Weihnachtsfest '■
Ottendorfer Zweig-Bibliothek •' '
Pabst's Brauerei, .Milwaukeo. Wiw '•"•
Pastorius' erste deutmdie Kirchenschule
Pastorius' Gruss an die N.ichkommen
..Patriotische Gewllschaft der Stadt uuU U.»
County PhihKJelpliin " PJ. M
l'atriotisnnis. dcut»<h amerikanincher, Z«'Ug
niss«' von H«fkmnnn und G«hi, W. June«. . 1 1. PJ
Pea Ridge, Schlacht von ■ ^^*
Pfülzer di<- und ihre \i.*i.-.lliiinren in New
Vo^k • 21.M
974
Pfciffor Brtnvin^ Co.. Detroit. Midi 909
J'ittsburgcr Brauereien 94.S
Preissingen bei Sängerfesten 726
Presbyterianer, deutsclie '242
Pressfreiheit, Sirlieriing di.reli eintMi Deutseheu (52
Proiiibitionisten. Kamjif gegen 2S
Protest gegen Bryce's "Tiie American Com-
monwealth " H, -4
Protest gegen Siviaverei 16SS 1(1
Puritaner und Deutsche 19
„Rattenfänger, Der von Ilami'hi". Xeueu-
dorfif 's Oper 428
Reforniirte Kirelie in Amerika 24."?
Revolution, die fraiizösisehe und die Deutschen 4S7
Rotiimänner, Unabhängiger Orden der 747
Rush 's, Dr. Benjamin, Urtheil über die Deut-
sehen 58
Sängerfest, Das erste 719
Saiesianum, das im Mihvaukee 25.5
Salzburger. Besiedlung von Georgia durch .... 67
Sammlung, Deutsch-Amerikanische 759
Schiller-Feier ( 1S.59) 1 77
Schlitz Brewing Co., Milwaukee, Wis 938
Schorr & Kolkschneider Brewing Co 941
Schullnich, das erste . 10
Schwarze Ritter, Orden der 747
Siegesfeier von 1871 193
Sklaverei, Abschaffung der 12
Sklaverei, deutscher Protest dagegen 20, 21
Sekten, deutsche 56
Setzmaschine, Erfindung der 649
Sieben Weisen Männer, Orden der 747
Siegesfeier der Schlacht bei Leipzig in Phila-
delphia 177
Silk Association of America, Gründung der . . . 638
Sittlichen Freiheit, Das Ideal der
„Slocum ' '-Katastrophe 883
Solms Braunsfels, Prinz Carl von 77
Sonntagsschulen, die ersten von Deutschen ge-
Ki'iintlet ig
Spiering Quartett -^q^
Steuben-Denkmal siehe Jägers 35J
Stroh Brewing Co., Detroit, Mich 90]
Studenten, Verein alter deutscher xjß
Sutro-Tunnel gj^
SynodalKonferenz 044
Teiiij)en'nz und Sabbatisnuis 234
Texas, deutsclie Einwanderung in 77
Theater, das und die Haltung der .jungen Re-
jinblik ihm gegenüber 422
„Tliermopylen des amerikanischen Freiheits-
krieges " .T 9
Tlioinas, Gouverneur von l'a., über die Deut-
schen 1748 ]|)
Turner, Deutsche im Kriege 740
Turner, Die 24
„Unabhängigkeits-Erklärung, Deutsch - Ameri-
kanische " 9, 13
„Unser nationales Laster", Heuchelei 17
Vereinigte Brüder in Christo 242
„Vinum, Linuni et Textrinum", Inschrift von
Germantown's Rathsiegel 41
Volksfest-Vereine 747
^Vachoria Tract 66
Waldschutz unter William Penn 6.59
Wanamaker, John über „Deutsches Blut" .. 755
' ' War, French and Indian " 69
Washington 's Leibwache 91
,,Weib, Das in der Wüste " 56
,, Weinland " 49
Weslev, Juliu, und die Salzburger 67
Wisconsin, Erschliessung von 76
Wyoming Massaker 169
Zoar in Ohio 246
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DAS BUCH DER DEUTSCHEN IN AMERIKA PHILA
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