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XII.
J. Bolte: Das üan/iger Theater im IG. und
17. Jaliilumdert.
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1895.
Das
Danziger Theater
im
16. und 17. Jahrhundert.
Vou
Johannes Bolte.
Hamburg und Leipzig
Verlag- ^' o u L e (j p o 1 d Voss.
1895.
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Frau Margarete
zugeeignet.
Inhalt.
Seite
Vorwort.
I. Vorgänger. Hilfsmittel. Anordnung IX
II. Entwicklungsstufen des Danziger Theaters XI
III. Bühnenverhältnisse XVIII
Das Danziger Theater 1522—1733 1
Anhang. Zwei ungedruckte Stücke der englischen Komö-
dianten, aus Georg Schröders Nachlass herausge-
geben 169
I. Tiberius von Ferrara und Anabella von Mömpelgard . 171
II. Der stumme Ritter 219
Das Zwischenspiel vom wunderthätigen Stein 268
Nachträge 280
1. Register: Personen- und Ortsnamen 283
2. Register: Dramentitel 293
Vorwort.
Vorgänger. Hilfsmittel. Anordnung.
Mehr als vierzig- Jabre sind verflossen, seitdem August
H a g- e n in den Neuen Preussisclien Provinzialblättern *) seine
höchst verdienstlichen Forschungen tiber die Geschichte des
Theaters in Preussen veröffentlichte und damit das durch Eduard
Devrients Geschichte der deutschen Schauspielkunst genährte
Vorurteil gegen die Königsberger und Danziger Bühne glänzend
widerlegte. Freilich ist bei ihm Danzig für die frühere Zeit-
in der die Quellen spärlich rinnen, gegenüber Königsberg- etwas
zu kurz weggekommen-, denn Hagen musste sich hier, abgesehen
von einer gelegentlichen Mitteilung Theodor Kirschs, auf die
knappen archivalischen Notizen beschränken, die Löschin seiner
Geschichte Danzigs (1822) eingestreut hatte. Erst 1883 skizzierte
E. Leidig auf Grund eigener Einsicht in das Aktenmaterial
des Stadtarchivs in einigen trefflichen, leider schwer zugänglichen
Artikeln der Danziger Zeitung ^) die Danziger Theaterverhältnisse
1) Band 10 (1850). 12 (1851). Andere Folge 1. 2 (1852). 4 (1853),
5. 6 (1854). — Dann vereinigt u. d. Titel: 'Geschichte des Theaters in
Preussen, vornämlich der Bühnen in Königsberg und Danzig von
ihren ersten Anfängen bis zu den Gastspielen J. Fischers und L. De-
vrients' (Königsberg 1854). Hagens mit Schreibpapier durchschossenes
Handexemplar, das mir Herr Dr. R. Reicke in Königsberg in liebens-
würdigster Weise zvtr Verfügung stellte, enthält für die ältere Dan-
ziger Theatergeschichte keine Nachträge.
2) 1883, 2. Quartal, Nr. 13977. 13993. 14014. 14069. 4. Quartal,
Nr. 14321. 14323: Zur Geschichte des Danziger Theaters (1. Fastnacht-
spiele und Schulkomödien. — 2. Das Volk der fahrenden Komödianten.
— 3. 1650—1750. — 4. Die Anfänge einer neuen Zeit. — 5. Die Dan-
ziger Bühne im Zeitalter Lessiugs. — 6. Das Schauspiel bis zum Ende
des 18. Jahrhunderts).
X Bolte, Das Danziger Theater.
des 16. bis 18. Jalirlmiidcrts. Eine gutgemeinte, aber un/,uläng-
liche Dilettantenaibeit lieferte 1894 Otto Rub in seinem Buche
'Die dramatische Kunst in Danzig von 1615 bis 1893'. Für
das 19. Jahrhundert haben seine tabellarischen Zusammenstel-
hingen über die Repertoirestücke und die in Danzig aufgetretenen
Schauspieler noch einen selbständigen Wert; für die ältere Zeit
Jedoch ist er durchaus von Hagen abhängig, den er in dem
noch nicht vier Seiten einnehmenden ersten Abschnitte 1650 — 1730
wörtlich ausschreibt.
Das vorliegende Rüchlein, das ich den 1893 erschienenen
'Singspielen der englischen Komödianten' als zweiten Reitrag
zur Thcatergeschichte des 17. Jahrhunderts anreihe, versucht
das reiche handschriftliche und gedruckte Material über die
Danziger Bühne, das sich in Danzig, aber auch in Berlin, Königs-
berg, Kopenhagen, Stockholm, Riga und anderwärts vorfindet,
möglichst vollstämlig vorzuführen. Die Bedeutung urkundlicher
Belege aus der Kindheitsperiode des deutschen Theaters bedingte,
die wichtigeren Aktenstücke im Wortlaute aufzunehmen. Hat
die Arbeit dadurch an Lesbarkeit verloren, so wird die annali-
stische Form wenigstens einen bequemen Ueberblick ermöglichen.
Der Versuchung, die Schilderung der Danziger Theaterverhält-
nisse durch Berücksichtigung der interessanten politischen und
kulturellen Entwicklung der alten Ostseestadt zu erweitern oder
durch Ausblicke und Vergleiche aus der allgemeinen Litteratur-
und Theatergeschichte Deutschlands zu erläutern, l)in ich ab-
sichtlich ausgewichen, wenn ich mich auch bemühte, die Be-
ziehungen der in Danzig aufgeführten Schauspiele zur deutschen
und ausländisclicn Littcratur nachzuweisen und den ferneren Ge-
schicken der hier gastierenden Komödiantenbanden nachzugehen ^).
Wertvolle Unterstützung und Aufmunterung erfuhr ich bei
meinem wiederholten Besuche Danzigs namentlich von dem ver-
storbenen Stadtarchivar, dem liebenswürdigen, kenntnisreichen
Archidiakouus A. Bcrtling, und von seinem Nachfolger, Herrn
') Leider vermochte icli nicht meine Nachforschungen auf die
Archive in Ell)lng, Königsberg und Thorn auszndclmcn. Es steht
aber /.u liolTen, dass die Durclisidit der dortigen Katsbeschlüsse und
Kauiincrcibüchcr noch manche Aufschlüsse über die Geschichte; der
Wanderkomüdianten ergebeu wird.
Vorwort. XI
Dr. P. Gehrke, ferner von den Herren 01)crlehrern A. Hoffmann,
Dr. F. Osterniayer und meinem lieben Freunde Dr. J. Eggert.
Durch schätzenswerte Nachweise hal)en mich ausserdem die
Herren Anton Buchholtz in Riga, der mir seine sorgfältigen
Auszüge aus den Akten des Rigaer Stadtarchivs i) gütigst zur
Verfügung stellte, Rittergutsbesitzer A. Treichel auf Hoch-Palesch-
ken, Professor Dr. Alexander Brückner in Berlin, Archivrat
Dr. Hille in Schleswig, Dr. P. Hasse in Lübeck, Dr. A. Hage-
dorn in Hamburg, Professor H. Markgraf in Breslau und Univer-
sitätsbibliothekar S. Birket Smith in Kopenhagen verpflichtet.
Ihnen allen meinen herzlichen Dank auch an dieser Stelle auszu-
sprechen ist mir ein wirkliches Bedürfnis.
II.
Entwicklungsstufen des Danziger Theaters.
Bevor wir die einzelnen Thatsachen der Bühnengeschichte
Danzigs, wie sie die immerhin nicht lückenlose üeberlieferung
darbietet, an uns vorüberziehen lassen, sei es gestattet, sie ein-
mal aus der Vogelschau zu überblicken und bei einigen hervor-
stechenden Zügen einen Augenblick zu verweilen.
Leicht scheiden wir die Aufführungen, die während der
Jahre 1500—1730 stattfanden, nach dem Stande der Darsteller
in drei grosse Gruppen: die Schauspiele der jungen Bürger und
Handwerksgesellen, die der Schüler und die der stadtfremden
Berufsschauspieler. Diese Gruppen stellen zugleich drei Ent-
wicklungsstufen des Dramas in Deutschland dar, obschon nicht
eine die andre direkt ablöst, sondern die Handwerkerkomödien
und Schulaufführungen neben den Schauspielen der Wander-
komödianten bis zum Ende des 17. Jahrhunderts fortdauerten.
Wann die erste Periode, die der von jungen Bürgern ver-
anstalteten Fastnachtspiele, in Danzig begann, wissen wir
nicht, und zweifelhaft bleibt es auch bei dem völligen Schweigen
der üeberlieferung, ob ihr eine noch ältere voraufging, in der
1) Diese Auszüge hat später Moi-itz Rudolph für seine unvollendete
Geschichte des Rigacr Theaters benutzt, die soeben im Kigaer Tage-
blatt 1895 (Feuilleton-Beilage zu Nr. 6. 18. 30. 42. 53. 65. 76. 87. 98. 108.
118. 128) aus seinem Nachlasse veröffentlicht worden ist.
Xn Bolte, Das Danziger Theater.
wie in Süd- und Mittel-Deutschland zur Oster- und Weihnachts-
zeit geistliche Dramen von Klerikern und Laien vorgeführt
wurden. Für weltliche Lustbarkeiten aber, stattliche Aufzüge
und Tänze der kraftbewussten , lebensfreudigen Bürgerschaft
haben wir schon aus dem 15. Jahrhunderte mehrfache Zeugnisse.
Die Mitglieder des Artushofes, der aus dem Vorbilde englischer
Ritterbrüderschaften des 14. Jahrhunderts zu Windsor und Lincoln
erwachsen war, namentlich die ursprünglich nur aus ritterbürtigen
Familien herstammenden Georgenbrüder ritten zur Fastnacht
nach der 'Tafelrunde', d. h, sie veranstalteten ein regelrechtes
Turnier, bei dem öfter der Rat selber den Preis stiftete^) und
an das sich ein festliches Mahl und ein Abendtauz, das Trarat^),
anschloss. Im Frühlinge folgte am Pfingstmontage ein Ausritt
derselben Brüderschaft unter Anführung des Maigrafen und eine
Waffenschau 2). Im Laufe des 16. Jahrhunderts scheint dieser
Mairitt von den Georgenbrüdern auf die Erasmibrüder^) über-
gegangen zu sein, die im Sommer-Schiessgarten ein stattliches
Vogclschiessen hielten und dieser Sitte bis ins 18. Jahrhundert
treu blieben. Fastnachtsniummereien und Darstellungen drama-
tischer Art sind gewiss schon im 15. Jahrhundert häufiger im
Kreise der Artushofgenossenscliaftcn veranstaltet worden, wenn
man auch nicht zu einer ständigen Einrichtung wie bei der
Lübecker Zirkclgcsellschaft^) gelangte. Es ist nur dem Zufalle
zuzuschreiben, dass die Ueberlieferung uns davon keine Spur
auf he wahrt hat, während wir durch Simon Grünau*') von Thorner
und Elhinger Fastnachtspielen aus der Zeit um 1440 wissen
oder durch pommersche Chronisten'') hören, wie drei Danziger
') Vg"l. S. 7, Anm. 3. — In Nürnberg- hiessen solche Turniere
der jungen Patrizier Gesellenstechen (Walther und Lochnex", Das Nürn-
berger Gesellcnstet'hen v. J. 1446, Nürnberg 1853).
2) Bolte, Alemannia 18, 77.
•■') Scriptores rer. Pruss. 4, 7.^8. 774. 5, 471. E. Pabst, D^e Volks-
feste des [Älaigralcn (Berlin 18G5) S. 20. "" "
■*) Hir8cli",~~Dtc Öberpfarrkirche von St. Marien 1, 393. Nucleus
SC. Gcdanensiuni im Berliner Ms. boruss. fol. 250, Bl. 215 a.
•'') Wi'hniiaun und Waltlier im Niederdeutschen Jahrbuch fi, 1.
") Prciissische Chronik h.sg. von Pcribach, Pliilip]n und Wagner
lH7fi 1, l.'}7 (Tr. 1.5, § 21).
") Bartliold, Geschichte von Rügen und Pommern 4, 1, 520 (1843).
Th. Ilirscli, Neue preuss. Provbl. 2. Folge 5, 38 (1854).
Vorwort. XIII
Georgenbrüder, die mit Herzog Bogislav X. von Pommern eine
Pilgerreise nach dem heiligen Lande unternommen, am 22. Novem-
ber 1497 im Palaste des venezianischen Dogen eine Komödie
mitansahen, deren Gegenstand ihr Seegefecht mit den Türken
bildete. Erst das Jahr 1522 bringt uns eine Nachricht über
eine satirische Fastnachtskomödie der Reinholdsbrüder.
Besser sind wir über die Umzüge und öffentlichen Tänze
unterrichtet, die von den Handwerkerzünften zur Fastnacht oder
beim Empfange der polnischen Könige veranstaltet wurden.
Dass sie den anderwärts in Deutschland üblichen Festlichkeiten
glichen, ist bei dem engen Zusammenhange der Zunftgenossen
und der Wanderlust der Handwerksgesellen durchaus natürlich.
So finden wir in Danzig das durch die Strassen gefahrene Schiff
mit Segeln wieder, das uns aus den Niederlanden, aus Eger,
Nürnberg und andern Binnenstädten bekannt ist^), als Schaustück
der Danziger Schiffergilde aber noch eine grössere und verständ-
lichere Bedeutung als dort hatte. Auch der Schwerttanz 2) der
Schiffer und Schiffszimmerleute, der Reifentanz, Fackeltanz und
Mohrentanz der Kürschner, das Ringelstechen der Speicherburschen
und Fleischer, die Wagen mit Scenen aus dem Handwerksbe-
triebe der Fleischer und Schmiede sind anderwärts als Fast-
nachtsbelustigungen beliebt gewesen^); nur die Prelldecke der
Fleischer ist mir sonst nicht begegnet. Bei den Tischlern kam zu
der Pantomime noch ein gereimter Text hinzu, der seinen Ursprung
wohl in Süddeutschland hatte und im Laufe des 17. Jahrhunderts
zu einer umfangreichen Komödie anwuchs. Am meisten littera-
rische Neigung jedoch tritt bei dem ansehnlichen Gewcrke der
Kürschner zu Tage; schon 1572 führen sie Agricolas Tragödie
"Johannes Hus' zur Fastnacht auf und versuchen sich später
1) Grimm, Deutsche Mytholog-ie * 1, 218. 3, 8G. J. W. Wolf, Bei-
trüge zur deutschen Mytholog-ie 1, 152. Gradl, Mitt. d. Vereins f. d.
Gesch. d. Deutsehen in Böhmen 33, 149. Genee, Hans Saclis 1894
S. 210 (Abbildung- v. J. 1539, wohl nach dem Berliner Mscr. g-erm.
fol. 442, Bl. 72).
2) MüUenhoff in der Festgabe für Homeyer 1871 S. 111 und Zeit-
schrift f. d. Altertum 18, 9. 20, 10. Ammann ebd. 34, 178. Bilchtold,
Gesch. der d. Litt, in der Schweiz 1892 S. 248, Aiun. S. 64. Gradl
a. a. 0. 33, 217.
3) Bolte, Alemannia 18, 81. Gradl 33, 152. Soden, Kriegs- u.
Sittengeschichte von Nürnberg 1, 45. 3G0 (18G0) u. s. w.
XIV Bolte, Das Danziger Theater.
an den Bülmendichtungen der Nürnberg-er und Aug-sburger Meister-
sänger; I60I iintcrnebmeu sie sogar, die englischen Komödianten
mit ihren eigenen Stücken aus dem Felde zu schlagen.
Neben diese Bestrebungen der Handwerker tritt mit dem
Jahre 15()<) die unter der Pflege der Humanisten entstandene
und unter dem Schutze ])rotestantischer Pädagogen weiter ge-
diehene S c h u 1 k o m ö d i e. Die Leiter des neugegründeten
Gynmasiums und der Marienschule, der Hesse Moller und
der Sachse Sehreck, treten alljährlich mit einem lateinischen
Stücke des Terenz und mit einem deutschen Drama biblischen
oder weltliehen Inhalts um die Fastnachtszeit vor die Väter der
Stadt, und andre Schulmeister folgen bald ihrer Sitte. Ein
Streit mehrerer auswärtiger und einheimischer Gelehrten entsteht
darüber, ob diese dramatischen Darstclluugen für die Schüler
des Gynuiasiunis zulässig seien, und endet damit, dass diese sich
auf die Aufführung lateinischer und griechischer Schauspiele in
der Origiualsprache beschränken, die deutschen Stücke aber den
Z(iglingen der andern Schulen überlassen bleiben. Leider sind
unsre Nachrichten über die Pflege dieser Sitte bis zum Ende
des 1(). Jahrhunderts spärlich; neben Möllers und Schrecks Be-
mühungen ^) ist namentlich Waimers Drama 'Elisa' als der frühste
Versuch eines Deutschen, mit den Aufführungen der englischen Be-
rufsschauspieler zu wetteifern, der Beachtung würdig. Von biblischen
und geistlichen Stoffen erscheinen auf der Schulbühne Jephta,
Nabal, David und Bathscba, Hecastus; von antiken Helden und
Heldinnen Orest, Mcdca, Pliädra, Dido, Nero, aus der mittelalter-
lichen Sagenwelt die geduldige Griseldis. Ob die von Schreck
1) Als eine Nachwirkung von Schrecks Grisehlis möchte ich eine
bisher nirgends genannte Thorner Schiilkomödie, deren Fabel eben-
falls aus Boccaccios DecanKM-on (2, 8) geschöpft ist, ansehen : COMOICDIA ;
Des g(Mlultige, | ohne schuld Veriagten GraHens | von Angiers, vnd
seiner zwey- | er Kinder. | Genonien aus den fürtre(liich(>n Wel- | sehen
Poeten, Johanne l>occatio, vnd ge- | macht für die Schule zn Thorn |
in Preussen | \'nn | M. I'aldassare Germano, scholae | eiusdem Con-
rectore. | o. (). u. J. 6 Bl. + 31/4 Bogen 8" (Dan/.ig). - Die zu Thorn
am Tage Gregorii InKl unterzeichnete Widmung ist an Eduard Ble-
niicken, Schoppen der rechten Stadt Dantzig, gerichtet. Denselben
StolV Ix'handellc^ die Ki'iG von John Green in Dresden (Fürstenau 1, 97)
gespielte 'ComocHÜa von den GralVen von Angiers'; auch Goethe be-
nutzte ihn für seine liallade vom vertricbeucu Grufeu.
Vorwort. XV
nach dem Vorbilde thüringischer nnd sächsischer Schnlen ein-
g-eführte Feier des Gregorinstestes durch einen prächtigen Umzug
längeren Bestand hatte, wissen" wir nicht; vereinzelt blieb auf
jeden Fall der 1573 gemachte Versuch, auch in den Mädchen-
schulen dramatische Darstellungen einzurichten. Neben den
regelmässig wiederkehrenden Schulfestlichkeiten al)er scheinen
Schüler und Lehrer auch Vorstellungen in Privatkreisen gegeben
zu haben, bei denen es bisweilen etwas ausgelassen und unordent-
lich herging. Auf diese Weise sind wohl die lü(Jl beim Rate
eingebrachten Beschwerden über den in den Komödien getrie-
benen Unfug zu erklären, die ein völliges Aufhören der Schul-
dramen zur Folge hatten. Schon die gelegentlich bei der Hoch-
zeitsfeier angesehener Bürger gespielten Komödien von Prätorius
und Burchard und die Stücke des Advokaten Roll waren wahr-
scheinlich ebenfalls durch Schüler, nicht durch erwachsene Dilet-
tanten dargestellt worden.
Im 17. Jahrhundert hat die Danziger Schulkomödie nur
noch vereinzelte Sprossen getrieben. Am Gymnasium veranstaltete
nach der Beendigung des dreissigjährigeu Krieges der Professor
Raue eine prunkvolle Aufführung seines lateinischen Prosaschau-
spieles von Aeneas und Lavinia, und 1GG9 liess der Rektor
Maukisch einen deutschen, gleichfalls prosaischen Redeaktus von
der Geburt Christi dai-stellen. Sonst hören wir nur von einigen
Weihnachts- und Passionsstückeu an der Katharinen- und Johanuis-
schule und von einem von der Marienschule 1G4G zur Begrüssung
der polnischen Königin agierten lateinischen Festspiele.
Als die ältesten in Danzig nachweisbaren Berufsschau-
spieler müssen wir die wandernden Puppenspieler i) bezeichnen,
die im letzten Viertel des IG. Jahrhunderts geistliche Aktionen
vom Sündenfall an bis zum jüngsten Gericht mit 'schönen lustigen
Figuren' und Dekorationen, ja sogar, wie die Supplik des Utrech-
ters Henrik Janson verrät, mit einer Art Uhrwerk vorstellten.
Weit bedeutsamer aber war die Erscheinung der englischen
Komödianten, die von 1590 bis 1G50, gerade in der Blüte-
1) Über diese Marionettensiiieler des 16. J.ahrlninderts vgl. Traut-
mann, Jahrbuch f. Münchener Gesch. 3, 265 (1889). Einer von ihnen,
Balthasar Klein ans Joachinisthal, den Wolkan (Böhmens Anteil an
der d. Litteratur 3, 386) merkwürdig- verkennt, hat uns durch sein
XVI Bolte, Das Danzig-er Theater.
periocie des englisclien Dramas, auf häufifi-en Kiinstreisen nach
deutschen Fiirstenhöfen und grösseren Städten die Dichtungen
Shakespeares und seiner Zeitgenossen, anfänglich in der Original-
sprache, bald aber in deutschen Bearbeitungen, darstellten und
durch ihre überlegene Schauspielerkunst die Aufführungen der
einheimischen Dilettanten völlig in den Schatten drängten.
In Danzig, dem grossen Handelsplatze für Ostdeutschland und
Polen, licstand seit dem 14. Jahrhundert eine Niederlassung eng-
lischer Kaufleutc; und wenn sich auch im 16. Jahrhundert in-
folge der grossen Umwälzungen des Welthandels der Verkehr
Danzigs mit England verringerte, so blieb die englische Kolonie
doch weiter bestehen; noch 1640 richtete sie ein Gesuch an den
Rat, ihr für ihre Gottesdienste die Benutzung des Saales auf
dem grünen Thor oder im Schiessgarten zu gestatten^). Somit
war es für die fünf englischen Schauspieler, die im Juli 1587
aus Dresden in ihre Heimat zurückkehren wollten, ein nahelie-
gender Gedanke, ihren Weg nach Danzig zu nehmen, wo sie
Landslcutc antreffen mussten und im August zusammen mit den
vom Dominiksmarkt heimscgelnden englischen Kaufleuten ihre Reise
fortsetzen konnten. Weitere Besuche andrer englischer Truppen
folgten; namentlich wussten die Principale John Green (1607. 1615.
1616) und John Spencer (1609? 1611. 1619), später auch Aaron As-
ken oder Ärschen sich die Gunst der Zuschauer und vor allem des
gestrengen Rates zu erringen. Leider wird uns nicht berichtet,
welche Stücke sie in Danzig gaben, und wir müssen uns, um
eine Vorstellung von ihrem Repertoire zu gewinnen, an die ander-
wärts erhaltenen Nachrichten über ihr Auftreten halten. Es
fehlte auch nicht an Nachahmern, den Marodeuren des Erfolges.
1582 j^odrucktos Schauspiel 'Jonas', das ans ältoron Stücken von Simon
Kotli und Hans Saciis zusaminenj^-estnppclt ist, einen Begriff' von iiiren
Darbietungen hinterlassen (Rolte, Allgeni. d. Biogr. 29, 340).
^) Th. Hirsch, Danzigs Handels- u. Gewerbegeschichte (Schrilten
der Silchs. Ges. d. Wi.ss. G. 1858) S. 98—116. Löschin, Gesch. Danzigs
1, 297. 379. — Als ein Zeichen des in Danzig einst vorhandenen Inter-
esses für die englische Bühne darf man die auf der Stadtbil)liothek
(XVTI F. (juart f)) erhaltcnie Sainndun-;- englisciier Dramen von Dekker,
Greene, ln<,^eland, Kyd, Marlow u. a. in Drucken aus dem er.sten Viertel
des 17. Jaliriiunderts betrachten, auf die schon 1858 Fritsche in einem
Thorner Schulpro<;-ramnie und in Ilerrigs Archiv 20,71 iungewiesen hat.
Vorwort. XVtl
Schon 1601 meldeten sich ein paar arme trcnlierzige Gesellen
vom hanseatischen Kontore zu Berten, um zu beweisen, dass die
'Diideschcn' ebenso wohl etwas g-clernt hätten als die Eng-elschen;
KUf) trat ein gekrönter Dichter Virnius, der gleich Spencer zu
den Hotschauspielern des brandenl)ui-gischcn Kurfürsten gehcirt
hatte, als Konkurrent Grecns auf, nicht zu gedenken der schon
erwähnten Nacheiferung der einheimischen Dilettanten. Seit der
Mitte des Jahrhunderts aber begannen deutsehe Schauspielerbanden
die ausländischen zu verdrängen; der Engländer Benteley (167U)
nennt seine Komödianten ausdrücklich hochdeutsch; nur die
holländischen Gesellschaften von Sammers und J. van Rijndorp
spielten in ihrer Muttersprache. Unter den deutschen Principalen,
die in Danzig Erfolge errangen, führe ich an Andreas Gärtner,
der 1651 mit Königsberger Studenten erschien, Paulsen, der 1669
mit seinem Schwiegersohne Veiten auftrat, die Witwe Veiten
(1694. 1695), üblich (1700), Hacke (1714), Eckenberg (1718)
und Martin Müller (1730). Der ausführliche Bericht, den wir
glücklicherweise über Paulsens Aufführungen besitzen, zeigt uns
deutlich, dass diese routinierten Schauspieler ihr Rei)crtoire nicht
den deutschen Opitzianern, sondern der englischen, dann auch
der spanischen, französischen und holländischen Bühnenlitteratur
entlehnten. Noch besser lernt man die Leistungen der Wander-
komödianten aus den beiden im Anhange abgedruckten Prosa-
stücken kennen, die um 1600 nach englischen Dramen Älarstous
und Machins übersetzt sind, später aber noch eine Ueberarbeitung
erfahren haben.
Hiermit ist aber die bunte Mannigfaltigkeit, die uns die
Theatergeschichte des 17. Jahrhunderts bietet, keineswegs er-
schöpft. Die zu Ende des 16. Jahrhunderts entstandene ita-
lienische Oper, die in Deutschland nur langsam vordrang, lernten
die Danziger schon 1646 durch eine Vorstellung der Warschauer
Hofkapelle kennen; sie verdankten diesen Genuss ihrer Bereit-
willigkeit, das Beilager des Königs Wladislaw IV. auszurichten.
Dennoch fand ein vierzig Jahre später vom städtischen Kapell-
meister Meder unternommener Versuch, nach dem Vorgange
Hamburgs und Leipzigs deutsche Opern aufzuführen, keinen
rechten Anklang; noch 1733 verwandelte ein kundiger Bühnen-
leiter einen beliebten italienischen Oi)erntext einfach in eine
prosaische Hauptaktion. Besser gefiel das in der zweiten Hälfte
Th. F. XII. II
Xvni Bolte, Das Danziger Theater.
des 17. Jahrhunderts gleichfalls aus Italien ciug-eführte Policiiiello-
spiel der im Domuick sich dräug-cuden schaulustigen Menge;
findige, gesehäftsgewandte Marionettenspieler wie Johann Hilfer-
ding (1699y fanden bald Nachfolger. Endlich müssen \yir auch
einiger vereinzelter und von der Stadtobrigkeit nicht mit gün-
stigen Augen angesehener Liebhaberaufführungen in polnischer
Sprache (1638. 1643. 1693) gedenken, bei denen der verbreitete
Sehwank vom träumenden Bauern und zwei biblische Stücke vom
armen Lazarus und von Tobias dargestellt wurden.
IIL
Bühnenverhältnisse.
Da es in dem von uns behandelten Zeiträume in Danzig
noch kein ständiges Theater gab, war die Spielzeit im wesent-
lichen auf zwei GelegenheftenTm Jahre beschränkt, auf die Zeit
vor den Fasten im Februar oder März und auf den am 5. August
beginnenden Dominiksmarkt ^). Am erstgenannten Termine fan-
den die Aufführungen der jungen Bürger und der Schtüer statt,
den von vielen Auswärtigen besuchten Domnick dagegen erkoren
sich seit dem Ende des 16. Jahrhunderts die fremden Wanderkomö-
dianten, die auch Frankfurt und Leipzig lediglich während der
Messzeit, Kiel während des Umschlages aufsuchten, zu ihrem
Auftreten. Eine Ausnahme machten natürlich die aus Anlass
königlicher Besuche oder bei den Hochzeiten einzelner Patricier
veranstalteten Festvorstellungen ; auch dem englischen Komö-
dianten Spencer wurde 1611 einmal erlaubt, kurz vor dem
Domnick zu .spielen. Die Dauer des Aufenthaltes mass der Rat
den fremden Schauspielern knapp zu; 8 bis 14 Tage bewilligte
er ihnen; nur 1643 Hess er sich ausnahmsweise vier Wochen
abdingen; am Sonntage durfte nicht gespielt werden^). Indes
verstanden es gewandte Principale wie John Green und Carl
Paulsen, den Rat durch besondere Gratisvorstellungeu, sogenannte
1) Vgl. über diesen Th. Hirsch, Danzigs Handels- und Gewerbe*
gcschichtc 1«58 S. 211.
-) Ausfülirlichere ZiisanimenstcUungen über die Bülinenverhält-
nisse der cnglisohen Komödianten a\is den Akten andrer deutscher
Stjldte glcbt Creizenach, Die Schauspiele der englischen Komödianten
18Hn S. XIV-XXVII.
Vorwort. XIX
Ratskomödien, oder andre scliwerwiegende Gründe zu einer
Verläng-ernng- der ursprünglich zugestandenen Frist zu veranlassen.
Paulsen lienutzte 1669 die Niederkunft seiner Frau (wie auch
sechs Jahre später in Lübeck) mit Erfolg zu diesem Zwecke.
Sehr verschieden waren anfänglich die Oertlichkeiten,
die man zur Abhaltung dramatischer Spiele benutzte. Die ältesten
Fastuachtspiele scheinen, wie das 1525 ausdrücklich bezeugt
wird, unter freiem Himmel auf dem Markte abgehalten zu sein;
doch werden die Agierenden auch in Privathäusern ihre Vor-
stellung wiederholt haben. Die Handwerkeraufzüg-e, Tänze und
Turniere waren natürlicli ebenfalls auf offener Strasse zu sehen;
nur 1637 verwies man die Schiffer mit ihrem Schwerttanze auf
ihr Gildenhaus. Die Scliulkomödien der Gymnasiasten fanden im
Gymnasium (1564. 1570), die der Marienschüler 1594 auf dem
Schiessgarten im Hohen Thore statt, der auch den Handwerkern
(1570) zu ihren Aufführungen diente. Ausserdem boten der
Schiessgarten auf der Vorstadt, an der Stelle des heutigen
Schützeuhauses, die Heilige Geistkirche und der Saal auf dem
Koggenbrücken-Thore, das heut das Grüne heisst, Räumlichkeiten
dar, die man 1570 und 1572 zu demselben Zwecke ausnutzte.
Nachdem 1587 das altstädtische Rathaus neu erbaut worden
war, spielten dort die Kürschner (1594) und die englischen
Komödianten (1615). Ein noch geeigneteres und geräumigeres
Lokal aber wurde die Fechtschule oder der Fechterplatz, eine
Turn- und Exercierhalle, die zwischen 1600 und 1615 am Domi-
niksplatz zum Ersatz für die Schiesshalle am Hohen Thore er1)aut
wdiilcn war. Sie diente nach wiederholten Reparaturen und
Uiii!)nuten bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts zugleich als
Te.n[;el der dramatischen Muse. Leider ist es mir nicht ge-
glückt, eine Abbildung dieses Gebäudes aufzufinden oder seine
Geschichte genauer zu erforschen. Doch erkennt man wenigstens
aus den vorhandenen Nachrichten, dass es ungleich dem 1628
erbauten Nürnberger Fechthause ^) vollständig überdacht, heizbar
und mit Logen an den Seiten versehen war. Einzelne Schau-
spielertruppen freilich zogen es vor, eine eigene Holzbude für
ihre Vorstellungen aufzuschlagen; so hatte die Witwe Veiten
1) Abgebildet bei Könnecl^e, Bilderatlas zur Gesch. der deutschen
Nationallitteratur2 1895 S. 172.
;xx Bolte, Das Danzig^er Theater.
Ki'J-Jr am I)oiiiiiiiksi)l:ine liinter dem ZougIiause\i ein Gebäude
erriclitct, das auch Moder im November des folg;enden Jahres
■/MV Aiitriihriiiig- seiner Oi»er verwendete. Endlieli fi,erieten
während des 17. Jahrliunderts öfter sohdie Wanderkonnidianten,
die vom I)an/,ii;-er Kate keine SpieU^laubnis erhielten, auf den
Ausweii', in (h'r Vorstadt Neugarten, auf (h'in l>is('h()fsl)erge oder
in dem unter biseliöflicher .Jurisdiktion stellenden IStädtohen
Sehotthmd ihr Zelt aufzuschlagen und die Danziger Bürger durch
riakate zum liesuche ihrer Schauspiele einzuladen. Dergleichen
Umgehungen ihres Verbotes vermerkte die Danziger Behörde
begreiHicherweise übel, und so scliärfte sie 1616 und 1662 den
Fremden ausdrücklich ein, sich vor der Stadt nicht aufzuhalten,
sondern ungesäumt abzuzielien.
Von einem Eintrittsgelde der Zusclkiuer und von einer
Besteuerung der Darsteller ist erst seit dem Erscheinen der
Berufsschauspieler die Rede. Die Liebhabervorstellungen der
Handwerker und Schüler fanden gratis vor einem geladenen
Publikum statt, Avobei allerdings erwartet wurde, dass der Rat
sich für die Einladung durch ein Geldgeschenk oder auch durch
einen Trunk Wein den Darstellern erkenntlich erweise. Zu dem
Geschenke des Rates mögen einzelne angesehene Bürger noch
eine freiwillige Geldspende hinzugefügt haben; denn sonst wäre
es nicht begreiflich, dass der Rat 1595, als die Fastnachtspiele
unterbleiben mussten, dem Rektor Schreckius zur Entschädigung
52 Mark 30 Schillinge zahlen Hess, während das übliche Ho-
norar für die Aufführung nur 15 — 30 Mark betrug-)- Kin gleich-
massiges Entreegeld von jedem Zuschauer erhoben Gierst die
englischen Komödianten, und zwar 1615 zwei Groschen. Dieser
Betrag steigerte sich bald auf 3 Gr., 1623 auf 4 Gr., 1636 auf
9 Gr., bis er 1733 für den letzten Platz 6 Gr., ftir die besseren
12 Gr., 18 Gr. und 1 Gulden, für den Logenplatz 1—2 Timpf
1) Also in (l(!r Gegend dcrs heutigen Theaters, wahrend die
Fcchtschule nach S. 42 * auf der andern Seite des Phitzes stand.
-) Aiieh in Lünehurg wurden die Sehuhneister für das Ausl'allen
der Sehulkniiiödien von» Kate besonders entschädij^'t (Gaedertz, Tlieater-
naehrichlen ISSH S. fiO. GG- 70). — Über das Verliältnis der verschiedenen
Danziger Münzsorten zu einander v^l. Vossberg, Neue preuss. Prov.-
blflttcr 1S52, And. Folge 1, 402.
Vorwort. XXI
betrug. Eine Ausnahme bildeten nur die Ratsvorstellungen, die
mit etwa 30 Mark honoriert wurden. Freilich wurden die Frem-
den von dem fürsorglichen Rate auch oft erheblich besteuert,
gleichviel ob diese Abgabe sich als Mietspreis für den Theater
räum, als Beitrag v.n wohlthätigen Zwecken oder als Tantieme
der Einkünfte charakterisierte. John Green hatte 1615 täglich
zwei Dukaten für die Benutzung des altstädtischen Rathauses
zu erlegen, während Paul Schultz 1623 ^4 ^^^^' Kasseneinnahme
an die Kännnerei abführen und Aerschen 1636 zum Aufbau der
abgebrannten Jakobskirche nicht weniger als 1000 Gulden, 1643
aber 500 Thaler an das Zuchthaus zahlen musste. Paulsen ent-
richtete 1669 nach einer Spielzeit A^on 3^2 Monaten 2541 Mark
an die Stadtkasse, für jede Vorstellung 12 Thlr. Seine Tochter,
die Witwe Veiten, fand sich 1694 und 1695 mit einer Zahlung
von 600 Gulden ab, einer Summe, die auch 1730 von Müller,
dem Pächter der Komödiantenbude, erhoben wurde. Hacke da-
gegen zahlte 1714 ausser einer runden Summe noch ein Viertel
seiner Einkünfte, wie neunzig Jahre zuvor Schultz, an das
Lazaret.
Von finanziellen Erwägungen, nicht von ästhetischen oder
moralischen Betrachtangen ging auch der um 1650 aufgetauchte
sehr bemerkenswerte Plan aus, das Theaterwesen in Danzig in
eine städtische Unternehmung zu verwandeln. Man wollte in
jenen sorgenvollen Jahren das Geld der Bürger nicht durch
Fremde hinwegtragen lassen und wurde vielleicht durch Raues
pomphafte Schulkomödie oder durch den findigen Theaterunter-
nehmer Gärtner hierin bestärkt. Doch scheint man sich bald
von dem geringen Erfolge einer solchen Unternehmung über-
zeugt zu haben.
Eine regelmässige Censur wurde gegen die Stücke der
fremden Schauspieler nicht ausgeübt. 1616 und 1636 ermahnt
der Rat die Engländer, keine unzüchtigen Dinge zu agieren;
aber nirgends hören wir von direkten Beschwerden der Geist-
lichkeit. Erst 1714 wurde Hacke angewiesen, seine Komödien
vor der Aufführung dem Archivsekretäre zur Durchsicht einzu-
reichen.
Die Ankündigung der Vorstellungen erfolgte durch ge-
druckte Theaterzettel, ausserdem aber auch wohl durch einen
trommelschlagenden Ausrufer (1618). Solche Danziger Zettel
XXII ßolte, Das Danziger Theater.
sind ans den Jahren 1695 und 1730 noch erhalten; sie werden
aber schon 1601, 1618 und 1675 erwähnt. Gedruckte Pro-
gramme, aus wenigen Oktav- oder Quartblättern bestehend, gab
es schon im 16. Jahrhundert (1578; vgl. 1685).
Um von der Gestalt der alten Bühnen eine genaue
Vorstellung zu geben, reichen die Danziger Zeugnisse nicht aus.
Aus anderweitigen Nachrichten aber wissen wir, dass im 17. Jahr-
hundert die an drei Seiten offene Bühne der Engländer mit der
„inneren Hcena" ^) unterschieden werden niuss von der durch
kunstvoll bemalte Vorhänge abgeschlossenen, aus Italien herstam-
menden Bühne der folgenden Periode, die Puccitelli 1646 und Raue
1648 benutzte. Die Vorstellung begann in der Regel am frühen
Nachmittage, spätestens, wie die Fechterordnung von 1635 be-
merkt, um drei Uhr und fand bei hellem Tageslichte statt. Vor-
stellungen bei künstlicher Beleuchtung veranstaltete, nachdem
schon 1646 die Oper Puccitellis das Raffinement der italienischen
Bühnentechnik den Danzigern vorgeführt hatte, Gärtner i. J. 1651.
Benteley versicherte 1670, dab*s er nur wenige Lichte ganz
niedrig am Theatro anbringe. Dagegen wird JMiiller (seit 1730),
der um 4 oder 4^2 Uhr zu spielen l)egann, wohl von vornherein
für künstliche Erleuchtung des Theaterraumes gesorgt haben.
Zum Beginne des Stückes und am Schlüsse eines jeden Aktes
wurde in der Regel ein Musikstück gespielt.
Die Zahl der Schauspieler, die zu einer Bande gehörten,
schwankte natiirlicli. Green hatte 1615 18 Mann bei sich,
ebensoviel Virnius im gleichen Jahre; 1663 erschien eine Truppe
von 13 hoclideutschen Komödianten, Benteley traf 1670 mit
16 Personen aus Krakau ein, und Eckenberg brachte 1719
sogar eine 40 Köpfe starke Gesellschaft zusammen. Dass die
weiblichen Rollen bis gegen 1(550 ausschliesslich von Männern
gespielt wurden, brauche ich nur beiläufig zu erwähnen. Die
1646 in Puccitellis Oper auftretende italienisclie Sängerin wird
deshalb den Danzigern eine fremdartige Erscheinung gewesen
sein. 1669 sahen sie dann mehrere Schauspielerinnen in der
Truppe Paulsens erscheinen. Im Kostüme befleissigte man sich
^) Die 1G15 erwähnte Galerie ist wohl als ein Balkon für die
Schauspieler, nicht als ein Sitzplatz lür die Zuschauer anz\isehen.
Vorwort. XXlll
keineswegs historischer Treue; der verg-ilische Aeneas trat 1648
mit einer Vog-elflintc auf, ohne dass man daran Anstoss nahm.
Doch fiel es 1572 unangenehm auf, dass die Kürschner die Mit-
glieder des Konzils zu Konstanz nicht im richtigen Ornate dar-
stellten; und Möller entschuldigte sich 1733 hei dem vcrehrlicheu
Publikum, dass nicht alle Personen eines im Orient spielenden
Stückes im persianischen Habit erschienen.
Berlin, im Juni 1895.
1522. Simon Grünau, der reformationsfeindliche Domini-
kaner aus Tolkemit, berichtet in seiner Preussischen Chronik ^) zum
Jahre 1522:
In diesem jähre machte man in des koniges stedten in der hei-
ligen fastnacht solche freude. Die Dantzker machten einen miinch wie
Lntter, sie fnhrten ihm entgegen babst, bischof, cardinall, pfaffen,
munche und solches folekes viell. Der babst und die seinen brauchten
solche stucke im spiell, wie bei den Catholischen ubelich. So balde
Lutter das sähe, schrei ehr wieder solchen handeil, ob das evangelisch
were. Von diesem geschrei versamleten sich ein häufen, die vor-
brandten bucher und zeigeten mitt fingern auf den babst und die
seinen, und ein jeder sagte seine reime auf die geistlichen. Dadurch
wardt der spielbabst zornig, der bannete Lutterum, vorschoss ihn mit
lichten, vorlautte ihn mitt glocken; solches thett ihm auch Lutter hin-
gegen. So war da ein spielkeiser, der nahm sich der geistlichen an
und thett Lutterum in die acht. Auf solches warf Lutter die kappe
abe und sich zu losen stradioten gesellete; indem kam der teufell und
führte ihn wegk. Dies spiell war lamstlich angerichtt, auch sehr lecher-
lich, aber spottlich auf den bapst.
Darüber äusserte der polnische Kanzler Bischof Matthias
von Leßlau in Krakau am 5. Februar 1523 zu den Danziger
Gesandten nach deren von Stanislaus Borubach ^) excerpierten
Berichte Folgendes :
'Es wäre auch bey uns ein etzliche, nicht wüste S. Gn., was für
eine gesellschafft Reinholdi geheißen, die viel Unfuges triebe und
spiele in der fastnacht anrichtete, auch nicht des rahts tind officialis
spareten, sondern einen und den andern fürnehmen, auch Königl.
Majestät nicht verschoneten, wie denn vor 2 Jahren geschehen, daß
man etzliche mönche, cardinäle, ablaßbrieffe etc. nicht allein zu Ver-
achtung geistlichen Standes und Würdigkeit, sondern auch zu hohn-
schlagunge gottes und seiner heiligen in leichtfertigen und fastnacht-
1) Traktat 22, § 17 = 2, 646 der Ausgabe von Perlbach, Philippi
und Wagner (Lpz. 1889).
2) Historia vom Auffruhr zu Dantzig 1522—1526, beschrieben
durch Stanislaum Bornbach, Civem Gedanensem 1587 (Abschiift auf der
Königl. Bibliothek zu Berlin, Mscr. boruss. fol. 1017, S. 94 f.).
Th. F. XII. 1
2 Bolte, Das Danzig^er Theater.
spielen vorgenommen hätte. Welches alles, wie es S. Gn. achtete, ein
großentheils auß der Lutherischen secte herfließe, und doch alles un-
gestraffet hingienge.'
Auf diesen Vorwurf erwiderten die Danziger: 'Was betreffe die
Reinholtsbrüder, hat man aiich glimpfflich verantwortet, also daß es
junge leute wären, die zu zeiten ein leichtfertiges und sonderlich in
der faßnacht, zu welcher zeit alten herkommens ein jeder zu mehr
freuden, auch zu zeiten zu kleiner thorheit geneiget, begiengen, wie
das auch in anderen [orten] geschehen kan. Denn, wie wir berichtet,
daß auch zu Rom viel dergleichen freude und faßnachtspiele in den
gezeiten geti*ieben werden.'
Nach der zweiten Nachricht fand das Fastnachtspiel, das
Luthers Auftreten von der Veröffentlichung seiner Thesen wider
den Ablasshandel bis zum Wormser Reichstage darstellte, nicht
1522, sondern 1521, statt, was aber weniger wahrscheinlich ist.
Die Veranstalter waren die Reinholdsbrüder des Artushofes, unter
denen sich auch der Maler Michael von Augsburg, ein Schüler
Dürers, befand, der, wie Bornbach erzählt, gegen die katholischen
Bräuche eiferte, obwohl er wenige Jahre zuvor die Krönung
Maria für den Hochaltar der Marienkirche gemalt hatte ^).
Nach Grünau 2, 647. 664 (Tr. 22, § 17. 31) fanden 1522 in
Elbing und 1523 an einem nicht genannten Orte ähnliche Fast-
nachtskomödien statt. Bemerkenswert ist bei der zweiten, in
der Mönche im Pfluge gehend und Nonnen mit Säuglingen auf-
traten, die gereimte Predigt des Pfaffen, die Grünau zum teil
wiedergiebt. Auch die Künigsberger hielten 1524 ein Fastuacht-
spiel von Luther wider den Papst ^).
1525. Caspar Hcnnenberger (Erclerung der Preüssischen
grossem Landtaffel 1595 S. 89) erzählt:
'Iin abwesen Bartholt Hacken ward jm sein Weib vnd ein klein
Töchterlein mit dem Geschmeide von jrer Mutter wider zuhaus gc-
nomen, kam nicht wider zum Manne, sondern starb bey der Mutter.
Dis Kindt ncmen fasten die junge gesellen vnd machten ein Faßnachts-
spiel auff dem Marckt daraus etc.'
1559. Der Pfarrer Petrus Praetor ins in Königsberg i. N.
widmete am 5. April sein Schauspiel Isaak und Rebekka' den
1) Th. Hirsch, Die Oberpfarrkirche von St. Marien in Danzig 1,
163. 262. 442 (1843). K. v. Lilieiuron, Historische Volkslieder 3, 547
Nr. 400, V. 177.
^) J. Freiberg, Preussischc Chronik hsg. von Meckelburg 1848
S. KU, Anm.
1522—1564. 3
Brüdern Michael, Simon, Stephan und Hans Leytzen in Stettin,
Danzig und Lüneburg zu der in Danzig zu feiernden Hochzeit
eines Verwandten. Vgl. unten S. 20 zum Jahre 1579.
1561 am 23. Januar fand in dem früheren Franziskaner-
kloster in der Fleischergasse, dessen Räume das 1558 gestiftete
Gymnasium beherbergten^), die Aufführung des deutschen Schau-
spiels 'Nabal' durch Schüler des Rektors Heinrich Mo 11 er 2) statt.
Es war nicht das erstemal, dass die Danziger Gymnasiasten auf
der Bühne auftraten; denn Moller, ein tüchtiger Schulmann, aus
Hessen gebürtig und in AVittenberg herangebildet, hatte die
Sitte der Schulkomödien, die in Elbing der Rektor Gnapheus
(1536 — 1541) längst gepflegt hatte ^), mit dem Beginne seiner
Amtsthätigkeit (1560) in Danzig eingeführt; doch ist keine direkte
Nachricht über frühere Aufführungen erhalten. Das Stück war
eine gewandte Verdeutschung des 15 Jahre zuvor von dem Zü-
richer Theologen Rudolf Gualtherus veröffentlichten lateinischen
XabaH), die Moller selber augefertigt hatte. Er gab sie auch
alsbald in Druck:
NABAL I 1. Samuelis 25. | Ein Newes | weltliches spiel in deudsche
reyme vbersetzt, vnd so avoI ej'nem | Erbtai-en, Namhafftigen hoch-
weysen Radt | vnd Gantzer gemeyne der Königlichen ] vnd weitbe-
rümbten Stadt Dantzig in | Preussen zn ehren, als zur vbung | der
jugent im Gymnasio | daselbs agieret. | HENRICVS MOLLERVS | HES-
SVS. I Cum non esse queas Mimus, sis zoile, Momiis. | Gedruckt zu
Dantzigk, durch | Jacobum Khodum | M.D.LXiiij. | 1278 Bogen 8°.
(Exemplare in Danzig und Dresden). — Der Text ist in lateinischer
Cursive gesetzt. Dem Personenverzeichnisse sind die Namen der Dar-
steller beigefügt.
1) Jetzt befindet sich dort das städtische Museum. Vgl. Th. Hirsch,
Geschichte des akademischen Gymnasiums in Danzig. Progr. Danzig
1837. Abbildung bei Curicke, Beschr. d. Stadt Dantzig 1688 S. 333 u. 349.
2) Er war 1529 in Frankenstein geboren, studierte 1554 in Witten-
berg und starb 1567 in Danzig. Ephr. Praetorius, Athenae Gedanenses
1713 S. 28—30. Hirsch 1837 S. 10. Stölzel, Zs. f. hess. Gesch. N. F.
5. Snppl. (1875) S. 80. Seine lateinische Beschreibung der Wappen der
liansischen Kontore (1566) in der Zeitschr. d. V. f. hamburg. Gesch. 4, 334.
3) Reusch, Elbinger Progr. 1868 und 1877.
*) Tiguri 1549, Argentorati 1562, o. 0. u. J. Aufgeführt 1559 in
Wesel (Heidemann, Progr. Wesel 1859 S. 27). — Deutsch auch von
Seb. Grübel in Schaffhausen (1560. Baechtold, Gesch. der d. Litt, in der
Schweiz 1892 S. 365 f.); dänisch von Sören Skriver 1578. Auch der
Nürnberger Rektor G. Mauricius schrieb 1607 einen Nabal.
4 Bolte, Das Danzig'er Theater.
Das leidlich geschickt komponierte, aber oft recht breite
Original schildert als warnendes Beispiel das Leben eines reichen
Schlemmers, der in thörichtem Hochmute die bescheidene Bitte des
notleidenden David abweist und, als er nach einer durchschwelgten
Nacht vernimmt, wie nahe ihm die Rache des Schwerbeleidigten
gewesen, von jähem Schrecke getroffen tot dahinsinkt. Moller
hat seine Vorlage getreu und gewandt wiedergegeben; nament-
lich verdient die durchgängige Übereinstimmung von Wortton
und Versaccent rühmend hervorgehoben zu werden. Zweckmässig'
ist auch die von Gualtherus abweichende Benennung der Neben-
personen; der Parasit Glycylogus heisst bei Moller Gnatho, der
Pantoffelheld Dysigamus mit einem im 16. Jahrhundert häufigen
Wortwitze Simon (= Siemann) ; die Diener Nabais und Davids
erhalten alttestamentliche Namen statt der griechischen. — Im
1. Akte wird die Zurüstung eines prächtigen Mahles, das Nabal
durch den Schmarotzer besorgen lässt, und die Not des von
Sauls Hofe entwichenen David vorgeführt, der auf Joabs Rat
Nabal um Brot für seine Leute zu bitten beschliesst. Im 2.
treffen Nabais Gäste bei diesem ein und erzählen jeder von sei-
nem gestrigen Rausche; bevor sie zu Tische gehen, erscheinen
Davids Boten und werden von Nabal und seinem Schmarotzer
schmählich fortgejagt. 3. Akt: Während David beschliesst, Nabal
zu überfallen, nimmt das Bankett seinen Fortgang; Nabal
nötigt zum Trinken und spricht, indem er den Becher erhebt,
einen Weingniss^):
Gott grusse dich, du edler tranck !
Dich lob ich, dir sey ewig* danck;
Du bist der menschen lust vnd heil,
Du vertreibst all trawren vnd feil
Mit deinem schmack vnd alle schmertzen,
So bschwerlich sein dem leib vnd hertzen.
Die Trunkenen vernehmen nicht, dass die Trommel Davids
Mannschaft zusammenruft; nur Nabais Frau, die tugendhafte
1) Bei Gualtherus III, 2 lautet die Stelle:
Nunc laudo te. Salve, liquor siiavissime,
Vnica voluptas et salus mortalium!
Tu corpoiris niorbos et animi pellere
Soles gravesque curas et molestias
Tuo sapore diluis. Pereant, tibi
Qui male volunt!
1564. 5
Abigail, erfährt durch einen Bauernknecht, was ihrem Gatten
droht, und macht sich (im 4. Akt) eilig- auf, um David durch
reiche Geschenke von Lebensmittehi zu versöhnen. Als ihr dies
gelungen, kehrt sie heim und berichtet ihrem Manne unter Vor-
würfen, was g-eschehen ist. Der Schreck wirft ihn krank nieder,
und bald darauf wird sein Tod gemeldet. Der letzte Akt bringt
Davids Werbung um die verwitwete Abigail und die glückliche
Verlobung beider als einen tröstlichen Abschluss.
Nicht unwichtig ist das Vorwort Mollers. Er erzählt hier,
er habe in Danzig 'neben andern arbeitsamen vbungen auch die
nützliche vnd lobliche gewonheit Comedien zu agiren eingefuret
und bißher alle jar zwey mal, erstlich Lateinisch auß dem Te-
rentio, darnach Deudsch auß der heyligen schritft allein durch
des Gymnasij knaben agieren lassen, auff das also zum ersten
die knaben selbs der zweyer sprachen, welche in diesem Land
in Kirchen vnd Schulen, auff Landtagen, in Radthaus vnd an
gerichts orten breuchlich sein vnnd am meisten im schwanck
gehen, zier vnd eigenschafft nicht allein sehen vnd erkennen
lernten, sondern auch dieselben reyuiglich aus zusprechen vnd
artig von sich zu geben von kind auff gewonten; zum andern,
das auch die gemeine burgerschafft, im latein wol, vbel oder
nichts erfaren, darzu auch frawens personen nicht allein das zu-
nemen der jugent also spuren vnnd mercken kondten, sondern
auch von mancherley zufeilen, wol vnd vbelstand dieses lebens
vnd Wesens erinnert werden vnd sich sampt jrem thun gleich
als in einem Spiegel besehen mochten.'
Obwohl sich Moller hierbei in Übereinstimmung mit der
von Abdias Prätorius verfassten Magdeburger Schulordnung') von
1553 befand, die neben den lateinischen Stücken des Terenz
auch deutsche Komödien aufzuführen empfahl (erstere im Sep-
tember, letztere in der Fastenzeit), so erregte sein Vorgehen doch
bei manchen pädagogische Bedenken. Der Elbinger Rektor Josias
Menius^), ein strenger Ciceronianer, hatte in einer mir unbekannt
1) Vormbaum, Evangelische Schulorduuugeu 1, 418 (1860); vg'l. '
Holstein, Die Eeforination im Spieg-elbilde der draniat. Litt. 1886 S. 39
u. 43. P. Hegelunds Susanna og Calumnia ed. S. B. Smith 1890 S. XXXI.
2) Aus Danzig; er studierte 1551 in Wittenberg und starb nach
1564. Vgl. E. Prätorius S. 228 f.; ira hsl. Danziger Gelehrtenlexikon
(Danz. Stadtbibl. XV fol. 41) S. 72b ; Neubaiir, Altpreuss. Monatsschr. 28, 264.
6 Bolte, Das Danzig-er Theater.
gebliebeneu Schrift die zerstreuende Mannigfaltigkeit des Unter-
richts getadelt und wollte die Lektüre der Dichter, namentlich
des Terenz, aus der Schule verweisen. Ihn suchte der Danziger
Arzt Joh. Placotomus^) in einer Gegenschrift ^j zu widerlegen;
aber wenn er auch die Terenzlektüre und die Terenzaufifiilirungcn
verteidigte, so gab er doch die am Danziger Gymnasium üblichen
Darstellungen deutscher Stücke rückhaltlos preis. Er äusserte
z. B. auf Bl. B 5b: 'Nee expedit nee deeef, seholastieos Mstrio-
num more germanicas fäbulas vulgo hine inde vagando quaesfus
gratia exhibere. Germmiiearum comoediarum aetiones germa-
nicis ludis et idiotis relinquantur, Jatinae vero latinam linguam
discentihus proponantur, et commodum discentium privafo qtiae-
stui anteferatur ; deeet enim inter idiotas et scholasticos, inter
germanieas et latinas seholas aliquod esse discrimen' — Moller,
der sich durch diese Aeusserungen angegriffen fühlen musste,
antwortete samt den an der Aufführung beteiligten Kollegen
Mich. Retellius, Ach. Curaeus und Jac. Ciglerus durch eine Bro-
schüre^), in der er vermittels 47 Gegenfragen die erhobenen IjC-
denken zu entkräften suchte. Beispielsweise führe ich Nr. 20 an:
'An Ehraei, Graeci et Latini comoediarum autores alia lingua
quam rernaeula comoedias exhibuerlntT — Der Streit draicrte
noch weiter fort, da der Erfurter Jurist Heinrich Kuaust, der
selber deutsche und lateinische Schauspiele verfasst hatte, 1566
samt andern Erfurter Professoren in einem dem Danziger Kats-
herrn Matthias Zimmermann gewidmeten Gutachten*) dem Placo-
') Aus Murstaclt (? Mörstadt bei Pfcdersheim), ein Seliüli r Me-
lanclitlions, geb. c. 1514, g-est. 1577. Vgl. Praetorius S. 30; das lisl.
Gelelirtenlexikon S. 72b. Schnaasc, J. Placotonius 1865. Bertüiig,
AUgem. deutsclie BiogT. 2G, 220.
~) De ratione docendi. Themata de quibusdam ad rationcni do-
cendi spectantibus controversiis, a Mag*. Josia Menio in Prussia niotis.
IVs Bogen 8« o. 0. u. J. (Danzig XVII C. o. 170, Nr. 6). Die Vorrede
ist unterzeichnet: Dantisci 12. Nov. Joannes Placotomtis.
8) Quaestiones de g-ermanicis fabularum actionibiis, ojipositae
opinionibus D. Joh. Placotomi, artis medicae Doctoris, a Gyiimasii
Dantiscani professoribiis, Gedani 1564. 7 Bl. B*' (Danzig XVII C. o. 179).
*) ludicium D. Doct. Henrici Knaiistii, quid una cum aliis qui-
busdam doctis viris Academiae Erpiiordianae sentiat de Prnpositioni-
bus seu Thematibus D. Doct. Joa. Placotomi in controversiis de ratione
docendi a M. Josia Menio in Prussia motis. Item, an germanicas
1ÖG4. 1570. 7
tonnis beipflichtete und auch dieser im selben Jahre noch ein-
mal das Wort ergrifft). Es scheint, als ob darauf Moller und
seine Nachfolg-er schliesslich doch von weiteren deutschen Auf-
führungen Abstand genommen haben; denn unter den freilich
recht unvollständigen Nachrichten über die Pflege der Schul-
komödie am Danziger Gymnasium findet sich bis ins 17. Jahr-
hundert keine, die unzweideutig auf ein deutsches Stück zu be-
ziehen wäre.
1570. Von den Fastnachtslustbarkeiten dieses Jahres und
der nächstfolgenden besitzen wir anschauliche Berichte in der
hsl. Chronik des Danzigers Martin Grüne weg ^), der, 1562 ge-
boren, schon im 13. Lebensjahre seine Vaterstadt verliess, später
katholisch wurde und als Dominikaner in Lemberg 1605 seine
Kindheitserinncrungen niederschrieb. 1570, also als achtjähriger
Knabe, sah er ein auf dem Langen Markte gehaltenes Turnier ^)
der Freibeuter an, d. h. der Danziger Bürger, die im Auftrage
der Krone Polen zur See Krieg gegen die Schweden führten,
ferner die Aufzüge der Tischler, Fleischer und Schiffer, denen
wir im 17. Jahrhundert noch mehrfach begegnen werden und die
ganz an die gleichzeitigen Fastnachtsbelustigungen der Nürnberger
comoedias vel tragoedias in latinis scholis agere conveniat necne.
Francofurti 1566. 24 ßl. 8^. (Angehängt an Knausts Dido: Exempl. in
Breslau, Danzig, Elbing-, Gotha, Hamburg, Leipzig, München, Rostock,
Stralsund, Strassburg, Wolfenbüttel, Zittau, Zwickau.) Vgl. Schröder,
Lexikon der hamburgischen Schriftsteller 4, 84.
^) J. Placotomus, Schola: sive latinae scholae constitutio. Fran-
cofurti 1566 (32 Bl. 80. Danzig XVII A. o. 140) Bl. 28a: 'De acüonibus
fabularum, quod discentes latinatn linguara latinas. non germanicas
comoedias agere conveniat.'' Dagegen bestimmte die Thoz-ner Schul-
ordnung von 1568, dass jährlich ein lateinisches und ein deutsches
Stück gespielt werden solle (Lehnerdt, Progr. Thorn 1868 S. 29)
-') Auf der Danziger Stadtbibliothek I E fol. 77. Vgl. Scriptores
rerum Prussicarum 4, 692 (1870).
^) So ritten auch die St. Georgenbrüder am Fastelabend 1486
und 1494 'nach der Tafelrunde' (Script, rer. Pruss. 4, 758. 795. Hirsch,
Zs. f. preuss. Gesch. 1, 28. 1864). Über die ursprünglich nur aus ritter-
bürtigen Familien hervorgegang-enen Georgenbrüder und deren Waffen-
übungen vgl. Th. Hirsch, Die Oberpfarrkirche von St. Marien 1, 159
(1843) und Danzigs Handels- und Gewerbegeschichte 1858 S. 204. Über
.Ringelstechen i. J. 1552 und 15.53 vgl. Löschin, Gesch. Danzigs 1, 304.
— In Thorn hielten die Artusbrüder noch 1593 am 1. März ein Kröllen-
und Junkerstechen (Zernecke, Thornische Chronica 1727 S. 202).
8 Bolte, Das Danziger Theater.
Handwerker erinnern, endlich auch vier Komödien, darunter
eine vom Jüngsten Gericht, sämtlich von Schülern und Hand-
werkern dargestellt. Grunewegs Beschreibung (auf Bl. 236 b der
Handschrift) lautet :
'Anno 1570 den 6. februarii, am montag zu fastnachtten, stachen
vier freybeitter zusamen aufm markte, nemlich Thewes Scharpinck,
Michel Figenaw, George Dran vnd Andreas Rhode, vnd hette ein ieder
bev 15 beyreitter mitte. Figenaw stach den Scharpinck abe vnd be-
hielt den danck. Ich sach mitt der mutter zue von dem hause bey
der Kogenbrucke an der Repfergassen ohrt, welches zum köninglichen
palatze gehört, in welchem vnser forige nachbar, der federschmucker,
wontte . . . Aber gedachte freybeitter triumphierten darnach auf
dem hoffe^).
'Bey meiner zeitt gedencke ich nicht frölicher fastnacht, dan
warden dasmahl vier c o m e d i e n gehaltten ; eine wart gewiesen im
Colegium, die ander im Schützgartten auf der forstat^), die dritt im
Schützgartten vor dem bogen thore^), die viertte in der heyligen geistes
kirche; weis aber nicht, was gespielt wart, oder wer sie ausmachtte.
Die erste comedy, so ich gedencke, wart im schützgartten auf der
voerstat sehr köstlich gewiesen, vnd dunckt mich, das es in diesem
iahre war. Es waren sehr viele perschonen darinne, in welche die
mutter einen ihrer patten ausmachtte*), der war einer von den engelnn,
die den thotten die aufferstehunge außbliesen; dan sie war vom jüng-
sten gerichte'5).
'Den siebenden februarij gingen die tisch 1er gesellen auch
mitt einer comedien durch die statt. Es war ihr eine grosse menge,
meines dunckens etliche hundert. Sie traten in schöner Ordnung vort,
vnd war an ihnen was zu sehen; denn sie hetten sich alle in eittel
gehuebeltte spucne bekleidett, hoesen, wambös, hutt so artlich ausge-
1) D. h. auf dem Artushofe.
2) Dieser Sommer-Schiessgarten lag auf dem Hagelsberge in der
Gegend dos heutigen Schützenhauses, wie man aus dem Stadtplan bei
Curicke, Beschreibung der Stadt Danzig (1688) ersehen kann. Eine
Abbildung ebenda S. 63.
3) 1489 hatten die Georgenbrüder neben ihrem Schiessgarten am
Langgassischen Thorc eine Halle, die jetzige Hauptwache, erbaut;
1591 fand eine Erneuerimg des Gebäudes und 1612 ein Neubau des
Langgassischen Thores statt. Vgl. die Abbildung bei Curicke, Be-
schreibung der Stadt Danzig 1688 S. 46. 57 und Th. Hirsch, Scriptores
rerum Prussicarum 4, 761. 767.
*) D. h. ausstaffierte, bekleidete.
■■*) Über die Dramen vom jüngsten Gerichte werde ich demnächst
in einer besondern Schrift handeln. Vielleicht wurde hier das Drama
des Hans Sachs (Folioausgabe 3, 1, 246: v. J. 1558) benutzt.
1570. 1572. 9
macht vnd mitt allerley ferbe vnd g-olde ausgestrichen, als wers von
seide vnd goltt gewurcken, darzu einer vber den anderen. Hinder
ihnen wartt ein schütte geführt, auf deme war ein schöner thurm ge-
bawt, auf welches gange stunden spilleutte, die bliesen da auf schale-
meien, vnd vnden sas eine altte fettel, die führtten etliche perschonen
darzu bereit in die vornehmsten heiser, vnd da hochzeitte waren, be-
hiebeltten, behautten sie, auf das sie gerade vnd glat mochtte werden.
Solche arbeit wehrtte in iglichem hause eine halbe stunde. Darnach
fürtten sie den thurm mit ihr von den hoff, sich vber sie beklagende,
was arbeit vnde muhe sie ihnen gemacht hette, vnd dennoch alles vei*-
gebens were, Hessen darnach rakitte aus dem tliurm vnd verbrantten
ihn mitt dem weibe, das also das folck ihre frewde hette.
'Die fleischer gesellen bewiesen sich auch nicht vnsauber,
ohne die den kerl aufder haut worffen, fuhr einn wegenlein so zuge-
richt, das sich ein kalb mitt dem Spiegel immer vmedrehet; nach dem
ein wagen mit grossem gepollter dreber hakende vnd wurste machende;
noch ein Avagen mitt einem herde, auf welchem ein gros kien fewr
bran, vm welches man bratten wendett, die warden mit sagelspuenen
gesaltzen. Nach deme folgtte ein gutter hauffe zu rosse, wol gestoffiert,
die ritten der kucben nach, vnd nach ihnen ein grosse schütte fol
beyder perschon, vm einen tisch gesetzt, auf welchem eine kartten,
die andern wartzabel spiltten, vnd die wirttinne schrieb alles auf eine
taffei mitt duppelder kreiden ahn.
'Die seh ip ff er fürten ein wol geputzt schiff mit aufgetzognen
siegeln vme, aus Avelchem geschossen wart^), Sprüngen vber die Schwer-
ter, durch die buegel. Der abends mumer waren keine zal.'
1572 spielten die Kürscliuer die 'Tragedia Jobannes Huss*,
die 1537 Johannes Ag-ricola, der durch seine Sprichwörter-
sammhing bekannte Lutherscbüler, hatte zu Wittenberg drucken
lassen-). Das Stück erforderte nicht weniger als 41 Mitwir-
kende, und die Darstellung der Konstanzer Konzilsversammluug
fiel ziemlich dürftig aus. Gruneweg erzählt darüber (Bl. 274 b):
'Ein mercklich spiel vom Hans Hus liesenn die Kiirßner ge-
sellen ausgehn. Es warenn sehr fiele perschonen darinne, vnd keine
recht bekleidett, dieweil es da ein geistlichs concilium muste haben,
in welchem von nöten waren bischopffe, cardinal, menigerley munche,
welche den beltzern schwer auszumachen waren. Darume legten sie
auch wenich danck ein, tzumoele doe sie auf der voerstat schier den
schützgartten mit der Hus (das ist gans) gebratten betten, wie vns
1) Auch 1529 führten die Schiffer zur Fastnacht ein bunt ge-
schmücktes Schiff durch die Strassen (Löschin, Gesch. Danzigs 1, 304).
2) Goedeke, Grundriss2 2, 369. Sie wurde auch 1538 in Torgau
aufgeführt.
hX,TJ,3Uri^,
IQ Bo'te, Das Danziger Theater.
AVentzel, ein altt kurßner geselle, welcher auch eine perschone darinne
hette, berichtet.'
Die Kürschner, denen wir noch öfter als Pflegern der dra-
inatisclien Kunst in Danzig begegnen werden^), scheinen mehr
als andre Handwerker durch ihre Beziehungen zu süddeutschen
Städten zur Beschäftigung mit der Dichtkunst angeregt worden
zu sein. Unter ihnen finden wir auch die ersten Genossen der
Danziger Meistersängerschule, von deren Dasein zwar die
Chronisten nichts vermelden, die aber 1597 von einem Strass-
burger Meistersänger neben denen zu Leipzig, Dresden, Breslau
11. s. w. ausdrücklich angeführt wird 2). 1579 tritt auf einer
Nürnberger Fechtschule der Kürschnergesell und Marxbruder
Jacob Kreiser aus Danzig mit einem Gedicht eigner Mache
auf 3); verschiedene Meisterlieder hat der aus Augsburg gebürtige
Kürschner Hans Baut zer (Pantzer) verfasst, der am 4. Mai 1585
das Danziger Bürgerrecht erlangte^) und mindestens bis 1611
lebte; sie sind zum teil in den von ihm erfundenen zwanzigzeiligeu
neuen Jünglingsweise gedichtet und in Wiener, Göttweiher, Dres-
dener, Breslauer und Jenaer Sammelhandschriften ^) erhalten. Der
Zunft des berühmtesten Nürnberger Meistersängers dagegen ge-
hörte der Danziger Schuster und Liebhaber der Singekunst Salo-
mon Schönwalt an, der sich 1584 eine gegenwärtig in Dresden
^) Vg-1. zixm Jalire 1594 und IGll. Auch in Königsberg- spielten
die Kürschner vor dem Markgrafen, und ein Tuchmacher hielt 15ö6
ebenda eine Singschule (A. Hagen, Gesch. des Theaters in Preussen
1854 S. 15. R. Möller, Progr., Königsberg 1874 S. 9). — 1571 dichtete
Hans Einhorn zu Marienburg ein Meisterlied (Dresdener Hs. M. 195,
Bl. 30Gb), ebenso 1596 der in Breslau ansässige Balzer Schreier aus
P^lbing (Jenaer Hs.).
2) Uhland, Schriften zur Gesch. der Dichtung 2, 295.
3) Wassmannsdorff, Sechs Fechtschulen der Marxbrüder und
Federfechter 1870 S. 44. — Umgekehrt hielt 1G20 in Danzig ein Augs-
burger Kürschner, Meister des langen Schwerts und Hauptmann der
berühmten Bruderschaft St. Markus mit 15 hier anwesenden Markus-
brüdern eine Fechtschule (Löschin, Gesch. Danzigs 1, 354).
*) Danziger Bürgerbuch.
•^) Scliröer in: Germanistische Studien 2, 222 (Suiipl. zur Ger-
mania 1875). Widmann, Zur Gesch. des Meistergesangs in Oberöster-
reich. Progr. Steyr 1885 S. 13. 19. Goetze, Neues Lausitz. Magazin
53,107. Goedeke, Grundriss 2 2, 251. Keinz in Hans Sachs-Forschungen,
hsg. von Stiefel 1894 S. 323.
1572. 1 1
befindliche Mcistcrliedersanimlung von dem Breslaucr Sclmhmaclier
Adam Puschmann (1532 — IGOU), einem Scliiiler des Hans Sachs
zusammenschreiben liess^). Die Thätigkcit der Danzig-er Meister-
säng-er beschränkte sich aber nicht auf die Abhaltung von Sing-
schulen, sondern sie setzten auch innerhalb ihrer Zunft, gleich
ihren Sangesgenossen zu Nürnberg, Augsburg, Memmingen, Frei-
burg, Nördlingen und anderwärts, dramatische Aufführungen
ins Werk.
Gruneweg schliesst an die Nachricht über die Aufführung
der Kürschner eine Notiz über eine Schulkomödie Von eitel Maid-
lein' an; doch scheint diese erst ins folgende Jahr zu gehören,
weil das hier offenbar gemeinte Drama 'MeidleinschuT des Eis-
leber Prediger Konrad Porta^), ein vereinzelt gebliebener Ver-
such, die Schulkomödie auch in die Mädchenschulen zu ver-
pflanzen, erst 1573 gedruckt wurde:
'Diese fastnacht (dunckt mich) lies einn deiitzer Schulmeister ein
spiel von eitteln^) meydlein außgehen; das wart vber dem kogen-
brucken thore^) in des königes palacz gewiesen; weis doch nicht, von
was history.'
Jedenfalls bezieht sich folgende dem Kämmereibuche von
1572, Bl. 123 entnonnnene Notiz über eine an der ]\Iarienschule
geplante Aufführung nicht auf jenes Spiel:
'24. Februar hern Constantin Ferber zugesant auff seine goderen,
so dinstag Ehn Er. Rath beslossen, dem rectori vnd den magistris im
collegio zur parchen als dess tages in kegenwertichkeit der burger-
meister vnd etzlicher Radespersonen ene Co media agiren sollen . . .
15 Mark.'
Eine neue pomphafte Feier des Gregoriusfestes (am
12. März) führte der 1570 an die Marienschule berufene Rektor
Valentin Schreck aus Altenburg ^) ein. Bisher waren, wie
1) Dresdener Mscr. M. 109 (137 Blätter in 4*^). Im Danziger Bürger-
buche ist am 23. August 1578 eingetragen: 'Salomon Schonewaldt, von
Schiffenburg, ein Schuster.'
^) Goedeke, Grundriss ^ 2, 366. Exemplare in Breslau, Celle,
Darmstadt, Frankfurt a. M.
3) D. h. lauter.
*) Heute heisst es das Grüne Thor.
^) Geb. 1527, 1567 Professor der Poetik in Königsberg, wo er
nach A. Hagen (Gesch. des Theaters in Preussen S. 32) 1576 [!] eine
Tragödie Lobwassers aufgeführt haben soll, seit 1570 in Danzig, wo
12 Bolte, Das Danziger Theater.
Gi'uneweg^) erzählt, an diesem Tage die Schüler einzeln durch
die Stadt gezogen und hatten von den Bürgern Kringel und Geld
zum Geschenke erhalten; jetzt wurde ein prächtiger Zug zu
Pferde veranstaltet, bei dem verkleidete Schüler den Papst Gregor
den Grossen, den Schutzpatron der Schulen, Kardinäle, Bischöfe,
die sieben freien Künste u. a. vorstellten, wohl auch Reime auf-
sagten 2). Grunewegs Bericht (Bl. 279 b) lautet:
'Nachdeme, meines dunckens im vorgangnen sommer, der rector
zur pfarrscluiele^) gestorben war, brachtte man einen Hochdeitzen
mittelmessiger iahren vnd fromen stillenn man an seine statt. Dieser
als an seinem anfange richttette den schiielern nach altem gebrauch
auf S. Gregorij fest eine schöne proces aus, in welcher S. Grego-
rius auf einem rosse sehr zierlichen in bäbstlichem kleide rieth vnd
vm ihn drabanthen mit helbartten; vnter welche ich auch geordnett
wartt, dieweile der rector wiste, das ich ein schön neuw hobemansch
kleit hette. Vor dem bapst rietten bischopffe, cardinales vnd in schütten
die freyen kunste. Das alles hette er etliche wochen zuuor so fleissig
geordnett, das sich darnach iderman zu wunderen hette. Da nun der
tag vnser beweisunge kam, Avelcher etliche nach S. Gregorius war,
(dan an seinem feste kontte es vngewitters halb nicht sein) da kam
des Stiefvätern halbschwester mitt ihren zwe sönenn zu vns, sie auch
zu schmucken, vnde war ihnen Antter dem gemeinen hauffen stelle vor-
tzeichnett. Der stiefFuatter putzte mich selbest vnde hette genug dings
von güldenen ketten vnd sonst zum schrauk dienende bereitt. Wie
wir kinder fast bekleidett waren, bringt vnser neue kneclit Weinholtt
meine hclbart vom riemer, vnd im vbergeben spottet er mein vnde
spricht: 'Die anderen kinder sein alle inn schönen weyssen hemden
vnd gleissen von golde, vnd du hoebeknecht stehst wie ein ander
huenerdieb. Der rector wirt dich eine gebrattene wurst aufs drekspies
stecken.' Solche rede machte mich weinend, vnd ries die ketten vom
halse, woltte auch in die proces nicht gehn, welches sie alle erschraken;
dan es samletten sich schon die schueler. Dem stiefuatter, welcher
hinunder gangen war, thate man solchs kuntt; der kam hinauff ge-
er 1602 starb. Vgl. Ephr. Praetorius, Athenae Gedanenses 1713 S. 173
und das hsl. Danziger Gelehrtenlexikon S. 43a,
1) Bl. 256a zum Jahre 1567.
2) Auch in Königsberg gewann 1571 die Gregoriusfeier ein statt-
liclieres Aussehen (A, Hagen, Gesch. des Theaters in Preussen 1854
S. 21). Vgl. noch R. Kichter, Progr. Saalfeld 1.S64 S. 12 u. 26. Knothe,
N. Lausitz. Magazin 39, 47. Schwarze, Mitt. des bist. Vereins zu Frank-
furt a. 0. 9, 89. Bruchman, Annales der Stadt Züllich. Cüstrin 1G65
S. 120—133. Wattenbach, Anz. f. Kunde der d. Vorzeit 1871, 47.
8) Vielleicht der von Praetorius, Athenae Gedanenses S. 173 er-
wähnte Martin Praetorius aus Wittstock.
1572. 1573. 13
loffen, schlug den knecht, batt mich, dreiite mir, halff aber nichtes.
Da zogen sie Bertelt Schnitzen ans vnd legten ihm meine kleider an.
Jnngfraw Anne, Huplomans tochter, brachten sie zu mir (dieweile sie
mit mir wixste vmezugehn vnd kleidte mich darnach in allen comedien),
die bat mich, das ich des Berttels geschmeide anneme, es lobende,
vnde das sie mich selbest anziehn woltte, in welchs ich gewilligte.
Da ich in die schneie kam, gefiel ich ihnen sonderlicher weise,
das mir der rector mein fenlein nam vnd ein bloßes schwert mitt
einem perlen krantze vor S. Gregorio tragen hies, woab die mutter
einen sonderlichen gefallen hette vnd es dem rector woll bezaltte. Ich
aber merke aus solcher verenderunge göttliche geheimnusse. Nach
mittage aber schmückte man mich noch bas vnde machte mich gar
zum engel mit angeheftten flügeln vnd krausem haer, darume das
man mich nicht von meiner vorigen stelle Verstösse.'
1573 wurden am Gymnasium und in der Marieiischule drei
Komödien zur Fastnacht gespielt, eine griechische^), eine lateinische
und eine deutsche. Das von Val. Schreck für die Marienschule
eingerichtete und vielleicht auch gedichtete deutsche Spiel han-
delte von Davids Ehebruch mit Bathseba. Dass es nicht mit
dem 1561 gedruckten Stücke des Hans Sachs 2) identisch war,
lässt sich aus dem folgenden Berichte Grunewegs (Bl. 294 b)
entnehmen :
'Auf fastnacht (oder nach Danziger weise baltte nachweyhnachtten)
vbtte man die iugentt in drey spielen : deutzs, lateiniß und grichisch.
Das deutzse spiel war aus dem anderen buche der königen, das 11.
12. 13 capittel gar, auch aus dem 18. angefleckt. In deme war ich einer
auss des königes drey dienstknaben vnd hielt im nachfolgen die mitte.
Der herre^) kleidette mich alezeitt mitt eigner handt ahn vnd sehr köst-
lich, das ich in kleinöttenn alle andere vbertraf; dan ihm auch in der
statt vor anderen vm solche dinge am leichttesten war. Einmahl rietten
wir im werckeltage aufs köstlichste vme, vnd da war mein erstes mahl,
das ich aufm rosse sas, auf welches ich angeschraubett war vnd fuhrtte
das ros ein studente, der frauen blutsuerwantter. Der köninng war
Guntters söhn, welcher vor s. Petters kirche an der Kattergassen ohrt
wonte. Da ich den köning zu hause beleitte, gab mir seine mutter
1) Auch auf dem Thorner akademischen Gymnasium wurden
nach der Schulordnung von 1600 jcährlich ein griechisches und zwei
lateinische Schauspiele von den drei obersten Klassen aufgeführt
(I.ehnerdt, Progr. Thorn 1868 S. 45).
2) Folioausgabe 3, 1, 84 = 10, 319 ed. Keller: Der David mit
Batseba im ehbruch.
3) Grunewegs "Vormund August Hertzberger, der von 1565 bis
zu seinem Tode 1577 als Prediger und Lehrer am Gymnasium wirkte.
1^ Bolte, Das Danziger Theater.
ein dreygroscher, mit welchem ich samt anderen howeleutten in Pogen-
poel zum becker rieth vnd wecke darumb kaufte vnde dieselbigen
vntter meine geselschalt theiltte. Da vns der rector alle auf den ros-
senn essende sähe, lachtte er so sehr, das ihm die trenen außn äugen
flösse, da doch sonst das lachen bey ihm theur war. Die königinne
Bersabe, welche Kamermans söhn wäre, wartte vnser, das wir sie auch
beleittenn; da nam man mich vom rosse, vnd stieg hinder ihr aufn Schlit-
ten bis voer ihr haus in die Hundegasse, vnd mein gedachtter hutter lief
mir nach. Da kam meiner mutter diener vnd sagtte mich, das ich
zum herren keme; den er mein bey der mutter wartte.'
1574. Georg Roll, ein ans Biieg- g-ebürtiger kaiserliclier
Notar, dessen Comoedia vom Fahl Ade vnd Eiie 1573 zu Königs-
berg agiert und gedruckt worden war^), führte in Danzig die
'Historiam Samaritani', wohl ebenfalls eine eigene Dichtung,
wie er 1600 (s. 8. 29) erwähnt.
Erhalten ist ein Aktenstück vom 11. Januar 1574, in dem
Georg Pouvn, Vorsteher einer 'offenen deutschen Schreib- imd
Reehenschulc', den Rat um die Erlaubnis bittet, ^vegen kuniftige
Faßnacht die Comedia von dem Hecasto', also eine Über-
setzung nach dem lateinischen Drama des Macropedius 2), agieren
zu dürfen.
1575. Abraham Burchard, wahrscheinlich ein Danziger
Schulkollege, führte bei der Hochzeit eines Ratsherren die Ge-
schichte der Griseldis, aber ohne deren Namen, auf. Griseldis wird
hier nur Fürstin, ihr Gatte Walther von Salerno nur Fürst ge-
nannt. Das kunstlose Spiel hat sicli noch in einem Exemplar des
Druckes erhalten; das Titelblatt ist hsl. ergänzt.
Schau-Spiel auff das vorstehende Beylager H. George Rosen-
bergs, Ivaths-Verwandten in Dantzig, mit JlV. Anna Krügerin, des "Wohl-
weisen Hrn. Henr. Krügers Bürgerm. inThorn und gebohrnen Fr. Annae
von der Linden Jl'r. Tochter, vorgcstellet zu Dantzig von Abraham
1) Goedeke, Grundriss2 2, 393. Die Angabe A. Hagcns (Gesch.
d. Theaters in Preussen S. 27), dass Roll damals Schulmeister im Löbe-
nicht gewesen sei, beruht vielleicht auf falscher Kombination. Auch
der Königsberger Schulmeister Daniel Brodach führte eine Komödie
vom Samariter, vermutlich die Dichtung Rolls, auf (Möller, Progr.
Königsberg 1874 S. 7).
2) Macropedius' Hecastus (1539) soll nächstens von mir neu her-
ausgegeben werden. Vgl. vorläufig meine Einleitung zu J. Strickers
Düdeschem Sciilömer 1889 S. *24.
1573—1576. 15
Bui-chard. A. 1575. 8V4 Bogen 8" [Dantzig]. Auf El. Jija steht: Ge-
druckt zu I Dantzig-, durch Jaco- | bum Rhoduin. | 1575. — Fünf Akte
in Reimpaaren. Die Vorrede ist datiert: Dantzig', 6. Maij 1575.
1576. Der S. 14 g-eßanntc Georg ßoU veröffentlichte eine
Dramatisierung des Romans von Pontiis und Sidonia^), den vor
mehr als einem Jahrhundert die Erzherzogin Eleonore von Oester-
reich aus dem Französischen übertragen hatte.
COMOEDIA I Von Ritterlichen | Adlichen, Manlichen Tugen | den
vnd Thaten, sonderlicher Tugent | reicher Ehren, Ehrbarkeit vnd zucht
des tew- | ren Ritters Ponti, Königs Tiburtij Sohn | aus Gallicien : Vnd
der Ehr vnd Tugent- | reichen Sidonia Königs Agril, aus Brita- | nieu
Tocliter: Darinnen sonderlich zum | anfang, des Türeken gewalt vnd
Ty- I ranney gegen den armen Christen. | Als was eines jeden Christ-
lichen I Gottseligen Königes, vnd aller | Oberkeit Ampt gegen jhren |
Vnderthanen sey. prae- ! flguriret wird. | Durch | Georgium Roll Maior:
Brigen: Silesium, | Sacra Imperiali Authoritate Notarium. | Tandem bona
causa triumphat. | 12^8 Bogen 8" [Danzig]. — Auf Bl. Niijb steht: Ge-
dnickt zu Dantzig, durch | Jacobum Rhodum. — Die Widmung ist
datiert: Dantzigk 14. Julii 1576.
Der Dichter, der von den älteren Pontusdramen des Heinr.
Hoftot (Nürnberg 1551) und Hans Sachs (1558. Gedichte 3, 2,
245) schwerlich Kunde besass, hat durch Einschaltung mancher
Episoden die Eitter- und Liebesgeschichte zu einer tigurenreichen
Komödie ausgebaut. Im 3. Akte verspricht der Elieteufel As-
modeus einem alten Weibe ein Paar Schuhe, wenn sie die Liebe
des Pontus und der Sidonia störe ^); aber die Prinzessin lässt die
Verläumderin durch den Narren Jakupki die Stiege hinabwerfen,
worauf der Teufel sie zur Hölle schleppt. Pontus macht seiner
Geliebten den Hof, indem er vor ihr fein züchtig eine Galliarde
tanzt. Dabei fehlen nicht die üblichen Klagen über die Falsch-
heit der Höflinge (Sandoletus) und über die Baueruschiuderei der
Adligen (Claus). An das berühmte Bildchen im Danziger Artus-
hofe, das in E. T. A. Hoffmanns Serapionsbrüdern eine Rolle spielt,
erinnert eine Scene (V, 2) aus dem wüsten Leben der garten-
den Landsknechte, die mit Dirne und Trossbuben erscheinen
und beim Würfelspiele eine Schlägerei beginnen. Bl. Fiija wird
^) Goedeke, Grundriss ^ 1, 355 f.
2) Vgl. unten S. 21 zu Praetorius ; Oesterley zu Kirchhofs Wend-
unmut 1, 366.
16 Bolte, Das Danziger Theater.
eine Jagd geschildert^); der Jäger Humulus bläst sein Hörn und
singt dann:
Es reit ein Jeger wolgemiith,
Er reit aus frischen freien mut
Wol in der Heiden grüne.
Waß fand er an dem wege stahn?
Ein zweiglein, das war grüne. (Rep.)
Biest widerumb sein hörn, singet:
Ho do, wie grünet vns der walt!
Mein Hündtlein seind gantz wolgestalt,
Vnd singet vns fraw Nachtigall.
Ho do, lustig, je Hündlein all!
Biest noch ein mohl vnd gehet ein.
Ob das Stück auch in Danzig gespielt wurde, erscheint
nach Rolls Bittschrift v. J. 1600 (S. 29) zweifelhaft. Dagegen
hören wir von einer Aufführung des Ritters Pontus in Königsberg
durch den Schulmeister Daniel Brodach 2).
1578. Valentin Sehr eck 3), der Rektor der Marienschule,
Hess nach einem von ihm eingeführten Brauche, ebenso wie Moller,
ein lateinisches und ein deutsches Drama durch seine Schüler
spielen*). Durch Zufall hat sich eine gedruckte Inhaltsangabe
V. J. 1578 erhalten:
ARGVMENTA | Comoediarum quae Latine et | Germanice ä scho-
lasticis ludi Mariani | sunt exhibitae | In Hilarijs huius Anni | 1578. ]
Scripta et edita ä M. | Valentino Schreckio. | Inhalt | Der Comedieu
welche Lateinisch vnd | Deudsch von der jugent auß der Pfarr- | schulen
zu S. Marien sind agiret | worden | In Faßnacht | Dieses Jares 1578. |
Beschrieben vnd in Druck verfertiget | Durch | M. Valentinum
Schreckium. | 1^4 Bogen 8» [Weimar.] — Auf Bl. Bvjb steht: Gedruckt
zu Dantzig bey | Jacobo Rhodo. | 1578. — Die lateinische Widmung ist
datiert (Bl. Aijb) Dantisci ex ludo Mariano 8. Id. Febrarij A. C. 1578.
^) Ebenso in Ayrers Melusina (3, 1631 ed. Keller); vgl. überhaupt
Wagners Archiv f. d. Gesch. der deutschen Sprache 1, 133 (1874) und
R. Köhler im Weimarischen Jahrbuch 3, 353.
2) Hagen a. a. 0. S. 28. R. Möller, Geschichte des Altstadt.
Gymnasiums 5 (Progr. Kgsb. 1874) S. 7. — Derselbe Stoff kehrt im
Repertoire des Peter Sciuenz bei Gryphius und in modernen Tiroler
Bauernspielen wieder (A. Lewald, Tyrol 1833 1, 31).
8) Vgl. oben S. 11.
*) Auf Bl. Aija des Progi*amms sagt er: ' Duasque illas comoedias,
latinam et f/ermanicam, ex more nostrae scholae a me introducto publice
exhibendas selegi.'
157G. 1578. 17
Das Programm umfasst lateinische und deutsche Argumente
zu Terenz' Phormio und zu einer deutschen Komödie von Gri-
seldis nebst Prolog und Epilog. Als Quelle für das zweite
Stück wird die Novelle des Boccatius angegeben, 'Welche wir
auif gelegenheit Der Statt vnd jtzigr hendel gricht.' Schreck be-
ginnt aber erst nach der Heirat der Heldin und giebt breite Sitten-
schilderungen: Kaufleute beschreiben die Mühseligkeiten ihres
Standes, Hofleute die Gefahren des Hoflebens, ein Bauer redet
von der Teuerung, zwei alte Bürger vom Borgen und Wucher.
Im 3. Akt verkündet der Fürst seinen Räten, dass er seine Ge-
mahlin Verstössen wolle; Sathan frohlockt, die Stände protestieren
vergeblich. Im 5. Akte bringt Walthers heimlicher Rat die
beiden totgeglaubten Kinder der Griseldis an den Hof, und
Walther erhebt die schwergeprüfte Gattin zu hohen Ehren, während
der Eheteufel vom Engel Raphael verjagt wird ^). Ich lasse die
Inhaltsaugabe selbst hier folgen.
[Bija] Perioclia Oder jnhalt der Comedien.
Itzixnd habt jr vrsach vernommen,
Worumb wir zu euch her sein komen.
Nu hört, was wir habn für ein spiel!
Den jnhalt ich euch sagen wil.
5 Ein Herr war gsessen in Welschlandt,
Ein Hertzog" von Salutz genandt.
Er hat Land, Leut, gros ehr vnd gut,
Auff jagn vnd hetzen stund sein muth.
In seim Land saß ein Bawrßman dar,
10 Der der Fürsten leibeigen war.
Er hat ein tochter: jres gleich
War nicht zu findn im gantzen Reich,
Schön, from, bered vnd voller tugend.
Keusch, züchtig in blüender jugent.
15 Der Fürst sie jm für andre all
Außerkor vnd nam zum Gemahl,
Macht sie ein Fürstin in seim Land,
Ir armut dünckt jn gar kein schand,
Vnd do sie nu in reichthumb saß,
20 Irs armuts sie doch nicht vergaß,
[Bijb] Jederman freundlich was in ehren.
Demütig, willig jrem Herren;
1) Über andere Griseldisdramen vgl. Zeitschr. f. deutsche Philo!.
•21, 474 f. und oben S. 14.
Th.F. XII. 2
2g Bolte, Das Danzig-er Tlieater.
Wie hart er sie versuchen thet,
Bleib sie doch alzeit trew vnd stet.
25 Er ließ die ersten Kinder heid
Wegbringen nicht ohn hertzeleid,
Gab für, sie weren vmbgebracht,
Bald jr ein neuw leid wider macht,
Stieß sie von sich, gab für in dem.
30 Als wen er ein ander Fraw nem.
Do er nu merckt jr Stetigkeit,
Führt ers zu hertzen, wird jm leid,
Bald er sie wider zu sich nam
Vnd lebt mit jr in aller schäm,
35 Gab jr wider jr kinder beid.
Dadurch verschwand jr alles leid,
Sie lebten forthin frewdenrich
Vnd schlössen jr end seliglich. —
Diese geschieht Boccatius,
40 Ein Poet vnd Philosophus,
Beschrieben hat für langer zeit,
Welche wir auff gelegenheit
Der Statt vnd jtzigr hendel gricht.
Darumb last euch verdriessen nicht,
[Biija] Zu mercken drauflf, was ferner wird
Von andern personen gerürt!
Dasselb werd jr auch hören bald
In eines jeden Acts jnhalt.
Inhalt der Füuff Actnum in dieser Coraoedien.
Primi Actus.
Im anfang des spiels ohngefehr
Spatzieren drey Kauffleut vmbher,
Der ein klagt, des auff dieser Erd
Die Narung schwer vnd sawer werd,
5 Vnd weil dabey gschicht vnrecht viel.
Er seinen stand verlassen wil.
Mirus vom Hoff kömpt auch darzu
Erzelt seiner Fürstin vnruh.
Die jr der Hertzog selber macht;
10 Bey welchem gesprech diu betracht,
Das kein stand, sey gleich wer er sej',
Ohne müh ist vnd sorgen frey.
S e c u n d i Actus.
Im andern act zwen alt mit sorgen
Vnterreden sich von leihen vnd borgen,
1578. 19
[Biijb] Von Wucher vnd von bürgeschafft,
Auch wie die Welt jtz sey behafft
Mit bößheit, erger dann vor je,
Die vrsachen erzehlen sie.
Zwo Hoff Jung-frawen vom hoffleben
20 Vnter sich red vnd antwort g-eben,
Ein Hoffjung sie im gsprech verjrt
Vnd mit worten die ein vexirt.
Ein jedes von seim handel redt,
Wie es kan vnd wie es versteht.
Tertij Actus.
25 Was der Teuffei außrichten kan,
Wird er in dem Act zeigen an.
Der Fürst thut seinen Rehten sagen,
Das er sein Gmahl wöll von sich jagen,
Vnd lest die Landschafl't drumb verbotten,
30 Das sie darzu auch sollen rahten.
Ein Bawr kompt onget'ehr ins spiel,
Sein sach zu Hoff außrichten wil.
Trifft indes an Philotimum
Vnd sagt, woher die thewrung kom :
35 Zu Hoff die warheit ist verschwunden
Vnd hat sich bey die Bawrn gefunden.
[Biiija] Quarti Actus.
Was weiter zu Hoff aey geschehn,
Werd jr im folgenden Act sehn;
Dann es Sathan zum theil erzelt.
40 Der Marschalck dem Fürsten fürhelt,
Was endlich auff sein meinung- frey
Von den Stenden geschlossen sey.
Der Fürst jagt die Fürstin von sich,
Schickt nach sein zweyn kindern heimlich.
45 Die Stett [? Stend] wider jn protestiren.
Sie mügen aber nicht passieren ;
Dann Herren lehn nach jrem sinn,
Wers wehren wil, hats klein gewin.
Quinti Actus.
Itz des Fürsten heimlicher Raht
50 Die Fürsten k Inder herbracht hat.
Der Fürst schickt bald nach seim Gemahl,
Das sie zu Hofe kommen sol.
Der Teuffei es nicht gerne sieht,
Raphael starck wider jn ficht,
20 Bolte, Das Danzigor Theater.
55 Vud wird die Fürstin angenommen,
Ir zwey Kinder auch zu jr kommen;
All die dazu geraten han,
[Biiij b] Bekommen dafür danck vnd lohn.
Also nach trübsal frewde kümpt,
60 Die alle trawrigkeit weg nimbt.
Der Prolog ist auf drei, der Epilog auf fünf Knaben verteilt.
1579 untersagte der Rat zu Anfang des Jahres der herr-
schenden Pest wegen die Fastnachtskistbarkeiteu. Der Magister
Matthias Menius (Meinius), welcher seit 1572 als Lehrer am
Gymnasium angestellt war^), reichte darauf am 13. Januar ein
Gesuch ein, in dem er bat, 'die angefangene Comoedia ins Werck
stellen' zu dürfen. Die uns nicht tiberlieferte Antwort wird aber
wohl abschläglich gelautet haben.
1579. Petrus Praetorius^), ein Schüler Melanchthons,
der seit 1576 das Pfarramt an der Marienkirche bekleidete, Hess
bei der Hochzeit des Ratsherrn Constantin Ferber sein schon
zwanzig Jahre zuvor gedichtetes und ebenfalls bei einer Dan-
ziger Hochzeit aufgeführtes Spiel von Isaac und Rebecca 3) neu
darstellen und drucken.
COMOEDIA I Aus der Bibli- | sehen Historia von Isaacs vnd | Re-
becce Hochzeit auffs newe vber- | sehen, vnd zu ehrn vnd frölicher [
glückwünschung: | Dem Erbarn vnd Ernuhesten | Constantin Ferber
dem Jünger, Vnd | der Erbarn vnd Tugentsamen Jungfraw | Elisabeth,
Des Erbarn vnd wolgeachten | Herman Hacken geliebten Tochter, |
gegen ihrem hochzeitlichen ehren | tag in druck verfertigt. | Durch
Petrum Pretorium D. | Anno | M.D.LXXIX. | 4^8 Bogen 8» [Danzig].
— Auf Bl. Evija steht: Gedruckt zu Dantzigk, durch | Jacobum Rho-
dum. I 1579.
^) Er g'ing noch im selben Jahre 1579 als Professor nach Königs-
berg, wo er 1601 starb (Prätorius, Danziger Lehrer Gedächtnis 1760
S. 74).
2) Er stammte aus Cotbus, bezog 1538 die Universität Witten-
berg und wurde 1550 dort Magister. Nach 1554 Pfarrer in Königs-
berg i. N., 1565 in Zeitz, f 1588 in Danzig. — Vgl. Bolte, Allg. d. Biogr.
26, 533 f. Ferner Stan. Bornbachs Verzeichnis der Wittenberger Ma-
gister im Berliner Mscr. boruss. fol. 280: '1550 Petrus Iudex Cotbusianus.
D. Theologiae Ao 54.'
3) Die schöne und liebliche Historia von der Hochzeit Isaac vnd
Rebeccae. Wittcmbcrg 1559. [Exemplare in Wien u. Berlin, mit hsl.
Bemerkungen für eine Aufführung.] — Die 2. Ausgabe mildert einige
Derbheiten, beseitigt einige Längen und bessert hie \ind da den Reim.
1578-1590. 21
Der einfachen biblisclicn Handlung strebt Prätorius nach
dem Muster von Rebhuns Hochzeit zu Cana und Cuhnanns Isaac
und Rebecca durch eine eingeschaltete Intrigue mehr drama-
tisches Leben zu verleihen. Eheteufel und Zauberteufel stiften
eine alte Hexe au, Rebecca vom Verlöbnis abzureden. Aber ihre
Schmeichelworte sind vergeblich, und als sie ein Stück aus Re-
beccas Rocke schneiden will, um damit zu zauijern, wird sie von
dem zu Hülfe gerufenen Vater hinausgetrieben und von den Teu-
feln fortgeführt: gerade wie in Rolls Pontus v. J. 1576. Er-
öffnet wird das Stück durch einen breit exponierenden Monolog
Abrahams und beschlossen durch die Trauung des Paares, die
der Priester Melchizedek ganz in lutherischer Weise vollzieht:
So geh ich eucli darauff zu samn
Ins Ehlich lebn in Gottes Namn.
Weil Gott zusamen g'fügt euch beidn,
Sol eiich kein Mensch von ander scheidn.
Im Epiloge werden die zum Hochzeitsmahle geladenen Dan-
ziger Zuschauer aufgefordert, sich nicht zu weit zu verlaufen;
dagegen
Wer nicht gebetn, darff hier nicht stehn,
Sondern mag- wol zu hause g'ehn,
Essen vnd trincken, was er hat.
Was wir nicht han, das bscher vns Gott!
1580 — 1590. Undatiert, aber wahrscheinlich aus diesem
Jahrzehnt sind drei Bittschriften des Henrich Janson von Uth-
recht, der, wie es scheint, ein Puppenspiel zeigte. In der 1. bittet
er, 'ein sonder Werk eines Instruments verfassende auß dem alten
Testament die schöne trostreiche Historia vom Könige Davidt
vnd Saul, welch Historia nach mitgeteilten vnd verliehenen
gaben des gnedigen Gottes von mir in bemeltem Instrument also
künstlich mit seinen Gewichtenn geformiert vnd zubereitet, alß
ob sichs aldar alles lebendig, ordentlich nach der Historien an
jhr selbst eigentlich darthut vnd erzeigt', zeigen zu dürfen. 'In-
gleichen mir solches von der Königin in Engelandt, auch sonst
andern furnemen Stedten gnedigst vnd günstig ist vergunnet wor-
den.' — In Nr. 2 dankt er dem Rate für die Erlaubnis, "die
christliche Historie vom koning Dauid vnd Saul der erlichen
Burgerschaft alhie zu zeigen', und beschwert sich, dass er 'das
Instrument verpfunden' [= verzollen] soll, 'da doch in dieser lob-
lichen republik bisdhaher gar vngewonlich gewesen, solche kunst-
22 Bolte, Das Danzig-er Theater.
stuk, die dau vberal frei seind, zuuerptunden'. — Nr. 3 erwähnt,
dass er seit 14 Tagen hier verharre.
1587. Vermutlich spielten im Dominik die fünf englischen
Komödianten, welche ein Jahr zuvor am dänischen Hofe aufge-
treten und dann vom sächsischen Kurfürsten Christian I. nach
Dresden berufen worden waren, von wo sie am 17. Juli 1587
heimzogen. Vgl. unten S. 25, Anm. 2.
1590, 20. Sept. lehnte der Rat das Gesuch eines Jorge
Berleth aus Muelhausen in Turingen ab, der "ein christlich
Spiel, so den Christen nutzlich vnd tröstlich ist anzuschauen, von
der Zu[kunft] des Herren Christi mit schonen lustigen figueren
zugericht nebenst dem klaren text auß heiliger gottlicher Schriefft'
agieren wollte, wie er es schon in den Seestädten, vor Herzog
Christoph von Meklenburg [1537 — 1605, in Gadebusch| und Her-
zog Casimir in Pommern [1557 — 1592, Bischof von Cammin] ge-
zeigt habe.
1591. Philipp Waimer^), ein geborener Danziger, der
schon 1564 als Knabe in Mollers Nabal mitgespielt hatte, ver-
öifentlichte als Professor Juris an demselben Gymnasium seine
kurz zuvor von den Schülern aufgeführte Komödie von Edward HI.
und der Gräfin von Salisbury, die in mehr als einer Hinsicht für
uns Interesse hat.
ELISA. I Ein Newe vnd ] lüstige Comoedia, Von | Eduavdo dem
Dritten | dieses Namens, Könige in Eng-el- | landt, Vndt FraAv Elisen [
einer g-ebornen Gräffin von | Warwitz, Gestellet | Durch | Philippum
Waimern von | Dantzigk, B. R. D. Summum crede nefas, animam prae-
ferre i^udori, | Et propter vitam, vivendi perdere causas. \ Gedruckt zu
Dantzig'k, durch | Jacobuni Rhoduni. | 1591. | 10-' g Bogen 8'^ [Berlin.
Danzig]. — Die Vorrede ist datiert: Dantzigk Anno 1591, den IS. Maij.
Dem Personenverzeichnis sind die Namen der Darsteller beigelügt.
Waimer entlehnte, wie er selbst im Vorwort angiebt, die
Handlung einer beliebten und mehrfach dramatisierten Novelle
Bandellos 2). König Edward HI. konunt im Kriege mit Schottland
1) Er wirkte am Gymnasium 1580—1602 und starb 1G08. Ephr.
Praetorius, Athenae Ged. 1713 S. 43. In Mollers Nabal ist sein Name
Weiner geschrieben.
2) Bandello, Novelle 2, Nr. 37 (1554). Französisch von Boisteau
und Bclle-Forest, XVIII histoires trag-iques 1559 Nr. 1 (Paris 1504 p. 9),
englisch von Painter, Palacc of Pleasure 1, Nr. 4G (15G6, Neudrucke
] 587— 1591. 23
auf das Scliloss der Gräfin Alix von Salisbiiry, deren Schönheit
einen so tiefen Eindruck auf ihn macht, dass er ihr seine Liebe
anträgt. Würdevoll weist sie ihn zurück, und als er nach dem
Tode ihres Gatten sie durch ihren Vater, den Grafen von War-
wick, und durch ihre Mutter Aviederum anflehen lässt, seiner
Leidenschaft Gewährung- zu schenken, geht sie mit einem Dolche
bewaffnet zu ihm und bittet ihn, lieber ihr da'^- Leben zu nehmen
als ihre Ehre. Durch solche Standhaftigheit gerührt reicht Ed-
ward ihr die Hand und erhebt sie zu seiner rechtmässigen Ge-
mahlin. — Waimer ist der Erzählung des Italieners und seiner
wortreichen Rhetorik ziemlich treu gefolgt, in den langen Ge-
sprächen zwischen König und Graf, Graf und Tochter sogar
treuer als der Nürnberger Ayrer ^) in seiner wenige Jahre jünge-
ren Komödie; aber sein Gestaltungsvermögen reicht nicht aus,
um der Leidenschaft einen wirkungsvollen Ausdruck zu verleihen,
er kommt nicht über den naiv treuherzigen Ton des Hans Sachs
hinaus. So fleht die Gräfin in der entscheidenden Scene den
verliebten König an:
[Bl. Kiiija] Allergnedigster Köng vnd Herr,
Weil icli vermüg- Gottes Gebot
Mir selbr nicht mag" anlegn den Todt
Vnd doch tansent mal wolt lieber
1813. 1890), lateinisch von Aeschacius Maior (= Joachimus Caesar)
1612, deutsch von demselben 1615 (Bobertag, Gesch. des Romans 2,
1, 15). Nach J. Caesars Angabe hat noch eine ältere Übersetzung ins
Deutsche existiert, vielleiclit von demselben Mauritius Brandt, der 1595
zu Danzig eine andere Novelle Bandellos Thoenicia' verdeutschte (Ex.
in Rtidolstadt und Stockholm. Goedeke-2^ 57ö).
1) Ayrer, Dramen 3, 1927 ed. Keller: 'Vom König Edwarto III.
nnd Elipsa'. Andre Dramatisierungen dieses Stoffes sind: Calderon,
Arno?' honor y poder (vor 1637, deutsch von Martin 1844), F. Bances
Candamo, La jarretiera de Inglaterra (vor 1704), A. Kareis van
Zjermez, Eduard^ anders atantvasfige icedmce (Amsterdam 1660),
Gresset, Edouard III. (1749). Das englische Schauspiel 'Edward
the Third' (1596, deutsch von Tieck 1886) führt die Begebenheit nur
als Episode im 1. und 2. Akte mit einem andern Schlüsse vor. Die
1602 in London aufgeführte 'Casta vkhia'. die ich in der Zs. f. vergl.
Litteraturgesch. 2, 362 mit unserm Stücke zusammenstellte, könnte
auch mit aS'^V Gyles Goosecappe (Old english plays ed. by Bullen 3, 1.
1884) identisch sein. Es giebt auch eine Ballade 'King Edward III.
and the fair Countess of Salisbury' (A Collection of old Ballads
1723 — 25 2, 68), die mir freilich nicht zugänglich war.
24 Bolte, Das Danziger Theater.
Verliern mein Leben alu mein Ehr.
Kommend hirdurch in schand vnd spott:
Als bitt ich euch für Gott vnd Gott,
Wollet mit mir machen ein end
Itzt mit disem messer behend
Vnd auff mein Grab steckn diß Messer
Zum zeug'nis meiner bhaltnen Ehr.
Wolan, ich bin numehr bereit
Zu sterben: drumb machet nur bald
Mir mein eröffntes hertze kalt!
Habs euch verzihen williglich
Alls, was jhr werd begehn an mich.
Ach fart fort, ach qwelt mich nicht lang!
Denn mir fürm todt ist nichtes bang.
Ein besondres Interesse dürfen die komisclien Einschiebsel
beanspruchen. Man glaubt hier das bunte Treiben des Danziger
Marktes wiederklingeu zu hören, auf dem Polen und Italiener,
Holländer und Engländer mit den Einheimischen handeln und
durcheinander schwatzen. Da erscheint ein niederdeutsch reden-
der Prahlhans Thraso, ein reicher Pantalon, um dessen Tochter
der Sekretär Amandus (bei Ayrer Leupolt g-cheissen, bei Bandello
namenlos) freit, der eifersüchtige Ehemann Zani und ein anderer
Narr Dominus Johannes, auch Pan Jan genannt, der gleich zu
Anfang den Marschbefehl des Feldherren mit dem Nachtwächter-
liede parodiert (Bl. Bvija):
Hört jhr Herren, last euch sagen:
Der Seiger der hat zwey gschlagen.
Verwart das Fewr vnd auch das Liecht,
Das man den Knecht beyr Magd nicht sieht!
Weisen die Namen Pantalone und Zani auf den Einfluss
der italienischen Komödie hin*), so stammt Dominus Johannes
offenbar aus England. Zwar wenn er Bl. Bvijb äussert: 'Ich
thus nicht als ein Gentilman'^), so beweist dieser englische Aus-
1) 1592 agierten in Krakau bei der Hochzeit König Sigismunds HI.
drei italienische Sanni (M. Heberer, Aegyi)tiaca servitus IGIO S. 555).
Über den Verkehr Danzigs mit Italien im 16. Jahrhundert vgl. Th.
Hirsch, N. prcuss. ProvbI. 4, 97—114. 217—241 (1847). Italienische Spiel-
leute durften sich 1567 ein Jahr lang in der Stadt aufhalten, und der
neapolitanische Marchese d'Oria vermachte 1592 dem Rate seine Biblio-
thek (LöKchin, Gesch. Danzigs 1, 288 f.). Ein italienischer Dialog von
Zanni e Magnißco bei J. Eccard, Newe d. Lieder Nr. 14 (Kgsb. 1589).
3) Ebenso Thraso Bl. Bvb: 'Ick ben ein goder Gentilman.'
1591. 25
druck an sich nichts für seinen Ursprung aus einer englischen
Dichtung-. Vergleicht man aber Akt II, Sc. 3, wo Zani den
D. Johannes aus dem Hause prügelt, weil er seine Frau Grete
geherzt hat, und IV, 6, wo Zani die vom Fischmarkte heim-
kehrende Frau ob ihres langen x4usbleibens schmält und dann ihr
Gespräch mit dem Galan belauscht, um wiederum auf ihn los-
zufahren, vergleicht man, sage ich, diese Scenen mit dem ander-
wärts von mir in einer holländischen und zwei deutschen Über-
setzungen mitgeteilten Singspiele vom Dominus Johannes^), so
wird man sich schwerlich der Sehlussfolgerung entziehen können,
dass Waimer jene englische Gesangsposse kannte und benutzte,
ohne sieh jedoch ihre leichtfertige Moral anzueignen. Der Ehemann
wird nicht wie dort betrogen, sondern leuchtet dem Galan seiner
Frau mit Wort und That gehörig heim. Da er dabei ebenfalls
als Thor geschildert wird, erhält die Figur freilich durch die
moralisierenden Reden etwas Zwiespältiges. Kannte Waimer
aber die englische Posse, so muss er sie in Danzig sell)er gesehen
haben: d. h. englische Schauspieler besuchten schon vor 1591
die Stadt Danzig ^j, wovon sich sonst keine Spur erhalten hat,
was al)er bei den engen Handelsbeziehungen zwischen England
und Danzig durchaus nicht verwunderlich ist. Zur Probe teile
ich einige Stellen aus der Sceue IV, 6 mit. Frau Margaretha
erzählt ihrem Manne Zani, dass sie von der Liebe des Königs
^) Bolte, Die Sing'spiele der englischen Komödianten 1893 S. 110
bis 137; vgl. S. 33 ^ und 185 über die Rolle des Domine Johannes, die
übrigens auch in zwei französischen Possen von den Hausmägden
(Viollet Le Duc, Ancien theatrc franqois 2, 417. 435) erscheint.
2) Vermutlich die 1587 aus Dresden abziehende Truppe von
Stephens, Bryan, King, Pope und Percy. Vgl. Bolte, Jahrbuch der d.
Shakespearegesellsch. 23, 101 (1888). — Dies hat kürzlich auch R. Acker-
mann in seiner Aiisgabe von Henry Chettles Tragedy of Hoffman
(Bamberg" 1894, S. XVIII) angenommen, indem er die Entstehung dieses
1602 gedichteten Stückes mit der 1580 zu Danzig erfolgten Enthaup-
tung eines gewaltthätigen Schiffers Hans Hofeman oder Schuddekop
zusammenbrachte; englische Schauspieler, vielleicht Chettle selber, meint
er, hätten die Kunde von diesem Ereignis nach London gebracht.
Aber dieser Zusammenhang des englischen Schauspiels mit einem
Danziger Ereignis braucht doch nicht auf die Anwesenheit von Schau-
spielern zurückgeführt zu werden; denn konnte nicht eine hsl. oder
gedruckte Relation von jener Hinrichtung dasselbe bewirken wie ein
mündlicher Bericht?
26 ßolte, Uas Danzig-er Tlieater.
zur Gräfin gehört habe. Ganz unvermittelt ruft er darauf, fast
wie bei Ayrer und in einem älteren englischen Drama von
John Heywood^):
[Bl. Hiij b] Fier, Fier, Fewer, Fewer, Fewer!
Marg-aretha. Zeter, wo brents? Zeter, Zeter!
Zani. Das hertz in des König-s Leibe
Nach einem sehr schönen Weibe.
Mein Hertz, soll ich dir sein bekandt,
Ist auch bey dir halb aug'ebrandt.
D. Johannes. Hier wil lachen werden tewer,
Weil man außg-eschryen Fewer.
Wor mag" es brennen jmniermehr?
Zani. Tisch! Domnum Johan kompt daher.
Wil hie an eine seite stahn
Vnd sehn, was er wil fangen an.
Marg-aretha. Vor dem Fewr mir erschrockn mein sinn,
Das ich nicht weiß noch, Avor ich bin.
Ach das etwan einr diesen brandt
Leschte mit einem Knittl zuhandt!
D. Johannes. Wor mag' es jmmermehr brennen?
Marg-aretha. Sich da, wolln wir vns nicht kennen?
D.Johannes. 0 Margareth, mein schönes Lieb,
Bin ich dir gram, bin ich ein Dieb.
Wor brennt es? saget an bej' zeit!
Margaretha. Ey, es war nur lauter schalckeit.
Vielleichte in ewrem hei-tzen
Auch verborgen ist ein kertzen.
D.Johannes. Ein kertzen? das ist gwißlich war:
Hab die getragen schier ein Jahr,
Seind das ich war zu Salbereich-).
1) In Ayrers Edward III (3, 1937 ed. Keller) unterbricht der von
seiner Frau geprügelte Narr Jahn Clam (d. i. Clown) einen Liebes-
monolog- des Königs mit dem Rufe: '0 lescht, o lescht! ich werd ver-
brinnen; Es ist nichts mit meiner Frauen.' Denselben dramatischen
Effekt verwendet schon John Heywood 1533 in seinem Play of Love,
wo der Narr mit dem Rufe 'ITa^er, icater ; fyre, fyre' hereinstürzt und
dem einen Liebliaber erzälilt, das Haus seiner Geliebten stehe in Flam-
men (Hey wood, Dialogue of Wit and Folly ed. by Fairholt 184(j p. XXVI
in Vol. 20 der Percy-Society). Noch in einer späteren Schwanksamm-
lung 'Lieblicher Sommer -Klee und Anmuhtiges Winter-Grün' lüTO
(Berlin Yt 9461, 1) Nr. 21 kehrt dieser Scherz wieder: 'Der Bürger-
meister in einer Statt hatte ein schönes Weib. Ein Studiosus kam doß
Nachts vor die Thür, schrey laut: Herr Bürgermeister, es brennet. —
Wo? — In meinem Hertzen gegen ewer Fraw.'
-) Salisbury.
1591—1594.
:^<
Aiiff Erden lebt niclit meines gleich:
Wer mich bekommet oder hat,
Der kriegt des Königs nechsten Rath.
Zani. Wer dich bekommet oder hat,
Dieselb kriegt ein grossen vnflat.
Als der Narr mit weiteren Liebesworten fortfährt, tritt
Zani hervor und treibt ihn mit Schlägen von dannen. Grete
geht hinein, Zani aber beschliesst den Akt mit einem Tanz:
Ich wolt wol bald gehen mit dir.
Allein es täntzert sich mit mir.
Ich kan der Paßmerschei) wol zwen,
Der Galreiten-) mehr alse zehn,
Der Caprebollen^) ohne zahl:
Sagt, Jungfer, wie ich euch gefall!
Andr mussns tantzn lernen in Falschlandt^),
Mir ist es von Natur bekandt.
Nach weiteren Gemeinsamkeiten zwischen Waimers Drama
und Ayrers Edward III. habe ich vergeblich gesucht. Doch
scheint zwischen ihnen dasselbe Verhältnis zu bestehen wie
zwischen der im Anhange dieses Bandes zu besprechenden Tragi-
komödie vom Stummen Ritter und Ayrers König von Cypern;
beide gehen auf eine Aufführung der englischen Komödianten
zurück und ziehen ausserdem die von diesen benutzte Novelle
Bandellos zu Rate.
Nach Hagens ungenauer Angabe (Gesch. des Theaters in
Preussen S. 28) scheint Waimers Dichtung auch auf einer Königs-
berger Schule aufgeführt worden zu sein.
1593, 3. Juli schlug der Rat das Gesuch des Andreas
Rot he von der Sachsa in der Grafsehafft Honstein am Hartz
liegende ab, der 'die herliche schone christliche Commediam auß
dem heyligen Euangelisten Luca am 16. Capitel von dem Reichen
man vndt Armen Lazaro [vielleicht Lonemans Drama von 1590],
desgleichen auch eine gahr sehr klegkliche Tragedia von zweyen
Rittern auß Hoch Burgundia [Hans Sachs, Gedichte 2, 3, 21
= 8, 81 ed. Keller. Berliner Mscr. germ. quart. 576, 24] mit her-
lichen schonen christlichen Reimen vndt Figuren' spielen wollte.
1594. Am 29. December 1593 wurde den Meistern und
Gesellen der Kürschner gestattet, künftige Fastnacht "eine
1) Passamezzo. ^) Galliarde.
3) Capriolen. *) Welschland.
28 Bolte, Das Danziger Theater.
Comedia von zwey Khöuigs Söhnen zu agiren', Maraiiß dan
allerley gutte Exempel zunehmen sein', wie aus dem beigelegten
Büchlein zu ersehen. Gemeint ist offenbar Hans Sachs' Comedi
die trewen gesellen und brüder, zweyer könig sön, Ohvier und
und Artus (Gedichte 2, 3, 58; auch eine Oktavausgabe Nürn-
berg 1570 existiert); vgl. unten S. 59, Aum. Die Aufführung fand
am 28. Februar 1594 auf dem altstädtischen Rathause ^) statt,
wie sich aus folgendem Vermerk im Kämmereibuche ergiebt:
Febr. 28. Den Kürschnern, welche E. E. Rbatt zu einer Comedia
aufs alttstetisch Rhatthauß eing-eladen, 10 Taller verehret = 17 M.
30 Schill.
Dass die Tischler ein Spiel ähnlich dem oben S. 8 f. unter
dem Jahre 1570 beschriebenen aufführten, scheint aus einem
andern Posten der Kämmereirechnungen hervorzugehen:
Febr. 17. Den Schnitzkergesellen, Avelche E. E. Rhat zu Ehren
ein TriumpfhaiTS auf die Faßnacht angerichtet zum Schauspill ... 15 M.
Ebenda werden eine im Äfärz auf dem Gymnasium unter
dem Rektor Jacob Fabricius^) gespielte 'Tragoedia Thesei vnd
Ilippolyti', wohl der lateinische Hippolytus Senecas, oder der
griechische des Euripides, und ein von Schreck auf der Marien-
schule dargestelltes Didodrama, vermutlich die oben S. 7 ge-
nannte lateinische Tragödie von Heinrich Knaust^), erwähnt:
Marzij 3. Den preceptoribus im Gymnasio, weil sie E. E. Rahtt
zu der Tragedia Thesei vnd Hipolity haben eingeladen ... 30 M.
Marzij G. Den Preceptoribus aus der Pfahrschul, so E. E. Rhatt
zur action der Tragedien Didonis eingeladen aufs hohe Tohr . . .
22 M. 30 Schill.
151)5 unterblieben die Schüleraufführungen. Das Kämmerei-
buch meldet darül)er:
Marzij 1. Valentine Schreekio, Rectori zur Pfahr, weil vor
diesen Fastelabendt alle actiones vnd Spill eingestellet . . . 52 M. 30 Seh.
1599, 19. Januar bat Christianus Glitzman, wahrschein-
lich ein Zögling des Gynmasiums, den Rat um Erlaubnis, ktinf-
1) Dem heutigen Landgericht, in der PfefFerstadt an der Radaunc
gelegen. Abgebildet bei Curicke, Beschreibg. Danzigs 1688 S. 52 und
Greth und Genee, Danziger Bauwerke 1858 Taf. 4 und 21.
2) Er bekleidete das Rektorat von 1.580—1629; vgl. Praetorius,
Athenae Gedanenscs 1713 S. 42.
^) Sonst kämen noch die lateinischen Didotragödien FrischMns
(1581), Hospeinius' (1591), Wolffius' (1591) und der Niederländer Dalan-
thus (1569) und Ligneus (1569) in Frage.
1594—1600. 29
tige Fastuaelit die 'lustige vnd lebrhafftige Tragicomoediam von
dem erbermliclien fall vnd gnadenreichen erlösung mensch-
lichen geschlechts, darin die gleichnüß von dem Menschen,
der auff der Reise nach Hiericho von den Mördern gar iemmer-
lich verwundt worden', 'nebenst beystand anderer Ehrlicher
Studiosorum zu agiren.' 'Es ist aber die Tragicomoedia mit dem
Heidnischen figmento von Pandora gezierett.' Der Inhalt dieser
Aktion erinnert uns an die beiden oben S. 14 erwähnten Stücke
Rolls. Glitzmans Gesuch ward abgeschlagen.
Im ]\Iärz wurde von den Gymnasiasten eine Tragödie Nero,
über deren Verfasser ich keine Vermutung zu äussern vermag,
und auf der Marienschule Buchanans lateinischer Jephta^)
oder auch eine Verdeutschung dieses Stückes-) gespielt. Im
Kämmereibuche heisst es darüber:
Marzij 8. Den preceptoribus im Gymnasio, weil sie in E. E.
Raht zxx der Action der Tragedy von Nerone eingeladen ... 30 M.
Marzij 11. Den Collegis zur Pfahrschuel, weil sie E. E. Rath
zur Action von Jephten eingeladen ... 22 M. 30 Schill.
1600 im November bat der Procurator Georg Roll^) ver-
geblich den Rat um Erlaubnis, seine 1576 (s. S. 15) gedruckte
Komödie Pontus und Sidonia autführen zu dürfen:
Eddeier, Ehrenfester, Namhaffter, \yolweyser, gunstiger Herr
Burgermeister: Nechst erbietung meiner willigen dienste wissen E. E.
E. N. "W. meinen jetzigen verterb vnd zustandt, so kan Ich auch nicht
sehen, wie Ich mein Brott von der Procuratur (bey jetziger vber-
heuffung der Mechtiger vnd der eingerißnen vnordenung) erwerben
soll. Muß derhalben mit weib vnd kindt Noth leiden. Inmassen Ich
bey mußiger Zeyt Poetisiret vnd die Historiam Ponti in eine lustige
vnd Nützliche Comediam gefasset. Weyl Ich aber Ao 1574 alhicr die
Historiam Samaritani agiret, welcher von der Bürgerschafft noch
zur zeyt löblichen gedacht, So wirdt bey mir von viel vornehmen
Burgern angehalten, das Ich gemelten Pontum ediren vnd agiren wolle.
1) Goedeke, Grundriss2 2, 189: Zuerst Lutetiae 1557 erschienen.
2) Von J. Bitner (1569), S. Steier (1571), J. Titelius (1592) oder
G. Dedeken (1595). An die deutschen Schauspiele von Hans Sachs
(1555. Folioausgabe 3, 1, 42) und Job. Pomarius (Magdeburg 1574) ist
nicht zu denken, eher noch an die lateinische Tragödie Jephta von
Bruno Seidel (Basileae 1568), weil sich ein Exemplar davon auf der
Dauziger Stadtbibliothek befindet.
3) In gleicher Eigenschaft erscheint er noch im November 1605
in den Supplikationen des Stadtarchivs. Sein Todesjahr ist unbekannt.
30 Bolte, Das Danzig-er Theater.
Weyl ich Avie obg-odacht Armiitt leide vnd nicht weis, womit den
Winter hindurch Ich mein leben zubringen soll, vnd dieses eine Ho-
nesta et commoda Actio, so der Bürgerschaift zu ehren woll kan
ag'iret werden, vnd aber solches ohne vorhergehenden Consensus E. E.
E. N. W. nicht g-eschehen kan. So gelanget an E. E. E. N. W. mein
demütiges bitten, wollen in erweg-ung- meiner obg-emelten beschwehr,
vnd das Ich den winter mein brott haben möchte, mir gunstig nach-
g-eben, domit Ich vielgemelte Historiam Ponti ediren vnd agiren möge,
so hoffe ich sie auch zu dem Ende auszuführen, das meiner dabey
soll gedacht vnd gemeiner Stadt rühmlich sein wirdt. Was auch E. E.
E. N. W. dißfals durch denselben Consens mich günstig befürdern
werden, will Ich willig verdienen.
E. E. E. N. W.
Williger
Georg Rolle.
Auf einem besonderen Blatte sind die Personen der Komödie,
in fünf Decuriones geordnet, verzeichnet.
Dazu der Vermerk: Lecta in Senatu 27. Novembr. Ao 1600. Ein
Erb. Eahtt kahn bej' itzigen geschwinden vnd gefährlichen zeytten
nicht finden, das Supplicanten auff sein begehren zu willigen sey.
1601. Nachdem am 12. Januar der Rat den Collegis am
Gymnasio gestattet hatte^ daselbst eine Komödie zu spielen^),
führten diese am 23. März die Tragoedia von Medea vnd
lason auf, in der wir wohl Euripides' oder Senecas Medea
zu erkennen haben; die Marienschule folgte einige Tage später
mit einem lateinischen Orestes, den der Altdorfcr Schulmeister
Wolfgang Waldung aus Seneca, Sophokles und Euripides zu-
sammengestellt hatte ^). Die Notiz der Kämmereibücher lautet:
Marzij 23. Den preceptoribus im Gymnasio, weil sie E. E. Ehat
zu der Action der Tragedia von Medea vnd Jason eingeladen ... 30 M.
Marzij 29. Den Collegis zur Pfhar, weil sie E. E. Rhat zu einer
Comedien von Oreste eingeladen ... 22 M. 30 Schill.
Die dramatischen Aufführungen der Schüler erfuhren jedoch
Anfeindungen; im selben Jahre trug, wie Löschin^) berichtet,
die dritte Ordnung beim Rate darauf an, 'dass eine gute Schreib-
und Rechenschule möge bestellet werden und dem Unfuge, der
in den Komödien getrieben wird, Einhalt geschehen möge'. Der
^) Nucleus tcrm. senatus ad libellos supplices s. v. Comödien
(Stadtarchiv).
2) W. Waldung, Orestes tragoedia e diversis conscripta autori-
bus. Altorfii 1503 (Elbing. Zwickau). Neue AuH. ebd. 1(J12 (Erlangen).
8) Geschichte Danzigs 1, 367 (1822).
1600. 1601. 31
Rat scheint diesem Antrage Gehör geschenkt zu haben; denn wir
hören nun lange Zeit nichts mehr von Schulkomödien; das all-
gemeine Interesse wandte sich den Leistungen der ausländischen
Berufsschauspieler zu.
Im selben Jahre spielten im Dominik englische Komö-
dianten, wie aus einer erfolglosen Supplik ihrer Konkurrenten,
einer deutschen Komödiantenbande aus dem norwegischen Bergen,
hervorgeht. Das treuherzige Schreiben der letzteren ist ein wert-
voller Beleg für den aus Schlus Vorrede zur Comedia von Isaac
(Rostock 1606 Bl. Aij b) bekannten Brauch auf dem hansischen
Kontor zu Bergen, von den jungen Gesellen "herrhche Comedien
und Tragedien' auftuhreu zu lassen i). Wir sehen, wie das Bei-
spiel der Engländer die reiselustigen Kaufgesellen lockte, in die
Ferne zu ziehen und andere Leute sehen zu lassen, was sie
könnten und gelernt hätten.
Ernueste, Ei-bare, Hoch vnde Wollweise, Groeßg'unstige Herenn,
Wir Arme gesellenn habenn gistriges Dages vonn dem Heremi
Bürg-emeister vnseren bericht bekamenn, das Euwere E. H. W. auff
dußmaell vns nicht konte vorguniiet werdenn, Ist der wegenn auer-
mhales ann Eiiwere E. H. W. Vnsere alder hogeste Bittenn, Dewile
vns de Hochdrengende Noedt dar zu bi'inget, daß wir doch mochtenn
inn de Alte stadt auff dem Raedtluise vnse kunst sehen laeßenn, vnde
wenn idt Euwere E. H. W. nicht woldenn vorgunnenn, das wir inn
der Stadt mit Bungenn vnde trammeten vmme her theenn, woldenn
wihr ann Euwere E. H. W. gebedenn habenn, Das wihr nhur ann de
Dhoere mochtenii Zedell anslhaenn, dahrmit idt einn Jeder mochte zu
wißenn krigenn, waß wir kontenn vnde gelheernet hettenn, Dewile idt
jo denn Engelschenn ist so lange tidt her ist vorgunnet wordenn
hir tlio spielenn, vnde noch van tage zu tage lenger spielenn, sindt
wir noch der gnedichlichenn hoffnung, das idt E. E. H. W. ock nicht
mochtenn abslagenn, solches werdt Godt der almechtige ann Euwere
E. H. W. wedder belhonenn, wehre es saeche, das vns de hochdrengende
Noedt dar nicht zu brochte, wolde wy arme gesellenn Euwere E.H.W,
so offt mhales nicht auerloepenn vnde beschwerenn, Daer wy ahne
das woll gedenckenn khoenenn, daß Euwere E. H. W. doch genoech
^) Vgl. über die Bergener Spiele Freybe in seiner Abhandlung
zum Neudrucke von Schlus Drama, Norden 1892 S. *8— *17. Um
1600 besuchte auch A. Kjeldsson Tybo die Bergener Schule, der 1618
ein dänisches Schuldrama Absolon zu Kopenhagen herausgab (Nyerup
og Rahbek, Bidrag til den danske literaturhistorie 2, 154—159. 178—187).
Auch 1633 wurden in Bergen stattliche Komödien gehalten (Gaedertz,
Theaterzustände von Hildesheim, Lübeck, Lüneburg 1888 S. 35).
32 Bolte, Das Danziger Theater.
zu schaffende habenn mit anderenn Saecheini, wihr habenn etzliche
vann vnserenn klederenu auß gebottenn zu verkauffenn, so sindt vns
gebadenn daerfhuer, das vns woll 20 Thaler gekostet haett, kaum
5 Daler habenn vor gebenn willen.
Wir sindt auch Erbotich, ann Euwere E. H. W. eine oder zwee,
oder so viell alse Euwere E. H. W. begherenn sindt, Comediam vnde
Tragediam zu agirenn, Dewile Euwere E.H. W. Der Engelschenn
ihre kunst habenn angesehen, das Euwere E. H. W. ock sehen mochtenn,
das wir Dudesschenn noch so woll was gelhernet hettenn, gelick alse
de Engelschenn, vnde se huedt oder morgenn ann andere Oertte
qwemenn, dar w}' ock mochtenn zusamende kommenn, vnde wordenn
alse denn Glorieren, das se alhir wehrdenn zu spielenn kcmmenn vnde
wihr nicht, wordenn also sprechenn, wenn wir waß gekondt betten,
wehre es vns so woll vorloeuet wordenn gelich wy Ihnen, Dar sich
alse denn groeße gelegenheitt mochte auß entstheen, Dar mit nhur
solche Vngelucke oder gelegenlieitt mochte vormiedet werdenn, sindt
wihr auermhales erbhotich, vnse kunst, so wir gelhernet, vor Euwere
E. H. W. zu sehen laeßenn. Dar wir hiebeuhoerenn ann viele Herenn
vnde Furstenn gewesenn sindt, vnd vns nicht ist abgeslagenn wordenn,
sonderenn se alletzidt noch angesehen, was wir gekundt hebben. Des
gleichenn auch inn Stedtenn,
Sindt derwegenn der Troestlichen Zuuersicht, Euwer E. H. W.
werdenn vns de gunstige beforderunge ertzeugenn, Darmit wir Arme
gesellen auß der Noedt kamenn mochtenn, dar wihr inn stehenn, Thuenn
hirmit Euwere E. H. W. inn denn schütz des Almechtigenn Gottes
befheelenn vnde vmb freundtlich andtwoertt bittende. Datum Dantzigk
Ao 1601.
Euwere E. H. W.
Willige vnde Gehoershame
Comedianten vonn Bergenn
Auß Norwegenn.
Lecta in Sen. A« 1601. 23. Aug. Vnd ist abermals abgeschlagen.
Die abgewiesenen Bergeucr sclieincu darauf ihr Heil in
Deutschland versucht zu haben; denn im April 1602 spielten
drei Komödianten aus Bergen am Dresdener Hofe^).
1()03 bat ein Hamburger Marionetteuspieler Friedrich
Hüne vergeblich um Erlaubnis, fünf geistliche Komödien vor-
führen /u dürfen:
Gestrenge, Edle, Ehrnueste, Namhaffte, Hoch vnnd Wohveise
Großgonstige Herren, E. G. E. N. Hw. sein meine gehorsame willige
1) Fürstenau, Zur Gesch. des Theaters am Hofe zu Dresden
1, 76 (1861).
lGOl-1605. 33
Dienste Jderzeitt bevor vniid kau deroselben freundlich nielit vorent-
halten, dass Ich gerne durch Gottliche verlielmng' vnd E. G. E. N. hw.
Erlanhxmg' 5 schone Christliche Comoedien, alß nemlich die
1. Vom R(!ichen Man vnd armen Lasaro,
2. Vom Verlornen Sohn,
3. Vom g-ednltigen Job,
4. Vom Fall Adam vnd Evae, vnd
zum 5. vnd letzten: Vom Jüngsten Gerichtt vnsers Erlösers
Christi, mit schonen figuren, wie vor niemals gesehen worden, vnserni
herren Gott zu ehren vnd Jder menschen, so dieselbe sehen vnd an-
hören, zu trost agiren vnd spilen wolte. Gelanget derowegen an E. G.
E. N. hw. mein dienstfleißiges pitten, dieselbe wollen mir vnbeschwer-
üchen erlauben vnd vergönnen, dieselben obgemelte 5. Comoedien
aufm hohen Thor vmbs gebühr zu agiren, damit Ich armer Man
nebst meinem Weib, kinde vnd gesinde, weil mir noch ein Weiter
wegk vnd Reise, eh Ich wider heim kommen kan, vorstehett, einen
Zehrpfenningk verdienen vnd bekommen muge. Solches widerumb an
E. G. E. N. Hw. danckbahrlichen zuverschulden, erken Ich mich stets
willigk vnd gefiißen
E. G. E. N. Hw.
Williger
Friderich Hüne
Burger vnd Einwoner der Stadt Hamburgk.
Dazu der Vermerk: Lect. in Senatu 1. Octobr. A^^ 1603. abzuschlagen.
1604 hielten die Tiscliler ihr Handwerkspiel (vgl. unten
zum Jahre 1670).
1605 unter dem 6. August findet sich folgende Eintragung
im Kämmereibuche: ""Des Churfursten Christian von Branden-
burg Comedianten vnd Musicanten verehret 20 Taler = 37 Mark'.
Diese im Dominik agierende Truppe des jugendlichen Slarkgrafen
(nicht Kurfürsten) Christian Wilhelm von Brandenburg ist uns
aus ihren Wanderzügen wohlbekannt. Christian Wilhelm, ein
Sohn des Kurfürsten Joachim Friedrich, geb. 1587, war schon
im 12. Jahre zum Administrator des Erzbistums Magdeburg ge-
wählt worden, doch verwaltete das Domkapitel sein Amt bis zu
seiner Mündigkeit (1608). Frühzeitig zeigte der zu Halle resi-
dierende junge P'ürst Vorliebe für Schauspiele, Musik und präch-
tige Lustbarkeiten, wie er sich auch 1615 mit einer Tochter des
theaterliebenden Herzogs Heinrich Julius von Brauuschweig ver-
mählte^). 1603 scheint er die Truppe englischer Komödianten
angeworben zu haben, welche im März und September 1604 zu
1) Hertzberg, Geschichte der Stadt Halle 2, 376. 386 (1891).
Th. F. XII. o
34 Bolte, Das Danziger Theater.
Frankfurt a. M. spielte und der auf kurze Zeit der früher in
hessischen Diensten stehende Richardus Machin angehörte ^j.
Für den Winter 1604 — 1605 wird die Truppe nach Halle zurück-
gekehrt sein, um dann im Sommer 1605 zum Dominik Danzig zu
besuchen. Von dort zogen die Engländer nach Elbing, wo sie
am 14. September vom Rate eine Verehrung, aber auch die
"Weisung abzuziehen erhielten, 'weil sie gestern in der Comödie
schandbare Sachen fürgebracht'. Sie spielten darauf in Königs-
berg vor der Herzogin Maria Eleonora, die ihnen am 3. Oktober
75 Mark auszahlen liess^), und scheinen den Winter in Rostock
verlebt zu haben; denn am 31. März 1606 baten 'des Marggrefen
von Brandenborgk Diener Engeische Commedianten' den Rat von
Rostock, wo sie 'eine geraume Zeit' zugebracht, um ein amtliches
Zeugnis ihres Wohlverhaltens ^). Leider erfahren Avir nicht die
Kamen der einzelnen Mitglieder dieser Truppe; doch wird man
sie nicht mit der Bande des Johann Spencer verwechseln dürfen,
der 1605 von der Kurfürstin Eleonora von Brandenburg, der Tochter
der oben genannten Herzogin Maria Eleonora, an den sächsischen
Kurfürsten empfohlen wurde *) und der uns wiederum in den
Jahren 1609 und 1611 begegnen wird. Auch die Engländer, die
im Januar 1605 in Leiden ein Empfehlungsschreiben des 'Fürsten
von Brandenl)urg' vom 10. August 1604 präsentierten^), waren
schwerlich mit unsrer Truppe identisch.
Am 13. Oktober bat ein Franzose Jacob Rabel um Erlaub-
nis, seine Kunst, auf der Lein fliegen und tanzen, im Junker-
Schiessgarten vorm Hohen Thore exercieren zu dürfen; der Rat
wies ihn jedoch ab, weil es ausserhalb der Zeit sei. Ich führe
diese Notiz an, weil derselbe Franzose Jakob Rabel am 17. Juni
1) E. Mentzel, Archiv f. Frankfurts Gesch. N. F. 9, 51 (1882).
Trautmann (Archiv für Litteraturg-esch. 14, 122) identificiert diese
Truppe mit den englischen Komödianten, die im Februar 1604 in Nürn-
berg spielten.
2j A. Hagen, Gesch. des Theaters in Preussen S. 47. 53.
3) Bärensprung, Gesch. des Theaters in Mecklenburg-Scliwerin
1837 S. 11.
*) Fürstenau 1, 76.
•') Colin, Shakespeare in Germany 1865 S. LXXVIII. Ebenda
S. LXXXIX Nachricht über eine Auttuhrung des 'Juden von Venedig,
aus dem engeländischen', die IGll am Hole Chri.stian Wilhelms zu
Halle stattfand.
1605. 1607. 35
1630 zu Dresden auf dem Sehlosshofe vor dem sächsischen Kur-
fürsten mit seinen Consorten auf der Leine tanzte und darauf
Komödien agierte^). Vielleicht dürfen wir diesen vielseitigen
Künstler in dem 1602 in Frankfurt auftretenden Jakob Frey
oder in andern namenlosen französischen Seiltänzern wiederer-
kennen, die 1602 Nürnberg und Ulm, 1604 Nürnberg, 1611
Dresden besuchten-).
1607, 12. Februar begehrten mehrere Studiosi hie literis
incumhenfes, 'die Comoediam vom verlohrnen sohn^), die in
der heiligen Schrifftt, sonderlich im 15. Capittell Lucae des Euan-
gelisten fundiert vnd reichlich commentiret ist, zu kunfftigeu
Fastenauendes zeidt aufif etlicher herren vnd ehrlicher bürgeren
begehren in ihren heusern deß abendes' zu agieren. Der Rat
schlug jedoch ihr Gesuch ab.
Im Dominik desselben Jahres spielte der englische Komö-
diant John Green, wie er 1615 (s. S. 45) in einer Eingabe erwähnt.
Dieser hatte zu der Bande des seit 1590 auf dem Kontinente
umherziehenden Engländers Robert Brown gehört, war mit ihm
zusammen 1606 in Strassburg, Ulm, Frankfurt und Ccissel aufge-
treten und im März 1607 aus dem Dienste des hessischen Land-
grafen ]\[oritz geschieden'^). Von Frankfurt scheint er dann allein
nach Elbing gezogen zu sein, wo am 16. Juli eine nicht näher
bezeichnete Truppe englischer Komödianten abgewiesen wurde,
und darauf Danzig aufgesucht zu haben. Was er etwa hier der
schaulustigen Menge bieten konnte, davon giebt uns das Reper-
toire eine Vorstellung, das Green im Februar des folgenden Jahres
in Graz vor dem erzherzoglichen Hofe entfaltete. Er gab dort
1) Comedi vom verlorenen Sohn [gedruckt 1620 in den Englischen
1) K. A. Müller, Forscliungen auf dem Gebiete der neueren Ge-
schichte 1, 190 (1838).
2) Trautmann, Jahrlnicli für Münchener Gesch. 2, 203. 208 (1888).
3) Vgl. Holstein, Das Drama vom verlorenen Sohn (1880) und
F. Spengler, Der verlorene Sohn im Drama des 16. Jahrh. (1888).
*) Goedeke, Grundriss 2 2, 531 f. Creizenach (Die Schauspiele der
engl. Komödianten 1889 S. VI) zieht mit Unrecht Meissners Angabe
über Greens Auftreten zu Graz in Zweifel. Den Beweis liefert der
bei Meissner (Die engl. Komödianten in Oesterreich 1884 S. 62) abge-
druckte Brief des Erzherzogs Karl, den Cohn fälschlich auf das mäh-
rische Graz bezoer.
36 Bolte, Das Danziger Theater.
Coiuedien], 2) von einer frommen Frauen von Antorf, 3) Doktor
Faiistus [Marlowe], 4) von einem Herzog von Florenz, der sich
in eines Edelmanns Tochter verliebt hat, 5) Niemand und Jemand
[gedruckt 1620], 6) von des Fortunatus Beutel und Wünsehhütel
[Dekker; gedr. 1620], 7) von dem Juden [Marlowe oder Shake-
speare], 8) von den zwei Brüdern König Ludwig und König
Friedrich von Ungarn, 9) von einem König von Cypern und von
einem Herzog von Venedig [1677 gedruckt als Tugend- und Liebes-
Streit], 10) vom reichen Manne und Lazarus, 11) [am 19. Nov. 1607]
von einem König aus England, der ist in eines Goldschmieds
Weib verliebt gewest und hat sie entführt [Heywood, King
Edward IV].
1609 ist keine Nachricht über das Auftreten fremder Schau-
spieler in Danzig erhalten ; indes hat möglicherweise John Spencer,
der im Juli d. J. in Königsberg spielte und von da an den säch-
sischen Hof reiste, unterwegs auch der Stadt Danzig einen Be-
such abgestattet. Die von L. Schneider^) aus A. B. Königs
Kollektaneen im Berliner Mscr. boruss. fol. 370, S. 21 entnommene,
aber von Cohn, Goedeke, Creizenach u. a. übersehene Notiz
lautet :
'1G09. 14. Jiilij dat: Königsberg-. Churfürst von Brandenburg
empfiehlt an den Chiirfürsten zu Sachsen Johann Spencer, einen
englischen Musikum, den Herzog Franz von Stettin [1577—1620] em-
pfohlen, der eine Zeitlang am Hofe sicli aufgehalten, und dessen Mu-
sica dem Churfürsten ziemlichermaßen Wohlgefallen.'
1611 im Januar suchten die Kürschner beim Rate um Er-
hxubnis nach, 'eine ritterliche vnd lustige Comedia von den Sechs
Kempfcrn der Stat Roma vnd Alba, die durch den Sinreicheu
Poeten Magister Georg Danbeck^) aus dem Römischen History
^) L. Schneider, Gesch. der Oper in Berlin 1852, Beilage: Ge-
schichte der kurfürstlieh brandenburg. Kapelle S. 25. — Vgl. dazu
Fürstenan 1, 77.
2) Dieser in Augsburg ansässige kaiserliche Notar und Rechts-
i)rokurator scheint unter den Meistersängern einen ziemlichen Ruf be-
sessen zu haben. Lieder von ihm aus den Jahren 1575—1597 sind in
Meisterliederliandschriften zu Breslau, Dresden, München, Wien, Jena
erhalten, gedruckt scheint nichts von ihm zix sein. Puschmann wid-
mete ihm 1596 seinen Bericht des deutschen Meistergesangs. (Goetze,
Neues Lausitz. Magazin 53, 63. 107. Schröer, Germanistische Studien
2, 223. Goedeke, Grundriss2 2, 251. Kcinz, Sitzungsberichte der Müuch.
1607—1611. 37
Schreiber Titto Liuio gezogen vnd auf das aller vleißigist vnd
zierlicliist in Reimen verfaßet vnd in eine coinniedia vertiret,
zu agiren', und zwar zwischen Ostern und Pfingsten Montags
und Mittwochs, weil sie bis zum Fastelabend nicht fertig werden;
'den dieselbige nach römischer art vnd weise außfüerlichen nuis
agiret Averden'. Da jedoch der Rat (am 26. Januar) den Bitt-
stellern nur die gewöhnliche Spielzeit in der Fasinacht gewährte,
mussten diese mit der Aufführung bis zum nächsten Jahre warten.
Auf ein neues vom 7. December 1611 datiertes und von den-
selben Angehörigen des Kürschnerhandwerks, Bartel Groß Elter-
inau, ^Mathias Elbel, Ißrael Biese, Hanß Pantzer^) und Hanß
Krause, unterzeichnetes Gesuch erfolgte am 4. Januar 1612 die
Spielerlaubnis für die künftige Fastnacht, mit der Bedingung,
'das sie dennoch von der Bürgeischatft nicht über einen Gr. nemeu'.
Am 3. August schlug der Rat etlichen Bürgerkindern, die
im Dominik einige Komödien agieren wollten, weil sie 'große
Vnkosten darauflf gewandt vnd es auch fremden nachgegel)en
worden ist', ihr Gesuch ab.
Die Fremden waren die Truppe des schon früher genannten
iTngländers John Spencer, der nicht lange zuvor von Kurfürst
Johann Sigismund von Brandenburg in Dienst genommen worden
war und ihn nach Ostpreussen begleitete, als dieser dort die Aner-
kennung seiner ISTachfolge betrieb. Auf einen Empfehlungsbrief
seines Herren hin wurde ihm gestattet, die erste Hälfte des Juli
hindurch in Danzig zu spielen und zum Dominik wiederzukehren
und bis Ende August zu bleiben. Er hatte in seinem Repertoire
ein geistliches Stück und eine 'neue Komödie', die nicht näher
bezeichnet wird, aber wohl mit der öfter-) von ihm aufgeführten
'türkischen Triumph-comoedia', d. h. Peeles verlorenem Drama
The turkish Maliomet and Hyrin the fair Greek (1594) identisch
ist. Beide durfte er dem höflich dazu eingeladenen Rate vor-
führen und erhielt dafür am 19. Juli eine Verehrung von 20 Mark,
Akad. phil.-hist. Kl. 1893, 1, 168 und in Hans Sachs-Forschung-en hrg.
von Stiefel 1894 S. 325.) Übrigens hatte schon Hans Sachs 1549 eine
•Tragedi: Die sechs Kempfer' gedichtet (Werke 2, 3, 1 = 8, 3 ed. Keller.
Vgl. das Berliner Mscr. genn. quart. 576, 25 und den Wiener Cod. 9832).
1) Von diesem ist schon oben S. 10 die Rede gewesen.
2) 1611 in Königsberg, 1612 in Regensburg, 1613 in Nürnberg,
1614 in Strassburff.
38 Bolte, Das Danziger Theater.
am 25. August 21 Mark (Kämmereibuch 1611). — Sonst ist uns
noch überliefert, dass Spencer 1613 in Nürnberg Machins Dumh
'knight, den wir im Anhange dieses Buches genauer kennen
lernen werden, Masons Midiasses tlie TurTxe und zwei sonst unbe-
kannte Stücke Destruction of Troy und Celido and Sedea in
deutscher Bearbeitung und 1614 in Strassburg ausserdem 'ein Spiel
so von der Obrigkeit ist', gab. Vermutlich geht auf ihn (oder John
Green) die Danziger Remiuiscenz zurück, die sich in den 1620
gedruckten Englischen Comödien Bl. Ss 4b findet^). In dem
Pickelheringsspiel nämlich von der schönen Maria und alten
Hahnrei, das schon Ayrer-) vor 1605 aufführen sah und nach-
ahmte, führt die Buhlerin den Beinamen Maria vom Langen
Markte. Spencer trat 1615 in Köln zur katholischen Kirche
über und begab sich 1618 unter dem Namen Hans Stocktisch
wieder in den Dienst des brandenburgischen Kurfürsten Jolianu
Sigismund. Mit dem Jahre 1623 erlöschen die Spuren seines
Lebens^). Ich lasse nun seine beiden Briefe an den Danziger
Rat folgen.
I.
Herr Burgermeister, Elirentueste Namliaffte, Hoch vnudt Woll-
weise g-roßg'ünstige Herren, Nechst erbiettunge meiner dienstl)ereit-
willigkeitt Soll ich vntertheniger Diener vnd bestalter Coraediaut vnd
Miisicus J. F. Dlt. zu Brandenburgk meines G. H. nicht verhalten,
Waßmaßen mir ein Erbahr Hochweiser Ralitt auff gnedige comineu-
dation vergundt vnd zugelaßen, alhier in dieser Konigklichen Stadt
Dantzigk 14 tage zu agiren, so ich mit großer danckbahrkeitt nnge-
nohmmen, auch albereits etzliche tage mit agiren volntzogen, vex*-
merckende aber, das sich wenigk spectatores noch zur zeit gefunden,
mich beiurchtende, daß ich die Vnkosten kaum, die ich drauf ge-
wendet, in den 14 tagenn solte erlangen. Wann ich mir dann furge-
nohmmen, für diese zeit, nach abegebungk Ihrer F. Dlt. gnediges
sclireiben bis zu dem zukohmmenden Sontage zu agiren vnd her-
nacher mich nach Konigsbergk zu begeben, aldar so lange zu bleiben,
biß wils Gott zu dem zunahenden Dominick, alß dann ich mich wieder-
umb anhero begeben wolte vnd meines Schadens erg-etzuns'k, weil itzo,
J) Vgl. Tittmann, Die Schauspiele der engl. Komödianten 1880
S. XIV. Creizenach, Die Schauspiele d. engl. Komödianten 1889 S. LXXI.
2) Dramen 4, 2225 ed. Keller 1SG5.
^) Creizenach a. a. 0. S. IX f. und Allgem. deutsche Biogr. 35, 99.
Goedeke, Grundriss^ 2, 533 f. Nach der unbestinniit gehaltenen An-
gabe A. Wesselofskys (Deutsche Einflüsse auf das alte russische Tiieater
1876 S. 10) hätte er auch in Polen gespielt.
ir.ii. 39
wie ich vermerclce, wenigk zuthun, erholen. Gelanget demnach an
E. E. vnd Hochweisen Rahtt mein demüttiges vnd gantz freundlicheß
bitten, Sie geruhenn mir in Betrachtungk dieser Zeit gelegenheitt, auch
der großen vnd schw^eren Vnkosten, so ich hierauff gewendet, vor
diese Zeit zum Beschluß auff den zukohmmenden Sontagk nach ge-
haltener Vesper Predigt eine Geistliche Comedia zu agiren gun-
stigklicheu nachzugeben, vnnd das ich hernacher auff den wilß gott
zunahenden Dominick mich wiederumb anhero einstellenn vnd als dann
die Zeit vber in wehrendem Dominick mit agiren möge zubringen.
Solches gereichet zun hohen ehren dieser Stadt, zu sonderlichem ge-
fallen meinen gnedigen herren, so ich nach vermögen zu rümen vnd
zuuerdienen mich schuldiglv erachten will.
E. E. N. H. W.
DienstbereitAvilligster
[ J 0 h a n Spencer] i)
Ihrer F. Dlt. zu Brandenburgk
wolbestalter Musicus vnd Comediant.
Lecta in Senatu 15. Julij 1611. Vnd befunden, das er am Son-
tage nicht agiren solle, Kompt er auf den Domuick anhero, so wirt
sichs finden, waß ihm nachzugeben sein mochte.
11 (eigenhändig).
Edl gestrennge, Ehrenveste, NamhafFte, Wolweise, großgünstige
Herrn Burgemeister vnnd Rath,
Eß werden sich E. E. V. V. H. noch großgünnstiglich wissen
zuerinnern, waß massen derselben zue besonndern ehren jünngst ab-
geloffene wocheii eine Newe Comoediam, so Ich mit grossen eignen
vnnkosten angericht, agirt. Weil Idan, Wolweise, großgünnstige Herrn,
Ich dazumall schlechte ergetzligkeit gehabt, Inn dem nach E. E. V. V.
H. H. einnganng von dero Diener die Tiehr verschlossen vnd nie-
manndt alda einngelassen worden, auff der anndern selten aber dz
volgk heimblich auffgebrochen vnnd heuffig vmbsonnst hieneinn
ganngen, so gelannget an E. E. E. V. V. H. H. meinn gehorsambeß
Diennstgevliesseneß bitten vnd annsinnen, sie geruhen großgünnstig-
lich gedachte Comoediam zurepetiren vnnd noch einen tag oder drey
zuagiren, damit Ich furnemblich Inn Seidenkremen könnt abzahlen
vnd anndern vielen vnnterschiedlichen Hanndtwergkß Personen con-
tentiren, auch ohne schulden vnnd mit gueten nahmen wieder auß der
Stat vnnd [zu] (meinen) Ihr Cuhr: Durhl. meinen gnedigsten Herrn
reisen, vnd vnnter dessen seiner annkunnfft Inn das Lannd ohne weiter
vnnkostung alhier erwarten. Ist auch beinebens beideß ann diese
E. E. V. V. H. H., so dazumall abwesend, alß bewuste Comoedia zue
ersten Agirt -worden, so woll die so albereit der beygewohnnt, meinn
1) Der Raum für die eigenhändige Unterschrift ist freigelassen.
Ich ergänze sie nach dem zweiten Aktenstücke.
40 Bolte, Das Danziger Theater.
g-antz diennstgevliesseneß bitten, wo fern Ambtßg-eschefft eß leiden
mögen, diese Action wiederumb mit Ihrer praesentia zuorniren: Eß
soll, waß zuuorn negligirt, resarcirt werden. Solheß bey Ihr. Churf.
Durlecht meinem gnedigsten Herrn hohlich zurühmen vnd gegen E. E.
V. V. H. H. für meine Person mit meinen gerinngen Diennsten wieder
zuuerschulden, will Ich Inn keinn vergessennheit gestelt habeii. Hier-
über E. E. V. V. H. H. mich zugewehrennden bescheid Inn diennst-
gevliessenen gehorsam beuehle.
Ewer Ehrenvest vnndt Herrl.
Diennstwilligst gehorsambster
J o h a n Spencer Ennglennder
Ihr Cuhrf. Durhl. von Branndennbiirg
Cammer Musicus vnnd Comoediaut.
Darauf der Vermerk :
Lecta in Senatu 29. Angusti Ao 1611. Vnd zum vberfluß nach-
gegeben, das Supplicant noch zweyinhall agiren müg'e.
Nebenher sei noch auf die Thatsache hing'ewiesen, dass
der Danziger Rat, der die Aufführung-en Spencers mit Interesse
ansah, auch die Verfasser zweier neulateinischer Komödien mit
einem Geldgeschenke bedachte. Martin Gravius, ein aus Stettin
gebürtiger Theologe, der nach km*zer Thätigkeit in Ungarn stellen-
los in Norddeutschland umherirrte^), erhielt am 11. April laut
Kämmereibuch 8 Mark; dass er zuvor dem Rate seine 1603 er-
schienene Bearbeitung von Naogeorgs Mercator (1540) überreicht
hatte, darf man daraus folgern, dass sich noch jetzt auf der
Danziger Stadtbibliothek zwei Exemplare dieses Stückes befinden.
Ebenso widmete der Schulmeister und Cantor an St. Marien
Michael Totzmannus^) Crepusius dem Rate eine Komödie
(^Carmen de concordiä' heisst es im Kämmcrcibuche) und em-
pfing dafür am 10. Oktober ein Geschenk von BO Mark^).
1) Er Studiertc 1598 in Frankfurt a. 0., 1606 in Wittenberg, und
kam 1617 als vertriebener Pfarrer nach Berlin. Von seiner 'Tragoedia
nova' erschienen Drucke 1603, 1612, 1614 zu Frankfurt a. 0. und 1615 zu
Nürnberg. Vgl. Bolte, Korrespondcnzblatt des V. f. siebenbürg. Lan-
deskunde 1885, 137. Jahrbuch f. niederdeutsche Sprachf. 11, 156.
Zs. f deutsche Philol. 20, 84.
2) Nach einem hsl. Verzeichnis der Danziger Lehrer (Stadtbibl.
XV. q. 130, S. 6) war er 1610—13 in Danzig tiiätig und gab verschie-
dene dichterische Werke heraus.
3; Supplik im Ratsarchiv (Convolut Musik. Qq 13 B) und Käui-
mereibuch.
1611-1615. 41
1612. Am 19. März führten die Kürschner die Komödie,
mit der sie im vorhergehenden Jahre niclit rechtzeitig fertig ge-
worden waren (S. 36), in Gegenwart des Rates auf. Das Käm-
mereibuch meldet unter diesem Datum: "Den Comraedianten des
Erb. werckes der kurschner 15 M.'
1615 stellten sich vor dem Dominik die Komödianten Joh.
Friedr. Virnius und Barthol. Freyerbott, die der branden-
burgische Kurfürst nach der Entlassung Spencers (April 1613)
in Dienst genommen hatte ^), in Danzig ein. Obwohl sie Empfeh-
lungen von den ponniierschen Herzögen mitbrachten und ein Poeta
laureatus unter ihnen war, der in englischer, französischer und
italienischer Sprache und Sitte erfahren zu sein versicherte, wur-
den ihnen doch nur sieben Vorstellungen bewilligt (darunter:
David und Bathseba). Offenbar standen ihre Leistungen hinter
denen ihres Konkurrenten John Green zurück, der nach neun-
jähriger Abwesenheit mit einer gleichfalls 18 Manu starken Truppe
gegen Ende Juli aus Wolfenbüttel eintraf. Diesem; der selbstbe-
wusst zunächst den ßat einlud, in einer Gratisvorstellung den
Wert seiner Leistungen zu prüfen, und der in reiner deutscher
Sprache und nur ehrbare Sachen spielen wollte, wurde erlaubt,
ein Eintrittsgeld von 3 Gr. zu erheben, während jene nur 2 Gr.
nehmen durften. Er blieb bis Ende August in Danzig.
Das Lokal, in dem die Vorstellungen der ersten Truppe
stattfanden, war die Fechtschule, während Green im Altstäd-
tischen Rathause gespielt zu haben scheint, das schon 1594
von den Kürschnern benutzt worden war. Die Fechtschule war
ein aus Brettern oder Fachwerk errichtetes Gebäude und muss am
Dominiksplan, dem heutigen Kohlenmarkte, etwa an der Stelle
1) 1614 nahm Johann Sig'ismund die Komödianten Wilhelm, Abra-
ham und Jacob Pedell, Robert Arzschar, Behrendt Holzhew und
August Pflugbeil in Dienst, entliess sie aber mit Ausnahme Arzschars
zu Ostei'n 1615 wieder (Plümicke, Theatergeschichte von Berlin 1781
S. 36). Am 21. März 1615 stellte der Kurfürst zu Lebus dem Wilhelm
Pedell sambt den beihabendten zu seiner Compangni gehörigen dreyen
Persohnen' einen Passierschein nach dem Herzogtum Preussen aus
(Berlin, Geh. Staatsarchiv). Danach scheint es, dass unter diesen drei
Ungenannten sich Virnius und Freyerbott befanden.
42 Bolte, Das Danziger Theater.
des heutigen Theaters^) gestanden haben; für gewöhnlich diente
es den Waifenübungen der jungen Bürgerschaft, die dort, l)is-
weilen^) aber auch auf dem Markte, öffentliche Vorstellungen,
sogenannte Techtschulen', veranstaltete. Es scheint 1600 ent-
standen zu sein, da damals ein gewisser Conrades Heidemann um
die Erlaubnis einkam, in seinem Garten Fechtschulen und ^aller-
ley Schawspiir halten zu lassen, weil der Rat den Fechterplatz
im Hohen Thore zu andern Dingen gebrauchen wolle; der Rat
wies den Supplikanten am 30. Mai d. J. ab und gestattete M.
Simon, wiederum einen Schussgarten zu bauen; doch sollten die
Bauherren achthaben, dass nichts Unzierliches dahin gesetzt
werde ^). Am 15. Februar 1624 verpachtete der Rat die Feclit-
schule au den Wachtmeister George Gerlach gegen eine jährliche
Pacht von 1000 Fl. und jedesmal 15 Mark den Dienern der
beiden Bürgermeistern'^). Unter den mancherlei Schauspielen,
die dort zur Ergetzung der Bürger vorgeführt wurden, befanden
sich auch Bärenhetzen und Tiergefechte; so erhielt z. B. am
30. Aug. 1632 ein Garkoch die Erlaubnis, dort mit einem Bären
zu kämpfen 5).
I.
Edle, Ehrnueste, Achtbahre, Hochgelahrte, Hoch vndt Wohlweise,
Großgünstige Herrn, Praesident Burgemeister vnndt Rath. E. Hoch-
weißheit vnndt Gunsten seindt vnser bereittsahmbste Dienste jeder-
zeitt beuohr.
Dehmnach vnser Gnedigster Churturst vinidt Herr, Ihr Clnirf.
G. zu Brnndenburgk, welchen wier jungst verloffenen wintter mit
vnsern Actionibus Comicis gehorsahmist (vermög beigelegten von dero
Gn. vns gnedigst mitgetheiltenn patent) aufgewartett, Allß hatt sie
VHS in gnaden vergönstiget, diesen instehenden Sommer anderer örtter
vns ferner zu begebenn vndt vnser Actiones zu praesentiren. Darautf
1) So sagt Löschin. Auf dem Stadtplane bei Curicke (Beschrei-
bung Danzigs 1G88) erscheint jedoch ein Gebäude, das nur die Feciit-
schule bedeuten kann, auf der gegenüberliegenden Seite dos Platzes
am Stadtgraben im Zuge der Heiligengeistgasse.
2) So am 2. Juni 1611, am 25. Juli 1614 (Berliner Ms. boruss.
fol. 250, Bl. 214a. Nucleus Senatus-Consultorum Gedanensium).
^) Supplikation auf dem Stadtarchiv.
') Nucleus term. Senatus ad libellos supplices s. v. Fcchtschulc
(Stadtarchiv). Vgl. unten S. 61 f.
^) Berliner Ms. boruss. fol. 250, Bl. 2l4a. Löschin, Geschichte
der Stadt Danzig 1, 354. — Vgl. auch unten S. 57 (1623).
1615. 43
dan wier alßbalt entschloßenn o-eweßenn, anhero in diese Kon. See
Stadt voi* allen andern vnß zunorfüegen, allß dei-o fama allenthalben
vigirtj E. Hochw. vnndt Gunsten vndt anderen dero löblichen ein-
wohnern vnser New Historische tarn prophanas quam sacras Comoe-
dias zu exhibiren, vnter deßen aber von Ihr F. G. Hertzogk Phil-
lippe n^) zu Stettin vndt Hertzogk Frantzen^) zn Cößlin (vermöge
beygelegten dero testimonien ein geraume zeitt vber gnedigst auff-
gehalten worden). Weill aber numehr vor 3 Tagen mit vnser Com-
pagniae wir glücklich alhier ankommen, Gelangett an E. Hochw. vnndt
Gunsten vnser dienstgeflißendt bitten, großgünstiglich zu geruhen vndt
zu erlauben, 14 Comoedias alhier zu exhibiren vndt solcher auf in-
stehender Zeitt noch vor Dominici Meß, weill wier halt zuuorreisen
veruhrsachtt, ein anfangk zu machen. Weill auch kein ander Platz
zu unßern Actionibxxs bequehmlich allß E. Hochw. behausungk, da-
rinnen die fechtschullen gehaltten werden, alhier gefunden wirdt, Allß
ist ferner an E. Hochw. Dienstgeflißenes bitten, derjenigen wittfrawen,
so dießes Hauß nun in possession, großgünstiglich andeütten zu
laßenn {concessd speratd venia), das sie es vns vmb ein gebüerliches
vnd billiges geltt (inmassen vnser antecessor vor dreyen Jahren 3) ge-
habtt, welches füer igliche Comoedia 5 fl. geweßen) avoII zukommen
laßen.
Solches vmb E. Hochw. vndt Gunsten nicht allein mit vnßern
wilfertigsten Diensten wiederum zuuorschulden, sondern anderorts vndt
sonderlich bey vnßerm Gnedigsten Churfürsten vnndt Herrn höchlich
zu rühmen, wollen wier in keiner verg-essenheitt gestellet haben.
Hierüber E. Hochw. vndt Gunsten vns zur hoffentlicher reso-
lution dienstgeflißendt befehlenndt
E. Hochw. vnd Gunsten
Dienstgeflißene
Johannes Fridericus Virnius, poeta Caesarius.
Bartholomeus Freyerbott.
Lect. 20. Julii 1615. Vnd consentiret E. Erb. Rhatt auf 7 Co-
moetien, vnd das sie nicht mehr nemen als von dem jMan zwei groschen.
1) Philipp n. (1573—1618). Von Fastnachtspielen, die 1606 auf
dem Stettiner Schlosse stattfanden, erzählt Joachim von Wedel in
seinem Hausbuche S. 511 ed. 1882.
2) Franz (1577—1620), Bischof von Cammin, nach dem Tode seines
Bruders Philipp Herzog von Stettin. Vgl. auch oben S. 36 (1609). — Auch
von Herzog Philipp Julius von Wolgast (1584 — 1625) wird berichtet,
dass er 'etliche und zwantzig Engländer, Musikanten, Springer, Täntzer
und Possenreisser, so die artes voluptuarias üben', hatte. M. Wehr-
mann, Aus Pommerns Vergangenheit 1891 S. 108.
^) Wäre diese Angabe genau, so müsste Spencer nicht nur 1611,
sondern auch 1612 in Danzig gewesen sein
44 Bolte, Das Danziger Theater.
IL
Edle, Gestreug-e, Ehreuueste etc.
Demnach auflf Churfürstl. vndt Fürstl. vberreichten patenten vndt
Commendatiou schriffteu, E. Hochweiß, vnd Gonsten vuß großgönstig-
liche erlaiibniis auff Sieben Comoedien Concedirt, bedanckenn gegen
deroselben deßwegen wier vnß in aller demitigster dienstgefließenheit.
haben auch in Verordnung deß pretij von einer iedlichen Person vnß
williglich vnd billich regiiliren wollen. AVeill aber, Hoch vnd Groß-
gönstige Herrn, mit der extruction Aiid praeparation vnßers theatri
sich von Montag, da vnnß Günstige erlaubnüs angedeüt worden, biß
auff Donnerstag verzogen, da wier vnßer erste Tragicomoediam
exhibirt, iolgenden freitag ein schlechte audientz gehabt, welche vnser
sumptus nicht abgelehnt, diese instehendte wochen von der f echt er
importunitet, so vnser theatrum radicitus destruirt, wie auch wegen
Yngewiter vnd Regen höchlich impedirt worden, einen weeg aber alß
dem andern mit vnßer Compagnia achzehen Personen starck grosse
Vncostung angewandt. Als gelanget an E. Hochw. vnnd Gonsten, in
großgönstiger ponderation itzt gedachter puncten größgönstiglich zu-
geruhen, nach Vollendung vnßer erlaubten Sieben Comoedien, daruon
wier drey praesentirt, drey mehr durch den Dominic vnß, wiewohl
teützscher nation, iedoch die in Englischer, Frantzösischer, Italienischer
sprachen, siten vnnd gebrauch erfahren, größgönstiglich zu erlaßen,
vnd die vnßers patriae ehr vieiilmehr alß betrueg, in welchen vordeßen
auslendische Compagnia hier vnd hin vnd wieder agirt, sxichen, dieße
andere Englische Comi^agniae, so iungst nach vnß ankommen,
dahin zue moderirn, daß vor Vollendung vnsern Actionum, Aveil wier
erstlich erlaubnuß erlangt vnd vncostung angewendt, sie ihres exer-
citij ein stillstandt haben oder aber sich mit vnß Vniren vnd zugleich
Agiren; denn wier versichert, daß vnßer Actiones so gutter, nutzbarer
vnd Lustiger Materien, derer Churf. Gnaden sich allerzeit erfreuet,
alß der ihrigen, damit auch diese vnser Actiones wier desto schlein-
niger mögen absoluiren. Alß gelangett ferner an E. Hochw. vnd
Gonsten vnßer dienstgeflissenes ansinen, auff iungst Icommenden Son-
tag (finitis sacris Concionibus), weill dieße wochen wier nicht mehr
als eine Comoediam agirt, Größgönstiglich zu geruhen, eine schöne
geistliche Comoediam, alß Lapsum Dauidis cum Bathseba'^) zu ex-
hibiren. Sein der tröstlichen Zuuersicht, E. Hochw. vndt Gonsten
wirdt beidtes wegen vnßers Gned. Churfürsten vnd Herrn, deßen ge-
horsame Clientes wier sein, wie auch wegen der Löblichen gantzeu
teützschen Nation vnß vor andern größgönstiglich promouiren vnd
patrocinirn. Solches bei vnßern Hochlöblichen Gnedigsten Cliurlürsten
vndt Herrn, wie auch allen andern potentaten Höchlich zu rüiuneu,
wollen wier in kein vndanckbare Vergessenheit gestelt haben. Hiruber
') Etwa Ainbroöius P a p e , David victus et victor. Magde-
burjr 1602.
1615. 45
E. Hochwoißlieit vncl Goiisten vnß dieustg-ctiiessenclt zue hoffentlich cu
gewehrendter gönstiger resolutiou bei'ehlendt
E. H. W. vnd Gonsten
Schuldtpflichtigste vnnd dienstwilligste.
Johannes Fridericus Virnius, poeta Caesarius.
Barth olomeus Freyerbott.
Lect. in Senatu vlta Julij 1615 Vnd bey vorigem Schluß gelassen,
das sie Sieben Comocdien vollenzihen mügen.
III.
Herr Burgermeister, Edle, Eremieste, Namhaffte vnnd Hochweise,
großgünstige Herren.
Negst entbittung vnserer stets bereitwilligen vuuerdroßenen
Dinste wünschen Em Erb. Hochw. Rahtt Avir von dem Allerhogsten
glukliche friedsame Regirung, gutte lanngwirige leibesgesuntheit vnnd
sonst allen erwunschlichen AvoUstandt. Es ist nun das neunde Jahr^),
großgunstige Herren, das wir diese gutte Stadt ersuchet vndt aus
Zulaß E. E. H. Rahtts (dafor wir zum högsten dankbar, es auch an
solchen ortten vnd stellen geruhmet haben, da es woU ist aufge-
uohmen worden) alhier den Dominik vber Comoedias agiret haben.
Als wir vnns nun so viele Jahre hero weiter vmbgesehen vnndt darbey
ein weit mehrers gelernet haben, so haben wir nicht vnterlaßen können,
zur dankbarkeit vndt aller ehrerbittung anhero zu kommen vndt, so
ferne es Em Erb" Hochw. Ralitt also gefallen wirdt, vnsere woUerler-
nete kunst alhier menniglichen sehen zulaßen. Nun begeren wir nichts
anders, als das Em E» Hochw" Rahtt wir forher eine probam thuen
möchten, das E. E. H. nicht alleine die actiones, sondern auch die
liebliche Mxisicam vnndt andere kurzweilige sachen selbst ansehen
vnndt doraus zu dijudicircn eine gruntliche vrsache möchten haben
vnnd solches vmbsonst. Wir verhoffenn, mit Göttlicher hüifte dorinne
dermaßen zu bestehen, das es E" E" H. Rahtt die kleine Zeitt, so sie
hierzu ettwa abbrechen möchten, wie auch darnach der löblichen
Bürgerschafft nicht berewen wirdt deßen, was sie vns zur dankbar-
keit zukehren werden. Des erbieten wir vns alle mall eine sonder-
liche Comoediam zuagiren vnndt in reiner deutscher Sprache, auch es
also machen, das die Spectatoren doran werden vergenueget sein.
Gelanget derowegen an E. E. H. nicht weniger als for neun Jahren
geschehen, vnns so gunstiglich zuerscheinen, vnnd zu uerlauben, das
wir vnsere Comoedien den Dominik vber alhie tractiren mögen. Das
seint vmb E. Erb. Hochweisen Rahtt wir mit högster dankbarkeit die
tage vnseres lebens nach viniserem besten vermuegen zuuerdienen
1) Nachher lieisst es: 'vor neun Jahren'. Gleichwohl wird das
Jahr 1607 (s. S. 35) gemeint sein.
46 Bolte, Dcas Danzig-er Theater.
schuldigk. Erwartende hieraxiff in vndertheuigkeit eines tröstlichen
vnnd g"unstig'en bescheits.
E. Erb. Hochw. Eahtts
Vnterdinstwilligste
Die Eng'lische Comoedianten.
Lect. in Senatii vlta Julij 1615 Vnd nachg-egeben, das sie ihr an-
gedeutete Prob mügen sehen lassen vnd hernach ferner bescheidt ge-
wertig sein.
IV.
Gestrenge, Edle, Ehrniieste, Namhaffte, Hoch- anch Wolweise,
Yielgünstige Herren,
Nach erbittung vnser beheglichen vnndt Gantz willigen Diensten
Sagen Wir E. G. E. Herligkeitt gantz die[n]stlichen danck, daß die-
selbe vns vnsere comoedien vnnd Tragoedien öffentlich zu praesentiren
diesen Domnick alhier vergünstiget vnnd zugelassen. Dieweyl aber
die anordnung des geldes fast geringe, das wir draufF mitt denn
vnsern, der in alles achtzehen Perschonen, in dieser Tewrung nicht
leben können, auch der Platz sonst gar enge vnd klein räum in sich
hatt, das nicht vbrig viele können aufFgelassen werden, die Vnkosten
aber wegen des Platzes Sich Hoch belauffen. Indem Wir Hundert
Marck vor die Gallerey, bancken vnnd andere Zubehörung anzufertigen,
vnndt Teglich noch zwene Ducaten sonderlich vor das Rahthauß
geben müssen vndt viele Perschonen vmbsonst dahin auff zug-elaßen
werden, alß zweifeien Wir nicht, E. G. E. Herl. solches Hochgünstig
anmercken vndt vnser bitte hierin so viele damehr gewehren vnnd
vns mehr zu nemen gestatten werden. Danebenst Tuhn wir auch
vntterdienstlichges einem E. H. R. vnsere Actiones vnd Dienste prae-
sentiren, Wan es E. G. E. H. sampt deren Vielgeliebten Haußfrawen
vnndt Kindren gefellig sein möchte, denselben vnbeschweret beyzu-
wohnen vnd vnß dessen Zeitt vnd Tagk hierin Günstiglich ansetzen.
Verhoffende, E. G. E. H. an vnscrm fieiß vndt Geschickligkeitt ein gün-
stig gefallenn vnnd genügen mitt deren ihrigen daran tragen werden.
Dero großgünstigen gewogenheit Wir vnß Semptlich Hiermitt Em-
pfolen Haben
E. G. E. H.
Dienstwillige vnndt gefließene
Johann Grinn mit seiner
Gantzen geselschafft.
Lect. in Senatu 7. Aug. Ao 1615. Vndt geschlossen, das es bei
vorigem schluß, als nemlich, das sie in allem nicht mehr den drey
grosschen von der person nehmen sollen, müsse vorbiciben. Dessen
ernennet E. E. Radt den Diengstag zu der Comoedie oder Tragoedia
für E. E. Radt zu exhibiren.
1G15. 1616. 47
V.
Herr Bürgermeistor, Gestreng-e, Edle, Ehrenueste, Hochweise,
g-roßgünstige, gebietende Herren,
Wier Engelische Comoedianten seindt zum höchsten danckbar,
das E. E. Hochw. Rahtt auf unser hochfieißiges bitten, uns allergünstigst
verstattet unsere Comoedien alhier zu agirenn. Weill uns aber new-
liclier tage dieselben weiter zu halten auß E. E. Fw. befehlich unter-
saget worden, Habenn wier nicht unterlaßen können, so wie wier einen
zimlichen wegk von Wolffenbüttel anhero, dieser Hochberümbten
Stadt zu sondern ehren, schleunig gereiset und alhier nicht geringe
Unkosten zum Gebew und anderer notturift aufgewendet, welcher
Zehrung und gethanen Unkosten halben wier noch zur zeitt nicht er-
gentzung haben können, E. E. Hw. demütigst zuersuchen. Hochdienst-
lichen fleißes bittende, Sie geruheten unsere vielfeltiege gethane Un-
kosten, weite reise und allerhandt gehabte ungelegenheit, indem wier
in zimlicher anzahl von Personen in die vier wochenn alhier gelegnen
undt nur vierzehen tage über unsere Comoedien geübet, allergünstigst
anzumercken und uns einen Monatt weiter zu unser erstattung oder
ergözligkeit zu spielen vergönnen. Des verheischen wier hiemit, das
nichts leüchtfertiges, sondern nur was Erbar und Geistlich ist, in unsere
Comoedien soll eingeführet werden, seindt auch erböttig für E. E. Hw.
lind ganze gemeine Bürgerschaft't eine freye Comoedia, an welchem
orte es ihnen beheglich seinn möchte, öffentlich und nach bester
Manier zu spielen. Solche gunst und wolthat seindt wier von E. E.
Hw. bey frembden Herrschatften. dahin wier künfftig gelangenn wer-
den, höchlich zu rühmen und sonsten umb dieselben eüßerstem unserm
vermügen nach zu verdienen ganz willig. Einer unabschleglichen ant-
wordt hierauf erwartende
E. E. E. Hw.
Dinstwilliger
Johan Grin mit seiner Gesellschafft.
Lect. in Senatu die 25. Aug. 1615. Vnd verharret Ein Erbb. Raht
Tdcv vorigem abscheyde.
1616. Zum Dominik kehrte Green mit seiner Truppe in
gleicher Stärke wie im vorigen Jahre wieder. Neben ihm unter-
zeichnet sich noch ein anderer Engländer, Robert Reinald, der
auch 1618 in Nürnberg, 1626 in Dresden und 1628 in Köln als
Mitglied von Greens Bande erwähnt wird und noch 1631 in
Köln als Prinzipal auftritt^). Green kam vom dänischen Hofe^) und
^) Creizenach, Die Schauspiele der englischen Komödianten
X f. Unten z. J. 1640.
2) Dieser Besuch Kopenhagens war bisher unbekannt.
48 Bolte, Das Danziger Theater.
wollte weiter an den polnischen zielien. Es gelang- ihm, den
anfänglichen Widerstand des Rates zu besiegen, der am 11. Juli
die für die noch nicht eingctroft'ene Compagnie eingereichte
Supplik des Bürgers David Krüger abschläglieh besehieden und
sogar die Vorsteher des Klosters (im bischöflichen Schottland)
augewiesen hatte, den Komödianten kein Spiel in der Vorstadt
Neu-Garten zu verstatten. Green spielte auf der Fechtschulc
und erhielt nach dem Schlüsse des Marktes eine Verlängerung
der Spielfrist. Der Eintrittspreis blieb der frühere von 3 Groschen.
Wiederum wurde der Rat zu einer besondern Vorstellung einge-
laden; das Kämmereibuch berichtet darüber unter dem 17. August:
Den Eng'lischen Comacdianten für die einladung- ihrer
action 30 M.
Noch ist vncosten ausg-augeu bei derselben Comedien,
Nemlich vor 22 stoii^j Reinisch vnd Kerschberwein 15 M. 24 Seh.
Flasdieufiiter zn tragen vnd topich breter anztinaglen
vnd für negel 1 M. 9 Seh.
Summa 16 M. 33 Scli.
Aus einem Briefe des Erzherzogs Karl-) vom 18. März 1(317
erfahren wir, dass Green wirklieh an den polnischen Hof gelangte
und dann über Neisse und Olmütz nach Prag weiterzog, wo er
im Juli vor Kaiser Matthias spielte. Zuletzt begegnet uns sein
Name 1626 in Köln, Frankfurt und Dresden.
I.
Edle, Gestreng-e, Ehrenfeste vnd Hoc.hweise Herren,
E. Edle H. hochberümbter Name zeucht viele frembde Nationen
anhero vnd i-citzet die jeuig'en, welche was künstlichs g-elernet haben,
das sie es dieser Löblichen Stadt g'crn wollen sclien vnd hören laßen.
Nun ist gewis, das der Lauf der weit nicht künstlicher kan abgebildet
sein als in Comoedien vnd Trag-oedien, die gleich wie im spieg-el aller
Menschen leben vnd wesen, guttes und böses repraesentiren vnd für-
stellen, darin ein ieder sich selbst magk sehen und erkennen, Welche
kiinst bey den Alten Griechen vnd Römern vbcr alle maße weert, hoch
vnd ansehenlich g-ehalten ist vnd wol tawren wird, so lang' die weit
stehett, vnd wird auch zu itzig-en Zeiten von allen weltweisen g-eliebet
vnd g-eehret, das sie in Mancherley Zungen vnd Manieren für sich g-e-
hett vnd bestehet. Wann wir daii viis ans Lust vnd Liebe auch in
1) stof = Becher, Mass.
2) Colni, Shakespeare in Germany 1865 p. XCIII f. Goodcke,
Grundriss ^ o^ 537. Angdia 10, 289.
161 G. 49
solcher weltkunst g-eübet vnd nach mügliclieit daraxxf g-evlißen, hin
vnd hero in Landen vnd Städten dieselbe zu exhibiren, an izo aber
aus der Löblichen Cron Dennemareken hieher g-elang-et, da wir
wiücn, das fürtrefliche Herren der Obrigkeit leben, so die weit versucht,
g-esehen vnd erfaren vnd davon gros Lob vnd Ruhm bey Auslen-
deschen tragen. Demnach zweifeln wir nicht, es werden E. Edle H.
keinen misgefallen haben, das wir ihnen vnsere kunst vnd dienst
anbieten vnd praesentiren, zum instendigsten bittende, E. Edle H. ge-
ruhen ihren besondern fauor a'us zu accommodiren vnd zu verstatten,
das wir bei dero bertimbten Stadt vnd Erbarn Bürgerschaftt vnsere
nützliche vnd zierliche Comoedien vnd Tragoedien mügen agiren vnd
sehen laßen, weil in allen fürnemen Märckten vnd Nundinen dergleichen
Exercitia gewönlich vnd nichts verwegert pflegt werden, was zur
ergetzlicheit gefunden und weislichen hergebracht, das in grossen
Zusammenkünften vnd Vielheit des Volcks zierlich vnd lustigk fürge-
tragen vnd in Conspect fürgestellet werde, was in der weit an fügend
vnd vntugend vmbgehct, vom vnwege des vngutten die Zusehers vnd
Anhörers abzuführen vnd auf den rechten wegk der Tugendt vnd
Ehre zu leiten vnd zubewegen. Bitten derhalben zum dinstvleiCigsten,
wie vorgedacht, E. Edle H. vns nicht wolten vergebliche Reise vnd
schweren kosten haben thun laßen, viel mehr zu ihrem Ruhm vnd
Preis bey allen Potentaten vnd Ländeini, dahin wir gelangen, vnsere
Kunst wirdigen vnd günstiglich nachgeben zuverrichten. Wir wollen
niemand vber g-ebühr das geringste anmuten, sondern genügen laßen
an dem, was billig von E. Edle H. wird angesehen werden, Womit
E. Edle H. langes gesundes Leben, hocherspriesliche Regierungk vnd
stets blühenden handel vnd wandel von der Göttlichen Ewigen Ma-
jestatt wünschende, Datum 28 Julij Ao 1616.
E. E. G. H.
Dinstwillige
J 0 h a n Green,
Robert Reinald
vnd gesampte Collegen der Englischen Comoedianten.
Lecta in Senatu 29 Julij 1616 Vnd geschloßen, das ihnen müge
gefugt werden auff acht Tage langk, mit der Condition, das sie nicht
mher als drey g. von der Person nemen, keine vnzüchtige dinge agiren
vnd nach verlauff der 8 tage weiter nicht anhalten, es se\' hie oder
für der Stadt, sondern aufhören vnd ihre Spiele einstellen.
IL
Edle, Gestrenge, Ehrenfeste, hochweise, grosgünstige Herren, Das
E. Edle H. vnser dinstlichsten bitt in gunsten geruhet vnd vnsere
Comoedien zu exhibiren verstattet haben, dafür sagen wir E. Edle H.
besondern vleißigen Danck, wie es immer von vnsern Personen ge-
schehen sol vnd kan. Es hat vns aber das glück für diese Zeit nicht
gedienet, das wir die aufgewante Kosten solten erAvoi'ben, viel weniger
Th. F. XII. 4
50 ßolte, Das Danziger Theater.
das geringste erobert haben, teils das die Domnicks Zeit gehindert,
dan auch die fechters vns die bequemsten tage benommen vnd E.
Edle H. vns wenige nachgegeben, nemlich nur Acht tage, darvon heut
der siebende ist. Es seind vnser Achzehen Personen; was auf die auf-
gehet, das weiten E. Edle H. bey sich erwegen vnd müßen die Perso-
nalien verendrung haben nach der Actionen qualitet. Es wil im glei-
chen mit spendirung so genaw nicht zugehen, vnd zum abreisen ist
vns Zehrung ohn alle mittel nötigk. Wie nun E. Edle H. ihre hoch-
gerühmete humanitet vns erwiesen haben im receptiren. Also bitten
wir vmb gleichen fauor im dimittiren, das wir noch was tage vnd
dilatie haben mügen nach hochgünstigem E. Edle H. wolgefallen publice
zu agiren vnd notturfft auf den weg zu gewinnen von denen, so sich
im Domnick nicht haben müßigen vnd zu verjucundiren die weile
nemen können. Seind solches neben andern beneficien hochstdanckbar-
lich zu preisen schuldig und erböttigk, Vnzweifelich vnd fauorabelich
Respons demüttig bittende vnd verhoffende.
Datum 18. Aug. 1616.
E. Edle Gestr. H.
Demüttige und Dinstwilligste
gesampte Compagnie
der E n g e 1 i s c h e n C o m o e d i a n t e n .
Supplicanten ist noch drey mahl zu agiren verstattet worden.
Act. 19. Aug. 1616.
III.
Edle, Gestrenge, Ehrenfeste vnd Hochweise, hoch-
günstige herren.
Wir hatten nicht vermeint, E. Edle H. mehr mit supplicircn zu
bemühen oder auch lenger vns hie aufzuhalten. Es ist uns aber wegen
I. K. Matt, zu Polen und Schweden i) angemüttet, noch etwas abzuwar-
ten auf gnedigste Resolutie, ob I. K. Matt, vnsers Dinstes möchte be-
gerende sein. Wan dan damit etzliche tage hinlaufen, ehe wir gne-
digsten bescheid erlangen vnd vnser gelegenheit nicht leiden wil, in
mittels hie am schweren ortt ohn verdinst zu zehren, da vns auch
sonst große vnkosten sein aufgegangen, die wir nicht eingenommen,
weil wir hie agiret haben. Als gelanget an E. Edle H. vnser hohes
bitten, Sie geruhen I. K. Matt, höchstgemelt zu besondern Ehren vns
zu indulgiren, das wir dero gnedigsten willen abzuwarten vnd zu Ver-
hüttung vnsers praesent Schadens in mitler Zeit mit vnsern Actionibus
Comocdicis vnd Tragoedicis verfahren vnd die Zehrungs vnkosten
erschwinden mögen. Das gereicht I. K. Matt, zu gnedigstem wolgefallen,
vnd wir seind es bey deroselben gantz vnterthänig zu rühmen vnd
auch anderweit E. Edle H. jjrroßen fauor vnd freundlichste Affection
») Sigismund TU. (1586—1632).
1616-1619. 51
bey Potentaten vnd landen zu euulgiren A-nd commendiren schuldig"
vnd erböttig. Datum 25. Aug-. Ao 1616.
E. Edle G. H.
Dinstwillige
Gesampte Englische Como edianten
hie anwesend.
Lecta in Senatu 25. Aug. 1616. Vnd befunden, das ihr itziges
anhalten abzuschlagen sey.
1618 wollte, wie Löschin 1, 388 angiebt, der Rat den
Jesuiten, die seit 1592 im bischöfliclien Schottland ein Kolle-
gium besassen, das Anschlagen ihrer Komödienzettel in der Stadt
nicht erlauben. Ein Berliner Manuscript (Mscr. boruss. fol. 250:
Nucleus Senatus-Consultorum Gedanensium Bl. 186 b) berichtet
darüber :
1618, 20. Febr. E. E. Raht hat geschlossen, dass die Jesuiten
Zettel, so sie wegen ihrer Comoedien im Schottland zu agiren in der
Stadt anschlagen lassen, wie sie heut schon abgerissen worden, auch
ferner nicht sollen gelitten werden, und daß darauff besondere Stadt-
diener zu beordnen, die darauff acht haben sollen, ob sie jemand
über dem Anschlagen betreten möchten, daß derselbe zu dem H. Präsi-
denten gebracht und von ihm derhalben hart zu rede gesetzet werde
sub gravi inferminatione, sich solches ferner gäntzlich zu enthalten.
Da aber auch jemand betroffen würde, der die Trummel schlagen
wolte, daß der begriffen, ingleichen zu dem H. Präsidenten gebracht,
mit dem Anckerschmiede-Thurn soll bestrafft werden.
1619. Auf der Durchreise von Königsberg nach Berlin
erschienen zu Ende Juli die kurfürstlich brandenburgischen Komö-
dianten, wahrscheinlich unter Hans Stockfisehs, d. i. John
Spencers, Führung. Ihr Gesuch wurde jedoch "aus allerhand
Ursachen' nicht bewilligt. Dagegen erhielt eine kurz darauf
eintreffende Gesellschaft englischer Komödianten, wohl nicht die
Greens^), die eine neue Tragödie Lucretia mitbrachte, für die
Doniinikszeit Spielerlaubnis, doch durften sie nur 2 Gr. Eintritts-
geld nehmen. — Gleichzeitig gab eine Compagnie Seiltänzer und
Rossspringer unter Diettrich Weben Trapp während des Domi-
niks ihre Vorstellungen. Der Rat, der von ihnen am 20. August
zu einer Extravorstellung auf der Fechtschule eingeladen wurde,
'da es aufifem hohen Thor zu wenig Raum hat', wählte Dienstag
■1) Vielleicht aber die am 19. Mai 1619 aus Rostock verwiesene
englische Truppe (Beiträge zur Gesch. Rostocks 1, 54).
52 Bolte, Das Danziger Theater.
den 27. August, um ihr 'Kunstspringen und Tantzen' anzusehen.
Bei den Engländern hatte er sieh am voraufgegangenen Freitag
'etwas Schönes' vorspielen lassen.
I.
Herr Burgermeister, Gestrenge, Edle, ehrenveste, Nahmhaffte,
hoch vnclt weise Herren,
E. G. herligkeiten seinclt vnsere wiellige diehnste ieder zeitt
in aller gebühr zuvor nebenst herzlicher Wünschungk von Gott
dem Allerhöchsten, Aller gedeilichen Wolfahrtt, glücksehligen vndtt
friedlichen Regierungk Nebenst gutter bestendigen gesundtheitt vnd
endlich die ewige Sehligkeitt. Demnach, G. E. Ehrenueste hochweise
herren, gelanget an dieselbige der ganzen Compagnia Churfürstlicher
genaden von Brandenburgk ihrer Durchleuchtigkeitten Musici vnd
Comedianten vnser ganz fieissig vndt freundtliches bietten , weil
wier in kurzen Churlürstlichem befehlich nach balltt nach Berrlin
voreissen müssen vndt dennoch E. E. Rahtt vndt dieser weittberumbtten
Statt Danzigk zu ehren vnsern weg hier genommen, noch dieselbigen
dies Mahl zu besuchen vndt dienstlich anzuhaltten, vnser Musica vnd
Comedien doch ohne einige ergernus oder leichtferttkeitt, die iemandt
ergeru möchten, zu Agiren, Als gelanget an E. E. G. herrlichkeitton
sambt vnd sonnders vnser demüttiges vnd fleissiges bietten, woltten
geruhen, Churfürstlicher genaden, vnsers genedigsten Herren, dieser
Statt gewogenheitt vndt besehener vorbiett, das wier den Domnigk
vber 14 Tage langk vnsere Comedien vndt Tragedien vben mögen auff
E.H. f echt tschiile, welches dem gemeinen Nuzen auch kan fromen
briengen. Solches AvoUen wier sambtlich niecht allein hoch zu rühmen,
sonndern auch in aller gebühr nach besten vormögen zu vorschulden
niemmer vorgessen. E. G. Gestrenge herrligkeitten sambt vnd sonn-
ders dem lieben Gott ien seinen Schuz vnd vns ihn dero gunst ganz
treulich endpfehlende, seindt in aller demutt genediger glitten vnab-
schläglichen andtwortt Erwarttende.
E. G. Herrligkeitten
Dienstwiellige
Churfürstlicher genaden vndtt Durchlauchtigkeitten
von Brandenburgk etc.
Musici vnd Comedianten.
E. E. Raht siehct, das Supplicanten aus allerhandt Ursachen für
(ließ mahl nicht könne gefugett werden. Actum 26 Julij 1G19.
n.
Herr Burgermeister etc.
Nach erbiettung vnser wielligcn diehnste vndt wünschung von
dem Aller höchsten. Aller behaglichen Wolfahrt Glücksehligen vndt
friedlichen Regierung zu Allem gutten, Denniach E. E. E. hochweise
i
1619. 53
herren gelanget an E. G. h. vnser sambt vndt sonders dienstfleissiges
bitten, das, weil Avier dieser gutten vndt weitt berümbten Stadt Danzig
einen weitten Wegk zu ehren vndt gefallen gereisett, E. herrligkeitten
vns grosgünstig vorgönnen wollen, vorstehenden Domnig- auff 14 Tag-e
auff der fechtt schulen vnsere Comedien vnd Tragedien zu vben,
die in aller erbärkeitt vndt gutten Sietten ohne iemandts ergernus
gesehen Sollen, Wollen auch niecht Mehr den 3 groschen Von der
Perschon zu nehmen gehaltten sein. Solches wollen »vier nach höchstem
Vermögen vns befleissigen in aller gebühr zu vorschulden. Thun
hiemitt E. G. H. Sambt vnd sonnders dem lieben Gott ien seinen
Schutz vndt vns ihn dero gunst Erenlich endtpfehlen vndt sein Tröst-
licher Andtwortt erwarttende.
E. G. H.
Dienstwillige
Englische C o m e d i a n t e n.
E. E. Raht will Supplicanten vergunnet haben, auff 8 tage zu
agiren, doch also daß sie keine vnzuchtige vnd ergerliche sachen intro-
duciren sollen, auch von der person nicht mehr alß zAvey groschen
nehmen. Actum 31 Julij 1619.
III.
Herr Burgermeyster etc.
Daß E. E. vnd herlichk. vf vnser demutigß ansuchen, zu tracta-
ment vnser exercitien bißhero alß Mecaenaten sich ertzeuget vnd groß-
gunstig consentiren Avollen, dessen haben wir vnß sampt vnd sonderß
in specie zubedancken, Erkennen vnß auch schultig vnd obligirt, in
aller vnderthenigen reverentz eussersteu vermögenß zuwiedergelten.
Demnach dan aber von vnser gesellschafft in gewöhnlichem brauch
bißhero observirt worden, daß für ertzeigte gutt und wohlthaten, avo
nicht, Avie sichß wohl gepurtt jedoch pro viribus, ein zeichen der
danckbarkeitt zuerweißen vnd einen hochAveissen Magistrat mit einer
sonderlich schönen Action zuuerehren, Gestalt dan Einen Edlen A-nnd
HochAveissen Raht Avir hiermit supplicando getreAver Avohlmeynung
fleissig invitirt vnd geladen haben Avollen, vnderthenig pittende, Ihren
bestandigen favor vnnd patrocinium, auch bekante humanitet gegen
vnß in deme ferner so zu continuiren A-nnd, Avaß E. E. vnd H. zu Ehren
angesehen nicht zuuerschmähen, sondern mit [den] stralen ihreß faA'oris
großgunstig zuillustriren, auch Avan \-nd zu Avelcher zeitt denselben
solche vnßre Offerten wohlgefällig* vnnd gelegen zu acceptiren, vnß
zuberichten lassen. Schließlichen dan, dieweil nuhn die vnß zuge-
lassene Zeitt Eingeschlichen vnd aber wegen der Fechtschulen, wie
auch der Sonnabenden zuuerschonen Avir kaum die helffte zuagiren
gehabt, Inmittelß aber die ferne deß wegß, der große Reyßkosten A-nd
andere kostbahre sumptus sich dermaßen hoch erstrecken, daß ohne
mercklichen schaden in so geringer frist Avir wenig Consolation oder
Recompens angewanter mühe vnd fleißes zuempfinden, Alß leben Avir
54 Bolte, Das Danziger Theater.
in getröster hoffnung, Aldieweil wir, soviel vnß wissend, biß noch mit
vnsern actionen Niemand offendirt oder molestirt, Eß werden E. E.
vnd Herl. (weil eß doch so wohl einem hochlöblichen Magistrat, alß
auch dieser gantzen Communion sonder allen schaden) Ihren favor
nachmaln großgunstig gegen vnß sereniren vnd fernerß eine zeittlang
mit vnsern Actionibus zu procediren gestatten. Dieselbige hiermit
sampt vnd sonderß Gotteß vätterlichen obhaltt zu glückseligem fried-
lichen Regiment, beharrlicher leibß gesundheit vnd aller erwunsch-
lichen wohlfahrtt auß trewen hertzen empfehlende
E. E. H. vnd Gunsten
Vnderthenige
Englische Comedianten.
E. E. Raht vergünnet ihnen, das sie noch diese Avoche vnd nicht
länger agiren mügen, doch nicht mehr alß 2 g. nehmen: Vnd Avill sich
auch E. E. Raht künfftigen Freytag zu ihrer Action einstellen, da sie
sich auf etwas schönes werden fertig machen. Actum 19. Aug. 1619.
IV.
Edle Gestrenge etc.
Demenach ohnlängst von vnß eine gantz neue Tragoedia von
der Römischen Lucretia^) zuvor niemalß agirt, in theatrum imblice
producirt worden, vndt wir aber damalß nicht allein ein sonderlichen
applausum Spectatorum vermercket, sondern werden auch von dem
mehrern theil dieses orths Burgerschaft instendig ersucht, vorgemelte
Action noch einest zu reiterireu;
Wann dann denenselben zu gratificiren wir ohne daß geneigt,
darneben auch erachten, daß gedachte edle denckwürdige Historia
E. Ehrnvh. Herrlichk. vndt gunstcn ebcnmässig nicht ohnangeiiehm
sein werde, Alß haben wir schuldigste Reverentz nicht vnderlassen
sollen noch wollen, denenselben mehr bemelte repetitionem Actionis zu
praesentiren vndt zu offeriren, auch auf welchen tag E. Ehrnvh. vndt
Herrligk. gefällig vndt wohl gelegen deren beyzuvolgen, vnß groß
günstigen bescheidt vndt befehlichß zuerholen, Dieselbe noehmalß in
Gottes Väterlichen Obhalt, vnß aber ihnen zu beharrlichen Diensten
jederzeit befehlende
E. Ehrnvh. Herrl. vndt gunsten
Willigste Diener
Englische Comoedianten.
Lect. '28. Augusti An. 1619. E. E. Radt weiß Supplicanten weiter
nichts einzuwillisren.
^) Vielleicht ist an Thomas Heywoods Drama 'The rape of
Lucrece' (1607) zu denken.
1619. 55
V.
Edle, Gesti-eng-e etc.
Ohngerne zAvar thun E. Ehrnvh. vndt herrligk. wir abennalß
supplieando bemühen, aber so viel g'enad, Ehr vndt vnß erwiesene
höflichkeit adniittiren niclit, daß einige vndanckbarkeit oder rusticitet
auf vnß haften soltte.
Das nnn bißhero E. Herrligk. vndt gunsten vnß großgünstig' zu
agiren gestattet, vnsere Action mit stattlicher praesentia condecoriret,
auch mit Einem ehrlöblichen honorario remuneriret, diß alles vndt iedeß
erkennen wir mit schuldiger Reverenz alß hochrümliche g'ut- vnd Avohl-
thaten, davor wir Zeit lebenß obligirt vndt zu diensten pflichtig- ver-
pleiben,
Weilen wir aber berichtet, Ein Ehrnvester hochweiser Rath
hab endtlicli beschlossen, daß vor dißmahl wir ferners nicht agiren
sollen, welcher Rathschluß dann ehe ergang'en, dann wirß vnß vermutet,
ob wohl demselben in einigem weg-e zu reluctiren wir nicht gedencken,
* Demenach aber von vnsern bißhero gehabten Spectatoribus dieser
Ehrlöblichen policey vndt Burgerschafft wir keinen Vrlaub genommen,
auch (wider vnsere gewonheit) keine Valediction gesprochen, Avelches
alles vnß nicht allein zur vnhöfligkeit gerechnet, sondern auch, alß
wann wir insalutato hospite davon gezogen, ja von vnsern Osoribus
anderer orthen, alß wann etwa vns vbel Verhaltens willen wir abge-
schaffet Avorden, auß spargiret werden möchte, also zu schimpf ge-
reichen soltte,
Alß gelanget an E. Ehrnv. vnd gunsten vor dismahl vnser
letzte pitt, Aveilen Salutation vnd Valediction nicht allein menschlich,
sondern auch Christlich, Ein Ehrenvester hochweyser Rath geruhe noch
großgünstiglich zugestatten, das zukünftigen Sontagß dero gehorsamen
treuen Bürgerschafft zum Valete, gueter nacht vndt gedächtnuß noch
eine ergötzliehe Comoedi agiren, also mit ehren, glimpf vndt guetem
nahmen von hinnen abreisen mögen. Solches beschicht vnsers Ver-
hoffens pillich, pleibenß auch mit angenehmer Dienstserweisung zu
widergelten ohnvergessen, Thun auch dieselbe sambt vndt sonders
alß vnsere hochgeehrte benefactoren mit alle den jrigen in Gottes
vätterlichen schütz vndt schirm allertreulichst befehlen, der spare Sie
frisch vndt gesundt, grünendt vndt blüend in friedlichem Regiment,
zu erbaAvung seiner Christlichen Kirchen, zum Avohlstandt gemeines
wesenß dieser gueten Stadt, auch allen freyen Künsten vndt deren
Cultoribus zum trost vndt allerbesten, welcher allgetrewe Gott sie
segnen wolle mit fried vndt freuden hier zeitlich vndt dort ewiglich,
ja allem deme, waß sie an leib vndt Seel erfrewen kann.
E. Ehrnv. Herrl. vndt Gunsten
Avilligste Diener
Englische C o m e d i a n t e n.
Lecta in Senatu 30 Aug. 1619. Vnd lests E. E. R. bey vorigem
schlus vnd weis nichts weiter einzuwilligen.
56 Bolte, Das Danzig-er Theater.
1621 verfasste ein aus Dauzig- gebürtiger Buchdrucker,
Paulus de Vise mit Namen, ein interessantes und beliebt ge-
wordenes Schauspiel, von dem es allerdings nicht ganz sicher
ist, ob es in Danzig entstand und gedruckt wurde:
DEPOSITIO CORNUTI, | Zu Lob vnd Ehren | Der Edlen, Hoch-
löbliclien vnd Weitbe- | rhümbten Freyen Kunst ( Buchdruckerey, | In
kurtze Reimen verfasset | Durch | PAULUM de VISE Gedanensem
Typothctani. | o. 0. 1621. 8 Bl. 4» (Berlin). — Abdruck von Gaedertz,
Akademische Blätter 1, 395 (1884) und W. Blades, An account of the
german morality-play^ entitled Depositio Cornuti Typographici (Lon-
don 1885) S. 101.
Diese gereimte 'Euthörnung des Lehrlings' ist für die der
studentischen Sitte der Deposition nachgebildete Gesellenweihe
der Buchdrucker bestimmt und besteht in der Hauptsache aus
einem Dialoge zwischen dem hochdeutsch redenden Depositor
und seinem niederdeutsch redenden Knechte. Beide nehmen
den unglücklichen Cornuten, d. h. den mit Hörnern versehenen
Lehrling, vor und heissen ihn zeigen, was er kann. Er muss
tanzen, lesen, singen, einen Schinken anschneiden und macht es
nie recht. Dann legen sie ihn auf die Bank, um ihn wie einen
;groben Klotz zu behauen, zu behobeln, zu barbieren, ihm einen
Zahn auszuziehen und die Pritsche zu schlagen. Nachdem er
geschworen, das ihm Widerfahrene nicht zu rächen, und anstatt
eines Ritterschlages eine Maulschelle erhalten ('Leid diß von mir
und keinem sunst'), tritt ein Pfaff mit den Paten herein und
vollzieht an ihm die Gesellentaufe, indem er ihm ein Glas Wasser
über den Kopf giesst.
Über den Verfasser dieses frischen Volksstückes ist bisher
nichts bekannt. Er ist weder bei Hanow (Denckmahl der Dau-
ziger Buehdruckcreyen. 1740) noch bei Löschin (Geschichte der
Danziger Buchdrucker. 1840) verzeichnet und war wohl auch
kein selbständiger Besitzer einer Druckerei, sondern nur Geselle.
Vermutlich war er der Sohn eines aus den Niederlanden einge-
wanderten Schankwirtes, den ich im Danziger Bürgerbuche unter
dem 9. März 1596 als "Jeronimo de Vise, von Luickh [d. i.
Lüttich], Bierschenckh' eingetragen finde. Da wir jedoch nichts
von einer in Danzig heimischen Sitte der Buchdruckerdeposition
wissen und sich auch die Einmischung niederdeutscher Partien in
hochdeutsche Dichtungen in Danzig sonst nicht eben häufig nach-
weisen last, wird der Verdacht nicht abzulehnen sein, dass der
1621. 1623. 57
Danzig-er Paul de Vise sein Drama in einer andern Stadt Nord-
deutschlands für seine Zunftg-enossen niederschrieb und druckte,
etwa in Hamburg-, wo die niederdeutsche Litteratur noch im
17. Jahrhundert fortblühte, oder in Lüneburg, wo 1655 eine
sorg-faltig-e Überarbeitung des Stückes durch den bekannten hol-
steinischen Pastor Job. Rist erschien^). Der Dialekt der nieder-
deutschen Verse giebt leider keine Entscheidung dieser Frage,
da er, wie mir ein Kenner wie Wilh. Seelmaun bestätigt, keine
lokale Färbung trägt.
1623 besuchte der polnische König Sigismund III. am
1. Juli Danzig. Kurz zuvor hatten ihm die Jesuiten in Brauns-
berg ein Schauspiel von dem bei Varna gefallenen Könige Wla-
dislaus vorgeführt ^j , auch die Jesuitenzöglinge im Schottland
zeigten auf einem auf dem Kirchhofe erbauten Theater ihre Kunst,
weit glanzvoller aber war der Empfang, den die Danziger dem
durch das Hohe Thor einziehenden Könige bereiteten. Ehren-
pforten waren auf der Langgasse bis hin zum königlichen Ab-
steigequartier auf dem Grünen Thore errichtet, und an den fol-
genden Tagen wetteiferten die Gewerke der Zimmerleute, Schiffer,
Kürschner und Fleischhauer mit dem Rate, den König durch
Aufzüge und Lustbarkeiten zu ergötzen. Einem ausführlichen
gedruckten Berichte von Petrus Witzke^) entnehme ich Fol-
gendes :
Den 2. Jiilii nach Essens dantzten die Schiffs Zimmerleut für
I. Kön. Maj. Losament. Auff den Abendt war ein Fewerwerck auff
dem Theatro, da ein Romaner [Miicius Scävola] seine Handt selber
verbrandt, aiifgestellet. Den 3. Julii dantzten die Schipper, vnnd
war eine öffentliche Fecht Schul. — Den 5. Julii Nachmittag' ist ein
Bull vnd Bär gehetzt. Auffn Abendt ward ein Fewerwerck wie eine
Vestung, ein Schwan auftm Wasser, 3 Wasserkugeln sampt mehr an-
1) Neudruck von Gaedertz, Gebrüder Stern und Ristens Depo-
sitionspiel. Lüneburg" 1886.
2) Lengnich, Geschichte der preussischen Lande poln. Anteils
5, 161 (1727). In Thorn war am 17. Mai ein Ballet vor ihm autgeführt
worden (Zernecke, Thornische Chronica 1727 S. 269).
3) Beschreibung des Einzugs Sigismund III. Danzig 1623. 4'^
(Stadtbibliothek XV q. 24, Bl. 102) Bl. B 3a. - Curicke, Beschreibung
Danzigs 1688 S. 73a und Löschin, Geschichte Danzig-s 1, 410 erwähnen
die Festlichkeiten nur kurz.
58 Bolte, Das Danziger Theater.
derm, darauß viel Schläge vnd Racketen geschossen, aiiffgestellet. Den
G. daiitzten auff den Abendt die Kürßner mit Liechten auff dem
Haupt, weissen Hembden vnd Bögelen für I. K. M. Losament. — Den
10. haben die Fleischhawer für K. Artus Holf gestochen vnnd aufif
einer Haut einen Jungen vnnd ein außgekleidet Weibsbildt wie mit
einer Puppen auffgeworflfen, in die höhe aber hat sie die Puppen noch
höher geworffen. Den 11. fuhr I. K. M. für das Hauß Weisselmünde,
vnd waren 3 Bothe mit Musicanten hinauß, so da musicirten; auch
stochen etliche auff dem Wasser. — Den 16. Nachmittag ward auff
der Linien [Leine] gedantzet, vnd waren 2 Mägdlein, so allerley Gal-
liarten, Passameso vnd Intraden dantzten. Auch war ein Mastbaum
g-esetzet, dar oben ein Krantz vnd Beutel, darin 20 Florin, ein Hut
mit einem Federbusch , ein roht Futterhembd, ein par Gewandt
Hosen, ein par Strümpff vnd ein par Handschuh. Dieser Baum war
glat vnd mit schwartzer Seifif bestrichen, da fieng man auch au auff-
zusteigen etc.
Wenige Tage nach der Abreise des Königs langte eine
Schanspielertriippe nnter den sonst nicht weiter bekannten P'iih-
rern Paul Schulz, Michel Frantzoß und Johan Tieß an
und erhielt Spielerlaubnis während des Dominiks. Ihr Gesuch
lautet :
Herr Bürgermeister etc.
Nachdem wir Supplicauten vnd Comedianten Kegenst fursehen
den Dominick dieser gutten Stadt vnd einem Erbaru Hochweisen Rahtt
zu sonderlichen ehren vns anhero gemacht, in willens vnd meinungk,
nicht allein mit schonen Geistlichen, sondern auch Weltlichen Come-
dien vnd Tragedien vns sehen zu laßen, bei Avelchem allem dann auch
eine schone vnd zierliche Musica soll gehöret vnd exerciret werden,
Inmaßen dann bey solchen Comedien vndt Tragedieu herrliche schone
Baletten, Mascheraden vndt Englische Tentze sollen gesehen, geübet
vnd verrichtet werden. Wann aber solchs ohne vorhero eines Elrbaren
Hochweisenn Rahtts erlangeten Consens vnd günstigem Zulaß nicht
kan ins Werck gerichtet werden, Alß haben wir in höchster demuth
nicht vmbgangk nehmen mögen, mit kegenwertiger supplication E. E.
N. H. W. als höchste Patronen vnd mechtigste Befördrers hiemit an-
zulauö'en, gantz demüttigst vnd vntcrthenigst bittende, Sie geruhen,
ihrer Christlichen gewogenheit nach Ihnen zu hohen ehren vnd allen
andern solcher Künsten vnd zierlichen Music Liebhabernn vnd Exer-
citanten zu sonderlichem gefallen solchs allergüustigst concediren vnd
nachzugeben. Der ohrt aber, da Avir eßelbe verrichten viul ins Werde
stellen wollen, kau nicht iüglicher als im Kett erhagisch enn Tliore
auf dem verordenten Fecht Platzs geschehenn, Worselbsten Wir bil-
licherweise wegen vnserer mühe vnd aufgewandten Vnkosten, ein
Erbahr Hochweiser Rahtt aber das ihrige, inhalt ihrer anorduung, zu
foderu hettenu. Diese Beforderuuff erkennen wir zu allen Zeiten zu-
1623-1629. 59
uerdienen vns schuldig, dcroselben tröstlichen Bescheides wir in deinuth
erwahrten tlnm.
E. E. N. H. W.
demüttige vnd gantz vnterthenige
Pauli Schultz
Michel Frantzoß
Johann Tieß
samptliche Comedianten.
Darauf der Vermerk :
Es hatt ein Erb: Rahtt geschloßen, das den comedianten auff ihr
anhalten sechßmahl zu agiren solle vei'günnet sein mit diesem Be-
scheide, das sie sich im agiren erbarlich verhalten vnd durch böse
exempel nicht anlaß zum bösen verursachen. Von den Persohnen ist
ihnen vergönnet 4 g. zu nehmen, woruon 3 ihnen sollen werden vnd
1 gr. der Kämmerey. Actum den 26 July Ao. 1623.
Dieselben Comoedianten Paulus Schultz und Johan
T i e ß e n bitten nach Ablauf der Frist, noch etliche Komödien
agiren zu dürfen, da sie in den verflossenen sechs Tagen oft grosses
Regenwetter gehabt, 'also das wir auch zu zwey vnterschiedenen
mahlen den leuten das gelt haben wieder geben, zu dem den
Fechtern in ihren bestimbten tagen cediren müßen'. Auch haben
sie 'viel Sumptus auff kleider, gebewde vnd sonsten gewandt'.
Sie erbieten sich, vor dem Rate 'eine herliche Commoediam, auff
welchen tag vnd stunde' derselbe begehrt, zu spielen. Indes
schlug der Rat am 25. August 1623 ihr Gesuch ab, weil sie
schon über die Zeit der Freiheit genossen.
1629 am 6. Februar reichten einige nicht näher be-
zeichnete, aber wohl den Bürgern Danzigs zugehöreude 'Co-
moedianten' ein Gesuch beim Rate ein, um 'ezliche schöne
vnd lustige Comoedien vom Weißen Ritter^), dem Ritter
^) Wir hören von verschiedenen Aufführungen eines Weissen
Ritters: 1597 und 1607 in Königsberg (Möller, Progr. 1874 S. 8 f.), um
1610 in Züllichau (Bruchman, Annales von Züllich 1665 S. 120), 1618 in
Bautzen (Archiv f. d. Sachs. Gesch. 4, 116). Doch haben wir darin keine
Dramatisierung des Romans von Herzog Herpin (Goedeke ^ 1, 358), wie
eine solche 1592 und IGOO in Augsburg- gespielt wixrde (Weller, Ann.
2, 287 f.), sondern vielmehr Hans Sachs' Komödie von Olwier und Artus
(1556. Werke 2, 3, 58. Vgl. oben S. 28) zu vermuten, die auf dem
Zielyschen Romane gleichen Titels (Scherer, Die Anfänge des d. Prosa-
romanes 1877 S. 10 f.) beruht, und in der gleichfalls ein weisser Ritter
erscheint. Dies wird durch den Titel der 1607 vom Königsberger
Schulmeister Jacob Augustin veranstalteten Aufführung bestätigt; hier
heisst die Komödie 'von Olivier und dem weisen Ritter'.
ßQ Bolte, Das Danziger Theater.
G a 1 m y ^) vndt einem Könige aus Engelant H e n r i c o 2) in
dieser negstfnrstehenden Fastnachtszeitt' zu agieren, 'dazu 24
Personen von gutten frischen Soldaten ^) sich zugebrauchen nicht
vngeneiget weren, inraaßen solchs auch hiebefor zum Spectacel
etzlicher fornehmer Potentaten, Herren vnd Gemeinden nicht
ohne derselben sonderlicher lust vnd gefallen ist practisiret wor-
den'. Der Bat versagte ihnen aber diese Belustigung, da 'der
feind vns Tragoedien mehr alß zu viel agirt, weßwcgeu wir der
Comedien wol vergessen'.
1631. Aus dem gleichen Grunde schlug der Rat am
12. Juni die flehentliche Bitte der Kürschner ab, die wegen der
Contributionen schon lange Not litten und deshalb durch das
Agieren von "allerhandt lieblichen engeis eben Commedien' ein
Stück Geld zu verdienen hofften. Offenbar hatten die Kürschner
eingesehen, dass die Stücke des Hans Sachs und anderer Meister-
sänger nicht mehr dem Gescbmacke der Mitbürger entsprachen,
1) Wickrams Roman Ritter Gahny uß Schottland (1539. Goedeke
2 2, 460) wurde 155-2 von Hans Sachs (Folioaxisgabe 2, 3, 69. Einzel-
druck Lpz. 1609) und 1560 von dem Kürschner Mich. Föller zu Geln-
hausen dramatisiert; auch Landgraf Moritz von Hessen besass ein
Drama gleichen Titels (Goedeke 2, 523). Auftuhrung-en fanden statt
in Eger 1557 (Gradl, Mitt. d. V. f. Gesch. d. D. i. Böhmen 33, 240), in Königs-
berg um 1581 (Möller, Progr. 1874 S. 7), Trautenau 1581 (Hüttel, Chronik
von Trautenau 1881 S. 256), Frankfurt 1597 (Kelchner, Mitt. d. V. f.
Gesch. in Frankfurt a. M. 6, 356. 1881).
2) Für die danialig-en Deutschen bot wohl Heinrich VIII. unter
den englischen Königen dieses Namens das meiste Interesse dar. An
ein Shakespearesches Drama ist schwerlich zu denken.
3) Eine solche schauspielerische Thätigkeit von Soldaten im
Winterquartiere begegnet im 17. Jahrhundert öfter. So spielten im
März 1628 schottische und deutsche Soldaten zu Elbing allerlei Ko-
mödien zur Fastnacht (Die preuss. Geschichtschreiber des 16. und 17.
Jahrhts. 5, 236. 1887). In Riga verbot der Rat am 28. Dec. 1661 den
Kronsoldaten, mit dem Stern herumzugehen und Komödien zu spielen
(Riga, Ratsprotokoll). In Lübeck durften 1676 die Soldaten, die seit
einem halben Jahre keinen Sold erhalten hatten, mit dem Stern um-
gehen und ein Weihnachtsspiel aufführen, 1677 in der Fastnacht auch
als Narren verkleidet auf dem Markte einen Schwerttanz halten (Gae-
dertz, Theaternachrichten 1888 S. 49). Im Februar 1()80 agierten die
•Mynsterske' Unterofficiere zu Nyborg- auf Fünen Komödien (Dansk
Advis 1680, Nr. 5; nachgewiesen von Herrn S. Birket Smith in Kopen-
hagen).
1629-1635. 61
und hatten sich die beiden 1620 und 1630 gedruckten Sammcl-
bände 'Englischer Conioedien und Tragödien' angeschafft, um
nun mit den fremden Schauspielern zu wetteifern.
1()33 feierte der Rat die in Krakau stattfindende Krönung
Wladislaus IV. am 6. Februar durch ein grosses Feuerwerk.
Auf dem Markte war vor dem Artushofe eine hohe Bühne errich-
tet, auf der ein Standbikl des ]\[ucius Scävola, womit auf den
Türkenfeklzug des Königs hingewiesen werden sollte, ferner nord-
wärts eine Liebesburg {castrum amons), südwärts ein Glücksrad
(rof« sortis humanae) und ostwärts eine Säule der Beständigkeit
{columna constantiae), alles in bunten Farben bemalt, aufgestellt
war. Abends 8 Uhr begann das P^euerwerk, bei dem Ixion, ein
Gigantenkampf, ein bunter Drache u. a. zwischen den genannten
Figuren erschien ^).
Am 13. Juni beschied der Rat das Gesuch von 12 Bürgern
und Bürgerskinderu : Christian von Götzen, Job. Ake, Matthias
Brenke, Jonas Briesc, Claus Santkamer, Val. Klein, Jacob Lenard,
Ludwig Albrecht, David Andreas, Cbristian Barfuß, Hanns Preiß
und Simson Haberman, abschläglich. Diese wollten nämlich im
Dominik 'etzliche feine Conioedien vnd tragoedien aus der heili-
gen Schrifft, wie auch von politischen Hendelen vnd schonen
Historien von den heroischen romischen thatenn vnd anderer
Volker hohen vndt ruhmlichen tugenden', ""etwa in dem Schiß-
gartten furm hohen thor, oder da wirs könten am fuglichsten
verrichten', vorstellen, da sie schon früher allhier Comödieu und
Tragödien mit gemeiner Bürgerschaft gutem Willen und Gefallen
agiert haben und auch 'zu vielen malen den Englischen Comoe-
dianten vnd andern als freml)deu nicht ist verweigert worden.'
1635 wurde die baufällige Fecbtschule^), die der Rat schon
am 10. Nov. 1633 einem Bürger zur Reparatur und Pachtung zu
übergeben beschlossen hatte, umgebaut. Da einige Bürger für
sich besondere Kammern (d. h. Logen) auf der neuen Fecht
^) Summarischer bericht von der kgl. Stadt Dantzigk Jubelfest
1)ei feyrung- der kgl. Crönung Vladislai IV. 1633. 4» (Stadtblbl. XV.
c|. 24, Bl. 120). — Als der König am 18. Dec. 1634 nach Danzig kam,
wurden ihm zwar Ehrenpforten errichtet, aber keine Schauspiele auf-
geführt (hsl. Bericht ebd. XV. q. 24, Nr. 25).
2) Vgl. S. 41.
ß2 Bolte, Das Danzig-er Theater.
schule zu haben wünschten, um die Spectacula bequemer an-
sehen zu können, gestattete ihnen der Rat am 18. Mai,
solche auf eigne Kosten zu bauen, wenn sie für jeden zwei
Werkschuhe breiten Sitz zwei Reichsthaler an die Kämmerei
zahlten; dafür sollte der Platz ihr lebenslängliches Eigentum
bleiben (Nucleus Senatus-Cousultorum Gedanensium im Berliner
Ms. boruss. fol. 250, Bl. 214 a; ebenda die am 8. Juni 1635 ge-
nehmigte Fechterordnung, die den Beginn der Vorstellungen
auf spätestens 3 Uhr Nachmittags festsetzt). 1646 wurde zum
Empfange der Königin die Tomedienbude' restauriert und ein
grüner Ofen darein gesetzt (Kämmereibuch 1646).
1636, Der Pfarrer Michael Albinus^) oder Weiss in Wossitz,
der 1638 an der Danziger Katharinenkirche angestellt wurde, ver-
ötfentlichte eine dichterische Bearbeitung des Weihnachtsevan-
geliums, die wir hier aufführen, obwohl sie nur uneigentlich ein
Drama genannt werden kann^).
Die I Allerheilig'ste | Einpt'äng-nus, | Wunderbare Geburt | vnnd
Menschwerdung | Gottes des einigen See- | lig-machers Aller Welt |
JESV CHRISTI I Poetisch beschrieben | Von | Michael Albinen, | Seel-
sorgern zu Wossitz im | Stüblowischen Werder. | Dantzig'k, bey Georg'
Rheten gedruckt | vnd daselbst zu finden. | 1636. | 71/2 Bogen 8».
[Berlin. Leipziger Stadtbibl.] — Die latein. Vorrede ist datiert: E Mini-
strorum purgatorio tempore Nativitatis, Anno M.D.C. XXXVI.
Die einzelnen Vorgänge von der Verkündigung Maria bis
zum bethlehemitischen Kindermorde und der Heimkehr aus Ägypten
werden in rhetorisch ausgeschmückten langatmigen Reden der
Hauptpersonen dargestellt, während die Evangelisten Lucas und
Matthäus die dazwischen liegenden Begel)enlieiten erzählen. Ausser
der Sprachbehandhing, die sich von dem volkstümlichen Tone
der älteren Weihnachtsspiele ^) weit entfernt, verrät auch das
1) Geb. 1610 zu Pröbbernau, f 1653 zu Danzig. Vgl. Ephr.
Praetorius, Danz. Lehrer Gedächtnis 1713 S. 5. 34. Das hsl. Danziger
Gelehrtenlexikon (Dauz. Stadtbibl. XV fol. 41) Bl. 40b zählt 41 Schriften
von ihm auf. Vgl. auch Goedeke, Grdr. - 3, 138 und unten z. J. 1651
2) Nebenher bemerke ich, dass J. Schilius, Zwey Christliche
Fastnacht-Spiel, Zu verleidung des vn-Christlichen Fastnachtswesens
(Dantzig 1631. 4^) und B. E. Hettenbach, Prophetisches Trauerspiel
von Belsazar (Dantzig 1650) keine Dramen, wie der Titel vermuten
lässt, sondern Predigten sind.
3) Ein Verzeichnis derselben, das sich freilich noch vervollstän-
digen lässt, habe ich in den Märkischen Forschungen 18, 211—221
1635. 1636. 63
Versmass der Alexandriner, die an lyrischen Stellen mit kürzeren
Zeilen wechseln, den Einfluss von Opitz, der ja kurz darauf
nach Danzig- übersiedelte und bis zu seinem Tode (1639) dort
weilte. Im selben Jahre 1636 veröffentlichte Opitz bei A. Hüne-
feldt in Danzig seine Verdeutschung- der sophokleischen Anti-
g-one^). Überhaupt herrschte in der vom verderblichen Krieges-
lärm wenig berührten Stadt gerade in diesen Jahren ein reges
dichterisches und künstlerisches Treiben 3).
Den August des Jahres hindurch spielte in Danzig eine
Gesellschaft englischer Komödianten, die früher in König Sigis-
munds Diensten gestanden, dann Holland, Dänemark und Hol-
stein besucht hatte und auch in Königsberg aufgetreten war.
Als ihr Führer nennt sich Arend Ärschen; ob er mit dem 1613
in Regensburg auftretenden und 1614 — 1616 in brandenburgischen
Diensten stehenden Robert Arzschar (Artcher) irgendwie zusam-
menhängt, lasse ich dahingestellt. Da ihm venstattet wird, neun
Groschen Eintrittsgeld zu nehmen, können seine Vorstellungen
keine unbedeutenden gewesen sein. Weiter unten (S. 68) wird
er uns noch einmal als Aaron Asken zusammen mit Robert Rey-
nolds entgegentreten.
I.
Herr Bürgermeister etc.
Nachdem Wir Englische Comoedianten nach absterben hochlöb-
lichster gedechtnis des Koniges Sigismundi Tertij 3), dero wir viele
Jahr gedienet haben, enturlaubet waren vnd darsieder vns in Hol-
land, bey dem Könige in Denne marken, bey dem Fürsten in
Holstein, wie auch hier zu lande in Konigsbergk mit vnser kunst
lind agiren aufgehalten vnd nunmehr dieser iezigen Maiestet ^) aus
der Wilde^) eines Königlichen Schreibens vnd allergnedigsten reso-
(1884) gegeben. Vgl. W. Koppen, Beiträge zur Gesch. der deutschen
Weihnachtsspiele. Paderborn 1893. i'^. In^r^ K-S^f-^-^ih)
1) Goedeke, Grundriss ^ 3, 48.
-) Vgl. Th. Hirsch, Literarische und künstlerische Bestrebungen
in Danzig 1630-1640. Neue preuss. Provbl. 7, 29—58. 204-225(1849).
Über Greflingers in Danzig entstandene Gedichte vgl. Bolte, Anzeiger
f. deutsches Altertum 13, 103. Titz' deutsche Gedichte hsg. von L. H.
Fischer 1888.
3) t 30. April 1632.
4) Wladislaus IV. (1632—1648).
^) Wildau ist der deutsche Name der polnischen Stadt und Woi-
wodschaft Wilna.
54 Bolte, Das Danziger Theater.
lution alhier erwarten, wo wir vns hinwenden sollen zu ihrer König-
lichen Maiestet Dinsten, ob es etwan nach der Wilde oder nach War-
schaw soll g-emeinet sein: vnd gerne, weil der Dominiks markt alhier
gar for der thuere ist, mit vnseren Comoedien etwas zum Viatico ver-
dienen wolten, wen von einem Ehrenfesten Hochw. Rahtt, vnserenn
großgunstigen herren, darzu wir den zulaß vnd bewilligung aus ihren
hohen g-unstenn erlangen könten, doran wir nicht zweiffeien ^\■ollen.
Derowegen gelanget an einen Ehrenfesten, Hochweisen Rahtt als hoch-
löbliche, Weltweise vnd Weitberuhmete Regenten vnd aller Künste
Fautoren, vnsere großgunstige Herren, vnsere ganz hochfleißige bitte,
ihren gunstigen Consens disfals vns nicht zu uorweigern, sondern viel-
mehr nachzugeben, das wir alhier, so lange es Euren Ehrenfesten H.
gelieben wirdt, mögen vnsere Comoedien agiren ehrlich vnd erbarlich,
das sich niemand doran wirdt zuärgeren, sondern vielmehr lust vnd
freude wils Gott haben wirdt. Welchs Avir nicht allein höglich zuruhmen,
sondern auch zu allen Zeitten nach vnserem geringen vermögen vmb
E. Ehrenfeste Ht. dankbarlich vnd in allem gutten besten fleißes zuuer-
dienen parat sein vnd hierauff eines hochgunstigen vnd zuuerleßigen
bescheits vnterdinstlich erwartende
Eines Ehrenfesten, HochAveisen Rahts
Dinstgeflißene allezeit
Arend Ärschen für sich
vnd in namen der sembtlichon
Englischen Comoedianten.
Lectum in Senatu den 28. Julii Ao 1630, vndt hat E. E. Rath ge-
schloßen, daß den supplicanten vergunnet Averden soll, drej' Avoclien
lang comedien zu agiren mit der ermahuung, das sie sich aller obscoe-
nitet enthalten vnd niemandt ärgerlich sein sollen. Hienebenst Avirdt
auch der H. Praesident S. E. H. tentiren A^id sich bemühen, damit für
St. Jacobs Kirche eine summa geldcs möge erhalten Averden. Wegen
des Orts Avirdt vorgeschlagen können Averden, das altstclische Rahthaus
oder die Fechtschuele, alda sie A'ormittage Avürden können agiren,
auch nacli mittage zur zeit, Aven die fechter ihre Fechtschuele nicht
halten. Selten sie auch etwann sonsten einen bequemen ort AA'ißen,
Avirdt ihnen mit denselben können gefüget Averden. Von einer ieden
Persohn aber Averden sie nicht mehr zu nehmen befugt sein als 9 g.
Eß hat sich ein Rath den 30. Jiilij abermahll erkleret, daß
Supplicanten andergestalt nicht gefuget werden soll, es sey dan daß
Sie sich mit 9. g. für jedes mahll von der persoon contentiren vnd
der abgebranten kirche ein tausendt gülden zum zuschub der rt-pa-
ration erlegen. Vnd damit die spectatores nicht holier beleget Averden,
so soll den Wachtmeister anbclholen Averden, mit allem Heiß zu ver-
liütten, das nicht mehr genommen AA'erde, es betreffe die ober oder
untere stende, ohn unterscheidt. Da sich aber die Supplicanten hie
zu nicht verstehen Avollen, soll Ihnen in der Stadt Jurisdiction die frey-
hcit zu agiren nicht A'erstattet Averdcn.
163Ü— 1638. 65
IL
Herr Burgermeister etc.
Nechst wünschung' der Gnaden Gottes zue aller ersprießlichen
"wohlstendig'keit vnd erbietung- vnserer Stettsgefließenen vnnd vnuer-
droßenen Dienste, sagen fürs Erste Einem Ehrenuesten, Hochweißen
Rath wir Englische Comoedianten für den vns bezeigten fauor vnd
benevolentz großen hohen Danck, das vns bis dahero ist vergönnet
worden die Comoedien zue agiren. Wann aber nunmehr solche vns
vergönnete Zeit expiriret vnd vns ohne ferneren zulas nicht weiter zu
agiren will gebühren, Als gelanget an Einen Ehrenuesten, Hochweißen
Eath als vnßere Großgünstige Herren vnd Patronen vnßer hoch vnd
dienstfleißige bitte, vrab eines Viatici halber noch Grosgünstiglich vns
damit zue fauorisiren vnd erlauben, das wir etwa noch vierzeheu
Tage oder aber Acht Tage, vermittels eines recompens nach Discretion
Eines Ehrnuesten, hochweißen Raths der billigkeit gemes, agiren
mögen. Im fall aber solches nicht zu erhalten were, bitten wir vnter-
thänigstes, vns morgendes Tages Dienstages, welcher ist der 9. tagk
Septembris, hochgünstig aus gunst Eines Ehrnuesten hochweyßen Raths
mögte gratificiret werden, benebenst mit freündtlichster vnd fleißigster
bitte, Eim Ehrnuesten, Hochweißen Rath wolle belieben sich hin zuuer-
füegen vnd solche vnßere Valet comoediam mit anzusehen. Nicht
zweiflende, das Ein Ehrnuester Hochweyßer Rath als Weltweiße Regen-
ten vnd vnßere großgünstige Hen-en vnd Patronen vns dießer vnßere
bitte Großgünstiglich gewehren vnd vns hierauff mit einer gewünschten
vnd hochgünstigen antwortt erfreywen werden. Das seind wir nicht
allein hochzurühmen, sondern auch zue jeder Zeit bestes fleißes vnd
vermüegens zuuerdienen gefließen.
Eines Ehrnuesten Hochw. Raths
Dienstgefließene allzeit
Sämbtliche Englische Comoedianten.
Lectum in Senatu den 8. Septembr. Anno 1636, vndt hat E. E.
Rath geschloßen, weil Supplicanten schon lange vndt auch ohu Zulaß
deß Sontages agiret haben, das sie sich werden hiemit vergnüegen
müßen, vndt kan Ihnen noch lenger comoedien zuspielen keines weges
vergünet werden.
1637 'wurde den Schiffern ihr Schwerttanz, den sie bis-
her auf der Strasse veranstaltet hatten, hier zwar untersagt,
jedoch auf dem Schifferg-ildenhause freigestellt, den Speicher-
burschen aber das Ringelstechen während der Fastenzeit ver-
boten'. (Löschin, Geschichte Danzigs 1, 410. 1822.)
1638 wurde im Dominik eine polnische Komödie
mit Genehmigung- des altstildtischen Rates, vermutlich im alt-
Tli. F. XIT. f)
66 Bolte, Das Danzigcr Theater.
städtischen Ratbaiise, aufg-efülirt, aber nicht durch fremde Ko-
mödianten, obwohl damals vereinzelt auch polnische Schauspieler
im Auslande auftraten ^), sondern durch ortsangesessene Dilet-
tanten; fanden sich doch während des 16. und 17. Jahrhunderts
nicht wenige Polen unter den Einwohnern von Danzig-). Der
rechtstädtische Rat jedoch, welcher damals den Wirkungskreis
des altstädtischen zu verengern strebte^), focht, nachdem einige
Vorstellungen stattgefunden hatten, die erteilte Bewilligung an
und verfügte sogar die Verhaftung des Dichters und des Druckers,
sowie die Konfiskation der vorhandenen Exemplare. Im Schluss-
buche des rechtstädtischen Rates heisst es darüber:
Weil E. E. Kaht vor diesem sehr bedencklich gehalten und dem-
nach keines weges darin hatt conseiitiren wollen, dass die Polnische
Comedia solle agiret werden, so kan E. E. Rahtt, obgleich dessen ein
anfangk gemacht ist, dennoch nicht bewilligen, dass solches agiren
weiter contimiiret werde, sondern befindet, dass der aiithor comediae
mit der hafft zu straffen, auch der buchdrucker hart darumb zu be-
stossen sey, dass er ohne consens des h. Presidenten dieselbe zii
drucken sich unterstanden hatt, warumb dan auch alle Exemplaria,
welche gedruckt sein, ihm abzunehmen sein werden. Act. in Seuatu
26. Aug. Ao. 1638.
Als Ergänzung dazu mag noch eine Notiz im Liber memo-
randorum des altstädtischen Rates von 1590 — 1760 S. 160 an-
geführt werden :
Weil E. PI Eath vor diesem bedencklich gehalten und demnach
keinesweges darin hatt consentiren wollen, daß die polnische Co-
media solte agiret werden, so kan E. E. Raht, obg-leich deßen ein
Anfang gemacht ist, dennocli nicht bewilligen, daß solches agiren
weiter contimiiret werde, sondern will die Altstädtschen Herren des
Eahts wolmeinend erinnert haben, daß Sie sich der verfaßten Yer-
gleichung- gemäß verhalten und deswegen auch ihres theils nicht ferner
das agiren gestatten wolten. Act. in Sen. 26. Aug. Ao. 1638. A. Bauer
Secr. m. p.
^) 1655 erschienen zwei polnische Tänzer und Bärenspicler in
Prag (Teuber, Prager Theater 1, 71), 1657 ein polnischer und 'fünf
andre' Komödianten in München (Trautmann, Jahrbucli f. Münchener
Gesch. 3, 299. 1889), 1674 Tolakker' in Bergen (Huitfoldt, Christiania
theaterhistorie 1876 S. 27).
2) Löschin, Geschichte Danzigs 1, 305. 385. 1656 wurde z. B.
eine polnische Zeitung von Jakob Weiss in Danzig herausgegeben.
8) Löschin 1, 357.
1638-1640. 67
Trotz jener Konfiskation sind Exemplare des polnischen
Schauspiels auf die Nachwelt gekommen i). Der Titel lautet:
Tragi-komedya o jyuanym ktory mmemcit iz iest krolem, jyrzez
J. Gawinski. W Gdansku. 1638. 4*^.
Joh. Gawinski stellte darin den schon von Shakespeare
für die Einleitung zur 'Gezähmten AYiderspenstigen' verwerteten
Schwank von dem trunkenen Bauern dar, den ein Herzog von
Burgund in sein Schloss bring-en Hess und glauben machte, er
sei der Herzog. Vermutlich schloss er sich an die kurz zuvor
erschienene polnische Komödie desselben Inhalts von Piotr Baryka
(Z CMopa Jcrol Krakau 1637. 4«) an 2).
1639 wurden beim Dominik englische Komödianten ab-
gewiesen, wie sie in ihren Suppliken v. J. 1640 und 1643 er-
wähnen. Vermutlich waren es dieselben, die nach Hagen (Gesch.
des Theaters in Preussen S. 60) 1639 in Königsberg spielten.
1640 gab der Schulmeister M. Johannes Hoppius^) ein,
wie es scheint, von Albinus beeinflusstes, aber sich dem volks-
tümlichen Drama etwas mehr näherndes Weihnachtspiel heraus:
Historia | Von der Geburt vnsers | Einigen Erlösers vnd Imma-
nuelis | JESV CHRISTI. | Q I Reim- vnd Spielsweise g-estellet | von |
Johanne Hoppio Dantiscano der Schulen | zu S. Catharinen CoUega. |
ANNO I Das Liebe ChrlstklnDLeln hILfft aLLen aVs gefahren |
VVeLCh' es anbeten thVn, es kan aVCh stets beVYahren. | 6 BI. 4*^
[Danziger Stadtbibl. XV. q. 75b nr. 93]. — Das Chronogramm ergiebt
das Jahr 1640.
Wie bei Albinus (S. 62) treten die einzelnen Personen der
biblischen Geschichte, Kaiser Augustus, Joseph, der bethlehcmitische
Wirt, der Engel, ein Hirt, mit Reden auf, zwischen denen der Evan-
gelist eine verbindende Erzählung liefert ; aber nur dieser spricht
in Alexandrinern, die ül)rigen Personen in zwei-, drei- und vier-
ftissigen lamben, der Prolog in siebenfüssigen Reimpaaren.
1) Grässe, Allgem. Litteraturgeschichte 3, 2, 30S (1853) und Flögel,
Gesch. der komischen Litt. 4, 355 (1787).
2) Brückner, Archiv für slav. Phüologie 13, 232. 399 f. Vgl. über
den Stoff A. v. Weilen, Shakespeares Vorspiel zu der Widerspänstigen
Zähmung (1884) und Meijer, Pieter Langendijk 1891 S. 24(5.
•^) Er war seit 1639 Praecentor an St. Johannis, 1640 Kollege an
der Katharinenschule und lebte noch i. J. 1646. So berichtet das Mscr.
XV cj. 130 der Stadtbibliothek, S. 27 und 38.
68 Bolte, Das Danziger Theater.
Im Mai d. J. erschienen 'englische Comedianten', die
schon 1639 beim Dominikmarkte beim Rate bittlich angehalten,
dass ihnen, wie vor diesem zum öftem geschehen, vergönnet
werden möchte, ihre Comedien der Bürgerschaft zu exhibiren,
damals aber wegen der Pest abgewiesen wurden und auf dem
Bischofsberge 'etwas aufgebaut' hatten. Sie baten jetzt den Rat,
ungefähr imi Johannis spielen zu dürfen, wurden jedoch, obwohl
sie eine Empfehlung König Wladislaws vorwiesen, vor dem sie
zuletzt in Warschau aufgetreten waren, unter dem 18, Mai ab-
schläglich beschieden.
Diese auch 1643 wiederkehrende Truppe scheint identisch
zu s^ein mit einer 1639 und 1640 in Königsberg und Elbing
auftretenden Gesellschaft, über die uns A. Hagen (Gesch. des
Theaters in Preussen S. 52. 60) und eine bisher nicht bekannte
Verfügung des Kurfürsten Georg Wilhelm*) vom 11. Juli 1640
Aufschluss giebt. Dadurch, dass diese nachstehend abgedruckte
Urkunde sechs Schauspieler namentlich aufführt, lehrt sie uns in
ihnen einen Teil der alten Bande Robert Browns kennen, der
auch John Green angehörte (vgl. oben S. 47). Robert R e n-
nols (Reinoldt) wird 1618 in Nürnberg und Strassburg, 1627 in
Torgau, 1628 und 1631 in Köln ausdrücklich als ihr Mitglied
bezeichnet. Eduard Pudey (Pudsey) erscheint als sächsischer Hof-
komödiant 1628 in Köln und Strassburg; er ist vielleicht identisch
mit dem 1627 in Torgau unter Robert Pickelhering d. h. Reinoldt
spielenden Johann Eydtwartt. Aaron Asken, dem wir 1636 (oben
S. 63) als selbständigem Prinzipal Arcnd Ärschen begegneten,
ist dann wohl kein andrer als 'Aaron der Danzer' in der Tor-
gauer Liste ; und Joannes W e y d und Willhelni W e d w e r
dürfen wir mit dem ebenda genannten Johann und Wilhelm dem
Kleiderverwahrer identificieren. Wilhelm R o e war vielleicht mit
dem in brandenburgischen Diensten stehenden englischen Musikus
Walther Rowe verwandt; er trat zusammen mit John Waide
und Gideon Gellins noch 1649 in Köln und 1650 in Wien
auf 2).
*) Im Berliner Geh. Staatsarchiv {R. 9. P:E. 12—15).
^) Goedeke ^ 2, 539 — 542. Creizenach, Die Schauspiele der eng-
lischen Komödianten S. X f. Cohn, Jahrbuch der d. Shakespeare-
gesellschalt 21, 2(ji>. Crüger, Archiv für Littgesch. 15, 121. Bolte,
Zeit.schr. 1". d. Philologie 25, 37.
l^.i^.H
1640. 1643. G9
Gutes Gezeugniß v. Churfl. consens von den Engelischeu Comoe-
dianten, daß sie auch in andern I. C. D. Erblanden Comoedien
spielen mögen.
Wir Georg Willhelm, von Gottes gnaden, Marggraff vndt Churfürst
zu Brandenb. | tit. | geben hiemit menniglichen, vndt sonderlich denen
daran gelegen, vndt es zuwissen von nöhten, zuvernehmeii. Nachdem
Sich Vorzeiger Englische Comoedianten, Robertt R e n n o 1 s, Aaron
Asken, Willhehn Roe, Joannes Weyd, Eduard Pudey vndt Willhelm
Wedwer, im nechstvergangenen iahr, bey vns angegeben, vndt vns
vmb gnedigsten Zulaß, das Sie, vor vns, vnd vnserm Churfl. Hause
einige Comoedien agiei-en möchten, in vnterthenigkeitt angelangett vnd
gebeten, Wir ihnen auch solches in gnaden verstattett, das | Sie sich
also erwiesen, vndt in ihrer Kunst vnd geschickligkeitt der maßen vndt
also bestanden, das wir undt vnser Churfl. Hauß ein gnedigstes gefallen,
vndt menniglich ein vollkommenes genügen darob getragen haben,
Nachdem Sie denn nunmehr willens, sich von hinnen weiter zu be-
geben, vndt ihre gelernte Kunst, auch in vnsern andern Erblandeu
zubeweisen, vndt vnsern gnedigsten Consensum deshalben demütigst
implorirt vndt gebeten, | So haben wir diesem ihrem vnterthenigsteu
Suchen nicht entgegen sein. Sondern ihnen wegen vorgedachten ihres
bei uns geschehenen wollverhaltens, den gebetenen Consensum, einige
Comoedien, so woll i^ublicfe, als privatim in vnsern andern Erblanden
hin vnd wieder Ihrem belieben vnd gefallen nach zu agiren, ebener
maaßen in gnaden ertheilen vnd geben wollen, thun auch solches hie-
mit vndt krafftt dieses, den Magistraten iedes ortts gst. befehlendt, er-
wehnte [?] Englische Comoedianten nicht allein in ihrem vorseinden
Vorhaben nicht zubehindern. Sondern ihnen vielmehr dazu allen | be-
fordersamen guten willen zuerzeigen, auch nicht zuverstatten, das
Ihnen vngelegenheit zugezogen, noch hie an personen haab oder
gütern einiger maßen gefehrdet, Sondern Ihnen überall wieder gewalt
frevel vnd vnrecht gebührender Schutz gehalten werden möge. Vhr-
kundtlich vnter vnser eigenhandtlicher Subscription, vndt vorgedruckten
Cammer Secrete, So gegeben vnd geschehen zu Konnigsberg den
11. jul. 1640.
Vt
B Brünne [?] mpp.
1643. Glücklicher war dieselbe Gesellschaft drei Jahre
später*). Sie erhielten am 16. Juli Erlaubnis, ihre Comödien
vier Wochen lang, ausgenommen des Sonntags, auf der Fecht-
1) 'Die gantze Compagnia der Englischen Commedianten' ei--
innert hier an die vor drei Jahren gethane Vertröstung, da sie den
Platz der Fechtschule nicht bekommen haben und sich, wie auch vor
fünf [!] Jahren, unter anderer Herrschalft [d. h. im Schottland] haben
behelfen müssen.
70 Bolte, Das Danziger Theater.
schule zu ai;iren, mit der Bedingung, sich erbaulich zu verhalten
und keine Leichtfertigkeit vorzubringen, ferner zum Besten des
Zuchthauses aufs wenigste 500 Rthlr. zu geben und von den
Leuten nicbt mehr zu nehmen sowohl wegen des obern als untern
Sitzes als zusammen neun Grosehen. Als sie später um Ver-
längerung der Spielfrist nachsuchten, weil sie wegen der Fecht-
schulen und Bärenhetzen um einige Tage zu kurz gekommen
seien, wurde ihnen am 8. September vergönnt, diese und die
folgende Woche zu spielen, wenn sie vorher die bedungene
Summe und womöglich später 200 Fl. erlegten ^).
Ferner begegnet uns in diesem Jahre wiederum eine Spur
polnischer Auflftthrungen, wie schon 1638. Leider ist auch
hier nicht ersichtlich, wer die Darsteller waren. Das Danziger
Stadtarchiv besitzt nämlich die Handschrift einer dem Rate am
22. Januar 1643 gewidmeten polnischen Tragödie Som reichen
Manne und Lazarus' in drei Akten mit Chören und komischen
Zwischenspielen-). Das erste Intermedium liefert ein Bild aus
dem Danziger Handwerkerleben. Ein Vater hat die vom Sohne
verfertigten Stiefel verkauft, aber das Geld vertrunken; aus
Furcht vor Vorwürfen simuliert er einen Überfall und stellt sich
tot. Der Sohn wittert zwar den Betrug, doch ruft er den Küster
Jandras herbei, der ein Gemisch von Polnisch, Deutsch und
Latein aus dem Psalter über dem Toten singt: '0 meyn Über,
Jcomusz relinquisti Szwarcbier, o her! . . . tedet gleldam przez
cicbie I dübelt bier desideret soble.' Als nun der Tote erwacht,
sieht ihn der Sohn für ein Gespenst an und prügelt ihn weid-
lich. Darauf erzählt der Alte, wie es ihm in der Hölle ergangen
sei, und schwört das Trinken feierlich al). Im zweiten und
dritten Zwischenspiel erscheint ein Koch, der zum Mittagsmahle
von einem kaschubisclicn Bauern einen Hasen und einen Reh-
bock kauft, dann aber in dem Sacke nur einen Hund und eine
^) Wohl dieselbe Trii])i)e waren die Englischen Coiiiüdianten,
die vom 11. April bis 24. Mai 1G44 in Riga sjjielten (Riga, Rats-
protokolle). Vgl. unten S. TT.
2) Trayedia o bogaczu y tazarzu z pisma sivi<itego tci/icfa i/
nowo ivie7\sz(;m opisana polskini J W Senatowi Gdanskiemu iledico-
wana y przypisana in honorem, r. 1643 miesiaca stycznia dnia 22.
35 Bl. 4". Signiert Oo 2. — Beschrieben von A. Brückner, Archiv für
slavische Philologie 13, 406 f.
1(543. 1G46. 71
Katze findet^) und ausserdem bemerkt, dass ihn jener noch be-
stohlen hat. Aus seiner Verzweiflung- rettet ihn ein Jäger, indem
er ihm Wild verschafft: voller Freude gehen beide ab, um eins
zu trinken,
1046 langte die Prinzessin Louise Marie Gonzaga, welche
kurz vorher dem Könige Wladislaw IV. von Polen durch Procura
ang-etraut worden war, auf ihrer Reise von Paris nach Warschau
in Danzig- an und wurde hier mit ausserordentlichen Ehrenbe-
zeugungen empfangen, Eigentlich sollte hier das feierliche Bei-
lager stattfinden-), indes z^vang ünpässlichkeit den König in
Warschau zu bleiben. Bei den vom 11. — 20. Februar dauernden
Festlichkeiten, über die uns ausführliche Berichte^) vorliegen,
wirkten sowohl die ]\Iitglieder der königlichen Musikkapelle als
die Bürger Danzigs mit; zur Verstärkung der Danziger Musik-
bande Hess man Musikanten aus Königsberg kommen. Die Kosten
des Empfanges betrugen einschliesslich der der Braut überreichten
Geschenke laut Kämmereibuch 184,665 M. 12 gr. damaligen Geldes.
Auf der Langgasse war ein Thor in Gestalt eines von Atlas
und Hercules getragenen Regenbogens errichtet, ein etwa 83
1) Dasselbe Possenmotiv begegnet bei Ayrer 3, 1788 f. ed. Keller,
in Joachim Lesebergs Jesus duodecennis (1610. III, 8), in der Hanen-
reyerey (1618. II, 5. III, 3) und bei Jellinghaiis, Niederdeutsche Bauern-
komödien 1880 S. 162. Bolte, Korresp.blatt für niederdeutsche Sprach-
forschung 10 (5) 66 f. Ebenso verkauft in einer um 1620 geschriebenen
Pariser Farce Tabarins (Oeuvres completes ed. G. Aventin 1858. 1, 219)
Francisquine zwei unbequeme Galane, die sie in Säcke gesteckt, als
Schweine an den Schlächter; vgl. Schonaeus, Vitulus (1595). Noch Felix
Kurz gab 1745 in Brunn ein Nachspiel 'Die Sau im Sacke, oder der
betrogene Alte.'
2) Im Juli 1645 hatte der König von der Stadt Danzig begehrt,
dass sie ihm 100.000 Thaler zu seiner Heirat leihe und das Beilager
ausrichte (Stephan Grau im Berliner Mscr. germ. fol. 261, S. 190).
3) Ad. Jac. Martini, Beschreibung des Einzugs Ludovicae Mariae X,
Gonzagae. Danzig 1646. 4« (Stadtbibl. XV q. 24, Bl. 170). Curicke,
Beschreibg. Danzigs 1688 S. 352. Merlans Theatrum Eviropaeum 5, 805.
J. Laboureur, Histoire et relation du voyage de la royne de Pologne.
Paris 1648. 4*^. — R. Roepell, Zeitschr. des Westpreuss. Geschichts-
vereins 22, 1—30 (1887) benutzt nur Laboureur, ohne Martini zu
kennen. Besungen wurde der Einzug von Georg Greflinger (Bolte,
Anzeiger f. deutsches Altertum 13, 104) und von Joh. Peter Tita
(Deutsche Gedichte hsg. von L. H. Fischer 1888 S. XLVI).
72 Bolte, Das Danzig-or Theater.
Fuss hoher und 54 Fiiss breiter Triumphbogen war unter Leitung
von Mtinch auf dem Markte aufgestellt; ihn zierten vier grosse
Standbilder der Könige Ladislaus Jagello, Casimir III., Sigis-
mund I. und III. und verschiedene allegorische Gestalten, die
durch lateinische Inschriften erläutert wurden; auf zwei grossen
Gemälden von Adolf Boy war das hohe Brautpar abgebildet.
Auch vor dem Grünen Thore waren zwei durch eine Guirlande
verbundene spitze Pyramiden, neben denen Phoebus und Diana
standen, zu sehen ^). Am 15. Februar wurde von der königlichen
Kapelle eine grosse italienische Oper mit vielem scenischem
Pompe und wechselnden Dekorationen aufgeführt. Der aus Apu-
leius entlehnte Stoff war von Virgilio Puccitelli^) komponiert;
die Bühnenmaschinerie, an der man 17 Wochen lang gearbeitet
hatte, rührte gleichfalls von Italienern her, den Ingenieuren
Augustin Logi (Locci) und Barthelemy Bolzoni. Das Textbuch
hat sich erhalten:
Le nozze | d'Amore e di Psiche | Draninia musicale, | rapresen-
tato nel felicissimo Ing'resso | della Serenissima Regina di | Polonia e
Suezia | Lndovica Maria | Gonzag-a, \ Principessa di Mantova | e di
Nivers, etc. etc. | in Danzica | di | Virgilio Puccitelli | Academico in-
cognito. I Dedicato | All' 111""° et Ecc"° Sig""% Tl Sig'% | Visconti di Breg-i,
I Del Conseglio di Stato di S. M. | Christianissima, e suo Ambasciatore |
^) Den grossen Triumphbogen hat der Holländer Willem Hon-
diiis auf zwei grossen Blättern gestochen, die beiden kleineren Ehren-
pforten Jeremias Falck nach Zeichnungen von A. Boy (Danzig, Stadt.
Museum).
2) Über die Geschichte der italienischen Oper am Hofe Wladis-
laws IV. (1633 — 1648) hat S. Windjikiewicz im Anzeiger der Akademie
der Wissenschaften in Krakau 1893, 187 einiges mitgeteilt. Danach
brachte der Kapellmeister und Dichter Puccitelli mit der Primadonna
Margherita Catanea, dem Orchesterdirigenten Mattco Scacehi , dem
Barytonisten und Chordirigenten Kaspar Förster, einem Vetter des
gleichnamigen Danziger Kapellmeisters , und den oben genannten
Architekten im ganzen mindestens acht Opern und zwei Ballete zur
Aufführung: 163.5 Giuditta, 16.35 und 1638 Dafne, 1636 und 1638 11 ratio
di Elena (Wilnae, typis acad soc. Jesu 1636. 4'*), 1637 La santa Cecilia
(1 u. 15 Bogen 4''. o. O.), 1638 Narciso trasformato, 1641 Armida abnn-
donata, sowie Knea e Didone, 1646 Amor e Psiche. Die Ballete sind:
La prigion d'Amore 1637 und L'Africa supplicante 1638. Vgl. Wöjcicki,
Teatr starozytny w Polsce (1841) 1, 12. 2, 66. L. Allacci, Dramma-
turgia 17.55 p. 659. Über Kaspar Förster vgl. Max Seiflfert, Viertel-
jahrsschrift f. Musikwissenschaft 1891, 415.
1646. 73
Straordinario, in Polonia. | 1 + 14^ 4 Bogen 4'^. [Danziger Stadtbibl.
IE. q. 89 d. nr. 58]. — Drei Akte in ital. Versen. Bl. 03 b: In Var-
savia | Per Pietro Eiert Stampatore di Sua Maesta. — Die Widmung
ist unterzeichnet: Danzica 13. Febr. 1646. V. Piiccitelli, Segretario di
S. M. — Über den Inhalt vgl. Roepell a. a. 0. 22, 20—25.
Eine andere kürzere italienische Oper wurde von dem Sänger
Briinerio verfasst:
Marte 6 Amore drama | da rapresentarsi in nnisica 1 neue feli-
cissime nozze | delle sacre Maesta Seren""': | del Re e Regina | di Po-
lonia e Suetia &c. | Uladislao | quarto, | et Ludovica Ma- | ria Gonzaga. |
Opera di | D. Michel' Angelo | Brunerio, Basso del Re, | e Cappellano
della Regina. | 2V2 Bogen 4". [Danzig]. — Vorauf geht ein Brustbild
der Königin, von Steven de Praet gestochen. Die Widmung ist datiert:
Danzica, 5. Febr. 1646,
Die von den Danzigern veranstalteten Lustbarkeiten, Mast-
klettern, Feuerwerk, Handwerkertänze, Fechtschulen, glichen im
allgemeinen den 1623 beim Empfange Sigismunds III. ange-
stellten, doch scheinen sie prunkvoller gewesen zu sein. Aus
Martinis eingehender Beschreibung Bl. M 3 a wiederhole ich das,
was für die Geschichte der Handwerkerspiele besonders inter-
essant ist.
[Am 12. Februar.] Nach der Sonnen vntergang kam das Werck
der Kürschner mit einem anmutigen auffzug auff dem Marckt für
Königlicher Majestet Logement, dazu eine besondei-e Bohne auff der Erde
zubereitet war. Erstlich gingen 2. Trommelschleger vnnd ein Quer-
pfeiffer, darnach 4. Trompeter. Denen folgeten 4. Meister mit blossen
Degen vnd Schilden wolgezieret. Darauff gingen noch 12. Meister
mit langen geflammeten Schlachtschwertern vnd 40. Personen mit
weissen Hembden biß an die Lenden; auff den Häuptern hatten sie
Pappierne Cronen, daran forne ein Lew mit dem Schwerdt vnd hinten
etwas von graufutter wei-ck gemahlet war, welches des Wercks schild-
wapen ist. Mitten in der Cron hatten sie brennende Kertzen, vnten
waren die Hosen an den Kniescheiben mit vielen Schellen behenget.
Wie sie nun also auff dem Platz erschienen waren, traten sie nach
gethaner reverenz an einander folgender gestalt. Der erste hatte in
der rechten Haudt ein kurtzes blanckes Schwerdt vnd in der Lincken
einen reiff vom Faß, g-eferbet weiß vnd roht, welchen Reiff der ander
nach jhm anrührete mit der rechten Hand vnd hielt in der lincken
wieder einen andern, welchem der dritte die Haudt bot, vnd theten
solches alle andere biß an den letzten, der wie der erste mit der einen
Handt den letzten Reiff ergriff vnd in der andern ein Schwerdt führete,
also daß sie alle an einander hiengen wie eine Kette. Darauff erhub
sich ein gar wunderlicher ringel tantz durch einander, daß man mit
lust anzuschaweu bette, wie sich die Kertzen bey ünsternacht durch
74 Bolto, Das Danzigoi- Theater.
einander wunden ohne alle Verwirrung-. Da sähe man viel scliwenckens
vnd büg-ens, balt Schlang-en weise, balt in die runde, balt mit halben,
dan mit g-antzen zirckel vnd vielen andern krummen züg-en, die der
Kunst allein bekandt seyn. Sie sprung-en durch die ReifFen, auch
fasseten sie einen standt auff die Reiife, hüben sich empor vnd thaten
Lufft sprüng-e mit solcher fertig'keit, das sie nimmer aus der Ordnung-
kamen, sondern allezeit ein jeder seinen Reiff, wie er ihn anfangs g-e-
fast, ohne verrückung stets fest an sich hielte. Sie hatten auch ein
par possenreisser vnter jhren hauffen, die viel kurtzweil macheten;
vnd bey solchem spiel wurden dan vnd wann Racketen angezündet,
die den aufTzug soviel lustiger machten. Diese kurtzweil weret biß
zu 11. Vhr in die Nacht, damit damals derselbe Tag beschlossen wardt.
[Bl. N4b: Am 16. Februar.] Vmb 10 Vhr brachten die Schiffer
jhren auffzug volg-ender gestalt. Es wahren jhrer über 60. Mann; voran
gingen zwey mit geflammeten Sclnverdtern, darauff folgeten ein gut
theil mit hellebarten, dann etliche mit Degen. Alß sie auff den Marckt
kamen, schwang jhr Fendrich die Fahne, Avelche roht von färben war
vnd darin ein weisser Adeler mit ausgebreiteten Flügeln vnd einer
gülden Krone auff dem Kopff. Oben schien die Sonne gar hell vnd
gegenüber der halbe Mon ; dabey war zu lesen: 'Concordi hnnine
mator, das ist:
Zwey Lichter leuchten mehr als eines nur allein:
So ist es mit vns auch, wenn wir nur einig seyn.
Hierauff stellet en sie ihren tantz an. Der forderste hatte einen Krantz
auff dem Haupt vnd in der rechten Handt ein kurtz schwerdt; dem
folg'ete ein ander mit blossen Degen, welches spitze der erste mit der
lincken Handt hielte; darauff kam der dritte gleichfals mit einem
Degen, welchen der ander für jhm auch an der spitze mit der lincken
Handt gefasset hatte, vnd also die andern alle auff einerley art biß
an dem letzten, der eben wie der erste einen Krantz auff dem Kopff
vnd in der rechten Hand ein kurtzes schwerdt führete. In solcher
Ordnung fingen sie den reygen an vnd macliten allerley krunnne
Sprünge über die Degen, dabey die Tromi)eter ohne vnterlas bliesen.
Darnach traten sie in einen kreiß zusammen, vnd hielt einer den
andern beim Halß am Futterhemde. Andere stiegen diesen auff die
achseln vnd hielten sicii auch an einander wie die darunter vnd dantzeten
so herumb. Hierauif kamen sie wieder zusannnen vnd iiielten die
Schwerter kreutzweisc über einander, legten oben darauff ein klein
Bret, worauif einer stieg, der machte allerley possen, vnd dantzeten
also li(u-umb bil> zu mittag, da sie wieder abzogen nach jhrer Guide
hauß.
Zwey Vhr hernach kamen die Kürschner wieder auff gezogen
mit jhren Morendantz. Derer weren 40. Personen, alle schwartz an
der Haut bekleidet, auch für den Gesiclitern schwartze Larven; vmb
den Kopff hatten sie einen türckischen bundt von gestreiflftcr Lein-
wandt vndt zu oberst einen Krantz. Vmb den Leib waren sie ge-
1646.
(O
gurtet mit einer grünen Binde, vnd hielt ein jeder in der Hand einen
langen Flitzpfeil, damit hingen sie alle an einander, "wie zuvor mit
den Reiffen geschehen war. Im tantz wunden sie sich gar annnithig
in die krümme, lenge vnd breite vnd hatten vnter sich zwo possen-
reisser, die jhr bestes theten, allerley aftenspiel zu treiben, welches ein
par stunden wehrete^).
[Bl, 0 2 a] Mit angehendem Abendt befunden sich am Markt
das werck der Schiffszimmerleutte, welche mit einer bundt ge-
streifften Fahne auffzogen, hatten in den bänden bunte höltzer, darin
ein seharffes handbeil feste gemacht war, vnd hingen sich mit den-
selben höltzern an einander wie die vorige vnd dantzeten auff jhre
art mit vielen eingemengten winckelzügen, daß das Angesicht sich
kaum darin schicken kündte, vnd werete dieses spiel biß zur abent-
mahlzeit.
Nach dem Abentinahl aber gaben sich an der Stadt fürnembste
Kinder aus der Schvile mit jhrem Praeceptore, dem wolgelarten Jacobe
Tzetzkio, Conrectore Scholae Marianae, welcher diesem Königlichen
Feyerfest zu mehren rühm auch ein feines Hosianna nuptiale oder
hochzeitlichen frewden wünsch auf Poetische weise gedichtet vnd den
vorerwenten Knaben in seiner Schule hatte lernen lassen, woran Ihre
Majestet die Königin ein besonder wolgefallen gehabt hat. Vorneu
an führete der Engel Raphael . . . mit einem gülden Scepter in der
handt, der machte den anfang mit vielen glückwünschungen alß ein
abgesandter Bote auß dem Himmel von der Schaar aller Engel. Dar-
auf! kamen drey Cherub in, gar schöne Kinder wie Engel angetahn,
mit Krentzen auff den Häuptern vnd Blumen in den Händen, die
theten das jhrige mit gleichmessiger Gratulation, welchen noch zwey
ander Engel folgeten etwas grössei*, dieruffeten: Vive, Vive etc. Dar-
nach traten die Tugenden, par vnd par mit einander, hinter die Engel
her, vnd hatte eine jede eine besondere form des Wunsches, gar künst-
lich vnd be.Aveglich inventiret: Pietas vnd Religio, Justitia vnd Aequitas,
Pax vnd Concordia, Libertas vnd Felicitas. Zum dritten hingen sich
an die vorigen auch par vnd par etliche von den Heydnischen Bauch-
götzeu, vnd ging vornan Mercurius, darauff folgete [Apollo und die
Musen] Bachus vnd Ceres, Neptunus et Nympharum aliqua, Venus vnd
Cupido, Tres Gratiae; zum beschlus allein Spes. Auff den selten aber
liefen vnd sprungen ein hauffen Satyri, mit allerley seitenspiel, welchs
auff eitel frewden Avünsche außlieff, vnd war sehr lieblich anzusehen,
daß, wann sich der vorder Engel mit tieffer reverentz für die Kö-
nigin neigete, alßdann autf gleicher weise sich auch die andere alle
bücketen.
Die hier beschriebene lateinische Scliiilkomödie des Kon-
1) Im- Kämmereibxiche heisst es unter dem 23. März 1646: 'Den
Kürschnern ist wegen des gehaltenen Tantzes und darauff gewandten
Kosten verehret 300 M.'
76 Bolte, Das Danziger Theater.
rektois Jacob Zetzkius^) hat Martini in deutscher Übertragung
seinem Werke angehängt unter dem Titel:
[Bl. Sja:] Wuntschreiches Hochzeitliches Hosianna . . . Herrn
VladislaAv IV ... Wie auch Frewiein Ludovicae Mariae Gontzag-ae Von
der Stadt Dantzigk Jug-end . . . g-esungen . . , Befordert vnd fortg-e-
stellet durch mittel vnd zutlum Ihres g-etrewen Lehrmeister Jacohus
Zetzkij, Conrcctoris der Schul zu S. Marien. Zu mehrer Erklerung'
der löblichen Bürgerschaft't alhier wolmeinent auß dem Lateinischen
ins Deutsch übersetzet. 7 Bl. 4'\
Am 18. Februar nacli Tisch fand auf der auf dem Markte
aufgeschlagenen Bühne ein Kampf zwischen neun Federfechtern
und zwölf Marxbrüdern statt, die als edle Sarmateu und Gothen
kostümiert waren. Am 19. Februar hatten die Fleischer ein
Turnier vorbereitet, bei dem ein Kampf zwischen den Ordens-
rittern des Hospitals St. Marien zu Jenisalem und den heidnischen
Preussen durch zwanzig Reiter dargestellt werden sollte ; aber die
T^^önigin befürchtete, es möchte dabei zu Blutvergiessen kommen,
und sagte das Turnier ab.
Der König war, wie schon erwähnt, bei diesen Festlich-
keiten uicht zugegen, sondern erwartete seine Braut zu Warschau,
wo die Ehe am 10. März in der Johanniskirche feierlich einge-
segnet wurde.
1647. Dass eine Truppe englischer Komödianten zum Do-
minik in Danzig erschien, bezeugen zwei im Rigaer Stadtarchiv
befindliche Supi)liken dieser dann über Königsberg nach Riga ge-
zogenen Schauspieler, die mir durch die Güte des Herrn Anton
Buchholtz mitgeteilt worden sind. Den dort ausgesprochenen Vor-
satz, nach Stockholm zu reisen, scheint die Bande im Frühjahr
oder Sonuner 1G48 ausgeführt zu haben ; denn im Juli spielten
englische Komödianten im Stockholmer Schloss vor der Königin
Christine^). Im September kam dieselbe Truppe nach Hamburg
und agierte hier neun Wochen lang, wurde aber in Lüneburg
am 29. November wegen der Adventszeit abgewiesen^).
') Aus Danzig-, wurde 1629 Konrektor, 1648 Rektor und starb
1671 (I'raotorius, Athenae Gedanenses S. 175).
-) Dahlgren, Anteckning-ar om Stockholms Tlieatrar 1866 S. 8.
") Gaedertz, Archivalisciie Nachrichten üIxt die Theaterzustände
von Hildesheim, Lübeck, Lüneburg; 1888 S. 72.
1646. 1647. 77
I.
Woll Edle, Ehrenveste, Gestrenge, Groß achtbare,
Hochweise HeiTen!
Nechst anerbietuiig' vnser stets gefließenen Dienste fügen E. E. H.
vnterthänigst zu vernehmen, das wir (die Englischen Comoedianten,
welche vor 4 Jahren durch günstiges zulaßen E. H. E. H. allhir agiret)
allhie angelanget, im willens hinwiederümb vnser Comoedien, Tragoe-
dien, Historien etc. oftentlich zu praesentiren. Gelanget derwegen an
E. W. E. H. vnser gesambtes demütiges bitten, Sie wollen ihnen vn-
beschweret zu gemüte füren, mit was großen Vnkosten wir solch einen
weiten weg (nemlich von Dantzig vndt Königsberg, woselbst wir
letztes mal agiret) über landt hieher gereiset, vnserm vorhaben platz
vergönnen vndt, gleich wie in Dantzig, Königsberg, auch ein mal all-
hie vor diesem geschehen, die freyheit zu agiren, großgünstiglich vns
genießen laßen. In maßen sonst keine nahe gelegene Stadt verban-
den, welche vnser lange vorgenommene reihe secundireu möchte.
Wollen mit höchstem fleiß dahin streben, E. E. H. mit vnsei*n vnter-
thänigsten Diensten nach müglichkeit auffzuwarten. Verbleiben also
E. E. H.
Vnterthänigst. Diener
Englische Comoed:
(Undatiert, aber neben der folgenden Eingabe aufbewahrt und
wohl nicht lange vor dieser eingegangen.)
II.
Woll Edle etc.
Nechst anerbietung vnser stets gefließenen Dienste fügen E. E. H.
vnterthänigst zu vernehmen, wie das im Nahmen des königlichen
Herren Burggrafen der Hausschließer vns angesagt, das wir nicht
weiter solten agiren. Weil aber noch zur Zeit wir vnser Vnkosten
(welches wir mit guten gewißen reden können) nicht bekommen, als
gelanget an E. E. H. vnser vnterthänigstes bitten, E. E. H. wollen
doch solches in beßer Consideration nehmen vndt gedencken, was vor
eine große reise wir gethan haben, umb hieher zu gelangen. Es war
vnser intent, von hir nach Stockholm zu reisen, weil Avir von vielen
vornehmen personen darzu angemahnet, gegen die Krönung^) vns
daselbst hin zu verfügen. Jetziger Zeit aber solche reise zu vollen
ziehen ist vnmüglich ; es mögen vielleicht E. E. H. gedencken, als wen
wir große gelder erhascheten, haben aber noch zur Zeit (wie schon
erwehnet) die Vnkosten nicht erholet, viel weniger einen Zehrpfennig,
weiter zu reisen, erworben. Wolten woll einen vngefälscheten bericht
^) Augenscheinlich waren ungenaue Gerüchte von den langen
Verhandlungen der Königin Christine mit ihrem Vetter Karl Gustav,
der sie zu ehelichen begehrte und 1649 zu ihrem Nachfolger gewählt
wurde, ins Ausland gedrungen.
78 Bolte, Das I>anziger Theater.
thun all vDsers hiesigen gewinstes, wiCen aber, das von niemand vns
würde glauben beygemeßen werden. Es ist ietzund in solcher Zeit,
das wir nicht tüglich anders wohin vns begeben können. Vber waßer
zu reisen ist vnmüglich, vber land in die nah bey gelegenen Städte,
mühsam, kostet viel vndt ist der mühe vndt vnkosten nicht wert. Es
pflegt vns ja auch umb diese Zeit vom Jahre an keinem orte geAvegert
werden. Gelanget demnach nochmals vnser gesambtes vnterthänigstes
bitten, E. E. H. wollen vns als frömbden vndt hiesiges Landes vnbe-
kandten noch eine zeit lang weiter zu agiren hochgönstiglich ver-
gönnen. Wollen solche große Gnade vndt Gunst gewogenheit an allen
orten (wor es bewandt) höchhch wißen zu rühmen vndt zu loben, vndt
gleich wie vergangen E. E. H. vns die Ehre genießen laßen, als eine
geringschätzige Comoedi anzuschawen, als gelanget anietzo an E. E. H.
vnser gleichmäßiges bitten, sie wollen zum andern mal ihre Hoch-
erwünschete gegenwart in einer Tragoedia (von der Märterin Doro-
thea) vns genießen laßen. Welche Tragoedi wir privatim vor E. E.
HochAv. Rath vndt demselben anverwandten agiren wollen, zu welcher
Zeit es ihnen belieben wird.
Verbleiben hiemit E. E. H.
vnterthänigst Diener
Englische Comoedianten.
Gelesen den 21. Januar 1648.
Die hier genannte Tragödie von der Märterin Dorothea
veranlasst uns zu einer kleinen Abschweifung. Da dieser Stoff im
Eepertoire der englischen Komödianten, der Wandertruppen des
17. und der Marionettenspieler des 18. Jahrhunderts häufig wieder-
kehrt^), so hat man darin eine Verdeutschung von Massingers
Trauerspiel 'IJie virgin martyr (1622) vermutet. Den bisher
fehlenden Beweis für die Richtigkeit dieser Annahme liefert eine
der Weimarer Bibliothek -j gehörige Handschrift aus neuerer Zeit,
1) In Dresden 1628, Köln 1628 imd 1648, Prag 1651, Güstrow um
1660, im Weimarer Verzeichnis (um 1720) Nr. 53, in Biberach 1655 als
Schulkomödie und 1733 auf dem Liebhabertheater, in Bergen um 1700,
in Stockholm am 14. Januar 1734 von hochdeutschen Komödianten;
auf dem Puppentheater in Dresden und 1785 in Hamburg. (Creizenach,
Die Schauspiele der engl. Komödianten S. XLVIII. Württembergische
Vierteljahrshefte für Landesgeschichte 6, 38. 41, 1883. Ilolberg, Epistier
3, 203. 1750. Zettel auf der Stockholmer Bibliothek.) — 1679 schreibt
Samuel von Butschky (Wohl-Bebauter Rosen-Thal S. 337): 'Was für
Geist und Geistlichkeit kann dabei sein, wenn du jetzt irgend die
keusche Judith, die edle Märtyrin Dorotheam oder anderes dergleichen
[von Komödianten] behandeln siebest?'
-) ^larionctteukomödicn Nr. 111. 15 Blätter 4'\ — Wanguly war
wohl ein Puppenspieler.
1647. 79
betitelt: 'Die Enthauptung der Heiligen Dorothea. Schauspiel
in 3 Aufzügen von AVanguly', die uns deutlich die Verwandlung
des englischen Dramas zu einem kurzen Puppenspiele in Prosa
vor Augen führt. Verschiedene Rollen des Originals, wie Artemia,
Sapritius, Macrinus, Spungius, Hircius, sind fortgefallen, so dass
die Personenzahl auf 10 zusammengeschmolzen ist; einige sind
anders benannt worden: Antoninus heisst Duosar, statt der beiden
Töchter des Theophilus, Calista und Christeta, tritt nur eine,
Antafolia geheissen, auf, der himmlische Diener der Dorothea,
Angelo^ hat sich in den lustigen Casperle verwandelt. Aber im
Gange der Handlung sowohl wie in einzelnen Stellen ist der
Anschluss an Massinger ^) unverkennbar. Eine knappe Inhalts-
angabe mag dies beweisen.
Der erste Akt schildert den Empfang des siegreich von
einem Feldzuge wider das Christenheer heimkehrenden Feldherrn
Duosar durch den Kaiser Diocletian in Caßara (Caesarea). Die
Eingangsworte des Kaisers lassen noch die ursprüngliche Fassung
in Alexandrinern erkennen:
Könnt' des Jovis Donnerkeil das Rund der Welt bezwingen,
So wird mein Schwerdt durch Feindes Herzen dringen.
Ich führe das stolze Glück an diamant-goldneu Ketten;
Wer ist auf dieser Welt, der sich vor mir kann retten!
Ja alles, was an mir ist, wird lauter Grausamkeit,
Obschon die ganze Welt Rache, ach und wehe schreit.
Das neu erstandene Christenthum werd ich vernichten
Oder die Krone der Heiden nicht länger auf meinem Haupte tragen —
Der zweite Heerführer Theophilus bittet den Kaiser, streng
gegen die Christin Dorothea vorzugehen, 'die täglich tapfere
Heiden zum Christenheere überführt' und ihm selbst zwei Söhne
abspenstig gemacht hat. Schon will Diocletian die Verbrennimg
der Angeschuldigten anordnen, da legt sich Duosar ins Mittel
1) The dramatic works of Massinger and Ford ed. by Hartle\'
Coleridge 1875 p. 1—25. Die von Massinger mit der alten Legende
(Acta sanctorum Febr. 1, 779—784. Legenda aurea c. 206) vorgenom-
menen tiefgreifenden Veränderungen übergehe ich hier. Abseits stehen
die älteren Dramen von Chilianus Millerstatinus (1507. S. Birket Smith,
Aeldste danske skuespil 1874 S. 78. Herford, Literary relations 1886
S. 79) und Balthasar Thannnius (1595, Aufführung 1617 in Windsheim).
Unzugänglich blieb mir ein vielleicht von Massinger beeintlusstes
niederländisches Drama von Geraerd van den Brande, 'Dorothea
matfet e.n onartelareftse (Antwerpen 1641. 4*^).
§0 Boltc, Das Danziger Theater.
und erhält den Auftrag, sie in Güte zu bekehren: 'Aber zuerst
folge mir in meinen Blutrichter-Saal, dort werde ich die Urtheile
sprechen über die gefangenen Christen'. — Sc. 2. Theophilus'
Aerger über die erlittene Kränkung benutzt der Mohr (bei Mas-
singer Harpax), der gleich dem Aran in Shakespeares Titus Andro-
nicus und dem 'Türken' Masons an allem Bösen seine teuflische
Freude hat, um ihn gegen Duosar, den er des Einverständnisses
mit dem geschlagenen Christenkönige beschuldigt, aufzuhetzen.
— 3. Monolog des Mohren. — Sc. 4 — 8 spielen in Dorotheas Zimmer
und entsprechen den Scenen II, 1 — 3 bei Massinger. Casperle,
der den als Page verkleideten Engel Angelo des englischen Ori-
ginals ersetzt und hier durchaus nicht lustig, sondern weichherzig
erscheint, kehrt von den Armen und Gefangenen zurück, die er
auf Geheiss seiner Herrin mit Geld beschenkt hat, und meldet
sich bei Dorothea. Da tritt Duosar herein und fordert Dorothea
in des Kaisers Namen auf, sich zum heidnischen Glauben zu be-
kennen; als sie dies gelassen ablehnt, erbietet er sich, mit ihr
ins Lager der Christen zu fliehen. Aber Theophilus, der das
Gespräch belauscht hat, verhindert diesen Plan, indem er Dorothea
fortschleppen und Duosar entwaffnen lässt^). — Sc. 10. Als
Theophilus die beiden Schuldigen vor dem Kaiser verklagt, will
dieser den allgemein beliebten Feldherrn nicht hinrichten lassen;
er verlangt, dass Antafolia, des Theophilus Tochter, an Dorothea
ihre Überredungskunst versuche, dann wolle er Antafolia zu seiner
Gattin machen. — Sc. 12. Theophilus sendet seine Tochter zu
Dorothea und Casperle zum Tempel, wo er ein Opferfest für
morgen bestellen soll.
Der 2. Akt spielt am folgenden Tage im Jupitertempel.
Theophilus begrüsst freudig die beiden Mädchen ^j: 'Meine liebe
*) Bei Massinger belauschen aiisser Theophilus auch Sapritiiis
\u\d die in Antoninus verliebte Artemia die Liebeserklärung-en des
Antoninus, und nicht Theophilus, sondern die eit'ei'süchtige Artemia
befiehlt die Verhaftung'.
2) Bei Massing'er ruft er:
' Welcome, oh, thrice welcome,
Daughters, hoth of my body and my m'ind!
Lei me embrace in you my blias, my comfort ;
And, Dorothea, naiv more welcome foo,
Than if you never had fallen off! I am raviah'd
Wifh the excess of joy . . .'
1647. 81
Tochter! welchen Dank bin ich dir schuldig? Doch Jupiter
wird dich lohnen. (Zu Dorothea:) Und du Dorothea wirst durch
den Wechsel deines Glaubens dein Glück finden.' Aber er hat
sich getäuscht; Antafolia ist von Dorothea, die sie bekehren
sollte, bekehrt worden, sie erklärt, sie sei nun ebenfalls Christin,
und fürchte die Strafe Jupiters nicht. Damit stösst sie das Götzen-
bild von seinem Throne: 'Nun mein Vater, wc bleibt sein Blitz?
Ich höre auch seinen Donner nicht.' Tief empört sticht Theo-
philus seine Tochter mit dem Dolche nieder und ruft knieend
Jupiters Verzeihung für den Frevel seines Kindes an. Der her-
eintretende Kaiser entscheidet, Dorothea solle am nächsten
Morgen enthauptet werden. Casper beschliesst den Akt mit
Narrenspossen.
3. Akt. Dorothea sitzt in weissem Kleide auf einem Stuhle
im Blutrichtersaale. Theophilus vermag ihre Freudigkeit nicht
zu erschüttern und verlangt endlich spottend, sie solle ihm nach
der Hinrichtung ein Zeichen ihres neuen Lebens senden. Sie
weissagt sein, Duosars und Diocletians nahes Ende; der Scharf-
richter schlägt ihr das Haupt ab. Da stürzt Duosar mit der
Nachricht der Begnadigung herein und stösst sich, als er die Leiche
gewahrt, verzweifelnd den Dolch in die Brust: 'Mit dir konnte
ich nicht leben, aber sterben kann ich mit dir' (Massinger:
'0, talie my soul along, to icait on thine'). Theophilus trium-
phiert, aber der Mohr enthüllt sich nun als ein Höllengeist und
will ihn fortschleppen; auf den Hilferuf des Theophilus erscheint
ein Engel, der Dorotheas selige Vollendung verkündet \). — In
der Schlussscene zeigt der deutsche Bearbeiter selbständige Er-
findung. Diokletian klagt um seinen Liebling Duosar und ruft,
als er hört, der Christenverfolger Theophilus habe sich bekehrt
und zum Christenheere begeben, Jupiter um Hilfe an. Ein Blitz
entzündet den Saal ; der Kaiser will hinaus, findet aber den Aus-
gang nicht und stürzt sich in sein Schwert. Nachdem die
Flammen erloschen sind, steigt Dorothea, von zwei Engeln ge-
leitet, in der Glorie zum Himmel empor.
1) Bei Massing-cr er.schoint zuerst der Engel mit den von Doro-
thea aus dem Paradiese gesandten Blumen und dann der Dämon
Harpax, den er damit zurüekscheucht.
Th. F. XII. 6
82
Bolte, Das Danziger Theater.
1648. Der Professor Johann Raue^) am Gymnasium, ein
geborener Berliner, der von Arnos Comenius angeregt als Refor-
mator der Unterrichtsmethode auftrat, brachte im Oktober auf
dem grünen Thore eine lateinische Sehulkomödie mit seinen Zög-
lingen zur Aufführung.
Juli.'iuu Ixaiic.
Es ist uns nicht nur das gedruckte Programm mit einer
Inhaltsangabe der sieben Akte erhalten, sondern auch der voll-
ständige Text in der Handschrift des Dichters. Jenes ist betitelt:
1) Geb. 1010 zu Berlin, 16.3.] in Erlurt, 16;]6 in Rostock, 1639 iu
Sorö, 1646 in Danzig- als Lehrer tliätig*, 1654 Gcneralinspcktor aller
Schulen der Mark Brandenburg, f 1679 zu Berlin als Bibliothekar des
Grossen Kurfürsten. (Vgl. Bolte, Allgeni. deutsche Biogr. 27, 397 f.) —
Das beigegebene Bikinis ist die Nachl)ildung einer Tuschzcichuung
im Berliner Liher pictur. B 26 Nr. ISS.
1648. 83
Argumentum | dramatis | super | rerum humanarum spectaculo |
in I Aeneae et Laviniae | nuptiis, | orig'inibus populi Homani. || Typis Vi-
duae Georgii Rhetii. | 4 Bl. 4'^ [Danzig. Dresden.] — Dazu gehört eine
lateinische Einladung an den Eat, datiert: X. Odohr. cloloc XLVIII,
der Aufführung, die 'proximo lunae meclio die^ stattfinden soll, beizu-
wohnen : Drama | eoniico- | Oratorium | super | fatis | Aeneae et Lavi-
niae 1 hoc est: I originibus populi Romani, | magnifico nobilissimoque |
Senatui Gedano | exhibitum inscriptumque | ä | Job. Rauen. || Gedani, |
Typis Viduae Georgii Rhetii, | Anno 1648. | 6 Bl. 4».
Die Haudsclirift liegt auf der König!. Bibliothek zu Berlin
als Mscr. germ. quart 437:
Drama | super ] originibus populi Ro | mani, | hoc est, | Aeneae
et Laviniae | conjugio. | Inclytae Reipublicae | Gedanensis | Magnifico
et Amplissimo | Senatui | d. c. | a | Job. Rauen. (Bl. 68a — 131a.) — Vorauf
geht auf Bl. la— 64a eine bis Akt V, 1 reichende prosaische Ver-
deutschung.
Raue entlehnt den Stoff seines Prosaschauspiels dem 7. und
12. Buche der vergilischen Aeneide. Indem er von den ermüden-
den Irrfahrten und Kämpfen des Aeneas ganz absieht, schildert
er seine Ankunft in Latium, wo ihn König- Latinus freudig als
Eidam aufnimmt, darauf die durch Juno angestiftete Feindschaft
der Latiner und des Turnus, endlich den Zweikampf des Aeneas
und Turnus. Im letzten Akte folgt die bei Vergil nicht mehr
erzählte Vereinigung- des siegreichen Helden mit Lavinia; ebenso
sind die Gespräche des ersten Aktes als Exposition der eigent-
lichen Handlung voraufgestellt. Die Göttermaschinerie ist bei-
behalten: Cupido triumphiert (III, 3) über die Verlobung des
Aeneas, Juno sendet (IV, 2. 5) die Furie Alecto ab, sie zu hinter-
treiben. Neu sind die dem Latinus und Turnus beigegebenen
Berater Cancellarius und Secretarius und einige Hofleute. Aeneas
wird einmal (V, 3) in bekannter Weise von einem Echo geneckt.
Eigentümlich individualisiert ist die Rolle des Augurs Tolumnius,
der, als (VI, 4) der Kanzler des Tunius die Hilfe der Götter
begehrt, sich als völligen Atheisten bekennt und dem überraschten
Staatsmanne eine rationalistische Erklärung des Götterglaubens
vorträgt: 'Eheti, ad haec ultima, ad vana ista atque inania,
Deos, perventum est? 0 vanas atque irritas spes! — Tibi
confiteor, nihil est, quod de Deo creditu7\' Er rühmt die Schlau-
heit der Priester, deren Ertindungeu die thörichten Laien glauben:
'Nos Uli reges, Uli magistratus summi et aeterni sumus; penes
nos inßnita ac suprema maiestas est. Nobis paret miindus,
g4 Bolte, Das Danziger Theater.
omne genus humanuni supplicat. Nobis seritur, 7iohis metitur,
nohis vineae, nohis agri coluntur.' Durch diese Schilderung- des
heuchlerischen, habgierigen und herrschsüchtigen Augurs fühlte
sich die Danziger Geistlichkeit so sehr verletzt, dass Raue des-
halb in einen weitläufigen Streit mit ihr geriet ^). Über die Form
des Dramas lässt sich wenig Rühmendes sagen: es sind schleppende,
bis zu vier Seiten lange Prosadeklamationen, mit welchen die
einzelnen Personen auftreten. Ein einziges Mal (VI, 3) sind ein paar
vergilische Hexameter (Aen. 12, 435 ff.) mit herübergenommeu.
Mehr Interesse erweckt ein hinter dem 3. Akte eingeschaltetes
Zwischenspiel in deutscher Sprache, das uns ein drastisches Bild
von dem damals auf den Universitäten herrschenden Pennalismus
liefert 2): ein Schüler des Stettiner Gymnasiums kommt nach
Wittenberg und wird dort von einem Kameraden in die Leiden
des ersten akademischen Jahres, der 'Pennalzeit', eingeweiht. —
Wie sorgfältig Raue bei der Aufführung auf scenische Effekte
und musikalische Begleitung Bedacht nahm, zeigt der auf Bl.
133a — 134a der Handschrift erhaltene Rest des Regiebuches, den
ich hier folgen lasse. Man erkennt daraus freilich nicht deutlich
genug die Einrichtung der Bühne. Die Generalvertonung^)
1) Löschin, Geschichte Danzigs 1, 375. ,/f1<r77'-//52-
^"(HJrt ^) Abgedruckt in der Altpreussischen Monatsschrift 28, 25—37. ,
Auch in einer Colberger Schull<omödie von 1674 war der Missbrauch
des Studentenlebens Thema des Zwischenspieles; vgl. Wehrmann, Aus
Pommerns Vergangenheit 1891 S. 115.
^) Das boUändische Wort Vertooning = Vorstellung bezeichnet
sonst die lebenden Bilder {fahlemix vivants, dumh shoic), die von Von-
del und andern niederländischen Dramatikern in den Zwischenakten
zur Vorbereitung auf die Entwicklung der Handlung gezeigt wurden
(Jonckbloet, Geschiedenis der ndl. lettcrkunde^ 2, 70). Solche 'Ver-
toninge' schiebt 1()39 der Emdener Dichter Jan Tonnis in seinen Joseph
ein; Schoch nennt sie in seiner Conioedia vom Studentenleben (1657)
'Stellungen und Vertonungen', Pachius (Salutaris Jesu Christi nati-
vitas 1638) ' praesentatio personarum tarn generalis quam specialis,
so itzo gebrauchlig vnd auf einen jedem Actum loco argumenti kau
gebrauchet werden', Chr. Rosa (Theophania 1(146) 'die Praesentation,
so vorhero vnter der Music bey brennenden Liechtern geschähe'. Gry-
phius (Carolus Stuardus 1657) spricht von 'Vorstellungen', Mitternacht
(Politica dramatica 1667) von 'Posituren'. Das Theatrum Europaoum
6, 1075 (1652) erzählt vom Nürnberger Friedensschauspiele von 1650:
'Es Hessen sich Vertönungsweiß sehen etliche Personen, die stunden
mit vn verwandten Augen vnd Leibern, als wären es Bilder: vnd diese
/
1648. 85
scheint den bemalten Hauptvorbang ^) zu bedeuten, der sonst auch
bloss Decke oder Teppich heißt. Dahinter befinden sich das
grosse und das kleine Blendwerk, jedes mit zwei Flügeln ver-
sehen und zu einer andern Positur verschiebbar; also zwei be-
malte Hinterwände der Bühne, die dem 'grossen, auf beiden Seiten
bemalten Perspektiv am Ende des Theatri' bei der Leipziger
Aufführung von Lanis Schulkomödie Agapetus i. J. 1685 ent-
sprechen 2). Ferner giebt es Special Vertonungen und vier
Gardinen. Da wir noch keine Untersuchung über die Gestal-
tung der deutschen Bühne und der Dekoration im 17. Jahrhundert
besitzen 3), muss ich mich mit diesen Bemerkungen begnügen.
Voi'bildung-en wurden durch Auff- und Zuziehung deß Vorhanges mit
vnterschiedenen Posturen oder Stellungen vor jedem Auffzug einmahl
oder vier abgewechselt.' In einer Dresdener Komödie von 1646 (Für-
stenau 1, 107) wird der Inhalt vorher mit stummen Personen reprä-
sentiret, und sogar ein Ballet wird 1660 in Colberg 'in nachfolgenden
Entreen ordentlich vertöhnet und darauf getantzet' (Riemann, Gesch.
der Stadt Colberg 1873 S. 496). — Vgl. besonders Rist, Die alleredelste
Belustigung 1666 S. 136.
^) Harsdörfer, FraAvenzimmer-Gesprechspiele 6, 45 (1646) sagt:
'Der gemahlte Vorhang bedekket den Schauplatz von oben an; das
Gemahl darauf gleichet einem Schauplatz ohne Personen' (dazu ein
Kupferstich). Ebd. 3, 213 (1643): Auf den Tapeten der Bühnen er-
scheinen verschiedene Sinnbilder mit Unterschriften. Ebd. 6, 50: Die
Vorhänge wechseln mit jedem Akte. Vgl. auch Furtenbach, Archi-
tectura recreationis 1640 S. 59.
2) E. Dohmke, M. Georg Lani in: Studia Nicolaitana, Herrn Th.
Vogel dargebracht 1884 S. 144. Ebenda werden zehn bemalte 'Schirme'
(Coulissen) erwähnt, die bei der Vorstellung gleich dem Perspektiv
verändert werden. — Solche perspektivischen Darstellungen des Hinter-
grundes scheint Candorin (d. i. C. von Hövel) in seinem Schauspiel-
Entwurf 4, 12 (1663) unter den 'fernsichtigen Schaugerüsten' zu ver-
stehen, in deren Herstellung der Hamburger Paul Lantrock und der
kunstbegabte Hans Georg Hertel erfahren seien. — In Kopenhagen
akkordierte Joh. Lauremberg, der seine beiden zur Hochzeit des Prinzen
Christian V. gedichteten Komödien (Nd. Jahrbuch 3, 91. 11, 145) auch
iuscenierte, im Oktober 1634 mit dem Maler, 'das gantze theatrum in
perspectiff zu staffieren nebenst der orchestra vnd wölken etc.' auf
80 Rthl. (Kopenhagen, Geheimarchiv).
^) Ueber die italienische Bühne vgl. Seb. Serlio, Architettura
(Venezia 1560) und Flechsig, Die Dekoration der raod. Bühne in Italien
(Leipziger Diss. 1894), über die französische P. Lacroix, XVII. Siecle.
Institutions et costumes. France 1590—1700 (1880) S. 489, über die holländi-
sche Wybrands, Het Amsterdamsche tooneel 1873 S. 71. 104; über die
86 Bolte, Das Danziger Theater.
Dem Drama geht eine musikalische Ouvertüre vorauf; dann
erseheinen ein Dedicator und ein Prologsprecher. Statt der früher
im 16. Jahrhundert üblichen Inhaltsangabe und des Aufmarsches
sämtlicher mitspielenden Personen^) präsentiren sich darauf die
im ersten Akte auftretenden Schauspieler den Zuschauern in
einer stummen Gruppe. Diese Einrichtung gleicht ganz den neun
Jahre später von dem Leipziger J. G. Schoch gegebenen Bühnen-
anweisungen 2). Das Kostüm war keineswegs historisch getreu;
denn Aeneas erlegt in der ersten Scene die Vögel mit einem
Rohr, d. h. einer Flinte.
Ante Actum 1.
1. General Vertonung' Zue.
2. hinter derselben, daß < ausgestr: Perspectiv ) grosse Blendwerck
zue recht gesetzt auf das Erste feld.
3. Die General Vertonung geöffnet.
der Jesuiten Andr. Puteus, Perspectiva pictorum et architectoruin
(Romae 1693—1700) 1, Fig. 71—77 'Modus delineandi ac pingendi sce-
nas'; 2, Fig. 37—48 'Instructio theatrorum comicorum'. Franc. Lang,
Dissertatio de actione scenica (Monachi 1727). — Manches Wertvolle
liefert der Augsburger Architekt Joseph Furtenbach in seiner Archi-
tectura recreationis 1640 S. 59 und im Mannhafften Kunst-Spiegel 1G63
S. 111. Auch die von verschiedenen höfischen Festvorstellungen vor-
handenen Kupferstiche (z. B. Könnecke, Bilderatlas zur Gesch. der d.
Nationallitteratur, 2. Aufl. S. 200 f.) verdienen Berücksichtigung. Krünitz'
Encyklopädie 141 (1825) s. v. Schauspiele. — Über die Theatermaschinerie
vgl. Eröfneter Ritter-Platz, Anderer Theil 1, 44 (Hamburg 1702). Das
neu-eröftnete Rüst-Zeug oder Maschinen-Haus (Hamburg 1710. Chry-
sander, Allgem. musikal. Zeitg. 17, 231. 245. 1882). Borgnis, Des ma-
chines imitatives 1820 p. 231 — 298.
1) Vgl. meine Notizen in Freybes Ausgabe von J. Schlus Comedia
von Isaac 1892 S. *31. *81. Auch unten S. 89, Anm. 4.
2) Schoch, Comoedia vom Studenten-Leben 1657 Bl. A2a: ' \'or-
spiel. Hier wird erstlich mit Trompeten und Heerpaucken ein Zcioiien
gegeben 'und praeambulirt. Nach diesem werden die Vorhänge ge-
zogen, und stehet Mercurius unbeweglich allbereit in seiner Stelhmg,
fanget darauff zu den Anwesenden also an zu reden'. — Bl. A4b:
'Hiermit tritt Mercurius geschwind ab, und fallen die Teppichte. Wird
eine Instrumental-Music gehalten. Hernach werden die Tep])ielite auff
dem Theatro iind Innern Scene gezogen, und werden der 1. llaiullung
erste 4 Auffzüge in Stellungen und Vertonungen gezeiget, ausser
Pickelhering, so nicht mit darbey. Hier kan ein wenig inne gehalten
werden, biss wiederumb ein Zeichen mit Trompeten und Heerpaucken
zur Action geschehen '.
1648. 87
4. Hinter daß < ausgestr: Perspectiv > g-rosse Blendwerg, das kleine
in die Erste positur gerükt.
5. Damitt das grosse Blendwerck geöffnet nur mitt den beyden
flügeln. NB. nicht ehe geöffnet biß das Stük der Musicanten
bald zue ende, welches einer significiren muss.
6. Darauff der Dedicator ein wenig still stehend keinen Specta-
torem angesehen, endtlich heraußtritt, bej' den flügeln deß großen
Blendwerkeß den hutt abzeucht, förder hintrit, vnd zue die h.
deß Rhattß einen tieifen reverentz machet, darauff mitt dem
Titul einen kleinen reverentz thutt vnd redet.
7. Nach Vollendeter rede wann er abgetretten, wird das grosse
Blendwerk geschlossen, V[nd]
8. Tritt der Prologus in das kleine Blendwerk vnd wird ver-
schlossen.
9. Die Musicanten Spielen ein kurtzeß Stük.
10. Die Flügell deß grossen vnd kleinen Blendwerkß thun sich meh-
lich aber zue g"leich in gleicher distantz von einander biß zu
rechter Perspectiv. Vnd bleibt der Prologus bestehen, biß er
das final der Music höret.
11. Mitt dem final v. letzten tact gehet er herfür, macht reverentz
wie der Dedicator.
12. Wird ein Stük gespielt, v[nd]
13. damitt ein wenig die Verblendung stehen lassen
14. Hernach die General Vertonung zuegezogen
15. daß grosse v[nd] kleine Blendwerk in die andre positur gerükt,
16. darauff alle personen nach den dreyen hoffn sich gestellet.
17. Etwaß bestehen bleiben.
18. Hierauff die General Vertonung zuegezogen
19. Die personen eilig aber behend weg gangen.
20. Die General Vertonung geöffnet vnd die Blendwerck allen sehen
lassen.
21. Vnterdessen die personen im Ersten Actu in die General Ver-
tonung sich in positur i) zue stellen.
21. Die Gen. Verton, zuegezogen.
22. Das Blendwerk leiß vnd heimlich zuesamen gelegt vnd wegge-
tragen.
23. drauft' die Gen. Vertonung geöffnet, vnd allen zue sehn be-
halten.
24. Drauff die Special Vertonungen angehoben mitt der Ersten
gardin.
Actu s I. S c. I. [vencischtj.
2. 3. 4.
25. Drauff die Erste Gardin zuegezogen.
26. Die andre auffsremacht.
1) Vgl. oben S. 84, Anm. 3.
88 Bolte, Das Dauzig-er Theater.
27. Die Erste geöffnet vnd etwas behalten.
28. Die erste zuegezogen.
29. Die dritte auffgemacht.
30. Die Erste geöffnet V. etwas behalten.
31. Die Erste zuegezogen.
32. Die dritte auffgemacht.
33. strakß die Erste geöffnet v. behalten.
34. Die Purste zuegemacht.
35. strakß die Vierte aufgemacht, strakß
36. Die Erste geöffnet vnd behalten. NB. Nun soll Latinus sich
fertig halten.
37. Die Erste zugemachet.
Vnd damitt alsobald Latinus in 1. Scena herfurgetreten.
Sc. II. Aeneas, alsofort auff den Eintrit deß Latini herauß
Achates Verbleibt usque ad haec verha: 'Hoc utiqiie Dens ratum
juhehiV.
Aeneas besiht Vnterdessen das Vögelwerk so er geschossen,
bes. daß Rohr Vnd befhelt dem Knecht, das Rohr fertig zue
machen.
Sc. III. Latinus zue erst, di-auff Lavinia.
Sc. IV. Amata hört zue v. komt herauß ad ista verha ' Com-
j)endio fruor' v. behorcht die tochter.
38. [ausgestynchen] .
ACT. II.
1, Die
1()4:9. Im Aug'ust, also während des Dominikmarktes, fand
die Aiifführmig- eines Dramas von der Geburt Christi, ver-
mutlieh durch Schüler, statt. Dies geht aus einer mir von Herrn
Professor A. Brückner mitg;eteilten Bemerkung- in dem Reise-
tag^ebuche des Polen Nicolaus Grudzinski^i hervor, der am 31.
August d. J. in Braunsberg- eine Schulaufführung der Jesuiten
mitansah und dabei der kurz vorher in Danzig besuchten Komödie
gedenkt, in der Engel vor dem neugeborenen Heilande musicierten.
lf)50. Um der überhand nehmenden Armut abzuhelfen,
wurde in einer Ratssitzung die Eröffnung eines Ratswcinkellers
und die 'Aufführung erbaulicher christlicher Komödien' vorge-
schlagen. Das erste Project, das schon einmal am 21. Juli 1636
vorgetragen worden war, gelangte 1651 wirklieh zur Ausführung;
die geplanten Wohlthätigkeitsvorstellungcn jedoch scheinen so
^) Diarius der Reise nach Danzig A. D. 1()49 (Petersburg, öffentl.
Bibliothek. Pohl. Ilandschr. IV, Quarto 38).
1648-1651. 89
starke Bedenken erregt zu haben, dass mau den Gedanken fallen
Hess (Löseliin, Gesch. Danzigs 1, 358. 399. Nueleus SC. Geda-
nensium im Berliner Mscr. boruss. fol. 250, Bl. 180a).
1651 besuchte König Johann Casimir, der 1649 seinem
Bruder Wladislaus auf dem Throne nachg-efolg-t war und dessen
Witwe geheiratet hatte, am 19. September mit seiner Gemahlin
Danzig und blieb 14 Tage dort^). Bei den damals veranstalteten
^Freudenspielen und Kurtzweilen' muss der auch in Königsberg
und Hamburg als Dekorationsmaler und Theaterregisseur auf-
tretende Andreas Gärtner^) die Komödie aufgeführt haben, von
der in den beiden nachfolgenden Aktenstücken die Rede ist.
Vielleicht ist sie identisch mit dem allegorischen Schauspiele des
Michael Albinus^), von dem sich eine Inhaltsangabe er-
balten hat:
Michaels Weißen | Kurtzverfaster Nachricht | Des | Dantzig-er
Schauspiels, ' von der Königin im Liebeuthal, etc. So auff | Verg-ünstig'img'
E. Hochw. Eahts | vorstellen wird | Andreas Gärtner. | 8 Bl. 4^ o. O. ii.
J, [Königsberg, Wallenrodtsche Bibl. S S 64,3]. — Inhaltsangabe der
vier Akte. — Hagen, Gesch. des Theaters in Preussen S. 69 fügt fälsch-
lich die Jahreszahl 1650 hinzu.
Nach einer musikalischen Introduktion wurde, wie bei Eaue,
ein lebendes Bild gezeigt : das Danziger Wappen und ein in den
Wolken sitzender Engel; darauf stellte der Ritter Gottlieb die
auftretenden Personen einzeln vor*). Den weiteren Inhalt gebe
ich mit Hagens Worten: 'Die Königin von Liebenthal wählt
ihre Wohnung unter Fischerleuten, sie bestimmt diese, Schififahrt
1) Lengnich, Gesch. der preiiss. Lande 7, 84 (1734). Curicke, Be-
schreibung der Stadt Dantzig 1688 S. 357.
-) 1646 führte er am 11». April zu Königsberg in einem Garten-
hause mit Studenten eine Schäferei mit Musik imd allerhand Maschinen
die 'Enthauptung Johannis und Dulcimunda' (vgl. Homburgs Tragi-
comödia Dulcimunda. 1648) auf. In Hamburg gab er 1646—47, wie Rist
im Friedewünschenden Teutschland 1647 berichtet, ebenfalls mit wohlge-
schickten Königsberger Studenten Vorstellungen. Zum Einzüge des
Grossen Kxirfürsten in Königberg 1641 hatte er die Ehi-enpforte gemalt.
Vgl. Hagen, Theater in Preussen S. 69. 94. — Ein Nachkomme von ihm
war möglicherweise der königl. polnische und kurfürstl. sächsische
Modellmeister Andreas Gärtner (geb. 1654, f 1727 in Dresden) bei Ade-
lung, Forts, zu Jöchers Gelehrtenlexicou 2, 1309 (1787).
3) Vgl. oben S. 62.
*) Vgl. oben S. 86, Anm. 1.
90 Bolte, Das Danziger Theater.
ZU treiben, und begründet dadurch den Bau Danzigs. Das Glück
der Stadt wird durch Seeräuber vielfach gekränkt, die aber
Gottlieb 'der Fromme' glücklich bekämpft. '"Worinnen gedeutet
wird auf der ^Menschen geistlich Elend und ihre Erlösung.' Der
Schutz der Stadt wird durch eine königliche Ehrensäule, neben
der Gerechtigkeit und Friede stehen, gesichert. Da Klagen über
allerlei Elend erschallen, die Leute zu verhungern und verdursten
glauben, sieht man dankgerührt Gottes Gnade in einem plötzlich
entstehenden Springbrunnen. Das Wort Gottes oder der Ritter
vom Feuer entreisst die aufsätzige Stadt aus der Gewalt der
Unholdin oder Unbarmherzigkeit. Es wird ein Nachtliedlein ge-
hört, bis die Morgenröte und Sonne aufgeht, nach dem Spruch:
Jes. 58, 7 : 'Brich dem Hungrigen dein Brot; alsdann wird dein
Lieht hervorbrechen wie die Morgenröte.' Da bestimmt die
Königin im Liebenthal, dass zur Besiegung aller Not sich die
Menschen mit den Tugenden vermählen, und sie bewirkt in Be-
treff der Krone (so heisst die Stadt Danzig), dass die Hofleute
einen solchen Heiratsbund eingehen. Die Beständigkeit erhält
die Krone, und der verlorene Sohn Friedlieb kehrt heim. Die
verschlossenen Herzen, wenn sie nicht hier Strafe erleiden, werden
auf die jenseitige Pein in den Flammen verwiesen. Der Ver-
fasser, als er das Stück in Schick gebracht, sagt : Gott lasse alles
wohl gelingen!'
Aus den beifolgenden Aktenstücken geht über den Inhalt
der Komödie nur soviel hervor, dass darin drei Grazien, ein Satyr
und eine Pyramide vorkamen. Vielleicht hat Gärtner verschiedene
Schauspiele, bei denen er auf die sccnische Ausstattung und die
musikalische Begleitung besondere Sorgfalt verwandte, im Laufe
des Jahres 1651 in Danzig aufgeführt und erhielt darauf vom
Rate den Auftrag, ein Festspiel für den Empfang des Königs
herzurichten.
I.
Hon- Bürgermeister, Woll Edle, Gestr., Ehreuveste, Hoclnveise, Grol>-
günstige gebietende Herren.
Daß große zuversichtliche vertrawen zu E. Woll F.dlcn Hw. Herrl.
hat niclit zugeben wollen, daß ich so gar an E. Woll Edl. Hochw. Kahts
geneigter gxmst \uu\t väterlicher vorsorg zweiffeien solte, Ob gleich
auff mein voriges demühtigstes petitum nicht alsbaldt meine geschöpiifte
hoffining ihren Zwegk erlanget hat. Wannenhero ich nochmals gleich
demühtigst E. Woll Edl. Hochw. Ralit .supplicando will ersuchet liaben.
1651. 91
meine praesentation hochgünstig' zu acceptiren undt aufF einen ver-
such Ihren Consens zuertheilen. Vndt weill E. Woll Edl. Hochw. Herl.
nicht ein unbilliges bedencken hirin g-etragen, daß etwan dise occasion,
da alles verdeckt undt finster ist, möchte zu andern wercken der finster-
nüs ursach geben, Als berichte ich derowegen nohtwendig, daß es gleich
der ohrt zu meinen actionibus von deß tages licht finster sein mus,
nichto desto weniger doch von herumbher auffgehenckten lampen
g-antz helle sein werde, also daß menniglich so "voll als bey tage kan
sehen undt gesehen werden, Nicht zweifFlende, daß werck selbst werde
meine gutte meinung beßer erklären, als ichs itzo mit worten vorbringen
kan, deßen vorsatz einig undt allein dahin gerichtet ist, daß ich E,
Woll Edl. Hochw. Herl. Vnterthanigst darthun möge, wie ich ohne
ergernüs undt leichtfertigkeit (welche sonsten in Comoedien einge-
schlichen) zugleich erbarlich als erbawlich, so künstlich als ergetzlich
nicht allein vor junge als sondern auch Alte meine praesentationes
durch Anmuhtige perspectiv, Lebendige Personen (deren ich etliche
schon zur handt habe) als auch wollklingende Music anzustellen weis undt
damit die liebe Jugendt zu allerley Tugendt undt gutten sitten anfri-
schen und anreitzen kan. Dieses alles aber nach E. Woll Edl. Hochw.
Herrl. anordnung undt disposition zu dirigiren mir wolle höchstes
fieißes angelegen sein. Datum den 6 [Jan.] Anno 165[1].
E. Woll Edl. Hochw. Herrl.
Vnterthänigster Diener
Andreas Gärtner.
Lecta 23 Jan. A° 1651, vndt ist vom E. E. H. Rath beliebet, das
Supplicans deßen auf dem Grünen thor ein versuch thun soll, mit vor-
behält weiterer declaration wegen der gelder, so da fallen werden.
IL
Extract der Außgaben, so auff die Comoedi gethan, so vor Il;r
Königl. Maytt ist praesentirt.
2 Bockfell zum Satyr fl. 6 _ —
1 Peruck und 1 Bahrt „ 4 15 —
5 U Blesch a 3 f „ 15 — —
4 tt Wax zu den Blettern a gr. 22^/2 „ 3 — —
1 U Grüen Span „ 2 — —
An Golt vnd Silber „ 30 — —
Den Bildthawer laut Außzugk „ 61 29 9
Den Tischer laut Außzugk ,, 6 20 —
4 Bärenheüte w 32 — —
51 Ehlen Leinwandt a 9 gr ,15 9 —
2 Mahler vor 10 Tage zu Arbeiten a 1^ o ^"- „ 30 — —
Noch 1 Mahler vor 10 Tage a 2 f. gezalilt „ 20 — —
3 Schneyders 9 Tage gearbeitet a 36 gr „ 32 12 —
Der Krentzlern vor die Blumen vnd Kreütern . . . „ 10 — —
4 Stück Lindt zum binden a 9 fl ^ 36 — —
92 Bolte, Das Danziger Theater
Vor StiefF Real bogen pompier fl. 18 — —
50 Elen grünen vnd weißen gelöcherten Flohr a 12 gr „ 20 — —
8 U Leihm a 8 gr „ 2 4 —
An Farben »12 — —
Der Piramis vnd was dazu gehöret »19 — —
3 Handtlanger, so oben 6 Tage geholffeu »18 — —
Waß an Eßen vnd Trincken außgegeben „ 6 — —
An Nägell » 3 — —
4 Ellen gülden Lehder zu den Taschen, Riemen vnd
Stiefeln ., 12 — —
Den Klempner „ 5 — —
Den Nehtler „ 3 15 —
2 Stücke Schnüre zu den gordinen ,, 3 — —
3 Perüken vor die Gratien „ 6 — —
Ant. Pauly laut Außzugk „122 4 9
Daniell vom Ambstern laut Außzugk „ 61 15 —
Eichart Le Roy „ 217 22 9
Jacob vnd Hanß Kerßberch laut Außzugk „ 57 16 —
An Wax Licht 51 S: a gr. 27, thut „ 45 27 —
Pronota: hierauff empfangen Somm. fl, 937 9 9
Rthlr. 150= fl. 450,
E. E. Hochw. Rahts
Dienstgeflißner
Andreas Gert n er.
Dazu der Vermerk:
Proposit. 22. Jan. A° 1652. Vndt will E. E. Rath zu den albereits
gegebenen 150 Rthl. noch 50 Rthl. zu ersetzung der angewandten Un-
kosten zugeleget vndt von E. E. Raths Kemmerey extradirct haben.
Aus den im Kämmereibuche notierten Ausgaben 'auf die
Königliche Station' vom 19. September bis 3, Oktober führe ich
einige Posten an, die auf ähnliche Lustbarkeiten, wie sie 1623
und 1646 stattfanden, schliessen lassen:
Au die Kürschner 760 M. — Seh,
An NN wegen der fahren Pforte, in 23 Zeddeln . . . 2466 „ 2 ,.
An NN wegen der Comoedien in 5 Zeddeln .... 822 „ 4 „
An die Leinen Täntzer 450 „ — „
An vier frembde Fechter 216 „ — „
1 053 rcicliten 'Ertzhertzogks L c o p o 1 d i bcstaltc Comoedianten'
beim Kate ein Gesuch um Spielerlaul)nis während des Dominiks
ein, welches unter dem 14. Juli abgelehnt wurde. Gemeint ist
nicht der spätere Kaiser Leopold L, der damals 13 Jahre zählte,
soudern der liruder Kaiser Ferdinands IIL, Leopold Wilhelm,
1651—1662. 93
Bischof von Olmütz und Statthalter der Niederlande (1614 — 1662),
dessen Komödianten 1653, wie wir aus einem Gedichte Vondels
(AVerken 6, 144 ed. J. van Leunep) erfahren, auch in Amsterdam
auftraten. — Hierbei mag- bemerkt werden, dass schon im Sep-
tember 1649 'Comoedianten des Erzherzogs zu Oesterreich' in
Gottorp bei der Vermählung- der Prinzessin Sophie Auguste mit
Johann von Anhalt-Zerbst spielten und darauf vom Herzog
Friedrich HL von Schleswig-Holstein ein Empfehlungsschreiben
au den Rat von Hamburg erhielten (Hamburg, Stadtarchiv). Die
lunsbrucker Komödianten des Erzherzogs Ferdinand Karl (f 1662)
scheinen ihre Wanderzüge nicht nach Norddeutschland ausgedehnt
zu haben (Bolte, Jahrb. der Shakespearegesellschaft 22, 193).
1662 wies der Rat am 14. April eine Truppe von dreizehn
hochdeutschen Komödianten, die aus Dänemark und Lübeck her-
kamen, und am 11. August drei Studenten i), Job. Caspar
Kempfer, Adam Koch und Wilh. Haber man, die sich so-
eben mit einer Schauspielerbande vereinigt hatten und sich eines
Repertoires von 90 Stücken rühmten, ab.
I.
Herr Bürgermeister etc.
Einem Edlen Hw, Kaht können wir anher g-elangte Hochdeutsche
Comedianten unterdienstlich zu berichten nicht unterlaßen, wie das
wir unlängst vor Ihre Königl: May. in Dennemarck, und nun zu-
letzt in Lübeck unsere Ehr- und Frewdenspiele nach erlangter Ver-
gönstigung praesentiret haben: Wann dann dergleichen bey dieser
guten Stadt (die aus Göttlicher Gnaden numehr den lieben Frieden er-
langet) Wir auch zu üben gesonnen, Als gelanget an Einen Ed. Hw.
Raht unser dienstfreundliches ansuchen und bitten, derselbe geruhe
großgünstiglich hierinne zu consentiren und irgend das grüne Thor
oder sonst einen bequemen Ort dazu uns zuvergönnen, da wir denn
erbötig sind. Einen Ed. Hw. Eaht, was die [?] Ed. Hw. Hr. billig be-
1) Dass Studenten sich dem Schauspielerstande widmeten, war
im 17. Jahrhunderte häufig genug; so traten 1633 in Kopenhagen
deutsche Studenten auf, 1646 unter Andreas Gärtner in Hamburg, um
1660 unter Caspar Stiller in Güstrow, 1663 Jenaer Studenten in Lüne-
burg, 1675 in Riga, 1689 in Danzig, einzelner Namen wie Christoph
Blümel und Joh. Veiten ganz zu geschweigen. — 1719 bewirbt sich ein
Danziger Joh. Heinr. Schneidewin, der 1714 vom Herzog Ferdinand
als Cantor nach Kurland berufen und, da er seine Stelle besetzt fand,
unter die Comödianten gegangen wai", um Beschäftigung in der Rigaer
Ratskanzlei, indem er 'durch unermüdeten Fleiss diesen begangenen
Fehler auszubessern bemüht sein' will.
94 Bolte, Das Danziger Theater.
finden werden, ein genügen zu thun, wie auch die liebe Armuth zube-
dencken, Erwarten einer erfrewlichen Andtwort und verbleiben
Eines Ed. E. N. Hw. Raths
Dienstfertige und Geflißene
Hochdeutsche Comedianten,
13 an der Zahl.
Lect. in Sen. 14. Ai)ril 1662. Vnd sieht E. Raht nicht, das Suppli-
cantenn in ihrem ansuchen für diese Zeit könne gewilfahret werden,
sondern befindet, das Sie abzumahnen sein, auch auf frembder Juris-
diction ihre Spiele nicht anzustellen.
IL
Her Bürgermeister etc.
Nebst demütigsten wundsche vor dero hohe selbst ersinliche
Wohlfart halten Wir vor unnötig E. Ed. E. Hochw. Rath zu remon-
striren, was gestalt Erbahre und Sinnreiche Schauspiele ihrer löblichen
Spectatorum g-emüther nebst geziehmender ergetzung allerhand löb-
lichen tugenden anreitzen, vor den Lastern aber durch Vorstellung
der strafe ein abscheu machen; dahero selbe nicht nur bey den ver-
nünfftigen Heyden, sondern auch bey dem Volcke Gottes selbsten alle
wege sehr hoch aestimiret worden; Sintemahl solches dero hoch ver-
nüfftigsten erfahrenheit ohne das genungsam kundbaar. Wann dann
Wir Endesgenante, die wir meistentheils den galten freyen Künsten
Ergeben sind, Vor diese Zeit dieses ehrliche Mittel ergreififen, und theils
numehro alhier durch schwehre Kosten anhero gelanget, Alhier aber
eine Compagni Comoedianten angetroffen, zu der Wir uns zu conjun-
gix*en gesinnet, Aveil wir erfreulich vernommen, daß E. Ed. E. Hochw.
Rath in dieser guten Stadt dergleichen löbliche Übungen hochgeneigt
vergönnet, Als gelanget ahn dieselben unser aller unterthänigstes
suchen und bitten, sie geruhen aus ihrer hochlöblichen gewogenheit
kegenst die Freyen Künste uns gleichfals sothane libertät zuertheilen.
Wir erbieten uns dermaßen nützliche, erbauliche und lehrhaffte Comoe-
dien, derer wir bey 90 und mehr haben, auf den Platz zubringen und
solche mit unserer eigenen Musik der maßen zubeziehren, daß Niemand
geergert noch beleidiget, vielmehr aber ein jederman erbauet und die
liebe BürgerschafFt zur einigkeit, gehorsam und tapferkeit angefrischet
werden möge. Wollen auch solche gnade im übrigen mit allen ersinn-
lichen Diensten die Zeit unsers lebens eüserster müglichkeit zuver-
dienen geflißen seyn.
E. Ed. E. Hochw. Raths
unterdienstschuldigste
Johann Casper Kempfer Philomusus
Adam Koch L. L. Stud.
Wilhelm Haber man Philos. St.
Lect. in Sen. d. 11. Aug. 1662. Vnd siebet E. Raht aus bedenck-
lichen Ursachen nicht, wie Supplicanten in ihrem ansuchen könne ge-
füget werden.
16G2— it;69. 95
16G9 führte der Kantor Mich. Conovius^) im Gymnasium
am 17. und 18. Januar eine vom Rektor Joh. Mauki sch^j verfasste
deutsche Weihnachtskomödie mit Tertianern und Quartanern auf:
Schrifftmässige | Weyhucachts-Gespräche, | von | Des im Alten
Testament verheisse- | neu, aber im Newen Testament geleisteten [
MESSLE, des Sohnes Gottes Menschwer- | düng, und der Gnaden-
reichen Geburt xinsers | HERRN | JESU CHRISTI, | Auß dem Mose,
Propheten und Psalmen, | Evangelisten, und Aposteln, | zusammenge-
fasset I von | D. JOHANNE Maukischen, | Gymnasii Rectore. | Und. in
einem Actii Publice, mit Discipulis Ter- | tiae und Quartae Classis den
17. und 18. Janu- 1 arii vor Mittage umb 9. Vhr im grossen | Auditorio
Anno 1669. | auftgestellet | von | MICHAELE CONOVIO, | Cantore Gym-
nasii, & Classis I Tertiae Collega. || DANTZIG, | Gedruckt durch David
Friedrich Rheten. | 1 Bl. -f 112 S. -f 1 Bl. 8«. [Hamburger Stadtbibl.]
— Besprochen von E. Riedel, Deutsche Bühnengenossenschaft 12,
474—476 (1883).
Dieser Redeaktus besteht aus sechs Prosagesprächen, die
durch bekannte Kirchenlieder, wie Luthers 'Nun freut euch lieben
Christen', 'Nun komm der Heiden Heiland', 'Vom Himmel hoch'
oder die alten : 'Der Tag der ist so freudenreich' und 'Ein Kindeleiu
so löbelich' eingeleitet werden. Im Prologe und in den ersten fünf
Akten treten fast in der Weise des mittelalterlichen Schauspiels
Personen des Alten und Neuen Testaments auf, die durch den
von Lukas bekehrten Heiden Theophilus befragt Bibelstellen über
die Erbsünde, die Sendung und Natur des Messias aufsagen:
Jakob, Kloses, David, Salomo, Jesaia, Jeremia, Hiob, Philo (der
Verfasser des Buches der Weisheit), die Evangelisten, Petrus,
Paulus, Timotheus, Aquila, Apollos u. a., auch Luther und Michael
Walther. Dabei wirkt es wunderlich, wenn Luther ernsthaft
von Lucas nach Band und Seitenzahl angeführt wird oder Jakobs
messianische Weissagung deuten und Apollos in seiner Disputation
mit den Juden beistehen muss. Erst der 6. Akt bringt das
eigentliche Weihnachtsspiel. Nachdem der habgierige Wirt Demas
in Bethlehem von der Schätzung des Augustus erzählt und Joseph
und Maria durch den mitleidigen Knecht Syrus hat abweisen
1) Ist mir nicht Aveiter bekannt.
2) Geb. 1617 zu Freiburg, studierte in Leipzig Theologie und
ward 1651 als Rektor des Gymnasiums und Prediger an der Dreifaltig-
keitskirche nach Danzig berufen, wo er 1669 am 8. Juni starb. Seine
zahlreichen Schriften zählt Ephr. Praetorius, Athenae Gedauenses 1713
S. 101-107 auf.
96 Bolte, Das Danziger Theater.
lassen, 'geht in dem benachbarten Logement ein Gespräch des
Engels mit den Hirten an', die dann auf das Theatrum hinauf-
gehen und vor der Krippe niederknieen. Darauf treten auch die
Personen der früheren Akte hinzu und ergehen sich, von Simeon
geleitet, in Betrachtungen über das Weihnachtswunder. Zum
Schlüsse stimmt der ganze Chor ein Danklied an. Das Ganze
enthält also weniger Handlung als Betrachtung.
Vom August bis zum Dezember d. J., also vom Dominik bis
in die Adventszeit spielte die Truppe des Hamburgers Carl Andreas
Pauli ^) in Danzig. Diese muss weit Besseres geleistet haben als
die meisten gleichzeitigen Banden, wie sowohl aus den in Danzig
als auch anderwärts erhaltenen Nachrichten ^j über sie hervorgeht.
Betrachten wir einmal kurz ihre von Norddeutschland ausgehen-
den und bis nach Schweden und Basel ausgedehnten AYauderzüge.
Am 4. Dezember 1663 klagte die Komödiantin Elisabeth
Paulsen in Schleswig wider ihren Ehemann Carl Andres Paulsen,
der in die 19 Jahre mit ihr gelebt und 11 Kinder, wovon noch
7 im Leben seien, gezeugt, sie aber nun um einer Cornets-
frau Sophia willen verlassen habe^). Im April 1664 bat
der Komödiant Carl Andreas Pauli den Rat zu Lüneburg, wo
er schon früher (um 1650) aufgetreten war, um Spielerlaubnis
während des Freimarktes, wurde jedoch abgewiesen"^). 1665
spielte er während der Ostermesse in Frankfurt a. M. ^), im August
in Basel, im Oktober und November in Leipzig. 1666 am
1) Auch Carl Paulsen oder schlechtweg Carl genannt. Seine
Truppe heisst auch die Carlische hochteutsche Comödianten oder die
Hamburgischen Comödianten.
-) Gaedertz, Theaterzustände von Hildesheim, Lübeck, Lüne-
burg 1888 S. 48. 75. 99. Overskou, Den danske Skueplads 1, 112 (1854).
Wustmann, Quellen zur Geschichte Leipzigs 1, 477 f. (1889). E. Mentzel,
Archiv für Frankfurts Gesch. 9, 92 (1882). Bärensprung, Äleklenburg-
Jahrb. 1, 95. Fürstenau, Zur Gesch. des Theaters zu Dresden 1, 244
und 253. Teuber, Gesch. des Prager Theaters 1, 78 (1883). A. Burck-
hardt, Beiträge zur Gesch. von Basel 2, 205 (1839). Litzmann, Zeitschr.
f. vergleich. Litgesch. N. F. 1, 0—13 (1887). Nehring ebd. 6, 2 und 150.
3) Schleswiger Archiv. Paulsen muss also um 1620 geboren sein.
*) Wahrscheinlich ging er darauf nach Bergen, wo 1664 eine
Truppe von 16 deutschen Komödianten vom 1. Juli bis in den Oktober
täglich auf dem Zollhause spielte (Norske Magazin 2, 221. 1868).
5) Hier erwähnt er, dass er vorher in Dänemark, Braunschweig
und Lüneburg agiert habe.
16G9. 97
31. März erschien er wieder in Hamburg^), im Oktober 1667 in
Leipzig, 1668 in Güstrow und Lübeck, im Herbst 1669 in Danzig.
Von hier scheint er nach Königsberg gezogen zu sein, da hier
1670 eine Schauspielertruppe erwähnt wird. Im Januar 1671
finden wir den Comödianten Carl in Kiel, wo er vom Herzog
Christian Albrecht die Erlaubnis erhielt, während des Umschlages
zu agieren. Im März 1672 wurde der Truppe des Carl Andreas
verstattet, in Kopenhagen zweimal wöchentlich zu spielen. Von
Kopenhagen muss er nach Riga gesegelt sein ; hier trat während
des Mai und Juni 1672 eine Gesellschaft auf, die sich nur als
die Hochdeutschen Comoedianten bezeichnet, aber sicherlich mit
der Truppe Paulsens identisch ist 2). Denn im Sommer d. J.
langte in Riga ein Oberst van Staden an, der sich im Auftrage
des Zaren Alexej Michailowitsch bemühte, eine Schauspielertruppe
zu einer Kunstreise nach Moskau zu gewinnen, und deswegen
mit dem Magister Joh. Veiten und Czarlus und ihren zwölf Ge-
nossen unterhandelte, auch die Sängerin Anna Paulsson in Kopen-
hagen engagieren wollte. Dieser Czarlus ist natürlich Carl Paulsen,
der Schwiegervater Veltens, Anna Paulsson eine Tochter von ihm.
Indes zerschlugen sich die Verhandlungen ; Paulsen, den wir Ende
des Jahres in Kopenhagen wiederfinden, wünschte vielmehr, sich
dauernd in seiner Vaterstadt niederzulassen. Auf seine Bitte
schrieb Otto Sperling der Jüngere am 7. December 1672 aus
Kopenhagen an seinen Onkel P>roderus Pauli, Bürgermeister in
Hamburg, folgendermassen ^) :
1) Gothaischer Theaterkalender 1784, 44 mit dem oft nachg-e-
schriebenen Lesefehler 'Ad. Andreas Pandßen' statt Paulsen; vgl. z.B.
Riedel bei Koppmann, Aus Hamburgs Vergangenheit 1. Folge 1886
S. 306 und Paludan, Zs. f. deutsche Philol. 25, 315. Hier erwähnt
Paulsen, dass er schon in Kopenhagen, Gottorf, Mecklenburg, im Lauen-
burgischen, in Lübeck, Bremen, Rostock, Helmstedt, Jena, Leipzig-,
Wittenberg, Strassburg, Basel, Augsbxxrg, Bayreuth, Prag, Breslau,
Frankfurt a. M., Köln und zuletzt in Berlin gespielt habe.
2) Diese Gesellschaft durfte einen halben Gulden Grobgeld Ein-
trittsgeld nehmen, musste aber Va (später nur V4) der Einnahme an
die Peterskirche abgeben und für den Münzstall, in dem sie spielte,
jedesmal einen Reichsthaler zahlen. Am 4. Juni ward der Rat zu einer
besondern Vorstellung geladen. (Riga, Ratsprotokolle.)
3) Aus dem Briefconceptbuche 0. Sperlings in der Kgl. Biblio-
thek zu Kopenhagen (Gamle kong. Saml. 3092 V, 1 in 4"). Ich ver-
Th. F. XTI. 7
98 Bolte, Das Danziger Theater.
'— Weiter aber habe ich noch bey E. Magnif. demütig anzu-
halten im Nahmen Carl fi An dreßen und Seiner Frawen, Meisterß der
hochteutschen Compagnie Comoedianten, die Sich jetzund allhie auff-
halten, daß, weilen Sie nunmehro alt werden vnd sich zu ruhe schlagen
wollen, Sie in dero geburt vnd landstad Hamburg Sich lieber alß an
anderen orten niederzulaßen suchen, wenn ihnen nur ihre ziemliche
nahrung daselbst möchte freygelaßen werden, also daß Sie zweymahl
in der wochen ihren Schauplatz vnd Comoedien den liebhabern zeigen
möchten, gleich wie eß in anderen hochlöblichen Städten gebräuchlich
ist. Wann Sie dann daß vertrawen haben, E. Magnif. ihr bitten vnd
begehren nicht vnbillig achten, besondern die besagte Freyheit, darumb
sie demütigst anhalten, ihnen beforderen helffen wird, so erbieten Sie
sich mit aller gehorsam der Obrigkeit vnd mit einer guten recompense
absonderlich E. Magnif. wegen sothane mühe zu begegnen. Sie zweif-
fein auch nicht, dass E. Magnif. ja alleine woll durchdringen mögen
vnd keineß weitern supplicirenß nötig sey, zum überfluss aber, wenn
eß E. Magnif. nötig erachtete, haben Sie diese beygehende Supplica-
tion an einem E. Rath der hochlöbl. Stadt Hamburg verfertiget vnd
erwarten E. Magnif. oder eineß E. Raths erklärung darauff zu ihrem
besten. '
Das Gesuch scheint aber keinen Erfolg gehabt zu haben,
da sich im Hamburger Stadtarchive nichts über die Anwesenheit
von Schauspielern i. J. 1673 vorfindet; vielmehr besuchte Paulsen
die Leipziger Michaelismesse und zog dann wieder nach Kopen-
hagen, wo er vom 19. December 1673 bis zum 12. Januar 1674
auf dem Rathause Vorstellungen gab ^). Eilig kehrte er dann nach
Sachsen zurück ; noch im Januar und Februar spielte er in Dresden,
im ]März in Prag, von wo er nach Wien aufbrach 2), war aber
zur Ostermesse, d. h. wäiireud des Mai und Juni, wieder in
Leipzig und gab im November und December in Hamburg viel-
danke den Nachweis dieses Briefes Herrn Universitätsbibliothekar
S. Birket Smith in Kopenhagen, der 1885 die interessante Selbstbio-
graphie des älteren Otto Sperling (1602— 1G73) herausgegeben hat.
1) R. Nyerup in der Kopenhagener Wochenschrift Borger-Vennen
31, 208 (1819): ' Fra den 19. Dec. Anno 1673 og tu den 12. Januar 1614
haver Carolus Aiidreas Pauli af Magistraten vaeret forlevet at agere
paa liaadhuset, hvorfor han efter derer Hßje og Velvisheders egen
Accord am Ugen hacer betalt 6 Rdr., hvilket helßher sig i 5 Uger
30 Rdr:
^) Eine leider undatierte Supplik, die die Carlische Komödianten-
gesellschaft in Güstrow einreichte, erwähnt, dass sie vor dem deutschen
Kaiser und vor den Königen von Schweden und Dänemark gespielt
haben (Bärensprung 1, 96).
1669. 99
besuchte TheatervorstelluDg-eu, die trotz wiederholter Einsprache
der Oberalteu fortgesetzt wurden, da sowohl der schwedische Ge-
sandte Gustaf Hörn als die Fürstliche Durchlaucht von Homburg
(d. h. Landgraf Friedrich H, der bald darauf sich bei Fehrbellin
hervorthat) beim Rate ihr Fürwort für Paulsen einlegten^). Anfang
1675 begab er sich nach Husum an den Hof des holsteinischen Herzogs
August Friedrich (1646 — 1675), der zugleich Bischof von Lübeck
war, und traf vor dem 21. April in Lübeck ein, wo er vereint
mit seinem Schwiegersohne Veiten bis zum 7. Juni verweilte.
Da der von ihm beim Lübecker Rate eingereichte Empfehlungs-
brief des Herzogs Gaedertz^) unbekannt geblieben ist, teile ich
ihn hier aus dem Lübecker Stadtarchive mit:
Von GOTTES Gnaden Ang-ust Friederich, Erbe zu Norwegen, Erwöhlter
Bischoff des Stiffts Lübeck, Hertzog- zu Schleßwig- Hollstein, Stormarn
nnd der Dittmarschen, Graff zu Ohienburg- und Dellmenhorst.
Unsern Günstigen Grueß, und allen Wohlg-eneigten Willen zuvor, Edle,
Wohl Ehrenvest, Hochgelahrt und Wohlweise, besonders Liebe
Herren,
Den Herrn füegen wir hiemit zu wißen, daß zu Unsern gnädigsten
vergnügen Carl Andreas Paul, Commoediant, mit seinen Actionen,
bey Unß eine Zeit unterthänigst aufgewartet; Wan nun derselbe bey
seiner Abreise gesonnen, Seinen wegk auf Eurer Stadt Lübeck, mit
bei sich habender Compagnie, daselbst der gleichen zu thuen, zu
nehmen, Unß aber umb Unsere recommendation schrifft abermahln
Unterthänigst gebehten, Avelches wir dan auß sonderbahren Uhrsachen,
Ihm gnädigst mittheilen wollen; Alß gelanget an die Herren Unser
Günstiges Gesinnen, Sie wollen ermelten Carl Andreas Pauli, dieser
Unserer Ihm gnädigst ertheüten Vorschrifft abermahln genießen laßen,
und alle Beförderung und geneigten Willen, wie vor zwey jähren, Un-
seret wegen Ihm auch geschehen, erzeigen, welches Wir umb dieselbe,
und einen jeden insonderheit, in gunsten und aller gewoegnüß zu er-
kennen stets gefliessen sein, die wir dan der Obschirmung Gottes er-
geben. Datum Husum den 10. Aprill aö 1675.
August Friderich.
Denen Edlen, Wohl Ehrenvest Hochgelahrt- und Wohlweysen, Unsern
Besonders Lieben Herren Burger Meister und Rath der Rö-
mischen Keyserlicheu Freyen Reichs Stadt Lübeck.
1) Hamburger Stadtarchiv: Extractus Protocolli Senatus 1674.
2) Theaterzustände S. 48 und 147. Der dort facsimilierte Schnörkel
bedeutet nichts Aveiter als 'et\
100 Bolte, Das Danziger Theater.
Auf einem besonderen Zettel steht:
Anff eing-ekommenes g-nedig-stes Vorsclireiben Ihrer Furstl. Durchl.
hern August Friederichs etc. hat Ein hochm. Raht decretiert vnd dem
Commedianten Carl Andreas Paul vergönnet, die nächste acht tage
vber Erbare, Züchtige vnd nützliche Conioedien alhie zu agieren, jedoch,
das Er sich mit den provisoren zu St. Annen Closter zuforderst wegen
einer gewißen AbgifFt seines verdiensts vergleiche, decr. 21. Apr. 1675.
In den nächsten Jahren fiiessen die Nachrichten über
Panlsen spärlicher. 1676 trat er in Leipzig in der Ostermesse
auf, ebenso 1678 während des Januar, April, Mai und Oktol)er.
1679 erscheinen noch einmal in Dresden die hamburg-ischen
Komödianten vom 3. — 14. Februar, aber es ist nicht sicher, ob
ihr alter Prinzipal damals noch lebte. Auf jeden Fall hatte sich
ihr bedeutendstes Mitglied J. Veiten damals schon von ihr getrennt.
Gerade ein Jahr zuvor, im Februar 1678, war er vom Kurfürsten
Johann Georg IL von Sachsen in seinen Dienst genommen
worden.
Die Spuren von Paulsens Wanderleben reichen also von
1663 — 1678 (oder 1679) ; er muss jedoch seine Schauspielerthätig-
keit weit früher begonnen haben, da er schon 1672 von seinem heran-
nahenden Alter und Ruhebedürfnis redet. Darauf führt uns auch
seine Verbindung mit Veiten, über die ein kürzlich von P. Zimmer-
mann in Wolfenbüttel gemachter schöner Fund neues Licht ver-
breitet ^). Der kunstsinnige Herzog Ferdinand Albrecht I. von
Braunschweig hat sich 1680, als Veltens Trup[)e vor ihm in
Bevern spielte, genaue Notizen ül)er das Personal und das Reper-
toire gemacht und dabei auch bemerkt, daß Veltens Frau Catha-
rina Elisabeth eine Tochter Carl Pauls war, in die er sich als
^Magister verliebt habe, und dass beider Tochter Anna Elisabeth,
die schon bei den Aufführungen mitwirkte, damals im Alter von
acht Jahren stand. Daraus geht hervor, dass Veiten spätestens
1671 geheiratet hat. Da er aber, wie Heine ^j nachgewiesen hat,
schon 1640 zu Halle geboren und 1661 in Leipzig zum IMagister
^) P. Zimmermann, Ein Theater in Bevorn. Braun.sclnvcigi.sciu'
Anzeigen 1894, Nr. 76—81. Das vollständige Material, dessen Ver-
öffentlichung nahe bevorsteht, hat Herr Dr. Zimmermann mir gütigst
zur Einsichtnahme mitgeteilt.
2) In seiner manches Gute enthaltenden, aber vielfach der Nach-
prüfung und Ergänzung bedürftigen Dissertation : Johannes Veiten,
Halle 1887.
1669. 101
promoviert worden war, auch 1664 nach dem Tode seines Vaters
mit der langwierigen Erbteilmig beschäftigt war, so hat es alle
Wahrscheinlichkeit für sich, dass er Carl Paulsen und seine
Tochter 1665 oder 1667 bei ihrer Anwesenheit in Leipzig kennen
lernte und sich alsbald ihrer Truppe anschloss. Seiner litterari-
schen Bildung und vielleicht auch seiner pecuniären Beihilfe ist
es zuzuschreiben, dass die Leistungen von Paiilsens Truppe an
Wert und Ansehen zunahmen, dass sie überall mit grösserer
Achtung, als man bisher einheimischen Komödianten zollte, em-
pfangen wurde und dass ihr Repertoire, auf das ich weiter unten
zu reden komme, durch Hinzuziehung der französischen, holländi-
schen und italienischen Dramatiker bereichert und gehoben wurde.
Paulsen muss, wenn er 1667 schon eine heiratsfähige Tochter
besass, um 1620 geboren sein ^); dann war er 1672 ein Fünfziger
und konnte wohl von seinem heranrückenden Alter sprechen.
Dass Hamburg seine Vaterstadt war, sahen wir schon; ob er,
wie C. H. Schmid in seiner Chronologie des deutschen Theaters
(1775 S. 26) behauptet, der Sohn eines Obristlieutenants war^j,
müssen wir dahingestellt sein lassen.
In Danzig spielte Paulsen auf der Fechtschule und ent-
richtete für jede Vorstellung 12 Thaler an die Stadtkämmerei,
was für die fast viermonatliehe Dauer seines Aufenthalts eine
hübsche Summe ausmachte. Das Kämmereibuch von 1669 (Tit. 64)
verzeichnet darüber:
Comediengelde laut designation vom 22. Aug-usti Ao 1669 bis
7. Decembris eingekommeu 2541 Mark.
Veiten wird damals mit seinem Schwiegervater in Danzig
gewesen sein. Vielleicht gehörte auch ein Danziger Kind, Gott-
fried Salz sieder, der 1680, 1685 und 1691 als ein sehr brauch-
bares Mitglied der Veltenschen Truppe genannt wird, damals
schon zu den Genossen Paulsens^). Diesem wurde während des
1) Vgl. oben S. 96 3.
2) Er nennt ihn Karl Paul und setzt sein erstes Aufti-eten irrtüm-
lich ins Jahr 1628.
3) 1680 bezeichnete ihn der Herzog von Bevern als 'von den
besten einen, so einen Tyrannen wohl rei^resentiren kan'; er spielte
damals u. a. den David in 'David und Bathseba', den Golo in der
'Genovefa', den Mohren Aron im Titus Andronikus, den Antipholus
von Ephesus in Shakespeares Komödie der Irrungen, den Grafen
Gormas in Corneilles Cid, den Cleonte in Molieres Bourgeois gentil-
102 Bolte, Das Danziger Theater.
Septembers, wie aus seiner nachfolgenden Eingabe an den Danziger
Rat hervorgeht, zu seinen beiden erwachsenen Töchtern noch ein
Sohn geboren^), dessen Name sich leider bisher nicht aus den
Taufbüchern der acht evangelischen Kirchen Danzigs ermitteln Hess.
Herr Bürgermeister, WollEdle , Gestrenge, Veste und Hoclnveyse,
sonders Großgünstige Hochgeehrte Herren.
In Lußester [!] Demut kan Ich, dero gehorsamster Knecht, wegen
der Liebreichen und Hohen Vergünstigung, alhier etliche Moralische
Actiones zu praesentiren, nicht Worte geniig finden, meine Vnter-
thänigste Schuldigkeit, nebenst Hertzlicher Dancksagung abzulegen.
Welche mich anmahnet E. WolE. HW. Raht in Künfftiger Zeit an einen
Bestimten tag (:nach dero Belieben:) auff ein Action Einzuladen, vnd
nach Müglichkeit mit schuldiger Ehrerbiethung Auffzuwarten. Zu dem
auch Verwichene Sontags Nacht meine Liebe Ehegattin Ihrer Weib-
lichen Bürden entbunden Vnd Von dem lieben Gott mit Einen Jungen
und wollgestalten Sohn gesegnet worden, Als kan Ich unmüglich
(meine Fortun anderwerts zu suchen) sie allein laßen : Lebe deswegen
der gäntzlichen Zuversicht, E. WE. HW. Raht mir ferner alhier zu
agiren allergnädigst vergönnen werde.
Gelanget demnach an E. WE. HW. Hr. mein Sehnliches Flehen
und inständiges Bitten, Hochgünstig mir meine Actiones, dadurch in
Wahrheit niemand geärgert, weil gar Caute von uns Agirt wird, ferner
einen Ort, da ich selbst eine geringe Bude bawen mögte, oder auff der
Itzig-en Fechtschuel, worauff ich mich gerne wegen Vorstehenden
komme usw. Nach E. Mentzel 9, 119 war er ein ehemaliger Jenenser
Studiosus und that sich durch seine Erfindungsgabe in der Stegreif-
komödie hervor.
1) Möglicherweise haben wir ihn in jenem Schauspieler Ferdinand
Egidius Paulusen oder Ferdinand Pauls wiederzuerkennen, der auf
einem Kupferstich von 1685 dargestellt ist und in den Jahren 1G92 bis
1697 in Stockholm, Merseburg und während der Messzeit in Leipzig
auftrat, z. T. im Vereine mit David Miltzreich, Hermann Reinhard
Richter, dem einstigen Genossen Veltens, und Johann Müller (Wust-
mann, Quellen zur Gesch. Leipzigs 1, 480). Die Wiener Handschriften
13133 und 13134 enthalten zwei Komödien von Ferdinand Kgidius
Paulsen : Elginhard und Imma (1704) und Perseus und Andvoiiieda
(Berlin 1700). — Dagegen stand der Schauspieler Salomon Paulsen von
Quoten, der nach seiner eigenen Angabe (Supplik vom 25. Mai 1723
im Kopenhagener Geheimai-chiv, mir gütigst durch Herrn Vicepolizei-
direktor V. C. Ravn mitgeteilt) 1700—1710 im Dienste des dänischen
Königs war und noch 1747 ein Theater in Kopenhagen eröffnete
(Paludan, Zs. f. deutsche Phil. 25, 340), in keinem Zusammenhange
mit dem Hamburger Principalc Paulsen.
16G9. 103
Eegenwetters, dem gebäw gantz ohne schaden ein geringes Tag i),
entweder von Brettern oder altem Siegel 2), auff meine Unkosten ver-
sichern wolte, zu vergönnen, Daneben gnädig geruhen, warumb ich
denn E. WE. HW. Hr. vnterthänigst bitte, die bißhero gegebene 12
Rhrtl., die Ich richtig bezahlet, zu mindern, in erwegung, ich ohne
meinen mercklichen Schaden So viel täglich nicht würde geben können,
und ist Besser wenig zusagen und halten als Viel Verheißen, wie woU
von andern geschehen, die doch ein wenigs geben sollen, dennoch
nicht gezahlet, sondern heimlich entgangen.
Weil denn nun meine demütige Bitte in höchster Billigkeit be-
stehet, als bin ich ungezweyffelt einer Erfrewlichen antwort gewertig,
welches ich ander ohrts höchlich zu rühmen in keine Vergeßenheit
stellen werde, wie Ich denn Leebenslang verbleibe
E. WolE. Gestr. HW. Hrn.
Gehorsamster Knecht
Carl - Andreas Pauli
Commoediant.
Da7Ai der Vermerk:
Lecta in Senat, d. 26. Septembr. Ao. 1669. Vnd will E. Rath dem
Supplicanten gefüget haben, das er seine actiones continuiren möge
auf der fechtschulen diesen monath durch biß nach Michael, jedoch das
er das vorige gebühr der 12 Thl. vor jedere action der Kämmerey ent-
richten möge.
Löschin (Gesch. Danzig-s 2, 91) führt noch eine von mir nicht
gesehene Verordnung vom 5. December 1669 an: 'Da nunmehro
die Zeit, wo die Komödianten spielen dürfen, vorüber ist, so
sollen sie noch einmal vor E. Rath agieren, und dann beschließen/
Durch ein günstig-es Geschick sind wir über die in Danzig
gegebenen Vorstellungen Paulsens genau unterrichtet, genauer als
über eine andere Truppe des 17. Jahrhunderts, die Veltens aus-
genommen. Der Danziger Ratsherr Georg- Schröder (g'cb. 1635,
gest. 1703), der zu Leipzig und Leiden studiert und dann 1661 —
1663 auf einer Reise durch England, Frankreich, Italien, Deutsch-
land und Polen seine Bildung vervollständigt hatte ^), hat uns in
seinem Tagebuche ^) ausführliehe Inhaltsangaben von acht Schau-
1) = Dach.
2) = Segel. Vgl. oben S. 9, Mitte.
3) Hsl. Danziger Gelehrtenlexikon (Stadtbibl. XV fol, 41) Bl. 71b
ixnd 104 a.
4) Quodlibet oder Tagebuch (Stadtbibl. III A fol. 3G). Andre hsl.
Kollektaneen Schröders enthalten die Handschriften X fol. 30 und X fol.
50. Ich habe daraus eine niederdeutsche Posse 'Bauer Hans unter den
104 Bolte, Das Danziger Theater.
spielen, die er von Paulseus Truppe aufführen sah, überliefert.
Eine unvollständige Nachricht von diesen interessanten Notizen
gab schon Hagen ^), der von Th. Hirsch eine Abschrift erhalten
hatte, aber mit der irrigen Bemerkung, die Stücke seien 1668
und 1669 über die Scene gegangen, während sie doch alle dem
Jahre 1669 angehören. Ich bringe Schröders Bemerkungen voll
ständig zum Abdrucke.
I.
[Bl. 108 a] Im Domnik Commedien gesehen.
Den 5. Sept. Eine Comoedie gesehen von Ibrahim Bassa und
der Isabellen, welche wol anzusehen war. In dem ersten Actu kam
der Soliman mit seinen Käthen zu deliberiren, ob er dem Ibrahim
Bassa, der in die flucht mit der Armada sich begeben, solte nach-
schicken. Darauf wurd der Ibrahim Bassa mit seiner Isabella gefangen
gebracht.
In dem anderen Actu wiird praesentiret ein gefängnüß, darin
Isabella gefangen, und wie der Soliman sie zu überreden sich ange-
legen sein last.
In dem dritten Actu fält Soliman ein uhrtheil , das Ibrahim
Bassa sterben solle, und wird praesentiret, wie Soliman ihm ein
Traürkleid schicket und eine Todten Mahlzeit bereiten last, da der
strick in der Schüssel lieget, damit Ibrahim sol stranguliret werden.
Aber indem Ibrahim stranguliret wird, kompt Soliman und schenkt
ihm das Leben und bittet ihn mit seiner Isabella zu gast.
In dem vierdten Actu practisiret die Kayserin Koxolana, das
Ibrahim getödtet werde, und überredet den Soliman durch Hilft'e des
Mufti, das sein Eidschwur, den er dem Ibrahim gethan, nicht zu halten,
und das Ibrahim, wen Soliman schlaffen würde, sollte enthauptet werden.
In dem Actu quinto schlaffet Soliman und fantasiret, indes wird
Ibrahim enthauptet, und Soliman wird i;nsinnig, indem er die Zeitung
bekommet, und Isabella, nachdem sie das Haupt des Ibrahims über-
kommen, beweinet sie ihn und reiset von dannen, in der gantzeu
Welt über die Tyrannie des Solimans zu klagen.
II.
[108 b] Den 12. Septemb. eine Comedie gesehen, die genandt worden
der Irr gart der Liebe:
In Actu primo wird ein Jagtgeschrey gemachet, und kompt die
Rosalinda herauß, gleichsam einem Wilde nacheilend, und fängt von
Soldaten', deren Mundart auf »las Gebiet am oborn Lauf der Aller
hinweist, im Niederdeutschen Jahrl)uchc 12,1:50 und eine Beschreibung
'unterschiedlicher Tänze' in Birlingers Alemainiia 18, 78 abdrucken
lassen. Vgl. ferner den Anhang.
1) Gesch. des Theaters in Preussen 1854 S. 95.
1609. 105
ihrer Liebe an zu reden. Darauif findet sich der Graff Hendrich zu
ihr, sie entdecket ihm ihre Geneigtheit und bestimmet eine Zeit, das
er zu ihr kommen sol. Dieß höret der Hertzog' von Oxfort, bedencket
sich kurtz auff eine List den GraflF Hendrich fest zu machen, gehet
hin zum Könige der Rosalinden Vater, traget ihm Verrätherey vor
und bringts so weit, das Graff Hendrich ins gefängniß muß, und an
seine stat gehet er hin in den Garten zu Rosalinden bey nacht. Des
Morgens schreibet er an den König, das Graff Hendrich nur solte
"wieder loß gelassen werden, den es were ihm die nacht der Todt ge-
schworen; aber nun hatte es nichts mehr auff sich. Wie nun Graff
Hendrich auß dem Gefängnüß kompt und die Rosalinden spricht, so
meldet sie ihm, sie hätte nach der genossenen Buhlschafft groß Ver-
langen nach ihn gehabt. Er schwöret, das ihm nichts bewust.
In Actu secundo reiset der Graff nach Bristol, damit er der
Rosalinden frey sein möchte, und lesset ihm alda seine vormahls ge-
liebte Rosauram vertrauwen, mit der er 2 Kinder albereit gezeüg-et.
Indessen geräth die Rosalinda in große Traurigkeit. [109 a] Ihr Vater
lesset ihr vorspielen, es Avil aber nichts helffen, und indem kompt Graff
Henrich mit seiner Rosaura und Kindern bey Hoffe an, wird zu ihr
eingelaßen. Darüber entrüstet sich die Rosalinda noch hefftiger, und
indem sein ehester Sohn ihr die Hand küssen wil, schlaget sie ihm in
die Augen. Darauff muß Graff Hendrich abtreten, und der König-
begehret von der Rosalinda zu wissen die Uhrsach ihres Betrübniß,
und Aveil sie solches mündlich zu berichten sich weigert, wil er, das
sie es schrifftlich thue. Welches auch geschieht, und klaget sie Graff
Hendrich an, das er sie geschwängert und davon gezogen sey. Der
König besinnet sich, was zu thun, und lest Graff Henrich holen, der
kompt. Hierauff redet der König mit ihm freündUch und fraget ihn,
was demjenigen zu thun sey, der eines Königs tochter zu fall ge-
bracht und doch sein eigen Gemahl habe. Graff Hindrich antwortet:
Man sol ihn zwingen, das er sein gemahl umbringe. Der König spricht:
Du hast dein eigen Urthel gefället; g-ehe hin und entleibe deine Ge-
mahhn. Der Graff wil sich verantworten, kann aber keine Audientz
haben.
In Actu tertio muß Graff Henrich seine Gemahlin ertödten, er
kau es aber nicht thun, sondern wird unsinnig, und die Rosaura wird
auff ein Schifflein gesetzt und ergiebet sich den Wellen. Hierauff wil
der König Graff Hendrich seine tochter vermählen, er fantasiret aber.
In Actu (luarto kompt der Graff von Bristol, der Rosaurae Vater,
und wil ihren Todt rächen mit Kriegesmacht gegen London und macht
der Rosaurae ehesten Sohn zum General. [109 b] Hierauff kompt der
Graff von Oxfort mit der Rosaurä auff das Theatrum und giebet zu
verstehen, wie er dieselbe von dem Meer errettet, und wil ihrer Liebe
genissen, giebet ihr Kleider, das sie sich wie ein Kammerdiener bey
ihm enthalten solle, gibt ihr zu vernehmen, das er bey der Rosalinda
gewesen.
In Actu quinto kompt die Rosaura in Manskleider wie ein Fluch-
106 Bolte, Das Danziger Theater.
tiger aufs Theatrum, Avircl gefangen und für ihren Sohn gebracht, der
nimbt sie an und macht sie zu seinem Capitain. Der König über-
schickt dem Graifen von Bristol den Henricum und machet den Graff
von Oxfort zum General. Hierauff machet der Graff von Bristol fried
mit dem Könige und wil den Graff Henrick archibusiren lassen. Wie
ihm nun die Augen verbunden werden, so tritt die Rosaura (in der
Capitainstracht von ihm unerkannt) herfür und spricht, er sey un-
schuldig, und übergiebet dem Gi-aff von Oxfort den Ring, den er von
der Rosalinda überkommen. Der Graff von Oxfort bietet der Rosaura
den Duel an. Darüber Avird sie erkandt, das sie Rosaura. Ihr Vater,
ihr Mann und ihr Sohn erfreüwen sich über ihrem Leben. Und der
König setzet den Graff von Oxfort zu Rede über seiner Tochter fall
und gibt sie ihm zur Ehe. Dennoch aber kompt der alte Graff von
Bristol und wil mit dem Graffen erstlich duelliren, gleiches wil auch
Graff Henrich thun. Aber der König spricht sie alle zu Friede und
gibt seiner Tochter Hochzeit.
[110a berichtet Schröder von zwei Predigten des Pfarrers an
St. Marien Nath. Dilger, sowie von dem Feuerwerke, das am Michaels-
tage, d. i. am 29. September 1669 zur Feier der Krönung des Königs
Michael Wieszniewic am Hagelsberge gehalten wurde.]
III.
[111 a] Den 1. Octob. eine Tragediam gesehen von der H. S.
Margaretha und dem S. Georgio.
In Actu Primo kam erstlich der Ertz-Priester Gerup mit seiner
Tochter der S. Margaretha herauß, und streicht mächtig ihren gehor-
sam auß, seinen abschied von ihr nehmende, befiehlt er sie in die Hände
ihrer Pfleg Mutter der Periauna, welche auch auffs Theatrum kompt,
Hierauff geht der alte Priester weg in die Stadt. Die Heil. Margaretha
aber sampt ihrer Pfleg-Mutter bleiben auff dem Theatro und ver-
mahnet die Ptlcgmutter die S. Margaretham zur beständigkeit in
der Religion der Christen, Wie sie noch reden, kompt S. Georgius,
welcher von seiner Wiederwertigkeit redet, das er Schiffbruch gelitten
und in ein unbekandtes land kommen, leget sich und wünschet Christen
anzutreffen. Wie er von danncn wil gehen, so trit die S. Margarcthe
mit ihrer Ptlegmutter hinzu, und nötigen ihn bey ihnen zu bleiben,
geben sich vor Christen kund. Hiemit tritt die Pflegmutter mit dem
S. Georgio abe. Aber die S. Margaretha bleibt noch auff dem Theatro,
und tritt hinter einen Baum. Darauff leget sie sich nieder und Schiäfft,
so kompt der Herr Christus und kündigt ihr an, das sie die Marter
Chron erlangen solle. Sie tritt abermahl an einen Baum bey seit, bald
leßt sich ein jägergoschrey liören, und kompt der Landpfleger von
Cäsaricn Olibrius herauß, alß ob er einen Hirsch vorfoigete, und in-
dem er mit seinen [111b] gefährten von angenchmlichkeit der Jagt
redet, wird er ihrer gewahr, und wil sie an stat der Göttin Diana
1669. ] 07
verehren, lest ihr fragen wer sie sey, sie trit herfür, gibt sich für
eine hirtin aiiß, die der gegend gebohren, nennet ihren Vater, holet
auch ihre mntter herzu, der Fürst nimbt sie beyde mit sich nach
Hoffe.
In Actu Secundo wird der Fürst mit dem Priester Gerup bey
einem tische sitzende präsentiret, der ihme die begebenheit der Jag't
vnnd wie er ein schönes mensch angetroffen erzehlet, sie auch dar-
stellet in fürstlicher kleidung", der Priester Gerup spricht er habe sie
der Gottin Diana zugesaget, aber der Fürst Olibrius spricht er wolle
der Dianen einen Newen Templen bauen, ein ander schönes mensch
zur Priesterin darein setzen, und viel offer thun, damit er nur der S.
Margarethen theilhafftig würde. Die S. Margaretha wiederspi'icht ihnen
beyden, fället auff die knie, und weigert sich. Olibrius heiset den Ge-
rup abtreten, und redet mit ihr heimlich, aber sie stellet sich unge-
behrdig, Avil von ihm nichts wißen, der Gerup kompt wieder auff an-
sinnen der S. Margaretheu, da bekennet sie sich für eine Christin.
Der Gerup holet das Reüchfaß, wil den geist von ihr treiben, sie
reiset ihm das auß der band, darauff schrecket sie der Olibrius mit
der Marter, und leßet sie ins gefängnüß führen. Er aber deliberiret
noch mit seinen Eäthen wie der Sachen zuthun, bekompt Zeitung von
einem Drachen. Gerup ersticht ihre Pflegemutter.
[112 a] In Actu Tertio ist S. Margaretha im gefängnüß andächtig,
und der Herr Christus erscheinet ihr und tröstet sie. Darauff kompt
Olibrius mit seinen Käthen, die wollen ihm von ihrer liebe abmahnen,
und stellen ihm ihi-en geringen stand für, Gerup kompt und sagt er
wolle zu ihr ins gefängnüß gehen, kompt wieder und sagt er habe
nichts außgerichtet, darauff wird ein Schluß, das die S. Margeretha
solle dem Drachen fürgeworffen werden. Darauff S. Georg sagt er
wolle sie- erretten.
In Actu Quai'to wird praesentiret, wie die jMargaretha angebun-
den, und wie der Drach sie zu verschlingen dreüwe, darauff koinp[t]
S. Georg, tröstet sie, und ersticht den Drachen, fället auff seine knie,
dancket Gott, in dem kommen des Olibrii Leute, und nehmen die S.
Margaretham wieder gefänglich an, der S. Georgius aber wil nicht
mit zum Olibrio, sonderen sagt er müße zu[m] Keyser reisen.
In Actu Quinto wird Olibrius schlaffend auff einen stuhl praesen-
tiret, und kompt der Gerup zu ihm, aber er mag ihn nicht leiden,
sagt, der geist der S. Margarethen, die von dem Drachen verschlungen,
steht ihm für äugen. Darauff wird ihm Zeitung bracht das S. Marga-
retha noch lebe und errettet sey, da verspricht Gerup allen fleiß anzu-
wenden sie heidnisch zumachen, aber vergeblich, endlich lest er ihr
den kopff abschlagen, und indem kompt Olibrius, wird rasend und
entleibt den Gerup, den Hencker und endlich sich auch selbst, und
des Olibrii Käthen loben der S. Margarethen beständigkeit.
[Bl. 112 b folgt ein Verzeichnis von lateinischen Büchern meist
juristischen Inhalts, die Schröder 'bey dem Holländer', d. h. einem
holländischen Buchhändler, der den Dominik besuchte, gesehen hatte.
108 Bolte, Das Danziger Theater.
Bl. 113b eine Notiz über eine Inschrift im Gewölbe der Johanuiskirche
und eine Invention, den Noczkenberg abzukarren^).]
[114 a] Von Nathaniel Schrödern ein Buch gehabt und durch-
blättert, darinnen Italiänische Comedien befindlich; der Titel war:
Delle Commedie degV Accademici intronati di Siena La prima
Parte. Raccolte nuovamente et stampate in Siena ad inatanza di Bar-
tolomeo Franceschi MDCXI^).
Le Commedie della Privia par'fe erano : GV Ingannati, 2) IS Amor
costante, S) U Alesandro, 4) L'Ortensio. Sie waren alle in Prosa ge-
schrieben.
IV.
Nath. Schröder.
[114a] Commedia von der Dulcimunda.
Ein fürnehmer König hat eine tochter, die giebt er an einen
außländischen Fürsten, der reiset mit ihr über meer und leidet Schiff-
bruch; er ersaüfft, aber die Dulcimunda wird von dem Algerdo, einem
Edelman und ihrem Hoffmeister, gerettet. Die Dulcimunda, nachdem
sie zu ihrem Vater wieder kommen, verliebet sich in dem Algerdum,
der ihr Leben gerettet und leßet sich mit ihm heimlich Trauen, und
bey nachtzeit zu sich kommen, darüber wird Algerdo von der Wacht
gefangen und der König spricht ein Urtheil, das ihme das Hertz auß
dem Leibe geschnitten solte werden, seine Tochter aber das blutt
trincken solle. Es erbarmet sich aber sein Rath über den Algerdum
und nimbt ein ander hertz und praesentirt das dem Könige, und auch
der Princesse und bringet dem Könige für, das sie todt, wie nun [114b]
der König in sich schlägt, und auch ein geist ihn erschreckt, so ge-
i'ewet ihm der that, und wünschet, das es nicht geschehen. Da kompt
sein liath und spricht, er wolle sie ihm wieder lebendig darstellen, mit
Avelchem der König zufrieden. Darauff leßt der Königliche Rath sie
beyde für Todt auft" einer Todtenbahr liegend stellen und führet den
König hinzu, und erkennet, das sie beyde leben. Da wird auch der
Priester geholet, der sie copuliret hatte, der bezeuget, das sie Ehleüte,
und entstehet bey männiglichen große Frewde.
V.
Commedia vom D. Fausto.
Zuerst kompt Pluto herfür auß der Hellen und rufft einen Teüffel
nach dem anderen: den Tobacteüftol, den Huren-Teüffol, auch unter
anderen den Klugkheit-Teüft'el, und giebt ihnen Order, das sie nach
aller Müglichkeit die Leute betrügen sollen. Hierr]autf begibt es sich,
das D. Faustus mit gemeiner Wissenschaft nicht befriediget sich umb
^ Vgl. Curicke, Beschreibung der Stadt Dantzig 1G88 S. 34S.
2) Ein Exemplar dieses Druckes besitzt die Berliner Bibliothek
(Xq 472). Die Verfasser der Stücke sind Marc Antonio Piccolomiui
und Alessandro Piccolomiui.
1669. 109
magische Bücher bewirbet und die Teüffel zu seinem Dienst beschwüret,
"Nvorbey er ihre Geschwindig'keit exploriret und den geschwindesten
erwehlen wil. Ist ihm nicht gnug-, das sie so geschwinde sein wie die
Hirsche, wie die Wolko.n, wie der Wind, sonderen er wil einen, der so
geschAvinde wie des jMenschen seine Gedancken, und nachdem für
einen solchen sich der kluge Teüffel angeben, wil er, das er ihm 24
Jahre dienen solle, so wolle er sich ihm ergeben. Welches der kluge
Teüffel für seinen Kopff nicht thun wil, sonderei. [115 a] es an den
Plutonem nimt; auff dessen Guttbefinden ergibt sich der kluge Teüffel
in Bündnüß mit D. Fausto, der sich ihm auch mit Blutt verschreibet.
Hierauff wil ein Einsiedler den Faustum abmahnen, aber vergeblich.
Den Fausto gerathen alle Beschwerunge wol; er lest ihm Carolum
i\Iagnum, die schöne Helenam zeugen, mit der er sein Vergnügen hat.
Endlich aber wachet bey ihm das Gewissen auff, und zehlet er alle
Stunde biß die Glock zwölff'e, da redet er seinen Diener an und mahnet
ihn ab von der Zauberey. Bald kompt Pluto und schicket seine Teüffel,
das sie D. Faust holen sollen, welches auch geschiehet, und werffen
sie ihn in die Höhe und zerreisen ihn gar. Auch wird präsentiret,
wie er gemartert wird in der Höllen, da er bald auff und nider ge-
zogen wird und diese Worte auß Feürwerck gesehen werden: Accu-
satus est, judicatus est, condemnatus est.
VI.
Der Princ wird ein Schuster.
Diocletianixs überwindet den Uldaricum König in Engelland, der
auch in der Schlacht umbkommet, seine beyde Sohne aber auff Eath
ihrer Mutter geben ihnen frembde nahmmen, und lernen das Schuster
Handtwerck, des Diocletiani tochter lest ihr Schuh machen bey dem-
selben Schuster, und nachdem sie auff den Schustergesellen Lieb ge-
worffen, fraget sie ihn, ob er sich wol beheirathen wolle, er aber [115 b]
spricht Nein. Sie zeugt ihm im Spiegel ihr gesicht, und stecket ihm
auff seinen Finger rückwerts einen Ring. Da saget er mit grosser
bestürtzung ja. Sein Meister wüste nichts darumb, dennoch fraget er
ihn umb Rath, wie er wol der Sachen am besten thäte, und ob es nicht
müglich, die Princesse vom Schloß zu bringen. Dazu ist ihm der
Meister behülfflich, nehmlich er geht hin und zündet die Pechkrentze
an, alß ob der feind fürhanden, da nun ein jeder vom Schloß dahin
leüfft, bekompt er die Princesse in stille hinweg, und enthalten sich
heimlich. Hierauff wird das volck auß allen heüsern zusammengeprest,
und unter anderen auch der andere Princ, der hält sich Tapffer im
krieg, und wird oberster, erhelt dem keyser das leben, deßhalben er
ihm seine Tochter geben wil, die suchet man allenthalben, sie ist aber
hinweg, endlich wird sie bey dem Schuster fundcn, iind kompt alles
an den tag, das der Oberster ein Princ von Engelland, item das der
Schusterknecht sein Bruder, deme er auch die Princessin gerne
günnet.
110 Bolte, Das Danziger Theater.
VII.
Commedia: Zuletz bekompt der Narr doch das beste
ist eine von den Englischen Commedien, nehmlich von dem König von
Engelland und dem A^on Schottland, deßen Sohn sich in Narrenkleider
verkleidet, und der Princessin abwartet.
[116a Über eine Predigt Dilgers am 18. Sontag nach Trinitatis,
d. i. am 10./20. Oktober 1669.]
vni.
[118b] Comedia vom Liebes Gespänste.
Ein Armer Edelman freyet nach einer Jungfrauwen und zugleich
auch ein Graffe. Wie nu die Mutter der Jungfrawen den GrafFen fest
eingeredet, wil sich der Edelman dem Teüffel ergeben, welches der
Jungfrawen Vater innen wird, und sich in gestalt des Plutonis ver-
kleidet, ihm erscheinet, verheischende ihme alle seine schulden zube-
zahlen, aber er solte auch hernach sein sein. Darauff bringet ihn der
vermeinte Pluto in ein gezimmer, er solte da die gespänste vertreiben,
und daselbst gesellet sich zu ihm seine vormahls geliebte Brautt, mit
welche er hernach copuliret wird.
Diesem Berichte Georg- Scliröders sei es verstattet einige
erläuternde Bemerkungen anzuschliessen.
1) Ibrahim Bassa ist das 1653 gedruckte Trauerspiel
des jugendlichen Lohenstein, in dem die glückliche Lösung seiner
Vorlage, eines französischen Romanes der Scudery, nach Gryphius'
Vorbilde in eine tragische umgewandelt ist, während spätere
Dramatiker wie A. A. von Haugwitz (1684), ein Heidelberger
Anonymus (1686. Hübner, Progr. Neuwied 1893, S. 28. 33) und
der Engländer E. Settle (1677) dem Romaue genauer folgen.
Für die Aufführung mochte es in Prosa umgeschrieben sein.
Vgl. auch ein polnisches Drama, das 1689 im Gymnasium zu
Lesna gespielt wurde (Wojcicki, Teatr starozytny w Polsce 2, 262).
2) Der Irrgart der Liebe ist, wie Creizenach^) gesehen
hat, Lope de Vegas berühmtes Drama La fuerza lastimosa
(gedruckt 1609), das Isaak Vos 1648 u. d. Titel De heldageUße
dwang ins Holländische übersetzt hatte und G. Greflinger 1650
als den bekläglichen Zwang zu verdeutschen versprach ^). Nur
^) Berichte der sächs. Gesellschaft der Wissensch. 1886, 105.
-) Dafür, dass er diese Absicht ausführte, darf man wohl die Auf-
führung des Zittauer Schulrektors Keimann v. J. 1658 als Beweis an-
sehen. Auch das um 1660 in Güstrow eingereichte llopertoire des
Hamburgers Caspar Stiller enthält den kläglichen Bezwang (Bären-
1669. 111
heisst die verliebte Königstochter Rosalinde bei Lope und Vos
Dionysia. Auch der neue Titel scheint aus dem Spanischen ent-
lehnt, nämlich aus Cervantes' Laherinto de amor (1615). 1674
führte Paulsen in Dresden den bekläglichen Zwang unter seinem
ursprünglichen Namen auf, 1683 ebenda Mitglieder der Velten-
schen Truppe den "Liebesirrgarten' ^). Übrigens hatte schon 1645
Harsdörtfer 2) aus der Lopeschen Komödie ein steifes dreiaktiges
Freudenspiel in Prosa gemacht. Die Prinzessin heisst hier Worti-
gund, der von ihr geliebte Graf Wahltemar, seine Gattin Sittraut,
sein Nebenbuhler Kargkram.
3) St. Mar gare ta und St. Georg ist eine Verquickung
der bekannten Margaretenlegende 3) mit der vom hl. Georg, die
völlig mit dem gedruckten Programme einer Görlitzer Aufführung
der 'Hochteutschen Compagnia' tibereinstimmt, das ich nachstehend
mitteile. Da meine Bemühungen, Einsicht in die Akten des
Görlitzer Stadtarchivs zu erlangen, leider vergeblich waren, ver-
mag ich nichts über das Datum dieser Aufführung zu sagen;
vermutlich jedoch ist unter der Hochteutschen Compagnie die
Paulsensche oder Veltensche Truppe zu verstehen. Veiten spielte
Sprung, Jahrb. 1, 94); und noch 1718 am 1. December spielte die Priu-
cipalin Victoria Clara Bönicke in Riga den Bekläglichen Zwang. Da-
gegen war das gleichnamige Stück, das M. D. Drey 1666 in Lüne-
burg ankündigte, wohl davon verschieden, wie der andere Titel
' Vom Könnich Eduardo tertio auß Engelandt' zeigt (Gaedertz, Theater-
zustände 1888 S. 101). — Lopes Drama ist in neuerer Zeit übersetzt
von Bertuch (Theater der Spanier 1, 1. 1782. Vgl. Eambach, Graf Ma-
riano. 1798) und Baret (Oeuvres de Lope 1, 127. 1869); vgl. Schack,
Gesch. der dramat. Litt, in Spanien 2, 351. Dessoff, Zeitschr. f. vgl. Litte-
raturgesch. 4, 7.
1) Im Weimarer Repertoire (Jahrb. der Shakespeareges. 19, 148
Nr. 97) : Der grosse Liebesirrgarten. — Ganz verschiedenen Inhalt hat
Talanders Roman 'Der Liebesirrgarten' (1696. 1724: Verdibond und
Stellanie), die Oper 'Irrgarten der Liebe, oder Livia und Oleander'
(Weissenfeis 1716) und das hsl. Drama 'Das Labyrinth der Liebe, oder
Amor ein Lehrmeister listiger Anschläge' von 1722 (Heine, Wander-
bühne 1889 S. 61. — Amor maestro cVinganni. Bologna 1682).
2) Gesprechspiele 5, 329—438: 'Die Redkunst' (Nürnberg 1645).
Seine Quelle verschweigt Harsdörffer, der sonst (z. B. 3, 363) gern mit
seiner Gelehrsamkeit prunkt, vollständig.
^) Vgl. über sie F. Vogt in Paul-Braunes Beitr. z. Gesell, der d.
Sprache 1,263(1874) und B. Wiese, Eine altlombardische Margarethen-
legende 1890 S. V.
112 Bolte, Das Danziger Theater.
1690 in Dresden den Ritter St. Georg; eine dreiaktig-e Tragödie
des 17. Jabrhimderts "Margaretha die ]\Iärterin' enthält die Wiener
Handschrift 13115; vgl. Jahrbuch der d. Shakespearegesellschaft
19, 147 Nr. 52: "Die märtererin s. Margaretha'.
Zu gnädig-en gefallen und unterthänigst- schuldiger Danck-Be-
zeigung vor die groß- empfangene hohe Gnade wird Einem Hoch-
und Wohl-Edlen Rath der Chur-Fürstlichen Sächßischen Sächß-Stadt
Görlitz Nach gnädigem Erwöhlen und Belieben eines Tages auf dem
gewöhnlichen Schau-Platz, eine herrliche, schöne und gantz Neue Ma-
teri, Genandt: Der verirrte Liebes-Soldat^) Oder Der mit dem
Lindwurm streitende Ritter S. Georg, In unterthänigkeit voi-gestellet
werden Von Der Hoch teutsch en Compagnia Comoedianten. Vor
der Action Ein gantz singender Prologus, Welcher vorstellet den
zweygespitzten Berg Barnassus, nebst den 9. Musen. (2 Bl. fol. auf der
Milichschen Bibliothek in Görlitz, Sammelband B. VII. 71 fol. Nr. 107.)
Nach einer Widmung in Alexandrinern folgt ein Verzeichnis
der Personen und eine Inhaltsangabe:
Olybrius Fürst in Cesarien in der Liebe verirrt
Ger ob der hohe Priester
M a r g a r e t h a seine Tochter
Georg der Ritter
Epimachus )
Memlus j ^''^^' ^^^^'^
H e n c k e r.
Actus I. Gerob, der Heydnische Ertz-Priester, nimmt Urlaub
von .seiner Tochter Margaretha, welche Er, auff Absterben seiner
Frauen, einer Matronen Viorana genant, anbefohlen hatte. Der in der
Wildniß herumschweiffende Ritter St. Georg beklaget sich wegen Ver-
folgung der Christen. Margaretha rühmet des Ritters im Christlichen
Glauben Standhafftigkeit, leget sich, weil sie ermüdet, zur Erden nieder,
siehet im Schlaff den geöffneten Himmel, in welchem ein Engel er-
scheinet. Indem Margaretha erwachet, wird sie den Fürsten auff der
Jagt gewahr, und verbirget sich hinter die Bäume. Olybrius, Fürst
und Stadthalter in Cesarien, erblicket Margaretham, verliebet sich in
ihre Seliönhcit, und nimmt Sie mit sich nach Hofe.
1) Dieser Nebentitel ist Aviederum geeignet, Verwirrung hervor-
zurufen; denn er gehört eigentlich einem ganz andern beliebten Scluui-
spiele an, über das ich in der Zs. f. deutsche Phil. 19, 86 gehandelt
habe. Seither fand ich noch eine Handschrift dieses Stückes, die 1733
der Komödiantin Elisabeth Spilenberg gehörte, im Gothaer Cod. Chart.
B 1531 und eine andre, die einst A. Elensohn besass, im Wiener Cod.
13250. Paludan, Zs. f. d. Phil. 25, 327.
1669. 113
Actiis IT. Olybrius ontdocket Gerob seine gegen Marg'arctha
flaminende Liebe. Gerob verspricbt ihm solche zur Ehe, bemüht sich
aber vergebens, unwissend, daß seine Tochter Margaretha eine Christin
ist. Olybrius wird hierüber entrüstet, lässt Margarethen ins Gefängniss
werffen.
Actus III. Olybrius von Margarethen verschm<äliet, wird gantz
betrübet. Margaretha bekennet, daß Sie eine Christin. Der Ertz-Pries-
ter ergrimmet, will die Viorana, so Sie verführt, erstechen. Worauff
Olybrius erzürnet, befiehlet die Margaretha einem abscheulichen Drachen
vorzuwerffen.
Actus IV. Margaretha wird an einem Felsen, bey oifenbahrer
See, geschlossen, und von einem Engel getröstet. Der Eitter St. Ge-
orge streitet öffentlich mit dem Drachen, erleget denselben, und erlöset
die Mai'garetha von dem Felsen. Margaretha aber wird von des OI3"-
brii Hofe-Bedienteu wiederumb nach Hofe geführt.
Actus V. Olybrius in seinem Sinne verwirret, scliAveret Gerob
den Tod. Gerob lasset seine Tochter Margaretha, Aveil sie sich nicht
wil zum Heydnischen Glauben bekehren lassen, ohne wissen und willen
des Fürsten enthaupten. Olybrius kommt hierzu, ersticht den Ertz-
Priester, hernachmals sich selbst.
Nach der Action einen Tantz, und eine Nach-Comoedie. — In
Herrn George Balls Behausung.
4) Dulcimunda ist nicht, wie Hagen glaubte, E. C. Hom-
burgs Trag-ico-Comoedia von der verliebten Schäiferin Dulcimunda
(1643), die schon Gärtner, wie oben S. 89^ erwähnt wurde, in
etwas veränderter Gestalt 1646 in Königsberg aufgeführt hatte,
sondern nur eine weitläufige Verwandte davon. Beide Stücke
gehen zurück auf eine Episode im 9. Buche des Amadis^), auf
der auch die Komödie von König Mantalor (Liebeskampf 1630,
Bl. X 2 a) und die französische 'Silvie' von Mairet (Paris 1621)
beruhen. Im Romane wird das Liebespaar Arpilior und Galathea
durch den Zauberer des Königs Manatiles derart verzaubert, dass
abwechselnd der Prinz und die Prinzessin wie tot daliegen und
der lebende Teil den vermeintlichen Toten beklagt; erst Ritter
Florisel, der Geliebte der Silvia, zerschlägt den Zauberspiegel
und belebt beide. Während der Anonymus von 1630 die Hand-
1) In der deutschen 1583 zu Frankfurt a. M. erschienenen Ueber-
setzung 2, Bl. 17a (B. 9, Kap. 19). Vgl. Bolte zum Mucedorus 1893
S. XII. Vielleicht gehört auch eine von Wallerotty 1741 in Frankfurt
gespielte Hauptaktion hierher: 'Der Schauplatz der unglückseelig Ver-
liebten, oder Die Würkung einer unmensclilichen Zauberey und der
wider seine eigene Tochter tyrannisirende Vattei*' (E, Mentzel, Archiv
f. Frankfurts Gesch. N. F. 9, 410. 463).
Th.F. XII. 8
114 Bolte, Das Danzig-er Theater.
lung und die Personennamen des Eomanes beibebält, macht
Homburg in seiner Prosakomödie die vom Prinzen Eustadiander
geliebte, vom König Ascanius aber verfolgte Dulcimunda zu einer
Schäferin; ihr Retter Siegfard von Greta erhält die Hand von
Eustadiandcrs Schwester Sidonia, deren Name nebst dem des
Ritters Theogenes aus der Prosabearbeitung von Gabriel Rollen-
hagens 'Amantes ameutes' von 1620 entlehnt ist. Das von Paulsen
gegebene Drama stimmt zwar im Namen der Heldin zu Homburg,
weicht aber sonst erheblich von ihm ab.
5) Doktor Faustus. Ein Faustdrama war schon 1608
zu Graz und 1626 zu Dresden von englischen Komödianten, 1651
zu Prag von Job. Schilling, 1661 zu Hannover von hamburgischen
Schauspielern, 1666 zu Lüneburg von M. D. Drey gespielt wor-
den; aber durch Schröder erfahren wir zum ersten Male Näheres
über seinen Inhalt. Creizenach^) hat auf gemeinsame Züge mit
englischen Dramen von Marlowe und Dekker hingewiesen, wäh-
rend R. M. Werner^) den Einfluss dieser Dichter auf das von
Paulsen gespielte Stück vergeblich zu bestreiten sucht.
6) Der Prinz wird ein Schuster. Auch dies Stück
stammt aus dem Repertoire der englischen Komödianten; offen-
bar war es identisch mit der 'Comödia vom Kaiser Diocletiano
und Maximino mit dem Schuster', die eine englische Truppe am
10. December 1650 zu Dresden spielte (Fürstenau 1, 127), und
mit dem 1674 von Paulsen ebenda aufgeführten Schauspiele
'Crispin und Crispinian'. Die Identität dieser drei Stücke ^) wird
unzweifelhaft, wenn man das englische Original vergleicht, das
ich gelegentlich entdeckte: William Rowleys Komödie A
Slwemälier a Gentleman^). Die Handlung dieses einige anmutige
Scencn enthaltenden Dramas stimmt ganz mit Schröders kurzem
1) Gesch. des Volksachauspicls vom Dr. Faust 1878 S. 5. 47 uml
Der älteste Faustprolog 1887 S. 12. Vgl. auch K. Engel, Das Volks-
Kchanspiel Dr. J. Faust 2 1882 S. 32, der Schröders Bericht irrig auffasst.
2) Zs. f. die östcrr. Gymn. 1893, 199.
") Dazu kommt noch der am 21. Oktober 1718 von der Princi-
palin Victoria Clara Bönicke in Riga g('si)iclle Crispinian.
*) Gedruckt 1638. Tiecks Abschrift im Berliner Ms. germ. fol.
83G. Für dasselbe Stück halte ich das liMO als ein beliebtes Schauspiel
der Schusterzunft angeführte 'Crispin and Crisjyianus" (Halliwell,
Dictionary of old english plays 1860 S. '»fi).
1669. 115
Berichte überein. Rowley beginnt unmittelbar nach einer Schlacht
zwischen den röniisclien Cäsaren i\[aximinns nnrl Dioclctian und
dem Könige Alfred (Allured) von Britannien. Der besiegte Alfred
stirbt an seinen Wunden, seine Gattin wird gefangen ; seine beiden
Söhne jedoch, Ellred und Oflfa, flüchten verkleidet und treten
als Lehrlinge unter dem Namen Crispin und Crispianus bei einem
Schuster zu Canterburj ein, wo des Maximinus Tochter Leodice
wohnt. Diese verliebt sich in den Schusterlehrling Crispin, der
ihr Schuhe bringt, und giebt ihm bei einem zweiten Besuche ihre
Neigung zu erkennen, indem sie ihn mit seiner angeblichen Liebe
zu ihrer Amme neckt ^) und, als er meint, diese sei doch für ihn
zu alt, ihm in einem Zauberspiegel eine jüngere Liebste zu zeigen
verheisst. Da der Text schwer zugänglich ist, setze ich einen
Teil dieses hübschen Gespräches her:
Leodice. Dare you venture on a icife of my chusing?
Crispin. If bofh parties icere ayreed, Lady.
Leodice. Thafs no venture. Ile 2^f07nise, she .^^hall he yong, good
X>arentage, honest. Let her heauty commend itself!
Crispin. It pleases Majesty sometimes to viake S2)ort icifh hiimble
vasselage. So doe you ivitJi me, Lady.
Leodice. You are too hard of heleefe. I ■)nea7ie 2)lfi'inely, I have
some skill in magicke. What would you giue too see her
amply perso)iated in a glasse, that must he your icifef
Crispin. I ivould venture a chiding to stay so long. Wliat may
this meanf
Leodice. I could hy nietroposcopie read thy fate here in thy fore-
head, hy chiromancie find it in thy pahne ; hut these are
petty arts. Now Ile sheic thy hy speculatory magick her
face in this glasse. Kneele, Sir! For't must he done tcith
reverence, I teil you. Now teil 7ne, what thou seestf
Crispin. / see a shadow, Madam.
Leodice. 'Tis hut a shadotc. Hold up thy right hand, and looke
agen! What seest thou now? Any suhstanee yet?
Crispin. I know not, Madam, I am inchaunted with your magick.
Leodice. How lik'st her noiv? Has she a good face?
Crispin. Tis very ivell made, Madam.
Leodice. Who does she resemhle?
Crispin. Your seife, I thinke, Lady.
Leodice. I [thinke,] shees very like m,e.
Crispin. ' I woidd, she were not.
Leodice. \Miy tcouldst not haue her like me?
f
^) Dabei das Ijcliebte Wortspiel mit sufor und suitor.
116 Bolte, Das Danziger Theater.
Crispin. Because no like's the same.
Leodice. 'Tis too long to dally. Aicay with shadowes, and iin-
hrace the siihstance! In troth, I love thee. Nay, doe not
feare, Ile share all dangers with thee.
Darauf giebt endlich Crispinns sieb der Prinzessin als Königs-
sobn zu erkennen und verlobt sich mit ihr. Auch der weitere
Verlauf des Stückes stimmt zu Schröders Bericht; doch ist noch
eine Liebesgeschichte des Prinzen Hugh von Wales und der
schönen Winifred eingeflochten.
Rowley schöpfte seinen Stoff aus zwei Erzählungen, die der
Londoner Seidenweber und Balladendichter Thomas Deloney ^) 1598
zusammen mit einer dritten vom Lordmayor Simon Eyre^) unter
dem Titel 'The Gentle Craff veröffentlicht hatte, um darin der
achtbaren Zunft der Schuster einige mythische Handwerksgenossen
aus fürstlichem Geblüt, Sir Hugh und die Prinzen Crispin und
Crispianus, vorzuführen. Dabei hatte Deloney die alte Legende 3)
von den christlichen Märtyrern Crispinus und Crispinianus, die
während der Diokletianischen Verfolgung aus Rom flüchteten
und in Soissons das Schusterhandwerk betrieben, in freiester Weise
verwertet.
Merkwürdig genug ist, dass Rowleys durch die englischen
Komödianten nach Deutschland gebrachtes Stück sich hier bis
in unsre Zeit auf der Volksbühne fortgepflanzt hat. In den
Jahren 1808 — 1811 sah Ludwig Tieck im Münchener Lipperle-
theater ein Volksschauspiel 'Der Schuster blauer Montag oder
Feierabend', das nach seiner Meinung aus dem Englischen herüber-
^) L. Stephen, Dictionaiy of national biography 14, 327. Das
Bucli lebte im Volke unter dem Titel 'Ilistory of Cris]>in and Cris-
panius" oder 'The Shoemakers Glory' bis ins 18. Jahrhund(n-t fort
(Halliwell, Populär english histories p. 58; Percy Society 23. 1848. —
Ashton, Chap-books of the 18. Century 1882 p. 222).
2) Aus dieser ist Thomas Dekkcrs Komödie 'The Shoemakers
Holiday, or The Gentle Craff (1600 u. ö. Neudnick von Fritsclie,
Thorn 1862; vgl. Herrigs Archiv 26,81; eine kritisciie Ausgabe von
Warnke und Proescholdt, Halle 1886) hervorgegangen, die man fälsch-
lich dem Dr. Barton Holyday (geb. 1593!) zugeschrieben hat.
8) Acta Sanctorum Octobr. vol. 11,495 (1870); vgl. F. G (irres,
Crispimis der Patron der Schiisterzunft. J.ilirbücher f. i)rotestant. Theol.
13, 519 (1887). Ein französisches Mysti-re de St. Crcspin et St. Crespi-
nien ist 1836 von Dessalles und Cliabaillc herausgegeben.
1669. 1 1 7
gekommen sein muss^). Dasselbe Stitek ist in einer Salzburger
Handschrift vom Jahre 1788 als 'Der Schuhmacher Blaue Mon-
tag, oder Chrispin und Chrispinianus' enthalten; es Avurde noch
um 1830 von den Laufencr Schiffern gegeben^).
7) Zuletzt bekommt der Narr doch das Beste.
Gedruckt in den Englischen Comoedien 1620 Bl. R6b = Tittmann,
Die Schauspiele der englischen Komödianten 1880, S. 197 —
Engel, Deutsche Puppenkomödien 11, 73(1892). Die zahlreichen
Aufführungen verzeichnet Creizenach, Schauspiele der englischen
Komödianten 1889, S. LVII. Ein daraus abgeleitetes Marionetten-
spiel 'Der Prinz als Narr' bei Engel 11, 1.
8) Das Liebes g es pen st scheint auf Calderons kunst-
voll ersounener Komödie 'El gaJcm fantasma' (Der Liebhaber
als Gespenst. 1637) zu beruhen, die Quinault 1659 unter dem
Titel Le fantöme amoureux' ins Französische und Lingelbach
1664 (De spooTcende Blimiaer) ins Holländische übertragen hatte.
Hier ist es ein Herzog, der Astolfo, seinen Nebenbuhler bei der
schönen Julia, im Zweikampfe verwundet und für tot verlässt.
Astolfo wird aber von seinem Vater (nicht dem der Julia) heim-
lich gerettet und schleicht als Gespenst vermummt allnächtlich
zu Julia. Die Rolle der Mutter ist ein Zusatz des deutschen Be-
arbeiters. Wohl dasselbe Stück war das im September 1695
von Merseburgischen Hofkomödianten (H.R.Richter) in Nürnberg-
gegebene Nachspiel 'Das verliebte Nachtgespenst' und die im Juni
1741 zu Frankfurt a. M. von Wallerotty gespielte Burleske
'IJamore vuol politica, oder das verliebte Nachtgespenst' ^).
Gryphius' Verliebtes Gespenst (1660) steht dagegen ganz abseits
von dieser Reihe.
Um Paulsens Repertoire vollständig überblicken zu können,
wollen wir noch die von ihm 1674 und 1679 in Dresden ge-
1) Tieck, Phantasus 3, 199 (1845). Aus dein Leben Th. von Bern-
hardis 1, 44 (1893).
2) Der Laufner Don Juan hsg. von R. M. Werner 1891 S. 49.
A. Hartmann, Volksschauspiele 1880 S. 38.
•■') Will, Histor. dipl. Mag-azin 1, 214 (1781), E. Mcntzel 9, 449. —
Man könnte hier allerdings aucli an Cahlerons Jiig'endstück La dama
duende (1629. Französisch von D'Oiiville, Uesjyrit fallet 1641 und
Hauteroche 1684. Holländisch 1670 von A. Pej^s und 1677 von Lod.
Meyer) denken.
118 Bolte, Das Danziger Theater.
spielten Stücke nach FürsteDaus Bericht (1, 244. 253) hier an-
reihen.
9) Prinz S i g- i s m o n d o. — Caldcron, La vida es sueno
(1635), französisch 1646 von Gillet de la Tessounerie, holländisch
von Rodenbiirg-h (1636) und von Schonwenbergh (1647). Deutsche
Aufführungen von M. D. Treu 1666 und 1670, Veiten 1690.
10) Die Liebesprobe. — Liebeskampf 1630 Bl. 06a:
'Comoedia vnd Prob getrewer Liebe'. Aufgeführt von Treu 1670
und 1681, von Veiten 1688.
11) Der kluge Knecht M a s c a r i 1 1 i a und der ein-
fältige Herr. — Moliere, L'Etou7'di (1653). Aufgeführt von
Paulseu 1679, von Veiten 1684 und 1690.
12) C r i s p i n und C r i s p i n i a u a = Nr. 6.
13) Alarich. — Veiten gab 1680 "Alari und Soniiro',
Wttrtembergische Hofkoniödianten 1706 in Nürnberg 'Alari oder
die irrende Geilheit'. Aufführung in Regensburg 1711. Im Wei-
marer Repertoire Nr. 23 'Die gestraffte geilheit'.
14) Aspasia. — Veiten 1690. Vgl. Bolte, Archiv für
neuere Sprachen 82, 118.
15) Die verführerische A 1 a m o d a. — F. Sbarra,
La Moda. favola morale (Bologna 1652), verdeutscht von Pater
Const. Arzonni : Betrug der Allamoda, sittliches Gedicht vnd Schaw-
spiel (Prag 1660 fol.). Aufgeführt von Treu 1681.
16) Das veränderliche Glück. — Veiten 1690.
Nach Heine (Wanderbühne 1889 S. 73) identisch mit dem Eisernen
K(»nig, vielleicht aber vielmehr mit 'Alexanders Glücks- und ün-
glücksprobc'.
17) Der alte Geizhals. — Moliere, L'avare (1667).
Deutsch 1670 in der Schaubühne engl, und französ. Komödianten
3, 210. Veiten 1684 und 1688.
18) Der treue Kerker (V).
19) Genovcva, Pfalzgräfin zu Trier. — A. F. Wouthers,
Di', lieylige Genoveva (1664 u. ö.). Deutsch in der Gotliaei* Ilaud-
sclirift Ch. B. 1628. Veiten 1680 und 1()90.
20) Das grosse Ungeheuer, oder der eifersüchtige
Herodes. — Calderon, El mayor monsfruo /o.v celos (16;)7).
Französisch von Tristan TErmite (Marianne 1636), italienisch von
Cicognini 1670, holländisch von K. Lcscailje 1685. Veiten 1688.
Ein Programm "Herodes und Marlene' vom 1. Oktober 1733 in
I6n9. 119
Stockholm. Vgl. Reiiihardstöttner, Aufsätze und Abhandlungen,
1887 S. 41.
21) Das durchlauchtige Bet t elm äd chen. —
Veiten 1688. Ein Programm der Badischen Hofkomödianten
(Chr. Friedr. Loancoupy) Strassburg 1671 ; ein andres Memmingen
1739. Vgl. Jahrb. der Shakespearegesellschaft 22, 199.
22) Der b e k 1 ä g 1 i c h e Z w e r g (1. Zwang) = Nr. 2.
23) J 0 s e p h 0 der Jude von Venedig. — Schon
1626 von John Green in Dresden gespielt. Eine um 1654 ver-
fasste Bearbeitung von Christoph Bliimel ist bei Meissner (Die
engl. Komödianten in Oesterreich 1884 S. 131 ; vgl. Creizeuach,
Schauspiele der engl. Koni. S. 59) abgedruckt. Shakespeares
Kaufmann von Venedig ist neben einzelnen Zügen aus Marlowes
Juden von Malta darin verwertet. Aufführung in Stockholm 1733.
24) Die gottlose Königin 0 d o m i r e. — Veiten
1690: Odomira. Auf dem Stuttgarter Archive liegt eine Hs.
von Veltens Pickelhcring Chr. Janetzky: "Die heillose Königin
Odomire oder die lebendig begrabene Printzessin Merolome.' Ein
gedrucktes Argument der Hochdeutschen Komödianten: 'Die treu-
lose Königin Odomira, oder die siegende Unschuld' erschien 1708
zu Regensburg.
25) Mum (Possenspiel, wie auch Nr. 26 — 38). — Vermut-
lich die englische Singposse "IV^e blacJc man, die 1633 vonFonteyn
ins Holländische übersetzt worden war: vgl. Bolte, Singspiele der
engl. Komödianten 1893, S. 2S. 83.
26) Des Schneiders Weib im Sacke.
27) Der alte geizige Pantalon. — 1722 wird citiert:
Der betrogene Pantaleon.
28) Vi s i b i 1 i s und i n v i s i b i 1 i s. — Englische Comödien
1620, Bl. Xx la: 'Pickelherings Spiel, darinnen er mit einem
Stein gar lustige Possen machet' = Tittmann, Schauspiele der
engl. Komödianten 1880 S. 237, vgl. LV. Holländisch von Jan
Soet 1637. Gespielt von Veiten 1680 und 1684. Vgl. den Anhang.
29) Der Dachdecker.
30) Die Bauernhochzeit. — A. Elenson 1680 in
Bevern.
31) Pickelherings Anatomie (1. Academie). —
Elenson 1680. Nach dem bei Creizenaeh, Engl. Komödianten
S. 14 f. mitgeteilten Linzer Programme von 1699 identisch mit
120 Bolte, Das Danziger Theater.
Molieres Malade imaginaire. Diese Verdeiitscliung ist also älter
als die 1694 iu der Nürnberger Molicre Verdeutschung' erschienene.
32) Der Speckdieb. — Die Witwe Veiten gab 1702
in Hamburg: ^Der vom Pickelhering ermordete Schulmeister, oder
die artig betrogenen Speckdiebe'. A. Elenson 1680: ^Pickelhering
und Schulmeister'.
33) Das F 1 e i s c h e r m ä d c h e u.
34) Der Niesende.
35) P i c k e 1 h e r i n g s Schuldner.
36) Der Marktschreier.
37) Die Perle. — Auch 1679. Veiten 1690. Fremde
Komödianten gaben 1672 in Dresden das Possenspiel von Braten
und der Perle. Heine (J. Veiten S. 38) denkt an M. Girardin,
Le Collier des perles (1672).
38) Der gestopfte Pickelhering. — Auch 1679. Quoten
gab 1748 in Kopenhagen 'Den udstoppede Harlequin (Ovcrskou,
Den dauske Skueplads 2, 64).
39) Jungfer Ca p itain (1679, wie auch Nr. 40—56).
— Montfleury, La ßle capitaine (1672) nach Figueroa (Archiv
für neuere Spr. 82, 124). Veiten 1684.
40) Drei 0 r o n t e s. — Boisrobert, Les trois Orontes (1652).
41) David und B a t h s e b a. — Veiten 1680. Halle 1696.
Riga 1718.
42) Der neue F u n d , den Teufel zu betrügen. — Veiten
1688: Des Teufels Betrug.
43) Das beneidete Glück. — Veiten (?) 1683.
Treu 1684.
44) Der künstliche L ü g n c r. — Nicht nach Corneilles
Menteur, sondern nach Caldcron, Lances de amor y fortuna
(16.35). Veiten 1680 und 1690. Vgl. unten S. 143 f.
45) Die grosse Königin Orontea. — Cicognini,
L'Orontea (1649). Deutsche hsl. Übersetzung Serapeum 1866,
320. Programm Stuttgart 1699. Aufführung Dresden 1()60.
46) Die glückliche Eifersucht. — Cicognini, f.e
gelöste fortunate del principe don llodrigo (1654). Deutsch
von Künickhl und Blümel (1662. Scrn])cuni 18()(), 319. Wiener
Hs. 13229). Aulführungen: Altenburg 1671, Lüneburg 1()80,
Dresden durch Veiten 1690, durch Wallerotty in Frankfurt
1741.
1669. 121
47) Die Eifernde mit sich selbst, oder die betriig--
liehe Maske. — Schaubühne der englischen und französischen
Comüdiautcn 1670 1, 254: 'Die Eyferndc mit Ihr selbst' nach
Boisrobert, La jalouse d'elle meme (1649). Vgl Archiv für
neuere Sprachen 82, 121.
48) Amor der Arzt. (Possenspiel, wie auch Nr. 49 —
56). — Moliere, L'amour medecin (1665). Übersetzt in der Schau-
bühne 1670. 1, 6.
49) Schreiber und Koch. — Veiten 1690.
50) C a p i t a i n S t a. — Vg-1. Veiten 1690 : Capitain Colwey.
51) Der freiwillige H a h n r e y. — Montfleury, L'ecole
des Jcdoux ou le cocu volonfaire (1664).
52) Der ausgestopfte Pi ck el h eri ng == Nr. 38.
53) Mascarilias = Nr. 11.
54) Jodelet. — Tho. Corneille, Le geölier de soi-ineme
(1655) nach Calderon, El alcaide de si mismo. Veiten 1684
und 1690. Vgl. Archiv f. n. Spr. 82, 123.
55) S c a b i n s Betrügereien. — Molicrc, Les fourberies
de Scapin (1671).
56) Die P e r 1 e = Nr. 37.
Dazu kommen noch drei mit mehr oder minder Sicherheit
Paulsen zuzuweisende Stücke:
57) Hamlet. — Dass die alte deutsche Bearbeitung von
Shakespeares Hamlet, 'Der bestrafte Brudermord' (zuletzt von
Creizenach, Engl. Komödianten S. 125 herausgegeben) aus Paulsens
Repertoire herstammt, erweist eine Scene (ebd. S. 163), in der
der Principal Carl selber auftritt und dem Prinzen von seinen
Wanderzügen nach Hamburg, Dresden und Wittenberg erzählt.
Hierauf hat zuerst Litzmann (Zs. f. vergl. Littgesch. 2, 6) auf-
merksam gemacht.
58) T i b e r i u s von F e r r a r a und Anabella von Mömpel-
gard. — Eine Bearbeitung von Marstons Parasitaster, or the Fawn
(1606), die sich in einer Handschrift des Danziger Eatsherrn G.
Schröder erhalten hat^). Über sie wird im Anhange dieses
Werkes zu reden sein.
I
1) Auf der Stadtbibliothok X fol. 30. Darin steht auch die oben
S. 103* erwähnte niederdeutsche Posse 'Hans unter den Soldaten' und
eine unbeholfene Dramatisierung von Valentin Schumanns Novelle
122 Bolte, Das Danzig-er Theater.
59) Der stumme Ritter, oder Vntrew schlecht ihren
eyg-en Herrn. — Nach Machin, The dunib Jcnight (1608). Ein-
gelegt ist die oben unter Nr. 28 erwähnte Posse von dem un-
sichtbar machenden Stein. Ebenda.
Bei der Musterung dieses Repertoires fällt in die Augen,
dass anfangs^) die von den Engländern importierten Bühnen-
werke überwiegen, während sich später der Einfluss der fran-
zösischen und spanischen Dramatik geltend macht. Von den
englischen Komödianten stammen zehn Nummern her: von Mar-
lowe (Nr. 5), Shakespeare (57), Machin (59), Marston (58), W.
Rowley (6 = 12), anonym (23. 25) und aus den gedruckten
Englischen Comödieu von 1620—30 (7. 28. 10). Elf bis zwölf
Stücke sind französischen Ursprunges: von Moliere (11. 17. 31.
48. 55), Büisrobert (40. 44. 47. 51), Thomas Corneille (54),
Montfleury (39) und vielleicht Desmarets (14). Darunter sind
die 7 spanischen Schauspiele teilweise mitgerechnet, die durch
französische, italienische oder holländische Vermittlung nach
Deutschland drangen: Calderon (8. 9. 20. 44. 54), Lope de Vega
(2 := 22) und Tirso de Molina (47). Den italienischen Dichtern
Cicognini und Sbarra sind 3 — 4 Nummern entlehnt (20. 45. 46. 15),
den Holländern Jan Vos und Wouthers zwei (2 = 22. 19). Von
deutschen Dichtern sind nur zwei, Lohenstein und Greflinger, mit
je einem Werke (1. 2) vertreten; Gryphius fehlt ganz. Der Rest
mag noch einige ausländische Waare enthalten oder auch von
unbekannten Schauspielern für ihr Bedürfnis komponiert sein.
So namentlich manche der kürzeren Possen oder Nachspielen,
von denen sich unter den 59 oder, wenn wir die Doubletten
abrechnen, 54 Stücken 18 vorfinden.
Man wird kaum fehlgehen, wenn man in der allmählichen
AI)wendung von den englischen Vorbildern und in der Ikvor-
zugung der französischen und spanischen Litteratur den Einlhiss
von Christoph von Mömpclgart und Vcronica von England (Nachthüch-
Icin 1559. Neudruck von Bolto 1893), die aber von ganz andrer Iland
herrühren als die oben erwähnten Komödien und auf keinen Fall mit
Paulsen zusammengebracht werden dürfen. Vgl. [Mannhardt,] Alt-
pr(uissische ^lonatsschrift 2, 22.S und Bolte, Niedcrdeutsclies Jahrbuch
12, im.
^) Die undatierten Nummern 57—59 geliüren sicherlich in eine
frühere Periode als die voraufü-ehendeu.
1669. 1670. 123
von Paulsens Scbwieg-ersohn Veiten erkennt, der als der ein-
flnssreichste und ang-eschenstc deutsche Schauspieler des 17. Jahr-
hunderts bezeichnet werden muss. Denn in Veltens Repertoire
finden wir nicht weniger als 22 oder 23 Stücke Paulsens^)
wieder, wozu wir noch die Nr. 8. 30. 31 rechnen dürfen, da diese
Richter und Elcnson in der Zeit ihrer Zug-ehörig-keit zur Veltenschen
Truppe überkommen haben werden; im ganzen hat Veiten also
nahezu die Hälfte von Paulsens Repertoire übernommen und
weiter fortgepflanzt. Ob die Gemeinsamkeit von fünf Stücken
(5, 9. 10. 15. 43) mit dem Schauspieler Michael Daniel Treu,
der als Genosse von Andreas Joachim Wulff und selbständig in
Dänemark, Norddeutscliland und München auftrat, auf eine Ver-
bindung mit der Truppe Paulsens zurückgeht, lasse ich dahin-
gestellt. Auf jeden Fall tritt uns Paulsen als einer der be-
deutendsten Principale seiner Zeit entgegen, und sein Besuch
Danzigs bildet ein Ruhmesblatt in der Theatergeschichte dieser
Stadt.
1670 hielten die sämtlichen Gesellen des löblichen Hand-
werks der Tischler und Schnitzker ein Fastnachtspiel, 'gleich
wie dasselbe vor albereit 66 Jahren (also 1604) alhier in Dan-
tzig geschehen ist', nachdem ihnen der Rat am 13. December
1669 solches acht Tage auf der Fechtschule zu halten vergönnt
hatte. In ihrer Supplik geben sie folgende Beschreibung der
ganzen Feierlichkeit :
'Es müßen die Gesellen alle daß Handtwerks Zeug vom großesten
))iß zima kleinesten, welches zum Tischler und Bildtschnitzker Handt-
wcrgk gehörig, vonu Holtz ncw machen und ein jedes Stück nacli
seiner art mit färben anstreichen und ziehren laßen, jedoch alles auft'
der Gesellen Unkosten. Es wirt zu solchem spiel und aufFzug erkohren:
auß den Gesellen ein Haubtman, Leütenant, Fendtrich, worvon der
Fahn, welchen der Fendtrich führen thut, von lauter Hu.belspenen zu-
sammen gemacht und mit Farben geziehret wirt, und traget ein iet-
weder dabey seyender Gesell des obgedachten Handtwercks in gutter
Ordtnung ein eintziges Stücke vonn solchem gemachetem Höltzeren
Handtwerckszeüg in seiner Handt, da dan ein solch Stücke holtzernes
wesen seine gemachte Reime, die der Gesell auß erforderen auß-
Avendig sagen und beybringcn müßen. Es Averden auch an anderen
Orteren, da solches spiel und axifzug gehalten wird, in sonderlicher
1) Nr. 2. 9. 10. 11. 13. 14. 16. 17. 19. 20. 21. 24. 28. (32). 37. 39.
41. 42. 43. 46. 49. (50?) 54.
124 Bolte, Das Danziger Theater.
anmevkung- aber in vornehmen Stedten solches in 3 sonderliche Actus
abgetheilet; und Avan solches woll ang-estellet und g-utt durch die Per-
sonnen ag-iret wirdt, unseres Erachten nach woll Avürdig' anzusehen
und zuhören ist, in sonderlicher anmerckung- kein übeles, vil weniger
ungebührliche werte darbey erfolgen thun, noch enstehen kann.'
Georg Schröder hat in seinem oheu erwähnten hsl. Tage-
i B
erachtet:
buche Bl. 125 a den Aufzug- ebenfalls einer Schilderung- für wert
[125a] Von der Schnitzker Fastnacht-Auifzüge.
Den 17. Febr. A. 1670 haben die Schnitzker einen stattlichen
Fastnacht-Auffzug gehalten. Für Erst ist ein Capitain gegangen mit
einem Plüßner Kock, deme seind gefolget 2 Wilde Männer mit einem
außgekleideten Bähren. Für andere ist die Stärcke kommen mit allem
Schnitzker gerättschafft, hernach die vier Jahres Zeiten, ein Schäffer
und Schäfferinnen, die das Holtz gelobet. Fürs dritte ist die Justitia
kommen mit dem Lichte, und ist die Controversie ventiliret worden,
ob die Gesellen bey Licht sollen arbeiten, iind ist das Licht verdampt
worden. Fürs Vierdte ist gekommen die Hoft'nung und Zuletz ist die
rotte bancke getragen worden, darauff der Baur behobelt worden.
Sie haben aber die gantze Woche gespielet in der Breitgaße in der
Callenbachschen Hause, da sie ein Theatrum bereitet, und viel gelt
eingenohmen haben.
[125b] Eben an selbigem Tage scind auch die Schmiede hcrumb
gefahren und einen Prächtigen AufFzug gehalten. Erstlich wurden ihr
Trinckgescliirr getragen, hernach ihr schilt nehmlich ein gülden IIuflF-
eisen an einer eisernen Stangen, hernach die Werckshide, umb Avelche
6 Schlachtschwcrter getragen, darauft" kam ein HaufFe marchirct mit
röhren, und in der Mitten ein Fendrich, darauflf der Schmiede Wapen
auff blau Tafft gemahlet zusehen, letzlich kam ein großer Wagen mit
vier Pferden gezogen, darauf? hatten sie ein Amboß eine Esse mit dem
Schorstein, und einen Blaßbalch, und schmiedeten von ireven stücken,
sie beschlugen ein Radt, machten ein Huft'eisen, und endlich hingen
sie ihr schilt aiiß in der Joppengaße im Trägerhause.
Was hier von der eigentlichen dramatischen Aufführung
berichtet wird, stimmt ganz zu den drei Texten, die uns von
Schreinerspielcn des 17. Jain-liuiidcrts aus Regcnsburg, Nürnhorg
und Hamburg- erhalten sind. Der Regcnsburgcr Text ist nach
der 1618 von Stcffan Egl gemachten Aufzeichnung 1893 von
August Ilarlmaiui (l^ayerns IVIundarten 2, 1) herausgegeben wor-
den; der Nürnberger ist einer hsl. Chronik dieser Stadt (Mün-
chener Cod. gcrm. 3587) unter dem Jahre 1656 einverleibt, der
Hamburger endlich ist 169G und 1714 gedruckt worden. Über
1670-1674. 125
das Verbilltnis dieser Haudwerkcrkom(5dien zu einander und die
sonst erhaltenen Nachrichten über derartige Aufiuliriing-en werde
ich später Genaueres verüftentlichen.
Im selben Jahre spielte vom August bis in den Oktober
der Komödiant Joris oder Georg* Benteley^), 'Englischer Tantz-
meister und Principal hochteutscher Comoedianten', mit einer
Bande von 16 Personen. Er citiert in seiner ersten Supplik
Comenius' Pansophia I § 88 2) als klassischen Zeugen für den
Wert der Schauspiele und rühmt sich, 1669 in Krakau bei der
Krönung Michael Wiszniowieckis^) gespielt zu haben. Der Rat
erlaubte ihm am 30. Juli, vier Wochen lang zu agieren, wenn
er sich mit der Kämmerei abfinde und um 6 Uhr zu agieren
aufhöre. In einer zweiten Bittschrift erwähnt er, dass er 20
Komödien, davon eine dem Rate zu Ehren, auf der Fechtschule
gegeben habe, und bittet um weitere Spielerlaubnis in der Reit-
schule am Stadthofe; die wenigen Lichte, die er 'ganz niedrig
nebest dem Theatro' präsentiere, könnten im geringsten keinen
Schaden thun. Er erhielt am 6. Oktober Freiheit, noch 12 Tage,
aber nur bei Tage zu agieren. — Ob Bentleys Truppe mit der
1670 in Königsberg auftretenden (Hagen, Theater in Preussen
S. 103) identisch war, bleibe dahingestellt.
1674. Auf der Stadtbibliothek (XVII. C. q. 39) hat sich
eine aus diesem Jahre stammende hsl. Übersetzung von Gua-
rinis Schäferspiel II pastor fldo durch den Danziger Heinrich
Schwartzwald erhalten, eine schülerhafte Arbeit in uubehilf-
licher Prosa:
H Pastor fido. Der Getrewe SehäfFer aiiß dem Italiänschen ins
Teütsche überg-esetzet Vom H. S. [Von andrer Hand: id est Dn.
Henricus Schivartzicald, Consid Gedanens., qui haec manu propria
etiam scripsit. Mortuus Ao 1705 den 27. Martii. Scabinus electus
Ao. 1688 d. 16. Mart. Consid Anno 1691.] 74 Bl. 4».
^) Dieser war 1665 Tanzmeister und reitender Kammerdiener bei
Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen, wurde dann entlassen und
1674 wiederum angestellt (Fürstenau 1, 224). Im Januar 1669 kam er
von Dresden nach Leipzig- und gab dort Vorstellungen (Wustmann,
Quellen zur Gesch. Leipzigs 1, 477).
^) Comenius, Opera didactica omnia 3, 32.
3) Am 29. September 1669.
126 Bolte, Das Danzig-er Theatei'.
Im selben Jahre, und zwar wahrscheinlich im Dominik, er-
schien die "Teutsche Compagnie der Comödianten', erhielt aber
keine Spielerlaubnis, sondern musste sich in der Vorstadt, d. h.
im Schottland, aufhalten. Dies geht aus einer unten abgedruckten
Supplik V. J. 1675 hervor. Die Truppe hatte zuvor drei Wochen
während des Juni in Berlin gespielt^) und ging von Danzig aus
nach Königsberg, wo sie als die Hiochteutsche Compagnie' bis
in den November Vorstellungen geben durfte 2). — Wahrschein-
lich war es die Truppe des Christian Bockhäuser, der 1660
in Lüneburg, 1668 in Wismar und Leipzig, 1669 in Lüne-
burg, 1671 in Schwalbach und Frankfurt a. M. und 1679—80
in Riga erscheint und in ähnlich kläglicher Weise suppliciert^).
Die Bezeichnung '"hochdeutsche Komödianten', die wohl im Gegen-
satze zu den englischen und holländischen Schauspielerbandeu
gewählt war, kommt allerdings in dieser Zeit häufiger vor, so 1656
in Strassburg, 1672 in Riga, wo wir sie (S. 97. 111) auf Paulsen
bezogen, 1675 in Lüneburg, 1681 in Lübeck (fehlt bei Gaedertz),
1682 in Rostock, Stockholm und Riga, 1683 in Danzig, 1688 und
1689 in Graz, 1691 und 1699 in Riga, 1719 in Kopenbagen
u. s. w. In Riga traten 1691 sogar zwei verschiedene ''Com-
pagnien hochdeutscher Comoedianten' auf, von denen die eine
wohl unter dem bei Gaedertz S. 119 erwähnten Franz Melchior
Hart aus Sachsen stand (doch vgl. unten z. J. 1691). Der
1665 — 1697 thätige Principal Jacob Kuhlraann aus Sachsen,
der seine Truppe ebenfalls als hochdeutsche Komödianten be-
zeichnete, ist, wie ich zur Ergänzung von Trautmanns Nach-
weisen (Jahrb. f. Münch. Gesch. 3, 321) bemerke, auch 1665 und
1666 zu Strassburg, 1677 in Hamburg und Lübeck und 1691 in
Kiel aufgetreten. Über J.A. üblich vgl. unten z. J. 1699.
1675 kehrte die im vorigen Jahre abgewiesene Bande
wieder, erhielt aber am 8. Juli den gleichen Bescheid. Wie-
derum nahm sie ihren Weg nach Königsberg und traf dort im
August ein 2). Sie wird uns 1683 nochmals begegnen.
1) Erlaubnis vom 4. Juni 1G74 im Berliner Staatsarchiv 11. 0. L. L.
Nr. 7 c.
2) A. Haj,^en, Tlieater in Prcussen IHM S. 103.
^) Gaedertz, Theater/.ustände l.s.SS S. 81. lOf). Wustniann, Quellen
zur Gesch. Leipzigs 1, 477. K. Mentzel, Archiv f. Frankfurts Gesell.
N. F. 9, 100. Kig-aer RatsprotokoUe.
1G74. 1675. 127
Herr Bürgermeister,
Wohl Edle, g-estreiiye, Veste, Nahmhaffte, Hoch und -wohlweise, Iiig'c-
sanibt hoch geehrte, Großgünstige Herrn.
Die Bedrängte und jederman Bekannte Nahrloß sitzende Zeith
hat uns, den Ruhm dieser weith Berühmten See- Kaiiff- und Handels
Stadt Dantzig zu erfahren, abermahlen anhero getrieben und bei E. PI
Hoch und Wohhveisen Raht, ob die Teutsche Compagnie der
Comoedianten in Fürstellung einer undt der andaren Stücken einige
Licentiam in Gnaden erlangen könte, durch diese Supplication, welche
wir nebenst unsern zu allen ersinnlichen Zeithen schuldigen Diensten
in tieffster Demuth zu E. E. Hoch und Wohlweisen Rahts Füßen legen,
auffmuntern wollen. Wann dann nun wir ingesambt desfals schon
vorm Jahre, wie ein E. E. Raht sonder Zweiifel bekannt, eine repulsam,
Bekommen, und dannen hero victum et amictuDi zu suchen Kümmer-
lich unser Brodt auff der Vorstadt^) nicht sonder großen Unkosten,
dardurch wir auch in nicht schlechten ruin gesetzet, genöthiget worden ;
als zweiffein wir nicht, E. E. Hoch und Wohlweiser Rath werde ver-
möge angebohrner dexteritet diese unsere demühtige Supplication in
Gnaden auff und annehmen, und uns unsern flehentlichen ansuchen
fruchtbarlich genießen laßen. So nun E. E. Hochweiser Raht wieder
verhoffen uns unserm ansiichen nicht theilhafftig werden laßen solte,
werden Sie dennoch den geringsten Blick einiger Gnad Blicken und
ex singulari gratia unsere P 1 a c a t e n ohne jemandes Hindernüß zu
forthstellung unserer Actionen und auffenthaltung, wie auch vorm
Jahre aus Gnaden uns vergönnet worden, anzuschlagen großgünstig
gestatten.
Solche erlangende hohe Giinst wollen wir nicht allein mit un-
sterblichem Ruhm zu Bekrönen, sondern auch urab erhaltung beständiger
und selbst wünschenden Glücklichen Prosperitet wie auch friedtlichen
Regierung E. E. Hochweisen Raths Gott dem allerhöchsten mit unserm
andächtigen Gebett anzuflehen wißen. Verbleibende E. E. Hoch und
Wohlweisen Raths, welche wir hiemit Göttlicher Pflege, uns aber dero
erfreulichen erhörung empfehlen thun jeder zeith
dienstwilligste Diener
s ä m b 1 1 ic h e Comoedianten.
Auf der Rückseite der Vermerk:
Lect. in Senatu d. 8. Julii 1G75. E. Raht weiß Supplicanten
weder in einem noch andern zu fügen.
1677. Am 1. August hielt der siegreich aus dem Türkeu-
kriege zurückgekehrte Kchiig Johann Sobieski seinen Einzug.
In der langen Gasse waren Pyramiden, Säulen und eine Ehren-
pforte mit Emblemen und Inschriften errichtet, drei berittene
1) D.h. im Schottland,
128 Bolte, Das Danziger Theater.
Compag-iiien der Kaufleute, Kaufgesellen und Fleisclier zogen
dem Könige entgegen, Pauker und Trompeter Hessen sich auf
dem Hohen Thore und dem Rathause tapfer hören, und die
Stadtmusikanten stimmten ein Tedeum an. An den folgenden
Tagen ^lielten unterschiedliche Handwerker als die Kürschner,
Tischer, Schipper und Schitfszimmerleute ihre Aufzüge und ge-
wöhnliche Täntze; auch wurden von einem aufgerichteten hohen
Mastbaume unterschiedliche an selbigem angehangene Preise von
Geld und Kleideren von denen, die selbigen ersteigen konnten,
herabgeholet. Den 6. Augusti aber wurde ein kostbares Feuer-
werk, worin die von Ihrer Königl. Majestät durch Sturm eroberte
Festung Chocim abgebildet war, Abends umb 8 Uhr angezündet,
welches bis zu Mitternacht gewähret.' (Curicke, Der Stadt Dant-
zig historische Beschreibung 1688 S. 363.) Der König blieb
über ein halbes Jahr in Danzig, wo ihm seine Gemahlin Maria
Casimiria am 9. September einen Sohn gebar.
1680 erscheint in Königsberg eine 'sächsische Com-
pagnie', in der Hagen a. a. 0. die Truppe Veltens vermutet.
Vgl. dazu C. Heine, Joh. Veiten 1887 S. 10. Ob die Gesell-
schaft auch Danzig berührte, ist fraglich.
1683. Die hochteutsche Compagnie, die 1674 und
1675 vergeblich um die Gunst des Rates geworben hatte, und
in der wir die Truppe Christian Bock häusers zu erkennen
meinten, langte im August 1683 aus Riga in Danzig an. Sie
hatte im September 1682 zu Schwerin von dem Herzog Christian
Ludwig gespielt und sich, nachdem sie in Rostock wegen des
betrübten Zustandes im ganzen römischen Reiche abgewiesen worden
war^), zu Schiff nach Riga begeben. Aber auch hier verbot der
Rat den am 20. Oktober supplicierendcn 'sämbtlichen Comoedianten
hochdeutscher Compagnie' in Ansehung der itzigen bösen und
schweren Zeiten, ihr Theatrum aufzubauen, und blieb dabei, als
sieben Tage später der schwedische Generalgouverncur Fürsprache
für sie einlegte. Ebenso erfolglos blieb ein Gesuch vom 8. Dc-
cembcr um Spiclcrlaubnis nach der Weihnachtszeit. In der Dan-
ziger Supplik bitten 'sämbtliche Com})agnie Hochdeutsche Com-
moediantcn, die bei hartem Sturm- und Regen-Wetter fast 100
^) Koppmann, Boiträge zur Gescliirlito Rostocks 1, 55.
1677-1684. 129
Meylcn aus Licfflaiul mit schweren Reisc-Vnkosten nach der
weitherühmtcn ktiniglichen Hauht-, See- und Handelsstadt ge-
hmgct, flehentlich, eine wenige Zeit etliche Lehr- und Exem-
l)larische Haubt- Schauspiele vorstellen zu dürfen, w^eil sie in
der Nähe keine Stadt haben können, indem Königsbergk
wegen der Princessin Todesfall^) in Trauren stehet. Der Rat
schlug dies am 25. August ab, ^veilen der gegenwertigen Zeiten
gefehrliche Geleutfte solches noch nicht zulassen wollen'.
Eine ähnliche Situation führt uns eine undatierte Bitt-
schrift, möglicherweise derselben Gesellschaft und desselben Jahres
vor, in der die 'sämptlichen anwesenden Pursch von den Hoch-
teutschen Comedianten' vergeblich um Consens nachsuchen,
eine Zeitlang in einer Stube den mitgebrachten 'italienischen
Schatten benebenst solchen schönen Figuren' zu präsentieren,
da sie vor wenig Wochen von Riga gekonnnen seien und sich
nolens volens den Winter über allhier aufhalten müssen und
wegen des herantretenden schlimmen Wetters weder zu Laude
noch zu Wasser fortkommen können.
1684 am 10. Januar werden wiederum Comödianteu der
hochdeutschen Compagnie, die fast über ein halbes Jahr ganz
nahrlos gesessen haben, also wohl dieselbe Truppe wie 1683,
abgewiesen, als sie ihren Actum wegen der glücklichen Erobe-
rung [!] der Stadt Wien ^) einreichen, um ihn in der Stadt zu präsen-
tieren. Sie reden von dem Siege 'unsers allergnädigsten Königs'
und Aveisen auf eine ähnliche Aufführung in Thorn hin^).
'Anno 1684 d. 15. P^ebruary Dienstags haben', wie eine
Fortsetzung von Stephan Graus Chronik'^) berichtet, 'die Kauff-
G es eilen zwischen den Speichers ein kostbahres Fastnachtspill
gehalten aufm Theatro, wobei zwei Jeanpotagen agierten, sind
auch mit stattlicher Mundirung bewehret und schöner Procession
durch die Stadt gegangen, welches sehr anmuhtig anzusehen
gewesen.'
1) Am 7. Juli 1683 war die Gemahlin des Kurprinzen Friedrich,
Elisabeth Henriette, gestorben.
2) Vgl. das unten S. 181 mitgeteilte Argument eines ähnlichen
Stückes.
3) In Riga wurden am 26. Sept. 1684 Komödianten abgewiesen,
ebenso am 28. Okt. 1685 der deutschen Komödianten Compagnie.
*) Stadtbi))liofl,('k XV fol. r)7a, Bd. 2, S. 358.
Th. F. XII. 9
130 Bolte, Das Danziger Tlieatei*.
1685. Der Konrektor an der Katliarinensehule Nie. Flor-
sc h ätz ^) gab ein Weibnachtspiel in lateinisclien Hexametern heraus:
Jesulus I dramaticus, 1 i. e. | Nasceiitis et post Circumcisionem in
Aegyptum ! lugüentis | Jesiili nostri | Historia Dramatico filo pertexta, |
Quam I ... I Cum Voto omnigenae Prospcritatis et f'elicium | Anni Sahi-
tis per Jesulum reparatae | cId DCXXV. Calendarum | humillime dieat
et Summississime | dedicat ' Nicolaus Florschütz, [ Ummerstadio-Francus. |
Gedani, Typis Joannis-Fridcrici Graefii viduae. | 6 Bl. toi. [Danzig,
Stadtbibl. XV fol. 34 b, nr. 150].
Dargestellt wird die Verkündigung- und Anbetung der Hirten,
die Bescbneidung im Tempel, der von den Eimieniden veranlasste
Entscbluss des Herodes, den neuen König 7A\ vernichten, und die
Flucht nach Aegypten. Ein Chor eröffnet und besehliesst das
Ganze. Wie bei Albinus und Maukisch tritt ein erzählender
Evangelist als Aushilfe ein.
Undatiert, aber sicherlich aus den Jahren 1G80 — 1690
herrührend sind drei Suppliken eines holländischen Prinzipals
Jacob Sanimers, der später der Amsterdamer Schauspielertruppc
des Jacob von Rijndorp angehörte-). In der ersten bittet Sam-
mers, "Directuer der hollantse Comedianten, der annoch in actione
auf dem Churfl. Hof zu Königsberg ist', diesen Dominik über
ausser dem hohen Thor vor dem Schiessgarteu eine Bude auf-
bauen und Comoedien agieren zu dürfen, 'gleich ihnen vor diesen
auch alliier grosgünstig gestattet worden'. Er erbietet sich, vor
jede Person, so viel deren in die Komödie kommen werden, alle
Abend denen Armen zum besten 2 Groschen zu erlegen. Dies
Gesuch wurde abgeschlagen.
In einem zweiten bittet er nochmals um Spielerlaubuis nur
für die Dominikzeit und verspricht, die Liebhaber seiner Spiele
nicht zu übersetzen (d. h. überteuern), sondern sie um ein Billiges
ihrer Lust geniessen zu lassen-, 'welches sie auch umb desto mehr
werden haben können, weil diese Compagni mit solchen Leuten
^) Er kam 1085 in diese Stellung und gab 1681 ein Compend'mm
linguae latinae heraus. So berichtet ein lisl. Verzeiclmis von Danziger
Lehrern auf der Stadtbibl. (XV. q. 130, S. 32).
2) Er war Mitglied der von Andries Fels zur Kelorniatiou der
Poesie gestifteten Gesellschaft 'Nil volentibus arduum' und gab auch
1697 eine Posse 'De moetailHije honfsf/ezrr (nach G. Ogier, Gramsthap.
1082) in Druck. Vgl. A. von Halniael, P.ijdragen tot de gcschiedenis
van hct tooneel in Nederland 1840 S. 23.
1685. 131
versehen, die nicht ungeschickte Hümpler oder Stümper seyn, die
den Zuschauern nielir Verdruß alß Lust machen würden, sondern
dergestalt qualificiret, die das, was sie anfangen, auch mit höch-
sten Contentement ausführen werden, wie sie denn mit höchsten
Vergnügen für Ihr. K. M. in Schweden*) etliche Monat haben
spielen müßcn.'
In der dritten Bittschrift, die nach 1683 abgefasst sein
muss, wollen die "Hollandsche und bey Ihr K. M. in Schweden
engagirte Compagnie Comedianten' unter Sammers, die vor vier
Jahren in Danzig aufgetreten sind, wiederum allerhand lehrreiche
Spiele präsentieren, darunter die Belagerung und Entsatzung der
keyserlichen Residenzstadt Wien, von der ein gedrucktes Argument
beigefügt ist:
K^l^tze^ Inhalt | von der | Belag-crung' und Entsatz | von | Wien, |
Mit herlichen | Praesentationen. | 2 Bl. A^. — 6 Akte.
Sie versprechen, von einer jeden Person, die zuzusehen
kommen wird und Geld giebet, 2 Groschen den Armen zu geben.
Da das Programm mit keinem bisher bekannten Drama ^) über-
einstimmt, bringe ich es vollständig zum Abdrucke.
Erster Theil. Erster Aufftritt.
Der Käyser und die Käyserin stehen erschrocken vor der grossen
Macht der Türeken,' indem das Käyserliche Lager vor Neuhäusel
auffgebrochen, und die Bag'age- Wagen von den Türeken geplündert
worden, mit Verlust vieler tapffern Männern, darunter auch zu zehlen
der junge Printz von Aremberg-, der seinen Todt zu seinem unsterb-
lichen Nahmen dabey gefunden; Dannenhero der Römische Käyser
beschliest, mit seinen besten Sachen nach Lintz zu fliehen. Darauff
erscheinet der tapflfere Stahrenbcrg", Capliers, Bürger und Studenten,
welche allesampt geloben, Gut und Bluth vor Wien und den Käyser
auffzusetzen, womit nach einem traurigen Abscheyd der I. Actus zu
Ende gehet.
2. Theil.
Der Groß-Vezier, Asan Ibrahim, Bassa von Alexandria, Bassa
von Ofen und viele Türeken, so mit ilirer gantzen Macht vor Wien
1) Karl XI, geb. 1655, f 1697.
2) Vgl. Vier dramatische Spiele über die zweite Türkenbelagerung
aus den Jahren 1683— 1()85. Wien 1884 (= A. Sauer, Wiener Neudrucke,
Heft 8). — Als die Nachricht vom Siege Sobieskys über die Türken
bei Neuhäusel eintraf, beschloss der Danziger Rat am 30. Okt. 1683,
diesen durch Dankpredigten, Glockenläuten, Musik iind Lösen der
Geschütze zu feiern (Berliner Mscr. boruss. fol.250, Bl. 209b).
132 Bolte, Das Danziger Theater.
gerückt sind, bedrohen die Stadt und gantz Oesterreich in Grund zu
vertilgen, die Geistlichl<eit zu beschimpffen, uud ihre Kirchen in Pferde-
Ställe zu verwandeln. Hier entstehet eine Furcht unter den Türeken
wegen Annäherung des Königs in Pohlen; Hier erscheinet Graft'
Töckely, welchem der Groß-Vezier die Ungarische Krön verheisset,
sofern sie zurück gelangen werden, jener dagegen olfenbahret, wel-
cher gestalt er den Weg nacli Lintz durch den Grafen Serini habe
besetzen lassen, umb den Rom. Käyser und seinen gantzen Schatz
dem Groß-Türcken zu überliefern. Und nachdem ein Aga Bericht
ertheilet von dem, was zwischen der Stadt und dem Lager vorge-
lauff'en, kompt ein Ungar mit der Zeitung, daß der Graf Serini ge-
fangen nach Lintz gebracht worden. WoraufF ermelter Groß-Vezier
schweret, die Christen mit Feuer und Schwerd zu vertilgen, also endet
sich der II. Actus.
3ter Theil.
Hier zeiget sich die Stadt Wien, woselbst etliche Bürger schon
verzagt zu werden beginnen, und begehren, man solle mit den Türeken
accordiren, umb bey Zeiten eine gute Capitulation zu erhalten. Aber
der tapffere Stahrenberg spricht ihnen wieder ein Hertz ein, theils
durch seine Authorität, theils mit den vertrösteten Entsatz, massen er
einen Brieff" von dem Herzogen von Lottringen empfangen, daß der
Pohlnische König in vollen March begriffen, Wien von der grausamen
Tyranney der Türeken zu befreyen. Hier kompt ein Aga und ein
Trompeter vor den Wall, und fodern die Stadt aufi", sich dem Groß-
Sultan zu ergeben, werden aber von dem Grafen Stahrenberg groß-
mühtig abgewies[e]n. Es kompt auch Bericht, das die Türeken ein
Rävelin, nachdem sie es 4 mal bestürmet, erobert, d(>r tapfre Staren-
berg aber ist resolvirt, sie mit Gewalt daraus zu schlagen; Die Türeken
erg(^tzen sich inzwischen, daß sie das Ilävelin erobert, und leben der
Hoffnung, in kurtzem sich der Stadt selber zu bemeistern, darin sie
einen unglaublichen Schatz zu finden vermeynen; Worauft" ein Tür-
ckisch Gebet angestellet wird, von Mahomet den Seegen zu erbitten,
damit sie in kurtzen Wien und gantz Oestreich überkommen möchten.
Ende des III. Actus.
4ter TheiL
Der Römische Käyser erscheint im Lager beym Hertzogen von
Lotthringen und Chur Bayern, umb den unter ihnen wegen des höch-
sten Commando entstandenen Streit beyzulegen; hierauff kombt der
Polnische Feld-Herr Jablanousky mit Zeitung, daß seyn Kihiig mit
seiner gantzen Macht in der Nähe stehe, worauff ein Freuden Gesclirey
erschallet. Der König von Pohlen und seyn ältester Printz Alexander
werden von den Käyser bewillkommet, und nach einigen Ceremonien
wird der Schluß gefasset, welcher gestalt Wien zii entsetzen; ehe man
aber den Streit anfängt, wird b(>schlossen, den berülimten Capuciner P.
Marcus de Aviano ins Lager zu cnbietcnjUinlx'in allgcnicin G(>bet zu lliun,
1685. 133
flurch dos Himmels Hilff die Schlacht anzufangen und den Seesen zu
erla[n]g-en; hierauff Ordre g-eg-o[be]n, alles zur Schlacht zu rüsten,
und damit lauffet der IV. Actus zum Ende.
5ter Theil.
Die Türeken kommen auff das Theatrum, mit bericht, daß etliche
Janitseharen rebelliret, aber der Groß-Vezier sendet den Aga mit
grossen Geschencken nach ihnen, urab sie zu bef^'iedigen. Inmittelst
kompt ein Spion, mit vermelden, daß der König von Pohlen mit der
vereinigten Käyserl. Macht im Wiener Wald angelangt, die Stadt zu
entsetzen, worauff man beschliesset, die Stadt mit Stürmen zu über-
wältigen, ehe der Entsatz kommet; diese Resolution wird zur Hand
genommen. Der Graff von Stahrenberg und die Büi'ger erscheinen
in der Stadt, und sind erfreuet über die lang gewünschte Zeitung,
daß der König von Pohlen im Anzug begriffen die Stadt zu entsetzen,
worauff sich Bürger, Soldaten und Studenten resolvireu dem [!] Sturm
abzuschlagen; und damit hat der V. Actus sein Ende.
6ter Theil.
Hier siehet man die Praesentirte Bataille. Der König von Pohlen
mit seinem Printzen Alexander fechten gegen den Groß-Vezier und
andere Bässen. Der Hertzog von Lotthringen, Churfürst von Bayern,
vmd andere Kriegs Helden treiben in einem vollkommenen Triumpff
den Feind in eine schänd- und schädliche Flucht. Die Bürger von
Wien kommen herauß, den König von Pohlen zu bewillkommen, und
vor seine Thaten sich zu bedancken. Der König empfängt die Bürger
mit grosser Affection, und rühmet ihre Thaten; hierauff kombt der
Käyser mit allen Helden und etlichen gefangenen Türeken, und nach-
dem man den Käyser wegen der Schlacht Rapport gethan, wird be-
schlossen, den Feind auff der Flucht zu verfolgen, und dem Himmel
zu Dancken wegen verliehenen Siegs. &c.
ENDE.
Nimmt man zu den Angaben der dritten Supplik noch die
g-leich zu erwähnende Anspielung in dem lateinischen Gedichte
der Jenaer Studenten hinzu, so \Yird man den ersten Besuch der
Holländer ins Jahr 1685, und den zweiten 1689 ansetzen dürfen.
Bei dieser Gelegenheit sei es verstattet, die bisher bekannten
Daten über holländische Schauspieler-Gesellschaften in Deutsch-
land und Skandinavien zusammenzustellen^).
^) Vgl. die Nachweise bei Trautmann im Jahrbuche für Münch.
Gesch. 3, 320 und meine Notizen im Anz. f. deutsches Altert. 13, 112
und im Archiv f. neuere Sprachen 82, 81. 128. Über deutsche Über-
setzungen und Bearbeitungen holländischer Dramen werde ich an andrer;
Stelle handeln. i
134 Bolte, Das Danziger Theater.
1590 Meliß Unkraut, Heinrich Ducat und Hermann Wolff in Ham-
burg-. — 1649 Hamburg-. — 1651 Frankfurt a. M. — 1653 Stockholm. —
1662 und 1664 Andreas Joachim Wulff (mit M. D. Treu) in Kopenhagen.
— 1665 Altona (vgl. Rist). — 1666 Stockholm (Jean Baptista von
Forneuburgk). Kopenhagen. Riga (Komödianten axis Stockholm). —
1667 Stockholm (Henrik Jordis. Stockholms Parnas, 22. Febr. Gedruckt. ¥>.
— Orondates en Statira nach Magnon; vgk Apollineum uitg. door
Witsen Ge3^sbeek 3,76. 1826). — 1674 Joh. Baptist von Fornenburg in
Schleswig, Lübeck, Hamburg. — 1675 derselbe in Hamburg. — 1681
derselbe in Stockholm (De nederlandsche Spectator 1873, 68). — 1682
München. — 1684 Altona. Lübeck. — 1685 (?) J. Sammers in Danzig. —
1689 (?) Sammers in Danzig. — 1691, Mai bis Sept. Emanuel Perera
in Riga. — 1694, Nov. Lübeck. — 1702, Dec. Komödianten aits dem
Haag in Berlin. — 1703, Okt. Jacob van Rijndorp und Noozeman in
Kopenhagen. — 1710 Rijndorp in Hamburg (vorher in Danzig, Lübeck,
Kiel). — 1740—41 Anton Spatsier in Hamburg (HeitniüUer, Theater-
geschichtl. Forschungen VHI). — 1745 Friedrich Schröder in Köln. —
1745 Nicolinii) mit Kinderpantomimen in Frankfürt a. M.
1680. Im August meldete sich eine grosse Gesellseliaft
kursächsiseher hochdeutscher Komödianten, hei der sich nicli-
rere Jenaer Studenten befanden, beim Rate, erhielt aber keine
Spielerlaubnis. Aus den lateinischen Distichen, die jene Studenten
an den Bürgermeister richteten, geht hervor, das sich schon vor-
her eine Truppe holländischer Komödianten, wolil unter dem eben
genannten Sammers, zum Dominik in Danzig eingefunden hatte.
Die abgewiesene Gesellschaft, die unter demselben Namen ''Chur-
sächsische hochdeutsche Comedianten' im Dec. 1690 in Ystad
erschien und am 23. Novendier 1691 (oder 1696) in Stockholm
'Die Königin Disa' aufführte 2), kann nicht mit der Veltenschen
Truppe identisch gewesen sein, die um diese Zeit, wie unten
S. l.'>9 gezeigt werden soll, in Deutschland spielte; sie wird sich
^) Nieolini, über den Lier (Allg. d. Biogr. 13, 632) einiges zu-
sammengestellt hat, spielte 1747 in Prag und Wien; 1748 Leipzig, Ham-
burg; 1749 Hamburg, Braunschweig, Dresden; 1750 Graz und ging 1771
von Braunsclnveig nach Hamburg; auch in London ist er aulgetreten.
Von ihm rührt her: 'Vyf rantomhnes, Versiert met vele Konsfnerkcn,
Zanf/en en Dansen, Door de Vermaarde Ilullandsche Joncje Kindereii,
In verscheidene Iloven i^an Europa, onder veel tocjidchintj i-erfoont.'
Alckmaar 1742. 74 S. 8^ (Berliner Bibliothek Zh 2250).
2) Dahlgren, Stockholms theatrar 1866 S. 9, Klenniiing, Sveriges
(Iramatiska litteratur 1879 S. 14. 579. — Schon 16S0 erschien in Königs-
berg eine 'sächsische Compagnie' (oben S. 128).
1685. 1689. 135
vielmehr diesen Titel, der 1678 an Veiten verliehen worden war,
ang-eniasst haben'). So erklärt es sich auch, dass fünf Jahre
später die Witwe Vcltens dem Danziger Rate gcgeuül)er ihre
Trappe ausdrücklich als die 'Churfürstlich Sächsischen Bestallten
Iloff-Comoedianten' bezeichnete, wie um jeder Verwechslung- mit
jener nachgeahmten Firma vorzubeugen.
I.
Magnificentissime, Prae-Nohilissime Domine Consul!
Fas sit pauca loqiti, Moecenas nohilis urhis
Laus, Dantiscani fuhjiäa stcUa poli!
Pauca canam: summa summi hrevitate Patroni
Gaudent, ambages nohilis ordo fugit.
5 Doctrinae cupidi flagrarunt seniper amore
Visendi terras trans sua terra^) sitas ;
Magni Pythagorae fuit isthaec una voluptas,
Transiit Acgyptum non remorante pe.de;
Isthaec Platonem, dutyi firma jiiventa, ciqndo
10 Ussit; Judaeos audiit arte potens^).
Plebejos residere dornt, fert Lipsius^) autor,
Ingenuos ferri quo licet usqiie viros.
Discitur inde j^udor, digno prodesse cuivis,
Discitur inde, fides cid sit habenda vh'o.
15 Fari pauca docet foculus peregrinus et omnes
Erudit eximiis cedere, ferre pares.
Istinc sobrietas, isthinc vigilantia crescit,
Nomen ab externo clarius orbe venit.
Haud una penitus capitur sajnentia sede,
20 Sed variis terris quaeritur atque locis.
Coetera non addain quae gignit commoda coeli.
Alterius facies alteriusque soli.
Grande decus patriae, Consul dignissime, nostris
Unica fortunis ara reperta gravis!
25 Mox sumiis ä pueris Musarum castra sequuti,
Castaliis undis fovit Apollo suos.
Postquam Jena ferax tnater dimisil alumnos.
1) INIan könnte an den vielgeschäftigen sächsischen Principal
Jacob Kiihlniann denken, dei* von 1665—1697 in ganz Dciitscliland
herumzog (oben S. 126), wenn er nicht in der oben angegebenen Zeit
anderwärts nachzuweisen wäre.
2) Offenbar verschrieben für valla oder rura.
^) Soll das heissen: Plato kam auch zu den Juden und lernte
bei ihnen Weisheit?
*) Justus Lipsius, der berühmte Leidener Philolog.
136 Bolte, Das Danziger Theater.
Visendi tcrras nos simul iissit amor;
Visendi tarnen haiid nos traxit caeca voluptas,
30 Sed vaHus^) fructus, quo scatet iste labor.
Cum haud idtra posset sumptus tolerare crumena,
{Nam vacuo physico nostra crumena turnet)
Jam scenis omnes, res non mhonesta, locamus
Mf/enü vires, sint licet exiguae.
35 Consid, qui lapsis praestare leva7nina rebus Petitum.
Et servare Tibi sitbdita membra potes,
Brachia da lapsis p>rendenda natantibus, eurje !
Ne p>iyGcit mento supp)osuisse mamim!
Cum Batavis'^) liceaf, liceat reliquisque per urbem
40 Prussorum dominam res agitare suas,
Quaesumus obnixe, {Domus est assueta Jucandis
Supplicibus^ Consta, Magne Patrone, Tua)
Ut nobis liceat quoddam aedificare Theatrum
Intra urbem: liceat pace, Patrone, Tua!
45 His licet idla queat mei'itis non gratia reddi,
No7i tamen imtnemores nos canet hocce solum:
Sidera dum coelum,, dum, pontus habebit arenas,
Grandis Moecenas, gratia semj)er erit.
Gedani Magnificent: V.
d. 9. Aiig'iisti Subjectissi7ni Servi
1689. Die Sächsische Hochteütschc
C 0 m o e d i a 11 1 e u.
II.
Herr Bürgermeister etc.
p]iicre Woll Edle, Gestrenge, Hochweise Herrligkeiteii wollen
dero Knechten nicht verübeln, daß wier mit gegeiiwertigen Zeilen Sie
zubeschweren uns erkühnen. Die Vortreff ligkeit dieser weltberühmten
Stadt hat uns bewogen, eine große Reise theils zu lande, theils zu
waßer mit schweren Unkosten und vielen Gefährligkeiten A'orzuiiehmen,
um allhie einige Actiones sowohl comicas als tragicas vorzustellen.
Wann aber solches ohne hoher Bewilligung Eurer Woll Edl. Gestreng.
Hochw. Herrligkeiten nicht geschehen kann, Als ersuchen Ew. Woll
Edl. Gestreng. Hochweiseu Herrligkeiten in gehorsamster Unterthänig-
keit, Sie geruhen dero Knechten die hohe unverdiente Gnade zu er-
weisen und dero gnädigen Consens zu unsern Vorstelhingen uns zuer-
theilen. Wier werden solches lebenslang mit gehoisamsteii Danck
zuerkennen wißen, versichern aucii darbey, daß unsere Actiones
hoffentl. denen Herrn Liebhabern geiällig seyn werden, zumahlen diese
Bande sehr starck und nicht aus zusammen gcraff'ten, zu solchen Werck
^) Die Hs. hat variis.
") Den hollJiiKlisclicii Koiiiüdianten.
1689. 1691. 137
untaiiglicluMi Leuten, sondern aus Studiosis, welche hieduvch die Welt
zu besehen ilir Absehen liaben, bestellet. Wier getrösten uns gnädiger
Erhörung und ersterben
Ew. Wohl Edl. Gestreng. Hochw. Ilerrl.
Unterthänigst-gehorsamste
Die bey der C h u r S ä c h ß i s c h e n Band e
sich befindende Comoedianten.
Es findet sich auf der Rückseite nicht die regeliaässige Notiz
über den Ratsbeschluss, sondern nur ein Bleistiftvernierk: 'abzusagen
plane.'
1001. Zum Dominik erschienen 'Sämbtliche h o c h t e ü t s c h e
Comoedianten'^ die 'zu unterschiedenen mahlen vor Ihro Rom.
Kayscrl. May., vieler Chur- und hoher Fürsten laut beyliegenden
Attestationes, wie auch neulich in König-sberg- und Riga ihre
Exemplarische Schauspiele auffgeführet', und baten, etliche geist-
liche und exemplarische Schauspiele in der Stadt oder auf der
Fechtschule aufführen zu dürfen. Obgleich sie versprachen, den
Armen das Ihrige zu geben gleich anderer Compagnie und solche
Sachen aufzuführen, welche nicht ärgerlich, sonderlich zu Aufer-
bauung der Jugend gereichen sollen, wurden sie abgewiesen. —
Löschin (Gesch. Danzigs 2, 91) giebt an, dass 1691 einer Truppe
gestattet worden sei, eine Bude im Hundewinkel aufzuschlagen i
ihm muss also ein andres Aktenstück vorgelegen haben.
Wer an der Spitze dieser 'hochdeutschen Komödianten'
stand, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. In Riga spielten
nämlich während des Frübjahrs 1691 zwei verschiedene Truppen
dieses Namens: vom 17. Oktober 1690 bis 27. März 1691 der
aus Dorpat eingetroffene Komödiant Johann August Uhlich
(unten z. J. 1700), dessen Genossen sich in einer Supplik vom
30. Januar 1691 die 'Compagnie der hochdeutschen Komödianten'
nennen; vom 20. März bis nach dem 8. April eine Truppe des-
selben Namens (vgl. oben S. 126). Eine von diesen beiden Ge-
sellschaften muss also 1691 in Danzig abgewiesen worden sein.
Dass sie keine ganz unbedeutende Leistungen aufzuweisen hatte,
erhellt aus ihrer Versicherung, vor dem Kaiser aufgetreten zu sein.
Dies geschah wahrscheinlich 1687 zu Regensburg, wo eine Bande
hochteutscher Comoedianten am Geburtstage Leopolds I. während
des Reichstages eine Komödie Virenus und Olympia, die A.
Elenson schon 1680 in Neuhaus a. d. Elbe produciert hatte,
138 Bolte, Das Danziger Theater.
anfführte (Elling-er, Zs. f. vgl. Littgescb. 4, 80). 1692 gab die-
selbe Truppe in Breslau den König- Liear aus Engelland (Creize-
naeh, Eng-l. Komödianten S. 347), den Cbristlichen Acteon oder
Märtyrer Eustachius (eine Hs. des Innsbrucker Komödianten Hans
Ernst Hoffmann v. J. 1668 in Laibacli. Jalirb. der Sbakespearege-
sellsch. 22, 195) und die Oper Virenus und Olympia, wovon uns
ausführliche gedruckte Programme erhalten sind. Vielleicht rührt
auch das oben S. 112 abgedruckte Görlitzer Programm von
ihnen her.
1692. 'Am 19. und 20. Februar, Dienstag und Mittwoch
haben die jungen Laufifbursche zwischen den Speichers Fastnacht
gehalten und nach dem Ringlein auff Pferden mit der Lanze ge-
lauflfcn' (Steph. Graus oben S. 129'^ angeführte Chronik).
1693. Die vereinzelte Fortdauer von polnischen Aufführun-
gen, die wir für 1638 und 1643 nachweisen konnten, bezeugt ein
im Ossolincum zu Lemberg aufbewahrter Druck, von dem mir
Herr Professor A. Brückner freundlichst Nachricht gab: Historia o
stärem i mlödem Tohiaszu' etc. d. h. Historie vom alten und
jungen Tobias, namentlich für junge Knäblein zu besonderer
Aneiferung zum Ausrichten aller kindlichen Dienste ihren Eltern.
In Danzig gedruckt von Dav. Fr. Pthet 1693. 104 S. 8« (die
letzten Blätter fehlen). Der Herausgeber M. P. teilt in der am
Bartholomaeustage {= 21. Sept.) unterzeichneten Vorrede mit,
dass diese Historie schon vor einigen Jahren durch einge-
übte Personen, namentlich Schüler, für Liebhaber der pol-
nischen Sprache habe gespielt werden sollen; jetzt sei sie auf
eifriges Drängen einiger Freunde von ihm in Druck gegeben
worden.
Das Verhältnis des schlecht gereimten Stückes zu den
deutschen Tobiasdramen, unter denen besonders das G. Wickrams
(1551) einflussrcich war, bleibt noch zu untersuchen. Akt I stellt
die Vorgeschichte dar: Misserfolg der Assyrcr vor Jerusalem,
Ermordung des Sennacherib durch seine Söhne. II. Erblindung
des alten Tobias, die Reise des jungen mit dorn Engel. III. Ra-
guel und seine Frau Edna (nicht Hanna), Sara und ihre Dienerin
Delida u. s. w. Dazwischen kurze Teufelsscenen.
1691. 'In diesem Domniq', erzählt Michael Büerel in seiner
hsl. Fortsetzung von J. C. Fischers Chronologia und Zeitbuch der
1691-1694. 139
Stadt Danzig^), 'war alhier viel zu sehen so neyes. Vors erste
wahren da Sechsischc Coniediantcn, welche eine g-rosse Bude
auf dem Holtzniarkt gleich dem Hanß Pervvarten über stehen
hatten; sie S])ieleten trefflich. Zum andern war der vortreffliche
Taschenspieler, der vor vier Jahren alhier bei der Wippe ge-
standen; zum dritten war wieder ein grosser Elcphaud^), der
viel Künste köntc (sein Bild ist in Holzschnitt beigelegt), . . .
zum vierten war eine Ente mit drei füßcu zu sehn.' Und weiter-
hin: "Den 5. November haben die Comedianten zum letzten mahl
gespielet; sie haben die gautze Zeit her viel Zuschauer gehabt.
Die Frau Veiten war Principal, Mons. Aadeler und Saltz-
sieder waren die besten im spiel; von hier siut sie nach El hing
gereist, alwo sie auch agiret haben.'
Wie wir oben S. 101 darlegten, besuchte Veiten 1669 mit
der Truppe seines Schwiegervaters Paulsen Danzig. Als er 1678
an die Spitze einer eignen Schauspiclergesellschaft getreten und
vom sächsischen Kurfürsten Johann Georg II. in seine Dienste
genommen war, beschränkte er seine Wanderzüge auf das eigent-
liche Deutschland 3). Erst seine Witwe Katharina Elisabeth, geb.
1) Berliner Mscr. boruss. quart 96, S. 651 und 656.
2) Vgl. über Schaustellungen von Elephanten in jener Zeit Kroker,
Mitteil, der deutschen Gesellschaft in Leipzig 8, 3, 121 (1890).
^) Dies mag eine Übersicht seiner Thätigkeit darthun. Veiten
besuchte 1678 im Februar, Mai und November Dresden. — 1679 im
Januar Leipzig, Februar Dresden, Juli Nürnberg, Worms, Frankfurt
a. M., Köln. — 1680 im Februar-März Torgau, März Frankfurt a. M.,
Köln; September Kassel; Oktober Bevern, Bremen.— 1681 im Oktober
Leipzig. — 1682 Nürnberg, Regensburg, Augsburg, München; im
April- Juni Frankfurt a. M.; im Sommer Dresden; September-Oktober
Frankfurt a. M. — 1683 Frankfurt (?), im Oktober Leipzig. — 1684 im
Januar Leipzig, Februar Dresden, April-Mai Leipzig, Oktober Leip-
zig. — 1685 im Januar Leipzig, Februar Dresden, Mai-Juni Leipzig,
Oktober Leipzig, December Dresden. — 1686 im Januar Leipzig, April
Dresden, April-Mai Leipzig, September Frankfurt a. M., Oktober
Leipzig. — 1687 im Januar Leipzig, Dresden; November Dresden. —
1688 im Januar Leipzig, Dresden; Mai Leipzig, Bremen; Juni Ham-
burg, Oktober Leipzig. — 1689 im Januar und April-Mai Leipzig. —
1690 im Januar Leipzig, Januar-Februar Torgau, Mai Leipzig, Juni-
Juli Berlin, Oktober Leipzig. — 1691 im Januar und Mai Leipzig,
dann Dresden. — 1692 im Februar Dresden, April-Mai Berlin, dann
Hamburg, wo er noch im Laufe des Jahres, jedenfalls vor April 1693
starb.
140 Bolte, Das Danziger Theater.
Paulsen, die nach seinem Tode die Leitung seiner Truppe über-
nahm, kehrte nach den Ostseestädten zurück. Zuerst kam sie, wie
es scheint, nach Lübeck, wo vom Mai bis zum Juni 1693 'sächsische
Komödianten' auftraten ^), und von dort zum Dominik nach Danzig.
Melirere der früheren Mitglieder, wie Christian und Gabriel Möller,
Hermann Reinhard Richter, Balthasar Brombacher, hatten sich
von der Veltenschen Bande getrennt und eigene Truppen gegrün-
det-, treu geblieben w^aren der Witwe Veiten der schon oben auf
S. 101 genannte Danziger Gottfried Salzsieder und Elias Adler,
der zwischen 1685 und 1691 zu Veiten gekommen sein muss;
im ganzen zählte die Gesellschaft 18 Personen. Die Spielzeit
dauerte vom Ende Juli bis zum Anfjing November, also ebenso
lange, wie 1669 Paulsen in Danzig geweilt hatte. Die beiden
erhaltenen Suppliken lauten :
Herr Bürgermeister, Wol)l Edle, Gestrenge, Veste, Hoch und Wohl
Weise, Insondei'S Großgünstige Hochgeehrte Herren.
Wan uns nicht die unumbgängUche Noth gezwungen, mit dieser
gehorsambsten Bittschrift E. WE. HW. Rath anzutreten, h.ätten Wir uns
niclit erkühnen dürfen, denselben in Dero sonst wichtigen Geschafften
zu Molestiren, Verhoffen aber, daß die Noth, die sonst kein Gesetze
hatt, uns die Bahne zur gnädigen erhörung eröffnen Averde,, Die Wir
leyder ! Wegen die an unsern Hoff anitzo befindende Traurigkeit und
Vei'wirrung 2) anderswo unsere Nahrung- zu suchen genöthigt werden „
Weiln uns dan diese Weit und Breith beruffene Hande[l]s-Statt für
andern reconnnendiret, wehre auch iinserer Hertzlicher Wunsch, auf
in stehenden Dominic unsere Schau-Bühne alliier zu eröffnen, und
unsere unärgerliche, Lustige und Sinnreiche Actiones zu repraesen-
tiren „ Dennoch aber uns solches ohne sonderbahre gnädige Ver-
günstigung EWE. H. W. Raths nicht unterfangen dürffen ,, als ge-
langet unsere unterthänige und demüthige Sup})lication, Sie geruhen
den betrübten Wittwen Stand unserer Principalin sanibt die allbt'rcith
gross angewendete Kosten in Beliebiger erwegung zu ziehen, inul
gnädigst verstatten, daß Wir denen Liebhabern mit unsern Molrali-
schen[!] Comoe- und Tragoedien alhier in der Statt auffwartten mögen,,
Welche hohe Gnade Wir Lebens lang rühmen, und biß in unsern
Todt dahin bcflißen seyn werden, mit gehorsambste und demüthige
1) Gaedertz, Thcatcrnacln-ichtcn 18S8 S. 52. Doch könnte das
auch die oben S. 134 erwähnte Gesellschaft geweson sein.
-) Kurfürst Johann Georg IV. hatte im Febriiar 1692 die deut-
schen Hof komödianten seines Vaters entlassen.
«
1694. 141
Dienste Wiederumb zu Verdienen „ Verbleiben, in erwarttung gnii-
(\\gste[r] gewehrung"
E. W. E. H. W. Raths
Untci-thänig'st-Gehorsambste Dienere
Die Sänibtl. Bande der Chnrfl. Säciis. Bestalthe
H o t'f - C 0 m 0 e d i a n t e n.
Dazu der Vermerk:
Lect. in Senat, d. 20 Jnlij 1694. Und will E. Raht denen Sup-
plicanten in ihrem desiderio wiltahren, doch daß sie sich aller obscoenen
actmim endiialten, auch so lang-e sie agiren werden, nnd zwar jedes-
mahl 10 biß 12 Thlr. der Kämmerey abtragen.
IL
Herr Bürgermeister, Wohl Edle, Gestrenge, Veste, Hoch nnd Wohl
Weise, Insonders Großgünstige, Hochgeehrte Herren.
Vor die nns albereith ertheilte hohe Gnade, Vor Welche Wir mit
nichts weniger als mit unserer [!] Leben uns Verpflichtet zu seyn erkennen,
sagen wir gehorsambsten und demüthigsten Danck „ So Hertz erfreuet
aber Wir den gnädigst ertheilten Consens in Demuth angenommen, so
schwehr würde es auch uns fallen ein Stück Brodt zu unserer Lebens-
unterhaltung zu erwerben, Wen nicht die geschehene anforderung in
etwas geleichtert werden solte „ Gelanget derowegen an E. W. E. H.
W. Rath unser gehorsambst und demüthigstes Bitten, Sie geruhen es
doch gnädigst also zu Moderiren, das mit Ehren ohne schulden nach
iinsern Agiren Wir dieser Weltberühmten Statt Verlaßen können. Der
lieben armuth nach mögligkeit etwas beyzutragen seynd Wir keines
Weges in abrede, Weiln aber 18 Persohnen nicht ein Weniger Ver-
consumiren, die Bude auffzurichten, auch auff die 700 fl. Kosten wird,
und die tägliche umbkosten als Vor Musicanten, Buchdrücker, Lichter
und auffwärthere ein großes Wegnehmen, leben also der tröstl. Hoff-
nung, daß obgemeldte stücke benebst den betrübten Wittwen Stand
unserer Principalin E, W. E. H. W. Rath also erweichen möchte[n],
daß auch ein groß vor unserer grose mühe wir hoffen könten „ Wie
Wir gnädigste Gewehrung erwartten, also ersterben auch
E. W. E. H. W. Raths
unterthänigst. gehorsambste Diener
Die sämbtliche Bande der Churfl. Sachs.
Hoff Comoedianten.
Darauf ist der Bescheid vermerkt:
Lect. in Senat, d. 26. Julij 1694. Und will E. Raht, fals kein
mehrers erhalten werden könte, denen Supplicanteu die freyhcit zu
agiren vor 600 fl. denen Hausarmen zum besten gönnen.
142 Bolte, Das Danziger Theater.
1695. Zum Dominik kehrte die AVitwe Veiten wieder.
Sie war im November 1694 nach Elbing ^^ezogeu und hatte den
Winter wahrscheinlich in Königsberg oder Stockholm zugebracht.
Im Älärz 1695 langte die 'sämljtliche Bande der Churfiirstlich
Sächsischen bestallten Ilotf-Comüdiantcn' in Riga an und erhielt
am 1. April vom Rate, der sich mit dem königlichen Gouverneur
darüber verständigt hatte, Erlaubnis, ihr Theatrimi aufzurichten,
'jedoch daß sie bey dieser noch befindlichen Trauer modeste
Sachen und mitt gelinden Instrumenten vorl)ringen' sollten. Die
von dem Principale Namens Ade 1er ein für allemal angebotene
Summe von 100 Thalcrn für die Armen nahm der Rat an, da
der Inspektor des Hospitals zu St. Jürgen berichtete, dass vor-
dem niemalen so viel von denen Comoedianten eingekommen
wäre. Nachdem die Truppe auch vor Herzog Friedrich Casimir
in Mitau gespielt, lud sie am 8. Juli den Rat auf künftigen
Montag zu einer besondern Vorstellung eiu^). Die Dauziger
Supplik lautet:
Herr Bürgermeister,
Wohl Edl(^, Gestrenge, Veste, Hoch vntl Wobhveise,
Insouders Hochgeehrte, Großgünstige Herren.
Die mihr verwiechcnen jahres, unter hochgeneigter Vergünstigning
Conioedien allhier zu praesentiren erzeigte hohe gnade, vor welche icli
nochmahleu unterthänigen Schuldigen danck abstatte, machet mich so
confident, daß ich anitzo in meinem noch wälirenden Witwen Stande
E. Wohl Kdl. gstr. Hw. Hr. Hr. wiederum anzutreten vnd umb solche
l'reyheit bevorstehenden Dominik wiederum allhier zu Dant/.ig zu
agircn, nochniahls demütigst anzuflehen, mich unerblödet erkühne, in
demc ich mich nebst meiner geselschaft zu vorhabender Rückreise
nach Sachsen, sonst anders nicht zu unterhalten vnd alß solcher ge-
Ktalt fortzii])ringen, mittel vnd gelegenheit habe noch absehe, Wan dan
zu solclicr fortstellung K. Woid Kdl. Gcstr. Hw. Hr. Hr. mit dero hohen
gunst und gcwngenheit das meinste verniögen: Als lebe der ung'e-
zweileltcn Hofnung, es werde K. Wohl Kdl. Gestr. Hw. Hr. Hr. mein
deniüthigcs Bitten hieniit statt finden zulaßen, und nicim-n Zuslaiul zu
consideriren Jiochgcneigt gerulicu und mihr solche freyheit für das-
jenige. Was mir verwiechcnen jahres znerkant worden, vnd ich auch
unilzo zu schuldigem danck abzustatten, viu'heise zuerlauben, groß-
h Ivigaer Ilatsprotokollc unter dem 1'). und 28. März, 1. und 4,
April, ('). .Juni und H. .Inli 100.').
1695. 143
g'ünstig' belieben. Solche hohe g-nade vnd g'cneig'te Avillfähvig-keit werde
in alle weg'e höchst zurühmen lebenslang* g'eflicssen sein alß
E. Wohl Edl. Gestr. Hw. Hr. Hr.
Demiitig'stc
C a t h a r i n a Elisa b e t h
Seel. F e 1 d t e n s Witwe.
Dazu der Vermerk:
Lact, in Senat, d. S. Julij 1695 vndt consentirt E. Raht, daß Siip-
plicantin ihre Cornoedien gebetener maßen halten mög-e, iedoch daß
sie für sothane Comission 1000 fl., Avelche doch, da sie nicht zu er-
halten seyn solten, biß 600 fl. zn moderiren seyn werden, denen Armen
zum besten zu erlegen schuldig* seyn werde.
Einen ziiftillig- erhaltenen Komödienzettel der Veltensclien
Truppe aus diesem Jahre ^) hat Ad. Mundt in der Altprenssiseheu
Monatsschrift 4, 380 f. vgl. 677 (1867) abdrucken lassen. Wir
g-eben ihn hier wieder:
Die wiederumb angelangte Churfürstliche Stächsische bestalte
Hoff-
COMOEDIANTEN
\\I Erden abermahls mit höchst-gebietender Obrigkeitlicher gnädigster
Erlaubniß allen Cviriösen | Liebhabern etliche treffliche, Sinnreiche
Lust- und Schau-Spiele, welche Jedweden sonderbahre | Vergnügung
und Gemüths-Ergetzung erwecken werden, und zwar heute Sonnabend
den 27. | Augusti wollen sie, mit einer unvergleichlichen lustigen Haupt-
Action, die 'mit lauter Liebes-Intri- | guen und anmuthiger Kur tz weil
angefüUet ist, auifwarten, genannt :
Der künstliche verliebte Lügner
Oder
Die beyden umb der Cron streitenden Schwestern AURORA
und STELLA.
■^Ach Endigung dieser vorterfflichen [sie] rahren Haupt-Action, soll
eine aus dem Holländischen vertirte | lächerliche Nach-Comcedie
beschlüssen, genannt:
Der durch Pickelhärings List-betrogene Gewissen-lose Advocate.
Der Schauplatz ist auff" den Dominic-Plan hinter dem Zeughauß, in der
grossen Bude, allwo das Churfl. | Sächsische Wappen außhängt, und
wird prsecise umb 3. Ulir angefangen werden.
1) Allerdings ist die Jahreszahl auf dem Zettel nicht genannt;
allein für dies Jahr si)richt erstens, dass darin von einer zAveiten An-
wesenheit der sächsischen Hofkomüdianten die Rede ist, und ferner,
dass der 17/27. August im Jahre 1695 wirklich auf einen Sonnabend fiel.
144 Bolte, Das Danziger Theatei'.
Die Hauptaktion ist eine Übertragung von Calci er ons
Komödie Lances de amor y fortana (1635), und zwar nicht
nach den französischen Übersetzungen von Boisrobert und Quinault
{Coups cfamour et de fortune. 1656), sondern nach der hollän-
dischen von Hendrik de Graef : Aurora en Stella, of zusterlijcJce
Jcroon-zucht (Amsterdam 1665). Schon M. D. Treu hatte 1666
und 1681 das Stück in seinem Repertoire, ebenso eine Dresdener
Truppe 1676, Paulsen 1679 u. d. Titel: 'Der künstliche Lügner'
(oben S. 120), Veiten 1680 'Aurora und Stella' und 1690 'Der
künstliche Lügner', Wallerotty 1741. Auch sind in Wien und
Stuttgart drei handschriftliche Aufzeichnungen der deutschen Be-
arbeitung aus dem 17. und 18. Jahrhundert erhalten^). Die
Nachkomödie mag auf der mir nur dem Titel nach bekannten
niederländischen Posse 'Den geMacMen advocaet, of hesclmpten
pluckvogeV (Kluchte in 't musieck. Antw. 1695) beruht haben ^).
Die Veltensche Truppe kehrte später nicht wieder nach
Danzig zurück; doch wird es nützlich sein, ihre Wanderungen,
soweit sie bisher bekannt sind, hier kurz zu verzeichnen ^j. 1697
besuchte die Witwe Veiten Wien und Nürnberg. — 1698 im Januar
Leipzig, Mai-Juni Frankfurt; Augsburg, Wien. — 1699 Wien, im
Mai und Okt. Leipzig. (In Bremen abgewiesen.) — 1700 im Januar
Leipzig. Wien. — 1701 im Januar und April-i\[ai Leipzig (Streitschrift
wider Joh. Joseph Winckler in ^Magdeburg). — 1702 Kiel, im April
Lüneburg, Pynnont, im Juli Ham])urg. — 1703 Kopenhagen, Ham-
burg; im April-.Mai Lübeck. — 1704 Kiel; im April Berlin. —
1705 im Januar Breslau; im Oktober Leipzig; Nov. Lübeck. —
^) Bolte, Archiv f. neuere Sprachen 82, 122. Heine, Zs. f. vovgl.
Littgesch. N. F. 2, 395. Dcssoff ebd. 4, 1. Trautmann, Jahrh. f. Älünch.
Geschichte 8, 310. Sittard, Gesell, der Musik am Württemberg. Ilofc
1, 230.
2) Oder auch auf P. de la Croix, De gewaande advocaat (1685).
8) E. Mentzel, Archiv f. Frankfurts Gesch. 9, 126.134.138. Wust-
mann, Quellen zur Gesch. Leipzigs 1, 480. Trautmann, Jahrb. für
Münch. Gesch. 3, 335. 411 f. 418. Fürstenau 2, 299. Gaedertz, Theater-
nachrichten S. 121. 123. Schlager, Wiener Skizzen N. F. 1838 S. 258.
344. Paludan, Zs. f. deutsche Piniol. 25, 318. Faciikatalog der Wiener
Ausstellung f. Theaterwesen 1892 S. 95 f. Merlo, Annalen des bist.
Ver. f. den Niederrhein 50, 148. Chrvsander, Jahrb. f. musikal. Wiss.
1, 261. Über den angeblichen Aufenthalt in Schweden vgl. Silfver-
stolpe und Paludan, Saiiilaren 10, 55 und 11, 76.
1695. 145
ITCiß im Januar Kiel. (In Frankfurt abg-cwiescn). — 1707 im
Oktober Leipzig, November Ko})enhag-cn. — 1708 im Januar
Leijjzig. — 1709 im Juli Münclicn, Augsburg. — 1710 Augsburg-,
im Februar Müncben, Braunschweig-. — 1711 Frankfurt a. M.,
Köln. — 1712 im Mai Aachen. Darauf wurde die Bande aufge-
löst; die Witwe Veiten soll in hohem Alter zu Wien gestorben sein.
Nach dem Abzüge der Veltenschen Truppe brachte im
November 1605 der Danzigcr Kapellmeister Job. Valentin Med er
seine Oper Nero zur Aufführung-. Dieser talentvolle Musiker,
über dessen Lebensgang- ich anderwärts^) ausführlich gehandelt
habe, war 1G49 zu Wasungen a. d. Werra als Sohn eines Kan-
tors geboren und hatte sich, nachdem er ein Jahr in Leipzig-
Theologie studiert, gleich seinen vier älteren Brüdern der Musik
gewidmet und nach einigen Wauderjahreu 1674 in Reval eine
Anstellung als Kantor am Gymnasium gefunden. Nachdem er
1685 — 86 in Riga als Komponist und Sänger aufgetreten war,
wurde er Anfang 1687 zum städtischen Kapellmeister nach Danzig
berufen-). Hier heiratete er 1688 eine Schwester des Archidia-
konus Michael Strauss (| 1699), lebte jedoch in ziendich be-
schränkten Verhältnissen, so dass er 1692 zwei Kinder, Anna
Rosina und Johann Rautenberg in Logement und Kost nahm^).
Er komponierte in Danzig verschiedene Kirchenkantaten, sowie
zwei Opern; eine dritte Oper 'die befreite Andromcda' mit Ballet
vollendete er erst später in Riga, Gedruckt ist von seinen
Kompositionen nur eine: Capricci a due VioUnl col Bas^o per
VOrgano (Danzig 1698. fol.); handschriftlich sind auf dem
Danziger Stadtarchive vorhanden zwei 1687 und 1688 geschrie-
bene Motetten für zwölf Stiuunen in drei Chören*). Bei der
Durchreise des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich IIL am
1) Viei-teljahrssclirift für Musikwissenschaft 1891, 43. 455. 1892,
499. Grossenteils nach Mitteilung-en eines Nachkommen Meilers, des
Herrn Anton Buchholtz in llig-a. Ein anderer Nachkonnne von ilmi
ist der berühmte Berliner Chirurg- Ernst von Berg-mann.
2) Am 21. Mai 1687 beschloss der Hat, dem 'jetzigen Capell-
meister* 100 ü. auszahlen zu lassen (Nucleus Sen. Cons. Gedanensium
im Berliner Ms. horuss. fol. 250, Bl. G5a).
=') Ihr Stiefvater Georg- Weycr g-eviet im März 1G94 in einen
unangenehmen Streit mit Meder, den er beschuldigte, die Soimtag-s-
kleider der Kinder versetzt zu haben (Ratsarchiv, Supplikationen).
^) G. Döring, Zur Geschichte der Musik in Preussen 1852 S. 197.
Th. F. XII. 10
146 BoltP, Das Danziger Tlieater.
1. Juli 1690 fühlte Meder wührcnd der Tafel 'eine vortreffliche
jVIiisik' auf ^). Freundscliaftliclien Verkehr pflegte der prostestan-
tische Kapellmeister mit dem feiiigebildeten Abte Michael Anton
Hacky im nahe gelegenen Kloster Oliva, einem Schüler des be-
rühmten italienischen Meisters Marcantonio Cesti. 'Von Verfertigung
starcker Kircheustücke/ sagt Mattheson^) i. J. 1740, 'hat er am
meisten Wesens gemacht. Was uns davon zu Gesichte kommen,
ist in Wahrheit mit solcher Gründlichkeit, mit solchem grossen
Fleisse und mit nicht mindrer Anmuth ausgearbeitet, dass es
nicht ohne sonderbares Vergnügen any.uhören. Vor andern ver-
dient der Mann deswegen gelo))t zu werden, dass er, seines
grossen Alters ungeachtet, bey kräncklicher Leibesbeschaffenheit,
dennoch in seiner Composition sich nach dem Geschmack der
heutigen niedlichen Ohren zu be(inemen jederzeit für seine Schul-
digkeit und Ergötzung gehalten hat.' 'D. i.,' erläutert Gerl)er'')
fünfzig Jahre später, 'er zcirte den Text nicht unter ein contra-
punktisches Gewebe, sondern richtete seine Komposition nach
der Quantität der Silben und nach dem Inhalte derselben ein.'
Das Textbuch seiner ersten Oi)er ist erhalten:
NERO I in einer | OPERA | Oder | Sing-Spiel | Eiienialen in Leip-
zig I vorg-estellt, | Mit | Eines Ilocli-Edlen und Ilocliweisen | Ralits [
Dieser Löbl. Stadt Dantzig | Hocligeneigter Verwilligung | vom neuen
aufgeführt | Im Jahre 169.Ö. ü DANTZIG | Gedruckt durch Edl. Ratlis
imd des Gyninasii | Buchdruckern Johann-Zacliarias Stollen. | 56 S. 4".
[Danziger Stadtbibl. XVII. C. q. 40]. — Der Vorbericht ist unterzeichnet:
J. V. M.
Die Oper hat eine eigentümliche Vorgeschichte. Ursprüng-
lich hatte Giulio Cesare Corradi 1079 den Text in italienischer
Sprache für das venezianische Teatro Grimani gedichtet'), den
dann Carlo Pallavicino (f 1689) komponierte. Eine deutsche
Bearbeitung dieses Librettos mit eigner Musik luhrtc 169o der
Dresdener Kapellmeister Nie. Adam Strungk (1640 — 1700) in
Leipzig auf, wo er in der Ostermesse dieses Jahres ein ncu-
1) Löschin, Beiträge zur Gesch. Danzigs 1837 2, 1)4.
2) Grundlage einer Ehren-Plorte (1740) S. 22:3.
8) Lexikon der Tonkünstler 1, 021 (17!)0).
*) Nach Allacci, Drammaturgia 1755 p. 5.54 erschienen im seliieii
Jahre zwei erheblich verschiedene Aiisgaben: \'enezia, F. Nicmlini
1679. 12".
1695-1698. 147
erbautes Opernhaus eröffnet hatte. Meder endlich benutzte, 'weil
in der Eile so bald keine neue Poesie oder andere Materia in-
ventirt oder elaborirt werden können', den gedruckten Text
Strung-ks und setzte ihn von neuem in Musik. Den ersten der
drei Akte kürzte er etwas, im zweiten behielt er einige ihm durch
einen guten Freund mitgeteilte Melodien Strungks 'zu Ehren dem
Autori' bei. Der Inhalt ist die Zusammenkunft des jungen, von
Scneca beratenen Nero mit Tiridatcs von Armenien. Nach Be-
endigung des Krieges setzt Nero diesem wiederum die Krone
auf). Im dritten Akte wird eine Komödie von Endimion und
Cinthia und von der Buhlerei des Mars mit Venus eingeschaltet.
Über die Aufführung, die in dem von der Veitenscheu
Truppe verlassenen Theater stattfand, haben wir noch Nachricht
durch ein Gesuch Meders an den Rat vom 28. November 1695.
Er dankt darin, dass er seine Oper in der verwichenen Woche
habe öffentlich vorstellen dürfen, und bittet um Erlaubnis, sie
noch dreimal diese Woche, am Dienstag, Mittwoch und Freitag,
aufzuführen; denn weil die Bude klein und zudem wegen des
ans Theatrum vorgebauten Chors vor die Instrumental-Musicos
drei Bänke eingehen müssen, habe er noch keine Satisfaktion
seiner Unkosten, noch einige Relaxation vor seine saure Mühe
bekommen. Der Rat gewährte seine Bitte.
lßl)6 erbat sich der Lehrer Wittich an der Johannis-
schule, wie Löschin (Gesch. Danzigs 2, 91) angiebt, die Geneh-
migung des Rates, 'um 'einen actum clramaücum de passiofie
domhii in deutscher Sprache et quidem oratione Ugata' mit
seinen Schülern zu veranstalten. Dies war wohl derselbe Jacobns
Witting, der nach Ephr. Praetorius (Dantziger Lehrer Gedächt-
nis 1713 S. 24) 1()98 Prediger am Zuchthause und 1G99 in
Löblau wurde und 1723 starb,
KJDS. Meder führte eine zweite Oper auf, geriet aber
dabei in Kontlikt mit seiner Behörde, die nicht sehr viel musi-
^) Vgi. Opel, Die ersten Jahrzelmte der Oper in Leipzig. N. Archiv
f. Kiielis. Gesell. 5, llß-141 (1H84), (Uw aber den Nero gar nicht er-
wähnt. Nach Gottsclied, Nöth. Vorrath 1, 25(5 erschien der Nero auf
der MicliaeHsinesse. Ein Ex(unplar besitzt die Hamburger Stadt-
bibliothek.
■^) Vgl. Tacitus, Annales 15, 29.
148 Bolte, Das Danzig-er Theater.
kaliscbes Verständnis besitzen mochte. Schon 1G96*) hatte er
den Rat vergeblich ersucht, ihm zu einiger Recreation seines
bedrängten Zustandes wiederum die AufTübrung seiner früheren
Oper und einer "neuen Materie' in der jüngst auf dem Dominik-
pLatz aufgebauten Bude zu gestatten. Am 15. Januar 1698
uiusste er dem Rate melden, dass er die am 8. befohlene Tafel-
musik beim Besuche des Krmigs Friedrich August des Starken
nicht ins Werk setzen kcinne, da ^die bcyden Haubt-Stimmen,
nemlich Discantist und Bassist manquiren'; er bat, zwei Sänger
aus Königsberg konnnen zu lassen, 'sintemaln Ihre K. M. auft'
eine angenehme Vocal-Music(iue gar attent sind und von keinem
verdrießlichen Gcprasche halten'-). Als er dann am 18. Juni
wiederum mit der Bitte erschien, ihm die Licenz, so man Frem-
den im Dominic verstattet, gleichfalls zu vergünstigen, um eine
kleine Opera von einer ganz neu inventierten Materia aufzu-
führen, wies ihn der Rat 'nach Beschaffenheit dieser Zeit' kurz-
weg ab, obwohl ihm Medcr eindringlich vorgehalten hatte, die
Hochzeitmusiken, worauf seine Accidenticn und Substantia mchren-
teils Ijcruhten, seien ftist ganz eingestellt worden: 'dergestalt ich
je lenger je mehr crepiren muß.' Meder, dem der beim Dominik
zu erwartende Gewinn lockend vor Augen stehen mochte, wagte
es, dem Beispiele fahrender KonKUlianten folgend, seine 0})er in
dem nahen, aber nicht unter der Danziger Oberhoheit stehenden
Schottland autführen zu lassen. Das Textbuch ist betitelt:
^) Das Aktenstück (im Konvolnt 'Musik' Qq. 13B) ist nicht datiert;
doch wird darin die 'verwiehenes Jalir' daro-estellte Oper erwältnt.
Charakteristisch ist di(^ Kiitschxildi<i,'iui^' im Kinganji-e, seine je mehr
und mehr zunehmende Blödigkeit, so durcli die IIerti<ikeit des Mali
hypocondriaci verursacht wird, benehme ihm jiJin/Jicli den Mnt. einen
Gestr. und Hochweisen Rat mündlich anzureden.
2) Übrigens beg-rüsste Meder den König am Abend des Kinzn^'S-
tages (18. März) mit dem Gesan<^-e eines achtstrophi^'en Liedes, das
aucii in gedruckter Gestalt verteilt wurde: 'Freudiger WillUonnii, wo-
mit den allerdurchläuchtigsten, Großmächtigsten Fürsten und Ilerni,
Herrn Augustum den Andern ... in einer vollständigen Harmonia
allerunterthanigst begrüßen wollen Joh. Valentin Meder, Capellmeister.
Dantzig, G(>druckt bey Johann-Zacharias Stollen.' Eine Abschrift bei
Büer<'l im Berliner Ms. boruss. qu. 97, S. 356—3110. Curicke, Frenden-
Bezeugung dvr Stadt Danzig 1698 Bl. 19b berichtet: 'Bei der P.ilcl
wurde vom Capel-Meister einc^ stattliche MusitjUe gehalten.'
1698. 149
Die wieder verehligte | COELIA' | In einem Sing-Spiel | Auff [
Einem im Bisehöftlichen Scliottland | bey Dfintzig" hiezu ersehenen 1
Schauplatz | voro-estellet || Im Jaiir l«;i)8. | 3(J S. 4". — Das Exemplar
der Kaiserl. Bibliothek in Petersburg- trägt auf dem Titel den hsl. Ver-
merk : 'Von V. Medern, Capell Meister in Dantzig'.'
Die Haiullung- der drei Akte ist dürftig, wenn auch die
Verse glatt dahinflicssen. Einer reichen Witwe Coelia werden
verschiedene Hciratsvorschläg-c gemacht: ihre Freundin Elenisse
malmt sie, die Trauer abzulegen ; ihr Vormund Nicrede empfiehlt
ihr den Valerio als Gatten, der in Begleitung des Officiers Capego
auftritt, ihr Verwandter Dämon dagegen den Arsetes. Arsetes
trägt den Sieg davon, während sein Bedienter Lysander sich der
niedlichen Kammerzofe Knisille nähert. Zum Schluss erscheint
der verschmähte Nebenbuhler Valerio vermummt und beglück-
wünscht das Paar; denn er hat inzwischen in Elenisse eine Braut
gefunden.
Das eigenmächtige Verfahren des Kapellmeisters missfiel
jedoch dem Rate; und daher reichte jener am 31. Oktober ein
de- und wehmütiges Schreiben ein: die Extremität habe ihn
leider dazu veranlasst, ein desperates Medium zu ergreifen, um
den Seinigen ein Stück Brod zu schaffen, nämlich ein theatra-
lisches Werk mit unbeschreiblicher Mühe und vielen Unkosten
in dem Schottläudischen Territorio aufzuführen. Nun aber fürchtet
er, sich ein grösseres Übel, des Rates Ungunst, über den Hals
gezogen zu haben, und bittet, in einem Gewerkhause der Altstadt
und zwar sonder alle weitläufige Ombrage nur auf etzliche wenige
Tage seine Oper Nero, die vor drei Jahren sehr gefallen, vor-
stellen zu dürfen. Allein der Rat wies sein Gesuch scharf ab
und untersagte ihm bei Verlust seines Dienstes, die Oper ausser-
halb der Stadt weiter zu präsentieren. Diese Angelegenheit mag
Veranlassung gegeben haben, dass Meder noch im selben Jahre
Danzig verliess und in Königsberg Kantor am Dome wurde;
von dort ging er Ende 1699 nach Riga, wo er die Organisten-
stelle am Dome erhielt und nach einer regen musikalischen
Thätigkeit im Juli 1719 starb. In Danzig wurde Maximilian
Preislich sein Nachfolger, der mit einer Empfehlung seines Bru-
ders aus Franken zu ihm gekonunen und ein Jahr lang von ihm
unterrichtet worden war. So scheiterte der Versuch, die neue
Gattung der Oper in Danzig einzuführen, nachdem nicht bloss
150 Bolte, Das Danziger Theater.
die fürstlichen Höfe zu Dresden, WoH'enbiittel, Wien u. a., son-
dern auch die g-rosscn Handelsstädte Hamlmri,' und Leipzig- mit
der Gründung ständiger 0[)ernl)ühnen vorangegangen waren i).
Zu den erwähnten Feierlichkeiten beim Einzüge des Königs
Friedrich August trage ich nacli, dass die Handwerker nach
altem Brauche ihre Tänze hielten. 'Am 20. März Abend umb
7 Uhr tantzeten die Kürschner mit lichten auf den köpffen den
biegeltantz biß 10 Uhr.' 'Den 22. Martii tantzeten die
Kürschner den M obren tan tz Nachmittage umb 2 Uhr, und
wie dieselben umb Seegers 4 abzogen, da kämmen die SchitTs-
Zimmerleute wieder und tantzeten biß 6 Uhr, da war alles aus.'
— 'Am 28. IMärz (Karfreitag) fuhr I, K. M. am abend umb 7
Uhr nach Schwartze manchen, ahvo die Patres, sobald er in die
Kirche kam, die Aufferstehung- Christi geschehen Hessen' 2). Aus-
1) In Amsterdam versuchte 1682 Theodor Stryker vergeblich die
italienische Oper cinziituhren (Wybrands, Ilet Amsterdamsche tooneel
S. 94. 231). In Riga erhielten die italienischen Komödianten am (i. Juli
16% Iu'laiibni&, ihre italienischen Opern während des Jahrmarkts zu
präsentieren (Rigaer Stadtarchiv. Vielleicht war dies die Truppe des
Giovanni Nannini; vgl. Jahrb. f. Münch. Gesch. 1, 258 f.). 1697 l'ührtc
J. S. Coiisser auch in Nürnberg und Augsburg deutsche Opern auf
(Jahrb. f. Münch. Gesch. 3, 341). 1702 gab Hilverding in Lüneburg
Opern mit Marionetten (vgl. S. 151).
2) Büerel im Berlimn- Ms. germ. qu. 97, S. 361. 363. 365. — V^or-
her hatte sich ein kecker Seiltänzer erboten, bei der Ankunft des
Königs auf die Spitze des Rathausturmes 'bis an den Mann' zu steigen,
drei Scliüsse abzufeuern, eine Fahne zu schwingen und aul' einem
Seile bis zum königlichen Hause (dem Grünen Tliore) heruntcrzugleiteii.
Sein Gesuch unterzeichnete er mit den Reimen:
Caspar Waghoss bin ich genandt.
Mein Leben steht in Gottes Hand.
Wenn ich hör die Trunnuel klingen,
So thu ich aul' den Tlmrm springen.
Der Rat ))cschloss jedoch am 3. März, ihn von seiner Vermessenheit
abzumahnen (Nucleus termin. Senatus ad libellos supplices .s. v. Cu-
riosa), obwohl der Supplicant sich auf mehrere Vorgänger hätte be-
rufen können, den Schiffer und Brauer Ewert Mohr, der 1507 dem
Wetterhahne des Rathausturms seinen Hut aufsetzte (Hennenberger,
Erclerung der Preüss. Landtaffel 1595 S. 86), den venedischen Leinen-
fiieger, der sich 154() vom Rathausturm an einem Seile zum Markte
hinunterliess (Curicke, Beschn'il)ung der Stadt Danzig 168M S. 53) und
1698. 1699. 151
fiihrliclicr hat G. R. Curikc in seinem Folianten: 'Freuclen-
l)ozcii!^iing- der Stadt Dantzig- über die Wahl und Krönung-
Augusts II. 1608' die Handwerkertilnze beschrieben, sich aber
seine Aufgabe dadurch sehr erleichtert, dass er einfiich die 1646
von Martini veröffentlichte Beschreibung dieser Gebräuche (oben
S. 73 — 75) wortgeti-eu abdruckte, natürlich ohne seineu Vorgänger
zu erwähnen.
1699. Wahrscheinlich fällt in dies Jahr ein undatiertes
Gesuch von Johann H i 1 v e r d i n g , in dem er den Danziger Rat
um Erlaubnis bittet, sein Policinello-Spiel ^) halten und dabei
einen Trunk Wein und Bier und ander Getränk ausschenken zu
dürfen, da er von königlicher Majestät ein Privileg dazu erhalten
habe und Willens sei, sich hier häuslich niederzulassen, wenn es
ihm auch schwer fallen würde, einen Geburtsbrief beizubringen.
Dieser Puppenspieler war schon 1685 in Wien aufgetreten; 1698
im September erschien er in Prag; am 21. Februar 1700 suppli-
cierte er in Stockholm, ungehindert im ganzen Reiche Komödien
aufführen zu dürfen, nachdem er hier einige Zeit gewesen sei;
1701 begab er sich von Stockholm nach Lübeck. Am 14. No-
vember 1702 erschien er in Lüneburg und rühmte sich, mit
seinen IV2 brabantische Ellen langen Figuren und Dekorationen
über fünfzig Komödien und gesungene Opern, z. B. Hercules und
Alceste, Jason und Medea, Perseus und Andromeda, Aurora und
Cephalus, spielen zu können; zugleich bot er seine Brillen, Fern-
rohre und Vergi'össerungsgläser zum Verkaufe, wie er schon in
den Kerl, der 1651 vor König" Johann Casimir auf einem Seile den-
selben Weg- nahm (Ciiricke S. 357). Über ein gleiches 1527 zu Kvakau
g-eschehenes Wag-stück vg-1. Kirchhof, Wendunmiit 5, 223.
1) Ein Nürnberg-er Chronist (im Münchener Cod. g-erm. 3587,
BI. 200 a) erzcählt von einem 1649 in Nürnberg- aufgetretenen italie-
nischen Wassertrinker (abgebildet in G. Hirths Kulturgeschichtlichem
Bilderbuch 5, Nr. 2644. Kroker, Mitt. der d. Ges. in Leipzig 8, 3, 105.
1890): 'Er war auch der erste, so den Pollizenello mit kleinen Docke-
lein agiret hat.' Nach Schorers Memminger Chronik 1660 S. 185 war
dies ein Malteser namens Manfredi. — 1657 führte der italienische
Dockenspieler Petro Gimonde de tel Bolognia in Frankfurt den Pulci-
nella vor (Mentzel, Arch. für Frankfurts Geschichte 9, 88). — 1673
spielte ein Seiltänzer vor dem Dresdener Hofe Pollicinello (Fürstenau
1, 244).
■[q2 Bolte, Das Danziger Theater.
Stockholm auch als 'Opticus' aufgetreten war^). Später (1717
— 1721) associiertc er sich in Wien mit J. A. Stranitzky. Schon
sein Vater Peter Ililvcrding- war als Piilcinellas[)iclcr in Wien,
Berlin (1672), Breslau (1706) und anderwärts herumgezogen.
Zwei jüngere IMitglicdcr derselben Familie waren der in Ecken-
bergs Truppe und seit 1736 selbständig auftretende Johann
Peter H. und der Amsterdamer Schauspieler Jacob H.^).
1700. Im Frühjahr verweilte der oben S. 137 genannte
Komödiant Joh. August üblich in Danzig und zog dann zur
Ostermesse nach Lcii)zig, wo er im Mai d. J. Vorstellungen gab'').
Er hatte sich 1695 um ein Privilegium als Stadtkomödiant in
Kopenhagen beworben und war 1697 in Schweden gewesen').
Nach Danzig kam er höchst wahrscheinlich aus Riga, wo vom
20. Sept. bis 8. December 1699 eine Compagnie hochdeutscher
Komödianten spielte, die schon früher Riga besucht hatte'').
Später begegnen wir ihm noch einmal 1702 auf der Leipziger
JMesse, wo er den Titel 'Ilochfürstlich Wcissenfelsischer llofkomö-
diant' führt. Da 1711 in Kiel die Komödiantin Frau Ulichen
allein auftritt^), wird er zwischen 1702 und 1711 gestorben sein.
1701. Im Herbste kam der russische Kapitän Jan
Splawskij, der von Peter dem Grossen den Befehl erhalten
hatte, eine Truppe deutscher Schauspieler anzuwerben, nach
Danzig und schloss hier mit dem Schauspieler Johann Kunst
einen Vertrag ab, der diesen veri)tlichtete, mit einem Gehalte
1) Sclilagcr, Wiener Skizzen N. F. 1830 S. 26-2. 273. 310. 3ö!).
Teiiber, Präger Theater 1, 94 (1883). Gaedertz, Tlieateriiaehriclileu
S. 122 (1888). Akten d(^s Stocklioluier Reiclisarchivs. — In Breslau
spielten 1720 Hilferding und Tilly mit Preliauser (Menzel, Topogr.
Chronik von Breslau 1805 S. 860).
2j Kürschner, Allgem. d. Biogr. 12, 4.33. Bolte, Forsch, zur
brandcnb. Gesch. 2, 523. A. van Halinael, Bijdragcn tot de geschie-
denis van het tooneel 1840 S. 52. G7. — In Breslau nennt sich 1706
der Mai'ionettenspieler Peter Hülferting 'kayserl. und spanisch königl.
Privileg. Distelator' und erwähnt seine lange, sclnvcic und gefährliche
Reise nach Portugal. In Petersburg spielte Peter llilferding lun 1725
mit privilegierten Komödianten den Pajtiniauus des Gr\ j)hiiis.
3) Wustmann, Quellen zur Gesch. Leipzigs 1, 480 (1880).
*) Paludan, Zs. f. deutsche Philologie 25, 317.
^) Rigaer Ratsprotokolle.
«) Trautmann, Jahrbuch f. Miinchener Gesch. 3, 412.
1699—1701. 153
von 5000 Speciesthalern als Direktor der czariselien Hofkomödianten
natdi jMoskaii zu i;elien. Kunst nalini seine Frau Anna und acht
kScliaus[)icler mit, nämlich: Joh. Morton Beidler, Joh. Plantin,
Antonius liodax, Michael Wirtli, Jakob Erdmann Starkey, Carl
Erncst Nitz und Michael Jesowsky, starb aber schon nach einem
Jahre in Moskau ^). Im Danzi^er Archive ist ein Aktenstück
enthalten, welches die Bedcidvlichkeit Kunsts und das Drängen
des Beauftragten des Zaren, der jenem auch nicht gestattete, noch
länger in Danzig und Thorn nach tüchtigen Sängern für seine
'kleinen Opern' zu suchen, deutlich genug zeigt.
Vor dem Praesidircndcn Biirger Meisterl. Ainlite ist pcrsölinlicli
erschienen der Edle Joannes Slawski, bestallter Lieutenant Ilivo
Czariselien Mytt. in Moscovien etc. etc. etc., und hat sich erklaget, was
maßen Johan Christian Kunst ein Comoediant, so auch zugegen,
Ihine mit band und mund versiirochen, nebst seinen andern Caine-
raden mit Ihme nach der Moscau zu reisen, umb daselbst Ihro Cza-
rischc Mytt. mit allerhand .Schauspielen zu bedienen, auch allebereits
von Ihm zur gewißheit auff die band 80. Si^ccie Rthlr. bekommen und
genommen habe, dabey denn auch demselben und allen seinen Leuten
biß an ort und stelle IVeye Reise- und Zehrungs-unkostcn versprochen
worden, welches Er albereits an Ihro Czarische Mytt. nach Moscau
durch Schreiben berichtet, nunmehro aber, da die Zeit zur abreise
herangekommen und alles dazu bestellet, ziehe obgemeldeter Comoe-
diant sein gegebenes Wort zurücke und AvoUe nicht mitreisen; hat
demnach begehret, daß derselbe sich deßfalls vor dem Ambt Cathe-
gorice erklähren möge.
Worauff" besagter Johan Christian Kunst, welcher axißerhalb der
Stadt Jurisdiction, nemlich auff" dem Stolzenberge^) wohnhatft ist, nach
geschehener ernstlichen Verwarnung, sich wol zubedencken, was er
schon gethan und noch zu thun schuldig, sich off"entlich erklährct,
daß er wege« seiner Ehefrauen und kleinen Kinder vor diese Zeit
nicht mitreisen könte und dannenhero bereit wäre, die empfangene
30 Specie Rthlr. zurückzugeben. Dafern Ihm aber hinkünff'tig alhier
1) Vgl. Alexis Wesselofsky , Deutsche Einflüsse auf das alte
russische Theater S. 40—46 (1876). Corneille Le Brun (Voyage par la
Moscovie 1, 42. 1718) erzählt aus Moskau unter dem 5. Juni 1702: 'On
travaiUe ä iine grande löge de bois, devant la porte St. Nicolas, pour
y representer des pUces de theatre. On a meme dejä faxt venir pour
cela, cette annee, des coimkliens de Dantzick, lesquels ont represente
quelques pieces cet hyver ä Vhötel du de fünf gemircd Le Fort.'
2) Auf dem westlich von der Vorstadt Neugarten gelegenen
Stolzenberge stand ein Städtchen, das 1807 und 1813 zum grössten
Teile zu Grunde ging.
154 Bolte, Das Danziger Theater.
in Daiitzig- gnugsamc Cautiou g'estellet werden möchte, daß Er mit
seinen Leuten allemuhl wieder l'rey, sicher und ung'ehindert würde
zurückreisen können, so wnlte Er alßdunn ohne weiteres bedencken
leicht resolviren, zu der verlangten Aufl'wartung, doch bey freyer
Station dahin zu reisen.
Welches der Praesidirende Herr Burger IMeister Sr. Woll Edh
Gestr. Herrl. zu des inehrerwehnten Hn. Lieutenants inständigkeit also
zu verschreiben und, damit es unter der Stadt Siegel extradiret wer-
den möge, an E. Woll Edl. Hochw. Raht auffzuzeugen nachgegeben.
Actum den 4. Octobris Anno 170L
Ex Actis Nobilis Domini Constantini Fred er,
Prae Coss. ac Praesidis.
Extrad. 6. Octobr. 170L
Im selben Jahre wurde einem Danziger Bürgersohne Daniel
Ernst Careerius verstattet, auf dem Dominik sein Porcionellcn-
spiel (soll lieissen Policinellospiel *), Svelclies in kleinen Marionetten
bestehet', zu exercieren. Er rühmt sich in seiner ersten unda-
tierten Supplik, diese Wissenschaft aus sonderlicher Lust durch
fleissiges Nachsinnen, wozu ihn auch die Dürftigkeit getriel)en,
erlernt zu haben. In einem zweiten Gesuche erwähnt er auch
'Nachspiele mit lebendigen Personen'. Es wurde ihm am 7.
Oktober erlaubt, seine Vorstellungen bis Martini fortzusetzen,
wenn er täglich ein Drittel der Einnahme an das Sjiendamt
abliefere.
1703. Vermutlich in dies Jahr fällt der Besuch der sciion
oben S. 134 gelegentlich erwähnten holländischen Öchauspieler-
trui)pe des Jacob vnn Rijndorp, der sich 1710 in Haml)urg
rühmte, in Danzig, Lübeck, Kiel und Kopenhagen gespielt zu
zu haben. Da er nun im Oktober 1703 in Kopenhagen war und
im Dec. 1702 die holländischen Komödianten aus dem Haag in
Berlin Spielcriaubnis erhielten, darf man annehmen, das Rijn-
dorp zum Dominik 1702 in Danzig erschien. Kijudorp-) war
ein tüchtiger Direktor, der lange die Theater zu Leiden und
im Haag leitete und auch eine ganze Reihe von Lust- und
1) Vgl. oben S. 151.
2) Geb. zu Amsterdam zwisclicn KliiO und 1(170, gest. uacli \T,]H.
Vgl. A. van Ilalmaei, Bijdragen tot de geschiedenis van het tooneel in
Nederland IHIO S. 72. Van der Aa, Biogr. Avoordenboek der Neder-
land.Mi K;, iy20 (hier lalschlicli -Jan van K.).
1701-1713. 155
Trauerspielen^) herausgab. Aus sciiier Anwesenheit in Rotterdam
während des Jalires 1(31)0 ist l'<)li;endcs Repertoire''^) erhalten:
Den doJlen Anwitas (D, Wels, gedr. 1GG6), De clerde mei/day
(Rijndorp 1708), De hetooverde helk (Lafontaine, La coupe
enchantee 1688), Herodes en Mariane (K. Lescailje 1685 nach
Calderon), De .schilder door Uefde (A. Pels 1682 nach Moliere),
De hedrogen vrouicenheicaarder (F. Groen 1707), De min-
nares naar de nioode (V), Beguhis (holliindiseh 1690 nach Pradon),
Krispijn juffrouio en notaris (J. de Rijk o. J. und 1737).
1705. 'Im Februar hielten', wie IMiehael BtiereP) berichtet,
'die grossen polnischen, wie auch andre fremde Herren ihr Carne-
fall, Sie liefen verkleidet und verniasquet wie die junge Teuflfel.
Deswegen gab ein Christlicher Prediger folgende Verse: Der
Teufel hat ein Spiel erdacht. Mann nennt es Masqueraden . . .'
(5 Strophen).
1713. Anfang d. J. reiste die Prineii)alin Sophie Julie
Haack-Elenson von Frankfurt a. M. nach Danzig, ohne sich
vorher beim Danziger Magistrate um Spiclerlaubnis beworben zu
haben, und wurde hier abgewiesen^). Sie scheint sich dann
nach Königsberg gewandt zu haben, wo 1712 eine ansehnliche
Truppe ein halbes Jahr hindurch spielte und 100 Fl. an die
Invalidenkasse zahlte^). 1714 hatte sie in Danzig, wie wir sehen
werden, mehr Glück. — Im Dominik scheint nur ein Policinello-
spieler aufgetreten zu sein. Das Kännnercibuch verzeichnet unter
den Dominiks- Jahrmarkts Einkünften :
30. Juli. An Johann Wilhelm Fasz weg'en der Policinellen
Bude am Wall 30 fl.
1713. Vermutlich hat Gabriel Möller (Müller), der in
diesem Jahre, wie ein von Klemming'') erwähnter Theaterzettel
^) Darunter De hellevaart van Doktor Joan Faustus (Amsterdam
1731), ein Stück, das vielleicht eine nähere Untersuchung lohnte.
^) P. Haverkorn van Rijsewijk, De ende Rotterdamsche schouw-
burg 1882 S. 8.
3) Berliner Mscr. boriiss. quart. 97, S. G62.
4) Chronologie des deutschen Theaters (1775) S. 49. Vgl. dazu
E. Mentzel, Archiv für Franklurts Gesch. N. F. 9, 143 (188'2).
^) Hagen, Gesch. des Theaters in Prenssen S. 111.
^) Sveriges dramatiska Litteratur S. 15 (1879). Danach gaben
156 Bolte, Das Danziger Theater.
beweist, in Königsberg- Vorstelhing-en gab, auf dem Wege dorthin
auch Danzig besucht. Möller war in der letzten Zeit Veltens,
mindestens seit 1689, mit seinem älteren Bruder Christian Mit-
glied der Veltenschen Truppe; beide gründeten dann 1693 eine
neue Truppe, l)emiiliten sich aber vergeblich in Leii)zig um
Spielerlaubnis 0. Im Januar 1702 und 1703 erschien Gabriel
^löller in Leipzig mit dem Titel eines baireuthischen Hofkomö-
dianten; im April 1703 kehrte er als Sachsen- Weimarischer Hof-
komödiant wieder und trat im Juni d. J. in Berlin auf; 1705 in
Leipzig, 1706 in Leipzig und Kiel; 1708 spielte er auf der
Leipziger Michaelismesse vereint mit dem österreichischen Princi-
pale Anton Geissler und erhielt am 15. Nov. die Erlaubnis, am
Berliner Hofe bei den Vermählungsfeierlichkeiten des Königs
Friedrich I. zu erscheinen. 1710 am 6. Juni wurde er der Pest
wegen in Berlin abgewiesen, trat aber 1709 und 1710 wiederum
zu Leipzig auf. Von diesem oft besuchten Platze scheint ihn
dann sein Konkurrent Job. Caspar Hacke verdrängt zu haben;
wir Iretfen iiin seitdem nur in den Ostseestädten an. Die
Chronologie des deutschen Theaters (1775. S. 39) nennt ihn und
seinen Bruder den kleinen und den schwarzen Müller, verwechselt
ihn aber, wie es scheint, mit Martin IMüller^). Gabriel ]\löller
agierte 1716 von Januar bis April in Riga und kehrte im August
1721 dahin zurück, nachdem er im März 1721 von Kopenhagen
konnnend in Stockholm aufgetreten war (Dahlgren, Anteckningar
om Stockholms theatrar 1866 S. 22).
1714. Die 1712 abgewiesene Trui)pe der kgl. polnischen
und kurfürstl. sächsischen Hofkomödianten erhielt im Juli Spiel-
crlaul)nis. Sie stand unter der Leitung von Job. Caspar Hacke
und seiner Frau Sophie Julie, die aus Hamburg stammte und in
1713 die Sachsen-Weimarisclien Hotkomödianten in Königsberg 'La
Bisa Iie(/ina di JSuecia! Die Königsberger Archive sind leider für
diese Zeit noch nicht durchforscht.
1) Bolte, Zs. f. d. Phil. 19, S7. Wustmann, <,)uellen zur (lescli.
Leipzigs 1, 473. 481. — Ob die Wiener Hs. 13250 auf eine Verbiiuhuig
Möllers mit der Triippe Andreas Elensons hinweist, bleibt zu unter-
suchen. Christian Müller wird KüU unter den Schaiisj)ielern Veltens
genannt (Fürstenan 1, .'Ul).
2) Vgl. nuten S. I(i2; über Jos. Ferd. Müller S. 158; über Joh.
Christoffer Müller S. 101,
1713. 1714. 157
erster Ehe dem Schauspieler Julius Franz Ejensoii, dem Sohne
des hekannten Principals Andreas Elenson ^) aus Wien und seiner
Gattin Marie Margarete, angehört hatte. Sophie Elenson hatte
nach dem Tode ihres ersten Gatten, der am 7. Juli 1708 zu
Sehwalhach starb, zuerst die Direktion der Trupi)e allein weiter-
geführt, 1711 aber ihren Harlekin Hacke, einen ehemaligen
Dresdener Barbiergehilfen, geheiratet^), der bald darauf das
Privileg eines mecklenburgischen HofkouKidianten und am 28. Fe-
bruar 1714 das eines kursächsischen Hofkomödianten und die
Freiheit, auf den Leipziger Messen zu spielen, erhielt. Als er
nach mannigfachen Wanderzüg-en^) 1722 starb, heiratete seine
Witwe zum dritten Male, und zwar den Schauspieler Karl Lud-
wig Hoflfmanu ^), starb aber schon Ende 1725. Bald nach ihrem
^) Dieser Andreas Elenson ist nachweisbar 1G71 in Graz; 1672
Dresden und Leipzig-; 1(573 Wien, Leipzig-. Frankfurt; 1(179 Dresden,
Halle, Leipzig-, Frankfurt; 1680 Bevern, Hildeslieim, Hannover, Neu-
haus a. d. Elbe; 1683 Dresden, Leipzig; 1684 Frankfurt; 1689 Laibach
(vorher Wien, Graz, Klagenfurt); 1692 Wien; 1694 Wien; 1695 Regens-
burg-, Augsburg-, Frankfurt; 1698 Augsburg-, Nördiingen, München (als
ehemal. Sachsen-Lauenburgischer und gegenwärtiger badischer Hof-
komödiant); 1701 Kiel, Bremen; 1702 Rostock, Berlin (nieklenburg-ischer
Hofkomödiant); 1703 Stralsund; im Juli Breslau; 1704 Berlin; 1705
Dresden; 1706 Wien, Dresden. Vgl. Trautniann, Jahrb. f. Münch. Gesch.
3, 330. — In einer am 17. Juli 1703 in Breslau eingereiciiten Supplik
erwähnt Elenson, dass er in Hamburg-, Nürnberg-, Frankfurt, Strass-
burg und andern Orten gespielt habe. Vgl. die Wiener Hs. 13250
und 13229.
2) E. Mentzel, Archiv f. Frankfurts Gesch. N. F. 9, 137. Petli,
Theater zu Mainz S. 15 (1879).
^) Hacke besuchte 1711 Frankfurt a. M. und Mainz; 1712 (König^s-
berg und Russland?), im Okt. Leipzig-; 1713 Leipzig; 1714 im Jan.
Leipzig-, Dresden, Danzig- (Königsberg?); 1715 im Okt. Leipzig-; 1716
Leipzig-, Darmstadt, Frankfurt a. M.; 1718 Leipzig-, Prag-; 1719 Leipzig;
1720 Leipzig; 1721 Leipzig; 1722 Leipzig.
■*) Sie besuchte 1723 Leijizig und Nürnberg; 1724 Leipzig- und
Breslau; 1725 Leipzig; auch Braunschweig und Wolfenbüttel. Ihre
Erben sitielten in Leipzig 1726 und 1727, 1726 auch in Hamburg-. Dass
Karl Ferdinand Elenson ihr Sohn war, wie E. Mentzel (9, 146) angiebt,
ist mir zweifelhaft, da schon 1713 ein Ferdinand E. als Principal in
Leipzig- erscheint. Ein Verzeichnis ihrer Truppe liefert Heine, Das
Schaus])iel der deutschen Wanderbühne 1889 S. 4(5 f. In der Wiener
Hs. 13151 V. .J. 1741 nennt sich ein F. W. Elensohn.
158 Bolte, Das Danziger Theatei*.
Tode trennten sich die IVfitg-lieder ihrer Truppe von einander;
ihre Tochter ans erster Ehe Susanne Katharine, die den Harlekin
Joseph Ferdinand Müller ^) geheiratet hatte, und die berühmte
Friederike Karoline Neuber^) mit ihrem Manne gründeten eigne
Principalschaften, und Hotimann ging, von Schulden gedrängt,
nach Petersburg 3).
Welche Stücke Hacke 1714 auf der Fechtschule aufführte,
ist uns nicht überliefert; doch ist wohl anzunehmen, dass sich
die Erwartung seiner Fürsprecher, der Lazaretvorstchcr, erfüllte,
er werde seinen Vorgänger, e])cn jenen Gabriel Mciller, den er
schon aus Leipzig verdrängt hatte, weit übertreffen. Seine Ein-
gabe lautet:
Herr Bürgermeiatev otc.
Ew. Hoch Edl. Gestr. Ilorrl. woUon hochg'eneio;t vorgiinncn,
daß icli EiuU'.sliouandter als Principal von den Königl. Polnischen und
Cliurlursti. Säclischon Hoff-Comoedianten diese meJne Bittsclirifft in
tiefi'ster Submission zu dero Füßen niederlege. Es hat, IIochEdle,
Hochgebietliende Herren, Ihr. Königl. May. mir die allergnädigste Per-
mission verlielien, mich auff eine Zeit lang nachcr Dantzig zu begeben ;
Nun bin ich bcn-eits vor 5. Wochen aus Dreßden abgereyset, und weil
es mir an dem hiesigen Orthe nebst 16. Personen, die zu besonderen
Contenteinont der Spectatoren agiren können, ein merckliches kostet
und alle Tage viel auffgehet: Alß habe mich erkühnet Ew. HocIiEdl.
Gestr. Herll. demüthigst zii bitten, daß, weil bereits andere schlechtere
Actores vor mir Comoedien zu praesentiren Concession erhalten ge-
habt, Ew. HochEdl. Gostr. Herrl. auch mir die Gnade zu erzeigen und
hochgeneigt zu vergönnen geruluni wollen, daß ich autT der hiesigen
Fecht-Schule recht auserlesene und erbauliche Comoedien spielen
möge und ehester Tage, weil es mir sonst zu schwer fallen möchte mit
meinen Leuten alhier zu subsistiren, anfangen dürffe. Ich bin willig
und erböthig, daß das hiesige I^azareth von denen daher konnnenden
Einkünfften eben so viel als bey denen letztanwesenden Conioedianten
genüßen möge. Wie nun dieses mein billiges Gesuch, thcils denen
Armen zu iiUte, theils zur Geniüths Ergötzung und Vorstellung vieler
') Jos. Ferd. Müller erhielt 1733 das sächsische Privilegium und
trat bis 174ri verschiedentlich zu Leipzig, Hamburg und Frank
fürt auf.
2) F. J. V. IJeden-Esbeck, Caroline Nculx-r 1881 S. 43.
3) Fürsten au 2, 310.
1714. ITIC. 159
guten Lcbeiis-Roguln gereichet; Alß will ich mich gnädiger Deferirung
g'etrösten, der ich ersterbe
Ew. Hoch- und WolKd. Gcstr. Herr.
nntertliänigster Knecht
[eigenhändig] Johann Caspar Hacke
d. 17. Mart. Principal von der Königlichen Pohlnischen
nnd Churiürstl. Sächsischen Hoff-Comoedian ten Bande.
Lect. in Senat, d. 4. Jul. 1714. Und wil E. liath dem siippli-
canten dergestalt in seinem Gesuch fügen, daß, wenn er die Fecht-
schule auf seine Unkosten wird haben repariren laßen, seine eom-
pagnie daselbst spielen möge; jedoch werden die Stücke, die er wird
praesentiren wollen, vorhero dem Secretario Arcliivi zur Censur zu
übergeben, übrigens so wol der Cämmerey dasjenige, was sie im
vorigen Jahr von denen damaligen Comoedianten genoßen, als auch
dem Lazareth ^4 pt- des Gewinns zuzuführen seyn.
Hierzu gehört noch eine undatierte Eingabe der Vorsteher
des Lazarcts, die den Rat bitten, den vor 14 Tagen aus Dresden
angelang-tcn Hofkomüdianten des Königs von Polen auf der Fecht-
schule zu spielen zu erlauben, da 'sie recht qualificirte Leute zu
seyn scheinen und denen vorigen Comoedianten im spielen sonder
zweiffei weit vorgehen werden'; auch hätten sie versprochen,
gleich den vor einiger Zeit dagewesenen Komödianten ^/^ Part
ihrer Einkünfte (damals 700 fl.) zu geben. Aus einem Vermerke
des Kämmereibuches (1714, 3. — 10. Oct. kleine Ehinahme) ersieht
man, dass in der Fechtschule notwendige Reparaturen vorzu-
nehmen waren:
Fr. Sophia Hackin wegen der Comedianten Bude abgetragen 342 Jl.
Contra Ausgabe: An Fr. Sophia Hacken vor vnkosten an der
Comedianten Bude 100 11.
Über einen Policinellospieler, der im Dominik auftrat, notiert
das Kämmereibuch unter dem 4. August: 'An Johann Lorenz
Fest wegen der Policinelle 30 fl.'
1716. Am 29. April wurden zu Ehren der Zusammenkunft
des Czaren Peter mit dem Könige Friedrich August, bei der
auch die Vermählung des Herzogs Karl Leopold von Meklenburg-
Schwerin mit einer russischen Prinzessin stattfand, Handwerker-
aufzüge auf dem Langen Markte veranstaltet; die »Sehitfszimmer-
leute erschienen, ihren Falinenschwinger voran, die Kürschner
hielten einen maskierten Mohrentanz, die Fleischer ritten auf
ungesattelteu Pferden Karousscl, wobei sie nach einer lose ange-
160 Bolte, Das Danzig-er Theater.
bundeneu Gans und einem aiifgehäng-ten Wassereimer stachen,
und ein Zimmerg-eselle erkletterte einen mit Seife bestrichenen
Mastbaum. (Löschin, Gesch. Danzig-s 2, 128 und Beiträge zur
Gesch. Danzigs 3, 94 nach dem hsl. Journal des Majors v.
Conradi).
1718. Zum Dominik kam Job. Carl von Eckenberg mit
einer Komödiantensehar von AVien nach Danzig. Er war als
Sohn eines einfachen Sattlers zu Harzgerode 1684 geboren und
hatte sich erst 1717, als er vor August dem Starken und
Friedrich Wilhelm I. von Preusscn seine Kraftproductionen vor-
führte, das Adelsprädicat zugelegt^). Auch in Danzig werden
solche Athletenkiinste einen Teil seines Rci)crtoircs gebildet
haben. Ein Spiclgcsuch hat sich nicht erhalten, wohl aber eine
am 31. August von Eckenberg bei dem bürgermeisterlichen Amte
eingereichte Klage wider den Schauspieler Johann Schultz. Mit
diesem hatte E. am 1. Juni einen Kontrakt geschlossen, dass er
'in seiner Compagnie an allen Orten, wo Kläger sieh hin])egeben
würde, vor 18 Tbl. monathlich die lustige Persohn wie schon
früher agiren und in wehrender Zeit nichts vornehmen noch ver-
absäumen wolle, welches dem Kläger nachtheilig seyn könne';
Schultz aber wollte zu einer andern Truppe gehen und behauptete,
der Kontrakt sei nur auf einen iMonat gemacht. Als der Bürger-
meister zu Gunsten Eckenbergs entschied, ergriff Schultz die
Flucht. Eckenberg erwirkte freilich am l.Sept. einen Haftbefehl
gegen ihn; doch erfahren wir nicht, dass der Flüchtige ergriffen sei.
1710. Von Danzig war Eckenberg im Herbst 1718 nach
Kr)nigsberg und Riga und Ende Januar 1719 nach Petersburg
gezogen, wo er am 16. April mit einem ehrenvollen Zeugnis Peters
des Grossen entlassen wurde. Er kehrte nun wiederum nach
Riga zurück und verband sieh hier mit der Truppe der Princi-
palin Victoria Clara Bönicke, die schon zwei Winter hindurch
hier Vorstellungen gegeben hatte ^). Die Direktorin war die
^) Vgl. iiicincn Aufsatz über den 'starken Mann .1. C. F-fkcn-
berg-' in den Forscbuiigcn zur braiul(Mil).-|)r<'Uss. Goscb. 2, "il? (18!S9),
M'ozu irli g('log-('.iitlic-li Nachträge vcrüncutlirbcii werde.
') Krlialtcn ist im Uigaer Sl;i(ltaiclii\- eine interessante Liste
ilirer Vorstclliin''en samt den Kinnalimen.
1716-1725. 161
Witwe des Baden-Durlacliisehen Ilolkomödianten Heinrich Wilhelm
Böiiicke oder Peiiicke ') und hatte bei sieh den Schauspieler Joh.
Hinrich Mann inid den 'Sänger und gewesenen Comödianten'
Johann Christoffer JMüller mit seiner Frau Magd. Wilh. Christina
von der Huwen. Eckenberg- wollte mit der 40 Köpfe starken
Gesellschaft zum Dominik nach Danzig- reisen, wurde aber in
Köuig'sberg- durch den Anwalt eines Gläubigers, des Kaufmanns
Georg- Künstlich, in einen langwierigen Process verwickelt, der
ihn nötigte, bis zum April 1720 in Königsberg zu bleiben. Ob
statt seiner eine andre Truppe in Danzig- erschien, ist aus den
Akten des Stadtarchivs nicht festzustellen 2).
1720. Eckenberg langte aus Königsberg an und fuhr
nach Kopenhagen, wo er bis 1722 im Wetteifer mit andern
deutschen Truppen um die Gunst des Publikums warb; 1721
machte er auch einen Ausflug nach Schweden, wurde aber im
Nov. in Königsberg- abgewiesen.
Sein früherer Genosse Joh. Heinrich Mann, der 1720 in
Königsberg zurückgeblieben war, spielte im Januar-Februar und
im Oktober-December 1722 in Riga und 1725 in Petersburg^).
Auch der 1724 in Riga auftretende 'starke Mann' Joh. Siegfried
Solar scheint ein früheres Mitglied der Eckenbergsehen Bande
zu sein, das sonst Scolary genannt wird*)-, mit ihm hatte sich
ein Marionettenspieler Joh. Daniel Schönrock, Bürger zu Dan-
zig, zusammengethan, der ausser seiner Frau noch acht Personen
bei sich hatte und 1729 nochmals nach Riga kam^).
1725. Aus Rigaer Akten erfahren wir, dass der dort am
6. April 172G mit einer 'vollkommenen Compagnie Komödianten'
^) H. W. Penicke kam 1711 zur Herbstmesse von Wien nach
Leipzi»-, spielte 1712 ebenda und 17ir> in Frankfurt; nacli der Chrono-
log-ie des d. Tiieaters 1775 S. 44 war er Mitglied von Stranitzkys Bande.
-) Das Vorstehende ist zumeist aus Rigaer und Berliner Archi-
valien entnommen; vg-1. Ilag-en, Gesch. des Theaters in Preiissen S. 113.
ä) Am 31. Okt. 1722 erhielt er vom Rig-aer Rat die Weisung-,
zum Besten des Hospitals die Komödie vom reichen Manne und armen
Lazaro, am 21. Nov. die von Judith und llololernes zu agieren
(Rigaer Ratsprotokolle. Vgl. Wesselolsky, Deutsche Einflüsse auf das
> alte russ. Theater 1876, S. 66).
*) Vgl. Bolte, Forsch, zur brandenburg. Gesch. 2, 523.
6) Rigaer Stadtblätter 1889, S. 293.
Th. F. XII. 11
2ß2 Bolte, Das Danziger Theater.
eingetroffeue William Dur harn kurz zuvor Daiizig und Königs-
berg besucht hatte. Dieser Wilhelm Durham oder Duhram, wohl
ein Sohn des gleichnamigen Berliner Generalfiskals, hatte am
5. Dec. 1724 vom Könige Friedrich Wilhelm I. ein Privileg für
seine Länder erhalten und trat im Nov. 1727 in Stettin, im
Januar 1728 in Halle auf*). Mit seinen Schauspielen, von denen
uns Arlequin, das durchlauchtige Müllermädchen und Genoveia
genannt werden, verband er nach dem Äluster Eckenbergs "aller-
hand rare Stücke von Voltigiren, Springen, Balancieren, Posituren
und Tänzen'.
1730. Dieses Jahr bildet einen Abschnitt in der Theater-
geschichte Dauzigs, da der Rat damals die alte Fechtschule
reparieren und zu einer „Komödiantenbude" einrichten Hess, die
er am 23. Juni dem Komödianten Müller für eine jährliche
Pacht von 600 Gulden übergab-)- Die Pachtsumme wurde 1732
und 1733 auf 550 Gulden eriuässigt; im Ganzen kamen bis zum
Jahre 1780, wo ein Bereiter George Philipp Braun dem Rate
vorsehlug, das baufällige Komödienhaus in eine Reitbahn umzu-
wandeln, 10 710 Fl. Mietsgeld dafür ein 3), und das Gebäude
blieb bis zur Eröffnung des neuen Schauspielhauses i. J. 1801
in Benutzung^).
Der eben genannte erste Pächter des Theaters war jener
Martin Möller (Müller), der im März 1729 in Riga als Führer
einer Compaguie hochdeutscher Comödianten auftrat, 1732 in
Kiel spielte, im September 1732, also nach dem Dominik, mit
zwölf Schauspielern aus Danzig in Stockholm anlangte und im
Winter 1733—34 vereint mit der Gesellschaft des J. C. Kreutzer
ebenda eine Reihe uns genauer bekannter Vorstellungen veran-
1) Bolte, Monatsblätter der Ges. f. pommersche Gesch. 1887, 57.
Opel, Magdeburg. Zeitung 1881, Beibl. Nr. 23, S. 178.
^) Ratsbeschluss vom 23. Juni 1730, citiert im Berliner Mscr. bo-
russ. fol. 250 (Niicleus Senatus-consultorum Ged.) Bl. 214 a. — So ver-
mietete auch der Breslauer Rat seit 1727 den im Ballhause in der
Neustadt eingerichteten 'Opernplatz' an einzelne Prinzipale.
8) Bericht des Kännnerei-Bauamtes, veranlasst durch die am
8. Mai 1780 eingereichte Sui)plik des G. Ph. Braun (Sladtarcliiv).
4) Löschin, Geschichte Danzigs 2, 199. 299. 351. — über die
Theaterverhältnisse der nächstlolgenden Zeit vgl. Löschin, Beiträge
zur Geschichte Danzigs 1, G3 (1837) und H. Devrient, Joh. Fr. Schöne-
mann (1895).
1725-1730. 163
staltete^). Wir cutnehiiien hieraus, dass Möller nur während
einiger Monate, nanicntlieh natürlich zur Zeit des Dominiks, in
Danzig- auftrat. Auf ihn g-ehen, wie es scheint, die beiden nach-
folgenden Theaterzettel zurück, auf denen auch die Eintrittspreise
vermerkt sind.
Für das erste Prog-ramm ist das so g-ut wie sicher, da die
auf diesem angekündigte 'Männerliebende Rosette' von M. Müller
und J. C, Kreutzer auch am Dienstag- d. 18. Sept. 1733 in Stock-
holm gegeben wurde; nach dem auf der Stockholmer Bibliothek
betindlichen Zettel lautet der Titel: "LErrore honesto o sia
Eonetta jardiniera, diventata Contessa di Bavia o di Tortona\
— Nach dem wenigen, was über den Inhalt des Stückes über-
liefert ist, darf man darin eine karikierende Nachahmung der
achtzig Jahre zuvor erschienenen ^Schäfferey' Rosetta (Leipzig
1C53. 8") des jungen Leipziger Magisters Heinrich El men hörst
aus Hamburg erblicken, die auch ins Repertoire der Wander-
truppen übergegangen war (Nr. 99 des Weimarer Repertoires:
Die schöne schäfferin Rosseta). Dies fünfaktige Prosadrama
scheint durch eine litterarische Vereinigung von Leipziger Studenten
angeregt zu sein, mit der auch der Verfasser des 'Hylas aus
Latusia' (IGfM). Herrigs Archiv 82, 110), Justus Sieber, J. G.
Schoch und J. G. Albini, dessen Erofdo (1G52 nach Oats' Trou-
ringh) Elmenhorst in seiner Vorrede citiert, in Verbindung standen.
Der Inhalt ist ziemlich albern. Die sicilische Schäferin Rosetta,
die der spröden Ismelira gegenüber das Verliebtsein verteidigt,
hat nicht weniger als drei begünstigte Liebhaber, allerdings nach
einander. Als der gewissenlose Strephon ihr den Tod ihres Ver-
lobten Sylvander meldet, um bald darauf um ihre Hand zu wer-
ben, bricht sie zwar in Klagen aus, beschliesst aber, 'Strephon,
soviel die Zeit zulassen wird, zu lieben, indessen auch nicht
auffzuhöreu, ein tägliches Optfer ihrer Erbarmung und Mitleidens
*) Rigaer Ratsprotokollo. Dahlg-ren, Antockningar 1866 S. 26 f.
Klemming, Sverly-es draniatiska lilteratur 1879 S. 70. r);!9. Die Titel
der 1733—34 in Stockliolm aiifgelulirtcn Stücke werde, ich später ver-
öffentlichen. — Übrig-ens erwähnt Job. Gri eg, Prinzipal der hochdeut-
schen Komödianten, am 13. Dec. 1734 in einer Supplik an den Rig-aer
Rat, dass er die Compagnie in Stockhohn übernommen iiabe, weil ihn
seine Leute Moritz Seeliger nebst Schatten und Lambert überredet
hätten.
164 Bolte, Das Danziger Theater.
dem abgeleibten Sylvander auifziiopffeiu'. Da kehrt der Totge-
glaubte zurück. Wie Rosetta ihn freudig umarmen will, weist
er sie entrüstet als eine Treulose zurück; auch Strepbou, der
ihr seinen Betrug reuig eingesteht, verlässt sie, um freiwillig den
Tod zu suchen. Aber der arkadische Prinz Clearchus, der um
ihretwillen sich als Schäfer Fillidor verkleidet hatte, tritt nun in
die Lücke und führt die allzeit verliebte Schäferin als Braut
heim. Ein zum Schlüsse angekündigtes Trauerspiel, in dem
Elmenhorst die weiteren Schicksale der Rosetta darstellen wollte,
ist glücklicherweise nicht erschienen.
Die auf dem zweiten Zettel Müllers genannte Hauptaktion
■"Der grossmütige Siroe' ist einem italienischen Operntexte von
Pietro Metastasio (Opere 3, 223. Parigi 1780) nachgebildet, der
die 628 erfolgte Entthronung des persischen Königs Chosru durch
seinen Sohn Schiruch (Siroe) zum Gegenstande hat. Dieser ita-
lienische 'Siroe' wurde sehr häufig komponiert, zuerst 1726 von
Leonardo da Vinci in Venedig, 1728 von Händel in London
(Ausgabe der d. Händel-Gesellschaft Bd. 75. 1878), 1731 von
Ant. Bioni in Breslau (Kahlert, Schles. Provinzialblätter 106, 3.
1837), 1733 von J. A. Hasse in Wien u. a. ~ Die Nachkomödie
'Die kostbaren Lächerlichkeiten' ist ein Stück Moli eres, das
schon 1670 verdeutscht (Eloesser, Die älteste deutsche Übersetzung
Molierescher Lustspiele 1893 S. 31) und z. B. 1680 von Veiten
gespielt worden war.
Mit Bewilligung einer hohen (3brigkeit wird heute auf der hie-
sigen Schaubühne ein ganz neues Scherz-Si)iel aulgeliilirt werden,
genamit
Das a f f e c t i r t e Frauenzimmer
oder
Die M ä n n e r - 1 i e b c n d e li o s e 1 1 e
mit Arlequin einem lächerlichem Pilgrani.
Avertissement.
Zu was für lächerliche Schwachheiten die Ehstands- Begierde
und Männerii(^be manches Frauenzimmer bringen kann, legt nicht nur
1) Nach dem Abdriicke in der Danziger Zeitschrilt 'Dampi'boot'
1840, 19. Mai, Schaluppe Nr. 60: 'Ein Danziger Theaterzettel aus dem
vorigen Jahrhundert'. Beigefügt ist die Bemerkung: 'Auf dem Zettel
ist kein Datum, er .stammt aber wahrscheinlich aus dem vierten De-
ceuuium des vorigen Jahrhunderts.'
1730. 165
die jährliehe, sondern fast tätliche Erfahrung-, genug-sam an den Tag-,
zumal wenn sieh bey solcher Art von Frauenzimmer ein absurder
Stolz und ridieule Eigenliebe befindet. Man siebet ja, wie es heu-
tiges Tages bei einer Jeden, auch von dem geringsten Stande alle-
zeit heißen müße: Mademoiselle. Denn die alte aus der Mode ge-
kommene Jungferschaft, hat man nebst dem altgeblümten Zeuge von
Kameelhaaren, denen Kaminermädgens geschenkt, welche sie aber,
als eine heut zu Tage, wenig mehr geachtete Rarität, denen Kut-
schern und Untei'bedienten aufzuheben gegeben.
Ein gleiches werden wir in der heutigen Action wahrnehmen
an Rosetten, einem Frauenzimmer geringen Standes, welches die
Phantasie so weit bringet, daß sie sich nicht allein einbilden läßt, sie
sey nicht nur aus adelichen, sondern sogar aus gräflichen Geblüte
entsprossen und alle Mannsbilder müßten sich partout in sie verlieben
etc. Hiebey nun werden die allerlächerlichsten Passagen vorkommen,
so ein respect. Auditorium gewiß vergnügen werden etc.
Die Herbstluft ist sehr rauh; man hört von lauter Flüssen,
Der eine hats im Haupt; der andere an den Füssen,
Der dritte in dem Knie; der vierte auf der Brust,
Daß er ganz heisch, und sich fast gar zu Tode hust,
Ein Zufall aber geht fast durch das ganze Land,
Der heißt: die Jungfern plagt so sehr der Ehestand.
NB. Zur Nachricht dienet, daß die Rosette, die neu ankommende
Sängerin vorstellen, und ihre Auftritte mit vielen angenehmen comi-
quischen Arien accompagniren wird.
Unterredende Personen:
1) Auselnio, Vater des
2) Florindo
3) Brigello, dessen Diener
4) Gratiano, Vater der
5) Lucinda
6) Ciarice, Anverwandtin des Grafen Anselmo
7) Arlequin, ihr Bedienter
8) Silvio, Amant von Lucinden
9) Rosette, eine Gärtnerin
10) Bediente und Porteurs.
Vorstellungen und Veränderungen des Theatri sind:
1) VAn ordinaires Zimmer
2) Ein Garten, worin Rosetta nebst anderen Gärtnern der Arbeit
obliegt
3) Rosettens lächerlicher Aufzug als Gräfin mit ihren Läufern und
Bedienten
4) Ihre Parade in der Portechaise
5) Ein Saal mit Wandleuchtern und Spieltischen ausgezieret.
IQQ Bolte, Das Danziger Theater.
Der Beschluß machet ein Tanz und eine Nach-Comödie in Versen
genannt:
Der plauderhafte Schäfer.
Unsere Sängerin aus Petersburg wird mit Italienischen und
deutschen Arien sich zu signalisiren trachten.
Der Schauplatz ist in dem bekannten Comödienhause, wo ehe-
dessen die Fcchtschulc gestanden.
Die Person zahlet in der Loge 2 Tympf, parterre 1 Gulden, auf
den anderen Platz 18 Groschen, auf den dritten Platz 12 Groschen,
und auf den letzten Platz 6 Groschen.
Der Vorhang wird präcise halb fünf Uhr eröffnet.
II. 1)
Das schuldige Denk-, Dank- und Ehren-Mahl Wird heute Mon-
tags den 16. November 1733 au stat einer submissen Dedication vor
alle bisher unverdient genossene hohe Gnade Denen Hoch -Edlen,
Gestrengen, Vcsten, Hoch- u. Wohl-Weisen Herren HF^RREN Bürger-
meistern und gantzen Hoch-Edlen und Wohl Weisen Rath der König-
lichen Stadt Dantzig zu Ehren In einer neu-verfertigten Haupt-ACTION
Betittult:
Der G r 0 D m ü t h i g e S I R Ö E
Oder Die triuinphirende Gerechtigkeit und vom Himmel beschützte
Unschuld nebst vorhergehenden meistentheils musicalischen PROLOGO
Genannt:
Die wieder-hergestellte güldne Zeit,
in gehorsamster Ergebenheit vorgestellet Averden Von denen eine Zeit-
lang hier subsistirenden, aber bald abgehenden liochteutschen Acteurs.
Kurtzcr Inhalt des Prologi.
Bei dem Aufzug der Gardine, welclies unter einer musikalisclien
Entrec mit Trompeten und Pauken geschieht, siehet man eine sehr
lustige und mit einer lebendigen Buscage angefüllte anmuthige Ge-
gend, wo sich Dantzig als ein Frauenzimmer in einer sehr hellen
Wolcke zeiget und unter einen süssen Vogel-Gesang und rauschen-
den Wasser-Bächen Ihr Vci'gnügcn in einigen musikalischen Arien
und Recitativen an den Tag leget. Diese Ihre Glückseeligkeit kan der
blasse NeJd unter den Nahmen Livona nicht mit gelassenen Augen
ansehen, ruffet dannenlu-ro seine höllische Gesellen zu Ilülflle, obiges
Frauenzimmer zu stürtzen, welche denn auch alle Kriiftte anwenden
und unter erregenden Donner und Ungewitter, Ihre Vergnügung ziem-
lich verstöhren, wobey sich denn die Wolcke nebst der gantzen Bülme
verfinstert. Weil es aber hie heißt: Pi'emitur, sed non opprimitur, so
^) Nach dem Abdrucke in der Danziger Volkszeitung 1880, Sonn-
tagsbeilage 'Der Artushof Nr. 3, S. 23: 'Danziger Theaterzettel aus
der ersten Hälfte des 18. Jalirhunderts.*
1733. 167
wird Livona mit ihrem Geschmeiß von dem darzukommenden Mars
und Pallas verjao-et, worauff sich sog-leich die Bühne verändert, der
harte Sturm und schwartzo Finstcrniss in eine angenehme Helle ver-
wandelt und sieh die 4 Haupt-Tugenden: als die Gerechtigkeit, Klug-
heit, Sanfftmuth und Wachtsamkeit presentiren, zum Haupte aber der
Stadt Dantzig, folgende Worte illuminirt zu lesen sind: VIVANT!
PATRES PATRIAE! Wobey denn Mercurius, Mars, Pallas und For-
tuna sich mit Dantzig" vereinigen, ihre Wünsche frohlockend ableg'en
und unter Trompeten und Pauken-Schall dem Prolog den Schluss
machen,
Persohnen im Prolog sind:
Dantzig, in Gestalt eines Frauenzimmers.
Pallas, welche an stat des Schildes, das Wappen der Stadt Dantzig führet.
Mars mit seinem Gefolge.
Mercurius.
Fortuna.
Livonia mit ihrem Gefolge.
Ein Tantz von Furien.
Vorstellungen des Theatri:
Eine angenehme Gegend mit einer lebendigen Buscage.
Eine verfinsterte Wolcke unter währendem Sturm und Ungewitter.
Die vier Tugenden als Statuen, nämlich: die Gerechtigkeit, die Klug-
heit, die Sanfftmuth, die Wachsamkeit mit eines Hoch-Edlen
und Hochweisen Raths Wappen.
Eine illuminirte Schrift : Vivarif Patres Patriae in den Wolcken,
Kxirtzer Inhalt der Haupt-Action an sich selbst:
Cosroe H. König in Persien wurde von den Schmeicheleyen seines
andern gebohrenen Sohnes dermassen eingenommen, daß er denselben
auf den Thron zu setzen, u.nd den erstgebohrenen Sohn Siröe davon
auszuschliessen sich alle Mühe gegeben: Durch falsche Anklagungen
wurde auch Siröe zum Tode condemniret, aber auch von dem ihm ge-
neigten Volke befreyet.
Cosroe hatte unter vielen Siegen das Glück den Asbate, König
in Cambaja zu schlagen, ihn umbzubringen und das gantze Königlich
Hauß zu vertilgen, ausser des Asbate Tochter, die schöne Fürstin
Emira, welche durch die Hülffe ihres geliebten Siröe dem Tode ent-
rissen worden. Diese Emira hat sich in Manneskleidern an den Hof
des Cosroe begeben, um den Tod ihrs in der Schlacht ermordeten
Vaters an Cosroe zu rächen, und ihren geliebten Siröe zu sehen, allwo
sie dermassen gewust, die Gnad und das Vertrauen von Cosroe zu
gewinnen, daß er sie stets vor ein Mannsbild gehalten und sein
ganzes Vertrauen auf sie gesetzet u. s. w. u. s. w. Und hierauf
gründet sich die heutige Action. Die angenehmen Verwickelungen, der
Streit zwischen Ehre und Liebe, und die wunderliche Gemüths-Neigung
des Cosroe werden verliofteutlich das Stück aggrcable machen.
168 Bolte, Das Danziger Theater.
Damit aber auch eine Abwechselung der serieussen Materie ge-
schehe, hat man unterschiedliche lustige Intermezzi zwischen Arle-
qvin und seiner Murmelia mit untermischet, doch so daß es der Haupt-
Materie in der Connexion nichts benimmt, sondern als lustige Inter-
valla können beti-achtet werden u. s. w. Übrigens wolle man gütigst
dispensiren, wenn nicht alle Personen in Persianischen Habit vor-
stellig gemacht, weil wegen gewissen Umbständen hiesiges Theatri
oder der hiesigen Compagnie deren Acteurs solches nicht hat ge-
schehen können.
Spielende Persohnen sind:
Cosroe, König in Persien verliebt in die Laodicea.
Siröe, der Sohn von Cosroe, von der ersten Gemahlin rechtmäßiger
Erb-Printz, verliebt in Emira.
Medarso, Sohn des Cosroe von der andern Gemahlin.
Emira, die Fürstin aus Cambaja, Tochter des in der Schlacht ertödteten
Königs Asbate, in Manns-Kleidern, unter den Nahmen Idaspe,
verliebt in Siröe.
Laodicea, verliebt in Siröe, eine Schwester des Arasso.
Arasso, General der Persischen Waffen, Freund von Siröe.
Arleqvin, ein curieuser Amant.
Murmelia, seine Charmante, eine afFectirtes Frauen-Zimmer.
Staat und Soldaten.
Veränderungen des Theatri in der Haupt-Aktion.
1. Ein Tempel der Sonnen gewidmet, mit deren Statua und Altar.
2. Das Zimmer des Königs Cosroe.
3. Ein königlicher Garten.
4. Ein Vor-Saal oder Cortile.
5. Ein Trauer-Zimmer welches dem Siröe an stat eines Gefängnisses
dienet.
6. Ein grosser Saal mit einem Thron, worin die Krönung geschiehet.
NB. Der Veränderungen wegen Arleqvin und seiner Murmelia,
so sich in seinen lächerlichen P]hstand eräugen, zu geschweigen.
Den Schluß wird vor heute machen eine lustige Nach-Comödie
aus dem Französischen Meliere entlehnet und betitult:
Leu precieuses Ridicides,
Die kostbahren Lächerlichkeiten.
NB. Der Anfang ist iimb 4. Uhr.
Der Schau-Platz ist in der Fecht-Schule. Die Persohn giebt in
der Loge 1 TympfF, parterre 1. Gulden, auf den andern Platz
18. Groschen, auf die Gallerie 12. Groschen, und auf den letzten
Platz 6. Groschen.
Anhang.
Zwei uiigedruckte Stücke der englischen Komödianten, aus
Georg Schröders Nachlass herausgegeben:
1) Tiberius von Feirara und An.ibella von Mömpelgard.
2) Der stumme Ritter.
1. Tiberius von Ferrara und Anabella von
Mömpelgarcl.
Vorbemerkung-.
Wie wir schon oben S. 121 erwähnten, besitzt die Dan-
ziger Stacltbibliothek in dem aus Georg Schröders Nachlass
stammenden Manuscript*) X. fol. 30, Bl. 65 a — 112 b zwei sehr
beachtenswerte Prosakomödien des 17. Jahrhunderts, über die
schon 1865 ein Anonymus, wohl W. Mannhardt, in der Altpreussi-
schen Monatsschrift 2, 228—244 berichtet hat: ein titelloses, das
ich nach den Hauptpersonen ""Tiberius von Ferrara und Anabella
von Mömpelgard' benennen will, und ein zweites mit der Ueber-
schrift 'Der stumme Ritter, oder Vntrew schlecht ihren eygen
Herrn'. Beide Stücke sind von derselben Hand und auf dem-
selben Papiere^) geschrieben und stanmien sicherlich aus dem
Besitze einer fahrenden Schauspielertruppe. Da beide ausserdem,
wie sich zeigen wird, nach englischen Originalen bearbeitet und
schon zu Anfang des 17. Jahrhunderts anderwärts in Deutsch-
1) Es enthält, wie ich schon im Niederdeixtschen Jahi'buche 12, 131
dargelegt habe, vier ursprünglich getrennte Teile: 1) eine Abschrift
von Joachim v, Sandrarts 1675 zu Nürnberg' g-edruckter Teütscher
Academie, wohl von Schröders Hand. — 2) die im Texte genannten
Komödien. — 3) zwei kleine Prosadramen von andrer, schwer lesbarer
Hand, nämlich eine zumeist in niederdeutscher Mundart abgefasstc
Posse 'Hanß sien Wegtog nahm Kriege unde Werkunfft' (von mir a.
a. O. abgedruckt) und eine dürftige und unvollständige Dramatisierung
von Val. Schumanns Novelle von Christoph von Mömpelgard und
Veronica von England (Nachtbüchlein Nr. 22 hrsg. von Bolte 1893). —
4) Unterricht vom Buchhalten und Kauffmanschafft zu treiben.
2) Das Wasserzeichen besteht aus drei aus einem Stengel her-
vorwachsenden Blüten mit vier Blumenblättern auf einem dreieckigen
Ornament.
172 Bolte, Das Danziger Theater.
land gegeben worden sind, könnte man leicht auf die Vermutung
kommen, dass die Dair/iger Handsclirit't einst einem der eng-
lischen Principale John Green, John Spencer oder Arend Aer-
schen gehörte und von ihm bei einem Besuche Danzigs dort
zurückgelassen sei, wenn nicht der Name des früheren Besitzers
Georg Schröder auf eine andere Spur leitete. Schröder, der
1635 geboren war, hatte jene Engländer nicht mehr selbst ge-
sehen; dagegen verfolgte er 1669, wie oben S. 103 dargelegt ist, mit
grossem Interesse die Vorstellungen Paulsens, und von Paulsen,
der sich damals schon von dem Vorbilde der englischen Dramatiker
der französischen Bühnendichtung zugewandt zu haben scheint,
wird er jene beiden Stücke erhalten haben.
Das erste Stück ist ohne Zweifel identisch mit der Historie
'vonn Annabella eines hertzogen tochter vonn Ferrara', die 1604
englische Komödianten unter W. Eichelin in Nördlingen agieren
wollten; denn in einer undatierten Supplik, die derselbe Prin-
cipal in Rothenburg ob der Tauber einreichte, lautet der Titel
richtiger 'vonn Annabella, eines Margraffcn tochter von Mont-
ferraf). 1626 am 11. Juni und 24. Sept. gab Green in Dres-
den die TJomoedia vom Hertzog von Ferrara', in der wir gleich-
falls unser Stück wiedererkennen 2).
Das englische Original, auf das Crcizenach^) zuerst hinge-
wiesen hat, ist John Marstons Komödie 'Parasitaster, or the
Fawne', die 1606 von den Chorknaben der Königin im Black-
friars-Theater und von den Kindern von St. Pauls gespielt wurde
und alsbald auch in Druck kam'*). Sie beginnt damit, das der ver-
^) Traxitmann, Arclilv für Litt.gesch. 11, 625. Zeitsclir. für vevgl.
Litt.ge.sch. 7,61.
2) Fürstoiiau, Zur Gesch. des Theaters zu Dresden 1, 97. —
Zweifelhaft ist mir die Identität der im Sept. 1668 zu Dresden gespielten
Tragikomödie 'vom Herzog von Ferrara mit des Müllers Tochter'
(Fürstenau 1, 228), obwohl Creizenach dafür eintritt.
3) Die Schauspiele der englischen Komödianten 1880 S. XLVI, 334.
*) Nachdem das Stück ohne Vorwissen des Dichters erschienen
war, veranstaltete dieser im selben Jahre 1606 eine neue berichtigte
Ausgabe; ein dritter Druck kam 1633 heraus, Neudruck in J. Marstons
Works ed. by A, H. Bullen 1887 2, 105—230; vgl. 1, XLIII. — Die
Erlaubnis für die Drucklegung datiert vom 12. März 1606 (K. Arber,
A transcript of thc registers of the compagny of stationers 1875 3, 136b.
A. Albrecht, Das englische Kindertheater. Diss. Halle 1883 S. 54).
Tibei-ius und Anaht'lla. l'^inleituiiö-. ^73
witwctc Herzog IIci-culcs von Ferrara^), der seinen Sohn Tiberio
bisher vcrgeblieh zu einer Heirat getlrüng-t hat, seinem Bruder
Renaklo eröffnet, er wolle nun selber die seinem Sohne bestimmte
Fiinzessin Duleimel von Urbino heimführen und diesen ruit der
Werbung betrauen. Aber auch er will verkleidet nach Urbino gehen
und iUjerträgt dem Bruder daher die Regentschaft. Die 2. Scene
führt uns an den Hof von Urbino. Nachdem der Narr Dondolo
den Hüfherren die Ankunft des Prinzen Tiberio geriieldet, erscheint
der Herzog Gonzago, ein lächerlicher Pedant, der von seiner
Weisheit in hohem Grade überzeugt ist^), mit seiner schönen
Tochter üulcimel und eni]ifängt den Prinzen. Dieser bi'ingt sofort
die Werbung für seinen Vater an und überreicht dessen Bildnis;
aber die Prinzessin findet mehr Gefallen au dem Sohne als an
dem Vater, der unerkannt als ein Diener des Prinzen {yeoman
of Ms hotfhs) unter dem Namen Fawu, d. h. Schmeichler, dem
Gesi)räclic beiwohnt und sich nachher bei den Hotleuten beliebt
zu machen versteht. In den folgenden drei Akten schreitet die
Haupthandlung nur langsam vorwärts. Die verliebte Duleimel
giebt dem ahnungslosen Prinzen auf schlaue Weise ihre Neigung
zu erkennen, indem sie ihrem Vater vorredet, Tiberio bemühe
sich um ihre Gunst 2). Der eingebildete Alte warnt den Prinzen
mit feierlichem und wortreichem Pathos und verbannt ihn schliess-
lich von seinem Hofe, weil er die Absicht geäussert habe. Nachts
in Dulcimels Schlafgemach einzusteigen und sich dort durch
einen Priester mit ihr trauen zu lassen. Dem noch immer ratlos
staunenden Tiberio enträtselt endlich sein Diener Fawn den
wahren Zusammenhang:
1) Hiev dachte der Dichtei* wolil au den l'erraresischeu Herzog"
Herkules U. von Este (f 1559), der gleieli seinem Bruder, dem Kardinal
Hippolyt, diirch seine Liebe zu den Künsten und Wissenschaften be-
rühmt war.
-) Die Vermutung' Bulleiis, dnss mit dieser Fig-ur eine Satire auf
den König Jacob T. beabsichtigt sei, gewinnt an Wahrscheinlichkeit,
wenn man damit den Ausfall auf die Schotten in einem andern
Stücke Marstons 'Eastward Hoc' (1()05) vergleicht (Albrecht, Kinder-
theater S. 40).
3) Diese I^ist ist aus Boccaccios Decamerone 3, 3 entlehnt, wo
eine Florentinerin ihren Beichtvater in gleicher Weise zum unwissent-
lichen Liebesboten zu machen weiss.
174 Bolte, Das Danziger Theater.
Sui'e, sh', the lady loves you
With viole7it pasfilo7i, and this night prepares
A priest toith nuptial rites, to entertain you
In her most private chamher.
Tiberio folgt nun rasch der versteckten Einladung- und
erklinnut den Baum vor Dnlciniels Fenster, die ihn mit einem
Triester erwartet. Fawn hält unten Wache und erzählt, als
Gonzagos Hofleute ein Lieljesparlameut veranstalten, dem Herzoge,
was geschehen. Da er sich gleich darauf als Herzog Hercules
zu erkennen giebt, steht der Vereinigung der Liebenden nichts
mehr im Wege.
Marstons Drama, dessen Nebenhandlung ich als i'ür uns
unwichtig ganz übergehe, ist in der vorliegenden deutschen Be-
arbeitung nicht vollständig wiedergegeben, sondern nur der erste
Akt davon. Da nun aller Wahrscheiidichkeit nach das deutsehe
Stück aus der 1604 in Nördlingen genannten "Historie von Anna-
bella' hervorgegangen ist und andrerseits Älarstons Dichtung sich
nicht über IGüO hinauf veriolgen lässt, muss man annehmen,
dass Marstons erster Akt schon vor 1G04 vollendet und andern
Schausi)ielern bekannt wurde oder dass er ein älteres Original
wörtlich benutzte. Im Deutschen ist aus dem Herzoge Gonzalo
von Urijino ein Markgraf von Montferrat (Montephrat, Montferar)
geworden, doch ist der Name bis auf einige Stellen in der Hand-
schrift in Mömpelgart abgeändert. Gonzalos Tochter hcisst nicht
mehr Dnlciiiicl, sondern Anabella'); der verkleidele Herzog von
Ferrara nennt sich nicht Fawn, sondern Bartholounieus; statt
seines Bruders Rcnaldo treten zwei Räte Amintlior und Tlieo-
baldus auf. Wichtiger noch ist die veränderte Darstellung
des Liebesverhältnisses ; nicht die Prinzessin giebt dem Ti-
berio ihre Leidenschaft zu erkennen , sondern dieser ent-
brennt beim ersten Anblicke der sclninen Anabella in Liebe
und gesteht ihr diese in einem Briefe, den sein tölpischer
Diener überbringt. Die weitere Entwicklung weicht völlig
von Marston ab; die Liebenden, denen zwei Freunde, Clau-
dius und der Page Pergo, zur Seite stehen, flüchten in den
' ) Der Name Anabclla scheint, wie eine Stelle in IV, 4 xerrät,
schon in der en"lischen Vorlat>e g-estanden zu haben.
Tiberius und Anahella. Einleitung. 175
Tillaiicr Wald, um sich von einem Eremiten *) trauen z« lassen,
haben aber mancherlei Abenteuer zu l)estehen, da der verkappte
Herzog- nicht wie bei Marston mit dem Entschlüsse seines Sohnes
einverstanden ist, sondern ergrimmt dem Liebespaare nachsetzt.
Zweimal wird Anabella von ihm gefangen und zweimal ihm
wieder entführt, das erste Mal durch Kleidertausch mit Pergo,
dann bei einem von Tiberius veranstalteten Maskentanze. Aber
l)ald konnnt die Meldung, dass die Liebenden beim Übersetzen
über den Strom ertrunken sind; ihre Leichen werden auf die
Bühne gebracht, und der Herzog bereut endlich seine Hartherzig-
keit. Da stehen Tiberius und Anabella plötzlich auf, fallen
ihren Vätern zu Füssen und erhalten von ihnen Verzeihung.
Im einzelnen zeigt das Danziger Stück viele auch ander-
wärts begegnende Züge, die es ziemlich sicher macheu, dass die
vorliegende Gestalt nicht die ursprüngliche, sondern erst um die
Mitte des Jahrhunderts entstanden ist. Namentlich die lustige
Person Hans Leberwurst, die den von Robert Reynolds auf-
gebrachten Namen Pickelhering trägt, vereinigt eine Reihe solcher
Züge in sich. Wie in Shakespeares Veronesern II, .3 der Clown
den Zuschauern ein Gespräch mit seiner Familie durch Auf-
l)fianzung seines Stockes, Hutes und seiner Schuhe vormimt, so
stellt Hans (III, 3) seinen Stock als Abbild der Prinzessin hin,
um sich auf die Überreichung des Briefes vorzubereiten ^j. Wie
im Kaufmann von Venedig II, 2 Lanzelot Gobbo sich voller Stolz
seinem alten Vater zu erkennen giebt, so tritt Hans (V, 3) seinem
Vater Märten gegenüber. In Mümpelgart A\ird Hans (TI, 3) von
Liebe zu Anabella ergrilfen und schreit laut über den Pfeil, mit
dem ihn Kuhbrüder (Cupido) getroffen; ebenso tritt Jan in Ayrers
Phäuicia (3, 2054 ed. Keller) und Hans in dem anonymen Phönix^)
^) Auch in 'Look ahout you (1609. Dodslcy-IIazlitt, Old eng-lish
plays 7.) tritt ein Eremit auf, dessen Gewand von andern zur Ver-
kappung- verwandt wird.
■-) Ähnlich ratschlagt der ehrliche Schüler im Volksmärchen
mit seinem Stecken (Straparola, Notti 3, 5. Kirchhol', Wendunmiit 2, 141.
Kühler zu Gonzenbachs Sicil. Märchen Nr. 8. Grundtvig-, Dänische
Volksmärchen 2, 255).
■') Grossen-Glog'aw l(j23, Bl. Dva; vgl. Bolte, Jahrbuch der Shake-
speare-Ges. 21, 310. Hans klagt dort, der kleine Widehoppische Bube
habe ihn bezaubert, das ihm der Bauch so weh thue.
\1Q Bolte, Das Danziger Theater.
von 1623 mit einem im Gesäss steckenden Pfeile des Liebesgottes
berein; im engli.scben Lociine (1595) I, 2 jammert der Scbub-
fiicker Strumbo über die Wunde, die ibm Cu}3ido (Cnprit) mit
seinem Pfeile zugefügt, und nocb in Tbomas Heywoods Drama
'The lovei^ nnsfre.^se" (1636. Akt 2) triff't den Clown Corydon
vor den Augen der Zuscbauer das gleiche Loos^). Wenn Han-
sens Gefrässigkeit IV, 2 durch eine lange Rechnung des Wirtes
illustriert wird, die der Prinz grossmütig bezahlt, so ist in dem
von Meissner^) herausgegebenen 'Juden von Venedig' und in dem
1677 gedruckten Tugend- imd Liebesstreit (III, 2. Creizenach S. 94)
dasselbe Motiv verwertet. Auch die unflätige Wohnstube in
Pickelherings Elternhaus wird im Juden von Venedig (S. 186)
ähnlich wie im Danziger Stück (V, 5) beschrieben^). Weit ver-
breitet ist das hier (1, 3. IV, 5) ausgenutzte Possenmotiv, dass
der Narr zu einer unliebsamen Heirat genötigt, ja von zwei
Bräuten zugleich in Anspruch genonunen wird"*). Der Name
seines gewitzten Nachbarn Wilhelm (IV, 5), der durch eine List
Hansens Frau zum Geständnis ihrer Untreue 1)ringt und ihm da-
durch einen triftigen Scheidungsgrund liefert, stannnt aus der
Posse vom wunderthätigen Steine, über die wir späterhin zu reden
haben; sein Mittel jedoch, nach einer Beschwörung dem armen
Hahnrei sichtbare Hörner aufzusetzen, ist nicht bloss eine Illustra-
tion dieser im 17. Jahrhundert so häufig begegnenden Redensart''),
sondern geht wohl auf ein älteres Vorbild zurück, die Krone
des König von Afion (Abian), die nur einem keuschen und ge-
treuen Ehemanne ])asst. Diese wird in einem Fastnachtspiele
und einem Meisterliede des 15. Jahrhunderts von verschiedenen
1) Shakespeare, Plays ed. by Johnson and Steevens 12, 200 (1780).
Tho. Heywood, Dramatic works 5, 115 (1874).
-) Die engiisclien Komödianten in Oesterreich 1884 S. 146.
3) Wie III, 2 der Herzog- als Sohlat verkleidet bei Tiberius in
Dienst tritt, so der Jude von Venedig S. 139 beim Prinzen von Cyi>ern.
4) Vgl.Locrine 111,3 (v. J. 159.5. Shakespeare ed. by Johnson ;uid
Stevens 12,228), Ayr er s Sidea (4,2185 ed. Keller) und die damit zusammen-
hängende niederländische Posse 'Ick kenje nieV von Jan Bara (1G64),
die Comedi von Fritzel Fingerhut (1(J28. Zs. f. deutsches Altertum 32, 18),
Rcholtzenbergs Cambyses und Doralice (ICGO. Wiener Tis. lOlGO), Harle-
kins Hochzeit (1G'J3. Bolte, Singspiele der engl. Komödianten 1893 S.148),
Pickelherings doppelte Heirat (Witwe Veiten 1707. Zs. t. d. Phil. 25, 321) u.a.
6) Bolte, Tijdschrift voor uederl. Taalkunde 14, 143.
Tiberius und Anabclla. Einleitung-. 177
Rittern des Königs Artus probiert, und alle bestehen mit Schande,
zuerst der König- von Orient, dem, als er sie aufsetzt. Hörner
daraus wachsen^).
Die dialektischen und stilistischen Eigentümlichkeiten des
vorliegenden Textes zu betrachten möge mir hier erlassen werden.
Als charakteristisch für den Redaktor nicht bloss dieser Komödie,
sondern auch der folgenden vom stummen Ritter, hebe ich nur
die Einflechtung lateinischer Citate, wo es sich um Betrachtungen
allgemeiner Art handelt, hervor. Diese Gelehrsamkeit, die sich
z. B. auch in der Anrufung von Diespiter und Phoebe (IV, 1)
kundgiebt, lässt uns in dem Bearbeiter einen ehemaligen Stu-
denten vermuten, wie Christoph Blümel, der Verfasser des Juden
von Venedig, war^).
[Tiberius von Ferrara und Anabella von
Mömpelgart.]
[63 a] PERSONA HVIVS COMCEDLE
Dux de Fei-ara.
Tiberius, ein junger Printz, des Hertzogen von Ferara Sohn.
Claudius, sein Spießgesell.
Aminthor et ] Consiliarii Ducis de Ferara et Marchionis Momjjel-
5 Theobai d US | gartensis.
Marchio Mompelg-artensis.
Anabella, des Marckgraven Tochter, ein junges Frewlein.
Pargo, ihr Paysi.
Heremita, ein alter Einsiedeier.
10 Der Wir dt, ein Herbergirer.
Hagewall, ein altes Weib, des Frewleins gewesene Amme.
Hans, Peckellhering-.
Lutz eil, sein Weib.
Herman, ein Bawer, Hanß Nachbahr.
löGrethe, sein Tochter.
Wilhelm, ein Ebenteurer, Hanß Nachbahr.
Märten, ein Schiffman, Hansen Vater.
Barth 0 lomae US, verkleidet wie ein Soldatt, ist aber der Hertzog
von Ferara, vnd gibt sich bey seinen Sohn zu Dienste.
1) Keller, Fastnachtspiele 2, Gö4 (1853). Erlach, Volkslieder 1, 132.
Goedeke, Grundriss- 1, 311. Vgl. Child, English and scottish ballads
2, 266 zu Nr. 29. — Anders die Hörner im Fortunat-Drama, Akt 5.
2) Bolte, Jahrbuch der Shakespearegesellschaft 22, 189.
Th. F. XII. 12
178 Bolte, Das Danziger Theater.
[63 b] Prologus.
Günstige, auch ehrlibende Spectatores, die Vhraach Ewer Anher-
kunft sorglich zu erforschen oder vnser Intent weitleuftig zu erkleren
achten wir theils ruhmretig, theils vnnohtig sein. Dan wie vnß be-
duuket thörlich zu sein, Avan auff einer woU bezogenen, hell resoni-
renden Lauten einer der Kunst vnerfahren liebliche Melodien vndt
kunstliche Fugen zu schlagen sich vermieße, also auch da E. hohen
Gst. (deren hoher Verstaudt sich weiter verstrecket, dan das er durch
vnser Vnvermuegen gesetiget werde) wir ein mehres verheisen, dan
vnser Geschicklikeit effectuiren könte, wie gleichwoll eines schlechten
Schafers Pfeiff auif grüner Awe oder wieder schallenden Thall ein
heroisch Gemuht erlustiget, so mocht auch E. hohen Gst. dieser vnser
vnansehenlich Werck gefallen.
Vndt ob wir zwar ein altes bekantes Liedt singen, so tröstet
vnß docli, das auch der Kuckuck alle Jahr seinen alten Corall wider-
holet vndt dannoch damit newe Begierden, ihn wieder zu hören, in
vnß erwecket. Ewer Favor ist vns bekant; darumb wir auch ver-
hoff'en, da wir etwa strauchelen vndt nicht alle Ding so rehnlich vndt
zierlich anß Licht brechten, das solches doch (gleich wie in einer
kunstreichen gemahlten Tafeln ein durch des Meisters außgeglittene
Handt verzogener Strich, so dannoch von Kunstlibenden mitt gesunden
Augen angesehen wirdt) Aiiter dem Schatten Ewer Benevolens ver-
teuschet vuruber rauschen werde. Itz bitten wir Ewer Gehöer, her-
nach Ewer Gunst vusern Lohn.
(Wirdt musicirt.)
[64a] Actus I. Sceua 1.
Dux de Ferara. Tiberius. Claudius. Am int hör
et Theobaldus.
Dux. Es mocht Euch, liebe Herren, nicht weinig wundern, auß
waß Trieb Ihr so sclileunig anhero vocirt Andt beruten
worden seit, da Euch sonst woU wissendt, das wir nuhn
eine zimbliche Zeitt in einem geruhigen Wittwerstandt
vnser Landt vndt Leuhte regiret vndt auch noch, Gott
sey Danck, keine Empörung vernehmen, weiniger einiger
Kriegesgefalu- vnß zubefurciiten haben. Fuegen Euch dem-
nach zu wißen, das wir auff etwas bedacht sein vndt
gleichwoll nicht gemahnt, solches vnser Propositum ohne
Ewere reife Delibei-ation vnd Gutachten zu prosequiren.
Vndt ist nuhn solches, das wir vnß anderweitt nach sel>-
ligem Absciieidt Aiiser voriger Gemaiilin zu veriieyrahten
in Willens sein, dcrohalben auch an Ihre Liebe, den Marck-
graven von Mompelgart eine Legation abzufertigen vudt
vmb deroselben fürstliche Tochter Frewlein Anabellam vns
Tiberius und Aunbella I, 1. 179
zii bewerben zu laßen. Was rahtet Ihr? Vermeinet Ihr
solches vnsern Landt vndt Leuten abtreg-lich zu sein?
Amin t hör, Gnediger Fürst vndt Herr, dieses E. F. G. Vorhaben
versperret allen mßrahtenden Gedanken den Weg in
mir; vndt weill solche Sachen zum offtern dvirch böse
Meuler wo nicht gahr verhindert, jedoch ein weinig
aufFgehalten werden, alß rihte ich, E. F. G. theten nuhr
baldt zur Sachen.
Theobai dus. Vndt hette E. F. G. ich vorleng-est gerne dazu gerahten,
sintemahl E. F. G. nicht allein hiedurch ergetzet, son-
dern auch durch solche Verbindung eines so machtigen
Fürsten Landt vnd Leuthen groI> Guet geschaffet wer-
den möchte. [64 b]
Dux. Aber vnser Sohn Tiberius bezeiget sich annoch etwas
trawrig, vndt mochten Avir dessen Bedenken hiex'innen
gleichwoll auch gerne wissen vndt vernehmen.
Tiberius. Gnedigster Herr Vatter, ob zwahr das schmertzliche
Andenken meiner lieben Fraw Mutter annoch sehr frisch
bey mir vndt die kindtliche Affcction kegen dieselbe
mein Natur noch nicht A'erleschen lesset, so kan doch
E. G. ich solches nicht widerrahten, verhoffe auch kegen
die mihr bescherte Stieffuiutter im kindtlichen Gehor-
samb vndt gebiihrender Vnterthänikeitt nicht anders,
als ob sie meine nathürliche Mutter wehre, mich zu
bezeigen.
Dux. So ermangelt Weiters nicht, den das wir dieses gewiß
wehren, wer da am tauchlichsten vndt vertrawlichsten
diese Legation expediiren vndt verrichten werde.
Aminthor. Weill diese Sachen der Beschaffenheitt, das nicht einem
jeden zu vertrawen, (dan zum offtern einer auch von
seinen besten Freunden hierin betrogen worden) alß
wüste ich nicht bessers, E. F. G. commitirten dieses
Werck ihrem Herrn Sohn Printz Tiberio, bey dem
gantz nichts zu befahren.
Tiberius. Herr Aminthor, ich thue mich für diese gute Collecten'),
so Ihr für mich eingelecht, fleisich bedanken vndt
muchte lieber wünschen, Ihr beweiset diese an mihr
gerühmte Trewe meinem gnedigen Herrn Vätern seihest.
Dux. Nein, lieber Sohn, ich bin selbst der Meinung vndt hoffe
nicht, das du dich dessen weigern werdest.
Tiberius. Ey, gnediger Herr Vater, das Werck wirdt mitt mir
vbell versehen sein. Ich bin noch junck vndt in der-
gleichen Legation-sachen vnerfahren. Wie weiß icli,
wie ich mich hierin bezeigen soll! Vndt weill mir auch
') Kirchengebet vor der Verlesung des Bibeltextcs.
180 Bolte, Das Danziger Theater.
nicht wissendt, wie E. Gn. gegen das Fräwlein affectionirt
sein, wie kan ich für E. Gn. werben? [65a]
Dux. Daß bedarff keiner weitleuflftigen Instruction. Du darfest
dich in dem nicht anders, ob würbest du vor dich selber,
bezeigen; vndt sollen dier vnser Contrafactur, auch Prae-
sent vndt Creditive mitt getheilet werden. Deinen Ge-
sellen Claudium soltu zugleich mitt dier nehmen, der dier
auff der Reise Geselschafft leisten wirdt; vndt wollen alß-
paldt dazu anordenen vndt verschaffen.
{Exeunt Dux et Consiliarü.)
Tiberius. Wie deucht dier, Claudi? Werden wir nicht beyde zwo
ansehenliche Arabassatorn sein?
Claudius: Ja wahrlich, zween paßliche Doren, fürwahr dem Ansehende
nach zimblich woU dazu qualificirt. Mir ist aber sehr leide,
es werde sich der Hertzog mechtig thören; den ich be-
furchte, er werde den Bock zum Gertnehr gesetz[t] haben.
Tiberius. Wie so, Claudi? Wie soll ich das verstehen?
Claudius. 0 Tiberi, du wirst[s] erfahren. Den Cupido in dem Win-
ken vndt Blicken der Augen gleich einem Diebe hinter
einer Hecken lauhret, vndt empfindet man seine Pfeile
nicht eher, biß sie das gantze Hertze inficirt haben.
Tiberius. Du machst an der Seuche vieleicht woU ehe gelegen
haben.
Claudius. Nein, Tiberi, es wehre nicht guet, das man eines Dinges
Gelegenheitt nicht wüste, man erführe es den im Werck
selber.
Tiberius. Ich halte es nuhr für lauter Fabelwerck, was die Poeten
hievon treumen, vndt muste mir seltzam sein, das ein vn-
sichtbahr eingebiltes Wesen ein wesendtlich selbstendig-
Werck zwingen kunte.
Claudius. Nuhn hie von nicht mehr! Wir mußen aber aiifT dem
Wege auch Kurtzweill haben. Wollen wir nicht vnsern
Hansen auch mitt nehmen.
Tiberius. WoU zufriden. Holla, Hanß!
Actus I. Scena 2. [65b-]
[Tiberius. Claudius. Hans.]
Hans (J,nicendig). Hey ho.
Tiberius. Hanß!
Claudius. Hanß, horstu nicht?
Hans. Was ist dan?
Tiberius. Ey Hanß, geh her!
Hans. Ja, wart ein Weill! Laß mich vor auffstehen!
Claudius. Ey du fauler Schelm, schleffstu den noch? Gehe fordt!
Hans. Ja, gehe fordt, geh fordt! Ich werde ja nicht ohn Hosen
herfurjrehen.
Tiberius und AnabcUa I, 1—3, 181
Tiberius. E%' gehe fort, oder ich will dich holen.
Hans {intrat). Ja, holen, holen! Guten Morgen, Herr, vndt Euch
auch, Herr Clausack! Was habt Ihr viel zu schreien?
Was ist dan?
Tiberius. Da, mache dein Reisezeuch fertig! Du solt niitt auff die
Eeise.
Hans. Ja, auflf die Reise, auf die Reise! Das ist eben so viell
gesagt: Lehnet mir Ewren Schlaffpeltz vndt Pantoffelen,
ich will mitt Euch spatziren reiten. Aber wohin zum
Henker?
Tiberius. Nach Montephrat. Mach fordt!
Hans. Ist dieß alles?
Claudius. Ja.
Hans. So hottet Ihr mir woll noch ein Weill schlaffen lassen.
Claudius. Schlaff ein ander Mahl mehr vndt verrichte jetz, was man
dier heist. (Exeunt Tiherius et Claudius.)
Hans. Ja, es ist gutt. Her Clausack. Nuhn, das ist guet, das ich
jetz nach Montephrat zihen soll; den ich habe [bey] Greten
Nachbawr Hermens Tochter geschlafen, vndt die wolt
heute kommen, das ich sie zum Weibe nehme. Aber ich
mach den Schauderteufell nicht haben. Wen sie nuhr so
lang außblieben, biß ich weck wehre, so Avolt ich ihr her-
nach woll loß werden. Aber schaw, da fuhrt sie der
Teuffell schon daher. Ich muß mich außdrehen. [66 a]
Actus I. Seena 3.
Hans. Hermen vndt Grethe.
Hermen. Gluck zu, Hanß, Gluck zu! Wo gedenkestu hinauß?
Hans. Ey, ich habe nicht der Weill, mitt Euch zu sprechen. Ich
muß verreysen.
Hermen. Wo wiltu hin so hastig? Weistu nicht, was du meiner
Tochter verheißen hast?
Grethe. Ja, Hanß, du weist ja woll, das du mir die Ehe ver-
sprochen hast, wie wir zusahmen im Chuestall lagen.
Hans. Ists wahr, Grethe? Ja, es mach woll geschehen sein; aber
ich kan jetz nicht daran thuen, ich imtes nach Mompel-
gart i-eisen.
Hermen. Ey mein Hanß, woltestu meine Tochter so verlassen? Das
mustu nicht thuen; sie hatt dich ja so sehr lieb, das sie
auch keinen den dich begehret.
Hans. Ja, horstu, Grethe, wen du mich je haben wildt, so wirstu
viell mitt mir ausstehen; den ich habe drey böse Mangell
an mir. Ich weiß gewiß, wen du die hörest, du wirst
mich nicht nehmen.
Grethe. Ey mein Hanß, vndt wen du gleich 13 bettest, wolte ich
dich gleichwoll nehmen.
\
182 Eolte, Das Danzig-er Theater.
Hermen. Nixhn so laß doch hören, erzele vnß doch diese MengellT
Hans. Inprimis, vor erst so fresse ich alles allein auß, was du
mir zu Tische treg-est, vndt lasse meinem Weibe die lehre
Schüssel!.
Grethe. Ey, mein Hanß, dem IMang-ell ist woU vorzukommen. Ich
will mein Theill fein in der Kuchen vorab essen, ehe ichs
zu Tische bringe, daniitt du mich nicht verforteilest.
Hans. Nuhn, das passiret. Aber der ander ist gar zu grewlich;
der wirdt dich abwendich machen.
Hermen. Ey sag an, was ist den daß?
Hans. Schlag-en vnd mitt Fuessen treten Averde ich dich ohn ein
g'eg'ebenc Vhrsag-.
Grethe. Ey mein Hanß, ich will dir Vhrsach g'nug' geben, das du
ohn Vhrsach nicht zürnen durfest. [66b]
Hans. Ey, hastu der bösen Weiber Gebrauch schon gelernet!
Aber der dritte, der ist noch heff'tigcr den alle vorige, der
ist dier vnmuchlich zu ertragen.
Hermen. Ach Hanß, hatt sie dem vorigen abgeholfen, wirdt sie
dieser nicht wendisch machen. Sag nuhr an!
Hans. Horstu, Grcth, wen ich erst Hochzeit mitt dir gemacht
habe, will icli darnach nicht eine Nacht mehr bey dier
schlafen, nein, vndt wen du mich auch vmb Gottes willen
betest.
Grethe. Ey mein Hanß, dem Mangel ist am allerleichtsten zu helfen.
Wen du nicht wildt, so sein noch viell andere gute Ge-
sellen vndt Bawerknechte in vnserem Dorfe, die es gar
gerne thuen.
Hans. Niihn, nuhn, mein Gretlie, weill du den Mangeln so zu
begegnen vcrhoff'est, so bleibe es dabey, [das] ich dick
nehme.
Hermen. Wan .soll daii die Hochzeitt sein?
Hans. Wan ich wieder von Montephrat konnne, eher nicht.
Hermen. Sols auch g-ewiß sein?
Hans. Ey ja, so gewiß alß mich mein Vater gemacht.
Hermen. Nuh, mein Hanß, weill du dich ja so richtig halten wildt,
soltu meine Guthat hierinnc auch spuren; den ich dier
ein junges Ferkelin vber den Brautschatz in die Küche
verehren will, den alle Ding tliewr ist. Vndt bleibe e&
dabey. Adieu, Ghu-k auff die Keise!
Actus I. Scena i.
Dux deFerara. Aminth or et Tlieobaldus.
Dux. Er wahr dennoch frischen Mulits an seinem Abscheidt,
vndt hoffen wir ja niclit, das au stadt lieber Stavirung ihme
etwas mangele.
Tiberius und Anabella I, 3 — II, 1. 183
Aminthor. Nein, gnädiger Herr; den die Praesent wahren so be-
schaffen, das auch eine Legation an einen viel höheren
Monarchen daniitt bestehen können. [67a]
Dux. Ob wir dan nuiin woll Iiieran nicht zweil'elen, docli moch-
ten wir gerne wissen, wie sich Tiberius liierin bezeigete;
wollen ihm demnach [in] eigener Person verenderter Gestaldt
nachzihen vndt Gelegenheitt suchen, solche Verrichtung
beyzuwohnen. Werdet Euch demnach die Administration
des Landes befolen sein laßen.
Theobaldus. Ey, Gnädiger Fürst vnd Herr, solches muchte durch
andere woll verrichtet werden, vndt dorfften sich E. F. Gn.
solcher Gefahr selbest nich[t] vnterwerCen.
Dux. Wir sein resolvirt; drumb bleibs dabei, vndt wolt es in
geheimb behalten^ damit vnser Vohrhaben nicht offen-
bahr werde. Kombt vndt lasset vns dazu bereiten !
{Wii'dt musicirt. Finis Actus primi.)
Actus II. Scena 1.
Marchio Mompelgartensis. Anabella. Tiberius. Claudius.
Pergo et alii.
Marchio. Edler Printz, Ewere Ankunfft an vnserem Hove ist vnß
sehr angenehm gewesen, durch Ewer Werbung sehr er-
frewlich; sein dazu nicht allein gantz woll geneigt, son-
dern verhoffen auch, es werde vnser Tochter gern darein
willigen vndt E. Liebe gewärige Resolution vnverleugt
widerlahren lassen.
Anabella. Ach, mucht der Agent für sich selbest sollicitirn! Wie
baldt [wolte] ich mich resolviren!
Tiberius. Gnediger Herr, Aveill mein Ankunfft allhero vber Ver-
hoffen verzogen vndt die Zeit meiner Wiederanheimbkunfft
sich fast herzunahet, pitt ich, mich nich[t] lang auffzuhalten.
Marchio. Daß soll auch nich[t] geschehen. Tochter Anabella, du hast
gestern verstanden, was gestaldt Printz Tiberius zugegen
hie angelanget, dich seinem Herrn Vätern zu einem Ge-
mahl zu werben. Derohalben wollestu vns dein Bedenken
eröffnen vndt den Printzen nich[t] vber die Gebuhr auff-
halten. [67 b]
Anabella. 0 ihr Gotter, wo noch vnter euch einige Gewählt oder
Menschenhertz vndt Gedanken gebieten mag, so beweiset
solche zu dieser Frist! Den wie konte ich mich dem
Schatten ergeben, da ich mein Gemuht diesem Leben
schon gentzlich devovirt! 0 Venus, blende doch nich[t]
diesen edlen Printzen vndt verhele ihm meinen Schmertzen
ja nicht!
Tiberius. Frewlein, ich verhoffe nicht, dass mein vngestümes Anhalten
E. Gnaden in Betrubnuß bringe.
184 Bolte, Das Danziger Theater.
Anabella. Gantz nicht, g-nediger Herr, sondern ich beschawe E. Gn.
Herrn Vätern Contrafactur. Ist es ihm auch ehnlich^).
Tiberiiis. Ja, gnediges Frewlein, alß wen Ihr ihn selber zugegen
sehet.
Anabella. Ist es muglich, ein so durrer Baura vndt so schöner Zweich!
Wie aldt ist er woU?
Tiberius. Irgend vierzig Jahr'^).
Anabella. Ja, da dieß gemahlt ist; dan die Hende scheinen gahr zu
durrc. Ich muß bekennen, gnediger Herr, E. Gn. Herr
Vater bette keinen bessern Agenten finden können^), der
so fleisich solHcitiret bette, vndt mochte wünschen, dasE.Gn.
diese Muhe nach meinem Begehren belohnet Murde, vndt
soldt ich gleich selbst die Besoldung sein.
Tiberius. Ich zweifle nicht, gnediges Frewlein, ich werde noch endt-
lich guten Lohn davon bringen. — 0 Tiberi, zwinge deine
Gedanken vndt versperre sie in die Vest deiner Brust vndt
laß nicht deine Affecten vber dich herschen oder deine
Standthafftikeit vberweltigen !
Marchio. Wie da, edler Prinz? Vervhrsachet vnser Tochter etwa
Ewren Vnmuht? Anabella, wie lang verzeuchstu mitt deiner
Andtwordt? Was bedeut dein einsames Radtschlagen?
Anabella. Ach gnediger Herr vnd Vater, ich besorge, weill der Printz
Tiberius ein so edles Frewlein zu einer fürstlichen Mutter
gehabt, er mich zu seiner Stieffmutter viel zu gering
schetzen werde. [68 a]
Tiberius. Ach, das Wordt Mutter dringet mir durchs Hertz! 0, mocht
solches in Schatz oder Gemahl verwandeldt werden! Das
wehr die beste Verenderung, so je geschehen.
Marchio. Waß ist dan endtlich deine Meinung? Eröffne vuß solches
vndt lialdt vns nicht lenger auff!
Anabella. Gnediger Herr vndt Vater, ich bin E. Gn. Kindt, vndt ge-
bühret mir zwar nicht, E. G. Willen zu widerstreben,
doch bitte ich, mir nuhr diese Nacht Frist eiiizureumen;
will alßdan mein Bedenken ohn weiteren Verzug anzeigen.
1) Bei Marston (Parasitaster I, 2 p. 124) fragt Dulcimel: 'In this
your father's true proportionf — Tiberio: 'No, lady ; hut the jyerfect
counterfeiC. — Dulcimel: 'And the best graced\ — Tiberio: 'The liain-
ter's art could yield'.
2) Bei Marston p. 126 äussert Dulcimel: 'This model speaks
about foi'ty: — Tiberio: 'The?i doth it somewhat fiatter ; for our fafher
hath Seen more years, and is a little shrunk from the füll strenyth
of time.'
^) Ebenda sagt Dulcimel: 'Yoitr fafher hath a fair solicitor, And
be it S2)oke ivith virgin modesty, I icould he icere no eider."
Tiberius und Auabella II, 1—2. 185
Marchio. Woll zai frideu. Edler Printz, wir verhoffen, diese Frist
werde E. Liebe ja nicht zuwiedern sein.
(Exeunt omnes, manet Tiberius solus).
Tiberius. Ists muglich? Kan Schoenheit so groeße Gewaldt in eines
Menschen Hertzen haben, das es g-leichsamb einem starken
Feinde mitt stürmender Handt allen gefasten Muht darauß
vertreibe! 0 Tiberi, wie hatt dier der gestrige Tag ge-
sehen einem so vernunfftigen, fleisigen vndt bestendigen
Patronum, welchem deines Vätern Sach so hefftig ange-
legen wahr, das du auch ehe dein Lebendt verlihren dan
int geringsten davon weisen laßen weitest! Wie hatt dan
dich, einem jungen Printzen, einem so kühnen vndt man-
hafften Heldt, da du auch in dieser Sachen dich keine
Gefahr hattest schrecken lassen, ein Weibsbildt nur durch
bloßes Anschawen so baldt vberwunden, das auch kein
Winkeil in deinem Hertzen mehr verbanden, darin dein
Vater oder deßen dier anbefolene Werbung Stadt finden
möchte, ja der nicht viel mehr mitt tausenderley angsthaffter
brunstiger Begierdt gegen sie nicht endtzundet were! Jetz
erfahre ich in der Thatt, was Claudius zu Ferara prophe-
ceite. ifeldt nider.) WoU bin ich jetz einem gesunden
Menschen in vngesunde vndt inficirte Lufft gerahten, die
mir auch alle meine Kreffte dur[ch] innerliche Inbildung
dieses schonen Frewleins dermaßen [68 b] geschwechet, das
vhnmuglich ist, wo mir nicht mit Hui ff ihrer trewen Gegen-
lieb begegnet wirdt, ich gentzlich vergehen muß.
Actus II. Scena 2.
[Tiberius.] Intrat Claudius.
Claudius. Wie nuhn, Tiberi? Wie ist mitt dier? Wiltu melancholisiren,
so werden wier schwerlich die Brandt heimbfuhren.
Tiberius. 0 Claudi, zu vnglückseliger Stunde sein wir alhie ankommen.
Claudius. Wieso? Was ist dein Anliegen? Eröffne es mir! Bistu
kranck, so will ich umb einen Artz schawen.
Tiberius. Ach, der Artz, so mir in diser Kranckheitt rathen kan, ist
dier sehr woll bekandt, vndt ohne sein Hulffe ist mir
unmuchlich zu genesen. Aber was hilfft viel Klagens!
Claudius. So neu ihn doch! Oder ist die Kranckheitt vielleicht so
heimblich, das du dich schewest, dieselbe zu oftenbahren.-'
Oder trawestu mir nicht? Hastu mich irgendt felschlich
befunden?
Tiberius. Nein, sondern ich habe iederzeitt einen getrewen Freundt
an dier gehabt vndt vermerket. Derohalben wisse, das ich
gegen ein Frewlein dermaßen in Lieb gerahten, das ohu
fhi^ trewe Gegenlieb ich gewiß vergehen muß.
Igß Bolte, Das Danziger Theater.
Claudius. In Liebe? Hastu docii g-esag-t, es wehren lauter Fabiileu
vndt poetische Trewme, so von der Liebe vorg'eg'eben
wurden, vndt konte ein Einbildung" ein selbstendiges
V,'e„sendt nicht zwing'en!
Tiber ins. u-h mueß bekennen, das ichs dafür gehalten. Itz befinde
ich aber mein eigen Thorheitt.
Claudius. Wer ist den der Schorpion, so dich verwundet? Mitt Junck-
frawen ist guet handelen.
Tiberius. Es ist das güldene Vlües Anabella, so ich meinem Vater
erwerben soll.
Claudius. Ist das die große Noht? Darauß kontestu dich woU seihest
helffen. Wirb vor dich selber! [69a]
Tiberius. Vv'ic, Claudi, vndt soldt ich meinen Vater vmb seine Brandt
L'ctrigen? Ich meine, das wehre frey gehandelt.
Claudius. Wiltu das nicht gerne thuen, so laß mich vor dich werben !
Tiberius. Ja, du woltest vieleicht, wie ich für meinen Vater, vor
mich werben. Ich bedanke mich des Erbitens vndt begehr
nuhr deinen Raht, wie diesen Sachen zu helfen sey.
Claudixis. Gib dich nuhr zufriden !
Actus II. Scena 3.
[Tiberius. Claudius. Hans.]
Hans. {mitt einem Pfeill geschossen riiffet inicendig.) 0 weh, o
weh, 0 well, das Gott erbarm !
Tiberius. Horch, wehr rufet dar? Ist das nicht vnser Hanß?
Hans (intrat). 0 weh, o weh etc.
Claudius. Waß schadt dier, du Nar? Was rufestu?
Hans. Was rufestu? Soldt ich nicht rufen!
Tiberius. Was schadet dier? Bistu den kranck?
Hans. Nein, ich bin nicht kranck; ich bin todt.
Claudius. Bistu todt? Du redest ja noch.
Hans. Ja, ich bin noch erger alß todt. Seidt [1. Seht] ihr nicht,
wo ich mitt einem Pfeill durchs Hertz geschossen bin?
Tiberius. Ey, Hans, wer hatt dich mitt dem Pfeile so verwundt?
Hans. Ach, es begegnet mir ein kleiner, nackter, blinder Schelm
auff der Gassen.
Claudius. Wie hies er dan?
Hans. Harr, wie hieß er schon?
Claudius. Cupido, wahr der es?
Hans. Ja, ja, Chubrüder, Cliubruder^).
Tiberius. Ey Hans, du meinest, du müst keine Junckfraw ansehen,
du müssest sie stracks lieb haben.
^) Ciiprit nennt Strumbo im Locrine (oben S. 17(i) den Liebes-
gott Cupido.
Tiberius und Anabella 11,2-4. 187
Hans. Ja, Herr, ich mues bekennen, ich habe viell Bawrmedlein
beim Tantze gesehen, aber keine hatt mir nihe so woU
g-etallen alß diese.
Tiberius. Wer war sie dan?
Hans. Sie hatte eine[n]himmelblawencorduwanischen Rock an vndt
ist allererst mitt dem Marckgraven dahin g-angen. [69 b]
Tiberius Wahr es nicht das Frewiein Anabella?
Hans. Ja ja, Nunnabella, Nunnabella.
Tiberius. Ey du Narr, das ist der Marckgraven Tochter.
Hans. Ja, was frag ich darnach! Wen ich sie bekom, so bin ich
des Marckgraven sein Sohn.
Claudius. Schaw da, Tiberi, der Nar will dich lehren, wie du für
dich Averben sohlt.
Tiberius. Nuhn horstu, Hanß, ich will dier helffen, das du sie be-
komst. Ich will dier einen Brieff schreyben, den soltu ihr
fein zierlich vberandtworten. Kanstu das woU thuen?
Hans. Ey Herr, meindt Ihr, das ich nicht eher bey Leuthen ge-
wesen bin? Ich habe woU eher mitt vnsers Schnitzen
Tochter bey 3 Stunde im Kuh stall geschwetzet.
Tiberius. Dumustaber schawen,das du fein ingeheimb zu ihrkombst.
Hans. Ich will warten, biß sie aufts heimbliche gemach gehet;
da will ich ihn ihr vberandtworten.
Claudius. Ey du grober Tulpell, du must es so nicht machen; sonst
wirstu vbell bestehen.
Hans. Furchtet Eluch nuhr nicht! Ich wils woll machen. Schreibt
nuhr baldt! Ich will dieweill hingehen vndt will mich fein
dazu putzen.
Claudius. Durch diese Gelegenheit kanstu ihr deine Liebe fein en[t]-
deeken vndt dabey mercken, wie sie gegen dich aflfectionirt.
Tiberius. Du ratest woll. Komb und last vnß zur Sachen thuen!
Actus II. Seena 4.
[Anabella. Pergo.]
Anabella, {sola) 0 Venus, wie hardt sindt deine Banden, vndt Avie
durchdringen deines Sohnes Pfeill! Woll machstu dem
Tote zu vei'gleichen sein, das du nicht ansihest den Standt
der Menschen, so du verwundest. Warumb erregestu Be-
gierden in mir kegen einen frembden Printzen, den ich
doch nicht recht kenne, ja der mich einem andern zu
werben anhero kommen ist ! Vieleicht herschet deine
Macht nich[t] so woll vber die Menner alß vber unß arme
Weiber. 0, mochte sein Hertz dem meinen gleich endt-
zundet sein vndt er nuhr die Helffte dieser Quall fühlen,
ich hoffte, er mochte zu gewinnen sein. [70 a] Wo das
auch nicht geschieht, muß ich vor Leidt meinen Geist
auffgreben.
188 Bolte, Das Danziger Theater.
Pargo. {intrat) Gnediges Frewlein, E. G. soll zu ihrem Herrn Vater
in Garten kommen.
Anabella. Ja, Perg-o, ich will gleich folgen. — 0 ihr Gotter, erhöret
mein Bitten vndt wendet mein Klagendt! {Exit. Wirdt
musicirt. Finis Actus II-)
Actns IIL Scena 1.
Dux.
Dux. {icie ei?i Soldaht verkleidet.) Durch der Götter Schutz bin
ich so mancher Gefahr endti-unnen, biß mich diese ver-
enderte Gestaldt anhero bracht. Ist dan, ihr, die ihr die
sterblichen Menschen regirt, mein Bitte nicht vnzimblich,
so last mich erlangen, was ich suche! Hie ist mein Sohn,
an diesem Hoffe er mir die Brawt erwerben soll, muß mich
derowegen heimblich halten vndt schawen, ob ich in dieser
geringen Gestaldt erfahren muge, wie er sich verheldt.
Stille, da kombt er.
Actus III. Sceua 2.
[Dux.] Tiberius et Claudius.
Tiberius. Vermeinestu, Claudi, das ichs ihr eröffne?
Claudius. Ja, vndt schaw, das Ihr in der Eyll getrawet werdet! So
wirdt der Marckgrave woU consentiren mußen.
Tiberius. Waß wirdt aber mein Vater dazu sagen? Wie wirdts ihm
gefallen?
Claudius. Waß will er thuen? Er kan dier sie ja nicht nehmen.
Dux. Glück zu, Ihr Herren! Bedarff Ewer keiner einen Diner?
Tiberius. Wer bistu?
Dux. Ich bin ein Soldaht vndt komb auß der Florentiner Schlacht,
vndt weill der Krig ein Ende gewunnen, werde ich ver-
vhrsachet, einen Herrn zu suchen. Ich hatte mich zwar
bey dem Hcrtzog von Ferara angemeldet, aber weill der-
selbe kranck, konte ich nicht befodert werden.
Tiberius. Was sagstu? Ist mein gnediger Herr Vater krank?
Dux. Verzihet mirs, gnediger Herr! Den ich habe nich[t] gewust,
das er E. G. Vater wehre! Es hatt aber kein Gefahr; den
man sagte, er wehre nuhr liebe kr<anck, vndt E. G. wehren
alliie, ihm eine Braut zu werben. [70b]
Tiberius. Ja, daß ist wahr. Wie deucht dier, Claudi? Wir mußen
doch einen Diener haben.
Claudius. Dieser kombt vnß glcicli recht.
Tiberius. Wie heissestu?
Dux. Bartholomeus Vrsinus, gnediger Herr!
Tiberius. WoUan, Bartholomee, wiltu mir dienen vndt auff mich
warten?
Tiberius und Anabclla 11,4 — 111,4. 189
Dux. Von Hertzen gern, gnediger Herr.
Claudius. So komb mitt herrein! (Exeiint.)
Actus III. Scena 3.
Hans mitt dem Brieffe.
Hans. Ich habe mich baldt zu lange geputzet. 0, mein Herr
hatt mir einen exellenten Brieff geschrieben; aber das ist
der Teuffell, ich kan ihn nicht lesen. Fie wirdt das Frew-
lein heraußkommen, hie will ich ihrer Avarten. Ich wils
aber ein wenig vohrher probiren, wie ichs machen mues.
Mein Keule soll die Junckfraw sein, vndt ich bin ihr
Gallant. {Jetz 2^i(t^^i ^^ sicJi allendthalhen.) So kombt
nuhn Hanß vnd sagt — ja, was saget er dan? Daß ist der
Teuffell. Schönes Frewlein, einen guten Morgen! Nein,
nein, das dauclit nicht; pfej', pfey, pfey, das ist gar zu
bewrisch. E}^ mein, waß muß ich doch immer sagen! Ja, nuhn
weiß ichs, jetz hab ichs; ich will sagen: Schönes Frewlein,
was hatt die Klocke geschlagen? Nein, daß taugt auch nicht,
das stincket gahr zu sehr nach dem Dorff. E}', ey, ey, nuhn
habe ichs bekommen. Ich will sagen: Schönes Frewlein,
Gott grüse Euch! Ja, das ist recht; das wirdt ihr gahr biß
ins Hertzgrubelcin tringen. Nuhn sagt sie: Gott danke
dem Herren! Was ist Ewer Begehr? Nuhn sag ich: Hie
bring ich Euch einen Brieff. Nuhn sagt sie: Von wehm?
Nuhn sag ich: Von Monsieur Signior Cavagliere Junckern
Hans Leberwurst. Nuhn sagt sie: Gebt her den Brieff!
Nuhn kuß ich die Handt mitt groß Basolosmanos^) vndt
sag: Nembt hin den Brieff mitt all mein Hertz! Hie ist
Mangell vnd grose Schmerz. So nimbt [71a] sie den Brieff
vndt machet ihn auff, vndt weill sie ihn lieset, gehet Mon-
sieur Signior Cavagliere Hanß Leberwurst gar melancholisch
auff vndt nider spatziren. Ach das sie jetz hier wehre,
so wolt ichs auß bundig machen! {Intrant Anabella et Pergo.)
Das dich der Teuffell, da kombt sie. {Er lest den Brieff
fallen vndt leii/ft davon.)
Actus III. Scena 4.
[Anabella. Pergo.]
Pergo. Gnediges Frewlein, des Herren Tiberij Diner ist hier ge-
wesen vndt hatt diesen Brieff fallen laßen.
Anabella. Nimb ihn auff, Pergo, vndt ließ ihn!
Pergo. Ich kan sonst nicht woU lesen, guedige Fi-ewlein. {nimbt
ihn auff und list Hin:) 'Dicere quae puduit, scribere iussit
^) Höflichkeitsbezeugungen (spanisch Beso los majios, ich küsse
die Hände).
190 Bolte, Das Danziger Theater.
amor'^). Wahrlich, gnädiges Frewiein, die Vberschrifft ist
gahr zu geschickt für einen so tölpischen Menschen.
Anabella. Ließ weiter, Pergo!
Pergo. {list iceiter^) 'Gnediges Frewlein, ob ich woll E. G. vor
meinen Hern Vattern zu werben anhero gelanget, kan
doch die Zucht meine trewhertzige Aftecten nicht mehr
verbergen, mochte aber E. G. vngern mitt weitleufftiger
Andeutung meiner AfiFecten beschwehren, hette derowegen
zu bitten, E. G. geruhen vndt alßpaldt zu mir in den Garten
kommen wollen. Bin jederzeit solches zu beschulden
willigk. E. G. in aller Affeetion williger Tiberius, Printz
von Ferara.' Sehet, gnediges Frewlein, wie konte der
Handell besser fallen! E. G. stehtes Flehendt ist endtlich
erhöret. Ich riehte, E. G. bedechten sich nicht lange,
sondern schmiedeten, weill das Eysen noch warmb.
Anabella. Du weist aber woll, Pergo, das ich meinem gned. Herrn
Vätern folgen vndt seinem Vater verheyrahtet werden mues.
Drumb weiß ich nicht, wie ich mich hierin verhalten
magk. [71 b]
Pergo. Gnediges Frewlein, mich wundert Ewer gefasten Furcht,
die man sonst gcmeinichlich bey den Liebhabenden fin-
det. Es ist sonst ja Ewer steter Wunsch: Ach das Tiberi
Hertze dem meinen ehnlich vndt er für sich selber würbe!
Wie baldt woldt ich mich bedenken! Vndt jetz beginnen
E. G. wieder zu wanken? Di'umb gehets E. G. wie gemein-
lich allen anderen Frewlein: sie Avehlen vndt wehlen, biß
sie endtlich gar das ergste behalten.
Anabella. Woll, Pergo, schaw, das du seineu Diner antreffest, vndt
sag, ich will mich einstellen!
Pergo. Ich wils verrichten, gnediges Frewlein. {Exeunt.)
Actus III. Seena 5.
Tiberius. Claudius. Dux.
Tiberius. Vermeinstu aber, Claudi, das das Frewlein bloß hin so
baldt consentiren werde? Wie, wen si sich mir in Lieb
nicht ergeben wolte?
Claudius. Ey, du bist gahr verzagt. Laß die Furcht fahren! Hastu
nicht gehöret, das ein verzagtes Hertze niemahls eine
schöne Junckfraw gebuhlet habe? Schaw, da kombt Hanß
her! Was wirdt der vor Bescheidt bringen?
Tiberius. Potz tausendt, Hanß, willkommen! Wie ist diers mitt dem
Briette ergangen?
Hans. 0 Herr, auß der Maßen hurtig. Ich habe ihn den Frewlein
seihest vberandtwortet.
Claudius. Waß sagt sie den?
') Ovid, Heroldes 4, 10.
Tiberius und Anabella III, 4—5. 191
Hans. Nein, das wviü ich nicht, Herr Clawsack.
Tiberius. Ey, Hanß, bringestu dan kein Bescheidt?
Hans. Ja, Herr, sie wirdt seihest baldt Bescheidt bringen, sie
A\irdt baldt kommen.
Claudius. So wardt doch so lang-, Hans, biß das Frewlein kombt!
Tiberius. Ey ja, Hans, wardt!
Hans. Ey nein, Herr. Ich hat etwas zu thuen, das Ihr vor mich
nicht A^errichten könnet. Drumb muß ich seihest gehen.
Tiberius. Ey, pleib doch, pieib! — Wie machen wir es aber weiter,
das wirs dem Frewlein offenbahren? Dan ich bin wahrlich
viel zu blöde dazu, ich scheme mich. [72a]
Claudius. Ey, du niust dich wahrlich nicht Schemen. Oder darfstu
^•iel('icht nich[t], so will ich ihrs eröffnen.
Tiberius. Ja, wen du ihrs fein höfüich anbringen kontest.
Claudius. Sorge du nuhr davor nicht!
Tiberius. Wie deucht dier aber bey meinem Diner Bartholomeo?
Dux. Hie bin ich, gnediger Herr.
Tiberius & Claudius. Nicht, nicht! Wir haben dich nicht ge-
rufen.
Tiberius, Soll ihm auch M^ohl zu vertrawen sein?
Claudius. Warumb nicht? Bartholome!
Tiberius. Bartholomexis!
Claudius. Bartholomeus, horstu nicht?
Dux. Gnediger Herr!
Tiberius. Kanstu irgendt nicht woll hören?
Dux. 0 ja, ich hör sonst zimblich woll, gnediger Herr. Ich
wahr nuhr sonst ein weinig in tifen Gedanken gestanden.
Tiberius. Horstu, Bartholomee, kanstu auch verschwigen sein?
Dux. 0 ja, gnediger Herr.
Tiberius. Was helstu dan von meinem gnedigen Herren Vater?
Dux. Ich halte ihn für einen Fürsten, der mir weder Leids noch
Gutes erzeigt.
Tiberius. Was helstu aber von mir, seinem Sohn?
Dux. E. G. halte ich vor meinen gnedigen Herrn, für den ich
Leib vndt Lebendt wagen wolte.
Tiberius. Wie aber, wen der Sohn den Vater erzürnen solte, woltestu
ihm auch be[i]stehen?
Dux. Ja, wens nuhr nicht sein Lebendt betreffen thete.
Tiberius. Wie aber, wens sein Liebe betreffen thet?
Dux. Aha, sein E. G. da zerissen? Ich habe gehört, E. G. sein
allhie, das Frewlein Anabellam für Ewren Vater zu werben.
So merke ich woll, E. G. wollen den Braten seihest be-
halten vndt ihm den leheren Spieß laßen.
Tiberius. Meinstu so, Bartholomee? Wie deucht dier aber dabey?
Dux. Mir deucht, E. G. thuen recht vndt woll daran, damit [er]
ein andermahl lerne, junge Gesellen auflf die Buhlschaft
zu schicken. Den wer den Bock zum Gertner setzet, den
192 Bolte, Das Danzigei- Theater.
Hundt nach Schmehr vndt die Katzen nach Bradtwursten
schicket, kriget selten etwas heimb^). [72 b]
Clandius. Sihe da, Tiberi, dex* weiß dier den Teckest mitt der Gloßen
für zuleg-en! Predigt dir der nicht nach deinem Sin?
Schaw da! {Anabella et Pergo intrant) Da kombt das
Frewlein auch gleich her. Jetz wirdt der Streit erst recht
angehen. Faß dir nuhr ein Hertz, Tiberi!
Actus III. Sceua 6.
[Tiberius. Claudius. Dux. Anabella. Pergo.]
Anabella. Gluck vndt Heill warten auff E. G., gnediger Printz.
Tiberius, Desgleichen auff E. G., schöneste Printzessin. Ich bitte
gantz fleißig, gnediges Frewlein, ob meinem vnbesonnenen
Schreiben kein Vngemach zu tragen; dan (Ey, ich scheme
mich, meine Liebe zu offenbahren) ich gerne wißen woldt,
ob sich E. Gn. auff die Werbung meines Herren Vätern
bedacht oder nicht.
Claudius. Ey der Teuffell, was soll daß sein, Tiberi! Das muß an-
ders lauten. Der Windt wehet noch nicht auß dem rechten
Loche. Ich muß den Schweren 2) auffdrucken.
Tiberius. Ey, Claudi, ich scheme mich viell zu sehr. Ich kau mein
Anliegen nich[t] eröffnen.
Claudius. Ey was Schemen! Wer vom Frawenzimmer etwas haben
will, der muß bißweilen den Schamhuet abzihen^). Ich
weiß, es wirdt woll angehen. Du bist ja noch junck, da-
gegen dein Vater aldt vndt dier das Sprichwordt ja woll
bekandt: 'Ein harte Nuß, eine stumiifcr Zahn sich zusamen
nicht reimen woll; ein jeder seines gleichen nehmen soll'*).
Habe nuhr einen frischen Muht! Gnedige Princeßin, mein
gnediger Herr Tiberiiis vndt ich haben ein GAVctt gemacht,
wohr vber E. G. ansprechen sollen, wer dasselbe ge-
wonnen habe.
Anabella. Ach liebe Herren, Ihr wißet, das das Frawenzimmer ein-
feltig —
Dux. Ja, wie Bamberger Zwibeln; die haben neun Heuter-'^').
1) Vgl. KeII(>r, Alte gute Schwanke 1S7G Nr. 13. Germania 28, 417.
2) Das Geschwür.
3) D. h. die Scliüchternheit ablegen (Grimm, DWB H, 2117).
■1) Derselbe Spruch steht in der 1630 gedruckten Tragödie vom
unzeitigen Vorwitz I, 5 (Creizenach^ Englische Komödianten S.272.CVIII).
Petri, Der Teutschen Weisheit 1605 Bl. Vvjb, Wander, Sprichwörter-
lexikon 3, 1072. Alemannia 17, 250 Nr. 9.
5) Vgl. Hans Sach.s, Sämtliche Fabeln ed. E. Goetze 1, 164 'Die
neunerley hewt eines poesen wcibs' mit den Nachträgen 2, XIII.
W. KaAverau, Die Reformation und di(i Kiie 1892 S. 49.
Tiberius und Aimbella III, 5. 6. 193
Anabella. Vndt in solchen Fellen niclit woll vhiteilen können. Doch
last mich das Gewett anhören!
Claudius. Ich habe gewettet, E. G. wehren bedacht, lieber meinen
Herren Tiberium alß S. G. Herren Vätern, der ihm in
Jng-endt, [73 a] Lieb vndt Kurtzweill bey weitem nicht zu-
verg-leichen, sich zu verheyrahten. Mein Herr Tiberius
aber hatt das Contrarium asseverirt. So wollen E. G. nuhn
ohnbeschwehrt ansprechen, wehr in diesem solch g-e-
wunnen habe.
Anabella. 0 liebe Herren, diesen Streidt zu dirimiren wurde ich viell
zu partheysch sein, vndt wurde ich ohn eines oder des
andern großen Nachtheill hievon schwehrlich sententiiren
können.
Pergo. Ey, gnediges Frewlein, wie lange wollet Ihr hinter dem
Berge halten? Ich muß der Katzen die Schelle anhenken,
Gnediger Herr Tiberi, ich muß meiner Princessin Wordt-
halter sein, vndt Avißet, das Signior Claudius dies Gewett
gewonnen. Den deß Frewlein Hertz, Muht, Sin vndt Ge-
danken einig vndt allein auff Euch gerichtet vndt mitt
trewer Affection kegen Euch dermaßen ei-fvillet, das auch
der geringste Winkell vor E. G. Herrn Vater nicht mehr
vbrig".
Tiberius. Ist dem also, gnediges Frewlein, wie der Knab sagt?
Anabella. Es verbeutt mir zwar meine zuchtige Blödikeitt, vndt [?]
tringet mich aber mein Hertz, die Wahrheitt zu eröffnen.
Drumb wißet, gned. Herr, das zu E. G. allein vndt sonst
niehmandt in der Weldt mein Hertz vndt Begier ge-
richtet sey.
Tiberius. O glückselige Stunde, o gnedige Götter! Mitt dieser Andt-
wordt ich gantz Arabiam, ja alles, was die Weldt betiüff't,
nicht verwechselen wolte. Vndt wißet, edle Princessin,
das Ihr in mein Hertz so vest verschloßen, das weder
meines Herren Vätern högste Vngnad noch alles Vngluck
selbest darauß reißen wirdt. 0 Vater, verzihe mir diese
Schuldt! Dan die Liebe hatt mich dazu vervhrsachet.
Dux. Ja, die Liebe, die Liebe.
Claudius. Wie nuhn, Tiberi, habe ich das Gewett gewunnen? [73b]
Tiberius. Ja, Claudi; ich aber hab einen Schatz bekommen, so allen
Reichthum vbertrifft.
Dux. Vndt ich hab einen Korb bekommen.
Tiberius. Die Schantze wehr nuhn zwahr gewonnen; wie sie aber
conserviret wer, hoc opus, hie lahor esf^).
Pergo. Gnediger Herr, es ist ein aldt Sprichwordt: 'GeschM'indo
Räht gute Regenten'. Nich[t] weit von hinnen im Tillawer
1) Vergil, Aeneis 6, 129.
Th. F. XII. 13
194 Bolte, Das Danzigcr Theater.
Waldt^) wohuet ein alter Einsideler; zu dem müsset Ihr in
aller Eyll, das er Euch copulire.
Claudius, Der Raht ist kurtz, aber zugleich guht, wen man ihn nuhr
geschwindt folget.
Tiberius. WoU zufriden. Mittlerweill will ich Euch, schöneste Prin-
cessin, bey meinem Diener lassen vndt morgen frühe in
geheimer Eyll vnsere Vereheligung zu Werck richten.
Anabella. Gantz woll zufriden, edler Printz.
Tiberius. Hier, Bartholomaee, laß dier mein gnediges Frewlein trew-
lich befolen sein, vndt schaw bey Leib, das mirs durch
niemandt endtfrembdet werde!
Dux. Gnediger Herr, ich will sie woll verwahren, vndt wan
gleich E. G. Herr Vater selbest kehme vndt wolt mir sie
nehmen, ich wolt ihm beim Slapperment so viell Pomps 2)
geben, das er sie mir woll zufriden ließe.
Claudius. Ja, recht, Bartholomaee, laß dir nuhr nichts nehmen!
Tiberius. Nuhn, schöneste Princeßin, die Götter wollen Euch eine
ruhesahme Nacht bescheren!
Anabella. E. G. desgleichen, edler Printz! {Exeunt Tiberius et
Claudius.)
Bart hol. Nuhn, gnediges Frewlein, die Zeitt zu vertreiben, muß
E. G. ich etwas Kurtzweiliges furschwatzen.
Anabella. Das thue, Bartholomaee! Ich hör gerne zu.
Barthol. E. G. halten mir meine grobe Dristikeitt gleichwoU zu
guthe! Soldaten machens nicht besser.
Anabella. Ich bin woll mitt dier zufriden.
Barthol. Ich weiß, gnediges Frewlein, das E. G. hochlich erfrewet
sein, das sie so einen edlen Printzen zum Gemahl be-
kommen. [74 a]
Anabella. Daß hastu leichtlich zu erachten, Bartholomaee.
Barthol. Wie deucht E. G. aber, [das] es dem alten Hcrtzog von
Ferara, Herren Tiberii Vätern, gefallen werde?
Anabella. AVir verhoflfen, er soll es nicht ehe, biß wir getrawet sein,
erfahren. Alßdan wirdt er es ja nicht vmbstoßen können.
Barthol. Glaubt mii-s aber, das er es schon weiß, hatt auch hefftig
geschworen, solche Vntrew an Euch vndt alle den Ewren
zu rechneu [!].
Anabella. Von wehm hastu das gehört?
Bart hol. Von dem Hertzogr selber hab ichs gehört.
^) Tillau heisst ein Gut bei Neustadt im heutigen Regiertmgs-
bezirk Danzig, Tillwalde ein Dorf bei Elbing; doch ist mir eine Be-
ziehung auf diese Ortschaften einigermassen zweifelhaft.
2) d. h. Schläge. Vgl. Tittmann, Schauspiele der engl. Komö-
dianten 1880 S. 237: 'gewaltige greuliche Pumpes'.
Tiberius und Auabella III, G. IV, 1. 195
Anabella. Bistu bey ihm gewesen?
Barthol. Ja.
Anabella. Wo vndt an welchem Ohrt?
Barthol. Hie selbst. Mich schawe an! Ich bin der Hertzog- von
Ferara, der vmb deinendt willen Landt vndt Leuhte ohn
ein Haubt verlaßen vmb deiner Liebe wegen. Aber ich
schwer bey aller Macht, ich will mich an dier rechen.
Anabella. Ach gnediger Herr, ich bitte demütigl'ch vmb Gnad {fehlt
auf die Knie).
Dux. Ja, Gnad, Gnadt! Stehe auff vndt komb fordt! Ich will
dich zu deiner Ammen fuhren. Dein Vater soll heint
nichts davon wißen, aber morgen soll er erfahren, du seist
eine Landtleuferin worden. Drumb komb fordt! {Exeunt.)
Pergo. Was? Ist Bartholomeus der Hertzog* von Ferara? Was
gildt, ich will ihn noch wieder betrigen! {Exit. Wirdt
musicirt.)
Actus IV. Scena 1.
Tiberius et Claudius.
Tiberius. 0 Danck sey dir, Diespiter! Lob sey dir, Phoebe, das du
dermahl eins auff deinem güldenen Wagen wider einher-
fehrest vndt durch deine weitschießende Stralen den mis-
gunstigen Schatten der tunkelen Nacht von vnß ver-
jagest! 0 wie höchlich hatt mich dein Anblick erfrewet!
0 Claudi, trewer Freundt, seiterdem vnser beyder Kundt-
schafTt vns erst verbandt, ist mir nihe keine Nacht so
schwehr worden alß eben die vergangene. Ich glaube
wahrlich, das irgendt ein hellischer Geist den alten Elmen-
baumi) bewegt vndt alle abfallende Treume aviff mich
geschlenet^); so gantz vm-uhig war mir die Nacht. Die
Gotter Avenden es zum Besten! [74b]
Claudius. Wie nuhn, Tiberi? Hastu nicht allezeitt der Poeten Meinung
nuhr vor Fabuley gehalten vndt wilt dich jetz daran
1) = Ulme, wofür mundartlich Ilme und Elme (engl, ehn) vor-
kommt. Sonst könnte man auch an eine Entstellung aus Eibenbaum
(schwed. elftraed. Grimm, Deutsche Mj'thologie * 2, 544) denken.
2) Oder 'gethlenet' zu lesen. Der Sinn ist offenbar 'geschüttelt',
wie im Kinderliede: 'Schlaf, Kindlein, schlaf! Der Vater hütet die
Schaf, Die Mutter schüttelts Bäumelein, Da fällt herab ein Träumelein'
(Arnim-Brentano, Des Knaben Wunderhorn 2, 718 ed. Birlinger-Crece-
lius. Alemannia 8, 70. 10, 149. Böhme, Altdeutsches Liederbuch
Nr. 492. Erk-Böhme, Liederhort Nr. 1806. Wegener, Volkstüuiliche
Lieder aus Norddeutschland 1879 Nr. 2 u. s. w.).
196 Bolte, Das Danziger Theater.
kehren? Weistu nicht, das kein Lieb ohne Leidt^)? Wiltu
ein rechter Liebhaber sein vndt wahrer Liebe Süßikeit
genießen, so mustu vohr ihr Vngelegenheitt erfahren.
Endtschlach dich der Gedancken vnd gedencl< an dein
Anabellam ! Die wirdt baldt da sein vndt dier allen Vnmuht
vertreiben.
Tiberius. Ihre Nacht muß wahrlich beßer gewesen sein dan meine.
Mein Diener Bartholomeus muß auch woll guter Tag ge-
wohnet sein; er schlefft zimblich lange.
Claudius. Mich wundert sehr, wo doch Hans so lang muß bleiben.
Actus IT. Scena 2,
[Tiberius. Claudius.] Hans mitt dem Wirdt.
Tiberius. Schaw da, da kombt er.
Hans. Nuhn, Gluck zu, Wirdt, Gluck zu!
Wirdt. Ja Glück zu, Gluck zu! Bezahl mir vohr, darnach Gluck zu!
Hans. Was, soldt ich dich zahlen? Zahl du mir vohr!
Wirdt. Soldt ich dich zahlen? Ein Strick an den Halß wolt ich
dich zahlen.
Hans. Den behalt selber, du Lumpenwirdt! Hastu nich[t] gesagt,
ich soldt vmb Geldt essen?
Wirdt. Das ist auch ja billig.
Hans. Nu recht, vndt ich habe auch offtmahls gefreßen, das mir
der Schweiß vber die Nasen gelaufen ist. Drumb bezahl
mir, was ich mitt Freßen verdienet habe!
Wirdt. Den 2) Galgen mitt dem Diebe, du heyloser Bube!
Hans. Das bistu selber.
Tiberius. Nuh, nuh, was hab[t] Ihr zu thuen ?
Wirdt. Ey, gnediger Herr, E. G. Diener hatt bey mir gelegi'u —
Hans. Das leuchstu; ich habe bey der Mag[d] gelegen.
Wirdt. Hatt bey mir gefreßen vndt gesoffen, vndt nuh er mich
zahlen soll, nuhn will er mir Fcrsengeldt geben.
Tiberius. Was hat er den bey Euch verzehrt?
Wirdt. Da haben E. G. ein richtige Verzeichnuß; die laßen Sie
Ihr vohrlehsen.
Tiberius. Nimb hin, Claudi, vndt ließ her! [75a]
Hans. Harrt, harrt, Herr Clausack ! Hie ist ein Brill vor Euch.
Claudius. Pack dich bey Seidt, du grober Knoll! {E)- liest den Zettel:)
In primis: ein Weinsuppe von 4 Maas Wein, 3 Pfund
Zucker, Zimmetrin[de], Negelein vndt Muschaten.
1) Erk-Böhme, Deutscher Liederhort lö'J4 Nr. 1HG3: 'Kein Lieb
ohn Leid mag mir nicht widerfalncn'. Mich. Neanders Sprichwörter
lisg. von Latendorf 18G4 S. 20: 'Kein frewd ohn lcyd\ Petri 1005
Bl. Lliiija. Wander, Sprichwörterlexikon 3, 141 : 'Kein Lieb ohn Leid'.
-) Vielleicht ist zu verbessern: 'An den'.
Tiberius und Anabella IV, 1. 2. 197
Tiberlus. Ey, Hans, warumb hastii nich[t] mehr dazu genommen?
Hans. Darumb das kein großer Schüßel verbanden wahr,
[Claudius] (list weiter:) 8 Pfund Rindtfleisch mitt 3 Pfund Schwetzken,
ein Hintervirter vom Kalbe gelb gekocht mitt 5 Pfund
Rosineii vndt Corinten, 4 junge Huener mitt Muschateu-
Blumen, ein gebratene Gans, 12 gebratene Krambsvogell,
ein gebraten Schöpsenkeull.
Tiberius. Ey, Her Wirdt, soll er dieses alles geßen haben?
Wir dt. Alles, gnediger Herr, ohn die Knochen; die hatt er mir
stehen lassen.
Hans. Ja, hettestu sie weicher gekocht, so hett ich sie auch mit
aufgessen.
Wirdt. Ich glaub dirs woU zu.
Tiberius. Lies weiter, Claudi!
[Claudius.] Zum Nachtinbiß: 6 Pfund Rindtfleisch, 3 kalte gebratene
Huner, einen gebratenen Haßen, ein gebratenen Phasanen,
8 Pfund allerley Confect, 12 Maß Wein.
Tiberius. Nuhn, Hans, du hast dich woll gehalten.
Hans. Ja, Herr, das macht, ich bin kranck gewesen.
Claudius. Des Morgens zum Frühstück: ein Speigelkuchen von 60
Eyern.
Hans. Das leuchstu; eins war faull,
Claudius. Nuhn schweich! 8 Peckelhering, einen hoUendischen KeeHe
vndt 25 Pfund Buttern.
Tiberius. Ey, Hans, das ist vnmuglich, das du dieses alles ver-
schlemmet hast.
Hans. Ey, Herr, der Doctor hatt gesagt, ich muste mich fein
meßig halten vndt fein verdausame Speisen genießen,
damitt ich erst wieder einen Appetit bekehme, vndt für-
wahr je mehr ich fraß, je weiniger Hunger ich bekam. [75b]
Tiberius. Das glaub ich sehr woll. Wie viell ist die Summa?
Claudius. 36 fl. 12 gr.
Hans. Hört, hördt, Herr! Gebt ihm die 12 Groschen vndt last die
86 Gulden bleiben!
Tiberius. Meinestu so, Hans? Nuhn, Her Wirdt, seidt zufriden! Ich
will Euch woll bezahlen.
Wirdt. Noch eins habe ich vergessen. Suppen vndt Sawrkraut
habe ich nicht geschrieben.
Hans. Ja, das habe ich auch noch nicht gessen.
Wirdt. Du hast aber besteldt, vndt es stehet da vndt wartet auft'
dich. {Exit der Wirdt.)
Hans. So will ich noch hingehen vndt es zu mir nehmen.
Tiberius. Wartdoch, Hans! DasFrewlein kombt jetz; wirmusseu fordt.
Hans. Ja, was frag ich darnach! Die Suppe wirdt kaldt, aber
das Frewlein bleibt allzeitt warm.
Claudius. Ey, sollen wir den noch lang* auff dich warten?
198 Bolte, Das Danziger Theater.
Hans. Wardt ein -neinig: waß muß ich thuen? {nimbt einen Stab'
vndt mist daran, sagende:) Ich gehe zum Frewlein, ich
esse die Suppe, ich gehe zum Frewlein, ich esse die Suppe^
{Exit.)
Tiberius. So machstu nachfolgen.
Actns ly. Seena 3.
[Tiberius. Claudius.] Anabella in Manskleidern.
Anabella. Fordt, fordt, liebe Herren! Wir sein verrahten.
Tiberius. Wie so, Pergo, wie so?
Anabella. Pergo? Kendt Ihr Ewer Anabellam nicht mehr?
Tiberius. Anabella! 0 ihr vnsterbliche Götter, was ist die ^'hrsacb
solcher Verkleidung?
Anabella. Ewer Diener Bartholomeus ist Ewer Vater, der alte Hertzog^
von Ferara, welches sein Contrafactur so woll alß sein
Anzeig bezeuget; hatt auch geschworen, diesen Betrug-
ernstlich zu rechnen.
Tiberius. Wie seidt Ihr ihm den wieder entrunnen, gnediges-
Frewlein?
Anabella. Nachdem er mich bey meiner Ammen in Verwahrung ge-
halten, ist mein Jung Pergo zu mir kommen, mitt dem ich
geschwinde mein Kleider verwechselt, mich davon gemacht
vndt ihn an meiner Stadt bej' ihr verlassen. Drumb last
vnß eylen, ehe er vnß weiter nachjage vndt ertappe! [76a}
Claudius. Wen Ihr nuhr erst getrawet wehret, verhoff ich, sein
Vnmuht solt sich baldt wenden.
Tiberius. Drumb last vnß geschwindt zum Tillawer Holtz eylen t
Folgt, gnediges FreAvlein!
Anabella. Hertzlich gern, Herr Tiberi. {Exeunt.)
Actus IV. Scena 4.
Dux de Ferara, Hagewoll, Pergo.
Dux. O Vntrew! Wer hettc solches in meinem Sohn gesuchet T
Woll ist es wahr, das der Jugendt nicht zu trawen. Hette
ich doch die geringste Affection zum Frawenzinnner
jemahls an ihm gespiiret, wurde ich ihm so sehr nicht ge-
trawet [haben]. Mag drumb woll wahr sein, das still&
Wasser tieff zu gründen. Nuhn wie dem [sei], ich muß
von dieser Alten meinen ihr vertrawten Schatz wieder
abfodern. Holla, Mutter Hagewall, kombt herfur!
Hagewoll. Wer klopfet daraußen? Was woldt Ihr?
Dux. Kombt herauß!
Hagewoll. Waß begerdt der Herr?
Dux. Wo ist das Frewlein Anabella, die ich dier gestern zu
verwaln-cn i^eben?
Tiberius und Anabella IV, 2—4. 199
Hag'ewoll. Sie ist darinnen.
Diix. Anabella, kombt herauß!
Perg-o. {in Weiherhahiet). Hie bin ich, gnediger Herr.
Dux. Wo ist Ewer Jung Pergo dan?
Pergo. Hie bin ich, gnediger Herr. Kennen mich E. G. nicht mehr?
Dux. Was machestu Schelm mitt den Kleidern?
Perg-o. Das weiß ich nicht, gnediger Herr. Den wie ich heut
erwacht bin, sein meine Kleider weck gewesen. Hab ich
nicht wollen nackt gehen, habe ich diese anlegen mußen.
Dux. Pfuy das dich alles Vngluck sehend! Trawestu noch einem
alten Weibe! Horstu, Mutter Hagewall, wo ist das Frewlein
Anabella?
Hagewoll. Was sagt der Herr? Ich kan nicht woU hören.
Dux. Ja, wen dirs nicht gefeldt. Wo ist das Frewlein Anabella?
Hagewoll. Die Klocke gesch[l]agen^)?
Dux. Ich sage dier nicht von Klocke geschlagen, ich frage
nach dem Frewlein Anabella. Ich bin der Hertzog von
Ferara.
Hagewoll. Tentara, tentara? [76b]
Dux. Ey, du alte Hure, vexirestu mich noch lang! Hörstu,
Mutter Hagewoll, sagstu mir, wo das Frewlein Anabella
ist, so schenck ich dier 100 frantzösische Dicken^).
Hagewoll. Wo ist das Geldt?
Dux. Hörstu jetz woll? Nuhn siehe, da hastu einen auff die
Handt; die andern will ich dier redlich zahlen.
Hagewoll. Sie sein nach dem Tillawer Holtz gangen. {Hie zupffett
sie Pergo, alß tcolt er sie verhindern, das sie sie nicht
verrahte) Ey, der Jung lest mich nicht zufriden.
Dux. Hieher, du Schelm! Was wollen sie dan da machen?
Hagewoll. Da wollen sie sich bey einem Einsideler heimblich copoliren
laßen.
Pergo. Ey, gnediger Herr, die alte Huer die leucht.
Dux. Ists wahr?
Hagewoll. Nein.
Dux. Leuchstu den?
Hagewoll. Nein,
Dux. Sein sie den dahin gangen?
Hagewoll. Ja.
Dux. Wollen sie sich dan daselbst copuliren laßen?
Hagewoll. Nein.
Dux. Ists dan erlogen?
Hagewoll. Ja.
1) Dies scheint die wörtliche Uebersetzung eines englischen
Wortspieles mit Annabel und hell zu sein.
2) Wohl = Dickmünzen (vgl. Dickpfennig, Dickthaler).
200 Bolte, Das Danziger Theater.
Diix. Ey, so troll dich, du alte Huer! {schlecht sie iveck.) Komb,
ich muß mein Heill weiter versuchen.
Perg'o. Ja, gnediger Herr, wo soll ich den hin? Ich muß ja ander
Kleider haben.
Dux. Sorge du nuhr nicht! (Exeunt). [76b]
Actus IV. See 11 a 5.
[Hans. Wilhelm. LutzelL]
Hans {allein, gahr melancholisch). Ach, ach, ich armer Kerll,
was soll ich doch immer anfangen! Pfuy, pfuy, freyestu
noch! Hatt dir vnser Herr Gott noch die Weibersucht au
den Halß gehenckt! Wie wirdt manchen Kerll so kreutz-
bangemitt einem Weibe, wo wirdt mir den mitt zwo Weibern
geschehen! Daheimb hab ich Greten, vnsers Nachbahr
Hermans Tochter, zugesagt, die ich auch he[r]tzlich lieb
habe, vndt hie hab ich mich an Lützell, des Wirdts Magt,
gehencket. [T7a] Nuhn ist mir vnmugüch, beyde zu
ernehi'en; sie werden mich in einem Moiiaht gahr ver-
zehren. Ach, wie werde ich doch des Vnglücks loß!
Wilhelm. Glück zu, Hans! Wie, so traurig? Das bin ich an dier
nicht gewohnt.
Hans. Vndt ich selber nicht; aber was kan ich dazu thuen?
Wilhelm, Wie so? Was ist dier bcy?
Hans. Ach, mir ist mehr alß zu viell bey. Einer, der ein böß
Weib hatt, hatt 7 Vnglück; ich habe 2, so muß ich 14
haben.
Wilhelm. Wie da, Hanß? Wie kombstu zu zwo Weybern? Ich habe
so viel Muhe vndt Arbeitt gehabt, ehe ich ein Weib
bekommen, vndt du hast so geschwinde 2 bekommen?
Hans. Ich acht es für keine Kunst, ein boeß Weib zu bekommen,
aber wie man ihrer loß werden möchte. Konnet Ihr mir
darin rahten, so hielt ich euch woll für einen klugen Man.
Wilhelm. Weistu ihr kein Vhrsag zu geben? Hastu sie für Junck-
fraw genommen? Ist sie dir auch trew vndt holdt?
Hans. Ihres Zeichens hies sie noch Junckfraw; vndt weill sie
Bier schenckt, bekam ich alle Tage viell Geste, vndt wen
es gegen den Abendt kombt, so muß ich zu Bette gehen;
da spielt den die Katze mitt der Mauß, vndt ich darff
nichts darzu sagen.
Wilhelm. Vermerkestu dan nicht zuweilen Vnraht?
Hans. Was sohlt ich nicht merken! Ich darff a])er nichts dazu
sagen.
Wilhelm. Waß giebstu mir? Ich gebe dir einen Kaht, das sie ihre
Buberey selber bekennen mus, auch ehe du sie eimahl
frairest.
Tiberius und Anabella IV, 4. 5. 201
Hans. Ey, das wehr ein freyer Poß. Wan Ihr das zu Wege
richten könnet, ich schenkte Euch meine beste Kuh, die
ich im Stalle habe.
Wilhelm, Das ist leicht zu erhalten. Sag-, du habst einen Trawm
g-ehabt, wie das dein Weib Ehebruchs beschuldiget worden,
das du den Göttern hefftig- geklagt, vndt damitt du des
g-ewiß wurdest oder ihre Vnschuldt desto ehe offenbahr
wurde, wehr dier Mercurius im Trawm erschienen vndt
dieses Gebett dich gelehret, welches du ihr vorbeten vnd
sie dier nachsagen mueß {das Gebehf):
Ich bitte Jovem, Mercurium vndt Juno
vnd alle Götter in Olympo,
wo ich meinem Manne je Vnrecht thue,
so gebt ihm Hörner wie ein Kuh! [77b]
Werde sie alßdan solcher Bezuchtigung schuldich oder
vnschuldich sein, solches soll sich alßdan außweisen.
Hans. Ja, Nachbawr, wan ich dan Horner krigte, so wurde ich
mich selber damitt ins Geschrey^ bringen. Jederman, der
mich sehe, wurde sagen: da kombt der Hanenrey her!
vndt ich mochte darob ei-grimmen vndt den einen oder
den andern stossen vndt beschedigen. Mich deucht wahr-
lich, es se\" Gefahr dabey.
Wilhelm. Ey, nuhn sehe ich ja, das du nicht recht kluch seiest. Wen
alle Hanenrey sichtbahrliche Horner bekemen, muste man
vielen Heusern die Thuer hoher machen. Ich will hinter
dier stehen vndt dier ein Hörn ansetzen, vndt so mustu
sie vberreden, alß wen dirs angewachsen wehre.
Hans. Woll zu frieden, guht! Gehet, ich will ihr stracks rufen.
Holla, Lützell!
Lutz eil. {inicendich) Was begehrt Ihr, lieber Man?
Hans. Pfuy, du loses Weib, was muß ich deinendtwegen grose
Schande haben!
Lutz eil. Meinendt wegen? Ey das dich die schatzke^) Plag ankom,
hastu [mei]ner Schande? Ja, du ehrbahres Bißlein^), mir
deucht, ich solte deiner viell Ehre haben, der du jedermans
Nar bist.
Hans. Daß leuchstu. Bin ich ein Nähr, der ich nuhn so lange
Jahr hero ein fohrnehmer HofFjuncker, rittermeßig Persohn
vndt so ein praver Cavaglier bin? Wo ist sein Tag ein
tapfer Heldt gewesen, alß Monsieur Signor Cavagliero
1) Vielleicht ist schratzke zu lesen, was mit Schratz, Schrättel
= Kobold zusammenzubringen wäre.
-) Grimm (Deutsches Wörterbuch 2, 50) führt aus Lxither an:
*Du edle, zarte Welt, wie ein lieblich, niedlich Bisslin bistu doch'.
202 Bolte, Das Danziger Theater.
Hans Leberwurst 1) ist? Vndt muß nuhn leiden, daß mich
ein jeder für einen Hanenrey außruifett. Jederman zeich[t]
mit Fingern auff mich; ja die Götter seihest, den ich dieß
j:eklaget, hatt es gejammert vndt die vergangene Nacht
mir ein Mitteil vohrgeschlagen, wodurch du deine Vnschuldt
retten vndt mich auß Zweyfell erlösen köntest.
Lutz eil. Waß ist den daß? Mir deucht, den Göttern müsse viell
an dier gelegen sein.
Hans. Komb her vndt knie nieder! Vndt wo du ein guet Ge-
wissen hast, so bete mir dieß Gebett, welches mir Mercurius
seihest heint gelehret, nach ! Trawstu dir aber nicht, so
laß es lieber bleiben!
Lutzell. J;i, das will [ich] woll thuen.
Hanß. {betet dem Weibe vohr nt supra; vnter dessen sticht ihm
Wilhelm das Hörn auff den Huett.) [78a]
Hanß. O Weib, o weh, o weh! 0 mein Kopf, mein Kopf! 0 du
lose Huer, warestu ein Junckfraw, wie ich dich zur Kirchen
führte? Schaw hier, was sein das vohr Leute, den solche
Kemme auff dem Ha[u]bte wachsen?
Lutzell. O mein lieber Man, verzeihet mirs! Es ist mein Tag nicht
mehr geschehen, den da ich mein Junckfrawschafft verlohr.
Hans. O, du leuchst. Was einmahl woll schmeckt, das begehrt
man meher. Komb, komb! Du must noch mehr beten.
[Hie macht ers eben tvie obenn).
Hans. Awe, awe, awe! Ach, ach, ich armer Kerll, ich glaub, mein
Kopf sey mit lauter Hörnern schwanger. Sie, da ist noch
eins! Sihe, ist das nuhr einmahl?
Lutzell. Ach, mein Heber Man, verzeihet mir nuhr das Mahl auch!
Den das wahr im Schlaff geschehen.
Hans. Ja nuhn, das ginge noch woll hin; aber der Kopf thuet
mir noch sehr weh vndt ist noch fast dick. Es ist noch
mehr verbanden: du must noch einmahl beten. {Hie betet
er aber das Gebeht.)
Hans. Awe, awe, awe! Wo will dies noch hinauss! Noch mehr?
Nein, das ist gahr vnertreglich. Sag, wie hastu dem gethan?
Lutzell. Ach, mein lieber Man, das ist wieder meinen Willen ge-
schehen auß lauter Gewählt.
Hans. Ja, mitt deinem Willen, ich glaub es gantz woll. Nein, du
must mehr daran.
Lutzell. Ach, mein lieber Man, hört nuhn einmahl aufT! Es möcht
Ewer Haubt sonst voller Hörner werden.
Hans. Ey, so packe dich, du lose Huer, vndt konib dein Tag
nicht wieder zu mihr! [Schlecht sie weck). Nuhn Gott lob,
der Fettelen bin ich nuhn auch loß. Hey, Nachbahr
ij Vgl. unten S. 208.
Tiberius und Anabella IV, 5. 6. 203
Wilhelm, wie hette das besser sein können! Die Kuh habt
Ihr woll verdinet. Gehet nuhr hin vndt nehmet sie, wen
Ihr AvoUet!
Wilhelm. Ey, ich bin mitt dier woll zufriden. Heint auff den Abendt
will ich sie holen,
Hans. Ach, das thuet! Ich will Euch das Strick an Hals dazu
verehren, darein [Ihr] sie binden könnet. Vndt habt ja
Danck for diese Freundtschafft.
Wilhelm. Es ist nicht Noht, das Ihr so danket. Behüte Euch Gott!
(Exit.)
Hans. Vnd Euch auch! — Hahaha, es ist woll nich[t] nötig-, das
ich ersten in mein Hauß gehe, biß mein Nachbahr die
Kuh geholet. Ich habe mein Tag' nicht ein Katzen, ich
g-eschweig- ein Kuh, gehabt. Ich will mich fein nach
Ferara machen, das ich wieder bey meinen alten Herrn
vnd Monsieur Clawsack komb. {Exit.) [78 b]
Actus IV. Scena 6.
Dux, Pergo et Eremita.
Dux. Ist dan nicht muglich, das ich den Tillawer Waldt erreiche!
Aber schaw, ist [das] nicht der grüne Ordt, so vor vnß licht!
Nuhn, Venus, hastu noch Lust an alter Leute Brunst, die
du nicht weiniger in ihnen alß den jungen erregest, so
schicke mir deine bekante Vogell, axif das durch ihre
Flucht ich die Clausen finde, darin mein Lust vndt Freude
verschießen licht!
Pergo. Ey, gnediger Herr, wo woldt hie ein Einsiedeier wohnen!
Ist doch sein Tag kein Clausen hie gewesen ! E. G. sehen
außdrucklich, das die alte Fettel gelogen hatt.
Dux. Du leugst, du Bub. Du bist mir stehets zuwieder; aber
ich hoff, ich will noch an dier gerochen werden. Schaw da,
wer wohnet alhie? Holla, ist niemandt hierin?
Eremita. Niemandt alß ein armer alter EY[n]siedeler.
Dux. Komb herauß, alter Vater, komb herauß!
Eremita. Wer seidt Ihr, die Ihr mich in meinem Gottesdienst
molestirt?
Dux. Sey zufrieden, alter Vater, vndt laß ja mein vnverhoffte
AnkunfTt alhier dich nicht beschwehren, vndt sag mir doch,
ist nicht ein junger Printz mitt einem Frewlein bey dier
angelangett ?
Eremita. Bey mir? Wie wolten die hieher gelangen? Leuhte sein
mir seltzame Geste; des Wolfes Heulen vndt [der] Eulen
Geschrey alhier mein beste Geselschafft ist, vndt wundert
mich, wie Ihr anhero gerahten seidt.
Dux. 0 alter Vater, weistu das alte SprichAvordt nicht: Wer
204 Bolte, Das Danzig-er Theater.
des Fewers bedarff, such es in der Aschen^)? Woll, woll,
sein sie noch nicht hie, so werden sie baldt kommen, vndt
köntestu mir woll einen Dienst bezeigten, wan du nuhr wildt.
Eremita. Ein Mensch ist jedem andern zu Nutz erschaifen. Sag[t]
nuhr an, worin ich Euch dienen kan, vndt ich will es
gern thuen.
Dux. Da nimb mir diesen Junglinck erstlich mitt dier in deine
Zellen vndt verschließ ihn woll, damitt er dier nicht endt-
rinne, vndt komb dan wieder zu mir! Aber verwahr ihn
ja woll; dan er ist ein arg-er Bube.
Eremita. Ich will ihn woll verwahren. Sorget Ihr nuhr nicht!
Komb mitt mir!
Dux. So, jetz verhoff ich ihm sein Vorhaben noch zu hindern,
weill ja melius praevenire quam x>raeveniri. Ich muß ihm
den Weck noch einmahl verhawen. — Nuhn, alter Vater,
du hast verstanden, [79 a] daß ich nach etzlichen Leuten
gefraget habe. Dieselbe sein der eine der junge Printz
von Ferara Tiberius vndt das ander Frewlein Anabella
des Marckgraven von Montejjhrat Tochter; die wolten sich
gern in geheimb bey dier copuliren laßen. Nuhn bin ich
sein Vater vndt nicht gemeiudt solches zu hindern, son-
dern ich möcht gern ein weinig Kurtzweill mitt ihnen
treiben. Derowegen wollestu mir deinen Rock vndt Stab
ein weinig leihen, die ich dier nach vollendter Kurtzweill
wider geben will. Was sagstu dazu?
Eremita. Gnediger Herr, Ihr wisset woll, das vnserm Orden nicht ge-
ziemet an Kurtzweill sich ergetzen. Jedoch wen kein Ge-
fahr darvnter gesucht wurde, mocht E. G. hierin ich woll
willfahren.
Dux. Du hast dich nichts zu befahren, alter Vater. Drumb be-
zeig dich nur willig!
Eremita. So kombt mitt mir herrein! Ich will sehen, wie wir den
Sachen rahten. {Exeunt.)
Actus IV. Seeua 7,
Tiberius, Anabella et Claudius.
Tiberius. Seidt getrost, Frewlein! Wir haben einmahl die Clausen
erreichet. Ich weiß, das Ihr sehr ermüdet seidt ; den dieser
Weck sehr muheselig gewesen.
Anabella. Herr Tiberi, ob ich woll vngewohnt bin, derogestaldt zu
reisen, meines Vätern durch diese heimbliche Flucht auflf
mich vervlirsaciiter Zorn vndt Vngnadt mir auch den
1) Mich. Neander, hsg. von Latendorf S. 29: 'Wer des Fewers
bedarff, der suchets in der Aschen.' Petri 1605 El. Eee6b. Wander,
Sprichwörterlexikon 1, 1003.
Tiberius uud Anabella IV, 6—8. 205
Weck nicht weinig- bescinvehrlich machen, so vertreibt
mir doch Ewer Kegenwardt allen gefasten Vnmuht.
Claudius. Gebt Euch zufriden; den Ihr hie den Ohrt erreichet, an
dem Ewer Freude baldt bestetigt vndt Ewer Liebe auß
aller Furcht wirdt g'ei'ißen werden.
Tiborius. Du sagest woll etwas, Claudi.
[Claudius.] Ich muß alhie ankloj^fen. Holla, holla, wer wohnt alhie?
Actus IV. Sceiia S.
[Tiberius, Anabella, Claudius, Dux.]
Dux {inicendich). Niemandt alß ein armer alter Einsiedelehr.
Claudius. Komb herauß, alter Vater!
Dux. Was begehrt Ihr, liebe Herren? Ihr seidt mir wahrlich
seltzame Geste an diesem wüsten Orte. [79 b]
Tiberius. Kurtzlich dier solches anzuzeigen, lieber Vater, so wiße,
das Avir beyde zwo junge liebhabende Personen vuß zu-
samen verknüpft vndt ferner in den Standt der h. Ehe
gern begeben. Demnach so bitten wir, [das] du vnß ordendt-
lich zusamengeben vndt copuliren wollest.
Dux. Ach, ach, furchtet Ihr Euch nicht, das Ihr mein Alter so
vexiret? Man vndt Weib hatt Gott zum Ehestandt ver-
ordnet, vndt Ihr kombt ohn Brandt! Älitt wehm solte ich
Euch copuliren? Meinet Ihr nicht, das Gott diesen Mudt-
willen straffen werde?
Anabella. Nein, lieber Vater, wir spotten nicht; dan ich bin die
Braut vndt zwahr in Kleidern, die mir sonst zu tragen
woll nicht geziemten, nuhr das es die Noht jetz also er-
fodert.
Dux. Behut mich, du lieber Gott! Wie verkehret sich die Weldt!
Da ich junck wahr, wehre dieß die größeste Schande ge-
wesen; jetz tragen die Weiber Hosen. Was ist aber die
Vhrsach solcher Verkleidung?
Tiberius. Ey lieber Vater, halt vnß mitt weitleufftigen Fragen nuhr
nicht lang auff! Erfülle nuhr vnser Begehren, so soltu es
hernach woll erfahren.
Dux. Woll zufrieden. Ihr müßet Euch aber nicht verd[r]ießen
laßen, das Ihr zuvohr beichtet; sonst darf ich Euch nicht
zusamen geben. Vndt damit Ihr nicht lang auffgehalten
werdet, so gehet Ihr hinein in die hinterste Zellen vndt
beichtet meinem Bruder ! Mitterweill will ich die Junck-
fraw absolviren.
Tiberius. Woll zufriden. Machts nuhr nicht lang! {Exeunt.)
Dux. Hört Ihr, Frewlein, wir mußen ein weinig beßer abwehrts
gehen, damitt wir sie in ihrer Andacht nicht verstören.
206 Bolte, Das Danziger Theater.
Ihr kennet ja Ewren alten Diener Bartholomaeum noch
woU? Hey, omnia mea bona mecum feruntur^)\ (laufft
mit Anahella davon. Wirdt musicirt. Finis Actus quarti.)
Actus V. Scena 1.
Marchio cum Asseclis.
Marchio. Vndt ists gewiß, das sie schon fordt sein?
1. Ja, gnediger Herr; dan ich schon woll in zwey Tagen
den jungen Printzen nicht vernohmmen. [80 a]
2. Vndt sagt man auch, das sein Diener Bartholomaeus wehre
sein Herr Vater, der alte Hertzog von Ferara, gewesen,
der in vnbekanter Gestaldt ihm nachgefolgett, Avelches
dan die Flucht am meisten causiret haben soll.
Marchio. O vnaußleschliche Schmach vndt Hertzeleidt! Wer hette
solches jemahls verhoffet! 0 Tiberi, wahr dies dein Intent,
das du vnter der geferbten Werbung deines Vätern meinem
Hause vndt Geschlechte diese Kletten anhenken woltest!
Habe ich dier davor die große Ehr bewiesen, das du in
meinem hohen Alter mich also betrüben vndt mein einig
Tochter so scheudtlich mir endtfuhren soltest! Ich hoffe
noch, es soll dier nicht also gelingen. — Da hastu mein
Daumen -Secret-)! Gehe, nimb eilendts Post auft' vndt
versper ihn vberall den Paß! Ich will selber nicht feyren,
biß ich sie ertappet habe. Eylet nuhr fordt! {Exeiint.)
Actus V. Scena 2.
Tiber ins. Claudius. Heremita.
Tiberius. Komb, alter Vater! Du hast mich zimblich lang auffge-
halten. Wen dein Miserere vndt Confiteor allezeit so lang
wehret, wurde ich dier selten darein kommen.
Eremita. Daß ist gemeinlich der Weldt Lauff, das sie vber den
Gottesdienst hinhupfen, wie ein Han vber heiße Kolen leufft^).
Tiberius. Wo ist aber dein Bruder mitt der Brandt hinkommen?
Sag, wo ist er blieben?
Eremita. Mein Bruder? Ich weiß von keinem Bruder nicht, so lest
auch mein Orden nicht zu, das ich jeinandt bey mir hette.
Claudius. Wer wahr dan derselbe, so vnß alhie empfing? War der
nicht dein Bruder?
Eremita. Es war nicht mein Bruder, sondern es ist der alte Hertzog
von Ferara.
Claudius. Der alte Hertzog von Ferara? Der Henker von Ferara!
Wie ist er dan bey die Kleidung kommen?
^) Blas bei Cicero, Paradoxa 1, 1, 8: 'Ovinia mecum porto mea.^
2) Siegelring.
8) Voigt zu YsengrimuK 5, llOG u. Egberts Fectmda ratis 1, 3G9.
Tiberius und Anabella IV, 8 — V, 3. 207
Eremita. Er hatt mich drumb gebeten. Furchtet Euch aber darob
keines Vng-lucks! Dan er bey fürstl. Ehren angelobet,
das er anders nicht darunter suchte, ohn das er mitt Euch
ein wenig- Kurtzweill treibe. So ist auch sonst sein Bube
noch bey mir drinnen.
Tiberius. Ja woll, sein Bube! Es ist des Frewleins Anabella Paysi
Perg'o. Gehe, heis ihn herauß kommen! {Exit.) Mir deucht
im Ansehen fast die Sachen nicht r'^cht beschaffen sein;
dan er mich niemahls recht anschawen dorffte. {Intrat
Pergo.) O Pergo, mein Vater hatt mich aber eins be-
trogen. [80 b]
Pergo, Daß Vngluck habe ich gantz vngern vei-nohmmen, gnediger
Herr. Vndt ob ich mich anfangs sehr bemuhete, vnser
Vohrhaben ihm auß dem Sin zu bringen, mocht es doch
alles nicht helfen.
Claudius. Wer hatts ihm dan gcoffenbahrett?
Pergo. Daß Frewlein vertraAvt es ihrer gewesenen Ammen, vndt
die hatt er mitt Gelde erkaufft, das sie vnß verriete.
Claudius. 0 alter Teuffei!
Tiberixis. 0 scheußliches Monstrum vndt Zerstörerin meines Glucks!
Jetz weiß ich nichts besser, dan daß wir nach Ferara zihen
vndt sehen, wie wir vnß ihm hinwieder versöhnen.
Claudius. In ine cudetur faba'^). Zu mir versach er sich stets viell;
drumb wirdt er an mir sein Vnmuht allein kühlen.
Pergo. Ich habe mein Teill pillig auch dabey; dan ich nicht der
geringste Actov in diesem Spiell gewesen.
Tiberius. Ich allein hab sein Vngnadt vervhrsachet ; drumb ich
seinen Zorn auch pillig trag. Sag mir, alter Vater, wo
ist der negeste Weck nach Ferara?
Eremita. Haltet Euch in dem Walde woll zu rechten, da kombt
Ihr baldt an ein Herstraßen, die bringt Euch an das
WaCer Susa; da laßet Euch vbersetzen, so seidt Ihr schon
in dem Ferarischen Gebirge [1. Gebiete?].
Tiberius. Hab Danck, lieber Vater, vor diesen Bericht, vndt behüte
dich Gott!
Beremita. Vndt Euch desgleichen! {Exeunt.) [80b]
Actus V. Seeua 3.
Hans. Märten, sein Vater, vndt andere gute Freunde.
Eanß. Ho, ho, Gott lob, das ich wieder zu den Meinen komb!
Ich glaub wahrlich, daß alhie mein Vater wohnet. Ach,
wie kan doch ein Mensch so gar eines Dinges vergeßen,
wan er so eine geraume Zeit in frembden Landen ist! Es
^) Terenz, Eunuchus II, 3, 89: 'Istaec in nie cudetur faha.
208 Bolte, Das Danziger Theater.
sein woU acht Wochen, das ich mitt meinem Herrn nach
Montephrat reisete, seiter dem ich meines Vätern Hauses
vergcßen habe. Was gildt, wo ich ihn selber lienne !
{Intrat Märten cum .suis.)
Märten. Ach du lieber Gott, wo wils doch mitt dem großen Ge-
weßer hinauß? Es ist ja nicht muglich, das man einigen
Menschen vbersetzen könne. Wen mag es doch einmahl
wieder verfließen! — Schaw da, ist das nicht mein Sohn,
den ich so lange nicht gesehen hab? Hey, mein Sohn
Hans, wie hatt dirs so lang gangen?
Hanß. Pfuy, du grober Narr, bistu mein Vater? Ja, da sihestu
woll darnach auß. Hatt einer sein Tage gehöret, das so
ein braver Cavaglier alß ich einen Bawren zum Vater
habe! [81a]
Märten. Bistu den nicht mein Sohn? Welir bistu dan? Vudt wie
heistu?
Hanß. Ich heiß Monsieur Signor Cavagliero Hanß Leberwurst^)
vndt bin des alten Hertzogen von Ferara sein vohrnehmster
Hoffjuncker vndt seines Sohns Printz Tiberii Stallmeister.
Märten. So bistu dennoch gleichwoll mein Sohn. Dan da an
noch bey mir wärest ohngefehr vor zehen Wochen, da
hiesestu noch Hanß Leberwurst nach deinem alten Vater
Märten Leberwurst, vndt hast nuhn zu Hove so viell
Nahmen dazu bekommen.
Hanß. Seidt Ihr dan der alte Märten Leberwurst?
Märten. Ja, der bin ich vndt so heiß ich, von der vhralten Leber-
wurst endtsprossen.
Hans. Ja, so bin ich auch Ewer Sohn. Hey, Vater, wie hatts
Euch so lange gegangen?
Märten. Gar woll. Wie hats dir gangen?
Hans. Lebet vnser Mutter vndt meine Schwester Gieseldrudt
noch, auch Naclibahr Strokops Tochter vndt vnsers
Küsters Sohn?
Märten. Ja, komb doch herein! Drinnen wollen wir weiter davon
reden.
Actus V. Sceiia 4.
D u X et A n a b e 11 a.
Dux. So weit bin ich meiner Gefahr cndtrunncn, daß ich den
lang gewunsclieten Fluß Susa erreichet. Drumb, Frewlein,
last doch fahren Kwer Trawrikeit vndt seidt [1. seht] frolich
auß! Gedencket doch, daß ich auch die erste StTinde, so icli
^) Zu dieser gravitätischen Selbstvorstellung des Narren vgl. die
Parallelen bei Bolte, Die Singspiele der engl. Komödianten 1893 S. 267
161; auch oben S. 189 und 202.
Tiberius und Anabella V, 3— 5. 209
Euch in mein Landt bring', Euch ein mechtige Fnrstin
vndt Ferarae gewunschete Hertzog'in machen kan. Dan
Avas liatt mein Sohn, der Verreter seines Vätern, Ewren
Standt zu erhöhen?
Anabella. Ein edles Hertz.
Dux. 0 schweigt, Frewlein! Das beweist er vbell. Dan wie
kan daß ein edles Hertz g'enennet werden, das sein
vnkeusche Lust vndt Begierden nicht zwingen kan, ja
denselben also vnterworfen ist, das [es] auch sein hogste
Ehr, ja all sein Heill vndt Wollfahrt darvber verschertzet!
Ihr seidt aber jetz in meiner Gewaldt; was expostulir ich
lang! Holla, du Schiffman, holl vber!
Actus V. Sceiia 5. [81h]
[Dux, Anabella, Märten, Hans.]
Märten {inwendig). Waß ist vor ein Schelm, der da viell klopfett!
Packe dich weck, oder mein Sohn Junker Leberwurst
soll dich baldt weck bring'en !
Dux. Leberwurst! Ist der hier? Nuhn komb herfur vndt fuhr
mich vbers Waßer!
Märten. Ey, packe dich, du Mausekopff, oder ich will dier Fuese
machen! {Hans, Märten vndt andere laufen herfur.) Was
pochestu viell?
Hanß. Ey Vater, du wirst auff den Teuffei kommen.
Märten. Wie so?
Hans. Du hast vnsern Herrn, den Juncker Hertzog, einen Schelm
geheißen. Nuhn mustu henken.
Märten. Ey ja stracks! Was frag- ich nach dem Hertzog! Der
Schultz ist mein Herr.
Hanß. Ein Narr ist dein Herr. Wardt vndt schweig, laß mich
mitt ihm reden! Ich will noch alles wieder g-uet machen.
Hey, Juncker Hertzog, wer zum Teufels Henker hatt Eiieh
hieher gefuhrt?
Dux. Potz tausendt guter Jahr, Hans, was magstu hier? Warumb
bistu bey meinem Sohn nicht mehr?
Hans. Ja, warumb ist Ewer Sohn nicht mehr bey mir? Solt ich
auff ihn warten? Ich bin hier bey meinem Vater.
Dux. Ist das dein Vater, der mich jetzundt so ehrete?
Hans. Ey ja, Juncker Hertzog, mein Vater hatt Euch einen alten
Schelm geheißen. Ich bitt für ihn, last ihm doch den
Kopf abhawen vndt nicht auffhenken!
Märten. Ey ja, ich bitt auch vmb Gnadt.
Hans. Schweig, du alter Narr, vndt laß mich reden! Ich bin zu
Hoff gewesen.
Dux. Nuhn, Hans, ich wils deinem Vater vor dießmahl schenken;
aber Hans, du must vnß vbers Waßer fuhren.
Th. F. XII. 14
210 Bolte, Das Danziger Theater.
Märten. Ach nein, das Waßer ist viell zu groeß.
Hans. Schweig, du alter Narr! Nein, Juncker Hertzog, heute
nich. Das Waßer ist zu groes, Ihr mucht versaufen.
Dux. Ja, Hans, wo können wir Herberg bekommen? Es sein
kein Heuser mehr da dan deines Vätern. [82 a]
Hanß. Ja, Juncker Hertzog, Ihr soldt heindt bey vns bleiben.
Wir haben ein Bette, darauif schleift mein Vater, mein
Mutter, mein Schwester, mein Bruder, vnser Katz, vnser
Hundt, vnser klein Ferkeil vndt alls Haußgesindt; da soldt
Ihr mitt schlaffen.
Dux. Ey nein, Hanß, ich will mich woU beim Fewer behelfen.
Hans. Auch guet, Junker Hertzog. Vater, horstu, gehe hinein
vndt kratz den Hunerdreck vom Tisch, das [es] der Jun-
ker Hertzog nicht sehe!
Märten. Ja, ja, Sohn.
Hans. Nuhn so folget nach, Junker Hertzog! {Exeunt.)
Actus y. Scena 6.
[Hans.]
Hans. Potz tausendt, das ist guet, das der Junker Hertzog zu
mir kommen ist. Ey, wir Avollen rechtschaffen lustig sein.
Ich muß den Hoffgebrauch halten vndt probiren, ob ich
auch noch meinen Galliard tantzeu kan. {Er' begindt zu
tantzen.)
Actus V. Scena 7,
[Hans. Tiberius. Claudius. Pergo.]
Tiberius. Hir, verhoff" ich, werden wir von ihn hören; dan hieselbest
müssen sie vberfahren.
Claudius. Schaw da, ist das nicht vnser Hans?
Pergo. Ja wahrlich, er ists ja.
Claudius. Hans, Hans, wie stehets, Hans?
Hans. Ho ho, Juncker Clausack, wo kombt Ihr her? 0 Junker
Tiberi, wie stehet vmb ein guet Lebendt? 0, vndt du
kleiner Bube?
Tiberius. Ey Haus, was machstu hier? Warumb bistu nicht bey
mir geblieben?
Hans. Nein, warumb bleibt Ihr nicht bey mir?
Tiberius. Was machstu aber hier?
Hans. Wist Ihr dan nicht, das mein Vater Sclüffman alhie ist,
der die Leulit vl)erfuhret?
Claudius. Ey, das ist guet; so mustu vns lielfen, das wir geschwindt
hin vber kommen.
Tibcrius und Anabella V, 5— 8. 211
Hans. Nein, Her Claiisack, das kan heut nicht geschehen; den
das Wasser ist viell zu groes. Ihr müßet heut bey uns
bleyben. Ewer Vater, Herr Tiberi, ist auch bey unß.
Tiberius. Was sag-stu, Hans? Ist mein Vater auch hier? Wen hatt
er dau bey sich? [82b]
Hans. Einen Jungen hatt er bey sich. Ich dachte, das es Pergo
gewesen wehre.
Claudius. Ey Hans, kenstu dein Anabellam nicht mehr"? Das ist
Anabella.
Hans. Ey, so will ich stracks zu ihr lauffen.
Tiberius. Nein, Hans, potztausendt bleib hier! Wen das mein Vater
erfuhr, das du sie lieb bettest, so ließ er dich stracks
auffhenken.
Hans. Ja, was frag ich darnach!
Tiberius. Ey nein, Hans, ich weiß noch woU einen guten Raht. Ich
wolt sie dier n )ch avoU wieder bekommen.
Hans. Ja, aber vor mich, vor mich.
Tiberius. Ja, vor dich, vor dich. Hastu nicht etzlicheMascaradkleider?
Hans. Ja, ich habe noch etzliche alte, die ich mitt von Hove ge-
bracht habe.
Tiberius. Nuhn so AvoUen wir ihm ein Mascarad bringen, vndt du
soldt der Anabella fein heimblich sagen, das ich ein weiße
Feder auffen Hute fuhren wolte.
Hans. Nuhn, Herr, ich wils woll verrichten.
Claudius. Ja, aber Hans, du must vns ein eigen Losament verschaffen,
darin wir vns verkleiden können.
Hans. Ja, es wohnet sonst niemandt hier alß mein Vater. Der
hat noch woll ein alte Scheune alhier, da mucht ich Euch
hinein furiren.
Pergo. Aber du must schawen, das niemandt da sey, damit wir
nicht verrahten werden.
Hanß. Ich will hin vndt Euch das Losamendt bereiten.
Tiberius. Ja, da thue, Hans! — 0 Claudi, mucht vns das Gluck noch
einmahl favorisiren, ich hoff, ich wurde sie hernach nicht
wieder verlieren.
.Hans. Herr, kombt! Die Schewne ist offen, vndt ist niemandt
darinn alß vnser graw Katz, vndt die Avirdt nicht nach
schwatzen.
Claudius. Ey so last vns gehen! (Exeunt.)
Actus V. Seena 8.
[Märten. Hans.]
Märten. Ach, Avohr mag mein Sohn Hans so lang- bleiben! Ich
mein, er wehr zu Hove gewesen. Ich bin ein Bawer;
noch, wen ich Geste habe, laß ich sie nicht gerne allein.
Sihe da, da kombt er einmahl wieder. Hans, -wo bleibstii
212 Bolte, Das Danziger Theater.
doch so lang? Der Hertzog hatt schon etzliche Mahl nachs
dier gefraget.
Hans. Ja, ich hatte noch etwas zu verrichten, da wahr auch an
gelegen. Ist dein Bankeit fertig?
Märten. Mein Benck sein lengest fertig. Der Hertzog sitz[t] ja
darauff. [83 a]
Hans. Ey du alter Narr, man höret avoII, das du nicht zu Hove
gewesen bist. Hastu das Essendt fertig? Laß den Tisch
bereiten!
Märten. Heist das Bankeit? Ja, ja. Holla, Jung, bring den Tisch-
tuch vndt die Teller her! {Hie bereiten sie den Tisch, vndt
Hans holet den Hertzog.)
Actus V. Scena 9.
[Märten. Hans. Dux. Anabella.]
Hans. Kombt, Juncker Hertzog. Setz Euch hie zu Tisch, Ihr
mußet mitt vnß also verlieb nehmen. Hier ist nicht viell
zum besten.
Dux. Ey Hans, was magstu dich vor Muhe! Mich gelüstet nicht
zu eßen.
Hans. Ey ja, so setzet Euch doch gleichwoll heer, vndt Ewer
Jung soll bey Euch sitzen.
Dux. Wor ist dan dein Vater? Der muß vns Geselschafft leisten.
Hans. Ey, was soldt der alte Narr bej" Euch sitzen! Ich will
Euch Geselschafft leisten, ich bin zu Hoife gewesen, ich
weiß fui'stlichen Gebrauch.
Dux. Ey Hans, du must deinen Vater gleichwoll nicht so be-
schimpfen. Setzet Euch heer, Alter!
Hans. Vater, wiltu sitzen? So hoell dier ein Stuell! Eßet doch,
Junker Hertzog! {Er legt ihm vohr.) Vater, schenck ein;
ich muß dem Juncker Hertzog einmahl zutrinken. {Hie
tractiren sie den Hertzog.) Potz tausendt, Juncker Hertzog,
die Music hette ich baldt vergeßon. Soll ich sie holen?
Dux. Das thue, Hans! Was hastu für Music?
Hans. 0, außbundige Music! Ihr Averdet es woll baldt hören.
{Hie winket er Anäbellae vndt zeigt ihr Tiberii Loß^) an.)
Dux. Vater, Ihr habt einen hurtigen Sohn. Er lest den alten
Hoffgebrauch noch nicht nach.
Märten, 0, er heldt sich hurtig. Kleiner, wie so trawrich? Ihr
mußet lustig sein.
Anabella. Ach alter Vater, ich habe einen guten Freundt verlohren,
deßen stetig Gedechtnuß mich nicht leßet lustig sein.
Märten. Ach Herre Gott, ich habe ncwlich ein Saw mitt zehen
^) D. h. Erkennungszeichen, Wahrzeichen.
Tiberius uud Anabella V,8-9. 213
Ferkell verlohren. Ach mein Ferkell, mein Ferkelln, meine
Ferkellu!
Bans. Schweig, du alter Narr ! Bringestu noch deine Fer-
kell vor den Junker Hertzog- ? Schembstu dich nicht?
Kombt her, ihr Musicanten, streicht tapfer auff! {Hie
spielen sie.) Junker Hertzog, wen Ihr zufriedt wehret,
es haben vnser Dorff'knechte eine Mascarada, die weiten
sie für Euch tantzen: wie deucht Euch? [83b]
Dux. Du helst dich wie ein rechtschaffener Cavag-lier.
Hans. Ja, das ist woU pillig'. {Hie kombt die Mascarad entzeln,
einer den andern foderendt ; darnach loinken sie Hansen
vndt reden heimblich mit ihm.)
Dux. Was begehren sie, Hans?
Haus, Waß sie begehren? Sie bitten, Juncker Hertzog", das Ihr
sie nicht wollet verschmeden vndt springen einmahl mitt
ihnen herumb.
Dux. Ei nein, Hans, ich kan nicht tantzen; ich bin gar zu aldt,
dazu auch müde von der Reise; ich will fein zuschawen.
Hans. Nein, nein, Juncker Hertzog, Ihr raüßet mitt tantzen, oder
Ihr mußet das Dorffrecht leyden.
Dux. Was ist dan Ewer Dorffrecht?
Hans. Wer nicht mitt tantzen will, der muß vber eine Tonne
liegen vndt zwolff Schläge mitt einem Stieffell vber den
Posterianus außstehen. Drumb tantzet oder kombt her!
Dux. Ey nein, Hans, so will ich lieber tantzen. {Hie schicken
sie sich zum Tantz; vnter dem Tantz verleuret sich Tiberius,
Anabella^ dan auch Claudius vndt Pergo, deren Stelle
andere er fidlen.)
Dux. Ey, das wahr mir ein lustiger Tantz. Wo ist aber mein
Jung blieben?
IVIarten. Hier ist mein Jung.
Dux. Ey nein, mein Jung, mein Jxmg. {leufft davon.)
Märten. Ey Hans, was schadet dem Hertzog, das er so weck leufft?
Hans. Ja, er wirdt woll wiederkommen. Laßet den Tisch nuhr
weck nehmen ! {Intrat Claudius.)
Claudius. Potz tausendt, Hans, der Poß wehr woll angangen;
allein der Hertzog trachtet vnß hefftig nach, vndt werden
wir dein Anabellam nicht behalten können, wo du nicht
geschwindt das Schiff auff dem Wasser vmbwirffest, alß
wan Tiberius vndt Anabella darauff vmbkommen wehren,
vndt wir ihn also betrigen.
S[ans. Ja, da wollen wir baldt zu kommen. Komt vndt helfet
vnß ein Geschrey machen! {Hie machen sie ein Geschrei/ ;
hernach kommen sie mitt einein Seill, ob zogen sie das
Schiff ivider auff.)
Hanß. 0 Herr Gott, vnser Schiff, vnser Schiff! Vnser Anker,
vnser Schranker, vnser Vhrglaß, vnser Bierfaß !
214 Bolte, Das Danziger Theater.
Actus V. Scena 10 ^).
[Dux. Hans. Claudius.]
Dux. Ey Hans, was hastu für ein Geschrey ? Waß schadet dier?
Hans. O das Bierfaß, das Bierfaß!
Dux. Hörstu nicht, Hans, was schadet dier? [84a]
Hans. Ey, Junker Hertzog', daß kan ich Euch nicht klagen^
Sehet, da konibt Her Clawsack, der mack Euchs sagen.
Dux. Wohr kombstu her, Claudi ? Sag-, was ist das vor ei»
Geschrey, daß der Narr da treibt?
Claudius. Ach gnedig-er Herr, ich bitt durch Gott, verzihet mirs, das-
ich E. G. diese trawrig-e Potschafft bring-e ! Den ichs wahr-
lich gern anders sehe.
Dux. Wo ists dan? Sag an, wo ist Tiberius, mein trewer Sohn^
mitt dem ehrbaren Zuchtlein, seiner vermeindtlich ver-
trawten Anabella?
Claudius. Ja, woU mögen E. G. fragen. Weill E. G. ihre Liebe zer-
stören wollen vndt sie, E. G. zu endtflihen, in Eyll vber
das Waßer fahren wollen, ist das Schiff von Vngestuml>
vndt vberwachsener Größe vmbgeworfen vndt sie beyde
ertrunken, ich aber kummerlich mitt dem Leben davon
kommen.
Dux. Waß sagstu, Claudi? Ist dem also?
Claudius. Daß haben E. G. an mir zu sehen.
Dux. 0 ich armer elender Mensch! Jetz erfahr ich, qitod quis-
que fortunae suae faber'^). Wehm hab ich dieses zu dankea
alß eynig meiner Hartikeitt! In dieses Elendt hab ich
mich selber gesturtz[t]. 0 hette ich mich nach meines
Gleichen beworben vndt nicht den Lauff der Natur zu
hindern mich vnterstanden! WoU heist es: Fiunt con-
nubia fafo^), welches ich vbell betrachet. Komb vndt
schaw, das sie herauß gezogen vndt ihrem Stande gemeß-
bestattet werden! (Exetinf.)
Actus V. Sceiia 11*).
[Marchio. Hans. Dux. Tiberius. Anabella. Claudius.]
Marchio. O vnglucklichc Zeitt, was verfolgestu mich, die du michi
in meinem hohen Alter so vmbtreibest, verenderst mein
^) Die Handschrift hat: Scena 5.
-) Sallust, De republica ordinanda 1, 1: 'Appius ait, fahrum esse
suae quemque fortunae!'
3) Wohl kein klassisches Citat, sondern eine Übersetzung de»
deutschen Sprichworts: 'Die Ehen werden im Himmel geschlossen.' VgL
Wander 1, 727: 'Connubia sunt fatalia!
4) Scena 6.
Tiberius und Anabella V, 10—11. 215
Gestaldt, Standt, Thuen vndt Wesen! 0 Anabella, ists
mixglich, daß du meiner so gar vergeßen vndt deine vorige
kindtlich Liebe so gar auß deinem Hertzen geflohen, daß
du meiner so gar vergeßen könnest, so will ich mich doch
keine Gefahr schrecken laßen, sondern in vnser Hoffnung
dir ferner nacheilen, nicht zweyflendt, [das] ich dich noch
antreffen werde. {Intrat Hans vndt pfeift ein Liedlein
mitt dem Maull.) Horstu Kerell, du must mich vbers
Wasser fuhren! Horstu nich? Ich glaub, der Kerrl sei
nicht woU bey Sinnen. Bistu taub oder stumb, daß du
nicht andtwortest? [84b]
Hanß. Ey, Avaß hab ich mitt dir zu schaffen, du Lumpenhundt!
Waß verstorstu mich?
Marchio. Das bistu selber, du loser Bube. Wer hatt dich das ge-
lehrt, alte Leute so anzufahren? Schemstu dich nicht.''
Vbers Waßer soltu mich fahren.
Hans. Wiltu nicht warten, so lauff vohr hin! Muß ich eben auff
dich warten, du Hudler?
Marchio. Ey, des mußeu dich die Plag rühren! Wiltu nicht, so
soltu woll. {Stringit ensem.)
Hans. 0 rettet, rettet! Mordio!
Dux Hans, waß schadet dir? Was ist die Vhrsag dieses Lei-
mes ^ Soltu gute Leute vngebhurlich anfahren? 0 Mordio,
es ist der Marckgrave von Montferar. Ich muß mich hart
halten. Gluck zu, Signior! Was macht Ihr hie in dieser
Geo-endt? Wohin ist Ewer Reise gerichtet?
Marchio 0 guter Freundt, mein Reise Ihr leichtlich endern kondt,
wen Ihr nuhr auff mein Frag mich recht berichten thett.
Dux Wan mirs wißendt, thue ichs pillig.
Marchio. Habt Ihr nicht zween junge Cavaglier mitt emem Frew-
lein alhie vernommen?
Dux Wer sollen sie sein?
Marchio Printz Tiberius, des Hertzogen auß Ferara Sohn, neben
Claudio seinem Gefehrten vndt Frewlein Anabella, des
Marckgraven auß Montefrar Tochter.
Dux Es [ist] mir vnmuglich, mich lenger verhelen. Ach gne-
diger Herr, zu vngluckseliger Stunde sein Ewer liebe
Tochter vndt mein Sohn au diesen Ordt kommen. Dan
wie sie mich betrogen, sich seihest zusamen verknüpfet
vndt geschwindt vber den Strom flihen wollen, ist das
Schiff durch Yngestuem vndt Schwellen des Wassers vmb-
c-estoßen vndt sie schendtlich vmb ihr Lebendt kommen.
Marchio. 0 mißgunstiger Todt, waß verzeuchstu? Warumb kurzestii
nicht meinen Jammer? 0 ihr Gotter, bin ich noch nicht
lang genuch da[s] Subjectum gewesen, darauff Ewer himb-
lische Influentzen spielen! Warumb verzichtet ihr, daß
216 Bolte, Das Danziger Theater.
Ihr nicht irgendt mitt einem Straell ewer Rache [85 a] dieß
scheußliche Monstrum verterbet, welches erger dan die
Hiaena, die nuhr an den toten Corper sich setiget, neben
frembden auch sein eigen Bluet verschwendet!
Dux. Tröstet Euch mitt mir, E, L., vndt last nicht diese Bitter-
keitt Ewer Hertz einnehmen!
Marchio. 0 schweicht vndt last ab mich verner zu vergifften. Dan
wie ein Stacheil einer Schlangen sein deine Wordt durch
mein Hertz getrungen. 0 schawt, Avie man ihre tote
Leiber heraußer traget! 0 Anabella, du Ehre meiner
Jugendt vndt Trost meines hohen Alters, ach das zu-
gleich mitt dier auch ich in die kalte Erde mocht gesetzet
werden !
Dux. 0 Tiberi, hastu in der besten Bluet deiner Jugendt dein
Lebendt enden müssen vndt in meinem Dienste sterben!
0 Anabella, das ich je mein Gemuht auff dich gesetzet,
dadurch ich ein Vhrsach deines Totes worden bin! Nicht
Wunder wehr, das ich mir selber das Lebendt nehm.
Claudius. Halt, gnediger Herr! Was wollen E. G. thuen? Bedenket
Euch vndt macht nicht Ewer Vngluck großer! Es wehr
woll besser gewesen, das Ihr diese beyde Ewer Kinder im
Ehebett erfrewt, dan in ein Grab vndt in die kalte Erde
zusamengesetzet sehen mugen.
Dux. Ja, Claudi, vndt wen es noch muglich wehr, ein hohen
Aydt ich schwehr, mein gantzes Landt ich gern drumb
endtbchren woldt.
Claudius. Printz Tiberi vndt Frewlein Anabella, Ihr habt ge-
hört, was Ewer Herr Vater Euch verpflichtet. Drumb
stehet auf! Das Braudtbett ist bereidt. {Tiherius
vndt Anabella stehen auff' vndt fallen ihren Eltern zu
Fues.)
Tiberi US vndt Anabella. 0 gnediger Herr Vater, wir bitten vndt
hoffen Gnad.
Marchio. Waß? Lebet mein Tochter Anabella? 0 gnedige Götter!
Dux. O große Freudt! Mein Sohn Tiberius lebet; mein Hertz
in Freuden fast gleich in einem Mehr sich trennet [1. tränket?].
Sag, Claudi, wie gehet dies zu?
Claudius. Gnediger Fürst vndt Herr, E. F. G. ist wißendt, wie [S5b]
derselben das Frewlein Anabellam wir in der Mascarad
cndtfuhrt. Da wir nuhn kein Mitteil sahen, E. F. G. zu
endtriniieii, haben wir das Schiff auff dem Wasser vmb-
gekchrct vndt ein groeß Geschrey gemacht, wie wir das
Schiff wieder auffrichteten. Dahero dan E. F. G. betrogen
vndt auff diese Meinung gebracht sein, alß wen sie vmbs
Lebendt kommen wehren. Ich bitt aber nochmahls vmb
Gnadt vndt Verziliung.
Tiberius und Anabella V, 11—12. 217
Dux. Nuhn, Claudi, stehe auflf! Ich mueß bekennen, das deine
Behendikeitt mein Stratag-emata mitt dem Soldaten vndt
Einsideler weitt vbertroffen, vndt sehe darob, das der
Menschen Vohrhaben vndt der Götter Verordenung bey
weit nicht vbereinstimmen, sondern daß sie solches offtmahLs
auff andere Weg-e, dan es g-emeindt, g-entzlich verenderen
vndt -verkehren. Drumb, E. Lieb Herr Marckg-rave, ob
ich woU verhoffet, E. L. mein g-nedig*er Herr Schwig'cr-
vater worden sein solte, dazu Sie dan auch schon Ihren
Consens geben, so spuren wir doch, das die Fata viell ein
anders beschließen. Drumb erkleret Euch, ob Sie mitt
dieser Verbindung- zufriden oder nicht!
Marchio. Edler Fürst, obvvoll die mir vndt meinem Hause angehengte
Schmach vndt zugefugte Bekummernuß mich zu groser
Vngeduldt bewogen, mich auch zu fernerer Dispatientz
vervhrsacht, so muß ich doch bey mir betrachten, das der
Menschen Will der Gotter Verordnung pillig weiche. Dero-
Avegen ich meinen Consens gern dazu gebe, hertzlich
wünschend, Hiemen ihr Vohrhaben prosperire.
Dux. Habt Danck, edler Fürst, für diese frey willige Erklerung!
Kein Vnmuht vns hinfuro zweien muß, sondern stehets
werender Fride zwischen vns verpleibe. Frey vndt ohne
Zoll sollen Ewre Einwoner vnsers Landes g'enießen vndt
reichlich von dannen Ewre Kauffleute tratfiguiren^). Vndt
weill die Gotter so gnedig in Freudt verkehret vnser
Leidt, soll dieser Tag alle Jahr feyerlich gehalten wer-
den, stehets dieser Guthat zu gedenken. Kombt, edler
Fürst, vnd wohnet fernerer Volstreckung [86a] dieser
Frewden bey ! Darnach wollen wir Euch fürstlich in
Ewer Landt beg'leiten.
Actus V. Seena 12 2).
[Vorige.] Hans schnakisch verkleidet.
Hanß. Ich hab gehört, mein Anabella sey wieder lebendig wor-
den. Ich muß sehen, das ich sie nuhn noch endtlich bekom.
Dux. Waß ist das für ein seltzam Creatiir ?
Claudius. Es ist Hans, der will sein Anabellam haben.
Dux. Ja, lieber Hans, wolstu sie haben? Ich will sie haben.
Hans. Vndt ich will sie haben.
Tiberius. Ja, Hans, vndt ich hab sie bekommen.
Hans. Ja, wie wollen wir dan diesen Streit scheyden?
Tiberius. Das muß ich woU thuen, das ich sie weck nehm.
1) Ital. trafjßcare, frz. trafiquer, Handel treil)en.
2) Sccna 7.
218 Bolte, Das Danziger Theater.
Hans. Nein, nicht also, sondern so Avollen wirs machen: Ihr
Junker Hertzog, seit da stehen, vndt Ihr, Printz Tiberi,
soldt hier stehen, vndt ich -will in der Mitte bleiben, vndt
das Frewlein sol da stehen, vndt wen sie dan nehmen
wirdt, der soll sie behalten. Seidt Ihr damitt zufriden?
Diix. Woll zufriden, Hans.
Anabella. Nuhn, mein Hans, ich muß bekennen, das du mich sehr
lieb hast, vndt ich hab dich auch lieb. Aber Aveill e&
nich[t] anders sein kan, so muß ich dich —
Hans. Ja, mich.
Anabella. Yerlaßen vndt meinen Hei'ren Tiberium in die Arme faßen^
Omnes. O Gluck zu, Hans, zur langen Nasen! Gluck zu, Hans!
Hans. Was? Wolstu mich verlaßen? Nein, ich will dich ver-
laßen. Pfuy dich an, pfuy!
Dux. Nuhn so folget, edler Fürst, vndt Ihr, Frewlein, nebea
vnserm Sohn, Ewers Leids Euch zu ergetzen!
So beschließen wir jetz dies Spiell mitt Freudt,
Weill Hiemen gewendt hatt vnser Leidt.
Wer freyen will, der schick nicht auß
Jung Leuht; sonst krigt er nichts zu Hauß.
In Sonderheitt dies avoU betracht,
Ihr Alten! Hiemitt grute Nacht!
2. Der stumme Ritter.
Vorbemerkung.
Die von derselben Hand wie das voraufgehende Stück ge-
schriebene Tragikomödie vom stummen Ritter ist gleichfalls nach
einem englischen Originale gearbeitet. Dies erschien 1608 zu
London unter dem Titel: 'The dumbe Knight. A historicall
Comedy, acted sundry times hy the chüdre^i of his Maiesties
Reueis' ^). Als Dichter nennt sich im Vorworte Lewis Mach in,
der sonst nur als Verfasser von drei 1607 gedruckten Eklogen
bekannt ist; doch hatte er nach seiner Angabe noch einen Mit-
arbeiter, der auf dem Titel einiger Exemplare als Gervase
Markham bezeichnet wird.
Machin schöpfte seinen Stoff hauptsächlich aus einer 1567
ins Englische übersetzten Novelle Bandellos 2), die auch Lope de
Vega zu seinem Lustspiele 'El cäballero mudo' oder 'El desden
vengado' ^) benutzte. Hier wird von einem piemontesischen
1) Ferner gedruckt 1633. 4^ und bei Dodsley-Hazlitt, Old english
plays 10, 107—200 (187.5). — Ins Register der Stationers wurde das
Stück am 6. Oktober 1608 eingetragen.
2) Bandello, Novelle 3 (1554) Nr. 17 = 7, 197 ed. Londra 1792 =
Sansovino, Cento novelle scelte 6, 10 (1561). Französisch bei P. Boisteau
et F. de Belle-Forest, XVIII histoires tragiques de Bändel 1564 p. 572
nr. 13 'Simplesse du seigneur de Virle'. Englisch von G. Fenton, Cer-
taine tragicall discourses 1.567 Nr. 11 und Painter, Palace of pleasure
2, Nr. 27 (1567. Neudruck von J. Jacobs 1890), auch von Jo. Go[ubourne]
zu einem Gedichte 'A lUscourse of the yreat crueltie of a ividoto
towards a young gentleman'' (1570) benutzt; vgl. E. Koppel, Studien
zur Gesch. der italienischen Novelle in der engl. Litt. 1892 S. 96. —
Auf dieser Novelle soll auch eine mir nicht zugängliche Tragikomödie
'The Queen, or the Excellency of her Sex' (1653) benihen.
3) Erhalten unter dem zweiten Titel in Comedias nuevas esco-
gidas Bd. 16 (1662) mit dem Namen des Francisco de Rojas; Inhalts-
angabe bei Schaeffer, Gesch. des spanischen Nationaldramas 1, 173
220 Bolte, Das Danziger Theater.
Eitter Filiberto da Yirle erzählt, dass er lange vergeblich um
die Liebe einer schönen jungen Witwe, Madonna Zilia Duca in
Moncalieri bei Turin, geworben und endlich einen Kuss von ihr
erlangt habe gegen das Versprechen, ihr eine Bitte zu erfüllen.
Sie befiehlt ihm dann, drei Jahre lang stumm zu sein. Gehorsam
verneigt er sich, ohne ein Wort zu reden, und zieht nach Frank-
reich, wo König Karl VII. mit den Engländern im Kriege lebt.
Durch Geberden deutet er an, dass er in seinen Dienst treten
wolle, und zeichnet sich bei dem Sturme auf Ronen und im
Zweikampfe mit dem gefürchteten Talbot so aus, dass der
König ihn mit Ehren überhäuft und einen Preis von 10000
Franken für den aussetzt, der ihn von seiner Stummheit zu heilen
vermöge. Als aber die Bemühungen aller Aerzte vergeblich
bleiben, lässt der König bekannt machen, dass der, dem die
Heilung fehlschlage, entweder die gleiche Summe zahlen oder
seinen Kopf verlieren solle. Da hört Frau Zilia von dem Falle
und eilt, um das Geld zu gewinnen, nach Paris. Sie wird auch
zu Filiberto gebracht; aber dieser, dessen frühere Liebe sich in
Hass verwandelt hat, lässt sich durch keine Liebkosung zum
Sprechen bewegen. Erst als sie zum Tode geführt werden soll,
bricht er sein Schweigen und entlässt die genugsam gestrafte
Dame in ihre Heimat.
Dieser Novelle, deren Stoff Bandello offenbar aus dem um
1440 entstandenen italienischen Gedicht 'Uherto e Phüomena'^)
(1890); ein vom 4. Aug'ust 1617 datiertes Manuscript citiert Barrera,
Catalog'O del antig-uo teatro espanol 1860 S. 434 b. Schon 1604 führt
Lope selbst sein Drama 'El cahallero mudö' an (Schack, Dramat. Litt.
in Spanien 2, 700). — Eine Komödie von Guiilem de Castro, 'Kl ena-
morado mudo, o cahallero 77iudo' bei Barrera S. 83 a.
1) Vgl. Varnhagen, De libris aliquot vetustissimis sermone italico
conscriptis. Progr. Erlangen 1892 S. 56. Hier heiratet aber der nea-
politanische Prinz Uberto die hartherzige Philomena, die in der Maske
eines Arztes nach Paris gekommen war. Aus den Namen der beiden
Liebenden hat Bandello den seines Helden Filiberto zusammengesetzt.
— Eine ähnliche Entwicklung nimmt die Geschiclite von der Kaisers-
tochter, die den Fischer heiratet und durch Hochmut beleidigt, bei
M. Kremnitz, Rumänische Märchen 1882 Nr. 8 S. 89. Das Motiv der
freiwilligen Stummheit ist anderwärts abweichend durchgefülirt ; so
im wälschcn Märchen von Peredur, das teilweise auf dem Perccval Ic
Gallois des Chrestien von Troves beruht (San Marte, Die Artliursage
Der stumme Ritter. Einleitung-. 221
entlelmte, folgt Machiu in seinem Drama ziemlich getreu. Nur
vereint er schliesslich die Schöne, die bei ihm Mariana heisst^
mit dem Ritter Philoeles, nachdem sie ihm einen Beweis ihrer
aufrichtigen Hingebung- geliefert hat^), und macht aus dem
gegen die Engländer kämpfenden König- Karl einen König von
Cypern, dessen Krieg gegen die stolze Herrscherin von Sicilien
durch des Ritters Tapferkeit zu einem glücklichen Ende, nämlich
einer Heirat zwischen König und Königin, gelangt. So hat der
Dramatiker die ernsthafte Staatsaktion in einen romantischen
Liebeshandel umgewandelt. Er rückt aber auch die auseinander
liegenden Thatsachen der epischen Vorlage für seinen Zweck
enger zusammen, indem er Mariaua zu einem Hotfräulein der
Königin macht, das, nachdem ihre Herrin ihre Freiheit schon
dahingegeben hat, trotzig die Werbung des tapferen Philocles
zurückweist und ihm für den erbetenen Kuss Stummheit während
eines Jalires auferlegt. Was darauf folgt, die Verheissung des
Königs, den mit tausend Kronen zu belohnen, der seinen Liebling
heile, Marianas misslungener Versuch, den Ritter zum Sprechen
zu bewegen, ihre Verurteilung zum Tode und ihre Rettung und
Beschämung durch Philocles, alles dies stimmt mit Baudello
überein. Neu ist aber die in der zweiten Hälfte der Komödie
enthaltene Fortsetzung. Marianas Bruder, der früher im Zwei-
kampfe von Philocles überwundene Herzog von Epirus, verleumdet
diesen beim König, als ob er ehebrecherischen Umgang mit der
Königin pflege. Ergrimmt lässt der König seine Gattin und
1842 S. 194. 199) und im spanischen Romane von Palmerin de Oliva
(1511, Cap. 68. Italienisch 1544, französisch 1546, englisch 1.588, nieder-
ländisch 1G02). Dort beteuert Peredur, als seine Werbung- von der
schönen Ang-harac zurückgewiesen wird, er werde nicht eher ein Wort
zu einem Christen reden, als bis sie ihn über alle Männer liebe; hier
erschlägt Palmerin, der auf einer Insel im Sarazenenreiche zurück-
geblieben ist, einen heidnischen Ritter, legt dessen Rüstung an und
stellt sich, um im feindlichen I^ande der Entdeckung zu entgehen,
stumm. Die weitere Geschichte Palmerins, der, ohne ein Wort zu
reden, die Liebe der Sultanstochter Archidiana gewinnt und ihre Un-
schuld in einem Zweikampfe verteidigt, dramatisierte 1618 der Hol-
länder Bredero im Stommen Ridder (Werken 2, 233. Amsterdam 1890).
^) Lope de Vega dagegen, der die Habsucht der Celia schärfer
betont, behält den Schluss Bandellos bei und lässt den Grafen sich
mit einer andern Dame (Lisena) vermählen.
222 Bolte, Das Danziger Theater.
Philocles einkerkern. Da befreit Mariana den Geliebten, indem
sie ihn im Gefängnis besucht und die Kleider mit ihm tauscht^);
und nun tritt Philocles vor Gericht für die Unschuld der Königin
ein, besiegt den Verleumder im Zweikampfe und erkiest die als
treu erprobte Mariana zur Gattin. Das eingeflochtene Zwischen-
spiel handelt von der Buhlerei zwischen Alphonso und Lollia,
<leren Gatte, der Advokat Prate, die von jenem zurückgelassenen
Hosen findet und anzieht, einem häufig bearbeiteten Schwankstoffe 2).
Dies 1608 gedruckte englische Stück muss schon einige
Jahre zuvor gedichtet und von englischen Komödianten nach
Deutschland gebracht worden sein; denn der am 26. März 1605
verstorbene Nürnberger Notar Jakob A y r e r hat eine Tomedia
vom König in Cypern, wie er die Königin in Franckreich be-
kriegen wolt vnd zu der Ehe bekam' ^), hinterlassen, die nichts
anderes ist als die Eeproduction einer Aufführung des Machinschen
Stückes durch englische Komödianten. In Nürnberg hatte ja
Ayrer, wie durch K. Trautmann ^) dargelegt worden ist, von
1593 — 1605 ununterbrochen Gelegenheit, die Kunst dieser Aus-
länder zu bewundern und sich zu Nutze zu machen; namentlich
waren es die Truppen von Robert Browne und Thomas Sackville,
der lang im Dienst des braunschweigischen Herzogs Heinrich
Julius stand und diesen zu dramatischer Produktion anregte, und
die von George Webster, John Hüll und Richard Machin, die
hier Vorstellungen gaben; ob der letztgenannte Schauspieler und
Musiker^) mit dem Dichter Lewis Machin verwandt war, lässt
1) Dies Motiv begegnet in Martin Mayers Liede von Triiiiunitas
lind Flordebel (1507. Goedeke, Grundriss 12, 317) u. a.
2) Bedier, Les fabliaux 1893 S. 407 (La cidoffe des cordeliers).
Dunlop-Liebrecht, Gesch. der Prosadichtungen 1851 S. 258 (Sacchetti,
Nov. 207). Rottmann, Lustiger Historien-Sciireiber 1717 S. 126. Treichel,
Volkslieder aus Westpreussen 1895 Nr. 28. Distel, Zeitschr. f. vergl. Litt.-
gesch. 4, 355 (Aufführung in Brüssel 1549). The Roxburghe Ballads ed.
by Ebsworth 4,31. 1883 [The Dehtford FrolÜck). Dodsley-Hazlitt, Old
plays 10, 115 Anmerk. u. a.
8) Gedruckt 1018 in seinem posthumen Opus thaeatricum 1,397 b
= 3, 1997 ed. Keller 1865. Vgl. Creizenach, Scliausp. der engl. Komö-
dianten S. LXVIII. Nichts neues bringt Robertson, Zur Kritik J. Ayrers
(Diss. Leipzig 1892) S. 59—61.
*) Archiv für Litteraturgeschichte 14, 113.
•'■') Bolte, Die Singspiele der engl. Komödianten 1893 S. 3.
Der stumme Ritter. Einleitung.
223
sich freilicli nicht feststellen. Da nun Ayrer 1598 kurz vor der
Fastnachtszeit sein erstes Singspiel) nach dem Vorbilde der
Engländer zu reimen l)egann, fällt die Entstehung der 'Comedia
vom König in Cypern' in die Jahre 1598—1605.
Wenn wir uns nach diesem Rückblicke wieder unsrer
Danziger Prosakomödie vom stummen Ritter zuwenden und sie
mit dem englischen Stücke von 1608 und dem deutschen Drama
Ayrers vergleichen, so ergiebt sich das einigermassen auffallende
Resultat, das sie zwar mit jeder dieser beiden Dichtungen
einige Besonderheiten gemeinsam hat, aber aus keiner direkt
abstammt. In der Danziger Komödie wie bei Ayrer finden wir
einen von Machins Zwischenspiel (die Hosen des Ehebrechers)
völlig abweichenden Schwank von dem durch einen unsichtbar
machenden Stein betrogenen Hahnrei in die Haupthandlang ein-
geschaltet; aber andrerseits stimmen die Personennamen des
Danziger Stückes nicht zu Ayrer, sondern zu Machin, wie eme
Nebeneinanderstellung verdeutlichen mag :
Mach in.
Kimi of Cyprus
Philocles
Florio
Queen of Sicily
Mariana, sister to the
Duke of Ejnre
Duke of Epire
Älphonso
Danziger Stück.
Telamon, rex Cypri
Philocles
[ Fortior
[ Pusio, Philoclis Jung
Semiramis, regina Si-
ciliae
Mariana. Philippi
Schwester
Philippus, Hertzog von
Epyro, Stadthalter in
Sicilia.
Florianus
Ayrer.
Flavius, König in Cy-
pern
Philippus
Heremirus
Arras, des Königs
Lackey
Clareta, Königin aus
Frankreich
Mariana (Schwester
des Fabianus)
Fabianus, Statthalter
Wilhelmus
Schon hieraus erhellt, was durch eine hier nicht vorzu-
führende Vergleichung der drei Stücke bestätigt wird, dass Ayrer
und die Danziger Komödie auf eine gemeinsame Vorlage zurück-
gehen, nämlich eine von englischen Komödianten in Nürnberg
und anderwärts gespielte deutsche Bearbeitung (X), die sich m
mancher Hinsicht von dem 1608 gedruckten englischen Texte
1) Ebenda S. 12.
224 Bolte, Das Danziger Theater.
Macbiiis unterschied^). Sie war im 1. und 2. Akte ausführlicher
als diesei", da sie vor dem einleitenden Gespräche des cj'pri-
schen Königs mit seinen Räten eine Parallelscene zwischen der
sicilischen Königin und den Ihrigen hatte und der Liebeserklä-
rung des Philocles (Machin p. 140) einen Überredungsversuch
der Königin voraufgehen Hess. Dagegen war der 3. und 4. Akt
kürzer gehalten; der Befehl zur Hinrichtung der ]\Iariana erfolgte
sofort, nachdem sich ihr Unvermögen, den stummen Ritter zu
heilen, gezeigt hatte, während bei Machin (p. 150 — 154) eine
Nacht dazwischen liegt; ebenso hatten die Scenen, in denen die
Unterhaltung der Königin mit Philocles von dem argwöhnisch
gewordenen Könige belauscht wird (Machin p. 175 — 181. 186
bis 189) erheblich geringere Ausdehnung. Der Herzog von Epirus
führte hier den Namen Philippus, den Ayrer dann mit Philocles
verwechselt hat.
Möglich ist freilich, dass Ayrer, wie Tittmann 2) annimmt,
auch die Novelle Bandellos in der französischen Übersetzung
kannte und aus dem dort vorkommenden Namen Philibert Phili])p
machte; dann wäre die Verlegung der Handlung von Sicilien
nach Frankreich gleichfalls als eine Reminiscenz Ayrers an Ban-
dello zu erklären. Dass in der Darstellung zwischen Ayrer und
dem aus derselben Quelle geflossenen Danziger Prosadrama so
erhebliche Verschiedenheiten bestehen, kann nicht wunder nehmen,
wenn man bedenkt, dass jener nur nach der Erinnerung dichtete,
und dass die Danziger Handschrift uns eine verbreiternde und
glättende Umarbeitung aus der Mitte des 17. Jahrhunderts liefert.
Von sonstigen Aufführungen sind zwei Zeugnisse bekannt.
Ende Juni 1613 gab John Si)encer in Nürnberg die Komödie
'von Philole vnd Mariana' ^); und in Güstrow reichte um 1660
Kaspar Stiller ein Repertoire ein, dessen 6. Nummer ebenso wie
der Neljentitcl der Danziger Handschrift lautet: T'ntrew schlegt
seinen eignen Herren'*^).
^) Ich lasse dahingestellt, ob X eine englische Vorstufe von
Machins Texte genau reproducierte, oder ob die Abweichungen von
X den Deutschland bereisenden Schauspielern zuzuschreiben sind.
2) Schauspiele aus dem IG. Jahrhundert 2, 132 (1868).
3) Trautniann, Archiv für Litt.gesch. 14, 127. Vgl. oben S. 38.
••) Bärensprung, Gesch. des Theaters in Mecklenburg 1S37 S. 26.
— Allerdings kehrt dieser Titel auch in einem späteren Stücke wieder ^
Der stumme Ritter. Einleitung. 225
Eine besondre Besprechung erfordert noch das Zwischen-
spiel vom unsichtbar machenden Steine, das ich der bequemeren
Übersicht halber aus dem Verbände der Haupthandlung heraus-
gelöst und hinten angehängt habe. Wir besitzen nicht weniger
als sechs Bearbeitungen davon, vier deutsche und zwei nieder-
ländische :
A) FAn lustig- Pickelhärings-Spiel, darinnen er mit einem Stein
g'ar lustige Possen machet. Englische Comedien 1620, Bl. Xx la =
Tittmann, Die Schauspiele der englischen Komödianten 1880 S. 235,
vgl. LIV.
B) Ayrer, Zwischenspiel der Comoedia vom König in Cypern
(vor 1(305). Opus theatricum 1618 Bl. 399 b = 3, 1997. 2006. 2016. 2025
ed. Keller.
C) ZMäschenspiel der Danziger Tragicomoedia vom stummen
Ritter; weiter unten abgedruckt.
D) J. Soet, Jochem-Jool, ofte Jalourschen-Pekelharingh. Am-
stelredam 1637. 4** (Kopenhagen. Leiden; Abschrift in meinem Besitz.
8 Scenen, 444 Verse). Vgl. J. van Vloten, Het nederlandsch klucht-
spel 2 3, 65 (1881).
E) Jan Vos, Klucht van Oene. Amsterdam 1642.1643. Dordt-
recht 1643. Amsterdam 1648. 1649. 1655. 1657. 1658. 1662 (5. und 6.
Druck, letzterer auch angehängt an 'Alle de Gedichten' 1662—71).
1670. 1676. 1710. 1726. — Vgl. J. A. Worp, Jan Vos. Groningen 1879,
S. 71—76. Die beiden Ausgaben von 1662 enthalten die Klucht in
einer erweiterten Gestalt, 13 statt 5 Personen.
F) A. V. Arnim, Schaubühne (1813) = Sämtliche Werke 6, 89
(1840) : 'Der wunderthätige Stein. Ein Hanswurstspiel. Nach dem Alt-
deutschen.' Beruht auf der Fassung A.
Dazu kommen einige Nachrichten von Autiuhrungen wäh-
rend des 17. Jahrhunderts^). In Saalfeld war in eine 1041 ge-
'Merckwürdiges Schau -Spiel, genannt: Die Macht Des Hiralischen
Verhängnüßes in Bestraffung der Laster, nach dem Sprichwort: Un-
treu schlägt seinen eigenen Herrn. Aus dem Spanischen ins Frantzö-
sische und aus diesem ins Tentsche übersetzet. Von Henrico Räde-
rn in, L. p. t. Directore Comico' (6V2 Bogen 4P 0. 0. [1718]. 5 Akte in
Prosa. Ex. in Petersburg). Rademin hat hier ein Drama von Rojas
(La traicion busca el castigo. H'AO) mit Hilfe der französischen Ueber-
setzung von Lesage (Theätre espagnol 1700: 'Le trattre pimi), die Dan-
court 1707 unter dem wenig veränderten Titel 'La frahison punie" in
Alexandriner xxmgoss, verdexitscht. Ueber Rademin vgl. Forschungen
zur brandenburg. Gesch. 2, 523 (1889). Zs. f. vgl. Littgesch. 2, 395.
1) Richter, Progr. Saalfeld 1864 S. 8. Fürstenau, Theater zu
Dresden 1, 231. 243 f. 271.
Th. F. XII. 15
226 Bolte, Das Danziger Theater.
spielte Scbulkomödie vom verlorenen Sobne als Zwischeospiel
eingefügt: 'Hans cum lapide miro molitorls ac uxoris suae
suspectae amorem explorahirus.' In Torgau wurde 1671 die
geduldige Cürysilla (Griseldis) mit dem intermedio vom Nachbar
Wilbelm, in Dresden 1073 das Possenspiel von Uusiebtbarkeit
des Pickelberings von unbekannten Komödianten, 1674 von Carl
Paulsen in Dresden Msibilis und iniisiMUs gegeben; Veiten
fübrte am 11. Okt. 1680 in Bevern 'die Vnsicbtbarkeit' als
Nachspiel zur Genovefa und zu Dresden im Febr. 1684 Visibüis
et mvisihills auf.
Alle diese Bearbeitungen gehen in letzter Instanz auf eine
verlorene englische Clownsposse zurück, die, wie schon Titt-
mann ^j nachgewiesen hat, aus zAvei verbreiteten Volksschwänken
zusammengesetzt war. — Der erste ist der Streit zweier Eheleute
um das Zumachen der Thür, der schon um 1400 in einer No-
velle des Italieners Giovanni Sercam bi') begegnet. Hier ver-
abreden Mucchietto und Stoltarella in der Hocbzeitsnacht, dass,
wer von ihnen zuerst aufsteht oder spricht, eine Woche lang die
Schüsseln waschen soll. Morgens, als die V^erwandten kommen,
bleiben beide stumm, bis Muchietto einem Freunde leise sagt,
er wolle ein Testament machen, und seine darauf bezüglichen
Fragen durch Zeichen bejaht oder verneint. Da er aber auch
den Mantel seiner Frau einem andern vermacht, bricht diese
ärgerlich mit lautem Widerspruch hervor, er aber sagt: 'Nun
musst du die Schüsseln waschen.' In einem 1550 gedruckten
derben Schwanke Straparolas^) handelt es sich darum, wer
abends die Hausthür scbliessen soll. Zu dem stumm daliegenden
Paare tritt ein Bedienter herein, um seine ausgelöschte Laterne
anzuzünden, und erlaubt sich der Frau gegenüber unziemliche
Freiheiten; der Mann schweigt beharrlich und freut sich, als ihn
seine Frau deswegen schilt, sogar über die gewonnene AVette.
Anständiger gebt es in der ergötzlichen französischen Farve d'u7i
1) Die Schauspiele der engl. Komödianten 1880 S. LV.
'^) Novelle ed. A. d'Aiicona 1871 S. l(i, Nov. 3: De simplicitate
viri et uxuris. Vg-I. R. Köhler, Jahrb. f. ronian. Litt. V2, 348. '^{''
^) Piaeevoli notti 8, 1 = Les facetieuses nuits trad. par J. Louveau
et P. de Larivey 2, 123 (Paris 1857). Das Ehepaar heisst Senuuce und
Bedouyne.
Der stumme Rittor. Einleitung'. 227
chauldro7inier ^) her, die noch in der ersten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts entstanden ist. Der Streit entspinnt sich nicht über
das Schliessen der Thiir, sondern die Frau keift, weil der Mann
singt. Er bemerkt, elier werde der Teufel zum Engel werden,
als dass ein Weib seine Znng-e zähmen könne, worauf sie zwei
Heller verwettet, dass sie besser zu schweigen vermöge als er.
Bald wird beider Geduld durch einen wandernden Kesselflicker
auf die Probe gestellt, der das schweigend dasitzende Paar an-
redet und schliesslich die Frau küsst. Da ftihrt der Mann mit
einem Fluche auf und schlägt den Kesselflicker mit dem Löffel
nieder, den dieser ihm vorher spottend in die Hand gesteckt
hatte, um ihn einer Heiligenstatue ganz ähnlich zu machen.
Diesmal trium])hiert die Frau; alle drei versöhnen sich und ziehen
mit einander ins Wirtshaus ab. — Unter den zahlreichen Be-
arbeitungen dieser Geschichte aus späterer Zeit-) will ich nur
die schottische Ballade ""Get up and bar the door^'^) hervor-
heben, die Goethe 1827 mit einer leichten Veränderung des
Schlusses ins Deutsche übertragen hat. Ihr Anfang entspricht
1) Viollet Le Duc, Ancien theatre fran^ois 2, 105 (1854) = E.
Fournier, Le theatre francais avant la renaissance 1872 p. 340.
2) Le.s subtiles et facecienses rencontres de J. B. Disciple du
genereux Verboquet (Paris 1630) p. 9. — Ouville, Elite des contes \,
194 (1703). — St. Niclaes-Gift (f Amsteldam 1647. Vgl. Tijdschr. voor
nederl. taal- en letterknnde 13, 87) S. 19. — Nieuwe Snakeryen, of
Vermakelyke Historien. 3. Druk. Keulen o. J. (c. 1700) S. 195. — Kott-
mann, Lustiger Historien-Schreiber (Freystadt 1717) S. 254 Nr. 182. —
Simrock, Deutsche Märchen 1864 Nr. 34: 'Gutmann und Gutweib.' —
Wenzig, Westslavischer Märchenschatz 1857 S. 128: 'Wer hat die Tauben
gegessen?' — Ant. Guadagnoli, Poesie giocose. Milano 1872 S. 89:
'La Ungua d'una donna alla i^rova (1832). — Pitre, Fiabe, novelle e
racconti popolari siciliane 3, 326 Nr. 181. 4,443: 'La sctimmissa" {I87b).
— Bernoni , Fiabe popolari veneziani 1875 Nr. 13 = Crane, Italian
populär tales 1889 p. 284 Nr. 95: "The wager."— Carnoy, Litt, orale de
la Picardie 1883 p. 167: 'Ponrquoi la femme fait le menage.' — Volks-
kunde 2, 17 (Gent 1889). — Sottisier de Nasr-Eddin-Hodja trad. par
Decourdenianche 1878 Nr. 174 = Meheined Tewiik, Nassr-ed-din übers,
von Müllendorft" 1890 Nr. 61. — Vgl. auch Clouston, Populär tales and
fictions 2, 15 (1887): 'The silent couple."
3) Herd, Ancient and modern scottish songs 2, 159 (1776), Child,
English and scottish ballads 8, 125. Goethe, Werke 4, 336 (Weimar
1891).
228 Bolte, Das Danziger Theater.
der Erzählung- Straparolas, der Schhiss der französischen Posse;
doch sind es zwei Wandrer, die in die Hütte des uneinigen Ehe-
paares treten, nicht einer wie in den übrigen Versionen.
Dieser Scliwank ist von dem Verfasser der englischen Posse
nur als Einleitung zu der Haupthandlung benutzt. Diese dreht
sich um einen einfältigen Hahnrei, der sich bei einem Zauberer
über die Treue seines Weibes Gewissheit verschaffen will und
von diesem auch einen Stein erhält, der ihm angeblich die Ge-
stalt des beargwöhnten Hausfreundes verleiht. Das Vorbild
dazu wird eine Novelle Boccaccios^) geliefert haben, in der ein
thörichter Maler Calandrino vor den Thoren von Florenz den
unsichtbar machenden Stein Heliotrop-) sucht, von dem ihm ein
Spassvogel erzählt hat, allerdings nicht um über die Treue seiner
Frau Gewissheit zu bekommen, sondern um sich Schätze anzu-
eignen. Zwei andre Kunstgenossen bringen ihm die Meinung
bei, dass er den rechten Stein gefunden, aber Calandrinos Frau
erblickt ihn, da sie in die Verabredung nicht eingeweiht ist.
Aus dem einfachen Motive der Uusichtbarkeit ist im Englischen
das theatralisch wirksamere und auch in der italienischen Com-
media dell' arte verwandte^) Motiv des Gestaltentausches ent-
wickelt.
Die einfachste Form der verdeutschten Posse liefert uns
der Druck von 1620 (A). Die Frau belauscht das Selbstgespräch
des eifersüchtigen Hans und teilt es ihrem Buhlen, dem Müller^)
Wilhelm, mit; dieser verkleidet sich als Teufelsbanner und be-
fiehlt Hans, den wunderkräftigen Stein vom Kirchhofe zu holen.
Als Hans mit dem Steine heimkehrt und den Nachbar und die
Frau auf die Probe stellt, wissen ihn diese natürlich von ihrer
Unschuld zu überzeugen, und freudig offenbart er ihnen das Ge-
heinniis des Steines. Ayrer (B) weicht darin ab, dass er das
Ehepaar Jahn und Labia nennt und nicht einen verkappten,
1) Decamerone 8, 3.
2) Vgl. über diesen Stein Liebrecht, Gervasius von Tilbury
1856 S. 111.
3) Bolte, Anzeiger f. deutsches Altertum 13, 110. Ferner Carlo
Gozzi, II re cervo (Opere 1772).
*) Über diese Bühnenfigur vgl. Bolte, Singspiele der engl. Ko-
mödianten S. 34. 185. Auch Kalff, Het lied 1884 S. 410. The Rox-
burghe Ballads ed. by Ebsworth 7, 425: 'The ivitty makl of the icest.^
Der stumme Ritter. Einleitung-. ' 229
sondern einen wirklichen Zauberer Nigriniis vorführt. Dieser
wird von Labia verständigt und erschreckt den etwas miss-
trauischen Jaini durch Regen, Gewitter und die bei Ayrer be-
liebte Teufelserscheinung. Im Danziger Manuskript (C) stimmt
das Zwischenspiel (gerade wie die Haupthandlung) teils zu Ayrer,
teils zu den Englischen Comedien von 1620, ist aber im Ein-
zelnen ausführlicher als beide. Mit Ayrer 'st die 1. Scene, in
der Hans von seiner Frau Gret Abschied nimmt, und die Teufels-
erscheinung in der dritten gemeinsam; dagegen spielt Wilhelm
selber die Rolle des Zauberers wie in A; neu ist die Benach-
richtigung der Frau durch ihren Buhlen in der 5. Scene. Der
Amsterdamer Schauspieler Jan So et (D) endlich scheint nicht
durch die Lektüre von A, sondern durch die Aufführung einer
C ähnlichen Fassung zu seiner etwas w^eitschweifigen Bearbeitung
in Alexandrinern angeregt zu sein. Er nennt den eifersüchtigen
Pickelhering Jochem Jool, seine Frau Stijn, den Müller Hans
und führt wie Ayrer einen Schwarzkünstler Lubbert ein; doch
redet nicht Lubbert selber mit dem einfältigen Baueni, sondern
leiht sein Habit dem listigen Buhler, der dann seine Rolle spielt.
Die 6. Scene, in der Hans der Nachbarin über den ge-
lungenen Betrug Bericht abstattet, stimmt zum 5. Auftritte
von C. Ein überflüssiges Einschiebsel ist die 2. Scene, der Mo-
nolog des betrunkenen Joris; an derben Zweideutigkeiten ist
kein Mangel.
Garstige Unflätereien enthält auch die fünf Jahre später
veröffentlichte lebendige und witzige Posse des Glasers Jan Vos
zu Amsterdam (E), der kurz zuvor mit einer Tragödie 'Äran
en Titus' hervorgetreten war. Bei beiden Stücken ist die Er-
mittelung der Quellen schwierig; Vos hat offenbar verschiedene
Vorlagen in einander gearbeitet. Für die Tragödie benutzte er
wohl den 1620 gedruckten deutschen Titus Andronicus, entlehnte
aber mehrere Züge aus dem Shakespearischen Originale, das er
durch eine Aufführung fahrender Komödianten oder durch eine
verlorene niederländische Bearbeitung kennen lernte '). Die Posse
'Oene' stimmt teils zu A, teils zu Soet (D), der den unbequemen
Konkurrenten später wiederholt litterarisch angriff"; andres ver-
dankt Vos dem englischen Schwanke 'The humoiirs of John
^) Creizenach, Schauspiele der engl. Komödianten 1889 S. 11.
230 Bolte, Das Danziger Theatei*.
Swahher'^). — Oenes Frau Fijtje schleicht nachts hinaus zu
ihrem Buhlen Ritzaerd; als der alberne Schwätzer Oene sie
zurückruft, versteckt sie Ritzaerd in der Wiege und singt ein
Wiegenlied. Aber Oene schläft nicht ein, sondern kommt her-
aus und wundert sich, dass sein Junge schon zu gross für die
Wiege ist^). Nachher als Ritzaerd mit Fijtje davonlaufen will,
hält Oene sie zurück. Er macht sich aber, da Ritzaerd sich für
einen Zaubrer ausgiebt und ihn zu sich bescheidet, auf den Weg
und erzählt weitläufig von einem geträumten Besuch in der Hölle.
Der verkleidete Ritzaerd, der sich Nachtmahr und Wärwolf nennt,
stellt ihn in einen Zauberkreis und weist ihn an, durch einen
Stein vom Kirchhofe, der ihm seines Nachbars Gestalt verleiht,
seiner Frau Treue zu erproben. Auf dem Kirchhofe liest Oene
eine Reihe von komischen Grabschriften dem Publikum vor und
erschreckt, da ihm der Zaubrer eine schwarze Salbe zur Fär-
bung seines Gesichts mitgegeben hat 3), durch sein Aussehen die
4U-
1) Robert Cox, Actaeon and Diana 1656 = Kirkmau, The Wits,
or Sport upon Sport 1672 1, 121 = ChetAvood, Collection of cid plays
1750: Actaeon and Diana p. 38. — In der erweiterten Fassung- von
1662 hat Vos noch eine listig-e Mag-d eingeführt, die ihrer Herrin bei
einer Haussuchung aus der Verlegenheit hilft, indem sie die Kiste, in
der sich der Liebhaber verborgen hat, als ihr Eigentum beansprucht
und dvirch Feuerlärm (vg-1. Hagen, Gesamtabenteuer Nr. 92. Keller,
Erzählungen aus ad. Hss. 1855 S. 275) die nach geschmuggeltem Weine
herumstöbernden Beamten verscheucht.
2) In der erwähnten englischen Posse versteckt Swabbers unge-
treue Frau Parnel, als ihr Mann an die Thür klopft, den Barl)ier Cut-
beard im Bette und erzählt dem alten Seemanne, dies sei ihr jüngster
Sohn. Swabber ist über das Wunderkind lioclierfreut. Als er weg--
geht, Milch zu holen, macht sich Cutbeard davon, und Parnel redet
ihrem Manne vor, die Feen hätten das Wunderkind mit einem ge-
wöhnlichen vertauscht.
3) Im englischen Schwanke schwatzt Cutbeard dem einfältigen
Swabber ein Schönheitspulver auf, mit dem er sich gründlich an-
schwärzt. Dieser Streich kommt schon in der Sotternie vom Busken-
blaser (Moltzer, De mnl. dramatische poezie 1875 S. 126) vor, ferner
in der Posse von Meester Kackadoris (1506. Vloten, Kluchtspel 1, 58),
in Scholtzenbergs Cambyses und Doralice (M'A'tG. Wiener IIs. 10160),
bei Lemmers, De jaloursse Lannnert (1680) und in einer bairischen
Volkskomödie (Hartmann, Volksschauspiele 1880 S. 251). Ahnlich Rosen-
blüt von der Tint (Keller, Fastnachtspielc 3, 1186), Ayrer 4, 2695 ed.
Keller, ein niederdeutsches Zwischenspiel bei N. Loccius, Comoedia
Der stumme Ritter. Einleitung. 231
furchtsamen Nachtwächter. Daheim stimmt Fijtje, die eben noch
ein leichttcrti.<,^es Lied trällerte, bei Oenes Ankunft einen Me-
nistenpsalm an, verspottet seine Liebeswerbung und ruft schliess-
lich ihren Mann 7A\ Hilfe. Auch der Nachbar Ritzaerd hilft den
eifersüchtig-en Narren von der Zauberkraft des Steines und von
der Unschuld seiner Frau überzeug-en.
Nachdem wir so das Verhältnis der Fassungen A — E zu
einander beleuchtet haben, wollen wir noch einen Blick auf
eine wenig- spätere französische Komödie werfen, deren Ursprung
bisher noch nicht richtig erkannt worden ist. Brecourt, ein
Schauspieler der Moliereschen Truppe, schrieb 1666 ein gereimtes
dreiaktiges Lustspiel 'Le jaloux invisible^), zu dem er nach
seiner Versicherung eine spanische Novelle 'der geprellte Eifer-
süchtige' wörtlich benutzte 2), das aber auffällige Verwandtschaft
mit unsrer Posse nicht verleugnen kann. Carizel hat auf seine
junge Frau Isabelle Verdacht geworfen, die in der That Be-
ziehungen zu dem galanten Marquis Saint -Amour unterhält.
Marin, der gewandte Diener des Marquis, verkleidet sich als
Magier und giebt sich dem Eifersüchtigen gegenüber für den
indischen König Geber aus; nachdem er ihm Proben von seiner
Allwissenheit und Macht, namentlich durch die Citation von vier
Teufeln gezeigt, schenkt er ihm auf seine Bitte eine unsichtbar
machende Mütze. Carizel überzeugt sich, indem er die Bedienten
des Marquis und sein Dienstmädchen foppt, von der Zauberkraft
der Mütze und belauscht ungesehen, wie er glaubt, ein Gespräch
seiner Frau mit dem Marquis, das ihm allen Argwohn benimmt.
Gerührt nötigt er Isabelle, den Marquis zu umarmen: 'Soupons
ensemhle, et vivons tous TieureuxT
Aller Wahrscheinlichkeit zufolge hat Brecourt, der ein ge-
borener Holländer war, Jan Vos' Oene gekannt und benutzt. Er
vom verlornen Sohn (Lüneburg- 1619), das M. Pfeffer 1621 in seine
Esther (II, 8) herübernahm, und J. van Arp, Droncke Goosen (1639.
Bolte, Singspiele der engl. Komödianten S. 107).
^) V. Fournel, Les contemporains de Moliere 1, 477 (1863).
2) 'C'est une nouvelle espagnole que j'ay prise dans nn vieux
houquin, intituU El Zeloso inganadö'. Fournel, der vei-geblich nach
dieser Novelle gesucht hat, meint, diese Quellen-Angabe sei wohl er-
dichtet, um der Modeliebhaberei für die spanische Litteratur entgegen-
zukommen.
232 Bolte, Das Danziger Theater.
hat den Schwank nicht bloss nach den Verhältnissen der fran-
zösischen Gesellschaft umgemodelt, sondern auch für den ver-
meintlichen Gestaltenwechsel des Eifersüchtigen das verbreitetere
und verständlichere Motiv der Uusichtbarkeit eingesetzt. Und
dies führt uns zurück zu dem oben S. 226 erwähnten deutschen
Possenspiele von Uusichtbarkeit des Pickelherings oder Visibüis
et invisibüis, das von Paulsen und Veiten wiederholt gegeben
wurde, und dessen Titel besser zu Brecourts Komödie als zu
der Handlung der älteren englischen Posse zu passen scheint.
Ich möchte daher vermuten, dass Paulsen Brecourts Dichtung
kannte und danach den älteren Schwank umgestaltete oder um-
gestalten liess.
[87 a] Der Stumme Ritter
Oder
Vntrew schlecht ihren eygen Herrn.
Tragi-Comoedia.
Persona e.
Rex Cypri Telamon.
Semiramis, Regina Siciliae, weill ihr Vater gestorben, ein Erbin
des Königreichs.
Philipp US, Hertzog von Epyro, Stadthalter in Sicilia.
Philo des, sonst der Stumme Ritter, so des König[s] Hoff folget.
öFortior, Capitain an des Königs Seiten.
Florianiis, der Königin Hoffjunkern einer, Marianae vermeinter
Favoretto.
Mariana, Piiilippi Schwester vndt der Königin Hoffmeisterin,
Arnold, ein Camerling des Königs.
Pusio, Philoclis Jung.
10 Trompeter.
Burgvogt vndt etzlich Trabanten.
Hanß Leberwurst, kiirtzweiliger Raht.
Grethe, sein Weib.
Wilhelm, der Nachbahr, ein Muller.
Der stumme Ritter 1, 1. 233
[88 a] Actus I. Scena 1.
Semiramis Regina, Philippus Statthalter, Mariana vndt ander
Frawcnzimmer.
Semiramis. Verachtetes Gluck, du Zerstorerinn menschlicher Woll-
fahrt, womit hab ich dich beleidiget, das du mich so ver-
folgest vndt lest mich itz deine Vnbestendikeit erfahren!
Wie hoch wahr ich durch deine Macht erhaben vndt
gantz Siciliae mechtige Herscherin erkleret, vndt muß
nuhn erfaren, das der meiste Theill meines Reichs in
frembde Dienstbahrkeit gebracht vndt einen anderen
Herrn venerirt, dahin ich mich auch endtlich werd ergeben
mußen, wo du mir nicht besser, alß noch geschieht,
favorisirest.
Philippus. Zu friden, durchleuchtigste Konigin vndt mechtige Siciliae
Herscherin! Wir haben schon halb die Victori wider an
vnser Seiten. Es sehen ja E. Mayt., das der Feindt vnser
Gnad begehrt; darumb er dan diesen Boten an E. Mayt.
abgefertigt vndt vff ein Monaht Stillstandt begehret.
Semiramis. O Philippe, das pfleget des Feindes best Stratagema zu
sein, sein Vohrhaben desto bcßer ins Werck zu richten,
sich zu Sterken vndt zu erfrischen. Aber last vnß doch
vernehmen, was doch sein Begehrendt sey!
Philippus. So lautet es: 'Hoch gebohrne Fürstin vndt beyder Scicilien
mechtige Herscherin, es ist ohn Noht, weittleuflftig vndt
schmertzlich zu widerholen die Vhrsach, so vns reitzet,
kegenwertige Inipressa wider Euch vohrzunehinen vndt
mit blutigem Krig Ewer Landt zu vberzihen vndt zuver-
derben, weill Euch wißendt, das wir das jennige mitt
Gewaldt von Euch zu erzwingen gemeinet sein, was
freundtliches Anhalten zu erlangen nicht vermocht. Wan
wir nuhn, Gott Lob, darin so weit glucklich verfahren, biß
wir endtlich Ewer Residentz vndt Haubtvestung vndt
darin Euch selbest nuhn in die acht Monaht belagert,
dieselbe auch mitt stürmender Handt leichtlich zu erobern
vndt mit dem Schwerdt zu gewinnen vns woll getrawen, so
besorgen wir doch endtlich, das großer Schade vndt Ewer
gewißer Vnterganck darauff stehe, damit vns so woll alß
Euch weinig gedinet. [88 bj Derohalben wir geneigt sein,
dem Werck auff Monahtfrist einen Anstandt zu geben,
darin ein Theill kegen den andern nichts Feindtliches
vohrnemen noch verhandlen soll. Da Ihr nuhn durch
gewiße Gießen Euch verbürgen werdet, solchen Anstandt
nicht zu brechen, sein wir endtschloßen, mitt gewißen,
doch weinig Personen bey Euch anzulangen vndt auff
Mitteil vndt Wege, wie diesem beschwehrlichem Krige
234 Bolte, Das Danziger Theater
ohn ferner Blutvergießen vndt Versehwendung Landt
vndt Leuthen abgeholfen werden möge, zu gedenken,
wohrauft" Ihr Euch besinnen vndt Resolution bey Zeigern
vnß zu wißen fuegen wollet.' — Hie sehen Ewer Maytt.
elerlich, Avie er schon zu zagen beginnet; vndt das man
sein Vnvermögen nicht vermei'ke, begehret er Anstandt,
damitt er mitt gleichen vndt ohn Schimpf inn sein Landt
sich reteriren möge. Ich riete, E. Maytt. willigte nicht
darein. Wir sein ja noch reichlich proviantirt, haben
noch Besatzung vndt Munition gnuch vndt neben rechter
Sach eine gute starke woller bawete Festung. Den ge-
trawen Ihre Maytt., Avir wollen noch den Siech erhalten!
Semiramis. Ja, Philippe, so vermeinet Ihr; es bezeuget aber die
Erfarung, das der Anschlag gantz vngewiß vndt der
Vnterthanen Heill der Obrikeitt högste Wolfahrt ist.
Darumb es sich dan nicht thuen leCet, das man es also
weiter ins wilde Hundert wage. Wir können ja den
Anstandt willigen vndt seine Anschlege vernehmen; sein
sie dan nicht annehmlich, so stehet vns in vnser Defensiou
einen Weck wie den andern frey.
Philippus. Wan es E. Maytt. ja also gefehlt, wiederrahte ich es nicht
so hardt. Immittels kan man alles in gueter Bereitschafft
halten vndt, was mangeln mochte, reficiren vndt ersetzen.
Semiramis. So wollen Avir alßpaldt hinein vndt den Trompeter be-
andtworten, {Exeunt.) [89 a]
Actus I. Scena 2.
Telamon Rex Cypri. Philocles Melitensis. Capitaneus Fortior.
[Trompeter.]
Telamon. Ist dan nicht muglich, eines Weibesbildes Hochnuiht zu
dcmpfcn, der wir vnser gantzes Konichreich mitt gewal-
tig(;r Ilaiidt genohmen vndt den F'eindt n)itt Ruhin vndt
Victori angesiget? Feldtmarschalck Philocles, vernimbt
man noch nicht, ob der zum Feinde geschickter Trom-
peter wieder angelanget? Er bleibt vber Vermuhten
lang auß.
Philocles. Gnedigster König vndt Herr, ich vernehm noch niclites
von seiner WiederkunfVt, vndt dunket mir, die Konigin
Averde den vorgeschlagenen Stillstandt beliben, vndt ver-
meine ich, sie wurde E. Maytt. an sie begehrte Heyraht
nicht abgeschlagen liaben, Aven sie nicht von Pliilippo
dem Hertzog von Epiro, so jetziger Zcitt Statthalter in
Scicilia ist vndt sie selber zum Gemahl zu bekommen
vcrhofft, davon abgehalten Avorden Avehre.
Der stumme Ritter 1, 1—2. 235
Cap. Fortior. Weill es auch <;-antz still darin worden vndt der
Feiudt auft' der Festung- mitt Schießen vndt Kegenwehr
gentziich ruhet, erachte ich, der Trompeter werde guten
Bescheidt bring'en.
Telamon. Heut wir ihrer Resolution noch erwarten wollen. Solte
sich aber vber Vcrhoffen das Wiederspiell begeben, so
haben wier schoen etzliche Pedarden verfertigen laßen,
deren eine Ihr, Mons. Fortior, mitt Ewrem Regimendt
noch diese Nacht anhenken sollet. Vndt wo die glücklich
gerahten thuet, wollen wir Euch seihest mitt vnserem
Haufen secundiren. Der Feldtmarschalck soll gleichfals
eine bey ihm haben, vndt che wir anfahen, soll er seine
Macht in zwo Haufen theilen, deren der eine einen blin-
den Lermeu machen soll, ob wolte er das Fehlt reumen,
den Feindt damitt zu locken, immittels wir vnser Bestes
thuen wollen. Solten sie aber nicht zu bewegen sein,
mag er auff der ander Seiten auch anhenken, vndt wier
sie beyder seits mitt Gewaldt angreifen. Laßet alle
Officirer convociren, das ihnen vnser Ordinantz kundt
werde! [89 b]
Philo des. Liebers vndt Angenehmers, gnedigster Konig vndt HeiT,
wirdt man vnserm Volke nicht andeuten können; dan
die Curasi bey ihnen zu stürmen gantz hefftig. Dazu
haben wir einen guten Vorteill; dan wir mitt Lauffgraben
ihnen so nahe approchiret, das wir ihnen vnter dem Ge-
schütz liegen vndt sie mitt ihrer Artollorey vns nicht be-
schedigen können. {Intrat Trompeter.) Aber da kombt
der Trompeter wieder.
Telamon. Schaw da, Trompeter! Was Newes mitt dier?
Trompeter. Gnedigster, großmechtigster Konig, gnediger Herr, es
hatt die Konigin in Scicilien mitt einem Schreyben mich
wieder abgefertiget, daneben Kegenwertige zu Gieseleu
zugeordnet, Avelches E. Maytt. in Vnterthenikeitt ich alhie
vberr eiche.
Telamon. Nemet es, Capitain Fortior, vndt leset es! Vndt Ihr, Feldt-
marschalck, schaffet, das den Gieseln ein Guardia, auch
notiger Vnterhalt zugeordnet vndt verschaffet werde!
{Exit Fhilocles mit den Gieseln.)
Cap. Fortior. 'Semiramis, beyder Scicilien Konigin. Ewer Schreybendt,
Konig Telamon, ist vnß vberreichet, daraußwirvon begehr-
tem Stillstandt vcrnohmen. Wannuhn solches nicht zuwei-
term Vnheill vndt l'erner Verwüstung vnserer Landt vndt
Leute vermeindt, wehren wir nicht abgeneigt, solchen an-
zunehmen, vbersendcn Euch die begehrte Gießeil, die Ihr
[nach] krig[er]ischem Gebrauch vndt wie sich geburet, trac-
tiren werdet. Sonsten die Zusamenkuufft betreffent haben
236 Bolte, Das Danziger Theater.
wir dazu vnser Lusthauß zum Labyrinth genandt am Wasser
S^metho, bey funfF Stadiis weit von vnser Veste Saracosa
gelegen, erwehlet, dahin Ihr mitt zehen Man vndt nicht
sterker angelangen möget, daselbest wonniglich vnser
Accordo zu schliesen, dazu ihr Euch den 3. nach Vber-
andtwortung dieses einstellen wollet. Inzwischen aber
alle Ewer vbrige Macht in Ewrem Feldtlager, wie auch
die vnsrige ohn die 10 Man, so wir gleichfals mitt vnß
dahin bringen werden, in obgemelten vnserer Veste
Saracosa verpleiben sollen. Habt Euch darnach zu
achten.' etc.
Telamon. Mitt dieser Resolution sein wir woll zufrieden, vndt ob
wir zwar woll weibliche Vnbesteudikeit an ihr befürchten,
sein [90 a] wir doch an den Gießein woll versichert, die wir
dan vmb desto mehr in guter Verwahrung halten mußen.
Drumb kombt vndt last vns waß weiter zu dieser Tag-
leistung vonNöhten sein wirdt, anordnen vndt verschaffen.
( Intercalaris 1.)
[90 b] Actus I. Scena S^).
Telamon Rex. Semiramis Regina. Philippus Dux Epyri, Stadt-
halter. Philo des Feldtmahrschalck. Florianus. Mariana vndt
andere zu verschiedenen Thüren eingehendt.
Telamon. Gluck vndt Heill warten auff E. L., mechtig Sciciliae
Herscherinn!
Semiramis. Wan dieser Wunsch recht von Hertzen ginge, wurden
wir in der That woll ein anders erfahren, dan das wir
mitt beschwehrlichem Krieg molestirt, vnser Landt vndt
Lehut mitt Mordt, Raub vndt Brandt devastirt vndt wir
gantz feiudtthedlicher Weise ohn einige Recht, Fueg vndt
Vhrsach angewandt vndt verfolget werden.
Telamon. Die Vhrsach durfft Ihr nicht viell fragen; dan Euch nicht
vnbewust, waß für trewhertzig Affection kegen Euch be-
wogen, Euch für mein Gemahl zu werben; wie höenlich
aber vnsero Legaten abgefertiget vndt abschlegig be-
andtwortet, ist Euch noch vnvergeßen, daß ich also nicht
auß Neidt oder Haß, sondern auß wahrer inbrunstiger
Lieb vndt trcwer Aft'ection kegen Euch vervhrsacht
worden, diese Impressa vorzunehmen. [91a]
Semiramis. Ist daß die Vhrsach, muß Begierde vber vnß zu herschen
\\\i\i mitt vnserm Schaden Ewer Reich zu erweitern hie-
mitt ])escliönet werden? Dem Vbcll iiette man woll anders
dan durch beyderscits großes Bludtvergießcn, Verschweu-
^) In der Handschrift steht: Scena 5.
Der stumme Ritter I, 2—3. 237
düng nicht gering-er Kosten, auch Verherung Landt vndt
Leuht begegnen mögen. Dan das weibliche Geschlecht
viell ehe durch zierliche Reden vndt höffliche Curtesey
zu bewegen dan mitt Krigesmacht zu zwingen ist, vndt
stehet einem tapferen Heide ruhmlicher an, das Frawen-
zimmer in Nöten zu schützen vndt vertetigen dan dasselbe
impugniren.
Telamon. Vnser Witz vndt weitleufftigen Disputat zu vben ist nicht
der Zweck, darumb Avir an her o gelanget. Darumb wan
Euch gelibet, sehe ich vor rahfcsam an, diesen Streit beder-
seits hinzulegen, das an jeder Seit zAveen erwehlct wurden,
so mit streitbahrer Handt diesen Zwist endigten. Werden
die Ewrigen obsiegen, so verpflichten wir vnß bey konich-
lichen Wurden, Ewer Gießeil vnbeschedigt zuruckt zu
schicken, auch in dreyen Tagen mitt vnserm Krigesvolck
Ewer Landt vndt Königreich zu reumen. Auff den Gegen-
fall aber, da vnser obliegen, werdet Ihr Euch nicht endt-
gegen sein lassen, das sich E. L. neben dem gantzen
Konichreich vnß ergebe. Wie deucht Euch, ist solches
annehmlich ?
Semiramis. Ob vnß zwar nicht zweyfelt, das keiner vnter vnsern
Vnterthanen gefunden werde, [der] sich vnserndtAvegen in
solche Gefahr zu setzen eusern werde, weill aber auß
zweyen Vbeln das geringste zu erwehlen, sein wir damit
zufriden.
Telamon. Das wir dan nicht vor zaghafftig oder, ob wolten wir durch
anderer Leute Manhafftikeitt vnser Intent zu erhalten,
angesehen werden, so wollen wir selbest eigener Person
diesen Kampff verrichten, wan nuhr jemandt verbanden,
der vns an Stammen gemeß, vnß bestehen vndt gegen
vnß sich wagen dorffte.
Philip pus'. Der stehet alhie, König auß Cypern.
Telamon. Wer bistu dan, der du dich so kecklich offerirest? [91b]
Philip pus. Ich bin Philippus, ein Hertzog von Epyro, vndt so woU
auß königlichem Geblüht endtsproßen alß du. Vndt weill
ich itziger Zeitt Stadthalter in Scicilia bin, erfodert mein
schuldige Pflicht, das ich meiner Königin Recht defen-
dire.
Telamon. Bistu dei-, nach dem ich so lange getrachtet, weill du
einig vndt allein an meinem Gluck mich gehindert! O,
wie frewet sich mein Hertz, das ich heutt vber dich
triiimphiren soll! Drumb beschirme deinen Kopff' nuhr
woll, das er dir nicht verkurtzet werde!
Philippus. O Konig in Cypern, vor dir hoff ich meinen Kopff avoU
zu Sahiren. Schaw du ja fleißig zu, das nicht dein Landt
vndt Leute ihres Haubts beraubet werden!
238 Bolte, Das Danzig-er Theater.
Telamon. Die Zeitt vndt das Gluck wirdts g-eben. Hie ist der
Ilandtschuch, ein Zeichen der Außbietiing- des Kampfes!
Philippus. Ich nehm ihn aiiff aiuU will ihn mähnlich bestehen.
Philocles. Weill aber anft' jeder Seit zween Kampfer bewilliget, alß
bitt ich vnterthänigst, E. Maytt. geruhen vndt dieser
liohen Fähren mich Avurdig'[en], das derselben ich in diesem
Streit G eselschafft leiste.
Telamon. Es soll dier nicht allein zugelaßen, sondern mitt Danck
vergolten werden.
Florian US. So bitt ich, gnedigst Konigin, das ich der ander sey,
so E. Mayt. Freyheitt vndt gerechte Sach delendiren
möge.
S emir am is. Weill du dich dazu erbeutest, Floriane, nehmen wir es
zu Danke an vndt wollen es jeder Zeit in Gnaden erkennen.
Telamon. Nachdem dan nuhn der Accordo getroffen, die Helden
ernandt, der Kampf geboten, so laßet vnß alsobaldt
gehen vndt dazu bereiten vndt morgen A^mb 10 Vhr \f{
gebührliches Rufen vndt Trommetenschall an gewohn-
lichen Ordt vnß ein.stellen!
Semiramis. WoU zufriden. Inunittels wolten wir die Götter fleißich
ersuchen, das sie dem Gerechten den Siech verlihen
wollen. {Exit Regina vndt die Ihrigen.)
Telamon. Wie vermeinstu, Philocles, ist die Konigin nicht schöen
vndt ein Kleinoht, woU würdig für sie zu kempfen?
Philocles. Ich muß bekennen, gnedigster Konig, vndt seheindt fast,
alß wen die Natur vndt daß Gluck gezanket betten, wer
am meisten ihr seine Gaben mittheilen solte; aber — [92 a]
Telamon. Aber? AVas ists? Sag herauß!
Philocles. Ich furchte, ich solte E. Maytt. erzürnen.
Telamon. Mitt nichten nicht. Sag es nxir frey herauß!
Philocles. Ach das Frewleiii Mariana deuclit mir viell schöner .sein,
welche leuclitet wie die helle Cynthia, wan sie in ihrem
.silbern Rock das Firmament besteiget. Sie ist die
J'audora der Götter vndt die reciite vollenkommene
SchöenlKÜtt.
Telamon. Ob schoen, so betrifft aT)er meine Liebe nicht der Konigin
Person allein, sondern niitl ihr zugleich das gantze Konich-
reich Sciciliam.
Philocles. Ach gnedigster Konig, Marianai« Gemahl zu werden,
achte ich beßei-, dan ein Monarch vber die gantze Weldt
zu sein.
Telamoii. Woll. Haldt dich im Kampff ritterlich! ^'ndt wo ich die
Königin erwirb, soll Mariana dein eygen sein. Aber
höer, n>an fodert zum Kampff! Kom Audt laß vnß dazu
bereiten!
Der stumme Ritter 1,3—4. 239
Actus I. Scena i^).
Seiniramis Regina [vndtj Maviana oben auff einer Galerey.
Seniiramis. 0 Semiramis, du elendes Weibesbildt, Avie bistu gleich
einem Schift'lein, so vff dem vngestumen Mehr mitt Wellen
vmbgeben, mitt Vng-luck vmbringet! Du bist ein Konigin
vndt pflegest auß deinen Schatz Kleinoder den Kempfern
zu ertheylen; itz mustu selber zum Kleinodt des Kampfes
gesetz[t] werden, vndt die du ein mechtige Herscherin
vber ein Konichreieh bist, niustu dich solbest einem
andern praestituiren, das er vber dich hersche! O
iniqua fatal
Mari an a. E. Maytt. geben sich zufriden, gnedige Konigin, vndt
sehen sich woll für, das etwa diese Vngedult die Götter
zu noch heft'tigern Zorn reitze. Es ist der Außgang des
Campfes in der Götter Handt, vndt für E. Maytt. so
tapfere Helden streiten alß auff der ander Seiten.
[PMlij)pus et ilorianus ynitt endthlössten Dägen vnten.)
Philipp US. Sey mir das Licht dieser Weldt Zevichnuß, das ich nicht
auß eigenen Ehrgeitz oder eyteln Ruhm, meine Sterke
zu beweisen, anhero kommen bin, nuhr allein, dieses
trotzigen Koniges Hochmiiht zu dempffen vndt meiner
Konigin Freyheitt zu erhalten! Welches für aller Weldt
auff meinen Knien ich bezeuge, die Götter bittendt, sie
weiten mein Vohrhaben segnen vndt, das ihnen der
vnschiildigen Bedrengten Schutz angenemb, durch meine
ritterliche Faust zu erkennen geben Avollen. [92b]
Semiramis. Stadthalter, wir sehen Ewer Trewe, erbieten aus, solche
in allen Gnaden zu erkennen.
Florianus. So bezeug ich auch durch mein Manhafftikeit, das ein
vnverzagtes Gemuht mich drenget, in dieser gerechten
Sach mein Lebendt freyAvillich zu Avagen, Aveill das Object
zugegen, darauff alle meine Dienste geiüchtet. Dan dem
Frewlein Mariana ich mich gentzlich deAOvire.
Mariana. Großen Danck, Floriane! Vndt ob Ihr Euch meinendt-
Aveg'en (Euch) so höchlich nicht bemühetet, mochtet Ihr
dennoch avoII endtsclmldigt sein.
Philipp US. Gnedigste Konigin, wie viell Feinde Avir auch gestern
hatten, die auch fast, ehe der Campf geschloßen, Victoriam
vber vnß singen wolten, so stellen sie sich doch lanck-
sam ein, welches für A'nß ein guet Omen. Damitt dan
nuhn die schnelle Zeitt, so sich nicht auft'halten leßet, vns
diese herlichc Geiegenheitt nicht auß den Henden reiße,
auch ohnverrichteter Sache der Tag abfließe vndt man
1) Die Handschrift hat: Scena 6.
240 Bolte, Das Danziger Theater.
mitt der Warnung' zum Campf fast vber gewöhnlich
inneheldt, so begehr ich, das man zum andern Mahl
fodere. {Trompeter hleset zum andern Mahl.)
Floriauus. Ich sehe noch niemandt, der sich einstelle, vndt wurde
mir dannoch ein ewige Schmach sein, wen ich ohn Be-
weisung meiner Ritterschaflft den Campffplatz wieder
reumen solte, vndt schwere ich einen Aydt, ein solchen
Schimpff [an] dem Konige vndt seinem gantzen Ge-
schlechte zu rechnen.
Philippus. Weill wir so vergeblich alhie warten mußen, sehen E.
Maytt., das wir nur zu einem Schawspiell von dem ver-
zagten Könige anhero verfuhrt werden. Darumb, wo
nach dem dritten Ruffen sich niemandt einstellet, laß man
die Trompeter zu Retrait blaßen. {Man blaset die dritte
Warnung.)
Mariana. Ich durft'te wetten, das kein ander Vhrsach den eyfrigen,
streitsuchtigen Konig so lang vom Kampffplatz heldt, das
er seinen Feldtschärer den Feldtcasten zurichten leßet,
das, [wo] er vndt sein ohnmechtiger Ritter etwa verletz[t]
wurden, Pflaster beyhanden sein mögen. [93a]
Semiramis. 0 Mariana, Mariana, du kanst allezeitt auß schweren
Sachen ein Gelechter machen. Ein geringen Feindt soll
man nicht verachten. Wo zwecn kempfon, bleibt doch
der Sieg nuhr einem.
Florianus. Vndt den trawe ich durch diese streidtbare Fau.st zu
erhalten. Mochten sie nuhr verbanden sein !
{Wirdt aber eins geblasen. Telamon Hex et Philo des mitt endt-
blosten Dligen zum Streitt.)
Telamon. Ihr, deren großer Macht nichts verborgen ist, beweist
durch F.wer Gunst, das keine Feindtselikeitt, von dieser
Konigin bewisene Schmach zu rechnen, sondern inbrun-
stige Liebe gegen sie mich zwinget, diesen Campff einzu-
gchen vndt persöhnlich zu bestehen! Derowegen ich
Euch, die Ihr ihre Ilartikeit vertretett, absage.
Philocles. Desgleichen ich auch auff meinen Knien jji-otestir, das
meines Königs Ehr vndt der armen Vntertliant'ii Blulit
mich in diesen Streidt gezogen.
Telamon. So erklert Euch nochmahls, Konigin in Scicili;i, ob bey
gestrigen Accordo es verpleiben vndt, wnß darin verab-
scheidet, gehalten werden soll !
ScMniramis. Ja, vndt auß vnverendertem Gemulit bestetige icli solches
iiochmalils.
{Ilie gcschiclit der Campff, darin der König an egner vndt Florianus
an der ander Seyien vnterliegen.)
Der stumme Ritter I, 4. 241
Telamon. Haldt Stadtlialter, schoen meines Lebens!
Phiiippus. Wie du mein schonen wurdest, wen ich in deiner Ge-
waldt wehre.
Philo cles. Stadthalter, haldt ein vndt schon sein! Oder dein Ritter
vndt du sollet beyde für ihn bezahlen.
Phiiippus. So gib dein Gewehr von dier zum Zeichen, das du über-
wunden bist!
Philo cles. Desg-leichen auch du, Floriane, wiltn sonst lenger leben!
Phiiippus. Sehet hie, gnedig'ste Konigin, da vbergebe E. Maytt. ich
ihren Feindt, der sie ihrer Freyheit zu berauben begehrte.
Philo cles. Vndt Euch, schönes Frewlein, praesentir ich den, so Euch
sich gentzlich devoviret. Empfanget von mir sein ritter-
lich Schwerdt!
Telaiuon. Aber hiemitt ist der Streidt noch nicht geendigt; dan Ihr
so viell alß wir verlohren habt. [93 b]
Phiiippus. Habt mihr nicht frembde Sorg, Konig Telamon! Dieser
Ritter vndt ich wollen dem Streidt dieNeygen einschencken.
Philocles. Gantz avoU zufrieden, Stadthalter. Ich sehe vor Augen,
das das Glück vnß alhie behalten will. Drumb mußen
wir mitt einander Kundtschafft machen. Komb nuhr an!
"Wunden machen ein bestendige Freundtschafft.
Telamon. Philocles, halt dich nuhr ritterlich! Du weist, was dier
versprochen ist.
Philocles. Gnedigster Konig, vmb das Kleinodt woldt ich sie noch
all beyde bestehen, wan es notig- wehre.
Phiiippus. 0 Ritter, Wordt schlagen keinen Man. Ich hofl", ich will
dier allein so viell Werck schaffen, das du des andern
nicht begehren solst. Nuhr beer!
{Hie cempfen sie; Philocles siget Philij^lJO an.)
Philocles. Wer stost nuhn dem Faß den Bodem auß?
Mariana. 0 Vngluck! Mein Bruder, wer hett das vermeindt! 0
edler Ritter, schonet sein!
Philocles. Ob ich mich schwehrlich zwingen kan, soll er doch Ewer
Vorbitt genießen, edles Frewlein. Gieb mir dein Gewehr
vndt stehe auff!
Phiiippus. Da hastu es, vndt vorflucht sey dein Handt, die mich
meines Glücks beraubet!
Philocle.s. Allergnedigster Konig vndt Herr, weill vor Ewer Maj^t.
ich diesen Kampff be.standen vndt deroselben zu guet
die Götter mir diese Victori verlihen, alß thue E. Maytt.
in aller Vnterthänikeitt mitt hertzlichem Gluckwunsclnmg
hinwieder ofteriren. {vherreichf ihm rhilipin Geicehr.)
Telamon. 0 Philocles, hier ab sehen wir der Götter Verordnung
vndt daß sie vestiglich darob, was sie beschloßen, halten,
wie hart man aiich dawieder strebe. Mitt waß Danck
ich ein so angenemes Praesent empfahe, vergelten soll,
Th. F. XII. 16
242 Bolte, Das Danziger Theater.
weiß ich fast nicht. Dan die versprochene Belohnung
deucht mir for deine Muhe noch viel zu gering sein.
Philo des. 0 gnedigster Konig, vndt wan ich gleich an die ferreste
Orten der Weldt die abschewiichste Monstra zu vertilgen
hette zihen sollen, weite ich auff' bloße Vertröstung einer
solchen Belonung durch micli vnternommen haben.
Telainon. Nuhn, Konigin in Scicilia, soll der Accordo gehalten wer-
den vndt E. königlicher Nahm vndt Wurde vnbefleckt
verbleiben, so sein E. L. ueben dero Königreich vndt
Landen mein. Was sagt E. L. dazu? [94a]
Semiramis. Ja, gnediger Konig vndt Herr, weill die Gotter ihren
Willen durch dieses edlen Ritters Tapfferkeitt an Tag
geben, bin ich zufriden. Diesem manhafFten Heide aber
habt Ihrs zii danken, vndt zu Ehren seiner Manhafftikeitt
vndt ritterlichen Taten ergebe ich mich Ewer Gnaden
vndt lobe die Gotter, daß sie ohn mehres Bludtvergießen
vnser Beschweren abgeholffen.
Telamon. So soll hiemitt aller verhoffter Vnmuht abgethan vndt
verloschen sein. Vndt Ihr Helden alle drey, weill Ewer
Liebe vndt Tred vor Ewer Obrikeitt in diesem Streidt
gespuret worden, wollen wir solche in Gnaden zuerkennen
vndt mitt königlichem Favor jederzeitt zu erwidern wißen.
Vndt damit nuhn dieses ferner zu Werck gerichtet vndt
allen Standen diese vnser Freudt kundt werde, so wollen
wir, Stadthalter, das Ihr auff den dre\ ßigstcn nach diesem
vnsere Krönung vndt Beylager durch das gantze König-
reich publicireu vndt verkünden laßet.
Philii)pus. Das soll geschehen.
Telamon. Kombt, edle Konigin, laßet vns hinein zur Tafteil vndt
vns daselbst ferner vnsers Leides ergetzen! (Kxeiinf;
manet Philippus.)
Pliilij)pus. Der newe König beginnet mir schoen zu commandiren,
alß wen ich schon lang in seiner Bestallung oder in
seiner Kuchen erzogen wehi-e. Wer weiß, wie icli diese
Schmach noch rechne! (Exit).
(Intercalaris 2.)
[95 b] Actus II. Scena 1. [96 a]
[Philocles.]
Philocles. 'Woll: haldt dich im Kämpft' ritterlich! Vndt wo ich
die Konigin erwirb, soll Mariana dein eygcn sein'.
Wahren nicht das dein Wohrt, Telamon? War nicht
das dein lieblich StinniK^, damit du mich in die Ge-
fahr lockctest, dir deine Konigin zu gewinnen? Mir
deucht, CS wahr: 'Philocles, haldt dich nulir ritterlich!
Der stumme Ritter 1,4—11,2. 243
Du weist, waß dir versproclien ist.' Dies bestetig-et ja
noch die vorige Verheißung-, wie dir der Stadthalter thet
ansigen. 0, Avie vngleich ist Verlieißen vndt Praestiren!
Zusagten stehet reputirlich. Halten ist ehrlich. Ein Konig
soll wahrhafft sein, sein Wordt solten Mauren auß Ada-
niant sein vndt seine Rede vester dan Feßeln binden.
Aber du dreugst dich auff dein Macht vndt das Schulden
bey grossen Herren zwar sicher, aber vbell einzumahnen
sein. Docli was culpire ich dich! Es heist ja: Ad imjws-
sihile 7iemo obligatur. Mein Eitelkeit ist zu schelten, das
ich mich darauff, was nicht zu erhalten, getrogen. Junck-
frawen wollen gepeten sein. Ja, Abschlagen vndt Ver-
weyg-ern ist jetz der Schönheitt hogste Tugendt. Aber
still, jetz nicht mehr!
[Actus IL] Scena 2.
[Telamon. Philo des.]
Rex Telamon (intrat). Jetz, Telamon, hastu dich zu frewen, weill
die Götter deine Sache nach deinem Beg-ehren g'erichtet
han. Wen nuhr Bestendikeitt dabey wehre vndt großem
Gluck nicht baldt Vngiuck aufp der Versen folg'ete! Doch
mache dir Freunde mitt deinem Guet vndt habe Confi-
dentiam in guter Huet, so wirdt dir nichts fehlen. —
Aber wehn sehe ich da! Ist das nicht mein trewer Freundt
Philocles? Wie, so still? Dergleichen Melancholey zimet
nicht einem so manhafften Gemuht. Was ist dein An-
ligen ?
Philocles. Nichtes, gnedigster König*. Ich war etwas in inbrunstiger
Consideration, vudt ZM'ar vber ein Subject, darin mir
mein Gedanken den Zaum endtrissen vndt sich fast weitt
verlauffen hatten,
Telamon. Was wahr daßelbe?
Philocles. Nicht viell Besonders, gnedigster Konig-. Doch was sag-
ich! Hinmiel, verzih mirs! Seines gleichen die Natur noch
nihe erzeuget hatt. [96 b]
Rex Telamon. Still, Philocles! Du errinnerst mich jetz meiner
Vbelthatt vndt machest mich schamroht durch deine Rede.
Philocles. Verziht mirs, gnedigster Konig-, das mitt E. M. ich mich
so weit verdriste! Den Vnterthanen solches nicht ge-
zimet.
Telamon. Ich habe deine Trewe stets gespuret; Darumb mein
Vndanckbahrkeit billig zu schelten. Aber komb mitt
herein! Was dir verheißen, will ich sobaldt durch die
Konigin zu Werck richten laßen. {Exeunt.)
244 Bolte, Das Danzig-er Theater.
Actus II. Sceua 3.
[Mari an a.]
Mariana. Wie g'ar vngleich hatt doch das Gluck seine Gaben aiiß-
gethcilet, vndt wivdt an mancliem Ohrt noch so vndanck-
bahr endtpf'angen! Dan wo findet man fast einen, der
milt seinem Ghick friedtlicli vndt desselben nicht baldt
vberdrußig werde! Erhebet es einen, so geschieht ihm
dan noch weinig' Danck daran. Ernidrig-et es einen, so
trifft es gar nicht das Ziell damitt. Ist einer frey, der
giebt sich in Dienstbahrkeitt, vndt strebet ein jeder,
Freyheit zn erlangen. Wie dem nnhn allem, so gofeldt
mir doch, das ich meines Gefallens leben mack vndt
meines Willen keinen Meister erkenn [en] darf!'. Drunib
will ich jetz ein weynig in den Lnstg'arten spatziren
vndt darin mich ein wenig ergetzen. {Exltura.)
[Actus IL] Sceua 4.
[Mari an a. Semiramis.]
^GxniviimiH. {intrat.) Schaw da, Mariana! Ich hatte gleich den Hove-
meister nach dir geschickt, dich anhero zu ruffen. Dan
ich dir etwas Nötig'es vndt, wie ich verhoff, dir gantz
Angenehmes im Nahmen Ihr Maytt. meines Herren Königes
anzubringen habe.
Mariana. Ihr Maytt. verzihe mirs, gncdigste Konigin, das ich nicht
anzutreffen gewesen! Yndt wans deroselben gefellig, bin
ich bereit anzuhören, was Ihr Vorbringen sey.
Semiramis. Dan versteh, Mariana, du weist, wie ich vom König auß
Cypern, meinem jetzigen Herren Könige vndt Gemahl,
g'antz hefftig bekriget vndt noch langem Wiederstandt
durch Hullf des edlen vndt manhafften Ritters Philoclis,
seines Feldtniarschalcks in öffentlichem Campff ihm ange-
wunnen vndt ihm mich zu ergeben laudt vnter vnß auff-
gerichteter Aecordo gezwungen worden. Wan dan [97 a]
dabey so woll deines Brüdern, vnsers Stadthalters, dan
auch gedachten Ritters Trewe, Manliafftikeit vndt ritter-
liche Gemuhter satsamb gespuret vndt wir beyderscüts
solche Tugenden in etwas ihnen zu vergelten in Gnaden
gemeindt, so weren wir auff etwas endtschlossen, wan
wir nuhr dein Bewilligung darein betten.
Mariana. Ey, gnedigste Konigin, die Rede kombt mir scltz.im für.
Ich will nicht hoffen, das Ihr Maytt. mich wollen beginnen
zu vexiren. Dan dieselbe die Campler zu belohnen ohn
mein Bewilligung gute Macht haben, vndt liah ich Ihren
Schätzen ja nicht zu gel)ieteii.
Der stumme Ritter 11,3—4. 245
Sein iramis. Das ist Avahr, Mariana. Du must aber zuvor hören, was
die dem Ritter versprocliene Belonung sey. Darnach
hastvi dich zu erkleren.
I^Iariana. Ach, g-nedigste Konigin, weill [bei] E. Maytt. dero hoch-
begabten Discretion ich woll weiß, das sie auch ohn
mein Vnterricht diejennigen, so sich vmb dieselbe ver-
dinet, woll werden zu belohnen wißen, alß bitt ich vnter-
thänig, mitt dergleichen Beladung mich zu verschonen.
Semiramis. Du solt aber hir vnter wißen, das der edle Ritter Philocles
dermaßen gegen dir veramorirt, das du ihm wedder Tag
noch Nacht auß seinem Sin kommest. Nuhn vermeinet
so woll Ihr Mayt. der König alß auch ich, das deinem
Brüdern kein gering Ehre, also auch ihm ein großer
Danck geschehen wurde, wau wir dich zu trewer Gegen-
lieb gegen ihn disponirn vndt ein Heyraht zwischen Euch
beyden veranlaßen konten. Was deucht dir dabey?
Jetz erklere dich!
Mariana. Wie, gnedigste Konigin? Ich will nicht hoffen, das E.
Maytt. mich dahin bereden werden, das ich meine jetzige
Freyheit, in deren mich auch ein jeder billig selig preiset,
mitt einer ewigen Dienstbarkeit verwechselen solte.
Semiramis. Wie da, Mariana? Ist das eine Dienstbahrkeit, Avan man
zugleich zu einer Mittherscherinnen vber seines Ehe-
gathen Guter vndt zu einer Erhalterinnen seiner Wolfahrt
gesetzet wirdt, ja dadurch das vnaufflößliche Bandt ehe-
licher Lieb aus zwey Hertzen eins, ein Sin vndt Gemuht
wirdt? [97b]
Mariana. 0 gnedigste Konigin, das sein die heimliche Stricke, so
Cupido zu stellen pfleget. Es ist aber Beweises nicht
nötig, in was große Vngelegenheitt, ja Leib vndt Lebens-
gefahr die Lieb manchen gesturtzet. Darumb für ihrem
Joch man sich billich vorzusehende hatt.
Semiramis. Ja, das ist leider wahr. Aber denjennigen, die der Lieb
mißbrauchen oder derselben zur Vngebuhr resistirt haben.
An mir hastu Exempels genueh, da ich auff mein vor-
witzige Freyheitt mehr dan des Königs auß Cypern recht-
meßiges Begehren hielte. Aber was darff es vill vnnotiges
Disputirens! Da soldt wißen, das Ihr Maytt. dich ihm
versprochen. Derowegen sehr vnhöfTlich sein wolte, wan
durch dein leichtfertiges Verweygern eines Koniges Ver-
heißen retractiret werden solte.
Mari an a. Wieder Keyser noch Konig haben mir hierin zu gebiten
noch mein angebohrne Freyheit zu schmälern.
Semiramis. Ich weiß aber des edlen A^^dt manhafften Ritters adeliche
Tugendt vndt liebliche Beredtsamkeitt dermaßen be-
schaffen, das, wen du ihn nuhr einmahl sel1)er hörest,
246 Bolte, Das Danziger Theater.
vndt wcrestu so hart alß Caiicasiis^), er dich dennoch
bewegen wirdt. Darunib verzihe niihr ein weinig! Er
sol baldt selber bey dier sein 2).
Mariana. Ja, laßet ihn nuhr her kommen! Weiß er das eine, so
werd ich des andern nicht vergeßcn. Ich kan ihm woU
endtlich Hoffnung maclien, ob ichs gleich nicht zu halten
vermeine. Aber schaw, da kombt er schon. Jetz werden
Avir ein liebliches Gesprech hören.
[Actus II.] Scena 5.
[Philocles. Mariana.]
Philo des. {intraf). Ich wünsch E. G. ein guten Tag, schönes
Frewlein.
Mariana. Ein guter Tack kan nicht boeß sein. Was ist Ewer Be-
gehren an mich, edler Ritter?
Philocles. Durch meine treAve Dienst Ewer Gunst zu erwerben.
Mariana. Ihr habt mich ja noch nicht beleydiget. Wie sohlt icli
Euch den gramb sein! Dazu, weill ich noch keine llauß-
halterin, bedarff ich keines Knechtes. [98 a]
Philocles. Ich bin auch nicht daiaxmb hier, E. G. Haußknecht zu sein.
Mariana. Was dan? Vielleicht mein Cammerdiner?
Philocles. Ja, gnediges FrcAvlein, doch in Ehren, vndt wo muglich
derselben allein zu sein.
Mariana. 0 nein, edler Ritter. Das gebe im Frawenzimmer Ver-
dacht, vndt wundert mich fast sehr^ was solche Dienst-
willikeitt gegen mir vervhi'sachet.
Philocles. Nichts dan trewe Lieb, E. G.
Mariana. So wirdt Ewer Dienst nicht guet sein, edler Ritter.
Piiilocles. Wie so, edles Frewlein?
Mariaiia. Weill die Lieb seihest voller Gefahr, so kan sie niclit
weiniger gefehrliche Effectus produciren.
Philocles. 0 ja, edles Frewlein, wo die Liebe ohn Falsch, da ist
sie guet.
Mariana. Weill Liebhaber viel verheißen mfigen, ob sie es gleich
nicht vermeinen zu halten, wie kan sie ohn Falsch sein?
Piiilocles. Vndt wen E. G. durch mich etwas verheißen wurde,
gnediges Fi-ewlein, es muste gehalten werden, ob es
auch gleich mein Lebendt betreffen thett.
Mariana. Das siudt aller Buler güldene Berge, die zuletz kaum
blevern sein.
1) Dies dem Altertume entlehnte Bild Aerwendet z. B. IMacro-
pedius im Joseph 11,4 (1541): 'Ah dure Joseph Caucasoque durior.^
2) Semiramis geht ab.
Der stumme Ritter 11,4—6, 247
Pliilocles. Aber, gncdig-es Frcwlein, wen mir nuhr ein Bitte von
E. G. erlaubt wurde, wolte ich mich nicht scheweii, des
wilden Mehres tiifeste Abgrunde zu ersuchen oder vom
hog'sten Turm mich zu sturtzen, da er E. G. hinwider
begehren soltcu.
IMariana. Was ist dan solches? Ist es mir dan auch muglich.
Philo des. Gantz woll, vndt auch ohn einige Verletzung.
Mariana. Was ist es dan?
Philo des. Mehr nicht, nuhr das mir ein einiger Kuß von E. G.
erlaubt wurde.
Mariana. HilfF, lieber Gott! Ist das die große Bitt! Wovor solt
Euch das woll helffen? Solts vor Hitze, Hunger, Durst
oder Kelte sein?
Philo des. 0 gnediges Frewlein, so große Freudt, Aveiß ich, wurde
mir dai-auß endtstelien, das ich mich die cußerste Gefahr
für E. G. einzugehen nicht schewen wurde.
Mariana. Wollan, so gehet her, edler Ritter, vndt nehmet nuhr
frey einen Kuß von mir! {PhÜocles amplectüur eam.) [98b]
Nuhn, edler Ritter, Ewer Trew dagegen nuhn zu spuren,
ist mir mitt Ewrcra Tote nicht gedinet, sondern da die
so groeß, alß Ihr rumet, will [ich], das Ihr hinfuro ein
gantz Virteiljahr an ein ander kein einig Wordt reden,
sondern gantz wie ein Stummer leben sollet. Was gildt,
ich will ihm das MauU stopffen! Was sagt Ihr dazu?
Sollicitirt Ihr nicht mehr vmb meine Liebe? Wie? Wollet
Ihr nicht i'eden? Ihr seidt gcschwindt stoltz worden.
Wo ist nuhn Ewer liebliche Beredtsamkeitt, die mich
auch, herter alß Caucasus, bewegen solte! 0, jetz Aveiß
ichs, er lernet jetz Bulenlider außwendig, das, wen auflfs
Jahr der Kuckuck singen wirdt, Ihr mitt ihm einstimmen
mögett. Nuhn, die Götter behüten Euch vndt geben
Euch beßer Witz, wen Ihr hinfuro auff die Buhlschafft
gehet! {Exü Mariana.)
[Actus IL] Sceua 6.
[Ph i 1 o cl e s. P u si 0.]
Pusio. {intrat.) Gnedigster Herr, E.G. sollen zum Konig kommen.
Philo des. (tacet).
Pusio. Wie? Bekom ich kein Andtwordt? Gnedigster Herr,
E. G. sollen zum Konig kommen.
Pliilocles. {tacet.)
Pusio. Wie? Ich glaub, mein Herr sei taub vndt stum worden.
Gnedigster Herr, E. G. sollen zum Konige kommen!
Philo des. {schlecht ihn et exit.)
Pusio. Was? Hatt mein Herr sein Sprach \crlohren! Ich woldt,
er hette sein Handt verlohrcn. {Exit.)
248 Bolte, Das Danzig-er Theater.
[Actus II.] Sceiia 7.
[Mariana. Florianvis.]
Mariaua. Folget mir nicht jemandt nach? Ich lioff, ich wolte
Philoclem setigen, das er mich mitt seinem amorösischen
Stürmen vnangefochten ließ. O, wie frewet sich mein
Hertz, das ich ihn dermaßen abgewiesen. Ich hoife mir
durch diese kluge Thatt bey allem Frawenzimmer ein
vnvergengliches Lob zu erwerben. [Intrat Florianus.]
Vndt wo dieser auch nicht nachlaßen wirdt, werde ich
ihn auch baldt kurtz abspeißen. [99a]
Florianus. Gluck vndt Heill warten auff Euch, edles Frewicin!
Mariana. Habt Daiick, edler Ritter!
Florianus. Wie sein E. G. so betrübt? Vielleicht, weill Ihr Liebhaber
Philocles in Vngluck gerahten vndt seiner Sprach be-
raubt worden?
Mariana. 0 nein, edler Eitter. So lieb ist er mir nihe worden,
sondern es dauret mich, das er Euch im jüngsten Carnptt",
da Ihr meinendt wegen Ewer Kühnheit praesentirt, Euch
so beschimpffet vndt Ihr so eingebueßet.
Florianus. 0 edles FreAvlein, ob ich gleich nicht viell Ehr eingelegt,
so erleidt ich doch die Schmach EAvrendt wegen. Des
hab ich mich zu trösten.
Mariana. Weill Ihr aber woll sehet, das Ihr mir zu Ehren Aveinig
Gluck habet, so rite ich Euch, Ihr leget Ewer Dienste
anderswo an; dan bey mir sie vbell bewandt sein.
Florianus. Edles Frewlein, ich vernehm jetz Ewren Vnmuht. Wans
Euch dan nicht zu widern, möcht ich mitt Euch zu besser
gelegener Zeitt hievon weiter discurriren. Immittels vesti'O
servitor en e speranza adieu. {Exit.)
Mariana. Adieu, Signor! Ich förchte, dein Hoffen vndt Harren
macht dich doch endtlich zum Narren.
{Intercalaris 3.)
[100b] Actus II. Scena 8i).
Telamon, Semiramis, Philocles, Philippus, Florianus,
Mariana, Burgvogt. [lOOb]
Telamon. Vndt soll so gar kein Hoffnung sein, das ihm zu voriger
Sprach geholfen werde?
Philip]) US. Auß gantz Cypern vndt Scicilien habe ich die erfahrne
Medicos berufTen, die ihr Euserstes an ihm versuchet,
aber so gar an ihm desperiren. Wan gleich Esculapius
selbest mitt seiner Ruten kehme, wurde er ihm doch
schwerlich helffen kunnen.
Telamon. So inußen wir docli nicht nachlahn. Derowcgen, Stadt-
1) Die Handscluift hat: Scena 9.
Der stiumne Ritter II, 7—8. 249
halter, last durch vnscr g-antzcs Königreich proclaniiren,
das, wer Philocli zii seiner Sprach wider verhclffen wirdt,
soll 10 000 doppelde Ducaten zur Belonung- haben vndt
in vnserm hogsten Favor sein!
Pliiiippus. Gnedig-ster Konig-, ich bin zwar bereit, E. Mayt. Befehl
schleunig nachzusetzen, ich befurchte aber, das woll viell
der Thatt sich vnterstehen, aber einen Weck so weinig alß
den andern verrichten mochten; dan es heist genieinich-
lich: Auri Sacra fames, quid non tnortalia cof/is jiedor'a!^)
Teiamon. So schweren wir bey höchsten Ehren vndt so wahr wir
ein Konig gebohren, der solches thete, soll den Freveil
mitt dem Leben büßen. Drumb laß die Herholden so
baldt außfertigen !
Philippus. Es soll geschehen.
Mariana. Vorzihe, Bruder! Ich will sehen, ob ich dem Werke
rahten vnd das Geldt selber verdienen könne.
Teiamon. Wie da, Mariana? Bistu irgendt der Artzeney bcßcr den
vnsere Medici erfahren, das du dich deßen vnterstehest ?
Mari an a. Ey, gnediger Herr Konig, E. Maytt. glauben mir, der
Kranckheitt weiß ich beßer alß dem Podagra zu helffen.
Teiamon. Das wehr vns heb, vndt soltu erfahren, das wir ein solche
Guthatt vber die verheißene Belohnung in sondern Gna-
den erkennen wollen.
Mariana. Ich sag E. M. vntertehnigst Danck vor diese mute Er-
klerung, vndt wo es deroselben gefeilig, wolte ich so-
baldt den Anfang machen.
Teiamon. Je eher, je Heber. Den vns nach seiner vbrigen Wol-
fardt so hefftig alß vnser eigen verlanget.
Mariaua. Nuhn, edler Ritter Philocles, ich habe Ewer Trewe vndt
hertzliche Affection kegen mir guugsam gespuret. Dero-
halben ich Euch Ewer gethanen Gelubdt hiemit gentz-
üch wiederumb erlaß. Redet nuhr in Gottes Nahmen!
Es soll Euch erlaubet sein. [101a]
Teiamon. Wie da, Mariana? 'Redet in Gottes Nahmen; es soll Euch
erlaubt sein!' Waß soll das sein? So viell betten wir
woll selber kunnen sagen.
Mariana. Ey, Ihr Maytt. machen ihr nuhr keine Sorg! Ich weiß,
das er sobaldt reden wirdt.
Teiamon. Ich woldt, das ers nuhr baldt thete, vmb Ewer bey der
Wolfardt willen.
Mariaua. Mein Philocles, ich ermane P^uch des hohen Verheißens,
da Ihr mir versprächet, aufF mein Begehren Ewer Leib
undt Leben in Gefahr zu setzen. Wan solches von
Hertzen gangen, wehre es Zeitt itzo zu beweisen.
1) Vergil, Aeneis 3, 56 f.
250 Bolte, Das Danzigev Theater.
Telamon. Mariana, du weist neben der Verheißung' auch die
Betrewung. Daruinb du dich woU bettest bedenken
mögen.
Seiniramis. Ja, Mariana, mir deucht in diesem Fall dein Fornehmen
sehr leichtfertig sein, vndt habe ich woll gedacht, es
wurde dich der Vorwitz einmahl betrigen.
Mariaua. Ach gnedigste Konigin, ich bitt ab meinem Fornehmen
kein Vnmuht zu faßen. Dan ob sichs woll etwas ver-
zeucht, verzag ich doch an meinem Patient noch nicht,
ich verhoff baldt Beßerung. Ach edler Ritter, ist Euch
dan mitt meinem Tote gedienet? Wo bleibt Ewer Ver-
heißung, Avie Ihr so große Gefahr für mich eingehen
Avoltet! Woll habt Ihr mir güldene Berge verheißen, aber
mitt Schaumb bezalet Hir mich. Wüste ich nicht, das
Liebhaber viel verheißen, ob sie es gleich nicht dechten
zu halten ! Ist nuhn Ewer gerumbte Liebe ohn Falsch,
so rettet mein Leben ! Es kostet Euch weder Geldt noch
Guet, weder Leib noch Bluedt; ein einig'es Wordt kans
verrichten. Kans gahr nicht sein?
Telamon. Mariana, ich sehe, das deines Brüdern Vorsorg an dir
wahr wirdt. Vndt weill du nuhr das Geldt gemeint, wirdt
die angehenckte Bedrawung billig an dir statuiret. Drumb,
Statthalter, weill wir zu Rettung unserer königlichen
Wurden nicht vmbhin kommen, so laß den Burgvogt die
Poen exequiren!
Pliilippus. Großmechtigster Konig, g'nedigster Herr, ob woll mein
Vnterthenilveitt erfodert, Ihr Mayt. zu pariren, so will
doch die Natur nicht zulaßen, meine Schwester zu be-
leidigen. Ich hoffe nicht, E. Maytt. wieder weibliche
Blodikeitt so streng verfahren werde, gestaldt auff meinen
Knien ich darumb supplicir. [101b]
Semiramis. E. L., gnedigster Konig vndt Herr, bedenken sich vndt
laß[cn] mein Vorbitt Ihr Gnadt erlangen! Dan ob ich
woll allemahl iliren Hoelmiuht vndt Vorwitz gestraflfett,
zwinget mich doch ihre Liebe vndt lang geleistete trewe
Dienste, ihrer zu erbarmen. Ich will selber mein Heill
versuclien an ihm, ob er zu bewegen. Edler Ritter, ge-
denket der adelicheu Tugendt, so ich stets in Euch ge-
lobett, vndt laßet Euch erweichen! Erinnert Euch, wie
schmertzlich Euch sein wurde, ein Weibsbilde, die Ihr zu
vertetigen vndt zii verehren Euch allemall höchlich be-
flißen, ja welcher Ihr den ersten Preiß Ewer Ritterschaft,
so Ihr an diesem Hott" erlanget, devovirt, vmb eines
Wortes willen in den Todt gel)ett! Darumb, so ein ein-
ziges Tröptliein adeliches Gebluhts Ewer tapff'eres Hertz
vndt Adern erwcrmet, so redet doch nuhr ein einziges
Der stumme Ritter 11, 8. 251
Wordt mir zxi Gefallen, die ich so vill Wordt Ewerendt
lialben bey Mariaua verlohreu' Kans «^-ahr nicht sein?
Telamon. K. L. sein mitt Ruhen! Es verbindet vnß vnser gethaner
Aydtschwuhr, ihren Vorwitz zu straffen, sohlt es auch
vnsern Bruder betreffen.
Mari an a. E. Maytt. bemuhen sich nicht, vndt, Bruder, stell dein
Vorbitt ein! Dan ob ich schoen weiß, das er sowoll alß
vnser einer reden kan, wan er sonsi nuhr wolte, so be-
kenne ich doch mein Schuldt, die dan nicht vhnpillig an
mir gestraiTet wirdt. Drumb ich mich frey willig- zu meinem
Ende bereyten will, damitt ich auß mir darol) stehender
Schmach errettet werde.
Telamon. Wie da, Mariana? Kan er dan sonst woU reden? Was
ist dan die Vhrsach, das er nicht will?
Mariana. Daß soll von mir kein Mensch erfahren. Nach meinem
Tote wirdt ers woU frühe genuch offenbahren. Vndt weill
er an meinem Tote ein solche Frewde zu sehen verhoffet,
bitt ich g-antz demutiglich, das es nuhr baldt geschehe.
Telamon. Daß soll geschehen. Burgvogt, wir befehlen dier, das
du gegenwertige Weibspersonen durch den Nachrichter
mitt dem Schwerdt sobaldt hinrichten laßest. [102 a]
Burgvogt. E. Maytt. Befehlig soll sobaldt verrichtet werden. (Exif.)
Florianus. Kan es muglich sein, das wahre ManhalTtikeitt mitt solcher
Vnbarmhertzikeitt vmbgeben? Ists muglich, das diß Spec-
takell eines so tapfferen Cavagliero das Hertz nicht er-
Aveichen solte! Ehe ich zugebe, das diese Schöenheitt
wegen seiner schendtlichen Hertikeitt vergehe, ehe woldt
ich ihn selbest durch meine Faust dem Plutoni zum
Opffer schicken. {Phüocles vndt Florianus zucken ihre
Degen.)
Telamon. Wer ists, der dar sich in vnser Gegenwahrt so kuhnlich
darff sehen laßen? Bewegten vnß nicht Ewer beider-
seiten an vnß bewisene trew Dienst, Ihr soldt baldt er-
fahren, was es wehre, in königlicher Maytt. vndt Praesens
ein Gewehr zu blöeßen. Drumb haldt ein, oder bey
vnser Gotter Macht, Ihr soldt solche Freyheitt mitt dem
Haubte bezahlen! {Intrat Burgvogt vndt Nachrichter.)
Burgvogt. Auß Ihr Maytt. Befehl soltu, Nachrichter, diese Junck-
fraw durchs Schwerdt hinrichten. Drumb nimb sie zu
dein Henden!
Nach rieh ter. Das soll geschehen. Edle Princessin, Ihr vernembt
mein Befehl; darumb verzihet mirs, was ich an Euch
verübe !
Mariana. Du verrichtest nuhr dein Ambt. Tetest du es nicht,
muste es doch ein ander sein. Aber vbereill mich nicht
vndt laß mich zuvohr Vhrlaub nehmen!
252 Bolte, Das Dauziger Theater.
Nachricht er. Nach E. G. Begehren.
Mariana. O Elendt menschliches Wesens, wie füret vns die Natur
so einen engen Weck in dies betruebte Leben, vndt ist
so ein weitt gebahnte Straß zum Tote! Hunderdt angel-
weitt offenstellende Tuhren fuhren zu seinen verschlingen-
den Thoren vndt sturtzen vnß ins Verderben. Noch
blendet vnß das blinde Gluck durch sein teglichs Fuchs-
schwentzen so hart, das wir vor vermeinter Hoheitt, Ehre,
Reichtumb, Pracht vndt beschwerlichem Wolleben solches
nicht sehen, damitt es vnß nuhr teglich hoflfiret, so doch
alles, wen wir vnß darauff [102b] verlaßen ^ Avie ein
Schatten von vnß fleucht. Aber was halte ich mich lang
auff vndt klag vergeblich, was ich nicht endern kan!
Dordt stehet mein Remedium dagegen, welchem ich mir
in Geduldt vndt Hoffnung mehr bestendiger Frewdikeitt
itzo applicii'cn mues. Drumb, großmechtigster Konig,
allergnedigster Herr, vndt durchleuchtigste hochgebohrne
Konigin, gnedige Fraw, weill mein eigen Vorwitz vndt
Vbermuht, dan das betrigliche Geldt in diese Gefahr mich
gesturtzet, bin jetz meines eigenen Vnglucks ein einzige
Vhrsacherin; bitte dcrhalben, solche Eytelkeitt, so dan
bey weiblichem Geschlecht nicht new, zu endtschuldigcn
vndt, wozu menschliche Schwacheitt mich verleitt, zu ver-
zihen. Die Götter, so Euch zu Regenten gesetzet, wollen
Euch be[i] guetem Wollstande lang erhalten ! Vndt,
Philocles, obzwahr durch die Vnbahrmhcrtzikeitt das Ge-
dcclitnuß deiner trewen Lieb vndt trcwcn Verheißung in
dier gentzlich erloschen, so soll dieselbe dich zu keiner
Zeitt auß meinem Hertzen reißen, sondern mein Geist nach
meinem Tote mitt stetem Seuifzen mein trew Lieb vber
dier außgießen. Hiemitt adieu! Nuhn, Nachrichter, A'er-
richt dein Ambt! 0 ihr Götter, nembt die vernunfftigc
Seell, so ihr in mich gepflantzet, zu ewcr Henden!
{Indem der Nachrichter den Streich gehen toill, tritt Philocles zu
vndt spricht:)
Philocles. Haldt ein du! Den si soll nicht stex-ben.
Mariana. O ihr Götter, seydt gelobet! 0 Philocles, nuhn ist Ma-
riana Ewer cygcn. Schaffet vndt gebitet ihren Dienst
nach Kwrem Gefallen!
riiilocles. Weill ich noch kein Haußhalter, bod.irff icli ki'incr
Dienerin; so begehret Philocles auch uiclit, Flori.innm
seiner Liebsten zu berauben. [103a]
Mari;uia. O edler Ritter, ist nicht diese anßgestandene GcImIu- ge-
nuch, das Ihr mitt vnverscliuldeter Bezichtigung mein
mattes Hertz noch quelet, welches ihm noch nihe einigen
Florianuni /.u lieben ciii'it'bildet !
Der stumme Ritter II, 8 — TTI, 1. Ö5B
Florianus. O vnbestendio-es Weibesbildt! Itz muß mich der geringste
Augenblick, so ich vmb Mariamim Leidt getragen, rewen,
weill mein trew ihr erwisene Dienst vndt ihr zugefallen
angewendete Tapl'rikeitt so vndanckbahrlich regradiret.
Solte mir derowegen leidt sein, eynem so edlen Cavag-
liero Avegen eines solchen Wetterhanen ein "Weiger-Wordt,
gescliweig einen Streich, zu bieten.
Telamon. Stellet diese vergebene Reden ein! Mariana, die ver-
sprochene Gelder du gantz woll verdienet hast; drumb
sie dicr auch pillig zugestehet werden. Vndt, Ritter
Philocles, weill vnß jetz gute Gelegenheitt durch diesen
Vnlall vorstoßet, vnser vor diesem dier geschehenes Ver-
sprechen zu erfüllen, so soll Mariana dein eygeu sein.
Philocles. Großmechtigster König, allergnedigster Herr, dieser großen
Gnaden thue ich mich zwahr mitt fernerer schuldiger
Diensterpietung vnterthänig bedangen; aber weill mein
inbrunstige Lieb, so ich vor diesem gegen Marianam ge-
tragen, durch ihre erstarrete Hartneckikeitt erkulet, ist
mir der Appetit gleich einem zu lang lehr endthaltenem
Magen vergangen. Vndt wan es E. Maytt. nicht zuwieder,
möcht ich deßen erhebliche Rationes darinnen weittleuff-
tiger erkleren.
Telamon. Wir wollen dich gerne höreu. Drumb komb vndt last
vnß hie ein! {Exeunt omnes ; manet Philixypus solus.)
Philipp US. Vndt soll ich noch lenger diesem Vnheill zusehen? Ists
nicht gnuch, das die Königin dem verzagten Konig nach-
gehenket, wieder meinen Raht den vnghickseligen Kampff
bewilligt, sich vndt das Königreich mir dadurch endt-
rißen vndt in dieses Tirannen Hend gebracht, woraulf
ich in Verachtung [103 b] vndt mein Schwester in Lebens-
gefahr gerahten! Vndt soll sie noch ferner von diesem
oh[n]mechtigen Ritter geaffett werden! Das soll nicht
sein. Was güdt, ich will mich rechen vndt Euch alle
mitt colnischem Gewicht 1) bezahlen. Will die Faust nicht,
soll Iliuderlist helffen. Es soll sie alle gercAven. (Exit.)
{Intercalaris 4.)
[104 a] - Actus in. Scena 1.
[Telamon. Philippus.]
Telamon. Wer hette immer gemeindt, das sich das Bladt so wenden
solte! Wie hefftige Liebe zuvolir auch zwischen Pliilocle
vndt Mariana braute, so großen Haß vndt Verdriiß liatt
1) Über diese Redensart vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch 5,
1622 unter 'kölsch'. SchillerLübben, Mnd. Wtb. 2, 519.
254 Bolte, Das Danziger Theater.
Vorwitz vndt Hochmuht zwischen ihnen erreget; vndt ob
woll der Poet saget: 'In amore haec sunt mala: bellum,
jyax rursitm'^), Avill sich doch das letzste bey ihnen nicht
iinden laßen. Derohalben ich befahren muß, das zwischen
diesem edlen Ritter, der mir sonst sehr lieb, vndt dem
Statthalter sich der mahl eins ein Vngluck errege. Aber
itz davon nicht mehr! Was Newes, Stadthalter?
Philipp US. Böse Zeitung, gnedigster Konig vndt Herr. Abwesens
Ew. MaN'tt. sein die Syrer mitt Macht in dero Königreich
gefallen, daßelbe grewlich verheret vndt die Vntcrthanen
gezAvungen, ihnen zu huldigen. Dan anhero sclioen viell
rebelliren vndt sich ergeben; die vbrigen halten sich noch
vndt begehren Ew. Maj'tt. Schutz.
Telamon. Ist dem also, Stadthalter? Von wem hastu es?
Phililipus. Es ist ein Curir von E. Maytt. Daheimgelaßenen anhero
abgefertiget, der avisiret es. Er berichtet aber daneben,
das die Wasser-Frontiren noch alle mitt Landtvolck be-
setzet sein, resolvirt, sich manlich zu wehren, vndt er-
warten nuhr Succurs.
Telamon. So mußen wir alßpaldt auff Mitteil ihnen zu helfifen be-
dacht sein. Wollen derowegen vnsern lieben getrewen
Ritter Philoclem neben Capitain Fortior mitt einer woU-
gerusteten Armada abfertigen, diesem Vbell zu wehren,
biß wir ihnen selbest nachfolgen. Wie deucht dir, Stadt-
halter? Wehre dieses nicht guett?
Phillpi)us. Ich bin verdechtig, großmechtigster König, in dieser
Sachen ■ zu rahten , alldieweill E. Maytt. wißendt die
Schmach, so er mir vndt meiner [104b] Schwester Ma-
rianae bewiesen; noch zwinget mich mein schuldige
Pflicht vndt Trewe, E. Maytt. etwas zu offenbahren, wan
dieselbe in Gnaden mich hören wolten. Dan ich be-
furchte, Ewer Maytt. setzen gahr zu sehr Vertrawen
auff ihn.
Telamon. Gantz gerne, Stadthalter. Sag an!
Pliilipi)us. Großmechtigster Konig, gnedigster Herr, E. Maytt. er-
rinnern sich gnedigst, was inbrunstige Lieb zwischen
Philocli vndt meiner Schwester Marinna endtstunde, also
das er sie zu seinem Gemahl begehrte, auch was vor
geferbten Fleiß, Muhe vndt Arbeitt die Konigin, solche
Heyraht zu veranlaßen, anwante, solches alles aber zer-
schlagen, die inbrunstige Lieb sich in Vberdruß, Haß vndt
ergeste Feindtselikeitt gantz ohnfrcvendtlich verwechseldt.
Nuhn trawe ich sicherlich, E. Mayt. die Vhrsach dieser
Verwandtlunii- gantz \ nwißendt sev.
1) Terenz, Eunuchus I, 1, 14: In amore haec omnia ifisunt vitia.
inmriae, Suspiciones, inimicitiae, indutiae, Bellum,, pax rursiim.
Der stumme Ritter III, 1. 255
Telamon. Nein, Stadthalter. Sonder, solches hatt deiner SchAvester
Vorwitz, Vbermuht vndt hönischc abschlegig-e Verachtung-
zuweg'en bracht.
Philipp US. 0, Ihr Maytt. sein weitt ab dem Weg'C, vndt ich besorgte
hög'ste Vng'nad, so ich die Sach recht außdrnckte.
Telamon. Du hast dich nichts zu befurchten, Stadthalter; sondern
da es zu vnserem vndt vnser König-reich Ehre, Reputation
vndt Gedeyen gereichet, wollen wir solches in Gnaden
geg'en dich zu erkennen wißen. Drunib rede nuhr frey
herauß !
Philippus. Dan wißen E. Maytt., das die falsche, trewlose König'in,
nachdem dieser Ritter in dem vngluckselig'en Kampff
mir angesiget , sie sobaldt ihre vnzugtige Lieb vndt
Affection vff ihn verwandt, gestaldt auß ihrer damahligen
Rede vndt Gebehrden ohnschwer zii vernehmen. Vndt
ob sie woU eußerlich sich höchlich bemuhet, Philocli
meiner Schwester Lieb zu conciliiren, hatt sie doch in
geheiml) sie alß ein einfeltiges junges Mensch mitt Ein-
bildving junckfrewlicher Freyheitt zum Wiederspiell ver-
führet, dadurch auch zu Wegen bracht, das Philocles
durch angenohmene Stumheitt meine Schwester auß dem
Wege zu reumen gedachte, damitt sie ihre heimbliche
Buberey desto freyer brauchen mochten. Dahero Philocles
Vhrsach gnuck hatt, meine Schwester zu verachten. [105 a]
Telamon. Waß redestu, Stadthalter?
Philippus. Ich rede, was ich weiß, gnedigster König vndt Herr,
vndt getraw es dermalil eins mitt dem Werck zu be-
weisen.
Telaiuon. Ob mich zwar woU deine vorige Zeitung nicht weinig
besturtz[t] gemacht, gehet mich doch diese Schmach viell
sehrer zu Hertzen, die ich schwere an ihnen beyden zu
rechen, vndt soldt ich gleich beyder Königreich drüber
mußig gehen. Drumb, Stadthalter, schaw zu, das du es
beweisest! Hette dich aber Haß vndt Neidt wieder die
Königin vndt Philoclem dazu verleitet, so laß dich solcher
Vntugendt ihrem Willen nicht zu weitt! Oder mußcst es
mitt dem Leben bueßen.
Philippus. E. Maytt. soll die Wahrheitt augenscheinlich erfahren.
Sie gedulde sich nuhr ein weinig!
Telamon. Immittels soll Fortior mitt der Armada gen Cypern
fohrt. (Exit.)
Pliili])])us. Vndt solte Philocles noch Admiral vber cyprianische Ar-
mada werden ? Ich hoff, er soll zuvohr sein Sprach noch
eins verlihren. Das Fewr ist angezündet, es muß erhalten
werden. {Exit.)
256 Bolte, Das Danziger Theater.
Actus III. Scena 2.
Philocles vndt Florianus.
Florianiis. Vndt soll die Zeitung- gewiß sein, Monsieur Philocles, so
der gestrige Curir brachte?
Philocles. Die ist leyder mehr wahr dan guett; vndt ist Monsieur
Fortior, so gestern zum Admiral vber eine Vlota bcstaldt,
schoen im Anzüge, den Wasscr-Frontiren, so sich noch
halten, zu succurriren.
Florianus. Ist das muglich ? Ist Fortior bey Ihrer Maytt. in so
hohem Favor? Ich wehre ehe der Meinung gewesen,
I. Maytt. Euch der Ehren gewurdiget haben solte, alß
der sich beßer dan Fortior vmb sie verdienet.
Philocles. Ohn Zweiffell ist er durch den Herren Stadthalter dazu
praeferiret, welcher ein Zeitt hero den König gantz innen
gehabt; dannenhero mein trewe Dienste bey seit gesetz[t].
Florianus. Vndt weill Ihr seine Schwester Marianam repudiiret, hatt
er ihn vohrgezogen.
Philocles. Dem sey, wie ihm Avolle, Gott gebe, das er was Gutes
außrichte! Wollet Ihr, die Zeitt zu vertreyben, etwas
mitt hinauß vfts Gejagt reiten?
Florianus. Woll zufrieden. Oder vffs Federspiell mitt Falken beitzen.
{Exeunt.)
{Intercälaris 5.)
[106 a] Actus IV. Scena 1.
[S e m i r a m i s. Philip p u s.]
S emir am is. Gleich wie in einem Fieber nach außgestandenem Sehrau-
ten') hefftig Hitze folget vndt gemeinniglich das Waßer,
so zuvohr gahr heiß gewesen, am keltesten wirdt, so
pfleget innerlichste Liebe in eußersten Haß vndt Feindt-
sciiafft sich zu verwandlen. Wie wahr jungst Philocles
gegc[n] die Marianam so hefftig veramorirt, das gleicli-
samb seine Sehle ihn verlaßen vndt in ihr zu wohnen sich
begeben, das er auch schwer vergaß, ein Man, ein Ritter
zu sein! Vnd nachdcuT weibliche Schwacheit sie verleitet
vndt sie ihrem Vorwitz ein wenig zu viell nachgehenket,
ist solche Liebe in vnversöhnlicl)en Haß vorendert, daß
alles vmbsonst, wie hoch ich mich auch bemuhe, sie zu
reconciliiren; vndt ob sie woll selber solches ihres Vnglucks
eine Vhrsachcrin, dawret mich doch ihrer, eines jungen
verstendiffcn Weibsbilds.
') Vom nd. schruten = schnaufen?
Der stumme Ritter III, 2 — IV, 1. 257
Phili])p\is {intrat). Gluck vndt Heill warten auff Ewere Maytt., groß-
meehtigste Königin!
S e m i r a m i s. Habt Danck, Stadthalter ! Was Newes ?
Philiiipus. Newes nichts viell besonder, allergnedigste Konigin; nuhr
das die Praesentirung schuldiger Dienste E. Maytt. ich
etwa anzuzeigen, wan Sie allergnedigst geriihete mich
zu hören.
Semiramis. Gantz gern. Zeigt nuhr an!
Philipl)us. E. Maytt. ist wißendt, Avas für Wiederwill vndt verhaste
Verkleinerung meiner Schwester Marianae von dem Ritter
Philocle begegnet; vndt ob ich weil bedacht wehre, solche
Schmach mitt der Faust zu rechnen, beforchte ich doch,
ihr weinig damitt beholffen sein möchte. Derowegen in
Discurs mitt ihm mich begeben vndt ihn endtlich so weitt
bewogen, das E. Maytt. ihn zu voriger Lieb leichtlich
reduciren mochte. Vndt Aveill an E. Maytt. konichlichem
Favor jha nichts zweiffeie, verhoffe ich, Sie in dem, was
zu Rettung- meiner Schwester Ehren gereichen möchte,
sich gern bemühen werde.
Semiramis. Ob wir woll, Stadhaltei', sie bej^de zu reconciliireu vnß
sehr angelegen sein laßen, auch woll verhoffet, etwas
außzurichten, ist doch alles vmbsonst gewesen; das Werck
auch schwere!', alß sich woll angelaßen, befunden. Vnsere
Lieb aber gegen Marianam [106 b] vndt Gnadt, damitt
wir Euch gewogen, zu beweisen, wollen wirs nochmahis
vex'suchen. Konnet derohalben Philoclem, da es Eluch
gefile, so baldt zu vnß foderen, vndt damitt will [1. wir]
allein desto freyer von Sachen reden mugen, soll vnser
Frawenzimmer dieweill abgewiesen werden.
Philipp US. Vohr diese große vndt ohnverdiente Gnadt, allergnedigste
Königin , thue ich mich vnterthenigsts bedanken vndt
will verschaffen, das er sich so baldt zu E. Maytt. ver-
fuege.
Semiramis. Wir wollen sein warten. (Exü.)
Philippus. Recht zu meinem Vohrhaben! Er soll zu dir kommen,
Ihr soldt aber nicht lang allein sein. Ich, der Konig vndt
Burgvogt wollen Euch baldt Geselschaflft leisten, deßen
Ihr woll nicht froh sein werdett. Holla, Burgvogt!
Burgvogt. Was begehren E. Gnaden?
Philippus. Du soldt sobaldt eine Guardy Soldaten zu dir beruften
laßen vndt erwarten ferneren Befehl von Ihr Maytt.
Burgvogt. Das soll geschehen, gnediger Herr. {Exit.)
Philippus. Wo findt ich nuhn den manliafften Heldt? Ohn Zweifell
in seinem Zimmer. Holla, Philocles!
Philo des. Was begehret Ihr, Stadthalter?
Th. F. XII. 17
258 Bolte, Das Danziger Theater.
Philippus. Es ist Ihr Maytt. der Königin Begehr, Ihr alsobaldt zu
ihr in ihr Zimmer konuiien wollet; dan sie in gelieimb
mitt Euch etwas zu reden [hat]. Yerzihet nicht lang; dan
sie wartet Ewer. {Exit.)
Philocles. Ich will sohaldt gehen. — Ich kan Icichtlich eraciiten,
was es ist: es wirdt wegen seiner leichtl'ertigen Schwester
sein. 0 nein, ich hab ihren Hochmulit noch nicht A'sr-
dawet. Doch will ich der Königin gehorchen. {Exit.)
Philippus. Jetz ist es Zeitt, das ich mein dem König gethanes Ver-
sprechen vollstrecke vndt dem in ihm endtzundeten Eyffer
die Sporn gebe. Holla, Cemerling!
Arnold. Was begehren Ewer Gnaden?
Philippus. Melde mich bey Ihr Maytt. an! Dan ich etwas anzu-
zeigen habe, so Eyll erfodert.
Arnold. Von Hertzen gern, gnediger Herr.
Philippus, Weill das Eysen heiß, muß ich schmieden. Nam posf
occasio calva^). [107a]
Telamon. Was Newes mitt dir, Stadthalter?
Philippus. E. Maytt. erinnern sich noch allergnedigst, das ich mich
jungsthin versprochen, mein vber die trewlose Königin
vndt leichtferdigen Buben Philoclem gethane Beschul-
digung mitt der Thatt zu beweisen. So Avißen nuhn Ihr
Maytt., das sie ihn zu sich fodern laften; auch, damit sie
de.sto ruhiger ihres Willen leben muchten, hatt sie zuvohr
alles Frawenzimmer abgeschaffet, vndt sein itzo gar allein
bey einander.
Telamon. So mnßen sie bey de von meinen Henden sterben.
Philippus. Nein, großmechtigster König, endtlialtet Euch! Vndt weill
ich sehe, das Ihr Maytt. Ihrem gerechten Eyfer nicht
Averden inhibiren können, sehe ich vor rahtsam an, das
sie gefenglich angenommen vndt vor ein oft'endtlich pein-
lich Halßgericht gestellet [werden], daniitt ihr Mißhand-
lung mennichlichen kundt vndt nicht E. Maytt. vor mehr
tirannisch dan gerecht geachtet Averden.
Telamon. Dazu laß ich mich noch avoH bereden. Du, Arnold, gehe
eilendts hin vndt laß den Burgvogt anhero kommen!
Arnold. Das soll geschehen, gnedigster König vndt Herr.
Telamon. Eines solclien hett ich mich gleichAvoll zu Philocli nicht
A'crsehen. Nocli dunket mich oft't die Conversatio zwischen
ihnen etAvas groß zu sein.
Philil)pus. Ich sehe auch vor radtsanib an, das sie mitt verdecktem
Angesicht angenommen vndt in zweyen vnterschicdtüciien
Gefengnußen endthalten Averden, auch das man Ix-y Leibe
nieman zu ihnen laße.
^) Disticha Catonis 2, 26 : Fronte capillofa, post haec Occasio calva.
Der stumme Ritter IV, 1—2. 259
(Enter ^) BurgvogftJ & Arnold intr.)
Tel am Oll. Es soll so sein, Stadthalter. Da soltu, Burgvogt, alßpaldt
iniit einer Giiardia in der Königin Zimmer fallen vndt,
wehn du di-innen findest, mitt verdecktem Angesicht zur
Haö't bringen. Setze sie vnterschiedtlich vndt schaw woll
zu, das du niemandt ohn vnsern Specialbefehl zu ihnen
laßest bey Leibesstraff!
Burgvngt. p]. Maytt. Befehl soll verrichtet wei'den. (Exit.)
Tel am Oll. O betrigliches Weibsbildt, wer hette das verhoffet! Woll,
Stadthalter, du soldt durcii den Landt-Fiscal ein peinlich
Halßgericht anstellen laßen vndt in vnser Gegenwardt
die Königin selber anklagen.
Philipp US. Das soll geschehen, gnedigster König vndt Herr. {Exeimt).
Actus IV. Scena 2.
Burgvogt. Semiramis [et] Philo des veZa^a /ac?e. Guardia. [107b]
Burgvogt. Es ist vmbsonst, edler ßittcr, meiner Macht zu wieder-
streben. Drumb ergebt Euch mitt Geduldt! Ihr könnet
ja leichtlich erachten, das ich ohn Befehl mich an Eiich
nicht vei'greiffen wurde.
Philo des. Hatt dan der König befolen, das Ihr mich also tractiren
sollet? Ich hab Ihr Maytt. ja nicht beleydiget, nuhr das
ich mitt Gefahr Leibes vndt Lebens im Campf wieder
den Stadhalter ihm die Königin vndt dieß Reich erwarb.
Laß mich doch selbest zu Ihrer Maytt. vndt ihn hieran
erinnern ! Ich weiß, er wirdt sich bedenken.
Burgvogt. Des hab ich kein Befehl. Drumb verschonet mich hiemitt!
Semiramis (iveynendt). Ist dieß des Königes Befehl? Das kan ich
nicht glauben.
Burgvogt. Ihr Maytt. selbest haben mirs mundtlich befolen. Drumb
verzihet mirs, gnedige Königin, was ich auß Befehl itzo
verrichte !
1) Hier ist die englische Bühnenanweisung mit in die Übersetzung
herübergenoinmen. Bei Machin (Akt 4 j). 1.S8) laxxtet die Stelle:
Enter Florio.
Florio. Did your majesty call?
Cyprus. Go instantly, . . . call all my giiard.
Ascend the queen's privy -Chamber, and in my name
Arrest her and Prince Philocles of treason.
Make no delay, hut in thy diligence
Show how thou dost i^espect ine. Arrested once,
Convey theni unto straitest prison: aicay. [Exit Florio.]
260 Bolte, Das Daiizig-er Theater.
Semiramis. 0 Mariana, wie kluchlich hastu befurchtet, in Lieb dich
zu ergeben, die du beßer dan ich das Vbell, so die Lieb
vffm Rucken treget, bey dir bewogen! Ich gedachte,
Schlitz bey Ihrer Maytt. zu haben; so leid ich Vnrecht,
V^erfolgung vndt Schmach. Wan ich etwa in seinen
Augen so geheßig bin, will ich mich dan gerne des
Königreichs verzihen vndt ins Elendt zihen, mucht ich
nuhr dieser Schmach gevbrigt bleiben.
Philocles. Ich traw den Göttern vndt meiner Vnschiildt, welche
Haß A'ndt Neydt nicht vnterdrucken werden. Drumb
nuhr fohrdt, wohin Ihr wollet! {Exeunt.)
Actus IV. Scena 3.
[Philippus. Mariana.]
Philipp US. So weit bin ich in meinem Vohrhaben glucklich verfahren,
des sie beyde sich weinig hetten trewmen laßen. Wo
bleibt nuhn dein manhaflfte Tapft'rikeitt, Philocles, die in
dem vngluckseligen Kampff so geruhmet wardt ! Wo ist
nuhn dein großer Ruhm vndt Herlikeitt, so du an mir
gewannest! Den Preiß vndt deine trewe Dienste ein
finster Kerker jetz beschleust, die ich auch, wie du meine
Schwester, in kurtzem mennichlichen zu einem Spectacul
vorstellen will, dawieder dein streidtbahre Faust dich
weinich schlitzen soll. Aber jetzt nicht mehr!
M a r i a n a. {intrat). 0 Mariana, du vngluckscligste deines Geschlechtes,
wie hatt das Gluck dir so gar den Rucken gewendet,
die nicht allein ziivohr [108 a] in Leib vndt Lebensgefahr,
sondern noch itzo in euserste Verachtung gerahten, das
auch darvber diesem gantzen Lande dadurch ein offene
Fabuli worden! 0 Philocles, dein zuckcrsueße Wordt
wahren wie ein Lockvogell mich ins Netz der Liebe
zu verfuhren, vndt nuh du mich so weit gebrachtt,
leßestu mich allein am Narrenseill zihen, vndt sein deine
donnerstarke Verheißung bloße Wordt, so auß einem
bodemlosen Faße geflogen. Du hast mich aber so gegen
dich bewogen, das ich des Todes sein muß, so du mir
nicht zu Hulff kommest.
Philipi)us. Nich[t] also, Schwester! Was wiltu dich vmb einen so
falschen trewlosen Buben bekumbren! Dein Vnscliuldt
wirdt itzo redlich gerochen, darumb du dich billich zu
frewen, dan vmb seinendt willen dich dem Tote zu er-
geben hast. Dan er sambt der trewlosen Königin, die
deine vndt meine ihr bcwisene lange trewe Dienste so
vndanckbahrlich vtfgenohiinnen, in gefengliche Hafl't ge-
rahten, soll[en] auch in kurtzem ihrer Leichtvertikeitt
recliten Loiin empfahen.
Der stumme Ritter IV, 2 — V, 1. 261
Mariana. Ach Bruder, was sagstu, was ist die Vhrsach? Mag ichs
wißcn?
Philippus. Noch nicht. Du wirst aber hernacher frühe gimg er-
fahren; drumb laße dich initt Geduldt! (Exit.)
Mariana. Das gehet mir ans Ilertze. O Bruder, du vermeintest
mich dadurch zu trösten, da du doch mein p:iendt viel
mehr dadurch vermehrest. Ist die Königin vndt Philccles
in Lebensgefahr? 0 ihr Götter, verleihet mir Gnade,
das ich sie retten möge, vndt soll ich auch mein Lebendt
drüber verliehren! {Exit.)
Actus IV. Sceiia 4.
Florian[us] & Burgvogt.
Florianus. Wißet Ihr aber nicht die Vhrsach ihrer Hafft?
Burgvogt. Gantz nicht, edler Ritter. Dan ich sie vff Ihr Maytt. vndt
des Stadthalters Befehl eingezogen.
Florianus. So gehets, wan einen das Gluck zu hohen Wiu-den er-
hebt. Da heist es recht: Euüura levat% Es will doch
allzeitt die oberste Handt behalten. Es dauret mich
ihrer bej^de.
Burgvogt. Das mocht ihr Vngeduldt woll etwas miltern, vffgeben
aber nicht.
Florianus. Kan man dan nicht zu ihnen, das man mitt ihnen redete?
Burgvogt. Nein, solches ist mir bey Lebens Gefahr verboten. [lOSb]
Florianus. Die Götter erhalten sie vndt laßen ja kein Vbell vnge-
strafft! Vnterdeßen, Burgvogt, pleibt dieses in gutem
Vertrawen. Adieu! {Exit.)
Actus V. Scena 1.
[Mariana. Burgvogt.]
Mari an a. Gleichwie ein Wildt seinen gefangenen Gathen zu erretten
eylet vndt offtmahls selber drüber ins Garn leufft, keine
vorstehende Gefahr schewet, biß es an daßelbe gereht,
so soll auch kein Macht, verrigelte Thuer noch veste
Mawrn von meinem Philocle mich scheyden. Hie wohnet
der Pluto, der ihn im Finstern verschießen heldt, deßen
harte[s] Hertz dieß rote Goldt gleich Orphei liebliche
Harpffen erweichen soll. Holla, macht auff!
Burgvogt {inwendig). Wer klopfft drausen? Was ist EAver Begehr?
Mariana. Einmahl mitt Euch zu reden.
Burgvogt. Mitt mir könnet Ihr woll zehenmahl reden, dan einmahl
von einem Schuester ohn Geldt Schuhe bekommen. {In-
traf.) Verzeihet mirs, Frewlein! Seydt Ihrs?
^) Wohl eine Uebersetzung des deutschen Sprichworts: 'Wen das
Glück erhebt, den will es stürtzen' (Lehmann, Florilegium politicum 1630
S. 344, 33. Wander, Sprichwörterlexikon 1, 1761).
262 Bolte, Das Danziger Theater.
Mari an a. ]\Iein guter Burgvogt, bericht mich doch, was habt Ihr
newlich vor Gefangene bekommen?
Burgvogt. Das weiß ich nicht, edles Frewlein; dan sie mitt ver-
decktem Angesicht anhero gefuhr et worden.
Mariana. Ach Gott, der eine ist mein Bruder, so gar vnverschuldet
in dieß Elendt gerahten. Ich bitte Euch, vergönnet mir,
nuhr ein Wordt mitt ihm zu reden!
Burgvogt. O nein, Frewlein, das darflf ich nicht thuen; dan es stehet
mir Leib vndt Lebens Gefahr darauff.
Mariana. Es soll niemandt darvon erfahren. Darum bezeigt Euch
willig vndt diese 100 Kronen vor Ewre Muhe von mir
empfanget!
Burgvogt. Frewlein, wens verschwigen pleibt? Dan Junckfrawen
sein gahr zu offenhertzig, sie können nich woU heimb-
lich sein.
Mariana. Sorgt nuhr nicht! Bey mir es ewiglich verborgen bleibt.
Burgvogt. So nembt diesen Schlußeil, vndt wan Ihr die Steigen
hin vnter kommet, findet Ihr zur rechten Handt ein große
eyserne Thuer; da werdet Ihr Ewren Bruder antreffen.
Machet aber Ewere Vnterredung kurtz! Mittlerweill will
ich sehen, das nicht jemandt kombt vndt Euch vndt mich
in große Gefahr stürze. [109a]
Mariana. Ich will nicht lang außpleiben. {Exit.)
Burgvogt. Die hundert Cronen hett ich sonst so baldt nicht ver-
dienen können. Die Junckfraw muß aber ihren Bruder
sehr lieb haben. Dan itzige verderbte Zeitt die bruder-
lich Liebe so gahr verloschen [ist], das sich einer woll
bedechte, wan er gleich mitt 100 Cronen seinen Bruder
auß Gefahr zu retten wüste. Wan dies aber der König
erführe, mochten mir diese 100 Cronen vbell bekommen.
Was thuet aber das Geldt nicht! Geldt kaufft das Kindt
von der Mutter, Geldt verreht Landt vndt Leute; ja
Königreich, Furstenthumb, Herschafften vndt Gewaldt
werden vmb Geldt verkaufft, vndt hette einer hundert
Augen wie Argus, das er sich allendthalben für Gefahr
vorsehen kunte, weiß sie das blinde Goldt alle auff ein-
mahl so meisterlich zu blenden, das er sich nichts schrecken
leßet. Kein Vestung ist ihm zu stark; das hastu, Jupiter
woll gewust, da du der in einem vesten Thurm ver-
schloßenen Diana [1. Danae] in Gestalt eines giildcnen
Regens in den Schoeß flohest. Auch hieldt es Alphonsus^)
dafür, man solte einem flihenden Feinde eine silbern
1) Antonius Panormita (De dictis et factis Alphonsi regis Ara-
gonuni 1. 4, c. 9) erzählt: 'Laudare eum magnopere solehat, quicunque
fugientihus hostibus argenteum pontem extruendum dixisset.^
Der stumme Ritter V, 1—2. 263
Bnicken bawen. Dahero mirs auch nicht zu verarg-en,
(las ich vmb eines solchen Gewins in diese Gefahr mich
ergeben. Aber die Jungfraw wirdt meiner vergeßen, sie
machts zimbUch lang". Doch da kombt sie.
Philo des. (in Marianae Kleidern.) Sehet hier, Burgvogt, habt Ihr
Ewere Schlußeil vndt habt Danck. {Exit.)
Burg'vogt. Danket Ewrem Gelde, Frewlein! Gedenckt aber, das Ihr
verschwigen seidt! {Exit.)
{Intercalaris 6.)
[110 b] Actus V. Scena 2.
Telamon. Philippus. Florianus. Arnold.
Telamon. Jetz, Stadthalter, errinnerstu dich, das auff heute der
Gerichtstag- weg'en der trewlosen Königinnen angesetz[t]
vndt das' du sie der Gepuhr offendtlich anklagen muest.
Was sagstu dazu?
Philippus. Ja, großmechtigster König, dazu hab ich mich erpoten,
vndt mitt vnverendertem Gemuht bleib ich dabey. Drumb
laß man die Gefangenen vor Gericht stellen!
Telamon. Das soll geschehen. {Intrat Philocles.) Aber schaw, ist
das nicht der leichtfertige Schelm Philocles?
Philocles. Wie? Der Schelm Philocles? Ich bin noch nihe einem
Schelm holdt worden.
Telamon. Ist er nicht mitt der treAvlosen Königin ins Gefengnuß
gefuhrett ?
Philippus. Ja freylich, gnedigster Konig vnd Herr.
Telamon. Wer hatt ihn dan auß dem Gefengnuß endtledigt? Sage,
wie bistu darauß endtrunnen, das du vnß noch (keck)
darffst keck vnter Augen treten?
Philocles. Ich bin mir nichts Vbels bewust. Drum darb ich nicht
was sehen laßen vndt weiß fast nicht, wie ich dieß von
Ihrer Maytt. verstehen soll. Ich bin ja in keinem Gefeng-
nuß gewesen, ich habe woll ein Tag oder etzliche auff
dem Gejagt zugebracht.
Philippus. Du bist wie ein ander Bösewicht auff dem Gejagt ge-
wesen? Diese Außfluchte werden dich weinig helffen.
Ewere Maytt. schicken nach dem Burgvogt, das er die
Gefangen bringe! Dan ich woll weiß, das er nuhr einen
im Gefengnuß hett.
Telamon. Arnold, zeig dem Burgvogt an, das er die Gefangene
vor Gericht stelle!
Arnold. Das soll geschehen. {Exit Arnold.)
Philocles. Es scheinet, großmechtigster Konig vndt Herr, alß ob
ich in meinem Abwesen bey E. Maytt. durch Lugen ver-
schnitten worden. Darumb begehr ich die Wahrheitt zu
erforschen, [lila]
264 Bolte, Das Danziger Theater.
Philippus. Die soll sich, ehe clirs lieb ist, selber aiiß Liecht bringen,
das du weinig" Frommen haben wirst.
Burgvogt {hringet die gefangne Konigin vndt Marianam restihi
virili angethan.) Hier sein die Gefangenen, gnedigster
König vndt Herr, so viell mir derselben vberandtwortet
worden.
Telamon. Stelle sie vor, Burgvogt! Nuhn sag an, Stadthaltei*, wes
hastu die trewlose Konigin zu beschulden?
Philippus. So sag an, du trewloser BoseAvicht, was hatt dich be-
wogen, das du dich eines so kecken Zutrits bey vnser
Königin gebraucht?
Mari an a. Sonst nichts alß wahre Lieb vndt Trew, so ich jedei'zeitt
zu der Königin geth ragen.
Telamon. Waß! Vndt darffstu dieses noch so kecklich vor vnß be-
kennen ! Den Freveil mustu mitt dem Haubte bezahlen.
Mariana. Waß ich damitt gefreveldt, hoff ich mir jederzeitt zu
verandtworten.
Telamon. Waß sagstu dazu, Königin?
Semiramis. Großmechtigster König vndt Herr, weill mir alß einer
Weibspersonen nicht gebühren will, vor Gericht mich ein-
zulaßcn, vndt gleich vor Augen sehe, das mir alle Hulff
abgeschnitten, in dem niemandt, meine Vnschuldt zu ver-
tetigen, wieder E. Maytt. sich meiner gerechten Sach
annehmen darflf", so will ich die Gotter anruffen, sie meine
Vnschuldt retten vndt, wo nicht ehe, doch nach meinem
Thot die Warheitt ans Licht bringen wollen.
Philo des. Allergnedigster König vndt Herr, weill E. Maytt. vor
Augen sehen, das ich von dem falschen Stadthalter auß
Neidt vndt Haß mitt Lugen beschwetzet vndt nicht von
iinn angezogener maßen im Gefengnuß befunden worden,
ist nicht Gewißers, dan das sichs an der tugendthalften,
vnschuldigen Konigin Seiten gleichfalls verhalte. Dero-
wcgen vndt dieweill in schwehren, zweifellhafFten Sachen
die Gotter die Gerechtikeitt in offenem CampfT gemeinlich
zu erörtern pflegen, alß bin ich bedacht, der Königin ge-
rechte Sach mitt meiner ritterlichen Faust vndt Dar-
bietung Leibes vndt Lebens wieder diesen falschen vndt
trewlosen Stadthalter zu bestehen. [111b]
Philippus. Vndt ob ich woll Bedenkens trüge, mitt dir alß der
Sachen teilhafftig in Handtgemcng einzulassen, soltu doch
sehen, das ich meiner Sachen trawe vndt dir im geringsten
nicht weichen Avill. Drumb komb nuiir her!
Mari an a. Haldt ein, Bruder! Was wiltu thuen? Wiltu in vngerechte
Sach dein Leben in Gefahr setzen?
Philippus. Wie, Bruder? Wer bistu dan?
Der stumme Ritter V, 2. 265
Mariana. Ich bin deine Schwester Mariana, die du durch falsche
Bezuchtig'ung- in diese Gefahr gesturtzest.
Philippus. Himmel, verziehe mirs! Es ist verlohren.
Telamon. Wie? Mariana? Sag- vnß, was ist dan die Vhrsach solcher
Verkleidung-?
Mariana. E. Maytt. erinnern sich, welcher Gestaldt die zwischen
mir vndt Philocle endtstandenc Lieb in vnversohnlichen
Haß vndt Widerwillen sich verkehret. Vndt alß ich
dahero sähe, das mir ohninuglich wahr, seine Hulde
wieder zu erwerben, sondern nuhr in fernem Spodt
vndt Verachtung- g-erieht, nam ich mir für, in freinbde
Lande vndt wieder anheimb mich zu begeben. Dieweill
es aber dem Frawenzimmer sehr g-efehrlich, ohnveren-
derter Gestaldt zu reysen, so hab ich mich in diese
Kleider verstecket, zur Königin g-augen im Willens, von
ihr Vhrlaub zu nemmen. Ehe sie mich aber noch erkante,
worden wir vom Burgvogt vberfallen vndt mitt verdeck-
tem Gesicht in.s Gefengnuß gefuhret; vndt also hatt die
vnschuldige Königin der vngluckseligeu Marianae endt-
gelten mußen.
Telamon. Ach hertzUbste Königin vndt Gemahl, ich bitt durch des
Himmels Krafft, E. L. verzilien mir dieses; dan ich dazu
durch den falschen vndt trewlosen Bösewicht vervhrsacht
worden.
Sem ir amis. E. Maytt. sein mitt Paihe; dan ich solches alles glaub
vndt bitte nuhr, die rechte Wahrheitt mitt Ernst von ihm
zu erforschen.
Telamon. Daß soll auch geschehen. Komb her, du trewloser Böse-
wicht, bekenne mir die Wahrheitt, oder du must von
meinen Henden sterben!
Philippus. Ach allergnedigster König vndt Herr, obwoll Boeßheitt
nicht zulest, die Wahrheitt zu bekennen, will mein Ge-
wißen doch nicht leyden, das ich dieselbe lenger verhele.
Darumb wissen E. Maytt., das auß lauterm Haß vndt
Neid wieder meine allergnedigste Königin vndt diesen
edlen Ritter ich zu meinem Vorthcill die Verherung E.
Maytt. Königreichs Cypern durch falsche Brieffe [112a]
erdichtet vndt staviret. Dadurch ich Gelegenheitt bekam,
E. Maytt. groß Vertrawen, so sie auft' Philoclem jederzeitt
gesetz[t], in etwas zu ermiltern, ihn vndt die Königin
mitt falscher Bezuchtigung bey E. Maytt. vnschuldich
beleget, hernach ihr Zusamenkunfft seihest veranlaßet,
biß sie endtlich durch mein Getrieb gefangen worden.
Das aber der Burgvogt ihn nicht, sondern mein verkleidete
Schwester an Stadt seiner angetroffen, weis ich nicht, wie
solches zug-ano-en. Sonst hatt alles mein boeßhaffte
266 Bolte, Das Danziger Theater.
Falsclieit vervhrsachet; vndt ob woll wahr: Malum con-
silium consultori pessiraum^), vndt nicht vnpillich Vntrew
ihron eygeii Herren schlecht, so bitt ich doch aller vnter-
thänig'st, mir solches zu verzihen vndt Gnadt zu beweisen.
Telanioii. Ja, Gnadt! Perillus seihest in seinen g-eg'oßenen Ochsen
kreucht. In die Gruben, so du andern gegraben, fellestu
pillig selber^).
Seniiraniis. E. L., großinechtigster Konig, erinnern sich, eines Königes
Hertz soll mildt zu verzihen sein! Vndt weill er durch
seine Missethatt vns drey am meisten laediret, laßen
E. Maytt. ihn vnser Yohrbitt genießen vndt erzeigen
ihm Gnadt!
Tclamon. Woll zvifriden. Weill Ihr, die die Sach am meisten be-
triff't, selber vor ihn bittet, sey ihms verzihen. Stehe auff!
Philo des. Nuhn, großmcchtigster König, gnedigster Herr, wan ich
gleich, wie furgeben, in der Königin Zimmer wehre be-
treten worden, solte man dahero böse Vermuthung vff
mich gefast haben?
Tclamon. Nein, Philocles; den dein ritterliche Tapffrikeitt vndt
mänliche Tugendt vnß dermaßen bekandt, das sie so ein
schendtlich Laster bey dier nicht wurden Stadt finden
lassen.
Philocles. So wißen E. Maytt., das ich mitt der vnschuldigen Königin
zugleich ins Gefengnuß gefuhret worden. Aber die holdt-
selige vndt trewhertzige Mariana bewegete durch Ge-
schenck den Burgvogt, das er sie zu mir ließ, da sie ihre
Kleyder mitt mir verwechseldte, mich auß der Gefahr
erlösete vndt an meine Stadt des Gerichtstages im Ge-
fengnuß erwartet. Darumb wen es ihr nicht zu wieder,
sie solcher Trew zu ergetzen, begehr ich, das sie mein
ehelich Gemahl werde. Was sagt Ihr dazu, schöenste
Princessin? [112b]
Mariana. Philocles hatt Marianae seines Gefallens zu gepieten.
Telamon. Liebers vndt Angenemers betten wir nicht vernehmen
mögen. Vndt, Philocles, Euch beyde vnß vndt vnserm
Gemahl EAvre mannigfaltige bewisene trewe Dienste zu
ergetzen, setzen wir dich zum Stadthalter vber vnser
Königreich Cypern, daßelb in vnserm Abwesen gentzlich
deiner Gewaldt vnterwertfen. Was sagen E. L. dazu?
Sein Sie damitt zufriden?
1) Varro, De re rust. .3, 2, 1: 'Malum consilium consultori est
Pessimum'' (Erasmus, Adagioriim chiliades 1500 p. 1245).
2) Erasmus a. a. O. ]). 1240: 'IncicUt in foveam, quam ßcit' nach
Psalm 7, 16.
Der stumme Ritter V, 2. 267
Semiramis. Hertzlich gern, vudt frrwo iiiich dieses fröligen Auß-
p-ang-s.
Philocles vndt Mariana. Wir hedanluMi viiß dieser hohen Ehren
aller vnterthänipst, gnedig'ster König- vndt Herr, erpietens,
dieselbe vngespartcs Fleißes, Verniög-ens zu compcnsiren
vndt verschulden.
Telamon. Vndt, Stadthalter, obwoU dein Falscheitt vndt böse Tuck
viel ein Ergers verdienet, soll dir doch solches alles
weg-en deines kunfftigen Schwagers, dieses edlen Ritters,
verzihen vndt verg-eben, auch bey vorigen deinen Digni-
teten gelaßen sein, dazu wir dich hiemittrestituiren. Kombt,
edle Königin, vndt Ihr all zugleich, laßet vnß hinein vndt,
was glucklich hie angefangen, darinen Irölich vollenden
(Exeunt.)
[Das Zwischenspiel
vom wunderthätigen Stein.]
[90 a] lutercalaris [1].
Hans. Ist das nicht ein ■wunderseltzam verkehrtes Ding in aller
Weldt, das so ein Wesendt wegen der Weiber in der Weldt
■ ist? Ich habe nicht gewnst, waß die Vhrsach gewesen,
das der frembde König vnß mitt Krieg vberzogen, so
mercke ich woll, es sey ihm darumb zu thiien, das er
gern ein Weib hette. 0 hette er nuhr halb so lang ein
Weib gehabt alß ich, er wurde eben so groes Verlangen
tragen, ihrer loeß zu werden, alß er sich itzo bemuhete,
sie zu bekommen. Den man gleubet mirs nicht, wie ein
gefehrlig Dinck es vmb das Freyen sey. Dan nimbt einer
ein schöen Weib, so hatt er sie selten allein; dan es findet
sich gemeinlich jemandt, dem sie auch woll gefeldt.
Nimbt er ein Heßliche, so wirdt er ihr baldt gramb.
Nimbt er ein Reiche, so muß er ihr Knecht sein. Nimbt
er ein Arme, so muß er sie vmb Gottes willen ernehren.
Nimbt er eine, die stetes furm Spigell licht vndt gern
geputzet hereingehet, so licht sie ihm stehets axiff der
Taschen. Achtet sie der Kleider nicht groes, so ist sie
eine iaule Saw. Nimbt er ein Fromme, so stirbct sie ihm
baldt; den das Fromme gehört in den Himmel. Nimbt er
ein Böse, so hatt er ein teglich Fegfewer. Icli habe auch
ein Weib, vndt weill sie etwas glatt vmb den Kopff, ge-
feldt sie vnserm Nachbawr Wilhelm trefflich woll, vndt sie
ist ihm auch nicht gramb; dan sie gehet alle Tage zu sei-
ner Frawen in die Muhll, vndt alle Nacht redet sie im
SchlaflF von ihm. Waß gildt, wo sie nicht baldt von ihm
sagen wirdt! — Holla, Gredt Gredt! Horstii nicht? Komi)
herauß !
Gredt. Nuhn, waß ist es dan, das Ihr so rulet?
Hanß. Ilorstu, Gredt, wau ich dir einmahl ruft' aiuU du nicht
stracks kombst, so tröste dich Gott! [90b]
Gredt. Sonst nicht? Ich dachte, waß es wehre.
Hanß. Horstu, Gredt, ich muß zu Hove gehen. Drunib pleil) du
dieweill daheimb, ob jemandt kehme, der nach mir fragte!
Das Zwischenspiel vom wiinderthätig'en Stein 1 — 2. 269
Gredt. Ja iiucks, waß du nulir scliaftest. Vnsers Nachbahr Wil-
hehiis Fraw liatt nach mir gescliickt, da muß ich hingehen.
Hanß. Vnser Nachbahr Wilhelms Fraw? Ich g-laub, Nachbahr
Wilhelm selbst hatt nach dir g'eschickt. Bleib mir zu
Hause! Wo ich sonst wieder komb vndt finde dich nicht,
so tröste dich Gott!
Gredt. Ja, wie wirstu mich engsten! Du meinest mich stets deines
Gefallens zu tribuliren. Es soll dir aber nicht also fordt-
gehen. {Exit Weib).
Hanß. Hatte Ichs nicht gesagt. Nachbahr Wilhelms Fraw hatt nach
ihr geschickt? Ich muß mich aber noch nichts mercken
lassen, damitt ichs erst gewiß werde, wie es mitt ihnen
bewandt sey. Immittels wollen wir gute Freunde sein.
[94 a] [lutercalaris 2.]
Hans. Ey das dich all die Veits Wunnen hole! Nuhn sehe ich
in der Thatt, das große Leuht vnterweilen geringen Ver-
standt haben. Da bin ich zu Hove gewesen vndt habe
mich gantz hungerich zugesehen, wie man wegen der
Weiber gekempffet hatt. Ich wolte selber mitt gefochten
haben, vndt ich hatte kein Wiederpart. Es war keiner
so behertz, der sich kegen mich wag-en dorflt. Was gildt,
wo ich sonst nicht die Koniginn heimgefuhret hette! Nuhn,
ich fühle woll, es ist Zeitt, das ich mitt meinem Gemahl
auch zur Taffell gehe. Der Konig ließ mich durch sein
Hoftjunkern zu Gast laden, aber ich mocht nicht bleiben.
Auff den Abend hab ich verheißen, mitt meiner Gretlien
sein Gast zu sein. Holla, Gredt! [94b]
Gredt. Waß ist es, mein lieber Man?
Hanß. Gredt, ist das Essen fertig? Mich hungert.
Gredt. Ja, lieber Man, es ist schon fertig.
Hans. So bring stracks her! Wan wir gessen haben, wollen wir
gen Hove gehen vndt dem Tantze zusehen. Vnser Konigin
ist ein Braut worden.
Gredt. Ey, waß sagt Ihr, lieber Man? So will ich stracks hingehen
vndt die Milchsuppe holen; vnserm Nachbawr Wilhelm
will ich auch ruffen, der soll mitt essen vndt auch mitt
zusehen.
Hans. Waß, soll Nachbahr Wilhelm auch mittessen! Das kombt
mir seltzam fiu-. Naehbahr Wilhelm isset mitt mir. Nach-
bahr Wilhelm trinket mitt mir, vndt wan Juncker Hans
Leberwurst von Ho\e ein Rausch zu Hause bringt, so
schleft't auch Nachbahr Wilhelm mitt bey mir. Was gilds,
ich werde es erfahren !
Gredt. {intraf). Sehet da, lieber Man, esset, das Euch Gott
segene!
270 Bolte, Das Danziger Theater.
Hans. Es auch mitt, Gredt! Grethe, die Thur stehet offen, vndt
dei- Windt geliet etwas kaldt herrein. Mache sie doch zu!
Gredt. Daß kondt Ihr so woll thuen alß ich, Ueber Man.
Hans. Waß sagstu? Die Thuer mache zu!
Gredt. Mach sie selber zu! Du bist woll so schlini alß ich.
Hans. Nuhn das passiret, mache mir die Thuer zu, oder ich
schlag- dich danider.
Gredt. Schlechstu mich, so scldag- ich dich wieder.
Hans. Nuhn? Sehr guet. Horstu, Gredt, waß ich dier sag? Der
den ersten Lepffell Suppen ißet vndt daß erste Wordt
dazu redet, der soll das gantze Jalir die Thiier zumachen
vndt daß, ehe ich drey zehle.
Gredt. Ja, das bin ich avoII zufriden. Ich will woll so lang
warten alß du.
Hans. Nuhn, 1. 2. 3. {Stehen vndt sehen einander an vndt
n'öthen ein das ander durch Winken, zu essen vndt an die
Thuer.)
Wilhelm (intrat). Guten Tag! Holla, ist niemandt daheimb? Holla,
Nachbahr Hans, wo seidt Ihr? Nachbahrin, hört Ihr nicht?
Seidt Ihr irgendt außgangen? Sihe da! Behüte mich
Gott, was sehe ich! Ey, Nachbahr, wie gehet es Euch?
Seidt Ihr heindt stum worden? Nachbahrin, kondt Ihr
nicht reden? Oder ist irgendt die Suppe so heiß, das Ihr
Euch das Maul so hart verbrennet, das Ihr nicht roden
könnet? [95a] Last doch schmecken! {Wilhelm langet zu,
Hans schlecht ihn mitt dem Lepffel vher die Finger, das
Weib ihn wieder.) Ey, die Suppe sclimecket ja gahr guet.
Esset docli, Nachbahrin! Wollet Ihr nicht essen, so will
ich essen. (Wilhelm isset, vntericeill iceiset Hans vndt
das Weib nach der Thuer, endtlich nimbt Hans seiii Theill
dem Wilhelm weck vndt frist mitt Handt vndt Mundt.)
Sehet, Nachbalirin, wie Ewer Man Suppen isset! Kombt,
w^oldt Ihr mitt gen Hove auff den Tantz gehen? {KimbflJ
sie bey der Handt, vndt wollen davon.)
Hans. Wardt, wardt. Nachbahr Wilhelm! Wo wollet Ihr mitt
meinem Weibe hin?
Gretli, Oho! All verlohren! Mach die Thuer zu, mach die Thur zu!
WillK^lm. Ach, Gott Lob vndt Danck, Nachbahr, d.is Ihr Ewer
Sprach wider bekonnnen.
Hans. Ja, Sprach widerbekommen! Ich woldt, Ihr wehret auffm
Blocksberge gewesen, ehe Ihr herkommet. Ihr habt ge-
macht, das ich nuhn das gantze Jahr die Timer zumachen
mucs. Wo wolt Ihr mitt meiner Frawen hin?
Wilhelm. Nach Hove, Nachbalir Hans, nach IIovo. Woldt Ihr nicht
auch nntt? Ihr seidt so zornig, vndt ich dachte, ich Avolte
Euch einen giiten Willen daran thuen.
Das Zwischenspiel vom wiinderthätigen Stein 2. 271
Haus. Ich frag- viell nach deinem guten Willen. Wen ich mitt
meinem Weibe nach Hofie gehen will, Aveiß ich woll ander
ehrlich Geselschaift zu finden alß dich.
Wilhelm. Alß mich? Was mangeldt dir dan an mir? Bin ich nicht
so redlich alß du?
Hans. Du? 0 ja. Ich Avoldt dennoch nicht gerne. Weistu nicht,
was du bist?
Wilhelm. Was bin ich dan? Sag her!
Hans. Du? Was du bist, weistu das nicht?
Wilhelm. Nein, das weiß ich nicht. Drumb sag du mirs!
Hans. Ja ja, komb du nuhr hierher! Ich Avill dirs avoH sagen,
was du bist.
Wilhelm. Nuhn so sag her!
Hans. Du bist — ich mach für diesen guten ehrlichen Leuten
nicht sagen, was du bist.
Wilhelm. Das machstu woll thuen, vndt ich wils auch von dier
wissen. [95 b]
Hans. Du, du bist ein Muller —
Wilhelm. Ja, das weiß ich vorhin avoH. Ich dacht, was es sonst
wehre.
Hans. Vndt ein Muller ist ein Dieb.
Wilhelm. Was sagstu? Bin ich ein Dieb?
Hans. Das sag ich nicht. Ich sag, du seyst ein Muller.
Wilhelm. Das beken ich.
Hans. Vndt ein Muller ist ein Dieb.
Wilhelm. Bin ich dan ein Dieb?
Hans. Das sag ich nicht. Ich sag nuhr, das du ein Muller seyst.
Wilhelm. Nuhn hör mich wieder. Nachbahr Hans! Kein Hanenrey
ist ohn Weib.
Hans. Ja, das ist wahr. Den Aver kein Weib hatt, dem darff
nicht A'or Hörnern graAven.
Wilhelm. Nuhn hastu ja ein Weib. Ist das nicht Avahr?
Hans. Ja, bin ich drumb ein Hanenrey? Waß sagstu?
Wilhelm. Das sag ich nicht. Ich sag, du hast ein Weib.
Hans. Ja, das hab ich vndt will sie auch vor dir noch avoH be-
halten. Drumb packe dich nuhr zu Hause vndt komb
nicht ehe wider, biß ich dir Boten schicke!
Wilhelm. Ja, du sohlt a\ich woll warten, ehe ich Avider komb. {Ex/t.)
Hans. Weib komb her Anidt reumb auff! Ey du ehrbain-es
Zoberlein 1), du bist ein trewes Weib. Vnscr Nachbahr
Wilhelm Aveiß dir dein Ehre aufzudecken.
Greth. Ja, Nachbahr Wilhelm. Waß sagt er dan? Er kan ja
nicht mehr sagen, alß die Wahrheitt ist.
^) In oberdeutschen Mundarten eine verächtlich-scherzharte Be-
zeichnung einer unreinlichen Person (Schineller, Bayr. Wörterbuch ^
2, 1075).
272 Bolte, Das Dauzig-er Theater.
Hans. Ey du lose Huer, ist es die Wahrheitt, so mag ich avoU
friigeii, ob ich ein Hanenrey bin. Packe dich hinweck,
dn lose Fetteil! — Ich nniß dennoch die rechte Wahrheitt
wissen, wie es vmb dise Sach bewandt ist. Zum Haberstro
da wohnt ein Crumanticus^), der den Teuffell bannen kan;
der soll den Leuten andere Gestaldt geben können. Den
muß ich bitten, das er mich meinem Nachbahr Wilhelm
ehnlich mache; vndt Avan ich dan seine Gestaldt habe,
so will ich zu meiner Frawen gehen vndt sie probiren.
Waß gildt, ich werde hinder den Windt kommen! (Exü
Hans, icirdt musicirt).
[99 a] Iiitercalaris 3.
Wilhelm {in Gestaldt eines Schioartzkünstelers 'initt einem Stab vndt
Buche.) Ich Inn in Erfarung kommen, das mein Naclibahr
Hans Leberwurst anhcro nach dem Haberstro sich machen
wolle im Willens, den Teuffelsbanner vmb Raht zu fragen,
wie er erfahren möge, ob ich vmb sein Weib buhle oder
nicht. Nuhn habe ich mich in diese Gestaldt verkleidet,
auch meine vermeinte Geister verstecket, zu versuchen,
ob icli ihn noch betrigen möge. Aber still, da kombt er.
Hans (intrat). Pfuy, das dich der Dibeslienker hole! Ich liabe
mich schier zu lang zu Hoffe auflgehalten, das ich fast
zu spadt komme, den Crummanticus zu erfragen. Aber
wart, behüte mich Gott, was stehet da vor ein scheußlich
Creatur! Ist das nicht der [99b] Crummanticus selber, so
wirdt er mich doch woll an ihn weisen können. {Wilhelm
macht einen Circiis , murmeldt vndt machet allerhandt
Gestus.) Gluck zu, Monsieur!
Willielm. Wardt, bleib zurück vndt kom nicht neher, oder der
Teufel holdt dich.
II ans. Da behüte mich Gott für! Seidt lln- dan der Crummanticus,
der den Teuffell bannen kan?
VViliiehn. Ja, der bin ich, vndt du heist Hans.
Hans. Ja, das ist wahr.
Wilhelm. Ja, was mehr, du eyferst mitt deinem Weibe.
Hans. Das ist auch wahr. Welcher Tev;fl"ell mag ihm (l;is ge-
sagt haben? Wolier wist Ilir das?
Willicliii. Auß meiner Kunst weil> iclis; vndt du iictlest gern deines
Nachbahr Wilhelms Gestaldt an dier.
Hans. Ja. Kondt Ihr das woll zu wege bringen?
Wilhelm. Ja, durch meines Geistes Hulft' gantz woll.
Hans. Was ist den das, Ewer Gei.st? Ist das der TeuttcH?
Wilhelm. Ja. Be^-ehrestu ihn zu sehen?
^) Soll heissen: Necromanticus.
Das Zwischenspiel vom wunderthätigen Stein 2—3. 273
Hans. Ja. Kondt Ihr avoU allerley Tenffell machen?
Wilhelm. Ja. Manteuffell, Frawentenffell vndt Junckfrawenteuifel.
Hans. Ey, so last vns einen Junclcfrawen-Teiiffel haben! Dan die
FraM^en-Tenffell sein woll gar zu böeß.
Wilhelm. Nuhn so komb herein in diesen Cicrcul ! Du must dich
auch nicht furchten.
Hans. 0 nein. Hab ich doch mein Keule^) bey mir!
Wilhelm. Ja, was fragt der Teuffell nach deiner Keule!
Hans. Ja, M^as fragt mein Keule nach dem Teuffei!
Wilhelm. Nuhn, so schawe woll zu! {E?' f enget an aufi dem Buche
heimblich etwas zu murmele?!, endtlich ruffet er:) Astarot,
kombherauß! Herauß, Astarot! {Astarot kombt vndt leufft
vmb Hansen her vndt zafff^) ihn; der zittert vndt hebet
vndt ist voller Angest, endtlich laufft er ivieder iveck.)
Hans. Ach Her Gott, Her Gott, ach mein Hertz, mein Hertz!
Wilhelm. Wie nuhn, Hans? Wie ist dier, furchtestu dich? Ich meine,
dir wehre nicht bange furm Teiiffell.
H a n s. Nein, mir ist nicht bange ; ich krig nuhr ein Fieber, vndt
drumb bebet mir der Leib also. [100 a] Nuhn ich sehe,
das Ewer Kvinst gewiß ist. Drumb so sagt mir nuhn,
was ich thuen muß, das ich meines Nachbahr Wilhelms
Gestaldt hekomb!
Wilhelm. Ja, wen du das begehrest, so mustu zuvor Achtung geben,
waß ich dier erzehle.
Hans. Nuhn gar guett.
Wilhelm. Vors erste so mustu in 4 Wochen kein Wein noch Bier
trinken, sondern lauter Wassei*, lauter Wasser.
Hans. Ey nein, das kan ich in den Schuhen nicht vertragen.
Waß soldt ich dan damitt im Bauche thuen? Oder der
Herr meinet vielleicht Canneelwasser, Calmußwasser, Anniß-
wasser ?
Wilhelm. Nein, lauter Brunnenwasser muß es sein. Darnach so
mustu in 4 Wochen auff keinem Bette, auch nicht bey
deiner FraAven schlaffen, sondern auff der bloßen Erde
liegen.
Hans. Ja ja, so wirdt sich Nachbahr Wilhelm baldt zu ihr finden.
Wilhelm. Vndt darnach, kanstu auch lesen?
Hans. Ja, ich kan woll lesen, aber nicht buchstabiren.
Wilhelm. Gar guet. So nimb dieß Buch vndt gehe mitten in der
Nacht vmb Klock 12 3 mahl vmb deiner Mutter Grab vndt
ließ dieß Buch 3 mahl darüber durch! So wirstu darnach
einen zimblichcn großen Stein bey der Kirchthur liegen
^) Hans trägt also die Bauernwaffc, den Knittcl, wie auch S. 274
Wilhelm einen solchen holt. Ebenso erscheint er oben S. 189 mit einer
'Keule'.
2) zafen = züchtigen.
Th. F. XII. 18
274 Bolte, Das Danziger Theater.
finden. Den nimb anff, vndt wen du den auff der Aehsell
treg-est, so hastu deines Nachbahr Wilhelms Gestählt so
eigendtlich an dier, das er dich selber vor seinen Geist
vndt dein Weib für ihn ansehen werde.
Hans. Ist das gewiß?
Wilhelm. Prohatum est.
Hans. Nuhn, nuhn, Herr Cramantictis, ich wils vohr prolnren vndt
wo es hilfft, so will ich Euch einen gantzen Schrecke-
nißen [?Schreckenberger] zu Lohn geben.
Wilhelm. So viell begehr ich nicht. Brauchts nuhr gesundt vndt
kombt auff ein ander Mahl wieder zu mir!
Hanß. Nuhn Adieu, Herr Crammanticus, (Exeunt.)
[103 b] Intercalaris 4.
Hanß Leberwurst {hatt einen (jrossen Stein auff der Aehsell). Ey
Potz Veiten, wie ist mir daß so saAvr worden, ehe ich diese
Kunst erworben! Diß ist der Stein, von dem mir der
Crammanticus sagte. Jetz will ich vor Nachbawr Wil-
helms Thuer gehen vndt an ihm die Kunst zuerst probiren.
Ich Aveiß, Ihr kendt mich itzundt selber nicht; dan Ihr
meindt gewiß, ich sey Nachbawr Wilhelm. Laß sehen, hie
wohnet er ja. Holla, holla, macht axifi"!
Wilhelm (imvendig). Wer klopfft draussen? Waß wiltu?
Hanß. Ich bin da vndt will in meine Mühlen.
Wilhelm. In deine Mühlen? So gehe hin, da du deine Mühlen hast'
Hanß. Meine Mühle ist hie, vndt ich Avill hinein. Drumb mach
auff!
Wilhelm. Ist sie dein? Wie heissestxi dan, vndt wo hastu sie be-
kommen?
Hanß. Ich heiß Wilhm Winten vndt habe die Mühlen mitt meinem
Weibe Trineken, Claus Glatten Tochter, erfreyet.
Wilhelm. Das leugstu. Das ist mein vndt meines Weibes Nahm,
vndt die Muhl hört mir zu.
Hanß. Das leugstu. Das ist mein Nahm, vndt Trineke ist mein
vndt die Mühle dazu. Drumb packe dich hcrauß!
Wilhelm {kuckfetj oben heraitß). Laß sehen, wo bistu dan? Behüte
mich Gott! Bistu ein Gespenst, oder hatt dich mein Geist
besessen? Wardt, ich muß dirn außbannen!
Hanß. Ja ja. Hatt dicli mein Geist beschißen! Nein, nein, itz
deucht Euch Raht [teuer] sein. Ich muß den Stein woll
weck thuen; ich mocht sonst Stoße bekommen, {legt den
Stein weck.)
Wilhelm {leuf}'t zornig hermiß mitt der Keule). Das dicii die Finge
bestehe! Kau ich in meinem eigenen Losament niclit zu-
friden sein?
Das Zwischenspiel vom wunderthätigen Stein 3—5. 275
Hfinß. Nachbniir, Nachbahr! Waß schadt Euch? Wo woldt
Ihr hin?
Wilhelm. Ey, da ist ein Schelm für meine Timer kommen, der hatte
meine Gestaldt an sich genohmmen, sagte, mein Weib vndt
diese Mühle Avehren sein, vndt Avolte mich gahr daranß
verjag'en. Ich geriht vast in Zweiffei, ob wehre er ein
Gespenst. Ist er Euch nicht begegnet? [104a]
Hanß. Ja, Nachbawr, da lieff er allererst hin nach dem Hinke-
dahlP). Ich meinte, Ihr wehret es gewesen, das Ihr etwa
die Donaw stawren^) vndt Krebse fangen wollen.
Wilhelm. Ich wolte ihm den Geist außgebannet haben, hette ich ihn
bekommen. WoU, ich will sein warten; er kombt noch
wieder. Nachbahr, Gluck zu!
Hanß. Daß dich der Teuffels! Wer hette gegleubet, daß in einem
harten Stein so viell Kunst verborgen wehre! Nuhn sehe
ich, daß diese Kunst probatum ist. Nuhn soll mein Weib
mich nich mehr betrigen. {Exil; icirdt musicii^t)
[105 b] Intercalaris quintus.
Wilhelm. Nuhn hette ich all mein Tag nicht gehoffett, das mir der
Poß mitt dem Stein so woll fordtgangen wehre. Wie ist
mancher ein Narr vndt weiß es nicht! Itz muß ich zu
seinem Weibe gehen vndt sie in dieser Sach, ehe er zu
Hauß kombt, ein weinig vnterrichten. Holla, Nachbahrin!
Wo seidt Ihr? Komt herfür!
Greth {inivendig). Wehr ist draußen? Was woldt Ihr?
Willielm. Das Kamraht^), Nachbahrin. Kombt her!
Greth {intrat). Ho ho, die Lose*) verstehe ich schoen. Seydt
Ihr da, mein Schatz? Was bringt Ihr guts? Habt Ihr
den Narren, meinen Man, nicht gesehen? Er ist gestern
außgangen vndt kam erst nach Mitternacht zu Hause,
vndt heute frühe, so baldt der Tag anbrag, wieder zum
Hause hinauß. Hab ihn auch seiter dem nicht wieder
gesehen.
Wilhelm. Ja, Nachbahrin, wen Ihr sein Gescheffte wüstet, Ihr durfftet
noch woll lachen.
Gredt. Ey mein Schatz, ertzehlt mirs docii!
1) Oder: Huckedahll.
2) stüren, stören = stöbern, stocliern.
3) Eine Anspielung auf das Singspiel von der Müllerin und ihren
drei Liebhabern (Bolte, Die Singspiele der engl. Komödianten S. 120,
vgl. 34).
*) d. h. Losung, Wahrzeichen; vgl. oben S. 212 1.
276 Bolte, Das Danzig-er Theater.
Wilhelm. Ihr erinnert Euch noch, was newlicher Zeitt bey der
Suppen zwischen vnß sich begäbe. Da hatt der Narr ein
Arg-wahn auff vnß geschöpffet, ist bey ihm Raths worden,
zum Schwartzkuustlehr zu gehen; der soldt ihm ein Kunst
lehren, daß er meine Gestaldt an sich nehmen konte. Wie
ich solches erfahren, habe ich mich vor einen Schwartz-
kuustlehr außgegeben vndt ihm einen großen schwehren
Stein an den Hals geschwatzet, wen er den auff der
Achseln habe, sey er mir gantz gleich vndt habe geutz-
lich mein Gestaldt an ihm.
Gredt. E3", hertzlieber Nachbhar, was sagt Ihr? Da geschieht
ihm eben recht; der Eyfer^) muß solchen Lohn haben.
Wilhelm. Darumb, Nachbharin, wen er mitt dem Stein heimb kombt,
must Ihr ihn in solchem Glauben laßen vndt Euch nicht
anders stellen, ob suchte ich etwas Vngebuhrlichs an Euch.
Gredt. Sey dt Ihr nuhr zufriden, lieber Nachbahr! Den Gelahrten
ist guet predigendt. Immittels komt herrein vflf eine Kanne
guten Breyhan^) vndt ein par Prilken^) mitt Schmaltz
gebacken!
Wilhelm. Vndt ich will nach meinem Knechte schicken, das er im
Kolcke'*) den Korb vffzihe vndt bring vnß ein Eßendt
Fische dazu, wo sie sonst vorhanden sein. {Exeunt, ivirdt
ntusicirt.)
[109 a] Intercalaris 6.
Hans. Nuhn muß ich auch mein Weib probiren. Was gildt, wo
sie mich kennen wirdt! Holla, Naclibahrin, macht auff!
Gredt. Wer klopffet draußen? Was woldt Ihr?
Hans. Ey, macht auff, Nachbahrin! Ich bin da.
Grete Eintrat). Seydtihr da? Was woldt Ihr, Nachbahr Wilhelm?
Hans (NachbaJir Wilhelm). Ey, Naclibahrin, wo ist doch Ewer
Man? Ist er nicht daheimb?
Greth. Nein, Nachbahr, er ist außgangen; ich weiß nicht, wo
er ist.
Hans. Ey, das ist guet, Nachbahrin. So haben wir desto beßer
Raum {will nie hertzen; sie icehret sich).
1) d. h. die Eifersucht.
2) Eine Art Weissbier, die besonders in Leipzig, Halle und
Halberstadt gebraut wurde.
^) Prüllekc, ein kugelförmiges Backwerk, Pfannkuchen; nocli in
Braunschweig und in der Altmark bekannt (J. tcn Doornknat-Kool-
inan, Wörterbiich der ostfriesischen Sprache 2, 703).
*) Grube mit Wa.sser (ursprünglich nd.).
Das Zwisclienspicl vom wundevthJitig'cn Stein 5—6. 277
Greth. Wie so Raum, Naclibahr Williclm? Ich glaub, Ihr seidt
nerrisch. Wie steldt Ihr Eucli so? [109b]
Hans. Ja wahrlich, wie stcldt Ihr Euch so, alß wen wir woU
nicht ehe zusamen gespintzelt^) hetten?
Greth. Was Teuffells ist das, g-espintzelt? Wen das mein Man
horete, dorfft er woU etwas anders darauß denken. Drumb
packet Euch vndt last mich zufriden!
Hans. Ey, Nachbahrin, Ihr stellet Euch wundorlich an. Ich weiß
ja, das Ihr mich lieb habet.
Greth. 0 ja, ich dachte, was es sonst Avehre. Ich habe selber
einen Man, der fürwahr woU schöner ist, alß Ihr seidt,
wen ich ja wehn lieben will. Drumb packet Euch weck,
oder ich will ihn ruffen, er soll mich baldt Ruhe schaffen.
Hans. Ey, Nachbahrin, nicht so eyferig!
Greth. Ey, packet Euch! Holla, mein Man, avo seidt Ihr? Juncker
Hans LeberAvurst, kombt, helfft mir doch! {leufft hinein,
rufet ih7'em Man.)
Hans. Nuhn hette ich nicht geglaubet, das mein FraAV so richtig
Avehr. Ich muß mich zu erkennen geben.
Grete {kombt wier). Der lose Kerell! {erschrickt., gleich wie sie
ihren Man sihet.) Ach mein lieber Man, seidt Ihr da?
Das ist guet. Vnser Nachbahr Wilhelm Avahr da vndt
macht mir solch Vngemach, das ich Euch zu Hulffe rieff.
Habt Ihr ihn nicht gesehen?
Hans. Ja freylich, ich hab ihn gesehen. Er ging gleich itzundt
in vnser Hauß hinein. Gehe nur hinein, du findest ihn.
Greth. Das glaub ich kaumb. {gehet hinein, ihn zu suchen.)
Hans. Ich muß noch ein weinig KurtzAveill haben, {nimbt den
Stein wieder auff. Greth kombt ivider herauß.)
Greth. Sihe, bistu wider da, du Bösewicht? Man, Man, avo seidt
Ihr? Komt mir zu Hulffe! Wo seidt Ihr?
Hans {seposito lajnde). Hie bin ich, Gredt. Was schadet dir?
Greth. Wie soll ich das A^erstehen, Über Man? Ich glaub, Ihr
könnet zaubern.
Hans. Wer? Ich, Greth? 0 nein, da bin ich viell tax einfeltig
zu. Ich kan nuhr sonst so eine Kunst. SchaAV dort, Greth,
was ist in jennem Winkell? {Greth sihet sich vmb; mittler
tveill nimt er den Steiyi auff.)
Greth. Man, Man, avo seidt Ihr? Nachbahr Wilhelm ist Avider
da {seponit lapidem). Ja, nuhn ist er schoen wider
weck. Ey, mein lieber Man, saget mir doch, Avie gehet
das zu?
Hans. Ja, das Avill ich dir avoU sagen, du Aveist avoII, das du von
vnserm Nachbahr Wilhelm viell allzeitt hieltest, das mir
^) Wohl A'on Spund, verspunden abzuleiten.
278 Bolte, Das Danziger Theater.
auch leide wahr, [110 a] er wehre bey dir beßer alß ich
gepeten. Drumb bin ich zu einem Crummanticus gegangen,
der hatt mir diese Kunst gelehret, Avie du itzundt sihest.
Schaw da! [Er nimbt den Stein au ff.)
Greth. Ja, sehet wahrhch, nun sehet Ihr Nachbahr Wilhelm,
(seponif) vndt nun sehet Ihr mein lieber Man.
Hans. Vndt weill ich dich nuhn probiret habe, so finde ich dich
trewe. Darumb wollen wir allen vnsern Haß damitt auff-
heben; den du bist mein {amplectuntur se mutuo).
Greth. Vndt ich bin dein^).
Hans. Den didel didell didell deine. Nuhn horstu, Greth, gehe
hin vndt rueff vnseren Nachbahr Wilhelm zu vnß! Wir
wollen vnß auch mitt einander vertragen.
Greth. Von Hertzen gern, mein lieber Man. (Exit Greth.)
Hans. 0 du edler Stein, der du so große Ki-afft vndt Tugendt
in dier hast, dich will ich preisen vndt alle Ehr beweisen.
Ihr Herrn, ist jemandt vnter euch, der dieses Steins von
nöthen hatt, der komb in der Zeitt, so hatt er ihn in der
Noht. Wen ich sterbe, so bin ich thoet; so kriget Ihr ihn
hernach Ewer Tage nicht mehr. Man findet ihn bey mir,
Meister Hans Leberwurst, wohnhafftig in der Corduanischen
Sackpfeyffen in der finster Strassen; man kan ihn in Goldt
einfassen lassen vndt wie ein Perrel ins Ohr henken.
{Intr. Gret vndt Wilhelm.) Oho, Nachbahr Wilhelm, wie
hats Euch lang gangen ? Potz Veiten, es ist guet, das
Ihr kommet. Ihr wisset, das ich mitt Euch wegen meines
Weibes geschweret^) habe; aber weill iclis nuhn besser
erfahren, wollen wir vns wieder zusamen vertragen.
Wilhelm. Ja, Nachbahr Hans, nuhn sehet Ihr aber woll, das Ihr mir
Vnrecht gethan.
Hans. Ja, das ist woll walir; drumb bittet mirs ab, so will ichs
Euch verziehen. Sols vertragen sein?
Wilhelm. Nuhn, ich bins woll zufriden. Da ist mein Handt.
Hans. Nuhn so kombt mit mir herein! Ihr sollet von Abendt
mein Gast sein. {Inter etmdtim hertzet Wilhelm die Greth,
icelches Hans sihet.) Was? Was ist das, Nachbahr Wil-
helm, das Ihr bey meiner FraAveu thuet?
Wilhelm. Nichts Böses, Nachbahr Hans, Ich sagte ihr nuhr, ich
wolte meiner Frawen auch Boten schicken, wans Euch
nicht zuwider wehr. Da andtwortet sie mir, sie wolt
sie holen.
^) Über diese weitverbreitete alte Formel vgl. Bolte, Zeitschr. f.
deutsches Altertum 34, 161 und Anzeiger 17, 343. Häuften, Gottschee
1895 S. 175.
2) Etwa = gezürnt; von schweren := beschweren?
Das Zwischenspiel vom wiiuderthätigen Stein 6. 279
Hans. Sonst nicht? Nuhn, sehr guet. Folget nach! {Er hertzet
sie aber ein.) Was? Was bedeut das, Nachbahr? Macht
Ihrs auch zu grob? [110b]
Wilhelm. Ey nicht, Nachbahr Hans. Ich sagt ihr, ich woldt vns ein
Kan Weins zum besten geben. Da sagt sie, sie woldt ein
dag'egen g"eben.
Hans. Hört, Ihr Nachbahr Wilhelm, wen Ihr meiner Frawen was
Heimblichs wollet, das raunet ihr ins Ohr vndt nicht ins
Maul! {Er hertzet sie zum dritten Mahl.) Nein, das wir[d]
mir gar zu grob. Grethe, gehe vohrher! Nuhn, Nach-
bahr, folget nach! {Exeunt. Wirdt musicirt.)
Nachträge.
S. 3, Anrn. 2. Heinrich Mol 1er stammte nach der Liste der
Wittenberger Magister aus Witzenhawsen {Wiczenhusensis liessus) und
g-ehörte 1557 als Docent der Wittenberg-er philosophischen Fakultät an
(J. Köstlin, Osterprogramm der Univ. Halle 1891, S. 14. 28).
S. 3, Anm. 4. Gualtherus' Nabal wurde auch 1584 in Prag auf-
geführt (Wolkan, Böhmens Anteil an der deutschen Litt. 3, 380).
S. 10, Anm. 3. Über den Zusammenhang der Fechtschulcn
mit den Meistersäng'ern vgl. A. Hartmann, Deutsche Meisterliederhand-
schriften in Ung-arn 1894 S. 38-42; auch Genee, H. Sachs 1894 S. 116.
S. 10, Anm. 5. Vg'l. noch A. Hartmann, Meisterliederhss. S. 13.
S. 22, 1590. Ein Puppenspiel vom jüng-sten Gericht wird auch
S. 33 erwähnt; ein andres, das 1590 in Trautenau aufgeführt wurde,
citiert Wolkan 3, 379; eine Grazer Darstellung- von 1589 Ilwof, Mitt.
des histor. Vereins für Steiermai'k 33, 126.
S. 33, Z. 4. Puppenspiele vom reichen Manne und armen
Lazarus wurden 1584 und 1590 in Nördlingen (vgl. auch oben S. 27),
solche vom verlorenen Sohne ebenda 1593 und in Königsberg 1599
dargestellt (Trautmann, Archiv f. Litteraturgesch. 13, 69 f. Hag-en,
Gesch. des Theaters in Preussen S. 9).
S. 34, Anm. 1. Mach in suchte im Mai 1605 in Strassburg um
Spielerlaubnis nach, wurde aber abgewiesen (Archiv f. Litteraturgesch.
15, 116).
S. 38, oben, tlber Spencers Aufenthalt in Rothenburg a. T.
und in Strassburg, wo er 1614 ein 'Spiel, so von der Obrigkeitt ist',
g-ab, vgl. Archiv f. Litteraturgesch. 15, 118 und Zs. f. vergl. Litteratur-
gesch. 7, 63.
S. 41, Anm. 1. William Pedel trat schon im Nov. 1608 zu Leiden
auf (Cohn, Shakespeare in Gcrmany S. LXXXIII).
S. 48, Mitte. John Green spielte zu Utrecht am 15. Nov. 1613
und am 17. Juli 1620 (W. G. F. A. van Sorgen, De Tooneelspeelkunst
in Utrecht, 's Gravenhage 1885).
S. 62, Z. 7 v. u. Lies: 'siebet nicht, das .... malil könne.'
S. 62, Anm. 1. Ein Porträt von M. Albinus in Tuschzeichnung
citiert Seidel, Neue preuss. Provbl. 2. Folge 5, 3 (1854).
Nachträge. 281
S. 68, Anm. 2. Willem von Roo bat im Juli 1645 in Utrecht
mit mehreren eng-lischen Komödianten, 'edoch alliier binnen Utrecht
getrouict, gehuijst ende gehoofd sijnde\ um Spielerlaubnis (Worp,
Nederlandsch Museum 1886, 1, 74).
S. 79, Anm. 1. Über ein in Eger während des 15. Jahrhunderts
übliches Dorotheenspiel vgl. Gradl, Mitt. d. Vereins f. Gesch. d.
Deutschen in Böhmen 33, 188 (1895).
S. 85, Anm. 3. Vgl. namentlich noch G. Bapst, Essai sur l'histoire
du theatre, la mise en scene, le decor, le costume, rarchitecture, reclai-
rage, l'hygiene. Paris 1893. 4^.
S. 95, Anm. 2. Ein gestochenes Bildnis von J. Maukisch citiert
Seidel, N. preuss. Provbl. 2. Folge 5, 14 (1854).
S. 103, Anm. 4. Über den Dialekt der niederdeutschen Posse
Bauer Hans unter den Soldaten' vgl, Bolte und Seelmann, Nieder-
deutsche Schauspiele älterer Zeit 1895 S. 164.
S. 111, Anm. Der 1666 von Drey angekündigte *beklä gliche
Zwang' war doch wohl mit dem Stücke von Isaak Vos identisch.
Dies wurde noch am 17. April 1741 von holländischen Schauspielern
in Hamburg aufgeführt (Heitmüller, Theatergeschichtliche Forschungen
8, 115).
S. 114, Nr. 5. Das Drama von Doktor Faustus ging wie
andre Stücke von Paulsens Repertoire in Veltens Besitz über und
wurde von diesem am 18. Mai 1688 zu Bremen gespielt^). Ich teile
den erhaltenen Zettel nach der photographischen Reproduktion bei
0. Heuer (Ausstellung von Handschriften, Druckwerken, Bildern und
Tonwerken zur Faustsage und Faustdichtung. Frankfurt a. M. 1893
Nr. 150, Taf. 13) mit:
Heute Freytag', den 18. May. | Werden die | Sächsischen Hoch-
Teutschen 1 COMOEDIANTEN \ Auif ihren Schau-Platz das unver-
gleichliche und Welt- | bekandte Stück präsentiren, genandt: | Das
Leben und Todt des grossen | Ertz-Zauberers, | D. JOHANNES
FAUSTUS I Mit Vortreffhcher Pickelhärings Lustigkeit von | Anfang
biß zum Ende.
In dieser Haupt-Action wird mit Verwunderung zu sehen seyn :
1. Pluto auf einen Trachen in der LiifTt schwebende.
2. Doct. Faustus Zauberey und Beschwerung der Geister.
3. Pickelhäring in dem er Gold samlen wil, wird von allerhand
bezauberten Vö- | geln in der Lufft vexiret.
4. Doct. Faustus Panqvet, bey Avelchen die Schau-Eßen in wunder-
liche Fi- I guren verwandelt werden.
5. Seltzam wird zu sehen seyn, wie aus einer Pastete Menschen,
Hunde, Katzen | und andere Thiere hervorkommen und durch
die Lufft flü"-eu.
1) Die Ankündigung des ebenda zwei Tage zuvor gegebenen
'Wallenstein' hat Könnecke, Bilderatlas ^ 1895 S. 199 reproduciert.
282 Bolte, Das Danzig-er Theater.
6. Ein Feuerspeyende Rabe kombt durch die Luift geflogen, und
kündiget Fau- | sten den Todt an.
7. Endlich wird Faiistus von den Geistern weg geholet.
8. Zuletzt wird die Hölle mit schönen Feuerwercken außgezieret,
präsentiret | werden.
Zum Beschluss sol denen Hochgeneigten Liebhabern, diese gantze
Haupt-Action, | durch einen Italiänischen Schatten präsentiret werden,
welches vortrefflich | Rar, und versichert das Geld doppelt werth ist,
worbey auch eine Masqve- | rade von 6. Persohnen, nemlich ein Spa-
nier, zwey Gaudiebe, ein Schul- | meister, ein Bauer und Bäuerin,
welche alle ihren absonderlichen Tantz | haben, und sehr lächerlich
wird anzusehen seyn.
Nach diesen sol zum Nach-Spiel agiret werden, die vortreffliche
und lu- I stige Action aus den Frantzösischen ins Teutsche übersetzet,
genandt: | Der von seiner Frauen wohl vexirte Ehemann, | George
Dandin.
Und weil es Heute ohnfehlbar zum letzten mahl ist, sol auff den
hintersten Platz nicht mehr | als 8. Grot genommen werden, welches
zur Nachricht. || Der Schau-Platz ist in Sehl. Capitain Nissen Hause,
auff der Langen Strasse | vor der Natel. Wird 2>raecise umb 3. Uhr
angefangen. | Einer sage es dem andern.
S. 115, Z. 17 V. u. Lies metoposcopie.
S. 119, Nr. 20. Vgl. M. Landau, Die Dramen von Herodes und
Mariamne. Zs. f. vergleich. Litteraturgesch. 8, 175.
S. 120, Nr. 32. Der 'Speckdieb' mag mit der Maskerade auf der
soeben abgedruckten Veltenschen Ankündigung des Doktor Faustus
identisch sein.
S. 129, Z. 13. Ein italienisches Schattenspiel wird auch auf
dem soeben zu S. 114 mitgeteilten Zettel Veltens erwähnt.
S. 130, Anm. 1. N. Flor schütz aus Ummerstadt bei Heldburg
lebte, wie eine Eintragung im Stammbuche seines fränkischen Lands-
mannes J. V. Meder (vgl. S. 145) unter dem 12. August 1674 ergiebt,
damals gleich diesem in Reval, vermutlich als Schulkollege.
S. 101, Anm. 5. Vgl. Rigaer Tagol)latt 1895, Beilage zu Nr. 65.
S. 163, Amn. 1. Weini lUidolph (Rigaer Tageblatt 1895, Beilage
zu Nr. 53. 76) erzählt, dass Martin Müller in Riga auch 1717, 1718, 1721
und 1737—38 gespielt habe, so verwechselt er ihn mit Joh. Christoph
Müller und mit Gabriel Möller.
1. Kesrister.
Personen- und Ortsnamen.
Aachen 145.
Adeler, Elias. Schauspieler 1 39 f. 142.
Ärschen, Arend. Schauspieler 63.
172.
Aeschacius Maior. Schriftsteller 23.
Ag-ricola, Joh. Dramatiker 9.
Ake, Joh. Danziger 61.
Albini, J. G. Dramatiker 163.
Albinus,Mich. Dramatiker 62.89.280.
Albrecht, Liidw. Danzig-er 61.
Alckmaar 134.
Alexej Michailowitsch. Zar 97.
Altdorf 30.
Altenbiiro- 120.
Altona 134.
Amadis. Roman 113.
Amsterdam 93. 130. 150. 152. 154.
Andreas, David. Danzig-er 61.
Arnim, A. v. Dramatiker 225.
Arp, J. van. Dramatiker 230.
Arzonni, Const. Dramatiker 118.
Arzschar, Robert. Schauspieler 41.
Asken, Aaron. Schauspieler 63. 68 f.
Augsburg- 10. 36. 59. 97. 139. 144.
145. 150. 157.
Aug'ust Friedrich, Herzog- von
Schleswig-Holstein 99.
Augustin, Jac. Schulmeister 59.
Avrer, Jac. Dramatiker 16. 23.
26 f. 38. 175 f. 222 — 224. 225.
228 f. 230.
Badische Hofkomödianten 119. 157.
161.
Bärenhetzen 42. 57. 70.
Baireuth 97.
BaireuthischeHofkomödianten 156.
Bandello, M. Novellist 22 f. 219 f.
Bantzer, Hans. Meistersänger 10. 37.
Bara, Jan. Dramatiker 176.
Barfuss, Chr. Danziger 61.
Baryka, P. Dramatiker 67.
Basel 96. 97.
Bautzen 59.
Beidler, J. M. Schauspieler 153.
Belleforest, F. Novellist 22. 219.
Benteley, Georg. Schauspieler 125.
Bergen 66. 78. 96. Bergener Ko-
mödianten 31 f.
Berleth, Jorge. Puppenspieler 22.
Berlin 40. 52. 82. 97. 102. 126. 134.
139. 144. 152. 154. 156. 157.
Bevern 100. 139. 157. 226.
Biberach 78.
Bioni, Ant. Musiker 164.
Bitner, J. Dramatiker 29.
Blendwerk 85.
Biese, Israel. Kürschner 37.
Blümel, Christoph. Schauspieler 93.
119. 120. 177.
Boccaccio, Giov. 17. 173. 238.
Bockhäuser, Chr. Schauspieler 126.
128.
Bönicke (Penicke), Heinr. Wilh.
Schauspieler 161.
— , Victoria Clara. Schauspielerin
111. 114. 160 f.
Bogislav X., Herzog von Pom-
mern XL
Boisrobert, F. Dramatiker 120.
121. 144.
Boisteau, P. Novellist 22. 219.
Bolzoni, Bart. Ingenieur 72.
Bornbach, Stanislaus 1.
Boy, Adolf. Maler 72.
Brande, G. van den. Drama-
tiker 79.
Brandenburg: vgl. Friedrich III.,
Friedrich Wilhelm L, Georg Wil-
helm, Joachim Friedrich, Johann
Sigismund; Christian Wilhelm;
Eleonore, Elisabeth Henriette.
Brandt, Mauricius. Novellist 23.
Braun, G. Ph. Bereiter 162.
Braunsberg- 57. 88.
284
Bolte, Das Danziger Theater.
Braunschweig- 96. 134. 145. 157.
Vjil. FercL Albrecht, Heinrich
Julius.
Brecoxirt, G. M. de. Dramatiker
231.
Bredero, G. A. Dramatiker 221.
Bremen 97. 139. 144. 157. 281.
Brenke, Matth. Danziser 61.
Breslau 97. 138. 144. 152. 157. 162.
164.
Briese, Jonas. Danziger 61.
Brodach, Dan. Schulmeister 14. 16.
Brombacher, Balth. Schauspieler
140.
Brown, Robert. Schauspieler 35.
68. 222.
Brunerio, M. A. Säng-er 73.
Bryan, G. Schauspieler 25.
Buchanan, G. Dramatiker 29.
Buchdruckerspiel 56.
Büerel, Mich. Chronist 138.
Bügeltanz der Schiffer 9 ; der
Kürschner 58. 73 f. 150.
Bühneneinrichtung 84—88. XX.
Burchard, Abr. Dramatiker 14.
Butschky, S. v. Schriftsteller 78.
Caesar, Joachim. Novellist 23.
Calderon, P. Dramatiker 23. 117.
118. 120. 121. 144. 155.
Cammin 22.
Candamo 23.
Candorin (C. v. Hövel) 85.
Carccrius, D. E. Puppenspieler 154.
Carl, Czarlus = Paulsen, C. A.
Carncval 155.
Casimir III., König von Polen 72.
Casimir, Herzog von Pommern 22.
Cas.sel 35. 139."
Castro, G. de. Dramatiker 220.
Catanea, Margherita. Sängerin 72.
Cats, J. Dichter 163.
Cervantes, M. 111.
Cesti, M. A. Musiker 146.
Chettle, Henry. Dramatiker 26.
Chilianus Millerstatinus. Drama-
tiker 79.
Christian Wilhelm, Prinz von Bran-
denburg 33 f.
— V., König von Dänemark 85.
— Ludwig, Herzog von Mecklen-
burg 128.
— I., Kurlürst von Sachsen 22.
Christine, Königin von Schweden
76. 77.
Christoph, Herzog von Mecklen-
burg 22.
Cicognini,G.A. Dramatiker 118. 120.
Ciglerus, Jac. Schulmeister 6.
Cöslin 43.
Colberg 84. 85.
Comenius, Amor 82. 125.
Conovius, Mich. Cantor 95.
Corneille, P. Dramatiker 120.
— , Th. Dramatiker 121.
Corradi, G. C. Dramatiker 146.
Cottbus 20.
Cousser, J. S. Musiker 150.
Cox, R. Dramatiker 230.
Croix, P. de la. Dramatiker 144.
Culmann, L. Dramatiker 21.
Curaeus, Ach. Schulmeister 6.
Curike, G. R. Chronist 151.
Dänemark 49. 63. Vgl. Christian V.,
Kopenhagen.
DänischeDramen:Skriver3.Tybo31.
Dalanthus, A. G. Dramatiker 28.
Danbeck, G. Meistersänger 36.
Dancourt, F. C. Dramatiker 225.
Danzig, Stadt:
Ankerschmiedeturm 51.
Artushof 8. 58. 61.
Buchdrucker: Graef, J. F. 130.
— Hünefeldt, A. 63. — Rhete,
D. F. 138. — Rhete, G. 62. 83.
— Rhode, J. 3. 15. 16. — Stolle,
J. Z. 146. 148. — Vise, P. de 56.
Fechtschule 41 f. 51 f. 59. 61. 64.
69. 101 f. 125. 137. 158 f. 162.
166. 168. XVII.
Häuser: Callenbachs in der Breit-
gasse 124. — Hans Perwarts
am Holzmarkt 139. — SchifFer-
gilde 65. — Träger in der
Jopengasse 124.
Hundewinkel 137.
Kirchen: Heilige Geist- 8. — Ja-
cobs- 64. — Johannis 67. 108.
— Katharinen 62. — Schwai'ze
Münclien 150.
Komödiantenbude 130. 137. 139.
143. 147 f.
Lazaret 158 f.
Märkte: Holzmarkt 139.— Lan-
ger M. 7 f. 3S. 76. 159.
Ratshaus, altstädtisches 28. 31.
41. 46. 64. 65. — rechtstädti-
sches: Turm 150. Ratswein-
keller 88.
Reitschiile am Stadthofe 125.
Schiessü'arten am Hohen Thore
8. 33.'^ 34. 61. 130. — Auf der
Vorstadt 8 9.
1. Register.
285
Danzig, Stadt:
Schulen : Gvinnasium (Collegium)
3. 8. 28. '29. 30. 82. 95. — Jo-
hannisschule 147. — Katha-
riuensehule 67. 1.30. — Marien-
schule 11. IG. 28. 29. 30. 75.
Speicher 129. 138.
Thore: Grünes 11. 57. 72. 82.
93. 150. — Hohes 33. 42. 51.
57. — Ketterhagisches 58.
Wippe 139.
Zeughaus 143.
Zuchthaus 70. 147.
Danzig'; Umgebungen:
Bischofsberg 68.
Hagelsbei'g 106.
Notzkenberg 108.
Schottland 48. 51. 57. 69. 12G f.
148 f.
Stolzenberg 153.
Darmstadt 157.
Dedeken, G. Dramatiker 29.
Dekker, Th. Dramatiker 36. 114.
116.
Deloney, Th. Dichter 116.
Desmarets, J. Dramatiker 122.
Dominiksmarkt in Danzig 31. 33 f.
35. 37. 41. 47. 51. 58. 61. 63. 65.
67. 69. 76. 88. 92. 93. 96. 104.
125. 126. 130. 134. 137. 138 f. 142.
148. 154. 155. 161. XVI.
Dorpat 137.
Dran, Georg. Danziger 8.
Dresden 22. 25. 32. 35. 47. 48. 78.
85. 98. 100. 111. 114. 117 f. 119.
120. 121. 125. 134. 139. 150. 151.
157. 158. 172. 226.
Drey, M. D. = Treu.
Ducat, H. Schauspieler 134.
Durham, Wilhelm. Schauspieler 162.
Eccard, Joh. Musiker 24.
Eckenberg, J. K. Schauspieler 152.
160. 161.
Eger 60. 281. XI.
Egl, Stephan. Dramatiker 124.
Eichelin, W. Schauspieler 172.
Elbel, M. Kürschner 37.
Elbing 2. 3. 10. 34. 35. 60. 68. 139.
142. X.
p]Ienson , Andreas. Schauspieler
112. 119. 120. 137. 157.
— , Ferdinand 157.
— , F. W. 157.
— , Julias Franz 157.
— , Karl Ferdinand 157.
— , Marie Margarete 157.
Elenson, Sophie Julie 155. 157. 159.
— , Susanne Katharine 158.
Eleonore, Kurfürstin von Branden-
burg 34.
— , Erzherzogin von Oesterreich 15.
Elephanten ausgestellt 139.
Eiert, F. Buclidrucker 73.
Elisabeth Henriette, Prinzessin von
Brandenburg" 129.
— , Königin von England 172.
Elmenhorst, Heinr. Dramatiker
163 f.
Englische Komödianten 22. 25. 31.
33 f. 35. 37. 41. 46. 47 f. 51. 61.
63 f. 67. 68. 69. 76 f. 169. XIII f.
Englische Komödien 60. 110. 117.
118. 119. 192. 225.
Erasmibrüder in Danzig X.
Erfurt 6.
Euripides 28. 30.
Fabricius, Jac. Schulmeister 28.
Falck, Jer. Kupferstecher 72.
Fass, J. W. Danziger 155.
Fastnachtspiel 1. 2. 7. 37. 60. 129.
138. IX f.
Fechtschulen 10. 57. 70. 73. 76. 280.
Federfechter 76. 92.
Fenton, G. Schriftsteller 219.
Ferber, Const. Danziger Ratsherr
11. 20.
Ferdinand Albrecht L, Herzog von
Braunschweig 100.
— , Herzog von Kurland 93.
— Karl, Erzherzog von Oester-
reich 93.
Fest, Joh. Lor. Danziger 159.
Feuerwerk 57. 61. 73. 106. 128.
Figenau, Mich. Danziger 8.
Figueroa, D. de. Dramatiker 120.
Florschütz, Nie. Dramatiker 130.
282.
Föller, Mich. Dramatiker 60.
Förster, Kasp. Musiker 72.
Fonteyn, B. Dramatiker 119.
Fornenburg, J. B. van. Schau-
spieler 134.
Frankfurt a. M. 34. 35. 48. 60. 96.
97. 117. 120. 126. 134. 139. 144.
145. 151. 155. 157. 158. 161.
— a. 0. 40.
Frantzoß, Mich. Schauspieler 58 f.
Franz, Herzog von Pommern 36.43.
Freder, Const. Danziger Bürger-
meister 154.
Freislich, M. Musiker 149,
286
Bolte, Das Danziger Theater.
Freyerbott, Barth. Schauspieler 41.
43. 45.
Friedrich III., Kurfürst von Bran-
•denburg, spilter König von
Preiissen 129. 145. 156.
— Wilhelm I., König von Preussen
160. 162.
— IL, Landgraf von Hessen-Hom-
burg 99.
— Casimir, Herzog von Kurland
142.
— August der Starke, Kurfürst
von Sachsen und König von
Polen 148. 150. 159. 160.
— HL, Herzog von Schleswig-Hol-
stein 93.
Frischlin, N. Dramatiker 28.
Gadebusch 22.
Gärtner, A. Theaterunternehmer
89-92. 93.
Gardinen 85.
Gawinski, J. Dramatiker 67.
Geissier, A. Schauspieler 156.
Gellius, G. Schauspieler 68.
Georg Wilhelm, Kurfürst von Bran-
denburg 68 f.
Georgenbrüder in Danzig 7 f. X.
Gerlach, G. Danziger Wachtmeister
42.
Germanus, B. Dramatiker XII.
Gillet de la Tessonncrie. Drama-
tiker 118.
Gimonde, P. de telBologna. Puppen-
spieler 151.
Girardin, M. Dramatiker 120.
Glitzmann, Chr. Schauspieler 28.
Glücksrad 61.
Gnapheus, Wilh. Dramatiker 3.
Görlitz Ulf. 138.
Goethe, J. W. 227. XII.
Götzen, Chr. v. Danziger 61.
Gottorp 93. 97.
Goubourne, J. Dichter 219.
Gozzi, C. Dramatiker 228.
Grnef, H. de. Dramatiker 144.
Grau, Steph. Chronist 129. 138.
Gravius, Mart. Dramatiker 40.
Graz 35. 114. 126. 134. 157. 280.
Green, John. Schauspieler 35. 38.
41. 46. 47-51. 68. 119. 172.
280. XII.
Grcllinger, G. Dichter 63. 71. 110.
Gregoriusfest 11 f.
Grcsset, J. B. L. Dramatiker 23.
Griog, Joh. Schausjjick-r 163.
Groen, F. Dramatiker 155.
Gross, Barth. Kürschner 37.
Grübel, Seb. Dramatiker 3.
Grudzinski, Nie. 88.
Grünau, Sini. Chronist 1. 2. X.
Gruneweg, Mart. Chronist 7—13.
Gryphius, A. Dramatiker 84. 117.
122. 152.
Gualtherus, Rud. Dramatiker 3.
Guarini, G. B. Dramatiker 123.
Güstrow 78. 93. 97. 98. 110. 224.
Haag 134. 154.
Habermann, Simson. Danziger 61.
— , Wilh. Schauspieler 93.
Hacke, Barthold. Danziger 1.
— , Elisabeth. Danzigerin 20.
— , Hermann. Danziger 20.
— , Joh. Caspar. Schauspieler 156
159
— , Sophie Julie 155. 156 f. 159.
Hackv, Michael Anton. Abt von
Oliva 146.
Händel, G. F. Musiker 164.
Halle 33. 34. 120. 157. 162.
Hamburg 32 f. 57. 76. 78. 89. 93.
97. 98f. 120. 121. 124. 134. 139.
144. 150. 154. 157. 158.
Handwerkeraufzüge und Komö-
dien XI:
Buchdrucker 56.
Fleischer 9. 58. 76. 159.
Kaufgesellen 129.
Kürschner 9 f. 27. 36. 41. 58. 60.
73. 74. 92. 128. 150. 159.
Laufburschen 138.
Schifter 9. 57. 65. 74. 128.
Schiftszinunerleute 57. 75. 128.
150. 159.
Schmiede 124.
Speicherburschen 65.
Tischler (Schnitzker) 8. 28. 33.
123 f.
Hannover 114. 157.
Hans Leberwurst 175. 208. 232. 269.
Harsdörfer, G. P. Dichter 85. 111.
Hart, F. M. Schauspieler 126.
Harzgerode 160.
Hasse, J. A. Musiker 164.
Haugwitz, A. A. v. Di-amatiker
110.
Hauteroclie. N. Le Breton de. Dra-
matiker 117.
Heidelberg 110.
Heidemann, Konr. Danziger 42.
Heinricli Julius, Herzog von Braun-
schweig .33.
Helmstedt 97.
1. Ree-ister.
287
Hennenberg'ei", Casp. Chronist 2.
Hertel, H. G. Rüliiienmaler 85.
Hertzberg', Aug-. Prediger 13.
Hessen: vgl. Friedrich II., Moritz.
Hettenbach, B. E. Prediger 02.
Heywood, John. Dramatil<er 2(5.
— , Thomas. Dramatil^er 36. 54.
176.
Hildesheim 157.
Hilverding', Jacob. Schansi)ieler
152.
-, Joh. 150. 151 f.
— , Joh. Peter 152.
— , Peter 152.
Hochdeutsche Komödianten 91. 97.
Ulf. 125. 126. 128. 129. 134. 137.
152. 162.
Hochzeitsauffülirungen 3. 14.
Hofeman, Hans. Schifter 25.
Hoftmann, Hans Ernst. Schau-
spieler 138.
— , Karl Ludw. Schauspieler 157.
HofPott, H. Dramatiker 15.
Holland 63.
Holländische Schauspieler 133 f.
154 f. 281.
Holzhew, B. Schauspieler 41.
Homburg, E. C. Dramatiker 89.
113.
Hondius, W. Maler 72.
Hoppius, J. Schulmeister 67.
Hoi'n, Gust. Schwedischer Ge-
sandter 99.
Hospeinius, M. Dramatiker 28.
Hüll, J. Schauspieler 222.
Hüne, Fr. Puppenspieler 32.
Husum 99.
Huwen, M. W. Christine. Schau-
spielerin 161.
Hylas aus Latusia 163.
Jagd auf der Bühne 16.
Jakob L, König von England 173.
Janetzky, Chr. Schauspieler 119.
Janson, Heinr. Puppenspieler 21.
Jean Baptista van Fornenbiirg-.
Schauspieler 134.
Jean Potage 129.
Jena 93. 97. 134 f.
Jesowsky, Mich. Schauspieler 153.
Jesuitenkomödien in Braunsberg
57. 88. — Im Schottland 51. 57.
Innsbruck 138.
Joachim Friedrich, Kurfürst von
Brandenburg 33 f.
Johann Sigismund, Kurfürst von
Brandenburg 36. 37. 38. 41. 52.
Johann Casimir, König von Polen
89. 151.
— Sobieskv, König von Polen
127 f. 131."
— Georg IT., Kurfürst von Sachsen
1:39.
— — IV., Kurfürst von Sachsen
140.
Johannes, Dominus. Komödien-
figur 24-27.
Joniis, H. Dramatiker 134.
Italienische Komödianten 24.
— Oper 72 f. 150.
Karl Leopold, Herzog von Meck-
lenburg-Scliwerin 159.
— , Erzherzog von Oesterreich 35.48.
— X. Gustav, König von Schwe-
den 77.
— XI. König von Schweden 131.
Keimann, Chr. Dramatiker 110.
Kempfer, J. C. Schauspieler 93.
Kiel 97. 126. 134. 144. 145. 152.
154. 156. 162.
King, Th. Schauspieler 25.
Klagenfurt 157.
Klein, B. Puppenspieler XIII.
— , Val. Danziger 61.
Knaust, H. Dramatiker 6. 28.
Koch, Adam. Schauspieler 93.
Köln 38. 47. 48. 68. 78. 97. 134.
139. 145.
Königsberg i. N. 2. 20.
— i. Pr. 2. 10. 11. 14. 16. 20. 34.
36. 37. 38. 51. 59. 60. 63. 67. 68.
71. 76. 77. 89. 97. 125. 126. 130.
134. 137. 142. 148. 149. 155. 156.
157. 160. 161. 280.
Kopenhagen 31. 47. 85. 93. 97. 98.
102. 120. 126. 144. 145. 152. 154.
156. 161.
Kostüm der Schauspieler 9. 86.
Krakau 24. 61. 125. 151.
Krause, H. Kürschner 37.
Kreiser, Jac Meistersänger 10.
Kreutzer, J. C. Schauspieler 162 f.
Krüger, David. Danziger 48.
Künikhl. Dramatiker 120.
Künstlich, G. Kaufmann 161.
Kuhlmann, Jac. Schauspieler 126.
135.
Kunst, Anna. Schauspielerin 153.
— , Joh. Chr. Schauspieler 152 f.
Kurland: vgl. Ferdinand, Friedrich
Casimir.
Kursächsische Komödianten 134.
137. 142. 157.
288
Bolte, Daß Danziger Theatei*.
liafontaine, J. de. Dramatiker 155.
Laibach 138. 157.
Lambert. Schauspieler 168.
Lani, G. Dramatiker 85.
Lantrock, P. Bühnenmaler 85.
Laiienbiirg 97. Hofkomödianten
157.
Laufener Schiffertheater 117.
Laiiremberg, J. Dramatiker 85.
Lebus 41.
Leiden 34. 154. 280.
Leipzig- 85. 96. 97. 98. 100. 101.
102. 125. 126. 134. 139. 144. 145.
146. 150. 152. 156. 157. 158. 161.
163.
Lemberg- 7.
Lemmers, J. Dramatiker 230.
Lenard, Jac. Danziger 61.
Leopold I., Kaiser von Deutsch-
land 137.
— Wilhelm, Erzherzog von Oester-
reich 92 f.
Lesage, A. R. 225.
Lescailje, K. Dramatikerin 118.
155.
Lesna 110.
Leytzen, Familie 3.
Ligneus, P. Dramatiker 28.
Lingelbach, D. Dramatiker 117.
Linz 119.
Lipsiu.s, J. Philolog 135.
Livius 37.
Loancoupy, Chr. Fr. Schauspieler
119.
Loccius, N. Dramatiker 230.
Löblau 147.
Logi (Locci), Aug. Ingenieur 72.
Lohenstein, J. C. von. Dramatiker
110.
London 134. 164. 172.
Lonemann, J. Dramatiker 27.
Lope de Voga 110. 219. 221.
Louise Marie Gonzaga, Königin
von Polen 71—76. 89.
Lübeck 60. 93. 97. 99. 126. 134.
140. 144. 151. 154. X.
Lüneburg 56. 76. 93. 96. 111. 114.
120. 126. 144. 150. 151. XVIII.
Machin, Lewis. Dramatiker 38. 122.
219. 221—224.
— , Rieh. Schauspieler 34. 222. 280.
Macropedius, G. Dramatiker 14.
Magnon, J. Dramatiker 134.
Mainz 157.
Mairet, J. Dramatiker 113.
Manlrcdi. Puppenspieler 151.
Mann, Joh. Heinr. Schauspieler
161.
Maria Casimiria, Königin von
Polen 128.
— Eleonore, Herzogin vonPreussen
34.
Marienburg 10.
Markham, G. Dramatiker 219.
Markusbrüder 10. 76.
Mario \ve, C. Dramatiker 36. 114.
119.
Marston, J. Dramatiker 121. 176.
184.
Martini, A. J. Schriftsteller 71.
73 f. 76. 151.
Massinger, P. Dramatiker 78—81.
Mastklettern 58. 160.
Matthias, Kaiser von Deutschland
48.
— , Bischof von Leslau 1.
Maukisch, J. Dramatiker 95. 281.
Mauricius, G. Dramatiker 3.
Mayer, M. Dichter 222.
Mecklenburg: vgl. Christian Lud-
wig, Christoph, Karl Leopold.
Hofkomödianten 157.
Meder, Joh. Val. Musiker 145—150.
Meistersänger 10 f. 36.
Melanchthon, Ph. 20.
Memmingen 119. 151.
Menius, Josias. Schulmeister 5.
— , Matth. Schulmeister 20.
Merseburg 102. 117.
Metastasio, P. Dramatiker 164.
Meyer, Lod. Dramatiker 117.
Michael von Augs])urg, Maler 2.
— Wiesczniewie, König von Polen
106. 125.
Miltzreich, David. Schauspieler 102.
Mitau 142.
Mitternacht, S. Dramatiker 84.
Möller (Müller), Chr. Schauspieler
140. 156.
— , Gabriel. Schauspieler 140. 155 f.
158.
Mohr, E. Schiffer 150.
Mohrentanz der Kürschner 74 f.
150. 159.
Moliere, J. B. 118. 120. 121. 155.
164. 282.
Moller, Heinr. Dramatiker 3. 22.
280.
Montfleurv, A. J. Dramatiker 120.
121.
Moritz, Landgraf vonHessen 35.60.
Moskau 153.
Mühlhausen i. Th. 22.
MüUcr, Joh. Schauspieler 102.
1. Register.
289
Müller, Joh. Christoph. Schauspie-
ler ICl.
— , Joh. Ferdinand. Schauspieler
158.
— (Möller), Martin. Schauspieler
156. 162 f. 282.
München 66. 116. 134. 139. 145. 157.
Nannini, Giov. Schauspieler 150.
Naogeorg-, Th. Dramatiker 40.
Neissc 48.
Neuber, Fried. Karoline. Schau-
spielerin 158.
Neuhaus a. I'.lbe 137. 157.
Neuhäusel, Schlacht bei. 131.
Nicolini. Schauspieler 134.
Niederdeutscher Dialekt 24. 57.
103. 121. 281.
Nitz, C. E. Schauspieler 153.
Nördlingen 157. 172. 174. 280.
Noozeman, J. Schauspieler und
Dramatiker 134.
Nürnberg 10. 34. 35. 37. 47. 68.
84. 117. 118. 124. 139. 144. 150.
151. 157. 222. 224. X f '
Nyborg- 60.
Oesterreich : vg-1. Ferdinand Karl,
Karl, Leopold Wiliielm ; Eleonore.
Ogier, G. Dramatiker 130.
Oüva 146.
Olmütz 48.
Oper, deutsche 145 — 150. Italieni-
sche 72 f.
Opitz, M. 63.
Ouvertüre, musikalische 86. 166.
178.
Ouville, A. d\ Dramatiker 117.
Ovid 189.
Pachius, P. Dramatiker 84.
Painter, W. Novellist 22. 219.
Pallavicini, C. Musiker 146.
Pandßen, Ad. Andr. = Paulsen,
C. A.
Pantalon, Komödienfigur 24.
Pantomimen 134.
Pantzer = Bantzer.
Pape, A. Dramatiker 44.
Paris 71.
Pauli, B. Bürg'ermeister von Ham-
burg 97.
Paulsen (Paiili), Anna. Sängerin 97.
— Carl Andreas, Scliaus])ieler 96
— 123. 139. 144. 172. 226. 232.
— Elisabeth 96.
Th. F. XII.
Paulsen. Ferdinand Egid. 102.
— Kathari'ia Elisabeth 100.
Pedell, Abr., Jac. u. Wilh. Schau-
spieler 41. 280.
Peele, G. Dramatiker 37.
Pels, A. Dramatiker 130. 155.
Penicke = Bönicke.
Percy, R. Schauspieler 25.
Perera, Em. Schauspieler 134.
Perspektiv 85.
Peter der Grosse 152. 159. 160.
Petersburg 152. 158. 160. 161.
Pevs, A. Dramatiker 117.
Pletter, M. Drainatiker 230.
Püugbeil, A. Schauspieler 41.
Philipp Julius, Herzog von Pom-
mern 43.
— IL, Herzog von Pommern 43.
Piccolomini, M. A. u. A. Drama-
tiker 108.
Pickelhering 175. 225.
Placotomus, J. Arzt 6 f.
Plantin, J. Schaiispieler 153.
Polen 38. 48. Vgl. Casimir JH.,
Johann, Casimir, Johann So-
biesky, Michael, Sigismixnd III.,
Wladislaus. Louise Marie, Maria
Casimiria.
Poiicinellospiel 151 f. 154. 155. 159.
Polnische Aufführungen 65 f. 70.
110. 138.
Pomarius, J. Dramatiker 29.
Pommern: vgl. Bogislav, Casimir,
Franz, Philipp Julius, Philipp IL
Ponyn, G. Schulmeister 14.
Pope, Th. Schauspieler 25.
Porta, Konr. Dramatiker 11.
Pradon, N. Dramatiker 155.
Praet, St. de. Kupferstecher 73.
Prätorius, Abdias. Theolog 5.
— , Martin. Schulmeister 12.
— , Petrus. Dramatiker 2. 20 f.
Prag 48. 66. 78. 97. 98. 114. 134.
151. 157. 280.
Prehausei", G. Schauspieler 152.
Preiss, H. Danziger 61.
PucciteUi, V. Musiker 72.
Pudsey (Pudey), E. Schauspieler
68 f.
Puppenspieler 21. 22. 27. 32. 151 f.
154. 155. 159. 161. 280. XIII.
Puschmann, A. Meistersänger
11. 36.
Pvrmont 144.
Quinault, Ph. Dramatiker 117. 144.
Quoten, S. P. v. Schauspieler 102.
19
m
Bolte, Das Danziger 'Theater.
Rabel, Jac. Seiltänzer 34.
Rademin, H. Dramatiker 225.
Raue, Joh. Dramatiker 82 — 88.
Rautenberg, A. u. J. 145.
Rebhun, P. Dramatiker 21.
Regensburg 37. 63. 118. 119. 124.
137. 139. 157.
Reinald (Rennols, Rej^noldt), Rob.
Schauspieler. 47. 49. 63. 68 f.
175.
Reinholdi-Brüderschaft 1 f.
Retellius, M. Schulmeister 6.
Reval 145.
Rhode, A. Danziger 8. 15. 16. 20.
Richter, Herm. Reinh. Schauspieler
102. 117. 140.
Riga 60. 70. 76. 93. 97. 111. 114.
120. 126. 128. 129. 134. 137. 142.
145. 149. 150. 152. 156. 160. 161.
162. 163. 282.
Rijk, J. de. Dramatiker 155.
Rijndorp, J. van Schauspieler 130.
134. 154 f.
Ringelstechen 65. 138.
Rist, J. Dramatiker 57. 85. 89. 134.
Rodax, A. Schauspieler 153.
Rodenburgh, Th. van. Dramatiker
118.
Roe, W. Schauspieler 68 f. 281.
Rojas, F. de. Dramatiker 219. 225.
Roll, n. Dramatiker 11. 15f. 21. 29.
Rollenhagen, Gabr. Dramatiker
114.
Rosa, Chr. Dramatiker 84.
Rosenberg, G. Danziger 14.
Rosenblüt, H. 230.
Rostock 34. 51. 97. 126. 128. 157.
Rothe, A. Puppenspieler 27.
Rothenburg a. T. 172. 280.
Rotterdam 155.
Rowe, Walther. Musiker 68.
Rowley, W. Dramatiker 114 f.
Russland: vgl. Alexej, Petei*.
Saalfeld 225.
Sachs, Hans 8. 10 f. 15. 27. 28. 29.
37. 59. 60. 192.
Sachsa 27.
Sachsen: vgl. Christian I., Friedrich
August, Johann Georg IL— IV.
Sackville, Th. Schauspieler 222.
Sächsische Conipagnia 128. 134.
139. 140. — Hofkomödianten 156.
158. 281. vgl. Kursächische.
Salzburg 117.
Salzsieder, G. Schauspieler 101.
139.
Sammers, J. Schauspieler 1.30—134.
Santkamer, C. Danziger 61.
Sbarra, F. Dramatiker 118.
Scacciii, M. Musiker 72.
Scharpinck, T. Danziger 8.
Schatten. Schauspieler 163.
Schattenspiel 129. 282.
Schauspieler marschieren vor Be-
ginn des Stückes auf 86.
Schiflsumzug 9. XI.
Schilius, J. Prediger 62.
Schleswig 96. 134. Vgl. August
Friedrich, Friedrich III.
Schlu, J. Dramatiker 31.
Schneidewin, J. H. Schauspieler 93.
Schoch, J. G. Dramatiker 84. 86.
163.
Schönrock, J. D. Puppenspieler
161.
Schönwalt, S. Meistersänger 10.
Scholtzenberg, F. v. Dramatiker
176, 230.
Schouwenburgh. Dramatiker 118.
Schreck, Val. Dramatiker 11 f. 13.
16. 28.
Schröder, Fr. Schauspieler 134.
— , Georg. Danziger Ratsherr 103
— 110. 121. 171f.
Schulkomödien: vgl. Danzig,
Scliulen.
Schultz, Joh. Schauspieler 160.
— Paul. Schauspieler 58.
Schumann, Val. Novellist 121. 171.
Schwalbach 126. 157.
Schwartzwald, Heinr. Danziger
125.
Schweden 78. 144. 152. 161. Vgl.
Christine, Karl X., Karl XL;
Stockholm.
Schwerin 128.
Schwerttanz 60. XI; der Kürschner
73 f. — der Schifter 9. 65. 74.
Scolary = Solar.
Seeliger, M. Schauspieler 163.
Seidel, Br. Dramatiker 29.
Seiltänzer 51. 58. 92. 150.
Seneca 28. 30.
Sercambi, G. Novellist 226.
Settle, E. Dramatiker 110.
Shakespeare, W. 36. 60. 67. 119.
121. 175 f.
Sieber, J. Dramatiker 163.
Sigisnmnd IlL, König v. Polen 50.
57. 63. 72.
Simon, M. Danziger 42.
Skriver, S. Dramatiker 3.
Shiwskv, J. 153.
Soet, J'. Dramatiker 119. 225. 229.
1. Register.
291
Solar, J. S. Schauspieler 161.
Soldaten als Schauspieler 60.
Sophokles 30. G.3.
Spatsier, A. Schauspieler 134.
Spencer, John. Schauspieler 34. 36.
37-40. 41. 51 f. 172. 224. 280.
Sperling, Otto 97 f.
Spilenberg, Elisabeth. Schauspie-
lerin 112.
Splawskij, J. Russe 152.
Staden, van. Russ. Offizier 97.
Starkey, J. E. Schauspieler 153.
Steier, S. Dramatiker 29.
Stephens, Th. Schauspieler 25.
Stettin 40. 43. 1(;2.
Stiller, Casp. Schauspieler 93. 110.
224.
Stockfisch, Hans = Spencer 38. 41.
Stockholm 76. 77. 102. 126. 134.
142. 151. 1.56. 1621".
Stralsund 157.
Stranitzkv, J. A. Schauspieler 152.
161.
Straparola, G. F. 175. 226.
Strassburg 35 37. 68. 97. 119. 126.
157. 280.
Strauss, IMich. Prediger 145.
Strungk, N. A. Musiker 146 f.
Stryker, Th. Schauspieler 150.
Studenten als Schauspieler 93. 134 f.
Stuttgart 120.
Tänze, ausländische 15. 27. 58. —
Vgl. Handwerker, Seiltänzer.
Talander (A. Bohse) 111.
Taschenspieler 139.
Terenz 17.
Thammius, B. Dramatiker 79.
Theaterlogen 61. 166. 168. Theater-
vorhang 851'. Theaterzettel 31.
51. 127. 143. 164—168.
Thorn 7. 14. 57. 129 153. X. XII.
Thraso, Komödientigur 24.
Tieck, L. 116.
Tiergefechte 42. 57.
Tiess, J. Schauspieler 58.
Tilly. Schauspieler 152.
Tirso de Molina. Dramatiker 122.
Titelius, J. Dramatiker 29.
Titz, J. P. Dichter 63. 71.
Tonnis, J. Dramatiker 84.
Torgau 68. 1.39. 226.
Totzmannus, M. Dramatiker 40.
Trautenau 60. 280.
Treu (Drev), M. D. Schauspieler
111. 114.^118. 120. 123. 134. 144.
281.
Tristan TErmite. Dramatiker 118.
Triumphbogen in Danzig 57. 72. 127.
Turnier 7 f. 58. 76. X.
Tybo, A. K. Dramatiker 31.
Tzetzkius = Zetzkius.
Fhlich, J. A. Schauspieler 137.
152.
Ulm 35.
Unkraut, M. Schauspieler 134.
Utrecht 21. 280. 281.
"Veiten, Anna Kath. Schauspielerin
100.
— , Joh. Schauspieler 93. 97. 99.
lOOf. 111. 118-122. 128. 139. 156.
164. 226. 281.
-, Kath. Elisabeth 100. 120. 135.
139-141. 142-145. 176.
Venedig XI.
Vergil 83.
Vertooninge 84 f.
Vinci, L. da. Musiker 164.
Virnius, J.F. Schauspieler 41.4.3.45.
Vise, J. de. Danziger 56.
— , P. de. Dramatiker 56.
Vondel, J. van den. Dramatiker
84. 93.
Vos, Jan. Dramatiker 225. 229 f.
— , Isaak. Dramatiker 110. 281.
Waghos, C. Seiltänzer 150.
Waide, J. = Weyd.
Waimer, Phil. Dramatiker 22—27.
Waldung, W. Dramatiker 30.
Wallerottv, F. G. Schauspieler 113.
117. 120. 144.
Wanguly. Puppenspieler 78 f.
Warschau 68. 71. 73. 76.
Wasungen 145.
Weben Trapp, D. Seiltänzer 51.
Webster, G. Schauspieler 222.
Wedwer, W. Schauspieler 68 f.
Weichselmünde 58.
Weimarer Holkomödianten 156.
— Repertoire 111. 118.
Weingruss 4.
Weiss, Jac. Danziger 66.
— , M. = Albinus.
Weissenfeis 152.
Wels, D. Dramatiker 155.
Wentzel. Kürschner 10.
Weyd, J. Schauspieler 68 f.
Weyer, G. Danziger 145.
Wickram, G. 60. 138.
292
Bolte, Das Danziger Theater,
Wien 68. 98. 134. 144. 145. 150.
151 f. 157. inO. 161. 164.
Winckler, J. J. Theolog 144.
Windsheim 79.
Wirtii, Mich. Schauspieler 153.
Wismar 126.
Wittenberg 20. 40. 84. 97. 121.
Wittich (Witting), J. Dramatiker
147.
Witzke, P. Schriftsteller 57.
Wladislaus II. Jagello, König von
Polen 57.
— III., König von Polen und Un-
garn 72.
— IV., König von Polen 61. 63.
68. 71. 72.
WolCenbüttel 41. 47. 150. 157.
Wolff, Herrn. Schauspieler 134.
Wolffius, J. Dramatiker 28.
Worms 139.
Wossitz 62.
Wouthers, A. F. Dramatiker 118.
Würtembergische Hottomödianten
118.
Wulff, A. J. Schauspieler 123. 134.
Ystad 134.
Zani, ital. Narr 24.
Zetzkius, J. Schuhneister 75 f.
Ziely, W. Romanschreiber 59.
Zjermez, A. K. van. Dramatiker 23.
Zimmermann, M. Danziger 6.
Züllichau 59.
2. Register.
Dramentitel.
Absalon 31.
ActJlon, der clii-istliclie 138.
Adam und Eva 33. (Roll) 14.
Advokat und Pickelhering- 143.144.
Aeneas und Lavinia (Raue) 83—88.
Agapetus (Lani) 85.
Alamoda, die verführerische
(Sbarra) 118.
Alarich oder die irrende Geilheit
118.
— und Soniiro 118.
Älcaide de si mismo (Calderon) 121.
Alceste 151.
Alesandro (Piccoloniini) 108.
Alexanders Glücks- und Ung-lücks-
probe 118.
Amanten ««tew^es(Rollenhag'en) 114.
Aminfas, den dollen (Wels) 155.
Amor der Arzt (Moliere) 121.
Amor costante (Piccolomini) 108.
Am,or, lionor y poder (Calderon) 23.
Amor maestro d'inganni 111.
Am,ore vuol j)oUtica 117.
Am,our medecin (Moliere) 121.
Amour peintre (Moliere) 155.
Anabella von Ferrara 172.
Andromeda 151. (Meder) 145.
Antigonc (Sophokles. Opitz) 63.
Aran en Titus (Vos) 229.
Arlequin 162. Vgl. Harlekin.
Aspasia 118.
Aurora und Cephalus 151.
— und Stella (Calderon) 143. 144.
Avare (Moliere) 118.
Bauer, der betrunkene und der
Herzog" v.Burgund (Shakespeare.
Baryka. Gawinsky) 67.
Bauernhochzeit 119.
Betrug" der Alamoda (Sbarra) 118.
Bettelmädchen, das durchlauch-
tige 119.
Black man 119.
Bootsqezel, de moetwülige (Sam-
niers) 130.
Bourgeois gentühomme (Moliere)
101.
Braten und Perle 120.
Bicskenblaser 230.
Caballero mudo (Lope) 219. 221.
Cambvses und Doralice (Scholtzen-
berg) 176, 230.
Capitain Cohvev 121.
— Sta 121.
Celido and Sedea 38.
Chauldronnier 227.
Christi Geburt 60. 88. (Albinus) 62.
(Hoppius)67. (Maukisch) 95. (Flor-
schütz) 130.
— Zukunft 20.
Christoph v. Mömpelgart und Ve-
ronica v, England 122. 171.
Chrvsilla 226.
Cid '(Corneille) 101.
Coelia, die Avieder verehelichte
(Meder) 149.
Collier des perles (Girardin) 120.
Coupe enchantee (Lafontaine) 155.
Coups d'ainoitr et de fortune (Cal-
deron) 144.
Crispin and Crispinian (Rowlev)
114. 116. 118.
l>achdecker 119.
Dama duende (Calderon) 117.
David und Bathseba 13. 44. 101.
120.
— und Saul 21.
Depositio cornuti (de Vise. Rist) 56.
Desden i^engado (Lope) 219.
Destruction of Troy 38.
Dido 7. 28.
Diocletian und Maximin mit dem
Schuster 114.
Disa 134. 156.
294
Bolte, Das Dauzig-er Theater.
Dorothea (Massinger u. a.) 78—81.
281.
Diücimunda 89. 108. 113 f.
Durnh knight (Machin) 38. 122. 219.
Easticard hoe (Marston).
Ecole des jaloux ou le cocu volon-
taire (Montfleurv) 121.
Edward III. (Avrer) 22 f. 111.
— IV. (Th. Heywood) 36.
Eginhard und Imnia (Paiilsen) 102.
Eifernde mit sich selbst 121.
Eifersucht, die ji'lückliche 120.
Elisa (Waimer) 22.
Enamorado mudo (Castro) 220.
Erlösung- nienschl. Geschlechts 29.
Erofilo (Albini) 163.
Error e honesto 163.
Esprit follet (Ouville. Hauteroche)
117.
Esther 230.
Etourdi (xMoliere) 118.
Eustachius 138.
Fantöme amoureux (Qiiinault) 117.
Faust (Marlowe u. a.) 36. 108 f. 114.
155. 281 f.
Füle capitaine (Montfleurv) 120.
Fleischermädchen 120.
Fortunatus (Dekker) 36.
Fourheries de Scapin (Moliere) 121.
Frau: fromme F. von Antorf 36.
Fritzel Fingerhut 176.
Fuerza lastimosa (Lope de Vega)
110 f.
Fund, den Teufel zu betrügen 120.
Galan fantasma (Caldcron) 117.
Galmy (Sachs) 60.
Geilheit, die gestrafte 118.
Geizhals 118.
Gelosie fortunate (Cicognini) 120.
Genovefa (Wouthers) 101. 118. 162.
226.
Geölter de soi-meme (Th. Corneille)
121.
Georg-, St. 111 f.
Gericht, das jüngste 8. 20. 22. 33.
280.
Gespenst, das verliebte (Grvphius)
117.
Glück, das beneidete 120.
— , das veränderliche 118.
Goosen, Droncke 230.
Goosecappe, Sir Gyles 23.
Graf von Angiers (Germanus)
XII.
Gramschap (Ogier) 130.
Griseldis (Burchard) 14. (Schreck)
16-20. 226.
Hahnrei, der freiwillige 121.
Hamlet (Shakespeare) 121.
Hans unter den Soldaten 103. 121.
171. 281.
Harlekins Hochzeit 176.
Harlequin, den udstoppede 120.
Hecastus (Macropedius) 14.
Henricus v. England 60.
Hercules und Alceste 151.
Herodes und Mariamne 118. 155.282.
Herpin 59.
Herzog von Ferrara 172.
— von Florenz 36.
Hiob 33.
Hippolytus 28.
Hochzeit zii Kana 21.
HofFman (Chettle) 25.
Hosianna niiptiale (Zetzkius) 76.
Humours of John Sivabber 229 f.
Hus, Joh. (Agricola) 9.
(Talonsed' elle-meme{Boisrohevt)\21.
Jaloux iiivisible (Brecourt) 231.
lason und Medea 151.
Ibrahim Bassa (Lohenstein) 104. 110.
Ick kenje niet (Bara) 176.
Jephta 29.
Ingannati (Piccolomini) 108.
Jochem Jool (Soet) 225.
Jodelet 121.
Johannes, Dominus 24—27.
Jonas XIV.
Josephe der Jude v. Venedig 119.
Irrgart der Liebe 104-106. 110 f.
Irrungen, Komödie der (Shake-
s]»eare) 101.
Isaaks (Opferung 31.
— und Rebekka (Prätorius) 2. 20 f.
Jude von Malta (Marlowe) 119.
— von Venedig 34. 36. 119. 176.
177.
Judith 161.
Jungfer Capitain 120.
Katze im Sacke 70.
Kaufmaini von Venedig (Shake-
speare) 119. 175.
Kelk, de hefooverde 155.
Kerker, der treue 118.
Kniqht. the durnh (Machin) 38. 122.
219. '
König v. Cypern und Herzog v.
Venedig .36.
König in Cvpern (Ayrer) 27. 222—
224. 225. '228 f.
2. Register.
295
König-, der oiserno. 118.
— V. Eng-laiul und Goldsclimieds
Weib 3<).
Königin in Liebentlial (Weiss) 89.
Köniji'ssölme, zwei (Sachs) 28.
Krispijn jnfj'rouw en notaris (de
Rijlv) 155.
Ijciherinto de amor 111.
Lächerlichkeiten, die Icostbaren
(Molicre) 1G4. 1G8.
Lmnmert, de jcdoursse 230.
Lances de amor y fortuna (Cal-
deron) 120. 144. '
Lazarus; s. Reicher.
Lear (Shaliespeare) 138.
Liebesg-espenst 110. 117.
Liebesirrg-arten 111.
Liebesprobe 118.
Liebessoldat, der verirrte 112.
Locrine 176. 186.
-Loi'e, p/m/ of (J. Heywood) 26.
Loves mistresse (Th. Hey wood) 176.
Liicretia 51. 54.
Ludwig- u. Friedrich v. Ungarn 36.
Lügner, der künstliche 120, 143.
144.
Luther 1. 2.
Maliomet and Hijrin (Peele) 37.
Mantalor 113.
Margarete und Georg 106—108.
111 f.
Marianne (Tristan I'Ermite) 118.
Mariano (Rambach) 121.
Marktschreier 120.
Marte e Amore (Brunerio) 73.
Mascarillia der kluge Knecht (Mö-
llere) 118. 111.
Mayor monstruo los celos (Cal-
deron) 118.
Medea 30. 151.
Meester Kackadoris 230.
Meidleinschul (Porta) 11.
Melusina (Ayrer) 16.
Menteu?^ (Corneille) 120.
Mercator (Naogeorg) 40.
Mei/dag, de derde (Rijndorp) 155.
Minnares naar de moode 155.
Moda (Sbarra) 118.
Mönche und Nonnen 2.
MüUerniädciien, das durchlauch-
tige 162.
Muliasses the Türke (Mason) 38.
Mum 119.
5fabal (Gualtherus) 3. 280.
Nachbar Wilhelm 226.
Nero 29. (Meder) 145-147.
Niemand und Jemand 36.
Niesende, der 120.
Odomira 119.
Gene (Vos) 225. 229-231.
Olwier und Artus (Sachs) 28. 59.
Orestes (Waldung) 30.
Orondates en Statira 134.
Orontea 12ü.
Orontes, Drei (Boisrobert) 120.
ürtensio (Piccolomini) 108.
Pandora 29.
Pantalon 119.
Papinianus (Gryphius) 152.
Parasitaster (Marston) 121. 172—
174. 184.
Passionsspiel 147. 150.
Pastor fido (Guarini) 125.
Perle 120. 121.
Perseus und Andronieda 102. 151.
Phänicia (Ayrer) 175.
Philocles und Mariana 224.
Phönix 175.
Phormio (Terenz) 17.
Pickelherings Akademie 119.
— , der ausgestopfte 1201".
— doppelte Heirat 176.
— Schuldner 120.
— und Schulmeister 120.
Pontus (Roll u. a.) 15 f. 29.
Precieuses ridicides (Moliere) 164.
168.
Prinz als Narr 117.
— als Schuster 109. 115.
Queen, or the excellency of her
sex 219.
Re cervo (Gozzi) 228.
Redkunst (Harsdörfer) 111.
Regulus (Pradon) 155.
Reicher Mann und armer Lazarus
27. 33. 36. 70. 161.
Ridder, Stammen (Bredero) 221.
Ritter, der stumme 27. 122. 171.
219-224. Abdruck 232-267.
— , der weisse (Sachs) 59.
— , zwei aus Hoch Burgundia
(Sachs) 27.
Rosetta (Elmenhorst) 163—166.
Samariter, der barmherzige (Roll)
14. 29.
Scabins Betrügereien (Meliere) 121.
Schäfer, der plauderhafte 166.
296
Bolte, Das Danziger Theater.
Schauplatz der ung-lücklichen Ver-
liebten 113.
Schilder door liefde (Pels) 155.
Schneiders Weib iin Sacke 119.
Schreiber und Koch 121.
Scluihniachcr blauer Montag- llß.
Schulmeisterund Pickelhering 120.
Sechs Kämpfer von Rom und Alba
(Sachs) 36. 37.
Shoemaker a qentleman (Rowley)
114.
— 's holiday (Dekker) 116.
Sig"israoudo (Calderon) 118.
Silvie (Mairet) 113.
Siroe (Metastasio) 164. 166 — 168.
Sohn, der verlorene 33. 35. 226.
230. 280.
Speckdieb 120. 282.
Squenz, Peter (Gryphius) 16.
Stein, der unsichtbar machende
119. 122. 176. 223. 225-232. Ab-
druck 268—279.
Stockholms Parnas 134.
Studentenleben 84.
Teufels Betrug 120.
Theseus und Hipjjolytus 28.
Tiberius v. Ferrara und Anabella
V. Mihnpelg-ard J21. 171—218.
Tischlerspiel 123.
TitusAndronicus (Shakespeare) 101.
Tobias 138.
Trahison jninie 225.
Traicion busca el castigo (Rojas)
225.
TraUre j)uni 225.
Tugend- und Liebosstreit 36. 176.
Türkische Tritimphkomödie 37.
Ungeheuer, das grosse 118.
Unsichtbarkeit des Pickelherings
226.
Untreue schlägt seinen eignen
Herren 171. 224 f.
Veroneser (Shakespeare) 175.
Vida es siieno (Calderon) 118.
Vidiia casta 23.
Virenus und Olvmpia 137 f.
Visibilis und invisibilis 119. 226.
Vorwitz, der unzeitige 192.
Vrouicenheicaarder , de bedrogen
(Green) 155.
^Vallenstein 281.
Weihnachtsspiel = Christi Geburt.
Wiens Belagerung 129. 131 f.
Wladislaus 57.
Zuletzt bekommt der Narr doch
das Beste 110. 117.
Zwang, der beklägliche (Vos. Gref-
linger) 110. 119. 281.
Zwischenspiel 84.
UniversitUts-Bucbdruckerei von Carl Georgi in Bonn.
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Bolte, Johannes
Das Danziger Theater
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