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Full text of "Das Etschmiadzin-evangeliar: Beiträge zur Geschichte der armenischen ..."

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BYZANTINISCHE DENKMÄLER 



HERAUSGEGEBEN 



VON 



JOSEF STRZYGOWSKI. 



I. 



DAS ETSCHMIADZIN-EVANGELIAR 




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DAS 



ETSCHMIADZIN-EVANGELIAR 



BEITRÄGE 



ZUR 



GESCHICHTE DER ARMENISCHEN, RAVENNATISCHEN 

UND SYRO-ÄGYPTISCHEN KUNST 



VON 



DR. JOSEF ^TRZYGOWSKI 

PRIVATDOCENT DER KUNSTGESCHICHTE AN DER UNIVERSITÄT WIEN. 



MIT i8 ILLUSTRATIONEN IM TEXT UND 1b DOPPELTAFELN. 



3 WIEN 1891. 



DRUCK UND VERLAG 

DER MECHITHARISTEN-CONGREGATION IN WIEN. 



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- I1H7ARD PIHE AKTS LIBRARY 
■3~t>7 V FOGG MUSEUM 



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Alle Rechte vorbehalten. 



Vorwort. 



In der Zeit vom August 1888 bis April 1890 habe ich eine Studienreise 
durch die Länder des ehemals byzantinischen Reiches gemacht zum Zweck 
einer Orientirung über den auf uns gekommenen Denkmälerschatz der byzan- 
tinischen Kunst. Salonik und der Berg Athos, Athen und Griechenland, 
Constantinopel und dessen weitere Umgebung, die Westküste und die Inseln 
Kleinasiens, Trapezunt und der Kaukasus, dazu Moskau und Petersburg waren 
die Etappen dieser ersten, mehr einer allgemeinen Einführung gewidmeten 
Reise. Materiell und durch Empfehlungen von Seiten des hohen k. k. Unter- 
richtsministeriums unterstützt, in Athen von Sr. Excellenz dem Herrn Gesandten 
Freiherrn von Kosjek, in Constantinopel durch den Herrn Botschaftsrath von 
Schiessl gefördert, vom Vorstande des archäologisch-epigraphischen Seminars 
der Wiener Universität durch die leihweise Überlassung eines photographischen 
Apparates ausgerüstet, habe ich meine Studien mit Nachdruck betreiben können. 
Ich benutze diese erste Gelegenheit, um allen Förderern des Unternehmens den 
ergebensten Dank auszusprechen. 

Die Früchte dieser Reise bestehen in dem gewonnenen Überblick über 
den Denkmälervorrath der byzantinischen Kunst, den Notizen und Messungen 
der aufgefundenen Monumente und einer Reihe von rund 700 photographischen 
Aufnahmen.* Bei Verarbeitung dieses Materials will ich in zweifacher Weise 



1 Zu erwähnen wäre auch eine Reihe kleinerer Aufsätze, die auf der Reise selbst ent- 
standen sind: 

Über die architektonischen und Sculptur-Reste einer altbyzantinischen, um 600 ent- 
standenen Basilica in Chalkis auf Euböa. Im AsXxiov tfjs loxoQixfjg xal i&voXoyixflg iiaigsiag 
iv 'Ad^vatg 1889, a. 711 xxL 

Über das Kloster tov xwrjyov rcöv (pdoo6(pcov am Hymettos und die griechische Orna- 
mentik des lo. Jahrhunderts. Ebenda 1890, S. uy ff. 

Die Akropolis in altbyzantinischer Zeit. In den Mitt. d. k. deutschen arch. Instituts, 
Athen 1889, S. 271 if. 

Eine trapezimtische Bilderhandschrift vom Jalire 1346. Im Repertorium für Kunst- 
wissenschaft 1890. 

Reste altchristlicher Kunst in Griechenland. In der Römischen Quartal schrift 1890. 



VI 

vorgehen: einmal topographisch, indem ich wenigstens die Denkmäler von 
Constantinopel und Umgebung, Griechenland und dem Berg Athos in abge- 
sonderten Heften behandle; daneben historisch, indem ich versuchen will die 
Entwicklungsgeschichte einzelner Kunstzweige, zunächst der Architektur und 
Plastik, zu geben. Neue Reisen werden dazu wohl unabweisbar sein. Endziel 
wäre eine zusammenfassende Geschichte der byzantinischen Kunst. Es wird von 
der Aufnahme, die diese ersten Arbeiten finden, abhängen, ob ich das Ziel 
auf dem bezeichneten Weg erreichen kann. Ich werde doppelt dankbar sein, 
wenn man neben den Fehlem, die unzweifelhaft auch in diesen Arbeiten zu 
finden sein werden, auch das in ilinen liegende Gute und Fördernde hervor- 
heben wird. 

Im vorliegenden Band entledige ich mich des Materials, welches die 
Grenzgebiete der byzantinischen Kunst geliefert haben. Abgesehen von der 
positiven Erweiterung unserer Denkmälerkenntniss und der schärferen Scheidung 
einzelner Kunstkreise auf Grund der Typenvergleichung, wird es von Interesse 
sein zu beobachten, wann und bis zu welchem Grade der byzantinische Einfluss 
auf ein ursprünglich so kunstarmes Gebiet wie Armenien gewirkt hat. Man wird 
damit einen Massstab gewinnen zur Beurtheilung ähnlicher Symptome in der 
Kunst des Abendlandes. 

Ich kann diesen Band nicht der Öffentlichkeit übergeben, ohne im Beson- 
deren Sr. Excellenz dem russischen Botschafter Herrn von Nelidoff, der meine 
Reise nach dem Kaukasus durch Ertheilung eines offenen Briefes an die Behörden 
wesentlich erleichtert hat, und der hochwürdigen Mechitharisten-Congregation in 
Wien, insbesondere dem Herrn Generalabte derselben, Erzbischof Arsenius 
Dr. A'idynian, zu danken, die mit einer, nach den in den Klöstern des Orients 
gemachten Erfahrungen um so rühmlicheren Einsicht und Bereitwilligkeit meine 
Studien gefördert und schliesslich auch Kosten und Ausführung des Druckes 
übernommen haben. Auf ihre Anregung hin erscheint auch eine armenische 
Übersetzung dieses Bandes ohne die Anhänge. 



Wien, im Februar 1891. 



Josef Strzygowski. 



Inhalts -Verzeichniss. 



Seite 

Etschmiadzin i ff. 

Kloster und Kirche S. 2, Relief mit Paulus und Thekla S. 6, Griechische 
Inschrift S. 7, Korbcapitell mit Monogramm S. 9, die Bauten Nerses III. 
(640—661) S. 11, die älteste christliche Architektur der Armenier S. 14, 
byzantinischer Einfluss S. 16. 

Das Etschmiadzin-Evangeliar 17 ff. 

Ornamente und Randminiaturen im armenischen Texte vom Jahre 989 S. 21. 

Die ravennatischen Elfenbeindeckel 26 ff. 

Die fünftheiligen Diptychen S. 28, vergleichende Untersuchung der Bild- 
typen S. 31, die Uwaroff-Tafel S. 42, Datirung und Provenienz der 
Deckel S. 48, Bildschnitzerschulen in Mailand S. 49, Ravenna S. 50, 
Constantinopel S. 51, Typus der Evangeliar-Deckel S. 52. 

Die syrischen Miniaturen am Anfange 53 ff. 

Übereinstimmung mit der syrischen Bibel vom Jahre 586 S. 56, Typen- 
vergleichung S. 58, KaroUngische Copien S. 58, Datirung und Pro- 
venienz S. 67. 

Die syrischen Miniaturen am Schlüsse 68 ff. 

Typen vergleichung S. 70, Datirung und Provenienz S. 74. 

Die armenische Miniaturenmalerei 75 ff. 

Armenische Plastik S. 75, figürliche Miniaturen vor dem Jahre 1000, 
byzantinischer Import S. 76, georgische Handschriften S. 78, syiischer 
Einfluss S. 80, Bedeutung des Etschmiadzin-EvangeHars S. 83. — Arme- 
nische Malerei bis zum 13. Jahrhundert S. 85, seit dem 13. Jahrhundert, 
biblische und profane Scenen S. 88, Omamentstil S. 88, Palmettenstäbe 
S. 91, Fischvogel-Initialen S. 92, Sirenen etc. S. 93. 

Anhang I. Zwei Goldenkolpien aus Adana im kais. ottomanischen Museum 

zu Constantinopel 97 ff. 

Enkolpien S. 102, Goldmedaillons S. 103, Verwandschaft mit den Metall- 
flaschen in Monza S. 105, Typenvergleichung S. 105, Datirung und Pro- 
venienz S. 110, Inschriften S. 110, Zusammenhang mit Äg>'pten S. 112. 



VIII 

Scito 

Anhang II. Zwei enkaustische Heiligenbilder vom Sinai im Museum der 

geistlichen Akademie zu Kiew 113 if. 

Enkaustische Technik und Faijüm-Funde S. 115, die Sinaibilder S. 116, 
Petrow's Deutung S. 118, Einwände dagegen S. 119, Typus des Edel- 
steinkreuzes mit Ansätzen an den Armenden S. 120, Datirung S. 122, 
Nachrichten der Byzantiner über die enkaustische Technik S. 123. 
Register 125 



Verzeichniss der Abbildungen. 



Illustrationen im Texte: 

Leisten und Initialen nach Cod. arm. 14 der Mechitharisten-Bibliothek zu Wien, 
einer Bibel, die nach der Subscription auf Fol. 524^ vom Bischof Johannes für 
Erzbischof Emmanuel geschrieben und nach Fol. 482^ und 507^ vom Priester 

Melchisedek im Jahre 1375 ausgemalt ist . 1, 17, 75, 90 

Plan des Klosters Etschmiadzin 2 

Grundriss der Kirche von Etschmiadzin 4 

Relief mit Paulus und Thekla in Etschmiadzin 6 

Griechische Inschrift in Etschmiadzin 8 

Capitell in Etschmiadzin 10 

Monogramme an diesen Capitellen 11 

Ornamente im armenischen Texte vom Jahre 989 21 

Die Frauen am Grabe, Randminiatur im armenischen Texte vom Jahre 989 . . 22 

Anbetung der Magier, Randminiatur im armenischen Texte vom Jahre 989 . . 23 

Vom Probianus-Diptjxhon im königl. Museum zu Berlin 32 

Elfenbeintafel der Sammlung Uwaroff in Moskau 43 

Karolingische Miniatur aus dem Evangeliar des Godescalc 69 

Fisch-Initial nach Cod. arm. 30A der Mechitharisten-Bibliothek zu Wien . . 85 

Fischvogel-Initialen aus vorkarolingischen Handschriften 92 



Tafeln. 

I. Elfenbeindeckel des Etschmiadzin-EvangeHars. 

II— IV. Syrische Miniaturen am Anfange des Etschmiadzin -Evangeliars. 

V— VI. Syrische Miniaturen am Schlüsse des Etschmiadzin-Evangeliars. 

VII. Zwei Goldenkolpien aus Adana im kais. ottomanischen Museum zu Constantinopel. 

VIII. Enkaustisches Tafelbild vom Sinai im Museum der geistlichen Akademie zu Kiew. 



r^<h?^^z3^-~ 



Wir treten in einen weiten Vorhof (C), schreiten einem Durchgange in 
dem Gebäudetracte zur Linken, dem sogenannten Thore des Terdat (f), zu und 
erblicken durch einen Corridor (24) die Hauptkirche, das Nationalheiligthum der 
Armenier. Sie im Besonderen führt den Namen Etschmiadzin, d. h. Herabkunft 
des Eingebomen, well nach der Legende der heilige Gregor Lusaworitsch (der 



Plan des Klosters Etschmiadzin. 

1 Kiri-he 2 Wohnung des Katliolikos. 3. Miiiichszclleu. 4, Alte Typographie. 5. S\-nodal- 
Kanzlei 6 Bibliothek 7 Refektorium. 8. Typographie. 9. Magazin. 10. Backhaus. 11. Seminar. 
12. Zellen 13 Pilgerhaus 14. Küchen. 15. Magazin. 16, Scheunen. 17. Getreidespeicher. 18. Gesinde- 
wohnungen TD Basbm 20. Ställe und Scheunen. 21. Bäder. 22. Bazar. 23. Wasserleitungen. 
Bnmnen. 24. Corridore. 25. Monument des Obersten Macdonald. A Gliazarapat. B Viehhof, 
C Vorhof. (1 Bazarthor. b Thor von Ghazarapat. c Thor Msri-Durn. d Kali-Dum. e Thor 
der Bäder. / Thor des Terdat. 



Erleuchter), der Apostel der Armenier, an dieser Stelle den »furchtbaren Mann« 
herabsteigen sah. In den die Kirche umgebenden Gebäuden sind zur Linken 
Mönchswohnungen (12), rechts das Refectorium (y)^ auf der Eingangsseite die 
Wohnung des Patriarchen (2) untergebracht und hinter der Kirche schliesst der 
Hof mit einem vierten Tracte, hinter dem sich zunächst Wirthschaftsräume (B)^ 
dann die neuerbaute Akademie erheben.' Die Anlage entspricht dem für die 
byzantinischen Klöster giltigen Schema, wonach die Hauptkirche, das xaf^oXtxöv^ 
inmitten eines viereckigen Hofes steht, der auf allen Seiten von Gebäuden 
umschlossen wird, welche die Mönchswohnungen, das Refectorium, das Pilger- 
haus etc. enthalten.* 

Die Gründung von Etschmiadzin wird auf den heiligen Gregor Lusaworitsch 
selbst zurückgeführt. Er soll nach der Bekehrung des Tiridates angeblich schon 
im Jahre 302 an der Stelle, wo neben dem alten armenischen Königspalaste der 
Haupttempel der Artemis gestanden hatte und ihm der Eingeborne erschienen 
war, den Grundstein zur Kirche gelegt haben. ^ Man hat deshalb in dem heutigen 
Baue, der seinen Hauptbestandtheilen nach offenbar aus neuerer Zeit stammt, Reste 
dieser ältesten Gründung gesucht. Am weitesten ist darin Dubois * gegangen. Er 
hat sich nicht wie andere Reisende darauf beschränkt, anzunehmen, dass die 
Grundmauern die alten sein dürften, sondern hat eine Reconstruction der ältesten 
Kirche versucht,* die ebenso willkürlich ist, wie sein Schluss, dass die Kirche, 
weil an ihr allein in Armenien griechischer Einfluss hervortreten soll, auf den 
Urbau aus Tiridates Zeit zurückgehen müsse, der, in Rom aufgewachsen, bemüht 
gewesen sei, römische Bauformen einzuführen.* 



t Meine Abbildung, in der die Akademie noch fehlt, nach M. Brosset, Rapports siir un 
voyage archeologique dans la G^orgie et dans PArm^nie ex^cut^ en 1847 — 1848. St. P^ters- 
bourg 1851. Atlas pl. XV, wiederholt bei Alishan, Airarat (armenisch), S. Lazzaro 1890, S. 216. 
Eine Ansicht in dreiviertel Vogelperspective vom Jahre 1672 in Voyages du Chevalier Chardin 
en Perse. Amsterdam 1735, Bd. I, pl. IX. 

2 Nur so grosse Klöster, wie Laura, Iviron, Vatopedi, Russikon, Xenophu und Kutlu- 
musiu am Athos, S. Sergius bei Moskau u. A., verlegen auch die Todjcs^a (das Refectorium) in 
den Hof der Eingangsseite der Kirche gegenüber. Zusatz zu J. Schlosser's «Die abendländischen 
Klosteranlagen des frühen Mittelalters.» Wien 1889, S. 2 flf. 

« C. Ritter, Erdkunde Bd. X, S. 528. 

* Dubois de Montp^reux, Voyage autour du Caucause. Paris 1839, Bd. III, S. 371. 
5 Ebenda, Atlas S<5r. III, pl. VII, Fig. i. 

• Die letzte Behauptung gründet sich auf die Ruinen von Gami, die von einem jonischen 
Tempel herrühren. An dieser Stelle soll Tiridates für seine Schwester einen Palast erbaut haben. 
Abbildungen bei Dubois a. a. O. Atlas Ser. III, pl. VII und Alishan a. a. O. S. 364. 



Die Kirche hat im Grundriss ' quadratische Form mit auf allen vier Seiten 
vorspringenden polygonalen Apsiden, von denen die an der Ostseite am wenigsten 




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Grundriss der Kirclie von Etschmiadzin. 
ausladet, weil sie auf beiden Seiten von recbteckigen Capellen flankirt wird. 

1 Zuerst skizzenhaft publicirt bei Cliardin a. a. O. BJ. I, pl. X. Besser bei Dubois a. a. O. Atlas 
Bd. III, pl. VII, Fig. 3. Brosset a. a. O. Atlas pl. XVI (danach meine Abbildung). Grimm, Monuments 
d'arch. en G^orgie et en Anndnie. Petersbourg 1859 ff. und .\lishan a. a. O. S. 217. 



Dieser centralen, in grauen Lavablöcken ausgeführten Ummauerung entspricht 
der innere Aufbau. Vier Pfeiler tragen die Kuppel und stehen in den Ecken 
eines gleicharmigen Kreuzes, das in den Axenrichtungen von Tonnengewölben 
überspannt wird. In den Eckräumen kamen Kreuzgewölbe zur Anwendung. Der 
Grundriss entspricht somit, wenn wir von dem specifisch armenischen Motiv der 
Apsiden auf der Nord-, Süd- und Westseite • absehen, durchaus dem erst 
seit Justinian giltigen Schema der bj^zantinischen Kuppelkirche. Von einer 
Entstehung in einer früheren Zeit, geschweige denn im Jahre 302, kann nicht 
die Rede sein. 

Zu diesem wahrscheinlich auf einen älteren Bau zurückgehenden Grundriss 
gehört nicht der an der Westseite in rothem porphyrartigen Stein aufgeführte 
Glockenthurm. Er ist erst um 1654 zugebaut. Aber auch die Kirche selbst ist 
im Oberbau ganz modern. Kirche und Kloster nämlich wurden im Jahre 1604 
von Schah Abas I. zerstört und die Trümmer zum Bau einer neuen Kirche nach 
Djulfa bei Ispahan überführt. Im Jahre 1627 restaurirte der Wardapet und spätere 
Katholikos Moses die Ruinen. Sein Nachfolger Philippos setzte die Arbeiten fort 
und der Katholikos Eliazar führte sie im Jahre 1682 zu Ende. Seit der Zeit 
haben nur geringfügige Aenderungen stattgefunden.' 

Mein Suchen nach selbstständigen armenischen Kunstdenkmälem der ältesten 
christlichen Zeit ist erfolglos geblieben. Dagegen stiess ich auf einige Reste 
griechischer Schrift und Kunst, welche ihrem Charakter nach dieser Zeit 
angehören müssen und im Zusammenhange mit dem im Haupttheile dieses 
Buches zu behandelnden Etschmiadzin-Evangeliar ein scharfes Licht auf die 
Quellen werfen, aus denen heraus sich die Cultur des christlichen Armeniens 
entwickelt bat. 

Bore, » der das Kloster im Jahre 1838 besuchte, die Kirche also im heutigen 
Zustande kennen lernte, erwähnt an der Aussenseite des Chores zwei griechische 
Inschriften, deren Schreibart auf die ersten Jahrhunderte der christlichen Zeit- 
rechnung zurückweisen soll. Auf der einen Tafel lese man Gebete mit dem Namen 
des Verstorbenen, auf der andern würden Paulus und Thekla genannt. Nach Bore's 
Meinung sind diese Inschriften ein Beweis erstens dafür, dass das Christenthum 
in diesen Gegenden schon vor Ankunft des heiligen Gregor, welcher die Nation 



t Vgl. Schnaase, Gesch. d. bild. Künste 2. A. III, S. 327. 

2 Nach Dubois a. a. O. III, S. 371, Grimm a. a. O. S. 9. Ritter, Erdkunde X, S. 530. 
Vgl. Schah-Chathunianz, Beschreibung von Etschmiadzin und der fünf Ararat-Provinzen, 1842, 
armenisch in Etschmiadzin gednickt, 2 Bde. 

« E. Bore, Correspondance et memoire« d'un voyageur d'Orient. Paris 1840, S. 41 ff. 



endgiltig bekehrte, verbreitet war; zweitens dafür, dass die griechische Sprache 
neben der syrischen, welche Einige in jener Zeit allein im Gebrauch glaubten, in 
der Liturgie verwendet worden sei. Ritter* nimmt diese Behauptungen auf und 
verbindet damit die zuerst von Neumann' beachteten Nachrichten, wonach der 
angeblich älteste armenische Geschichtsschreiber Agathangelos wahrscheinlich in 
griechischer Sprache geschrieben habe' und die griechischen Schulen von 
Athen, Byzanz u. a. O. von armenischen Jünglingen besucht wurden. Die letzte 
Angabe, durch Koriun und Moses von Chorene gestützt, hat ihre Richtigkeit und 
wir werden unten noch von ihr Gebrauch machen. Die Behauptungen Bore's 
aber bedürfen sehr wesentlicher Correcturen. 

Bore kann nur zwei Inschriften gemeint haben, die auch ich noch in der 
Nordostwand der Kirche ziemlich hoch oben eingemauert fand. Die eine, in der 

Paulus und Thekla genannt werden, 
befindet sich auf einer 065 Meter 
breiten, 0-47 Meter hohen Stein- 
platte, die durch eine jonische 
Säule in zwei Arkaden getheilt 
wird.* In dem Felde rechts ist in 
Relief ein Mann mit langem Haar 
und Bart, bekleidet mit einem kur- 
zen Chiton, gebildet, der nach links 
gewendet auf einem Klappstuhl sitzt 
und beide Hände nach links hin 
erhebt, wo in der zweiten Arkade 
eine bartlose Gestalt mit kurzem Haar in einem langen, gegürteten Chiton 
nach rechts gewandt dasteht und den rechten Arm zur Brust erhebt. Zur Seite 
des Kopfes der sitzenden Gestalt steht UAYAOI, der stehenden BEKAA, Die 
Arbeit ist so schlecht, dass ich im ersten Moment an ein Machwerk neuester Zeit 
dachte, wie man es, doch fast besser, an griechischen Kirchen der letzten Jahr- 
hunderte findet. Aber abgesehen davon, dass die Tafel schon im 17. Jahrhundert 




Relief mit Paulus und Thekla in Etschmiadzin. 



i a. a. O., S. 531. 

« G. F. Neumann über armenische Sprache und Literatur, im Hermes Jahrb. der Literatur. 
Bd. 33 (1829), S. 159, 194. 

» Widerlegt von Gatergian im «Hantess» 1889 Nr. 2. Agathangelus benutzt Basilius d. Gr., 
lebt im 5. Jahrhundert und schreibt armenisch. 

* Meine Abbildung nach Schah-Ghathunianz a. a. O., S. 20, doch ist das Säulencapitell 
nach dem Original corrigirt. Vgl. AHshan a. a. O., S. 213. 



in die Kirche verbaut wurde, ist auch der Gegenstand der neueren Kunst fremd. 
Er fehlt im Malerbuche vom Berge Athos sowohl in der von Didron publicirten ' 
wie in der erweiterten Redaction, welche A. Konstantinidis herausgegeben hat.« 
Dagegen beweisen literarische Quellen, namentlich des 4. und 5. Jahrhundert, ' 
eine Elfenbeintafel im Britisch Museum (Garr. 446, 11),* und eine Miniatur auf 
Fol. 63 •" eines Neuen Testamentes des 11. Jahrhunderts in der Metamorphosis- 
Kirche am Berge Athos — in der links Paulus schreibend, rechts Thekla erstaunt 
aus einem Fenster blickend dargestellt ist — dass dieser Gegenstand in altbyzan- 
tinischer Zeit beliebt war. In dem Londoner Relief sitzt Paulus wie in Etsch- 
miadzin nach links gewendet rechts, während Thekla links erscheint. Das 
Compositionsschema entspricht also im Allgemeinen demjenigen in Etschmiadzin, 
mag es auch im Detail anders und feiner durchgebildet sein. Über das 5. oder 
6. Jahrhundert werden wir die armenische Replik ebenso wenig hinaufdatiren 
dürfen, wie die Londoner Darstellung. Für diese Ansetzung spricht auch, dass 
das jonische Capitell der die beiden Arkaden trennenden Säule mit dem Kämpfer 
versehen ist, ein Detail, welches sich frühestens in dem von Ursus (400 — 410) 
erbauten katholischen Baptisterium S. Giovanni in Fönte in Ravenna nachweisen 
lässt. Nebenbei bemerkt, widerlegt diese armenische Darstellung des Gespräches 
zwischen Paulus und Thekla, zusammen mit einem kleinasiatischen Marmorrelief, 
welches die Bestrafung des Ananias darstellt und das ich an anderer Stelle ver- 
öffentlichen werde, eine Ansicht F. Ficker's, der in der Darstellung der Lebens- 
schicksale der Apostelfiirsten in den angeblich der Brescianer Schnitzerschule 
angehörigen Bildwerken südfranzösische Einflüsse sucht. * 

Die zweite Inschrift, welche nach Bore Gebete mit dem Namen des 
Verstorbenen enthält, ist altbekannt und zuerst von Dubois publicirt. « Ich 
bilde sie hier nochmals ab, weil überall der figürliche sowohl wie der 
inschriftliche Theil unrichtig wiedergegeben ist. Die Tafel ist 0-68 Meter lang, 
0-52 Meter hoch. 



* ed. Schäfer, S. 348 ff. 

* iv 'A&i^vaig 1885 a. 217 xtX. 

» Job. Ficker, die Darstellung der Apostel in der altchristlichen Kunst. Leipzig 18S7, S. 38. 

* Garrucci, Stori.a delP arte cristiana Tav. 446, fig. ir. 

* Ficker, a. a. O, S. 147. 

« a. a. O. Atlas Ser. TU, pl. VII, Fig. 5, vergl. Text III, S. 376, Brosset a. a. O. S. t6. 
Im C. I. Gr. IV, Nr. 8915 steht sie mit der Angabe ^Gbersonesi, ut videtur, Tauricae. E scbedis 
Duboi.s, in quibus quo loco repertus fuerit titulus, non legitur adnotatum.» Schah-Chathunianz 
a. a. O., S. 19, Alishan a. a. O., S. 213. 



8 



Wir sehen im oberen Theil in einem durch die Inschrift ÜOHßlflANTASTOrS 
EYXOMENOTI-ENTHEKAH Z gebildeten Kreise die cviix monogrammatica 
mit gleich langen Armen und der nach Aussen gewendeten Schlinge des P, 7m 
Seiten des Monogramms Christi steht oben: lEH \ lOY unten: ZIBI \ SAIN, In 
den oberen Ecken der Tafel sind zwei Tauben angebracht, welche symmetrisch 
gruppirt an der Peripherie des Kreises picken. Unter der Taube links steht in 
vier Zeilen KYPl \ EAEHION \ TON JOYAON \ lOY APXIAN, unter der rechts 
K I KYEAE I EAni \ AIN, Unter dem Kreuzmedaillon ist eine tabula ansala an- 
gebracht mit der dreizeiligen Aufschrift AANIIIA \ TIPEP \ rAPIKINII. - Der 
im Kreise angebrachten Fürbitte Boijde ndvzaz rou^ eu^ofievou<: kv ry lxlrj[<TiaL] 




T I p e p 



PAP I Kl N IC 



Griechische Inschrift in Etschmiadzin. 

fehlt das Subject. Man könnte es durch das Monogramm Christi angedeutet 
finden. Ich glaube aber, dass auch die Inschrift über dem Kreuzarm es enthält. 
Dubois copirt fälschlich Zißeoatv und enthält sich jeder Deutung. Ebenso 
KirchhoflF im Corpus, wo der erste Name /erjaoo gedeutet ist ' /(i}(tou)[<:] f/o); 
[f^JC^oJu, Alishan will in ihnen * Erbarme dich des Zuith» lesen. Brosset nimmt 
wohl richtig an, dass Urj<:ou für ^/yjaou^ stehe und sieht in Ztßiöaiv eine unbekannte 
Persönlichkeit, deren Name sich in einer modernen Inschrift der Typographie 
zu Etschmiadzin in der Form Zipitai wiederfinde. Ich füge hinzu, dass Zuithai 
als Name eines Priesters schon bei Moses von Chorene III c. 35 und bei Faustus 
von ByzanzIV. c. 55—57 vorkommt. Er könnte hier den Namen des Priesters geben, 
an dessen Kirche die Inschrift angebracht war. Die Anrufung xupt(£) kXijjaov rov 



Sooköv üOü ^Jp^tav und auf der Gegenseite, wie ich lese x(a)) xu(pes) kkifyjffov) 
^EXnidiv dürfte ein Ehepaar nennen, zu dessen Andenken der Stein von Aa^ftyjX, 
Tipep, raptxt)ft<: gesetzt wurde. Der NameTirer» findet sich nach Brosset auch 
in der Inschrift eines Steinkruges vom Jahre 1266 zu Kanakerh. Er klingt ausserdem 
an Ter (Herr) an. In dem letzten Namen Fapexcvc^ wollten Dubois und Ritter, 
der daraus auf ein hohes Alter der Inschrift schloss, Garin, den armenischen 
Namen von Erzerum (Karin), lesen. Wahrscheinlicher ist nach allgemeiner Meinung, 
dass wir den Namen Garegin mit der syrischen Endsilbe is vor uns haben. 

Auch diese Inschrift können wir unmöglich für älter ansehen als das Jahr 302, 
wie Bore will. Bestimmend dafür ist das Monogramm Christi, welches mit dieser 
Axenrichtung zuerst auf einem Titulus von 355 (Inscr. I 75, Nr. 125) auftritt.» 
Dazu kommt, dass die nach aussen gekehrte Schlinge des P für ein noch jüngeres 
Datum spricht. In Constantinopel kann ich das früheste datirte Beispiel dieser 
Art erst an dem um 390 entstandenen Goldenen Thore Theodosius des Grossen 
nachweisen. Gleich darauf kommt es noch einmal an der von Theodosius II. für 
Arkadius errichteten Säule vor, von der ein Rest am Avret-Bazar erhalten ist. 
Man wird über beide Denkmäler, die bisher unpublicirt sind, in einer meiner 
nächsten Publicationen Aufnahmen finden. Da nicht anzunehmen ist, dass dieses 
Monogramm in Armenien früher als in Rom und Constantinopel aufgetreten 
sei, so werden wir mit der Datirung der Inschrift in das 5. oder 6. Jahrhundert 
herabgehen müssen. 

Diese beiden Inschriften können somit nicht, wie Bor6 und Ritter wollten, 
dafür geltend gemacht werden, dass das Christenthum in Armenien schon vor 
Gregor Lusaworitsch Eingang gefunden habe. Vielmehr beweisen sie, dass 
griechische Schrift und Sprache auch nach Erfindung des Alphabets durch 
Mesrop (ca. 406) in Armenien in Gebrauch waren. Dabei ist zu bemerken, dass 
die Verstorbenen in der einen Inschrift ^Ap^ia^ und ^EXrri^ griechische, die übrigen 
Personen ZtßSatv, Tipep, raptxivt<: armenische Namen haben. Alles das spricht 
für enge persönliche Beziehungen zwischen Griechen und Armeniern noch im 
5., respective 6. Jahrhundert und wir werden nun nichts Auffallendes mehr darin 
finden, dass die Hauplkirche in Etschmiadzin byzantinischen Grundriss aus nach- 
justinianischer Zeit hat. 

In diesem Zusammenhange gewinnen vier Capitelle höhere Bedeutung, welche, 
bisher von keinem Reisenden beachtet, im Gartenhofe vor der Akademie in 
Etschmiadzin liegen. Sie sind der Form nach alle gleich und fallen schon durch 

» im C. I. Gr. Nr. 8915 steht dafür nur PE, ergänzt zu [jijQsloßvimog 6J, 
« Vergl. Kraus, Real-Enc. II, S. 227. 



ilire Grösse auf. Die Deckplatte bildet ein Quadrat von 095 Meter Seitenlänge, 
die Höhe betragt bis zut unteren Bruchfläclie 078 Meter. Der Form nach sind 
es byzantinische Korbcapitelle von besonderer Art. Den unteren TheÜ bildet 
ein aus dreiffestreiftem Flechtwerk gebildeter Korb. Darauf liegt ein jonisches 
Capitell von vollen, massiven Formen. Die Voluten werden durch einen 
gedrehten Wulst verbunden, unter dem man Medaillons angebracht sieht, die 
auf der Vorderseite mit einem Monogramm, auf der Rückseite mit einem 
Hakenkreuze gefüllt sind. Die Seitentheiie nehmen die mit Blattwerk gezierten 



Capitell in Etsclimiadzin. 

Volutenpolster ein. Über ihnen steigt ein niedriger Kilmpfer mit geneigten 
Seitenflilchen auf. 

Die F,ntwicklung des bjzantinischen Capitclls, wie ich sie demnächst mit 
Zugrundelegung eines umfangreichen und zum grössten Theil unpublicirten 
Materials klarzulegen gedenke, ergibt für das Korbcapitell mit Wahrscheinlich- 
keit, dass es nichts Anderes ist, als eine durch die Baumeister Justinian's vor- 
genommene Umbildimg des Theodosianischen Capitells, für das die composite 
Grundform die Regel war. An Stelle der Akanthusblätter tritt der Korb, an 
Stelle der Voluten Tliiere, die, am Rande des Korbes sitzend, die Deckplatte 
tragen. Man sieht, dass die Ktschmiadzin-Caiiitelle somit eine Sonderstellung 
einnehmen. Wogen der Anwendung des Korbes können sie nicht älter sein als 
Justinian, für die Beibehaltnng der Voluten liefern sie meines Wissens das 
einzige Beispiel. 



der vier Capitelle zeigen zwei Formen: 



die erste Form kommt einmal, die zweite dreimal vor. Die Auflösung imterliegt 
keinem Zweifel, die erste Form enthält Nupaou, die zweite Kadolcxoü. Unter den 
armenischen Patriarchen, welche von Anbeginn den griechischen Titel Ka9<iXtx6z 
führten, kommen in der ältesten Zeit drei mit dem Namen Nerses vor. Nerses I. 
der Grosse 340—374, Nerses 11. 524 — 533 und Nerses III. Schinogh (der Erbauer) 
640 — 66i. ' Der Zeit nach kommt von diesen nur der letzte in Betracht. Die 
Regierung Nerses II. fällt zu sehr mit den ersten Regierungsjahren Justinian's 
zusammen, in welchen das Korbcapitell, da es im Innern der Sophienkirche und 
an Hagios Sergius und Bacchos noch nicht vorkommt, wahrscheinlich noch gar 
nicht erfunden war. Nerses III. aber würde nicht nur der Zeit nach passen, 
sondern sein Beiname «der Erbauers lenkt direct auf ihn hin. 

Über Nerses III. und seine Bauthätigkeit erhalten wir eingehende Nach- 
richten durch seinen Zeitgenossen Sebeos.' Derselbe war Bischof und wird im 
Concil von Dvin (645) erwähnt. In seiner Geschichte, welche bis zum Jahre 660 
reicht,' berichtet er unter Anderm von dem Katholikos: t Nerses . . . war von 
Kindheit an in Griechenland erzogen und hat die Sprache und die Wissen- 
schaften der Griechen gelernt und als Krieger viele Länder durchreist.»' Diese 
Beziehungen zu Byzanz gaben bald Anlass zur Mythenbildung. So erzählt schon 
am Schlüsse des 10. Jahrhunderts ein Fortsetzer des Moises Kalankaituatzi : * 
«Im ig. Jahre von Constans {II. 641 -668) ist Ter (Herr) Nerses Katholikos 

i Nach J. Saint-Martin, Mtmoires liist. et güogr. sur rArmenie. Paris 1818, im Katalog 
der Patriarchen. 

3 Indem ich beginne armenische Geschichtsquellen zu verwetthen, folge ich gern meiner 
Pflicht Herrn Dr. Kniemkiar, Mitglied der Wiener Mechitharisten-Congregation, für die uneigen- 
nützige und mit liebenswürdigstem Eifer mir geleistete Beihilfe in der Übersetzung, sei es 
mir bekannter oder von ihm selbst aufgewiesener Quellen, herzlich zu danken. 

• Vergl. Afriwanetzi, Clironologic, Sl. Petersburg 1S67, S. 37; H. Hübschmaun, Zur 
Geschichte Armeniens und der ersten Kriege der Araber, S. 7. 

* Sebeos, ed. Petersburg 1879, S. 140. 

» Geschichte der Afghanen, Buch III, C. 15, (Moskau ifi6o, S. 255). Die ersten beiden Bücher 
reichen bis zum Jahre 685, das dritte ist von einem Fortsetzer 980 1000 weitergeschrieben. 



12 

der Armenier gewesen 20 Jahre lang und die armenische Jahreszahl war iii. ^ 

Dieser war der Erzieher von Constantin (IV. Pogonatas 668 — 85) und hat mit dem 

Schatze desselben den prachtvollen Stall (sie !) der vernünftigen Heerde (Christi) 

im Stadtdorfe (genannt) «heil. Gregor 5> aufgebaut; und er hat zur Kirchenweihe 

den König der Griechen eingeladen, der, sehr erstaunt über den Bau, den Maurern 

befahl, ihm zu folgen, damit er das Gleiche in seinem Palast aufbauen lasse. 

Er konnte aber nicht in sein Haus gelangen und starb auf dem Wege.» Soviel 

verbürgt die Notiz des Sebeos und bestätigt der Fortsetzer des Moises Kalan- 

kaituatzi zum mindesten, dass Nerses III. zu Byzanz in näheren Beziehungen 

stand und Gelegenheit genug gehabt haben dürfte, byzantinische Architektur 

schätzen zu lernen. Denn das Verhältniss wird wohl umgekehrt gewesen sein, 

als es Moises erzählt: Nerses wird sich Baumeister aus Griechenland haben 

kommen lassen. Beweis dafür sind unsere Capitelle, deren Form zusammen mit 

den griechischen Monogrammen unzweifelhaft auf solchen Ursprung hinweist. 

Über die Provenienz der Capitelle theilt mir Herr Dr. Karamianz, Professor 

an der Akademie in Etschmiadzin, Folgendes mit: «Ich war im Jahre 1875 Schüler 

der Akademie, als zwei von diesen Capitellen, welche lange Zeit im südliehen 

Vorhofe des Klosters gelegen hatten, in den Hof vor der Akademie gebracht 

wurden. In demselben Jahre wurden auch die beiden andern dahin geschafft, 

aber nicht aus Walarschapat selbst, sondern von einem «die ruinirte Kirche» 

genannten Orte, welcher vier Werst von Etschmiadzin rechts vom Wege nach 

Erivan liegt.» Unter Berücksichtigung dieser werthvollen Angabe können wir nun 

auch bestimmen, zu welchem Gebäude die Capitelle einst gehörten. Der oben 

citirte Sebeos berichtet über die Bauten Nerses III.: «In jener Zeit dachte Nerses, 

der Katholikos der Armenier, eine Wohnung für sich zu erbauen in der Nähe der 

Kirchen in der Stadt Walarschapat auf dem Wege, auf welchem, wie man sagt, 

der König Tiridates dem heiligen Gregor entgegen gekommen ist. Er hat dort auch 

eine Kirche aufgebaut im Namen der himmlischen Engel, die dem heiligen Gregor 

in der Vision als eine Schaar himmlischer Heere erschienen sind. Diese Kirche hat 

er in hohen Bauten und Wunderwerken errichtet, wie es sich der göttlichen 

Ehre, welcher er sie widmete, ziemte.»« Und an einer anderen Stelle: «Und 

später nach sechs Jahren der Verfolgung ist er (Nerses) wieder auf seinen Platz 

zurückgekehrt und hat den Stuhl des Katholikos wieder bestiegen. Er beeilte 

sich, den Bau der Kirche zu Ende zu führen, welche er auf der Strasse der 

1 Die Datirungen Constans im 19. Jahre seiner Regierung (660) und Nerses im 20. Jahre 
(661) stimmen nicht zum Jahre 111 = 662. 

2 Sebeos a. a. O., S. 118 — 9. 



13 

Stadt Walarschapat errichtet hat.>« Im 9. oder 10. Jahrhundert schreibt der 
Katholikos Johannes: «Und dann baut er (Nerses III.) einen Tempel der 
Heiligkeit über der Grube des heiligen Gregor, wo dieser apostolische Mann 
Gottes, unter den Giftigen (Thieren) sich befindend, den Kopf des bösen Drachen 
zertreten hat, uns Armenier aus den Todes-Abgründen des Heidenthums an's 
Licht der Glorie des Sohnes Gottes emporziehend. Ausserdem legt er, auf den 
Herrn hoffend und ungeachtet der Invasionen feindseliger Insurgenten, mit lobens- 
werthem Eifer den Grund zum grossen und wunderschönen Hause Gottes im 
Namen des heiligen Gregor, die Vollendung der Weisheit Christi des Erbauers über- 
lassend. Als er den Grund zur göttlichen Wohnung der vernünftigen Heerde 
Christi legte, brachte er, unter den vier kolossalen Säulen vertheilt, die Reliquien 
der Gebeine des heiligen Gregor unter, damit dieser himmlische Schatz auf immer 
unberührt bleibe von den verheerenden Horden zur Glorie des Christenthums.»« 
Wir hören hier somit von verschiedenen Bauten, die dem Katholikos 
Nerses III. den Zunamen des Erbauers eingetragen haben dürften. Schon der 
Fortsetzer des Moises Kalankaituatzi rühmt die prachtvolle Kirche der vernünftigen 
Heerde Christi. Dieselbe Bezeichnung gebraucht auch der Katholikos Johannes ; 
er fügt die sehr werthvolle Notiz bei, dass man unter die vier kolossalen Säulen 
Reliquien des heiligen Gregor gelegt habe. Wir müssen somit auch für diese 
Kirche centralen Grundriss ähnlich dem der heutigen Hauptkirche von Etschmiadzin 
annehmen. Die vier Säulen trugen dann die Kuppel. Unsere Capitelle können 
wegen der auffallend kolossalen Dimensionen nicht gut einem andern Zweck 
als diesem gedient haben. Sie tragen zudem das Monogramm des Katholikos 
Nerses. Es dürfte daher gerechtfertigt sein, sie als die Reste der Kirche der ver- 
nünftigen Heerde Christi zu betrachten. Dazu kommt bestätigend, dass Alishan, 
welcher diese Capitelle nicht kennt, annimmt, dass jener, «die ruinirte Kirche» 
genannte Ort, von dem zwei der Capitelle nach den Mittheilungen des Dr. Kara- 
mianz sicher herrühren, die Stelle sei, auf der die von Nerses Schinogh erbaute 
Kirche der vernünftigen Heerde Christi gestanden habe. Über die Schicksale 
dieser nach Sebeos den himmlischen Engeln, nach Johannes Katholikos, wahr- 
scheinlich, wie Alishan annimmt, seit der Übertragung der Reliquien des heiligen 
Gregor, diesem Heiligen gewidmeten Kirche erfahren wir von dem Mechithar 
Airiwanetzi im 1 1. Jahrhundert, dass sie, welche die ganze Welt bewundert hatte, 
von den Arabern zerstört worden sei, wahrscheinlich im 10. Jahrhundert, weil 
nach Thomas Ardzruni der Katholikos Gregor II. (876 — 97) sie noch aufsuchte, 

1 Ebenda, S. 150— l. 

2 Johannes Katholikos, Geschichte Armeniens. Moskau 1853, S. 48. 



14 

während sie in der bis 1004 reichenden Geschichte des Assolik bereits als zerstört 
aufgeführt wird. Im Jahre looi baute König Gagik nach ihrem Muster eine 
grosse Kirche in Ani, welche seit der Einnahme der Stadt durch Alp Arslan (1064) 
verfiel und heute in Ruinen dasteht." Der Platz aber, wo sich die Ruine des 
Originals bei Walarschapat erhob, behielt bis auf den heutigen Tag den Namen 
«hangaz ekelezi» {^uAiquji blibribgliy die ruinirte Kirche). » 

Wie sich nun für diese Kirche centraler Grundriss und, nach den erhaltenen 
Capitellen zu urtheilen, auch byzantinische Detailformen nachweisen lassen, so 
dürfte das Gleiche für die älteste Kirche im Patriarchatskloster gelten. Der 
Grundriss ist ja thatsächlich der einer byzantinischen Kuppelkirche. Über ihre 
Geschichte wissen wir nach der Zusammenstellung von Grimm und Ritter, ' 
dass der älteste von Gregor gegründete Bau im Jahre 380 von Sapor II. zerstört 
und von Wahan Mamiconian restaurirt worden ist. Im Jahre 483 führt ein anderer 
Wahan, Marzpan von Armenien, eine zweite vollständige Restauration aus, wie 
der Historiker Lazar von Pharpi bezeugt. Derselbe wird als Vorsteher des bei 
der Patriarchatskirche errichteten Klosters Surena genannt. Die Gründung desselben 
wird von den Einen in Nerses II. Zeit, von Andern in die Nerses III. angesetzt. 
Der Patriarch Komitas (617 — 25) liess im Jahre 618 das Holzdach der Kirche 
durch eine Steinkuppel ersetzen. Nerses III. wird dann eine Reparatur zuge- 
schrieben. Die weiteren Schicksale sind oben S. 5 berichtet worden. 

Über die Entwickelungsgeschichte der armenischen Kunst wird sich daher 
mit Berücksichtigung dieser Bauten von Etschmiadzin etwa Folgendes sagen 
lassen: Die rein jonischen Formen des einzigen aus römischer Zeit erhaltenen 
Baues, einer Palast- oder Tempelruine in Garni, und das Fehlen sonstiger Monu- 
mente führen zu dem Schlüsse, dass die Armenier in vorchristlicher Zeit keine 
nationale Kunstweise ausgebildet hatten, dass sie vielmehr noch mehr als die 
angrenzenden sassanidischen Länder dem Einflüsse der römischen Kunst erlegen 
waren. Wenn uns daher später in christlicher Zeit ein selbstständiger armenischer 
Baustil entgegentritt, so muss sich derselbe erst in christlicher Zeit herausgebildet 
haben. Schnaase* setzt das Auftreten dieses nationalen Stiles in den Anfang 
des 7. Jahrhunderts. Über die Zeit von Tiridates bis circa 618 weiss er von der 
armenischen Kunst nichts zu berichten und füllt diese Lücke aus mit der Vor- 

> Abbildungen bei Sargissian, Topographie von Klein- und Gross- Armenien, St. Lazaro 
1864, S. 64 fr.; Alishan, Schirak 1880, S. 66 ff. 

2 Vergl. Alishan, Airarat, S. 244 ff., § 120. 

a Grimm a. a. O, S. 9; Ritter, Erdkunde X, S. 528 ff. 

4 Gesch. d. bild. Künste. Bd. III, S. 520 ff. 



15 

führung einer Kirche in Pitzunda in Abkhasien an der Küste des schwarzen 
Meeres gelegen, einem Gebiete, welches von Justinian christianisirt und mit 
einer Kirche der Muttergottes ausgestattet wurde. ^ Auch die Kirche von Pitzunda 
wird von der Tradition auf Justinian zurückgeführt.« Das Studium ihrer Bauformen 
aber ergibt einige Merkmale, die dem entgegen sind.' Der Grundriss zwar ist 
der einer von vier Pfeilern getragenen byzantinischen Kuppelkirche. Ebenso 
lassen das Schichtenmauerwerk, die Anbringung des Narthex und der West- 
empore keinen Zweifel an dem byzantinischen Grundschema aufkommen. Aber 
die Tragebogen der Kuppel haben keilförmige Gestalt und können daher 
unmöglich vor dem Eindringen der Muhamedaner in diese Gegenden entstanden 
sein. Dubois zählt noch mehrere Kirchen Abkhasiens auf, die alle deutlich den 
byzantinischen Kanon zeigen. 

Schnaase nimmt nun mit Recht an, dass wohl auch in Armenien die byzan- 
tinische Kunst das Erbe der römischen angetreten haben werde. Nur beschränkt 
er die Dauer ihrer Herrschaft, wie ich glaube, zu sehr. Zunächst hätte er hin- 
weisen können auf die Stelle bei Prokop de aedificiis c. III 4,« die uns positive 
Belege für das Vorhandensein byzantinischer Bauten in Armenien gibt: c (Justinian) 
führte (in Armenien) Bauten von Kirchen und Klöstern aus. In Theodosiupolis 
errichtete er eine Kirche des Theotokos und erneute die Klöster in dem Petrios 
genannten Orte und in Kukarizi. In Nikopolis baute er das sogenannte Kloster 
der fünfundvierzig Heiligen und in Bizani eine Kirche des Märtyrers Georgios. 
Nahe bei Theodosiupolis restaurirte er ein Kloster der vierzig Märtyrer.» Diesem 
Zeugnisse schliessen sich als unzweideutige Argumente der Herrschaft der byzan- 
tinischen Kunst noch im 7. Jahrhundert die Auskünfte an, welche wir über die 
älteste Patriarchatskirche und die circa 660 vom Patriarchen Nerses III. erbaute 
Kirche der vernünftigen Heerde Christi geben konnten. Darnach scheint es sehr 
unwahrscheinlich, dass schon vor Nerses III. Monumente im ausgesprochen arme- 
nischen Stil entstanden sein sollten. 

Im Zusammenhange mit diesem Resultate wird daher die Entstehungs- 
geschichte der drei dafür geltend gemachten ältesten armenischen Kirchen, 
der heil. Riphsime, angeblich 618, der heil. Gajane, angeblich 630, beide 
in Walarschapat, und der Kirche in Usunlar, angeblich 718—729 gegründet, 
neu zu untersuchen sein. Sie zeigen den national armenischen Stil bereits rein 

* Prokop, De hello g^othico c. IV, 3 ed. Bonn. vol. II, p. 472. 
2 Schnaase a. a. O. S. 325. 

5 Ahgebildet bei Duhois a. a. O. Atlas III, pl. i und 2. 
•• ed. Bonn. III, p. 255. 



i6 

durchgebildet. ' Da wir überdies dessen weitere Fortschritte erst im lo. Jahr- 
hundert nachweisen können, die Gründungsdaten selbst aber unsicher sind, so 
ist es sehr wahrscheinlich, dass diese drei Kirchen aus einer Zeit stammen, in 
der sich die armenische Architektur bereits seit längerer Zeit vom directen 
byzantinischen Einflüsse befreit hatte. Das 9. Jahrhundert würde dafiir passend 
erscheinen. 

An dieser Stelle genügt der Nachweis, dass, wie schon Koriun* von 
armenischen Jünglingen zu berichten weiss, die in Griechenland ihre Studien 
machten und die beiden Inschriften an der Hauptkirche in Etschmiadzin für ein 
Fortwirken der griechischen Cultur im 5. respective 6. Jahrhundert sprechen, 
wir aus den Nachrichten des Sebeos und zweier Schriftsteller des 10. Jahr- 
hunderts ersehen können, wie eng diese Beziehungen durch Nerses III. aufs Neue 
im 7. Jahrhundert befestigt wurden. Die beste Illustration dieser Verhältnisse gibt 
ein Brief des Katholikos Giut (465 — 475) an den Perserkönig Peroz, den Lazar 
von Pharpi mittheilt ^ und in dem sich Giut folgendermassen wegen seiner 
Beziehungen zu den Griechen zu entschuldigen sucht; «Wenn man von mir sagt, 
dass ich mit den Griechen in Verkehr bin, so liegt die Sache nicht so, wie man 
spricht, und man berichtet falsch; denn alle Wissenschaften, so auch die 
Philosophie, habe ich in Griechenland erlernt und habe dort viele Bekannte und 
CoUegen. Und das Kleid, das wir tragen, kaufen wir von dort, denn man findet 
es in keinem andern Lande ; wir müssen also unseren Bedarf von dorther decken. > 
Was hier von den Wissenschaften und Kleidern gesagt wird, gilt auch für die 
Baukunst. Die Betrachtung der Capitelle hat uns gelehrt, dass auch unter 
Nerses III. die byzantinische Kunst es noch war, welche der armenischen ihre 
Formen, ja ihre Baumeister lieh. Bevor ich nun die Geschichte des byzan- 
tinischen Einflusses weiter verfolge, w^nde ich mich dem Haupttheile meiner Auf- 
gabe, der Betrachtung des Etschmiadzin-Evangcliars zu, in welchem wir neben 
dem byzantinischen noch einen zweiten Culturkreis kennen lernen werden, welcher 
der armenischen Nation neue befruchtende Keime hat zukommen lassen. 

» Vergl. Schnaase a. a. O., III. S. 334. 

2 Veröl, die Noten zu Eiisebius Ghron. ed. Venet. 1818, Vol. I, praef. p. XII. 

3 Geschichte Armeniens ed. S. Lazzaro 1873. S. 345. 



;nthaltes im Kloster Etsch- 
wollte mir der Bibliothekar, 
in die mit Miniaturen ver- 
setienen H an dscti ritten gestatten. Ich erwartete nach dem im Jahre 1840 
von M, Brossct veröt^entÜchten Kataloge der Etschmiadzin-Bibliothek, ' der nur 
armenische Handschriften, darunter die ältesten aus dem 12. Jahrhundert aufführt, 
Aufschluss lediglich darüber zu erhalten, in wieweit die armenischen Miniaturen- 
maler von den byzantinischen abhängig gewesen seien. Umsomehr war ich daher 
Überrascht, als ich unter den CimeÜen eine Handschrift liegen sah, die, mit 
werlhvollen christliclien Elfenbein-Diptychen geschmückt, eine Reihe von Minia- 
turen enthielt, von denen diejenigen am Anfang auf den ersten Blick altchristlich, 
die am Schlüsse syrisch zu sein schienen, während dazwischen ein armenisch 
geschriebenes EvangeÜar mit stümperhaften Randminiaturen eingebunden war. 
Unter fortwährendem Diängen des Bibliothekars habe ich dieses wertlivolle Manu- 
script photograpliirt. Man findet die Aufnahmen in den beiliegenden Tafeln 
I — VI reproducirt. Erst im Januar 1890 erfuhr ich bei Gelegenheit des archäo- 
logischen Congresses in Moskau, dass die Handschrift in Russland nicht unbekannt 
sei. Graf Alexander Sergei Uwaroff hat im Jahre 1882 mit Benutzung des im 
Jahre 1865 in armenischer Sprache erschienenen neuen Kataloges der Etschmiadzin- 
Bibliothek eine kurze Beschreibung derselben in den Mittheilungen des fünften 
archäologischen Congresses zu Tiflis veröfFentb'cht. » 



i Bros.set, Calalogue de la bibliothique d'Etschmiadzin. St. PL-lersb. 1840. Wieder 
abgedruckt in den Rapports S. 23 ff. 

= HnTuH apico.ionnecKHH tvkani. bi Tiic^iuct. Mockba 1892 «p. 352, wovon iieiierdinüs 
eine (ibersetzung von J. J. Mourier, «La bibliotheque d'Etsclimiadziiie et les Manusorits 
1 Tifiis (iS85) ursüliien. Eine Recension von Stassoff im Xyiinn.ii. U-ls Hap(i;innro 



i8 

Den Kern der Handschrift, welche ich kurzweg das «Etschmiadzin-Evangeliar» 
nenne, bildet ein auf Pergament in mittelmesropianischer armenischer Schrift 
geschriebenes Evangeliar von 028 Meter Breite und 0*34 Meter Höhe. Am 
Schlüsse desselben befindet sich folgende Subscription : ' « Da der Ver- 
stand des heiligen (Stephanus) vom himmlischen Lichte erleuchtet war, ist er ein 
Muster der Mönche gewesen. Auf Erden gleich Engeln lebend, war er ein Genosse 
der Engel und hat uns, seinen Schülern, auf Erden ein Beispiel des Lebens- 
wandels hinterlassen und eine Leiter zum himmlischen Sion, d. i. Noravank, in 



ITpocB-femeHia 1886 im Juliheft, wovon gleichzeitig eine armenische Übersetzung in der Zeitschrift 
"• Updujq.nfug .^ («Ardzagang»), Tiflis 1 886, Nr. 25, 26, 29, erschien. Vergl. den Hauptkatalog der 
Manuscripte der Bibliothek der Kathedrale Etschmiadzin (ITiujp gnigiuk ötrniuqpp iftuuiülj/ig 
qptaatupiu'Utf uppfij tußnanjU fJlifJiMd'Ul} :) Tiflis 1863, S. 16, Nr. 222. 

» Bischof Nerses wollte nicht erlauben, dass ich diese Subscription photographire. Wenn 
ich sie hier im Wortlaute vorbringen kann, so danke ich das der gütigen Bemühung des Herrn 
Legationsrathes von Schiessl in Constantinopel, der mein diesbezüglich an den Patriarchen 
gerichtetes Gesuch in jeder Weise unterstützte. Der Urtext lautet wie folgt: JnfiuljiutJi imuntl 
lupinuitpiajibiui uwinnLMdp'Uinai uppnßi ifiiin^ qbpuiiun'i ifiuliirptnnLßbiuWp luptiitiui'ipiui tri duijputqnßj 
inuinßi lu'üffLun ffutnujquijßlng qbptuifiwjibuii p umnplfUuu bt p qbpuiqnjuU ^ jpUU/üiuiJjuU bi // qjqut' 
ipu. qnp bL tiifü uiuvuliiuLnp bi 'iiupiuqvuin tf'wjipnLßbuiUp Uluptfünj bt pnuiiukpp "üui^wtmulinLßbunfp 
ßniibuii q^uijobliiuliiaü i^briu/ignißpiVli , ^ufUiiU IfputLüpg ifpiutiAuibg biibuii jbpkpb quituTtupttUngli 
pbpbiui lULpfitnuk', "Ungp^U biibi 'iiutinpriy ßnw^'l jbpkpp pipwjngu luiuikboutbing , luippliiuk qljui' 
gp9 kbljutg ninrinmuijp'U . bt uatUiinuiu p ilbpp'lfu uprn[U . quitt nuul/buti 'Unpu iliuVu. 'ipifUmplibiui p 
uiTui qjikuijvupniXi tinju uitmCu pip uppnj 'Utupitutikuijp'b UuibipiuVUnup: 

Inik bu jbuipli bt unnHiuiUnLuiuui VinbipuCbtiini ifninpuikuilt iiputLütuLnp bt uiUvupdufu jfiu^ui- 
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kutlibintl qfiniß uppnßi ^ppuuinup y npg pUßbrCüni^ quut, bt öbrüiuwiuipuid 'iu/ifpujpöiruftfp tuntu^p 
qb'üLnjb gppumnup liuijbip^ p ubtiuib u/üifat^ uipgujjpti , nrinpiüuqnLß qnpnipriairp jpiduCU utpdu/bp 
uipuiulpg qmuipdufUbuii itbiuuL^, q^nqp pit: 

IfL uipq i/p ng pip/bugl: p pui'UOf uiuuinidnj 'ibnuig[nig]u/iibi quuf pip^f unuujffumtuliUiL^ p 
linpujilu/Upg untpp btibribginju, bi ßb nji jufUiiqUp npri^bi qjuju tuLbmuipuruu p unipp pwptuUi^u, 
jiuipiuiuikniiU p ipiuiiutg npq,Lnßi uiuuinLÖnj npnibiui iJpgp ppp uuttnu/bwj , 'Uqntlbu/i jnqp bt p tTuip- 
i/]i'U pV/i uiViunu/ut ubtyu'UwkniWUiUiuli briligp iiuimuiuiiupuibmi jnpuinßj utuuiriLÖnj: 

IjL quui ipgtfU ')u/Uiuuiuiq^ (fußbpgbuii p untpp bl{bfibgLnlu . q_p juinnjq p 'ip'u jWLpplitakittg 
qpbguiL linjU ufutdpn kuiggl, p libpuij uijUngpk njg lu'Uipnjß mi^b'U q^ipiuifuijbuiiu mii jp'üOi: 



19 

welchem er die Grabstätte seines Namensheiligen, des Protomartyrs Stephanus, 
erbaut hat.» 

<Ich aber, der letzte und geringste Stephanus, Mönch und unwürdiger 
Priester, sein Schüler und NeflFe, wenn auch nicht wie er, sondern sündig .... 
verleugne doch nicht, dass ich Christ und Preis (sie!) des Blutes des Gottes- 
sohnes Jesu Christi bin.» 

cUnd nun wünschte ich herzlich, das ehrwürdigste, geistvolle, viereckige (sie !) » 
Evangeliar zur Zierde der höchsten Majestät der Kirche zu copiren. Die Ihr in 
dieser Kirche Kinder seid des neuen Sion .... seid eingedenk im Gebete meiner 
sündvollen Seele.» 

«Niemand soll aus keinem Grunde dieses (Evangeliar) aus der Kirche 
Noravank's wegnehmen ; und wenn Jemand sich untersteht, dieses heilige Evan- 
geliar vom Altare zu rauben, so soll er von der Glorie des Gottessohnes aus- 
geschlossen sein als Teufel, verflucht im Geiste und Körper und mit den 
ungläubigen Kirchenräubem verdammt vom Sohne Gottes.» 

«Es soll in dieser Kirche gelesen werden, denn es ist aus echten und alten 
Originalen copirt. Derselbe Fluch trifft diejenigen, welche das von mir Gebotene 
unterlassen. » 

«Und copirt ist es im Zeitalter der Armenier 438, im Zeitalter der Griechen 
742, unter der Tyrannei der Ismaeliten 379.» 

♦ f Dem Herrn Stephanus gehört dieses Evangeliar. 

Ich Johannes habe es geschrieben. Gedenket meiner.» 

Dann folgt die Aufzählung der Evangelienstellen für alle Tage des Jahres 
und am Schlüsse steht nochmals: 

«Dem Stephanus gehört dieses Evangeliar. 
Der Herr gebe es zum Genuss 
Der Kinder des neuen Sion.» 

Nach der Datirung am Schlüsse der Subscription ist das Evangeliar im 
Jahre 438 der armenischen Aera, welche mit dem Jahre 551 beginnt, d. i. 

Vl qptrgiuL juiifp ßnLi\j 'iutjmqu/Ug : Vl^Q: ül Qum ßtiLnj 'ifinm/p: i^Juß: jpuifiujtiliutiiuit 
f Stitunlt UmtnptuVUnup i^ untpn lULUmuiputUu 

soiin^'u usb^mjvnuh i unhrn 
ufibsnnwju 

Siugt, quiu uitp b Uuifüinufü 
« Dr. Kalemkiar deutet viereckig mit Rücksicht auf die vier Evangelisten. 

3* 



20 

989 n. Chr. Geb. geschrieben. Dazu stimmt weder die griechische noch die 
arabische Datirung. Dem Jahre 742 der Griechen entspräche ein Beginn der 
Aera im Jahre 247, dem Jahre 379 der Türken 610. Wir kennen keine Aera, 
die mit diesen Jahren einsetzt. Nehmen wir aber an, dass als griechische Aera 
die Aera martyrum (a. 284), für die türkische richtig 622 genommen sei, dann 
wäre die Handschrift einmal im Jahre 1026, im andern Falle im Jahre looi 
entstanden. Somit bleibt nur die Erklärung übrig, dass der armenische Schreiber 
mit den fremden Zeitrechnungen nicht vertraut war, wir uns somit nothgedrungen 
auf diejenige seines eigenen Volkes verlassen müssen. • 

Glücklicherweise sind wir in der Lage, diese Datirung von anderer Seite 
her controliren zu können. Nach unserer Subscription ist die Handschrift im 
Jahre 989 von einem gewissen Johannes für den Mönch und Priester Stephanus 
geschrieben, welcher der Neffe und Schüler des Gründers von Noravank (des 
neuen Klosters) Stephanus war. Nun berichtet Stephanus Sünetzi in seiner 
Geschichte des Hauses Sisakan,* dass ein Angehöriger desselben, Namens 
Stephanus, das Kloster Noravank im Jahre 385 arm. Stiles, d. i. 936 nach Christi 
Geburt gegründet habe, und fügt hinzu, dass nach dessen im Jahre 970 ein- 
getretenen Tode zuerst Pater Hrahat, dann ein Neffe des Gründers, Christophor, 
der zugleich sein Schüler und in Allem sein Nachahmer war, Äbte des Klosters 
geworden seien. Bis auf den Namen stimmen somit beide Quellen überein. Im 
Namen selbst dürfte sich der Schriftsteller des 13. Jahrhunderts geirrt haben. 
Das Kloster Noravank liegt in der Provinz Vaiotzdzor und seine Kirche des 
heiligen Stephanus wird noch beim Einfalle der Mongolen erwähnt, als Elikum 
in ihr begraben wurde. ^ Für den Altar dieser Kirche war nach der Subscription 
auch unser Evangeliar bestimmt. Trotz des darin ausgesprochenen Fluches ist 
dasselbe doch geraubt worden und schliesslich nach Etschmiadzin gekommen. 
Über die Geschichte dieses Besitzwechsels liegt eine Notiz vor. Auf Fol. 9 der 
Handschrift steht am Beginne des armenischen Evangeliars : «hu Jahre 622 nach 
der Zeitrechnung der Armenier (1173 nach Christi Geburt) unter der Regierung des 
Athabeg Altkutsch (Eltkuz) und als Gregor (IV. 1173—93) Katholikos war, habe 
ich Gurji, der Sohn des Wahram, dieses Evangeliar von meinem rechtmässig 



i Herr Professor Fr. Müller hat die Güte mir mitzutheilen, dass eine ähnliche Unsicherheit 
beim Gebrauch einer fremden Aera bei Michael Asori, Geschichte (Jerusalem 1871) S. 256, vor- 
komme, wo es heisst, dass im Jahre 871 der syrischen (seleucidischen) Zeitrechnung der Beginn 
der armenischen Aera sei, d. h. (871—315) 556, nicht wie sonst allgemein 551. 

2 ed. Emin. Moskau 1861, S. 179 ff. Uvvaroff a. a. O. S. 353. 

3 Saint Martin a. a. O. S. 3 und 143, II. S. 125. 



erworbenen Gelde gekauft und es dem weitberühmten Kloster Makard des heiligen 
Protomartyrs (Stephanus) geschenkt zur Erinnerung an mich, meine Eltern, 

meine Söhne und meine Frau Ich Ter (Herr) Stephanus habe (dies) 

geschrieben und wenn Jemand dieses Evangelium dem Kloster nimmt, indem er es 
mit Beschlag belegt oder verkauft, so soll er verdammt sein von 318 Patriarchen ; 
diejenigen aber, die diese Befehle vollziehen, seien gesegnet.»' Wie die Hand- 
schrift weiter ihren Weg nach EtscJimiadzin gefunden hat, lässt sich nicht sagen. 
Der Kalligraph Johannes, welcher das Evangeliar cnach echten und alten 
Originalen» copirte, hat seine Handschrift mit einer Reihe von Ornamenten und 
zwei Randminiaturen verziert, die geeignet sind, uns in authentischer Weise 
Auskunft über sein künstlerisches Können zu geben. Die Ornamente sind bald 




Ornamente im armenischen Texte vom Jahre 5 
Kreise, die ein Kreuz, einen Stern, ein verschlungenes Band u. A. umschliessen, 
bald Kreuze, die nach den in der armenischen und georgischen Kirche beim Gottes- 
dienste gebräuchlichen copirt scheinen, weil sie unten einen Ansatz zum Befestigen 

I Im armenischen Urtexte lautet diese Notiz: >• /fmiiifiwliiitßliiii'b ^uijiig: MP: bi p uifipni- 
fibiiib llffiupuit) Itiinlifpli {!:iiiiliniq\ til t ^ni/ii[uiiqtiia\iitßbui'üu 'hpp(in..j \_'hppqiiiiiiij\ bii'hiiipifp npnp 
il,ui'ipuiiriuj ifUligP jp^ 'ituLuii ßiitg qiinipp qtutliimupafuu . bt wiyi 'p ilbiiu^n^uili iluAij/u VuiniupriPu 
p anipp TimPiiu(j)illii'iju . P jpiiiiaiuili p^iA bi AVinimg piOig. npung piFng. bi_ wJhiüiin/li piTnj. aipn 
ttHliuibif quiillfübubu^ nil aiiiiniiLiudiuiil,p fiiu^tuTitujB: jiigdiuir ptißbhhnjg qiintpp niuiliiiittipa/liii luniii^p 
unipp Pinii^pqnjb q_pu bi qb'bniiu piF bi qiipuPu piF. bt qmJiiuip'b piT. jPtbulPe innuilp qb'UiTiuVb 
■lippuaiaiip ! Öl 1nl.11 uiainni.iud Jpinrimgq minpi/bugp uiilVü: llL Uli uitp Uinbtpiifüliiiu qpbgp bßt np 
'•bttuigmgiulil- qunipp qunbmtapuiUu p uiiipp nipiuitii. lt''"f qpmiiaQial/binil li"'if diii/ubinil. iiißi- 
iilpupli liqiiilp : Olpe,: '•mjpmiubmmg'ü . kw'iifpPte 'ipanruAiiug wipTUbuii bitpgp'b: Den Wortlaut 
dieser Notiz verdanke ich Herrn Dr. KaramJanz. Derselbe iut deshalb von Werth, weil der 
Hauptkatalog der Etschmiadzin-Bibliothek und darnach Uwaroff und Mourier a. a. O. die 



22 

in einem Untersatze zeigen. ' Sie haben alle an den Enden der Kreuzarme je zwei 
kugelförmige Ansätze, die auf ein im 7. Jahrhundert in Byzanz allgemein zur 
Geltung kommendes Archetypon zurückgehen,« das von der armenischen und 
georgischen Kunst angenommen worden ist. Die Ausführung dieser Ornamente 
ist die denkbar plumpste: keine Linie ist exact gezogen, keine Farbe mit Sorg- 
falt eingetragen. Schon die Auswahl der Formen zeigt, dass der Zeichner keiner 
traditionellen Geschmacksrichtung folgte. 

Anders in den figürlichen Randminiaturen. Die erste im Evangelium Matthäi 
stellt die Frauen am Grabe dar.» 








Die Frauen am Grabe. Randrniniaturen im armenischen Texte vom Jahre 989. 



Subscription vom Jahre 989 und diese spätere Notiz, deren Datum sie nicht kannten, zu- 
sammengezogen haben, wodurch natürlich unlösbare Widersprüche entstanden. Herr Dr. Kara- 
mianz machte mir auch Mittheilung von enier zweiten Notiz auf Fol. 10, in der Gurji selbst 
berichtet, dass er ein Kloster Thizaparak (?) gegründet habe. Diese Notiz lautet: &// 9'nLnfp 
fmip. ÜjuriouiWaij 'ipimTu/li uinti 'inituliuiLnp bt p itbd ilu/UutgU Wiuriuioiilfü unnip Vintupuilinu 
'Uiuluiu(j)iHiuijt'U tluiUwg iplibinj ni elfütigij qßtqii*J ununuilipu t[ui,.j,,u {'qß^quiuituniulilui ila/hul] 
Oll np ilujüligü "iuijii itf^iii iimiP qUtU)u unita^Uniiri np itbd ilml/mgü iFinng UuhF ^wup kuiit qpuiilig 
iPui'inj kiuir küliiug: Vqnilp: 9'd,(f^.Q, '^lujpvuuiliunug ttt jmju lULtninupufUl^u lulipdiug ni iiuiututd 
b/jUp, wiffU: 

» Meine Abbildung nach Durchzeichnungen von Uwaroff a. a. O. Tafel XII. Vergl. auch Stassoff 
a. a. O. und in der Zeitschrift <'Ardzrigang» 1886. Dass diese nicht zu schlecht sind, wird man bei 
einem Blicke auf die zwischen dem Texte stehende Rosette der Abbildung auf S. 23 sehen. 

» Vgl. unten Anhang II. 

* Meine Skizze nach einem Facsimile von Herrn Dr. Karamianz. 



J 



23 

Der Engel sitzt über und hinter einer kleinen Arkade, in der eine Ampel 
hängt. Er hält in der linken Hand ein Kreuz und erhebt die rechte gegen zwei 
Frauenbüsten, die links übereinander gezeichnet sind. Die unnatürlichen Mass- 
verhältnisse und die stückweise Anbringung der Figuren verrathen eine Hand, 
die von keinem geschulten Künstler geführt wird, sondern einem Kalligraphen 
angehört, der sich nur gelegentlich einmal in der Illustration versucht. Dass es 
ihm überhaupt noch gelingt sich verständlich zu machen, dankt er dem Vor- 
bilde, dessen Composition, obwohl gelockert, er hier wiedergibt. Diese muss 



Anbetung der Magier. KimUiiiiniattir im armenisdien Texte vom Jahre 989. 

der auf den palästinischen Metallftaschen in Monza (Garr. 434 5) ähnlich gewesen 
sein, denn dort erscheint der Kngel ebenfalls mit dem Kreuze hinter dem 
Mausoleum sitzend und die rechte Hand nach den beiden Frauen erhebend. 
Ahnlich in der syrischen Bibel vom Jahre 586 (Garr. 139, 7), wo jedoch der 
Engel statt eines Kreuzes einen Stab hält. Die Form des Grabmals weicht eben- 
falls nur wenig von derjenigen des syro-palästinischen Kunstkreises ab. 

Die folgende Randminiatur stellt die Anbetung der Magier dar. Wir sehen 
Maria in Vorderansicht in einem geflochtenen Stuhle mit hoher Lehne sitzen 
und das Kind mit beiden Händen vor sich im Schoosse halten. Christus hat den 
Kreuznimbus, erhebt die rechte Hand segnend vor der Brust und hält in der 
linken eine Rolle. Zu beiden Seiten des Thrones stehen je zwei Gestalten. Rechts 



24 

sehen wir zunächst, an Flügeln und Nimbus kenntlich, einen Engel, welcher die 
Hände bedeckt vor sich erhebt und auf Christus blickt. Neben ihm steht ein 
König, der mit der linken Hand eine Schüssel, die auf seiner bedeckt erhobenen 
rechten liegt, am Rande festhält. Die gleiche Bewegung machen die beiden 
durch armenische Namensbeischriften bezeichneten Könige auf der linken Seite. 
Bis auf die verschieden gefärbten Barte sind auch ihre Kopftypen die gleichen, 
ebenso die Gewandung: sie tragen eine Art Mütze, welche noch an die phry- 
gische erinnert, aber durch zwei nach hinten flatternde Bänder bereichert ist. 
Dazu einen kurzen, unten halbrund um die Schenkel ausgeschnittenen Rock, 
Hosen, Schuhe und einen auf der Brust geknüpften Mantel. — Die Anbetung 
der Magier wird in altbyzantinischer Zeit allgemein so componirt, dass Maria 
auf der einen Seite sitzt, die Magier und der Engel ihr von der andern nahen* 
Dieses Schema wiederholt unsere Miniatur nicht. Trotzdem muss bei einem 
Vergleiche mit der ersten Randminiatur die ruhige Sicherheit der Composition 
auffallen. Mir ist bis zur Stunde nur eine einzige Darstellung bekannt, in der 
sich dieselbe wiedeiiindet: es ist eine der unserem armenischen Evangeliar vom 
Jahre 989 angehängten Miniaturen, welche man unten Taf. VI, i abgebildet findet. 
Auch hier thront Maria mit dem Kind in der Mitte, der Engel und ein König 
stehen rechts, die beiden andern Könige links. Auch im Detail zeigt sich Über- 
einstimmung, wenn man erkennt, dass der Kalligraph Alles ihm Unverständliche 
wegliess oder änderte. So das weisse Häubchen bei Maria und die Mandorla 
um Christus, für die er ihm den Kreuznimbus gab. Bei den Königen ist am 
Auffallendsten die identische Kopf- und Beinhaltung und die gleiche Form der 
dargebrachten Geschenke. Aus der phr3'gischen Mütze wurde eine vielleicht na- 
tionale Kopfbedeckung, der dritte König bekam, weil dem Zeichner die Kennt- 
niss der Regel fehlte, den Bart. Bei der Muttergottes blieb der Nimbus nur 
deshalb weg, weil die Schrift zu nah an die Zeichnung herantrat. Aus demselben 
Grunde vielleicht fehlt auch die Architektur des Hintergrundes. Zudem ist es 
gar nicht nothwendig, dass der Kalligraph gerade unsere Schlussminiatur copirte, 
wohl aber ein Vorbild gleicher, wie sich unten zeigen wird, syrischer Provenienz. 
Eine dritte Randminiatur endlich im Matthäus-Evangeliar, welche oben S. 22 rechts 
neben den Frauen am Grabe abgebildet ist, stellt eine einzelne Frau mit dem 
Salbgefässe in den Händen dar. 

Werfen wir nun einen Blick auf die übrigen dem armenischen Evangeliar 
angehängten Miniaturen, deren sich 15 am Anfang und 4 am Schlüsse befinden, 
so kann kein Zweifel darüber bestehen, dass sie ebensowenig wie die Elfenbein- 
deckel von dem armenischen Schreiber Johannes gearbeitet sein können, und 



25 

wir somit auch die Datirung in das Jahr 989 nur mit der grössten Vorsicht auf 
sie anwenden dürfen. Im Nachfolgenden betrachte ich die Elfenbeindeckel getrennt 
von den Miniaturen am Anfange und diese unabhängig von denen am Ende. Es 
wird sich zeigen, dass alle drei Gruppen verschiedenen Ursprungs sind. 



Die ravennatischen Elfenbeindeckel. 

Die Deckel der Handschrift sind etwas gr()sser als das armenische Evangeliar: 
0*305 Meter breit und 0*365 Meter hoch. Beide sind in Elfenbein gearbeitet und 
vortrefflich erhalten. 

Auf der Vorderseite (Tafel I, i) sehen wir in der Mitte eine jugendliche 
unbärtige Gestalt in Vorderansicht thronend. Sie trägt doppelten Chiton: einen 
unteren mit eng anliegenden, und einen oberen mit weiten Aermeln. Darüber 
ist togaartig der unten mit einem breiten Besätze geschmückte und in eine Quaste 
endende Mantel geschlungen. Die auf einen Schemel gesetzten Füsse sind mit 
Sandalen bedeckt. Das Haar ist um die Stirn in Ringellocken geordnet, die rechte 
Hand mit dem lateinischen Gestus des Segens vor der Brust erhoben, die linke 
stützt ein Buch auf das linke Knie. Da der Nimbus fehlt, ist die Deutung nur 
nach Analogien möglich. Darnach haben wir Christus den Pantokrator vor uns. 
Links und rechts hinter ihm steht je eine bärtige, die rechte Hand offen vor 
die Brust haltende Gestalt. Nach den Kopftypen ist Petrus und Paulus zu erkennen : 
Petrus links mit mehr rundem Bart, Paulus rechts mit mehr spitzem Bart und 
länglichem Gesichtsschnitt. — Diese Mittelgruppe wird im Viereck umgeben von 
einem Kranz von Lorbeerblättern, die in der Mitte der Seiten mit einem durch 
Kreise angedeuteten Edelstein geschmückt sind. Auf allen vier Seiten schUessen 
sich weitere Reliefs an, die von einander durch profilirte horizontale Leisten 
getrennt sind, welche im oberen Streifen durch eine Folge von Ellipsen und 
Rauten, im unteren durch einen Zahnschnitt gebildet werden. 

Im oberen oblongen Felde sehen wir ein Hakenkreuz inmitten einer 
Triumphalkrone, die beiderseits von je einem fliegenden Engel getragen wird, 
der mit seinem Körper, den flatternden Gewändern und Flügeln den Raum 
derart ausfüllt, dass nur in den oberen Ecken Platz für zwei Brustbilder bleibt, 
welche beide die rechte Hand offen vor die Brust halten. Die Gestalt links ist 
unbärtig und trägt eine Art Strahlenkrone. Von der Gestalt rechts ist leider der 
Kopf abgebrochen. 

Links neben dem Mittelstücke sehen wir zwei Reliefs übereinander. Oben ist 

links Christus dargestellt, unbärtig, gekleidet wie im Mittelbilde in die doppelte 

4 



26 

Tunica, Mantel und Sandalen. Nach links hin schreitend, wendet er sich zurück, 
hält ein Kreuz in der linken Hand und blickt, die rechte segnend nach rechts 
streckend, auf eine in einen langen Chiton gekleidete Gestalt, die mit ange- 
schwollenem Leibe und zurückgebogenem Oberkörper vor ihm steht. Sie erhebt 
die rechte Hand offen zu Christus und legt die linke auf den Leib. Im Hinter- 
grund erscheinen zwei bärtige Gestalten, von denen die eine, ein Apostel, als 
Begleiter zu Christus gehören, die zweite, im Typus mit der ersten überein- 
stimmend, den Kranken begleiten könnte. Dargestellt ist die Heilung des 
Wassersüchtigen. — Im Felde darunter ist wieder Christus mit dem Kreuz zu 
sehen, wie er sich mit höher aufgestütztem linken Beine nach rechts wendet 
und die rechte Hand segnend über einen nackten, unbärtigen Mann ausstreckt, 
der mit gekreuzten Beinen in einem Teiche liegt, dessen Ufer und Wellen man 
angedeutet sieht. Der Mann erhebt die rechte Hand offen und hält die linke, 
welche das Maul eines Fisches berührt, gesenkt. Oben sehen wir die bärtigen 
Kcipfe dreier Begleitfiguren. 

Auf der rechten Seite des Mittelbildes oben tritt Christus, wie in der 
Darstellung gegenüber, begleitet von einem Apostel auf. Der Kranke ist hier 
der Gichtbrüchige, welcher sein Bett an den Füssen gefasst hat und, es über den 
Kopf erhebend, davoneilt. — Im unteren Felde sehen wir Christus wie oben, aber 
nach rechts schreitend. Vor ihm eine nur mit dem Lendenschurze bekleidete 
Gestalt, die sich mit gesträubtem Haar vornüber beugt und die Hände vpr sich 
hinstreckt. Hinter ihr steht in Vorderansicht ein zweiter nackter Mann, ebenfalls 
mit gesträubtem Haar, nach Christus und seinem Begleiter hinblickend. Dargestellt 
ist die Heilung zweier Besessenen. 

Im unteren oblongen Feld ist in der Mitte Christus mit dem Kreuz in der 
linken Hand, auf einem Esel reitend dargestellt, begleitet von vier unbärtigen, 
mit Chiton und Mantel bekleideten Gestalten, von denen die vorderste die rechte 
Hand, auf Christus weisend, erhebt, die beiden folgenden Palmenwedel tragen 
und die letzte eben im Begriffe ist, sich einen solchen von einer zu äusserst 
links stehenden Palme abzubrechen. Christus erhebt die rechte Hand segnend 
nach zwei Gestalten hin, die ihm entgegenschreiten. Die eine voran, in langem 
Chiton, breitet eine Matte auf den Weg, die andere hinter ihr, in weite Gewänder 
gehüllt, eine Krone auf dem Haupte, im linken Arm ein Füllhorn tragend, 
erhebt die rechte, von dem Oberkleide bedeckte Hand Christus entgegen. Auf 
sie schreiten im Hintergrunde zwei weitere Gestalten zu. Zwischen den Köpfen 
der Figuren im Reliefgrunde sind Bogen eingeritzt. Dargestellt ist der Einzug 
in Jerusalem. 



27 

War somit der vordere Deckel ganz der Darstellung Christi und seiner 
Werke eingeräumt, so gehört dagegen der rückwärtige Deckel (Tafel I, 2) 
ganz der Gottesmutter. Wir sehen sie im Mittelfelde, gekleidet in die doppelte 
Tunica und die über den Kopf gezogene Penula, unter der eine gestreifte Haube 
hervortritt, auf einem Throne sitzen und die mit Schuhen bedeckten Füsse auf 
einen Schemel setzen. Sie blickt, wie Christus auf der Vorderseite, geradeaus auf 
den Beschauer und hält mit beiden Händen das auf ihrem linken Knie sitzende 
Christuskind fest, welches, in den doppelten Chiton und einen Mantel gekleidet, 
die Mutter anblickt, die rechte Hand segnend erhebt und in der linken eine 
Rolle hält. Zu beiden Seiten des Thrones stehen Engel, erkennbar an dem 
Diadem im Haar, den Stäben in der linken Hand und den im Reliefgrunde 
angedeuteten Flügeln. Beide erheben die rechte Hand offen vor der Brust. — 
Die ornamentale Umrahmung dieses Mittelfeldes und der Seitentheile ist dieselbe 
wie auf der Vorderseite. Ebenso ist die Darstellung im oberen oblongen Felde 
genau die gleiche. Nur ist hier das Brustbild in der rechten oberen Pxke voll- 
ständig erhalten. Wir erkennen, dass die Gestalt einen Halbmond statt der 
Strahlenkrone, welche das Brustbild gegenüber hat, am Kopfe trägt. Somit haben 
wir die Personificationen von Sonne und Mond vor uns. 

Auf der linken Seite des Mittelfeldes sehen wir Maria, die, gekleidet wie 
im Hauptbilde, nach rechts in einem geflochtenen Lehnstuhle sitzt. Sie legt die 
linke Hand, welche einen gefalteten Gegenstand hält, über die vordere Lehne 
und erhebt die rechte erstaunt. Vor ihr steht mit gekreuzten Beinen ein Engel, 
wie es scheint ohne Flügel, aber mit Diadem und Stab, die rechte Hand zur 
Jungfrau erhebend. Dargestellt ist die Verkündigung. — In dem Felde darunter 
ist rechts eine Frau in Vorderansicht aufrecht stehend zu sehen. Sie hält in der 
erhobenen rechten Hand eine Schale und wendet den Kopf einer bärtigen 
Gestalt zu, die links ihr gegenüber steht und die rechte Hand mit dem Sprech- 
gestus nach ihr erhebt. Zwischen Beiden sieht man den bärtigen Kopf einer 
dritten Person. Im Reliefgrunde sind oben Bogen angedeutet, die von Säulen 
mit gewundenen Canneluren getragen werden. Dargestellt ist die Prüfung der 
Maria durch das Fluchwasser. 

Auf der rechten Seite ist im oberen Felde die Geburt Christi gebildet. 

Im Vordergrunde liegt Maria mit gekreuzten Beinen auf einer Decke und hat 

die Hände über Brust und Leib gelegt. Sie wendet sich müde von der Krippe 

ab, die mit dem Wickelkinde rechts steht. Über der Krippe ein Stern, links der 

Ochs, rechts der Esel. — Darunter sieht man Maria auf einem Esel nach rechts 

hin reiten, unterstützt von Josef, der neben dem Thiere herschreitet und es lenkt. 

4* 



28 

Sie legt die rechte Hand auf seine Schulter und fasst mit der linken an den 
Schleier. Im Hintergrunde begleiten diese Gruppe zwei Engel, von denen 
der zur Linken den Stab trägt und die rechte Hand offen erhebt, während 
von dem zweiten nur der Kopf sichtbar ist. Dargestellt ist die Reise nach 
Bethlehem. 

Im unteren oblongen Feld endlich ist die Anbetung der Magier gebildet. 
Maria sitzt wie in der Verkündigung in einem Lehnstuhle nach rechts. Sie hält 
das Christkind im Schoosse. Dieses streckt die rechte Hand nach den Magiern 
aus, welche von rechts herankommen. Sie tragen spitze, genähte Schuhe, Hosen 
aus Fellen, einen kurzen gegürteten Rock und die phrygische Mütze. Über die 
Christus entgegengestreckten Hände haben sie ein Tuch gebreitet, auf dem das 
Geschenk in Form einer runden gestreiften Masse liegt. Zwischen ihnen und Christus 
vermittelt ein Engel, ein zweiter fliegt hinter ihnen her und weist mit der rechten 
Hand nach oben. Auf der anderen Seite sitzt hinter dem Lehnstuhle der Maria 
Josef vor einem durch einen Vorhang verschliessbaren Gebäude. Er blickt auf 
die Anbetungsscene und erhebt die rechte Hand im Sprechgestus. Im Relief- 
grunde sind zwischen den Köpfen der Figuren Bogen angedeutet. 



Diese beiden Elfenbeintafeln stellen sich auf den ersten Blick dar als zu 
jener Gruppe von Elfenbein-Diptychen gehörig, welche Wilhelm Meyer« die 
fünftheiligen genannt hat. Er kannte deren sechs einzelne Tafeln: 

1. In der Bibliothek Barberini zu Rom. Westwood * im Appendix S. 353. 
Abgebildet bei Gori^ II, tav. i, das Oberstück auch bei Garr. 457, 2. 

2. Im Museo cristiano des Vatican, aus Lorch stammend. Westwood Nr. 117. 
Abgebildet bei Gori III, tav. 4, und Garr. 457, i. 

3. Im South Kensington Museum zu London. Westwood Nr. 119. Abgebildet 
bei Maskell, Description of the ivories ancient and mediaeval in the South 
Kensington Museum. London 1872 zu S. 53. 

4. und 5. In der Bibliotheque nationale Mss. Nr. 9384 zu Paris. Westwood 
Nr. 108 und 109. Abgebildet bei Lenonnant, Tresor de glyptique II, pl. 9 — 12, 
Garr. 458. 

6. In der Communal-Bibliothek zu Ravenna, aus Murano stammend. West- 
wood Nr. ir6. Abgebildet bei Gori III. tav. 8, Garr. 456. 

« Zwei antike Elfenbeintafeln der k. Staatsbibliothek in München. München 1879, S. 49. 

* A descriptive cataloiJ^iie of the tictile ivories. London 1S76. 

3 Thesaurus veterum dipt3'chorum. Flor. 1759. Appendix von Passeri. 



29 

Die diesen Tafeln gemeinsamen Merkmale finden sich alle an den Etsch- 
miadzin-Deckeln wieder. Zunächst die Grösse: 

Barberina Vatican und London Paris Ravenna Etschmiadzin 

0-26 X 0-33 0-28 X 039 0-29 X 0-36 0-31 X 0-36 0-305 X 0-365 M. 

Doch erkennt man, dass sich in dieser Reihe die drei letzten Diptychen in 
den Grössenverhältnissen enger aneinander schliessen, während die ersten drei 
Differenzen bis zu 6 Centimetem aufweisen. Ferner bestehen alle diese Tafeln aus 
fünf einzelnen Theilen : oben und unten ist ein querlaufendes Stück (Oberstück 
und Unterstück) angebracht, der Raum zwischen diesen wird durch drei Stücke 
ausgefüllt; ein breiteres Mittelstück und zwei schmälere Seitenstücke. Diese 
letzteren sind wie in Paris und Ravenna auch in Etschmiadzin in zwei Felder 
getheilt, während die drei ersten Diptychen ein Feld durchgehen lassen. 

Dieselbe Übereinstimmung zeigt sich auch dem Inhalte der Darstellungen 
nach. Das Oberstück sämmtlicher Tafeln enthält zwei schwebende Flügelgestalten, 
welche einen Kranz zwischen sich halten, in welchem in der Barberina und 
in London das Brustbild Christi, in den übrigen das Kreuz erscheint. In dem 
Mittelstücke der barberinischen Tafel sieht man den Kaiser zu Ross, auf jenen 
in London, Ravenna und je einer Tafel in Paris und Etschmiadzin Christus, auf 
den zugehörigen Platten im Vatican, in Paris und Etschmiadzin Maria mit dem 
Kinde thronend. Auf den Seitentheilen ist, der tektonischen Eintheilung ent- 
sprechend, in der einen Gruppe (Barberina, Vatican, London) eine Einzelfigur, 
die sich der Mitte zuwendet, dargestellt: in der Barberina ist es ein Krieger, 
der dem Kaiser die Nike darreicht, im Vatican zwei Engel, in London Jesaias 
und Melchisedek. In der zweiten Gruppe (Paris, Ravenna, Etschmiadzin) sind die 
zweigetheilten Seitenstücke je nach dem Mittelbilde mit den Wunderthaten Christi 
oder mit Scenen aus dem Leben der Maria ausgefüllt. Doch ist die Anordnung 
dem Inhalte nach nicht völlig gleich. So zeigt die eine Tafelreihe zwar ständig 
die Heilung des Gichtbrüchigen und die des Besessenen, aber nur in Paris und 
Etschmiadzin unten rechts. In Paris und Ravenna ist ausserdem noch links oben 
die Heilung des Blinden dargestellt. Die übrigen Scenen sind verschieden: in 
Paris die Heilung der HaimorrhoYssa, in Ravenna die Auferweckung des Lazarus, 
in Etschmiadzin die Heilung des Wassersüchtigen und eine noch nicht gedeutete 
Scene. Noch enger knüpfen sich die Beziehungen zwischen den Marientafeln 
der zweiten Gruppe (Paris und Etschmiadzin). Auf beiden ist links oben die 
Verkündigung, rechts unten die Reise nach Bethlehem dargestellt. Beiden gemein 
ist auch die Prüfung der Maria durch das Fluchwasser, nur ist sie in Paris rechts 
oben, in Etschmiadzin links unten dargestellt. Die beiden übrig bleibenden Felder 






30 

zeigen einmal die Begegnung zwischen Maria und Elisabeth, in Etschmiadzin 
die Geburt Christi. 

Auf dem Unterstücke der Barberina sieht man besiegte Barbaren, welche 
Gaben darbringen, auf der Christustafel im Vatican und der Marientafel in 
Etschmiadzin die Anbetung der Magier in Barbarentracht. Dagegen ist auf der 
Marientafel in Paris und auf der Christustafel in Etschmiadzin der Einzug in 
Jerusalem, in London die Geburt Christi, auf der Christustafel in Paris das 
Gespräch mit der Samariterin und die Auferweckung des Lazarus, in Ravenna 
ganz abweichend die Geschichte des Jonas dargestellt. 

Diese vergleichende Zusammenstellung macht es, glaube ich, ganz zweifellos, 
dass wir in den Etschmiadzin-Deckeln ein 7. und 8. Exemplar der fünftheiligen 
Diptychen vor uns haben. Zugleich ist deutlich hervorgetreten, dass wir nach 
den Grössenverhältnissen und der Füllung der Seitentheile zwei Gmppen scheiden 
müssen; die eine: Barberina, Vatican, London, die zweite: Paris, Ravenna und 
unsere Tafeln. Diese letzteren zeigen darin noch eine nähere Beziehung zur 
ersten Gruppe, dass einmal (wie im Vatican) die Anbetung der Magier auf dem 
Unterstück erscheint, für welche die profane Analogie auf dem Barberina- 
Diptychon in den huldigenden Barbaren gegeben ist. 

Gleiche Resultate liefert ein Blick auf die technische Ausführung. Das 
Diptychon der Barberina ist ein Cabinetstück von sauberster Arbeit. Die Gestalt 
des Kaisers und des Kriegers rühren von der Hand eines bedeutenden Künstlers 
her. » Das nach übereinstimmenden Ansichten von einer Schule gearbeitete Tafel- 
paar im Vatican und in London« zeigt dagegen die Conventionelle Ausfühnmg, 
die wir auch schon am Ober- und Unterstücke der Barberina-Tafel beobachten 
können. Die Reliefs sind mit kleinlicher Sorgfalt von einem Handwerker aus- 
geführt. Sehr auffallend ist die Übereinstimmung des Plattenpaares in Paris und 
Etschmiadzin. Beide sind flott, ohne Rücksicht auf Feinheit im Detail, wie in 
einer starkbeschäftigten Modewerkstatt gearbeitet. Immerhin verräth aber der 
Etschmiadzin-Deckel eine tüchtigere Hand als der in Paris. Die Tafel endlich in 
Ravenna ist die schlechteste; die langgestreckten Körper und leblosen Köpfe 
verrathen die Hand eines Stümpers. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass der 
ersten Gruppe mehr Sorgfalt eigen ist, die Diptychen in Paris und Etschmiadzin 
zwar in einem lebhaften Arbeitscentrum ihren Ursprung haben müssen, aber 
ebenso wie das plumpe ravennatische Diptychon ohne Feinheit gearbeitet sind. 

« Die Publication bei Gori ist so elend, dass dies in ihr allerdings nicht zu erkennen 
ist. Ich bereite eine neue Veröflfentlichung vor. 

2 Maskell a. a. O. S. 53, Westwood a. a. O. S. 52, Kraus, Real-Encyclopädie, Bd. I S. 410. 



31 

Wenn ich jetzt die Frage aufwerfe: Kann der Elfenbein-Deckel des Etsch- 
miadzin-Evangeliars gleichzeitig mit der Handschrift im Jahre 989 in Armenien 
entstanden sein?, so wird man das wohl unbedingt verneinen. Ebenso aus- 
geschlossen scheint auch die Annahme, dass es nach einem älteren Diptychon 
copirt sei, weil dann der Copist besser gearbeitet haben müsste, als z. B. der 
Originalschnitzer der Pariser Tafeln. Somit wäre die Frage der Zutheilung unserer 
Deckel sehr einfach entschieden: sie gehören der Zeit und Provenienz nach zu 
den übrigen oben angeführten Exemplaren. Nur Maskell ist auf den Einfall 
gekommen, das Londoner Exemplar in das 9. Jahrhundert zu datiren. Westwood 
setzt dasselbe in's 6. bis 8. Jahrhundert, ebenso das vaticanische, das Pariser in's 5., 
6. oder 7., das ravennatische in's 6. oder 7. Jahrhundert. F. X. Kraus' folgt ihm im 
Catalog in allen Stücken, obwohl er an anderen Stellen, z. B. I S. 459, das raven- 
natische Diptychon in das Ende des 5. Jahrhunderts setzt. Meyer stimmt ebenfalls 
Westwood bei und schätzt die barberinische Tafel in's 4. oder 5. Jahrh. Wir 
können uns mit diesen allgemeinen Urtheilen nicht begnügen und wollen 
versuchen, Zeit und Ort der Entstehung auf dem einzig sicheren Wege, nämlich 
dem der Vergleichung der Bildtypen zu ermitteln. 

Christus thronend zwischen Petrus und Paulus. Im Museum Trivulzi zu Mai- 
land sind Ober- und Unterstück eines fünftheiligen Diptychons erhalten, auf denen 
man liest: Oben: AG TRI VMF ATORI f PERPETVO SEMPER. AVG.; unten: 
VIR ILLVSTR. COM. PROTICT. (?) ET CONSVL ORDINÄR.« Meyer (S. 51) 
schliesst daraus mit Recht, dass solche Diptychen wohl dazu bestimmt waren, 
vom Consul dem Kaiser überreicht zu werden. Dazu passt, dass in dem einzigen 
auf uns gekommenen profanen Beispiele dieser Gattung, in dem Diptychon der 
Barberina, im Mittelfelde wirklich der Kaiser dargestellt ist. Die Christen, welche 
diese Kaiser-Diptychen nachahmten, setzten an Stelle des Kaisers Christus, und es 
liegt nahe, anzunehmen, dass sie in Christus auch die Haltung des Vorbildes 
copirten. Allerdings darf dafür nicht das Beispiel der Barberina herangezogen 
werden, weil der Kaiser hier zu Pferd erscheint. Wohl aber Kaiserbilder, wie 
Constantius im Calender vom Jahre 354, » Theodosius und seine Söhne auf dem 
Silberschild in Madrid* oder Constantin und seine Söhne in den bekannten 
Münztypen, in denen die Gestalt des Kaisers lange Zeit für Christus selbst 

« Real-Enc. I S. 404 ff. 

2 Abgebildet bei Meyer a. a. O., Taf. I und II unten. 

» Abgebildet bei Strzygowski, Die Calenderbilder des Chronographen vom Jahre 354. 
Berlin 1888. Taf XXXIV. 

< Abgebildet bei Schnaase, 2. Aufl., III., S. 73 u. a. O. 



32 

gehalten wurde.' In allen diesen Beispielen hat der Kaiser die Haltung des 
Beamten auf seinem Amtssitze, und diese ist es, «le schon Meyer (S. 41) 
bemerkt hat, welche die christlichen Ktinstler auch für Christus übernahmen. 
Den besten Beleg dafür haben wir in dem in Rede stehenden Etschmiadzin- 
Diptychon. Halten wir den \'icarius urbis Romae Prubianus des Berliner 
Museums,' und zwar auf der Tafel, auf welcher er der Gerichtsverhandlung in 



Vom Probiaous-Diptj'chon im k. Museum zu Berlin. {Nach W, Meyer.) 

der Trabea präsidirt, neben den Christus hier, so zeigt sich die vollkommenste 
Übereinstimmung. Das Probianus-Diptychon gehört nach Meyer's Schätzung (S. 36) 
dem 4. oder spätestens dem Anfange des 5. Jahrhunderts an. Mit ihm war bisher 
in erster Linie zu vergleichen der thronende Christus auf der Berliner Pyxis, die 

' Abgebildel bei Froehner, Les mcdaillons de l'empire Romain, p, 278, und Musei San- 
demcnliani numismata selecta, p. 182. 

I Abgebildet bei Meyer a. a. O., Taf. II. 



33 

Schnaase* und Kraus* in's 3., Dobbert' spätestens, der Berliner Catalog* sicher 
in's 4. Jahrhundert datiren. Der gleichen Christusgestalt begegnen wir auch auf 
dem Sarkophage des Junius Bassus (f 359). Da aber der Christus in Etschmiadzin 
dem Typus des Probianus-Diptychons näher steht als die beiden andern Ana- 
logien -^ in der Haltung des Kopfes und der Beine und in der Art, wie er das 
Buch auf das linke Knie stützt — , so werden wir geneigt sein, die Deckel, soweit 
als es die übrigen T;^en erlauben, an das 4. oder 5. Jahrhundert heranzurücken. 
Eine Bestätigung dafür könnte man darin sehen, dass Christus noch unbärtig 
ist ; denn schon auf jüngeren Sarkophagen erscheint er in der Gruppirung mit 
Petrus und Paulus bärtig, so dass er bisweilen auf demselben Sarkophage (Garr. 
334 und 335) in der genannten Darstellung bärtig, in den Scenen aus seinem 
Leben unbärtig ist. Eine ähnliche Doppel-Auffassung finden wir jedoch auch noch 
in den Mosaiken von S. Vitale (Garr. 258 und 259) und S. Michele in Affrisco 
(Garr. 267, 2) in Ravenna, beide aus der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts, 
wo Christus in der Apsis zwischen Engeln bartlos, am Triumphbogen dagegen 
bärtig erscheint. Die gleiche Beobachtung machen wir ferner beim Vergleich des 
Pariser (Garr. 458) und eines Berliner Diptychons (Garr. 451, i), in denen Christus 
den Bart hat, mit dem ravennatischen (Garr. 456), das, nach der Arbeit zu 
urtheilen, jedenfalls jünger ist und auf dem Christus doch wieder unbärtig 
erscheint. Somit darf der Kopftypus Christi nur vorsichtig für das Alter der 
Tafel geltend gemacht werden. Die byzantinische Kunst, welche Christus in der 
Haltung, in der ihn das Etschmiadzin-Diptychon zeigt, Pantokrator nennt, kennt 
diesen nur bärtig. So wird er ausnahmslos dargestellt als Centrum der Malereien 
im Innern der Kirchen in der Hauptkuppel, so in unzähligen Werken der Klein- 
kunst und seit Justinian, häufiger seit Johannes Zimisces auch auf Münzen. Der 
Christusknabe hat sich nur im Typus des Emmanuel erhalten. 

Für eine Datirung spätestens in den Beginn des 6. Jahrhunderts spricht der 
Typus des Paulus, der hier und auf dem Pariser Diptychon nur durch den 
langen Bart, nicht auch durch die Glatze charakterisirt ist, die seit dem Ende 
des 5., Anfang des 6. Jahrhunderts allgemein giltig wird.* 

Die den Krani tragenden Engel der Oberstücke sind ebenso wie Christus 
von profanen Diptychen übernommen, wie sich nach dem erwähnten Oberstücke 



I 2. Aufl., III. S. 95. 
« A. a. O., I. S. 401. 

« Repertorium für Kunstwissenschaft 1885. S. 168. 

4 Bode-Tschudi, Beschreibung der Bilderwerke der christl. Epoche etc. Nr. 427. 
a Vergl. Joh. Ficker, Die Darstellung der Apostel in der altchristl. Kunst. Leipzig 1887. S. 153. 

5 



34 

in Mailand und einem zweiten, in Basel erhaltenen urtheilen lässt.* Sie entsprechen 
einem der römischen Kunst, besonders der Sarkophag-Sculptur ganz geläufigen 
Schema. Dort waren es geflügelte Eroten, welche ein Porträt-Medaillon oder 
eine Inschrift-Tafel trugen. In letzterer Art verwenden sie auch noch die christ- 
lichen Sarkophage, nur schweben liier die Flügelknaben nicht mehr, sondern sie 
stehen wie anschreitend neben der Tafel. Dagegen erscheinen sie stets fliegend 
auf den fünftheiligen Diptychen. Sie sind dann bekleidet mit einem weiten 
Chiton, einem Mantel, der hinter ihnen herflattert, und Sandalen. Mit gekreuzten 
Beinen schwebend, wenden sie sich der Mitte zu und halten mit beiden Händen, 
die Köpfe nach aussen gerichtet, eine Corona triumphalis, deren Bänder unten 
raumausfüllend nach den Seiten flattern. Auf den Etschmiadzin-Tafeln bekommen 
sie zuerst eine Tänie in's Haar, auf dem Diptychenpaar im Vatican und in 
London haben sie Nimben und werden so bestimmt als Engel charakterisirt. 
Mit einer Ausnahme auf den palästinischen Metallflaschen in Monza (Garr. 
434, i) lassen sich weitere Beispiele der Verwerthung solcher eine Corona 
tragenden Engel nur noch in den Mosaiken von S. Vitale in Ravenna (Garr. 
258 und 262) nachweisen. Ein derartiger Engel ist femer auf einer Pyxis in 
S. Ambrogio in Mailand (Garr. 437, 2) in der Geschichte des Jonas verwendet. Er 
hält schwebend ein Kreuz in der Hand und kennzeichnet schon dadurch, wie 
wir sehen werden, seinen ravennatischen Ursprung. 

Die Corona triumphalis ist verschieden ausgefüllt. Auf profanen Diptychen 
muss es, wie die Stücke in Basel und Mailand belegen, üblich gewesen sein, 
die Tychen von Rom und Constantinopel anzubringen. Auf dem Diptychon der 
Barberina und in London ist Christus an deren Stelle getreten. In London ist 
er als Pantokrator, aber auch unbärtig und mit dem Kreuznimbus charakterisirt. 
In der Barberina bezeichnen ihn das Kreuz und die in den Reliefgrund geritzten 
Sonne, Mond und Sterne.« Doch schon auf der zur Londoner gehörigen vati- 
canischen Platte erscheint das Kreuz allein im Kranze, und zwar in einer Form, 
die auch für die Diptychen in Paris und Etschmiadzin charakteristisch bleibt. 
Es ist gleichschenkelig, hat an den Ecken der Kreuzarme kreisrunde Ansätze 
und auf den Armen und in der Mitte Löcher, die im Vatican und London durch 
Rosetten ersetzt sind. Im Reliefgrunde darunter sieht man Strahlen eingeritzt. 



* Abgebildet bei Meyer a. a. O., Taf. I. (Nr. 59 im Miiseo Trivulzi in Mailand) und 
bei de Rossi, Bull. 1878, tav. I, Nr. 3 (Meyer Nr. 60 in Basel). 

* Dieselbe Einritzung auch auf einer sibirischen Schale bei de Rossi, Bull. 1871, tav. IX, i, 
und Garrucci 460, 10. Letzterer hat p. 88 LODO daraus gemacht. 



35 

Es ist dies eine Kreuzart, für die sich in der byzantinischen Kunst (vergl. 
Anhang II) eine bestimmte Bedeutung nachweisen lässt. 

Auf den Etschmiadzin-Tafeln sind in den oberen Ecken noch die Brust- 
bilder von Sonne und Mond angebracht. Sie fehlen in allen übrigen Diptychen 
und lassen sich überhaupt in ähnlicher Art, als Brustbilder in Verbindung mit 
dem Kreuze, nur auf zwei Monumenten nachweisen: auf einem Sarkophage 
des lateranensischen Museums (Garr. 350, i), wo sie über dem Monogramm 
Christi, das in einer Corona triumphalis angebracht ist, auf dasselbe herab- 
blickend erscheinen; zweitens auf den palästinischen Metallfläschchen in Monza 
(Garr. 434, Fig. 2, 5, 6), wo sie sich jedoch vom Kreuze abwenden. Somit 
lehnt sich das Etschmiadzin-Diptychon auch in diesem Fall enger an den 
Sarkophagtypus. Auf dem Diptychon der Bibliothek zu Ravenna sehen wir 
statt Sonne und Mond zwei Erzengel. 

Die Heilung des Wassersüchtigen nach Luc. XIV, v. 2 ff., kommt hier 
vielleicht zum ersten Mal in der christlichen Kunst vor. Älter könnte nur die 
Darstellung auf einem Sarkophage des Museo Kircheriano (Garr. 404, i) sein. 
Doch schliesst sich dieselbe viel enger als das Etschmiadzin-Diptychon an den 
späteren byzantinischen Typus, wie er mir aus mittel- und spätbyzantinischen 
Miniaturen, dem Malerbuche vom Berge Athos » und den damit übereinstimmenden 
neugriechischen Malereien bekannt ist. Dort erscheint der Kranke nicht, wie in 
unserem Diptychon, ganz bekleidet, sondern er hat stets nur einen Lenden- 
schurz um. Auch stützt er sich, wie in dem Sarkophagbilde, auf eine Krücke 
oder er wird von einem Manne unterstützt. Nie steht er frei wie in Etsch- 
miadzin. Dagegen ist die rechte Hand nicht wie auf dem Sarkophage um den 
Arm Christi gelegt, sondern wie auf unserem Diptychon erhoben. 

So sieht man die Scene in allen mit Streifenminiaturen versehenen Evan- 
geliarien "^ und in den Malereien der Hauptkirchen der athonischen Klöster Lavra, 
Dionysiu und Kutlumusiu aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. 

Für die folgende Scene habe ich keine sichere Deutung gefunden. In der 
Avt, wie wir sie hier in Etschmiadzin sehen, ist sie meines Wissens weder in 
altchristlicher, noch je in byzantinischer Zeit gebildet worden. Es bleibt mir 
nur übrig, zwei Deutungen vorzuschlagen : die Heilung des Mondsüchtigen nach 
Matth. XVII, 14 ff.,' von dem sein Vater berichtet, dass er oft in's Feuer und 
oft in^s Wasser falle, oder die Heilung des Gichtbrüchigen in den Hallen am 



» ed. Schaefer S. 192. 

« Aufgezählt bei Kondakoft', lIcTopig BHaaHTiiiCKaro HCKyccxBa crp. 235 cj. 

3 Vergl. Marc. IX, v. 17 ff., Luc. IX, v. 38 ff. 

5* 



36 

Teich Bethesda nach Joh. V, 2 ff. In beiden Fällen wäre das begrenzte 
Wasserbecken mit dem Fische nur angedeutet, um den Kranken local näher 
zu bezeichnen. Doch verhehle ich mir selbst nicht, dass diese Auskunft 
ungenügend ist. Bei der Heilung liegt nach dem Texte der Evangelien der 
Mondsüchtige auf der Erde, der Kranke am Teiche Bethesda in einer Halle. 
Beide Scenen werden auch von der spätbyzantinischen und neugriechischen 
Kunst gebildet. Die Heilung des Mondsüchtigen nicht wie im Malerbuche;' der 
Jüngling steht vielmehr mit entblösstem Oberkörper in kurzen Hosen da und 
wirft Hände und Oberkörper hinten über, ein Typus, den noch Raphael in der 
Transfiguration beibehalten hat. So sehen wir ihn in den Malereien der Haupt- 
kirchen von Docheiariu und Lavra am Athos aus dem i6. Jahrhundert. Die 
Darstellung der Heilung des Gichtbrüchigen dagegen lehnt sich an die Vor- 
schrift des Malerbuches, 2 doch fehlt der Engel* und der Teich ist in einen 
Brunnen umgewandelt. Man sieht den Geheilten in kurzem Rock mit dem Bett 
am Rücken davonschreiten. Neben ihm liegen zwei oder drei Kranke. So im 
i6. Jahrhundert im Katholikon von Lavra, Docheiariu und Kutlumusiu. Wenn 
nicht erfahrenere Kenner die Scene zu identificiren wissen, wird man am besten 
annehmen, dass eine apokryphe Teufelaustreibung dargestellt sei. 

Die Heilung des Gichtbrüchigen gehört zum ständigen Apparat der alt- 
christlichen Kunst. In den Malereien der Katakomben sehen wir einen Mann 
in kurzem Rock, mit seinem umgekehrten Bett am Rücken, ohne dass Christus 
in der Nähe steht. Ebenso auf den Goldgläsem, doch ist auf einigen (Garr. 171, 
2; 177, 2) schon Christus eingeführt. Er ist die Hauptfigur auf Sarkophagen, 
wo, wie in anderen Wunderscenen, der Kranke bedeutend kleiner gebildet ist, 
wohl nur, um Raum zu sparen. So steht der Gichtbrüchige nach Garrucci auf 
elf Sarkophagen unter der nach rechts hin erhobenen rechten Hand Cliristi, 
der in der linken eine Rolle hält. Nur in wenigen Beispielen ist der Gicht- 
brüchige etwas grösser (Garr. 314, 5; 306, i; 404, 2) oder die Scene durch 
Umstellung variirt (Garr. 313, 4; 315, 2; 319, 3). Ein kleines Detail ist allen 
Sarkophag-Darstellungen eigen: dass der Kranke das Bett stets an den Längs- 
wänden anfasst und so trägt. Das Gleiche ist sehr charakteristisch auch auf der 
Mailänder Elfenbein-Tafel (Garr. 455) der Fall. Diesem Sarkophagtypus gegenüber 
steht ein anderer, den eine Gruppe von Elfenbein-Reliefs und das Mosaik von 
S. Apollinare nuovo in Ravenna (Garr. 248, i) vertritt. Unter den Elfenbein- 

» ed. Schaefer S. 191. 

2 Ebenda S. 188, § 249. 

» Er ist nur im Katholikon des Klosters Karakallu (a. 1717) dargestellt. 



/ 



37 

Reliefs finden wir die Diptychen in Paris (Garr. 458) und Ravenna (Garr. 456), 
eine Tafel der Collection Micheli (Garr. 448, 11), eine andere in der Bodleyana • 
und eine dritte aus Luxemburg (Garr. 452, i), ferner die Pyxiden Hahn's (Garr. 
438, 5) im Mus6e Cluny (Garr. 438, 4) und im Museo cristiano des Vatican aus 
Mailand (Garr. 438, 3). In diesen Darstellungen hat der Kranke das Bett mit der 
Schmalseite nach vorn geschultert und hält mit jeder Hand einen der Bettfüsse 
vor der Brust fest. Auch blickt er auf Christus, von dem er wegschreitet, zurück. 
Mit Ausnahme des Mosaiks und der P)'xiden gilt für Christus, dass er ein Kreuz 
in der linken Hand hält. Betrachten wir nun die Composition auf dem Etsch- 
miadzin-Diptychon, so stimmt sie mit diesem Typus Zug für Zug überein und 
steht besonders dem Pariser Diptychon und der Tafel der Collection Micheli 
nahe. Wir treten hier zum erstenmale einer Gruppe von Bildwerken entgegen, 
die durch einen ihrer Vertreter, das Mosaik von S. ApoUinare, auf ravennatischen 
Ursprung hindeutet. — Der Schnitzer unseres Diptychons hat eine kleine Zugabe 
gemacht: er hat an den linken Bettfuss unten noch ein Stück angesetzt, wozu, 
ist unerklärlich. Wahrscheinlich liegt eine Gedankenlosigkeit vor, die den 
Copisten verräth. 

Die Heilung des Besessenen fehlt in der altchristlichen Kunst, ebenso in 
allen älteren Kunstdenkmälem, die nicht der eben angeführten Gruppe, wozu 
noch eine Pyxis in Sens (Garr. 439, 3) kommt, angehören. Unter diesen aber 
sind die Typen in diesem Falle verschieden. Greifen wir zunächst diejenige 
Darstellung heraus, für welche der Nachweis der Evangelienstelle unzweifelhaft 
ist. Auf der erwähnten Pyxis in Sens sehen wir rechts einen Grabbau mit ver- 
schlossenen Thüren. Vor ihm eilt ein nur am Unterkörper verhüllter Besessener 
nach links auf Christus zu, der ihn segnet, lllustrirt ist unzweifelhaft Marc. V, 
2 ff., Luc. VIII, 27 ff. Dies dürfte auch auf einer Hahn'schen Pyxis (Garr. 438, 5) 
der Fall sein, weil auch hier der Besessene mit nacktem Oberkörper gebildet 
ist. Das Grab fehlt. Der Kranke ist dem evangelischen Bericht entsprechend 
vor Christus auf die Knie gefallen und streckt ihm seine durch Ketten unter- 
einander und mit den Füssen verbundenen Hände entgegen. Ahnlich, aber 
stehend, sehen wir ihn auf dem Pariser Diptychon (Garr. 458, i), wo die Ketten 
nur noch die Hände verbinden. Ganz we^'gefallen sind sie endlich, dem 
evangelischen Text entsprechend, auf unserem, dem Etschmiadzin-Diptychon. 
Der Schnitzer hält sich hier überdies insofern an Matthäus VIII, 28 ff., als er 
zwei Besessene darstellt. Der eine im Vordergrund entspricht in der Haltung 



» Abgebildet bei Westwood a. a. O., Nr. 126 zu S. 55. 



38 

den vorher Besprochenen, der zweite steht hinter ihm nackt aufrecht. In allen 
bisher genannten Reliefs hält Christus in der linken Hand das Kreuz. Einen 
späteren Moment derselben Handlung stellt das arianische Mossdk von S. Apollinare 
nuovo (Garr. 248, i) und die Tafel der Bodleyana dar: neben dem knienden 
Geheilten sieht man die Säue, in welche die Legion Teufel fuhr. Allein steht die 
Darstellung auf dem Diptychon aus Murano (Garr. 456). Dort ist der Besessene 
bekleidet und durch Ketten an den Händen und um den Hals gefesselt. 
Der Teufel fährt aus seinem Kopfe. Die Bekleidung und Andeutung des 
Teufels sind charakteristische Merkmale der späteren Zeit. Wir finden sie zuerst 
datirt in der Bibel des Rabula vom Jahre 586 (Garr. 134, 2). In byzantinischen 
Malereien, im Malerbuche,« den Fresken der Trapeza des Klosters Dionysiu 
vom Jahre 1523 und den Hauptkirchen von Kutlumusiu a. 1540 und Docheiariu 
a. 1568 u. a. O. am Athos kehrt dieser Typus immer wieder. 

Der Ein\ug Christi in Jerusalem fehlt unter den Malereien der Katakomben, 
ist dagegen häufig auf Sarkophagen dargestellt. In den meisten Fällen (Garr. 
322, 2; 348, i; 381, 2 und wahrscheinlich 399, 8) reitet Christus nach rechts hin 
auf dem Esel. Er führt mit der linken Hand den Zügel, die rechte ist segnend 
erhoben. Vor ihm breitet ein Knabe seinen Rock aus, ein anderer klettert auf 
einen Baum. Dazu gesellt sich das Füllen (Garr. 358, i), ein oder mehrere 
Apostel (Garr. 313, 4; 367, 2; 372, 2; 402, i, und wahrscheinlich 317, 4), endlich 
ein dem Zuge entgegenkommender Mann (Garr. 324, 2; 365, i), der auf einem 
Sarkophage (Garr. 314, 5) vor einem Stadtthore steht, eine Guirlande trägt und 
von zwei Gestalten begleitet ist, die Palmzweige halten (vergl. Garr. 404, 4). An 
Stelle dieser männlichen Gestalt tritt nun in den fünftheiligen Diptychen in 
Paris und Etschmiadzin die Tyche der Stadt Jerusalem. Im Übrigen hat sich 
nur ein Detail geändert, das, so gering es scheint, doch ganz merkwürdig 
streng zwischen altchristlichem und byzantinischem Ursprung trennen lässt: 
während Christus auf den Sarkophagen immer so sass , dass er den Esel 
zwischen den Beinen hatte, sitzt er jetzt einseitig, d. h. mit beiden Beinen nach 
vorn. Man mag byzantinische Kunstwerke welcher Zeit immer hernehmen, noch 
die Neugriechen und Russen bilden Christus immer so reitend. Die Personification 
einer Stadt ist der altchristlichen Kunst fremd, der altbyzantinischen jedoch ganz 
geläufig; ich erinnere nur an die zahlreichen Beispiele in der Josua-Rolle (Garr. 
157 ff.), die erst in christlicher Zeit entstehende Stadttyche von Constantinopel* 



> ed. Schaefer, S. 185. 

» Vergl. Strzygowski, die Calenderbilder des Chronographen vom J. 354, S. 24 ff. 



39 

und die Tyche der Stadt Ravenna, welche nach Agnellus' neben Roma in dem 
Mosaikbild über dem Hauptportale des Theodorich-Palastes neben dem Könige 
selbst angebracht war. Es fragt sich, ob nicht auch ravennatische Künstler es 
waren, welche die Tyche von Jerusalem vorübergehend in den Typus des Ein- 
zuges Christi einführten. Denn im Codex Rossanensis, wie in allen übrigen 
byzantinischen, jedoch nicht ravennatischen Darstellungen ist an Stelle der 
Personification die ummauerte Stadt selbst getreten.* — Interessant ist der Ver- 
gleich der Einzugstj^pen in dem Hauptwerke des Mailänder Kunstkreises, dem 
Buchdeckel im Domschatze (Garr. 454) und der ravennatischen Maximians- 
Kathedra (Garr. 418, 3): in Mailand reitet Christus wie auf Sarkophagen, ihm 
folgt ein Mann mit dem Palmzweige, Knaben breiten ihre Mäntel aus. In Ravenna 
dagegen reitet Christus byzantinisch und hält das Kreuz geschultert in der linken 
Hand. Das Übrige wieder in hergebrachter Weise, nur etwas variirt: Männer 
mit Palmzweigen und eine Frau, die Christus eine Matte entgegenbreitet, wie 
in Etschmiadzin. Zu diesem beiden Schnitzereien gemeinsamen Zuge kommt, 
dass Christus auf dem Maximiansthrone, wie in allen Wunderscenen, so auch 
beim Einzüge das Kreuz in der linken Hand hält. 

Die thronende Muttergottes auf dem Mittelstücke des rückwärtigen Deckels 
müsste, analog der Herübemahme des Beamtentypus für Christus, nach einer 
weiblichen Gestalt gebildet sein, welche auf Diptychen dargestellt zu werden 
pflegte. Und in der That macht es die auf einem in Basel isolirt erhaltenen 
Oberstücke stehende Inschrift: PERPETVAE SEMPER f AVGVSTAE» sehr 
wahrscheinlich, dass, gleichwie der Consul dem Kaiser ein fünftheiliges Diptychon 
mit der Darstellung des Kaisers im Mittelfelde überreichte, ein Gleiches vom 
Consul oder seiner Frau mit der Darstellung der Kaiserin in der Mitte der 
Fürstin gewidmet wurde. Beispiele dafür sind nicht erhalten. Aber auch in diesem 
Falle können wir uns durch Analogien ein Bild von der Art machen, wie die 
Kaiserin dargestellt gewesen sein mag. So ist Juliana mit ^povqai^ und 
Meyaloipo^^ia zur Seite in der Wiener Dioscorides-Handschrift durchaus im 
Stile der Diptychen componirt.* Aber auch der Typus der Mutter mit dem 
Kind im Schoosse fehlt nicht. So ist die Kaiserin mit einem Prinzen am 



i Liber pont. De S. Petro minore XXVIIL c. 2. 

2 Codex Rossanensis ed. Gebhardt und Harnack, Taf. V. 

3 Abgebildet bei de Rossi Bull. 1872, tav. I, Nr. 3. 

< Abgebildet bei Labarte, Les arts ind. pl. 78, Agricourt Peint. pl. XXVI ; Kondakoff, 
Hist. de Tart byz. zu p. 108. 



40 

Schoosse nachweisbar in drei Goldmedaillons der Fausta, welche, nach Kenner ' 
um das Jahr 317 geprägt, die Kaiserin thronend in strenger Vorderansicht zeigen, 
wie sie mit beiden Händen das Kind hält, w^elches in ihrem Schoosse liegend 
sich an sie anschmiegt. Hier an Maria mit dem Kinde zu denken ist, glaube 
ich, schon deshalb unmöglich, weil die Frau kein Kopftuch, sondern eine Krone 
mit an den Seiten herabhängenden Edelsteinen trägt. Kenner hat überdies darauf 
hingewiesen, dass auf Münzen Constantin's imd seiner Söhne überhaupt noch 
keine solchen Heiligengestalten nachweisbar sind und dass gegen Maria schon 
die Figuren zu Seiten der Thronenden: Felicitas und Venus genetrix sprechen. 
Die Kaiserin sei einfach als Pietas, aber mit dem kaiserlichen Nimbus dargestellt. 
Ich möchte femer darauf aufmerksam machen, dass auch der Typus der Juno 
Mamaea ein ähnlicher ist. Den monumentalen Beleg dafür haben wir in der 
bekannten Gruppe des Vatican. « Dieselbe erscheint dann auch auf Münzen der 
Julia Mamaea (f 235) und der Lucilla Veri. ' Diese älteren Darstellungen mögen 
der altchristlichen Kunst, in der Maria freier bewegt bald mit dem Kind an der 
Brust oder im Schoosse, bald es als Wickelkind haltend erscheint,* mit als Vor- 
bilder gedient haben. Die altbyzantinische Kunst aber kennt nur die Darstellung 
der Maria in strenger Vorderansicht mit geschlossenem Gewände. So erscheint 
auch Fausta auf den Goldmedaillons und so wird auch die Kaiserin mit dem 
Thronfolger in den Elfenbein-Diptychen gebildet gewesen sein. Den directen 
Anschluss an ein solches Diptychon zeigt, nach dem Beiwerk zu urtheilen, 
vielleicht eine Elfenbeintafel im k. Museum zu Berlin (Garr. 451). Maria hat 
hier den strengen bj^zantinischen Typus der Gottesmutter im Mosaik von 
S. Apollinare nuovo (Garr. 244, 2). Freier componirt ist die Gruppe auf den 
fünftheiligen Diptychen in London (Maskell zu S. 53), Paris (Garr. 458, 2) und 
in Etschmiadzin. Zwar Maria behält ihre Haltung in strenger Vorderansicht bei ; 
aber die Art, wie sie das Kind hält, ist in allen drei Diptychen verschieden. 
Auf dem Londoner Exemplar sieht man Christus in Vorderansicht sehr hoch in 
ihrem linken Arm, fast schwebend sitzen. Maria hält ihn mit der rechten Hand 
an der Schulter, mit der linken an den Fussspitzen fest. Auf dem Pariser 
Diptychon sitzt Christus tiefer und Maria fasst ihn mit beiden Händen an den 



1 Im Jahrbuche der Kunstsamml. des allerhöchsten Kaiserhauses, Bd. IX, S. 170, Nr. 270. 

2 Visconti Museo Pio Clementino, Tav. 4. 

» Ekhel, doctr. num. VII, p. 288 Cohen, Med. imper., 2. A., IV, S. 493, Nr. 32 — 34. 

-* Vergl. de Rossi, Imagines selectae; Roller, Les catacombes, II, pl. LXVIII und LXXXII; 
Rohault de Fleurj-, La sainte Vierge, Lehner; Die Marien-Verehrung etc., Taf. I ff., und Liell, 
Die Darstellung der allerheiligsten Jungfrau und Gottesgebärerin Maria etc., S. 236 if. 



41 

Knieen. In Etschmiadzin wird der Knabe mehr von der Seite gesehen. Er blickt 
zur Mutter auf und setzt die Füsse in den Schooss der Maria, welche die linke 
Hand um seinen Unterkörper, die rechte an seinen Fuss legt. Gleiche Ver- 
schiedenheit äussert sich in den Attributen : in London hält er ein Buch und hat 
den Kreuznimbus, in Paris hält er das Kreuz, in Etschmiadzin die Rolle und 
hat in beiden Fällen keinen Nimbus. Somit zeigt sich ganz klar, dass sich zu 
der Zeit, in der diese Diptychen entstanden sind, noch kein fester Typus für 
die Darstellung der Maria mit dem Kinde herausgebildet hatte. Die Künstler 
componiren oder copiren frei geschaffene Originale in der Art, wie früher Juno 
Mamaea oder eine Kaiserin dargestellt wurde. Die Diptychen zeigen somit noch 
nicht den Typus der Panagia Hodegetria, wie man im ersten Augenblicke glauben 
möchte. Dieser später in Byzanz neben dem der Blacherniotissa ganz allgemein 
verwendete Typus zeigt Maria vielmehr, wie ich an anderer Stelle nachweisen 
zu können glaube, stehend, wie sie das Kind im rechten Arm trägt und die 
rechte Hand offen vor der Brust hält. ' Als byzantinisch werden die Dar- 
stellungen der Diptychen nur durch die Penula und die darunter hervortretende 
Haube gekennzeichnet. Der Typus der thronenden Muttergottes mit dem Kinde 
im Schooss und den beiden Erzengeln Gabriel und Michael zur Seite hat, wie 
der Pantokrator einen ständigen Platz unter den Malereien byzantinischer 
Kirchen und zwar in der Apsis. So schon in den Mosaiken der Sophienkirche, « 
im Kloster Daphni bei Athen,* im Kloster Hosios Lukas am Helikon,* in der 
Koimisis-Kirche zu Nicäa (Isnik)* und ausnahmslos in den Malereien aller 
Kirchen am Athos u. a. O.« Ebenso nach der Vorschrift des Malerbuches.' 
Auch auf italienischem Boden in den Mosaiken solcher Kirchen, die unter 
byzantinischem Einfluss entstanden sind: in Parenzo,^ in Monreale, wo Maria 
unter dem in die Apsis versetzten Pantokrator erscheint, * in S. Marco in Venedig 
und S. Angelo in Formis bei Capua. 



1 Es ist dies der T3^us, den ich (Cimabue und Rom, S. 49) den der stehenden Madonna 
genannt habe, welcher im 13. Jahrh. in Italien allgemein angenommen wird. 

2 Salzenberg, die altchristl. Baudenkmale von Constantinopel, S. 108, vergl. Taf. XXXII. 
s XQiauavDerj dgxatoXoyia xijs fiovfjg Aaqjviov vno F. Äa^dxt} h 'A^/jvaig 1880, o. 136, 

< r. n. KQSfjLoVf ' loTOQla itjg ev xfj <PcDxidi fiovijg xov Solov Aovxa, iv 'A&i^vatg 1880, o. 180, 
und Charles Diehl, L'eglise et les mosaiques du couvent de Saint-Luc en Phocide, Paris 1889, p. 71. 
5 Texier, L'Asie Mineure. I, 51. 

• Besonders gut erhalten auch im Kloster Kaisariani am H^-mmettos. 
' ed. Schaefer S. 395. 

8 Lohde in der Zeitschrift für Bauwesen, Bd. IX (Berlin 1859) Taf. 18. 

• Gravina, II Duomo di Monreale, Tav. 14 D. 

6 



42 

Derselbe Typus ist auch in diejenige Redaction des byzantinischen Psalters 
übergegangen, deren Miniaturen dem Leben und der Verherrlichung David's 
gewidmet sind. So sieht man die Muttergottes mit den beiden Erzengeln zur 
Seite in den Psaltern der Klöster Vatopedi Nr. 609 und 610 und Pantokrator 
Nr. 49» am Berge Athos und in einem Psalterfragment der kais. öffentlichen 
Bibliothek zu Petersburg Nr. 11 der Sammlung des Bischofs Porphyrius 
Uspensky.« Derselbe Typus begegnet uns endlich auch in der Kleinkunst, z. B. 
in dem Elfenbeinrelief mit der Inschrift AAAONHI etc. im Besitze des Grafen 
Gregor Stroganoff in Rom. • 

Die Verkündigung Maria ist nach de Rossi bereits in den Malereien der 
Katakomben dargestellt. Auf römischen und gallischen Sarkophagen fehlt sie. 
In Mosaik tritt sie uns zuerst am Triumphbogen von S. Maria Maggiore 
(Garr. 212, i) kurz nach 431 entgegen. Ungefähr gleichzeitig erscheint sie in 
den Werken ravennatischer Künstler. So auf dem bekannten Sarkophage, der 
heute beim Grabmal Dante's in Ravenna steht (Garr. 344, 3). Maria sitzt hier, 
in Chiton und Penula gekleidet, auf einem niedrigen Sitz ohne Lehne und 
erhebt mit der linken Hand die Spindel, von der die Purpurwolle herab in 
einen Korb fallt. Die rechte, jetzt abgebrochene Hand war erhoben. Maria 
gegenüber steht der Engel. Er erhebt die rechte Hand, die linke scheint durch 
das Gewand bedeckt/ Mit diesem Typus stimmt die Darstellung auf einer bisher 
unbeachtet gebliebenen Tafel im Besitze der Gräfin Uwaroff in Moskau, welche 
angeblich auf dem Markt in Kasan erworben ist. Ich bilde dieses in vieler 
Beziehung interessante Monument ab.* Maria sitzt hier in dem typischen, von 
der Antike übernommenen geflochtenen Lehnstuhl.* Die linke Hand mit der 
Wolle ist mehr gesenkt, die rechte offen vor der Brust erhoben. Der Engel 
erhebt die rechte Hand griechisch segnend und hält in der linken Hand ein 
Stabkreuz wie das, welches wir oben in den ravennatischen Darstellungen der 



« wo für Michael Johannes Prodromos eingetreten ist. 

< KpaiKiä oösopi coöpanlH pyKonHCCH npHHa;i^j[e;saB]naro npeoö. enucKony IXop^upiio, C. üeTCpö. 
1885, No. 11. 

• Lenormant, Tresor de numism. Rec. de basrel. II, pl. 51; Annales arch. XVII zu p. 363; 
Bayet, L'art byz. p. 191, und bei Labarte, Les arts ind. 

* Publicirt vom Grafen Uwaroff in den JtpeBHocTH, Tpy;i,u MOCKOBCKaro apx. oömeciBa. 
Tont I (1865) S. I ff. (Danach meine Abbildung.) Ich bin nicht der Ansicht des Verfassers, dass 
diese Tafel das Seitenstück eines fünftheiligen Diptychons sei. Dazu passen die Maasse nicht 
und die Löcher auf der linken Seite weisen direct auf die Verbindung mit nur einer Tafel. 

4 Vergl. Wemicke, Lebenslauf eines Kindes in Sarkophag-Darstellungen. Arch. Zeit. 1885, 
S. 209 ff. 



Wunderwerke in Christi Hand 
gesehen haben. Zwischen beiden 
Gestalten sieht man den Korb 
und oben einen Stern. — In 
einer zweiten Gruppe von Dar- 
stellungen : an der Maximians- 
Kathedra (Garr. 417, 1), auf dem 
Pariser Diptychon (Garr. 458, 2) 
und demjenigen in Etschmiadzin 
ist diese Gruppirung im Allge- 
meinen beibehalten, aber im De- 
tail variirt. Maria hält die rechte 
Hand vor die Brust und hat die 
linke über den Schooss weg auf 
die vordere Stuhllehne gelegt. 
Auf der Maximians-Kathedra 
und in Paris hält sie darin zwei 
Spindeln, in Etschmiadzin die 
Purpurwolle. In den beiden er- 
ster en Schnitzereien ist ihren 
Füssen ein Schemel unterge- 
schoben, in Etschmiadzin fehlt 
er, gleichwie in dem vorge- 
führten ravennatischen Sarko- 
phage. Der Engel steht mit 
linkem Stand- und rechtem 
Spielbein da, erhebt die rechte 
Hand und hält in der Linken 
einen Stab, kein Kreuz. Im 
Etschmiadzin-Diptychon scheint 
oben ein Stern angebracht zu 
sein wie auf der Uwaroff-Tafel. 
— Beim Überblicken dieser 
Gruppe von Darstellungen der 
Verkündigung, unter denen der 
Sarkophag und die Maximians- 
Kathedra den Zusammenhang Elfenbein -Diptychon der Sammlung llwaroff in Mriskan. 



44 

mit Ravenna belegen, ergibt sich somit ganz unzweifelhaft, dass auch das 
Etschmiadzin-Diptychon dieser Gruppe angehört und zeitlich der Maximians- 
Kathedra (546—52) sich nähert, doch in Einzelheiten, wie dem Fehlen des 
Schemels und in der Beibehaltung der Purpurwolle statt Einfuhrung der 
Spindel den engeren Anschluss an den ravennatischen Sarkophag imd das 
Mosaik von S. Maria Maggiore, also an Darstellungen des 5. Jahrhunderts 
hervortreten lässt. — Etwas varürt ist der Typus der Verkündigung auf der 
jüngeren, wahrscheinlich auch in Ravenna entstandenen Tafel in der Bodleyana 
(Maskell zu S. 55) und der Pyxis aus Minden in Berlin (Garr. 457, 5). Doch 
wird auch hier die sitzende Maria beibehalten. Über eine Gruppe von Ver- 
kündigungs-Darstellungen, die, wie es scheint, in SjTien und Palästina ihren 
Ursprung hat, wird im Anhange I gehandelt werden. Eine dritte Gruppe hat 
ihren ältesten Vertreter in Mailand. Das apokryphe Proto-Evangelium im 
XI. Capitel' lässt der Verkündigung beim Spinnen eine andere am Brunnen 
vorhergehen. Diese illustriren die bekannte Tafel im Domschatze zu Mailand 
(Garr. 454), das Elfenbein-Reliquiar aus Werden (Garr. 447, i) und ein Terracotta- 
Medaillon im Domschatze zu Monza. * Die spätere byzantinische Kunst bleibt bei 
dem Spinn-T3'pus. Die Scene am Brunnen lässt sich nur ausnahmsweise dann 
nachweisen, wenn die Verkündigung in ihrer ganzen Breite nach den Apokryphen 
erzählt wird. Zu dem von de Waal ' angeführten Jacobus Monachus der Vaticana 
(Cod. Gr. 1162) * kommt noch das zweite Exemplar desselben in der Bibliotheque 
nationale (Fonds gr. 1208)* und das Mosaik der Kachrje Dschami in Con- 
stantinopel.* In keinem Falle fehk daneben die Darstellung der Verkündigung 
beim Spinnen, nur ist sie in der alten Movij ttj: ^wpa^ fast zerstört. 

Die Prüfung der Jungfräulichkeit Mariae nach dem XVI. Capitel des 
Proto-Evangeliums ' findet sich nur auf Bildwerken der bereits öfter heran- 
gezogenen Reihe. Sie gruppiren sich auch hier um die Maximians-Kathedra 
(Garr. 417, 2). So zunächst das Pariser- und Etschmiadzin-Diptychon. Josef steht 
in diesen drei Beispielen links. Er erhebt die rechte Hand mit dem Sprechgestus 
zu Maria, die rechts von ihm in Vorderansicht dasteht und in der rechten Hand 



I Vergl. Hist. de nat. Mariae, c. 9. 

« Phot. von Rossi in Mailand No. 394. 

3 Römische Quartalschrift 1887. S. 180, Anm. 2. 

* D'Agincourt Peinture pl. L. 

5 Fol. 159V Bordier, Description des peintures etc. p. 165. 

ß Leval, Catalogue descriptif No. 30. 

7 Vergl. Hist. de nat. Mariae, cap XII. 



7 



45 

die Schale hält, aus der sie trinken soll. Im Hintergrunde sieht man die Säulen 
eines Bauwerkes angedeutet. Im Übrigen varüren die Details. Während auf dem 
Etschmiadzin-Diptychon ein bärtiger Kopf, also der Situation entsprechend ein 
Zeuge erscheint, fehlt er auf den beiden andern. Die Darstellung des Maximians- 
thrones ist die reichste. Hier ist ein Engel eingeführt, der, für Maria sprechend, 
sich Josef zuwendet; am Boden sieht man zwischen beiden Gestalten einen 
von Steinen eingefassten Brunnen. Diesen Brunnen übermauert, ähnlich wie in 
den Darstellungen des Gesprächs Christi mit der Samariterin, zeigt uns ein 
weiteres Beispiel auf der (S. 43) abgebildeten Tafel der Gräfin Uwaroff. » Josef 
steht hier ebenfalls links, hält in der linken Hand, wie auf dem Bischofsstuhl 
einen Stab und streckt mit der rechten die Schale nach rechts der Jungfrau 
entgegen, welche in Orantenhaltung dasteht. Die Einführung des Brunnens 
weicht von der Version der Apokryphen ab, wo die Prüfung im Proto-Evangelium 
vor dem Priester, im Evangelium de nativitate Mariae vor dem Altar spielt. Es 
dürfte sich darin ein ähnlicher Einfluss wie in griechischen Romanen geltend 
machen, in denen das Motiv Frauen auf ihre Reinheit hin am Jungfembrunnen 
zu prüfen sehr beliebt ist. — Durch die Güte des Herrn Kondakoff ist mir im 
Januar 1890 in Petersburg noch eine aus Kertsch stammende Pyxis bekannt 
geworden, welche eingeritzt die Verkündigung (ravennatisches Schema) und die 
Prüfung der Jungfräulichkeit zeigt. Josef steht hier rechts, Maria mit der Schale 
links. Eine Publication bereitet Herr KondakoflF vor. 

Für die Geburt Christi kann ich die neuerdings erschienene fleissige Studie 
von Max Schmid * zu Grunde legen. Schmid scheidet unter den Elfenbeinwerken 
richtig zwei Gruppen. Eine, welcher der Elfenbeindeckel im Domschatze zu 
Mailand (Garr. 454) und das Werdener Reliquiar (Garr. 447, 1—3) angehören. 
Diese Gruppe wird durch enge Anlehnung an altchristliche Sarkophage charakte- 
risirt und dürfte der gleichen (Mailänder?) Schule und Periode angehören. Schmid 
hätte noch das fünftheilige Diptychon in London (Maskell zu S. 53) dazuzählen 
können. Die Aufstellung der Krippe unter einem Schutzdache spricht für die 
Mailänder Provenienz. Dagegen verräth die Haltung Maria's und Josefs, 
sowie die Einführung des Engels zugleich mit der Verkündigung an die Hirten 



i Graf UwarofF a. a. O. S. 12 ff. deutet diese Scene auf das Gespräch mit der Samariterin. 
Daran dürfte hier nicht zu denken sein, weil Christus in den ravennatischen Darstellungen dieser 
Scene, und die Uwaroff-Tafel gehört zu diesen, stets unbärtig ist. Ich kenne überhaupt nur 
ein Beispiel, auf den im Anhange I publicirten Goldenkolpien, in denen Christus bärtig 
erscheint. 

« Die Darstellung der Gebuit Christi in der bildenden Kunst, Stuttg. 1890. S. 109. 



46 

byzantinische Einflüsse. Dieselben herrschen vor in der von Schmid gebildeten 
zweiten Gruppe, die in Ravenna ihren Ursprung hat. Hauptwerk ist der Maximians- 
thron (Garr. 417, 4). Vergleichen wir nun den Typus des Etschmiadzin-Diptychons 
zunächst mit der Mailänder-Tafel, so ergibt sich klar, dass er nichts mit ihr 
gemein hat. Das Schutzdach ist weggefallen und Maria und die Krippe sind 
derart umgestellt, dass gerade das Schema der ravennatischen Kathedra heraus- 
kommt. Nehmen wir dazu, dass Maria liegend gebildet ist und oben der Stern 
erscheint, wie auf der Kathedra, dann kann gar kein Zweifel bestehen darüber, 
dass wir ein ravennatisches Monument vor uns haben. Was die Datirung 
anbelangt, so erlaubt uns ein Detail wieder den Schluss, dass das Diptychon 
älter sei als die Kathedra ; denn während auf letzterer bereits die typische Form 
der byzantinischen Beinstellung angewandt ist, * sehen wir im Etschmiadzin noch 
deutlich das antike Motiv der gekreuzten Beine bei schwebenden Eroten durch- 
blicken. An die von Schmid im Catalog unter Nr. 54, 55, 57, 58 aufgeführten 
Bildwerke, die alle mehr oder weniger mit Ravenna zusammenhängen, schliesst 
sich noch die Tafel der Bodleyana (Westwood zu S. 55).« 

Die Reise nach Bethlehem lässt sich auch wieder nur in derjenigen Gruppe 
von Elfenbeinschnitzereien nachweisen, die durch die Maximians-Kathedra in 
Ravenna localisirt werden. Zu diesem Hauptwerke selbst und den beiden Diptychen 
in Paris und Etschmiadzin kommt hier noch die Mindener Pyxis (Garr. 437, 4) 
hinzu. Die Composition der Scene lehnt sich an ein antikes Vorbild: den 
trunken auf einem Esel reitenden und von einem Satyr unterstützten Silen. 
Auf der Kathedra und der Pyxis führt ein Engel die Zügel und Josef widmet 
sich ganz der Fürsorge für seine schwangere Gefährtin. Die Diptychen drängen 
die Scene wohl wegen Mangel an Raum mehr zusammen. Josef hat sich die 
rechte Hand frei gemacht und führt selbst den Zügel. Auf dem Etschmiadzin- 
Diptychon erscheinen die Engel im Hintergrunde, in Paris fehlen sie ganz. 

Die Anbetung der Magier auf dem Etschmiadzin-Diptychon schliesst sich in 
den wesentlichen Zügen ebenfalls an die Maximians-Kathedra (Garr. 418, i). Das, 
was diese beiden Darstellungen vor Allem von den Malereien der Katakomben, 



» Vergl. die Zusammenstellung bei Schmid a. a. O. S. 112. 

2 Neuerdings ist noch ein Relieffragment aus Naxos bekannt geworden, welches sich 
in der Verkürzung der Scene dem Fresco von San Sebastian© und der Schmalseite des Sarko- 
phages von S. Ambrogio in Mailand (bei Schmid No. i und 18) nähert. Es ist ein seltener 
Rest altchristlicher Kunst in Griechenland. Vergl. 'Ecfrj^iFQig vlqx- 1890, Taf. I. und S. 21. Ftir die 
spätere byzantinische Kunst kann ich zahlreiche Beiträge liefern. Dieselben werden sich jedoch 
besser an anderer Stelle besprechen lassen. 



47 

den Sculpturen der Sarkophage * und den Elfenbeinschnitzereien der Mai- 
länder Schule (Garr. 447, 2, 455; Maskell zu S. 53) unterscheidet, ist die 
Einführung des Engels als Mittelsperson zwischen Christus und den Magiern. 
Wir sehen ihn zum ersten Mal in dem Mosaik von S. Maria Maggiore 
(Garr. 213) auftreten, wo vier Engel, wie auch noch in dem Mosaik von 
S. ApoUinare nuovo (Garr. 244), eine Art Leibwache um die Himmelskönigin 
und Christus bilden, im engen Anschluss an das 431 auf dem Concil zu Ephesus 
bestätigte Dogma der Gottesmutterschaft Maria. Seit jener Zeit fehlt der Engel 
nicht mehr in den Kunstdarstellungen des Orients. Beleg dafür sind der Ambo 
in Salonik (Garr. 426), ein neuerdings in Karthago aufgefundenes Relief,* die 
ravennatischen Schnitzereien des 6. Jahrhunderts und zahlreiche byzantinische 
und bj'zantinisch beeintlusste Kunstwerke bis zum 12. Jahrhundert. Eine Sonder- 
stellung nehmen darin nur, wie wir im Anhang I sehen werden, die Dar- 
stellungen palästinischer Provenienz ein. Auch andere Details weisen hin auf 
eine Datirung unserer Tafel von den Sarkophagen weg mehr in die byzan- 
tinische Sphäre hinein: so, dass die Stuhllehne den Kopf der Maria überragt, 
die Magier ihre Geschenke auf bedeckt erhobenen Händen darbringen und 
ihre Kopftypen bereits der von den Byzantinern eingeführten Scheidung nach 
den Lebensaltern, Greis, Mann und Jüngling, entsprechen. Was der Darstellung 
sonst noch beigefügt erscheint, der links hinter Maria sitzende Josef und der 
rechts hinterher schwebende Engel, erklärt sich zum Theil aus dem Bestreben 
des Schnitzers, den Raum passend auszufüllen. Josef fehlt zwar auch in byzan- 
tinischen Darstellungen nicht und so auch nicht auf dem Maximiansthron, aber 
er steht dann gewöhnlich neben dem Lehnstulil der Maria. Der Engel dagegen 
ist eine Zuthat des Schnitzers, die ihre Analogie in palästinischen Darstellungen 
findet, wo der Engel stets auf den Stern deutend dargestellt ist. Die Bewegung 
der rechten Hand ist hier in Etschmiadzin die gleiche, doch fehlt der Stern. 
Auch fehlt der Schemel unter den Füssen Maria, was auf Sarkophagen bis- 
weilen, in Byzanz und schon in Ravenna auf dem Bischofsstuhle nie vorkommt, 
so dass vielleicht auch hier wie in der Verkündigung darin ein Fingerzeig dafür 
zu sehen ist, dass das Etschmiadzin-Diptychon älter als der Maximiansthron ist. 

> Zusammengestellt von Lehner, Die Marienverehrung in den ersten Jahrhunderten; 
Liell, Die Darstellung der allerheiligsten Jungfrau und Gottesgebärerin Maria S. 249 flf., zum 
Theil auch bei Rohault de Fleurv, L'Evangile I, pl. XVI suiv. 

2 De Rossi Bull. 1884 5, Tav. 5, und bei Liell a. a. O. S. 281. 



48 

Fassen wir zusammen. Was zunächst den Ort der Entstehung des Etsch- 
miadzin-Diptychons anbelangt, so lassen die mannigfachsten Beweise keinen 
Zweifel darüber zu, dass es in Ravenna geschnitzt worden ist. Die Verkündigung 
mit der beim Spinnen sitzenden Madonna und die Heilung des Gichtbrüchigen 
mit der charakteristischen Art das Bett anzufassen, finden sich diesen typischen 
Zügen nach, andere Darstellungen wie die Reise nach Bethlehem, die Prüfung 
durch das Fluchwasser und die Heilung des Besessenen überhaupt nur in einer 
Gruppe von Bildwerken, die durch die zugehörende Maximians-Kathedra und die 
Mosaiken von S. ApoUinare nuovo in Ravenna localisirt werden. Als bezeichnend 
für diese Gruppe mit Ausnahme der Pyxiden kann auch geltend gemacht werden, 
dass Christus in den Wunderscenen ein Stabkreuz in den Händen trägt: so 
auch in Etschmiadzin. 

Was dann die Zeit der Entstehung anbelangt, so drängt uns die Haltung 
des Pantokrator in die Zeit des Probianus-Diptychons und des Sarkophages 
des Junius Bassus (f 359) ; ebenso lässt die Art der Darstellung von Sonne und 
Mond in den Oberstücken einen engen Anschluss an Sarkophag-Typen hervor- 
treten, ja der Typus der Heilung des Wassersüchtigen scheint sogar älter als 
der auf dem Sarkophage des Museo Kircheriano. Andererseits weisen die Ein- 
führung des Engels und andere Züge in der Anbetung der Könige, die Art wie 
Christus beim Einzüge in Jerusalem reitet und die Darstellung der Maria mit 
Penula und Häubchen entschieden auf eine Zeit, in der der byantinische Typus 
bereits Wurzel gefasst hat. Doch können wir mit der Datirung keinesfalls unter 
die Maximians-Kathedra herabgehen. Vielmehr deuten Einzelheiten, wie das 
Fehlen des Schemels unter den Füssen Maria's, die Wolle, welche sie statt 
der Spindeln, wie in dem Mosaik von S. Maria Maggiore hält, die Bein- 
haltung bei der Geburt Christi und vor Allem die Züge, welche, wie oben 
erwähnt, so nah mit ähnlichen auf Sarkophagen verwandt sind, auf eine Ent- 
stehung vor der Maximians-Kathedra hin. Wir werden daher allen Nöthigungen 
genügen, wenn wir die Etschmiadzin-Deckel in die erste Hälfte des 6. Jahr- 
hunderts datiren. 

Im Verlaufe der typologischen Untersuchungen ist deutlich hervorgetreten, 
dass wir für diese Zeit scheiden müssen eine Schule in Mailand und die 
andere in Ravenna. Es kann uns das nicht Wunder nehmen, wenn wir auf 
den wahrscheinlichen Ursprung dieser Schulen zurückgehen. Die Elfenbein- 
sculptur erhält ihre bedeutendste Förderung durch die bis zum Jahre 384 allgemeine 
Sitte sich gegenseitig mit Diptychen zu beschenken. Erst im Jahre 384 wird in 
Folge des eingerissenen Luxus das Recht solcher Schenkungen durch ein Gesetz 



49 

auf die Consuln allein beschränkt. • Dieselben verschenkten bei ihrem Amtsantritte 
zweierlei Diptychen, wie Meyer nachgewiesen hat: grosse fünftheilige an die 
Kaiser und kleinere eintheilige an hochgestellte Personen. Ist es schon für die 
letzteren, d. i. die gewöhnlichen Consulardipt)xhen, wahrscheinlich, dass sie in 
den Reichscentren, also im Westen nacheinander in Rom, Mailand und Ravenna, 
im Osten in Constantinopel entstanden sind, so gilt dies noch mehr von den 
Kaiserdiptychen. Nehmen wir nun an, dass sich in den jeweiligen Residenzen 
der Kaiser in Folge des Bedarfes an solchen Diptychen Handwerker, welche 
die Schnitzkunst in Elfenbein verstanden, niederliessen und Schulen begründeten, 
so erklärt sich auf diese Weise am besten Ursprung und Charakter der beiden 
uns bis jetzt näher bekannten Schulen in Mailand und Ravenna. 

Mailand, die ältere von beiden, weil zu einer Zeit blühend, in der Theodosius 
der Grosse hier seine Residenz gewählt hatte, zeigt in Folge dessen auch noch 
altchristliche Bildtypen. Die Geburt Christi lehnt sich in der Beibehaltung des 
Schutzdaches über der Krippe und der Art wie Maria dasitzt, die Taufe in der 
Darstellung des von oben auf Christus herabstürzenden Wassers, der Einzug in 
Jerusalem in der Art wie Christus zu Pferde sitzt, die Anbetung der Magier 
durch die Weglassung des Engels und andere Merkmale, die Heilung des Gicht- 
brüchigen in der Art wie er das Bett trägt u. A. m. — alle diese Scenen lehnen 
sich direct an die Typen der Sarkophage. Von Vertretern dieser Mailänder 
Gruppe sind das Tafelpaar im Domschatze zu Mailand und der Reliquienkasten 
aus Werden im South Kensington Museum genannt worden. Nach dem Typus 
der Geburt Christi und dem der Anbetung der Könige sind diesem Kunstkreise 
auch, wie ich glaube, die beiden fünftheiligen Tafeln im Vatican und in London 
zuzurechnen. Dieser Provenienz würden auch andere Züge entsprechen. Mailand 
tritt seit dem 5. Jahrhunderte wieder in den Hintergrund, die dortige Elfenbein- 
schnitzschule wird ihrer Hauptarbeitsquelle durch Verlegung der Residenz nach 
Ravenna beraubt. Sie vegetirt im Dienste der Kirche weiter und hält an den zur 
Zeit ihrer Blüthe massgebenden Sarkophagtypen fest. Aus diesem pedantischen 
Conservatismus erklärt sich auch die Art, wie die Seitenstücke ausgefüllt sind, 
d. h. nicht wie in Ravenna durch zwei evangelische Scenen, sondern noch durch 
Einzelgestalten. Solche sehen wir auch in dem Profandiptychon der barberinischen 
Bibliothek, wo ein Krieger dem Kaiser huldigt. Im Vatican sind es zwei Engel, 
in London Jesaias und Melchisedek, die zu Seiten des Thrones stehen. Ja die 
Anlehnung geht noch weiter. Meyer hat den Rest eines fünftheiligen Dipt3xhons 



t Cod. Theod. XV, 9, i. 



50 

in der königlich bayrischen Staats-Bibliothek in München publicirt, in welchem 
man den Consul sieht, der dem Kaiser eine Rolle überbrinort. ' Eine Rolle ist es 
auch, welche die Engel in der vaticanischen Tafel Christus entgegenstrecken. 
Dem Charakter der Mailänder Schule würde endlich auch die ängstlich klein- 
liche Art der Ausführung entsprechen. 

Die ravennatische Kunst entwickelt sich seit 405, insbesondere während 
der Zeit, in welcher Calla Placidia dort ihren Wohnsitz hatte. Es ist sehr 
wahrscheinlich, dass diese Fürstin, welche sich am Kaiserhofe von Byzanz Rath 
und Hülfe holte, auch ihre Künstler von Constantinopel herüberbrachte. Die 
Details der ravennatischen Architektur, die Sarkophag-Sculpturen und Mosaiken 
zeigen bereits im 5. Jahrhundert einen so sehr von Rom und der altchristlichen 
Kunst abweichenden Charakter, dass der Einfluss von Osten her schon dadurch 
allein wahrscheinlich wird. Im 6. Jahrhunderte vollends geht die ravennatische 
Kunst vollständig in der byzantinischen auf. Für die Beurtheilung der Werke 
ravennatischer Elfenbeinschnitzerei haben wir einen festen Anhaltspunkt in der 
Kathedra des Bischofs Maximian (546 — 552). Sie zeigt uns diese Kunst auf einer 
Stufe, auf der die Höhe überschritten und die Errungenschaften der Künstler 
bereits Gemeingut der Handwerker geworden sind. Wahrscheinlich fällt der 
Höhepunkt in das Ende des 5. Jahrhunderts, also in die gleiche Zeit, in der 
wohl auch die Marmorbildnerei dort angelangt war und ein Künstler Namens 
Daniel von Theodorich wegen seiner Kunstfertigkeit »in excavendis atque omandis 
marmoribus« bevorzugt wurde. * Die Arbeit in handwerksmässig eingerichteten 
Ateliers wird für das 6. Jahrhundert durch die grosse Zahl der aus dieser Zeit 
auf uns gekommenen Werke bestätigt. Bei Vergleichung der Typen haben wir 
eine grössere Reihe derselben schon angeführt. Sie deckt sich mit denjenigen, 
welche auch Joh. Ficker^ für Ravenna in Anspruch genommen hat, indem er 
zunächst hervorhebt, dass der Kathedra, dem fünftheiligen Diptychon in Paris 
und einer Pj'xis in Pesaro (Garr. 439, i) eigenthümlich sei, dass sie dem wunder- 
mächtigen Herrn einen ehrwürdigen, langbärtigen Evangelisten zur Seite stellen, 
der mit dem grossen Buche, das er trägt und mit der erhobenen Rechten deutlich 
die lehrhafte Auffassung der Vorgänge ausspricht. Dazu kommt noch, wie wir 
gefunden haben, dass Christus, einige Pyxiden ausgenommen, in den meisten 
dieser Schnitzereien das Stabkreuz in der linken Hand trägt. Es scheint dies ein 
specifisch ravennatisches Motiv zu sein. So ist unter den Mosaiken des Mauso- 

> Abgebildet bei Me3'er a. a. O. Taf. III. 
2 Cassiodor, Variarum lib. III, XIX. 
» Die Darstellung der ApOvStel S. 148 if. 



51 

leums der Galla Placida der gute Hirt ' stets deshalb aufgefallen, weil er, was sonst 
nie vorkommt, das Stabkreuz hält. Mit dem gleichen Attribute sehen wir Christus 
auftreten in der Apsis der 545 von Maximian geweihten Kirche S. Michele in 
Affrisco (Garr. 267, 2) und einem Mosaik der erzbischöflichen Kapelle (Garr. 222,3), 
welches Richter mit Unrecht bis in das Ende des i. Jahrtausends datirt. Ähnlich 
trägt auch Johannes bei der Taufe Christi in S. Gio. in Fönte (Garr. 227, i) ein 
Stabkreuz. Wir werden daher annehmen dürfen, dass die ravennatischen Künstler 
aus besonderen Gründen es liebten bei der Darstellung des jugendlichen Christus'^ 
auf sein Erlösungswerk hinzuweisen. Es mag dies vielleicht mit der Strömung 
gegen den Arianismus zusammenhängen, weil auffällt, dass die arianischen 
Mosaiken von S. Apollinare nuovo darin eine Ausnahme machen. So auch die 
merkwürdige Tafel der Bodleyana. 

Für die Entwicklung der Elfenbeinplastik in Constantinopel haben wir 
keine sicheren monumentalen Belege. Das Gesetz vom Jahre 337, in welchem 
unter vierundzwanzig anderen Handwerkern auch den eburarii die Befreiung ab 
universis muneribus bewilligt wird,^ gilt natürlich in erster Linie für die neue 
Roma. Für eine grosse künstlerische Übung dieses Zweiges spricht die Nachricht 
der Patria, dass unter den 427 Statuen, welche in der älteren Sophienkirche 
standen, auch drei der Mutter Konstantin's, der heil. Helena waren, darunter 
eine iXefavTwdtj^j KuTtpoo p-qxopoz npoasviyxavTO^, * Aus der ersten Hälfte des 
6, Jahrhunderts sind mehrere oströmische Diptychen erhalten. Sie sind den 
weströmischen an Reichthum des bildlichen Schmuckes, besonders durch das 
Hinzukommen der Scenen aus dem Hippodrom ^ und die Anbringung der beiden 
Tychen von Rom und Constantinopel* überlegen. Doch scheint auch in Con- 
stantinopel der Höhepunkt künstlerischer Leistungsfähigkeit auf diesem Gebiete 
im 6. Jahrhundert schon überschritten. Die erhaltenen oströmischen Diptychen vom 
Jahre 506 und 513 sind ohne Feinheit und geistlos gearbeitet, die späteren 
werden immer schmuckloser und schwächer, bis endlich das letzte Diptychon 
vom Jahre 541 von geradezu stümperhafter Rohheit ist. Diese Erscheinung ist 
umso auffallender, als die byzantinische Plastik damals noch, wie ich an anderer 

» Abgebildet bei J. P. Richter, die Mosaiken von Ravenna Taf. II zu S. 29. 

* Der bärtige Christus mit dem Kreuz findet sich Ende des 6. Jahrhunderts auch in Rom 
in S. Lorenzo und S. Teodoro. 

« Cod. Theod. XIII, 4, 2. 

* Banduri Imp. orient. III, S. 14; Codinus de signis ed. Bonn. S. 65. 

5 auf dem Dyptichon des Areobindus a. 506, Anastasius a. 517 und Basilius a. 541. 

* auf den Diptychen des Clementinus a. 513 und Magnus a. 518. 

7* 



52 

Stelle zeigen werde, eine durchaus schätzenswerthe Höhe einnimmt. — Bis erst 
eine grössere Reihe byzantinischer Marmorbildwerke bekannt ist, wird es möglich 
sein mit einiger Sicherheit unter den Elfenbeinschnitzereien diejenigen von 
constantinopolitanischer Provenienz herauszufinden. Vorläufig mag nur auf die 
prachtvolle Tafel, einen Erzengel darstellend mit der Inschrift f JEXOT IIAPOfiTA 
KAI MAdQS TUN AITIAS im britischen Museum (Garr. 457) hingewiesen sein. 
Die Deckel des Etschmiadzin-Evangeliars sind in der ersten Hälfte des 
6. Jahrhunderts in Ravenna entstanden. Es lässt sich nun auch sagen zu welchem 
Zwecke. Wir haben gesehen, dass die fünftheiligen Diptychen ursprünglich 
dazu bestimmt waren, vom Consul dem Kaiser als Geschenk überreicht zu 
werden. Nun ist es immerhin möglich, dass auch die Diptychen im Vatican, in 
London, Paris und Etschmiadzin noch diesem Zwecke dienten. Sie sind ja 
wahrscheinlich noch vor dem Aufhören des Consulates im Jahre 541 gearbeitet. 
Was war aber dann die Bestimmung des ravennatischen Diptychons aus Murano, 
welches doch sicher nicht in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts entstanden 
sein kann, und eines anderen Diptychonpaares in der barberinischen Bibliothek, 
welches byzantinischen Ursprunges frühestens des 12. Jahrhunderts ist und wie 
die oben aufgeführten Diptychen auf der einen Tafel Christus, auf der anderen 
Maria in der Mitte, umgeben von je zehn Scenen aus ihrem Leben, zeigt? • Die 
Fortdauer der Ausführung solcher Diptychen über das Consulat hinaus weist 
vielmehr entschieden darauf hin, dass man diese Elfenbein-Tafeln noch zu 
anderen Zwecken benützte. Die Lösung der Frage ergibt ein Blick auf die 
Verwendung dieser Schnitzereien, soweit sie sich heute noch nachweisen lässt. 
Das vaticanische Diptychon war ursprünglich am Cod. Pal. 50, einem lateinischen, 
aus dem Kloster Lorch stammenden und zuletzt im Jahre 1089 gebundenen 
Codex,* enthaltend die Evangeliare des Lukas und Johannes angebracht. Man 
hat daher geschlossen, dass die zugehörige Tafel im South Kensington-Museum 
die Vorderseite einer Handschrift schmückte, welche die fehlenden Evangelien 
des Matthäus und Marcus enthielt.» Das Pariser Diptychenpaar ist heute noch 
an dem Codex Suppl. lat. 9384, einem Evangeliar des 9. Jahrhunderts als Deckel 
befestigt.* Die Etschmiadzin-Tafeln endlich schmücken ein armenisches Evan- 
geliar vom Jahre 989. Fünf Exemplare dieser Diptychen sind somit als Deckel 
von Evangeliaren benützt worden, von denen allerdings keines aus der Ent- 

i Abgebildet bei Gori Thes. vet. dipt. III, Taf. XXXVII. 

2 Garrucci Storia VI, p. 455. Vergl. Zangemeister, Catalog der Palatina. 

• Vergl. Maskell a. a. O., S. 53. 

* Vergl. Lenormant, Tresor de glyptique, II, p. 5. 



53 

stehungszeit der Schnitzereien selbst stammt. Aber wir haben damit wenigstens 
einen Fingerzeig erhalten und es liegt nahe, anzunehmen, dass man im Mittelalter '^ 
nur eine ältere Sitte nachahmte. Zudem stimmt auch der Inhalt der Deckel auf 
das Beste überein mit dem Inhalte der Schriften, welche sie zu schmücken ' 
bestimmt waren: der Lebensgeschichte von Christus und Maria. Endlich kommt 
hinzu, dass, wie Springer' nachgewiesen hat, sich auch an anderen kirchlichen 
Handschriften-Gattungen, wie Psaltern und Sacramentarien, bestimmte Deckel- 
schemata verfolgen lassen, die Sitte, durch den Deckel den Inhalt der 
Handschrift anzudeuten, also sehr alten Ursprunges sein muss. Wir werden 
daher schwerlich fehlgehen, wenn wir annehmen, dass die Etschmiadzin-Deckel 
gleich ursprünglich als Deckel für ein Evangeliar gearbeitet sind und der Abt 
des Klosters Noravank Stephanus, welcher in der Subscription als der Stifter 
des Evangeliars vom Jahre 989 für die Klosterkirche genannt wird, die Deckel 
von einem jener «echten und alten Originale» nahm, nach denen die Evan- 
gelien-Handschrift von einem gewissen Johannes copirt wurde. Es wird sich im 
Nachfolgenden zeigen, dass er dabei nicht stehen blieb, sondern sein neues - 
Evangeliar auch mit älteren Miniaturen schmückte. 

Die syrischen Miniaturen am Anfange. 

Die Handschrift beginnt, dem Inhalte ihres armenischen Kernes entsprechend, 
mit der Hypothesis und den Canones. Beide sind armenisch geschrieben. Die 
Hypothesis auf der ersten Seite wird von einer auf zwei Säulen ruhenden Arkade 
umschlossen, auf deren Bogen oben eine von Blättern umschlossene Knospe 
gemalt isf, zu deren Seiten riesige Pfaue sitzen. Die Canones sind auf acht 
Seiten in je zwei Arkaden vertheilt, welche ebenfalls von Blumen und Vögeln 
gekrönt werden. Ich beschreibe diese rein decorativen Malereien nicht näher, 
weil sie in der Gesammtform sowohl, wie in den Details übereinstimmen mit 
dem Arkadenschmucke, der die folgenden Blätter mit Christus und den Evan- 
gelisten umrahmt. Zwischen beide Gruppen von Miniaturen eingeschoben ist 
ein Blatt mit einer eigenartigen Darstellung. 

Wir sehen (Taf. II, i) eine Art Tempietto: vier Säulen tragen ein convex 
ausgebauchtes Dach, welchem eine von dem Kreuze gekrönte Spitze aufgesetzt 
ist. Die Säulen stehen auf einem Plinthus und einer aus zwei Wülsten bestehenden 
Basis. Der Schaft ist marmorirt. Die korinthischen Capitelle schliessen sich in 

t in den Abh. d. sächs. Akad. d. Wiss. Phil.-histor. Gl. Bd. XI, S. 372 ff. 



54 

der Form, wie die Schäfte der Höhe nach, dem auf ihnen lastenden convexen 
Architrav an. Dieser letztere ist in drei Streifen getheilt, deren mittlerer mit 
einer Art Palmettenband geschmückt ist. Über dem Architrav ragen hohe Blumen 
auf, deren Knospen aus zwei Wurzelblättem aufsteigt. Zwischen den Knospen 
sitzen, der Mitte zugewandt, Enten, je eine, aber nach aussen gerichtet, auch 
auf den an den unteren Ecken aufsteigenden Akroterien. Die Spitze des 
Tempelchens wächst in zwei concaven Bögen aus der Wölbung des Daches 
heraus und trägt eine Art Krone, auf der eine Kugel und auf dieser stehend 
ein Kreuz erscheinen. Zwischen den Säulen sind an Ouerstangen Vorhänge 
aufgehängt, die unten symmetrisch geknotet sind. An der Decke hängt im 
mittleren Intercolumnium eine Ampel an drei Schnüren. Zu beiden Seiten des 
Tempietto wachsen aus dem Grün des Bodens Cypressen auf. 

Auf der folgenden Seite (Tafel II, 2) ist Christus, zwischen zwei Heiligen 
thronend, in einer Arkade dargestellt. Diese letztere, sowie die Arkaden der 
beiden folgenden Seiten entsprechen ganz denjenigen der einleitenden neun 
Canonestafeln. Wir sehen korinthische Säulen, die einen Querbalken tragen, und 
darüber einen Halbbogen, der mit in den Regenbogenfarben schillernden Flammen 
bemalt ist. In der Lünette eine Muschel von einem Bogen mit gedrehtem Wulst 
umschlossen und darüber ein von Strahlen umgebenes Kreuz in einem Kreise, 
der von Blättern flankirt wird, an denen Enten picken. Unter den Enten wieder 
je ein Pflanzenmotiv. Oben zu Seiten einer Vase und unten über den Akroterien 
sitzen Papageien, zwischen denen, vom Rande des Bogens aufsteigend, Zweige 
des Granatapfelbaumes gemalt sind. Zwischen den Säulen der Arkade ist Christus 
als bartloser Jüngling mit kurzem Haar und einfachem Nimbus dargestellt, wie 
er, gekleidet in Chiton und einen Mantel aus Purpur, auf einem Throne mit 
hohem Polster sitzt und die Füsse auf einen edelsteingeschmückten Schemel 
setzt. Er erhebt die rechte Hand lateinisch segnend und hält in der mit dem 
Mantel bedeckten linken ein goldenes Stabkreuz. Neben ihm stehen zwei greise 
Männer mit Nimbus, von denen der eine krauses Haar und runden Bart, der 
andere anliegendes Haar und langen Bart hat. Beide sind in den weissen Chiton 
mit Purpurclavus und einen Mantel gekleidet, auf dessen über die linke Hand 
herabfallendem Ende man einen schwarzen Buchstaben H sieht. Sie erheben die 
rechte Hand off'en vor der Brust und tragen auf der mit dem Mantel bedeckten 
linken eine Rolle. 

Auf den folgenden beiden Seiten (Taf. III) sind die Arkaden oben etwas 
anders ausgestattet. Der krönende Hauptbogen ist mit einem Mäander geschmückt 
und über ihm ragen wie auf dem Tempietto Blumen in die Höhe, auf denen 



55 

symmetrisch vertheilt drei Enten sitzen. In der Lünette sieht man zwei durch den 
fj^edrehten Wulst umschlossene und mit Blättern gefüllte Halbkreise nebeneinander, 
darüber wieder ein Strahlenkreuz in einem Kreise, neben dem zwei Tauben 
sitzen. Auf beiden Tafeln ist auch die figürliche Ausstattung fast dieselbe. In jeder 
Arkade sieht man, den beiden Halbbogen entsprechend, zwei Männer mit Nimbus, 
wie in dem vorhergehenden Blatte gekleidet in Chiton mit Clavus und einen 
mit dem Buchstaben H gezeichneten Mantel; auf der bedeckten linken Hand 
halten sie je eine Rolle. Die rechte Hand ist mit dem Zeichen des Segens an 
der Seite erhoben. Verschieden sind bei den einzelnen Gestalten nur die Kopf- 
typen. Der Heilige auf dem ersten Blatte links hat graues Haar und spitzen 
Bart, der rechts weisses Haar und runden Bart, auf dem zweiten Blatte hat der 
Heilige links graues Haar und runden Bart, der rechts schwarzes Haar und 
spitzen Bart. 

In den beiden letzten Blättern sind die Darstellungen nicht mehr durch 
Arkaden, sondern von einem doppelten rothen Viereck umrahmt. 

In der ersten Miniatur (Taf. IV, i) sieht man Maria mit dem Christus- 
knaben im Schoosse thronend dargestellt. Zwei seitlich geknotete Draperien 
begrenzen die Scene beiderseits. Maria, bekleidet mit Purpurchiton, Penula und 
weissem Häubchen sitzt in Vorderansicht da und erhebt beide Hände offen an den 
Seiten. Christus, ebenfalls in Vorderansicht in ihrem Schoosse, gekleidet in einen 
weissen Chiton mit Clavus und den mit dem Buchstaben H signirten Mantel, hat 
die rechte Hand lateinisch segnend erhoben, während die bedeckte linke ein 
goldenes Stabkreuz hält. Die Panagia sitzt auf einem hohen, bunt gemusterten 
Polster auf einem Throne, der unten seitlich drapirt ist und keine Lehne hat. 
Sie setzt die Füsse auf einen edelsteinbesetzten Schemel. 

Auf der letzten Seite (Taf. IV, 2), deren Miniatur ich in einer, nach meiner 
für den Druck leider unbrauchbaren Photographie, mit Benützung einer mir 
gütigst von Herrn Dr. Karamianz verschafften Bause, hergestellten Tuschzeichnung 
veröffentliche, sieht man das Opfer Abraham's dargestellt. Isaak liegt oder steht 
mit auf den Rücken gebundenen Händen rechts vor einer Art Rost oder Treppe, 
die untermauert ist. Er trägt einen langen gelben Chiton mit den calliculae auf 
den Schultern und am unteren Rande. Über seinem Kopfe sieht man die halb- 
kreisförmige Öffnung eines Altars, aus dem Flammen aufschlagen. Links neben 
Isaak steht Abraham, bärtig, gekleidet in den langen, clavusgeschmückten Chiton, 
der wie bei den Gestalten der beiden vorletzten Miniaturen über die linke 
Schulter, dann vorn um den Leib gew^orfen ist und mit seinen Enden von der 
rechten Schulter und der linken Hand herabfällt. In der gesenkten rechten Hand 



56 

hält er das nach Isaak zu erhobene Messer, die linke legt er auf das Haupt des 
Knaben. Links oben aus der Ecke ragt die lateinisch segnende Hand Gottes von 
Flammen umlodert hervor, darunter sieht man am Fusse einer Cypresse einen 
Widder, welcher nach Abraham zurückblickt. 



Beim ersten Blick auf diese Miniaturenfolge wird klar, dass sie nicht von 
derselben Hand sein kann, welche das armenische Manuscript mit den Kreuz- 
und Kreis- Ornamenten und den biblischen Scenen am Rande geschmückt hat. 
Im Omamentalen ist ein Vergleich ganz ausgeschlossen und was das Figürliche 
anbelangt, so sind nicht nur die Farbennüancen ganz verschieden, auch die Art, 
wie die Gewänder ausgeführt sind, schliesst jede Beziehung zu einander aus. 
Da es somit fraglich erscheint, ob sich die Subscription vom Jahre 989 auch 
auf diese Miniaturen, die gerade eine Lage von vier Bogen einnehmen und an 
den Anfang des armenischen Manuscriptes angeheftet sind, bezieht, so müssen 
wir auch hier, wie bei den Elfenbeindeckeln versuchen, diese Malereien aus den 
für sie charakteristischen Merkmalen zu bestimmen. Wir werden daher auch 
ihnen gegenüber in der Kunst des Orients und Occidents nach Ornament- und 
Bildtypen suchen, welche durch ihre Übereinstimmung Aufschluss über Zeit 
und Ort der Entstehung dieser Miniaturen geben können. 

Suchen wir zunächst nach Analogien für die eigenartige Ornamentik der 
Arkaden, so bietet sich dafür nur ein einziges Beispiel : die bekannte syrische 
Bibel der Laurentiana (Cod. syr. Nr. 56), welche der Mönch Rabula im 
Jahre 586 im Kloster S. Johann zu Zagba vollendet hat. Beginnen wir mit dem 
Aufsuchen einiger auffallender Details am Tempietto. Die sich der Architravform 
anpassenden Capitelle finden wir in der syrischen Bibel wieder an der Umrahmung, 
in der (Garr. 129, i) Eusebius und Ammonius dargestellt sind. Das eigenartige 
Ornament einer Blume mit den zwischen den Knospen schwebenden Enten 
wiederholt sich dort zweimal (Garr. 136, 2 und 137, i). Die von dem convexen 
Architrav in concavem Bogen aufsteigende Spitze mit der Krone, auf welcher 
Kugel und Kreuz stehen, findet sich genau ebenso in der Miniatur, welche 
Christus thronend zwischen vier Männern zeigt (Garr. 140, 2 und ohne die Kugel 
129, I). Pflanzen zu Seiten der Arkaden aus dem Grün aufwachsend sind fast 
auf allen Blättern der Rabula-Handschrift zu sehen, so Cypressen, Palmen, 
Glockenblumen, Blätter, Granatapfelzweige, Blumen etc. 

Noch enger ist der Anschluss der drei folgenden Arkaden an die syrische 
Bibel. Das Regenbogenornament des ersten Lünettenbogens umschliesst die 



57 

berühmten Blätter mit den Darstellungen der Kreuzigung und Himmelfahrt Christi 
(Garr. 139), der Mäander am Bogen der beiden folgenden Blätter kommt dort 
sehr häufig vor (Garr. 131, i und 137, 2 an den Säulenschäften, 135, 2 am Haupt- 
bogen, 132, I am kleineren Lünettenbogen). Auf der Spitze aller Arkaden der 
syrischen Bibel sehen wir Vögel zu Seiten einer Vase, eines Korbes oder einer 
Blume, auf einem Blatte (Garr. 135, i) sogar wie in unserer Tafel II, 2 eine gefüllte 
Vase, durch Blätter flankirt, mit Vögeln, dort Enten, hier Papageien zur Seite. 
Auch fehlt unserer Handschrift nicht der Reichthum an Variationen dieser krö- 
nenden Motive. Dies tritt besonders an den die Canones umrahmenden Arkaden 
hervor, wo man zur Seite des die Mitte bezeichnenden Gegenstandes ausser 
Enten und Papageien noch Pfauen, Reiher, Turteltauben, Störche und andere 
Vögel sieht, einmal durchaus genrehaft sogar einen Vogel im Käfig. Die Füllung 
der Lünette durch einen Kreis, in dem ein von Strahlen umgebenes Kreuz 
erscheint, kommt in der syrischen Bibel sehr oft vor (Garr. 131, i. 135, i. 138, i 
und 2). Endlich, damit überhaupt keine Verschiedenheit übrig bleibe, lässt sich 
auch für die auffallende Erscheinung im Wechsel der Umrahmung der Bilder die 
syrische Bibel heranziehen. Wie die Arkaden bei den beiden letzten Bildern 
in unserer Handschrift durch einen doppelten viereckigen Rand ersetzt sind, so 
können wir das Gleiche auch an den syrischen Blättern mit der Kreuzigung und 
Himmelfahrt Christi beobachten — kurz, man dürfte in unserer Handschrift 
kaum ein Detail auffinden, welches sich nicht auch in der syrischen Bibel vom 
Jahre 586 nachweisen liesse. Da nun die Ornamentik dieser Handschrift bisher 
ganz isolirt dasteht und weder in der byzantinischen, noch in der westeuropäischen 
Kunst von Syrien unabhängige Analogien hat, so sind wir gezwungen anzu- 
nehmen, dass die Art der ornamentalen Ausschmückung unserer Miniaturen in 
Syrien ihren Ursprung habe. Mehr noch: die Übereinstimmung der Omament- 
details ist in beiden Handschriften so gross, dass die Miniaturen am Anfange 
des Etschmiadzin-Evangeliars entweder selbst syrische Originale oder Zug für 
Zug nach solchen angefertigte Copien sind. Das Original aber muss auch zeitlich 
der Entstehung der Bibel vom Jahre 586 nahe liegen. Ja, die melir einfache 
Art, mit der die Ornamente in dem Etschmiadzin-Evangeliar über das architek- 
tonische Gehäuse vertheilt sind, diese Architektur selbst noch reiner und tektoni- 
scher ist, vor Allem die Säulen noch als wirklich stützende Marmorschäfte und 
nicht als ornamentüberhäufte Zierstücke dargestellt werden, weist sehr bestimmt 
darauf hin, dass unsere Arkaden, den Formen nach älter als die der syrischen 
Bibel vom Jahre 586 sind. Die Betrachtung der figüriichen Typen wird dieses 

Urtheil durchaus bestätigen. 

8 



58 

Das Tempietto wird durch das krönende Kreuz als ein christlicher Bau 
bezeichnet. Die zwischen den Säulen aufgehängten Vorhänge weisen auf einen 
Innenraum. Derselbe wird durch die von der Decke herabhängende Ampel er- 
leuchtet. Danach scheint es wahrscheinlich, dass das Sanctuarium einer Kirche 
oder besser die christliche Kirche selbst dargestellt sei. Analogien bestätigen 
diese Deutung. In dem 422—432 entstandenen Mosaik von S. Sabina in Rom 
(Garr. 210) tritt uns die Kirche noch personificirt in weiblicher Gestalt entgegen. 
Aber gleichzeitig schon (425 — 30) wird sie im katholischen Baptisterium zu 
Ravenna dargesteUt durch die Innenansicht der Apsisseite einer dreischiffigen 
Basilica, deren Sanctuarium durch den Altar oder die Hetoimasia bezeichnet wird 
(Garr. 227, 2). Viel reicher ausgestattet kehrt dieselbe Darstellung wieder in den 
Mosaiken der Georgskirche zu Thessalonike. ' Sie erhält sich in der byzantini- 
schen Kunst« nachweisbar bis in's 12. Jahrhundert, aus welcher Zeit (a. 1169) die 
Mosaiken der Basilica zu Bethlehem mit Darstellungen der sieben Synoden 
stammen. Auch hier sind die Kirchen von Antiochia, Sardes etc. durch drei- 
schiffige Kuppelbauten wiedergegeben. ^ Die gleiche Art, ein Sanctuarium anzu- 
deuten, finden wir femer auf einer P)rxis der Sammlung Basilewski, jetzt in der 
Ermitage (Garr. 440, 2), wo man unter einem von zwei Säulen getragenen 
Rundbogen einen Altar mit dem darauf aufgeschlagenen Buche sieht. 

Gehören alle diese Beispiele nur annähernd derselben Gattung wie unser 
Tempietto an, so lässt sich wider Erwarten in einer dem Oriente sonst fern- 
liegenden Monumentenclasse die directe Copie desselben nachweisen. In karo- 
lingischen Handschriften und speciell zunächst in dem 781—783 vom Mönche 
Godescalc für Karl den Grossen angefertigten Evangelistarium der Bibliotheque 
nationale zu Paris (Nr. I993) sehen wir auf den beiden ersten Blättern die vier 
Evangelisten, auf der Vorderseite des dritten den jugendlichen Christus thronend, 
auf der Rückseite die unter dem Namen des «Lebensbrunnens» bekannte Miniatur 
gemalt. * Den Mittelpunkt dieser letzteren bildet ein Tempietto. Sehen wir genauer 
zu, so ergibt sich die überraschendste Übereinstimmung mit dem des armenischen 



1 Texier and Popplewell Pullan, L^architecture b^'zantine pl. 30 — 33. 

- Kondakoff, Tlciopia biis. iicKyccTBa, cip. 208 sieht die Andeutung der Kirche auch in 
den dreitheiligen Hinter^unds-Architekturen des vaticanischen Menologiums. 

5 De Vog^tte, Les egiises de la terre sainte p. 70 if., pl. III und IV. 

* Ab2:ebildet bei Bastard, Peintures et ornements des manuscrits, Paris 1823 ff., danach 
bei F. Piper, Karls des Grossen Calendarium und Ostertafel, Berlin 1858, als Titelblatt. Meine 
Abbildung nach dieser in drei Viertel der natürlichen Grösse gehaltenen Zeichnung. Einige 
Details bei Westwood, Palaeographia Sacra pictoria, London 1843 — 45- 



59 
Evangeliars, selbst im Detail. Wie in Etschmiadzin tragen vier verschieden hohe 



Karolingische Miniatur aus dtm Evangetiar di;s Godescalc. 

Säulen mit korinthischen Capitellen den convexen Architrav, über dem die Spitze 
in concavem Bogen mit Krone, Kugel und Kreuz aufsteigt. An den Enden des 



6o 

Architravs sitzt wie . in Etschmiadzin die Ente neben dem Blüthenzweig und im 
Innern hängt von der Decke die Ampel herab. Die Vorhänge sind durch 
Schranken ersetzt. Selbst das Ornament des Architravs, die Palmette, ist deutlich 
nachgeahmt. Hinzugekommen ist nur die Andeutung von vier anderen Säulen, 
welche dem Tempietto kreisrunde Form geben sollen, ferner Thiere, welche den 
ganzen Bau umschwärmen. Wenn Janitschek dieser im Godescalc-Evangeliar 
zum ersten Mal in der nordischen Kunst vorkommenden Darstellung gegenüber 
geäussert hat, dass sie sicher ihrem Ursprünge nach eine Schöpfung der sym- 
bolisirenden Phantasie, des Orientalen sei,» so wird diese Ansicht durch das 
Etschmiadzin-Evangeliar schlagend bewiesen. Godescalc, dem die Miniatur, so 
wie sie sein orientalische Vorbild zeigte, vielleicht unverständlich war, hat aus 
dem halbrunden Sanctuarium einer Kirche einen kreisrunden Bau gemacht, der 
durch die Beischrift SIC MAT CAPL; III auf die Taufe bezogen wird, also 
passend ein Baptisterium vorstellen soll. Ob ihm jedoch schon die specielle 
Deutung auf den Lebensbrunnen, wie man gewöhnlich annimmt, vorschwebte, 
muss dahingestellt bleiben, denn die Thiere nähern sich weder dem Brunnen, 
wie Schnaase will,* noch eilt der Hirsch dem Wasser zu, wie Piper und 
Janitschek mit Bezug auf Psalm 42, i deuten.' Vielmehr sind alle Thiere, bis 
auf eine sich vom Tempietto abwendende Gans unten rechts, mit Zweigen ver- 
sehen, deren Zweck man nicht gut einsieht, wenn die Thiere sich durstig dem 
Brunnen nahen sollen.* Untersucht man nun näher, so findet sich, dass die 
Paare von Hähnen, Perlhühnern, iFasanen und Pfauen nur raumausfüllend 
symmetrisch über dem Dache des Tempels angebracht sind: in einer Höhe 
etwa, in der sie zuerst in syrischen Miniaturen als Schmuck der die Canonestafeln 
umrahmenden Arkaden erscheinen. Vergleicht man sie z. B. mit dem Schmucke 
der Canonestafeln der syrischen Bibel vom Jahre 586, so lassen sich fast alle 
diese Vögel, zum Theil mit den zugehörigen Blüthenzweigen nachweisen: die 
Hähne (Garr. 138, i), die Perlhühner (Garr. 129, 2), die Fasanen (Garr. 138, 2. 
134, I. 136, i), die Pfauen (Garr. 134, 2 und 128, 2). Da nun das syrische Ori- 
ginal des Tempietto im Etschmiadzin-Evangeliar diese Thiere noch nicht zeigt, 
so ist es wahrscheinlich, dass erst Godescalc sie aus den Canones seiner syrischen 
Vorlage excerpirte und hier zusammenstellte. Das Gleiche gilt auch von den 



' Die Trierer Ada-Handschrift S. 85. 
« Gesch. d. bild. Künste. 2. A. III S. 634. 
8 Piper a. a. O. S. 11; Janitschek a. a. O. S. 85. 

* Daher sieht auch Waagen, Kunstwerke und Künstler in England und Frankreich, 
III S. 237 in ihrer Darstellung eine ihm unverständUche, sinnbildliche Vorstellung. 



6i 

Thieren, die unten neben dem Tempietto mit ihren Zweigen gemalt sind. Neben 
den Canones-Arkaden sieht man in der syrischen Bibel vom Jahre 586 in kleinen 
Bildchen ausser Bäumen, Glockenblumen, Granatapfelzweigen, Sternblumen, 
Böcken auch ein sich mit dem Fusse kratzendes Reh und ein überfliessendes 
Füllhorn, neben dem ein Vogel sitzt. An dieser Stelle finden wir auch, ohne jede 
Beziehung zum Lebensbrunnen, das Schaf, das Reh, ja zweimal sogar wie im 
Bilde des Godescalc den Hirsch (Garr. 129, 2 und 133, 2), welcher an einer Pflanze 
frisst. So ist vielleicht auch dieses für die Deutung sehr wesentliche Detail bei 
Godescalc rein zufällig. 

Ganz anders sieht das ursprünglich orientalische Tempietto in dem nach 
der Überlieferung aus Ludwigs des Frommen Zeit stammenden Evangeliar von 
S. Medard in Soissons, jetzt in der Bibliotheque nationale (Nr. 8850) aus. Es 
ist hier zweirnal gemalt: einmal Fol. 6^ über die ganze Seite*, ein zweites Mal 
auf Fol. IF, als Krönung einer Leiste in kleineren Dimensionen. Auch in diesen 
beiden Miniaturen ist die Nachahmung des orientalischen Archetypons noch 
unverkennbar. Der von verschieden hohen Säulen getragene convexe Architrav, 
die Spitze mit concaven Seiten, Kugel und Kreuz sind unzweideutige Beweise 
dafür. Godescalc hatte durch die Ampel und die Schranken noch, wie er es 
in seiner Vorlage gesehen hatte, auf ein geschlossenes Sanctuarium hingedeutet. 
Der Miniator des 10. Jahrhunderts aber Hess die Ampel weg, öffnete das 
Tempietto und setzte einen Springbrunnen hinein. Nun erst war der Lebens- 
brunnen (Jeremias II, 13, Joh. IV, 13 14 und A{)ok. XXI, 6), der in der Kunst 
der Katakomben und in S. Nazaro e Celso in Ravenna schlicht symbolisch 
angedeutet war, in seiner erweiterten Form fertig. Jetzt haben auch die ihn 
umkreisenden Vögel keine Zweige mehr vor sich, sondern nun nahen sie sich 
wirklich lechzend dem labenden Quell, ihnen voraus der Hirsch nach Psalm 42, i. 
In der Miniatur Fol. 6^' kommen auch die Regenbogenfarben und der Mäander vor, 
w-elche den Lünettenbpgen der folgenden Tafeln (II i und III) des Etschmiadzin- 
Evangeliars schmücken. Ein Vergleich dieser folgenden Bilder mit den Miniaturen, 
welche sich auch in den genannten karolingischen Handschriften an den Lebens- 
brunnen anschliessen, wird das Zurückgehen der letzteren auf syrische Vor- 
bilder mit noch weiteren Beweisen belegen. 

Indessen kehren wir zu dem originellen Typus des Sanctuariums im Etsch- 
miadzin-Evangeliar selbst zurück. Die naive Andeutung desselben durch das Kreuz, 
die Ampel und die Vorhänge nähert sich der einfachen Symbolik der ältesten 

» Abgebildet bei Bastard a. a. O. und Louandre, Les arts somptuaires. 



62 

christlichen Kunst. Herr G. B. de RovSsi, dem ich diese Miniaturen zeigte, glaubt 
auch das reale Vorbild des Tempiettos nachweisen zu können. Es seien dies 
jene offenen Kirchenapsiden gewesen, welche sich halbkreisförmig in drei säulen- 
gestützten Arkaden an das Hauptschiff anschlössen und für die er das älteste 
Beispiel in den Resten der Basilica des Bischofs Severus (366 — 412/3), heute 
S. Giorgio Maggiore in Neapel nachgewiesen haben will. • Dass der Miniator 
in der That eine halbrunde Apsis andeuten wollte, scheint sehr wahrscheinlich, 
denn nur so erklärt sich der convexe Architrav sehr einfach als ein ungescliickter 
Versuch, den Halbkreis perspectivisch darzUsSt eilen. Das Kreuz, auf der Kugel 
stehend, findet sich seit Arcadius öfter- auf Münzen* und wird auch in der Hand 
von Statuen, so des berühmten Reiterstandbildes Justinians am Augusteon zu 
Constantinopel erwähnt.' Prokop schon deutet die Kugel als den tiöXo^^ d. h. den 
Erdkreis, über den Justinian durch das Kreuz herrsche.* 

Christus thronend zwischen Petrus und Paulus entspricht nicht durchaus 
dem Pantokratortypus, den wir auf dem vorderen Elfenbeindeckel kennen lernten. 
Er hält statt des Buches ein goldenes Stabkreuz in der Hand, welches, wie fast 
typisch in Ravenna, auf die göttliche Bestimmung des Jünglings zur Erlösung 
hinweisen soll. In der syrischen Bibel des Rabula kommt der bartlose Christus 
nicht mehr vor. Er trägt dort schon in den Wunderscenen und so auch in der 
den thronenden Erlöser darstellenden Schlussminiatur einen, wenn auch noch 
spärlicheren Bart. Ebenso zeigen ihn auch die um circa 600 entstandenen 
palästinischen Oelfläschchen in Monza bärtig. ^ Aller Wahrscheinlichkeit nach 
ist somit unsere Miniatur älter als diese dem Ausgang des 6. Jahrhunderts 
angehörenden Kunstobjecte. Mit der syrischen Bibel stimmt dagegen überein, 
dass Christus nur den einfachen Nimbus hat. Das rothe Polsterkissen und der 
mit alternirend viereckigen und elliptischen Sternen besetzte Schemel finden 
sich schon in den ältesten Mosaiken, z. B. in denen von S. Pudenziana 
(Garr. 208). 



» Vergl. Bull, di arch. crist. 1880, S. 144 ft. und Taf. X/XI ; Holtzinger, Die altchristliche 
Architektur in systematischer Darstellung S. 79. 

« Sabatier, Description gen. des monnaies byz. IV, 4, dann IV, 31, VI, 5 und 19 etc. 
3 Eine Skizze aus der Seraibibliothek im 'EU. ^d. yidXoyog, II zu S. 103 flf. 

* De aediliciis, I, 2 ed. Bonn. p. 182. 

I 

* Garrucci meint allerdings zu 434, 3 Christus habe hier in der Himmelfahrt ausnahms- 
weise den Bart. Dagegen sprechen aber die drei anderen Beispiele derselben Scene und der 
Umstand, dass sich bei der im Detail verschwommenen Arbeit der Metallflaschen solche 
Dinge überhaupt nicht mit absoluter Sicherheit feststellen lassen. 



^3 

Petrus und Paulus stehen in fast gleichen Typen wie auf dem Elfenbein- 
deckel neben dem Throne: Kleidung und Bewegung der rechten Hand sind 
jedenfalls dieselben. Nur der Kopftypus des Petrus ist durch das an den Seiten 
krause Haar etwas schärfer gekennzeichnet. Paulus hat auch hier noch nicht 
die Glatze. In der Bibel vom Jahre 586 kommt er einmal, in der Pentekoste 
(Garr. 140, i) ohne, einmal, in der Himmelfahrt (Garr. 139, 2) mit Glatze vor. 
Sein T5PUS steht also am Ende des 6. Jahrhunderts in Syrien noch nicht fest. 

Ein sprechendes Zeugniss für das hohe Alter dieser Miniaturen scheinen 
auf den ersten Blick die in das über die linke Hand herabfallenden Ende der 
Pallien gemalten Buchstaben H zu sein, die sich bei allen männlichen Figuren 
mit weissen Pallien, selbst bei Christus in der Darstellung der Panagia finden. 
Sie fehlen nur im Purpurkleide des thronenden Christus und auf dem Mantel 
des Abraham.* Derselbe Buchstabe erscheint auch auf den Pallien von Petrus 
und Paulus in der Bibel vom Jahre 586 (Garr. 139, 2); ein Engel ferner hat 
dort an derselben Gewandstelle ein /' mit einem Punkt innerhalb der Hasten. 
Diese Buchstaben dürften ursprünglich Fabriksmarken gewesen sein, die allmälig 
Mode wurden. 2 Wir finden sie schon in den Malereien der Katakomben (Garr. 
12, 18, 21, 26 ff.) und auf Goldgläsern (Garr. 187, 4. 189), allerdings nach Garrucci 
erst seit dem Anfange des 4. oder dem Ende des 3. Jahrhunderts.' Sie fehlen 
dann fast in keinem Mosaik. Speciell der Buchstabe H gehört neben I, Z und F 
zu den häufigsten: man sieht ihn in den Katakomben (Garr. 12 und 21, 2), auf 
einem Goldglase sechs Mal (Garr. 187, 4), in den Mosaiken aus Theodorich's 
Zeit in S. Maria in Cosmedin (Garr. 24) und S. Apollinare nuovo (Garr. 242 ff.) 
in Ravenna, im Dom zu Parenzo (Garr. 276), im 7. Jahrhundert in S. Venanzio 
(Garr. 27, 23) und noch im 8. Jahrhundert im Triklinium Leo III. (Garr. 283) und 
SS. Nereo cd Achilleo (Garr. 284), zugleich den letzten datirten Beispielen, in 
denen sich solche Buchstaben nachweisen lassen. Wir dürfen daher aus ihrem 
Vorkommen in den Etschmiadzin-Miniaturen schliessen, dass dieselben vor 
circa 800 entstanden sein müssen, wobei von Werth ist, dass dasselbe H auch 
in der syrischen Bibel vom Jahre 586 vorkommt. 

Die Mev:^ahl der Heiligen auf den beiden folgenden Blättern spricht für 
die Deutung auf die vier Evangelisten. Einen sicheren Beweis dafür liefern die 



» Weniejstens fehlt der Buchstabe in der Diirchzeichnuiift- des Herrn Dr. Karamianz und 
auch in der verdorbenen Photoo^raphic kann ich ihn nicht finden. 

2 Vergl. auch J. P. Richter, Die Mosaiken von Ravenna S. 66. 

3 Vetri ornati p. 112 ff. Vergl. F. X. Kraus, Roma sott. S. 190. 



64 

Typen selbst nicht. Doch geben hier die karolingischen Copien nach syrischen 
Handscliriften derselben Gattung den Ausschlag. In dem Evangeliar des Godescalc 
sowohl, wie in dem von Soissons sieht man neben dem Baptisterium, respective 
dem Lebensbrunnen die Miniaturen des jugendlichen thronenden C3iristus und 
der vier Evangelisten. Die Typen derselben sind dort allerdings durchaus die 
abendländischen. In unserer Handschrift sind diese Evangelisten noch stehend 
dargestellt, wie sie in byzantinischen Handschriften vereinzelt sogar noch im 
II. Jahrhundert vorkommen. Was den Kopftypus anbelangt, so passt zur Deutung 
auf die Evangeb'sten, dass alle vier Gestalten bärtig sind. So erscheinen sie 
bereits in der Titelminiatur des Evangeliars vonRossano^ in den Mosaiken von 
S. Vitale (Garr. 263, 3 — 6), in dem aus Luxemburg stammenden Diptychon 
(Garr. 452, i und 2) und in den Tafeln des Mailänder Domschatzes (Garr. 454 5). 
Ganz allgemein gilt dies aber erst von den etwas jüngeren Darstellungen, unter 
denen die Miniaturen des Cosmas Indikopleustes (Garr. 151, 9 — 12) als die ältesten 
Beispiele derjenigen Typenreihe gelten können, welche für die mittel- und spät- 
byzantinische Kunst und ihre Ausläufer giltig geblieben ist. « In der syrischen 
Bibel vom Jahre 586 ist noch einer der Evangelisten bartlos. Diese Miniaturen 
schliessen sich darin an eine in dieser Zeit nachweisbare zweite Gruppe von 
Evangelisten- Darstellungen, deren Hauptvertreter die Maximians -Kathedra in 
Ravenna ist (Garr. 416, 3). In dem Etschmiadzin-Evangeliar sind drei Greise und 
ein Mann mit schwarzem Haar und Bart dargestellt. Wollten w^ir Benennungen 
versuchen, so wäre der erste Matthäus, der zweite Johannes entsprechend den 
späteren byzantinischen Typen. Marcus der erste auf der folgenden Seite, obwohl 
ihn die byzantinische Kunst jünger bildet, und Lucas der letzte, dem Typus nach 
der jüngste, wie später in Byzanz, w^o er rothhaarig und bisweilen mit Glatze 
dargestellt wird. — Die Haltung der Evangelisten mit segnend erhobener rechter 
Hand und der Rolle in der linken ist seit den Stuckreliefs von S. Giovanni in 
Fönte in Ravenna (Garr. 407) zu allen Zeiten in der byzantinischen Kunst 
üblich gewesen, ebenso das Motiv die linke Hand bedeckt unter dem Mantel 
zu halten. 

Die thronende Muttergottes erinnert sofort an das viel umstrittene Bild in 
der Katakombe S. Agnese, w^elches de Rossi sehr früh, in die Zeit Konstantin's 
des Grossen datirt. ^ Dieser Typus der Orantin ist bei den Byzantinern sehr beliebt. 
Ich habe einige Beispiele dieser Art, wo Maria ohne Christus dargestellt ist, bei 



» ed. Gebhardt und Harnack, Taf. XVIII. 

» Vergl. Strz^'gowski, Cimabue und Rom, S. 69 ff. 

i Imagines selectae deiparae virginis, Tab. VI, Liell a. a. O. Taf. VI. 



65 

einer anderen Gelegenheit aufgeführt. * An dieser Stelle ist besonders hinzuweisen 
auf eine Münze des Konstantin Monomachus (1042 — 1055), auf der die Orantin 
dargesteUt ist mit der Inschrift MP ST H BAAKEPNITIIA/^ Es fällt auf, dass 
auf ihrer Brust das Kreuz erscheint, wie ich glaube, die Andeutung Christi, der, 
wenn der Raum es zugelassen hätte, hier angebracht wäre. Genau so wie in 
diesen drei Repliken lässt sich die Blachemiotissa nur selten nachweisen. Variationen 
findet man von Sorlin Dorigny zusammengestellt.' Sehr zahlreich sind die 
Beispiele aus neugriechischer Zeit, von denen einige publicirt sind. * Unsere 
Miniatur ist neben dem Gemälde der Agnes-Katakombe das älteste Beispiel dieses 
Typus. Der Maler hat es als Cultbild in einen durch die Vorhänge bezeichneten 
Innenraum gesetzt. 

Das Opfer Abraham's entspricht in vielen Zügen dem Durchschnittsbilde, 
welches J. Wilpert nach den Darstellungen auf altchristlichen Kunstobjecten 
entworfen hat. * Wenn ich hier nochmals an die Sammlung der Züge dieses 
Typus gehe, so geschieht dies, weil Wilpert, seiner Aufgabe entsprechend, auf 
die typologisch werthvoUen Details weniger Gewicht gelegt hat. Vor Allem sind 
es die Sarkophage, welche ein festes Compositionsschema zeigen. Abraham bärtig, 
gekleidet in Tunica und Pallium oder die Exomis, steht in Vorderansicht da, 
'erhebt die rechte Hand mit dem Schwerte nach links oben, wohin er auch 
seinen Blick richtet, weil dort die Hand Gottes erscheint. Die linke Hand liegt 
auf dem Haupte des links zu seinen Füssen knieenden Isaak, der mit auf den 
Rücken gebundenen Händen, in einen kurzen Rock gekleidet, sein Schicksal 
erwartet. Das ist das einfachste Schema (Garr. 376, 4, 369, 4) ; dazu kommt der 
neben Isaak stehende Altar (Garr. 376, 3, 367, 3, 365, i, 360, i, 318, i, 364, 3), 
oder das links neben Abraham stehende Lamm (Garr. 301, 3, 377, i, 359, i, 374, i, 
312, i), endlich am häufigsten Altar und Lamm zugleich. Ferner tritt eine 
Vermehrung der handelnden Personen ein durch eine Gestalt, welche Abraham 
in den Arm fällt (Garr. 314, 6, 364, 2, 367, 1/2, 378, 3). Im Übrigen gibt es nur 
Variationen dieser Grundzüge, indem Isaak auf dem Altar kniet (Garr. 323, 4, 
324, 3, 326, 2, 327, 4, 379, 3) oder die Figuren in ihrer Stellung zu einander 



I AeXtiov xfjg lazoQixf^g xal i&vokoyixfjg haigiag II, 7^3 ^• 

« Abgebildet bei Sabatier a. a. O. II. pl. XLIX, 12. Garr. 482, 14a 

3 Revue arch. 1877, h S. 85. 

* Das Siegel des Protaton vom Berge Athos bei Didron Hist. de Dieu S. 267, Schaefer 
'EQfxeveia am Titelblatt. Andere Beispiele bei Bayet Tart. byz. S. 257, Kraus R. E. II. S. 364, 
Garr. 478, 36 u. a. O. 

« Römische Quartalschrift I887, S. 130 ff. 

9 



66 

verschoben sind. Auch in byzantinischer Zeit wird dieser Typus nicht sonderlich 
verändert. Das Mosaik in S. Vitale (Garr. 362, 2) copirt getreu den Sarkophag- 
Typus mit dem auf dem Altar knieenden Isaak und die Miniatur im Cosmas 
Indikopleustes (Garr. 142, i) zeigt diesen Typus in allen drei Handschriften im 
Vatican, in der Laurentiana und am Sinai' nur insofern variirt, als Abraham sich 
nach rechts zu der rechts oben erscheinenden Hand wendet und das Schwert 
über Isaak erhoben hält. Daneben ist der Altar durch ein Feuerbecken an- 
gedeutet. 

Blicken wir nun auf unsere Miniatur, so haben wir dem Tj^us entsprechend 
Abraham links ; er wendet den Kopf leicht nach links, wo die Hand, nicht aus 
Wolken, sondern aus Flammen hervorgehend erscheint. Die Linke legt er auf 
das Haupt Isaaks, neben ihm links erscheint der Widder. Im Übrigen weicht 
die Darstellung scheinbar ab. Doch ergibt der Vergleich mit anderen bisher 
unberücksichtigt gebliebenen Beispielen, dass doch überall Traditionen der älteren 
Kunst vorliegen. So ist die gesenkte rechte Hand nicht ohne Vorläufer in dem 
Gemälde der Katakombe S. Trasone (Garr. 69) und auf zwei Sarkophagen 
(Garr. 312, 3, 352, 2). Eigenartig ist besonders die Art, wie Isaak dargestellt ist: 
schon das Gewand entspricht nur Beispielen, wie sie uns ein Katakomben- 
gemälde (Garr. 24) und das Mosaik in S. Vitale (Garr. 262, 2) zeigen. In späterer 
Zeit und so schon in Cosmas Indikopleustes sind die Calliculae nicht mehr nach- 
weisbar. Zu diesem Zeugniss eines hohen Alters gesellt sich ein zweites. Hinter 
Isaak sieht man eine Art Rost oder Treppe. Es gibt dafür nur eine Analogie, 
die der berühmten Pyxis des Berliner Museums (Garr. 440, i), welche nach über- 
einstimmenden Urtheilen (vergl. oben S. 33) dem 3., spätestens dem 4. Jahrhundert 
angehören soll. Dort ist Isaak nackt, hat die Hände auf den Rücken gebunden 
und steht so vor dem Roste oder der Treppe. Da, wo die Sprossen über Isaaks 
Haupt enden, steht in Berlin eine Urne, die nach oben hin genau so abschliesst, 
wie in dem Etschmiadzin-Evangeliar. Wahrscheinlich sind die Sprossen Stufen 
des Altarünterbaues, wie z. B. diejenigen, welche zur Aedicula in der Auferweckung 
des Lazarus auf der Lipsanothek zu Brescia (Garr. 443) führen, d. h., wie aus 
Quadern aufgeführt. In jedem Fall gibt uns dieses Detail eine wichtige Handhabe 
für die Datirung unserer Miniaturen bis hinauf in's 5. Jahrhundert etwa. 



Fassen wir zusammen. Bei Betrachtung dieser an den Anfang des Etsch- 
miadzin-Evangeliars gehefteten Miniaturen hat uns ein vergleichender Blick auf 
die Ausführung belehrt, dass dieselben unabhängig entstanden sein müssen von 



67 

den im armenischen Texte vom Jahre 989 angebrachten Ornamenten und Rand- 
miniaturen. Vielmehr bewies schon die weitgehende Übereinstimmung der Ornamentik 
mit der syrischen Bibel vom Jahre 586 den syrischen Ursprung der Bildtypen. 
Die Datirung anlangend, ergab das Vorkommen des Buchstabens H den Schluss 
auf eine Entstehung vor circa 800, während alle übrigen Merkmale auf ein 
höheres Alter als das der syrischen Bibel vom Jahre 586 hinwiesen: vor Allem 
die grössere Einfachheit im architektonischen Aufbau und im Schmucke der 
Arkaden^ der jugendlich unbärtige Typus des thronenden Christus, der noch 
ohne Glatze gebildete Paulus und die schlicht "symbolische Art der Darstellung 
der Kirche. Zeigen diese Merkmale den engeren Anschluss an altchristliche 
Typen, so bestätigt insbesondere die identische Art der Darstellung Isaak's vor 
dem Altare mit der Berliner Pyxis den Zusammenhang unserer Miniaturen mit 
Kunstdenkmälem des 4., respective 5. Jahrhundert. Wir dürften daher schwerlich 
zu hoch hinaufgreifen, wenn wir annehmen, dass die Anfangsminiaturen des 
Etschmiadzin- Evangeliars ihren Typen nach in der ersten Hälfte des 6. Jahr- 
hunderts entstanden seien. 

Von hervorragendem Interesse ist femer, dass wir die von Arkaden umrahmten 
Miniaturen in karol(ngischen Handschriften nachgeahmt finden. Den unumstösslichen 
Beweis dafür liefert die Copie der die Kirche symbolisirenden Miniatur im Evangeliar 
des Godescalc und dem von Soissons. Nicht minder spricht daftir, dass die Folge 
der Miniaturen d. i. des thronenden Christus mit den vier Evangelisten in den 
genannten karolingischen Handschriften die gleiche ist. Die Erklärung fiir diese 
Übereinstimmung ergibt sich sehr einfach, wenn wir hören, dass Thegan * erzählt, 
Carl der Grosse habe kurz vor seinem Tode mit Grichen und Syrern 
zusammen die vier Evangelien berichtigt. Es ist daher nichts natürlicher, als dass 
bei dieser Gelegenheit und schon früher auch griechische und syrische Original- 
handschriften der Evangelien in's Land der Franken kamen und von den dortigen 
Miniatoren nach ihrem bildlichen Schmucke copirt wurden. Es scheint, dass 
besonders die Schule von Metz darin voranging, weil, wenn Janitschek Recht 
hat, sowohl das Godescalc - Evangeliar, wie dasjenige aus Soissons in Metz 
geschrieben sind. Auf demselben Wege erklärt sich die Herübemahme der 
Typen syrischer und griechischer Canonestafeln in die karobngischen Hand- 
schriften, sowie die auffallende Übereinstimmung einzelner biblischer Compo- 
sitionen, wie der Verkündigung an Zacharias, mit den Typen der syrischen 
Bibel vom Jahre 586. 



> Mon. Germ. II p. 592. 



9 



« 



68 

Die syrischen Miniaturen am Schlüsse. 

Auf das armenische Evangeliar folo^en in der Etschmiadzin-Handschrift zwei 
Pergamentblätter, deren Nichtzugehörigkeit zu dem Texte vom Jahre 989 sich 
schon daraus ergibt, dass sie an die Falze ausgeschnittener Blätter des Manu- 
scriptes genäht sind. Dazu kommt, dass die auf ihnen gemalten vier Miniaturen 
eine wesentlich andere Technik zeigen als die armenischen Randminiaturen und 
die syrischen Miniaturen am Anfange. Die armenischen Miniaturen sind mit dem 
Pinsel auf dem weissen Pergamentgrund umrissen, die Figuren dann färbig aus- 
gefüllt. In den syrischen Miniaturen am Anfange ist jeder nicht unbedingt noth- 
wendige Farbenauftrag gespart und so die grösste Deutlichkeit der Formen erzielt. 
In den Schlussminiaturen dagegen stehen wir einer Farbenmasse gegenüber, die 
nirgends den Pergamentgrund hervortreten und die Figuren sich undeutlich auf 
einem buntfarbigen Grunde bewegen lässt. Die ersten drei dieser Miniaturen 
schliessen ohne Rahmen einfach mit den Umrissen der Hintergrund-Architecturen 
ab. Nur die letzte zeigt einen viereckigen Rahmen, der jedoch keinerlei Ähnlichkeit 
mit der Umrahmung der Anfangsminiaturen hat. Ebenso verschieden sind auch 
die Darstellungen selbst. 

Auf dem ersten Blatte (Taf. V, i) sehen wir im Hintergrund einen Bau, gekrönt 
von einem Giebeldach, welches von korinthischen Säulen getragen wird. Das 
Gebäude erstreckt sich von rechts her in die Scene herein und richtet seine 
Fa9ade nach links. An derselben sieht man über den Säulen einen Bogen gespannt, 
der wie die Säulen selbst mit Edelsteinen verziert ist. Ein Vorhang schliesst das 
Innere halb ab. Davor steht ein viereckiger, niedriger Altar, der mit einer gefransten 
Decke überzogen ist. Rechts davon sieht man einen Greis mit langem Haar und 
Bart. Er trägt eine runde Mütze, auf der ein Kranz liegt. Der bis auf die Füsse 
reichende Chiton ist unten mit einem breiten Besätze geschmückt. Darüber trägt 
er ein zweites, um die Hüften gegürtetes Gewand, welches sich vom im Zickzack 
nach den Seiten hin öfifnet. Über die Schultern fällt ein reich geschmückter, 
vom geknöpfter Mantel herab. Der Greis hält mit der rechten Hand ein Rauch- 
fass über den Altar, die linke ist bedeckt unter dem Mantel erhoben. Ihm gegen- 
über steht ein Engel, kenntlich an der Tänie im Haare, dem Nimbus und den 
Flügeln. Er ist in ein langes weisses Gewand gehüllt. In der linken Hand hält 
er einen langen goldenen Stab, die rechte ist mit dem Sprechgestus nach dem 
Greise zu erhaben. Dargestellt ist die Verkündigung an Zacharias. 

In der folgenden Miniatur (Taf. V, 2) ragt auch wieder ein säulengetragener 
Giebelbau, diesmal von links her in die Scene. Über dem Thürbogen ist an der 



69 

Fafade ein Kreuz, das von einem Quadrate umschlossen wird, angebracht. Auch hier 
steht der Engel mit dem Stab und dem Sprechgestus links. Aber ihm gegenüber 
sieht man jetzt eine Frau mit Nimbus, gekleidet in einen langen Chiton, in dessen 
Gürtel ein weisses Tuch steckt und eine am unteren Rande mit Fransen besetzte 
Penula. Diese ist nebst einem weissen Häubchen über den Kopf gezogen und 
fällt von den Schultern herab. Die Heilige hält die rechte Hand an's Kinn, die 
linke ist gesenkt und fasst an den Saum der Penula. Hinter ihr steht ein 
geflochtener Lehnstuhl, vor ihren Füssen links ein geflochtener runder Korb, 
aus dem rothe Strähne ragen. Dargestellt ist die Verkündigung Maria. 

In der dritten Miniatur (Taf. VI, i) zeigt das Gebäude im Hintergrund 
eine neue Form. Wir sehen in der Mitte eine von zwei korinthischen Säulen 
getragene Nische, deren Lünette von einer Muschel ausgefüllt wird. Das darüber 
hinlaufende Dach endet an den Seiten in Giebeln, in deren Feldern ebenfalls 
Kreuze erscheinen. Zwischen den die Giebel tragenden korinthischen Säulen 
sind zurückgezogene Vorhänge angebracht. Dieser architektonischen Gruppirung 
des Hintergrundes entspricht auch die Gliederung der Figuren im Vordergrunde. 
Wir sehen in der Mitte Maria mit dem Kinde auf einem edelsteinbesetzten 
Throne mit lyraartig geformter Lehne sitzen. Sie blickt geradeaus, trägt den 
Nimbus und das Häubchen unter der Penula und setzt die Füsse auf einen 
edelsteinbesetzten Schemel. In den Händen hält sie ein elliptisches Medaillon, 
welches eine Art Mandorla um das Christuskind bildet. Dieses hat den ein- 
fachen Nimbus, Tunica und Pallium, senkt die ofl'ene rechte Hand und hält in 
der linken die Rolle. Rechts neben dem Throne steht zunächst ein Engel mit 
Nimbus und Tänie im Haar. Neben ihm rechts und auf der anderen Seite des 
Thrones links sieht man die drei Magier in reichem orientalischen Costüm. Der 
gegürtete kurze Rock wie die Hosen und Schuhe sind mit Bordüren und Edel- 
steinen besetzt. Nur der Mantel ist einfach weiss. Auf dem von langen Haaren 
umrahmten Kopfe tragen sie die phr\'gische Mütze. Alle strecken Christus eine 
Art Kranz entgegen, den sie mit der einen Hand auf der bedeckten zweiten fest- 
halten. Dem Alter nach sind sie verschieden: der Magier rechts hat weissen, 
der eine links schwarzen, der dritte gar keinen Bart. Es fällt auf, dass sie mit 
auseinandergespreizten Beinen dastehen. 

Die Schlussminiatur (Taf. VI, 2) ist von einem Rahmen umgeben, in dessen 
Ecken man vier Medaillons mit bärtigen Köpfen sieht. In den Streifen dazwischen 
erkennt man Vögel, die mit aufgehobenen Flügeln auf hohen Körben sitzen 
und sich, wie es scheint, mit dem Schnabel Federn vom Leibe rupfen. Im Felde 
selbst ist die Taufe Christi dargestellt. Am Ufer links steht mit höher aufgesetztem 



70 

linken Bein Johannes. Er hat schwarzen Bart, Nimbus und ein langes faltiges 
Gewand, welches er mit der linken Hand vorn zusammenfasst. Die rechte 
Hand legt er auf das Haupt Christi, der unbärtig ist und nackt bis zur Brust 
im Wasser steht. Seine Hände sind gesenkt. Über ihm schwebt die Taube, von 
deren Schnabel ein Strahlenkegel auf sein Haupt geht. Über derselben erscheint 
die rechte Hand Gottes, welche den Gestus des griechischen Segens macht und 
von Halbkreisen umschlossen ist. 



Wenden wir uns nun auch dieser Miniaturenreihe gegenüber der Frage 
nach Ort und Zeit ihrer Entstehung zu, so kommen dafür zunächst die Hinter- 
grund-Architekturen der drei ersten Blätter in Betracht. Das sind nicht die säulen- 
losen Phantasiehäuschen, wie sie die mittelbyzantinische Kunst kennt, sondern 
die noch mit der Antike verwandten Gebilde, wie wir sie im Kalender vom 
Jahre 354 und der syrischen Bibel vom Jahre 586 finden. In ihrer strengen 
Einfachheit würden sie in's 4. oder 5. Jahrhundert passen, wenn nicht die stereotype 
Art, in der die Säulen und Lünettenbogen mit dem sonst nur für den Schmuck 
von Geräthschaften, besonders des Fussschemels und zur Umrahmung der Mosaiken 
verwendeten Edelsteinomament überzogen sind, für eine spätere Ansetzung 
sprechen würde. 

Die Darstellung der Verkündigung an Zacharias ist, wenn man diese 
Scene nicht etwa auf dem von Peiresc skizzirten Sarkophage bei Garr. 399, 5 
sehen wollte, der altchristlichen Kunst fremd. Wir finden sie zum ersten Mal 
in der S3Tischen Bibel vom Jahre 586 (Garr. 129, 2). Auch hier spielt die Scene 
vor einem von zwei Säulen getragenen Bogen. Der viereckige Altar steht in 
der Mitte, Zacharias mit dem Rauchfasse rechts, der Engel links. Die Composition 
ist also fast dieselbe. Sie ändert sich auch in der späteren Zeit nicht. In einer 
karolingischen Handschrift des britischen Museums (Harl. 2788, Bl. 109 ^ ist sie 
nach einem Vorbilde unserer Art copirt. • Byzantinische Miniaturen und Mosaiken 
zeigen denselben Typus, « und noch das Malerbuch des Dionysius gibt die gleiche 
Vorschrift, nur soll der Engel schwebend gemalt werden. ' 

Die Verkündigung Maria wird, wie wir bei Besprechung des rückwärtigen 
Elfenbeindeckels gefunden haben (oben S. 42 ff.), von den ravennatischen Künstlern 



» Abgebildet in «Die Trierer Ada-Handschrift» Taf. 28; vergl. S. 91. 

2 Vergl. z. B. Cod. Vat. gr. 752, Fol. 17^ oder ein Evangeliar des Klosters Esphigmenu 
am Athos Fol. 243a u. a. O. und das Mosaik der Sophienkirche zu Kiew (KieBCKiu Co^JiScKifi 
coöopt, HCÄanie hmu. pycc. apx. ofimeciBa. C. IIeTepr>. 1871. Taf. 23, Fig. 24). 

3 ed. Schaefer, S. 342. 



71 

mit der links in einem hohen Lehnstuhle beim Spinnen sitzenden Jungfrau 
gebildet. Dieser Gruppe lässt sich eine andere gegenüberstellen, in der Maria 
aufrecht vor dem Lehnstuhle steht. So sehen wir die Verkündigung dargestellt 
in der syrischen Bibel vom Jahre 586 (Garr. 130, i) wahrscheinlich auch 
in der syrischen Bibel der Bibliotheque nationale (Cod. Syr. 33), ebenfalls aus 
dem 6. Jahrhundert, ' dann auf einem der palästinischen Oelfläschchen in Monza 
(Garr. 433, 8) um 600 entstanden, endlich auf zwei nach den Inschriften wahr- 
scheinlich ebenfalls in Palästina entstandenen Cameen in Sardonix im Cabinet 
des mödailles zu Paris (Garr. 478, Fig. 29/30). Es scheint also, dass dieser Typus 
in Syrien und Palästina seinen Ursprung hat. An Maria bemerken wir überdies 
ein Detail, welches den ravennatischen und mailändischen Darstellungen fehlt: 
das weisse Tuch in ihrem Gürtel. Wir sehen es zum ersten Mal in der Bibel 
von 586, aber nicht in dem Verkündigungsbilde, sondern in der Himmelfahrt 
Christi (Garr. 139, 2). In gleicher Weise gibt auch die spätere byzantinische Kunst 
ihr das Tuch nur im Himmelfahrtsbilde, nie in der Verkündigung, * weil in ersterer 
der Typus der Maria als Orantin verwendet wird, für welchen dieses Detail in 
byzantinischer Zeit charakteristisch ist. * Femer finden wir es am Gürtel der 
Maria im Dedicationsbilde des Cod. Reg. i der Vaticana. Kondakoff glaubt, es 
sei dort nichts anders als ein einfaches Handtuch als Attribut der häuslichen und 
mütterlichen Beschäftigung der Gottesmutter.* Er irrt sich jedenfalls in der 
Annahme, dass dieses Tuch zum ersten Mal in dem Mosaik des Oratoriums von 
S. Venanzio (Garr. 272/3), entstanden zwischen 640 — 49, vorkomme. 



» Kondakoff, Hist. de l*art. byz., p. 134 wenigstens hebt die grosse Übereinstimmung 
dieser Composition mit der vom Jahre 586 hervor. 

2 Für die Verkündigung vergl. z. B. Darstellungen mit der sitzenden Maria : die Miniaturen 
im Vat. gr. 1162, Fol. 122 a , Bibl. nat. fonds gr. 1208, fol. 160 ▼ , Barb. gr. III, 91, fol. 114 ^ , 
Laur. Plut. 6 Cod. 23, nach einem Marcianus bei Fleury L'Evangile pl. IV, i, im Kloster Megaspi- 
laion Cod. 11x15*2 cm. im Medaillon über Lucas, ferner die Mosaiken des Klosters Vatopedi 
am Athos (zweimal), die Vorschrift des Malerbuches (Schaefer, S. 171) und Malereien vom 
Athos etc. Darstellungen mit der stehenden Maria : die Miniatur im Gregor von Nazianz Nr. 510 
der Pariser Bibl. Fol. y abgeb. in den Jpcbhocth der Moskauer arch. Gesch. I, Taf. III, im 
armenischen Evangeliar von S. Lazzaro bei Fleury a. a. O. pl. IV, 2, in einem Evangeliar des 
russischen Klosters am Athos Fol. 236 v , das Mosaik in der Sophienkirche zu Kiew a. a. O., 
Taf. 7, Fig. 26/7, das Pariser Mosaiktäfelchen bei Bayet, Part. byz. p. 151, die Elfenbeintafeln der 
Ermitage und im Berliner Museum, an der Thür von S. Paolo bei Fleury a. a. O. pl. V, 2 
und zahlreiche Malereien und bossirte Metallarbeiten am Athos. 

» Vergl. z. B. das Mosaik der Capelle im erzbischöflichen Palast in Ravenna (Ricci Nr. 210) 
und in der Sophienkirche zu Kiew a. a. O., Taf. 3. 

* HcTOpifl BUS. ucKyccTBa, cip. 157. 



72 

In der Anbetung der Magier, welche von dem armenischen Schreiber 
am Rande seines Evangeliars copirt wurde (vergl. oben S. 23), fiel auf, dass 
der Miniator die Architektur des Hintergrundes änderte. Nach dem gewöhnlichen 
Typus der Anbetung aber, wie er in den Gemälden der Katakomben zumeist, 
in den Sculpturen der Sarkophage und Elfenbeintafeln immer zur Anwendung 
kommt, « hätte gerade die nach der Seite gerichtete Architektur in den Miniaturen 
der beiden- Verkündigungen gepasst, denn dort sitzt Maria stets auf der einen 
Seite, und die Magier nahen ihr von der andern. Auch die byzantinische Kunst 
hält diesen Typus fest. Der Künstler hat also hier aus eigener Initiative oder durch 
den localen Brauch gedrängt die Composition central gebildet. Unmöglich können 
auf ihn die beiden römischen Ausnahmen des 3. Jahrhunderts in den Katakomben 
der Domitilla und des heil. Petrus und Marcellinus (Garr. 36 und 58) oder eine 
Vase des Museo Kircheriano (Garr. 427) Einfluss geübt haben. Vielmehr ist hier 
die Analogie auf den palästinischen Oelfläschchen in Monza (Garr. 433, 7, 9, 
434, i) heranzuziehen. Auf diesen ist die Anbetung der Magier mit der der Hirten 
vereinigt, in der Mitte zwischen beiden thront die Muttergottes. Vergleichen wir 
ihren Typus mit dem in unserer Miniatur, so zeigt sich die Übereinstimmung 
besonders darin, dass Christus und Maria nicht wie sonst auf die Magier blicken, 
sondern wie in dem Mosaik von S. ApoUinare nuovo starr aus dem Bilde 
heraussehen. Ähnlich gebildet ist femer der Thron: die in Etschmiadzin lyraartig 
gebogenen, in Monza geraden Stäbe der Lehne sind in beiden mit Edelsteinen 
geschmückt. 

In anderen Dingen weicht die Miniatur von jenen Metallflaschen ab. So 
besonders darin, dass Maria das Kind nicht einfach mit beiden Händen hält, 
sondern Christus in einer Mandorla sitzt, die von Maria am Rande getragen 
wird. Ich kenne nur noch ein Beispiel des gleichen Typus einer thronenden 
Madonna: es ist ein in der Basilicata gefundenes und von Garrucci in Neapel 
erworbenes Fragment eines Goldtäfelchens (Garr. 479, 4). Maria sitzt hier auf 
einem Throne, dessen Lehne sehr der in S. ApoUinare nuovo gleicht. Sie fasst 
das Medaillon mit beiden Händen unten an. Christus hat den Kreuznimbus, sitzt 
in Vorderansicht und erhebt beide Hände an der Seite. Im Nimbus der Maria 
liest man MA^ um Christus gruppirt 72' A'2\ Garrucci (VI, p. 122) hat dieses 
Stück mit Unrecht zusammengestellt mit zwei Münzen der mittelbyzantinischen 
Zeit. Auf der des Zimiszes (969—975)'« sehen wir nur den Kopf Christi mit 

» Vcrgl. Liell a. a. O. 236 ff.; Lehner a. a. O. Taf. II, 8 -11 und IV— VI, ferner oben S. 46 flf. 
2 Sabatier a. a. O., pl. LII, nr. IV, II; Saulcy, Essay de Classification, pl. XXII, i.; Madden 
im Numismatic Chronicle 1878, pl. IX, ii. 



73 

dem Nimbus auf dem Busen der Maria, haben also die Abbreviatur des Typus 
der Blachemiotissa. Auf der zweiten Münze des Alexius Komnenos (1081 — 1118) « 
ist direct die Blachemiotissa, wie wir sie in der syrischen Miniatur am Anfange 
des Etschmiadzin- Evangeliars (Taf. IV, i) sahen, im Brustbilde dargestellt. Der 
Nimbus umgibt aber hier nicht den Kopf, sondern das Brustbild Christi. Ähnlich 
ist Maria in ganzer Gestalt und stehend in einem Relief dargestellt, welches in 
den Bischofsthron der Metropolis zu Salonik verbaut ist. Der Typus jn unserer 
Miniatur ist von den angeführten Münzen und dem Relief ganz verschieden und 
gewiss älter. Schon Garrucci bemerkt, dass kein Hindemiss vorhanden sei, sein 
Goldblech höher hinauf (als in die Zeit des Zimisces) zu datiren, besonders 
wegen semer Ähnlichkeit mit einigen der Metallflaschen in Monza und einem 
Reliquienkästchen in Grado (Garr. 436, 5). Für ein so hohes Alter spricht schon 
die Bezeichnung der Muttergottes mit MA (pia) statt des später allgemeinen 
MR 61. Ahnlich muss für das höhere Aker unserer Miniatur geltend gemacht 
werden, dass Christus noch nicht, wie in dem Mosaik von S. Apollinare nuovo, 
dem Goldtäfelchen Garrucci's und auf den Oelflaschen in Monza (durch drei 
Punkte angedeutet) das Kreuz im Nimbus hat. 

Mit besonderer Deutlichkeit tritt in unserer Miniatur die Charakteristik der 
Magier in den drei verschiedenen Lebensaltern als Greis, Mann und Jüngling 
hervor. Die altchristliche Kunst, das Mosaik von S. Maria Maggiore, der Ambo 
in Salonik, die Elfenbeindeckel im South Kensington-Museum und im Dom- 
schatze zu Mailand und die ravennatische Pyxis (Garr. 437, 5) kennen diese 
Unterscheidung nicht, für sie sind alle drei Magier bartlos. Die frühesten 
Beispiele für die Typenscheidung stammen aus dem 6. Jahrhundert: auf der, 
Marientafel in Etschmiadzin und wieder auf den Oelfläschchen in Monza. 

Die Taufe Christi ist die für die Localisirung und Datirung der Schluss- 
miniaturen wichtigste Darstellung. Denn unter den uns bekannten Repliken 
dieses Gegenstandes' gibt es nur eine einzige, welche im Typus mit unserer 
Miniatur übereinstimmt, das ist die der syrischen Bibel vom Jahre 586. Wir 
sehen dort (Strz. II, 9) Johannes in Costüm, Kopftypus und Handbewegung 
genau wie in unserer Miniatur, nur ist er mehr aufgerichtet und hat den Nimbus. 
Christus ragt wie in unserer Miniatur zu seinen Füssen aus dem Wasser und 
hält die Hände gesenkt. Doch ist er in der Miniatur vom Jahre 586 bereits 
bärtig und hat den Nimbus. Die vom Schnabel der Taube ausgehenden Strahlen 



J Madden a. a. O., pl. IX, 12. 

2 Vergl. Strzygowski, Ikonographie der Taufe Christi. München 1885. 



IG 



74 

finden sich zwar schon auf dem Sarkophage des Junius Bassus f 359 (Strz. I, 12), 
dem Elfenbeindeckel im Mailänder Domschatze (Strz. II, 2) und dem Mosaik 
im arianischen Baptisterium in Ravenna (Strz. I, 15), combinirt aber mit der 
Hand Gottes einzig und allein in der syrischen Bibel vom Jahre 586. Wir 
müssen daher annehmen, dass der Miniator der Etschmiadzin-Blätter local und 
zeitlich demselben Kunstkreis angehört wie dieses Manuscript. Doch spricht 
der Umstand, dass Christus noch ohne Bart erscheint, dafür, dass unsere 
Miniatur etwas älter sei als die der Bibel vom Jahre 586. 

Die vier bärtigen Männer von durchaus gleichem Typus in den Ecken der 
Umrahmung der Taufe Christi dürften die vier Evangelisten darstellen. Gibt 
man diese Deutung zu, dann sprechen auch sie für eine Datirung der Minia- 
turen in's 6. Jahrhundert, weil wir nur in dieser Zeit Analogien aufweisen 
können, in denen die Evangelisten alle den gleichen bärtigen Typus zeigen. So 
in den Apsis-Mosaiken von S. Vitale in Ravenna (Garr. 263, 3 — 6), auf den 
Elfenbeindeckeln im Mailänder Domschatze (Garr. 454 5) und in der CoUection 
Batemann in Yolygrave aus Luxemburg stammend (Garr. 452, 2), endlich in vier 
Medaillons der CoUection Hoffmann, welche 1878 bei S. Maria degli Angeli bei 
Assisi gefunden worden sein sollen. ' 



Überblicken wir die aus der eingehenden Betrachtung der Schlussminia- 
turen gewonnenen Resultate, so ergibt sich vor Allem der enge Anschluss an 
die syrische Bibel vom Jahre 586 und die palästinischen Oelfläschchen in Monza, 
welche ungefähr derselben Zeit angehören. Als besonders bezeichnend dafür 
,kann der Typus der Verkündigung Maria mit der stehenden Jungfrau und die 
Composition der Anbetung mit dem Typus der thronenden Muttergottes gelten. 
Den engsten Anschluss vor Allem an die syrische Bibel verräth die Taufe Christi. 
Einige Anzeichen, wie das Fehlen des Kreuzes im Nimbus Christi in der An- 
betung und die Unbärtigkeit des Erlösers in der Taufe lassen vermuthen, dass 
unsere Miniaturen älter sind als das Ende des 6. Jahrhunderts. Die Hintergrund- 
Architektur drängte uns zu einer Datirung nahe an das 5. Jahrhundert, die 
gleichen Kopftypen der Evangelisten endlich zu einer Ansetzung der Ent- 
stehungszeit in's 6. Jahrhundert. Wir werden allen diesen Anforderungen gerecht 
werden, wenn wir daher die Schluss-Miniaturen des Etschmiadzin-Evangeliars 
in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts in Sj'rien entstanden sein lassen. 



1 Catalogiie vom Jahre 1886, Nr. 576—579, pl« XL. 



nenische Miniatiirenmalerei. 



geführten Untersuchungen haben wir in dem Etsch- 
miadzin-Evangeliar eine armenische Handschrift vom Jahre 989 vor uns, welche mit 
einem Elfenbeindeckel und am Anfang und Ende mit Miniaturen geschmückt ist, die 
ihrem Bildtypus nach der ravennatischen , respective syrischen Kunst der ersten 
Hälfte des 6. Jahrhunderts angehören. Es dürfte aufgefallen sein, dass beim Ver- 
gleiche der Bildtypen die armenische Kunst bis auf die in dem armenischen Evan- 
geliar selbst angebrachten Ornamente und Randminialuren ganz unberücksichtigt 
blieb und die Frage, ob wir in den besprochenen Kunstobjecten nicht im Jahre 989 in 
Armenien nach älteren Originalen angefertigte Copien vor uns haben könnten, fast 
ausser Acht gelassen wurde. Ein Blick auf den Zustand der Kunst Armeniens um das 
10. Jahrhundert wird uns in dieser Richtung den gewünschten Aufschluss geben. 
Den Elfenbeindeckeln gegenüber ist die Frage rasch entschieden, weil die 
Armenier zu keiner Zeit die figürliche Plastik in einer Weise geübt haben, die 
sie zur Ausführung der in Rede stehenden Schnitzereien befähigt hätte. In der 
um das Jahr 1003 ff. entstandenen Kirche zu Kutais in Georgien finden wir 
zwar an den Capitellen Thiergestalten und an der Aussenarchitektur hie und da 
decorativ einen Kopf oder eine ganze Figur verwendet, ebenso in Mzcheta aus 
dem 15. Jahrhundert, aber diese an und für sich belanglosen Beispiele gehören 
Georgien, d. h. einem Lande an, welches, ursprünglich zwar von Armenien 
abhängig, sich später in künstlerischer Beziehung selbstständig weiter entwickelt 
hat. In Armenien selbst sind mir nur aus der neuerdings erschienenen Pubiication 
von Alishan zwei Beispiele bekannt: ein Daniel zwischen den Löwen und eine 
Fortallünette der Kirche zu Mren, in der man oben zwei Engel, unten in einem 
Streifen Christus zwischen Petrus und Paulus sieht. ' Diese Beispiele sind aber 



■ Alishan, Alrarat (arm.). S. Lazzaro 1890, S. 148 und S. 155, respective 



76 

von so stilloser Rohheit, dass dadurch nur die allgemeine Regel, wonach die 
Armenier in der figuralen Plastik völlig unbewandert waren, bestätigt wird. 

Nicht viel anders liegen die Verhältnisse vor dem Jahre looo in der figür- 
lichen Miniaturenmalerei. Die älteste armenische Handschrift vom Jahre 887 im 
Institut Lazareif in Moskau hat keine Figurenmalereien. Rohault de Fleury * gibt für 
das älteste Manuscript dieser Art ein Evangeliar vom Jahre 770 im Mechitharisten- 
kloster S. Lazzaro bei Venedig aus. Aber er irrt sich sehr. Von einer Datirung 
ist in dem von ihm gemeinten Manuscript überhaupt keine Spur und nach der 
Schrift zu urtheilen gehört es der Schätzung der gelehrten Mönche nach dem 
10. Jahrhundert an. Die Miniaturen, welche ebenso wie die syrischen in Etsch- 
miadzin an das armenische Evangeliar angeheftet waren, werden jetzt von dem- 
selben losgetrennt aufbewahrt. Es sind im Ganzen zehn Blatt, o*34XO"45 m gross, 
die letzten stark beschnitten. Dargestellt sind in Blattgrösse Canones-Arkaden, 
die vier Evangelisten einmal auf einem Blatt vereint, dann nochmals einzeln 
Matthäus und Marcus. Auf einem Blatte femer sieht man die 0*22 w hohen 
Gestalten von Christus zwischen Maria links und Johannes Prodromos rechts, 
alle drei mit einer Würde auftretend, wie wir sie nur in dem bekannten Cosmas 
Indikopleustes der Vaticana wiederfinden. Es folgen Scenen aus dem Leben 
Christi: die Verkündigung, Geburt, Darbringung, Taufe und Verklärung, alle 
blattgross. « Nach dem Ornamente, den griechischen Beischriften und dem bei 
der Taufe zu Füssen Christi stehenden Kreuze zu urtheUen sind diese Miniaturen 
von einem byzantinischen Maler um das Jahr lOOO gemalt. Nur eine Darstellung 
ist von dem armenischen Kalligraphen hinzugefügt : die eines Christus Pantokrator 
in einem Medaillon. Die Ausführung sticht so sehr von der der übrigen Miniaturen 
ab, ist so ungeschickt und roh in der Farbe, dass sie unmöglich von byzantinischer 
Hand herrühren kann, vielmehr als Copie den- besten Beleg dafür liefert, was ein 
armenischer KaUigraph des 10. Jahrhunderts fertig zu bringen im Stande war. 
Nicht einmal die Fingerstellung der segnenden rechten Hand ist richtig copirt. 

Der Fall ist somit hier ein analoger wie in Etschmiadzin. Importirte Miniaturen 
werden zur Ausschmückung benützt, doch versucht der Kalligraph auch hier 
Nachbildimgen , die ebenso unglücklich ausfallen, wie die Randminiatur im 
armenischen Text in Etschmiadzin. Wie ärmlich es damals noch um die 
armenische Malerei bestellt war, zeigt weiter eine zweite Handschrift des 10. Jahr- 
hunderts in S. Lazzaro, o-35XO'45 ^ gross in mittelmesropianischer Schrift 



1 L'Evangile, Bd. I, Seite 45. 

2 Die Verkündigung und Geburt sind abgebildet bei Fleury a. a. O., Bd. I, pl. IV, 2 
und XI, 3. Vergl. Schmid a. a. O. Nr. 22 des Cataloges. 



77 

geschrieben. Von der bildlichen Ausschmückung sind noch zwei blattgrosse 
Evangelistenfiguren Lucas und Johannes erhalten. Lucas hat neben der armenischen 
noch die bezeichnenderweise fehlerhafte griechische Beischrift (A) AOKAI. Die 
Typen lassen das byzantinische Vorbild unzweifelhaft hervortreten, sind aber mit 
so viel Ungeschick und Fehlem im Detail ausgeführt, dass die Copie unmöglich 
mit einem byzantinischen Originale verwechselt werden könnte. 

Für diese Hilflosigkeit der armenischen Kunst auf dem Gebiete der Malerei 
haben wir nun auch noch ein literarisches Zeugniss, dessen Nachweis ich dem 
Herrn General-Abte der Mechitharisten-Congregation in Wien, Erzbischof 
Aidynian, verdanke. In einer Handschrift in S. Lazzaro findet sich ein Gespräch 
über die Zulässigkeit der Bilder in Kirchen. Garegin' schreibt dasselbe dem 
Wrthanes, einem armenischen Schriftsteller zu, der den Beinamen Kherthol 
«der Dichter» fuhrt und 581—594 Vicar der Kirche war. An diesen kann, glaube 
ich, schon deshalb nicht gedacht werden, weil das Gespräch offenbar durch 
den Ikonoklasmus angeregt ist, daher frühestens um die Mitte des 8. Jahr- 
hunderts entstanden sein kann.» Es heisst darin: «In den christlichen Kirchen 
und den Märtyrer-Capellen sehen wir den hl. Gregor, seine Leiden und Tugenden, 
den hl. Stephanus Protomartyr, die selige und herrliche Jungfrau Gajane und 
Riphsime sammt allen ihren Gefährtinnen und siegreichen Blutzeuginnen im 
Bilde dargesteUt. » Die Ikonoklasten erwidern darauf, dass diese Sitte in Armenien 
im Alterthum unbekannt gewesen sei und erst der König Pap sie von Griechen- 
land her eingeführt habe. Darauf lautet die Antwort: «Einem Jeden ist klar, 
dass Ihr lügt, weil ja bis heutzutage niemand in Armenien ein Bild anzu- 
fertigen jpusste, man vielmehr die Bilder von den Griechen brachte^ von 

woher wir überhaupt Alles haben Es waren schon andere Könige vor 

Pap, welche in den Kirchen Bilder und Malereien im .Namen Christi aufstellten 



i Armenische Literaturgeschichte. 2. A. Venedig 1886, S. 448. 

« Einen Beleg dafür dürfte auch folgende Stelle des Pseudo-Wrthanes liefern : «Und das 
Evangelium sehen wir nicht nur mit Gold und Silber bemalt, sondern auch in Elfenbein und 
rothes Leder gebunden. Und indem wir das hl. Evangelium verehren oder küssen, verehren 
wir nicht etwa das Elfenbein oder den Lack, welche aus dem Lande der Barbaren (keinesfalls 
der Griechen, vielleicht aus Indien) in den Handel gebracht werden, sondern das Wort des 
Erlösers, welches auf dem Pergament geschrieben ist.» Diese Stelle klingt sehr stark, wie 
ich glaube, an die von den Ikonodulen viel citirte Stelle des Johannes Chrysostomus Hom. 
«V NijntjQa feria V (vergl. auch den Brief Hadrian's L an Constantin und Irene bei Labb^, 
Concil. VIII, 758), dass, wenn die kaiserlichen Bildnisse in die Stadt getragen würden und 
Archonten und Volk ihnen huldigend entgegengingen, nicht das Holz und die enkaustische 
Malerei, sondern das Zeichen des durch dieselben dargestellten Kaisers verehrt würden. 



78 

und ebenso nach Pap andere Könige und Patriarchen, so z. B. der selige 
Sahak und Mesrop, Eznik, Artzan, Koriun und deren Gefährten, durch die den 
Armeniern von Gott auch die Literatur gegeben wurde, und keiner von diesen 
hat Einspruch gegen die Bilder und Gemälde in den Kirchen erhoben, sondern 
allein der lasterhafte Taddäus und Jesai und deren Gefährten.» 

Nach dieser Stelle gibt es also noch zur Zeit des Bildersturmes in Armenien 
ebensowenig eine selbstständige Malerschule, wie Copisten, sondern der Bedarf 
wird in jener Zeit durch byzantinischen Import gedeckt. Wir fanden dies 
bestätigt in dem von Fleury fälschlich in das Jahr 770 datirten, aus dem 10. Jahr- 
hunderte stammenden Evangeliar von S. Lazzaro. Unumstössliche Beweise dafür 
kann ich weiter aus georgischen Handschriften beibringen. 

. Die kaiserliche öffentliche Bibliothek zu Petersburg besitzt ein georgisches 
Evangeliar' in 4° (o*235Xo*i9 w), welches nach den Subscriptionen am Ende 
der einzelnen Evangelien im Jahre 995 von zwei Schreibern, David und Archin, 
in der Apostelkirche zu Tbeti geschrieben ist. Auf Fol. 4^ steht eine jüngere, 
nach dem besten Kenner georgischer Schrift, Prof. Zagareb*, dem li. oder 
12. Jahrhundert angehörige Notiz, in der es heisst: «Ich, der arme Samuel, der 
ich würdig geworden bin, der vierte Bischof der Reihe nach zu sein (. . . . habe 
dieses Manuscript ....), * mit allem Nothwendigen ausgestattet. Doch fehlten die 
Ikonen und Kamaren. * Und ich bemühte mich sehr, diese Ikonen und Kamaren 
mit grossen Auslagen von Griechenland aus der grossen Stadt^ in der die 
Herrscher sitzen, zu erhalten, und habe sie hier in dieses hl. Evangeliar ein- 
gefügt > Kein Zweifel also, dass der Bischof Samuel die Miniaturen für 

schweres Geld aus Constantinopel bezogen und in das fertige Manuscript 
eingesetzt hat. Erhalten sind drei Canonestafeln auf Fol. i*, i*' und 2*, die 
citirte Notiz steht auf 2^. Dazu am Beginne jedes Evangeliums die betreffenden 
Evangelisten, von denen Marcus und Lucas allein erhalten sind. Die Miniaturen 
gehören zu den besten, welche die byzantinische Kunst auf ihrer Höhe im 
II. Jahrhunderte geschaffen hat. Sie sind zudem vorzüglich erhalten. 

In einem anderen georgischen Evangeliar, das ich im grusinischen Haupt- 
kloster Gelati bei Kutais aufgefunden habe, wo es für das Evangeliar der Tamar 
gilt, o-2iXO'29 m gross und im 12. Jahrhundert geschrieben ist, steht am 



* Cod. der Sammlung des Prinzen Johann von Grusinien Nr. 212. Vergl. A. Zagareli 
CfiiA'i^HHfl uaHaTHHKax'b rpjBHncBoS niiCLHeHHOCTH I, S. 17, Nr. 5. 

2 Dafür steht heute auf Rasur: «Seit langer Zeit habe ich der Decanus gewünscht, dies 
zu schreiben aus dem Dorfe von Saphara.» 

3 Kafidga: Die Arkade der Kanontafel. 



79 

Schlüsse des georgischen Textes in Goldschrift: f 'E^^puaoYpafrj&yj jy ßißXo(: 
auTT] napa Mi^{ayjX) ^puaoxpd(poo too xopeal. Der griechische Miniator Michael 
muss daher in diesem Falle die georgische Handschrift selbst in Händen gehabt 
haben. Er lieferte wieder die Canonestafeln und die vier Evangelisten, d£izu 
zwei Titel-Miniaturen: die Verfasser der Canones Eusebius und Karpianus und 
am Beginne der Evangelien Christus, der zwischen den vier EvangeUsten steht, 
darstellend. Sämmtliche Miniaturen sind erhalten. An den prächtigen Canones- 
Arkaden sieht man, wie ich bereits an anderer Stelle erwähnte,* die 12 Monats- 
bilder wie im Marcianus DXL als Capitelle und Basen der Säulen angebracht. 
Über dem Vollbilde des Matthäus ist die Geburt, über Marcus die Taufe, über 
Lucas die Verkündigung, über Johannes die Anastasis dargestellt. 

Ein drittes Beispiel dieser Art befindet sich in der georgischen Sions- 
kathedrale zu Tiflis. Die Kenntniss und Beschreibung desselben danke ich Herrn 
J. Smimoif in Petersburg.* Es ist dies ein Menaion für alle Tage des Jahres 
und enthält ausser einzelnen Heiligengestalten noch zahlreiche Scenen aus dem 
neuen Testament, im Ganzen nach Smimoff 81 Miniaturen. Dieselben sind nicht 
nur den Typen nach byzantinisch aus dem 1 1. Jahrhundert, auch die sehr ausführ- 
lichen griechischen Beischriften lassen über diesen Ursprung keinen Zweifel. 
Auf der Rückseite des Titelblattes liest man folgende metrische Notiz: «Wenn 
Du in diesem Buche die täglichen Feste, die Merkzeichen des ganzen Jahres, 
siehst, bewundere die Kunst des Malers. Denn wie der sichtbare Himmel ist das 
Buch. Christus als sichtbare Sonne trägt es mitten und als Vollmond die Jung- 
frau, die da gebar; wie leuchtende Sterne aber im Kreise herum die Chöre 
aller der Gerechten von Ewigkeit her, die ihm wahrhaft gefielen. Glaube aber 
arbeitet auch dieses hier und bringt es hervor; und er betet und schafft neu 
und schreibt. Des Mönches Zacharias des Iberers. Dem die göttliche Liebe 
(werde!)».» Dieser Mönch Zacharias der Iberer, der griechische Miniaturen malt 



t Repertorium für Kunstwissenschaft 1890, S. 6. 

> Neuerdings auch besprochen von Kondakoff, Ohhcl naiiaTHnKOBi» ^^pesnocTn bx h^ko- 
Topuii xpaHaxL u HonacTupax'b Fpysin, C. TTcTCpG. 1890, CTp. 165 cji. 

» Nach dem Facsimile von SmirnoflF in einer Recension von Bruno Keil: 

1 BißXfü yQatpeiaag rfjöe Tag xa&* y^tegav 
fivtjfidg eooxag xov j^qovov jiavrog ßXijtcoy, 
tov C(oyQd<fov ^av/Lta^e xrjv eifiexyiav- 
xai ydf) vorjxog wg jtoXog t6 ßißXiov. 
5 Xqioxov voijtov tjltov ftiaov (pegei, 
xal TtavaeXtjvov jrjv xsxovoav naq&ivov, 



8o 

und mit griechischen Inschriften versieht, also wohl selbst ein Grieche ist, sich 
aber einen Iberer nennt, kann nicht gut etwas anderes sein als ein Mönch des 
iberischen Klosters Iviron am Berge Athos, welches im Jahre 980 circa von 
drei Georgiern inmitten der griechischen Hesychasten-Colonie des heiligen 
Berges gegründet worden war. Die Handschrift ist dann von einem georgischen 
Mönch am Athos geschrieben und von dem griechischen Mönche Zacharias 
desselben Klosters Iviron mit Miniaturen geschmückt worden. 

Diese Beispiele dürften genügen um zu beweisen, dass es im 11., geschweige 
denn im 10. Jahrhundert in Armenien und Georgien noch nicht Miniaturenmaler 
gegeben habe, die im Stande gewesen wären, die Etschmiadzin-Miniaturen in der 
dem Originale so charakteristisch und fehlerlos nachgeahmten Art zu copiren. 
Den besten Beleg dafür liefern überdies die Randminiaturen zum armenischen 
Texte vom Jahre 989 selbst. Die Frauen am Grabe (oben S. 22) zeigen das 
syro-palästinische Compositionsschema dieser Scene in einer Auflösung, wie sie 
nur ein gelegentlich durch ihm zur Hand liegende Originale angeregter, im 
Übrigen aber künstlerisch ungebildeter Kalligraph vornehmen konnte. Und die 
Anbetung der Könige (oben S. 23), die der Composition nach tale quäle nach 
der syrischen Schlussminiatur Taf. VI, i copirt sein dürfte, ist in Einzelheiten 
sehr charakteristisch verändert und verräth ganz deutlich in den von den Mützen 
herabflattemden Bändern ihren armenischen Urheber. Solchen Thatsachen gegen- 
über wird es, glaube ich, zur positiven Gewissheit, dass die an den Anfang und 
das Ende des armenischen Evangeliars vom Jahre 989 gehefteten Miniaturen 
nicht in Armenien entstanden sein können. Ihren durchaus reinen Bildtypen nach 
sind sie vielmehr in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts in Syrien selbst gearbeitet. 

Es wird nun unsere Aufgabe sein zu untersuchen, ob es für Armenien 
eine Zeit gegeben habe, in der syrische Miniaturen im Lande Eingang finden 
konnten oder ob die für die figürliche Miniaturmalerei im 10. und 11. Jahr- 
hunderte nachgewiesene Herrschaft der byzantinischen Malerei von allem Anfang 
an in Armenien massgebend gewesen sei. 

Im 10. Jahrhundert ist Syrien arabisch, die wenigen nach der Unterjochung 
in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts noch entstandenen monumentalen Denk- 



c&ff datigag xvxXc(i de (pQvxxtuQovfisvovg 
TidvTCüv dixalwv z&v dii ai(bvog xoQovg, 
Tovg evageaTijoavxag avtcj} yvriolcog, 
10 nioTig ds rovta xai tioveX xai jrgocpsQSi, 
xai jtOTveiÜTai xal vejivgyeT xal yQdqjsi. 
Za^agiov xaXoyt'JQOv xov 'Ißt^gov. (^ {^eiog egcog. 



8i 

mäler sind von byzantinischen Meistern ausgeführt, so der Felsendom in Jerusalem 
und die Mosaiken der Geburtskirche in Bethlehem. Die klösterliche Kunst geht 
zu Grunde, die Handschriften zeigen keine Spur mehr von der reichen figürlichen 
Ausstattung von frülier, die Ornamente verfallen vollständiger Verrohung. • Von 
einem Einflüsse der syrischen Kunst auf das Ausland kann in dieser Zeit nicht 
mehr die Rede sein. 

Ganz anders ist die Stellung Syriens vor der Unterjochung. Speciell Armenien 
schöpft, was es an Wissenschaft besitzt, in dieser Zeit neben byzantinischen fast 
ausschliesslich aus syrischen Quellen. Nach den Berichten des Koriun und Moses 
von Chorene * besuchen armenische Jünglinge die Schulen von Edessa, Constan- 
tinopel und Alexandria, um sich in der griechischen und syrischen Sprache 
und in der Kenntniss der Philosophie und Geschichte auszubilden. Unter diesen 
Hochschulen dürfte das syrische Edessa den Vorzug gehabt haben, weil es sich, 
Armenien am nächsten gelegen, nach Moses von Chorene noch besonders 
durch seine reiche Bibliothek auszeichnete. ' Lazar von Pharpi sagt ausdrücklich, 
dass die jungen Leute behufs ihrer Ausbildung mit grossem Geld- und Zeit- 
aufwand in syrische Schulen gingen.* Zudem waren viele syrische Christen 
schon in der frühesten Zeit nach Armenien gekommen, um hier die neue Lehre 
zu predigen und Klöster und Bischofsitze zu stiften. ' Ein Kloster besonders, 
Surb Karapet in Taron, von dem Syrer Zenob, angeblich einem Schüler des 
heil. Gregor gegründet, zeichnete sich vor den übrigen aus. Bis zum Ende des 6. Jahr- 
himderts sassen dort syrische Bischöfe. Ganz Südwest-Armenien war in religiöser 
und literarischer Beziehung von Syrern abhängig. Alle dortigen Episcopen waren 
Syrer unter dem Patriarchen von Antiochia; sie fungirten und schrieben in 
syrischer Sprache; die syrischen Priester waren zu Anfang des 5. Jahrhunderts 
in Armenien so mächtig geworden, dass sie dort sogar nach dem Patriarchate 
strebten.« Ja, Brkischo (430 — 32) und Schmuel (432—37) erreichten auch diese 
Würde durch die Gunst des persischen Königs Wram, ohne jedoch bei den Massen 
Anerkennung zu finden. ' Bis auf Mesrop gab es in Armenien nur syrische 
Bibeln, seit Mesrop wurden zahlreiche syrische Schriften in's Annenische über- 



» Vergl. die Proben bei StassofF, L*ornement slave et oriental, pl. CXXVIT — CXXXI. 

2 Vergl. Eusebius Chron. ed. Venet. 1818, 1 praef. p. XII seq., Moses von Chorene III cap. 6r. 

3 Vergl. Ritter Erdkunde X, S. 564. 

* Lazar von Pharpi, Geschichte, (Venedig 1793) S. 26. 

* Saint-Martin, Memoires, I, S. 10. 

« Vergl. über alles das Ritter a. a. O., S. 571 flf. und Moses von Chorene III cap. 54. 

7 Moses von Chorene III c. 64 und 65. 

ri 



82 

setzt. Der Gottesdienst wurde vor 406 in syrischer Sprache abgehalten und 
Lazar von Pharpi drückt nach Erfindung des Alphabetes die freudige Stimmung 
aus, dass man von der Fessel der syrischen Sprache befreit sei und das Volk 
das Gotteswort nun in der Muttersprache vernehmen könne. * Alle diese Nach- 
richten beweisen den engsten Anschluss der Armenier an Syrien in frühchrist- 
licher Zeit. Erst im 5. Jahrhundert, etwa seit Erfindung der armenischen Schrift 
und besonders unter Justinian, gewinnt der byzantinische Einfluss überwiegende 
Bedeutung. Die Belege dafür sind im ersten Capitel, zusammenfassend auf S. 14 ff. 
gegeben worden. Es ist natürlich, dass zunächst die Architektur ihm verfällt, 
während die Kleinkünste nur allmälig von Syrien ablassen, bis speciell bei der 
Miniaturenmalerei die Unterjochung Syriens allen Verbindungen ein Ende bereitet. 

Alle diese Erwägungen bestätigen die schon durch die vergleichende 
Betrachtung der Bildtypen nahegelegte Vermuthung, dass die syrischen Minia- 
turen des Etschmiadzin-Evangeliars älteren Handschriften entnommen seien, für 
die sie in Armenien importirt worden waren. Ein sehr auffallendes Ergebniss 
unserer oben unabhängig von einander geführten Untersuchungen jeder einzelnen 
Bildergruppe war, dass sowohl die Elfenbein-Deckel wie die Miniaturen am 
Anfang und Ende ihren Typen nach in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts 
entstanden sein müssen. Es legt das den Gedanken nahe, dass alle drei jenen 
«alten und echten Originalen» entnommen seien, welche der Schreiber Johannes 
nach der Aussage des Bestellers Stephanus copirte (vergl. oben S. 19). Diese 
Originale würden dann armenische Evangeliare vielleicht des 6. Jahrhunderts 
gewesen sein, für deren Ausschmückung die Elfenbein-Deckel aus Ravenna, die 
Miniaturen aus Syrien bezogen worden waren, analog der nachgewiesenen Sitte 
der späteren Zeit die Miniaturen aus Byzanz kommen zu lassen. 

Soweit meine Aufgabe. Es bleibt noch ein Wort zu sagen über die den 
figürlichen Darstellungen am Anfange vorausgehenden Canonestafeln. Ich hatte 
vor dem Originale den Eindruck, dass ihre Umrahmungen durchaus überein- 
stimmten mit denjenigen der auf Tafel II und III abgebildeten Blätter. Da ich 
in meinen Aufnahmen sehr gedrängt wurde, schenkte ich ihnen keine weitere 
Beachtung. Nachträglich stellte sich heraus, dass sie eine solche wohl verdient 
hätten. Denn wenn diese Umrahmungen so genau mit denjenigen der folgenden 
Blätter übereinstimmen, dass sie nicht nach ihrem Muster copirt sein könnten 
— wogegen schon die Mannigfaltigkeit der über den Bogen angebrachten Vögel 
(vergl. oben S. 57) und, dass sie mit den folgenden Blättern gerade die erste 



1 Lazar von Pharpi a. a. O., S. 30 und 31 (nach einer gütigen Mittheilung von Professor 
Fr. Müller). 



83 

Lage bilden, spricht — so ergeben sich daraus Consequenzen für die Canones- 
schrift. Dieselbe müsste dann entweder ebenfalls aus dem 6. Jahrhunderte 
stammen oder die Blätter müssten für den Fall, dass die Schrift jüngeren 
Ursprunges wäre, leer geblieben sein, bis man sie später ausfüllte. Ich habe 
Herrn Dr. Karamianz diesbezüglich Fragen vorgelegt, die er dahin beantwortet 
hat, dass die Canonesschrift nicht älter sein könne als das Evangeliar vom 
Jahre 989, sondern nach dem Charakter und der Rechtschreibung eher vielleicht 
jünger. Es ist das sehr zu bedauern, weil wir im entgegengesetzten Fall in der 
Canonesschrift den ältesten Beleg für die mesropianische Schrift gehabt hätten, 
der umsomehr zu schätzen gewesen wäre, als die Kenntniss der armenischen 
Schriftentwicklung bis zum Jahre 1000 ungefähr noch sehr im Argen liegt und 
jedes diesbezüglich gefällte Urtheil auf unsicherem Boden steht. 



Die christliche Miniaturenmalerei, soweit wir sie bis heute kennen, lehnt 
sich in ihren Schöpfungen bis etwa um das Jahr 500 an antike Vorbilder. 
Composition, Zeichnung und Farben -Nuance sind im Stile der altrömischen 
Kunst gehalten. Nur sind die Vorbilder technisch nicht immer von der gleichen 
Art. Dem Kalender vom Jahre 354 gegenüber bleibt der Gesammteindruck 
immer der, dass wir es mit Copien statuarischer Werke zu thun haben. Die 
Wiener Genesis ist durchaus im Geiste römischer Wand- und wahrscheinlich 
Tafelmalerei gehalten. Die Josua-RoUe verräth schon in der Anordnung und 
im Gegenstande die Anlehnung an die in Rom und Constantinopel üblichen, 
spiralförmig um einen Säulenkem angeordneten Reliefs. Auch die Miniaturen 
der Dioscorides-Handschrift rechne ich noch zu dieser antik-profanen Richtung. 
Juliana mit den beiden Tugenden zur Seite ist durchaus im Geiste der Consular- 
Diptychen componirt, die Versammlung der Ärzte schliesst sich nicht minder an 
gleiche Darstellungen der Antike.« 

In dieser Gruppe von Handschriften des 4. und 5. Jahrhunderts klafft eine 
grosse Lücke: es fehlen Miniaturen, welche das neue Testament illustrirten. In 
ihnen müsste am deutlichsten hervortreten, wie sich die nach 313 frei entfaltende 
christliche Kunst mit dem seit dieser Zeit ganz auf sie angewiesenen antiken 
Formenschatz auseinandersetzte. Leider aber kennen wir solche Handschriften 
erst aus dem 6. Jahrhundert und dann haben sie wenig mehr gemein mit jener 
älteren Gruppe. Müssen wir in dieser letzteren den keimenden Byzantinismus 
in einzelnen Details des Costüms, im Kopftypus und Ähnlichem heraussuchen. 



1 Vergl. dagegen Kondakoff, Hist. de l'art byzantin, p. 107 suiv. 



II* 



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84 

SO sind die Miniaturen der Evangeliare des 6. Jahrhunderts bereits ganz im 
byzantinischen Geiste gehalten, sie mögen nun aus welcher Gegend immer des 
Culturkreises jener Zeit stammen. Denn der Byzantinismus schafft sich zwar im 
Jahre 330 ein Centrum durch die Gründung Constantinopels, aber der neue 
Geist schiesst in allen Theilen des Ostreiches gleichmässig empor und verkündet 
selbst in Rom in den Mosaiken des Triumphbogens von S. Maria Maggiore 
schon kurz nach dem Jahre 431 seine Herrschaft. 

Leider ist bis jetzt kein illustrirtes Evangeliar bekannt geworden, welches 
in einem der nördlichen Culturcentren, d. h. in Constantinopel, Thessalonike oder 
Ravenna entstanden, uns einen sicheren Anhaltspunkt für die Beurtheilung der 
Abhängigkeit der Miniaturenmalerei im 6. Jahrhundert von diesen Hauptcentren 
und Constantinopel im Besonderen böte. Dieser Ausfall ist zu beklagen, weil 
wir auf diese Weise ohne Mittel sind, den später so zahlreich fliessenden und 
zu allgemeiner Geltung gelangenden Schöpfungen der byzantinischen Kunst 
gleichartige des 6. Jahrhunderts gegenüber zu stellen. Vielmehr müssen wir für 
diese Zeit aus syrischen und ägyptischen Miniaturen unsere Argumente ziehen. 

Diese Lücke füllt auch das Etschmiadzin-Evangeliar, soweit die Miniaturen- 
malerei dabei in Betracht kommt, nicht aus. Dem 6. Jahrhundert angehörend 
schliesst es sich den beiden bisher bekannten ältesten Evangeliaren: demjeni- 
gen von Rossano, welches Kondakoff"' für alexandrinischer Provenienz hält und 
der syrischen Bibel vom Jahre 586 an. Es ist jedenfalls älter als diese letztere. 
Seine Miniaturen zeigen uns die syrische Kunst in einem Stadium, welches die 
in der syrischen Bibel vom Jahre 586 bereits verblassten Bindeglieder mit der 
altchristlichen Kunst noch deutlich hervortreten lässt. 

Nun sind aber die Miniaturen nicht der einzige Schmuck des Etsch- 
miadzin-Evangeliars, vielmehr reihen sich ihnen ergänzend die Elfenbeindeckel 
an. Und diese liefern uns eine so ausgedehnte Bereicherung des Typenschatzes 
eines der leitenden Centren der Kunst des 6. Jahrhunderts: Ravenna's, dass wir 
die Lücke, welche die Miniaturen nicht ausfüllen, in Zukunft weniger empfin- 
den werden. Es würde dies umsomehr der Fall sein, wenn A. Springer Recht 
hätte, indem er im Anschluss an die fünftheiligen Diptychen im Vatican und 
Paris und die Tafeln im Mailänder Domschatze die Ansicht ausspricht, dass die 
biblischen Scenen nach ursprünglich der Kunst der Malerei angehörenden Vor- 
lagen gearbeitet seien : «dafür spricht die Häufung der Figuren in kleinem Mass- 
stab im engen Räume. Wären sie gleich von Anfang an plastisch gedacht 



1 Hist. de l'art. byzantin, I S. 120. 



85 

worden, so würden die Künstler die Gestalten einfacher gjuppirt haben». • Für 
die Mailänder Tafeln scheint dieses Urtheil deshalb nicht zutreffend, weil, wie 
wir und ebenso Ficker und Schmid beobachtet haben, die durch sie vertretene 
Schule, soweit sie Scenen bildet, die schon die altchristliche Kunst kannte, ihre 
directen Vorbilder aus der Sarkophagsculptur nimmt. Das übrig bleibende 
fünftheilige Diptychon in Paris gehört der ravennatischen Schule an und schliesst 
sich eng an deren Hauptwerke: die Kathedra des Erzbischofs Maximian und 
unsere Etschmiadzindeckel. An der Kathedra nun ist der plastische Grund- 
charakter der Reliefs aus dem neuen Testament ebensowenig zu verkennen, 
wie an den fünf Heiligengestalten auf der Vorderseite und den Ornamenten, welche 
die einzelnen Felder umrahmen. Für die fünftheiligen Diptychen ist der Ursprung 
aus gleichen plastischen Werken der Profankunst nachgewiesen worden. Und 
was die Composition ihrer biblischen Scenen anbelangt, die sich so eng an die- 
jenigen der Maximianskathedra anlehnen, so kann ich in ihnen keine dem Cha- 
rakter des Reliefs jener Zeit, wie er durch die Sarkophage repräsentirt wird, 
übertriebene Häufung der Figuren erkennen. Die ravennatischen Reliefs sind 
vielmehr durchaus in den Formen und im Compositionsgeschmacke der Sarkophage, 
aber dem Inhalte nach in einem neuen Geiste gehalten. 




Beweis dafür 



Zum Schlüsse möchte ich noch einen Blick auf die 
weiteren Schicksale der armenischen Miniaturenmalerei werfen.* 
Das Etschmiadzin-Evangeliar bewies, dass man in ältester Zeit 
Miniaturen aus Syrien importirte. Schon im 5. Jahrhundert aber 
macht sich daneben der Einfluss von Byzanz geltend, wie wir 
in der Einleitung gesehen haben. Nach der Unterjochung 
Syriens im 7. Jahrhundert wird er jedenfalls allein herrschend, 
die fälschlich dem Wrthanes zugeschriebenen Stelle und die 



i Abh. d. Kgl. Sachs.. Ak. d. Wiss. Phil.-Hist. Gl. Bd. XI, S. 372. 

2 Ich verweise auf einen diesbezüglichen Versuch von Uwaroff im Katalog der Etsch- 
miadzin Bibliothek und Stassolf s Recension desselben. Vergl. oben S. 17 Anm. 2. 



86 

dem lo. Jahrhundert angehörenden Evangeliare in S. Lazzaro. * Derselbe Pseudo- 
Wrthanes gibt auch eine sehr wertvolle Nachricht über die Zusammensetzung 
der damals gebrauchten Tinte und Farben, indem er gegen die Ikonoklasten 
anführt: «Diejenigen aber, die sagen, dass die Tinte unrein sei, werden durch 
den eigenen Mund verdammt; denn die Tinte der Bücher besteht aus Vitriol, 
Galläpfeln und Gummi, welche man nicht einmal kosten kann, und der Stoff der 
Bilder besteht aus Milch, Eiern, Arsenik, Lazurstein, Oxiden, Zinnober, Kalk 
und Ahnlichem, von dem Manches zur Speise und als Heilmittel verwendet 
wird. » « Armenische Handschriften mit Miniaturen dieses und der beiden folgenden 
Jahrhunderte sind selten, wir müssen uns daher mit jedem passenden Belege 
begnügen. Den einen liefert Stephanus Orpelian.* Er berichtet von einer im 
Jahre 930 geweihten Kirche des Klosters Tathew in Synik: »Metropolit Jacob 
hat Maler und Zorachen, d. h. Bilderverfertiger aus dem fernen Lande der 
fränkischen Nation gerufen und hat die ganze Kirche von oben bis unten mit 
ungeheuren Kosten ausmalen lassen. Das Bild Ghristi wurde in schrecklicher 
Gestalt gerade über dem Altar auf der ganzen Decke des Hauptbogens (der 
Haupt-Kuppel) dargestellt und unter demselben die Gestalten der Propheten, 
Apostel und der Patriarchen; und das Ganze hat er so ausgeschmückt, dass die 
Augen der Zuschauer entzückt waren und Niemand glaubte, dass es mit Farben 
gemalt sei, sondern dass es wirklich lebende Gestalten wären, wovor erschreckt 
die Zuschauer flohen. € Stephanus Orpelian schreibt um 1300 und damals heissen 
auch die Griechen schon Franken. Dass diese gemeint sind, bestätigt das Wort 
Zorachen, verdorben aus (^mypdifo, und die Art der Ausmalung der Kuppel mit 
dem Pantokrator im Zenith und den Propheten etc. darunter. Es ist dies genau 
die Art, wie sie das Malerbuch vom Berge Athos für die Hauptkuppel vor- 
schreibt* und hundert spätbyzantinische, neugriechische und russische Kirchen 
sie heute noch in guter Erhaltung zeigen. Den Ansatz dazu finden wir schon in 
den Mosaiken der Sophien-Kirche, wo nach Ducange * Christus als Weltrichter 

> Nach Mitheilungen des Dr. Kalemkiar kämen für diese ältere Zeit ausser der Laza- 
reflPschen und den beiden Handschriften in S. Lazzaro noch solche vom Jahre 966 in der 
Bibliothek der armenisch-katholischen Antonianermönche zu Ortaköj am Bosporus, von 986 in 
Erzerum und aus dem 10. Jahrhundert im britischen Museum (Garegin, Catalogue S. 158) in 
Betracht. Ich hatte leider nicht Gelegenheit dieselben zu untersuchen. 

« Aus einem nicht im Handel befindUchen Drucke des Pseudo-Wrthanes aus S. Lazzaro 
mitgetheilt von Dr. Kalemkiar. 

« Vergl. M. Brosset, Hist. de la Siounie. St. Petersb. 1864 p. 150. 

* ed. Schaefer S. 393 flf. 

* Constantinopolis christiana 1680, lib. III, p. 30. Vergl. Zeitschrift für östr. Gymn. 1888 S. 921, 



87 

auf dem Regenbogen thronend dargestellt war. Aus mittelbyzantinischer Zeit ist 
ein Beleg in der Kirche des Klosters Daphni bei Athen erhalten. * Genau so war 
die Ausstattung der Kuppel im Kloster Hosios Lukas am Helikon, wie ältere 
Reisende berichten. Heute sind diese Mosaiken durch sie nachahmende Malereien 
ersetzt.* In Italien wären die Mosaiken der Martorana in Palermo» und in S. 
Marco zu nennen. 

Wie die byzantinischen Formen allmälig modificirt wurden, zeigt am 
besten ein im Jahre 1193 entstandenes Evangeliar in S. Lazzaro Nr. 1635 (40). 
Es ist von dem »berühmten« Maler Konstantin für die Erlöser-Kirche zu Skewra 
in Kilikien angefertigt worden und gehörte dem Bischof Nerses von Lambron. 
Die sehr reich ausgeschmückten Canonestafeln könnten auf den ersten Blick 
noch von einem griechischen Maler ausgeführt sein.* Und doch ist der Stil 
bereits modificirt. Die Ornamente zeigen nicht jene ungezwungene Manier, welche 
die echt byzantinischen des 12. Jahrhunderts auszeichnet. Wir sehen drei Arkaden, 
auf deren Ecksäulen die Evangelistensymbole angebracht sind, von einer vier- 
eckig umrahmten Lunette gekrönt, deren Rundbogen das armenisch-orientalische 
Motiv des Dreiviertelbogens zeigt. ^ Darüber ist in einer kleinen Arkade Christus 
Emmanuel in roher Zeichnung angebracht. Die Ecken des Vierecks werden durch 
Blüthen geschmückt, die in der Gesammtform byzantinisch sind, in den scharfen 
Contouren und der Zusammensetzung im Detail aber bereits persische Einflüsse 
hervortreten lassen. An den Säulenschäften ist zwar das byzantinische Motiv der 
Verknotung nachgeahmt, aber die Verschlingungen gehen schon in den arme- 
nischen Geschmack über, wie er sich am besten in der Architektur und Grabmal- 
plastik äussert. Capitelle und Basen sind ganz armenisch. Dem im Übrigen noch 
byzantinischen Ornamente fehlt die griechische Feinheit. 

Die Handschriften des 13. Jahrhunderts zeigen die armenische Miniaturen- 
malerei bereits völlig in der Art ausgebildet, welche bis auf den heutigen Tag 
bestehen blieb und als die specifisch armenische gelten darf. Von da ab muss 
zwischen dem Biblisch-Figuralen , 'dem Profan -Figuralen und der Ornamentik 



t Vergl. r» Aa,u:zd?{ijg, Kgiai. dgx- ^V^ fiovijg Aa<pviov ary. 123 xiX. 

2 Wheler, Voyage de Dalmatie, de Grece et du Levant. La Haye 1723, II. p. 60 ff. 
Buchon, La Grece continentale et la Moree, Paris 1843, p, 240 ff. Didron, Manuel dMconographie 
chretienne, Paris 1845, p. 425 u. A. 

8 Phot. von Incorpora No. 105. 

4 Eine Tafel farbig reproducirt bei Alishan, Sisuan zu S. 85 und bei Stassoff, TOme- 

ment slave et oriental pl. CXLII Fig. i. 

» Für Armenien vergl. eine Kirchenruine in Aledschaly bei Alishan, Sisuan S. 135. 



88 

geschieden werden. — Was zunächst die Darstellung biblischer Scenen durch 
die armenische Kunst anbelangt, so wird es nicht Wunder nehmen, wenn ganz 
allgemein gesagt werden kann, dass ihre Typen durchaus abhängig von den 
byzantinischen bleiben. Im 13. und 14. Jahrhunderte können die armenischen 
Miniaturen für mehr oder weniger gute Copien der griechischen gelten. Später, 
als die byzantinische Kunst aufgehört hat direct Vorbilder zu liefern, kommen 
natürlich kleine Abweichungen vor. So erkennen wir z. B. in dem Evangeliar 
Nr. 91 aus dem 15. — 16. Jahrhundert in der Mechitharisten- Bibliothek zu Wien 
noch im Allgemeinen die byzantinischen Typen; ja einzelne Züge, wie die drei 
Jünger am Fusse des Berges bei der Verklärung Christi oder Petri Handbe- 
wegung bei der Fusswaschung, sind mit grösster Treue beibehalten; aber in 
anderen Details verrathen sich doch die localen Einflüsse. So hat der jüngste 
Magier in der Anbetung und Pilatus zweimal den Turban, Simon in der Dar- 
bringung die Mitra und die Auferstehung Christi ist bereits in dem neuen 
occidentalen Schema componirt. 

Der orientalische Einfluss spricht sich entschieden klar in profanen Scenen 
aus. Wir können das sehr deutlich an einem publicirten Beispiele beobachten. 
Der Maler Sargis Pizak hat im Jahre 1330 die bei Alishan Sisuan zu S. 235 
abgebildete Miniatur des Evangelisten Johannes, im Jahre 1331 die ebenda zu 
S. 481 abgebildete Miniatur des einer Gerichtssitzung präsidirenden Königs 
Leo IV. gezeichnet. Der Evangelist Johannes, welcher, von der griechisch 
segnenden Hand inspirirt, seinem Jünger Prochoros in die Feder dictirt, ist Zug 
für Zug byzantinisch. Die Gerichtssitzung dagegen wird in Anlehnung an die 
orientalische Sitte so gebildet, dass der König und die Beisitzer mit unterge- 
schlagenen Beinen auf Teppichen hockend ihres Amtes walten. Es zeigt sich in 
diesem Falle ein ähnliches Nebeneinanderhergehen byzantinischer und sara- 
zenisher Kunstmotive wie in dem Factum, dass eine Zeit lang in Armenien 
byzantinische und arabische Münzen nebeneinander im Curse waren." 

Was nun die ornamentale Ausschmückung der Handschriften anbelangt, 
so ist sie das Gebiet, in dem sich, wie in der Kirchen- Architektur der Armenier, 
ein nationaler Stil zu hoher Blüthe entwickelt hat. Wir haben (oben S. 15) die 
Entstehung des Architekturstiles mit Wahrscheinlichkeit in's 9. Jahrhundert 
etwa verlegt. Darnach würde a priori vorauszusetzen sein, dass in derselben 
Zeit ungefähr auch die Anfänge der übrigen nationalen Bildungen zu 
suchen seien. 

I Vergl. Langlois, Numismatique generale de TArmenie p. 85. 



89 

Die älteste bisher bekannte, datirte armenische Handschrift ist das von 
Sahak Wanandatzi im Jahre 887 geschriebene Evangeliar im Institut Lazareff zu 
Moskau. Der einzige Schmuck desselben sind nach einer freundlichen Mittheilung 
von Professor Khalathiantz die Canones-Arkaden. Die Basen und Capitelle der- 
selben bestehen aus drei stufenförmig übereinander geordneten, der Schaft aus 
einem, der Bogen wieder aus drei bunten Streifen. Roth, Gelb, Grün, Blau und 
Braun in schmutzigen und matten Nuancen, die bisweilen ineinander laufen, 
wechseln ab, die braunen Begrenzungslinien sind unregelmässig gezogen. Das 
ist wohl die denkbar roheste Art der Verzierung, in der nur das Arkaden- 
Schema selbst eine künstlerische Leistung bedeutet. Dieses aber ist von Syrien 
oder Byzanz importirt. * 

Nicht viel besser sind die Ornamente im Etschmiadzin-Evangeliar vom 
Jahre 989. UwarofF allerdings nahm auch die syrischen Miniaturen als Belege 
für die armenische Kunst, indem er in den Miniaturen am Anfange solche von 
unzweifelhaft byzantinischem Typus, sogar einer älteren Zeit als das 10. Jahr- 
hundert, in den Miniaturen am Schlüsse dagegen die völlige Herrschaft des 
byzantinischen Musters, nur von einem der Handschrift gleichzeitigen Typus 
sah.« Die Randminiaturen im armenischen Texte sind nach Uwaroff* spätere 
Zugaben und nur die Kreise und Kreuze an den Kapitelanfängen mit der 
Schrift gleichzeitig. Wir haben dagegen gesehen, dass für die armenische Kunst 
des Jahres 989 nur die Randminiaturen und Ornamente im Texte herangezogen 
werden dürfen (oben S. 21-7-23). Die ersteren sind Copien nach syrischen Vor- 
bildern, die letzteren wohl selbstständige Spielereien des Kalligraphen Johannes, 
die sonst in der armenischen Ornamentik nicht vorkommen. Wenn Stassoff" 
gerade nur in ihnen syrischen Einfluss erkennt, so kann er dabei höchstens die 
Bandverschlingungen eines Kreises im Auge haben. Die Kreuzformen aber sind 
byzantinisch, doch nahm sie der Kalligraph aus dem kirchlichen oder Gräbercult, 
in dem sie sich damals schon eingebürgert haben müssen. Keinesfalls findet sich 
in diesen Ornamenten eine Spur des nationalen Stiles. 

Dieser tritt uns zuerst entgegen in dem ebenfalls aus dem 10. Jahrhunderte 
stammenden, sogenannten Evangeliar von Trapezunt in S. Lazzaro (Nr. 22).' 
Dasselbe enthält Initialen, die aus einzelnen, bunt zu einer Blumenform 



1 Bezeichnend dafür ist u. A., dass die armenische Bezeichnung für diese Arkaden 
Kamar (kuiWuip) vom griechischen Ka/ndga genommen ist. Ebenso im Georgischen. 

2 a. a. O. S. 354. 

» bei Stassoff, L'ornement slave et oriental, pl. CXLI, Fig. i— 10, in der dem SKypHajTL 
M-Ba HapoÄHaBO npocBimeHia 1886 und der Zeitschrift «Ardzagang» beigelegten Tafel Nr. 7 — 11. 



12 



L 



90 

aneinandergereihten Palmetten bestehen. Diese Form ist typisch geworden und 
hat später ihre reichste Ausbildung in kandelaberartig an den Rand gemalten 
Verzierungen gefunden, wie eine solche oben S. i nach Fol. 483' einer 1375 
geschriebenen Bibel in der Mechitharisten-Bibliothek zu Wien reproducirt ist. 
Derartige Palmettenstäbe stehen am Beginne jedes der vier Evangelien. An Kapitel- 
anfängen dagegen werden sie kleiner gebildet, wie oben S. 17 nach Fol. 396 ^ 
derselben Handschrift. In letzterer Verwendung wechseln sie schon in einem vom 
Mönche Chatschatur im 11. Jahrhundert geschriebenen Evangeliar von S. Lazzaro» 
mit kirchen- oder tempelartigen Ornamenten, wie oben S. 75 eines nach der 
genannten Handschrift in Wien, Fol. 504^, reproducirt ist. Die Palmettenstäbe 
werden, soweit mir bekannt, nur in den ältesten Handschriften zur Bildung von 




Armenische Initialen vom Jahre 1375. 

Initialen herangezogen, so in dem sogenannten Evangeliar von Trapezunt und 
einer Handschrift des 12. Jahrhunderts im Besitze des eben verstorbenen Pro- 
fessors N. O. Emin in Moskau.« Im Übrigen lässt sich in der Initial-Ornamentik 
schon im 11. Jahrhundert ein neuer Geschmack nachweisen. In dem von Ward 
im II. Jahrhundert mit Ornamenten geschmückten Evangeliare Nr. 196 (20) von 
S. Lazzaro nämlich sehen wir Vögel, deren Schwänze in Buchstabenform 
gebogen sind. Die Vogelgattimg variirt noch, doch haben alle als Pendant zu 
der Verlängerung nach unten eine Ranke im Schnabel. • Später tritt dieses 
Vogelschling-Omament stereotyp auf. Dann aber wird nur eine Vogelart ver- 
wendet und die Ranke nur da in dem Schnabel angebracht, wo der Vogelkörper 
allein zur Herstellung der Buchstabenform oder zur Verbindung mit dem nächsten 



i Stassoff im «Ardzagang» 1886, Nr. 26. 

2 StassofF, L'omement slave et oriental, pl. CXLI, Fig. 24 — 28. 

> Ebenda pl. CXLI, Fig. i— 10 und Fig. 12—23. 



91 

Buchstaben nicht hinreichte. Die nebenstehende Abbildung ist nach Fol. 5* der 
Handschrift vom Jahre 1375 im Mechitharistenkloster zu Wien hergestellt. Man 
wird bemerken, dass neben den VogelschUng-Initialen hier noch eine zweite 
Gattung, die geknoteten Schling-Initialen, vorkommen. Sie werden ungefähr 
ebenso häufig verwendet wie die ersteren. Seltener dagegen sind Fisch-Buch- 
staben, wie einer oben S. 85 nach Fol. l'' des Cod. arm. 30 A, einer 
Pergamenthandschrift der Evangelien aus dem ca. 13. Jahrhundert (gebunden 1451 
von Johannes) im Mechitharistenkloster zu Wien abgebildet ist. 

Woher kommen nun alle diese neuen Motive, welche die national armenischen 
geworden sind ? « Spricht sich in ihnen der individuelle Formensinn der armenischen 
Nation aus, der mit Erlernung der Technik allmälig siegreich neben den 
byzantinischen Formen zum Durchbruche kam, oder sind auch sie vom Aus- 
lande her in Armenien eingedrungen? 

Für das Palmettenmotiv kann der Ursprung nicht in Frage kommen. Die 
südöstlichen Nachbarn der Armenier sind nacheinander die Perser, Sassaniden, 
endlich die Araber gewesen. Armenien kam früh unter die Herrschaft der 
letzteren und wird auch während der darauf folgenden Zeit nochmaliger Selbst- 
ständigkeit (859 — 1045) nicht ohne Beeinflussung von Seiten der arabischen Kunst 
geblieben sein. Mit der Eroberung durch den Seldschucken-Sultan Alp Arslan 
im Jahre 1064 ging das Land ganz zum Orient über. Es kann uns daher nicht 
Wunder nehmen, wenn wir die Vorbilder für das Palmettenmotiv in Persien 
nachweisen können. Schon Uwaroff hat darauf mit Recht gelegentlich der Initialen 
im Evangeliar von Trapezunt in S. Lazzaro hingewiesen. An den Pilasterftülungen 
des Chosroes-Bogens zu Tak-i-Bostan finden wir das Prototyp dieser Verzierung 
in Stein gehauen.* Dasselbe Motiv kehrt wieder an den sassanidischen Capi- 



1 Beispiele dafür aus den folgenden Jahrhunderten bei Stassoff a. a. O., pl. CXLII bis 
GXLVIII vorwiegend aus der Bibliothek von S. Lazzaro, UwarofF in den Trudy des 5. arch. 
Congresses zu Tiflis, Taf. XII — XV aus der Etschmiadzin- und LazarefT-Bibliothek, Alishan, 
Ai'rarat zu S. 256, Sisuan zu S. 235 nach Handschriften in S. Lazzaro, Karamianz, Ver- 
zeichniss der arm. Handschriften der kgl. Bibl. zu Berlin Taf. III, Westwood, Palaeo- 
graphia sacra pictoria, Tab. 9 nach einem Evangeliar des Herzogs von Sussex, Racinet, 
L'omement polychrome, S^r. II, Beaumont, Omements turcs pl. 27 — 29, wiederholt bei A. Riegl, 
Altorientalische Teppiche, Leipzig 1891, S. 167, ferner unpublicirt z. B. im Cod. 10 A der orien- 
talischen Handschriften der Biblioth^ue nationale (nach Kondakoff HcTopifl ctp. 246), in den 
armenischen Handschriften der kais. HofbibUothek Cod. arm. VI und IX, und der Bibliothek 
des Mechitharistenklosters zu Wien, in dem Cod. arm. I, einem im Jahre 1278 von Arakhel 
geschmückten Evangeliar in der k. bayr. StaatsbibHothek zu München u. a. O. 

• Coste et Flandin, Voyage en Perse, pl. V, wiederholt bei A. Riegl a. a. O., S. 137. 



12* 



[ 



92 

teilen zu Tak-i-Bostan und Ispahan. ' Frühzeitig sehen werden diese Formen in 
die Kunst des Nachbarlandes eingedrungen und später nach Verbindung beider 
Länder im ii. Jahrhundert national geworden sein. Zugleich machen sich die 
deutlichsten sarazenischen Einflüsse geltend in der Art, wie die byzantinischen 
Grundformen der Canon- und Titelkrönungen modificirt werden. Die halbkreis- 
förmige Lünette verschwindet, an ihre Steile treten mannigfach gegliederte 
sarazenische Spitzbögen, wie sie z. B. die Leiste auf S. i nach der Handschrift 
vom Jahre 1375 zeigt. Ebenso weicht das ursprünglich zur Füllung verwendete 
byzantinische Blüthen- und Flechtomament dem sarazenischen Schlingomament 
mit Palmettenausläufen. 

Woher kommt nun das Fisch-Vogel-Schlingornament der Initialen? Wie erklärt 
sich die auffallende Thatsache, dass sich der gleiche Geschmack in merovingischen, 





Fisch -Vogel-Initialen aus vorkatolingischen Handschriften. (Im Gegensinne.) 

longobardischen und anderen vorkarolingischen Handschriften nachweisen lässt? 
In nebenstehender Abbildung gebe ich ein Beispiel dieser letzteren Gattung, 
zusammengestellt nach einer Tafel bei P, Lacroix, Le moyen äge et la renaissance. 
Bordier » hat entgegen der früheren Annahme, dass diese Motive zuerst in 
den Handschriften der vorkarolingischen Zeit vorkämen, auf Grund der Ornamentik 
des byzantinischen Evangeliars Nr. 277 aus dem 9. Jahrhunderte der Bibliotheque 
nationale angenommen, dass die Verwendung von Thieren bei der Bildung von 
Initialen die älteste byzantinische Art sei, welche zuriickgehe auf die römische 
Antike, für die sich ähnliche Bildungen nach Martial XIII, 75 und Ausonius ' 



I Dieulafoy, L'art antique en Perse, IV, p. 6t, Coste et Flandin a. a. O., I, pl. 27, 28, 
Schnaase, 111^, S. 312. 

3 Description des . . . mss. grecs de la bibl. nat. p. 24. 

• de litteris monosyllabis graecis et latinis 348, 25 vol. 2 ed. London 1823, p. 560. Vergl. 
Gardthausen, Griecli. .Palaeographie S. 87 und Springer in den Abh. d. kgl. sächs. Akad. d. 
Wiis., Phil.-Hist. a. XI, S. 347. 



93 

vermuthen liessen. Bordier würde also die Vogelbuchstaben der armenischen 
Handschriften sehr einfach durch byzantinische Vorbilder eingeführt finden. Aber 
die byzantinische Kunst hat ebensowenig wie die antike gerade das Vogel- 
respective Fischmotiv cülein durchgebildet. Für die Antike bezeugt dies gerade 
Ausonius sowie der Umstand, dass derartige Ornamente in allen Inscriptionen 
und Manuscripten mit antikem Inhalte fehlen. In den byzantinischen Hand- 
schriften kommen Vögel viel seltener vor als menschliche Gliedmassen, wie 
z. B. ständig eine Hand als Horizontalhasta des 6. ' Es ist daher zum mindesten 
eine sehr auffallende Erscheinung, dass die nordische Kunst aus der antiken, 
die armenische — und ich füge gleich bei auch die russische * — Kunst aus der 
byzantinischen gerade die Vogel- und Fischcombinationen ausgewählt und zum 
nationalen Stil ausgebildet haben. Die Thatsache somit, dass Buchstaben, die 
sich aus Fischen oder Vögeln zusammensetzen, in der antiken und byzantinischen 
Kunst vorkommen, beweist nur, dass die Armenier von dorther die Anregung 
zur Bildung solcher Initialen erhalten haben könnten. Dasselbe gilt für die Knoten- 
schling-Buchstaben. Nicht uninteressant ist dabei, dass in der ältesten armenischen 
Schriftsprache Fischnamen fehlen, wie Pater Dashian, Mitglied der Wiener 
Mechitharisten-Congregation, die Güte hatte, mir mit einem Hinweis auf die im 
5. Jahrhundert entstandene armenische Übersetzung Basilius des Grossen mitzu- 
theilen. » Es wird nunmehr — und das besser in anderem Zusammenhange — in 
erster Linie die Frage zu beantworten sein, warum die Vorkarolinger und Armenier 
gerade diese Omamentformen annahmen. 

Ein Beleg für den Zusammenhang des Ursprunges der national armenischen 
Ornamentik der späteren Zeit mit byzantinischen Traditionen scheint mir auch 
in einem Motiv zu liegen, welches in der auf S. i angebrachten Leiste nach der 
Bibel vom Jahre 1375 sehr bezeichnend hervortritt. Wir sehen dort einmal als 
Krönung neben der Vase in der Mitte zwei Vögel, das andere Mal innerhalb 
der das innere Feld füllenden Verschlingungen zwei geflügelte Thierkörper, in 
beiden Fällen mit Menschenköpfen gemalt, auf denen im Innenfelde noch 
Kronen sitzen. 

Die Vögel mit Menschenkopf stellen unzweifelhaft Sirenen dar. Man kannte 
ihr Vorkommen in christlicher Zeit bisher nur in Bildwerken des Abendlandes 



» Beispiele bei Bordier a. a. O., p 88, Bayet, Hist. de Tart. byz., p. 173, Monfaucon, 
Pal. Gr., p. 255, d'Agincourt, Peint., pl. XLIX, Gardthausen a. a. O., S. 88, Kobell, Kunstvolle 
Miniaturen und Initialien aus Handschriften des 4. bis 16. Jahrhunderts. München 1890 u. a. O. 

« Vergl. Stassoff a. a. O., pl. LXXIII ff., LXXXIV ff. 

8 Basilius im Hexaemeron. Tractatus VII (editio Arm. 1830 in Venezia). 



94 

seit dem 12. Jahrhunderte. Dort kamen sie in zweierlei Gestalt vor.' Wir 
berücksichtigen nur die eine schon von Isidorus im 6. Jahrhundert* und dem 
althochdeutschen Physiologus des 12. Jahrhunderts« gegebene Auffassung, 
wonach die Sirenen halb Jungfrauen, halb Vögel mit Flügeln und Klauen gewesen 
seien, eine Bildung somit, die aus der Antike und durch die altchristliche Kunst 
übernommen ist. Nun irrt sich aber Piper, * wenn er behauptet, dass in dem 
griechischen Physiologus unter den Werken des Epiphanius die Sirenen überhaupt 
nicht erwähnt würden. Ich habe in der Bibliothek der ^EöaxyehxT] o](oXij zu 
Smyrna unter Nr. B, 8 die einzige erhaltene griechische Physiologus-Hand- 
schrift, welche mit Miniaturen geschmückt ist, aufgefunden. Und in derselben 
sieht man auf einem Blatte die Sirene, deren Körper wie ein Vogel gebildet ist, 
aus dem die weibliche Brust und der menschliche Kopf herauswachsen. Sie 
steht dem Kentaum gegenüber und hält in den Händen eine Harfe. Derselbe 
Typus kehrt wieder in einem byzantinischen Stein -Relief, das ich aus den 
Magazinen des Centralmuseums zu Athen hervorgezogen habe. Man sieht dort 
die Sirene als einen Vogel mit Menschenkopf, auf dem sie eine Krone trägt, 
in der einen Kralle eine Art Stab haltend. Vor ihr ein Baum, um den sich eine 
Schlange windet, gegenüber ein Krieger mit Schild und erhobenem Schwerte 
vorschreiiend. Die Sirene erscheint ferner unter den Monstra der vom Maler- 
buche* zh ndaa nvorj genannten Darstellung in zahlreichen Malereien der 
athonischen Kirchen und in der Darstellung des jüngsten Gerichtes im Kloster 
Phaneromeni auf der Insel Salamis. Der Typus des Vogelkörpers mit Menschen- 
kopf findet sich endlich wieder an dem türkischen Grabmale des Fatmah Khadoun 
zu Nigd6 in Kleinasien.« Wie weit nun die Kunstdarstellungen des Abendlandes 
von den byzantinischen abhängig sind, wird in der Bearbeitung der Physiologus- 
Handschrift in Smyrna, die ich unter den Händen habe, erörtert werden. Die 
armenischen Miniaturenmaler aber haben dieses Motiv ursprünglich wohl nach 
byzantinischen Vorbildern copirt. 

Nicht anders steht es um die Thierkörper mit Menschenkopf. Ich habe 
auf der Akropolis in Athen drei Steinarchitrave zusammengetragen , die dann 
in den Vorhof des Centralmuseums gebracht wurden, auf denen in spätbyzan- 



» Piper, Mythologie der christlichen Kunst I, S. 386 ff. 

» Orig, Xr, 3, 30. 

» Hoffmann, Fundgruben, I, S. 19, 25. 

* a. a. O. S. 382. 

* ed. Schaefer, S. 237. 

6 Texier, L'Asie mineure, 11, pl. 95. 



95 

tinischer Zeit in roher Weise dieselben Monstra halb in Relief, halb eingeritzt 
dargestellt waren, nämlich ein sphinxartig kauernder Löwenkörper mit Flügeln 
und dem gekrönten Menschenkopfe. Denselben Typus fand ich wieder in einer 
fragmentirten grossen Relieftafel im Depot des Centralmuseums, wo ein solches 
Monstrum neben einem Baumstamm aufrecht sitzt, endlich in einem Relief, das 
in die Fa9ade eines Kaffeehauses am Hafen der Stadt Aegina auf der gleich- 
namigen Insel eingemauert ist. Kein Zweifel also, dass diese monströse Bildung 
der byzantinischen Kunst geläufig war und auch sie wahrscheinlich von Byzanz 
aus in die armenische Miniaturenmalerei eingedrungen ist. Auch die georgische 
Kunst bietet ein derartiges Beispiel: in der zerstörten Kirche bei Kutais fand 
ich ein Pilastercapitell, auf dessen einer Seite ein Greif dargestellt ist, der ein 
Thier mit Menschenkopf (aber ohne Krone) zerfleischt. Über die Bedeutung 
dieses Fabelwesens werde ich an anderer Stelle handeln.* 

Ein Blick auf die Ornamentik der armenischen Handschriften hat uns somit die 
gleichen Resultate geliefert wie die Betrachtung der figürlichen Bildtypen. Waren 
dort die religiösen Scenen im byzantinischen Typus gehalten, so legen die 
FischvogeUnitialen, das Vorkommen der Monstra und eine Gruppe von Orna- 
menten, in denen die Büsten von Heiligen aus Zierathen herauswachsen,« den 
gleichen Zusammenhang mit Byzanz nahe, ganz abgesehen von Ornamenten des 
IG. — 12. Jahrhunderts, die ganz direct nach einer byzantinischen Vorlage copirt 
sind. Zeigten femer die profanen Scenen der Figurenmalerei deutlich sara- 
zenische Motive, so tritt der Einfluss dieses Kunstkreises auch in der Ornamentik 
in den Palmettenstäben hervor. Diese letzteren Motive lassen sich schon im 
IG. Jahrhunderte, die Vogel-Initialen schon im ii. Jahrhundert nachweisen, und 
zwar mit einer Sicherheit und einem Reichthume der Ausführung, dass Stassoff 
mit Recht angenommen hat, diese Art der Ornamentik müsste schon viel früher 
entstanden sein. Wir kommen somit ganz ungezwungen auf das 9. Jahrhundert 
etwa, in welcher Zeit sich wahrscheinlich auch der nationale Architekturstil zu 
entwickeln begann. Die Handschriften von 887 und 989 sind leider keine Belege 
dafür, die letzteren vielmehr, wie nachgewiesen, ein Ausnahmefall, indem dort 
eher noch die alten syrischen Vorlagen durchblicken. Im 13. Jahrhundert ist 
der armenische Omamentstil jedenfalls völlig ausgebildet und zeigt dann die 
reizvollsten und feinstempfundenen Linienspiele in einer Mannigfaltigkeit und 



1 Vergl. inzwischen N. F. UoXhrjg, NeoeXXtfvixij /tw&oXoyia. 

2 Bei Uwaroff a. a. O., Taf. XV. Besonders interessant der bärtige Christus mit einem 
Thier auf den Schultern unter Nr. 79 • . 



96 

einem Reichthume, wie ihn nur noch die besten arabischen und lateinischen Bei- 
spiele der Miniaturenmalerei aufweisen. 

Zum Schlüsse sei noch hinzugefügt, dass armenische, mit Miniaturen 
geschmückte Manuscripte seit dem 14. Jahrhundert ungemein zahlreich auf uns 
gekommen sind. Man sehe nur den Catalog der Beriiner Handschriften von 
Dr. Karamianz durch, und man wird erstaunen über die Fülle des figürlichen 
Schmuckes, der dort von fast jeder zweiten Handschrift aufgeführt wird. Die 
meisten älteren Handschriften stammen aus dem im Jahre 1080 in Kilikien 
gegründeten armenischen Reiche, wo besonders Leo III. (1269—89) als Förderer 
der Kunst gerühmt wird. Die jüngeren Handschriften sind zumeist von aus- 
gewanderten Armeniern in Constantinopel, der Krimm, Galizien u. a. O. 
geschrieben. Sehr erleichternd für ein eingehenderes Studium dieser interessanten 
Kunst werden die fast keiner Handschrift fehlenden, genauen Datirungen sein. 
Sehr oft werden auch Künstlernamen genannt. Alishan Sisuan S. 517 ff, hat 
einige zusammengestellt: Gregor, Basil, Hethum, Constantin, Sargis, Jacob. 
Dazu Cod. Berol. 8 Thumas, Cod. Monac. I Arakhel. Bisweilen unterzeichnen die 
Maler auch eine einzelne Miniatur wie Cod. Berol. 6 am Bilde der Verkündigung 
Mkertitsch und in der Bibel vom Jahre 1375 in der Mechitharisten-Bibliothek zu 
Wien am Bilde des Evangelisten Johannes Melchisedek. Diese löbliche Sitte ist 
bei Armeniern, Georgiern, Neugriechen und Russen förmlich zu Sucht geworden, 
so dass man in Klöstern kein modernes Metallgeräth in die Hand nehmen kann, 
ohne sofort den Namen des Handwerkers zu erfahren, der es geschaffen hat. 



ANHANG I. 



13 



Zwei Goldenkolpien aus Adana 

im kais. ottomanischen Museum zu Constantinopel. 



Ich schliesse der Publication des Etschmiadzin-Evangeliars die Veröffent- 
lichung von Kunstobjecten an, von denen die einen (Anhang I) dem palästinischen 
oder ägyptischen, die anderen (Anhang II) sicher dem ägyptischen Kunstkreise 
des 6. beziehungsweise 7. Jahrhunderts, also einer Zeit angehören, in die als Entwick- 
lungsphase der christlichen Kunst auch die ravennatischen Elfenbeindeckel und 
die syrischen Miniaturen des Etschmiadzin-Evangeliars fallen. Sie schliessen sich 
insbesondere enger an die syrischen Miniaturen, indem sie Culturkreisen ange- 
hören, die, in der ältesten Zeit noch unabhängig von der in den europäischen 
Gebieten des römischen Reiches keimenden christlichen JCunst, seit der Eroberung 
durch die Araber vollständig unter den Einfluss der byzantinischen Kunst 
gelangen. 

Das kaiserlich ottomanische Museum im Tschinili Kiosk zu Constantinopel 
besitzt zwei Goldmedaillons , welche nach dem Inventar im Jahre 1882 in Adana 
in Kilikien gefunden wurden. Herr Generaldirector Hamdi-Bey hatte die Güte 
dieselben für mich in Originalgrösse photographiren zu lassen. Nach dieser Auf- 
nahme ist die Abbildung auf Tafel VII hergestellt. 

Die Medaillons haben 8.2 cm Durchmesser, sind auf beiden Seiten geprägt 
und stimmen imtereinander vollständig überein. An dem einen ist der Rand 
gerade da ausgebrochen, wo man an dem zweiten Exemplare zwei Ösen sieht, 
die zum Durchziehen einer Kette oder Schnur bestimmt waren. Die Vorder- 
seite beider Medaillons zeigt einen breiten Rand, der mit vierzehn Brustbildern 
geschmückt ist. Oben in der Mitte ist unter den Ösen auf dem vollständig erhal- 
tenen Medaillon Christus bärtig, mit langem Haar und Kreuznimbus sichtbar. 

13* 



lOO 

Um seine Schultern ist ein Mantel geschlungen. Gerade unter ihm auf der gegen- 
überliegenden Seite des Randes sieht man Maria mit der vom Kopf auf die 
Schultern herabfallenden Penula und dem einfachen Nimbus. Die Hände sind 
nicht sichtbar. Zwischen Christus und Maria sind, durch S-förmige, mit Strich- 
lagen in den Ecken ergänzte Ranken getrennt, je sechs Brustbilder von Männern 
gebildet, die alle den Nimbus haben. Die in dem zerknitterten dünnen Goldblech 
schwer erkennbaren Kopftypen sind verschieden. Ich notirte vor dem Originale 
links von oben: i. Kahl, Spitzbart. 2. Kurzes Haar, bärtig? 3. Kahl, Spitzbart. 
4. und 5. ebenso. 6. Kurzes Haar, bärtig?; rechts von oben: i. Fast zerstört, 
scheint bärtig. 2. Kurzes Haar, runder Bart. 3. Kahl, Spitzbart. 4. Kahl, runder 
Bart. 5. Kahl, Spitzbart. 6. Kurzes Haar, Spitzbart. Es kann kein Zweifel sein, 
dass die zwölf Apostel dargestellt sind. 

Dieser Randstreifen wird nach aussen durch ein glattes Band und eine 
kräftig vorspringende, nach innen durch eine dünnere Perlschnur begrenzt. 
Gleiche Perlstäbe theilen auch das Innenfeld in drei Streifen. Im obersten 
sieht man links in der äussersten Ecke eine Pflanze mit grossen kolokasien- 
artigen Blättern. Dann folgt ein gebückt nach rechts hin schreitender bartloser 
Mann, der mit der tunica exomis bekleidet ist und sich mit der rechten Hand 
auf einen Stock stützt. Vor ihm rechts steht, grösser als er, Christus, bärtig, mit 
langem Haar und Kreuznimbus. Er trägt die Tunica und einen weiten Mantel, 
unter dem die linke Hand hervortritt, während die rechte mit dem lateinischen 
Sprechgestus über dem Kranken erhoben ist. Dieser Typus Christi bleibt in allen 
folgenden Scenen stereotyp. Die Deutung gibt uns eine über dem Kopfe des 
Kranken und zwischen den Figuren angebrachte Inschrift: TQNTY0AON d. h. 
(Xptazb^ lw/i£vo(:) TÖv rufXöv. — Rechts daneben sieht man wieder einen kleinen 
bartlosen Mann, diesmal in einer langen Tunica, mit gesenkten Händen auf 
Christus zuschreitend, der rechts vor der in der Ecke wachsenden Pflanze steht. 
Die Inschrift deutet: TßNAEUPON d. h. (Xpiazh^: Iwfievot:) tov XeTtpöv. 

Im mittleren Streifen sind drei Scenen dargestellt. Ganz links eilt hinter 
dem sich mit erhobener Rechten zurückwendenden Christus eine in die lange 
Tunica gekleidete Gestalt gebückt her und berührt mit beiden Händen sein 
Gewand. Über ihr steht THN EMOPOOYCAN d. h. {XptaTo(: lw/jLevo(:) tt^v acpop^ 
poouaa)f. — In der Mitte des Streifens folgt auf eine trennende Pflanze ein 
kleiner, wie es scheint bärtiger Mann in kurzer Tunica, der, nach links hin 
wegschreitend, einen geflochtenen Rahmen geschultert trägt und auf Christus 
zurückblickt, der rechts von ihm steht. Über ihm liest man: TON nAPAAYTIKON 
d. h. (Xpiazbi: icipevo^) tov napaXuTtxov, — Darauf folgt rechts ein in die lange 



lOI 

Tunica gekleideter, vielleicht bärtiger, kleiner Mann, der in Vorderansicht mit 
nach links hin zurückgelegtem Körper und erhobenen Händen, von denen Fesseln 
herabhängen, vor Cliristus steht. Über ihm liest man: TON dEMONlZOMENON 
d. h. (Xpiarh^ ici/xevo^) tov dacuove^^d/xevov. 

In dem untersten Streifen wächst links in der Ecke zunächst wieder 
die Pflanze. Neben ihr sieht man einen Gegenstand aufragen, der wie ein 
gekrümmter Obelisk mit einer Kugel an der Spitze aussieht. Davor steht ein in 
gekreuzte Bänder gewickelter Körper mit barüosem Kopf. Ihm gegenüber 
Christus. Zwischen beiden Figuren liest man: AAZAPEäEYPOESO d. h. Ad^ape, 
dsopo i^w, der Ruf Christi an Lazarus nach Joh. XI, 44. — Rechts daneben 
steht eine Gestalt in langer Tunica und zieht mit beiden Händen an einem 
Stricke, der über das Gestell eines Ziehbrunnens läuft und einen Eimer trägt. 
Gegenüber steht Christus, dann folgt abschliessend die Pflanze. Um die Gestalt 
links ist geschrieben: T/N CAMAPITHNCAN d. h. (Xptaxh^ 5ptXaJv npk) ryv Ja- 
papivtffüav. (?) > 

Die Rückseite beider Medaillons (in der Abbildung rechts) ist mit einem 
breiten Mäanderband umrahmt und im Übrigen wie die Vorderseite durch 
Perlschnüre in drei Streifen getheilt. Oben in der Ecke links kniet zunächst 
eine mit dem Kopftuch und einem langen Gewände bekleidete Frau, welche die 
Hände gekreuzt vor der Brust hält. Neben ihr sitzt auf einem Throne mit hoher 
Lehne und Polster eine Frau mit Kopftuch und Nimbus, die rechte Hand vor 
die Brust haltend, während die linke erhoben ist und das Ende eines dicken Fadens 
hält, der in einem am Boden stehenden Korbe verschwindet. Rechts daneben 
sieht man einen Engel mit Flügeln und Nimbus, gekleidet in Tunica und Pallium, 
unter dem die linke Hand sichtbar wird, während die rechte nach links hin den 
lateinischen Sprechgestus macht. Zu beiden Seiten des Engels steht: XEPE 
KAIXAPITOMENI KTPIOG ME TA COT d. i. die Anrede des Engels bei der 
Verkündigung an Maria: Xacpe xB^aptrwpevT], b xupeo<: peza aou nach Luc. I, 
28. — Rechts daneben zwei Frauen mit Penula und Nimbus, die, aufeinander 
zueilend, sich an den Händen fassen. Die Scene, obwohl ohne Beischrift, kann nur 
die Begegnung zwischen Maria und Elisabeth darstellen. Rechts in der Ecke 
die Pflanze. 

Im mittleren Streifen steht links am Boden die Krippe , in der das in Bänder 
gewickelte und mit dem Nimbus versehene Kind liegt. Über ihm hängt eine 



1 Bruno Keil hält es, da das Femininum Cafiagiziaoav nicht zu belegen, dagegen CafiaqXxig 
die gewöhnliche Form ist, für wahrscheinlich, dass diese Beischrift zu lesen sei (XQiarog awl^mv) 
UV (JaCfiJaßTrrjv e äv(6Qag eoxtjxvTavJ, wobei statt C ein 6 (= 5) zu lesen wäre. 



I02 

Ampel und an den Seiten stehen links der Esel, rechts der Ochs. Unter der 
Krippe steht IlAONI^ daneben ein Stern. — Durch einen Baum getrennt folgt 
zunächst eine auf einem Esel reitende Frau mit Nimbus, welche ein Kind, das 
keinen Nimbus hat, im Schoosse hält. Der Esel wird von einem bärtigen Manne 
geleitet, der durch eine Cypresse getrennt nach rechts hin vorausschreitet und 
zurückblickt. Zu Äusserst rechts steht ein mit einer Kuppel und Knopfabschluss 
gekrönter Bau, der vom durch Thüren geschlossen ist. Um den Mann herum 
liest man IßCH<l> ErTUTOC d. h. die Bezeichnung des Mannes als ^lioarjf, des 
Gebäudes als Aiyottto^, Dargestellt ist die Flucht nach Aegypten. 

Im untersten Streifen wächst in der Ecke die Pflanze. Dazwischen sitzt 
zunächst rechts auf einem Stuhle mit hoher Lehne Maria mit dem Nimbus, in 
ihrem Schoosse Christus haltend, dem der Nimbus fehlt. Er erhebt segnend die 
rechte Hand gegen die drei Magier, welche dicht aneinander gedrängt auf ihn 
zuschreiten und in den Händen kranzähnliche Geschenke halten. Sie sind alle 
drei bärtig, tragen kronenartige Kopfbedeckungen und sind bekleidet mit einem 
kurzen Rock und Hosen. Über Christus sieht man einen Stern, auf den eine 
nur mit dem Lendenschurze bekleidete Gestalt weist, die hinter den Königen 
mit gekreuzten Beinen an einem Felsen lehnt und sich mit der linken Hand auf 
einen Stab stützt. Über ihr und den Königen liest man: EUR BASIAEYC 
d. h. El^k, 1} ßaadeb^ (tcov ^/oodaiwv) mit Bezug auf die Frage der Könige 
nach Matth. II, 2: ;ro5 eoTcv o T£/t%i<: ßaatXehz rm '/ouoatcov; etdo/iev yäp ai- 
Too Tf)v dazipa xts. Hinter dem Hirten am Fusse des Felsens, an den er sich 
lehnt, ein Hund. Links in der Ecke eine Frau mit aufgelöstem Haare dasitzend 
und das Gesicht wie trauernd in die Hände stützend. 



• 

Nach den ösenartigen Ansätzen zu urtheilen, sind die beschriebenen 
beiden Medaillons Enkolpien. Deren gibt es verschiedene Arten. Nach Anastasius 
Bibliothecarius * zunächst versteht man unter Enkolpion crucem cum precioso 
ligno vel cum reliquiis Sanctorum ante pectus portare suspensam ad coUum. 
Solche Kreuzenkolpien finden sich im Museo Kircheriano, * in S. Alessio in Rom, * 
in Monferrato,^ in Monza (Garr. 433, 2), im Besitze des Malers Botkin in 



» Ad acta s. Synodi VIII. 
» Kraus R.-E. I, S. 420. 
3 Borgia, de cruce Veliterna zu pag. 133. 

•* G. A Irico «Sacrosanctus Evangel. Codex S. Eusebii», Mediol. 1748 I, p. LVI (nach 
Garr. VI, p. 43). 



I03 

Petersburg" u. a. O., eines der schönsten Exemplare wurde 1863 aut der Brust 
einer Leiche bei S. Lorenzo fuori le mura gefunden.* Ausser der Kreuzform 
werden für die Enkolpien als Reliquienbehälter, besonders von den Neu- 
griechen und Russen, verschliessbare Medaillons, sogenannte Panagien, ver- 
wendet, die in den ortliodoxen Klöstern in Holz oder Elfenbein geschnitzt werden 
und in griechisch-katholischen Gegenden sehr verbreitet sind. Auch in den 
Sammlungen Westeuropas sind Beispiele nicht selten, so im bayerischen National- 
museum und im Vatican.^ 

Von diesen Enkolpien, die als Behältnisse zur Aufbewahrung von Reli- 
quien, Sprüchen oder des Sacramentes dienten, sind zu unterscheiden die 
Devotionalien, welche kein Behältniss in sich schliessen. In früherer Zeit haben 
sie die symbolischen Formen des Ankers, des Fisches oder Schiffes, später die 
des Monogrammes oder Kreuzes. Daneben wurden Medaillons zum Andenken 
an religiöse Feste, wie die von de Rossi in Rom gesammelten,* oder zur 
Erinnerung an den Besuch heiliger Stätten, besonders Jerusalems, getragen. Zu 
letzteren zählt de Rossi * die Medaillons mit der Darstellung des mit dem Kreuz- 
nimbus geschmückten bärtigen Kopfes Christi auf der Vorderseite und auf der 
Rückseite in einem Falle mit der Anastasis, im anderen mit der Taufe Christi 
(Garr. 480, 14 und 15). 

Der Gruppe der Devotionalien schliessen sich auch unsere Goldenkolpien 
an. Von den oben angeführten unterscheiden sie sich schon durch ihre Grösse 
und den Reichthum ihrer Ausstattung. Doch stehen sie in ihrer Sonderart nicht 
vereinzelt da. Mir sind noch drei derartige Goldmedaillons bekannt geworden, 
die ich im Nachfolgenden zusammenstelle: 

I. Charles Diehl beschreibt ein solches Medaillon im Museum zu Catanzaro 
in Calabrien.« Man sieht darauf die Darstellung der Magier: < Maria sitzt links 
mit Nimbus, den Kopf in einen Schleier gehüllt und mit einem grossen, sehr 
roh drapirten Mantel bekleidet, auf einem Throne. Sie hält auf ihren Knien das 
Kind, dessen Kopf von dem Kreuznimbus umschlossen und von ganz unver- 
hältnissmässiger Grösse zu der der übrigen Figuren ist. Auf diese Gruppe 
schreiten, einer hinter dem andern, die drei Magier zu, ihre Gaben tragend. Sie 



» Lacroix, Les arts au moyen äge, p. 133. 

2 de Rossi, Bull. 1863, p. 31, Kraus R.-E. I, S. 420. 

» Abgebildet bei Westwood, fictile ivories zu p. 99. 

4 Bull. 1869, p. 33 ff. 

» Ebenda p. 58. 

« Mdanges d'arch. 1890, p. 301. 



L 



I04 

sind bekleidet mit kurzen, sehr schlecht drapirten Tuniken und gekrönt nach 
Art der byzantinischen Kaiser. Alle drei haben Bart. Über ihnen sieht man den 
Stern, welcher sie geleitete. Ein nimbirter Engel mit grossen Flügeln und einem 
Scepter in der Hand schwebt fast horizontal über dieser Scene. Die Arbeit ist 
sehr mittelmässig, aber das, wie ich (Diehl) glaube, unedirte Monument sehr 
merkwürdig. Es bietet uns eine Darstellung der Anbetung, welche sehr 
verschieden ist von derjenigen, welche während der ersten Jahrhunderte vor- 
herrschte. Die Gegenwart des Engels besonders verdient Beachtung.* Ebenso 
merkwürdig ist die Ersetzung der phrygischen Mütze durch Kronen. Ich glaube, 
dass man diesen kleinen und sehr dünnen Golddiscus dem 9. oder 10. Jahr- 
hundert wird zuschreiben müssen.» 

2. Ein ähnliches Exemplar befindet sich nach Diehl (a. a. O. p. 302) im 
Museum zu Reggio. Es ist dem in Catanzaro ähnlich und stellt ebenfalls die 
Anbetung der Magier dar. Doch ist das Plättchen in Reggio von besserer 
Arbeit als das vorhergehende. cDie Madonna hält, auf einem Throne sitzend, das 
Kind, welches die Magierkönige mit einer ausgezeichneten Bewegung bewill- 
kommt. Diese, in kurze Tuniken gekleidet und diesmal, wie gewöhnlich, die 
phrygische Mütze tragend, neigen sich sehr natürlich gegen Christus. Der Engel 
allein ist mittelmässig ausgeführt: sein unverhältnissmässig langer Körper ist 
plump und ohne Grazie. Unter dieser Scene ist die Krippe dargestellt, hinter 
der man sehr verkleinert Ochs und Esel sieht. Zwei kleine Gestalten links und 
rechts stellen zweifellos Hirten dar. Die Arbeit ist sorgfältig und erinnert an 
die guten Werke des 6. Jahrhunderts.» 

3. Das Fragment eines in der Basilicata gefundenen Medaillons in der 
Sammlung Garrucci (Garr. 479, 4), welches bereits oben S. 72 besprochen 
wurde. Von der Darstellung ist Maria erhalten, welche in strenger Vorderansicht 
thront und ein Medaillon vor sich hält, in dem Christus sitzt: ein Typus, den 
wir in einer der syrischen Miniaturen des Etschmiadzin-Evangeliars (Taf. VI, i) 
wiedergefunden haben. Dieses Fragment dürfte dem 6. Jahrhundert angehören. 

Die beiden Medaillons im Tschinili-Kiosk zeichnen sich dadurch vor den 
übrigen aus, dass sie auf beiden Seiten geprägt sind und ihre Prägung eine 
viel reichere ist. Wir wollen versuchen, auf Grund der Typen -Vergleichung und 
durch einen Blick auf die Inschriften zu einem Urtheil über Zeit und Ort ihrer 
Entstehung zu gelangen. 



t cf. Bayet, Memoire sur un ambon de Salonique, in Duchesne et Bayet, Mission au 
Mont-Athos p. 268 ff. 



I05 

Schon die allgemeine Anordnung des figürlichen Schmuckes lässt eine 
weitgehende Ähnlichkeit mit den palästinischen Metallflaschen in Monza hervor- 
treten. So ist auch dort das innere Feld vom Rande durch einen breiten Streifen 
getrennt, der zumeist Inschriften, in zwei Fällen aber dieselben Brustbilder 
enthält, welche unsere Medaillons zeigen. Im ersten Falle (Garr. 434, i) ist auch 
dort Christus unter dem Halse der Flasche und die zwölf Apostel nach 
links und rechts hin am Rande vertheilt, im anderen (Garr. 434, 4) sieht man 
die Apostel allein, und zwar nur ihre Köpfe. Auch die streifenförmige Auf- 
theilung des Mittelfeldes lässt sich, obw^ohl nicht so streng durchgeführt, in den 
Metallflaschen nachweisen. Ich meine damit nicht etwa die Trennung des 
Bogenabschnittes unter den Füssen der Figuren: diese findet sich auch in 
weströmischen Bildwerken sow-ohl der antiken,^ wie der christlichen Kunst, z. B. 
auf dem Schilde des Theodosius * oder dem des Aspar vom Jahre 434, ^ sondern 
die horizontale Theilung, durch welche obere und untere Darstellungen geschieden 
werden, wie z. B. auf den Flaschen, wo die Kreuzigung oben, die Anastasis 
unten erscheinen und entweder durch Wolken (Garr. 434, 4, 435, i) oder ohne 
eine bestimmte Linie (Garr. 434, 2 und 6) horizontal von einander getrennt 
sind. Das die Rückseite unserer Medaillons umrahmende Mäander-Ornament 
lässt sich in Kunstwerken syrischer Provenienz nachweisen, so in der Bibel 
vom Jahre 586 (Garr. 131, i, 132, i, 135, 2, 137, 2) und in den Anfangsminiaturen 
des Etschmiadzin-Evangeliars (Taf. III). 

Die engen Beziehungen zwischen den Medaillons und den palästinischen 
Metallflaschen treten noch deutlicher bei einer Vergleichung der Typen hervor. 
Christus erscheint auf den Metallflaschen in mehreren symbolischen Kreuzigungs- 
bildem (Garr. 434, 2, 5, 6, 7 und 435, i) und am Rande des oben erwähnten 
Fläschchens (Garr. 434, i) im Brustbild mit greisenhaftem Antlitze, langem Haar 
und Bart, mit dem Kreuznimbus. Genau so auf dem vollständig erhaltenen 
Enkolpion. Ebenso auf den von de Rossi als palästinisch bezeichneten Bronce- 
denkmünzen (Garr. 480, 13—15). Maria hat wie sonst den einfachen Frauentypus. 
Ebenso lässt sich auch gegenüber den Tj^pen der Apostel die allgemeine Analogie 
mit der Metallflasche 434, i, heranziehen. Joh. Ficker* hat von dieser gesagt, 
dass die Kleinheit der Verhältnisse eine Individualisirung schwer zulasse, man 



1 Vergl. Miliin, Myth. Gall. CXXXVI, Baumeister, Denkm. S. 1860 u. 1708/9 u. a. m. 

2 Bei Schnaase III», S. 73 u. a. O. 

« Bracci, «Dissertazione supra un clipeo votivo», Lucca 1771. 
* Die Darstellung der Apostel etc. S. 139. 

14 



io6 

jedoch bemerken könne, dass auf Abwechslung oder besser Individualisirung 
kein Gewicht gelegt sei. Dasselbe gilt für die Goldmedaillons. 

Christus hat auch in den Wunderscenen den bärtigen Typus. Darin macht 
sich ein Gegensatz zu den oben S. 35 ff. gelegentlich der Besprechung des 
vorderen Etschmiadzindeckels genannten Kunstwerken Italiens aus dem 6. Jahr- 
hunderte, sowohl den Elfenbeinschnitzereien wie den Mosaiken von S. ApoUinare 
nuovo (Garr. 248/9) geltend. Nur in einem Kunstwerke ist er auch in diesen 
Scenen schon bärtig: in der syrischen Bibel vom Jahre 586. Also weist uns 
auch dieses Detail nach dem südlichen Oriente. 

Die Heilung des Blinden schliesst sich demjenigen Typus an, den man 
schon auf Sarkophagen als wahrscheinlich den jüngeren nachweisen kann. 
Während der Blinde nämlich auf einem Theile der Sarkophage, in den Kata- 
kombenmalereien und auf der Lipsanothek in Brescia ohne Stock auftritt, stützt 
er sich auf einen solchen in den übrigen Sarkophagen, in den ravennatischen 
Elfenbeinschnitzereien und in dem Mosaik von S. ApoUinare nuovo. So auch 
in unseren Enkolpien, wo Christus, der sonst gewöhnlich die Augen des Kranken 
berührt, einfach die Hand erhebt, wohl deshalb, weil, wie oben in der Beschrei- 
bung angedeutet, der Künstler die Christusfigur möglichst ohne Änderung 
verwenden wollte. — Die Heilung des Aussät'^igen ist bisher in keinem altchrist- 
lichen Darstellungscyclus mit Sicherheit nachgewiesen. Vielleicht ist sie in der 
syrischen Bibel (Garr. 133, 2) gebildet, wo der Kranke keinen Stock hat, also 
nicht, wie Assemani und Biscioni glaubten, die Heilung des Blinden dargestellt 
sein kann. — Die Heilung der Haimorrhdissay hier durch die Beischrift gesichert, 
hat den Typus, den wir auf mehreren Sarkophagen (Garr. 314, 5, 315, 4, 320, i) ' 
und in der syrischen Bibel (Garr. 131, 2) sehen, wo die Frau hinter dem nach 
rechts schreitenden Christus hereilt und sein Gewand berührt. — Die Heilung des 
Gichtbrüchigen lehnt sich insofern an den Sarkophagtypus, als der Geheilte 
klein und mit dem Bett auf dem Rücken gebildet ist, ohne dass er dessen Füsse 
vor der Brust festhält.* Dagegen schliesst sie sich .darin an den späteren 
ravennatischen Typus, dass er im Wegschreiten sich nach Christus umblickt. 
Ähnlich ist die Darstellung der syrischen Bibel (Garr. 131, 2), nur hat dort der 
Geheilte die Grösse Christi. — Die Heilung des Besessenen, die auf den oben 
S. 37 besprochenen sieben' Repliken stets verschieden gebildet ist, hat auch 
hier selbständige Züge. — Ebenso originell ist die Auferweckung des Lazarus 



I Ähnlich Garr. 319, 3, 379, 2, 403, 4. 

« Vergl. oben S. 36. 

3 wozu noch die mir unbekannte Sculptur des Mr. Sneyd kommt. Westwood Nr. 771. 



107 

dargestellt. Während der Leichnam in den Malereien der Katakomben, auf 
Sarkophagen, Elfenbeinschnitzereien und Mosaiken mit wenigen Ausnahmen' 
vor einer Aedicula steht, ist das Grab hier wie ein auf die Schmalseite gestellter 
Sarkophag gebildet. Christus berührt Lazarus nicht wie zumeist in altchristlichen 
Darstellungen mit einem Stabe, sondern segnet ihn einfach, wie in den raven- 
natischen Bildwerken und allen späteren byzantinischen Repliken. — Das Gespräch 
Christi mit der Samariterin schliesst sich darin, dass Christus nicht sitzt, wir 
es der evangelische Bericht verlangen würde, an die älteren Darstellungen der 
Scene.* Die Composition, Christus rechts, die Samariterin links, der Brunnen in 
der Mitte, stimmt mit der auf Sarkophagen überein. ' Die Art aber, wie die Frau 
den Wassereimer in die Höhe zieht, findet sich wieder in der syrischen Bibel 
und ähnlich auf der Lipsanothek zu Brescia, an der Maximians-Kathedra (Garr. 
4^9) 3) und späteren byzantinischen Darstellungen. 

Die Verkündigung Mariae widerspricht, weil die Muttergottes sitzt, dem 
oben S. 70 ff. als wahrscheinlich erwiesenen syro-palästinischen Compositionsschema. 
Indessen ist die Art des Sitzens, nämlich in Vorderansicht, so, wie wir sie in 
St. Maria Maggiore und den mittel- und spätbyzantinischen Darstellungen sehen 
nicht aber wie in Ravenna im Profil. — Die Begegnung zwischen Maria und 
Elisabeth geliört nicht zu dem Bilderkreise der altchristlichen Kunst. Die einzige 
mir in Rom bekannte Darstellung ist die aus S. Valentino (Garr. 84, i), welche 
Marucchi der Zeit des Papstes Theodor (642—649) zuschreibt. * Wie die übrigen 
Fresken gleicher Provenienz, « so hat auch die Heimsuchung bereits völlig byzan- 
tinischen Typus, indem die Frauen sich gegeneinander neigen und umarmen.« 
Diesem Typus schliesst sich unser Relief nicht an, sondern es gibt einen älteren 

1 wie bei Garr. 82, 2 und 204, auf den meisten Goldgläsem, femer Garr. 444, 12. 

» Christus sitzend erscheint auf Sarkophagen nur einmal (Garr. 402, 7); ferner auf dem 
Pariser Diptychon (Garr. 458, i), auf dem Cameo Biehler (Garr. 479, 12) und dem Mosaik von 
S. ApoUinare nuovo (Garr. 249, 2). 

» Auf der Lipsanothek in Brescia (Garr. 452, 2), den beiden ravennatischen Pyxiden 
(Garr. 438, 2 und 4), in dem Mosaik des Baptisteriums zu Neapel (Garr. 269) und in der 
syrischen Bibel (Garr. 132, i) steht die Frau rechts. 

4 Rom. Quartalschrift 1889, S. 122. 

* Vergl. Schmid: Die Darst. der Geburt Christi, S. 123. 

6 Vergl. z. B. die Miniaturen im Pariser Gregor von Nazianz Nr. 510 bei Bordier p. 67, 
im Laur. Plut. 6 Cod. 23, Barb. gr. III 91 Fol. 140 r, ebenso in den commentirten Psaltern in 
London und im Kloster Pantokrator am Athos zu Psalm 84, 11, dann nach dem vaticanischen 
Menologium Agincourt Peint, pl. XXXI, 15 und Rohault de Fleury La Vierge pl. XVIL Femer 
in S. Marco in Venedig Fleury l'Evangile I, pl. IX, i, in den Malereien der Athosklöster und 
im Malerbuch ed. Schaefer, S. 172. Vergl. auch Piper im Evangelischen Calender von 1867. 

14* 



io8 

wieder, der auf einem ravennatischen Sarkophage (Garr. 344, 2) aus dem 
5. Jahrhundert und auf dem Pariser Diptychen aus dem 6. Jahrhundert (Garr. 458) 
erscheint. Auch hier kommen die Frauen auf einander zu, doch umarmen sie sich 
nicht, sondern strecken sich die Hände entgegen. Die Verwendung dieses Typus ist 
ein sprechender Beweis für das Alter unserer Medaillons. — Die Geburt Christi 
ist verkürzt angedeutet, wie in der Katakombe S. Sebastiano (Schmid Nr. i), 
auf dem Sarkophagdeckel in S. Ambrogio in Mailand (Schmid Nr. 18) und zwei 
bei Schmid noch nicht aufgeführten Reliefs: einer fragmentirten Marmortafel 
aus Naxos ' und, nach der oben citirten Beschreibung von Diehl, auf dem Gold- 
medaillon in Reggio. Die Ampel kommt sonst nicht vor. Merkwürdig ist auch, 
dass der Stern unten neben der Inschrift steht. — Die Flucht nach Ägypten 
lässt sich in der altchristlichen Kunst nicht nachweisen. Wahrscheinlich war sie 
dargestellt auf dem eben angeführten Relief in Naxos, wo man über der Geburt 
die Füsse eines Reitthieres und vorausschreitend den Unterkörper eines Mannes 
sieht. In einem der Mosaiken am Triumphbogen von S. Maria Maggiore ist zwar 
nach der Deutung von Kondakoff* und de Waal^ eine in Ägypten spielende Scene 
nach den Apokryphen dargestellt, aber nicht die Flucht selbst. Der Typus der 
mittelbyzantinischen Kunst zeigt viele Züge unserer Darstellung: Maria sitzt in 
Vorderansicht mit dem Kind im Schooss auf dem Esel, der von Josef am Zügel 
nach einem Gebäude zugeführt wird.* Zu diesem einfachen Schema fügen die 
byzantinischen Miniaturen noch die Personification der Stadt, welche die Flücht- 
linge begrüsst. Statt dessen haben unsere Enkolpien ein Haus mit der Beischrift 
KrYFlTOC, Diese einfache Andeutung des Locals durch ein Gebäude entspricht 
aber ganz der altbyzantinischen Art, wo Jerusalem und Bethlehem so häufig, 
Ravenna und Classe in den Mosaiken von S. ApoUinare nuovo, Jerusalem und 
Damascus in der Miniatur der Bekehrung Pauli im Kosmas Indikopleustes 
erscheinen. Wir werden daher dieses Detail für die Datirung der Enkolpien 
vor das 8. Jahrhundert verwenden dürfen. 

In der Darstellung der Anbetung der Magier muss zunächst auffallen, 
dass der zwischen den Magiern und Christus in byzantinischen Bildwerken 
vermittelnde Engel fehlt. Wir haben sein Eintreten oben S. 47 seit dem Jahre 431 

« Abgebildet in der * EfftjftFQtc; do/. 1890 Taf. I. 

» Hist. de Part hyz. p. 105. 

8 Rom. Quartalschrift 1889, S. 189. 

< Z. B. im vatikanischen Menologium bei d'Agincourt Peint. pl. XXXI 18, Cod. Vat. 
gr. 1156 zweimal auf Fol. 280 «" und 281 »" , bei Fleury, La Vierge pl. XLIII und in einer Miniatur 
der Sammlung des Bischofs Porphyrius Uspensk}' in der kais. öfFentl. Bibl. zu Petersburg. 



I09 

angenommen. Unsere Enkolpien müssten daher älter sein. Aber ein Blick 
auf die Metallflaschen in Monza wird uns zeigen, dass der Kunstkreis, dem 
sie angehören, in diesem Detail eine Sonderstellung einnimmt. Auf den Flaschen 
Garr. 433, 7 und 9 nämlich sehen wir die Magier links, die Hirten rechts von 
der in der Mitte thronenden Maria stehen. Über beiden Gruppen schweben nun 
allerdings Engel; sie vermitteln aber nicht zwischen den Magiern und Christus, 
sondern weisen auf den über der Mittelgruppe schwebenden Stern hin. Auf der 
Flasche 435, i erscheinen sie gar nicht mehr in dem für die Anbetung selbst 
abgegrenzten Streifen, sondern sie schweben im oberen Segment und tragen 
den Stern zwischen sich, wie sonst, z. B. bei der Himmelfahrt das Medaillon 
mit Christus oder auf Diptychen den Kranz mit dem Kreuze. Die Engel haben 
also hier gar nicht die Function, die ihnen in Syrien, Byzanz und Italien zukommt, 
wo sie, wie aus ihrem ersten Auftreten geschlossen werden kann, eine Art 
Leibwache der Mutter und des göttlichen Kindes bilden. Vielmehr erklärt sich aus 
ihrer untergeordneten Bedeutimg als hinweisende Begleiter des Sternes, dass sie hier 
bisweilen fehlen, wie auf der angeblich palästinischen Broncemünze mit dem 
Emmanuel auf der Vorderseite (Garr. 480, 13), wo ebenfalls nur der Stern gebildet 
ist. So auch auf unseren Enkolpien, die dadurch in ihrem palästinischen Ursprünge 
bestätigt werden. — Nach der Beschreibung von Diehl zu urtheilen, gehören 
auch die Goldmedaillons in den Museen zu Catanzaro und Reggio nach Palästina. 
Denn auch dort steht der Engel nicht vermittelnd neben Maria, sondern er schwebt 
über den Magiern. Mit DiehFs Beschreibung stimmt die Darstellung auf unseren Enkol- 
pien auch in der Art, wie die Magier einer hinter dem andern vorschreiten und 
ihre Gaben darbringen. Besonders werthvoll für die Annahme des gleichen 
Ursprunges ist ferner, dass die Magier Kronen statt der phrygischen Mütze tragen, 
also als Könige charakterisirt und, was sich sonst nicht nachweisen lässt, alle drei 
bärtig sind. — Wie wir ferner die Hirtenscene auf den Metallflaschen verbunden 
sehen mit der Magieranbetung, so auch in unseren Medaillons ; mehr noch: wie 
auf den Flaschen in Monza wendet sich der Hirt nicht anbetend zu Christus, 
sondern er weist auf den Stern hin. Wie endlich dort (Garr. 434, 7 und 9) 
einer der Hirten gemächlich am Boden sitzt , so lehnt er auch hier in ländlicher 
Ungebundenheit an einem Felsen und hat den Hund neben sich. — Es bleibt 
noch die links in der Ecke sitzende Frau zu erklären. Ich halte sie für eine 
Füllfigur, die einer der Magieranbetung folgenden Scene, dem Kindermorde, 
entnommen ist, in welchem eine weinend dasitzende Frau typisch vorkommt. 



HO 

Überblicken wir die durch die Vergleichung der Bildtypen gewonnenen 
Resultate, so legt es die Art der Darstellung der Heimsuchung nahe, die 
Medaillons für älter zu halten als das Fresco in S. Valentino (circa 645). Ein- 
zelne der Wunderscenen, wie : die Heilung des Blindgeborenen, der Haimorrhoissa, 
des Gichtbrüchigen und das Gespräch mit der Samariterin zeigten die Typen 
jüngerer Sarkophagsculpturen, das Zurückblicken des Blindgeborenen und die 
Art, wie die Samariterin an dem Eimer zieht, liess sich mit Analogien in Ravenna 
und der syrischen Bibel vom Jahre 586 belegen, auf welche Zeit auch die Art 
der Andeutung Ägyptens in der Flucht hinwies. Ganz tmleugbare Beziehungen 
traten zu den Metallflaschen in Monza und den palästinischen Bronzemünzen 
hervor : der Tj^pus Christi, sowohl im Brustbilde, wie in den Wunderscenen, die 
Art der Anordnung und Charakteristik der zwölf Apostel, endlich die streifen- 
förmige Anordnung der Darstellungen ist identisch. Wir werden daher schwerlich 
irre gehen, wenn wir die Goldmedaillons aus Adana als um 600 in Palästina 
oder einem benachbarten Kunstkreise entstanden ansetzen. Sie gehören, wie 
besonders der Typus der Magieranbetung beweist, in eine Gruppe mit den 
Goldmedaillons in Catanzaro und Reggio und den Metallflaschen und Bronce- 
münzen. In zwei Fällen zeigten sie uns die ältesten Vertreter von Bildtypen, die 
sich später in der mittelbyzantinischen Kunst nachweisen lassen: in der 
Verkündigung Mariae und der Flucht nach Ägypten. 

Bei Betrachtung der Beischriften nun wird es darauf ankommen nachzuweisen, 
dass auch sie sich denjenigen der Ölfläschchen anschliessen. Den Buchstabenformen 
gegenüber ist dies absolut der Fall, nur Z und 3 sind verschieden, indem 7j auf 
den Medaillons verkehrt, E mit geraden, statt wie auf den Ölfläschchen mit ver- 
schlungenen Hasten geprägt ist. Nicht ganz ohne Werth sind die gleichen diabetischen 
Merkmale, welche in der fehlerhaften Orthographie hervortreten. So das Setzen 
von a> für o, wie roiv für rhv oder für ö>, wie l^o für efw ; dafür auf 
den Ölfläschchen lo &zw: für h {ted^ und Co)^Ta)v für ^wvtwv; das Setzen von t 
für 7], wie riw für ttjv, xs^aptvo^ivi für xByapizoixivrj^ und umgekehrt tj für t, wie 
laimpiTTjvaav für lapaptTcaaav (f)^ wofür auf den Ölfläschchen dviart für dviaTTj 
und ipwv für ^pcbv steht; endlich das Setzen von s für ac, wie ipoppoooaa für 
at/jLoppoouaai SepovcCopevo^ für datpovtO'tp^vo^, X^P^ iiir yatpe, ^EyaTzro^ für Aiyonroz 
und umgekehrt xatyapnnpivrj für xB^aptropiivyj^ wofür auf den Ölfläschchen y^pt 
für '/cLtpe, Auf den oben S. 71 herangezogenen Cameen im Cabinet des m^dailles 
zu Paris (Garr. 478, 29 und 30), die den syro-palästinischen Typus der Verkün- 
digung mit der stehenden Jungfrau zeigen, kehrt der Gruss mit anderen Fehlern 
unserer Medaillons wieder: XEPE KAIXAPITOMENH und ü KC ME TA COT. Nur c 



ni 

ist nicht für r^ gesetzt, was überhaupt seltener vorkommt, wie die Inschriften des 
an Palästina grenzenden Hauran und in den Trachonen beweisen,* wo die Ver- 
wechslung von und w, von at und e, besonders in xal und xk ganz gewöhnlich 
ist.« Somit sind auch die Inschriften dem local und zeitlich gleichen Ursprung 
unseres Medaillons mit den Metallflaschen in Monza nicht entgegen. 

Es bleibt nur noch übrig eine Erklärung für die unter der Darstellung der 
Geburt Christi stehende Beischrift naovt zu geben. Nach dem Inhalte der übrigen 
Beischriften sollte man eine die Scene deutende oder eine Beischrift erwarten, 
welche eine für den Gegenstand charakteristische Anrede nach dem evangelischen 
Berichte citirt, wie bei der Verkündigung die Worte des Engels, bei der Auf- 
erweckung des Lazarus die Worte Christi. Das ist aber nicht der Fall. Ilaovt 
kann nicht gut etwas Anderes als den ägyptischen Namen eines Monates darstellen. 
Mit dieser Annahme stimmt, was Prof. Bruno Keil die Güte hatte, mir brieflich 
über diesen Gegenstand mitzutheilen: ^naovt ist kein griechisches Wort; die 
Ähnlichkeit mit den ägyptischen Monatsnamen Ttaovt (die Accentuation nach 
Wilcken, Actenstücke aus der königl. Bank zu Theben u. s. w.: königl. preuss. 
Akad. d. Wiss. 1886, S. 35 f.) und naywv ist so gross, dass man einen von 
ihnen in der Beischrift zu suchen haben wird. /7a5vr ergibt sich, indem man 
das \n i) verwandelt; denn daran ist nicht zu denken, dass man naovi als die 
rein boheirische Form ndi|iHi = paoni fasse; der Name naovt ist ganz fest im 
Griechischen. Schiebt man in naovt ein/ ein, so erhält man nayovt d. h. im Pachon. 
Die Lösung scheint die Nachricht bei Clemens Alex, ström. I, 21, p. 147, 18 Sylb. 
zu geben: etat dk ot neptBpyÖTepov rj yeviaei roo amzTjpoa: ijfJLWv ob povov zo 
EToz dXXa xal rijv rjfiipav 7rpoffTc9evT£(:, ^v (paaiv stou^ xt] Abfouaroi) iv nipnrjj 
Tcaj^wv xal ecxddt, Clemens, der nach 192 n. Chr. seine Stromata schrieb, spricht 
von Leuten, welche die Geburt Christi in das 28. Jahr des Augustus und auf 
den 25 Pachon (= 20. Mai) setzten. Ich halte es daher für wahrscheinlich, dass 
wir in der Beischrift rra^^o^t (d. i. ;ra^d)v«) = «im Pachon» zu lesen haben. 
Vergl. Usener, Religionsgeschichtliche Untersuchungen, p. 4 ff., woselbst noch 
andere ältere Datirungen besprochen sind, welche die Geburt Christi ebenfalls 
in den Frühling (April und März) setzen. Da aus dem Alterthume verschiedene 
Berechnungen des Geburtstages Christi vorliegen, so wäre an sich allerdings 
auch möglich, dass neben den uns bekannten Berechnungen, auch eine uns 
bisher unbekannte existirt habe, welche die Geburt in den Payni verlegte 

t Vergl. Wetzstein in den Abh. d. Berl. Akad. 1863, S. 264 if. und de Voguö, Syrie 
centrale. 

« Vergl. auch Blass «Über die Aussprache des Griechischen», 3. A., S. 63 ff. 



L 



112 

(26. Mai — 24. Juni), und von welcher wir erst durch die in Rede stehende Beischrift 
die erste Nachricht erhielten. Allein die Methode scheint mir zu fordern, dass 
man sich an Clemens halte ; denn es ist richtiger, auf seine sichere Überlieferung 
hin die dunklen Buchstaben zu deuten, als aus der verdorbenen Form auf eine 
uns unbekannte Berechnung des Geburtstages Christi zu schliessen. Darin darf 
auch nicht beirren, dass die ägyptischen Monatsnamen der Regel nach unflectirbar 
sind, die gegebene Erklärung aber ;ra/<5v« als Dat. zu 7ta)[(ov passt; es kann 
auf den einzigen ägyptischen Monatsnamen mit griechischer Endung sehr wohl 
die Declination der griechischen n-Stämme gelegentlich übertragen worden sein. 
Wir hätten somit, nach Ausweis der Beischrift, eine Darstellung der Geburt 
Christi vor uns, deren Schöpfer die von Clemens Alexandrinus berichtete 
Datirung kannte. Vielleicht hilft diese Beobachtung für die Eruirung der Pro- 
venienz der ursprünglichen Composition weiter.* 

Wir konnten oben als Analogien für die Darstellungstypen nur wenige 
Monumente, darunter vornehmlich die Metallflaschen in Monza heranziehen, deren 
palästinische Provenienz mit Wahrscheinlichkeit behauptet werden kann. Danach 
schlössen wir, dass auch die Goldenkolpien in Palästina gearbeitet seien. Man 
wird aber in Zukunft im Auge behalten müssen, dass ausser der alexandrinischen 
Ansetzung des Datums der Geburt Christi, noch die Darstellung der Flucht nach 
Ägypten hier als zum ersten Male in der Kunst auftretend sicher nachgewiesen 
werden kann und diese beiden Momente auf Ägypten hindeuten. In wieweit die 
ägyptische Kunst mit der syro-palästinischen zusammenhängt, wissen wir heute 
noch nicht. Ks ist aber nicht zu übersehen, dass der Typus der Verkündigung 
auf unseren Enkolpien mit dem syro-palästinischen nicht übereinstimmt. 



ANHANG IL 



Zwei enkaustische Heiligenbilder vom Sinai 

im Museum der geistlichen Akademie zu Kiew. 



Die enkaustische Malerei der Alten ist seit 1752, in welchem Jahre Graf 
Caylus die erste Vorlesung darüber an der Academie des beaux arts zu Paris 
hielt, der Gegenstand eingehender theoretischer und praktischer Untersuchungen 
von Seiten der Kunstkenner und Künstler gewesen.* Zuletzt hat Donner von 
Richter im Anschluss an die pompejanischen Wandgemälde versucht, die Technik 
dieser Art von Malerei klarzulegen« und Gros und Henry haben im Jahre 
1884 mit Benützung der bis dahin bekannt gewordenen enkaustischen Gemälde 
in Gortona, im Louvre, im britischen Museum, in Florenz u. a. O. eine über- 
sichtliche Zusammenstellung des Materials vorgenommen. =» 

Seitdem ist das Studium dieses Kunstzweiges durch die reichen, seit dem 
Herbste des Jahres 1887 im Faijüm gemachten Funde in ein neues Stadium 
getreten. Zu der bekannten Galerie antiker Porträts im Besitze des Wiener 
Kunsthändlers Graf sind in den letzten Jahren die reichen Funde von Flinders 
Petri gekommen,* denen sich eine Reihe von Bildern im Museum zu Bulac* 
und die neuerdings in Kairo erworbene Sammlung des Herrn Galenischtscheff 
in Petersburg® anschliessen. Diesem reichen Materiale gegenüber ist die Frage 



t Vergl. C. A. Böttiger, Kleine Schriften, II, S. 85 ff. 
2 «Die erhaltenen antiken Wandgemälde in technischer Beziehung», 1869. 
» «L*Encaustique» in der Bibliotheque int. de Part. 
* «Hawara, Biahmu and Arsinoe,» London 1889. 
5 Photographische Aufnahmen bei Hugo Grosser in Leipzig. 

« ApxeoaorHqecKie pesyjiLTaTU njTemecTBia no ErHniy shitoS 1888—1889 r. im 5. Bande der 
Mitt. d. kais. russ. arch. Gesellschaft, Petersburg 1890. 

15* 



ii6 

nach der Datirung in den Vordergrund des Interesses getreten. Den zweifelhaften 
Argumenten von Georg Ebers gegenüber, der die ältesten dieser Porträts noch 
vor die Unterjochung Ägyptens durch die Römer setzen wollte,» hat Flinders 
Petri, ausgehend von der Verwendung derselben als Gesichtsmasken der Mumien, 
constatirt, dass diese Art der Bestattung erst um 130 n. Chr. aufkommt und um 
das Ende des 3. Jahrhunderts wieder verschwindet. Dieser Datirung stimmt 
A. Ermann zu mit dem Bemerken, dass diese Ansetzung der Bilder durchaus über- 
einstimme mit derjenigen, die alle Sachverständigen sich auf Grund der Tracht 
gebildet hatten.' Im Nachfolgenden weise ich zwei Beispiele solcher Malereien 
nach, die den Bestand der enkaustischen Technik in Ägypten bis ins 7. Jahr- 
hundert n. Chr. bezeugen. 

Die Moskauer archäologische Gesellschaft hat gelegentlich ihres achten 
Congresses im Januar 1890 in den Räumen des liistorischen Museums zu Moskau 
eine Ausstellung prähistorischer Funde und russischer Ikonen veranstaltet' In 
derselben lernte ich das Tafel VIII abgebildete Heiligenbild kennen, welches 
zusammen mit anderen werthvollen Objecten vom kirchlich-£U-chäologischen 
Museum der geistlichen Akademie zu Kiew ausgestellt worden war.* Es ist auf 
eine Tafel von Sykomorenholz gemalt, die ohne Rahmen 0*49 m hoch und 
0*435 ^ t>reit ist. Der Rahmen (0'54X0'485 m) hat an den Rändern Einschnitte 
wie zum Befestigen in einer Wand oder einem gehäuseartigen Deckel. Die 
Provenienz ist gesichert: das Bild stammt aus der Sammlung des Bischofs 
Porphyrius Uspensky von Kiew, der auf die Rückseite desselben den Ort, wo 
er es erworben hat, SinaV, notirte. Wir sehen die Brustbilder zweier Gestalten, 
die durch den um ihren Kopf gezogenen goldenen Nimbus als Heilige gekenn- 
zeichnet sind. Die Gestalt links hat den Typus eines bartlosen Mannes mit 
langen schwarzen, unten rundgeschnittenen Haaren, welche die niedrige Stirn 
fast bedecken. Das längliche Gesicht mit grossen, weit geöffneten Augen, langer 
schmaler Nase und kleinem Munde mit hängender Unterlippe ist geradeaus 
gerichtet. Die Brust umhüllt ein Chiton, auf dessen Schulter ein goldener 
sechseckiger Stern erscheint. Um die linke Schulter ist eine gelbe Chlamys 

» «Eine Gallerie antiker Portraits.» Sonderabdruck aus der «Allg. Zeit.» 1888 Cotta. 

2 Berliner philo!. Wochenschrift 1890, Sp. 923. 

s Vergl. den Bericht von F. Heger in den Annalen des k. k. naturhistor. Hofmuseums 
Wien 1890, Band V, Heft 4, und in den Mitth. der anthropologischen Gesellschaft in Wien, 
N. F., Band X, S. 148 ff. 

^ Meine Abbildung nach einer eigenen Aufnahme gezeichnet. Der männliche Kopf noch- 
mals daneben in der Originalaufnahme. Bessere Abbildungen (auch der zweiten Tafel) wird man 
in meinem Aufsätze in den Tpy;i,u des Moskauer Congresses finden. 



117 

geschlungen, die auf der rechten durch einen Knopf zusammengehalten wird. 
Die rechte Hand, welche unten vor der Mitte des Körpers sichtbar ist, hält 
ein Kreuz, dessen Ecken ausgebaucht sind. Die Gestalt rechts ist weiblich und 
hat langes blondes Haar. Sie neigt den Kopf leicht nach der Seite des Mannes 
und zeigt ähnliche Gesichtszüge wie er. Auch sie trägt den Chiton mit dem 
Schulterstem, darüber eine weisse Chlamys und hält in der rechten Hand das 
Kreuz. Zwischen beiden Köpfen sieht man im Reliefgrund ein Kreuz mit kurzen 
Querarmen aufragen, das mit abwechselnd runden imd viereckigen Edelsteinen, 
diese trennenden Perlen und an den Enden mit schlingartigen Ansätzen in den 
Ecken geschmückt ist. Von oben sieht man links und rechts vom Kreuze zwei 
divergirende Goldstreifen nach den Häuptern der Heiligen laufen. Am oberen 
Rande sind auf einer jüngeren Farbenschicht Reste einer Inschrift erkennbar. 

Die Technik, in der dieses Gemälde ausgeführt ist, ist genau dieselbe, die 
wir an den meisten Faijüm-Porträts beobachten: die Figuren selbst sind in 
Wachsmalerei, und zwar die Fleischtheile mit dem Spatel, die Gewänder mit 
dem Pinsel ausgeführt, der Grund dagegen in hellem Stuck, das Kreuz darauf 
in leichtem Relief angelegt. In derselben Technik ist noch ein zweites Tafelbild 
des christlich-archäologischen Museums der geistlichen Akademie zu Kiew 
gemalt, welches ebenfalls aus der Sammlung des Bischofs Porphyrius Uspensky, 
der es vom Sinai* brachte, stammt und über das mir Herr Professor Sonny in 
Kiew folgende Mittheilungen gemacht hat: 

«Das Bild ist auf Holz gemalt, ein Rahmen dazu ist roh mit Nägeln fest- 
gemacht. Es ist 0-255 711 hoch, 0-375 m breit, mit Rahmen 0*285 ^^ hoch, 0*42 m 
breit. Dargestellt sind zwei jugendliche bartlose Männer im Brustbild, die sich 
in Gesichtszügen, Haltung und Kleidung fast ganz gleich sind. Sie blicken mit 
weitgeöflfneten Augen gerade aus dem Bilde heraus. Das reiche, dunkelbraune 
Haar ist in zierlichen Löckchen kreisrund um den Kopf geordnet, den ein 
goldener, mit Punkten, Kreisen, Kreuzen und einem rothen Rande geschmückter 
Nimbus umschliesst. Die weisse, auf der rechten Schulter durch eine Ideeblatt- 
förmige, goldene Spange zusammengehaltene Chlamys lässt einen goldenen 
Chiton hervortreten, der mit dem Purpurclavus geschmückt ist. Den Hals 
umschliesst ein goldener Reif, an dem drei Edelsteine, ein runder mittlerer und 
zwei rechteckige an den Seiten, befestigt sind. Von der rechten Hand werden 
unten Daumen und Zeigefinger sichtbar, die ein Kreuz mit Ansätzen an den 
Enden halten. Da, wo die Nimben der beiden Heiligen einander nahekommen, 
ist in einem Goldnimbus ein kleiner Christuskopf mit langem Haar und Bart 
gemalt. In der oberen Ecke steht links 2' AT, rechts liAX02.T> 



Ii8 

Was das erste der beiden Bilder anbelangt, so hat Herr Petrow, der Ver- 
fasser eines Cataloges des kirchlich-archäologischen Museums in der geistlichen 
Akademie zu Kiew, ' die beiden Heiligen auf Constantin und Helena oder die 
Auffindung des Kreuzes des Herrn gedeutet. Er macht dafür den Stern auf den 
Schultern als Attribut der Gewalt und die Inschrift, welche er f o äfi ... tu . . 
öv, d. i. j u äyi{o)ra[To<: K)ov(aTau7iVü^) liest, geltend. Diese Deutung ist an 
und für sich naheliegend und ansprechend. Der Tj^pus des männlichen Kopfes 
widerspricht ihr nicht, vielmehr würde die der historischen Überlieferung ent- 
sprechende Unbärtigkeit Constantin's nur auf ein hohes Alter des Bildes hinweisen, 
da ihn die auf uns gekommenen mittel- und spätbyzantinischen Darstellungen 
stets bärtig zeigen.'* Das Kreuz, welches zwischen den Köpfen aufragt, scheint 
im ersten Augenblicke bestätigend, weil es in allen Gruppen, in denen wir Con- 
stantin und Helena nebeneinander dargestellt sehen, zwischen beiden steht. So 
z. B. auf dem Elfenbeintriptychon des Cabinet des medailles zu Paris zu Füssen 
des Crucifixus,' auf dem linken Seitenflügel eines anderen Elfenbeintriptychons 
der kgl. Museen zu Berlin, in einer Miniatur der Bibliotheque nationale fonds 
gr. 3058* und in den Malereien fast aller Kirchen in Griechenland und Russ- 
land, vor Allem derjenigen auf dem Athos. Aus den Patria von Constantinopel 
wissen wir überdies, dass diese Gruppe auf öft'entlichen Plätzen, wie auf dem 
Forum Constantin's und am Milium aufgestellt war.* 



« In den ,,T])y,T;u Kicbckom ji^x, AKaÄenin" 1886. 

2 Vergl. ausser den unten citirten Kunstwerken noch Aus'm Wertli, das Siegeskreuz 
des Constantin VII Porphyrogenitus S. 23, KieBCKiS Co<JiucKiä coöop'B, Taf. Xi und das Maler- 
buch vom Berge Athos, welches ihn als veog aQyjyiveiog «mit sprossendem Barte» kennzeichnet, 
bei Schäfer S. 328. 

5 Westwood Nr. 187. Abgebildet: Annales arch., XVIII, p. 109, Lenormant, Tresor de 
glyptique, II, pl. 57. Bayet» L'art byz., p. 193. 

* Abgebildet bei Banduri Imperium Orientale II, Tab. i. 

* Anon. Band III, p. 12 und 10, Codinus ed. Bonn., p. 35 und 28. Ich benütze die 
Gelegenheit, um auf eine Art Fälschung aufmerksam zu machen, mit der ein raffinirter Handel 
in der ganzen Levante getrieben wird. Es sind dies Bronzeplatten von 10 cm. Breite und 
15 cm. Höhe, oben mit einem Giebel abschliessend, der an den Ecken halbrunde Ansätze hat. 
In der oberen Hälfte des Bildes sieht man in sehr roher Arbeit Constantin und Helena zu 
Seiten des Kreuzes, neben Constantin den äg}'ptischen Obelisken, neben Helena die Schiagen- 
säule des Hippodroms dargestellt. Die untere Hälfte nimmt eine sinnlose Inschrift in drei Zeilen: 

rRIX OOrr ein. Ich fand solche Tafeln öfter im Privatbesitz und bei Händlern in 

Constantinopel, im Antiquarium des Berliner Museums und bei Dr. Naumann in München, der 
sein Exemplar im Bazar zu Cäsarea erworben hat. Es ist bezeichnend für die Vorstellung, 
die man von der byzantinischen Kunst hat, dass solche Machwerke ihren Käufer finden können. 



119 

So sehr somit das Kreuz für Petrow's Deutung spricht, so ist es doch 
kein zureichender Beweisgrund. Denn das Kreuz, zudem genau so ausgestattet 
wie in unserem Bilde, findet sich in späten Katakomben-Malereien und in 
Mosaiken auch zwischen zwei Heiligen, die nicht Constantin und Helena dar- 
stellen. So in der Ponzianus-Katakombe zwischen SCS MILIS und SCS 
PYMENIVS (Garr. 37), in der Katakombe S. Severo zu Neapel zwischen zwei 
männlichen Heiligen ohne Namenangabe (Garr. 105 A) und in dem Mosaik von 
S. Stefano rotondo in Rom zwischen f SCS PRIMVS und f SCS FELICIANVS 
(Garr. 274, 2). Wir werden daher unterscheiden müssen zwischen Constantin 
und Helena, welche in späteren Bildwerken ein Kreuz zwischen sich halten, und 
dem älteren, allgemein giltigen Typus, in dem das Kreuz zwischen zwei 
Märtyrern steht. 

Noch weniger Beweiskraft hat das zweite von Petrow geltend gemachte 
Argument: die sternartigen Schulterstücke auf den Chitonen. Man vergleiche 
nur das Dedicationsmosaik in der Tribuna von S. Vitale in Ravenna. Dort hat 
nicht nur der Kaiser Justinian Schulterstücke, sondern auch die Hofchargen 
neben ihm. Sie sind bei allen verschieden, keiner hat den Stern. Man vergleiche 
femer Theodosius mit seinen Söhnen auf dem Bronzeschilde in Madrid, ' Justinian 
in dem Mosaik von S. Apollinare nuovo, Constantin Pogonatas in S. ApoUinare 
in Classe u. A. m. und man wird finden, dass der bezeichnende Schmuck 
für den Kaiser nicht die Schulterstücke, sondern die die Chlamj^s zusammen- 
haltende Agraffe ist, an der man reichen Edclsteinschmuck und zumeist drei 
herabhängende Troddeln sieht. Dagegen werfe man einen Blick auf die reichen 
Schulterstücke, die der hl. Vitalis in dem Apsismosaik von S. Vitale (Garr. 358), 
mehrere Heilige in dem Mosaik von S. Venanzio in Rom (Garr. 272 und 273, 10) 
oder der Theotecnus in einem Fresco der Katakomben von S. Gennaro in 
Neapel (Garr. loi, i) trägt und man wird bestätigt finden, dass die Schulterstücke 
lediglich einen höheren Rang bezeichnen. Da sie auf Münzen und in Sculpturen 
fast immer fehlen, so werden sie farbig aufgenäht oder eingewebt gewesen 
sein. Die Chlamys- Agraffe mit den drei herabhängenden Troddeln findet sich 
auf Münzen schon bei Kaisern des 4. Jahrhunderts, seit Theodosius d. Gr. wird 
sie fast ausnahmslos verwendet. Da nun unsere Heiligen statt der Agraffe nur 
einen einfachen Knopf tragen, so spricht auch das gegen Constantin und Helena, 
ganz abgesehen davon, dass sonst jedes kaiserliche Abzeichen fehlt. 

Somit würde allein die Inschrift Petrow's Deutung unzweifelhaft machen. 
Ich habe nun vergeblich gesucht seine Lesart im Originale selbst wiederzufinden. 

» Abgebildet bei Schnaase III, S. 73 u. a. O. 



I20 

Das Kreuz am Anfang und die nach einer Lücke von zwei Buchstaben folgenden 
ri sind allerdings vorhanden, aber von dem vorhergehenden 6 a und den in 
Zwischenräumen nachfolgenden . . . ra . . 01/ haf)e ich keine Spur finden können. 
Die Inschrift dürfte vielmehr ganz anders gelautet haben, da ich f . . riFIlA 

oder riniA AI Ol ungefähr herausfinde. Somit bleibt nur 

übrig anzunehmen, dass wir zwei Heilige, wahrscheinlich ein Märtyrerpaar von 
höherem Range vor uns haben. 

Bei dem zweiten Bilde kann die Deutung nicht zweifelhaft sein, da die 
Inschriften mit dem Typus der dargestellten Heiligen durchaus übereinstimmen. 
Sergius und Bacchos werden in der byzantinischen Kunst stets als zwei jugend- 
liche, bartlose Krieger in Chiton und Chlamys dargestellt. 

Was die Datirung dieser beiden enkaustischen Bilder anbelangt, so hat 
Herr Petrow das eine zwischen das 4. und 7. Jahrhundert, das zweite mit Sergius 
und Bacchos ins 16. bis 17. Jahrhundert gesetzt. Die Ikone mit angeblich Con- 
stantin und Helena sei wahrscheinlich für das Sinaikloster zur Zeit des Kaisers 
Justinian, des Erbauers des Klosters, g'emalt worden. Nun ist aber die Inschrift, 
welche die Gründung des Klosters änh ^Adä/i fxa, dno dk Xpiavoo <pxZ datirt, ■ 
gefälscht, nach Gardthausen« etwa im 12. oder 13. Jahrhunderte, die Zeit der 
Entstehung des Klosters somit ganz zweifelhaft. 

Eine bessere Handhabe für die Datirung des Bildes liefert uns die Form 
des Relief kreuzes. Die crux gemmata zwar lässt sich schon auf Sarkophagen 
und ganz allgemein im 6. Jahrhunderte nachweisen. Nicht so die schlingartigen 
Ansätze an den Enden der Kreuzarme. In der altchristlichen Kunst der Kata- 
komben, Sarkophage, Goldgläser etc. gibt es dafür keine Belege. Die ältesten 
Beispiele derartiger Ansätze dürften die auf den Oberstücken der fünftheiligen 
Diptychen im Vatican (Garr. 457), London (Maskell zu S. 53), in Paris (Garr. 
458) und Etschmiadzin (Taf. I) sein, die alle dem 6. Jahrhundert angehören. 
Doch ist das Kreuz hier noch gleichschenkelig und ohne Edelsteinschmuck, wie 
auch auf den palästinischen Oelfläschchen in Monza (Garr. 434, 4 und 8). Im 
9. Jahrhundert erscheint diese Art des Kreuzes mit der Inschrift: EN TOVTO 
NIKA vor dem Kaiser Constantin in der Schlacht an der milvischen Brücke, 
wie sie im Gregor von Nazianz der Bibliotheque nationale (Fonds gr. 510) dar- 
gestellt ist.* Ähnliche Form dürfte auch das Kreuz gehabt haben, welches nach 
den Patria von Constantinopel auf dem nördlichen Theile des Constantin-Forums 

1 C. I. Gr. IV, p. 297. 

2 Griechische Palaeographie, S. 387. 

» Abgebildet bei Banduri, Imperium Orientale, II, p. 632, Vergl. Bordier a. a. O., p. 87. 



121 

aufgestellt war: ev Toe'(: dxpcorrjpion: aTpoyyoloK: p^lov (^/ö'v), wie es Con- 
stantin golden im Himmel gesehen habe. * Das Kreuz mit den Ansätzen an den 
Enden der Arme gilt somit neben dem Monogramme vielleicht schon im 6. Jahr- 
hunderte, sicher seit dem 9. Jahrhundert für dasjenige, welches Constantin's 
Bekehrung zum Christenthume herbeigeführt haben sollte. In der Form, in der 
es unser Heiligenbild zeigt, d. h. mit verlängertem Verticalarm, ist es vor dem 
Ende des 6. Jahrhunderts allgemein nicht nachweisbar. So finden wir es in den 
oben er^'^ähnten Katakombenbildem frühestens des 8. Jahrhunderts in S. Ponziano 
in Rom und S. Severo in Neapel, femer in dem Mosaik von S. Stefano rotondo 
aus dem 7. Jahrhundert, zwischen den beiden Märtyrern stehend, dann nochmals 
in der Pontianus-Katakombe unter der Taufe Christi (Garr. 86, 3) zwischen zwei 
Engeln auf einer Silberschale aus Sibirien (Garr. 460, 10), die de Rossi« dem 
7. Jahrhunderte zuschreibt, zwischen zwei Lämmern, aber ohne den Edelstein- 
schmuck, auf dem aus S. Vitale stammenden Altar in S. Nazaro e Celso in 
Ravenna (Garr. 422, 4) und ebenso auf den Postamenten der Säulen im Chore 
von S. Lorenzo fuori le mura aus dem Ende des 6. Jahrhunderts. Auch auf 
Münzen, besonders goldenen, begegnet uns dieses Kreuz seit Heraclius (610 bis 
641) sehr häufig. In früherer Zeit ist es nur vereinzelt, z. B. auf einer Münze 
Justinians^ und am Ende des 6. Jahrhunderts auf einer solchen Tiberius II. 
(578 — 582)* und einer dritten des Mauritius (582— -602)6 nachweisbar. Das Gros 
gehört dem 7. Jahrhundert und der Zeit vor dem Bildersturm an.* Nach dieser 
Zeit begegnen wir dieser Art des Kreuzes mit der Beischrift IC XC NIKA 
unter den Titelminiaturen kaiserlicher Handschriften. Es steht dann in einer 
Arkade und wird unten von akanthusartigen Blättern flankirt. So zweimal auf 
Fol. 3 und 4 in dem vielleicht für Basilius Macedo selbst in den Jahren 880—885 
geschriebenen Gregor von Nazianz Nr. 510 der Bibliotheque nationale» und 
einmal in dem ungefähr gleichzeitigen Psalter der Vaticana (Cod. Reg. Nr. i)^ 
Ferner ist es nachweisbar auf zwei Elfenbeindeckeln im Domschatze zu Halber- 



« Anon. Band. IIT, p. 13, Godinus, p. 19. 
« Bull, di arch. crist. 1871, p. 155. 

3 Ducange, Familiae Aug. Byz., p. 88, Banduri, Num. imp. rom., II, p. 618. 
* Ponton d'Am^court, Monnaies d*or, Nr. 880. 
5 Banduri 1. c, p. 664. 

« Ducange 1. c, p. 114 ff., Banduri 1. c, II, p. 676 IT., Ponton d'Am^court 1. c, 
Nr. 893—934. 

7 Bordier, Description des peintures etc., p. 64. 

8 Kondakoff, HcTopia bh3. HCKycciBa, ctp. 156. 

16 



122 

Stadt mit der Beischrift (IC XC) NIKA, im ii. Jahrhundert auf den Broncethüren 
der Pantaleonen in Süditalien zu Amalfi, Atrani, Salemo u. a. O.,' dann an dem 
Siegeskreuze des Constantin Porphyrogenitus zu Limburg, « in den Mosaiken der 
Sophienkirche zu Kiew, ' u. a. O. Dieselbe Form ist auch in die armenische ♦ 
und georgische * Kunst übergegangen und dort stereotyp geworden. — Es bleiben 
noch die beiden Hauptbeispiele dieser Kreuzform in den Mosaiken von S. Puden- 
ziana in Rom (Garr. 208) und S. Apollinare in Classe (Garr. 265, i) zu nennen 
übrig. Es ist bekannt, dass das erste Mosaik wohl am Ende des 4. Jahrhunderts 
entstanden, aber zu wiederholten Malen restaurirt worden ist, so zuerst im 8. oder 9. 
Jahrhundert und zuletzt 1831, wo der ganze mittlere Theil des Kreuzes erneut 
wurde. • Für S. Apollinare in Classe steht durch die Notiz bei Agnellus fest, 
dass zur Zeit des Reparatus (672 — 677) noch an den Mosaiken gearbeitet wurde. 
Zwischen 668—685 muss auch das Dedicationsmosaik der Tribuna entstanden 
sein, in welchem Constantin IV. einem Bischof, wahrscheinlich Reparatus, die 
Privilegien übergibt. Somit dürften auch diese beiden Mosaiken keine Ausnahme 
von der Regel machen, nach welcher das edelsteingeschmückte Kreuz mit 
längerem Mittelarm und schlingartigen Ansätzen an den Enden erst im 7. Jahr- 
hundert allgemeinere Verwendung findet. Danach würde dann auch das eine der 
enkaustischen Bilder vom Sinai' wahrscheinlich nicht vor dem 7. Jahrhundert 
entstanden sein. 

Nicht viel anders sind die Schlüsse, welche wir aus dem zweiten Gemälde auf 
seine Datirung ziehen können. Petrow's Ansatz ist sicher ein Versehen, welches 
sich wohl daraus erklärt, dass er, die Technik nicht erkennend, dem Bilde keine 
Beachtung geschenkt hat. Die Verehrung der heil. Sergius und Bacchos war 
ursprünglich bei den Dardanem und Illyriem sehr verbreitet. Erst Justinus und 
Justinian, durch ihren Schutz aus dem Gefängnisse befreit, errichteten ihnen zu 
Ehren im ganzen Lande Kirchen. ' Unser Bild muss also nach dieser Zeit 
entstanden sein. Für die Zeit nach dem 6. Jahrhunderte spricht femer der Typus 
Christi mit langem Haar und Bart. Es wird daher auch dieses Bild mit Wahr- 
scheinlichkeit in das 7. Jahrhundert datirt werden können. 



1 Schulz, Denkmäler der Kunst des M.-A. in Unteritalien. 

2 Aus'm Werth a. a. O., Tafel III. 
» a. a. O. Taf. 11 ff. 

4 Vergl. oben S. 21. 

4 Vergl. Kondakoff, Onncx naMainHKOBT. Jl^peenocTH bi> rpyain. C. IXeiö. 1890, cxp. 132. 
• Vergl. die hellen Stellen bei de Rossi Musaici crist., Musaico di S. Pudenziana Fol. 7 <" . 
7 Vergl. Ducange, Constantinopolis christ., IV, p. 135. 



123 

Wir sind somit auf Grund der typologischen Vergleichung gedrängt worden, 
diese beiden einzigen Beispiele einer Übung der enkaustischen Malerei in christ- 
licher Zeit um ungefähr 3—400 Jahre jünger anzusetzen, als die aus dem Faijüm 
stammenden Portraits. Es erübrigt nun, um die völlige Glaubwürdigkeit dieses 
Resultates darzuthun, noch den Nachweis zu liefern, dass die Technik der 
enkaustischen Malerei bis in diese späte Zeit in Übung geblieben war. 

Ducange hat das Verdienst, durch die Zusammenstellung aller ihm bekannten 
Nachrichten über die Maltechnik der Byzantiner,^ den Beweis für das Weiter- 
bestehen der enkaustischen Technik geliefert zu haben. Danach steht zunächst 
für die Wandmalerei fest, dass sie in altbyzantinischer Zeit ausschliesslich in 
Wachs oder Mosaik geübt wurde. So betont Prokop, « wo er von dem Neubau 
der Chalke, des Propylaions des kaiserlichen Palastes, spricht, Justinian habe 
die Decke nicht Tip xr^pq) aVTaxevTt ze xal Sia/o9ivTt, sondern <p7j(pt<jt kenrae^ 
TS xal ^pd/iafft &pa(apivat<: geschmückt. Dieselbe Unterscheidung macht auch 
noch der Patriarch Nikephoros, ■ indem er berichtet, Nicetas* habe die im 
Sekreton 8ia ^rjfiSiov /puaajv xai xTjpo^uzoo SXtj^ gemalten Bilder des Erlösers 
und der Heiligen zerstören lassen. Derselben Gegenüberstellung begegnen wir 
bei Constantinus Manasses in Copron. ^pwfLaat xal (firj^ttrc und Theodosius 
Episcopus Amorij in Synodo VII. Act. 4. ai äyiat xai aeßaafiiat slxöve^ xal 
Cfoypaipiacj xal üXofpatpiac xal Scä pouaeicov. 

Für die Tafelmalerei beweisen zahlreiche Stellen, dass sie ausschliesslich 
in Wachs geübt wurde. Boethius führt in einem Briefe an Symmachus» die 
Materialien, aus denen sich ein Gemälde zusammensetze, an: die Tafel, welche 
dem Tischler, das Wachs, welches dem Landmann, die Farben, die den Kauf- 
leuten und die Leinwand endlich, welche den Webern überlassen sei. Chrysostomus 
sagt in einem Vergleiche,* man verehre, wenn die kaiserlichen Bildnisse in die 
Stadt getragen würden und Archonten und Volk ihnen huldigend entgegen 
giengen, nicht die aavlda oder ttjv xTjpö/urov yP^V^^j sondern das Zeichen des 
durch dieselben dargestellten Kaisers. Auf dem Concil zu Nicaea vom Jahre 787 
wurde eine Stelle des Anastasius Sinaita in sermone de Sabato citirt, in der es 



1 Im Glossarium med, et inf. Graecitatis, p. 647 — 652 unter dem Worte xrjgoxviog. 

2 de aedif. Xi, i ed Bomi. III, p. 204. 
» Hist. 86, 2. 

* Vergl. Theophanes zum Jahre 759 ed. Bonn. I, p. 686. 

» de institutione arithmetica ed. Friedlein, p. 4. 

« Hom. €ig Ni.TTtjQa, feria V. Vergl. Hadrian^s I. Brief an Constantin und Irene bei Labbe 

Concil. VIII, 758 und die oben S. 77 citirte Stelle des armenischen Pseudo-Wrthanes. 

16* 



124 

heisst, das Bild sei nichts Anderes als ^tiXov xal ^(pdfiaTa xrjpwv fiefityiiiva xat 
xexpa/jLfjL&va. Eine Bestätigung daftir werden wir auch darin sehen dürfen, wenn 
ein Anonymus berichtet, der hl. Lucas habe Maria xnjpip xai ^pwjxaai gemalt' 
und die griechischen Menaien berichten, dass alte Wachsbildnisse von Heiligen 
bei den Bosporenem gezeigt würden.« 

In älterer Zeit nannten die Byzantiner die Technik der Wachsmalerei 
x7ipö)[öToz Ypaifij, Eusebius wendet diesen Ausdruck einmal an, wo er die Arten 
aufzählt, in denen man Erinnerungen an Verstorbene aufbewahre: in öxiaypafiait 
x7jpou;(UTou r/Jflt^^c, in Sculpturen und Inschriften.' Ein zweites Mal, wo er das 
Gemälde schildert, welches Constantin über dem Thore seines Palastes habe 
anbringen lassen: sich selbst mit dem Kreuz, einen Drachen unter den Füssen 
deä T7j(: xTjpo/üTou YpacfYj^,* So auch Chrysostomus noch um 500 in der oben 
citirten Stelle. Bei den Unterhandlungen des Concils von Nicaea im Jahre 787 
heisst dagegen die Wachsmalerei öfter üXoypa^ia^ so in der angeführten Stelle 
des Bischofs Theodosius. Charakteristisch ist die Art, wie von zwei verschiedenen 
Schriftstellern die vom Patriarchen Nicetas zerstörten Malereien des Sekreton 
bezeichnet werden: Nikephoros nennt sie xrjp6][üT0(: uIt]^ Theophanes hloypaipia. 
Dieser Name erhält sich auch noch in mittelbyzantinischer Zeit. So berichtet z. B. 
Porphyrogenitus « in der Kirche der heil. Anastasia sei Alles i? üko^paipia^ dLpxaia<: 
bemalt. 



» bei Ducange 1. c, p. 648. 

2 zum 30. November ed. Venet. 1712, T. III, p. a/i5' nach Ficker: Die Darst. der 
Apostel, S. 28. 

a Vita Constantini I, 3. 

4 Ebenda III, 3. 

5 de adm. imp. c. 29. 



Register. 



Abkhasien, Kirchen 15. 
Abraham*s Opfer 55, 65. 
Adana, Goldmedaillons 99 ff. 
Aegina, Sphinxrelief 95. 
Aegypten, symbolisirt 108. 

— Kunst 112, 114. 
Agathangelos 6. 
Agraffe, kaiserliche 119. 
Ananias, Bestrafung, Relief 7. 

Anbetung der Magier 23, 28, 46, 69, 72, 
102, 108. 

— Engel vermittelnd 47. 

— Engel hinweisend 109. 

— central componirt 72. 
Ani, Kirche des Gagik 14. 
Aposteltypen 96, 105. 

Apsis mit offenen Arkaden 62. 
Architektur der Hintergründe 70. 
Armenien, Aera 19. 

— arabischer Einfluss 88, 92. 

— Architektur 14. 

— Bauten Nerses III. 11. 

— byzantinischer Import 76. 

— byzantinischer Einfluss 5 if., 16, 86 ff., 95. 

— Ikonoklasten 77. 

— Justinian*s Bauten 15. 

— Kreuz typus 21, 122. 

— Miniaturen 22, 76 flf., 85 ff. 

— Münzen 88. 

— Ornamentik der Handschriften 88 ff. 

— Palaeographie 82. 

— Plastik 75. 

— sassanidischer Einfluss 91. 

— syrischer Einfluss 81. 



Asori Michael 20. 

Athen, Akropolis, Sphinxrelief 95. 

— Kentrikon, Sirenenrelief 94. 

Sphinxrelief 95. 

Athos, Iviron, Maler 80. 

— Klostergrundriss 3. 

— Malerbuch passim, bes. 35 ff. 

— Malereien 35 ff. 

— Pantokrator, Manuscripte 7, 107. 
Aussätzigen, Heilung des T04. 
Bacchos hl. 117, 122. 
Baptisterium 60. 
Barbaren-Darstellungen 30. 
Begegnung 101, 107. 

Berlin, königl. Bibliothek, armenische Hand- 
schriften 96. 

— kgl. Museen, Marientafel 40. 

Probianus Diptychon 32. 

— Pyxis 32, 66. 

Blindenheilung 104. 
Buchstaben auf Gewändern 63. 
Byzantinische Kunst, Capitellformen 10. 

Einfluss 5 ff., 16, 86 ff., 95. 

Calliculae 66. 

Canones 53, 57, 60, 92. 

Catanzaro, Museum, Goldmedaillon 103, 109. 

Christus, Kopftypus 33, 105. 

— thronend 25, 31 ff., 54, 62. 
Constantin und Helena 118. 
Constantinopel, Avret Tasch 9. 

— Goldenes Thor 9. 

— Schnitzerschule 51. 

— Tschinili Kiosk, Goldmedaillons 100 ff. 
Costüm 63, 115. 



126 



Deckelschemata 52. 
Devotionalien 103. 
Diptychen, Consular- 51. 

— fünftheilige 28 ff. 
H auf Pallien 63. 
Edessa 81. 

Einzug in Jerusalem 26, 38. 

Elfenbeinplastik 48 ff., 84. 

Engel in der Anbetung der Magier 47, 108. 

— kranzhaltend 34. 
Enkaustik, antike 115. 

— byzantinische 123. 
Enkolpien 102. 
Etschmiadzin, Bibliothek 17. 

— Capitelle 9 ff. 

— Evangeliar 17 ff. 

— Gründung 3. 

— Inschrift, griech. 7. 

— Kirche 4, 14. 

— Kloster 2. 

— Relief mit Paulus und Thekla 5. 
Evangeliar, Deckelschema 52. 

— Handschriften des 6. Jahrhunderts 73. 
Evangelisten, von gleichem Typus 74. 

— von verschiedenem Typus 63. 
Faijüm Portraits 115. 
Fisch-Initialen 85, 92. 

Florenz, Laurentiana, syrische Bibel passim, 

bes. 56 ff. 
Flucht nach Ägypten 102, 108. 
Frauen am Grabe 22. 
raQixivig 9. 
Gami, Ruinen 3, 14. 

Garrucci, Sammlung, Goldmedaillon 72, 104. 
Geburt Christi 27, 45, loi, 108. 

— Datirung in. 

Gelati, Evangeliar der Thamar 78. 
Georgien, Miniaturen 78. 

— Monstra 95. 

— Plastik 75. 

Gichtbrüchigen, Heilung des 26, 35, 100, 106. 

Godescalc 58. 

Haimorrhoi'ssa, Heilung der 100, 106. 



Hangaz ekelezi 12 ff. 
Heimsuchung loi, 107. 
Hirsch, nach Ps. 42, i . . . 61. 
Jerusalem, Tyche der Stadt 38. 
Initialen 92. 
Johannes Katholikos 13. 

— Kalligraph 19. 
Isaak's Opfer 55, 65. 
Juno Mamäa 40. 

Kämpfer am jonischen Capitell 7. 

Kaiserdiptychen 28 ff. 

Kalender vom Jahre 354 ... 83. 

Kafidga 78, 89. 

Kr)Q6yyiog yQOLfpri 124. 

Kiew, Museum, Ikonen 115 ff. 

Kindermord 109. 

Kirche, Symbolisirung der 58. 

Kloster, Schema 3. 

Koriun, 16, 8r. 

Kreuz des Constantin 120. 

— mit Ansätzen 34, 120. 

— ravennatisch 50. 
Kugel und Kreuz 62. 
Lazar von Pharpi 16, 81, 82. 
Lazarus, Auferweckung des iot, 106. 
Lebensbrunnen 58. 

London, South Kensington Museum, Dipty 

chon 28 ff. 
Magier, siehe Anbetung. 

— Lebensalter 73. 
Mailand, Schnitzerschule 49. 

Maria 27, 39 ff., 55, 64, 65, 71, 72 ff, 105. 

— Blachemiotissa 65, 73. 

— Hodegetria 4. 

— in Kirchenapsiden 41. 

— in Psalterien 42. 

— mit einem Tuch im Gürtel 71. 

— Orantin 64, 7r. 

— thronend, Ursprung 39. 
Miniaturenmalerei vor circa 600 ... 83. 

— armenische 76 ff. 

— georgische 78. 

— syrische 53 ff. 



127 



Mond, Personification 27, 35. 

Mondsüchtigen, Heilung des 35. 

Monogramm Christi 9. 

Monza, Metallflaschen . . . passim, bes. 105 ff. 

Moses Kalankaituatzi 11. 

Moskau, archäologischer Gongress 116. 

— Institut Lazareff, Handschrift vom Jahre 
887 .. . 89. 

Naxos, Relief 46. 
Noravank 18 ff. 
Ornamentik, armenische 89. 

— syrische 56. 
Orpelian Stephanus 86. 
Panagien 103. 
Pantokrator 25, 31, 86. 

— Ursprung 31. 
HAONI ni, 

Paris, Bibl. nat. 9384 Elf.-Deckel 28 ff. 

1993 Godescalc Evangeliar 58 ff. 

8850 Soissons Evangeliar 61. 

— Gabinet des m^dailles, Gameen 71, iio. 
Paulus und Thekla 5. 

— T>T5US 33, 63. 

Personificationen von Städten 38, vgl. 106. 
Petersburg, Pyxis aus Kertsch 45. 

— kais. Bibliothek, Georgisches Evangeliar 78. 
Petrus Typus 33, 63. 

Physiologus 94. 
Pitzunda Kirche 15. 
Prüfung Mariae 27, 44. 
Psalter, Mariendarstellung im 42. 
Ravenna, Gommunal - Bibliothek, Diptychon 
28 ff. 

— Bildschnitzerschule 37 ff., 48. 
Reggio, Museum, Goldmedaillon 104, 109. 
Reise nach Bethlehem 28, 46. 

Rom, Barberina, Kaiserdiptychon 28 ff. 

— Vatican, Evangeliardeckel 52. 
Bibl., Josuarolle 83. 

Mus. crist., Diptychon 28 ff. 

Mus. Kirch., Sarkophag 35. 

Rossano, Evangeliar passim, bes. 84. 



Russische Initialen 93. 

CAMAPITHNCAN loi. 

Samariterin, Gespräch mit der 102, 107. 

Sebeos 11 ff. 

Sergius hl. 117, 122. 

Sinai*, Bilder 115 ff. 

— Kloster 120. 
Sirenen 93. 

Smyma, Evayy, axoXi], Physiologus 94. 
Sonne, Personification 27, 35. 
Sphinx 94. 
Stephanus 20, 86. 
Sünetzi Stephanus 20. 
Surena, Kloster 14. 
Taufe Ghristi 69, 73. 
Tempietto 53, 58. 
Thekla und Paulus, Relief 5. 
Tiflis, Handschrift der Sion*s Kathedrale 79. 
TiQBQ 9. / 

Tjche von Jerusalem 38. 
Usunlar, Kirche 15. 

Venedig, S. Lazzaro, Arm. Handschriften 76, 

87, 89. 
Verkündigung 27, 42 ff., 68, 70 ff., loi, 107, iio. 

— am Brunnen 44. 

— beim Spinnen, Maria en face sitzend 71, 
107. 

Maria im Profil sitzend 42. 

— — Maria stehend 70. 
Vogel-Initialen 92. 
Walarschapat i, 12. 

— S. Gajane 15. 

— S. Riphsime 15. 

— Kirchen Nerses III. I2. 
Wassersüchtigen, Heilung des 26, 35. 
Wien, Hof bibliothek, Genesis und Dioscorides 83. 

— Mechitharisten- Bibliothek, Handschriften 
VIII, 88. 

Wrthanes 77, 86. 

'YXoyQaqpia 124. 

Zacharias, Verkündigung an 68, 70. 

Zuithai 8. 



. ^ "i 



Störende Druckfehler. 



S. 7, Z. 7 zu Kirche: des Klosters Pantokrator. 

S. 15, Z. 9 ki eiförmige statt keilförmige. 

S. 59, Anm. I. Liber pont. De S. Petro seniore XXVIII c. 2 ed. Mutinae 1708 II, p. 175. 

S. 80, Anm. Z. 10 tavia statt tovra und Z. 11 veovQycT statt vsnvqyeX, 

S. 86, Z. 23 C^yQd<poi statt ^o>yQd<po. 



Das S. 19 gegebene Datum 379 nach der Aera der Ismaeliter (d. h. der Araber) stimmt, 
was im Texte versehen ist, genau zum Jahre 989. 

S. 20, Anm. T ist statt (871-31S) 556 zu lesen (871—312) 559. 



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Nachtrag. Für TIAONI ergibt sich eine einfachere Lösung, wenn man, was keinen 
Anstoss hat, annimmt, dass für ß steht. Dann hätten wir nddvi zu lesen, ein Wort, das im 
Mittelgriechischen für ^pdxvri gebraucht wird. Vergl. Sophocles, Greek Lexicon p. 830. Die 
Beischrift würde in diesem Falle, wie gleich daneben in der Flucht nach Ägypten neben dem 
Kuppelbaue die Beischrift ETYIITOC, die deutende Bezeichnung eines Gegenstandes sein, dessen 
Nennung als Schlagwort für die Darstellung gelten kann, also in unserem Falle ipaznj, Krippe, 
für die Geburt Christi. Damit würde ein für die ägyptische Provenienz sprechender Grund 
wegfallen. 







MMr3<4hui« 



Fl\ 112.«, 3^^ 




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