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Full text of "Das Evangelium Johannis"

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DAS 



EVANGELIUM JOHANNIS 



VON 






J. WELLHAUSEN 



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BERLIN 

DRÜCK UND VERLAG VON GEORG REIMER 

1908 



Es wird kaum Verwunderung erregen, daß ich über die drei 
ersten Evangelien sachte auf das vierte hinabgeglitten bin. Ich be- 
handle es in anderer Weise, aber meine Absicht geht auch hier auf 
Korrektur der herrschenden Exegese. Man hat keine rechte Distanz 
gegenüber dem Texte, man läßt ihn nicht so auf sich wirken, als läse 
man ihn zum ersten mal, man stimmt neu ab über die alten Fragen. 
Man seigt Mücken und verschluckt Kamele, man achtet über den 
Einzelheiten nicht genug auf den Faden der Rede, man wundert sich 
zu wenig über Knoten und Risse darin. Wenn überhaupt Anstöße 
im Zusammenhang bemerkt werden, so machen die Apologeten sie 
durch Besprechung unsichtbar. Und zwar aus dem Grunde, weil 
dergleichen in einer apostolischen Schrift nicht vorkommen darf; 
denn freilich, gesteht ein Schreckenskind der Partei, wenn das vierte 
Evangelium nicht apostolisch wäre, so würde man es mit dem Klausen- 
burger oder Wunsiedler Superintendenten für das langweilige Werk 
eines Wirrkopfes halten müssen^). Was die kritischen Theologen 
betrifft, so stehen sie mehr oder minder unter dem Einfluß von Tü- 
bingen. Baur hat in der Idee, die in den Reden sich ausspreche und 
durch das Medium der allegorisch zu fassenden Erzählungen hindurch- 
leuchte, das Band gefunden, welches das Ganze zusammenhalte, 
und den Schlüssel, der alle Kammern des wunderlichen Baues öffne. 
Im Aufblick zu diesem Leitstern sehen die Forscher durchschnittlich 
nicht genug vor die Füße. Und auch wenn sie in der Einheit ein Haar 

finden, lassen sie sich doch nicht irre machen. Wenn sie Störungen 
<j->v_ 

\ ^) K. F. Th. Schneider, Die Echtheit des johanneischen Evangeliums, 1854, 

^ p. 2. Den Klausenburger Superintendenten kenne ich nicht. Der Wunsiedler 

^ ist E. F. Vogel, von dem ein anonymes Werk in zwei Teilen erschienen ist, unter 

^ dem drohenden Titel: Der Evangelist Johannes und seine Ausleger vor dem jüngsten 

- Gericht, Hof, 1801 und 1804. 



^ 
^ 



4 Einleitung. 

und Widersprüche anzuerkennen sich gedrungen fühlen, so betrachten 
sie dieselben nicht als Spuren von Komposition, sondern tragen sie als 
charakteristische Züge in die Physiognomie des Autors ein, die dadurch 
zur unglaubhaften Karikatur wird. Ein Schriftsteller mag sorglos 
und ungeschickt, auch wohl einmal ein bißchen vergeßlich sein, er 
muß sich aber selber verstehen und kann nicht alsbald von dem Inhalt 
seiner eigenen Aussagen keine Vorstellung mehr haben. 

Es ist nicht zu leugnen, daß die Überzeugung von der literarischen 
Einheit des vierten Evangeliums durch einige ältere Zerlegungsver- 
suche eher bestärkt als erschüttert werden mußte. Ch. H. Weiße^) 
meint, daß die Erzählungen ein von den Eeden sehr abweichendes 
minderwertiges Kaliber haben, und wenn sie mit denselben in Ver- 
bindung gebracht seien, doch nicht innerlich damit zusammenhangen. 
Nur die Eeden seien im ganzen echt, das bestätige sich durch ihre 
Übereinstimmung mit dem ersten Johannesbrief. Dem selben Leit- 
faden folgt auch Alexander Schweizer*). Er hält jedoch diejenigen 
Erzählungen fest, auf die eine Kede folgt, und verwirft nur die, bei 
denen das nicht der Fall ist. Auf diese Weise ergibt sich ihm ein 
Unterschied zwischen den judäischen und den galiläischen Erzäh- 
lungen; die Ausnahme, daß das Speisungswunder, obwohl galiläisch, 
doch didaktisch verwertet wird, sucht er zu beseitigen. Ganz anders 
Kenan. Er macht sich nichts aus den abstrakten metaphysischen 
Vorlesungen, hält dagegen die historischen Angaben für sehr beachtens- 
wert und für mehr oder minder authentisch, wobei er freilich die 
Wunder gelegentlich rationalisiert. Sein Beispiel zeigt, daß man 
den Spieß auch umdrehen kann, und diskreditiert die ganze Ver- 
fahrungsweise. Man darf nicht fragen, was wertvoll und echt sei, 
oder wertlos und unecht. Man darf überhaupt nicht von vornherein 
große Gesichtspunkte aufstellen; damit muß man aufhören, nicht 
anfangen. Ausgehen muß man viebnehr von einzelnen Anstößen, 
die sich bei der Exegese ergeben und ebensowohl in den didaktischen 
als in den historischen Teilen vorkommen. 

Solche Anstöße sind schon früher beobachtet worden, z. B. 
von Bretschneider, dem eigentlichen, wenngleich nicht dem epoche- 
machenden Begründer der Kritik des vierten Evangeliums. Neuer 



^) Evangelische Geschichte (1838), 1, 96 ss. 
') Das Evangelium Johannis, 1841. 



Einleitung. 5 

dings hat sich besonders Blaß^) in dieser Hinsicht Verdienste erworben. 
Im Unterschied von Theologen wie Wrede, welche den Johannes 
für einen verworrenen und nicht ganz zurechnungsfähigen Schrift- 
steller halten, will er ihn als bonus narrator angesehen wissen. Er 
sieht scharf zu, ob sein Werk in der uns überlieferten Gestalt diesem 
Postulat entspricht, entdeckt dabei vieles, was nicht sein sollte, und 
beseitigt es auf dem Wege der Textkritik. Durch resolute Tilgungen, 
Änderungen, Umsetzungen stellt er aus der verderbten Überlieferung 
das Ursprüngliche her. Überwiegend verbessert er den Stil, oft in ganz 
überflüssiger und pedantischer Weise. Es kommt auch vor, daß 
er keine Ketzereien auf dem Autor sitzen lassen will. Indessen oft 
genug empfindet er doch mit Eecht Schäden des Zusammenhangs, 
die vor ihm niemand empfunden hatte. Nur verfährt er verkehrt, 
indem er sie rein lokal und äußerlich behandelt, weil er an der Einheit 
des Ganzen nicht zweifelt. Sie reichen weiter und tiefer, als er meint, 
man muß sie in ihre Verzweigungen und in ihre Wurzeln verfolgen. 
Sie lassen sich nicht wie oberflächliche Flecken abwischen, sie haben 
symptomatische Bedeutung. Es sind Symptome der Brüchigkeit 
des Ganzen. An Stelle einer beschränkten Textkritik muß eine um- 
fassende literarische Kritik treten. Die Aufgabe ist nicht, einzelnes 
Unechte aus der echten Masse zu entfernen, sondern zwei oder meh- 
rere literarische Schichten zu unterscheiden. 

Was ich in der Broschüre „Erweiterungen und Änderungen im 
vierten Evangelium (Berlin 1907)" angefangen habe, führe ich jetzt 
für das Ganze durch, mit einigen Modifikationen. An dem Grund- 
satze halte ich fest, daß man bei auffallenden, wo möglich äußer- 
lichen oder formellen Einzelheiten einsetzen muß und erst von da 
zur Aufdeckung durchgehender Unterschiede von tieferer Art fort- 
schreiten darf. In meiner Broschüre bin ich davon ausgegangen, 
daß der Vers 14, 31 seine unmittelbare Fortsetzung in 18, 1 hat und 
die Reden dazwischen keinen Platz haben. Von noch größerer Wich- 
tigkeit als 14, 31. 18, 1 sind die beiden vereinzelten Verse 7, 3. 4, 
wonach Jesus bisher nur in Galiläa gewirkt hat; sie negieren die Fest- 
reisen nach Jerusalem und die darauf beruhende Chronologie. Noch 
einige andere Beispiele mögen hier vorweggenommen werden, welche 
die mangelnde Einheit der Konzeption beweisen. Magdalena läuft 



^) Evangelium secundum Johannem, Lipsiae 1902. 



6 Einleitung. 

(20, 2) vom Grabe Jesu in die Stadt um Petrus zu holen, und steht 
hinterher (20, 11) doch noch am Grabe, ohne daß ihre Rückkehr dahin 
irgendwie angedeutet ist. Ganz ähnlich geht Martha nach Hause 
(11,28) um Maria zu Jesus zu schicken; diese allein begibt sich zu 
ihm, und hernach (11, 39) ist die Schwester, die mit Jesu am Grabe 
des Lazarus steht, doch wieder Martha. In 12, 36 geht Jesus fort 
und verbirgt sich, gleich darauf aber (12, 44) erscheint er wieder in 
der Öffentlichkeit und ruft laut aus, was er zu sagen hat — und das 
nachdem vorher (12, 37 — 43) die Akten über die Reden Jesu an das 
große Publikum feierlich geschlossen sind. In 19, 1 — 15 führt Pilatus 
Jesum zweimal aus dem Prätorium, um ihn den draußen stehenden 
Juden als ihren König vorzustellen, ohne daß ein Wort verlautet, 
daß er ihn inzwischen wieder habe hineingehen lassen. Hier ist die 
Verdopplung der öffentlichen Vorstellung des Angeklagten schon 
an sich anstößig. Nicht minder befremdend ist die Dublette, die in 
7, 25 — ^30 und 7, 40 — 44 vorliegt. Auf solchen Beobachtungen iuße 
ich, und gegen diese Positionen bitte ich den Angriff zu richten. 

Von da aus bin ich weiter geführt worden. Die allgemeine An- 
sicht, zu der ich gelangt bin, möge an dieser Stelle kurz dargelegt 
werden. Die Konfusion des vierten Evangeliums fällt um so mehr auf, 
da es nicht wie das des Markus eine nach einfachen Gesichtspunkten 
geordnete Sammlung von überliefertem Material ist. Die Erzählungen 
weisen Einschübe auf, die Reden haben keine Gliederung und keine 
behaltbaren Pointen, sie wimmeln von Varianten und sprengen nicht 
selten die Einfassung, so daß man nicht weiß, in welcher Situation 
man sich befindet. Aus dem formlosen und monotonen Chaos ragen 
nun aber einzelne Stücke wie Schrittsteine auf, die eine fortlaufende, 
freilich nicht ununterbrochene Linie darstellen. Sie heben sich von dem 
Ganzen ab, bilden aber doch dessen Rückgrat und können als die 
Grundschrift bezeichnet werden. Daran haben sich schichtenweis 
Erweiterungen^) angeschlossen. Das Ganze ist also, ähnlich wie ein 
großer Teil der jüdischen und auch der altchristlichen Literatur; das 
Produkt eines literarischen Prozesses, der in mehreren Stufen vor 
sich ging. Die Grundschrift bildet nur den Aufzug und wird an Um- 
fang von den Einschlägen weit übertroffen. Sie kann daher nicht als 



^) Quellen kann man diese Erweiterungen nicht nennen. Kirchhofs Analyse 
der Odyssee unterscheidet sich von der Lachmanns. 



1,1—18. 7 

das eigentliche johanneische Evangelium betrachtet werden, sondern 
nur als Ingrediens desselben. Sie ist keineswegs intakt und vollständig 
erhalten. Man kann auch weder sie noch die verschiedenen Schichten 
der Bearbeitung mit Sicherheit ausscheiden. Ein Versuch dazu muß 
indessen auf alle Gefahr hin gemacht werden. Wenn er nur schlecht 
gelingt, so ist das kein Beweis gegen das Vorhandensein der Gründe, 
die ihn notwendig machen. 

Meine Broschüre hat einen lebhaften Gedankenaustausch zwischen 
Eduard Schwartz und mir zur Folge gehabt, wobei er mehr der Greber 
als der Empfänger war. Er hat mir auf die Sprünge geholfen, ixaisüri)? 
yap T^v xal 6 TraxYjp auioü. Nicht wenige wichtige Beobachtungen 
stammen von ihm; ich habe es im Text der ^alyse angemerkt, 
soweit ich mich erinnerte ^- natürlich nicht in der Absicht ihn 
haftbar zu machen. Auf die Aporien, die er in den Nachrichten der 
Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften zu veröffentlichen begonnen 
hat, habe ich nur in Fußnoten Kücksicht genonmien, da der 
Hauptteil meiner Arbeit, die Analyse, schon druckfertig war, ehe 
das erste und bisher einzige Stück erschien. 



Analyse. 

Galiläische Wirksamkeit, Kap. 1—6. 

1, 1—18. 

Zuerst erscheint der Logos als allgemein kosmisches Prinzip, 
hinterher kommt er nur in Betracht als Offenbarungsprinzip, als 
Licht für die Menschen. Der Übergang wird in 1, 4 gemacht, ist 
jedoch sehr hart und wird nicht im mindesten erleichtert durch die 
an sich ziemlich schillernde Weise, wie das Leben als Brücke 
oder Mittelbegriff eingeschoben wird. Wer 1, 3. 4 verstehen muß, 
ist nicht zu beneiden. 

Der Schluß von 1, 4 wird in 1, 9 wieder aufgenommen: „Das 
Leben war das Licht der Menschen — das wahrhaftige Licht, das 
jeden Menschen erleuchtet, der in die Welt kommt". 'Epx^i^evov ist 
nax5h 16, 21 Attribut zu av&pwTrov ; es läßt sich nicht mit r^v verbin- 
den, weil die Conjugatio periphr. nicht so zerrissen werden darf und 



g Galil&ische Wirksamkeit, Kap. 1 — 6. 

weil sie als activa im Joa überhaupt sehr selten^) und hier nicht be- 
rechtigt ist. Dann ist xh 90)^ Prädikat, und der Satz hat nun kein 
Subjekt mehr (denn aus dem Vorhergehenden läßt es sich nicht ent- 
nehmen), wenn man ihn nicht unmittelbar mit 1, 4 verbindet, nach 
einem Vorschlage von E. Schwartz. Zwischen 1,4 und 1,9 steht in 
der Tat Johannes störend, wie schon Weiße (Evangelienfrage 1856 
p. 113) empfunden hat. Er wird erwähnt ad vocem xh cpa>? — weil er 
nämUch nicht das Licht ist^). Er kann jedoch eigentlich nicht dem 
überirdischen Logos, der in allen Menschen und auch in ihm selber 
wirkt, entgegengesetzt werden, sondern nur dem fleischgewordenen. 
Dieser tritt nun aber erst mit 1, 14 ein. In 1, 15 stünde Johannes an 
passender Stelle, indessen wird dieser Vers durch das ganz beziehungs- 
lose ouToc TjV ov siirov ebenfalls verdächtig. Weiße und Blaß strei- 
chen ihn. Daß 1, 16 an 1, 14 anschließt ist klar und wird durch das 
merkwürdige 7;[jlsi; bestätigt. Blaß macht darauf aufmerksam, daß 
xsxpa^sv ein dem Joa fremder Atticismus sei. 

Ebenso plötzlich wie der Übergang des die Welt schaffenden 
Logos in den die Menschen erleuchtenden ist in 1, 10 — 12 der Über- 
gang des universalen Kosmos in den menschlichen, der noch dazu 
alsbald auf die Juden eingeengt wird. Und vor 1, 14 ist nicht nur 
die Einführung des Täufers verfrüht, sondern ebenso auch die Angabe, 
daß die Juden Jesum nicht aufnahmen. In 1, 14 selber fällt trotz Blaß 
Gramm. § 31,6 der Nominativ tcXVjpt^c auf; er scheint hinter den ersten 
Satz zu gehören, nicht hinter den zweiten (E. Schwartz.) 

Man darf zwar von diesem spekulativen Versuch eines Unge- 
schulten keine strenge Führung des Gedankenganges verlangen. 
Andererseits darf man die Anspruchslosigkeit doch auch nicht zu 
weit treiben und die Augen nicht grundsätzlich gegen den Eindruck 
verschließen, daß hier keine ursprüngliche Einheit vorliegt. Wenn 
Baur sagt, das Historische sei in die metaphysische Sphäre hinaufge- 
hoben, so ist das keine Lösung, sondern nur eine generalisierende 
Abschwächung des Rätsels, welches sich darauf zuspitzt, daß der 
Täufer unversehens in die Ewigkeit hineinschneit. Und wenn Strauß 
findet, unbefangen angesehen schreite der Prolog in bester Ordnung 
und strengstem Zusammenhange fort, so scheint ihm doch die Unbe- 



^) Es kommt fast nur fjv ßaurfC^v vor, dreimal. 
*) Vgl, dagegen 6, 36. 



1, 19—28. 9 

fangenheit des Blickes dadurch getrübt zu sein, daß er in der Polemik 
gegen Weiße befangen ist. 

1, 19—28. 

In 1, 22 — 24 und 25 — 28 lassen sich Varianten erkennen, wie 
Figura zeigt: 

„^®Dies ist das Zeugnis des Johannes, als die Juden aus 
Jerusalem Priester und Leviten zu ihm sandten um ihn zu fragen, 
wer er sei. ^ou^^^j ^^ bekannte und leugnete nicht, und er be- 
kannte: ich bin nicht der Christus. ^^Und sie fragten ihn: wie nun, 
bist du Elias ? Nein ! bist du der Prophet ?^) Nein ! 

22Da sagten sie zu ihm: wer 
denn ? wir müssen doch unseren 
Auf traggebemBescheid bringen, 



was du über dich selbst sagst! 
2^Er sprach: ich bin die Stimme 
eines Rufenden in der Wüste; 
ebnet dem Herrn die Straße! 
wie der Prophet Jesaias gesagt 
hat. 2^Sie waren aber abge- 
sandt von Seiten der Pharisäer. 



* 2^Und sie fragten ihn und 
sagten : was taufst du denn, wenn 



du weder der Christus noch Elias 
noch der Prophet bist? ^e Jo- 
hannes antwortete: ich taufe mit 
Wasser, mitten unter euch ist 
gegenwärtig, obwohl euch un- 
bekannt, 2'der nach mir Kom- 
mende, dessen Schuhriemen zu 
lösen ich nicht wert bin. ^^Das 
geschah in Bethanien jenseit des 
Jordans, wo Johannes taufte." 
Vers 25 knüpft nicht an 24, sondern an 21; ebenso wie Vers 22 
und sogar noch enger. Und wie die Fragen 22 und 25, so sind auch 
die Antworten 23 und 26 s. parallel, obzwar nicht identisch. Vor allem 
entsprechen sich 24 und 28 als Schlüsse^). Denn nur als Schluß ist 
der Vers 24 zu begreifen, in der Mitte stört er sehr empfindlich. Man 
hat an dem Wortlaut früh gedoktert, ohne etwas auszurichten, da 
der Fehler gar nicht am Wortlaut liegt, sondern an der Stellung in 
der Mitte. Beide Varianten setzen die Einleitung (19 — 21) voraus, 
doch paßt sie besser zu der zweiten. Der Schluß der ersten (24), 
wonach die Pharisäer entweder die Absender oder die Abgesandten 
sind, reimt sich nicht mit der Angabe (19), die Juden d. h. die jerusa- 
lemischen Oberen hätten Priester und Leviten abgeordnet. 



1) Deut. 18, 15. 

*) In 1, 28 befremdet ^v Brfioisic^y wenn man dagegen 10, 40 vergleicht. 



10 Galiläische Wirksamkeit, Kap. 1 — 6. 

Johannes ist nicht Elias, weil er nicht dem künftigen Christus 
der Parusie die Bahn bricht^), sondern den schon gegenwärtigen be- 
zeugt. Er ist auch nicht der Täufer Jesu, sondern lediglich der Zeuge über 
ihn. Mit \iicso^ 6jxa>v (jir^xsi sagt er nicht: er steht hier mitten unter 
der sich zur Taufe drängenden Menge — denn er redet die Boten an, 
und Jesus befindet sich nicht an Ort und Stelle. Sondern: er ist be- 
reits mitten unter euch Juden gegenwärtig, wenngleich ihr ihn nicht 
kennt. Er selber hat ihn bereits als den der er ist erkannt, ohne jedoch 
irgendwie merken zu lassen, daß das bei der Gelegenheit geschehen 
sei, als er ihn getauft habe. Jesus ist der Christus ohne getauft zu 
sein und ohne auch selber zu taufen^). Denn in 1, 26 setzt Johannes 
nicht etwa seine Wassertaufe der Geistestaufe Jesu entgegen, son- 
dern er sagt: ich taufe nur, der Messias aber ist ein anderer. 'Ev 58aTt 
fügt dem Begriff des ßaTrct'Cetv nichts hinzu, sondern ist ein gleich- 
giltiger Zusatz, der ebensogut hier fehlen könnte, wie er 1, 33 in der 
Syra fehlt und 1, 31 von Blaß gestrichen wird^). Bemerkenswert ist, 
daß der Täufer in 1, 23. 26 s. den Namen Christus vermeidet. 

Die Juden sind dem Johannes hier freundlich gesinnt, sie drängen 
ihn dazu, daß er sich als den Christus bekennt, und es wird ihm hoch 
angerechnet, daß er sich nicht dazu verleiten läßt. Ähnlich erscheint 
ihre Stimmung gegen den Täufer in 5, 33. 35, und auch dort ist von 
ihrer Gesandtschaft an ihn die Eede. Wegen dieser Eückbezeugung 
darf man annehmen, daß das Stück 1, 19 — 26 zur Grundschrift ge- 
hört, natürlich nur mit der Einen Variante und zwar der zweiten 
(1, 19—21. 25—28). 

1^ 29—34. 

Erst hier tritt Jesus selber auf den Plan. Er kommt zu Johannes; 
man denkt, um sich taufen zu lassen. Das ist jedoch nicht der Fall. 
Vielmehr folgt abermals eine [lapTupia des Täufers, die nur äußerlich 
von der vorhergehenden getrennt wird und in Wahrheit ebenso 
wenig wie jene die Anwesenheit Jesu erheischt. Also liegt ein Gegen- 
stück zu 1, 19 — 28 vor, freilich mit einem bedeutsamen Unterschiede. 
Denn hier gilt die Taufe als Initiation des offenbaren Messias. Jesus 

1) Vgl. zu Mc 9, 11. 12. Mt 11, 14. 

^) Die Juden scheinen anzunehmen, das Taufen gehöre zum Amt des Messias, 
Johannes teilt aber diese Meinung nicht. 

») R. Schütz, ZNW 1907, 247. Als Syra bezeichne ich die Sinaitica. 



I 



1,36—51. 11 

läßt sich freilich nicht erst jetzt taufen, sondern das ist schon früher 
geschehen, irgendwann. Am gehörigen Ort, im Lauf der Erzählung, 
wird darüber nicht berichtet; Johannes muß in einer Rede nach- 
tragen, er habe Jesum bei der Taufe daran erkannt, daß der 
Geist auf ihn herabkam. Was in 1, 19 — 28 fehlt, wü:d in 1, 29 — ^34 
nebenbei aus der synoptischen Tradition ergänzt. Auf diese wird 
vielleicht 1, 30 zurückgewiesen; denn sonst ist das ütt^p ou skov hier 
ebenso unverständlich wie das 8v snrov 1, 15. 

Man erwartet, daß Johannes 1, 29 zunächst einmal sagt: töou 
6 xptTcoc. Statt dessen vermeidet er auch hier den Namen Christus 
und sagt sofort: i'ös 6 dpo? tou Osoü xtX. Nach Isa 53 müßte 
atpsiv tragen bedeuten, nach 1 Joa 3 bedeutet es weg- 
nehmen. Die Vergebung der Sünden durch das Leiden Jesu ist 
sonst dem vierten Evangelium fremd. — In 1, 32 variiert die Stellung 
von wq TTspiaTspav. Im Sinaiticus, in der Latina und Syra heißt es: 
ich sah, daß der Geist gleich einer Taube herabfuhr; dagegen im 
Vaticanus: ich sah, daß der Geist herabfuhr wie eine Taube. Dort 
sieht der Geist selber aus wie eine Taube, hier gleicht nur sein Flug 
dem Fluge der Taube — eine Korrektur, die dem geläuterten theolo- 
gischen Geschmack zusagt. — In 1, 33 streicht Blaß die Schluß- 
worte 6 ßaTTct'Cwv iv irv£6[xaTi «Ytcp, vermutlich weil nach dem Vor- 
dersatze Jesus der mit dem Geist Getaufte, nicht der mit dem 
Geist Taufende ist, und weil ein Gegensatz zu ßaTrctCstv ^v 5oaxt 
nicht in der Absicht liegt — noch dazu fehlt da sv dSaxt in der Syra. 

Merkwürdigerweise stehen nun auch in dieser Perikope wie in 
der vorhergehenden zwei Varianten neben einander, 29 — ^31 und 32 — ^34. 
Denn der Vers 32 setzt nicht fort, sondern hebt neu an, und in 33 s. 
wird nur weitläufiger wiederholt, was schon in 31 gesagt ist, mit dem 
selben Anfange: xd^o) oux f]8eiv aüiov^). 

1^ 35— 5n 

Übergang von Johannes zu Jesus. Zu Anfang ist Johannes 
(von 1, 29 her, welcher Vers zur Erklärung des TusptTraTsiv 1, 35 

1) Weiße, Evang. Geschichte 2, 195 s. 

*) Lachmann, Tischendorf und Blaß haben den Vers 38 in zwei Teile getrennt 
und doppelt gezählt; ich folge der gewöhnlichen Zählung, um keine Verwirrung 
anzurichten. 



12 Galiläische Wirksamkeit, Kap. 1—6. 

unentbehrlich ist) noch mit Jesus zusammen; er wiederholt die Aus- 
sage über ihn, die er am ersten iizaipiov öffentlich gemacht hat, am 
anderen Tage vor zwei seiner Jünger, die daraus die Folge ziehen und 
zu dem Lamm Gottes übergehen. Hernach ist er ohne weiteres ver- 
schwunden und Jesus allein übrig geblieben. Der Schauplatz aber 
ändert sich nicht; da wo die beiden ersten Jünger zu Jesus gekom- 
men sind, kommen auch die anderen zu ihm. Woher sind das nun 
lauter Galiläer ? befanden sich vorwiegend Galiläer in der Umgebung 
des Täufers ? oder suchten sich Andreas usw. darunter nur ihre spezi- 
ellen Landsleute aus, um sie zu Jesus zu führen ? Und noch eine schwe- 
rer zu beantwortende Frage drängt sich auf: wie kömmt es, daß 
wir uns mit 2, 1 nicht mehr in Peräa befinden, sondern in Galiläa? 
und zwar ohne Übergang, denn 1, 43 leitet keinen wirklichen Orts- 
wechsel für das Folgende ein, es bleibt beim Vorhaben. Sichtlich ist 
die Situation der Erzählung aus den Fugen; nur läßt sie sich leider 
nicht gut wieder einrenken. 

Man hat vermutet, es sei zwischen 1, 35 — 43 und 43 — ^51 nicht bloß 
ein Unterschied der Zeit, sondern auch des Ortes. Nur die ersten Jünger, 
nach Ewald ^) die zwei Brüderpaare von Mc 1, 16 — 20, seien bei Jo- 
hannes gewesen und in Peräa zu Jesus gekommen, die anderen erst 
in Galiläa. Aber dann müßte man, um den gewünschten Einschnitt 
hervorzubringen, in 1, 44 mit Blaß scr^X&ev lesen und zugleich er- 
klären, aus welchem Grunde dies in allen Handschriften und Versionen 
zu r^ftsXrjasv iJeX&stv geändert wurde. 

Ich möchte die Jüngerwahl lieber ganz als halb aus Peräa weg ver- 
legen, d. h. ich möchte die Verse 1, 35. 36, die eine verdächtige Ähn- 
lichkeit mit 1, 29 haben, als später zugesetzt ansehen, in der Absicht, 
die persönliche Berührung zwischen Johannes und Jesus weiter aus- 
zugestalten und zugleich Kapernaum zurückzudrängen^). Konsequent 
muß denn auch dxoüOfavKov Tuapa 'Iwavoü xai (40) ausgehoben 
werden. Und ferner der Anfang von Vers 43. Das empfiehlt sich 



^) Ewald hält den Compar des Andreas für den Apostel Johannes und sagt, 
aus der Angabe, Andreas habe zuerst (TrpwTo;) seinen Bruder gefunden, 
habe jeder nachdenkliche Leser jener ersten Zeiten schließen können, daß Johannes 
zu zweit seinen Bruder gefunden habe. 

*) Nach 1, 44 soll Kapernaum nicht einmal die Heimat des Petrus und Andreas 
gewesen sein. Bethsaida als Stadt des Philippus erklärt sich vielleicht wie Cäsarea 
Philippi. 



2, 1-12. 13 

auch aus anderen Gründen. Nämlich im dritten Satz dieses Verses 
erklärt sich das Explicitum 6 'It^joü? nicht, wenn Jesus schon vorher 
das Subjekt ist. Und als Subjekt zu supicjxst im zweiten Satz paßt 
er nicht, da ihm sonst stets ein anderer den neuen Jünger zuführt. 
Läßt man nun den ersten Satz aus, so bringt vielmehr Andreas den 
Philippus herbei, mit dem er auch sonst verbunden (6, 5 — 8. 12, 22. 
Mc 3, 18) erscheint; nach der Angabe, Andreas habe zuerst (irpoiTov) 
seinen Bruder Simon gefunden, erwartet man in der Tat zu hören, 
daß er hernach noch einen anderen fand. Vgl. Blaß, praefatio XIV. 
Den Vers 51 hält E. Schwartz mit Recht für einen Zusatz, wegen 
der überflüssigen neuen Einführungsformel xal Xsysi aüTcp, die 
auch Blaß befremdlich findet und nach seiner Art streicht, vgl. 
6, 65. 16, 8. Die Ähnlichkeit mit Act 7, 56 fällt auf. 

2, 1—12. 

Auf den nächsten und den nächsten und abermals den nächsten 
Tag folgt hier der dritte. Ewald sagt, er sei nicht von einem der vorher- 
gehenden iTtaiJptov an zu rechnen, sondern vom Tage der Ankunft 
in Kana, die freilich nicht gemeldet werde. Mit Recht versteht er, 
daß die Mutter in Kana wohne^); es ist als Heimat derFamihe Jesu 
an Stelle des benachbarten Nazareth getreten, und nach 2, 12 darf 
man vermuten, daß oi [iattr^xal autoü in Vers 2 für oi dSsXcpol 
aÜTOü eingesetzt sei. Die Mutter hat schon Erfahrung von der 
Wunderkraft ihres Sohnes und läßt sich durch sein Sträuben nicht 
irre machen. „Meine Stunde ist (noch nicht) gekommen" hat sonst 
einen anderen bestimmten Sinn; daß Jesus sich nicht gleich anfangs 
als den, der er ist, offenbart habe, widerspricht eigentlich der Meinung 
des Evangelisten. In 2, 6 ist rpav . . . xsi|x£vai durch xaxa tov xa&a- 
ptajxov Twv 'louSaiwv gar zu weit aus einander gerissen, und daß 
die zur Reinigung bestimmten Gefäße nicht von vornherein voll sind, 
sondern erst noch gefüllt werden müssen, befremdet. Die Haupt- 
sache, die Verwandlung des Wassers in Wein, wird nicht ausdrücklich 
berichtet, sondern in 2, 9 einfach als geschehen vorausgesetzt. Das 
ist erträglich und vielleicht eine Schönheit. Allein es wird auch nicht 



^) Blaß findet die Angabe in Vers 1 so anstößig, daß er sie an eine andere 
Stelle versetzt, wo das Ixet nicht auf Kana zu gehen braucht, sondern auf die 
Hochzeit gehen kann. 



14 Galiläische Wirksamkeit, Kap. 1 — 6. 

gesagt, daß die Gäste das Wunder erfahren und me sie und die Leute 
von Kana darauf reagiert haben^). Damit fehlt vermutlich das Motiv, 
warum Jesus von Kana weg nach Kapemaum gegangen ist, d. h. die 
Pointe der ganzen Geschichte. Über 2, 11 wird zu 4, 54 gehandelt 
werden. In Vers 12 sind die Brüder zum Glück nicht wie in Vers 2 
durch die Jünger ganz verdrängt; sie müssen aber allein das Feld be- 
haupten, nach dem Sinaiticus und der Latina (Blaß). Die Über- 
siedlung mit Mutter und Brüdern nach Kapemaum steht 
in interessantem Widerspruch zu Mc 3, 21. 31. Sie hat aber jede Be- 
deutung verloren, wenn Kapernaum nur bezogen wird, um gleich 
wieder verlassen zu werden, und wenn dort nichts geschieht^). Wie 
wir sehen werden, ist das in der Grundschrift wohl anders gewesen; 
die Worte oü TroXXi? /jfAspa? stammen von einem Redaktor, der 
Kapernaum und Galiläa zur Seite zu schieben sucht. Eine Spur 
dieses Strebens findet sich vielleicht schon in der Erzählung über die 
Jüngerberufung. 

2, 13—3, 36. 

Es muß hier das Ergebnis der Untersuchung von 7, 1 ss. vorweg 
genommen werden. Darnach hat die Grundschrift Jesum zunächst 
ausschließlich in Galiläa auftreten und dann nach Judäa übersiedeln 
lassen. Die judäischen Stücke, wodurch die galiläische Periode unter- 
brochen und die Situation ab und zu (besonders in 6, 1) ins Schwanken 
gebracht wird, haben also in der Grundschrift entweder überhaupt 
nicht oder doch nicht an dieser Stelle gestanden^). Warum aber sind 
sie eingesetzt oder versetzt? Jesus sollte von Anfang an nicht bloß 
in einem Winkel von Galiläa, sondern in voller Öffentlichkeit zu 
Jerusalem wirken; in 4, 43 — 45 erscheint Judäa sogar als sein Aus- 
gangspunkt und Galiläa nur als Zufluchtsort, Kapernaum wird noch 



^) Die Bemerkung „seine Jünger glaubten an ihn** entschädigt uns nicht. 

*) Nach Bernhard Weiß freilich hat Maria mit ihren Söhnen dort nur einen 
Besuch gemacht bei der ihr befreundeten FamiUe Zebedäi. 

*) Roland Schütz aus Berlin hat mir im Winter 1906-7, wo er in Göttingen 
studierte, die Ansicht mitgeteilt, daß die Festreisen nicht in das ursprünghche 
Evangelium hineingehören. Von der Richtigkeit seiner Ansicht habe ich mich 
allerdings erst überzeugt, als ich sie durch 7, 3. 4 bestätigt fand; aber ohne ihn 
wäre ich vielleicht nicht auf die Bedeutung dieser Stelle aufmerksam geworden. 
Sein Aufsatz in der ZNW 1907 ist mir erst nach Beendigung meiner Analyse zuge- 
gangen. 



2,13—3,36. 15 

weit mehr als bei Lukas zurückgedrängt. Namentlich soUte auch 
die Gründung der Gemeinde von Jerusalem in die früheste Zeit ge- 
setzt werden. Dazu kommt noch, daß die Festreisen Träger einer 
Chronologie sind, wodurch die öffentliche Wirksamkeit Jesu auf 
drei oder vier Jahre verlängert wird. Denn bloß darum sind sie nicht 
eingeschaltet, weil die Meinung war, Jesus müsse doch schon vor 
der Passion den Tempel in Jerusalem regelmäßig besucht haben 
(Lc 2, 41 SS.). 

2, 13 — ^22. Die Ochsen und Schafe (14. 15) sind zu streichen. 
Denn das iraviac (15) kann sich nur auf die Menschen beziehen^). 
Und zwar umfaßt es beide vorher genannten Menschenklassen, sowohl 
die Taubenhändler als die Wechsler. Auch die Wechsler werden also 
ausgetrieben und nicht bloß ihre Tische umgestürzt; der letzte Satz 
von Vers 15 ist aus der synoptischen Tradition interpoliert, um so 
sicherer, da hier die Wechsler plötzlich xoXXüßiaxat heißen und 
nicht mehr xepjiaTtafxat'. Der Interpolator wollte die Peitsche aus 
Stricken nicht gegen die Menschen, sondern nur gegen das Vieh an- 
gewandt wissen. In Zusammenhang mit den xoXXüßiofTat in Vers 15 
sind vermutlich auch die Taubenhändler in Vers 16 eingesetzt; denn 
man sieht gar keinen Grund, warum das Wort Jesu nur an sie und 
nicht auch an die Wechsler gerichtet sein soll. Dann hätte der ur- 
sprüngliche Text gelautet: „Und er fand im Heiligtum die Tauben- 
händler und die Wechsler sitzen. Und er machte eine Geißel aus 
Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus und sagte: schafft das 
von hier weg usw." 

Mit der Tempelreinigung wird sogleich die Tempellästerung 
verbunden. Sie wird nicht für eine Verleumdung erklärt wie bei 
den Synoptikern, wohl aber für ein Misverständnis. Ebenso wie 
bei den Synoptikern fragen nämlich die Juden Jesum nach seiner 
Befugnis zur Tempelreinigung oder vielmehr nach einem Zeichen 
als Beweis seiner Befugnis. Und er gibt ihnen wie in Mt 12, 39 s. 
das Jonaszeichen, d. h. seine Auferstehung als Ausweis seiner Messias- 
würde. Das tut er mit den Worten: „brecht den (Syra) Tempel ab 
und ich richte ihn binnen drei Tagen wieder auf"; sie sollen nach der 
Zweideutigkeit von i^st^pstv bedeuten: ihr werdet meinen Leib 



^) Blaß streicht rccvTa;, das ist bezeichnend für den Horizont seiner Kritik. 
Aber die Anderen empfinden nicht einmal den Anstoß. 



16 Galiläische Wirksamkeit, Kap. 1 — 6. 

(1 Kor 3, 16 8. 6, 19. 2 Kor 6, 16) töten, aber ich erwecke ihn aus 
eigener Kraft (10, 18) zu neuem Leben. Die Juden schütteln den 
Kopf, daß er den Tempel, dessen Bau sechsundvierzig Jahre gedauert 
habe^), in drei Tagen wieder aufbauen wolle, betrachten aber die 
Äußerung nicht als Blasphemie und bleiben bei dem doppelten Affront, 
womit Jesus ihnen ins Haus fällt, ganz gelassen. Die Sache hat gar 
keine Wirkung, steht also nich': hier, sondern nur zu Anfang der 
Passion an der gehörigen Stelle. Die judäische Einschaltung im Joa 
beginnt mit einer ungeheuren Prolepse. Aber wenn überhaupt Jesus 
schon vor der Passion in Jerusalem öffentlich bei Gelegenheit eines 
Festes auftreten sollte, so mußte die Tempelreinigung an den Anfang 
gerückt werden. Denn es wäre unbegreiflich, warum er sich erst 
bei dem letzten Besuch über die Wirtschaft im Tempel entrüstet 
haben sollte und nicht gleich bei dem ersten. So tritt Joa 2, 13 ss. an 
die Stelle von Lc 2, 41 ss.; toü iraxpo? [xoü 2, 16 kommt auch Lc 2, 
49 vor. 

In der Grundschrift hat diese synoptische Geschichte überhaupt 
keine Stelle. Denn in die Passion, wie sie dort (durch die Lazarus- 
geschichte) motiviert und berichtet wird, paßt ein so offenes und un- 
gefährdetes Auftreten Jesu gegen die jüdische Obrigkeit nicht hinein. 
Auch der Einzug zu Palmarum gehört nicht zur Grundschrift. 

2, 23 — 25 ist wie 4, 1 — 3. 43 — 46 eine redaktionelle Überleitung, 
und zwar zu der Nikodemusperikope. Das auf unmittelbare Menschen- 
kenntnis gegründete Mistrauen Jesu gegen die, welche wegen seiner 
Wunder an seinen Namen (st; t6 ovofia) glauben, wird aus 3, 2 
abstrahiert sein. Zugleich waltet die Absicht, frühzeitig einen Kreis 
von Gläubigen in Jerusalem entstehen zu lassen. Nach 7, 3. 4 gibt 
es noch keine Gläubigen in Jerusalem, und nach 7, 22 hat er dort 
erst ein einziges Werk getan. Ata vor dem Infinitiv (24) fällt auf, 
da sonst nur irpo so vorkommt. Das generelle 6 av&pwiro? findet sich 
auch 7, 51. 

3, 1 — 21. Dies ist bei Joa die einzige Auseinandersetzung mit 
einem Schriftgelehrten, aber nicht über das Gesetz und gesetzliche 



^) Die Chronologie, die hier zu gründe liegt, ist sicher keine richtige oder 
rationale, die sich nachrechnen läßt. Dagegen kann die Zahl 46 mit der Schätzung 
der Lebensjahre Jesu (8, 57), da ja sein Leib der Tempel ist, zusammenhangen, 
aber umgekehrt als wie E. Schwartz meint (Abhh. der Göttinger Ges. der Wiss. 
1904 (VII, 6) p. 7. 8). 



2,13—3,36. 17 

Fragen, sondern über ein den Juden fremdes Thema. Man erkennt 
in Nikodemus eiaen Schatten des Schriftgelehrten von Mc 12, 28 ss., 
der nicht weit vom Reiche Gottes, aber doch nicht darin ist. Was 
ihm noch fehlt, erhellt dort nicht; hier wird es gesagt: ohne Wieder- 
geburt^) kann man nicht in das Reich Gottes gelangen. Das Reich 
Gottes findet sich nur hier bei Joa; der Ausspruch 3, 3 ist abgewandelt 
aus Mt 18, 3. Die Wiedergeburt wird dann auf die verwunderte 
Frage des Nikodemus^) näher bestimmt als eine Geburt nicht aus dem 
Fleisch, sondern aus dem Geist. Nur zuerst (3, 6) wird dafür gesagt: 
aus Wasser und Geist. Dann würde also Jesus die Taufe, und zwar 
nicht die johanneische, sondern die christliche, für die notwendige 
und grundlegende Initiation zum Reiche Gottes erklären. Die spätere 
Auslassung des Wassers ließe sich begreifen, weil das Unterscheidende 
bei der christlichen Taufe eben der Geist ist. Jedoch bleibt das eS 
üSaioc wegen seiner Vereinzelung auffallend; und es verträgt sich 
schlecht mit 3, 8. „Der Wind^) weht wo er will, und du hörst ihn 
wohl, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht: so geht 
es auch immer, wenn einer aus dem Geist geboren ist." Gleich 
unbegreiflich, wie das Woher des Windes ist auch das Woher des 
Geistes und gleich tatsächlich doch die Wirkung; und so wenig wie 
die Menschen den Ursprung dieser Mächte erkennen können, so wenig 
können sie sie dirigieren (Sttoü ösXst irvst). Mit dieser Betrachtungs- 
weise will es doch nicht recht stimmen, daß der Geist durch ein sicheres 
Mittel, durch das Sakrament der Taufe, verliehen wird. Man könnte 
sich nun versucht fühlen, den ganzen Passus 3, 5. 6 für eine spätere 
Erweiterung zu halten, da der Anfang von 3, 7 unmittelbar auf die 
Verwunderung des Nikodemus zurückzuschlagen und 3, 5 nur eine 
Wiederholung von 3, 3 zu sein scheint. Dann würde aber die Voraus- 



^) Usener im Weihnachtsfest p. 64 n. 1 protestiert eifrig gegen die Auffassung 
von avü)Oev als denuo. Aber sie wird vertreten von der Latina und der Syra und 
vor allem von Nikodemus selber, der irctXiv an die Stelle setzt und nicht ex coelo, 
sondern ex matre versteht. Daß avco^ev 3, 31. 19, 11 von oben bedeutet, 
ist allerdings richtig, und vielleicht will es Jesus nach 1, 13 so verstanden wissen. 

') r^p(uv (3, 4) bedeutet wohl nicht Greis, sondern nur alt, nicht mehr jung. 

*) Sehr ungewöhnlich wird itveufxa statt ofvsfxo; gesagt, um die Sache (den 
Geist) gleich durch das Bild (den Wind) durchblicken zu lassen; das Epimythion 
(o3tü>c xtX.) wird dadurch eigentlich überflüssig, wenngleich es richtig erklärt. 
Zu Pfingsten kommt der Geist herab «liaTrep tz^o^ ßia(a (Act 2, 2). Im Hebräischen 
und Aramäischen heißt nil sowohl ofvefxo; wie animus. 

We 1 1 h a u s e n , Evang. Johannis. 2 



18 Galiläische Wirksamkeit, Kap. 1 — 6. 

Setzung von Vers 8 wegfallen. Es genügt, die Worte GSaioc xat' in 
3, 5 auszuheben. 

Mit 3, 9 geht ein neuer Absatz an, der von einem Continuator 
stammt. Der Einwurf des Nikodemus „wie kann das zugehen?" 
paßt nicht auf die vorhergehende Äußerung Jesu; denn sie besagt 
ja grade, daß man nicht wisse, wie die Sache zugehe. Und noch weniger 
paßt zu dieser Äußerung die Replik Jesu in 3, 10 ss. Da wird dem 
Nikodemus zum Vorwurf gemacht, daß er etwas nicht verstehe, was 
nach Vers 8 doch grade unbegreiflich sein soll. Weiter wird die 
Wiedergeburt, und zwar offenbar die durch die Taufe, als etwas Ele- 
mentares, gleichsam für Katechumenen Bestimmtes, höheren Dingen 
entgegengesetzt^), zu denen die Rede nun übergeht: die Präexistenz 
des Menschensohnes, der deshalb allein über den Himmel und das 
Himmlische Bescheid weiß^), seine Kreuzigung zum Heil der ganzen 
Welt, das innere Gericht, d. h. die Scheidung der Geister, die sich 
durch ihr verschiedenes Verhalten zu dem Lichte von selber vollzieht. 
Merkwürdig und schon öfter hervorgehoben ist dabei, daß Jesus 
3, 11 (anders wie 3, 12) im Plural und hernach in dritter Person von 
sich redet (nicht bloß dann, wenn er sich den Menschensohn nennt), 
und daß er 3, 19 seine irdische Laufbahn als bereits abgeschlossen 
betrachtet; an Nikodemus denkt er nicht mehr. IltcjTsustv iv (3, 15 
vgl. 3, 35) und Äats (3, 16) kommt sonst bei Joa nicht vor. 

Wenn 3, 9 — 21 ein Nachtrag ist, so liegt der Gedanke nahe, 
daß 3, 1 — 8 ganz oder teilweise der Grundschrift angehöre. Allein 
das Stück ist in ihr schwer unterzubringen, und die theologischen 
Begriffe, Reich Gottes, Wiedergeburt, Geist, scheinen ihr fremd 
zu sein. 

. 3, 22 — ^36. Die 'loüSaia yr^ bedeutet hier die jüdische Landschaft 
im Unterschiede von Jerusalem, wie die 'iouoata x^P^ ^^ 1» &• ^^^ 
Taufe, die Jesus in 3, 5 nach dem jetzigen Wortlaut für unerläßlich 
erklärt, übt er hier selber aus, ungefähr auf dem gleichen Boden 
wie Johannes. Denn auch dieser tauft hier nicht in Peräa, sondern 
in Judäa, ohne daß gesagt wird, er habe seine Stätte gewechselt. 
Die Angabe 3, 24 stammt von einem Glossator, der bemerkte, daß 

^) Ebenso wird in 6, 61 s. das Sakrament des Abendmahls schwierigeren 
Theologumena entgegengesetzt. 

*) 3, 13 ist nach 3, 31 zu verstehen und nach Deut. 30, 12 geformt. Von 
Auferstehung und Himmelfahrt ist keine Rede. 



2,13—3,36. 19 

das Zusammenwirken der beiden Meister der synoptischen Über- 
lieferung widerspricht, wonach viehnehr Jesus erst nach der Verhaftung 
des Täufers öffentlich auftrat. In 3, 25 befremdet [istd 'louoatou 
oder [Asia 'loüSaiwv aufs äußerste^). Nach dem Folgenden erwartet 
man [xsxa to>v [laftr^iaiv 'Ir^aoö; ebenso auch nach der Geschichte Mc 2, 
18, die in 3, 29 als Grundlage durchblickt, obgleich die Streitfrage 
dort nicht die Taufe (xa^apiaji-o? 13, 10), sondern das Fasten betrifft, 
und nicht vor Johannes, sondern vor Jesus gebracht wird. In 3, 26 
und 28 wird, anders wie in 23, Bezug genommen auf die frühere Wirk- 
samkeit des Täufers in Peräa, auf sein Zusammentreffen mit Jesus 
daselbst und auf sein Zeugnis für Jesus. Bei diesen Antecedentien 
begreift sich jedoch nicht, wie die Jünger des Johannes es ihm als 
ärgerlich melden können, daß Jesus ihm Konkurrenz mache; sie müßten 
sich eher wundern, daß ihr Meister nach 1, 29 ss. 35 s. noch fort- 
fährt Jünger zu machen und nicht zu gunsten des Größeren selber 
abtritt. In Wahrheit ist 3, 22 ss. keine Fortsetzung zu 1, 29 ss., 
sondern eine Variante dazu, eine neue [xapxüpia des Täufers auf 
anderem Boden. Also gerät man auf die Vermutung, daß Vers 26 
durch den doppelten Eelativsatz erweitert^) und Vers 28 ganz zuge- 
setzt sei. Der Vers 29 schließt über 28 hinweg mit 27 zusammen; 
er bedeutet: Jesus hat die Kirche (die Braut) hinter sich; die Johannes- 
gemeinde ist zwar die Vorstufe gewesen, muß aber daneben verschwin- 
den^). Die Ähnlichkeit des Themas mit dem von Mt 11 fällt auf, 
nur daß dort Jesus, hier Johannes sich über das Verhältnis der beiden 
Gemeindehäupter ausläßt. Angeknüpft wird aber nicht an Mt 11, 
sondern an Mc 2. 

Von Vers 31 an folgt auch hier eine Continuatio, grade wie in 
dem vorhergehenden Stück von Vers 9 an. Auch hier erhebt sich 
die Rede über den Ausgangspunkt hinweg in höhere Regionen (Ghristo- 
logie, inneres Gericht), ganz wie dort. Niemand nimmt sein 
Zeugnis an (3, 32) steht in entscheidendem Widerspruch zu 
Allesläuft ihm zu (3, 26). Die Syra hat diesen Widerspruch 



^) 'Ex TiSv (xaft. ist Genitiv: ein Streit einiger Jünger des Johannes. 

*) Der echte Wortlaut wäre dann: Rabbi, dieser da tauft und alle kommen 
zu ihm. 

*) Johannes steht und wartet auf Jesus, er freut sich, wenn er ihn kommen 
hört. Otüv/^ ist hebräisch zu verstehen, nicht von Worten, die Jesus spricht. 

2* 



20 Galiläische Wirksamkeit, Kap. 1 — 6. 

empfunden und zu mildern gesucht. Th ro/sDjia (3, 34) ist falsche 
Lesart; der Sinn ist: nicht nach Maß gibt der Vater dem Sohn, er 
liebt ihn^) und hat ihm alles gegeb:n. Maptüpta hat in 3, 11. 32 s. (19, 
35. 21,24) eine andere Bedeutung als in 5, 31ss. 8, 13ss.; es steht 
von der evangelischen Verkündigung, wie in der Apokalypse. Der 
Zorn Gottes (3, 36) findet sich sonst nicht. Ebenso nicht dTCitfsrv 
(3, 36), und cr^f pa-yiCsiv (3, 33) nicht in diesem Sinn. 

Ob 3, 22 — 30 für die Grundschrift anzusprechen ist ? Mir scheint 
das der Lokalität wegen ausgeschlossen, die Grundschrift weiß nichts 
von einem so frühen Auftreten Jesu in Judäa, noch gleichzeitig 
mit dem des Täufers. Die Lokalität unterscheidet unser Stück auch 
von 1, 19—28. 

4, 1—42. 

4, 1 — 3. Jesus kehrt nicht etwa ordnungsmäßig von der Fest- 
reise heim nach Gaüläa, sondern er wandert dahin aus. Jerusalem 
und Judäa gelten hier nicht bloß als seine Wirkensstätte (3, 22), son- 
dern auch als seine Heimat, wie in 4, 43 — 45. Der Anfang ist formell 
ungeschickt, wegen der unnötigen Wiederholung des explizierten 
Subjekts, und sachlich unmotiviert, weil die Feindschaft der Phari- 
säer in keiner Weise vorbereitet ist. Der Vers 2 (xatrot und 7s nur 
hier) ist eine Korrektur von 3, 22 ss. nach der synoptischen Tradition; 
die Syra sucht den Widerspruch (zu 3, 22 ss.) wiederum zu mildern. 
Das Ganze ist Redaktionsarbeit (daher auch 6 x6pioc 4, 1 im Sinai- 
ticus) zu dem Zweck, daß die Reise durch Samarien von Judäa aus- 
gegangen sein soll, nach Galiläa. Nach Lukas ist die Richtung umge- 
kehrt gewesen, und das muß auch hier als das Ursprüngliche ange- 
nommen werden, wenn die samarische Perikope zur Grundschrift 
gehört, was nach 7, 1 ss. sehr wahrscheinlich ist. Dort wird jetzt 
der Übergang Jesu von Galiläa nach Jerusalem nur sehr kurz ange- 
deutet, vermutlich weil Kap. 4 von seiner alten Stelle versetzt und 
vorgeschoben ist. Nach 7, 1 ss. ist dann allerdings die Konsequenz, 
daß Jesus allein und ohne Begleitung durch Samarien gereist ist; 
die Jünger können nicht dabei gewesen sein. Nicht aus diesem Zwang 
aber, sondern unabhängig davon ist E. Schwartz zu dem gleichen 
Ergebnis gekommen, aus inneren Gründen, die im Folgenden zur Sprache 
konunen werden. 



^) d. h. Jesus ist der 4Ya-r^-dc, der fAovoYevVj;. 



4, 1—42. 21 

4, 4 — 42. An 4, 8 haben schon die Syra und Blaß Anstoß genommen 
und den Anstoß in ihrer Art beseitigt. Die Angabe ist nachgetragen, 
um zu erklären, daß die Jünger bei dem Gespräch Jesu mit der Frau 
nicht zugegen sind: sie hatten sich nämlich (^ap) wegbegeben, um 
Zehrung zu kaufen^). Mit 4, 8 hängt 4, 27 zusammen: da kommen 
sie wieder mit der Zehrung, und die Frau entfernt sich. Nach dem 
Abgange der Frau entsteht nun eine Pause, wo Jesus mit den Jüngern 
allein ist und essen könnte. Aber diese bequeme Gelegenheit wird 
nicht benutzt; vielmehr erst nachdem auf den Bericht der Frau die 
Einwohner der Stadt heraus zu Jesus gekommen sind, fordern die 
Jünger ihn auf zu essen. Den Grund dafür hat E. Schwartz entdeckt. 
Die Samariter sollen zurückgedrängt werden und kein Gedanke an 
die Eßgemeinschaft mit ihnen aufkommen. Ursprünglich sind sie es 
gewesen, welche Jesu Speise bringen und ihn auffordern zu essen. 
Sie sind dann durch die Jünger ersetzt, und darum kommen diese 
nicht bei ihrer eigenen Ankunft, sondern erst bei der der Samariter 
mit der Aufforderung cpayi (4, 31), die sich außerdem in ihrem Munde 
befremdlich ausnimmt, da sie doch mit dem Meister zusammen zu 
essen pflegen — weshalb die Syra übersetzt: sie baten ihn, er möge 
mit ihnen Brot essen^). Der Versuch, durch h tip [isTac6 (fehlt 
in der Syra) die Handlung in das Plusquamperfectum zu verlegen, 
verrät nur die Empfindung, daß dieselbe von Kechts wegen in die 
Pause vor der Ankunft der Samariter hätte fallen müssen. Vers 27 
ist also ein Zusatz wie Vers 8, und in Vers 30. 31 hat ursprünglich 
gestanden: die Samariter nahmen Speise zur Hand und gingen heraus 
aus der Stadt und kamen zu Jesus und baten ihn: Kabbi, iß! Dann 
redet natürlich Jesus auch in 4, 32 ss. zu den Samaritern, zu denen 
er nach dem jetzigen Texte auffälligerweise gar nichts sagt, so daß 
4, 39 SS. ganz unverständlich wird. Nur die Verse 37. 38 sind aller- 
dings an die Jünger gerichtet und also nachgetragen; sie reimen sich 
auch nicht mit den beiden vorhergehenden. Denn in 37. 38 fallen 
Saat und Ernte aus einander; Jesus sät, aber erst die Jünger ernten. 
Dagegen in 35. 36 fallen Saat und Ernte zusammen, Jesus sät und 
erntet zugleich. „Ihr sagt zwar: es dauert noch längere Zeit bis zur 
Ernte; ich aber sage euch: der Sämann erlebt a tempo die Freude des 



^) Dazu hätten freilich zwei genügt. 
'■') ctpTov cpaystv ist nicht johanneisch. 



22 Galiläische Wirksamkeit, Kap. 1 — 6. 

Emtens." Jesus selber gilt also hier als der definitive Gründer 
der samarischen Christengemeinde, während nach 37. 38 erst die Jünger 
den eigentlichen Erfolg haben, in Übereinstimmung mit Act 8. — 
Der Schluß 4, 39 — 42 ist überarbeitet. Ein deutliches Kennzeichen 
davon ist namentlich der ursprünglich heidnische Name 6 ofcoTr^p für 
Jesus, der eigentlich dem ganzen Neuen Testament so fremd ist wie 
6 XüTpcüTTjv. Es beweist den Abstand des kirchlichen Sprachgebrauchs 
von dem biblischen, daß Jesus später mit Vorliebe als Heiland und 
Erlöser bezeichnet wird. 

So wie es durch Korrektur beseitigt ist, daß die Männer von 
Sichem Jesu zu essen bringen, scheint es auch beseitigt zu sein, daß 
die Frau von Sichem ihm zu trinken gibt. Wenn sie in 4, 9 keine 
Widerrede macht, sondern sich anschickt Jesu Wasser zu reichen, 
so bekommt seine Antwort (4, 10) erst Sinn. In 4, 11 verleitet der I 
Satz „du hast keinen Eimer und der Brunnen ist tief" in Verbindung 
mit der Frage „woher hast du also das lebendige Wasser?'* zu dem 
Misverständnis, daß aus dem Jakobsbrunnen lebendiges Wasser 
geschöpft werden könne. Es ist aber trotz 4, 6 nur ein ^psap ^). Die 
Pointe des Gesprächs Jesu mit der Samariterin ist bis jetzt nicht 
begriffen. Sie beruht ganz und gar auf dem Gegensatz des Zisternen- 
wassers, welches Jakob *) den Leuten von Sichem gestiftet hat, und 
des Quellwassers, welches Jesus gibt; vgl. Hierem. 2, 13. Unter 
dem letzteren ist nicht die Taufe verstanden, sondern das Wort der 
Wahrheit und des Lebens. Das Quellwasser wird lebendes oder 
springendes Wasser genannt, wie im Lateinischen aqua viva oder 
aqua saliens und auch im Niederdeutschen Quickbom oder Spring, 
Springe. Kk C«>V «^««vwv (4, 14) darf nicht mit a>.Xo[i.svov verbunden 
werden, sondern steht für sich wie in 6, 27 und gibt nicht die Mündung, 
sondern die Wirkung an. 

Der Gegensatz zwischen dem toten Wasser Jakobs und dem 
lebendigen Wasser Jesu, worauf in 4, 4 — 15 das Ganze hinausläuft, wird 
verdunkelt und verdorben durch den folgenden Gegensatz zwischen 



^) Von der Fülle fließenden Wassers bei Sichern hat der Verfasser keine Ahnung ; 
er postuliert das Gegenteil, ll^yri ist in 4, 14 richtig, dagegen stört es m 4, 6 un- 
erträglich und stammt dort vielleicht von einem Korrektor, der besser in Sichem 
Bescheid wußte. Aus einer n-fifri kann man trinken, ohne einen Schöpfeimer zu 
haben. 

^ Jakob ist der Vater der Samariter, Abraham der Vater der Juden. 



4, 43-54. 23 

dem heiligen Berge der Samariter bei Sichem und der Juden in Jeru- 
salem (19 — 26). Dieser Gegensatz ist ein Contraf actum; vorher ist über- 
haupt nicht von dem Berge, sondern nur von dem Brunnen bei Sichem 
die Eede und daran wird alles geknüpft. Von 19—26 ist aber 16 — 18 
nicht zu trennen. Die Männer der Frau sind von Hengstenberg mit 
Kecht nach Osee 1 — 3 gedeutet. Die fünf, die sie gehabt hat, sind die 
fünf Götzen der Samariter in 2 Eeg. 17, und der jetzige, der eigentlich 
nicht ihr Mann ist, ist Jahve, der in Wahrheit den Juden gehört. Dann 
gehört 4, 16 — 18 dem Sinne nach mit 4, 19 ss. zusammen und fällt 
unter das selbe Urteil. Im Einzelnen gibt namentlich 4, 22 — 24 zu 
Bedenken Anlaß. Während Jesus 4, 23 sagt, die Streitfrage zwischen 
den beiden Sekten habe keine Bedeutung und werde verschwinden, 
tritt er 4, 22 gegenüber den Samaritern, die er mit ujasi«? anredet, 
ganz auf die Seite der Juden, mit denen er sich unter T^xei? zusammen 
faßt. Der Ausdruck awir^pia kommt bei Joa nur hier vor. UpoTAuvzXv 
ist in dem ganz allgemeinen Sinne verwendet, den es sonst nur in der 
Apokalypse hat. 

4, 43—54. 

4, 43 — 54. Wie in 4, 1 — 3 gilt auch hier Jerusalem für die Heimat 
Jesu ^), und auf diese iraxpi? wird der Spruch bezogen, den er nach 
Markus überNazareth gesprochen hat. Er wandert nach Galiläa aus und 
die Galiläer heißen ihn willkommen, nicht weil er ihr Landsmann ist 
und früher unter ihnen gewirkt hat, sondern weil sie als Festpilger 
in Jerusalem ihn kennen gelernt und seine Wunder (2, 23) geschaut 
haben. Das Stück steht mit 2, 23 — 25. 4, 1 — 3 in einer Reihe und 
gehört natürlich nicht zur Grundschrift. Es mag aber einen Zug 
ersetzen, der aus der Grundschrift entfernt worden ist. Denn dort 
haben vermutlich in 2, 1 — 12 die Leute von K a n a auf das Wunder 
Jesu so reagiert, daß er sich bewogen fand, nach Kapemaum aus- 
zuwandern. 

4, 46 — 54. Da diese Erzählung in Galiläa spielt, so mag sie der 
Grundschrift entstammen. Dann muß sie dicht hinter 2, 1 — 12 ge- 
standen haben und Jesus muß in Kapemaum (nicht in Kana) gedacht 
werden, so daß die Angabe von seiner Übersiedlung dahin 2, 12 nun 
Sinn und Inhalt gewinnt. Im nächstfolgenden Stück der Grund- 
schrift, nämlich in Kap. 6, ist ebenfalls Kapemaum der Ort, von wo 

1) Köstlin in den Tüb. Theol. Jahrb. 1851 p. 185 n. 1. 



24 GaJiläische Wirksumkeit, Kap. 1—6. 

Jesus ausgeht und wohin er zurückkehrt. Man hat also überall in 
4, 46 — 54, wo nicht Kapemaum, sondern Kana als Aufenthalt Jesu 
erscheint, auf spätere Korrektur zu schließen, nicht bloß am Anfang 
(46), sondern auch in der Mitte, wo der Vater des Kranken, um zu 
Jesus zu gelangen, eine Tagereise macht (i/Osc 52) und von einem 
Ort zum andern hinauf oder herab steigt (47. 51. vgl. Lc 4, 31). 
Damit fällt ein wichtiger Unterschied gegen die Variante in Q (Mt 8. 
Lc 7) hinweg, nämlich die Distanz, wodurch die Femwirkung des 
Heilandes erhöht wird. Da es nicht viel ausmacht, daß es sich dort 
um den Knecht eines Hauptmannes, hier um den Sohn eines Hof- 
beamten handelt, so bleibt als Hauptunterschied übrig, daß dort 
ein Heide, hier ein Jude Jesum angeht und daß im Zusammenhang 
damit jene Geschichte sehr bedeutsam und voll gehaltreicher Worte, 
diese ein bloßes Wunder ist. Eine Präsumtion für das höhere Alter 
von Q ergibt sich daraus nicht. Vielmehr scheinen beide Varianten 
völlig unabhängig von einander zu sein. 'A^pr^xav aoxiv 6 itüpexo? (52) 
stammt wörtlich aus Mcl, 31. 

Der Bearbeiter sucht Kapemaum nach Kräften in den Hinter- 
grund zu drängen. Auf ihn geht ferner die Zählung der galiläischen 
Wunder in 4, 54 und 2, 11 zurück. Denn sie hat in der Grundschrift, 
wo die beiden Wunder dicht aufeinander folgen, keine Stelle; sie hat 
nur Sinn, wenn die große Einschaltung 2, 13 — 4, 45 dazwischen liegt. 
Übrigens genügt iXöwv ix xf^c 'loüSaiac d^ tyjv FaXiXatav, um die Her- 
kunft von 4, 54 zu erkennen. 

5, 1—47. 

5, 1 stammt von der Kedaktion. In der Grundschrift folgte die 
Ankunft in Jerusalem und das Wunder daselbst auf die Reise durch 
Samarien. Man hat schon bemerkt, daß die Rede von Kap. 5 sich in 
der Rede von Kap. 7 fortsetzt. 

5, 2 — 16. Jesus bricht den Sabbat durch Heilung eines Kranken, 
die Juden verfolgen ihn deshalb und trachten gar ihn zu töten. Dem 
entspricht Mc 3, 1 — 6; man versteht, daß das dortige cjujxßouXiov 
oita)^ auxiv dTuoXsarwatv von Galiläa nach Jerusalem verlegt wird. Mit 
Mc 3, 1 — 6 ist erst nachträglich und unpassend Mc 2, 1 — 12 ver- 
bunden. Vorher wird ja der Kranke gar nicht auf einem xpaßßaxo? 
getragen, sondern kann selber gehn, wenngleich nicht schnell genug 
um zuerst zu kommen — die wörtlich aus Markus entlehnte Aufforderung 



5,1-47. 25 

(5, 8) „auf, nimm dein Bett und wandle" ist also unangebracht. Mit 
5, 8 fällt zugleich der mittlere Satz in 9 und der darauf begründete 
Vorwurf der Sabbatschändung gegen den Geheilten in 10 — 12, statt 
gegen Jesus. Anderweitige Bedenken richten sich gegen 13 — 15. 
Der Mann weiß die Frage, wer ihn geheilt habe, nicht zu beantworten, 
weil Jesus sich in der Menge verloren hat: da sieht er ihn wieder und 
weiß nun plötzlich seinen Namen, ohne darnach gefragt zu haben. 
Das kann nun wohl auf sorgloser Erzählung beruhen. Aber anstößig, 
weil in diesem Fall höchst unmotiviert, ist der Vers 14: einem, der 
achtunddreißig Jahre krank gelegen und währenddem doch keine 
Gelegenheit zu sündigen gehabt hat, wird nach der Heilung gesagt, 
er solle nicht mehr sündigen, damit ihm nicht noch Schlimmeres wider- 
fahre! Auffällig ist ferner, daß man keine Distanz zwischen Bethesda 
und dem Heiligtum spürt und nicht sieht, wie Jesus dahin kommt 
und wieder verschwindet. Der Ort ist sonst unbekannt und der Name 
unsicher, sttI xfj Trpoßaxixfj fehlt in der Syra^). 

5, 17 — 29. Von dem vorher erzählten Anlaß (der Sabbatschändung) 
merkt man in dieser Rede Jesu nichts ^); auch nicht in Vers 17, denn 
2«>? apii hat nicht die Bedeutung ununterbrochen (an 
Werktagen und am Sabbat), die man darin finden will. Darum wird 
ein anderer Anlaß hinzugefügt, der sich ergibt, sobald Jesus den Mund 
auf tut. In dem Wort „mein Vater wirkt bis jetzt und ich wirke auch" 
sehen die Juden eine Blasphemie, und nun verfolgen sie ihn nicht 
bloß (16), sondern trachten ihm nach dem Leben (18). Das ist jedoch 
eigentlich keine Steigerung, der Vers 18 sieht eingeklemmt und nach- 
getragen aus, und der dadurch entstehende zwiefache Anhub der 
Rede (17=19) erscheint bedenklich. Allerdings nimmt Jesus im 
Folgenden eher Rücksicht auf den Vorwurf, daß er sich Gott gleich 
setze, als auf den, daß er den Sabbat breche. Aber in Wahrheit reagiert 
er überhaupt nicht auf den Inhalt von Äußerungen, welche die Juden 
vor seinen Ohren haben laut werden lassen, sondern nur auf ihre Feind- 
schaft im allgemeinen, darauf daß sie an seinen Werken Ärgernis 
nehmen und an seine Sendung nicht glauben. Er erkennt die Absicht 
der Gegner, ohne daß sie sie verraten haben, weiß besser als sie selbst. 



^) Zu 6, 4. 7 vgl. Mokaddasi 13, 3. 124, 18: ein Engel steckt seinen Finger 
oder seinen Fuß ins Meer, dann kommt die Flut. 

^) Nur in 7, 23 kommt er unerwartet darauf zurück. 



26 Galiläische Wirksamkeit, Kap. 1—6. 

worauf sie hinaus wollen, und sagt ihnen schließlich auf den Kopf, 
daß sie ihn töten würden. Seine Kede (Kap. 5. 7. 8) haftet nicht an 
dem durch den erzählenden Eingang bestimmten Anlaß, sondern 
erhebt sich frei darüber. Ob das in der Ordnung ist, läßt sich fragen. 

Das Wirken, worin der Vater vorangeht und der Sohn folgt, wird 
in 5, 17. 19. 20 noch nicht näher beschrieben. Erst von 5, 21 an wird 
es bestimmt als Cwoitotsiv. In 5, 21 — 24 besteht dies nun in dem 
geistigen Erwecken der Auserwählten (o3^ UsXst 21) wodurch diese 
schon hienieden zum Leben durchdringen und den Tod überwinden. 
Aber in 5, 25 — 29 ^) ist nicht mehr von dem geistigen und schon gegen- 
wärtigen Lebendigmachen bloß der Auserwählten die Eede, sondern 
von dem leiblichen Auferwecken aller Toten durch den Menschen- 
sohn bei dem jüngsten Gericht. Kai vüv eattv 5, 25 ändert daran 
nichts; es ist ein schwacher Harmonisierungsversuch und wird mit 
Kecht von Blaß gestrichen. 

5, 30 — 46 setzt nicht fort, sondern hebt von Frischem an. Der 
Anfang (30) entspricht dem Anfange des vorhergehenden Absatzes 
(19); jedoch das Amen Amen fehlt und Jesus nennt sich nicht den 
Sohn, sondern einfach Ich. Diese Unterschiede gehen nun durch und 
genügen zum Beweise, daß 30 — 46 von anderer Hand stammt als 
19 — 29. Es spricht^ichts dagegen, daß die Grundschrift darin steckt, 
sie zeigt sich auch in der sehr originellen Verwertung des Täufers, 
die mit 1, 19 ss. im Einklang steht. Nur ist sie stark überarbeitet 
und am Anfang vielleicht verstümmelt. Das Thema istdasZeug- 
n i s, worauf sich Jesus berufen kann, und unser Stück ist das Vorbild 
zu der Variante 8, 12 — 20. 

Statt xa&ü)? dxouo) (30, sc. irapa toü iraxpoc) hätte auch xa&ü>? 
Trapaoßoxai [loi (Mt. 11, 27) stehen können; ungewöhnlich ist das 
Präsens. Alle echte Erkenntnis stammt nach jüdischer Meinung nicht 
aus dem Eigenen, sondern aus Überlieferung oder vom Hören. Aus 
diesem Hören kann nun aber nicht die richterliche Gewalt Jesu fließen, 
von der in 5, 27 die Rede ist, sondern nur seine Weisheit und Einsicht. 
Kpivsiv hat hier also den allgemeineren Sinn von urteilen, wie 
in 7, 24. 8, 15 — 26, Wenn Vers 31 mit 30 in Verbindung steht, so ist 
dabei auch Jesu Urteil über sich selbst nicht ausgeschlossen, wie denn 
der echte Wortlaut von 8, 26 zu sein scheint: iroXXa iym irspl I[ao5 



^) Vielleicht auch in 5, 22. 



5, 1—47. 27 

XaXsty /Ott xptvsiv. Man braucht freilich nach dem Gesetz Jesu 
Aussage über sich selbst nicht gelten zu lassen, aber es fehlt ihm nicht 
an einem einwandfreien Zeugen. So heißt es in 31. 32; dann weiter 
in 33 und 35: „Ihr selbst kennt den Zeugen i), ihr habt zu Johannes 
geschickt und er hat Zeugnis abgelegt für die Wahrheit; er war (wirk- 
lich) der brennende und scheinende Leuchter (wofür er gehalten wurde), 
ihr aber beliebtet nur einen Augenblick über sein Licht zu jubeln." 
Das Licht, das von dem Leuchter ausstrahlt, entspricht der ji.apxüpta 
des [lapxu?; gesagt wird, daß die Juden zwar über die Ankündigung 
des nahen und schon gegenwärtigen Messias durch den Täufer anfangs 
jubelten, jedoch bald (auf Trpö? Äpav liegt Nachdruck) anderes Sinnes 
wurden; nämlich als sie merkten, daß dieser Messias auf Jesus hinaus- 
lief. Es kommt somit zunächst Johannes als Zeuge für Jesus in Be- 
tracht. Wenn dieser sofort, ehe noch die positive Aussage über ihn 
vollendet ist, als unannehmbar zurückgewiesen wird (34), so sieht man 
was davon zu halten ist. Dagegen darf man daran keinen Anstoß 
nehmen, daß zu dem Täufer Gott selber als zweiter Zeuge hinzugefügt 
wird, wie es im Folgenden geschieht. Freilich sind auch da Zusätze 
auszuscheiden. Vers 36 ist vor 37 unmöglich, weil die beiden Aus- 
sagen inhaltlich identisch sind und nicht durch xotl verbunden werden 
können; das xott (37) schließt direkt an 35. Weiter stört Vers 39 zwi- 
schen 38 und 40 ; hier wird dem Zeugnis Gottes das Zeugnis der Schriften 
(Ypacpai im Plural nur hier) zur Seite gesetzt, wie in 36 das Zeugnis 
der Werke. Endlich steht Vers 41 isoliert und isolierend zwischen 
40 und 42; er ist mit 34 und 44 gleichartig. 

Der Faden der Grundschrift läuft also über die Verse 30 — 33. 35. 
37. 38. 40. 42. Damit ist er zu Ende; was noch folgt, gehört nicht dazu 
und ist locker gefügt. In Vers 43 erkennt man mit Eecht eine Weis- 
sagung auf Barkochba. Vers 44 stellt sich zu 41 und 34. Und Vers 45 
bis 47 ist eine weitläufigere Wiederholung des Schriftbeweises in 39, 
nur daß an Stelle des Abstractums das Concretum gesetzt wird, an 
Stelle der Schrift der Schriftsteller, nämlich Moses, der auch sonst 
als Verfasser des ganzen Alten Testaments gilt. Hier mag freilich doch 
vornehmlich die bekannte Stelle des Pentateuchs Deut. 18, 15 vor- 
schweben, wo Moses den Juden befiehlt, sie sollten dem Propheten, 
der nach ihm erstehen würde, gehorchen. Sie haben also keine Ent- 



^) oiottTe 3, 32 mit Sin. Latina Syra gegen oIBa im Vaticanus. 



28 Galiläische Wirksamkeit^ Kap. 1 — 6. 

schuldigung, wenn sie Jesus nicht anerkennen; Moses selbst zeugt wider 
sie und klagt sie an. Dieser Befehl Moses wird den Juden auch von 
Muhammed vorgehalten, der unter dem Propheten natürlich nicht 
Jesus versteht, sondern sich selber (Sura 3, 75). 

6, 1—25. 

Es ist schon zu 4, 46 — ^54 bemerkt, daß der Ort, von wo Jesus 
hier ausgeht und wohin er zurückkehrt, Kapernaum sei. Wer Augen 
hat, muß sehen, daß er nicht von Jerusalem, wo er sich im Kap. 5 
befindet, an jene Seite des galiläischen Meeres gelangt sein kann. Der 
aus 7, 3. 4 zu ziehende Schluß, daß die judäischen Stücke nicht ur- 
sprünglich in die galiläische Periode gehören, bestätigt sich hier; sie 
sprengen den lokalen Rahmen. 

6, 1 — 13. Die ersten vier Verse sind meist Redaktionsarbeit. In 
Vers 1 drängt sichrr^c TißeptaSo? (6, 23. 21, 1) mit Tf^<; raXtXata?. Vers 2 
kennzeichnet sich als sekundär durch die vielen Zeichen (vgl. dagegen 
14); außerdem kann das Volk nicht von Anfang an Jesu gefolgt sein, 
wenn er es erst in 5 zu sich kommen sieht ^). Vers 3 ist eine Reminis- 
cenz aus Mt 15, 29 und hier gänzlich unpassend ; denn in 5 ss. ist 
Jesus nicht allein mit den Jüngern, sondern zusammen mit dem Volk, 
und erst in 15 entweicht er auf den Berg. In Vers 4 steht die Angabe 
über das Fest ganz verloren, sie hat für die Erzählung nicht die ge- 
ringste Bedeutung. Sie ist ein an beliebiger Stelle eingesetzter Meilen- 
zeiger der Chronologie und zeigt schlagend, daß diese Chronologie, 
welche die Dauer der öffentlichen Wirksamkeit auf mehrere Jahre 
verlängert, mit dem historischen Pragmatismus in gar keinem inneren 
Zusammenhang steht, sondern ihm künstlich und nachträglich auf- 
genäht ist. Ein ähnlicher wenngleich nicht so krasser Fall liegt 1. Sam. 
4, 18 vor. Vgl. zu 10, 22. 

In 6, 5—13 steckt zwar die Grundschrift, doch liegt sie auch hier 
nicht rein vor. Der Jüngerdialog stammt von späterer Hand. Denn 
in 8 wird nicht vorausgesetzt, daß Philippus mit seiner Replik schon 
zuvorgekommen ist, da es sonst heißen müßte: ein a n d e r e r Jünger 
sagte. Mit Philippus fällt aber auch der Eigenname Andreas, und 
es bleibt als Grundlage von 5—6 nur übrig: „Da nun Jesus die Augen 



^) Es sammelt sich erst am anderen Ufer zu ihm und ist nicht mit ihm von 
Kapernaum gekommen. 



6,1-25. 29 

aufhub und gewahr wurde, daß viel Volk zu ihm kam, sprach er: 
woher sollen wir Brod kaufen, daß diese essen ? Einer seiner Jünger 
(ein ungenannter) sagte zu ihm: es ist ein Knabe hier usw/'. 

6, 14. 15. Wie bei Markus zieht Jesus sich nach der Speisung 
auf den Berg zurück, freilich aus dem höchst befremdlichen Grunde, 
damit die Leute ihn nicht mit Gewalt zum Könige machen. flaXiv 
hinter cpsü-^st nimmt Bezug auf 6, 3, fehlt aber in der Syra und wird 
von Blaß mit Recht gestrichen. 

6, 16 — 21. Wiederum wie bei Markus folgt zu dritt die Überfahrt 
über den See. Nach dem Wortlaut von Vers 17 in der Syra, der auch 
im Vaticanus noch durchblickt, fahren die Jünger allein ab, weil 
es schon finster geworden und Jesus noch immer nicht 
vom Berge zu ihnen zurückgekommen ist. Die gewöhnliche Lesung 
xaxsXaßsv ^l auxoü? /; axoTta sieht in der Überraschung durch die 
Finsternis eine Gefahr für die Jünger, die dann durch den Sturm in 
Vers 18 noch verstärkt wird. Aber dieser Vers ist wahrscheinlich aus 
der Parallele bei Markus nachgetragen, er macht sich verdächtig durch das 
TS, das nur in späten Einschüben (2, 15. 4, 42) erscheint. Jedenfalls 
ist hernach von Gefahr für die Jünger keine Rede. Jesus kommt 
nicht um sie aus Gefahr zu retten, er folgt ihnen nur zu Fuß über den 
See. Sie sind erregt, weil sie ihn auf dem Wasser wandeln sehen, 
wundern sich aber nicht, wie bei Markus, darüber, daß er an ihnen vorbei 
gehen will. Abweichend von Markus und erst recht von Matthäus 
liegt das Wunder hier ganz nackt vor, ohne das Motiv der Nothilfe. 
Es wird dadurch gesteigert, daß das Schiff, sobald Jesus in die Nähe 
kommt oder vielmehr nach der Syra einsteigt^), wie ein Pfeil zu 
Lande schießt. Die Gelehrten scheinen dies nicht verstanden zu haben. 

6, 22 — 25 stammt ganz und gar von der Redaktion, sie kennzeichnet 
sich durch zo'/apics'zriaavzo^ xo5 xüpioü und wohl auch durch Tibe- 
rias. Der Wortlaut nimmt sich wunderlich umständlich und ausge- 
tiftelt aus, er hat mannigfache Korrekturversuche in der handschrift- 
lichen Überlieferung hervorgerufen, die indessen durchaus nichts 
bessern. Tfj siraüptov 2) sollte sich eigentlich nicht auf sTösv (22) 
beziehen, sondern erst auf ivlßYjaav (24); dieser richtigen Empfindung 



^) In der Syra lautet Vers 21: Und als sie ihn eingenommen hatten, war das 
Schiff auf einmal am Lande. Der Sinaiticus hat ^XOov für ^OeXov. 

^) Der Übergang mit ':f^ iTtaupiov scheint überall auf spätere Hand zu führen. 



30 Galiläische Wirksamkeit, Kap. 1—6. 

hat Blaß durch eine Gewaltkur des Textes (nach dem Muster von 
13, 1 SS.) Ausdruck gegeben. Die Schiffe von Tiberias müßten eine 
förmliche Flotte gewesen sein, um die Menge transportieren zu können, 
und woher kommt es, daß sie nach Kapernaum zurückfahren? sind 
sie etwa von der Menge gechartert ? Sie gleichen einem deus ex machina. 
Der Passus 22 — 25 ist ein Autoschediasma. Es soll dadurch die 
durch die Fahrt über den See bewirkte Distanz Jesu von den Leuten 
beseitigt werden, um es zu ermöglichen, daß er in Vers 26 ss. auf gleichem 
Boden mit ihnen steht und eine Ansprache an sie hält. Daraus folgt, 
daß diese Ansprache erst später angehängt ist; gehörte sie der Grund- 
schrift an, so stünde sie unmittelbar hinter der Speisung (5 — 13) und 
der ganze Bewehr des Transports wäre überflüssig. Daß Jesus nach 
der Grundschrift in Galiläa nur Wunder tut und keine Reden 
daran knüpft, hat schon Alexander Schweizer vermutet. Es ist aber 
wahrscheinlich, daß die Ansprache (6, 26 ss.) von dem letzten Re- 
daktor schon vorgefunden und nur etwa überarbeitet oder vermehrt ist. 

6, 26—71. 

6, 26 — 35. Dies Anfangsstück der langen Rede hält die Situation 
fest, insofern Jesus sich an die ihm freundlich gesinnte Menge richtet, 
die er gespeist hat, ist aber nicht aus Einem Guß. Vers 34, die an 
Jesus gerichtete Bitte: gib uns solches Brod! schlägt nicht zurück auf 
32. 33, wo der Vater das Brod gibt, sondern auf 27. Damit entsteht 
folgender Zusammenhang: „Jesus sagte: verschafft euch Speise, die 
nicht vergänglich ist, sondern dauert! Sie sagten: Herr, gib uns 
solches Brod! Er sagte: ich bin das Brod des Lebens, wer zu mir 
kommt, deil wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, den wird 
nie dürsten.'' Das entspricht dem, was in der Perikope über das 
samarische Weib steht, formell (6, 34 = 4, 15) und inhaltlich. Denn 
das Brod des Lebens ist vom Wasser des Lebens nicht verschieden, 
es ist nicht Jesu Fleisch, das man essen muß, sondern die in ihm per- 
sonifizierte Wahrheit, an die man glauben muß — von Sakrament 
ist keine Rede, hier so wenig vom Abendmahl, wie dort von der Taufe. 
Nur der wichtige Unterschied besteht, daß Jesus sich hier selber das 
Brod des Lebens nennt, dort aber nicht selber das Wasser des Lebens. 

In dem Anfangswort Jesu (27) bedeutet Ip^otCsaftat sich be- 
schaffen und nicht wirken. Die Frage des Volkes (28) paßt 
darauf nicht; das von Jesus gebrauchte ip^aCeaSat wird in fva 



6, 26-71. 31 

IpYotCtMjAs&a Ta sp^a toü öso'j total misverstanden, und dies Misver- 
ständnis erstreckt sich auch auf Vers 29. In Vers 30 wird ignoriert, 
daß Jesus ja soeben ein großes Wunder getan hat; außerdem ver- 
wandeln die Leute plötzlich ihre Frage was für Werke sollen 
w i r t u n in die entgegengesetzte wasfüreinWerktustdu, 
und darauf bauen sie die Aufforderung (31 — 33), daß Jesus es dem 
Moses gleichtun möge. Durch die innere Beschaffenheit von 28 — 33 
wird also der Schluß bestätigt, der daraus zu ziehen ist, daß 34 un- 
mittelbar an 27 anschließt. 

6, 36 — 40. Mit der an das Vaterunser erinnernden Bitte „Herr, 
gib uns immerdar dieses Brod!'' haben die Leute nicht verdient von 
Jesus angefahren zu werden „ich habe euch gesagt, daß ihr gesehen 
habt und doch nicht glaubt'' — und wann hat er ihnen das gesagt? 
Vielmehr hat sich im Handumdrehen das Auditorium völlig verändert. 
Vorher ist es, namentlich in 27. 34. 35, freundlich und willig; jetzt 
dagegen zänkisch und widerspenstig. Vorher sind es die galiläischen 
Leute, jetzt die Juden (6, 47) d. h. die Feinde. Es erhellt, daß das 
Stück 6, 36 — 40 nicht ursprünglich zu der vorhergehenden Rede ge- 
hört hat. Es ist allerdings bestimmt sie fortzusetzen und inhaltlich 
gleichartig. Jedoch wird im Zusammenhang mit der veränderten 
Adresse (an die feindlichen Juden) die Auswahl aus der massa per- 
ditionis stärker hervorgehoben (vgl. 10, 26 ss.). Nur die Wenigen 
kommen zu Jesus, die ihm sein Vater gegeben hat, nämlich die Jünger, 
und von ihnen geht keiner verloren. In Vers 40 redet Jesus von sich 
in dritter Person als 6 üEoc; die Coda xat dvaarr^ao) xtX. paßt hier 
also aus formellen Gründen nicht. Und am Schluß von 39 paßt sie 
aus sachlichen Gründen nicht. Denn es ist wie in 37 von den Aus- 
erwählten, den Jüngern, die Rede, und Jesus sagt, er werde sie alle 
bewahren und keinen verloren gehen lassen, ohne hier den Verräter 
auszunehmen. Dadurch wird die Coda auch in 44 und 54 verdächtig. 

6, 41 — 46. Hier werden die Angeredeten ausdrücklich als die 
Juden bezeichnet. Sie murren nach dem Beispiel der Leute von 
Nazareth in der synoptischen Überlieferung. Auf dies Murren ant- 
wortet Jesus ganz so, wie er es in 36 — 40 getan hat. Was dort gesagt 
ist, kehrt hier mit etwas anderen Worten wieder. Es liegen also in 
36 — 40 und 41 — 46 zwei Varianten vor. Die Auswahl wird in 41 — 46 
noch stärker betont. Der prophetische Spruch xat saoviat iravxsc 
oiöotxTol &SOU wird so eingeschränkt, daß er der Prädestination 



32 Galiläische Wirksamkeit, Kap. 1—6. 

Weniger nicht widerspricht (45, vgl. 3, 20. 21); aber auch die Ein- 
schränkung wird in 46 schließlich noch korrigiert. 

6, 47 — 59. Der Anfang ist dem Vorhergehenden gleichartig, wenn 
gleich weniger an 36 — 40 als an 31 — 33 angeknüpft wird. Mit Vers 51 
aber wird der Übergang zu etwas Anderem gemacht. Das Brod des 
Lebens soll nicht die in Jesus Person gewordene göttliche Wahrheit 
sein, zu der man kommen und an die man glauben muß, sondern 
sein Fleisch, das er opfert und zu essen gibt. Darauf reagieren die 
Juden in Vers 52 und geben Jesu Gelegenheit, sich ausführlicher zu 
erklären. „Wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohnes eßt und 
sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch." Er redet hier ganz 
deutlich vom Abendmahl als richtigem Sakrament und scheint die 
Speisung der Fünftausend als dessen Einsetzung zu betrachten. Zu 
dem Brod als Fleisch fügt er den Wein als Blut hinzu, der freilich 
bei der Speisung nicht vorkommt und in der hier ziemlich unsicheren 
Textesüberlieferung zum teil fehlt, auch in Vers 60 ss. nicht voraus- 
gesetzt wird. Die in 59 nachgetragene Ortsbestimmung (vgl. 8, 20) 
kann nicht für die in 26 ss. angeredete galiläische Volksmenge gelten, 
die im Freien gedacht werden muß, sondern nur für die seit 36 an die 
Stelle getretenen Juden, die eigentlich in das Heiligtum zu Jerusalem 
gehören. Sonst wird nur einmal in den Evangelien ausführlich (be- 
sonders bei Lukas) über eine Scene in der Synagoge berichtet und zwar 
in der Synagoge von Nazareth; eine Reminiscenz daran könnte hier 
vorschweben, da auch die Äußerung in 42 aus jener Scene entlehnt ist. 

6, 60 — 65 ist eine Korrektur zu 6, 52 — ^59 und zeigt in lehrreicher 
Weise, wie ein Nachtrag sich an den andern hängt. Es treten hier 
plötzlich viele Jünger in Galiläa auf, die jedoch bei dieser Gelegenheit 
auf die Zwölf zusammen schrumpfen. Sie nehmen auch ihrerseits Anstoß 
an der von Jesus vorgetragenen materiellen Auffassung des Sakra- 
ments, und er sagt nunmehr, das Fleisch nütze nichts, nicht das sei 
mit dem himmlischen Brod gemeint, sondern seine Worte, in denen 
Geist und Leben stecke. Das trifft zwar die ursprüngliche Meinung, 
steht aber in vollem und bewußten Widerspruch zu 52 — 59, den die 
Syra empfunden und auszugleichen versucht hat. Jesus will die Jünger 
durch authentische Interpretation des vorher von ihm Gesagten be- 
ruhigen. Es gelingt ihm aber nicht, und er hat das voraus gesehen. 
Die Verse 64. 65 scheinen ursprünglich gelautet zu haben: „Aber es 
sind einige unter euch, die nicht glauben; dar u m habe ich zu euch 



6, 26-71. 33 

gesagt, niemand könne zu mir kommen, es sei ihm denn vom Vater 
her gegeben/' Der mit ota toüto beginnende Satz schließt eng an 
die vorhergehende Äußerung Jesu an, er darf davon weder durch xal 
sXs^sv getrennt werden, noch durch die erläuternde parenthetische 
Anmerkung: „denn der Heiland^) wußte von Anfang an, [wer die 
Ungläubigen seien und] wer der sei, der ihn verraten würde". Die 
eingeklammerten Worte fehlen mit Recht in der Syra^). Die An- 
merkung geht von dem Irrtum aus, es seien unter den von Jesus an- 
geredeten Jüngern bloß die Zwölf verstanden, und sie beschränkt dem- 
gemäß die Ungläubigkeit der xivs? auf Judas Ischarioth, obgleich dieser 
kein Plural ist. Bemerkenswert ist noch die Ähnlichkeit von 6, 61. 62 
mit 3, 12; das Sakrament (dort die Taufe, hier das Abendmahl) gilt 
als ' das Elementare, der Glaube an den Auferstandenen als das 
Höhere. 

6, 66 — 71 ist eine Fortsetzung zu 60 — 65. Durch den Abfall der 
Mehrzahl reduzieren sich die Jünger auf die nur hier und 20, 24 er- 
wähnten Zwölf. Sie bleiben treu. In ihrer aller Namen legt Petrus 
bei dieser Gelegenheit sein Bekenntnis ab, das freilich darin abweicht 
von dem bei Markus, daß der Name Christus vermieden wird. Fatal 
ist, daß auch der Verräter zu den treu gebliebenen Zwölfen gehört; dieser 
Empfindung wird am Schluß Ausdruck gegeben. Der Teufel fährt 
nicht wie sonst in ihn, sondern er selbst ist ein Teufel, während in 
Mo 8, 33 bei der selben Gelegenheit Petrus als Satan angeredet wird. 

Demnach führt die Untersuchung der langen Rede zu dem Er- 
gebnis, daß sie stückweise zu ihrem jetzigen Umfange ausgewachsen 
ist, durch mehrere Nachträge, die teils als Varianten auf der gleichen 
Stufe stehen, teils als Continuationen sich aus einander entwickelt 
haben. Der Kopf ist 27 — 35 oder vielmehr 27. 34. 35. Man könnte 
sich versucht fühlen, ihn für die Grundschrift zu retten, dann müßte 
man ihn dicht auf die Speisung folgen lassen. Er allein paßt in diese 
Situation, während alles Andere nicht hineinpaßt, da darin nicht die 
gespeiste Menge, sondern die Juden angeredet werden, ein Publikum, 
das jenseit des Meeres nicht gedacht werden kann. Ich glaube aber 
nicht, daß dieser Versuchung nachgegeben werden darf. 

^) So richtig und charakteristisch der Sinaiticus, vgl. 4, 42 und b x6pio? in 
3, 1. 6, 23. 11, 2. 

2) Blaß hält umgekehrt diese Worte fest und streicht den Verräter. So würde 
die Syra auch verfahren sein, wenn sie conjiziert hätte. 

Wellh aasen, Evang. Johaimis. 3 



34 Übersiedelung nach Jerusalem und Flucht, Kap. 7 — 10. 

Übersiedelung nach Jerusalem und Flucht^ Kap. 7—10. 

7, 1—13. 

Die Verse 7, 3. 4 sind grundlegend für die literarische Kritik des 
vierten Evangeliums. Jesus wird aufgefordert nach Judäa zu gehen, 
weil Galiläa nur ein Winkel sei; in Judäa hat man bis jetzt von seiner 
Wirkung nichts gesehen. Das schlägt dem, was jetzt in Kap. 1 — 6 
zu lesen steht, ins Gesicht; denn darnach ist er längst und öfters 
öffentlich in Judäa aufgetreten und hat dort einen Kreis von Gläubigen. 
Darum ist das falsche Explicitum o[ [Aa&r^Tat' (die Jünger, die Jesus 
nach Kap. 1 — 6 in Jerusalem vorfinden muß) zu öscDpr^aouaiv hin- 
zugefügt, dadurch aber ein innerer Widerspruch in die Aussage hin- 
ein gebracht und heller Unsinn daraus geworden. In Wahrheit ist das 
Subjekt von öswpVjaoüatv unbestimmt und aus zk ty)v 'Joü8atav zu 
entnehmen: „Zieh um von hier und geh nach Judäa, damit man auch 
dort die Werke sehe die du tust; denn wer öffentlich zu sein wünscht, 
darf nicht in der Verborgenheit wirken." Auf [xsTaßr^&t legt E. Schwartz 
mit Recht Nachdruck. Jesus soll nicht wegen des Festes einen vor- 
übergehenden Abstecher nach Jerusalem machen, sondern seinen 
Wohnsitz und den Schauplatz seiner Tätigkeit, der bisher in Galiläa 
lag, nach Judäa verlegen; darum ist als das Wohin nicht Jerusalem 
genannt, was bei einer bloßen Festreise zu erwarten wäre, sondern 
Judäa im Gegensatz zu Galiläa. 

Diejenigen, welche die Aufforderung iisiaßr^ftt an Jesus richten, 
werden seine Brüder genannt. Es ist streitig, was das bedeutet. Da 
unmittelbar vorher berichtet wird, wie die Zwölfe entstanden seien, 
so könnte man diese für gemeint halten. Aus 19, 26 gewinnt man den 
Eindruck, daß Jesus der einzige Sohn seiner Mutter gewesen sei und 
also keine leiblichen Brüder gehabt habe; sie werden auch in 6,42 
nicht erwähnt, wo sie in der synoptischen Parallele stehen. Indessen 
ist darauf nicht zu bauen. Der Ausdruck dSsXcpot' kommt außer an 
unserer Stelle noch an drei weiteren vor. Und zwar 21, 23 im un- 
eigentlichen Sinn. Anders dagegen 2, 12. Da ist von einer Übersiedlung 
derFamilie Jesu von Kana nach Kapernaum die Rede; die Sache 
selbst und auch die Vergleichung von Mc 3, 31 spricht dafür, daß die 
Brüder neben der Mutter leibliche Brüder sein sollen. Dann müssen 
aber bei der weiteren Übersiedlung von Kapernaum nach Jerusalem 
(7, 3. 4) die Brüder ebenfalls als leibliche Brüder verstanden werden. 



7, 1-13. 35 

Der Genitiv aüTou paßt auch nicht zu den uneigentlichen dhsh^oi-, 
denn diese sind Brüder unter sich, nicht Brüder Jesu. Vgl. zu 20, 17. 

Diese beiden merkwürdigen Verse gleichen Felsblöcken, die einsam 
aus der Diluvialschicht hervorragen. Sie lassen sich zu dem was vor- 
hergeht und nachfolgt in kein Verhältnis bringen. Vorher (1 — 2) ist 
die Meinung, Jesus habe bei einer längeren Wirksamkeit in Judäa 
den Haß der Juden auf sich gezogen und sei deshalb nach Galiläa 
gezogen; es handle sich nun darum, ob er auf das Fest (der Laub- 
hütten) wieder in Jerusalem erscheinen werde. Nachher (6 — 13) ist 
es ebenso: Jesus hat sich bereits mit den Judäern verfeindet, meidet 
deshalb den Boden von Jerusalem, der für ihn zu heiß ist, will indessen 
seine Brüder, für die keine Gefahr besteht, an der Wallfahrt nicht 
hindern; die Juden erwarten ihn auf das Fest, sie kennen ihn längst 
und nehmen lebhaftes Interesse an ihm. Das sind die Hauptdifferenzen: 
das längst vollzogene Auftreten in der jerusalemischen Öffentlichkeit 
gegenüber der bisher auf den galiläischen Winkel beschränkten Wirk- 
samkeit, und die Festwallfahrt nach Jerusalem gegenüber der dauern- 
den Übersiedlung dahin. Aus einem andern Grunde verträgt sich aber 
auch der Vers 5 nicht mit 3. 4. Denn die Aufforderung der Brüder, 
er solle sein Licht nicht unter den Scheffel stellen, ist ja doch alles 
andere eher als ein Beweis, daß sie nicht an ihn glauben. Vielleicht 
verdankt dieser Vers seine Entstehung der synoptischen Tradition. 
Aber die Grundschrift setzt sich mit 2, 12 in vollen Widerspruch zu 
Mc 3, 31. Sind auch 2,11 a. E. die Brüder das wahre Subjekt? 

Es versteht sich, daß die Grundschrift sich nicht auf die beiden 
Verse 3 und 4 beschränkt haben kann. Sie sind ein Eumpf ohne 
Hand und Fuß. Man kann leider nur vermuten, was ursprünglich 
statt 1. 2 und 5 — 13 da gestanden haben mag. Jesus muß auch nach 
der Grundschrift seine Brüder nach Jerusalem voraus gesandt haben. 
Aber nicht zum Fest — bei dem das überhaupt keinen Sinn hat. 
Sondern zu dauernder Übersiedlung. Wie nun die Übersiedlung Jesu 
selber deshalb erfolgen soll, damit er das Licht auf den Leuchter 
stelle, so wird auch die seiner Brüder mit diesem Zweck in Verbindung 
gestanden haben. Sie gehen als Wegbereiter ihm voraus, ähnlich wie 
die Quartiermacher Lc 9, 52 vor seiner Reise durch Samarien. Dann 
kommt er allein durch Samarien nach, wie in Kap. 4 erzählt wird. 
Während die samarische Gemeinde von ihm selber gegründet wird, 
wird der Grund zur jerusalemischen in seinem Auftrage von seinen 

3* 



36 Übersiedelung nach Jerusalem und Flucht, Kap. 7—10. 

Brüdern gelegt, natürlich besonders von Jakobus, dem späteren Haupt 
der jerusalemischen Gemeinde, der sich unter dem Plural verbirgt. 
In Kap. 11 zeigen sich Anhänger und Freunde Jesu in Bethanien; 
sie werden allerdings erst erwähnt, nachdem er auch selber schon auf 
diesem Boden gewirkt hat, ohne indessen auf ihn zurückgeführt zu 
werden. Vielmehr erscheinen sie jetzt ziemlich unvorbereitet. 

Daß Jesus nach Jerusalem geht, um sein Arbeitsfeld zu ver- 
legen und nicht um zum Feste zu wallfahren, bestätigt sich dadurch, 
daß er nicht daran denkt es wieder zu verlassen. Er bleibt dort und 
kommt nach einer kurzen Unterbrechung, die ihn jedoch auch nicht 
nach Galiläa zurückführt, wieder dorthin. Das Lauberhüttenfest geht 
überall in Kap. 7 auf spätere Hand zurück. Wie wir sahen, läßt die 
Grundschrift auch den galiläischen Aufenthalt nicht durch Festreisen 
unterbrechen. Sie stimmt in dieser Hinsicht vollkommen mit Markus 
überein und überbietet ihn noch darin, daß Jesus auch zuletzt nicht 
etwa wegen des Festes nach Jerusalem geht, wenn gleich sein Tod 
auf das Fest fällt. Aber freihch beginnt na<}h ihr sein Aufenthalt in 
der Hauptstadt früher und dauert längere Zeit als nach Markus. Sie 
stellt seine galiläische Wirksamkeit h xpoirrcjS einigermaßen in den 
Schatten gegen die judäische ^v T.oLpprpia. Das hat sich dann später 
dahin ausgewachsen, daß Jesus gleich am Anfang seiner Laufbahn in 
Jerusalem aufgetreten sei oder gar dort seine Heimat gehabt und 
Galiläa nur als zeitweiligen Zufluchtsort vor der Feindschaft der Juden 
aufgesucht habe. 

Beachtung verdient, daß hier von Jüngern, die mit Jesus ver- 
wachsen sind, sich keine Spur findet. Er findet in der Grundschrift 
wohl überall Jünger, aber sie bilden keinen geschlossenen Kreis, 
der sich dauernd in seiner nächsten Umgebung befindet. Dagegen 
sind seine Brüder mit ihm zusammen. 

7, 14—8, 59. 
Wenn das Wunder von Bethesda (Kap. 5) bei der Ankunft Jesu 
in Jerusalem nach der Reise durch Samarien geschehen ist, so wird 
die daran geknüpfte Rede fortgesetzt in der Discussion 7, 14—8, 59. 
Dieselbe dreht sich in der Tat um das Thema, das Jesus in 5, 30 ss. 
angeschlagen hat, nämlich um die Frage, ob er von Gott gesandt 
sei oder woher (ttoÖ^v) sonst ^). Es wird daxin Bezug genommen auf 

f) 8, 12-20 ist nur eine etwas abweichende Kopie des Kernes von 5, 30 ss. 



7, 14-8, 59. 37 

die Heilung zu Bethesda, auf den Vorwurf der Sabbatschändung, den 
die Juden deswegen gegen Jesus erhoben haben, auf ihre feindUchenund 
mörderischen Absichten gegen ihn. Die Situation und das Publikum 
haben sich nicht verändert. Daß das bloß auf Oscitanz des Schrift- 
stellers beruhe, diaß dieser an die Leser seines Buches denke, für die 
das Kap. 5 wenige Seiten vorher stand, nicht aber an die Hörer der 
Kede, die durch anderthalb Jahre von dem in Kap. 5 Geschehenen 
getrennt waren, ist eine verzweifelte Auskunft, welche die Rück- 
ständigkeit der modernen theologischen Exegese kennzeichnet. 

Wenn nun ferner in 5, 30 ss. Reste der Grundschrift erhalten sind, 
so auch in 7, 14 — 8, 59. Sie sind aber unter der Oberschicht verschüttet. 
In den meisten Abschnitten steckt nichts von der Grundschrift. Ein 
Faden, ein Fortschritt ist nicht zu entdecken. In einer Anzahl von 
Varianten wird immer das Gleiche wiederholt und man kommt nicht 
vom Flecke. Daneben finden sich Widersprüche; z. B. wird zuerst 
die Absicht Jesum zu töten geleugnet und hinterher wird sie zu- 
gegeben (7, 20. 25). Mehr formell, doch auch befremdlich ist der 
Wechsel in den Angaben über das Auditorium (die Menge, die Jeru- 
salemer, die Juden) und über diejenigen die Jesus zu greifen suchen 
(das Publikum, die Häscher), femer in den Benennungen der Regenten 
(Archonten, Pharisäer, Erzpriester und Pharisäer). 

7, 14 — 24. Das Stück wird nach hinten begrenzt durch ein neues 
sXs^ov mit einem neuen Subjekt (25). Es ist aber nicht einheitlich. 
Die Verse 15 — 18 hangen mit den folgenden nicht zusammen. Statt 
der Juden in 15 erscheint in 20 die Menge. In 15 bezieht sich das 
Staunen auf die Lehre Jesu, in 21 auf das Wunder, das er getan hat. 
Weiter vertragen sich auch die Verse 19. 20 nicht mit 21 — 24. In 19 
wirft Jesus den Anderen vor, sich gegen Moses zu verfehlen, weil sie 
ihn zu töten suchen; dagegen in 22 ss. widerlegt er den gegen ihn 
selbst erhobenen Vorwurf, sich gegen Moses verfehlt zu haben durch 
die Heilung am Sabbat. Schließlich ist auch die Folge von Vers 21 
und 22 nicht zu begreifen. Denn während die Juden in 21 über das 
Wunder Jesu staunen, wird in 22. 23 vorausgesetzt, daß sie dadurch 
skandalisiert sind. Die Schwierigkeit des Übergangs von 21 auf 22 
wird noch erhöht durch das 8ta toüto am Anfang von 22, dessen 
Auslassung in einigen Handschriften sich leichter erklärt als die Ein- 
setzung in anderen ; vgl. Mt 23, 34. Die Parenthese in 22, die mit 
o&x Ott beginnt, soll korrigieren und abschwächen.' 



38 Übersiedelung Dach Jerusalem und Flucht, Kap. 7 — 10. 

7, 25 — 30 unterscheidet sich von dem Vorhergehenden durch das 
Auftreten neuer Interlokutoren, welche die Absicht Jesum zu töten 
nicht in Abrede stellen, so wie es in Vers 20 geschieht. Etliche von 
den Jerusalemern fragen, ob vielleicht, die Archonten, da sie Jesus 
jetzt unbehelligt lassen, zu der Überzeugung gelangt seien, er sei 
wirklich der Christus. Sie wenden dagegen ein, die Herkunft Jesu 
sei bekannt; wenn aber der Christus erscheine, so wisse niemand tto&sv. 
Darauf schreit Jesus: jawohl, ihr kennt mich und mein iro&sv; 
doch bin ich nicht von mir selber gekommen, sondern vom Vater her. 
Nun suchen sie ihn zu greifen, aber niemand legt Hand an ihn. Diesem 
Bericht läuft ganz parallel 

7, 37 — 44, zunächst 7, 40 — 44. Etliche von der Menge bereden 
sich über Jesus. Es wird die Meinung laut, er sei der Christus. Da- 
gegen wird eingewandt, aus Galiläa erstehe der Christus nicht, sondern 
aus dem Samen Davids un^ aus dessen Heimat Bethlehem. Es ent- 
steht nun ein Streit, zuletzt wollen einige ihn greifen, aber niemand 
legt Hand an ihn. Das ist sichtlich eine Variante zu 25 — 30, und der 
Schluß ist identisch. Mit Vers 44 sind wir wieder da angelangt, wo 
wir in Vers 30 schon waren. Auch der laute Ruf von 28 kehrt in 37 
wieder, nur steht er hier nicht in der Mitte, sondern zu Beginn, und 
der Inhalt ist verschieden. Die Datierung am Anfang von 37 ist an- 
gebracht, um die Varianten zeitlich zu unterscheiden und dadurch ihre 
Zusammenstellung zu ermöglichen. Indessen scheint sie auch einen 
innerlichen Grund zu haben; denn die alte Vermutung liegt nahe, daß 
der Spruch idv ti? hi^a in Beziehung stehe zu dem Ritus des Wasser- 
schöpf ens, der am letzten Tage der Lauberhütten üblich war. Freilich 
paßt der aus Isa. 58, 1 stammende Spruch nicht zu dem in Vers 38 
folgenden Citat unbekannter Herkunft, wonach das Wasser gar nicht 
aus Jesus fließt, sondern aus denen, die an ihn glauben. Dazu wird 
in Vers 39 eine Redaktionsbemerkung gefügt, wornach die Aussage des 
vorhergehenden Verses noch nicht in der Gegenwart Geltung hat, 
sondern erst in der Zukunft, wenn der Geist an Jesu Stelle getreten 
sei. In der Gegenwart geht also das Wasser nur von Jesus aus, erst 
nach seiner Entrückung von den Gläubigen, nämlich von dem heiligen 
Geiste, der in ihnen wirkt. 

7, 31 — 36. Der Abbruch der Discussion in Vers 30 (= 45) 
gilt als nicht geschehen; statt der Jerusalemer tritt die Menge ein, 
Sie steht dem messianischen Anspruch Jesu freundlich gegenüber, im 



7, 14-8, 59. 39 

Hinblick auf seine vielen Wunder, die mit dem Ev ip^ov (21) sich 
schlecht vertragen. Und durch die freundliche Haltung der Menge 
werden die Pharisäer, die hernach durch den Ausdruck Erzpriester und 
Pharisäer als Vertreter des Synedriums bestimmt werden, zum Ein- 
schreiten bewogen. Sie schicken ihre Schergen, um Jesus zu greifen; 
der Versuch dazu geht hier nicht vom Publikum aus. Die Schergen 
werden indessen weiterhin nicht berücksichtigt. Jesus wendet sich 
in 33. 34 nicht an sie, auch nicht mehr an die Menge, sondern an die 
Juden (35. 36). Der Passus 33 — 36 steht also mit dem Vorhergehenden 
nicht in echter Verbindung. Er ist später eingesetzt und eine Dublette 
zu 8, 21. 22. Auf Anlaß der Äußerung Jesu „wohin ich gehe, könnt 
ihr nicht gelangen'' fragen die Juden dort, ob er sich etwa umbringen 
wolle; hier, ob er sich zu der griechischen Diaspora begeben wolle. 
Die wahre Fortsetzung zu 31. 32 ist 

7, 45—52, wobei allerdings infolge der Einschübe etwas aus- 
gefallen sein muß, nämlich daß die Schergen nichts haben ausrichten 
können. Sie kehren unverrichteter Dinge zurück zu ihren Auftrag- 
gebern, den Erzpriestern und Pharisäern. Diese scheinen zu einem 
Synedrium versammelt gedacht zu werden. Sie stehen auch hier 
in feindlichem Gegensatz zu der freundlichen Haltung der Menge, 
wie in 31. 32. Was sie dem Nikodemus, der sich unter ihnen befindet, 
entgegnen, entspricht dem in 41 Gesagten^); auf seinen Vorwurf, daß 
sie Jesus unverhört verdammen, gehen sie nicht ein. Ein Verhör er- 
scheint auch 11, 47 SS. 57. 12, 10 völlig überflüssig. — Der Bericht 
von 7, 31. 32. 45—52 setzt zwar formell den von 7, 25—30 (= 37—44) 
nicht fort, wohl aber sachlich ; er ist also mit Rücksicht darauf hinzu- 
gefügt. Da die aus der Mitte des Publikums unternommenen Versuche, 
Jesus zu"greifen, nichts fruchten, so werden nun Häscher von Beruf 
zu diesem Zweck aufgeboten, freilich auch vergeblich. 

8, 12 — 20 schheßt zwar wiederum mit dem Versuch Jesus zu 
greifen, ist aber doch keine Variante zu 7, 25 — 30 (= 7, 37 — 44), 
sondern vielmehr zu 5, 30 ss. Am Anfang hat die Äußerung Jesu 
über sich selber nur den Zweck einer Handhabe für die Anknüpfung 
der Discussion. Diese wird hier von entschiedenen Gegnern geführt, 
indessen nicht von den Juden, sondern von den Pharisäern 2). Sie 



*) Ungeschickt heißt es 1, 12 unter dem o/Xo; selber: -Xava tov o/Xov. 
2) In der Syra fehlt das Explicitum. 



40 Übersiedelung nach Jerusalem und Flucht, Kap. 7—10. 

lassen seine Behauptung als Selbstzeugnis nicht gelten (13). Er ant- 
wortet ihnen zunächst (14), ein anderer Mensch könne gar nicht über 
ihn zeugen, da nur Er über sein Woher und Wohin Bescheid wisse. 
Diese Antwort ist jedoch nur der Vorlauf einer ausführlicheren, die 
formell unabhängig ist und in Vers 15 von Frischem anhebt, aber 
den gleichen Inhalt hat. Denn „auch wenn ich über mich selbst zeuge, 
so ist mein Zeugnis wahr" (14) bedeutet nichts anderes als „auch 
wenn ich urteile, ist mein Urteil wahr" (16). Daß das Urteil von dem 
Zeugnis nicht verschieden ist, erhellt daraus, daß „mein Urteil 
ist wahr, denn ich urteile nicht allein, sondern mein Absender mit 
mir zusammen" (16) sofort erläutert wird durch „nach dem Gesetz 
ist zweier Menschen Zeugnis wahr, ich bin der eine Zeuge 
über mich und mein Absender ist der andere" (17. 18). Die Synonymie 
von xpivsiv und [xapTüpsiv ist . wichtig für das Verständnis von 
5, 30 SS. Wenn übrigens die beiden Zeugen für Jesus dort Johannes 
und Gott sind, hier dagegen er selber und Gott, so braucht nicht ge- 
sagt zu werden, was das Ursprüngliche ist. — In Vers 19 befremdet 
die Frage ttoü, da Jesus vorher nicht gesagt hat: dizd'^ts} zk t^v iraispa. 
Ebenso befremdet die in Vers 20 nachgetragene Ortsangabe, da der 
Schauplatz bis 8, 59 nicht wechselt; sie ist wohl ebenso zu beurteilen 
wie 6, 59 und eine Reminiscenz an Mc 12, 41. 

8, 21 — 29. Hier beginnt endlich etwas Neues und Zusammen- 
hangendes, wenn man nämlich den Kern ausscheidet. 'E^o) 6^70)^) 
hat wohl an dieser Stelle, wo es mit Nachdruck steht, eher seinen 
ursprünglichen Platz als in 7, 33 oder 8, 14. Die schon innerhalb von 
Vers 21 gegebene Begründung, warum die Juden nicht zu dem er- 
höhten Jesus gelangen können (ihr werdet in eurer Sünde sterben), 
wird in 23 und 24 erweitert, nachdem inzwischen die Behauptung 
selber in 22 noch einmal wiederholt ist; in 24 wird dabei afxapxta in 
den ungewöhnlichen Plural gesetzt. Die wahre Fortsetzung von 21 
scheint erst in 25 zu folgen. Nachdem Jesus den Juden das Rätsel 
gestellt hat: ich gehe und wohin ich gehe könnt ihr nicht gelangen, 
sagen sie: wer bist denn du? und er entgegnet: .gleich anfangs daß 
ich zu euch rede (stellt ihr diese Frage) ? Schon Matthäi (bei Lücke) 
hat die Antwort Jesu als Frage aufgefaßt, nämlich so: cur omnino 
vobiscum loquor? Lachmann hat sich dem angeschlossen und die 



^) Entlehnt aus Mc 14, 21, wo uTi^yet = TrapaSfSorai, 



7,14-8,69. 41 

Bedeutung warum für o xi in seiner Praefatio p. XLIII gerecht- 
fertigt durch den Hinweis auf Mc 2, 7 (Vaticanus) 9, 11. 28 ^). Der 
Sinn, der sich auf diese Weise ergibt, ist aber flau und nicht motiviert; 
auch dürfte X7)v apxv dann nicht vor o ti gestellt sein, als ob darauf 
das Gewicht der Frage ruhe. Es müßte betont werden: warum rede 
ich überhaupt mit euch? und nicht: warum rede ich überhaupt 
mit euch ? Ich glaube also, daß 'zr^v ol^x^^"^ ^^^^ nicht den gewöhn- 
lichen Sinn m n i n hat 2), und verweise für meine Auffassung 
des~ Wortes auf Osee 1, 2. Was dabei ergänzt werden muß, läßt sich 
leicht abnehmen. Der Vers 26 muß einigermaßen auf die Frage ah -zi^ 
st zurückschlagen; es wird also ursprünglich Trspt ifxaüxoü da gestanden 
haben für irspt 6[x«)v. Das bestätigt sich durch 8, 14. 16. 18 und nament- 
lich durch den folgenden Satz mit dXkd: „ich könnte viel über mich 
reden, aber es genüge (wiederum: über mich) zu sagen, daß ich von 
Gott gesandt bin und verkünde, was ich von ihm gehört habe". Die 
Korrektur irspl upwv geht von der irrigen Meinung aus, das xptvsiv 
Jesu könne sich nicht auf ihn selber, sondern nur auf Andere beziehen. 
In 27. 28 hat man eine Erweiterung zu erblicken. Es gehört sich nicht, 
daß hier plötzlich statt oxav uiraY«> gesagt wird oxav u'^wofaxs — nicht 
expreß, sondern ganz beiläufig, nicht als Weissagung, sondern als 
bekanntliche Voraussetzung einer Weissagung. Wenn es noch wenig- 
stens u'|»ü)öi{] im Passiv hieße! In Wahrheit wird Vers 26 durch 38 
wieder aufgenommen, wie wir sehen werden. 

8, 30 — 37. Als Adresse werden solche angegeben, die an Jesus 
gläubig geworden sind. Die Verse 31. 32 sind in der Tat an Freunde 
Jesu gerichtet, wie eine Vergleichung von 15, 7. 8 lehrt. Das selbe 
gilt von 34. 35. „Wenn ihr in meinem Worte bleibt, so seid ihr wahr- 
haft. Jünger ^) und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit 
wird euch frei machen. Amen Amen ich sage euch, wer die Sünde tut, 
ist Knecht ^) ; der Knecht bleibt aber nicht ewig im Hause, nur der 



^) Dazu kann vielleicht noch Joa 8, 43 gefügt werden, wo ti dem oid xi 
parallel sein könnte. 

2) Eher könnte das xat vor XaXio diesen Sinn haben. Daß es von der Latina 
und Syra nicht übersetzt wird, beweist natürlich nicht, daß sie es nicht gelesen 
haben. 

^) d. h. Christen. Das fAou fehlt mit Recht im Sinaiticus. 

*) So richtig der Cantabrigiensis und die Syra. „Knecht der Sünde" 
schwächt den Gedanken und verdirbt den Gegensatz zum Freien. 



42 Übersiedelung nach Jerusalem und Flucht, Kap. 7 — 10. 

Sohn bleibt (darin) ewig." Der Sohn ist der Gegensatz zum Knecht 
und wie in Mt 17, 26 oder bei Paulus identisch mit dem Freien; also 
ist der Vers 36, wo der Sohn Jesus sein soll, ein auf Misverständnis 
beruhender Nachtrag. Er ist jedoch ebenfalls an die Jünger gerichtet 
und insofern mit 31. 32. 34. 35 zu verbinden. Dagegen stört der von 
Feinden gesprochene Vers 33; mit ihm gehört Vers 37 zusammen. 
Freilich ist auch die Jüngerrede hier nicht am Orte. Die Scene wechselt 
nicht, und hernach fehlt der Übergang zu den Juden. Durch still- 
schweigende Supposition der Feinde an Stelle der Freunde, wie sie 
in 33. 37 versucht wird, kann derselbe nicht gemacht werden, und 
wenn man diese beiden Verse aushebt, so läßt er sich vor 38 ss. erst 
recht vermissen, wo die Interlokutoren ganz deutlich die Juden sind. 
Also muß der ganze Passus 30 — 37 als eine den Zusammenhang 
unterbrechende Erweiterung angesehen werden. 

8, 38—43. Der Vers 38 nimmt nach den Einschaltungen den 
Vers 26 wieder auf. Wie die beiden Verse 33 und 37 im Vorhergehen- 
den stören, so passen sie auch nicht zum Folgenden. Denn in 39 
werden sie nicht vorausgesetzt, sondern wiederholt und zwar mit 
einer sehr beachtenswerten Abweichung: in 37 erkennt Jesus den 
Anspruch der Juden auf Abraham an, in 39 weist er ihn zurück. Von 
38 an erstreckt sich die alte Vorlage bis über 40. Dagegen 41—43 
gehört nicht dazu; es ist eine Wiederholung mit der Absicht zu korri- 
gieren. An die Stelle Abrahams tritt Gott. Abraham soll aus dem 
Spiel bleiben; es soll nicht geleugnet werden, daß die Juden Söhne 
Abrahams sind — ähnlich wie in 37 und gegen 39. 40. Die wahre 
Fortsetzung von 38 — 40 ist der Vers 44. 

8, 44 lautet jetzt: u[i£ii sx toü SiaßoXoü ^) saxs xat t4? lTrt{>t>|xta? 
TOü Tiaxpo? u[jLa>v OsXsTc TTOistv sxstvos dv&pwTTOXTOvo? TjV dn dp/r^ xal 
iv T'5 dkrfizioL oux sa-r^xsv, OTt oux sa-iv aKrfizia h auT(r) oxav XaX*^ 
To <]^£ü8oc £x TO)V tot(i)v XaXst, oTi ^suair^? laxlv xai 6 irar/jp auxoui. 
Den letzten Satz versteht sowohl die Syra wie die Latina: „denn ein 
Lügner ist auch sein Vater". Mit Kecht hält Lachmann diese Auf- 
fassung für selbstverständlich und würdigt die Lutheische keiner 
Widerlegung. Die Antwort auf die Frage, wer denn nun der Sohn des 



^) Die Lesung des Cantabr. i-A toO Traxpo? tou otaßdXou bedeutet nach der 
Latina de patre d i a b o I o. Hilgenfeld versteht de patre d i a b o 1 i. Als ob es 
an des Teufels Großmutter nicht genug wäre! Die Syra hat: ^x tou 7rov>]pou. 



7, 14—8, 69. 43 

lügenhaften Vaters d. h. des Teufels sei, findet er auf die Weise, 
daß er otav in 8? av ändert: „wer die Lüge redet, redet ix xwv loicuv 
denn auch sein Vater ist ein Lügner". Das hat jedoch keine Art, es 
ist ein Notbehelf, und ex täv tSrwv XaXst müßte dann bedeuten: er 
redet aus der Familie, wie er es von seinem Vater gelernt 
hat — nicht: er redet aus dem Eigenen. Vielmehr 
kann das aÜToG hinter Tcatr^p nur auf den dv&ptoiroxTovo^ air' dpyr^^ 
gehen. Wenn nun dieser der Sohn des Teufels ist, so wäre nicht der 
Teufel selber der Vater der Juden, sondern sein Sohn. Von hinten 
gelesen ergibt der Vers 44 ein anderes Verständnis als von vom, An- 
fang und Schluß vertragen sich nicht mit einander. Vermutlich ver- 
dient der paradoxe Schluß mehr Vertrauen als der Anfang, die Über- 
lieferung schwankt dabei auch nicht. Dagegen findet sich zum Anfang 
eine merkwürdige Variante bei Aphraates (ed. Wright 331): ihr 
seid Söhne Kains. Ebenso scheint der Verfasser der Clemen- 
tinischen Homilien gelesen zu haben, wenn er 3, 25 von Kain sagt: 
cpovsu? ^ap r^v xal tj^süatr^c. Und noch Cyrillus Alexandrinus (bei Lücke) 
versteht unter dem dv&pcoTroxTovo? den Kain. 

Die Verwandlung des Kain in den Teufel ist das genaue Gegen- 
stück zu der Verwandlung Abrahams in Gott (41 — 43). Mit der Wie- 
derherstellung von £x TOü Kdiv ist jedoch der Vers 44 noch nicht 
ins Reine gebracht. Der Wechsel der Tempora verdient Beachtung. 
Im Prädikat zu dem dvöpwTToxTovo? werden Präterita gebraucht, 
TjV und l(JTr^x£v — letzteres kommt von axT^xo), wie Blaß richtig 
bemerkt. Diese Präterita passen nicht auf den Teufel, sondern nur 
auf Kain, und bestätigen, daß er mit dem dvftpcDiroxTovo? gemeint 
ist. Vom Teufel wird am Schluß richtig das Präsens gebraucht: „denn 
ein Lügner imv auch sein Vater''. Aber in den dazwischen liegen- 
den Sätzen oxi oüx sdxiv dXrj Osia h auTCj) oxav XaX-^ xö iJ^suSo? ^x x&v 
töttüv XaXei befremden die Präsentia. Nach dem Vorhergehenden müßten 
sie auf Kain gehen, können es jedoch nicht. Sie passen nur zum Teufel 
und auf den sind sie auch gemünzt, wie ix xäv tStwv beweist; nur 
der Teufel redet aus dem Eigenen, Kain redet aus seinem Vater heraus. 
Man wird zu dem Schlüsse gedrängt: diese Zwischensätze stehen 
im Zusammenhang mit der Änderung in xoö otaßoXoü und sind 
interpoliert. Die Worte „er redet die Lüge aus dem Eigenen" 
protestieren gegen den folgenden Satz, dessen Sinn ist: er hat das 
Lügen von seinem Vater her. 



44 Übersiedelung nach Jerusalem und Flucht, Kap. 7 — 10. 

Demnach hat 8, 44 einst gelautet: „Ihr stammt von Kain und 
wollt dessen Gelüste tun, jener war der Urmörder und er blieb nicht 
in der Wahrheit, denn ein Lügner ist auch sein Vater''. Die Juden 
tun das Gelüste Kains, indem sie Jesus zu töten suchen. Dieser Vor- 
wurf ist in Vers 40 gegen sie erhoben worden und daraus negativ ge- 
folgert, daß sie nicht zu Abraham gehören. Hier kommt die positive 
Ergänzung hinzu: sie gehören zu Kain. Kain schlug den Abel tot, 
weil jener Gott genehm war und er nicht; und die Juden wollen Jesus 
umbringen, weil er von Gott ist und sie nicht. Die Kreuzigung Jesu, 
die große Schuld der Juden, wird auch in Mt 23, 35 dem Morde Abels 
verglichen. Natürlich wird ihnen Kain nur als geistiger Ahn zugeschrie- 
ben und Abraham nur als geistiger Ahn abgesprochen; sie haben keine 
Wesensgemeinschaft mit diesem, sondern mit jenem. Ähnlich ver- 
fährt der Apostel Paulus, um Abraham als Vater des Glaubens den 
Juden zu entreißen und für die Christen in Anspruch zu nehmen. 

8, 45 — 59. Nach dem Angriff fällt Jesus in die Verteidigung zu- 
rück. Die Juden aber reagieren gar nicht auf die Herausforderung, 
die er in Vers 44 ihnen ins Gesicht geschleudert hat. Erst auf die im 
gewöhnUchen johanneischen Ton gehaltenen Äußerungen 45 — 47 
unterbrechen sie ihn mit der Erklärung, er sei besessen. Und nun 
spinnt sich eine neue Discussion an, in deren Verlaufe Jesus zu der 
Behauptung gedrängt wird, er sei älter und größer als Abraham^). 
Nicht das Verhältnis der Juden zu Abraham, sondern das Jesu wird 
hier erörtert. Das eigentliche Thema wird völlig zurückgedrängt, 
nämlich die Behauptung, daß die Juden nicht Kinder Abrahams 
seien. Die ganze Diskussion hat sogar nur dann Sinn, wenn (wie in 
37. 41 — 43) zugestanden wird, daß Abraham mit den Juden zusammen 
gehört; denn sie setzen ihn als ihren Patron ihrem Angreifer Jesus 
entgegen. Am Ende werden sie darüber, daß Jesus älter sein will 
als Abraham, so erbost, daß sie ihn steinigen wollen. Sonderbar: 
darüber geraten sie in Wut, und den furchtbaren Affront von Vers 44 
stecken sie ein. In Wahrheit ist mit dem Vers 44 die Höhe erreicht, 
von der nicht wieder herabgestiegen werden darf; er ist das Ende und 
nicht die Mitte. Er ist Trumpf und zugleich Touche, worauf sofort 
der Bruch erfolgen muß. Jetzt ist die Spitze abgestumpft oder um- 



^) Mit Recht liest Blaß in Vers 67 ewpoex^v ae nach dem Sinaiticas und 
der Syra, 



9, 1-41. 45 

wickelt durch 45 — 58. Hier wirkt 38 — 40. 44 gar nicht mehr nach; 
vielmehr versteht es sich von selbst, daß Abraham der Vater der Juden 
ist. Dies ist überall das Kriterium, um die Erweiterungen und Ände- 
rungen von der alten Vorlage zu unterscheiden. 

Die Vorlage beschränkt sich auf 21. 25. 26. 38. 39. 40. 44. 59. 
Sie ist geschlossen und originell, und wegen der versuchten Steinigung 
am Schluß notwendig für den Fortgang der Erzählung. Man darf 
darin also die Grundschrift erkennen. Ihr Faden setzt sich von 8, 59 
fort in 10, 40; auf das mörderische Attentat hat sogleich die Flucht 
zu folgen. Ein ununterbrochenes öffentliches Auftreten in Jerusalem, 
als wäre nichts geschehen, wird durch 8, 59 ausgeschlossen; und auch 
aus anderen Gründen erweisen sich Kap. 9 und 10, 1 — 39 als nicht zur 
Grundschrift gehörig. VermutHch hat übrigens der Vers 8, 59 in der 
zweiten Hälfte ursprünglich gelautet: „Jesus aber ging aus dem 
Heiligtum hinaus und verbarg sich". Durch die Umstellung kommt 
der Sinn heraus, den die Syra ausdrückt: er stahl sich aus dem Heilig- 
tum hinaus. Der Widerspruch des xpDJBr^vai gegen 9, 1 ss. soll be- 
seitigt werden. 

9, 1—41. 

9, 1 — 7. Der Schauplatz wird nicht angegeben. Die Jünger treten 
hier auf und auf ihre Frage, ob der BUndgeborene wegen ererbter 
Schuld leide oder wegen eigener (nach der griechischen Schulmeinung 
vom Sündenfall in der Präexistenz, die auch bei den Essenern herrschte), 
antwortet Jesus, seine Blindheit erkläre sich nicht aus einem solchen 
Grunde, sondern aus dem Zwecke, daß sich durch ihre Heilung seine 
eigene göttliche Wunderkraft offenbaren solle. Die gleiche Betrach- 
tungsweise wiederholt sich am Anfang der Lazarusgeschichte. Daran 
erinnert auch der Ausspruch 9, 4. Der Sinn kann nur sein: ich muß 
die kurze Spanne, die ich npch zu leben habe, ausnützen, da mein 
Tod nahe bevorsteht. Der Tod setzt somit der Wirksamkeit Jesu 
eben so gut ein Ende, wie der eines jeden Menschen. Das hat befremdet 
und zur Hinzufügung von Vers 5 geführt. Darnach soll vorher nicht 
die Rede sein von einem Tage und einer Nacht für Jesus selber, sondern 
für Andere, denen Er Tag oder Licht ist; also auch nicht von seinem 
Wirken, sondern von dem Wirken Anderer. Vermutlich hängt 
damit der auffallende Plural Yjfist? in Vers 4 zusammen; er erklärt 
sich aus dem Streben, Jesus als Subjekt undeutlich zu machen und ein 



46 Übersiedelung nach Jerusalem und Flucht, Kap. 7 — 10. 

allgemeineres Subjekt unterzuschieben. Der merkwürdige Ausspruch 
widersteht aber allen Künsten. Er ist klarer als der analoge in 11, 9, 
aber weniger gut motiviert. Denn die Jünger wollen ihn ja hier gar 
nicht, wie dort, von öffentlichem Auftreten abhalten; auf das, was 
sie sagen, ist nur Vers 3 die Antwort, nicht Vers 4, der vielmehr gar 
keinen Anlaß hat. 

9, 8 — 12. Der Blinde wiederholt die vorhergehende Erzählung 
auf Befragen der Nachbaren. Warum erst hier gesagt wird, daß er 
ein Bettler gewesen sei^ sieht man nicht. Die Frage izotj (9, 12 statt 
Ti'? 5, 12) soll die feindliche Absicht verraten, Jesus zu greifen. 

9, 13 — 17. Der Blinde wiederholt die Sache abermals, vor den 
Pharisäern. Hier kommt der Sabbat (5, 9) neu hinzu, aus dem aber 
nichts gemacht wird. Ob das Subjekt zu a-^ouaftv unbestimmt ist 
oder ob es die Nachbarn sind, ob die Pharisäer die Behörde bedeuten 
oder nicht, muß dahin gestellt bleiben. 

9, 18—23. Die Pharisäer (13. 16) heißen hier plötzlich die Juden 
(18. 22). Der Blinde gilt als bisher unbefragt und ist abwesend; um 
ihn wieder auf die Bühne zu bringen, muß er ex osüTspou gerufen 
werden. Die Eltern haben ihn zwar schon als geheilt gesehen, scheinen 
aber bei der Scene mit den Nachbaren, die doch in ihrem Hause vor- 
gegangen sein müßte, nicht zugegen gewesen zu sein und nicht zu wissen 
was jene herausgebracht haben. Die Nachbaren (8) erkennen die Iden- 
tität des Blinden an, die Juden (18) bezweifeln sie. Man hat nicht den 
Eindruck, daß dies Stück mit den beiden vorhergehenden in echter 
Verbindung steht. 

9, 24 — 41 kann, wenn man von dem ersten Satze absieht, als 
Fortsetzung von 13 — 17 gelten. Die Frage ist wie in Kap. 5 das iro&iv 
und die Antwort irapA ösou (30. 33). Nur führt hier nicht Jesus selber 
seine Sache, sondern der Geheilte und zwar recht kräftig. Erst nach- 
träglich tritt Jesus auf (35 — 41). Wie in Kap. 5 trifft er den Geheilten 
und öffnet ihm auch das geistige Auge. Er offenbart sich ihm als 
Menschensohn und erklärt, er sei in die Welt gekommen, damit die 
Blinden sehend und die Sehenden blind würden. Daran knüpft sich 
zum Schluß ein Zusammenstoß mit einigen Pharisäern, von denen 
man nicht vermutet, daß sie das Zwiegespräch belauscht haben. 

Das neunte Kapitel enthält wie das siebente mehrere Varianten 
neben einander. Zu gründe liegt Mc 8, 22 ss., wie aus der Augenkur 
(6) hervorgeht. Aber diese Grundlage wird verdeckt durch den weit 






10, 1—39. 47 

überwiegenden Einfluß von Kap. 5. Daraus stammt nicht bloß die 
xoXüfißYjöpa,' zu der sich der Blinde noch nach der Kur begeben 
muß, sondern vor allem auch die redende Partie (24 ss). Das Sv Ip^ov 
in Jerusalem wird verdoppelt. Daneben kommen Anklänge an 11, 1 ss. 
vor. Der Grundschrift steht von dieser durchweg sehr unselbständigen 
Perikope nichts zu Gesichte. Merkwürdig synoptisch lautet der Ein- 
gang: Jesus zieht des Weges mit seinen Jüngern. IlapaYsiv kommt 
bei Joa nur hier vor. Ebenso ist irpoaxüvsiv mit menschlichem Objekt 
sonst nur synoptisch; jedoch fehlt Vers 38, worin der Ausdruck sich 
findet, im Sinaiticus. ''Ecpr^ findet sich nur hier und 1, 23. Auch sw? 
f ür w ä h r e n d (-- ü>^ 12, 35. 36) befremdet und otav in dem gleichen 
Sinne (4. 5). 'ATroauva^co^o? (22) kommt wieder vor in 12, 42. 16, 2. 

10, 1—39. 

10, 1 — 18. Die Rede wird zwar nicht von dem vorhergehenden 
Ausspruch abgehoben, setzt ihn aber nicht fort, sondern steht ganz 
isoliert, ohne Fassung und Rückhalt, auch ohne Adresse. Schon 
darum gehört sie nicht zur Grundschrift. Sie ist aber von dem, der 
sie eingesetzt hat, nicht gemacht, sondern nur vermehrt. Sie enthält 
eine Verurteilung derer, die sich bisher zu Hirten der Heerde auf- 
geworfen haben. Nach Jeremias, Ezechiel und Psalm 23 kann es 
nicht zweifelhaft sein, daß die Heerde das theokratische Volk ist, 
die Hirten seine Häupter. Der rechte Hirt ist der Christus. Unter 
den Mietlingen versteht E. Schwartz^) die jüdischen Oberen, unter 
den Dieben und Räubern die idumäischen Tyrannen; unter den Wölfen 
die Römer. Ich bin mit der Differenzierung nicht einverstanden 
und halte keine der Deutungen für richtig. Mit Herodes und 
seinen Söhnen darf Jesus sich nicht vergleichen; es wäre zu billig. 
Auch an die jüdischen Oberen, die Erzpriester und Pharisäer, kann 
er nicht denken, weil es auf sie nicht zutrifft, daß die Heerde ihnen 
nicht folgt, und weil sie keine Monarchen sind — denn die falschen 
Hirten erscheinen hier als Mehrheit nicht simultan, sondern nur 
successiv (r^XOov). Der Gegensatz zum wahren Christus führt viel- 
mehr darauf, daß Pseudochristi gemeint sind, wie schon Hugo Grotius 
erkannt hat. Dafür spricht die gewöhnlich nicht recht verstandene Be- 



^) Osterbetrachtungen in der ZNW 1906 p. 5. n. 1. 



48 Übersiedelung nach Jerusalem und Flucht, Kap. 7—10. 

nennung iravxe^ Zaoi r^X&ov^) in Vers 8; das absolute Ip^sofftai (5, 43) 
wird vom Advent des Christus gebraucht und irapoüaia ist so viel 
wie IXsucji?. Dazu stimmt auch die weitere Kennzeichnung: die falschen 
Christi wollen Herrschaft über die Heerde und scheitern daran, der 
wahre Christus stirbt für die Heerde. Das ist eben der kardinale Unter- 
schied zwischen dem jüdischen und dem christlichen Messiasbegriff. 
Natürlich redet Jesus hier, wie sonst, nicht von seinem eigenen histo- 
rischen Standpunkte aus, sondern von dem des Schriftstellers, in 
einer Zeit, wo man auf eine ganze Anzahl gescheiterter Christus-Präten- 
denten zurück schauen konnte. Er allein hat Erfolg gehabt, er hat 
die Heerde hinter sich, nämlich die Kirche, welche hier wie anderswo 
als echte Fortsetzung der jüdischen Theokratie gilt und damit einfach 
verselbigt wird. Er hat sich für die Heerde geopfert, sie ist sein eigen 
(10, 4. 12), sie leistet ihm willig Gehorsam: die Kirche besteht auf 
seinem Namen und ist im Gedeihen. Lehrreich ist die Vergleichung 
von 5, 43. Dort wird der wahre Christus nicht einer Mehrheit von 
Prätendenten entgegen gesetzt, sondern nur einem einzigen, und 
diesem folgen die Juden. Dort ist von Barkochba die Rede, dem ein- 
zigen von den Juden allgemein anerkannten Messias. Das Kap. 10 
kennt keinen erfolgreichen jüdischen Messias, sondern nur erfolglose 
Attentäter. 

Die Unterschrift 10, 6 ist als Redaktionszusatz auszuheben. 
Durch den Ausdruck irot[jLr^v, der den Juden geradezu Herrscher 
bedeutet und ein analoges Verständnis des Weiteren nach sich zieht, 
wird Vers 1 — 5 noch nicht zu einer Trapotji.ta. Und jedenfalls ist 
Vers 7 ss. keine Erklärung dazu, sondern eine notwendige Ergänzung, 
ohne welche die Spitze fehlen würde. Denn es ist nicht zu entbehren, 
daß Jesus zum Schluß sich selbst als den wahren Hirten enthüllt. 
Wie Blaß richtig empfindet, hat in Vers 7 ursprünglich gestanden: 
i-yci) sf[i.i 6 Trot|X7jv (nicht tj öupa) twv Trpoßaxwv. Das mußte erst einmal 
gesagt werden, darauf ist Vers 1 — 5 stillschweigend angelegt. Nur 
zu 7roi|xr^v paßt auch der Genitiv twv irpopaicDv; was der hinter Oupa 
besagen soll, leuchtet keinem einfältigen Auge ein. Die Tür stammt 
aus 9; dieser Vers ist eingeschaltet, steht verloren zwischen 8 und 10 
und stimmt nicht mit 2, wonach der Hirt durch die Tür eingeht und 



^) lipo ^(jLoO fehlt im Sinaiticus, in der Latina und Syra; mit vollem Recht 
hat schon Grotius es gestrichen. 



10, 1—39. 49 

nicht selber die Tür ist. Der ursprüngliche Text wurde dann lauten, 
wie folgt: „Amen Amen ich sage euch, wer nicht durch die Tür in 
die Hürde der Schafe eingeht, sondern anderswo übersteigt, der ist 
ein Dieb und ein Räuber. Wer durch die Tür eingeht, ist der Hirt 
der Schafe. Dem öffnet der Türhüter und die Schafe hören auf seine 
Stimme, und er ruft sie mit Namen und läßt sie aus. Wenn er die 
Seinigen ausgelassen hat, geht er vor ihnen her, und sie folgen ihm, 
weil sie seine Stimme kennen. Einem Fremden aber werden sie nicht 
folgen, weil sie dessen Stimme nicht kennen. Amen Amen ich sage 
euch. Ich bin der Hirt der Schafe. Alle die gekommen sind, sind 
Diebe und Räuber. Ein Dieb kommt nur zu stehlen, zu schlachten 
und zu verderben. Ich bin gekommen, damit sie Leben haben und 
Überfluß." 

Mit 10, 11 folgt ein Anhang. Zu Beginn wird Vers 7 wiederholt, 
jedoch mit dem Epitheton 6 xaXo? zu 6 iroip.r^v. Statt dXXoxptoc heißt 
es |jLtcji>(oToc. Ganz unangebracht wird das „johanneische" Dogma 
hervorgehoben, daß Jesus aus eigener Macht sein Leben niederlege 
und aus eigener Macht es wieder aufnehme^). In Vers 16 sind die 
Tcpoßaxa nicht die Heerde, welche vielmehr irotpr] genannt wird, son- 
dern einzelne Schafe; und es ist von mehreren Heerden und Hürden 
die Rede, während sonst nur von einer. Der Vers sprengt indessen 
den logischen Nexus zwischen 15 und 17 und ist also interpoliert. 

10, 19—39. Die Angaben über die Zeit und den Ort (22. 23) 
reißen mit Unrecht den Vers 24 von 21 los. Sie sind an äußerst un- 
passender Stelle angebracht; es bestätigt sich dadurch, was über 
6, 59. 8, 20 und namentlich auch über 6, 4 gesagt ist. Die Juden 
sind hier die Zuhörer (19. 24), was aus der Rede vom Hirten sich 
keineswegs von selber ergibt. Sie zanken sich zunächst unter einander 
über Jesus (19 — 21) und bringen dann den Streit vor ihn selber (24), 
indem sie von ihm (natürlich nicht erst nach ein paar Monaten) eine 
offene Erklärung verlangen, ob er sich mit dem Hirten als Messias 
bezeichne. Er verweist sie auf das schon Gesagte als genügend und 
fügt das Zeugnis seiner Werke (Plural!) hinzu, weiß aber, daß nichts 



*) TiOivat und Xafjißctveiv wird hier und an einigen anderen Stellen (13, 4. 12) 
völlig so gebraucht wie ponere und sumere. Ähnlich bei Markus TiOivat xd Ydvaxa 
für genua ponere. Man hat wohl das Recht, einen Latinismus anzunehmen, da 
auch t6 ixavov Tioieiv und SiSdvat ipyoida:^ dem lateinischen satisfacere und 
operam dare entspricht. 

Wellhansen, Evang. Johsnnis. 4 



^ I 



5Q Rückkehr nach Jerusalem und Tod, Kap. 11 — 19. 

bei ihnen ansehlägt, da sie nicht zu seinen Schafen gehören. Dann 
folgt der Avers des Prädestinationsgedankens, daß nämlich die Seinen 
durch nichts aus seiner Hand gerissen werden können — oder aus der 
Hand seines Vaters, was er nur zusetzt, um daran anzuknüpfen 
„Ich und der Vater sind eins" und durch dies Wort den Juden Anlaß 
zu geben zu dem Versuch, ihn zu steinigen. Während sie nun mit 
Steinen in der Hand dastehen, argumentiert er ruhig weiter und beruft 
sich auf ein Schriftzeugnis dafür, daß Menschen Götter genannt 
werden dürfen. Inzwischen scheinen den Anderen die Steine ent- 
fallen zu sein, zuletzt suchen sie ihn nur zu greifen und er entzieht 
sich dem. Der Anfang und das Ende dieses Stückes (die Juden streiten 
über Jesus und wollen ihn zuletzt greifen) sind schon öfter dagewesen. 
Es ist nach dem Schema gearbeitet und gehört nicht zur Grundschrift. 
Aber zuletzt wird der fallen gelassene Faden der Grundschrift wieder 
aufgenommen. Da stehen wir wieder auf dem selben Punkt wie in 8, 59 
Nur ist das Steinigungsattentat auf Jesus verwischt durch die Com- 
bination mit dem Versuch ihn zu greifen. 

10, 40—42. 

Die Flucht Jesu aus Jerusalem ist in der Grundschrift un- 
mittelbar auf 8, 59 gefolgt. Sie schneidet ein, wird aber von 
den Auslegern wenig beachtet, weil sie ihres Charakters nach 
Kräften entkleidet und noch bedeutungsloser gemacht wird durch 
die Wiederholung in 11, 54 — über das Verhältnis der beiden Varianten 
wird dort gehandelt werden. Auch das synoptische Analogen, die 
Flucht Jesu vor Herodes, ist bei Lukas (13, 31 ss.) verschleiert und 
bei Markus (hinter 6,14 — 16) jetzt ganz unterdrückt; 



Rückkehr nach Jerusalem und Tod, Kap. 11—19* 

11, 1—44. 

Die Lazarusgeschichte ist die Peripetie in der Erzählung der 
Grundschrift, wie E. Schwartz erkannt hat. Sie schließt eng an 
den vorhergehenden Bericht über die Flucht Jesu und motiviert 
seine Rückkehr. Um den kranken Freund zu retten, verläßt er den 
Ort, an dem er sich geborgen hat, und geht auf alle Gefahr hin nach 
Jerusalem zurück, ohne auf die Vorstellungen der Jünger zu achten. 



I 



11,1-44. 51 

Die Bedeutung für den historischen Pragmatismus, welche die Lazarus- 
geschichte in der Grundschrift hat, tritt aber nur anfangs deutlich 
hervor und ist im Ganzen sehr verdunkelt durch eine starke Überar- 
beitung. Da, wo sich diese am breitesten macht, setzt meine Unter- 
suchung ein. 

11, 28 — 32. Martha kehrt von Jesus nach Hause zurück, um 
Maria zu holen, angeblich im Auftrage Jesu, den er freilich nicht erteilt 
hat. Diese trifft den Meister noch da, wo ihre Schwester ihn verlassen 
hat; sie tut weiter nichts, als daß sie auf dem selben Fleck deren Worte 
wiederholt (32 = 21) — der einzige Unterschied ist, daß sie keine 
Antwort bekommt. Sie ist ein Schatten ihrer Schwester und wird 
nur darum nachgeholt, um dieser die Ehre nicht allein zu lassen. In 
38 ist Martha noch bei Jesus, also nicht heim gelaufen — denn sonst 
müßte die Rückkehr erzählt sein; sie gilt dort auch als die einzige 
Schwester des Verstorbenen. Mithin ist 28 — 32 eine Einschaltung» 
Vorbereitet wird sie in der zweiten Hälfte von Vers 20 mit Worten, 
die auf Lc 10, 38 — 42 beruhen. 

11, 18 — 27 ist zwar älter als 28 — 32, gehört aber auch nicht zur 
Grundschrift. Jesus kommt merkwürdigerweise gar nicht auf den 
Gedanken, Martha zu besuchen und sich bei ihr nach Lazarus zu 
erkundigen. Sondern sie läuft zu ihm, um von ihm den Spruch zu 
hören: „Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, 
wird leben ob er gleich stirbt, und wer lebt und an mich glaubt, wird 
in Ewigkeit nicht sterben." Wenn das gilt, so ist die Auf erweckung 
des Lazarus höchst überflüssig. Der Spruch, der die Pointe von 21 — 27 
ist, raubt dem Ganzen alle Bedeutung. Die Verse 18 — 20 stehen in 
Beziehung zu 28 — 32. Sie bereiten nicht bloß Maria vor, sondern 
auch die Juden, die sich in ihrer Gesellschaft befinden (31. 33). Diese 
sollen in Menge aus Jerusalem nach dem benachbarten Bethanien 
gekommen sein, um die Schwestern zu trösten; man sähe nicht ein, 
warum das nicht die Leute von Bethanien tun, wenn nicht die Absicht 
wäre, daß die Jerusalemer Zeugen der Auferweckung des Lazarus 
sein sollten (12, 11. 17. 18). Nur in Vers 17 könnte ein Rest der Grund- 
schrift stecken. Hier scheint Jesus schon im Dorfe oder am Grabe 
angekommen zu sein, während es nach 20 und 30 so aussieht, als 
wären die Schwestern ihm entgegen gelaufen, bevor er anlangte. 

11, 33—44. Hier läßt sich die Grundschrift ausschälen. In 33—37 
beschränkt sie sich auf die Worte: „Wie nun Jesus die Jammernden 






52 Rückkehr nach Jenisialem und Tod, Kap. 11 — 19. 

(xXateiv) sah, weinte er (Saxpistv)". Die Juden gehören nicht dazu, 
Maria auch nicht. Die Jammernden sind das Trauergefolge, das sich 
noch am Grabe befindet. Nur dann müßte die Bestattung längst 
erfolgt sein, wenn die Juden von Jerusalem am Grabe stünden, die 
freilich nicht gekommen sind um zu jammern, sondern um zu trösten. 
Der kleine Satz, aus dem Vers 35 besteht, sieht aus wie ein Trumm. 
Ursprünglich muß er in die Konstruktion gepaßt haben, als Nachsatz 
zu 'lYjOfoö^ oüv o)? sfSsv Tou^ xXatovTa? am Anfang von Vers 33. Er 
soUte verdrängt werden, ist freilich nicht verdrängt^), durch das 
iveßpifjLr^aaTo in 33, welches aus 38 stammt. In 37 wird, anders wie 
in 8, auf Kap. 9 Beziehung genommen. Etwas mehr als in 33 — 37 
steckt von der Grundschrift in 38 — 44. Maria ist hier verschwunden 
und Martha an die Stelle getreten, die nicht nach Hause, sondern 
mit Jesus zum Grabe gegangen ist; sie ist zwar älter als Maria, aber 
nach dem zu 18 — 27 Bemerkten doch auch nicht primär. Mit 39b 
und 40 scheidet die Angabe, daß Lazarus schon vier Tage im Grabe 
gelegen habe, aus der Grundschrift aus; diese setzt sich von 39a in 
41 fort. Die Vermutung, daß beide Schwestern erst später hinzu- 
gefügt sind, bestätigt sich durch 44: Lazarus geht seiner Wege und 
wird nicht von den Schwestern in Empfang genommen und nach 
Hause gebracht, das Haus erscheint auch gar nicht als sein Haus, 
sondan als ihr Haus. — Eine vollständige Rekonstruktion der Grund- 
schrift in 17 — 44 ist schwerlich möglich. Vers 17 wird, nach Aus- 
hebung der vier Tage, dicht an 33 zu rücken sein. Aber der Ort ist 
nicht klar; das Trauergefolge (33) weist auf das Grab, indessen erst 
in 38 geht Jesus zum Grabe. Man könnte sich allerdings vorstellen, 
daß Jesus das Trauergefolge nicht mehr bei der Bestattung getroffen 
habe, sondern unmittelbar nachher, noch jammernd. Das Gebet in 
41. 42 macht sich durch den echt johanneischen Stil verdächtig, der 
nicht der der Grundschrift ist. 

11, 1 — 16. Es braucht kein Wort darüber verloren zu werden, 
daß der Vers 2 eine Glosse ist, und zwar von Anfang bis zu Ende. 
Das Bedenken, daß ohne ihn die Beziehung des Lazarus zu Martha 
und Maria nicht erhellen würde, ist gegenstandslos, weil er gar nicht 
ihr Bruder ist (E. Schwartz). Ihre Erwähnung in Vers 1 dient nur 



^) Gemäß der Inconsequenz der Redaktion, ohne die wir überall schlecht 
daran wären. 



11, 1-44. 63 

dazu, den Ort Bethanien näher zu bestimmen als die Heimat des 
bekannten Schwesternpaares. Es ist freilich nur von anderswo be- 
kannt — auch der Schluß von Vers 1 ist nicht ursprüngUch. Und 
der Anfang r^v 8* xic da&svcov läßt sich sprachlich kaum ertragen und 
außerdem eine Angabe über das Verhältnis des Lazarus zu Jesus 
vermissen. Nach dem für 17 — 44 gefundenen Ergebnis gehören die 
Schwestern überhaupt nicht in die Grundschrift. 

Weiter ist die johanneische Dogmatik in diesen Abschnitt ein- 
getragen. Wenn die Angabe, daß Lazarus bei der Ankunft Jesu schon 
drei oder vier Tage im Grabe gelegen habe, nicht zur Grundschrift 
gehört, so auch nicht die entsprechende, daß Jesus auf die Nachricht 
von seiner Erkrankung mit Fleiß noch zwei Tage an Ort und Stelle 
geblieben sei. Er wird dann nicht von Liebe und Mitleid getrieben, 
dem Kranken so schnell wie möglich zu helfen, sondern läßt ihn erst 
sterben, in der Absicht, durch die Erweckung des Toten seine eigene 
Herrlichkeit an den Tag zu legen. Dies Motiv des 8ocaCea&ai macht 
sich in 4. 6. 11 — 15 breit. Ähnlich in 9, 3, aber ganz anders in 11, 9. 10. 

Demnach bleiben für die Grundschrift übrig die Verse la. 3. 
7 — 10. 16. Jesus gibt trotz der Warnung der Jünger sein Asyl sofort 
auf, weil er nicht da ist sich zu verstecken, sondern zu wirken so 
lange er das Leben hat. Der Sinn der Aussage 9. 10 läßt sich aus 9, 4 
erraten, ist aber recht misverständlich ausgedrückt. Was soll ou Trpoa- 
xoTTTst in Anwendung auf Jesus bedeuten? Er weiß doch, daß er 
zu Fall kommen wird, er geht trotzdem nach Jerusalem und kann 
nicht meinen, es bestünde keine Gefahr, da er bei Tage und nicht 
bei Nacht wirke. Es stört auch, daß er in 9 sagt „weil er das Licht 
der Welt sieht", dagegen in 10 „weil das Licht nicht in ihm ist". 
Das eine mal bleibt er im Bilde, das andere mal fällt er heraus; er redet 
von einem Tage, der gegeben ist, aber von einer Nacht, die nicht 
sein sollte (Lücke). Man kommt über ein Non üquet nicht hinaus 
und wird zu der Vermutung gedrängt, daß nicht alles in Ordnung 
sei und daß 12, 35. 36 eingewirkt habe. In 16 fällt das Compositum 
aüvp,a&rjTai auf; vielleicht sind, wie in 8, die Jünger das wahre Subjekt 
und nicht Thomas. 

11, 45—57. 

11, 54 — 57. Die Lazarusgeschichte verUert ihre Bedeutung und 
das Pathos ihrer Einleitung wird lächerlich, wenn Jesus gleich nach 



54 Rückkehr nach Jerusalem and Tod, Kap. 11—19. 

der Rückkehr noch einmal flieht. Viehnehr sind die Flucht nach 
Peräa (10, 40) und die nach Ephraim (11, 54) Varianten ^). Die erste 
steht an der richtigen Stelle, verdient jedoch inhaltlich nicht den 
Vorzug, weil Jesus sich da gar nicht verbirgt, sondern öffentlich auf- 
tritt wie Johannes und mit noch viel größerem Erfolg. Nur in 11, 54 
erscheint die Flucht wirklich als Flucht; diese Variante bringt also 
wenigstens am Anfang den Bericht der Grundschrift 2), wenngleich 
dann eine Coda angehängt wird, die vöUig an 7, 11 erinnert und von 
der Voraussetzung ausgeht, daß Jesus regelmäßig die Feste besuchte. 

11, 45 — ^53. Ein Verhör Jesu wird von dem Synedrium nicht 
für nötig gehalten, weil es fest steht, daß er sich für den Christus gibt 
oder dafür gehalten wird. Die vielen Wunder und der große Anhang 
(10, 41. 42) sind der Grund zum Einschreiten. Ob er wirklich der 
Christus ist, darauf kommt es nicht an; auch wenn er unschuldig ist, 
so ist es besser, daß er stirbt — aus politischen Gründen, wegen der 
Gefahr vor den Römern. Das scheint sich sachlich sehr zu empfehlen. 
Aber die vielen Wunder gehören nicht in die Grundschrift, und der 
Hohepriester Kaiphas auch nicht ^). Die Opferidee (50 — 52) ist ihr 
fremd, der Vers 52 stellt sich zu 10, 16 und 17, 19. 20. Und wenn 
die Flucht nach Ephraim identisch ist mit der nach Peräa, so ist der 
Synedrialbeschluß eingeschoben, und zwar um den Wechsel der 
Zufluchtsstätte zu ermöglichen. Zuerst ging Jesus nach Peräa, nach 
dem Auftreten der Behörde gegen ihn fühlte er 
sich aber dort nicht mehr sicher und begab sich an einen entlegeneren 
Ort am Rande der Wüste. 

Erst zuletzt sind die Varianten (10, 40—42. 11, 45— 57) dadurch 
gänzlich getrennt, daß die Lazarusgeschichte in die Mitte gestellt 
wurde. Der Vers 11, 45 nimmt nämlich 10, 42 wieder auf und knüpft 
nicht an die Lazarusgeschichte. Durch die Apposition des Partizipial- 
satzes wird er allerdings daran geklammert; diese wird aber von 
Blaß mit Recht gestrichen, weil sie in falschem Casus steht. Vers 47. 48 
blickt nicht auf die Lazarusgeschichte'' zurück, sondern auf 10, 41. 42. 

^) Unter der Wüste (11, 54) kann nach 11, 7 (welcher Vers eigentlich hinter 
11, 64 gehört) nicht die Wüste von Juda verstanden werden. Aus tU 'Etppaifi. ist 
im Cantabr. Sapicpoupiv geworden. Es soll vielleicht Sepphoris sein, diese Stadt 
lag aber nicht nahe bei der Wüste. 

^) riappTjafa steht hier in der selben Bedeutune; wie 7, 4. Sonst anders: 7, 13. 26. 
10, 24. 11, 14 16, 25. 29. 18, 20. 

«) Vgl. zu 18, 12 SS. 






12,1^19. 55 

12, 1—8. 

In der Grundschrift ist die Lazarusgeschichte dicht vorher ge- 
gangen, und Jesus hat Bethanien gar nicht verlassen. Ihr gehört 
also der erste Satz von Vers 1 nicht an, worin Jesus durch einen Sprung 
aus seinem Versteck in Ephraim nach Bethanien zurückversetzt wird. 
Ihr gehört auch das Andere nicht an. Maria und Martha treten auf, 
Lazarus ist bei ihnen zu Gast, der doch durchaus seiner Wege gehen 
muß, um nicht zu der Frage Anlaß zu geben, ob er etwa als unwider- 
sprechlicher Beweis der Wunderkraft Jesu noch lange unter den Juden 
lebend gewandelt sei. Die ganze Perikope ist ein Einsatz aus den 
Synoptikern. Die erste Hälfte (vgl. 11, 2) ist ziemlich wörtlich aus 
Lc7 entlehnt, die zweite aus Mcl4; Vers 8, aus Mt26, fehlt im 
Cantabrigiensis und in der Syra. Auch die sechs Tage sind aus den 
Synoptikern zusammen gerechnet; im Widerspruch zu jenen findet aber 
die Scene nicht nach, sondern vor Palmarum statt. Vgl. zu 12, 44. 45. 

12, 9—19. 

12, 9 — 11. Der Cantabr. und die Syra lesen in Vers 9: „sie kamen 
nicht wegen Jesus, sondern um Lazarus zu sehen*'. Diese Lesung 
wird durch Vers 11 (8t' auxov) bestätigt. Im Vaticanus und Sinaiticus 
ist jxovov und xat hinzu gefügt, ähnlich wie in der Syra zu 4, 2. Da 
äer hier berichtete Beschluß des Synedriums den früheren (11, 45 — 53) 
voraussetzt, so ist er ebenso zu beurteilen wie jener; d. h. er gehört 
nicht zur Grundschrift. Es spricht daraus die richtige Empfindung, 
daß Lazarus Jesum nicht überleben dürfe. 

12, 12 — 19. T-^ iTraüpiov macht Miene, das Hexaemeron der 
Passion (12, 1) auszufüllen; es folgt aber kein weiterer Tag und mit 
13, 1 sind wir schon am Ende. Zu Anfang von Vers 12 hat die Syra: 
„Am folgenden Tage zog Jesus aus (von Bethanien) und 
kam an den ölberg und das viele Volk usw." Die Lücke, 
welche durch die Hinzufügung der gesperrten Worte gestopft wird, 
macht sich in der Tat empfindlich. Ebenso befremdet es in Vers 14, 
daß Jesus erst nach dem jubelnden Empfang als Messias einen Esel 
findet und sich darauf setzt. Die Syra hilft wiederum nach, indem 
sie übersetzt: Jesus aber ritt auf einem Esel, wie 
geschrieben ist usw — das kann als Nachtrag verstanden werden, 
was bei eöpobv dxd&taev nicht angeht. Das Nichtbegreifen der Jünger 



56 Rückkehr nach Jerasalem nnd Tod, Kap. 11 — 19. 

(vgl. 2, 22) kann sich natürlich nicht auf die messianische Demon- 
stration des Volkes beziehen, sondern nur auf das Besteigen des Esels. 
Darin eine Erfüllung der Weissagung des Zacharia zu erkennen, soll 
erst einer späteren Zeit vorbehalten gewesen sein. Wie zu Anfang 
der Aufbruch Jesu von Bethanien fehlt, so am Ende sein Einzug in 
Jerusalem. Wenn man nicht anderweit Bescheid wüßte, würde man 
die Erzählung gar nicht verstehen^). Der Passus 17 — 19 ist eine 
Parallele zu 9 — 11. Das Volk, das bei der Auferweckung des Lazarus 
zugegen war (17), wird in widerspruchsvoller Weise gleich gesetzt mit 
dem Volk, das von diesem Wunder nur gehört hatte und Jesu ent- 
gegen ging (18=12). Blaß streicht darum den zweiten Satz von Vers 18, 
tut damit aber wie gewöhnUch nur halbes Werk. Denn da Vers 12 
bleibt, wo das begegnende Volk nicht die Jerusalemer sind, sondern 
die auswärtigen Festpilger, so wird durch diese Streichung der innere 
Widerspruch doch nicht beseitigt. Und bei der Natur dieser Perikope 
ist auch kein Anlaß, ihn zu beseitigen. Sie ist ein Einsatz aus der 
synoptischen Tradition und hat in der Grundschrift nicht gestanden. 
Sie wäre besser mit der Tempelreinigung (2, 13) zu verbinden gewesen, 
da Jesus nach Joa nicht erst bei dieser Gelegenheit, sondern von 
vornherein als Messias in Jerusalem auftritt. 

12, 20—36. 

Wie vorher die Ankunft Jesu in Jerusalem nicht gemeldet wird, 
so fehlt hier jede Angabe über die Scene. Sie ist in Jerusalem zu 
denken, vermutlich im Heiügtum. Es folgen lauter durch einander 
geschobene Fragmente, die man nur verstehen kann, wenn man sie 
aus dem Wirrwarr löst. 

12, 20 — 22. Hellenistische Festpilger wollen Jesus gern sehen 
und bitten Philippus, der in der Apostelgeschichte die christliche 
Mission außerhalb Jerusalems am frühesten betreibt, um seine Ver- 
mittlung. Er stärkt sich nicht durch Petrus, der ihm in der Apostel- 
geschichte beigegeben oder substituiert wird, sondern durch Andreas, 
mit dem er ein Paar bildet. Damit bricht die Erzählung ab. Sie 
sollte wohl die Einführung der Hellenisten in das Christentum auf 
Jesus selbst zurückführen. Hpoaspxea&ai statt Ip^e^J^ai Tiposkonmit nur 
hier im Joa vor. 

^) Vgl. Heitmüller zu dieser Perikope in den Schriften des Neuen Testaments, 
herausgegeben von J, Weiß, 



J 



12, 20—36. 67 

12, 23. 34 — 36. Die Antwort Jesu richtet sich nicht an die Helle- 
nisten. Denn die Fortsetzung von Vers 23 ist deutlich in 34 — 36 zu 
erkennen, wo der o^Xoc, also ein allgemeines Publikum, in Frage 
stellt, was Jesus dem Anschein nach den Hellenisten sagt. Die Leute 
verstehen zwar wohl, was der Menschensohn und was SoJofCeaftai 
(= ü^oöof&ai) bedeutet, aber sie verstehen nicht, wie das Prädikat zu 
dem Subjekt passe, wie der Christus sterben könne, der ja in Ewigkeit 
bleibe. Sie wundem sich über einen Christus, der durch den Tod 
zum Siege gelangt. Jesus fordert sie auf, die kurze Zeit auszunutzen, 
wo er noch bei ihnen sei und das Licht ihnen noch leuchte; hernach 
breche die Finsternis über sie ein, in der sie den Weg nicht finden 
können. 

12, 24 — 26 schließt nicht an Vers 23; denn das Thema wechselt. 
Es ist hier nicht von der Verherrlichung des Menschensohnes die 
Rede. Sondern von der leiblichen Auferstehung der Fronmien im 
Allgemeinen, nach Paulus; und von der Nachfolge der Jünger (die 
auch als oiaxovta aufgefaßt wird) nach Markus. Die Adresse sind 
die Jünger, wie in 27 — 33. 

12, 27 — 33. Eine Reminiscenz an Gethsemane. Jesus nimmt 
die Bitte um Rettung vor dem Tode zurück und setzt an die Stelle: 
verherrUche deinen Namen! — was nach Kap. 17 eben so viel ist wie: 
verherrliche mich! Darauf folgt eine Antwort vom Himmel, das sei 
schon geschehen ^) und werde noch einmal geschehen. Zugegen sind 
hier nur die Jünger; sie allein werden in 30 angeredet, und auch das 
TcavT«? in 32 beschränkt sich auf sie. Vers 31 (vgl. 14, 30. 16, 11) be- 
deutet: der Teufel und die Welt haben durch die Tötung Jesu dessen 
Vergöttlichung bewirkt und damit ist die Entscheidung endgiltig 
gegen sie ausgefallen; sie sind in dem Streit für immer unterlegen. 

12, 37—43. 

Die Worte „als Jesus das gesagt hatte, ging er weg und verbarg 
sich vor ihnen'' gehören an das Ende des vorigen Absatzes, wohin 
die Versabteilung sie richtig stellt, und nicht an den Anfang des neuen. 
Denn der enthält nicht mehr Erzählung oder Referat, sondern eine 
Schlußbetrachtung des Schriftstellers im eigenen Namen, über das 
öffentliche Reden und Wirken Jesu vordenjuden. Diese Schluß- 



^) Bei der Transfiguration Mc9? 



58 Rückkehr nach Jerusalem und Tod, Kap. 11 — 19. 

betrachtung steht an passender Stelle, denn mit 12, 36 verbirgt sich 
Jesus vor den Juden und seit 13, 1 ss. redet er nur noch zu den Jüngern. 
Die TooraiiTa orr^fisTa in Jerusalem (37, vgl. 20, 30) schrumpfen in der 
Grundschrift auf zwei zusammen. Die vielen Archonten, die ihren 
Glauben an Jesus aus Furcht vor den Pharisäern verleugnen (42, vgl. 
dagegen 7, 48), sind Nikodemus und Joseph von Arimathia; der Gegen- 
satz zwischen den Archonten und den Pharisäern fällt bei Joa auf, 
obwohl er in der Tat bestand. Zu dem schon von Markus verwendeten 
Citat aus Isa 6 tritt hier ein anderes aus Isa 53 (vgl. 1, 29) hinzu. 
"OfAw? und f^'Kep kommt sonst niemals vor, [levroi nur an späten Stellen. 

12, 44. 45. 

Jesu eigene Schlußansprache an das Volk hinkt nach. Sie 
kann von dem Verfasser der vorhergehenden Schlußbetrachtung nicht 
vorgefunden sein. Und sie steht in schreiendem Widerspruch zu 
Vers 36. Da hat sich Jesus vor dem Volk zurückgezogen und ver- 
borgen; hier redet er öffentUch mit erhobener Stimme, sagt freilich 
nichts Neues. Zu 12, 45 vgl. 14, 9. 19. T^ ^a^a-nQ Yjjiipcf wird von 
Blaß gestrichen. 

Die Grundschrift ist in Kap. 12 nirgend zu finden. Es fehlt ein 
vielleicht nicht unbeträchtliches Stück von ihr zwischen der Auf- 
erweckung des Lazarus und der Fußwaschung. Insonderheit muß sie 
von einem letzten Mahl Jesu mit seinen Jüngern berichtet haben, 
welches in Kap. 13 als Scene erscheint und bis 18, 1 die Scene bleibt. 
Trotz 13, 21 SS. und 18, 1 kann das nicht das Paschamahl gewesen 
sein, dagegen spricht die Einhelligkeit der Zeitangaben 13, 1. 18, 28. 
19, 14. Dann hat vermuthch das Mahl von Bethanien in anderer 
Form, als wie wir es jetzt in 12, 1 — 8 lesen, auch in der Grundschrift 
gestanden. 

13, 1—20. 

Die Jüngerrede vor der Passion, mit der gemäß der Schluß- 
betrachtung 12,37 — 43 nach dem Aufhören der öffentüchen Reden 
die zweite HäKte des Evangeliums beginnen soll, ist in der Grund- 
schrift die einzige, wie bei Markus. Die vorhergehenden kleineren 
Anspra<}hen an die Jünger (6, 60—71. 8, 30—36. 12, 20—33) gehören 
nicht zur Grundschrift. 



13, 1-20. 69 

Das Mahl, welches hier die Scene sein soll, wird in dem jetzigen 
Texte eigentlich nur vorausgesetzt, ist aber notwendige Voraus- 
setzung. Denn die Fußwaschung kann nicht der wahre Anlaß der 
letzten Zusammenkunft gewesen sein, bloß dazu kommt man nicht 
zusammen. In der Regel nun geht die Fußwaschung dem Mahl vorher, 
hier dagegen findet sie entweder bei währendem Mahl statt oder nach 
dem Mahl. 'EyetpsTai 4x toIj Setirvoü (13, 4) laßt beide Deutungen 
zu ; entscheidend wäre Seiirvoü yevofjLsvoü (2), wenn dem nicht die Lesart 
SstTTvoü YivofjLsvou gegenüber stünde. Indessen scheint diese Lesart 
Korrektur zu sein, in Absicht auf Vers 21ss, wo das Mahl noch fort- 
dauert; ähnhch ist wohl auch das Fehlen von ix toü Ssittvoü in der Syra 
zu beurteilen, welche ix als ixeid verstand. Sachlich ist es anstößiger, 
daß die Fußwaschung das Mahl unterbricht, als daß sie darauf folgt. 
Denn letzteres kann andeuten sollen, daß hier nicht von einer gewöhn- 
lichen Fußwaschung die Rede sei, sondern von einer außerordentlichen. 

13, 1 — 3. Die Einleitung stammt von zweiter Hand oder ist 
wenigstens von zweiter Hand gänzlich umgearbeitet. Denn die lang- 
atmige Periode, mit gehäuften Participien und absoluten Genitiven, 
steht einzig da und fällt jedenfalls ganz aus dem Stile der Grund- 
schrift. In Vers 2 ist die gewöhnHche,.sehr gut beglaubigte Lesart: 
TOÜ SiaßoXoü ^8yj ßeßX73X''TOc sk ty]v xapStav 'louSa SijKovoc'IofxapwoTOü 
iva TTapaSot aüxov. Aber nach Vers 26 fährt der Teufel erst später in 
Judas. Um diesem Widerspruch zu entgehen, haben der Vaticanus 
und der Sinaiticus die Wortstellung verrenkt: xou» 8iaßoXoü tJötj 
ßeßXYjxoxo^ st? TTjv xapJtav, Tva TiapaSoi aüxöv 'louSa? 2. I. Das soll 
heißen: als der Teufel sich selber bereits in den Sinn gesetzt 
hatte, daß Judas Jesum verraten sollte. 

13, 4 — 11. In Vers 4 und 5 ist die Grundschrift erhalten. Die 
Erzählung setzt sich dann fort in 6 — 11. Darauf folgt eine Erklärung 
in 12 SS. Sie schließt aber an 5 und ignorierte — 11. Und in 6 — ^^11 selber 
ist nicht bloß eine Erzählung enthalten, sondern zugleich auch eine 
Erklärung, und diese weicht ab von der inl2ss. Dort ist die Handlung 
Jesu ein moralisches Beispiel zur Nachachtung für die Jünger, hier 
dagegen ein sakramentaler Akt, wodurch sie teil bekommen an Jesus 
und mit ihm in eine mystische Gemeinschaft treten. Man könnte 
denken, mit der Wirkung der Communio sei in schillernder Weise 
auch die Wirkung der Keinigung verbunden. Dem ist jedoch nicht 
so; die Waschung der Füße soll nicht zur Reinigung dienen und braucht 



60 Rückkehr nach Jerasalem und Tod, Kap. 11 — 19. 

darum nicht, wie Petrus wünscht, auch auf andere Glieder ausgedehnt 
zu werden. Die Reinigung ist vielmehr ein für alle mal an den Jüngern 
vollzogen durch ein Vollbad, das keiner Ergänzung bedarf ^). D. h. 
durch die Taufe ist die Wirkung der Reinheit bereits an den Jüngern 
erzielt. Aber doch nicht an allen, nicht auch an Judas Ischarioth? 
Dies nachträgliche Bedenken wird erledigt durch 10 (15, 3) und 11. 

Daß 6 SS, und 12 ss. sich nicht vertragen, ist unzweifelhaft; ebenso 
daß 12 SS. von 6 ss. nichts weiß, während das Umgekehrte sich nicht 
behaupten läßt. Mir scheint, daß die offene Erklärung den Vorzug 
verdient vor dier historisch maskierten, die auf spätere kirchliche Fragen 
Bezug nimmt und gegen Misverständnis protestiert ^), Judas Ischarioth 
gehört nicht in die Grundschrift. 

13, 12 — 20. Wie gesagt, schließt sich Vers 12 an 5 an. Bei Lukas 
(22, 27) gibt Jesus das Beispiel durch die Bedienung bei Tisch, die 
schlechthin Sia/ovta genannt und nicht selten vom Wirte selbst über- 
nommen wird. Hinter Vers 15 folgt ein Anhang. Die Verse 16 (vgl. 
15, 20) und 20 stammen aus Matthäus und sprengen beide den Zu- 
sammenhang. Denn Vers 17 knüpft nicht an 16, wo von keinem 
TToistv die Rede ist, sondern an 15; und durch Vers 20 wird die Leitung 
zwischen 18. 19 und 21ss. unterbrochen. Die Verse 17 — 19, enthaltend 
die Erfüllung einer Weissagung über Judas Ischarioth und recht lahm 
mit dem Vorhergehenden verbunden, stehen auf gleicher Linie mit 
10. 11. Bemerkenswert ist der Ausdruck dcTroaToXo? in Vers 16. 

13, 21—38. 

13, 21 — 30. Jesus und die Jünger sind hier noch beim Mahl und 
zwar beim Paschamahl, d.h. beim synoptischen Abendmahl; im 
Widerspruch zu 13, 1. 18, 28. 19, 14 — es ist vergeblich, die Augen 
vor diesem Widerspruch zu schließen. Das Mahl ist jedoch Neben- 
sache; eine Episode zieht alles Interesse auf sich, in der es sich wieder 
um Judas Ischarioth handelt. Jesus deutet nicht bloß an, daß ein 
Verräter mit am Tisch sitze; er kennt und bezeichnet ihn auch nicht 
bloß genau, sondern indem er ihm den Bissen reicht, bewirkt er selber, 

1) Es wird protestiert gegen die Meinung, daß die Taufe wiederholt werden 
dürfe. Ao6ea&ai steht im Gregensatz zu v^irreaOai und zi p-T) tou« Tz6hoLi ist ein 
unechter Zusatz, der zu Misverständnis führt (E. Schwartz). Was mit 13, 7 gemeint 
ist, versteh ich nicht recht: antecipiert Jesus eine spätere Einrichtung? 

*) Umgekehrt urteilt E. Schwartz in den Gptt. Gel, Nachrichten 1907 p. 346 n.l. 



13, 21—38. 61 

daß der Teufel in ihn fährt. Diese Version ist dem Verfasser von 
13, 2 noch unbekannt. Sie ist das äußerste Produkt des öfters be- 
merklichen Strebens, die 86ja Jesu gegen den Verdacht zu wahren, 
daß er in der Auswahl eines Jüngers fehl gegriffen habe und durch 
dessen Verrat überrascht sei. In solcher Umgebung wird auch der 
Anonymus, den Jesus heb hatte, verdächtig. — Sinnlos und wahr- 
scheinUch interpoüert sind Vers 28 und 29. Da Jesus auf Anregung 
des Petrus und des Anonymus eben den Verräter bezeichnen soll, 
so müssen doch wenigstens diese beiden Jünger den Sinn der Bezeich- 
nung verstanden haben, und dann können auch die anderen darüber 
nicht im Unklaren geblieben sein. Daraus darf man vielleicht auf 
den Wert solcher Angaben (2, 22. 12, 16. 13, 7) überhaupt schließen. 
In Vers 29 scheint die Meinung zu sein, daß das Paschamahl noch 
bevorstünde und der Einkauf dazu erst noch besorgt werden müßte 
— das stimmt nicht zu der übrigen Erzählung. Als Kassenführer 
erscheint Judas auch 12, 6. 

13, 31 — 38. Nach Judas Ischarioth kommt Petrus an die Reihe. 
Er erklärt sich bereit, Jesu in den Tod zu folgen. Jesus weissagt ihm, 
daß er das zwar später tun, fürerst aber ihn verleugnen würde. Im 
Anschluß an die Ankündigung seiner schon als vollendet gedachten 
Verherrlichung durch den Tod (31. 32) citiert er (33) eine bei seinem 
ersten Aufenthalt in Jerusalem getane Äußerung von sich, die ur- 
sprüngUch den in ihren Sünden erstorbenen Juden galt (8, 21), nun 
aber auch den Jüngern gelten soll. Wie sich das mit 14, 4 verträgt, 
gilt gleich, wenn nur der momentane Zweck erreicht wird, nämlich 
den Widerspruch des Petrus hervorzurufen. Denn es ist deutUch, 
daß 36 unmittelbar auf 33 zurückschlägt. In den zwischenein ge- 
sprengten beiden Versen ist von der Bruderpflicht die Rede wie in 
12 — 15, jedoch nicht wie dort von der oiaxovta, sondern von der d'^dizri^). 
Der Widerspruch des Petrus gibt dann den Anlaß zu den beiden 
Weissagungen über ihn, auf die das Ganze hinausläuft. Die über 
sein Martyrium steht voran*), und dadurch wird die folgende über seine 
Verleugnung von vom herein ihres Stachels entledigt; etwas anders 
wird der selbe Zweck erreicht in Lc 22, 31. 32. An Einzelheiten ist 



^) Vgl. meine Broschüre p. 14 n. 1. 

') Sie fehlt freilich im Cantabr., aber dieser hat dami am Schluß von 13, 36 
eine Änderung angebracht, die verdächtig aussieht 



62 Rückkehr nach Jerasalem und Tod, Kap. 11—19. 

hervorzuheben, daß Jesus sich selber citiert und daß er seine Jünger 
als texvia anredet (vgl. 15, 15), wie in 21, 5 als irai8ta. Die dr^diziq statt 
der Staxovta wiederholt sich in 15, 12. 17, die Gleichsetzung der Ver- 
herrlichung Gottes und Jesu in 17, 1 ss., der Ausdruck Ttftsvat ttjv 
<{^üX7jv in 10, 17 SS. 15, 13. Der Grundschrift gehört auch dies Stück 
nicht an. 

14, 1—31. 

Statt der Parusieweissagung bei den Synoptikern steht hier eine 
Kede, zwar auch im Weissagungsstil ^), in der aber die Paruaie durch 
etwas Anderes ersetzt wird. Sie erstreckt sich über Kap. 14 — 17. 
Sie ist indessen keine Einheit, sie hat mich zuerst auf die Vermutung 
geführt, daß der Kern des vierten Evangeliums eine sehr starke Über- 
arbeitung erfahren habe. In meiner Broschüre bin ich von ihr aus- 
gegangen und zu dem Ergebnis gelangt, daß Kap. 15 — 17 eine an 
Kap. 14 anschließende Erweiterung ist, mit stillschweigenden Ver- 
änderungen, die teilweise auch in Kap. 14 eingedrungen sind. Trotz 
dem Einspruch von Corssen «) halte ich dies Ergebnis im Ganzen noch 
jetzt aufrecht, modificiere es aber gegen früher in zwei wichtigen 
Punkten. Die späteren Zutaten in Kap. 14 erscheinen mir jetzt viel 
umfangreicher, und die Parusie halte ich nicht mehr für die Achse 
des inneren Unterschieds zwischen dem Kern und den Erweiterungen. 

Vor dem Eingehen in das literarische Problem ist es geraten, die 
einzelnen Absätze der langen Rede der Reihe nach durchzunehmen. 

14, 1 — 4. Die Situation ist noch die selbe wie bei der Fußwaschung, 
nach dem Mahle. Der Einschnitt im Cantabrigiensis und in der Syra, 
den auch die Kapiteleinteilung macht, geht jedoch von richtiger 
Empfindung aus. Denn an die letzt vorhergegangene Weissagung über 
Petrus schließt My; Tapaafasa&a> nicht an. An die Todesankündigung 
13, 33 könnte es zwar wohl anschließen, aber diese liegt zu weit zurück 
und enthält zudem einen Widerspruch gegen 14, 4. Daraus ergibt 
sich min ein Vorurteil für die Zugehörigkeit von Kap. 14 zum alten 
Bestände. Femer ergibt sich, daß der Anfang fehlt, da [jlt] xapaaaia&o) 
motiviert sein muß; die Ansage des Abschieds ist ausgefallen, auf 
die auch in Vers 2 (sfirov Sv ujuv) und in Vers 4 (uTra7a>) Rücksicht 
genommen wird. Weiterhin gibt der Satz 4av Tropsüöoi xal feTotftaao) 

1) Daher Iv i^tiv^ t^ ^(x^pa = bajöm hahu 14, 20. 16, 22.. 26. 
s) Zeitschrift für die Neutest. Wissenschaft 1907, p. 125ss. 



14,1-31. 63 

Toirov 6}uv (3) zu Bedenken Anlaß. Er fehlt bei Aphraates (ed. 
Wright 460) und in der Kecension des syropal. Evangeliars, die der 
Ausgabe von Mrs. Lewis zu gründe liegt. Tischendorf und Corssen 
führen das auf ein zufälliges Versehen eines Schreibers zurück^). 
Damit wird indessen die innere Schwierigkeit, die an dem angeführten 
Satze liegt, nicht beseitigt. In Vers 2 sagt Jesus, er werde nicht bloß 
zeitweilig zu einem bestimmten Zweck von den Jüngern scheiden. 
Dagegen nach dem gewöhnlichen Wortlaut des Vers 3 würde er seine 
Rückkunft in dem Bedingungssatz als möglich concedieren und in 
der Apodosis als wirklich behaupten. Durch die Auslassung des Be- 
dingungssatzes 2) wird dieser Widerspruch beseitigt. Dann ist Vers 3 
die Fortsetzung von Vers 2, abhängig von sTttov 3v ofiTv und also 
lediglich hypothetisch. „Bei meinem Vater ist reichlich Raum, sonst 
hätte ich euch gesagt: ich geh hin euch Quartier zu bereiten und 
komme dann wieder euch zu holen, damit ihr seiet, wo ich bin. "Auch 
sprachlich ist ^dv iropsü&a) xal feToi[xa(jü> t6tov (>\lXv weder Pisch noch 
Fleisch. Im Hinblick nach vom müßte es irreale Hypothese sein: 
„wenn ich hinginge" — aber es steht kein el da und folgt kein av. 
Im Hinblick nach hinten müßte es überhaupt kein Bedingungssatz 
sein, sondern ein Zeitsatz im Futurum exactum — idv ist aber nicht 
temporal. Den Zweck, wozu der störende Satz eingeflickt ist, sieht 
Corssen nur deshalb nicht, weil er nicht zugeben will, daß irgendwo 
in Kap. 14 — 17 die Parusie fest gehalten werde. Denn der Zweck 
ist natürlich eben der, daß die Parusie eingeschmuggelt werden soll, 
die in Wahrheit geleugnet wird. Corssen beanstandet auch meine 
Erklärung der TzokXcd {xovat („in meines Vaters Hause ist reichlich 
Raum") und findet sie unverständlich. Sie richtet sich zunächst 
nach Genesis 24, 23. 25, wo Eliezer fragt: „ist in deines Vaters Hause 
Raum?" und Rebekka es bejaht. Namentlich aber nach dem Zu- 
sammenhang; denn die jiovat müssen mit tottoc begrifflich zusammen- 
fallen, so daß eins für das andere gesetzt werden kann: weil bereits 
TToXXal [lovat vorhanden sind, so ist es überflüssig, noch tottov zu be- 
reiten. Ich finde im Gegenteil die beliebte Erklärung, der auch Corssen 
zu folgen scheint, unerträglich, wonach gesagt sein soll, es gebe im 

^) Die beiden Zeugen sind aber unabhängig von einander. 

^) Blaß klammert ihn ein — aber zugleich mit dem xai am Anfang. Er hat 
also das Richtige doch nicht erkannt. Auch seine Begründung in der Praefatio 
trifft nicht ins Schwarze. 



64 Rückkehr nach Jerasälem und Tod, Kap. 11—19. 

Himmel verschiedene Quartiere für verschiedene Leute; Christen aller 
Art, vielleicht sogar NichtChristen fänden da ihr Nest. Was soll das 
für die Jünger bedeuten, von denen Jesus Abschied nimmt? und ist 
etwa allgemeine Toleranz die Signatur des vierten Evangeliums ? 

Nach alle dem wird die letzte Jüngerrede eröffnet durch einen 
Protest gegen die Meinung, Jesus habe die Auferstehung und den 
Hingang zum Vater deshalb antecipieren müssen, um für die Seinen 
im Himmel Quartier zu machen, und er werde dann auf die Erde 
zurück kommen, um sie in das von ihm vorbereitete himmlische 
Quartier einzuführen. Sie wissen vielmehr allein den Weg zum Himmel 
zu finden, den er ihnen vorangegangen ist (4). Die Parusie, die hier 
bestritten wird, ist nicht chiliastisch gedacht, das dadurch zu begrün- 
dende Eeich nicht irdisch, sondern himmlisch. Die Frage ist, ob die 
gesamte christUche Gemeinde durch Jesus mit Einem Schlage von 
der Erde zum Himmel entrückt werden werde. Sie wird verneint, 
und dafür behauptet, daß die christlichen Individuen sofort bei ihrem 
Tode zum Hinunel eingehen, zu dem sie den Weg wissen — während 
die Gemeinde auf Erden bleibt. Dadurch wird nicht bloß die Parusie 
überflüssig, sondern auch die Auferstehung der Gläubigen. 

14, 5 — 15. Infolge der Zwischenfrage des Thomas wird aus 
Vers 4 entwickelt, daß der Weg zum Vater und zu seiner Erkenntnis 
über Jesus führt; und infolge der Zwischenfrage des PhUippus wird 
das weiter dahin gesteigert, daß wer Jesus gesehen hat, den Vater 
gesehen hat (12, 45). Die Dialogisierung der Kede reicht bis Vers 10; 
von da tritt das allgemeine Ihr statt des Du ein. Indessen unter- 
scheiden sich Vers 10 und 11 nur durch die singularische und plura- 
lische Anrede; inhaltlich konkurrieren sie in der Behauptung der 
Einheit Jesu mit dem Vater und machen beide den Übergang zu- 
der Forderung des iricfxcusiv. Die sp-ya als Motiv des Glaubens wieder- 
holen sich beiderorts am Schluß, mit dem sonderbaren pronominalen 
Zusatz aüTou und auxa. In Vers 12 verwandeln sich die Werke Jesu 
oder des Vaters in Werke der Jünger und sind nun nicht mehr das 
Motiv, sondern die Frucht des Glaubens. Ebenfalls Frucht des Glaubens 
ist das erhörliche Gebet, das sich vermutlich auf die Kraft zu den 
guten Werken richtet. Wenn Jesus bei dem Vater ist, vertritt er bei 
ihm die Bitten der Jünger, die in seinem Namen geschehen. Mit den 
gleichen Worten wie Vers 13 redet auch der Vers 14 vom Gebet im Namen 
Jesu. Die Wiederholung erklärt sich nur, wenn sie etwas richtig 



14, 1-31. 65 

stellen soll; somit läßt sich die Vermutung von Blaß kaum abweisen, 
daß in 13 ursprünglich iron^orsi (Subjekt o iratr^p) gestanden habe und 
dies in 14 zu i^cb iron^cjo) gemacht ist, welche Korrektur schließlich 
auch in 13 eindrang. Logischer Weise ist Jesus nicht selber der Er- 
füller des Gebets in seinem Namen, sondern nur der Mittler beim 
Vater; das Gebet im Namen Jesu kann sich nicht an ihn selber 
richten, sondern nur seine Befürwortung in Anspruch nehmen. In 
Vers 15 tritt an die Stelle der Gemeinschaft Jesu mit den Gläubigen 
die Liebe der Jünger zu ihm, die sich darin äußert, daß sie seine Ge- 
bote halten: eine moralische Wendung der Unio mystica, die sich in 
Kap. 15 wiederholt. — Nach dieser Darlegung bewegen sich die Ge- 
danken von 5 — 15 wohl in dem selben Kreise, Fluß ist aber nicht 
darin. Das Thema, daß Jesus und der Vater eins sind, geht zum 
Schluß dahin über, daß er trotz und grade wegen seines Hingangs 
zum Vater in^ wirksamer Verbindung mit den Jüngern bleibt; er ist 
ihr Fürsprech beim Vater, der Vermittler ihres Gebets in seinem 
Namen. ' Ev t(j> ivofxaxt [xoü und Tva Sojaaöfj 6 TraTTjp Iv xw üfa> verdient 
besondere Beachtung. 

14, 16. 17. Nach dem echt johanneischen Ton im Vorhergehenden 
überrascht hier die Originalität einer richtigen Weissagung. Der 
Paraklet- ist etwas greifbar Neues. Er soll nicht von Jesus, sondern 
auf dessen Bitte vom Vater gesandt oder gegeben werden und bei 
den Jüngern bleiben bis in Ewigkeit. Corssen übersetzt nach dem 
Vorgange Älterer: „Ich will den Vater bitten und er wird euch einen 
Anderen als Beistand geben*'. Ob das im klassischen Grie- 
chisch zulässig wäre, stehe dahin; in der einfachen Sprache der Bibel 
bedeuten die Worte xat oXXov TraprfxXifjTov Scoasi nichts anderes als: er 
wird euch einenanderen Beistand geben. Dann wäre Jesus 
der primäre Paraklet. Tatsächlich erscheint er zwar so in Vers 13. 14, 
und in 1. Joa 2, 1 ist er sogar der einzige. Aber er müßte auch so 
genannt sein, damit der „andere Paraklet" begreiflich würde, und 
das ist nicht der Fall. Außerdem würde durch Jesus als Paraklet 
der Geist als Paraklet um seine Bedeutung gebracht. "AXXo? ist also 
ein Einsatz, es soll dadurch das Nebeneinander Jesu und des Geistes 
statuiert und der Widerspruch von Vers 16 gegen das was vorhergeht 
und folgt verwischt werden, worüber am Schluß des nächsten Ab- 
satzes mehr zu sagen sein wird. In Wahrheit schließt Vers 16 an 
1 — 4 an: ich gehe zum Himmel und kehre von da nicht mehr zu euch 

Wellhaas en, Evang. Johaimis. 5 



66 Rückkehr nach Jerasalem und Tod Kap. 11—19. 

zurück« auf die Erde wird euch der Vater den Para- 
kleten senden. Mit dem erhöhten Jesus werden die Jünger 
erst wenn sie sterben vereinigt im Himmel; auf Erden ist der Paraklet 
sein Nachfolger und sein Ersatz. Er ist ihm ebenbürtig und nicht 
untergeordnet; er geht direkt vom Vater aus wie er selber. Die Parusie 
findet nach Vers 16 so wenig statt wie nach Vers 1 — 4; der Paraklet 
bleibt tk T^v auova bei der Gemeinde ^) und sie selbst bleibt dann 
natürUch ebenfalls stV tov aliova auf Erden, wenngleich ihre einzelnen 
Mitglieder sterben und dann mit Jesus vereint werden *). Auf Vers 16 
folgt in 17 eine Erklärung. Sie laßt sich sachlich nicht beanstanden, 
wohl aber formell. Denn Vers 16 ist Weissagung für die Zukunft, 
in 17 befinden wir uns plötzlich in der G^enwart. Die Gemeinde 
hat schon Erfahrung vom Geist und kennt ihn, im Gegensatz zur 
Welt, die ihn nicht kennt. 

Die Deutung des Parakleten auf den Geist trifft zu; wie er die 
Parusie Jesu ersetzt, so wird auch in Lc 11 (vgl. Act 1) das kommende 
Reich Gottes durch den Geist ersetzt. Richtiger wäre allerdings zu 
sagen, daß der Paraklet an die Stelle des Geistes getreten sei, der 
älter ist als er; er unterscheidet sich von ihm durch die Hypostasierung 
und im Zusammenhang damit durch das maskuline Geschlecht^). 
Was den Namen betrifft, so gehört derselbe zu den griechischen Rechts- 
wörtern, die in das Aramäische eingedrungen sind, und ist den Juden 
geläufig gewesen. Im Traktat Aboth 4, 11 heißt es: durch eine gute 
Handlung erwirbt sich der Mensch einen Paraklet (vor Gott 
beim Gericht), durch eine böse einen Kategor. Man könnte 
denken, auch der johanneische Paraklet sei ein Gegenstück zu dem 
xaTT^ycop, der nach Apoc 12, 10 die christlichen Brüder verklagt; 
nach dem Vorbilde von Zachar3, wo der hinunlische Anwalt dem 
Satan gegenüber steht. In Mc 13, 11 erscheint der Geist als Beistand 
der Märtyrer vor Gericht. Nach Rom 8, 27 vertritt er die Heiligen 
nicht vor der Obrigkeit, sondern vor Gott; so auch 1 Joa 2, 1. 

14, 18 — 2b. Die Aussage von 16. 17 wird zwar fortgesetzt, das 
Subjekt aber verändert. Man erwartet: der Paraklet wird 



^) FAi Tov a^ujva beweist, daß die Jünger die Kirche sind. Es bedarf freilich 
dieses Beweises nicht. 

>) Es ist ein Lob für Blaß, daß er an tli tov a^uiva Anstoß nimmt; das Lob 
wird aber dadurch begrenzt, daß er die Worte streicht. 

') Der Geist ist eigentlich Femininum, als mipersönliche Macht 



14, 1-31. 67 

mich ersetzen. Statt dessen heißt es: ich will euch nicht ver- 
waist lassen. Ich komme zu euch. An Stelle des ParaUeten 
tritt Jesus selber. Wird nun in Vers 18 die Parusie behauptet ? Strauß 
verficht das ^) und in meiner Broschüre habe auch ich es angenommen. 
Aber Corssen leugnet es mit Recht; denn das Folgende spricht da- 
gegen. In Vers 20 wird nicht an die Parusie gedacht, sondern an die 
Auferstehung oder richtiger an die Erhöhung Jesu; denn diese war 
es, die den Jüngern das wahre Wesen Jesu erschloß. In Verbindung 
damit bedeutet Vers 19: die Welt sieht mich nicht, üir aber seht mich; 
denn^) ich erweise mich durch meine Auferstehung lebendig und 
ihr werdet dadurch auch zu neuem Leben erweckt. Den in Macht 
und Herrlichkeit Wiederkonmienden sieht auch die Welt, den Auf- 
erstandenen aber sieht und erlebt sie nicht; den sehen nur seine Aus- 
erwählten, wie es sich von selbst versteht und in der Apostelgeschichte 
betont wird. Darnach kann auch in Vers 18 nicht von der Parusie 
die Rede sein; vielmehr ist gemeint, daß Jesus durch seine Erhöhung 
nicht von den Jüngern geschieden wird, sondern als der himmlische 
Herr einen Verkehr auf höherer Stufe mit ihnen eröffnet, in neuer 
göttücher Weise zu ihnen kommt, jetzt mit dem Vater völlig geeint — 
genau wie in Vers 23, welcher die beste Erklärung von 18 ist. Die 
Unio, in der Jesus das Band zwischen Gott und der Gemeinde ist (20), 
wird in 21 — 24 wieder in das Moralische gezogen: Jesus mit dem 
Vater kommt und wohnt in denen, die ihn lieben; sie beweisen ihre 
Liebe dadurch, daß sie seine Gebote oder sein Wort halten, welches 
nicht von ihm, sondern vom Vater stammt. — Es ist klar, daß der 
Paraklet hier völlig verdrängt wird durch den seit seiner Erhöhung 
in der Gemeinde immanenten (jaIvcüv) Christus, wie es in minderem 
Maße schon in 5 — 15 zum voraus geschieht. Kaum ist der Paraklet 
eingeführt, so muß er wieder verschwinden. Erst in 26 wird Vers 16 
fortgesetzt. Vers 25 ist ein Übergang von der Erweiterung zurück 
zu der Grundschrift. 

14, 26—31. Hier taucht der Paraklet wieder auf. Doch ist in 26 
von der alten Vorlage nur ein Rest erhalten. Die erklärende Appo- 
sition erweist sich als sekundär; denn durch sv T(p ovojxaxi [loo wird 



1) Leben Jesu (1836) 2, 337. 

*) Nach der entscheidenden Analogie von Vers 17 hat oxt hier kausale Be- 



deutung. Gegen Blaß und Corssen. 



68 Rückkehr nach Jerusalem and Tod, Kap. 11—19. 

der ParaMet von Jesus abhängig gemacht. Das Gleiche geschieht 
durch den letzten Satz des Verses; „er wird euch Alles lehren" soll 
hinauslaufen auf „er wird euch an AUes erinnern was Ich euch gesagt 
habe". In 27 wird die semitische Grußformel in einer etwas geist- 
reichen Weise, die an LclO, 5. 6 erinnert, paraphrasiert; der Sinn 
aber bleibt: ich nehme Abschied von euch. Dieser Sinn wird von 
[XY] Tapa(j(je(j&o> vorausgesetzt; der Grund der Beunruhigung ist das 
Abschiednehmen. Auf „beunruhigt euch nicht über meinen Ab- 
schied!" muß folgen „freut euch vielmehr darüber!". Das gegen- 
sätzUche Band zwischen der Beunruhigung und der Freude wird 
durch den ersten Satz von 28 zerschnitten; wie schon Blaß erkannt 
hat, enthält derselbe einen abwegs gelegenen Gedanken, denn es darf 
hier nicht gesagt werden, der Abschied sei nur von kurzer Dauer. 
Die zweite Hälfte von 28 schließt unmittelbar an 27. Aber die Freude 
wird hier durch den Satz „denn der Vater ist größer als ich" matt 
und unverständlich begründet; man erwartet nach 26 und nach 
16, 7: „beunruhigt euch nicht, freut euch vielmehr, daß ich zum 
Vater gehe, denn ohne das käme der Paraklet nicht 
zu euch". Die Aussage über den Parakleten scheint ausgelassen 
und ein Lückenbüßer an die Stelle getreten zu sein. In 30. 31 läßt 
sich der lange Zwischensatz mit ^ap nicht ertragen. Der ursprüng- 
liche Zusammenhang ist: „weiter werde ich nicht mehr mit euch 
reden; steht auf (von Tisch), laßt uns gehen!" IloUa vor Xakrfloi 
fehlt in der Syra und wird mit Recht von Blaß gestrichen. Darüber 
mehr am Schluß des Referats über Kap. 14—17. 

15, 1—16, 4 a. 

Durch 14, 30. 31 wird ein Einschnitt gemacht. Die Kapitel 15 — 17 
hangen jedoch an Kap. 14 und paraphrasieren oder variieren es. 
Drei Schichten, die freilich selber nicht ganz einheitlich sind, lassen 
sich unterscheiden: 15, 1—16, 4a. 16,4b— 33. 17,1—26. 

16, 1 — 6. Das Gleichnis vom Weinstock steht dem vom Hirten 
zur Seite und ähnelt ihm auch darin, daß es eigentlich keins ist, viel- 
mehr nur ein ausgeführter Vergleich. Das Thema ist wie in 14, 18 — 24: 
ich in euch und ihr in mir. Rein erscheint es indessen nur in Vers 4 
und 5. „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wie die Bebe 
nicht von sich aus Frucht tragen kann, wenn sie nicht am Weinstock 



16, 1-16, 4 a. 69 

bleibt, so ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt. Wer in mir bleibt 
und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn getrennt von mir könnt 
ihr nichts schaffen." Damit ist jetzt in Vers 1 und 2 eine Variation 
des bekannten Gleichnisses vom Weingarten verbunden, und 
um die Verbindung zu ermöglichen, ist der Weingarten in einen 
Weinstock verwandelt. „Ich bin der wahre ^) Weinstock und mein 
Vater der Weingärtner. Jede unfruchtbare Rebe an mir ninmit er 
weg, und die fruchtbare putzt er, daß sie noch mehr Frucht bringe.** 
Dadurch kommt der in 4. 5 fehlende Vater hinein, der aber nicht der 
dritte im Bunde ist, sondern störend eingreift und einen fremden 
Zug in das eigentliche Thema bringt; denn da das Putzen der Reben 
zugleich ein Putzen des Weinstocks ist, so gerät Jesus selber in Mit- 
leidenschaft. Derjenige, der die beiden Varianten verband, hat in 
Vers 3 einen Rückweis auf 13, 10 hinzugefügt und damit das Putzen 
nachträglich für überflüssig erklärt. Auf ihn geht auch der Anfang 
von Vers 4 zurück und die Umstellung des wahren Anfangs, die mit 
Rücksicht auf Vers 1 erfolgt ist. Desgleichen der ganze Vers 6 als 
Übergang zu dem Folgenden^). Die Analyse bewährt hier den alten 
Spruch, daß die Hälfte mehr sei als das Ganze. Das kurze Gleichnis 
in 4. 5 ist von echtem Adel. Es ist zwar nicht so individuell gemeint, 
wie man gemeinigüch glaubt, sondern katholischer. Dem Christus 
entspricht als Realität, als sein Leib, die Kirche; extra ecclesiam 
(/(opk i\i>oo) nulla salus. Darin hegt das Band der beiden Varianten. 
Die spätere faßt die Kirche weniger ideal und mehr als Organisation 
auf; sie denkt daran, daß es ihr an unwürdigen Mitgliedern nicht 
fehlt, die excommuniciert werden müssen. Im Gleichnis kann natür- 
lieh nur der Vater die Excommunication vollziehen, nicht Jesus an 
sich selber; ihretwegen mußte der Vater eingeführt werden. VieUeicht 
soll sie aber auch Gotte überlassen bleiben und nicht von der Kirche 
selbst verhängt werden. 

15, 7 — 11. 12 — 17. Die Predigt wendet das Thema ins Moralische. 
Jesus hält sein Verhältnis zum Vater den Seinen als Beispiel vor für 
ihr Verhältnis zu ihm; er betont die Bedingungen seiner ünio mit 



^) Das Epitheton (vgl. 10, 11) läßt den Epigonen erkennen. 

*) hl der Apodosis wird das aus dem Bedingungssatz zu entnehmende maskuline 
Subjekt 6 {jl^vcdv h i^wl durch das Neutrum des Bildes (t6 xX^juia) über- 
wuchert, und für die aktiven Plurale im Sinne des Paftsivs tritt zum Schluß 
das Passiv selber ein. 



70 Rückkehr nach Jerusalem nnd Tod, Kap. 11 — 19. 

ihnen oder seiner Immanenz in ihnen, ähnlich wie 14, 15. 21 — ^24. 
Mit xaÖTa IXaXr^xa (11) wird ein Absatz gemacht; vgl. 14, 25. 16, 1. 4. 
25. 17, 1. Der darauf folgende Satz entspricht dem Anfang von 14, 27; 
wie dort die e^pr^vT), wird hier die /apot (von der Grußformel x*^*) 
nach dem vollen Inhalt ihres Begriffs verwertet ^). Die x^9^ TueirXr^pco- 
[livT] kehrt im Folgenden und öfter im ersten Johannesbrief wieder. 
Weiterhin werden die vorher pluralisch gebrauchten pr^iiaxa und ivxokai 
auf ein einziges Gebot zurückgeführt, das der Liebe; aber nicht zu 
Jesus wie in Vers 9, sondern zu den Brüdern. Jesus ist den Seinen 
in der Bruderliebe vorangegangen, er hat daß Leben für sie gelassen, 
er hat sie ausgewählt, sie damit zu guten Werken befähigt und ihr 
Gebet in seinem Namen erhörlich gemacht. Daß er sich 
für sie geopfert hat, wird jedoch nicht als Motiv benutzt zur Nach- 
folge in seinen Tod, sondern zum Halten seines Befehls. Eingeschaltet 
ist die Rechtfertigung des Ausdrucks 91X01 in Vers 15; die Voraus- 
setzung, daß Jesus bis dahin die Jünger SoDXoi genannt habe, trifft 
trotz 13, 16 (15, 20) nicht zu. Durch die christUche Bruderliebe als 
Hauptgebot stellt sich dieser Absatz zu 13, 34. 35 und zum' ersten 
Johannesbrief. Anderweitige Charakteristica sind iSoJaaftr] 6 Ttan^p, 
)^apa, xt&evat tyjv ^ü^^t^v, Iv t(J> iv6\i.ax( [jloü. 

15, 18 — 25. Die Folge der Erwählung der Jünger d. i. der Kirche 
ist der Haß der Welt gegen sie, weil sie den Namen ihres Meisters 
tragen. Es ist also eine Fortsetzung ihres Hasses gegen ihn selber. 
Dieser entsprang daraus, daß die Juden, die hier unter der Welt ver- 
standen werden, den Vater als seinen Absender nicht erkannten, 
obgleich seine Beden sie hätten überzeugen müssen. 

15, 26. 27. überall sonst in 15, 1 — 16, 4 ist das in der Gemeinde 
wirkende Princip ausschließlich der himmlische Jesus. Nur in diesem 
Passus, der nach beiden Seiten ohne Verbindung ist, erscheint der 
Parakiet ^). Jesus selber sendet ihn, jedoch vom Vater her, denn er 
geht vom Vater aus: das ist eine contradictio in adiecto. Der Parakiet 
führt nicht selbständig in alle Wahrheit, sondern wie er nach 14, 26 
an die Worte Jesu erinnert, so zeugt er hier über Jesus. Das tun frei- 
lich auch dessen Jünger, die ihn seit dem Anfang seiner Laufbahn 



^) Paulus stellt x^P^^ (auch von -/ai^tv^^ wie x^P^) ^^d etpi^vT) zusammen, 
den griechischen und den semitischen Gruß. 
2) Vgl HeitmüUer z. d. St 



16,4 b— 33. 71 

begleitet haben. Neben den Creator Spiritus tritt die gewöhnliche 
und natürliche Tradition, ohne daß eins zum andern ins Verhältnis 
gesetzt wird. 

16, 1 — 4a ist ein durch laÖTa XeXaXijxa vom und hinten begrenzter 
Nachtrag, der das Thema von 15, 18 — 25 fortsetzt und den Gegen- 
satz zwischen Welt und Kirche noch steigert: nur hier ist vom Mar- 
tyrium die Rede. Die Jünger werden excommuniciert und sogar 
getötet werden, von Leuten die glauben, damit xq) ftso} eine Huldigung 
darzubringen. Es ist hier noch deutlicher als zuvor, daß die Welt 
die feindlichen Juden bezeichnet. 

16, 4b— 33. 

16, 4b — 15. Die beiden Hälften von Vers 4 ergänzen sich nicht; 
sollen sie sich mit einander vertragen, so müssen sie verteilt werden, 
so daß die eine den vorhergehenden Absatz schließt, die andere den 
folgenden eröffnet. Das Präteritum ^jir^v (17, 12, dagegen ^crcs 15, 27) 
fällt zwar aus der Situation, doch redet in Wahrheit überall der himm- 
lische und nicht der irdische Jesus. Das Thema ist hier, anders wie 
vorher, der Paraklet; er gilt nach Kap. 14 als bekannt und wird 
nicht neu eingeführt. Wenn ich nicht schiede, sagt Jesus wie in 
14, 27. 28, so käme der Paraklet nicht zu euch; wenn ich aber gehe, 
will ich ihn zu euch senden. Sein Abschied ist die condicio sine qua 
non für die Herabkunft des Geistes, der nicht neben, sondern nach 
ihm auftritt^). Derselbe ist darum ersprießlich für die Jünger und 
braucht sie nicht so fassungslos zu machen, daß sie auf die Eröffnung 
üTra-yo) keine Worte finden und nicht nach dem Wohin fragen. So scheint 
16, 5 (vgl. dagegen 14, 5) wegen des folgenden Verses verstanden 
werden zu müssen; besser wäre es dann freilich, wenn Tzph^ xov irsjuj^avra 
fehlte und das Wohin nicht von vornherein angegeben wäre. Weiter- 
hin gehören 8 — 11 und 13 — 15 als Parallelen neben einander und 
nicht hinter einander. Denn der Anfang iXftwv Ixstvoc in 8 gleicht 
dem Anfang Sxav IXötq Ixsivo? in 13, und die folgenden Aussagen, 
betreffend die Aufgabe des Parakleten, sind analog wenngleich nicht 
identisch. 



*) Vgl 7, 39. Das scheint Corssen a. 0. p. 130 nicht verstanden zu haben, 
wenn er von einer geradezu absurden Logik redet. Um logische Folge handelt es 
sich hier überhaupt nicht, sondern um historische. 



72 Ruckkehr nach Jerusalem und Tod, Kap. 11 — 19. 

Nur die zweite Parallele, womit Vers 12 zu verbinden ist, hängt 
gut mit der Einleitung (5 — 7) zusammen. Der Paraklet wird nach- 
holen, was Jesus bei Lebzeiten den Jüngern nicht hat sagen können, 
weil sie noch nicht reif dazu waren. Er wird sie in die ganze Wahrheit 
einführen, indem er das Zukünftige ansagt und Jesum glorißciert. 
Denn die ganze Wahrheit, wir würden sagen das volle Evangelium, 
ist die Eschatologie und die Christologie; es wird ganz unbefangen 
anerkannt, daß sie nicht von Jesus stamme, sondern vom Parakleten, 
d. h. von der Kirche. Indessen wird hinzugefügt, der Paraklet habe 
es nicht von sich, sondern von Jesus, der nur nicht Zeit hatte, es schon 
selber den Jüngern zu eröffnen ^). Die Abhängigkeit des Parakleten 
von Jesus wird damit stark betont. Er wird auch nach Vers 7 nicht 
vom Vater, sondern von Jesus gesandt. Der Vers 15 läßt sich aller- 
dings nur unter der stillschweigenden Voraussetzung verstehen, daß 
der Paraklet eigentlich vom Vater ausgehe; denn es wird gesagt, 
darum könne Jesus ihn doch auch für sich in Anspruch nehmen, da 
Alles was der Vater habe auch sein sei. Allein dieser Vers fehlt im 
Sinaiticus. 

Die erste Parallele (8 — 11) hängt weniger gut mit der vorher- 
gehenden Einleitung zusammen; da sie nicht von dem positiven Ver- 
hältnis des Parakleten (wie Jesu) zu den Jüngern handelt, sondern 
von dem negativen zu der Welt und dem Teufel. Sie fällt nicht bloß 
materiell, sondern auch formell sehr stark aus der Situation heraus; 
Jesus ist hier gleichzeitig mit dem Parakleten gedacht und betrachtet 
die kirchengeschichtUche Zukunft einfach als Gegenwart (oü TnatstJoü- 
aiv ek i\ki). Unter der Welt scheinen hier nicht bloß die Juden 
gemeint zu sein. Damit ist indessen für das Verständnis nicht viel 
gewonnen. Nur Vers 9 ist klar: der Paraklet zieht die Welt zur Kechen- 
schaft wegen der Sünde, weil sie (noch immer) nicht an Jesus glaubt. 
In Vers 10 zieht er sie zur Rechenschaft wegen der Gerechtigkeit, 
weil er scheidet und die Jünger ihn nicht mehr sehen. Wie 
soll das eine Schuld sein und gar eine Schuld der Welt ? und was soll 
die Gerechtigkeit bedeuten? Nicht besser steht es um Vers 11: der 
Paraklet zieht die Welt zur Rechenschaft wegen des Gerichts, weil 

^) Nach 14, 26 (am Schluß) hat Jesus es schon gesagt; die Jünger haben 
es nur vergessen und der Paraklet frischt ihre Erinnerung wieder auf. Nach 15, 26 
zeugt der Paraklet von dem Selben, was auch die Jünger als Genossen Jesu von 
sich aus bezeugen können. 



16,4 b— 33. 73 

der Fürst der Welt gerichtet ist. Wozu noch Rechenschaft, wenn 
das Urteil schon gesprochen und vollzogen ist? Den Sinn von 12, 31 
glaube ich begriffen zu haben, den Sinn von 16, 11 begreife ich so 
wenig wie den von 16, 10. Corssen sieht darin eine Negation des 
momentanen und zukünftigen Weltgerichtes Jesu; es werde ersetzt 
durch die fortgehende innere Krisis, die der Paraklet bewirke. Ist 
denn die Verurteilung des Teufels kein abgeschlossener Akt? Corssen 
hält sich zu wenig an das Gegebene und schöpft zu sehr aus dem 
Eigenen. Er will einen Protest gegen die Parusie heraus bringen. 
Die Parusie wird hier aber weder behauptet noch geleugnet. Sie hat 
übrigens nicht bloß dann Zweck, wenn Jesus kommt um die Welt 
zu richten, sondern auch dann, wenn er kommt um die Seinen in den 
Himmel abzuholen (14, 2. 3). 

16, 16 — 24. Man kann fragen, ob hier die Wiederkunft oder die 
Erhöhung (Auferstehung) Jesu die Wirkung hat, die Trauer der 
Jünger in Freude zu verwandeln, ob es sich um wirkliche oder nur 
um scheinbare Weissagung handelt^). Ich bin anderer Meinung als 
Corssen. "O^&ctfk, (16. 19) kann hier nicht nach 14, 19 von geistigem 
Schauen des himmlischen Jesus verstanden werden, wegen des korre- 
laten o^o\ioLi ujiS*; (22), wornach das Wiedersehen gegenseitig ist 
und nicht bloß auf selten der Jünger. Und auch iv äxstvTQ r^ ^^[J^pa 
(23) kann nicht nach 14, 20 von der Zeit der Erhöhung verstanden 
werden; denn die Jünger können den Auferstandenen wohl als nun- 
mehr mit dem Vater vereinigt erkennen, sie können den Auferstandenen 
aber nicht fragen (trotz Act 1, 6). Im Unterschiede von 14, 18 — 20 
ist also nicht von einem eigentlich bereits eingetretenen Ereignis die 
Rede, sondern von einem wirklich zukünftigen. Die Parusie 
wird angekündigt; das ganze Stück ist ihr gewidmet, während sie 
sonst nur in einer Interpolation auftaucht. Am Anfang steht eine 
öfters vorgekommene Äußerung Jesu, die ursprünglich an die Juden 
gerichtet gewesen sein soll: „nach einer kurzen Weile werdet ihr mich 
nicht mehr sehen''. Sie wird hier aber nicht einfach wiederholt, sondern 
mit einer positiven Fortsetzung versehen, die ihr die Spitze abbricht: 
„und abermals nach einer kurzen Weile werdet ihr mich sehen". 
Jesu Abschied von der Erde wird paralysiert durch seine baldige Rück- 
kehr zur Erde. Von den beiden Zwischenfragen der Jünger (17. 18) 



1) Vgl. das Präteritum 16, 4. 17, 12. 



74 Rückkehr nach Jernsalem und Tod, Kap. 11—19. 

hat nur die zweite Bedeutung. Sie gibt Gelegenheit zur Wiederholung 
de8 Themas (19=16), und darauf folgt die Erläuterung (20 ss.). Die 
Wehen des Messias werden ganz richtig in die Empfindung derer 
verlegt, die auf ihn warten, in diesem Fall der Jünger. Sie soUen 
sich nicht über den Hingang Jesu freuen, weil nur infolge davon 
der Paraklet konmie, sondern über seine Wiederkunft; man hat 
durchaus den Eindruck, daß hier wirkhche Weissagung vorliegt, 
daß die Freude noch aussteht, während die Gegenwart von der Trauer 
beherrscht wird (Mc 2, 20). — Vers 23b. 24 steht außer Zusammen- 
hang mit dem Vorhergehenden. Das Gebet im Namen Jesu wird als 
ganz neu eingeführt, ohne Rücksicht auf 14, 13. 14. Die Freude 
wird anders gefaßt als in Vers 22, sie ist schon gegenwärtig und hat 
ihren Grund in der Erfüllung des Gebets. Der Inhalt des christlichen 
Gebets ist nicht die Bitte um das Reich Gottes, sondern um den 
heiligen Geist (Lc 11). Auf diese Weise entsteht eine Beziehung von 
Vers 24 zu Vers 7. 

16, 25 — 32 zeigt ein sehr lockeres Geftige. Nicht der Paraklet 
wird verkünden, was Jesus bei Lebzeiten unterlassen hat (16, 5 ss.), 
sondern er selber wird nach seiner Erhöhung offen die göttlichen 
Dinge (irspt tou Tratpo?) aussprechen, die er bisher nur in Gleich- 
nissen^) verhüllt hat. Als Mittler des Gebets zwischen dem Vater 
und den Jüngern ist aber auch er überflüssig (26. 27); warum es 
dann doch in seinem Namen geschieht, sieht man nicht ein. Vers 28 
ist völlig isoliert. Vers 29. 30 schließt formell an 25, paßt aber doch 
nicht recht dazu; denn dort ist die Tuappr^aia zukünftig (Xa^aw), 
hier dagegen gegenwärtig (XaXst?). Die Worte xal oi X9^^^^ ^X^^^ 
fva xk as Ipwia müßten bedeuten: du redest jetzt deutlich und gibst 
keinen Anlaß zu fragen; dazu paßt aber der vorhergehende Satz 
nicht, die Korrekturen von Blaß und von der Syra genügen nicht. 
Ad vocem Ttiatsüojxsv (30) wird zuletzt äußerst künstlich die Weis- 
sagung über das Zerstieben der Jünger bei der Verhaftung Jesu 
angehängt (31. 32), welches sonst im vierten Evangelium entweder 
verschwiegen oder ganz anders beurteilt wird. 

16, 33 würde hinter 24 eine bessere Stellung haben als hinter 32. 
Der Trost ist nicht die Parusie, sondern der innere Friede durch die 
Immanenz Jesu inmitten der Drangsal. Die Welt ist schon über- 



^) Aber doch nicht im vierten Evangelium? 



17, 1-26. 75 

wunden, weil der Fürst der Welt durch den Tod Jesu gerichtet ist 
(12, 31. 16, 11). Vgl. meine Analyse der Apokalypse in den Abhand- 
lungen der Göttinger Ges. der Wiss. 1907 (IX 4) p. 8. 

17,1_26. 

Jesus richtet sich hier nicht mehr an die Jünger, sondern an 
Gott, im Gebet, mit aufgeschlagenen Augen. Die Länge des Gebetes 
bringt es mit sich, daß er dem Vater streckenweise bloß Vortrag hält; 
er belehrt ihn z. B. in Vers 3 darüber, was das ewige Leben sei. Wo 
er für sich selber bittet, kündigt er meist nur an, was eo ipso geschieht. 
Die eigentliche Bitte wird für die Zukunft der Jünger d. h. der Kirche 
eingelegt. An der wesentlichen Einheit des Ganzen läßt sich nicht 
zweifeln, wenn auch der Gedankengang nicht immer leicht zu er- 
kennen ist und zuweilen unterbrochen wird. 

Nach Vers 1 — 3 verherrlicht der Vater den Sohn zu dem 
Zweck daß der Sohn ihn verherrliche, und zwar durch Aus- 
breitung seiner Macht über alles Fleisch ^) d. h. durch die Christiani- 
sierung aller Menschen, so daß sie die Wahrheit (Gott und seinen 
Gesandten) erkennen und darin das ewige Leben haben. Hier ist die 
Verherrlichung des Sohnes durch den Vater das Prius und die des 
Vaters durch den Sohn das Posterius; die Aufgabe des Sohnes liegt 
noch in der Zukunft und sie bezieht sich auf alle Menschen. Nach 
Vers 4ss. aber verherrlicht ^) der Vater den Sohn zum Lohne 
dafür daß der Sohn ihn schon verherrlicht hat, und zwar durch 
die Offenbarung des göttlichen Namens und der göttlichen Wahrheit 
an die Jünger. Da ist die Verherrlichung des Vaters durch den Sohn 
das Prius und die des Sohnes durch den Vater der Dank dafür; die 
Aufgabe des Sohnes ist schon auf Erden, vor seiner Himmelfahrt, 
vollendet, und sie ist nicht universal, sondern auf einzelne Auserwählte 
beschränkt. Doch können die beiden Aussagen wohl neben einander 
bestehen, da sie sich durch die Zeit und das Objekt unterscheiden; 
der himmlische Jesus wirbt um die Welt, der irdische hat die Jünger 
geworben. Man versteht auch, daß nach Vers 9 die Fürbitte nur für 
die Jünger und nicht für die Welt geschieht, da die Jünger allein die 
Kirche bilden und die Welt feindlich ist. In Vers 10 (22) wird 



*) Der Ausdruck Welt wird vermieden, weil er feindlichen Sinn hat. 
2) Oder nach Vers 5: er versetzt ihn wieder in seine präexistente Herrlichkeit. 



76 Rückkehr nach Jerusalem ond Tod, Kap. 11 — 19. 

Jesus selbst durch die Kirche verherrlicht, solche Variationen liegen 
nah und müssen in den Kauf genommen werden. Der 
Passus 11. 12 fällt ganz aus der angenommenen Situation heraus. 
Mit offnem Visier redet der hinunlische Jesus, nicht der irdische. 
„Ich bin nicht mehr in der Welt, aber meine Jünger sind noch darin; 
so lange ich bei ihnen war, habe ich sie gehütet und außer dem Ver- 
räter bewahrt." Durch Vers 13 und den ersten Satz von 14 wird der 
Zusammenhang unterbrochen. An den Gedanken (11. 12) „sie sind 
jetzt ohne meine Hut in der Welt" müßte sich anschließen (14. 15) 
„und die Welt haßt sie als nicht zu ihr gehörig; doch bitte ich nicht, 
daß du sie (durch die Parusie) aus der Welt nehmest, sondern daß 
du sie bewahrest vor dem Bösen". Jesus hat also anscheinend nur 
bei Lebzeiten die Kirche gehütet und übergibt sie beim Scheiden 
dem Vater; an seine Ersetzung durch den Parakleten wird nicht 
gedacht, an seine bleibende Gegenwart auch nicht, und die Parusie 
scheint durch Vers 15 ausgeschlossen zu werden. Die Bitte für die 
Jünger in 15 geht dann über 16 (=14b) hinweg zu 17 über und zwar 
mit positiver Wendung: sie sollen den Missionsberuf ihres Meisters 
auf Erden fortsetzen. Denn wenn zwischen 17 und 18 Zusammenhang 
besteht, so sollen sie zu Aposteln geweiht (d^irfCeiv wie 10, 36 nach 
Hierem 1,5) werden; in 19 wäre dann das aYia'Ceiv schief gedeutet 
durch die Beziehung auf den Opfertod Jesu. In 20. 21 wird der ur- 
sprüngliche Kreis der Jünger erweitert auf die folgende Generation, 
die durch ihr Wort zum Glauben bekehrt worden ist; dabei wird 
die innere Einheit der Kirche in sich hervorgehoben, nicht die mit 
Jesus und dem Vater, welche vielmehr nur als Beispiel vorgehalten 
wird. Es scheint aber, daß dies im Folgenden nicht vorausgesetzt 
wird; jedenfalls ist da nur von den primären Jüngern die Rede, auch 
konkurriert 22b mit 21. Zum Schluß (24) geht die Bitte in eine ent- 
schiedene Willensäußerung über. Die Meinung ist schwerlich, daß 
die Kirche insgesamt durch die Parusie, sondern vielmehr, daß die 
Einzelnen durch den Tod mit Jesus im Himmel vereinigt werden. 
Sie haben es verdient, indem sie durch den Glauben an ihn zur Er- 
kenntnis des Vaters gelangten, im Gegensatz zur Welt. Unter der 
Welt skid hier nirgend bloß die Juden verstanden. Die Mission ist 
universal an alles Fleisch (2) gerichtet, dafür wird einmal 
(23) auch die Welt gesagt und trotz ihrer Feindseligkeit die 
Hoffnung ausgesprochen, daß sie sich bekehren werde. 



14,1—17,26. 77 

Kap. 17 ist ein Anhang. Derselbe unterscheidet sich von den 
vorhergehenden Teilen der Rede formell durch den nur hier gebrauchten 
Ausdruck 6 ul6<; (1), mehr noch durch den langen Atem und, als 
Gebet, durch eine gesalbte Feierlichkeit, die zweifelhafter wirkt als 
die ungesalbte des Gleichnisses 15, 4. 5. Materiell unterscheidet er 
sich von 16, 4 — ^24 dadurch, daß weder von dem Parakleten noch von 
der Parusie eine Spur sich findet. Mit 15, 1 — 16, 4 stimmt er halb- 
wegs überein; aber das SoJaCsaftai und der damit verbundene Missions- 
gedanke fehlt dort fast ganz oder ganz, und der Umfang der Welt 
ist dort begrenzter. Auch wird der Vater hier weit mehr als dort in 
die Unio hineinbezogen und eigentlich an die erste Stelle gesetzt, 
dagegen deren moralische Betätigui^ durch Werke und Liebe nicht 
gefordert. Die Erkenntnis ist die Hauptsache, sie wird aber bewirkt 
durch den Glauben an Jesus als den von Gott gesandten Boten der 
Wahrheit. 



Nach diesem Umwege kommen wir auf die literarische Frage 
zurück, von der wir ausgegangen sind. Es hat sich in Kap. 14 ein 
innerer Zwiespalt gezeigt. An einigen Stellen kehrt Jesus, nachdem 
er zum Himmel gefahren ist, von da nicht zur Erde wieder; als sein 
Ersatz wird der Paraklet verheißen, der bis in Ewigkeit bei der Ge- 
meinde auf Erden bleiben soll (1 — 4. 16. 26 ss.). In anderen Partien 
ist aber das Lebensprincip der Gemeinde der erhöhte Jesus selber, 
der durch seine Erhöhung nicht von ihr geschieden, sondern im Himmel 
mit ihr ebenso verbunden ist wie mit dem Vater und sie bei dem Vater 
vertritt; der Paraklet ist daneben überflüssig und verschwindet in 
der Tat (5 — 15. 18 — ^24). Diese Partien (B) überwiegen, und von da 
aus wird der Versuch gemacht, den Parakleten an den Stellen, wo 
er vorkommt (A), in ein untergeordnetes Verhältnis zu Jesus zu bringen 
(16. 26). Da nun B das letzte Wort hat und dem Ganzen den Stempel 
aufdrückt, so muß die Grundschrift in A gesucht werden ^). Ob sie 
vollständig erhalten ist, kann man bezweifeln; indessen läßt sich ihr 
Gedankengang doch genügend verfolgen. 

Also hier der Paraklet, dort der immanente Jesus. Auf welche 
Seite stellt sich nun die Paraphrase, um es kurz so zu nennen, in 



^) Dessen unerachtet, daß der Paraklet neu ist, jünger als der in der Gemeinde 
gegenwärtig bleibende Auferstandene. 



78 Rückkehr nach Jerusalem nnd Tod, Kap. 11—19. 

Kap. 15 — 17 ? Der erste Teil, der an das Gleichnis vom Weinstock 
anknüpft, redet nur vom immanenten Jesus ^). Auch im dritten, 
dem s. g. hohenpriesterlichen Gebet» findet sich der Paraklet nicht. 
Dagegen erscheint er allerdings im ersten Absatz des mittleren Teils 
(16, 4 — 15). Aber nicht selbständig an stelle Jesu, sondern abhängig 
von ihm. Er ist nicht mehr der Creator Spiritus. Nicht der Vater 
sendet ihn, sondern Jesus. Er zeugt von Jesus, und nicht allein das, 
sondern er entnimmt auch Alles von ihm und redet nichts aus dem 
Eigenen. Trotzdem also der Paraklet beibehalten ist, so wird sein 
Wesen doch korrigiert, ebenso wie auch die Stellen der Grundschrift 
selber, in denen er vorkommt (14, 6. 26), nicht unangetastet geblieben 
sind. Also steht die Paraphrase auf selten von B. 

Die Theologie wird nun freilich den dargelegten Unterschied 
zwischen A und B teils für unerheblich, teils für unglaublich aus- 
geben; sie wird behaupten, es könne doch auch in A unmöglich die 
Meinung sein, daß Jesus durch seine Erhöhung gänzlich von den 
Seinen auf Erden scheide, bis sie durch den Tod mit ihm im Himmel 
wieder vereint würden. AÜein die Exegese muß auf das Wort merken 
und das Wort gelten lassen; sie muß den ursprünglichen Widerspruch 
zwischen dem Parakleten und dem immanenten Jesus anerkennen 
und den späteren Versuch, das Nebeneinander zu ermöglichen. 
Und die Kirche hat sicher ein Interesse daran gehabt, die ältere An- 
schauung durch das vierte Evangelium nicht beeinträchtigen zu lassen, 
daß Jesus lebendig in der Gemeinde bleibt und nicht durch einen 
ebenbürtigen Nachfolger verdrängt wird. In der von ihr sehr ernst- 
haft genommenen Frage, ob der Geist allein vom Vater oder auch 
vom Sohne ausgehe, hat sie sich zwar zuerst auf die Seite von A ge- 
stellt, später aber für B sich entschieden^). 

In meiner Broschüre habe ich den inneren Hauptunterschied 
zwischen A und B darin erbUckt, daß die Parusie dort geleugnet, 
hier festgehalten werde. In A wird in der Tat gegen sie protestiert; 
der Bedingungssatz am Anfang von 14, 3 ist eingeschmuggelt. In B 
wird sie wenigstens in 16, 16ss. behauptet; der Versuch Corssens, 



^) Abgesehen von dem schlecht aufgesetzten Flicken 15,26 s. 

*) Bei Matthäus wird einmal statt t6 TrveOfxa toO Oeou gesagt: tö TiveOfia 
ToO TiaTpo; ufj-üiv (10, 26). Im Cantabrigiensis zu Lc 24, 49 wird t))v inocffeUoiy 
Tou Traxpoc (= der vom Vater verheißene Geist) korrigiert in t^v iitocyyeXfav fxou 
(== Jesu). 



14, 1-^17, 26. 79 

das Gegenteil zu erweisen, schlägt fehl. Darin jedoch hat er Recht, 
daß apotiori die Parasie auch in B nicht zum Vorschein kommt: 
der immanente Jesus genügt und der wiederkommende ist daneben 
überflüssig. Es fällt also auf den Unterschied zwischen Parusie oder 
Nichtparusie kein Gewicht; der eigentliche Unterschied ist der zwischen 
dem Parakleten und dem immanenten Jesus. 

Die Basis meiner Position ist indessen überhaupt nicht der innere 
theologische Unterschied. Darauf bin ich erst aufmerksam geworden, 
nachdem ich auf anderem Wege zu der Überzeugung gekommen war, 
daß die Kapitel 15 — 17 eingelegt sein müßten. Es ist längst bemerkt 
worden, daß k-^^pzcibe aywjisv am Schluß von 14, 31 den Aufbruch 
ankündet, also in 18, 1 fortgesetzt wird, wo derselbe wirklich erfolgt. 
Dann kann ursprünglich nichts dazwischen gestanden haben, am 
wenigsten eine so lange Rede, wie sie in Kap. 15 — 17 vorliegt. 
Corssen gibt diese Unmöglichkeit zu, beseitigt sie aber durch Streichung 
der unbequemen Worte in 14, 31 als einer Interpolation aus Markus. 
Wenn er sich nicht anders zu helfen weiß, so hat er seine Sache ver- 
loren. Denn wer könnte auf den Gedanken gekommen sein, mut- 
willig und ohne jedes Motiv an dieser Stelle eine so ungeheure Schwierig- 
keit hervorzurufen, über die sogar Bernhard Weiß sich beinah Ge- 
danken macht? Ein Interpolator hätte doch den Einsatz hinter 
17, 25 und dicht vor 18, 1 angebracht. Außerdem wenn ^etpsoffte Srfw- 
fiev IvTSü&sv fällt, so bleibt doch ouxiTt XaXi^aeo jjLsft' ofiaiv in dem 
vorhergehenden Verse ein kaum geringeres Hindernis dagegen, daß 
Jesus hinterher noch drei Kapitel redet. Selbst oüxeti ttoXXä XaXr^ao) 
würde sich schlecht mit Kap. 15 — 17 vertragen; TroXXa fehlt aber 
in der Syra, und sicher mit Recht. Zu welchem Zweck sollte durch 
Auslassung von TroXXa die Schwierigkeit aufs äußerste gesteigert 
sein? Dagegen zu ihrer Abschwächung durch Interpolation von 
TToUof war Grund genug. 

Gegen die Folgerung, die aus dem Zusammenschluß von 14,31 
mit 18, 1 gezogen werden muß, sträubt sich Corssen besonders deshalb, 
weil er sich das 17. Kapitel nicht rauben lassen will. Er wirft mir vor, 
daß ich dies Gebet, in dem der Geist des Evangeliums am reinsten 
und stärksten zum Ausdruck komme, leichten Herzens über Bord 
werfe, ohne besondere Gründe, lediglich wegen der Schlußworte in 
14,31. Dieser ledigliche Grund wäre aber besonders genug, selbst 
wenn er nicht durch ooxsxt XaXT^aw verdoppelt würde: er lä>ßt sich 



gO Rückkehr nach Jerusalem und Tod, Kap. 11—19. 

nicht aus dem Wege schaffen. Im Übrigen mag die echt johanneische 
Art des fraglichen Kapitels zugegeben werden; sie wird durch die 
sich aufdrängende Vergleichung mit dem Gebet in Gethsemane in 
ein gi'elles Licht gesetzt. Nur ist die echt johanneische Art dann eben 
nicht die Art der Grundschrift. 

18,1—11. 

Wenn Jesus über den Kidron an den ölberg^) kommt, so hat 
das Mahl, bei dem er sich von seinen Jüngern verabschiedet (Kap. 
13 — 17), in Jerusalem statt gefunden. Dann aber müßte es als Pascha- 
mahl vorgestellt werden, da es nur so sich versteht, daß er es in Jeru- 
salem hält und nicht in Bethanien. Indessen „Jesus ging mit seinen 
Jüngern hinaus über den Kidron, wo ein Garten war, in den er selbst 
und seine Jünger hineingingen" sieht so redigiert aus, daß auf die 
Ursprünglichkeit der Ortsangabe kein Verlaß ist. Judas wird doppelt 
eingeführt, erst in 2. 3 und noch einmal in 5 am Schluß. Die zweite 
Angabe steht verloren, ist aber insofern wichtig, als sie die erste nicht 
voraussetzt. In der ersten nimmt Judas, nicht der Chiliarch (12), 
die römische Cohorte samt den Amtsdienern der Juden. Auf der 
eigentlichen Scene spielt er aber gar keine Rolle. Er tritt nicht an 
Jesus heran, um ihn kenntlich zu machen, und wird von ihm als nicht 
vorhanden behandelt. 

Wie Judas, so scheint auch Petrus ursprünglich nicht hierher 
zu gehören. Woher soU er die Gelegenheit zum Kampfe haben? Das 
ganze feindliche Aufgebot ist ja in den Staub gesunken, und hernach 
hat Jesus sich freiwillig gestellt, unter der Bedingung freien Abzugs 
für seine Jünger ^). Diese würde verwirkt, wenn sie zum Schwerte 
griffen. Die Verse 10 und 11 sind also verdächtig. Anders ist Vers 9 
geartet. Er ist zwar auch interpohert, weil ein eigenes Wort Jesu 
in einem anderen Sinne citiert wird als in dem, in welchem es 17, 12 
gemeint ist. Aber materiell paßt er zu Vers 8. 



^) Dieser wird allerdings im Joa nie genannt, so wenig wie Gethsemane. Nur 
zu Anfang der unechten Perikope 8, 1 steht er und in einem Zusatz der Syra zu 
12, 12. Aber es muß 18, 1 an diese Lage gedacht sein. 

*) Daß sie unangefochten in Jerusalem bleiben, läßt sich für die Grundschrift 
aus 20, 19 SS. nicht folgern. Den Widerspruch von 16, 32 zu 18, 8 will Corssen nicht 
sehen. 



18, 12-27. 81 

Der Verrat des Judas in Gethsemane und der von den Jüngern 
ausgehende Widerstand gegen die bewaffnete Macht sind aus den 
Synoptikern, nämlich aus Lukas, eingetragen; ebenso auch der Aus- 
spruch vom Trinken des Bechers am Schluß von Vers 11. Die Namen 
Petrus und Malchus sind hinzugefügt. Die alte Vorlage ist nicht mehr 
zu rekonstruieren. 

18, 12—27. 

In Vers 24 wird Jesus von Annas zu Kaiphas gebracht. Dann 
müßte auch Petrus dorthin gefolgt sein. Das ist aber ausgeschlossen, 
weil die Leute, die in 25 ss. mit ihm reden, die selben bleiben, die vorher 
im Hofe des Annas mit ihm geredet haben. Also wird durch 24 ein 
unmöglicher Scenenwechsel bewirkt. Der Vers verrät sich auch durch 
seinen Inhalt als unecht. Kaiphas erscheint da post festum und hat 
gar nichts mehr zu tun. Und nicht besser steht es um ihn in Vers 13 
und 14. Wie soll der Umstand, daß Jesus zu Annas gebracht und 
von ihm als dem Hohenpriester (19) verhört wird, darin seine Er- 
klärung finden, daß Annas der Schwiegervater des eigentlichen Hohen- 
priesters war! Kaiphas ist also überall eingetragen. Die Vorlage 
kennt ihn nicht, sondern bloß den Annas. Sie steht damit nicht allein; 
für die Apostelgeschichte gilt das selbe und vielleicht auch für das 
Evangelium des Lukas ^). Kaiphas wird überhaupt nur bei Matthäus 
genannt (26, 3. 57), bei Markus ist der Hohepriester namenlos. 

Das Verhör und die Verleugnung Petri werden auch bei Markus 
durch einander geschoben. Aber wegen des sfirov in Vers 25, welches 
kein Subjekt hat, wenn es nicht dicht auf 19 folgt, darf bei Joa die 
Verleugnungsgeschichte nicht zerrissen werden. Sie hätte in der 
Mitte der beiden Teile des Verhörs, zwischen 14 und 19, zusammen- 
gestellt werden müssen. 

Die Syra ordnet den Text wie folgt: „^^Die Cohorte und der 
Chiliarch und die Diener der Juden banden ihn ^^ und brachten ihn 
zuerst zu Annas, dem Schwiegervater des Kaiphas, welcher der Hohe- 
priester jenes Jahres war. ^^ Annas aber sandte ihn gebunden zu 
dem Hohenpriester Kaiphas, ^^dem selben, der den Juden geraten 
hatte, es sei am besten, daß Ein Mensch sterbe für das Volk. ^^ Simon 



*) Das unmögliche thaaidz Act 6, 17 ist von Blaß glänzend in "Awa; 

verbessert. In Act 4, 6 ist xal Katcifcpa; nachgetragen und vermutlich auch in 
Lc 3, 2, wo der Dual sehr befremdet. 

Wellhausen, Evang. Johannis. 6 



82 Rückkehr nach Jerusalem' lind Tod, Kap. 12—19. 

Petrus aber' und ein Jüi^er... ^), er war ein Bekannter des Hohen- 
priesters, darum trat er zusammen mit Jesus in den Hof. "Der 
Hohepriester aber fragte Jesus über seine Jünger, welche es seien, 
und über seine Lehre, welche es sei. ^ Jesus sagte zu ihm: ich habe 
offen mit der Welt geredet und alle Zeit gelehrt in der Synagoge und 
im Tempel und wo alle Juden sich versammeln, und im Geheimen 
habe ich nichts geredet; ^^ also was fragst du mich? frag die Zuhörer 
nach dem, was ich geredet habe, sie wissen, was ich geredet habe. 
^'^ Als er so redete, schlug einer der anwesenden Diener Jesum auf die 
Backe und sagte zu ihm: so antwortest du dem Hohenpriester? 
2^ Jesus sagte zu ihm: ich habe recht geredet, warum schlägst du 
mich ? ^® Simon Petrus aber stand draußen an (der Tür). Und der 
dem Hohenpriester bekannte Jünger kam heraus und sagte es dem 
Türhüter und der ließ ihn ein 2). i' ^ ^[^ Magd des Türhüters Simon 
sah, sagte sie zu ihm: bist du nicht auch einer der Jünger dieses 
Menschen? Er sagte zu ihr: nein! "Und die Knechte und Diener 
standen da und machten sich ein Feuer im Hof, um sich zu wärmen, 
denn es war kalt. ^ Simon aber stand auch bei ihnen und wärmte 
sich. Und sie sagten zu ihm, die Leute die sich wärmten: bist du 
nicht auch einer von seinen Jüngern? Er leugnete aber und sagte: 
nein! ^exjnd [es antwortete] einer der Knechte des Hohenpriesters, 
ein Verwandter dessen, dem Simon Petrus das Ohr abgeschlagen 
hatte, sagte zu Simon: sah ich dich nicht bei ihm im Garten? ^^ Und 
Simon leugnete abermals, und im selben Augenblick krähte ein Hahn." 
Diese Anordnung des Textes scheint sich zu empfehlen. Kaiphas 
hinkt dann nicht nach, sondern tritt in den Vordergrund und tut 
was seines Amtes war. Das Verhör geht in Einem Stück voran und 
die Verleugnung folgt in Einem Stück. Durch die Umstellung von 
24 wird der Ortswechsel vermieden, und das eiirov hat nun sein Sub- 
jekt. Aber mit Recht findet E. Schwartz es ungehörig, daß Petrus 
erst geholt wird, nachdem das Verhör vorbei ist; denn dann hatte 
er kein Interesse mehr daran. Außerdem ist die Trennung von 15 
und 16 unmöglich; sie läßt erkennen, daß der griechische Text an 
einer falschen Stelle durchschnitten wurde. Verräterisch ist ferner 



^) Es scheint hier etwas zu fehlen oder in Unordnung zu sein. 

') d. h. er sagte dem Türhüter, er möchte Petrus einlassen, und er tat es. 
Das Subjekt zu eJoi^Yayev ist nicht der Jünger. Die Ausdrucksweise ist wie im 
Aramäischen oder Hebräischen. 



18,28-19,15 8ä 

die Einsetzung des Explicitum (die Leute die sich wäxmten) zu 
siTTov in 25. Sie erklärt sich nur, wenn 18 von 25 weit getrennt war, 
und nicht, wenn die beiden Verse dicht bei einander standen. Die 
Syra hat also vorliegende Anstöße empfunden und zu beseitigen 
gesucht, aber ohne Erfolg. Es spricht nicht gegen den griechischen 
Text, daß dort die Zeichen der Brüchigkeit klar hervortreten; es 
muß bei ihm sein Bewenden haben. 

Bei dem Verhör wird Jesus nach seiner Schule und seiner Lehre 
befragt, er antwortet, was er bei Markus (14, 49) den Häschern sagt. 
Darauf erhält er wegen ungebührlichen Benehmens gegen den obersten 
Richter einen Backenstreich von einem Diener, den er einer unver- 
dienten Entgegnung würdigt. Die Scene erinnert sehr an Act 23, 2. 
Die Verhandlung wird dann geschlossen, ehe sie eigentlich eröffnet 
ist. Zu einem Urteil oder überhaupt zu irgend welchem Ergebnis 
kommt es nicht, die Sache verläuft im Sande. Einen weniger be- 
friedigenden Bericht gibt es im ganzen Evangelium nicht. Bemerkt 
mag noch werden, daß das Synedrium Jesus sonst ohne Verhör ver- 
urteilt (7, 46 SS. 11, 47 SS. 12,10). 

18, 28—19, 15. 

Pilatus wird nicht eingeführt und tritt doch als bekannt auf. 
Er muß ursprünglich schon vorher erwähnt sein. Nur er konnte die 
Cohorte beauftragen und zu ihm mußte der Chiliarch zurück, um 
ihm nach der Ausführung des Auftrages wenigstens Bericht zu er- 
statten (E. Schwartz). Jetzt scheint er erst dadurch, daß die Juden 
Jesus gefangen zu ihm bringen, mit der Affäre in Berührung zu kommen. 
Die Jud^n werden merkwürdig verschieden vorgestellt. Teils er- 
scheinen sie als Ankläger und gehen Pilatus als Richter an. Teils ver- 
bieten sie ihm in die merita causae einzugehen und scheinen von ihm 
nur die Vollstreckung eines von ihnen selber schon gefällten rechts- 
giltigen Urteils zu verlangen. Ein solches haben sie jedoch vorher 
gar nicht gefällt. Das Verhör vor Annas soll ein Verhör sein und ist 
keins, das vor Pilatus soll keins sein und ist eins, wenn auch nur 
materieU, nicht formell. Er läßt sich nämlich nicht in öffentlichem 
Verfahren mit Jesus ein, sondern unter vier Augen innerhalb des 
Prätoriums. Die Juden bleiben draußen und erfahren nur durch ihn 
etwas über den Stand seiner Verhandlungen mit dem Angeklagten. 

6* 



84 Rückkehr nach Jerusalem und Tod, Kap. 11—19. 

Zu dem Zweck muß er beständig zwischen den Parteien hin und her 
laufen, bald in das Prätorium herein, bald aus dem Prätorium hinaus. 
In diesem Wirrwarr finde sich zurecht wer kann; ich begnüge mich 
mit einer Übersicht über die einzelnen Abschnitte. 

18, 29 — ^32. Pilatus geht aus dem Prätorium hinaus und fragt 
die Juden, welcher Schuld sie Jesus zeihen. Sie geben ihm zu ver- 
stehen, daß er ihren Spruch nur zu vollstrecken, nicht zu prüfen habe; 
das xpivetv (31) brauchen sie im Sinn von diroxTstvetv. Zwischen den 
Zeilen steht zu lesen, daß das Verbrechen religiös, nicht politisch sei, 
begangen gegen das Gesetz, nicht gegen den Römer, und daß darum 
Pilatus sich um die Schuldfrage nicht kümmern dürfe. Der Vers 32 
(= 12, 33) bezieht sich auf die Kreuzigung, die keine jüdische, sondern 
römische Form der Hinrichtung ist. 

18,33 — 38a. Pilatus geht in das Prätorium hinein zu Jesus; 
daß dieser drinnen ist, wird freilich nur vorausgesetzt, nicht gesagt. 
Man sollte denken, um von ihm selber die aWa zu erfahren. Aber 
er weiß sie doch schon und gesteht indirekt, daß er sie von den Juden 
habe, obwohl er sie von diesen vorher nicht herausgebracht hat. Elr 
verwahrt sich dagegen, daß er aus sich eine solche aWa geschöpft 
habe, er sei kein Jude. Er findet also sogar in dem Anspruch Jesu 
auf das Königtum nur ein specifisch jüdisches Verbrechen, wovon er 
als römischer Beamter nichts verstehe. Er fragt dann Jesus noch 
einmal und erhält von ihm nun eine Antwort, die den unpolitischen 
Charakter des fraglichen Anspruchs bestätigt, aber darüber hinaus 
positiv die Natur des beanspruchten Reiches bestimmt. Jesus hat 
zunächst nur von seinem Reiche geredet; daß er also König 
sei, folgert erst Pilatus. Jesus räumt es ein, mit dem synoptischen 
ah X^ysic. Wenn er aber fortfährt „ich habe das Amt für die Wahrheit 
zu zeugen*', so beschreibt er damit nicht das Amt des Herrschers; 
denn es gibt keinen König der Wahrheit, sondern nur ein Reich der 
Wahrheit. Er vermeidet auch den Ausdruck „Reich Gottes", 
weil er nicht an die zukünftige Herrlichkeit denkt. Sein Reich ist 
nicht jenseitig. Als Antwort auf die Frage: was hast du getan? paßt 
übrigens diese Auslassung, die in merkwürdigem Widerspruch zu 
Mc 14, 62 steht, formell recht schlecht. 

18, 38b— 19, 8. Pilatus geht hinaus zu den Juden. In 19, 1 ist 
er, ohne daß sfar^XOsv in der Mitte steht, wieder drinnen bei Jesus. 
In 19, 4 geht er abermals hinaus und nimmt auch Jesus mit, um ihn 



18, 28—19, 16. 85 

in Purpur und Dornenkrone den Juden vorzustellen. In 19, 9 be- 
findet sich Jesus trotzdem noch im Prätorium; Pilatus geht zu ihm 
herein und führt ihn nochmals den Juden vor, als fragwürdigen 
König. Am schlimmsten ist der stillschweigende Wechsel der Situation 
zwischen 19, 5 und 9. Damit hängt zusammen, daß die Vorführung 
Jesu zweimal geschieht. Sie kann ursprünghch nur einmal berichtet 
sein, wie denn die Wiederholung (19, 13. 14) auch nicht durch ein 
TraXiv markiert wird. Und zwar gehört sie an den Schluß; in der 
Mitte richtet sie Verwirrung an und ist mit der unmöglichen Angabe 
verbunden, daß Jesus vor der Verurteilung gegeißelt worden sei. 
Auf eine formelle Grenze für die nötige Ausscheidung hat mich 
E. Schwartz aufmerksam gemacht. Wir werden nämüch mit den 
Worten des Pilatus in 19, 6 „was mich betrifft, so finde ich keine 
Schuld an ihm" auf den Fleck zurückgeführt, wo wir am Schluß von 
18, 38 schon waren. Die Geißelung sowie die Episoden von Barabbas 
und von Purpur und Dornenkrone stammen aus der synoptischen 
Tradition. Wenn nun 18, 39 — 19, 6 eingetragen ist, so antworten 
die Juden mit 19, 7. 8 auf 18, 38. Sie wiederholen, was sie schon 
früher (18, 30) gesagt haben, geben jedoch nunmehr als ak(a an, 
Jesus habe sich für den Sohn Gottes ausgegeben. Darüber 
erschrickt Pilatus noch mehr. Wohl deshalb, weil er glaubt, Jesus 
könne vielleicht wirklich Gottes Sohn sein. Aber der Comparativ 
„noch mehr" ist nicht vorbereitet. 

19, 9 — 15. Pilatus geht hinein in das Prätorium zu Jesus. Seine 
Frage tto&sv zl ai bedeutet nach Vers 7 (vgl. Kap. 7 und 8) so viel 
wie: bist du Gottes Sohn? Der Vers 11 würde besagen: Gott hat 
dir die Gewalt verliehen, also hat der Teufel die Schuld. Das Ende 
paßt nicht zum Anfang; es stammt vielleicht von einem Späteren, 
der aus Haß gegen das römische Reich avwftsv als xaxw&sv verstehen 
wollte. Daß der Landpfleger seit dieser Äußerung Jesu (Jx toutoü) ihn 
loszulassen sucht (12), ist noch eher begreiflich, als daß die Juden da 
draußen seine Absicht merken und zu toben anfangen. Als er „diese 
Worte" hört, begibt er sich mit Jesus zu ihnen hinaus (13) und setzt 
sich auf das Bema. Das Besteigen des Tribunals durch den Richter 
vor den Parteien bezeichnet sonst den Beginn der formellen Verhand- 
lung. Hier aber scheint Pilatus einen Todesschuldigen, den er selber 
für unschuldig hält, den Klägern zu präsentieren, um deren Mitleid 
zu erregen. Ein ordnungsmäßiger Prozeß wird von ihm nicht geführt. 



86 Rückkehr nach Jerusalem und Tod, Kap, 11—19. 

vielleicht weil das schon von den Juden nach ihrem Gesetz geschehen 
sein soU^). — Die TrapaorxsüY] toü Tzdar/oL (14) ist jedenfalls nicht der erste 
Paschatag, sondern der Tag vorher. Es scheint, daß der Name 7rapa<jxsüTQ 
hier nicht wie sonst einfach der Freitag sein soll (der freilich nicht 
ausgeschlossen ist), sondern appellativisch gefaßt und allgemein für 
Vorabend gebraucht wird, auch für den Festabend, nicht bloß für 
den Sabbatabend. Die sechste Stunde widerspricht der Zeitangabe 
bei Markus. 

Das XiftoaxpcüTov soll hebräisch d. i. aramäisch Faßßa&a geheißen 
haben. Für Faßßaöa lesen einige Handschriften KaTucpaöa ^), Dies 
ist ein bekanntes aramäisches Wort, bedeutet aber nicht XiftoatpcoTov, 
sondern einen gewölbten Bau und zwar einen kleinen. Es ist also 
Korrektur eines des Aramäischen kundigen Griechen. Er verstand 
das ursprüngliche Wort nicht, und wir befinden uns in der gleichen 
Lage. Dalman^) hat Faßßa&a zuerst durch xriDDU (Rücken) erklärt, 
hernach durch xnnDj (kahle Stelle). Auch diese letztere Erklärung 
leuchtet nicht ein; in dem entsprechenden syrischen Adjektiv, dessen 
Aussprache allein fest steht, ist zudem der mittlere Radikal, das Betha, 
nicht verdoppelt. Sprachlich würde viel besser das syropalästinische 
NPD: entsprechen, welches in Mt 26, 23 für &pußXtov gesetzt wird und 
anderswo für xaüxiov ^). Im Arabischen wird „Schüssel" auf einen 
eingefaßten freien Platz übertragen. 

19, 16—30. 

19, 16 — 22. Wie jetzt der Vers 16 (der nicht in zwei Teile zer- 
rissen werden darf) steht und lautet, wird Jesus den Juden zur Hin- 
richtung übergeben. Das stimmt zu dem Bestreben, sie nach Kräften 
zu belasten und den Römer zu entlasten. Aber es widerspricht der 
sonst anerkannten Tatsache, daß sie das Recht zur Execution nicht 
haben. Hätten sie sie selber besorgt, so brauchten sie hinterher nicht 
den Landpfleger um Abnahme der Leiche zu bitten. Dieser verfaßt 
ja auch die Inschrift, und römische Soldaten halten Wache beim Kreuz. 
Daß ausdrücklich hervorgehoben wird, Jesus habe sich selbst sein Kreuz 



1) Vgl. E. Schwartz in den Göttinger Nachr. 1907 p. 355 ss. 

2) BurMtt, Ev. damepharreshe (Cambridge 1904) II 251. 

3) Grammatik des jüdisch-pal. Aramäisch (1894), p. 108; Worte Jesu (1898) p. 6. 
^) Duensing, Christlieh-palästinisch-aramäische Texte und Fragmente (1906)p»d. 



19, 16—30. 87 

getragen, sieht man mit Recht als einen irgendwie motivierten Protest 
gegen Mc 15, 21 an. 

19, 23. 24. Der xttwv müßte von Rechts wegen den Singular to 
ijAttTtov neben sich haben wie in Mt 5, 40. Lc 6, 29; in xa [jiatia, einem 
Plural oder Dual a potiori, sind Rock und Mantel zusammen gefaßt. 
Die schiefe Unterscheidung geht von einem ähnlichen Misverständnis 
einer Alttestamentlichen BeweissteDe aus, wie es in Mt 21, 2. 4 vor- 
liegt; in dem Parallelismus der GHeder sind in Wahrheit die Aussagen 
sachlich identisch und nur formell verschieden. Der auffallende Schluß 
,,so handelten die Soldaten'' führt auf einen SchriftsteDer, der sich 
bewußt war, den Fluß der Erzählung zu unterbrechen, entweder durch 
23. 24, oder durch 25. 26. 

19, 25. 26. Klopas kann nicht der Mann der Mutter Jesu sein, 
der ja Joseph hieß; ebenso wenig ihr Vater oder ein anderer Bluts- 
verwandter, denn dadurch konnte sie nicht von ihrer Schwester unter- 
schieden werden. Andrerseits kann aber auch die Schwester nicht von 
ihr durch den Heimatsort (von Magdala) unterschieden werden, und 
die Gleichnamigkeit von Schwestern ist anstößig. Mit anderen Worten 
sind die Eigennamen Maria Klopae und Maria Magdalena keine richr 
tige Erklärung der vorhergehenden Appellativa und also wahrschein- 
lich interpoliert; woher der Name Klopas stammt und was er als 
Genitiv bedeutet, weiß man freilich nicht. Es wird vorausgesetzt, 
daß die Mutter Jesu Witwe ist und daß sie außer ihm keinen Sohn 
hat. Der Anonymus, der Sohnesstelle bei ihr vertreten soll, nimmt 
sie sofort mit si? xA iSia. Er hat demnach sein Heim in Jerusalem, 
ist also kein Galiläer und nicht der Sohn des Zebedäus. Daß Maria 
in Jerusalem bei einem ihr von Jesus zugewiesenen Sohne bleibt, wird 
nun nicht völlig aus der Luft gegriffen sein, sondern irgend einen 
Anhalt haben. Ein solcher kann in Act 12, 12 gefunden werden. 
Darnach gab es in Jerusalem eine Witwe Maria, die mit ihrem Sohne 
zusammen in einem Hause lebte, welches den Jüngern als Versamm- 
lungsstätte diente. Aus einer Mutter der Gemeinde konnte sie zur 
Mutter Jesu und ihr richtiger Sohn infolge dessen zu ihrem Adoptiv- 
sohn werden. Dann wäre der Anonymus zwar nicht der Sohn des 
Zebedäus, aber doch auch ein Johannes, nämlich der Johannes, der 
den Zunamen Markus führte und mit dem zweiten Evangelisten iden- 
tisch ist. Möglicher weise hat man schon früh in dem anonymen Jüng- 
ling, der allein bei Jesus aushielt und beinah mit ihm verhaftet wäre 



88 Kückkehr nach Jerusalem und Tod, Kap. 11—19. 

(Mc 14, 51. 52), den SchriftsteUer selber, Johannes Markus, erkannt 
und ihn darum zum Lieblingsjünger Jesu erhoben. Die Annahme 
liegt um so näher, da der Lieblingsjünger hier allein unter dem Kreuze 
erscheint, abgesehen natürhch von den Frauen. 

Nach 20, 1 SS. darf die Magdalena unter dem Kreuz nicht fehlen ; 
als Schwester der Mutter Jesu ist sie aber in 19, 25 nicht ursprtinghch. 
Mit der Grundschrift stimmt die Meinung nicht, daß Jesus keine 
leiblichen Brüder gehabt habe. Der anonyme Lieblingsjünger er- 
scheint auch 13, 23. 20, 3 in Stücken, die nicht zur Grundschrift ge- 
hören ^). 

19, 28—30. Der Finalsatz (28), der logisch hinter U^&l gehört, 
wird vorangestellt, wie öfters bei Joa. Er drängt sich aber mit dem 
vorhergehenden Participialsatz und widerspricht ihm einigermaßen, 
insofern als noch nicht Alles vollendet ist, wenn die Schrift (Ps 22, 16) 
erst noch erfüllt werden muß. Psalm 22 wird zweimal citiert, aber 
das lama sabachthani wird unterdrückt wie bei Lukas. Übrigens 
unterscheidet sich der Bericht über den Tod Jesu weit stärker von 
dem bei Lukas als von dem bei Markus. Damit daß der Essigschwamm 
nicht auf ein Rohr, sondern auf einen Ezobstengel gesteckt wird, soll 
angedeutet werden, daß Jesus das wahre Paschalamm ist. Denn zum 
Paschalamm gehört der Ezob (Exod 12, 22). 

19, 31—42. 

19, 31 — 37. Der auf die Ttapaofxsüi^ folgende Tag ist hier freilich 
ein Sabbat, aber doch kein gewöhnlicher, sondern ein außerordent- 
licher, nämlich eben der erste Paschatag, wie in 19, 14. Man meint, 
dabei daß der Tod Jesu nicht auf diesen, sondern auf den Tag vorher 
falle, habe die Absicht gewaltet, daß Jesus nicht mehr das Osterlamm 
mit seinen Jüngern essen und so die Fortsetzung der jüdischen Feier 
für die Christen sanktionieren solle. Aber das positive Interesse, ihn 
selbst (nach 1 Cor 5, 7) als das christliche Osterlamm dem jüdischen 
zu substituieren, war wichtiger, und dieses hätte doch nicht dazu 
führen können, das wahre und das vorbedeutende Pascha aus einander 
zu reißen; denn es litte durch Aufhebung der zeitlichen Coincidenz. 
Vielmehr wenn Jesus nach Joa wirklich am Tage vor dem Pascha 



1) Vgl E. Schwartz a. 0. p. 342 ss. 364. 



19, 31-42 89 

gestorben ist, so kann das nicht auf Tendenz beruhen, sondern nur 
auf der alten Tradition, die auch bei Markus noch durchschimmert. 

In Vers 35 unterscheidet sich der Schreiber von dem Augen- 
zeugen, auf den er sich beruft^); er kann damit nur den Liebhngs- 
jünger meinen, der allein unter dem Kreuze gestanden hat 2). Er 
legt einen ungeheuren Nachdruck auf den Ausfluß von Blut und Wasser 
aus der Seite Jesu — nur darauf, denn die gar nicht wunderbare Tat- 
sache, daß ihm in die Seite gestochen, die Schenkel aber nicht ge- 
brochen wurden, bedarf keiner besonderen Versicherung. Durch die 
Emphase aber, die auf das Blut und Wasser zu liegen kommt, wird 
die eigentliche Hauptsache vollkommen verdunkelt, nämlich daß der 
gekreuzigte Jesus, dadurch daß ihm im Unterschiede von den beiden 
Schachern die Beine nicht gebrochen wurden, als das wahre Pascha- 
opfer erwiesen wird. Und zugleich ruft die Wucht der Bekräftigung 
(35) Verdacht hervor gegen das zu Bekräftigende selber (34). Man 
hat den Eindruck, daß Zweifel niedergeschlagen werden sollen, daß 
also der Ausfluß von Blut und Wasser Befremden erregte, nichts An- 
erkanntes und Altbekanntes war, sondern etwas Neues. 

Die erste Hälfte von Vers 34 scheint allerdings durch 37 bestätigt 
zu werden, wo zwar auf das Blut und Wasser keine Rücksicht ge- 
nommen wird, wohl aber auf den Lanzenstich. Indessen ist Vers 37 
vermutlich selber posthum; nicht wegen seines Inhaltes, sondern wegen 
der Einleitungsformel des Citats. Nach der bei Joa übUchen Weise 
wäre dafür zu erwarten: xal tzoKw edtiv YsypaiAjjisvov ^). *H ^pacpi; Xs^si 
sagt Paulus, jedoch immer mit dem Artikel vor Tpa^T^. Das indeter- 
minierte Ypacpr^ oder gar sispa Ypacpi^ ist im Neuen Testament unerhört*) ; 
das Wort hzpog kommt im vierten Evangelium nur hier vor % ebenso 
wie bei Markus nur in der unechten Stelle 16, 12, während es bei 
Matthäus und Lukas häufig ist. Also ist das Zeugnis von Joa 19, 37 
für die erste Hälfte von 34 nichts wert «). Die Verse 34. 35 und 37 



1) Weiße 1, 100 s. Evangelienfrage 123. 

*) Der Gegengrund von E. Schwartz (a. 0. 361) erscheint mir nicht stich- 
haltig. Vgl 21, 24. 

*) So überall außer 7, 42, wo nur die Syra die gewöhnhche Formel hat. 

*) In der Apostelgeschichte heißt es einmal (13, 36): h ex^pqi X^yei. 

^) Im Cantabr. auch 9,9. 

*) Ursprünglich mag allerdings der Stich in die Seite auf Zach 12, 10 (Apoc 1, 7) 
zurückgehen. 



90 Räckkehr nach Jerusalem und Tod, Kap. 11—19. 

sind mithin nachgetragen, der letztere vermutlich später als die beiden 
anderen^). Ihre Ausscheidung bringt den großen Gewinn, daß nun 
ungebrochenes Licht darauf fällt, daß der gekreuzigte Jesus das wahre 
Paschalamm ist. 

19, 38 — 42. Nach dem vorhergehenden Absätze haben die Juden 
Pilatus gebeten, die Leichen der drei Gekreuzigten abnehmen zu lassen, 
und er hat ihnen gewillfahrt. Hier nun bittet Joseph von Arimathia 
den Pilatus, persönlich die Leiche Jesu abnehmen zu dürfen, und er 
gestattet es ihm. Zweimal kann aber die Abnahme nicht geschehen. 
Die Leiche Jesu ist in 31 nicht ausgenommen und aijpstv hat dort 
keine andere Bedeutung als in 38. Blaß streicht xal dpbmcnv in 31, 
indessen tut er das nur als Apologet. Denn der Subjektswechsel bei 
dp&waiv im Vergleich zu xaTsaYwcjtv gibt kein Kecht dazu; und wenn 
der Zweck der Juden war, daß die Leichen nicht über den Sabbat 
am Galgen bleiben sollten (Deut 21, 23), so ist die Abnahme derselben 
bei ihrer Bitte die Hauptsache und das Zerbrechen der Beine nur eine 
vorbereitende Maßregel. Man kommt also um die Unvereinbarkeit 
der beiden Berichte nicht herum, sie können nicht ursprünglich bei 
einander gestanden haben. Zu gunsten des zweiten kann geltend ge- 
macht werden, daß er als Glied der Erzählung unentbehrlich ist. Wir 
müssen notwendig vor 20, 1 ss. etwas über die Bestattung Jesu und 
über den Ort seines Grabes erfahren, und der erste Bericht sagt nichts 
darüber. Es besteht jedoch die Möglichkeit, daß der Schluß des ersten 
abgeschnitten ist, um den zweiten anhängen zu können; denn einen 
zwei mal begraben zu lassen bringt auch der weitherzigste Kedaktor 
nicht fertig. Ich glaube, daß diese Möglichkeit probabel ist und daß 
Joseph und Nikodemus na<5hgetragen sind. Natürlich sind auch im 
ersten Bericht nicht die Juden die Bestatter gewesen, zumal sie das 
Abnehmen der Leichen gar nicht selber besorgen. Teile des ersten 
Berichtes können im zweiten verwertet sein, nämlich in 40 — 42 und 
in YjX&ov xal rjpav aüxov am Schluß von 38, wo der Plural ^) aus dem 
jetzigen Context sich nicht erklärt. 

^) E. Schwartz a. 0. 369 fügt hinzu, daß auch noch ^y^veto ydp xauxa zu 
Anfang von 36 eingeschoben ist, weil der Anschluß des folgenden Finalsatzes an 
oj xax^a^av xot taÜt^ (33) verloren gegangen war durch Dazwischentreten von 34. 35. 
Schon Blaß hat die fraglichen Worte als unjohanneisch bezeichnet. 

*) Im Sinaiticus und in der Latina. Der Singular im Vaticanus wird Korrektur 
sein. Die Syra ist hier nicht erhalten, der Cantabrigiensis auch nicht 



20, 1-18 91 

Erseheinungen des Auferstandenen^), Kap. 20, 21. 

20, 1—18. 

Der im Mittelalter als Posse aufgeführte, in der Tat dem Pathos 
der Sache wenig angemessene Wettlauf des Petrus und des Anonymus 
(2 — 10) läßt sich leicht ausheben und ist von späterer Hand in das 
Erlebnis der Maria Magdalena eingeschaltet. Denn in Vers 11 steht 
sie noch auf dem selben Fleck wie in 1 ; sie hat das Grab nicht ver- 
lassen, um Petrus und den anderen Jünger zu holen. Sonst müßte 
gesagt sein, daß sie hinter ihnen her gekommen und dann, als sie 
sich entfernten, am Grabe zurückgebUeben sei — so etwas überläßt 
kein Concipient dem granum salis des Lesers. Sie ist tatsächhch die 
erste, die in das Grab guckt, sie läßt nichts davon merken, daß ihr 
die beiden Jünger zuvorgekommen sind, und sie sieht etwas Anderes 
als jene, nämlich die Engel, die doch auch vorher zu sehen gewesen 
sein müßten, da sie als Hüter des Leichnams noch nach seinem Ver- 
schwinden an Ort und Stelle gebheben sind 2). Endlich wird in 2 b 
f^pav Tov xuptov Ix xou) jjLvyj|X£toü xal oüx ot8a|xsv ttoui s&r^xav auxov 
eine Aussage vorweg genommen, die in 13 b wiederkehrt und erst dort 
am Platze ist; denn in 2 hat die Magdalena ja noch gar nicht in das 
Grab geguckt, das geschieht erst in 11. Blaß nimmt gegründeten Anstoß 
an jener verfrühten Aussage, streicht sie aber mit Unrecht. Sie stammt 
von dem Ergänzer, dem 11 ss. schon vorlag, als er 2 — 10 hinzufügte. 
Die viel besprochene Differenz in den übrigens gleichlautenden Worten 
der Magdalena, daß sie nämlich in 13 passend oloa, dagegen in 2 un- 
passend orSajisv sagt, begreift sich vielleicht daraus, daß der Ergänzer 
an den synoptischen Bericht dachte, nach dem mehrere Frauen zum 
Grabe kamen. In der Syra wird die Differenz ausgeglichen. 

Die Absicht der Einschaltung ergibt sich aus ihrem Inhalt. Der 
Magdalena wird die Priorität beschränkt durch Petrus, und diesem 
wird wie in anderen Fällen durch den Anonymus Concurrenz (hier 
im buchstäbhchen Sinne) gemacht. Auf Lc 24, 12 beruht die Ein- 
schaltung nicht ^); denn dieser Vers ist mit Recht von Lachmann, 



^) In der Gnindschrift ist die Auferstehung der Schluß des dritten Teils. 
Wegen der Anhänge mache ich einen vierten daraus. 

2) Man darf daraus schließen, daß die Auferstehung erst kurz zuvor erfolgt 
sein soll. Vgl. jedoch p. 92 n. 1. 

^) Gegen Reimarus und Strauß 2, 596, - 



92 Erscheinungen des Auferstandenen, Kap. 20, 21. 

trotz seiner guten Bezeugung, für unecht erklärt. Übrigens besteht 
allerdings einige Verwandtschaft zwischen den Auferstehungsberichten 
bei Lukas und bei Joa. 

Einige andere Unebenheiten gehören mehr in das Gebiet der 
Textkritik. Die Syra beseitigt die Umständlichkeit des Ausdrucks 
in 3. 4 und 7. Sie setzt die beiden singularischen Verba am Ende von 
8 in den Plural, um Anschluß an iQÖsiaav in 9 zu gewinnen; umgekehrt 
hat der Sinaiticus auch in 9 den Singular tqSsi — eine innere Ver- 
bindung zwischen den beiden Versen wird freilich weder so noch so 
hergestellt, der Vers 9 stört an seiner Stelle. In 11 liest der Sinaiticus 
iv T(j> jivr^jist'cii statt irpoc t<J) [xyr^jisto^) sEo), das eSco fehlt auch in der 
Syra. Statt des nach saTpa<p7j in 14 bedenkhchen orcpacpsicfa in 16 
schlägt E. Schwartz (ZNW 1906 p. 30) imarffloLcsa vor, nach der Syra 
und einer alten lateinischen Spur ^). Am Schluß von 16 steht in der 
Syra und in Korrekturen des Sinaiticus der Zusatz xal npoasSpajjisv 
oT'j/aaftai aüxoui, wodurch das Verbot in 17 vorbereitet werden soll. 
Das jxoü hinter doeXcpot würde im Sinaiticus und Cantabr. mit Recht 
fehlen, wenn die Deutung auf die [lafh^xat zuträfe. Aber die ixaönjTai 
in 18 fallen auf; die Jünger sind nach der Grundschrift (18, 8) schwer- 
lich in Jerusalem geblieben, und vermutlich soll die Botschaft viel- 
mehr den in Jerusalem wohnhaften (7, 3. 4) leiblichen Brüdern 
Jesu gelten. Der Vers 18 befremdet auch wegen des schroffen Über- 
gangs der oratio recta in obliqua (der von einigen Zeugen beseitigt 
wird) und weil die Magdalena die Botschaft anders bestellt als wie 
sie ihr aufgetragen ist. 

Vorausgesetzt, daß die beiden Engel von Schwartz ^) mit Recht 
ausgeschieden werden, würde der ursprüngliche Bestand des Auf- 
erstehungsberichtes bei Joa etwa folgender gewesen sein. Am ersten 
Wochentage früh kommt die Magdalena noch im Dunkeln zum Grabe 
und findet den Stein abgewälzt. Sie guckt hinein und 
sucht vergebens nach dem Leichnam, unter lautem 
Weinen. Da ruft ihr jemand zu, warum sie weine und wen sie suche. 



^) Inzwischen hat Schwartz (GGN 1907 p. 347 s.) seine Meinung geändert, 
er läßt axpacpeiaa in 16 bestehen, scheidet aber den Satz mit icxpi^ri zu Anfang von 
14 aus, zugleich mit den beiden vorhergehenden Versen, in denen die zwei Engel 
(wie bei Lukas) figurieren. Ich halte das für richtig. ' Engel kommen sonst nur 1, 52 
vor, im Ganzen fehlen sie so gut wie die Dämonen. 



20, 19—23. 93 

Es ist der Auferstandene. Im Dunkeln ^) und in der Aufregung erkennt 
sie ihn nicht, hält ihn für den Gartenhüter und starrt weiter in das 
Grab, bis der Mann sie mit Namen anredet. Erstaunt, daß er ihren 
Namen weiß, dreht sie sich nun um, erkennt Jesus und stürzt mit 
dem Rufe: Rabbuni! auf ihn zu. Er wehrt sie ab und spricht: führ 
mich nicht an, sag zu meinen Brüdern: ich fahre auf zu meinem Vater 
und zu eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott! 

Bei Markus erscheint Jesus den in Jerusalem gebliebenen Frauen 
überhaupt nicht, sie finden nur das Grab leer und ein Engel sagt 
ihnen, er würde den Jüngern, vor allen dem Petrus, in Galiläa erscheinen. 
Bei Joa erscheint er nicht zuerst dem Petrus, sondern der Magdalena, 
und wie bei Lukas hat Jerusalem den Vorzug vor Galiläa. Maria soll 
den Brüdern ankünden, nicht daß der Auferstandene, den sie gesehen 
hat, ihnen ebenso auf Erden erscheinen werde, sondern daß er zum 
Vater auffahre, als ob für sie nur der Erhöhte im Himmel in Betracht 
komme. Das stimmt nun nicht mit 20, 19 — 21, 23; denn da wird Wert 
darauf gelegt, daß der noch auf Erden weilende Auferstandene sich 
den Jüngern zeigte. Und im vollendeten Widerspruch zu 20, 19 ss., 
namentlich zu der Thomasgeschichte, steht das Verbot \i.r^ [xoü «tttoü. 
Die wunderliche Motivierung outto) -^Ap dvaßlpTjxa Tupo? xov Traxspa 
sucht vergebens diesen Widerspruch wegzuräumen. Sie scheint da- 
von auszugehen, daß Jesus den Jüngern erst nach der Himmelfahrt 
erschien und daß also auch seine Berührung durch Thomas erst 
nachher stattfand, während sie vorher unzulässig war und deshalb 
der Magdalena untersagt wurde. Vgl. Weiße 2, 394. 

Wenn das richtig ist, so schheßt die Grundschrift an dem selben 
Punkte wie Markus, Die weiteren Erscheinungen des Auferstandenen, 
teils in Jerusalem, teils in Galiläa, erweisen sich wirklich als Anhänge, 
die jedoch nicht auf gleicher Stufe stehen und nicht alle von der selben 
Hand zugefügt sind^). 

20, 19—23. 

Jesus erscheint noch am selben Tage wie der Magdalena den 
Jüngern in Jerusalem, die bei verschlossenen Türen ihre sonntägliche 
Versammlung halten, und verleiht ihnen zum Abschiede den heiligen 



^) Es darf nicht Tag sein, was es längst gewesen sein müßte, wenn die Magda- 
lena zurückgelaufen wäre und die beiden Jünger geholt hätte. 
*) Vgl. Alexander Schweizer a. 0. p. 211 ss. 



94 Erscheinungen des Auferstandenen, Kap. 20, 21. 

Geist, mit der Vollmacht, Sünden zu erlassen oder zu behalten. Mit 
dem Pfingstwunder oder mit der Erscheinung des Erhöhten vor über 
fünfhundert Jüngern ^) läßt sich das nicht vergleichen, eher mit dem 
mrpf^r^ xot? ocoSsxa. Äußerlich ähnelt unsere Erzählung der von Lc 24, 36ss., 
innerlich aber mehr der von Mt 28, 16 ss. Denn sie enthält ebenfalls 
die Ordination der Jünger, mit dem Unterschiede, daß ihnen das 
Sakrament der Sündenvergebung (Mt 18, 18) übergeben wird, nicht 
das der Taufe, welches letztere freilich auch mit Sündenvergebung 
und Geistverleihung zusammenhängt. 

Der eingehauchte Geist, der aus Jesus kommt und ihm inne 
wohnt, entspricht nicht dem Parakleten in Kap. 14, der vom Vater 
gesandt wird und als Hypostase gedacht ist^). Und die Sünden- 
vergebung hat im vierten Evangelium keine fundamentale Bedeutung; 
der Ausdruck dcpisvai vergeben^) kommt sonst überhaupt nicht 
vor und der Plural «[xapTtat nur noch 8, 24. 9, 34. IIs|X7ro> für oltzo- 
ofTsUcü (21) fällt auf, gewöhnlich heißt es nur 6 irsfAcj^ac im Participium. 
KpaTciv verschließen ist aramäisch, vgl. Lc 24, 16. 

Den Vers 20 halte ich für eingeschoben, weil es unmotiviert ist, 
daß Jesus aus freien Stücken sofort beim Eintreten seine Hände und 
seine Seite vorzeigt, um den von niemand verlangten Ausweis seiner 
Identität zu erbringen; nur in 24 — 29 ist es motiviert durch den 
Zweifel des Thomas und die von ihm gestellte condicio sine qua non. 
Vers 21 schließt an 19 an; am Anfang werden nach der Unterbrechung 
durch 20 die letzten Worte von 19 wiederholt. 

20, 24 — 29. In der nächsten Versammlung der Jünger zu Jeru- 
salem, die über acht Tage d. h. nach der richtigen Erklärung der 
Syxa wiederum am Sonntag statt fand (was für die Beurteilung 
des Alters dieser Geschichten in Betracht kommt), dringt Jesus noch 
einmal durch verschlossene Türen ein und läßt sich von Thomas 



^) Diese wird von Weiße wohl richtig mit dem Pfingstwunder gleichgesetzt 
(2, 416. Evangelienfrage 289). 

2) Das absolute Alter der Vorstellungen kommt hier nicht in Betracht. Absolut 
ist der Paraklet jünger als der Geist. Weiter ist der Geist (d. h. der specifisch christ- 
liche, der bei Markus noch kaum vorkommt) jünger als die Parusie, wie ich zu 
Act 1 (Göttinger Nachr. 1907 p. 2) bemerkt habe. Endüch die Parusie jünger 
als die Auferstehung (Einleitung in die drei ersten Evangelien 1905 p. 96 ss). Die 
Auferstehung ist die Grundlage des ganzen Evangeliums. An der Parusie konnte 
gerüttelt werden, an der Auferstehung nicht. 

') Es bedeutet sonst überall xaTaXs^Tretv. 



20,10—23. 95 

betasten; das tj^r^Xacpav (Lc 24, 39. 1 Joa 1, 1), welches er der Magda- 
lena verboten hat, geschieht hier auf sein ausdrückliches Geheiß. 
Die Erzählung fußt zwar auf der vorhergehenden, scheint aber ihrer- 
seits dort nicht vorausgesetzt zu werden ^). Denn 19 — 23 ist Finale, 
wie Mt 28, 16 ss. Lc 24, 36 ss. Und wenn nach 24 unter den Jüngern 
die Zwölf gemeint sind, so kann Thomas bei ihrer Ordination nicht 
gefehlt haben; sonst hätte er den heiligen Geist nicht mit emp- 
fangen. 

Über den Lanzenstich ist zu 19, 34. 35 gehandelt. Die Nägelmale, 
die als bekannt gelten, sind in Wahrheit ganz absonderlich; sie gehen 
auf Ps 22, 17 (wpojav yj^^pd^ [aoü xal iroSa?) zurück, wie der Lanzen- 
stich auf Zach 12, 10 % aber nirgend sonst in den Evangelien findet 
sich eine Spur davon. In Lc 24, 40 scheinen sie zwar vorzukommen, 
aber der Vers ist unecht. Auch könnte man sich dort mit der Annahme 
begnügen, daß Jesus Hände und Füße aus dem Grunde vorweise, 
weil sie auch undurchbohrt den Alten (nicht bloß den Arabern) als 
sicherste Erkennungszeichen galten. 

20, 30. 31. Wie in 19, 35 werden die Leser des Buchs angeredet. 
Dessen ünvollständigkeit wird statuiert und ähnlich erklärt wie in 
21, 25. Es könnte scheinen, als ob mit den Worten „noch viele andere 
Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern" auf die nächstvorhergehenden 
Erscheinungen des Auferstandenen zurückgeblickt würde. Aber 
deren sind nur zwei oder mit Hinzurechnung einer noch nicht berich- 
teten im Ganzen drei (21, 14). Vielmehr liegt hier eine Unterschrift 
vor, die sich auf das Ganze bezieht und also das EvangeUum be- 
schließen soll. Die Meinung, daß Jesus viele Wunder getan habe, 
findet sich auch sonst an manchen späteren Stellen; nicht aber, daß 
er sie vor seinen Jüngern getan habe^). Das dabei gebrauchte Ivwiriov 
(für £|X7rpoa&sv) ist nicht johanneisch. 



^) Anders E. Schwartz a. 0. p. 348 s. 

^) Dies sind die auffallendsten Spuren davon, daß Züge der evangelischen 
Erzählung aus Alttestamentlichen Weissagungen geschöpft sind. Im Allgemeinen 
hat Strauß Unrecht; meist sind die loci probantes aus dem Alten Testament, die 
beweisen sollen, daß Jesus der geweissagte Messias sei, erst nachträglich bei den 
Haaren herbeigezogen. Bei Markus findet sich von dem Alttestamentlichen 
Urevangehum, wie Credner es recht unpassend genannt hat, noch beinah 
nichts. 

") Abgesehen von der Interpolation in 7, 8. 



96 Erscheinungen des Auferstandenen, Kap. 20, 21. 

21, 1—13. 

Nachdem Jesus zweimal den Jüngern in Jerusalem erschienen 
ist, erscheint er ihnen zuletzt noch einmal in Galiläa. Die Erzählung 
wird in 21, 1. 14 zu den beiden vorigen in Beziehung gesetzt. Aber 
sie ist nicht innerlich damit verbunden, denn sonst müßte gesagt 
sein, wie die Jünger von Jerusalem nach Galiläa kamen ^). Und von 
demjenigen, der die Unterschrift an das Ende von Kap. 20 gesetzt hat, 
kann sie nicht vorgefunden sein. .Sie weist zwar „echt johanneische" 
Züge auf in Nathanael von Kana und in dem Anonymus, den Jesus 
lieb hatte; jedoch die Söhne Zebedäi finden sich nur hier, und wohl 
auch der See von Tiberias (zu 6, 1). Ebenso ist zwar die Sprache 
ähnlich wie sonst; aber neben der johanneischen Vokabel ^i»|»apiov 
kommen mehrere eigentümliche vor, wie dpvt'ov, iraiSia, Trpo[3aTta, 
TTpoGcpayiov, ToXjxav, iJsxaCstv, lor/üsiv (können), iriaCsiv (Fische fangen). 
Das kausale airo (6) findet sich nur hier, statt des partitiven dizr» (10) 
wird sonst ix gebraucht, und auv (3) statt |xsTa ist wenigstens äußerst 
selten. Dazu kommen als inhaltliche Unterschiede die Parusie und 
die Nachfolge Jesu in den Tod durch das Martyrium. 

Die Erzählung in 1 — 13 ist nicht einfach und glatt. 'Avsßrj St'jxtov 
nixpo? (11) heißt nicht „er stieg ins Schiff''; denn nicht ins Schiff, 
sondern aufs Land zieht er die Fische. Vielmehr: er stieg ans Land. 
Er hat sich ins Wasser gestürzt, um Jesus zuerst zu erreichen. Aber 
sehr wider Vermuten sind ihm die Anderen doch zuvorgekommen (9). 
An sie ergeht dann die Autforderung Jesu (10), einige Fische herzu- 
bringen, als sei der Fang schon geborgen; indessen sie tun nichts, 
sondern erst nachdem Petrus angelangt ist, wird das Netz aus dem 
Wasser gezogen und zwar von ihm allein. Es geht also zwei mal ganz 
wider den Strich. Nach der ursprüngUchen Conception sind die 
Jünger überhaupt und nicht bloß Petrus diejenigen, die in Vers 11 
die Fische aufs Trockene bringen. Sie haben eine solche Menge ge- 
fangen, daß sie außer stände sind das Netz ins Schiff zu ziehen (6); 
rfe lassen es neben dem Schiff her schleppen, da die Entfernung vom 
Ufer gering ist und das Hindernis also die Fahrt nicht lange auf- 
hält (8); am Lande, wo sie einen festeren Stand haben als im Schiff, 
ziehen sie es dann herauf (11). Die Worte dvspTj 2t|Xü>v IIsTpo? stehen 



1) Natürlich kann Kap. 21 nicht an die Grundschrift anschließen, wo aller- 
dings die Jünger wahrscheinlich nach Galiläa entlassen sind (18, 8). 



21, 1-13. 97 

an der Spitze von Vers 11 isoliert. Sie gehören zwar mit Vers 7 zu- 
sammen; aber dieser Vers ist ebenso isoliert und stimmt nicht mit 
dem was voraufgeht und folgt, da er voraussetzt, daß Jesus den Jüngern 
im Allgemeinen unbekannt geblieben sei. Das trifft nicht zu, denn 
sie antworten ihm in Vers 5 auf seinen lauten Anruf: Kinder, habt 
ihr nichts zu essen ? und sie folgen in Vers 6 seinem Befehl. Sie haben 
ihn also erkannt und fürchten sich vor der Erscheinung des Auf- 
erstandenen, des Totgeglaubten^). 

Der Hauptanstoß liegt indessen wo anders. Nach 5. 6 will Jesus 
von den Jüngern etwas -zu essen haben und weist ihnen eine Stelle, 
wo sie Fische fangen würden; demgemäß sagt er zu ihnen in 10, 
nachdem der Fang gelungen, sie möchten einige Fische herbringen, 
nämlich zum Essen. Dagegen nach 9 hat er selbst schon vorher einen 
Bratfisch bereit und Brod dazu, und nach 13 essen die Jünger von 
diesem durch Jesus ihnen zuvor bereiteten Mahl, nicht von den vielen 
Fischen, die sie selbst gefangen haben. Deutlich sind hier zwei synopti- 
sche Geschichten, die nur durch die Scene am See und durch das 
Fischen verbunden sind und sonst nichts mit einander zu tun haben, 
vermengt und hinter die Auferstehung verlegt. Die eine ist die vom 
wunderbaren Fischzug, eine Variante von Lc5. Die andere ist die 
von der wunderbaren Speisung am See und der Überfahrt über den 
See, eine Variante von Mc 6. Sie ist die wichtigere. Wenn man den 
Fischzug ausschaltet und dafür eine Prämisse aus Mc6 ergänzt, so 
kann man sich ihr ursprüngUches Aussehen etwa folgender maßen 
vorstellen. Die Jünger fahren vom jenseitigen Ufer nachts heim 
über den See, ohne Jesus. Als sie aber bei Morgengrauen nahe dem 
Ziel sind, steht er dort schon iid xr^c y^jc und hat ein Mahl für sie bereit. 
Die Speisung geschieht hier nicht am Abend, sondern am frühen 
Morgen; nicht vor der nächtlichen Überfahrt, sondern nachher; nicht 
am jenseitigen Ufer des Sees, sondern am diesseitigen. Und sie gilt 
nicht der Volksmenge, sondern den Jüngern, hat also trotz der ab- 



^) Die Syra bietet in 7. 8: „et warf sich in den See und schwamm und kam 
an, denn man war nicht weit vom Land; die anderen Jünger kamen im Boot und 
schleppten das Netz.'* Diese Verbesserung beruht auf Mis Verständnis des von mir 
dargelegten Pragmatismus. — Bemerkenswert ist der Zug, daß Petrus seinen Rock 
beim Sprung ins Wasser nicht ablegt, sondern anzieht, um nicht nackt vor Jesus 
zu erscheinen. Dabei scheint vergessen zu sein, daß es Nacht ist, da die Fischer 
doch nur bei Tageshitze ihrer Kleidung sich entledigen. 

Wellhauaen, Evang. Johannig. 7 



98 Erscheinungen des Auferstandenen, Kap. 20. 21. 

weichenden Tageszeit eine größere Ähnlichkeit mit der Eucharistie ^). 
Die Wanderung Jesu über den See, an den Jüngern vorbei, fehlt 
samt der Aufnahme ins Schiff; sie finden ihn einfach an Ort und 
Stelle, ohne zu wissen, wie er hingelangt ist; das Gespenst, wofür 
sie ihn bei Markus halten, ist in den Auferstandenen verwandelt, 
der ja ein Revenant im wahrsten Sinn des Wortes war. Dadurch 
assimiliert sich dies Mahl am galiläischen See dem Mahl zu Emmaus, 
das gleichfalls in Gemeinschaft mit dem Auferstandenen statt fand. 
Dagegen der Gedanke yon Lc 24, 41 liegt fern, daß der Auferstandene 
vor allem selber ißt, um seine Leiblichkeit zu beweisen. 

Hinsichtlich des einen Zuges, daß er sich ins Wasser stürzt, um 
zu Jesus zu gelangen, gehört zwar auch Petrus in die Geschichte der 
mit der Speisung verbundenen nächtlichen Überfahrt, nach Mt 14, 28 ss. 
Aber hauptsächlich gehört er doch in die damit contaminierte andere 
Geschichte, die der von Lc 5, Iss. entspricht: er wird vor den übrigen 
Jüngern ausgezeichnet, er soll insonderheit die Ehre des Fischzuges 
oder wenigstens des Bergens der Fische haben. Außerdem ist er auch 
hier wieder in Beziehung zu dem Anonymus gebracht. Er steht auf 
mehr als einer Basis, und nirgends fest. 

21, 14—24. 

Dies Stück berührt sich nur mit einem Ingrediens des vorigen, 
nämlich mit dem Fischzuge des Petrus und mit seiner Beziehung zu 
dem Anonymus. Jedoch wirbt Petrus hier nicht mehr, sondern er 
hütet das Erworbene. Zu 10, 1 ss. besteht kein Verhältnis, wohl aber 
zu 13, 36. 

In 15 — 17 wird Petrus, der den zum Tode Verurteilten verleugnet 
hat, von dem Auferstandenen rehabilitiert, den er zuerst erkannt 
hat. Die dreimalige Wiederholung der rehabilitierenden Worte ent- 
spricht der dreimaligen Verleugnung; der etwas auffallende Wechsel 
eines Ausdrucks dabei scheint keine sachliche Bedeutung zu haben. 

Der Vers 18 schlägt ein anderes Thema an ^). Nach der Erklärung 

^) Der Cantabrigiensis und die S3n:a setzen in Vers 13 eO/apiaTVjöac zu, aber 
an verschiedenen Stellen. 

*) Der Wortlaut schwankt in der Überlieferung. Der Vaticanus, die Latina 
und die Syra lesen: dxTevei? xac ^etpa« aou xctl aXXos Ct*><Jet ^e "^olX oiaei (Sjnra 
Äaei) oTTou Ol) d^Xeic Dagegen der Sinaiticus und der Cantabrigiensis: ixTevei« 
T71V X^'P^ ^^^ **^ aXXoi Ctt><Joua{v ae xal Tioi-i^aoua^v (Cant. dTrayouafv) at 5aa 
(Cant 5t:ou) o6 diXfii«. 



21, 14—24. 



99 



in 19 a soD damit dem Petrus sein Martyrium angesagt werden. Das 
aXXoc Cworet ae geht auf die Bindung des Deliquenten und das Ixxe- 
vsi? t4? YßXpd^ ofoü^) darauf, daß dieser die Hände zu dem Zweck her- 
geben muß. Man hat das sxTeveic auf die Kreuzigung mit ausgereckten 
Armen bezogen; dann müßte es aber hinter der Bindung stehn und 
nicht vorher. Um diesem Einwände zu entgehen, hat man neuerdings 
zu der Erklärung gegriffen, daß die Hände des Verurteilten, 
der sein Kreuz selber tragen mußte, ausgestreckt an das Ende des 
Querbalkens gefesselt worden seien ; bei Jesus und Simon von Cyxene 
ist davon freilich nichts zu merken. Mir scheint diese antiquarische 
Gelehrsamkeit überflüssig. Man macht sich die Schwierigkeit selber, 
indem man aus Vers 18 durchaus eine Beschreibung der Kreuzigung 
herausbringen will. Es ist da nur im Allgemeinen von Hinrichtung 
die Rede, nicht von einer besondern Art derselben. — Zu vermerken 
bleibt noch der auffallende Wechsel des zeitlichen Standpunktes in 
den Antithesen. „Als du jung wärest, gürtetest du dich selber*' läßt 
Petrus bereits gegenwärtig als gealtert erscheinen. „Wenn du aber 
alt geworden sein wirst, wird ein Anderer dich gürten" setzt dagegen 
voraus, daß er gegenwärtig noch jung ist. In dem ersten Satz scheint 
der Verfasser aus der von ihm angenommenen Situation (bald nach 
der Auferstehung Jesu) herausgefallen zu sein; er hätte schreiben 
müssen: so lange du noch jung bist, gürtest du dich selber. 

Mit der zweiten Hälfte von Vers 19 beginnt ein neuer Absatz. 
Das Thema ist jedoch auch hier das Martyrium Petri. Denn dxoXoüftsiv 
hat hier (sonst nur noch in 12, 26) den gesteigerten Sinn der Nach- 
folge in den Tod, wie bei Markus. Darum kann das dxoXou&oSvra 
in Vers 20 nicht richtig sein ^). Durch das dxoXoü&srv unter- 
scheidet sich Petrus ja eben von dem Anonymus. Er nimmt 
Anstoß nicht daran, daß jener auch nachfolgt, sondern gerade daran, 
daß er nicht nachfolgt. Ihm gilt das Erleben der Parusie für wünschens- 
werter als der Märtyrertod vorher. Das erhellt zweifellos aus Vers 22. 
Zweifeln kann man nur über den Sinn von [isvet (Cant. jAsvei o3t(o?). 
Am nächsten liegt es, dem Wort die Bedeutung von oux dTroövi^cjxst 
zu geben. Denn diese ist nach dem Verfasser von Vers 23 die zu seiner 



^) Nach dem Vorbilde von Ixxefveiv tov Tpa^rTjXov (Epict. I 1, 19). 
•) Es fehlt im Sinaiticus, freilich zugleich mit dem folgenden 5c, welches un- 
entbehrlich zu sein scheint, da es kaum aus 5v entnommen werden kann. 



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100 Ergebnisse der Analyse. 

Zeit gewöhnlich angenommene. Er scheint sie auch seinerseits nicht 
zu bestreiten, sondern nur gegen das kategorische Misverständnis 
der condicional gefaßten Weissagung zu protestieren. Natürlich hat 
er dieselbe nicht erfunden; jedoch die Möglichkeit, daß er sie (d. h. 
den Vers 22) zu Papier und in die Fassung gebracht hätte, auf die 
es ihm ankam, wäre nicht einmal dann ausgeschlossen, wenn er sie 
misverstanden hätte. 

Unter dem Anonymus wird hier anders als in 19, 25. 26 Johannes 
Zebedäi verstanden und die ephesische Tradition über ihn voraus- 
gesetzt. Wie kann aber auf grund einer falschen Tradition ein vati- 
cinium ex eventu entstehen, dessen Nichterfüllung Sorge macht? 
Es scheint an Mitteln zu fehlen, um dies Rätsel befriedigend zu lösen. 
Daran ist jetzt nicht mehr zu rütteln, daß Johannes Zebedäi lange 
vor Petrus seinem Meister in den Tod gefolgt und zusammen mit 
seinem Bruder Jakobus in Jerusalem hingerichtet ist. 

Vers 24 gesellt sich zu 19, 35, unterscheidet sich jedoch darin, 
daß der Anonymus hier nicht bloß als der Zeuge, sondern auch als 
der Schriftsteller (xal ^pd^aq xaüxa) gilt. Mit Vers 25 folgt auf 
20, 30. 31 noch eine zweite Unterschrift. Sie wird aber von Tischen- 
dorf und Blaß gestrichen, da sie im Sinaiticus fehlt. 



Ergebnisse der Analyse. Text und Sprache. 

Die Form der Bearbeitung. 

Was nicht zur Grundschrift (A) gehört, darf apotiori die Be- 
arbeitung (B) genannt werden. Es kommen in B zwar einige originale 
Stücke vor, die zu A in keiner Beziehung stehen, wie das Gespräch 
mit Nikodemus und die Gleichnisse vom Hirten und vom Weinstock; 
allein das Meiste lehnt sich an A an. In der Bearbeitung selber zeigen 
sich innere Unterschiede, sie ist nach und nach entstanden und das 
Werk mehrerer Hände: B^ B^ u. s. w. Mit einem einzigen ergänzenden 
und verbessernden Epigonen kommt man nicht aus, wenngleich 
natürlich Einer den ersten Schritt getan hat und vielleicht die Haupt- 
sache. Auch nicht mit Einem Interpolator neben dem Bearbeiter; 
den Namen Interpolation spart man besser auf für kleinere Zusätze 
(wie z. B. ooy^ oti Ix toü Mwoa^to? ia-zw akV ix xtov Traxipcüv 7, 22), 
welche zum teil noch im Sinaiticus oder im Cantabrigiensis fehlen. 



« 



• • 



Die Form der Bearbeitung. 101 

Nicht selten kann man in B ein stufenweises Wachstum ver- 
folgen. Der ersten Erscheinung des Auferstandenen (20, 1 — 18) wird 
eine andere (19 — 23) hinzugefügt und eine letzte (24 — 29) und nach 
Toresschluß (30.31) noch eine allerletzte (21, Iss.); das Folgende 
fußt inuner auf dem Vorhergehenden, ohne wirkhch dazu zu gehören. 
Ebenso wird in 6, 52 — 69. 60 — 65. 66 — 71 ein Nachtrag an den andern 
gehängt. Einfachere FäJle der Art liegen vor in 3, 9ss. 3, 31 ss. 10, 11 ss. 
Neben diesen wuchernden Continuationen kommen störende Ein- 
schaltungen vor, wie der Wettlauf der beiden Jünger zum Grabe in 
Kap. 20 und die beiden Schwestern in Kap. 11. Namenthch aber 
gleichstufige Varianten, gleichsam verschiedene Entwürfe über das 
selbe Thema, z. B, 6, 36—40 = 41—46; 7, 25—30 = 40—44; 
1, 22—24 = 2&— 28; 1, 29—31 = 32—34. In dem ungegliederten 
Haufen von Reden und Geschichten, die den mittleren Teil des Evan- 
geliums (Kap. 7 — 12) ausfüllen, wird ein Leitmotiv beständig wieder- 
holt. Die Juden suchen Jesus zu greifen, wollen ihn steinigen, be- 
schließen ihn zu töten. Die Attentate sind zum teil tumultuarisch, 
zum teil gehen sie auch von der Behörde aus. Die Archonten trachten 
ihm nach dem Leben (7, 25), die Pharisäer erklären seine Anhänger 
für excommuniciert (9, 22. 12, 42), die Erzpriester und Pharisäer 
schicken Schergen, ihn zu verhaften (7, 32), und verurteilen ihn un- 
gehört zum Tode (7, 46 ss. 11, 47 ss. 12, 10). Es bleibt aber beim bösen 
Willen; die Versuche haben keine Wirkung, namentlich nicht die 
stets wiederholten, ihn zu greifen (7,30.43 s. 8,20. 10,39). Jesus 
läßt sich dadurch nicht stören und kaum unterbrechen. So in Kap. 7 
und am großartigsten in 10, 31 ss. : während die Gegner mit Steinen 
in der Hand vor ihm stehen, beweist er ihnen ganz theoretisch aus der 
Schrift, daß sie im Unrecht seien. Nach dem ersten Steinigungs- 
versuch (8, 59) verbirgt er sich zwar, ist aber gleich darauf (9, 1) 
wieder auf dem Plan, als sei nichts geschehen; die Pharisäer fahnden 
auf ihn, und wie sie am Schluß mit ihm zusammentreffen, lassen sie 
sich gelassen Beleidigungen von ihm gefallen. Hinterher (12, 36) 
verbirgt er sich ein zweites mal, um jedoch gleich darauf (12, 44) 
öffentlich vor dem großen Publikum mit erhobener Stimme zu predigen. 

Natürlich ist der eigene Bestand von A bei der Vermehrung 
nicht unangetastet geblieben. Wohl die meisten dazu gehörigen Stücke 
sind überarbeitet; von einigen haben sich nur Fragmente erhalten 
(7, 3. 4). Andere werden ganz ausgelassen oder durch spätere Varianten 






102 Ergebnisse der Analyse. 

ersetzt sein. Dies läßt sich freilich schlecht kontrolieren. Erkennbar 
dagegen und zum teil schon längst erkannt sind gewisse redaktionelle 
Zwischenglieder. Dahin gehören Übergänge (2, 23 — 25. 4, 1—3. 
6, 22 — 24 u. a.) und summarische Angaben, die sich dadurch charakte- 
risieren, daß Jesus fortwährend viele Zeichen getan haben soll. Ferner 
z. B. die Zählung der beiden ersten galiläischen Wunder (2, 11. 4, 54), 
die Schlußbetrachtung über das öffentliche Reden Jesu zu den Juden 
(12, 37—42) und das Explicit des ganzen Buchs (20, 30. 31), womit 
der Vers 19, 35 verwandt ist. Endlich gewisse isolierte Einsätze, die 
sich wie Fremdkörper in dem Zusammenhange ausnehmen und ihn 
zerreißen, wie 6, 4. 10, 6. 10, 32. 33. Sofern sie Datierungen nach 
Festen enthalten, stehen sie in Verbindung mit dem Haupteingriff 
der Redaktion, nämlich der Einschiebung der jerusalemischen Fest- 
reisen (besonders in die galiläische Periode, doch nicht bloß in diese) 
und die dadurch bedingte Umstellung gewisser zu A gehöriger Stücke, 
die eine heillose Verwirrung des Pragmatismus zur Folge gehabt hat. 
Interpretamente wie in 1, 38. 42 s. dagegen, die man für später ein- 
geschaltet angesehen hat, sind unschuldig und wenig störend. 

Die Erzählungen. 

Die in der Analyse dargelegten Beobachtungen haben ergeben, 
daß in der Tat die Erzählungen und die Reden sich scheiden, wenn- 
gleich nur apotiori. Es hat sich ferner herausgestellt, daß Renan, 
dem sich neuerdings Andere angeschlossen haben ^), im Allgemeinen 
mehr Recht hat als Ch. H. Weiße, wenn er die Erzählungen zu A 
weist und die Reden zu B. In A finden sich wenigstens keine langen 
Reden, die den historischen Faden verdecken, und keine Überwuche- 
rungen der Erzählung durch Dialoge. 

1. In A bUckt der Plan des Markus noch durch, und einige Er- 
zählungsstücke zeigen nahe Verwandtschaft mit Markus. Aber weit 
auffallender ist doch, wie wenig der Verfasser an die alte Vorlage sich 
gebunden fühlt, wie frei er mit ihr schaltet. A bezeichnet nicht einen 
weiteren Schritt in der Fortentwicklung der Überiieferung, sondern 
ist die originale Schöpfung einer ausgesprochenen Persönlichkeit, 
eines wirklichen Autors, der freilich anonym bleibt. 



^) So W. Soltau in den Studien und Kritiken 1908 p. 177 ss. und die von 
ihm in der Note 2 zu p. 178 citierten Autoren. 






Die Erzählnngen. 103 

Wie weit der Prolog zu A gehört, läßt sich nicht ausmachen; 
die Kindheitslegenden fehlen wie bei Markus. Am Anfang des Evan- 
geliums steht ebenfalls wie bei Markus Johannes der Täufer. Aber 
er ist nur der Zeuge über Jesus, läßt von persönlicher Beziehung zu 
ihm nichts merken, und tauft ihn nicht. Jesus wird nicht erst durch 
die Taufe mit dem Geist gesalbt i^nd auch nicht durch den Geist in 
die Wüste geführt, um vom Teufel versucht zu werden. Ob die Jünger- 
berufung (1,35 SS.) zu A gehört, ist mehr als fraglich. Es scheint, 
daß die Jünger in A nicht als ein geschlossener Kreis vorgestellt werden, 
der in beständiger Lebensgemeinschaft mit dem Meister steht und 
gewissermaßen seine Familie bildet. Er lebt vielmehr in Gemeinschaft 
mit seiner leibhaftigen Familie, mit seiner Mutter und mit seinen 
Brüdern, die an ihn glauben und ihm große Dinge zutrauen (2, 5. 
7, 3. 4). Mit ihnen zusammen siedelt er von seiner Heimat, als welche 
nicht Nazareth, sondern das benachbarte Kana genannt wird, nach 
Kapemaum über, und mit ihnen zusammen verlegt er hernach seinen 
Sitz von da nach Jerusalem — während er nach Markus selbein nach 
Kapemaum geht, sich von Mutter und Brüdern, als diese ihn ein- 
heimsen wollen, los sagt und seine Jünger als seine wahre Familie 
bezeichnet^). Der Hauptinhalt der galiläischen Periode bei Markus 
fehlt in A gänzlich. Jesus heilt nicht fortwährend, in Kapemaum 
und auf Wanderungen von da aus, die Kranken und die Besessenen, 
sondem er tut nur zählbare Wunder höchst außerordentlicher Art. 
Man pflegt die Berichte darüber nicht als sinnlich, sondern als sinn- 
bildlich zu verstehen, und wenn man sie nicht geradezu für Allegorien 
ausgibt, so hält man sie doch nur für durchsichtige Einkleidungen 
einer Idee. Als ob sich krasser Wunderglaube nicht ganz gut mit 
geistiger Religiosität und selbst mit Mystik vertrüge! Diese Mirakel 
sind in Wahrheit so durchsichtig wie ein Brett; kein Merkmal und 
keine Andeutung weist darauf hin, daß sie Transparente ^) seien. Sie 



^) Auch bei Markus sind allerdings die Jünger fluktuirend, aber sie haften 
doch mehr an ihm, und ein paar sind intim mit ihm. Die Zwölf, die auch in B und 
bei Markus nur selten und an späten Stellen erscheinen, kommen in A überhaupt 
nicht vor; an ihre Stelle treten die Brüder Jesu. Diesen gilt auch die Osterbotschaft 
(20, 17); die Jünger weilen freilich damals nach A überhaupt nicht in Jerusalem. 

*) Diesen Ausdruck gebrauchen Kuno Fischer in einem 1864 erschienenen 
lesenswerten Aufsatz über Strauß, der von Hugo Falkenheim 1908 neu gedruckt ist, 
und W. Heitmüller. 



104 Ergebnisse der Analyse. 

sollen weiter nichts sein als massive Wunder, bestimmt nicht für die 
Jünger, sondern für die einfältigen Galiläer, denen Jesus auf diese 
Weise sich offenbart, ihrem Verständnis angemessen. Nebenbei hat 
das Wunder von Kana ursprüngUch wohl auch eine pragmatische Be- 
deutung gehabt; der Eindruck war nicht der erwünschte, und das gab 
den Anlaß, daß Jesus seine Heimat verUeß. — Mit dem kontinuir- 
Uchen Heilen und Exorcisieren ist bei Markus zugleich ein Lehren 
Jesu bei jeder passenden Gelegenheit verbunden. Auch das fehlt in 
A, Jesus tut in Galiläa nur Wunder, hält aber keine Reden. 

Die galiläische Periode endet wie bei Markus mit der Speisung 
der Fünftausend und der Fahrt über den See. Es folgt dann aber 
nicht zunächst eine unstete Wanderung, die erst zum Schluß die 
Richtung auf Jerusalem nimmt, sondern sofort eine förmliche Über- 
siedlung nach Jerusalem; auf die Aufforderung der Brüder, die selber 
dorthin voraus gehen, vermutlich zusammen mit der Mutter. Der Weg 
geht nicht durch Peräa, sondern durch Samarien wie bei Lukas, ohne 
daß jedoch eine Berührung mit diesem statt fände — die Geschichte 
von dem samarischen Weibe und der Gründung der samarischen Ge- 
meinde ist völlig originell^). Bei Markus tut Jesus in Jerusalem über- 
haupt keine Wunder, in A tut er zwei. Das eine gleich nach seiner 
Ankunft. Es führt, wie es scheint, alsbald zu einem Conflict mit den 
Juden und zur Flucht Jesu aus Judäa in eine entlegene Gegend. Mit der 
Flucht endet der als nur kurz zu denkende erste Aufenthalt in Jerusalem, 
der mittlere Teil von A. Der letzte, die Passion enthaltend, beginnt mit 
der Auferweckung des Lazarus, die wieder höchst eigentümlich ist, 
namentlich auch in ihrer pragmatischen Verwertung. Sie motiviert 
die Rückkehr nach Jerusalem. Jesus verläßt sein Asyl und begibt 
sich in den Tod, um das Leben des kranken Freundes zu retten; er 
geht nicht wegen des Pascha nach Jerusalem, obwohl die Zeit dieses 
Festes bevorsteht. Die Scene der Auferweckung des Lazarus ist 
Bethanien, wo Jesus Freunde hat und wo er bleibt. Dort feiert er 
auch, nicht am Paschaabend, sondern einen Tag früher, das letzte 
Mahl mit seinen Jüngern, bei dem er ihnen die Füße wäscht; von dort 



1) Es findet sich daxin (4,35) eine Zeitbestimmung: vier Monate vor der 
Ernte, d. i. etwa im Februar. Sie stimmt nicht mit dem Laubhüttenfeste in B 
(7, 2), wohl aber zu A. Jesus hält sich nach A von Februar bis Ostern in Jerusalem 
und Bethanien auf, mit einer Unterbrechimg. 



Die Erzählungen. 105 

geht er mit ihnen in den Garten, in dem er überfallen wird. In der 
Stadt selbst und öffentlich tritt er nach A bei dem zweiten Aufenthalt 
in Jerusalem nicht mehr auf; nur als Gefangener wird er dahin gebracht, 
wie es scheint nicht erst zum Hohenpriester, sondern gleich zu Pilatus 
— denn nur von diesem kann die römische Gehörte unter einem römi- 
schen Hauptmann beordert sein, welche die Verhaftung vornimmt. 
Nicht nur das Verhör vor dem Synedrium fehlt, sondern auch der 
Verrat des Judas und die Verleugnung des Petrus. Judas und Petrus 
und andere benannte Jünger scheinen überhaupt in A nicht vorzu- 
kommen, auch die Eltern und die Brüder Jesu nicht mit Namen; 
ebenso wenig der Anonymus, den er lieb hatte. Auf das Todesurteil 
folgt sofort die Kreuzigung am Tage vor dem Pascha, dann der Tod 
und dessen Constatierung, das Begräbnis und die Auferstehung. Alle 
Episoden des Markus, auch Barabbas, die Verspottung durch die 
Kriegsknechte, die Geißelung, sind ausgelassen; nur nicht die Tränkung 
mit dem Essigschwamm, weil dabei ein Ezob verwendet wird, welcher 
für die Kennzeichnung Jesu als des wahren Paschalammes von Be- 
deutung ist. Mit den Episoden aber wird das Pathetische, das Pas- 
sionsmäßige, abgestreift. Der Tod Jesu erscheint nicht eigenthch als 
Leiden. Jesus sucht ihm nicht zu entgehen, sondern stellt sich frei- 
willig den Häschern, unter der Bedingung freien Abzugs für seine 
Jünger; er wird nicht vergewaltigt, das ganze große Aufgebot sinkt 
vor ihm in den Staub. Die Scene in Gethsemane, mit der Bitte, der 
bittere Kelch möge an ihm vorübergehen, fehlt; nicht minder der Ruf: 
mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen! 

2. B weicht in einem Hauptpunkt stärker von Markus ab als A, 
nämlich in der Einsetzung der Festreisen. Dadurch wird der alten 
unchronologischen Überlieferung eine schematische Chronologie auf- 
gezwungen i), ähnlich wie es bei einem großen Teil der historischen 
Bücher des Alten Testaments geschehen ist, und die Dauer des öffent- 
hchen Wirkens Jesu auf drei bis vier Jahre verlängert. Indem femer 
die Festreisen den Hauptinhalt schon der galiläischen Periode bilden, 
wird Galiläa (und Kapernaum) hinter Judäa (und Jerusalem) zurück- 
gedrängt, stellenweise so sehr, daß es gar nicht mehr als Heimat Jesu 
gilt, sondern nur als seine zeitweilige Zufluchtsstätte. Das darf in- 
dessen darüber nicht täuschen, daß B im Allgemeinen das Bestreben 



^) Wie äußerlich dabei verfahren wird, lehren SteUen wie 6, 4. 10, 22. 



106 fii^bnisse der Analyse. 

hat, den Erzählungsstoff der synoptischen Tradition näher zu bringen 
und ihn daraus zu vervollständigen. Die Taufe Jesu wird nachgetragen, 
wenngleich nur seitlings in einer Rede des Täufers; ebenso die Be- 
rufung der ersten Jünger. In eigentümlicher Weise wird die Aus- 
scheidung der Zwölf aus der Menge der Jünger berichtet, und in Ver- 
bindung damit das Petrusbekenntnis, welches freilich modificiert 
werden muß, um in die Anschauung zu passen, daß Jesus sein wahres 
Wesen niemals verholen hat. Mit Petrus wird zugleich Judas Ischa- 
rioth eingeführt, später erscheint er in Verbindung mit dem Anonymus. 
Daneben kommen Andreas Philippus und Thomas vor, besonders in 
Dialogisierungen. Dagegen die leiblichen Brüder Jesu, die für A 
charakteristisch sind, werden nach Kräften unkenntlich gemacht und 
für ungläubig ausgegeben. Die meisten Ergänzungen stammen aus der 
sjmoptischen Passionsgeschichte. Die Tempelreinigung und -lästerung 
wird gleich zu Anfang eingesetzt, der Einzug zu Palmarum davon 
getrennt an viel späterer Stelle. Er folgt erst auf das Mahl von Betha- 
nien, welches sich an die Auferweckung des Lazarus anschließt, ver- 
mutlich na<;h dem verdrängten Vorbilde von A. Weiter ist das Pascha* 
abendmahl (13, 21 ss.) nachgetragen, natürlich auch der Verrat des 
Judas und die Verleugnung des Petrus. Femer das Verhör vor dem 
Hohenpriester, Barabbas, die Geißelung, Verspottung und Mishandlung 
durch die Kriegsknechte, die Ausrichtung des Begräbnisses durch 
Joseph von Arimathia. Während in A wohl hie und da sachliche 
Convergenzen mit Lukas vorkommen, direkte Berührungen aber. nur 
mit Markus ^), läßt sich für B Entlehnung aus Lukas nachweisen in 
Martha und Maria, und in dem Mahl von Bethanien, Abhängigkeit 
von ihm in dem Spruch 1, 51 (Act 7, 56), in dem Namen des Hohen- 
priesters Annas, in dem Backenstreich beim Verhör (Act 23, 2), in 
den Berichten über die Erscheinungen des Auferstandenen vor den 
Jüngern in Jerusalem. Aus Matthäus, mit dem A nichts gemein hat, 
finden sich in B manche mehr oder minder wörtliche Citate ^). Auf 
Matthäus wird auch die Formel iva 7rXr^pa>&fj zurückgehen; die Schrift- 
beweise gehören sämtlich zu B, desgleichen die merkwürdig literari- 
schen Rückweise Jesu auf Worte, die er früher einmal gesagt hat. 



^) z.B. d^^xev av)T6v 6 irupeTo; 4,62; /opT(J; 6,10; iyilpza%z aycüfjLev 14,31. 
«) 3, 3=-- Mt 18, 3; 6, 3= Mt 16, 29; 12, 8= Mt 26, 11; 12, 26= Mt 10, 39; 
13, 16 und 16, 20= Mt 10, 24; 13, 20= Mt 10, 40. 



Die Reden. 107 

und auch die Angaben darüber, daß den Jüngern erst später ein Licht 
über dies und jenes aufgegangen sei. 

3. Natürlich bleibt A bei alle dem die Grundlage von B. Doch 
muß noch auf einen Unterschied hingewiesen werden. Die Flucht 
aus Jerusalem wird in B um ihre pragmatische Bedeutung gebracht 
und die Lazarusgeschichte auch; beides ist nur Episode. Das hat 
die Disposition des Stoffes beeinflußt. In A sind drei Teile, die gali- 
läische Periode, der erste Aufenthalt in Jerusalem bis zur Flucht, und 
die durch die Lazarusgeschichte motivierte Rückkehr nach Jerusalem 
in den Tod. In B wird nicht nur der Einschnitt zwischen der gali- 
läischen Periode und dem ersten Aufenthalt in Jerusalem verwischt, 
sondern auch der Einschnitt zwischen dem ersten Aufenthalt in Jeru- 
salem und dem zweiten. Während in A mit Rücksicht auf die 
Erzählung tripartiert wird, wird in B mit Rücksicht auf die 
Reden bipartiert. Die beiden Hälften sind die öffentlichen Reden 
Jesu an die Juden, und die esoterischen an die Jünger vor der Passion; 
sie werden auf das schärfste geschieden durch die Schlußbetrachtung 
in der Mitte (12, 37 — 42). Das bedeutet, daß das Historische in B 
Nebensache ist, das Didaktische Hauptsache. Es bestätigt sich also 
das Ergebnis, daß die langen Reden und Dialoge charakteristisch für 
B sind. 

Die Reden. 

1. B muß in A Ansatzpunkte auch für die Reden gefunden haben. 
Ohnehin wäre die Annahme unnatürlich, daß A sich überall auf nackte 
Erzählungen beschränkt und nicht ebenso wie Markus auch solche 
enthalten habe, an die sich Ansprachen schlössen. Einige und vielleicht 
die meisten davon lassen sich noch erkennen und ausscheiden; voran- 
gehen diejenigen an die Juden, die an die Jünger kommen zuletzt — 
genau wie bei Markus wird beides streng aus einander gehalten. Was 
für A in Anspruch genommen werden darf, möge hier in Übersetzung 
zusammengestellt werden. 

4, 5 SS. Jesus kam nach einer samarischen Stadt namens Sychar, 
an eine Stelle bei dem Grundstück, das Jakob seinem Sohne Joseph 
gegeben hatte: da war der Brunnen Jakobs. •Ermüdet von 
der Wanderung setzte er sich also am Brunnen nieder, um die Mittags- 
stunde. ^ Da kam eine samarische Frau, Wasser zu schöpfen; er bat, 
sie möchte ihm zu trinken geben. Als sie sich nun dazu an- 



108 Ergebnisse der Analyse. 

schickte, ^^ sprach er: wüßtest du Bescheid um das, was Gott 
gibt, und um den, der zu dir spricht, so bätest du ihn und er gäbe dir 
lebendes Wasser! ^^ Sie sagte: Herr, woher hast du lebendes Wasser? 
^2 Bist du mehr als unser Vater Jakob, der uns den Brunnen ^) gegeben 
und selber daraus getrunken hat^), wie auch seine Söhne und das 
Vieh ? ^^ Jesus antwortete: Wer von diesem Wasser trinkt, den dürstet 
wieder, ^*wer aber von dem Wasser trinkt, das ich gebe, den dürstet 
ninunermehr, sondern das Wasser, das ich gebe, wird ihm ein Quell 
springenden Wassers. ^^ Sie sprach: Herr, gib mir dies Wasser, daß ich 
nicht mehr dürste und nicht immer wieder hieher schöpfen gehen muß! 

2® Sie ließ nun ihren Krug stehen und Hef in die Stadt und sagte 

zu den Leuten, ^ Sie kamen heraus zu ihm und brachten 

ihm Speise. ^^Er aber sagte zu ihnen: Ich habe eine Speise zu 
essen, von der ihr nicht wißt; ^ meine Speise ist, daß ich den Willen 
dessen der mich gesandt hat tue, und sein Werk^) vollende. ^ Nicht 
wahr, ihr sagt: es dauert noch vier Monat bis zur Ernte? Siehe ich 
sage euch: hebt eure Augen auf und seht, daß die Felder bereits weiß 
zur Ernte sind. ^ Schon empfängt der Schnitter seinen Lohn und 
bringt die Frucht ein, so daß die Freude des Säens und Erntens für 
ihn zusammenfällt. ^® Da glaubten Viele von ihnen, ^und sie baten 
ihn, bei ihnen Quartier zu nehmen, und er blieb da zwei Tage. 

5, 30 SS. (Zu den Juden.) Ich kann nichts von mir selber tun; 
wie ich höre, urteile ich, und mein Urteil ist richtig, denn ich tue 
nicht, was mir gefällt % sondern was dem gefällt, der mich gesandt 
hat. ^^ Wenn ich über mich selber zeuge, so ist mein Zeugnis nicht 
wahr. ^2 Ein Anderer ist es, der über mich zeugt, und ihr wißt, daß 
das Zeugnis wahr ist, welches er über mich abgelegt hat. ^ Ihr selbst 
habt zu Johannes geschickt und er hat für die Wahrheit Zeugnis 
abgelegt; ^ er war der brennende und scheinende Leuchter ^), ihr aber 
wolltet euch nur einen AugenbUck an seinem Lichte erfreuen. ^^ Und 
auch der Vater selbst, der mich gesandt hat, zeugt über mich. Ihr 
habt weder jemals seine Stimme gehört noch seinen Anblick gesehen, 



^) mit totem (nicht fließendem) Wasser. 
«) er war ihm gut genug. 
3) meine Mission an die Menschen. 
*) t6 »^Xr^(xa= xd dptaxd 8, 29= ]1Jin. 
*) für den ihr ihn hieltet. 



Die Reden. 109 

^ und sein Wort laßt ihr nicht in euch haften; denn ihr glaubt dem 
nicht, den er gesandt hat. 

7, 21 SS. (Zu den Juden.) Ich gehe und ihr werdet mich suchen, 
und wohin ich gehe, könnt ihr nicht kommen. ^ Sie sagten: wer bist 
denn du? Er sprach: Kaum habe ich angefangen mit euch zu reden 
(so tut ihr diese Frage ?). ^* Ich hätte zwar viel über mich zu reden 
und zu urteilen; es genüge aber: mein Absender ist wahrhaftig, und 
was ich von ihm gehört habe, das rede ich. ^ Ich rede, was ich von 
meinem Vater gehört habe, und ihr tut, was ihr von eurem Vater 
gesehen habt. ^ Sie sagten: unser Vater ist Abraham. Er sprach: 
Wenn ihr Kinder Abrahams seid, so tut die Werke Abrahams! ^ Nun 
aber sucht ihr mich zu töten, da ich euch doch die Wahrheit rede, 
die ich von Gott gehört habe — das hat Abraham nicht getan. ** Ihr 
stammt von Kain, und die Gelüste dieses eures Vaters wollt ihr tun; 
der war der Urmörder und stand nicht in der Wahrheit, denn ein 
Lügner war auch sein Vater. ^•Da hüben sie Steine auf, ihn zu 
werfen. Jesus aber ging aus dem Tempel hinaus und verbarg sich. 

13, 4ss. (An die Jünger.) Nach dem Mahl erhub sich Jesus, 
legte seine Kleider ab und schlug ein Leintuch um die Lenden, ^ dann 
goß er Wasser in ein Becken, wusch den Jüngern die Füße und trocknete 
sie mit dem Leintuche, das er um hatte. ^^Hemsißh legte er seine 
Kleider wieder an, setzte sich und sagte zu ihnen: Versteht ihr, was 
ich euch getan habe ? ^^ Ihr heißt mich Meister und Herr, und mit 
Recht, denn ich bin es auch. ^* Wenn nun ich, der Meister und Herr, 
euch die Füße gewaschen habe, so müßt ihr auch einer dem anderen 
die Füße waschen. ^^ Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit ihr 
tut, was ich euch getan habe. 

14,1 SS. (An die Jünger.) Ich gehe alsbald weg von 
euch zum Vater, und ihr seht mich auf Erden 
nicht wieder! Euer Herz werde darob nicht bestürzt! ^ Im 
Hause meines Vaters ist reichUch Raum, sonst hätte ich euch gesagt: 
ich gehe, euch Quartier zu bereiten, ^ und komme dann zurück und 
hole euch zu mir, damit, wo ich bin, auch ihr seiet. * Und wo ich hin- 
gehe, dahin wißt ihr den Weg. ^* Ich will aber den Vater bitten, und 
er wird euch einen Beistand senden, der in Ewigkeit bei euch bleiben 
soll; ^'^^ der wird euch Alles lehren. . . Ich sage euch Valet, verzagt 
darüber nicht; denn wenn ich nicht zum Vater ginge, 
so käme der Beistand nicht zu euch. Nun werde 



110 Ergebnisse der Analyse. 

ich weiter nicht mehr mit euch reden, steht auf, laßt uns gehen. ^®'^ Nach 
diesen Worten ging er hinaus u. s. w. 

2. In Bezug auf 5, 30ss. ist schon in der Analyse der Unter- 
schied gegen das angeblich in Einem Atem damit gesprochene vorher- 
gehende Stück (5, 19 SS.) vermerkt worden, daß Jesus dort beständig 
djXTjv «[iTjv Xs^cD ufxtv Sagt, Mcr nie, und daß er sich dort durchgehend 
6 uto? nennt, hier nirgend. Diese Beobachtung kann erweitert werden. 
Die inhaltlichen und sprachlichen Kennzeichen dessen, was man das 
echt Johanneische nennt, fehlen größtenteils bei A, nicht bloß in den 
Erzählungen, wo sie überhaupt zurücktreten, sondern auch in den 
Reden. Ein echt johanneisches Musterstück ist Kap. 17: monotones 
Glockengeläut, wo in beliebiger Folge die Elemente des selben Akkordes 
auf und abwogen. So etwas kommt in A nicht vor. Auch manche 
theologische Begriffe und Vorstellungen sind dort fremd; der Geist 
und der Teufel, die feindliche Welt, der Glaube an den Namen Jesu 
und das Gebet im Namen Jesu, der Menschensohn. Der Markus- 
spruch 6 ülö^TOü dvftpciJTroü üird-yei bekommt die Form i-yo) üTra^a), Jesus 
nennt sich in A immer nur Ich. Aber die eigentümlichen Sätze, in 
denen auf dies Ich ein Abstraktum als Prädikat folgt, gehören nicht 
zu A; dort heißt es: i c h g e b e das Wasser des Lebens, nicht: ich 
b i n das Wasser, das Brod, das Licht des Lebens, i c h b i n die Auf- 
erstehung, i c h b i n der Weg und die Wahrheit ^). Die Kemsprüche, 
die im Katechismus stehen (Also hat Gott die Welt geliebt u. s. w., 
Gott ist ein Geist u. s. w.), stammen aus B; die Aussagen in A lassen 
sich nicht gut aus dem Zusammenhang nehmen und haben nicht den 
nötigen erbaulichen Klang, eher etwas Herbes und Befremdliches. „In 
meines Vaters Hause sind viele Wohnungen" stammt freilich aus A, 
aber die Herausnahme dieses Spruches aus dem Zusammenhange hat 
auch zu einem gründlichen Misverständnis geführt. 

3. Übrigens hat sich B allerdings auch in didaktischer Hinsicht 
an A gehalten und diese Grundlage meist nur in eigener Weise aus- 
gebaut. Die wichtigsten synoptischen Materien fehlen nicht bloß in A, 
sondern überhaupt im ganzen Johannes. Es ist keine Rede vom 
Reiche Gottes, von der [Asxavota, von der Sündenvergebung, vom 



1) Entsprechend 1 Joa 4, 8: Gott ist die Liebe — höchst merkwürdig. Auch 
im Prolog verkündet Jesus nicht das Wort, wie die Propheten, sondern er 
ist das Wort. Aber dort redet der Schriftsteller, nicht Jesus, und der Logos ist 
Subject, nicht Prädikat; es ist Personification beabsichtigt 



Die Reden. 111 

Kampf gegen die Dämonen ; an die Stelle der Verkündigung des Evan- 
geliums tritt die Ablegung der [xapTopia. Die Schriftgelehrten werden 
nicht erwähnt; Jesu Lehrtätigkeit besteht nicht darin, daß er mit 
ihnen über das Gesetz diskutiert, über das Wesentliche und das Un- 
wesentliche darin. Er steht vielmehr dem Gesetz fremd gegenüber, 
als sei es ein überwundener Standpunkt und stecke ihm und den 
Adressaten ^) gar nicht mehr in den GUedern. Der Kampf mit dem 
Judentum, der allerdings die ganze erste Partie der Reden ausfüllt, 
wird nicht auf einem gemeinsamen Boden geführt und ist in Wahrheit 
ein Protest gegen das Judentum, weil es nicht Christentum ist. Es 
handelt sich immer nur um das Bekenntnis des Christentums gegen- 
über NichtChristen, d. i. zunächst gegenüber den Juden. Wenn Jesus 
sagt „Ich bin die Wahrheit*', so bedeutet das ins Moderne übersetzt: 
das Christentum ist die absolute Religion. Weü er das Christentum 
vertritt, dessen Siacpopa in der Christologie besteht, so redet er be- 
ständig über sich selbst und legt den Juden dar, daß sie vor allen 
Dingen an ihn glauben müssen. Und zwar an ihn als Lehrer. Denn 
seine Bedeutung liegt darin, daß er die religiöse Autorität schlechthin 
ist, der Quell aller religiösen Erkenntnis. Damit steht der Prolog im 
Einklang, wo er nicht der Christus, sondern der Logos ist, die adäquate, 
menschgewordene Offenbarung Gottes ^). Als der bevollmächtigte Ge- 
sandte Gottes, zu verkünden, was er von dem Vater hört oder gehört 
hat, tritt er auch in A gleich anfangs (5, 30 ss.) den Juden gegenüber 
upd führt dadurch sehr bald den Bruch mit ihnen herbei, weil sie 
seinen Anspruch auf Herkunft oder Sendung von Gott nicht aner- 
kennen, vielmehr ihn deshalb zu töten suchen und sich damit als 
richtige Kinder des Lügners und Mörders von Anfang erweisen. In 
B wird seine Einheit und Gleichheit mit Gott wohl noch stärker her- 
vorgehoben, aber von dem selben Gesichtspunkt aus und zu dem selben 
Zweck, daß er nämlich der ungetrübte und restlose Ausdruck dessen 
sei, was die Menschen vom Wesen und Willen Gottes wissen müssen. 
Er deckt sich mit Gott aus Gründen der Erkenntnistheorie, zur Garan- 
tierung der Sicherheit der christlichen Wahrheit. Das Heil oder, wie 
es. bei Joa nach biblischem Sprachgebrauch immer heißt, das Leben 
ist die Folge der Erkenntnis Gottes; diese aber beruht auf dem Glauben 



^) d. h. den Lesern des Buchs. 
«) Vgl. Hebr 1, 1. 



112 Ergebnisse der Analyse. 

an die absolute Autorität des Meisters, der allein die Erkenntnis be- 
sitzt und mitteilt; sie kann nicht auf anderem Wege gewonnem werden. 
Auch bei den Synoptikern erscheint Jesus als der Lehrer xax' igoüawxv, 
und auch dort betont er wohl einmal seine ijoüata, wenn die Juden 
sie in Frage stellen. Aber dort postuliert er doch nicht bloß 
seine Autorität, sondern legt je nach Gelegenheit den Inhalt seiner 
Lehre dar. Bei Joa stößt er die Juden immer nur mit der Tatsache 
vor den Kopf, d a ß Er die Wahrheit sei; worin die Wahrheit bestehe, 
sagt er nicht. Denn der Glaube an ihn muß zuerst feststehen; er 
ist der Anfang, das Princip des Christentums, das christliche Symbolon 
gegenüber der Welt. Der Inhalt der Lehre kommt erst an die 
Keihe, nachdem das Bekenntnis zu Christus und der Anschluß an 
seine Gemeinde erfolgt ist; sie lebt in der Gemeinde und braucht nicht 
expliciert zu werden. Es geschieht freilich doch bis zu einem gewissen 
Grade, namentlich in den Reden an die Jünger. Man sieht daraus, 
daß es sich nicht um Theorie handelt, sondern um Praxis, um den 
Weg, den man zu gehen hat, um das Befolgen des Willens Gottes. Die 
Wahrheit muß getan werden (3, 21) ; Lüge und Mord fallen zu- 
sammen (8, 44). Die Worte Jesu sind Gebote, die man halten muß. 
Der Inhalt der Religion ist die auf den Monotheismus, wenngleich 
nicht auf das jüdische Gesetz, begründete Moral. Das ist ebenso wie 
bei den AlttestamentUchen Propheten und bei Muhammed, die mit 
diesem Begriff der Religion gegen das Heidentum protestieren. Christ- 
lich wird die Sache nur dadurch, daß der Gott, auf den sie gestellt 
wird, der Vater unsers Herrn Jesu Christi ist; die Autorität Gottes 
wird durch die Offenbarung Jesu verbürgt ^). Hin und wieder bekommt 
freilich die allgemeine Moral auch iijhaltlich eine spezifisch christliche 
Färbung. Einmal wird die gegenseitige Dienstleistung, zweimal die 
Bruderliebe von den Jüngern gefordert ^), Dagegen ist die enthusi- 
astische und doch gefaßte Märtyrermoral des Markus, die Preisgabe 
von Leben und Habe in der Nachfolge Jesu, ganz unjohanneisch. Es 
fehlt auch jede Spur von Ascese und frommen Übungen. 



^) Das ist freilich im Islam auch nicht anders, nur daß dort Muhammed an 
stelle Jesu tritt. Der Ausspruch 17, 3: „Das ist das ewige Leben, daß sie Dich als 
den alleinigen Gott und Jesus Christus als deinen Boten erkennen" könnte grade 
so gut im Koran stehen, es brauchte nur Jesus Christus mit Muhammed vertauscht 
zu werden. 

«) Daß die Liebe im vierten Evangelium besonders hervortrete, ist ein Märchen. 



Die Reden. 113 

4. Während der Täufer und Petrus in ihren Bezeugungen den 
Namen Christus auffälliger weise vermeiden, bekennen die Jünger in 
der Berufungsgeschichte, daß Jesus der Messias, der Sohn Gottes, 
der König von Israel sei (1, 41. 49). Die Juden stehen vor der Frage, 
ob er der Christus sei, und verlangen von ihm eine offene Erklärung 
darüber (10, 24). Püatus verhört ihn, ob er König oder Gottes Sohn 
sei; er gibt es zu mit der Beschränkung, daß sein Reich ein Reich 
der Wahrheit sei. Einmal nennt er sich selbst Jesus Christus ^), öfters 
den Menschensohn, den Sohn Gottes, oder einfach den Sohn ^). In 
A lassen sich aber diese messianischen Bezeichnungen nicht nach- 
weisen, wenigstens nicht im Munde Jesu. Und überall liegt seine Be- 
deutung nicht in der Messiaswürde. Sie liegt auch nicht in seinem 
Passionswerke, obgleich an vereinzelten Stellen gesagt wird, daß er 
sein Leben für die Seinen oder für das Volk dahingegeben habe. Daß 
der Messias am Galgen stirbt, ist kein Rätsel mehr. Die Passion ist 
kaum noch Passion. Der Tod ist vollständig in den Sieg verschlungen 
und beinahe nur eine Rückkehr zum Vater. Die Kreuzigung wird 
üij^ti)&9;vai genannt, zwar zweideutig, jedoch auch in einem Sinn, welcher 
dem von oojad&r^vat gleich kommt. In B hat aber diese fast doketisch 
anmutende Betrachtungsweise des Todes noch Fortschritte gemacht. 
In A ist Jesus doch noch etwas weniger aira^?, er weint am Grabe 
des Lazarus. Er flieht vor den Juden, und es gehört eine gewisse Selbst- 
überwindung, ein Entschluß dazu, daß er sein Asyl verläßt und sich 
aus Liebe zu dem erkrankten Freunde wieder nach Jerusalem in die 
Todesgefahr begibt. In B fällt das weg, eine Gefahr von Menschen 
besteht für ihn nicht. Er selber bricht den Bau seines Leibes ab und 
richtet ihn wieder auf, niemand kann ihm sein Leben rauben, er allein 
hat die Macht, es abzulegen und wieder an sich zu nehmen. Sein 
letztes Gebet atmet nichts weniger als Todesangst, wie das von Geth- 
semane. Auch die Vokabel SoSaCsiv (vergöttlichen) findet sich nur in 
B. Der Mann, von dem Kap. 9 handelt, ist nur deshalb blind ge- 
boren, damit die Soja Jesu an ihm zur Erscheinung komme; auch das 
Wunder an Lazarus verrichtet er nicht, um ihm zu helfen, sondern um 



^) 17, 3. Sonst wird er nur von dem Schriftsteller so genannt (1, 17. 20, 31). 

*) Der Ausdruck 6 Tran^p wird selten nach jüdischer Weise einfach als Äqui- 
valent für 6 %i6<: gebraucht, meist in dem Sinn von 6 ^zaTf^^ fjLou; in der Zusetzung 
oder Auslassung von {jigu schwanken freiUch die Zeugen stark. In 10, 1 ss. bezeichnet 
sich Jesus als den Hirten im Gegensatz zu den Pseudochristi. 

Wellhausen, Evang. Johannis. 8 



114 Ergebnisse der Analyse. 

seine ooja zu erweisen, und läßt ihn darum erst sterben und ein paar 
Tage im Grabe liegen. Der Makel auf seiner o6$a, daß er nämlich in 
der Wahl des Judas Ischarioth sich versehen hat, wird peinlich emp- 
funden und durch eine etwas verzweifelte Auskunft (13, 26. 27) beseitigt. 
Namentlich in Kap. 17 drängt sich „die VerherrUchung" sehr vor; als 
ihr Object erscheint dort to ovo[xa, dessen Hypostasierung charakte- 
ristisch für B ist. Nur da kommt der Glaube an den Namen Jesu 
und das Gebet im Namen Jesu vor. 

5. Mit der Messiaswürde Jesu wird auch seine Wiederkunft zu- 
rückgedrängt, die den Zweck hat, ihn die volle Verwirklichung der 
jüdischen Messiashoffnung noch nachholen zu lassen. Das epxsa&at, 
dessen Abstractum die irapoüofia ist, steht immer vom ersten Advent, 
nicht vom zweiten; die eschatologischen Begriffe des Reiches Gottes 
und der Geenna fehlen. In A macht der Paraklet die Parusie Jesu 
überflüssig; er bleibt in Ewigkeit bei der Gemeinde, und also findet 
auch sie keinen katastrophischen Abschluß, sondern entwickelt sich 
auf Erden immerdar. In B wird diese kühne Neuerung zwar be- 
seitigt oder korrigiert, darum aber doch die Parusie nicht wieder 
eingeführt^). Ihre Negation erscheint dort nur innerlicher und 
positiver, und durchdringt in dieser Form das Ganze von Anfang 
an. Das Gericht vollzieht sich nicht erst am jüngsten Tage, sondern 
schon in der Gegenwart; es ist eine Scheidung der Geister, die durch 
Jesus, und zwar durch seine Worte, bewirkt wird. Wer ihn und seine 
Worte annimmt, der ist schon auferstanden und zum Leben durch- 
gedrungen — und umgekehrt. Das ewige Leben kommt nicht erst 
im Jenseits. Wer es nicht hienieden führt, ist schon gerichtet und dem 
Tode verfallen; wer es aber hienieden angefangen hat, setzt es ohne 
weiteres, nachdem er gestorben, im Himmel bei Jesus und dem Vater 
fort und braucht nicht auf die Auferstehung und das Endgericht zu 
warten ^). Es tritt nun einerseits als Forderung auf, daß man sich 
durch Jesus auf erwecken lassen solle ; die moraUsche Auferstehung be- 
deutet dabei gleich viel wie die Wiedergeburt von oben. Andrerseits 
wird anerkannt, daß nicht jedermann dieser Forderung genügen könne, 

1) Nur in wenigen ganz äußerlich angeleimten Stellen tritt Jesus als der 
Weltrichter und Auferwecker am jüngsten Tage auf. 

2) Die Prärogative der Märtyrer, die nach dem Vorgänge Jesu sofort nach 
ihrem Tode in den Himmel kommen, wird somit verallgemeinert. Vgl. meine Ein- 
leitung in die drei ersten Evangelien p. 104. 



Die Reden. 115 

es sei denn, daß der Vater ihn ziehe. Eine verschiedene Prädisposition 
wird vorausgesetzt, derer, die auf Gott hören können (6, 45) und nach 
dem Guten streben, und derer, die anders gerichtet sind. Diese dua- 
listische Prädisposition entspricht der Prädestination oder der Auswahl, 
welche schroff betont wird, während die allgemeine MögUchkeit der 
Bekehrung oder der [Aexavoia zurücktritt. Darin liegt eine Antinomie, 
jeder soll es tun und nicht jeder kann es tun. Dieselbe liegt jedoch 
in der Natur der Sache und wird auch sonst ganz unbefangen aus- 
gesprochen, namentlich von Paulus in dem bekannten Spruch: schaffet, 
daß ihr selig werdet, denn Gott ist es, der Wollen und Vollbringen 
I in euch wkt. 

Während der Monismus des Wesens und der Offenbarung Gottes 
ebenso sehr hervorgehoben wird wie im Koran, wird doch zugleich ein 
Dualismus anerkannt, wenngleich er nicht in die höchste Sphäre reicht. 
Er zeigt sich auch in A, hat aber in B weiter um sich gegriffen. Er 
beherrscht freilich nicht in dem Maße das Ganze wie Baur meint. 
Er spielt auch nicht auf metaphysischem, sondern auf moralisch- 
intellektuellem Gebiete; es ist der Gegensatz zwischen Gut und Böse. 
Einmal erscheint er als Gegensatz zwischen Oben und Unten, zuweilen 
als Gegensatz zwischen Licht und Finsternis, namentlich an zwei 
Stellen des zwölften Kapitels ^). Gewöhnlich jedoch in anderer Weise. 
Wenn die Eschatologie überhaupt fällt, kann auch der alte Gegensatz 
des aid}v oütoc und des aivuv ipy6\Lsvo^ nicht aufrecht erhalten werden. 
An die Stelle tritt der diesseitige Gegensatz zwischen Erwählten und 
nicht Erwählten, zwischen Welt und Kirche; insbesondere in Kap. 15 
bis 17 hegt er zu gründe. Es ist vielleicht nicht überflüssig, darauf 
hier etwas näher einzugehen, da es bei Gelegenheit der Analyse nicht 
gut geschehen konnte. 

6. Koajxo? für die Menschenwelt konunt, wie mir gesagt wird, im 
klassischen Griechisch nicht vor. In der Septuaginta bedeutet es nur 
Schmuck ^), nicht das Universum und nicht die Menschenwelt, wofür 
nach dem Hebräischen einerseits Himmel und Erde, andererseits die 
ganze Erde oder alles Fleisch gesagt wird. Dagegen findet es sich in 



^) Daxin liegt kein Dualismus, daß Jesus als das Licht der Welt bezeichnet 
wird, d. h. als der Erleuchter und Offenbarer. Heißen doch auch die Jünger bei 
Matthäus das Licht der Welt und der Täufer bei Joa ein Leuchter, an dessen Licht 
man sich erfreute. 

*) z. B. xdafjLOc (&<2i{ = ^D2i) tou o{)pavou = die Sterne. 

8* 



116 Ergebnisse der Analyse. 

diesen beiden Bedeutungen in der Sapientia ^). Im Neuen Testament 
wird x6a[xoc für das Universum fast nur in der Eedensart oltzo xaTa[3oX9jc: 
xocjfiou gebraucht, die sich zerstreut findet 2). Sonst für die Erde und 
die Menschen weit. So Mt 5, 13. 14: ihr seid das Salz der Erde, das 
Licht der Welt; Mt 13, 38: der Acker ist die Welt; Mc 14, 9: das Evan- 
gelium soll in der ganzen Welt verkündet werden; Mt 7, 8. Lc 12, 30: 
die Reiche und Völker der Welt; Mc 8, 36: was hülfe es dem Menschen, 
wenn er die ganze Welt gewönne. 

Weitaus am häufigsten erscheint der xoofjio? bei Joa. Zunächst 
auch gleichbedeutend mit Traopa aapS oder r^ '^r^ (17, 2. 4), in einem all- 
gemeinen und neutralen Sinne. Jesus ist in die Welt gekommen, 
als Licht der Welt, um der Welt das Leben zu geben. Seine Brüder 
fordern ihn auf, sich nicht auf den galiläischen Winkel zu beschränken, 
sondern sich der Welt zu zeigen; er redet nicht heimlich, sondern in 
der Welt oder in die Welt hinein; die Welt (tout le monde) läuft ihm 
nach. In anderen Aussagen aber bedeutet 6 xocjjjloc die fremde feind- 
liche Welt. Zum teil steht dann das Demonstrativ dabei: 6 xoofjxo? 
ouTo?. So findet sich der Ausdruck auch bei Paulus im ersten Ko- 
rintherbrief, und zwar als Äquivalent des eschatologischen 6 afÄv ouxoc:, 
wie er gewöhnlich sagt. Bei Joa jedoch wird er gleichbedeutend und 
wechselnd mit dem absoluten 6 xoajxo?^) gebraucht, welcher zwar 
auch einen bösen, aber keinen eschatologischen Sinn hat. Der Gegen- 
satz ist nicht die zukünftige Welt, sondern etwas Göttliches, welches 
schon in der Gegenwart besteht, in der Welt und doch nicht zu ihr 
gehörig. Nämlich Jesus oder die Kirche. Dazwischen besteht kein 
Unterschied, die Kirche ist die Erweiterung Jesu auf die Seinen; er 
ist der Weinstock, sie sind die Reben. Dieser absolute xoofjxo? ist aus- 
schließlich johanneisch und findet sich außer dem ersten Brief nur 
in Kap. 14 — 17 und an zwei oder drei andern Stellen. 

1) In der ersten 7, 17. 16, 17, in der zweiten 6, 26. 10, 1 (Aoajx TrotTTjp toO 
-/(Jcjfxo'j). 14, 6. Epiktet (Dissert. I 1, 8) definiert xcJafjio; als t6 auaxrjfjia to i^ 
dvi*)pü)7rü)v •/«! O50O. Bei den Stoikern ist xdauos die von Gott organisierte 
jAeyaXr] Tz6Xii der Menschen, also das Reich Gottes. 

*) Da daneben dn dpyf^z xdaiJiou (Mt24,21) vorkommt, so stammt die Formel 
wohl aus Isa 40, 21. KaTaßctXXeaOai für gründen und xaTaßoXi^ ist nur 2 Macc 2, 13. 
30 nachweisbar. Hebr.. aram. und lateinisch sagt man: fundamenta jacere. 

») Vgl. 8,23. 14,30 mit 12,31. 16,11; auch den Cantabrigiensis zu 17,3. 
13—18. 25. Etwas anders 13, 1. Bei Markus findet sich einmal (4, 19) 6 a^t&v 
absolut für 6 a^wv outo;. 



Die Reden. 117 

Corssen legt Gewicht darauf, daß unter der Welt die Juden und 
nicht die Heiden verstanden seien. Um der Situation willen, in der 
sich Jesus und seine nächsten Jünger befanden, sind die Juden aller- 
dings zunächst die Vertreter der Welt. Aber mit der Welt ist doch 
nicht ein winziger Teil, sondern die ganze Menschheit gemeint. Die 
Juden könnten nicht die Welt genannt werden, wenn sie ausschließ- 
lich in Betracht kämen und von den Heiden unterschieden würden. 
Das Wichtige ist gerade, daß nicht sie die von der Welt Abgesonderten 
sind, sondern die Christen, daß sie mit den Heiden völlig zusammen 
geworfen werden. Darin zeigt sich der tiefe Haß gegen das Volk, 
das Jesum kreuzigte und seine Jünger verfolgte: es wird verworfen. 
In A findet sich freilich der böse feindliche xoajto? nirgend. Aber auch 
dort werden die Juden insgesamt zu der massa perditionis gerechnet, 
wenn sie nicht Kinder Abrahams sein sollen, sondern Kinder Kains, 
des Urmörders und Lügners. Der Sache nach läuft das in der Tat 
darauf hinaus, daß sie nicht von Gott, sondern vom Teufel stammen, 
was in B an die Stelle gesetzt wird. 

An einigen eigentümlichen Stellen von B trilt neben der Welt 
oder statt der Welt ihr Fürst auf, nämlich der Teufel. Sein Werk- 
zeug, fast seine Incarnation (6, 70) ist Judas Ischarioth, mit dem 
zusammen er am häufigsten genannt wird. Er steht im Kampf 
weniger gegen die Kirche als gegen Jesus. Er hat ihm aber nichts 
an, und gerade indem er ihn zu Tode bringt, bewirkt er seine 
eigene Verurteilung oder Niederlage und die Erhöhung, den defini- 
tiven Triumph Jesu (12,31. 16, 11). Für die Jünger oder die Kirche 
ist damit der Teufel und die Welt unschädlich gemacht. „Seid 
getrost, ich habe die Welt überwunden." Diese Aussage (16, 33) 
steht freilich vereinzelt und hat ihren wahren Sitz im ersten Brief 
und in der Apokalypse. Fremd ist dem vierten Evangelium die 
Betrachtungsweise der synoptischen Beelzebubsperikope, daß Jesus 
die Dämonen austreibt, um des Teufels Reich zu zerstören und das 
Reich Gottes anzubahnen; nur eine Reminiscenz daran ist einge- 
drungen (8, 48). 

7. Der Paraklet soll nach A für die auf Erden verbliebenen Jünger 
Nachfolger und Ersatz ihres zum Himmel geschiedenen Meisters sein. 
Durch ihn werden sie erst in die volle Wahrheit geführt, von der sie 
durch Jesus nur Anfänge gehört haben. Er ist der Genius der Kirche, 
das leitende Princip ihrer geistigen Entwicklung; er macht sie ganz 



118 Ergebnisse der Analyse. 

selbständig^). In B wird er teilweise zurückgedrängt und größten- 
teils ganz ignoriert; an seine Stelle tritt der immanente himmlische 
Jesus und dessen Unio mit den Seinen auf Erden. Darum ist aber 
B keineswegs weniger kirchlich. Man stellt sich die ünio falsch vor, 
wenn man sie individuell oder mystisch auffaßt. Weizsäcker meint, 
sie beruhe auf der ganz persönlichen Erfahrung eines vertrauten Jüngers 
Jesu, dessen Intimität mit dem Meister fortzeugend und typisch ge- 
wirkt habe. Das ist vielleicht protestantisch gedacht, aber nicht 
johanneisch. Ob das Liebesverhältnis zwischen Jesus und dem Ano- 
nymus wirkliches Erlebnis ist, sei dahingestellt, obgleich nicht wenig 
darauf ankommt. Jedenfalls bleibt es einzigartig, hat keine vorbild- 
liche, lehrhafte Giltigkeit und muß bei der Unio außer Betracht bleiben. 
Bei dieser handelt es sich nicht um eine mystische Vereinigung mit 
der Person Jesu, sondern um eine rationelle mit der Wahrheit, 
die er verkündet: „mein Wort bleibt in euch, ihr sollt bei meinen 
Worten bleiben, meine Gebote bewahren." Es handelt sich 
auch nicht um den historischen Jesus (xaxa cjocpxa) und um vertraute 
Bekanntschaft mit ihm, sondern genau wie bei Paulus lediglich um 
den himndischen. Und dieser ist nicht etwa dem Einzelnen immanent, 
sondern primär der Kirche. Die Jünger, die Seinen, die Erwählten 
sind durchweg als ürzelle oder als Seminarium der Kirche gedacht ^). 
Auch der Hirt in Kap. 10 ist nicht Hirt der Seele, sondern der Kirche, 
die mit der Alttestamentlichen Theokratie gleich gesetzt wird. „Wenn 
ihr nicht in mir bleibt, so könnt ihr keine Frucht bringen; von mir 
getrennt könnt ihr nichts schaffen" bedeutet mit andern Worten: extra 
ecclesiam nulla salus. Daher hat auch Jesus die Aufgabe, die Glieder 
seiner Gemeinschaft beisammen zu halten und keins zu verlieren. 
Obwohl also der immanente Jesus den Parakleten verdrängt, so hat 
er doch die selbe Funktion. Wie in A der Paraklet der Genius der 
Kirche ist, so ist in B der himmlische Jesus der Genius der Kirche 
auf Erden. Das christliche Pneuma kann natürlich nicht noch neben 
dem Parakleten und neben dem inunanenten Jesus bestehen ; es findet 
sich nur in späten Nachträgen, namentlich in 20, 22 (7, 39). Bei der 

1) Der Pater Loisy nimmt so zu sagen für den Parakleten gegen Jesus Partei, 
im Interesse für die Autonomie der lebendigen katholischen Tradition. 

*) Die Einzelnen bleiben nicht e^; tov atöva auf Erden, sondern nur die Kirche 
(16, 16). Auch in den synoptischen Evangelien sind die Reden an die Jünger an em 
zukünftiges Auditorium gerichtet, nämlich an die Kirche. 



Herkunft und Zweck, Ort und Zeit. 119 

Taufe ist das Pneuma nicht das spezifisch christliche, aber auch da 
ist es bei Joa nicht echt; der Logos bedarf dessen nicht, daß in einem 
zeitlichen Moment der Geist auf ihn herabkomme. 

Der Name der ixxXr^cria findet sich allerdings bei Joa noch nicht, 
und die Anfänge ihrer Organisation treten nicht so hervor wie bei 
Matthäus. In A werden keine Sakramente erwähnt. Die Fußwaschung 
ist nicht zur Wiederholung bestimmt und hat nur die Bedeutung eines 
Beispiels, welches die Pflicht der Diakonie einschärfen und vielleicht 
auch vor Rangstreitigkeiten und hierokratischen Gelüsten warnen soU. 
Von der Taufe ist in A keine Rede, weder im Gespräch mit dem sama- 
rischen Weibe noch sonst wo; sie gilt nicht als von Jesus befohlen 
oder gar von ihm selber schon geübt. Die Einsetzung des Abendmahls 
wird offenbar absichtlich ausgelassen. In B ist es teilweise anders. 
„Jesus ist für den, der an ihn und seine Worte glaubt, das Brod- 
des Lebens*' wird in Kap. 6 nachträglich gedeutet: er gibt sein Fleisch 
zu essen und sein Blut zu trinken. Auch das synoptische Abendmahl 
wird in 13, 21 nachgetragen und die Fußwaschung in 13, 6ss. als Mittel 
der Communio angesehen. In 19, 35 tritt neben das Blut des Abend- 
mahls das Wasser der Taufe. Diese ist als xa^apiafp-o? an den Jüngern 
vollzogen (13, 10. 15, 3); sie scheint auch bei der Wiedergeburt aus 
Wasser und Geist (3,5) vorausgesetzt zu werden. Nach 3, 22 ss. macht 
Jesus in der gleichen Weise wie Johannes Jünger, indem er tauft. 
Zum Schluß (20, 21 ss.) ordiniert er die Apostel wie bei Matthäus; er 
befiehlt ihnen allerdings nicht zu taufen, sondern erteilt ihnen die 
Befugnis, Sünden zu erlassen und zu behalten. 

Herkunft und Zweck, Ort und Zeit. 

1. Für die geschichtliche Ansetzung des vierten Evangeliums hat 
die Literarkritik weit geringere Bedeutung als für die Exegese. Trotz 
seiner verschiedenen Schichten läßt es sich doch historisch als wesent- 
liche Einheit betrachten. Es ist anzunehmen, daß die Erweiterungen, 
zumeist aus dem selben Kreise stammen, innerhalb dessen die Grund- 
schrift entstanden ist und ihre ersten Leser gefunden hat. 

Die Tradition, die den Namen verdient, ergibt, daß Johannes 
Zebedäi nicht der Urheber des angeblich johanneischen Evangeliums 
gewesen sein kann. Markus, Papias und der alte syrische Märtyrer- 
kalender stimmen darin überein, daß dieser frühzeitig in Jerusalem 



120 Ergebnisse der Analyse. 

hingerichtet worden ist*). Zuverlässige Nachrichten positiver Natur 
über die Herkunft des Buches gibt.es nicht. Man muß sich also an 
innere Merkmale halten und sehen, ob sich daraus Aufschluß über die 
sogenannten Einleitungsfragen gewinnen läßt. Leider ist das nicht 
im erwünschten Maße der Fall. 

Nach dem redaktionellen Explicit 20, 31 ist das vierte Evan- 
gelium der Wunder wegen geschrieben, die den Glauben bestätigen 
sollen, daß Jesus der Christus, der Sohn Gottes, sei. Damit wird 
Inhalt und Zweck ganz unrichtig angegeben. Der wahre Zweck liegt 
vielmehr in den eigentümlichen Abweichungen von der älteren An- 
schauungsweise, in dem Fortschritt und der Korrektur des älteren 
Glaubens der christlichen Gemeinde. 

Die Erinnerungen an das Wirken und Lehren Jesu, wie sie nament- 
lich bei Markus vorliegen, sind nicht das eigentliche Evangelium. 
Denn dieses ist nicht durch Jesus verkündet, sondern über ihn durch 
die Apostel. Es geht erst mit seinem Tode an; es ist nicht Über- 
lieferung über den der Vergangenheit angehörigen irdischen Jesus, 
sondern Glaube an den lebendigen himmlischen Christus. Es ist 
völlig momentan entstanden, in dem Augenblick, als der Gekreuzigte 
wenige Tage nach seinem Tode dem Petrus erschien. Dies Erlebnis 
des Petrus ist der Anfang des Evangeliums oder des christlichen 
Glaubens; von der Auferstehung hängt die Parusie und die Ver- 



1) Vgl. E. Schwartz in den Abh. der Göttinger Ges. der Wiss. 1904 (VII ö) und 
in den Nachrichten 1907 p. 266 ss. ; dazu meine Noten zur Apostelgeschichte in den 
Nachrichten 1907 p. 9 n. 2. In dem syrischen Kalender eröffnet Stephanus am 
26. Dezember die Reihe der mit dem ax^cpavoc ttj; C«*^/? begabten Märtyrer; auf 
ihn folgen am 27. Dezember die ebenfalls in Jerusalem gekrönten Brüder Johannes 
und Jakobus. Burkitt, the Gospel History (1906) p. 252 ss., weist darauf hin, daß 
hier der Geburtstag Jesu am 26. Dezember der Ausgangspunkt des heiligen Jahres 
sei; er erscheint so wirkhch in einem karthagischen Kalender aus dem Anfang des 
sechsten Jahrhunderts, in welchem weiterhin gesagt wird, daß Herodes den Täufer 
Johannes und den Apostel Jakobus am 27. Dezember getötet habe: der Täufer 
beruht natürlich auf falscher Korrektur, und Herodes ist an die Stelle Agrippas I. 
getreten. Innerhalb des Evangeliums selber gilt an zwei Stellen der Anonymus, 
den Jesus lieb hatte, als der Zeuge der UberUeferung. Dieser ist aber nach 19, 
25 — 27 kein Galiläer, sondern ein Jerusalemer. Erst in Kap. 21 wird darunter, 
wie es scheint, Johannes Zebedäi verstanden. Die Frage, wie das gekommen ist, 
läßt sich mit den Mitteln, die uns zu Gebote stehen, kaum lösen. Eigentümlich 
schwankend äußert sich Duchesne ui der Histoire ancienne de PEglise I (1907) 
p. 137 SS. 



Herkunft und Zweck, Ort und Zeit. 121 

leihung des Geistes ab. Das Licht, das sich von da aus über Jesus 
ergoß, hat nun auch die MemorabiJien über ihn beleuchtet; das Evan- 
gelium spiegelt sich in ihnen vor, und nur darum haben sie ein Recht 
auf diesen Titel. Ihr Wert als Überlieferung steht im umgekehrten 
Verhältnis zu ihrem Wert als Evangehum. Je mehr Überlieferung, 
desto weniger Evangelium; und je mehr Evangelium, desto weniger 
Überlieferung. Bei Markus ist das Evangelium auf die Einleitung 
zur Passion beschränkt. Bei Matthäus und Lukas hat es weiter um 
sich gegriffen. Bei Johannes hat es die Überlieferung nicht bloß 
durchdrungen, sondern überwältigt. Der irdische Jesus ist völlig, 
und von allem Anfang an, in dem himmlischen aufgegangen. 

Das Evangelium ist zwar als Ganzes aus Petrus geboren, aber 
doch nicht völlig unverändert geblieben. Es hat ursprünglich den 
Inhalt, daß Jesus nicht, wie die Juden meinen, durch die Kreuzigung 
vernichtet, sondern zum Himmel erhoben ist, von wo er dann auf die 
Erde zurück kommen wird, um sich als der Christus in Herrlichkeit 
zu zeigen und sein Reich unter den Seinen aufzurichten. Bei Paulus 
tritt die Hoffnung auf das irdische messianische Reich mehr zurück; 
der Glaube an den himmlischen Herrn könnte ihm genügen. Und er 
betrachtet die Kreuzigung nicht bloß als Durchgang zur Auferstehung, 
sondern gibt ihr einen selbständigen Wert. Geschichtlich bedeutet sie 
ihm die Emancipation vom Judentum oder vom Gesetz, individuell 
die Versöhnung und Sündenvergebung. Johannes fußt auf Paulus ^), 
tut aber einen entschiedenen Schritt über ihn hinaus in der Idealisierung 
und Verallgemeinerung des Christentums, in der Ablösung desselben 
von seiner geschichtlichen und jüdischen Grundlage. Es ist verkehrt, 
wenn Weizsäcker ausführt, daß die ideale Christusauffassung des 
Paulus durch die johanneische Spekulation wieder zu der vollen Gel- 
tung seiner geschichtlichen Person zurückführe^). Paulus ist sich des 
Unterschiedes zwischen dem Jesus xaxa (jap/a, den er nicht kennt, 
und dem himmlischen Herrn, von dem er allein etwas wissen will. 



^) Einzelne Berührungen mit Paulus kommen dabei kaum in Betracht, ob- 
gleich sie sich finden. Am bedeutsamsten ist, daß Abraham den Juden abgesprochen 
wird und daß Jesus als das wahre Osterlamm gilt. Weniger fällt ins Gewicht, daß 
der Sohn frei macht und daß das Samenkorn ersterben muß, um aufzuerstehen. 

*) Apostohsches Zeitalter p. 536 s. Weizsäcker geht von der Ansicht aus, 
daß die persönliche Erfahrung eines vertrauten Jüngers Jesu der Spekulation im 
vierten Evangelium die Wage halte; s. oben p. 118. 



122 Ergebnisse der Analyse. 

sehr wohl bewußt; bei Johannes ist dieser Unterschied nicht mehr 
vorhanden. Bei Paulus ist Jesus noch durchaus der Christus, wenn- 
gleich zum Skandal der Juden ein Christus am Galgen; bei Johannes 
ist die Messianisierung zur Apotheose geworden, und auch die Apo- 
theose fällt genau genommen weg, wenn der Logos von Ewigkeit 
Gott ist. Die Parusie, ein jüdisches Kesiduum, wird von Paulus noch 
fest gehalten, wenngleich sie nicht mehr im Vordergrunde steht; bei 
Johannes gibt es keine Parusie, weil der jüdische Messiasbegriff ver- 
schwunden ist und die Differenz zwischen diesem und der irdischen 
Erscheinung Jesu nicht ausgeglichen zu werden braucht: Jesus ist 
die ewige und gegenwärtige Wahrheit, das Prinzip der absoluten Re- 
ligion. Paulus legt der geschichtliche Tatsache des Todes große Be- 
deutung bei; bei Johannes ist der Tod nur ein Scheiden aus der Fremde 
zur Heimat, eine Wiederablegung der Menschlichkeit^). Er hat keine 
heilsgeschichtliche Bedeutung: die Wahrheit macht von Sünde 
frei. Er hat auch nicht die Bedeutung, das Band zwischen Gesetz 
und Evangelium zu durchschneiden. Johannes braucht keine Be- 
freiung vom Judentum mehr, er ist los und ledig davon. Er steht 
über dem Kampf, den Paulus führt, und setzt ihn als gewonnen 
voraus. 

2. Baur findet mit Recht die historische Stufe des vierten Evan- 
geliums dadurch gekennzeichnet, daß die Kirche die jüdischen Eier- 
schalen abgeworfen hat, daß sie völlig auf eigenen Füßen steht, daß 
Judentum und Gesetz als fremde Größen gelten, von denen sie sich 
reinlich geschieden hat. Die Polemik Jesu gegen die Juden, die einen 
breiten Raum einnimmt, ist kein Einwand dagegen. Denn er setzt 
sich nicht eigentlich, wie bei den Synoptikern, mit ihnen auseinander, 
und versucht nicht, sie von gemeinsamer Grundlage aus zu gewinnen 
oder zu widerlegen, sondern hebt nur das trennende Moment auf das 
schroffste hervor. Sie vertreten ihm gegenüber die feindliche Welt, 
und er vertritt ihnen gegenüber das fertige, abgeschlossene Christentum, 
den Glauben an seine Person, an seine göttliche Autorität. Auch das 
ist kein Einwand, daß die Kirche selber als aus Juden bestehend gilt 
und daß es an einigen Stellen für nötig gehalten wird nachzutragen, 
daß doch auch NichtJuden nicht von ihr ausgeschlossen seien. In 



^) Abgesehen allerdings von den Nachträgen, die sich durch den Gebrauch 
des paulinischen uTi^p auszeichnen. 



Herkunft und Zweck, Ort und Zeit. 123 

der Anfangszeit ist sie auf die Urjünger beschränkt, welche Juden 
waren; außerdem kommt in Betracht, daß sie die geradlinige Fort- 
setzung der jüdischen Theokratie sein soll, zu der die Namensjuden 
als Kinder Kains oder des Teufels oder der Welt gar nicht mehr ge- 
hören. Der Universalismus des Christentums wird zwar nicht so 
polemisch hervorgehoben, wie zuweilen bei Lukas und bei Matthäus, 
er wird aber als vollkommen selbstverständlich angesehen und spricht 
sich vielfach nebenbei und ohne besonderen Nachdruck aus. Jesus 
ist zu der Welt gesandt, um der Welt zu predigen und die Welt zu 
retten. 

Damit soll jedoch nun nicht behauptet werden, daß das vierte 
Evangelium unter dem Einfluß nichtjüdischer, etwa griechischer 
Ideen stehe. Es ist zwar dem Judentum entwachsen, aber doch auf 
dessen Boden gewachsen, wie das genuine Christentum überhaupt. 
Es bezeichnet einen Fortschritt über die älteren Stufen des Christen- 
tums, aber einen innerlichen. Der Geist ist wesentlich biblisch; er wird 
charakterisiert durch den Monotheismus als Motiv der Moral und als 
Quelle der Erkenntnis. Verwandtschaft mit Philo läßt sich nicht 
nachweisen. Die krassen Wunder, die berichtet werden, sollen keine 
Allegorien sein. Der Dualismus zwischen Licht und Finsternis ist 
gleichbedeutend mit dem Unterschied von Gut und Böse, wie wir 
gesehen haben, und hat mit dem Gegensatz zwischen Gott und Materie 
bei Philo nichts gemein, so zuversichtlich auch Weizsäcker das Gegen- 
teil behauptet. Der Logos bedeutet in der philonischen Schrift De 
opificio mundi den Plan der Weltschöpfung oder die Gesamtheit der 
Vorbilder, wonach Gott das Chaos zum Kosmos gestaltete. Bei Jo- 
hannes hat der Logos diese Funktion nicht; er ist das befehlende und 
offenbarende Wort Gottes. Man braucht den jüdisch-biblischen 
Ideenkreis nicht zu verlassen, um zu sehen, woher er stammt; die 
Meinung, daß den Juden solche Hypostasierungen fern lagen, trifft 
nicht zu^). 

Noch viel überflüssiger ist es, die Quelle des Ausdrucks [Aovoyevr^^ 
bei Philo zu suchen; er bedeutet ebenso viel wie dr{aicqT6<: (= IxXsxto?) 
in der Septuaginta und ist nur eine wörtlichere Übersetzung des 

^) Sogar Philo selber scheint seinen Logos gar nicht aus der griechischen 
Philosophie entlehnt zu haben; der Begriff, wie er ihn faßt, stimmt genau überein 
mit dem der Chokma, die in Prov. 8 dem Schöpfer die bimten Arten der Geschöpfe 
vorspielt, ehe er sie schafft. 



124 Ergebnisse der Analyse. 

hebräischen Originals, wie sie auch bei Aquila und Symmachus (Gen. 
22, ä) vorliegt. Jegliches Grundes entbehrt endlich die Behauptung 
Pfleiderers ^), der Paraklet in Joa 14 sei aus Philo entlehnt, welcher 
den Logos als den Fürbitter für die Menschen öfters so nenne. Es 
scheint nur eine einzige Stelle zu geben, wo der Ausdruck bei Philo 
überhaupt vorkommt, nämhch De opif. mundi § 6 am Anfangt). 
Da heißt es, ohne Beistand, rein aus eigener Kraft (oüSsvt TrapaxXr^Tco, 
[xov(o 03 auTcj) ypTjopdjAsvoc) habe Gott die Materie zu einer guten Welt 
geschaffen. Wo steckt hier die Beziehung zum Logos und gar zum 
Johanneischen Parakleten? Pfleiderer berücksichtigt nur die Vokabel, 
die er für ungewöhnlich anzusehen scheint, weil sie vielleicht literarisch 
auf die Rhetoren oder Juristen beschränkt ist. Sie muß aber auch 
im gemeinen Leben gäng und gebe gewesen sein, denn sonst hätte 
sie nicht in das Jüdisch-aramäische eindringen können. Überhaupt 
hält man sich bei der Vergleichung des Johannes mit Philo zu sehr 
an die bloßen Vokabeln, statt an die Sätze und Aussagen. 

Den Versuch, das vierte Evangelium mit dem Montanismus in 
innere Verbindung zu bringen, hat man aufgegeben. Montanus hat 
den Johanneischen Parakleten auf das äußerste misverstanden, indem 
er ihn zum Verkünder der nahen Parusie macht. Auch davon ist man 
abgekommen, daß das Buch gegen den Gnosticismus protestiere ^), 
selber aber davon beeinflußt sei. Die johanneische Gnosis unter- 
scheidet sich nicht von der Pistis"^); sie hat eine praktische, moralische 
Richtung, die Wahrheit ist das Gute. Gott ist kein Gegenstand der 
Spekulation; Jesus ist seine alleinige und vollkommen dem Bedürfnis 
entsprechende Offenbarung; durch Jesus schauen ihn die, die guten 
Willens sind, mit dem Herzen und nicht mit dem Intellekt. Der 



1) Urchristentum (1902) 2, 377 n. 1. 

2) Wenigstens kann Loeser, auf den man sich zu berufen pflegt, in seinen 
Observationes p. 154 den Gebrauch des Substantivs, worauf es allein ankommt, 
nur mit dieser einen Stelle belegen. Die Beispiele für den Gebrauch des Verbs, 
die er hinzufügt, gehören nicht zur Sache. Der Unterschied ist aber sogar auch 
von Lücke (zu 14, 16) übersehen worden. 

3) Dieäe alte Meinung der Kirchenväter ist sehr energisch erneuert worden 
von dem Kardmal Nicholas Wiseman (Twelve Lectures, London 1836 II 246 ss.), 
mit der Modification, daß die bekämpften Gnostiker die s. g. Johanneschristen, 
nämlich die Mandäer seien. Wiseman hat aber nur sehr vage Begriffe von Zeit 
und Inhalt der mandäischen Bücher. 

*) Dies Substantiv kommt freilich nicht vor. 



Herkunft and Zweck. Ort und Zeit. 125 

Standpunkt ist durchaus kirchlich, wenngleich fortschrittlich, da die 
Parusie und in der Grundschrift auch die Sakramente ignoriert werden. 
Von der Erlösung der einzelnen Seele, dem Hauptthema des eigent- 
lichen Gnosticismus, wird nicht geredet. Das Ganze hat trotz dem 
Schein des Gegenteils etwas Rationales, was in der Kirchensprache 
pneumatisch genannt wird. 

3. Obwohl das Explicit des Buches (20, 31) seinen Inhalt und 
Zweck falsch angibt, so hat es doch darin Recht, daß dasselbe nicht, 
wie neuerdings zuweilen behauptet wird, an die Adresse der Juden 
oder der Johannesjünger gerichtet, sondern für solche Leser geschrieben 
ist, die schon glauben (ujisi?). Es ist nicht für die Mission bestimmt; 
es will nicht die Außenstehenden werben. Es wendet sich ausschließ- 
lich an Christen; nur so begreift es sich, daß die ältere Gestalt des 
Christusglaubens in gewissen Punkten korrigiert wird. Es ist also 
esoterisch d. h. innerchristlich, und zwar nicht bloß in den Reden 
an die Jünger, sondern durchweg, auch in den Reden an die Juden, 
die nicht geeignet sind, sie zu gewinnen, sondern nur, sie zurückzu- 
stoßen. 

Wo sind nun die ursprünglichen Leser, die üjisi? oder T)}j.3t?, zu 
suchen ? Es wäre von Interesse zu wissen, an welchem Orte das vierte 
Evangelium geschrieben ist und zuerst gewirkt hat. Man meint, daß ge- 
wisse Spuren auf Palästina weisen, und beruft sich in dieser Hinsicht auf 
die Kenntnis seltener Namen von Städten und Lokalitäten. Jedoch diese 
lassen sich nicht identifizieren und duften nach antiquarischen Raritäten. 
Ein völliger Mangel an wirklicher topographischer Anschauung des 
heiligen Landes zeigt sich darin, daß die Leute von dem quellenreichen 
Sichem (Sychar) nach einer Zisterne gehen müssen, um Wasser zu holen. 
Eine gewisse Bekanntschaft mit jüdischen Dingen ist natürlich zu 
erwarten. Grobe Verstöße in der Auffassung gewisser hierokratischer 
Einrichtungen, die man hat finden wollen, lassen sich schweriich nach- 
weisen. Bekanntschaft mit der Sitte, sich auf das Fest zu heiligen, 
verrät sich in 11, 55; Bekanntschaft mit dem Ritus des Wasseraus- 
gießens an der Oktave des Laubhüttenfestes vielleicht in 7, 37. Un- 
kenntnis davon, daß zu Ostern der Vollmond scheint, wird man aus 
18, 3 (Fackeln und Leuchten) nicht erschließen dürfen; ebenso wenig 
Unkenntnis davon, daß am ölberg keine Palmen wachsen, aus 12, 12 
(Palmwedel statt der axtßaSec). Aber doch ist es unrichtig, wenn Weiz- 
säcker behauptet, die Diskussionen mit den Juden seien der Widerhall 



126 Ergebnisse der Analyse. 

von wirklich (wenngleich erst lange nach dem Tode Jesu) vorgekomme- 
nen, und der Verfasser zeige sich darin über jüdische Lehren und 
Vorstellungen sehr gut unterrichtet. Eher könnte man zu spüren 
vermeinen, daß er nicht darin aufgewachsen sei. Er würde sonst nicht 
sagen, daß Moses die Beschneidung gegeben habe, nicht das Pascha 
für die Azvma setzen und es nicht das Fest der Juden nennen, 
so wenig wie das Gesetz das Gesetz der Juden, überhaupt nicht von 
den Juden als völlig fremden Leuten reden. Die Kenntnis des Ara- 
mäischen, die er in einigen Interpretationen an den Tag legt, beweist 
ebenfalls nichts für seine Herkunft aus Palästina. Seine Muttersprache 
scheint es nicht gewesen zu sein, wenigstens ist seine griechische Aus- 
drucksweise davon nicht entfernt so gefärbt wie die des Markus und 
des Verfassers der dem Matthäus und Lukas gemeinsamen Redestücke. 
Auch der gewaltige inhaltliche Unterschied des vierten Evangeliums 
von den drei ersten macht es unwahrscheinlich, daß es auf dem selben 
Boden wie jene entstanden sei; es würde dann kaum die alte jerusa- 
lemische Tradition mit solcher Freiheit behandeln. Daraus, daß Je- 
rusalem als der Schauplatz des Wirkens Jesu und der Erscheinungen 
des Auferstandenen, als der Sitz seiner Brüder und der Urgemeinde, 
in auffallender Weise vor Galiläa bevorzugt wird, und daß die übrigen 
Gotteskinder d. h. Christen als von da verstreut (öieorxopTrKJjilva) gelten, 
folgt nicht, daß es dort entstanden sei. Etwas Positives über den Ort 
seiner Entstehung läßt sich freilich dem nicht entgegensetzen; dazu 
reichen unsere Mittel, soweit sie zuverlässig sind, nicht aus. 

Die Data zur Bestimmung der Zeit sind etwas brauchbarer. 
Der Gottesdienst auf dem Sion und auf dem Garizzim hat nach 4, 21 
aufgehört. In 5, 43 wird sogar zurückgeblickt auf die allgemeine 
Anerkennung Barkochbas als des Messias von selten der Juden ^). 
Indessen ist dieser Vers ein später und vereinzelter Nachtrag; das 
Gleichnis vom guten Hirten kennt nur erfolglose Messiasprätendenten, 
die keine Anerkennung in weiteren Kreisen gefunden haben. A potiori 
stammt das vierte Evangelium nicht erst aus der Mitte des zweiten 
christlichen Jahrhunderts. Es ist zwar sicher und anerkannter maßen 
das späteste der kanonischen Evangelienbücher. Die Nachfolge Jesu 
in den Tod tritt nicht mehr wie bei Markus als der Gipfel der evan- 
gelischen Moral hervor, die Ascese fehlt; von der gedrückten und doch 



^) So richtig Hilgenfeld und Jülicher. 



Die handschriftliche Oberlief erimg. 127 

wunderbar gefaßten Stimmung, die sich in Mt 10 ausspricht, ist nicht 
viel übrig geblieben. Die Kirche hat ihre Geburtswehen hinter sich, 
hat sich von der feindlichen Synagoge auch ihrerseits feindlich los- 
gerissen, fühlt sich selbständig und im sicheren Gedeihen; sie bedarf 
der enthusiastischen Hoffnung auf baldige Erlösung nicht mehr, sie 
vertraut ihrem eigenen Genius und der Zukunft ihrer Geschichte auf 
Erden. Indessen ist das sogenannte johanneische Evangelium darum, 
weil darin die Parusie, wie stellenweise auch im Lukas, beiseit ge- 
schoben wird, doch nicht jünger als die sogenannte johanneische 
Apokalypse in ihrer gegenwärtigen Gestalt. Denn dort ist schon Rom 
der Hauptfeind des Christentums. Hier dagegen setzt die römische 
Obrigkeit den Verfolgern noch den Daumen auf, sie wird sogar als 
von oben eingesetzt anerkannt^). Daraus scheint sich zu ergeben, 
daß das Buch seinem Hauptinhalt nach vor der Zeit abgefaßt ist, 
wo das Imperium anfing, prinzipiell der Kirche entgegenzutreten. 
Es gehört noch zu der ersten Periode der altchristlichen Literatur; 
mit der feindlichen Betrachtungsweise des römischen Reiches beginnt 
die zweite. 

Die handschriftliche Überlieferung. 

Auch für das vierte Evangelium habe ich nur den Sinaiticus (n), 
den Vaticanus (B) und den Cantabrigiensis Bezae (D) benutzt, da- 
neben die Latina (Vercellensis) und die Syra (Sinaitica). Die unbe- 
deutenden oder scheinbar unbedeutenden Varianten sind hier nicht 
minder zahlreich wie bei den Synoptikern und nicht anders geartet. 
Die Wortstellung ist häufig verschieden, auch die Konstruktion. 
Nicht selten steht einem Relativsatz oder einer Koordination zweier 
Verba durch xai' anderswo ein Participium gegenüber. Ebenso der 
Verbindung „er antwortete und sprach'' anderswo das einfache „er 
sagte". Synonyma werden vertauscht, wie atr(a^zä^/ und cpiXetv, otoovai 
und Tt{>svai, ototTpfßsiv und [asvsiv, sivai und ^s^ovivai oder ^ivsopftai, 
«rpetv und ßaof-aCetv, föstv und stösvat, [xapTüpta und XaXta, Xa&pa und 



*) Vgl. meine Analyse der Offenbarung Johannis in den Abh. der Göttinger 
Ges. der Wissenschaften 1907 (IX 4), und meine Noten zur Apostelgeschichte in 
den Nachrichten 1907 p. 9. 10. 13. Es ist keine Tendenz, sondern entspricht der 
Wirklichkeit, wenn berichtet wird, daß die römischen Beamten unparteiisch für 
Ruhe und Ordnung sorgten und durch Handhabung des formellen Rechtes die 
Christen schützten. 



128 Text und Sprache. 

atcüTT^ ; ferner oofa und a, efc und h, dx und dito, am meisten xat 81 o3v. 
Die Formen des Verbs wechseln, ^vot mit -j'vai, strov mit eltrav oder 
zhL süTCü? mit eTOfjXtt)?, s^svexo mit sysvt^&t^; sehr oft die Tempora 
und Modi. Explicita wie Jesus, Johannes, die Jünger, der Geheilte 
oder der Kranke (5, 10. 13. 14) werden zugesetzt und ausgelassen ^ i, 
ebenso adverbiale Bestimmungen wie si» tov aiSiva oder zk töv x6af[xov. 
und Epitheta wie atcovio? zu Cwr^ oder outoc zu 6 xoajio^. Ungleich 
häufiger aber kleine Worte, wie der Artikel (namentlich vor Eigen- 
namen und ösoc) oder xat os ouv tots iraXiv tzolc. Desgleichen Pro- 
nomina, sowohl in Abhängigkeit vom Verb als vom Substantiv. So 
TutofTsusTS und TziyzziBzi [xot oder zk s|is, scupocxaTs und L [xs, tSovxsc 
und t. [As; o rarr^p und o t:. [lou, oi TraTSpe? und oi ir. 6[i.a>v, 6 vofio? 
und 6 V. u{x(uv. 

Was N und B betrifft, so weichen sie mehrfach in auffaUenden 
Lesungen gemeinsam von dem Gros der Zeugen ab, wie 1, 18 
(jiovoYsvTj^ Oso?) , 3, 13 (o tt)v iv T(o oipav(5 fehlt) , 13, 2 (Io6oa? 
^. 'JT/aptcüTT^? hinter TrapaSoi, nicht im Genitiv hinter zk trjv xapSttxv), 
19, 39 (s/a-yjia für iiqfAa). Der Unterschied der beiden ältesten Uncialen 
im Joa liegt vornehmlich darin, daß N viel öfter mit der Latina stimmt 
als B, wenngleich nicht überall so stark wie in den ersten sieben Ka- 
piteln 2). Das berechtigt indessen durchaus nicht zu dem Urteil (Bous- 
set), N sei im Joa weniger wert als sonst. Nicht immer, z. B. nicht 
in 3, 8. 4, 36. 6, 17. 8, 39, aber oft genug verdient X den Vorzug vor B, 
z. B. in 2, 3. 2, 12. 5, 32. 8, 57. 10, 8. 13, 10, besonders auch hinsicht- 
lich der Auslassung ganzer Sätze in 4, 9. 7, 50. 9, 39. 16, 15. 21, 25. 



1) Ein durchgedrungenes falsches Explicitum ist o't lxoi^^^'zoll aou 7, 3. 

2) 1, 4 h a'JTuj C<wi^ ^cJTiv, B e. a. Cwt] t]v. 
1, 13 o'ioe ^OJiiia'zoQ dvopcJ;, fehlt in B. 
1, 18 6 wv fehlt, in B nicht. 

1, 21 Tt ouv, B au Oüv Tl. 

1, 25 7.ol\ y^pttfTT^aav auTov xoti fehlt, in B nicht. 

1, 32 Co; TrepiöTepav anders gestellt als in B. 

1, 34 6 ^xXexTo; tou ^eoO, B 6 uio? t. d. 

1, 39 xal föeTE, B xal 6^i(5%z. 

1, 47 iSiov . . . X^yei, B eI5ev . . , xal Kiyzu 

2,3 'AOLi olvov o'jx ei/ov, oti cfuvsTeX^at^T^ 6 olvo? tou yctfjio'j* elxot Xiyti i^ 

fjLT^TT^p — B xGti uöTEpyjaavTo; oivo'j X^yei ifj l^-'fl'^fiP' 

2, 12 xGtl ol fxot&r^Tal aiTovi fehlt, in B nicht. Es genüge diese Beispiele aus 

1, 1 — 2, 12 anzuführen. 



Die handschriftliche Überlief eruBg. 129 

Die Ausdrücke 6 xupioc 4, 1 und 6 am^p 6, 64 sind aus dem Grunde 
nicht zu beanstanden, weil sie in Interpolationen vorkommen und 
diese kennzeichnen. 

D zeigt sich bei Joa von ähnlicher Art wie bei Matthäus und 
Markus. Zu den Latinismen des Schreibers Xe^twvrj?, s/sts?, Kp7^vrfi 
xal Apaßoi (Act 2, 11) kommt aus Joa hinzu Ileipoü? (13, 24) und viel- 
leicht orcaSta (6, 19): letzteres ist zwar korrekt griechisch, aber aus dem 
Neuen Testament verschwunden, dagegen im Lateinischen ausschließ- 
lich gebräuchlich. Die proven^alische Abkunft verrät sich in der la- 
teinischen Columne durch elebabit (= elevavit) serbare badere, 
und umgekehrt durch vivit für bibit; man erinnert sich an den Spruch, 
in den der verbannte Scaliger sein Heimweh kleidet: felices populi, 
quibus vivere est bibere. Zu der Spreu von Varianten liefert D auch 
im Joa den größten Beitrag und zeigt dabei die gleiche Inkonsequenz 
wie sonst. Im Allgemeinen läßt sich vielleicht eine stärkere Hin- 
neigung zur Vulgärsprache konstatieren, doch kommen auch Gegen- 
instanzen vor. An manchen Stellen findet sich ein Plus gegen « und B, 
an mindestens ebenso vielen dagegen ein Minus. Verbesserungen oder 
Veränderungen des Pragmatismus wie im Evangelium und der 
Apostelgeschichte des Lukas sind kaum nachzuweisen. An auffallenden 
Einzelheiten verdienen bemerkt zu werden dizh Kapucüioö für 'lorxapio*- 
TT^c (außer 6, 71, wo dagegen N iizh KapucoToö bietet), Kar^a? für 
Kaiacpa?^), paßßcovt für paßßoüvi, iajxcpoüpsiv 11, 54, die je einmal vor- 
kommenden Formen 'Ispouaa^jx und NaCapr^voc; ferner ßaatXt'cr/co^ 4, 
46. 49 für ßaai>axoc, rpiv 8, 58. 11, 55 als Präposition. Unjohan- 
neisch ist iTrspcoxav (beständig für das Simplex), lp*üvav für spauvav, 
£T£poc 9, 9 für aXXo?; nicht aber ßaataCstv 20, 15 für aipuv, und ooxsiv 
mit persönlichem Subjekt 11, 56. 21,23. Im Ganzen stimmt der Text 
von D mit dem der Vetus Latina (Vercellensis), auch diese hat basi- 
liscus Caiphas und 18, 5 Nazarenus. Doch sind Ausnahmen nicht 
selten. Die Perikope von der Ehebrecherin steht in D und fehlt in 
der Latina; sie übersetzt nicht cxtc^ KapüwToD, sondern sagt Scariot, 
sie liest 7, 3 aüxoi; mit X, während D aüto mit B, sie läßt 10,8 izpb ijioGI 
mit N aus, während D ebenso wie B es bietet. 



^) Was Lagarde über die Etymologie von Kaiphas und Kaiaphas auf 
grund meiner Bemerkungen in den Resten arabischen Heidentums vorgetragen 
hat, ist wenig wahrscheinlich. 

Wellhausen, EvaDg. Johannis. 9 



130 Text und Sprache. 

Die Syra weist Eigentümlichkeiten in den Ortsangaben auf; für 
Bethania 1, 28 hat sie Bethabara (Origenes), für Ainon En-Nun 
d. h. Fischhausen (Diatessaron arab.), für Kana Katna oder K'tanna; 
im vf^ TTpoßaTix-g 5, 2 fehlt bei ihr, dagegen setzt sie 12, 12 den ölbei^ 
ein, der sonst bei Joa so wenig genannt wird wie der Garten Grethsemane, 
und 18, 1 erUärt sie den Kidron für einen Berg. In den wichtigsten 
Fällen, wo N und die Latina zusammen gehen, ist sie dabei; mit der 
Latina oder D allein stimmt sie vielleicht etwas mehr, als mit ^^ allein 
(8, 57. 13, 9) oder mit B (8, 39). Die Zahl der unbedeutenden Ab- 
weichungen von der durch N und B repräsentierten ÜberUeferung 
ist wohl noch größer als in D; es läßt sich freilich oft nicht entscheiden, 
ob sie auf die griechische Vorlage oder auf die Freiheit des Übersetzers 
zurückgehen. Für otTrsxptörj xal ekev hat sie gewöhnlich einfach e r 
sagte. Vielfach fehlen Pleonasmen, Explicita, Epitheta^); doch 
kommt es auch vor, daß dergleichen zugefügt wird oder variiert. 
Davon sind zu unterscheiden die größeren Zusätze oder Auslassungen 2), 
die letzteren überwiegen und sind zaMreicher als in fc< und D. Von 
singulären Lesungen oder Übersetzungen mögen folgende Beispiele 
angeführt werden. Du bist der Christus 1, 36; auch 6, 69 
steht der Christus für den Heiligen Gottes und 7, 40 für den Propheten. 
EswareinTeichö, 2; das Präteritum statt des Präsens sorxiv, 
worauf Blaß Häuser baut, ist hier sehr merkwürdig. Wer sein 
(statt: mein) Fleisch ißt und sein Blut trinkt, hat 
das ewige Leben 6,54; dann schließt das folgende xd^«) dvacrn^im 
xtX. nicht an. Euch alle 6, 70 für up.5? to?>c SwSsxa. Aus Furcht 
vor dem ^üy 7, 13 für 5ta t^v «poßov t&v 'louSat'cov; bei Aphraates 
werden die Juden regelmäßig ^üV genannt. Aus jener Stadt 
7, 31 für Ix TOü o/Xoü. EfjjLi 7, 34. 36 für et|xt. 'KTrdpaxot' daiv 7, 49 
fehlt. AaifjLovtou 10, 21 für 6atfjLoviCo|i£voü. Jesus sagte zu 
Martha: dein Bruder wird auferstehen. Martha 
sagte: ich weiß, bei der Auferstehung am jüng- 
sten Tage (dvaa-T^ofSTat fehlt). Jesus sagte: ich bin die 
Auferstehung (xal tj C«>t^ fehlt), wer usw. 11, 23 — 25. Über 
die Wiederholung des Imperativs in 11, 43: Lazarus, komm 

^) Für richtig halte ich das Fehlen von toutov 2, 19, von %ol}A 10, 32, von 
T.o}JA 14, 30; auch von xat 10, 33. 

*) Ich verstehe unter Zusatz und Auslassung nur Plus und Minus, was sich 
leider nicht in den Plural setzen läßt. 



Die handsdirifdiche überiiefemii^. 131 

heraus, kommherausls. meine Note zu Le 7, 14. ToG svtoim'j 
ixsn^'j fehlt 11, öl.. aber nicht 18, 13. Wenn ihrmich nicht 
kennt, kennt ihr auch meinen Vater nicht 14, 7. 
Kae oTUjianß 18, 3 fehlt. 9!>pfopo; 18, 16 wird maskuliniseh gefaßt und 
die Magd 18, 17 heißt die Magd des Türhüters. Und eilig unter 
Schweigen setzten sie ihn bei in dem nah dabei 
gelegenen Grabe, weil der Sabbat anbrach 19, 42. 
Für xal jAsft' ^,^*^^ '^^cTo 20, 26 wird am nächsten Sonntag 
gesagt. 'Ö3st für o&e» 21, 18. 

Viele Abweichungen der Syra beruhen ohne Zweifel auf WiD- 
kür. Einige Zusätze oder Änderungen sind aus den Synoptikern 
geflossen; so das zweimalige Krähen des Hahns 13,38, femer aus 
Markus und goß es auf das Haupt Jesu, da er zu Tische 
8 a ß 12, 3, aus Matthäus Simon jona statt Simon Johannis 1, 42. 
21, 16 , TTj ZTP.rsiaTxwyT^ stc juav aa^lparmv 20, 1, steck dein 
Schwert zurück an seinen Ort 18, 11. Eine dogmatische 
Korrektur liegt in 6, 63 vor: „der Geist ist es, der das Fleisch 
lebendig macht; ihraber sagt, das Fleisch nütze nichts" — der 
Gegensatz von Geist und Fleisch wird ausgeglichen und die Äußerung, 
daß das Fleisch nichts nütze, aus dem Munde Jesu in den der Jünger 
verl^, um ihre Giltigkeit aufzuheben. Eine andere in 18, 23: „ich 
habe recht geredet, warum schlägst du mich?" — nicht einmal als 
M^lichkeit darf Jesus zugeben, daß er übel könnte geredet haben ^). 
Weit häufiger aber als dogmatische Anstöße werden Widersprüche 
und Mängel im Faden der Erzählung beseitigt; ähnlich wie es in D 
zur Apostelgeschichte geschieht. Dies ist besonders charakteristisch 
für die Syra zu Joa. Über die starke Umarbeitung von 18, 12 — 27 
ist schon in der Analyse gehandelt. Andere Beispiele mögen hier noch 
hinzugefügt werden. In 3, 22. 23 verlautet nichts davon, daß Jesus und 
Johannes neben einander tauften, vielmehr heißt es: „Jesus kam 
mit seinen Jüngern in das jüdische Land und weilte da, und es 
weilte mit ihm auch Johannes." Dag^en wird in 4, 2 die Aussage, 
daß Jesus überhaupt nicht getauft habe, eingeschränkt: „Jesus 
taufte nicht allein, sondern seine Jünger" — dabei fehlt aber das 
auch hinter sondern, die Procedur ist auf halbem Wege stehen ge- 
blieben. In 3, 26 wird Alle (kommen zu Jesus) in V i e 1 e verwandelt; 
in 3, 32 Keiner (nimmt sein Zeugnis an) in N i c h t j e d e r. Der 

1) Ähnlich ist der Einsatz 6, 6. 7 zu beorteilen, vgl. p. 28. 29. 



132 Text und Sprache. 

Vers 4, 8 erscheint im griechischen Text als Nachtrag und ist auch 
einer; in der Syra wird er umgestellt, um in den Zusammenhang zu 
passen. Ähnlich könnte man über die Auslassung von h -zm [isiaji 
zu urteilen geneigt sein, indessen liegt hier die Sache wahrscheinlich 
anders. In Kap. 11 werden die Spuren davon, daß Lazarus ursprüng- 
lich gar nicht mit Maria und Martha zu Einer Familie gehört, ver- 
wischt dadurch, daß er gleich anfangs, schon vor der Interpolation 
von Vers 2, als ihr Bruder eingeführt wird; ebenso dadurch, daß es 
Vers 3 heißt „seine zwei Schwestern" und in Vers 5 „Jesus 
liebte diesedreiGeschwister, Maria, Martha und Lazarus," 
In Kap. 12 wird das gebrechliche Gefüge der Palmarumperikope 
verbessert durch einen Zusatz am Anfang von Vers 12 „Am andern 
Tage ging er aus und kam an den ölberg" und durch eine Änderung 
in Vers 14 „Jesus aber ritt auf einem Esel, wie geschrieben ist". In 
13, 4 wird das schwierige sx xou Ssittvoü einfach ausgelassen, ebenso 
in 16, 18 die Einführungsformel eXs^ov o5v, die darauf hindeutet, 
daß der Vers nachgetragen ist. In 20, 2 ist oröajAsv in oI8a verändert, 
weil nur Eine Person redet; umgekehrt slosv xal iTcfoisücjsv 20, 8 
in etSov xat iirtaTsuaav, weil die Aussage nicht bloß auf den Lieblings- 
jünger, sondern auch auf Petrus gehen soll. In 20, 16 wird das im 
jetzigen Text befremdende (Tcpa^stua verändert und zu \i.r^ (xoü a7rcot> 
eine Motivierung hinzugefügt; auch in 21, 7. 8 wird dem Pragmatis- 
mus nachgeholfen. Blaß greift mit Vorliebe nach solchem Katzen- 
golde der Syra, er ist ihr als Kritiker seelenverwandt. Zugestanden 
muß werden, daß meist wirkliche Schwierigkeiten bei den Korrek- 
turen empfunden sind. Es liegt am nächsten anzunehmen, daß die- 
selben erst in der Syra entstanden und nicht schon in ihrer griechischen 
Vorlage vorhanden gewesen sind; zu derjenigen in 3, 22. 23 hat offen- 
bar die Ähnlichkeit von icy (getauft werden) und icy (wohnen) den 
Anlaß gegeben. Der Übersetzer verfährt zwar keineswegs leichtfertig, 
indessen doch auch nicht ängstlich. Er drückt hier und da (16, 20. 
20, 1) Ein griechisches Wort durch zwei syrische aus, er gibt oi äpyovxz^ 
in 7, 26 anders wieder als in 7, 48, d7ro(Jova7a>7o? in 9, 22. 12, 41 
anders als in 16, 3, das erste 'f ips in 20, 27 anders als das zweite. 
Kai' o'{/iv 7, 24 übersetzt er psN ps»« (ihr richtet je nach dem npoa- 
(üTTov verschieden ?), er setzt zu Anfang von 11, 1 ein unjohannei- 
sches xal eysysTo vor. Für Jesus steht streckenweis konsequent der 
Herr (märan), ebenso wie in einem größeren Abschnitt des Matthäus. 



Sprachliches. 133 

Sprachliches. 

Die Absicht des folgenden Versuchs geht darauf, die charak- 
teristischen Züge der johanneischen Sprache zur Darstellung zu brin- 
gen und ihr Verhältnis zu der des Markus und seiner Verwandten. 
Ich nenne Markus als den Hauptvertreter eines Genre, das auch bei 
Matthäus und Lukas zu finden ist, namentlich in den ihnen gemein- 
samen Eedestücken. 

Einfacher Satz. 

1. Was die Wortstellung betrifft, so geht das Verbum in der 
Regel voran und das Subjekt kommt hinterdrein. Das scheint ähnlich 
zu sein wie bei Markus und im Semitischen. Aber die Ähnlichkeit 
wird dadurch zur Differenz, daß das Subjekt nicht alsbald auf das 
Verbum folgt, sondern mit Vorliebe an das äußerste Ende des Satzes 
rückt. So 9(üvst Tov vü[icpiov 6 dpjriTpixXtvo? 2, 9; dvr^X&sv &k xo opos 
'Ir^ofOüc 6,3; stcrrjX&sv s,k xo irpaiitopiov 6 lliXaioc 18,33; r^pw-rrjasv 
tiv riiXatov 'Ia>anr^(p 19,38. Das Objekt, sei es ein Substantiv oder 
ein Pronomen, steht sehr oft vor dem Subjekt, nicht selten auch vor 
dem regierenden Verb, namentlich vor dem Infinitive. Noch mehr 
unterscheidet sich Joa von Markus und dem Semitischen dadurch, 
daß der Genitiv oft vor dem Regens oder getrennt davon steht, so- 
wohl der pronominale (aütoö ot iiaör^Tai, ai-zoo xr^v fi-apToptav, aixwv 
irovTjpä xa sp^a, auxoö xiv TnjXiv lirl xoü? o<pOaX(xo6^, y;[jlü>v xov xottov 
xal xo s&vo?) als auch der substantivische (oio dv{>p(i)7ro>v y) [xapxDpid, 
xüu Tiaxpo? xac ävxoXd?, 6 xo5 apyitpim^ 8oüXo?). Es findet sich bei 
Joa keine Spur vom Status constructus. Bei Markus schimmert 
dieser auch darin durch, daß das Regens vor determiniertem Genitiv 
häufig nicht den Artikel hat, daß nicht gern Ein Genitiv hinter meh- 
reren Regentia steht, und daß namentlich der pronominale Genitiv 
(das Suffix) hinter jedem Regens wiederholt zu werden pflegt. Bei 
Joa kommen solche Erscheinungen kaum vor; ix orcspfxaxo? AaüiS 
7, 42 ist nur die Lesart des Cantabrigiensis. 

Auch die echt semitische Art, ein Stichwort aus der Konstruktion 
herauszuheben, es als Nominativus absolutus oder Casus pendens voran- 
zustellen und hernach darch ein rückbezügliches Pronomen wieder 
aufzunehmen, findet sich bei Joa höchstens annähernd in besonderen 
Fällen; vgl. §4. 



134 l^c^t und Sprache. 

Also ist die Wortstellung bei Joa im Allgemeinen unsemiti§ch, 
und die Voransetzung des Verbs wird aus Nachahmung des biblischen 
Stils zu erklären sein. Vereinzelt erscheint die semitische Auslassung 
der Copula zwischen Subjekt und Prädikat im präsentischen oder 
zeitlosen Satze: J^w <p«)VT^ 1, 23, i^cb h TtjS iraipt xal 6 TraiTjp h ijAOt 
14,11; vgl. Blaß §30,3, 

Beiordnung von Sätzen. 

2. In dem Exordium des zweiten Abschnittes (13, 1 — 3) hat sich 
die Bedaktion folgende Periode geleistet: lipo os 'zr^^ sopir^? to5 
TzdT/OL siöoi? 6 'ir^aoü? Sxi r^Xftsv aütoü r^ cSpa ?va [Astap-Q ix tou 
xoafxoü Touxoü Tupo^ t6v iraTSpa, difain^aa? toüc tötoüv tou^ sv tcT xocjjho, 
st? TsXo? TjotTTTjOfsv auTOü?* xotl SsttTvoi) 7svo|iivoü, TOü öta|36Xou rfir^ 
ßsßXYjxoTOc SIC TTjv xapoiav 'louSa 2i[i.«)V0? 'laxapiwTOu fva Trapaoot 
auTOV, siSmc oxi Trav-a £Öa>xsv aüttj) 6 7:aTT)p eic t4? Yß^?^^ ^^'^ ^'^*- 
GtTco &soi> i^TjXftev xal irpoc tov ösöv ÖTua-Ysi, ^Ystpsiat ix toü osittvoü. 
Ein zweites Beispiel der Art kommt nicht vor. Die Parataxe über- 
wiegt; ihre Aufhebung durch das Particip ist seltener als bei Markus, 
die Handschriften gehen dabei manchmal aus einander. Bei der Ver- 
gleichung findet sie sich 5, 17: mein Vater wirkt bis jetzt, und ich 
wirke. Auffallendere Beispiele sind 6, 50: ich bin das Brod des Lebens, 
damit einer davon esse und nicht sterbe = damit, wer davon ißt, nicht 
sterbe; 7, 4: niemand tut etwas im Verborgenen und will, daß es 
öffentUch sei; 14, 16: ich werde den Vater bitten, und er wird euch 
einen Beistand geben = ich werde ihn bitten, daß er gebe, und er 
wird es tun; 18,16: er sagte der Türhüterin, und sie ließ ihn ein ^ er 
sagte der Türhüterin, sie möchte ihn einlassen, und sie tat es. Das 
ist ganz wie in der aramäischen oder in der biblischen Redeweise. 
Nicht ungriechisch dagegen 6, 35: es sind noch vier Monate und die 
Ernte kommt, 16, 16: eine kleine Weile und ihr werdet mich nicht 
sehen; nach sp^siai VSpa findet sich freilich das xat nicht (5, 25. 28. 
16, 32). Andersartig und bei Joa ganz ungewöhnlich ist die Kon- 
struktion ßouXsof&s GtTtoXöaco 18,39, die bei Epiktet sich öfters findet. 

Bei der Parataxe im Joa zeigt sich jedoch wiederum ein beachtens- 
werter Unterschied gegen Markus. Nämlich die einzelnen Sätze 
werden nicht fortlaufend durch kai verbunden und fangen namentlich 
nicht gleich damit an. Auch das mit xai abwechselnde metabatische 
8s ist seltener als bei Markus, namentlich im Sinaiticus, der auch mit 



Sprachliches. 135 

o3v verhältnismäßig sparsam umgeht. Gewisse erzählende Partien 
haben etwas Mörtelloses, Lapidares; das Fehlen der Übergangs- 
partikeln tritt manchmal empfindlich auf, stellenweise freilich sind 
sie dicht gesät. Kat. . .xat findet sich bei Joa öfters als sonst im Neuen 
Testament ^). Msv mit folgendem Ss kommt einige male vor, ts. . .xott 
aber nur an späten Stellen 2 15. 4, 42. 6, 18, ebenso auch ou jiovov. . . 
aXXi xat 5, 18. 11, 52. 17, 20 2). 

Unterordnung und Conjunctionen. 

3. Relativsätze sind außerordentlich beliebt und werden oft 
gebraucht, wo ein Paxticipium oder ein anderer kürzerer Ausdruck 
zu erwarten wäre. Von Blaß werden sie vielfach ohne allen Grund 
beseitigt; zuweilen scheint das auch in den Handschriften geschehen 
zu sein, z. B. 6 [isXXwv 12, 4 für 8? yJjjlsXXsv (D) und 6 Yvwatoc (18, 16) 
für 8? f^v 7vco(3To^ (n). An Markus erinnert das häufige ottoü, besonders 
mit folgenden tjv. So 7, 42 diri Btj&Xssji ttjC xwjjlt^c ottoo f^v Aauid, 
femer 1,28. 6,62. 10,40. 11,32. 12,1. 18,1. 20,12. 19. Die Attraction 
des Arthron an den Casus des vorhergehenden Substantivs kommt 
öfter vor als bei Markus, wenngleich die Überlieferung dabei schwankt. 
Davon aber, daß die Rektion des Arthron nach semitischer Weise 
durch ein Pronomen nachgebracht wird, findet sich keine Spur; denn 
£71 ' aÜTov 1, 33 gehört nur zu [xsvov und nimmt nicht etwa das den 
Satz anfangende l^p ' 8v wieder auf ^). Unechte Relativsätze, die nicht 
der Zeit des Hauptsatzes entsprechen oder ihr vorangehen, sondern 
die Handlung weiter führen, sind mindestens sehr selten, während sie 
bei Lukas häufig sind, gewöhnlich mit xat hinter dem Arthron. 

4. An stelle des condicionalen Relativsatzes mit oc av, ti av, 
oaa av tritt noch öfter als bei den Synoptikern ein determiniertes 
Particip; in der Regel mit tto^ davor, doch auch ohne das. Ilac 6 ttivwv 
ov^rflzi wechselt mit oc av ttito oü jitj hi^-fpti 4, 13. 14. Das im Nomi- 
nativ voranstehende Particip braucht nicht Subjekt zu sein, sondern 
kann absolut stehen, indem es eigentlich einen Satz vertritt; so 

1) In 4, 36 fehlt das erste xaf mit Recht im Vaticanus. 

2) In 12, 9 wird es mit Recht von Blaß beseitigt, nach der Latina und Syra 
und nach dem Cantabrigiensis. Bei Markus, Lukas und in der Apokalypse kommt 
es überhaupt nicht vor, bei Matthäus nur einmal, bei Paulus und in der Apostel- 
geschichte nicht selten. 

3) Zuweilen steht o-i mit nachfolgendem Pronomen, wo man einen Relativ- 
satz erwartet. Für oti ooxeixe h auTaic verbessert Blaß ohne Recht h aU Soxelxe. 



136 Text und Sprache. 

h TTiaTsutov zU s{xi', TTOTajxol cj auTO'j psüioüitv 7, 38 und Tc5v xXrj|xa 
fiTj cpspov xotp-ov, «rpst auTo 15, 2, vgl. Lc 6, 47. Mt 13, 19 ^). Etwas 
anders 3, 8 outco; sarlv iroi^ 6 ys^sw/^jisvoc sx toö irvsüjjLaTo^ = so 
geht es, wenn einer aus dem Geist geboren ist. Nicht synoptisch ist 
das piit oc av abwechselnde und weit häufigere iav xi?. Bei den so 
eingeleiteten Sätzen tritt zuweilen die [relative Bedeutung stärker 
hervor als die condicionale, z. B. 6 Xajißavwv . lotv xiva irsfi.»}«) 13, 20. 

5. Durch das temporelle wc unterscheidet sich Joa von Matthäus 
und Markus, aber nicht von Lukas. Für la>^ im Sinne von während 
(9,4) steht es 12,36; [xs/pi; oder a/pt? ou kommt nicht vor. 'Ettsi' 
ist ebenso selten wie bei den Synoptikern. Über Infinitiv- und Par- 
ticipconstruction vgl. § 13. 14. 

6. Eine für Joa sehr bezeichnende Erscheinung sind die Cor- 
relative, die auf ein pronominales oder adverbiales Relativ 2) oder 
auch auf ein Participium und sogar ein Substantiv zurückschlagen. 
^'0(Joi sXa|3ov aüTov, eocoxsv auToT? 1» 12; [lovo^evr^c s?^ xöv xoXttov 
xo5 iraxpoc, Ixsivo? Ijrji^ofaxo 1, 18; 6 Tri{jL'|ia^ jis ßaTrxt'Cstv, Ixsivoc 
jxot stTTsv 1,33; 8 swpaxsv, xoöxo [jLapxüpst 3, 32 ; 6 Tton^orac |xs ü^it^, 
IxsTvo? [lot sIttsv 5, 11 (5, 36. 37. 6, 57. 7, 18); xa spya S dym ttoiä, 
xaüxa jjLapxupsi irspt i[xou 10,26 (14,13). Femer o>c ouv yjxoüafsv, 
xoxs sjisivsv 11,6^); Sttoü lyc« £f|JLt, Ix st xal 6 Siaxovo? 6 ejii? 
laxai 12,26; oxt Ix xo5 xoofjioü oüx icrxs, 8ia .xoüxo [xiast ufj.«.; 
6 xoGTjjLoc 15, 19. 

7. Objektssätze mitParticip als Prädikat sind häufig, wie l^^Xi^oL^ 
x(j) 'Ir^aoui TTsptTTGtxoüvxt 1, 36 (29); jedoch l^euofaxo xi u5a>p olvov 
^svojxsvov 2, 9 muß wie 6i4 x6v Xoyov xr^^ y^^^^^^^ [Aapxüpouar^^ 4, 39 
beurteilt werden. Dagegen findet sich der Accusativus cum infinitivo 
so selten oder noch seltener wie bei Markus. In den Sätzen mit oxt, 
die an die Stelle treten, kann aber wenigstens das Subjekt vom Verbum 
des Hauptsatzes attrahiert werden, wie es auch bei den Synoptikern 
vorkommt; nach dem Paradigma: vidit lucem quod bona erat. So 
fva <pav£pa>f>fj aüxoü xo Ipyov oxt h &£(t) sjxtv stpYadjisvov 3, 31 = es 
soll offenbar werden, daß sein Werk in Gott getan ist; ftcotojaoffts 



^) An der letzteren Stelle steht das absoltue Participium nicht im Nominativ, 
sondern im Genitiv. 

2) Adverbiales Relativ ist die Conjunction. 

^) Tdxe in dieser Verwendung öfter bei Markus. Im Hebräischen nur 
nach irrealer Hypothese, und da regelmäßig. 



Sprachliches. 137 

ta? X***P** ^*^ >w3üxai sicrtv 4, 35 = seht, daß die Felder weiß sind; 
syvcüxa 6}i5c oTt oux s^sts 5, 42 = ich habe erkannt, daß ihr keine 
Liebe Gottes in euch habt; ov \)\u(^ Xs^sts ort Oeo^ ufjL&v (D) icrnv 
8, 54; ot ös«>pouv-s^ aüiov ott Trpoaairr^? r^v 9, 8; JSovrs» tt^v Maptifj. 
oTi dviofTT^ 11, 31. Diese Attraktion kommt auch bei den Sätzen 
mit TvoL vor, z. B. sOr^xa ujx^l? Tva üTra-yr^TS 15, 16. Das voraus- 
genommene Subjekt des Nebensatzes wird oft mit rspt eingeleitet, 
wie 7Vtt»3eTai irspl tt^; öioa/r^? iroTspov dx tou &so5 iartv 7, 17, oux 
sTTtjTSüCjav TTSpl aüToG oTi ?^v TÖ9X0C 9, 17. Dies rspt ist auch sonst 
häufig und für die Sprache des Joa bezeichnend; bei Xs^stv wechselt 
es mit dem einfachen Accusativ. 

8. Die Unterordnung angeführter Aussprüche in Oratio obliqua 
ist so wenig beliebt, wie bei den Synoptikern. Die Oratio recta über- 
wiegt durchaus, wird aber nicht so oft wie bei den Synoptikern auch 
ihrerseits durch oti eingeführt. Indessen gibt es doch Beispiele, nicht 
bloß im Cantabrigiensis, und Blaß hat kein Recht sie zu korrigieren. 

9. Ebenso wie durch oti wird der Infinitiv durch fva zur Seite 
gedrängt. Sätze der Absicht und der Folge werden ganz unterschieds- 
los damit eingeleitet^). Von w^-s gibt es nur ein Beispiel (3,16); 
für so daß wird iva gesagt (5, 20) und für so daß n i c h t 
(= ohne daß) Tva jnfj (7, 23). öfters steht ein Satz mit Tva auffallend 
voran, und bisweilen ist ein solcher ganz selbständig, wie 1, 8 oüx 
TjV ^xstvoc Ti cpÄ?, dl)' Tva [AapTüpr^TiQ irspt toü cpwTo? = jener war nicht 
das Licht, sondern er sollte zeugen von dem Lichte; 9,3 
OüTs oüTO^ TjfjiapTsv our« ot Yovst; «ütou, d)X Tvot ©avsptoftf^ zi spya 
To5 &coi> Iv auT(j> = weder dieser hat gesündigt noch seine Eltern, 
sondern die Werke Gottes sollten offenbar werden. 

V e r b u m. 

10. In dem Gebrauch der verbalen Vokabeln zeigen sich natür- 
lich, auch abgesehen von Biblicismen, manche Berührungen mit den 
Synoptikern. So im Gebrauch von dtcptsvat für lassen und ver- 
lassen, iav kommt gar nicht vor und xa-aXsiTrstv nur in der 
unechten Perikope von der Ehebrecherin. Für ^^ouXsa&ai wird regel- 
mäßig &£Xstv gesagt, mit einer Ausnahme (18, 39). Zt^v heißt ge- 
sund sein (4,50 — 53). 'ExßaX>.siv in abgeblaßtem Sinne findet 



^) Für einen Hebraismus kann man das nicht ausgeben. 



138 Text und Sprache. 

sich 10, 4; vorher steht dafür iiar[siv. 'ÄTrsxpt&Tj xal sksv (nicht 
d. xat Xr/si) kommt namentlich in den ersten Kapiteln oft vor, öfter 
aber dTisxpi&r^ allein oder Xr/si allein, niemals oder nur sehr aus- 
nahmsweise das pleonastische Xi^cov. ''EcpTj ist ganz selten, spcoxav 
fragen jedoch ungleich häufiger als bei den Synoptikern. Im 
Ganzen werden die Berührungen mit diesen überwogen durch die 
Unterschiede. Dahin gehören Xajißdvsiv für ös/sopftai, Xa[j.j3dvstv und 
Ttftsvat für sumere und ponere (s. oben p. 49 n. 1), spaüvav, iJüTrvt'Csiv^ 
xpdCsiv und xpaü7dCstv für lautes Reden; ferner die theologischen 
Tennini jiapTüpsiv, '^avspouv, jxsvstv (immanere), dviaidvat, Oscopsiv^ 
öoSaCstv und 6»^oöv, xoi[i.aattai und tsXsüsiv (sterben). IIysiv und 
dessen Composita außer aüvocystv sind bei Markus stets intransitiv, 
bei Joa transitiv, abgesehen von oYmiisv und dem fast nur in einem 
besondem Fall gebräuchlichen uTidYstv ; irapotYstv für TrspiKarstv in 9, 1 
fällt sehr auf. Das vorläufige 7;p;axo, welches für die Synoptiker so 
bezeichnend ist, findet sich bei Joa nur einmal (13, 5) und das vor- 
läufige xal £7£vsTo gar nicht ^). Ebenso wenig x-/jpticfar£iv (oder bei 
Lukas stia^YsXiCscJ&at), auch nicht iayßzw für öüvaaOai (21, 6). 2xav- 
oaXtCsiv kommt nur zweimal vor, auch awC^iv verhältnismäßig selten. 
"ApTov cpdystv für das einfache (pd^stv wird nicht gesagt, dagegen 
jptt»Y£tv und ßsßpoixsvat. Für aüjxßoüXtov Xajxßdvctv, irotstv, §i36vai 
heißt es in dem selben Sinn ßoi>Xeüscj&at (beschließen, nicht beraten); 
dagegen otoovai diroxpiatv, otSovat pdTricfjjia, cpspsiv Y.OL':r^'^o(j(a\f, Merk- 
würdig ist östxvustv mit dem Objekt of/^jisiov im Sinn von edere, und 
xpaisiv im Sinne von claudere (20, 23. vgl. Lc 24, 16), wie aramäisch 
^')r. und "l^^<. 

Noch das verdient hervorgehoben zu werden, daß in starkem 
Unterschiede von Lukas (besonders in der Apostelgeschichte) Verba 
composita in der Regel nur dann gebraucht werden, wenn die Prä- 
position darin wirklich etwas bedeutet. Wenn der Begriff unverändert 
bleibt, so wird das Simplex vorgezogen. Hie und da sind in einem Teil 
der Handschriften die Simplicia in Composita verbessert, so C^^xstv 
3, 5 in aüvCr^TSLv, oiyzaboLi 4, 46 in sxÖE/sof&ai, vsüstv 5, 13 in sxvsüstv, 
oxopTTiCsiv 11, 52 in oiaofxopTriCstv, ßoüXsticCf^ai 11, 53 in ofüfApoüAsüsaDai, 

1) Dagegen wird gern ein Finitum oder Particip von ^axT^xivat oder saravai 
dem Hauptverbum vorangeschickt, besonders in der Syra, woraus Mrs. Lewis und 
Blaß zu 4, 27 unnützes Aufheben machen. Seltener sind Beispiele wie er geht 
hin und nimmt (1^,16.19,3.21,13). 



Sprachliches. 139 

StSovai 13, 26 in l7ri8iSovat, dxoXouögtv 13, 38 in auvaxoXou&siv, und das 
häufige ipwtav im Cantabrigiensis völlig konsequent in sTrspwTäv. Es 
wird auch lieber ipyza^^ai 7up6? gesagt als Trpoasp/sofftai ; aüvsiasp/sj&ai 
6, 22. 18, 15 fällt auf. ''ExpaUstv und ijspysof&at wird durch nach- 
folgendes sjtt) verstärkt; dreimal steht das Simplex vor sjto, in ßofX- 
Xeiv e£«) (15, 6), aystv sjoj (19, 4) und Ss'jpo Ijco (11, 43). 

11. Das Passiv mit utto des handelnden Subjekts ist so ungewöhn- 
lich wie bei Markus. Außer in der Perikope von der Ehebrecherin, 
die sich überhaupt merkwürdig abhebt, findet es sich nur in 14, 21 ; 
in 10, 14 ist die echte Lesart nicht yivwaxo) xa sjia xat 7ivojaxojiat Giro 
Twv £(xu)v, sondern y* '^* s« ^» Yivwaxoocft jis xa sjxa. Der namentlich 
bei Lukas häufige Ersatz des Passivs durch den Plural des Aktivs mit 
anonymem Subjekt läßt sich bei Joa nur durch ein Beispiel belegen: 
xa xXVjjiaxa i^^rfiri sjo) xal iJr^pav&Tj xai aüva-yoüaiv aixa xat et? irOp 
BaXXoüOtv 15, 6. 

12. Das Präsens wird wohl noch häjufiger als bei Markus für das 
Präteritum gebraucht, auch das Participium Präsentis für das Part. 
Präteriti, z. B. ot ysixovs? of &s«)pouvx£? auxöv ih ^rpoxspov oxi 
Trpoaatxr^c V 9, 8 = die ihn früher als Bettler gesehen hatten, und 
xücpXoc tt>v i'pxt ^Xiizia 9,25, wofür D liest: xucpXo? ^I^^i^ xat i'. [1 
Umgekehrt steht zuweilen das Präteritum, wo man das Präsens er- 
wartet, wie 3, 33 ia^f potYiorsv, 5, 37 jisfxapxüpr^xsv (D jxapxupst), 10, 18 
T^psv (D «rpet) — sk 8v r^XTitxaxs 5, 45 läßt sich verstehen: auf den 
ihr eure Hoffnung gesetzt habt. Ganz anders beliebt wie bei den 
Synoptikern ist das gravitätische Perfectum Activi; es wechselt in 
den Handschriften und in den Parallelen beliebig mit dem Aorist 
und wird gelegentlich durch diesen fortgesetzt, z. B. swpaxsv xat 
rjxoüasv 3, 32 und x^p'^* olotoo e^svsxo oü6kv 8 ys^ovsv 1, 2. Auf- 
fallend sind xsxpaYsv 1, 15 und ^s^pacpa 19, 22. Das Futurum wech- 
selt mit dem Indikativ des Präsens, auch in hs. Varianten (D 5, 20. 
6, 27. 64). 

13. Im Gegensatz zu den Synoptikern ist die Conjugatio peri- 
phrastica im Aktiv ungebräuchlich. Außer vielleicht in 11, 1, wo der 
Text zurecht gemacht ist, findet sie sich nur in dem dreimal vor- 
kommenden Satze ' Itoa'vr^? y;v ßaTrxrCwv und in tjv kazwq xat Ospixaivo- 
jxsvoc. Dagegen im Passiv des Perfekts oder Plusquamperfekts ist sie 
gewöhnlich; statt des synoptischen -(s^paTixat heißt es immer i'axt 
7£Ypaji.|jL£vov. Zu 1, 9 vgl. p. 7. 8. 



. I 



140 Text und Sprache. 

14. Wenn das Particip den Artikel hat, so ist es zwar nicht 
selten Attribut, häufiger aber Vertreter entweder eines allgemeinen 
Subjekts (§ 4 ^ jeder wer) oder eines bestimmten, wie 6 dj&svcov, 
o TsftvT^xo)?, ö 7:£[x'j;a^i). Ohne Artikel kommt es en masse nur in 
13,1 — 3 (§2) vor, sonst z. B. xsxoTrtaxco^ 4,6 (5,44) und öfter XajJwv, 
lowv, dxouaa?. Im absoluten Genitiv wird es bei weitem nicht so oft ge- 
braucht wie bei den Synoptikern, und nur 4, 61. 12, 37 in der in- 
korrekten Weise, daß hernach ein rückbezügliches Pronomen in einem 
anderen Casus folgt (Blaß, § 74,5). Die übrigen Fälle sind 5,13. 6,23. 
7,14. 13,2 (zwei mal). 20,19. 26. 21,4. 11. Wie es scheint, kommen 
alle diese Fälle an späten Stellen vor; in der Grundschrift und über- 
haupt im älteren Bestände finden sich keine Genitivi absoluti, so 
wenig wie in der Apokalypse. In 2, 3 ist xal üarxspi^aavTo? orvoü Xs-^si 
7i [xr^Tr^p ohne Zweifel eine Stilverbesserung für xal oTvov oöx slx'^v, 
Ott afuvsTsXsaft/j 6 oTvo? xoö Ya[xoü' elxa Xsysi r^ jat^tt^p — das Um- 
gekehrte läßt sich nicht de;iken. 

15. Der Gebrauch des Infinitivs ist nicht bloß durch Sätze mit 
oTt und Tva eingeschränkt. Auch der bei den Synoptikern so beliebte 
Infinitivus loco substantivi mit dem Artikel findet sich selten, drei- 
mal nach der Präposition izpo (1, 49. 13, 19. 17, 5) und einmal nach 
ota (2, 24). In dem letzteren Beispiel wird er durch ein Finitum (mit 
oTi) fortgesetzt, ähnlich wie das Particip 1, 32. 5, 44. 

Substantiv. 

16. Der Vokabelschatz an Substantiven bei Joa unterscheidet 
sich mindestens ebenso sehr von dem bei den Synoptikern wie der 
verbale. Namenthch in den theologischen Ausdrücken, die nicht 
noch aufgezählt zu werden brauchen^), aber auch in anderen wie 
Up£[xjxaTa, xspixaTtoPiat, xr^iroüpo?, ö^J^aptov. Die Azyma heißen das Pascha, 
die Schriftgelehrten und die Ältesten kommen nicht vor. Statt mit 
otoaor/aXs wird Jesus regelmäßig mit paßßt^) angeredet, statt 6 ypia-o^ 
wird zweimal o Msmac gesagt. 'OyXo? und a[iapTta sind im Singular 
und nicht im Plural gebräuchlich. nXr^p«>|xa bedeutet Fülle und 
nicht Flicken. Ikppr^ofta ist viel häufiger als bei den Synoptikern 
(Mc 8, 32); an den zwei Stellen, wo es in der Grundschrift vorkommt 

^) ni(i.;:£tv steht fast nur in dieser Form, sonst oLizoazi/Xzty. 
2) Vgl. das Kapitel über die Reden, besonders p. 110. 
^) So wird zu accentuieren sein. 



Sprachliches. 141 

(7, 4. 11, 54), hat es zudem eine abweichende objektive und nicht 
subjektive Bedeutui^, nämlich Öffentlichkeit und nicht Freimut. 
Bemerkenswert sind noch die Substantivierungen xa siroüpavta, zi 
STCtYsta, xa sjxot, xa ?5ta, xa ava>, xa xocxw. Der See von Gennesar 
wird aber wie bei Markus und Matthäus r^ &otXacjaa genannt, und 
nicht 7) Xi'jjLVT^ wie bei Lukas. 

17. Der Artikel hat in einigen Beispielen generelle Bedeutung; 
so avftpcjDiro; 2,25. 7,51, o viTrcr^p 13,5, xo irup 15,6. Bei Personen- 
namen schwankt sein Gebrauch, bei Jesus im Casus obliquu3 steht er 
immer. Bei einigen von Natur determinierten Appellativen fehlt er 
mehr oder weniger regelmäßig, so bei [lovo^sv);? üio?, bei sx vsxpwv 
und dem biblischen sv dpyg, bei sk dvaTraaiv C«>v ^^^ ^^^ d'^/d^-oL^iv 
xpiasco?, überhaupt bei C«>t/) und ftavaxoc, manchmal auch bei Ö*o?. 
Hie und da wird er vor determiniertem Substantiv weggelassen, 
wenn es im Prädikat steht. So A ßaaiXsü? sT xou 'IcfpaV^X 1,49; 
oxi üioc dvftptüTTou saxiv 5, 27; üto? (xoü fehlt in D) ftsou £i[xi 10, 36; 
üiov &cOü sauxov ZTzoir^^zv 19, 7 ^). 

Zur Hervorhebung der Indetermination eines Substantivs wird 
zuweilen xt? verwandt, nicht aber wie bei den Synoptikern zU, auch 
nicht wie bei Matthäus (13,28.52. 18,23. 20,1. 21,33) dv»pü>7ro-. 
Im Plural wird die Indetermination durch ix mit dem Genitiv aus- 
gedrückt, nicht durch «tto, z. B. 7, 40: sx xou o/Xod o3v dxoiofotvxcc 
= einige aus der Menge, da sie hörten, oder 3, 25: sysvsxo Cvr^ai* 
£x xmv {jLaftr^xwv 'Icodvoü jAsxi 'louoatou = ein Streit einiger Johannes- 
jünger mit einem Juden. 

Pronomen. 

18. Während bei Markus und auch bei Matthäus und Lukas in 
dem für das Griechische unerträglich häufigen Gebrauch der einfa<}hen 
Pronomina im Casus obliquus die semitischen Verbal- und Nominal- 
suffixe sehr aufdringlich durchscheinen (Blaß § 48, 2), ist das bei 
Joa weitaus nicht in dem Maße der Fall, schon deshalb nicht, weil 
das Objekt vor den Verba und der Genitiv vor den Regentia stehen 
kann. Darauf muß Nachdruck gelegt werden. Eigentümlich johanneisch 
dagegen sind die Pronomina separata erster und zweiter Person im 



') Stets bei C«>^ a^tovio;, wie auch in den Synoptikern. 
2) Vgl. meine Note zu Mt 4, 3. 4 und zu Mc 15, 39. 



142 Text und Sprache. 

Nominativ, die das Subjekt der Verba finita explicieren, ohne daß 
es dadurch besonders hervoi^ehoben wird: wenn dies geschehen soll, 
so wird z. B. zu ijxsti noch aÜTot hinzugefügt. Ohne Fug und Recht 
und auch ganz inkonsequent streicht Blaß solche überflüssigen Sub- 
jektspronomina. Ihr Gebrauch erklärt sich vielleicht aus der Vul- 
gärsprache, obgleich ich darüber nicht urteilen kann. Jedenfalls 
nicht aus dem Aramäischen, denn er ist nicht wie dort auf das Prä- 
sens beschränkt. 

Reflexiva, die im Semitischen ganz und für die zweite und dritte 
Person auch bei Markus fehlen, sind bei Joa häufig; dagegen findet 
sich ihr Ersatz durch ^ü/j^ nicht. Auffallend ist StsCwaev saoxov 
13, 4 für oisCoujaxo, weniger sßaXsv sauxov 21, 7, wofür der Canta- 
brigiensis ^Xaxo bietet. 

Ebenso sind Possessiva, die gleichfalls im Semitischen ujid so 
ziemlich auch bei Markus fehlen, bei Joa gewöhnlich. Als Possessiv 
der dritten Person dient Toto? ; es wird gern substantivisch verwandt, 
im maskulinischen und neutrischen Plural. 

Unter den Demonstrativen ist sxeivo? besonders beliebt; es steht 
oft, wo man «ü-o? erwartet, und tritt auch für idem auf. 

Adjektiv und Adverb. 

19. Befremdend geringfügig ist der Bestand des johanneischen 
Lexikons an Adjektiven. Außer den paar allergewöhnlichsten und 
etwa sTTOüpavio^ iirtYsto^ Xsuxo? Xrftivo? uyn^? kehren stets die selben 
wieder, wie atcovto^ 6L\rfir^^ dkrfimj^. In 6, 10 wird zwar /opto? aus 
Markus übernommen, aber das malerische Beiwort yKiopi^ nicht mit. 
Anders als im Semitischen und bei den Synoptikern wird indessen 
jxsofoc adjektivisch gebraucht (1, 26. 9, 18); Iv [xsac^ konmit nur in 
der Perikope von der Ehebrecherin vor, 6ta ixsaoü nur in einer 
Interpolation (8, 59), st? t^ jxsaov nur in Anhängen am Schluß (20, 
19. 26). "Exspo? findet sich so wenig wie bei Markus; es heißt im 
Unterschiede von Matthäus und Lukas immer aUo?. 

20. Natürlich sind auch von Adjektiven abgeleitete Adverbia 
selten. IloUa für sehr kommt nicht vor und überhaupt kein 
Wort für sehr, einmal heißt es yoLpT. yalpzi (3, 29) = er freut 
sich hoch. Ilapa/pr^ixa und IJat^vr^? fehlen, von süOü? und sü&iwc 
finden sich sieben Beispiele. Von lokalen Adverbien pronominaler Art 



Sprachliches. 143 

ist coos^) seltener, ixsT nicht minder häufig als bei den Synoptikern. 
"Ev&a, sviaöfta und svftsv fehlen wie im ganzen Neuen Testament (außer 
Mt 17, 20. Le 16, 26), dagegen findet sich Ivftofos (sonst nur bei Lukas) 
4, 15. 16 und svreuDsv öfter, und zwar beides in der Bedeutung hier 
(nicht dort). Von temporalen Adverbien oder adverbialen Aus- 
drücken findet sich tot* häufig, auch ttoXiv, jedoch nicht im Sinn 
von d e i n d e wie bei Markus. Fatol (auch 2, 3) wie bei Markus, 
sTTsi-a (sonst nur Lc 16, 7) einmal in der Verbindung sirsiT« [xs-ca 
TOüTO 11, 7, mit der xal [isra xh tj^ü>|i.tov tots 13, 27 und slxa tots bei 
Epiktet verglichen werden kann. Ms-a toüto ist dem Joa eigentüm- 
lich, fjLSTa TGtüTa gemein mit Lukas; beides fehlt bei Markus und 
Matthäus, es scheint biblisch zu sein. 'Ap-t (Sw? d., dirapti) kommt 
oft vor, sonst nur ein paar mal bei Matthäus, nicht bei Markus und 
Lukas. Nüv wechselt mit aptt (9, 19. 21 und D 13, 36), es hat nur 
selten logische Bedeutung. In 9, 41 ist es von Luther als Conjunction 
aufgefaßt: „nun ihr aber sprecht: wir sind sehend, bleibt eure Sünde". 

Präpositionen. 

21. Die Präpositionen haben wie bei den Synoptikern zum Schaden 
der einfachen Casus um sich gegriffen, namentlich zum Schaden des 
Genitivs, aber auch des Dativs. Der Genitivus partitivus wird ge- 
wöhnlich durch ix expliciert; es heißt nur selten zU xwv (üttt^pstcdv) 
gewöhnlich zU ix twv (SouXcov). Nach dem Comparativ, der übrigens 
selten ist, steht er 1, 50. 5, 20. 7, 31. Als Objekt des Verbs kommt er 
vor nach xairjopstv, wo freilich der Cantabrigiensis den Accusativ 
hat; bei jxsXsiv ist er durch irspt ersetzt. Der Dativ wird öfters 
durch Iv expliciert: h Trappr^ata, iv aaßßdTw, Iv vf^ iT/dh^ ^il*-^?^- 
Bei den Verbis des Sagens durch irpo?, sogar bei dTroxpivsofftat 8, 33. 
<I>267stv 10, 5 transiert auf das Objekt vermittelst oltzo, aber cpoj^stüftai 
9, 22 direkt auf den Accusativ, im Unterschied von den Synop- 
tikern; daher 'foßoc täv 'Ioü8at'a>v, ein seltenes Beispiel des objek- 
tiven Genitivs. Auch in der kausalen Bedeutung d7:o Xüttt^?, «tto 
yapa? (vor Trauer, vor Freude) kommt diro nicht vor, abgesehen 
von 21,6. Die Einführung des Prädikats zu yivsorftai durch zk findet 
sich nur 16. 20. 



*) Für hier und h i e h e r. Ein Unterschied zwischen w o und wohin 
wird bei diesen Adverbien überhaupt nicht gemacht (Blaß § 25, 2).