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Full text of "Das Ifflandische lustspiel. Ein beitrag zur geschichte der dramatischen technik .."

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DAS IFFLANDISCBE LÜSTSHEl 



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EIN BEITRAG 



ZUR GESCHICHTE DER DRAMATISCHEN TECHNIK. 



INAÜßraiL-BISSERTATION 

DER PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT 

DER GROSSHERZOOLICH BADISCHEN 
RUPRECHT-KARLS-DNIVERSITÄT HEIDELBERG 

ZITR 

ERLANGUNG DER DOKTORWÜRDE 



VORGELEGT VON 



BERTHA KIPFMÜLLER 



AUS NÜRNBERG. 



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DAßMSTADT. 
a OTTO'S HOF-BÜCHDRÜCKEREt 

1899. 



DEM GEDÄCHTNIS MEINES VATERS. 



EINLEITUNG. 



Wer mit untersuchendem Blick an Ifflands Lustspiel- 
technik herangeht, muss sich vor allem klar darüber sein, 
welche Stellung Iffland als Dichter innerhalb der Littera- 
tur zu Ende des vorigen und Anfang dieses Jahrhunderts 
eingenommen hat. 

Das Ritter- und Räuberstück, das die Bühne lange 
beherrschte, und die Zuschauer in die entfernte Welt des 
Mittelalters versetzte, hatte seine Anziehungskraft verloren. 
Das Publikum sehnte sich heraus aus dem Lärme des Waflfen- 
getümmels und den Erschütterungen, welche die Darstellung 
des Eriegslebens mit sich brachte; es hatte wieder Bedürf- 
nis nach der einfacheren Welt, nach der Ruhe und dem 
Behagen des bürgerlichen Daseins. Auf dieser Grundlage 
der inneren psychologischen Notwendigkeit ist das bürger- 
liche Familiendrama erwachsen, als dessen eigentlichen 
Begründer wir Iffland zu nennen haben. Dalberg bezeichnet 
sein „Verbrechen aus Ehrsucht** (1784) als den Beginn einer 
neuen Epoche.^ 

Iffland hatte sich die enge Sphäre des menschlichen 
Durchschnittslebens für seine schriftstellerischen Produk- 
tionen erwcählt: die Kreise des bürgerlichen Kleinlebens; 
dadurch wurde er der Liebling der Menge und konnte sich 
so lange und mit solchem Erfolge auf der Bühne halten. 2 



» Koflfka, Iffland und Dalberg, p. 134. 

^ Ehrhard, Les com^dies de Moli^re en Allemagne, p. 433. giebt 
an, dass iti Dresden nuf 1471 Auffahrungen 6 Stücke Ton Goethe, 
6 Lessing, 46 Schiller und 143 Iffland kamen. 

1 



^ 2 - 

Seine Familienstücke erfreuten durch die Einfachheit der 
Verhältnisse, durch die treue Wiedergabe des Lebens. Die 
Hof-, Geheim- und Kommerzienräte auf der Buhne waren 
Gesinnungsverwandte, Leidens- und Schicksalsgenossen derer, 
die unten im Zuschauerraum sassen, und so war der Kon- 
takt zwischen Theater und Leben ein vollständiger. Das 
Reich schwärmerischer Illusion, das in den Ritterstücken 
eine so manchfache Ausgestaltung erhalten hatte, war bei 
Iffland, der nur nur noch in „Albert von Thumeisen*" leise 
Anklänge an dasselbe verrät, zerstört; an die Stelle der 
Abstraktion trat die nüchterne, schwunglose Wirklichkeit. 
In seinen „Familiengemälden" giebt Iffland, der ein 
ebenso subjektiver Dichter war wie Schiller, nur in emi- 
nent verkürzten Dimensionen, ganz sich selbst. Er war 
eine edle, vom besten Streben erfüllte Natur, wofür er uns 
in seiner „Theatralischen Laufbahn* ^ den besten Beweis 
übergeben hat; aber es fehlte ihm die grosse poetische Ader, 
die gebietende, freischaltende und freiwaltende Macht der 
Phantasie. Was er giebt, kommt aus der Tiefe eines warmen, 
mitleidsvollen Herzens, aus der Tiefe einer nicht von hohen 
Idealen, aber von echter Menschenliebe erfüllten Seele, die 
das, was sie in sich fühlt, andern dienlich machen, und was 
andern mangelt an Gutem, aus dem eigenen Gemütsleben 
ersetzen möchte. So hat der Schauspieler seine Aufgabe 
erfasst und so der Dichter, wenn er nach einer Aufführung 
seines Schauspiels „Verbrechen aus Ehrsucht", das zu Mann- 
heim am 9. März 1784 zum ersten Male gegeben „und mit 
inniger Teilnahme empfangen wurde**, also schreibt: „Mehr 
als tausend Menschen nach und nach zu einem Zwecke ge- 
stimmt, in Thränen des Wohlwollens für eine gute Sache, 
allmählich in unwillkürlichen Ausrufungen, endlich schwär- 
merisch in dem lauten Ausruf, der es bestätigt, dass jedes 
schöne Gefühl in ihnen erregt sei, zu erblicken — das ist 
ein herzerhebendes Gefühl. Die meisten Menschen verlassen 
mit innigem Wohlwollen die Versammlung, bringen es mit 



^ Meine theatralische Laufbahn, A. W. Ifflands dramatische Werke, 
I. Bd. 



- ä - 

sich ia ihren häuslichen Zirkel, und verbreiten es auf ihre 
Angehörigen. Lange noch tönt die Stimmung nach, welche 
sie in den dicht gedrängten Reihen empfangen haben, und 
schon vertönt, wird, wenn auch später ähnliche Gefühle an 
dieser Saite vorüberziehen, diese nun leichter ergriifen und 
antwortet in vollerem Klange. 

Davon überzeugt, habe ich den 9. März 1784, als bei 
jener Vorstellung das Publikum von Mannheim sich so herz- 
lich, laut, so feurig äusserte — an dem Tage habe ich mir 
selbst das Gelübde gethan; die Möglichkeit, auf eine 
Volksversammlung zu wirken, niemals anders als 
in der Stimmung für das Gute zu gebrauchen. Mit 
meinem Wissen habe ich dieses Gelübde nicht gebrochen."^ 

Wer den Dichter auf seiner produktenreichen Lauf- 
bahn begleitet, kann den Schlusssatz nur bestätigen. Alles, 
was von Gottsched, Lessing und Schiller über die moralische 
Aufgabe der Bühne geschrieben worden, hat in Iffland einen 
Vertreter gefunden, der für alle Zeiten geradezu Bewunderung 
hätte erregen müssen, wenn sich in ihm Ethik und Ästhetik, 
wie sie Lessing fordert und Schiller, der seine Jünger 
durch das Morgenthor des Schönen in der Erkenntnis Land 
führte, mit dem Reichtum des Genies freigebig bietet, zu 
einigendem Bunde verschwistert hätten. Aber Ifflands Moral 
ist trocken und nüchtern, ihr fehlt der Glanz und die Fülle 
der Dichtersprache, und darum, so sehr sie selbst den höch- 
sten und vornehmsten seiner Zeitgenossen gefiel, und so 
sehr wir uns heute noch eines Ausspruches: „Brot und 
Wasser — aber freien Blick in jedes Menschenangesicht" — ^ 
freuen, und so sehr dadurch in uns die Hochachtung für 
Ifflands unerschrockene Persönlickeit wächst, so ist doch 
von all den guten und teilweise gehaltvollen Aussprüchen 
keiner so in's Leben und bis auf die Gegenwart gedrungen, 
dass sie als Sentenzen oder als „geflügelte Worte" geläufig 
worden wären. 

Des Knaben Iffland allbekannte Sehnsucht, Prediger 
zu werden, wurde äusserlich überflügelt von dem starken 



1 Theatralische Laufbahn, S. 124 f. 
« Dienstpflicht, I, 7. 



1* 



- 4 -- 

Zug nach der Bühne, ein Zug, der so mächtig war, dass 
der sentimentale Jüngling Energie genug besass, Eltern 
und Vaterhaus heimlich zu verlassen, ein Opfer, das in An- 
betracht seiner Abstammung aus sehr angesehener Familie 
und der geringen Schätzung, mit der damals auf die „Theater- 
personnage** herabgeschaut wurde, nicht hoch genug für 
seinen inneren Menschen in Anschlag gebracht werden kann. 
Kanzel und Bühne aber blieben in seiner Person lebensläng- 
lich vereint: der Mann Iffland ist stets Priester geblieben, 
zwar kein gewaltiger Hohepriester, der irdisch und himm- 
lisch in mächtigem Schönheitsglanze zu vereinen wusste, 
aber ein gewissenhafter ernstmilder Landpfarrer, der nach 
dem Sinne der damaligen Gebildeten, den von Schillers 
gigantischem Freiheitskoloss ausgehenden Anprall zu para- 
lysieren und den „Umsturz" aufzuhalten bestimmt war. 

Sehen wir in ihm einerseits den Grundsatz der Zeit 
über die Bestimmung des Theaters als „moralische Anstalt* 
verkörpert, so zeigt sich in ihm nach anderer Richtung 
auch ein Zweites lebendig: die Seelenstimmung des Zeit- 
alters: die Überempfindsamkeit, die Treibhausatmosphäre 
des Gemütslebens, die sich in der Litteratur durch einen 
reichen Niederschlag an warmen, schweren Thränen be- 
merkbar machte. Dazu kommt als Drittes: Er war von 
Natur ein weicher Mensch. Über die Aufführung von „Miss 
Sara Sampson'' ist er als Knabe in Thränen zerflossen^ 
und „die Allmacht des Gefühls" war wohl der „Schöpfer- 
genius", ^ der ihn am meisten und stärksten beherrschte. 
Das Thränenheldentum dürfte also nach allem, was er 
über sich berichtet, und nach allem, was wir von ihm 
lesen, nicht nur ausser, sondeni auch in ihm zu suchen 
sein. Der Virtuos der Thräne gab deshalb auch in dem 
„Rührstück"^ die höchste Vollendung seines Könnens, 



^ Laufbahn, p. 17. 

^ Schiller, Prolog zu WaUensteins Lager. 

^ Stiehler, Das Ifflandische Rührstück, ein Beitrag zur Geschichte 
der dramatischen Technik. Hamburg und Leipzig 1898. Verlag Ton 
Leopold Voss. 



— 5 — 

Zu den Ifflandischen Familien- und Sittengemälden ge- 
hören auch seine Lustspie^le. Sie sind auf demselben 
Untergrunde gebaut und für ihre Entstehung gelten die- 
selben inneren und äusseren Bedingungen. Wir dürfen des- 
halb bei Ifflands Lustspielen nicht an Aristophanes den 
„wunder würdigen Stifter ** der antiken Komödie denken und 
nicht an Shakespeare, den ebenso wunderwürdigen Dichter 
des „Sommernachtstraum*'; wir dürfen Iffland nicht messen 
mit Meliere, dem Begründer der Charakterkomödie und nicht 
mit Lessing, dem kernfesten, in seinem Gemütsleben durch 
und durch gesunden Verfasser der ^Minna*. Wir dürfen 
aber ebenso wenig — ja noch weniger — mit den Er- 
wartungen des modernen Menschen herantreten, der in's 
Theater, d. h. zu einer Lustspielvorstellung geht, um in 
lachender Berauschung bei schlagender Witz- und Situations- 
komik Erholung zu suchen. Ifflands Lustspiel war ernster 
und tiefer wie das unsere, und deshalb müssen wir auch 
den Spott, wie ihn die Romantiker Schlegel-Tieck so reich- 
lich über ihn ergossen haben, zu Hause lassen. Alles, was 
wir zu seiner gerechten Würdigung thun dürfen, ist, ihn 
bei sich und in sich selbst aufzusuchen. 

Es ist gewiss, dass eine so durch und durch weiche, 
von dem Wohlgefallen seiner Mitmenschen abhängige Natur 
kein Lustspiel schreiben konnte, in dem herbe Satire, 
geisselnde Ironie oder kratziger Sarkasmus in Bild und 
Wort an dem Zuschauer vorübergezogen wären. Ifflands 
weiche Seele hatte keinen Stachel, wie Aristophanes 
„Wespen", vor deren übermütigem Witz sich die Attiker 
die Lippen wund gebissen hatten. Nichts lag ihm ferner, 
als zu verwunden. Durch Thränen zu „rühren* und da- 
durch zu bessern, war ihm das schönste erstrebenswerteste 
Ziel, und Goethe hat die Stimmung des von ihm hochge- 
schätzten Künstlers und Dichters im feinsten Nerv ge- 
troffen, wenn er im „Nachspiel zu den Hagestolzen"* 
sagen lässt: 



» Werke, XI, 404, 



— 6 — 

^Wenn statt zu schelten, ich belehre, 
Wenn statt zu strafen, ich bekehre, 
Wenn statt zu scheiden, ich versöhnt, 
Hab ich den Himmel mir erfröhnt.** 

Litterarhistorisch dürfen wir also Iffland an jene 
Lustspielserie ansehliessen, die von Frankreich aus in der 
^comedie larmoyante** unter Gellerts epochemachendem Ein- 
fiuss als „rührende Komödie** zu uns verpflanzt worden ist. 

Wir finden bei ihm nirgends heftige Übertreibungen, 
groteske Entstellungen, kühne Verwickelungen, auffallende 
Motive oder blendende Situationen. Alles einfach und 
natürlich! Unverfälschte Wirklichkeit, treuherziger Bieder- 
sinn, den Stoffen und Gestalten entsprechend, von welch 
letzteren Schiller sagt: „Was kann denn dieser Misere Grosses 
begegnen?",^ begrüsst uns in all den heiteren Produkten 
seiner gutlaunigen Feder. Was dem Zeitgeschmack ent- 
sprach, was der Menge gefiel, was Anziehungskraft besass, 
was sittlich wirkte, war der Massstab, nach dem produ- 
ziert wurde. Iffland stand auf seiner Bühne wie der Feld- 
herr, der die kritische Lage kennt, jede Bewegung des even- 
tuellen Feindes verfolgt und für seine Pläne zu gewinnen 
sucht. Von diesem rein bühnentechnischen Standpunkte 
aus wollen seine Lustspiele untersucht und beurteilt sein. 

Ehe hiezu gegangen wird, dürfte eine Festsetzung über 
den Begriff des Lustspiels bei Jffland zu geben ver- 
sucht werden. 

Diese Aufgabe ist insoferne nicht leicht, als nach den 
Schriften, die über Jffland und von ihm selbst vorliegen, 
keine Fixierung gegeben werden kann, da sie sich haupt- 
sächlich mit Auseinandersetzungen über die Schauspiel- und 
nicht über die Dichtkunst befassen. In der „Theatralischen 
Laufbahn** giebt er nur zerstreute Andeutungen über den 
Eindruck, den seine Stücke überhaupt hervorgerufen, nicht 
aber über die inneren Gesetze, die ihn — mit Ausnahme seines 
moralischen Gesetzes — bei seinem Schaffen geleitet haben. 



^ Koffka, Iffland und Dalberg, Geschiohte der klassischen Theater- 
zeit Mannheims, Leipzig 1865, 



— 7 — 

Die untersuchende ist also ganz und gar auf eigene Be- 
obachtung angewiesen. 

Ifflands Lustspiele haben auf den ersten flüchtigen Blick 
etwas sehr Schweres, weit von jener Leichtigkeit Entferntes, 
die wir an dieser Gattung des Schauspiels zu finden gewohnt 
sind. „Figaro in Deutschland", „Frauenstand**, „Herbsttag*, 
lassen viel mehr bange als heitere Erwartungen aufkommen. 
Wenn man sich beispielsweise die Scene Figaro IV, 11 ver- 
gegenwärtigt, in der die Baronesse zu Leopoldine, die einen 
alten Grafen zu Boga zu heiraten gezwungen werden soll, wäh- 
rend sie einen jungen Grafen Bardenrode liebt, also spricht: 
„Mein Fräulein! Auf ein Wort! — Giebst du dem Grafen 
nicht deine Einwilligung — so zittere! Leopoldine! Wir 
sind souveraine ! Ob deiner Mutter Wille dich in ein Kloster 
steckt, oder vor der Welt das vorgiebt, und tief hinab in 
einen Thurm dich sendet, wo du dein Leben endest, indess 
dein Lieber an Klostermauern heult, die dich nicht fassen, 
das steht bei mir! — Nun, wähle — ** und die Ant- 
wort: Leopoldine (fast ohnmächtig) : „Ich gehorche**, so hat 
man dabei eine höchst beklemmende und nichts weniger als 
heitere Empfindung. Wenn man im „Frauenstand** I, 2 den 
Hofrat ganz unverstellt sagen hört : „Berg, ich bin unglücklich. 
Die Verhältnisse in meinem Ehestande sind fromm — und 
gut; allein sie machen mich weich, mutlos, halten mich auf; 
sie engen, bangen, quälen und pressen mich matt und elend!**, 
wenn er ferner auf dem Höhepunkte der Handlung ausruft: 
„Den Scheidebrief! .... Dich, Dich! und eine Wüste! 
Lebt wohl!", wenn er dann nach eingetretener Umkehr ver- 
zweifelt sagt: „Zu spät! Mein Weg und meines Weibes 
Weg gehen von nun an auseinander ....**, so schwindet 
damit jedes komische Behagen und die tragische Furcht ist 
das Vorwiegende. Daher kann nur ein Vergleich mit den 
Familiengemälden liflands, die er selbst als Schauspiele unter- 
schieden hat, zu dem richtigen Begriff seines Lustspiels 
führen. Wenn wir dann in so ernsten Stücken, wie „Albert von 
Thurneisen**, „Dienstpflicht**, „Der Verbrecher aus Ehrsucht**, 
„Der Spieler** u.s.w. u.s. w., von Beklemmung zu Beklemmung, 
von Furcht zu Furcht gejagt worden sind, fühlen wir den 



- 8 - 

Unterschied, der bei genauer Untersuchung zur vollen Klarheit 
kommt. Zwar hat es auch Iffland verstanden, in den ernsten 
Sittengemälden die dunkelsten Scenen durch helle Strahlen 
zu erheitern, aber doch sehr vereinzelt und wiederum nur, 
um durch den Kontrast die volle Schattenseite erkennbar 
zii machen. Wenn z. B. im Verbrechen aus Ehrsucht^ 
Salomon durch „Jüdeln** und sein selbstbewusstes Auftreten 
in dem vornehmen Hause: „Gottes Wunder!" Was der daher 
macht — Der junge Herr ist ä Freund zu mir, ä rechter 
Freund . . . /, heitere Stimmung erzielen soll, so ist doch 
durch das Vorhergehende und Nachfolgende so klar die 
traurige Situation des Hauses gekennzeichnet, dass die Grund- 
stimraung echte Heiterkeit nicht aufkommen lässt, und eben- 
so ist es in Dienstpflicht, wo der treue, rechtschaffene Baruch 
dieselbe Aufgabe hat. Und selbst da, wo der Dialog so 
munter geführt ist, wie in dem Stücke „Die Jäger" oder 
in „Die Aussteuer", ist auf den ersten Blick eine ganz andere, 
viel tiefere Veranlagung zu ersehen. So ist zwar in keinem 
der Lustspiele eine Scene von so ausgesprochener Fröhlichkeit, 
wie die Gesangsscene in den Jägern: „Am Rhein, am Rhein, 
da wachsen uns're Reben", ^ in keinem eine so herzer- 
frischende, ungebundene Wiedersehensscene zweier Liebenden 
als die zwischen Anton und Friederike,^ keine der Rede- 
schlachten ist so komisch, wie die zwischen dem Oberförster 
und der Oberförsterio,* und nichts Ahnliches ist in den Lust- 
spielen zu verzeichnen, wie die plötzliche Erkrankung Kor- 
delchens und deren beabsichtigte Heilung durch Melissenthee, 
da sie den erhofften Bräutigam in den Armen einer andern 
sieht. Aber trotz dieser komischen Motive behält in diesem, 
wie in allen anderen Schauspielen, der Ernst die Oberhand 
durch die psychologische Vertiefung der einzelnen Charaktere, 
die sich in der Energie der Empfindung, der Stärke ihrer 
Willenskraft äussert, durch die ernste Begründung der Vor- 
gänge, die den Verlauf der Handlung hemmen und so spannen, 

»II, 1; III, 6. 
" IV, 10. 
» II, 4. 
* I, 5. 



— 9 - 

dass trotz des vorübergehenden Seherzes die Aufregung des 
Gemütes erhalten bleibt, ja, dass die tragische Stimmung 
durch die Kluft des Kontrastes nur noch stärker empfunden 
wird. Den Beweis mögen wieder „Die Jäger" liefern. Schon 
der Bau der Exposition ist ein viel strengerer. Wir hören, 
dass der „Schurke" Matthes den alten Fritz, der nun mit 
Weib und Kind brotlos, aus dem Dienst weggelogen ^ dass 
er die Leidenschaft des Försters Anton, eines temperament- 
volleu, heftigen Jünglings erregt hat durch falsche Nachricht 
über seine Geliebte. Wir erfahren von der gewissenlosen 
Amtsführung, die der Amtmann, dessen Kordelchen Anton 
zu heiraten bestimmt ist, treibt und von dem Widerstand, 
den der Oberförster irgend einer näheren Beziehung ent- 
gegensetzt, der so stark i&t, dass er nicht einmal gemeinsam 
zu einem fröhlichen Mahle kommen mag : » Das Essen schmeckt 
mir nicht — der Wein widersteht mir — ich kann nicht 
froh sein, wo das Volk ist.^ 

Die ernsten Töne, die im Vorspiele angeschlagen worden 
sind, werden im Laufe der Handlung noch wirksamer ge- 
steigert durch die Weigerung, die die Mutter, welche „Ge- 
wissensbisse wegen der andern Religion" empfindet,^ ent- 
gegensetzt und durch Anton, der „wild wie der Teufel" 
genannt wird und in den Briefen an Friederike immer er- 
klärte: „Wenn das nicht geschieht, so gehe ich fort und 
werde Soldat",* durch sein stürmisches Verlassen des Eltern- 
hauses, die ungestüme Wirtshausscene, in der er nach den 
„Werbern" fragt, den Abschiedsbrief an seine Eltern schreibt 
und mit Matthes zusammentrifft, den er „zusammenhauen 
will wie einen Hund."-^ Im vierten Akte erhöht sich die 
Spannung weiter, da Anton nicht nach Hause kommt zum 
Mahle und erreicht plötzlich einen grausamen Höhepunkt, 
als man ihn während des fröhlichen Gesangs — Kontrast- 
wirkung — „geschlossen — voll Blut — auf einem Wagen" 



»I, 1. 
« I, 14. 
» II, 8. 

* II, 5. 

* III, 7, 



• J J J J 



— 10 - 

nach Hause bringt mit der Anklage, er habe den Matthes 
erstochen.^ Die Lösung, welche zurückgreift auf das Motiv, 
dass der alte Fritz durch Matthes aus dem Amte gelogen 
wurde, bleibt lange in dem kummerschweren Ernste, obwohl 
Anton seine Unschuld beteuert hat,^ durch den Umstand, 
dass der schlechte Amtmann, dessen Gerichtsbarkeit er 
unterstellt ist, zu dem treuen gewissenhaften Oberförster 
in einem sehr gespannten Verhältnisse steht. Aber auch 
dann, als das Schicksal durch den Botenbericht Rudolphs, 
der alte Pritz habe den Matthes, der ihn gereizt, nur ver- 
wundet, zur Aussöhnung von Furcht und Hoffnung drängt, 
bleibt doch ein bedeutender tragischer Rest in der Gemüts- 
stimmung zurück. — Ebenso sind auch die Rührmotive im 
Schauspiele viel reichhaltiger; ihre Wirkung ist eine viel 
tiefere und absichtlich auf die Gemütserschütterung berech- 
nete, wie z. B. Aussteuer IV, 16, wo der Präsident gegen 
den Fremden über den Verlust seines Bruders „wegen der 
unseligen Heirat" spricht und der Fremde erzählt, dass der 
Totgeglaubte lebe, dass er es selbst sei. 

Dagegen ergiebt sich für das Lustspiel folgendes: 
Iffland stellt nach Gottschedischer Manier einen „moralischen 
Satz" auf, der sich gewöhnlich am Aktschluss aus der 
Hochflut von Moral, die durch die Stücke wogt und die 
den besonderen Spott der Romantiker hervorgerufen, wie 
er sich in dem „Gestiefelten Kater" Tiecks in der Litteratur 
verewigt, herauswindet und die belehrende Absicht deutlich 
ausspricht, wie Figaro V, 21, Graf Bardenrode (liest): 
„Dass jeder sich am Ende durch mich beglückter finde, war 
mein Zweck. — Er ist — im Wichtigsten — erreicht. Man 
wird den Fremdling nicht mit Strenge richten, der im 
Gewand des Scherzes einem ernsten Volke ernste Wahr- 
heiten anempfahl und jetzt mit Rührung scheidet — Figaro!" 

Ernste Wahrheiten im Gewände des Scherzes zu sagen, 
ist also die zweifache Tendenz, die er hier deutlich aus- 
spricht. Sein Verhältnis zum Stoflf war also ein moralisches, 

• IV, 11. 



— 11 — 

und zwar ein rein moralisch-menschenfreundliches, so wie 
es neuerdings Avonianus in seiner „Dramatischen Hand- 
werkslehre** fordert. Iffland hat deshalb auch im Lust- 
spiele jedes Niedere, Gemeine, Possenhaftverzerrte ver- 
mieden. Fein war er als Mensch, fein als Künstler und 
fein wollte er auch als Dichter wirken. Durch Er- 
zählungen zu unterhalten und komisch zu wirken, wie sie 
Beil in der „Schauspielerschule** I, 6 bringt, hätte ihm sein 
zartes Empfinden für das Schickliche nie erlaubt, so wenig 
wie das Rendez-vous in den „Quälgeistern** II, 6. Er fühlte 
die Schauspielkunst als Hohes und Heiliges; er fühlte, dass, 
„der Menschheit Würde** auch in ihrer Hand lag, und 
dass der Dichter den Künstler in dieser Weise unterstützen 
müsse. So wollte er, so war es seine Absicht; so hat er 
zwar nicht in grosser schöpferisch bedeutender Fülle ge- 
wirkt, aber in höchster ethischer Kraft, eine Thatsache, die 
in anbetracht der Verflachung, die sich von Kotzebues 
sorgloserem Talent ausgehend, über das Theater verbreitete, 
in zwiefache Rechnung gebracht werden muss. 

Der Stoff der Lustspiele ist demselben Kreise ent- 
nommen wie im Schauspiele. Er ironisiert die bekannten 
Schwächen der guten Gesellschaft: Strebertum und Standes- 
vorurteil, Titel-, Adels- und Ordenssucht, Ehelosigkeit, Ver- 
liebtheit, Eifersucht und sonstige persönliche Liebhaberei, 
aber die Behandlung ist eine leichtere, einfachere, vor- 
wiegend komische, der Humor bricht überall glücklich 
durch. Die Charaktere sind ebenso sorgfältig ausgeprägt, 
aber sie sind psychologisch weniger tief angelegt, ihre 
Fehler sind sanfter, weicher, ihr Naturell ist ein biegsameres, 
80 dass der bekannte Charakterumfall, der notwendig zur 
Lustspieltechnik der damaligen Zeit gehörte, — weil sich 
die Umwandlung gewaltmässig an einem Tage vollziehen 
musste — auch innerlich begründet ist und nicht zu reinem 
Handwerksgriflf herabsinkt. Die Handlung, wenn auch an 
sich ernst, ist untermischt mit vielen heiteren Zusätzen und 
die Motivierung der Willensentschlüsse ist meist eine 
komische. So beruht die Weigerung der Baronesse, die 
Hand ihrer Tochter dem Bardenrode zu geben in „Figaro" 



1 



— 12 — 

auf einer Rache, die höchst lächerlich und nur dadurch 
entstanden ist, dass jener nicht auch in ihre fanatische 
Gallomanie eingestimmt hatte, während die Weigerung zur 
Zustimmung der Verlobung Antons mit Friederike in den 
„Jägern" in den „Gewissensbissen" der Oberforsterin wegen 
der „anderen Religion" tiefe Begründung erfährt. Etwas 
ganz Charakteristisches aber sind die Bedientenscenen, 
ohne die es keine Ifflandische Lustspielexposition giebt. Dass 
in der „Reise nach der Stadt" Karl der Studienfreund des 
Herrn Traut ist, thut der Thatsache keinen Abbruch. Be- 
sonders, aber zeigt sich der Unterschied zwischen Schau- 
und Lustspiel in der Situationskomik, die in ihr volles Recht 
tritt, die Gebärdensprache ist zu ausserordentlicher Ent- 
wickelung gelangt; das Auf- und Abtreten der Personen, 
die heitere gesellige Rede, die den ernstesten Erguss mildert 
und abschwächt; die Kleidung, allerlei Beigaben, kleinere 
Gebrechen, Verstellung, Lüge, Horchen, kurz alles das, was 
wir Motive nennen, sind so gestaltet, dass das komische 
Element — contra Rührstimmung — in bedeutend ver- 
stärktem Masse hervortritt von der Exposition an bis zu 
dem Augenblick, wo die Handlung durch alle Hemmungen 
hindurch den Höhepunkt und den höchsten inneren Ernst 
erreicht hat. Vom V. Akte an ist die Umkehr mit dem 
glücklichen Ausgang trotz des letzten spannenden Momentes 
zu erhoffen und der heitere Aktschluss bringt ihn in all- 
gemeiner Fröhlichkeit wirklich. 

Auf diese Weise hat Iffland Lustspiele geschaffen, die 
ihren Namen in vollem Masse verdienen, wenn sie auch 
von verschiedener Farbe sind, die einen mehr hell, die 
andern mehr düster gestimmt erscheinen, wodurch sie das 
wirkliche Leben mit seiner mannigfachen Abtönung von 
Scherz und Ernst nur noch treuer bieten. 

Es waren im Ganzen 13. Der erste übel geratene 
Versuch „Wie man's treibt, so geht's" ist zwar über die 
Bretter gegangen, Iffland hat ihn aber selbst „gerne ver- 
nichtet".* Die übrigen führen folgende Namen: Figaro in 



^ Laufbahn, p. 124. 



- IS - 

Deutschland 1790; Frauenstand 1792; Der Herbsttag 1792; 
Die Hagestolzen 1793; Die Reise nach der Stadt 1795; Der 
Hausfrieden 1799 ; Leichter Sinn 1799 ; Der Fremde 1800 ; 
Die Familie Lonau 1802; Die Marionetten 1807; Der Oheim 
1807; Die Brautwahl 1808. Dazu kommen 8 Übersetzungen: 
Der Taufschein, Die Nachbarschaft, Die erwachsene Tochter, 
Rückwirkung, Der Müssiggänger aus dem Französischen 
des Picard; Heinrich V. Jugendjahre nach Duval, Der 
Flatterhafte oder die schwierige Heirat nach Caigniez, Der 
gutherzige Polterer von Goldoni. Die Übersetzungen kommen 
für die Lustspieltechnik nicht in Betracht. Er hat für 
sie, wie Duncker berichtet, die Nacht verwendet und dik- 
tierte sie während des Lesens seinem Sekretär in die Feder. ' 
Stiehler, der bei seiner Arbeit über die Rührtechnik Ifflands 
auch die Lustspiele in den Kreis seiner Untersuchungen 
gezogen, findet diese Mitteilung nach „sorgfältiger Ver- 
gleichung* vollständig bewiesen. ^ 

Das Beste aller dürften wohl die Hagestolzen sein, 
jenes Stück, das schon Schiller's und Goethe's Beifall er- 
rungen^ und sich durch Devrient, der die Neuauflführung 
zu Ifflands 100 jährigem Geburtstage 1859 veranlasste, bis 
heute auf dem Theater erhalten hat. Goethe stellte es 
einem chinesischen Drama,* das er hochschätzte, an die 
Seite und dichtete im Verein mit Peucer ein Nachspiel 
dazu.^ Aus dem Briefwechsel Ifflands mit Werdy erfahren 
wir, dass sie zu Mannheim „mit glänzendem Erfolge'' ge- 
geben wurden.^ -- Besonders lobend spricht sich Schiller 



^ Duncker, Ifflaiid in seinen Schriften als Künstler, Lehrer und 
Direktor der Berliner Bühne, Anhang, p. 288. 

« Stiehler, p. 10. 

' Deutsche Litteraturdenkmale des 18. und 19. Jahrhunderts, 
24, XL. 

* Werke, 29, 812: Laon seng urh or An Heir in his old age, 
London, J. Murray, 1817. Der Titel des Stückes heisst wörtlich: Des 
Greises spätes Kind und ist Yon Wu Hau Sohin. 

s Werke 11, 395. 

® Briefe von A. W. Iffland und F. L. Schröder an den Schau- 
spieler Werdy, herausgeg. von Otto Devrient. Frankfurt a. M. Ib81. p. 14. 



^ 14 - 

in einem Briefe an Iffland über die Anlage des Stückes 
„Der Fremde* aus. Er wünscht, dass es sich auf der Bühne 
immer erhalte.^ Für „der Herbsttag*" und „Die Reiöe nach 
der Stadt" hat sogar Tieck in den „Dramatischen Blättern* 
ein gutes Wort. Letzteres nennt er „eines seiner besseren 
Stücke, das viel komische Gemälde enthält und manches 
gemütliche Wort ausspricht".^ Für den Frauenstand hat 
Bernhardi im Berliner Archiv der Zeit nur Anlass zum 
Tadel.^ Das int-eressanteste Stück dürfte Figaro in 
Deutschland sein. Hier greift Iffland über das Bürger- 
liche hinaus und gestattet sich, der von der Gallomanie be- 
sessenen aristokratischen Gesellschaft Deutschlands in dem 
umgesetzten Satze des Chevalier de Florian, den er auf das 
Titelblatt schrieb: „Sans hai'r les autres nations on peut 
aimer, et respecter sa sienne", eine freimütige Lehre zu 
geben, die insoferne etwas verschwiegen gehalten wurde, 
als eben dieses Stück nur „Für Gesellschaftsbühnen" be- 
stimmt war. Er begegnet sich hier in seiner Tendenz mit 
Holberg „Jean de France oder der deutsche Franzose" ^ und 
der Gottschedinn „Die Hausfranzösinn oder die Mamsell".-'* 
Nebenbei steht der deutsche Figaro gleich dem französischen 
des Beaumarchais im Dienste der Politik. Aber hier spricht 
der Satiriker, der durch lebhafte Handlung die Moral fühlen 
lässt, wie die boshafte „Stecknadel", dort der breite Sitten- 
richter, der sie zum Überdruss ausspricht. Dort giebt der 
radikale Erfindungsgeist in gedrängter Kürze eine Fülle 
origineller Motive, die das Genie verraten. Man denke an 
die Verkleidungsscene,^ die zu der drolligen Horch-, Ohr- 
feigen-, Versteck-, Erkennungs- und Versöhnungsscene führt, 
an das „Echo","^ an den Fenstersprung — jenes Motiv, das 
in Kleists „Zerbrochenem Krug** wiederkehrt — , an die 



* Jonas, Briefwechsel, 1649. 
« Dr. BI. 2, 32. 

' Koberstein, Grundriss IV, S. 711. 

* Gottsched, Schaubühne, IL Theil, Leipzig 1746, p. 411. 
^ ibd. V. Theil, 1749, p. 67. 

* La foUe journ6e ou La Mariage de Figaro IV, 4; IV, 5. 
' V, 7. 



- 15 - 

Überraschung,' an die Verwendung des Oedipusmotivs, 
wonach Figaro bald seine eigene Mutter zu heiraten ver- 
urteilt worden wäre; man stelle sich die Figur des stottern- 
den Richters Don Gusmann Brid'Oison^ vor und erinnere 
sich endlich an den Gebrauch der Stecknadel als Siegel zu 
einem Liebesbrief, bei dessen Aufbrechen die Nemesis dem 
illegitimen Liebhaber eine wortlose „Lehre" giebt ~, wo- 
gegen alles, was Iffland in seinem Figaro giebt, trocken 
erscheinen muss. Beaumarchais* und Ifflands Figaro gleichen 
sich wie dieselbe Landschaft in Sonnenschein und Regen - 
Stimmung. Wenn auf ein Stück, so hat auf Figaro das von 
Marianne von Eybenburg mitgeteilte »Art Xenion" über 

Iffland Anwendung: „ da hat der Schlegel gemeint, er sei 

ein bouflfon, den die Moral debauchiert hat".^ Aber er 
darf eben nicht verglichen werden mit den Grössten im 
Reiche komischer Erfindung, und wenn schon Aristophanes 
das Wort entschlüpfte: 

dkXd vof.iil^u)v itMjLUodoMaoxaXiav elvai /aXeTtcozaTOv epyov 
dnävTwvy^ wie noch schwerer musste dies Iffland em- 
pfunden haben! Er hält nicht einmal Stand mit den Freunden 
Beck und Beil, mit denen zusammen er jene Dreiheit 
bildete, die damals künstlerisch und dichterisch mit ihm am 
Mannheimer Theater wirkte. Beil war origineller, munterer 
und frischer in der Laune, Beck war geistvoller, freieren 
Witzes und sprühender in der Sprache. — Iffland war Ko- 
mödienschreiber, nicht nach dem Genie, sondern nach dem 
Bedürfnis der Bühne, oder wie sich Devrient in der Ge- 
schichte der deutschen Schauspielkunst ausdrückt: «Wie 
alle unsere Schauspielerarbeiten gehen Schröder*s und 
Iffland's Stücke nur darauf aus, ihre Kunst zu fördern und 
nicht die Litteratur/ 

In der folgenden Einzeldarstellung der Lustspieltechnik 
soll nun der Frage näher getreten werden, mit welchen 
Mitteln Iffland komische Wirkungen zu erreichen suchte. 

» I, 16. 

« III, 12 u. ff. 

» Goethe, = Jahrbuch 14, 1896, 10. 

* Aristophanis Comedias edidit Theodorus Bergk. Vol. I iniUlZ 
515. 



PERSONEN UND NAMEN. 



Die Personen im Ifflandischen Lustspiele sind Hof-, 
Geheim-, Finanz-, Kommerzien- und andere Räte, Gutsbe- 
sitzer und -Pächter, aktive und passive Militärs, ein Mi- 
nister, Polizeipräsident, Oberfalkenmeister, Kaufmann, Li- 
cenziat, Amtmann, Schulinspeetor, Haushofmeister, alte und 
junge Leute; in exponierter Standeshöhe erscheinen die drei 
Grafen (Figaro in Deutschland) und der adelige Gutsherr 
von Lechner (Der Herbsttag). Die Frauen gehören dem- 
selben Kreise an. Hierum gruppieren sich die Nebenper- 
sonen der Bedienten, eines Zimmermädchens, Schulzen, 
Schulmeisters und die Kinder. Ihre Namen sind alltäglich 
und tragen nicht den leisesten Anstrich von Komik, gerade 
das Gegenteil von Kotzebue, der hierin grosse Mannigfaltig- 
keit gezeigt hat. Ifflands Ehrenmänner können jederzeit 
in Gesesllschaft erscheinen, ohne dass ihnen der Name in 
irgend einer Weise zur Etikette wird. Die Freunde Beck 
und Beil vermeiden dieses Mittel komischer Wirkung nicht 
ganz. Jener suchte im „Kamäleon** durch einen Grafen 
Schalhorn, dieser in „Armuth und Hoifarth" durch einen 
Herrn von Pechwitz, den er ganz jämmerliches Pech er- 
leben lässt, und in der „Schauspielerschule** durch einen 
Raster „in der Attitüde eines Rasenden**, einen Schlorum 
und gelegentlich durch ein Fräulein von Habenichts, Kum- 
merthal und Armenberg zu reizen. Frau Gottscheds bos- 
haft-satirische Feder bringt in der Hausfranzösin sogar 
einen Dr. Kirchhof. 



^ 1? - 

Es ist schwer zu sagen, warum Iffland diese Seite der 
Lustspieltechnik, die von den Zeitgenossen noch nicht über- 
wunden war, ignorierte; es ist umsomehr verwunderlich, 
als durch „sprechende Namen** so schöne Gelegenheit ge- 
boten war, sofort zu charakterisieren. 

CHARAKTERE 
(allgemeines). 

Einen hervorragenden Teil der IfFlandischen Lustspiele 
nehmen die Charaktere ein. Sie verdienen deshalb ebenso 
den Namen Charakter-Lustspiele, wie die Molieres und 
Lessings. Wir finden darin fein ausgezeichnete Persön- 
lichkeiten mit allen psychologischen Eigentümlichkeiten und 
Schattierungen wiedergegeben, die zu einem Charakter ge- 
hören. Ihre Gemtitsstimmung und ihr Wille ist ein be- 
gründeter. Iffland bildet in seiner Personen-Charakteristik 
einen bedeutenden Fortschritt gegen seine Vorgänger. Was 
Schienther von den Gestalten der Frau Gottschedinn sagt, 
dass sie nicht mehr ganz Typen und noch nicht volle Charaktere 
sind",' ist bei Iffland völlig überwunden. Wir sehen bei 
ihm nichts mehr von der „typischen Nussknackererscheinung** 
des Horribilikribrifax , jenem strassenbreiten Renommier- 
burschen, der „den König von Schweden niedergeschossen, 
die Schlacht von Nördlingen erhalten und sonder den es in 
der Schlacht am weissen Berg auch nichts gewesen wäre.*^ 
Wir sehen keine Spur von dem frechen Hauptmann von 
Wagehals im „Testament* der Gottschedinn,^ der nach 
Schienther schon „der Träger einer im Menschengeschlecht 
weitverbreiteten Charaktereigenschaft erscheint," der sich 
einbildet, „ein wesentliches Stück des europäischen Kriegs 
und Friedens zu sein,*** und der das Fräulein von Kaltenborn 
nur will, „wenn sie Geld hat.** Wir finden keine Spur von 
dem „ungezogenen Wagehals,** der die Einwohner eines krieg- 



^ Sohlenther, Frau Gottsched X Typus und Charakter, p. 192. 
' Horribilikribrifax, „der ander Aufzug**. 
' Deutsche Schaubühne, Leipzig 1750. 
* Das Testament IV, 5. 

2 



- lg - 

führenden Landes »so schinden und ausziehen will, dass sie 
das helle Blut weinen sollen,^ und zu dem die Frau von 
Tiefenbach „höhnisch" sagt: »Die Herrn Offizier sind so ge- 
wohnt, das Alter ihrer Pferde zu untersuchen, dass sie in 
den Putzstuben ebenso reden, als ob sie im Stalle wären.** * 
Ifflands Militärpersonen sind voll ausgestaltete Persönlich- 
keiten, von dem Bedienten Franz in »der Fremde" bis zu 
dem Obrist in der »Familie Lonau." Seine Soldaten sind 
Lessing-Tellheim : »Man muss Soldat sein für sein Land, oder 
aus Liebe zu der Sache, zu der gefochten wird,"^ und die 
Ehre ist dem pensionierten Obristen ebenso „die Ehre" — 
wie Tellheim — , wenn er von der „unglückseligen Bataille" 
spricht, durch die seine Ehre beinah zweideutig geworden; 
und wenn er die Qual erzählt, die er empfindet bei. einem 
Stadtbesuch ; wenn er die Fahnen wehen sieht, wenn Trompeten, 
Trommeln, Kanonen in sein Blut stürmen; wenn »die Brust 
sich hebt und die Ehre mit voran will."^ 

Iffland hat keine Buchfiguren, keine Verzerrungen und 
typisierte Zwittergestalten, sondern Menschen, „von jeder 
Seite gesehen Menschen, wenn auch alltägliche Menschen." * 
Er hat dabei der Eigenart ihr Recht gelassen, und wo sie 
sich nicht in's Welt- oder Familienganze schmiegt, wo sie 
hart und kalt und abstossend wirkt, stattet er sie zum Schlüsse 
mit menschlich sympathischen Zügen aus, so dass jene Ge- 
stalten, die uns zuerst wenig ansprechen, am Ende viel besser 
als am Anfange oder in der Mitte der Handlung sind. So 
hat er sie zugleich dem Bühnenzwecke angepasst. Indem 
er die Leute auf der Bühne aussöhnt, versöhnt er zugleich 
die Menschen im Zuschauerräume mit der Bühne, und das 
hielt er immer für eine seiner ersten Pflichten. 

Die Art der Charaktere ist eine zweifache. Wir finden 
aktive und passive Naturen, und zwar hat es Iffland ge- 
fallen, die Frauen vorwiegend unternehmend-handelnd, die 



» ibd. IV, 6. 

* Minna von Barnhelm III, 7. 
' Familie Lonau, I, 12. 

* Devrient, Geschlohte III, 226. 



- lö - 

Männer ergeben-duldend vorzuführen. Er war sich dabei 
im Voraus einer sicheren Wirkung auf sein Publikum be- 
wusst, wenn er die Rührigkeit des weiblichen Geschlechtes 
in 1 US tspiel artiger Uebertreibung in die Erscheinung kommen 
Hess. So sind die drei Grafen in Figaro während der ganzen 
Handlung zu „Leichen, Larven, Maschinen" herabgedrückt, 
während die Baronesse mit ungeheurer Energie wie eine 
Eachegöttin dahinsaust und mit der Fliegenklappe ihrer Beredt- 
samkeit jede selbständige Regung derselben totschlägt. Eben- 
so thatkräftig ist die impertinente Mamsell Reinhold in den 
Hagestolzen gegenüber ihrem Bruder, die unternehmende 
Frau Traut gegen ihren Mann, ' die schöngeistige Kommerzien- 
rätin gegenüber dem Oberfalkenmeister und die sich in ihrem 
idealen Streben von ihrem Manne verkannt fühlende Frau 
Lonau, 2 die Geheimrätin Ward^ und Hofrätin Lobau.^ Be- 
sonders aktiv sind die alten Lieblingskinder der Bühne: die 
Schwiegermütter. Ihre Aktivität äussert sich in einer 
nie rastenden Unruhe und in einer fabelhaft behenden Zunge. 
Dazu gehören Frau Saaler, ^ Rätin Bellmann ^ und die alte 
Madam Fresen, von der gesagt wird : „Sie hat ein lästerliches 
Mundwerk."*^ Bei der Ankunft ihrer Gäste kommt sie gar 
nicht zu Atem bis sie endlich erschöpft „sich setzt" und 
sagt: „Ich kann nicht, bin kaput, mus ausruhen, kann nicht 
Alles thun, 68 Jahre ist — — — — — nun da liegt (sie 
steht auf) auch die Tobakspfeife auf dem Kanapee, dass die 
Leute sich in die Asche setzen (sie nimmt die Tobakspfeife), 
welch ein Leben — welch — ." ^ 

Iffland liebte die Wirkung durch den Kontrast. 
Es war ihm ein Mittel, das er sich immer und überall zu 
nutze machte, auch in der Gruppierung der Personen 



* Reise nach der Stadt. 
' Familie Lonau. 

^ Die Marionetten. 

* ßrautwahl. 

* Herbsttag. 

^ Leichter Sinn. 
^ Der Fremde II, 2. 

* Fremde I. 4. 

2* 



- 20 — 

innerhalb der einzelnen Lustspiele. Hier zeigt sich wieder 
der gewiegte Bühnen- und Menschenkenner, der aus der 
Beobachtung, die er bei der AuflRihrung fremder Stücke 
machte, Erfahrung zu ziehen und den Gewinn für die eigenen 
Produkte praktisch-technisch zu verwerten wusste. So stellt 
er in Figaro die drei Grafen der Baronesse Brandenrothe 
gegenüber. Jene so dumm, dass ihre grösste geistige 
Leistung in schweren Augenblicken meist nur lautet: „Eh, 
que 9a! Que diable! Ma foü", dabei aber von grosser Güte: 
„Alle drei Herreu Grafen gute Menschen, die wahren Engel." ^ 
Diese dagegen geistig frisch und von skrupelloser Härte. 
Sie führt trotz der Rebellion „die neuen Steuern standhaft" 
ein, denn, „es sind noch Bauern genug, die Sonntags ihren 
Braten essen. "^ Ebenda ist die sanfte Tochter der rauhen 
Mutter gegenüber: Ludwig: „So ein liebes Fräulein!" Jakob: 
„und so eine bitterböse gnädige Mama!"^, der ernste Bar- 
denrode dem lustigen Figaro: Baronesse: „Er ist es (Fi- 
garo), den ich Bardenrode gegenüberstelle. In Lachen, 
Scherzen, Witzeleien achtet man nicht auf den ernsten For- 
scher". Im Frauenstand ist das Verhältnis folgendes: 
Auf der einen Seite Lestenfeld, hochbegabt, aber cha- 
rakterschwach, der seines Gutes überdrüssig, seines Freundes 
und „wer weiss, ist er Frau und Kind nicht überdrüssig"*, 
Kat Berg, ein rücksichtsloser, aufgeblasener Streber und 
Mamsell Bauning, eine impertinente, klatschsüchtige, bigotte 
Kokette; auf der andern Seite: Hof rätin Lestenfeld, voll 
Treue und Aufopferung, der ehrenfeste Onkel und der ebenso 
charaktervolle Sekretär Ramstein. In gleicher Weise findet 
sich der Kontrast guter und schlechter, ernster und heiterer 
Elemente, die sich gegenseitig widerstreben, anziehen und 
beeinflussen in jedem Stück. 

Dabei zeigt es sich, dass wir durchaus mit keiner 
Manchfaltigkeit der Charaktere zu thun haben. Es begegnen 
uns dieselben Gestalten immer wieder, nur mit Variationen. 



* Figaro 


I, 


6. 


" I, 9. 






» I, 5. 






M, 1. 







- 21 - 

EINZELDARSTELLUNG. 

An der Spitze der Ifflandischen Lustspielfiguren steht 
das Grafentrio in Figaro. Wer Iffland nicht kennt, mochte 
glauben, er sei der boshafteste Verächter des hohen Adels 
gewesen, so bös zupft er ihm hier am Ohr. Er zeichnet 
drei alte knöcherne Gerippe, die sich um nichts in der Welt 
kümmern, von ihrer adeligen Hochgeborenheit tief überzeugt 
sind, vom Standesvorurteil und der Pflichtenlosigkeit leben, 
Menschen von so uneingeschränkter Borniertheit, als wollten 
sie zur ganzen Welt sagen, was Hyazinth zur Baronesse 
äussert: »Ich kapiere Sie wahrlich nicht, ma chere!" Dieser 
wird im Besonderen charakterisiert als ein Mann, „bei dem 
stets Geister sind und niemals Geist."* Sein Rat Greif, von 
dem er sagt: „C'est un homme d'esprit!" beweist ihm dies 
damit, dass er ihn nachts mit dem Schein der Lampe ängstigt 
und durchprügelt, was er für eine That des „Geistes Ariel" 
hält 2, auf dessen unterirdische Schätze er einen Schuldschein 
von 20 000 Thaler ausstellt.^ Der Geist ist sehr knüppelhaft, 
denn er richtet ihn so „terribel** zu, dass blaue Flecken 
bleiben. Als „ Landes vater** macht er seine Entschliessungen 
abhängig vom Knopfentscheid. „Was ist das*, fragt die 
Baronesse und Greif erklärt: „Sie fangen zum Exempel an: 

— Soll ich? soll ich nicht? — Soll ich? soll ich nicht"? 
(er zählt dabei seine Knöpfe) und wie es nun oben oder unten 
ausfällt, so geschieht es^. Kürzlich wurde ein armer Kerl 
infolge dieses Entscheids hingerichtet — Als Hyazinth von 
einem alten schutzflehenden Bauern „Vater*" genannt wird, 
bekommt er zärtliche Anwandlungen, und der spitzbübische 
Rat seines Justitiarius Greif, noch zu heiraten, leuchtet ihm 
sofort ein: „Papa! Fort bien! Wir werden Gemahl und 
Vater! — — ^ Der „mittlere Herr Bruder** — Christoph 

— ist desparat pfiffig, und was er nicht mit Feinheit zwingt, 

^ Figaro II, 4. 
" II, 4. 
« III, 1. 

* Figaro I, 9. 

* IV, 21. 



— 22 - 

„das zwingt er mit Fluchen und Lärmen/* Er giebt seiner 
künftigen Braut, die „nur Baronesse^ ist, Anstandsiehren, 
wie sie sich als „Gräfin* gegen „die Unterthanen" zu ver- 
halten habe: „Nur immer das Bürgervolk in der Ferne ge- 
halten .... die Augen über die Menschen hinaus und nur 
den Hals ein bischen gebogen*. — Baptist's, des jüngsten 
Grafen, einziger Stolz ist sein Adel. Er verfügt über nichts 
als über eine unbeschreibliche Dummheit. Sein Bedienter 
schildert ihn als einen, der jahraus, jahrein liest und „wird 
doch nicht — so — wie will ich sagen? — (deutet 

auf die Stirne) anders* ! 2 

Von den Grafen nicht zu trennen ist die Baronesse 
von Brandenroth, eine geborene Gräfin zu Boga. 
Sie ist mit diesen die Repräsentantin der Gallomanie und 
der Volksbedrückung. Iffland ironisiert sie in folgender 
Weise: Sie schwört dem Geliebten ihrer Tochter „Rache", 
weil er sagt, es sei eine Ligue gegen den gesunden Ver- 
staiid, sich des Vaterlandes zu schämen. Figaro wird aus 
Frankreich verschrieben, um den deutschen „Schwindel- 
köpfen Sitte zu lehren*. Bei seiner Ankunft gerät die 
Baronesse so in Verzückung, dass sie ausruft: „C'est le 
moment le plus delicieux de ma vie!**^ Sie glaubt, dass 
deutsch kein gebildeter Ausländer verstehe, und giebt ihrem 
Rat auf die Frage, was denn Figaro sagen werde, wenn 
er die Bauern, die eben rebellieren, fluchen höre, zur Ant- 
wort: „Eh bien! Nous lui dirons, que c'est ainsi, que les 
Allemands se divertissent ...**. Dem Figaro wird ver- 
sichert: „In Deutschland sind Sie angebetet*. Die deutsche 
Litteratur wird verhöhnt als etwas, in dem sich jetzt „viele 
rüde junge Kavaliere üben,** ^ von den deutschen Gelehrten 
wird erklärt: „Ce ne sont, que des Schulmeisters". Figaro 
muss sich spanisch kleiden, denn seine jetzige Kleidung 



*l, 2. 
« I. 2. 

* Figaro I, 12. 
» I, 12. 

* II, 2. 



- 23 — 

„taugt nichts'', sie ist ,,deutsch.'' Oegen Bardenrode ist sie 
unversöhnlich, bis er Moden aus Paris kommen lässt aus 
dem Lager der Bertin. Dabei ist ein Kopfputz mit 
„Schellchen*'. Diese läuten ihre „Rache** zu Grabe. Die 
Sehnsucht nach dem ,,Bonnet diplomatique^ ist so gross, dass 
sie mit Bardenrode Frieden schliessen und ihm ihre Tochter 
geben will, wenn der künftige Schwiegersohn ihr das schrift- 
liche Versprechen giebt: „Die Frau Baronesse alle Winter 
auf drei Monate nach Paris zu führen und ihr das Recht 
zugesprochen wird, in ihrem Gebiete ein französiches Dorf 
mit den Rechten, Sitten und Gebräuchen dieser Nation an- 
zulegen" ^ 

Die Bedrückung durch die „regierenden Herren*, 
wozu auch die Baronesse gehört^, wird also gezeichnet: 
Die von Steuern geplagten Bauern rebellieren. Trotzdem 
sollen sie durch eine „neue Steuer" beglückt werden. So 
will es die Baronesse.^ Als sie vor dem Thore stürmen, 
muss ein Beamter hinunter und ihnen sagen, dass aus Liebe 
zu den treuen XJnterthanen sich ihr Kind mit dem Grafen 
Boga verbinden will.^ Hyazinth will den Bauern damit 
helfen, dass alle Jahre am Hyazinthustage eine Rede kom- 
poniert werde; weiter soll zur Ehrung der Vermählung 
eines der Grafen ein Fest gegeben werden, wobei die hoch- 
geborenen drei Herren in Überröcken unterm Volk spa- 
zieren gehen wollen \ Hyazinth will noch mehr für die 
XJnterthanen thun. Er will sie in ihren Sonntagsröcken 
— zum Handkuss zulassen und der Schulinspektor des Ge- 
bietes soll eine Oration halten. — Ganz verborgen bleibt 
aber die Vernachlässigung aller Herrscherpflichten der hohen 
Obrigkeit nicht. Iffland ist so boshaft, dass er die Baro- 
nesse in ihrem Namen arretieren lassen will. Das geht 

ihr in's Blut. „Die Schande ist — mein Tod — " spricht 

sie „entkräftet*. 



> V, 19. 
' Fig. I, 8. 
» I, 9. 
* I, 19. 
» III, 16. 



— 24 — 

Das ehrgeizig-herrschsüchtige Element ist ver- 
treten durch Frauen, die in der Familie gerne regieren und 
in der Gesellschaft eine Rolle spielen möchten. Das sind 
die Kommerzienrätin Randel und Frau Lonau, die „für die 
Herrschaft das Leben lässt** und der es in alten Tagen 
noch einfällt, „eine Figur in der grossen Welt vorzustellen" ^, 
Rätin Bellmann, die zwar nichts für sich, aber umsomehr 
für ihre Tochter erstrebt: „Ich will gerne sterben — nur 
muss die Welt das Talent meiner Tochter anerkennen" ^. 

Die männliche Entsprechung hiezu wäre das, was wir 
„Streber** nennen, und davon hat Iffland mehrere. Er 
giebt sie als begabte Leute, „die einen Weg machen wollen** ^. 
Dazu brauchen sie Familieneinfluss und Geld. Darum ist 
der eine — Lestenfeld — unglücklich, weil er aus Liebe 
geheiratet hat und „in keiner Tochter Leidenschaft, in 
keines Vaters Plan wirken kann***, der andere — Fritz — 
kalt und gleichgiltig, nachdem er seine Herzensneigung zu 
einer „Zimmermannstochter**, die ihm „Bahn, Glück und 
Möglichkeit, zu handeln, verschlossen hätte**, erstickt hat\ 
— Kotzebue hat einen ähnlichen Charakter im „Vielwisser**. 
Er behandelt ihn aber in scheusslicher Verzerrung, da dieser 
für seine „Gärtnerstochter** keine Hand rührt, als sie in 
Gefahr ist, in den Flammen umzukommen. 

Diesen schliesst sich noch eine besondere Art geistigen 
Strebertums an, eine Sorte, die wir heute vielleicht ironisch 
als „Übermensch** bezeichnen würden. Viele Worte und 
nichts dahinter, das ist Albert in der Familie Lonau. Er 
ist ein Zukunftsmensch, den „das nächste Jahrhundert erst 
würdigen wird**®. Seine Originalität besteht darin, dass 
er alles verhöhnt und sich freut, „vom Kleinhöker-Pöbel 
verspottet zu werden**. Das ist ihm der Massstab für seine 
eigene Grösse, von der er selbst immer spricht und worin 



^ Familie Lonau III, 1. 
^ Leichter Sinn I, 1. 
' Frauenstaud I, 2. 

* ibd. I, 2. 

* Herbsttag IV, 7. 

^ Familie Lonau III, 1. 



• • : 



— 25 — 

er von seiner Mutter bestärkt wird. ^Ja, (du bist) ein 
grosser Mann, das würden wir in Deiner Nähe fühlen, hättest 
Du es auch nicht selbst gesagt". Eine seiner „neuen Ideen** 
ist die, die Ehe nur als Kontrakt auf bestimmte Zeit zu 
betrachten. Seiner Mutter erklärt er: „Ich bin eben darüber, 
eine Broschüre herauszugeben, worin ich klar thue, dass 
nach den Prinzipien der reinen Vernunft jede Ehe nur auf 
gewisse Jahre kontrahiert werde". »Der triumphierende 
Koloss" hat auch Schulden, von deren Bezahlung er in 
seiner Grösse nichts wissen will. Seiner Mutter, die ihn 
daran erinnert, erwiedert er: „Lassen Sie uns nicht rechnen, 
es ist gar zu kleinlich .... Pah! Immer von Schulden? 
Solche Armesünderangst gehört für Tagewerker. Elende 
Romanen- und Eomödienschreiber mögen mit diesem ge- 
meinen Stoflf engbrüstige Menschen hetzen — ". 

Dieses Motiv wiederholt sich bei Iffland öfter ^ Es 
ist ein altes. Schon Aristophanes bringt es und seine 
fmtiken Helden stimmen mit Iffland's vollkommen überein, 
wie die luftigen Gesellen in den Vögeln des Aristophanes 
beweisen, von denen der eine den andern also begrüsst: 

OTi TtQUJTa /LUV ijffd"^ ävS QUiiiog^ wonsQ vfti, 77 or^, 

yä^yv^MV locpelkTjaag^ SoneQ vio, nors^ 

In erhöhtem Grade ist das Motiv des Schuldenniachens 
und Spielens zugleich in „Der Reise nach der Stadt" ver- 
wendet. Hier hat Iffland die im vorigen Jahrhundert so 
stark verbreitete Spielwut, von der selbst Männer von 
solcher geistigen Höhe, wie Lessing" ^ ergriffen waren und 
gegen die er in dem Schauspiel „Die Spieler" seine Stimme 
drohend erhob, komisch verwertet. Dabei lässt er seinen 
Rousseau' sehen Überzeugungen von der Korruption der 
städtischen Verhältnisse gegenüber dem Landleben freien 
Lauf. Eine ganze Hofratsfamilie muss dazu herhalten. An 
der ist kein gutes Haar, die Frau eine Modenärrin, die 



> Figaro III, 10; IV, 10; Frauenstand II, 1. 

' Bergk, Aristophanis Coraoedias OPIVISE2 114—116. 

» Devrient, III, 11. 



- 26 - 

Tochter eine Spielerin, der Sohn ein Faulenzer, der Vater 
^einer von denen, die falsch gemünzt sind**, das ganze Haus 
voll Schulden und dabei: „Nachmittag ein kleines Concert, 
Abends Spiel — , morgen ein kleiner Ball .... und so geht's 
alle Tage^. Selbst die zu Gast gekommenen unerfahrenen 
Land vettern werden von der Mamsell Cousine zum Pharao- 
spiel verleitet, was dem Onkel Hofrat zu folgender Be- 
trachtung Veranlassung giebt: „Man muss nicht spielen . . . ., 
man gerät in das odiöse Laster des Fluchens, und — man 
— man — enfin! verliert sein Geld**. Ernst: „Das haben 
wir verloren **. Hofrat: „Man betrübt die lieben Eltern, 
also — man muss nicht spielen". E. : „Der Herr Onkel 
haben vollkommen recht". Jakob: „Ach, der Herr Onkel 
wissen alles, was dabei vorgeht". Hofrat (verlegen): „Nicht 
wahr?" J. : Warum spielt denn aber die Mamsell Cousine?" 
Hofrätin: „Zum Zeitvertreib". E. : „Das Spiel ist aber ein 
Laster". Hofrat: „Sie behält die Gemütsruhe". J. : „Ja, 
sie hat das Geld". Hofrat: „Sie gerät nicht in das Laster 
des Fluchens". E. : „Sie hat gewonnen". Hofrat: „Welche 
naiven Repliken ! Gott, was sind das liebe natürliche Seelen! 
Die guten Kinder!"* 

Fingirtes Spiel, in dem er sein Vermögen verloren 
haben soll, giebt der Hofrat gegen seine Schwester vor, 
um ihre Gesinnung zu erfahren 2. 

Eine andere Klasse sind die geizig-wucherischen 
Naturen. Hier hat Iffland seine gute Gesellschaft keines- 
wegs geschont: „Denn das Geld, was ich ausleihe, ist nicht 
alles von mir, es sind fromme, gottesfürchtige Leute, alte 
Fräulein und dergleichen, die vor der Welt nicht gern das 
Ansehen haben möchten — ... acht Prozent zu nehmen", 
lässt er den Makler Ludwig sagen .^ Sie treiben allerlei 
Unrecht mit dem Mammon, wie Greif,^ leihen auf Hypo- 
theken mit wucherischer Ansichnahme der Güter, wie 
der Oberfalkenmeister ,-^ oder auf Pfänder und fordern 

1 Reise IV, 10. 

< Hagestolzen III, 10. 

^ Frauenstand II, 3. 

* Figaro III, 4. 

^ Famüie Lonau II, 12. 



- 27 - 

zehn Prozent, wie Mamsell Stahl, die mit dem Bedienten 
Valentin einen scheusslichen Handel kaltblütig organi- 
siert hat, wofür folgende Stelle spricht: „Nun, Valentin, 
gebe Er wohl Acht. Die goldene Dose, die ist schon acht 
Tage föllig, die verkaufen wir. Drei Thaler Zins von der 
Wittwe Müller, die muss Er um Exekution anrufen. Das 
Stück Leinwand von der Schneidersfrau wird auch verkauft. 
Dann habe ich vierhundert Thaler auf das Weiss'sche Haus 
geliehen — berede Er die Leute, dass sie noch zweihundert 
Thaler von mir borgen. Zahlen können sie es nicht wieder, 
so kriege ich das Haus um ein Spottgeld; mir bietet nie- 
mand nach. Besorge Er das wohl.** Valentin: „Wohl und 
gleich. Nun Sie kennen mich, und — hahaha! die Schuld- 
leute auch. Ich bin so im Respekt, wo ich hinkomme, für 
Sie zu mahnen, kriechen die Kinder unter den Ofen.** 

Auf dieses Pfänderleihen bezieht sich Schillers Xenion. 
„Was? Sie machen Kabale, Sie leihen auf Pfänder, sie 
stecken silberne Löffel ein, wagen den Pranger und mehr^** 
Es finden sich darin Anspielungen auf Schröder, Kotzebue 
und Schiller selbst und zwar deshalb, weil Schiller, der in 
einem sorgsam schonenden Verhältnis zu Iffland stand, diesem 
durch Blossstellung im einzelnen nicht wehe thun wollte. 

Sehr zahlreich sind die gutmütig-heiteren Cha- 
raktere vorhanden. Es entspricht dies wohl der eigenen 
Veranlagung Ifflands als auch der Absicht, durch das Bei- 
spiel guter Gestalten bessernd und durch Vorführung heiterer 
belustigend zu wirken. Es sind Menschen, die sehr ehrbare 
Grundsätze haben, für die Erziehung ihrer Kinder das Beste 
thun sollen, wie Herr Traut ,2 Vaterstelle an Verwaisten 
einnehmen, wie Herr Bartmann ,^ allerlei verliebte Thorheiten 
begehen, wie der Hauptmann Wartendamm ,^ Hofrat Stahl, "^ 
Reinhold ^ und Geheimrat Lobau. Letzterer ist nicht für 



» D. L.-D. 24, LXXV. 

' Reise. 

' Der Oheim. 

* Der Fremde. 

^ Der Hausfriede. 

' Die Hagestolzen, 



— 28 - 

sich, sondern für seinen Sohn verliebt, den er durch eine 
Neigungsbeirat glücklich machen und sich damit selbst einen 
schönen Lebensabend bescheren möchte. So monologisiert 
er . . . ,,Eine junge hübsche Frau muss in's Haus — eine 
junge hübsche Schwiegertochter (lacht) ! Da frage ich dann, 
wie haben Sie geschlafen ? Bringe ein Blümchen — frisches 
Obst — eine Sonate — einen neuen Aufsatz — führe auf 
die Promenade — kurz, da habe ich den ganzen Tag zu 
thun — ."1 Ferner gehört hierher der alte Onkel Lesten- 
feld,^ der mit seiner „kapitalen Gesundheit'' noch lange 
nicht an's Sterben denkt, Dr. Welz,^ der mehr durch die 
Heiterkeit seines Gemütes als durch Arzneien kuriert, der 
Pantoffelheld Ward* und der unvergleichliche Siward,^ der 
den nach seiner Frau trachtenden Minister so prächtig aus 
dem Hause moralisiert. Daran schliessen sich weib- 
licherseits die unübertrefflichsten Gattinnen, die je gelebt 
haben: Frau Lestenfeld* und die Hof rätin StahlJ 
Letztere ein wahres Ideal , ein Muster für jede Frau , die 
nicht vertragen kann, dass ihr Eheherr „wo anders hin- 
gaflfe** ; sie vergiebt immer wieder und bekommt dafür die 
Versicherung, dass sie „ein seltenes, liebes, geduldiges Weib" 
sei und „die regierende Frau.^ Sie ist der Schutzgeist 
ihres Mannes, der Schutzgeist ihres Schwiegersohnes, der 
Schutzgeist der Mamsell Hainfeld, kurz ein leibhaftiger Engel. 
Iffland kann sich in der Charakterisierung ihrer Tugenden 
nicht genug thun. Er giebt für ihre Darstellung auf der 
Bühne noch eine ganz besonders eingehende „Erinnerung" 
in den Text, um damit „sein Ideal der Künstlerin deutlich 
zu machen".^ — Einen notwendigen Stich in s Kokette hat 
Frau Siward,^ indem sie dem Minister gegenüber nicht 

^ Brautwahl I, 1. 
' Frauenstand. 
' Brautwahl. 

* Marionetten. 

^ Leiohter Sinn. 

* Frauenstand. 
"^ Hausfriede. 

» ibd. III, 9. 
^ Leichter Sinn. 



- 2Ö - 

ganz taktfest war, sondern ein „paar Augenblicke der Eitel- 
keit** gegönnt hat, und in's Eitle geht Geheimrätin Ward, 
„die erwachsene Kinder hat, noch die jungen Mädchen spielt 
(auf dem Liebhabertheater nämlich !) und halsbrechende Arien 
singt. "^ 

Die jungen Mädchen Ifflands sind fast lauter 
gott-, mutter- oder vaterergebene Mondscheingestalten und, 
abgesehen von kleinen Verirrungen, voll „Gutheit und Brav- 
heit**. Dass dies mit der Tendenz seiner didaktischen Lust- 
spiele zusammenhängt, ist ausser Zweifel. Es sind Leo- 
poldine,^ Marie, Amalie, Ernestine.^ Amalie 
hat ihrem Vormund, der Elternstelle an ihr vertritt, einen 
Liebeshandel vei'sch wiegen, „sonst hat sie sich aber ihm 
gegenüber nichts vorzuwerfen**,* und Marie bekennt in ihrem 
höchsten verzweifelten Liebesschmerz: „Lassen Sie mich 
elend sein — sterben — nur erhalten Sie mir die Würde 
der guten Tochter.** Von gleicher innerer Tadellosigkeit 
sind auch Sophie,^ die Hainfeld® und Therese,'^ aber von 
grösserer Willensstärke. Sophie, die von ihrem Soldaten- 
vater „zum Gehorsam und zwar zum Soldatengehorsam*' 
erzogen worden ist, erwiedert in Betreffeines aufgedrungenen 
Freiers „dass sie nein sagen werde, wo sie nicht ja sagen 
kann,^ wobei sie an Sophie in der „Aussteuer** erinnert, 
in der Ifflands Feder ein geistig starkes Mädchen entwirft, 
das an beissendem Übermute in den Scenen mit dem ihr 
verhassten, alten, dummen, geizigen Amtmann nichts zu 
wünschen übrig lässt und ihrer Verbindung mit demselben 
staunenswerte Energie entgegensetzt, indem sie kurz er- 
klärt: „ . . . . so werde ich noch am Altare mit lauter 
Stimme — Nein! rufen. "^ Ins Kokette schillert die Hain- 



^ Marionetten 12. 
' Fijifaro. 
' Herbsttag. 

* II, 9. 

^ Familie Lonau. 
^ Hausfriede. 
^ Oheim. 

* Fam. Lonau II, 5. 

® Die Aussteuer IV, 7. 



- so - 

feld, die die Männer „gern mit einem Übergewicht peinigt**,^ 
und in's Blaustrumpfige Therese, die aber im allgemeinen 
sympathisch gezeichnet ist. Es dürfte nicht fehlgeschlossen 
sein, wenn man annimmt, in ihr habe dem Dichter eine 
Tochter des selbstbewussten Revolutionszeitalters vorge- 
schwebt. Sie macht Reformanträge für die Schulen, in 
denen sie „Mathematik und reine Vernunft** zu lehren vor- 
schlägt. Einem ihrer alten Freier, der die Frauen „gern 
hört und liest, wenn sie in feiner Empfindung die 
Bilder ihrer Seele geben", hält sie ein ganzes Fläschchen 
Salmiakgeist vor, in der Erwiderung: „Wenn Sie eine 
graziöse Puppe ausstellen! Ein Spielwerk, das — als 
Spiel werk gefällt und geduldet wird, weil — es gebrech- 
lich ist. Jedes denkende Wesen hat Rechte und will sie 
üben. "2 Hierher dürfte aus der gleichzeitigen Lustspiel- 
litteratur Beck's Lieschen im „Kamäleon" und die noch 
witzigere Isabella in den „Quälgeistern" zu stellen sein, 
letztere eine „boshafte Hexe", die den „Siegwart", noch ehe 
sie den ersten Band gelesen, in's Feuer wirft (I, 10). 

Ifflands Lustspielen fehlt auch die Naive nicht. Er 
bringt sie in Salome^ und Margrethe,^ und besonders 
diese hat er sehr hübsch und poetisch zu geben gewusst. 
Wenn Goethe von den „Hagestolzen" im Gespräche mit 
Eckermann ^ äussert, dass sie das einzige Stück seien, in 
dem Iffiand „aus der Prosa in's Ideelle gehe", so lässt sich 
dies auch auf die Figur der Margrethe übertragen. Weit 
entfernt von der albernen Gurly Kotzebue's ist sie voll 
heiterer ländlicher Unschuld, die auch heute noch ergötzt, 
wenn sie dem verwöhnten städtischen Hofrat in weltfremder 
XJnerfahrenheit ein Nachtlager bietet auf „schönem Stroh 
vom vorigen Jahr" in einer Kammer, „wo nichts wie Bohnen 
und Linsen liegen",® wenn sie sich von ihm das Wort 
„Liebhaber" mit dem inhaltsvolleren ihrer ländlichen Aus- 

^ Hausfriede II f, 9. 
« Der Oheim II, 12. 
' Reise. 

* Hagestolzen. 

^ Leipzig 1876, 4. Aufl. 1, 98. 

* Die Hagestolzen IV, 4. 



- Sl - 

drucksweise geläufigeren Wort „Schatz*' begreiflichen machen 
lässt, wenn sie ihm ihre Blumen schenkt, in der Kirche für 
ihn beten und ihm den ganzen Sonntagsanzug opfern will,^ 
wenn dann nach der Verlobung einer ihrer ersten Gedanken 
ist, ob sie nun „seidene Kleider, lange seidene Kleider 
tragen müsse" und ihr höchster Wunsch darin besteht, dass 
ihr Bräutigam am Hochzeitstag einen „goldenen Rock an- 
zieht, damit das ganze Dorf die Augen recht weit aufmache.^ 

Urwüchsige Naturells, die sich in kerniger 
gesunder Einfachheit und Kraft äussern, wenig Innenleben 
verraten und sozusagen das maskuline Gegenstück zu den 
angeführten Mädchengestalten bilden, sind Jakob und Ernst, 
Ludwig^, Hans*, Ralling-^, Peter^. Besonders dieser ist 
eine Natur voll frischen Erdgeruchs, voll Heiterkeit und 
geraden Sinnes. Das Herz auf dem rechten Fleck will er 
dem adeligen Betrüger seiner Schwester „das Hochgeboren 
und Bravgeboren" mit der „Faust" begreiflich machen. 
Dazu gehört als Variation eines männlichen Naiven 
„der Vetter Gerling" der in optimistischer Selbsttäuschung 
nicht merkt, dass er der harmlose Held eines lustigen 
Weiberkomplottes ist und dem Gatten einer von ihm in 
aller Unschuld geliebten Frau „die Scheidung vorschlagen" 
wiir. 

Mit rechtem Behagen hat Iffland den Eifersüch- 
tigen^ auf die Bühne gebracht in der Person des Kauf- 
manns Fresen, einem Manne, der „vor der Ehe" einen sehr 
ernsten Liebeshandel mit einer verheirateten Frau gehabt 
hat, der zur Scheidung führte. Der Dichter giebt ihm eine 
lebenslustige, sehr hübsche Frau und lässt ihn alle die 
Qualen, „die er andern bereitet", selbst durchleben. Das 
Lachen seiner Frau, jede heitere, sorglose Äusserung von 

1 V, 15. 

2 V, 18. 
' Reise. 

* Lonaa. 
^ Oheim. 

^ Herbsttag. 

' Der Fremde lY, 2. 

• Der Fremde. 



~ S2 - 

ihr bereitet ihm unaussprechliche Angst, die zur Eifersucht 
im höchsten Grade ausartet dadurch, dass ihm sein böser 
Freund auch noch mit einem fremden Kerl, der in's Haus 
kommt, neckt, womit dieser aber niemand anderen als sich 
selbst meint. „Ein fremder Kerl** geht nun wirklich arg- 
los immer wieder am Hause vorüber. In der Meinung, der 
ist es, lässt ihn Fresen von zwei Bedienten in's Haus 
schleppen^, damit er ihn „totschlagen** kann 2. Jener ent- 
puppt sich dann als der geschiedene Gatte der von ihm 
vor der Ehe geliebten Raufeid, der aber nicht seiner Frau 
zuliebe an den Fenstern vorübergegangen, sondern um seiner 
Cousine willen. Durch dieses und einen vorher aufgefundenen 
Brief wird er für alles bestraft und von seiner Eifersucht 
geheilt. 

In einer Figur wird uns die Lüsternheit vorgeführt, 
aber in Ifflandischer Weise fein und delikat. Der Minister 
in „Leichter Sinn** ist ein so guter, braver Mann und be- 
nimmt sich im allgemeinen so salonhaft korrekt, dass man 
erst zu einer richtigen Auffassung über seine schlimmen 
Absichten kommt durch die vielen moralischen Auslassungen 
und durch die Andeutungen seines Beistandes, des Hofrats, 
der ihm rät, nicht nur den zärtlichen, sondern auch den 
glänzenden Liebhaber zu zeigen: „Sinnlichkeit überwindet 
alle Grundsätze.** (IV, 1.) 

Als Einzelerscheinungen treten der Finanzrat Orau 
und Herr Lonau ^ auf, jener als Vertreter der pessimistischen 
Weltanschauung, für den es keine Fröhlichkeit, keine Treue 
und keine Offenheit in der Welt giebt und der deshalb fort 
will „auf die steilste Plattform im Lande**, dieser, ebenfalls 
ein Weltflüchtling, weil er viel betrogen und viel ver- 
kannt wurde. Er ist auf ein Bergschloss gezogen und ein 
Sonderling geworden, der „keine Besuche, keine neuen Bücher 
und keine neuen Weine" will. Dazu gehört auch der Ge- 
heimrat im „Oheim**. Er hat seine ganz spezielle Eigenheit: 



* V, 15. 
« 1I[, 10. 

' Familie Lonau. 



— 33 — 

die Seelen Wanderung an die er „fest'' glaubt. Seine 
treulose Umgebung bestärkt ihn darin. Er muss viel Oeld 
hergeben, damit Hausmiete, Kostgeld und Verspeisung für 
diesen und jenen lieben alten Freund und Bekannten, dessen 
Seele nach höherer Zulassung in dieses oder jenes Tier ge- 
fahren ist, davon bestritten werde. Der Küster, der diesen 
Glauben für seine Rechnung auch auf andere überzutragen 
sucht, rät den Ungläubigen, dass sie nur den Truthahn auf 
dem Rasenplatze zu beobachten haben, da werde ihnen klar 
sein, „wohin der Geist unseres seligen Herrn Superintendent 
gefahren ist". (HI, 1). 

Besonders vornehme Naturen, eintretend für 
Wahrheit und Menschenrecht, finden wir in Willner,^ 
Ramstein ^ und Bardenrode;^ dieser, ein junger Adeliger, 
der »ein unbescholtener, perfekter Kavalier genannt wird". 

Mehreren seiner Personen hat Iffland Bigotterie und 
Intriguensucht angehängt. So lässt die Rätin Bellmann,^ 
die dem Herrn Minister den Weg zum Herzen ihrer ver- 
heirateten Tochter präpariert, die „Ewigkeit nicht aus den 
Augen". Die Rauning^ geht, wenn sie genug gelästert und 
den Hausfrieden untergraben hat, „noch ein wenig in die 
Kirche** und die Mamsell Reinhold,® die ihrem Bruder das 
Leben verdirbt, treibt ihren schändlichen Wucher in der 
Absicht, damit sie einst noch — eine Kirche bauen kann, 
wie wir aus der Unterredung mit Valentin hören, der sie 
fragt, was sie mit ihrem Reichtum anfangen will: „Ach, 
lieber Valentin, mein Einziges — mein Trost, meine Freude 
am Tage und bei kummervollen Nächten — eine Kirche 
bauen". 

In vielen Stücken findet sich eine besonders komische 
Figur, die den Zweck hat, das Lustspiel als solches aus- 
drücklich zu markieren. Es sind Leute, die durch ihr Tem- 



> Figaro. 

' Frauenstand. 

• Fig. 

* Leichter Sinn. 
^ Frauenstand. 

^ Hagestolzen. 



- 34 - 

perament bestimmt sind, überall Licht und Freude zu ver- 
breiten oder durch derbe Dreistheit und Grosssprecherei, 
hinter der erbärmliche Feigheit steckt, oder durch blühende 
Dummheit. zu ergötzen. Zur ersten Gattung gehören Figaro, 
der in dem Rufe steht, „ alles mit Singen und mit Springen 
zu machen, wenn's noch so kitzlich ist." * Er springt 
zwischen den Parteien hin und her, hat aber doch bei allem 
nur den einen Zweck im Auge, Bardenrode und Leopoldine 
trotz aller Hindernisse zu vereinigen, wie er selbst sagt: 
9 . . . . der allem Scherz entsagen und in la Trappe sein 
Leben enden will, wenn er dem lieben Paar nicht Hilfe 
schafft"; 2 Wanner, der alte Advokat, der bei den Akten 
jung geblieben und gleich bei Ankunft auf dem Gute seines 
Freundes durch seinen komischen Anzug in „Nachtmütze 
mit brauner Schleife, wollenen breiten Halbstiefeln über den 
Schuhen und durch seine Katze so belustigt, dass die alte 
Liese, die nie lacht, so lacht, «dass sie fast am Brodschrank 
umgefallen wäre."^ Sein Gaudeamus igitur tönt überall 
durch und als Leichentext wünscht er sich: „Unser Wanner 
ist doch fröhlich gestorben.** Ahnlich ist Wachtel, dessen 
Devise lautet: „Vergnügen muss doch auch sein!"^ und der 
Onkel Hofrat, der sich freut, wenn er auf eine Woche weiss, 
wieviel angenehme Partieen auf ihn warten.^ Komisch wirkt 
in „Leichter Sinn" der Kommerzienrat Bellmann, der von 
„kläglichen Prozenten und saurer Arbeit" lebt, gerne ein 
Monopolium auf Mineralwasser möchte und die Dreistheit 
hat, deshalb seiner „Frau Cousine" wegen des „Herrn Mini- 
sters" sehr anzügliche Dinge zu sagen ; "^ der Oberfalken- 
meister, der als Soldat „kurz vor dem Kriege" den Abschied 
nahm, nachdem er vorher seine Tapferkeit in einer „aller- 
verwickeltsten Aflfaire gegen ein Oberamt, das die neue Agende 



> Figaro II, 10. 

* II, 17. 

8 Herbsttag II, 7. 

* Herbsttag V, 19. 

* Hagest. I, 17. 

« Der Fremde I, 2. 

•^ II, 7. 



- S5 - 

nicht einführen wollte", erprobt hatte. Er meint: „Tod ist 
tod , es treffe mich nun eine Kanonenkugel auf den Kopf 
. . . . oder — ein Dreschflegel/^ Durch Dummheit glänzt 
„ Ehren- Pabritius**, der Gewürzkrämer; als er fluchen hört, 
ist er so entsetzt, dass ihm zu Mute, als wenn ihm „ein 
Fass mit Oel auf offener Landstrasse verplatzt wäre. "^ in 
der Mittagshitze steht er im Garten und — wartet auf den 
Schlag der Sonnenuhr.^ Interessanter ist der Makler Lud- 
wig, — ähnlich wie Salomonim „Verbrechen aus Ehrsucht* — . 
der in ein verschuldetes Haus kommt, einige Minuten allein 
gelassen, alles auf seinen Geldwert untersucht, bis er von 
dem Onkel des Schuldners unterbrochen wird. Da dieser 
im Rufe des Erbonkels steht, so prüft er auch gleich dessen 
Gesundheit : „Sie scheinen mir aber nichts von chronischen 

Krankheiten an sich zu haben nun, einen Athem 

scheinen Sie zu haben, der muss nur so sein! und 

einen Gang! Sapperment! wie ein preussischer 

Feldwebel.**^ Er erinnert an Molieres Gerichtsvollzieher 
im Tartuflfe und möchte gleich diesem auch alles gern mit- 
nehmen. 

Eine sehr lustige Figur hat Iffland in dem Schauspiele 
„Ein Mann von Wort" geschaffen. Er spricht die fröhliche 
Wahrheit aus: „Auf meine Ehre! Unangenehme Dinge und 
Menschen lacht man eher weg, als man sie wegpredigt." (I, 5.) 



Zur Charaktertechnik Ifflands gehört als weiteres Mittel 
die Wirkung durch Charakterumfall. Die Energie 
der Baronesse^ bricht sich an dem Bonnet diplomatique 
und sie giebt Bardenrode zu, dass sie seine „Schuldnerin" 
sei. Wanner ^ giebt nach langem Sträuben dem „dummen 
Hans" seine Amalie, der hartnäckige Obrist,*^ der einen 

^ Lonau I[, 11. 

* Hausfr. I, G. 

» III, 12. 

^ Frauenstand II, 3. 

^ Figaro III, 14. 

« Herbsttag V, 19 

■^ Familie Lonau V, 11. 

3* 



^ ^6 - 

Offizier als Schwiegersohn will, seine Sophie dem ^Bauern", 
die widerspenstige Frau Traut * kommt zu Gatte und Kindern 
zurück, der liebebedürftige Minister^ wird durch moralische 
Sprüche plötzlich vernünftig. — - Besonders sind es die Ex- 
tranaturen Lestenfeld,^ Fritz ^ und Albert^, die als einsichts- 
volle Sünder „bereuen" und im Schoss der Familie, die 
ihnen fremd geworden, wieder ihr Glück finden. Auf diese 
Weise ist nicht nur für Komik, sondern auch, durch Menschen- 
besserüng, für gutes Beispiel und Erziehung gesorgt. 



TYPISCHE ABSONDERUNGEN. 



DIE HAGESTOLZEN. 

Von den Charakteren hebt sich der Typus ab, der 
die besimmten, immer wiederkehrenden Züge der Eigenart 
zeigt. Hierzu dürfen wir die Erscheinungen der alten 
Jungfer und des alten Junggesellen rechnen. Beide 
waren zu allen Zeiten bühnenwirksame Figuren. Iffland hat 
den letzteren sogar ein besonderes Lustspiel in den „Hage- 
stolzen" gewidmet. Aber auch ausserdem bringt er sie in 
verschiedener Gestalt auf die Bretter. Er wusste, dass sie 
immer gerne gesehen wurden und hat sie auch mit peinlicher 
Sorgfalt für den Lachzweck ausgestattet. — Wir können 
bei ihm zwei Arten unterscheiden: freiwillige, die sich 



» Reise V, 8. 

^ Leichter Sinn V, 14. 

^ Frauensttfnd. 

* Herbsttag. 

** Lonau. 



— 37 - 

aus innerer Ueberzeugung, dass ein Weib doch eigentlich 
nichts ist, des Ehestandes entschlagen haben, wie der alte 
Siward, ^ und Wanner, ^ der den Ausspruch thut: „Ein Weib 
— hm — ein Weib ist doch nur — hm — ", oder in einem 
uneingeschränkten Freiheitsbedürfnis „ Heiraten für Narrheit •* 
halten, wie Wachtel und Valentin in den Hagestolzen ; und 
unfreiwillige, die durch die Verhältnisse gezwungen sind. 
Der eine verliert in jungen Jahren die Braut und ist „ganz 
ohne Schuld an seinem Titel", d. i. Onkel Lestenfeld;^ der 
andere, Hofrat Reinhold, ist der Schwester zu liebe lange 
ledig geblieben. „Mein Herz verlangt ungestüm nach einer 
Bestimmung, die es nicht hat,**^ findet er plötzlich und so 
unternimmt er allegro-vivace vom Mittag des einen bis zum 
Morgen des andern Tages zwei Brautwerbungen, von denen 
die letzte von glücklichem Erfolge begleitet ist. Der dritte 
ist sicherlich der unfreiwilligste : der alte Oberfalkenmeister, 
der sich in Frauen und Mädchen gleichmässig verliebt, 
überall vergeblich, von dem handkräftigen Obrist „in's Teufels 
Namen* zum Fenster hinausgewiesen wird und schliesslich 
in die Klage ausbricht: „Gott, in was für Kalamitäten kann 
uns die Liebe bringen ! ** ^ Er hat Aehnlichkeit mit dem 
schlotterigen Hagestolzen Brandes'. Einige Hagestolzen 
Iffiands haben sonst noch ihre besonderen Liebhabereien. Er 
giebt ihnen Hunde und Katzen mit, zu denen sie in 
einem sehr freundschaftlichen Verhältnisse stehen. Stahl 
hat die „Minette",* nach deren Tod er sich plötzlich ver- 
einsamt sieht. Wanner den „Jupiter","^ den er in einem auf- 
geputzten Korbe auf die Reise mitnimmt, und Wachtel hat 
„Vögel und drei Hunde. ^ Ausserdem versieht er die Hage- 
stolzen mit einer ungeheuren Ess- und Trinklust. Wanner 



* Leichter Sinn I, 3. 
« Herbsttag III, 10. 
' Frauenstand I, 9. 

* Hagestolzen I, 5. 

* Lonau III, 1(>. 

^ Hagestolze I, 4. 
^ Herbsttag II, 8. 
» Hagestolze III, 3. 



— 38 — 

kann sich den Himmel ohne »grossen Kommers' nicht denken 
und Wachtel schleppt „einen Flaschenkorb und drei Bündel 
mit Essen" aufs Land, damit gelegentlich „unmenschlich 
getrunken werde" J Allen gemeinsam ist die Angst vor 
dem Tode. Keiner will daran erinnert werden. Wachtel 
schickt seine Haushälterin auf der Stelle fort, nur weil sie 
die unerhörte Rücksichtslosigkeit hat, vom „Todesfall" und 
zwar von seinem Todesfall zu sprechen. ^ 



DIE ALTEN JUNGFERN. 

Sie zeichnen sich aus durch kalte Berechnung und 
Hartherzigkeit, Bigotterie und Intriguensucht, eine wie die 
andere, (ße Reinhold und Stemberg in den Hagestolzen, 
die Rauning im Frauenstand und die Stahl im Hausfrieden. 
Die Reinhold zeigt die merkwürdige Erscheinung — gegen 
die andern — , nichts vom Heiraten wissen zu wollen. „Drum 
— gebetet, und drum eine Kirche gebaut — und drum 
ledig geblieben", 3 ist ihr unveränderlicher Grundsatz. Ein 
besonders komisches Ideal ist die Stahl im „Hausfrieden". 
Sie kommt zu Gast in das Haus ihres Bruders* und bringt 
neben den „Koffern*' noch „fünf Schachteln und drei Reise- 
säcke" mit, in denen Zerbrechliches ist. „Sachte doch, 
sachte! — es ist ja Porzellain darin" — so kommt sie an. 
Dabei sind noch zwei Hundekörbe mit Bella und Azor, 
deren Krankheitsgeschichte sie alsbald erzählt. Sie ist eine 
lästerliche Person, raisonniert über Kleider, Bälle, Moden, 
Freunde und Verwandte, alles in einem Atem; sie ist die 
„neunjährige erklärte Himmelsbraut" des Herrn Fabritius, 
eines alten filzigen Gewürzkrämers, bringt aber daneben 
eine alte Liebe, für die sie sich immer noch gerne „opfern*' 
möchte, nicht aus dem Herzen. Fabritius wird von ihr so 



' Hagestolzen V, 8. 

« I, 7. 

3 III, 8. 

* Hausfrieden II, 5. 



j 



— 39 — 

schlecht behandelt, dass er auf und davon läuft mit den 
Worten: „Ach höre mich, wer ein Christenkind ist! Ich 
gebe den Geist auf in den ersten acht Tagen ^^.^ 

DIE SCHWIEGERMÜTTER. 

Ein durch die ganze Weltlitteratur gehender Typus 
ist der der Schwiegermutter. Auch Iffland verwendet ihn 
als Lustspielfigur, aber ganz in seiner vornehmen Weise. 
Er behandelt die alten Damen zwar mit feiner Satire, 
immerhin aber respektvoll- gerecht und in pädagogischer 
Absicht. „Ihre Eigenheiten machen mich lachen, ihre Brav- 
heit thut mir wohl" ist seine Meinung über diesen Punkt. *^ 
Er hat zwei Arten, die der bösen Schwiegermutter ähn- 
liche, als Widersacherin des Schwiegersohns, die sich nicht 
trösten kann, dass ihre Tochter nicht eine vornehme Partie 
gemacht hat, sondern den „pöbelhaften Mensch" von Guts- 
besitzer, dem sie nun in jeder Weise das Leben sauer zu 
machen sucht,^ und die der besorgten, als Repräsentantin 
der guten alten Zeit und Sitte und der nie rastenden, immer 
thätigen Hausfrau. Dazu gehört Frau Saaler im „Herbsttag" 
und die alte Madam Fresen in „Der Fremde". Diese ist eine 
besonders temperamentvolle Frau, deren spähender Blick nicht 
nur in die Räume des Hauses, sondern auch in die Herzen 
ihrer sämtlichen Familienangehörigen dringt. Ihr Unkenruf 
erschallt sofort, wo sie glaubt, dass etwas nicht in Ordnung 
sein könnte. So hören wir sie in einem Gespräche mit 
ihrer Schwiegertochter und einem Hausfreunde: „Nun warne 
ich Sie, Frau Tochter — vor diesem Manne warne ich Sie". 
Junge Madam Fresen: „Mich"? Hauptmann: „Die Mama 
konsigniert mich so bedenklich, dass ich wahrlich nicht mehr 
aus einer Stubenthüre in die andere gehen kann". A. M. F.: 
„Gehen Sie nur mit der Frau Gemahl, dann können Sie 
ohne Bedenken überall ein- und auspassieren". Hpt. : „Sie 



» Hanßfr. V, 12. 
« Der Fremde I, 5. 
* Leichter Sinn I, 5. 



— 40 — 

verwalten also hier die Polizey?* — Sie geht humorvoll 
darauf ein und meint, sie wolle alles vorstellen: Polizey, 
Schildwache, Nachtwächter und dergestalt Feuer rufen, 
dass sie an den christlichen alten Nachtwächter denken 
sollen all ihr Leben langJ* 

An anderer Stelle lässt Iffland aus Bedientenmund einen 
wahren Panegyrikus auf den Wert einer „breiten Mama^ 
contra eine „schlanke junge Frau* anstimmen ^ und lässt sie 
„hoch und abermal hoch leben".^ — Iffland hat in der Mi- 
schung, die er der alten Madam Fresen von „lästerlichem 
Mundwerk" und „verehrungs vollem Gemiite" zu teil werden 
lässt, einen vorzüglichen Schwiegermuttertypus geschaffen, 
der seinen alten Damen im Publikum sicher groses Be- 
hagen bereitet und den jungen eine vorzügliche Bereicherung 
ihres Gedächtnisses mit guten Lehren gegeben hat. 

DIE BEDIENTEN. 

Kein Ifflandisches Lustspiel ohne Bedienten. Die Ex- 
position zeigt uns ihre Existenz auf den ersten Blick und 
zwar mit der deutlichen Absicht, die freundliche Vermitt- 
lung zwischen Theater und Zuschauer zu übernehmen. Sie 
treten auf im Gespräche miteinander,^ im Selbstgespräch,^ 
im Gespräche mit dem Mädchen der andern Partei, '^ mit 
ihrem eigenen Herrn,"^ mit ihrer eigenen Gebieterin^ oder 
mit anderen Dienstbeflissenen.^ In Figaro sowohl als in 
Familie Lonau ist eine unverkennbare Ähnlichkeit mit der 
gleichen Bedientenscene in Lessing's „Minna* zu finden. 
Ihr Humor schlägt die ersten komischen Töne an und geht 



• Der Fremde III, 4. 
« II, 1. 

» II, 2. 

* Figaro. 

' Familie LoDau und Hagestolzen. 
^ Frauenstand. 
'^ Herbsttag. 
' Hausfreund. 
^ Marionetten. 



— 41 - 

meist durch das ganze Stück. Es sind biedere Gestalten, 
Kraftnaturen, die für ihre Herrschaft einstehen, wie Fried- 
rich,^ dessen „massive Grobheit immer Lärm schlägt", oder 
Andreas, der gern den Rock seines Herrn wieder anzieht, 
den er im Arger fortgeworfen hat.^ 

Bei dem damaligen patriarchalischen Verhältnis von 
Herrschaft und Dienerschaft ist diese natürlich sehr oft in 
ihre Privatverhältnisse eingeweiht, aber auch in ihre grossen 
und kleinen Schwächen, und so finden wir die treuen Diener 
über ihre Herren sehr häufig tüchtig spotten, z. B. ge- 
legentlich der grossen Haupt- und Staatsaktion in Figaro, 
als eben beraten wird, „mit welcher Hand Bardenrode zu 
empfangen sei". Die Situation ist folgende: Die drei Grafen 

(sitzen rukig und seilen ernst und gerade vor sich hinaus) Friedrich 
(will mit ihnen reden), Jakob (der den Dienst hat, weist ihn ab), 

Ludwig (hat gleichfalls etwas auszurichten), Jakob (bedeutet ihm 
mit der Pantomime vom Kachdenken und Schreiben, sie hätten Ge- 
schäfte), Ludwig (halblaut): „Was denn?** Jakob (ebenso): Siehst 
Du nicht?" Ludwig: „Sie thun ja nichts.* Jakob (droht 
ihm): »Sie regieren/'** In fröhlicher Geselligkeit bei Wein 
lind Kuchen führt er uns ein Bedientenkleeblatt in freiem 
Meinungsaustausch vor, wobei sich der eine auch insofern 
als „treuer Diener* kund giebt, dass er genau dieselbe Welt- 
anschauung hat, wie sein Herr.* — Ganz anders passt Beil 
die Figur des Bedienten dem Lustspielzwecke an. Adam 
wird von seiner Herrschaft nicht nur ausgehungert, sondern 
auch noch geprügelt.^ Iffland zeigt sich auch hier wieder 
als der vornehme Mann. Er wollte nicht durch Gemein- 
heiten, deren das wirkliche Leben so viele brachte, die 
Bühne in ihrem erzieherischen Zwecke herabdrücken und 
durch Dinge ergötzen, vor denen jeder Abscheu haben sollte. 



' Frauenstand. 
^ Herbsttag. 

* Figaro II, 11; dazu I, 1—3, 5, 13; Familie Lonau IV, 1. 

* Der Fremde II, 1. 

^ Armuth und Hoffarth III, 4. 



— 42 - 

DIE MÄDCHEN. 

Sie sind nur in einer einzigen vertreten und zwar 
durch Margrethe im „Frauenstand**. Sie ist die ver- 
traute Freundin ihrer Herrin — gleich Lessing's Franziska 
— und in alle ihre Intriguen eingeweiht. Sie scheut sich 
auch nicht ihr ein offenes Wort zu sagen und meint, dass 
es kein Leben sei: »Die eine Hälfte der Nacht spielen, des 
Morgens schlafen, in der Mittaghitze Morgenpromenade 
machen.** Sie zögert nicht, ihr die Äusserung des Bedienten 
zu hinterbringen, dass sie beide aussehen wie „—alte 
Hyazinthen in Treibhäusern.** (HI, 5.) 



SCENISCHES. 



AUF- UND ABTRETEN DER PERSONEN. 

Bei dem glücklichen Blick für das, was dem Publikum 
gefiel, verstand Iffland auch dadurch komische Abwechslung 
zu bringen, dass er das Auf- und Abtreten der Per- 
sonen möglichst angenehm gestaltet. Die Expositionen 
mit den Bedientenscenen waren für den Beginn des Stückes 
das erste Medium dazu. Aber auch einzelne Auftritte inner- 
halb der Handlung sollten für Auge und Ohr sofort Er- 
munterung bringen. In vielen Fällen wird die Person auf 
die Bühne gerufen: „Valentin! He, Valentin!**^ oder ge- 
meldet: „Ludwig (ö£fnet das Zimmer): Ihre Excellenz, der 
Herr Graf!**^ In anderen Fällen kommen sie von selbst 



» Hagest. I, 5; V, 1. 
« Fig. I, 8. 



J 



- 43 - 

herein und wirken durch allerlei Mimik, z. B. Madam Lonau 
„tritt in heftiger Gemütsbewegung herein*' ; * Wiese „tritt 
lebhaft ein, sieht den Hofrat, stutzt, macht ihm aber ein 
verbindliches Kompliment" ; ^ Bartmann „tritt ein, dann geht 
er lebhaft auf und ab, wie einer, der wichtigen Dingen nach- 
denkt — er bleibt stehen, faltet die Hände* ;^ Karl 

„kommt die Hände in beiden Seiten wie Jemand, der Seiten- 
stechen hat/ ^ Ganz köstlich ist die Begleitescene der 
drei Grafen, Figaro HI, erster Auftritt. Graf Christoph (im 

Heraustreten aus Hyazinths Zmmer): „Dabei bleibt's/ Graf Hya- 
zinth: „Wohl! Euer Liebden thun dem Fräulein also die 
Erklärung.* Graf Chr.: „Bitte unt-erthänigst, mich ja nicht 
zu begleiten. * Gr. Hyaz. (komplimentierend): „Bis an die Thtire 
nur.* Gr. Chr. (ebenfalls): „Wir sind ja entre nous.* Gr. Hyaz. 
(protestierend) : „Ich kenne mein devoir." Gr. Chr. (unter Ver- 
beugunf^en abgehend) : „Zu allem reciproce verbunden." ^ 

Ironisch weiss er dritte Personen zu isolieren, besonders 
Damen , die durch ihre Redefertigkeit unbequem werden. 
Der Präsident Lonau ist durch die Zweideutigkeiten seiner 
Schwägerin so „in einen Aufruhr gejagt** worden, dass er 
sie also hinwegbefördert: „Ihren Arm, Dame" (er fahrt sie 
an die Thüre). Danken Sie der Dame, dass ich Ihr Portrait 
nicht lebendiger male (er neigt den Kopf etwas). Gott be- 
fohlen!" (kehrt zurück). 

Komisch ist auch die Abschiedsscene der alten 
Reinhold und Stemberg. Sie erscheinen auf der Bühne 
;,und haben eben erst ihr Gespräch beendigt." Man merkt, 
dass sie nicht viel Liebenswürdiges miteinander gesprochen 
haben, und dass sie sich mit Vergnügen ein wenig in die 
Haare kommen möchten , aber sie bleiben im Weltton : 
Sternberg: „Viel Verbindliches an den Herrn Hofrat." 

MUe. Reinhold : „Recht obligiert, ich habe doch .... 

gehorsamste Dienerin." Mlle. Stb. : „Nochmals recht ver- 

^ EiOnau III, 1. 

« Reise III, 6. 

» Oheim I, 1. 

^ Reise I, 1. 

^ Dazu Frf^uepstfind III, 1, 



— 44 — 

bunden." Mlle. R.: „Ha, ha, ha! — Haben's ganz und gar 
nicht Ursache.* ^ 

Eine andere Art ist das Bitardando. Es sind mehrere 
Stellen vorhanden, die einem Publikum von heute noch ge-r 
fallen könnten. Eine der Anwesenden stellt sich, als wollte 
sie gehen ; sie nimmt aber immer das Gespräch wieder auf, 
geht fort und kommt dann wieder zurück; z. B.: Die Rau- 
ning ist bei der Hofrätin und findet den Hofrat nicht zu 
Haus. Nun verabschiedet sie sich : „Ja, der Hofrat ist nicht 
da — (sie steht aof). Ihnen habe ich meinen guten Tag ge- 
geben — also — adieu, Mama! (sie geht). Noch eins (sie 
kommt zurfick). Man hat mir gesagt, dass Sie hie und da für 
Ihren Mann bezahlen. Hofrätin: „Das sollte man nicht 

sagen . . .* Rauning (im Gehen und Wiederkommen): „Auf den 

Abend schicke ich Ihnen Ananas. — Guter Himmel, wie ist 
die Dornwald alt geworden! Nein, davon haben Sie keine 
Idee. — Und ein so fataler Knochenbau (sie setzt sioh).^ — 
Besonders geschickt Hagestolzen II, 2, wo die Schwester 
für den Bruder auf Brautwerbung geht und es so anlegt 
„dass der blosse Antrag eine Ewigkeit ist.* ^ 

In längeren Scenen geht die letzte Person gewöhnlich 
mit einem Selbstgespräch ab, das einen Blick in die 
Seele thun lässt, z. B. monologisiert Frau Lonau über ihre 
Schwester: „Dir soll der Wucher gestört werden, Dein ge- 
lehrter Hochmuth gebändigt, der Oberfalkenmeister ent- 
rissen werden, oder ich gehe nicht gesund von der Stelle". 

AKTSCHLUSS. 

Den Aktschluss gestaltet Iffland sowohl innerhalb als 
am Ende des Stückes freundlich-komisch, so dass seine Zu- 



1 Hagest. III, 1 

' Frauenstand I, 9; dazu Y, 3 am Anfang, Herbbttag I, 6 in der 
Mitte, Hagest. Y, 2, 5. Sonstige komische Abgänge: Fig. II, 4,7, 15; 
III, 5, 6; Hagest. III, 11; Reise I, 8; Der Fremde lY, 2, 6; II, 7, 9; 
lY, 9; Hagest. lY, 9; Y, 15; Y, 13; Hausfr. I, 6; II, 8; lY, 10; Fam. 
Lonau I, 9, 13; Herbsttag III, 6. 

» Hagest. III, 4. 



-► 45 — 

schauer, die während der Handlung viel Ernstes zu sehen 
und zu hören bekommen, doch am Schlüsse eine frohe 
Minute haben. Es ist klar, dass bei der Schwere der 
Ifflandischen Lustspielhandlung nicht jeder Aktschluss 
heiter sein kann, aber die vorwiegende Anzahl ist es 
doch. So steht in Figaro am Schlüsse des zweiten Aktes 
die grosse Lachscene zwischen Figaro und der Baronesse, 
die sich also vor dem Zuschauer abspielt: Baronesse: „Und 
alle Deutschen — die so — " Figaro: „Im ächten Bieder- 
ton reden * Baronesse (lachend): Das sind besoffene 

— wie sie sich auch — ha ha ha! — in alter deutscher 

Redlichkeit — ha ha ha ! vor Phi lippsburg am Rhein 

erschlagen Hessen! — Der Gewinn, mein lieber Figaro — * 
Figaro (lacht): „Ist unser !'' Baronesse (noch mehr lachend): 
„Das Gelächter — — * Figaro: „Ha ha ha! über die, die 
sich so weise dtinkten — ** Bar.: „Ha ha ha! Und doch be- 
trogen wurden!" Fig.: „Ha ha ha! Und doch betrogen 
wurden!* Bar.: „Ehrt Ihr Genie!" (in die Mitte ab)- Fig.: 
(indem er zu Graf Hyazinth geht): „Bravissimo! Mehr will ich 

nicht!" (Ende des zweiten Aufzuges).' 

Der richtige Aktschluss, das ist der Schluss nach dem 
vollständigen Ablauf der Handlung, ist aber in allen Stücken 
heiter und fröhlich. Diese Aktschlüsse sind Ensemblescenen 
Wer in gutem oder schlimmen Sinne den Knoten geschürzt 
oder gelöst hat, darf seine moralische Erhebung oder mora- 
liche Zerknirschung noch einmal zeigen. In dem Kabalen- 
lustspiel „Leichter Sinn" gestaltet sich die allgemeine Be- 
friedigung so aus : Der Minister ist durch die Rede Siwards 
gerührt und seine Seele von aller Unlauterkeit plötzlich 
geheilt. Er verlässt den Schauplatz. Die Farailienglieder 
sind unter sich und gruppieren sich also : Der Hofrat stützt 
den Kopf auf die Stuhllehne, der Onkel Hauptmann umarmt 
die im Lauf des Stückes im Reinigungsfeuer seiner Kraft- 
worte gestandene Frau Nichte, die Rätin „sieht verlegen 
in den Fächer" und der Kommerzienrat macht dem ab- 



» Dazu Hagest. IV, 1; Reise III, IV; Leichter Sinn III, IV; 
Der Fremde II, III, IV; in Familie Lonau sämmtliohe Aufzüge. 



- 4Ö - 

gehenden Minister ein tiefes Kompliment. Dann sammelt 
sich der singende Chor um Madam Siward und den Haupt- 
mann. Siward, der den Minister begleitet hat, komuit 
zurück und beide haben den Onkel in der Mitte. Der Vor- 
hang fällt, ehe der Chor aus ist, welcher zu Ende gesungen 
wird. 

Wohl am heitersten ist der Schluss in »Hausfrieden* 
und »Herbsttag*. In diesem stimmen der fröhliche Peter 
und der immer sangeslustige Wanner den Ton bis zuletzt. 
Peter und Amalie sind glückliches Brautpaar, die ganze 
Familie geht unter Vorantritt der jugendlichen Ernestine 
zum Herbstfest. Wanner hat das letzte Wort, indem er 
sagt: „Wir machen die jungen Paare bekannt — der Becher 
geht herum und die Kinder und ich führen den Ehrentanz 
auf. — - Dann setzen wir den Herbstkranz in die Mitte und 
ich lehre jedem Gaudeamus igitur! — Vier es nicht ver- 
steht, — sieht mir s aus Aug' und Herzen leuchten und 

fühlt es Gaudeamus igitur!" (Musik voraus. — Sie nach - 
Bauern scliliessen. Der Yorhang fällt). 

Das beste Bühnenmanöver hat sich Iffland in Figaro 
geleistet. Er führt seine Zuschauer mit Figaro durch fünf 
schwere Akte, um ihnen am Ende folgende Überraschung 
zu bereiten : Man hört hinter der Bühne den Postillon ein 
rasches Lied blasen. „Was giebt's? . . . Wer kommt"? fragt 
die Baronesse. Wilmer (traurig): "Figaro geht". 

Gr. Bardenrode (mit Teilnahme): »Geht? geht? 

Leopoldine : „ Figaro ? " 
Hyazinth: »Sans avoir pris conge?" .... Gr. Barden- 
rode: »Schon seinetwillen werde ich Sie mit Freuden nach 
Paris begleiten". Baronesse: »Er ist doch hie und da ziem- 
lich maussade. — Im ganzen — hege ich den Soup9on: Er 
sey wohl nicht der rechte Figaro?*' — Gr. Bardenrode (mit 

Bedeutung ihre Hand nehmend) : »Und wenn er's nun nicht 
wäre??" (wechselseitiges Erstaunen, der Vorhang fällt). 

DER MORALISCHE SATZ. 

Nicht zu trennen vom Aktschluss ist der moralische 
Satz. Ifflands Lustspiele endigen alle damit, bald mit 



{ 



- 47 - 

längerem, bald mit kürzerem. Ausserordentliches bringt er 
in »Leichter Sinn*. Hier wird die einfache Wahrheit: Ein 
Minister soll zu Hause bleiben, seine Pflicht erfüllen und 
nicht anderer Leute Eheglück stören, oder kürzer: Was dich 
nicht brennt, das blase nicht, zu einem kleinen Bühnenwerke 
ausgestaltet, das sich durch drei Auftritte zieht. Der Ex- 
zellenz zu liebe wird ein Fest gegeben, die ganze Nachbar- 
schaft wird dazu geladen. Der Minister hofft, dass ihn Frau 
Siward an diesem Abend erhören wird. Er kommt und 
setzt sich bei ihr nieder. Herr Siward aber nimmt seine 
Frau zu sich. Der Schulmeister und der Schulze treten 
„mit grossen Papierlaternen auf Stangen* ^ vor den Minister, 
und er darf die „ingeniösen Laternen** mit der „transpa- 
renten Inschriff* selbst entziflfem. Der Schulz hält ihm zu- 
erst die seine vor. Der Minister liest: „Unser Leben ist 
eine eitle Flucht der Tage.* — „Jawohl!" bestätigt er. 
Dann kommt der Schulmeister mit der seinen : Der Minister 
liest wieder: „Segen dem, der keinen Frieden trübt.** »^Hm, 
sehr wahr!**** Er findet „keine Flatterie** und etwas „Nach- 
drückliches" darin. — Das wäre der erste Teil. - Nun be- 
wegt sich der ganze Zug Geladener vom Haus in das Wäld- 
chen.'-^ Dort hält Siward zwischen den beiden Laternen eine 
sehr lehrreiche Rede, während welcher der Minister bereits 
„die Augen senkt**, gerührt aufsteht, als Siward zu Ende 
gesprochen, selbst eine Rede hält. Gute Nacht sagt und 
gehen will. Aber das wäre zu rasch. Siward führt ihn des- 
halb erst noch zwischen die zwei Laternen und spricht „mit 
Rührung und Feuer** abermals viel Moralisches zu dem „Stell- 
vertreter unseres Landesherrn**, worauf dieser zum zweiten 
Male gehen will. Dreifach hält besser, denkt Iffland, und 
der Minister bekommt zu den moralischen Laternen und 
der moralischen Rede noch ein moralisches „Liedchen**, das 
ihn über alle erlittene Täuschung trösten muss, denn er wird 
darin als der „hochgepriesene Held**, „der das Glück der 
Brüder höher stellt als sein eigenes**, besungen. Und wie 



» V, 12. 
« V, 13. 



-- 48 -. 

mit den Inschriften auf der Laterne giebt I£PIand nun auch 
mit dem „Liedchen** zur besseren Einprägung einen Repe- 
titionskurs, denn „der allgemeine Chor wiederholt das Lied**. 
Der Minister darf nun weggehen. — Das ganze Spiel er- 
innert an Beaumarchais' festlichen Aufzug mit dem Duo: 
Figaro IV, 9. Nur muss sich hier Almaviva bei weniger 
Moral in der Stecknadel gründlich stechen. 



DER MONOLOG. 

Wie im Schauspiele bedient sich Iffland auch im Lust- 
spiele des Monologs, aber selten und dann nach Gott- 
schedischer Vorschrift: » . . . . mit wenigen Worten.* ' Es 
sind kurze Selbstgespräche, in denen der Redende in der 
Erregung meist nochmal zusammenfasst , was wir schon 
lange wissen. Längerer Expositionsmonolog findet sich 
„Braut wähl" erster Auftritt. Alle anderen sind Füllmonologe 
zur Vermeidung der Bühnenleere zwischen dem Abtreten 
der einen und Auftreten der andern Person von kaum 
Zeilenlänge, wie: „Ehbien! Allez toujours! Esel einfältiger." ^ 
Wo der Monolog länger ist, wird die Wirkung nicht etwa 
durch reicheren komischen Inhalt erhöht, sondern, wie 
immer bei Iffland, durch die mimischen Beigaben der Schau- 
spielkunst. Die kurzen zerschnittenen Sätze werden von 
Gesten begleitet, die den Zuschauer ergötzen sollen. Nur 
unter Zurückrufung dieses Umstandes können wir uns heute 
noch eine Vorstellung davon machen, wie diese dürren 
Selbstgespräche irgend einen Reiz auf den Zuschauer üben 
konnten. 

So unterbricht sich der Sprechende mehrfach durch 
Nachsinnen und Stehenbleiben,^ Setzen, nach der Uhr sehen,* 



^ Versuch einer kritischen Dichtkunst, 4. Aufl., p. 648. 

* Beise nach der Stadt IV, 4; dazu III, 4; lY, 2; Lonau I, 5; 
Hagest. IN, 2. 

' Lonau I, 7. 

* IV, 1. 



- 49 - 

Rock wegwerfen,* durch Umschauen, Husten, Schreck,^ 
Strickzeug herausnehmen,^ mit den Fingern rechnen, Kaffee 
schlürfen,* zum Fenster hinaussehen,^ die Thtire mit dem 
Fusse auftreten,^ auf den Tisch schlagen, Umhersehen,'^ 
heftiges Umhergehen, Stehenbleiben, einige Schritte gehen,® 
Garnierung und Scheere wegwerfen.^ — An einem Beispiele 
sei ausgeführt, wie sich Geste und Rede im Zusammenhange 
komisch verbindet. In der „Reise nach der Stadt*, war 
Karl von Anfang gegen die Reise. Als er dort die leicht- 
sinnige Hofratsfamilie kennen lernte und Herr Traut ohne 
Frau zurückkehrt, ist er noch mehr aufgebracht. In wenig 
guter Laune „sitzt er an einem Tische, worauf ein Per- 
rückenstock steht. Er akkommodiert seine Perrücke* mit 
folgendem Monologe: „Ich habe alles vorher gesagt. (Er 

pndert ein wenig.) Aber das half nichts! (Er steht auf und 

sieht sie an.) Ist auch ganz aus der Verfassung gekommen 

durch den verdammten Ritt! (Er trappiert die Locke wieder.) 

Je nun ! Kommt alles aus der Fassung, magst du es auch. 
Über den Hofrat! Der ist auch so einer von denen, die 
falsch gemünzt sind. (Er steckt die Locke.) Da ist mir der 
Schulmeister lieber." (V, 1.) 



SITUATIONEN. 



Der stärkste Erfolg der Ifflandischen Lustspiele beruht 
auf den schauspielerischen Mitteln. Nur in der Vergegen- 
wärtigung der mimischen Beigaben können wir auch heute 



^ Herbsttag^ I, 1. 

« Hausfr. lY, 3. 

» V, l. 

* Hagest. T, 1. 

^ III, 6. 

« V, 6. 

"^ Frauenst. II, 2. 

^ Frauenstaiid II, 2. 

» III, 1. 



-- 50 — 

noch ihre Wirkung auf die Theaterbesucher begreifen. Es 
war die Situation, hervorgerufen durch das Spiel, und 
nicht der Inhalt, wodurch die langen, breiten Dialoge ge- 
niessbar wurden, wodurch sie Seele bekamen und von den 
Menschen der Bühne zu den Menschen des Zuschauerraumes 
sprachen, es war vorwiegend der Schauspieler, der ergötzte 
und nicht der Dichter. Dafür spricht die ungeheuere Anzahl 
der Regiebemerkungen, die wir in den Text gedruckt 
finden und über die sich ein Buch schreiben liesse. An 
manchen Stellen bilden sie allein den Inhalt. Iffland hat 
dies mit vollem Bewusstsein und wohl durchdachter Ab- 
sicht so eingerichtet. Im „Almanach für das Theater** ^ 
spricht er sich also hierüber aus: „Gebildete Zuschauer 
suchen in allem, was vor ihren Augen auf der Bühne ge- 
schieht , Zweck und Bestimmtheit In Scenen von 

Gewicht gelten Schritte für Gedanken." Und ebenda äussert 
er sich: „Ein ausgestreckter Arm, die Bewegung der Hand 
— ein aufgehobener Pinger — kann sehr Bedeutendes und 
Entscheidendes bezeichnen, wenn diese Seelensprache von 
jemand, der sie nicht missbraucht, im geltenden Augenblicke 
von einem andern , der sie aufzunehmen weiss, verwendet 
wird." 2 In dieser Überzeugung hat er geschrieben, nicht 
für unvergängliche Zeiten, sondern für das Auge und Ohr, 
berechnet auf die Stunde. In jeder Scene , auf jeder Seite 
begegnet uns diese „Seelensprache", die wir unter dem ge- 
läufigeren Ausdruck der Geberdensprache kennen. Aus der 
Menge seien hier nur einige Proben angeführt: Die Rätin 
Bellmann ist entsetzt, dass ihr Schwiegersohn die „Bauern- 
kinder" zu dem Feste, das dem Minister veranstaltet werden 
soll, eingeladen hat. Die Kinder aber sind voll Freude, dass 
sie in ein vornehmes Haus kommen und voll Bewunderung 
für die Herrlichkeit dortselbst. Dies spielt sich folgender- 

massen ab: Rätin (welche, wie die Kinder den Schritt in das 
Zimmer setzen, stehen bleibt und die Hände gen Himmel hebt): »Da 

haben wir die Bescheerung!" Liese und David (bleiben er- 

^ Almanach für das Theater, Berlin 1809 ron A. W. Iffland 
p. 66 ff. 

^ Almanach, pag. 71. 



- 51 - 

schrooken stehen und sagen zu einander): »Was will die?** Rätin: 

^Brecht nur die Hälse nicht! Wo sind denn Euere lieben 

Eltern?" Liese (geht an einen Stuhl und fasst ihn an): „Wir 
wissen es nicht/ David (geht an einen andern Stuhl und streichelt 

den Atlass): »Fühle nur, Liese, wie glatt!"* 

In „Frauenstand" spielt sich ein ziemlich erregter 
Auftritt zwischen Herrin und Dienerin fast nur durch stummes 

Spiel ab : Kauning (kommt zänkisch herein und geht vorn auf und 
ab). Margrethe (geht leise wieder an ihre Gamirung). R. : „Nun?" 
M. : „Mamsell befehlen?" (Sie kommt zu ihr). It. (stösst den 
Sonnenschirm an die Erde). M. (nimmt ihn ab, legt ihn weg, kommt 
wieder). R. (tupft die Spitzen an den Fingern ihrer Handschuhe). M. 
(zieht sie aus, will ihr den Mantel nehmen). R. (wickelt sie darin ein, 
und geht auf und ab). M. (bleibt stehen). R. (besieht sich im Spiegel-, 
und setzt sich darauf vorn hin): „Ich sehe Übel aus." M. (geht an 

die Gamirung). R. (laut) : „Mein Roth ist ZU blau, das entstellt 

mich. Den Spiegel —^ M. (bringt ihn und ein Tuch) . . . . — 

Diese Situation hält so lange an, bis der Sturm dann wirk- 
lich im Dialog losbricht. — Ahnliche Scene Hausfrieden 
IV, 1, 2; — Figaro II, 11, III, 1. Hagestolzen IV, 9. Be- 
sonders komisch ist die Situation in „Der Fremde", als 
Fresen meint, er habe den „Geliebten" seiner Frau ent- 
deckt und ihn ins Haus schleppen lässt: „Raufeid wird von 

zwey Kerlen um den Leib gefasst, von zweyen getragen.^ Peter geht 

>orau8). Vorige. Fresen: „Lasst lasst mich — * (Er stürzt 

auf ihn zu). »Sagen Sie mir, Herr — / (Man lässt Raufeid los). 
(Fresen stutzt und wendet sich zurück) : „Alle Teufel, das ist ZU 

toll!** Hauptmann (lacht): „0 verflucht!** — Der so gewalt- 
sam ins Haus gebrachte ist der geschiedene Gatte der Frau 
Raufeid, dem Fresen ehedem so übel mitgespielt hat,^ 

Eigentlich besteht das ganze Ifflandische Lustspiel auf 
Situationswirkung, wie die Menge der sonstigen Regie- 



1 Leichter Sinn V, 5; dazu ibd. V, 7, 12, 13, 14. 

' Der Fremde Y, 15. Andere komische Situationen Hausfrieden 

II 2, 8, IV, 5 V, 3, 12. Leichter Sinn, III, 8, III, 10. Fam. Lon. I, 

10, 11; III, 6, 11, 16; IV, 2; IV, 4, 12; V, 16. Brautwahl 9, 10. Reise 

n. d. Stadt I, 1, 8; II, 4, 5, 6; III, 17; V, 2, 3, 5, 8. Der Fremde 

Y, 7, Fig. IV. 10. 

4* 



- 52 - 

bemerkungen zeigt, von denen nur folgende heraus gehoben 
seien: Ist ausser sich, erschrocken, blickt ihn nach einer 
Pause bedeutend an, lässt sie los, verbeugt sich ländlich 
und geht, gähnt, gähnt anständig, hustet, küsst sie, (spricht) 
mit wütendem Auge und freundlichem Blicke, giebt Stühle, 
mit bedeutungsvollem Achselzucken, drängt den Grafen in 
die Ecke, trocknet sich den Schweiss, nimmt seine Hand, 
nimmt nocheinmal seine Hand, springt dazwischen, wirft 
den Rock weg, spielt Klavier mit den Fingern, stützt den 
Kopf auf beide Ellenbogen, schlägt Feuer, stopft die Pfeife, 
wird abgeführt. Dazu kommt Naserümpfen, Nachäffen, 
Winken, Pantomime mit dem Finger, Händefalten, Fuss- 
stampfen, Umarmen. — Kurz alle Glieder des Menschen: 
Hand, Füsse, Schultern, Nasse, Auge und Ohr müssen her- 
halten die komische Wirkung hervorzurufen. Es ist kaum 
eine menschliche Art oder Unart, die Iffland nicht mimisch 
auszudrücken und bühnenwirksam zu verwenden gewusst 
hätte. — Er selbst hatte sehr schöne Augen, das schönste 
an seiner sonst von der Ästhetik vernachlässigten Persön- 
lichkeit. Selbst Goethe geriet darüber in Entzücken: 
„ . . . Dabei ein paar Augen, einzige!** schreibt er.^ Wie 
Devrient berichtet, beruhte sogar ein grosser Teil seines 
schauspielerischen Erfolges einzig darauf.^ Dem Augen- 
spiele widmete er wohl auch deshalb bei seinen Bühnen- 
figuren grosse Sorgfalt. Die „Blicke" spielen in Brüchen 
und in Ganzen eine Bolle, gehen in die Höhe und in die 
Tiefe und an die Seite, die Augen sprechen deutlich, klug, 
vorsichtig, bedächtig, freundlich, beobachten genau, besehen 
ängstlich, gespannt, sind stutzig, wütend. — Auch der 
Ton der Rede muss die Situation komisch gestalten oder 
erhöhen. Seine Leiter hat hiezu folgende Regiebemerkungen: 
Lustig, furchtsam, zutraulich, freundlich, fröhlich, mit Mut, 
mit Feuer, verwundert, erzürnt, verweisend, erzürnt, ärgerlich, 
förmlich, herzlich, schnell, wütend, beruhigt, konfus, ge- 
kränkt, mit einer Art Gutheit, treuherzig, voll Unmut und 
drohend, mit äusserster Heftigkeit, ausser sich. 

* Werke 27, p. 306, 3. 

8 Devrient II I, p. 294 u. if. 



— 53 ~ 

Komische Wirkung sucht Iffland auch durch Beiseite- 
sprechen zu erzielen, durch Fürsich-, Halblaut-, In- 
sich- und Nachsprechen. Z. B. Figaro I, 10. Greif 
bittet die Baronesse eben wegen seiner Erhebung in den 
Adel, da wird Willner gemeldet. Greif (halb für sich): 
„Fataler Kerl!** Die Baronesse giebt plötzlich den Auf- 
trag, dass der gehasste Bardenrode zur Tafel geladen werde. 
Hyazinth (in sieh): „Was ist dieses?** ^ Als Greif liest, 
dass er für seine Kapitalien Anweisungen auf die unter- 
irdischen Schätze des Geistes Ariel erhalten soll und gleich 
aufzählen muss, kann er nicht anders, „halb laut** sagt er: 
„Dass Gott erbarm!** Als er hört, dass es für Schulen sei 
(beiseite): „0 zum Teufel !**2 — Ein allzuhäufiger Gebrauch 
dieses Mittels lässt sich bei Iffland nicht nachweisen. Er 
ist hierin sehr fortgeschritten und fast modern. Seh er er 
erklärt das Beiseitesprechen als „Stören der Illusion, wie 
schon in alter Zeit Aristoteles bestätigt. Voraussetzung 
des Dramas ist, dass die Leute, die da spielen, unter sich 
sind, und dass ein guter Gott den Vorhang weggezogen 
hat, damit das Publikum zusehen kann.**^ Gottsched hat 
dem Beiseitesprechen auch schon die Berechtigung ab- 
gesprochen : „ . . . es wäre denn, dass die anwesenden Per- 
sonen auf so kurze Zeit ihr Gehör verloren hätten.*** 

Komische Situationen werden aber nicht allein durch 
die schauspielerischen Mittel, sondern auch durch die 
Führung des Dialogs, die. bei Iffland eine ausser- 
ordentlich geschickte ist, hervorgerufen. Es ist auch 
hier wieder die Wirkung durch den Kontrast, auf 
die er den sicheren Lacherfolg baut. Wenn man lange auf 
etwas gespannt war und meint, die nächste Minute müsste 
das Erwartet« bringen, so kommt gewöhnlich eine grosse 
Enttäuschung oder eine sonst nicht vorauszusehende Über- 
raschung. In „Leichter Sinn** kommt plötzlich Siward 



< Figaro 11, 5. 

« III, 4. 

* Soherer, Poetik p. 238. 

* Eritisohe Diohtkunet p. 649. 



- 54 — 

dem Hofrat wegen des Ministers sehr freundlich entgegen. 
Dieser ist darüber sehr erfreut und hofft auf den endlichen 
Sieg seiner Kabale. Siward sagt, er habe eine „Bitte" eine 
sehr grosse Bitte. Der Hofrat giebt ihm sein Wort, dass 
er sie ihm erfüllen werde. „Aliens donc, courage, mon 
ami, courage I** ruft er ihm zu und Siward sagt: «Nun so 
machen Sie, dass mir der Herr Minister die Ehre erzeigt 

und Sie mit ihm heute mein Haus auf der Stelle zu 

verlassen, und für immer wegzugehen ^'.^ Überraschungen 
finden wir am meisten in „Figaro^, jenem Stück, in dem 
sich Iffland gleichsam eine Vorratskammer seiner Technik 
angelegt hat. So wurde Bardenrode eben von der Baronesse 
in jeder Weise verdammt, die Grafen gegen ihn einge- 
nommen, die Wache am Thore hat mit 10 Patronen scharf 
geladen und man sollte glauben, • niemals würde er wieder 
im Schloss erscheinen können, da kommt der plötzliche 
Entschluss der Baronesse: „Die — Herren Grafen lassen 
den Grafen zur Tafel laden!" Hyazinth (in sich) „Was ist 
dieses?*' 2 Höchst überrascht ist Willner, als er hört, dass 
das Geld, das er für die „Schulreform* erbat, verwendet 
werden soll, um damit dem Redner, „der am Hyazinthustag 
die beste Rede componiert und auch hält", die Zinsen zu- 
zuweisen.^ Köstlich ist ' Hyazinths Überraschung, als er 
merkt, dass er nicht seinen Heiratskontrakt, sondern die 
Regierungsabdankung unterschrieben hat,"^ ebenso das Re- 
sultat einer langen Regierungsberatung, welches darin be- 
steht, dass man beschlossen hat, dem Grafen Bardenrode 
die rechte Hand — nicht zu geben. ^ Ahnliches finden 
wir auch in den anderen Stücken. Dem Hof rat erstirbt 
das Wort als er hört, dass ein alter Onkel seine Mündel 
heiraten will,^ Lechner ist erstaunt, dass sich der alte 



» L. S. IV. 7. 

« Fig. II, 5; ebenso II, 1. 

» III, 4. 

* V, 11. 

^ II, 11. 

^ Frauenstancl II, U, 



— 55 — 

Wanner mit ihm schiessen will ^ und die Grossmutter Saaler 
kann nicht oft genug wiederholen: „Eine Zimmermanns- 
tochter!** als sie hört, dass ihr vornehmer Enkel seinem 
Herzen eine solche Verirrung erlaubt hat. ^ — Die alte ge- 
sellschaftliche Erscheinung von Verstellung und Lüge, 
wonach man jemand anders empfangt, als man innerlich 
empfindet, anderes vorgibt als man beabsichtigt, etwas 
besser weiss, als man sagt, findet sich gleichfalls verwendet. 
Die Baronesse empföngt den Bardenrode mit freundlichen 
Worten und erlaubt ihm „die Backe" statt des Handkusses,^ 
die Hofratsfamilie hat eben weidlich über die „Bauern- 
familie**, räsoniert im Moment des Erscheinens werden alle 
umarmt und mit der Versicherung aufgenommen: „Wir 
haben zu Ihnen hinaus gewollt, wir haben Sie holen wollen . . ."* 
Bardenrode muss sich stellen, als wollte er eine andere 
heiraten und französische Sympathien heucheln. ^ Christoph 
muss thun, als ob er Schwierigkeiten mit Leopoldinen 
machte.^ Der Hofrat kommt auf sein Gut und fragt: „Wie 
heisst der Ort hier?** Marg.: „Pallendal heisst er.** Hof- 
rat: So? Dann habe ich mich geirrt**.*^ Auch durch die 
Erregung von Misstrauen weiss Iffland zu beleben. Ein 
gefasster Vorsatz wird zu erschüttern gesucht oder statt der 
erwarteten Beruhigung kommt neue Aufregung. Der alte 
Lestenfeld äussert: „Ich könnte ja doch noch heiraten**, und 
nun versetzt ihm sein Gegenüber einen Wespenstich. Ludwig 
„lacht**, erinnert an „die Vettern, jungen Herrn, die zu 
einer jungen Frau kommen, der es lieber wäre, „wenn 
ihr Mann einen Leichenstein für sie bestellt hätte, als 
ein — **.^ Ähnlich verfahrt Mamsell Reinhold, gegen ihren 



• Herbstt. V, 17. 

- Herbsttag V 13; dazu Hagestolzen II, 2, V, 16; Hausfrieden 
IV 16; Der Fremde V, 15. 

' Fig. II, 15, dazu der ganze Auftritt. 

* Reise II, 4; 8. 
«^ Fig. II, 18. 

« IV, 7; IV, 3, 14. 
■^ Hagest. IV, 4. 
^ Frauenstand II, 3. 



- 5Q - 

Bruder, dem sie verkündet: ,,Aus Liebe niaimt Dich 
keine mehr" und auf „die jungen Tröster" hinweist.^ — 
Mamsell Stahl erregt Misstrauen, indem sie ihren Bruder 
auf den ,,alten Liebhaber" seiner Frau aufmerksam macht 
und bei „ihrer Schwester" von den „neuen Stricken" spricht, 
in die ihr Bruder gefallen ist.^ Als Warnerin tritt die 
alte Madam Fresen gegen ihren Bruder, den Hauptmann 
und ihren Sohn auf.^ Ganz auseinander bringt der Haupt- 
mann seinen Freund durch die Bemerkung, „es kommt, ein 
fremder Kerl ins Haus - und — das mag vorderhand genug 
sein".^ — Zuweilen befinden sich Iffiands Lustspielhelden 
in Missverständnissen, indem ihre Qedankenwege 
etwas weit auseinander liegen. So wird in der Scene 
zwischen der Baronesse und Leopoldine immer nur vom 
„Grafen" gesprochen; dadurch entsteht ein erhitztes Rede- 
gefecht, bis sich herausstellt, dass sie an .zwei ganz ver- 
schiedene Grafen gedacht haben. ^ Oder einer bezieht eine 
Aussage auf sich und ein anderer ist gemeint, wie in der 
Fluchscene zwischen dem Hofrat und Fabritius.^ Ein 
anderer nimmt eine Sache wörtlich: So meint die Baro- 
nesse, Graf Christoph, der so in Schlachten zu siegen wusste, 
werde wohl auch über die Wiederspenstigkeit eines jungen 
Mädchens Herr werden, und nun fängt er an, Leopoldine 
von der „grossen Bataille" zu erzählen und holt ihr den 
Schlachtenplan. "^ Der Obrist und Lonau haben mit „Feuer! 
Wasser! Feuer! "-rufen ihre Freundschaft aufs neue be- 
siegelt, da eilt Sophie an's Fenster: „Wo brennt es?" und 
der alte Ernst will die Feuertrommel rühren, ® — Komisch 
wirkt auch der Kontrast durch Stimmungswechsel. 
So geht Hofrath Stahl zur jungen Hainfeld in der Ab- 



' Hages t. I, 5. 

2 Hausfr. III, 7. 

3 Der Fremde III. 5. 

* III, 7. 

* Figaro IV, 12. 
« Hausfr. I, 6. 

"^ Figaro III, 8, der ganze Auftritt Missvergtandnis. 
^ Fam. Lonau V, 9 am Anfang, 



— 57 — 

sieht «dem Satänchen^ die Meinung zu sagen, weil sie 
seinem Schwiegersohn den Kopf verdreht hat und statt 
dessen macht er ihr versteckte Liebeserklärungen. ^ Dasselbe 
vollzieht sich öfter im Laufe des Gespräches zweier Per- 
sonen. Figaro III, 6 ,» stürmt die Baronesse herein^ und 
droht: ^Verstumm, unglückliche!^ Im Laufe des Ge- 
spräches wird sie ,, sanfter^ und am Schluss kommt sie 
ihrer Tochter so nahe, dass sie ausruft: ^^Embrassons nous 
ma fiUe!^ — Die Umarmung findet sich sehr häufig als 
komisches Motiv, namentlich wenn vorher ein unerquick- 
licher Meinungsaustauch stattgefunden hat wie oben, oder 
wenn über Abwesende kurz vorher gelästert wurde und sie 
erscheinen plötzlich auf der Bildfläche. In „Der Reise nach 
der Stadt" haben der Hofrat und seine Frau eben die Ver- 
wandten vom Lande als ,)dummes Gesindel^ bezeichnet, da 
kommen sie und siehe ! Die Hofrätin „eilt ihrer Schwester 
mit offenen Armen entgegen**; der Hofrat „umarmt 
seinen Schwager;^ ^ oder auch, wo einem andern ein 
schlimmer Streich gespielt werden soll: Der Minister in 
„Leichter Sinn^ hofft bei dem Feste das er gibt, zum Ziel 
seiner Wünsche mit Frau Siward zu kommen. Er setzt 
sich gleich neben sie. Herr Siward ist aber schlau, hält 
dem Minister eine Rede und beweist ihm, dass seine Frau 
keinem andern gehöre und dass sie sein und keines andern 
Glück ausmachen soll: „Des zum Zeugen umarme ich sie!" 
erklärt er und thut es.^ 

Es ist klar, dass in einem Lustspiele auf der Bühne 
gelacht werden muss, schon um durch blosse Reflexwirkung 
des Ha, Ha, Ha! im Publikum ein gleiches zu veranlassen. 
Aber Iffland hat noch sein besonderes Lachmotiv. 
Die Kosten der Belustigung trägt da meist eine dritte, ab- 
wesende Person. Die Baronesse und Greif beraten, wie sie 
den Grafen Hyazinth zu einer neuen Steuer bewegen könnten. 
Jene weiss, dass dessen Dununheit nie versagen wird und 
zerstreut Greifs Bedenken mit: ,Pah! Wir bauen ihm ein 

^ Hausfriede I. 

* Reise 11, 3. 

' Leichter Sifip Y, 14. 



— 58 - 

neues Laboratorium und ha, ha, ha, ha, ha — der Geist 
— ha, ha, ha! — der Geist muss ihm etwas sagen/* 
Wieder in anderer Weise : Mamsell Stahl will ihren Bruder 
gegen seine Frau einnehmen und höhnt über den Glauben, 
den er an sie hat. Sie macht ihm zuerst begreiflich, dass 
sie seine „Passiönchen** nur dulde, weil ihr eigener „alter 
Liebhaber** im Hause sei, und weil er davon nichts wissen 
will und ihr sagt, dass seine Frau von ihm alles weiss, alles 
vergibt,** lacht sie. Hof rat: „Vergibt wie ein Engel.** 
Stahl (lacht noch mehr). Hofrat: „So gibt es kein 
Weib auf Erden!** Stahl (lacht überlaut): Hofrat: 
üebersetze dein Teufelslachen in Worte. ^ — Dasselbe 
„Teufelslachen** Frauenstand HI, 4. 

Die Gelegenheit durch Horchen Heiterkeitserfolg zu 
erzielen, ist spärlich verwendet, wahrscheinlich aus er- 
zieherischen Gründen. Ifflands Lauschscenen sind deshalb 
auch alle sehr harmlos und das Horchen ist mehr ein zu- 
falliges als ein absichtliches. Der alte Oberfalkenmeister 
fleht den Obrist an, er möge ihm seine jugendliche Tochter 
zur Frau geben: „Nehmen sie mich als Sohn an, so ist die 
Folge — ** „Ein Sarg!** tönt es aus dem Hintergrund von der 
Kommerzienrätin.^ In „der Fremde** horcht der Hauptmann 
indem er unvermerkt an der Thüre stehen geblieben und 
erlebt dadurch die Freude, die er sich so lange ersehnte, 
dass seine sanfte Frau im Gespräch mit einer Freundin „vor 
Wut erstickt**.^ In den „Marionetten** führt Horchen zur 
Verlobung, da der Liebhaber über die Mutter seiner Geliebten 
nur Gutes spricht, während sie gleichzeitig erfährt, dass ein 
anderer, dem sie ihre Tochter zugedacht, über sie gehöhnt 
hat. — Sehr komisch ist die Lauschscene in Hausfrieden V, 10, 
woselbst die Hofratsfamilie Zeuge einer Verlobung wird. 

Beck hat in den „Quälgeistern** dasselbe Motiv. Er 
verwendet die Gartenlaube zum Horchen und Beil spricht 
in der „Schauspielerschule** von einem „Lauschkabinet**. 

» Figaro I, 9, dazu II, 19. 

* Hausfriede III 3. 
' Farn. Lonau. 

* Der Fremde V, 7. 



- 59 — 



SONSTIGE MOTIVE. 



HEIRAT, VERLOBUNG, LIEBESERKLÄRUNG. 

Das vorige Jahrhundert liebte die kühle Verstandes- 
massige Heirat. „Heirate ihn ohne den Zauber der Leiden- 
schaft, so wird Dein Glück mit jedem Tage neu*,^ war 
Prinzip. Die standesgemässe Versorgung trat in den 
Vordergrund. Iffland hat dagegen eine ernste Mahnung in 
dem Schauspiele: „Die Aussteuer* erhoben. Die Abscheu- 
lichkeit der Geldheirat hat er dort ebenso ernst gezeichnet, 
wie er sie in seinen Lustspielen mehrfach lächerlich zu 
machen sucht. In „Der Reise nach der Stadt" will ein junger 
Mensch seine Cousine nur deshalb heiraten, weil er Sym- 
pathie für ihren Geldsack hat und sich davon auch für sich 
volle Kasse und volle Schränke verspricht. Er äussert gegen 
seine Schwester: „Die sehr sichern Kapitale, das musst Du 
mir sagen, das bekommt man doch nur von einem in der 
Sonne verbrannten Landphönix. ** ^ In „Der Hausfriede* 
wollen ein alter Junggeselle und eine alte Jungfer den 
„christlichen Hausstand* nicht eher miteinander antreten 
„als bis sie ein sicheres Kapital beisammen hätten.*^ In 
„Der Fremde* sollen Vetter und Base „ihre Kapitale ver- 
einen*, damit sie sich beide „von Herzen widerstreben 
können.*^ Ein Vormund gibt seine Mündel nur her, wenn 
der Vater des Auserwählten 18000 Thaler Handgeld gibt.^ 

Iffland behandelt auch diesen Gegenstand zwar humor- 
voll-satirisch, aber nicht abschreckend wie Kotzebue in „Die 
Indianer in England*. 

Die Liebesheirat ist aber gleichwohl nicht ausge- 
schlossen und wo sich Hindernisse finden, lässt er die Aus- 



> Der Herbsttag III, 8. 
« Reise III, 1. 
' Hausfriede I, 6. 

* Der Fremde III, 6, 

* Herbsttag III, 9, 



- 60 - 

erkorenen standhaft, treu und ohne Rücksicht auf äussere 
Verhältnisse sein. — So plant ein Liebespaar, das von der 
Mutter verfolgt wird ; sogar die Flucht , ^ ein anderes hält 
sich Treue, obwohl der „Dorfliebhaber" von der ganzen vor- 
nehmen Verwandtschaft verhöhnt wird,* ein dritter Freier 
heiratet ein armes Mädchen ohne Ansehen von Stand, Schön- 
heit und Vermögen^ und ein Mädchen heiratet aus Liebe 
— trotz des Einspruches — einen geschiedenen Mann.^ 

Auch die Verlobung selbst wird als komisches Motiv 
verwendet und zwar eine eiskalte, verstandesmässige, 
bei der die Erkorene vorher erklärt: „Lieben, Euch lieben? 
Da wäre mir die Konvenienz eines alten Amtmannes, der 
zu seinen Schafen , Kühen und Scheuern mich mit ins In- 
ventarium setzen wollte, mehr wert als Euere Liebe,* ^ und 
eine vernünftige, denn der Bräutigam ,,hat sich nie so 
gemein gemacht, eigentlich zu lieben.* ^ 

Die Liebeserklärung als komisches Motiv findet 
sich selten. Eine offene Erklärung zweier Liebenden schien 
Ifflands moralischem Zwecke nicht entsprechend und darum 
lässt er nur versteckte Andeutungen geben. Peter ist 
glücklich, als ihn seine Amalie „schon zum zweiten Male" 
„lieber Herr" nennt.^ Der Hofrat nimmt nur immer die 
Blumen der Geliebten an sich und sagt: „Hier ist viel 
Balsam darin.** ^ 

TITEL- ORDENS- UND ADELSSUCHT. 

Dass der Mensch mehr gilt, wenn er von der beliebten 
Dreikeit: Titel, Orden und Adel besitzt, war dem vorigen 
Jahrhundert eine ausgemachte Thatsache. Iflfland bringt die 
Sehnsucht darnach mehrfach zu lächerlicher Darstellung. 

^ Fig. III, 9. 

* Reise IV, 6. 

« Hagest. V, 18. 

* Der Fremde V, 15. 
^ Frauenstand III, 3. 
« Hausfr. III, 4. 

' Herbstt. IV, 3. 

* Hagest, V, 3, 15. 



— 61 - 

Mit der exakten Überzeugung: «Was bei dem Adel die Ge- 
burt thut, — eh bien — das thut bei uns vom ersten Bürger- 
rang der Titel — **, tritt Frau Traut schon ihre „Reise nach 
die Stadt an/ Ihr schlichter, einfacher Mann muss sich „am 
Thore^ schon als „Monsieur le ßeceveur^ ausgeben und in 
der Stadt stürmt dann die Frau, die Schwägerin und der 
Schwager auf ihn ein, dass er um den „Herrn Eommerzien- 
rath^ eingeben soll. Eben in diesem Hause ist der grosse 
Faulenzer Reising „Titularrat", das „gibt mehr Ansprüche", 
und selbst der Bediente verlangt eine Stelle „mit TiteP. Er 
will „Kanzleyenvoye" heissen. In „Leichter Sinn** wünscht 
die Schwiegermutter, dass der Sohn „aus dem odiösen Sekre- 
tärenrang" herauskomme und im „Frauenstand" schreibt 
ein Freund: „Alles ist umsonst, so lange der Papa Dein 
brillantester Titel ist." 

Die Sehnsucht nach Titel und Adel treibt ihre lustige 
Blüte in einem adeligen Beamten, der „Geheimer Rat und 
Freiherr" werden möchte und dafür „sein Blut fliessen lassen 
will." Er lässt sich in jeder Weise mit dieser Hoffnung 
reizen, während auf dem Schlüsse die Tendenz herrscht: 
„Greif ist der Narr, der bluten kann"* und niemand daran 
denkt, sie zu erfüllen. 

Der Wunsch nach einem Orden ist lebendig im Grafen 
Christoph. Er gesteht: „Wir unter uns, wir estimiren uns 
niemals nach dem, was wir an uns selber sind, sondern 
nach dem Range, den wir bei Hofe haben. Wenn ich nun 
so etwas hätte, dann gebe die Baronesse eher nach. Der 
Geck will einen Orden an „einem Band von einigem 
Eclat".2 

DAS DUELL. 

Auch diese alte Ehreneinrichtung gab Iffland mit Ver- 
gnügen dem Lustspielwerke preis und knüpfte daran sehr 
hübsche Belehrungen. Die Ursache seiner Duelle sind natür- 



» Fig. 17, 7. 
« V, 7. 



- 62 -- 

lieh LiebeshändeL Damit kein junges Leben zu gründe gehen 
soll, will sich ein alter Herr für die Ehre des Hauses sehlagen. 
Es kommt aber gar nicht so weit, die Pistolen werden vor- 
her wieder weggelegt. ^ Humoristisch ist es in der ^Braut- 
wahr gefasst. Da erzählt der Hausfreund, dass der Sohn 
wegen eines Mädchens ein recht ,, schmuckes Duellchen " 
gehabt habe: „Eins, zwei, drei, hat er es weg. Eins, zwei, 
drei, lag der Ehrabschneider am Boden und rief: „Ach Herr 
Je!^^ Ähnlich ist die Behandlung in dem Schauspiele „Ein 
Mann von Wort**. Da wird der Handschuh hingeworfen, 
die Pistolen werden in Ordnung gebracht und schliesslich 
versprechen sich die Duellanten, dass sie sich erst nach 
4 Wochen den Hals brechen wollen. (HI, 11). 

Orgineller behandelt Beil die Sache in „Hoffarth und 
Armuth**. Er lässt gegen den liederlichen Pechwitz nicht 
den Degen, sondern einen Holzprügel ziehen; nach ohne 
Zweikampf erfolgter Aussöhnung bittet dieser dann, dass 
er dem Gegner ein Loch durch den Zylinder jagen dürfe, 
damit seine Braut Respekt vor ihm bekomme. 

« 

BESUCHE, GESELLSCHAFTEN, FESTE. 

IflFIand lässt meist Personen zusammen kommen, die 
nie Sehnsucht nach einander hatten. Er schickt die einen 
von der Stadt aufs Land und lässt sie dorthin „alle Mode- 
thorheit, alle Intrigue des Hofiebens, Herrschsucht, Zank, 
Falschheit, Kälte, Geiz — Klatscherei** bringen,^ oder vom 
Lande in die Stadt, um die dürftigen Stadtbewohner mit 
ihrer Ess- und Trinklust zu schrecken und ihrer Vornehm- 
thuerei gegenüber die unverfälschte Natürlichkeit zu zeigen.^ 
So treten die beiden Jungen — Jakob und Ernst — ihrer 
Tante beim Willkomm auf die Füsse und erschrecken den 
Onkel Hofrat durch ihren gesunden Appetit: „Denke Dir 
das Malheur, die ganze Bauernfamilie über dem Halse zu 



' Herbsttag V, 17. 

* ßrautwahl 7. 
^ Lonau I, 8. 

* Reise If, 7. 



- 63 - 

haben, und was die Kerle fressen werden ! . . . von den 
Bälgen steckt einer einen ganzen Fasan in jeden Backen 
....,** klagt er.^ 

Das Motiv des Gesellschaftengebens geisselt Iff- 
land in dem Einakter: „Die Marionetten/ Das ganze Haus 
kommt in Unordnung. Der Herr des Hauses muss die Nacht 
in einer Art Käfig neben der Vorratskammer schlafen. Die 
Frau Geheimrätin wird in dem Entree-Stübchen auf dem 
kurzen Sofa kampieren, die Kinder auf dem Boden. Das 
Gesinde schläft gar nicht. In allen Zimmern sind die Torten, 
Gelees und übrigen kalten Herrlichkeiten angerichtet. Ein- 
hundertundzwanzig Menschen werden geladen und können 
mit den Tellern umher spazieren, da sie nicht alle bei 
Tische Platz haben. Sie beschmutzen die Möbeln, können 
gehn nach Belieben, lachen sich untereinander aus, spotten 
morgen die Herrschaft aus und sehen sie übermorgen nicht 
über die Achsel an. — So spotten die Bedienten. ^ Dabei 
produziert sich die Hausfrau „mit einer kleinen Komödie "" 
und singt eine „Arie mit Rezitativ". Der Hausherr, der 
vorderhand nichts von der Gesellschaft weiss, bekommt 
einen schwarzen Rock hingelegt und wird gerufen, wenn die 
Lichter angesteckt sind. So ist's gewöhnlich. Für diesmal 
aber will er auch sein Teil zur Fröhlichkeit beitragen und 
seine selbstverfasste Puppenkomödie aufführen lassen. Ein 
gern gesehener Hausfreund, der für die Tochter bestimmt 
ist, erklärt aber höhnisch, wenn das geschieht, werde er 
einfach nicht erscheinen. Er spottet auch über die Frau 
Geheimrätin, die in alten Tagen noch Junge Mädchen 
spielt". Diese Malice geht zu Herzen. Die 120 Einladungs* 
karten auf denen alle die Genüsse verzeichnet waren, werden 
zerrissen, die Tochter wird einem andern verlobt und für 
diesmal giebt es keine Gesellschaft. 

Ironisch ist auch das Fest behandelt, das die Grafen 
zur Besänftigung der Bauern geben wollen und zur Feier 
der Verlobung. Die Baronesse will Geschenke austeilen 



1 Reise II, 7. 

* Marionetten 2. Auftritt. 



- 64 - 

lassen — . sie hat ^,aus der Entreprise von der Fabrik, noch 
viele Waaren liegen, die ohnehin — — ** und zwar »mit 
Trompetenschall" und „mit Musik**. Damit ist auch Christoph 
einverstanden, denn: »Das geht der gnädigen HeiTschaft — 
ha, ha, ha! an Strafen für Frevel wieder ein!** Und die 
Baronesse meint: „Drey Viertheile — zahlen sie mir von 
den Waaren wieder.** Willner muss eine Oration halten, 
die Grafen »ziehen Überröcke an und gehen unterm Volk 
spatzieren — /^ 

Ein richtiges Fest mit Wein, Musik und Kuchen, 
zu dem die ganze Nachbarschaft, gross und klein, geladen 
ist, wird in „Leichter Sinn" gefeiert. Abends gibts Illumi- 
nation und alles ist fröhlich (V, 13); ein „Freudenfest** 
ist eben dazwischen zwei Ehegatten, die sich ein wenig 
missverstanden hatten. „In der Mitte (des Zimmers) hängt 
ein Erntekranz. Auf der Toilette stehen einige Blumentöpfe**. 
Die Gatten machen sich dabei Liebeserklärungen, alles wird 
edelmütig vergeben und die Schwiegermutter, die das Unheil 
angestiftet hat, wird auch mit eingeschlossen. „Da soll doch 
auch eine grosse Sünderin, die Dir und mir viel tJebel hätte 
bereiten können, in dem grossen Frieden mit inbegriffen 
sein**, sagt der edelmütige Schwiegersohn zur Erhöhung der 
Feststimmung. 2 Ein Geburtsfest ist in dem reichen Kauf- 
hause des Herrn Bartmann. „Sämtliche Diener und Burschen 
sind Wohl frisiert und diie Mägde haben Drapd'orhauben auf. 
Das grosse KauflFartheischiflf ist herabgelassen auf dem Haus- 
flur, wohl abgestäubt die sämtlichen Krokodile und Schild- 
kröten. Der ganze Hausflur ist mit gelbem Sand bestreut. 
Die Hausarmen erhalten doppelte Bezahlung und eine Flasche 
Wein**. So lauten die Präliminarien. ^ Am Feste selbst, 
das dem alten Herrn gilt, werden dann die zwei Neffen 
verlobt und die Nichte wird verlobt und zum Schlüsse verlobt 
er sich selbst noch. 



1 Fioraro IIT, 16. 

* Leiohter Sinn II, 2. 

» Der Oheim I, 2. 



— 65 - 

ETIKETTE. 

In der Verwendung der Etikette zu komischem Zwecke 
wur Iffland Meister. Er war von Natur und durch Erziehung 
der Mann des feinen Schliffes; seine Wirksamkeit in Mannheim, 
die Verbindung mit dem Herscherhause und sonstigen fürst* 
liehen Familien hat ihn tiefe Einblicke in das Hof- und 
die strengen Formen des Gesellschaftslebens thun lassen. 
Das Setzen der Form über den Geist des Verkehrs hat ihn, 
den Mann „mit dem empfindlichen und liebevollen Herzen' V 
wohl manche schwere Stunde gekostet, und darum hat er 
es sich besonders in Figaro, wo er die „Hochgebobren und 
Hochedelgebohren*' einer wenig schmeichelhaften Musterung 
unterzieht, wohl sein lassen, mit der Darstellung des rein 
Äusserlichen die ganze Seelenrohheit, Seelenver- 
derbtheit und innere üngeschlachtheit blos« 
zulegen. Iffland war ein Herzensaristokrat; den wahren 
Adel trifft sein Spott nicht. So nennt er den Grafen Barden« 
rode „einen unbescholtenen perfekten Kavalier^'. Nur der 
blaublütigen Aufgeblasenheit, die sieh im voraus besser, 
klüger, feiner dünkt, nur deshalb, weil sie mit dem Adels^ 
prädikat geboren, dem Afteradel, dem gilt seine in diesem 
Falle scharfe Zunge. 

Besonders ist es die Baronesse Brandenroth, geborene 
„Gräfin zu Bi[^*^ (die sich gerade auf den Umstand, dess 
sie Gtr'ä&n ist^ etwas zu gute thut)) an der er seine Feder 
sehneidet. Im internen Verkehr hat sie die Grobheit mit den 
Bedienten gemein^ uud im ^Besuchszimmer^ kokettiert sie 
die „feinen Nerven^ d. h. die hochangeborene äusserliche 
Lebensform. Sie schimpft ihren Haushofmeister Dieb, Lüg- 
ner, Spitzbube, nennt ihn toll, närrisch — und lässt in einem 
Atemzug Untersuchungen anstellen, ob ein Gast mit „Hoch- 
edrigebohren oder Hochgebobren^ anzureden sei;^ sie kann 
die Bauern hungern und dursten lassen, verzeiht sich aber 
nicht, den alten Grafen Hyazinth im Besuchszimmer „warten 



< Strehlke I p. 309, Goethe an Iffland, Weimar Oktober 1896. 
» Figaro I, 5. 
» I, 7. 

5 



^ 



~ 66 — 

zu lassen*.^ Ihre ^Rache" gegen Bardenrode kennt keine 
Grenze, aber trotzdem nötigt sie „BaptistP wegen der auf- 
gezogenen Brücke ihn um Entschuldigung zu bitten: „Muss 
seint denn was die PaQon betrifft, bin ich gewissenhaft. "^ 
Dazu gehören auch die Erwägungen, ob man dem. Barden- 
rode mit der rechten oder mit der linken Hand, ob. man 
ihn als Agnat oder Verwandten begrüssen soUe,^ ferner da§ 
Auseinandergehen der drei Grafen „wegen der rechten Hand" 
und der endliche Willkomm als „Neflfe": Gr. Hyazinth: 
„Mein liebster Neffe! — einen Kuss!" Gr. Bardenrode: 
„Von Herzen, guter, alter Onkel!" Gr. H. fgutmatig): „Ich 
war vorhin nicht böse , mein Neveu ! — Nur weil wir da- 
mals repräsentierten — konnte ich nicht. — — Jetzt sind 
wir unter uns; gleichsam incognito. Jetzt wünsche ich 
Ihnen alle Prosperität, die so ein braver Kavalier ver- 
dient. — — Umarmen Sie mich, mon Neveu!"* Die reine 
Etikettfigur ist Baptist, der hölzernste und dümmste der 
drei Grafen. Er lässt sich nie sehen. Wenn er „Nu, nu!" 
sagt, so „ist das schon viel !**,^ aber wenn ein „Fehler gegen 
die Conduite" gemacht wird, braust er auf und spricht. Er 
ist der Einzige im Schloss, der Figaro nicht empfängt und 
„für die Attention dankt, er kann es der Baronesse nicht 
vergessen, dass sie diesem die „Staatskarosse" entgegen 
schickt und Bardenrode nicht. Die Baronesse kann ihn 
nicht beruhigen damit, dass Figaro „in Frankreich ange- 
betet" ist; „vor Grimm bebend" ruft der sonst so stille 
Mann: „Allein — — Allein die Staatskaroöse ? Worin wir 
Herren nur fahren! .... Er ist doch nur Kourier;. und 
Bardenrode bleibt unser einer ! Nein, nein ! Frau Baronesse, 
in alle Knochen ist mir die Alteration gefahren." ^ Bei 
Tafel erscheint er nicht, weil Figaro mitspeist. Als er zur 
Regierungsabdankung erscheinen muss, sieht er die zer- 





' Fig. I, 8. 




* III, 13, 




» II, 11. 




* Figaro II, 14. 




5 I, 3. 




« III, 13. 



^ 67 — 

rissenen Notifikationen der Vermählung seines Bruders mit 
seiner Nichte am Boden (er hebt sie gorgsam aaf) : „Ey ! da 
werden so viele Hochgebohrne Herren gar mit Füssen ge- 
treten.** Seine Antwort zur Abdankung gibt er nicht eher, 
als bis die Papiere von der Erde weg sind.^ — Graf 
Christophs Bräutigamsunterhaltung mit der jungen Leo- 
poldine besteht hauptsächlich in Anstandsregeln , wie sie 
sich zu verhalten habe als ,, regierende Gräfin**. ,,Sehen 
Sie , Sie müssen grüssen — so — ja so , wie neulich die 
allerliebste ungezogene Baronin, die so gratiös einwärts ging, 
wi6 mit kranken Füssen ....**' 

Weniger hohnvoll, aber doch auch komisch verwendet 
er in den andern Lustspielen die Etikette: Reise nach der 
Stadt III, 17, Herbsttag I, 5, 12, II, 4, Hausfrieden I, 5, 
III, 8, Der Oheim IH, 2. 

Die Ubertriebenheit der Wertung von Stuhl und Kanapee, 
rechts oder links, muss dem feinen Manne, dem man gewiss 
keine Taktlosigkeit vorwerfen konnte, viel Vergnügen ge- 
macht haben, denn er kommt öfter auf diese Art des ge- 
selligen Verkehrs zu sprechen, auch in den Schauspielen 
thut er es, bald mit Schmerz : „Etikette — mordet so viel 
Glück!** ^ bald mit Ironie zum Zwecke des Ergötzens. So 
fragt der lustige Maring Julie: „Und Sie wollen eine for- 
mierte Donna sein? Aber weshalb? Wegen des Platzes 
auf dem Kanapee? Schrecklich!*' Julie: „Ach nein! Der 
eitler Ehr ich gern entbehr ! (sie lacht) es überfällt mich 
allemal eine wahre Angst, wenn deswegen in der Gesell- 
schaft das Hin- und Herrücken, das Stillschweigen und die 
langen Gesichter entstehen.*** 

Wenn irgendwo, so hatte Iffland hier die Absicht der 
Belehrung und die Menschen vom Ausserlichen weg — in's 
Innere zu führen. 



1 Figaro Y, 8. 

« III, 9. 

» Elise Ton Valberg V, 11. 

* EiD Mann von Wort IV, '6. 



- 68 — 

DER KÜSS. 

Gottsched erlässt in den „Vernünftigen Tadlerinnen" 
eine grosse Unmutspredigt gegen dieses älteste Austausch* 
mittel menschlicher Gemütsbewegung. Er erlaubt „eheliche 

und Freundschaftsküsse" „keineswegs aber solche 

zwischen ledigen Personen verschiedenen Geschlechtes, denn 
von solchen buhlerischen Küssen sei sehr wenig zu halten.* 
Seine „critische Dichtkunst" enthält nichts, woraus sich 
schliessen Hesse, dass er diese asketisch-sinnliche Auffassung 
auch in späteren Jahren aufrecht erhalten hätte. Ebenso- 
wenig kritisch hat er sich in den von seiner ästhetischeren 
Hälfte verfassten Lustspielen, die unter seiner Redaktion 
der „Deutschen Schaubühne" einverleibt wurden, verhalten. 
Frau Adelgunde, die nach Erich Schmidt „mit dem derben 
Kehrbesen ihrer Lustspielsatyre den welschen Wust aus 
dem Bürgerhause führte",' lässt munter und höchst ungeniert 
küssen. „Die Mäulchen" spielen bei ihr auch „zwischeii 
ledigen Personen" keine schüchterne Rolle. Der Euss auf 
dem Theater ist wohl uralt. Aristophanes, der kerne mensch- 
liche Tugend oder Untugend auf die Bretter zu bringen ver- 
säumte, verwendet ihn auch als komischei? Motiv. Euripides 
sieht die Nachtigall und bekennt sofort : ^yw /nh avTTjy xav 
(piXrjaai /tioi öoxco. flEI^GETAlFOX aXX\ tS r.ecx6Saifiov, 
Qvy/og oßsXlaaoiv s/ei. ET£ aXX* ctiav&p wSv vrj AC anoKs' 
tpavTöt /jjTj I äno Trj(; y.sqxtkTJq t6 Xi/Lijua xad^ ovTfo (piX^lv? 

Gustav Freytag verwendet die Tragikomik des Kusses 
ganz reizend in den „Journalisten*, wo Backenstreich und 
ein erlogener Kuss zur Trennung der Liebenden auf Jahre 
führen. 

Iffiand liebt besonders die „Ehestandsküsse*. Komisch 
ist das Motiv ausgeführt in der „Fremde*. Die geplagte 
Eifersüchtige steht Qualen aus in dem Gedanken, daiss ein 
anderer seine Frau küssen könnte und in seinem ärgsten 
Unmut sagt er: „Wenn ich das hübsche («oraig) capricieuse 



^ Schienther. Frau Gottsched p. 13. 
' Lessing I, 36. 
» Bergk 671-674. 



— 69 — 

t3estcht mir gleich «imnal küssen tütrfte -^ nscbber woUte 
kJi wieder lange aromig sein/* In den „MÄriewetten* wirft 
^r Oebmnerat seiner Fram entzilckte KBssc m^ als er 
entdeckt, daes 9»e auf seiTiein Ptfppenthesftor spielt^ und 
sehr wichtig nnnint es der Hafr«t in der Brantwabl: ^Ein 
Knss von Dir ist mein Ernst,* sagt er seiner Ehehälfte.* 

— Anch ftrantleuten erlaubt Iffland den Austausch, natür- 
lich vor Zeugen. Peter und Amalie sind eben verlobt 
worden. Wanner meint: ^DtSL lasse ich das Mädchen Italie- 
nisch lernen. Englisch, Singen — Noten — und nun will 
sie Salrt i^tzen, Heu madie», lachen ^* Peter: „Das 
lerne ich ihr, sie mir das andere. Oute NAcdibara tausdüen 

— (fcüsst 81«) tausche!'* — Frmi Saaler: Pet«:! Er ist 
doch ein ung^ogena* -- "* Wimner: fod^tigaml Die Leute 
haben so ihre eigene EtikeMe/^ 

In den „Hagestolzen" fragt Margarethe zue«ist ihren 
Sdiwager nach der Verlobung mit dem Hofrat: „Darf ich 
ihn denn jetart; auch küssen?" Er sagt dazu nicht ja, 
sondern: „Verehre ihn*, undTherese, die Schwester: „Mache 
ihn glücklich." Margarethe: So eriatibe mir, dass ieh 

Dich küsse (sie läuft Mn und küsBt ihn herzlicli).^ Kofflisch «* 

der Verlobungskuss des alten Junggesellen Pabritius mit 
der alten MamseH Stahl.^ Als diese beiden ihren neun- 
jährigen verschwiegenen Herzensbund durch einen feierlichen 
Verlobungsakt officiell bestätigt wissen wollen und der 
ceremoniell-steife Fabritius ins Haus des Hofrates kommt, 
tim der „Mamsell Pma" sein „Compliment" abzutragen, 
fängt er mit „den ersten Eltern im Paradiese** an. Dem 
Hofrat dauert das „zu lange*, er führt beide zusarnmen: 
„Kommt umarmt Euch recht herzlich." Das geht dem 
Fabritius zu rasch: „0, o, ol (Zurücktretend). Ich habe 
zu depVeciren." Höfrat: „Das erste zärtliche Wiedersehen!" 



" M«. 13. 

' Brautwahl 2. 

* Herbsttag V, 22. 

* Hage«t. V, 18, Hsufffriede fll 4. 



— 70 — 

(Er fährt sie mit Gewalt zusammen, dass sie nahis kommen); F abn^ 

tius: „So will ich denn meine Lippen zu einer zärtlichen 
Begrüssung dargeboten haben, wenn es nicht anders 
sein soll/ Stahl (hält den Backen hin). Fabritius: „Mit Er- 

laubniss — (Er ^iebt Hut und Stock An den Hofrat, dann umarmt 
und küsst er sie; darauf nimmt er Hut und Stock wieder, und sagt 

nach tiefer Verbeugung); „Mich gehorsamst ZU bedanken.* 

DER BRIEF. 

Iffland gebraucht dieses Mittel gerne und erzielt damit 
meist guten Erfolg. In den Marionetten und in der 
Brautwahl führt ein abgesandter Brief zur Verlobung 
und wird auf diese Weise Mittel zur Erheiterung. Schlimmer 
sieht die Sache im „Frauenstand und im Hausfrieden. 
Dort hat ein Brief „an den Herrn Sekretär Ramstein'* den 
Ehegatten ftist bis zur Raserei gebracht. Er glaubt seine 
Frau und seinen Freund schuldig und das Ende ist der Ge- 
danke an Scheidung. Alles ist auf die Schuld vorbereitet, 
da entpuppt sich das ganze „Packet" als Geschäftsbriefe. 
Hier sieht es ähnlich aus. Die Schwester, die ihres Bruders 
Frau hasst um eines Mannes willen, den sie gern möchte, 
findet einen Brief „an den Herrn Hauptmann von Berg". 
Sie weiss nichts Eiligeres zu thun, als damit die Eifersucht 
ihres Bruders anzufeuern und bringt ihn gleichfalls bis zur 
Raserei. Am Ende bedeutete das Billet nichts anderes, als 
eine freundliche Aufforderung an den Hauptmann, zu bleibea, 
damit seine Verlobung vollzogen werden konnte. In der 
„Fremde** wird der Brief als gründliches Heilmittel gegen 
Eifersucht gebraucht. Eine junge Frau wird von ihrem 
Manne sehr geliebt. Dieses Glück hat er aber schon einer 
anderen und zwar einer verheirateten Frau zu teil •werden 
lassen. Er ist deshalb misstrauisch und jedes Lachen seiner 
Gattin, die von der Sache keine Ahnung hat treibt ihm die 
Angst aus, was dieser gerade keine Freude schafft. Sie 
möchte ihn gerne von seiner „Kritteley** heilen. Dazu dient 
der Brief. Diesmal ist aber die Form eine etwas unge- 
wöhnliche. Am „Drachen" des Söhnleins befinden sich sehr 



~ 71 - 

viele Streifen Papier, die dieser aus dem Papierkorb seines 
Vaters geholt hat, die die Mutter entdeckt, als sie „eine 
Leine* an das Spielzeug binden will. Sie sieht „so viel be- 
schriebenes Papier, lauter Briefe,^ und dabei ist auch eine 
Mitteilung, die ihr ein Licht aufgehen lässt über das Ver- 
halten ihres Mannes „vor der Ehe". Sie sperrt den „Drachen* 
ein, zieht den Schränkschlüssel ab und wird dabei von ihrer 
Schwiegermutter überrascht. Diese ist argwöhnisch und 
teilt die Geschichte ihrem Sohne mit. Der will wissen, was 
in dem Schranke, aber die junge Frau weigert sich, zu öffnen. 
Nun bindet er eine Leine um den Schrank und versiegelt 
das Schlüsselloch, damit der ihn so sehr interessierende 
Inhalt, in dem er ein Zeugnis gegen seine Frau vermutet, 
nicht herausgenommen werden kann. Die junge Frau will 
nur „vor Zeugen* öffnen. Ihr Onkel, der in das „Geheimnis* 
eingeweiht ist, steht Schildwache vor dem Schranke. Nun 
soll ein Familiengericht gehalten werden. Das ganze Haus 
steht und harret, was aus dem Schranke kommt. Der Onkel 
öffnet und zu allgemeinem Erstaunen erscheint der Drache. 
Herr Fresen hat von seiner Frau vorher die Erlaubnis er- 
halten, dass er, wenn der mysteriöse Inhalt klar geworden 
ist, den Schrank untersuchen dürfe, „wenn er dann noch 
Lust hat**. Und nun wird von dem unschuldigen Kinder- 
spielzeug folgendes abgelesen: „Mein lieber Fresen! Sie 
wissen, dass ich durch ihre Liebe die unglücklichste 

Ehe von der Welt geführt habe (er wird unterbrochen, liest aber 

weiter): Es wird Sie freuen, dass ich der Marter los und 
heute geschieden werde. Sie sind die Ursache davon und 
von meinem Unglück. Aber ich werde stets meinen Kummer 
lieben und Sie. Karoline Raufeis**. ^ Fresen hat keine Lust 
inehr, den Schrank zu untersuchen und von einer „Kritteley** 
ist er auch geheilt. 

GESCHENKE 

verwendet Iffland auch zu komischem Zwecke, indem er 
den Spendern schlimme Erfahrungen damit machen lässt. 

» Der Fremde IV, 6. 
« Der Fremde V, 7. 



— 72 - 

Margrethe inpi ,Fraa#nstand'' erhielt von ikrem Liebhaber 
eine Tabaksdose mit einem Luftschiff; bei eineoA kleineo 
Wortwechsel gibt sie sie wieder zurück. £r tröstet sich 
damit: ,£s ist das Luftschiff des Herrn Blauchard darauf, 
und das hat wohl schon seine Vorbedeutung gehabt^. ^ 
Fabritius schenkt der geliebten Stahl ein Bisquittherz mit 
Roeinea und Mandeln. Der Hofrat — ihr Bruder — ^frisst* 
dasselbe in Gedanken halb. Fahritius denkt, als er nur 
noch das halbe Herz sieht ^die Mademoiselle habe sein 
geringes Präsent so gütig aufgenommen*'* ^Hihi,bi! dort! 
Sie haben mein halbes Herz, wie ich sehe, schon verspeist/ 
Die Stahl ist empört, dass er sich unterstehe» ihr €an »altes 
halbes Herz'' zu senden. Der Hofrat gesteht nun^ dass er 
den «Kanibalenstreich" begangen habe und Fabritius ver* 
gleicht das Herz mit dem seiner Braut: »Gleichwohl die- 
selben Rosinen wohl gereift und gedörrt sind, sind sie 
dennoch innerlich und äusserlich süssen Geschmackes; so 
die Mamsell. Wohl gereift an Jahren und äusserlich nicht 
durchaus glatt voni Haut, doch innerlich süssen Geistes''. 
Das ist mehr als die Mademoiselle ertragen kann und 
Fabritius findet für das wohldurchdachte Präsent keinen 
Dank, sondern erhält folgende scMagfertige Erwiderung: 
„Herr Fabritius, Sie siiül innerlich und äusserlich ein grober 
Bengel\ ^ 

GEBRECHEN 

sind Iffland kein Mittel zur Belustigung. Er lässt seine 
Leute alle mit geraden und gesunden Gliedern erscheinen. 
Es findet sich auch weder ein Tauber, noch ein Stotternder. 
Nur über die kleinen Schwachheiten lässt er lachen, bei- 
spielsweise über „die feinen Nerven, Schwindelanfälle und 
den Morgenhusten der Baronesse,^ über des Oberfalken- 
meisters Kolik, wegen der er den Abschied vor dem Kriege 



^ Frauenstand I, 1. 
« Hausfr. II [, 5. 
« Fig. I, 5. 



— 73 — 

nahm, ^ über die meschante rote Nase Wanners* und über 
das Podagra seiner alten Herrn, deren Laune zuweilen 
darunter leidet. Ein junger Mann wird von seinem Vater 
nach einem alten Freunde gefragt, er erwidert: »Je nun 
sein Fuss ist grob gegen ihn, darum brummt er gegen 
mich**.^ Als Podagrist kommt Wanner an „mit wollenen 
weiten, Halbstiefeln über den Schuhen, er verlangt gleich 
nach einem Stuhle und sagt, dass er sein Pedal flattieren 
müsse. ^ 

DIE KLEIDUNG 

bietet wenig Komisches. Nur hie und da dient sie zur Er- 
heiterung. Fabritius muss auf den Wunsch seiner Braut 
besser gekleidet erscheinen. Er kommt, „in einem Frack, 
Gilet, Krepperrücke, Bandschuhen und rundem Hute": „Hier 
bin ich, vielwerte Mademoiselle". Stahl: „In der Kleidung 
kann man sie allenfalls produzieren*. Es ist ihm aber höchst 
unbehaglich darin: „Ich weiss nicht, wo ich meine Gebeine 
hinthun soll. Es ist mir, als hätte ich fremde Arme, Hände 
und Füsse, und einen Harnisch am Körper. Nichts dünkt 
mich zu sein, wie es sonst war, als mein Kopf*.* 

In „Reise nach der Stadt** erscheint Herr Traut „mit 
einem Rocke, der um etwa 15 Jahre aus der Mode,^ Karl 
in einem „aufgehakten Sonntagsrock, Haarbeutel- Perrücke, 
Stulpenstiefeln und einer Spiessgerte"*^ und Salome in der 
,,Mode von Marlborough", die sie auf den Wunsch der Ver- 
wandten anziehen muss und dafür hinter ihrem Rücken 
ausgelacht wird.® — In „Familie Lanau'* kommt Madam 
Lanau „in einem Zeuge, das etwas aus der Mode, übrigens 
wie ein modernes griechisches Kleid geschnitten ist. Die 



^ Lonau H, 14. 

< Hepbsttag II, 8. 

' Lonau I, 9. 

* Herbstt. II, 8. 

^ Hausfrieden V, 3. 

« Reise 11, 12. 

' II, 1: 

» III, 1. 



— 74 - 

Haare sind gestutzt und „etwas verstümmelt*. Damit er- 
klärt sie ihrem Eheherrn den Krieg in der Versicherung, 
dass bei ihr die Gesinnung gewechselt wie die Kleider. ^ 
Verkleidungen sind keine vorhanden. 

DIE PFEIFE 

spielt eine komische Rolle in der „Reise nach der Stadt" 
bei Herrn Traut. Er kommt gleich mit einer Pfeife und 
dem Tabakskästchen auf die Bühne, er nimmt sie mit in 
die Stadt, raucht aber in den vornehmen Zimmern nicht,^ 
auch sein Bedienter nicht. Am Schlüsse wird dann „Vik- 
toria" daraus geraucht. Ebenso unzertrennlich mit seiner 
Pfeife ist der Hofrat in „Der Fremde". Ihm wird aber von 
der Schwiegermutter verboten, in ihren Zimmern zu rauchen. 
„Nur das Drangsal muten Sie mir nicht zu . . . Wäsche, 
Tapeten, Vorhänge, Kupferstiche, alles verdirbt und es ist 
gegen die Ehrbarkeit, wenn eine Frau diese Luft unter 
honette Leute mit hin bringt. Denn wo geraucht wird, ist 
kein Egard für Frauenzimmer . . . ."^ Des Herrn Lonau 
erster Gedanke als er den Entschluss fasst, wegen der 
„Besuche" seinen Bergsitz zu verlassen, sind seine Tabaks- 
pfeifen.^ 

MUSIK. 

Zur Erhöhung der Lustspielfreude verwendet Iffland 
auch die Musik. Er bringt zwar auch hier nicht „etwas 
recht Starkes von Hörn, Geigen und Schalmeien, Flöteduse 
oder Dudelsack" wie er „Leichter Sinn" (V, 6) erzählen 
lässt, sondern hält sich wieder in den Grenzen der ruhigen 
Bescheidenheit, zu der er seine Theaterbesucher erziehen 
wollte. — In „Figaro" bläst die Trompete,^ in den „Hage- 



^ Lonau III, 9. 
« Reise II, 9. 
> Fremde II, 5. 
* Lonau I, 6. 
» m, 13, V, 20. 



— 75 — 

stolzen*' kommt der Pächter „pfeifend" an und Margrethe 
singt sich mit dem Zufriedenheitslied noch tiefer in das 
Herz ihres schnell entbrannten Liebhabers J im „Herbst- 
tag" gibt es Festmusik und der fröhliche Wanner erhellt 
das ernste Stück durch sein immer wiederkehrendes 
„Gaudeamus igitur";^ im „Frauenstand" singt der kleine 
Fritz: „Jetzt fischen wir — ";3 in der „Brautwahl" gewinnt 
die Auserkorene des Sohnes durch eine Arie das Herz der 
Mutter und im „Hausfrieden" bezaubert die Hainfeld durch 
dasselbe Mittel den warmherzigen Hofrat, so dass er ver- 
gisst, ihr „den Text zu lesen" und mitsingt. Er meint da- 
bei: „Gott sei vielfältig gelobt, dass meine liebe Frau nicht 
singen kann ! Sie hätte längst die ganze Portion meiner 
Rechte unter ihren Pantoffel gesungen," * und in der „Familie 
Lonau" trommelt der Unterofficier zur Verlobung denGeneral- 
marsch.^ 



* Hagestolzen IV, 8, V, 6. 
« Herbsttag V 24. 

' Frauenstand V, 20. 

* Hsfr. II, 3. 

* Lonau V, 17.