Skip to main content

Full text of "Das israelitische Pfingstfest und der Plejadenkult"

See other formats


Google 



This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct 

to make the world's books discoverablc online. 

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 

to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 

are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover. 

Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the 

publisher to a library and finally to you. 

Usage guidelines 

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to 
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying. 
We also ask that you: 

+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for 
personal, non-commercial purposes. 

+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc 
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 

+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of 
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe. 

Äbout Google Book Search 

Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs 
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web 

at |http: //books. google .com/l 



Google 



IJber dieses Buch 

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 

Nu tzungsrichtlinien 

Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 

+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 

Über Google Buchsuche 

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter |http: //books . google .coiril durchsuchen. 



232. 



Sar&artr iS^oHtst liörarg 




LUCY OSQOOD KUND 

"To purchase such books as shaJl be mos! 

needed for the College Library, so as 

liest lo ptomole the objects 

of the College." 

Depo^ire.i in 



Studien zur Geschichte 



und 



Kultur des Altertums. 



Im Auftrage und mit Unterstützung der 
Görresgesellschaft herausgegeben von 

Dr. E. Drerup, 

Universitäts-Professor in Manchen, 

Dr. H. Grimme u. Dr. J. P. Kirsch, 

Universit&ts- Professoren in Freiburg u Schweiz. 



Erster Band. 

Erstes Heft: 

Das israelitische Pfingstfest 
und der Plejadenkult 

von 

Hubert Grimme. 



•«^ 



Paderborn. 

Druck und Verlag von Ferdinand Schöningh. 

1907. 



o 



Das 

israelitische Pfingstfest 



und 



der PIejadenkult. 



Eine Studie 



von 



Hubert Qrimme, 

Professor an der Universität Freiburg, Schweiz. 



Mit drei Tafeln. 






l 






Paderborn. 

Druck und Verlag von Ferdinand Schöningh. 

1907. 



lILJni9 



.i 







Einleitung, 



Um die Probleme der israelitischen Religion zu erörtern, 
bedarf es des Beirats der Wissenschaft vom alten Orient Dieser 
Satz ist hier nicht erst zu beweisen; mit seiner Richtigkeit 
rechnen jetzt so ziemlich alle Kreise der Historiker wie Exegeten. 
Zu dieser Gleichheit im Prinzip steht aber die Verschiedenheit 
der damit erzielten Ergebnisse in starkem Gegensatz ; man braucht 
nur an die Namen Wellhausen und Winckler zu denken, um zu 
ermessen, wie weit augenblicklich die Wege der alttestament- 
lichen Forscher auseinandergehen. Man baut eben schon viel- 
fach das Dach aus, während die Grundmauern noch nicht trag- 
fahig sind. Eine Reihe grundlegender Fragen konnte bislang 
noch nicht sicher beantwortet werden, vorauf diejenigen nach 
der Intensität und der Wesenheit der Kultur des Orients. Für 
erstere scheint sich allerdings langsam eine Lösung anzubahnen, 
und zwar eine solche im Sinne von H. Winckler, wonach der 
alte Orient, wo er uns irgendwie greifbar ist, ein mit Kultur- 
elementen durchsättigtes Gebiet darstellt, das in seinen zur Be- 
siedelung geeigneten Teilen von einem eigentlichen Nomadentum 
keine Spur mehr aufweist. Für die Lösung der anderen Frage, 
der nach dem Wesen der altorientalischen Kultur, dürfte aber 
die Zeit noch längst nicht gekommen sein. Bedingt die Ver- 
schiedenheit der orientalischen Hauptvölker auch eine Ver- 
schiedenheit von Kulturen? — oder wird man annehmen, der 



VI Einleitung. 

ganze Orient habe unter dem Zeichen einer einzigen Kultur 
gestanden, die in unvordenklichen Zeiten zuerst in Babylonien 
aufgestrahlt sei? 

Meines Erachtens lassen sich solche Grundfragen erst dann 
beantworten, wenn die Wissenschaft über ein ungleich größeres 
Quellenmaterial verfügt, als uns jetzt vorliegt. Irgendwie deutliche 
Begriffe besitzen wir jetzt überhaupt erst von zwei Gebieten des 
alten Orients: Ägypten und Babel- Assur. Es wäre überkühn, 
für ihre Entwicklung den gleichen Ausgangspunkt anzunehmen. 
Wie ihre politische Geschichte die Tendenz gegenseitigen Ab- 
stoßens zeigt, so offenbart auch das, was wir von ihrem Geistesleben 
wissen, weitgehende Verschiedenheiten und läßt weder die Vor- 
stellung einer ursprünglichen Gleichheit noch die einer späteren 
intimeren Annäherung aufkommen. Zwischen diese beiden sich 
fast ausschließenden Völker- und Kulturkreise hat sich in ver- 
hältnismäßig später Zeit ein neuer Faktor eingedrängt, das 
Semitentum. Stehen Ägypten und Babylonien, so weit wir sie 
verfolgen können, als fertige, sich selbst genügende Welten da, 
so stellt das Semitentum ein Element dar, das zu immer neuen 
Umwandlungen hinneigt und sich mit den Schätzen der älteren 
Kulturen zu bereichern trachtet. Dieser ausgesprochene Assi- 
milationstrieb mag die Semiten als eine Rasse ohne besonders 
schöpferische Anlage erscheinen lassen; jedenfalls widerlegt er 
aber die Anschauung, als ob sie als Barbaren in die Welt- 
geschichte eingetreten wären; denn um fremde Geistesgüter 
schätzen zu können, muß man selber einen Fonds von Geist und 
Kultur in sich tragen. Dann wird es auch nicht zu gewagt 
sein, von einer alt- oder ursemitischen Kultur zu reden, deren 
Heimat und Zentrum am ehesten dort zu suchen wäre, wo der 
üblichen Meinung nach das reinste Semitentum anzutreffen ist, 
in Arabien und speziell in seinem südwestlichen Winkel, in Jemen. 

Wenn schon die Feststellung, was alles uns als Herd der 
orientalischen Kultur zu gelten habe, noch sehr hypothetisch aus- 
fallt, so gilt solches in noch höherem Grade von der Abgrenzung 



Einleitung. VII 

der als Dependenzen dieser Kultur anzunehmenden Gebiete. Im 
allgemeinen werden sich Handels- und Kulturzonen gedeckt 
haben; denn die Straßen des Kaufmanns waren von jeher auch 
die der geistigen Güter. Nun führten alle Hauptwege des 
Vorderorients, mochten sie von Ägypten, Babylonien oder Süd- 
arabien ausgehen, zum Mittelmeere, und ihre letzte Etappe war 
Kanaan, bezw. Phönizien. Damit war dieses Land wie kein 
anderes der Berührung mit dem ganzen Orient ausgesetzt, wo- 
durch seine Kultur mit Notwendigkeit einen stark internationalen 
Zug bekam. Ähnlich wie- auf Phönizien wirkte der Gesamtorient 
dann auch auf dessen Hinterland, und so mußte Israel, nachdem 
es einmal auf einer weiten Strecke der Nachbar Phöniziens ge- 
worden war, vielfache Berührung mit ursprünglich ihm fremden 
Ideen erfahren, und selbst das, worin seine größte Eigenart be- 
stand, seine Religion, konnte sich solcher Beeinflussung nicht 
ganz entziehen. 

Die folgenden Ausführungen bezwecken den Nachweis eines 
solchen fremden Einschlags in Israels Religion. In letzter Hin- 
sicht weist er auf eine babylonische Idee zurück. Von Volk zu 
Volk weitergegeben, dabei mannigfaltig um- und ausgestaltet, 
kam diese bis an die Mittelmeerküste und ward endlich auch 
Israel zugeführt. Hier widerstrebte sie längere Zeit einer orga- 
nischen Verbindung mit dem Geiste des mosaischen Kultus; 
nachdem sie aber in verschiedenen Umwandlungen fast alles ab- 
gestreift hatte, was an babylonische und kanaanitische Religions- 
begriffe erinnerte, ward ihr ein hervorragender Ehrenplatz im 
Kultus eingeräumt, der ihr auch im Christentume nach aber- 
maliger Umdeutung gewahrt blieb. 

Diese Entwicklung ist in verschiedener Beziehung lehr- 
reich. Sie zeigt, daß keine der maßgebenden vorderasiatischen 
Religionen ein bloßer Abklatsch der babylonischen gewesen ist, 
daß vielmehr jede von ihnen die Kraft besaß, babylonische 
Werte ihrem Wesen entsprechend umzugestalten — daß solches 
aber im bedeutendsten Maße von der Religion Israels gilt. Wenn 



Vm Einleitung. 

es ihr gelang, einen im tiefsten Grunde polytheistischen Stoff so 
zu verarbeiten, daß sich mit ihm die monotheistische Idee zu 
schöner Einheit verbinden konnte, so hat sie aufs glänzendste 
ihren Anspruch auf besondere Eigenart bewährt und zugleich 
dem Christentume und der Weltkultur in hervorragender Weise 
vorgearbeitet. 



I. 
Zur üblichen Auffassung von Pfingsten. 

Es gilt unter den alttestamentlichen Exegeten als aus- 
gemachte Tatsache, daß das israelitische Pfingstfest seinem 
Wesen nach nichts anderes sei als ein Fest der Ernte. Eine 
nähere Begründung dieser Annahme hat vor allem J. Well- 
hausen in seinen Prolegomena versucht Nach ihm wurzeln 
die großen Feste der israelitischen Religion mit Ausnahme 
von Passah sämtlich in Gepflogenheiten des Ackerbaues, die 
die Israeliten nach der Periode ihres Nomadentums von den 
Kanaanitern übernommen hätten. Die Triade der Feste 
Mazzoth, Pfingsten und Laubhütten bedeute den kultischen 
Niederschlag der Hauptmomente, die das Leben des kanaani- 
tischen Bauern bewegt habe, insofern Mazzoth die religiöse 
Feier des Beginnes der Gerstenemte darstelle, Pfingsten mit 
der Weizenemte und damit überhaupt dem Schlüsse der 
ganzen Frühernte zusammenhänge, endlich Laubhüttenfest der 
Öl- und Weinernte die kultische Weihe gebe. Der agrikole 
Ursprung dieser Feste soll nach Wellhausen auch in ihren 
Namen zu Tage treten. Der Name Mazzoth soll auf die „Not- 
brote" zielen, die der Landmann im Drange der Emtearbeit 
in Eile zu backen gezwungen sei. Von den zwei biblischen 
Bezeichnungen für Pfingsten wäre die eine, SchabuSoth = 
„Wochen" von der sieben Wochen umfassenden Zeit der Früh- 
ernte hergenommen, die andere, Ka^ir, gehe auf das Schneiden 
des Weizens in dieser Zeit; so wichen beide Namen nicht 
wesentlich voneinander ab. Auch die zwei Namen, die für 
das dritte große Fest gebräuchlich waren, entsprächen sich 
einander, da Sukkoth = „Laubhütten" auf die Zeit hinweise, 
da man unter improvisierten Zweigdächem, wie sie die Arbeit 

Grimme, Dm isTMÜtiiohe Pflngttfett 1 



2 L Kapitel. 

in den Weinbergen mit sich brächte, im Freien übernachtet 
habe, Asiph = „Fruchtemte" aber direkt auf das Wesen des 
Festes ziele. Der Emtefestcharakter trete endlich auch 
im Ritual der drei Feste deutlich in Erscheinung, da für 
Mazzoth die Darbringung einer Gerstengarbe, für Pfingsten 
die Abgabe von Weizenbroten, für Laubhütten solche von 
Most und Wein die wesentlichste Zeremonie ausmachten. 

Die bemerkenswerte Erscheinung, daß Mazzoth und 
Sukkoth in Äquinoktialzeiten gefeiert wurden, führt Well- 
hausen zu der Vermutung, es seien diese beiden Feste viel- 
leicht nicht von allem Anfange an Erntefeste gewesen. Er 
neigt sogar zur Annahme, sie seien älter als der Ackerbau 
und hätten sich ihm erst nachträglich angepasst. Aber die 
Israeliten hätten sie doch allem Anscheine nach schon als 
Erntefeste von den Kanaanitem übernommen. Für das Pfingst- 
fest wirft er eine ähnliche Frage nicht auf; er sieht anschei- 
nend keinen Grund, es in eine irgendwie vorhistorische 
Zeit Kanaans hinaufzurücken. 

Was Israel zu den entlehnten Festen seinerseits hinzu- 
getan habe, schlägt Wellhausen nicht hoch an. Mit Mazzoth 
und Sukkoth habe man in spätjüdischer Zeit eine Denaturie- 
rung in der Weise vorgenommen, daß man sie zu Gedenk- 
tagen der israelitischen Geschichte umstempelte, indem man 
auf Mazzoth die Erinnerungen an die zur Frühlingszeit erfolgte 
Auswanderung aus Ägypten übertrug und in das Kampieren 
unter freiem Himmel, wie es Sukkoth mit sich brachte, den 
Gedanken an das Zeltleben während der vierzigjährigen 
Wanderzeit hineinlegte. Pfingsten aber sei vor einem solchen 
Prozesse der Vergeschichtlichung bewahrt geblieben. 

Wellhausens Erklärung der Feste Mazzoth, Pfingsten und 
Sukkoth besticht auf den ersten Blick durch Klarheit und 
Einfachheit. Erst wenn man erwägt, wie selten es in der 
Religionsgeschichte gelingt, kultische Altertümer — und Feste 
zählen in der Regel zum Ältesten, was der Kultus aufweist — 
rein aufzufassen und zu erklären, und wenn man sieht, wie 
Wellhausens Deutung an gewissen Begleiterscheinungen der 
israelitischen Feste achtlos vorübergeht, setzt der Zweifel ein, 
ob nicht eine Revision dieser, nun gute 2$ Jahre unverändert 
gebliebenen Ansicht am Platze wäre. Der größte Mangel 



Zur übliclien Auffassung von Pfingsten. 3 

von Wellhausens Prolegomena, die Nichtbeachtung der beiden 
geistigen Welten, die Israel im Nordosten und Süden um- 
grenzten, der babylonischen und südarabischen — sollte er 
sich nicht auch in seiner Konstruktion der israelitischen 
Feste bemerkbar machen? 

Man kann von dem Bedürfnis einer Revision von Well- 
hausens ganzer Festtheorie sprechen, ohne dadurch ver- 
pflichtet zu werden, sie selber durchzuführen. So hat 
wesentlich nur der Gedanke, daß neben einer jeden For- 
schung — und gelte sie auch schon vielen als abschließend — 
noch für andere ein Platz sei, mich die Untersuchui^ eines 
der drei von Wellhausen als kultischer Zyklus hingestellten 
Feste wieder aufgreifen lassen und zwar fast zufallig des- 
jenigen, hinter dem scheinbar keinerlei Fragezeichen mehr 
steht : des Pfingstfestes. Inwiefern es möglich, ja das Richtige 
ist, dieses Fest für sich allein, losgelöst von den beiden 
anderen zu behandeln, wird sich im späteren Verlaufe der 
Arbeit herausstellen. 

Meine Untersuchung beginnt mit der Erklärung der Bibel- 
stellen, die vom Pfingstfeste handeln. Es gilt dabei Klarheit 
zu bekommen, ob sie bisher in ihren Einzelheiten richtig und 
erschöpfend verstanden worden sind, weiter ob sich für sie 
ein vollständiges Verständnis erzielen läßt auf dem Boden 
der israelitisch-kanaanitischen Verhältnisse oder ob die Pforte 
des weitereij Orients geöffnet werden muss, um hier entweder 
Analogien oder aber Vor- oder Urbildliches zum israelitischen 
•Pfingstfeste ausfindig zu machen. 

Die Stellen des Alten Testaments, die deutlich vom 
Pfingstfeste handeln, sind folgende: 

Lev. 23, 16-22 : DDN"*:3n DT^ r\:rDii rrinw^a Dsb öttidot (15) 

mnwD na^ (16) tna-^-^nn n^^n mn:3«5 ^:ix5 nDisnrr to^-n« 

:mrT^b rr^öm nna^ Gn:3'npm dt^ ü^rxn riDon n5^"^n\ön naiön 

n3''''nn rbo ö-^snw '^^xo D-^ntö nnsn onb 1 iK-^an GD'«n:3^T0ö (17) 

D-^bnr) Dy:xä önbM-by Gn:3'npm (18) .•nirr-'b n-^-ron na-^BKn ynn 

mn-'b nby t^*» g-»:» Gb-'Ki 'in« np:3-i:3 nei rr^tö "^5:3 tnrixr 

D-^ty— i-^yiö Gn-^fcyi (19) inirr^b mtr^m-'n rnö« Grr^soai Gnnawn 

c)''2m (20) tG'^b« natb rr^Tö "^sa D-'iöÄD "^attj") r»ünb nn« 

^np D-'ir» -«sic-by mn** •»sßb neian G'^'^Dnn Gnb by on» i imsrr 

tr^rr» ^np-K'npw ntn Gi-^n 1 GX3^n GnK-ipi (21) tpsb rrur^b t^*^ 

1* 



4 L Kapitel. 

eöSTi^nnb ö5*»natöi!D-bM öbia^ npn iton «b rt'iiay n^^btt-b^ ö^b 

üpbi T^xpa ^nto n«D nb5n-«b ö^at^i« ^■•xp-n» ö^'iatpai (22) 

tö^-'rtb« rtirr» ■'3» ön« ata^n 'labi -»ayb tapbn «b l^r^atp 

„(15) Sodann werdet ihr für euch abzählen vom Tage 
nach dem Sabbath — vom Tage, da ihr die Webegarbe dar- 
brachtet — sieben Sabbathe, und zwar vollständige, (16) bis 
zum Tage nach dem siebenten Sabbath werdet ihr abzählen, 
dem 50. Tage; alsdann werdet ihr Jahwe ein Speisopfer von 
neuem [Getreide] darbringen. (17) Aus euren Wohnsitzen 
werdet ihr zwei Webebrote bringen, die aus zwei Zehnteln 
[Epha] Feinmehl bestehen und mit Sauerteig gebacken sind, 
als Emteopfergaben für Jahwe. (18) Und ihr werdet dar- 
bringen zu dem Brote sieben fehllose einjährige Lämmer, 
einen jungen Stier und zwei Widder, die als Brandopfer für 
Jahwe dienen sollen, nebst den zugehörigen Speisezutaten 
und den zugehörigen Trankspenden, als ein Feueropfer lieb- 
lichen Geruchs für Jahwe. (19) Und ihr werdet einen Ziegen- 
bock herrichten zum Sündopfer und zwei einjährige Lämmer 
zum Heilsopfer. (20) Und der Priester wird sie weben vor 
Jahwe samt den Emteopferbroten [ ]; sie werden Jahwe ge- 
heiligt sein zum Besten des Priesters. (21) Sodann werdet 
ihr „Berufung des Heiligen" ausrufen, die ihr am selbigen Tage 
abhalten werdet; dabei werdet ihr keinerlei Werktagsarbeit 
verrichten. Das ist eine für alle Zeit geltende Satzung [, die 
ihr beobachten sollt] in allen euren Wohnsitzen bei [allen] 
euem Geschlechtem. — (22) Und wenn ihr euer Land ab- 
erntet, so wirst du dein Feld nicht bis auf den Rain abernten 
und wirst nicht Nachlese halten nach deiner Ernte: den 
Armen und den Klienten wirst du beides überlassen. Ich bin 
Jahwe, euer Gott." 

Ob die „höhere" Kritik Recht tut, den größeren Teil 
von V. 18 f. als Entlehnung aus Num. 28,27-31 abzutun, wird 
bei der Besprechung des Pfingstrituals behandelt werden. 
Vom Standpunkte der formalen Philologie sind jedoch Text- 
fehler zu konstatieren, und zwar in V. 17, 20, 21, da in ihnen 
Paseq, das Zeichen der Textverderbnis, überliefert ist. Ich 
beziehe das Paseq von V. 17 auf den Ausfall von mbn ,3rot- 
kuchen" (LXX ägtovg) hinter OTttj. Dasjenige von V. 20 
wird kaum etwas anderes bedeuten, als daß eine der mit 



Zur üblichen AalTassaxig von Pfingsten. 5 

by eingeleiteten Phrasen, und zwar am wahrscheinlichsten 
ö'^toiD "»rttj'by, zu streichen ist — was auch von neueren Exe- 
geten, ob sie auch für Paseq noch kein Auge haben, aus 
dem Satzzusammenhange geschlossen ist. Die Einsetzung 
von Paseq in V. 21 hat jedenfalls auch ihren guten Grund; 
beachtet man, daß die Wortfolge onN*ipn bis ODb zwei Sätze 
darstellt, von denen jedenfalls einer auffallig kurz heraus- 
kommt (der erste, wenn man tt3ip"«iptt Subjekt zu rr^rr^ sein 
läßt, oder der zweite, wenn Tönp-«nptt als Objekt zu on«*ipi 
gezogen wird), so scheint es am geratensten, eine kleine 
Wortumstellung vorzunehmen und nTn ütT\ ü^iy^ hinter 
Töip"N'ipw zu setzen und zu übersetzen: „Sodann werdet ihr 
Berufung des Heiligen proklamieren (vgl. Lev. 25, 10 ön«*ipi 
*innn), die ihr am selbigen Tage abhalten werdet." — V. 22 
gehört ersichtlich nicht mehr zum Pfingstgesetze ; denn dieser 
schließt in feierlicher Weise mit dem auf V. 15 — 21 bezüg- 
lichen Satze : „Das ist eine für alle Zeit geltende Satzung usw." 
Ein Zufall wird V. 22 aus der Sammlung moralischer Vor- 
schriften von Lev. 19, wo er in etwas längerer Fassung als 
V. 9 f. wiederkehrt, hierhin verschlagen haben. 

Num. 28, J6-81 : 
öD-nyauja mn-^b niöin rtnat} öDa*»*ipna ö-^riDan orai (26) 
önanpm (27) nioa^n «b maa^ nDNbTo-bD ösb n-'n*» 'Q^i'p'tü'yp'ü 
ö-^feaD nyattj nn« b*»« o-^i«) 'ipa-^aa ö-^ mrr^b nn-^D rr^^nb nb-ja^ 
nn«n ^cb ü'^^iihy möbttj itt«a nbiba nbo önnDWi (28) :nDttr -»Da 
n^atöb nnNn toaab iTniö3> ^mtiy (29) :nn«n b-^fttb 0"»D^iD2^ -»i^ 
'T^ttnn rhy 'labTD (31) toa-^b^ *icDb nn« ö*»t2^ 'i^yb (30) to-^iDaan 

torr^aosi öab-rrT» twrttn lioyn innaTai 

„(26) Und am Tage der Emteopfergaben: wenn ihr 
ein Speisopfer von neuem [Getreide] darbringt für Jahwe 
. . . ., werdet ihr ,^erufung des Heiligen" abhalten; dabei 
werdet ihr keine Werktagsarbeit verrichten. (27) Und ihr 
werdet darbringen als Brandopfer lieblichen Geruchs für 
Jahwe zwei junge Stiere, einen Widder und sieben einjährige 
Lämmer [ex V. 31: fehllos sollen sie euch sein]. (28) Dazu 
als Speisopfer mit Öl angemengtes Feinmehl, drei Zehntel 
[Epha] zu jedem Stier, zwei Zehntel zu dem Widder, (29) je 
ein Zehntel zu jedem der sieben Lämmer; (30) [auch] einen 
Ziegenbock, um euch Sühne zu schaffen. (31) Außer dem 



6 L Kapitel. 

täglichen Brandopfer und der zugehörigen Speisezutat und 
den zugehörigen Trankspenden werdet ihr [sie] herrichten [ ]." 

Wir haben in V. 26 den Ausdruck oa-^ruaTöa unübersetzt 
gelassen, nicht als ob ein Textverderb vorliege, sondern weil 
zu seinem Verständnis nur durch eine läi^ere später an- 
zustellende Untersuchung zu gelangen ist Septuaginta und 
Samarit lasen zu Schlüsse von V. 27 noch DDb-T»rT» w^isn; 
da diese Worte hier weit besser in den Satzzusammenhang 
passen als in V. 31, so nehme ich an, daß das Original sie 
nur an ersterer Stelle kannte. 

Deuter. 16, 9-is, le-i?: 
na^ati "^DOb bnn rr^pa Töwin bnrro ^b-^eon n^atö watö (9) 
•jnn ^Tö» ^T» nms noTs '^»nb« msr^b nvati an n-^ioa^i (10) j nnyatö 
•^am nn« T»nbN mn-» 1 -»Ab nnTatm (i i) : ^^nb» mn*» »pna-^ «nuSND 

n^i^n (12) 5Dtt5 "ffauS püb '^"»nb« mm "nna*» 'itöä onp^a ^^"»pa 
Töibtö (16) . . . tnb«n D-'pnn-n» n-^tD^i n^TtDuSi D-^-iatwa rr^'^rt 'laa^-^D 
•ntöN DipT» ^•»JnbN mn-' 1 ■^SD-n« »^^nDT-bD n«^'' nsTöa f ü^iy^ 
mtT' •»3B-n« rjNT» «bi n-jDon anm myaujn anm msTTan ana ^ina"» 
:^b-in3 'ittS» T^nb« mm nD-n» tp nan»a tö**« (17) top-'i 
„(9) Sieben Wochen wirst du dir abzählen; von da ab, 
wo man zuerst eine Sichel an die Halme legt, wirst du an- 
fangen, sieben Wochen zu zählen. (10) Und du wirst das 
Hagg Schabusoth veranstalten fiir Jahwe, deinen Gott, ent- 
sprechend den freiwilligen Gaben, die deine Hand spenden 
wird nach dem Maße des Segens, den dir Jahwe, dein Gott, 
zukommen läßt (11) Und du wirst dich freuen vor Jahwe, 
deinem Gotte, du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave 
und deine Sklavin, weiter der Levit [], der Klient und die 
Witwe, die bei dir weilen — an der Stätte, die Jahwe, dein 
Gott, erwählen wird als Wohnsitz fiir seinen Namen. (12) Und 
du wirst im Gedanken daran, daß du in Ägypten Sklave ge- 
wesen, diese Vorschriften beobachten und erfiillen 

(16) Dreimal wird alljährlich alles, was männlich unter dir ist, 
vor Jahwe, deinem Gotte, erscheinen an der Stätte, die er 
sich erwählen wird, am Hagg ham-Mazzoth und am Hagg 
hasch-Schabusoth und am Hagg has-Sukkoth [ ], (17) jeder ,mit* 
der Gabe seiner Hand entsprechend dem Segen, den Jahwe, 
dein Gott, dir gegeben hat" 



Zur üblichen Auffassung von Pfingsten. 7 

Paseq von V. 1 1 führt mich dazu, das hinter "^iSn stehende 
^l'^'i^ttja iü«, das LXX nicht las, zu streichen, so daß "»ibn 
(hier gleich den vorhergehenden und folgenden Begriffen 
Kollektivbegriff = „die Leviten") mit *ia, Dirr» und nsttb« an dem 
Relativsatze ^i1pn itö» teil hat; vgl. V. 14. niDiff. von 
V. 12 besagt anscheinend, welche Idee das ganze Pfingstfest 
zu durchdringen habe, nicht etwa, welcher Gedanke zum 
Heranziehen Bedürftiger zur Teilnahme am Festschmause ver- 
anlassen solle. — Das zweimalige Paseq in V. 16 deutet 
jedenfalls auf einen größeren Textschaden hin. Zu seiner 
Heilung liefern die alten Versionen keinen Stoff; doch gibt 
die ungelenke, fast unmögliche Weise, wie V. 17 mit V. 16 
verbunden ist, einen Wink, wo der Fehler stecke. Man tilge 
den Schluß von V. 16 op'^n mST» '»3B-n» n«-»'' . «bn und ver- 
binde V. 17 direkt mit dem vorhergehenden Satze; dann 
empfiehlt sich auch noch, nanw^ in narroa zu ändern. 

Exod. 34, 22 : 

nBipn vpo»n :im ö-^tan ^•»atp ■^'^Da »^b niö^n n^aiö am 

„Und das I^agg Schabusoth wirst du ,mir' veranstalten 
bei der Opferung der Weizenerntegaben und das liagg der 
Lese bei der Wende des Jahres." 

Statt ^b las LXX «»b; weshalb diese Lesart vorzuziehen 
ist, wird später näher begründet — •''mDa wird gewöhnlich 
als „Erstlingsgaben" genommen und als Genitiv gedeutet, der 
gleich nsrattj mit in zu verbinden sei. Eine solche Verbindung 
halte ich für unmöglich. Beachtet man nun, daß Gewicht 
darauf gelegt ist, vom Hagg der Lese (wie auch vom Hagg 
ham-Mazzoth, vgl V. 18) das Datum anzugeben, ferner daß 
dieses für Asiph im Akkusativ der Zeit steht, so empfiehlt 
es sich, in 'p "iiDa etwas ähnliches zu sehen, nämlich „bei 
der Opferung der Emtegaben . . ." Dann wäre hier D'^^iDi ein 
Infinitiv in Pluralfprm (ähnlich wie Lev. 23, 27 O*»*^??! DT» wTag 
der Sühnung" oder Lam. 2, so ö'^net? '^bby „Kinder der 2ärtlich- 
keit = zärtlich geliebte Kinder"). 

Exod. 23, 16: 

njttta r)'»o»n am mte antn ^ti«f T*teyo •'hisa n^^Äpn am 



8 I. Kapitel. 

„Und (du wirst beobachten, vgl V. 15) das Hagg der 
Ernte zur Zeit der Opferung der Gaben deiner Frucht, die du 
auf das Feld säest und das Hagg der Lese gegen Ende des 
Jahres, wenn du einsammelst die Frucht von dem Felde." 

Wiederum fallt die Übersetzung gezwungen aus, wenn 
man '^in^a als „Erstlinge" nimmt; dagegen läßt sich unter der 
Annahme, daß das Wort hier wie oben Ex. 34, s» ein Infinitiv 
sei, ein lesbarer und um das Datum des Festes vermehrter 
Text gewinnen. 

Es wäre wünschenswert, die fünf vom Pfingstfeste han- 
delnden Bibelstellen, die wir zunächst nur mit Rücksicht auf 
ihren Umfang angeordnet haben, in eine chronologische Reihen- 
folge bringen zu können. Doch ist solches a priori nicht 
möglich. Zwar wenn wir uns entschließen würden, die Er- 
gebnisse der Wellhausenschen Gesetzeskritik unbesehen zu 
übernehmen, dann wäre eine Reihenfolge leicht hergestellt, 
wobei Ex. 34, ss an die Spitze träte , als ein Erzeugnis vor- 
prophetischer Zeit, Ex. 23, 16 ihm folgte als nicht viel jüngeren 
Ursprungs, weiter Deut 16, 9 ff. sich anschlösse und die Pfingst- 
festauffassung der späten Königszeit repräsentierte, während 
Lev. 23, 15 ff. und Num. 28, seff. die letzten, im Exil entstandenen 
Verordnungen fiir das Fest wären. Damit würden wir nun zwar 
den kritischen Anforderungen unserer modernen Exegese ge- 
nügen, aber vielleicht nicht denen der modernen Religions- 
geschichte. Wellhausens Versuch der Klassifizierung des 
israelitischen Gesetzes, und zwar vornehmlich der dabei domi- 
nierenden Kultusgesetze — auf die es uns hier besonders 
ankommt — entstammt einer Zeit, da man genügend kritisch 
zu sein glaubte, wenn man zu dem Maßstabe, den die Bibel 
selbst zu ihrer Beurteilung darbietet, noch die Vergleichung 
von biblischem Wesen mit arabischem Beduinentum wie 
auch kanaanitischer Städtekultur treten ließ. Inzwischen ist 
aber unser Wissen von altsemitischen Kultusgebräuchen außer- 
ordentlich gewachsen; besonders zwei von Wellhausen noch 
nicht berücksichtigte Faktoren, der des Kultus von Altsüd- 
arabien sowie von Babylonien haben sich als geistige Mächte 
herausgestellt, deren Wirkungen jedenfalls bis nahe an Ka- 
naans Grenzen heranreichten. Will man die biblische Tradi- 
tion, die die Stiftung der israelitischen Kultgemeinde in Nord- 



Zur Üblichen Auffassung von Pfingsten. 9 

arabien geschehen sein läßt, nicht in Bausch und Bogen ver- 
werfen, und gedenkt man der Einwirkungen, die die israelitische 
Gola unter allen Umständen von der sie umgebenden baby- 
lonischen Kulturwelt erfahren mußte, dann wird die Forschung 
mit Notwendigkeit dahin gedrängt, auch zu dem südarabischen 
und babylonischen Material Stellung zu nehmen. Dann aber 
scheint es mir weder Rückständigkeit noch Hyperkritik zu 
sein, sondern geradezu eine Forderung der Wissenschaft, 
Wellhausens Untersuchung zum alttestamentlichen Gesetze 
und speziell zum Kultusgesetze so lange für unvollständig und 
deshalb unzureichend zu halten, bis nicht mit dem neueren 
arabisch-babylonischen Materiale die Probe auf ihre Richtig- 
keit gemacht worden ist. 

Wir müssen somit auf die Aufstellung eines Stammbaums 
der vom Pfingstfeste handelnden Stellen hier verzichten. Ihr 
Verständnis wird dann aber wesentlich von der genauen Defi- 
nierung ihres Gedankeninhalts und der dabei zu Tage treten- 
den Formeln abhängen, ja vorwiegend von der der letzteren. 
Das Leben der Religionen bedeutet vorwiegend einen Wandel 
ihrer Ideen; dem gegenüber zeigen einmal in Gebrauch ge- 
kommene Formen großen Hang zur Stabilität. Das gilt vor 
allem auch von den auf orientalischem Boden ausgebildeten 
Religionssystemen; die Formen, in denen sich ihre Ideen dar- 
stellen, entstammen meist einer viel älteren Zeit als jene 
selbst und man kann behaupten, daß sie um so älter sind, 
je weniger engen Zusammenhang sie mit den Ideen, deren Ver- 
körperung sie sein sollen, an den Tag legen. 

So wird es sich verlohnen, die Untersuchung zunächst 
auf die dem israelitischen Pfingstfeste eigentümlichen Forma- 
lien zu beschränken. Dann muß es sich herausstellen, ob es 
angeht, das Problem des Pfingstfestes als ein rein hebräisches 
bezw. auch kanaanitisches zu bezeichnen, oder ob man zu 
seiner Lösung nötig hat, auf Religionsideen von weit höherem 
Alter, als es die biblischen sind, zurückzugehen. 

Unter den Formen, die dem hebräischen Pfingstfeste eigen 
sind, treten besonders hervor i. gewisse auf die Zeit der 
Feier bezüglichen Einzelheiten, 2. die offiziellen Bezeichnungen 
des Festes, 3. das Kultuszeremoniell. Diese drei, die Außen- 



10 I. Kapitel. 

Seite des Festes betreffenden Umstände müssen zuerst näher 
ms Auge gefaßt werden. 

In allen fünf Berichten, die vom Pfingstfeste handeln, ist von 
der Zeit seiner Feier die Rede ; aber ihre Angaben lassen doch 
Zweifel aufkommen, ob das Fest an einen ganz bestimmten 
Tag des Jahres geknüpft gewesen sei. Exodus setzt es in die 
Zeit der „Opferung der Emtegaben"; Numeri redet vom „Tage 
der Emteopfergaben" als seinem Termine, ohne aber für diesen 
Tag eine nähere Datierung zu geben. Im Deuteronomium 
erscheint es als Endtermin eines mit der Zeit der Ernte zu- 
sammenfallenden Jahresabschnittes, dessen Beginn jedoch für 
uns in der Luft schwebt Endlich begrenzt Leviticus zwar 
diese Periode, aber nicht durch ein Monatsdatum, sondern die 
mehr allgemein scheinende Formel „am Tage nach Sabbath". 
So fehlt uns zunächst eine deutlich ins Auge fallende Fixie- 
rung des Pfingstfestes nach Monat und Monatstag, und hier- 
durch unterscheidet sich Pfingsten auffallig von allen anderen 
Festen der Bibel, die ihr bestimmtes Datum aufweisen, 
einerlei ob von jeher oder — wie Wellhausen meint — in- 
folge späterer Festlegung eines vordem schwankenden Termins. 

Dieser Umstand hat Wellhausen dazu geführt, Pfingsten 
als ein wandelndes Fest zu bezeichnen. Er läßt es gefeiert 
sein in der Zeit vom 6. — 12. des 3. Monats und begründet 
solches mit dem Wechsel des eigentlichen Ostertermins, des 
„Tages nach Sabbath" (Lev. 23, is), von welchem der Pfingst- 
termin abhängig ist. Aber es ist sehr zu bezweifeln, ob man 
die sieben Tage des Mazzothfestes als Ostertermine bezeichnen 
darf, wenn auch der „Tag nach Sabbath" einen solchen bedeuten 
sollte. Hauptsächlich aber gründet sich mein Widerspruch 
gegen Wellhausen darauf, daß anscheinend der Begriff „Fest" 
im Hebräischen von dem eines festen Jahrestermins gar nicht 
zu trennen ist 

Als gewöhnlichsten Ausdruck für „Fest" gebraucht die 
Bibel nyitt. Dieser umfaßt nach Lev. 23, 4, 44 alle größeren 
Jahresfeste; Ezechiel (46, 9), der damit die Termine bezeichnet, 
da auch die Mitglieder der weiteren Gemeinde (|n«n dt) vor 
Jahwe treten, dürfte ebenfalls darunter alle Feste seines Fest- 
zyldus verstehen. An einigen anderen Stellen werden zwar 
von ihm unterschieden teils die Neumondstage (Is. i, 14), 



Zur üblichen AufTassang von Pfingsten. 11 

teils diese und die Sabbathe (IChr. 23, si; IlChr. 31, s), teils 
die „Hagg" (Hos. 9, s; Ez. 46, 11); aber das erklärt sich da- 
durch, daß nyiw in letzter Hinsicht wohl „Termin" oder „be- 
stimmter Zeitpunkt" bedeutete, so daß man es recht wohl noch 
durch einen auf geistliche Festtage zielenden Ausdruck ver- 
deutlichen oder ergänzen konnte. Genauer kann man ny-VD 
als einen mit einer Mondphase zusammenhängenden Termin 
definieren, da nach Psalm 104, 19 der Mond es ist, der die 
D'^^yiW macht, und wenn es Gen. i, 14 von den Lichtem des 
Himmels heißt, daß sie dienen sollten „fiir die nn« und D'»ny'W3 
und Tage und Jahre", so dürften wie vom „großen Lichte", 
der Sonne, die Tage und Jahre, so vom „kleinen" dem Monde, 
die O'^nyiW (Festtage) und nn« (kleinere, event. Sabbath^)- 
Termine) abhängen. Jedenfalls geht aus diesen beiden Stellen 
hervor, daß die D-^nyiw Kalenderfeste bedeuten, die durch den 
Gang der Himmelszeichen geregelt sind. Damit verträgt sich 
kein Wandern durch längere Zeiträume. Dagegen duldet der 
Begriff Anwendung auf Kalenderfeste von mehrtägiger Länge, 
wie denn in Ex. 23, 15 die ganze siebentägige Dauer des Hagg 
ham-Mazzoth ein nyto genannt wird : „Das Hagg ham-Mazzoth 
wirst du wahrnehmen, sieben Tage wirst du ungesäuerte 
Brote essen, wie ich dir befohlen habe, an dem nsr-m«) des 
Monats Abib," d. h. am 15. — 22. Tage. 

Wie das unter Umständen alle geistlichen Festtage um- 
fassende nsr-fD, so lassen sich auch alle spezielleren Festkate- 
gorien als solche erweisen, die ein Wandern im Jahreskreise 
von vornherein ausschließen. So die Neumondsfeste (o"'tt5"in): 
sie geben sich als mit Monatsanfai^ untrennbar verbunden. 
Ebenfalls sind die Sabbathe, von deren Verhältnis zu Jahr 
und Monat bald die Rede sein wird, stets auf bestimmte 
Tage festgelegt Endlich glaube ich zu den den Begriff des 
Wandems von vornherein verleugnenden Festen auch die 
Hagg zählen zu müssen. Nach der jetzt allgemein üblichen 
Erklärung wäre Hagg allerdings von Haus aus nur „religiöser 
Tanz" — „lauter Lust und Freude", wie Wellhausen sagt — 



i) Nach Ez. 20, 12 ist die Einrichtung der Sabbathe ein TIM. 
2) lischt KU übersetzen „Zur Zeit (des Monats A.)", wodurch die deut- 
liche Zeitangabe verwaschen wird. 



12 L Kapitel. 

abgeleitet von der Wurzel an „tanzen". Aber schon dieser 
WurzelbegrifT ist nicht richtig erfaßt; denn wenn im jüdisch- 
aramäischen an (wie hebr. ain) „Kreis ziehen" bedeutet, dann 
kann nicht „Tanzen", sondern nur „Kreis machen" ihr Ur- 
begriff gewesen sein. Weiter scheint mir das Verhältnis 
zwischen dem Nomen an und dem Verb an noch der Auf- 
klärung zu bedürfen. Im Syrischen erscheint das Nomen 
(heggä) als die primäre Bildung, das Verb (hag^ als die 
sekundäre; das erlaubt, auch Rir das Hebräische und andere 
semitische Sprachen eine nominale Urform hagg anzunehmen, 
die gelegentlich ein denominatives Verb hagg erzeugt hat. 
Mit einem solchen Nomen, das „Kreis" bedeutet haben wird, 
lassen sich ohne Zwang alle auf den Radikalen h-g aufgebauten 
Bildungen erklären, so arab. hagägu „die (runde) Augenhöhle, 
bezw. der sie bildende Knochen" und „aufgehende Sonne", 
arab. haggatu, higgatu „(rundes) Ohrläppchen", arab. *ahagg^ 
„rund(köpfig)", arab. higgatu „Jahr" (wohl = „Sonne"); äthiop., 
tigrn, tigre haggäj „trockene (von der Sonne beherrschte) 
Jahreszeit"; assyr. agö i. „Krone", 2. „Vollmond"; Saho. aga- 
git(-alza) „Vollmond". Gleich dem Assyrischen und dem 
Saho wird auch dem Hebräischen ein hagg zuzuschreiben 
sein, das „Vollmond" bedeutet, im Hinblick auf Is. 30, s» 
an-TÖnpnn b-^bD D^b rr^rr» T'ttän „Gesang werdet ihr anstimmen 
wie in der Nacht, da man den Vollmond heilig preist",^) 
sowie auch auf Is. 29, 1 ncp:*» o-^an naiö-bar n^ttJ ico «Fügt Jahr 
zu Jahr; laßt die Vollmonde kreisen". 

Vom Begriff „Vollmond" wird man zu „Vollmondfest" 
weitergegangen sein, wie von „Neumond" zu „Neumondsfest". 
Dann wäre als echtes Haggfest nur dasjenige zu nehmen, 
welches auf den 15. Tag des Monats fiele, wie es Psalm 81, 4 
zu beschreiben scheint mit den Worten: 

i3an orb noDi "iditö «Jnna lypn 
„Stoßt beim Neumonde in die Trompete, (und) beim Voll- 
monde während des Tages unseres Hagg 1" Dazu stimmt nun 
trefflich, daß das Hagg xar* tioxiiVf das Laubhüttenhagg, 
seinen Anfangs- und Haupttag am 15. Tage des 7. Monats 



i) Man denke an die in der Miscbna (Rosch Hasclischana, 2, 7) be- 
schriebene HcUigpreisung der Neumonddchel. 



Zur üblichen AnfTassung von Pfingsten. 13 

hat; femer daß das Hagg ham-Mazzoth am 15. des i. Monats 
beginnt, während das ihm um einen Tag vorhergehende 
Passahfest nicht IJagg genannt wird — ausgenommen in 
Ex. 34, 26. An dieser Stelle dürfte sich aber ein jüngerer 
Sprachgebrauch geltend machen, der die Eigentümlichkeit 
des Haggfestes nicht mehr in seinem Charakter als VoU- 
mondstag, sondern in einem vielleicht den Mondkreis illu- 
strierenden rituellen Tanze erblickte, für welchen die Sprache 
die denominative Ableitung hagag „im Tanzschritt gehen" 
besaß. Wie vielleicht auch das Wort Sabbath dazu bei- 
getragen hat, den Begriff des Hagg als Vollmondfest etwas 
beiseite zu schieben, wird sich bald ergeben. 

Das Schwanken bezüglich Passah, ob es als Hagg zu 
nehmen sei oder nicht, hat sein Gegenstück bei der Fixie- 
rung von Pfingsten. In Lev. 23 und Num. 28 fehlt jede 
Hindeutung, daß Pfingsten ein Hagg oder Vollmondfest 
sei; dagegen charakterisieren Deut. 16, Ex. 34 und 23 es 
durch das Wort Hagg. Soll damit gesagt sein, daß es auf 
den 15. eines Monats falle? Hiergegen spricht die gesamte 
Tradition des Judentums — abgesehen von der, die aus dem 
Buche der Jubiläen redet, wo *) das Emteopferfest, d. i. Pfingsten 
auf die Mitte des 3. Monats angesetzt ist; hiergegen kann 
man auch auf die Voten aller neueren Forscher hinweisen. 
Somit ist wahrscheinlich, daß Deuteronomium und Exodus 
einen jüngeren, Leviticus und Numeri einen älteren Ausdruck 
gebrauchen — ein Argument dafür, daß Wellhausens Theorie 
für die Anordnung der Pfingststellen wohl nicht stichhält Außer 
diesem kritischen Ergebnisse, das wir hier nur vorläufig kon- 
statieren, haben wir somit als Resultat erhalten: Pfingsten 
kann a priori nicht als wandelndes Fest angesehen werden. 

Hatte aber Pfingsten seinen festen Termin, wie alle 
anderen israelitischen Feste, so müßten der oder die Verfasser 
des Gesetzes ein förmliches Versteckspiel getrieben haben, 
wenn sie bei fünfmaligem Hinweis auf die Zeit, in welcher 
Pfingsten zu feiern sei, nicht einen einzigen festen Anhalte- 
punkt zu seiner genauen Datierung mitteilten. Aber es 
dürfte ein solcher tatsächlich vorhanden sein, und nur sein 



1) Z. B. Cap. 16, 13. 



14 L Kapitel. 

archaistisches Gepräge wird bewirkt haben, daß weder die 
Juden der letzten Jahrhunderte vor Christi Geburt noch die 
späteren Exegeten sich darin zurecht fanden. 

Lev. 23, 16 f. läßt sich über die Zeit des Pfingstfestes in 
den Worten aus: „Und ihr werdet lur euch abzählen vom 
Tage nach dem Sabbath — vom Tage, da ihr die 
Webegarbe darbrachtet — sieben Sabbathe, die voll- 
zählig sind; bis zum Tage nach dem siebenten Sabbath 
werdet ihr abzählen.'^ Diese Zeitberechnung zu erklären, hat 
bisher große Schwierigkeiten bereitet Den befremdenden 
Umstand, daß 7 Wochen als 50 Tage gerechnet zu sein 
scheinen, möchte man am liebsten dahin erklären, daß der 
Autor zu den 7 Wochen = 49 Tagen noch den ersten Tag 
der achten hinzugenommen habe: was mir wenig wahrschein- 
lich ist, da zwei Kapitel später — Lev. 25, 8 — siebenmal 
sieben Jahre als 49 und nicht als 50 Jahre gerechnet werden. 
Jeder Anstoß wird aber entfernt, wenn man Di"» D"'ttJ73n wieder- 
gibt durch die Übersetzung „den fünfzigsten Tag", der somit 
außerhalb der Reihe der gezählten Tage steht. Das Haupt- 
interesse konzentriert sich jedoch um den Begriff „Tag nach 
dem Sabbath", der den Anfangstermin der Festberechnung 
darstellt. Hier ist nun zunächst klar, daß dieser „Tag nach 
dem Sabbath" mit dem ebenso lautenden Ausdrucke von 
V. II gleichbedeutend ist, was auch sein Zusatz „Tag, da 
ihr die Webegarbe darbrachtet", bestätigt. Doch ist damit 
noch nicht viel gewonnen ; denn beidemal hängt der Ausdruck 
„Tag nach dem Sabbath" in der Luft oder ist wenigstens 
nicht mit dem gerade vorherrschenden festen Osterdatum 
deutlich verknüpft. Dennoch darf als sicher angenommen 
werden, daß der „Tag nach dem Sabbath" in die Osterzeit 
gefallen ist. Liegt doch diese jedenfcdls am Eingange der 
Ernteperiode — womit nicht zugegeben werden soll, daß 
Wellhausen recht habe, die Osterfeier von Gebräuchen bei 
der Ernte abzuleiten — ; der Beginn der Ernte aber ist nach 
Deuter. 16, » zugleich der Beginn der sieben gezählten Wochen, 
die Pfingsten einleiten. Somit glaubte man bisher nur mit 
zwei Möglichkeiten der Festlegung des „Tages vor dem 
Sabbath" rechnen zu können: entweder nahm man ihn als 
den Tag nach dem (ersten) Sabbath, der in die Ernte fiel 



Zur üblichen Auffassung von Pfingsten. 15 

— SO besonders Wellhausen — , oder als Tag nach dem 
Sabbath, der der Ernte vorherging.^) Beide Lösungen, die 
man als nur geraten bezeichnen muß, nehmen Pfingsten als 
ein wandelndes Fest; denn es gilt als unzulässig, das Osterfest, 
bezw. dessen ersten Tag mit einem bestimmten Sabbath* 
parallel laufen zu lassen. Wir sahen oben, daß Pfingsten 
unter keinen Umständen als bewegliches Fest zu gelten habe : 
wie wird man solches mit Lev. 23, 15 f. in Einklang bringen? 
Ich meine, durch Korrektur des Begriffes, den man hier 
üblicherweise mit dem Wort „Sabbath" verbindet. 

Die alttestamentliche Sabbathfrage ist in ein neues 
Stadium der Möglichkeit einer Lösung getreten, seitdem die 
Assyriologie dokumentarische Beweise dafür erbracht hat, 
daß die Babylonier den 15. des Monats als Schabattu in 
ihren Festlisten führten. Dabei ist zu vermuten — wenn 
auch nicht erwiesen — , daß jeder Monat seinen Schabattu 
hatte. Zimmern 2) hat sich ausgesprochen für die Annahme 
eines inneren Zusammenhangs zwischen dem Begriff Schabattu 
und dem Vollmondstagcharakter des 15. des babylonischen 
Monats; mangels einer sicheren Etymologie von Schabattu 
verzichtet er aber auf nähere Deutung. Eine solche scheint 
aber möglich mit Hilfe der im Babel-Bibel-Streite viel ge- 
hetzten babylonischen Gleichung „Schabattu = um nüch libbi. 
Daß dieser „Tag der Herzensruhe" nicht ohne weiteres als 
bürgerlicher Ruhetag zu charakterisieren sei, da der Begriff 
dieser Ruhe die Beziehung auf einen Gott zu verlangen 
scheine, war dabei z. B. von A. Jeremias stark hervorgehoben 
worden. Setzen wir „Herzensruhe" mit „Erholung" gleich, so 
ergibt sich als der Gott, der sich am Schabattu, d.h. am 15. des 
Monats erholen muß, kein anderer als der des Mondes; ist 
der Mond am Abend des 14. Monatstages voll geworden, so 
bedarf er des Ausruhens nach der Arbeit des Aufsteigens 
zu seinem Höhepunkt am Himmel. Falls nun der Schabattu 
für Babylonien als Festtag galt, so wird der Anlaß dazu wohl 
darin zu suchen sein, daß der Mensch, um den Mondgott zu 
ehren, dessen Ruhe auch für sich maßgebend sein ließ; ein 



i) Bertholet in s. Kommentare zu Leviticus. 
2) ZDMG. LVm (1904), S. 20I. 



16 I. Kapitel. 

solcher bürgerlicher Ruhetag könnte dann mit dem jüdischen 
Sabbathe wohl nach Wesen und Namen verglichen werden, 
aber noch nicht bezüglich seines Termins. 

Doch ist es keineswegs anzunehmen, daß in Israel der 
Wochensabbath die einzig bekannte und ursprünglichste Form 
des Ruhetages gewesen sei. Auch der fünfzehnte Tag des 
Monats hat für Israel einmal seine Bedeutung als ein mit 
Sabbathruhe verbundener Monatseinschnitt gehabt In den 
Proverbien (7, »0) lockt sich das ungetreue Eheweib einen 
Buhlen an mit dem Hinweise: „Erst am Vollmondstage 
kehrt er (d. h. der auf Handel ausgezogene Gatte) zu seinem 
Hause zurück",: woraus hervorgeht, daß in Israel einmal der 
fünfzehnte des Monats die bürgerliche Ruhe im Gefolge 
hatte. Das Gleiche ergibt sich aus Arnos 8, s, wo der un- 
geduldige Komwucherer fragt : „Wann geht der Neumondstag 
vorüber, daß wir Getreide verkaufen können, und wann der 
Sabbath, daß wir Korn steigern?" sowie auch aus der ver- 
wunderten Frage des Elisäus an das sunamitische Weib 
(2 Kg. 4, S2 f.), weshalb sie an einem Tage, da nicht Neumond 
noch Sabbath sei, seinen Rat einzuholen käme, d. h. sich 
eine Sonntagsbeschäftigung mache. Wenn nämlich von diesen 
beiden offenbar offiziellen Ruhetagen der eine, Neumond, mit 
den Phasen des Mondes zusanmienhing und deshalb an 
festen Monatsterminen gefeiert wurde, so kann der andere, 
Sabbath, kein vom Mondlaufe unabhängiger Wochensabbath 
gewesen sein, besonders da er als solcher oft genug mit dem 
Neumondsabbath zusammengefallen wäre. Israel kannte so- 
mit in älterer Zeit einen auf den 1 5. Tag des Monats fallenden 
Sabbath; genauer werden wir einen solchen dem Nordreiche 
für die Zeit um 800 v. Chr. zuschreiben müssen, daneben 
auch noch einen Quasisabbath, den Neumondstag, der wohl 
eine Weiterbildung des babylonischen Sabbaths auf israeli- 
tischem Boden ist, wobei sich die israelitische Idee von der 
Heiligkeit des Neumonds und die babylonische von dem 
Ruhebedürfnisse des Mondes bei seiner himmlischen Wande- 
rung entgegenkamen. 

Wir haben oben darauf hingewiesen, wie das israelitische 
Hagg von Haus aus der Vollmondstag oder ein auf einem 
solchen gefeiertes Fest sei; jetzt hat sich nun auch der 



Zur Üblichen Auffassung von Pfingsten. 17 

Sabbath als etwas ähnliches erwiesen, da sein Termin auf 
den 15. Monatstag fallt. Zwei Bezeichnungen für denselben 
Tag: das kann nicht ursprünglich sein; vielmehr wird man 
nur eine von ihnen altisraelitisch, die andere aber Lehnwort 
aus späterer Zeit sein lassen. Das Wort Hagg als von außen 
entlehnt zu nehmen, liegt nicht der geringste Grund vor, und 
sein erster Radikal h bürgt geradezu dafür, daß babylonisches 
agu „VoUmond" seiner Entwicklung fern gestanden habe. 
Dagegen ist es sehr verlockend, Schabattu als babylonisches 
Lehnwort zu nehmen. Mit seinem Eindringen in den kulti- 
schen Sprachschatz Israels könnte es recht wohl zusammen- 
hängen, daß das ältere Wort Hagg seine alte Beziehung 
auf den Vollmond einbüßte und im wesentlichen nur noch 
als „Festtag" gefühlt wurde, oder, weil man inzwischen schon 
von Hagg „Kreis" ein Verbum hägag gebildet hatte, welches 
speziell auch für einen S)mibolischen Reigen an Mondfesten 
gebraucht wurde, nunmehr zur Bedeutung „Fest mit religiösem 
Reigen" überging. 

Steht nun der Halbmonatssabbath am Anfange der Ent- 
wicklung des israelitischen Sabbathgedankens , so führt der 
Weg von ihm zum späteren Wochensabbath über mehrere 
Zwischenstationen. Ihre wichtigste sehe ich in der Einrich- 
tung des „kleinen Sabbaths", womit ich das Wort 7in5^ 
übersetze, gestützt auf bibl. iitts'»« „kleiner Mann", innnto „kleiner 
Mond" und die große Menge der im Neuhebräischen auf- 
tauchenden Deminutivbildungen auf -6n. Als „kleine Sabbathe" 
führt man die Bibel an: i. den i./VII., d. i. Neujahr (Lev. 
23,24), 2. den iS./Vn., d. i. der erste Tag von Laubhüttenfest 
(Lev. 23, 39), 3. den 22./Vn., d. i. der achte Tag von Laub- 
hüttenfest (Lev. 23, sd), 4. den vom Mondjahr abgelösten 
Wochensabbath (Ex. 16, ss). Hier wird zunächst ein Neumond- 
taig (i./VIL) als „kleiner Sabbath" geführt; das entspricht der 
Erscheinung, daß nach Amos 8, 5 und 2 Kg. 4, 22 f. im Nord- 
reiche die Neumondtage bezüglich der bürgerlichen Ruhe 
mit den Halbmonatsabbathen gleich rangierten, während sie 
ihrer religiösen Bedeutung nach kaum damit in gleicher Linie 
standen, d. h. nur als „kleine" Sabbathe galten. Als ein 
anderer „kleiner Sabbath" begegnet uns sodann der 23./VII.; 
daß es der achte Tag des Laubhüttenfestes war, dürfte dabei 

Grimme, Das israelitische Pfingstfest. 2 



18 I. Kapitel. 

weniger ausschlaggebend sein als vielmehr, daß er den Beginn 
des letzten Viertels des Monats markierte. Ließ man den 
Mond außer am 15. des Monats auch am ersten ruhen, so 
konnte man leicht dazu übergehen, ihn nach jeder seiner vier 
Phasen Station machen zu lassen, und konnte davon die Einrich- 
tung von vier auf jeden Monat fallenden Ruhetagen herleiten. So 
wird wohl der „kleine Sabbath" des 22./Vn. nur einen 
speziellen Fall des 1 u n a r e n Wochensabbaths darstellen, den wir 
ohne Zwang auch aus Ex. 16, 28 herauslesen können. Störend 
ist nun der Umstand, daß Lev. 23,39 auch den IS./VH. als 
„kleinen Sabbath" anführt, da man für diesen Tag in einer 
Quelle, die, wie gleich dargetan wird, noch den Halbmonats- 
sabbath kennt, letztere Bezeichnung erwartet. So mag man 
entweder annehmen, yirnxö sei hier Schreibfehler für nac, 
verschuldet durch Hinblick auf das gleich darauf folgende 
richtige Iin3tt3; oder aber der Autor von Leviticus konser- 
viere von der Einrichtung des älteren Halbmonatssabbaths 
nicht mehr den Geist, sondern nur eine Formel, den starfge- 
wordenen Ausdruck n:nört mtTOtt »Tag nach Halbmonatsabbath". 
Die Einrichtung „kleiner Sabbathe" hatte das bürger- 
liche Jahr mit einer größeren Zahl von Ruhetagen bereichert, 
die von den Hauptphasen des Monats abhingen und damit 
wohl auch den Gedanken an das Ruhen des Mondes fort- 
pflanzten. Der nächste Schritt in der Sabbathentwicklung 
führte nun dahin, den Mond ganz unbeachtet zu lassen und 
beim Sabbath alles Gewicht auf die Einhaltung der Ruhe 
oder auch des damit zusammenhängenden Verweilens im 
Hause (Ex. 16, 89) zu legen. Bedeutete vorher naiö „halb- 
monatliche Ruhe", so blaßte seine Bedeutung jetzt ab zu der 
von Ruhe schlechthin. Wenn eine solche Ruhe nun Be- 
gleitmoment einer kultischen Feier war, so bezeichnete man 
sie als iinauj n:auJ, d. i. „Ruhe (wie die) eines kleinen Sabbaths". 
Sie begleitete z. B. den Versöhnungstag, der auf den 10. des 
7. Monats fiel, also auf einen vom Mondlaufe unabhängigen 
Tag; sie findet sich in Ex. 31, is, 35, 2, Lev. 23, s als wesent- 
lichste Eigenschaft des Wochensabbaths und läßt uns deshalb 
vermuten, daß hier der gleichmäßig durch das Sonnenjahr 
rollende Sabbath gemeint sei; sie wurde endlich zur Parole 
für den wohl in Anlehnung an diesen Wochensabbath ent- 



Zur üblichen Auffassung von Pfingsten. 19 

standenen, jedes siebente Jahr eintretenden Jahressabbath 
(Lev. 25, 4) und bedeutete hier die Ruhe der Erde, die der 
Mensch zu respektieren habe. Erst aus der Vereinfachung 
des Ausdruckes iin^ttJ na«; dürfte dann n:iU5 als Bezeichnung 
für den gewöhnlichenWochensabbath entstanden sein : der Schluß 
der Entwicklungsreihe von Sabbath berührte sich wenigstens 
dem Namen nach wieder mit ihrem Beginn. Wann dieser 
Schlußpunkt erreicht wurde, ist wohl nicht genau auszumachen. 
Ezechiel (46, 1) stellt sechs Werktagen den Sabbathtage gegen- 
über, schließt diesem aber den Neumondtag in einer Weise 
an, als ob auch er mit Sabbath engere Verwandtschaft hätte. 
Eine solche würde sich aber am ehesten auf gemeinsame 
Abhängigkeit von den Mondphasen gründen. Auch wenn er 
(45, 17) zu einer Reihe, die den Gesamtnamen fi-^nyiW führt, 
zusammenfaßt: Hagg (= Vollmondsfest), Hodesch (= Neu- 
mondsfest) und Sabbath, so dürfte dieser Sabbath kaum 
anders als lunarer Natur sein und die beiden Halbmondtage 
des Monats (den 8. und 22.) bezeichnen, was das Gesetz mit 
seinem „Kleinsabbath" ausdrückt. 

Dieser kurze Überblick über die Geschichte des bibli- 
schen Sabbaths ließ als ältesten Sabbath Israels den auf den 
15. jedes Monats fallenden erkennen. Halten wir nun die 
Stellen Lev. 23, 16-22 und 9-14 für verhältnismäßig alt (wozu 
uns die oben gegebene Begriffsentwicklung von Hagg ein 
Recht zu geben schien), so können wir anstandslos die darin 
vorkommende Phrase nnttjn ninwa „Tag nach dem Sabbath" 
als Ausdruck für den 16. Tag des Monats nehmen, i) genauer 
für den 16. des ersten Monats, des historischen Termins für 
den Anfang der Ernte. Nun folgen allerdings der Erwäh- 
nung dieses alten Halbmonatsabbaths im gleichen Verse (V. 1 5) 
Sabbathe, die eine andere Erklärung verlangen. Es sollen 
abgezählt werden Sia'^'^Sin n^-^lDn mna^ y^Tö „sieben Sabbathe, 
die voll sind": diese sind aber überhaupt keine Sabbathtage, 
sondern Wochen, ausgedrückt durch einen altertümlichen Aus- 
druck „Voll sabbathe". Dieser setzt zwar voraus, daß zur Zeit 



i) Job. Mcinhold (Sabbath u. Woche im AT, S. 34, Anm. i), der 
energisch für die Annahme eines Halbmonatsabbaths in Altisrael eintritt, 
meint allerdings „der Versuchung widerstehen zu müssen, . . . Sabbath hier 
noch als Vollmondtag zu verstehn". 

2* 



20 I. Kapitel. 

der Halbmonatsabbathe schon Sabbathe nach kürzeren Werk- 
tagsfristen eintraten, erlaubt aber diese als pnn^ nao. an- 
zusetzen, dessen Pluralform vermutlich nicht innriti mnaiö 
oder D'»:nn3ti mnn;ö, sondern einfach mnnis lautete. Wenn 
unmittelbar nach der Erwähnui^ dieser sieben „Vollsabbathe" 
(V. i6) die Rede ist von ry^^'äi^ nsttJn mnTDW „Tag nach 
dem siebenten Sabbathe", so wird hier das Attribut „der 
siebente" bewirkt haben, daß ein weiteres irn^r „der volle" 
ausgelassen wurde. Eine Verwechslung mit dem Halbmonats- 
sabbath war bei diesem siebenten Sabbathe von vornherein 
ausgeschlossen. 

Wir kommen zum Resultate unserer Untersuchung des 
Datums von Pfingsten: Es ist von jeher der fünfzigste Tag 
nach dem i6. des ersten Monats, d. h. der 6. des dritten 
Monats gewesen. 

Nun erhebt sich die Frage : Wenn das israelitische Pfii^st- 
fest so gut wie alle anderen Feste, die Leviticus 23 aufführt, 
an ein bestimmtes Monatsdatum geknüpft ist, weshalb ge- 
schieht da seine Datierung auf eine ihm besondere Weise 
unter Ausschluß der direkten Nennung von Tag und Monat 
seiner Feier? Es wird durch Abzählen von sieben nach dem 
16./L fallenden Wochen bestimmt. Diese sehen nun ganz 
danach aus, als ob sie mehr seien als ein Objekt des Ab- 
zählens, und scheinen in einem inneren Zusammenhang mit 
dem Pfingstfeste zu stehen. Die Bibel läßt uns einigermaßen 
im Ungewissen über das, worin dieser besteht. Nach Lev. 23 
sind die Wochen einfach der Zeitraum, der Pfingsten vom 
Tage der Darbringung der Erstlingsgarbe trennt. Deut. 16 
legt uns nahe, sie als den Zeitraum der Kornernte zu nehmen; 
denn ihr Abzählen solle beginnen mit „dem Anhieb einer 
Sichel in die Saat", und an ihrem Ende steht ein Opfer von 
Gaben, die jeder nach dem Maße des ihm zu teil gewordenen 
Erntesegens darbringt. Hieraus könnte man den Schluß 
ziehen, die sieben Wochen bildeten mit dem Pfingsttage eine 
Zeiteinheit, weil sie als Zeit der Kornernte die Steuer lieferten, 
die das Pfingstopfer erheischte. Dann könnte Wellhausen 
Pfingsten mit Recht als Erntedankfest bezeichnet haben. 

Aber wie erklärt man dann, daß für Mazzoth und Sukkoth, 
die beiden anderen Feiern, denen man Erntefestcharakter 



Zur üblichen AufTassung von Pfingsten. 21 

beilegen möchte, eine Zeit der Vorbereitui^ oder des Hin- 
weises, wie es die 49 Tage vor Pfingsten sind, nicht existiert? 
Daß besonders Sukkoth, nach Wellhausen das Fest der Spät- 
emte, ein Fest, das in Deut 16, 9 ff. sichtlich als das Gegen- 
stück zu Pfingsten ausgemalt wird, ein im Grunde ver- 
schiedenes Zeremoniell aufweist und sich auch durch seine 
Dauer weit über das an einem Tage zu Ende gehende 
Pfingstfest erhebt? 

Läßt man die sieben gezählten Wochen nichts anderes 
sein als den Zeitraum der Ernte, so bleibt endlich völlig un- 
erklärt, was das talmudische Judentum mit ihnen an Gebräuchen 
verbindet Hier erscheinen sie als eine geschlossene Zeit, 
als die „Sephlra-Trauer", worin bis zum 33. Tage Lustbar- 
keiten, wie Heiratsfeste und Tanz, verboten sind, auch das 
Haar nicht geschnitten werden darf; der 33. Tag zeigt Fest- 
tagscharakter zumal für die Schuljugend; die noch übrige Zeit 
steht dann wieder unter dem Gesetze der Enthaltung von 
Lustbarkeiten, doch in weniger strenger Weise wie vor dem 
33. Tage. Was es mit dieser Auffassung der 49 Tage vor 
Pfingsten auf sich hat, vermag die talmudische Tradition nicht 
zu erklären. Der Hinweis, daß zwischen Ostern und Pfingsten 
eine Seuche die Reihen der 24000 Schüler des Rabbi Aqiba 
gelichtet habe, oder auch der auf die Hinrichtung der 10 Tan- 
naiten-Märtyrer — Ansichten, gegen welche schon die karaitische 
Lehre protestiert — kann unmöglich genügen, um das Vor- 
handensein einer neunundvierzigtägigen geschlossenen Zeit im 
Ritus sachlich zu begründen. Versagt aber die historische 
Erklärung, so wird man dahin gedrängt, an eine alte Tradi- 
tion bezüglich des Verhaltens der Gemeinde in den sieben 
gezählten Wochen zu appellieren. Eine solche kann aber 
nicht in der Auffassung wurzeln, als sei die Pentekoste im 
wesentlichen nichts als die Erntezeit; denn nirgendwo schwebt 
wohl über der Erntezeit eine düstere Stimmung und speziell 
in Israel war der Emtejubel recht sehr zu Hause, wie man 
unter anderem auch aus dem heiteren Charakter von Laub- 
hüttenfest schließen mag. 

Es bleibt somit vorläufig ganz ui^elöst, was die sieben 
gezählten Wochen fiir sich selbst wi,e auch für das Pfingstfest 
bedeuten. Da nun von ihnen aus Pfingsten datiert ist, mithin 



22 I. Kapitel. 

von ihnen gewissermaßen abhängt, so steigt hier zum ersten 
Male in uns eine Ahnung auf, als ob alle bisherigen Er- 
klärungen des Pfingstfestes nicht den Kern seines Wesens 
träfen. Diese Zweifel mehren sich, wenn man den Zeremonien, 
die das biblische Pfingstfest umgehen, etwas auf den Grrund 
geht Läßt man sie aus einer gewissen Entfemui^ auf sich 
wirken, so könnte man sie für eine Bestätigung der Ansicht 
vom pfingstlichen Erntefestcharakter halten. Unter den Opfern, 
die der Pfingstritus enthält, erwähnen Lev. 23 und Num. 28 
an erster Stelle ein „neues" d. h. aus neuem Getreide be- 
stehendes Speisopfer. Lev. 23 schärft seine Darbringung als 
Pflicht ein, während Num. 28 nur die Tatsache des Opfers 
erwähnt, vielleicht also darin nur einen Brauch erblickt. Auch 
Deut. 16 betont dieses Opfer und legt ihm Pflichtcharakter 
bei, jedoch nicht in bezug auf sein Maß; dieses soll im Be- 
lieben des Einzelnen stehen, nämlich abhängen von dem, 
was jeder im Hinblick auf seinen Erntesegen Jahwe schuldig 
zu sein glaubt. Für Lev. 23 gibt es aber diese Freiheit nicht ; 
hier besteht die Pfingstabgabe , die vermutlich jeder, der 
eine „Behausung" hat, zu Jahwe bringen soll, aus zwei Broten, 
gebacken aus je zwei Zehnteln Epha Feinmehl unter Zusatz 
von Sauerteig. Soweit stimmt alles zur Hypothese von 
Pfingsten als Erntefest. Aber nun verlangt Lev. 23 auch noch 
— und zwar vermutlich wieder von jedem Hausvater — dieDar- 
bringung von zwei einjährigen Lämmern als „Heilsopfer", die 
der Idee nach Jahwe, tatsächlich aber den Priestern zufallen 
sollen. Diesen wichtigen Zug lassen Num. 28 und Deut. 16 
ganz aus; denn wenn an letzterer Stelle auch von der Vor- 
schrift „sich vor Jahwe zu freuen" geredet wird, was nach 
der üblichen Annahme auf einen Opferschmaus geht, so hat 
der Autor jedenfalls nicht die Lammopfer von Lev. 23 vor 
Augen, da diese den Priestern als Eigentum zugesprochen 
werden. 

Was das Lammopfer mit einem Erntefeste zu tun hat, 
ist schwer zu sagen. Dasselbe gilt von den Brandopfern, die 
Lev. 23 und Num. 28 für die Pfingstfeier vorschreiben, Deut. 16 
aber unerwähnt läßt. Nach Lev. 23 bestehen sie aus 7 fehl- 
losen einjährigen Lämmern, einem Stier und zwei Widdern, 
dazu einem Ziegenbock als Sündopfer; nach Num. 28 aber 



Zur üblichen Auffassung von Pfingsten. 23 

aus 7 einjährigen Lämmern, zwei Stieren und einem Widder, 
endlich dem Ziegenbocke. Man neigt dazu, die Abweichung, 
die Lev. 23 gegenüber Num. 28 zeigt, auf inkorrekte Be- 
nutzung der Angabe von Num. 28 seitens Lev. 23 zu schieben. 
Wir geben ohne weiteres zu, daß die Aufzählung der Fest- 
brandopfer im Texte von Lev. 23 nicht ursprünglich ist; denn 
es wird uns zugemutet anzunehmen, daß entweder jeder 
israelitische Hausvater die ganze Zahl der erwähnten Brand- 
opfer darbringen mußte, oder aber, daß die zwei Lämmer, 
die doch wohl mit den zwei Broten parallel gehen, nur ein- 
mal, für die ganze Gemeinde, zu geben wären — was beides 
unwahrscheinlich klingt. Aber eine nachträgliche, ungeschickte 
Einfügung der Festbrandopfer in den Text von Lev. 23 kann 
stattgefunden haben, ohne daß dabei bei Num. 28 eine An- 
leihe gemacht worden wäre. Num. 28 kennt für alle israeli- 
tischen Feste nur einen Normalopfersatz: die 7 Lämmer, 
2 Stiere und i Widder kehren bei ihm ständig wieder, außer 
an den sieben ersten Tagen vom Laubhüttenfest, die zahl- 
reichere Opfer mit sich bringen, von dem höheren Satze aber 
langsam bis zu dem am achten Tage eintretenden Normal- 
opfer herabsteigen. Vielleicht daß das Normalopfer von Num. 28 
etwas Altes bedeutet ; doch kann man es mit gleichem Rechte 
auch als das Produkt der Uniformierung von ursprünglich 
verschiedenen Opfern bezeichnen, also für jung ansehen. Mir 
scheint das Letztere sogar das Näherliegende zu sein, und 
zwar im Hinblick auf die Zusammensetzung des Festbrand- 
opfers bei Lev. 23. Sollen wir den Ergänzer von Lev. 23 fiir 
so unwissend halten, daß er sich im Normalopfersatze geirrt 
hätte, falls ein solcher existierte? Nehmen wir daher zunächst 
sowohl die Zahlen von Lev. 23 wie die von Num. 28 für 
echt und zwar in dem Sinne, daß darin der Opferbrauch von 
zwei verschiedenen Zeiten vorliege. Dann wird die Angabe 
von Lev. 23 uns in die ältere Zeit versetzen, in welcher ver- 
mutlich jedes Fest noch seine besondere Opferzusammen- 
stellung hatte, Num. 28 aber in eine jüngere, die ein Normal- 
festopfer durchführte. 

Was Zahl und Qualität der fiir Pfingsten vorgeschriebenen 
Festopfer bedeuten, vermag bis jetzt niemand zu sagen; man 
nimmt sie als Data, die keiner Erläuterung bedürfen. Aber 



24 I. Kapitel. 

Selbstverständliches gibt es in alten Kulten ebenso wenig 
wie Unverständiges; dagegen sehr vieles, wofür unser Blick 
noch nicht geschärft ist. Zählen wir dazu vorderhand auch 
die Festopfer des Pfingsttages und gestehen wir, daß zwischen 
ihnen und dem Wesen eines Erntefestes kein erkennbarer 
Zusammenhang existiert 

Endlich gehört zum Zeremoniell des Pfingstfestes noch 
die Einrichtung, die den Namen Tönp «*ipw trägt; wieder sind 
es nur Lev. 23 und Num. 28, die sie erwähnen, während 
Deut 16 von ihr schweigt. Das Wesen von xDip «"ipta ist 
noch nicht erklärt; seiner Wiedergabe durch „Festversamm- 
lung am Heiligtume" oder „heilige Festversammlung", womit 
man sich gewöhnlich behilft, stehen starke granmiatische Be- 
denken entgegen. Nun glaubt man bisher die Eigenart des 
Pfingstfestes auch ohne weitere Erklärung des «np «np% 
oder gar unter Absehung von einer solchen feststellen zu 
können, besonders weil Lev. 23 und Num. 28 bei allen 
größeren Jahresfesten — Passah ausgenommen — ein- oder 
zweimal xoip Kipta anmerken. Aber das ®Tp Kipw von 
Pfingsten dürfte doch ganz besonderer Aufmerksamkeit wert 
sein, weil ttjnp «*ipw nach Lev. 23, se ein Synonymon hat, 
nämlich niaty, und dieses Wort bald nach dem Ausgange der 
biblischen Zeit nach Ausweis der Mischna und des Josephus 
die üblichste Bezeichnung für Pfingsten geworden ist Keine 
gründliche Untersuchung über das Pfingstfest wird daher 
unterlassen dürfen, sich eingehend mit dem Begriff von N*ip73 
lönp abzugeben. Unsere Ansicht darüber wird im letzten 
Kapitel vorgetragen werden; hier sei wiederum nur auf die 
Blöße hingewiesen, die sich die Erklärung von Pfingsten 
als Erntefest gibt, wenn sie das xo^p NnpTD dieses Festtages 
ununtersucht läßt. 

Die Betrachtung von Zeit und Zeremoniell des Pfingst- 
festes stellte uns vor zahlreiche Rätsel; das größte liegt im 
Namen, unter welchem es uns in der Bibel entgegentritt. 
Lev. 23 führt die großen Feste sämtlich mit Namen an; für 
Pfingsten aber erwähnt es keinen. Das holt anscheinend 
Num. 28, 26 nach; denn nach der üblichen Übersetzung besagt 
dieser Vers: „Und am Tage der Frühopfergaben, wenn ihr Jahwe 
ein Speisopfer von neuem Getreide darbringt, an euerm 



Zur Üblichen Auffassung von Pfingsten. 25 

Wochenfeste (oD'^nyattJa), wird euch önp Knpw sein." Diese 

Übersetzung ist unmöglich. Falls nvn© (SchabuSöth) als 

Festname zulässig wäre, so wäre so gut wie ausgeschlossen, 

daß es ein Personalsuffix annehmen könnte, da keiner der 

deutlich erkennbaren biblischen Festnamen noD, matwrt an, 

niDon in, ö'^*iBDn üt^ je mit Suffix auftritt. Aber my^ittj ist so 

wenig ein Festname wie die Worte matw oder mDO, wenn 

sie außerhalb der Verbindung mit Hagg „Fest" vorkommen; 

erst die Verbindung mit an macht sie dazu. So tritt es auf 

in Ex. 34, 22 (m^a^ an), Deut. 16, 10 (my^Tö an), Deut 16, le 

(myrjffin an) und II Chr. 8, is (ma^aün an). An allen diesen 

Stellen übersetzt man anstandslos „Wochenfest" und versteht 

darunter die „sieben Wochen" (Deut 16,9 n^a^ na^attj), die 

ihm vorhergehen. Wellhausen (Prol.® 82) nimmt sogar als 

Gewährsmann für die Richtigkeit von „Wochenfest" den Pro- 

pheten Jeremias, wo dieser nach üblicher Übersetzung sagt (5,24): 

„Und nicht sprechen sie in ihrem Herzen: Laßt uns 

Jahwe, unseren Gott fürchten, ihn, der den Regen gibt, 

den frühen und späten zu seinerzeit, die Wochen, die 

festen Ordnungen der Ernte, für uns hütet (na^ao inya 

lab-^Wtt;'^ 'T^atp mpn)." 

Mir scheint es sehr bedenklich, dem Propheten die 
Wortverbindung „Wochen . . hüten" zuzutrauen ; daß andere 
dasselbe Gefühl haben, beweist der ehedem von Movers ge- 
machte und nachher von vielen akzeptierte Vorschlag, nyy6 als 
Dittographie des vorhergehenden nn^a «3 zu nehmen und ganz 
zu streichen. 

Wir sehen, schon dieser eine Fall, wo die Bibel r\yyi^ 
außerhalb der Phrase ma^iTö an gebraucht, macht den Exe- 
geten Kopfzerbrechen ; ihre Verlegenheit wiederholt sich aber 
bei allen Stellen — außer Deut 16,9 — wo im Texte 
my^iTö überliefert ist, nämlich Habaq. 3,9, Ez. 21,28, 45,21, 
endlich für zahlreiche Erklärer auch bei Num. 28, 26. Man 
zweifelt in all diesen Fällen die Echtheit der Lesung an, in- 
dem man sich besonders darauf beruft, die alten Über- 
setzungen wären auch nicht imstande gewesen, sie vernünftig 
wiederzugeben. Als ob der Bibeltext nicht Altertümer genug 
bärge, aus denen der stumpf gewordene Sinn der Spätlinge 
nichts Rechtes mehr erkennen konnte! Aber trotz allem, 



26 I. Kapitel. 

was gegen my:«ö im Sinne von „Wochen" einzuwenden wäre, 
kann doch nicht gezweifelt werden, daß es an einer Stelle, 
Deut. i6, 9, tatsächlich nichts anderes bedeutet als „Wochen"; 
denn hier variiert das Wort ersichtlich den von Lev. 23, is 
gebrauchten Ausdruck ns'^'^nn rfn^iDT) mn:itt3 „Vollsabbathe = 
Wochen". Doch stellt sich alsbald ein Bedenken granima- 
tischer Art ein : als Plural von yi^'^ „Woche" findet sich sonst 
nur O'^yrjti, also eine Form mit maskuliner Endung. Das 
berechtigt zwar noch nicht zur Annahme, die Form sei nicht 
ebenso richtig; aber es könnte sich dabei um eine Neuerung 
handeln, die der Deuteronomist versuchte in der Absicht, das 
in der Verbindung m^a^ in unverständlich oder gar an- 
stößig gewordene myn;ö begrifflich neu zu fassen. Wie dem 
auch sei, für Deuteronomium ist Pfingsten das Fest „der 
Wochen", in denen wir wohl die sieben dem Feste vorher- 
gehenden Wochen zu erkennen haben. Würde ein solcher 
Name aber dem Wesen des Festes entsprechend sein? Zur 
Not wäre es ein „Fest der Wochen", wenn es noch in diese 
fiele ; das ist nicht der Fall : es wird nach Ablauf der Wochen 
gefeiert. Aber läßt denn nicht der Name, unter welchem 
Pfingsten in Ex. 23,16 vorkommt. Fest „der Kornernte" 
(T^atp) für das Wesen des Festes die vorhergegangene Zeit 
maßgebend sein? Wahrscheinlich nicht; denn so gut das 
Fest „der Lese" (Laubhüttenfest) ein Tag ist, der innerhalb 
der Lesezeit liegt, kann das „Fest der Kornernte" ein solcher 
sein, der in die Kornemtezeit fällt. Es ist nicht zu er- 
weisen, daß nach Pfingsttag alle Erntearbeiten zu Ende 
waren, oder daß die „sieben Wochen" mit der Erntezeit ganz 
gleichbedeutend seien. 

Ob darum der Deuteronomist Pfingsten als das „Fest der 
Wochen" nahm und infolgedessen alle alten und neuen Bibel- 
übersetzer myniL ruhig mit „Wochen" übersetzt haben, wir 
betrachten dieses Wort als ein rätselhaftes und als ein neues 
Hindernis für die Annahme, Pfingsten sei durch den Begriff 
Erntefest hinreichend erklärt. 

Wir sind bis jetzt den Weg derjenigen gegangen, die 
die Meinung vertreten, das Pfingstfest mit all seinen Bräuchen 
und Begriffen lasse sich vom israelitisch-kanaanitischen Milieu 
aus genügend verstehen. Wo andere ebene Straße sahen, 



Die Siebengötter acaflerhalb der biblischen Welt 27 

fanden wir vielfach unwegsames Gebiet Darum müssen wir 
versuchen, auf anderen Wegen zu einem Ziele zu kommen. 
In der Einleitung wiesen wir auf den geistigen Verkehr hin, 
in welchem alle vorderorientalischen Völker zu einander 
standen, und auf die Herde der Kultur, aus deren Feuer die 
meisten der giltig gewordenen Ideen emporstiegen. Nutzen 
wir diese Anschauung für die Erklärung des israelitischen 
Pfingstfestes aus! 

Wir greifen zunächst auf das Wort nvü® zurück. Sicher 
steckt in ihm die Wurzel y^iü „Sieben" und ist seine Grund- 
bedeutung „Siebenfaches" oder „die Siebenfachen". 
Die Bezugnahme auf die Siebenzahl im Kultus war nirgendwo 
mehr verbreitet als in Babylon. Die älteste für uns nachweisbare 
Siebenerkombination war hier die Siebengottheit Der 
kühn sein will, mag in ihr sogar den Ausgangspunkt der 
heiUgen Siebenzahl sehen. Sollte die babylonische Sieben- 
zahl und speziell die Siebengottheit vielleicht den Schlüssel 
abgeben, mit dem sich uns das wahre Wesen des Pfingst- 
festes erschließt? 



IL 

Die Siebengötter 
außerhalb der biblischen Welt 

Ein babylonischer Mythus, der in einen Rezitationstext des 
i6. Teiles der Beschwörungsserie Utukki limnöti „Böse Geister" 
eingeschoben ist,^) lautet folgendermaßen: 

„Die losbrechenden Stürme, die bösen Götter sind sie, 
Die schonungslosen Dämonen, die auf dem Damme des 

Himmels erzeugten, sind sie. 
Die Erreger des Unheils sind sie. 



i) Text bei IV Rawl. 5a, Transskr. u. Übers, bei Fossey, La Magie 
assyrienne, S. 232 — 243, Thompson, The devils and evil spirits of Bab. I, 88 flf. 



28 II. Kapitel. 

Die, ihr schlimmes Haupt erhebend (?), täglich auf Böses ^ 

die Schlinge p) zu werfen .... [trachten]. 

Von den Sieben ist der erste der Südwind 

Der zweite ist ein Drache mit offenem Rachen : Niemand 

Der dritte ist ein grimmiger Panther .... 

Der vierte eine schreckliche Schlange, 

Der fünfte ein wütender Abbu, vor dem es keinen Rückhalt 

gibt, 

Der sechste ist ein Wirbelwind (?), der gegen Gott und König . . . 
Der siebente ist ein Orkan, ein arger Sturm, der in ... . 
Die Sieben (sibitti) sind sie, die Boten von Anu, ihrem Könige; 
Von Ort zu Ort tragen sie Finsternis. 
Die Unheilswolke, die am Himmel ungestüm daherjagt, 

sind sie. 
Das dichte Gewölk, das am Himmel Finsternis verursacht, 

sind sie; 
Der Stoß der hervorbrechenden Winde, die am heiteren Tage 

Düster verursachen, sind sie. 
Mit dem Unwetter, dem bösen Winde, toben sie einher; 
Der Wetterguß Rammans (Adads), starke Verwüstung sind sie. 
Zur Rechten Rammans (Adads) gehen sie daher; 
Am Grunde des Himmels zucken (?) sie wie Blitze, 
Die Schlinge (?) zu werfen, rücken sie voran. 
Am weiten Himmel, dem Sitze von Anu, dem Könige, stehen 

sie feindlich, und keiner ist, der ihnen gewachsen wäre. 

Als Bei diese Kunde vernahm, führte er das [göttliche] 
Wort an sein Herz, 
Mit Ea, dem hehren massü der Götter, pflog er Rat. 
Sin, Schamasch und Ischtar setzten sie zur Verwaltung des 

Dammes des Himmels ein. 
Bei Anu teilte er [Bei] ihnen die Herrschaft über den Bereich 

des Himmels zu, 
Ihnen Dreien, seinen göttlichen Kindern: 
Tag und Nacht ohne Unterlaß sollten sie dort Dienst ver- 
richten. 

Als nun die Sieben, die bösen Götter, auf dem Damme 
des Himmels dahinzogen. 
Legten sie sich gewaltsam vor den Lichtbringer Sin; 



Die Siebengötter außerhalb der biblischen Welt. 29 

Sie machten den Helden Schamasch und Ramman (Adad), 

den Starken, sich zu Bundesgenossen. 
Ischtar aber hatte bei Anu, dem Könige, einen herrlichen 

Sitz eingenommen und strebte nach der Herrschaft des 

Himmels. 

[Fehlen ungefähr 4 Verse.] 

Als nun die Sieben 

Zu Beginn des Jahresanfangs gegen Böses 

Für immer sein reiner Mund 

Sin . . . das Menschengeschlecht das Gebiet (?) des 

Landes 

Das kam in Unordnung und versank in Leid. 

[Nacht und] Tag war er (der Mond) finster und saß nicht 

auf seinem Herrschersitze. 
Die bösen Götter, sie, die Boten von Anu, dem Könige, 
Die, ihr schlimmes Haupt erhebend (?), erzittern machen . . ., 
Sie, die Böses verrichten: 
Aus dem Himmel heraus stürzten sie sich wie der Wind 

gegen das Land. 

Bei — des Helden Sin Verfinsterung 
Am Himmel sah er, 

Und der Herr spricht zu seinem Boten (sukkallu) Nusku: 
„Nusku, mein Bote, bringe mein Wort zur Meerestiefe; 
Die Kunde von meinem Sohne Sin, wie er am Himmel elend 

verfinstert ist. 
Melde sie Ea in der Meerestiefe!" 

Nusku nahm mit Ehrfurcht das Wort seines Herrn ent- 
gegen 
Und ging als Eilbote zu Ea in die Meerestiefe; 
An den Fürsten, den hehren massO, den Herrn Nudimmud (Ea) 
Berichtete Nusku alsbald das Wort seines Herrn. 

Ea vernahm in der Meerestiefe dieses Wort, 
Biß sich in die Lippe und mit Klage füllte sich sein Mund. 
Ea sprach zu seinem Sohne Marduk und ließ ihn auf das 

Wort achten: 
„Geh, mein Sohn Marduk 1 
Das Fürstenkind, der Erleuchter Sin, der am Himmel elend 

verfinstert ist, — 
Laß, was finster an ihm (gemacht, neu) am Hinunel strahlen 1 



30 U. Kapitel 

Die Sieben: böse Götter, furchtlose Mordgesellen sind sie. 
Die Sieben: böse Götter, die wie ein Wolkenbruch heran- 
ziehen und das Land heimsuchen, sind sie; 
Sie, die gegen das Land wie ein Südwind heranziehen: 
Vor den Lichtbringer Sin haben sie sich gewaltsam ge- 
legt, 
Den Helden Schamasch und Ramman (Adad), den Starken, 
haben sie sich zu Bundesgenossen gemacht. 

Dieser Mythus, so fragmentarisch er auch überliefert ist, 
gehört zu dem Wichtigsten, was uns aus der religiösen Lite- 
ratur Altbabyloniens erhalten ist. Nicht die Phantasie hat 
ihn erfunden, sondern das zu den Gestirnen erhobene Auge 
der Vorzeit hat ihn geschaut. Das haben mehr oder weniger 
alle diejenigen herausgefühlt, die sich mit seiner Erklärung ab- 
gegeben haben. Auch an welche astronomischen Erschei- 
nungen er anknüpft, ist langsam klar geworden, nachdem 
Lenormant^) darin die Befreiung des Mondes aus einer Ver- 
finsterung zu erkennen geglaubt, P. Jensen 2) weiter feststellte, 
daß es sich dabei nicht um eine Mondfinsternis, sondern um 
die Verdunklung des Mondes zur Neumondzeit handele, end- 
lich H. Winckler *) die Entscheidung fällte , der verdunkelte 
Mond sei der des letzten (Mond-)Monats vor Frühlingsanfang 
und seine Bedränger, die „Sieben", seien die sieben Sterne 
der Plejadengruppe. In der Ausführung dieser Idee kam er auch 
dazu, die meisten der in Nebenrollen auftretenden Götter- 
persönlichkeiten astronomisch zu verstehen. Nur für das 
Wesen des eigentlichen Helden des M5^hus, des Helden, 
der allerdings gleich bei seinem Eintreten in die Aktion in- 
folge der fragmentarischen Erhaltung des M5^hus unseren 
Augen entschwindet, scheint die richtige Erklärung noch nicht 
gefunden zu sein. Dieses besonders läßt es wünschenswert 
erscheinen, die einzelnen Elemente und Beziehungen des 
Mythus hier noch einmal kurz durchzunehmen. 

Sieben Dämonen, auch böse Gottheiten genannt, Wesen 



i) Gazette ArcWologique IV (1878), S. 20 — 35. 

2) Kosmologie der Babylonier, S. 39. 

3) Altorientalische Forschungen III, Bd» I, S, 58 — 64. 



Die Siebengötter außerhalb der biblischen Welt. 31 

von schreckhaftem Äußeren und verderbenbringender Tätigkeit 
sind zu Ende des Jahres am Himmel des Anu aufgetreten und 
treiben sich auf dem D.mme des Himmels umher, indem sie 
von hier aus im Bunde mit dem Gewittergott Sturmgewölk, 
Regendunkel und Gewitterschauer auf die Erde herabsenden : 
Wie der Himmel Anus der Nordhimmel, der Damm des 
Himmels die Ekliptik ist, so sind die „Sieben" das dem Nord- 
himmel angehörige Ekliptikalgestim der Plejaden. Eine spät- 
assyrische Monatstabelle^) bezeichnet sie als die Patrone des letzten 
Monats des bis annähernd zum Frühlingsäquinoktium reichenden 
Jahres: so können sie als Regenten des Winters und Urheber 
aller ihn begleitenden Unbilde auftreten. Zu Bundesgenossen 
Rammans, des Gewittergottes, eignen sie sich aber deshalb, weil 
ihr Monat auf den dem Ramman zugehörigen elften folgt, in 
welchem der Winter seinen Anfang nimmt. 

Um dem Treiben der Sieben zu wehren, macht Bei nach 
Rücksprache mit Ea seine Kinder Mond, Sonne und Ischtar 
zu Aufsehern über den Himmelsdamm. Die Sieben bringen 
aber Störung in diese neue Ordnung; denn sie treiben den 
Mond in die Enge, gewinnen zu ihrem Bundesgenossen Ramman 
auch noch den Sonnengott, währendes Ischtar höher zum 
Nordhimmel steigt und sich in der Rolle einer Königin des 
Himmels fühlt. — Bei ergreift Maßregeln gegen die Winter- 
dämone, weil er der Herr ihres Sitzes, der Ekliptik, ist; da 
diese aber auch den Südhimmel berührt, so berät er sich mit 
Ea, dem Herrn der Tiefe des Himmels wie der Tiefe über- 
haupt. Die von der Ekliptik aufsteigenden Himmelskörper 
Mond, Sonne und Venus verlieren ihren Zusammenhang. Der 
Mond nimmt, weil es dem Ende des Monats zugeht, immer 
mehr ab — scheinbar unter dem Einflüsse der Regenten des 
letzten Monats; Venus fühlt sich als Himmelskönigin, weil sie 
um so leuchtender erscheint, je mehr der Mond an Licht ver- 
liert Wenn endlich die Sonne gleich Ramman sich mit den 
Sieben verbündet, so möchte ich vermuten, daß hier eine — 
allerdings literarisch nicht überlieferte — Beziehung hineinspielt, 
die die Sonne als Patron des auf den Plejadenmond folgenden 
Monats nimmt; die Schuld am Verdunkeltsein des Mondes, 



i) H. Winckler, Altorientalische Forschungen II, Bd. 2, S. 368. 



32 II. Kapitel. 

das noch zu Anfang des ersten Monats anhält, fiele dann 
auch noch etwas auf dessen Patron. Keinesfalls wird die 
Parteinahme der Sonne fiir die Plejaden, wie H. Windder meint, 
darin ihren Grund haben, daß die Sonne es ist, die die Phasen 
des Mondes bewirkt. Hätten die Babylonier davon auch nur 
eine leise Ahnung gehabt, so hätte nie ein Kult aufkommen 
und blühen können, welcher, wie z. B. in Harran, die Ober- 
stellung des Mondes über der Sonne betonte. 

Wie die Macht der Sieben noch zu Beginn des neuen 
Jahres nicht zu Ende geht und der Mond in ihrer Haft bleibt, 
schickt Bei seinen Boten Nusku an Ea. Diesen jammert das 
Los des Mondes; er beauftragt daher seinen Sohn Marduk 
sich aufzumachen und dem Mondgott wieder zu Glanz zu ver« 
helfen. In der Ekliptik fehlt es an Kräften, die den Sieben 
steuern und dem Monde helfen könnten ; die Hilfe muß aus der 
Tiefe kommen. Bei schickt Nusku, einen Gott des Feuers, in die 
Tiefe des Südhimmels ; wer darunter zu verstehen ist^ ob etwa 
ein Meteor, bleibt unklar; anscheinend ist damit aber auf ein 
schnell vorüberziehendes Himmelsphänomen angespielt. Der 
Südhimmel schickt die gewünschte Hilfe in der Person von 
Eas Sohn Marduk. Wer ist dieser Marduk? Man sieht in 
ihm entweder die Frühlingssonne, die Sturm und Winterkälte 
vertreibt, oder aber das Licht schlechthin. Aber diese Begriffe 
sind gewonnen im Hinblick auf das Wesen des Marduk, Gottes 
von Babel, während doch unser Marduk, Eas Sohn, in Eridu, 
dem südlichsten Stadtzentrum Babyloniens, seine Heimat und 
Kultstätte hatte. Als solcher wird er nicht die Sonne dar- 
stellen, weil diese nach dem Mythus sich unter den Gegnern 
des Mondes befand , und weil wie die Befreiung des Mondes, 
der Kernpunkt des Mythus, so auch sein Befreier vom Hinter- 
grunde des Nachthimmels nicht zu trennen ist. Ich wage 
daher den Vorschlag, als Helden des Mythus der Sieben den 
Orion zu nehmen. Ich muß mich jetzt noch auf die bloße 
Behauptung beschränken. Da der Mythus nach der Berufui^ 
Marduks zum Rettungswerke unvermittelt abbricht und von 
dem darauf folgenden Kampfe zwischen ihm und den Sieben 
nichts mehr verrät, so bietet er kein Material zur näheren 
Veigleichung zwischen Marduk und Orion. Später an die 
Reihe kommende Ausftihrungen über die Darstellung Marduks, 



Die Siebengötter außerhalb der biblischen Welt. 33 

als Besiegers der „Sieben" in der babylonischen Kunst, der Ver- 
lauf des Kampfes, wie er sich aus dem Zeremoniell später zu 
besprechender Feste ergibt, endlich die Möglichkeit, Namen und 
Hauptzüge des Orions der griechischen Mythologie aus denen 
unseres Marduk zu verstehen, sie mögen das entscheidende 
Wort über den Wert unserer Hypothese reden. 

Der Mythus von den „Sieben" hat den Wert einer astro- 
nomischen Urkunde ; er berichtet auch von der Zeit seiner 
Entstehung in unzweideutiger Weise. Er zeigt uns das Stern- 
bild der Plejaden als Beherrscher des Hinmiels während des 
letzten Monats des Jahres, d. h. ungefähr in den letzten 4 Wochen 
vor Frühlingsäquinoktium. Dann aber fallt seine Entstehung 
in eine Zeit, da der Frühlingspunkt noch im Stembilde der 
ZwilUnge lag, um beiläufig 90® vor dem heutigen im Stfern- 
bilde der Fische; da solches drei Präzessionen = ungefähr 
6600 Jahre ausmacht, so haben wir Grund, die Zeit zwischen 
3000 und 5000 V. Chr. als die der Entstehung des Mythus 
zu bezeichnen. Vielleicht können wir das Datum noch ge- 
nauer fixieren. Ist Marduk so viel wie Orion, so liegt in der 
Angabe seines Auftretens gegen die in der Morgendämmerung 
sichtbaren Plejaden offenbar der Hinweis, daß er in der Zeit 
des Frühlingsäquinoktiums ein am Frühhimmel sichtbares 
Objekt gewesen sei. Für das ganze Sternbild des Orion ist 
solches nun astronomisch unwahrscheinlich; aber für seinen 
nördlichen Teil, zumal für den besonders hervortretenden rot- 
glühenden Achselstern (a Orionis = Beteigeuze) läßt sich dartun, 
daß er um Sioo v. Chr. zugleich mit den Plejaden am Morgen- 
himmel sichtbar war. Wir können somit unseren M5^hus 
mit Sicherheit der Zeit vor 3000 v. Chr. zuweisen, und mit 
einiger Wahrscheinlichkeit die aus ihm hervorgehende Kon- 
stellation als die des Jahres 5100 v. Chr. bezeichnen. 

Der Mythus der „Sieben" liegt außer in der obigen Fassung 
noch in einer anderen davon wesentlich abweichenden ^) vor ; 
wiederum ist es die 16. Tafel der Beschwörungsserie Utukki 
limnuti, in welcher uns dieser als Rezitation im Munde des 
Geisterbeschwörers dienende Text erhalten ist 



i) Publiziert bei IV Rwl. 15 b, in Transskription bei Fosscy, Magie, 
S. 263—69. : 

Grimme, Dm isrMlitiiche Pfingstfett. 3 



34 ^ II. Kapitel. 

Sein Wortlaut ist: 
Auf dem Nacken von Hinmiel und Erde zogen sie (die Sieben) 

einher und schonten selbst ihn, den Gott, nicht; 
Die Erde schonten sie nicht; böse war ihr Ende(?). 
Aufwärts zum Himmel zogen sie, zum unerreichbaren Himmel 

stiegen sie auf. 
Unter den Sternen des Himmels wurden sie nicht gekannt 

während der drei Nachtwachen. 
Der Gewaltige, Einzigartige, Hehre trat zum Himmel, ohne daß 

sein Vater es wußte, 
Gibil, der Hohe, Erhabene, Einzigartige, Gewaltige, der hehre 

Vollstrecker der Entscheidut^ des Anu, 
GibU, sein geKebter Genosse, kam zu ihm (fragend): 
„WiUst du mich die bösen Sieben kennen lehren?" 
Er (An«) überlegte bei sich, indem er sich niedersetzte: 
„Gibü, jene Sieben — wo sie geboren sind, wo sie groß 

wurden? 
Jene Sieben sind im Berge des Sonnenuntergangs geboren. 
Jene Sieben sind im Berge des Sonnenaufgangs groß geworden. 
In Spalten der Erde ließen sie sich nieder, 
In Wüsten der Erde leben sie. 
In Himmel und Erde sind sie nicht . ., mit Schreckensglanz 

sind sie bedeckt, 
Unter den weisen Göttern sind sie nicht bekannt, 
Ihr Name ist nicht (bekannt) im Himmel noch auf Erden. 
Jene Sieben galoppieren auf dem Berge des Sonnenuntergangs, 
Jene Sieben stampfen (imallilu) auf dem Berge des Sonnenaufgangs. 
In Spalten der Erde kriechen sie, in Wüsten der Erde leben sie ; 
Nirgendwo sind sie bekannt, nicht im Himmel noch auf Erden 

kennt man sie. 
Geh nach Marduk, er wird es dir sagen. 
Er wird dir vom Wesen der bösen Sieben berichten, sobald er 

sich vor dir erhebt." 
Er, dessen Wort willig aufgenommen wird, der hehre Richter des Anu, 
Gibil ging nach Marduk und sagte ihm dieses Wort. 
Marduk hörte im zirtu(?) des nächtlichen Lagers dieses Wort, 
Trat ein in das Haus seines Vaters Ea und sprach: 
„Mein Vater, Gibil hat sich hingewagt zum Ort des Sonnen- 
aufgangs, hat die verborgenen Orte beschritten: 



Die Siebengötter außerhalb der biblischen Welt. 35 

Lehre eiligst Wege und Orte jener Sieben." 

Der Sohn von Eridu, der Weitohrige, 

Ea sprach zu seinem Kinde Marduk: 

„Mein Kind, jene Sieben wohnen in der Erde, 

Jene Sieben sind aus der Erde hervorgekommen; 

Jene Sieben sind in der Erde geboren. 

Jene Sieben sind in der Erde groß geworden, 

Sie sind herangekommen, um die Seiten des Ozeans zu betreten. 

Geh, mein Kind Marduk!" 

In dieser zweiten Fassung hat der Mythus von den Sieben 
viel von seiner Ursprünglichkeit eingebüßt. Die Sieben er- 
scheinen hier als Dämonen rätselhafter Herkunft. Sie steigen 
von der Erde zum Himmel auf, mischen sich unter die Sterne, 
ohne daß irgendjemand ihr Wesen und ihre Absichten erkennt; 
sie erwecken die Neugier des Feuergottes Gibil, der darauf von 
Anu etwas über ihre Herkunft erfahrt, dann ihretwegen Marduk 
angeht, der von seinem weisen Vater Ea Aufschluß über ihre 
gegen diesen gerichtete Tätigkeit erlangt. Die beiden Grundmotive 
der älteren Fassung, die Bedrängung des Frühlingsmondes durch 
die Sieben und ihre Bekämpfung durch Marduk, sind bis auf 
kleine Andeutungen ausgemerzt: auf jene könnte etwa der Satz 
zielen: „Sic schonten nicht den Gott", auf jene die noch vagere 
Schlußbemerkung Eas : „Geh, mein Kind Marduk ! " Es ist kaum 
anzunehmen, daß das, was wir an wichtigen Zügen vermissen, 
jemals in dieser Fassung des Mythus vorhanden gewesen wäre; 
vielmehr dürfte ihr Verfasser nichts weiter beabsichtigt haben, 
als in losem Anschluß an den ihm nur fragmentarisch bekannten 
alten Mythus ein phantastisches Schreckbild von den Sieben zu 
entwerfen. Dabei ist sogar zweifelhaft, ob er von der Plejaden- 
natur der Sieben einen deutlichen Begriff gehabt habe und ob 
er im Gott Marduk noch den verkörperten Orion erblickte. 

An diese für die Zwecke der Beschwörung zurechtgemachte 
Redaktion des Mythus der Sieben lassen sich mehrere der 
fünften Tafel der Utukki limnuti zugehörige kürzere Texte (IV Rwl. 
I a— 2 a) anschließen, da sie die Sieben außerhalb jedes epischen 
Zusammenhangs vorführen und nichts bezwecken, als von ihrer 
verderblichen Tätigkeit ein möglichst schreckhaftes Bild zu ent- 
werfen. So lautet eine derartige Deklamation: 

3* 



36 U. Kapitel. 

Sieben — nochmals (gesagt) — sieben Krieger sind sie, 

Deren Erzeugung eine einzige ist, ausgehend von Anu. 

Dahinbrausende Stürme sind sie; 

Sie nehmen kein Weib, sie zeugen nicht, 

Sie kennen keine Einsicht, 

Rosse sind sie, die im Gebirge groß geworden sind. 

Feinde sind sie von Ea, 

Guzzalu der Götter sind sie. 

Um den „Hochweg" (sulä) in Verwirrung zu bringen, stellen sie 

sich auf der Straße auf. 
Vor Nergal, dem mächtigen Krieger Bels, gehen sie einher. 

Zwei bezeichnende Züge teilt diese Beschreibung der Sieben 
mit der älteren Redaktion des Mythus. Sie läßt die Sieben mit 
Anu, dem Gotte des Nordhimmels, Zusammenhang haben; sie 
legt ihnen die Absicht bei, den „Hochweg^* zu verwirren: ein 
Ortsbegriff, der jedenfalls den des schupuk schäme, des „Dammes 
des Himmels", d. h. der Ekliptik variiert, auf welcher sich nach 
dem alten Mythus die Plejadendämonen herumtreiben. Das be- 
rechtigt uns, bei dem Verfasser des Textes noch die Anschauung 
von der Plejadennatur der „Sieben" vorauszusetzen. Dieses 
hindert ihn aber nicht, sie auch als Gefolgsmannen des Unter- 
weltsgottes Nergal hinzustellen, da alles, was der Erde Schaden 
bringt, direkt oder indirekt im Dienste der Unterwelt steht. Die 
gleiche Idee beherrscht in besonderem Maße die folgenden, der 
Beschreibung der „Sieben" dienenden Abschnitte der fünften Tafel 
der Utukki limnuti: 

Verderbliche Stürme, böse Winde sind sie; 

Stürme des Unheils, die bösem Wind gehorchen, sind sie; 

Stürme des Unheils, die bösem Wind vorangehen, sind sie. 

Vollkommene Kinder, vollkommene Söhne sind sie; 

Boten des Pestgottes (namtaru) sind sie, 

Guzzalu der Ereschkigal sind sie; 

Gewittersturm, der durch das Land jagt, sind sie. 

Sieben Götter des weiten Himmels, 

Sieben Götter des weiten Landes, 

Sieben raubgierige Götter, 

Sieben Götter der Welt(?), 

Sieben böse Götter, 



Die Siebengötter außerhalb der biblischen Welt. 37 

Sieben böse Labartu, 

Sieben Labasu, böse Plaggeister, 

Am Himmel sieben und auf Erden sieben (sind sie). 

Wie die Sieben hier zum Anhange der Unterweltsgötter 
gerechnet werden, so wird kaum mehr zwischen ihnen und 
anderen Ausgeburten der Hölle, wie den Labartu und Labasu, 
geschieden. Im gleichen Tone hebt ein anderes Textstück an, 
um dann die Sturmnatur der Sieben durch einen Schwall von 
Kraftausdrücken zu illustrieren, die ein irgendwie konkretes Bild 
ihres persönlichen Wesens nicht aufkommen lassen und kaum 
mehr verraten, von welcher Abkunft eine ältere Zeit die Sieben 
sein ließ: 

Schauer, Frost, allem Abbruch tuend. 

Ein böser Utukku, den Anu geheckt hat. 

Ein Namtar, der geliebte Sohn des Bei, 

Ein Sproß der Ereschkigal: 

Oben zerstören, unten verwüsten sie, 

Ausgeburten der Hölle sind sie; 

Oben brüllen, unten pfeifen sie. 

Der bittere Speichel der Götter sind sie. 

Die schweren Stürme, die vom Himmel herkommen, sind sie; 

Eine eschschepu (Eule?), die im Orte stöhnt, sind sie; 

Die Brut des Anu, Söhne der Erde sind sie. 

Über hohe Mauern, weite Mauern gehen sie hin wie eine Flut, 

Von Haus zu Haus drängen sie sich; 

Keine Pforte hält sie auf. 

Kein Riegel macht sie weichen; 

Durch die Türe gleiten sie wie Schlangen, 

Durch die Türangel stürmen sie wie Winde; 

Die Frau reißen sie aus der Umarmung des Mannes, 

Den Sohn holen sie vom Knie des Mannes; 

Den Herrn führen sie weg aus seiner Familie, 

Wehruf, der hinter dem Manne hergeht, sind sie. 

In einem Punkte erweisen sich alle diese Beschreibungen 
der Sieben trotz ihrer subjektiven Färbung als echte Kinder des 
alten Mythus : sie nehmen die Sieben als schädigende Dämonen, 
ob sie ihnen auch zuweilen das Gottesprädikat beilegen. Das 



38 II. Kapitel. 

Gleiche gilt von der ganzen mythologisierenden Literatur; im 
Uramythus toben sie staubaufwirbelnd hinter dem Unterwelts- 
gotte Ischum her ^) und im Etanamythus ^ heißt es : „Die Sieben 
hatten das Tor vor den Wohnplätzen verriegelt" — offenbar um 
sie als Unholde zu kennzeichnen. Es blieb somit diese Literatur 
dabei stehen, die Sieben für das anzusehen, was sie in der Zeit 
zwischen 5000 und 3000 v. Chr. entsprechend ihrer Stellung im 
Jahre waren — als Repräsentanten der Unbilden der Winterzeit 
Aber als dann nach dem Jahre 3000 der Frühlingspunkt in das 
Sternbild des Stieres trat, von welchem die Plejaden einen Teil 
ausmachen, und als vollends nach 1000 v. Chr. die Plejaden 
ihren Frühaufgang erst im zweiten Monate des Jahres hatten, da 
waren die natürlichen Bedingungen hinfallig geworden, die den 
Begriff der bösen Sieben geschaffen hatten. Mochten Bettel- 
priester und Mythographen im Geleise der alten und darum für 
sie ehrwürdigen Anschauungen weiter fahren, der offizielle auf 
die Idee der Wechselwirkung von Himmelsphänomenen und 
Erdenschicksalen gegründete Kult konnte keine astronomisch 
unrichtigen Anschauungen vertreten und war damit vor die Wahl 
gestellt, entweder die alten Plejadengötter ganz fallen zu lassen 
oder sie zum Range von echten, d. h. helfenden und darum kult- 
fahigen Göttern zu erheben. In Babylonien scheint man das 
erstere vorgezogen zu haben, Assyrien aber ließ sich die Ge- 
legenheit nicht vorübergehen, um die Zahl der das Reich 
schützenden Götter um die Gruppe der starken „Sieben" zu ver- 
mehren. 

Schon dafür, daß die „Sieben" überhaupt eine Bedeutung 
für das öffentliche Leben Babyloniens gehabt hätten, lassen sich 
wenige Zeugnisse beibringen. Wie die Chronik der Könige der 
ersten babylonischen Dynastie berichtet, wurde im 1 5. Regienmgs- 
jahre desHammural?i ein Bild der „Sieben" angefertigt — ein Ereignis, 
nach welchem das Jahr seinen Namen bekam. Um ein Kultbild kann 
es sich dabei kaum gehandelt haben; denn der Name der „Sieben" ist 
in dem betreffenden Texte nicht von dem Götterdeterminativ be- 
gleitet. Vielleicht galt es, mit diesem Bilde etwas zu sühnen, 
was mit der verderblichen Macht der sieben Dämonen in Zu- 



i) Keilinschr. Bibl. VI, i, S. 66 f. 
2) Keilinschr. Bibl. VI, i, S. 5 84 f. 



Die Siebengötter außerhalb der biblischen Welt. 39 

sammenhang gebracht worden war. Personennamen, die auf die 
Verehrung der ,3ieben" hinweisen, kennt man bisher nur aus der 
Kassitenzeit, so Ardu-Sibi („Diener der S.") und Piqit-Sibi („Schutz- 
objekt der S.");*) so waren ihre Träger vielleicht Nichtbabylonier. 
Endlich zeigt ein umQOO errichteter babylonischerGrenzstein^) neben 
Emblemen der Götter Schamasch, Sin und Ischtar auch das baid zu 
besprechende der „Sieben". Das deutet zwar auf eine gewisse 
Kultfahigkeit dieser Sieben; aber da die Beischrift assyrische 
Charaktere zeigt, so wird diese nicht in der babylonischen, 
sondern der assyrischen Sphäre zu suchen sein. 

Für Assyrien steht es fest, daß hier mindestens von 
800 V. Chr. an die „Sieben" göttliche Ehren genossen. So zeigt 
das Protokoll eines im 8. Jahrhundert dem Könige Assurnirari 
von Mati'il geleisteten Treuschwures die „starken Sieben" in der 
Reihe von gegen 40 assyrischen und auswärtigen Schwurgöttern, 
ebenfalls ein ähnliches unter Assarhaddon abgefaßtes Dokument 
sie eng verbunden mit anderen assyrischen Göttergestalten. Unter 
Sanherib waren sie in einer Götterschaar dargestellt, die die 
Begleitung von Gott Assur bei seinem Auszuge zur Bekämpfung 
der Tihämat ausmachte.^ Ja, verschiedene der Sargoniden 
fügten sie dem engsten Kreise der von ihnen verehrten Götter 
ein ; so Sargon selbst, dessen kyprische Stele neben den Emblemen 
von sieben „großen" Göttern auch das der „Sieben" zeigt, San- 
herib, der auf dem Felsen von Bavian die Sieben als die Letzten 
in der Reihe der großen Götter in Bild und Schrift dargestellt 
hat, Assarhaddon, der auf dem Felsrelief vom Nahr-el-Kelb und 
der Stele von Sendjirli das Emblem der Sieben anbrachte, einmal 
neben sieben, das andere Mal neben elf weiteren Götteremblemen. 
Derselbe König erweist sich als eifriger Verehrer der Gottheit 
der Sieben in seiner Bauinschrift K. 2801 , indem er in ihrer 
Einleitung nach der Erwähnung von elf großen Göttern auch der 
Siebengottheit gedenkt als der „tapferen Götter, die Bogen und 
Pfeile halten, deren Ansturm Kampf und Streit ist". Bestand 
somit in Assyrien ein von selten der Könige begünstigter Kult 
der „Sieben", so muß auffallen, daß unter den uns überlieferten 



i) Clay, Exped. of the Univ. of Penns., Bd. XIV, 59, XV, 55. 

2) Hommel, Aufsätze und Abhandlungen, S. 254. 

3) H. Zimmern, Zum bab. Neujahrsfest (Ber. d. Ges. d. Wiss. zu Leipzig LVIII, 
S. 148). 



40 II. Kapitel. 

echt ass)rrischen Eigennamen bisher keiner als mit dem Namen 
der Siebengötter komponiert nachzuweisen ist Sollte dieses 
vielleicht darin seinen Grund haben, daß die Siebengottheit, um 
sie von den auf dem Standpunkte von Dämonen stehen ge- 
bliebenen „Sieben" zu unterscheiden, noch andere Bezeichnungen 
als die der Sibitti oder Sibi bekommen hätte? Verbirgt sie 
sich für uns vielleicht unter dem Namen Igigi (Igigu, Igige), dessen 
Träger, so häufig sie auch genannt werden, ihrem Wesen nach 
noch unerklärt sind? Die Igigi waren Götter des Himmels und 
standen in naher Beziehung einesteils zu Anu, ihrem „Könige", 
andrerseits zu Marduk, der ihr „Hüter" (päqid) heifit und 
von dem der Prolog zu Hammurabis Gesetz rühmt, daß Anu und 
Bei ihn bei den Igigi groß gemacht hätten. Alle diese Züge 
vertragen sich gut mit der Rolle, die der M)^us der Sieben 
den Plejaden zuweist. Andere scheinen weniger zu passen, 
z. B. wenn Ninib als der Held der Igigi und Anunaki auftritt 
(Obelisk des Salmanassar, Z.9f.) oder im Ischtarhymnus (K. 26, 187) 
Imini-Ischtar Gebieterin der Igigi genannt wird; doch kann 
daran unsere Unkenntnis der mannigfachen Verbindungsfaden 
schuld sein, mit denen eine spätere Religionsentwicklung die 
Geschicke der einzelnen Himmelsbewohner ineinander verflochten 
hat. Von Wichtigkeit für die Gleichung Sibitti = Igigi ist 
endlich, daß wie im Etanam)^hus ^) (K. 2606, 64 f) die Igigi als 
Schicksalsgottheiten hingestellt sind, auch die „Sieben" in einem 
Hymnus^) den Namen „Götter des Schicksals" tragen; zudem 
macht der genannte M)^us zwischen den „Sieben" und den 
Igigi in ihrer Tätigkeit als schädigenden Gottheiten anscheinend 
keinen Unterschied. Der keilschriftliche Ausdruck für Igigi be- 
steht aus einer Fünf mit folgender Zwei, woraus schon mehrfach 
auf eine Siebenzahl von Igigi geschlossen worden ist Diesen 
Schluß möchte ich gegen die Einwendung von P. Jensen,*) dafi 
die Igigi in einem Syllabar als Gruppe von Achten erklärt sind, 
aufrecht halten. Die Sieben- und Achtheit der Igigi läßt sich 
dann gut vergleichen mit der Erscheinung, daß, wie die Be- 
schwörungstexte ^) den Siebengöttem unter Umständen eine 

i) KcUinschr. Bibl. VI, i, S. 582 f. 

2) Reissner, Sumer-babyl. Hymnen, S. 92, Z. 23. 

3) ZA I (1886), S. 7 ff. 

4) rv Rawl. 21 a, Z. 46, 21b, Z. 25. 



Die Siebengötter aofierhalb der biblischen Welt 41 

„achte Person, ihre Schwester Narudi" beifügen, die Plejaden- 
Sieben ja auch als Sieben- und Achtheit auftreten. Alles in allem 
genommen kann man jedenfalls von einer weitgehenden Analogie 
im Wesen der Igigi und der „Sieben" reden, und es erscheint 
angebracht, die Behauptung der inneren Gleichheit beider 
Göttergruppen zu wagen — wenn auch das letzte Wort darüber 
nur von zuständiger assyrologischer Seite gesprochen werden 
kann. 

Der Begrifif der Siebengötter blieb nicht auf Babylonien und 
Assyrien beschränkt; auch dort, wohin von altersher mit den 
materiellen Werten Babylonier auch ihre geistigen zu wandern 
pflegten, in Mesopotamien und in dem syrisch-kanaanitischen 
Küstengebiete läßt er sich nachweisen. 

Das geistige Haupt von Mesopotamien, dabei zugleich ein 
treuer Spiegel babylonischer Geistesart war seit uralter Zeit die 
Stadt Harrän (Karrhae). Ihre Religion wurzelte im Mondkulte; 
das läßt vermuten, daß auch der ganze Kreis der Ideen, die sich 
in Babylonien der Person des Mondgottes angesetzt hatten, hier 
nachlebte, somit auch die der Siebengötter. Denkmäler harrani- 
schen Altertums besitzen wir nur in sehr geringer Anzahl und 
aus verhältnismäßig später Zeit; das Wichtigste darunter sind 
die in einem keilschriftlichen Katasterbuche des 8. Jahrhunderts ^) 
überlieferten harranischen Personennamen ; aus ihnen vermag man 
sich einen guten Begriff von den in alter Zeit in Harrän verehrten 
Gottheiten zu bilden. Nun haben allerdings die, welche bisher 
diese Namen untersucht haben, darin nichts von den „Sieben" 
entdeckt ; unseres Erachtens fehlen sie aber darin keineswegs. 
Derjenige Gottesname, mit welchem die relativ meisten Eigen- 
namen komponiert sind, wird Si-'e geschrieben. Man glaubt, hier 
eine dem harranischen Dialekte eigene Verkürzung des Gottes- 
namens Sin = „Mond" vor sich zu haben. Dem widerstreitet 
vor allem der Name Man-ki-Si-'e „Wer ist wie Si'e", weil hier 
zu Ende des Wortes der Verlust des den Namen Sin schließenden 
n unbegreiflich wäre. Man wird aber in Si-*e kaum etwas 
anderes zu erkennen haben als den Namen der Siebengottheit. 
Babylonisches Sibe (neben Sibitti) mußte in aramäischem Munde 
zu Siwe werden, weil schon dem Altaramäischen die Spirierung 



i) An Assyrian Doomsday Book, hrsg. von C. K. W. Johns, 1901. 



42 II. Kapitel. 

der Explosivlaute hinter einem Vokale eigen war: vgl babyL 
Nusku = harranisch Nuschuch, Naschuch (sprich Noschuch).^) 
Zur Schreibui^ vom spirantischen w versagte die Keilschrift; 
um es annähernd wiederzugeben, schrieb man Aleph statt Waw, 
und so kam man zur Form Si'e (gesprochen Siwe). Demnach 
geben nunmehr die altharranischen Namen Grund zur Annahme, 
die babylonischen „Sieben" hätten in Harran ähnlich wie gleich- 
zeitig in Assyrien die Ehren eines Gottes und zwar eines sehr 
populären genossen. 

Für die Folgezeit stockt die schriftliche Bezeugui^ des 
harranischen Kults der Sieben, um dann aber in der letzten 2ieit, 
da Harran seine alte religiöse Eigenart zur Schau trug, im 
lO. Jahrhundert n. Chr. wieder reichlich einzusetzen. Die Religion 
der harranischen Säbier, d. h. derer, die als Letzte das Vermächtnis 
des alten Mondkultus verwalteten, weist eine große Zahl von 
Veranstaltungen zu Ehren der Göttergruppe Sab8at älihat, 
d. h. „Sieben Götter" auf. Nach den authentischen Mitteilungen, 
die uns der Verfasser des Fihrist, en-Nedim, über den Verlauf 
des Säbischen Festkalenders gibt, fand am 8. des I. Monats 
(== April) ein Fest zu Ehren der Siebengötter statt; am 20.JI, er- 
hielten sie ihren Anteil von Festopfern, ebenfalls am 28./I.; am 
27./III. bildeten sie den Mittelpunkt von Mysterien; am 3./VI. 
wurden zu Ehren von ihnen und Gott Schamäl Lämmer geschlachtet; 
am 30./XII. legte man abends im Namen der Siebengötter 
7 Datteln unter das Kopfkissen. Wie außer dem Namen auch 
die Stellung dieser Siebengötter gegenüber den anderen Göttern 
sowie Form und Inhalt ihrer Feste für ihre Identität mit den 
babylonischen „Sieben" spricht, wird später ausfuhriich behandelt 
werden. 

Was Harran in religiöser Beziehung vertrat, kann in gewisser 
Beziehung als für den ganzen aramäischen Westen geltend an- 
genommen werden. So werden wir, wo uns ein mit Si oder 
Si3 komponierter aramäischer Name entgegentritt, in ihm ^in 
Denkmal des Plejadenkults von Aramäern erblicken dürfen. So 
im Namen des kanaanitischen Königs (oder Feldhauptmanns) 



l) Weitere Beispiele sind Ginchuchtai neben Ganguchtu (M. Streck, 
Keilinschr. Beiträge zur Geographie Vorderasiens, S. 21, Anm. 2), Marschanai neben 
Martenai (daselbst S. 29). 



Die Siebengötter außerhalb der biblischen Welt. 43 

öno'»D (SisDrä für Siwsorä „Die Siebengottheit streitet"), der schon 
für das 13. Jahrhundert v. Chr. den Kult der „Sieben" bezeugt; 
in judäischem «rryo (Esdras 2, 44) und »y^o (Nehem. 7, 47) ; in 
palmyrenischem «:iy"»o „Die Siebengottheit erhört" (Vog. No. 122, 
Scheil 7). Sollte es da zu kühn sein, auch den Namen des 
Amoriterkönigs Sihön (iin-^o = Tn*'''0) mit „Di« Plejadengottheit 
erbarmt sich" zu übersetzen und damit ihn und seinen Träger der 
altaramäischen Kultuszone zuzuweisen? 

Die Verehrung der Siebengottheit erstreckte sich endlich 
auch noch weit in die syrisch-kanaanitische Welt hinein. Das 
älteste Zeugnis dafür liegt in dem Eigennamen Schabi-il (Tell- 
Amarnabriefe, No. 126, 20) „Die Plejaden sind Gott" vor, dessen 
Abkürzung Sa-bi-* von einem in ägyptischem Dienst stehendem 
syrischen Söldner getragen wurde. ^) Gebal (Byblos) muß am 
Kulte beteiligt gewesen sein, da sein von Tiglatpilesar HL über* 
wundener König Sibittibi*il *) „Die Plejadengottheit ist Herr" 
dafür mit seinem Namen zeugt Indem ich verschiedene Namen 
der israelitisch-kanaanitischen Zone, die Hinweise auf die „Sieben" 
enthalten, für das folgende Kapitel aufspare, gilt es noch einen 
Blick zu werfen auf den in mehrfacher Beziehung interessanten 
Eigennamen nio (2 Kg. 17, 4) = Sibe (Sargon Prunkinschr. Z. 25), 
dessen Träger der Oberfeldherr des nordarabischen Königs Pir'u 
von Musur war. Daß hier wieder der Name der „Sieben" vor- 
Hegt, dürfte zweifellos sein; aber damit tragen wir keineswegs 
den Begriff der „Sieben" in die echtarabische, bezw. südarabische 
Welt hinein. Das i von «no weist auf aramäische Aussprache 
des b von Sibe, also auf w hin *) : folglich war das nordarabische 
Musur aramäisch beeinflußtes, oder richtiger gesagt, echt- 
aramäisches Gebiet, wie es ebenfalls das benachbarte Midjan 
gewesen sein muß gemäß den Eigennamen b«iy*i = arab. Radu-el 
„Redu ist Gott", •twi'»« = arab. J3ta3*amar, ja wohl auch pTn 
selbst, das in südarabischem Munde Midjän gelautet haben wird 
(Inschr. Glaser 1155). 

Südlich von Musur hören für uns die Belege für den Plejaden- 



i) ZÄSp. XXXVIII, S. 15; dazu OLZ V, S. 125 ff. 

2) Die von H. Winckler (Auszug aus der Vorderas. Gesch. S. 40) bevorzugte 
Lesung Sipittibi'ii gibt keinen rechten Sinn. 

3) S. das oben von harranischem Si'e Gesagte. 



44 IL KapitcL 

kult vollständig auf; auf südarabischen Inschriften fehlt seine 
Bezeugung gänzlich. Der spätarabische Name sAbd Cjt-Turajjä 
„Diener der Plejaden" ^) steht zu singulär und zusammenhanglos da, 
um von ihm auf arabische Plejadenverehrung Schlüsse zu ziehen; 
vielleicht ist es weniger ein theophorer, als ein poetischer Name, 
ähnlich dem nicht seltenen arabischen Frauennamen et-Turajjä 
„Plejadengestirn". 

Nur durch literarische Hinweise geführt konnten wir somit 
die Plejadenverehrung in dem ganzen Gebiete zwischen Baby- 
lonien-Assyrien und der Mittelmeerküste nachweisen. Ehe wir 
dasselbe Gebiet nochmals an der Hand der bildlichen Dar- 
stellungen der Plejaden durchmessen, sei noch darauf hingewiesen, 
in welcher Weise die Idee der Siebengötter als synkretistischer 
Einschlag in die Mithrasreligion nahe daran war, sich Geltung 
auch innerhalb der okzidentalischen Welt zu verschaffen. In 
einer von A. Dieterich veröffentlichten, auf einen ägyptischen 
Verfasser deutenden Mithrasliturgie heißt es (S. 13): 

„Du aber blicke zu ihm (Helios) auf und ein langes Gebrüll 
wie mit einem Hörne, deinen ganzen Atem drangehend, deine 
Seite pressend, gib von dir und küsse die Amulette und sprich 
zuerst zur Rechten: Schütze mich — prosymeri — 1 Wenn du 
das gesagt hast, wirst du sehen, wie Tore sich öffnen und aus 
der Tiefe sieben Jungfrauen in Byssusgewändem mit Schlangen- 
gesichtern kommen. Sie werden genannt des Himmels 
Schicksalswesen (rv^^i), haltend goldene Szepter. Wenn 
du das siehst, dann begrüße sie also: Seid gegrüßt, ihr sieben 
Schicksalswesen des Himmels, ihr ehrwürdigen und guten Jung- 
frauen, ... ihr heiligsten Wächterinnen der vier Säulen l 

Und es kommen hervor andere Sieben, Götter mit Gesichtern 
schwarzer Stiere, mit Linnenschürzen und sieben goldenen Dia- 
demen. Das sind die sogenannten Polherrscher (noXoxgdtogBg) 
des Himmels, die du in ähnlicher Weise begrüßen mußt, jeden 
mit seinem eigenen Namen : Seid gegrüßt, ihr Weltachsenwächter, 
ihr heiligen und starken Jünglinge, die ihr umdreht auf ein 
Kommando die drehbare Achse des Kreises des Himmels . • . ! " 

Man wird Dieterich zustimmen müssen, wenn er in den 



i) Wellhausen, Reste arab. Heidentums', S. 2, ohne näheren Hinweis auf sein 
Vorkommen. 



Die Siebengötter außerhalb der biblischen Welt 45 

sieben Polherrschern die sieben Sterne des kleinen Bären 
erkennt. Weniger befriedigt seine Gleichsetzung der sieben 
Schicksalswesen mit den Sternen des großen Bären; denn 
diese treten erst in der letzten Szene des Mysteriums auf, wo 
Mithras selbst erscheint ,,haltend in der rechten Hand eines 
Rindes goldene Schulter, die da ist das Bärengestirn". Auch 
bleibt dabei ganz unklar, warum die Sieben den Namen „Schick- 
^Iswesen" tragen. Besser fahrt man, wenn man in ihnen das 
personifizierte Siebengestim sieht. Als „Götter des Schicksals" 
bezeichnete der oben (S. 40) erwähnte babylonische Hymnus die 
Plejaden ; in der arabischen Astronomie des Mittelalters sind sie 
die eigentlichen Wettermacher unter den Sternen, so daß man, 
wie 8Abd-er-Rahnaan es-SOfi^) sagt, „aus ihrem Aufgange gute 
Vorzeichen entnimmt, in der Meinung, daß der Regen, der bei 
ihrem heliakischen Aufgange (? -nau -) fallt, gutes Wachstum 
hervorbringe" — eine Anschauung, die schon 1000 Jahre früher 
im Liber Jubilaeorum, cap. 12, 16 ihren Ausdruck gefunden hat 
in den Worten: „(Es) saß Abraham bei Nacht, am Neumonde 
des siebenten Monats, um die Sterne (d.h. das Siebengestirn) 
zu beobachten vom Abend bis zum Morgen, um zu sehen, wie 
es in dem Jahre mit dem Regen sein würde." Das Äußere der 
Plejaden, wie sie die Liturgie beschreibt, setzt sich aus baby- 
lonischen und griechischen Zügen zusammen. Babylonischen 
Einfluß verraten ihre Schlangengesichter; bezeichnet doch der 
Mythus der Sieben einen von ihnen geradezu als Schlange, wes- 
halb die bildende Kunst, wie wir bald sehen werden, in der 
Szene ihres Kampfes mit Marduk ihnen gerne Schlangengestalt 
gibt. Dagegen entstammt der Zug, daß sie als Jungfrauen auf- 
treten, anscheinend der griechischen Mythologie, die die vor 
Orion fliehenden Plejaden als Töchter des Atlas bezeichnet.^ 
Die göttliche Natur der Plejaden findet in der Mithrasliturgie 
nicht ihren deutlichen Ausdruck ; sie geht aber aus einem arme- 
nischen Mithrastexte ^ hervor, wo von Mithras als dem mächtigen 
Verbündeten der sieben Götter die Rede ist Von welchen 
göttlichen Sieben könnte das zu verstehen sein, wenn man es 



i) Description des ötoiles fixes, hrsg. von Schjellerup, S. 134. 

2) Hesiod. Op. et Dies, y. 383, 6 19 f. 

3) A. Cumont, Textes et MonumentS| Bd. II, 5. 



46 IL Kapitel. 

nicht auf die Plejaden bezieht, denen wir auch noch bei der 
Besprechung der bildlichen Denkmäler des Mithraskultes be- 
gegnen werden? 

Das Bild der Plejadensieben , das wir bis hierhin an der 
Hand literarischer Äußerungen verfolgt haben, läßt sich in ein 
noch klareres Licht setzen durch Berücksichtigung dessen, was 
die Kunst aus ihnen gemacht hat Dabei kommt vor allem 
ihre Darstellung auf babylonischen Bildwerken, zumal Si^el- 
Zylindern in Betracht; war es doch dem Genius des Babylonier- 
tums eigen, alle Gestalten seiner Religion fiir seinen Kunsttrieb 
auszunützen und in mannigfaltig wechselnden Formen greifbar 
vor Augen zu führen. Um Gottheiten sowie überhaupt Über- 
irdisches darzustellen, nahm die babylonische Kunst in ihrem 
Kindheitsstadium zu Andeutungen unpersönlicher Art ihre Zu- 
flucht. Ob Symbol, ob Abbild für sie das richtige Wort sei, 
soll für ihre Gesamtheit hier nicht untersucht werden; jedenfalls 
erinnert es mehr an letzteres, wenn als Darstellung der „Sieben** 
eine Gruppe von sieben Kugeln in länglich-traubenförmiger 
Anordnung aufkam: sah doch das Auge geradeso das Plejaden- 
gestirn am Nachthimmel stehen. Die Götterdarstellungen der 
primitiven Kunst gingen nicht unter, als die Künstler sich reif 
fühlten, nunmehr die Götter unter den Formen von lebenden 
Wesen darzustellen; wie hieroglyphische Beischriften pflegten 
auch jene weiterhin gerne die neuen phantasiereicheren Bilder 
zu begleiten. Jetzt begann das Schwelgen der Kunst im Kompo- 
nieren von halbmenschlichen, halbtierischen Dämonen. Von vorn- 
herein ist zu vermuten, daß auch die „Sieben" in ihrer Eigen- 
schaft als schädigende Dämonen oft genug in dieser Weise dar- 
gestellt worden seien; kam doch der alte Mythus mit seiner 
Ausmalung ihres schreckhaften Äußeren diesem Hange entgegen. 
Doch wie überhaupt die Dämonengestalten der babylonischen 
Bildwerke bisher das dunkelste Gebiet der Glyptik ausmachen, 
so wagt man bisher fast in keinem Falle mit Sicherheit zu sagen, 
ob unter ihnen die sieben Dämonen des Mythus zu verstehen 
seien. Und doch gibt es, wie uns scheint, gewisse sichere 
Kriterien für ihre Bestimmung. 

Eine größere Zahl babylonischer Bildwerke zeigt uns nichts 
als das Bild von einem oder mehreren Dämonen. Es wäre zur 
Zeit verwegen, sie bestimmt deuten zu wollen, es sei denn, daß. 



Die Siebengötter außerhalb der biblischen Welt 47 

wie es auf einer Berliner Gemme (Taf. I, 3) der Fall ist , neben 
dem Dämon das Siebenkugel-Abbild der Plejaden steht. Daß 
wir in dieser Mischgestalt von Stier und Mensch, die mäch- 
tige Flügel an der Schulter trägt, einen in Babylonien sehr 
beliebten Typus der „Sieben" vor uns haben, lehrt der Passus 
der Beschwörungsserie Utukki limnuti (IVRawl. 21 b, Z. 12), wo 
von einem zur Beschwörung gebrauchten Bilde der „Sieben mit 
gewaltigen Flügeln" geredet wird. 

Außer in Einzeldarstellungen findet man die Dämonen häufig 
in der Gesellschaft von Heroen oder Göttern abgebildet. Vor 
allem bildet die Szene des Kampfes eines Gottes gegen einen 
oder mehrere Dämonen den Gegenstand von verhältnismäßig 
vielen kleineren und größeren Bildwerken. ^) Für sie hat man 
bisher kaum eine andere Bezeichnung als „Kampf Marduks mit 
Tihämat, bezw. Kingu", obwohl von einer Gleichheit oder auch 
nur Ähnlichkeit dieser Darstellungen mit der auf Tafel IV des 
sog. Schöpfungsepos geschilderten Szene des Kampfes zwischen 
Marduk und Tihämat samt ihren Helfern meist gar nicht die 
Rede sein kann. Das richtige Verständnis der Mehrzahl dieser 
Bildwerke erschließt sich aber, wenn man sie unter den Titel 
bringt: „Kampf zwischen Marduk und den Sieben"; schon die 
folgende kurze Untersuchung kann genügend Beweismaterial für 
diese Auffassung liefern. 

Bei der kritischen Betrachtung alter Künstwerke hat sehr 
oft das am meisten in die Augen Fallende, wie Haltung, Gewand 
und Waffen, zurückzutreten vor dem szenischen Beiwerk. Der 
Begriff „unnützes Beiwerk" existierte nicht für die Kunst, die 
ihre Stoffe dem Gebiete des Religiösen entnahm; wohl aber 
liebte sie es, ihre Darstellungen durch Zutaten zu bereichern, 
die geeignet waren, den Beschauer in den Ideenkreis einzuführen, 
wovon das deutlich Dargestellte meist nur ein kleiner Ausschnitt 
war. Bei dem Sujet „Kampf zwischen Marduk und den Sieben" 
brachte Gewohnheit wie auch der Mangel an zeichnerischer 
Gewandtheit es mit sich, daß selten mehr als der Gott und 



i) Vgl. bes. die an solchen Darstellungen reichhaltige Sammlung von L a j a r d , 
Introduction a Tetude du Culte et des Mystercs de Mithra, Paris, 1847, sowie 
de Clercq und Menant, Collection de Clcrcq, Catalogue, Bd. I, Taf, XXIX 
bis XXXIV (No. 301—383). 



48 II. Kapitel. 

einer oder anderer seiner Gegner figürlich dargestellt wurden; 
um diese Personen aber nach ihrer Bedeutung für sich wie auch 
für den ganzen Mythus der Sieben zu charakterisieren, fügte man 
gewöhnlich noch mehrere archaistischer Kunstübung entsprungene 
Embleme oder Symbole hinzu. Der Plejadenmythus zeigt ein 
reiches Götterpersonal; maßgebend sind darunter besonders die 
„Sieben", der Mondgott, Ischtar, Marduk und sein Vater Ea. 
Mir scheint nun, daß es in der Absicht der Künstler, und 
zwar vor allem der der altbabylonischen Periode gelegen 
habe, möglichst viele dieser am Mythus Beteiligten wenigstens 
andeutungsweise in ihre Darstellungen des Plejadenkampfes ein- 
zufügen. 

Bei einer Durchmusterung der Bilder, die sich oberflächlich 
betrachtet nur als Kampf zwischen einem Gotte und Dämonen 
geben, entdeckt man vielfach neben den Figuren der Streitenden 
noch folgendes Beiwerk: i. eine Gruppe von sieben Kugeln, 
meist hoch am Himmel stehend, 2. eine Mondsichel, seltener 
einen Mondkreis , ebenfalls hoch am Himmel dargestellt, 3. einen 
achtstrahligen Stern, unterhalb des Mondes oder wenigstens 
tiefer als der Mond stehend, 4. einen Baum, der sich meist deut- 
lich als Dattelpalme gibt, 5. eine Blume, anscheinend aus der 
Gattung dei- Zwiebelpflanzen, 6. einen Fisch, in der Nähe des 
unteren Bildrandes stehend, also wohl in der Tiefe zu denken, 
7. eine Vulva (?), zuweilen mit eingezeichnetem Kreuz, ebenfalls sehr 
tief stehend. Diese sieben Einzelheiten bedeuten nun gewisser- 
maßen Leitmotive des Plejadenmythus, so daß, wo eine oder 
mehrere von ihnen angewendet sind, an keinen anderen M)^us 
als Vorwurf der Darstellung mehr zu denken ist. Die zwei deut- 
lichsten von ihnen, zugleich die für den Sinn des Bildes aus- 
schlaggebenden sind die Siebenkugelgruppe und die Mondsichel. 
Jene besagt, daß was immer an Dämonen auf dem Bilde vor- 
handen ist, die „Sieben", die Plejaden bedeutet; diese erinnert an 
den Neumond, zu dessen Erlösung der Kampf geführt sei. Die 
Mondsichel ist das weitaus häufigste der sieben Embleme, ge- 
wissermaßen eine hieroglyphische Überschrift des Inhalts : „Kampf 
für den Mond". Das dritte Emblem, der achtstrahlige Stern, 
geht auf Ischtar; wenn er niedriger steht als die Mondsichel, so 
drückt das aus, dass die Göttin ihren Anspruch, sich über den 
bedrängten Mond hinaus als Gebieterin des Himmels zu erheben. 



Die Siebengötter außerhalb der biblischen Welt. 49 

habe aufgehen müssen. In dem vierten Embleme, der Dattel- 
pahne, möchte ich eine Hindeutung auf die heilige Palme (kisch- 
kanü) von Eridu erblicken, von der es IV Rawl. 1 5* a gleich nach 
einer Beschwörung der „Sieben" heißt: „In Eridu wächst eine dunkle 
Palme, an reinem Orte ist sie entsprossen; ihr Aussehen ist glän- 
zend wie Uknu-Stein, zum Ozean ist sie gerichtet" Mit der Dar- 
stellung dieses Baumes könnte nun eine Symbolisierung der beiden 
Götter Eridus, Ea und Marduk, bezweckt sein; doch ist mir 
wahrscheinlicher, daß sie mit einer den Baum selbst betreffenden 
Episode des Plejadenkampfes, die in dem uns verloren gegangenen 
Stücke des Mythus vorhanden war, zusammenhänge.^) Von den 
beiden genannten Göttern erhält sodann jeder für sich einen em- 
blematischen Hinweis. Auf Marduk scheint mir die Blume zu 
deuten, genauer genommen das Zauber- oder Lebenskraut (schammu 
baläti), dessen Besitzer er ist. Vermutlich hat dann aber der Aus- 
gang des Mythus eine deutliche Bezugnahme auf dieses Kraut 
enthalten, sei es nun, daß Marduk hier ähnlich wie im Kampfe mit 
Tihämat (Schöpfgsep.I V, 62) seinen Feinden zuerst ein Beschwörungs- 
kraut vorgehalten habe, oder daß er mit dem Lebenskraute dem 
schwach gewordenen Monde neue Lebenskraft einflößte. Für 
beides ergeben sich aus später zu besprechenden Bildwerken 
gewisse Anhaltspunkte. Mit Gott Ea, dem Herrn der Tiefe und 
darum Fischleibigen , bringe ich das Emblem des nach der 
Tiefe weisenden Fisches zusammen. Das siebente endlich, die 
Vulva, wird mit der Unterwelt zusammenhängen, die zwar noch 
nicht im Mythus, aber in sonstigen Beschreibungen der Sieben 
diesen als Heimat zugewiesen wird; es bildet eine notwendige 
Ergänzung des Siebenkugelemblems, weil dieses allein noch nicht 
zu ihrer schädigenden Wirksamkeit Beziehung hat und deshalb 
im assyrischen Kulte für die Plejaden als helfende Gottheiten an- 
gewendet wird. Ist die Vulva genau genommen nur Hindeutung 
auf Ereschkigal (Allat), die Göttin der Hölle, so soll die gelegent- 
liche Einzeichnung eines Kreuzes, des Zeichens des Nergal,*) in 
dieselbe die Abhängigkeit der sieben Dämonen speziell von dem 
männlichen Beherrscher des Orkus darstellen. 



i) Vgl. die in Kap. IV gegebenen Ausführungen über die Zeremonien des 
babylonischen Neujahrsfestes. 

2) Der Beweis hierfür dürfte besonders mit Hilfe der Zylinder der Samm- 
lung de Clercq No. 253 — $8 erbracht werden können. 

Grimme, Das israelitische Ffingstfest. 4 



50 U. Kapitel. 

Nur der Nachweis, daß auf der Darstellung eines Götterkampfes 
eines oder mehrere der genannten sieben Embleme vorhanden 
seien, kann dazu fuhren, sie mit Sicherheit auf Marduks Plejaden- 
bezwingung zu beziehen. Erst wenn damit die Richtung festgelegt 
ist, in welcher sich die Interpretation zu halten hat, kann auch 
das Äußere der genauer dargestellten Personen mit Nutzen 
studiert werden. So ist daraus manches für die Zeit und den 
Ort der Herstellung des Bildwerkes zu lernen. Die älteren Dar- 
stellungen lassen Marduk stets mit Bogen und Pfeilen in den 
Kampf ziehen; man erhält beim Anschauen dieser Bilder oft 
den Eindruck, als habe die Gestalt, in der sich das Sternbild 
des Orion am Himmel zeigt, den Künstlern bei der Zeichnung 
der Umrisse des Gottes vorgeschwebt. Einer wesentlich späteren 
Kunstentwicklung gehört das Motiv an, daß Marduk mit dem 
Sichelschwerte als Waffe dem Gegner entgegentritt; es mag da- 
mit zusammenhängen, daß man nicht mehr den Marduk von 
Eridu bezw. Orion als Dämonenbezwinger nahm, sondern den 
gleichnamigen Stadtgott von Babel. Noch jünger scheinen die 
Bilder zu sein, auf denen Marduk mit einem kurzen Dolch den 
Dämonen zu Leibe geht. Die letzte Entwicklung führte dahin, 
Marduk ohne jede Waffe gegen zwei links und rechts auf ihn 
andringende Dämonen ringend ankämpfen zu lassen; sie ermög- 
lichte eine genau symmetrische Anordnung der kämpfenden Per- 
sonen und wird wohl besonders deshalb in der Periode des 
sinkenden Kunstgeschmacks größeren Anklang gefunden haben. 
Auch das Äußere der Sieben hat auf den Darstellungen ihres 
Kampfes starke, für verschiedene Zeitperioden charakteristische 
Veränderungen erfahren. Ohne hier näher in die Einzelheiten 
einzutreten, sei nur bemerkt, daß die ältesten Bilder sie als ge- 
flügelte Bestien nehmen, daß dann mehr und mehr Menschen- 
ähnlichkeit bei ihnen zu Tage tritt, durch Anfügung eines mensch- 
lich geformten Hauptes, durch Fortlassen der Flügel usw; endlich 
schritt man zur Umwandlung des Tierleibes in den eines 
Menschen, dessen Haltung zuweilen mehr auf einen Gott als einen 
Dämon deutet. Diese Entwicklung schließt jedoch nicht aus, daß 
auch auf späten Bildwerken an der Seite oder an Stelle von 
Dämonen mit menschlichem Äußeren noch ganz tierisch geformte 
Plejadendämonen zu finden sind. 

Die beigegebene Tafel I vereinigt eine kleine Zahl von 



Die Siebengötter außerhalb der biblischen Welt. 51 

besonders typischen Darstellungen des Kampfes zwisd^en Marduk 
und den Sieben; zu ihrem besseren Verständiusse sei folgendes 
bemerkt : 

No. I (Lajard, Mithra, Taf. XXXVH, 4) : Die Mitte des Budes 
zeigt Gott Marduk in schreitender Stellung; er schießt gerade 
einen Pfeil einem mit den Vorderpranken nach ihm schlagenden 
löwenartigen, mit Flügeln versehenen Untier (Dämon) in den 
offenen Rachen. Ein anderes derselben Art liegt tot vor seinen 
Füßen. Das Siebenkugelemblem hinter Marduk erklärt dem Be- 
schauer die Dämonen als die sieben Plejaden. Rechts von dem- 
selben und dem Gotte kniet ein Mann, der bittend seine Arme 
erhebt; die über ihm stehende Mondsichel (mit ilügelartigen 
Strahlen) bezeichnet ihn als den bedrängten Mond. Der die 
linke Ecke ausfüllende Orant hat mit der Kampfszene nichts zu 
tun; es wird der Besitzer des Siegelzylinders sein, der seinen 
Gott Marduk anbetet. 

No. 2 (Menant, Glyptique Orientale 11, Taf. VII, 6) : Marduk, 
in ruhiger Haltung, ist im Begriff, einen Pfeil abzuschießen gegen 
einen von rechts auf ihn losrennenden Dämon, der den Körper 
eines Hirsches, einen gehörnten Raubvogelkopf und Flügel an 
den Schultern hat Zwischen beiden Gestalten befindet sich 
ein stilisierter Palmbaum: der heilige Baum von Eridu; unter 
dem Dämon Eas Fischemblem. Am Himmel über beiden 
Kämpfern steht die Mondsichel, d. i. der bedrängte Mondgott; 
rechts davon etwas tiefer der Venusstem, d. i. die von ihrem 
Herrschersitze herabgestiegene Ischtar, noch weiter rechts ein 
runder Himmelskörper auf mondsichelformiger Basis, auf beiden 
Seiten mit Strahlenbüscheln versehen — soU er vielleicht den 
Sonnengott darstellen, der nach dem Mythus den Sieben Vor- 
schub leistete? 

No. 4 (Lajard, Mithra, Taf. XXV, i): Im Mittelpunkte die 
Mondsichel, um welche ein Kreis gezogen ist ; in ihm der Ober- 
körper eines Mannes, der die Rechte zur Bitte erhebt, in der 
Linken eine Pflanze mit drei Knospen oder Früchten hält Eine 
Krone bezeichnet ihn als Gott. Es ist der Mondgott, der Mar- 
duks Hilfe anruft, zugleich auch wohl dessen Lebenskraut in der 
Hand trägt. Links von ihm spannt Marduk den Bogen gegen 
ein rechts vom Monde hochaufgerichtetes Untier mit Stierkörper, 

Löwenhaupt, einem Stirnhorn und Flügeln, den Repräsentanten der 

4* 



52 II. Kapitel. 

Sieben, auf welche vielleicht auch sieben auf dem Hörn auf- 
liegende Kugeln deuten. Über dem Monde schwebt ein Stern, 
von dem Strahlenbüschel nach rechts, links und unten ausgehen, 
dazu zwei rankenförmige Ausläufer: vermutlich ein Emblem 
Marduks, der dann seine Orionnatur hier aufgegeben hätte und 
vielleicht als Jupiter gedacht ist. Dieses Emblem sowie die 
Krone auf dem Haupte des Mondgottes verweisen die Dar- 
stellung in späte, wahrscheinlich assyrische Zeit. 

No. 5 (Collection de Clercq, No. 331 — nach unten zer- 
brochen — ): Links Marduk, der einen Pfeil gegen ein löwen- 
artiges Untier entsendet. Dieses scheint nach rechts vor ihm 
zu fliehen, einem Manne entgegen, dessen Oberkörper von einem 
Flammenringe umgeben ist; die Rechte, die einen undeutlichen 
Gegenstand (Waffe?) trägt, hält er gerade ausgestreckt, mit der 
Linken scheint er eine Kugel zu schleudern. Diese Angriffs- 
stellung legt nahe, in ihm einen als Menschen dargestellten 
Dämon zu erkennen, so daß das über ihm stehende Siebenkugel- 
abbild auf ihn und den Löwendämon zugleich gehen würde. 
Zwischen Marduk und seinen Gegnern steht hoch am Himmel 
ein leerer Kreis: der seines Glanzes beraubte Mondgott. Nach 
der menschlich gebildeten Dämonengestalt zu schließen kann 
dieser Zylinder kein sehr hohes Alter beanspruchen. 

No. 6 (Collection de Clercq, No. 307): Rechts Marduk, der 
mit der rechten Hand eine Pranke eines vor ihm halb auf- 
gerichteten Untiers mit geflügeltem Stierkörper, Pferdenacken und 
Adlerkopf ergreift, während die Linke zum Stoße mit einem 
kurzen Dolche ausholt. Am Himmel zu oberst die Mondsichel, 
links davon etwas niedriger ein Stern mit acht Strahlen um 
einen Mittelpunkt, d. i. Ischtar, rechts davon das Siebenkugel- 
zeichen der Plejaden. Hinter dem Gotte eine stilisierte Palme, 
das Emblem von Eridu; zwischen Marduk und dem Dämon 
zeigen sich undeutliche Spuren von einem größeren Gegenstand 
oder Lebewesen. 

No. 7 (Lajard, Mithra, Taf. LI, 2): Links Marduk, auf dem 
Haupte eine Krone; er faßt mit der linken Hand einem hoch- 
aufgerichteten stierleibigen und menschenköpfigen Dämon, der 
mit einer Krone geschmückt ist, in die Haare, vermutlich um 
ihm den von seiner Rechten gehaltenen Dolch in den Hals 
stoßen zu können. Ein anderer, ziegengestaltiger Dämon mit 



Die Siebengötter außerhalb der biblischen Welt. 58 

langem gekrümmten Home wendet sich zur Flucht, wobei er noch 
mit zurückgewandtem Kopfe nach den Blättern einer Palme — der 
Palme von Eridu — zu schnappen scheint. Über der Kämpfergruppe 
die Mondsichel; zwischen Marduk . und dem menschenköpfigen 
Dämon die Vulva der Unterweltsgöttin als Zeichen der Herkunft 
der Dämonen; unten in der rechten Ecke ein stilisiertes lilien- 
artiges Gewächs, etwa Marduks Lebenskraut Nach den Zacken- 
kronen und dem würdigen Ausdrucke in den Zügen des menschen- 
köpfigen Dämons zu schließen, gehört der Zylinder später 
(assyrischer?) Zeit an. 

No. 8 (Lajard, Mithra, Taf. XLVII, 4): Ein dem vorher- 
gehenden nahestehendes Bild, abweichend besonders darin, daß 
Marduk den ziegengestaltigen Dämon mit dem Dolche zu treffen 
sucht und dass der menschenköpfige durch einen schlangenleibigen 
ersetzt ist An Beiwerk sind Mondsichel, Palme, Vulva vorhanden. 

No. 9 (Collection de Clercq, Taf. XXXVD, No. 323W«): In 
der Mitte Marduk, doppeltgeflügelt; rechts und links von ihm 
je ein hochaufgerichteter, vierfiißiger und geflügelter Dämon mit 
Vogelkopf, mit denen er ringt Am Himmel die Mondsichel; 
tiefer unten der hier sechsstrahlige Ischtarstem; noch tiefer die 
Vulva. In gleicher Höhe vor Marduk Eas Fischemblem. Der 
Zylinder wird wie alle, die Marduk ringend zeigen, kaum sehr 
alt sein. 

Es scheint, daß die bab.-assyrische Kunst aus dem Mythus 
der Sieben außer dem Motive des Kampfes noch andere zur 
Darstellung gebracht habe. So schlägt wahrscheinlich No. 1 von 
Tafel n (nach Photographie des Originals im Brit Museum) in 
diesen Vorstellungskreis. Zwei symmetrisch gebildete Dämonen 
mit Stierleib und menschlichem Oberkörper, dazu doppelt- 
geflügelt (wie der Plejadendämon auf Zylinder No. 325 der 
Sanmilung de Clercq) dringen, die Arme hochgehoben, auf 
einen zwischen ihnen befindlichen Neumondkreis ein, in welchem 
der Mondgott gefangen sitzt Er streckt seine Rechte aus, Hilfe 
suchend; der über der Gruppe schwebende mit StrsJilenflügeln 
ausgestattete Gott könnte Bei darstellen, wie er für seinen Sohn 
Sin einen Retter sucht 

Das Motiv des Plejadenkampfes , wie es in Babylon ange- 
schlagen worden ist, scheint sich in Nachahmungen und Variationen 
über ein weites Gebiet orientalischer Kunst verbreitet, ja 



54 II. Kapitel. 

sogar noch abseits davon nachgeklungen zu haben. So weist 
nach einer fiichtbab)4onischen Zone die auf Tafel II unter No. 2 
wiedecgeg^ebene Zylinderdarstellung (Lajard, Mithra, Taf. XXXm, 8). 
Zwischen zwei symmetrisch gebildeten geflügelten und mit 
Z^kenkrooen versehenen Wesen von menschenartigem Aussehen 
steht eil» ebenso bekröntes, mit Doppelköcher ausgestatteter Gott 
in SchriHstelkifig und ergreift ringend die Hände des rechts von 
ihm stehefiden Wesens, während die Hände des links von ihm 
stehenden ihm nach dem Rücken zu greifen scheinen. Daß auch 
hier der Kampf Marduks mit den Plejaden wiedergegeben ist, 
beweisen drei emblematische Zutaten: Mondsichel und Ischtar- 
stem rechts luid links vom Haupte der Mittelperson, und die 
lilienartige Bkime in der unteren rechten Ecke, die auf Marduks 
Gottheit deuten wird; weiter eine rechts oben angebrachte Bei- 
scbrift Sch-fe-r „Mottd(gott)" *) in Buchstaben, die, wie Fr. Hommel 
(Aufs. t). Abhdl.» S. löofi".) zuerst gesehen, denen der lihjanischen 
Inschriften besonders nahe stehen. Es ist mehr als wahrschein- 
lich , da& die bildliche Darstellung derselben Zone wie die 
L^ende angehört; denn die speziell babylonisch -ass)nische 
Kunst weist keine Plejadendämonen auf, die an gottähnlicher 
Würde denen unseres Zylinders gleichkämen. Es wird somit 
das Bikl nach einer Gegend hinweisen, die die Plejaden als 
Wesen reingöttlicher Natur verehrte. Ich suche sie entsprechend 
der Beiscbrift in der Richtung nach Nordarabien. Dagegen wird 
man för die G^;end nordwestlich vom Euphrat, vor allem Haurän 
und Damasceite einen wesentlich anderen Typus des Plejaden- 
kampfes anzusetzen haben, dessen Haupteigentümlichkeit die ist, 
den kämpfenden Gott zu Pferde darzustellen. Diese Auffassung 
weicht von der babylonisch-assyrischen, die nur einen zu Fuße 
kämpfenden Marduk kennt, zu weit ab, um daraus unmittelbar 
entwickelt m sein; der Übergang vom schreitenden zum reiten- 
den Gotte dürfte aber durch einen Typus vermittelt worden 
sein, der ihn nicht zu Pferde, sondern auf seinem heiligen Tiere, 
dem JDrachen von Babel", sitzend zeigt Von ihm gibt uns 
einen Beg^räT der auf Taf. 11 unter No. 3 (nach Lajard, Mithra« 
Taf. XXIX, 5) abgebildete Siegelzylinder. Hier reitet der Gott 



i) Sdi-ii-T;^ aus dem Katabanischen (z. B. Gl. 1906, i ; Hai. 504, 11) als 
PersoneoBame Ibckannt, könnte event. auch hier einen solchen darstellen. 



Die Siebengötter außerhalb der biblischen Welt. 55 

auf einem pferdeleibigen Greif; die Linke führt eine Peitsche, 
die Rechte hält einer Gruppe von drei seltsam gehörnten Tieren 
eine dreistengelige Pflanze entgegen, offenbar ein Beschwö- 
rungskraut, vor dem eines der Tiere erschreckt sich bäumt 
Diese Szene wird uns dadurch zu der von Marduks Plejadenkampf, 
daß am Himmel das Siebenkugelbild der Plejaden, die Sichel 
des Mondgottes, Ischtars Stern und ein nach rechts, links und 
unten Strahlen aussendender Himmelskörper, vermutlich das 
Emblem des Sonnengottes, dargestellt sind. Der Raum zwischen 
dem Gotte und einem Oranten enthält das für den babylonischen 
Marduk typische Emblem der Lanze, ein gabelförmiges (vielleicht das 
Blitzbündel Adads) und ein ständerartiges von undeutlicher Be- 
ziehung. Besonderes Interesse verdient noch ein Detail: ein 
kleines Tier, am ehesten als Hase, vielleicht auch als Hund zu 
deuten, das neben Marduk einherläuft; seine Beziehung wird uns 
weiter unten beschäftigen. 

Von diesem auf seinem heiligen Tiere sitzenden Marduk zu 
dem, der zu Pferde in den Kampf gegen die Plejadendämone 
reitet, ist nur ein kleiner Schritt; er scheint in syrisch-kanaani- 
tischer Zone jedenfalls mehrere Jahrhunderte vor Christi Geburt 
gemacht zu sein, ja im Hinblick auf den aus dem 8. Jahrhundert 
V. Chr. überlieferten altaramäischen Gottesnamen bNasn „Reiter- 
gott" noch zur Zeit des assyrischen Großreiches. Der älteste 
bildliche Beleg, den wir von ihm aus dem Vorderorient haben, 
reicht allerdings höchstens in hellenistische Zeit zurück: es ist 
die in Swedä im Haurän gefundene angebliche Gigantomachie 
(Tat II, No. 4). Man sieht auf ihr einen Reiter, der seine Lanze 
einem schlangenbeinigen , im übrigen menschlich geformten 
Dämon in die Brust gestoßen hat Der Dämon hält anscheinend 
Schleudersteine in den hochgehobenen Händen, um mit ihnen 
den Angriff zu erwidern. Der Reiter ist nun sicher ein Himmels- 
gott; dafür zeugt ein hinter ihm schwebender Stern. Er muß 
weiter seinem Wesen nach mit Marduk gleich sein; denn im 
Mittelpunkte des Kampfes zwischen dem Gott und dem Dämon 
ist eine große Strahlenscheibe dargestellt, über welche ein Gott 
halben Leibes hinausragt, die Hände wie ein Gefesselter unter 
dem Gewände haltend. Ein Blick auf das Bild des bedrängten 
Frühlingsneumondes, wie ihn Tafel I, 4 und Tafel II, i zeigen, ge- 
nügt, um denselben auch in dem Mittelstücke der Swedäskulptur 



56 U. Kapitel 

ZU erkennen, und weiter die Hauptzüge des babylonischen Ple- 
jadenmythus aus diesem Bildwerke herauszulesen. Ohne große 
Kühnheit kann man dann auch ein unweit Damascus gefundenes 
Relief 1) (Taf. 11, No. 5), das uns einen ähnlich gekleideten, keulen- 
tragenden Reiter zeigt, auf Marduk, den Plejadenbezwinger, be- 
ziehen; denn ob auch sein Gegner auf dem Bilde fehlt, seine 
hochgehobene Rechte, die auf eine über ihm schwebende Mond- 
sichel deutet, besagt, daß er seine Götterstärke für den Neu- 
mondsgott eingesetzt habe. Ist dieser aramäische Reitergott nun 
auch wesensgleich mit Marduk, so wurde er doch anscheinend 
unter einem anderen Namen verehrt; Genneas nennt ihn die 
Unterschrift eines an den Typus des genannten Bildwerkes sich an- 
lehnenden Reliefs aus römischer Kaiserzeit.*) Ein weiterer Name 
dieses Genneas war aber nach einer Inschrift von Der-el-Qalsa 
im Libanon 8) Bai MagxoDd] es besteht die Möglichkeit, daß 
dieser Name M a r k o d entstanden sei aus Mardok (Marduk) unter 
absichtlicher Vertauschung seiner beiden letzten Konsonanten.*) 
Die Spur des Reitergottes läßt sich bis in den letzten Aus- 
läufer kanaanitischen Volkstums, bis nach Karthago verfolgen. Eine 
aus der Nekropole von Duime bei Karthago stammende kleine 
Tonscheibe altpunischen Ursprungs (s. Taf. II, No. 6) ^) bringt eine 
bisher nur ungenügend erklärte Darstellung: einen mit Lanze, 
Rundschild und Helm ausgerüsteten Reiter auf galoppierendem 
Rosse, begleitet von einem laufenden Hunde. Auf das Wesen 
dieses Reiters gestatten nun zwei beigefügte Embleme einen ge- 
sicherten Schluß : eine Mondsichel mit daraufliegender Kugel, 
das auf punischen Grabsteinen oft wiederkehrende Bild des 
Mondgottes, und eine stilisierte lilien artige Pflanze, wie sie 
uns auf babylonischen Darstellungen in Verbindung mit Marduks 
Plejadenkampf begegnete. Damit stehen wir wieder ganz im 
Ideenkreise des Plejadenkampfes, so daß der Reiter seinem Wesen 



i) VeröfTentlicht von P. Ronzevalle (Dieu Cavalier sur un Bas-relief Syrien) 
in Comptes Rendus de TAcademie des Inscr. et B.-Lettr., 1904, S. 8. 

2) Bei L. Heuzey, Archeologie Orientale I (Comptes Rendus de l*Ac des 
Inscr. et B.-Lettres, 1902, S. 190 fr.) 

3) Vgl. Clermont-Gannean, Recueil de Archäologie Orientale I, S. 495. 

4) Ich würde mit grösserer Gewissheit die Gleichung aufstellen, wenn Map- 
^€0^ überliefert wäre. 

5) Katalog des Musee Lavigerie, Bd. I, Taf. XX, 5. 



Die Sicbengötter außerhalb der biblischen Welt. 57 

nach kein anderer sein wird als ein Marduk. Diese Reliefscheibe 
hat anscheinend noch zahlreiche Verwandte: die Menge der 
karthagischen Münzen, die auf ihrer Rückseite das Bild eines 
Pferdes zeigen, dem bald eine Mondsichel und ein zwischen zwei 
Uräusschlangen schwebender Stern, bald eine Mondsichel und 
ein Pahnbaum beigefugt sind (s. Taf. IE, No. 5). Mondsichel 
und Palmbaum bringen uns dem Plejadenkampfe nahe ; dann wird 
das Roß, oder vielleicht Roß und Stern zusammen wohl den 
Gott bezeichnen, der sich im Plejadenkampfe auszeichnete. Auf 
alten Stadtmünzen pflegten die über die Stadt gebietenden 
Götter* abgebildet zu werden; Karthago aber stand als tyrische 
Kolonie unter Mdqart: lebte somit in diesem Melqart die Seele 
des babylonischen Marduk? 

Es ist verlockend, nach Ausstrahlungen der Idee vom Kampfe 
zwischen Marduk und den Plejaden über die semitische Zone 
hinaus zu forschen; doch liegt dabei die Gefahr nahe, ins ufer- 
lose Meer allgemeiner Ähnlichkeiten zu geraten. Die griechische 
Mythologie hat ihre Giganten, Harpyien und Chimären, die sich 
vielfach mit den Plejadendämonen berühren; dazu Götter und 
Heroen, die ihre Stärke gerade im Dämonenkampfe beweisen. 
Sie hat ihren Orion, der außer manchem anderen mit dem baby- 
lonischen Marduk den bemerkenswerten Zug teilt, auf die Ple- 
jaden Jagd zu machen, begleitet von Hund und Hase, gleich dem 
vordersemitischen Reitergotte. Aber noch fehlt das rechte Binde- 
glied für alle diese Einzelzüge, der Nachweis, daß die Bedrängnis 
des Mondes die Ursache von Orions Jagd und den Giganto- 
machien zu gelten habe. Oder sollte vielleicht vom Vorhanden- 
sein auch dieser Idee auf okzidentalischem Boden ein etruskischer 
Spiegel (Taf. II, No. 7) eine Kunde geben? Dieser, der aller 
Wahrscheinlichkeit nach uns den Orion zeigt, begleitet von Hund 
und Hasen, lässt über ihm eine Gruppe von sieben größeren 
Sternen und einem kleineren und innerhalb dieser eine Mond- 
sichel erkennen. Aus klassischen Quellen ist nun für diese 
Zusammenstellung keine Deutung zu holen ; läßt man aber den Orient 
als Interpreten zu, so bleibt weder die Achtzahl der Sterne 
(s. S. 40 f.) noch der Mond in ihrer Mitte unerklärt. Es wäre ver- 
geblich, zur Zeit den Weg bestimmen zu wollen, der die orienta- 
lische Plejadenidee in die etruskische Kunst übergeführt hätte. 
In einem anderen Falle macht es aber weniger Mühe, den Weg 



58 n. Kapitel. 

ZU erkennen, als die Idee scharf zu umgrenzen, nämlich bei ge- 
wissen Münzen heUenistischer Zeit, die auf die kiiikisch-kyprische 
Zone hinweisen, ob auch ihr Prägeort bisher noch dunkel ge- 
blieben ist.i) Ihr Avers zeigt eine geflügelte weibliche Gestalt 
in knieender Stellung, die in den Händen Kranz und Schlangen- 
stab hält; der Revers einen spitz zulaufenden heiligen Stein, 
oben meistens mit zwei halbrunden Henkeln versehen, rechts 
und links davon je eine Traube, deren Gestalt zuweilen mit der 
einer Taube auf eigentümliche Weise vermischt ist (Taf. IE, No. 12). 
Daß dieses Doppelgebilde aus der doppelten Bezeichnung „Traube" 
und „Tauben", die das Griechische für Plejaden hat, entstanden 
ist, ist zweifellos.*) Dann werden aber wohl die Plejaden im 
Kulte der Gegend, der die Münzen entstammen, eine Rolle ge- 
spielt haben und zwar in Verbindung mit dem Gotte, der in 
dem heiligen Steine verehrt wurde. Wer aber ist dieser Gott? 
Beachtet man, wie ein Münztypus (Taf. III, No. 13) mitten auf 
dem Steine eine Pflanze mit drei Fruchtknollen bietet, also eine 
derjenigen ganz ähnliche, die auf orientalischen Darstellungen 
des Plejadenkampfes bald in der Hand des Mondgottes (s. Taf. I, 
No. 4), bald in der Marduks (s. Taf. II, No. 3) erscheint, so könnte 
recht wohl einer dieser beiden Götter gemeint sein, am ehesten 
noch Marduk, als dessen Symbol auf babylonischen Denkmälern 
sich öfters ein keilförmiger Stein (oder eine Lanzenspitze) findet 
Leider weiß man auch von der geflügelten Gestalt nichts Sicheres 
auszusagen ; doch könnte sie, nach dem Attribute des Schlangen- 
stabes zu schließen, recht wohl Selene, der weibliche Mond, sein. 
Dann wären die Elemente, die für den orientalischen Plejadenmythus 
Bedeutung haben, Mond, Plejaden, Marduk, alle vertreten. Kili- 
kien wie auch Kypros bedeuten alte Dependenzen babylonischer, 
durch Syrien vermittelter Kultur; so kann es gar nicht über- 
raschen, gerade hier Anklänge an den Mythus zu finden.^) 



i) Imhoof-Blumer, Kleinasiaüsche Münzen, 1902, S. 435 f. 

2) lean N. Svoronos, Sur la signification des types monetaires des 
anciens (Bulletin de Correspondance Hell^nique, XVIII [1894], S. loi — 128). 

3) Auch andere killkische Münzen, wie die „Satrapenmünzen" unbestimmten 
Prägeortes (Imhoof-Blumer, Kleinas. Münzen, S. 518), die auf dem Avers einen 
knieenden Bogenschützen, auf dem Revers einen mit der Lanze kämpfenden 
Reiter, hinter ihm am Himmel bald eine Mondsichel (Taf. III, No. 14), bald 



Die Siebcngöiter außerhalb der biblischen Welt. 59 

Man wird gut tun, die Anregung, die die griechisch«» 
römische Welt vor allem in ihrer Kunst vom Plejadenmythus 
empfangen hat, nicht zu hoch zu veranschlagen. Erst als um die 
Wende einer neuen Zeit der Orient neue Religionen aus sich 
erzeugte und dem Okzidente zuführte, da kamen auch die „sieben 
Götter*' im Gefolge des bunten Ideengewimmels, das sich in der 
Mithrasreligion ein SteUdichein gab , zum fernen Westen. Nicht 
als geistiges Element, sondern als Dekorationsstück — deshalb 
sind sie auch mehr mit den Bildwerken des Mithraskults als mit 
dessen religiösen Texten verbunden. Die Hauptdarstellung der 
Mithrasreligion, Mithras auf dem Welt-Stiere knieend, hängt im 
Detail vielfach von dem Typus der spätorientalischen Dar- 
stellungen des Plejadenkampfes ab. Auf dem flatternden Mantel 
des Gottes (Taf. 11, No. 8 nach Lajard, Mithra) oder über ihm 
am Himmel hat das alte Siebenkugelbild der Plejaden seinen 
Platz bekommen, in ihrer Mitte findet sich nicht selten die Mond- 
sichel. Das Dolchmesser, welches Mithras Hand hält, ist das 
gleiche, welches Marduk gegen die Plejaden schwingt. Und 
sollte es Zufall sein, daß auch der Hund, der Begleiter des 
reitenden Marduk, nicht fehlt, daß der Skorpion, Marduk-Orions 
gefahrlichster Gegner nach griechischer Tradition, am Boden 
kriecht? 

Während der Mithrasdienst sich vom Plejadenkulte das an- 
eignete, was ihm poetisch oder dekorativ verwendbar schien, 
tritt uns auf Münzen der Stadt Harran noch einmal der Plejaden- 
mythus in seinem ganzen Umfange entgegen — allerdings nur 
emblematisch ausgedrückt Die zahlreichen Münzen, welche 
diese Stadt in römischer Kaiserzeit geprägt hat, zeigen sämtlich 
auf ihrer Kehrseite eine Mondsichel. In seltenen Fällen trägt 
der in halber Figur dargestellte Mondgott sie an den Schultern 
und auf dem Kopfe (Taf III, No. 2) oder tritt sie als Bekrönung 
eines mit sieben Staffeln durchsetzten ovalen Unterbaues auf 
(Tat in, No. i). Zumeist aber nimmt sie, in besonders großem 
Maßstabe dargestellt, die Mitte des Revers ein, hat dann aber 
stets noch ein oder mehrere andere Embleme bei sich. Ihr 



einen Kopf zeigen, weiter solche von Soloi-PompeiopoHs (Imhoof-Blumer, KL M., 
S. 487) mit Bogenschtttz und Traube würden wohl eine Deutung aus dem 
Ideenkreise des Plejadenmythus gestatten. 



60 11. Kapitel. 

häufigster Begleiter ist ein über ihr schwebender Stern. Zuweilen 
besteht dieser aus acht Strahlen (Taf. III, No. ii), nicht selten 
aus sechs 9 die von einem mittleren Funkte ausgehend in eben- 
solche Funkte auslaufen (Taf. III, No. 8); einmal ist der Stern 
siebenstrahlig dargestellt (Taf. III, No. 9). Das Auffalligste aber 
ist, daß öfters der Stern aus einer Gruppe von sieben Punkten 
oder Kügelchen besteht (Taf. HI, No. 5, 6, 10), und diese einmal 
(Taf. ni, No. 4) von einer zweiten kleineren Sichel eng zusammen- 
gehalten werden. Ein zweites, selteneres Emblem ist das einer 
Blume (Taf. III, No. 6), oder eines kleinen Zweiges (Taf. HI, 
No. 5), die über dem Siebenkugelsterne stehen; an ihrer 
Stelle kommt auch wohl ein zweiter Stern vor (Taf. HI, No. 3). 
Das dritte, wieder häufiger auftretende Emblem ist eine 
kleine Kugel, von der nach rechts und links je ein band- oder 
schlangenartiger Streifen ausgeht; es hat seinen ständigen Flatz 
unter der Mondsichel. Ich halte dafür, daß jedes dieser Embleme 
auf einen in Harrän verehrten Gott hinweise. Die Mondsichel 
deutet auf den Mondgott ; wie jene auf dem Münzbilde dominiert, 
so beherrscht dieser seine göttliche Umgebung. Es läge nahe, in dem 
Sterne eine Ischtar (bezw. die damit identische Belthis von Harrän) 
zu suchen; dagegen aber sprechen seine Zusammensetzung aus 
sieben Kugeln und die sie umgebende kleine Sichel, die sonst 
nirgendwo bei einem Ischtarsterne zu beobachten sind. Ich ziehe 
deshalb vor, ihn den „sieben Göttern'' zuzuweisen, auf deren hohe 
Bedeutung für den Kult Harräns oben hingewiesen ist Blume 
oder Zweig, die über dem Flejadenabbilde stehen, werden wir 
analog der Blume, die sich auf den Darstellungen von Flejaden- 
kämpfen finden, keinem anderen als Marduk zuteilen. Derselbe 
könnte wohl auch mit dem zweiten Sterne gemeint sein, der über 
dem Plejadensterne schwebt, obgleich hier auch an Ischtar zu 
denken wäre. Die strahlenaussendende Kugel unterhalb der 
Mondsichel bringt man am ehesten mit dem Sonnengotte zu- 
sammen, der, wie z. B. aus Nabunaids Abu-Habba-Inschrift 
(CoL II, Z. 40) hervorgeht, in Harrän verehrt wurde, aber, da 
er als Kind des Mondes galt, hinter dem Mondgotte zurück- 
treten mußte. Alle die Götter, die uns auf den harrani- 
schen Münzen zur Darstellung gebracht zu sein scheinen, d. h. der 
Mondgott, die „Sieben", Marduk, der Sonnengott, vielleicht auch 
Ischtar-Belthis, stehen nun in einem inneren Zusammenhang mit- 



Die Plejadcnsieben in der Bibel. 61 

einander; denn sie stellen das Hauptpersonal desFlejadenmythusdat 
und bildeten als solches, wie wir bald sehen werden^ auch in dem 
Kulte, den ihnen Harrän widmete, eine gewisse Einheit In 
Harräns Münzbildem findet die lange Kette von Darstellungen, 
in denen der Orient die Idee der PIejaden und ihren Mythus 
niedei^elegt hat, ihren eigentlichen Abschluß. 



III. 

Die Plejadensieben in der Bibel. 

Von Südbabylonien nach Nordbabylonien und Assyrien, 
dann immer weiter westwärts nach Mesopotamien, Syrien, Phö- 
nizien und dessen Kolonien, vielleicht auch nach Nordarabien 
und Killkien wanderte im Laufe langer Jahrtausende die Idee von 
der Dämonen- oder Göttematur der PIejaden und mit ihr die 
Kunde von Marduk, ihrem Überwinder. Die ganze Zone, die 
Babyloniens geistiger Suprematie unterstand, hat uns Zeugnisse 
dafür geliefert, daß sie in diesen Begriffen eins war mit ihrem 
Mittelpunkte, ob auch lokale Einflüsse zu mannigfacher Um- 
gestaltung des Details führten. Erst an den Grenzen von Ägypten 
und Südarabien, zweier für sich zu nehmenden Kulturwelten, läßt 
sich das Erlöschen der Plejadenidee konstatieren. Nun drängt 
sich die Frage auf: Hat Israel, das seiner geographischen Lage 
nach mit gleichem Rechte für die babylonische wie für die ägyp- 
tische oder südarabische Kulturzone reklamiert werden könnte, 
auch mit der Plejadenidee Berührung bekommen? War diese 
Berührung eine rein äußerliche oder hat sie Folgen für die Denk- 
weise oder gar für die religiösen Begriffe Israels nach sich ge- 
zogen ? 

Die Bibel, flüchtig oder ohne Kenntnis der babylonischen 
Mythologie angeschaut, hat bisher noch nichts von der Idee eines 
persönlich gedachten Siebengestirns eröffnet. Man hat in ihr das 
Plejadengestirn konstatiert an drei Stellen, wo in Verbindung mit 
anderen Sternnamen der Ausdruck rrn'^D vorkommt, nämlich 

T • 

Amos 5, 8 : „Er (Jahwe) ist es, der die PIejaden (srn'^D) und den 



62 m. Kapitel. 

Orion (b'^os) gemacht hat'*, Hiob 9, 9 : „Er (Gott) ist es, der ge- 
macht hat den Bären (tf "»y), den Orion (b'^OD). die Plejaden (rnrD) 
und die Tiefen (?) des Südhimmeb {yj^n '»*mn)", endlich Hiob 38, si : 
„Wirst du etwa das Gebinde der Plejaden (ms^^s) knüpfen oder 
die Ketten (?) des Orion (b'^OD) lösen?*' Mit dieser Beziehung 
von n^'*3 auf die Plejaden scheint es seine Richtigkeit zu haben, 
auch kann man zugeben, daß dort, wo dieser Name vorkommt, 
seine Träger als reinnatürliche Himmelsphänomene auftreten. Das 
berechtigt aber nicht zur Annahme, die Bibel wisse nichts von 
der Idee einer Plejadengottheit oder zeuge gar dagegen. Ein 
Begriff kann, je nachdem man ihn natürlich oder mythologisch 
auffaßt, recht wohl verschiedene Namen tragen, zumal in einer 
Zone, die wie die israelitische, kultureller Beeinflussung von 
mehreren Seiten offen stand. Sehen wir daher zunächst zu, ob 
sich von den Namen, die bei Israels Nachbaren für die Plejaden 
in der Eigenschaft von beseelten, überirdischen Wesen in Gebrauch 
waren, Spuren in der Bibel nachweisen lassen. 

Wenn wir oben den nordphönizischen Personennamen Schabi-il 
als ,J)ie Plejaden sind Gott'' erklärt haben, so kann biblisches 
5^a«''bN — nach Ex. 6, as der Name von Aarons Weibe — für 
uns kaum etwas anderes bedeuten als „Die Plejaden sind mein 
Gott''. Dann hat auch Ehaußar, wie die Septuaginta den Namen 
transskribiert und wie er dann bis zur Zeit Christi (Lua i, 7) 
unter den Juden gebräuchlich blieb, von Haus aus den gleichen Sinn. 
Die Verschiedenheit der Endung erklärt sich am besten durch 
die Annahme, wie im Babylonischen neben dem Maskulin Sibi 
auch das Feminin Sibitti als Plejadenname gebraucht wurde, sei 
auch im Hebräischen solcher Wechsel bekannt gewesen. Noch ein 
zweiter Frauenname enthält die Nennung der Plejaden, yntt^'na 
(n Sam. II, 8 usw.); man könnte ihn wie den ersten als theophor 
nehmen, im Hinblick auf biblisches ^nrrja, südarabisches Ben- 
Wadd usw.; doch da die Frauen der davidischen Umgebung 
vielfach reine Schmucknamen tragen (vgl. bü^'a» „Mein Vater ist 
der Tau*', b"'5"»aN „Mein Vater ist die Freude*'), so könnte „Tochter 
der Plejaden'* auch bedeuten „Schön wie die Plejaden", was in 
kürzerer Weise wohl der nordarabische Frauenname et-Turajja 
„Plejaden" besagt (s. S. 44). Von der Idee der Plejadengötter 
ist aber nicht zu trennen der Name S^a^iti^ „Jahwe ist die 
Siebengottheit". Dieser scheint einen Protest der Jahwereligion 



Die Plejadensieben in der Bibel. 63 

gegen die Verehrung der ,,Sieben" auszudrücken; jedenfalls lehrt er, 
daß die 2k>nen beider sich in Israel eng berührten, unter Umständen auch 
schnitten. Als Kurzform von yaiöitr^ oder auch ymorib« wird yaa5 
zu gelten haben (vgl. syr. Sabi', nordarab. Sib'e); der Gebrauch 
dieses Namens, dessen Inhalt seinen Trägem undurchsichtig ge- 
worden sein dürfte, beschränkte sich nicht auf die davidische 
Zeit (11 Sam. 20, 1 ff., I Chr. 5,13); denn auch 2u — wie nach 
Joseph. Antiqu. XVII, 13, 1 der Vater des jüdischen Hohenpriester 
Josue hieß — wird nichts anderes sein als Scheba in aramäisch- 
griechischer Aussprache. 

Diese Personennamen verbürgen, mit Ausnahme von „Mein 
Gott sind die Plejaden'S noch nicht das Bestehen eines Plejadenkults 
auf Israels Boden; aber durch einen Ortsnamen des südlichsten 
Judäas wird uns der Beweis fiir einen solchen in hinreichender 
Deutlichkeit gegeben, nämlich :?5TD"-iNa (Beerseba). In ihm hat 
schon H. Winckler (Altorient. Forschungen III, S. 266) die Be- 
deutung „Brunnen der Plejaden" gefunden, und führte nicht die 
Analogie so mancher anderen Namen zu dieser Erklärung, so 
könnte schon aus dem, was die Bibel selber über Beerseba sagt, 
eine solche gewonnen werden. Gen. 21, 27 ff. bringt ihn mit einer 
Siebenzahl zusammen, wenn sie erzählt : „(27) Da nahm Abraham 
Schafe und Rinder und gab sie dem Abimelech, und sie schlössen 
einen Vertrag mit einander. (28) Abraham aber stellte die sieben 
weiblichen Lämmer besonders. (29) Da sprach Abimelech zu 
Abraham: Was sollen diese sieben Lämmer, die du besonders 
gestellt hast? (30) Abraham antwortete: Die sieben Lämmer 
nimmst du von meiner Hand, auf daß sie mir zum Zeugnisse 
seien, daß ich diesen Brunnen gegraben habe.'' Hier wird also 
der Name auf eine Siebenzahl von Lämmern zurückgeführt 
Kennen wir eine solche auch nicht als Symbol der Plejaden, so 
treffen wir sie doch bald als die ihnen zukommende Opfergabe 
in Harrän; das läßt vermuten, der Erzähler von Gen. 21, 27 ff. 
habe die sieben Lämmer von Beerseba nicht ohne einen Seiten- 
blick auf die Opfergebräuche von Beerseba seiner Darstellung 
eingeflochten. Die in Beerseba dargebrachten Opfer galten nun 
sicher nicht Jahwe, sondern einer von diesem verschiedenen Gott- 
heit; das bezeugt für die Königszeit Amos 8, 14. Ihm ist der 
Kult (•^'in)» oder wie H. Winckler überaus wahrscheinlich konji- 
ziert, der Dämon (nin) von Beerseba ebensosehr ein Greuel, wie 



64 m. Kapitel. 

der von Dan; sie trifft sein Spruch: „Die da sprechen: ,So wahr 
dein Gott lebt, Dan,* und ,So wahr dein Dämon lebt, Beerseba,' 
— fallen sollen sie und nicht wieder aufstehen!" Auf den 
gleichen Götzendienst, mit dem dann noch der Kult von Bethel 
und Gilgal verbunden wird, geht die Strafrede 5, iff. : ,,So spricht 
Jahwe zum Hause Israel: ,Trachtet nach mir, so werdet ihr 
leben. (5) Nicht trachtet nach Bethel, nicht geht nach Gilgal hinein 
noch ziehet nach Beerseba hinüber! Denn Gilgal wird gallig 
vergolten werden^) und das Haus des El wird zum Haus der 
Höll*.*) (6) Suchet Jahwe; dann werdet ihr leben: auf daß anders 
er nicht ein Feuer gegen das Haus Joseph loslasse , das frißt, 
ohne daß Bethel löschen kann.*' Man vermißt in V. 5 ein näheres 
Eingehen auf die dritte der Götzenstätten, Beerseba; aber der 
Spruch gegen sie oder ein Teil desselben dürfte in V. 8 zu 
finden sein, der so, wie er jetzt dasteht, wie ein aus seinem Zu- 
sammenhang gerissenes Fragment aussieht. Es heißt dort: „Er 
(Jahwe) ist es, der die Plejaden [h^d'^'d) geschaffen hat 
und den Orion und Finsternis in Morgenlicht umwandelt; der den 
Tag zu dunkler Nacht werden läßt, der die Wasser des Meeres 
ruft und sie auf die Erde niederschüttet: Jahwe ist sein Name." 
Eine Berufung darauf, Jahwe habe die Plejaden geschaffen, in 
der Nähe eines Spruches gegen Beerseba bzw. „Plejadenbrunnen" 
muß mit diesem in einem gewissen Zusammenhange stehen. Ich 
vermute daher, Amos habe ausdrücken wollen : Welchen Anspruch 
auf Kultus kann ein Wesen erheben, das erst durch Jahwes 
Schöpferkraft ins Dasein getreten ist! 

Amos hat seine Abneigung gegen den Plejadenkult vielleicht 
noch an einer weiteren Stelle zum Ausdruck gebracht. Zu 
Schlüsse des gerade erwähnten Kapitels sagt er, indem der die 
Reinheit des israelitischen Kultes zur Zeit der Wüstenwanderung 
der religiösen Verderbtheit seiner 2^it gegenüberstellt: (v. 25) 
„Sind es [d. h. eure gegenwärtigen Opfer] Schlacht- und 



i) Eigentlich: „Wird ins Exil ziehen", was im Hebräischen ein Wortspiel 
zu Gilgal ausmacht. 

2) Wenn pN „Verderben" ein Wortspiel mit bNTT^n bildet, so wird wohl 
im Urtext p^T'^a, d. i. Haus des (Gottes) A n u gestanden haben ; vgl. dazu Amos i, 5 
•jiKT^^pa, d. i. Niederung des Anu, d. i. Gegend von Heliopolis (Baalbek). 



Die Plejadensieben in der BibeL 65 

Speisopfer/) wie ihr sie. mir dargebracht habt in der Steppe 
während 40 Jahren, Volk Israel? (26) Habt ihr [damals] (in 
Prozession) getragen^) das Zelt eures Moloch^ das Throngestell 
eurer Selem, den Stern eures Gottes, die ihr euch gemacht habt?" *) 
Der Ausdruck „den Stern eures Gottes" (oder vielleicht zu über- 
setzen „den Stern — 3:313 — ^ euem Gott"?) könnte auf die Ple- 
jaden gemünzt sein; denn außer rr»*^3 und y^xo war auch 3313 
„Stern", genauer O'^Mis „Gestirn", sicher eine in Israel geläufige 
Bezeichnung für das Plejadengestim , ebenso wie in Babyloniens 
Astronomie „Stern" (mul) ohne weiteres auch für die Plejadei> 
gebraucht werden konnte und noch für die mittelalterlichen 
Araber der Ausdruck en-Nagmu „der Stern" synonym ist mit 
et-Tura]jä „Plqaden". Den ältesten und wichtigsten Beleg für 
biblisches 0*^3313 in der Bedeutung von „Plejaden" finde ich im 
Deboraliede, wo es heifit (Ri. 5, 20 f.): 

inö*«? bn3 {«lO'^o uy iTsnbs nmbo'n?3 n'^33i3n itinba ü'^iyo-p 

. . • Dc-ia 

Die hier erwähnten, vom Himmel her gegen Sisera an- 
kämpfenden Sterne sind bisher recht rätselhafte Größen; ihre 
Deutung läßt sich aber gewinnen mit Hilfe der Begriffe des Satz- 
zusammenhanges. Der Dichter läßt die Sterne von ihren mbow 
(m^silloth) aus kämpfen: in diesem Worte muß etwas wie ihr 
Standort gesucht werden. Da nbbo (soblä) „Wall, Hochweg" und 
das Verb bo „umwallen" bedeutet, so liegt nahe mbOTD mit 
„Wall" zu übersetzen. Nun haben wir das entsprechende babyl. 
sulü oben (S. 36) als die Gegend des Himmels kennen gelernt, 
auf dem die „Sieben" Ver\virrung anrichteten; andererseits war 
auch vom schupuk schäme „dem Damme des Himmels" gesagt 
worden (S. 28), daß auf ihm die „Sieben" erzeugt wären und sich 
herumtummelten, so daß man sulü unbedenklich für synonym mit 
schupuk schäme nehmen darf. Letzteres ist aber die Ekliptik; 
dann haben auch die nach dem Deboraliede am m^sillöth 



1) Ich halte eine solche Übersetzung für wenigstens ebenso berechtigt, wie 
die flbliche: „Habt ihr mir Schlacht- und Speisopfer dargebracht in der Steppe usw.?'< 

2) Das Verbum wird gewöhnlich fiiturisch Übersetzt; doch sollte man auch 
mit der Möglichkeit rechnen, daß es auf die Vergangenheit geht 

3) Die Übersetzung richtet sich nach dem masor. Texte; zum Plural von 
$elem kann auf die zwei Selem der großen Taima-Inschr. hingewiesen werden. 

Grimme, Das israelitische Pflngstfest. 5 



66 m. Kapitel. 

wohnenden Sterne als ein Eldiptikalgestirn zu gelten und nicht 
als Planeten, wie man üblicherweise annimmt Von allen Eklipti- 
kalgestimen kann nur eines in Betracht kommen , wenn es sich 
um Kämpfen handelt: das der Plejaden, der „starken Götter" der 
babylonischen Mythologie, der Träger von Bogen und Köcher 
nach assyrischer Anschauung, deren Kämpfen und Toben Sturm 
und Gewitter erregt. Diesem entspricht nun ein weiterer Zug 
im Bilde der kök^abim des Deboraliedes. Indem sie von der 
Ekliptik aus am Kampfe gegen Sisera teilnehmen, schwillt der 
Fluß Kischon zu einem Regenstrome an. Das Kämpfen der 
Sterne muß sich in Regen und Gewitter geäußert haben: so 
erscheinen die Kämpfer als die Regen- und Gewittersteme, die 
persönlich gedachten Plejaden. Daraus ergibt sich als ziemlich 
sichere Folgerung: die Schlacht bei Taanakh fand im Monate 
des Frühaufgangs der Plejaden statt • d. h. im ersten Monat nach dem 
Frühlingsäquinoktium, da im 13. Jahrhundert v. Chr. die Plejaden 
während desselben aufgingen. Weniger klar ist, wie sich der 
Dichter ihre Stellung im Olymp vorgestellt hat. Es wäre möglich, 
daß er sie Gott Jahwe als himmlische Heerschar zur Seite stellte 
in der Weise, wie dem Assyrer die Plejaden eine Art Garde 
Assurs waren. Oder aber es liegt in ihrer Erwähnung ein fein- 
gezielter Hieb gegen den kanaanitischen Plejadenkult Der von 
den „Sternen** Bekämpfte heißt Sissrä, d. i. „Die Sieben kämpfen"; 
auf Jahwes Befehl • — so könnte der Dichter es sich vorgestellt 
haben — mußten selbst die Plejaden gegen ihren eigenen Ver- 
ehrer zu Felde ziehen. 

Eine andere Stelle, in der vielleicht die Plejaden unter dem 
Ausdrucke „Sterne" vorkommen, ist Isaias 14,13. Der Prophet 
gibt dem Spotte über den Fall des Tyrannen (Sargon?) eine 
mythologische Einkleidung : Er, der Venusstern, Sohn der Dämme- 
rung, hatte gedacht: „Zum Himmel will ich heraufsteigen, über 
die bN-^Mils (Sterne des El) will ich meinen Thron erhöhen, auf 
dem Berge der Versammlung (der Götter) will ich sitzen im 
äußersten Norden''. Das sieht ganz aus, als ob Isaias den Passus 
des Plejadenmythus vor Augen gehabt hätte, wo es von Ischtar- 
Venus heißt: „Ischtar hatte einen strahlenden Sitz bei Anu, dem 
Könige, eingenommen und strebte nach der Herrschaft des Himmels" 
(s. S« 29), und weiter den für uns nur noch aus den bildlichen 
Darstellungen des .Plejadenkampfes zu entnehmenden Ausgang 



Die Flejadensieben in der Bibel. 67 

dieses hochmütigen Strebens, die Degradierung der Venus unter 
die Mondsichel. Der ,yäufierste Norden" (y\t^ •^nD'r«) oder der 
damit gleichbedeutende „Berg <ier Versammlung" ist der Nordpol 
der Ekliptik, der Sitz Anus^ des Beherrschers des Nordhimmels. 
Mit Anu -wurde schon zu Hammurabis Zeit Gott II (El) gleich- 
gesetzt; die „Sterne Eis" sind somit unter den Fixsternen des 
nördlichen Sternenhimmels zu suchen. Hat sich aber die Phantasie 
des Dichters bei der Ausmalung des Sturzes des Tyrannen an 
den Gedanken des Plejadenmythus genährt, so wird ihm unter 
„Eis Fixsternen" wohl auch nur das Sternbild vorschweben, das 
in jenem mit Anu-El in Verbindung gebracht wird, nämlich das 
seiner Boten, der Plejaden.^) 

Ehe ich zur Betrachtung desjenigen Plejadennamens über- 
gehe, der für die weiteren Untersuchungen ausschlaggebend ist, 
seien noch einige Bibelstellen berücksichtigt, die möglicherweise 
Reflexe der babylonischen Plejadenidee sein können. Es ist oben 
(S. 40) auf einen mehrfachen Parallelismus im Wesen der Sieben- 
götter und der Igigi hingewiesen worden, der es nicht aus- 
geschlossen sein läßt, daß beide Götterklassen im Grunde dasselbe 
bedeuten. Ein Nebenname der Igigi ist nun Ribu ; ihn bringt 
P, Jensen*) unter Vorbehalt mit hebräischem Rahab (nn^n) zu- 
sammen. Lassen sich nun im biblischen Gebrauche dieses Rahab 
auch Beziehungen auf die Plejadengottheit erkennen ? 

Die Grundidee von Rahab dürfte die eines im Wasser 
lebenden Großtieres sein. Das erklärt, weshalb in poetischer 
Sprache Rahab Spottname für Ägypten wurde, für das „Tier des 
Schilfes", wie Psalm 68, 31 Ägypten verächtlich nennt. Die enge 
Beziehung des Rahab zum Wasser führte weiter dazu, ihm den 
aus Babylons Mythologie entstammenden Begriff von Tiamat, 
dem im Meere der Tiefe groß gewordenen Urwesen, beizulegen. 



1) Wenn bN"*'S!3')!D „Sterne des Anu, bezw. des Nordhimmels" bedeutet, so 
dürften auch die ähnHch gebildeten Ausdrücke bN-^Tin (Ps. 36, 7) und bN-^TIN 
(Ps. 80, 11) ihr wahres Gesicht erst dann zeigen, wenn man den darin vor- 
kommenden Gottesnamen als ursprünglich mit Anu identisch nimmt Dann sind 
die „Berge Eis" soviel wie der „Berg der Versammlung, der äufsersle Norden" 
(Is. 14, 18), die „Zedern Eis" aber vermutlich die Zedern im „Garten Gottes" 
(Ei. 31, 87), der auch kaum anders als auf dem Berge Anus zu suchen sein wird. 

2) ZAI (1886), S. 10 f. 

5* 



68 in. Kapitel. 

und wie in Babylon Gott Marduk, so erscheint im poetischen 
Stile der Bibel zuweilen Jahwe als Besieger dieses Rahab. So 
heißt es Hiob 26,12: „Durch seine Kraft ward still (fest?) das 
(Ur-)Meer und durch seine Dreizackpfeile ^) tötete er Rahab'^ ; den 
gleichen Gedanken führt Isaias 51, 9 f. aus: „Bist du („ Arm Jaliwes**) 
es nicht, der Rahab tötete, (ihn) den Seedrachen durchbohrte? 
Bist du es nichts der das Meer trocken legte, das Wasser des 
großen Urozeans?" Dieser Begriff von Rahab machte eine be- 
merkenswerte Veränderung durch. Wenn Psalm 40,6 sagt: „Heil 
dem Manne, der auf Jahwe seine Hoffnung setzt und sich nicht 
hinwendet zu den Rahabs'S so erscheinen hier die Rahabs als 
Dämonen, denen gewisse Kreise, gegen die der Dichter sich wendet, 
kultische Verehrung zu teil werden ließen. Eine solche kann 
sich aber nicht entwickelt haben aus ihrer Tiamatnatur; sie läßt 
sich aber verstehen, wenn man annimmt, Rahab sei hier mit 
anderen, kultfähigen Dämonen vermischt, und zwar vor alleni mit 
demjenigen, den die biblische Poesie ihm mehrfach an die Seite 
stellt, der Bar ich- Schlange (ma «nr). Wie Rahab zum Wasser, 
so hat diese zum Himmel enge Verbindung; denn wenn es in 
Hiob 26, 13 heißt : „Sein (d. h. Jahwes) Hauch machte den Himmel 
klar, seine Hand durchbohrte die Barich-Schlange", so ist ersteres 
gewiß als Folge des letzteren zu nehmen. An schlangenleibigen 
Dämonen, die am Himmel ihr Wesen treiben, kommen im Hin- 
blicke auf die babylonische Mythologie nur zwei in Betracht : Die 
Plejaden und die Labbu-Schlange ; man wird aber für die Er- 
klärung unserer Stelle die Plejaden bevorzugen, weil an anderem 
Orte (Isaias 43, u) von einer Mehrzahl von gestürzten Barich 
gesprochen wird. Der Kult dieser Plejaden, wie er sich in Israels 
Nähe vielfach bemerkbar machte, könnte nun zur Folge gehabt haben, 
daß man auch den ihnen am nächsten stehenden Dämon, den 
Rahab, in diesen Kult mit einbezog und dann für beide Dämonen- 
klassen kurzweg den Ausdruck „die Rahabs" gebrauchte. 

Besteht somit eine Möglichkeit, den biblischen Rahab mit den 
als Göttern verehrten Plejaden in Verbindung zu bringen, so hat 

i) Ich lese inbh'in statt IPSiaD, dem Qere von iniann. Es scheint, als 
bezwecke der Verfasser des Hiob damit eine Übersetzung von babyl. mulmnlln, das 
einen von dem gewöhnlichen etwas abweichenden Pfeil bedeutet, vermutlich einen 
solchen mit Drcieackspitze, mit welchem auf den Bildwerken öfters Gott Marduk 
gegen Dämonen kämpfend dargestellt ist. 



Die Plejadensieben in der Bibel. 69 

^such das Bild der Plejadendämonen , wie es die babylonischen 
Xeschwöningstexte vor Augen haben, anscheinend auf eine Bibel- 
steUe eingewirkt In den Nachtgesichten des Propheten Za- 
<:harias heißt es i, s — lo: ,Jch schaute nachts: Da war ein Mann, ein 
[Reiter auf einem Rotrosse, das zwischen den ,Myrthen* stand, 
<iie in der nVatTs waren, und hinter diesem standen andere rote, 
iuchsfarbene und weiße Rosse. Und ich sprach: Was haben 
diese zu bedeuten, o Herr? Und es sprach zu mir der Engel, 
der mit mir redete : Ich werde dich schauen lassen, was das für 
Wesen sind. [Und es antwortete der Mann, der zwischen den 
, JÜyrthen" stand : ^)] Es sind die, welche Jahwe einhersendet, um 
die Erde zu durchstreifen.*' Diese Beschreibung von Rossen, die 
die Erde durchstreifen sollen, erinnert auffallig an mehrere der 
oben gegebenen Beschreibungen der babylonischen Plejaden- 
dämonen, besonders wo es von ihnen heißt (S. 36): „Sie sind Rosse, die 
groß geworden sind im Gebirge, sie sind Guzzalu (Boten?) der 
Götter," und (S. 29): „Aus dem Himmel heraus, wie der Wind, 
stürzen sie sich auf das Land." Die Ähnlichkeit läßt sich aber 
noch deutlicher machen. Der hebräische Text bietet in dem 
Zusätze „(Roß,) das zwischen den Myrthen stand" einen Zug, 
dessen Bedeutung für die Vision nicht einleuchtet, ja, der über- 
haupt keine klare Vorstellung erweckt. Die Septuaginta las hier 
nichts von Myrthen ; nach ihr hielt das Roß „in Mitten der Berge" 
{iiva/iicov Tüuv ogiav). Diese Auffassung läßt mich vermuten, 
statt D'^onnn „Myrthen" habe ursprünglich D^'Oinn im Texte ge- 
standen, ein Wort, welches der Prophet in enger Anlehnung an 
babylonisches chursu „Berg" statt des gut hebräischen här ge- 
wählt habe.2) Sind es somit die Rosse des Gebirges, und damit 
die Plejadendämonen, die der Prophet schaut, dann dürfte sich 
auch die Verdeutlichung der Berge durch den Zusatz nbatTp, 
d. h. „Schattengegend'' erklären. Die Berge der Schattengegend 
begegneten uns ja ähnlich in der zweiten Redaktion des Ple- 
jadenmythus, wo es heißt: „Jene Sieben sind im Berge des 
Sonnenunterganges geboren, jene Sieben sind im Berge des 
Sonnenaufganges groß geworden"; ihre Heimat ist demnach die 
lichtlose Gegend unter dem Horizonte: auf Hebräisch nbat*». 

1) Wahrscheinlich Glosse, 

2) Zur Herttbemahme babyl. Worte in die prophetische Diktion vgl. F.E.Peiser^ 
Der Prophet Habakuk (MitÜgn. d. Vorderas. Ges. 1903), S. 8, 



70 III. Kapitel. 

Ein Naturphänomen, an welches sich mannigfache Begriffe 
knüpfen, gelangt leicht zu mannigfachen Benennungen. Die Ple- 
jaden, angeschaut bald als Gestimseinheit, bald als Siebenheit 
von Einzelsternen, als Dämonen gefürchtet, als Götter verehrt, 
konnten auf sich recht wohl eine Vielheit von Namen ver- 
einigen. So kann es auch nicht verwundern, wenn der Wort- 
schatz der Bibel außer den vorher besprochenen Plejadennamen 
noch einen weiteren aufweist Es ist dies ni^a«, das wie eine 
Fortbildung des schon erwähnten yiiö „Sieben" aussieht unter 
Betonung des Siebenfachen. In Deuter. 16,9 kommt dieses 
Wort als Plural von y^^iD „Woche", eigentlich „Siebenfaches (von 
Tagen)", vor; mit diesem Begriffe läßt sich jedoch keine der fünf 
Bibelstellen erklären, in welchen das Wort (abgesehen von der 
Verbindung m:^3^ an) noch außerdem zu finden ist. Statt nun, 
wie bisher geschieht, sie sämtlich für verderbt zu nehmen, be- 
haupte ich, daß sie mit Ausnahme eines einzigen sich genügend 
erklären lassen, wenn man unter dem „Siebenfachen" das Sieben- 
gestirn, die Plejaden versteht. 

Ich stelle vorauf Habakuk 3,9, einen Vers, dessen Sinn 
trotz vieler auf seine Erklärung gewendeten Mühe bisher durch- 
aus dunkel geblieben ist: 

Abgesehen davon, daß hier ein 'rhu, welches dem Vers- 
ende zukommt, in den Kontext verschlagen ist, macht mir die 
Stelle den Eindruck guter Erhaltung, ob auch ich die Bedeutung 
von rr'na^ nicht ermitteln kann. Habakuk, dem besonders 
F. E. Peiser schon mehrere babylonische Wendungen nach- 
gewiesen hat, zeigt sich auch hier wieder im Banne von Babylons 
Ideen. Zunächst wenn es bei ihm heißt: m3^a^ ']n;öp„Dein (d.h. 
Jahwes) Bogen sind die Plejaden", event. „Dein Bogen ist der 
der Plejaden" 1); hier mag ihm das Bild der mit Bogen und Pfeilen 
ausgerüsteten Plejadengötter vorschweben, das, wie wir oben 
sahen, der Zeit eines Assarhaddon geläufig war, zugleich auch die 
für ungefähr die gleiche Zeit bezeugte Idee von der Mitwirkung 
der ,^Sieben" bei den Kämpfen Assurs. Weiter benutzt der 
Prophet die in Babylonien uralte Idee von der Kraft des Wortes 



Vgl. Cant.. r, 15 „Deine Augen sind (wie die von) Tauben." 



Die Plejadensieben in der Bibel. 71 

(amätu) der großen Götter, die sich besonders im Zerstören 
äußert *); wenn er es mit Stäben oder Ruten vergleicht, so könnte 
ihm das Emblem des Assur sowie auch anderer vorderorientä- 
lischer Götter vor Augen gestanden haben, das aus Flammen- 
büsch'eln hervorkommende, nach unten weisende stab- oder auch 
rankenfbrmige Liniengebilde zeigt, .womit die Kunst vermutlich 
Weg und Wesen des göttlichen Wortes illustrierte. Es ergibt 
sich bei dieser Auffassung für Hab. 3, 9 die durchaus verständliche 
Übersetzung: „Du erhebst dich . . . .; dein Bogen sind die Plejaden 
(oder: ist der der PL); die Ruten des (göttlichen) Wortes zerspalten 
das Flachland zu Tälern". Als Werkzeug des göttlichen Zornes 
hat ein Habakuk die Plejadengottheiten poetisch verwendet; nüch- 
terner faßt sie Jeremias auf, indem er sie als das kaum persönlich 
zu nehmende Gestirn hinstellt, mit welchem Jahwes Fürsorge den 
Zeitpunkt der Ernte eng verbunden habe. Die Stelle lautet (5, 24) : 

nsb i'DTö'' ■T'atp mpn nrati nnya 

Was alte Übersetzungen und neuere Exegeten aus der 
zweiten Hälfte dieses Verses (von n:^a« an) herausgelesen haben, 
leidet vor allem unter dem Mangel an Verständnis für nrn^ 
„Plejaden". Man hat sich zu vergegenwärtigen, daß zur Zeit des 
Jerenuas der Frühaufgang des Plejadengestims in den zweiten 
Monat des mit Frühlingsäquinoktium beginnenden israelitischen 
Jahres fiel, d. h. in die Hauptzeit der Kornernte. Das ließ den 
Aufgang der Plejaden als die „natürlichen Bedingungen der Ernte- 
zeit'* ("T'Sp mpn) erscheinen. Wenn nach Hiob 38, ss bei Jahwe 
die Kenntnis der „Bedingungen des Himmels" (w^l^xi mpn) ruht, 
so verbindet sich mit dieser Kenntnis nach alttestamentlrcher 
Vorstellung auch die Verwaltung derselben. Das „Hüten" 
der Plejaden, das Jeremias Gott Jahwe beilegt, ist aber die Für- 
sorge für ihr richtiges Funktionieren. Ich übersetze daher die 
Stelle: „Und nicht dachten sie bei sich: Laßt uns doch Jahwe, 
unseren Gott, fürchten, ihn, der den Regen spendet, den frühen 
und späten zu seiner Zeit, der das Gestirn der Plejaden, die die Ernte- 
zeit bestimmen, für unsere Bedürfnisse in seiner Hut hält". 



i) Für das Wort Marduks s. J. Hehn, Hymnen u. Gebete an M., S. 333, 
för dasjenige Nergals s. J. BöllenrQcher, Gebete u. Hymnen an Nergal, S. 361 



72 HL Kapitel 

Es geht wohl auf die alte Dämonennatur der Plejaden zurück, 
wenn man aus ihrem Erscheinen am Himmel Vorzeichen für die 
Regenperiode des Jahres entnahm. Oben ist auf die Stelle im 
Liber Jubilaeorum (12, le) hingewiesen, die Abraham vorführt, 
wie er beim Neumonde des siebenten Monats die Sterne be- 
obachtet, um daraus den Regenvorrat des Jahres zu entnehmen; 
ein Vergleich mit den Gepflogenheiten der Spätaraber ließ er- 
kennen, daß Abraham seine astrologischen Untersuchungen an 
den Plejaden vorgenommen habe, die dann aber nicht wie bei 
Jeremias, wo sie die Erntezeit abgrenzen, am Frühlingsmorgen- 
himmel stehend zu denken sind, sondern am Abend- und Nacht- 
himmel des Hochsommers. Der Verfasser des Buches der 
Jubiläen läßt nun während dieses von ihm als heidnisch und 
abergläubisch empfundenen Observierens der Plejaden Abraham 
zur Erkenntnis des Wesens Gottes gelangen und sagt: „Und ein 
Wort kam in sein Herz und sagte : Alle Zeichen der Sterne und 
die Zeichen der Sonne und des Mondes, alle sind in Gottes 
Hand — warum forsche ich? Wenn er will, läßt er regnen, 
morgens und abends; und wenn er will, läßt er (den Regen) 
nicht herunterkommen." Der gleiche Gedankengang findet sich 
nun schon bei Ezechiel 21,28, angeknüpft an Bescheide, die 
Wahrsager seiner Zeit nach dem Stande der Plejaden erteilten. 
Hatte er kurz vorher das Bild des babylonischen Königs ge- 
zeichnet, wie er die Leber beschaut, die Theraphim anruft und 
dann von den Loospfeilen dasjenige zieht, welches ihm den 
Fall von Jerusalem zusichert, so richtet er jetzt gegen seine 
Volksgenossen die Anklage: 

itoDrnb 

„Aber ihnen wird es sein wie ein ihren Augen vorgeführtes 
Trugorakel in den Wochen der Plejaden (d. h. des Spätaufgangs 
der PL); doch er (der König) wird (ihnen) Schuld in Erinnerung 
bringen, wenn sie ergriffen sind." Wenn diese Stelle den 
Erklärern unüberwindliche Schwierigkeiten entgegengesetzt hat, 
so ist nicht der überlieferte Text daran schuld, der bis auf das 
zweite unnütz wiederholte ürib ganz in Ordnung ist, sondern das 
Unvermögen, sich unter den n'^:^att5 etwas anderes als „Wochen" 
vorzustellen — was auch die Septuaginta bewogen haben mag, 



Die Plejadensieben in der Bibel. 73 

<die Phrase ünb n"»3^ati •^a^ati ganz unübersetzt zu lassen — , sodann 
<der nicht gerade gewöhnliche Akkusativ der Zeit 'x6 ^9:ixäf der 
«siber z.B. an dem früher (S. 17) besprochenen rj^crj neipn „um 
<iie Wende des Jahres" und dem davon nicht zu trennenden •^niDa 
*^ön "Y^atp „bei der Opferung der Weizenemtegaben" ,(Ex. 34, 22) 
sein Gegenstück hat 

Während Ez. 21, 28. dunkel geblieben ist, weil man kein Auge 
liatte für die darin befindliche Zeitangabe, hat das Verständnis 
einer anderen Stelle, in der sich ma^aiö findet, besonders darunter 
gelitten, daß man dieses Wort mit Gewalt zu einer Zeitbestim- 
mung stempeln wollte : nämlich Num. 28, 26 : 

^^i'P'T^ii'P'o üyrfif^^ä:^ msr^b ntiin nn^tj DDS^^iprja D'^iiDran DT^rai 

Hier legt die übliche Exegese dem Ausdrucke D0Ti5^a«a den 
Sinn bei „an euerm Wochenfeste". Das solches unzulässig ist, 
wurde schon früher (S. 25) mit Grriinden dargetan. Es sei noch 
hinzugefugt, daß von einer Zeitbestinmiung auch deshalb hier 
die Rede nicht sein kann, weil diese jedenfalls in den zwei 
ersten Worten des Verses D-mDSn DT^n zu suchen ist — ent- 
sprechend den übrigen Festbeschreibungen von Num. 28, die 
sämtlich mit der Angabe ihres Termins beginnen. Eine Ahnung 
des richtigen Sinnes hat Septuaginta dazu geführt, '•oäa tn?T^b durch 
xvgtq^ täv ißdofiädufv wiederzugeben; aber der hier angedeutete 
innere Zusammenhang zwischen beiden Worten muß noch ge- 
nauer gefaßt werden. Das Hebräische kennt unter den zahl- 
reichen Bedeutungen, die die Präposition 5 aufweist, auch die- 
jenige von ,4n der Eigenschaft als"; ich erinnere nur an Isaias 
40, 10 «na*» pxna •^31« n:n „Siehe, der Herr kommt (in der Eigen- 
schaft) als Starker". Nimmt man diese Bedeutung von :j auch 
in unserem Falle an, so ergibt sich für den Vers der Sinn : „Am 
Tage der Frühopfergaben, wenn ihr ein Speisopfer von neuem Ge- 
- treide Jahwe in der Eigenschaft als eurer Plejaden- 
gottheit darbringt, soll euch tt:np'«ip'D sein." So übersetzt 
erweist sich die Stelle als ein Protest gegen die Annahme, als 
sei neben^ Jahwe noch für eine Plejadengottheit Platz, wie wir 
ihn ähnlich in dem Eigennamen a^rjtinn'^ (oder P5?atinrp) nieder- 
gelegt fanden; sie läßt weiter ahnen, daß der Brauch existierte, 
zur Zeit der Frühernte ein Opferfest für die Plejaden zu feiern. 



74 IIL Kapitel. 

gegen das das israelitische Gesetz nicht nur hier, sondern auch 
in Exod. 34, 22 ankämpft, wo zwar der masoret. Text zur Über- 
setzung führt „Das Hagg der Schabusoth wirst du dir veran- 
stalten", während aus der Septuaginta hervorgeht, daß auch eine 
Lesart „. . . für mich veranstalten" existierte, die als die be- 
grifflich stärkere und mit Num. 28, 26 parallel gehende den Vor- 
zug verdient 

Wie an diesen vier näher behandelten Stellen die über- 
lieferte Lesart mys;ö einer Emendation nicht bedarf, so läßt es 
sich auch zur Not noch in Ez. 45, 21 halten, wo es die gesamte 
Exegese beanstandet Hier wird bezüglich der Passahfeier an- 
geordnet: 

D'^^'» riiyniL an nocti dtsb rr^sr^ «nnb dt» iw n^aiNra iitN-ia 

:b:D«'i matt) 

Hierbei fällt zunächst 5n in seiner Stellung hinter nosn auf; 
da aber Septuaginta ihm dieselbe Satzstelle zuweist, so wird man 
mit seiner Echtheit rechnen müssen. Für seine Erklärung ist zu 
beachten, was oben (S. 12; 17) über die Entwicklung des Begriffes 
an gesagt worden ist: daß die Bezeichnung an ursprünglich nur 
den auf Vollmondstag, bezw. den 15. des Monats fallenden Festen 
zukam, also besonders dem Sukkoth- und Mazzothfeste , sodann 
aber infolge .von Abschwächung seiner Urbedeutung zu der von 
„Fest mit rituellem Tanz" gelegentlich auch für Pfingsten ge- 
braucht wurde. An unserer Stelle scheint nun Ezechiel den 
Versuch zu machen , auch Passah zu einem Hagg zu machen, 
indem er sagt: „Im ersten Monate ani 14. Tage soll euch Passah 
als Hagg gelten". Darin liegt wohl die Aufhebung des Hagg- 
ham-Mazzoth ausgedrückt unter Übertragung seines Wesens und 
Zeremoniells auf das Passahfest. Infolgedessen wird nun auch das 
Essen von ungesäuerten Broten während sieben Tagen zur Passah-^ 
feier gerechnet Wenn nun dabei von D'^^'» ma^SttJ gesprochen 
wird, Septuaginta aber daiiir intd tifiigag hat, so liegt zwar 
nahe, in m3^n;a eine Verschreibung von na^rj« zu sehen; aber es 
könnte darin auch ein Abstraktplural (vgl. die Fälle bei Gesenius, 
Hebr. Gramm. § 124, e) stecken, vermittelst dessen Ezechiel die 
sieben Tage als eine in sich abgeschlossene „Siebenheit" be^ 
zeichnete. Für den Singular yirj;» ist dieses sicher als Grund- 
bedeutung anzunehmen; dann wäre es auch denkbar, daß sein 



Die Plejadensieben in der Bibel. 75 

Hiier vorkommender Plural als Intensiv-Plural zu gelten hätte. 

IVir könnten dann diese Stelle insofern für unsere Behauptung, 
-daß mara^ö „Plejaden" bedeute, verwerten, als auch dieser Be- 
ipiff eine Spezialisierung der Grundbedeutung „Siebenheit" dar- 
stellt. 

Um alle biblischen Stellen zu erschöpfen, in denen myauj 
ohne die Einschränkung durch 5n vorkommt, muß noch ein- 
mal auf Deuter. i6, 9 hingewiesen werden: 
; nv^^ n^aiö icob bnn rropa «Soth bnirry ^b-^oon ni^aiö wati 

Hier versagt die Übersetzung von nya« durch „Plejaden" wie 
auch durch „Siebenheit"; zweifellos sind „Siebenheiten" und zwar von 
Tagen, d. h. „Wochen" gemeint Das schließt jedoch nicht aus, 
daß die deuteronomistische Zeit neben m^ü« „Wochen" auch 
noch den Ausdruck ma^aiö „Plejaden" besaß. Der Begriff 
„Plejaden" lag eben nur in dem weder mit Artikel noch attri- 
butiver Beifügung versehenen m:^^«; trat eine Beifügung be- 
sonders in der Form eines Zahlwortes hinzu, so mußte an andere 
Siebenheiten als die des Plejadengestims gedacht werden, in 
erster Hinsicht an die der Wochentage. 

Aus dem Vorstehenden ergibt sich: vier Stellen zeugen 
dafür, daß m:^3«3 die Bedeutung von „Plejaden" hat ; in einer läßt 
es sich als „Siebenheit" verstehen; die Bedeutung „Wochen" 
kommt ihm im ganzen Bibeltexte nur an einer Stelle (Deuter. 16, 9) 
zu, wo es von einem Attribut und zwar numeraler Art begleitet 
auftritt Danach ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Ausdruck 
mynttj an „Fest der (sieben) Wochen" bedeute, nur verschwindend 
klein; mit ungleich größerem Rechte kann man aber ihm 
die Bedeutung „Fest der Plejaden" beilegen. Ließe es sich 
nachweisen, daß in der Zone, die in den Plejaden Wesen gött- 
licher Art sah, ihnen zu Ehren ein Fest gefeiert worden sei, daß 
femer die Feier dieses Festes sich in ähnlichen Formen bewegt 
habe, wie das israelitische Pfingstfest, so würde damit der letzte 
Zweifel an der Richtigkeit unserer Übersetzung niedergeschlagen 
werden. Um den Nachweis zu bringen, daß ein solches Fest im 
außerbiblischen Orient bestand, werden wir uns noch einmal in 
die Heimat des Plejadenmythus begeben und den Weg, auf 
welchem die Idee der Plejadengötter in den Westen gewandert 
ist, nochmals durchmessen. 



76 IV. Kapitel. 



IV. 



Der Plejadenmythus in Festgestalt 
außerhalb Kanaans. 

Im babylonischen Festkalender trägt der Tag, der in her- 
vorragendem Sinne dem Mondgotte gilt, den Namen Bubbulum, 
Von ihm heißt es in einem an den Mondgott gerichteten Be- 
schwörungstexte ^) : 

bubbulum um tämitika piristi iläni rabüti 
um scheläsche isinnaka um taschilti ilutika. 

„Bubbulum, der Tag deiner Beschwörung, der Orakelentscheidung 

für die großen Götter; 
Der auf den 30. fallende Tag, dein Fest, der Tag der Freude 

deiner Gottheit." 

In der ersten Zeile wird von Bubbulum als dem Tage der 
Orakelgebung des Mondgottes geredet; für eine genauere Er- 
klärung der Ausdrücke versagen uns jedoch die Quellen. Die 
zweite, anscheinend besonders charakteristische Zeile gibt als 
Termin des Bubbulumfestes den 30. Tag an ; außerdem bezeichnet 
sie sein Wesen als ein freudiges. Bei dieser Zeitangabe für 
Bubbulum bleibt zunächst dunkel, ob unter dem 30. Tage der 
dreißigste jedes Monats oder nur der eines einzigen zu ver- 
stehen sei. Um dieses aufzuklären, müssen andere von Bubbulum 
redende Notizen zu Rate gezogen werden. Nach HI RawL 56, 
No, 4, 31 f. gilt die Bezeichnung Bubbulum auch dem 28. und 
29. Tage; das spricht sehr für eine innere Verbindung der in die 
Zeit vom 28. — 30., d. h. die Schwarzmondzeit, fallende Verdunk- 
lung des Mondes mit Bubbulum, entscheidet aber noch nicht die 
Frage nach dessen Monat. Weiter sind verschiedene Synonyme 
von Bubbulum überliefert; II Rawl. 32, 12 f. stellt zusammen: 

um kispi = bubbulum, 

um nubattim ä= Gm idirti = bubbulum. 

Wie es im Wesen von Synonymen liegt, daß sich ihre 
Bedeutungssphären nur teilweise decken, so werden auch diese 



I) Hebraica XI (1894), S, 102, Z. 17 L 



Der Plejadenmythas in Festgestalt außerhalb Kanaans. 77 

Synonyme von Bubbulum dessen Begriff nur in beschranktem 
IMaße wiedergeben. Aus der Gleichung öm kispi ^ bubbulum 
schaut für uns nichts Neues heraus; da kispu (vgl. arab. kasafa 
„sich verfinstern") im allgemeinen „Verfinsterung" bedeuten mag, 
so sagt sie, daß, wenn „ein Tag der Verfinsterung" zugleich ein 
Bubbulumtag ist, dabei an die Verfinsterung des Mondes zu 
denken ist Die Bezeichnung um nubattim kommt einer größeren 
Zahl von Tagen zu, nämlich dem 3., 7., 16. anscheinend eines 
jeden Monats, und weiterhin laut der obigen Gleichung der Zeit 
vom 28. — 30. Als Bedeutung von nubattu, das auch nubätu ge- 
lesen werden kann, nehme ich unter Vergleichung von äthiop. 
mebjat (von der Wurzel bäta „übernächtigen, ruhen") „Rastzeif? 
an; da die „Rastzeit" des 3., 7. und 16. des Monats ausdrücklich 
als eine solche für den Gott Marduk hingestellt wird, so wird 
auch die des 28. — 30. Tages einem Gotte gelten, und zwar eine 
Mondruhe bedeuten. Inuner noch fehlt jedoch die Aufklärung 
darüber, innerhalb welcher Monate eine solche gefeiert wurde. 
Vielleicht bringt die Gleichung um idirti = bubbulum die Ent- 
scheidung. Die dem Worte idirti zugrunde liegende Wurzel 
steht in mehrfacher Beziehung zum Wesen des 12. Monats. 
Schon dessen Name Adaru ist von ihr abgeleitet; weiterhin 
steckt sie in mehreren Ausdrücken, mit denen der Plejaden- 
mythus die in den 12. Monat fallende Verfinsterung des Mondes 
seitens der Plejaden beschreibt, i) Daraufhin darf man es wagen, 
den Monat Adaru als den Monat der Mondverfinsterung zu deuten 
und in um idirti, wo es gleich bubbulum gebraucht wird, den 
Höhepunkt derselben, nämlich die Zeit vom 28. — 30./XIL zu 
sehen. Zu dieser Erklärung, die bubbulum auf das Ende des 
Monats Adaru verweist, stimmt nun die Etymologie von bubbu- 
lum selbst. Wenn dieselbe bisher noch nicht gefunden ist, so 
hängt das wohl vom Übersehen einer babylonischen Lautregel 
ab, daß nämlich nicht selten anlautendes b Vertreter von arab. 
w und hebräisch - syrischem j ist (vgl. babyl. babälu „bringen": 
hebr. höbil; bab. biblu; „Ertrag": hebr. jabül, bül; bab. beru 
„Park": arab. wa3ru „unebenes Terrain" , hebr. ja3ar „Wald, Park"; 
bab. bubutu „Epidemie": arab. wabä'u; bab. barü „strotzen": 
arab. wariha; bab. bu änu „Band, Sehne": arab. wisänu „Streifen"). 



1) IVRawl. 5 b, V. 23, 33, 41, 61, 63. 



78 IV. Kapitel. 

Unter Berücksichtigung dieser Gleichung läßt sich bubbulum ver- 
stehen als Infinitiv des Verbums, das im Arabischen unter der 
Form wabula (Inf. wubulu) „ungesund, geschädigt sein" vorhanden 
ist. Als Schädigung des Mondes kann nach dem, was wir 
von den astrononiischen Vorstellungen der Babylonier wissen, 
nur seine zu Ende des 12. Monats eintretende Verdunkelung ange- 
nommen werden, die der Mythus aus dem Anstürme der Sieben- 
götter entstanden sein läßt 

Noch ein weiterer Umstand veranlaßt mich, das Bubbulumfest 
dem Ende des letzten Monats zuzuweisen. Nach IV Rawl. 23, 3 f. 
trägt der Gott Nusku den Beinamen „Sohn (mär) des 30. Tages, 
des Bubbulum". Das könnte bedeuten, Nusku sei am 30. Tage 
geboren ; daraufhin hat P. Jensen ^) Nusku für die Personifikation 
der Neumondsichel erklärt. Aber eine andere Deutung ist eben- 
sowohl möglich. Wie im Babylonischen „Sohn der Botschaft" 
(mär schipri) derjenige ist, der mit der Botschaft zu tun hat, also 
der Bote, so läßt sich „Sohn des 30. Tages" deuten als derjenige, 
der mit dem 30. Tage in irgend einer näheren Verbindung steht. 
Nun enthält der Plejadenmythus den Zug, daß Gott Nusku während 
der Bedrängung des Mondes als Bote Bels vor Ea und Marduk 
hintritt, um sie zum Eingreifen gegen die Plejaden zu bewegen; 
als Zeitpunkt dafür kann nur der 30. Tag des 12. Monats an- 
genommen werden. Diese Verbindung zwischen Nusku und dem 
30./XII. scheint wohl geeignet, ersterem den Beinamen „Sohn 
des Bubbulum" verschafft zu haben; dann aber wäre Bubbulum 
gleichbedeutend mit dem Ende des 12. Monats. 

Dasselbe geht aus einer allgemeinen Erwägung hervor. Ist 
es denkbar, daß eine Religion wie die spätbabylonische, die ganz 
vorwiegend den Kult Marduks pflegte, zu jeder Schwarzmond- 
zeit ein größeres dem Monde geltendes Fest gefeiert habe, und 
dazu in freudiger Weise, während doch eine natürliche Ent- 
wickelung der Schwarzmondzeit zu einer religiösen Feierlichkeit 
am ehesten dahin geführt hätte, dieser einen trüben Anstrich zu 
geben? Schon der Umstand, dass einmal im Jahre, zu Ende 
des 12. Monates, das Bubbulumfest freudig begangen wurde, 
kann stutzig machen; doch läßt sich für diesen einen Fall eine 



I) KB VI (1891), S. 413. 



Der Plejadenmythus in Festg^stalt außerhalb Kanaans. 79 

JErklärung gewinnen durch die Betrachtung des Wesens der un- 
:mittelbar daraufTolgenden Feier von Neujahr. 

Was wir vom babylonischen Neujahrsfest wissen, stellt ein 
Cremisch von verschiedenen und verschieden alten Ideen dar. 
Jn altbabylonischer Zeit und zwar in der ersten Hälfte des 
3. Jahrtausends v. Chr. galt die Neujahrsfeier der Vermählung 
des Gottes Ningirsu mit der Göttin Bau. In spätbabylonischer 
Zeit zeigte das Fest ein wesentlich anderes Gesicht; nunmehr 
drehte sich seine ganze Feier um Gott. Marduk. Der alte 
Charakter des Festes machte sich zwar noch darin bemerkbar, 
daß Marduk als ein Bräutigam hingestellt wurde, der der Sarpa- 
nitu, seiner Braut, entgegeneilt. Aber dieser Zug war für das 
Wesen des Festes wenig maßgebend; es wurde vielmehr wesentlich 
von der Idee der Verherrlichung Marduks als des Vollbringers 
glänzender Ruhmestaten getragen. Es galt das „Aufstehen" (tibü) 
und den Auszug (asü) des Gottes zu feiern. Über die Bedeutung 
dieser Begriffe herrscht noch Ungewißheit. Am liebsten möchte 
man sie dahin erklären, daß der Licht- und Sonnengott Marduk 
nach todesähnlichem Winterschlafe um Neujahr zu neuem Leben 
erwache und nun eine Art Osterfest feiere. Doch scheint mir 
richtiger, sie auf bestimmte Momente in Marduks Heldenleben 
zu beziehen. Einen Überblick über dieses bietet ein uns erhaltenes 
Stück, des spätbabylonischen Neujahrfestrituals, ') in welchem die 
Taten des Gottes in einer Folge von symbolischen Handlungen 
vorgeführt werden. Es handelt sich dabei ausschließlich um 
kriegerische Taten, und der Gott, der sie ausführt, erscheint recht 
eigentlich als das aktive Element unter Babylons Göttern. Kampf- 
szenen aus Marduks frühester Jugend, Ereignisse, über die uns 
Näheres bisher nicht überliefert ist, bilden das Vorspiel zu den 
beiden Großtaten, auf die vor allem sich Marduks Ruhm gründet: 
der Besiegung von Kingu und Tiamat und derjenige der Plejaden- 
dämonen. Die symbolische Vorführung der ersteren enthält als 
besonders wichtige Züge: die Verbrennung eines Schafes auf 
einem Kohlenbecken, erklärt als die Verbrennung des Kingu; 
das Hervorschießen von Brandpfeilen aus einem Kohlenbecken, 



1) Text in Cuneif. Texts, part. XV {1902), PI 44, 43, Transskr. u. Übers, 
in H. Zimmern, Zum babyl. Neujahrsfest (Ber. d. phil. bist. Klasse d. Leipz. AkacL, 
Bd. LVIII [1903]), S. 130—36. 



80 IV. Kapitel. 

erklärt als das Hervorschießen der Pfeile (mulmuUu) aus dem 
Köcher Marduks; endlich das Zerbrechen eines Topfes seitens 
des Königs, das als die Niederwerfung der Tiamat durch Marduk 
gedeutet ist Hieran schließt sich die symbolische Darstellung 
einer anscheinend nicht weniger wichtigen WafTentat Marduks, 
die in wenigstens vier Szenen vorgeführt wird. Der Name der 
Gegner ist dabei nicht erhalten ; daß aber an die Plejadendämonen 
zu denken ist, ergibt sich aus dem Verlaufe des Kampfes und 
einer Anzahl stilistischer Wendungen. Das Mysterium beginnt 
damit, daß dem Könige, während er neben dem Türpfosten 
steht, ein Gegenstand, dessen Name zufallig nicht erhalten ist, 
in die Hand gelegt wird, dazu bemerkt der Text: „Das ist 
Marduk . . • . der mit seinen Füßen innerhalb Eas liegt, während 
der Venusstem vor ihm hochsteigt (ischäru)." Hier wird anscheinend 
auf Marduk als Orion ^) hingewiesen, da dieses Sternbild mit den 
Füßen im Südhimmel, d. i. Ea steht, und nur mit dem Ober- 
körper dem Nordhimmel angehört. Das Hochsteigen der Venus 
wird mit der Rolle zusammenhängen, die der Plejadenmythus 
der Ischtar zuweist, daß sie nämlich, um Himmelskönigin zu 
werden, zu Anu am Nordhimmel emporgestiegen sei. Das 
Mysterium findet seine Fortsetzung darin, daß man einen nicht 
näher genannten Gegenstand zum Hüpfen bringt, wovon die Er- 
klärung lautet: „Das ist das Herz Eas, als er überlegte . . . ." 
Hierin tritt uns offenbar der Zug des Plejadenmythus entgegen, 
da Ea mit Bei beratschlagte, wie die gestörte Ordnung des 
Himmels wieder herzustellen sei, zumal der Ausdruck für „Über- 
legen" (ischdudu), den der Mysterientext von Ea gebraucht, im 
Mythus ebenso im Bezug auf Bei vorkommt. Nunmehr tritt ein 
Gewaffneter auf, der vor den Gott gefuhrt, diesem und dem 
Könige eine Feige entgegenhält. Die Erklärung dazu sagt : „Das 

ist , der zu Bei herabstieg (ittaradu), der ihn ..... und 

den Nergal bei der Hand ergriff, der in Esagil eintrat, die Waffe 
seiner Hände Marduk, dem Könige der Götter, und der Sarpanitu 



i) Auf die Orionnatur Marduks scheint auch der Umstand hinzuweisen, dafi 
am Haupttage des Neujahrsfestes Marduk in einem Schiffe (elippu) fiber die 
Prozessionsstrafie Babylons einhergefahren wurde; denn Schiff (elpä) ist im 
Syrischen eine Bezeichnung f&r das Sternbild des Orion, deren Ursprung vermutlich 
auf das Babylonische hinweist, da zu ihrer Erklärung die griechische Astronomie 
versagt. 



Der Plejadenmythus in Festgestalt außerhalb Kanaans. 81 

zeigte, den sie alsdann küßten und segneten." Der hier ge- 
schilderte Vorgang geht über den Rahmen des uns erhaltenen 
Fragmentes vom Plejadenmythus hinaus und dürfte in einer uns 
nicht mehr erhaltenen Fortsetzung behandelt worden sein. Er 
bedeutet die Ausrüstung Marduks mit einer Waffe, die ursprünglich 
Gott Nergal zukommt , d. h. mit dem Bogen. ^) Nunmehr treten 
Marduks Gegner selber auf, dargestellt durch Kurgaru-Priester, 
die auf der Schwelle scharren (imalilu)*), sich übermütig ge- 
bärden (?), Brandpfeile werfen, Brände entzünden .... einander 

aufheben , ringen (?) " Hiervon heißt es nun : „Das sind 

die .... die gegen Bei und Ea tobten, ihren Schreckensglanz 

gegen sie ausschütteten , ihre abschnitten, in 

den Ozean [warfen]." Diese gewalttätigen Gesellen für die 
Plejadendämonen zu nehmen liegt auf der Hand. Die Häufung 
der Ausdrücke für ihr übermütiges Treiben erinnert unmittelbar 
an die Weise, wie das Treiben der Plejaden in den mytholo- 
gischen Texten ausgemalt wird, und der besonders bezeichnende 
Zug ihres Scharrens auf der Schwelle,^) d.h. der Himmels- 
schwelle oder Ekliptik, kehrt ebenso im Plejadenmythus wieder. 
Auch der Schreckensglanz, den die Gegner Marduks ausschütten, 
paßt zu den Plejaden als astralen Wesen. Dasjenige, was laut 
dem Mysterientexte die Plejadeij abschneiden und in den Ozean 
werfen, wird wohl am ehesten als Zweige oder Früchte des 
heiligen Baumes von Eridu zu denken sein ; denn zahlreiche bild- 
liche Darstellungen des Plejadenkampfes*) lassen den Ansturm der 
der Dämonen außer gegen Marduk auch noch gegen einen 
heiligen Baum, in welchem wir den von Eridu erblicken, gerichtet 
sein. Das letzte noch einigermaßen erkennbare Stück des 
Mysteriums redet von gewissen Holzgeräten (saranu), die wahr- 
scheinUch vor das Bild der Ischtar gestellt wurden, und erklärt 



i) Dafi der Bogen Nerga), dem Todesgotte, zukommt, geht aus einer Stelle 
des achtseit. Prisma Tiglatpilesars (VI, 58 f.) hervor. — Auch die Feige dürfte auf 
denselben Gott hinweisen und zwar dessen reinigende, sühnende Kraft darstellen, 
wofür auf den griech. Zshg avTidgaiog oder xa^'ocgaio^ hinzuweisen ist, dessen 
Urbild wohl der babyl. Nergal ist. 

2) So übersetze ich gemäß hebr. b5W (Prov. 6, 13). 

3) tnscharu, in K 4256 (vgl. Meißner, Suppl. S. 11 des Autogr.) mit sippu 
4,Schwelle" zusammengestellt. 

4) Vgl. Taf I, No. 2, 7, 8. . 
Grimme, Das israelitische Pfingstfest. 



82 IV. Kapitel. 

dieses: „Das sind die (Boten?, Kinder?) Nergals " Auch 

diese Charakterisierung der Gegner Marduks als zu Nergal irgend- 
wie gehörig deutet auf die Plejadendämonen, von deren enger 
Verbindung mit Nergal, d.h. der Unterwelt, schon früher die 
Rede war. 

Es ist keineswegs sicher, daß das Mysterium auch noch 
von der Tötung der Plejaden gehandelt habe; eher ist daran zu 
denken, daß die Schlußszene Marduk darstellte, wie er nach ihrer 
Besiegung sich ihnen gegenüber gnädig zeigt. Darauf deutet 
ein Text, welchen laut seiner Überschrift ein Priester am 2. Tage 
des I. Monats in der ersten Stunde der Nacht zu sprechen hatte ^). 
Er enthält in der Einleitung einige Verse, die anscheinend auf 
den Kampf zwischen Marduk und Kingu samt dessen Helfern 
abzielen, nämlich: 

Bei, der durch seinen Blick die Gewaltigen niederwarf; 

Herr der Könige, Licht der Menschheit, der austeilt die Besitz- 
tümer. 
An diese Beschreibung wird dann weiterhin wie im obigen 

Mysterientexte die Erinnerung an Marduks Plejadenkampf geknüpft 

mit den Versen: 

Die . . . gewaltigen Stürme, 

Deine (Gegner?) packst du mit den Händen; 

Durch deinen Gnadenblick gewährst du ihnen Gnade, 

Lassest sie das Licht schauen, so daß sie deine Kraft verkünden. 

Herr der Länder, Licht der Igigi, Huldverheißer 

Daß hier an die Plejaden zu denken ist, Ergibt sich sowohl 
aus der Bezeichnung für die Feinde Marduks „Gewaltige Stürme", 
die ähnlich im Eingange des Plejadenmythus uns begegnet ist, als 
auch aus der Kampfweise, die Marduk gegen sie anwendet, in- 
dem er sie mit den Händen niederzwingt. 2) Daß er ihnen 
Schonung zu teil werden läßt, nimmt man am ehesten als Folge 
der in spätbabylonischer Zeit längst Tatsache gewordenen Er- 
hebung der Plejadendämonen zum Range von götterähnlichen 
— wenn auch nicht kultfähigen — Wesen. 



1) IV Rawl. 40, fibersetzt bei Hehn, Hymnen und Gebete an Marduk (Beitr. 
«. semit. Sprachwiss. V), S. 380 f!l 

2) Vgl. Taf. I, No. 9; Taf, II, No. 2. 



Der Plejadenmythus in Fcstgestalt außerhalb Kanaans. 83 

Die Feier der verschiedenen Momente aus Marduks Helden- 
Jaufbahn, die nach dem Vorhergehenden den Hauptinhalt des 
"fcabylonischen Neujahrsfestes ausmachte, verteilte sich auf eine 
größere Zahl von Tagen. Wir hören von Festzeremonien, die 
sm 2./I. und 4./L stattfanden. Zwischen dem 8./I. und ii./I. 
scheint das Fest seinen Höhepunkt gehabt zu haben, indem um 
diese Zeit die Götter, deren Tempelbilder man nach Babylon 
überführte, unter dem Vorsitze Marduks die Lose für das neue 
Jahr zu bestimmen hatten. Aber noch über den ii./I. hinaus 
scheinen zum Feste gehörende Zeremonien stattgefunden zu 
haben. So wird einmaP) vom i6. Tage als dem Zeitpunkte der 
symbolischen Verbrennung des Kingu geredet; doch bleibt un- 
klar, ob darunter der 16./L zu verstehen ist, oder aber der 16» Tag 
einer Festfeier, deren Anfang möglicherweise schon vor Neujahr, 
etwa in der Zeit von Bubbulum lag. Ein Hinweis, daß der 14./I. 
noch zu Marduks Neujahrsfeste gehört habe, liegt vielleicht in 
der Benennung des jüdischen Purimfestes, d. h. des 14./XIL, als 
MaQÖoxaixi} rs/Aiga (IL Makk. 15, se), indem die Stelle Esther 3, 7 
(zumal in ihrer griechischen Fassung) wahrscheinlich macht, daß 
dieser „Marduktag" ursprünglich nicht dem Monat Adar, sondern 
dem Nisan und damit dem Neujahrsfestkreise angehört habe. Man 
kann somit annehmen, die Festlichkeiten, die in Babylon um 
Neujahr zu Ehren Marduks gefeiert wurden, hätten sich über gut 
zwei Wochen, d. h. bis gegen die Mitte des ersten Monats er- 
streckt. 

Die Ehren, die Marduk in der Neujahrszeit gezollt wurden, 
waren in älterer Zeit auf mehrere Götter verteilt gewesen. Sollte 
nicht auch der Mondgott zu denen gehören, denen Marduks Er- 
höhung zur Schmälerung geworden war? Man erwartet bei 
einem Feste, das vorwiegend dem glücklichen Ausgange des 
Plejadenkampfes galt, neben Ehrungen für den Sieger auch solche 
für den von ihm Befreiten, d. h. den Mond. Davon zeigt aber 
das neubabylonische Neujahrsfest keine Spur. Auffallig wie diese 
Vernachlässigung des Mondgottes ist weiter, daß schon am 
30./XII., d. h. vor dem Zeitpunkte der Mondbefreiung, das Fest 
der „Mondfreude", d. h. Bubbulum in neubabylonischer Auf- 
fassung, gefeiert wurde. Das sieht wie eine Denaturierung eines 



I) H. Zimmein, Z. babyl. Neujahrsfest, S. 131, Anni. i. 

6* 



84 IV. Kapitel. 

ursprünglich nichts weniger wie freudigen Festanlasses aus 
und führt zum Gedanken, sie sei durch die Zurückdatierung 
eines ursprünglich nach Neujahr fallenden freudigen Mondfestes 
entstanden. 

Er liegt um so näher, als außerhalb Babylons eine die Ideen 
des Plejadenmythus vertretende Festperiode nachweisbar ist, die 
nicht nur einen dem Bubbulum zeitlich entsprechenden Tag, 
sondern auch noch andere den Mond berücksichtigende spätere 
Festlichkeiten enthält Harran, die Stadt, welche den Mondkult 
am zähesten beibehalten hat, beging — nach Nachrichten aus 
römischer Kaiserzeit — bald nach Frühlingsäquinoktium ein weit- 
hin berühmtes Mondfest. Nach Spartianus^) wäre im Jahre 217 
Kaiser Caracalla des Mondgottes halber nach Harran gekommen 
und hier am 6. April, seinem Geburtstage, während der „Mega- 
lensien", d. h. während der Feier dieses Mondfestes, ermordet 
worden. Abweichend davon läßt Dio Cassius (LXXIII, 5 f.) den 
Kaiser am 4. April geboren und am 8. April ermordet sein. 
Die Abweichung beider Gewährsmänner bezüglich Caracallas 
Todestages könnte damit zusammenhängen, daß ihnen in erster 
Linie feststand, der Kaiser sei während des harranischen Mond- 
festes getötet worden, und daß sie sowohl den 6. wie auch 
8. April als Höhepunkte desselben kannten. Diese Meinung 
empfiehlt sich besonders deshalb, weil auch bei dem großen Mond- 
feste, wie es die harranischen Sabier des lO. Jahrhunderts n. Chr. 
feierten, der 6. und 8. des Nisan, d. h. des ersten Frühlingsmonats, 
besonders feierlich begangen wurden. Hierüber berichtet der 
beste Gewährsmann für den Kult der Sabier, der Verfasser des 
Kitäb al-Fihrist,2) en-Nedim, folgendes: „Am 6. dieses Monats 
(Nisan) opfern sie einen Stier ihrer Gottheit, dem Monde, und 
verzehren ihn zu Ende des Tages. Am achten fasten sie und 
begehen Fastenschluß unter Verzehren von Lammfleisch. Am 
gleichen Tage feiern sie ein Fest zu Ehren der Siebengötter, 
der Satane, der Dämonen und Geister und verbrennen sieben 
Lämmer für die Siebengötter und je eines für den „blinden Herrn" 
und die Satansgötter." Diese beiden Feste hängen dadurch 



i) Antoninus Caracallus, cap. 6. 

2) Hrsg. von G. Flügel, besorgt von J. Rödiger und A. Müller, I, S. 322, 

z. 3-7. 



Der Plejadenmythus in Festgestalt außerhalb Kanaans. 85 

miteinander eng zusammen, daß sie beide Endtermine einer 
längeren Fastenperiode sind, die dreißig Tage währte und dem 
Monde galt^) Nach zuverlässigen Berichten, denen des Abul- 
faräg wie besonders des en-Nedim, fiel der Anfang dieser Fasten- 
zeit auf den 8. Tag des 12. Monats; ihr Ende aber verlegt en- 
Nedim auf den 8. Tag des folgenden Monats. Dieses scheint 
nun nicht ganz mit dem Berichte von der dreißigtägigen Dauer 
der Fastenperiode überein zu stimmen ; denn vom 8./XII. bis 8./I. 
zählt man 31 Tage. Chwolsohn^) hat sich dafür ausgesprochen, 
daß das Mondfest vom 6./L der wahre Endtermin der Fastenzeit 
gewesen wäre; das widerspricht aber den klaren Worten des 
en-Nedim und würde zudem die Fastenzeit auf 29 Tage redu- 
zieren. Die Lösung der Schwierigkeit liegt darin, daß die 
Fastenzeit zwei Schlußtage hatte, einen provisorischen, den 6./L 
und einen definitiven, den 8./I. Das gibt uns ein Bericht des 
el-Kindi, den en-Nedim zitiert, an die Hand. Er lautet: „Ihre 
(der Sabier) Festtage sind; das Fest, welches Schluß des sieben- 
tägigen Fastens genannt wird, und der Schluß des Monatsfastens 
bezw. des dreißigtägigen Fastens, bestehend aus z w e i T a g e n."^) 
Diese zwei Schlußtage werden nun der 6./L und 8./I. gewesen 
sein, denen en-Nedim Festcharakter beilegt, während der zwischen 
sie fallende 7./I. weder Fest- noch Fasttag war. So versteht 
man auch, daß en-Nedim beim 8./I. von neuem hervorhebt, daß 
an ihm gefastet werde. Somit setzte sich die ganze Fastenzeit 
aus den 29 Tagen vom 8./XII. bis 6. /I. und dem 8./L zusammen, 
dauerte also genau 30 Tage. 

Fasten ist dem Orientalen gleichbedeutend mit Trauern; 
ein Fasten „für den Mond" wird nichts anderes bedeuten, als 
Anteibiahme an einem Mißgeschick des Mondes. Damit stehen wir 
wieder im Gedankenkreise des Plejadenmythus; dann werden 
auch die Persönlichkeiten, die darin aktiv auftreten, uns hier nahe 
sein. Der definitive Fastenschluß war in Harran zu einem Feste für 
zahlreiche Götter und Dämonen ausgestaltet worden, unter denen 
namentlich hervorgehoben werden die Siebengötter und der 
blinde Herr. Mit den Siebengöttem haben wir bereits oben 



1) Kit. al-Fihrist I, S. 324, Z. 29. 

2) Die Ssabier und der Ssabismus, Bd. I, S. 533. 

3) Kit. al-Fihrist I, S. 319, Z. 14 f. 



86 IV. Kapitel. 

die vergöttlichten Plejaden gleichgesetzt; wer aber ist der blinde 
Herr? Man möchte diese merkwürdige Bezeichnung gern auf 
ein Mißverständnis des aramäischen Textes, den en-Nedim vor 
Augen hatte, zurückführen, wenn nicht ein anderer anonymer 
arabischer Schriftsteller von einem Gotte Marä samjä spräche 
und damit die aramäische Namensform des „blinden Herrn" über- 
lieferte. Derselbe berichtet vom sabischen Kulte dieser Gottheit 
in folgender Weise ^): „Sie nennen den Planeten Mars (Mirrich) 
Marä samjä, das bedeutet „der blinde Gott", und bezeichnen ihn 
als blind wegen seiner großen Gewaltsamkeit, weil er in seinem 
Zorne für nichts mehr Auge hätte. Sie haben aber ein Bild von 
ihm, das ihn als Mann darstellt, der in der Rechten ein Schwert, 
in der Linken eine brennende Fackel trägt, was anzeigt, daß er 
die Menschen bald mit dem Schwerte vernichte, bald mit Feuer 
verbrenne. Deshalb widmen sie ihm einen Kult und schlachten 
ihm aus Furcht vor seiner großen Stärke Schlachtopfer, und 
zwar zur Zeit, wenn die Sonne in das Zeichen des Widders, 
welches das seinige ist, tritt, sodann auch, wenn sie in das des 
Skorpions tritt." Diese Beschreibung bestätigt uns die Angabe 
des en-Nedim über das bald nach Frühlingsäquinoktium dem 
blinden Gotte dargebrachte Opfer; sie liefert uns außerdem eine 
vermutlich auf Autopsie beruhende Beschreibung vom Äußeren 
des Gottes. Das Attribut des Schwertes teilt die babylonische 
Kunst nur Marduk zu ; außer seinem Sichelschwerte trägt er aber 
nicht selten — z. B. auf dem bekannten Relief von Nimrud — 
ein Blitzbündel. Daraufhin kann man wagen, den blinden Gott 
von Harran, der Schwert und Brandfackel trägt, mit Marduk zu 
vergleichen. Die volle Identität beider ergibt sich aber aus 
einem weiteren Umstände. Unser arabischer Berichterstatter 
gibt zu verstehen, daß der Name „Blinder Gott" nicht den Be- 
griff körperlicher Blindheit in sich schließe. Meines Erachtens 
aber ist er ursprünglich nicht einmal der Ausdruck eines Cha- 
rakterzuges des Gottes, sondern repräsentiert eine babylonische 
Namensform von Marduk, nämlich Amäru (vgl. Brünnow, 
Classified List, No. 11566) in aramäischer Aussprache und Um- 
deutung. Babylon. Amäru wurde zu Awäru (wie Tammuz zu 



1) Nouveaux Documents pour T^tade de la r61igion des Harraniens, memoire 
posthume de M. Dozy, acheve par J. de Goeje; Leiden 1884, S. 55. 



Der Plejadenmythus in Festgestalt aufierhalb Kanaans. 87 



Täwuz),') bezw. sAwara;*) dieses fiel ungefähr mit der Intensiv- 
form des Adjektivs 39wir, nämlich 3awwlr(a) zusammen und ergab 
so den Begriff „der Blinde (sei. Gott)". 

Nicht nur auf die harranische Zone und die zu Wortspielereien 
hinneigende Spätzeit der orientalischen Religion hat sich der 
Gebrauch dieses Gottesnamens beschränkt; er muß vielmehr 
lange vor Christi Geburt im Vorderorient populär gewesen sein, 
da er schon in vorklassischer Zeit den Griechen zugetragen 
worden ist Die mythologische Persönlichkeit, die für gewöhn- 
lich Orion heißt, aber bei Pindar und Korinna als Oärion 
i^Slagitav <^SlfaQlwv) auftritt, wird kein anderer sein als 8Awar(^, 
der „blinde Gott" ; darauf deutet außer seinem Namen auch noch 
der bezeichnende Zug der chiischen Orionsage, daß er geblendet 
worden sei, nicht minder, daß er mit dem Skorpion in Ver- 
bindung gebracht wurde, indem er von ihm den Todesstich be- 
kommen haben soll. Bedenken wir dann die Marduknatur des sAwarä, 
so äußert sich auch diese bei dem griechischen Orion in ver- 
schiedener Weise; z. B. wenn nach der chiischen Sage sein 
Vater der Meergott Poseidon ist, so erinnert das an den genea- 
logischen Zusammenhang zwischen Marduk und Ea, dem Gott 
des Ozeans; wenn er die Gabe hat im Meere zu schwimmen, 
wobei nur sein Kopf daraus hervorragt, so entspricht das der 
babylonischen Vorstellung von Marduk, der mit seinen Füßen 
innerhalb Eas (d. h. des Südhimmels, Eas Wasserreich) steht;«) 
endlich bietet die Verfolgung der Plejaden durch Orion ein kaum auf 
Zufall beruhendes Gegenstück zu dem Plejadenkampfe Marduks.*) 

Der blinde Gott *) wäre nach en-Nedim wie auch nach dem 
arabischen Anonymus Repräsentant des Planeten Mars (Mirrich) 
gewesen. Das kann auf den ersten Blick befremden, weil 



i) Kit. al-Fihrist I,.S. 322, Z 28. 

2) Den Obergang von anlautendem babyl. Aleph in aramäisches Ajin zeigt 
z. B. auch Arad-Nabu: 133^19 (vgl. Lidzbarski, Handbuch d. nordsem« £pi- 
graphik, S. 345). 

3) S. oben S. 80. 

4) Die Belege liir die den griech. Orion betreffenden Züge s. bei Röscher, 
Lexikon der griech. n. röm. Mythol., Bd. III. 

5) Da die Blindheit des Gottes Marduk wenigstens von den Semiten nur als 
eine Art Verschleierung des Blickes im Momente der Kriegswnt betrachtet wurde, 
so ergibt sich die Möglichkeit, mit ihr das Wesen eines im Vorderoriente mehrlach 



88 IV. Kapitel. 

nicht Mars, sondern Jupiter nach der Ansicht der meisten Assyro- 
logen als Stern Marduks gilt. ^) Doch halten wir nur fest, daß 
der uns beschäftigende Marduk ursprünglich gar nicht plane- 
tarischer Natur war, sondern die^ Konstellation des Orion dar- 
stellte ; wie dessen augenfälligster Stern der rotglühende Betegeuze 
(Orionis ß) ist, so konnte eine Zeit, die alles Wirken der Götter 
planetarisch umzudeuten trachtete, das Wesen von Marduk-Orion 
am ehesten mit dem durch seinen roten Glanz besonders auf- 
fallenden Planeten Mars verknüpfen. 

Nach Konstatierung der Göttertrias Mond, Plejaden und Marduk 
findet man bei den bisher besprochenen Festen Harrans leicht 
das babylonische Vorbild heraus; das vom 6./I. entspricht dem 
babylonischen Bubbulum vom 30./XII., das vom 8./I. aber ist das 
auf Marduk zurechtgeschnittene spätbabylonische Neujahrsfest. 

Wie das babylonische Neujahrsfest eine größere Reihe von 
Festtagen im Gefolge hatte, die Verbindung mit der Idee des 
Plejadenkampfes verraten, so folgen auch im harranischen Fest- 
kalender der Feier des Fastenschlusses noch mehrere andere 
Feste, die ihren inneren Zusammenhang mit jener nicht verleugnen 
können. So ein auf den 15./I. fallendes Fest, von welchem en- 
Nedim berichtet: „ Den IS./I. veranstalten sie ein Mysterium des 
Schjamäl, bringen Opfergaben dar, halten Gottesdienst, schlachten 
und verbrennen Opfer, essen und trinken." Wer dieser im Kulte 
der Sabier durch zahlreiche Ehrungen ausgezeichnete Gott 
Schamäl ist, konnte bisher nicht ermittelt werden. Beachtet 
man aber, daß er mehrfach in enger Verbindung mit den 
Siebengöttern auftritt, auch der „größte Gott" heißt, so kann 
unter dem Gesichtspunkte, daß der Sabismus überall nur das 
Echo von babylonischen Anschauungen darstellt, an keinen 



nachzuweisenden schleiertragenden Gottes su erschlieficn« Dann wäre die in Tell- 
Halaf am Chabur gefundene Herme einer verschleierten Gottheit nicht mehr der 
Ischtar zuzuweisen, sondern dem „blinden*' Marduk, und H. Wincklcr — ygl. 
Arabisch-Semitisch-Orientalisch (Mitteilgn. d. Vorderas. Gesellschaft VI [190 1])^ 
S* 303 — könnte mit Recht den. Vers des altarabischen Dichters: 

„Ich bin der Sohn des aufgehenden Lichtes, einer, der ans den Tiefen auf- 
steigt; wenn ich den Gesichtsschleier aufhebe, werdet ihr mich erkennen" 
auf einen Marduk-Orion bezogen haben. 

i) Dagegen identifiziert J. Epping nach Texten aus der Arsazidenzeit den 
Merkur mit Marduk (Astronomisches aus Babylon, S. 173). 



Der Plejadenmythas in Festgestalt außerhalb Kanaans. 89 

anderen Gott gedacht werden, als an Anu, den Obersten in der 
babylonischen Götterreihe, dem sich die Siebengötter in der 
Stellung von abhängigen Boten anschließen. In seinem Namen 
Schamäl, d. i. Norden, lebt die Erinnerung fort,- daß sein Sitz 
der Nordpunkt der Ekliptik, sein Reich der ganze Nordhimmel 
sei, *) Da das ganze Drama des Plejadenkampfes sich auf seinem 
Gebiete abspielt, so konnte er nicht wohl übergangen werden, 
wenn es galt, den dabei hauptsächlich Beteiligten zu huldigen. 
Wir können daher mit hoher Wahrscheinlichkeit das am 15./!. 
in Beziehung auf Schamäl -Anu dargestellte Mysterium als eine 
Fortsetzung der Feste vom 6./X und 8./I. bezeichnen. 

5 Tage später fand sodann ein Fest statt, das einen un- 
gewöhnlichen Aufwand von Opfern im Gefolge hatte. En-Nedim 
beschreibt es in folgender Weise 2): „Den 20./I. gehen sie hinaus 
zum Tempel Kädi, der an dem Tore Harrans liegt, welches Tor des 
Ollagerhäuses heißt, und schlachten drei Zebrach, d. h. Zucht- 
stiere, und zwar einen für Gott Kronos, d. i. Saturn, einen für 
Ares , d. i. Mars , der blinde Gott, und einen für den Mond, d. i. 
der Gott Sin. Dazu schlachten sie 9 männliche Lämmer, und 
zwar 7 für die Siebengötter, eins für den „Gott der Genien", 
eins für den „Herrn der Stunden", und verbrennen männliche 
Schafe und Hähne in großer Zahl". Dieses Fest sieht wie eine 
Rekapitulation der vorhergehenden vom ersten Monate aus. Alle 
mit den früheren Festen in Verbindung stehenden Grottheiten 
treten hierbei wieder auf, um ihren Anteil am Opfer zu erhalten. 
In erster Linie der Mondgott, der, wie an allen seinen Festen 
üblich war, durch ein Stieropfer geehrt wurde. Auch für Marduk, 
der am 8./I. nur ein Lammopfer erhielt, ward jetzt ein Stier ge- 
schlachtet; dabei stand wohl die Absicht im Hintergrunde, den 
Gott für eine in die Zwischenzeit fallende größere Manifestation ent- 
sprechend zu ehren. Die Siebengötter erhielten ihre üblichen 
sieben Lämmer. Das Lamm, das für den „Gott der Genien" 
geschlachtet wurde, ist die Abgabe für Schamäl -Anu, welcher 
von en-Nedim bei anderer Gelegenheit*) das Attribut „Oberhaupt 



1) Als „gröfiter Gott" geniefit er die Ehre, daß nach seiner Richtung, d. h. 
nach Norden gebetet wird, worin mit dem Kult der Sabier auch der der Mandäer, 
Manichaer und Jezidis fibereinstimmt. 

2) Kit al-Fihrist I, S. 322, Z. 8—12. 

3) Kit. al-Fihrist I, S. 323, Z. 11. 



90 IV. Kapitel. 

der Genien" erhält, wodurch er wahrscheinlich als Herr aller 
Sternbilder des Nordhimmels gekennzeichnet ist. Neu sind die 
Götternamen Kronos = Saturn, und der „Herr der Stunden". 
Da wir aber in den übrigen Göttern das Hauptpersonal des 
Plejadenmythus vor uns haben, so ist damit zu rechnen, daß auch 
diese beiden dazu gehören. Nun läßt ein Stieropfer, wie es für 
Kronos dargebracht wurde, keine Beziehung auf einen Unter- 
geordneten Gott zu. Sucht man aber nach einem Gotte höheren 
Ranges, der außer den schon erwähnten im Plejadenmythus 
handelnd auftritt, so bleibt nur noch Bei übrig, der das Verdienst 
hat, die Rettung des Mondes zuerst ins Werk gesetzt zu haben. 
Ihn mit dem sabischen Kronos = Saturn zu identifizieren, kann 
man um so eher wagen, als feststeht, daß die Sabier „Bei, den 
würdevollen Alten" verehrten, i) und anderseits das Götterbild, 
das in ihrem Saturntempel stand, die Gestalt eines alten Mannes, 
also vermutlich jenes Bei, zeigte. *) So bleibt uns vor der Hand 
von allen Göttern, denen zu Ehren am 20./I. geopfert wurde, 
nur „der Herr der Stunden" unklar; das hindert jedoch nicht, 
sie in ihrer Allgemeinheit mit den im Plejadenmythus auftretenden 
gleichzusetzen. 

Man könnte dann auch Berücksichtigung der Göttin Ischtar 
erwarten, deren Versuch während der Bedrängnis des Mondes 
eine höhere Stelle am Himmel zu erringen, gewissermaßen ein 
Entreakt des himmlischen Dramas, wie wir aus den bildlichen 
Darstellungen schlössen, mit einer Demütigung für sie, nämlich 
ihrer Erniedrigung unter den Mond endigte. Sollte hiermit etwa 
eine Zeremonie zusammenhängen, von der en-Nedim berichtet^): 
„Während der ersten drei Tage (des ersten Monats) demütigen 
sie sich für ihre Göttin Balthi, d. i. Venus [Ischtar], indem sie 
an diesen Tagen in gesonderten Scharen den Tempel der Göttin 
besuchen, Opfer schlachten und lebendige Tiere verbrennen." 



i) Kit. al-Fihrist I, S. 325, Z. 18. 

2) ed-Dimischqi Cosmographie, hrsg. von M. A. F. Mehren, Petersburg 1866; 
S. 40. — Für die Gleichsetzung von Saturn und Bei spricht auch die Notiz bei 
Servius ad Aeneid. I, 729: „apud Assyrios Bei dicitur quadam sacrorum ratione et 
Satumus et sol", was wohl trotz des Widerspruches von P. Jensen (Kosmologie, 
S. 116, Anm. l) auf den altbabyl. Bei (d. h. nicht den Marduk-Bel) zu be- 
ziehen ist. 

3) Kit al-Fihrist I, S. 322, Z. I f. 



Der Plejadenmythus in Festgestalt aufierhalb Kanaans. 91 

Wie wir in dem Fasten „für den Mond" die Teilnahme an seiner 
Trauer erblickt haben, so könnte die Demütigung „für Ischtar" 
als Akt der Teilnahme und Genugtuung für sie angesehen 
werden. Wenn somit auch diese Ischtarfeier als Teil des großen 
Festkreises erscheint, der dem Plejadenkampfe sein Entstehen 
verdankt, so ist solches von dem unmittelbar vorher, nämlich- 
am 30./XII., gefeierten „Hochzeitsfeste der Götter und Göttinnen" 
nicht anzunehmen; denn in ihm lebte anscheinend noch etwas 
vom Wesen der altbabylonischen Neujahrsfeier nach. Wie diese 
in Babylon selbst durch die Erhebung Marduks zum Patrone der 
Neujahrszeit hinfallig geworden war, so hatte sie auch in Harran 
durch eine teilweise auf die Plejaden abzielende Zeremonie eine 
Einschränkung erfahren. En-Nedim beschreibt sie folgender- 
weise ^) : „Man teilt an diesem Tage getrocknete Datteln aus und 
bestreicht die Augen mit Stibium. Während der Nacht legt 
man unter das Kopfkissen sieben Datteln im Namen der Sieben- 
götter, sowie ein Stück Brot zu Ehren des Gottes, der die Leiber 
anrührt." Ohne zu beanspruchen , diese seltsamen Zeremonien 
zu erklären, möchte ich nur darauf hinweisen, daß sowohl die 
<ien Siebengöttern geweihten Datteln, wie auch die Bezeich- 
nung „Dattelmonat" für den mit dem Abende des 30./XII. be- 
ginnenden Monat mit der Palme zusammenhängen könnten, 
die uns auf zahlreichen Darstellungen des Plejadenkampfes ent- 
gegentritt. 

Die bisher besprochenen Feste erheben sich wie Gipfel über 
einer längeren Periode von einheitlich-feierlicher Grundstimmung, 
wobei bald Trauer über die Herrschaft der Plejaden und ihre 
Vergewaltigung des Mondes, bald Freude über die Beilegung 
der feindlichen Gegensätze in der Götterwelt vorherrscht. Um 
diese Zeit genau zu umgrenzen, wird man nun nicht nur vom 
8./Xn. bis zum 20./I. rechnen müssen, sondern weiter bis zum 
28./I., da en-Nedim auf diesen Tag ein Fest ansetzt, das dem 
vom 20./I. in mancher Beziehung ähnelt. Er sagt von ihm*): 
„Am 28./I. gehen sie zu einem ihrer Tempel, der im Dorfe 
Sabti vor dem Tore Bäb-es-sarab („Tor der Wüstenspiege- 
lung") gelegen ist, schlachten einen großen Stier für Gott 



1) Kit. al-Fihrist I, S. 325, Z. 1—3. 

2) Kit. al.Fihrist I, S. 322, Z. 12 — 15. 



92 IV. Kapitel. 

Ares') und 9 männliche Lämmer für die Siebengötter, den Gott der 
Genien und den Herrn der Stunden, essen und trinken, aber verbrennen 
keine Tiere." Auch dieses Fest hat als Hintergrund den Plejaden- 
mythus, wie die dabei berücksichtigten Götter beweisen; da aber 
der Mondgott unter ihnen fehlt, so geht es nicht so sehr auf 
die Mondbefreiung, als vielmehr auf die Auseinandersetzung 
zwischen Marduk und den Plejaden. Diese schauen dabei viel- 
leicht auch aus dem Namen Sabti heraus, worin babylonisches 
Sibitti „Plejaden" stecken könnte. Bei Anschluss des Festes vom 
28./I. an die Festperiode erhält man für diese eine Länge voa 
51 Tagen. Diese reduzieren sich aber auf 49 Tage, wenn man 
sich statt an die Festdaten des Abu Sasld an die ebenfalls bei 
en-Nedim überlieferten des el-Kindi, eines bedeutend älteren 
Gewährsmannes, hält. Dieser sagt 2): „Ihre [der Harranier] Fest- 
tage sind folgende: Das Fest, genannt Schluß des siebentägigen 
Fastens, der Schluß des Monatsfastens, bzw. des 30tägp*gen 
Fastens, bestehend aus zwei Tagen; nach dessen Schlüsse ein 
anderes, S Tage später gefeiertes, und weiter eines, das 18 Tage 
später, d. h. am 26. des [ersten] Monats, gefeiert wird." Diese 
Tabelle setzt anscheinend das von Abu SaSid dem IS./L zu- 
gewiesene Fest des Schamäl auf den 13./I., und das vom 28./L 
auf den 26./L Ein Irrtum seitens eines der beiden Gewährs- 
männer scheint ausgeschlossen; vielmehr wird man anzunehmen 
haben, daß eine ältere Zeit — die des el-Kindi — mit einer 
49 tägigen Festperiode rechnete, eine spätere — die des Abu 
Sasid — aber mit einer 5 1 tägigen. Die kürzere für die ältere 
zu nehmen, empfiehlt sich auch deshalb, weil, je weiter man 
zurückgeht, desto mehr die Periode sich verkürzt, und man wohl 
mit 45 Tagen als ihrer ursprünglichen Dauer rechnen muß. 
Dafür zeugt ein mit dem sabischen Kultus verbundenes Mysterium,, 
das sich wie eine Reliquie aus uralter Zeit ausnimmt, da es die 
Plejaden noch als Dämonen hinstellt, die besiegt zu haben als ein 
Verdienst Marduks erscheint Von diesem Mysterium oder S)an- 
bolischen Festakte, das am 27./III., also an einem dem Monde 



i) Der Text hat Gott Hermes, worunter aber jedenfalls Ares zu verstehen 
ist; vielleicht liegt sogar eine Verschreibung von Ares vor, weil nach Kit. al- 
Fihrist I, S. 315, Z. 6 der 28. jedes Monats dem Ares heilig ist. 

2) Kit. al-Fihnst I, S. 319, Z. 14—16. 



Der Plejadenmythos in Festgestalt außerhalb Kanaans. 93 

heiligen Tage^) des alten Mondmonats stattfand, gibt en-Nedim 
folgende Beschreibung*): „Den 27./III. veranstaltet man die 
kultische Handlung des Mysteriums von Schamäl [und] dem 
Gotte, der die Pfeile abschießt Dabei stellen sie einen Tisch 
hin und legen darauf sieben Zielscheiben, die den Siebengöttern 
[und] Schamäl gelten. Dann bringt der Priester einen Bogen, 
spannt ihn und legt darauf einen Pfeil, an dessen Spitze eine 

brennende Fackel befestig^ ist Zwölf (solcher) Pfeile schießt 

der Priester ab und geht dann auf allen Vieren wie ein Hund, 
um diese Pfeile wieder zu holen. Das wiederholt er 15 mal 
und entnimmt daraus ein Omen. Erlischt die Fackel, so glaubt 
er, daß das Fest ungnädig aufgenommen sei; wenn nicht, so ist 
es genehm gewesen." 

Das Verständnis dieses Mysteriums läßt sich vor allem aus 
der Betrachtung der dabei erwähnten Götter gewinnen. Schamäl 
und die Siebengötter, d. h. Anu und die Plejaden, gegen welche 
ein Angriff unternommen wird, weisen deutlich auf die Haupt- 
szene des Plejadenmythus hin. Schon deshalb wird unter dem 
Gotte, „der die Pfeile abschießt", Marduk zu verstehen sein ; sein 
Beiname aber hänget damit zusammen, daß nach babylonischer 
Anschauung keinem so sehr wie ihm das Attribut des Bogens 
zukommt; wenn die assyrische Kunst diesen auch dem Gotte 
Assur beilegte, so bedeutet das entweder direkte Übertragung 
eines Mardukattributes auf ihn, oder dieser Assur ist in letzter 
Beziehung kein anderer als Marduk — wodurch sich auch das 
Fehlen Marduks in der assyrischen Götterreihe älterer Zeit am 
einfachsten erklären würde. Alles, was der Priester im Mysterium 
darstellt, tut er nun offenbar als Vertreter des Gottes Marduk. 
Er beschießt die sieben Scheiben, die die Plejaden bedeuten, 
mit 12 Brandpfeilen; das sind die Pfeile (mulmuUu) Marduks: 
12 an der Zahl, weil die Tage um Frühlings äquinoktium eine 
Länge von I2 Stunden haben. Dieses wiederholt er 15 mal, um 
anzudeuten, daß die Periode der Bekämpfung der Plejaden 15 Tage 
dauere. Er holt die Pfeile zurück , wobei er wie ein Hund auf 
allen Vieren kriecht. Ein Gott, der in Hundsgestalt auftritt, ist 
nun zwar eine seltsame Erscheinung; erinnert man sich aber. 



1) Kit. al-Fihrist I, S. 325, Z. 4. 

2) Kit. al-Fihrist I, S. 322, Z. 21—26. 



94 IV. Kapitel. 

daß der Syrer Jakob von Sarug*) von einem harranischen Gotte 
Mär-d3kalbu(h), d. i. „Mein Herr, den man als Hund darstellt", redet, 
so wird man an seiner Existenz nicht zweifeln können. Wie schon 
oben (S. 87) angedeutet ist, muß man im Gebiete der vorder- 
orientalischen Religionen, und besonders solcher, die Entlehnungen 
aus Altbabylon aufweisen, viel mit volkstümlich oder auch ge- 
lehrt umgedeuteten Namensformen rechnen; auch hier wird eine 
solche vorliegen. Aus den 6 ersten Buchstaben von Mär-d3kalbu(h) 
schaut der Name Marduk heraus, der unter dem Einflüsse der 
syrischen Pänultimabetonung in Harran zu Märdek geworden 
war. In dem dann noch übrigbleibenden Stücke albu(h) könnte 
recht wohl babyl. alpu „Stier" enthalten sein, ein insofern zu 
Marduk passendes Beiwort, weil sein Name schon von Haus aus 
„junger Stier" (amaru-uduk) zu bedeuten scheint*). Somit spricht 
alles dafür, daß die Mysterienszene sich einzig zwischen Anu, den 
Plejaden und Marduk abspielte. 

Dieses Mysterium bietet m. E. eine passende Handhabe, um 
den altbabylonischen Plejadenmythus, dessen Text mit der Auf- 
forderung Eas an Marduk, den Kampf zu wagen, abbricht, in der 
Hauptsache zu ergänzen. Während 15 Tagen beschoß Marduk- 
Orion mit Pfeilen, die ihm die Sonne lieh, die Plejaden, bis sie 
ihre Stellung am Morgenhimmel endgültig verloren, d. h. an das 
nachfolgende Gestirn der Zwillinge abgaben. Dann wird auch 
wohl das babylonische Neujahrsfest, nachdem es einmal in den 
Dienst des Mardukkultes gestellt war, sich über einen Zeitraum 
von 15 Tagen erstreckt, somit bis zur „Rastzeit" (nubattum) 
Marduks, dem 16./I., angedauert haben. Von diesen 15 Tc^en, 
die hauptsächlich dem Marduk galten, ist aber das Bubbulum- 
fest des Mondes nicht zu trennen, da es die Vorbedingung zum 
Auftreten Marduks enthält; ja in gewissem Sinne auch der ganze 
Monat Adaru nicht, auf dessen Hintergrunde sich das Treiben 
der Plejadengötter abspielte, das das Einschreiten der Götter zur 
Folge hatte. Es bildete in Babylon somit die Zeit vom I./XII. 
bis zur Mitte des i. Monats wenigstens eine ideelle Einheit 

Zur religiösen wurde sie anscheinend erst außerhalb Baby- 
loniens, und zwar in der aramäischen oder genauer der 

1) Assemani, Bibliotheca Orientalis I, S. 328. 

2) Fr. Hommel, Aufsätze und Abhandlungen, S. 377; P. Jensen, Kosmo- 
logie, S. 88. 



Der Plcjadenmythus in Festgestalt außerhalb Kanaans. 95 

harranischen Zone. Ohne Zweifel deckte sich das harranische 
Mondfest vom 6./I. samt dem Zusatzfeste vom 8./L mit dem 
babylonischen Bubbulum vom 30./XII.: dann entsprachen die 
30 Fasttage ursprünglich dem Monat Adaru, der Zeit der Plejaden- 
hen^chaft Damit stehen wir vor der Erscheinung, daß Harrans Fest- 
rechnung von der babylonischen um acht Tage abwich. Es scheint 
mir nun aussichtsvoll, den Grund dafür darin zu suchen, daß sich 
der Anfangspunkt des harranischen Jahres gegenüber dem des 
babylonischen um acht Tage verschoben habe, so daß es zwar 
wie jenes ein gebundenes Mondjahr war, aber ein solches, das 
den Frühlingsneumond auf den achten des i. Monats fallen ließ. Das 
würde uns auch einigermaßen erklären, warum die Sabier das 
Geburtsfest des Mondes am 24./X. feierten. In einer auf astro- 
nomischer Grundlage aufgebauten Religion, wie es die harranisch- 
sabische war, mußte eine solche Feier entweder auf Neumond- 
oder Vollmondtag fallen. Spricht aber der Bubbulum-Charakter 
der Feste vom 6./I. und 8./I. dafür, daß sie in die Neumondzeit fielen, 
so bleibt uns für den 24. Monatstag nur der Begriff von Voll- 
mondtag übrig. Dieses Verhältnis von Neumond zu Monats- 
anfang läßt uns auch begreifen, warum Abulfeda das harra- 
nische Fasten (vom 8./XII. bis 8./I.) den Monat hindurch 
dauern läßt, der mit Eintritt der Sonne in das Zeichen des 
Widders endet; denn er rechnete dabei als Muslim vermutlich 
mit muslimischen Mondmonaten, die mit Neumond begannen, 
so daß ihm , was in Harran der achte des Monats war , als der 
erste erschien. Der Rückgang von Neujahr konnte wie vom Ge- 
burtsfeste des Mondes, so auch vom Bubbulumtagpe der Harranier 
nicht mitgemacht werden; so fiel alles, was mit diesem zu- 
sammenhing, in Harran scheinbar um acht Tage später als 
in Babylon. Den nunmehr am 8./XII. beginnenden alten 
Hejadenmonat machte wohl die Rücksicht auf den Mond als 
Hauptgott Harrans zur Fasten- bzw. Trauerzeit; die Periode 
seiner Bedrängnis duldete keine freudige Stimmung. Indem nun 
die Trauer der Gemeinde sich in Fasten äußerte, erhielten die 
SO Tage eine religiöse Weihe und fügten sich dadurch der der 
Befreiung des Mondes geltenden Festzeit eng an^ Letztere 
könnte, nach dem Mysterium vom 27./III. zu schließen, auch in 



1) Chwolsohn, Ssabier und Ssabismus 11, S. 75. 



96 V. Kapitel. 

Harran einmal 15 Tage gedauert haben — doch bleibt ganz 
unsicher, zu welcher Zeit Daß später die 15 Tage zu 19 wurden 
und dann der ganze Festkreis 49 Tage umfaßte, hing wohl 
mit der Neigung zusammen, den ganzen ersten Monat, soweit er 
noch für Feste verfügbar war, in die der Erinnerung an den 
PIejadenm5^hus geweihte Zeit einzubeziehen ; damit kam man 
bis zum 26./I., da der 27./I. und 28./L im Nisan wie in allen 
übrigen Monaten schon mit Opfern für den Mond, bzw. Marduk 
belegt waren ^), der 29., d. i. wahrscheinlich der letzte Nisan, aber 
nach alter Zeitanschauung schon in den zweiten Monat hinüber- 
spielte. 2) Von diesen 49 Tagen gelangte man zu 51 dadurch, 
daß man sich entschloß, auch die Feiern vom 27./I. und 28./I. 
als Teile des großen Festzyklus zu betrachten. 

Den Hauptunterschied zwischen der babylonischen und der 
harranischen Festperiode wird man kaum in ihrer verschieden 
langen Ausdehnung zu sehen haben, sondern darin, daß in jener 
Marduk durchaus dominierte, in dieser aber sich der Mondgott 
und Marduk in die Hauptehren des Festes teilten. Der Kult 
beider Städte ging sichtlich darauf hinaus , den Plejadenmythus 
möglichst der Verherrlichung des obersten Stadtgottes dienen 
zu lassen. So wird man sich darauf gefaßt machen müssen, an 
Orten, wo nicht Marduk oder der Mondgott, sondern eine andere 
mit dem Mythus in Verbindung stehende Gottheit vornehmlich 
verehrt wurde, diese ebenfalls als Hauptperson des ganzen Fest- 
kreises auftreten zu sehen. 



4. 



V. 

Das israelitische Pflngstfest 

Wir haben früher gesehen, daß im Namen des israelitischen 
Pfingstfestes Hagg SchabuSoth eine Erinnerung an die Plejaden 
lebt. Sieht man genauer zu, so haben dabei die Plejaden nicht 



1) Kit. al-Fihrist I, S. 325, Z. 4-7. 

2) Kit. al-Fihrist I, S. 324, Z. 12. 



Das israelitische Pfingstfest. 97 

Is Himmelskörper, sondern als Himmelspersönlichkeiten zu 
elten; denn gleichwie der Ausdruck Hagg Jahwe „das Fest 
ir Jahwe" bedeutet, muß der analog gebildete Hagg Schabusoth 
xxiit „Fest für die Plejaden" übersetzt werden, und beweist 
"%/^olIauf für deren Auffassung als göttliche Wesen. Ein solches 
I^est kann nicht im Schöße der monotheistischen Jahwereligion 
entstanden sein, sondern gibt sich ohne weiteres als Entlehnung, 
"vras auch die Bibel andeutet, wenn sie vorschreibt (Ex. 34,««): 
»yDas Fest der Plejaden sollst du mir (d. h. Jahwe) feiern" und 
^weiter (Num. 28, «e): „Am Tage der Frühopfergaben, wenn ihr 
Jahwe als eurer Plejadengottheit ein Speisopfer von 
neuem Getreide darbringt, sollt ihr Versammlung des Heiligen 
abhalten." Ein Fest der Plejaden kann nur dort zu Hause sein, 
^o die Plejaden eine dominierende Stellung im Kultus inne 
haben. Deshalb kommt Babylon als seine Heimat nicht in 
Betracht: hier stand die Plejadengottheit außerhalb der Reihe 
der kultfahigen Götter. In Assyrien war sie höher bewertet: doch 
scheinen ihr auch hier die Ehren eines eigenen Kultus gefehlt 
zu haben, da wenigstens von keinem ihr gewidmeten Tempel 
etwas bekannt ist. In Mesopotamien und speziell in Harran 
wurden zwar die Plejaden als vollgültige Gottheit genommen; 
doch da Ihr Kultus sie immer nur im Gefolge anderer Götter, 
wie des Schamäl-Anu und des Mondgottes, zeigt, so hätten 
sie ein irgendwie hervorragendes Fest mit ihrem Namen kaum 
decken können. Vermutlich aber waren in der kanaanitischen Zone 
die Bedingungen für die Entstehung eines speziellen Plejaden-Festes 
wohl vorhanden. Hier reden Eigennamen und Darstellungen 
(Taf. 2, No. 2) von den Plejaden als vollgültiger Gottheit, die auf 
die Ehre eines eigenen Festes wohl Anspruch machen konnte. 
Von der Existenz eines solchen besitzen wir allerdings aus der 
phönizischen Zone keine direkte Nachricht; doch den Wieder- 
schein eines solchen nehmen wir wahr auf einem Gebiete, 
das zahlreiche Einflüsse von Phönizien her erfahren hat: in 
Griechenland. 

Zu Delphi fand in jedem neunten Jahre ein Septerion^) 
genannter Festakt statt, der in einer mimisch -symbolischen 

I) Die Überlieferung des Namens schwankt zwischen Septerion und Stepterion; 
ich halte letzteres für eine sekundäre Form, die den Ausdruck Septerion unter An- 
lehnung an die Wurzel atiqxa begrifflich machen sollte. 

Grimme, Das israelitische Pfingstfest. * 



98 V. Kapitel. 

Vorführung der Hauptmomente eines Kampfes zwischen Apollo 
und einem Drachen bestand. Nach Notizen bei Plutarch und Strabo 
hat man sich seinen Verlauf ungefähr folgenderweise zu denken.^) 
Innerhalb des Heiligtums des Apollo war auf dem unweit des 
Ausganges gelegenen Festplatze eine leichte Holzhütte (xaXiccg^ 
axrtvri) aufgebaut und auf ein tischförmiges Untergestell gesetzt. 
Gegen diesen Bau richtete sich dann der Angriff einer Prozession 
von Fackelträgem, denen ein Knabe voraufschritt Zur Nacht- 
zeit in aller Stille kam man heran, warf Feuer in die Hütte, stieß 
den Tisch um und floh dann eiligst, ohne umzuschauen, aus dem 
Tempelbezirk ins Freie. Während die Begleiter des Knaben Triumph- 
rufe ausstießen, wurde anscheinend noch dargestellt, wie der Knabe 
als Flüchtling umherirrte, sich allerlei knechtlichen Diensten 
unterzog und endlich fern von Delphi, im thessalischen Tale 
Tempe entsühnt und gereinigt wurde, von wo er mit einem 
Lorbeerzweig in der Hand nach Delphi zurückkehrte. 

Die klassische Altertumsforschung hat schon angefangen da- 
mit zu rechnen, daß diese Septeriondarstellung fiir Delphi eigent- 
lich etwas Fremdes bedeute. Wie sie nicht im Normaljahre, 
sondern am Ende einer neunjährigen Schaltperiode, vermutlich im 
Schaltmonate selbst, stattfand, so wird sie kaum zum ursprüng- 
lichen Bestände des delphischen Festkreises zu rechnen sein. 
Seine Endszene weist auf Tempe hin; der von dort geholte 
Lorbeer scheint zu den Requisiten des Kampfspiels gehört zu 
haben: so liegt es nahe, den delphischen Festakt für einen Ab- 
leger eines in Tempe ähnlich gespielten zu nehmen. Mit dieser 
Zurückführung des Festes auf Nordthessalien stehen wir aber 
nicht an seiner Wiege; diese stand überhaupt nicht auf griechischem 
Boden. Daß vom Peneus durchflossene Tal Tempe und speziell 
das Mündungsgebiet dieses Flusses bildete eine natürliche 
Pforte für den Eintritt überseeischen Wesens in das nördliche 
Griechenland. Auch die Phönizier werden durch dieselbe ihren 
Weg genommen haben, um ihre Waren den Pelasgem zuzuführen 
und werden mit ihren materiellen Werten auch ihre geistigen 
zurückgelassen haben. Die Septerionfeier zeugt dafür; denn sie 
verliert alles Rätselhafte, das ihr anhaftet, wenn man sie als den 
Nachklang einer im phönizischen Kulte ähnlich wie in dem von 



i) Martin P. Nilsson, Griech. Feste von religiöser Bedeutung, S. 150 — 59. 



Das israelitische Pfingstfest. 99 

Harran und Babylon heimisch gewesenen Feier des Plejaden- 
mythus, als ein eigentliches Plejadenfest nimmt. 

Schon der Name Septerion berechtigt zu dieser Ansicht; 
ich finde darin das semitische Wort für Sieben (Sibitti, Schibsat), 
d. i. in diesem Falle die Siebengottheit, wieder, dem eine bei 
griechischen Festnamen häufige Endung angehängt ist. Die Weise, 
wie dieses griechische „Plejadenfest" sich abspielte, trägt ganz den 
Stempel des Symbolismus an sich^ der uns im babylonischen 
Neujahrsfeste und im harranischen Mysterium vom 27./III. be- 
gegnete. Das leichte Zelt, das als Feind ApoUons angesehen und 
deshalb bekämpft und verbrannt wurde, stellte — so seltsam es 
klingt — nichts anderes dar als die Plejadengottheit; denn unter 
dem gleichen Symbole tritt sie auch im babylonischen Kulte uns 
entgegen. Einer der spätesten Keilschrifttexte ^) kultisch-m)^ho- 
logischen Inhalts sagt, indem er von Göttersymbolen redet, die 
das Bett eines Kranken umgeben sollen: „Die Rohrhütten (uri- 
galle), die zu Häupten des Kranken aufgestellt sind, bedeuten die 
Sieben, die großen Götter, die Kinder der Ischchara." Danach 
hat man in dem Zelte der delphischen Darstellung nicht etwa 
nur die Behausung des Plejadendrachen zu erkennen, sondern 
diesen selbst. Der Angriff gegen das Zelt erfolgte zur Nachtzeit: 
der Angreifer gehört somit wie der Angegriffene unter die Phä- 
nomene des Nachthimmels, war im letzten Grunde Marduk-Orion. 
Dasselbe bezeugt die Weise seines Auftretens, Als ein Knabe 
„dessen Eltern noch leben", kommt er von Tempe hergezogen, 
um dem Drachen zu Leibe zu gehen: das paßt recht gut zu 
Marduk, Eas, des Ozeangottes, und der Damkina jungem Sohn; 
denn seine Heimat Tempe ist Poseidons eigenstes Reich, Poseidon 
aber, der Gott „der unter der Erde fahrt" [yair^oxog) in diesem 
Falle der babylonische Ea. Unsere Berichte lassen den gött- 
lichen Knaben nicht selbst in den Kampf eingreifen; dennoch 
muß er daran teilgenommen haben, weil sonst unverständlich 
wäre, weshalb die ganze Schuld der Tötung des Drachen auf 
sein Haupt fällt. Er greift den Drachen an — aber vermutlich 
nicht mit Waffen, sondern mit dem Lorbeerreis, das er jedes 
neunte Jahr aus Tempe nach Delphi brachte: damit würden wir 



1) Veröffentlicht von Straßmaier in ZA VI (1891), S. 241 ff., übersetzt von 
Zimmern: Zum bab, Neujahrsfest, S. 129. 

7* 



100 V. Kapitel. 

bei dem von uns aus Abbildungen erschlossenen Zuge der Ple- 
Jadensage stehen, daß Marduk die Siebengötter durch Vorhalten 
eines Beschwörungskrautes kraftlos macht.^) Seine Begleiter 
verbrennen die Hütte mit ihren Fackeln: Pfeile, die in Fackeln 
auslaufen, werden auch im harranischen Plejadenmysterium vom 
27./III. beim Angriff gegen die Siebengötter verwendet Nach 
seinem Siege flieht der Gott nach Tempe, d. h. in seine Heimat. 
Dieser Flucht liegt die astronomische Idee zu Grunde, daß, wenn 
die Plejaden vom Frühmorgenhimmel verschwinden, auch Orion 
wieder zum Südhimmel niedertaucht Der Flucht des Gottes 
folgt seine erst nach langem Bemühen erzielte Reinigung von der 
Blutschuld des Mordes, die auf ihn gefallen ist Dieser Zug kann 
unmöglich sehr alt sein; er wird dort entstanden sein, wo man 



i) Wenn das Original des Apollo von Belvedere — wie man jetzt annimmt 

— in der Rechten ein Lorbeerreis trug, so ist auch damit wohl auf die Wirkung 
angespielt, die es als Beschwörungskraut beim Drachenkampfe ausgeübt hatte. — 
Auch die antike Romanliteratur kannte wohl die Geschichte von Apollo, der mit den 
Plejaden — und zwar auf babylonischem Boden — zn kämpfen hatte. Das geht 
aus verschiedenen mittelalterlichen, auf Byzanz zurückweisenden Erzählungen hervor, 
z. B. der altrussischen „Sage vom babylonischen Reiche** (Arch. f. slav. Phil. 
2, 129 fr.) und dem mittelhochd. „Apollonius von Tyrlant'* des Heinrich v. Neu- 
stadt. In letzterem wird ausgeführt (v. 8073 fr.), wie König Nemrot einmal den 
Apollonius aufforderte, zum „wQsten'< Babylon zu ziehen, um ihm von dort ein 
„Zeichen" zu holen. Der Held macht sich auf, findet die Stadt, trifft aber nichts 
Lebendes darin als zwei schachspielende Kentauren, Piramort und seine Fran 
Pliades, die Tochter des Achiron. Nachdem er sie beide besiegt hat, mufi ihm 
Pliades ihre zwei Ringe und einen Heftel abtreten ; auch nimmt er ihnen die Schach- 
steine weg. Wie er Babylon verläßt, fällt ihn ein großer Drache an; ein Zauber- 
kraut, das er bei sich fuhrt, gibt ihm Kraft, ihn zu erlegen. — S, Singer (Zeitschr. 
f. d. Altert. 44, S. 337) hat hinter dieser Erzählung einen alten astronomischen 
Mythus vermutet, in welchem Apollo (= Apollonius) und die Plejaden (== Pliades) 
als Gegner aufgetreten wären. Ein Apollo, der in Babylon mit den Plejaden 
kämpft, würde aber direkt auf den Marduk des Plejadenmythus hinweisen. Bei 
dieser Annahme fanden zahlreiche Einzelheiten der genannten Erzählung ihre 
Erklärung, z. B. die Kentaurennatur der Pliades, die der spätbabyl. Entwicklung des 
Plejadentypus entspräche, das Zauberkraut des Apollonius, in welchem Marduks 
Lebenskraut zu erkennen wäre, die Abstammung der Pliades von Achiron, der die 
Unterwelt, die Heimat der Siebengötter, personifizieren könnte. Sollten dann die 
Schachsteine vielleicht mit dem Siebenkugelemblem der Plejaden zusammenhängen ? 

— Die russische Sage läßt Gesandte des Kaisers auf der Spur eines Hasen nach 
Babylon gelangen : ein Hase begleitete aber auch sowohl Marduk wie Orion in 
den Plejadenkampf (s. S. 55, 57). 



Das israelitische Pfingstfest 101 

die Plejadengottheit ähnlich hoch einschätzte wie Marduk, also 
wohl in Kanaan. Er läßt uns auch vermuten, daß bei der 
Septerionfeier eigentlich nicht der Sieger, sondern der Besiegte 
Hauptperson war. Alles in allem genommen spiegelt der 
delphische Septerionfestakt den altorientalischen Plejadenmythus 
in phönizischer Färbung wieder; auf Delphi geht dabei wohl nur 
zurück, daß das, was im Orient ein über eine Reihe von Wochen 
sich erstreckendes Fest war, zu einer in einer Nacht sich ab- 
spielenden Zeremonie zusammenschrumpfte.^) 

Der Verlauf des Septerionfestes legt den Gedanken an ein 
phönizisches „Schibat*'-Fest nahe : von diesem zum israelitischen 
„Schabu8oth*'-Feste wäre an und für sich kein großer Sprung; 
doch läßt sich wohl noch eine Station zwischen beiden ansetzen. 
Eine Stadt des südkanaanitischen Binnenlandes trägt die Plejaden- 
gottheit in ihrem Namen: es ist Beerschebas „der Brunnen der 
Plejaden". Sie hatte nach Amos Zeugnisse einen eigenen Död 
oder Stadtgott, dessen Kult selbst zahlreiche Israeliten zur Wall- 
fahrt nach Beerschebas bewog. Wenn der Prophet seinen Namen 
auch verschweigt, so kann man ihn doch mit ziemlicher Wahr- 
scheinlichkeit als Schebas, d. i. Plejadengottheit, ansetzen. Die 
Wallfahrt nach Beerschebas setzt die Existenz eines größeren 
Festes des Stadtgottes, also ein Hagg Schebas „Plejadenfest" 
voraus. Es ist verlockend, dieses Fest für das eigentliche Vor- 



i) Die Zusammenfassung der verschiedenen Einzelzüge von Marduks Plejaden- 
kampf, wie sie uns die babylonischen, harranischen und delphischen Mysterien 
vorführen, ergibt folgendes Bild: Marduk, von seinem Vater £a zum Kampfe 
ermutigt, rüstet sich; es gelingt ihm den Bogen Nergals in seine Hand zu be- 
kommen. Eine nicht minder wirksame Waffe, ein Beschwörungskraut, gibt ihm 
anscheinend sein Vater mit. Voll Mut geht er den Plejadendämonen entgegen, 
die ihren früheren Freveln gerade noch den hinzufügen, daß sie den heiligen Baum 
von Eridu zu entblättern streben. Das ihnen von Marduk vorgehaltene Be- 
schwörungskraut schwächt sie, so daö ihr Gefangener, der Mond, sich frei macht, 
wieder wachsend am Himmel emporsteigt und der Herrschaft der Ischtar ein Ende 
macht Die Plejaden stürmen auf Marduk ein; dieser schießt 15 Tage lang den 
Inhalt seines Köchers, 12 Brandpfeile, gegen sie ab und streckt sie damit zu 
Boden. — Dazu als späterer babyl. Zusatz: Marduk gewährt den von ihm be- 
siegten Plejadengöttem Gnade. Weiter als aramäisch -kanaanitischer Zusatz: Marduk 
muß sich, weil er Blut von Göttern vergossen hat, einer längeren Reinigung und 
Sühnung unterziehen. 



102 V. Kapitel. 

bild des israelitischen Hagg SchabuSoth zu nehmen; denn Beer- 
schebas war eine der klassischen Stätten der altisraelitischen Ge- 
schichte, als Aufenthaltsort der Erzväter wie als Schlüssel- der 
Südgrenze Israels. Was in ihr Geltung hatte, konnte im übrigen 
Israel leicht auf Nachahmung rechnen. 

Hängt das israelitische Pfingstfest mit irgend einem in Kanaan 
gefeierten Plejadenfest zusammen, so steht er dadurch zugleich in 
mehr oder minder naher Beziehung zu den verschiedenen 
aus dem Plejadenmythus entwickelten orientalischen Festen. 
Das führt uns zur Frage: Wie äußert sich bei ihm dieser Zu- 
sammenhang? Welche auswärtigen Einflüsse sind bei ihm noch 
nachweisbar ? 

Es scheint zur Zeit aussichtslos, aus dem israelitischen Pfingst- 
feste Züge herauszuschälen, die ausschließlich babylonisch wären; 
denn Israel knüpft in der Entwicklung seiner religiösen Satzungen, 
zumal der kultischen, wohl nirgendwo unmittelbar an Babylon 
an. So kann man sich darauf beschränken, nach Zügen zu 
forschen, die auf Mesopotamien, speziell Harran, sowie auf 
Kanaan hinweisen. Wüßten wir über die großen Feste Kanaans 
näher Bescheid, so würde vielleicht die Annahme direkter Ein- 
wirkung seitens Harrans auf das Pfingstfest hinfällig; aber 
in Anbetracht, daß uns kanaanitische Religion noch ein recht 
leerer Begriff ist, möge das, was sich nur in Harran, nicht 
aber in Kanaan nachweisen läßt , vor der Hand als harranisch 
gelten. 

Unter dieser Reserve kann man wohl von harranischen Ein- 
flüssen auf die Zeitdauer und auf den Schlachtopferritus 
des israelitischen Pfingstfestes sprechen. Wie wir oben sahen, 
erstreckte sich Harrans Mondfest über eine Periode von 49 bis 
5 1 Tagen. Es zerfiel in zwei ungleiche Hälften : in die durch einen 
Monat währende Zeit des Fastens für den Mond und eine Anzahl 
daran sich schließender Freudentage. Das israelitische Pfingstfest 
tritt uns in der Bibel als eine Veranstaltung entgegen, die aus 
einer 49 tägigen Vorbereitungszeit und einem diese abschließenden 
Festtage besteht. Die Übereinstimmung beider Feste in der Zahl 
der Tage könnte ein Spiel des Zufalls genannt werden, besonders 
wenn Nachdruck darauf gelegt wird, daß von der für Harrans 
Fest wesentlichen Teilung in eine traurige und eine freudige 
Hälfte die Bibel nichts andeutet. Aber was wir in dieser Hin- 



Das israelitische Pfingstfest 103 

sieht im Bibeltexte vermissen, holt die spätjüdische Tradition der 
Pfingstfestfeier nach. In ihrem Lichte gesehen zeigt zunächst 
die ganze 49 tägige Vorbereitungszeit gottesdienstlichen Charakter; 
denn das Abzählen der sieben Wochen, das sogenannte Omern, 
wird dadurch, daß es stehend geschieht, als eine Art von Gebet 
gekennzeichnet. Weiter teilt diese Tradition die Omerzeit in 
zwei nach Zeit und Stimmung verschiedene Hälften« Die erste, 
die vom i. bis 32. Tage reicht, gilt als eine Trauerzeit, während 
welcher Heiraten und Tanzen, Baden und Sichscherenlassen un- 
statthaft sind. Dieser Zustand, der vorübergehend am Neumond- 
tage des 2. Monats aufgehoben wird, ändert sich wesentlich 
mit dem 33, Tage, dem sogenannten Lag be-Omer. Ohne 
Festts^ höherer Ordnung zu sein, wird er doch freudig begangen 
und zwar besonders von der heranwachsenden Jugend. In kabba- 
listischen Judengemeinden, wie sie vor allem der Orient aufweist, 
besteht der Brauch, am Lag be-Omer den Knaben Bogen und 
Pfeile in die Hand zu geben und sie damit schießen zu lassen, 
sowie auch Feuer anzuzünden. Nach dem 33. Tage setzt zwar 
wieder eine geschlossene Zeit ein, die aber leichter genommen 
wird als die vorhergehende. Was der Talmud zur Erklärung des 
Trauercharakters der 49 Tage und der Einrichtung des Lag be- 
Omer vorbringt, trägt, wie schon früher (S. 21) bemerkt ist, den 
Stempel der Unwahrscheinlichkeit an der Stirne; ferner ist 
unannehmbar, wenn die Kabbalisten dem Bogenschießen der 
Knaben symbolische Beziehung auf den Tod des Simon ben Jochai 
geben. 1) Aller Wahrscheinlichkeit ist aber das, was die Juden 
an Pfingstbräuchen unverstanden ausüben, ähnlich auch schon 
niit dem altisraelitischen Pfingstfeste verbunden gewesen; denn 
es erinnert uns in mancher Beziehung an die Weise, wie 
man in Harran die Zeit der Bedrängung und Befreiung des 
Mondes beging. Die strenge Trauerzeit vom i. bis 32. Omertage 
entspricht dem Monate, während dessen man in Harran für den 
Mond fastete und trauerte. Das Fest Lag be-Omer deutet auf 
das Erscheinen Marduks zur Rettung des Mondes, wie es Harran 
am 8./I, gefeiert haben wird. Wenn die Knaben bei der Feier 
von Lag be-Omer in den Vordergrund treten, so läßt sich solches 
passend damit zusammenbringen, daß der jugendliche Gott Marduk, 



i) S. Jewish Encyclopedia sub „Lag Beomer*'. 



104 V. Kapitel. 

der „Knabe" des delphischen Septerionfestes, es war, der, als die 
älteren Götter sich rat- und tatlos zeigten, sich zur Rettung des 
Mondes aufmachte. Dann wird aber auch das Bogenschießen der 
Knaben ursprünglich dasjenige von Gott Marduk versinnbildlicht 
haben, somit ein Gegenstück zu dem harranischen Mysterium vom 
27./III. bilden. Die mehr und mehr zur Pfingstfreude sich steigernde 
Stimmung der Zeit nach Lag be-Omer bezieht sich gleich den Festen, 
die Harran bald nach dem 8./I. feierte, auf Marduks Erfolge 
gegenüber den Plejaden; der Pfingsttag selbst wäre dann, wie in 
Harran der 28./I., der Endpunkt des Kampfes, Marduks Siegesfest. 
Daß diese Zusammenhänge von Seiten der Israeliten jemals noch 
lebendig empfunden wurden, soll damit keineswegs gesagt sein; 
sie werden sich vielmehr schon früh auf Gleichheit der äußeren 
Formen beschränkt haben. 

Daß die erste Hälfte des Festkreises bei den Juden 33 Tage 
und nicht wie in Harran 3 1 zählt, bleibt unerklärt, hat aber inso- 
fern wenig Befremdendes, als auch schon die Harranier sie um 
einen Tag länger feierten, als ihr altbabylonisches Vorbild, der 
Plejadenmonat, währte. 

Mit Harran könnten ferner Zahl und Beschaffenheit der 
israelitischen Pfingstopfer, wie sie Lev. 23, is vorschreibt, in Zu- 
sammenhang gebracht werden. Die Opferung eines Stieres fände 
sein Analogon in dem am 8./L und 20./I. dem harranischen Mond- 
gotte dargebrachten Stieropfer. Die ßieben Lämmer wird man 
um so eher mit der gleichen Anzahl von Lämmern zusammen- 
bringen, die am S.jL, 20./I. und 28./L den Siebengöttem in Harran 
fällig waren, weil dieses Opfer auch im Plejadenkulte von Beer- 
schebas eine Rolle gespielt zu haben scheint (S. 63). Endlich 
könnten die zwei männlichen Schafe den zwei Lämmern ent- 
sprechen, die in Harran am 8./L für Marduk und die „Satans- 
götter", am 20./L und 28./I. aber für Anu und den „Herrn der 
Stunden" geschlachtet wurden. 

Die von uns als harranisch bezeichneten Züge des Pfingst- 
festes weisen Übereinstimmung mit der Idee des älteren Plejaden- 
mythus auf. Neben ihnen stehen aber andere, die von ihr be- 
deutend abweichen, indem statt Marduks oder des Mondgottes 
die Plejaden als Hauptträger der Festidee auftreten, Sie ent- 
stammen allem Anscheine nach der Entwickelung , welche das 
alte Fest in kanaanitischer Zone erfahren hat. Von solchen 



Das israelitische Pfingstfest 105 

kanaanitischen Zügen des Pfingstfestes treten besonders zwei in 
den Vordergrund: die Verschiebung des Festtermins und 
die Einfügung von Erntefestgebräuchen. 

Der Termin der israelitischen Pfingstfeier fällt gut 5 Wochen 
später als der des harranischen oder auch babylonischen Festes. 
Als Grund für diese zeitliche Verschiebung hat man eine Ver- 
änderung der Festidee anzunehmen. Das altorientalische Fest 
konnte wegen seiner Betonung der Errettung des Frühlingsmondes 
nicht anders als gegen Frühlingsanfang gefeiert werden; wo sich 
aber ein Kult der Plejaden entwickelt hatte, da lag es nahe, das 
Plejadenfest erst mit der Zeit des Frühaufgangs der Plejaden 
beginnen zu lassen. Dieser war um 5000 v. Chr. auf den Anfang 
des letzten Wintermonats gefallen und in den folgenden Jahr- 
tausenden langsam vorgerückt, bis er gegen 2000 in der Mitte 
des ersten Frühlingsmonates stattfand. Da der israelitische Pfingstkreis 
am 16. dieses Monates begann, so ist anzunehmen, daß er sich 
nach einem Vorbilde vom Jahre 2000 richtete. Ein Bedürfnis, 
diesen Termin in späterer Zeit gemäß den veränderten astronomischen 
Verhältnissen noch weiter vorzurücken, scheint man in Kanaan 
wie auch in Israel nicht empfunden zu haben. 

Daß man ein Recht hat, den Pfingsttermin als entlehnt zu 
bezeichnen, geht auch aus der Weise hervor, wie er in das israelitische 
Festjahr eingefügt worden ist. Dieses gibt sich als wesentlich 
vom Mondlaufe normiert; denn seine Feste fallen entweder in 
Vollmond- oder Neumondzeiten. i) Einzig das Pfingstfest verleugnet 
dieses Prinzip. Es stört sogar die israelitische Festreihe, indem 
es während der Feier des Mazzothfestes seinen Anfang nimmt. 
Solches zeigt, daß von einem alten die Feste Passah-Mazzoth, 
Pfingsten und Sukkoth umfassenden Festkreise keine Rede sein 
kann. Vielleicht daß Passah-Mazzoth und Sukkoth in altem Zu- 
sammenhange stehen ; ihre Verbindung mit Pfingsten ist aber rein 
äußerlich. Weist nun das israelitische Pfingsten, wie wir glauben, 
auf Kanaan als seine Heimat hin, so ist für Passah-Mazzoth und 
Sukkoth eine andere Heimat zu suchen: vermutlich Arabien, 
die Geburtstätte der mosaischen Einrichtungen. 

Kanaanitisch wird weiterhin die Idee von Pfingsten als einem 



i) Welche Bewandtnis es mit dem scheinbar anders fallenden Versöhnungs- 
tage hat, werde ich an anderer Stelle darlegen. 



106 V. Kapitel. 

Erntefest sein. Die Wochen, während welcher die Plejaden am 
Morgenhimmel aufgingen, bedeuteten für Kanaan die Zeit der 
Weizen- und Gerstenernte; die Plejaden, die in Babylon dauernd 
als Patrone des schärfsten Wintermonats galten, wurden in 
Kanaan als solche der Frühemtezeit angesehen: das wirkte nun 
auf ihr Fest in der Weise ein, daß bei seinem Zeremoniell 
auch die Darbringung von Emtegaben vorgesehen wurde. Da- 
durch ward das Plejadenfest (mynti an) zugleich zum Tag der 
Erstlinge (D''"nDsrr üv). Näher betrachtet bestanden die Emtefest- 
zeremonien des Pfingstkreises in einer zweimaligen Darbringung 
von Ernteprodukten. Sein erster Tag, der 16./L, brachte die 
Einlieferung der sogenannten Reschlth der Ernte mit sich; sie 
bestanden in einer Garbe, die man dem Priester brachte, damit 
er sie vor Gott „webe". Am Schlußtage, dem 6./ni., erfolgte 
dann die Darbringung von sogenannten Bikkurim, die die Form 
von zwei richtig ausgebackenen Broten hatten; sie waren für den 
Gott selbst bestimmt, ob auch die Priester davon essen durften. 
Zwischen diesen beiden Gaben besteht ein prinzipieller Unter- 
schied; denn die Reschith sind reine Naturprodukte, die Bikkurim 
aber schon in Gebrauch genommene, zu Speisen verarbeitete 
Früchte. Daß die Darbringung solcher Gaben beim Pfingstfeste 
kanaanitisch ist, scheint das mosaische Gesetz selbst einzugestehen. 
Da es nämlich in Num. 28, 26 den Tag der Bikkurim als den- 
jenigen bezeichnet, an welchem Israel dem Jahwe als seiner Ple- 
jadengottheit ein Opfer von neuer Frucht darbringe, so deutet es 
damit wohl auf solche, die im Gegensatz zu Israel die Bikkurim 
nicht dem Jahwe, sondern der Plejadengottheit darbrachten, 
d. h. auf die Kanaaniter. Ob die Verbindung eines Lammopfers 
mit der Darbringung der Reschith wie auch der Bikkurim von 
Kanaan beeinflußt ist, liegt für uns im Dunkel. 

Zwar nicht die Bibel, wohl aber die spätjüdische Tradition 
die, wie wir oben sahen, keine zu verachtende Zeugin für alt- 
israelitische Gebräuche ist, belehrt uns über einige weitere den 
Plejaden geltende Züge des Pfingstfestes , die auch wohl als 
kanaanitisch zu gelten haben. Es herrscht am jüdischen Pfingst- 
tage der Brauch, Häuser und Synagogen mit Blumen und Grün zu 
schmücken und Kränze auf dem Haupte zu tragen; weiter das 
Festmahl vorwiegend aus Speisen herzurichten, die aus Mehl, Milch 
und Käse bestehen. Man könnte hierin den Ausdruck der Freude über 



Das israelitische PfingstfesU 107 

eine glückliche Beendigung der Ernte erblicken. Eine spezielle Er- 
innerung an die Emtegottheit, d. h. die Plejaden, bewahrt aber wohl 
die Sitte, als Hauptgericht einen Kuchen, der in sieben Spitzen aus- 
läuft, aufzutragen.^) Deuten ihn die frommen Juden als Abbild des 
Berges Sinai, so werden wir in ihm lieber einen Hinweis auf die 
trotz ihrer Siebenzahl doch einheitliche Plejadengottheit sehen. 

Das Vorhergehende ließ uns erkennen, daß die Israeliten 
das Pfingstfest nicht geschaffen, sondern übernommen haben, und 
zwar ohne dabei seine Formen wesentlich zu verändern. Aber 
eingestellt in den israelitischen Kult zeigte es doch sofort ein 
anderes Gesicht; denn ob sein Name auch noch auf die Ple- 
jaden deutete, aus seinem Inhalte waren diese verdrängt durch 
den Gott Israels, Jahwe. Um die Bedeutung dieser Veränderung 
richtig einzuschätzen, ist die Frage zu beantworten : In welchem 
Verhältnis stand für die Israeliten Jahwe zu den Plejaden? Nach 
allem, was die Bibel darüber verlauten läßt, nahm man beide 
als in ihrem Wesen durchaus verschieden; dazu wurde für Jahwe 
die Stellung eines über die Plejaden gebietenden Herren bean- 
sprucht So stellt das mosaische Gesetz die Plejadengottheit als 
von Gott Jahwe überholt dar, wenn es (Num. 28, 26) vom 
Pfingsttage als einem solchen redet, „an welchem ihr (d. h. die 
Israeliten) Jahwe als eurer Plejadengottheit (bezw. Jahwe, der für 
euch die Plejadengottheit ist) ein Speiseopfer von neuer Frucht 
darbringt*'; das Gleiche scheint der Eigenname JehoschebaS 
,Jahwe ist die Plejadengottheit" zu besagen. Aufs deutlichste 
sprechen es verschiedene Propheten aus, daß von den Plejaden 
als Gottheit überhaupt nicht zu reden sei. So nennt Amos 
(5, s) Jahwe als denjenigen, der die Plejaden geschaffen habe, Jere- 
mias {5,24) läßt ihn die Plejaden, an welche die Ordnung der 
Ernte gebunden sei, hüten und für Habakuk (3,9) sind die Ple- 
jaden nur eine Waffe für die Hand von Israels Gott. Da nun 
auch im Bereiche des ganzen Plejadenm)^us keine Götter- 
persönlichkeit nachzuweisen ist, die nach Namen oder Wesen 
mit Jahwe zusammengestellt werden könnte, so ist die Über- 
tragung der Ehren des Pfingstfestes auf Jahwe in der Weise zu 
deuten, wie wenn biblische Dichter Jahwe die Ehre der Besiegung 
Rahabs, d. h. einer Heldentat Marduks beilegen. Da er der 



I) S. J. Buxtorf, Synagoga Judaica' (Basel 1680), S. 444. 



108 V. Kapitel. 

Gott im eigentlichen Sinne ist, so gebühren ihm auch die Ehren 
aller anderen Götter. Unter diesem Gesichtspunkte betrachtet, 
bedeutet die Einsetzung Jahwes an Stelle der Plejaden eine 
grundlegende Veränderung im Wesen des Pfingstfestes, die das 
Absterben aller auf Jahwe nicht unbedingt passenden Zügen der 
Festfeier zwar nicht sofort bewirkte, so doch einleitete. 

Die Folgen dieser inneren Erneuerung des Pfingstfestes 
würden wohl mehr in die Augen springen, wenn wir die volle 
Tragweite eines Begriffes verständen, der mit Pfingsten unlösbar 
verbunden ist, nämlich Mikra-Kodesch (tt5np-N'np73). Lev. 23, 21 
schreibt vor, daß am Pfingsttage Mikra-Kodesch abgehalten 
werden solle ; nach Num. 28, 26 hat es sogar für wesentlicher zu 
gelten als die Darbringung des Speiseopfers. Die bisherige 
Deutung von Mikra-Kodesch scheint uns sein Wesen nicht ge- 
troffen zu haben. Schon aus grammatischen Gründen ist nämlich 
eine Übersetzung, wie „Versammlung beim Heiligtume" oder 
„gottesdienstliche Zusammenkunft" nicht zulässig. Eine wörtliche 
Übersetzung führt zunächst zur Wiedergabe durch „Zusammen- 
berufung des Heiligen". Was ist aber das Heilige? Wenn es 
sich um heilige Personen handelt — was wegen der Verbindung 
mit Zusammenberufung hier anzunehmen ist — so bedeutet es 
den Gegensatz zu den Profanen. In der israelitischen Gemeinde 
waren beide Elemente vertreten und zwar so, daß was nicht 
heilig war, als profan galt. Das wichtigste Dokument für diese 
Zweiteilung der Gemeinde bildet der Bericht über den Aufstand 
von Korah und seinem Anhange (Num. 16). Sie stellen gegen 
Moses und Aron die Behauptung auf: „Die ganze Gemeinde be- 
steht aus Heiligen, in deren Mitte Jahwe ist." Die unbedingte 
Zurückweisung dieser Behauptung durch Moses beweist, daß der 
Gegensatz von Heiligen und Nichtheiligen ein Kernpunkt des 
älteren Gesetzes war. In ihm werden als die Heiligen der 
Gemeinde die Priester und Nasiräer^) erwähnt; alle übrigen, 
auch die Leviten eingeschlossen, 2) sind nicht heilig, d. h. profan. 



i) Vgl. Num. 6, 5. 

2) Als heilig gelten die Leviten allerdings in jenen Schriften, wo sie als mit 
den Priestern identisch auftreten. Daß aber der nichtpriesterliche Levitismus, 
wie ihn Lev. und Num. vertreten, ursprünglicher^ ist als der priesterliche, werde 
ich anderswo begründen. Vorläufig sei nur auf meinen Artikel „Ein Schauspiel 
für Kemosch«' (ZDMG. LXI, S. Siflf.) verwiesen. 



f 



Das israelitische Pfingstfest. 109 

Es ist hier nicht der Platz, die für die Auffassung des alten 
Bundes äußerst wichtige Frage nach der Scheidung der Gemeinde 
in Heilige und Nichtheilige eingehender zu erörtern; für uns 
genügt es einen Anhalt dafür gefunden zu haben, daß Mikra- 
Kodesch bedeute „Einberufung des Heiligen, bezw. der Heiligen 
(der Gemeinde)." 

Zu dieser Auffassung gelangt man auch auf einem anderen 
Wege. Als ein Synonym von Mikra-Kodesch findet sich der Aus- 
druck 8A§ärä (nn»y) oder sAsereth (nn»T). Er ist in Lev. 23, 86 
dem Worte Mikra-Kodesch als Glosse beigefügt, und in Nehem. 8, is 
tritt er als vollwertiger Ersatz desselben auf, so daß man 
wohl annehmen muß, er sei ein vulgärer oder auch späterer 
Ausdruck für Mikra-Kodesch. Seine Bedeutung ist — ent- 
sprechend der Wurzel säsar „abschließen" — „Abschließung"; 
daß aber an eine Abschließung ritueller Art, nämlich die 
der Heiligen der Gemeinde von den Profanen dabei zu denken 
ist, lehrt der in II Könige 10, isflf. gegebene Bericht von 
den Maßnahmen des Jehu gegen den Baalskult Jehu glaubte 
diesem den Todesstoß zu versetzen, wenn er alle „Diener Baals" 
(bya ^^l^y) umbringen ließe. Er befahl zu diesem Zwecke : „Macht 
eine heilige sAsära für Baal" (by^b nnasy ittj'np), woraufhin „alle 
Diener Baals", die in ganz Israel waren, in Samaria erschienen. 
Als das Heiligtum Baals von ihnen ganz angefüllt war, jeder von 
ihnen aus der Kleiderkammer sein für die Zeremonie des Festes 
notwendiges Kleid erhalten hatte und unter Schlacht- und Brand- 
opfem der Kultakt begann, schickte Jehu 80 Bewaffnete in das 
Heiligtum, die mit ihren Schwertern die sämtlichen darin ver- 
sammelten Baalsdiener niedermachten. Wenn hier der Raum 
eines Tempels alle „Diener", die Baal in Israel hatte, fassen 
konnte, wenn 80 Bewaffnete hinreichten, sie zu überwältigen, so 
sind unter den Dienern Baals gewiß nicht alle Baalsgläubigen zu 
verstehen, sondern ein engerer Kreis seiner Verehrer, und die 
sAsära des Baal bestand somit in einem Feste für „Esoteren". 

Hieß der Akt des Mikra-Kodesch in späterer Zeit sAsara, so 
der daran Beteiligte sAsür (-nar^) oder Neesir (lat^:).^) Als ein 
solcher tritt in I Sam. 21, 8 Doeg auf, welcher wegen seiner 



i) Gegensatz ist Säznb (aiT^) „ledig", nämlich der Rechte und Pflichten 
des Sä^iir. 



110 V. Kapitel. 

Eigenschaft als „Neesär vor Jahwe" Eintritt zum Inneren des 
Heiligtums von Nob hatte; femer Schemajah (Nehem. 6, lof.), 
dem es als sAsur erlaubt war, den Innenraum des Tempels von 
Jerusalem zu betreten, wohin ihm selbst ein Nehemias, weil er 
ein Profaner war, nicht folgen durfte. In einem gewissen Gegen- 
satz dazu scheint es zu stehen, daß der Prophet Jeremias 
(36, 6 f.) sich weigerte, im Hinblick auf seine Eigenschaft als 8 Asür 
den Tempel zu betreten, wo das Volk sich gerade zu einem 
Fasten versammelt hatte. Aber auch dieses paßt in das Bild 
der zweigeteilten Gemeinde. Ging die Scheidung bis in die 
Tiefe der Gemeinde, so erstreckte sie sich sicher auch auf den 
Kult, und es muß kultische Akte gegeben haben, die ausschließ- 
Hch nur einen von beiden Teilen angingen. Erst unter diesem 
Gesichtspunkte sind die israelitischen Feste recht zu verstehen. 
Wo das Gesetz bei einem von ihnen Mikra-Kodesch anmerkt, 
da kam das profane Volk als Festteilnehmer nicht in Betracht. 
Das ist aber der Fall beim i. und 7. Tage des Mazzothfestes, 
beim i. und 8. Tage vom Sukkothfeste , beim Neujahrs- und 
Versöhnungsfeste. Der letzte Tag der Pfingstfeier ging sowohl 
die Profanen wie die Heiligen an; aber seine Beschreibung in 
Lev. 23, 15-21 läßt durchblicken, daß der Festakt für die letzteren 
erst nach Beendigung der Erntefestzeremonien einsetzte. 

Es wäre vergebliche Mühe ermitteln zu wollen, unter welchen 
Formen sich der Gottesdienst der israelitischen „Heiligen" ab- 
gespielt habe. Könnte man für denjenigen von Pfingsten im 
Hinblick auf früher besprochene babylonische und harranische 
Pfingstkulte auf mimisch-symbolische Darstellungen raten, so wird 
eine nüchterne Forschung doch lieber vollständiges Nichtwissen 
bekennen. Nur eines darf man als sicher behaupten, daß das 
religiöse Leben der Gemeinde am stärksten in dem Kreise der 
Heiligen pulsiert habe, und nachdem einmal Pfingsten seinen 
Charakter als israeUtisches Fest durch Einsetzung Jahwes an Stelle 
der Plejadengottheit bekommen hatte, wird das Mikra-Kodesch 
von Pfingsten der Boden gewesen sei, auf dem die Konse- 
quenzen dieser Änderung sich zuerst bemerkbar machten. 

In demjenigen, was Lev. 23, Num. 28, endlich auch Ex. 23 
und 35 über die Feier von Pfingsten vorschreiben, glaube ich 
die Form zu erkennen, unter welcher Israel dieses Fest bald nach 
dessen Entlehnung aus dem kanaanitischen Kulte begangen habe. 



Das israelitische Pfingstfest. 111 

Es blieb aber bei dieser nicht stehen; schon im deuteronomi- 
stischen Gesetze regte sich der Trieb, es nach anderer Richtung 
hin umzugestalten. Ehe wir auf diese Fortentwicklung eingehen, 
muß noch kurz eine Institution des israelitischen Gesetzes ins 
Auge gefaßt werden, die einen Seitentrieb der israelitischen 
Pfingstfeier darstellt, nämlich das Jobeljahr. 

An die Festtabelle (Lev. 23) schließt sich, nur getrennt durch 
kleinere Kultusvorschriften und einige Strafgesetzparagraphen, 
als organische Folge das Sabbath- und Jobeljahrgesetz (Lev. 25) 
an. Letzteres verfügt (v. 8 — 12): (8) „Du sollst dir sieben Sabbath- 
jahre abzählen, nämlich 7 mal 7 Jahre, so daß die Zeit der 
sieben Sabbathjahre dir 49 Jahre ausmacht. (9) Und du sollst 
im 7. Monate am 10. Tage die Alarmtrompete erschallen lassen; 
am Versöhnungstage sollt ihr überall in euerm Lande die Trom- 
pete erschallen lassen. (10) Und ihr sollt das 50. Jahr heiligen 
und im Lande Restitution (n"^^^) proklamieren für alle seine Be- 
wohner; ein Jobel (b^i*^) soll es euch sein, in welchem ein jeder 
von euch wieder zu seinem Besitze gelangt und zu seinem Ge- 
schlechte zurückkommt. (11) Als ein Jobel soll es, d. h. das 
50. Jahr, euch gelten; nicht dürft ihr säen noch den Nachwuchs 
einernten, noch auch von den unbeschnittenen Weinstöcken 
Trauben lesen. (12) Denn ein Jobel ist es, das euch als heilig 
gelten soll; doch vom Felde weg mögt ihr essen, was es trägt" 
Nach Wellhausen (Proleg.^ S. 113 f.), dessen Ansicht die jetzt 
herrschende ist, wäre der israelitische Jobel, bezw. das israelitische 
Jobeljahr dem israelitischen Pfingstfeste nachgebildet, ähnlich wie 
das Sabbathjahr dem Sabbathtage. „Jobel", sagt er, „ist eine 
künstliche Einrichtung, aufgebaut auf den Brachjahren, als Ernte- 
sabbathen, nach der Analogie des Pfingstfestes." „Wie der 
50. Tag nach den 7 Sabbathtagen als Schlußstein der 49tägigen 
Periode gefeiert wird, so das 50. Jahr nach den 7 Sabbathjahren 
als Schlußstein der 49jährigen." „Das Jobeljahr, auf alle Fälle 
vom Sabbathjahre abgeleitet, ist noch jünger als dieses." 

Der Gedanke eines Zusammenhangs zwischen Pfingsten und 
dem Jobeljahre leuchtet ein; weniger die Behauptung, das 
Jobeljahr sei vom israelitischen Pfingsfeste abgeleitet. Es ist 
Wellhausen entgangen, daß hinter dem Jobeljahre sich ein 
ähnlich weiter Horizont ausdehnt, wie wir ihn hinter dem israe- 
litischen Pfingstfeste gefunden haben. Das lehrt besonders 



112 V. Kapitel. 

eine genauere Betrachtung seiner beiden Hauptbegriffe Deror 
und Jöbel. 

Derör (11*1^) ist ein juristischer Begriff, der die Restitutio 
in integrum ausdrückt und zwar sowohl in Bezug auf Personen- 
verhältnisse (vgl. Jerem. 34, sff.; Is. 61, 1) wie auch auf Verhältnisse 
des Eigentums (vgl. Ez. 46, 17). Ihm entspricht nun im babylo- 
nischen Rechte der An duräri , ^) d. i. „Akt der Restitution", 
worunter sowohl die Restitution der persönlichen Freiheit ver- 
standen wird (vgl. Gesetz Hammurabis § 117 und 280) als auch 
die der früheren Besitzverhältnisse (vgl. große Prunkinschr. Sar- 
gons, Z. 137 = KB II, S. 72). 2) Derselbe Ausdruck und Begriff 
spielt dann auch in die babylonische Religion hinein, indem Gott 
Marduk mit dem Beinamen scha an duräri „Der Restitutor" 
auftritt.^) Nach dem, was wir früher über Marduks Wesen und 
Taten auseinandergesetzt haben, kann es kaum zweifelhaft sein, 
daß dieses Epitheton sich auf die von ihm bewirkte Wieder- 
herstellung des durch die Plejaden seiner Freiheit und Herrschaft 
beraubten Mondgottes bezieht. Das babyl. An duräri steht somit 
in enger Beziehung zur Pfingstidee ; sollte das Gleiche nicht auch 
mit dem hebr. Derör der Fall sein? Die entgültige Entscheidung 
dürfte davon abhängen, was Jöbel bedeutet. 

Zur Zeit sieht man Jöbel (^5"!'^) für eine Erweiterung des 
Begriffes jöbel „Widder" oder „Widderhorn" an und erklärt „Jahr des 
Jobeis" sowie auch Jobel allein als ein „Jahr, das mit Blasen 
des Widderhoms eingeleitet wird." Diese Erklärung scheint mir 
recht bedenklich; denn das Lärmblasen mit dem Widderhorn 
kam nicht nur dem Anfange eines Jobeljahres zu, sondern auch 
dem jedes gewöhnlichen Jahres. Auch leuchtet nicht ein, wie 
„Jahr des Widderhorns" , zu „Widderhorn" abgekürzt noch eine 
Zeitbestimmung darstellen könne. 

• 

i) Das Minäische weist einen in den Konsonanten genau damit überein- 
stimmenden Ausdruck auf: IIHSfi^ (Glaser 282, 3, 5), wovon neben Schlachtopfem fur 
Attar und dem Erscheinen des Vollmondes die Rede ist. Spätere Forschung 
möge entscheiden, ob er auch inhaltlich mit An duräri, bezw. ITll verwandt ist. 

2) Es ist die Rede davon, daß im Kriege zwischen Sargen und Merodach- 
Baladan Suti-Beduinen, die im Solde des letzteren standen, sich viel Grundeigentum 
südbabylonischer Städte angeeignet hatten. Daraufhin nahm Sargon nach Be- 
siegung seines Gegners für „Ur*, Uruk, Eridu, Larsa, Zarilab, Kisik und Nimid- 
Laguda den Akt ihrer Restitution (an durärschun)" vor. 

3) K. 4349, s. Delitzsch, Handwörterbuch, S. 229^ 



Das israelitische Pfingstfcst. 113 

Auf der Suche nach einer passenderen Erklärung des Wortes 
Jöbel bietet sich uns eine bisher übersehene aus dem Babylo- 
nischen dat. Da, wie wir oben (S. ^^) sahen, das b von bub- 
bulum arabischem w und weiter hebräischem j entspricht, so 
läßt sich Jöbel eng an bubbulum anschliessen — wenn auch 
mehr in den Konsonanten als in den Vokalen. Bezüglich der 
Verschiedenheit der Vokale ist aber zu beachten, daß, wenn 
Jobel Lehnwort ist, es doch nicht direkt, sondern auf Umwegen 
aus dem Babylonischen ins Hebräische gekommen sein wird. 
Neben der immerhin auffalligen Lautübereinstimmung beider Worte 
steht nun eine anscheinend große Verschiedenheit ihrer Bedeu- 
tungen, insofern bubbulum auf den 30. Tag, Jöbel aber auf das 
50. Jahr geht; doch läßt sich ein Weg finden, der beide ver- 
bindet. In Harran hatte sich auf der Basis des babylonischen 
Neujahrsfestes die Pfingstperiode von 49 — 51 Tagen ausgebildet, 
von welcher das Mondfest vom 6./I., d. i. das babylonische 
Bubbulumfest, den Mittelpunkt ausmachte: sollte nun etwa nach 
ihm auch die ganze Periode benannt worden sein? Die spätere 
Sprache Harrans, das Syrische, besitzt ein Wort jobbalä mit der Be- 
deutung „Periode, längere Zeit". Da es ebenso wie hebr. Jöbel laut- 
lich mit babyl. bubbulum zusammenhängen dürfte, so wird es ver- 
mutlich auch einmal die Bedeutung von „Bubbulum = Pfingstperiode" 
gehabt haben, die dann weiterhin zu der von „längerer Periode" ver- 
blaßte. Von der so erschlossenen Sotägigen Jobel-Periode gelangt 
man leicht zu einer 50 jährigen durch die Annahme, gleichwie von 
der Mondruhe die bürgerliche Sabbathruhe, sei von der Mond- 
restitution die Restitution der an Freiheit und Besitz Geschädigten 
abgeleitet worden, wobei aus praktischen Gründen die Fünfzig- 
zahl von Tagen in eine solche von Jahren umgesetzt wurde. 
Diese Einrichtung kann nicht auf israelitischem Boden vorge- 
nommen sein, weil im israelitischen Pfingstfeste die Idee der 
Mondrestitution von derjenigen der Plejaden als Emtegottheiten 
überholt worden war. Auch sieht man nicht ein, wie die hebräische 
Sprache, die das Wort Jöbel als Ausdruck für die Pfingst- 
periode nirgends aufweist, von sich aus zu dem Namen „Jahr 
des Jobeis, bezw. der Pfingstperiode" hätte gelangen können. 
Das Jobeljahr ist daher älter als das israelitische Pfingstfest und 
weist vermutlich eben dahin, von wo Israel sich sein Pfingstfest 
entlehnte, d. h. nach Kanaan und weiter wohl nach Harran. 

Grimme, Das itraelitisohe Pfingstfest. B 



114 V. Kapitel. 

Abgelöst vom Ideenzusammenhang mit dem alten Pfingstfeste 
bildete das Jobeljahr in Israels Gesetz eine Erscheinung, die den 
Keim der Auflösung in sich trug. Wenn es ohne Bedeutung für 
die spätere Entwicklung des israelitischen Lebens und Gesetzes 
blieb, wie die Bibel durch ihr Schweigen über das Funktionieren 
des Jobelgesetzes dartut, so war das wohl besonders die Folge 
der Konkurrenz, die ihm durch zwei unabhängig von ihm ent- 
standene Rechtseinrichtungen gemacht wurde. Schon im alt- 
semitischen Rechte scheint die Bestimmung enthalten gewesen 
zu sein, daß jeder in Knechtschaft geratene Volksgenosse nach 
verhältnismäßig kurzer Zeit wieder frei sein sollte; das altisrae- 
litische Gesetz legte den Termin der Befreiung auf das 7. Jahr 
der Knechtschaft (Ex. 21, 2 ff.). Diese ebenso populäre wie wirk- 
same Einrichtung wird es gewesen sein, die die für das Jobel- 
jahr angesetzte Restitution der persönlichen Freiheit in den 
Hintergrund drängte, zumal diese sie weniger ergänzte als durch- 
kreuzte. Die Restitution des Eigentums aber, wie sie das Jobel- 
jahr vorschrieb, war eine zu ideale Forderung, um jemals als 
vollgültiger Rechtsbegriff von der Gesamtheit des Volkes an- 
gesehen zu werden. Der Drang, sie zu vermindern, war natür- 
lich, und ihm kam es gelegen, daß in Israel eine Bestimmung 
bestand, die die Idee der Jobelrestitution in mehr praktischer 
Weise wiederholte. Es war dieses der „Erlaß für Jahwe" 
(!nn*»b Sita^ttS), der darin bestand, daß am Ende von je 7 Jahren 
ein Schulderlaß für Volksgenossen proklamiert wurde, wobei die 
Schulden gewissermaßen Jahwe geschenkt wurden. Der Ursprung 
dieses Erlasses liegt im Dunklen; keinesfalls darf man ihn aus 
der Jobelrestitution entstanden sein lassen, weil diese ein zivil- 
rechtlicher, jener ein religiöser Akt ist. Da mit dem Schulden^ 
erlass wohl auch die Zurückgabe des Verpfändeten verbunden 
war, so konnte leicht die Überzeugung entstehen, daß er die 
Idee der Jobelrestitution, soweit diese praktisch durchführbar 
wäre, zum Ausdruck bringe. 

Erwies sich das Jobeljahr als einer eigentlichen Entwicklung 
unfähig, so ging das Pfingstfest, nachdem es einmal in den israe- 
litischen Kultus eingeführt war, einer Reihe von inneren und 
äußeren Umwandlungen entgegen , die wesentlich darauf hinaus- 
liefen, von ihm alles abzustoßen, was irgendwie noch an Mythus 
und Kult der Plejaden erinnerte. Den ersten Ansatz dazu kann 



Das israelitische Pfingstfest. 115 

man vielleicht schon in der Pfingstverordnung von Num. 28 finden. 
Wenn hier die von Lev. 23 vorgesehene Zusammensetzung der 
Pfingstschlachtopfer dahin umgeändert erscheint, daß statt eines 
Stieres zweie, statt zwei Widder einer geopfert werden sollen, 
so sieht das aus, als ob man den Zusammenhang der Pfingst- 
opfer mit einem älteren heidnischen Vorbilde, das, wie wir oben 
sahen, in Harran zu suchen sein dürfte, noch verstanden und 
um ihn unkenntlich zu machen, den Normalopfersatz der israeli- 
tischen Feste auch auf Pfingsten übertragen hätte. 

Klarer ist das Bestreben des Deuteronomisten, Pfingsten zu 
reformieren und ihm in Namen, Ideen und Zeremonien ein aus- 
schließlich jahwistisch-israelitisches Gepräge zu geben. Den 
Namen Hagg-Schabusoth hatte man bis auf seine Zeit wohl immer 
noch als „Plejadenfest" genommen, obwohl im Kulte selbst die 
Plejaden ausgeschaltet waren; er aber will ihn als Wochenfest 
verstanden wissen, wobei SchabuSoth, d. i. Siebenheit, nicht auf 
eine solche von Göttern, sondern von Tagen gehen soll und zwar 
auf die zu sieben Siebenheiten oder Wochen zusammengefasste 
Vorbereitungszeit von Pfingsten. Da dieses Schabusoth eigentlich 
die Vorsetzung des Artikels verlangte, so wurde auch die Mög- 
lichkeit der Form Hagg-hasch-SchabuSoth angedeutet (16, le), die 
dann in der Folgezeit ^) die übliche wurde. Weiter bemühte sich 
der Verfasser von Deuteronomium die mythologische Grundlage 
von Pfingsten, von der immer noch etwas durchschimmern 
mochte, in eine geschichtliche zu verwandeln. Er bezeichnet 
Pfingsten als das Fest der Befreiung Israels aus der ägyptischen 
Sklaverei, wenn er sagt : „Du wirst (dabei) gedenken, daß du ein 
Sklave in Ägypten gewesen und wirst (in diesem Gedanken) 
diese Vorschriften hüten und erfüllen." Diese Vergeschichtlichung 
ist weniger gewaltsam, als sie auf den ersten Blick erscheint. 
Sie bewahrt eine Erinnerung daran, daß Pfingsten in älterer Zeit 
das P'est der Mondbefreiung darstellte^ Die Idee der Befreiung 
aus Bedrängnis wollte ihm der Deuteronomist gewahrt wissen; 
doch setzte er statt des Mondes Israel in die Rolle des Befreiten 
ein und gab dieser Befreiung den Hintergrund von Israels 
Dienstzeit in Ägypten. Die Form des Zeremoniells, wie sie 
Lev. 23 vorgeschrieben, wurde wesentlich verändert Die Pflicht- 



l) Vgl. 2 Chr. 8, 13. 

8* 



116 V. Kapitel. 

abgäbe, bestehend aus zwei Broten und zwei Lämmern, die jeder 
Hausvater zum Heiligtume zu bringen hatte, wurde vermutlich 
wegen ihrer Berührung mit dem kanaanitischen Kultus fallen 
gelassen ; an ihre Stelle traten freiwillige Abgaben von Naturalien, 
deren Höhe ein jeder nach dem Maße seines Ernteertrags selber 
festsetzen konnte. Da auch für Mazzoth und Laubhüttenfest 
ähnliche freiwillige Gaben Vorschrift waren, so nahmen sich 
nunmehr alle drei Feste wie ein organischer Feierzyklus original- 
israelitischen Ursprungs aus. 

Noch fällt auf, daß Deuteronomium i6 die Pfingstfeier um 
die Einrichtung der „Versammlung der Heiligen" verkürzt hat. Dieses 
hängt wohl mit der durch das ganze deuteronomistische Gesetz 
gehenden Tendenz der Ausgleichung und Vereinfachung zusammen. 
Den Gegensatz von Heilig und Profan fortzuschaffen lag außer 
der Macht des Gesetzgebers; er begnügte sich mit der Auf- 
hebung einer Reihe von Feiern (Asereth), welche die „Heiligen" 
getrennt von der großen Gemeinde bis dahin abgehalten hatten, 
und ließ nur das eine Asereth bestehen, das auf den 7. Tag von 
Mazzoth fiel. 

Die genannten Reformen von Deuteronomium liefen darauf 
hinaus, Pfingsten von allem zu befreien, was an seine heidnische 
Herkunft erinnern konnte. Doch auch in dieser neuen Fassung 
mag es für gewisse fromme Kreise noch einen heidnischen Bei- 
geschmack behalten haben; so erklärt es sich, daß der Prophet 
Ezechiel in seinem Entwürfe einer Neuordnung des israelitischen 
Kultus das Pfingstfest unerwähnt liess, d. h. stillschweigend ver- 
abschiedete (s. S. 74). Aber trotz Ezechiel blieb es der Gemeinde 
erhalten; der tief konservative Geist des Exils ließ die Entfernung 
eines den Vätern heilig gewesenen Festes nicht wohl zu. Nach 
dem Exile stieg dann noch sein Ansehen in einer Weise, die 
uns schließen läßt, ein neuer Geist sei in die alte Form einge- 
zogen. Pfingsten galt jetzt als ein in besonderem Maße heiliges 
Fest, als äyia inxä ißdofidSatv „Der heilige Tag der Sieben- 
Wochen" (Tobias 2, 1). Woher die Idee seiner Heiligkeit stammt, 
wird einigermaßen klar, wenn man beachtet, daß die letzten 
Jahrhunderte vor Chr. Geb. es nur noch mit dem Namen Asereth 
benennen. Danach muß der Anteil, den Lev. 23 den „Heiligen" 
(oder sAsur) an der Pfingstfeier gegeben hatte, allmählich Haupt- 
teil der Festveranstaltung geworden sein; und da überhaupt kein 



Das israelitische Pfingstfest. 117 

weiteres A§ereth als das von Pfingsten mehr namhaft gemacht 
wird, so war letzteres anscheinend in den Mittelpunkt des Kultus 
der Heiligen eingetreten. 

Dafür liefert einen guten Beleg die Pfingstfestfeier, die um 
die 2^it Christi bei den ägyptischen Therapeuten, dieser nach 
höchster Vergeistigung des Lebens trachtenden Gemeinde von 
Aszeten und Mysten üblich war. Ihnen war Pfingsten der Höhe- 
punkt des Jahres, seine Feier das Mittel zur inneren Befreiung. 
Ihr Bewunderer Philo berichtet darüber^): „Erstlich versammeln 
sie sich nach (den) Sieben- Wochen [di inrcc ißSofidSwv) ^) , da 
sie nicht nur die einfache Siebenzahl [d. h. den Sabbath], sondern 
auch ihr Quadrat bewundern; denn sie erkennen sie als heilig 
und ewig jungfräulich." Ohne in die Beschreibung dieser ersten 
Versammlung einzutreten, fahrt er fort: „Das ist aber [nur] Vor- 
fest des größten Festes, das der Fünfzigzahl zuteil geworden ist, 
der heiligsten und natürlichsten der Zahlen, wegen des Quadrats 
des rechtwinkligen Dreiecks, des Prinzips der Entstehung des 
Alls". Diese Begründung geht wohl nur auf die NatürUchkeit 
der Fünfzigzahl; ihre Heiligkeit führt Philo an anderen Stellen') 
auf die durch sie repräsentierte Idee der „Befreiung" {äyeatg) *) 
zurück. Im Geiste dieser Befreiung vollzog sich der Verlauf 
der Feier. Sie wurde eingeleitet durch geistliche Instruktionen. 
Durch den Vortrag von Hymnen ward dann der Moment vor- 
bereitet, da die ganze Gemeinde von der „reinsten Speise" ge- 
noß, d. h. gesäuertem Brote, dem Salz und etwas Ysop beige- 
geben war. Dieser Akt war die Vorbereitung für den anschei- 



1) Philo, About the contemplative Life, hrsg. von Conybeare, S. looff. 
(Biangei, 481, 83 ff.). 

2) Das hellenistische Griechisch hatte zur Bezeichnung der Zeit zwischen 
Passah und Pfingsten den Eigennamen kittä ißäo^idSsg (ohne Artikel!), wie aus 
Tob. 2, 1 otyla inrcc k^So^Ladtov hervorgeht. Dieses haben Lucius, Massebieau 
und Schtlrer übersehen; mit der von ihnen bevorzugten Übersetzung „nach je 
7 Wochen" (womit sie begründen, dafi die Therapeuten das von Philo geschilderte 
Fest alle 50 Tage gefeiert hatten) fallt aber das einzige Argument, das gegen die 
Identität von dem iLsylatri koQti^ der Therapeuten und dem jüdischen Pfingstfeste 
bisher ins Feld geführt werden konnte. 

3) De Sept 2, 294; de Congr. i, 535; andere Stellen s. bei Conybeare, 
S. 101 f. 

4) Man beachte, dafi in LXX &q)saig für hebr. Jobel gebraucht wird. 



118 V. Kapitel 

nend wichtigsten Teil des Festes, eine schwärmerische Nacht- 
feier. Bei ihr teilte sich zunächst die Gemeinde in zwei Chöre, 
die miteinander Wechsellieder vortrugen, dann aber zu einem 
einzigen Chore vereinigt einen Reigen aufführten, wie er angeblich 
von den Israeliten nach der Errettung aus der Hand der Ägypter 
unter Moses und Mirjams Führung getanzt worden war, bis end- 
lich die Evolutionen des Tanzes bei den Ausführenden einen 
Zustand heiliger Verzückung hervorriefen, der als das Freisein 
der Seele von den irdischen Banden galt. Bei dieser Feier der 
Therapeuten schimmern noch die Formen durch, wie sie das 
mosaische Gesetz für das Pfingstfest vorgeschrieben hatte, doch 
seltsam überwuchert von der Mystik einer späteren Zeit, die 
alles Sinnfällige in Übersinnliches umzudeuten bestrebt war. 
Die Speise, deren Genuß bei den Therapeuten einen fast 
sakramentalen Charakter trägt, ist wesentlich das Brot, welches 
als Pfingstabgabe einst Jahwe dargebracht und von dessen 
Priestern verzehrt wurde; es labt sich daran jetzt die ganze Ge- 
meinde, weil ihr Trachten nach der Erreichung priesterlichen 
Wesens geht») Die Nachtfeier steht nicht etwa an Stelle des 
Mikra-Kodesch, „der Versammlung der Heiligen", wie sie Lev. 23 
und Num. 28 vorschreiben, sondern ist vermutlich geradezu als 
solche zu bezeichnen. Gesang und Tanz als Mittel, ekstatische 
Begeisterung hervorzurufen, waren schon der altisraelitischen Zeit 
wohlbekannt und könnten recht wohl von jeher bei der „Versamm- 
lung der Heiligen" von Wichtigkeit gewesen sein; auch die Er- 
innerung an die ägyptische Knechtschaft gehörte seit der Zeit 
des Deuteronomisten ins Pfingstritual. So wird man das Neue 
in der Nachtfeier der Therapeuten darauf beschränken, daß die 
Befreiung aus der Gewalt Pharaos nur als Vorbild der eigenen 
geistigen Befreiung genommen wurde, sowie daß die Mittel, den 
Begriff einer solchen zu wecken, modernisiert und veredelt 
waren. 

Gründete sich bei den Therapeuten die Hochhaltung von 
Pfingsten vor allem auf ein individuelles Moment, die Heiligung 
der Gemeinde, so gab eine andere Richtung des Judentums ihm 
den Vorrang vor den anderen Festen aus geschichtlichen Gründen. 
Sie spricht sich im Buche der Jubiläen (cap. 6) dahin aus, daß 



i) Philo, About the cont. Life, S. 126 (Mangei, 484, 32). 



Das israelitische Pfingstfest. 119 

Pfingsten das Fest der Aufrichtung des Bundes zwischen Gott 
und den Menschen sei, das schon „im Himmel begangen wurde 
vom Tage der Schöpfung an bis zu den Tagen Noahs", dann 
von Noah und dessen Kindern, später von den Erzvätern und 
ihren Kindern, endlich in den Tagen des Moses nach der Bund- 
schließung am Sinai von ganz Israel gefeiert sei. Daneben er- 
wähnt das Buch auch seine Bedeutung als Fest der Frühopfer- 
gaben, verzichtet aber darauf, diese mit der Bundesidee in Zu- 
sanmienhang zu bringen und bekennt: „Zwiefach und von 
zweierlei Art ist dieses Fest" (cap. 6, 21). Dieses Bekenntnis 
scheint zu besagen, daß Pfingsten in doppelter Weise gefeiert 
wurde: von den einen — man mag sie als die Profanen be- 
zeichnen — als Erntefest, von anderen — etwa den Heiligen — 
als Tag der Erinnerung an die Stiftung des Bundes zwischen 
Gott und den Menschen. 

Der intime Charakter, den Pfingsten- Asereth mit der Zeit 
erhalten hatte, tritt auch darin zu Tage, daß es in der letzten 
vorchristlichen Periode nicht mehr einen für alle Juden maß- 
gebenden Termin hatte. Die Pharisäer bewahrten den 6./in. als 
Pfingsttermin. Hingegen interpretierten die Boethosäer, eine 
Spielart der Sadduzäer, Lev. 23, 16 dahin, daß Pfingsten stets am 
Tage nach einem Wochensabbath zu feiern sei. Vermutlich werden 
sie daraus die praktische Konsequenz gezogen haben; bestand 
doch auch noch eine andere von der pharisäischen abweichende 
Pfingstpraxis. Das Buch der Jubiläen (cap. 15,1; 16,13; 22,1) 
läßt das Fest der Emteopfergabei) — somit auch Pfingsten — 
von altersher in der Mitte des dritten Monats gefeiert sein. Ob 
darunter der 15. /in. oder ein nur ungefähr in die Mitte des 
Monats fallender Tag, etwa der 12./III., an welchem jetzt die 
abessinischen Juden oder Falaschas Pfingsten feiern, zu verstehen 
ist, bleibt unentschieden; doch kann man für sicher annehmen, 
daß der im Buche der Jubiläen erwähnte Pfingsttermin für irgend 
eine Richtung des Spätjudentums Geltung gehabt habe. 

Das große Zentrum der spätjüdischen Pfingstfeier war der 
jerusalemische Tempel. Zu ihm strömten um die Pfingstzeit, 
wie die Apostelgeschichte cap. 2, 5 lehrt, „fronmie Leute (ävdggg 
H/laßetg) aus allen Nationen, die unter dem Hinunel sind", Ver- 
treter der von Elam bis Italien, vom Schwarzen bis zum Roten 
Meere reichenden jüdischen Diaspora. Was diese Leute nach 



120 V. Kapitel 

Jerusalem führte, könnte der Drang nach Gesetzeserfullung ge- 
wesen sein; nach den früheren Ausführungen über Pfingsten- 
Asereth muß man jedoch auch mit der Möglichkeit rechnen, 
daß die Feier eines Mikra-Kodesch, einer Festveranstaltung für 
die interne Gemeinde der Magnet war, der so viele „Fromme"^) 
jährlich nach Jerusalem führte. 

Mit der Zerstörung Jerusalems fiel das Pfingstfest von seiner 
Höhe jäh herab : ein Beweis^ daß es mit der Zeit den Charakter 
eines ausgesprochenen Tempelfestes bekommen hatte. Infolge 
des Verschwindens des Zentralheiligtums war der Gemeinde der 
Heiligen der feste Boden unter den Füßen fortgezogen; so hörte 
sie vermutlich um diese Zeit auf eine organisierte Gemeinschaft 
darzustellen. Das Fehlen eines talmudischen Traktats über 
Pfingsten spricht dafür, daß dieses Fest für die jüdische Ge- 
meinde längere Zeit kaum mehr offiziell war. In spättalmudischer 
Periode tauchte es zwar wieder auf, doch nicht als Asereth, 
sondern als Hagg SchabuSoth oder Mattan Thora (nnin ^rKi) 
„Fest der Gesetzesübergabe". Man kann darin einen Nachklang 
an die im Buche der Jubiläen vorgetragene Idee einer seit Noahs 
Zeiten zu wiederholten Malen den Menschen von Gott ange- 
tragenen Bundes erblicken; aber als Bund Gottes galt jetzt 
einzig der am Sinai geschlossene, als Bundesdokument das mo- 
saische Gesetzesbuch. Die Bibel selbst bietet keine hinreichende 
Begründung für die Verbindung des Pfingsttages mit derThora- 
übergabe; denn Exodus 19 nennt zwar den 3. Monat als den 
Zeitpunkt, da Israel in die Steppe von Sinai kam, läßt aber den 
genaueren Termin der Gesetzgebung unerwähnt In seiner neuen 
Begründung hatte Pfingsten einen bedeutenden Konkurrenten an 
dem Schlußfeste des jüdischen Kirchenjahres, dem Tage von 
Simchath-Thora „Gesetzesfreude" (23./VII), der — wie ich an 
anderer Stelle ausführen werde — vermutlich schon, zur Zeit 
des Esdras Festcharakter hatte. Die Einfügung der Idee der 
Gesetzesübergabe in die Pfingstfeier änderte an ihrem Ritual 
nur wenig; sie wird aber Ursache gewesen sein, daß die Juden 
die Nacht vor Pfingsten zur Lektüre des Gesetzes oder später 
zu der einer Auswahl von Abschnitten des alttestamentlichen 



i) Wenn nach Suidas s'bXdßBuc mit wxd'aQ&trig synonym ist, so steckt viel- 
leicht in s^laßi/jg die Bedeutung „rem, heilig" (= ^adüich). 



Das israelitische ^Pfingstfest. 121 

Kanons, des sog. Tikkuns, benutzten. Daß daneben Gebräuche 
alten und ältesten Ursprunges unverstanden weiterlebten, ist schon 
früher erwähnt worden. 

In mancher Beziehung kann das christliche Pfingstfest als 
Erbe des jüdischen bezeichnet werden. Es hat von ihm den 
Termin übernommen und gleicht ihm in seinem Namen Pentecoste 
(= hasch-Schabu3oth). Da die Syrer den Pfingsttag Sdsarta (arabi- 
siert al-Sansaratu) nennen, so darf man schließen, daß die christ- 
lidie Pfingstfeier an das jüdische Asereth angeknüpft habe, 
d. h. an Pfingsten, wie es die Juden vor dem Jahre 70 n. Chr. 
feierten. Mit dem jüdischen Pfingsten verbinden das christliche 
noch einige bezeichnende Zeremonien. Wie die Juden beim 
Abzählen der Tage vor Pfingsten (beim sog. Omem) gehalten 
sind zu stehen, so sahen die alten Christen es als ihre Pflicht an, 
in der Zeit zwischen Ostern und Pfingsten die Gebete in stehender 
Haltung zu verrichten; wie die Juden die dem Pfingsttage vor- 
hergehende Nacht der Andacht oder der Gesetzeslesung widmen, 
so hielt die alte Kirche auf festliche Begehung der Pfingst- 
vigilie: ein Brauch, der der griechischen Kirche bis heute ver- 
blieben ist. Auch könnte die TeUung der jüdischen Pentecoste 
in zwei Hälften Anlaß dazu geworden sein, daß die griechische 
Kirche die Vorbereitungszeit auf Pfingsten durch Einschiebung 
von „Mittfasten" (24. — 31. Tag nach Ostern) halbiert hat. Wesent- 
lich verschieden sind aber die jüdische und christliche Pfingst- 
vorbereitung dadurch, daß jene, getreu der uralten Tradition, 
Trauercharakter zeigt, diese jedoch vom Geiste der Freude 
durchzogen ist, d. h. wohl die Feierstimmung von Ostern weiter 
nachklingen läßt. 

Im übrigen trägt auch die christliche Pfingstfeier Ver- 
schiedenes an sich, das uns seinen Ursprung verbirgt So ist 
dunkel, weshalb die griechische Kirche den Samstag vor Pfingsten 
als einen Tag nimmt, an welchem für die Verstorbenen Kuchen 
geweiht werden, nicht minder, worauf der große Byßakt der 
Kniebeugung geht, den die griechische Kirche der Pfingstfeier 
unmittelbar folgen läßt, oder auch das Pfingstfasten der lateini- 
schen Kirche, das in alter Zeit ebenfalls mit Pfingstmontag be- 
gann. Als Analogie könnte man hierzu den Bußakt stellen, der 
das delphische Septerion- oder Plejadenfest beschloß. Oder sollte 
es gleich diesem auf Nachwirkung uralter, vom orientalischen 



122 V. Kapitel. 

Plejadenfeste erzeugter Gebräuche deuten? Daß es nicht zu 
verwegen ist, an ein Nachleben solcher bis in unsere Zeit zu 
denken, zeigt meines Erachtens das sogenannte Johannesfest 
der Mauren von Marokko und ehemals auch der von Spanien. Wenn 
dabei Zelte von Rohr und Stroh^) errichtet und unter ausgelassener 
Freude der Festteilnehmer angezündet werden ,2) so erinnert 
solches unmittelbar an die Hauptszene des delphischen Septerion- 
spieles. Und dieses maurische Fest trägt den Namen al-8ansaratu, 
d.i. A§ereth oder Pfingsten I 

Wir stehen am Ende unserer Untersuchung. Sie hat er- 
geben, daß das israelitische Pfingstfest mit seinen Wurzeln in die 
fernste jetzt oder wohl auch jemals der Forschung erreichbare 
Periode der vorderorientalischen Religionsentwicklung zurück- 
greift. Aus dem Anblicke des gestirnten Himmels geboren 
hat es nie aufgehört, die Idee der den Himmel regierenden und 
dabei Erde und Menschheit beeinflussenden Mächte zu predigen. 
Es hat wesentlich zur Ausbildung des Mardukkultes, der edelsten 
Blüte des orientalischen Heidentums, beigetragen; es wurde in 
Harran die Hauptstütze der Mondreligion, die im Vorderorient 
eine wichtige Etappe auf dem Wege zum Monotheismus bildete. 
Von Israels Gesetzgeber in reinmonotheistische Form umgegossen, 
hat es als Gefäß für eine Reihe der intimsten Ideen des Früh- 
und Spätjudentums gedient, und endlich christlich umgestaltet 
den Inhalt bekommen, daß die Weihe durch den Geist die Voll- 
endung der Religion bedeute. So ist das Pfingstfest wie kein 
anderes im Kreise der religiösen Feste ein Kronzeuge für die 
Idee, daß die Religion in ihrer Entwicklung auf dem Wege zum 
Höheren, Geistigen stetig fortschreitet. 



1) Die früher (S. 99) erwähnte spätbabyl. Symbolisierong der Siebengotter 
durch Rohrzelte hängt vielleicht damit zusammen, dafi guzallu „Bote", ein Haupt- 
titel der Sibitti (s. S. 36, wo g. statt guzzalu zu lesen ist), mit guzullu „Rohrbündel" 
(oder etwas Ähnlichem aus Rohr) in der Wortform fast übereinstimmt. 

2) VgL M. de Ch^nier, Recherches historiques sur les Maures, tom. 111, 
S. 224 f. 



Inhalt 



Seite 
Einleitung V— VIII 

I. Zur üblichen Auffassung von Pfingsten . . . . ^ . . 1—27 
Die angebliche kanaanitisch-israelitische Emtefesttrias i. — Die 
biblischen Vorschriften f&r Pfingsten 3; — Ober ihre Klassi- 
fizierung 8. — Pfingsten kein wandelndes Fest 10. — Ent- 
vdcklung von Sabbath 14. — Pfingsttermin = 6./III. 20. — 
Bedenken gegen Pfingsten als reines Erntefest 20; — gegen 
die übliche Auf&ssung der 7 Wochen 21; — gegen die der 
Pfingstopfer 22; — gegen die Nichtbeachtung des TÖlp ö^^p^ 24; 

— gegen die Erklärung von my^lTÖ 24 — 27. 

n. Die Siebengötter aufserhalb der biblischen Welt . . . 27—61 
Der altbabylonische Plejadenmythus 27. — Seine Deutung 30. — 
Marduk-Orion 32. — Alter des Mythus 33. — Spätere 
Fassung 33. — Mythologische Beschreibungen der „Sieben" 35. — 
Entwicklung der Idee der „Sieben" in Babel- Assur 37; — im ara- 
mäischen Westen 41 ; — in derkanaamtisch-nordarabischenZone43. 

— Die „Sieben" im Mithraskult 44. — Marduks Plejadenkampf 
in der bildenden Kunst 46. — Symbolische Leitmotive 48. — 
Beschreibung typischer Plejadenkampfdarstellungen babylonisch- 
assyrischen Ursprungs 50; — anderweitigen Ursprungs 54. — 
Marduk als Reiter 54. — Marduk und die Plejaden aufierhalb 
der semitischen Zone 57. — Marduk und Mithras 59. — Der 
Plejadenmythus auf harranischen Münzen 59 — 61. 

III. Die Plejadensieben in der Bibel 61—75 

Plejaden bezeichnet als ?T%*^D 61 ; — als ^3123 62; — als 
DD1D 65. — Plejaden und Rahab. — Plejadennachklang bei 
Zacharias 69. — Plejaden als n^ilTÜ 70 — 75. 

IV. Der Plejadenmythus in Pestgestalt aufserhalb Kanaans . 76—96 

Bubbulum als Mondfest 76. — Das Neujahrsfest im Dienste 
Marduks 79. — Verhältnis beider Feste zu einander 83. — 
Das harranische Mondfest 84. — „Blinder Herr" = Marduk 86; 

— = Orion 87. — Umfang des harranischen Mondfestkreises 88. 

— Das harranische Mysterium vom 27./III. 92. — Verhältnis 
zwischen dem harranischen und babylonischen Festkreise 94 — 96. 



124 Inhalt. 

Seite 

V. Das israelitische Pfingstfest 96-— 122 

Kanaanitisches Plejadenfest ? 96. — Delphische Septerionfeier 97. 

— Plejadenfest in BeerschebaS loi. — Zusammenhang der 
israelitischen Pfingstfeier mit Harran 102; — mit Kanaan 105. 

— Original-Israelitisches in der Pfingstfeier 107. — „Zasammen- 
berufung des Heiligen^' 108. — SAsereth 109. — Verhältnis 
des Jobeljahres zu Pfingsten 11 1. — Deuteronomistische Um- 
wandlung* des Pfingstfestes 115. — Die Pfingstfeier nach dem 
Exil 116. — Die Pfingstfeier der Therapeuten 117. — Pfingsten 
im Buche der Jubiläen 118. — Neue Pfingsttermine II9, — 
Pfingsten nach der Zerstörung des Tempels 120. — Verhältnis 
des christlichen Pfingstfestes zum israelitischen und vörisraeli* 
tischen 121. — Rückblick 122. 




r 




-^n !^%j 


%W^ 


/ r '^ä^ 


^ 


"-jsdiMLM 


f ^ 












^ 






9 




A» 



>J ±'ji 



2044 054 092 127