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Full text of "Das leben des ministers freiherrn vom Stein"

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Das Leben 


Minifters Freiherrn vom Stein 


von 


G. 9. Perg. 


Dritter Band 


1812 bis 1814, 





Zweite Auflage. 
m —— — — 
Berlin 


Berlag von ©. Reimer. 
1854, 


Der vorliegende Band handelt von dem Ruffifchen und 
dem Deutfchen Kriege und von der Befreiung Europa's. 
Steins Antheil an dieſen Greigniffen iſt bisher nur 
zum gevingfien Theile bekannt, das Belanntgeworbene 
aber nicht felten unwichtig und verkehrt aufgefaßt worden, 
Dreigehn Jahre waren feit der Einnahme von Paris 
verfloffen, als in einem Parifer Salon der Verdienſte 
Steing gedacht ward; eine Ruſſiſche Gräfin entgegnete 
mir, Deutſchland verdanfe feine Befreiung allein den 
Ruffen: und es fieht dahin, ob fie fi dur meine Ants 
wort eines Befferen belehren Tafjen. Als einige Jahre 
darauf gegen einen Deutfehen Staatsmann erwähnt ward, 
daß Etein es gewefen fey der den Kaiſer Alexander zum 
Ueberſchreiten der Weichſel beftimmt habe, fo vief er 
unmuthig aus: „Das mag ihm Gott verzeihen, daß er 
die Ruffen nach Deutſchland gebracht hat!“ Denn der 
Franzoſen, meinte er, würden wir uns aud fo entlebigt 
haben, die Ruffen aber übten einen verderblichen politi- 
fen Einflug. Mit diefen ihren verfchiebenartigen Aufs 
faffungen ftehen die Weltvame und der Staatsmann nicht 
allein, aber beide gleich entfernt von der Wahrheit, Der 
Staatsmann überfah, daß wenn fremder Einfluß auf ber 
Deutfchen Politik laſtete, es die Schuld der Deutſchen 
Eabinette war, die uneingedenk ber ſprichwörtlichen Weis- 
beit dee Vorfahren: „Es ift beffer dem Landsmann ben 
Stiefel puren ald dem Fremden den Fuß küſſen!“ in 





nv 


feloftifcher Verbindung Ausländer zu Richtern über 
Deutfhe Angelegenheiten und zu Herren herbeiriefen; 
daß aber nie ein Fürſt mit veinerem uneigennügigerem 
Willen ein großes Werk unternommen und durchgeführt 
hat als Kaifer Alerander die Befreiung Europa’s. Die 
Ruffin hingegen wollte nicht wiffen, daß es ein Deut- 
ſches Fürftenhaus if dem Rußland gehorcht, daß der 
Kaiſer den Deutfhen Stein berief um ihm in den Ges 
fahren von 1812 zur Seite zu flehen, und dag wenn 
Alerander zur Sühne für Tilſit Friedrich Wilhelm dem 
Dritten die Freundeshand bot, es Preußens freier Ents 
ſchluß, der einmüthige Wille des Könige, des Heeres, 
des Landes war, welcher den Ruſſen die Weberfchreitung 
ihrer Gränze möglih machte, und daß ohne Preußens 
hefdenmüthige Erhebung niemals an Lügen und Baugen, 
geſchweige denn an Defterreichs Beitritt, an Leipzig oder 
Paris gedacht worden wäre. Steins Wirken in jener 
Zeit fieht hoch über tem Maafe aller gleichzeitigen 
Staatsmänner. Wir folgen ihm hier aus der Prager 
Verbannung in das Feldlager des Kaifers und mit die— 
fem von Wilna nah Moskau, von der Newa zur 
Weichfel, von der Oder und Elbe zum Rhein und der 
Seine. Sein Geift, fein Muth zeigen fih jeder Auf⸗ 
gabe gewachfen, feine Ausdauer erreicht die höchſten Ziele, 
Wir Taffen ihn in Paris, Sein Antheil an ber 
Benugung des Sieges, an der Cinrichtung des neuen 
Europa zu Paris, auf dem Wiener Congreffe und bei 
dem zweiten Parifer Frieden find der Gegenfland bes 
nädften Bandes. 
Berlin am 15ten October 1850, 
©. H. Perg. 


Anhalt des dritten Bandes. 


vomede .. S. ul w. 
Fünftes Bud. De Ze Krieg im Jahre 
1812. ...... .... 61-232 


Erſter Abſchnitt. Die Borbereitungen bes Krieges bis zum 
Frühjahr 1812... . . 2.2. &3— 32 


Napoleons Vergrößerungen feit dem Wiener Fries 1509 bis zur Weg ⸗ 
mabme Oldenburgs S. 3. — Lage Europa's. Plan eines Feldzuges nad 
Dfindien. Bedingung dazu Beſiegung Rußlands S. 4. — Die Franzöͤſiſch⸗ 
Ruſſiſche Politik ſeun dem Tilfiter Ftieden S. 6. — Wendepuntt berfelben 
im Frühling 1810 und weitere Abſichten S. 7. — Beiderſeitige Rüſtungen 
und Maßregeln ſeit dem Sommer 1810. S. 8. — Der Herzog von Ofden- 
burg. — Reſſelrodes Abberufung. Rapoleons Rede am 24ften März 1811. — 
Angriffeplan des General v. Phull im Sommer 1811. 5.9. — Bildung 
des Zrangöfifchen Heeres zwiſchen Rhein und Weichſel. — Bildung ber Ruffis 
ſchen Streitkräfte. Mißverpäftnip der Anftrengungen zu den Griolgen S. 11. — 
Antliche Truppenzahl. — Die zwifhenliegenten Etaaten. Preußen. Lage, 
Vorbereitung auf die Entſcheidung S. 12. — Preußens Verhältniſſe zu Frank 
tih und Rußland. Unterhandlungen feit dem Frühling 1911. Rüſtungen 
5. 13. — Ion über Volkskrieg. Graf Arnim in Prag. Steins Denkſchriften 
au den Staatöcanzfer über den bevorſtehenden Krieg, Preußens Rage und die 
nöthigen Maßregein. Prag 1811. Auguſt 24. ©. 14. — Eeptember 17. 
€. 16— 21. — Schwanken in den Maßregeln S. 21. — Berhanblungen 
und Rachgiebigkeit S. 22. — Anefebet nah St. Peterburg gefandt. 1812 
Febtuar. — Einbruch der Franzofen S. 23. — Maret an Krufemard. Ber 
trag zu Paris Februar 24. ©. 24. — Lage des Königs. Genehmigung des 
Vertrages am 5ten Märg &. 25. — Folgen. Veränderung des Riniſteril. 


vi 


Gruner. S. 26. — Steins Erwartungen. Schreiben an bie Gräfin Lands 
Toronsfa Januar 26; an die Prinzeſſin Louiſe März 18. S. 27. — Gneiſenau 

Stein April 2. S. 29. — Unwillen. Befürchtungen für Preußen. S. 30. — 
Oeſterreichs Bund mit Frankreich März 25. Wallmoden nah England. — 
Phulls neuer Plan. Kaijer Alexander unterhandelt S. 31. — Letzte Forde⸗ 
rung. Er reift zum Heere nach Wilna. Napoleon in Dredten im Mai, bietet 
dem Kaifer Franz Schlefien an; Abreife gegen die Ruffifche Graͤnze am 
29ften Mai. S. 32. 


Zweiter Abſchnitt. Stein und Münfter, Berufung nad 
Rußland. . . . en... S. 33 — 50 


Stein in Prag. Tod der Zrau v. Heinig, der Grafen Arnim und 
Friedrich Stadien. Aunth an Etein S. 33. — Stein über Arnim an 
Marianne. Stein Vormund der Kinder. Stein an Dr. Gifelen März 10. über 
den Einfluß ver Geſchichte S. 34. — Stein an die Gräfin Lansforonafa 
Januar 26. S.35. — Stein an Marianne im März, an Gräfin Senft 
März 28. S. 37. — Schoͤn an Stein April 12. 5.39. — Steins Anknüp⸗ 
fung mit England. Graf Münfter, feine Bildung, Laufbahn, politiſche Stels 
lung S. 40. — Bermittler zwijchen England und dem Feſtlande S. 41 — 
fein Berdienft S. 42. — Stein an Münfter 1811. Januar 11. S.43 — 
Münfter an Stein Auguſt 27. S. 44. — Stein an Münfter October 6. 
S. 45. — Stein an Münfter 1812 April 19. S. 49. — Steins Berufung 
nad Rußland ©. 50. 


Dritter Abſchnitt. Stein im Kaas Hauptquartier. Der 
Kaiſer Alexander. . . 2. 6.51 —83 


Katfer Aegander an Stein Pr 21. 6 51. — Eteins Rage ©. 52.— 
Antwort Mai 23. S. 53. — Verabredungen mit Gruner — Abreife Mai 27. 
Das Ruſſiſche Heer. Ankunft in Wilna Junius 12. S.54. — Bewahrung 
einer freien Stellung. Graf Kotſchubey. Unterredung mit tem Kaijer. Stein 
ſchildert Alexanders Character S. 55 — fein Mißtrauen gegen feine Geſchäfts— 
feute, Geſchaſtabehandiung S. 56. — Gabinet. Staaterath. Speransty ©. 57. 
— Feßler. Rofenkamp. Arınfeld S. 58. — Speransky's Verbannung. Der 
Kaifer verfchlieht fih. Prinz Georg von Oldenburg. Großfürſtin Eatharina 
S. 59. — Armfelds Einfluß. Romanzoff S. 60 — vom Kaiſer mißachtet, 
Berehrer Napoleons, Triumer ©. 61. — Abneigung gegen England. Seine 
Führung der auswärtigen Angelegenheiten, Kriege mit Schweden und Türken. 
Nachlaͤſſige Zriedensunterhandfungen. Tſchitſchalow S. 62. — Verhäftnif zu 
England. Ruffands Lage im März 1812 und 1814 ©. 63. — Alexanders 
milttairifhe Umgebung. Barclay de Tolly. Mangel an Einheit in der Heeres⸗ 
führung. Beneralftab. Einfluß des Kaiſers. General Phull S. 64. — Phufs 
Kriegöpfan. Oberft v. Wolzogen. Anfihten in Wilna S. 65. — Bennigfen. 


wu 


Armfeld. Scharnhorſto Anſicht. Phulls Plan angenommen, weit überihritten. 
BShulls Unfähigkeit zu handeln S. 66. — Alexanders Friedenspoffnungen. 
NRarbonne. Das Zahnen des Könige von Rem S. 67. — Steins Dentſchrift 
über die Lage Deutſchlands, Junius 18. S. 68— 74. — Aleganterd Ants 
wort. Steins weitere Entwiclung Junius 20. S. 74—77. Genehmigung. 
Deutſches Comittee. Gefhäftsgang S. 77. — Aufruf an die Deutihen 
Truppen S. 78—80. — Die Preußifgen Truppen ©. 80. — Genetal von 
Grawert. v. Yord. Sendung des Majors v. d. Golh, deiien Bericht an Stein 
Junius 23. Gegenfeitiged Berhältmip der Ruſſen und Preufen ©. 81. — 
Stein an Münfter, Dörnberg, Gneiſenau, Pozzo di Borgo, Gruner. Junius 
23 bie 27. ©. 82. 


Bierter Abſchnitt. Ausbruch bes Krieges. Rüchug der 
Ruffen. Stein in Mosfau. .. .... &.8—110 
Napoleons Borbereitungen. Anfertigung falſcher Ruſſiſcher Banfnoten. 

Der König von Sachſen betrogen. Reichstag zu Warſchau. Polens Herſtel- 

kung erflärt ©. 84. — Galizien ausgeſchloſſen. Der Neichetag aufgelöf't. 

Napoleon geht über den Riemen Junins 24. — Alexander jendet den Poligels 

minifter Balatſchew. Napoleons Antwort, wegwerfente Aeußerung über den 

Ruffiigen Kaifer S. 85. — Ruſſiſcher Rüdzug. Stein und Kotjhubey aus 

Bilna Junius 28. Napoleons Ginzug Junius 29. Litthauen eingerichtet. 

Schweden. Bernadotte's Politit S. 56. — Ruſſiſch-Schwediſcher Bertrag 

Rai 5. Steius Plan zu einer Schwediſch-Engliſchen Landung in Rorddeutſch⸗ 

fand. Smwinziany Junius 27. S. 87— 91. Stein mit der Ausfügrung beaufs 

tragt. Stein an Gruner Junius 30. an Münfter S. 91. — Plan des Kron⸗ 
prinzen von Schweden 5.92. — Steins Vorflellung an den Kaifer, Alexan⸗ 
vers Antwort S. 93. — Gneifenau an Stein Julius 14. S. 94. — Leo von 

Rüpow ©. 95. — Plan, Nachrichten über Die Franzoſen ‚einzuziehen. — 

Stein in Driffa. Urteil über des Prinzen Auguft von Ofvenburg Anficht von 

einer Landung in Deutihland S. 96— 99. — Das erfte Ruffhe Herr im 

Lager von Drifle. Gefahr. Bagrathions Rüdzug gegen Bobruisk S. 100. — 

Unzufriedenheit im Hauptquartier. Paulucci. Eonftantin. Araktſchejew. Aleganber 

verläßt Phulls Plan und beſchlleßt den weitern Rüdzug gegen Moskau 

©. 101. — Auswärtige Verhandlungen. Tuͤrtiſcher Friede. Tſchitſchakoffs 

Rath. Plan eines Zuges nad Italien S. 102. — Stein enipfichlt den Ab: 

ſchluß mit England. Admiral Bentind. Romanzoffs Zaudern. Friedensſchluß. 

Unterfandfungen mit Deiterreih S. 103. — Steins Anſicht. Alexander geht 

nad Roslau. Stein folgt ihm, Ankunft in Moskau Julius 24. Stimmung 

der Bevölkerung ©. 104. — Alexander betreibt die Rüftungen S. 105. — 

Stein an feine Fran. Schilderung Mosfaus S. 105— 108. — Alesander 

geht nach St. Petereburg. Stimmung der Ginwohner ©. 108. — Stein vers 

fäht Moskau Auguft 2. Befuch des Prinzen Georg in Imer. Die Großfürftin 

Catharina S. 109. — Stein in Camini-Oſtrow Auguſt 7. Gindruf von 

St. Petersburg Auguf 9. ©. 110. 





var 


Fünfter Abſchnitt. Wortgang bes Krieges bis zum Brande 
Moskau’s. Stein in St. 4. Peieröbng. Deutfhe Angelegen- 
beiten... .. ... 8.111 — 160 


Aleganders Bufrummentunft mit dem "ronpringen von Schweden zu Abo. 
Bertrag Auguft 30. Zuneigung des Kaiſers, Hoffnungen des Kronprinzen. 
Lord Catheart S. 111. — Rüdzug und Bereinigung der Ruffifhen Heere bei 
Smolenst. Schlacht. Weiterer Rüdzug. Unzufriedenheit des Heeres mit Barclay- 
Kutuforw Dberfeltperr S. 112. — Bennigfen. Der Kampf im eigentfien 
Aupland wird Voltöfrieg. Meganders Tpätigelt und Entfhluß. Herzog von 
Oldenburg Vorfiger des Deutſchen Eomittee S. 113. — Steind Urtheil. Be: 
richt an den Kaiſer Auguſt 18. S. 114. — Der Herzog tritt aus. Kotſchubeh. 
Lienen S. 115. — Arndt. Riebuhr und der Kronprinz von Preußen S. 116 — 
Katechlsmus für den Deutſchen Kriegs- und Wehrmann. Deutfhe Zeitung. 
Kogebue. Gruners Birken S. 117. — Beobachterneß S. 118. — Dienf- 
anweifung ©. 119—126. — Gruner Anträge an Deutſche Offiziere. v. Pfuel. 
v. Maurer. v. Boyen ©. 126. — Freicorps. Geheime Verbindungen in Deutſch⸗ 
fand. Binde. Wedell S. 127. — Die Jugend S. 128. — Auffangen der 
Eouriere S. 129. — Graf Pappenheim. Gruners Unterredung mit Metternich 
©. 130. — Verhaftung auf Anftiften der Berliner Polizei Sept. 22. Metters 
nichs Warnung an Franfreih. Brief ©. 131. — v. Boyen in Rußland. 
Säarnportt an Stein S. 134. — v. Pfuc. Hinderniffe des Fortgangs der 
Deutihen Legion S. 135. — v. Stülpnagel S. 137. — Stein an das 
Deutſche Comitte. Dringt auf Uebernahme der Legion durd England ©. 138. — 
Steind Vorſchlage über die Benugung der Deutſchen Kräfte September 18. 
©. 139. — Dentſchrift über Deutfhlandd Fünftige Berfaffung 
©. 140. — Denkſchrift über die Bildung eines Verwaltungsraths 
für Deutſchland S. 144. — Denfichrift eines Deutſchen Offtiers üper 
die Kriegführung in Deutfhland ©. 149. — Der Katfer billigt die 
Dentigriften. Steins Mittgeilung an Münfter &.151. — Stein wirft auf 
Romanzoffs Entfernung, England folle auf die Zeitung der Deutfchen Ans 
gefegenpeiten einwirken Sept. 10. S. 152. — Napoleons Vordringen. Schlacht 
von Borodino Sept. 7. Dankfeſt in St. Peteröburg Sept. 11. ©. 154. — 
Aleganderd Mafregeln. Eröffnung an Preußen, Rußland will keine Eroberung 
©. 155. — Feldzugeplän. Räumung und Anzündung Moskau's S. 157. — 
Steind Faſſung S. 157. — Alexanders Zeftigfeit. Friedensparteil. Steine 
Gegenwirkung S. 158. — Rußland erhebt fih. Alegander an Karl Johann. 
Die Ruffice Flotte nad England S. 159. — Lieven nad) England. Siein 
an feine Frau Det. 15. ©. 160. 


Sechster Abſchnitt. Petersburger Leben. S. 161 —- 171 


Sommerleben. Czarbkoeſelo S. 161. — Paulowsk. Drlows⸗Inſel. Billa 
Rariſchtin. Frau v. Siael S. 182. — Schlegel. De l’Allemagne ©. 163. — 


nz 


Graf Orlow. Ratharinenfift S. 164. — Lutheriſqhe Ritwrgle. Theatet 6.165 — 
Spaziergänge. Arndt. Winterfeben S. 166. — Stellung In der Gefelljchaft. 
Herzogin Alezander von Wirtemberg S. 167. — Gräfin Orloff. Ouwarow 
©. 168. — Dr. Rehmann. Duca di Serra Eapriofa. Lebensweife S. 169. — 
Briefe an Zrau v. Stein &. 170. — Thucydides S. 171. 


Siebenter Abſchnitt. Ruhe ber Heere. Steins Unterhand- 
lungen mit Münfter und Gneiſenau. ©. 172 — 196 


Rapoleon in Moskau. Priedenshoffnungen S. 172. — Berftärkung der 
Aufien. Steins Beforgniffe, Wunſch daß England vie Leitung der Deutſchen 
Angelegenheiten übernepme ©. 173. — Stein an Münfer September 25. 
S. 174. — Gneiſenau an Stein Sept. 1. S. 176. — Stein an Gneijenau 
Sept. 29. 8.180. — Stein an Münfer Ort.3. S. 183. — Schwirrigfeit 
des Geranfenaustaufhes ©. 185. — Münfters Gröffnungen an Stein 
Du. 10.23. Rov.3. ©. 186. — Gneifenau an Stein Det. 30. S.190—196. 


Achter Abfhnitt. Franzöſiſcher Rückzug, Vernichtung bes 
Heeres. Alexander beſchließt Deutſchlands Befreiung, über- 
nimmt die Leitung Europas, . . .... &,197—232 


Aleganders Unzufriedenheit mit Kutuſow. Gröffnung der Feindſeligkeiten. 
Ucberfall bei Tarutina Det. 18. S. 197. — Schlacht bei Malojarosinwep. 
Napoleon anf die Straße von Smolensk gewiefen. Mangel an Lehensmitteln. 
Auflöfung der Truppen. Treffen von Wiäsma, befchleunigte Flut. Srof. 
Niederlage am Wop Rov. 7. Die Franzoſen in Smolensk: aufgerieben in den 
Schlachten bei Krodnol, an der Berefina S. 198. — Rapoleon verläßt das 
‚Heer Der. 6. Untergang des Heeres. Freude in St. Petersburg. Die Kaiferin 
Mutter und Stein S.199. — Etein an jeine Frau Nov. 8. S. 200. — 
Steins Borbereitung um den bevorftehenden Sieg zu benugen. Sage über 
Lord Gatheart, über Schweren; Plane für Deutfchland, gegen Ausdehnung 
Ruflantd S. 201. — Steins Ausführung des Planed für Deutfcland 
Rov. 1. ©. 202. — Verſuch dafür England zu gewinnen S. 203. — Schreiben 
an Münfter Rov. 14. S. 204 — am 19ten Rovember Polen S. 206. — 
Stein an Gneiſenau Rov. 7. S. 208. — Stein an Pozzo S. 209. — Zweifel 
über die Fortſetzung des Krieges jenſeits der Gränzen S. 210. — Ruffiſche 
Berlufte. Allgemeine Abneigung gegen vie Zortfegung. Stein wendet fih an 
den Kaljer S. 211. — Steins Denkſchrift % ten Rovember S. 212—220. 
Alegander beſchlleßt die Fortfegung des Krieges. NRomanzoffs Entfernung. 
Unterrebung mit Stein. Ruſſiſche Finanzen S. 221. — Sir Frantis d'Ivernois 
Borſchlage, vom Kaifer Stein zur Prüfung überwiefen S. 222. — Steine 
Borihläge S. 223. — Stein an Münfter Rov. 20. S 224. — Stein an 
Sneifenau Dec. 1. Stein an Wallmoden Der. 1. S. 227. — Stein an feine 
Frau Dec. 3. Trümmer des Franzoͤſiſchen Heeres am Riemm ©. 229. — 





x 


Stein an Münfter Dec. 10. Franzoͤfiſche Berlufte in Rußland S. 229. — 
Alexander reift zum Hecre und befiehlt Stein zu folgen. Stein an Münfter 
Dec. 21. S. 230. — Stein an Gneijenau Dec. 21. S. 231. — Stein an 
Ballmoden Der. 22. ©. 232. 


Sechstes Buch. Der Deutſche Krieg 1813. 1814. 
©. 233 — 577 


Erſter Abſchnitt. Deutſchlands Zufunft. Yord. Stein in 
Königsberg. 1812 Desember bis 1813 Februar 7, 
©. 235 — 297 


Gropbritanniens Lage im Jahre 1812. Minifterveränderungen. Abſicht 
de& Prinz: Regenten, TorysGabinet des Earl of Liverpool S. 235. — Krieg 
mit Rordamerika. Spaniſcher Krieg. Stantsfaften 1812 und 1813. Die Maß— 
regeln der Engliſchen Mintfter und tie abweichenden Bünfde des Grafen 
Wünfter S. 236. — Unterpandfungen mit Schweden, mit Dänemark. Münjters 
Plan eined Welfiſchen Reichs zwiſchen Schelde und Elbe, 1809. ©. 237. — 
dem Regenten und den Engliſchen Miniftern vorgelegt 1812 December 7. 
©. 238. — Münfters Unkenntniß der Zuftände Deutſchlands, Abfichten, von 
Gneiſenau getheilt S. 239. — Stein ficht Deutfchlands Zukunft in Preußen. 
Stein an Gagern. Münfter ändert fpäter feine Ueberzeugung. Münſter an 
Stein Januar 5. S. 210— 24. 

Der General von Yord. General von Eſſens Mitteilung an York 
Rov.1. S. 244. — Paulucckis und Repnin’s Mitteilungen S. 245. —- 
Vords Erwiederung. Paulucei's Gröffnung Dee. 1. ©. 246. — Yords 
Streitigteit mit Mactonald. Eentung tes Majors v. Sevdlitz nad Berlin, 
Bord an den König Der. 4. ©. 247. — Paulucci an Yord Dec. 11. S. 248. 
— Paulucci fendet Graf Dohna. Aufbruch des Corps aus Curland S. 249. 
Kaifer Alegander an Paulucci Dec. 18. Der Kaifer in Wilna S. 250 — er⸗ 
Öffnet dem Heere feinen Entſchluß. Strenge Befehle an Die Truppen beim 
Uebergang über die Gränge Dec. 15. 21. Kutufows Bekanntmachung S. 251. — 
Wirkung. Diebitſch und Vord Der. 25. entſcheldender Augenblick für Preußens 
Zukunft. Yorke Entfhluß S. 253. — Vord an den König December 27. 
S. 254. — Vord und Clauſewitz. Seydlitz kehrt zurüd. Vertrag in ver 
Bofgerunfgen Mügfe. General v. Mafenbad) S. 255. — Yord an den König 
Dec. 30. Yord an ven König Jan. 2. S. 256. — Beurtheifung und Wirfung 
©. 259. — Napoleon hebt 350,000 Mann aus. Befreiung der Provinz Preußen. 
Murat. Die Rufen in Königsberg Jan. 5. Benehmen der Ruffen S. 260. — 
General v. Bülow. Megander gept über ven Riemen. Befehung des Hergogthums 
Warſchau. Stein verläßt Et. Petersburg Januar 5. Brief an Frau v. Etein 
©. 261. — Steins Freunde in St, Petersburg. Kotfhubey. Duwarow. Nos 





x 


woſilhoff. Hergog von Bärtemberg. Dr. Rehmann. Tempel. Plettew. Chazet 
S. 262. — Reife in ittbauen. Stein und fein Diener S. 263. — Bilna. 
Brief an Frau v. Stein ©. 264. — v. Mofel aus Kleve S. 266. — Gin 
treffen in Suwalfy beim Kaifer S. 267. 

Stein in Königsberg. Erhebung der Provinz Preußen. Au: 
lands Berhäftniß zu Preußen ungeorbnet; Verwicklung. Der König in Pots— 
dam ©. 267. — Bord abgefeht, Hahfeln nach Paris gefandt. Bords Berr 
fegenheit und Bedenken; vergebliche Verſuche die Generale v. Bülow und 
v. Borftel zu beitimmen. Rähmung ©. 269. — Gtein beftimmt ben Kaifer ihn 
hinzuſenden. Etein an Schön. Ian. 17. Baufucc's Benehmen. v. Plotho an 
Stein 5. 269. — Steins Anzeige beim Aaifer, Paufncel zurüdzefäidt. 
Meganders Vollmacht für Stein Ian. 18. &. 270 — ihr Character. Alexander 
in Lyck, der Euperintendent Giſevins S. 272. — Etein und Arndt in Gums 
binnen. Berftäntigung mit Schön. Ankunft in Königsberg Jan. 22. S. 273.— 
Berufung der Reglerungspräfidenten nad Koͤnigeberg, Aufforderung an den 
Eperhofmeifter v. Auerswald zu Berufung eines Landtages Jan. 22. Berufung 
Ian. 23. S. 274. — Geiſt des Volles. Die Berliner Zeitungen über Yorde 
Abfegung. Yerds Ertlarung Ian. 27. S. 275. — Aufhebung des Gontinentale 
foflems, Gröffnung ver Häfen ©. 276. — Verownung vom 26ften Jaunar 
S. 277. -— Gröffnung von Geldquellen für das RYorckſche Corps. Alexander 
verwiuigt 500,000 Thfr., Vorſchuß der Kaufmannſchaften auf die Sergöfe 
6.218. — Hotpitaltofen. Rieferungen. Kntuſow an Stein. Steins Antwort 
6.279. — Gntfcheitung des Kalſers. Handwerker S. 281. — Einführung 
des Auſſiſchen Papiergeldes. Widerſtand der Regierung S. 282. — Steine 
Grwieverung S. 283. — Bekanntmachung Febr. 2. Die Regierung zu Marien 
werder S. 234. — Steins Verwertung beim Kaijer für Zufaffung der Ban: 
obligattonen in Rußland. Bundespapier. Mißhelligkeiten mit Auerswald und 
Dork. Berfhierene Stantpunfte 3. 295. — Stein beruft Schön nach Königs⸗ 
berg, Herftellung der Eintracht. Stein an York Febr. 4. ©. 286. — Verde 
Ablehnung. Stein an v. Brandt S. 287. — Die Staͤndeverſammlung Febr. 5. 
©.288. — York Vorſchläͤge. Ausihuß. Stein an Alexander. Gntonrf ber 
Landfturm: und Landwehrordnung S. 269. — General: Commiffion. Graf 
Louis Dohna nach Breslau. Yord an den König S. 290. — Widerſprechende 
Angaben Dords und Schöne. York an v. Thile S. 291. — Steins Stand 
punkt; Abreife am Tten Febtuar. Arndts Bud; über Landwehr und Landſturm 
S. 294. — Tettenborn. Stein an Autufow vorzurücken ©. 295. — Stein in 
Bed. Aezınders Wunſch. Steins Abſichten. Reife durch Polen. Graf Reffel: 
rode. Stein an jeine Frau ©. 297. — An der Schlefifchen Gränge ©. 297. 


Zweiter Abſchnitt. ragen? Beitritt. Der Verwaltungsrat. 
Gebruar bie Mai. . . . 2... 6.298 —344 


Der König verfißt Potsdanı Ian. 22. In Breslau Jan. 25. Wieders 
erlangte Freihelt. Scharnhorſt, Blücher, Merkel. Bewaffnung tes Landes. Auf- 


xu 


nf der Freiwilligen Febr. 3. S. 298. — Der König im Breslauer Schloß. 
Erhebung Berlins. Verordnung vom ten Februar. Ginprud. Bereitwiligfeit 
zur Aufopferung. Stimmung .gegen die Franzofen S. 299. Gedanken einer 
bewaffneten Reutralität mit Defterreich. Entſchluß das Verhättniß zu Napoleon 
durch diefen ſelbſt Löfen zu laſſen. Kneſebecks Sendung zum Kaifer Alegander 
Febr. 9. Verdacht der Umgebungen des Königs gegen Stein. Maßregeln zum _ 
Biverftande. Untergandlungen in Paris S. 300. — Regnierd Niederlage bei 
Katifh. Kneſebeck in Chlodava Febr. 15. Alexanders Erklärung. Kneſebecks 
Unklarpeit, Verwidlung der Verhandlungen über Warſchau. Alexander bietet 
Sagen an S. 301. — Churheſſiſcher Gefandte an Alegander; Steins Rath. 
Dänifcher Gefandte. Steine Urtheil über Kneſebeck und dic Aufgabe des Augens 
blids. Alegander jendet Stein und Anftett nach Breslau. Stein in Breslau 
Febr. 25. Unterredung mit dem König ©. 302. — Entſchluß. Stein im 
Dachſtũbchen zum Zepter. Lügom. St. Marſan. Scharnhorft. Boyen. Ver⸗ 
trag vom 2iften und 28ſten Februar. Anftetts Aukunft in Kalifh. Alexander 
und Kneſebeck S. 303. — Scharnhorfts Uebereinftimmung mit dem Ruſſi ſchen 
Generalftabe. Zweck und Inhalt des Buͤndniſſes S. 304. — Beurteilung 
&.305. — Genehmigung der Landwehr. Graf Dohna S.306. — Mißtrauen 
der Behörden. Furcht vor dem Tugendbunde und einer Vollöregierung. Schwanz 
ten in Breölau. Geſetz März 17. Yorck an Stein Febr. 23. S.307. — Commifflon. 
Yords Freiſprechung und Belohnung März 17. Des Königs Urtheil S. 308. — 
Steine Urteil über des Königs Entſchluß. Steins gefährliche Erkrankung S. 309. 
— Die Freunte. Prinz und Pringefiin Wilhelm, Prinz Auguſt, Bücher, Scharn⸗ 
horſt, Merdel, Rehdiger. Der Hof. Hardenbergs Beſorgniß. Frau v. Stein reift 
nad Breölau S. 310. — Alexanders Ankunft März 1. Beſuch bei Stein, der 
veränderte Hof. Birnbaum. Berlin befreit März 4. S. 311. — Gährung bis zum 
Rhein und in Brabant. Gneiſenau's Ankunft. Kriegserklärung. Aufruf: an mein 
Bolt März 17. Errichtung der andwehr. Wahlſpruch S. 312 — vier General: 
eommiffionen. Hamburg, Kübel, Dresten befreit. Wittgenfteins Aufruf an die 
Sachfen. Ruſſiſch-Preußiſcher Vertrag über die Verwaltung der zu erobernden 
Känder März 19. S. 313. — Stein reift mit Wallmoden nad Kaliſch. Wieder⸗ 
anknüpfung der Verbindung mit Graf Münfter. Laugſamkeit der Verbindungen 
S. 316. — Stein Erklärung gegen Münfter. Prinzejjin Louiſe an Stein S.317. 
— Steins Antwort. Fürft Radziwills Unterhandlungen mit Boniatowsty. Pozzo's 
Ankunft in Kaliſch. Aufruf von Kaliſch März 25. S. 319 — Text nad) dem von 
Kutufoff eigenhaͤndig unterzeichneten Original S. 320. — Stein dringt bei dem 
Stantöcanzler auf Entfernung gefährlicher Menfchen S. 322. — Herr v. Pleſſen 
in Kalifh. Der König in Kaliſch. Einſetzung des Verwaltungsrates April 4. 
S. 323. — Geſchaͤftstreis. Neſſelrode an Wallmoden April 6. Sachſen. Falſche 
Politik des Königs und des Miniſters Senfft S. 324. — Sendung des General 
v. Heifter. Friedtich Auguſt geht nach Prag. Deutſche Region. Catheatts Unfähige 
feit S. 325. — Stein in Breslau. Seine Gegner. Stein an die Pringeffin Louiſe. 
Amalia von Baden an Stein, über Deutſchland, Defterreih, April 14. S. 326.— 
Stein in Dreöven. Errichtung des Verwaltungsraths. Unterhandlung mit General 


Thielemann durch Stein und Boyen S. 327. — Anerbietungen der Berbündeten. 
Stein an Reſſelrode April 11.; Darftellung der Säͤchſiſchen Zuflände S. 328.— 
Stein an Hardenberg April 13. ©. 332. — Schön und Rehdiger. Grundfäße des 
Berwaltungsraths. Geſchäftokreis S. 334. — Erfolge. Stein gegen Arndt und 
Steffens S. 335. — Eteffens über Stein S. 336. — Prof. Hauffs magnetifhe 
Batterie. Stein fol auf die diplomatiſche Laufbahn vorbereiten S. 338. — Er⸗ 
ſcheinung Reiſachs und Gagerns. Geheime Verbindungen in Bien feit dem Nor 
vember durch Erzherzog Johann und Hormayr. Ballmoren. Nugent. Roſchmaun. 
Kormayr verhaftet März 7. Gagern nad) Bredlan S. 339 — will die Reichever⸗ 
faſſung herftellen. Stein an Gagern. Gagern an Etein ©. 340. — Graf Reiſach, 
Bevollmaͤchtigter in Altenburg und der Riederlaufig S. 341. — Stein an feine 
Fran April 22, April30, Mai 2. S. 342 — Mai 3. Gneifenau an die Prins 
zeffin Louiſe April 23. S. 343. 


Dritter Abſchnitt. Der u des Krieges. Mai bie 
Junius. ... . .. S. 345 -367 


Langſamer Fortſchritt des vehrinngettiche von Modtau bis an die Saale. 
Urfahen S. 345. — Unentſchiedenheit Defterreiche. Bewaffnete Reutrafität. Bers 
derbliche Bermittlungsvorfefäge. Folgen für den Krieg &. 346. — Rheinbunds 
fürften. Göthe und Stein. Napoleons. neues Heer. Eugen weicht gegen die Saale 
während Ney am untern Main Truppen fammelt S. 347. — Mißtrauen gegen 
die Rheinbundfürften. Stellung der Franzoſen gegen die Rheinbundstruppen. 
Bordringen über den Thüringerwald, Bildung des Heeres Hinter der Saale. Bers 
einigung mit dem Vicefönig bei Weißenfels. Schlacht bei Großgörfhen Mai 2. 
©. 348. — Rüczug nady Dresden. Der König von Sachſen verbindet fich mit 
Rapoleon. Torgau übergeben. Thieleman, Earlowig, After vereinigen ſich mit den 
Berbündeten S. 349. — Schlacht bei Baupen Mai 20.21. Character des Königs. 
Merdel. Defterreich erflärt ſich durd Stadion in Görfig. Baffenflllftand zu 
Pleißnitz Juntus 4. S.350. — Steins Einpfindungen. Stein an die Prinzeffiu 
Wilhelm S.351. — Eteins ſchonendes Benehmen in Dredven. Beſchlagnahme 
der Caſſen in Bauhen. Politiſche Flugſchrift über das Benehmen des Königs von 
Sachſen S. 353. — Deſterreichiſche Verhandlungen durch Lebzeltern. Defien Eins 
Muß auf Neſſelrode. Die Partei Gourieff. Der Obermarſchall Tolftoy. Stadion 
begleitet das Hauptquartier nad) Reichenbach. Unterhandlungen über Preußens 
und Rußlands Bündniß mit England. Stuart fordert eine Vergrößerung Hans 
noverd S. 354. — Gereizte Stimmung. Münfter an Stein April 6. S. 355. — 
Stein an Münfter Mai 19. ©. 356. — Münfter an Stein Iun. 6. S. 358. — 
Stein in Görlig und Lauban. Napoleons Ausfälle gegen Stein im Moniteur; alle 
RHeinbundfürften laſſen Te Deum für Napoleons Siege fingen S. 363. — Grfeh 
des Königs von Wirtenmberg am 2ten Mat. Stein reift nad Prag; ladet Graf 
Kotſchubey in den Verwaltungsrath ein S. 364 — Gründe. Mifverhäftniffe zu 
Schön und Riebuhr. Steins Anficht über die Führung des Krieges, über die Roth⸗ 

* wenbigfeit dem Kaijer nahe zu bleiben S. 365. — Schoͤu zieht ſich zurüd. Er⸗ 


xıv 


weiterte Wichtigkeit der diplomatiſchen Verhandlungen; daher wünfht Stein Kot⸗ 
ſchubey zurüd um den Kaiſer mit fräftigen Menfhen zu umgeben. Reden in Prag 
©. 366. — Scharnhorfts Reije nach Wien. Kranfenlager in Prag. Letztes Wieder⸗ 
ſehen mit Stein ©. 367. 


Bierter Abſchnitt. Waffenſtillſtand. Deſterreichs Beitritt. 
5ten Junius bis 12ten Auguſt. .. S. 368 —-402 


Stein kehrt ind große Hauptauartier zurück. Aufenthalt in Reichenbach 
©. 368. — Geſellſchaft. Abſchluß der Unterhandlungen Preußens Rußlands und 
Englands unter Steins Mitwirkung Jun. 14.15. Verträge 5.369. — Napoleons 
Brandſchahung Hamburgs. Die Ruſiſch-DDeutſche Legion in Engliſchen Sold ger 
nommen. Deiterreih® unentſchiedene Stellung S. 370. — Die Defterreidjifche 
Pofitit feit dem Jahre 1812 bis zum Waffenftillitande S. 371 —374. — Zur 
ſammenkunft in Ratiborgig, Verlängerung des Waffenſtillſtandes bis zum 10ten 
Auguf. Stimmung des Preufticen Herred. Mißtrauen gegen vie Diplomaten. 
Ein einigermaßen ehrlofer Friede S. 374. — Bedenken gegen den Deſterreichiſchen 
Standpunkt S. 375. — Heftiger Unwillen über die Nachgiebigkeit dagegen. 
Metternid; in Dreöden. Zeldzugeplan in Trachenberg. Prager Gongreß &.376.— 
Leere Verhandlungen. Oeſterreichs Kriegserklärung Aug. 12. S. 377. — Stein 
an feine Frau Jun. 11. 18. 22. 28. ©. 378. 379. — Graf Gesler. Arndt. Der 
Zitan Prometheus. Stein an Müniter Jun. 29. S. 380. — Etein an feine Frau 
Jun. 30. 8.382 — Jul. 5. S. 383. — Niebuhrs Verhaͤltniß zu Stein. Niebuhr 
an die Pringejfin Louiſe Jul. 12. S. 384. — Spätere Entwirrung. Stein an 
feine Fran Jul. 16. S. 387. — Stein an Münfter Jul. 17. S. 389. — Stein 
an Gneifenau Jul. 19. 3.393 — an feine Frau Jul. 19.30. Aug.3. &.394.— 
Stein an Gneifenau Aug. 3. S.395. — Stein an feine Zrau Aug. 6. an Münter 
Aug. 7. S. 396. — Münfter an Stein Sept. 1. 6.399. — Etein an die Prin- 
gefin Louiſe Aug. 12. S.400. — Graf Reiſach. Baiern unter der Regierung des 
Minifiers Montgelas S. 401. 


Bünfter Abſchnitt. Wiederausbruh des Krieges. Mitte 
Auguſts bis Mitte Octobers. .. E.403—431 


Die Feuerzeichen, Uebergang der Preußen und Rufien nach Böhmen. Stein 
in Brag. Kriegeplan ©. 403. Die verbündeten Heere. Napoleons Stellung 
©. 404. — Geilt des Deſterreichiſchen Heeres. Aleranders Einfluß ©. 405. — 
Englifhe Geldhuͤlfe. Stein an Münfter Aug. 23. S. 406. — Hardenberg an 
Münfter Aug. 24. Münfter an Stein Sept. 28. S.409. — Großbeeren. Kahbach. 
Dresden S.411. — Culm. Der König. Dennewig. Stein an Gueiſenau Sept. 5. 
€. 412. — Fortfegung des Zeldzugs; Hauptquartier in Töplig. Die Verträge, 
Deſterreichs Eintritt in den Bund. Stein erhält den Andrensorden. Inhalt der 
Verträge S. 413. — Abweihung von den Kaliſcher und Reichenbacher Verträgen. 
Die Deutſchen Angelegenheiten &.415. — Steins Anfiht; Hardenberg, Hums 





xv 


boldt. Defterreichs Abſichten. Entwürfe. Gumboldt am Me Pringefin Loriſe 
©. 416. — Stein an Muͤnſter Sept. 16. S. 417. — Rünſter an Stein Det. 8. 
€. 418. — Humboldt und Riebubr an die Prinzeſſin Louiſe über den König, den 
"Ksonprinzen ©. 422. — Stein an jeine Zran Sept. 18. ©. 423. — Erin an 
Gneijenau Sept. 20. &. 424. — Stein an feine Frau Et. 21. S. 428. — 
Eintreffen des Benningfenfchen.Geereb, das große Heer geht auf Shemmip, Blücher 
fiegt bei Bartenburg Oct. 3. ©. 426. — Czewiitſcheff in Gafiel, Bayerns Ans 
ſchiuß, Rieder Bertrag S. 427. — Beurtheilung deſſelben S. 428. — Eteins 
Unwille. Herzog von Cumberland. Aberdeen. Stein an feine Zrau Det. 12. 
©.19— 431. " 


Sechster Abſchnitt. Leipzig. 16ten bis 19ten Detober. 
S. 432 - 443 


Die Leipziger Schlacht S.432. — Erfolge. Alexander und Stein; Stein 
und Gneifenan beſchließen Rapolcons Gntfernung. Stein an feine Frau Oct. 21. 
€. 433. — Gneifenau an die Prinzeffin Louiſe Oct. 22. &. 435. — Das 
Schlachtfeld S. 436. — Reil an Stein Det. 26. S. 437 — 442. — Maßregeln. 
Reils Tod. Arndt. Der Rhein Deutfhlands Strom, nicht Deutſchlands Gränze 
©. 433. 


Siebenter Abſchnitt. Die Central-Berwaltung in Leipzig. 
Ende Detobers, Anfang Novembers. ©. 444 — 461 


Der König von Sachſen gefangen abgeführt. Errichtung der Gentral: Ber: 
waltung der eroberten und zu erobernten Ränder Dct. 21. &.444. — Bertrag 
©. 145 — 447. — Ständifhe Einrichtungen nicht genehmigt. Steine Gefchäfts- 
freis. Einrichtung des Generalgouvernements Sachſen. Fürft Repnin, v. Merian, 
v. Niltig, v. Garlowig, v. Oppeln, Kömer, Krüger S. 448. — Anordnungen 
Dt. 22. ©. 449. — Stein an Hardenberg Det. 25. ©. 450. — Weitere An⸗ 
ordnungen S. 451— 456. — Steins Anſichten über Deutſchlands Berfaflung. 
Franz. Metternich. Jahn S. 456. — Folgen der Reipziger Schlacht. Hanan. 
Stein an Hardenberg über die Benupung des Sieges Dit. 30. &.457. — 
Refielrode an Stein Det. 30. S. 458. — Stein gegen Bildung Meiner Gouver⸗ 
nements. Rachtrüdliche Rüftungen S. 460. — Stein verläßt Leipzig Rov. 9. — 
Beimar. Frankfurt Nov. 13. S. 461. 


Achter Abſchnitt. Frankfurt am Main. 13ten November bis 
18ten December... . . 2.1 8.462 —486 


Wirkungen von Steins abreſeihen im im großen Hauptquartier. Metternich. 
Abweichende Anfichten über den Zweck des Krieges ©. 462. — Eröffnungen an 
Et. Aignan Det. 26, Nov. 8, 9. S. 463. — Priedensvorfgläge. Gt. Aignan 
reift ab Rov. 11. ©. 464. — Rapoleon zögert. Das große Hauptquartier. Die 


xvi 


Beſchlagnahme von Naſſau aufgehoben S. 465. — Deſterreichs Vertrag mit 
Birtemberg zu Fulda ©. 466. — Gemeinſame Form für die Zutrittsvertraͤge der 
Apeinbundfürften Rov. 15. ©. 467. — Ausihluß Daldergs, Iienburgs, Leyens. 
Serſtellung Hannovers, Braunſchweigs, Oldenburgs, Bremens, Heſſens. Draniſche 
Rande ©. 468. — Generalgouvernements Frankfurt und Berg. Grundſätze ver 
Verwaltung. Benzel: Sternau. Frankfurt frei S. 469. — Bayerſche Schaͤtzung 
der Frankfurter Seelen. Stein in ten Gommijjionen für Lieferungen und Geld⸗ 
beiträge. Anordnung des Verpflegungsweſens S. 470. — Deutſchlauds Bewaff- 
nung 8.471. — Gommifflen für Deutſchlands Bertpeidigung S. 472. — Aus 
führung diefer Bejchfüfje Stein übertragen. Gehülfen dakti S. 473. — Rühfe 
v. Lifienftern. Hinderniſſe S.474. — Betragen der RHeinbundfürften S. 475. — 
Die Hannoverfhe Regierung ſchout ihr Land. Kaftengeift S. 476. — Erfolge 
©. 477. — Landſturm. Raturaflieferungen S.478. — Das Bruttoeintommen. 
Stein vermittelt in Waldeck. Sein Anfehen in Deutſchland; was Nikolaus Bogt 
dem Berfafier erzählt Hat S. 479. — Fortgang des Krieges im November, Rage 
{m December. Defterreich zum Brieden geneigt S.480. — Etein beftimmt den 
Katfer zur Fortfegung des Krieges. Kriegsplan, ver Preußiſchen Feldherrn, der 
Defterreiher S. 481. — Annahme des Lepteren, Folgen. Rapoleon bildet neue 
Streitkräfte. Erklärung der Verbündeten Dee. 1. S.482. — Gefandte der Hanfes 
ſtaͤdte bei Stein Dec. 9. S. 483. — Erfolg ihrer Sendung. Alexander an Phull 
©. 484. — Stein an feine Frau Rov. 27. bi Der. 12. S. 485. 


Neunter Abſchnitt. Zrererdtuung des Feldzuges. Frei⸗ 
burg. Ende Decembers. .. . . &.487—500 


Stein in Karlsruhe. Alexanders Glüd. Aönig Friedrich Wilhelm. Humboldt 
an die Pringeffin Louiſe. Franz in Freiburg S. 487. — Stein in Freiburg 
Dee. 20. Ginrichtung des Lazarethweſens S. 488. — Graf Solms-Laubach 
©.489. — Stein an Gnelfenau Der. 29. S. 490. — Stein an Münfter 
Der. 26. S.491.— Graf Reiſach penfionirt S. 494. — Uneinigfeit über Sachſen 
und tie Schweiz. Aleganderd Erklärung an Metternih S.495. — Die Schweizer 
Reutralitit S. 496. — Abfichten der Verbündeten. Sentung des Grafen Senft 
©. 497. — Nuflöfung der Mediationdacte. Vorgänge in Bern. Eenft durch 
Metternich) verleugnet ©. 498. — Fellenberg in Freiburg. Das Schwarzenbergifche 
‚Heer in der Schweiz. Aleganders Erklärung dem Ariege beizuwohnen. Stein an 
feine rau Dec. 31. ©. 499. 


1814. 
Zehnter Abſchnitt. Baſel. Langres. Januar, 
&.503 —528 


Bücher geht über den Rhein, dringt His Brienne. Bülow. Winzingerode. 
Kieler Frieden Ian. 14. S. 803. — Deſterrelcher in Itafien, Engländer in Süds 


xvn 


frantreih. Stein in Bafel Jan. 9. Unterhandlung mit den Schweizern. Genfer 
Sejandtfaft. Pictet 5.504. — Steins Urteil über die Genfer. Stein an feine 
Frau S. 505. — Alegander führt feine Garden über ven Rhein Jan. 13. Steins 
Berwaltungsplan der Zrangöfiichen Landſchaften S. 506. — Ausführung, und 
Widerſetzlichteit der Franzoſen S.509. — Gegenmittel S.510. — Langres 
Ian.22—29. Steins Reije nah Laugres S.511. — Alegander läßt die Krlegds 
unternepmungen wierer aufnehmen. Berathungen über Die Fortſehung des Krieges 
©. 512. — Die Frievenspartei im großen Hauptquartier S. 513. — Aberdeen. 
Caſtlereagh. Münfter S. 512. — Die Kriegspartei. Alegander und Friedrich 
Wilhelm. Berftändnip. Friedensverhandlungen zu Chatillon S. 515. — Forde⸗ 
rungen. Caulaincourt ©. 516. -— Steine verttauliche Eroͤffnung an Stuart, ven 
dieſem Metternich verrathen. Wirkung auf den Kaifer. Pozzo an Stein Jan. 24. 
©. 517. — Stein an Gnelfenau Jan. 24. Stein an feine Frau Jan. 27. S.518. 
— Stein an Rüpfe Jan. 28. S. 519. — Hauptmann Meyer an Radepy über 
ven Zuftand der Deutſchen Bewaffnungen Febr. 8. S. 820 — 528. 


Elfter Abſchnitt. Der Ba an ber Seine und Marne, 
Sebrmar. . . . 2... 6529 —547 


Chaumont. Saleo von Brienne und La Rothiere. Alexander 
und Friedrich Wilhelm zum Blücherfchen Heere Jan. 29. Stein an feine Frau 
Ian. 30. ©. 529. — Napoleons Kriegerüftungen feit Rovember 1813. ©. 530. 
— Laine an Rapoleon. Entlaſſung des gefeßgebenden Körpers. Unterhandlungen 
mit Ferdinand VII und dem Papfte. Napoleons Aufbruch zum Heere Jan. 25. 
©. 531. — Schlacht bei Brienne Jan. 29, bei La Rothlere Febr. 1. Napoleons 
Befehl an Labesnardiere. Gneifenau an Stein Febr. 2. S. 532. — Münfter an 
Stein Febr. 3. S.533. — Beldzeichen. Blücers Benehmen S.534. — Troyes. 
Theilung der Heere. Schwarzenberg in Trohes. Die Defterreicher gegen den Krieg. 
Baldacci gegen Stein S. 535. — Kaiſer Franz geheimer Befehl an Schwarzen 
berg. Antringen der Ariedenspartei. Steins Plan für die Verwaltung von Paris. 
Aleganders Benehmen. Der Prinz Regent von England durch Lieven an Stein 
©. 536. — Die Bourbons. Alexander in der Ausdauer beftärkt. Andringen der 
Friebenspartei. Heftiger Auftritt Alexanders mit Caſtlereagh Febr. 11. S. 637. — 
Metternichs, Caſtlereaghs, Hardenbergs fchriftliche Erklärung. Aleganders Antwort 
zu Bontfur Seine Febr. 15. S. 538. — Zugeftänbniffe an England S. 579.— 
Blücerd Unfälle Febr. 10-14. Metternichs, Caſtiereaghs, Hardenbergs perſoͤnliches 
Andringen: Alegander weicht S. 540. — Stein an feine Frau Febr. 16. S.541. 
— Erfaß an einen Deutfejen Fürften” ©. 542. — Betvegungen der Here. 
Schwarjenbergs Rüdzug. Bereinigung mit Blücher bei Mery. Neue Trennung 
und Rüdzug Febr. 23. Caſtlereagh gegen Alexander in Troyes S. 543. — 
Aleganderd Antwort. Allgemeine Muthfofigeit, nur Stein und Pozzo für Fort⸗ 
fegung des Krieges. Alexander willigt in den Vorſchlag eines Waffenſtillſtandes. 
Unterhandfungen zu Zuflgny. Rapoleons Uebermutb, Defterreich verläßtign. Buͤnd⸗ 
miß der vier Mächte zu Chaumont März 1. S.544. — Aufpebung des Chatil⸗ 

Stein’s Reben. II. 21 Aufl. 


xviu 


Toner Congreſſes Raͤrz 19. — Blüchers Entſchluß in Mery 2iften Februar 
©.545. — Beldzugsplan. Schlacht bei Bar Febr. 27. Der König von 
Preußen, der Kronpring und Prinz von Preußen S. 546. — Reues Ber: 
dringen gegen Paris ©. 547. 


Zwölfter Abſchnitt. Anfengali in era, erſte Hälfte 
des Maͤrz. 2. &,548—565 


Stein bei dem Kaiſer. Pen an Pe v. Stein März 3. an bie Prin- 
zeſſin Wilhelm März 9. S. 548. — Angelegenheiten Sachſens; Friedrich 
Auguft an den Kaifer Alexander; Raͤnkeſucht und Mangel an Gemeingeift in 
Sachſen; die Königliche und die Weimarſche Partei S. 549. — Steins Be: 
richt an Alegander März 6. ©. 550. — Alexanders Entſcheidung März 8. 
S.551. — Zürft Repnin. General v. Garlowig an Stein Febr. 20. ©. 552. 
— Der Kronprinz von Schweden am Rhein S. 554. — Sad an Stein 
März 10. ©. 555. — Deutfhe Angelegenheiten. Steins Denkſchrift über 
Deutſche Berfaffung März 10. ©. 558 — ihre Grundzüge S. 559 — 
Beurtheilung S. 561. — Stein an Lieven S. 563. — Alexanders Anfihten 
über die Franzoͤfiſchen Angelegenpeiten. Die Bourbons S. 564. — Steine 
Uebergeugung ©. 565. 


Dreizehnter Abſchnitt. Der Se * Paris. Ausgang 
März. April. S. 566—578 


Das Bluͤcherſche Heer. PAR von Laon - 9. 10. S. 566. — 
Bücher Kranfgeit, Yords BWiverfeplihkeit. Schlacht bel Arcis März 20. 21. 
Lyon, Bordeaug genommen. Napoleons Entſchluß vorzugehen. Die Berbünz 
deten beſchließen auf Paris zu ziehen ©. 567. — Das diplomatifche Haupt: 
quartier nad Dijon. Steind Freude. Turgenieff. Stein über Ehatillon nad 
Dijon. Zuftand des Landes ©. 568. — Alopäus Beriht an Stein März23. 
©. 569. — Stein ermädtigt ihn fih für die Bourbons zu erklären März29. 
Ankunft Montmorench's und Montagnacd in Dijon S. 570. — Montagnac 
an Stein. Unterpandfungen S. 571. — Montagnac an Stein April 2. Der 
Kronprinz von Schweren in Ranzig S. 572. — Alexander gegen Paris. 
Blũcher und Schwarzenberg reiben Pacthod auf; fiegen bei La Fere Champe⸗ 
noiſe S.573. — Schlacht vor Paris März 30. Einzug in die eroberte Stadt 
März 31. Erklaͤrung der Verbündeten gegen Napoleon. Proviforifhe Regierung. 
Talleyrand. Pasquier für die Bourbons. Gneiſenau an Gruner Aprif 1. 
©. 574. — Napoleons Abfegung April 3. Napoleons Abdankung und Vers 
bannung. Stein eilt zum Kalſer Alexander. Stein an feine Frau April 2. 
S. 575. — Steins Ginzug in Paris April 9. Brief an feine Frau April 10. 
©. 576. 577. 





xıx 


Anmerkungen zum fünften und fehsten Bude 


©. 581 —59%, 
Beilagen... ... nn. 8.588 — 726 
Wiäler ın cinen Ungenannten im Sommer 1808 . . . ©.59 
Zum fünften Bude, 
1. Bilgelm v. Humboldt an Stein . 222 8.594596 
MI. Hauptmann v. Pfuel in Bien an Stein . . . ©. 596599 
IH. KRaifer Megander an Stein: . € sn —en0 


Iv. Stein an den Oberburggrafen Grafen Kollowra 

V. Steine erfter Entwurf gm Aufruf an die Deutfchen, mi Megane 
Beränderungen «©. 601— 604 
VI. Stein an fer un und an den Keiſer Aincuidei «©. 604 — 606 
VI. Kaifer Aiganer an Stein ©. 60 
VII. Rünſter an ©: J 
eo v. — an Stein . . 
Georg von Oldenburg an Erin 

XL ra Aotfänbey an Stein . . 
XI. Prinz Auguſt von Oldenburg an Str 


XI. Döraberge Antwort auf den Ruf mac Yublam &. 617 













XIV. Vono Di Borgo an Stein . ©. 617620 
XV. Instruction pour le Comite charge des afiren d’Allemagne, 
nebft Steine Bemertungen re S. 620—621 
XVI. Graf Roftopfhin an Stein . . 2. 2... 6.625 
XVV. Stein an den Kaifer Aegaındr . . . . . . 8.625 
XVID. Stein an den Katfer Megandr . . . . . . ©. 626—830 
XIX. Mémoire sur la guerre actuelle.. . . . . 8: 631 — 633 
XX. Stein an den Kaijer Alegander . . 8.634 
XXI. Romwoffilgoff an Stein über Bundesfinangen . . &. 631—640 
Zum festen Bude, 
XXI. Der General v. Bülow . . . 2. 8.630643 


XXIN. Kaifer Aleganders Driginal:Bellmadht für Stein  &. 044-645 
XXIV. Aus einem Berichte des Präfbenten v ein in m Gunbianın an den 
645 


Stantöcanzler 

XxV. Feldmarſchall auiuſoff an tin. 22.2.2. 8645-646 
XXVI. Steins Bericht an den Kaiſer Aerandr . > > ©.646—649 
XXVU. Grinnerungen des Herrn Minifters v. Ehön . . & 649 — 656 
XAXVIN. Tettenborns Berichte an Stein S. 656— 660 

XXIX. Steffens über fein erſtes Bufammentreffen mit Stein in Brctlan 

XXX. Münfter an Stein über Dinemart . . . . . S. sa 

XXXI Stein an Oneifenu . . . ©. 661 — 662 


XXXII. Inftruction für den Ruffid, Kaiferlichen Geheimrath Freiherrn 
v. Alopaus zum Generalbevolimächtigten in den Herzogl. Veclen⸗ 
burgiſchen Landen und den Hanfeflädten Hamburg und —** 

XXXII. Steins Fragen an Gagern über Deutſche Verfaſſung 8: 664— 665 


x 
XXXW. Fiugſchrift über das Benehmen des Königs von Sräfe Pan, 
XXXV. Frau v. Stael in Stocholm an die Pringefiin Louiſe von Preußen 
XXXVL ®. v. Humboldt an die Prinzeffin Louiſe von Preußen 


©. 613—678 

XXXVII. Gneifenau über die Schlacht an der Kaßbach an Graf Fünf 619 

XXXVIN. ®. v. Humboldt an Die Pringeffin Louiſe . . . S. 680—682 

XXXIX. Der Herzog von Braunſchweig an Stein . ©. 682—683 
Alopäus Bericht an Stein . ©. 684 

®. v. Humboldt an die enge fün Loulſe ©. 684 — 687 





ALL e \ 6.687891 
XLAI. Bublicandum, die Anordnung des oberſten Verwaltungs + Departer 
ments und des General:@ouverneurs Betseffend » 6. 91 —692 


XLIV. Ouwaroff an Stein . . o. S. 692— 694 
XLY. Stein an die Prinzeffin Rouife” nn. 6.694 —695 
XLVI. @raf Kotfguben an Stein 2 2 2 2.22. &.695—896 
XLVII. Duwaroff an Stein. . 20. 8. 697—699 
XLVIII. Graf Refielrote an Rübfe von "Silienftern 20. 6.699— 700 
XLIX. ®. v. Humboldt an die ringefün Loulfe . . . ©. 700-702 
L. Sneiſenau an die Prinzefiin Louife . - . ©. 10 

LI. Siücher an Rühle in Frankfurt a.M. . © 
LII. Xettenborns Bericht an Stein über feinen Feldzug araen Ne Dänen 
S. 7M— 710 
LIT. General v. Phull an Stein . & 10 


LIV. 1. König Priedrich Augu an den Kate A ander & Eau 
2. Er arir wur . f er 


3. Stein an den Kaiſer Aegander — € u 
LV. Stein über die Verwaltung von Barid . . . . ©. 114— 1715 
LVI Blücher an den Kaifer Alegander . . . 6. 15— 716 
LVN. Kurheffifher Minifter v. Schmerfeld an Stein und ‘E Antwort 
H TI6— FIT 


LVIII. Stein an den Großberiog von Baten . 718 
LIX. Steine Denfhrift über Deutfchlands künftige — 
©. 718- 721 
LX. Depeche & l’Ambassadeur de Runsie Comte Lieven 
le Ministre Baron de Stein .. ae 
LXI. Münfteran Stein . . 22220. € 136— 126 


Fünftes Bud. 


Stein’s Leben. 11. 2ie Aufl. 1 


voran, Google 


Erfter Abſchnitt. 


Die Vorbereitungen des Krieges bie zum 
Srübjahr 1812. 





Der gtüdtige Ausgang des Defterreichiſchen Krieges und bie 
enge Berbindung mit dem Kaifer Franz hatten Napoleon in 
den Stand gefegt, feine Entwürfe für die flete Ausdehnung 
feiner Macht ganz nah Willfür und ohne Beforgniß eines 
kräftigen Widerftandes der Unterbrüädten auszuführen. Schon 
der Wiener Frieden hatte durch Bergrößerung des Herzog · 
thums Warſchau, ale des Kerns eines befürchteten neuen Pol- 
niſchen Reiches, gerechte Eiferſucht erregt. Die Erweiterungen 
des Franzöftihen Gebiets die Napoleon im Jahre 1810 ver- 
fügte, gaben den Beweis, wenn es für fehende Augen deſſen 
noch beburft hätte, daß fein Gefeg für ihn befland als feine 
Laune, daß alles was er oder feine Anhänger über Freiheit 
und Beglüdung der Voͤller, Ehrgeiz und Ungerechtigkeit feiner 
Geguer, natürlihe Graͤnzen, zur Befchönigung feiner Kriege 
jemals gefagt hatte, alles Gehaltes haar und nur auf bie 
Rurzfihtigfeit der Maſſen berechnet gewefen war; daß er ſich 
iegt ſtark genug fühlte um alle Rüdfichten auf das Urtheil der 
Belt zu verachten. Am 17ten Februar 1810 hob Napoleon 
die weltliche Herrſchaft des Papſtes auf, erflärte den Kirchen- 
1 * 


4 


ſtaat für einen Theil des Franzöfifhen Reihe, deflen Kaifer 
in der Petersfirche gefrönt, deſſen Kronprinz König von Rom 
genannt werben, und verordnete, daß jeder Papft bei feiner 
Einweihung den Eid auf die vier Artifel der Gallikaniſchen 
Kirche Teiften folle: das Recht des Kaifers zu diefem Raube 
warb in öffentlichen Blättern laͤcherlicherweiſe mit der Befug- 
niß des angeblihen Nachfolger Karla des Großen, beffen 
Schenkung zurüdzunehmen, befhönigt. Am Aften März vers 
fügte Napoleon, daß das dem Fürften Primas gehörige Groß- 
herzogthum Frankfurt nach deſſen Tode feinem Stieffohn Eugen 
Beauharnois gehören folle, und verfündete diefes öffentlich, um 
über feine Abſicht feinen Zweifel übrig zu laffen, baß feine 
unmittelbaren Staaten nicht über den Rhein hinausgehen follten. 
Am I6ten März ließ Napoleon fih von feinem Bruder Louis, 
um dem Gonftitutionsgrundfag in Frankreich zu genügen, daß 
der Thalweg des Rheins die Gränze des Franzöfifchen Reiches 
ſey, Holändifh Brabant, Seeland und Geldern auf dem Tinten 
Ufer der Waal abtreten, und verfiherte dagegen bie Unverleß- 
licfeit des übrigen Hollande. Am 28ften Mai ward das füd- 
liche Tyrol von Bayern abgeriffen und mit dem Königreich 
Italien verbunden. Am 9ten Julius vereinigte Napoleon das 
feinem Bruder Louis vor vier Jahren gegebene Holland, ale 
angeblichen Ausflug des Franzoſiſchen Gebiets, mit dem Kaifer- 
reich; am 12ten November zog er das Land Wallis zum Reiche, 
weil die Straße über den Simplon für Frankreich und Stalien 
wichtig ſey; am 10ten December endlich erklärte er bie Noth⸗ 
wendigfeit das Franzoſiſche Reich bis an die Oſtſee auszudehnen 
und vereinigte damit die ganze Seefüfte noͤrdlich einer will- 
fürlihen Linie vom Einfluß der Lippe in den Rhein bis Traver 
münde, unter Verwaltung eines Generalgouverneurs des Mar- 
ſchalls Davouft, mit der auegefprocpenen Abficht den Engliſchen 
Handel zu befihränfen, welcher bereits durch den Tarif von 


5 


Trianon im Umfange des ganzen Franzöfiihen Reihe, der 
Schweiz, des Rheinbundes und Preußens mit ſchweren Eteuern 
belaftet aber fo wenig dadurch als durch das Decret von 
Sontainebleau und bie angeorbnete Verbrennung aller Engliſchen 
Baaren im Bereih der Franzöfifhen Zollbehörden zerflört 
werben fonnte. 

Indem fo das fogenannte „große Reich“ von den Pyrenäen 
bis zur Oſtſee, und vom Texel bis Terracina ausgedehnt 
warb, und Bafallen oder Verbündete beffelben im übrigen 
Italien, Spanien, der Schweiz, dem Rheinifhen Bunde, und 
Dänemark gehorchten, die Thronfolge in Schweden einem Frans 
zoͤſiſchen Marſchall übertragen ward, Preußen erfchöpft, Defter- 
reich durch Familienbande gefeſſelt ſchien, fanden nur zwei 
Europäifche Mächte unerſchüttert neben Sranfreih da, England 
und Rußland, England nährte den Krieg der Spanifhen und 
Portugiefiihen Völker gegen die Franzoͤſiſche Tyrannei, ver- 
tpeidigte Sicilien, Cadix und Portugal, und bildete unter Lord 
Wellington ein Landheer welches die Befreiung der Pyrenäiſchen 
Halbinfel vollbrachte, während feine Flotten ohne Widerſtand 
zu finden alle Meere beherrfchten und bie fämmtlichen Franzö- 
ſiſchen und Holländifhen Colonien eroberten. Die Unmöglichkeit 
eines Angriffs auf die Brittifchen Infeln ſelbſt und der ſchlechte 
Erfolg feiner Handelsmaßregeln führten Napoleon zu dem Wahn, 
dag die Englifhe Macht in Oftindien gebrochen werben könne, 
und er nahm feinen früheren Plan eines Landfeldzuges dahin 
wieber auf. Die nächſte Bedingung dazu war bie Unterwerfung 
der einzigen ganz felbftändigen Landmacht Europa’s: er mußte 
Rußland beflegen, wenn er ofne Beforgniß ein Franzoöͤſiſches 
Heer nad Hindien führen wollte; und bie Wegnahme bes 
Herzogthunf Oldenburg im December 1810 zeigte der Welt, 
daß der Gedanke eines Krieges mit Rußland bei ihm zur Reife 
gediehem war. 


6 


Diefe Wendung der Franzoͤſiſchen Politik, fo fehr fie die 
große Welt überraſchte, war doch ſchon feit einiger Zeit vor⸗ 
bereitet worden, und nur eine natürliche Entwidlung bes gegen- 
feitigen wirflichen Verhaͤltniſſes. Beide Kaifer Napoleon und 
Merander hatten ben engen Bund welchen fle zu Tilfit und 
Erfurt eingegangen waren, allein in der Abficht geſchloſſen, die 
Bortheile welde jedem von ihnen diefes neue Berhältnig dar⸗ 
bot zu benugen, ohne fich doch bei veränderten Umftänden da- 
durch gebunden zu erachten. 

Alexander, der dabei vor der Welt eine Zeit lang die Rolle 
des Schwächeren übernahm, hatte fi nie über bie großen 
Gefahren getäuſcht, womit ihn Napoleons ſtets fortſchreitende 
Macht und unerſättliche Herrſchſucht bedrohte; indem er fie fo 
lange als möglich durch den Schein völliger Hingebung abzu⸗ 
wenden ſuchte und den Franzoſiſchen Kaifer durch den Ausbrud 
warmer Berehrung und Bewunderung überliftete, benugte er 
deffen Zuftimmung, um die Sicherheit und Macht feines Reihe 
durch bie Eroberung von Finnland und der Donaufärftentpämer 
zu verſtaͤrken; bagegen empfand er lebhaft die Nachtheile der 
Hanbelsfperre gegen England, und die Anwefenheit Franzoͤſiſcher 
Befagungen in Danzig und ben Oderfeftungen nebft Bildung eines 
zahlreichen Heeres im Herzogthum Warfhau erhielt die Furcht 
vor Napoleons weiteren Planen. Während bes Deſterreichiſchen 
Krieges hatte Alexander feinem Bundesgenoffen die verheißene 
Hülfe zögernd geleiftet, und das zweideutige Benehmen einzelner 
Nuffifper Befehlshaber und andere Zeichen machten es glaub- 
lich, daß der Kaiſer bei einer entſchiedenen Niederlage ber 
Brangofen die Abfiht habe mit Preußen zugleich gegen Napoleon 
aufzutreten. Diefer faßte daher Miftrauen gegen den Kaiſer 
Alerander und dachte an bie Möglichkeit eines Ruſſiſchen Krieges. 

Die Vergrößerung des Herzogthums Warſchau dur ben 
Wiener Frieden ward von Feind und Freund als ein Schritt 


7 


sur Wiederherfiellung Polens aufgenommen, und Napoleons 
Berbindung mit Marie Louiſe beffimmte den Ruſſiſchen Kaiſer 
fih der Abfichten Napoleons in diefer Hinſicht näher zu ver- 
fihern. Die deshalb im Frühling 1810 gepflogenen Unter- 
handfungen beftätigten Aleranders Beforgnig, indem Napoleon 
einem über die Nichtwieberherfielung Polens abgeſchloſſenen 
Bertrage feine Genehmigung verfagte. Diefer Schritt bezeich- 
nete den Wechſel des politiihen Syſtems und war nicht ohne 
forgfältige Prüfung erfolgt. Denn nit lange nad feiner 
Bermählung mit der Erzherzogin Marie Louiſe legte Napoleon 
feinen Miniſtern die Frage vor, ob es rathfam ſey die bis— 
berige Berbindung mit Rußland beizubehalten, oder fie aufzu⸗ 
töfen und diefe Macht zu [hwächen? Cr blieb bei der Testen 
Meinung fiehen, und beſchloß Rußland allen Einfluß auf die 
Europäifchen Angelegenheiten zu entziehen und es in eine folhe 
Rage zu verfegen, daß es glei andern Verbündeten Frank- 
reihe zum Werkzeug feiner ungeheueren Plane diene. Er 
wollte nämlih Rußland zu einem gemeinfaftliden Kriege 
gegen bie Türfei zwingen, die Türken aus Europa verjagen, 
dann auf ein Jahr feinen Sig nad Conftantinopel verlegen, 
Kleinafien und Perfien erobern, in Jspahan Alles zum Zuge 
nach Dfindien vorbereiten, und hoffte durch bie Eroberung die⸗ 
ſes Landes England gänzlih zu ſchwächen“. Diefe Plane 
wurden fpäter dem Kaifer Alerander durch den Kronprinzen 
von Schweden eröffnet; nachdem fon der erfte Schritt auf 
der Bahn zum Verderben geführt hat, fo if es kaum nöthig 
zu bemerken, daß nur bie übertriebenfte Selbſtſchätzung, nebſt 
einer großen Verbindung über den Zuftand ber Europäiſchen 
Boͤller und über die Hindernifie welche die Beſchaffenheit des 
fübweRlihen Aſiens darbietet, den Gedanken an fo weit aus⸗ 
fehende Unternehmungen eingeben fonnte: eine Operationslinie 
von Paris bis Calcutta war ſelbſt wenn Napoleon in Aſien 


8 


Aleranders Gluͤck gehabt hätte, unmöglich, fo Tange England 
und Spanien fämpften und Defterreih und Preußen nit ganz 
aufgelöft waren. 


Dbgleih dem Ruſſiſchen Kaifer diefe Entwürfe für den 
Augenblid ein Geheimnig blieben, fo erkannte er doch fogleih 
feine Lage und begann ſich insgeheim für den bevorfiehenden 
Krieg zu rüften. Im Sommer 1810 wurben die Ruſſiſchen 
Truppen vermehrt und bedeutende Punkte im weltlichen Ruß- 
land befefligt, während Napoleon im Herzogthum Warſchau 
Befeftigungen anlegen ließ und Torgau verftärfte, und durch 
eine neue Erfindung zum Nachtheil der übrigen Staaten, näm- 
lich den Verkauf von Erlaubnißfheinen CRicenzen) zur Einfuhr 
Englifher Waaren, die Vortheile des Handels mit England 
für fih und feine Günftfinge auszubeuten begann. Auf bie 
Kunde der Ruffiihen Rüftungen ſchrieb Napoleon im Decem- 
ber 1810 cine Aushebung von 120,000 Mann aus, bemäd- 
tigte ſich Oldenburgs und fprach gegen feine Gefandten vom 
bevorftehenten Kriege; der Kaiſer Alerander aber geftattete 
zu gleiher Zeit die Einfuhr Englifcher Waaren, verbot mittelft 
eines neuen Zolltarifs die Einfuhr ber Franzoͤſiſchen Waaren 
und ftellte zu Aufrechthaltung diefes Verbots ein Heer von 
%0,000 Gränzwädtern auf, Als die Nachricht von der Weg- 
nahme Dfdenburgs einlief und feine genügende Entſchädigung 
geboten ward, legte Alerander gegen biefe Beraubung feines 
Schwagers und feines Haufes im Februar 1811 einen leb⸗ 
baften Widerfpruch ein welcher allen Höfen mitgetheift wurde, 
und ein Ruſſiſches Heer fammelte fi in Polen. Der Herzog 
von Oldenburg hatte an diefen Schritten feinen Theil. Diefer 
verfländige und rechtſchaffene Fürft erflärte vielmehr, die ge— 
waltthätige Wegnahme feines Landes fey ein zu unbedeutender 
Gegenftand um Rußland in Krieg mit Frankreich zu verwideln, 


9 


und lehnte jede Aeußerung über die Rathfamfeit eines Krieges 
ab, weil ihm ber Zufland der Kräfte Rußlands unbekannt fey. 
Napoleon ftellte fih verlegt durch bie Deffentlichkeit der Vers 
wahrung; feine Anträge, Rußland möge eine Entſchädigung 
vorfhlagen, wurden auf Romanzofs Rath abgelehnt, und da 
der unfähige kindiſch-eitle Gefandte in Paris Für Kuralin 
einer Unterhandlung nicht gewachſen war, fo zeigte Alerander 
durch Zurädrufung des wirklichen Unterhänblers bei der Ger 
ſandtſchaft, Grafen Neflelrode, daß er auf eine Verfländigung 
und aufrihtigen Frieden nicht rechne; und gewiß würde auch 
der gefchidtefte Unterhändler weder die Rüdgabe Oldenburgs 
noch die Räumung Preußens und Deffnung der Häfen bes 
Feſtlands von Napoleon erlangt haben. Um Furcht einzujagen 
hatte Napoleon in einer Anrede an ben Handelftand am 
2Aften März 1811 fih über feine Macht prahleriſch- unver- 
münftig und beleidigend gegen Rußland ausgefprochen; dieſe 
dreiflündigen Ergiegungen enthielten Aeußerungen wie: Ich habe 
200 Millionen eigen baar, hier unter Ihnen; ih bin ein 
Elephant; ich werde ſtets Krieg führen; ih werde England im 
nãchſten Feldzuge unterwerfen — welche dann im Moniteur 
ausgelaſſen oder weſentlich verändert abgebrudt wurden. Die 
Raſtungen wurden auf beiden Seiten mit Lebhaftigfeit fort- 
gefegt. Im April war das Ruſſiſche Weſtheer bereits fo wefent- 
lich verflärkt, daß Napoleon einen Angriff auf das Herzogthum 
Warſchau beforgte; Alerander erklärte Ende Mai's daß er feit 
zwei Monaten bereit ſey, aber nur im Fall des Angriffs los- 
ſchlagen werde. 

In der Ueberzeugung daß ein Fräftiges entſchiedenes Aufe 
treten den Kaiſer nicht nur in den Befig bes Herzogthums 
Warſchau fegen, fondern ihm in dem Preußifchen Heere eine 
kräftige Hülfe verfchaffen werde, Tegte der General Phull dem 
KRaifer Alerander damals, im Sommer 1811, einen Plan vor, 


10 


Polen freizugeben, mit vereinten Kräften vorzugehen, Preußen 
zum Beitritt zu zwingen und den Krieg an der Eibe zu ber 
ginnen. Als Alexander diefe raſchen Mafregeln ablehnte und 
die Unterhandlungen fih bis ang Ende des Jahres 1811 ver- 
zögerten, fo flug Phull vor mit einem Heere bis Ortelsburg 
vorzugehen, mit dem andern ind Großherzogtum Warſchau 
einzuräden, das Land zu unterwerfen und die Truppen zu zer⸗ 
freuen; aber der Kaifer verwarf beharrli alle Angriffsplane 
und beſtand darauf jede Veranlaffung zum Kriege zu vermei- 
den, und bie großen Mittel welche Preußen gegen den gemein- 
ſchaftlichen Feind darbot, gingen verloren. 

Napoleon benugte diefen Zeitgewinn, um feine Rüftungen 
zu vollenden. Er ſchob feine Heere von Weften gegen Dften, 
zog einen Theil feiner Truppen aus Spanien und fammelte 
fie mit allem was Franfreih, Italien, die Schweiz und ber 
Rheinbund zu liefern vermogte, zwifchen dem Nhein und der 
Weichſel. Seine Maßregeln von einem entſchloſſenen kräftigen 
Willen eingegeben und geleitet, durch geübte blindlings⸗ ge⸗ 
horchende Werkzeuge von dem Franzöfifhen Senat und ben 
Rheinbundsfürften bis zum letzten Trommelfcläger hinab aus« 
geführt, in bichtbevölferten gewerbihätigen durch Flüffe und 
Heerſtraßen wohlverbundenen Laͤndern von mäßigem Umfang, 
ergaben in verhältmigmäßig geringer Zeit das größte Heer 
welches die neuere Geſchichte fennt. Biel größere Schwierig« 
feiten fand die Bildung der Ruſſiſchen Streitkräfte. Die unge- 
heuere Ausdehnung des Reihe, die dünne Bevölferung, die 
frarfamen Berbindungsmittel, bie geringen Fortſchritte in ge⸗ 
werblicher Thätigfeit, die Mißbräuche ber Verwaltung durd 
alle Stufen bis zum Kaifer hinauf, deſſen weiches wohlwollen · 
des Herz ber eifernen Strenge unfähig war, welche das erſte 
Gefeg des Selbſtherrſchers zum Schu der Nation fepn muß, 
Alles dieſes veranlaßte eine unglaubliche Aufreibung ber aufs 


gebotenen Kräfte, und ließ aus einer ungeheueren Anfrengung 
des Landes nur einen mäßigen Erfolg für die Berwenbung im 
Kriege hervorgehen. 

Es waren in den ſechs Jahren von 1806 bis 1812 im 
Rußland zwei Millionen Recruten ausgehoben worben, aber 
wie wenig biefe Zahl für ben Behand des Heeres austrug, 
lehrt das Beifpiel einer Provinz: von fünftaufend in Eſthland 
ausgenommenen Recruten famen nur breigundert zum Seere, 
die übrigen waren auf dem Wege zu ihrer Befimmung ver- 
wahrloft und geftorben. Mißbräude beim Hospitalmefen fan- 
den zwar in mehreren Ländern Statt; aber in dem Moldauiſchen 
Feldzuge ward unter anderem ein Bertrag auf zwei Millionen 
Silberrubel abgeſchloſſen, und der Kriegsminifter wies dem 
commandirenden General Kamenskoj nah, daß biefelben Ge—⸗ 
geufände für ein Viertel des Preifes zu haben feyn wärben; 
der Unternehmer des Lazareths aber kaufte ſich nach dem Kriege 
ein Gut in der Ufraine mit breitaufend Bauern für zwölf 
hunderttauſend Rubel. Diefe Thatſachen zeigen die Ber- 
ſchleuderung von Menſchen und Geld, wodurch bie Bildung 
und Berwendung der Ruffiihen Heere erſchwert war. Es 
hatte die angefirengtefte Thätigfeit des Kaiſers und des Kriegs. 
miniſters Araktſchejew erfordert, um das nad der Schlacht bei 
Friedland auf 46,000 Mann gefhmolzene Heer zu ergänzen 
und auszubilden, was durch Anlage von Recrutendepots in 
benen die Recruten ausgearbeitet an das Soldatenleben ge= 
wöhnt wurden, unb von Neferven, aus denen ber Verluft des 
Rehenden Heeres erfegt ward, durch Einrichtung von Gewehr: 
fabrifen, Sammlung von großen Waffenvorräthen Gefhüg und 
Pulver gelungen war. Dennod blieb die Zahl der Mann- 
ſchaften unter dem Gewehr bedeutend geringer als die amt ⸗ 
tigen Liſten auswieſen. Bei Anbruch des Krieges zählte eine 
Divifion flatt 24,000 nur 7 bis 8000, die Referve-Bataillone 





12 


flatt 497 nur 300; elf Batailfone die Anfangs Julius in Druja 
einrädten nur 3380 Mann, weil ihnen 1700 zurüdgelaffene 
Bieberkranfe fehlten. 

Das Heer welches Kaiſer Alexander im Mai 1812 unter- 
hielt, beftand nad den amtlichen Liſten aus mehr als einer 
Million, das Franzoͤſiſche Angriffsheer welches den Niemen 
überfhritt in Wirklichkeit aus mehr als einer halben Million 
Krieger und einem zahlreihen Gefolge von Menſchen unb 
Thieren. 


Diefe gewaltigen Maſſen welche von Weften und Often 
Europa’s gegeneinander firebten, mußten bie mitten inneliegen- 
den Mächte mit ſich fortreigen ober erdrüden. Zwar ſchien es 
denkbar, daß Defterreih, durch die Gebirgefetten an feiner 
nörblihen Gränze von der großen Kriegesftraße getrennt, wie 
im Jahre 1807 in bewaffneter Haltung dem fremden Kampfe 
zufehen fönnte, und die Erinnerung an feine Großthaten 1809 
jebe ber beiden Streitmächte von dem Verſuche es gewaltfam 
auf ihre Seite zu ziehen abhalten würde. Aber Preußen dur 
deffen Gebiet bie beiden Heere einander fuchen mußten, hatte 
feine Hoffnung dem Anſchluß an eine derfelben zu entgehen. 
Der König ſowohl als feine Krieger und Staatsmänner er⸗ 
fannten diefes bei den erften Zeichen ber eintretenden Spannung, 
und bereiteten fih auf den entfpeidenden Augenblid vor. 


Der Eintritt bes Staatscanzlers Hardenberg — fo gut 
ſich auch diefer zu dem Gefandten Grafen St. Marfan zu flellen 
wußte — hatte das Verhältnig Preußens zu Franfreih im 
Wefentlihen nicht verbeffert. Sobald es dem Minifter gelungen 
war bie erfte Hälfte ber Kriegsſteuer vollffändig zu bezahlen, 
verlangte er bie für diefen Zeitpunkt verheißene Räumung von 
Slogan; flatt ihrer erfolgten neue ungerechte Forderungen und 


13 


eine Berdopplung ber Franzoſiſchen Befagung der Oderfeſtungen, 
welche dem gepreßten Rande weitere ſchwere Laſten aufbürbeten, 
und den geheimen Berichten daß Napoleon Preußen zu ver- 
nichten befchloffen habe um fo leichteren Glauben verfchafften. 
Der König war zwar ber Gefinnungen des Kaifers Alerander 
gewiß, befien dringenden Rath er 1809 befolgt hatte, aber er 
war mit Recht beforgt von ihm verlaffen zu bleiben, falls die 
Ftanzoſen ihre Abfihten gegen Rußland raſch ausführten; es 
blieb daher fein anderer Ausweg übrig, als den Sturm wo 
möglich zu befhwören, aber fi für ale Fälle bereit zu machen, 
und Napoleon fo lange als möglich zu beſchwichtigen und hin- 
zubalten. In biefem Sinne fandte der König den Oberft 
v. Schöler nad St, Petersburg, und der Stantscanzler ließ im 
Frühling 1811 Eröffnungen an den Franzöfifhen Minifter der 
auswärtigen Angelegenheiten Maret Herzog von Baſſano ge= 
langen, worin er Napoleon ein Bündnig anbot und dagegen 
defien Gewähr der Unverleglichfeit des Preußiſchen Staats, bie 
Räumung von Glogau, die Ermächtigung das Heer zu ver- 
mehren, Entfhädigung für die Weberzahl der Feſtungsbeſatzungen 
und im Fall des Krieges Erlaß der Kriegsfteuer und Neu- 
tralität von Oberfchlefien als Aufenthalt des Königs verlangte. 
Diefed Anerbieten ſchien ganz dazu geeignet eine Erflärung 
hervorzurufen, aus welcher man auf die Abfihten des Franzö- 
ſiſchen Kaifers ſchließen könnte; fie erfolgte jedoch nur in fo 
weit, daß Napoleon mit Bezug auf fein Verhaͤlmiß zu Rußland 
die Berbindung ablehnte und jede Vermehrung bes Preußiſchen 
Heeres als gegen fi gerichtet betrachten zu wollen erflärte. 
Die unverhüllte Feindfeligfeit diefer Antwort erfüllte den König 
mit Beforgniß und verfhaffte den Vorſtellungen Scharnhorſts, 
Gneiſenau's, Boyen’s, denen fih ber Staatscanzler anfchloß, 
Eingang. Sie beftanden auf. Anlegung verfhanzter Läger; 
Gneifenau insbefondere drang auf Entfernung des Königs aus 


14 


Berlin, und wiederholte biefen Rath unaudgefegt aber ver- 
gebens. Man unterhandelte im Sommer insgeheim mit Eng- 
land, das den General Dörnberg herüberfchidte, dem König 
jede Unterflügung, die Kriegebedürfnifie für 60,000 Mann 
welche auf der Baltifhen Flotte in Bereitſchaft lagen, und im 
ungfüdlichften Fall eine Freiftätte in England anbot; der Tange 
Aufenthalt der Flotte in der Oſtſee hatte das Scheitern dreier 
Kriegefpiffe zur Folge. Preußen waffnete nun, übte die Mann- 
ſchaft, verftärkte die Feſtungen und befeftigte vier Räger von felte- 
ner Haltbarkeit bei Pillau, Colberg, Spandau und in Schlefien. 

Zugleih mit diefen Rüftungen verbreiteten fih die im 
Zahre 1808 entworfenen Ideen über Bolköfrieg, Bildung von 
Landwehr und Landſturm; viele Gutsbefiger waren zur Theile 
nahme bereit, Graf Arnim von Boypenburg begab fi zu Stein 
nad Prag, und fprad mit ihm fehr ausführlich über Die Er⸗ 
wartung der Qutgefinnten von feiner Theilnapme. Stein hielt 
die Sache noch nicht für reif, erklärte fi jedoch zu Allem be⸗ 
reit, und ſprach durch Graf Dohna und den Prinzen von Heffen 
feine Anfiht über den bevorftehenden Krieg, Preußens Lage 
und bie zu ergreifenden Maßregeln aus: 


Stein an den Staatscanzler", 

Prag den Aften Auguf 1811. IR die Entſcheidung 
der Erife nahe bevorfiehend, und wird Preußen in den Krieg 
verwidelt gegen Frankreich, fo ift diefes ein Bernichtungsfrieg 
— der nur den Zwed haben fann, von Creigniffen feine Er⸗ 
rettung zu erwarten, ober follte dieſe Hoffnung fehlihlagen, 
ein Beifpiel von Edelmuth und Aufopferung für die Sache 
der Freiheit und Selbſtändigkeit benen Zeitgenoflen zu geben 
und in der Geſchichte zu hinterlaffen. 

Ermwedung des öffentlichen Geiftes, militairifpe Organifa- 
tion ber ganzen Nation, Geld und Waffen, find die Mittel um 


15 


den Kampf fräftig zu beginnen und ehrenvol zu endigen. Der 
öffentlihe Geiſt lann nur durch Cinrichtungen, welde bie 
teligieufen @efühle erregen anfenern und unterhalten, und 
durch ſolche politifche Einrichtungen, bie alle Kräfte der Nation 
in Anfpruh nehmen, belebt werben, Wie dieſer religieufe 
Sinn, erwedt, auf einen Punft den der Baterlanbsliche und 
Bertpeidigung gelenft, welche liturgiſche Einrichtungen zu treffen, 
welde Borfäriften zu erlaflen, darüber wird ber geiftvolle 
Profefior Schleyermacher Vorſchlaͤge abgeben. 

Der Krieg wird Belagerungsfrieg, Operation mit benen 
Armeelorps, und mit dem Landſturm ſeyn. Wie diefer einzu⸗ 
richten, fo daß er füh fhnell auf Waffenplägen fammelt, ſchnell 
ſich auflößt, zerſtreut, um auf anderen nothwenbigen Punkten 
wieder vereinigt zu werben, wie bie Anführer zu wählen, zu 
veriheilen, hiezu giebt die Vendee, Tyrol und bie Guerillas 
der Spanier Beifpiele. Die militairifche Berfafjung der Bendee 
findet fi in Beauchamp histoire de la Vendde, die des Ty-⸗ 
told wird von Wien zu erhalten ſeyn aus dem handſchriftlichen 
Werte Hormayers über den Krieg in Inner-Defterreih anno 
1809. — Das Land wird in Sectionen eingetpeilt, diefen Ehefs 
vorgefegt, wozu man bie branften und entſchloſſenſten im Diſtrikt 
wählt unb ihnen Offiziere beyordnet. Auch in politiſcher Hin- 
ſicht wird man die Gentralverwaltungsbehörben, durch bie der 
Feind mit großer Bequemlichkeit das Land regiert, auflöfen, 
einen Civilgouverneur in jeder Provinz ernennen, ber fih im 
Hauptquartier des Provinzial- Generals aufhält, und von ihm 
die Erapßbehörden abhängig machen. Dan muß erklären, daß 
jeder Beamte, ber dem Feind den Eid des Gehorfams leiſtet, 
ipso facto caffirt if, und fobald man ihn habhaft wird füflirt 
werden fol. 

Geld if weſentlich — Metallgeld if aber nicht zu er⸗ 
balten, das Land iſt erfchöpft, Anleihen im Ausland unmöglich, 





16 


da auf dem feften Lande die rohe Gewalt fo es beherrfcht, alle 
Duellen des Reichthums vertrodnet, und die Infurreftion im 
füblihen Amerika die Metallgewinnung lähmt. Der zerrüttete 
Preußiſche Staat wird feinem Papiergeld feinen Credit geben, 
man wird fi weigern es anzunehmen, und feine Emiffion wird 
nicht ber Berlegenheit abhelfen, fondern fie vermehren. 

Es bleibt alfo nichts übrig als fremdes von einem reichen 
Traftoollen, den Weltmarkt beberrfhenden Staat ausgegebenes 
Papiergeld in Eirculation zu fegen, mit einem Wort die Eng- 
liſchen Banknoten. Dan müßte fih mit England vereinigen, 
daß es Subfidien in Banfnoten bezahle, denen man die Eigen- 
ſchaften des Geldes beylegt, und daß es eine Anflalt treffe, 
um biefe Banque: Roten nach dem Frieden wieder zu realifiren. 
Mit ihnen würde man eine Menge Bebürfniffe auf dem Eng- 
liſchen Markt und auf allen mit London in Verbindung ftehen- 
den Handelsplägen faufen können. Zu einem Volkskrieg bebarf 
man viele Waffen, und man müßte befonders große Vorräthe 
dem von ber See abgefnittenen Schlefien verfhaffen. 

Bey benen Berbindungen mit England koͤmmt es fehr auf 
die Individualität des Mannes an, den es zu feinem diplo- 
matifcpen Agenten. wählt — man ſuche Weichlinge, Produkte 
der Parlamentsprotection, Neulinge, einfeitige John Bulls zu 
entfernen, und fuche geiftvolle, Fräftige, fühne, erfahrene, im 
Denken und Handeln geübte Männer zu erhalten. — Als einen 
folhen empfehle ich den Dberften Pozzo di Borgo, einen Mann 
von feltenem Geift und Muth, meinen Freund, und ber jet 
wieder in England ift, und das Zutrauen der Minifter genießt. 


Prag den 17ten September 1811 (abgegangen den 
23ſten September durch den Prinz von Heflen). Der jegige 
Krieg beginnt unter vortheilhafteren Aufpicien als der zweite 
Abſchnitt des vorigen Preußiſch⸗Ruſſiſchen, den ih vom Novem= 


17 


ber 1806 an rechne. — Die Preußifhe Armee war durch die 
erfittenen Unglüdsfälle entmuthet, aufgelöft, die Ruſſiſche 
Armee nit 100,000 Mann ſtark, nicht zu dem Feldzug vor— 
bereitet, ihr gegenüber fand Napoleon noch kriegsluſtig mit der 
ganzen 157,000 Mann ſtarken franzöfifpen Armee ohne die 
Hülfstruppen zu rechnen. — Die Ruſſiſche Armee fol 230,000 
die Referve von 60,000 zufammengezogen, die Waffenvorräthe 
groß, die Milizen ſtark ſeyn; fie findet die durch 40,000 Re— 
ſerven und Landwehr verſtärkt werdende 80,000 Mann ftarfe 
Preußiſche Armee, deren innere Einrichtung und deren Geiſt 
gut, und in ber durch Leiden vorbereiteten Nation den Ent 
ihluß, alle Kräfte zur Wiederperfiellung der Monarchie und 
zur Befreiung von der fflavifhen Abhängigkeit anzufpannen. 

Gegenwärtig find die Franzoͤſiſchen Streitfräfte zwiſchen 
Spanien und dem nördlichen Kriegstheater getheilt. Die auf 
diefem ſtehende Armee beträgt ppter 160,000 Mann und zwar 
39,000 Mann in den Garnifonen, 96,000 fo zwifchen der 
Weichſel und dem Rhein flehen. 

©arnifonen: 


Danzig .......... 20000 
Stettin ......... 12000 








Cũſtrin ... Far 3000 
Slogan 2.2.0... 4000 
39000 Mann. 
Truppenforps: 


an der Elbe und zwifchen 

der Elbe und Oder ... 50000 Sranzofen. 
Bohlen... 40000 Dann. 
Sachſen .... 18000 an der Elbe. 

Bayern ........ 18000 an d. Donau, Lech u. ſ. w. 
Würtemberger ... . 6000 am Nedar. 

Keine Bundesgenoffen . . 4000 zerſtreut in Deutſchland. 
136000 Mann. 








Stein’s Reben. II. 2te Aufl. 2 


18 


Die Ruffifh = Prengifhe Armee fann durch rafhes Bor- 
gehen die Weichfelübergänge bei Prag, Modlin, Thorn hinweg- 
nehmen, die ihr gegenüber ftehenden Pohlen aufreiben und dag‘ 
Kriegstheates zwifhen die Weichfel und die Oder werfen. 
Benutzt fie die Froſtzeit, fo hält fie nichts bey dem Uebergang 
der Brüden auf, fie fann die Berfpanzungen umgehen und im 
Rüden nehmen. Ein Theil der Armee fann alsdann über die 
Oberoder bei Breslau und von Schlefien aus gegen bie Eibe 
gehen und fi mit dem Preußifhen Armeecorps in Berbin- 
dung fegen — und den rechten Flügel der Franzöfiichen Armee 
drängen, um fie zu zwingen, bie Feſtungen an ber Dber ihrem 
Schicſal zu überlaffen. — Die Referven würben an die Weich 
fel bis Thorn und Graudenz vorgehen, wo man Brüdenföpfe 
an dem linken Weichfelufer anlegen müßte. — Der rechte Zlügel 
der Ruffiihen Armee würde bis gegen Eolberg vorgehen, eine 
Schlacht vermeiden, und bier ein verfehanztes Lager beziehen. 

Mit gewöhnlichen Mitteln und gewöhnlichen Streitkräften 
fann der Krieg, wenn er einen glüdlihen Erfolg haben fol, 
nicht geführt werden. Die ruffiige Armee muß immer 
300,000 Wann, die Preußifhe 80,000 Mann ſtark gehalten 
werben, biernah müflen die Refrutenaushebungen und ihre 
Ausarbeitung erfolgen. So verabfheuungswürbig der revolu- 
tionäre Wohlfahrtsausſchuß war, fo fehr verdient er Nachah⸗ 
mung und Bewunderung bey feiner Aufftellung und Entwide- 
lung der Streitfräfte der Nation, wodurd fie in Stand gefegt 
wurde, die Grife von 1793 zu beſtehen, die gefährlicher für 
Branfreig war als Alles was die fremden Mächte getroffen 
hat. Der Wohlfahrtsausſchuß hatte die Franzöfifpe Armee 
vom Monat Februar 1793, wo fie 228,000 Mann ſtark war, 
bis zum ten Dezember 1793 auf eine Zahl von 628,000 M. 
gebracht, wovon 528,000 Dann bey den Corps waren. Recher- 
ches sur la force de l’armee frangaise p. 171. 


19 


Durch Ueberzapl der Menſchen und durd Papiergeld ge- 
fang es ihnen, den Feind aus dem Königreich zu treiben, ohn- 
erachtet der Mittelmäßigfeit ihrer Truppen und ihrer Feldherrn. 
Nußland und Preußen fönnen 400,000 Dann aufftellen, wenn 
man auf ihre Bevölkerung Rüdjigt nimmt — nad der Ber- 
fiherung des Generals Win[zingerode] beträgt die conferibirte 
Mannſchaft von 15 bis 50 Jahren 11 Millionen; die Popu⸗ 
lation von Preußen ift 4,500,000. 

Die Nachtheile des Papiergeldes find befannt, fie werden 
nie in dem Umfang eintreten wie in Frankreich, weil Frank⸗ 
rei mit Papiergeld nicht allein einen auswärtigen und innern 
Krieg führte, fondern auch feine innere Revolution machte 
(Ramel sur les finances de la France p. 19) und alles durch 
die Hände feiner unmoralifhen, verſchwenderiſchen Behörden 
ging. Die Drdnung der Finanzen iR dem größeren Zwed ber 
Erhaltung des Staats untergeorbnet; und wird im Kriege das 
Leben des Staatöbürgers aufgeopfert, fo kann fein Eigenthum 
nicht gefhont werben, und gewiß ift jeder bereit es aufzuopfern, 
um die Feſſeln der allgemeinen Sklaverey zu zertrümmern. 

Der Zwed des Kriegs fann ſeyn, die Franzoſen über die 
Elbe von der Oſtſee hinwegzubrängen; er fann weiter gehen, 
Deutſchland zu befreyen. Jenes läßt fih durch Beharrlichkeit 
und Kraft in einem Feldzug cerreihen, wenn er einigermaßen 
mit Süd geführt wird. Die Wiederherfiellung von Pohlen 
hat überhaupt für die Franzoſen nicht das Intereffe, große 
Aufopferungen zu leiften. Viele unter ihnen, Daru, Elarde, 
erwarten ſich nichts von der Nation die aus Edelleuten Juden 
und Sklaven befteht; ein großer Theil ber Nation if des 
gegenwärtigen Druds überbrüffig. Nur müßte man die Pohl- 
nifhe Eitelfeit ſchmeicheln und ihnen die Selbftänbigfeit eines 
mit einem andern unirten Staates, fo wie Ungarn mit Defter« 
reich, geben, dem feine gegenwärtige Berfaffung gelaflen wurde. 

2* 


20 


Die Befreyung von Deutſchland fann nidt erreicht wer- 
den ohne Mitwürfung von Oeſterreich. — Defterreih bat feine 
Armee bdesorganifirt und braucht zu ihrer Wiederherftellung 
wenigftens ſechs Monate Zeit; es ift jegt ausfchliegend mit ber 
Wiederherftellung feiner Finanzen befdhäftigt, die ed von denen 
Refultaten des Landtags erwartet. — Ungarn unterhält und 
ſtellt nur 50,000 Dann und zahlt 15 Millionen Gulden, alfo 
faum den fiebenten Theil der Abgabenmaffe, ohngeachtet es bie 
Hälfte der Monarchie in Rüdficht auf Bevölferung und Natio- 
nafreihthum ausmacht. — Sollte aber der Feldzug glückliche 
Refultate haben, fo wird Defterreih auf irgend eine Art in 
den Krieg verwidelt werben, entweder als Vermittler oder ald 
Theilnehmer — fein Intereffe, bie Geſinnungen des Kayſers, 
der Nation werben es dazu beflimmen, fi anzuftrengen, um 
aus feiner ſchwankenden Lage ſich herauszureißen und wenigſtens 
feine natürlichen Grängen, die Gebürgstetten fo Deutſchland 
und Italien ſcheiden, wieder zu erobern. 

Gelingt ed denen Verbündeten bis über die Elbe zu fom- 
men, fo läßt ſich ber öffentliche Geift in jenen Gegenden be— 
augen — auf ihn wird die Theilnahme des Herzogs von 
Braunfhweig an dem zu eröffnenden Feldzug würfen. Er hat 
KRüpnpeit, Tapferfeit, heidenmüthige Refignation in feinem Zuge 
anno 1809 gezeigt, hiedurch die Gemüther der Menſchen ge— 
wonnen. — Seine Zuziehung wird den Beyfall des Regenten 
und der Englifhen Nation erhalten, und es ift dem edlen 
Charakter des Königs angemeffen, die Pflichten der Dankbarkeit 
und der Blutsfreundfhaft, womit er dem Haufe Braunfchweig 
verwandt ift, zu erfüllen, 

Auf freiwillige, ausgebreitete, zu gleicher Zeit aus— 
brechende Infurreftion fann man bey dem Phlegma der nörd- 
lichen Deutfchen, der Weichlichfeit der oberen Stände, dem 
Miethlingsgeiſt der Öffentlichen Beamten nicht rechnen. Man 


21 


wird Bolfebewaffnungen oder Landſturm und Bildung von 
Landwehrbataillong befehlen, dem Adel Degradation, dem Be— 
amten Gaffation bey Lauigfeit und Schlaffpeit ankündigen 
müffen. — Kräftig wird die Geiftlihfeit mitwürfen. Zum 
Chef der Schleſiſchen als Coadjutor follte man den Domdechaut 
von Spiegel zu Münfter ernennen, einen geiftvollen kräf⸗ 
tigen Dann. 

Es bleibt immer wünfhenswerth, daß der Krieg jegt nicht 
begonnen werde, da auf die Intelligenz und die Beharrlicfeit 
des Ruſſiſchen Cabinets fo wenig zu rechnen ift, und höchft 
ſtrafbar find diejenigen, die durch unbefonnene, raſende und 
laute Acußerungen oder Handlungen den Ausbruch des Kriege 
zwifchen Preußen und Frankreich beſchleunigen wollen, ſelbſt 
ehe Rußland hinlängli vorbereitet if.“ 


Als der Stantscanzler das erfte diefer Schreiben empfing, 
war eine heftige Spannung eingetreten. Im Fortgange der 
Rüftungen hatte der König Bedenfen geiragen die Herflellung 
eines feften Lagers bei Spandau zu genehmigen, wo bie hohe 
Gunſt der Natur nah Gneiſenan's Urtheil das feſteſte Lager 
in Europa anzulegen geftattete; der König fürchtete durch eine 
fo offenbar gegen Frankreich gerichtete Maßregel Napoleon zu 
befeidigen und zu fofortigem Weberfall aufzureigen, ber um fo 
feichter auszuführen war, da Franzoͤſiſche Heere in Magdeburg 
Hamburg und Danzig, das Sächſiſche und das Warſchauiſche 
Heer an der Südgränge, und Franzoͤſiſche Befagungen der Oder: 
feRungen von 23000 Mann das Land wie in einem friege- 
riſchen Nege feſthielten. Sobald die Franzöfifhe Partei in 
Berlin, Franzoſen und Deutfche, Unficherheit bemerkten, wan- 
beiten fie bie höfliher gewordene Sprache in Drohungen um. 
Der Eranzöfifhe Gefandte befragte den Staatscanzler über die 


Abſicht der Rüftungen. Hardenberg antwortete, Franfreich ziehe PH 9 


22 


Truppen auf der Gränze zufammen und erfläre fih nicht über 
feine Abfihten; Preußen werde mit dem Untergange bedroht; 
es fey ihm rühmlicher mit dem Degen in der Fauſt zu fallen 
als wehrlos unterdrüdt zu werden; alle Feſtungen würden 
gerüftet, und man fönne in 14 Tagen hunderttaufend Mann 
unter den Waffen haben: follte aber Frankreich freundſchaftliche 
Abfihten gegen Preußen hegen, fo werde man fih gern mit 
ihm in Verbindung fegen. St. Marfan fragte od diefes eine 
amtlihe Erklärung fey? und als der Staatscanzler bejahete, 

Pe berichtete er fie dem Kaifer. Der König war entfloffen, falls 
eine ablehnende Erflärung Napoleons erfolge, zu fräftiger Ber- 
theidigung mit allen feinen Truppen über bie Oder und felbft 
über die Weichſel zu geben. 

Napoleon gab auf die Preußiſche Eröffnung eine milde 
Antwort: er laffe Preußen Gerechtigkeit widerfahren, fey mit 
deſſen politifchem Betragen zufrieden und rechne es im Fall des 
Krieges unter feine Helfer, Ein Schreiben Marets an den 
Gefandten v. Krufemard empfahl die Rüftungen einzuftellen, 
weil font fehr nachtheilige Folgen für Preußen entſtehen wür« 
den. Hierauf erwieberte Hardenberg, man habe auf bie be— 
ruhigenden Aeußerungen Napoleons alle Arbeiten und Rüfun- 
gen eingeftellt, auch mit der Errichtung von vierzig Bataillonen 
Anftand genommen. Nun erfolgte eine drohende herriſche Note: 
Napoleon befahl das Einſtellen aller Rüfungen, Entlafjung 
aller Berflärfungen; erfolge dieſe nicht binnen drei Tagen, fo 
follte St. Marfan den Hof verlaflen und Davouſt einrüden — 
Diefer war noch nicht dazu bereit, fein Heer 60,000 Dann 
ſtark Rand zerſtreut. Man gab nad, aber nur zum Schein; 
man ertheilte Befehle zum Einftellen aller Rüfungen, deren 
Nichtbefolgung jedoch den Franzöfifhen Gefhäftsträgern und 
Spionen nit unbekannt blieb. Napoleon forderte daher, daß 
der Zuftand aller Feſtungen, Zeughäufer u. ſ. w. durch einen 


23 


Eranzöfifchen Tegationsfecretair Lefebre unterfucht werben ſolle. 
Diefes fehlug der König ab. St. Marfan brachte ipn und den 
Staatscanzler durch dreitägige mit Gutmüthigfeit gemachte Bor- 
ſtellungen zur Einwilligung, Blüher ward unter dem Bor« 
wande des Ungehorfams entlaffen, im December ging die Ber 
teifung und Unterfuhung vor fih, ohne daß eine Erflärung 
Napoleons über feine Gefinnung gegen Preußen erfolgt wäre. 
Der Winter verfloß in der quaͤlendſten Ungewißpeit. 

Im Februar 1813 fandte der König Herrn v. Kneſebed 
nah St. Petersburg um dem Kaifer friedlihe Maßregeln zu 
empfehlen; Kneſebeck ſchien ganz zur Franzoͤſiſchen Partei über- . 
gegangen °, durch Ancillon * überredet, der gleichfalls feine frü- 
heren Meinungen verleugnete, 

Indeffen ſchien die Entſcheidung unaufpaltbar hereinzu⸗ 
bregen. Die von allen Seiten angefammelten ungeheueren 
Truppenmaffen der Franzoſen famen in Bewegung, und wie 
das hochgeſchwollene Meer die Deiche überfluihet, fo über- 
Rrömten die Franzöſiſchen Heerhaufen die Gränzen der Nach- 
barländer. Ende Januars nahmen fie Schwebifh- Pommern 
ein, und zu Anfang Februars befegte Davouft ohne weitere Er⸗ 
Härung die Preußifhen Städte Anclam Demmin Smwinemünde, 
und der General Gudin marſchirte mit 16000 Mann von Mag- 
deburg nach Berlin. Der König war auf den Rath bes Staats- 
canzlers entſchloſſen der augenſcheinlichen Gefahr auszuweichen, 
mit den ihn umgebenden Truppen Berlin zu verlaſſen, als des 
Abends zwiſchen 4 und 5 Uhr ein Courier aus Paris mit 
Depefchen des Generals dv. Krufemard eintraf. Auf die unver: 
hullte Eröffnung des Staatscanzlers, Preußen finde fi in der Ende 
Nothwendigfeit bei Ausbruch des Krieges zwiſchen Rußland ei 
und Frankreich diefer Iegtern Macht, als der Rärfften und wahr⸗ 
ſcheinlich fiegreichen, ſich anzuſchließen, hatte endlich der Herzog 
v. Baffano das Schweigen gebroden und Herrn v. Krufemard 


24 


gefhrieben: „Mein lieber Freiherr. Der Augenblid fi über 
das 2008 Preußens auszuſprechen ift gefommen. Ich fann 
Ihnen nicht verhehlen, daß diefe Frage für daffelbe eine Frage 
auf Leben und Tod if. Wie Sie wiflen, hatte der Kaifer ſchon 
zu Tilfit fehr ſtrenge Abſichten. Diefe Abſichten find noch immer 
viefelben, und Fönnen nur in dem Falle zurüdgehalten werben, 
wenn Preußen unfer Verbundeter, und unfer treuer Verbün- 
beter wird. Die Augenblide find koſtbar und die Umſtände die 
fhwierigfen.” Daun nahm der Raifer felbft die Unterhand- 
lung auf. Er ließ den Gefandten fommen und erflärte ihm, 
er müffe Truppen durch das Preußifche ſchicken, wolle jedoch 
zuerft fein Verhältniß gegen den König beſtimmen. Rapoleon 
dietirte ihm feinen Willen: „Das Franzöfifge Heer ſolle durch 
Preußen marſchieren, und darin auf Abfchlag der 12 Millionen 
France Eontributiongrefte eine Verpflegung erhalten die 30 Mil- 
lionen foftete; das Preußiſche Heer nicht färfer als 42000 Mann 
ſeyn, davon 20,000 Mann zum Franzöfifhen Heere ſtoßen, bie 
übrigen nad einer beigegebenen Vorſchrift in bie Feſtungen 
vertheilt werden; im Fall der Krieg ausbrede, folle der König 
nad Breslau gehen, welches mit einem gewilfen Bezirfe neus 
traf bleibe." 

Nach diefen Angaben ward am 24ften Februar ein dop⸗ 
pelter Vertrag, ein Öffentlicher zur Bertheidigung und ein ge= 
heimer gefeploffen, ‚worin Preußen von der Pflicht der Hülfe- 
leiftung nah Spanien, Italien und gegen die Türfen entbuns 
den, fih zur Theilnahme am Kriege gegen Rußland verpflichtete, 
fein ganzes Gebiet mit Ausflug von Colberg Graudenz und 
Oberſchleſien den Franzofen öffnete, und dagegen nichts ald die 
Gewährleiftung feiner jegigen Befigungen und eine unbeftimmte 
Zufiherung auf fünftige Entfhädigung erhielt. Die Rüdgabe 
der Oderfeſtungen ward abermals ind Unbeflimmte hinaus- 
gefhoben, und als fprechendfter Beweis des Mißtrauens, dem 


25 


König für die Dauer der Anwefenheit des Franzöſiſchen Heeres 
in Preußen oder Rußland jede einfeitige Auspebung, Truppen- 
verfammfung oder Friegerifhe Bewegung unterfagt. Diefe Ber- 
träge, welche in ihrer Faſſung den unverfennbaren Stempel des 
Zwanges an fih trugen, wnrden dem König zur Genehmigung 
überbradt. 


Der Augenblid der Entſcheidung war ba. Unter ben 
f&wierigfen Umftänden, umringt von feindlihen Truppen, fern 
von jedweder Hülfe, follte man fih ohne Zaudern für oder 
gegen Frankreich erflärn. Es war vielleicht ber bitterfe 
Augenblid feines Lebens, als der König bie Jahrelang genährte 
Hoffnung der Rettung für immer aufgeben und die fo weife 
und forgfam vorbereiteten großen Mittel nebft allen Hülfsquellen 
feines unglüdlihen Landes einem ſchonungsloſen und ver= 
rätherifhen Feinde überliefern folte. Seine Rathgeber waren 
in ihren Meinungen getheilt. Scharnhorft und feine militai« 
rifhen Freunde wiefen hin auf das Heer welches zu 120,000 
aufgeftellt werben fönne, auf den Befig von Waffen, Geſchutz, 
Munition und Ausräftung jeder Art für 285,000 Mann, von 
fünf Feftungen und vier verſchanzten Lägern ; und der König hatte 
das beftimmte Verfprehen des Kaifers Alerander, ihn beim 
erſten Angriff mit aller Macht zu unterftügen. Aber feine Be— 
richte aus St. Petersburg flößten ihm ein nur zu gerechtes 
Mißtrauen gegen die Wirffamfeit der Ruffifhen Hülfe ein, er 
wagte nicht den Kampf mit der ungebrochenen Macht Napoleons 
anfzunehmen, und nachdem er vergebens verfucht hatte, wenig- 
Rene das Verbot freier Friegerifher Bewegung im eigenen 
Lande wegzuunterhandeln, unterfhrieb er am ten März die 
Verträge. Die Franzöfiihen Heere erfüllten das Königreich 
und lebten darin nad Feindesart, indem Napoleon, ſelbſt dem 
legten Bertrage zuwider, alle Mittel welche das Land darbot 


26 


für feine Truppen zu verwenden befahl, und die Einwohner 
dem Hunger und der Verzweiflung Preis gab’; die Feſtung 
Spandau ward halb dur Ueberrafhung eingenommen und 
gleich Pillau und Königsberg von Franzofen beſetzt; Berlin 
erhielt eine Franzoͤſiſche Befagung und einen Franzöfiihen Gou- 
verneur — kaum hätte der Krieg felbft etwas Schlimmeres 
bringen fönnen. 

Die Entſcheidung des Königs änderte das ganze Syftem 
der bisherigen Politik. Nach der Unterfeprift nahmen Scharn⸗ 
horft, Gneiſenau, Boyen ihre Entlaffung, welde die Franzoſen 
langſt gefordert hatten; diefem Beifpiel folgten Chazot, Elaufe- 
wig, Dohna, Golz, Lügow und andere * ausgezeihnete Offiziere, 
von denen mande bald darauf für ihres Könige Sache im 
Ruſſiſchen Heere gefochten haben. Auch der Polizeipräfident von 
Berlin Staatsrath Oruner, ein characterfeſter Beamter von 
großer Einſicht und Thätigfeit, ein geborner Dsnabräder, nahm 
feinen Abſchied. Er trat in Ruffifhen Dienft, verabredete mit 
dem Gefandten Grafen Lieven die Maßregeln' um auf den 
Öffentlichen Geift in Deutſchland zu wirfen und genaue Nach- 
richten Aber den Zuftand diefes Landes einzuziehen, und begab 
ſich zu diefem Zwede nah Prag. 

Der Staatscanzler ſchmiegte fid in das neue Syſtem. Er 
umgab fih wit Anhängern der Franzoſen, und verabredete mit 
St. Marfan ein neues Miniſterium, welches aus dem Fürften 
Wittgenſtein für die innere Polizei, dem ehemaligen Weftphä- 
liſchen Finanzminifter Grafen Bülow für die Finanzen, dem 
Zürften Hapfeld für die inneren auf das Verhältuiß zu Frank- 
reich ſich beziehenden Angelegenheiten beſtehen follte, und wozu 
St. Marfan die Genehmigung feines Kaiſers nachſuchte. 


Stein folgte ber Entwidlung aus der Ferne mit gefpann- 
ter Erwartung. Am 26ften Januar fchrieb er der Gräfin 


27 


Lansforonsfa: „Was foll man zu ben Ereigniffen fagen die 
uns erwarten? Der Krieg ſcheint unvermeiblih — Heere die 
ſich verſtaͤrken, Verbindungen jeder Art die fi bilden, können 
nichts als einen Bruch herbeiführen; aber was werden die Er- 
folge fegn® Auf der einen Seite Unentſchloſſenheit und Ehwäde, 
auf der andern eine unermeplihe Macht, geleitet von einem 
genialen charafterfiarten Manne. Das Roos Preußens und 
feines Könige den man ſich nicht enthalten fann zu lieben, wenn 
man feine fittlihen Eigenfhaften kennt, macht mid ſchaudern, 
felbR wenn es fih in Frankreichs Arme würfe — ih habe 
über diefen Gegenfiand feine Angabe, nicht einmal um die ge⸗ 
ringſte Bermutpung zu wagen; aber meine Einbilbung ſtellt 
mir eine Zufanft vor, die noch troſtloſer if als der jetzige 
Augenblid." 

Er erhielt die erfle Kunde vom Abſchluß des Bündniffes 
durch die Öffentlichen Blätter und einen Brief ber Prinzeffin 
Lonife. „Der Inhalt des Briefes Eurer K. H. vom Sten d. 
antwortete er ihr am 18ten März, hat mich lebhaft gerührt, ich 
theile Ihre Schmerzen und wünfchte beitragen zu Fönnen fie zu 
kindern, oder da ich es nicht vermag, wenigſtens das Aſyl er⸗ 
reicht zu haben, welches der brave Arnim jegt bewohnt. Um 
die handelnden Perfonen und das Schaufpiel zu beurtheilen, 
müßte man feinen Gang genauer kennen als ich dazu im Stande 
bin, alle meine Kenntniß beſchraͤnkt fih auf den Artikel der 
Berliner Zeitung, auf fehr unvolltommene Anfihten die mir 
der Ueberbringer diefes Briefes D. giebt; ich weiß nicht welches 
die Berhältniffe zu Rußland find, welches deſſen phyfiihe und 
Ritiche Mittel, welches die von ihm gethanene Schritte find — 
und wie Frankreichs Betragen war, welches bie anfcheinenden 
Bortheile die es anbietet, die Sicherheiten bie es giebt.‘ 
Dann äufert er, nad den Umfländen habe er diefen Ausgang 
erwartet, ber Eindrud in Defterreih fey hauptfählih: Belrüb- 


28 


niß, dag Preußen nachgeben zu müffen geglaubt habe um fih 
für beffere Zeiten zu erhalten. „Was das Benehmen ber 
Perfonen betrifft welche fih für die guten Grundfäge erklärt 
haben, — fo ift es in dieſem Augenblick ſchwer die Pflichten 
des Bürgers mit denen des fittlihen Menſchen zu vereinigen. 
Die Männer welche fih auf hervorragenden Poften befinden, 
möüffen fie aufgeben um ihrer eigenen Sicherheit und der Re— 
gierung willen, ba fie fih nicht vor dem Verdacht fügen 
könnten in einem dem neuen Spftem entgegengefegten Sinn zu 
verwalten, und die Franzofen ber Regierung mißtrauen werden 
fo lange fie jene in ihren Stellen fehen. — Die weniger ber- 
vorragenden Perfonen wie C. bie nur mit dem Unterricht der 
Jugend beauftragt und andere die nicht zum Handeln berufen 
find, fönnen fortwährend bleiben und fi bei Seite halten — 
aber wie foll man den unglüdlihen activen Militairs rathen 
ihr Blut für die Sache der Unterjodung ihres Vaterlandes zu 
vergießen, diejenigen zu befämpfen welche man als feine Retter 
anfehen muß! Befrage jeder fein Gewiffen, und folge deſſen 
Eingebung; ich wage ihnen feine Verhaltungsregel vorzufchrei: 
ben,. und vermag ihnen nur beizurimmen wenn fie der Regel 
folgen welche ihr ſittliches Gefühl ihnen vorſchreibt. Glauben 
Sie jedoch nicht, daß ich die Gährung vermehren wolle und die 
Aufwiegfer billige; das Betragen des braven B. ift lobens— 
werth; ich achte die welche ohne ſich zu entfittlihen ohne ſich 
zu erniedrigen, fi der Nothwendigfeit unterwerfen, in ihrem 
Innern die Gefühle verbergen und behalten, die fie doch eines 
Tages mit Erfolg zeigen fönnen — aber ih Tann diejenigen 
nicht tadeln die eine verſchiedene Handlungsweife haben und 
ihrem Abfheu gegen die neuen Grundfäge nachgeben — bie 
welde aus ehrenwerthen Gründen bleiben, zeigen viel- 
leicht mehr Seclenftärke." 


29 


Am 14ten April überbrachte ihm der Staateratb Gruner 
ein Schreiden Gneifenau’s: 


„Breslau den 2ten April 1812. Der Ueberbringer 
diefes Schreibens, den id Em. Excellenz Wohlmollen und Ber- 
trauen empfehle, wird Ihnen von dem Gang der Dinge genau 
Kenntniß geben, da er hievon meiſtens gut unterrichtet iſt, und 
vermöge feiner Stellung ihm ber größte Theil der Staats— 
geheimniffe nicht verborgen bleiben fonnte. Er if jegt aber- 
mald mit einem wichtigen Auftrag verfehen. Ich babe ihm 
empfohlen fih Ew. Excellenz mit Behutfamfeit zu nahen, da- 
mit er Diefelben nit compromittire. Bei feiner Gewandtheit 
wird er diefe Warnung geſchidt befolgen, und dennod haben 
Ew. Excellenz von feiner Bekanntſchaft nichts zu beforgen, viel- 
mehr wird Ihnen folde unter mannichfachen Beziehungen an+ 
genehm und belehrend feyn; belehrend fowohl über das Ber 
nehmen Ihnen bekannter Perfonen in unferem Staat, als über 
den Zuftand der Stimmung in allen Gegenden Deutſchlands. ... 

In dem Alter, worin Andere fih zur Ruhe begeben, ftürze 
ich mich abermals in die großen Weltbegebenheiten. Ich bin 
bier auf der Durchreiſe und will mich demnädt nad St. Peters- 
burg verfügen. IR dort Nichts für meine Plane zu thun, 
wie ich faft fürchte, denn den beiden Kaiſern iR an dem Krieg 
nichts gelegen, fo gehe ih nah Schweden und England; viel- 
leicht nad Spanien; nit um dort etwas wirfen zu wollen, 
fondern um eine verdrußvolle Zeit in dem Geräuſch kriege- 
riſcher Thätigfeit hinzubringen, und mid zu zerftreuen, beffen 
ich bedarf. Wenn man fünf Jahre gekämpft und gearbeitet 
hat, und fein mit Erfolg gefegnetes Werk dur einen unglüd- 
lichen Federzug vernichtet fieht, fo wird es dem mit Kummer 
belafteten Gemüth wohl Bedürfniß, einen andern Himmel auf- 
zuſuchen, unter dem bie forgfam gepflegte und ſchwer verlegte 


30 


Pflanze vielleicht wieder aufblüpen möge. In welhem vor⸗ 
trefflichen Rüftungszuftande wir waren würde die Welt faum 
glauben, fofern es befannt gemacht werden fönnte.” .... 

Nachdem er den Gang der Sache im Großen bezeichnet, 
und von ber erfien Nachgiebigkeit gegen die Franzoſen und 
ihre Anhänger gefprodhen hat, fehließt er: „Wie die Saden 
zulegt gefommen find fah ih fon damals voraus, und id 
trat nur deswegen nicht fogleih aus dem Staatedienft, um 
meine Zreunde nicht muthlos zu maden, und auszuharren, wie 
ich felbigen verfproden hatte. Auch konnten äußere Glüdefälle 
die Saden vielleicht beffer wenden. Bei erfolgter Unterzeich- 
nung verlangte und erhielt ih meine Entlaſſung. Ich babe 
nun mein Hauswefen beftellt, meine fieben Kinder noch gefegnet, 
und morgen fege ich meinen Stab weiter. 

Erhalten mir Ew. Ercellenz Ihr Wohlwollen. Immer 
werde ich es durch treue Anhänglicpfeit zw verdienen trachten. 
Gott fegne Sie. Mit der reinſten Verehrung 

Eurer Excellenz 
unterthäniger Diener 
N. dv. Gneifenau.” 


Grunerd Erzählung gab Stein ein flares Bild- der Be- 
gebenheiten. Er ward dadurd zu beftigftem Umwillen aufge 
reizt, gab alle Hoffnung von oben her für Deutſchland auf, 
und urtheilte über die weiteren Folgen für Preußen: „Es ift zu 
beforgen, daß Napoleon wenn ber Krieg mit Rußland glucklich 
geführt wird, Preußen auf defien Ergebenheit und Anhänglich- 
feit er nie rechnen darf, das immer wieder bemüht ſeyn wirb 
fi zu erheben, auflöfen werde: er wird ihm die Küfenländer 
nehmen, und ihm einen Fleinen engen mittelländifchen Bezirk 
anweiſen.“ 


A 


War das ringe umgarnte mit dem Untergange bebrohete 
Preußen nur mit hödftem Widerfireben in das Franzoͤſiſche 
Bünbdniß gezwängt worden, fo trat bad damals viel unabhän- 
gigere und größere Defterreih ohne Bedenken dem Kriege gegen 
Rufland bei. Napoleon hatte Defterreih die Wahl gelaffen 
entweder neutral zu bleiben jedoch auf die Gefahr hin, dag 
feine Gränzen durd die Kriegsereigniffe beeinträchtigt würden, 
oder fih mit ihm zu verbinden und die Beute zu theilen, oder 
endlich den Krieg auf eigene Gefahr allein und felbftändig an⸗ 
zufangen; Deſterreich entſchied fih für bie Aufftelung eines 
Heeres von 30,000 Dann welche fpäter auf 50,000 erhöhet 
wurden, unter dem Befehl des Fürften Schwarzenberg, welches 
ſtets ein eigenes Corps bilden und von Galizien aus an ben 
Sreigniffen Theil nehmen folte. Das Bündnig ward am 
fen März zu Wien genehmigt, gewährte Defterreih die Aus- 
ſicht auf Gebietövergrößerung, und auf ben Eintauſch ber 
Illyriſchen Provinzen gegen einen Theil Galiziend, fofern es 
ihn nad etwaiger Wiederherfiellung eines Königreihe Polen 
wuͤnſchen folte. Nach Abflug des Bündniffes verließ Steind 
Schwager General Wallmoden den Deſterreichiſchen Dienſt 
und begab fih zur Theilnahme an dem Kampfe gegen die 
Franzoſen nad England und Spanien. 

Nach dem Beitritt Oeſterreichs zu der Franzoͤſiſchen Partei 
rieth General Phul dem Kaifer Merander das ehemalige Neu- 
Oſt⸗Preußen zu verheeren und durchaus unzugänglih zu 
machen, und das Hanptheer in der Gegend von Wilna und 
Slonim aufzuftellen; aber auch diefer Plan fand des Kaifers 
Beifall nicht, der jede Beranlaffung zum Kriege zu vermeiden 
entſchloſſen war. Er fegte die Unterhandlungen mit dem Fran- 
zoͤſiſchen Abgefandten fort und erwartete den Feind an ber 
Gränze, um der Welt über den Urheber des Krieges jeden 





32 


Zweifel zu benehmen und dann das Ruſſiſche Bolt zum fräfs 
tigen Kampfe für Religion und Vaterland aufzurufen. 

Ende Aprils erfolgten verſchiedene Erklärungen Frankreichs 
und Rußlands gegen einander; Rußland forderte ald Grund- 
Tage einer Verftändigung vor Allem die völlige Räumung 
Preußens und der Preußifhen Feſtungen, Verminderung ber 
Garnifon von Danzig und Räumung von Schwedifh-Pommern. 
Beide Kaifer verließen ihre Hauptfläbte; Alerander ging zu 
feinem Heere nah Wilna, Napoleon vorerft nah Dresden, wo 
er in Erwartung weiterer Entwicklung die zweite Hälfte des 
Mai zubrachte, 

Dort erfhienen der Kaijer und die Raiferin von Defter« 
veih, der König und der Kronprinz von Preußen, von ihren 
Miniftern Metternid und Hardenberg begleitet, der Großherzog 
von Würzburg und andere Fürften des Rheinbundes, und es wird 
als ein Zug ber ſchwaͤrzeſten Treulofigfeit aufbehalten °, daß 
Napoleon dort feinem Schwiegervater im Tauſch für Galizien 
das Preußifhe Schlefien anbot, deſſen er feinen jegigen Bundes⸗ 
genoffen und Gaft ohne weiteres zu berauben dachte; ein An- 
erbieten welches jedoch der Kaiſer Franz ablehnte. 

Bei der Rüdkehr Narbonne’s reifte Napoleon am 29ſten Mai 
von Dresten ab und bewegte feine Heere gegen bie Preußiſch⸗ 
Ruſſiſche Gränze. 


Zweiter Abſchnitt. ' 
Stein und Münfter, Berufung nah Rußland. 


MW aprend diefer Vorbereitungen auf ben erwarteten großen 
Sturm lebte Stein mit den Seinigen in Iebhafter Spannung 
zu Prag. Der Anfang des Jahres raubte ihm feine mütter- 
liche Freundin, die Minifterin v. Heinig, die Grafen Arnim 
und Friedrich Stabion* die beide im fräftigen Mannsalter im 
Laufe weniger Tage farben. Graf Arnim war in Folge hef- 
tiger Erfältung erfranft; am 29ften Januar Abends fdidte er 
zu Runth, der aber fehr ermüdet und erfältet und ohne Ahn⸗ 
dung der Gefahr den Befuh auf den nächſten Tag verſchob. 
In der Nacht entfchlief er. „Er war nicht für diefe Welt,” 
ſchrieb Kunth am folgenden Morgen; „die Welt kannte ihn nicht; 
und ihm if wohl. Aber daß ich die treue Hand nicht noch 
einmal brüden fonnte, da fie ed nod fühlen fonnte, ſchmerzt 
mich tief. .. Noch if es mir ein Traum daß er nicht mehr 
iR. Diefe Treue und Thätigfeit die ich bei ihm erfahren habe, 
wer wird fie erfegen? —“ Es war ein großer Verluſt für 
Stein und für die Sache des Vaterlandes, für welde er vaf- 
los thätig und aufopfernd gewirkt hatte, Stein fühlte dieſes 
tief. „Am 30ften, ſchrieb er feiner Schweſter Marianne, farb 
Stein’s Leben. U. 2te Aufl. 3 





34 


Amim an einem Entzündunge- und Nervenficber; er war mein 
Freund, er bewies mir eine feltene Treue und Hingebung, und 
bat viel für mich getban, und fein Verluſt if groß für mid. 
Seine Fefigfeit und feine Gonfequenz artete oft in Härte und 
Eigenfinn aus, er befaß aber ein hohes Gefühl für Recht und 
Ehre, .... und ihn hoben bie äußeren Berhältniffe an denen 
er einen ehrenvollen Theil nahm.” Arnim gab fterbend feinem 
Schwager den legten Beweis des Vertrauens; er ernannte ihn 
zum Bormund feiner Kinder, ein Vermachtniß welches Stein 
durch treue Sorge für die fittliche und geiftige Bildung feiner 
Neffen erfüht hat. Bei der Entfernung von Prag halfen die 
würdige Großmutter der Kinder und Steins Freunde Kunth 
und Nicolovins und übernahmen die nädhfte Auffiht. Der 
jüngere Sohn bildete fih fpäterhin auf Steins Rah für den 
Staatsdienft aus, und ward Oberpräfident, Minifer bed In- 
nern, Minifter-Präfident. Aus der Zeit gleich nad dem Tode 
des Baterd if ein Brief erhalten, worin Stein dem Erzieher 
der Kinder Dr. Eifelen, jegigem Profeffor in Halle, feine An= 
fihten mittheilt: 


Prag den AOten März 1812. Ener ıc. danfe ich auf 
das Verbindlichſte für die mir unter dem 25ſten m. pr. mitge- 
theilte Ueberfiht des Unterrichts welden Brig erhält, und er- 
warte ich die mir verſprochene ausführliche Darftellung dieſes 
Gegenftandes, und des Charakters beider Arnimſchen Kinder. 

Fritz feheint für feine Jahre in der Kenntniß der alten 
Sprachen hinlaͤnglich fortgerädt zu feyn, und es ift erfreulich 
zu hören daß er daran und an Mathematik Geſchmack findet — 
daß er diefen aber nicht für hiſtoriſche Wiſſenſchaften äuffert, 
iſt es ganz und gar nicht Geſchichte und noch fo unvoll- 
kommen felbft nur vom Tängft vergeffenen Hübner erzählt, pflegt 
ein lebhaftes bewegliches gefüblvolles junges Gemüth zu er: 


35 
greifen, die großen Männer jedes Zeitalters, fie mögen nun 
von der Borfehung beftimmt ſeyn zum erfolgreihen Handeln 
oder zum Befämpfen großer Widerwärtigfeiten, erregen feine 
Theilnahme, feine Abneigung oder feine Nacheiferung, und er 
fegt aus ihnen feine Ideale von menſchlicher Größe oder menſch- 
lihem Glüd zufammen. 

Der Einfluß der Geſchichte iſt wohlthätig für ein junges 
Gemäth, wenn fie gründlich treu einfältig ſtudirt wird, und 
man nicht auf der Bahn metaphyfiiher Schwäger und politi- 
fer Sophiſten baherwandelt; fie erhebt und über das Gemeine 
der Zeitgenoffen, und macht und befannt mit dem was bie 
edelſten und größten Menſchen gefeiftet, und was Trägheit 
Sinnlichleit Gemeinpeit oder verkehrte Anwendung großer Kräfte 
zerſohrt. Ich halte es daher für wefentlih den Sinn für 
Studium der Geſchichte zu erregen, und bamit den Jüngling 
vorzüglich zu beſchaͤftigen. 

Die Engliſche Litteratur verbient daher unter Denen neueren 
Europäifgen, genan gefannt zu feyn, da fie die meiften guten 
Geſchichtſchreiber aufzumeifen hat, die mit Treue bie Begeben- 
heiten und Charactere dargeſtellt, die Urſachen verftiändig und 
mit Sachkenntniß entwidelt, und in denen am meiften Sittlih- 
feit Gemeingeiſt und gründliche Kenntniß der Fundamente ber 
bürgerlihen Drdnung herrſcht. Aus biefen Gründen if das 

Studium der Englifhen Sprade und Fitteratur beſonders der 
hiſtoriſchen weſentlich und in aller Abficht wohlthätig.“ .. 


Die Gräfin Lanskoronska hatte ihm nad längerer Uuter- 
brechung geſchrieben, fie habe auf ihrem Landgute entfernt von 
aller Welt die fchöne Jahreszeit verlebt und fih daran er- 
innert was Stein ihr, falls fie jemals auf ihren Gütern wohne, 
von ben Reizen bed Landlebens vorausgefagt hatte. Er er- 
wieberte ipr unter anderem: 1812 Januar 26.: „Glauben Sie 

3* 


36 


nicht daß Ihr Stillfepweigen mid an ber Fortdauer Ihres 
Wohlwollens zweifeln gemacht hätte; welchen Werth ih auch 
auf die Zeichen Ihrer Erinnerung lege, fo bedarf es ihrer doch 
nit um uns Ihrer Freundfhaft zu verfihern. Ich zähle 
darauf mit Vertrauen, und glaube daß Sie mit der Liebens⸗ 
würbigfeit und der Anmuth Ihrer andemänninnen die Beftän- 
digfeit und die Gutmüthigfeit der meinigen verbinden, Ihr 
Aufenthalt auf Ihren Befigungen wird gewiß wohlthätig ge⸗ 
weſen feyn für deren Bewohner; ih bin fiher, daß Sie fih 
mit ihrem fittlihen Wohlſeyn, mit den Mitteln befcpäftigt Haben 
werben, ihnen Wohlſtand zu verfhaffen, Erfteres durch einen 
ihrer Lage angemeffenen Unterricht, das Zweite durch Eigen- 
thum und Freiheit nad dem Grade der Bildung den fie er= 
reicht haben. Mögten Sie fo glüdlih feyn Gefhäftsleute zu 
finden, die Wohlwollen und Scharfblid genug befigen um Ihre 
Plane auszuführen... Der Tod des Grafen Fritz Stadion 
hat Sie gewiß betrübt, man muß ihn in jeder Rüdflht be= 
dauern, ald Staatsmann, als Freund, ald Verwandter; er ver- \ 
einigte mit einem vollfommen gebildeten Verftande die Gewohn- 
beit der Arbeit und Kenntniffe, einen durch feine Reinheit feinen 
Adel und feine Fähigkeit für die Freundſchaft vollfommenen 
Charakter — ich fah ihn im Winter viel und vermiffe ihn leb⸗ 
haft und ohne Unterlaß — ich höre daß feine Familie ihn be= 
weint und das mit Recht, er war ihr von einem großen fels 
tenen Werth. 

Unfere ffeine Colonie wird fih vermehren dur die Anz 
funft der jüngften Schwefter meiner Frau, die ihr Vater ihr 
vermacht hat; es ift eine junge Perfon von 15 Jahren von 
der man taufenderlei Gutes fagt, wir erwarten dag Wallmoden 
fie uns bringt." 

Bon einer andern Dame urteilte er in jener Zeit: „Ihr 
fehlten die Bafen aller weiblihen Tugenden Religiofttät und 


37 


Sanftmuth, und Gefchäftigfeit; ihr Dann verachtete fie fobald 
der erſte Taumel der Leidenfchaft vorübergegangen war — fie 
fegte ihm Bitterfeit und Starrfinn entgegen, und fo haben ſich 
beide Menſchen wechfelfeitig verſchlechtert.“ 

Seiner Schweſter fehrieb er im März: „Was Du mir 
über Deine Gefundheit fagft, betrübt mid; Alles was mich von 
meiner Jugend an umgab, verfepwindet allmälig, und ich bleibe 
allein. ine treue bewährte Freundin verlor ih an ber Frau 
von Heinig, fie war für mi feit 30 Jahren eine andere 
Mutter; an Deinem Schidfal nahm fie Iebhaften Antheil und 
ſprach oft mit Tpränen darüber mit der Gräfin Brühl.“ 

Am 2Sfen März ſchrieb er feiner Nichte Gräfin Senft, 
Gemahlin bes Sähfifhen Gefandten in Paris, damals wahr- 
Ipeinli in Dresden: „Ich danfe Dir meine liebe Freundin fehr 
aufrihtig für Deinen Tiebenswürdigen und gütigen Brief, den 
Louiſe mir mitgebracht hat; fie ift fehr dankbar dafür dag Du 
fie mit fo viel Liebenswärdigfeit und Güte aufnahmen — fie 
erinnert entfchieden an ihre vortrefflihe Mutter, und ich hoffe 
daß ihre Empfänglicfeit und Sanftmuth ihr Glück fidern 
werben. — Was Du liebe Freundin mir über Deine Lage 
ſchreibſt betrübt mich, vielleicht daß nad dem Vorübergehen 
diefes Augenblids großer Bewegungen Deine alten Berhält- 
niffe und Gewohnheiten ſich wieberherftellen — aber weshalb 
willſt Du nicht neue anknüpfen in der Stadt die Du bewohnſt; 
mit diefer Nachſicht welche die arme Menfhheit fordert, welche 
die Religion ung vorſchreibt und mit fo viel Nachdruck empfiehlt, 
fändeft Du fiher Mittel Verbindungen anzufnüpfen und wohl⸗ 
wollende Gefühle zu unterhalten, die Du fegt unterdrüädft oder 
ausſchließlich auf einen Gegenftand richte. Gewiß meine liebe 
Freundin iſt es gut die Tochter an ernfihafte Beſchäftigung zu 
gewöhnen und ihren Geift mit flarfen und erhabenen Ideen 


38 


zu nähren, aber unterlag es nicht Dich mit ihrem Charakter 
und ihrem Willen zu befpäftigen; fie müffen gegründet werden 
auf religiöfe Grundfäge und Gefühle; auf dieſe muß fie fih 
gewöhnen alle ihre Gedanken und ihre Handlungen zu beziehen, 
fie wird dadurd eine Haltung erlangen die fie über bie er- 
baͤrmlichen Heinen Intereffen der Eitelkeit der Selbſtſucht erhebt, 
und fie wird ihr Glück darin finden die Opfer zu bringen 
welche zufünftige Tagen erfordern werden. Die Grundurſachen 
unferes Unglüde find die Weichlichkeit und die Selbſtſucht des 
Jahrhunderts, welche und ftets abgezogen haben von der durch 
die Pfliht vorgefchriebenen Linie, um die Dpfer zu vermeiden 
welche unfere Tage forderte; und dieſe Nichtigfeit des Willens 
diefes Verlangen nah dem Genuß des Augenblids find es, die 
uns der Ehre, der Unabhängigkeit und felbft der Güter beraubt 
haben, welche allein unferer dummen Selbſtſucht wunſchens- 
werth ſchienen. Das Uebermaaß der Uebel wird das fom- 
mende Geſchlecht wieder fählen, vielleicht aber auch es vollends 
erdrüden und ganz verthieren, wenn wir und nicht damit be= 
ſchaͤftigen unfere Kinder zu den Grundfägen zurudzuführen, de⸗ 
ren Verlaffen an dem allgemeinen Untergange Schuld if. 

Die Zerrüttung der Privat- Angelegenheiten if die Folge 
der allgemeinen Berarmung, herbeigeführt und fortwährend in 
beſchleunigtem Maaße vermehrt durch zwanzigiährige Kriege, 
Erpreffungen jeder Art, den Banfrott aller großen und Heinen 
Staaten des Feſtlandes und fegt die Vernichtung des Seehan- 
dels. Dan fhrieb die Vermehrung des Nationalreihthums 
in Europa der Entdeckung von Amerika zu, den neuen Beduͤrf- 
niffen die fie ung geboten, den Metallreihtpümern die fie ung 
im Taufe gegen die Europäiſchen Waaren zugeführt hat — 
diefe Verhältniffe find volftändig zerflört unter dem Vorwand 
einer Freiheit der Meere welde faft für das ganze Feflland 
ohne Nugen ift, am wenigflen für Deuiſchland, deſſen Handel 


3 


nie bläpender war als während ber Geefriege und ungeachtet 
der Pladereien denen die Menſchen von Seiten der Kaper oder 
Admiralitätögerichte ausgefept waren. 

Die Folge diefer Berarmung if eine größere Einfachheit 
in der Lebensweife, und wir fehen hier die reichfien Familien 
ſich einfopränfen und zu einer Lebensweife zurüdfehren welde 
durchaus von derjenigen verfhieden if, bie fie vor einigen 
Jahren führen konnten — denn die Erfepütterungen ber Ber- 
mögen dur ben Krieg und das Papiergeld, die Opfer fo der 
Staat verlangt, biejenigen welde fie freiwillig zum Vortheil 
der bürftigen Klaſſe tragen, zwingen fie fi Entbehrungen zu 
unterwerfen, jeder Art Luxus und Genüffen der Eitelfeit zu 
entfagen. Wenn Du meine liebe Freundin dieſe felben Mittel 
anmenbeft, fo wirt Du fiher dahin gelangen, Deine Angele- 
genheiten herzuftellen. 

Ich verlange lebhaft meine liebe Freundin Dich wiederzu⸗ 
ſehen; ſuche es für den nähften Sommer einzurichten — es 
kann aber erſt im Monat Auguf ſeyn, da die Gräfin Therefe 
nah Wien geht" u. ſ. w. 


Am i2ten April fehrieb ihm ber Prafident v. Schön aus 
Gumbinnen: 

„Man muß die Welt vergeffen und die Scholle faflen, um 
noch in der erfien leben zu fünnen, und damit der Fall nicht 
zu tief fey, den Provinzialiem beleben, damit der Egoism nicht 
unbedingt herrſche. Hierauf gegründet erlaube ich mir Holgen- 
des." Dann über Güterfäufe am Pregel, zulegt: „Bis heute 
if weder ein Ruffe noch ein Franzoſe hier. Was in adt 
Zagen feyn wird? weiß der Himmel. Die beiderfeitigen An⸗ 
ſtrengungen find folofal. Die vom Weſten mehr, als vom 
Oſten. Eine Ausgleihung halte ih für unmöglich. Es giebt 


40 


Licht in jedem Falle, die Finſterniß if zu tief. Man muß 
Dichter leſen, und Ppilofophie treiben. 
Hoc über der Zeit und dem Raume ſchwebt 
Lebendig der hoͤchſte Gedanfe. 
Dan fann nur ein Philofoph oder ein Satan feyn.” 


Die Unficherheit der Defterreihifhen Zuflände hatte Stein 
fon früher zu dem Verſuche beftimmt fi einen anderen Zu— 
fluchtsort zu ſichern; fein Blid war nah England gerichtet, 
wo ein Bekannter aus früherer Zeit, der Hannoverfhe Minifter 
Graf von Münfter Iebte. Beide waren von fehr verſchiedenem 
Character, aber von gleichem Haffe gegen die Unterdrüder ihres 
Vaterlandes befeelt, und gleich unermüdlich fic zu befämpfen. 
Münffer damals in feinem 4öften Jahre, im Befig einer aus— 
gebreiteten wiffenfhaftfihen Bildung, von lebhaftem Sinn für 
bie Kunſt, den er ald Begleiter des Herzogs von Euffer bei 
längerem Aufenthalt in Rom und Neapel ausgebildet, hatte 
fih durch mehrjähriges Arbeiten als Juſtiz- und Cammerrath 
in Hannover Gefhäftserfahrung und anſchauliche Kenntniß der 
Verwaltung erworben, und war zuerft ald Gefandter am Hofe 
zu St. Petersburg in den Kreis der höheren Europäiſchen 
Politik getreten, worin er fi durch feine zuverläffige Gefinnung 
und feine Thätigfeit bei den 1804 gepflogenen Unterhandlungen 
für eine große Verbindung gegen Frankreich das Vertrauen 
der Nuffifhen und Defterreihifhen Miniſter erwarb. Bon 
Georg II zum Churbraunſchweigiſchen Minifter bei feiner Per- 
fon berufen, erwarb und bewahrte er mit dem uneingefchränf- 
ten Vertrauen des Königs und fpäterhin bes Prinzen Regenten 
eine fehr unabhängige und einflußreihe Stellung. Die große 
Macht eines Könige von England verbindet die jedesmaligen 
Minifter zu forgfältiger Schonung der Perfonen welchen der 
König fein perfönlihes Vertrauen gewährt; fie fönnen bie 


4 


Wahl des Königs in biefer Beziehung nur fo weit beſchränken, 
als die Perfon um welche es fih handelt mit der eigentlichen 
Verwaltung zufammenhängt, und felbft bei einer jungen eben 
erſt auf den Thron gelangten Königin fcheiterte das Peel- 
Wellingtonfhe Miniſterium einmal an dem Verſuche, beren 
Umgebungen zu ändern. Der Hannoverſche Cabinetsminifter in 
London, allein durch das Vertrauen feines Königs berufen, 
blieb unter allen den Wechfeln, welche je nach dem veränderten 
Stande des Parlaments in den Englifhen Miniſterien erfolg- 
ten, unberührt fieben, und genoß feiner Perfönlichkeit gemäß 
eine polisifhe Bedeutung, bie jebes neue Minifterium als eine 
Thatſache annehmen mußte. Graf Münfter, der diefe Stellung 
ein Bierteljahrhundert hindurch behauptet hat, fegte fih in den 
erſten Jahren feiner Tpätigfeit, wo eine Regierung des Chur- 
fürſtenthums nit Statt fand, in Befig der Vermittlung zwiſchen 
England und den Staaten des Europäifchen Feſtlandes. Die 
ganze Revolutiongzeit hindurch Titten bie Englifhen Minifterien 
an den Folgen einer wenig audgebildeten Diplomatie; die Eng- 
liſchen Gefandtfgaften wurden als Belohnung für im Parlament 
geleiftete Dienfte vergeben und häufig mit Unkenntniß Tact- 
und Sorglofigfeit verwaltet; deshalb fehlte den Englifchen 
Miniftern Häufig die genaue Kenntniß der Perfonen und VBer- 
hältniffe, welche die Grundlage bes politifchen Handelns feyn 
muß. Die foftfpieligen unangenehmen Erfahrungen die bavon 
nothwendige Folge waren, entwidelten bei den Miniftern ein 
großes Mißtrauen gegen bie Verhaͤltniſſe bes Feſtlandes, und 
eine Abneigung ſich in deffen Händel zu mifchen, welche durch 
den unglüdlihen Ausgang der Kriege von 1805, 1806, 1807 
1809 noch gefteigert warb. Die Folgen biefer Kriege ſchloſſen 
bie Englifhe Diplomatie und den Englifhen Handel von dem 
ganzen Feſtlande aus, und es fehlten daher ber oberfien 
Verwaltung fogar die gewöhnlichen Mittel fih von dem Zu— 


42 


Rande der Europälfchen Höfe und Länder genau zu unterrichten, 
Hier nun trat Graf Münfter ald Haupt der Hannoverfchen 
Diplomatie, welche nit nur in Hannover fondern auch in 
Wien (den Grafen Hardenberg) und anderen Orten anerfannte 
oder geheime Agenten, von offenem Auge und großer Hinges 
bung, zählte, mit feiner Kenntniß und Erfahrung und feinen 
mannigfaltigen perfönfihen und amtlichen Verbindungen ein, 
und wurbe einer der Vermittler, woburd bie Englifhen Mini- 
ler den Eontinent fahen, und wodurch hinwieder die Staaten 
des Feflandes mit England in Verbindung traten. Und biefer 
legtere Theil feiner Tpätigfeit war nicht weniger bebeutenb und 
vertraulich als der erflere, wegen ber Stellung der Europäifchen 
Staaten zu ber Franzoͤſiſchen Uebermacht, der augenblidlihen 
großen Gefahr welche aus dem Bekanntwerden ihrer Verhand⸗ 
lungen für fie entftanden wäre, und wegen ber Formen ber 
Engliſchen Politik, fraft deren bei dem Wechfel der politiſchen 
Syſteme die diplomatiſche Gorrefpondenz in die Hände ber 
Gegner faͤllt, und auch im orbentlihen Gange ber Verwaltung 
die Vorlage und felbft der Drud ber diplomatiſchen Actenftäde 
geforbert und bisweilen mit zu geringer Beachtung der eigen- 
thumlichen Lage der Fremden gewährt wird, 

Diefe Berhältniffe erflären die bebeutende Wirffamfeit 
welche dem Grafen befimmt war; aber ihr zu genügen ge— 
börte feine Zuverläffigfeit, feine Arbeitöthätigfeit und ein na= 
turlich gefunder Blick, ber durch Wiſſenſchaft Kunft und Leben 
gefärkt, fi bei dem Webergange aus der Beihränfung eines 
Dsnabrüdfgen Gutes und dem engherzigen Treiben Heinftäbti- 
fhen Kaſtenhochmuths zu dem Mittelpunkte der großen Welt- 
gefpäfte, mit feinem Gefihtskreife erweitert hatte. Als der 
natürliche Vertreter der Deutſchen Gefhäfte, empfing er durch 
Stadion die erſte Eröffnung des Krieges von 1809; an in 
wandte fih wer bie Schmach bes Baterlandes zu theilen 


43 


unwillig, Mittel zu neuem Widerſtande oder nach dem Defter- 
reichiſchen Kriege einen würdigen Platz Napoleon gegenüber 
bei dem Brittifchen Heer auf ber Pyrenaͤiſchen Halbinfel ſuchte; 
Gneifenau, Grolman, Dörnderg, Wallmoden, Nugent wußten 
von feiner Theilnahme und feinem Einfluß zu erzählen. 

Stein fonnte um fo leiter in England anfnäpfen, ale 
ihm Georg MI eine Minifterftielle angeboten hatte. Er ſchrieb 
an Münfter zuerſt im Allgemeinen, fegte ihn im Detober 1811 
von dem Zuftande der Deutfchen Angelegenheiten in Kenntniß, 
und jegt da bie Entſcheidung drängte, bei ber Nähe des Ruffix 
ſchen Krieges der Unthätigfeit überbrüffig, erbot er ſich bei einer 
Englifhen Geſandiſchaft an den Kaiſer Alexander thätig zu feyn. 


Stein an Manſter. 

nDen ilten Januar 1811. Nocd immer dauert bie von 
der franzöfifchen Regierung ausgeſprochene Achts-Erklaͤrung fort; 
fie wurde veranlaßt hauptfächlih durch die Einftrenungen einer 
aus allen gemeinen genußliebenden Menſchen zufammengefegten 
Cabale in Berlin, an ihrer Spitze der Fürft Hatzfeld, der 
Erminifter von Boß, der die Leitung des Staats erhalten follte, 
diefe Partey bearbeitete den mißtranifhen heftigen Marſchall 
Davouft, deſſen Berichte den Kayſer zu einer Maasregel ber 
Rimmten, die er fonft wahrſcheinlich nicht ergriffen hätte. 

In diefem Lande lebe ih ruhig; feine Lage if aber fo 
gefahrvoll, daß Umſtaͤnde eintreten fönnen, bie mid) es zu ver⸗ 
laſſen nöthigen, und dann bleibt Fein Zufluchtsort als England 
übrig; ich müßte zugleich allen meinen Hülfsquellen entfagen, 
und dann entſteht die Frage, ob id bort nur fo viel Unter- 
Rügung finden werde als zu einem mäßigen Auskommen nöthig 
iſt; hieräber erbitte ich mir von Eurer Ercellenz eine freund» 
ſchaftliche Belehrung. 

Der jegige Zuftand der Dinge wo alles vom tüdfigie- 


4 


Tofen Willen eines Mannes abhängt, kann nicht dauern; ſobald 
die Hand des Unterdrüders erſchlafft oder finft oder wann das 
Maaß feiner Verbrechen voll ift, fo findet eine Reaktion fatt, 
zu der alles vorbereitet wird durch ben tiefen Unwillen, welchen 
Willkuhr, das Niedertreten der alten auf Befigftand und Recht 
gegründeten Verhaͤltniſſe, die Vernichtung aller Denkfreiheit, 
die fortfhreitende Berarmung, verurfahen. Mit diefem Uns 
willen verbindet fih Gewohnheit an Entbehrung, und die Ueber- 
zeugung daß bey der Wandelbarfeit und Ungewißheit jedes 
Berhältnifes, jede Sorge für Erhaltung oder Befefigung der 
fubfifirenden Einrichtungen vergeblich iſt. 

Auch der Geringfte fieht ein, daß alle die Worte von 
Freyheit der Meere u. f. w. leere geiftlofe Vorfpiegelungen find, 
ein zerriffener Bettler Mantel um eine grenzenlofe Willkühr 
zu bededen. 

Erhalten mir Eure Exc. Ihre freundfchaftlihe Gefinnung 
und feyn Sie von meiner ausgezeichneten Hochachtung überzeugt.“ 


Münfter an Stein. 

„London den 27ften Auguft 1811. Eurer Excellenz 
freundfchaftlihes Schreiben vom Alten Januar ift erft im 
Monat Zuni in meine Hände gefommen, und Sie werben fih 
die Gründe leicht vorflellen Können, die meine Antwort bie 
jegt verfpätet haben. Recht aufrihtig habe ih mid Ihres 
Andenkens gefreut. Daß Eurer Excellenz äußere Lage ſich 
hätte verbeffern fönnen, das ließ fi von der Rachſucht Ihrer 
Feinde nicht erwarten. Ich wunbere mich felbft, daß man es 
Ihnen geftattet, ruhig zu Ieben, wo Sie find. Sollte das auf- 
hören, fo bleibt nichts als bie Gegend zu fuchen übrig, die ich 
bewohne. Ich wunſchte die Frage, die Sie in biefer Hinſicht 
an mid thun, beftimmter beantworten zu fönnen, als ih mid 
dazu im Stande befinde. — Die Urſache davon liegt in dem 


45 


jegigen interimiftiichen Zuftande der oberen Berhältmiffe. Bei 
folhen Umftänden fann niemand etwas mit Zuverfiht zufagen, 
fo geneigt man auch perfönli dazu ſeyn mögte. Ew. Excellenz 
fünftige Communifation mit mir wird durch Graf Louis [Wall- 
moben] erleichtert werden fönnen, dem ich eben jegt Mittel 
dazu an die Hand gebe. 

Was Sie über die zu erwartende Zufunft fagen, freut 
mi. Ruhig vie ih bier leben könnte, iſt ed mir doch unmög- 
lich gleihgüftiger Zuſchauer der Greuel zu feyn, die fih bie 
jegt leider ungeftraft verüben. Es muß eine Reaction entfiehen; 
das jegige Syſtem trägt den Keim feiner Selbfizerftörung in 
fid. Wenn der Augenblid fommt, dann brauchen wir Männer 
wie Ew. Ercellenz find, an Drt und Stelle. Ich ſelbſt werde 
mic ba einfinden, wo ih am beften werde würden fönnen, 
Sie fünnen fi dem Weberbringer dieſes Briefes frei anver- 
trauen, Ich kenne ihn hinlänglih, um das zu fagen. 

Soll ih dem, der mir Ihren Brief brachte, glauben, daß 
Sie ſelbſt noch mehr Preuße ald Deutfcher auf einem gewiffen 
Punkte find... .. 

Ihrer Frau Gemahlin und Familie bitte ih, mic) gehor— 
famft zu empfehlen.’ 


Stein an Münfer, 

„Den 6ten Dctober 1811. Euer Excellenz danfe ich für 
Dero gütiges Schreiben; follten Ereigniffe eintreten bie viel- 
Teicht jegt weniger beforgt werden dürfen, fo erwartet mid 
dort wenigſtens Sicherheit, wenn auch feine andere Hulfe; 
vielleicht eröffnet fih in dem Gewirre dem wir entgegenfehen 
ber Weg der zum Lande des ewigen Frieden führt. 

Das Ganze beruht hier auf roher Gewalt und dem Drud 
jeder Art. Sein Bemühen if nit das Kayſerthum denen 
Nationen einzuzaubern, wie es das funfzigfährige Beftreben 


46 


Augufius war, er läßt vielmehr feine Gelegenheit ohnbenugt, 
um durch höhnenden Uebermuth, durch rauhe Formen, durch 
Krankung jedes edlen Gefühle, und Stöhrung jedes Zweds 
des Eigennuges, den Drud des duch ihn herbepgeführten Zu- 
fandes unerträglih zu machen. Diefe Handlungsweife würft 
wohlthaͤtig, fie erhält in dem Menſchen einen regen Unwillen, 
ein Streben nad dem Zerbrechen der Feſſeln, und verhindert 
das Berfinfen in den Todesſchlaf. 

Diefer allgemeine Unmwille hat aber auch in Deutfchland 
die Bande bie den Untertbanen an den Fürften fnüpften, ge- 
loͤſt — er fieht in ihnen entweder feige Flüchtlinge die nur 
für ihre Erhaltung beforgt, ſich dur Flucht retieten, taub 
gegen die Forderungen der Ehre und Pflicht, oder betittelte 
Sclaven und Untervögte, die mit dem Gut und Blut ihrer 
Unterthanen eine hinfällige Exiftenz erbetteln. Daher entfieht 
der allgemeine Wunfh nad einer Berfafung, auf Einheit, 
Kraft, Nationalität gegründet; jeder große Mann der fie her— 
zuftellen fähig wäre, würde der Nation die fih von denen 
Mittelmädhten abgewendet hat, willfommen feyn. Die Indivi- 
dualität der Zürftenhäufer ſelbſt iR herabgeſunken, durchaus 
herrſcht in ihnen Erbärmlichfeit, Schwäge, nieberträchtige frie- 
chende Selbſtſucht. 

Was ſoll aber die Stelle des Alten erfegen? Könnte ich 
einen Zufland wieder herzaubern unter dem Deutſchland in gro⸗ 
Ber Kraft bfühte, fo wäre es der unter unferen großen Kayfern 
des 10ten bis 13ten Jahrhunderts, welche die deutſche Verfaſ— 
fung durch ihren Winf zufammenpielten und vielen fremden Böl- 
fern Schug und Gefege gaben. 

Läßt ſich aber ein folder Zuftand erwarten, hat nicht 
Religion, Sprache, Verſchiedenheit im Zuftande der Eivilifation, 
Temperament eine unglüdlihe Spaltung verurfaht? Laßt fih 
diefe heben? aber gefegt der alte deutſche Etaatenbund unter 


47 


einem gemeinfhaftlihen Oberhaupt wärbe wieder hergefleitt, 
fol das auf den Bafen des Weſtphäliſchen Friedens geſchehen, 
eines Gefeges das fremde Uebermacht, unterflügt durch Factions - 
Geiſt Deutſchland aufdrang, um das Band das es umſchlang zu 
Töfen, und der Zwietracht und der Selbſtſucht freyes Spiel zu 
laſſen — muß das Bundesverhältniß nicht feſter gefchloffen werben, 
und das findifche Puiffanziren der einzelnen Theile aufpören ? 

Diefe Fragen find freylich zu voreilig; die Ereigniffe denen 
wir entgegenfehen, können, vor das erfte, nur vorbereiten, fie 
tönnen wenn fie mit Weisheit und Kraft geleitet werben, bie 
Befrepung des Baltifpen Meeres bis an die Elbe bewürfen 
und Rußland einen Crapß verfehaffen, in dem es fi wieder 
frey bewegen fann, und wodurch es aufhört fein eigenes In- 
texeffe und das Sntereffe von Europa aus Rüdfiht auf die 
Eingebungen der Furcht und Weichheit ſeines — — zu ver⸗ 
geſſen. Die Befreyung von Deutfhland aber wird man ohne 
Deſterreichs Mitwürfung nicht erreichen, da biefes allein durch 
Streitkräfte und Einfluß auf das füblihe Deutfhlaud zu wür- 
ten im Stande if, deſſen Bewohner Regfamfeit genug haben 
um fi über die Berechnungen der Selbſiſucht zu erheben, und 
durch Gefühle hinreißen zu laſſen. Deflerreihs Heer iſt aber 
jegt desorganifirt, und es find wenigſtens ſechs Monate zu fei- 
ner Wiederherfieflung erforderlich. 

Auf freywillige plögliche ausgebreitete zugleich 
ausbrechende Infurrection fann man bei dem Phlegma ber 
nördlihen Deutſchen, ber Weichlichkeit der oberen Etände, dem 
Mietplingsgeift der öffentlihen Beamten nicht rechnen — man 
wird vielmehr, wenn es unter dem Schuß einer Armee gefche- 
den kann, Bolfsbewaffnung, Bildung von Landwehr-Bataillons, 
Rekrntenftellung befehlen und den Adel mit Degradation, den 
Beamten mit Todſchießen, wenn fie Lauigkeit und Schlaffheit 
beweifen, beftrafen muͤſſen. 


48 


Die Theilnahme des Herzogs von Braunſchweig an dem 
Feldzug wird wohlthaͤtig würfen, da er bie Gemüther der 
Menſchen durd feinen fühnen und heidenmäthigen Zug von 
denen Gränzen Böhmens bis an die Wefermündungen er= 
griffen hat. 

Mit gewöhnlichen Mitteln und gewöhnlichen Streitfräften 
kann ber Krieg, wenn er einen glüdlihen Erfolg haben fol, 
nicht unternommen werben. Die Ruffiihe Armee muß immer 
200,000, die Preußiſche 80,000 ſtark gehalten werben, weldes 
nah ter befannten Bevölferung möglih ift, da von einer 
Million Seelen 20,000 Dann mit Anhalten im Feld aufe 
geftellt werden fönnen. 

Ohne Papiergeld laſſen ſich aber diefe Streitkräfte nicht 
erhalten noch bewegen und ohne Requifition — denn Metall- 
geld fehlt, Rußland Hat Feines, Preußen ift verarmt, Anleihen 
find bey dem gegenwärtigen Zuftand von Europa unmöglich, 
wo beffen Gapitalien täglich zerflört werben, Bildung neuer 
unmöglih it — wo aller Seehandel vernigtet, und die Ine« 
furreetion in Süd«Amerifa die Gewinnung edler Metalle vers 
hindert, Rußland muß alſo mit feinen Banfnoten Krieg füh- 
ven — für Preußen bleibt nichts übrig als mit England ſich 
wegen Zahlung von Subfidien in Banknoten zu vereinigen, 
und diefen die Eigenſchaften des baaren Geldes beyzulegen. 

Bey der Verbindung Englands mit dem feften Lande 
kömmt es fehr auf die Individualität des Mannes an, den es 
zu feinem biplomatifhen Agenten wählt — feinen Weichling 
Neuling, fondern geiftvolle fräftige kühne im Denfen und Han- 
deln geübte Männer — als folde wurden Mr. Adair, Pozzo 
di Borgo angefehen. 

Mit Menfhen, Waffen und Papier in Weberfluß, 
mit unerſchatterlicher Beharrlichkeit bie jeder Gefahr trogt 
jedes Leiden duldet, und mit bem Schuß der Borfehung 


4 


wird ed vieleicht gelingen die ſchaͤndlichen Sclavenfefleln zu 
zerträmmern. — Empfangen Ew. Ereellenz die Berfiherung 
meiner ausgezeichneten Hochachtung.“ 

Stein an Müänfter. 

„Prag den 19ten April 1812, Die Hoffnungen aller 
Redlichen und Gutgefinnten find alfo zum zweptenmal von P. 
getäufcht, es hat fi wehrlos und gebunden denen Händen fei- 
nes auf mannigfaltige Art gereiten und erbitterten Feindes 
überliefert *°, bereitet mit den eignen Händen fein Grab, und 
fieht nun dem Kampf, der wahrfcheinlih in wenigen Tagen bes 
ginnen wird, zu. Wie diefes alles gefommen fey, werden Euer 
Excellenz vor der Anfunft diefes Briefes Tängft erfahren haben. — 

Nun fann man in Deutfhland nichts mehr von einer 
Impulfion von oben erwarten, denn bier figt überall ...... 
....3 es mag feyn, daß Rußland den Bertheidigungsfrieg 
befieht, daß Napoleon gezwungen wirb fein erihöpftes und 
überfpanntes Reich, [deffen Bewohner er mit Rumforder Suppe 
füttert und wo ber vierzigſte Menſch unter Gewehr lebt *] 
noch flärfer anzugreifen, und bie Folgen feiner verderblichen 
Verwaltung zu beſchleunigen, alles biefes fann feine Befreyung 
von Dentfchland unmittelbar bewürfen, die nur das Werf an« 
derer glüdliher und unberedhenbarer Ereigniffe feyn Tann. 

Unterbeffen verſchwinden Zeit und Kräfte, bie Befferen 
zehren fih in ſchnödem umerträgfichen Müffiggang auf, ale 
Zuſchauer des allgemeinen Elends und des Treibens ber 
Schlechteren, deren Zahl täglih wähft und beren Gefinnungen 
frebsartig um ſich freffen. 

Seit 1809 Tebe ih in der Erwartung glüdticher Ereig- 
niffe, die nun zulegt noch durch die Vorgänge in Berlin grau« 
fam getäufcht worden if. — Es if} unerträglich ſich in dieſem 
Müffiggang aufzuzehren, und die furze Rebengzeit, in ber man 

”) Eoncept. 

Stein’s Leben. II. 2te Aufl. 4 





50 


noch einigen Vorrath von Kräften befigt, ohmbenugt vorüber 
geben zu fehen, während das Rab des Schidfals fih unauf- 
baltfam über die Zeitgenoffen hinmälzt. 

Im Gefühl des tiefften Unmuths über diefen Zuftand lege 
ih Eurer Excellenz meinen Wunfd vor, auf irgend eine Art 
wieber in Thätigfeit gefegt zu werden — auf welche Art? 
werben Eure Ercellenz fragen, und hierauf bin ich nicht im 
Stande befriedigend zu antworten. 

Vielleicht fönnte ih durch Rath und Einfluß die gute 
Sade befördern, wenn ih mid unter dem Schug der bey dem 
Ausbruch des Krieges abgefandt werdenden Englifhen Gefandt- 
haft, im Hauptquartier aufhielte. Der Kaifer Alerander be- 
wies mir fein Zutrauen indem er mir 1807 feine Dienfte an— 
bot, ich ſtehe mit vielen '' Perfonen in Verbindung — ich ver- 
lange nichts als Reifefoften Diäten und die nöthigen Päffe, ift 
der Krieg zu Ende fo fehre ich wieder hieher zurüd. Möge er 
einen glüdlihen Erfolg haben, oder ich mein Ende darin finden.‘ 


Ehe diefer Brief in London anlangte und Entfeläffe ber 
wirfen fonnte, mußten Monate vergehen. Aber ſchon war die 
Borfhaft unterweges, welche Stein zum unmittelbaren Ein« 
greifen in die Weltbegebenheiten berufen follte. Kaifer Alerander 
hatte bei feinem Aufenthalt in Berlin und Königsberg eine 
lebhafte Achtung für feinen Character und feine Fähigfeiten 
gefaßt; er erinnerte fi der Denffchrift worin Stein im Sep- 
tember 1808 ihm die Folgen feiner damaligen Politik vorher 
fagte '*; wei wie er war, fühlte er im Augenblid ber höch⸗ 
ſten Entſcheidung das Bedürfnig eines flarfen großen Mannes 
in feiner Nähe, und lud Stein durch einen eigenhänbigen Brief 
nah Wilna ein, um an den bevorftehenden Ereigniffen Theil 
zu nehmen und fih an die Sache der Freiheit des Rechts und 
der Ehre anzufchließen. 


Dritter Abfdhnitt 


Stein im Ruffifhen Hauptquartier. Der 
Raifer Alerander. 


Der Kaiſer ſchrieb an Stein: 

Die Achtung welche ich immer für Sie hegte, hat feine 
Aenderung durch die Ereigniffe erlitten, welhe Sie von dem 
Steuer ber Geſchäfte entfernten. Es if bie Energie Ihres 
Characters und ihre ausnehmenden Talente, die fie Ihnen er« 
worben haben. 

Die entfpeidenden Umflände des Augenblids müffen alle 
wobhldenfende Wefen, Freunde der Menfchlicpkeit und der freis 
finnigen Ideen, wieder verbinden. Es handelt fih darum, fie 
vor ber Barbarei und der Knechtſchaft zu retten, bie fi ber 
reiten um fie zu verſchlingen. 

Napoleon will die Knechtung Europa’s vollenden, und um 
diefes zu erreihen, muß er Rußland niederwerfen. Schon 
lange bereitet man ſich bier für ben Widerſtand, und bie fräf- 
tigſten Mittel find hier feit langer Zeit verfammelt. 

Die Freunde der Tugend und alle von dem Gefühl ber 
Unabpängigfeit und Liebe zur Menſchheit belebte Wefen werben 
von dem Erfolge diefes Kampfes betroffen. Sie, Herr Baron, 

4* 


52 


der fih auf eine fo glänzende Art unter ihnen ausgezeichnet 
hat, Sie fönnen fein anderes Gefüpl hegen als das, zu bem 
Erfolge der Anftrengungen beizutragen, welche man im Norden 
maden wirb um über Napoleons eindringenden Despotismus 
zu triumppiren. 

Ih lade Sie auf die inftändigfe Weile ein mir Ihre 
Gedanfen mitzutheilen, fey es fchriftlich auf eine fihere Weife, 
fey es mündlich indem Sie zu mir nah Wilna fommen. Der 
Graf vom Lienen wird Ihnen zu biefem Zwed einen Eintritte- 
paß mittheilen. Ihre Anweſenheit in Böhmen fönnte freilich 
von großem Nuten feyn, ba Sie fih fo zu fagen am Rüden 
der Sranzöfifchen Heere befinden. Aber Deſterreichs Schwäche 
wird dieſes fo gut als gewiß unter die Fahnen Frankreichs 
ſtellen, und fönnte Ihre Sicherheit ober wenigftens bie Ihres 
Briefwechſels gefährden. 

Ih fordere Sie daher auf, das Gewicht aller dieſer 
Umftände veiflih zu überlegen, und diejenige Wahl zu treffen, 
welche Ihnen die geeignetefte feheint für den Nugen ber großen 
Sache ber wir beide angehören. Ich habe nicht nöthig Ihnen 
zu verfihern, dag Sie in Rußland mit offenen Armen werden 
empfangen werben. Die aufrichtigen Gefinnungen die ih gegen 
Sie hege, find Ihnen dafür eine fihere Gewähr. 

St. Petersburg den 27ſten März 1812. 

Alexander.” 


Diefes Schreiben nebft einem Briefe des Ruſſiſchen Ge— 
fandten in Berlin Grafen Lieven vom 24ften April ward Stein 
am 19ten Mai dur den Prinzen Ernft von Heffen-Philipps- 
thal überbradht. 

Damals war ber Krieg bereits fo gut als entſchieden, 
Napoleon feit zwei Tagen in Dresden angefommen, wo er bie 
Bundesfürſten um fi verfammelte; man glaubte, er werde durch 


53 


große Weberlegenheit an Feldherrntalent und Streitkräften die 
Ruſſiſchen Heere bis an den Dnieper zurädbrängen, fie bei 
Smolenst ſchlagen, und einen glänzenden für Rußland ver- 
derblichen Frieden erzwingen; man belegte biefe Anſicht mit 
feinen früheren Erfolgen, Leoben, Marengo, Aufterlig und 
Friedland. Waren die Bebenflichfeiten gegen den Ausgang 
dieſes Krieges und das Wagniß groß, einen Zuftand ber Ruhe 
und Sicerheit, den Stein mit den Geinigen in Defterreih 
genoß, mit einem ſchwankenden unberechenbaren, eine büftere 
Zufunft anbietenden zu vertaufhen, fo war dod bie Sache, 
die es galt, zu heilig, Stein war dur fein vorhergegangenes 
Leben, dur feine Gefinnungen zu feft daran gefettet, um einen 
Augenblid zu wanfen, und er erflärte in der Antwort an ben 
Kaifer feinen Entſchluß nah dem Ruffifhen Hauptquartier ab» 
zugehen: 


Stein an Alexander. 

„Prag den 23ſten Mai 1812. Der Ruf deſſen Eure 
Kaiſerliche Majefät mich unterm 27ften März gewürdigt, mich 
unter die Fahnen der Ehre und des wahren Ruhms, d. h. die 
Ihrigen zu reihen, ift mir am 19ten d. zugefommen, Ich ge 
horche ihm, obwohl ih mich auf neue BVerfolgungen gefaßt 
made, gegen welche Eure Majefät wiffen wird mich zu be— 
fhügen. Ich reife am 27ften d. ab, dem Tage wo man mir 
meine Päffe geben wird; ich hoffe am 10ten Junius neuen 
Styls in Wilna zu ſeyn, dort die Befehle Eurer Kaiferlichen 
Majeftät zu empfangen und Ihnen die Huldigung meiner Ehr— 
furcht und meiner Unterthänigfeit darzubringen.“ 


Der Prinz von Heffen übernahm diefe Antwort nebft einem 
Briefe Steine zur weiteren Beförderung an den Ruffifchen 


54 


Gefandten Grafen Stadelberg in Wien, mit welhem Stein 
im Jahre 1808 zu Königsberg befreundet worden war; er 
ſelbſt bereitete fih zur Abreife und zur Trennung von den 
Seinigen, die er in Prag zurüdließ. 

Es war für die gute Sache von Wichtigkeit die Bortheile 
zu benugen, welde Prag für Beobachtung ber Franzöͤſiſchen 
Streitkräfte und Anknupfung von Verbindungen im Rüden der- 
felben darbot. Stein beſprach diefe Aufgabe und die Mittel 
zu ihrer Ausführung mit dem Staatsrath Juſtus Gruner. 
Diefer blieb auf dem äuferften Ruffifchen Poften in Feindes 
Lande, ein feharffihtiger und entſchloſſener Beobachter, zurüd. 

Am 27ften Mai, zwei Tage ehe Napoleon von Dresden 
zu ber großen Armee abging, verließ Stein Prag und reiſ'te 
über Lemberg und Brody nad Rußland. In Radziwilow er⸗ 
wartete ihn ein Ruffiiher Major, ein verftändiger freundlicher 
Mann, um die Weiterreife bis ins Kaiferlihe Hauptquartier 
zu beforgen. Der Weg führte fie durch das Ruſſiſche Heer. 
Zu Dobro fanden fie den General Tormaffow mit 20,000 Mann; 
zu Slonim ben Fürften Bagrathion mit 30 bis 36,000 Dann, 
und bei Wilna bie fogenannte große Armee von 80,000 Mann 
unter dem Kriegsminifter General Barclay de Tolly. Diefe 
136 dis 140,000 Mann waren die Heeresmacht welde man 
gegen Napoleon und fein dreifach überlegenes Heer aufftellte; 
doch waren aus dem Innern Verftärfungen in Anmarſch, und 
andere wurben gebildet. 

Am 12ten Junius fam Stein franf in Wilna an. Wäh- 
rend ber Reife hatte er mit Ruhe feine Zufunft erwogen, und 
den Entſchluß gefaßt ſich durch feine fefte Anſtellung, wie fie 
ihm mit einem felbftzubeftimmenden Gehalte bei den Finanzen 
ober dem öffentlichen Unterricht angeboten war, zu binden, 
Als ihn der Kaiſer durch Graf Neffelrode fragen lich, was er 
nun wünfhe? fo erflärte er, es fey feinesweges feine Abſicht 


55 


in Ruſſiſche Dienſte zu treten, fondern nur an den Deutſchen 
Angelegenheiten, die im Laufe der kriegeriſchen Ereigniſſe fi 
entwideln würden, auf eine feinem Vaterlande nüglihe Art 
Theil zu nehmen. Durd dieſe Erflärung behielt er die Frei— 
heit nad feiner Weberzeugung zu handeln, und entfernte bei 
den Ruffen jede Mißgunſt und jeden Verdacht als trachte er 
nad Etellen und Einfluß. Diefer Stellung und der Gnade 
des Raifers glaubte er die freundliche und wohlwollende Be- 
banblung verdanken zu müffen, deren er fih von den Inländern, 
befonbers von dem Dinifter des Innern, Grafen Kotſchubey, 
während feines Aufenthaltes in Rußland erfreuet hat. 

Der Raifer Merander empfing ihn fehr gnädig, entwidelte 
ihm in einer Tangen Unterrebung die Gründe bie zum Tilſiter 
Zrieden gezwungen hatten, fegte ihn in volle Kenntniß ber 
politifpen Lage, und ſprach feinen unerſchütterlichen Entſchluß 
aus, ben Krieg mit der größten Beharrlichkeit und mit Nach: 
drud zu führen, und lieber alle Gefahren und Verhängniffe zu 
tragen ale einen unrühmlihen Frieden einzugehen. 

Alerander fand damals im Zöften Jahre; fein Aeußeres 
— bemerft Stein — if angenehm, die Züge regelmäßig, fein, 
die Stellung anftländig, die Beugung des Kopfes, indem er 
wegen Harthörigfeit das linke Ohr als das beffere vorfchiebt, 
nicht unangenehm. Der Hauptzug feines Characters ift Gut: 
müthigfeit, Sreunblichfeit und ein Wunſch die Menſchen zu bes 
glüden und zu veredein. Gein Erzieher der Genfer Laharpe 
hat ihm frühzeitig Achtung für den Menfchen und feine Rechte 
beigebradt, die er bei dem Antritt feiner Regierung in das 
Leben zu rufen eifrig bemüht war. Der Kaifer begann mit 
Unterritsanftalten, Berbefferung des Zuftandes des Land⸗ 
manned. Ihm fehlt aber die Geiftesfraft um mit Beharrlich- 
feit die Wahrheit zu erforſchen, die Feſtigkeit um trog aller 
Hinderniffe das Befchloffene durchzuführen, den Willen ber 


56 


Anderswollenden zu beugen; feine Gutmüthigfeit artet in Weich⸗ 
heit aus, und er muß fi oft der Waffen der Liſt und Schlau- 
heit bedienen um feine Abfichten durchzuführen. Diefe letzteren 
Eigenſchaften find entwidelt worden dur die Lehren feines 
Erziehers des Feldmarſchalls Soltikow, eines alten Höflings, 
der feinem Zöglinge frühzeitig Geſchmeidigkeit gegen die Große 
mutter, ihre Günftlinge, und gegen die Launen des Vaters 
empfahl; der Despotismus welchen Paul gegen feine Familie 
ausübte, mußte ihn in diefer Richtung beftärfen. — Bei dem 
Antritt feiner Regierung umgab er fi mit den Freunden feiner 
Zugend, dem Fürften Adam Czartorinsfy und Herrn v. Nowo- 
Mltzoff, Männern von Geift, Bildung und edlem Chatacter, 
welche ihn in dem Widerſtande gegen die Franzöſiſche Erobe- 
rungspolitif beftärkten. Als aber der auf ihren Rath begon- 
nene Krieg ein unglüdlihes Ende nahm, fahe fih der Kaifer 
gezroungen '* fie zu entfernen und fih mit Männern zu um— 
geben welchen er fein vollfommenes Bertrauen ſchenken konnte; 
fo übertrug er bie auswärtigen Angelegenheiten dem wenig 
geachteten Grafen Romanzoff, weil deſſen Bereitwilligfeit ſich 
dem Franzoͤſiſchen Syſtem hinzugeben gewiß war. Vielleicht 
fehlte es dem Kaifer überhaupt an Tiefe des Gefühle und der 
Fähigkeit zu ausdauernder Zuneigung: „Seine Vorliebe für 
den Kronprinzen von Schweden wirb nicht 14 Tage dauern,” 
bemerfte die Großfürftin Catharine, die ihren Bruder Fannte, 
Diefe Anfiht ward jedoch durch die Folge berichtigt. 

Da ber Kaiſer feinen Gefhäftsmännern weder in Hinſicht 
auf Fähigfeit noch auf Reinheit des Characters allzuviel zu- 
traute, fo überließ er niemals einem berfelben die Leitung ſei⸗ 
nes Gefchäftszweiges, griff vielmehr häufig in das Einzelne 
ein, bearbeitete Vieles allein den Miniftern unbewußt, Tieß ſich 
überhaupt leicht zum Einzelnen hinreißen, verlor darüber den 


57 


Faden des Ganzen, und gab wegen einzelner Hinberniffe in 
feinem Wege leicht die entivorfenen Plane auf. 

Um Ordnung, Stätigfeit, Weisheit in bie Geſchaͤftsbehand⸗ 
Tung zu bringen und fi gegen Ueberraſchung zu fehügen, hatte 
er beim Antritt feiner Regierung ein Cabinet aus fieben Mi- 
niftern errichtet, in welchem die allgemeinen Angelegenheiten 
verhandelt wurden; aber einzelne Mitglieder unwillig über das 
Eingreifen ihrer Collegen, entzogen fih bald der gemeinſchaft- 
lichen Bearbeitung, dem Kaifer felbft ward das Arbeiten mit , 
Einzelnen angenehm, die Kriege und Feldzüge begünftigten 
diefes Verfahren; fo fam die urfprüngliche Einrichtung außer 
Gebraug, und ward auf Napoleons Empfehlung mit einem 
Staatsrath nad Franzöfiihem Vorbilde vertauſcht, worin bie 
Gegenflände ber Gefeßgebung bearbeitet werben follten. Den 
Plan dazu hatte Speransky entworfen, mit deſſen Sturze jedoch 
auch diefe Einrichtung zu finfen ſchien. 

Speransfy war eines Pfarrers Sohn, Sänger, dann 
wegen feiner Fähigkeit vom Miniſter des Innern Grafen Kot- 
ſchubey in deffen Canzlei angeftelt. Er befaß viele Fähigkeit, 
Kenntniffe, Leichtigkeit und Kunft im Ausbrud; und gewann 
bald einen überwiegenden Einfluß auf den Kaifer, der ihm 
fein ganzes Vertrauen ſchenkte; er ward ber That nach erfter 
Minifter, Im diefer Höhe lebte er eingezogen, einfach, allein 
den Gefchäften, den Wiffenfhaften, feiner Familie, dem An- 
benfen feiner Frau, einer Engländerin die er innigft Tiebte, 
feiner breigehnfährigen Tochter. Es ſchadete ihm jeboc ein 
Hang zum Myſticismus und zur Schwärmerei; fein Verſtand 
war nicht fräftig, rein, heil; er glaubte an eine Weltverbeffer 
rung burd geheime Geſellſchaften, und gerieth durch biefen 
Bahn in Verbindung mit einem Ränkemacher Rofenfamp und 
dem befannten Titterarifchen Abentheurer Feßler. 

Der Legtere, früher Moͤnch, dann proteftantifeher Geiftlicher, 


58 


Berfaffer geſchmadloſer hiſtoriſcher Romane, bei den Erziehungs» 
anfalten in Neu-Df- Preußen thätig, gewann Speransty’s 
Vertrauen; er ward ihm durch feine Kenntniß der Deutfchen 
Sprache nöthig, indem er Lateiniſche Darftellungen des Gan- 
ges der Deutfhen Philofophie für ben Minifter bearbeitete, und 
entwarf ihm einen Plan zur Vereinigung aller geheimen Gefell- 
ſchaften und zu ihrer Benugung um die Menſchen zu veredeln. — 
Nofenfamp, ein Liefländer, welchen Speransky im Finnifchen 
Departement angeftellt hatte, ſchloß fich Beßlern an, und näherte 
ſich durch ihn dem Minifter. Sein Haus ward der Berfamm- 
Tungsplag der geheimen Logen, und biefe Fragen fanden bei 
einem Staatsmann, der in Wirklichkeit Ruſſiſcher Erſter Minifer 
war, Eingang. Wahrſcheinlich erlaubte ſich Speransty hier 
gegen einen Verräther, ber als Miteingeweihter fein Vertrauen 
erworben, Ergiegungen feiner geheimen Gedanken, und Yeuße- 
rung von Unzufriedenheit über den Kaifer, Zweifel ob je durch 
ihn etwas auszurichten feyn würde, Er war fo unvorfictig, 
felbf gegen ben Finnländer Armfeld, welder auf feine Empfeh- 
fung für die allgemeine Leitung der Finnifhen Angelegenheiten 
nad Petersburg gezogen war, und nad überwiegendem Ein- 
fluß firebte, zu äußern: „daß man Zeit und Kräfte für reinen 
Berluft als verlorenes Kapital auf den Kopf bes Kaiſers ſetze.“ 
Diefe Vorbereitungen zur Gründung einer geheimen Geſellſchaft 
erregen in Petersburg Auffehen und Mißvergnügen. Man 
äußerte laut Verdacht über deren Zwed, Der Raifer befahl 
Speransky die Sache einzuftelen, und übertrug die Unter- 
ſuchung des Geſchehenen dem Miniſter des öffentlichen Unter- 
richts Grafen Alexis Rafomofsly und dem Polizeiminifter 
Balatſcheff. Rofenfamp unter Armfelds Shug trat nun mit 
einer Denfforift gegen Speransfy auf, worin er feine Ge- 
Shäftsführung angriff. Hiergegen fonnte ſich der Beklagte durch 
die Zuftimmung des Staatsraths zu ben von ihm vorgeſchlage- 


59 


nen Finanzmaßregeln leicht vertheibigen; aber Rofenfamp, 
welder früher fhon gegen Nowoſiltzow Undanf bewiefen, ver⸗ 
rieth wahrfcpeinlih dem Kaiſer mehrere von Speransfy im 
innigften Bertrauen gemachte Aeußerungen, die ben Kaiſer aufe 
brachten und zu fehr harten Maßregeln veranlaften. Speransky 
warb in ber Nacht verhaftet, vom Kaiſer mit Vorwürfen über- 
häuft, in eine Kibitfe gefegt und in Begleitung eines Polizei- 
beamten nad Niſchnei ⸗Nowgorod in die Verbannung geſchickt. 
Der Raifer wies ihm die Stadt zum Gefängniß an, beließ ihm 
feinen Gehalt und ließ der 13fährigen Tochter feine Gnade 
anbieten; fie flehte fußfällig um die Erlaubnig ihrem Bater 
folgen zu dürfen, und erhielt fie. Der Kaifer ward durch das 
Zufammentreffen aller diefer Umftände, den Drud im väter 
lichen Haufe, die Liſt und Abſichtlichkeit feiner Umgebungen, bie 
ZTäufchungen die er in der Freundſchaft gefunden, und feine 
Kriegs Unfälle mißtrauiſch gemadt; ein großer Theil der 
Einbildungen womit er als Züngling in die Welt eintrat, war 
verfhwunden; er verſchloß fih immer mehr in fih ſelbſt, und 
firebte immer mehr Altes felbft zu verrichten. 

Jetzt als Stein ihn in Wilna fah, hatte er feinem Schwa- 
ger dem Prinzen Georg von Oldenburg ein großes Vertrauen 
geihentt. Diefer junge Für beſaß nach Steins Urteil einen 
reinen rechtlichen Character, Outmüthigfeit, mannigfaltige Kennt- 
niffe die Folge einer guten Erziehung, Arbeitfamfeit Eifer und 
Liebe zum Gemeinnügigen; aber einen hohen ſelbſt laͤcherlichen 
und Hör Täfigen Grab von Selbfizufriedenheit; er glaubte 
Diter, Feldherr, Staatsmann zu ſeyn, machte Anſpruch auf 
vollfommene Freiheit von Vorurtheilen, wie er fich oft beſtimmt 
äußerte. Seine Gemaplin fchien ihn fehr zu lieben; er zeigte 
Stein fiebenzig Briefe die fie ihm in zwei Monaten gerieben 
hatte, barunter mehrere von neun Blättern; wie es benn feine 
fruchtbarere Brieffpreiber als geifivolle Fürfinnen giebt, die 


60 


fi$ in dem Genuß freier Mittheilung für fo manden Zwang 
des Lebens zu entfhädigen willen. 

Zu der nähften Umgebung Aleranders welche Einfluß auf 
ihn fuchte und in gewiſſem Maaße befaß, gehörte der General 
Armfeld als Borfigender der Finniſchen Gefchäfte, ein reicher 
Finniſcher Gutsbefiger, der nah ber Abtretung feines Vater- 
landes ben Schwebifchen Dienſt verlaffen hatte und nad 
St. Petersburg gekommen war. Stein fepildert ihn als ges 
wandt und rührig; aber fegt er hinzu „er hat nichts ergrünbet, 
hält nichts feft; feine Anfihten find geſcheut aber nicht tief; die 
Geſchafte führt er nicht durch Ueberzeugung und Kraft, fondern 
durch Einfläffe aller Art. 

Die auswärtigen Angelegenheiten behandelte noch immer 
der Eanzler Graf Romanzoff, Steins ehemaliger biplomatifcher 
Gegner in der Unterhandlung um den Fürftenbund . Romans 
zoff hatte die Formen eines Hofmannes, feine Unterrebung war 
voll runder halbdunkler Redensarten, in einer einſchmeichelnden 
Betonung mit einem füßlichen Lächeln vorgetragen, woburd er 
zu gefallen hoffte. Wegen dieſes füßlichen gezierten Tone 
nannten ihn die jungen Franzoſen aus Caulaincourts Gefolge 
„la vieille Marquise du Marais '*” — es fehlte ihm an den 
wefentlihften Eigenfchaften eines Gefhäftsmannes, einem ge- 
funden hellen Berftande und fräftigen edeln Character, er war 
daher völlig unfähig in großen Gefahren zu rathen oder zu 
ſtaͤhlen: er warb von Niemanden, felbft nicht dem Heinften ſei⸗ 
ner Untergebenen, geachtet, vielmehr wegen Hanges zu unnatür= 
lichen Laſtern verachtet. Catharina II Hatte feine Häpigfeiten 
geringfchägend ihm nur unbedeutende Poften anvertraut, den 
eines Geſandten bei ben Rheiniſchen Churfürſten, eines Präfiz 
benten bei der Reichebanf, deffen Geſchaͤft allein in Beobachtung 
gewiffer Formen befand. Kaiſer Alerander wählte ihn 1807 
als ein geduldiges Werkzeug zur Ausführung des neuen Syſtems 


6 


von Hingebung an Frankreich, welches alle rechtliche Männer 
anefelte und von ihm verfcheuchte. Der Kaifer behielt ihn 
fpäterhin aus Gewohnheit bei, behandelte viele bedeutende 
Geſchaͤfte ohne ihn, und beruhigte den Schwebifchen Gefandten 
Grafen Löwenhielm, der Mißtrauen über den Canzler äußerte, 
mit der Verfiherung: „Sepn Sie ruhig; er wirb Ihnen nicht 
ſchaden; ich behalte ihn, weil er mir bequem if." Als er 
während Narbonne'd Anwefenheit von einem Schlaganfall 
getroffen barniederlag, warb Kotſchubey zu feinem Nachfolger 
beftimmt. Alexander äußerte diefes gegen den Franzöfifchen 
Gefandten, der es Kotſchubey hinterbrachte und an Napoleon 
berichtete; es fam in alle Zeitungen, felbft mehrere Gefandte 
richteten ihre Berichte an ben vermeinten Nachfolger. 
Romanzoff war ein großer Verehrer Napoleons. Diefer 
hatte ihn geblendet und durch ausgezeichnete Aufnahme in Paris 
1808 gewonnen; ber Eanzler hörte nicht auf, Stein wie aller 
Welt von feinen Unterrebungen mit Napoleon zu erzählen; er 
war unerföpflih in Anefdoten von „Seiner Mafefät dem 
Kaiſer,“ „Iprer Raiferlichen Hoheit der Fran Mutter” u. dergl. 
Nur durfte man nicht ein Wort davon glauben wegen feines 
eigenthänlihen Hangs zu erdichten ohne eigentlih vorfäglid 
die Unmwahrheit zu fagen. Sein ſchwacher Kopf träumte, und 
diefe Träume hielt er für wahr. Es iſt ausgemacht, daß er 
einer großen Menge Menfchen Dinge erzählte, die zwifchen ihm 
und ber Kaiferin Catharina vorgegangen feyen, vertraute Unter- 
redungen, Mittheilungen, die nach dem Zeugniß der vertraute 
fen Umgebungen ber Raiferin nie Statt hatten, weil die Kaiferin 
ihm weder achtete noch fah. Daher wußte man aud nicht was 
an ben Unterrebungen mit Napoleon war, ber ihn übrigens 
richtig würdigte und fi äußerte: Alexander verfiehe alle die- 
jenigen zu gewinnen welche er ihm Binfende, fey aber weniger 
glucklich in der Wahl feiner Miniſter; der Kanzler fei ein 


62 

Tpor '"! „Ale Anfihten Romanzoffs, fagt Stein, haben eine 
träumerifhe nebliche Richtung und Haltung; halbe Wahrheiten 
mit getrübter Sehfraft erblidt — er will immer mehr zu er 
rathen zu ahnden geben als er äußert, und er läßt feine Zu⸗ 
börer unbefriebigt, ſchwankend und unbehaglih. Er war Eng- 
land abgeneigt — wie die böfe Welt behauptete wegen fürper- 
licher Mißhandlung durch den Engliſchen Geſandten Mitchell, 
dem er bei einer Dame läſtig geworden — drückte ſchon als 
Handelsminifter die Englifhen Kauflente, nahm ein dem Eng ⸗ 
liſchen Handel feindliches Syſtem an, und war daher den Eng- 
ändern im Ganzen verhaßt. 

Seit der Webernahme feines Minifteriums hatte ſich Ruß— 
land durch zwei Kriege, gegen Schweden und gegen die Türfei, 
geſchwaͤcht. Beide mußten mit baarem Gelde zu einer Zeit 
geführt werden, als die Schliegung der Häfen und das Stoden 
des Handels den Wechſelcours niederbrüdte. Der Schwebifche 
Krieg verſchaffte Rußland eine fefte Gränze. Der Türkifhe hin- 
gegen Foftete gegen hundert Millionen Sitberrubel, 50,000 Dann 
und hatte fat gar feinen Erfolg. Sobald man in Rußland 
den Krieg mit Napoleon ahnte, drangen alle verſtaͤndigen 
Männer auf Frieden mit den Türfen, den man unter den fpäter 
erhaltenen Bedingungen Tängft hätte abfchließen fönnen. Nur 
Graf Romanzoff lebte in dem Wahne, die Fortdauer biefes 
Krieges werde den mit Napoleon verhindern, weil er Rußland 
beſchaͤftigt und ſich unfpädlih halten würde. Eine von Ro— 
manzoffs Lieblingsregeln die er oft äußerte, war „de faire 
loucher l’empereur Napoleon”, deſſen Aufmerffamfeit von einem 
Hauptgegenftande auf Nebendinge zu Ienfen, ihn zu zerfireuen. 
Als Romanzoffs Unentſchloſſenheit und Berfehrtheit den Ab⸗ 
ſchluß des Friedens noch immer verzögerte, fo übertrug ber 
Kaifer, ohne des Canzlers Zuthun, das Gefhäft mit unbeding- 
ter Vollmacht dem Admiral Tſchitſchakow, einem Mann von 


63 


fehr großer Energie und vielem Berfiande, ber aus einem 
großen Verehrer Napoleons nach einer falten Aufnahme in 
Paris ganz umgewandelt zurüdgefehrt war. Sobald Roman- 
zoff den Auftrag des Admirals erfuhr, fo fam er ihm dur 
eiligen Befehl am General Kutoſow zu fchleunigem Friedens- 
abſchluß zuvor; die Unterhandlungen nahmen einen raſcheren 
Gang, famen jedoch erft im Mai zum Ziel; die Vergröße: 
rung Rußlands bis an ben Pruth war ein trauriger mit Blut 
und Geldverfepwendung erfanfter Gewinn, welcher die Türfen 
fränfen, Defterreich beunruhigen mußte. 

Noch fhlimmer war das Verhältniß zu England, mit dem 
man fih vor allen Dingen hätte verfländigen ſollen, ſobald ein 
Bruch mit Frankreich in Ausfiht fand. Das Englische Cabinet 
fand in dem perfönlihen Character des Kaiſers fo wenig Ge— 
währ als in dem feines Minifters, und diefer dachte übeshaupt 
nicht daran fi England zu nähern, da er nod) immer an dem 
Bahn einer Ausföhnung mit Napoleon feſthielt. Wie wenig 
Romanzoff fein Gefchäft Fannte, erhellt unter anderem daraus, 
daß er als Preis des Friedens von England die Uebernahme 
der Ruſſiſch-Hollaͤndiſchen Schuld, mithin die Bezahlung 
einer ungeheuren Summe an feine und Rußlands Feinde ver- 
langte. Nicht weniger ungefchidt waren die Unterhandlungen 
mit Preußen und Deſterreich geführt worden '°, 

So fand Stein die politifche Lage Rußlands: Im Augen- 
blid der größten Gefahr, vereinzelt, ohne Freunde, ohne Zur 
trauen, ohne einen großen Fräftigen Character an der Spitze 
oder am Mittelpunfte der Geſchaͤfte, der es verflanden hätte 
neue Kräfte zu entwideln, die vorhandenen zufammenzufaflen 
und mit Nahdrud auf den einen Hauptpunft zu richten. Aber 
in biefer bebenftihen Rage hatte Alerander die Einſicht gehabt 
welher Mann ihm fehle; fein Brief an Stein war vom 


64 


27ſten März 1812, zwei Jahre darauf, am 31ſten März 1814, 
bielt er feinen Einzug in Paris. 


In der militairifhen Umgebung Aleranders fand ſich fein 
einziger General, ber mit einigem Vertrauen bie Leitung des 
Krieges Napoleon gegenüber unternehmen fonnte. Der Krieger 
minifter Barclay de Toly führte den amtlichen Oberbefehl; 
ein geborner Liefländer, eines Pfarrers Sohn; er befaß Ruhe, 
KRaltblütigfeit, Muth, Kriegserfahrung, aber es fehlte ihm an 
Ueberblid, Erhebung, Nahdrud, und bei feinem eigenen Heere, 
als Nicht- Rufen, an Anſehen. Die Befehlshaber des zweiten 
und britten Heeres, Fürſt Bagrathion und Tormaffow hingen 
nur dur leichte Fäden mit ihm zufammen. Die Fähigkeiten 
der höchften Generalftabsoffiziere hat General v. Clauſewitz, der 
damals als Freiwilliger aus Preußen berüberfam und ben 
Krieg im Hauptquartier fo wie unter Pahlen und Wittgenftein 
mitmachte, in feiner ausgezeichneten Ueberſicht des Feldzugs 
von 1812 als mittelmäßig bezeichnet. Der Generalquartier- 
meifter Muſchin verfland feine fremde Sprache, woraus fih 
der enge Kreis feiner Kenntniffe ergiebt. Barclay ward in 
feiner Wirffamfeit durch die Gegenwart des Kaifers befchränft, 
deſſen Entfheidung er bei allen wichtigen Dingen einholte; und 
der Kaiſer berieth fih dann mit feinem Bertrauten dem General 
Phull. Diefer ein Würtemberger, zuerft Duartiermeifter-Rieute« 
nant unter Friedrid dem Großen, dann während bed Franzd- 
flihen Krieges 1792, 93 und 94 beim Generalftabe angeftellt, 
hatte nad) den Unglücksfällen des Jahres 1806 den Preußifchen 
Staat verloren gegeben und 1807 Ruffifche Dienfte genommen, 
in denen er bis zum Generallieutenant geftiegen und ber mili— 
tairifche Gewiſſensdirector des Kaifers geworden war. In den 
Zahren 1810 und 1811 ertheilte er dem Kaifer Unterricht in 
der Strategie, indem er einundzwanzig Felbzüge Friedrichs des 


65 


Großen und des Marſchalls von Yuremburg mit ihm burd=- 
ging, und entwarf aud einen Plan zu dem Kriege mit Frank⸗ 
reich. Phull befaß einen kräftigen Verſtand, Tieffinn, großen 
Fleiß, und eine gründliche Kenntnig der Kriegswiſſenſchaften 
war das Ergebnig diefer Eigenfhaften. Rechtlich, ernſthaft, 
heftig, fer in ſich verfchloffen, war er der Anhänglihkeit und 
Sreundfchaft fähig. Aber er war mehr zum Denken und Er- 
finden als zum Handeln geeignet, weil er in ſich ſelbſt zurüd- 
gebogen das Talent nicht hatte, Menfchen an ſich zu ziehen, und die 
Mittelmäßigfeit der er unverftändfih war, durch Stillſchweigen 
oder Spott beleidigte und bemüthigte. Der Kaiſer vertraute 
auf ihn und befolgte die erfien Elemente feines Planes. 

Phull fagte vorher, Napoleon werde fuhen bei Kauen 
den Niemen zu überfchreiten, um ſich auf den rechten Ruſſiſchen 
Blügel zu werfen, das Heer von feinen Verbindungen mit dem 
Herzen des Reihe, Moskau und Petersburg abzudrängen, es 
unter nachtheiligen Umftänden zu einer Schlacht zu nöthigen, 
bie es bei ungünftigem Ausfall von feinen Hülfsquellen hin- 
wegwerfen werde; er rieth alfo alle großen Schlachten zu ver⸗ 
meiden, oder nur in einem rüdwärtsgelegenen fehr feften Lager 
anzunehmen, das feindliche Heer durch die ihm hier bereiteten 
Hinderniffe, ſelbſt im Fall des Sieges durch ſchwierige Maͤrſche, 
Mangel an Verpflegung, allmälig aufzureiben, während ſich 
das Ruſſiſche Heer durch Heranziehung feiner Reſerven ver- 
Härfe und zum Angriffsfriege immer geſchickter made. Als 
Mittel zur Ausführung dieſes Planes wurden Riga, Dünaburg, 
Boriſſow befeſtigt, und als Rüdzugspunft ein großes verſchanz⸗ 
tes Lager bei Driffa an der Düna angelegt. 

Der Raifer fon feit 1809 durch den Oberft v. Wolzogen 
mit den richtigen Grundfägen ber Kriegführung befannt ge= 
madt!*, legte diefen Plan zu Wilna vor. Mehrere Generale 
wmiberfprachen, und wollten gleich dort eine Schlacht liefern; 

Stein’s Leben. Ul. 2te Aufl, 5 


66 


Bennigfen mißvergnügt dag er nicht den Dberbefehl hatte, 
eiferfüchtig auf Phull, eitel, ränfevofl, verbreitete Mißver⸗ 
gnügen, machte Einwürfe, gab aber feinen beftimmten Plan, 
verwidelte fi in Widerfpräde; ihm fehrieen viele nad) aus 
Widerſpruchsgeiſt, Verkehrtheit, Abſichtlichleit. General v. Arme 
feld machte gleichfalls Plane, er wollte das Heer bei Slonim 
verfchanzen, wo ed von Napoleon ohne Hinderniffe umgangen 
und von dem Hauptrüdzugspunfte abgeſchnitten worden wäre. 
Alle einfihtsvolle Soldaten dagegen, auch der Prinz Georg 
von Dibenburg, hielten an Phulls Plane feſt, und man beſchloß 
danach zu handeln. Denn es war Har, daß das große Miß- 
verhaͤltniß der beiderfeitigen Streitkräfte nur dann zum Vor⸗ 
theil der Ruſſen ausgeglichen werden fonnte, wenn es ihnen 
gelang die feindlichen Maffen durch Verlängerung und Aus— 
dehnung des Krieges aufzureiben. Diefe Anfiht war von 
Scharnhorſt ausgegangen: Napoleon müffe an ber großen 
Ausdehnung des Ruffiihen Reiches zu Grunde gehen, durch 
befändige Verluſte bei Iangwierigen Märfchen und mangelnder 
Berpflegung von feinen Hülfequellen entfernt, fih allmälig er⸗ 
ſchoͤpfen, und dann unterliegen. 

Indeſſen war das dreifache Uebergewicht womit die Fran- 
zofen den Krieg begannen, ſelbſt den Ruſſen unerwartet, und 
Phulls Plan demnach in einem viel Heineren Maßſtabe ange- 
legt ald die Umflände erforderten; er taugte daher nur zum 
Ausgangspunfte, den die Bewegungen der Heere fpäterhin weit 
überfhritten. Ein zweiter großer Mangel Tag in Phulls Per- 
fönligpfeit. Er lebte in feiner Iveenwelt und war nach Clauſe— 
witz's perfönliher Erfahrung unfähig in ſchwierigen Lagen zu 
handeln. Bei einem durchaus edeln Gemüthe war er reizbar, 
hypochondriſch; fein Vortrag abfract, ſyſtematiſch, für Menſchen 
die nicht an's Denfen gewöhnt find unverfländfih, er ward 
leicht ſtörrig, unfät, es fehlte ipm an durchgreiſender Kraft, er 


67 


befaß weder eine unmittelbar befehlende Stellung an der Spige 
des Heeres, noch war er deren fähig, ohne Kenntniß der 
Ruſſiſchen Sprache, ohne perfönliches Vertrauen bei den Füh- 
tern; mithin mußte fein Plan in der Ausführung unerwartete 
Hinderniffe finden, Vieles unvollfommen, ſchwankend, unſicher, 
langſam erfolgen, wie benn fon bie Aufftellung des Heeres 
in fehr ausgedehnten Schlachtlinien flatt in Rüdzugscolonnen 
die vorhabenden Bewegungen erfhwerte, und die Anhäufung 
der Magazine in Wilna, vieleicht abfihtlih von den Verwal ⸗ 
tungsbeamten verfügt, deren fofortige Verbrennung zur Folge 
hatte; eine große Zahl Feiner Adlicher, die man hätte waffnen 
unb nad der Perfifhen Grenze ſchichen können, warb zurüd- 
gelaffen und ſchloß ſich den Franzoſen an. 

Dabei hegte Alerander noch immer Friedenshoffnungen. 
Napoleon hatte an ihn den Grafen Narbonne als politis 
ſchen Unterhändfer und militairifgen Kundſchafter abgeſchickt, 
Alexander diefen mit Vertrauen behandelt. Romanzoff äußerte, 
das Zahnen des Könige von Rom werde den Kaifer Napoleon 
von Dresten nah Paris zurückrufen; fo täufchte man fih in 
der Nähe der größten Gefahr. 


In alle diefe Berhäftniffe theils durch den Kaifer theils 
Durch feine naächſten Umgebungen eingeweiht, wendete Stein 
feine Thätigfeit auf eine Seite, von welcher wenn aud nicht 
fofort, doch bei dem fpäteren Verlauf des Krieges, eine große 
Wirkung zu erwarten war. Am 18ten Zunius übergab er dem 
Kaifer eine Denkſchrift, worin er die unglüdlihe Lage Deutih- 
lands bdarlegte und darauf Vorfhläge gründete, um die Deut- 
ſchen Truppen für die gerechte Sache zu getwinnen, den Feinden 
in Deutſchland Hindernifle zu fhaffen, und das Voll für einen 
offenen Widerſtand vorzubereiten: 

- 5* 


68 


Denffhrift 

„Wilna den 18ten Junius n. St. 1812, Da Alles 
den Ausbruch des Krieges anfündigt, fo ift es nöthig die Mög- 
lichkeit zu unterfuchen, die Kräfte Deutſchlands zu Gunften 
Rußlands und feiner Verbündeten wirffam zu machen; fie 
leben jegt zur Verfügung Napoleons, und es fommt darauf 
an Mittel zu finden um fie aufzulöfen oder gegen ihn zu ridh- 
ten indem man die Meinungen fo weit erhebt, daß fie ſich 
offen gegen ihn ansſprechen. 

Die Stimmung der Deutfchen Bevölkerung ift gegen bie 
jeßige Ordnung ber Dinge und gegen deren Urheber erbittert; 
fie fieht ihre Unabhängigkeit, ihr Blut, ihr Vermögen dem 
Vortheil der Fürften geopfert, welche fie verrathen haben um 
ein augenblickliches Dafeyn zu friften; fie wird durch fremde 
Horden unterbrüdt, gequält und beleidigt, fie wird gezwungen 
gegen Völker zu fämpfen die theils ihre natürlichen Berbün- 
beten theils in feiner feindlihen Beziehung zu ihr find; alle 
Einrichtungen, alle alten Gebräuche find vernichtet, und es bleibt 
feine Spur des Glüdes übrig, welches diefe zahlreihe und 
gebildete Nation vor zwanzig Jahren genoß. Der Abel fieht 
ſich feiner Vorrechte und der glänzenden Stellungen beraubt 
welde die Kirche und die Ritterorden ihm darboten, er ſieht 
ſich der Gonfeription unterworfen mit einer Härte wie nicht 
einmal in Frankreich; der Landmann wird durch Steuern 
und Ginquartierungen erdrüdt, jeder Handelszweig iſt ver⸗ 
nichtet oder in Schleihhandel verkehrt, die Babrif- Werfflätten 
oden in Folge des ausfhweifenden Continentalſyſtems, welches 
die Bande zerreißt, bie man feit brei Jahrhunderten mit America 
anzufnüpfen gearbeitet hat. Dan betrachtete bisher biefen 
Welttheil als einen der wirkſamſten Beförberer der Bildung, 
welchem man eine fortfcpreitende Zunahme der Zahlungsmittel 


69 


und eine Vervielfältigung der Gegenfände des Tauſches und 
Genuffes verdanfte; aber ein von Ehrgeiz geblendeter Mann 
unterftügt durch die Feigheit der Fürften welche er unterbrüdt, 
zerreißt dieſe Verhältniſſe, macht Europa arm und führt es 
der Barbarei zu. Durch diefe gewaltfame Drbnung der Dinge 
Teidet vorzügfih Deutſchland, defien gewerblihe Erzeugniffe 
großentheils in America verbraucht wurden, und biefe Duelle 
des Nationalreichthums iſt jegt völlig verſtopft. 

Eine unrupige tyranniſche mißtrauiſche Polizei überwacht 
die öffentliche Meinung; Ritteratur, Briefwechſel, öffentliche 
Lehrftühle, Alles ift ihr unterworfen; das gefellige Zutrauen, 
alle Bande der Freundfchaft werben zerriffen, erfhwert, und in 
diefem weiten Lande fieht man nichts als Unglüdtie die ihre 
Feſſeln ſchütteln und einige Elende die darauf ſtolz find. 

Ein folder Zufand der Dinge, der nur auf einer Gewalt 
beruhet welche alle Willen alle Deinungen zufammendrädt, 
Tann nur fo lange als bie Thätigfeit biefer eifernen Hand 
dauern; und jedesmal daß fi eine Ausſicht auf Erleichterung 
eröffnete, fah man die Menſchen fih bewegen um ihre Ketten 
wo mögli zu brechen. 

Diefes wird eben fo ſeyn und if es in der jegigen Zeit, 
da man einen großen Kampf wieder beginnen und eine Stüge 
für die Unglädlihen darbieten fieht, welche einen Wechfel ver- 
Tangen; man fann biefe Stimmung der Gemüther benugen um 
der Unterdrädung allmälig Hinderniffe zu fhaffen und in 
der Folge einen geraden und offenen Widerftand gegen 
fie aufzureizen. 

Man fann diefe Stimmung der Gemüther verftärfen und 
erhöhen, wenn man in Deutfchland Schriften verbreitet, die 
ein treffendes Gemälde der unheilvollen und herabwürbigenden 
Tage dieſes Landes barbieten. Der 2te Theil des „Geiſt der 
Zeit" von Arndt if mit einer großen Kraft und einer er— 


70 


fehredenden Wahrheit gefchrieben; in Schweden gebrudt hat er 
nicht in Deutſchland eindringen fönnen; man müßte einen 
neuen Abdrud veranftalten und ihn auf dem Wege des Schleich 
bandels auf der Galiziſchen Gränze Herrn Gruner in Prag 
zuſchicken, damit er das Buch in Deutſchland in Umlauf fege, 
und Heren Arndt hieherziehen um ihn bei der Abfaffung ber 
Flugſchriften zu gebrauchen, welche man in Deutſchland ver- 
breiten Tieße. 

Auch verdiente das vortrefflihe Werk von Fabre über das 
Innere von Frankreich ins Deutfche überfegt und in Deutfchland 
vertheilt zu werben. 

Bei einer fo leſeluſtigen Nation bilden die Schriftfieller 
eine Art Macht dur ihren Einfluß auf die Öffentliche Mei- 
nung; es wird nüglih feyn, fih fie durch Auszeichnungen 
irgend einer Art, academiſche Ehren, Orden u. dergl. zu ver— 
binden. Die Herren Schleiermacher in Berlin, Steffens und 
Bredow in Breslau, Heeren in Göttingen, Luden in Jena find 
unter den Gelehrten ausgezeichnet. 

Sobald der Krieg ausbrechen follte, wird Deutſchland ohne 
allen Zweifel mit prablerifhen und Tügenhaften Bülletins und 
Proclamationen überfpwemmt werden. Dan muß ihnen eine 
in Deutſchland heimlich gebrudte Zeitung entgegenfegen. Herr 
Gruner hat Alles für den Drud vorbereitet, aber es if er- 
forderlich ihm für den Augenblid die Mittel zur Ausführung 
und für die Kolge die nöthigen Nachrichten zu liefern. Die 
Schwierigfeit wird feyn mit ihm in Verbindung zu bleiben; 
aber man fönnte meines Erachtens fih der Scleihhändfer 
bedienen, und die Thätigfeit womit fie bie Handelsordnungen 
umgehen, zum Einbringen der von ben Nachbarftanten verbote- 
nen Bücher und Nachrichten benugen; ein einfihtsvoller Beamte 
der Ruffifhen Zoliverwaltung an der Galiziſchen Gränze würde, 
glaube ich, dieſe Sache zu Stande bringen. 


71 


Waͤhrend man durch dieſe Mittel die Aufregung der Ge— 
mũther unterhalten wird, fann man ſich ſogleich damit beſchäf- 
tigen die Unternehmungen des Feindes zu erſchweren. 

Eins der wirkſamſten Mittel dazu wird die Aufhebung der 
Eouriere feyn, welche nad Frankreich gehen oder die Berbin- 
dungen der Heere unterhalten. Die Heerfiraßen in ber Rich- 
tung von dem Kriegsfhauplage nah Frankreich erleichtern die 
Ausführung dieſes Planes; fie führen in Wefpreußen durch 
die Tucheler Haide, weldhe fih an bie Haiden der Neumark 
fließt ; in Deutfepland nahe bei Eifenady durch den Thüringer- 
wald, jenfeits Würzburg durch den Speffart; man fönnte be- 
waffnete Haufen von 12 bis 15 Mann bilden, welche bie von 
der Armee kommenden Couriere auffingen, und fih nad Aus: 
führung eines Streichs zerfireuen müßten um fi nachher von 
Neuem zu vereinigen. — Die Eouriere zwiſchen den verfhie- 
denen Heeren aufjufangen, if die Aufgabe der leichten Trup- 
pen. — Man müßte Herrn Gruner fogleih in Stand fegen 
die Perfonen zu gebrauchen, mit denen er ſchon vorläufige 
Berabredung getroffen hat. J 

Ein zweites Mittel um die Unternehmungen des Feindes zu 
hemmen, iſt die allmälige Verführung und Auflöſung der frem⸗ 
den Truppen, befonders der Weſtphaͤlinger, Tyroler und Illyrier. 

Dan fönnte diefe verſchiedenen Truppencorps durch Unter- 
händler aus ihren Landsleuten bearbeiten; die Deutſchen durch 
vertraute Offiziere, die Tyroler durch einige ihrer jegt in Wien 
lebenden Führer, befonders einen gewiſſen Speckenbach, [Sped- 
bacher] den nächſten nad dem tapfern Hofer, endlich bie 
Croaten durch Griechiſche oder Serbifhe Mönde. 

Man würde fie durch Proclamationen zur Auswanderung 
einladen, um fih unter die Bahnen Eurer Raiferlihen Majeſtät 
zu vereinigen und ihr Vaterland von der ſchimpflichen Knecht- 
ſchaft zu befreien, worin es fi findet; man verfpräde ihnen: 


72 


1) fie in Eorps unter Anführung von Offizieren ihrer 
Nation zu vereinigen; 

2) bei glüdlihem Erfolge die Rüdtehr in ipr Vaterland; 
in dem Fall dag die Erwartung getäuſcht würde, bie Bildung 
in Militair- Colonien auf den Fuß der Gränztruppen, einer 
vollfommenen Einrichtung , da fie den verfchiedenen Arten Den- 
fen ihre eigenthümliche Bildung bewahrt, die fie durch Ber- 
mifhung mit der großen Maſſe der Nation verlieren würden, 
da fie militairifchen Geift und Zucht erhält und dem Staate 
mit wenig Koſten eine tapfere und treue Miliz verfchafft, gleich 
den Rofafen in Rußland, den Gränztruppen in Defterreidh ıc. 

An die Spige diefer neuen Bildungen würde man Männer 
ftellen die in Deutſchland gefannt und geachtet find, ben Her- 
308 von Oldenburg, von Braunfchweig; fie würden fih mit 
den auegezeichnetften Offizieren, Dberft Gneifenau, Chazot u. a. 
umgeben. 

Zu Sammelplägen würden die Städte im Bereich ber 
Standorte der Deutſchen Truppen gewählt, Kiew und Riga; an 
jedem derfelben Deutfhe Offiziere mit dem Sammeln, der Bil- 
dung, Bewaffnung beauftragt. Kiew wird vorgefchlagen, weil 
ein großer Theil der Deutfchen Truppen fih dem Heere bes 
Generals Tormaffow gegenüber findet, dem ein oder zwei Deutfche 
Dffiziere für die Leitung der Maaßregeln um auf diefe Trup- 
pen zu wirfen beigegeben würden. 

Diefe Maaßregeln würden eine große Zapf tapferer Leute 
berbeiziehen, vwiber die Zurüdbleibenden Mißtrauen erregen 
und ihre Thatkraft Tähmen — aber man wird ihnen noch mehr 
Ausdehnung geben können wenn man Finverftändniffe in Col— 
berg und Danzig unterhält; die Fäden der erflern find in ben 
Händen des Herrn v. G.; um folde in der Tegteren anzu— 
fnüpfen, giebt es mehr als ein Mittel. 

Es muß ſich zu Danzig eine zablreihe Claſſe Einwohner 


73 


finden bie burd den Schluß bes Hafens, bie Kriegserpreffungen 
zu Grunde gerichtet, den Englifhen Intereffen ergeben find, 
ba die Stadt ihren Wohlſtand der Verbindung mit Großbrit⸗ 
tanien verdankt; die Englifhen Handelshäufer haben ohne 
Zweifel mit diefer Claſſe Verbindungen erhalten; vielleicht könnte 
man mittelft ihrer eine Volfsbewegung hervorrufen, wenn man 
im Stande wäre dieſe durch eine Flotte und eine Landung zu 
unterflägen. 

Es leidet feinen Zweifel, daß es fehr viel unzufriebene 
unter den Franzoſiſchen höheren Offizieren giebt; wir fahen den 
General Sarrazin nad England übergehen; es iſt gewiß daß 
Soult nah der Schlaht von Aspern mit ben Engländern 
unterhandelt hat, daß Defolles ehemaliger Chef des General- 
ſtabes des Moreau’fhen Heeres, gegenwärtig Befehlshaber 
zwifchen Oder und Weichfel, im Jahr 1807 verfucht hat den 
Marſchall Lannes von Napoleon zu trennen; follte es nicht 
thunlich feyn durch den Kronpringen von Schweben biefen Mann 
zu verfuchen, der alle Unternehmungen auf biefen bedeutenden 
Landestheil begünftigen fönnte? 

Man muß feinen offenen Widerfland und feinen Aufftand 
hervorrufen, ehe der Krieg fey es durch Siege oder durch einen 
hartnädigen die Kräfte Napoleons zerflörenden Widerftand 
einen Character befommen hat, und man in ber Rage if die- 
ſelben durch ein verfügbares Heer von verbündeten ober ge= 
mifchten Truppen zu unterflügen; bann kann man fich gleichfalls 
über den Ausfiffungspunft in Pommern oder anderwärts 
entfcheiben. 

Die Anwendung aller angezeigten Mittel um auf die 
Öffentlihe Meinung, die Deutfhen Truppen u. a. einzuwirfen, 
erheifcht eine fortgefeßte bebarrliche und durch Kennmiß ber 
Menſchen und Sachen aufgeflärte Thätigfeit, und es würde 


74 


nothwendig feyn, fie einem eigens dazu ernannten Committee 
anzuvertrauen. 

Diefe Denkfeprift über die Möglihfeit die Kräfte Deutſch⸗ 
lands zu Gunſten Rußlands wirkſam zu machen, enthält nur 
Umriffe, welche man mit mehr Schärfe ausführen muß, falls 
S. M. der Kaiſer fie Seiner Aufmerkfamfeit würdig hält.“ 


Der Raifer antwortete an demfelben Tage: 

„Ich babe Ihre Denlſchrift mit der größten Aufmerffam- 
keit gelefen, id habe darin das Genie erfannt, welches Eie 
ſtets auszeichnete. Die gute Sache hat unendlih gewonnen, 
da fie Sie zum Mitarbeiter befigt. Jetzt wie Sie fehr wohl 
bemerken, fommt es darauf an, die Ausführung Alles deſſen 
was Ihre Denlſchrift enthält zu veranfalten, und Sie werben 
mir einen wahren Dienſt erzeigen, wenn Sie fi ſogleich damit 
beſchaͤftigen; ich meinerfeitd werde verfuhen, Ihnen alle Er- 
leichterung zu gewähren bie in meiner Gewalt if. In unferer 
erſten Zufammenfunft wollen wir bie bringendfien Maaßregeln 
feſtſetzen. Ganz der Ihrige.“ Den 6ten Junius. 


Stein entwidelte feine Anfihten weiter: 


P 20fen 
Wilna den Gin 





Junius 1812, 


Sire! 

Eure Kaiſerliche Majeftät hat mir befohlen Ihnen die 
vorläufigen Mittel zur Ausführung der verfhiebenen in ber 
Denkſchrift vom nu d. enthaltenen Punfte vorzulegen, und 
Sie wird mir gnäbig erlauben, Ihr die folgende Aufzählung 
zu maden. 

1. Man muß die Perfonen wählen und ernennen, welde 
den Mittelpunkt bilden follen von dem die Leitang der Mittel 


um auf Deutſchland zu wirken ausgeht. 


75 


1. Herrn Gruner geheime Inftructionen und Gelbmittel 
geben, und 

a) ihn benollmächtigen, fihere Leute an die bezeichneten 
Puncte zu ſchicken, um bie bewaffneten Haufen zu bilden, welde 
übrigens erſt dann handeln werden wenn ber Krieg begonnen 
hat. Gruner befigt Agenten bie in Thätigfeit gefegt zu werden 
erwarten, und die den Stoff für ihre Maaßregeln unter dieſer 
Menge unzufriedener Preußiſcher Heſſiſcher Hannoverfher Sol- 
daten finden werben. 

b) er muß durch feine Agenten Berbindungen mit den 
Anführern der Schleihhändfer an der Böhmifhen Gränze an- 
fnüpfen, um die Drudforiften an feine Bertheiler in Deutſch⸗ 
land gelangen zu Taffen. 

©) er muß insgeheim eine wohlfeile Ausgabe des 2ten Theile 
des Geiſt der Zeit veranftalten, oder man könnte das hier in 
Dorpat thun. Herr Fabre wäre aufzufordern fein Werf über 
das Innere von Franfreih zu vollenden und davon, fo wie 
von allen denen welche die verberblichen Folgen der Maafregeln 
Napoleons ins Licht fegen z. B. von Sir Francis b’Ivernoig, 
Deutſche Ueberfegung zu beforgen. 

d) er muß die Einrichtungen zum Drud der Kriegsbülleting 
treffen, für welche man ihm von hier aus den Stoff liefert. 

Man würde Herrn Gruner Eingangs» und Poftpäffe für 
Heren Arndt ſenden; biefen hätte er ald Kaufmann oder auf 
eine andere Weiſe durch Galizien hieher zu befördern. 

Es würde äußerſt nüglich ſeyn Heren v. Dubril in Deutfch- 
Iand zurüdzupalten; fey es zu Berlin oder unter dem Bor- 
wande feiner Geſundheit zu Töplig, fo Tange der Play haltbar 
bleibt; er if ein fehr feiner, fehr einſichtiger und fehr arbeit= 
famer Mann. 

IH. Der "Minifter des öffentlichen Unterrichts würde für 
bie genannten Gelehrten Mıßzeichnungen vorſchlagen; um ben 


76 


Grund der Wahl zu verbeden, könnte man andere nur durch 
ihre wiffenfhaftlihen Eigenſchaften ausgezeichnete in Rüdficht 
der ‚politifchen Gefinnungen gleihgüftige hinzufügen z. B. den 
großen Philologen Wolf in Berlin, Goethe, Wieland, felbft 
einen Prager Gelehrten, den bekannten ausgezeichneten Mathe- 
matifer Herrn v. Gerfiner. 

Für die Entwicklung der Mittel um auf die feindlichen 
Truppen zu wirfen ift es nöthig: 

1) fih über die Wahl bes Befehlshabers der auswan- 
dernden Militairs auszufprehen und ihm verdiente höhere 
Offiziere wie Heren v. Oneifenau, v. Chazot u. a. beizugeben. 

2) jedem Heereötheile welcher den Deutfchen Truppen 
gegenüberfteht einen Offizier beiguorbnen, ber beauftragt wird 
die Mittel der Einwirkung zu leiten, den Unterhalt, bie Weiter- 
funft, den Marſch der anfommenden bis zu den Depots zu 
beforgen. . 

3) die Orte zu beflimmen, wohin jeder Heerestheil bie 
ihm zufommenden Auswanderer fenden follte, 

4) fofort einen Aufruf zu erlaflen, der mit Würde und 
Einfacppeit geſchrieben, den feften Willen Sr. Mafeftät des 
Kaifers Deutſchland zu befreien anfündigt, Der Kaifer würbe 
alle Woplgefinnten einladen fih unter Seinen Fahnen zu ver⸗ 
einigen, ihnen einen angemefjenen Sold, Bildung in befondere 
Corps unter Befehl ihrer Offiziere, und die Rüdfehr ind Bater- 
land verſprechen, im Kal des Unglüds hingegen würde ber 
Kaifer ipnen eine Freiftatt in dem ſchoͤnen Clima des füdlichen 
Rußlands anbieten, wo fie nad Deutſchen Gebräuchen ange: 
fiebelt werben follten. 

Diefen Aufruf würde man den auf den Vorpoſten befeh- 
ligenden Generalen zufenden, um ihn unter den Einwohnern 
der Gränzen unb ber geräumten Lanbestheile fo wie auch an 
Ausgefandte zu vertheilen, die ihn im Auftrage ber geheimen 


77 


Polizei unter den Truppen in Umlauf fegten, und von ihnen 
die Mittel zu enttommen erfahren würden. 

Dan würde mit Spedenbah und den übrigen Anführern 
der Tyroler unterhandeln, um fie hieher zu ziehen und durch 
fie ihre Landsleute zu bearbeiten. 

Die Unterhandlungen mit ben Croaten würden durch den 
Ruſſiſchen General gehen der ihnen gegenüber commandirt, da 
er durch die Gleichheit der Religion und Sprache begünftigt 
wird — aud ihnen fönnte man ald Beweggrund zur Auswan- 
derung die Hoffnung geben, ihr Vaterland zu befreien und 
dahin zurädzufehren. 

Dur den Graf Löwenhielm würden an ben Kronprinzen 
von Schweden die Eröffnungen in Beziehung auf die Mittel 
Franzoͤſiſche Generale zu gewinnen gehen fönnen. 

Die angezeigten Maaßregeln find nur vorbereitend; die 
Begebenheiten und bie Erfahrung werden die erforderlichen 
Aenderungen anzeigen; aber es bedarf eines Anfangs und eines 
erfien Anſtoßes — möge der Erfolg den ehrfurchtsvollen Wün- 
ſchen entfprechen, welche ih für E. K. M. Ruhm und Wohl: 
ergehen hege. 

Stein." 


Der Raifer genehmigte dieſe Vorfcläge in allen ihren 
Theilen. Er errichtete ein Deutſches Committee, welches un- 
mittelbar unter ihm die Einwirkung auf Deutfchland und bie 
Deutſchen Truppen beforgen follte, und ernannte zu deſſen Mit- 
gliedern feinen Schwager den Prinzen Georg für die militai- 
riſchen Geſchaͤfte, Geheimerath Kotſchubey für die Finanzen, 
und Stein, denen auf ihren Antrag bald nachher auch der aus 
Berlin ins Hauptquartier zurüdfehrende Geſandie General Graf 
Lieven für die Militair» Angelegenheiten beigegeben ward, Der 
Gefhäftsgang ward auf Steins Vorſchlag möglich einfach 


78 


angelegt: jedes Mitglied bearbeitete und leitete bie ihm über- 
tragenen Sachen im Einzelnen, und berichtete an das Committee 
nur über wichtige Angelegenheiten und über die Erfolge. Die 
Seele des Ganzen war Stein, er gab den Anfoß und bie 
Richtung, ſchlug die durchgreifenden Maßregeln vor, und unter- 
hielt eigenhändig den Briefwechſel mit Prag und London, bei 
dem bie wichtigften Gegenftände auf dem Spiele flanden. Die 
Mitglieder des Committee hatten jeder freien Zutritt zum Kaifer*", 

Der Kaifer genehmigte einen Aufruf an die Deutfhen 
Truppen, welder von Stein entworfen, vom Kaifer gemildert, 
in zehntaufend Eremplaren gebrudt und vom Hauptquartier 
aus durch die commanbdirenden Generale, den Hettman Platow, 
die Borpoften, geheime Unterhändfer, Schmuggler, Juden, 
Polizeibeamte u. bergl. zur Kenntniß ber gegenüberflehenden 
Deutſchen Truppen gebracht warb *': 


„Aufruf an die Deutfhe fih unter den Fahnen des 
Baterlandes und ber Ehre zu famlen. 
Teutſche! 

Warum bekriegt ihr Rußland, dringt über feine Grenzen, 
behandelt feindlich feine Voller die feit mehreren Menfchenaltern 
mit Euch in freundfchaftlihen Berhältnifien fanden, taufende 
Eurer Landsleute in ihre Mitte aufnahmen, ihren Talenten 
Belohnung ihrem Erwerbfleig Befchäftigung anwiefen? Was 
verleitet Euch zu diefem ungerechten Angriff; er fann nur ver- 
derblich für Euch feyn, und wird fi mit dem Tode von Hun- 
derttaufenden, oder mit Eurer gänzlichen Unterjochung endigen? 

Doch diefer Angriff iſt nicht die Folge Eures freyen ſelbſt⸗ 
gefaßten Entſchluſſes, Euer gefunder Berftand, Euer Gefühl für 
Rechtlichkeit verbuͤrgt mir biefes, Ihr ſeyd die ungläflihe 
Werkzeuge der fremden Herrſchſucht, die unabläffig trachtet, die 
Unterjohung des unglüflihen Europa's zu vollenden. 


79 


Teutſche! 

unglũkliche ſchmachvolle Werkzeuge zur Erreichung ehrgeitziger 
Zwede, ermannt und erhebt euch, bedenkt dag Ihr ſeit Jahr- 
bunderten in ber Geſchichte die Stelle eines großen in den 
Künften des Kriegs und bes Friedens ſich auszeichnenden Bolfe, 
einnehmt, Ternet aus dem Beifpiel der Spanier und Portugiefen, 
daß der fefte fräftige Wille eines Volls, den Angriff und die 
Unterbrüfung der fremden zu vereiteln vermag — Ihr feyb 
unterdrüft aber noch nicht erniedrigt und entartet; Ver— 
gaßen gleih viele aus Euren oberen Ständen ihre Pflichten 
gegen bad Vaterland, fo iR doc die große Mehrheit Eures 
Bolks bieder, tapfer, des Drufs der Fremdlinge überbrüßig, 
Gott und dem Vaterland treu. 

Ihr, die ber Eroberer auf die Gränzen Rußlands ge— 
trieben, verlaßt alfo die Fahnen der Knechtſchafft, famlet 
Euch unter denen des Baterlandes, der Freiheit, der National! 
Ehre, die unter dem Schutz Sr. Majeſtät des Kayſers 
meines Allergnaͤdigſten Herrn errichtet werden, Er verfpricht 
Euch den Beyftand aller tapferen Rußiſchen Männer aus einer 
Bevölkerung von 50 Millionen feiner Unterthanen, die den 
Kampf für Unabhängigfeit und Nationalehre bis zum letzten 
Othemzug zu beftehen entfchloffen find. 

Des Kayfers Aleranders Majefät hat mir ben 
Auftrag zu ertheilen geruht allen auswandernden braven deut⸗ 
ſchen Dffiziers und Soldaten die Anfellung in ber beut- 
Then Legion anzubieten. 

Sie wird befehligt werden von einem der Kürften Deutfch- 
lands der feine Anhänglicfeit an die Sache des Vaterlandes 
durch Thaten und Aufopferungen bewährt hat, und die Wie— 
dereroberung ber Freyheit Deutfhlands ift ihre erfte Be— 
ſtimmung. 

Wird der große Zwek erreicht, fo ertheilt dad dankbare 


80 


Vaterland glaͤnzende Belohnungen feinen treuen heldenmüthigen 
Söhnen, die ed von feinem Untergang gerettet, 

IA der Erfolg nicht ganz glüklich, fo verfihert hiedurch 
mein Allergnädigfter Kayſer dieſen braven Männern Wohnfige 
und eine Freyflätte unter dem fehönen Himmelsſtrich des füb- 
lien Rußlands an. 

Teutfhe wählt! 
folgt dem Rufe bes Vaterlands der Ehre, und ge— 
nießt die Belohnung Eures Muths und Eurer Aufopferungen — 
oder beugt Eu ferner unter das Jod der Unter- 
drüfung das auf Euch laſtet, und Ihr werdet untergehen in 
Schande, Elend und Erniebrigung, der Spott des Aus— 
Iands der Fluch Eurer Nachfommen. 

Auf Allerhöchſten Befehl Sr. Rayferliden Majeftät 
des Rayfers von Rußland. 

Der Oberfeldherr des Rußiſchen Heers 
Barclay de Tolly.“ 


Das Driginal des Entwurfes von Steins Hand, mit den 
Bleifift- Abänderungen des Kaiſers im Franzoͤſiſchen Terxte 
unterſcheidet fih davon nicht nur in ber Form, ald vom Kaifer 
ſelbſt ausgehend, fondern aud durch die urfprünglich größere 
Kraft und Wahrheit, es wird daher gleichfalls unten mitger 
theilt werben. 

Diejenigen Deutfchen, bei welchen man mit Wahrſcheinlich- 
keit zunächſt auf einen Erfolg diefes Aufrufe rechnen zu dür⸗ 
fen glaubte, waren die Preußifhen Truppen. Sie bildeten 
20000 Mann ftarf den äußerfien Tinfen Flügel des großen 
Franzoͤſiſchen Heeres, und fanden nebf 15000 Franzoſen unter 
dem Dberbefehl des Marfhalls Macdonald. Ihr Führer war 
der alte General Grawert, ein unterrichteter aber feines außer- 
ordentlichen Schritte fähiger Mann, den fi die Franzoſen felbft 


81 


ausgebeten hatten. Ihm war durch Scharnhorſts Einfluß der 
Generallieutenant v. York als zweiter Befehlshaber zur Seite 
gefegt, ein** ausgezeichneter Soldat, unterrichtet, tapfer, von 
ſchnellem Ueberblick, Fühner Entfhlüffe fähig, unzufrieden, ehr= 
geizig, heftiger Srangofenfeind, dabei ſchlau, gewandt, verftellt. 
Die untergeordneten Befehlöhaber waren die Generallieutenants 
v. Kleift und v. Maſſenbach, der Generalmajor v. Corswandt, 
brave und ben Franzofen abgeneigte Soldaten. Unter den Trup⸗ 
pen glaubte man auf drei Regimenter Fußvolk, Oſtpreußen, 
Pommern und Leibregiment, fodann auf das Leibhufaren- und 
ein Litthauiſch⸗Weſtpreußiſches Dragoner » Regiment mit Be— 
ſtimmtheit rechnen zu fönnen; fie waren von tiefeingewurzeltem 
Haſſe gegen Sranfreih befeelt, und theilten mit dem ganzen 
Preußiſchen Heere den lebhaften Widerwillen für ihre Unter- 
drüder zu fechten. Der Kaifer fandte den aus Preußiſchem 
Dienft herübergefommenen Major v. d. Golg ab, um auf fü 
zu wirfen; biefer reiſſte nach Riga, berichtete am 23ften Junius 
an Stein, baß er fih den Truppen gegenüber befinde, mit si 
Schwadronen Unterhandlungen angefnüpft habe, und den Be— 
fehlspaber der Englifhen Schiffe zur Unterhaltung von Ber- 
bindungen mit Pommern und Oftpreußen, alfo im Rüden des 
Zeindes, zu beftiimagn hoffe. Diefe Sendung hatte zwar nicht 
unmittelbar den gehofften großen Erfolg, indeſſen warb dadurch 
fowie durch die gedrudten Aufrufe dahin gewirkt, die richtige 
Anſicht über ihre Stellung in dieſem Kampfe bei den Truppen 
zu nähren und zu befräftigen. Ruffen und Preußen betrachteten 
und behandelten einander eigentlich nicht als Feinde; als York 
nad Grawerts Abgange den Dberbefehl ber Preußen erhielt, 
hatte er eine geheime Zufammenfunft mit dem Befehlshaber 
von Riga *°, und bei dem Sinken der Franzöfiihen Sache be= 
durfte es nur eines Fleinen Anfoßes, um den Uebergang bed 
Stein’s Leben. MIT. 2te Aufl. 6 


s2 


Yorfiden Heeres und damit den wichtigen erſten Schritt für 
die Befreiung des Königs und Deutſchlands herbeizuführen. 


Jun. 23. Zu gleicher Zeit ſchrieb Stein auf des Kaifers Befehl 
an Graf Münfter um die Vereinigung Rußlands mit England 

Jun. 27. zu befepleunigen, an Oberft Dörnberg nah Schweden, um ihn 
zum Dienfte in der Deutfpen Legion und Anfnüpfung mit den 

Jun. 23. Weftphälifhen Truppen herbeizurufen; er meldete Gneiſenau 
daß er ſich bemühe Alles in Einklang mit feinen Abfichten und 

Planen zu bringen, Englifge Mitwirfung und Geldhülfe für 

die Deutſchen Einrichtungen wünfche und Gneifenaus baldige 

Zun, 23. Rüdfunft lebhaft verlange; und er forderte Pozzo di Borgo 
auf ſich gleichfalls bei dem Kaifer einzufinden, den er fo mit 

den tüchtigften Elementen zu umgeben hoffte. Der Staatsrath 

Zu Gruner in Prag ward von Errichtung des Deutfhen Committe 
X Kennmniß geſetzt, mit 4000 Dukaten verſehen, um auf die 
Linien der Tucheler Haide, des Thüringerwaldes und Speffarts 

E wirken, mit der beftimmten Weifung feine vertrauten Leute 

an diefen Punkten nit eber etwas unternehmen zu laſſen bie 

der Krieg wirklich ausgebrochen fey und einige Zeit gedauert 

babe; Stein beauftragte ibn ferner einen wohlfeilen Abdruck 

des 2ten Theils von Arndts Geift Der Zeit zu veranflalten und 

in Preußen und dem Königreih Weftpbalen heimlich einzu= 

führen und verbreiten zu Taffen, den Drud einer geheimen Zei— 

tung vorzubereiten, Arndt fobald als möglih zu fenden für 

den Eingangs und Courierpäffe beigelegt wurden, einen Koften= 
anſchlag über feine Ausgaben zu maden, und eine Ueberſicht 

der in der Weſtphaͤliſchen und Sächſiſchen Armee dienenden 
Offiziere, nebft Characteriftif der einflußreichften unter ihnen 

und der Wahrfcheinfichfeit fie fih geneigt zu maden. „Man 

muß, ſchrieb Stein, fo viel als möglich die wahre Anficht ver- 
breiten, daß das Vaterland da ift, wo fi die Ehre und Un— 


8 


abhängigfeit findet, daß die Deutfhen Fürften ihre Macht miß- 
brauden, da fie Beides für ihre erbärmfiche perfönliche Eriftenz 
aufopfern, daß bie Völfer die Feſſeln drehen müſſen worin 
jene fie werfen wollen, daß fie eben dadurch ihre Fürften vom 
Untergange retten werben, indem Napoleon nad Erlangung 
der allgemeinen Oberherrſchaft diefe Foftbaren und erniedrigten 
Werkzeuge feines Despotismus zerbrechen und bie Knechtſchaft 
der Deutfhen noch vollftändiger und unerträglicher machen 
wird,” R 

Für den weiteren Briefwechfel überfandte ihm Stein eine 
vom Staatsrath v. Kreydemann im auswärtigen Departement 
verfertigte *‘ Chiffre und empfahl Gruner deren forgfältigften 
Gebrauch. 


6* 


Vierter Abſchnitt. 


Ausbruch des Krieges. NRüdzug der Ruffen. 
Stein in Moskau. 


Sobald Napoleon feine Vorbereitungen beendigt hatte, er— 
öffnete er den Feldzug. Außer den gewöhnlichen Waffen des 
Krieges ſcheute er ſich nicht Mittel in Anwendung zu bringen 
deren fih die Europäer bis dahin zu bedienen Bedenken trugen; 
er hatte große Maffen falfcher Ruffifcher Banfaffignationen ver- 
fertigen Taffen, und davon unter anderem feinem treueften Bun— 
desgenoffen dem König von Sachſen die Koften der Ausrüftung 
des Polnifchen Heeres mit ſechs Millionen Thaler erfegt, welche 
beim erſten Verſuche einen Theil zu verfilbern als falſch er— 
Sannt wurden *°; außerdem aber hatte er Anftalten eingeleitet 
um die Ruffifhen Polen und Litthauer zum Abfall zu reizen”. 
Zu dieſem Zweck war ein Reichstag nach Warſchau berufen, 
der unter Peitung des Franzoͤſiſchen Botfchafters Abbe de Pradt 
die Wiederherſtellung des alten Polnifhen Reiches von ber 
Dber bis zum Dnieper erklärte, ale in Ruffiihem Dienſt be- 
findfihe Polen zum Abfall aufforberte und die Köpfe in bie 
höchſte Spannung verfeßte. Diefe Wirkung war jedoch nicht 
von Dauer, ba bie Polen fih fehr bald überzeugten, daß 
Napoleon fi ihrer nur als Mittel zu feinen Zwecken bebtener 


85 


nicht aber ein unabhängiges Polen wolle, was für fie ſchon 
aus dem einen Umflande hervorging, daß er das Oeſterreichiſche 
Polen von der Theilnahme an der Bewegung ausſchloß: ein 
ernfliher Wille für Polens Herfiellung würde den Krieg mit 
der Eintaufhung Galiziens gegen das Königreich Illyrien be— 
gomnen haben. Auch warb der Reichstag, fobald er Europa 
das gewunſchte Schaufpiel gegeben hatte, nach drei Tagen 
wieder aufgelöft; und Napoleon fcheuete die Folgen einer Be- 
geifterung die nit ihm gelte, 

Am 2aſten Junius ging Napoleon mit der Mitte feines 
Heeres, 230,000 Mann bei Kauen über den Niemen, während 
der rechte Flügel den Bug, der linke gegen Riga beflimmte bei 
Tilfit den Niemen überſchritt. Einige Tage fpäter folgten der 
Mitte 145,000 Mann an verfhiedenen Stellen über den Fluß. 
Das ganze Heer zählte 439,000 Mann. Seine erften Be- 
wegungen beabfihtigten das Wittgenfteinfche Corps und das 
Bagrathionfhe Heer abzuſchneiden, Napoleon ſelbſt rüdte auf 
Wilna, 

Alexander erfuhr den Uebergang des Feindes plögli, un- 
erwartet, zufällig; auch jetzt verließ ihn feine Friedenshoffnung 
nit. Er fandte den Generalabjutanten und Polizeiminifter 
Balatfhew an Napoleon. Balatfchew überbradhte ein Schreiben 
worin "Alerander den Branzöfifhen Kaifer um bie Urſache bes 
Anfalls feiner Staaten befragte, und den Frieden von ber 
Räumung abhängig machte. Napoleon erwiederte, es fey jegt 
zu fpät, er müfle dem fhädlichen Einfluß Rußlands auf Europa 
ein Ende machen; Rußland ſey Schuld daß er feinen Frieden 
mit England nit habe zu Stande bringen fönnen ”, Er gab 
dem Abgefandten einen äußert bitteren und höhnenden Brief 
mit, äußerte fih gegen feine Umgebungen laut über Alexanders 
Characterſchwaͤche: der Berluf einer Schlacht werde ihn er- 
fchreden und zur Unterzeichnung eines nachtheiligen Friedens 


>6 


bewegen, und rüdte mis icinem Heere unauibaliiam ver. Tie 
Ruffen zogen jih zurüd. Ihre Magazine fennten nicht mebr 
ganz mweggeihafft werden, weil eö bem Heere an Fubrweſen 
fehlte, und fehr große Borräthe von Mehl und Hafer ** mußten 
verbrannt werben. Am 28fen Junins brach das Ruffihe 
Hauptquartier von Wilna auf, Etein und Ketjhubey reii'ten 
Morgens um 9 Uhr ab; an bemfelben Tage fanden bereits 
bie Polnifhen Studenten auf, und Barclay zog fih, fechtend 
mit den Franzofen aus der Etadt. Der Rüdzug ging über 
Swinciany und Druza nad dem befeftigten Lager bei Drifja. 

Am 29. hielt Napoleon feinen Einzug in Wilna, und 
traf in dieſer Hauptftadt Litthauens alle Anflalten, um dad Land 
nad dem Muſter bes Herzogthums Warſchau einzurichten, und 
durch Zruppenkildung und Lieferungen für fein Heer zu be— 
nugen. Die feindfelige Behandlung der Einwohner dur Lie 
Franzoſen fühlte indeſſen bald die anfängliche Begeifterung wirf- 
fam ab. 

Bei der großen Uebermacht der Franzöfiihen Hrere fonnte 
ſich Alerander Glüd wünfchen, daß er die nordweftlihe Gränze 
feines Reiches, Finnland und Ct. Petersburg von Truppen ent= 
bloͤßen durfte, da Schweden dem Kampfe unthätig zufah. 

Der General Bernadotte, ein alter Gegner Napoleons, 
war nicht fobald ohne deffen Zuthun zur Schwedifhen Thron— 
folge berufen, als er feiner neuen Pflicht gemäß Schweden aus 
feiner damaligen Erniedrigung aufzurichten verfuchte. Er loderte 
nit nur den unerträglihen Drud des Kontinentaliyftems, fon= 
dern war auch darauf bedacht, Finnlande Verluſt durd bie 
Erwerbung Norwegens zu erfegen, wozu die bevorftehende 
Berwidlung der Verhältniffe des Feſtlandes den Weg zeigte. 
Um bdiefen Preis und eine Geldhülfe bot er zuerft Napoleon 
feine Hülfe gegen Rußland an; als er fih von ihm verſchmaͤht 
fab, wandte er fih an ben Kaifer Alcrander, und erlangte in 


87 


einem Bertrage vom ten April die Zufage Ruſſiſcher Hülfe 
zur Eroberung Norwegens, wogegen er verhieß fobald die Er— 
oberung vollbradt fey ein Schwediſch-Ruſſiſches Heer nad 
Deutſchland zu führen, um den Krieg im Rüden bes Franzö— 
ſiſchen Heeres zu entzünden. Die gleichzeitige Befegung Schwer 
diſch⸗ Pommerns durch die Franzofen hatte die Feindſchaft 
gegen Napoleon befeftigt; diefem blieb jedoch der Abſchluß des 
St. Peteröburger Vertrages längere Zeit unbefannt. 

Auf diefe Verhältniffe geftügt überreichte Stein dem Kaifer 
jegt den Plan zu einer Schwebifch-Englifhen Landung an der 
Dit- und Nordfee als Stüge und Mittel einer allgemeinen 
Erhebung und Bewaffnung des nörblichen Deutſchlands, und 
legte dem Raifer dabei die Nothwendigfeit einer Bereinigung 
mit England aufs Dringendſte and Herz: 


zen R 
Tten Junius 1812. 


„Da der Krieg ausgebrochen ift, fo darf man nicht Länger 
zaubern die wirffamften Mittel vorzubereiten, um im innern 
Deutſchland einen offenen fräftigen Aufftand hervorzubringen. 

Die erfie Frage welde ſich erhebt ift die, ob man auf 
eine große freiwillige Bewegung eines Theile der Nation zäh— 
fen fann, oder ob man fie durch ein Heer hervorrufen und 
Fügen muß; ift diejes entfehicden, fo wird man ferner die Art 
wie bas Heer anzuwenden und der Aufftand zu bilden ift 
unterſuchen. 

So ſehr auch die Gemüther in Deutſchland erbittert find, 
io glaube ich dod nicht an einen freiwilligen Aufftand einer 
binreihenden Macht, wovon man ſich bedeutende dauernde Er- 
folge verfpreden dürfte. Das füblihe Deutfchland, deſſen Be— 
wohner für Ichhafte Eindrüde und enthufiaftiihe Gefühle am 
empfänglichften find, darf auf feine militairifhe Stüge rechnen, 
feitdem Defterreich fih an Frankreich gefchloffen bat. In Nord- 





Swinciany ®° ben 


88 


deutſchland iſt das Volk über die Unterdrüdung empört, und 
in einigen Gegenden herrſcht fietd eine bumpfe Gährung, aber 
es ift Falt und langfam, und wird außerdem durch die Mehr- 
zahl der wohlhabenden Eigenthümer und Beamten und durd 
eine auf Gewohnheit beruhende Anhänglichkeit an eine gefeg- 
liche und regelmäßige Ordnung der Dinge zurüdgehalten; man 
muß daher andere Mittel es in Thätigfeit zu fegen anwenden 
als einfache Ermahnungen und Aufrufe. 

Diefe Mittel fönnen nur unter dem Schuge eined aus— 
gefhifften Heeres angewendet werben, welches einen großen 
Landſtrich überziept; dann fann man Truppen ausheben zu 
verfiedenem Dienft, die Einrihtung der Behörden ändern, und 
alle Federn in Bewegung fegen, um die Leidenfchaften der Menge 
zu reizen und zu erheben. 

Rußland allein vermag dieſes Heer nit zu Tiefern; es 
wird aller feiner Kriegemittel bedürfen, um dem Einfall in 
feine Grenzen zu widerſtehen, feinen Widerftand zu verlängern, 
feine Erfolge zu benugen; es fieht fi daher genöthigt, bie 
Sorge für einen Einfall in Deutſchland feinen Verbündeten zu 
überlaffen; und biefer Einfall wird, wie die folgenden Bemer- 
ungen zeigen, fehr wirffam feyn können. 

Der Einfall muß in einer ziemlich weiten Entfernung von 
dem Franzoͤſiſchen Heere gemacht werden, damit es diefem nicht 
leicht werde beträchtliche Truppenmaffen zum Widerftande das 
gegen abzufenden — aus diefem Grunde fcheint mir bas Land 
zwiſchen Elbe und Yſſel für einen folhen Zwech geeigneter als 
das Land zwifchen Dver und Weichfel. Letzteres bildet nur 
eine zwiſchen der Küfte und Polen eingeflemmte Randzunge, ger 
währt an Bevölferung und Etimmung ber Gemüther Feine ber 
Hülfsquellen welche die erfiere anbietet, und die Abfendungen 
des Franzöfifchen Heeres würden fie mit größerer Leichtigkeit 
erreichen. Wühlte man das Erftere, fo Fönnte bie Landung 


89 


an zwei Punkten erfolgen, das Schwediſche Heer bei Kübel, 
das Engliſche nebft der Deutſchen Legion bei Emden audge- 
fpifft werden. Diefe Truppen würden alle Kriegemittel ber 
Länder welche fie in ihrem Wirfungsfreife umfaffen an fih 
ziehen, und ſich durch die Bevölferung die fie vorfinden mitelft 
folgender Maßregeln verflärfen: 

Nachdem die Landungen zu Lübeck und Emden ausgeführt 
worden, hätten beide Heere ihre Verbindungen an ber Elbe 
herzuſtellen, und das Land zwifhen Elbe und Oder als ihren 
erſten Kriegsſchauplatz zu betrachten, wo man fo viel als mög- 
Th die von Napoleon abgefandten Truppen zurüdzuhalten 
verfuchte. 

In der Zwifhenzeit müßte man fih in Emden, felbf in 
ganz Oſtfriesland und Bremen Stügpuncte bilden. Ofifries- 
land if im Ganzen genommen ſchwer zugänglich, dur bie 
großen Moore führen nur wenig Wege dahin, dieſe können 
durch Feldverſchanzungen befeftigt werden. Man fann die Ver— 
theidigung bes Landes der Bevölferung anvertrauen, welche 
mit Waffen zu verfehen wäre. Sie ift gegen bie neue Ord⸗ 
nung ber Dinge, welde bie alten Freiheiten umgeworfen hat, 
äuferft erbittert und den Engländern durch die genaueften Han- 
delsverhaͤltniſſe enge verbunden. 

An den Elbufern aufgeftellt, Fönnte das verbündete Heer 
in feinem Rüden den ganzen Norden Deutſchlands zwiſchen 
Elbe, Yfiel, Rhein und Thüringerwald militairiſch einrichten. 

Diefer Theil Deutfeplands beſteht vorzüglich aus ben alten 
Preußiſchen Landestheilen Halberftadt, Magdeburg, Minden, 
Ravensberg, Mark, Münfterland, ſodann den Hannoverfchen 
und Heffiihen Provinzen, wird von einem tapfern Menfchen- 
Ramm bewohnt, der das fremde Joch haßt und an friegerifche 
Einrihtung gewöhnt if. 


90 


Man würde die waffenfähige Mannſchaft auf dreierlei 
Art benugen: 
1) als Landfturm 
2) als Landwehr 
3) als ſtehendes Heer. 

Die Landftreden welche den Wirfungsfreis des verbündeten 
Heeres bilden, lieferten ihren ehemaligen Fürften folgende 
Truppen 

Linientruppen Yandmifizen 
1) Hannover... 2.2... 18000 6000 
2) ofen. 2 22... 8000 20000 
3) Braunfhweig. . . - - 6000 
4) Die Preugifgen Landestheile 
8 Regimenter Fußvolf und 
2 Reuteri . . 
26000 
75,400 Mann. 
Aus diefen Angaben erfieht man bie Hülfsquellen welde 
dieſe Länder darbieten, und denen man eine noch größere Aus— 
dehnung durch Anwendung des Grundjages geben kann, daß 
eine Dillion Einwohner in gewöhnlichen Zeiten 20,000 und im 
Nothfall 30,000 Mann Linientruppen geben fann. 
Das Königreich Weftphalen allein 
hat eine Bevölferung von . . .  2,612,000 

Die übrigen Länder zwifchen Elbe 
und Thüringerwald . . 2... 300,000 

Das Herzogthum Didenburg, die 
Städte Hamburg, Lübeck, Bremen 250,000 

Ein Theil des Herzogthums 
Drau. 2 en 600,000 

J 3,762,000 Einwohner. 





9A 


Diefe Bevölferung ergiebt nad dem Maßſtabe von 20,000 
Truppen auf die Million, eine bewaffnete Macht von 75,240 Daun 
ohne die Landwehr und Landſturm zu rechnen. 

Diefer Plan erfordert nod weitere Ausführungen, befon= 
ders hinſichtlich der fittlichen und bürgerlichen Einrichtung ber 
erwähnten Landfrige; um ihm einen Anftoß zu geben, müßte 
man ſich fehleunig mit England und Schweden über die Aus- 
führung vereinigen, da die Jahreszeit fehr weit vorgerüdt iſt, 
und Vereinigung und Ausführung bis zur völligen Reife eine 
beträchtliche Zeit erfordern, weshalb es unendlich wichtig if, 
fie mit der äußerften Gewiffenhaftigfeit zu benugen.” 


Der Kaifer ‚genehmigte dieſen Entwurf unter Vorbehalt 
des Einverfläntniffes mit feinen Verbündeten, und beauftragte 
Stein mit der Ausführung. Diefer ſchrieb noch von Swinciany Jun. 30. 
an Gruner, baß eine Landung in Meftenburg und Weftphalen 
vorbereitet werde; er möge nun alle feine Federn in Bewegung 
fegen, im größten Geheimnig Alles vorbereiten, damit im 
Augenblid der Landung alle Obrigfeiten geändert und bie junge 
Mannſchaft bis zum Tpüringerwalde unter die Waffen gerufen 
werben fönne; er fandte ihm zugleich einen Brief Chazots an 
Herrn v. Stülpnagel, worin dieſer aufgefordert warb ben 
General York zum Uebertritt zu bewegen. Zu gleicher Zeit 
machte Stein im Auftrage bes Kaifers dem Grafen Münfter 
amtlihe Gröffnungen über des Kaifers Abfichten für die Bes Jun. 30, 
freiung Deutſchlands und die bisher dazu getroffenen Einfeitungen, 
wofür er die Hüffe der Englifhen Schiffe in der OR- und 
Norbfee in Anſpruch nahm, theilte ihm den Plan einer Ran- 
dung in Deutſchland mit, drang beshalb auf beeilten Abſchluß 
der Engfifhen Unterhandfungen mit Schweden, damit die vor— 
gerüdte Jahreszeit nicht die Ausführung der Landung hinbere, 
auf Englande Mitwirkung für den Deutfchen Aufftand dur 


Jun. 30, 


92 


Lieferung von Waffen, Kleidung und wo möglich aud Truppen, 
flug den Herzog von Braunfhweig zum Befehlshaber vor, 
der fi mit ausgezeichneten Offizieren, Gneifenau, Dörnberg, 
umgeben und ihnen bedeutende Poften übertragen müffe; und 
forderte die Mitwirfung der Englifhen Flotte und Truppen 
im Abdriatifhen Meere und GSicilien bei einem Aufftande ber 
Dalmatiner und Illyrier, welder mittelft eines bei Widdin 
ſtehenden Ruffifhen Heerhaufens erregt und gegen Oberitalien 
gerichtet werben folle: „Euer Excellenz kennt ſchon Tange die 
edeln und großmüthigen Abfichten des Kaiſers, und weiß daß 
diefer Fürft Nichts wünfgt ale das Glüd feiner Völfer und 
Europa’s, dag Seine Majeftät überzeugt find, wie weder das 
eine noch bas andere ohne Sicherung der Ruhe Deutſchlands 
auf eine dauerhafte Art beſtehen fann; Sie werden daher ge— 
wiß alle Mittel, welche das Anfehen und das allgemeine Zu: 
trauen, deſſen Sie genießen, zu Ihrer Verfügung flellt, an« 
wenden, um zu den wohlthätigen Abfichten Seiner Majeftät 
mitzuwirken." 

Die weiten Entfernungen, die Schwierigkeit der Berbin- 
dungsmittel, die Bedenklichkeiten ber Unterhänbler und perfün- 
liche NRüdfihten des Kronprinzen von Schweden haben bie 
Ausführung bes Planes bis zum Frühling 1813 verzögert; 
hätte man ſchon im Sommer oder Herbft 1812 zum Ziele 
fommen fönnen, fo wäre vielleicht fein Dann des ganzen 
Sranzöfifpen Heeres wieder nad Haufe gelangt. 

Der Kronprinz Hatte den Wunfch zunaͤchſt nad Englifcher 
Geldpülfe, um Seeland anzufallen; er hoffte nämlich durch bie 
Eroberung der Infel den König von Dänemark zur Abtretung 
Norwegens zu beflimmen. Die Engländer aber waren damals 
in einer geheimen Unterhandlung mit Dänemarf-begriffen, und 
weigerten ihren Beiftand. Stein flellte dem Kaifer Alerander 
vor, eine Landung der Schweden in Deutfehland fey ihrem Zuge 


93 


nach Seeland bei weitem vorzuziehen; bie Eroberung von See- 
land werde den König von Dänemarf bei deſſen befanntem 
felbfländigen und hartmädigen Character nicht zum Frieden 
bringen, er werde ſich vielmehr mit ben ihm übrigen Truppen 
nad Zütland ziehen, den Krieg forsfegen, und im ſchlimmfien 
alle fih Napoleon ganz in die Arme werfen, deſſen Erfolge 
in Rußland dann aud feine Herflellung entfpeiden würden, 
während die Eroberung von Seeland und ein Dänifh-Schwe- 
diſcher Krieg ohne allen Einfluß auf den Ruffifhen Krieg 
bleibe. Die Erhebung des nördlichen Deutſchlands hingegen 
werde das Franzöfifche Heer unmittelbar ſchwaͤchen, zu Abfen- 
dungen und Anftrengungen nöthigen, die Macht der Verbun— 
deten durch bie freimerdenden Kräfte eines Theils von Deutfch- 
land vermehren, und fo bie Abfichten des Kronprinzen bes 
günftigen. 

Der Kaifer pflichtete biefer Meinung bei und verfprad 
auf den Kronprinzen zu wirfen: „Ihre Bemerfungen über die 
Plane bes Kronprinzen, fehrieb er, find gewiß fehr gegründet; 
die Verlegenheit wird ſeyn, fie ihm annehmlih zu machen. 
Ihm zu fehr entgegenwirken, hieße ihn Frankreich in die Arme 
werfen, beſonders ba er von ben Engländern nicht allzugut 
unterügt, Mühe hat, in einem armen Lande wie Schweden 
fein Syſtem gegen Franfreih aufrecht zu halten, fobald ihm 
die Englifhen Guineen nicht zu Gebote fiehen. Jedenfalls 
will ich meine ganze Ueberredungskunſt aufbieten. Ganz der 
Ihrige.“ 


Wie wenig unter den damaligen Umſtänden auf Schwe— 
dens thätige Hülfe zu rechnen fey, erfuhr Stein bald aus 
Gneifenau’s Bericht, der in Begriff Rand Stodholm zu ver- 
laſſen und in England ein neues Feld für feine Tpätigfeit 
aufzufuchen: 


91 


Gneiſenau an Stein. 

„Ew. Excellenz begrüße ich auf das Herzlichſte in Ihrer 
neuen Stellung, und wuͤnſche von Herzen, daß Ihre weiſen 
Rathſchlaͤge gehört werden mögen. Wenn auch die Dinge nicht 
fo vorbereitet find, als fie feyn follten, fo läßt fih durch Be— 
barrlichkeit und Ausdauer vieles verbeſſern. Nur im Kriege 
lernt man den Krieg, und wenn bie Ruffen den Muth haben 
fünf Schlachten zu verlieren, dann werben fie Sieger bleiben. 

Dem Staaisrath Gruner habe ih von Breslau aus einen 
Brief für Em. Ercellenz mitgegeben. Es enthielt folher nur 
wenig über bie öffentlichen Angelegenheiten, denn über dieſe 
follte Gruner Ew. Ercellenz mündlichen Bericht erftatten, mebr 
aber über die in den Händen bes Staatsrath Kunt fi befind- 
liche Angelegenheit. Ich boffe, daß ſolche zu Em. Excellenz 
Zufriedenheit beendigt if. 

Hier herrſcht noch viel Verblendung. In der Vorliebe für 
die Sranzofen ift man nod auf der Höhe, als wir im Jahr 
1805. Ueberdies ift bier viel revolutionärer Stoff und Fak— 
tionggeift wie immer. lm emporzufommen, geben ſich viele 
junge Ehrgeizige vom Adel ben Planen des Kronprinzen hin, 
diefes aber nur fo lang es gut geht und nichte befferes geboten 
wird. Der größte Theil der Nation ift einem auswärtigen 
Kriege abgeneigt. Perfönlihe Eigenſchaften und Glück können 
indeffen eine Nation zu Planen fortreißen, die vorher nicht in 
ihrer Berechnung gelegen hatten; befonders viel läßt ſich hier 
damit machen, daß man wenig fordert und viel giebt. England 
will indeffen auf Subfidien fih nicht mehr einlaffen, und der 
hieher gefandte Thornton fol von jeher ein Knauſer geweſen feyn. 

Ich gehe nun nad England um zu fehen, ob man für die 
Deutfhen Patrioten etwas thun will, Die jezzige Zeit if 
meinen Planen wenig günftig. Allerwärts in England find 


95 


Unruhen, denen man burd die vorbandenen konſtitutionellen 
Mittel nicht mehr feuern fann. Die ade ift nun vor einen 
Ausſchuß des Parlaments gebracht und man erwartet eine neue 
Beſchränkung der Habeas corpus Afte, die neued Mißvergnügen 
erregen wird. Gerade in dieſem fritifhen Zeitpunft ift die 
Gmancipation der Katholifen vor das Parlament gebracht und 
fegt alle Gemüther in Bewegung. In diefem Konflift der 
Leidenjhaften wird man demnach wenig Neigung und Mufe 
baben, ſich mit den Kontinentalangelegenheiten viel abzugeben. 
Ich muß jedod einen Verſuch machen und eine Frage an dad 
Glück thun. Wird fie verneinend beantwortet, fo weiß ich frei- 
lich nicht, was ich beginnen fol. Abzuwarten, biß die große 
Streitfrage zur Entfheidung an die Völker gelangt, dazu bin 
ich zu alt, und zu jung, um mich jegt fhon zur Ruhe zu be— 
geben. Noch habe ich einen Entfhluß nicht gefaßt. 
Genehmigen Ew. Ercellenz die Verfiherung meiner treuen 
Anbänglichfeit, womit ih immer und überall bin 
Ihr 
treuergebener gehorfamfler Diener 
N. v. Gneifenan. 
Stodbolm den 14ten Juli 1812.” 


Auf dem fortſchreitenden Rückzuge des Heeres gegen 
Driffa trennten fih Stein und Kotfhubey vom Kaifer, und 
fangten über Druza und Janinow in dem Lager von Driffa an. 
Untertveges °° übergab ihm ber Major Leo von Lügow einen 
Plan, wie von ber Oſtſee aus regelmäßige und erfhöpfende 
Nachrichten über die Bewegung der Franzöfifchen Streitkräfte 
und Verftärfungen in Deutfchland und Preußen einzuziehen feyen. 
Der tapfere Krieger, den wir vor einigen Jahren feine Lauf: 
bahn als Commandant von Berlin befchliefen fahen, ein jün- 
gerer Bruder des berühmten Sreiforpschefs, hatte den Defter- 


96 


reichiſchen und Spanifhen Krieg als Freiwilliger mitgemacht, 
durch die Uebergabe von Valencia 1811 in Franzöſiſche Ge— 
fangenfchaft gerathen, ſich felbft befreit, zu Fuß das füdliche 
Sranfreih, die Schweiz und Sübbeutfhland durchwandert, und 
war jegt durch Norbbeutfhland, Polen und Rußland mitten 
dureh das Franzöfifhe Heer zu den Ruffen gefommen "'. Er 
batte auf feinen Wanderungen beobachtet, wie die Franzoſen 
ihre Kräfte auf beffimmten Marſchlinien, auf denen bie Nachts 
quartiere immer biefelben waren, an fi zogen, was bie Ein- 
holung von Nachrichten über fie fehr erleichterte; er legte eine 
Ueberſicht berfelben vor ’*, empfahl, fi) des Englifhen Ge— 
ſchwaders welches unter Admiral Morris auf der Infel Hand 
bei Carlsham den Schleihhandel nah Preußen befhügte, fo 
wie ber Blofadefciffe des Admirals Saumarez zu bedienen, 
und Herrn Alerander Gibfon die obere Leitung anzuvertrauen; 
die Koften würden nicht fehr bedeutend feyn, da man auf viele 
Derfonen rechnen Fönne, die fih aus eigenem Antheil der Sache 
wibmeten. Diefer Plan traf im Zwede mit dem durch Gruner 
ausgeführten zufammen. 


Im Hauptquartier zu Driffa erflärte fih Etein über eine 
Denkfhrift, worin ber Prinz Auguft von Oldenburg, Bruder 
des Prinzen Georg, als Grundfag aufgeftellt hatte, daß man 
bei einer Landung in Deutfpland nicht die Völker aufreizen, 
fondern daß bie vertriebenen Fürften durch die Kraft ihrer 
Landesbevölferungen ihre Befigungen wieber zu erhalten ſuchen 
müffen, und daß man bie geheimen Geſellſchaften nicht benugen 
folle. Stein bemerkte darüber: 


„Der erfie Grundfag, wonah man ausſchließlich durch 
die vertriebenen Fürften handeln will, führt und 1) zur Zer- 
fpfitterung der Kräfte welche man thätig machen will, vertraut 


97 


fie 2) großentheils völlig unfähigen Perfonen, 3) läßt eine 
große Maffe Kräfte der eingenommenen Länder, welde fenen 
Zürften nicht gehören, gelähmt und erflarrt. Cine Unterneh: 
mung welche die größte Einheit und Kraft erfordert, würbe 
dann damit begonnen, daß wir ihre Ausführung a) einer 
Hannoverfcpen Regierung anvertrauten, deren Haupt in London 
wohnt, b) einer Heſſiſchen Regierung, deren Haupt ein unfähiger 
Eleinlicher habfüchtiger Greis if, c) einer Regierung von Fulda, 
deren Fürft feine eigene Meinung haben würde, d) einer Braun- 
ſchweigſchen Regierung, deren Fürft ſchwer zu leiten iſt, e) einer 
Olbdenburgiſchen Regierung, welche befimmt wegen ihrer Weis- 
heit und Sittlipfeit völliges Zutrauen verbienen, aber ſchwer⸗ 
lich hinreichende Kraft und Zwang haben mögte, um ihre Col⸗ 
legen a, b, c, d und beren Cabinette, Minifter, Generale, 
Kammerdiener und Maitrefien — denn Frau von Schlotheim 
wird dann auch für etwas mitzählen — auf bemfelben Wege 
vorwärts zu bringen. — Der zweite Nachtheil bes Planes be⸗ 
ſteht darin, daß die Länder welche ber Kriegsfhauplag in 
Deutſchland werben Fönnten, großentheils unthätig bleiben wür- 
den. Eine Landung an der Elbe mit einem Heere von 40 bie 
50,000 Mann würde das ganze Land zwiſchen Elbe, Rhein, 
Aſſel und Nordſee bedecken und begreifen; man fönnte unmittel- 
bar und mittelbar nicht nur auf das Gebiet ber Fürften a bie 
d wirfen, fondern auch auf die Preugifpen dem Königreich 
Weftphalen einverleibten Lande, auf den Theil Deutſchlands 
welcher mit Frankreich vereinigt if, und die Rande vieler Für- 
Ren, getreuer und zerfnirfchter Anhänger der Religion Napoleons, 
wie bes Herzogs von Berg, ber Fürften von Lippe u.a. Mit 
welchem Rechte würden fih die Fürften a—d um dieſe Lanz 
der befümmern, und würden fie bei glüdlihem Erfolge nicht 
Bergrößerungsluft befommen? Das Caßler Cabinet 3. B. hat 


ſtets Abfihten auf die Stifter Corvey, Fulda, Paderborn ge- 
Stein’s Leben. II. 2te Aufl. 7 


9% 


habt; die Hannoverfhen Minifter haben erflärt, das Euro- 
päifhe Gleichgewicht werde gefichert, wenn Osnabrück und 
Hildesheim mit dem Churfürſtenthum vereinigt würden; ber 
Prinz von Dranien war faum in Fulda eingerichtet, als er 
fh fo fehr von dem Verlangen feine Nachbarn durch feine 
weife und gerechte Regierung zu begluͤden befeelt fand, daß er 
einer der eifrigften Verteidiger des ungerechten Verfahrens 
der Unterjohung ber Reichsritterſchaft ward, welche ihm be— 
nachbart war, und beren Erhaltung durch denſelben Reichs— 
depntationsbefchluß beſchloſſen worden, welcher ihm feine Ent- 
ſchaͤdigung zuwies. 

Der Anſtoß welchen man Deutſchland zu geben beabſichtigt, 
muß ausgehen von einer einzigen und energiſchen Kraft, die 
auf einer weiten und edeln Grundlage ruht, ſie darf nicht ihre 
Bewegung durch verwickelte und fehlerhafte Springfedern hem- 
men. Rußland und feine Verbündeten fenden ein Landungs— 
heer an bie Deutfchen Küften, fie laden bie Deutfhe Bevölke— 
rung ein fih von dem Franzöfifhen Joch zu befreien; der An- 
führer der Ausrüftung bildet einen Central-Ausſchuß für die 
Länder welde er in dem Wirfungs- Kreife feines Heeres be- 
greift; dieſer Ausſchuß befteht natürlich aus den Fürften und 
den Männern welche den größten Einfluß auf die von den 
Franzoſen befeßten Länder haben; er Teitet die politifhen und 
militairifpen Gefhäfte; man jacobinifirt nicht bie befegten 
Lande aber man organifirt die bewaffnete Maffe, und man thut 
Alles mit Einheit, Kraft und mit der einzigen Abficht des Glüde 
und der Freiheit der Deutſchen Nation, welder die Fürften fo 
gut als bie letzten ihrer Unterthanen das Opfer ihres Vortheils 
zu bringen verpflichtet find, da fie niemals Dberherrn fondern 
Glieder und Unterthanen bes Kaiſers und Reihe gewefen find, 
und die durch den Rheinbund ihnen gegebene Spuverainetät 
nichts als eine Wfurpation iſt. 


” 


Was die geheimen Geſellſchaften betrifft, fo iſt mir ber 
gegenwärtige innere Zuſtand derer welche fih in Deutſchland 
finden ganz unbefannt; aber wenn es wohlgefinnte Perfonen 
giebt, welche Geſchmack daran haben, weshalb fol man fi 
nicht wit diefer Meinen Schwäche abfinden? Ich meinestheils 
babe mich an feine Eonfitution der Freimaurer mehr gehalten ale 
an die Tafellogen; denn im Jahre 1783 ward ausdrüdlih zu 
biefem Zwed eine Berfammlung nah Wiesbaden ausgefchrieben, 
die ſich auflöfte ohne fih vereinigen zu fönnen, wie es mir 
auch in jeder andern Hinfiht fhien, daß dieſe alte Gefel- 
ſchaft, die von Salomon herrährt, nicht nur nicht wußte was 
fie that, fondern nicht einmal was fie wollte. Die Illuminaten 
ſchienen mir gar ſchlechte Geſellſchaft und ihre Moral etwas 
zweideutig. Ihr Oberhaupt ein Herr Weißhaupt ließ ſeine 
Maitreſſe abortiren, ein zweiter Herr v. Knigge warb von 
allen vechtlihen Menſchen verachtet, ein dritter Herr v. Buſch 
war ein Gemifh von Liederlichfeit und Korporalism; ihre 
Raͤnke Haben gefchadet, obwohl Barruel nicht mein Evan- 
gelium iſt. 

Eine Geſellſchaft der Tugendfreunde die fih 1808 bildete, 
iR durch ihre guten Abfihten achtbar, aber bis jegt if von 
ihren Werken noch Nichts erſchienen; fie find in heftigem Zorn 
gegen die Franzoſen, aber ihr Zorn fommt mir vor wie ber 
Zorn der träumenden Schafe.” 


So machten fi ſchon hier, während man am Rande bes 
Untergangs ſchwebte, die verfchiedenen Rüdfichten geltend, welche 
fpäterpin über Deutſchlands Zukunft entfheiden ſollten. Für 
den Augenblick erhielt die richtige Anficht die Oberhand, und 
es war nicht wieder davon bie Rede, den Ehurfürften von 
Heſſen an der Spige eines Heeres die Deutſchen zur Begeifte- 
rung aufrufen zu laſſen. 

7* 


100 


Indeſſen hatte das Ruſſiſche Heer unter Barclay feinen 
Ruückzug Tangfam fortgefegt und war am Sten Julius ohne 
Hinderniß in das befeftigte Lager eingerüdt. Diefes Tag zwiſchen 
den Rüdzugslinien von Wilna auf Petersburg und auf Mos— 
Tau, legte alfo auf feiner von beiden den Kranzofen ein Hin« 
derniß in ben Weg, und da Napoleon auf ber Moskauer 
Straße vorging, fo verloren beide Heere einander aus dem 
Geſicht, fo daß die Ruſſen ohne ale Nachricht vom Feinde 
blieben; der Vorſteher der geheimen militairifhen Correspon- 
den; Sauglin, ein ehemaliger Franzöſiſcher Sprachmeiſter, hatte 
nicht einmal bie Fähigfeit mitten in Rußland ein Späherwefen 
einzurichten. Während nun die Ruſſen Nachricht einfammelten 
und ihren Aufenthalt zum Heranziehen einiger Berftärfungen und 
Lebensmittel benugten, überzeugte man fi immer mehr von 
der Unhaltbarfeit diefer Stellung. Zwar war das Lager mit 
einer dreifachen fehr feiten Verſchanzung gegen jeden Angriff 
von vorne gebedt, im Rüden aber allein durch die Düna ge— 
fügt, welhe dem Webergange eines fo fehr überlegenen Fein- 
des fein entfcheidenbes Hinderniß entgegenfegte; und felbft wenn 
die Franzofen nur ohne Weiteres die angefangene Bewegung 
auf der Moskauer Straße fortfegten, fo ward das Ruffifhe 
Heer von feiner Verbindung mit den frudtbarften Provinzen 
des Innern und feinen bebeutendften Hülfsquellen abgeſchnitten 
und zur Schlacht außerhalb feiner Linien genöthigt, bie bei 
getheilter Kraft feinen Erfolg verſprach. Das zweite Ruſſiſche 
Heer unter Bagrathion war von feiner Rüdzugslinie abge 
worfen und augenblidtih außer Verbindung mit dem Haupt= 
beer. General Phull hatte früher empfohlen diefes Heer über 
Pinsk und Minsk den Franzofen unbemerkt heranzuziehen, ftatt 
deffen erhielt ber Kürft Befehl über Brescz Litewskp zu mar- 
ſchiren, hielt dann zu Slonim inne und ſuchte um Erlaubniß 
nah in das Herzogthum Warſchau einzufallen, woburd bie 


101 


Franzoſen bei Minsk den Borfprung erreichten und ben Zürften 
zwangen feinen Rüdzug durch die Sümpfe gegen Bobruisf auf 
Smolendf zu nehmen. 

Da nun bie furze Erfahrung dieſes Feldzuges den augen- 
ſcheinlichen Beweis Tieferte, daß die bisherige Art des Ober- 
befehls die Einheit der Kriegführung aufhob, ben Feldherrn 
bemmte, die Berathungen und Entflüffe in ein nachtheiliges 
Schwanken brachte, die Bewegungen der Heere Tähmte und 
verwidelte, da auch ber Plan des Generald Phull verlaffen 
werden mußte, fo ward die Unzufriedenheit im Hauptquartier 
immer lebhafter. Der Generalmajor bes Heers Marquis 
Paulucci, ein Eorfe, legte feine Stelle mit Ungefüm und Un- 
gezogenheit nieder, weil Alles verloren ſey“. Im Kriegsrathe 
durchkreuzten ſich verſchiedenartige Vorſchläge. Der Großfürft 
Conſtantin verlangte ſchon jetzt einen, natürlich ſchimpflichen, 
Frieden. Einige Generale riethen auf Minsk, andere nach 
Boriſſow vorzudringen um die Verbindung mit Bagrathion 
wieder aufzuſuchen, eine Stellung zwiſchen Dnieſter und Düna 
zu nehmen und das Innere des Landes gegen den anrückenden 
Feind zu decken. Graf Araktfhejew ſtellte dem Kaiſer zuerſt 
das Berberblihe der bisherigen Kriegesleitung vor, und fand 
ein ungebulbiged Gehör; mit ihm vereinigten fih nun mehrere 
Generale, Barclay, Jermolow, Paulucei, u. a., um ben Raifer 
zu bitten, entweder den Oberbefehl unmittelbar zu übernehmen 
oder fih von dem Heere zu entfernen um bie zu ihrer Unter» 
ſtũtzung notwendigen Streitfeäfte und Hülfsmittel zu entwideln; 
zugleich Rellten fie ihm die Nothwendigfeit vor, dad Lager von 
Driffa zu verlaffen, da der Feind bei Polozf übergehe und 
ſich auf die Rüdzugslinie des Heeres fellen fönne, 

Der Kaifer, deffen Vertrauen auf Phulls Leitung in ber 
legten Zeit gewichen war, entſchloß fih das Heer zu verlaffen, 
und nad Moskau zu gehen um von dort aus fein Volk zur 


102 


Anfrengung aller Kräfte aufzufordern. In dieſem Entſchluſſe, 
dem beten den er faflen konnte, beftärfte ihn der Engliſche 
Admiral Bentind, der fih zufällig als Reifender im Lager zum 
Beſuch bei dem Prinzen Georg befand und dem Raifer fehr 
gefallen hatte; er verfiherte, daß auch der Kronprinz von 
Schweden diefen Gedanfen billige, Alerander verwarf zugleich 
den Plan auf die Verbindungslinie bes Feindes zu gehen; er 
Heß, ohne Phull etwas zu fagen, das Heer über die Düna 
nad Polozk marfciren, womit der fernere Rüdzug auf ber 
Linie gegen Mosfau eingeleitet war. 


Im Lager von Driffa erhielten die auswärtigen Ver— 
handlungen eine weitere Entwidlung. 

Ein fräftiges Kriegsmanifeſt welches Herr v. Anfletten 
entworfen hatte, ward in Janinow vom Kaifer gebilligt, aber 
nit befannt gemadt. Am Sten Julius Tief bie vorläufige 
Nachricht von der Unterzeihnung des Friedens mit den Türfen 
ein, woburd das gegen fie befchäftigte kriegserfahrene Moldau- 
heer zur Mitwirkung gegen Napoleon frei ward. Der Admiral 
Tſchitſchakoff gab dem Kaiſer den unvernänftigen Rath, den 
Brieden nicht zu genehmigen fofern bie Türfen nicht gemein- 
ſchaftliche Sache gegen bie Franzoſen machten; er bebürfe ihrer 
Hülfe zu dem beabfictigten Zuge nad dem Adriatifchen Meere; 
im ſchlimmſten Falle, bei der Fortdauer des Krieges, werbe er 
ihn mit einem Heinen Theil des Moldauifhen Heeres fort- 
fegen, ben übrigen zu fenem Zuge anwenden fönnen. Der 
Kaifer mißbiliigte diefe Anſicht nicht gänzlih, er ſetzte einen 
Werth auf das Türfiide Bündnig und den Zug nad Stalien, 
obwohl jenes ohnmächtig, diefer abentheuerlich, unficher, ſelbſt 
bei mäßigem Gelingen nur von entfernten Folgen ſeyn fonnte; 
er genehmigte zwar den abgefhloffenen Frieden, Tieß aber bie 
Heranziehung bes Moldauifhen Heeres zum größten Nachtheil 


103 


des Hauptfrieges ausgeſetzt; es ward fpäterhin mit dem Heere 
des Generald Tormaffow vereinigt, und unter Tſchitſchakoff 
zum Einfall in das Herzogthum Warſchau befimmt. 

Stein hatte dem Kaiſer bei jeder Beranlaffung die Be- 
fehleunigung des Friedens mit England aufs Dringendfe 
empfohlen. Diefes fey die unentbehrlihe Grundlage jedes 
Planes; große wie Heine Rüdfihten, Geldhülfe, Landung in 
Deutſchland, Uebergang der Deutſchen Truppen, Beldzäge ber 
Berbündeten, Alles beruhe darauf *'; man fönne nichts bauer- 
haftes und feftes zu Stande bringen ohne Feffegung der gegen- 
feitigen Berpältniffe, Herſtellung der Gefandtfpaften und Ein- 
verfländnig über ben Kriegsplan. Der Kaifer benupte fegt 
die Anwefenheit des Admirals Bentind, und entſchloß fih 
den Frieden zu unterhandeln. Da aber dennod der Kanzler 
die Verhandlungen verfehleppte, hoöͤchſt wahrſcheinlich in Hoff 
nung eines Friedens mit Napoleon, fo ſchrieb der Kronprinz 
von Schweben dem Kaifer einen fehr heftigen Brief; Roman- 
zoff fing an für feine Stelle zu fürchten, und ſchlug mit einer 
täppifchen Wendung vor, „dem Kronprinzen mit diefem Frieden 
ein Geſchenk zu machen.” Der Kaifer überließ dem Kronpringen 
den Abſchluß des fehr einfahen Geſchaͤfts; diefer berief den 
Engliſchen und Ruſſiſchen Gefandten zu fih, und bradte am 
18ten Zulius die Unterzeihnung zu Stande. 

Auch mit dem Wiener Hofe fand eine geheime Unterhand- 
Tung Statt. Sie betraf bie ber Oeſterreichiſchen Verbindung 
mit Franfreih zu gebende Ausdehnung auf den Fall dag das 
Glüdck der Ruffiihen Waffen das Defterreihifhe Heer unter 
Fürſt Schwarzenberg zum Rüdzuge nad Galizien zwänge. 
Oeſterreich erklärte, es werbe fi in diefem Falle dem Eindrin- 
gen der Nuffen mit dem Corps des Prinzen Reuß und Generale 
Stipfpüg widerfegen, und begehrte binnen ſechs Wochen eine 
befimmte Berfiherung daß Rußland fih eines folhen Einfall 


Jul. 24, 


104 


enthalten werbe. Alexander, durch General Winzingerode gegen 
Metternich und Schwarzenberg mißtrauiſch gemacht, ſchien über 
bie Abfihten Defterreihs unzufrieden. Stein hatte ſchon früher 
darauf gedrungen, Defterreih fo weit irgend möglich zu ſchonen, 
damit ed nicht zur Entwicklung neuer Streitkräfte gereizt werbe; 
er beruhigte auch jegt den Kaifer durch die Bemerkung, der 
von Oeſterreich vorausgefegte Ball feine feinen befonderen 
practifhen Werth zu haben, bie großen Schläge würden bei 
den Hauptheeren erfolgen, die Franzoſen fih darauf nad der 
Weichſel oder Oder zurüdziehen, und ihnen das Defterreihifche 
Heer auf gleicher Linie folgen müffen. 


Der Kaifer ließ fein Hauptquartier bei dem zurüdbleiben- 
den Heere, um jeden Augenblid in die Leitung bes Krieges 
wieber unmittelbar eingreifen zu fönnen; da jedoch für feine 
baldige Rüdfepr wenig Ausfiht war, fo entſchloß fid Stein 
ihm nad Moskau zu folgen; er verlieh Wilili Ludi am 20ſten 
und fam, in den Tagen als Wellington die Franzofen bei Sa— 
Tamanca flug, über Smolensk in der Hauptſtadt des Ruſſiſchen 
Reihe an, J 

Wie ſo oft im Leben, bei Einzelnen und bei Staaten, der 
Augenblick des höchſten äußeren Glanzes das nahende Verder⸗ 
ben bezeichnet, ſo bot auch damals, wenige Wochen vor der 
Verbrennung, Moskau ein großes und erhebendes Schauſpiel 
dar. Die Ankunft des Kaiſers regte die Bevölferung der Stadt 
und der Umgebungen auf. Das zahllofe zu feinem Empfange 
von allen Seiten herbeiftrömende Volk ſprach einen hohen 
Grad von refigiöfer und nationaler Begeifterung aus, und alle 
Stände beeiferten ſich, durch Gelb und Truppenftellung biefes 
Gefüͤhl zu bethätigen und ihrer Verehrung für den Kaifer 
Ausdrud zu geben. Der Anblid der ihn umringenden und faft 


105 


anbetenden Menge, die fi drängte ihn zu ſehen, zu berühren, 
die Frömmigkeit womit fie den Kirchen zufrömte und mit 
Hlühender Andacht betete, war herzerhebend und begeifternd; 
Stein genoß biefen Anblid im Kreml, wohin ihn der Gouver⸗ 
neur Graf Roſtopſchin eingeladen hatte. Diefer zahlreiche und 
wohlhabende Adel welcher dem Kaifer Leben und Vermögen 
anbot, erinnerte ihn an Burke's Ausſpruch in dem Werke über 
die Franzöfifhe Revolution: daß es von den großen Grund» 
eigenthümern abhängt das Vollfommenfte zu erreichen was bie 
Menfchheit hervorbringen fann, aber daß felbft ohne Rüdfiht 
auf die fittlichen Eigenſchaften, fie der Ballaft find, ohne wel- 
chen das Staatsfchiff nicht mit Sicherheit ſchiffen kann. 

Der Kaifer war nun bemüht biefem Gefühle für die 
große Sache Haltung und Beftimmtheit zu ertheilen; die Be— 
waffnungen, zu denen der Abel den zehnten Dann feiner Guts- 
angehörigen auszurüften anbot, wurden im größten Maße 
unternommen, und allen biefen aufgebotenen Kräften die Rich» 
tung auf den eindringenden Beind gegeben. 

In einer Unterrebung mit Stein am 28ſten Julius wur⸗ 
den aud die Deutſchen Angelegenheiten beſprochen, Stein er- 
hielt die Billigung Aleranders zur eifrigen Betreibung ber von 
Gruner geleiteten Anftalten, und ben Befehl dem Kaiſer nach 
St. Petersburg zu folgen. 

Er benugte die nächflen Tage, um fih mit ber Eigen- 
thuͤmlichkeit der merkwürdigen Stabt befannt zu maden, und 
die bebeutendften Anflalten zu befuchen. Er fhreibt darüber 
an Frau vom Stein: 


„Moskau ift mehr ein Verein von Stäbten als eine ein- 
zige Stadt; fie zeigt eine Maffe von Gebäuden ber verſchieden— 
Ken Bauart, prächtige Paläfte, hölzerne Häufer, Bauwerke im 
ſchlechten Styl des untergehenden Römifhen Reihe mit dem 


106 


Style des Drients gemiſcht, andere im beften Gefhmad ber 
neueren Baulunſt; ber größere Theil dieſer großen Gebäude 
von Gärten umgeben, welde oft fehr ausgedehnt find; fo hat 
der Garten Raſumofsky 42 Morgen. Die Bevölferung ber 
Stadt zaͤhlt 370,000 Menſchen, ift fehr thätig und beweglich, 
daher der Verkehr auf den Straßen außerordentlich Tebhaft, 
befonders auf den großen Plägen, wo alle Kaufläden vereinigt 
find, indem der Handel ausſchließlich in den Fäden, nicht in 
den Häufern, vor ſich geht. Die meiflen Herren befigen in der 
Umgegend Landhäufer, einige berfelben find fehr fchön, wie 
Petrowsky der Befig des Grafen Leo Raſumofsky durch fein 
Schloß und- die Gärten, Gorensky welches dem Grafen Aleris 
Raſumofsky gehört, durch einen fehr großen botanifchen Garten 
und eine Drangerie die auf 500,000 Rubel gefhägt wird; 
und andere, die ich noch nicht gefehen habe. 

Meine Belanntfhaft beftcht aus einer Anzahl Figuren bie 
ich bei Hofe und an ber Tafel des Kaiſers gefehen, und aus 
der Familie des Grafen Leo Raſumofsky, welchem der Graf 
Kotſchubey mid empfohlen hatte; ich fand bier feine Schwerter 
die Gräfin Aprarin welche fo lange in Prag wohnte, und 
Frau von Sangragfy, beide Bekanntſchaften der Werthern. 
Sehr unerwartet traf ich Ouwaroff hier; er hat die Tochter 
des Grafen Aleris Raſumofsky geheirathet, iR in Petersburg 
angeſtellt, und bewohnt in biefem Augenblid das Schloß von 
Gorendty, wo ich ihn aufgefuht habe. 

Da über die Ahreife des Kaiſers noch nichts entſchieden 
ift, fo werde ich bier wenigfiens noch drei ober vier Tage 
bleiben, und biefe Zeit zur Befichtigung des Merfwürbigften 
verwenden. — Die Umgebung if ziemlich einförmig, eine 
große Ebene von einem ſchiffbaren Fluſſe durchſchnitten; Birken- 
wälder; bie Birke ift in den nördlichen Gegenden ſchoͤner als 
bei ung; aber da fie nebft der Kiefer allein den Beſtand der 


107 


Baldungen ausmacht, fo fehlt diefen die Schönheit und die 
Abwechslung der unfrigen, und der Luft diefe Milde und 
Weichheit unferes und des heimifchen Clima. Die Erinnerung 
an das Baterland und das Gefühl von ihm und Allem was 
mir werth ift entfernt zu ſeyn, ergreift mid oft ſchmerzlich, und 
diefe Vereinzelung worin man fi) inmitten eines großen Hau- 
fens findet if fehr drüdend. Die Rücklehr des Grafen Kot« 
ſchubey nah St. Petersburg beraubt mi der gewöhnlichen 
Geſellſchaft eines achtungswerthen, unterrichteten Mannes, ber 
durch die Gefchäfte und die Welt gebifder if, und mir befän- 
dig Freundſchaft und eine fehr aufrichtige THeilnahme gezeigt 
bat. Diefe Entbehrung if um fo größer, als es in den feinen 
Stäbten in ber Nähe des Hauptquartierd wohin man fih ge= 
wiefen fiebt, feine Hülfsquellen irgend einer Art giebt, wenn 
die Menſchen mit denen man ſich dort zufammenfindet, nicht zu 
uns paſſen. 

Dazu fommt, daß ih mich gezwungen fehe einen Meinen 
Haushalt einzurichten, eine Art Koch zu nehmen, und mich mit 
diefen Einzelheiten zu beſchaͤftigen die ich verabfheue — man 
muß fi darin finden. ‚ 

Eine der merkwürdigen Anftalten die ich hier fah, iſt das 
Findelpaus. Es feht unter unmittelbarer Leitung der Kaiferin 
Mutter, und iſt eine prächtige Einrichtung, aber id ward von 
der Zahl der Kinder betroffen die man hier jährlich aufnimmt; 
fie beläuft fi auf viertaufend; es giebt alſo viertauſend Mütter 
welche die Gefühle der Natur erſticken und die armen Kleinen 
verſtoßen, deren Sorge und Erhaltung ihnen anvertraut if! 
Eine große Zahl dieſer Kinder gehört ber unteren Vollsklaſſe 
an, und doch find die Beifpiele felten, wie man mir fagt, daß 
Eltern ihre Kinder aus der Anſtalt zurädforbern.” 


108 


Nah der Zurüdkunft von Gorensfy wo er den 28ſten 
und 2Ifen zubrachte, fährt er fort: „Iu meinem Alter hat 
man nicht mehr dieſe thätige und unermüdliche Neugierde, die 
erfordert wird um gut zu fehen und aufmerffam alle anziehende 
Gegenftände zu unterfuhen; das Leben hat feine Täuſchungen 
und feine Farben verloren; Alles verkündet, dag man fi da⸗ 
von trennen und hierauf fi) vorbereiten muß. 

Die Einwohner von Moskau, wenigftens die ih am Hofe 
ſah, haben viel von unferer Deutſchen Steifpeit ohne unfere 
Gutmüthigfeit, verbunden mit dem Hochmuth ber Drientalen 
der fohlimmften Art, ihrer nächften Nachbarn, der Mongolen, 
Türken und Kalmüden; fie haben Nichts von dem Ceremoniell 
der Chinefen noch von der Frömmigkeit und dem dichteriſchen 
Anfluge der Hindu; — Du wirft darnach urtheilen, daß man 
fie ohne Vergnügen fieht und ohne Bedauern verläßt; jedoch 
nehme ih das Haus des Grafen Leo Rafumofely aus, wo 
man fih vollfommen wohl befindet. 

Zu Moskau traf ih Frau von Stael, jedoch ohne fie zu 
fprechen. Ich fand bei der Rüdfehr vom Lande ein fehr ver- 
bindliches Einladungsbillet zu ihr; ich erhielt es erft um Miütter- 
nacht, fie war ſchon zu Bett, und ich muß daher diefe Bekannt» 
ſchaft bis auf ihre Anmefenheit in St. Petersburg verſchieben.“ 


Der Kaifer hatte Moskau am 31ſten Julius verlaffen. 
Er fand feine zweite Hauptſtadt in einer Stimmung, welde fie 
fehr zu ihrem Nachtheil von dem Innern des Reiche unterſchied. 
Die Peteröburger Bevölkerung beftand aus Hofleuten, Beamten, 
Kaufleuten, Gewerbetreibenden, einem Gemifhe von Fremden 
und Einheimifhen; ihre Hauptzüge waren Eitelfeit, Ehrgeiz, 
Gewinnfucht, nicht frommer treuer Bürgerfinn. Die Peterd- 
burger waren ein Jahr zuvor friegeluftig, weil man glaubte 


109 


den Krieg fern von der Gränze führen zu fönnen; als dieſer 
Bortheil nicht benugt war, fo fah man den Krieg als unver- 
meiblih an und ergab ſich in das Schidfal, Bei den weiteren 
Fortſchritten des Feindes zeigte ſich der Geift ſchlecht, felbft- 
füchtig, nur für die eigene Erhaltung beforgt; die Petersburger 
äußerten Unwillen über den Kaifer, Tadelſucht, und verhelten 
faum eine geheime Neigung zum Frieden. Die Aufnahme des 
Kaiſers war alt, was ihn äußerſt Fränfte, man unterhielt fi 
mit allerlei nachtheiligen Gerüchten von dem Heere, man 
ſchimpfte auf Phull, empfing Paulucci mit großer höchſt unver- 
dienter Achtung, und die Anerbietungen welche für die gemeine 
Sage gemacht wurben, flanden verhältnigmäßig hinter denen 
der andern Gouvernements zurüd, wo befonders in Smolensf, 
Moskau, Twer, Jaroslaw der Landmann allgemein den vor- 
trefflihften Geift zeigte, mit dem größten Eifer dem Aufruf zu 
den Waffen folgte, und mit einer Vaterlandsliebe welche bereit- 
willig Gut und Blut opferte, ben Fortfepritten der Feinde ent⸗ 
gegenwirkte. 

Stein folgte dem Kaiſer am 2ten Auguſt. Die Reiſe 
füprte über Twer, wo er zwei Tage bei dem Prinzen Georg 
von Oldenburg und feiner Gemahlin zubrachte. Der Prinz 
empfing ihn mit gewohntem Wohlwollen und Güte, die Grof« 
fürftin Catharine mit aller ihr eigenthümlichen Liebenswärdig- 
keit. Die” Prinzeffin war groß, fhön gewachſen, von fehr 
fhöner Farbe, ihre Züge fehr angenehm; ihre Unterhaltung 
zeugte von einem außerordentlich gebildeten Geifte, einer großen 
Erhebung ber Seele. . Dabei befaß fie ein fehr hervorſtechendes 
Talent zum Zeichnen; mit einem Worte, fie war eine ausge- 
zeichnete Frau und befaß viel Einfluß auf den Kaifer und den 
Großfürften Eonftantin, An den großen politifhen Begeben- 
heiten der Gegenwart nahm fie einen fehr Tebhaften und ent- 
ſchiedenen Anteil, und fimmte darin mit ihrem Gemahl und 


110 


Stein weſentlich überein, Als die Franzoſen fo tief ind Innere 
Rußlands vardrangen und das Voll in leidenſchaftlicher Er- 
bitterung das Unglüd des Landes bem Kaifer zuſchrieb, forderte 
der Adel ber Statthalterfhaften Jaroslam, Twer und andere 
die Großfürfin auf, fih an feine Spige zu ftellen und bie 
Regierung zu ergreifen, Obwohl fie den Vorſchlag zurüdwies, 
fo ward doc durch dieſen Vorgang Aleranders Vertrauen in 
fie etwas vermindert, Das Furze Olüd ihrer Ehe follte wenige 
Monate fpäter dur den unerwarteten Tod ihres Gemahls 
vernichtet werben; Prinz Georg flach im December zu Jaros⸗ 
law in feinem Oouvernement, wo er die Maßregeln zur Ber- 
theidigung bes Landes betrieben hatte; bie Großfürfiin blieb 
feit dieſem erflen Befuche Steing treue und hochherzige Freundin 
und Beihügerin, und beharrte in dieſer Gefinnung auch als 
fie fpäterhin den Thron von Würtemberg beſtiegen Hatte‘. 
Stein erreihte am Tten Auguf das Heine Landſchloß 
Camini-Ofttow, wo fi ber Kaiſer und die Kaiſerin aufpielten, 
Er warb ber Lepteren vorgefiellt, befuchte den Grafen Kotſchubey 
in Czarskoſelo, und traf am ten in St, Petersburg ein, welches 
ihm durch die Größe und Regelmäßigfeit der Gebäude, bie 
ausgedehnten Ausfihten, die Breite und Tiefe feines Stromes, 
den lebhaften Eindrud einer großen und fehönen Stabt gab. 


Fünfter Abſchnitt. 


Fortgang des Krieges bis zum Brande Mos- 
kau's. Gtein in St. Petersburg Deutſche 
Angelegenheiten. 





Naq ſeiner Ankunft in St. Petersburg ſchlug der Kaiſer dem 
Kronprinzen von Schweden eine Zuſammenkunft in Abo vor; 
fie erfolgte am 28ſten Auguſt und bewirkte ein perfönlihes 
Berhältnig beider Fürſten, welches dem Kaifer in biefer Zeit 
großer Bedraͤngniß die freie Verfügung über fein Finniſches 
Heer und damit eine bedeutende Verſtaͤrkung für die Befagung 
von Riga und die Wittgenfteinfhe Macht an der Düna ver- 
ſchaffte. Alexander verhieß dagegen in dem Bertrage vom 
Z30Oſten Auguft für Ende Septembers ein Ruſſiſches Hülfsheer 
zur Eroberung Norwegens, und feine Zuneigung für den 
Kronprinzen erregte in biefem vielleicht fhon damals Hoffe 
nungen auf eine hohe Stellung in Frankreich, welche im Früh- 
jahr 1814 der Erfüllung einmal fehr nahe kommen follten. In 
Abo fand er aud den neuen Engliſchen Gefandten, Lord Cath⸗ 
cart, der ihm nad St. Petersburg folgte, und ihn fpäterhin 
auf feinen Feldzügen begleitet hat. . 

Indeffen nahmen die Rriegsbegebenheiten ihren weiteren 
Fortgang. J 


112 


Das Ziel auf welhes ale Bewegungen des Ruſſiſchen 
Heeres feit Eröffnung des Feldzuges gerichtet waren, die Ver- 
einigung der beiden unter Barclay de Tolly und Bagrathion 
in ſtetem Rüdzuge begriffenen, durch die Franzoſen weit aus- 
einander getrennten Theile, ward in der Mitte Augufts bei 
Smolenst erreicht, und Barclay beſchloß nun hier die ſchon 
ſehr verminderte aber freifih nod weit überlegene Macht 
Napoleons zu erwarten, und das über das ftete Zurüdgehen 
laut murrende Heer zu befriedigen. Der Kampf um Smolensf 
zeigte die Nothwendigleit eines ferneren Rüdzuges ben aus 
dem Innern des Reihe erwarteten Verſtärkungen entgegen, 
wobei man durch entſchloſſene und tapfere Bertheidigung jeder 
günfiigen Stellung dem Feinde das Vorrüden erſchwerte und 
feine Kräfte ſchwaͤchte. Aber die Unzufriedenheit des Heeres 
mit dem Oberfeldherrn hatte einen ſolchen Grad erreicht, bag 
die Befehlshaber der Heeresabtpeilungen Barclays Abfegung 
beſchloſſen haben ſollen. Der Kaifer ſelbſt ward mißvergnügt, er 
ertheilte den Grafen Kotſchubey, Arakczejew und Fürften Lapuchin 
den Auftrag, Barclays Betragen zu prüfen; und fie trugen auf 
feine Entfernung und Kutufows Ernennung zum Oberfeldherrn 
an, welde auch von des Kaiſers Erzieher Fürſten Soltikow 
empfohlen ward. Sie erfolgte, und erhielt allgemeinen Beifall, 
weil Kutufow ein geborener Ruſſe war, Verſtand und Kriegs— 
erfahrung befaß: doch war er bereits 70 Jahr alt, feine Klugheit 
zeigte ſich häufig als Schlauheit, und man ſchrieb ihm mit 
Grund ben berechnenden abſichtlichen Character eines Hofmannes 
zu. Doc felbft feine Fehler empfahlen ihn dem Heere, und 
wenn er nach jeber Niederlage in feinen Berichten von großen 
Eiegen ſprach, fo hatte eine ſolche Unwahrhaftigfeit den augen- 
blicllichen Nugen, den Muth und das Vertrauen der Maffen 
über die gefährliche Zeit hin aufrecht zu halten. Schon war 
es ein großer Vortheil, daß durch biefe Ernennung bie man- 


113 


- gelnde Einheit des Oberbefehls hergeftellt und das Bertrauen 
des Heeres belebt war. Unter Kutuſow fland als Chef des 
Generalftabes der General Bennigfen, der den entſchiedenſten 
Einfluß auf feinen Feldherrn hatte. 

Seitdem der Kampf in das eigentlihe Rußland verfegt 
war, nahm er immer mehr ben Character eines Vollskrieges 
an; bei dem Rüdzuge wurden Städte und Dörfer verbrannt, 
bie Bevölferung flüchtete in die Wälder und überfiel die nad 
Nahrung und Kundſchaft umherfhweifenden Feinde, welche auf 
einen Raum von wenig Deilen von ber großen Heerſtraße 
befhränft wurden. In Iebpaftefter Spannung vernahm man 
zu St. Petersburg Tag für Tag die Nachrichten von dem 
weiteren Rüdzuge, und harrte eines großen und wie man 
hoffte fiegreichen Schlages zur Vertheidigung des Reihe; man 
befcpleunigte die Rüftungen, und vernacpläffigte feines ber 
Mittel von denen man fih einen Erfolg für die Führung und 
den Ausgang des Feldzuges verfprechen durfte. Der Kaifer 
entwidelte die größte Thätigfeit, und fein Entſchluß unter 
feiner Bebingung Frieden zu fließen befeftigte fh durch jeden 
neuen Berluf. 

Nachdem bie Mitglieder des Deutfchen Komitee mit Aus- 
nahme des Prinzen Georg von Oldenburg unter den Augen 
des Kaifers in St, Petersburg wieber vereinigt waren, warb 
ihnen in ber Perfon des Herzogs von Dfdenburg ein neuer 
Borfiger gegeben. Der Herzog war, nad Steins Urtheil, ein 
ſehr ſittlicher unterrichteter aber höchft förmlicher, in ſich felbft 
abgefchloffener farrfinniger Fürft, einfeitig, kleinlich, enge in 
feinen Anfihten, und daher Stein Wefen gerade entgegengefegt. 
Als in diefen Tagen der eben angefommene Arndt dem Herzog 
vorgeftelt werben follte, fagte ihm Stein: „Machen Sie fih 
nur auf ein Eraminatorium aus der Deutfchen Reihs- und 


Staategefpichte gefaßt, und auf einen ade Stand auf 
Stein’s Leben. MIT. 2te Aufl. 


6. 
Aug. 18 


114 


geraden Beinen, Der weiß alle Namen und Zahlen und Ge- 
f&hlehtöregifter auswendig, und tobiftehen auf feinen Tangen 
geraden Weſtfäliſchen Beinen fann er den tüchtigſten Dann 
trog dem Regensburger Reichstag!” Und fein eigenes Ge- 
ſchaͤftsverhaͤltniß zu ihm bezeichnete Stein anfhaulih genug: 
Der fieht vor mir ganz wie ber alte Deutfhe Reichsproceß, 
und docirt mir zwei drei Stunden stans pede in uno.” Diefes 
Verhaͤltniß fonnte nicht dauern, und bald trug Stein dem 
Raifer feine Bedenken geradezu vor. 


Stein an den Raifer. 

„Euere Kaiſerliche Majeftät hat des Herzogs von Oldenburg 
Hoheit in dem Deutfgen Comitee eine Stelle gegeben. Unge- 
achtet der Achtung welche ich für die Tugenden und fittlihen 
Eigenſchaften diefes Fürften habe, verpflichtet mich doch meine 
Ergebenheit für Eurer Kaiferlihen Majeſtät Perfon, für die 
von Ihnen beſchützte Sache, und meine natürlihe Dffenheit, 
Ihnen bie folgenden Bemerkungen vorzutragen: 

Die Anfiht Seiner Hoheit des Herzogs von Oldenburg 
über die Angelegenheiten bes innern Deutſchlands, ift fo voll- 
kommen verſchieden von der meinigen, baß ich fein Mittel fehe 
fie zu vereinigen ohne die meinige in den weſentlichſten Puncten 
zu opfern, was meine Anhänglichfeit an das was fid) meinem 
Geifte als Wahrheit barftellt, mir niemals erlauben wird. 
Der Herzog mißbilligt 

1) den Aufruf an die Deutſchen; id halte und ich hielt 
ihn für nothwendig, weil eine Regierung ihren Willen aus— 
fpregen muß; alle Männer welche das Innere Deutfdlande 
fennen, find meiner Meinung gewefen. 

2) Der Herzog glaubt nit an bie Möglichkeit, die Deutſche 
Bevoͤllerung zwiſchen Elbe und Yffel unter dem Schug eines 
Landungsheeres mit Nugen in Thätigfeit zu fegen; id bin da= 


115 


von überzeugt; und wenn man Alles allein von den Forts 
ſchritten des Ruffifchen Heeres erwarten und die Deutfchen wie 
eine träge Maffe behandeln müßte, fo wäre es unnäg ſich mit 
den Mitteln zu beſchaͤftigen um auf fie zu wirfen. 

Meinungen welche fo wefentlih von einander abweichen, 
laſſen ſich nicht vereinigen; ich verabfheue das Syſtem ber 
Vergleiche, gegenfeitiger Opfer der Meinungen, der Gefällig- 
keit; es ift das verderblichſte von allen. Ich bitte Eure Mafeftät 
aufs Dringendfte 

mid für die Zukunft von der Behandlung der Geſchäfte 
welche fih auf bie Leitung bes öffentlichen Geiftes im innern 
Deutfchland beziehen zu befreien, 

und mir die Erlaubnig zu ertheilen im Fall ber Kronprinz 
von Schweden eine Landung bei Memel unternimmt, zu ihm 
zu ftoßen, und an Ort und Stelle zu verfuchen Eurer Kai— 
ferlihen Majeftät Abfichten auszuführen und Ihnen meine 
ehrfurchtsvolle Anhänglichfeit zu beweiſen.“ 


Der Kaifer ſprach über biefen Antrag am an Auguft 


mit Stein und erlaubte ihm die Deutfchen Angelegenheiten fos 
weit fie ihm übertragen waren, ohne Zugiehung des Herzogs, 
allein mit Kotſchubey und Lieven zu behandeln. 

Die Gefhäfte Fonnten dadurch nur gewinnen; denn Graf 
Kotſchubey war mit Stein durch gegenfeitige aufrichtige Achtung 
und Zuneigung verbunden, und Graf Lieven, dem Stein fonft 
fein tiefes Urtheil zutraute ”, hatte durch den Fleiß und Eifer 
womit er fih als Gefandter in Berlin mit den Deutfhen An- 
gelegenheiten befannt gemacht und fie in St. Petersburg als 
Mitglied des Deutfhen Comittee behandelte, Steins gerechte 
und große Dankbarkeit, und durch die Zuverläffigfeit und Ger 
wandtheit feines Characters deffen Vertrauen erworben’, 

8* 


116 


Unter Stein arbeitete jeit jener Zeit Ernſt Morig Arndt; 
er war dem ergangenen Rufe gefolgt, am 9ten Julius bei 
Gruner angelangt, hatte Prag am 14ten verlaffen und traf 
nun auf weitem Umwege um bie Franzöfifhen Heere über 
Moskau am 16ten Auguft in St. Petersburg ein. Am 18ten 
zeigte Stein feine Ankunft dem Kaifer an, und machte bie cr- 
forderlihen Anträge über feine Stellung und Verwendung: 


„Herr Arndt muß fogleih mit Nugen gebraucht werden, 
a) um Schriften, Lieder u. ſ. w. abzufaffen, welche unter den 
Deutſchen verbreitet werben follen um ihre Anfichten zu berich- 
tigen; b) er wird bei der Deutfchen Legion angeftellt, um ihr 
— durch feine Schriften und alle Mittel einer volfsthümlichen 
Beredtfamfeit — Begeifterung und eine folde Hingebung ein- 
zuflögen, wie wir fie in ben Corps des Herzogs von Braun: 
ſchweig und Schills gefehen haben.” 

Aug. * Dieſe Antraͤge wurden vom Kaiſer genehmigt. 

Stein Hatte in Arndt den geiſtreichen freimüthigen patrioti— 
ſchen Schriftſteller berufen; er fand in ihm einen edeln, zur 
Ausführung guter friſcher Thaten ſtets bereiten, dem Böſen 
und dem was er bafür hielt, abholden und grimmen Dann, 
und einen treuen Freund, der, wenn er fpäter bei der Um— 
Fehr der Verhältniffe Verfolgungen erduldet, doch auch in ber 
düßterften Zeit den Sonnenblick folder Augenblide genoffen hat, 
wie jener, als bei dem Beſuche des Kronprinzen in Bonn, 
Niebuhr den ven ber Hofgunft gemiebenen unter bem Gebränge 
der Profefforen zurüditehenden hervorzog und dem Fürften, 
welcher für fo etwas ein Herz hatte, mit den Worten vor— 
ſtellte: Hier if mein Freund Arndt. 

Arndt hat feines Wirkens unter Stein in den Erinnerungen 
aus dem äußeren Leben mit Liebe gedacht, und auch für biefe 


117 


Darftellung einzelne Züge mitgetpeilt, welche an ihrer Stelle 
folgen werben. 

Für den Verwaltungsrath ſchrieb er zunaͤchſt den „Kate- 
hismus für den Deutfchen Kriegs- und Wehrmann, 
worin gelehrt wird, wie ein chriſtlicher Wehrmann feyn und 
mit Gott in den Streit gehen fol.” Diefe Klugfhrift mit dem 
Wahlfpruh aus Joel: „Fürchte Dich nicht, liebes Land, fon- 
dern fey fröplih und getroſt, denn ber Herr fann große Dinge 
thun,“ warb damals in St. Petersburg gebrudt und zu dem 
Heere geſchickt, und fpäterhin, fo wie der Sieg vorrüdte, mit 
zeitgemäßen Abänderungen zu Königsberg, an verfciedenen 
Drten Deutfhlande, zulegt 1815 in Köln in vielen taufend 
Abzügen gedruckt; fie findet fih in ihrer Iegten Geftalt in 
Arndts Heinen Schriften für und am feine Tieben Deutſchen. 
1845. Th. 1. S. 230. 

Ein Erbieten zur Herausgabe einer Deutfhen Zeitung, 
welche zweimal wöchentlih erſcheinen und in Deutſchland vers 
breitet werden follte, hat fo viel ich weiß feine weitere Folge 
gehabt, wahrſcheinlich weil die Mittel fehlten ipr regelmäßigen 
Eingang in Deutſchland zu verſchaffen. Kogebue von dem der 
Vorſchlag herrüßrte, erbot fi, fie vorläufig ohne Rüdfiht auf 
Belohnung zu fehreiben, verlangte jedoch die Koften des Aufent- 
balts in St. Petersburg erfegt, welche er monatlich auf taufend 
Rubel anſchlug. 

Der Staatsrath Gruner ſollte in Gemaͤßheit des vom 
Kaiſer gebilligten Planes, über Alles, was ſich im Rüden bes 
Franzoͤſiſchen Heeres ereignete, über deſſen Verſtaͤrkung fo wie 
den Zuftand der Feflungen, genaue Nachrichten einziehen, die 
öffentlihe Meinung in Deutſchland Teiten, das Volk gegen 
feine Unterbrüder und beren Mitfhulbige erbittern, einzelne 
Auffände unterflägen, und bewegliche Truppe bilden um die 
feindlichen Couriere aufzufangen. Zu biefem Zwed hatte er 


118 


über ganz Deutfhland ein Ne von feftangeftellten Beobachtern 
verbreitet, mit denen er durch vertraute Reifende eine flete 
Verbindung unterhielt, die gewünfchten Nachrichten einzog und 
feine Abſichten ausführte. 
Auf den Straßen zwifchen Oder und Elbe wurden zwifchen 
Hamburg und Stettin 
zu Hamburg, Boigenburg, Schwerin, Schwaan bei 
Roſtock, und Stettin 5 Beobachter und ein beweglicher 
Reiſender und Sammler, Franz Knappius, 
zwiſchen Magdeburg und Cüftrin 
zu Magdeburg, Brandenburg, Berlin, Cäftrin ungefähr 
12 Beobachter und ein Neifender, Ferdinand Müller, 
zwiſchen Dresden und Glogau 
zu Freiburg, Sagan, Eroffen, Lübben 6 Beobachter und 
ein Reifender, Ferdinand Müller, 
auf den Straßen zwifchen dem Rhein und aus Süddeutſchland 
zur Elbe 
von Wefel bis zur Eibe 
zu Münfter und Göttingen zwei Beobachter, 
von Mainz bis zur Elbe 
zu Frankfurt, Erfurt, Weimar drei Beobachter, 
von Straßburg bis zur Elbe 
zu Stuttgart und Würzburg zwei Beobachter, deren 
einer, Preuße, die ganze Straße zu bereifen hatte, 
von Münden nach Dresden 
zu Münden und Hof drei Beobachter und ein Reifen- 
der Siebbrath, und 
zu Prag bei Gruners Perfon für außerordentlihe Auf- 
träge bie Herren v. Ditmar, Preuß II und Mugel an= 
geſtellt. 
Von dieſen 40 Perſonen erhielten nur die drei letzten und 
13 andere monatliche Gehalte von 60 und 75 Thalern nebſt 


119 


50 und 25 Thalern Auslagenerfag; die meiften wirkten ohne 
alle Belohnung nur der guten Sache wegen. Sie gehörten 
far alle dem Mitteltande an, Regierungsräthe, Beamte, Pre— 
diger, Poftoffizianten, ehemalige Offiziere, zwei derfelben lebten 
in den Stuttgarter und Weimarfhen Hofzirkeln. Daß aber 
auch hier Unkraut unter den Waizen gefäet gewefen, ſcheint ber 
Name Palm anzubeuten, der ald Beobachter in Göttingen mit 
110 Thaler monatlih Gehalt und Auslagenerfag genannt wird, 
wenn biefes derfelbe Amtfchreiber Palm ift, welcher zu ben 
gefährlichen Polizeifpionen der Franzoſen gehörte und deshalb 
nad) der Befreiung des Landes zu vieljähriger Zuchthausſtrafe 
verurtheilt worden if. Die Gefammtloften betrugen monatlich 
1010 Thaler Gehalt und 600 Thaler für Auslagen zu Heinen 
Reifen, Geſchenken, Briefporto. Diefe Bertrauten verfah Gruner 
mit folgender 


Dienft-Anweifung 

„Der Zwed Ihrer Sendung iſt die Befreyung bes Deut- 
ſchen Baterlandes von den Feſſeln Frankreichs. 

Da wir dazu jegt durch eine offene Thätigfeit noch nicht 
beytragen dürfen, fo bleibt ung nichts übrig, als nad dem 
ruhmvollen Beyfpiele älterer Völker alles in der Stille vor- 
äubereiten, daß einft und wo möglich bald der Tag der Ret— 
tung erſcheine, an dem die Deutfche Nazion wieder in ihrer 
urfprünglichen Größe und Selbfifländigfeit zurüdtrete. 

Die Hülfe kann jegt nicht von Innen fommen: es bleibt 
und daher nur übrig, und an eine äuffere Kraft anzufchließen, 
durch diefe das Deutfche Volk zur Selbfibefreyung zu impul- 
ſiren, und in Gemeinfgaft mit ihr auf jede Weife zur Ver— 
nicptung des gemeinfamen Feindes Fräftig und beharrlih zu 
wirfen. Diefe äuffere Kraft, an welche wir ung jegt fehließen, 
iſt Rußland. Unſer Beftreben muß zunächft dahin gehen, feine 


120 


Bemühungen im Kampfe gegen Frankreich zu unterflügen, es 
mit dem Deutfchen Baterlande in enge Verbindung zu fegen, 
gegenfeitiges Vertrauen zwiſchen beiden zu fördern, und zu er= 
wirken, daß alle Anftvengungen ihren hohen Zwed, die Ver⸗ 
nichtung des gemeinfhaftlihen Feindes, moͤglichſt fiher er- 
reihen. Die Geſchaͤfte welche wir in biefer Beziehung über» 
nehmen, find theild Beobachtung theild Bearbeitung Deutſch- 
lands zu dem eben genannten Zwei. Behufs beffelben ift ganz 
Deutfhland in gewiffe auf ihre Eigenthümlichkeit berechnete 
Bezirke getbeilt. Jeder diefer Bezirke wird der Beobachtung 
eines treu gefinnten, feten, befonnenen, für die gerechte Sache 
mit allen Mitteln ausgerüfteten und mit ſolchen für fie han= 
delnden Mannes anvertraut, 

Ihnen ift in dieſer Beziehung ber Bezirk von .... übers 
wiefen. Die Gefcäfte welde dort das Ziel- Ihrer fpeziellen 
Bemühungen ſeyn müffen, find: 

4. Ueber das Kriegsweſen bes Feindes genaue Auskunft 
zu geben, nämlich: 

a) Ueber die Stärfe der Heere oder einzelner Corps und 
Regimenter. 

b) Ueber ihre Standorte und Bewegungen. 

©) Ueber die Stimmung welche im Heere herrſcht. 

a) Ueber den Zuftand der Feftungen und Depots. 

e) Ueber jede au noch fo geringe nadhrüdende Berflär- 
fung zu der feindlichen Armee, auf der Ihnen zur Beobachtung 
überwiefenen Militair- Straße. 

f) Ueber den Zuftand der Magazine und Getreide Ber 
Hände für die Armee und im Lande. B 

g) Ueber alle etwanigen Recrutirungen und Militnir- 
Formazionen. 

h) Ueber das Lazareth-Weſen und beſonders über das 
Ankommen von Verwundeten von ber feindlichen Armee. 


121 


i) Ueber die etwanige Ankunft und Behandlung Deutfcher 
und Ruffiiher Kriegsgefangenen. 

k) Ueber alle fonftige irgend erhebliche Armee- und Kriegs⸗ 
Ereigniffe. 

Bey den Nachrichten von den Truppen-Verſtärkungen, if 
es befonders wichtig, daß bie No. der nadhrüdenden Regimenter 
oder deren Bataillons- und Berftärfungs - Mannfhaften, in= 
gleihen zu welchen Armee-Corps fie ſtoßen, fo wie aud jeder 
nadhfommende General oder Offizier von Bedeutung genannt 
werde. Als Bafis Ihrer diesfalfigen Beobachtungen erhalten 
Sie hier einen genauen Dislocationd » Etat der Franzöſiſchen 
Armee, welden Sie in geheimer Schrift mit fi nehmen wer- 
den. Die Abfendung von Cadres zur Bildung neuer feind- 
licher Negimenter, gehört auch zu den beobachtungswerthen 
Gegenftänden, ebenfo bie mehr ober minder ftarfe Sendung 
von Couriren. 

Da es für die militairifhen Dperazionen gegen Frankreich 
und deffen Verbündete von der höchſten Wichtigfeit ift, über 
alle diefe Gegenftände ſchleunigſt ausführlih und ganz genau 
unterrichtet zu feyn, fo werden Sie darauf ganz befonders Ihr 
Bemühen ricpten und fortlaufende genane Anzeigen beshalb 
mittheilen. 

Die Wahl der hierzu erforderlichen Subjecte und ſonſtigen 
Mittel, bleibt Ihrer Einſicht und den Local- Umftänden ganz 
überlaffen. Nur if es in jedem Fall nothwendig, daß wenn 
Sie durch Abweſenheit Krankheit oder fonftige Fälle zu fehreiben 
verhindert find, jemand ber ſicher ift ermitteln und ermaͤchtigen, 
ſolches auf eine unbefangene Weife fait Ihrer zu thun, indem 
über bie hierher gehörenden Gegenftänbe, eine wöchentliche An⸗ 
zeige, felb wenn ſolche ſich nicht verändern, erforderlich if. 

2. Die Stimmung Deutſchlands zu erforfhen und zu 
deſſen Selbfibefreyung zu bearbeiten. 


122 


Zu dieſem großen Endwzeck werden fie mit cben fo viel 
Vorfiht und Befonnenpeit als mit Kraft und Wärme zu wirfen 
haben. Die beſten allgemeinen Mittel dazu find: 

3) Gewinnung tüdhtiger Männer aus allen Ständen zur 
Berftärfung bes über Deutſchland gelegten Netzes. 

b) Verbreitung einer richtigen Anficht und tieferen Ber- 
bitterung über bas Elend, weldes Frankreich über Deutſchland 
verbreitet und über die Nothwendigfeit und Leichtigkeit, das 
ſchmachvolle Joch durch eigene Anftrengung und fremde Unter- 
fügung abzuwerfen. 

c) Hinweifung auf die Herftellung Deutfchlands und be- 
ſtimmte Zufigerung der Hülfe Rußlands und Englands. für 
jedes dazu führende tüchtige Unternehmen. 

d) Zerftöhrung irriger Anfihten und Borurtheile in Bezug 
auf die eigene und fremden Regierungen. 

e) Unmittelbare Unterftägung allen befonnenen und wirk⸗ 
famen Infurrectiond-Verfuchen, in ben von Frankreich unter- 
jochten Ländern. 

Wie viele Vorſicht bey ber Ausführung biefer Mittel in 
einem fremden Lande nothwendig ſey, ergiebt fih von ſelbſt. 
Es muß daher unfer Grundgefeg feyn, daß immer nur einer 
zu einem handele, in den Verbindungen welche Sie anfnüpfen 
feiner den andern fenne, und fo Verrath unmöglich gemacht 
werbe, 

IR erft von wirklichen Infurrectiond= Berfuchen die Rede, 
fo fann freplich diefes Syftem nicht mehr befolgt werben, jedoch 
möüffen Sie felbft fih außer aller unmittelbaren Verbindung mit 
mehreren Häuptern halten, um nicht durch Bloßſtellung Ihrer 
Sicherheit, das Ganze zu fährden. 

Bey jedem Inſurrections-Verſuche fommt es vorzüglid 
auf die Wahl der Perfonen, deren Character, Einflug und 
Mittel an, um des Erfolges gewiß zu feyn und denfelben 


123 


unterflägen zu fönnen. Sie werben daher ehe Sie felbft fih 
darin einlaffen, folhe zuvor ganz genau prüfen und das 
Refultat ausführlih und anfhanlih darlegen, zugleih auch 
dann auf diejenigen Unterlügungen antragen, welche von außen 
ber noch erforderlich ſeyn mögten, dieſe jedoch nicht genau zu⸗ 
fagen, bis Ihnen folhe verfichert find. 

Mittheilungen diefer hochwichtigen Art, können jedoch nie 
ſchriftlich, fondern müffen durch einen vertrauten Reiſenden er= 
folgen, wozu Sie fi des N. N. der in dieſer Abfiht Ihren Be- 
zirk bereifet, bedienen fönnen. Außerdem wird Ihnen zuweilen 
ein vertrauter Neifender zugefendet werben, welhem Sie von 
allem Kenntnig geben fönnen, diefer Iegitimirt fi bey Ihnen 
durch eine Zeile von meiner Hand, wenn er Ihnen nicht pers 
ſonlich befannt if. 

In dem Fall eines wirklichen Infurrectiond-Ausbruhs er- 
halten Sie für denfelben nähere befondere Inſtructionen. j 

Wichtig und nuͤtzlich if es, daß Sie mir, fobald Sie in 
ihrem Bezirke gehörig orientirt find, ein characteriſtiſches Ver⸗ 
zeichniß aller fi in demfelben befindender ausgezeichneter Per: 
fonen ſowohl als bösgefinnter mittheilen. 

Eben fo wichtig if es, daß Sie fi genaue Kenntniß von 
den zu unferem Zwed früher ſchon beftandenen ober noch be= 
Rehenden Verbindungen verfehaffen, und an biefelben anfnüpfen, 
Beſonders ift eine nähere Wiſſenſchaft von ben früheren Ins 
ſurrections⸗ Verſuchen und deren Hänptern und Mitteln, wefentz 
lich nothwendig. 

3. Die Blidung von Partheygängern gegen den gemein— 
ſchaftlichen Feind, in deſſen Rüden moͤglichſt zu befördern. 

Die Art und Weiſe wie ſolches zu bewirken, bleibt Ihrem 
Ermeſſen uͤberlaſſen. Nur entſchloſſene und gewandte Männer 
müflen dazu gewählt werden. Sie müſſen ſich über deren 
Eigenfaften und Drittel vollſtändige Kenntniß erwerben und 


124 


folhe anzeigen. Will der Partheygänger ganz aus cigener 
Kraft handeln, fo iR ihm ſolches zu überlaffen, verlangt er 
Schutz und Unterftägung, fo haben Sie fein Unternehmen genau 
zu prüfen und durd einen vertrauten Neifenden davon Mit- 
theilungen zu machen, aud allenfalls infofern es ohne Verdacht 
und Verluſt geſchehen kann, ihn ſelbſt nah Plrag] zu fenden, 
Unterftägung, befonders Schug dur Rluſſiſche] Patente, fün- 
nen Sie im allgemeinen, jedoch nur nad vorheriger Rückſprache 
zuſichern, wenn das Unternehmen als tüdtig feſtſtehet. Auf 
alle Faͤlle ift dies jedoch nad wirklich ausgebrochenem Kriege 
zwiſchen Rlußland] und Flrankreich] zuläfflg, und würden Sie 
bis dahin dieſen Gegenfland nicht berüpren. 

Das Auffangen von Eouriren und Nachrichten, Abfchnei- 
dung von Zufuhr und Berwirrungs » Erzeugung, muß der 
Hauptzwed biefer Parthepgänger feyn, welde ſich unter jeber 
Form bilden fönnen, nur Meine Haufen haben, häufig ganz zu 
verſchwinden feinen und auf entgegengefegten Straßen ſich 
zeigen möüffen, um eine Art von Schreckensſyſtem zu etabliven. 

4. Die Bildung einer Deutfhen Legion in Rußland, 
Ueber biefen Gegenftand und über das deshalb zu beobachtende 
Berfahren, werden Sie noch näher unterrichtet werben. Vor⸗ 
laͤufig fönnen Sie indeß überall verfihern und verfihern laſſen, 
daß jeder gutgefinnte Deutfche Offizier in Rußland Anftellung 
finden fönne und daß auch Gemeine bort aufgenommen werben, 
welche für die gemeinfchaftlihe Sache mitfechten wollen. Solde 
Perſonen Fönnen fih über Wien oder Prag nah Rußland 
begeben und bort von ber Kayſerlichen Gefandticaft, hier von 
mir die nöthigen Anmweifungen erhalten. Dies Mittel muß 
ihnen indeg nur in allgemeinen Ausdrüden und ald muthmaß- 
lich eröffnet werben, um das Geheimniß nicht zu compromettiren. 

Daß die hier angegebenen vier Zwede Ihrer Sendung, 
verſchiedene Mittel erfordern, ergiebt fih von felbft, für den 


125 


erſten berfelben find a) Selbfifehen, b) ſichere Eorrespondenten 
und gute Belanntfchaften mit Pormeiftern, Gaftwirthen, Ein- 
quartierungsbeamten, Offizieren u. f. w. die wefentlihen, für 
die übrigen brey find die Mittel zum Theil ſchon angegeben, 
Die Vertheilung volksthumlicher Schriften, Affihen, Gedichte, 
die Aufflärung ber Deutſchen über ihre wahre Macht, und die 
Scheinmacht bes Feindes, durch unfere bisherige Furcht, Erbit- 
terung gegen denfelben durch Erzählung einzelner Infamien und 
endlich Berbreitung einer eigenen geheim gebrudten Zeitung, 
welche Ihnen von Zeit zu Zeit überfendet werden wird, find 
dazu die beften Hülfgmittel. Alle Ihre Berichte gehen bie auf 
weiteres unter ben Abreffen welche Sie jegt und fucceffive er= 
halten nad Prag. Im der Regel werden Sie wöchentlich einen 
erftatten. Deftere Mittheilung, fowie die Abfendung von Ber- 
tranten, hängt von Umfländen und Ihrem Ermeffen ab. 

Sollte es Ihnen nicht möglich ſeyn, Ihre Mittheilungen aus 
irgenb einem Grunde nad Prag direct zu fenden, fo gefchieht 
ſolches nach zwey andern Puncten, welche Ihnen mündlih an= 
gegeben werben. 

Auf eben diefen Puncten werden die dort fich befindenden 
Berbünbeten, fih durch alle zuläffige Mittel, durch Rath und 
Geld, in Noth und Todt unterflügen. Werden Sie gefangen 
oder trifft Sie font ein Unglüd, fo geben Sie davon durch den 
Correspondenten von Deutfhland (Hamb. Eorresp.) in ber 
verabrebeten Art Nachricht, 

Ale Ihre Briefe werden in Chiffern, welde Sie hier er- 
halten und mit chemiſcher Dinte, die Sie ebenfalls hier befom« 
men gefhrieben und unter den Adreffen, welche Sie erhalten, 
abwechſelnd nach Prag ober ben Zwifchenpuncten gefandt, Auch 
werben Sie mit Nugen, ungeachtet ber Chiffre, füh für Truppen 
und ähnliche Gegenftände, der verabrebeten Blumenfprache be= 
dienen. 


126 


Vorſicht, als das weſentlichſte Mittel den großen Zweck 
zu erreichen, wird Ihnen auf allen Ihren Schritten flets vor- 
geſchrieben. 

Verſchwiegenheit iſt das Siegel unſeres Werks, fie iſt 
unverletzlich, ſelbſt in der höchften Gefahr. Lieber einen ehr⸗ 
und muthvollen Tobt, als ein Leben durch Verrath und Schande 
erfauft. Wir haben und einer großen und gerechten Sache ge⸗ 
meiht, ihr wollen wir in Wort und That leben und erben.” 


Um auf bie öffentliche Meinung zu wirken lieg Gruner in 
Steins Auftrage den 2ten Theil von Arndts Geift der Zeit in 
Leipzig heimlich druden, errichtete an der Sächſiſchen Gränze 
eine Hanbdruderei zur Verbreitung ber ihm zufommenden 
Kriegsberichte, unb vermittelte ben Webergang nad ‚Rußland 
für mehrere der ausgezeichneiften Offiziere, die Oeſterreichiſchen 
Hauptmänner von Pfuel und Maurer, den Preußifhen Ober- 
len von Boyen, melde entfchloffen waren der guten Sache 
ihren Arm zu leihen. Und fo wie er ſchon früher in Preußen 
Taut gefproden hatte, fo wiederholte er jest den Offizieren, 
daß die Deutfhen Fürften zu Napoleons Präfecten herabge- 
funfen feinen Anfpruc auf blinden Gehorfam ihrer Unterthanen 
hätten, vielmehr Letztere ihres Eides Tedig nicht verpflichtet 
fegen für eine ſchlechte Sache dem Vaterlande zum Schaden 
zu fechten. Uebrigens berichtete Gruner, daß bie Stimmung 
allgemein fo gut fey wie man fie erwarten burfte, die Hoff= 
nung auf Landung ber Engländer und Schweden gerichtet, 
welde zu einem allgemeinen Aufftande das Zeichen geben 
werde; in Preußen habe die Art wie Napoleon dem König, 
deffen Reife nad Dresden er nicht gewünfct, begegnet fey, 
die Stimmung gehoben, aber bie unfeligen Unterhanblungen 
mit den Sranzofen, bie Teichtfinnige Uebernahme fo großer Laften 
durch Beguelin, an denen fpäter Staaterath v. Hepbebred fieben 


127 


Millionen Franken abgedungen, das Ausfchreiben einer allge— 
meinen Vermögens: und Einfommenfleuer eine deſto größere 
Mißſtimmung hervorgerufen; der Staatscanzler als vermeint- 
Tihe Duelle des Elends ſey Gegenftand aller Verwunſchungen; 
Pillau fey ohne höhere Ermächtigung durch Grawert den 
Franzoſen übergeben . In Colberg rüfteten Sranzöfifche Offi- 
ziere Kanonenböte; die Berliner Voffiihe und die Liegniger 
Zeitung zeichneten ſich durch Auffäge in Granzöfifchem Sinne aus. 

Am Ende Julius fendete Gruner die Herren v. Burgdorf 
und Hafferotb in den Speffart und Thüringerwald, um bie 
Bildung von Freicorpe vorzubereiten; er verfah fie mit Gelb, 
ertheilte ihnen genaue Vorſchriften für ihre Unternehmungen, 
und empfahl ihnen weitere Befehle abzuwarten che fie han 
delten; ber ehemalige Colberger Partheigänger Müller ward 
für die Tucheler Haide beftimmt. " 

Diefe Maßregeln über deren Fortgang Gruner burd drei 
nah Rußland reifende Dffiziere an Stein berichtete, wurden 
auf des Letztern Antrag vom Kaiſer gebilligt. Dabei ward 
Gruner aufgefordert bie ihm zu Gebote Rehenden vielfältigen 
Verbindungen in den ehemals Preußifhen Provinzen zu be 
nugen, um die Wahl feiner Gefhäftsführer fo viel als irgend 
möglich zu vervollkommnen, und fih mit einflußreichen wohlge- 
finnten Männern feiner Bekanntſchaft, befonders Herrn v. Binde 
in der Graffpaft Mark, Graf Wedell in Oftfriesland und dem 
Heſſiſchen Oberſtlieutenant Menfing, einem muthigen gewandten 
und einflugreihen Dann, in Verbindung zu fegen. Er folle fie 
auffordern den Unwillen gegen die Unterbrüder zu unterhalten 
und das Verlangen einem Tandenden Hülféheere kräftig beizu⸗ 
leben; fie mögten Nachricht über bie bei den Einwohnern vor- 
handenen Waffen, über bie Zahl der Soldaten welche 30,000 
auf die Million Einwohner gerechnet jeder Bezirk liefern kann, 
fo wie über ben Geift und Eharacter der bedeutendfien Männer 


128 


fammeln, welde ald Dbrigfeiten oder Dffiziere gebraucht werben 
gönnen. Auf Grund diefer Nachrichten müffe gemeinfhaftlich 
mit jenen Männern ein Plan entworfen, das Land zwiſchen 
Elbe, Thüringerwald, Rhein und Yffel in Bezirke getheilt, in 
jedem Bezirk die befigefinnten Männer zur Uebernahme ber 
obrigfeitlichen und Kriegsgewalt beſtimmt werben. Sobald die 
Ausfhiffung erfolge, würde in dem Maße wie die Truppen 
ſich ausdehnten, biefen Männern bie ganze Verwaltung über- 
geben, bie alten Behörden aufgehoben, unter den fähigen und 
der guten Sache ganz ergebenen Männern die Anführer ber 
Volksbewaffnung jedes Bezirks gewählt, und bie Zahl Den- 
ſchen welche jeder Bezirk Ticfern fann bewaffnet. Mittelft biefer 
Maßregeln würde man bahin gelangen das ganze Anfehen 
wohlgefinnten Männern zu überliefern, eine große Zahl an die 
gute Sache zu fnäpfen, und ber Bewegung welde Deutfch- 
lands Unabhängigkeit herftellen folle die größtmögliche Kraft 
und Ausdehnung zu geben. Nach diefen Andeutungen müſſe 
eine allgemeine Ueberfichtstafel entworfen werden. Bor Allem 
fönne die Mitwirfung des Präfidenten von Binde zu jeder 
Zeit von fehr großem Nugen feyn, und ſchon jegt müffe fein 
Rath über den vorläufigen Verwaltungsplan auf ben Fall ber 
Landung eines Heeres, bie Wahl der zu verwendenden Män- 
ner und die Kriegsmittel jedes Bezirks eingeholt werben. 
„Da für Begeifterung und edle Gefühle die Jugend am 
empfänglichften ift, fo muß man unter ihr unb auf den Univer- 
fitäten Schriften zu verbreiten fuchen, welde die Seelen er— 
heben, damit man im Augenblid der Landung eines Heeres 
unter ihnen begeifterte Anhänger findet, welde fi der Sade 
des Vaterlandes hinzugeben bereit find und mit Nugen ge— 
braucht werden fönnen. Befteht die Verbindung der Tugend» 
freunde noch? wer find ihre Häupter? Kann man fie nicht jegt 
in Tpätigfeit fegen, unter Beobachtung ter größten Vorſicht 


129 


gegen Verrath und Schwaghaftigfeit, Die proteftantifhe Geift- 
lichkeit zählt unter ihren Mitgliedern ausnehmend wohlgefinnte 
Männer, welche auf religiöfe Menſchen am meiſten wirken. 
Das Betragen biefes Standes in Heſſen und dem Hannover= 
fchen Lande if vorzüglich Tobenswerth geweſen, und unter ihnen 
muß man fuchen Verbindungen anzufnüpfen. Der Zug bes 
Kronprinzen von Schweden gegen Dänemark hat den Zwed, 
Tegtere Macht zum Beitritt gegen Frankreich zu zwingen, fobald 
diefer Zwed erreicht ift, wird fih ber Kronprinz im Dezember 
nad der Küfte Deutſchlands begeben, um deſſen Freiheit auf 
den feſteſten Orundlagen herzuftellen. Sie fönnen von biefem 
Plane den General Scharnhorft in Kenntniß fegen, beffen 
große Verfepwiegenheit ih fenne; er fann bie Gemüther vor= 
bereiten, und zu feiner Zeit diefe Daßregel dem Könige als 
feinem wahren Vortheil günftig barflellen, verhindern daß er 
fih nicht zu gewaffnetem Widerſtande gegen das Gelingen der 
Unternehmung in Deutfchland fortziehen Laffe, ihn im Gegentheil 
bewege fih damit zu vereinigen, da er von ihrem Gelingen 
feine Unabhängigfeit zu erwarten hat. — Warum fommt Groll- 
mann nit an?“ 

Bei Vorbereitung der allgemeinen Erhebung *° follte ſich 
Gruner angelegen ſeyn Taffen jeden theilweifen Aufftand zu ver— 
hindern, da fie feinen Einfluß auf die großen Begebenheiten 
haben und viele brave und fräftige Männer in Gefahr fegen, 
deren man ſich bei einer Landung mit Nugen bedienen Fönnte, 

In andern Briefen macht Stein wiederholt auf die Wich- Sept. 14; 
tigfeit der Tucheler Haide für das Auffangen der Couriere 
aufmerkfam; follten diefe jedoch über Danzig gehen, fo müflen 
die Truppe fih in ben Wäldern zwifhen Wilfowifchen und 
Danzig oder zwiſchen Danzig und Stolpe aufſtellen; im Als 
gemeinen muß den Parteigängern melde die Sache aus— 
zuführen haben, die Wahl der paffendfien Puncte überlaffen 

Stein’s Leben. IM. 2te Aufl, ‚9 


Sept. 11. 


Det 3. 


130 


werden; tritt cine Verfolgung ein, fo follen fie ſich zerftreuen 
und an einer andern Stelle wieder ſammeln. Er räth Gruner, 
ſich mit dem Grafen von Pappenheim in Verbindung zu fegen, 
einer außerorbentlich wohlgefinnten Familie, die durch das Ein- 
ziehen der Ruſſiſchen Geſandtſchaft in Wien fehr erſchwerten 
Verbindungen durch andere Mittel über Radziwilow herzus 
ſtellen, durch den Dberpräfident Merdel in Breslau fihere 
Männer auf der Schlefifhen Gränze gegen Polen hin beftim- 
men zu laſſen, welche fih mit Ezernitfcheffs Koſalen in Ver: 
bindung fegen und die Briefſchaften übernehmen fönnen, deren 
Beförderung auf dem Seewege unficherer und foftfpieliger fey. 
Ob Gruner glaube, daß Preußen wie es drohe, ein Heer von 
30,000 Dann der Schwebifhen Landung entgegenfegen wolle 
und fönne? ob er nicht dem Staatscanzler die Thorheit einer 
folhen Aufführung vorftellen wolle? 

Gruners Bervegungen fonnten in Prag unter ben Augen 
der Oeſterreichiſchen Polizei und Franzöfifhen Späher nit 
lange unbemerkt bleiben, und fannte man auch nicht beffimmt 
feinen Zwed, fo heftete fi doc ein dringender Verdacht an 
feine, nad Graf Metternichs Urtheil, wo fie aud ſeyn möge 
bedeutende Perfon. Während ber Anmefenpeit des Kaiferlichen 
Hofes verfuhte man ihn zu entfernen, in einer Unterrebung 
deshalb empfahl Metternich ihm wiederholt ſich durchaus ruhig 
zu halten wenn er den Schug der Regierung genießen wolle ; 
Gruner berichtete darüber an Stein, und beforgt über die 
Abfihten der Feinde, welhe ihn als gebornen Osnabrücker 
unter dem nichtigen Vorwande von, nie Stattgefundener, Unter 
thanenpflicht gegen Napoleon, der härteften Behandlung unter- 
siehen mogten, begehrte er, daß Kaiſer Alerander ihn im Fall 
der Berhaftung als feinen Beamten zurüdfordere, ein Wunſch, 
welcher als gerecht durch Stein empfohlen, vom Kaifer gewährt 
ward. Aber mehr noch als ben Zranzofen war Gruner ber 


131 


Partei welche jih ihrer Sache in Preußen angeſchloſſen hatte, 
ein Dorn im Auge; und auf Betrieb der Preußifhen Polizei 
ward Gruner nebft feinen nädften Gehüffen am 22ften Sep- 
tember in Prag verhaftet, und im größten Geheimniß nach 
Munkatſch abgeführt. Mit ihm fielen feine Papiere und Gel- 
der in die Hände der Polizei. Graf Metternich überzeugte fih 
daraus von dem Umfange ber eingeleiteten Verftändniffe, und 
warnte den Sranzöfifhen Gefandten in Wien, Dtto, vor Preu— 
Ben: Der böfe Geift der in diefem Lande herrfche, fönne Teicht 
eine Erſchütterung oder einen Aufftand bewirken, weldher Hun⸗ 
derttaufend Denfchen zum Vortheil Rußlands in die Wagſchale 
werfen würde; man müfle nicht die Kraft bes Volkes mit 
dem Willen des Königs verwechfeln *. Zugleich beffagte ſich 
Metternich bei dem Ruffifchen Cabinet über Gruners Beſchäf— 
tigungen. Diefe Beſchwerde konnte Ruffifherfeits leicht zuräd- 
gewiefen werden, da man den Gegenftand feiner Aufträge dem 
Grafen Metternich allenfalls vertraulich eingeftehen konnte, weil 
fie durchaus nichts dem wahren Nugen Oeſterreichs zuwider 
enthielten. Der Kaifer forderte daher daß Gruner befreiet und 
in das Hauptquartier des Admirals Tſchitſchakow entlaffen werde, 
was jedoch erft mehrere Monate fpäter bei eingetretener gänz⸗ 
licher Wendung der Kriegsereigniffe gewährt ward. 


Ueber den Vorfall findet fi der Brief eined Bertrauten 
in Abſchrift: : \ 


„Seit unferer Trennung in Fr. begrüße ih Sie heute 
zum erften Mahle wieder, Möge mein Freund, durch welden 
Sie biefes erhalten, Sie frifh und mohlgemuth finden! Er- 
fennen Sie mid nicht an dieſen Schriftzägen, fo wird mid 
ein Gefchenf aus Ihrer Hand bezeichnen, das mir Stab und 

. 9” 


132 


Stüge war bei meiner Wanderung zu unferm ©., den ih am 
14ten September in Liebwerda traf. Er ift ung jegt entriffen 
und für das Werk, an welchem er mit reinem Eifer und 
größter Thaͤtigkeit arbeitete, vieleicht für immer verloren. Er 
wurde am 22ften September in Prag mit einem unferer 
Zreunde verhaftet und mit ihnen der ehrlihe treue H. Bis 
jetzt iſt alles erfinnlihe Bemühen vergeblich geweſen, etwas 
Sicheres über Gs. Schichſal und Aufenthalt zu erfahren; wahr- 
ſcheinlich ift er noch in Defterreih oder in Glag, doch iſt Ieg- 
tered weniger zu glauben. Die Verhaftung erfolgte auf Befehl 
des Geh. Staatsrath von Bülow, bes jegigen Chefs der 
höheren Polizei, eines perfönlihen Feindes von Gruner und 
Widerſacher der guten Sade. Der Kanzler fcheint fi jegt 
des Schrittes zu fhämen, und ber König mißbilligt ihn. Herr 
von Hardenberg wird durch Schonung und Milde nicht wieder 
vergüten, was Bülow durd feine Plumpheit verdarb. Anfangs 
waren mehre der Unfern beobachtet, ich bin's noch; doc ohne 
Erfolg. H. v. S. wurde kurz nad Ihrer Abreiſe in Berfol- 
gung der Begleitung auf feiner Straße von Polizeibüätteln und 
Scergen überfallen und feine Yapiere in Brieftafhe und 
Schreibſchrank unterſucht, doch vergeblich. — Heiligenfäbt warb 
verhaftet, dod wieder frei gelaffen; alles plumpe Kunftfüde 
des Heren v. Bülow, des eitelften Narren von der Welt. — 
Jetzt iſt Heiligenflädt zum zweiten Mat fet, aber ohne Hoff- 
nung bald befreit zu werden. Der Colberger Müller (berüpmt 
unter Schill und Gneifenau) ift ebenfalls verhaftet und Kursky 
ans Breslau eingebracht. Kalkreuth, Wittgenftein und der 
faubere H. von Cölln fhüren das Feuer der politiſchen In— 
quifition und finden an Bülow einen dumm leidenfdaftlichen 
Inquifitor, der aber gern den Schein retten mögte, Hoffentlich 
werden Gewaltthätigfeiten für einige Zeit nun eingeflellt wer- 


133 


den. — Die Aufpaffer find fo jämmerlih wie der Chef, ber 
fie anordnet. 

Unfer ganzes Streben if jegt dahin gerichtet, die Mittel 
zu gewinnen, ©’. Unternehmen fortführen zu fönnen und wo 
möglid zu erweitern und Tebendig zu machen, und, wenn dies 
und verfagt, wenigfiend zur Zeit fein Schidfal zu rächen und 
bie dahin thätig, wenn aud unfceinbar, fo fortzumwirfen, als 
vor ber Verbindung mit ©. Das Geld, was er fürzlic er- 
hielt, fol man bei ihm gefunden haben. Alle Zahlungen reich- 
ten nur bis Anfang diefes Monats; denfen Sie daher unfere 
Berlegenheit, unfere Beforgniß für die Auswärtigen und für 
alles Begonnene. — Es find bie herrlichſten Vorbereitungen 
getroffen (darüber muͤndlich), aber wie num weiter? Ich for- 
dere Sie, theurer Freund, bier dringend auf, Ihren ganzen 
Einfluß anzuwenden, unfere Vorſchläge zu begünftigen und zu 
unterflügen. Empfehlen Sie meinen Freund, fhaffen Sie ihm 
Eingang — ih befhwöre Sie im Namen ber Freunde und 
der heifigen Sache. Wir nennen Jahn als Gewährsmann für 
den rechten Zwed des Unternehmens, doch nicht als Gefchäfte- 
führer; dafür fol gemeinfhaftlich geforgt werden (für Einheit 
und Erfolg bürgen E. und ih). Diefe Sendung ift dur 
Zhre Freunde begünfigt und thätig unterflügt, E. hat bie 
Hälfte des Reiſegeldes geſchafft. Wir find in größter Gelb- 
armuth, auch Helmenftreit, der den Reft der G.ſchen Gelber 
zu retten hoffte, iſt feit Kurzem hier verhaftet eingebracht. So 
eben erhalte ich einen Brief von einem Freunde, aus bem ich 
folgende Stelle wörtlich aushebe: 

In Breslau hatte ih die Ehre beim Heren Feldmarſchall 
zu fpeifen, und da Fam gerade die erfle Nachricht der Erober 
rung von Mosfau an. Du fannft Dir die Freude des wür- 
digen Greifes dabei denken. Er ift überhaupt fehr thätig und 
forgt für die Ruhe des Landes, welche, wie man fagt, immer 


134 


noch von unbefonnenen Menſchen bedroht wird. Er foll meh- 
rere Leute haben verhaften laſſen, unter anderen einen Haupts 
mann dv. Helmenftreit, deſſen Sachen verfiegelt worden, er 
felb aber mit Ertrapoft nah Berlin gebracht ifl. Das er- 
zählte mir ein Bekannter des Hauptmanns, Herr von Favrat, 
der ebenfalls, weil er mit ihm befannt war, unter Polizeiauf- 
fiht gefegt if. 

Ich muß fliegen und dem Freunde fehr vieles zu er— 
meitern und zu ergänzen überlaffen. Ich ſchreibe diefe Zeilen 
in größter Eile. — Gott, ber alte teutfhe Gott, erhalte und 
ſchirme Sie. Gruß und Treue. 

Mit ganzer Seele 
Ihr Er. 


Mit Gruners Verhaftung riffen die Fäden, an denen man 
. eine Erhebung Deutſchlands fhon im Stillen vorbereitet hatte, 
die Verſuche über Riga und bie Oftfee eine Verbindung mit 
Prag anzufnüpfen verloren ihren nächften Gegenftand, und da 
fh die Landung in Deutfpland immer weiter hinauszog, fo 
machte Stein erſt im December wieder den Berfuh, durch 
einen nach Deutfchland zurückkehrenden ausgezeichneten Offizier 
die Verbindungen wieder aufnehmen und einem zuverläffigen 
Stellvertreter Gruners übergeben zu laffen. 

Unter den Offizieren welde für die gute Sache herüber- 
famen, war der Oberfi von Boyen, nad Gruners Urtheil 
„faſt der erfte an Kraft und Geift in dem Preußiſchen Heere” 
Ueberbringer diefer Zeilen Scharnhorfts: 


„Eurer Ercellenz lege ich bier meine innigfte und dank- 
bare Verehrung nieder. Ich füge diefer nichts hinzu; ber 
Oberſt von Boyen wird Ihnen alles fagen, was ich außer 
dieſer Gelegenheit noch zu fagen hätte, auch wird er mir das 


135 


ſchreiben, was Sie mir wiffen laffen möchten. In tieffter Ber- 
ehrung Eurer Excellenz gehorfamfter Diener v. Scharnhorſt. 
Breslau den iſten Auguſt 1812." 


Der Defterreihifhe Hauptmann v. Pfuhl welchen Gruner 
mändlih in die Verhaͤltniſſe eingeweiht hatte, übergab einen 
Bericht über den Zuftand der verfhiedenen Theile Deutſch- 
lands, welchen Stein dem Kaifer vorlegte. 

Diefe und andere Offiziere waren nad Rußland in der 
Abſicht gefommen, in der Deutfhen Legion Dienfte zu nehmen 
und bei der Befreiung Deutſchlands dur ein Landungsheer 
mitzuwirfen. Indeffen ſchritt die Bildung ber Legion nur fehr 
Tangfam vor, da fih dem Willen des Kaifers und ben Be— 
fehlen des Oberfeldherrn in den Anfihten der Ruffen und ber 
Neigung der Deutfchen die größten Hinderniſſe entgegenſtellten. 
Das “ Hauptquartier aus geborenen Ruſſen beſtehend fonnte . 
ſich nicht überzeugen, daß ber Krieg fich anders als durch das 
Ruffifhe Heer und eine gewonnene Schlacht vortpeilhaft been- 
digen laffe, daß eine Landung der Deutſchen Region und ein 
allgemeiner Aufftand in Deutfhland von unmittelbarem Einfluß 
auf die Unternehmungen ber Ruffen feyn könne; biefe einfluß- 
reihe flarfe Partei war daher der Bildung ber Legion ab— 
geneigt, fie behandelte alle Deutſche mit einer Geringfhägung, 
welche ſelbſt ſolche Offiziere die für die gute Sache Alles zu 
dulden entfchloffen waren, Fränfte und verlegte. Daher blieben 
die Bemühungen des im Hauptquartier für biefen Zwech zu- 
vüdgebliebenen Prinzen Auguf von Didenburg, Grafen Chazot, 
Dberftlieutenante v. Bofe, ohne allen Erfolg; denn nur felten 
erfuhren fie daß Deutfche Gefangene oder Ueberläufer anfamen, 
und bie Ruffen fahen ed fogar ungern, wenn einer von ihnen 
mit den Deutfchen Offizieren ſprach. Prinz Auguſt hatte ſich 
in ben Gefechten welden er mit beigewohnt, mit fo vieler 


136 


Befonnenpeit, kaltem Blute und Tapferkeit benommen, daß 
fein Betragen die größte Achtung und Berounderung einflößte; 
unter den obwaltenden Umfänden fand er fih jedoch fo gut 
als überflüffig; feit der Abreife des Kaifers aus dem Haupt- 
quartier unabläffig bemüht einen Befehl des Kriegsminifters 
zur Abfonderung ber Deutfchen Gefangenen und ihrer Sen- 
dung nad Reval zu erwirfen, war er Zeuge wie auch mehr- 
fach wiederholte Befehle ohne alle Wirkung blieben. Der 
Kaifer hatte angeordnet, daß diejenigen Deutſchen melde ihren 
Eintritt in die Legion erklären würden, mit aller Ruͤchſicht 
unterwegs behandelt werben follten; aber alle wurben dennoch 
gleich ſchlecht behandelt und mit den Franzöſiſchen Gefangenen 
ins Innere des Landes geſchickt. Daher konnten bie Deutſchen 
fein Vertrauen zu der Legion faflen, fie befürdhteten daß diefer 
Name nur eine Täufchung ſey, um fie mit bem Scheine Red- 
tens unter die Ruſſiſchen Regimenter zu fleden, wogegen fie 
eine entſchiedene Abneigung hegten; und bie Zahl Derjenigen 
melde fih zum Eintritt in bie Legion bereit erklärten blieb 
daher fehr befchränft, und eine Maßregel wovon man fi eine 
große Wirkung hätte verfprechen dürfen, warb fo im Keime 
gefnict. Aber wäre ſelbſt das Hauptquartier aufgeflärter und 
geneigter gewefen, wären bie Deutfchen fofort abgefondert und 
nad Reval und Kiew beftiimmt worden, wie Stein nah Witt- 
genfteind und Tormaflows Siegen beim Kaifer beantragte *, 
fo fielen fie dann auf dem Wege in bie Hände untergeorbneter 
Behörden, melde die Fremdlinge wenigftens nicht beffer als 
ihre eigenen Landsleute in ähnlicher Tage behandelten; von 
566 im November und Dezember von Polozk nah Pleskow 
gefandten Deutfchen Gefangenen, erreichten nur 166 ihre Ber 
fimmung, bie übrigen 400 waren buch die Raubfucht ber 
BVerpflegungsbeamten an Krankheit, Berwahrlofung und Miß- 
handlungen geftorben. 


137 


Die im Hauptquartier gebliebenen Deutfchen Offiziere 
fuchten um ihre Rüdberufung nah, und fie begaben fih nad 
St. Petersburg und Reval, wo indefien auch ber Hauptmann 
v. Stülpnagel, einer der fähigften und einfihtigften Offiziere 
des Preußifchen Heeres, ber Hauptmann v. Horn und andere 
vorzügliche Offiziere eingetroffen waren und in Hoffnung auf 
eine baldige Landung in Geſellſchaft eines Hülfsheers, bei ber 
Bildung der Legion thätig waren. Der Oberft v. Tettenborn 
als tüchtiger Neiteroffizier befannt, ward Führer eines fliegen- 
den Corps. 

Das Hauptverbienft in Betreibung dieſer Sache gebührte 
dem zum Major beförderten Stülpnagel, deſſen Tächtigkeit 
jedoch nicht ohne Vorurtheil von Stein gewürdigt und erſt 
nad Tängerer Erfahrung anerfannt ward, Arndt, der Zeuge 
diefer Vorfälle, berichtet darüber wie folgt: 

Feind aller Tangweiligen Verzierungen bes Lebens und 
überhaupt aller Umftändlichfeiten und Körmlichfeiten die nicht 
gerade auf das Ziel führten, war Stein leicht ungerecht gegen 
Menſchen die irgend eine breite oder feierliche Form hatten, 
ober mit einer gewiffen ſcheuen und verlegenen Ehrerbietigfeit 
vor ihm auftraten. Der Major mußte oft zu ihm kommen, 
ein würbiger Offizier der aber in feinem Auftreten allerdings 
etwas Leifes und Weiches hatte. Schon hatte ih von dem 
alten Herrn mehrmals bad Wort gehört: Gehen Sie mir mit 
Ihrem Stülpnagel, den hat Gott zum Kanzelliften nicht zum 
Soldaten geſchaffen; es if ein langweiliger matter Kerl! Bald 
klagte auch Stüfpnagel: Ich gehe nicht wieder zum Minifter; 
das iſt nicht zum Aushalten mit feiner Heftigleit und Grob⸗ 
heit! Ich antwortete ihm: So ſeyn Sie mal wieder grob! 
Und er hatte fih endlih den Muth gefaßt und dem alten 
Herrn tühtig die Spige geboten. Nicht ange, und ic hörte 
gelegentlich von Diefem: Sie haben Recht gehabt, der Stülp- 


138 


nagel ift doch fo übel nicht; ich habe ihm in meiner Meinung 
Unrecht gethan. 

Stein felbft giebt Stüfpnagel das Zeugniß, daß dur 
feine Beharrlichkeit Geduld und Einfiht die Bildung der Legion 
fo weit zu Stande gefommen fey, daß man im Frühjahr 1813 
mit zwei Negimentern Fußvolk, zwei Regimentern Reiterei, 
und einer Batterie an bie Elbe rüden konnte. Als die Legion 
nur erft einige hundert Mann zählte, warb fie vom Herzog 
von Oldenburg nah Wiborg in Finnland verlegt, um biefes 
Land gegen einen vermeintlichen Angriff der Schweden zu ver= 
theibigen. Da bie Leute dort vernachläffigt wurden, ſchrieb 
Stein am Iiten December an das Deutfhe Gomittee: 


„Es ſcheint daß die für das Rechnungsweſen angenom- 
menen Formen gut find; es wäre aber zu wünfchen, daß man 
eben fo ruhig über die Nachrichten aus Finnland über ben 
Zuftand der Legion feyn Lönnte, welcher befammernswerth ſeyn 
fol, Dreihundert Kranke in flinfenden Hospitälern zufammen- 
gehäuft, ohne Strohfäde, Deden, Aerzte, gelaffen, find bald 
auf 700 angewachſen. Der größte Theil der Legion if ohne 
Kleidung, der Reft unvollftändig befleidet, das Ganze ſchlecht 
bewaffnet, die Reuterei ohne Pferde. Ich bin der Meinung, 
daß man die Urſachen biefer großen Zahl Kranker, des ab- 
ſcheulichen Zuftandes ber Hospitäler und der Rangfamfeit wor 
mit die Ausräftung und Bildung ber Legion betrieben if, er⸗ 
forfihe, und man müßte den Oberſten Ahrenſchildt, Golz, 
Hauptmann Mohnhaupt auffordern fih zu rechtfertigen, um 
des Kaiſers Mafetät einen Bericht über den wahren Zuftand 
der Deutfhen Legion vorlegen zu können.’ 


Diefe Erfahrungen erflären es, weshalb Stein in feinen 
Unterhandlungen mit Münfter und Gneifenau beftändig darauf 


139 


drang, daß England vie Legion übernehmen, für ihre Aus- 
räftung, Befoldung und Vermehrung forgen folle; in Ruſſiſchen 
Händen konnte dieſe Waffe für die Freiheit Deutfchlands nicht 
gedeihen; aber felbft verfümmert wie fie war, Tag es nur an 
der Bereitlung aller Tandungsplane durch die Schwebifchen 
Bergrößerungsprojerte, wenn fie nicht ſchon in biefem Jahre 
eine mächtige Wirfung hervorbrachte, da im nördlichen Deutſch⸗ 
Tand zu ihrem Empfange Alles vorbereitet war, und die Ber 
waffnung des Volks dur adtzehntaufend allein in Vorpom⸗ 
mern und der Churmark vorhandene Soldaten außer Dienft 
und eine große Zahl gedienter Offiziere eine fee Grundlage 
erhalten haben würde *. 


Unter diefen Vorbereitungen für eine Yandung in Deutſch⸗ 
land drängten fi nunmehr die Fragen hervor, wie die durch 
eine ſolche Unternehmung freiwerbenden Kräfte zu fihern und 
zu benugen, welche Berfaffung das Land erhalten, und durch 
welche Verwaltung diefe Zwede erreicht werden follten. Weber 
jeben diefer Gegenftände legte Stein dem Kaiſer feine Anfichten 
in Denlſchriſten vor, welde bier um fo mehr ihre Stelle fin 
den, als fie auf die fpäteren Schritte des Kaiſers entfchieden 
eingetwirft haben, und ben Standpunct bezeichnen, welden 
Stein bei diefen für Deutſchlands Schidfal fo wichtigen Fragen 
einnahm. Um die friegerifhen Kräfte bes Landes aufs Grund⸗ 
lichſte und mit größtem Erfolge zu benugen ſchlug er vor, ben 
Aufftand über den ganzen Wirfungsfreis des Iandenden Heeres 
zu verbreiten und zu orbnen, bie Verwaltung des Ganzen in 
die Hände eines oberſten Berwaltungsrathes zu Iegen, welder 
aus fräftigen einfichtsvollen und reinen Männern gebildet, mit 
unumfgränfter Gewalt handele, und durch Bereinigung aller 
erreichbaren Mittel auf ben einen großen Zwed die Befreiung 
Deutſchlands bemerffiellige; als zufünftige Verfaffung empfahl 


140 


er die monarchiſche Einheit, oder da eine ſolche vorausſichtlich 
nicht zu erreichen fiehe, bie Theilung Deutſchlands unter Defter- 
reich und Preußen mit Belaffung einiger Gebiete, wie Han- 
nover, in einem abhängigen Verhaͤltniß als Berbünbeter. 


Denkſchrift über Deutfhlande fünftige Verfaffung. 

Das Loos der Waffen wird über Deutſchlands Schickſal 
und über die Verfaffung entfepeiden, welche es erhalten foll. 
Das allgemeine Befte Europa’s erheifht die Auflöfung bes 
Rheinbundes, aber man muß fi dann entfcheiden was an bie 
Stelle bed gegenwärtigen Zuftandes treten fol, Einige Leute 
reden von Herftellung ber alten Reihsverfaffung, aber ich 
frage: welcher? Der auf den Weſtfäliſchen Frieden gegründeten, 
oder der bes Jahres 1802 welche Franfreih mit Anmaßung 
vorgeſchrieben und die Fürften Deutfeplands mit Knechtſinn her⸗ 
beigerufen haben? Die Ruhe Europa’s erheifcht, daß Deutſch⸗ 
land fo eingerichtet fei, daß es Frankreich wiberftehen, feine 
Unabhängigkeit erhalten, England in feine Häfen zulaſſen, und 
der Möglichkeit Franzöfifcher Einfälle in Rußland zuvorfommen 
fönne. Diefen Zwed fann man erreichen 

1) entweder durch Vereinigung Deutfhlande zu einer 
Monargie 

2) oder wenn man ed nad bem Laufe des Mayn zwifchen 
Preußen und Defterreih theilt, 

3) ober indem man in biefen beiden großen Tpeilen einige 
Länder, wie 3. B. Hannover u. a., unter einem Bünd- 
niß mit Defterreih und Preußen beftehen läßt. 

Jede biefer Einrichtungen würde Deutſchland mehr Kraft 
geben; die Herflellung der alten Deutſchen Verfaflung hingegen 
halte ich für unmöglih und wenig wünfhenswerth. 

Diefe Berfaffung war nicht das Ergebnig des Willens 
einer durch Erfahrung und Kenntnig ihres wahren Bortheils 


141 


aufgeflärten Nation; fie verbanft ihren Urfprung den verberb- 
lichen Ränfen der ehrgeizigen Paͤpſte, der Treulofigfeit und 
dem aufrährerifhen Geifte der Deutſchen Fürften, dem Einfluß 
der fremden Mächte, 

Deutſchland bildete im 10ten, 1iten, i2ten und 13ten 
Jahrhundert ein maͤchtiges Reich, welches aus einem zahlreichen 
Adel von verſchicdenen Claſſen, einer achtungswerthen Geift- 
lichkeit und einer Menge fleiner Eigenthümer befand. Der 
maͤchtigſte Mann war Untertban bes Kaifers, und ber kleinſte 
freie Eigenthümer hing unmittelbar von ihm ab. Die Mo— 
narchie fiel, und es bildeten fi allmälig Mittel- und Grund- 
Herrſchaften, durch die kurze Dauer ber Kaiferhäufer, die 
Theilnahme der Kaifer an ben Angelegenheiten Italiens, ihre 
Kämpfe mit den Päpften und ben großen Gemeinden, Daher 
die Wähfbarkeit der Krone, die Veräußerung ber Reichsgüter, 
die Erblicleit der Lehen, die Anmaßung des vom Herrfcher 
anvertrauten Anfehens durch die öffentlichen Beamten, ber 
Urfprung der Landespoheit, bie Unterbrädung ber fleinen 
Eigenthüämer durch bie großen. Eine Meine Zahl Fürften 
maßte fih das Recht der Kaiferwahl an, und benupte es um 
fih ein größeres Anfehen zuzuwenden; und da bie Kaifer ihr 
Anfehen vernicptet fahen, fo fingen fie an ſich ausſchließlich mit 
dem Bortpeil ihrer Erblande zu befhäftigen und Deutfchlande 
Bortheil zu vernadläffigen: fo fam es, daß bie großen An- 
gelegenheiten bes Volles ehrgeizigen Nebenabfihten geopfert 
wurden. 

Deutſchland ward in zwei Jahrhunderten durch die Re— 
ligionskriege erſchuttert; die Thorheit der Furſten zog bie 
Fremden in feinen Buſen; fie wurden bafür durch den Verluſt 
mehrerer ſchoͤner Länder, durch eine breißigfährige Verwüſtung 
des Landes befiraft; man gab ihnen durch den Weffälifchen 
Frieden eine mißgebildete Verfaſſung, welche den Keim einer 


142 


fteten Erſchütterung und allmäligen Auflöfung enthielt. Die 
Furt vor den Türken und Sranzofen belchte den Volksgeiſt 
wieder, man befümpfte die Feinde während 40 Jahren, die 
Oeſterreichiſche Macht befeftigte fih durch die Eroberung von 
Ungarn, fie erhielt einen vormwiegenden Einfluß in Deutfchland, 

Preußen erhob fih, Defterreih verband fih mit Frank- 
veih; ein langer Friede hob die Nationaleiferfuht auf, die 
Einheit ward gelöjt, die Bürgerfriege von 1740 und 1756 
erbitterten die Gemüther und bereiteten Deutſchlands Fall vor. 

Das ift der Abrig der unglücklichen Geſchichte diefes 
großen Landes — wollen wir nad ſolchen Erfahrungen das 
alte Gebäude einer fehlerhaften Verfaffung wiederherſtellen ? 
fönnen wir es? 

Wenn wir ernftfih dieſen Plan haben, fo müßte man 
Defterreih feinen Einfluß, feine Dbergewalt wiedergeben, 
Preußen, Bayern verkleinern, die geiftlichen Fürften, die Reiche- 
ritterfhaft, die Reichsſtaͤdte, die Reichsgerichte wieberherftellen; 
denn nur mittelft diefer Federn war es dem Kaiſer möglich 
eine fo unvollfommen eingerichtete Regierung, wie das Deutſche 
Neid war, in Bewegung zu fegen. 

Aber wenn ein folder Plan ausgeführt werben Könnte, 
wenn es möglich wäre den Widerftand dagegen zu befiegen, fo 
würde es weifer feyn die Umftände zu Ausführung von Ent- 
würfen zu benugen, welche ben großen Angelegenheiten der 
Nation im allgemeinen mehr entſprechen. 

Denn bie Herftellung der alten Verfaffung würde jeden- 
falls einen fehr unvollfommenen Zufand der Dinge ergeben; 
Deutfhland würde Frankreich nur einen ſchwachen Widerſtand 
entgegenfegen fönnen; ed würde zwifchen Mittel- und Grund 
herrſchaften zerftüdelt, deren Dafein jedes Gefühl der Würde 
eines großen Volls, den Friegerifhen Geift, zerflört, bie Auf- 
merffamfeit von den Angelegenheiten der Nation auf die eines 


143 


fleinen Landes, auf die Bewegungen ber Fleinen Höfe ablentt, 
deren Vervielfältigung für die Sitten und für eine ſtolze un- 
abhängige Haltung des Einzelnen verderblich if. 

Noch unvollfommener if die von Frankreich vorgefchriebene 
Berfaffung von 1802, weil fie durch Zerftörung ber geiſtlichen 
Zürften und Reichsſtädte und Vergrößerung einiger Fürften- 
Häufer den Kaiſer aller Mittel des Einfluffes und aller Federn 
zur Handhabung der Regierung beraubte. 

Statt die Deutfche Verfaſſung bes Weftfälifchen Friedens 
berzuftellen, würde e8 dem allgemeinen Beſten Europa’s und 
dem befonderen Deutſchlands unendlich angemeffener ſeyn bie 
alte Monarchie wieder aufzurichten, ein Reich zu bilden welches 
alle füttlihen und phyſiſchen Beſtandtheile der Kraft, Freiheit 
und Aufffärung enthielte, und dem unruhigen Ehrgeize Frank- 
reichs widerſtehen Fönnte, Ein folder Zuftand der Dinge 
würde dem Bolfe das Gefühl feiner Würde und feiner Un— 
abhängigfeit wiedergeben, feine Kräfte würden nit in Be— 
ſchaͤftigung mit Heinen Territorial= Angelegenheiten verfplittert 
fondern fi denen ber Nation im Ganzen zuwenden; außer- 
dem ift das den Wünfchen faft der Gefammtheit entſprechend, 
feitdem fie unmwürdig von denen verrathen ift, welde verſtehen 
mußten für fie zu flerben, feitvem fie in ben Fürften nur noch 
Feige fieht, welche das Blut ihres Volkes verlaufen um ihr 
ſchamvolles Dafeyn zu verlängern; ebenfo müßten ed bie Für- 
ten wünfchen, weil eine ſolche Ordnung ber Dinge ihr eigenes 
Daſeyn fihern, ihnen die eble Aufgabe anweifen würde, bie 
Nathgeber eines großen Volks zu ſeyn ſtatt ber erblichen Prä— 
fecturen welde fie jegt einnehmen, ungewiß in der Dauer, 
wenig ehrenvoll wegen der Kleinheit ihres Wirkungstreifes. 

Die Wiederherſtellung ber alten Monarchie ift unmöglich; 
aber ſelbſt dann würde bie Theilung Deutſchlands zwifchen 
Defterreih und Preußen der Herftelung ber alten Verfaſſung 


144 


vorzuziehen feyn, felbt wenn man um bie Cigenliebe zu 
ſchonen, die Länder der vertriebenen Fürſten beftehen laſſen 
müßte, indem man fie mit dem Theile Deutſchlands worin fie 
eingefhloffen find in ein Bundesverhaͤltniß brädte, 

Ih glaube nicht die Ausbrüde rechtfertigen zu müffen 
welche in biefer Denffrift zu ſtark erfheinen könnten; ich 
glaube fie find gerechtfertigt durch die Größe des Gegenftandes 
und bie Gefühle welche das Andenken an ein unglüdlihes 
verrathened unterjochtes Vaterland einflögen muß; ic habe 
geglaubt zu einem Fürften welcher ein unermeßliches Reich be— 
berrfht, die Sprache der Wahrheit und der Freimüthigfeit 
ſprechen zu müffen, da es Seine Weisheit, Sein edler Charaf- 
ter und Seine Macht find, wovon mein Vaterland feine Frei— 
heit und bie Herfiellung einer Verfaffung erwartet welde fein 
Glůck verbürget, 

Stein, 


St. Petersburg den 18ten September 1812. 


Denffgrift über die Bildung eines Verwaltungs- 
rathes für Deutfgland. 
18ten 


Des Kaiſers Majefät am Sem September 1812 überreicht. 


Alle Diejenigen welche die öffentliche Meinung in Deutſch- 
Iand kennen, find überzeugt, daß bort ber tieffte Haß gegen 
den Unterdrüder herrſcht, daß es leicht wäre dort einen Aufs 
fand zu erregen, daß man biefes jedoch fo lange vermeiden 
muß als er nicht dur ein Heer befügt werben fann, wel- 
ches ihm dur feinen Beiftand Kraft und Feſtigkeit verſchafft; 
fie alle halten das Land zwifhen Eibe, Yffel, Rhein und 
Tpüringerwald am geeignetften für eine Landung und die Er— 
regung eines gegliederten Aufftandes, wegen feiner Küften, 
wegen ber Bildung bed Erdreichs, die es durch Bergfetten 
mit dem innern Deutfepland verbindet, wegen der großen Zahl 


145 

alter Soldaten die ſich dort vorfinden, der Erbitterung der 
Gemuͤther, und endlich wegen ber großen Entfernung der Franz 
zöſiſchen Heere. Ebenfo ift man überzeugt, daß die Unterneh 
mungen auf Deutfchland befepleunigt werden müffen, um nicht 
Napoleon hinreichende Zeit zu laſſen ihnen zuvorzufommen, bie 
waffenfähigen Männer wegzuführen und dem Franzöoͤſiſchen 
Heere einzuverleiben. 

Hat man ernflih die Abfiht die Kräfte der bejegten 
Länder in Tpätigfeit zu fegen, fo ift es unerlaßlih einen 
Mittelpunet der Verwaltung zu fhaffen, welcher ihnen 
diefen Antrieb gebe, mit Einheit Kraft und Regelmäßigfeit, 
welder fie einrichte und fie Teite. Wollte‘ man dazu die 
ehemaligen Regierungen gebrauchen, fo würde man die Kräfte 
zerftüdeln welche man in Thaͤtigkeit fegen will, man wärbe 
ihre Verwendung zu vielen und zum Theil unfähigen Byamten 
anvertrauen, und würde bie Mittel der Länder welche nicht 
den vertriebenen Fürften gehören, ohne Verwendung laſſen. 
Man begönne fo eine Unternehmung welde die größte Einheit 
und Schnelligfeit erfordert damit, daß man ihre Ausführung 
überträge 1) einer Hannoverfchen Regierung, deren Haupt in 
London wohnt, 2) einer Heffiihen Regierung, beren Haupt 
ein Heinticher habfüchtiger Greis if, 3) einer Regierung von 
Zulda, deren Fürft feine eigene Meinung haben würde, 4) einer 
Braunfpweigifhen Regierung, deren Haupt fi fehr wenig 
leiten läßt, 5) endli einer Dibenburgifchen Regierung, welche 
gewiß durch ihre Weisheit und Sittlichkeit alles Zutrauen 
verdienen, aber nicht die Kraft befigen würde ihre Eollegen 1, 
2, 3, 4 nebft deren Cabinetsminiftern, Generalen, Rammer- 
dienern, Mätreffen, auf berfelben Linie vorwärts zu bringen. 
Außerdem würde es nothwendig ſeyn, binfihtlih der Länder 
welde den vertriebenen Fürften nicht gehören, ber Hanſeſtädte, 
des Hergogthums Berg, befondere Mafregeln zu nehmen, und 

Stein’s Leben. IT. 2te Aufl. 10 


146 


der Gefhäftegang dadurch noch langfamer und verwidelter 
werben. 

Alle diefe Nashtheile welhe aus ber Verwicklung und 
Unvollfommenheit ber Springfebern herrühren, würden vers 
mieden, wenn man nad ben folgenden Grundfägen, eine Ver⸗ 
einigung ber verbünbeten Mächte über die Deutfcpen Angelegen- 
heiten bildete: 

Die Verbündeten fprechen den feften Willen aus, bie Un— 
abhängigfeit Deutſchlands herzuftellen, den Rheinbund zu ver- 
nichten, und laden alle Deutfchen ein fi mit ihnen zur Wie- 
dereroberung ihrer Freiheit zu verbinden. 

Sie ſetzen für die Dauer bes Krieges einen Berwals 
tungsrath über die durch das Landungsheer und ben Auf: 
Rand befegten Länder nieder, und legen ihm eine unumfcränfte 
Gewalt bei. Es wäre zu wünfchen, daß dazu der Graf Münfter 
von Seiten des Regenten, Herr Brindmann durch den Kron: 
pringen von Schweden ernannt würde; ich wage fein Urtheil 
über die Abfichten Seiner Majeſtaͤt des Kaiſers; man ließe ben 
vertriebenen Fürften die gemeinfcpaftlihe Ernennung eines 
Mitgliedes des Berwaltungsrathes. 

Diefer Verwaltungsrath würde bevollmächtigt ſich mit den 
Männern zu umgeben welde fih des allgemeinen Vertrauens 
erfreuen; benn es iſt notwendig in die Bewegung welche man 
vorbereitet, viele Männer hineinzuziehen, welche daran ihr 
Dafeyn knüpfen und alle Hülfsmittel aufbieten um ihr Gelingen 
zu fihern. Der Verwaltungsrath würde mit ben militairifchen 
und politifhen Einrichtungen in Bezug auf Menſchen, Geld, 
Lebensmittel, Transportmittel, und mit der Leitung der Öffent- 
lichen Meinung beauftragt. 

Aus der Bevölkerung des eingenommenen Landes würde 
ein Heer von 80,000 Dann unter dem Befehl eines befannten 
Generals gebildet, und ihm ein Kriegsrath beigegeben, aus 


147 


General Watlınoden, Dberft Gneifenau, Grollmann beftehend, 
welche gleichfalls für die Kriegsunternehmungen verantwortlich 
gemacht würden. Das Heer würde aus den Hülfsquellen des 
befegten Randes und Englifhen Huͤlfsgeldern unterhalten; es 
würde gebildet dur Eintritt der Manuſchaft des beſetzten 
Landes in bie Rahmen der Deutfhen Region, und für bie 
nen zu errichtenden Regimenter würde man eine große Zahl 
Dffiziere wählen, welde fih aus dem Dienfte zurüdgezogen 
haben und gegen Frankreich erbittert find. 

Der Krieg wird ten Character eines Vollskrieges an- 
nehmen, und durch das bewaffnete Volk, Landwehren und ein 
ſtehendes Heer geführt werben. Die angefehloffene von einem 
Dffisier ausgearbeitete Denkſchrift zeigt, wie biefe Mittel ange 
wendet werben müffen; und das Ziel des Krieges if, Napoleon 
zu belagern, ihm bie Verbindung mit feinen Hülfequellen, feir 
nen Verſtaͤrkungen abzuſchneiden. 

Alle dieſe Angriffsmittel würden vervielfacht durch bie 
Beſetzung der Preußiſchen Länder zwiſchen Elbe und Oder, 
wo man eine ſchon ausgeführte Kriegs-Einrichtung vorfindet. 
Man weiß, daß die Männer welde feit dem Tilfiter Frieden 
in Preußen an der Spige der Gefhäfte fanden, die Mittel zu 
feiner Befreiung vorbereitet haben, daß es ihnen gelungen war 
ein Heer von 120,000 Mann zu bilden welches fih auf acht 
eftungen und fünf verſchanzte Lager ſtützte. Man fann bie 
Nefte diefer Bildungen benugen, und allein in der Churmark 
und Vorpommern 18000 beurlaubte Soldaten mit ihren Offt- 
zieren und den Hülfsmitteln der Hauptftabt finden. 

Deutſchland fieht ſich fegt in derſelben Rage wie zur Zeit 
der Landung Guſtav Adolfs; es ift durch eine fremde Macht 
unterdrüdt, und jet wie damals wird Derjenige welder ihm 
feinen Schuß anbietet, fih durch die Anftrengungen der Unter- 
drüdten unterflägt fehen. Aber es ift nothwendig fih ernſtlich 

10* 


D 


148 


mit den Mitteln zu beſchäftigen um aus biefem graufamen 
Kampfe die gänftigften Erfolge für die Nation und Europa 
im Allgemeinen herzuleiten, und zu verhuͤten, daß die Franzoſen 
und ihre Knete nicht Verdacht gegen bie verbündeten Mächte 
einflögen. Dem wird man zuvorlommen durch ein ebled 
offenes Betragen, welches das allgemeine Zutrauen verdient, 
und wenn man das Landungsheer von den Männern begleiten 
läßt, welde ber Sache des Baterlandes treu geblieben find, 
Ich glaube daher, daß es unumgänglich nöthig iſt die Einfchif- 
fung der Deutſchen Legion zu beeilen; fie ift ſchon zahlreich 
genug, um die Rahmen für zwei bis drei Bataillone Fußvolk, 
ein Regiment Reuter und eine Batterie zu liefern, und nichts 
verhindert fie am Ende dieſes Monats nad Schweden einzu- 
ſchiffen, um dem Zufrieren der Häfen auszumeichen und fie in 
Stand zu fegen mit dem Schwedifchen Heere in Deutſchland 
zu landen. Dberft Ehazot könnte vorläufig biefe Rahmen be- 
fehligen, und Oberſt Ahrenſchildt mit einigen Offizieren bier 
bleiben und mit der Bildung von Depots aus Weberläufern 
und Kriegögefangenen fortfahren. 

Wenn diefe Gedanken die Billigung Eurer Kaiſerlichen 
Majeftät verbienen, fo if es nothwendig ſich darüber ſobald 
als möglich mit England und Schweden zu vereinigen und 
eine Behörde zu errichten, welche den kriegeriſchen Kräften 
Deutſchlands ben Anſtoß und die Bildung giebt. 

Stein. 


Die beigefhloflene Denkſchrift über die Kriegfährung in 
Deutſchland rührt vieleicht von Graf Ehazot oder dem Herrn 
v. d. @olg her, deffen Angaben über die militairifgen Kräfte 
Borpommernd und der Churmark oben benugt find: 


149 


Denkſchrift eines Deutfhen Offiziere über die 
Kriegführung in Deutfhland. 
(Des Kaiſers Majerät als Anlage der Denkſchrift über den 
Berwaltungsrath überreicht.) 

Der Aufſtand in Deutfchland bezwedt zunähft, bie Frans 
söfffhen und Sübddeutſchen Rekruten an der Bereinigung mit 
Napoleons Heere zu verhindern, und dadurch dem Ruſſiſchen 
Heere eine entſchiedene Uebermacht über den ihm entgegenfiehen- 
den Feind zu verfhaffen. Bon biefem erflen Zwed wird bas 
Heer zu einem andern viel wichtigeren fortfcpreiten, nämlich 
dem Franzöfifpen Heere die Rüdfehr nach Frankreich zu ver- 
ſchließen, es völlig zu vernichten, und dadurch eine Macht zu 
gewinnen, worauf man bie Befreiung Deutfhlande von dem 
Joche der Napoleoniſchen Unterwürfigfeit begründen fönne. 
Die Frangöfifpen und Süddeutſchen Recruten müffen die Ge- 
birge zwifhen Rhein Lippe und Main überſchreiten. Diefe 
Gebirge find im Umfange der Fürftenthämer Baireuth und 
Anſpach, der Bisthumer Bamberg und Würzburg, der Herzog- 
thümer Coburg, Rubolftabt, Saalfeld, Meinungen, des Bis- 
thums Fulda, der Naſſauiſchen Fürftentpümer, bes Herzogthums 
Berg und eines großen Tpeild des Königreipe Weſtphalen. 
Die Hauptfiraßen, deren Benugung dem Feinde abzufchneiden 
iR, find bie von Hof nad Regensburg und Bamberg, von 
Gera nad Schleitz und Coburg, von Gera über Saalfeld nad 
Coburg, von Erfurt über Ilmenau und Meinungen nah Königs- 
bof, von Eiſenach über Bach nah Hersfeld und Fulda, von 
Müpfpaufen, Norbpaufen, Duderſtadt, Eimbed, Beverungen, 
Paderborn nad Caſſel, von Gaffel, Paderborn, Kippfladt, 
Dortmund, Weſel nah Duſſeldorf, Eöln, Bonn, Coblenz, 
Mainz, Frankfurt am Main. 

Das ganze Aufſtandsland wird in Abfchnitte nah ben 
Straßen getheilt werben. Die Bewohner jedes Abſchnitis wer⸗ 


150 


den für den Bertheidigungsfrieg, für den Hülfsfricg zu Gun= 
fen ber benachbarten Abfcpnitte, für den Beobachtungskrieg, 
und für den Angriffefrieg eingerichtet. Der hartnädigke Wider- 
Rand muß dem geraden Angriff entgegengeftellt werden. Die 
Engpäffe und bie überragenbfien Höhen werden nad einem 
eigenen Syſtem vertheibigt. Der Huͤlfskrieg findet Statt, ſo⸗ 
bald in einem benachbarten Adfchnitte Vertheidigungsfrieg if. 
Der Hülfekrieg ift nothwendig mit dem Beobachtungsfriege ver⸗ 
bunden. Die Abfchnitte welche weder Vertheidigungs- noch 
Hulfskrieg auf fih haben, machen Einfälle in bas feindliche 
Gebiet, um dort bie Magazine wegzuführen ober zu zerflören 
und Lieferungen feder Art aufzulegen. 

Um die Unternehmungen zu leiten werben Directoren er= 
nannt, und beren jedem ein Hauptſtrich des in Aufftand ge= 
brachten Landes anvertraut. Zwifhen ben Dirertoren wird 
eine genane, fihere und ſchnelle Verbindung eingerichtet. Jeder 
Director darf ſich die nöthigen Gehälfen wählen. Die Waffen 
werben aus Kanonen, Gewehren, Arquebufen, Piken, Senfen, 
Baumfämmen, Pfählen beftehen. 

Im Anfange wird der Aufftand es nur mit den wenigen 
Truppen zu thun haben, bie in Baiern, Würtemberg, Sachſen, 
Weſtphalen zurüdgelaffen find, und den zur Bildung einer 
Referve beſtimmten Franzofen. Letztere werden durch das Heer 
des Kronprinzen von Schweben hinreichend befchäftigt werben. 
Der Aufftand von Tyrol und Borarleberg kann die Aufmerf- 
famfeit der Baiern und Würtemberger feſthalten. Es wird 
daher nicht ſchwer feyn, dem Deutſchen Aufftande ein entfhiedenes 
Uebergewicht über die Sachſen und Weftphalen zu geben. Dan 
darf fih ſchmeicheln, dag durch Verſchluß der Straßen für die 
Sranzöfifhen und Sübbeutfhen Recruten das große Franzöſiſche 
Heer welches ben Ruffifhen Heeren gegenüberfteht in kurzer 
Zeit auf höchſtens 150,000 Mann herabgebracht feyn, und nach 


151 


einem fehr ermüdenden Feldzuge bie Krankheiten darin eine 
fehr große Sterblichkeit hervorgebradt haben werden. Wenn 
Napoleon nur 100,000 Mann zum Beobachtungskriege gegen 
die Rufen verwendet, fo wird er mur 50,000 gegen das Heer 
bes Kronprinzen von Schweden und den Auffland übrig be— 
halten, welcher fih über ganz Deutſchland verbreiten wird. 
Die Leiter des Aufftandes werben öffentliche Aufrufe an Defler« 
reich und alle Nachbarländer erlaflen, fie werben darin einen 
töbilichen Haß gegen Frankreich und feine Verbündeten aus- 
ſprechen. Dan wird den Kaifer von Defterreih auffordern 
fein altes Anfehen in den Deutihen Angelegenheiten wieberzu- 
nehmen. Dan wird die Bewohner des linken Rheinufers 
auffordern, gleichfalls das Franzöſiſche Joch abzuſchütteln. 
Man wird von ben Bewohnern des flachen Landes in Deutſch⸗ 
Iand fordern, dem Aufftande Rchensmittel, Waffen, Schiegbebarf 
und Soldaten zu liefern; jeder mit den Waffen anfommende 
Ueberläufer findet Aufnahme. 


Diefe Denkſchriften erhielten den Beifall bes Kaiſers; fie 
wurden dem Gefandien Grafen Lieven mitgetheilt, um fie bei 
den Unterhandlungen mit England zu benugen. Noch ehe 
diefes geſchehen konnte, ſuchte Stein fie auch dem Grafen 
Münfter annehmlich zu machen, deſſen Einverftändnig und 
Mitwirkung ihm mit Recht um fo wichtiger ſchien, je mehr er 
an dem Ruffifhen Cabinet zweifelnd feine Hoffnungen für eine 
günftige Gefaltung der Deutfhen Angelegenheiten auf England 
zu fegen gezwungen war. Indem er dem Grafen jene Dent- 
ſchrift vertraulich mittheilte, ging er zugleich in deffen Zweifel” 
über die Zuverläffigfeit der Ruſſiſchen Politik näher ein. 

Das Engliſche Miniſterium, in lebhafter Erinnerung der 
Borfälle von 1807 und ber verberblihen Folgen welde ber 


152 


damalige Wechſel der politiſchen Stellung Rußlands auf Eu— 
ropa hervorgebracht hatte, vermogte auch jetzt noch fein Zu— 
trauen in Alexanders Abfihten zu fallen“. Es hielt ihn für 
ſchwach, traute ihm feine Ausdauer, feine Stanbhaftigfeit im 
Unglüd zu, fondern fürdtete, daß er bei einer ſchlimmen Wen- 
dung des Krieges Frieden fehließen und die Sache des Rechts 
verlaffen werde. Diefe Vermuthung wurde durch bie fort- 
dauernde Anwefenheit Romanzoms verftärkt, deffen Einfluß für 
fehr bedeutend galt, und bei großen Unglüdsfällen ein über- 
wiegendes Gewicht erlangen fonnte. Stein fimmte ganz mit 
Sept. 10. diefer Anſicht überein. Er bemerkte außerdem, dag wenn das 
Süd den Ruffen einen großen Erfolg gewähren follte, dieſer 
ſchwache fantaftifhe Kopf, diefe befepränfte Seele unfähig fey 
die politifhe Ordnung auf feften und weiſen Grundlagen her- 
zuſtellen; und obwohl bie Gewalt der Umftände ihn auch fpäter- 
hin entfernen werde, fo fey body die Gefahr bes Augenblids 
zu groß, als daß man noch Zeit verlieren dürfe: man müffe 
alle Mittel verfuchen, ihn zu entfernen. Er rieth daher daß 
der Englifhe Gefandte unter Schonung der Eigenliebe des 
Kaifers zu den nöthigen Eröffnungen bevollmächtigt, und be— 
fonders der Kronprinz von Schweden dahin gedrängt werde, 
darauf mit dem freimüthigen Naddrud zu beftehen, welden 
fein Character als Soldat leichter geftatte. Zu Nachfolgern 
Romanzows bezeichne die öffentliche Meinung Herrn v. Mar— 
koff, v. Kotſchubey, v. Panin, alle drei in England befannt; 
nothwendig müfle die Wahl auf einen Mann von ſtarkem 
edeln verföhnlihen Character fallen, der einer felbfifhen und 
liſtigen Politik unfähig fey. Bei der bevorftehenden Landung 
in Deutſchland fönne man nit Alles dem Einfluß des Kron- 
prinzen von Schweden und feiner Umgebungen überlaffen; 
um den Kampf zu Deutſchlands und Europas alleinigem Bor- 
theil zu wenden, müffe England einen überwiegenden Einfluß 


153 


auf die Einrichtung der Deutfchen Angelegenheiten übernehmen; 
der jegige Augenblid fey dazu günftig; England ber Zuſtim⸗ 
mung Rußlands und bed von ihnen beiden abhängigen Schwe- 
dens fiber, genieße in Deutfchland ein großes Bertrauen, da 
man überzeugt fey, daß fein und Deutfchlands wahrer Nugen 
übereinftimme. Es mäffe daher um jenen zu befeftigen 

1) aus der Bevölferung der von ber Landungsmacht ein- 
zunehmenden Landſchaften ein Heer bilden; 

2) zu deſſen Anführer einen Englifpen oder andern Ge- 
neral 3. B. den Herzog von Braunfcpweig ernennen, jedoch 
ihm einen mitverantwortlihen Kriegsrath zur Seite fegen, zu 
deffen Gliedern General Wallmoden, die Herren v. Gneifenau 
und Grollmann gehören mögten; 

3) einen politifhen Verwaltungsrath ernennen, beſtehend 
aus Graf Münfter für den Regenten, Stein für den Kaifer 
Alerander, vielleiht noch einigen geeigneten Männern, und 
einem Engländer, vorausgefegt daß er großer Auffaffungen fehr 
fähig fey, 3. B. Mr. Canning, Marquis Wellesiey. 

Der Theil Deutſchlands welchen man einnehmen werde, 
möüffe gleich Portugal behandelt, d. h. unter eine einzige un⸗ 
beſchraͤnkte Berwaltung geftellt werden. „Ich ſchmeichle mir, 
ſchließt Stein, daß Euer Ercellenz meiner Meinung feyn wird; 
Sie find von der reinften Liebe zu unſerm Vaterlande befeelt, 
an weite und freifinnige Auffaffungen gewöhnt, und Sie find 
überzeugt, daß es und nur durch Unterorbnung aller unferer 
Kräfte unter einen einzigen handelnden Mittelpunkt gelingen 
fann, das Zoch der Fremden abzuſchütteln.“ 


Indefien Stein dieſe Plane für Deutſchlands Befreiung 
entwarf und ihnen Eingang zu verfchaffen fuchte, hatte Napo- 
leon fein Hauptheer auf der großen Straße von Smolensf 
zwar unter fleten Kämpfen und Berluften aber doch mit unauf- 


Sept. 11. 


154 


haltfamer Uebermacht immer weiter gegen Mosfau vorge- 
führt. Kutuſow zog fi von einer Stellung zur andern, das 
Land hinter fih verwüftend, und Verftärfungen fammelnd, bie 
die Bereinigung mit der Hülfe welche Miloradowitſch aus 
Moskau herbeiführte, ihn beftimmte den Feind zu erwarten, 
Die Schlacht bei Borodino am Tten September von beiden 
Seiten mit ber größten Tapferkeit gefochten, endigte mit dem 
Siege der Franzoſen, welche bie in einer engen Aufftellung 
zufammengebrängten Ruffen umgingen und aus ihren Schanzen 
ſchlugen. Kutufow hatte die Kühnheit, in einem Berichte an 
den Raifer fih den Sieg zuzuſchreiben. Der Courier traf in 
St. Petersburg am Namendtage des Kaifers, dem ten Sep- 
tember ein; ber Kaifer unb die ganze Kaiferlihe Familie be- 
fanden fih in St. Alerander Newsky Klofter. Nach der Meſſe 
las der Kriegsminifter Fürft Gortſchakoff mit erhobener Stimme 
den Giegesberiht vor. „Du kannſt — ſchreibt Stein an feine 
Frau — Dir die Rührımg und bie allgemeine Freude vor— 
ſtellen, die biefer Sieg der ehrlichen Leute über bie entfittlichten 
Räuber und ihren Anführer hervorgebracht hat; wie fehr man 
ſich gegen die Unruhe die man Mosfau’s wegen hatte geſichert 
fühlt, und wie die Kraft fih verdoppelt hat. Eine beruhigende 
Zukunft fiellt fih dar; ich halte den Sturz des Mannes für 
mehr als wahrfheinlih, und biefe tollen Kriege an beiden 
Enden Europas geführt in der überfpannten Borausfegung daß 
er im innern Rußland einen Aufftand erregen könnte, werben bie 
Urſache feines Falles feyn, und die Vorſehung wird gerechtfer⸗ 
tigt das Wüthen bes Mannes fo lange geduldet zu haben, in- 
dem fie ihn in einen Abgrund von Schande ſtürzt.“ Mit mehr 
Grund hatte die Petersburger Urfache fih der Siege des an 
der Düna gelaffenen Wittgenſteinſchen Heeres zu freuen, wel- 
ches den Franzofen die Straße von Pleskow und Petersburg 
verfhloß, eine wirkfame Belagerung Riga's verhinderte und 


155 

Napoleon zu Abfendung eines Theiles feines Hauptheero ge- 
zwangen hatte. „Graf Wittgenſtein, ſchrieb Stein feiner Frau, 
bededt fih mit Ruhm durch eine gewonnene Schlacht und ein 
Blänzendes Gefecht, worin er die Corps von Dubdinot und 
Macdonald an dem Marfhe nah St. Peteröburg verhindert 
hat. Diefe Stadt wird ihm ein Geſchenk von 200,000 Rubel 
(= 50,000 Thaler) machen. Er fol ein vortrefflider Mann 
ſeyn, gut, menfhlih, tapfer, guter Vater von ſechs Knaben, 
arm. Dre Kaifer hat ihm ein Önabengehalt von 12000 Ru= 
bel gegeben." 

Auf die Nahriht des Sieges bei Borodino zögerte 
Alerander nit, die Schritte zu thun, welche für die volfftän« 
dige Befreiung feines Reichs und Napoleons Vernichtung ge- 
eignet fehienen, und welche durch die Erfahrungen des Feld⸗ 
zuges, durch den Rath einfihtsvoller Krieger und, wie nicht 
zweifelhaft ſcheint, durch Steins Urtheil dringend empfohlen 
wurden. Am 1iten September machte auf feinen Befehl Graf 
Lieven dem Staatscanzler Hardenberg eine vertraulihe Er⸗ 
Öffnung *, worin er bie in Bereitſchaft gefegten Hülfemittel 
zur Belämpfung Napoleons aufzäplt, den Eutſchluß Alexanders 
erffärt, feinen Frieden zu ſchließen felbt wenn die beiden 
Hauptfläbte verloren gingen, fondern im feſten Verein mit der 
Nation, der Freiheit und Unabhängigkeit Rußlands jedes 
Opfer zu bringen und dadurch die Unabhängigkeit bes ge- 
fammten Europa zu befeffigen; Graf Lieven fordert daher 
Preußen auf, ſich fofort mit Deferreich über dem Beitritt zu 
der guten Sade zu verfländigen, und den General Yord, durch 
den diefe Mittheihung dem Staatscanzler zufam, mit den ge= 
naueften Befehlen zu verfehen. Es war babei erwähnt, daß 
wenn es gelinge eines ber durch Napoleon errichteten Reiche 
zu Rürzen, Rußland nicht fi fondern feinen Berbündelen biefe 
Beute zu verfhaffen wünſchen werde. An demfelben Tage 


156 


reifte Czernitſcheff mit bem neuen Feldzugsplane ab, welder 
von Kutuſow gebilligt und ben folgenden Unternehmungen zum 
Grunde gelegt wurbe. Es follten danach, während das Haupt- 
heer den Franzoſen von vorne Wiberftand leiftete, der an der 
Düna flehende durch die Finnifhe Abtheilung und die Petere- 
burger Befagung verflärkte rechte Flügel die Feinde ſchlagen, 
aus dem Lande treiben, und fih fodann mit dem von Süden 
beraufziehenden linken &lügel, den Heeren Tſchitſchagows und 
Tormaffows, welche vorher die ihnen gegenüberfiehenden Sach- 
fen und Defterreiher vertreiben müßten, vereinigen, die Rüd- 
zugslinie des Sranzöfifhen Heeres an ber Ula und Berefina 
befegen, und deſſen Vernichtung vollenden, fo daß bie in das 
Land eingebrungenen Franzofen „bis auf den letzten Mann 
ausgerottet“ würben’°. Der Grundgedanke diefes Plans war 
derfelbe, welchen Stein ald Zwed der Landung in Deutſchland 
aufgeſtellt hatte; das Verdienſt einen folhen Plan gefaßt, 
ausgebildet, feine Ausführung befoplen und auf ihr unter 
allen Umftänden befanden zu haben, bleibt aber ſtets bes Kai— 
fers, der auch in biefer Hinficht hoch über feiner Ruffiihen Um⸗ 
gebung fland. Bald follte er zeigen, ob feine Seele den här- 
teften Prüfungen des Geſchicks gewachſen war. 

Der Berluft der Schlacht bei Borodino ward durch den 
Ruckzug des Ruſſiſchen Heeres enthüllt. Gegen Barclay’s 
Rath ber am nächſten Tage den Kampf zu erneuern, und als 
Kutuſow den Befehl dazu zurüdgenommen hatte auf Raluga 
zu ziehen vorfchlug, zog ſich der Oberfeldherr nach Moskau. 
Bor ber Stadt warb Kriegsrath gehalten. Bennigfen und 
Doctorow riethen zur Schlacht, Barclay da die Stellung nicht 
gunſtig fey, zur Räumung der Hauptſtadt ohne Kampf, und 
zum Rüdzuge. Kutuſow gab Moskau auf, weldes von 
250,000 Einwohnern geräumt und dann — wie Gtein aus— 


157 


dradtih hinzufegt — auf Roſtopſchins Befehl in Flammen 
gefegt ward, 

Die Nachricht dieſes Unglücks verbreitete in St. Peters⸗ 
burg die größte Befürzung. Am Morgen des Tages an wel- 
dem fie eintraf, faß Stein und aß, nach Arndts Erzählung, 
fein Frühſtuckbroͤdtchen und erging fih Anfangs in gewöhnlichen 
Geſprächen. Dann fam er auf Moskau. „Sie wiffen, wen- 
dete er fih zu Arndt, die Stadt hat an allen Eden gebrannt, 
Flüchtige find hier fhon genug angefommen. Es Tann feyn, 
daß wir nad Orel oder gar nad Drenburg die Fahrt werben 
antreten müfjen. Ich habe ſchon zwei drei mal im Leben mein 
Gepäd verloren; was thut's? ſterben müflen wir ja doch ein- 
mal! Es if ein erbärmlih Volk die meiften Menſchen. Sie 
glauben nicht, was hier fchon für bange Geſichter zu fehen 
find. Eben war $. bier, hat fi gebärbet, ald wäre mit 
Moskau die Welt abgebrannt. Ich wollte ihn zu Mittag ein- 
Iaden, aber er hat mir die Luft auf immer benommen. Wir 
aber wollen heut froh ſeyn.“ Und er war ed den Mittag 
unbefchreiblich, und ſtieß unter anderen mit dem braven Dörn- 
berg, ber unter den Gelabenen war, auf Spanien und England 
an. Ueberhaupt warb er heller und bligender, je dunfler das 
Gewoͤll der Gefahr fih zu thürmen ſchien. Das war fo 
feine Art. 

Was ein folder Character in folher Lage gewirkt hat, 
laͤßt ſich nicht berechnen. Wo die haltlofen Maſſen von Schreden 
ergriffen nur Verderben und Untergang erblicten, nur in Unter« 
werfung und Knechtſchaft ipr Heil fuchten, fand er unerfcüttert, 
den Blick nach Oben, den feflen Muth des unerfchrodenen tadel⸗ 
loſen Dannes ber Gefahr entgegenftemmend, das Feuer feiner 
Bruſt auf die Schwäceren ausftrömend, bie Willigen belebend, 
die Edlen vereinend, die Zweifelnden und Ermattenden auf- 
richtend, die Feigen und Schlechten, die Selbffüchtigen und 


158 


Verraͤther mit dem Blig feines Auges, mit dem Donner feiner 
Rede zu Boden ſchlagend. Der Kaifer blieb unerſchütterlich 
fer zur Bortfegung des Krieges und von nun an zur Bernich- 
sung Napoleons ensshloflen®'. „Napoleon oder Ich, Ich oder 
er! Beide zugleich fönnen wir nicht regieren. Ich habe ihn 
kennen gelernt, er fol mich nicht mehr täuſchen,“ ſprach er 
zum Oberften Michaud, der ihm Kutufows Bericht über Mos- 
taus Räumung überbradte. Aber bie Größe des Unglüde 
bengte ihn tief; er entzog fih ben Bliden feines Bolfs, und 
als er fpäterhin bei glüdlicher Wendung des Krieges zum 
erften Mal fih wieder öffentlich zeigte, fo bezeugte fein gebleich- 
tes Haar, in welcher Sorgennoth fein Gemüth in Furzer Zeit 
um viele Jahre gealtert war. Seine nädften Umgebungen, 
die Raiferin Mutter, der Großfürſt Conflantin, General Arad- 
ſchejew riefen laut nach Frieden; an ſie hingen ſich alle Feigen 
und Eigenſüchtigen, den Kanzler Romanzow an ihrer Spitze, 
und ergoffen fih in Beforgniffen und Haß gegen bie Fremden, 
in Drohungen und Verdächtigung ber Verrätherei. Stein aber 
trug das Haupt hoch empor; wie auf Kaifer und Kaiferin, fo 
wirfte fein Muth, und feine Entfhloffenheit dem Kaifer wohin 
auch das Schickſal ihn führe zu folgen, auf die höchſten Kreife 
der Geſellſchaft bei der Herzogin Alerander von Würtemberg, den 
Kotſchubeys, Orlows, Ouwarows, in denen er täglich erfchien 
und wo fein Character eine Macht geworden war. Bald 
theilte fih die Stimmung des Innern Rußlands, wo man 
Alles verloren hatte, aber auch Alles bem Baterlande gern 
zum Opfer brachte, der Hauptflabt mit; die Kaiſerliche Familie 
war zur Flucht nad Dionez bereit; die großen Familien er- 
trugen unermeßlihe Verluſte mit Muth und Entfagung, und, 
hränften ſich ein; als die Kunde von dem Rückzuge des Heeres 
gegen Kaluga eintraf, fo ward man ermuthigt, die Bildung 
der Milizen ging vorwärts, die Nachricht von ben Plünderungen 


159 


der Franzoſen, welche — zu allgemeiner Entruſtung — nur 
Romanzows Befigungen verfcponten °*, der Brand Mosfau’s, 
die freiwillige Waffenergreifung bed Landvolles, Alles erbit- 
terte und erhöhete den Wunſch nad Race und die Kriegslun 
bei allen Ständen; man rühmte ſich jedes Berluftes, den man 
durch Plünberung und Brand erlitten hatte; und ber allge⸗ 
meine Abſcheu gegen die Verheerer des Baterlandes flieg auf 
eine folhe Höhe, daß ber Kaifer auch wenn er gewollt hätte, 
feiner perfönlihen Sicperpeit halber Teinen Frieden fchließen 
durfte. „Der Berluft von Moskau, ſchrieb er dem Kronprinzen 
von Schmweben, giebt mir Gelegenheit dem ganzen Europa ben 
größten Beweis meiner Ausdauer im Kampfe gegen feinen 
Unterdrüder abzulegen, denn nah biefer Wunde find alle 
anderen nur Echrammen. Ich wiederhole Eurer 8. H. bie 
feierliche Verfiherung, daß mehr als jemals Ich und das 
Bolt an deſſen Spige Ih zu flehen die Ehre habe, entfchloffen 
find auszuharren und lieber und unter den Trümmern des 
Reiches zu begraben ald uns mit dem neuen Attila zu ver- 
gleichen.“ 

Um England den entſchiedenſten Beweis ſeiner Geſinnung 
zu geben, berief er den Geſandten Lord Cathrart”? und eröffnete, 
ihm insgeheim: Er beabfictige einen Schritt zu thun der ihm 
ſelbſt fehr ſchmerzlich fey, den er aber für unvermeidlich halte, 
Er könne fih nicht auf Kronftadt als einen fihern Winterhafen 
für feine Flotte verlaffen, da der Feind fih St. Petersburgs 
bemächtigen fönne; ber Schritt ben er vorhabe, fey ein weiterer 
Beweis feines Entſchluſſes auszuharren im Kampfe, im vollen 
Vertrauen eines endlichen Erfolges ſelbſt wenn er feine beiden 
Hauptftäbte für einige Zeit verlieren follte, und feines Ver— 
trauend in die Brittifche Regierung. Er habe beſchloſſen feine 
ganze Flotte von diefem Augenblit an zur Verfügung bes 
Geſandien zu fielen, und feinem Seeminifter befohlen, ſich nad 


Det. 15. 


160 


den Anweifungen zu richten, welche Lord Gatheart zu baldigfter 
Adfendung der Flotte nach England geben mögte; fie folle voll- 
Rändig bemannt und ausgerüftet und möthigenfalld zum Ge- 
braude gegen ben gemeinfhaftlihen Feind zur Verfügung bes 
Prinzen Regenten ſtehen. Hinſichtlich ber Einzelheiten der 
Ausführung verlaffe er fih auf die Redlichkeit der Brittifchen 
Regierung. Lord Cathcart fegte fih mit dem Minifter in Ber- 
bindung und übernahm bie Beforgung, bie wegen ber heran- 
nahenden falten Jahreszeit nicht ausgefegt werben burfte. 

Zu gleicher Zeit fendete der Kaifer ben Grafen Lieven als 
feinen Botſchafter nad England, um den feften Entſchluß zu 
erklären, nicht eher Frieden zu fließen bis er den Feind völlig 
aus feinen Graͤnzen vertrieben habe, und müffe er fi, um dieſes 
zu erreichen, ſelbſt Hinter Kaſan entfernen. 

„Ich hoffe, ſchrieb Stein feiner Frau, daß die Bor- 
fehung ung fiegreih aus diefem graufamen Kampfe hervor- 
gehen laſſen wird; meine Hoffnung gründet fih auf die Güte 
unferer Sache, auf die Mittel und die Thatkraft des Volles, 
welche fih in jeder Richtung und auf die ehrwürdigfie Weife 
entwideln." 


Sechster Abſchnitt. 


Petersburger Leben. 





Um diefe Zeit, im Anfange Septembers, Fündigten die erſten 
Spuren der Kälte den herannahenden Winter an, die Witte- 
rung warb unangenehm, man begann zu heizen, und Alles 
eilte vom Lande herein, wo man ſich bisher zerſtreut hatte. 
Während der fehönen Jahreszeit Iebten bie reihen Einwohner 
im Umfreife einiger Meilen in ber Nähe ber Stabt, die Kaifer- 
liche Familie in Czarskoeſelo, in defien fhönen von prächtigen 
Wafferfpiegeln umgebenen Gärten Stein bei ber Familie des 
Grafen Kotſchubey eine nad zweimonatlihem Umhereilen in 
unangebauten Landſtrichen doppelt angenehme Woche der Er= 
holung unb Aufheiterung verlebte. Gzarsfoefelo von den Kai« 
ferinnen Katharina I Eliſabeth und Katharina II im Gefhmad 
ihrer Zeiten gebaut, tief biefe Zeiten lebhaft zuräd wenn man 
die Gemäder an der Hand eines Mannes ‚wie Graf Kotſchubey 
durchwanderte, ber bie legte Kaiſerin noch gefannt hatte. Man 
ſah die Zimmer welche Katharina II bewohnt hatte, ihren 
Hausrath, ihre Bücher, ihren Meinen Garten; fie lebte außer⸗ 
ordentlich einfach; ihre Stunden waren mit größter Orbnung 
eingetheilt und beftimmt, daher fonnte fie den Befchäften, dem 
Lefen, felbf dem Schreiben viele Zeit widmen; und war au 
Stein’s Leben. II. 2te Aufl. 11 


Ang. 15. 


162 


was fie fehrieb nur mittelmäßig, fo übte es doch ihren Geift, 
und zeigte deffen große Thätigfeit. Graf Kotſchubey Iebte im 
Kreife einer fehr anziehenden Familie. Die Gräfin war eine 
Frau von feinem angenehmen Geift; von ihren vier Kindern 
zeigte bie ältefte elfiährige Tochter Natalie die glüclichſten 
Anlagen, fehr viel Liebenswürbipfeit, Talent für Zeichnen und 
Muſik. In geringer Entfernung von Ezarsfoefelo wohnte bie 
Kaiferin Mutter, in dem feinen höchſt geſchmackvoll aus- 
gefatteten Paulowsk, deffen Ueberladung mit Koftbarfeiten und 
zierlichem Hausrath jedoch einen Orundzug der Schönheit, die 
Einfachheit, vermiflen ließ. In ber Nähe von Petersburg be— 
ſuchte Stein den Grafen Orlow auf feiner prächtigen Billa, 
der Orlows-Inſel in der Newa, wo bie Kunft mit größter 
Erfindungsgabe doch die Natur nicht erfegt; Eichen und Kafta= 
nienbäume, im Winter mit Matten und Stroh gegen den Froft 
geſchutzt, zeigten nur ein ſchwaches Abbild der Deutfchen 
Stämme. Die Bila des Grafen Narishkin anziehend durch 
große und prächtige Anlagen, Reichthum von Kunftwerfen und 
die beliebte Küfte mit ihrer Schiffahrt zwifchen Kronftabt und 
St. Petersburg, bot ihm und der Frau von Gtael eine Ruf: 
ſiſche Hornmuſil und Ruffifhe Berge. „Ich habe Frau von 
Stael gefehen, fhreibt er feiner Frau, ihr Anfehen zeigt 
Gutmüthigfeit, Einfachheit, wenn fie ſich nicht die Mühe geben 
will zu gefallen; fie hat eine gewiſſe Art fih gehen zu laſſen, 
ſich hinzugeben, welche die vielen Unvorfihtigfeiten in ihrem 
Berragen und ihren Reden erklärt, die durch ihre Stellung in 
einer Hauptflabt, inmitten eines verdorbenen verführerifchen 
von allen Leidenſchaften aufgeregten Volkes entſchuldigt wer⸗ 
den; Tochter eines Mannes der felbft ſich im Strudel ber 
Gefchäfte und der politifchen Bewegungen fand — Ihr Geſicht 
bewahrt nicht dieſen Ausbrud der Matrone, von Reinheit, 
Sittlicpkeit, weiblicher Würde; es ift felbft etwas Gemeines im 


163 


Munde, und etwas fehr Leidenfcpaftlihes im Auge. Sie hat 
ihre Tochter bei fi, welche keinesweges fhön, aber gut einfach 
iR, ferner Herrn Schlegel und einen jungen Mann, wie es 
ſcheint ihren Freund — fie denft ihren Sohn nah Schweden 
zu führen, vieleicht Täßt fie dort ihr Werf über die Deutſche 
Literatur druden. Ich glaube daß fie hier nicht gefallen wird; 
denn es fehlt hier an Gefhmad für die Literatur, und bie 
rauen find außerordentlich träge. 

17ten Augufl. Fran von Stael if von den Kaiferinnen 
ſehr wohl aufgenommen worden, man fieht in ihr eine gute 
einfahe Frau — doch ift fie nicht zu Tafel gezogen, weil es 
gegen den Gebrauch ift Fremde einzuladen; Ausnahmen find 
eine fehr große Gunft, welche in dieſem Augenblid nur dem 
Admiral Bentind und mir zu Theil wird. 

31ſten Auguf. Ich habe einen äußerft angenehmen Tag 
bei Graf Orlow verlebt; wir waren eine fehr Meine Gefell- 
ſchaft auf feiner Inſel; nah Tifh hat und Frau v. Stael 
einige Eapitel ihres Buchs über Deutfhland geleſen — fie hat 
ein Exemplar aus Savary’s Klauen gerettet und wird es in 
England druden laſſen; — fie las das Gapitel über die Be- 
geiſterung; es hat mich ftarf bewegt durch bie Tiefe und den 
Adel der Gefühle und die Erhabenpeit der Gedanken, welde 
fie mit einer zum Herzen dringenden Berebtfamfeit ausſpricht; 
vielleicht Fann ih Dir einige Stellen daraus abfhreiben und 
diefem Briefe beilegen; id bin gewiß, Du wirft Davon gerührt 
und erhoben werben. 

2ten September. Ich fende Dir liebe Freundin eine Ab- 
ſchrift des Capitels über die Begeifterung; id wunſche daß 
Du es mit eben fo viel Vergnügen und Theilnahme leſen 
mögeR, als ich es abgefchrieben habe weil es für Dich beſtimmt 
war. Wenn Frau von Stael ihren Aufenthalt verlängert, fo 
fönnte ih Dir noch ein Capitel abſchreiben. 

11* 


164 


Sten September. Frau v. Stael hat uns am Tien ver- 
laſſen, fie geht nah Stodholm um ihren Sohn in Dienft zu 
bringen; ihre Gefellfhaft war fehr angenehm, ich bebauere 
ihre Abreife.” 


Daß zwei Perfönlichkeiten wie rau dv. Stael und Stein 
wo fie fih im Sopha oder am Tifh neben einander fanden, 
wie Arndt erzählt, vom euer bes Geiſtes überfloffen, wird 
Niemand Wunder nehmen; fie ſchenkte ihm zur Erinnerung 
ihr Bild, welches nah ihrem Wunſche in feinem Naſſauiſchen 
Zimmer hängt. Das Capitel über die Begeifterung war in 
der erfien Parifer Ausgabe der Allemagne von der Genfur 
ganz geftrichen worden. 


Drlow war ein Dann von gründliher Bildung, der ſich 
aufrichtig Stein anſchloß, und noch fpäter in feinem Brief- 
wechſel fi der unter den Drangenbäumen von Gorinsfy und 
in den Petersburger Theezimmern verlebten Stunden gern 
erinnerte: „In Augenbliden ber Muße, fehrieb er ihm unter 
anderem, leſen Sie gewiß unfere gemeinfhaftlihen Freunde 
Tacitus und Thucpbibes; ich fomme fie mit Ihnen im Schloffe 
Stein zu Iefen, und wir wollen Homer und Aefchplus hin- 
zufügen iu 

Außer den Beſuchen feiner Freunde in der Umgegend, 
wodurch Nachmittage und Abende ausgefüllt wurben, wendete 
Stein freie Stunden auf die Merkwürbdigfeiten der Stadt. Das 
Katharinenfift beſuchte er in Gefelfpaft der Frau v. Stael: 
„Es ift, ſchreibt er, eine Penfion für junge Mädchen, von der 
Kaiſerin Mutter geftiftet und geleitet; 500 werben theils auf 
Staatskoſten, theils für jährlih 500 Papierrubel von ihren 
Eltern hier erhalten. Die Erziehung ift forgfältig, und das 
Ausſehen ber jungen Mädchen fündigt Gefundpeit und inneren 
Frieden an. Die Kaiferin Mutter leitet und überwacht noch 


165 


mehrere ähnliche Anftalten, und giebt dadurch den Beweis ihrer 
unermübeten wohlthuenden Thätigfeit. 

Am ZOfen Auguſt. Die Lutheriſche Kirche welche ich heute 
befuchte, war fehr voll; man hat darin eine Riturgie gelaffen 
welche ſich mehr als die übrigen jetzt in Deutfchland gebräuch- 
lichen, dem fatholifchen Gottesdienft nähert; ich finde fie fehr 
erbaulich. 

Theater. 28ſten Auguſt. Man hat heute ein Ruſſiſches 
Stüd gegeben, Dimitrj Donskoj; er if ein Ruſſiſcher Held, 
der fein Baterland von ben Tataren befreit — Du fannft 
Dir denken, wie fehr die Zuhörer durch diefen Gegenftand 
welcher fi auf die gegenwärtigen Umftänbe bezieht und durch 
die Berfe welche Anfpielungen enthielten begeiftert worden find. 
Als für morgen ein Franzöfifpes Stüd angefündigt wurde, ſo 
unterbrach das Parterre den Schaufpieler und rief: fein Fran- 
zoͤſiſches Stüäd! — Diefe Bewegung ift fehr Löblih, und man 
follte diefe ganze Wolfe von Franzoͤſiſchen Schaufpielern, Ram- 
merbienern, Köhen, Kaufleuten u. ſ. w. wegiagen. Die erfle 
Scaufpielerin war fhön, doch etwas zu flark, fie fpielte mit 
vieler Anmuth, die Schaufpieler waren mittelmäßig. 

6ten September. Das Branzöfifhe Theater welches ich 
ehegeftern ſah ſchien mir fehr mittelmäßig, es war leer; das 
Publicum laͤßt feine Gelegenheit vorübergehen um feine Ab- 
neigung gegen dieſes Voll und Alles was dazu gehört auszu- 
drüden — id theile diefe Gefinnung. 

Die großen Entfernungen machten eine Beweglichkeit 
nöthig, welcher Stein fehr wohl gewachſen war. „Um Dir 
einen Beweis davon zu geben, freibt er: heute nach Tifh um 
6 Uhr bin ic zum Graf Narifpkin zum Thee gefahren, ber 
zwei Deutfche Meilen von mir wohnt; ich gelangte in Y%, Stun- 
den hin, und war um 11 Uhr wieder zu Haufe.“ 

Auf Spaziergängen, bie er liebte und felten auszufegen 


166 


pflegte, fo Tange es die Witterung geftattete, unterhielt er fi 
bisweilen in Arndts Geſellſchaft in Beobachtung ter verfchieden- 
artigen Menſchen, welde in der Stadt zufammenfloffen. „Da 
viethen wir dann, fehreibt Arndt, und wetteten gegen einander, 
wenn wir in gewiſſer Entfernung verfhiedene Menſchen gehen 
fahen, welche von ihnen Deutſche, Engländer, Rufen u. f. w. 
fegen. Ich Hatte die Letzteren bald weg in ihrer Art, aud in 
ihrem Wuchs und Schritt, fo daß ich fie ſchon in beträchtlicher 
Ferne meiftens fiher erfannte. Stein pflegte dann wohl ſcher⸗ 
send zu fagen: ich müffe von irgend einer Here meinen Eltern 
als ein Wechfelbalg ind Neft gelegt feyn; ich gehöre offenbar 
einem Stamm Amerifanifher Wilden an, und habe nod die 
Hühnerhundsnafe zum Aufmwittern des verfchiedenen Blutes." 

Später als der Winter hereinbrach, und man fi beim 
Ausgehen nad Art der Lapplänber in meite Pelze und Pelz- 
fliefel gegen die bisweilen auf 40 Grad fleigende Kälte fihern 
mußte, ward Stein von heftigen Erfältungen befallen und 
mußte feine Spaziergänge aufgeben. 


In der Mitte Septembers waren nun bie Landbewohner 
in bie warmen wohlgefhügten Stabthäufer und Paläfte zurüd- 
gefehrt, und das Winterleben nahm feinen Anfang. Glüdlicher- 
weife befaß Stein das erſte Erforderniß um darin auszubauern, 
eine fefte nur einmal durch Teichte und vorübergehende Zeichen 
von Fußgicht unterbrochene Gefundheit. Doch hatte er feinen 
Geſchmack an den Zerfirenungen, welde den unerfahrenen 
jungen Dann fo mächtig reizen. „Die Lebensart der Haupt- 
ſtadt iſt einförmig, eine Folge von Salonsbeſuchen, Mittag- 
und Abend-Effen, und ein zerſtreuungsluſtiger Mann hätte 
daran genug von 41 Uhr Mittags bis 2 Uhr Nachts." Für 
ihn war es jedoch nothwendig, ſich täglich bei Hofe und in ben 
Salons zu zeigen. Seine Stellung dort war bie günftigfte. 


167 


Der Kaifer bewies ihm Vertrauen und zeichnete ihn aus, die 
Staatöbeamten und die Geſellſchaft nicht minder. Er hatte ein 
binteichendes Einkommen um anfländig zu feben, und Fonnte 
jeden Augenblid eine fefte Anftellung erhalten, hätte er nicht 
vorgezogen feine Unabhängigfeit zu behalten fo Tange ber 
ſchwanlende Zuftand des Augenblids dauerte; er bewahrte fi 
die Freiheit, für Deutfehland auf die ihm am nüglichften ſchei— 
nende Weife zu wirfen, und — vor einer Entfcheidung die ihn 
für immer feſtgeſtellt hätte — auf die weitere Entwidlung der 
Dinge zu warten, wovon er bad Beſte hoffte. Denn Napoleon 
verzehrte feine Kräfte im Kampfe mit einem zahlreichen, erbit- 
terten und im höchſten Grabe begeiflerten Volle; man war 
bemüpt ihm nod andere Schlingen zu Iegen, und der fom= 
mende Kampf mußte furchtbarer als je werben. Und ſelbſt 
bei einem ſchlimmen Ausgange, woran er nicht glaubte, wäre 
ihm flets in Petersburg eine Zuflucht geblicben. Ohne An- 
ſpruch auf eine Stelle, vorfihtig, fehonend gegen bie Ruſſen, 
der erprobte und entſchiedenſte Widerſacher des Nationalfeindes, 
hatte der fühne Mann vol Muth Kraft und Witz, der edle Ver⸗ 
theidiger der großen Sache der Menſchheit, des Rechte und 
der Freiheit, Alles für fih was befiern Gefühlen Iebte. Die 
Raiferin Eliſabeth, ſchoͤn, gütig, Tiebenswürdig, eine Fürſtin 
von großer Zartheit der Empfindung und einer Stimme voll 
Seele, hatte für ihn dieſelbe Gewogenheit wie ihr Gemahl; 
fie war aufs enifchiedenfe für Ausdauer in der Gefahr. Diefe 
Gefinnung theilte ihre Freundin die Herzogin Alerander von 
Wirtemberg, geborene Prinzeffin von Coburg, „Rattlich ** 
und ſchoͤn, fagt Arndt, und von hohem Deutſchen Gemätp, 
Sie war eine begeiferte volle Steinin und Deutfhin, und 
verfammelte um fih, mas noch irgend Deutfche Liebe und 
Hoffnung hatte.” Die Damen aber eniſchieden aud bort. 
„Sein Muth”, feine Kühnheit, noch mehr fein Wig und feine 


168 


Liebenswürbigfeit drangen allenthalben durch und ein, und 
zünbeten wie Bligfrapl, wo nod etwas zu zünden war. Die 
fittlihe Schönheit und Kraft feines Wefens, durch und burg 
mit Muth durchgoſſen, und die Freundlichkeit und Liebens⸗ 
wurdigkeit womit er in ber Fürzeften und unſcheinbarſten Weiſe 
an ben Tafeln und Tpeetifchen zu fpielen wußte, wo er fi 
auch gern und unbewußt im leichteren Kofen und Scherzen 
bingehen ließ, machte ihn bald zu einem mächtigen Mann in 
der Geſellſchaft; fein tapferer Wille, feine Einfälle, feine Worte 
wurden zu Anekdoten ausgeprägt, welche wie Blipfeuer aud- 
liefen.“ Diejenigen Damen weldhe ein Haus machten hatten 
den größten Einfluß, und bildeten eine Art Generalſtab ber 
Geſellſchaft, deren Freundſchaft eine Stüge und gegen Angriffe 
Schutz und Bertheibigung gewährte. Unter den vielen Häufern 
der Stadt, wo man den Abend bis Mitternacht zubringen 
konnte, befuchte Stein am meiften bie Gräfinnen Kotſchubey, 
Tolftoy, Tochter ber Herzogin von Holftein, Orlow geborenen 
Soltifow, Guriew, Schwiegermutter des Grafen Neſſelrode, 
Furſtin Dolgorudy, Duwarow; am häufigften ſah man ihn bei 
Kotſchubey und Orlow. Die Gräfin Orlow, eine Freundin 
Münfters, war viel gereift, von feinem angenehmen ausge- 
bildeten Geifte, deren ungleiche Laune fie noch anziehender 
machte; nicht fhön, eher das Gegentheil, aber fo daß fie nit 
mißfiel. Ihr Haus war ber BVereinigungspunft faſt aller 
Fremden und vieler Einheimifen, und die Geſellſchaft fehr 
bewegt. Auch Ouwarow beffen Kenntniffe und Gefinnungen 
Stein fehr fhägte, bezeigte ſich ſtets gleichmäßig freundfchaftlich, 
verbindlich, dienftfertig; er fehnte ſich fehr nach Deutfchland, 
Stein ſuchte ihn mit feinem Vaterlande auszuföhnen, da er - 
doch einmal darin leben müffe und darin nüglich ſeyn könne. 
Unter den ausgezeichneten Männern welche er hier fennen 
lernte, nennt Stein den Weltumfegler Krufenftern, den Doctor 


169 


Rehmann, Begleiter Golowfind bei der durch des Legteren 
Thorheit und Leichtſinn verfehlten Geſandtſchaft nad China, 
die Fürftiin von Tarent, ausgezeichnet durch den großen Muth 
womit fie fh aus ben Händen ber Septembermörder gerettet, 
den Englifcpen Finanzſchriftſteller Sir Francis d'gvernois; am 
merfwärbigfien aber war ihm ber Herzog di Serra Capriola, 
Gefandter von Sicilien, „ein Mann von 72 Jahren, von 
großer Güte, Geiftesfrifche, Thätigkeit, der Neſtor des diplo⸗ 
matifchen Eorps in Europa; er flieht in allgemeinem Anfehen 
wegen ber Reinheit feiner Grundfäge, der Stärke feines Eha- 
racters und ber Lebhaftigfeit feines Geiſtes — mit einem 
Worte, er ift ein reigender Greis, und es ift tröftlich für einen 
Dann in meinem Alter ihn zu ſehen.“ 


Er fand den Ton ber Gefelligfeit äußerft leicht, das Ge— 
forä im Ganzen doch wenig gehaltvoll, Der Luxus in den 
großen Häufern war außerorbentlih. In den Borzimmern 
funfzehn, ſechszehn Kammerbiener und Bebienten, drei, vier 
Köche außer den Gehülfen. Der Feſtputz der Damen fehr 
tofibar, mande haben zehn bie zwanzig Schwals von hundert 
bis vierhundert Dufaten; die Kleidung der Herren einfach, 
Staats» und Kriegs-Uniform und Frad. Gaftfreipeit und 
Wohlſchmeckerei erfordern einen außerorbentlihen Aufwand für 
die Tafel. Dem Reichthum der Befiger entfpracdhen ihre Woh⸗ 
nungen, in welchen ſich oft ber Glanz ber Fürſten des 19ten 
Jahrhunderts mit aflatifcher Unbildung vereinigte. Der Orlow⸗ 
ſche Palaft umfaßte viele Höfe und prächtig ausgebauete Hin- 
tergebäube, zur Wohnung des großen und Meinen Geſindes, 
Gärtner, Schloffer, Schreiner, Sprachmeifter, Mufit- und Tanz- 
Iehrer, Künftler, bie bort einige Hundert an ber Zahl zufam- 
menlebten. Ein Theil berfelben erſchien regelmäßig an ber 
Tafel, wo der Klaviermeiſter, Sprachlehrer, Sänger, Sänge- 


Sept. 13. 


170 


rinnen, Maler an den 40 bis 50 Hausgebeden ihre Pläge 
fanden. Neben ihnen erfchienen häufig aud bie Zöglinge, 
Knaben und Mädchen, eine Sammlung aus den Völkerſchaften 
des großen Ruſſiſchen Reihe, Kirgifen, Kalmucken, Kalmudinnen 
in ihrer Vollkstracht, jedoch in Hauptfäbtifcher Prädtigfeit. 
Unter dieſe Schaar einige junge Verwandte bes Haufes ge- 
mifht, bie mit ihnen Franzöfifh und Ztaliänifh fingen und 
plaudern, malen und tanzen lernten. Diefes ergögte Stein 
zuweilen, dann aber brach aud wohl der fittliche Ernft und 
der Standesfinn durch, wie er denn eines Abends im Geſpräch 
mit Driow auffuhr: Aber Hagen Sie mir nichts vor, daß Ihre 
meiften Männer fo weich und characterlos find! Ich fehe ja, 
wie Sie Ihre BVettern aufwachſen Iaffen unter zufamimenge- 
Fauftem Sclavengewimmel aller Art. Was fann das werden? 

Sole Züge des gefelligen Lebens ſchildert er in Briefen 
an Frau von Stein, in Geftalt eines Tagebuches, weldes 
während ber Begebenheiten geſchrieben warb; es iſt zugleich 
ein Denfmal feiner hohen Achtung und treuen Anhänglickeit 
an bie Teidengeprüfte Gattin und feine geliebten Kinder, nad 
deren fittlicher und wiflenfhaftlicher Ausbildung er fi forgfam 
erkundigt, denen er durch Reiſende kleine Befchenfe fenbet, und 
in ber Wiedervereinigung mit denen er fein höchſtes Gluͤck zu 
finden hofft. Auch der Freunde, welche ben Seinigen treu 
beiftehen, der Sternberg, Clam, Czernin gebenft er mit Dank⸗ 
barfeit. „Ich empfange fo eben Deinen lieben Brief vom 
26ſten Julius. Was Du mir über Deine Gefundheit fagft, if 
mir unendlich trößlich; ich freue mich lebhaft daß bie Stern- 
bergs Dir Theilnahme und Freundfchaft bezeugen, aber es 
ſchmerzt mi, Dich des Troſtes der Bereinigung mit Friederife 
[Rielmansegge] beraubt zu ſehen. Wie viel Unglädlihe 
macht dieſes Ungeheuer; man fieht Hier nur Familien in 
Trauer über den Verluſt ihrer Lieben in der Schlacht vom 


171 


Teen September. Laß deinen Muth nicht finfen, theure Freun— 
din; vergleihe Deine Tage mit der fo vieler Taufend Menfchen 
deren Glück für immer durch ben Berluft derer zerflört if, 
welche ihnen durch bie liebſten Bande verfnüpft waren — ich 
glaube, die Stunde des Untergangs des Mannes hat gefchla- 
gen, und Du wirft noch das Glüd genießen, worauf Deine 
Tugenden Dir ein fo gegründetes und ehrwürdiges Recht 
geben. Lebe wohl meine gute und theure Freundin; ſey über- 
zeugt, daß Dein Gluͤck mir mehr als Alles in der Welt am 
Herzen liegt.” Und ein anderes Mal: „Ich babe feinen Sept. 19. 
Zweifel, daß Napoleon unterliegen wird, wenn die Kraft ber 
Regierung der Kraft des Volkes entfpriht, welches eine große 
Hingebung, viel Begeifterung, einen unerfhätterlihen Muth 
zeigt. Hier wie an jedem anderen Orte giebt es in den oberen 
Claſſen ſchwache weihe Menſchen die mehr an ihrem Eigen: 
thum als an der Ehre hängen, und man muß hoffen daß ent- 
weber bie Erfolge ihr Gelangen zum Einfluß verhindern, oder 
daß ihr Einfluß nichtig feyn wird wenn die Gefahr vor— 
handen if.” 

Leere Stunden, ſchreibt Arndt, konnte Stein ſchwer er- 
tragen, leere Tage gar nicht. In Petersburg gab es bei ber 
Abgeſchnittenheit von ben meiften Europäifchen Berhältniffen 
fogar leere Wochen für ihn. Da lieg er fi den Profeflor der 
Griechiſchen Literatur Gräfe holen, und las mit ihm den 
Thucydides. 

Er wohnte in dem Gaſthofe „zur Demuth,“ welchen er 
bei Anbruch des Winters mit einem ſtattlicheren Haufe ver⸗ 
tauſchte. 


Siebenter Abſchnitt. 


Ruhe der Heere. Steins Unterhbandlungen 
mit Münfter und Gneifenau. 


Die nächften Wochen nad der Einnahme und Verbrennung 
von Moskau wurden von beiden einander entgegenfichenden 
HOeeren zur Erholung von ben ungeheueren Anſtrengungen und 
Verluſten welche fie erlitten hatten, zum Sammeln ber zum 
Teil aufgelöften Beſtandtheile, zur Pflege und Heilung ber 
Verwundeten, zu Herftiellung ber Kriegszucht der Bewaffnung 
und der Kriegevorräthe und zu Herbeiziehung ihrer Berflär« 
tungen gebraudt. Die Franzofen fanden in der Stabt und 
in einem geringen Umfreife, und wurben von allen Seiten 
burd bie leichten Ruffifhen Truppen umgeben und in ben 
täglichen Unternepmungen zu Herbeifhaffung von Lebensmitteln 
und Zutter gehindert, bort fo wie längs ber ganzen Berbin- 
dungslinie von Moskau nah Smolensf von bewaffneten Bauern 
und Streifparthien überfallen und im Kleinen vernichtet. Durch 
feine Marfcpälle von dem Plane nad St. Petersburg aufju- 
brechen abgehalten, überließ fih Napoleon ber Hoffnung, ba 
‚ber Kaifer Alerander durch den Verluft feiner Hauptflabt ge- 
beugt einen fhimpflihen Frieden fließen werde, und feine 


173 


Zuverfiht wuchs buch bie Art wie ber feindliche Feldherr 
feine Eröffnungen aufnahm. Kutuſow hielt fi ſubweſtlich von 
Mostau an der großen Straße nah Kaluga in einer durch 
Verſchanzungen verftärkten feften Stellung am Fluſſe Nara, 
brachte den Krieg ber Parteigänger in Schwung, belebte den 
Bolköfrieg welcher von ber Geiſtlichleit zu einem Kriege für 
den Glauben geabelt warb, und verftärkte ſich durch 30,000 
Mann frifher Truppen und 26 Regimenter Doniſcher Koſalen, 
fo daß er almälig ein merfliches Uebergewicht über das Fran- 
zöfffepe, noch immer 100,000 Mann ftarfe Heer in Moskau 
erlangte. Diefes waren bie Früchte der unermüdlihen An- 
ſtrengungen des Kaifers Alerander, in defien Händen bie Fäden 
aller der großen Rüftungen in den verfchiedenen Theilen feines 
weiten Reichs zufammenliefen, und ber alle zu ununterbrocpener 
Thätigfeit anfeuerte, um bie beleibigte Ehre des Baterlandes 
zu rächen. Die Zahl der von ihm angeordneten Referven 
belief fih in biefen Monaten auf 115,000 Mann Fußvolf, 
20,000 Linien» Reuterei und 10,000 Mann Artillerie ®, 

So erfreulich diefe Anfrengungen waren, fo gewährte 
doch weber die bis dahin bewiefene Fähigkeit ber Ruffifchen 
Feldherren, noch der weiche Eharacter bes Kaiſers, unter dem 
täglichen Einfluß unbebeutender jeder Erhebung unfähiger und 
zum Frieden geneigter Umgebungen, eine Sicherheit für die 

" Zukunft. Stein wünfchte daher aufs Dringendfle eine Ver⸗ 
ſtaͤrkung des Einfluſſes welchen England durch feine feſte Stel- 
lung in dem Kriege gegen Frankreich ausübte, und erſuchte 
Münfter wiederholt bapin zu wirken, daß England die Reitung 
der Deutfchen Angelegenheiten fo wie bie Deutſche Legion über« 
nehme; er unterftügte dieſes Geſuch mit Gründen, welche aus 
dem Klar vorliegenden Zuftande der Dinge hergenommen, feinen 
Widerſpruch zuließen: 


- 174 


Stein an Münfer. 

„Yetersburg den 2öften September 1812. ... Es iſt 
ſchlechterdings nothwendig, daß England die Leitung der Deut- 
ſchen Angelegenheiten übernehme, bie Deutfche Legion befolde. 
Wir dürfen von dem Perfönlichen der hier herrſchenden und 
leitenden Perfonen feine weife, große, uneigennügige Pläne 
im Gfüd, und im Unglüd feine unerſchütterliche Feſtigkeit und 
Hochherzigkeit erwarten. 

Die das Vertrauen bes Kaifers geniepende und zugleich 
umgebende Männer find ber Canzler, der Graf Ararzejew, ber 
Polizeiminifter Balarzew; der erfte ift befannt, ber zmeite 
hoͤchſt befepränft, der dritte liſtig, furzfichtig, in großen Welt- 
angelegenheiten unfunbig, alle drei dem Frieden geneigt. Nir- 
gende findet fi unter den Umgebungen des Kaiſers ein fräf- 
tiger weifer Mann. Gehen die Angelegenheiten ertraͤglich, fo 
wird man Fefigfeit zeigen; geben fie fehleht, fo wird man 
trog alles Wortgepränges unterliegen, wie a. 1805 und 1807. 
Das Prinzip diefes Betragens liegt in dem Mangel der Tiefe 
des Verſtandes und des Herzens, in der Oberflählicpkeit. 

Man darf mit Recht vertrauen auf die Tapferkeit bes 
Heeres, auf den Muth der Nation; Kraft ift vorhanden, aber 
feine Leitung. Die Räumung von Moskau ift unverzeiplid, gegen 
den Willen Bennigfend und Doctorows, gegen den laut aus— 
geſprochenen Willen der Armee, — verloren ift allerdings nur 
die Stadt, aber eine große volfreihe Stadt. Der moralifhe 
Eindrud im Ein und Ausland, befonders auf das nieber- 
trächtige Wiener und Berliner Cabinet ift verderblich. 

Bei diefem wanfenden Zuftand der Dinge if ed dringend 
nothwendig, daß England die Deutſche Legion auf jeden Fall 
unternehme, fie nah Schweden überfegen laſſe, — um ihrer 
immer gewiß zu ſeyn. Entfteht ein ſchaͤndlicher Friede, fo be— 


175 


Hält England diefe Streitkräfte; ift dieſes nicht der Fall, fo 
benugt e8 biefe Truppenmaffe um mit ben Schweden gemein- 
fohaftlih zu würfen, man möge ihr eine Ausdehnung geben 
wollen oder nicht. Landet der Kronprinz in Deutfhland, fo 
fann man doch einem Gasconier und denen raubfüchtigen armen 
Schweden, nicht das Schickſal Deutſchlands überlaffen; auch 
nicht Rußland. Diefes wird ih im Dften vergrößern wollen, 
und jenes wird Dänemark mit Deutfhen Provinzen zu entfchä- 
digen ſuchen, für den Verluft von Norwegen. Das lumpen- 
gefindel der Deutſchen Fürften wird vor benen Norbifhen 
Bundesgenoffen friechen, wie fie 1801 und 1802 vor Laforeft 
und Mathieu Favier gekrochen haben. 

Man muß fi auf jeden Fall bald entfheiden — ich rathe 
die Legion zu übernehmen, das Commando dem Grafen Wal- 
moden zu übergeben, und ihn fehleunigft herzuſchicken, fein 
Name und fein Einfluß wird eine Menge brave Friegserfahrene 
oͤſterreicher Offiziere herziehen — feine perfönlice Eigenfchaften 
werben wohlthätig wirken auf ben Kaiſer in ben größeren Anz 
gelegenheiten. ö 

Das Tableau B enthält Meberfhläge der Errichtungs- 
und Unterhaltungs=-Koften einer gegebenen Zahl — bie 
Errihtungsfoften werden vermindert werben, wenn man aus 
England Waffen und Kleidung fidt. 

Beſtimmt fih England zu einer Theilnahme in einem 
größeren Maaß, in ber Art wie die Anlage A p. 5 fie vor- 
ausfegt, fo organifirt man das Commando, in ber darin er» 
mwähnten Form, ein voraus wirklich gemachter Generalſtaab 
muß aber dem Prinzen beigeordnet werben, da ihm nad Dörn- 
bergs und Stülpnageld Aeufferung, Befonnenheit und Geifted- 
gegenwart im Gefecht, befonnener Muth in Verlegenheit fehlen. 

Rußland felbft wird denen Errihtungen Deutfcher Truppen 
feine Ausdehnung geben, weil es ihm an Gelb fehlt, feine 


176 


Finanzen find zerrüttet und der fo an ihrer Spige fleht ein 
geiſtloſer Menfh. — Sie find zerrüttet dur die Berwäflung 
eined großen Teils feiner Provinzen, duch die großen Armeen 
die es befoldet, durch bie Stellung von Miligen, Lieferungen ıc. 
durch Verminderung der Taufenden Einnahme, die Weberfpan- 
nung feiner Ausgaben. Ich fehe es daher voraus, daß in 
furger Zeit diefe Deutfche Legion wirb eingeftellt werben.” 


Drei Tage nach Abgang dieſes Briefes, am 28ſten Sep⸗ 
tember, erhielt Stein ein vier Wochen vorher abgegangenes 
Schreiben Gneifenau’s, welcher zu Englands Fräftiger Theil- 
nahme und einer baldigen beſſeren Geftaltung der Deutſchen 
Angelegenheiten gegründete Hoffnung machte. 


„Ero. Ercellenz an mic) gerichtetes Schreiben vom 23Ren 
Junius habe ich erft fpät zu erhalten die Ehre gehabt. Wie 
ſehr mich der Anblick der Züge Ihrer Hand gefreut hat, fönnen 
Ew. Excellenz denfen nach dem, was Sie von meiner Anhäng- 
lichkeit an Ihre Perfon wiffen. Ihre Anftelung am Ruffifgen 
Hofe Hatte ich früher ſchon erfahren, und wünfcpte Denfenigen - 
Gtüd, die fih Ihrer Rathſchlaͤge bedienen und fie mit Beharr= 
lichkeit befolgen wollten. — Ich hoffe, baß meine beiden an 
Sie gerichteten Briefe ihre Befimmung erreicht haben; folde 
waren unter dem Einfluß ungünftiger Momente gefchrieben. 

Schon in Rußland war ich genöthigt, trübe Betrachtungen 
anzuftellen. Pereivald Ermordung mußte meine Hoffnunge- 
Tofigfeit abermals fleigern. In Orebro, dem Sig des ſchwe⸗ 
diſchen Reichstags, erfuhr ich, daß das brittiſche Miniſterium 
für Schweden Nichts ihun wolle, ſelbſt nicht einmal Subfibien 
zu geben war man geneigt. Eine geheime Unterhandlung mit 
Dänemark war angezettelt, und man wollte nicht auf Plane 
eingehen, bie biefed zu vernichten brohten. Alles dieſes be 


477 


flätigte fih mir in Gothendurg. Unter diefen Umftinden hätte 
ich eigentlich meine fernere Reife nicht fortfegen follen, ich that 
es aber dennoch, theild aus dem Grundſatz, in einer großen 
Sache Nichts unverfuht zu laſſen, theils aus ber Verzweiflung 
ſelbſt einen Grund zur Hoffnung berzunehmen; theild um das 
Wort zu Töfen, das ih meinen Freunden gegeben hatte. Ich 
ging und meine Beharrlicfeit warb belohnt, belohnt nämlich 
durch nen aufgehende Hoffnungen, denen ich bereits entfagt 
gehabt hatte. 

Ich bin gütig hier aufgenommen worden. Ohne daß ih 
mich aufbrängte, verlangte man meine Meinung zu wiflen. 
Der Regent ift fehr gnädig gegen mich gewefen, und geht mit 
dem größten Eifer auf unfere Plane ein. Selbſt die Minifter 
thun diefes, fo fehr ihnen nur parlamentarifcpe Nüdfichten, die 
allgemeine Tage des Landes, und bie großen Anftrengungen in 
der fpanifhen Halbinfel diefes geftatten. Was fie thun wollen, 
iſt folgenbes. 

1. Zür Schweden if eine anſehnliche Subſidie bewilligt. 
Wenn die von dort ausgehende Expedition noch nicht 
gefeegelt if, fo Liegt diefes in ſhwediſchen Rüd- 
ſichten und nit an dem hiefigen Minifterio. An 
Waffen und Munition foll es ebenfalls nicht fehlen. 

2. Sobald nad erreihten, rein fhwedifchen Zweden 
die Expedition nah Deutfepland feegelt, fo ſchließt ſich 
von bier aus ein Truppencorps von etwwa 12,000 Mann, 
worunter viel Cavallerie und Artillerie if, an. Unter 
ben Umftänden, worin biefes Rand fi befindet, if 
dieſes eine große Anftrengung, da fo wenige Truppen ' 
im Mutterland ſich befinden. 

3. IR die Landung vollbradht und Raum gewonnen, fo 

> fol ein Armeeforps neu errichtet werben, deſſen gänz- 
Steine Leben. IM. 2ie Aufl, 12 


178 


liche Ausftattung und Befolbung, letztere auf Deutfchen 
Buß, von bier aus gefchehen ſoll. 

Ew. Ercellenz fehen hieraus, daß das brittifhe Minifterium 
bei weitem mehr für unfere Sache thun will, als wir erwarten 
durften. Wenn der Brief des Grafen DMünfter, deffen Conzept 
ich gelefen habe, etwas falt über die von hier aus zu gebende 
Hülfe Liegt, fo Tiegt dies zum Theil in der Kälte feiner An- 
ſicht — nicht Kälte des Herzens, denn dieſes fühlt fehr warm 
für die gute Sahe — in feinen Verhältniffen zum Regenten 
und zu ben Miniftern, und in den Beforgniffen, die man bier 
überhaupt von ber Leitung ber Dinge dort hat, Ich will 
geradezu bamit hervorgehen. 

Man hält hier Heren v. Romanzow dem Franzöfifchen In— 
tereffe für völlig ergeben, und hält feinen Einfluß für fehr be— 
deutend, Bei großen Unfällen fürchtet man die Vermehrung 
diefes Einfluffes. Würde man hier fi überzeugen Fönnen, 
daß ber Kaifer Alerander auch im Unglück flandhaft bleiben 
und in der Verlängerung bes Krieges und nur allein dadurch 
möglichen Entwicklung moralifher und phyſiſcher Kräfte fein 
Heil ſuchen wolle, fo glaube ich, würde man hier das Unmög- 
liche zur Unterftügung leiften und dieſe würde mit der Dauer 
der Anftrengung in fteigendem Berhältmiß fliehen. So aber, 
von ber Furcht des Mißlingens und von der Beforgniß, daß 
Unfälle und eine irre geleitete Politif die Begebenheiten des 
Jahres 1807 wieder herbeiführen fönnten, geleitet, nehmen bie 
Minifter Anſtand in Verpflichtungen fih einzulaffen, die, wegen 
verfpleuberten Blutes und Geldes, fie in zu harte parlia- 
mentarifcpe Verantwortung ſturzen Fönnten. Auch find die Anz 
Arengungen in Spanien ungeheuer. Von 8 Millionen, die 
biefür, für diefes Jahr berechnet waren, ift man nun fchon 
auf 16 Millionen gefommen. Zwar if der Ruhm den man 
ſich dort dur die Schlaht von Salamanca erworben hat, 


179 


wohl diefen Mehrbetrag von 8 Millionen werth, allein, follten 
Unfälle andermärts entftehen, fo würde man das frühere Glüd, 
durch die Entfäloffenheit des Marquis Wellington gefeflelt, 
nit in Rechnung bringen Iaffen wollen gegen das fpätere 
Unglüd, herbeigeführt, wie bie Oppofltion fagen würbe, durch 
die Ungeſchicklichkeit der Minifter. Unter diefen Umftänden alfo, 
glaube ih behaupten zu können, if das, was die Minifter zu 
thun erbötig find, wirklich nichts geringes. 

Diefem gegenwärtigen Schreiben foll bald ein anderes nach⸗ 
folgen, das ungefähr das enthalten fol, was Ew. Excellenz 
intereffiren möchte. Für fegt bleibt mir feine Zeit übrig, aus⸗ 
füprlicher zu ſeyn, da ich bie Zeit meines Hierfeins über wenig 
zu Athem kommen fonnte, fondern mit ben nöthigen Geſchaͤfts- 
befuchen, Abfaffung von Denkſchriften und Erläuterungen dar⸗ 
über vollauf zu thun hatte. 

Noch will ih hinzufügen, daß die Art wie der Krieg bei 
Ihnen geführt wird, hier fehr populair if. Man meint, nach⸗ 
dem bie Umflände fo gefommen, fo fei dies die beſte Art des 
Krieges, die man dem Franzöſiſchen Kaiſer machen könne. Webers 
haupt iſt man hier fehr ruffifch gefinnt und hegt von der Nation 
große Erwartungen. 

Meine Berfländniffe in Deutſchland gehen einen guten Gang. 
Vielleicht ift deren Natur Ew. Ercellenz befannt. Selbige ver- 
fprechen, nad den füngften mir zugefommenen Nachrichten, 
eine beffere Ausbeute, als meine feit fünf Jahren fo oft ge⸗ 
täufchten Erwartungen mir zu hoffen erlaubten. Die Noth ift 
eine beflere Lehrerin als die Vernunft. 

Wenn Ew. Excellenz, wie mir Ihr vereprlihes Schreiben 
fagt, meine Rüdfunft erwarteten, fo glaube ih, werden Sie, 
nad dem was ich Ihnen von dem guten Willen des hiefigen 
Minifterii jegt fage, es billigen, wenn ich nicht dorthin zurüd- 
fehre, fondern mid fogleih an die Hiefige Expedition anſchließe. 

12* 


180 


Zwar find mir von bier aus deshalb noch feine Anerbietungen 
gefcheben, allein gewohnt aufs Ungewiſſe hin zu abentheuern, 
werde ich immer einen Heinen Wirkungsfreis für mic) finden, 
wenn ih aud weder beftimmse Anftellung noch Entſchädigung 
finde. Da zu feyn, wo ich am meiſten Nugen ſtiften fann, ift 
was die Pflicht mir gebietet, und ich habe Urſachen, voraus— 
aufegen, daß es mit ber Deutſchen Legion dort nit großen 
Fortgang haben werde, befonders wenn England feiner andern 
Entwürfe wegen, nicht mit Geld unterflügt und anberwärte 
für deffen Rechnung Truppen errichtet würden, bie bann mehr 
Zulauf haben würden, als bie Legion im Norden. Finden 
Ew. Ercellenz gegen dieſe meine Anſicht etwas einzuwenden, 
fo bitte ih Sie, mid davon zu unterrichten unter ber Adreffe 
des Grafen Münfter No. 33 Clarges Street. Am Sicherſten 
gelangt der Brief an mid dur die brittiſche Geſandiſchaft, 
ober Admiral Saumarez zu Gothenburg, oder ben Raufmann 
N. Lorent daſelbſt. 
Mit der reinften Verehrung 
Euer Excellenz 
ganz treu ergebener 
N. v. Gneiſenau. 
London, 4 Clarges Street, den Iften September 1812." 


Diefe wichtigen Eröffnungen, doppelt erfreulich weil fie in 
einem Zeitpunkt großer Entſcheidung eintrafen, legte Stein in 
einer Franzöftfchen Ueberfegung fofort dem Kaifer vor, und be- 
antwortete fie am folgenden Tage: 

„Petersburg den aut September 1812. .. Ich fann 
Ihnen mein verehrungswürbiger Freund, ohnmögli das Ver⸗ 
gnügen ausbrüden, welches mir der Inhalt Ihres Schreibens 
dd. London den Aften September gemacht hat; nach langem 


181 


angſtvollen Harren, nad einem Imonatlihen Treiben zwifchen 
ſchwankenden Entfhlüffen, trüben Ausſichten, geht endlich ein 
Strahl von Hoffnung für die vaterländifhen Angelegenheiten 
auf. Noch ift mir die Tängft erwartete Antwort von Graf 
Münfter nicht zugefommen, ohnerachtet Pozzo vorlängft, und 
jegt Sie die Ankunft anfündigten, Ihm werben unterdeffen bie 
Schreiben von mir dd. 10ten September und 25ſten September zu= 
gefommen feyn, worin id mich über Deutſchlands Angelegenheiten 
und die Erwartungen fo es von Fremden haben darf, äußere. 

Als Zufag zu dem Inhalt jener Schreiben theile ih Ihnen 
Folgendes mit. Die Erbitterung der Nation ift auf das Aeußerſte 
gebracht, der Kaifer kann, wie er fi beutlih und beftimmt 
äußerte, feiner eigenen Sicherheit halber feinen Frieden machen, 
und biefes hat er auch in ber anliegenden Prorlamation aus— 
geſprochen. Die Verheerung Mosfau’s verftärkt dieſe Stim- 
mung, bie beften Autoritäten behaupteten alles fey abgebrannt 
bis auf den Eremmel und die Sloboden. Die Vollsbewaff⸗ 
nungen gehen unaufpaltfam fort. 

Romanzows Einfluß ift allerdings verderblich, er bereitete 
nichts vor, hielt und hält noch jegt vieles auf. Seiner ber 
Bundesgenoffen hat das mindefte Zutrauen zu ihm, er iſt von 
der Nation verabfcheut, feine Schlauheit, eine Feine action, 
und ein gewiffer Eigenfinn des Regenten halten ihn. 

Was ih von Rußland und Schweden für Deutfhland 
erwarte, darüber habe ich ausführlih an Graf Münfter ge- 
ſchrieben, er wird Ihnen das Mitgetheitte eröffnen, und ich 
wünfche Ihre Zuftimmung. 

Bon der Dldenburgifhen Familie erwarte ih nur Hinder- 
niffe, des Herzogs Anfichten find kalt, eingefhränft, fümmerlic, 
Prinz Auguſt ift ohne allen Einfluß, Prinz Georg hat welden 
durch feine, Gemahlin, beide find aber von hier entfernt; biefe 
Menfchen wollen nur a) Wiederherfiellung des Oldenburgiſchen 


182 


b) durch eine vorbringende Ruſſiſche Armee, fie wollen nichts 
von Landungen, Theilnapme und Mitwürkung bes Volls, 
fie find blind und taub — ich habe fie mir abgeſchüttelt. 

Die Beicplüffe des brittiſchen Miniſteriums machen feiner 
Weisheit und Kraft Ehre — traurig daß man fie von denen 
Schwediſchen Projekten abhängig zu machen gezwungen ift, und 
daß dieſe wieder durd bie hiefige Unbeholfenheit verfchleppt 
werden. Als Stamm zum Deutfihen Heer fann man bie hie- 
fige Legion brauchen, über deren Stärke Beſchaffenheit u. f. w. 
Herr v. Stülpnagel Ihnen Auskunft giebt, und Graf Münfter 
der über Errichtungs- und Unterhaltungsfoften von mir genaue 
Nachrichten erhalten hat. Es iſt notpwendig daß England jegt 
gleih das Eorps übernehme, Kleidung und Waffen herſchicke, 
da es an beiden fehlt und beides übermäßig theuer if, da 
Rußlands Finanzen durch den Krieg erfchöpft find, und man 
hier die Fremden weder liebt, noch zu behandeln noch zu be= 
augen verſteht. Landet man, fo müffen Waffen und Kleidungen 
für 100,000 Mann glei vorräthig feyn, da bie Errichtung 
der Armee und die Zufammenziehung von Menfchenhaufen einen 
ſchleunigen Fortgang haben wird. 

Berfährt man nad meinem in bem Schreiben dd. 25flen 
September enthaltenen Borfhlag, fo erhält die Civil» und 
Mititair- Verwaltung Kraft und Einheit — ſonſt wird alles 
zerfplittert und gelähmt, durch eine Heine verwidelte ſchwer⸗ 
fällige erbärmlihe Maſchinerie. 

Sie find bey denen Stimmungen der dortigen Regierung 
und Nation nügliher ald Sie hier ſeyn können. 

Antworten Sie mir, wenn es nötbig if ber Aufficht der 
hiefigen Polizey zu entgehen, allein durch englifhe ober 
fpanifhe Couriere. Bon Ihnen Habe ih hier gar feinen 
Brief erhalten, wohl einen in Prag durch Gruner den Sie 
von Breslau aus fehrieben. Leben Sie wohl mein vortreff⸗ 


183 


Tiger Freund, die Borfehung fegne Ihre Bemühungen, und fepn 

Sie von ber Unwandelbarkeit und Rebpaftigfeit meiner freund- 

ſchaftlichen und hochachtungsvollen Gefinnungen überzeugt. 
Stein." 


Darauf forderte er nochmals den Grafen Münfter aufs 
Dringendfe zu Befdleunigung der Deutfhen Angelegenheiten 
auf, wies wiederholt auf die Nothwendigkeit Hin daß England 
ſich ihrer annehme, und veranlaßte die erfien Schritte zu einer 
Ausföhnung Defterreihs und Rußlands durch Englifche Ber- 
mittlung: 


„Petersburg den Iten October 1812. Noch iſt mir die 
Antwort Eurer Excellenz auf mein Schreiben dd. Witzy nicht 
zugefommen, fo wohlthätig ihre Erfcheinung in diefem Augen- 
blick des angeftrengten und noch zweifelhaften Kampfes gewürft 
haben würde — ich hoffe ihren baldigen Empfang. Ich wie- 
derhole es, bei der Kurzfichtigkeit und Characterloſigleit des 
biefigen Minifteriums if nichts zu erwarten, fie begreifen bas 
Intereffe Europas fo wenig, als fie Kraft haben um es mit 
Beharrlihfeit zu verfolgen — wie follen bergleihen Gebanfen 
in ihren trüben Köpfen erfcheinen, oder dergleichen Gefühle in 
ihren engen Herzen wurzeln — der Kaiſer felb hat menfchen- 
freundliche Gefinnungen ®. Bon der großen Energie ber 
Nation und der Unerfchrodenheit der Armee dürfen wir alles 
erwarten, und es if alle Wahrſcheinlichkeit des Untergangs bee 
bluttriefenden Ungeheuers vorhanden. Es müffen daher alle 
Teitende politifhe und militairifhe Ideen befonders in Bezie⸗ 
hung auf Deutſchland allein von England ausgehen, und biefe 
Macht darf nachdrücklich und freundlih auf eine Veränderung 
des Minifteriums bringen, jedoch jeden Verdacht vermeiden 
als habe fie eine yperfönliche Abneigung gegen den Kanzler, 


184 


als Haffe fie ihn wegen ber Mafregeln die er gegen ihren 
Handel ergriffen; fie muß ſich mehr beforgt zeigen für das 
große politifhe Interefle Europas, ale für das eigene Handels- 
Intereffe. Sie muß einen gefcheuten Operationsplan für die 
Landung in Deutfhland entwerfen, und denen Schmeben, 
Ruffen *° dur einen gefcheuten Fräftigen eingreifenden Sol- 
daten vorlegen laſſen. 

England muß ſich zugleich über einen interimiftifhen Ber- 
waltungs ⸗ und Benugungsplan des zu occupirenden Landes 
äußern und auf feine Annahme bei Schweben und Rußland 
dringen. — Der Raifer hat vorläufig mir feine Zufriedenheit 
über den Inhalt des Promemoria fo ih Eurer Excellenz mit- 
getheilt habe zu erfennen gegeben, und Graf Lienen wird bar= 
nad inftruirt werben. 

Es Täßt ſich jet, fo lange der Feind innerhalb Rußlands 
Grängen fteht, nichts weiteres von dem Letzteren erwarten, ale 
daß es deſſen Streitkräfte befchäftigt und feſthäͤlt, diefes ift für 
alle Operationen im Rüden ſchon fehr viel; vieleicht kann es 
ein Corps von 16 bis 20,000 Mann abgeben, und bann follte 
man fih den General Graf Tolſtoy ehemaligen Ambaffadeur 
in Paris als Befehlshaber erbitten. Rußland wird vielmehr 
Unterftügung an Waffen und Kleidung vielleicht brauchen, da 
die in Moskau vorhandenen Militairfahriquen zerfört, bie 
Gewehrfabriquen von Tula jegt bedroht find, die Bewaffnungen 
des Volles eine fehr große Ausdehnung genommen haben, und 
man dem Einwurf den Graf Araczejew macht begegnen muß, 
daß man zum Frieden wegen Mangel von Kriegsbebürfniffen 
gegwungen fey. 

Nur England fann Vertrauen und Neutralität zwiſchen 
Defterreih und Rußland wieder herftellen, und biefes zur Auf: 
opferung feiner Eiferfucht erregenden ohnbebeutenden Eroberung 


185 


am Pruth als Bürgfchaft feiner gemäßigten Gefinnungen bes 
wegen. 

Diefe Sache verdient die größte Rüdfiht, damit Defler- 
reich nicht verleitet werde Napoleon noch flärfer zu unter- 
Rügen. Graf Metternich zeigt einen Doppelfinn ber alles be— 
fürdten läßt, 3. B. Arretiven Ruſſiſcher Reifender und Ge- 
ſchaͤftstraͤger denen er ſelbſt Paͤſſe gegeben hat. Wir find wegen 
Grunern fehr beforgt, welches ich Gneifenau zu fagen bitte.” 


Die weite Entfernung welche diefe gegenfeitigen Mittheis 
lungen zu durchlaufen hatten und die gleihe Schwierigfeit des 
Eintreffens der Antwort, bei unvollfommenen Verbindungen, 
das Erbrechen der Briefe weshalb fihere Couriere abgewartet 
werben mußten, erflären, wie ſchwer es feyn mußte, fi über 
gemeinfame Mafregeln über die wichtigfen Angelegenheiten 
Europa’s zu verfländigen; rednet man dazu die durch falſche 
Nachrichten veranlaßten Miverftändniffe, die Stelung ber Un» 
terhändler, welche nicht erſte Minifter ihrer Fürften fondern 
neben bdenfelben fiehende gewiſſermaßen unabhängige Ratgeber 
ohne geichäftlihe Verantwortlichkeit und Bedeutung waren und 
nur durch ihr perfönfiches Anfehen bei den Fürften und ihren 
NRathgebern wirken konnten, dazu bie Beſchaffenheit ber Letzteren 
und den rafhen Flug der Ereigniffe inmitten eines ſolchen 
Krieges, fo konnte Münfter auf diefen Briefwechfel des Taritus 
Worte anmenden: „Ceterum ex distantibus terrarum spatiis 
consilia post res afferebantur.” Steins Briefe an Münfter 
waren oft vier Wochen unterwegs, und ging die Antwort — 
was in der Regel nicht thunlih war — fofort ab, fo verfloß 
wieder ein Monat, alfo wenigfiens zwei Monate ehe Stein 
über die Aufnahme feiner Gedanfen Kunde erhielt, und wie 
verfhieden war bie Lage der Dinge und wie groß der Ofüds- 
wechſel in fo verſchiedenen Zeitpunkten wie dem Borbringen 


Det. 10. 
Det, 23, 


— 


186 


der Franzofen in der Mitte Julius, deren Einzug in Mosfau 
in ber Mitte Septembers und dem Uebergang über die Berefina 
am 28ften November. Dazu der Wechfel der Jahreszeiten in 
den nörblien Breiten, welder im November unterfagte, was 
im Sommer und Herbfte leicht ausführbar geweſen war. 
Manſters Antworten auf Steins Eröffnungen wegen ber Deut- 
chen Angelegenheiten wurden unter dem Eindrud des Unglüds 
von Moskau gefchrieben; die Verwendung des Finniſchen Heers 
bei Riga laſſe, fagte er, bie Schweden zu ſchwach zu einer 
Landung in Deutfepland, ba die Franzoſen an jedem beliebigen 
Puncte zwifchen Dder und Ems 40,000 Mann verfammeln 
fönnten, der König von Preußen in Stodholm erflärt habe, 
ſich mit 40,000 Preußen einer Schwebifchen Landung wider 
fegen zu wollen, und man doch jedenfalls damit anfangen 
müffe Dänemark anzugreifen, beffen Heer man nicht hinter ſich 
laſſen dürfe; ein Vorſchlag des Kronprinzen, Norwegen anzu⸗ 
greifen, hätte Englands Billigung erhalten, damit Schweden 
doch etwas thue; als die Einftimmung in Stodholm angekom⸗ 
men, feyen dort weitere Ausflüchte zu neuer Unthätigfeit gefucht. 
Nur eine Aeuferung gab für die Zukunft Hoffnung: „Alles, 
antwortete Münfter, was Euer Excellenz ſchreibt über die Art 
wie man die Deutfchen Angelegenheiten" führen fol, if meiner 
Anſicht vollfommen gemäß. Ich ftehe für mich felbft, fo wie 
für die Vollmacht des Regenten ein.” In demfelben Sinne 
ließ Münfter eine ausführlihe Eröffnung am Iten November 
folgen, welche noch unter denfelben Borausfegungen gefhrieben, 
doch ſchon den Keim verfhiedener Anfichten über die Deutfchen 
Angelegenheiten, aus dem Standpuncte des Hannoverſchen 
Minifters zeigt. 


—_ „London den Iten November 1812. Ew. Excellenz habe 
ich bereits für Dero Briefe vom Iten und 25ften September 


187 


und 3ten Detober gebanft. Ich hoffe, daß auch nunmehr meine 
Antwort auf Dero officieles Schreiben vom 2ten Juli von 
Wigy datirt angelommen ſeyn werbe. Selbiges ging am 
17ten Auguſt von bier ab. Ich würde eine Abfchrift davon 
auf den Fall fenden daß es verloren gegangen fepn follte — 
allein ich finde es kaum der Mühe werth, denn jene Eorrespon- 
denz betraf einen Zuftand der Dinge der fi ganz geändert 
bat und Pläne die jetzt wenigſtens für verfhoben gehalten 
werden mäffen, 

Ich habe mi in meinen früheren Briefen im Allgemeinen 
über eine Erpebition nah Teutſchland geäußert. Wir dürfen 
unfere letzte Hoffnung nicht aufs Spiel fegen ohne wenigſtens 
gegründete Hoffnung zum Gewinnen vor uns zu fehen, 

Em. Excellenz und ich denken über unfere Landsleute gleich. 
Outer Wille if da; aber er ift mit fo vielen Bedachtſamkeiten 
vermifcht, dag wir Fein Enigegenftrömen aus dem von Mens 
ſchen entblößten Teutſchland erwarten dürfen, falls wir ihnen 
nit die Hoffnung des Gelingens und zugleih die Mittel fie 
allenfalls unter unfere Fahnen zu zwingen, nebft der Kraft fie 
durd eine Armee ober feſte Pofition zu fhägen, zeigen können. 

Nah allen Nachrichten die ich erhalten habe, find die 
Sranzofen im Stande, in furzer Zeit, auf jedem Punkte zwiſchen 
Oder und Ems vierzigtaufend Dann zufammen zu bringen; 
ungerechnet was bie Dänen von ihrer nicht geringen Armee 
hergeben und was ber fogenannte König von Preußen gegen 
und zu felfen befehligt werben bürfte. 

Eine fefte Stellung if an ber ganzen Norbfüfle Teutfch- 
lands nicht zu finden. Eine Ueberfallung Colbergs würde ver- 
muthlich fehlfhlagen, und wenn in ben Sümpfen Offriedlande 
der Feind Mühe haben würde zu Uns zu fommen, fo mögten 
Wir es eben fo ſchwer finden zu Ihm hervor zu gehen. Die 
Hoffnungen die Oneifenau noch jegt auf Hardenberg ıc. feht, 


188 


kann ich nicht theilen. Meine Erwartungen find zu oft getäufcht 
worden, und ih habe mir durch das Beranlaffen am Ende 
fruchtlos befundener Maßregeln hierſelbſt, für die Folge Schwie— 
tigfeiten in den Weg gelegt. Eine folide Dperation kann 
ſchwerlich anderswo als gegen Dänemark angefangen werden. 
Diefe ift durch die veränderte Beſtimmung ber von Schweden 
verſprochenen Ruffifhen Hülfstruppen für biefen Winter uns 
möglich geworben. 

Bernadotte, um nicht unthätig zu bleiben, förderte vor 
Kurzem Englands Mitwürfung gegen Norwegen, England gab 
nad, bewilligte Alles, theild um ihn für feine gegebene Ein= 
willigung zu bem veränderten Gebrauch ber eben erwähnten 
Ruſſen zu entſchädigen, theils um Schweden die 20,000 Dänen 
vom Halfe fhaffen zu helfen, die Schweden von ber Nor- 
wegifchen Grenze bedrohen und die das Zurüdlaffen einer Ob— 
fernations-Armee erfordern würden, wenn Bernabotte feine große 
Expedition unternehmen follte. 

Kaum war Bernadotte's Vertrauter, Herr v. Biornflern 
mit ber biefigen Zufiimmung zu feinem Plan abgegangen, als 
wir erfahren daß die Expedition wegen eingetretener ſchlechter 
Erndte nicht vor fi gehen kann! — Jetzt verlangt Schweden, 
ohne Etwas felbft zu thun, daß man ihm Norwegen garantiren 
fol. In Stodholm if noch immer ein franzöfifher Gefchäfts- 
träger, in St. Petersburg Romanzow der franzöfifche Gefhäfts- 
mader. Was foll man davon benfen, zumal bei Ew. Excellenz 
eigenen ſchwarzen Anfihten? Mit denen in Ew. Excellenz Mes 
moire angenommenen Grunbfägen bin ich ganz einverftanden 
— bis auf einige Feine Zweifel. Ich habe e8 dem Regenten 
vorgeleſen, für beffen Zuftinmung ich einftehe. Alle Schwierig- 
feiten werben fih, durch fein erſinnliches Mittel, bey ber Be— 
handlung teutfcher Angelegenheiten heben laſſen. in Bier- 
einiger Dictator hat manches Bebenfliche, indeffen glaube ich, 


189 


daß unfere beiden Köpfe unter einen Hut paſſen würden — 
wenn ich gleich nicht fchwören wollte, dag ie den Preußen 
und ih den Hannoveraner ganz würben ablegen koͤnnen. 
Victrix causa diis placuit — sed vicla Catoni. 

Schwuriger dürfte ein vielföpfiges Militair- Commando 
feyn, und ich würbe nicht dazu rathen, einen Mann blos des 
Namens wegen zu wählen und Kopf und Character zu über- 
ſehen. Doch das Alles hat Zeit: alors comme alors. Ich 
fomme zur Legion deren Uebernehmung in Englifhen Sold 
Ew. Excellenz wunſchen. 

Bei den vielen Schwierigkeiten die dergleichen Gegenſtaͤnde 
bier conſtitutionsmaͤßig finden, hätte ich gewunſcht, daß dieſer 
Antrag von Seiten Rußlands auf irgend eine officielle Weiſe 
geſchehen wäre. Der Prinz Regent iſt über die Wichtigkeit 
der Sache einverfianden, und id habe in der Hoffnung, daß 
Lieven deshalb Inſtructionen erhalten haben werde, heute an 
2. Caſtlereagh ein Memoire übergeben, in dem ich Alles vor- 
ftelle, was meines Erachtens über diefen Gegenftand gefagt 
werden fann — auch namentlich in der Hinficht daß England 
die Teutſchen Sachen nicht Rußland und Schweden überlaffen 
und namentlich nicht zugeben fann, daß letzteres im Fall einer 
Erpebition gegen bie Dänifchen Infeln, beide Ufer des Sundes 
allein befege, Daß mithin, da Alle hiefigen Truppen in Spa- 
nien gebraucht würden, fein beffever Ausweg als bie Leber- 
nehmung der R. T. Legion gefunden werden fönne um. den 
erforberlichen Einfluß zu erhalten. 

Was Sie mir über eine dur den Kronprinzen von 
Schweden zu madende Eröffnung über die Vieille marre ge- 
ſchrieben haben, iR auf fiherem Wege, ohne Sie zu compros 
mittiren, an Bernadotte gelangt. L. Cathcart hat bereits auf 
denfelben Punct gearbeitet. . 


190 


Die gewunſchte Negociation zwifhen Rußland und Defter- 
reich iR im Gange und wirb heimlich betrieben. 

Graf Nugent geht in diefer Woche nad Spanien ab, 
um mit 8. Wellington Rüdfprape zu nehmen und dann zu 
2. W. Bentint nah Sieilien zurädzufehren. An 2. Catheart 
ſchice ich heut eine Epiffre um mit Graf Hardenberg correspon- 
diren zu fönnen, der mit ben Angelegenheiten der Kuſten des 
Abdriatifchen Meeres befannt if. Doch das ganz unter und. 

Was den Waffenmangel betrifft, fo hat England 100,000 
Musketen an Rußland geſchickt. Unfere Teutfchen follten daran 
doch wohl Antheil haben. 

Wallmoden ift abgereift ohne feinen Zwed hier erreicht 
zu haben. Man ſucht ipn in Spanien anzubringen, 

Gneifenau pflegt feines Rheumatismus in Burton — hier 
iR ein Brief von Ihm für Dörnberg. Em. Excellenz theilen 
dieſes Schreiben wohl Dörnberg mit. 

Mit aufrictigfter Hochachtung und Freundſchaft 

ganz der Ihrige 
in Eile. Graf Münſter.“ 


Unter dem Einfluß derfelben ungünftigen Eindrüde ant- 
wortete Oneifenan aus noch weiterer Entfernung, alfo noch 
weniger von dem Stande ber Dinge in Rußland unterridtet, 
und gleich Münfter in einem Zeitpuncte ald der Krieg einen 
entſchieden günfigen Umſchwung genommen hatte: 


„Hochverehrter Gönner! 

Wie verfchieden find meine fegigen Gefühle von denen, 
als ih Ew. Excellenz Nachrichten von den Befhlüffen des Eng- 
liſchen Miniſteriums gab! Damals durfte man erwarten, daß, 
ohngeadptet der mangelhaften Vorbereitung und verkehrten Ein- 
Teitung zum Kriege, die rohe Kraft der Halbbarbaren, einen 


191 


Sieg erfechten, wenigftens Stillſtand gebieten könne. Eine 
große Expedition bereitete fih damals in Schweden vor, und 
die piefigen Minifter, über mannichfache Bedenklichkeiten ſich 
hinweg fegend, wollten mit großen Mitteln die großen Kon- 
tinentalangelegenheiten da zur Entfceidung bringen helfen, wo 
fie nur allein in letzter Inſtanz entſchieden werden können, 
nämlich in Deutfhland. Jetzt find die Ruſſen, wie fie immer 
nad unentſchiedenen Schlachten thaten, zurüdgewicen, hinter 
ihre Hauptfladt, nur wenige ber fruchtbareren und bevölferteren 
Provinzen noch in ihrer Gewalt habend, wahrſcheinlich fämpfend 
mit dem Mangel an Waffen und Ausrüftung, vieleicht ſelbſt 
an Menfhen, das Reich gleihfam auseinander gefpalten, ber 
Norden mit dem Süden nicht mehr zufammenhängend, und bie 
Einpeit des Befehls mangelnd. Dabei erfahre ich heut, daß 
der Kronprinz von Schweden, nachdem man hier in alle feine 
Plane gewilligt hatte, jept plöglich entbedt, daß die Erndte in 
Schweden fehlgefhlagen fei und er nichts thun fönne, Ver- 
muthlich haben ihn das flete Zurüdweichen der Ruffen und bie 
Umgebungen des Kaiſers A. bedenklich gemacht, Wagniffe zu 
beginnen, deren Mißlingen verberblih auf ihn zurüdwirken 
mußte. „Wer fein Gtüd einem ſchwachen Regenten vertraut, 
iſt ein Thor“ fagt Macchiavell, und diefe Wahrheit mag Ber- 
nabotten vorleuhten. Ihm blieb nod ‚eine freie Wahl, bie 
Männern, denen ihre Grundfäge heilig find und nur auf diefe 
Rüdficht zu nehmen haben, benommen if. 

Eben fo nachtheilig als auf den Kronprinzen von Schweden 
haben die Ereigniffe im Oſten von Europa auf bie brittifchen 
Minifter gewirkt. Hiezu fam noch die Krife einer neuen Par⸗ 
Tamentserwählung, bie aus mehreren Gründen nothwendig 
geworden war, und unglüdliher Weife gerade in dieſen Zeit- 
punft fallen mußte. Es if Stantögrundfag hier, das Parlas 
ment nicht abflerben zu laſſen, fondern es jedesmal ein Jahr 


192 


vor feiner Erlöfhung aufzuheben. Ueberdies muß wegen ber 
napen Erlöfhung der Charters der Indiſchen Rompagnie, diefe 
große Angelegenheit erörtert werden, und das alte Parlament 
hätte wahrſcheinlich dieſe Erörterung nicht zu Stande bringen 
fönnen, bie ein neues Parlament dann von vorn beginnen 
mußte. Der Krieg in Spanien foftet ferner fo ungeheure 
Summen, daß neue Auflagen nöthig werben, mit deren Ge- 
währung man das alte Parlament nicht belaften und die Mit« 
glieder beffelben mit dem Haß des Volks beladen, folglich 
deren Wiedererwählung in das neue Parlament gefährden, 
wollte. Alles hinreichend wichtige Gründe zum Verfahren ber 
Minifter, die fein überwiegendes gebietendes Talent an ihrer 
Spige haben, die nur der überwiegende rechtliche Theil der 
Nation, im Gefühl der Nothwendigfeit, den Demokraten einen 
Damm entgegen zu fegen, in ihren Stellen erhält, und die 
daher große Wagftüde, fei es in der innern Verwaltung oder 
fei es in auswärtigen Unternehmungen, nicht auf ſich nehmen 
fönnen, wenn anders nicht der durch große glückliche Begeben- 
beiten aufgeregte Enthufiasmus folhe fordert. Darum ver- 
nimmt man feit einigen Monaten nicht einen aut über die 
Deutfchen Angelegenheiten. Was das Schlimmfte hiebei ift, fo 
ruhen hiebei unnäger Weife Kräfte, die man anderwärts fehr 
wohl hätte gebrauchen fönnen, und die Truppen bie man nad 
Deutfhland zu ſchicken vorhatte, hätten Lord Wellington in 
Spanien ein Webergewicht geben fönnen, das das Schidfal 
dieſes Landes zur Entfheidung gebracht hätte. So ift er hie- 
dur und durch die Zögerungen des zaghaften General Maits 
land, abermals in eine bedenkliche Lage gerathen und eine ver— 
Iorene Schlacht fönnte ihn weiter zurüdwerfen, als ein Sieg 
ihn vorwärts bringen Fönnte. 

Die Verbrennung der Ruffifpen Hauptſtadt ift ber einzige 
lichte Punkt, den ich erblide. Es if hierdurch ein Unterpfand 


193 

zur bartnädigen Fortfegung des Krieges gegeben, bad man 
rechtlicher Weife Töfen muß und nicht ſchamlos verläugnen 
darf. Wenn es nur, wie ich oben befürchtete, nicht an Krieger 
ſtoff fehlt und man, wenn au nur befenfiv, den Krieg fland« 
haft fortführt, fo find in der Natur des Landes, in den gex 
drängten jedem Fremden töbtlichen Rantonirungen, in ber Weite 
Täuftigfeit der Stellungen, im Mangel aller europäifchen 
Bequemlichkeiten, in der Entfernung von eigenen Hülfsquellen, 
noch Elemente zum endlichen Gelingen vorhanden; man muß 
indeffen zu verhindern trachten, daß der Feind ſich nicht zwifchen 
der Dffa und Wolga feftfege, ein Raum der die beſten Pro- 
vinzen des Reichs enthält und dem Feinde die Möglichkeit 
gewähren würde, bort ein neues Kriegstheater zu organifiren. 
Daß man den Ruffen von hier aus Munition zufende, darauf 
babe id, nad) meiner Kenntniß des dortigen Mangels an Vor— 
ſicht ſchon früher angetragen, und ich habe jegt abermals den 
Grafen Münftler gebeten, auf bie Sendung von Waffen und 
Munition, nicht für die Deutfhe Legion allein, fondern für bie 
gefammte Ruffifhe Armee noch vor Eintritt des Winters, zu 
dringen, da ich moraliſch überzeugt bin, daß daran bitterer 
Mangel ift, obgleich der Kaifer mir zu Wilna verfiherte, er 
habe deren im Ueberflug. Der Graf Münfter wird gewiß 
Alles thun, was in feinen Kräften ſteht, um biefe Hülfe zu 
bewirken, fo wie ih auch auf feinen Beiftand bei dem Antrag 
an das brittifche Minifterium, die ruſſiſch- deutſche Legion in 
brittiſchen Sold zu nehmen, am meiften rechne, 

Da ih ber Legion hier beffer als dort nügen, und bort 
eben fo wenig als hier fechten fann, fo ſtimme ich Em. Excellenz 
Meinung, daß ic beffer thue, bier zu bleiben, als mich dort« 
Hin zu verfügen, vollfommen bei. In der Stellung, bie mir 
die Umftände der Zeit gegeben haben, kann ich nicht gemeint 
feyn, in ruſſiſche Dienſte zu treten. Ich fühle feinesweges 

Stein’s Leben. UL. 2te Aufl. 


194 


geeigenfchaftet, dort, was man nennt, mein Glud zu machen. 
Ich möchte vielleicht ſelbſt mit Kälte dort aufgenommen werben. 
Ich habe dem Kaiſer noch vor Ausbruch des Krieges eine 
Denkſchrift über die ruffifche Armee, und über die bevorſtehende 
Kriegsführung überreicht, die in manden Stellen eine herbe 
Kritit des Geſchehenen enthielt. Ich hatte tief genug gefehen, 
um das Schlimmfte zu fürdten. Es ift mir hierauf eine Ant- 
wort, obgleich ich mich noch im Ruſſiſchen Reich aufpielt, nicht 
geworben, und ih muß beforgen, daß meine ungeforderten 
Rathſchlaͤge Mipfallen erregt haben. Ich halte es alfo für 
angemefiener, fo fange bier zu bleiben, bis bie weitere Ent- 
widlung der Begebenheiten beurtheilen läßt, was ferner anzu⸗ 
fangen ſei. Entſcheidet das Schidfal gegen unfere Sache, fo 
komme ich freilich in bedenkliche Lagen. Ich darf dann nicht 
zurüdfepren, und bin ein Ausgefloßener. Einen Jahrgehalt, 
wie viele vielleicht denfen mögen, habe ih von ber hiefigen 
Regierung weder gefordert no erhalten. Selbſt für meine 
nähfte Zukunft müßte mir bange werden. Ich waffne mich 
indeß biegegen mit Leichtfinn und vertrauend auf ein günftiges 
Schidfal, das mir mein ganzes Leben hindurch etwas zumarf, 
wenn ic am bebrängteften war. 

Riga’s Wichtigkeit, die ih in einem meine Denffhrift 
begleitenden Briefe an ben Kaifer fo dringend ſchilderte, Tiegt 
jest vet am Tage. Man mußte biefen durch feine Um« 
gebungen, wenn gehörig verfchanzt, fo unbezwinglichen Ort zu 
einem Waffenplag der erften Größe erheben. Im Befig der 
Herrſchaft über das Meer, fonnte man bafeldft große Truppen- 
maffen anhäufen und fie fchnell nad andern Punkten pin ver- 
fegen, wo ein fleiner Sieg große Erfolge vorbereiten Eonnte. 
Man hat erft fpät für biefen Plag, und dann nur halb ge» 
forgt und Tiedemanns Rathſchlaͤge find unbefolgt geblieben. 

So iR, unfeeliger Weife, wahr geworben, was ich vor 


195 


einigen Jahren in einer zu Stockholm gefcpriebenen Denkſchrift, 
beRimmt, dem brittifchen Minifterium die zu hohe Meinung 
von Rußlands Mititairkräften zu benehmen, vorhergefagt habe, 
daß die Ruſſen nicht mehr denn etwa 180,000 Mann auf ihrer 
weftlichen Graͤnze aufftellen fönnten, vielleicht etwas mehr mit 
großer Anftrengung; daß ihr Kriegsftoff bald erfhöpft feyn 
würbe; daß große Weisheit von ihnen nicht zu erwarten fei, 
und daß des Franzoͤſiſchen Kaifers Angriff unbezweifelt über 
Pinst, Mopilew, Smolensf, gegen Moskau gehen würde, wo 
dann ber fernere Widerftand ber Ruſſen ermatten würde. Gott 
gebe, daß der letzte Theil meiner Prophezeiung unwahr werde. 
So alfo if diefer franzöfifhe Kaifer wie vorher immer, fo 
aud jegt: adhuc ignavia aliena quam sua virlute felicius. 
Diefe Zwifchenzeit der unentſchiedenen Weltbegebenheiten 
babe ih mir zu Nuge gemacht, um bieher nah Burton zu 
gehen, und an ber hiefigen Duelle Heilung für meine franfen 
Eingemweide und einen fih verſchlimmernden Rheumatismus zu 
ſuchen. Obgleich mit einer fehr feſten Konftitution ausgeftattet 
und bei einer meiftens mäßigen Lebensart fühle ich doch, jegt 
52 Jahr alt, meine Kräfte fchneller abnehmen, als ic vor 
einigen Jahren folhes erwarten durfte. Man bat mir hier 
Adpülfe meiner Beſchwerden verfprochen, ih fehe hingegen 
meine Uebel zunehmen, was, wie man mir zu meinem Trofte 
fagen will, ein vortheithaftes Zeichen feyn fol, Es gehört 
indeß einiger Entfchluß dazu, in der jegigen Jahreszeit feinen 
Aufenthalt hier zu nehmen, wo, in ber höchſten Gegend bes 
Landes, die von ben Seewinden angetriebenen Wolfen an ben 
Gebirgen des nördlichen Derbyfhire fih entladen und und mit 
täglihem Regen überfpwemmen. Nur wenige Menſchen find 
noch hier, alles Leidende, die mich jedoch mit Herzlichkeit auf- 
genommen haben, fo daß ich leicht ber mich erbrüdenden Haupt« 
fladt vergeffen mag. Ueberdies lebt man hier fehr wohlfeil, 
13 * 


196 


und ich würde nicht mehr nach London zurücklehren, wenn nicht 
meine Geſchaͤfte meine Rüdtehr nöthig, und meine zurädge- 
laffenen Freunde folhe wünfchenswerth machten, 
Genehmigen Ew. Excellenz bie Berfiherung der voll» 
fommenften und reinflen Verehrung, womit ich bin 
Ew. Ercellenz 
unterthäniger Diener 
NR. v. Gneifenau. 
Burton den 30ſten October 1812." 


Achter Abſchnitt. 


Franzöſiſcher Rückzug, Vernichtung des Heers. 
Alexander beſchließt Deutſchlands Befreiung, 
übernimmt die Leitung Europa's. 


Koiſer Alexander hatte unmittelbar nach Eingang des ſehr 
ungenügenden Berichts über die Ruſſiſche Räumung von Moskau 
ein Gericht niedergeſetzt, um über das Betragen bes Feldmar⸗ 
ſchalls Kutuſow zu urtheilen; jetzt nachdem ſo lange Zeit in 
anſcheinender Unthätigfeit verſtrichen war und die Truppen ſich 
laͤngſt erholt und ergänzt hatten, warb ber Kaiſer unzufrieden 
daß der Feldherr nicht die ihm gegenüber gelagerte viel ſchwaͤchere 
Borhut mit ganzer Macht angegriffen und überwältigt habe, 
und fandte ihm einen Boten mit bem gemeflenften Befehle zum 
Angriff. Der Bote fand die Feindfeligfeiten wieder eröffnet, 
Am 18ten October, fünf Wochen nad dem Einzuge in Moskau, 
brach Napoleon, in feinen Friedenshoffnungen getäufeht, mit dem 
Heere aus den Ruinen biefer Haupsftabt auf um fih ben 
BWinterquartieren bei Smolensk zu nähern; in der Frühe beffel- 
ben Tages hatte Bennigfen die Franzoöſiſche Vorhut unter dem 
König von Neapel bei Tarutino überfalen und würbe fie ohne 
Kutufows eiferfüchtiges Zurüdhalten vernichtet haben. Napoleon 
verfuchte darauf die Straße nach Raluga zu gewinnen, fah ſich 


198 


aber dur den Widerfland welchen die Ruffen bei Malojaros- 
lawetz feinem Heere entgegenfegten, zur Umkehr auf die große 
Straße nad Smolensk gezwungen. Der Rückmarſch auf diefer 
durch eingeäfderte und gänzlich verlaffene Städte und Dörfer 
führenden Straße, an deren beiden Seiten die Ruffiihen Teich- 
ten Truppen und bie aufgefandene Bevölferung Alles was fi 
von ihr entfernte zu vernichten befliffen waren, erzeugte bald ben 
drüdendfien Mangel an Lebensmitteln und Futter; der Hunger 
und ber beſchleunigte Marfc Hatten die Unordnung und die 
allmälig beginnende Auflöfung der Truppen zur Folge. Schon 
bei Wiäsma traf man ganze Haufen Unbewaffneter und Sol- 
daten die während des Treffens die Gewehre wegwarfen, nad 
dem Treffen von Wiäsma beflügelte bie Furcht ihre Schritte; 
der eintretende Froſt mit dem Hunger vereint vernicdhtete bie 
Neiterei, das Fuhrweien, am Tien November erlitt das Heer 
des Vicekoͤnigs am Wop eine zerfiörende Niederlage. Als 
Napoleon am AOten November, drei Wochen nad dem Aud« 
zuge von Mosfau, in Smolensk anlangte, war nur nod der 
vierte Theil der Soldaten bei den Fahnen; der Mangel an 
Lebensmitteln, die Bewegungen Tſchitſchagows der von Süden, 
und Wittgenfteins welher nad der Schlaht von Polozk und 
der Einnahme von Witebst von Norden her auf die Haupte 
verbindungen des Franzöfifchen Heeres drangen und mit dem 
Ruſſiſchen Hauptheer in Verbindung traten, nöthigten Napoleon 
Smolenst aufzugeben. Er mußte fi zum weitern Rüdzuge 
entfhließen, verlor in den Schlachten bei Krasnoi vom 1dten 
bis 18ten November, worin die Heerestheile des Vicefönige, 
Davouſt's und Ney’s einzeln gefhlagen und aufgelöft wurden, 
26000 Gefangene, erreichte mit dem Reſte fees Heeres am 
28ſten die Berefina, und entlam nur durch die übergroße Bor- 
ſicht der feindlichen Befehlshaber Tſchitſchagow, Wittgenſtein, 
Kutuſow, deren feiner bem fo lange unbeficgten Feldherrn nahe 


199 


genug zu gehen wagte, ber Gefangenfchaft ober bem Tode, 
Er verlieh am 6ten December feine Gefährten und rettete durch 
die Flucht das nadte Leben, während ber Reſt feines Heeres 
und der mit ihm unterwegs vereinigten Berflärfungen vor 
Hunger, — alle das Heer begleitenden Hunde wurden geſchlach⸗ 
tet! — Kälte, Ermattung, Kranfpeiten, Verzweiflung und den 
von allen Seiten verfolgenden Feinden zu Grunde ging, und 
an .der Ruffifhen Gränze angelangt wie ein Schneebali vor 
der Sonne gefhmolzen war. Bon bem ganzen Heer welches 
Napoleon nad Rußland geführt hatte und feinen Verſtaͤrkungen 
erreichten außer ben beiden äußerften Flügeln, den Oeſter— 
teihern, Sachſen und Preußen, nur 3000 Bewaffnete, 13000 
Unbewaffnete und 9 Kanonen die Feftungen an der Weichfel; . 
Murat führte nur noch eine Wache, fein Heer. 


Die erfien Nachrichten von der Räumung Mosfau’s und 
dem begonnenen Rüdzuge verbreiteten große Freude in St. Pe⸗ 
tersburg. Der Hof feierte gerade ein Familienfeſt, Stein war 
zur Raiferlichen Tafel geladen. Gegen Ende des Maples nahm 
die Raiferin- Mutter, welche noch kurz zuvor fo gebeugt auf 
Frieden gebrungen hatte, vom Glüd und Siege aufgeregt das 
Wort, und nachdem fie über dad große Ereignig Manches ge- 
redet, ſprach fie zum Schluffe: „Fürwahr wenn von dem Fran ⸗ 
zoͤſiſchen Heere Ein Mann über den Rhein ind Vaterland 
zurädfommt, werde ich mich ſchämen eine Deutfche zu ſeyn!“ 
Bei diefer Rede wechfelte Stein die Farbe von Roth zu Weiß, 
und plögfich fih erhebend, brad er in biefe Worte aus: „Euere 
Majeſtaͤt Haben fehr Unrecht dies zu fagen, und zwar vor ben 
Ruſſen zu fagen, welche den Deutſchen fo viel verbanfen. Sie 
ſollten nicht fagen: Sie werden Sich der Deutſchen fhämen, 
fondern follten Ihre Bettern nennen, bie Deutfhen Fürſten. 


200 


Ich habe in den Jahren 1792, 93, 94, 95, 96 u.f. w. am 
Rhein gelebt; das brave Deutſche Volk hatte nicht Schuld; 
hätte man ihm vertraut, hätte man es zu brauchen verflanden, 
nie wäre ein Franzofe über die Elbe, gefhweige die Weichfel 
und ben Dnepr gekommen!“ 

Die Kaiferin, Anfangs beflärzt über die fräftige Rebe, 
faßte fi jebod bald, und erwiederte würdig: „Sie haben 
Recht Herr Baron, Ih danfe Ihnen für die Lection!“ 

In furzem Zwifhenraum folgten die Boten von bem 
Siege Wittgenfteins bei Polozk; Stein wohnte dem Dankfeſte 
dafür am feinem Geburtstage bei; nnd am folgenden Tage 
kamen bie bei Tarutino genommenen Adler, und der Kanonen ⸗ 
donner der Refidenz verfündigte ben erfochtenen Sieg. 

Roy. 8. An Frau von Stein aber fchrieb er am Tage nad dem 
Eintritt des großen Froſtes: 


nDie glänzende Lage der Angelegenheiten dieſes Landes, 
welche wir ber Thatkraft des Volfes, ber Tapferkeit des Heeres, 
der Verblendung bed großen Verbreders verbanfen, gewährt 
und in diefer Hauptflabt die vollfommenfte Ruhe, und erlaubt 
und die ſchmeichelhafteſten Hoffnungen zu bilden auf die Wie- 
derkehr eines gerechten und glüdlihen Zuftandes in unferem 
Baterlande, auf Wiebervereinigung mit unfern Familien. Du 
fühl, meine Liebe Freundin, wie füß und troͤſtlich es iſt fih 
biefen Hoffnungen hinzugeben, und einen Zuftand der Ruhe 
folgen zu fehen auf die Leiden, Verfolgungen und Verluſte, 
welche feit fieben Jahren auf einander gehäuft worden, und 
aus biefer Lage heranszutreten Ehre und Gewiflen rein. Ich 
boffe meine liebe Freundin, daß Du aud eines folhen Glüds 
genießen wirft, wie Du es durch deine Tugenden und den 
Muth verdienft, womit Du zahlreiche Entbebrungen und Kräns 


201 


kungen getragen, und welden Du der Wahrſcheinlichkeit einer 
hoͤchſt betrübten Zufunft entgegengefegt haft.’ 


Diefer Anfang eines allgemeinen Umſchwungs der Welt- 
begebenheiten gab Stein die Iebhaftefte Beranlaffung, die Aus« 
führung deſſen was er für Deutfchland nothwendig hielt, in 
England zu betreiben. Die große Aufgabe war nun, 
den bevorftebenden Sieg zu benugen. Unzufrieden daß 
nod nicht einmal die Außenlinien eines Landungsplanes ent- 
worfen waren, in einem Zeitpunete, wo.ein Heined Heer mit 
Baffen die größte Wirkung in Deutſchland heroorbringen müßte, 
klagt er gegen Gneifenau über den Englifhen Botſchafter, 
„ein Gemifh von militairifer Pebanterie und hofmaͤnniſcher Oct. 28. 
Berſchloſſenheit — er erinnert an den alten Feldmarſchall 
Kallſtein, der drei Tpüren verriegelte um zu fragen, ob ber 
König von Berlin nad Potsdam gegangen ſey“ — über bie 
Einmifpung Schwedens: „das Eingreifen ber Lilliputfcen 
Schwebifgen Angelegenheiten in bie Europäiſchen if äußerk 
verderblich.“ 

Aber größer als feine Zeitgenoſſen zeigte er ſich dadurch, 
daß er in einem Augenblide wo das Glück faum angefangen 
hatte der Deutfhen Sache aus der Ferne zu lächeln, zum ent« 
ſchloſſenen Handeln überging, daß er darauf dachte und hin— 
wirkte, Deutfchland feine alten Gränzen die Bogefen und Maas 
zurüdzugeben, ihm eine fette Verfaffung zu fihern, und Ruß— 
land von Ausdehnung über feine damaligen Gränzen abzu- 
halten. Am Aften November gab er dem nad) England zurüd- Rov. 1. 
fehrenden Lord Walpole eine weitere Ausführung bes für 
Deutſchlands Zufunft entworfenen Plans mit, worin er fih fo 
ausfprad: 


202 


„Nimmt man den dritten Plan, die Theilung Deutſchlands 
unter Defterreih und Preußen mit Beibehaltung einiger ums 
ſchloſſenen Fänder, an, fo müflen Baiern Würtemberg und 
Baden auf die Gebiete und Würden welche fie vor 1802 bes 
faßen befhränft, in das Verhälmiß großer Vaſallen zu Defter- 
reich gefegt werben, und das Recht ber Bünbniffe und Gefand- 
ſchaften verlieren; aus dem Uebrigen würde ein Königreich 
Sũddeutſchland unter Oeſterreichiſcher Herrfcpaft gebildet, und 
biefes eine Berfaffung erhalten, da bie wefentlihften Beſtand⸗ 
theile biefes Landes feit unvorbenflichen Zeiten einen Grab 
von Freiheit genoffen haben, deren völliger Verluſt ihnen eine 
autofratifche Regierung, felbf eine methodifch eingerichtete, 
aͤußerſt unangenehm machen würde. Auf gleihe Weife würde 
Norbdeutfhland eingerichtet, verfaffungsmäßiges Königreich, 
große Vafallen Hannover, Heffen, Braunſchweig, Dldeuburg, 
abhängig vom Königreich, aber nicht deſſen Beſtandtheile. 

Deutſchlands Gränzen müffen feyn die Maas, das Lurem- 
burgiſche, die Mofel, die Bogefen und bie Schweiz. 

Der Lauf des Rheins als Gränze würde Deutſchland des 
Gebraudes biefes großen Fluſſes berauben, in welchen ſich die 
Ströme des Südens ergießen, und ließe Mainz in Feiudes- 
band, welches ein Angriffspunft if. 

Die Schweiz würde fih in ein Bundesverhältnig mit 
Defterreih ſetzen. 

Die Deutfhen Angelegenheiten müflen durch England, 
Defterreih, Rußland geordnet, und Preußen mit fortgeriffen 
werben. 

Nach den großen Erfolgen des Ruffifchen Heeres, Tann 
man nad) Deutſchland fenden 1) ein Ruffifches Heer unter dem 
General. Wittgenftein, einem tapferen unternehmenden, wohl- 
wollenden Mann von Deutfcher Herkunft, 2) ein Defterreihifches 
Heer, 3) ein Englifhes Heer, wobei England die Deutſche 


203 


Legion befoldet und durch die Bevölferung des befegien Laudes 
verfärft, 4) ein Preußiſches Heer, unter dem Befehl beffen, 
der bas Englifhe Heer anführen würde, 

Das Herzogthum Warſchau erhielte der König von Sach⸗ 
fen, und da das nörblihe Deutſchland einer Bränze bedarf, fo 
behält Preußen einen Theil des Dreieds zwifchen Schleflen 
und Preußen. 

Rußland if zu groß und zu gerecht um fi vergrößern 
und das allgemeine Mißtrauen erregen zu wollen; aber es muß 
von feinen Verbündeten einen Beitrag zu Unterhaltung des nad 
Deutfchland gefandten Heeres fordern. 

Dänemark if eine Macht die für die großen Jutereſſen 
Europa’s nichts gethan hat, weſentlich feindlih gegen England. 
Es hat niemals an dem Kampfe gegen Frankreich Theil ge- 
nommen, damals ſelbſt feine Pflichten gegen Deutſchland als 
Herzog von Holftein nicht erfüllt, England alle möglichen 
Hegereien wegen des Handels der Neutralen angeftiftet, und 
jegt legt es fi auf Seeräuberei. Dan fönnte die Infeln und 
Norwegen an Schweden, Zütland an England geben, und 
Holftein und Schleswig bis zur Eyder mit Norddeutſchland 
vereinigen. \ 

Holland müßte mit England vereinigt werden, welches ſich 
mit Deutſchland über die Freiheit der Rhein» und Maas: 
Mändungen zu verftländigen hätte, 

Ein Ruffiihes Heer von 80,000, ein Oeſterreichiſches von 
100,000, ein Engliſch ⸗Deutſches von 120,000 Mann würde diefen 
Plan gegen das erſchoͤpfte vieleicht durch die Kriegsunfälle feines 
Dberhauptes beraubte Frankreich aufrecht halten.“ 


Dem fo näher hingeſtellten Ziele, deſſen einzelne Säge 
und Befimmungen einer näheren Beſprechung unterliegen muß⸗ 
ten, firebte er nun die großen Mächte zuzuwenden, und da 


204 


Defterreih für den Augenblid nod nicht offen angegangen 
werben fonnte, zunächft England und Rußland. England war 
dur feinen Gefandten zu St. Petersburg nicht zu erreichen, 
Stein wandte fih daher wieder an Münfler, zeigte ihm daß 
die Zeit des Handelns gefommen fey, daß man vorwärts müffe, 
und daß England fih an bie Spige zu ſtellen habe, damit 
Rußland nicht in eine erobernde, Europa gefährlihe, Stellung 
fortgeriffen werde. Er ſchrieb in den Tagen der Krasnoier 
Schlachten 


„St. Petersburg den — November 1812. 


+... Sie werben jetzt über die Folgen der Einnahme von 
Moskau beruhigt feyn; fie hat eine unermeßliche Zerftörung 
von Eigenthum verurfaht, aber auch die Kraft des Volkes auf 
einen bewundernswärbigen Grab entwidelt. Es if allein von 
den Gefühlen des Haffes und der Rache befeelt; es vergißt 
die Uebel welche es duldet, die Verluſte welche es erfährt, um 
alle feine Kräfte gegen ben Feind des menſchlichen Gefchlechtes 
zu entfalten. Es ift gewiß, daß das Franzöfiihe Heer zerftört 
werben wirb durch ben Hunger, die Entblößung, die täglichen 
Gefechte mit den leichten Truppen und ben bewaffneten Bauern; 
es iſt wahrſcheinlich, daß der abfheulihe Mann ſelbſt vor 
Wuth und Gewiffensbiffe fterben wird; die Einzelheiten, wovon 
Euer Excellenz unfehlbar werben unterrichtet werben, müffen 
Sie von diefen Wahrheiten überzeugen, und in beiden Fällen, 
fey es daß das Heer allein, oder mit feinem Führer zerflört 
wird, iſt es nothwendig, die Maßregeln zu befchleunigen, welche 
man für Deutſchland nehmen will, 

Die gegenwärtige Lage der Dinge geftattet die Anwendung 
geringerer Kräfte als nöthig geweſen wären wenn bad Fran- 
zoͤſiſche Heer im Stande blieb das Feld zu behaupten. Zehn- 
taufend Mann Englifher Truppen, beſonders Reuterei und 





205 


Artillerie unter dem Befehl eines fühnen Generals, verbunden 
mit der Bewaffnung des Volls in dem zu befegenden Lande 
wärbe in biefem Augenblick eine große Wirfung haben. Die 
Niederlage der Franzofen wird Defterreih und Preußen er- 
Träftigen, und das Gelingen ber geheimen Unterhandfungen er⸗ 
Teihtern, welche Ihnen nicht undefannt bleiben werden. Man 
muß daher alle Vorbereitungen für bie Unternehmung befchleu- 
nigen. Rußland für ſich kann eine Abtpeilung von 10,000 
Rellen; ein Heer von 60— 80,000 Mann unter dem Befehl 
des Grafen Wittgenflein würde in Preußen eintreten und den 
König beftimmen feine Truppen zu geben und fi mit den 
Berbündeten zu vereinigen. Schweden fönnte Dänemark im 
Zaume halten; und weshalb follte nicht dieſe England feind- 
liche und den großen Interefien Europa’s unnüge Macht aufs 
hören zu feyn® Da der Augenblid der Ausführung fi näpert, 
fo müßte England mit Rußland durch beffen Botfchafter in 
London über bie auf Deutſchland bezüglihen Plane überein- 
tommen. Graf Lieven muß mit Befehlen vom Kaifer verfehen 
feyn, der ihm die Denkſchrift vom Ya September — welde 
ich Eurer Ercellenz ſandte — mit dem Befehl überſchickt hat, 
davon Gebrauch zu machen; und biefer Gefandte nimmt Theil 
an den Deutfhen Angelegenheiten, die er brei Jahre Tang be⸗ 
Handelt hat, und wird barin aus mehreren Gründen fehr eifrig 
feyn. Außerdem if Lord Cathcart eine Art Herzog von Olben- 
burg; ich achte feine Sittlichkeit, aber feine Peinlicpkeit, fein 
Mißtrauen, feine Eiferſucht, feine N leinlichkeit, feine wenige 
Gefpäftsübung, fein verengter Blick entfernen Alles von ihm, 
Seine Berührungspunfte mit dem Kaifer find feine Verſchwie⸗ 
genheit und feine Kenntnig vom Meinen Dienk; übrigens er⸗ 
greift er niemand und umfaßt nichts. — 

Aus allen diefen Gründen fann das Wefentlihe nur in 
London geſchehen; dadurch wird man in vielen Fällen dem 


206 


Einfluß des Kanzlers zuvorfommen, und folgende Bemerkungen 
werben die Nothwendigkeit eines ſolchen Gefchäftsganges zeigen. 

Die Erfolge der ruſſiſchen Waffen wirken nothwendigers 
weile auf die Öffentliche Meinung — fie zeigt fih auf ver- 
ſchiedene Weife. Einige hoffen, daß man nad Vertreibung des 
Beindes Frieden fepliegen und Europa feinen eigenen Bewe- 
gungen überlaffen werde; andere wollen bie Vergrößerung des 
Reichs wenigſtens bis zur Weichfel und die Oberherrfhaft in 
den Angelegenheiten bes Feſtlandes; nod andere wollen in 
Europa einen auf Gerechtigkeit und die wahren Bortheile der 
Bölfer gegründeten Öffentlichen Zuftand herfiellen. Wie ſich von 
ſelbſt verfteht, if diefe dritte Partei die ſchwäͤchſte, obwohl ihre 
Meinung bie einzige welche bie allgemeine Ruhe fihern und 
dem Feſtlande fo wie England gefallen fann; biefes muß ba- 
ber den Anfang machen, und Maßregeln nehmen um der weifeften 
Partei die Oberhand zu fihern — es fann auf bie eble und 
freifinnige Denfungsart des Kaifers zählen.” 


„St. Petersburg den Tien November 1812. 

Dem Inhalt meines vorigen Schreibens füge ih noch 
folgende Bemerkungen zu. Die Partei welche Vergrößerunge- 
plane hegt, wird durch alle Bohlen verflärtt. Sie wünfhen 
Pohlen als ein mit Rußland unirtes, eine eigene Gonfitution 
befigendes Reich, wiederherzuſtellen. Die bedeutendſte Einfluß 
habende anmwefende Pohlen find Oginsky, Sapieha, Lubomirsky 
der Schwiegerfohn des Hofmarſchalls Tolſtoy, diefer letztere 
unterftägt die pohlnifhen Ideen; auch Armfeld (mit dem ich 
übrigens mich ganz gut vertrage) tripotirt mit feiner Regfam- 
feit, Pfiffigkeit, Oberflächlichkeit in allem diefem mit, und kocht 
und fiedet in feinen 77 Töpfen politifche, militairifche, finanzielle, 
Europäifcpe und Finniſche und Lapplaͤndiſche Angelegenheiten. 

Es frägt ſich aber, if eine ſolche Wiederherſtellung Poh- 


207 


lens dem wahren Interefie Rußlands, und dem ber übrigen 
Europäifhen Mächte angemeffen? Angenommen bas wieder- 
erftandene Pohlen erhalte von Rußland eine Conftitution, fo 
wird fie von denen Beherrſchern Rußlands entweder geachtet 
oder nicht? im Tegten Hall bildet und unterhält ſich ein Geiſt 
des Mißvergnügens, der neue Beweggründe ' in benen Beein- 
trächtigungen auffindet, um * fi zuwider zu fireben, ſich loszu⸗ 
reißen und unabhängig zu werden; es wirb ferner wahrſchein⸗ 
lich, daß er eintreten werde, weil Regenten eines bespotifchen 
Staats es leichter finden, zu gebieten, burchzugreifen, als zu 
influenciren und ſelbſtgezogene Orenzlinien zu beobachten. Kömmt 
die Confitution in Thätigfeit, fo wird fih in dieſem Lande, 
welches durch die anno 1772 gezogene Gränzen ben Dnieper 
und die Düna befimmt wird, ein conflitutioneller republicani- 
ſcher Geift bilden, der den Ruſſiſchen Despotifm verſchlingt 
ober von ihm verfhlungen wird. 

Iſt aber endlich ein Volt, dad aus Evelleuten, Juden 
und tief gebeugten Leibeigenen befleht, zum Genuß einer ver- 
nünftigen Freiheit fähig, nachdem eine zweihundertjährige 
Anarchie e8 durchaus verbildet hat? 

Wie verhält fih aber die Wieberherfiellung von Pohlen 
und deſſen Union mit Rußland, zu dem großen Intereſſe von 
England, Defterreich, Deutſchland — biefe Frage läßt fi leicht 
beantworten, wenn man erwägt, daß alsdann die Weichfel und 
die Ober ohngefähr von Cüftrin aus Rußlands Gränzen ſeyn 
werben, daß bie bebeutendfien Häfen und Flußmundungen 
des baltifhen Meers in deſſen Befig kommen, daß die Pohl- 
niſche Gränze, Ungarn, Schlefien, Pommern, Neumark umfaßt 
und daß fie das Herz von Deutihland bedroht — es if über- 

1) Rechtegründe Concept. 


2) und bie Tendenz des unirten Rönfgreich® ſich loszureißen wird herrſchend 
und fortdauernd Goncept. 


Rov. 7. 


208 


flüffig bei der Entwidlung diefer Ideen und ihrer ungeheueren 
Folgen fliehen zu bleiben. 

England kann, befonders in Verbindung mit Oeſterreich, 
biefen wilden Planen Gränzen fegen, durch beflimmte fee 
Erklärungen, welche durch einen gefheuten und fräftigen Mann 
abgegeben werben, 

Die Idee der Pohlen-Union ift eigentlich nicht die ber 
Mehrheit der Ruſſen; dieſe verachten die Pohlen, haffen fie 
wegen ihrer Wanbelbarfeit und Untreue, wunſchen aber bie 
Weichſel zur Gränze. — Auch biefes würbe aus den oben an« 
geführten Gründen Defterreih, England und Deutſchland nad= 
theilig ſeyn, Oſt- und Wefpreußen gingen verloren, 1,500,000 
Deutfche würden Ruffifh, Ungarn wäre umfaßt bis an bie 
Quellen der Weichfel d. 5. ganz, und Schleſien bedroht. 

Da man feine beftimmte Erklärung wegen ber Deutfchen 
Legion aus England erhält, fo muß man jegt wegen Geld- 
mangel die Vergrößerung nur langſam betreiben — unterbeffen 
fagt mir heute der Kaifer, General Wittgenftein habe bei feiner 
Armee 600 Weftphälinger die mit Waffen und Fahnen über- 
gegangen. — Wäre bei Kutufows Armee Menſchenverſtand ſtatt 
Ruffizismus, fo ginge die Auswanderung gewiß im Großen. 

Unterbeffen fönnen wir auf 20,000 Deutfhe Gefangene 
bereits rechnen, die raſch gewaffnet und gekleidet werben können, 
wenn alles Erforderliche dazu da if.“ 


Den Eindrud dieſer Darftellung, welche in der Geſchichte 
der letzten dreißig Jahre fo nachdrücklich bewahrheitet worden 
if, ſuchte Stein durch den Einfluß Gneifenau’s und Pozzo's 
zu verflärfen. Dem Erfteren fchrieb er an demfelben Tage: 
„Die Deutfhe Legion wird ſchleunig und bald eine große 
Ausdehnung erhalten, wenn England Waffen Kleider und Geld 
giebt; wir werben in brei Monaten mit 20,000 Mann in das 


209 


geld rüden fönnen — und bedürfen feiner Schweden — je 
weniger Ansländifhen Einfluffes, je beffer. Laſſen fih Ew. 
Hochwohlgeboren biefe Sache mit dem größten Eifer angelegen 
ſeyn.“ Gegen Pozzo, deſſen Zurüdberufung an bie Seite des 
Kaifers er bevorwortet hatte, aber ohne noch eine beflimmie 
Antwort zu erhalten, wiederholte er bie obigen Gründe: 


nDie Ereigniffe find einander mit einer betäubenden 
Schnelligkeit gefolgt, Das Franzoͤſiſche Heer im Zuftande ber 
Auflöfung, auf dem NRüdzuge vor dem großen Heere Kutuſows, 
anf ihren Verbindungen der unermüblihe und tapfere Wittgen- 
Rein und Tſchitſchakoffs Heer; Napoleon auf der Flucht in einer 
Berline mit dem verwundeten Murat — die ganze Thatkraft 
des Ruffifhen Volkes entwidelt und berausgefordert, und fein 
Kaifer der durch fein Betragen bewiefen bat, daß er der Aus- 
dauer fähig if. Andererſeits fehen wir nichts zwifhen Eng« 
Tand und Rußland ausgemadt, die Berhältniffe fließend, die 
Entfernungen ungeheuer, bie Entſcheidung gefihert, Welden 
Gebrauch wird man von biefen Erfolgen machen, welcher Par- 
tei Meinung wird angenommen werben, wo ift ber Mann, ber 
den Anftoß gebe dieſer gewaltigen Vereinigung von Kräften bie 
jegt zur Zerſtoͤrung des großen Verbrechers zufammenwirfen, wer 
wird bie Grundlagen ber neuen politifhen Drbnung Europa’s 
vorbereiten, und welche hat man ſich vorgefegt? 

Wenn es nur auf wunſchen und rathen ankommt, fo ſcheint 
es mir, daß es am nüglichfien wäre, wenn Rußland feine 
Bortheile bis an bie Ufer der Elbe verfolgte, da nichts den 
Marſch feiner Heere aufhalten wird; dag es Preußen zwinge 
ſich zu vereinigen, Defterreich mitfortziehe, und den Kriegsſchau⸗ 
plag zwiſchen Elbe und Rhein aufihlage — dag England feine 
Landung beſchleunige, Deutſchland zwifhen Elbe Yſſel und 
Rhein kriegeriſch einrichte, dort ein Heer bilde, welches ihm 

Gtein’s Leben. III. Dte Aufl, 14 


210 


Die zum Birersaut und zur Erehrrurz gegen die Friede, 
zum Einduß auf tie Äreuzte gebe — taf man anöiceir uaf 
64 vereinige über cine velitiige wat zeickige Drtmung, weide 
tie Rue Eurepa’s grwäßtleiüe zegen ben Ftanzemiches In- 
gehkm — eine Einrigtung Deusitiante war Jsaliend, die fie 
wm großen Mafien bilte, if eine der erũes Prtinzungen des 
Behtandes einer folden Irtuunz — daß men Drusihland zu 
einem großen Reige bilde ober zwiihen Freufen und Tefler- 
reich cheile und als Bafallen ber umichlichenden Reihe einige 
umfdloffene Länder wie Hannover befichen lafie — jeder biefer 
Plane iR beffer als bie Berfaflung des Berhäliicen Fricdens 
oder bie von 1802, weil man dadurch eine größere Mafie von 
Kraft uud Widerkandsmitteln vereinigt. Aber es if England 
welches die leitende Macht feyn muß; Sie kennen die Ruffen 
und befonder6 die jegt in Rebe chenden; wäs fann man von 
folgen Köpfen und von folden Characteren erwarten — ent: 
weber eine völlige Trägheit, oder einen ungeſchidten Gebrauch 
des erworbenen Einflufles; man wird bis zur Weichfel erobern 
wollen, man hat den abgeſchmadten Bedanfen Polen herzuſtellen, 
daraus ein Königreich zu bilden, und” Oeſterreich und ganz 
Europa in Unruhe zu fegen — nur Englaub allein lann die 
unregelmäßige Bewegung aufhalten, welde die Ideen hier zu 
nehmen feinen.” 

Aber fo zwedmaͤßig und nothwendig die Borfehrungen in 
England feyn mogten, Alles ward vereitelt, wenn Rußland ſich 
entſchloß der Bortfegung des Krieges über feine Gränzen ober 
die Weichſel hinaus zu entfagen. Der Rüdzug des Franzoͤſi- 
ſchen Heeres, feine Auflöfung und fein Untergang, Napoleons 
Flucht und bie gänzlihe Befreiung des Reichs eröffnete zwar 
die Ausficht durch Fräftige Fortſetzung des Krieges Deutſchland 
zu befreien und Napoleon zu flürzen; Rußland war begeiftert 


211 


von feinen Siegen, der Kaiſer zu neuen Unternehmungen bereit, " 
Auf der andern Seite war bie Wunde die der feindliche Einfall 
geſchlagen hatte fehr tief, die Anftrengungen die das Land ger 
macht fehr groß, die Streitkräfte fehr gemindert. Bon Ber- 
luſten Einzelner if befannt geworden, dag Graf Alexis Rafu- 
mofely über drei Millionen Rubel verloren hatte, der Fürſtin 
Dolgorudy ein prähtiges Haus zu Moskau und ein Gut von 
60,000 Rubel jährlichen Ertrags verwüftet war; der Gefammt- 
Verluſt der Einzelnen im Gonvernement Moskau ward auf 
271 Millionen“, im Gouvernement Smolenst auf 74 Millionen 
Rubel angegeben, und bie Bevölferung biefes Gouvernements 
fand fih noch 4 Jahre nah dem Kriege um 57,000 männliche 
Seelen geringer als 1811. Dabei war ber Verluſt der Krone, 
der Geiflikeit, der Gemeinden nicht einmal berechnet, und 
viele Einzelne hatten bie ihrigen nicht anzugeben vermogt. Die 
Ruſſiſchen Heere aber waren durch bie beftandenen Gefechte, 
dur die unausgefegte Verfolgung wenn auch nicht in dem⸗ 
felben Verhaͤlmiß wie die Beinde, doc fehr bedeutend geſchmolzen. 
Das Kutufowfche Hauptheer an ber Nara ohne die Koſaken 
gegen 100,000 Dann ſtark, lam mit 27,000 Mann nad Wilna, 
das Wittgen ſteinſche Heer zählte noch 34,000, das Tſchitſcha⸗ 
gowſche 17,000 Dann. Kutufow mit der Ehre welche ihm 
geworben zufrieden, und nicht geneigt feinen Ruhm weiteren 
Gefahren auszufegen, dazu von Alter und Anfrengungen ger 
beugt, ſprach fih für den Frieden ans; diefelbe Anficht herrſchte 
in dem ganzen Heere**, zu ihr befannten fih außerdem bie 
Einfluß habenden Perfonen, au der Kanzler Romanzow, 
Diefen zu entfernen, ben Krieg fortzufegen, war bie Auf- 
gabe des Augenblids. Stein wendete ſich an den Kaiſer; er flellte 
ihm vor, wie wichtig es fey, Napoleon bie Streitkräfte Deutfch- 
lands durch deſſen Befreiung zu entreißen, und fie mit fich au 
verbinden, ben Unmwillen der dort das Voll gegen: das fremde 
14* 


212 


Joch ergriffen zu Rärfen und zu benugen, Preußen insbeſondere 
zu befreien, das Verderben welches der Tilfiter Friede dieſem 
Lande und dem König zugezogen, zu entfernen. Die Vorſehung 
die ihm, dem Kaiſer, fo ſichtbar beigeftanden, werde feine auf 
fo edle Zweite gerichtete Waffen fegnen, und ihn mit der Glorie, 
der Retter von Europa zu feyn, umgeben. Faſſe er aber biefen 
Entſchluß, fo müffe er fi mit den ausgezeichnetſten tüchtigſten 
Männern feined Reihe umgeben, um mit ihrem Rath bie 
Freiheit Europa’s zu begründen, und müffe Menfchen mit ver- 
worrenen Ideen, befangen von blinder Bewunderung Napoleons, 
entfernen. Er übergab dem Kaifer biefe Denkſchrift: 


„Petersburg den En November 1812. 


Das Franzoͤſiſche Heer in der Auflöfung dur den Hunger, 
die Krankheiten, das Schwerdt, Napoleon auf der Flucht, mit 
Schande bededt, bie Wuth und Gewiſſensbiſſe im Herzen — 
das find bie Erfolge, hervorgebracht durch die weifen und flar- 
fen Maaßregeln des Kaifers Alerander, durch die bewundernd- 
würbige Thatkraft des Ruffifhen Volls, und durch den Muth 
bes Heeres. — Aber welches find die naͤchſten Folgen biefer 
großen Ereigniffet 

Sie find eine Veränderung in ber Natur des Krieges, in 
feinem Schauplatz, in allen auswärtigen und Bundes-Verhält« 
niffen Rußlands. 

Der Krieg wird wahrfepeinlih aus einem Vertheidigungs⸗ 
zum Angriffskriege; fein Schauplag in die Fremde verfegt 
werden; er wirb baher nicht mehr in wenig angebauten und 
rauhen Landſtrichen und er muß durd bie Kriegsmacht allein 
ohne die Stüge einer bewaffneten Bevölferung geführt werben; 
er muß baher gelehrter, fparfamer mit den Kriegsmitteln, und 
forgfältig auf den Geift der Völlerſchaften berechnet werben, 
welche man in Thätigfeit zu fegen beabſichtigt. Dan kann nicht 


213 


ferner auf Einöden, Verheerungen, auf Maffen, auf die Gewalt 
der Dinge allein rechnen; man wird um bad Erdreich fechten, 
die Hülfsquellen fhonen, auf die Einwohner Einfluß gewinnen 
möffen; man bebarf der Einſicht, Thätigfeit, Menſchlichkeit und 
feeifinniger Begriffe bei den Generalen, man bedarf der Kriegs⸗ 
zucht bei den Soldaten. 

Die Wahl der Generale bietet daher in diefem Augenblid 
mehr Schwierigkeit, ba fie mit einem größeren Kriegstalent die 
Eigenſchaften welde die Neigungen ber fremden Völfer ge= 
innen vereinigen, und von Borurtheifen frei ſeyn müffen welche 
deren Meinungen und Volksthumlichkeit verlegen. Es if ein 
Gläd, daß es die Kriegsereigniffe ſelbſt find, welche die Wahl 
Teiten fönnen, daß glänzende und ausdauernde und wichtige 
Erfolge den General Wittgenftein bezeichnen, ber kriegeriſches 
Talent mit diefem fühnen unternehmenden Character vereinigt 
welcher den Sieg fichert, und daß die Liebe feines Heeres und 
Aller deren welche ihm angehören, für die Güte und bas 
Wohlwollen feiner Seele bürgen; und es ift daher zu wünfchen, 
daß er es ſey, dem ber Befehl besienigen Heeres anvertraut 
werde, welches zu der größten Theilnahme an den Kriegs— 
ereigniffen berufen iſt. Nach dem Urtheil fehr unterrichteter 
Defterreihifcher und Preußiſcher Offiziere iſt es das ſuͤdliche 
Heer, dasjenige welches ſich zwifchen der Wartha und ber 
Schleſiſchen Gränze und der Elbe finden wird, welches zu dem 
verwideltften und thätigfien Wirken beflimmt if; gerade dieſes 
wird das flärkfte feyn müffen und zu feiner Leitung des Feld⸗ 
herren bebürfen, ber am meiften Einfiht, Talent und Kühnpeit 
bewiefen, ber ein richtiges Urtheil, eine veine Vaterlandsliebe 
gezeigt hat, Eigenſchaften welche die Sicherheit geben, daß er 
ſich nit den Berirrungen der Einbildungsfraft und der Selöft- 
ſucht hingeben wird. 

Zene Dffiziere haben ihre Meinung auf die geographiſche 


214 


Lage diefes Landes gegränbet: es liegt in der Mitte, fügt ſich 
auf die Böhmifchen Gebirge, die Schleſiſchen Feſtungen, es 
beherrſcht die Duellen der Ober und der Eibe, bedropt Sachſen, 
und giebt den Vortheil zuerft den Krieg zwifchen die Elbe und 
den Rhein zu verfegen; und fie betrachten bie übrigen Heere 
entweder als Hülfen oder als Nachhalt. 

Da der Krieg nah Deutſchland bringt, fo muß man 
Grundfäge fefiftellen über die Haltung welche man ben Bürften 
und Einwohnern gegenüber behaupten will. Der allgemeine 
Grundfag wird fepn: die Einwohner zu ſchonen, fie 
gegen den gemeinfamen Feind in Tpätigfeit zu fegen, 
die Regierungen aber zu überwaden, zu leiten, und 
in gewiffen Fällen fi ihrer zu bemädtigen. Dan 
muß den feften Willen ausſprechen die Unabhängigkeit Deutfch- 
lands herzuftellen, den Rheinbund zu vernichten, und man wird 
alle Deutſche einladen fih zur Eroberung ihrer Freiheit mit 
den verbündeten Heeren zu vereinigen; man wird bas Ruffifche 
Heer glei bei feinem Eintritt in Deutfhland von Männern 
begleiten laſſen bie der Sache ihres Baterlandes treu geblieben 
find, fo wie durch die Deutfche Legion, der man durch bie 
Bevölferung des zu befegenden Landes mehr Ausdehnung geben 
muß. Diefenigen Furſten welche fi ber allgemeinen Sache 
anſchließen, müffen dann die Aufrichtigfeit und die Beharrlih- 
keit ihrer Gefinnungen dadurch gewährleiften, daß fie fih nur 
mit wohldenfenden Männern umgeben und ihre Streitkräfte in 
die Hände ber Verbündeten geben, welche zugleich bie Länder 
der Napoleon etwa anhänglih bleibenden Fürften in Befig 
nehmen und verwalten werben. Man barf hoffen, daß Defter- 
reich und Preußen auf ihren wahren Vortheil hören werden 
fobalb die Annäherung der Ruffifhen Heere gegen ihre Gränzen 
ihnen Halt und Schug gegen Napoleons Unterbrüdung giebt, 
und daß fie nicht ferner das ihnen von Gott zum Glück ihrer 


215 


Bölfer anvertraute Anfehen mißbrauchen wollen um ihre Feſſeln 
zu verftärfen. Die übrigen Deutſchen Kürten werben Tänger 
zaubern fih von ihrem Tprannen loszureißen, weil bie Furcht 
zu tief eingewurzelt if in ihren durch den Drud und das Ge- 
fühl ihrer Schwäche herabgewürbigten Seelen. 

Finden fi diefe Borausfegungen durch die Ereigniffe ge⸗ 
rechtfertigt, fo wird man befonbers bei bem König von Preußen 
darauf dringen, daß er fein Minifterium und feine Umgebungen 
ans Männern bilde, welche die Reinheit ihrer Grundfäge und 
die Kraft ihrer Eparactere erprobt haben, daß er ein Minifterium 
aus dem Präfidenten v. Schön, General v. Scharnhorft und 
dem ehemaligen Minifter Grafen v. Dohna zufammenfege; daß 
er dieſen feigen und verächtlichen Haufen entferne, ber weit- 
entfernt ihn gegen bie Schwäche zu hüten und zu flählen, die⸗ 
fer ungfüdlihen Anlage nachzugeben hinzieht, und daß er 
dadurch den Verbündeten welche ihn fügen und flügen eine 
Gewähr feines politifhen Betragens gebe. ö 

Was die übrigen Deutfhen Furſten betrifft, fo haben fie, 
— was auch ihr Betragen feyn mag, ſey es daß fie fi wider- 
fegen oder fi fogleih unterwerfen, — fein Recht die Bei— 
behaltung oder Wieberherftelung ihrer Oberherrlichkeit zu ver⸗ 
langen; fie find jegt in feinblihem Stande, und im Augenblid 
des Eintritts der verbünbeten Heere können deren Fürften eine 
ſolche Anwendung des Eroberungsrechts machen, wie ihr eigener 
Bortheil ihnen anzeigen wird. Selbſt die vertriebenen Fürften 
haben fein Recht ihre Wiebereinfegung zu verlangen, da es 
ausſchließlich von ben verbündeten Mächten abhängt, welden 
Gebraud fie von ihren Erfolgen maden wollen, wenn fie die 
Franzoſen aus Deutſchland gefagt haben; denn fie find keines⸗ 
weges bie Verbündeten biefer Kürten und haben ihnen feine 
Gewähr gegeben. 


216 


„Es würde die größte Thorheit ſeyn, fagt mit Recht 
Mr. Paisley in feinem vortrefflihen Essay on Ihe military 
poliey of the British Empire, unfere Hüffsquellen zu ver- 
ſchwenden in Verſuchen Furſten Kleiner Staaten in ihre früheren 
Befigungen wieder einzufegen. Es if ein fo unvermeiblices 
2008 der Heinen Staaten, den Stärfern im Kriege zu folgen, 
daß ſelbſt wenn wir auf bie Throne ber feinen Staaten in 
welche Europa jegt getheift ifl, Zweige unferes eigenen Rönige- 
haufes oder vornehme Engländer fegten, jedoch die Unterab- 
theilungen bes Sefllandes in ihrem jegigen Zuſtande Tießen, 
wir bei einem neuen Kriege finden würden, daß wir bas 
Schwerdt nur einer Art Feinden entwunden und einer andern 
übergeben hätten, die nicht weniger bereit feyn würde als bie 
vorige es zu unferer Vernichtung zu gebrauchen. Aus Grund- 
ſatz der Gerechtigkeit in dem Entſchluß zu beharren einen ſolchen 
Zuftand zu flügen und wieberherzuftellen, if gerade fo, als 
wollte man barauf beftehen daß ein tobter Mann auf feinen 
Beinen ſtehen folle, weil er es thun konnte ald er noch lebte.“ 

Wendet man die dargelegten Grundfäge an, fo ergiebt ihre 
Anwendung bie folgenden Refultate: 

1. Der König von Preußen würde feine Kriegsmacht zur 
Verfügung der Verbündeten ſtellen, und fih mit Männern 
umgeben bie ihr Vertrauen verdienen. 

2. Die übrigen Länder welche von den verbündeten Heeren 
befegt werden, find unter Aufficht der Berbündeten zu ver- 
walten, welche über die Truppen verfügen, dad Maaß ber 
Beiträge an Geld, Lebensmitteln u. f. w. befliimmen, und ben 
Vollskrieg in Thätigfeit fegen werden. 

3. Man würde zu feiner Zeit das Loos Deutſchlands 
nad dem wahren Bortheil des Volkes und Europa’s feftfegen; 
au biefer Handfungsweife iſt man berechtigt durch den Kriege- 
zuſtand in welchen fi der Rheinbund gefegt hat und durch das 


217 


Eroberungsrecht, welches bei günftigem Erfolge daraus unmittel« 
bar hervorgeht. 

Es ift einleuchtend, daß die Anwendung biefer Grunbfäge 
nicht einem Feldherrn anvertraut werben fann, ber weber bie 
Gegenfände kennt noch politifhe und Verwaltungs - Erfahrung 
befigt, nod ihnen die erforberlihe Zeit widmen kann; daß 
man baher im Augenblid wo man bie Gränze überfchreitet 
einen Rath bilden muß, welchem bie verbünbeten Höfe biefe 
verwaltungs= und diplomatiſchen Geſchaͤfte übertragen. Aehn⸗ 
liche Einrichtungen haben wir bei allen Heeren gefehen, bei 
den Franzoͤſiſchen Heeren unter dem Namen von Commiſſair 
der Nationalverfammlungen ober General- Intendant, bei den 
Oeſterreichiſchen von General-Commiffairz die Geſchaͤfte des 
einen wie des andern waren völlig verſchieden von der Befor- 
gung Vertheilung und Lieferung der Bebürfniffe des Heeres, 
welche ben DOrbonnateurd-Generaur und dem Kriege-Commiffa- 
riat anvertraut waren. Im Jahre 1809 warb biefe Stelle 
bei dem Heere des Erzherzogs Carl durch Graf Friedrich von 
Stadion, bei dem Italiäniſchen Heere burdy Graf Goes befleidet, 

Die großen Erfolge des Ruffifhen Heeres werben wahr- 
ſcheinlich die Bundesverhältniffe Rußlands verändern, und wenn 
diefe Macht fi entfchließt ihre Vortheile fo Fräftig als möglich 
zu verfolgen, und auf diefe Weiſe die Kraft und Beharrlich- 
keit ihres Willens zu verbürgen, bie Freiheit Europa’s auf 
weifen und bauerhaften Grundlagen herzuftellen, fo beweif’t 
Alles, daß das Franzöſiſche Heer nicht mehr fähig if fih dem 
Feinde entgegenzuftellen, und das einzige Gefühl weldes es 
einflößt das Mitleid iſt; daß Nichts das Ruſſiſche Heer in 
feinem Siegeslaufe aufhalten fann, daß es Preußen und Defler- 
reich mit fi ziehen, und durch bie Kriegsmittel dieſer beiden 
Maͤchte verftärft noch in biefem Winter fih der Kriegsmittel 
Deutſchlands bemädtigen und fie dem Feinde entreißen kann. — 


218 


Und es iR England und Defterreich, mit denen man bie Deut- 
ſchen Angelegenheiten orbnen muß, während Schweben dur 
die Verzögerung bie es in die Unternehmungen gebracht, durch 
feine Schwäche, und ben ſchlechten Geiſt feines aufmwieglerifchen 
und Rußland feindlichen Adels aufgehört haben wird Theil zu 
"nehmen und Vertrauen zu verdienen. — Eine falſche und ver⸗ 
ſchmitzte Politit oder bie Unwiſſenheit werben vielleicht einen 
Bertheibigungsfrieg rathen, zerflörend- für die Heere bie ihn 
führen, für das Land welches defien Schauplag feyn wird, und 
dem Feinde die Zeit gewährend, um alle Kriegsmittel bes 
Weſten und Süden Europa’s in Thätigfeit zu fegen. Dann 
würde fi ber Kampf zwifchen Rußland und dem übrigen Feſt - 
Iande auf unbeftimmte Zeit verlängern, und bie weiten Ränder 
welche deſſen Schauplag würben, in unbewohnbare Wuſten 
- verwandelt werben. So furchtſame und falihe Begriffe wer- 
den zurüdgefloßen durch ben eben und großmüthigen Character 
des Kaiſers Aleranderz er wird der Wohlihäter und Friedens⸗ 
fifter Europa’s ſeyn wollen, wie er der Retter Seines Reiches 
gewefen iſt — er wird feinen Generalen bie Plane vorzeichnen 
die fie ausführen follen; er wird ihnen fagen, daß fein Wille 
ik, daß fie feine Heere in das Herz Deutſchlands führen; er 
wird Defterreih und Preußen fein Bundniß anbieten, und es 
wird mit Feuer und Dankbarkeit angenommen werben; er wirb 
darauf beftehen, daß England in dem Lande zwifhen Elbe 
Hfel und Rhein ein Heer bilbe, welches zu ber Ausführung 
diefer Plane beitrage; und er wird gemeinfhaftlih mit biefer 
Macht eine politiſche Ordnung in Deutſchland herſtellen, welche 
der Nation ihre Unabhängigkeit wiedergiebt und fie in Stand 
fest, Sranfreich zu widerſtehen und Europa gegen bie Verſuche 
der ungeftümen und folgelofen Nation welde es bewohnt zu 
fihern. Es bleibt nur ein Wunſch übrig, dag der Kaifer ſich 
mit den tiefften Einfihten und den achtungswürdigſten Eharac- 


219 


tern feines weiten Reich umgebe, und bag der Mann weldem 
er die Ausführung feiner edeln politifhen Plane anvertraut, 
einen großen mit ausgedehnten und gründlichen Kenntniſſen 
genährten Geiſt und einen erhabenen und fräftigen Character 
befige, und daß der falfche und fantaftifche Geiſt, angefült von 
faden, durch das verfaulte Herz eines Höflinge ausgeſprochenen 
Anefooten, aufhöre auf die Rathfchläge einzumirken, bie Ent- 
fhlüffe zu lähmen, und bie wahren Diener eines Souverains 
zur Verzweiflung zu bringen, welden die Borfehung in die 
gladiiche und glänzende Rage gefegt hat, ber Wohlthäter des 
degigen Menſchen ⸗ Geſchlechtes zu feyn. Dan fönnte fih bei 
der Wapl unter den Perfonen welche man für feinen Nad« 
folger beſtimmt, dereinſt auf bie Entfcheidung des Looſes ver- 
Taffen, zehn oder zwölf Namen mittelmäßig fähig geglaubter 
Männer in ein Gefäß legen, es ſchutteln, und man wäre ſicher, 
daß der Zettel welcher herausfäme, einen mehr fähigen, mehr 
geachteten und mehr Vertrauen einflößenden Mann anzeigen 
würde, als die Perfon welche man entfernen will, und beren 
Character und Betragen, in Europa befannt und zergliebert, 
mit ben Abfichten ihres erhabenen Herrn in Mißklang ſtehen. 
Der Zeitraum welcher fi vor Eurer Kaiſerlichen Mafekät er- 
Öffnen wird, iſt entfheidend. Er verwirklicht zehn Jahre von 
Erwartung, von Arbeiten und von Opfern. Er ift die Frucht 
einer großen Zahl unerhörter und unvorhergefehener Berbin- 
dungen. Sie werden, Sire, fih an die Spige ber. Mächte 
Europa’s fegen. Sie haben bie erhabene Rolle des Wohl- 
thäters und bes Herfiellers zu fpielen. Diejenigen welche die 
unmittelbaren Werkzeuge Ihrer edeln Abfichten werben follen, 
müffen ihrem hohen Berufe gewachfen feyn. Sie müffen Ihren 
Verbündeten und Europa ein großes Vertrauen einflößen. 
Man fann fi nicht genug davon überzeugen, wie wichtig es 
if, nur Ausführer zu wählen die durch ihre Meinung befannt 


220 


find, denen ihr Ruf voransgeht. Indem Sie die Hand an das 
große Werk der Herſtellung Deutſchlands legen, genügen Sie 
zugleih der Staatsklugheit welche in dieſer Herfiellung eine 
fefte Gewähr für die Unverleglichfeit und Sicherheit Rußlande 
ſucht, und Sie werden den großmüthigen Wunſch Ihres Her« 
zens erfüllen eine unermeßlihe Bahn des Nuhmes zu durch⸗ 
Kaufen, wie fie den Anlagen und dem erhabenen Character 
Eurer Kaiſerlichen Majeftät entſpricht. 

Erlauben Eure Raiferlihe Majekät mir hier einige Be— 
merkungen über die Bildung und Verwendung ber Deutfchen 
Legion anzufgließen. Ein Geift der Kleinlicfeit, der Pedan- 
terie, bes Hin ⸗ und Herfühlens waltete bei der Bildung biefes 
Corps vor, die weiche und befhränkte Gutmütpigfeit in Herrn 
v. Armſchildt verkörpert, hat feinen Befehl geführt. Daher 
eine Langſamkeit, eine Unentfloffenheit in den Planen, eine 
Schwaͤche in der Ausführung, eine Erfhlaffung in der Zucht, 
welche alle wohlgefinnten Dänner in ber Legion zur Bere 
zweiflung bringt und ben friegerifpen und patriotifchen Geift 
dieſes Corps zerftört. Ich befhwöre Euere Majeſtät beftimmt 
au befehlen, daß die Bekleidung und Bewaffnung dieſes Corps 
in einem nahen Zeitpuncte beenbigt fey, daß bie Bildung bes 
Reiterregiments in einer Stabt des Gouvernements Petersburg 
beflimmt werde, um bie unnüge Bewegung ber Pferde zu ver- 
meiden; daß der Graf v. Ehafot vorläufig mit bem Befehl der 
Legion. beauftragt werde; daß bie Bildung bed Depots bem 
guten Oberſt Armſchildt verbleibe; daß bie Bewegung ber 
Deutfhen Gefangenen gegen das Baltiſche Meer beſchleunigt 
werde; daß man bie Verabrebungen mit England hinſichtlich 
der Legion beenbige, und Alles vorbereitet werde, bamit fie ſich 
mit dem Ruſſiſchen Heere bei deſſen Eintritt in Deutſchland 
vereinige. 

Stein." 


221 


Diefe Denkſchrift enthielt die Keime einer großen Zukunft 
für den Kaifer, für Europa. Alexander beſchloß die Fortſetzung 
des Krieges, die Entfernung des Kanzlers. Nach der Zeit des 
Uebergangs über die Berefina Hatte er eine Unterrebung mit 
Stein über den Inhalt der Denkſchrift, und fragte ihn wen er 
zum Minifter der auswärtigen Gefchäfte wählen folle? Stein 
antwortete, ber Kaifer kenne feine Gefchäftsleute, nicht er, und 
Alerander werde nach feiner Weisheit wählen. Der Kaifer 
erflärte ihm feinen Entſchluß den Krieg fortzufegen, und Deutfch- 
land zu befreien, und beſprach mit ihm bie Einleitung der 
Maßregeln welche nun in Beziehung auf Deutſchland und zur 
nähft auf Preußen zu ergreifen waren. 


Um aber den gefaßten Entſchluß ausführen zu Fönnen, 
waren neue Anftrengungen Rußlands nothwendig. Der Kaifer 
bedurfte Truppen Gelb und Waffen. Die Sorge für Waffen 
und Kriegsvorräthe warb von England erleichtert, eine am 
goten Auen angeordnete neue Aushebung von acht Mann 
von jeden 500 Seelen * vervollſtändigte die zuſammengeſchmol - 
genen Heere; es blieb noch bie Geldfrage zu Töfen übrig. 

Das allgemeine Umlaufmittel in Rußland befand zur Zeit 
des großen Krieges und ſchon mehrere Jahre vorher nur noch 
aus Papier. Die Banknoten waren zuerft nad ihrem Nennwerth 
ausgegeben, und auf ben Gebrauch des Inlands beſchraͤnkt, 
da bie Regierung um ber Berfälfhung vorzubeugen, die Wie- 
bereinführung aus dem Lande gefandter Banknoten verboten 
hatte, Als Ausgleihung bes innern Verkehrs erfüllten fie ihren 
Zwed, fo lange ihre Ausgabe nad dem wahren Bebürfniß be= 
meſſen blieb; feitbem jedoch bie Regierung durch die Laſt Foft- 
fpieliger Kriege bewogen zu einer bebeutenden Mehrausgabe 
geſchritten war, fanf ihr Preis in Berhältniß der Maffe und 


222 


des beginnenden Mißtrauend; und die Ausgabe falſcher Scheine, 
zu denen fich fpäter bie Platten unter ber Beute von Napoleons 
Gepaͤd fanden, durd das Frauzoͤſiſche Heer drüdte den Preis 
auf ein Biertel des Nennwerihes herab. Zur Abhälfe diefes 
uebels Yatte Alerander den Genfer Sir Francis d’Ivernois 
berufen, und diefer ben Vorſchlag gemacht, den Nennwerih Des 
Papiers auf einen gewiſſen Tpeil z. B. von 100 auf 30 her- 
abzufegen, und für bie vernidhteten 70 vom Hundert den In- 
habern zinstragende Schuldſcheine zu geben. 

Der Kaifer übertrug Stein durch ben General Armfelb 
die Prüfung und Beurtheilung diefes Planes. Stein erklärte, 
er loͤnne wohl die allgemeinen Grunbfäge worauf der Plan 
beruhen werbe, als Fremder aber nicht feine Anmwentbarkeit 
auf Rußland beurtheilen; er müffe daher vor allen Dingen auf 
die Ernennung einer Commiſſion inländifher Geſchäftsmänner 
einſchließlich des Finanzminifters Gourief antragen. Als dieſe 
Commiffion ernannt und Stein ihr beigeorbnet war, fo führte 
er in einer Denkſchrift aus 

1) daß der Werth des Papiergeldes ſich nicht genau nad 
dem Zahlenverhältnig der Umlaufsmittel richte, daß deſſen Ber- 
minberung feine verhälmigmäßige Verminderung der Preife 
bewirken werde, wie man im Jahre vorher in Oeſterreich er⸗ 
fahren Habe; 

2) daß bie gegenwärtigen Inhaber von Banknoten welche 
fie nah dem Eourfe angenommen, durch die ihnen zugeftande- 
nen zinstragenden Schuldſcheine auf einmal wegen eines Ber- 
luſtes bereichert würden, den fie gar nicht erlitten hätten, da 
er fih Tangfam gebildet und allmälig auf die früheren Inhaber 
vertheilt habe. 

Diefe Denkſchrift überreichte Stein dem Kaiſer am 2ten No— 
vember. Die Eommiffion bemerkte dazu, daß 

3) bei der Unkunde ber Bollsmaffe mit dem Papierver- 


223 


kehr, bie auszuſtellenden Schufdverfchreibungen nicht ihr, ſon⸗ 
dern einer Anzahl liſtiger Wucherer zu Statten kommen werde. 

Der d'Ivernoisſche Plan warb vom Kaiſer verworfen. 

Stein flug dagegen vor 

1) einen Subfidien- Vertrag. mit England; die Unterhand- 
lungen darüber fcheiterten an ber kleinlichen Engherzigfeit des 
Englifhen Gefandten Lord Cathcart. 

2) Das Ruſſiſche Papiergeld, die Banknoten, in den Ländern 
wohin ber Kriegsſchauplatz verlegt werde, nach feinem Eourswerthe 
in gezwungenen Umlauf zu fegen, dagegen aber bie Zurüd- 
fendung der auf dieſe Art in das Ausland gegangenen Banf« 
noten nah Rußland zu erlauben, und fie zum Ankauf Ruſſiſcher 
Erzeugniffe verwendbar zu machen, woburch ben Banknoten ein 
Markt in den Deutfchen Handelsſtädten gefihert werde, 

Der Kaifer ertheilte diefem Vorſchlage feine Genehmigung, 
und Rußland hat auf biefe Art bis Mai 1814 ungefähr 
zwanzig Millionen Rubel Nennwerth ausgegeben, melde in den 
Deutſchen Handelsfläbten zu dem fefgefegten Eourfe von 100 
zu 45 einen leichten Abfag fanden. 

3) Verfertigung eines von allen Bundeögenofien in ge- 
wiſſem Verhaͤltniß zu garantirenden Bundes- Papiergeldes. 

Diefer Vorſchlag ward in Peterswalde den 15ten Juni 1813 
und London den 3Often September 1813 dahin abgeändert, daß 
England allein an Rußland und Preußen fünf Millionen zing- 
barer, nad) einem Jahre einlösharer Bundespapiere gab. 

4) Unentgeltliche Einforberung von Naturalien und Kriegs - 
mitteln in den befegt werdenden feindlichen Ländern, 


Stein hatte fein nächfles Ziel erreicht, der erfle Anſtoß zur 
Befreiung Europa’s war gegeben, ‚ 

Der Kaiſer betrat die neue Bahn mit der Abfiht Polen 
zu verföhnen und Deutfcland, in’ zwei große feſte Maſſen ver- 


224 


bunden, Preußen und Defterreih anzuſchließen. Während Ein« 
Teitung getroffen warb um biefe beiden Mächte über den Zwed 
des Krieges aufzuflären und bafür zu gewinnen, verlor Stein 
feinen Augenblid um die Anſichten des Grafen Münfter in die⸗ 
felde Richtung zu leiten, und die Männer um den Kaifer zu 
fammeln, von denen die Erhebung des nördlichen Deutſchlands 
ausgehen follte. 


Stein an Münfer. 

„Petersburg den 2Often November 1812, Die Entwid- 
Tung der Geſchaͤfte ſcheint ſich zu beſchleunigen, und ale Bun- 
desverhältniffe find unbeftimmt, Nichts ift befchloffen, beftimmt; 
diefes würde zum verzweifeln feyn, wäre ich nicht überzeugt, 
daß bie Borfehung das zerbrechliche Gebäude von Napoleons 
Tyrannei umftürzen wird, trog den Menſchen die wir im Amte 
fehen, nit dur fie. Ich habe geglaubt salvare animaın, 
indem ich dem Kaiſer die beigeſchloſſene Denffprift übergab. 
[vom Ri November]. 

Es hängt nur von England ab, mit fehr mäßigen Koften 
ein Heer von 20,000 Deutfchen zu bilden — wir haben ſchon 
2500 in der Region, und 5000 noch unbeffeidete und unbewaff- 
nete Rekruten. 

Genehmigen Eure Ercellenz die Berfiherung meiner aus« 
gezeichneten Hochachtung und meines Bebauerns, daß bie Eng- 
liſche Regierung ſelbſt noch nicht einmal eine Idee geäußert 
hat, über das was fie auf dem nördlichen Feſtlande thun will.“ 


Petersburg den Aften December 1812, Ew. Excellenz 
Schreiben vom Iten November habe ih den 29ften ejusd. durch 
den Botſchafter erhalten, die Meinige vom 2ten November 
Tien November und das vor wenigen Tagen durch den Spa- 
niſchen Gefanbten beforgte, wird Ihnen nun vorliegen. 


225 


Die Schwierigkeiten die nah Ew. Ercellenz Aeuſſerung ſich 
einer Tandung entgegenftellen, find durch die gegenwärtige Lage 
des Krieges befeitigt, das zwifhen dem Dnieper, ber Düna 
und der Berefina ſtehende Franzoͤſiſche Heer, wird feinem Ber- 
derben gewiß, und vielleicht mit feinem verbrecheriſchen Ober- 
haupt, nicht entgehen. Das Forträden ber Ruſſiſchen Armee 
bis an bie Elbe, wenigftens bis an die Oder, wird nichts hin⸗ 
dern. Die militairifche Benugung von zwei Millionen braver 
Deutſche, die Hülfsmittel von Preußen, Pommern, ber Neu 
mark, werden in wenig Monaten dem Eroberer zu Gebote 
ſtehen. — Wie aber alles dieſes einzurichten, zu beivegen, 
dur wen und in weflen Namen? Das liegt alles im tiefften 
Duntel! 

Ein mehreres als in meinen vorigen Briefen enthalten ift, 
weiß ich nicht zu fagen — es bleibt mir daher nichts übrig, 
als zu wünfgen, daß es ganz, zum Theil, oder dag etwas 
beſſeres gefchehe, und vieles Täßt fih vom edlen Character des 
Kayſers, trog feiner Umgebungen erwarten. Was ich durch 
Borftellungen bei ihm, und bei allen verfländigen Männern 
vermag, thue ich; von der alten Marguife erwarte ich ganz 
und gar nichts, weil fie durchaus unverfländig, unmwiffend und 
unebel if. 

Das Schwediſche Wefen if eine Seifenblafe, und würtet 
glei ihr. Wir bedürfen feiner nicht mehr, und es ift großer 
Gewinnft, wenn die Einmifhung biefer abfihtligen, unzuver- 
Yäffigen, franzoͤſiſch gefinnten Nation, und eines Revolutiong- 
helden vereitelt wird. 

Gott gebe, daß England die Verbindung zwifchen Rußland 
und Defterreih bewürfe; es ſcheint mir ein glücklicher Erfolg bei 
den günftigen und richtigen Anſichten des Kayſers höchſt wahr- 
peinlich, nur geht alles fehr Tangfam; Wf[eflenderg] war erft 
den 7ten November Alten Style im Ruſſiſchen Hauptquartier ans 

Stein’s Leben. IM. 2te Aufl. 45 


226 


gefommen. Defterreih läßt immer noch die Ruffifchen Eouriere 
nicht über die Gränze, man fündigt Graf Metternich hier an, 
von feiner Ankunft im Fall fie würkfi erfolgen follte, erwarte 
id mir etwas Gutes. 

Es ift mir leid, daß Euer Ercellenz in mir den Preußen 
vermuthen, und in fih ben Hannoveraner entdeden — ich habe 
nur ein Vaterland, das heißt Deutſchland, und da ih nad 
alter Berfaffung nur ihm und feinem befonderen Theil deffelben 
angehörte, fo bin ih auch nur ihm, und micht einem Theil 
deffelben von ganzem Herzen ergeben. Mir find die Dynaftien 
in biefem Augenblid großer Entwiclung vollfommen gleichgültig, 
es find blos Werkzeuge; mein Wunſch if, dag Deutfchland 
groß und flark werde, um feine Selbfländigfeit, Unabhängig- 
feit und Nationalität wieder zu erlangen, und beides in feiner 
Lage zwifchen Frankreich und Rußland zu behaupten; das ift 
das Intereffe der Nation und ganz Europens; ed fann auf 
dem Wege alter zerfalener und verfaulter Formen nicht erhal- 
ten werben; dies hieße dag Syſtem einer militairifchen, fünfte 
lichen Gränze auf den Ruinen der alten Ritterburgen, und den 
mit Mauern und Tpürmen befeftigten Städten gründen wollen, 
und bie Ideen Baubans Coehorns und Montalamberts zu 
verwerfen. 

Mein Glaubensbelenntniß finden Euer Excellenz in der 
Anlage, es ift Einheit; iſt fie nicht möglich, ein Auskunfts— 
mittel, ein Uebergang. — Segen Sie an bie Stelle Preu- 
" Bend, was Sie wollen, löfen Sie es auf, verflärfen Sie Defter- 
reich mit Schlefien und der Ehurmarf und dem Nörblichen 
Deutſchland mit Ausfhluß der Vertriebenen, vebuziren Sie 
Bayern, Würtemberg und Baden, als die von Rußland be= 
günftigte, auf das Berhälmig vor 1802, und machen Defer- 
reich zum Herrn von Deutſchland, ih wünfdhe es, es if gut, 
wenn es ausführbar ift; nur denken Sie nicht an bie alten 


227 


Montaigues und Capulets und an biefe Zierden alter Ritter⸗ 
ſaͤle; fol füh der blutige Kampf, den Deutſchland 20 Jahre 
unglüdti befanden, und zu dem es jegt wieder aufgefordert 
wird, mit einem Poſſenſpiel endigen, fo mag ich wenigſtens 
nicht Tpeil daran nehmen, ſondern fehre in das Privatleben 
freudig und eilig zuruck. — 

Was macht Wallmoben in Spanien; Er hätte entweder 
herfommen ober nah Wien gehen follen um den Entſchluß 
diefes Hofes abzuwarten — ich erfuhe Ew. Excellenz die An- 
Tagen nad ihrer Beſtimmung zu befördern; nur wäre es gut 
wenn Gneifenau herfäme. Vom Ganzler Harbenberg erwarte 
ich nichts, er iſt in Sinnlichfeit und Schwäche verfunfen, und 
durch Alter gebrüdt. 

Warum antworten Sie nicht der Gräfin Orloff; es if 
eine liebenswuͤrdige gute verfländige Frau, Ihre Freundin.“ 


Stein an Gneifenau. 

"Petersburg ben Aften December 1812. Im wenigen 
Monaten ſteht die Ruffifche Armee wenigſtens zwifchen Oder 
und Elbe, befegt und formt das Nördliche Deutſchland zum 
Kampf gegen Frankreich, und Ew. Hochwohlgeboren find in 
Burton? eilen Sie her ih bitte Sie dringend, und da die Bor- 
fehung uns andere Wege als den der Landung andeutet, fo 
wählen Sie ihn. — 

Die Deutſche Legion könnte 20,000 Mann ſeyn, wenn es 
nicht an Waffen und Geld fehlte, noch iſt fie erfi 7000 Mann, 
es fehlt an Offizieren. — 

Leben Sie wohl und eilen Sie her.” 


Stein an Wallmoben. 
„Petersburg den Aften December 1812. Ich erfahre von 
Münfter, daß Sie eine Stelle ſuchen, welche Ihnen eine Thätig- 
15* 


228 


feit in Spanien verfepafft; ich bebaure ed, da Sie hier eine 
fehr ehrenvolle gefunden hätten, entweder ald Befehlshaber der 
Deutfen Legion, die 7000 Mann ſtark iſt und fih täglich 
verflärkt, oder im Ruſſiſchen Heere. — Der Kaiſer erwartete 
Sie nah dem was Sie und angelündigt hatten — jegt find 
Sie ins Leere hingeſchleudert ohne beftimmten Nutzen für Deutfch- 
land; Ihr Camerad Winzingerode bedeckt fi mit Ruhm, Ezernichef 
hat eine fühne und nügfiche Unternehmung ausgeführt — und 
Sie treiben an der Spaniſchen Küfte. 

Wahrſcheinlich vereinigt ſich Defterreih mit Nußland, und 
Sie fönnten dort von dem größten Nugen fepn — und Sie 
find in Spanien. Gott befohlen.“ 


Stein an feine Frau. 

„Den 3ten December. Unfere Heere marfchiren von einem 
Triumph zum andern; die fehönften Hoffnungen eröffnen fi 
für die Zufunftz die befriedigende und tröſtlichſte für mic 
meine vortrefflihe Freundin if die, mid mit Dir und ben 
Kindern vereinigt zu fehen. Lebe wohl meine gute Freundin; 
moͤgteſt Du alles Glück genießen welches Du verdienſt; es 
wird vollfommen und rein ſeyn.“ 


Indeſſen hatte die Verfolgung der Franzofen ohne Unter- 
Taß fortgebauert. Kutuſow gönnte feinen Truppen eine 14tägige 
Ruhe in Wilna, aber Platow mit ben Kofafen trieb bie Feinde 
unaufhaltfam gegen die Gränge vor fih her. Am a Dee 
cember erreichte Ney die Graͤnzſtadt Kauen; bie Franzoſen 
zählten noch gegen 1000 Mann Fußgarde, gegen 600 Garder 
veiter, Neys Nachhut mit ber Befagung von Kauen ergab 
1500 Mann, von dem übrigen Heere war fein Soldat vor- 
handen, „die Corps — fehrieb Bertpier — wurden durch ihre 


229 


Adler dargeſtellt“ um melde fi einige Offiziere und Unter- 
offiziere aufhielten. Das einſt 60,000 Dann ſtarke Heer des 
Bicelönigs fand jegt in einem Zimmer Raum, von 30,000 
Bayern waren 20 Bewaffnete übrig. Am 15ten December 
Morgens hielt Platow feinen Einzug in Kauen, und bie trau 
rigen Reſte des Franzöfifchen großen Heeres waren über die 
Gränze; Murat, die Marſchälle und alle Weberbleibfel zer— 
fireuten fih in Oftpreußen. 


Stein an Münfer. 

meteröburg den 10ten December 1812. Napoleon if 
für feine Perfon entwifcht, mit einer zu Grunde gerichteten 
Armee, die fi täglich zerfegt unter der Verfolgung der Ruffi- 
fen Corps, melde ihr raflos auf den Ferſen find — man 
wird fie wenigſtens auf das andere Ufer der Ober werfen, " 
und ber Kampf wird im Herzen Deutfchlande fortgefegt wer- 
den, wenn Deflerreih daran Theil nimmt und bie fo oft bes 
fprochenen paffenden Einrichtungen befloffen und ausgeführt 
werben. — Wolle Gott, daf Alles ſich vereinige um über bad 
unreine Thier herzufallen, bas bie Ruhe Europa’s ſtört.“ 


Das Franzöfifge Heer Hatte in Rußland über taufend 
Kanonen und 200,000 Gefangene worunter 48 Generale und 
4000 Dffiziere zurüdgelaffen; in den Gouvernements bes innern 
Nußlands, Weißrußland und Litthauen wurden 306,000 Leid“ 
name verbrannt und verfeparrt; im Gouvernement Smolensk 
allein waren 169,000 Leichname und faft 110,000 todte Pferde 
auf dieſe Weife der Erbe wiedergegeben und unſchädlich ge= 
macht; noch auf dem Eife bes Niemen fammelte man gegen 
15000 Leichen und ftürzte fie in den Fluß. 

Solche Erfolge forderten zur ſchleunigſten und kräftigſten 
Benugung auf; Alerander befhloß fih felbk an bie Spige des 


230 


Heeres zu fiellen, durch feine Gegenwart den Widerſtand und 
die Langfamfeit feines Feldherrn und feiner Generale zu be= 
legen, und bie durch Englands Nachlaͤſſigkeit ihm anheim- 
gefallene Leitung ber Europäifhen Angelegenheiten zu über- 
nehmen; er reiſſte in der Mitte Derembers von Petersburg ab, 
und befahl Stein ihm zu folgen. In des Kaifers Begleitung 
befand ſich für die auswärtigen Geſchäfte Graf Neffelrode; der 
Eanzler war zurüdgelaffen. Stein fündigte biefe große Wen- 
bung ber politifhen Lage dem Grafen Münfter in einem Briefe 
on, deſſen Nachdruck der Größe feines Inhalts entſpricht: es 
war nun zu fpät getvorben, Rußland in feinen bisherigen Graͤnzen 
zu halten. 


Stein an Münfter®. 

„Petersburg den 2iften December 1812. Mir fehlen feit 
fehr langer Zeit Nachrichten von Eurer Excellenz, unterdeſſen 
rollt der Strom ber Ereigniffe fort, hunderttaufende find ver- 
nichtet, Napoleon liegt im Staub und flieht vor einigen Pulls 
Kofaden, und Deutſchland ſteht Rußland offen, die Englifchen 
Minifter leiten die Parlamentswahlen und bie Parlamentd- 
partheyen. Ihr Repräfentant Lord Cathrart vergräbt fih in 
ſich ſelbſt und in den Abgrund feiner eigenen Hohlheit, und 
Deutſchland liegt zu Rußlands Fügen. — Dieſes wird ſich jetzt 
ſehr wenig mehr um fremden Einfluß bekümmern, es wird 
feinen Weg nad ſelbſtgewaͤhlten Anſichten gehen — und wer 
bat die Anſichten und wer wählt? Dieſes fönnen ſich Euer 
Excellenz Teiht beantworten. 

Der Kapfer laͤßt alfo feine Armeen in Deutſchland ein- 
räden, er unterhandelt mit Preußen und Defterreih, und von 
ihrer Handlungsweife wird es abhangen, ob Deutfhland unter 
den Nationen mit Ehre oder mit Schande °° werde genannt 
werden. Ich fage Eurer Excellenz nichts von ben militairifchen 


231 


Ereigniffen; Sie werben fie erfahren durch die Bekanntmachung 
der Ruſſiſchen Bulletins, dur die Einſicht der Englifhen De- 
pefchen, ich wünfchte aber, daß England irgend etwas ver- 
abrebet hätte, — denn was vor zwey Monaten zu verabreden 
möglih war, hörte es fegt auf zu ſeyn, — und irgend 
Zemanden zum Unterhandeln hätte, — denn ber gegenwärtige 
Geſchaͤftstraͤger iR vollkommen untauglich, er begreift nichts 
und ergreift nichts, und hierüber iſt nur eine Stimme, 

Das bringendfte wäre, England ſchidte Uniform, Tuch und 
Waffen für 100,000 Mann nad Königsberg, um bie milital- 
riſche Drganifation fo ſchleunig als möglih im Nörblichen 
Deutſchland zu befördern, und um uns in ben Stand zu fegen, 
den allgemeinen Feind zu bekämpfen. — Bewürfen biefes Euer 
Excellenz, kommen Sie zu ung über — vielleicht über Ham⸗ 
burg, und helfen Sie uns bie Feſſeln Deutſchlands zu zer⸗ 
trümmern, das alte heilige Land vom böfen Feind zu befreyen 
und ed aus feinem Unglüd wieder aufzuweden. 

Der Kayfer iſt zur Armee und wird höchſt wahrſcheinlich 
mit ihr nach Deutſchland vorgehen — ich werde ihm folgen, 
er hat ben Kanzler. hiergelaffen; mir wird fein Fall wahr- 
ſcheinlich, aus fehr guten Gründen. Schiden Euer Excellenz 
Gneufenau nach Königsberg, und auch Wallmoden; was machen 
diefe Männer in England, wo Ruſſen und Franzoſen fih in 
Deutſchland herumtummeln — Dörnberg iſt bei ber Wittgen- 
ſteinſchen Armee, ich Hoffe, er fol bald in Caſſel ſeyn, und den 
elenden Jerome zur Verantwortung ziehen, für das Blut braver 
Männer, bie er füflliren ließ. IR Gneufenau ſchon abgegangen, 
fo verbrennen Sie nur den Brief.” — 


Stein an Gneifenau. 
„Petersburg ben 2iften Dezember 1812. Der Kaiſer ift 
zur Armee, in wenigen Wochen wird er zu Königsberg ſeyn; 


232 


ich bitte Sie inftändigft fommen Sie dahin über Schweden — 
was machen Sie in England wenn Ruffen und Franzoſen ſich 
in Teutſchland herumtummeln — ic bitte Sie dringend kom= 
men Sie, Leben Sie wohl und fommen Sie. 

Stein." 


Stein an Wallmoden. 

„Petersburg ben 22ften Dezember 1812. Das Franzöft- 
ſche Heer ift vernichtet; Napoleon auf der Flucht, beraufcht fich, 
um fih zu wärmen und zu betäuben. Der Kaifer ift geflern , 
zur Armee abgereift welche in Preußen einrüdt, und er wirb 
in wenig Tagen zu Königsberg ankommen — id} treffe ihn bort. 

Tettenborn und Winzingerode bededen fi mit Ruhm, und 
Sie der mehr werth als beide, Sie durchlaufen als Reifender 
Europa? Kommen Sie zu ung nach Königsberg. 

. St.“ 


Sechstes Bud. 


Der Deutfde Krieg 
1813. 1814. 


Dann, Google 


Erfter Abſchnitt. 


Deutfhlands Zukunft. Yord. Stein in Königs— 
berg. 1812 December bis 1813 Februar 7. 


Wezrend Rußland in der zweiten Haͤlfte des Jahres 1812 
den Kampf auf Leben und Tod beſtand und durch Anſtrengung 
aller feiner Kräfte ſiegreich daraus hervorging, hatte fein Ver⸗ 
bündeter Großbritannien in einer Innern Entwidlung begriffen 
in den Gang der Oft- und Mittel-Europälfchen Angelegenheiten 
weniger als man erwarten durfte einzugreifen vermogt. Nach ⸗ 
dem zu Anfang des Jahres ber geiſt⸗ und talentvolle Korb 
Wellesley die Leitung ber auswärtigen Gefchäfte an Lord 
Caſtlereagh abgegeben hatte, warb das Cabinet durch bie Er- 
morbung bes erfien Minifters Perceval am 11ten Mai auf- 
gelöft. Der Prinz Regent wünfdte bie neue Verwaltung aus 
den Häuptern der bisherigen und ben vorzüglichſten unter ſei⸗ 
nen früheren politifhen Freunden zufammenzufegen, und ihr 
dadurch die möglichfte Kraft und Nachdruck zu gewinnen, deren 
das Land tn feiner bedenflichen Rage beburfte. Aber ſowohl 
Lord Wellesiey und Eanning als. auch bie Häupter der Wpigs, 
Lords Grey und Grenville verweigerten ihren Beitritt, und fo 
warb der Regent genöthigt ein reines Torp- Miniflerium zu 
genehmigen, an deſſen Spige ber Earl of Liverpool fland, unter 





236 


welchem Banfittart bie Finanzen, Lord Bathurft das Heer, 
Dundas die Flotte, Lord Eaftlereagh die auswärtigen Angelegen- 
heiten zu leiten hatten. Neun Tage nach dem Antritt des 
Minifterii erfolgte die Kriegserflärung ber Vereinigten Staaten 
von Norbamerica; ber foftfpielige Krieg auf der Pyrenäifchen 
Halbinfel, welcher durch ben Sieg bei Salamanca und die Ber 
freiung von Cadix und Andalufien eine fehr günftige Stellung 
erhalten hatte, täufchte die Erwartungen, ba fih Lord Wellington 
nad dem mißlungenen Sturm auf Burgos wieder nach Porz 
tugal zurüdziehen mußte und in biefem Lande feine Winter- 
quartiere nahm. Die Staatsausgaben für 1812 betrugen 
58,000,000 Pfund Sterling. Um fo erwünfchter waren bie 
guten Nachrichten aus Rußland, und das am 24ften November 
sufammengetretene neue Parlament bewilligte 200,000 Pfund 
Sterling zur Unterftügung der Leidenden in Rußland, erklärte 
ſich trog aller Unglüdsvorausfagungen der Whigs zur Fort: 
fegung bes Krieges in der Halbinfel und gegen Amerika bereit, 
und übernahm im Lauf der Sigung eine Ausgabenlaf, wovon 
20 Milionen durch Anleihe, 15 Millionen durch fundirte Schag- 
fammerfopeine und 6 Millionen durch Credit gebedt werden 
follten. 

Indem nun fo ber Regent, Verwaltung, Parlament und 
Bolt über die großen Fragen ber Gegenwart einig waren, 
hatte ber Regent babei eine doppelte Stelung, boppelte Rüd- 
fihten und zwiefache Werkzeuge zur Ausführung feiner An« 
fihten, als Regent von Großbritannien und Irland, und ale 
Stellvertreter feines Vaters in den Angelegenheiten feiner 
Hannoverfchen Erblande; und die Maßregeln welche von feinen 
Engliſchen Miniftern ausgingen, traten ben Wünfchen bes Han« 
noverfhen Minifters nicht felten.in ben Weg. Die Engliſchen 
Minifter welche durch die Erfahrung ber legten zwanzig Jahre 
gelernt hatten, wie ſchwer, foftfpielig und am Ende erfolglos 


237 


die mit großen Mächten, TDeferreih, Preußen, Rußland an- 
gefnüpften Bündniffe waren, verfuchten es zunaͤchſt, bie Mittel» 
maͤchte in ihren Kreis zu ziehen. Die Unterhandlungen mit 
Schweden hatten zu einem Vertrage geführt, durch welchen 
Schweden ein Heer von 30,000 Mann gegen Napoleon unter 
der Bedingung zu ſtellen verhieß, daß ihm dagegen eine Million 
Pfund Sterling ausgezahlt, die Franzoͤſiſche Colonie Guadeloupe 
übergeben und ber Erwerb von Norwegen gefichert werbe. 
Noch bevor biefer Vertrag dem Parlament vorgelegt war, 
fnüpfte man eine zweite Unterhandlung mit Dänemark an, und 
beharrte darin obwohl fih unſchwer vorausfehen ließ, daß 
Dänemark das Jahrhunderte mit ihm verbundene Norwegen 
nicht aufgeben werde, und felbft wenn es ſich dazu verflanden 
hätte, dafür nur durch Eroberungen in Deutſchland entſchädigt 
werben konnte. Diefe Unterhandlungen erfüllten außerdem 
Schweden mit Mißtrauen. Graf Münfter war zwar den Unter- 
Handlungen mit Schweden gleichfalls geneigt, indem er bavon 
einen unmittelbar günftigen Einfluß auf die Befreiung Deutſch⸗ 
lands erwartete, um fo weniger jedoch fonnte er eine Ver— 
einigung mit Dänemark wünfhen, da bie bemfelben nur in 
Deutfepland anzuweifende Entfepädigung mit feinen eigenen 
Planen und Erwartungen für das Welfifhe Haus unvereinbar 
ſchien. Diefe Plane des Grafen Münfter waren mit Hinblid 
auf bie bevorſtehende, ein Vierteljahrhundert fpäter eingetretene 
Trennung ber Kronen Großbritannien und Hannover entworfen; 
fle betrafen nichts Geringeres als die Bildung eines Welfiſchen 
Reihe zwiſchen der Schelde und Elbe, welches die ganzen 
Niederlande, Weffalen und bie alten Befigungen des Haufes 
umfaffen follte; er hatte biefen Plan, wodurch das im Jahre 
1180 Heinrih dem Löwen wiberfahrene Unrecht wieder gut 
gemacht werben ſolle, ſchon im Jahre 1809 ben Engliſchen 
Miniftern vorgelegt; jegt da in Folge ber Ruſſiſchen Siege ber 


238 


günftige Zeitpunkt gefommen ſchien, Iegte er am Tien December 
1812 ihn zugleich dem Regenten und den Englifchen Miniftern 
vor, und forberte beide auf ihn ins Leben zu rufen. „Das 
Haus Eurer Königlihen Hoheit, fagte er, iſt das ältefte ber 
Beltz es befaß früher den ſchoͤnſten und größten Theil Deutfch- 
lands, warb deſſen ungerechter Weife beraubt, und Tann barauf 
gerechte Anſpruche machen, ba bie Zeit niemals Handlungen 
der Ungerechtigkeit heiligen fann. Die Zeit if gefommen, um 
die Ungerehtigfeit ber Vorzeit gut zu machen. Das ganze 
Land von ber Schelde zur Elbe, von ber See bis ins Her 
Deutſchlands if ohne gefegmäßigen Herrfcher, es würde glüd« 
lich feyn unter Ihrem Zepter zu Ieben. Das Welfiihe Haus 
iR zu allen Zeiten Beſchützer der Künfte und Wiffenfchaften, 
Gönner der politifchen und religiöfen Freiheit, Beförberer jeder 
Art von Bildung gewefen; es hat große Feldherrn und Staate- 
männer hervorgebracht; es ift in biefen Testen Unglüdszeiten 
das einzige Haus gewefen, welches ſich nicht durch einen Bund 
mit dem glüdtichen Verbrecher befledt, noch fih dur Annahme 
feiner Orden herabgefegt hat. Es ſteht in Eurer Königlichen 
Hoheit Macht Ihrem erhabenen Haufe ein neues Erbe zu er⸗ 
werben, worin es regieren kann wenn ber Lauf der Ereigniffe 
die Großbritannifche Krone in ein anderes Haus bringen wird, 
und ein neues Reich zu gründen, befien Völker ihren Stifter 
noch in ben fpäteften Zeiten fegnen werben.” Zur Ausführung 
des Planes empfahl er ben Herzog von Yord, welcher bamit 
einverftanden, vom Soldaten und vom Volle geliebt, von un- 
erſchutterlichen Muth fey, eine tiefe Kenntniß von ber Bil- 
dung eines Heeres befige, und deſſen Feldherrnruf mit Unrecht 
wegen bes Unglüds am Helder in Zweifel gezogen werde, da 
nicht er fondern General Abercrombie bafür verantwortlich ge= 
weſen fey. 


239 


Der Regent erflärte fih mit dem Inhalt diefer Denkfchrift 
einverfianden, und befahl feinem Minifter Abſchriften derſelben 
dem Ruffifhen und dem Schwediſchen Gefandten mitzutpeilen. 
Münfter ſchrieb deshalb auch an Stein und fuchte mit Geneh- 
migung bes Regenten in Briefen vom 10ten December und 
ausführlicher am Aten Januar Stein, mit Widerlegung deſſen 
eigener Anfichten, für den Plan zu getwinnen. Uber beide 
waren in biefem Punkte unvereinbar. Munſter feit vielen 
Jahren dem Feſtlande entfremdet, hatte bie großen Berände- 
rungen welde in Deutfhland feit 1806 vorgegangen waren 
und auf die Gemüther aufs lebhafteſte einwirkten, nicht als 
Augenzeuge mit erlebt; er fannte nur aus Hörenfagen den 
Drud der Franzöffhen, Weſtfaͤliſchen und Rheinbundherr⸗ 
ſchaft und den ihr entgegenftehenden tiefen Haß und Abſcheu 
im Bolfe; er hatte von Preußen nur die alten Anſichten eines 
Hannoverſchen Minifters, dem die Ernenerung und Bereblung 
des fdhwergeprüften Staates ganz entgangen war; er fand 
nichts dabei zu erinnern, daß Rußland fein Reich bis an bie 
Weichſel vorrüde, welde ihm im Gegentheil für feine Thaten 
wohl zu gönnen ſey; er glaubte nicht an Wittgenſteins ſchnelles 
Borrüden bis an bie Oder; er wollte die Befreiung Deutſch⸗ 
lands mit Hülfe der Fürſten bewirken, ohne bie er fie für 
unmöglih hielt, die Zahl der Legteren auf einige größere 
Maſſen befepränfen, ihnen in der neuen Verfaflung bie feit dem 
Weſtfaͤliſchen Frieden geübten Vorrechte belaffen, und durch 
eine Verſtaͤrlung der Kaiſermacht eine groͤßere Einheit des 
Bundes hervorbringen. Man darf Munſter dasjenige was ſich 
von dieſen Anſichten nicht bewaͤhrt hat, nicht zu hoch anrechnen, 
da fie in einem Hauptpunlte ſelbſt von Gneiſenau geteilt 
worden zu feyn feinen, ber in feinem Mißtrauen gegen Preu- 
hßens Theilnahme und Ausdauer fo weit ging, daß er in einem 
Briefe am 2ten November 1812 ' Münfter aufforberte, England 


240 


ſolle mit einem Landungsheer in Norddeutſchland auftretend, 
Alles für ſich felbft erobern, bem Lande die Engliſche Ber- 
faffung geben, und es fih einverleiben als mitgewinnenden 
Theil des Brittifhen Reihe. Stein hingegen fah Deutſch- 
lands Zufunft in Preußen; er Fannte deſſen fittliche und geiſtige 
Kraft, Preußens Erhebung war der Grundgedanke feiner Seele, 
und bei aller Unzufriedenheit und heftigen Aeußerungen im 
Einzelnen war die Liebe zu dem Preußiſchen Königshaufe mit 
feinem Herzen verwachfen — wie er einft fpäter einem andern 
Staatsmann fehrieb:* „Euer Excellenz finden und getrennt 
durch Glauben und Preußenthum, das hieße geſchieden für 
Zeit und Ewigleit.“ — Eben fo wenig warb Stein durch 
Münftere Gründe von der Wohlthätigfeit des Schwediſchen 
Einfluffes überzeugt, und wenn es auch wahr if, was von der 
Verbreitung einer gleihmäßigen Bildung aus fo vielen Mittels 
punften Fleiner Deutfcher Landſchaften gefagt wird, die Frage 
über die Zweckmaͤßigleit des fpäter eingefchlagenen Weges — 
alle die Heinen Fürften, felbft des Rheinbunds, theils mit ihrem 
Raube bereichert und in ihren Souverainetätsrechten wenig 
beirrt anzuerfennen, und ihnen zu gefallen eine Deutſche Bun⸗ 
besverfaffung ohne firenge Einheit und ohne Gewähr der Unter- 
thanenrechte herzuftellen, — biefe Frage hat Münfter, durch 
die Erfahrung feines eigenen Lebens belehrt, im Jahre 1827 
mit voller Meberlegung ? bahin beantwortet: baß ber König von 
Großbritannien, in einem gleichen Falle wie 1814, fegt nicht 
mehr geneigt feyn würbe dahin zu wirfen, daß ben Deutfhen 
Fürften eine volle Sonverainetät zugeflanden werde‘. Damals 
aber ſchloß er feine Auseinanderfegung mit folgenden Bemer- 
kungen: 


„Ein Poffenfpiel fol gewiß nicht aus unferm Kampf 
hervorgehen — aber warum Sie -Tieber ins Privat-Leben zu- 


241 


rüdtreten — lieber ben Tobtengräber ald ben Arzt unferer 
Berfaffung machen wollen, — das verfiehe ich nicht. Laſſen 
Sie ung doch nicht nach dem greifen, was vielleicht theoretiſch 
wunſchenswerth feyn mögte, und bagegen das verlieren was 
practiſch erreihbar if. Wenn Sie einen Englifhen Author 
über unfere Verfaſſung zu Rathe ziehen, fo antworte ich Ihnen 
dur ben Mund eines andern: that the practical blessing of 
a Constitution is frequenily Ihe inverse ratio of its theorelical 
beauty. Die Anwendbarkeit Baubanfher und Montalambert- 
ſcher Befefligungs- Theorien auf alte Nitterburgen haben wir 
leider neuerbings bei Burgos zu unferm Nachtheil erfahren, 
und vielleicht wird Bonaparte uns noch jegt die Kraft feines 
NhHeinbundes fühlen machen. Der Sinn ber in bem über- 
fandten Geift der Zeit herrſcht, und deſſen Verfaſſer ſchätze 
ich ſehr; ich glaube aber, daß ber Weg ber Verbefferung den 
ich vorfchlage ung zum Zwed führen fann, und daß bei Ew. 
Excellenz Umwälzungs-Borfcplägen die Gefahr eintreten würbe 
Alles zu verlieren. . 

Sie fagen dag Ihnen die Dynaftien gleich find! Mir find 
fie es nit. Es herrſcht in ihnen ein Geift den man durch 
Zahrhunderte verfolgen kann. Lefen Sie was 3. Müller in 
feinem Fürftendund über das Guelphifhe Haus fagt: „Soll 
ih des Ruhms ber Guelphen gebenfen, deren ungebeugter 
Heldenfinn ihren Namen zum Signal ber Freyheit? gemacht 
bat u. ſ. w.“ Selbſt England if nie fo frey als unter ben ' 
drei Georgen gewefen, und ber vierte bringt benfelben Sinn 
auf den Thron. Vergleichen Sie bamit den Preußiſchen Prügel 
und Ladeſtock! Ich verehre Friedrich den Großen, aber Er hat 
den Ruin Teutſchlands durch feine Vergrößerung herbeygeführt 
und ben feines Staats dadurch, daß er einen Körper gezeugt 
hatte, den nur ein großer Geift beleben konnte, der mit Ihm 


ſchied. Als ich dem Regenten bie erwähnte Stelle Ihres 
Stein's Leben. II. 2te Aufl. 16 


212 


Briefes zeigte, fagte Er: wenn Stein bie Dynaftieen gleihgüftig 
find, warum nennt er nicht ung flatt Preußen? die Frage 
mögte au ih thun. Laſſen Sie ung doch auch für unfere 
eigene Lebengzeit forgen. Warum an ben König von Preußen 
denfen, dem Sie glei drey Hofmeifter zugefellen, und fein 
Militair nehmen müffen um ihn unfhädlih zu machen. Ich 
fenne bie genannten Hofmeifter nicht (bis auf Scharnhorft dem 
ich Gerechtigkeit widerfahren Yaffe), bie zwey Andern ſchildern 
mir rechtliche Männer hier als unpaffend für den Zwei. Auf 
die Art hätten wir nun ſchon einen Herm für Nord» Teutfch- 
land, unter einer Tutel, und nad früheren Vorfclägen, einen 
Feldherrn ohne Kopf und Character, ber auch durch ein Eon= 
feil geleitet werden follte. 

Ich bitte Ew. Ercellenz zu bedenken, daß wir und bei 
meinen Vorſchlägen die Hände nicht binden um alle nüglihen 
Veränderungen hervorzubringen, baß aber ber Ihrige Defter- 
reich mit ganz Teutſchland zu bereichern, ganz Europa, inclufive 
Teutſchland; und der zweite, Teutfchland zwiſchen Oeſterreich 
und Preußen zu theilen, gewiß Rußland, England und Schwe- 
den und alle Nord-Deutſche gegen fi haben wird, die nicht 
an der Kriegsräthlihen und Auscultanten und Affefforen Re- 
gierungsfucht des Preußifhen Syſtems — in dem man nie 
glauben wollte: che governa meglio, chi men governa — 
gewöhnt find. Jener Gedanke würde die Teutfhen aber fo 
fehr, als die unglückliche Idee abfhreden, für Dänemark eine 
Entfhäbigung für Norwegens Verluſt in Teutfhland erobern 
zu wollen. 

Hier haben Sie meinen vollen Beifall: pourquoi celle 
puissance ne cesseroit elle d’exister? 

Preußens Mat lebt nur noch in der Erinnerung. Sie 
mag zwiſchen der Weichfel und Elbe ald Macht der zweiten 
oder britten Größe aufftehen. Warum folte Rußland nicht 


243 


die Weichfel als Lohn feiner Thaten erhalten? warum follte 
Preußen in früheren Friedensfhlüffen abgetretene Befigungen 
zurüd erhalten, um ben Kreis feiner Berationen auszubehnen 
und um mit Sranfreih zu intriguiren, Bedenken Ew. Excel- 
lenz dagegen was id über die Bildung eines großen Staats 
zwiſchen ber Elbe und dem Rhein, aus herrenlofen Befigungen 
gefagt babe. In biefer Gegend wollte man bie Schablos- 
haltung für Norwegen finden, dafür wird uns Dänemarf’s 
Unverfland und der Widerwille der Teutſchen hoffentlich be— 
wahren. 

Was Em. Excellenz über den ſchädlichen Einfluß der Höfe 
fagen, fiimmt mit meiner Erfahrung und Weberzeugung nicht 
ganz überein. Ich habe ſehr Tange an großen Höfen gelebt, 
und ich fenne viele Heine. Mir haben flets die Sitten in den 
Dörfern verderbter als die Cirfel höher gebildeter Menſchen 
gefhienen, und ih fann wenig Unterfhied barin finden, ob 
man um bie grandes enirdes, oder über ben Vorfig bei einer 
firhlichen Viſitation intriguirt; 0b man einem Füͤrſten oder 
einem Departementö-Präfeeten fhmeichelt um zu feinem Zwed 
zu gelangen. Wenn ein Unterfhieb fattfindet, fo Tiegt noch 
vieleicht im höheren Gegenftande, ber Leidenfchaften reizt, etwas 
weniger Berächtliches. 

Auf der andern Seite laſſen Sie und nicht außer Acht 
laſſen, wie viel Wiffenfhaft, Eultur und Wohlſtand dur die 
Bermehrung der -Eentralpuncte, wo bergleichen gefhägt wird, 
ober von wo fie ausgehen, gewonnen haben. Wo ift ein Land 
das fih mit Teutfhland in Wiſſenſchaftlicher Rüdfiht ver— 
gleihen könnte; haben dazu bie Höfe der Teutfhen Fürften 
nicht beigetragen? Hatte in alten Zeiten Griechenlands Bil- 
dung und Glüd nicht zum Theil jene Theilung in kleinere 
Staaten zum Grunde? Dod ich will mid nicht weiter aus— 
dehnen. Ich Habe mich nur rechtfertigen wollen, daß ih auf 

16* 


244 


fein Poffenfpiel denke, wenn ich dagegen bin, daß unter den 
jegigen Umftänden die Vereinigung Teutfhlands unter Einen 
oder unter Zween Herren verfucht werbe. 

Bei allem Widerfpruch bleiben Ew. Ercellenz von meiner 
aufricgtigen Hochachtung und Freundſchaft verficert. 

€. Graf v. Münfter. 

P. S. den 5ten Januar. 

Ich Habe eine Abſchrift meines Memoird auf Befehl des 
Regenten ſowohl dem Grafen Lieven als auch dem Schwebifchen 
Gefandten zugeftellt .... Vergeſſen Euer Ercellenz nicht, wenn 
Sie meine Vorſchläge prüfen, dag die Krone Großbritanniend 
nah des Prinzen Tode aus der Braunfhweigifhen Familie 
gehen wird, und daß biefes Haus in Gefahr fleht wegen feines 
Kampfes für die Sache Europa's dann Alles verloren zu haben.“ 


Aber für Münfters Plane war es ſchon damals zu fpät. 
Der günftige Augenblid war verfäumt, und der von Often her 
zurüdbraufende Kriegesfturm verwehte Entwürfe, welde ber 
Einigung und Kräftigung Deutſchlands ein neues ſchweres Hin- 
derniß entgegengefegt haben würden. Das Ruffifpe Heer war 
bereit an ben Gränzen angelangt, der General v. Yord hatte ſich 
mit ihm vereinigt, die Umgeftaltung Europa’s hatte begonnen. 


Der Öeneral von Yord. 

Yords Tpat war nicht die raſche Frucht eines Augenblide 
gewefen. 

Gleich bei ber erſten günftigen Wendung bes Feldzuges 
hatte Kaifer Alerander ben König von Preußen in Kenntniß 
gefegt und zu gemeinfchaftlihem Handeln aufgefordert, Am 
2iften October fl fi 
Tfien Rovember machte der Kriegsgouverneur von Riga General 
v. Effen dem General dv. Yord Mittbeilung über den Sieg 
von Tarutino, die Wiedereinnahme Mosfaus, Napoleons Rüd- 


245 


zug. „Er mag fih wenden wohin er will — ſchrieb er — 
auf alle Wege wird er zum Kampfe aufgefordert werden, die 
ſchönſten Hoffnungen beleben nicht nur die Anftrengungen unferer 
Armee fondern des vereinten Ruſſiſchen Volkes, welches am 
gegenwärtigen Krieg den Iebhafteften Antpeil nimmt, Was 
werben biefe Nachrichten auf die Maßregeln Ew. Erxcellenz 
vor eine Wirkung mahen? Es hängt von Ihnen ab durch 
einen fühnen Entſchluß die Feſſeln Ihres Königs und Ihres 
Baterlandes zu zerbrechen. Arretiren Sie den Marfchall Mac— 
donald, den General Camperdon fammt der ganzen Franzöfie 
ſchen Klide in Mitau, und geben Sie mir ſolche in Verwahrung; 
ziehen Sie alsdann mit denen Ihnen anvertrauten Truppen 
nad Preußen, die Stimmung dort ift mir nicht unbefannt, 
das Beifpiel eines Mannes wie Sie wird Ihre brave Lande. 
Teute bewegen die Hülfe ber Furcht und Unentſchloſſenheit von 
ſich zu werfen; Napoleons gegenwärtige kritiſche Lage bietet 
Ew. Excellenz die unzweideutigſten Mittel, der Retter Ihres 
Vaterlands und vieleicht ganz Teutfhlands zu werden; Sie 
haben viel, unendlich viel zu gewinnen, und bei dem Bewußt- 
ſeyn eine große edle That zu unternehmen, Nichts zu vers 
Tieren. Der Entſchluß Ew. Excellenz mag ſeyn welcher er wolle, 
auf jeden Fall erſuche ich Sie diefen Brief Sr. Majeftät dem 
König zu fhiden; es iſt möglich daß ih in den Fall fäme mid 
auf felbigen beziehen zu müflen.” 


York fäumte nicht die gewünfchte Meldung zu machen und 
erbat ſich Verhaltungsbefehle; aber die gänzliche Unfenntniß bes 
wahren Zuftands der Dinge worin Napoleon feine Bundes— 
genoſſen Bielt, verhinderte die Möglichkeit eines Entſchluſſes 
ſelbſt als die große Armee in voller Auflöfung der Gränze 
zueilte. Auf Alexanders Befehl feste Effens Nachfolger Pau- 
lucci und in Graf Wittgenfleins Auftrage der Fürft Repnin 


246 


die Mittheifungen fort und forderte York unter Hinweifung auf 
La Romana's Beifpiel zum Uebertritt und zunähft zu einer 
geheimen Zufammenfunft auf. 

Yord ſchwankte lange ob er den Brief beantworten folle, 
ihn beſtimmte die Erwägung, daß ein gänzlihes Stillſchweigen 
die in Rußland herrſchende Partei gegen Preußen aufbringen 
und für den Staat bei einem möglichen baldigen Frieden höchſt 
nachtheilige Folgen haben könne. Er lehnte die Zufammen- 
kunft als gefährlich ab und erwiebderte dem Marquis Paulucei: 
Niemals dürfe der durch Erfahrung gereifte Ehrenmann das 
geheifigte Intereffe feines Königs und feines Vaterlandes durch 
eine eigenmächtige ober voreifige Handlung aufs Spiel ſetzen; 
Romana's Beifpiel paffe nicht auf ihn, da dieſer General mit 
feiner eigenen und des Alliirten Regierung völlig im Reinen 
gewefen fey; dergleihen Dinge müßten alfo durch die Eabinette 
abgehandelt werben. 

Einverftanden mit diefer Gefinnung machte Paulucci am 
Aften December neue Mittheilungen: Der Augenblid zur Ente 
ſcheidung für König und Vaterland fey da; übernehme Preußen 
die Aufgabe die erbuldeten Beleidigungen zu rächen, fo werbe 
die Lage des neuen Attila verzweifelt. Aleranders einziges 
Ziel feg die Freiheit der Europäifhen Bölfer und befonders 
feiner Nachbarn; dieſer Grundfag an fih, welchen dem Kaifer 
fein eigener Vortheil vorfchreibe, fey eine ſichere Buͤrgſchaft 
für Preußen, und die perfönliche Freundſchaft welde der Kaifer 
dem König geweiht habe und feine weltbefannten Grundfäge 
der Geſetzlichkeit entfernten jede Befürchtung über bie Anwen- 
dung des Uebergewichts welches Rußland in diefem Augenblid 
ergreife, fo wie über feine Ausdauer mit ben Berbündeten 
felbft im undenfbaren Fall des Unglüds. Demzufolge forderte 
Paulucci den General auf mit ihm alsbald einen Vertrag ab- 
zuſchließen, der auf die gegenfeitigen Vortheile ihrer Herrſcher 


47 


gegründet, diefen und zunähft dem Kaiſer Alerander zur Ge— 
nehmigung vorgelegt werde. 

Diefe Aufforderung erhielt York, als er wegen pflicht- 
mäßiger Beſchwerden über die ſchlechte Verpflegung feiner Trup⸗ 
ven mit dem Marfhall Macdonald in ein fehr gefpanntes 
Verhaͤltniß gerathen war, das bei dem Mißtrauen der Franz 
zofen gegen den felbftändigen fräftigen Charaster und die 
politifcpe Gefinnung des Generals leicht zu einer Gewaltthat 
führen konnte. Indem er diefe Durch befonnene Teidenfchaftlofe 
Sprache gegen den Marſchall abwendete, und durch eine paffende 
Antwort an Paulucci Zeit gewann, verlor er feinen Augenblick 
Befehle einzuholen. Er fandte feinen Abjudanten den Major 
von Seydlig, dem wir das Tagebuch diefes Feldzuges ver- 
danken, von Mitau nah Potsdam um ben König in volle 
Kenntniß der Dinge zu feßen. „Ohne alle Inftructiong, ſchrieb 
er am 4ten December, ohne den geringften Fingerzeig konnte 
ich nur meinen eigenen Anfichten folgen, und wuünſche ich nichts 
fehnliher als dag E. M. den von mir getroffenen Ausweg 
biffigen werben, ber mir für E. M. mir bis and Ende meines 
Lebens allein heilig bleibendes Sntereffe, eben fo zweckmäßig 
als nothwendig fehien.” Nachdem er den Gang der Berhand- 
Tungen dargeſtellt hat, fährt er fort: 

„Geftern erhalte ih aber das in Driginal beigefügte 
Antwortſchreiben vom Marquis Paulucci: was mich in große 
Berlegenheit ſetzt. Ich eile jegt E. K. M. bie Lage ber Sache 
treu und offen zu melden, weit entfernt mich babei in politifche 
Bemerkungen einzulaffen, von bemen ich nichts verſtehe und 
die fih auch nicht für meine feige Tage paſſen. 

Ich wieberhole nur den Wunſch, daß E. M. auch biefen 
Schritt ald einen Beweis meiner Treue huldreichſt aufnehme. 
Den Marquis Paulucci werde ich mit einer nichtafagenden Ant: 
wort binhalten. 


248 


Uebrigens hat bis diefen Augenblick feine menſchliche Seele 
etwas von meiner Correspondenz ahnden fönnen, weniger da= 
von gewußt, da ich alles felbft geſchrieben und alles durch 
gelegentliche Parlamentaird gegangen iſt. Nur in meiner gegen- 
wörtigen Lage wo ih Gewaltfireihe fürchten mußte, ſah ich 
mic) genöthigt den Weberbringer diefes Major v. Seyblig, der 
bereits 12 Jahre mein Vertrauen befigt und es nie gemiß- 
braucht hat, zum Mitwiffer der Sache zu machen, im Falle 
nemlich E. 8. M. ihm eine mündlihe Antwort zu ertheilen 
geruhen wollen, wobei ih mich zugleich für ihn verbürge.“ 


Da das Corps von Napoleon ohne alle Nachricht gelaffen 
noch immer in Curland zurüdblieb und die Befagung Riga’s 
von ber Teilnahme an ber Verfolgung der Franzoſen abhielt, 
fo ſchrieb Paulucci am Aiten December: Der allgemeine 
Kriegsplan erheiſche gebieterifh feine Mitwirkung, er würde 
daher feit drei Tagen angegriffen haben und habe ed nur in 
Hoffnung auf den Entſchluß des Generals unterlaffen; er Fönne 
nicht Tänger warten, nun ſey er in größter DVerlegenheit ſich 
gegen Truppen zu fhlagen, die nach beiderſeitiger Ueberzeugung 
bald nur daſſelbe Ziel haben würden; ein günftigerer Augen- 
blick fur Preußen fih von feinen Unterbrüdern zu befreien 
werde nicht erfcheinen, fondern es das Schidfal Piemonts 
haben, welches in der Zeit unterjodht warb, als fein Herrſcher 
feinem ehrfofen Verbündeten ein Hülfscorps zugeftanden, und 
gerade in bemfelben Augenblick als es ihm feine Feflungen 
Zeughäufer und Magazine geöffnet hatte, Er fey bereit fi mit 
ihm zu verbinden, York möge fih an die Spige bes Preu— 
hiſch ⸗Ruſſiſchen Heeres fegen und in Preußen einrüden; follte 
er es jedoch nicht auf fih nehmen wollen den. Abfehluß des 
nach beiderſeitiger Ueberzeugung bevorftehenden Bündniffes vor- 
weg zu nehmen, fo möge er fi wenigſtens nicht ben für den 


249 


gemeinfamen Vortheil nothwendigen Bewegungen der Ruffen 
widerfegen, fondern fi, unter dem Vorgeben Preußen zu 
deden, gegen Memel ziehen. Sollte jemals ber König nicht in 
der Rage feyn ihn gegen Franzoͤſiſche Berfolgung fehügen zu 
fönnen, fo verbürge ihm der befannte Character Aleranders 
eine fihere und ehrenvolle Zuflucht in Rußland. 

Am 15ten December fandte Paulucci den Major Grafen 
Dohna, der den Preußiſchen Diegft verlaffen hatte um gegen 
die Franzoſen zu fechten, und drang auf Antwort, Am 49ten 
und 2Oflen brach enblih das Corps zum Rüdzuge auf; Mac— 
Donald führte die vordere, York die folgende Abtheilung; man 
ſuchte fih in der furdtbaren Kälte unter Entbehrungen mander 
Art und vom Feinde verfolgt der Gränze zu nähern. Am 
22ften December ſandte Paulucci den Grafen Dohna mit einer 
neuen Botſchaft: Yord feine nur auf Zeitgewinn auszugehen; 
er möge den Augenblid benugen, und da das Kriegsglüd ihm 
den Rüdzug nicht geflatte, entweder unter Vorbehalt der Ge— 
nehmigung beider Herrſcher einen Vertrag ſchließen und ſich 
mit den Ruffen vereinigen, oder falls er dieſes nicht auf ſich 
nehmen fönne, einen zweimonatlihen Waffenftillfiand eingehen, 
nah deſſen Ablauf er fih zum Preußiſchen Heere ziehen 
fönne. Das Benehmen bed Generals in Eurland, die Liebe 
und Achtung die er von Seiten ber Einwohner erworben, fein 
kriegeriſcher Ruf und bie Zuneigung feiner Truppen flößten die 
lebhafteſte Theilnahme für ihn ein; doch müßten ohne weiteres 
Zaubern die Bewegungen der Ruſſen gegen ihn fortgefegt 
werben, 

Der Marquis unterſtützte diefe Aufforderung durch Mit- 
theilung eines Schreibens, welches der Kaiſer vor der Abreife 
von St. Petersburg an ihn erlaffen Hatte: 


Der. 18. 


250 


„General. Ich habe mit Theilnapme Ihre Depefche vom 
30ſten November gelefen und Tann die von Ihnen an ben 
General Yord gerichteten Bemerfungen nur billigen, Es wäre 
möglich daß diefer General bei ber Rückkehr feines Couriers 
nad Berlin Ihnen das Verlangen bezeugte, mehr im Einzelnen 
meine Anfihten zu kennen über die dem König von Preußen zu 
verfhaffenden Bortheile, falls er ſich entfeplöffe mit ung gemeine 
Sade zu machen. In biefem Falle antworten Sie ihm, daß 
ich bereit bin mit dieſem Fürften einen Bertrag zu fließen 
worin biefe Bortpeile ausgemacht würden, und woburd ich 
gegen ihn bie Verpflichtung übernähme die Waffen nicht eher 
nieberzulegen als bis es mir gelungen wäre, Preußen eine fo 
beträchtliche Gebietsausdehnung zu verſchaffen, daß es unter 
den Europäifhen Mächten die Stelle wieder einnähme welche 
es vor dem Kriege von 1806 behauptete, Ich ermächtige Sie 
dem General Yord diefe Eröffnung fey es mündlich ſey es 
ſelbſt schriftlich zu machen, je nachdem Sie es für nothwendig 
halten werben. 

Empfangen Sie General die Berfiherung meiner Gefin- 
nungen. 

St. Petersburg den 6ten December 1812. 

Alerander.” 


Diefes Schreiben mußte für ben General von großem 
Gewichte ſeyn, es enthielt die unumtmunbene Berfiherung deren 
der König bedurfte, und ber Kaifer ließ es babei nicht beivenden. 


Bon der Größe feines Berufs durchdrungen, eilte Alerander 
nah Wilna. 

Sofort nad feiner Ankunft ergriff er bie zwedmaͤßigſten 
Mittel um bie tiefen Wunden welche ber Krieg feinem Lande 
gefhlagen hatte zu mildern. Mit völliger Nichtadhtung ber 


251 


Gefahr drang er in ben vergifteten Dunfifreis ber Faulfieber- 
lazarethe und brachte perfönlih ben franfen und verwundeten 
Franzoſen augenblidlihe Hülfe. Er verzieh feinen Polnifhen 
Untertanen ihren Abfall, und bahnte fih durch diefe Großmuth 
und bie Achtung welche er den Polen erzeigte den Weg zur 
Einnahme des Herzogthums Warſchau. 

Er eröffnete feinem Heere den Entſchluß, den Krieg bis 
au Erfämpfung eines geſicherten Friedens fortzufegen und ben 
Völfern welche mit Napoleon verbündet Rußland angefallen 
hatten in ebler Bergeltung die Freiheit zu bringen. Demgemäß 
wurde ben Ruffifpen Truppen durch die Feldherren bei Ueber— 
ſchreitung der Oränze die firengfle Mannszucht und Achtung bes 
Eigenthums zur Pflicht gemacht; Graf Wittgenftein verfündigte Der. = 
daß jede Gewaltthat auf der Stelle mit dem Tobe beftraft und " 
die befehligenden Dffiziere den Kriegegerichten übergeben wer- 
den follten. Der erfte Aufruf erging an die Preußen. Witt: 
genſtein ertheilte ihnen bie Verfiherung, nicht als Feind, nicht 
als Eroberer zu fommenz das Land folle nah bem Kriege 
wieder geräumt werben, es möge Commiffaire ernennen, welche 
ſich mit ihm über die Verpflegung verabredeten und Duittungen 
darüber empfangen follten; Preußen möge mit den Ruffen ver— 
bündet feine Unabhängigkeit erfechten. In demfelben Sinne und 
mit noch größerem Anfehen ſprach der Oberfeldherr Kutuſow, und 
eine Belanntmahung an die Preußen bot als öffentlicher Aus- Der. 21. 
drud des Raiferlihen Willens, dem König wie dem Lande bie 
Buͤrgſchaft, der fih nach ſolchen Vorgängen vertrauen ließ. 


„Bekanntmachung. 

Indem ich die unter meinen Befehlen ſtehende Armee über 
Preußens Grenze vorrüden laſſe, erhalte ih von Seiner Majeftät, 
dem Kaifer meinem Herrn, ben Auftrag, hierdurch öffentlich zu 
erflären, daß diefe Maasregel nur als cine unvermeidliche 


252 


Folge ber Kriegsoperationen angefehen werben foll: Stets treu 
dem Örundfage, ber zu jeder Zeit die Handlungen Sr. Majeftät 
beftimmte, werben auch jest Allerhöchſtdieſelben durch feine 
Eroberungsluft geleitet. Selbſt nach dem entfeidendfien Er— 
folge mit welchem die göttliche Vorſehung die Anftrengungen 
fegnete, welche Se. Raiferlihe Majeftät rechtmäßigerweife machte, 
verbleiben Allerhöchftbiefelben bey benfelben Gefinnungen ber 
Mäßigung, welche beftändig den Character der Politik dieſes 
Monarchen bezeichnet haben. Unabhängigfeit und Frieden wer- 
den die Refultate derfelben feyn. Se. Majeftät der Kaifer 
bietet diefe nebft feinem Beiftande allen denjenigen Völfern an, 
welde bis jest hingeriffen waren gegen ihn zu gehen, fobald 
fle Napoleons Sache verlaflen, um bie zu ergreifen, welde ihr 
eigenes wahres Intereffe heiſcht. Ich fordere dieſe Voͤller auf, 
von den glücklichen Ausfihten welche ihnen die Ruſſiſchen 
Armeen geöffnet haben, zu vortheilen und fih an biefelben an= 
zuſchließen zur Verfolgung eines Feindes, deffen Ohnmacht 
durch feine eilige Flucht bezeichnet iſt. 

An Preußen insbefondere ergehet meine Einladung. 

Die Abfidt Sr. Majeſtät des Kaifers if, dem Unglüd 
welches biefes Land drüdt ein Ende zu maden, dem Könige 
Beweiſe von feiner Freundfchaft zu geben, die er für denfelben 
hegt, und ber Monarchie Friedrichs ihren Glanz und ihre Aus— 
behnung wieberzugeben”. 

Der Raifer Alexander hofft, daß des Königs von Preußen 
Majeftät bewogen durch die Empfindungen, welde biefe unbe— 
fangene Erklärung erzeugen muß, in biefen Umftänden feine 
andere Parthei ergreifen werben, als biefenige welche das 
Intereffe feiner Staaten und [die] Wunſche feiner Völker in 
Anfpruch nehmen. 

In diefer Ueberzeugung hat der Kaiſer, mein Herr, mir 
den ausbrüdfichen und beftimmten Befehl ertheilt, den Preußi- 


253 


ſchen Provinzen nichts zuzumuthen, was eine zwifchen beiden 
Staaten befiehende Feindſchaft beurfunden fönnte, fondern viel« 
mehr zu ſuchen, in fo weit ed nur immer ber Kriegeszufand 
erlauben wird, bie Uebel zu mildern, bie für den Augenblid 
aus der militairifhen Befagung denfelben entſtehen fönnen. 
[ünterz.] Der Feldmarſchall Oberbefehlshaber der Armee 
Fürft Kutuſow Swolenskoi.“ 


Diefe Verheißungen, wie fie überall vor dem Ruſſiſchen 
Heere ber verbreitet und von entfpredenden Hanblungen be- 
gleitet wurden, eröffneten dem Preußifhen Volke und Heere 
eine heißerfehnte Ausfiht; aber fie reichten nicht hin für den 
Mann, dem bie Leitung ber Truppen von feinem Könige an« 
vertraut war. 

Für ihn bedurfte es um zu handeln der Gewißheit, daß 
der König feinen Schritt billige, daß er wenigſtens innerlich 
einverflanden fey, aud wenn bie Umftände für jegt noch eine 
offene Billigung verboten. 

Indefien war auch das Wittgenfteinfhe Heer gegen das 
rüdziehende Corps abgefandt, und eine von dem General 
dv. Diebitfch, einem gebornen Preußen, geführte Truppe warf ſich 
zwiſchen bie beiden Abtheilungen, und ſchnitt die Verbindung 
Yords mit dem Marſchall und der Gränze ab. In einer Zus 
fammenfunft am 25ften December erfuhr Yord das Schidfal 
der „großen Armee”; der Augenblid für einen Fräftigen Ent- 
flug war gefommen; wenn Preußen feine zukünftige 
Stellung in Europa nicht als fremdes Geſchenk em- 
pfangen follte, fo mußte gehandelt werben. 

York war des Augenblids würdig. Er beſchloß mit völ⸗ 
Tiger Hingabe feiner felbft, den König und bie Zufunft bes 
Baterlandes zu reiten. Indem er fi in Kleinen Märfchen der 
Preußiſchen Gränze näherte, fandte er am 27ften den Grafen 


254 
Hendel mit dem Bericht über feine Bewegungen und der An— 
zeige feines Vorhabens, um der Regierung einige Tage Frift 
für die nöthigen Mafregeln zu gewähren; ber mündlihe Be— 
richt über die Vernichtung des Franzoͤſiſchen Heeres follte den 
Schritt rechtfertigen und ber Regierung Muth und Kraft 
einflößen. 


nE. K. M. überreiche ich durch den Major Graf Hendel eine 
mit dem General Marquis Paulucci unterhaltene Gorrespon- 
denz, deren Gegenftand in ber gegenwärtigen Situation nicht 
unwichtig feyn dürfte. Ungewiß ob meine Anfihten und mein 
Benehmen den Allerhöchſten Intentionen E. M. angemeffen 
feyn wird, fubmittire ich meine Perfon willig und gerne jedem 
Ausfpruh meines erhabenen Monarchen. Der Graf Hendel 
wird E. K. M. mündlih das Detail von der Lage des Corps 
alleruntertHänigft vortragen. Seit zwei Tagen bin ich getrennt 
vom Marfhall Macdonald, ich glaube nicht daß ich wieder zu 
ihm ftoßen kann, und werde ih im Fall ich auf ein Ruffifhes 
Corps ftoße, bemüht feyn alles fo zu leiten, dag ih E. M. 
Truppen confervire, bie Ehre der Waffen nicht compromittirt 
wird, und E. 8, M. nad einem furzen Zeitraum eine freye 
Dispofition über das mir allergnäbigft anvertraute Corps haben 
werben. Wohin ich mir von bier aus mit dem Corps wenden 
werde, kann ich noch nicht beſtimmen, ba ih das Decorum 
beobachten muß. Aller Wahrſcheinlichkeit nach werde ih durch 
das Graf Wittgenfteinfche Corps von Tilfe abgebrängt wer⸗ 
den, und bin id fo eben willens mir gegen Memel zu ziehen 
um dort einen augenblidlihen Waffenſtillſtand zu ſchließen, 
ohngefähr in der Art wie der Marquis Paulucci ihn mir vor— 
gefhlagen Hat. Ich bin noch immer ohne allen Leitfaden, weder 
der Capitain v. Schad noch der Major v. Seydlitz find zu 
mir gefommen, ſelbſt von der Gränze habe ich feit 8 Tagen 


255 


gar feine Nachricht, meine Lage if wahrlich fehr peinlich, da 
ich beim beſten Willen fehlgreifen fann. Handle ih unrecht, 
fo werde ich meinen alten Kopf ohne Murten zu E. M. Füßen 
legen ; und der Gebanfe mir vieeicht die Unzufriedenheit E. M. 
zuzuziehen macht mich fehr unglüdlih, über alles Uebrige bin 
ich einig mit mir felöf. 

Borsfifh auf der großen Straße von Koltoniani nach 
Tauroggen den 27ften December 1812. R 

v. Dord.“ 


Am 29fen hatte der General eine Unterredung mit dem 
Oberſtlieutenant Karl von Elaufewig der gleichfalls im Ruſſiſchen 
Heere den Krieg gegen bie Franzoſen mitmachte, und erklärte 
feinen Entſchluß. Am folgenden Morgen erfpien der Mafor 
v. Seyblig aus Berlin, mit der Ernennung? des Generals 
zum Generalgouverneur von Preußen unter Beibehalt bes 
Commande’s, und berichtete daß ber König entfchloffen fey das 
von Napoleon fo vielfach verlegte Bündniß aufzuheben ſobald 
fh die politiſchen Verhältniſſe hinreichend aufgeflärt haben 
würden; doch Fannte man in Berlin weder bie völlige Auf» 
Töfung des Franzöfifhen Heers nod die Entſchließungen Defter- 
reiche. Auf biefe Kunde und des Majors Schilderung ber 
Franzoͤſiſchen Truppen in Königsberg ſchloß Yord an demſelben 
Tage in der Pofcherunfhen Mühle einen Vertrag, woburd er 
fih von den Franzofen trennte, feine Truppen für neutral er= 
Härte und Hinter der Ruffiihen Linie die Entſchluſſe des Könige 
abzuwarten verhieß. Diefer Schritt warb von ben Truppen 
mit Jubel begrüßt. Die vom General v. Maſſenbach befehligten” 
Truppen ſchloſſen fih dem Vertrage an, verließen den Mar— 
ſchall Macdonald und vereinigten fih mit ihren Gefährten. 
Der General kündigte feine That dem Könige durch den Major 


256 


dv. Thile, fpäteren Gabinetsminifter, an, und fandte einige Tage 
darauf eine ausführlihe Darlegung feiner Gründe nad: 


An Seine Majeftät den König. 

„Durch einen fpäteren Abmarfch wie der Marſchall, durch 
die vorgeſchriebene Marſchdirection von Mitau nah Tilfit blos 
um ben Rüdzug der Tien Divifion zu beden, durch böfe Wege 

“und endlich der ungünftigfien Witterung in eine höhft nach⸗ 
theilige Rage verſeht habe ich mich genöthigt geſehen, mit dem 
Kaiſerlich⸗Ruſſiſchen Generalmajor v. Diebitfh die Convention 
abzuſchließen, welche Eurer K. M. ich hiermit alferunterthänigft 
zu Süßen lege. 

Feſt überzeugt daß bei einem weitern Marfch die Auflöfung 
des ganzen Corps und ber Verluſt feiner ganzen Artillerie und 
Bagage eben fo unausbleiblih gewefen feyn würbe, wie bei 
der großen Armee, glaubte ich als Unterthan Eurer Majeftät 
nur noch auf Allerhöchſtihr Intereſſe und nicht mehr auf das 
Ihres Verbündeten fehen zu müffen, für den das Corps nur 
aufgeopfert worben wäre ohne ihm in feiner Lage noch wahre 
Hülfe zu leiſten. 

Eurer K. M. lege ich willig meinen Kopf zu Füßen wenn 
ich gefehlt Haben follte; ich würde mit ber freudigen Beruhigung 

“ fterben’, als treuer Unterthan und wahrer Preuße das Befte 
meines Baterlandes gewollt zu haben. 

Tauroggen den 30ſten December 1812. 

v. Vorck.“ 


“ An Seine Majeſtät den König. 

„Eurer Königlichen Majeftät melde ich unterthänigft, daß ich 
in Folge der mit dem Grafen Wittgenftein abgeſchloſſenen 
Convention mit dem meinem Commando anvertrauten Corps 
bis auf das Füfilierbatailfon des Regiments No. 3. einer Zuß- 


257 


und der halben 12pfünder Batterie, welhe mit einem großen 
Tpeil des Trains und der Bagage über Memel und ber 
Eurifen Nehrung zurüdgegangen waren, in unb bei Tilſit 
Eantonirungsquartier bezogen habe. Die 6 Bataillons Infan- 
terie, 10 Esquadrons Eavallerie und 2 reitende Batterien welche 
unter dem Generallieutenant v. Maffenbad mit dem Marſchall 
Macbonald vereinigt waren, find ſaͤmmtlich wieder zum Corps 
geſtoßen. Diefe Vereinigung if mit einer Klugheit eingeleitet 
und ausgeführt worden, wovon bie Geſchichte fein Beifpiel 
hat. Der Rittmeifter Graf Brandenburg wird €. K. M. den 
ſpeziellen Rapport darüber mündlid vortragen. Der General- 
lieutenant v. Maſſenbach hat fih fo weife und fo beflimmt 
dabei genommen, baß er die höchſte Achtung verdient,” 

Der Schritt den ich gethan, ift ohne Befehl E. M. ge- 
ſchehen; die Umftände und wichtige Entdedungen müffen ihn 
aber rechtfertigen, feld dann wenn meine Perfon in dem Drang 
politiſcher Rüdficpten verurtheilt werben müßte, In der Lage 
worin fih das Corps befand, war ed mit mathematischer Ge— 
wißheit zu berechnen, daß es durch gewaltfame Märfche und 
durch verzweiflungsvolles Schlagen wo nicht gänzlich vernichtet 
doch aufgelöft an die Weichfel fommen mußte. Der Rüdzug 
des Marſchalls der eine gänzlihe Flucht war, die legten Ge- 
fechte welche die franzöfifhen Generals noch anorbneten, bes 
fätigen das Geſagte und zeigen deutlich was zu erwarten fand. 
In biefer Alternative blieb mir nur der Weg offen ben id 
eingeſchlagen. 

Auf dem vaterlandiſchen Boden hätten E. M. Unterthanen 
ihr Blut für die Rettung der Banden, die das Vaterland ald 
Feinde und als Verbündete verwäftet haben, vergeuden mäffen, 
um dann noch ohnmächtiger die Feſſeln eines bis zum Wahn- 
finn eraltirten Eroberer zu tragen, So lange Napoleon noch 
eine Kraft in Deutſchland Hat, if die erhabene Dynaſtie E. M. 

Stein’s Leben. II. 2ie Aufl, 17 


258 


gefährdet: fein Haß gegen Preußen fann und wird nie er- 
Töfepen. Die aufgefangenen Briefe von Napoleon an Baffano 
werden E. M. zeigen, was von biefem Alliirten zu erwarten 
war. Wäre die franzöftfhe Armee nur noch fo ſtark, daß fie 
jest bei einer Negotiation das kleinſte Gewicht in die Wag- 
ſchale legen Fönnte, E. M. Staaten würben das Löfungspfand 
zum Frieden werden. Das Schidjal will es anders! E. M. 
Monarchie, obgleih beengter als im Jahre 1805, ift es jept 
vorbehalten der Erföfer und Befhüger aller Deutfchen Bölter 
zu werben. Es Tiegt zu Mar am Tage, daß die Borfehung 
diefes große Werk Teitet. Der Zeitpunft muß aber fhnell be- 
nugt werden, jest ober nie ift der Moment, Freiheit, Unab- 
hängigfeit und Größe wieder zu erlangen opne zu große und 
zu blutige Opfer bringen zu dürfen: in dem Eutſchluß €, M. 
liegt das Schidfal der Welt! Die Negotiationd welche E. M. 
Weieheit vielleicht ſchon angenäpft, werden mehr Gewidt er= 
halten, wenn E. M. mit einem entſcheidenden und fraftvollen 
Schritt vorangehen. Der Furchtſame will ein Beifpiel, und 
Defterreich wird den Weg folgen, den E. M. ihm vorbahnen. 
€ K. M. haben mic wie einen ruhigen, falten, fi nie 
in die Politik mifhenden Dann gefannt. So lange alles im 
gewöhnlichen Gange war, mußte jeder treue Diener den Zeit- 
umfländen folgen: das war Pflicht. Die Zeitumftände haben 
aber ein ganz anderes Verhältniß herbeigeführt, und es iR 
ebenfalls Pflicht, diefe nie wieder zurüdkehrenden Verhältniffe 
zu benugen. Ich ſpreche hier die Sprache eines alten bewähr- 
ten Diener; biefe Sprache ift die far allgemeine der Nation; 
der Ausſpruch E. M. wird alles von neuem beleben. und 
enthufiasmiren, alles wird fih als alte und rechte Preußen 
ſchlagen und der Tpron von E. M. wird für die Zukunft 
felfenfer und unerſchuͤtterlich daſtehen. 
Sind meine Anſichten falfh, fo waren es meine Hand« 


259 


lungen natärlih auch; fie find aber fo eingerichtet, daß fie auf 
feinen Fall den Willen €. M. hemmen können. 

Id erwarte nun ſehnſuchtovoll den Ausſpruch E. M., ob 
ich gegen den wirklichen Feind vorrüden foll, oder ob e6 die 
politifchen Berhältnifie erheifchen, dag E. M. mich verurtheifen. 
Beides werde ih mit treuer Hingebung erwarten, und ic 
fhwöre E. K. M. daß ich eben fo ruhig auf dem Sandhaufen 
wie auf dem Schlachtfelde auf dem ich grau geworben, die 
Nugel erwarten werbe: ich bitte daher E. M. um die Gnade 
bei dem Urtpeil was vieleicht über mid gefällt werben muß, 
auf meine fräßere Dienſte keine Rüdficht nehmen zu laflen. 

Auf welche Art e6 auch feyn mag, ich fierbe immer wie 

E. K. M. 
allerunterthänigfer und getreueſter Unterthau 
v. Yord, 
Tilſu den 3ten Januar 1813.“ 


Der General hatte im vollen Bewußtſeyn der Wichtigkeit 
und ſchweren Verantworilichleit einen Schritt gethan, wie ihn 
nur in ganz außerordentlicher Lage der Mann von feſtem 
Haren Blick und reinem ſtarken Willen unter Verlaäugnung 
feiner feibk für König und Baterland wagen konnte. Diefe 
Entwidlung war vorbereitet durch Napoleons tyrannifche Be⸗ 
handlung Preußens, durch das empörte Gefühl des ſittlich 
gereinigten und erhobenen Volls, das gewinnenbe Entgegen- 
kommen bes Kaiſers Alerander, durch die Stimmung der 
Truppen melde feit Jahren den Augenblick herbeifehnten um 
an ben Franzoſen die Schmach des Jahres 1806 zu rächen; 
fie wirkte wie ber erſte Blig beim Ausbrechen des Sturmes. 
Die gefeffelten Bölfer ahndeten darin die Wiedererpebung Preu- 
ßens, die Auflöfung des Rheinbundes, die Verjagung ber 
Branzofen aus Deutfhland, Nicht weniger würdigte auch 

17* 


260 


Napoleon die That: er erließ auf die Kunde davon am Aiten 
Januar den Befehl zur Aushebung von 350,000 Refruten in 
Sranfreih. Es ift übrigens eine merfwürbige Thatſache, daß 
bereits am 26ften December auf den Franzöfifhen Bureaur in 
Berlin allgemein erzählt wurde, bie Preußifchen Truppen hätten 
die Waffen weggeworfen und fih mit den Ruffen vereinigt — 
eine Nachricht die viele Ausbrüche heftigen Unwillens hervorrief. 

Die nächſte Folge war bie Befreiung der Provinz Preu- 
Ben. Macdonald verließ den Niemen und zog das Wittgen- 
fleinfhe Heer fih nad. Die Preußen, fagte Murat einige 
Tage fpäter, haben fih zum Bewundern tapfer gefhlagen und 
ihren Kriegsruhm feſt begründet; ohne Yords Capitulation hätte 
man fih am Niemen gehalten und im Frühjahr Frieden ge— 
ſchloſſen. Am Ziften December hatten ſich Franzoͤſiſche Offiziere 
angelegentlih nah ber Stärfe der Preußiſchen Truppen bei 
Berlin und Potsdam und nad dem Aufenthalt bes Königs er— 
fundigt, jegt wurden die Franzoſen von Schreden erfüllt; am 
Aften Januar verließ Murat durch die gereizte Volksſtimmung 
gewarnt Königsberg, bie Franzoͤſiſchen Truppen verhehlten ihr 
Uebelwollen nicht Tänger, in der Nacht zum 5ten Januar zogen 
fie ab und Czerniſcheffs und Rudigers Ruſſen rüdten ein. Die 
Regierung, im Hinblid auf Berlin, bemühte fih zwar bie 
Stimmung ber Provinz niederzupalten, aber nah Wittgenſteins 
Ankunft brach der Franzoſenhaß überall und befonders in 
Königsberg laut hervor, die Ruffen wurben als Befreier aufs 
Herzlihfte empfangen, und ber fehnfüchtige Wunſch fih mit 
ihnen zu verbinden war allgemein. Den Abfichten des Kaiſers 
gemäß verfuhren die Ruſſiſchen Befehlshaber mit der äußerften 
Rüdfiät; fie ließen alle Behörden in Wirffamfeit, die Königlichen 
Eaffen Magazine Kriegsmittel blieben unangetaftet, die Truppen 
beobachteten die ſtrengſte Mannszucht, ipr Betragen war nad 
den übereinfimmenden Berichten ber Präfidenten v. Auerswald 


261 


v. Schön ' Wismann freundſchaftlich und mufterhaft, während 
die rüdziehenden Franzoſen, von denen drei Viertel durch Froſt 
beſchaͤdigt waren, nach dem Zeugniß ber Randesbehörden Ber 
finnung Ordnung und Gehorfam gänzlich verloren hatten, auf 
dem Rüdzuge plünderten, Bieh und Pferde wegführten. Die 
Preußifhen Truppen welche der General v. Bülow gebildet 
und an die Weichfel geführt Hatte und bei feinem Tebhafteften 
Gefühl für die gute Sache, zur Berfügung des Königs frei 
hielt, behaupteten fi) unabhängig von beiden friegführen- 
ben Tpeilen. 


Während fo der rechte Flügel bis an und über die Weichfel 
gedrungen war, und bie Unterhandlungen mit Fürft Schwarzen- 
berg zu allmäligem Rüdzuge der Defterreicher Sachſen und 
Polen, Anfang Februars zur Räumung Warfhaus führten, war 
der Kaiſer Alerander mit dem Hauptheere am an Januar 
über den Niemen gegangen, und befahl das Herzogthum Wars 
ſchau als feindlihes Gebiet in Ruffifche Verwaltung zu nehmen. 

Am dritten Tage traf Stein bei ihm ein. 

Stein war aus St. Petersburg am Abend bes 5ten Januar 
abgereift. „Ih habe Petersburg mit Bedauern verlaffen, 
ſchrieb er an Kran v. Stein, und ich nehme daraus eine fehr 
danfbare Erinnerung mit für die wohlwollende Aufnahme die 
man mir bereitet, und für bie Zeichen von Güte und Freund- 
ſchaft die man mir während meines Aufenthalts und bei meiner 
Abreife gegeben hat. Die ganze Kaiſerliche Familie if außer: 
ordentlich gnädig gegen mich gewefen; ich bin davon tief durch: 
drungen, und ich werbe ihr durch die Gefühle tieffter Ehr- 
erbietung und Ergebenheit für das Leben verbunden bleiben. 
Der Raifer Hat fih Rechte auf die Bewunderung aller Men- 
ſchen erworben, welche freifinniger und edler Gefühle fähig find, 


1815 
Mai 12, 


262 


durch die Weisheit feiner Mafregeln, feine Beharrlihfeit wäh- 
rend ber großen Gefahr worin fein weites Reich fih gefunden, 
und bie Mäßigung womit er ſich feines Sieges bedienen wird. 
Diefe feine großen Eigenfchaften, und die bewundernswärbige 
Tpatfraft feines frommen und an feiner Unabpängigfeit fe- 
haltenden Volkes find es welde die große Umwandlung herbei« 
geführt haben, die fi fo eben unter unfern Augen begab und 
deren Gleichen vergebens in der Geſchichte gefucht wird.“ 

Steins Andenken blieb feinen dortigen Freunden auf immer 
teuer. Kotſchubey, Duwarow, Nowofllgow, der Herzog von 
Würtemberg, erfreuten ihn auch fpäter durch Briefe wie durch 
Beſuche in feiner Heimath, und vertrauten ihm ihre angelegent- 
lichen Wünfche und Hoffnungen. „Daß wir oft und viel an 
Eure Excellenz hier denken, ſchrieb Dr. Rehmann im Frühling 
1815, beweift Ihnen Folgendes: Uvaroff läßt in feinem Kleinen 
@ärthen einen Heinen Tempel Ihrem Andenfen geweiht fegen 
mit ber Auffchrift: Patrise columen, amicorum decus. Wir 
werden oft dahin wallfahren und und Ihre Gegenwart wunſchen. 
Aber Sie haben fih ſelbſt in der Bruſt jedes Deutſchen einen 
Tempel erbaut, der beftehen wird, fo lange man unfere Sprache 
ſprechen wird,“ 

Die Reife ging in Wagen, welche auf Schlitten gejegt 
mwurben, über das mit tiefem Schnee bededite Land ſechs Tage 
und Nächte ohne Unterlaß fort. Arndt war fein Begleiter. 
Am Abend des Gten Januar hielten fie eine kurze Zeit in 
Pleskow, einem Sammelplag ber Deutfchen Region. Hier hör- 
ten fie, dag Graf Ehazot vom Nervenfieber ergriffen todikrank 
darniederliege. Sie befuchten ihn; ein Landsmann der Haupt- 
mann v. Tiebemann verpflegte ihn; er lag im Fieberwahnſinn 
und fannte fie nicht mehr. Sie follten ipn nimmer wieber- 
fehen. Stein war fehr traurig, denn er liebte ihn fehr, und 
Chazot war ein Mann von allen gelicht zu werden. Bei Drufa 


263 


fuhren fie über die gefrorene Düna, und von ba über Widzy 
und Svenziany nah Wilna. 


„Wir fuhren, erzählt Arndt, in Litthauen vom Kopf bis 
zu ben Füßen alle gehörig bepelzt. Der Minifter und ich faßen 
im Innern des Wagens, vor und zwei Bediente. Der eine, 
ein ehrlicher Böhme, der fih als Deſterreichiſcher Grenadier 
ehrenvolle Wunden und Denktmünzen verdient hatte, warb eben 
aus Berehrung Diefer nur von feinem Herrn gehegt; denn bei 
großer ganz unbebientliher Ungewandtpeit hatte er den Fehler 
ſich oft im Stillen ein Räufhchen zu zeugen. Dies war bean 
auch auf diefer Reife der Fall, wo er far auf jeder Station 
ein wenig abſeits ſchlich. Er hatte aber bei alle dem für feinen 
lieben Heren viele Sorge, und machte fobald er ihn einger 
ſchlummert merkte, immer ſogleich den ledernen Vorhang unferes 
inneren Wagens zu. Der Miniſter aber war deſſen fehr 
ungebuldig und gab ihm ſobald er erwachte, mit den Worten: 
Hat Er mid ſchon wieder in ben Affenkaſten gefperrt? einen 
derben Stoß in den Naden. Nun begab es fih eine Nacht 
als Aehnliches vorfiel, daß ber Böhme trog aller Paffe fih 
nicht rährte. Dies machte auch mid aufmerffam, und wir be⸗ 
merften, daß ber vom Branntwein etwas befchwerte Geſell 
eingefehlafen und faſt erftarrt war. Ich und ber zweite Be- 
diente riffen ihn alfo aus dem Wagen und fchleppten ihn mit 
uns fort, indem ich dem Herrn zurief: Wir wollen ihn durch 
Laufen ſchon wieder gelenfig machen! Und fo brachten wir ihn 
endlich wieder zum Laufen auf glattem Eife, denn wir fuhren 
eben über einen gefrornen See. Judem wir fo mit ihm be= 
ſchaͤftigt waren und er feiner Kniee wieder mächtig zu werden 
aufing, fahen wir mit einem Male den Minifter ohne Pelz und 
Pelzſtiefeln Hinter ung herlaufen, weber ber Fallen Nacht noch 
feines Pobagra gedenfend. Er war außer fih vor Freuden, 





264 


ale er feinen aften Grenadier wieder ſtappeln ſah. So mar— 
ſchirten wir wopf eine halbe Stunde mit einander neben anferm 
ptitten ber, Auf der nächften Station warb für den Patienten 
gelocht und gebraten, und ſtatt ber Püffe von wegen bed ge- 
ſperrten Affenlaſtene defam er wohl zwei drei zaͤrtliche Hände- 
dyeade und Umarmungen.“ 


Die Erſchdpfang der Pferde in Lüttbauen machte die Reife 
danmmerigg ſie erreichten Wilag erſt am Abend des Siten Ja- 
wat, Der din ud weicher zuräd, ſchrieb er jeiner Gran, 
RODdEM dm den Iepren ſeche Woman einen ewig benf- 
war Nie von Tdangkeu. Bewegang und Greiguiffen 
IUUERRUR NN m er dae lid zrired Baurriandes und 
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daß im Uebermaaß bes Elends welches das Franzöfifhe Heer 
litt, Franzoͤſiſche Soldaten fih von den Leichnamen ihrer unglüds 
lichen Cameraden genähri haben und mit der Zubereitung dieſer 
ſcheußlichen Speife am Feuer befehäftigt gefunden worden find. 
Die Teiblihe und fittliche Erfpöpfung und Vernichtung biefer 
Unglüdlihen war fo groß, daß ein Zug von zweitaufend Mann 
ſich einem Ruffiihen Gefundpeitsbeamten ergeben hat, der in 
feiner Kaleſche veifte; daß der Pöbel von Wilna, großentheils 
aus Juden beftehend, auf den Nachzug des Heeres gefallen ift 
und eine Anzahl Gefangener von der Kaiſergarde gemacht hat. 
Es iſt der Wille der Vorfehung der fih aufs offenbarſte und 
ſchlagendſte in diefer furchtbaren Schidfalswendung gezeigt hat; 
es iſt die Verblendung bes Verbrechens und des toliften Hoch⸗ 
muths ber Napoleon fortgeriffen hat in diefer Unternehmung, 
welche zu feiner Schande ausgefchlagen ift und feine Vernich⸗ 
tung zur Folge haben wird. Diefe gräßlihen und ungeheueren 
Ereigniffe waren oft von Heinen Zügen begleitet, welche lächer⸗ 
lich erfcheinen, wenn man dafür empfänglih feyn könnte in- 
mitten eines ungeheuren Kirchhofs oder umgeben von entfleifchten 
und fierbenden Gefpenftern. So erinnert man fi bier mit 
Verachtung und Unwillen, wie Berthier beim Schall einer 
ſchlechten Trommel ein 60 Menſchen verfammelte um bie 
Fluchtigen aufzuhalten, die fi beim Erſcheinen einer Handvoll 
Koſacken nad den Thoren von Wilna flärzten; wie Murat in 
einen Shaw gehält, eine Kutfhermüge auf dem Kopfe, mit 
einem Stode in der Hand nah Wilna hereinfam, Narbonne 
zu Fuß von Moskau bie Smolensk durch den Schnee marſchirte, 
Napoleon buch Wilna fommend feine Schande und feine 
Wuth hinter den aufgezogenen Fenftern feines Wagens ver- 
barg, und alle feine Adjubanten bemüthig, unterwürfig, dankbar 
wenn man ihnen ein Stüd Brodt anbot. Zu Wilna hat er 
alle feine Sachen, unter andern ein foftbares wit Shawls 


tapezirtes Zelt verbrennen laſſen. Die Beute der Ruſſiſchen 
Truppen if unermeßlich, man fhägt die jedes einzelnen Koſacken 
im Durchſchnitt auf 300 Dufaten. Die Kofaden haben der 
Kirche der heiligen Maria von Kafan in Petersburg 1600 Pfund 
Silber geſchenlkt um daraus bie Bilder ber vier Evangeliften 
machen zu laſſen.“ — Die Maſſe der Koſtbarkeiten welche ſich 
in Bilna anhäufte war fo groß, daß die Juden bas Pfund 
Zahlperlen für 60 Tpaler verkauften. 


Zu Wilna ruhete er ans, um feine zurüdgebliebene Bepäd- 
britfepfe zu erwarten. Am!‘ Morgen nach feiner Ankunft ließ 
fi ein Deutfcher Offizier bei ipm melden, einer der von den 
Ruffen gefangenen, welcher wegen Hülfe und Berpflegung 
anderer in Lazarethen Tiegender Genoſſen dort zurüdgeblieben 
war. Es erfheint ein fehöner fattlicher junger Dann. Auf 
die Namendfrage die Antwort: von Mofel aus dem Herzog⸗ 
tum Kleve. Bei diefen Worten wird Stein ungewöhnlich 
freundlich: Ich habe Ihren Bater und Oheim fehr wohl ge- 
fannt, brave wadere Rente. Darauf Schokolade und Wein 
eingefchenft ausgetrunfen und genoffen. Darauf kam ber Züng- 
ling mit ragen und Bitten heraus: er habe gehört, Seine 
Excellenz feyen beſonders deswegen nad Rußland berufen, um 
ſich der unglädlichen Deutfhen Gefangenen anzunehmen. Ant: 
wort: Ja, jedes Deutfhen, gefangen oder ungefangen nehme 
ih mid gern an — fragte dann nah Mofels Berhälmiffen. 
Antwort: Ich war Offizier im Regiment v. Schenk, ald Preußen 
fiel. Id ging nad Haufe, warb indeflen bald der Unthätig- 
feit überbräffig, bat um Anftellung in Franzöſiſchen Dienften, 
und ging mit einem Franzoöſiſchen Regiment nah Spanien ıc. 
Bei diefen Worten entfärbte fih Stein; diefe Berfärbung hatte 
das Eigene, daß ihm beim Aerger feine mächtige Naſe zuerft 
erbleichte. Bald fuhr er aus: Mein Herr, ich habe was 


267 


Befferes in der Welt zu thun, als mich ſolcher Deutfchen Edel- 
leute anzunehmen die aus Langeweile gegen Spanien fechten 
gegangen find. Gott hat im Leben verfiedene Straßen aus- 
geſteckt. Gehen Sie Ihren Weg, und wenn er Sie nad Sibirien 
führt; ich Halte den meinigen! Und der Arme ging. 

Arndt der und biefen Zug als Augenzeuge erhalten bat, 
blieb in Wilna zuräd, um das Gepäd zu erwarten; Stein 
verließ die Stadt am Adten '*, und erreichte am 16ten früh um 
4 Uhr das Hauptquartier mahe der Preußiſchen Gränze in 
Suwalfp, wo ihn der Kaiſer mit gewohnter Güte empfing. 


Stein in Königsberg. 
Erhebung der Provinz Preußen. 

Stein fand das Verhaͤlmiß Rußlands zu Preußen noch 
leinesweges georbnet, vielmehr durch die Ungewißheit auf der 
einen, Miftrauen und Gefahr auf der andern Seite in eine 
der guten Sache hoͤchſt nachtheilige Verwidlung gebracht. Wenn 
Ruffen und Preußen da wo fie zufammentrafen einander mit 
offenem Verttauen behandelten, fo war babei von beiden Seiten 
mit Zuverſicht auf die Beiſtimmung des Preußiſchen Hofes 
gerechnet worben, und doch dauerte deſſen Kriegsſtand gegen 
Rußland dem Anſchein nach noch immer fort, Der König war 
in feinem freien Entſchluſſe gehemmt. Er befand fih zu 
Potsdam im Bereiche der Franzofen, welche unter Marſchall 
Augeran Berlia und Spandau befegt hielten und denen eine 
Gemwaltmaßregel, gleich der 1808 zu Bayonne gegen bie Spa- 
niſche Königefamilie, zugetraut werden durfte. Napoleon hatte 
den König zu Stellung eines Hülfsheeres von 30,000 Dann 
aufgefordert. Die Preußifpen Truppen waren vertheilt, die 
Garden bei dem König, andere in Schlefien, Pommern und 
unter General v. Bülow. In biefer Lage ward der König 
durch bie Nachricht von dem Schrüte des Generals Yord in- 


268 


die größte Gefahr gefegt. Er wußte fi daraus für den Augen- 
biid nur baburd zu befreien, daß er fofort zu rüften befchloß, 
indefien aber dem Bertrag feine Genehmigung verfagte, den 
General v. Yord durch ben General v. Kleik im Commando 
erfegte, jenen zu verhaften befahl, Regteren dem König von 
Neapel unterorbnete; zugleich fandte er einen entſchiedenen An= 
hänger ber Franzöfifchen Partei den Kürften Hatzfeld nad 
Paris und verhieß das Hülfscorps für Frankreich auf 30,000 
Mann zu verftärken, fofern Napoleon durch Berichtigung ber 
großen von Preußen gemachten Vorſchüſſe ihm dazu die Mittel 
gewähre, Die Briefe des Könige für den König von Neapel 
und an feine Generale wurden durch den Dberfi v. Natzmer 
uberbracht, welcher jedoch durch Graf Wittgenflein an ber 
Weiterreiſe zu Jorck verhindert, mit einem Schreiben des Königs 
zum Kaifer Alerander reiſſte. York fand ſich in peinlichſter 
Berlegenpeit. Ungewiß über bie Aufnahme feines Schrittes, 
ohne Vertrauen in die Thatkraft bes Volles“ war er felbft 
dur die bringendflen Aufforberungen einzelner muthiger Bater- 
Iandsfreunde nicht zu raſcher Bewaffnung des Landes zu bewe⸗ 
gen, welches nur den Winf erwartete um fich zu erheben. Das 
rafche Borrüden der Truppen, worauf Alles ankam, gerieth in 
Stoden, da Yord Bedenken trug ohne weitere Vollmacht aus 
Berlin den Ruſſen zu folgen, auch einzelne Offiziere fih vom 
Gehorſam gegen ihn Toszuzählen anfingen, und bie Verſuche die 
Generale v. Bülow und v. Borftel zu gemeinfhaftlihem Han⸗ 
dein zu bewegen mißlangen. Es entftand alfo eine Lähmung 
im Gefchäftsgange; die Kräfte des Landes blieben für die alle 
gemeine Sade tobt, ba fie weber von Berlin aus in Thätig« 
feit gefegt wurben, noch in Preußen felbf irgend jemand das 
dazu erforderliche Anſehen oder Entſchloſſenheit befaß; und das 
Ruſſiſche Cabinet wußte nicht was es thun follte. Stein fah 
fofort, daß ein ſolcher Zufand geenbigt werben müfle, daß 


269 


-man Rapoleon gegenüber welcher alle Kräfte Frankreichs, Italiens, 

Illyriens, der Schweiz, Hollande, Deutfhlands zur Bildung 
neuer furdtbarer Streitfräfte aufbot, keinen Augenblid in der 
Benugung und Entwidlung ber eigenen Kräfte verlieren bürfe, 
und er bewog den Kaifer ihn für dieſen Zwed zu perſonlicher 
Beſchließung mit dem General York und den Verwaltungs⸗ 
behörben zu bevollmächtigen. 

Am 17ten benachrichtigte er den Präfidenten v. Schön in 
GSumbinnen, daß er im Gefolge des Kaiſers am 19ten durch 
die ſudlichſte Preußiſche Gränzſtadt Lyck reifen werde. Schön 
empfing ben Brief in einem Zeitpunfte lebhafter Spannung 
mit dem Marquis Paulucei, der am Ende Decembers bie zum 
Regierungsbezirt Gumbinnen gehörige Gränzftabt Memel durch 
Bertrag eingenommen hatte, und ohne bie Abfichten feines 
Kaiſers zu beachten, bie Preußische Befagung gefangen weg- 
führte, das Königliche Eigenthum mit Beſchlag belegte und bie 
Behörben anwies nicht ferner von Gumbinnen fondern von 
St. Petersburg Befehle zu empfangen und allein bahin zu 
berichten. Diefe Handlungsweife welche mit bem Verfahren 
der übrigen Ruffifchen Generale im vollſten Widerſpruche fand, 
veranlaßte den Regierungscommiffar welpen Herr v. Schön den 
Truppen entgegengefandt hatte zu Borftellungen, deren Erfolg- 
Tofigfeit den Commiſſar zu der Erffärung regte: Man haffe bie 
Aſiatiſche Apathie nicht weniger als die Franzoͤſiſche Despotie, 
und das Land weldes die Ruſſiſchen Truppen jet als Erretter 
und Befreier empfange, werbe ſich feindlih gegen fie erheben. 
Paulucci aber blieb babei, daß er fein Verfahren bei feinem 
Kaiſer verantworten werde. Mit der Nachricht von dieſen 
Vorgängen fandte Schön den Major v. Plotho an Stein, bat 
ihn dem Kaifer Anzeige zu machen und Abhülfe und Genug- 
thuung für die Verlegung ber Königlichen Majeſtätsrechte zu 
erwirfen, wibrigenfalls er das Land gegen die Ruffen aufbieten 


270 


müße. Da Panlucei’d Benehmen den Abfichten Alexanders 
gerade zuwider lief, fo bedurfte es feiner Drohung ‘* fondern 
allein Steine Anzeige bei dem Kaifer, um bie Rüdfehr der 
Befagung von Memel, die Aufhebung ber übrigen Eingriffe 
des Marquis und deſſen Entfernung zu bewirken, 

Am 18ten Januar zu Raczky einige Meilen von Suwalky 
auf dem Wege zur Weichſel unterfcprieb der Kaifer die wahr- 
feinlih von Gtein felbft aufgefegte Vollmacht: 


„Wir Alexander der Erſte von Gottes Guaden Kaiſer und 
Selbſtherrſcher aller Reußen ıc. ıc. thun durch Gegemwärtiges 
kund, daß da Df- und Weft- Preußen von Unferen Heeren 
befegt gehalten werben und dadurch von dem Mittelpunkt ihrer 
Regierungen getrennt find, indem bie Berhälmifie zu Seiner 
Majeſtaͤt dem König von Preußen noch unentfchieden bleiben, 
Wir für unumgänglich nothwenbig gehalten haben vorläufige 
Maßregeln ber Aufficht. und Leitung zu treffen, um bie Pro- 
vinzialbehörden zu leiten und bie Hülfsquellen des Landes zu 
Gunften der guten Sache nugbar zu machen. 

In Folge defien haben wir beauftragt und beauftragen 
durch Gegenmwärtiges ben Greiheren Heinrich Friedrich Earl 
vom Stein, Ritter bes rothen Adler-Drbens, fih nad Königs: 
berg zu begeben und dort von ber Rage des Landes Kennmiß 
zu nehmen, um die Krieges- und Geld-Mittel zur Unterflügung 
Unferer Unternehmungen gegen bie Franzoͤſiſchen Heere in 
Thpätigfeit zu fegen. Wir beauftragen ihn außerbem darüber 
zu wachen, daß bie Öffentlichen Einkünfte des befegten Landes 
mit Treue verwaltet und bem erwähnten Zwede gemäß ver- 
wenbet werben, baß das Eigenthum der Franzofen und ihrer 
Verbündeten mit Beſchlag belegt, daß die Bewaffnung ber 
Landwehr und des Landſturms nach denen von Seiner Majeftät 
dem König von Preußen im Jahre 1808 entworfenen und 


271 


gebiliigten Planen in moͤglich fürzefter Zeit eingerichtet werben, 
wnd bie nöthigen Lieferungen von Lebensmitteln, Transport- 
mitteln für das Heer mit Orbnung und Schnelligkeit erfolgen. 
Zu dieſem Zwede bevollmaͤchtigen Wir den benannten Freiherrn 
vom Stein alle Mittel zu ergreifen welche er zu Bollziehung 
biefes Auftrages nöthig halten wird, fih der Beamten zu ber 
dienen welde ihm bie gerigueteften feheinen werben um Unfere 
Abfichten zu vollziehen, diejenigen welche er für unfähig und 
böswillig halten wird zu entfernen, bie Verdaͤchtigen aber über- 
wachen und ſelbſt verhaften zu laſſen. Wir ertheilen ihm das 
Recht feine Stelle durch einen Mann ſeines Vertrauens ver- 
treten zu laſſen. Seine Sendung wird in dem Augenblid 
beendigt feyn, wo Wir ein enblihes Abkommen mit bem König 
von Preußen getroffen haben werden. Dann wird bie Ver— 
waltung ber Provinz ihm zurüdgegeben werden und ber Frei- 
herr vom Stein zu Uns zurüdtehren. Webrigens verfprechen 
Wir auf Unfer Kaiferlihes Wort Alles zu genehmigen was in 
Kraft der gegenwärtigen Vollmacht befeploffen und ausgeführt 
werden wird. Zu Beglaubigung deſſen haben Wir biefe Unfere 
Bollmacht unterzeichnet und mit Unferm Heinen Siegel verfehen 
Taffen. Gegeben zu Raczki am Gten Januar bes Jahres ber 
Gnade Eintaufend achthundert dreizehn, Unferer Regierung im 
13ten Jahre. 
(L. S.) (eigenhändig) Alexander.“ 


Diefe Urfunde mußte nah allen Seiten hin befriedigen. 
Bon dem Fürften erlafen deſſen Heere die Provinz Preußen 
befegt hielten und feinen Anordnungen ben Gehorfam ſicherten, 
verband fie doch mit dem Nachdruck welcher auch gegen bie 
Anfihten der entfernten gefegmäßigen Regierung das Noth- 
wendige vollziehen mußte, die größte Schonung des Königlichen 
Anfehens, zu deſſen wahrem Beften gehandelt werben follte. 


1815 
Mai 12, 


262 


durch die Weisheit feiner Maßregeln, feine Beharrlichleit wäh- 
rend ber großen Gefahr worin fein weites Reich fih gefunden, 
und die Mäßigung womit er fi feines Sieges bedienen wird. 
Diefe feine großen Eigenfhaften, und bie bewundernswürdige 
Tpatkaft feines frommen und an feiner Unabhängigfeit fet- 
haltenden Volkes find es welde bie große Umwandlung herbei» 
geführt haben, die fi fo eben unter unfern Augen begab und 
deren Gleichen vergebens in der Geſchichte gefucht wird.” 

Steins Andenken blieb feinen dortigen Freunden auf immer 
theuer. Kotſchubey, Dumarow, Nowofilgow, ber Herzog von 
Würtemberg, erfreuten ihn auch fpäter durch Briefe wie durch 
Beſuche in feiner Heimat, und vertrauten ihm ihre angelegent- 
lihen Wunſche und Hoffnungen, „Daß wir oft und viel an 
Eure Ercellenz hier denken, feprieb Dr. Rehmann im Frühling 
1815, beweift Ihnen Folgendes: Uvaroff läßt in feinem Kleinen 
Gärten einen Heinen Tempel Ihrem Andenfen geweiht fegen 
mit der Aufſchrift: Patriee columen, amicorum decus. Wir 
werben oft dahin wallfahren und uns Ihre Gegenwart wünfchen. 
Aber Sie Haben ſich ſelbſt in der Bruſt febes Deutfhen einen 
Tempel erbaut, ber beftehen wird, fo lange man unfere Sprache 
ſprechen wird." 

Die Reife ging in Wagen, welche auf Schlitten gefegt 
wurden, über das mit tiefem Schnee bededte Land ſechs Tage 
und Nächte ohne Unterlaß fort. Arndt war fein Begleiter, 
Am Abend des Gten Januar hielten fie eine kurze Zeit in 
Plestow, einem Sammelplag der Deutichen Region. Hier hör« 
ten fie, daß Graf Ehazot vom Nervenfieber ergriffen todtkrank 
barmieberliege. Sie befuchten ihn; ein Landsmann der Haupt« 
mann v. Tiedemann verpflegte ihn; er lag im Fieberwahnſinn 
und fannte fie nicht mehr. Sie follten ihn nimmer wieber- 
ſehen. Stein war fehr traurig, dena er liebte ihn fehr, und 
Chazot war ein Mann von allen geliebt zu werden. Bei Druja 


263 


fuhren fie über die gefrorene Düna, und von ba über Widzy 
und Svenziany nah Wilna. 


„Wir fuhren, erzäpft Arndt, in Litthauen vom Kopf bie 
zu ben Füßen alle gehörig bepelzt. Der Miniſter und ich faßen 
im Innern des Wagens, vor und zwei Bebiente. Der eine, 
ein ehrlicher Böhme, der fih als Deflerreichifcher Grenadier 
ehrenvolle Wunden und Deukmunzen verdient hatte, warb eben 
aus Berehrung Diefer nur von feinem Herrn gehegt; denn bei 
großer ganz unbebientliher Ungewandtpeit hatte er den Fehler 
ſich oft im Stillen ein Raͤuſchchen zu zeugen. Dies war denn 
auch auf diefer Reife der Fall, wo er far auf jeder Station 
ein wenig abfeits ſchlich. Er hatte aber bei alle dem für feinen 
lieben Herrn viele Sorge, und machte fobald er ihn einger 
ſchlummert merkte, immer ſogleich den ledernen Vorhang unferes 
inneren Wagens zu. Der Minifter aber war beffen fehr 
ungeduldig und gab ihm fobald er erwachte, mit den Worten: 
Hat Er mid ſchon wieder in ben Affenlaſten gefpertt? einen 
derben Stoß in den Naden. Run begab es fi eine Nacht 
als Aehnliches vorfiel, daß der Böhme trog aller Püffe fih 
nicht ruhrte. Dies machte auch mid aufmerkfam, und wir be- 
merften, daß ber vom Branntwein etwas beſchwerte Gefell 
eingeſchlafen unb far erflarrt war. Ich und ber zweite Be- 
diente viffen ihn alfo aus dem Wagen und ſchleppten ihn mit 
uns fort, indem ich dem Heren zurief: Wir wollen ihn durch 
Laufen ſchon wieder gelenfig machen! Und fo brachten wir ipn 
endlich wieder zum Laufen auf glattem Eife, denn wir fuhren 
eben über einen gefrornen See. Judem wir fo mit ihm be= 
ſchaͤftigt waren und er feiner Kniee wieder mächtig zu werden 
anfing, ſahen wir mit einem Mafe ben Miniſter ohne Pelz und 
Yelzkiefeln Hinter ung herlaufen, weder der falten Nacht noch 
feines Podagra gedenlend. Er war außer fih vor Freuden, 


264 


als er feinen alten Grenadier wieder ftappeln fa. So mar= 
ſchirten wir wohl eine halbe Stunde mit einander neben unſerm 
Schlitten her. Auf der nächſten Station warb für den Patienten 
gelocht und gebraten, und ſtatt der Püffe von wegen bes ge- 
fperrten Affenfaftens befam er wohl zwei drei zärtlihe Hände» 
drüde und Umarmungen.“ 


Die Erfhöpfung ber Pferde in Litthauen machte bie Reife 
Tangwierig; fie erreichten Wilna erft am Abend des 11ten Jar 
nuar. „Hier bin ich wieder zurüd, ſchrieb er feiner Frau, 
nachdem id in ben letzten ſechs Monaten einen ewig benf- 
würdigen Kreis von Thätigfeit, Bewegung und Creigniffen 
durchlaufen habe; möge er das Glüd unferes Baterlandes und 
das Deinige meine Tiebe und vortrefflihe Freundin herbei- 
führen! ... Ganz Deutſchland mug mit Trauer bededt ſeyn. 
80,000 junge Männer aus biefem unglüdlihen Lande find 
umgefommen ober flerben noch täglich in den Hospitälern einem 
fauligen Nervenfieber zu Beute, dem die durch Hunger, unge 
funde Nahrung von gefallenem Vieh, der einzigen bie übrig 
war, entfräfteten Körper nicht widerfiehen können. 15,000 
Kranke Tagen allein in ben Hospitälern von Wilna. Dan fieht 
nichts als Karren vol Leichname, die man theild von Wölfen 
angefreffen auf den Heerfiraßen fammelt, und aus den Hos— 
pitäfern wegführt, oder Züge von Gefangenen, mit Lumpen 
bebedt, ausgemergelt durch Leiden aller Art, hohläugig, mit 
blaugrauer Haut, in dumpfem Schweigen den Tod erwartend, 
Diefe Unglüdticgen verbreiten die Per wohin fie fommen; man 
ſtoͤßt fie zurüd und mit Recht; die Einwohner betrachten fie 
mit Abſcheu als die Schlachtopfer welche durch einen graufamen 
Tod das abfheuliche Verbrechen fühnen, Mitſchuldige und 
Werkzeuge der Zerförungsmaßregeln Napoleons gewefen zu 
ſeyn. Es ift dur die ahtungswürbigfien Zeugniffe beglaubigt, 


25 


daß im Uebermaaß des Elends welches das Franzöfifhe Heer 
litt, Franzoͤſiſche Soldaten fi von den Leichnamen ihrer unglüd- 
lichen Cameraden genährt haben und mit der Zubereitung dieſer 
ſcheußlichen Speife am Feuer befchäftigt gefunden worden find. 
Die Teiblihe und fitlihe Erfhöpfung und Vernichtung biefer 
Unglüdlihen war fo groß, daß ein Zug von zweitaufend Mann 
fih einem Ruſſiſchen Gefundheitsbeamten ergeben hat, der in 
feiner Kaleſche reifte; daß der Pöbel von Wilna, großentheils 
aus Juden befiehend, auf den Nachzug des Heeres gefallen ift 
und eine Anzahl Gefangener von der Kaifergarde gemacht hat. 
Es ift der Wille der Borfehung der fih aufs offenbarſte und 
ſchlagendſte in diefer furchtbaren Schickſalswendung gezeigt hat; 
es ift die Verblendung des Verbrechens und des tollſten Hoch- 
muths der Napoleon fortgeriffen hat in diefer Unternehmung, 
welche zu feiner Schande ausgeſchlagen ift und feine Vernich⸗ 
tung zur Folge haben wird. Diefe gräßlichen und ungeheueren 
Ereigniffe waren oft von feinen Zügen begleitet, welche lächer⸗ 
lich erfceinen, wenn man bafür empfänglich ſeyn Fönnte in- 
mitten eines ungeheuren Kirchhofs oder umgeben von entfleifchten 
und fterbenden Gefpenftern, So erinnert man fih bier mit 
Beratung und Unwillen, wie Berthier beim Schall einer 


ſchlechten Trommel ein 60 Menfchen verfammelte um bie 


Fluchtigen aufzuhalten, die fih beim Erſcheinen einer Handvoll 
Kofaden nad den Toren von Wilna flürzten; wie Murat in 
einen Shawl gehällt, eine Kutfhermüge auf dem Kopfe, mit 
einem Stode in der Hanb nah Wilna hereinfam, Narbonne 
zu Fuß von Moskau His Smolensf durch den Schnee marſchirte, 
Napoleon durh Wilna kommend feine Schande und feine 
Wuth Hinter den aufgezogenen Fenſtern feines Wagens ver- 
barg, und alle feine Adjubanten bemäthig, unterwärfig, bankbar 
wenn man ihnen ein Stüd Brodt anbot. Zu Wilna hat er 
ale feine Sachen, unter andern ein fofibares mit Shawls 


266 


tapezirtes Zelt verbrennen laſſen. Die Beute der Ruſſiſchen 
Truppen ift unermeßlih, man fehägt die jedes einzelnen Koſacken 
im Durchſchnitt auf 300 Dufaten. Die Kofaden haben ber 
Kirche der heiligen Maria von Kaſan in Petersburg 1600 Pfund 
Silber gefhenft um baraus die Bilder ber vier Evangeliften 
machen zu laſſen.“ — Die Maffe der Koftbarfeiten welche ſich 
in Wilna anhäufte war fo groß, baß die Juden das Pfund 
Zapiperien für 60 Thaler verkauften. 


Zu Wilna ruhete er aus, um feine zurüdgebliebene Gepäd« 
britfcpfe zu erwarten. Am '! Morgen nach feiner Ankunft ließ 
fih ein Deutfcher Offizier bei ihm melden, einer der von ben 
Nuffen gefangenen, welcher wegen Hülfe und Verpflegung 
anderer in Lazarethen Tiegender Genoſſen dort zurüdgeblieben 
war. Es erſcheint ein fhöner fattliher junger Dann. Auf 
die Namendfrage die Antwort: von Mofel aus bem Herzog⸗ 
thum Kleve. Bei diefen Worten wirb Stein ungewöhnlich 
freundlich: Ich habe Ipren Bater und Oheim fehr wohl ge= 
fannt, brave wackere Leute. Darauf Schokolade und Bein 
eingefchenft ausgetrunfen und genoffen. Darauf kam der Züng- 
ling mit Fragen und Bitten heraus: er babe gehört, Seine 
Excellenz feyen beſonders deswegen nad Rußland berufen, um 
ſich der unglücklichen Deutſchen Gefangenen anzunehmen. nt: 
wort: Ja, jedes Deutfchen, gefangen oder ungefangen nehme 
ih mid gern an — fragte dann nach Moſels Berhältmiffen. 
Antwort: Ich war Offizier im Regiment v. Schenk, als Preußen 
fiel. Ich ging nad Haufe, warb indefien bald der Unthätig- 
keit überdräffig, bat um Anftellung in Franzoͤſiſchen Dienften, 
und ging mit einem Franzoſiſchen Regiment nah Spanien ıc. 
Bei diefen Worten entfärbte ſich Stein; diefe Verfärbung hatte 
das Eigene, daß ihm beim Aerger feine mächtige Nafe zuerft 
erbleichte. Bald fuhr er aus: Mein Herr, ih habe was 


267 


Befferes in der Welt zu thun, ale mich folder Deutſchen Edel- 
leute anzunehmen die aus Langeweile gegen Spanien fechten 
gegangen find. Gott hat im Leben verſchiedene Strafen aus: 
geſtedt. Gehen Sie Ihren Weg, und wenn er Sie nad Sibirien 
führt; ich halte den meinigen! Und ber Arme ging. 

Arndt der und biefen Zug als Augenzeuge erhalten hat, 
blieb in Wilna zuräd, um das Gepäd zu erwarten; Stein 
verließ die Stadt am 15ten“, und erreichte am 16ten früh um 
4 Uhr das Hauptquartier nahe ber Preußiſchen Gränze in 
Suwalty, wo ihn der Kaiſer mit gewohnter Güte empfing. 


Stein in Königsberg. 
Erpebung der Provinz Preußen. 

Stein fand das Verhaͤlmiß Rußlands zu Preußen noch 
teinesweges geordnet, vielmehr durch die Ungewißheit auf der 
einen, Mißtranen und Gefahr auf der andern Seite in eine 
der guten Sache höchſt nachtheilige Berwidlung gebracht. Wenn 
Nuffen und Preußen da wo fie zufammentrafen einander mit 
offenem Bertrauen behandelten, fo war dabei von beiden Seiten 
wit Zuverſicht auf bie Beifimmung des Preußifhen Hofes 
gerechnet worben, und doc dauerte deſſen Kriegoſtand gegen 
Nußland dem Anfchein nad noch immer fort. Der König war 
in feinem freien Entſchluſſe gehemmt. Er befand fih zu 
Potsdam Im Bereiche der Frauzoſen, welde unter Marſchall 
Augerau Berlin und Spandau befept hielten und benen eine 
Gewaltmaßregel, gleih ber 1808 zu Baponne gegen die Spa⸗ 
nische Königefamilie, zugetraut werben durfte. Napoleon hatte 
den König zu Stellung eines Hülfsheeres von 30,000 Dann 
aufgefordert. Die Preußiſchen Truppen waren vertheilt, die 
Garden bei dem König, andere in Schlefien, Pommern und 
unter General v. Bülow. In diefer Sage ward ber König 
duch die Nachricht von dem Schritte des Generals Yord in 


268 


die größte Gefahr gefegt. Er wußte fi daraus für den Augen- 
blick nur dadurch zu befreien, daß er fofort zu rüften befchloß, 
inbeffen aber bem Vertrag feine Genehmigung verfagte, ben 
General v. Yord durch ben General v. Kleift im Commando 
erfegte, jenen zu verhaften befahl, Legteren dem König von 
Neapel unterorbnete; zugleich fandte er einen entfchiebenen An- 
hänger der Franzoͤſiſchen Partei den Fürften Hatzfeld nad 
Paris und verhieß das Hülfscorps für Frankreich auf 30,000 
Mann zu. verftärfen, fofern Napoleon durch Berichtigung ber 
großen von Preußen gemachten Borfhüffe ihm dazu die Mittel 
gewähre. Die Briefe des Königs für den König von Neapel 
und an feine Generale wurden dur ben Oberſt v. Nagmer 
überbracht, welcher jedoch durch Graf Wiltgenflein an ber 
Weiterreiſe zu Yord verhindert, mit einem Schreiben des Königs 
zum Kaiſer Alerander reiſſte. Yord fand fih in peinlichſter 
Berlegenheit. Ungewiß über bie Aufnahme feines Schrittes, 
ohne Vertrauen in die .Thatkraft des Volles '* war er ſelbſt 
durch die dringendflen Aufforberungen einzelner muthiger Bater- 
landsfreunde nicht zu rafcher Bewaffnung des Landes zu bewe⸗ 
gen, welches nur den Winf erwartete um fih zu erheben. Das 
raſche Borrüden der Truppen, worauf Alles anfam, gerieth in 
Stoden, da York Bedenken trug ohne weitere Vollmacht aus 
Berlin den Ruffen zu folgen, aud einzelne Offiziere fih vom 
Gehorfam gegen ihn loszuzaͤhlen anfingen, und die Verſuche die 
Generale v. Bülow und v. Borftel zu gemeinfhaftlihem Han- 
deln zu bewegen mißlangen. Es entftand alſo eine Lähmung 
im Geſchaͤftsgange; die Kräfte des Landes blieben für die all⸗ 
gemeine Sache tobt, da fie weder von Berlin aus in Tpätig« 
feit gefegt wurden, noch in Preußen ſelbſt irgend jemand das 
dazu erforderliche Anfehen oder Entfeploffenheit beſaß; und das _ 
Ruſſiſche Cabinet wußte nicht was es thun follte. Stein fah 
fofort, daß ein ſolcher Zufand geendigt werden müfle, daß 


269 


-man Napoleon gegenüber welcher alle Kräfte Frankreichs, Italiend, 

Illyriens, der Schweiz, Hollande, Deutfhlands zur Bildung 
neuer furchtbarer Streitkräfte aufbot, feinen Augenblid in ber 
Benugung und Entwicklung ber eigenen Kräfte verlieren bürfe, 
und er bewog ben Kaiſer ihn für diefen Zweck zu perſonlicher 
Beſchließung mit dem General Yord und den Berwaltungs- 
behörben zu bevollmaͤchtigen. 

Am 17ten benachrichtige er den Präfidenten v. Schön in 
Sumbinnen, daß er im Gefolge des Kaiſers am 19ten dur 
bie ſadlichſte Preußifhe Graͤnzſtadt Lyck reifen werde. Schön 
empfing den Brief in einem Zeitpunkte lebhafter Spannung 
mit dem Marquis Paulucei, der am Ende Decembers die zum 
Regierungsbezirt Gumbinnen gehörige Graͤnzſtadt Memel durch 
Vertrag eingenommen hatte, und ohne bie Abfichten feines 
Kaiſers zu beachten, die Preußifche Befagung gefangen weg ⸗ 
führte, das Königliche Eigenthum mit Beſchlag belegte und bie 
Behörben anwies nicht ferner von Gumbinnen fondern von 
St. Petersburg Befehle zu empfangen und allein dahin zu 
berichten. Diefe Handlungsweife welche mit dem Verfahren 
der übrigen Ruſſiſchen Generale im vollſten Widerfpruche ftand, 
veranlaßte den Regierungscommiffar welpen Herr v. Schön den 
Truppen entgegengefanbt hatte zu Vorftellungen, deren Erfolg- 
Tofigfeit den Commiſſar zu ber Erffärung reizte: Man haffe die 
Aſiatiſche Apathie nicht weniger als bie Franzöfifche Despotie, 
und bas Land mweldes die Ruffifhen Truppen jegt als Erreiter 
und Befreier empfange, werde ſich feindlich gegen fie erheben. 
Paulucci aber blieb dabei, dag er fein Verfahren bei feinem 
Kaiſer verantworten werde. Mit der Nachricht von diefen 
Borgängen fandte Schön den Mafor v. Plotho an Stein, bat 
ihn dem Kaifer Anzeige zu machen und Abhülfe und Genug- 
thuung für die Verlegung ber Königlihen Majeſtätsrechte zu 
erwirfen, wibrigenfalls er das Land gegen die Ruffen aufbieten 


270 


müßle. Da Paulucci's Benehmen den Abfihten Alexanders 
gerade zuwider Tief, fo bedurfte es feiner Drobnng‘* fondern 
allein Steine Anzeige bei dem Kaifer, um bie Rüdfehr der 
Befagung von Memel, die Aufhebung der übrigen Eingriffe 
des Marquis und beffen Entfernung zu bewirken. 

Am 18ten Januar zu Raczky einige Meilen von Suwally 
auf dem Wege zur Weichſel unterfcprieb der Kaifer die wahr- 
fHeinlih von Stein ſelbſt aufgefegte Vollmacht: 


„Wir Alerander der Erfte von Gottes Guaden Kaiſer und 
Selbſtherrſcher aller Reußen ıc. ıc. thun durch Gegemwärtiges 
kund, daß da Oſt⸗ und Weft- Preußen von Unferen Heeren 
befept gehalten werben und dadurch von bem Mittelpunkt iprer 
Regierungen getrennt find, indem bie Verhaͤltniſſe zu Seiner 
Maojekät dem König von Preußen noch unentichieden bleiben, 
Wir für unumgänglich nothwendig gehalten haben vorläufige 
Maßregeln der Aufficht. und Leitung zu treffen, um bie Pro- 
vinzialbehörben zu leiten und die Hülfsquellen bes Landes zu 
Gunften der guten Sache nugbar zu machen. 

In Folge deffen haben wir beauftragt und beauftragen 
durch Gegenwärtiges ben Freiherrn Heinrih Friedrich Earl 
vom Stein, Ritter des rothen Adler» Drbens, fih nad Könige- 
berg zu begeben und dort von ber Lage des Landes Kennmiß 
zu nehmen, um bie Krieges- und Gelb-Mittel zur Unterftägung 
Unferer Unternehmungen gegen bie Franzoͤſiſchen Heere in 
Tpätigkeit zu fegen. Wir beauftragen ihn außerdem darüber 
zu wachen, daß bie öffentlichen Einfünfte des befegten Landes 
mit Treue verwaltet und dem erwähnten Zwede gemäß ver⸗ 
wenbet werben, baß das Eigenthum der Franzoſen und ihrer 
Verbündeten mit Beſchlag belegt, daß die Bewaffnung der 
Landwehr und des Landſturms nach denen von Seiner Majeftät 
dem König von Preußen im Jahre 1808 entworfenen und 


271 


gebilligten Plauen in möglich fürzefter Zeit eingerichtet werben, 
und die nöthigen Lieferungen von Lebensmitteln, Transport- 
mitteln für das Heer mit Ordnung und Schnelligkeit erfolgen. 
Zu diefem Zwede bevollmächtigen Wir den benannten Freiherrn 
vom Stein alle Mittel zu ergreifen welde er zu Bollziehung 
dieſes Auftrages nöthig halten wird, fi der Beamten zu ber 
dienen welde ihm die geeigweteften feinen werden um Unfere 
Abfihten zu vollziehen, biefenigen welche er für unfähig und 
boswillig halten wird zu entfernen, die Berbächtigen aber über- 
wachen und ſelbſt verhaften zu laſſen. Wir ertheilen ihm das 
Recht feine Stelle durch einen Mann feines Bertrauend ver- 
treten zu laſſen. Seine Sendung wird in bem Augenblid 
beendigt feyn, wo Wir ein enbliches Abkommen mit dem König 
von Preußen getroffen haben werden. Dann wird die Ver— 
waltung der Provinz ihm zurüdgegeben werben und ber Frei⸗ 
herr vom Stein zu Uns zurüdtehren. Webrigens verfprechen 
Wir auf Unfer Kaiferliches Wort Alles zu genehmigen was in 
Kraft der gegenwärtigen Vollmacht beſchloſſen und ausgeführt 
werben wird, Zu Beglaubigung beffen haben Wir diefe Unfere 
Bollmacht unterzeichnet und mit Unferm feinen Siegel verfehen 
laffen. Gegeben zu Rarzfi am Gten Januar des Jahres ber 
Gnade Eintaufend achthundert dreizehn, Unferer Regierung im 
13ten Jahre. 
(L. S.) (eigenhändig) Alerander." 


Diefe Urkunde mußte nah allen Seiten hin befriedigen. 
Bon dem Fürften erlaſſen deſſen Heere die Provinz Preußen 
befegt hielten und feinen Anorbnungen den Gehorfam ſicherten, 
verband fie doch mit dem Nachdruck welcher auch gegen bie 
Anfihten der entfernten gefegmäßigen Regierung bad Noth- 
wendige vollziehen mußte, bie größte Schonung des Königlichen 
Anfehens, zu deſſen wahrem Beſten gehandelt werben ſollte. 


272 


Die beſtimmte Erflärung, daß des Kaiſers Bevollmädtigter 
nur bis zum Zeitpunct einer völligen Vereinbarung mit bem 
Könige deffen Regierung erfegen, und mit bem erwunſchten 
Augenblick der VBerftändigung bie Verwaltung der Provinz bem 
Könige zurüdgegeben werben folle, fiherte gegen. falſche Aus- 
Tegungen; und das Anfnüpfen der nothwendigen Einrichtungen 
an bie vom Könige ſchon 1808 entworfenen und genehmigten 
Plane verſchaffte denfelben die Gewähr der Gefeglichkeit und 
der Dauer. 5 

So kehrte Stein zu Ausführung und Rettung berfelben 
Entwürfe, von denen er vor ber Zeit abberufen war, nad 
Preußen zurüd. 

Am folgenden Tage gelangte das Hauptquartier in bie erfte 
Preußiſche Stadt Lyck; bei feinem Einzuge trat den Kaiſer ber 
Superintendent Gifevius an und fprad: 

„Site. Empfangen Sie gnädig die Huldigungen eines 
dubelnd Ihnen entgegenftrömenden Volls! Was in biefem 
heiligen Augenblit Sie bier umringt, was, Allergnädigfter 
Kaifer und Herr! Sie hier vor fi ſehen, das Alles — o das 
Alles find Herzen bie voll Bewunderung und Ehrfurcht und 
Liebe Ihnen entgegenfhlagen — und Augen bey Ihrem Anblid 
mit Wonnethränen erfült — und gen Himmel gehobene Hände, 
Segen herabflehend für Sie, und Schuß und Gnade von bem 
Allmaͤchtigen. 

Sire, So werden überall die Herzen Ihnen entgegen- 
ſchlagen, die Völker Ihnen entgegenftrömen. Denn Sie, Aller- 
gnädigfter Herr! fommen zu ung, nicht zu zerfiören fondern zu 
beglüden, nicht zu unterjochen fondern zu befreyen, nicht zu 
verberben fondern Erquidung und Heil zu bringen der gefchla- 
genen Menfchheit. 

Großer Kaifer. Der Allmächtige hat das Schidfal der 
Bölfer in Ihre Hände gelegt, aber wohin Ihre Triumppe Sie 


273 


and führen, da fommen Sie immer fegnenb und gefegnet und 
im Namen bes Herrn. — Darum bede der Ewige Sie mit 
Seinem Schilde und flärfe mit Seiner Kraft zum hohen Beruf 
Ihren mächtigen Arm! Er der Herr unfer Gott fey Ihnen 
freundlich und förbere das Werk Ihrer Hände! Ja das Werf 
Ihrer Hände wolle er fördern! Amen!“ 


Diefer Empfang in ber erflen Stadt des Landes welches 
er zu befreien, beffen König er für ben Tilfiter Frieden Erfag 
zu bringen fam, machte auf ben Kaiſer einen tiefen Eindrud. 
Bei den Worten: „Sie fommen zu und nicht zu zerflören” 
unterbrah er den Redner: Nein, ich bin ber Freund Ihres 
Königs und des Volkes! und reichte dem Geiftfichen die Hand. 
Er verlangte Abſchrift der Anrede und beſchenkte den Verfaſſer 
mit einem Ringe '. 

Bon Lye eilte Stein von Arndt begleitet in Schlitten über 
gefrorene Seen und durch die Litthauifchen Wälder nah Gum- 
binnen. Hier beſprach er fih mit Herrn v. Schön über Ver- 
gangenheit und Zufunft. Als Schön wegen Paulucci's fragte, 
erflärte Stein: Paulucci fey verrüdt, ber Kaifer habe deſſen 
Anordnungen aufgehoben, ihm das Commando genommen und 
ihn nad Rußland zurückgeſchickt. Um die Aufgabe des Augen- 
blids zu loͤſen rechnete Stein neben Yord auf Schön und ben 
ehemaligen Minifter Grafen Dohna, denen beiden er in feinen 
Entwürfen 1808 und 1812 die Hauptrollen beſtimmt hatte; 
die Verftändigung erfolgte bald, wenn auch nicht ohne Wider- 
ſpruch. Nahdem er mit Schön das Weitere befprochen hatte, 
langte Stein am 22ften Januar gegen Abend, nach vierjähriger 
Abweſenheit in Königsberg an. 

Er fäumte nicht, die Hülfgquellen des Landes für die 
gute Sache zu eröffnen. Die Verwaltung ber Provinz durch 
bie Regierungen zu Königsberg, Marienwerder und Gumbinnen, 

Stein’ Leben. ML. 2te Aufl. 18 





274 


vereinigte fih in der Hand bes Dberpräfidenten, Landhof- 
meifters v. Auerswald, welcher zugleih als Königliher Com- 
miffarius den Tandfländen beigeorbnet war. Stein Tegte ihm 
fofort die Kaiſerliche Vollmacht vor, berief durch Schreiben 
vom 22fen die Regierungspräfidenten nad Königsberg zu einer 
Beſprechung und forderte von Herrn v. Auerswald bie Be— 
rufung der Landſtaͤnde: 


„&uer Excellenz erfuche ich äufolge der mir von Eeiner 
Maojeftät dem Kaifer ertheilten General-Vollmacht dd. Raczky 
den 6ten Januar 1813 einen Generallandtag auf den 5ten Februar 
a. c. auszuſchreiben, um mit denen Oftpreußifchen, Litthauiſchen 
und biesfeits der Weichfel belegenen Herren Ständen über bie 
Errichtung eined Landſturms und einer Landwehr zu berath- 
ſchlagen und einen Entſchluß zu faffen. 

Königsberg den 22ften Januar a. St. 1813. Stein." 


Herr v. Auerswald ein wohlmollender, gebildete, um das 
Land fehr verbienter und Stein und ber guten Sache aufrichtig 
ergebener Beamter, firäubte fih eine ſolche Maßregel ohne 
Auftrag bes Königs zu wagen; aber von Berlin abgefchnitten, 
unter dem Befehl des Ruffifchen Heeres, konnte er fi den 
Anordnungen nicht widerfegen welche Stein zu treffen nöthig 
fand; er berief am 23ſten Januar durch einen gebrudten Prä- 
ſidial⸗ Erlaß an die Regierungen und Landräthe eine fländifche 
Berfammlung, in welcher die Mitglieder des Oftpreußifchen 
und Litthauiſchen ftändifhen Ausfhuffes, fodann aus jedem 
landraͤthlichen Kreife zwei Ritter, ein köllmiſcher Gutsbefiger 
und ein gemeinfhaftlicher Abgeordneter der Stäbte, und aufer- 
dem von Königsberg brei, von Elbing zwei, von Memel ein 
Abgeordneter erfcheinen ſollten. 

Um das Königliche Anfehen zu fehonen, ward nachträglich 


“ 275 


am 25fen ber Landtag für eine „Verſammlung Rändifcher 
Abgeordneten” erflärtz die Ausführung fand nirgends Anftand. 
Die Weſtpreußiſche Regierung allein hatte Bedenken, bie jedoch 
dur den aus Königsberg zurüdfehrenden Präfidenten erlebigt 
wurden. Denn der Wille der Verwaltung war vortrefflich, 
der Geift des Volkes der befte; durch Jahrelange Bedrädung, 
Mißpandlung, Berhöhnung aufs Aeußerſte gebracht, brach er 
jegt da die Stunde der Befreiung flug, im ganzen Sande mit 
der Macht Eines Willens hervor, und machte, rüdfichtstos auf 
das Weitere, zu allen Opfern für die große Sache des Bater- 
landes bereit, Diefer Geift bethätigte fi in allen Claſſen; 
bie Bevölferung des Landes und der Gtäbte weteiferte an 
Hingebung; man fah, es hatte nur des rechten Mannes beburft, 
um biefen vortrefflihen Willen zur That zu führen. 

In biefem Wendepunfte der Lage Preußens trafen die 
Berliner Zeitungen vom 49en Januar ein; fie brachten die 
Nachricht von der Abfegung des Generals v. Yord, und ed 
fragte fih, was der General, was ber zu feinem Nachfolger 
ernannte General v. Kleift, das Heer und bie Provinz thun 
würden? Es fam Alles darauf an ben eingefchlagenen Weg 
zu behaupten, und es durfte unter feiner Bedingung geflattet 
werben, daß fih im Nüden bes Befreiungsheeres eine den 
Franzoͤſiſchen Planen bienftbare Macht bilde, wie es doch durch 
die vorgefhriebene Unterorbnung des Yordſchen Corps unter 
die Befehle des Königs von Neapel geboten war. Steins 
Wort, geftügt auf die offenbare Nothwendigfeit und das Ge— 
wicht ber guten Sade, beftimmten ben General, fi über den 
Schein eines offenbaren Ungehorfams hinwegzuſetzen; Yord 
erflärte am 27ften Januar in ber Königsberger Zeitung, daß 
fo wenig ihm als dem General v. Kleift ber Königliche Befehl 
auf dem angeblichen Wege durch Oberſt v. Natzmer zugekom⸗ 
men ſey, und er daher ohne Bedenken in Gemäaͤßheit ber 

18* 


276 


Gabinetsordre vom 20ſten December 1812 die Gefcäfte des 
General: Gouverneurs von Preußen und Befehlshaber ber 
Truppen fortführen werde; denn bekanntlich werde in Preußen 
feine Zeitung als amtlid betrachtet und fey noch feinem General 
ein Befehl dur die Zeitungen übermadt worden. General 
v. Kleiſt benugte feinen Einfluß um das Anfehen bes Befehle- 
habers aufrecht zu erhalten; er erflärte den General nicht ab⸗ 
Töfen zu fönnen, ba er wenigſtens gleiche Schuld trage. 

Die nähfte Mafregel welche unter dem Jubel der ganzen 
Bevölferung das Ende des bisherigen Druds und den Beginn 
einer neuen Zeit bezeichnete, war bie Aufpebung des Continental- 
foftems und die Eröffnung der Preußifchen Häfen für den freien 
Handel, 

Die Sperre des Landes gegen das Meer hatte in Preußen 
den Werth des Grundeigenthumg fo tief herabgedrüdt, daß fehr 
wohlhabende ſelbſt reihe Familien fih in der Unmoͤglichkeit 
fanden, die Zinfen ihrer Schuldcapitale zu bezahlen oder ihre 
durch den Krieg verwuͤſteten Güter wieberherzuftellen. Napoleons 
Erpreffungen für ben Feldzug an Pferden, Rindvieh, Korn, die 
Pünderungen feiner Marfhälle und des ganzen Haufens ber 
titelter und unbetitelter Erpreffer hatten bie Provinz bie zu 
einem unglaublihen Grabe erfhöpft; es war baher dem ver- 
wüfteten Lande bie Freiheit feinen Ueberfluß auszuführen brin= 
gend nothwendig. Diefe Maßregel allein konnte den Geldver- 
kehr wieberherftellen, ben Lanbeserzeugniffen Werth geben und 
die Niemen- und Weichfel-Länder zur Uebernahme der Krieges- 
laſten in Stand fegen. Aus demſelben Grunde mußten zugleich 
die Eontinentalfteuern fallen. Diefes Syſtem welches von dem 
unfinnigen Gebanfen ausging den Verkehr zwiſchen ber alten 
und neuen Welt aufzuheben, ber für beide eine Quelle von 
Reichthum, Thätigfeit und Genuß gewefen war, hatte in feiner 
ganzen Strenge felbft von Napofeon nicht ausgeführt werben 


277 


fönnen; Napoleon verkaufte Ausnahmen von feinen eigenen 
Gefegen unter dem Namen Lirenzen, plünderte den Handel 
feiner Bafallen; feine Marfchälle, Generale, Eonfuln, Rapp, 
Loiſon, Clerambault, Framery u. a. verfauften ihre Zufimmung 
zum Betruge für Gold, und das Spftem fonnte für fein Land 
drüdender feyn als für die Oftfeeländer, welche durch die Natur 
auf England als ihren vorzüglichtten Markt angewiefen find. 
Diefes Spflem der Thorheit, des Druds und Raubes mußte 
daher fallen, fobald die Macht gebrochen war, melde es aufs 
recht hielt; ber Handel erhielt Freiheit und Würde, ber Ader- 
bau feine Kraft zurüd, als am 26ften Januar bie folgende 
Berorbnung ber Oſtpreußiſchen Regierung an ber Königsberger 
Börfe angefchlagen warb: 


„Nach dem Befehl des Ruſſiſchen Kayfers Majeftät, der 
dem Herrn Landhofmeiſter v. Auerswalb Ercelfenz durch des 
Herrn Staatsminifter Freyherrn vom Stein Excellenz eröffnet 
worden, follen bie preußifhen Häfen geöffnet, und die Ausfuhr 
aller preußischen Produfte mit Ausnahme des Roggens und 
des Hafers hinführo gefattet feyn. Ein anderes Schreiben 
gedachten Herrn Staatsminifters Excellenz enthält zugleich die 
Feſtſetzung, daß die in Abficht des Handels und der Importa— 
tiond= Abgaben feit dem Tilfiter Frieden ergangenen Beftim- 
mungen fuspendirt fepn follen, und Se. Excellenz haben anbei 
noch mündlih näher erflärt, daß unter biefer Suspenſion auch 
diejenige neue Abgabe begriffen fey, womit bie Erportation bes 
Getreibes und des Bauholzes zur See im Jahre 1811 belaftet, 
und zu deren Erhebung bie Ober = Licent. - Infpection ꝛc. unterm 
Tten Auguft 1811 angemwiejen worben. 

Indem wir dieſelbe hievon in Kenniniß fegen, machen wir 
es ihr zugleich zur Pflicht, der Ausfuhr aller preußiſchen Pro- 
ducie mit alleiniger Ausnahme des Roggens und des Hafere 


278 


fein Hinderniß in den Weg zu legen, und bavon feine andern 
als die vor Einführung des Continental- Spftems üblih ge⸗ 
wefenen Gefälle zu erheben. 
Königsberg den 26ften Januar 1813, 
Abgaben- und Polizei-Deputation der "Röniglihen Regierung 
von Oftpreußen. 
Niederftetter. v. Stegemann. 
An 
die Ober = Licent. = Infpection bier 2." 


Die Folge diefer Maßregel war die Eröffnung von 
Geldquellen für die Bedürfniffe des Yord’fchen Corpse. Bei 
dem Kriege mehrerer Berbündeten welhem man entgegenfah, 
mußte der Grundfag gelten, daß jedes Land feine eigenen 
Truppen zu erhalten habe; York war daher zunächft auf 
die Provinz Preußen angemiefen, fand fih jedoch bei deren 
Erfopöpfung dur die Franzofen und die Gegenwart des Bes 
freiungsheers in der Nothwendigleit, den Kaifer Alexander um 
Hülfe anzugehen. Der Kaifer ließ ihm ſogleich 60,000 Thaler 
auszahlen und bewilligte im Ganzen die Uebernahme einer 
halben Million, welhe durch Steins DBermittlung nad dem 
jebesmaligen Bebürfnig in Wechfeln auf Riga oder Petersburg 
bezogen werben follten, Bevor jedoch Stein von dieſer An- 
ordnung bur den Fürften Kutuſow in Kenntniß gefegt war, 
hatte er bereits im Lande felbft Hülfsmittel gefunden, Auf 
feine Vorſtellung zahlte die Kaufmannſchaft von Königsberg 
Memel und Elbing als Vorſchuß auf die Seezölle 500,000 Thaler, 
und indem fo bie Ergänzung und Herflellung des Yorchſchen 
Corps aus den Mitteln der Provinz gefihert wurde, fonnte 
Stein mit um fo größerem Rechte darauf dringen, daß ihr 
diefenigen Laften abgenommen wurden zu deren Tragung zu- 
naͤchſt die Ruffen verpflichtet waren. Die erſte dieſer Laſten 


279 


war die Verpflegung von 8242 Ruſſiſchen und Franzoͤſiſchen 
Kranken in den Hospitälern zu Königsberg, Labiau, Tapiau 
und andern feinen Städten: da man bem Lande höchftens bie 
Lieferung feiner eigenen Erzeugniffe, Mehl, Holz, Branntwein, 
Graupen anfinnen Tönne, der Hospitalbedarf aber der Krieges— 
Kaffe zur Laft fallen müffe, fo drang Stein auf Uebernahme 
der Koften auf Ruſſiſche Rechnung. Kutufow ging auf den 
Vorſchlag ein; und bem Lande ward eine monatlihe Ausgabe 
von 60,000 Thaler abgenommen. 

Ein zweiter Gegenftand von großer Bedeutung waren bie 
Lieferungen. Graf Wittgenftein Iegte zu Infterburg und Anger- 
burg große Magazine an '‘; Futter und Korn jeder Art gaben 
die Einwohner mit Hreudigfeit her, aber bie unentgeltliche Liefe- 
rung von Fleifh und Branntwein fand Schwierigfeiten, da eine 
Biehfeuhe ausgebrochen, und Branntwein nur gegen baar 
Geld von den Brennern zu erhalten war, Bei dem Aufenthalt 
welcher dadurch entftand, da der Anfauf diefer unentbehrlichen 
Nahrungsmittel nur mit großem Zeitverluft und Koften zu ber 
werlſtelligen fland, befahl der Kaifer dem Fürften Kutuſow 
Stein zu befragen. „In Ihre Meinung, ſchrieb Rutufow '”, 
fegen wir unfer ganzes Bertrauen. Alles ift Thätigfeit in dem 
was Sie unternehmen, Alles muß es feyn in dem was wir 
thun. Daher müßte das Land mehr als erfhöpft ſeyn um ung 
die Lieferungen zu verfagen, ohne welhe wir ung in ber 
größten Verlegenheit finden wurden.“ 

Stein erwiberte '° dem Fürften: „Die eigenen Erzeugniffe 
des Landes welches jegt zum Kriegsſchauplatze dient, find bie- 
ber mit Leichtigkeit geliefert worden, bie Jahreszeit ber gefüllten 
Sceuern, die Ausdehnung des von dem Heer beſetzten Landes, 
der Eifer der Einwohner fommt dabei zu Gtatten; aber es 
nähert fih bie Zeit wo biefe günftigen Umftände aufhören 
werben; im Frühling leeren fih die Scheuern, die Heere neh: 


280 


men engere Stellungen; für biefe Zeit muß man forgen, aus 
dem Innern Zufuhr heranziehen und an der Küfle der Oſtſee 
auf den Punkten, welche dazu durch die wahrſcheinlich einzu⸗ 
nehmende Stellung des Heeres geeignet find, Magazine bilden. 
Unentgeltlich fordern heißt im Allgemeinen die Steuerfähigfeit 
eines Landes vermindern, und wenn man ein befreundetes Land 
befegt und dem Bandesgenoſſen die Möglichfeit laſſen will bie 
Einfünfte des Staats zu erheben und damit Truppen zu unter= 
halten, fo muß man fi der Requifitionen mit Mäßigung be- 
dienen. Eine Art zu fordern befteht darin, daß man dem Lande 
einen beflimmten Preis fegt, wofür man bie’ Lieferungen ver- 
langt; dieſem Requifitionsfpftem kann man eine größere Aus- 
dehnung geben und ſichert ſich zugleich gegen die Kunſtgriffe 
der Lieferanten und Unternehmer der Lebensmittel, deren Hab= 
ſucht und Schelmerei feine Gränze hat. Jedes Requifitiong- 
ſyſtem erfordert etwas Redlichkeit bei ben Lieferanten; von 
ſtrenger Eprlihfeit kann bei diefer Art Leuten nun einmal nicht 
die Rede ſeyn — wenigftens zeigt dieſes das Beifpiel der 
Defterreihifgen Engliſchen Ruſſiſchen und Preußiſchen Heere 
während der Revolutionskriege. Aber noch nothiwendiger if 
es, baß der Generalintendant das Land fenne welhes vom 
Heere befegt wird, daß er beffen Hülfsquellen berechne, daß 
die Bertheilung mit Sachkenntniß und Billigfeit erfolgt. Um 
nun auf den vorliegenden Fall zu fommen, ob man Branntwein 
und Fleiſch zu den Gegenftänden unentgeltlicher Lieferung machen 
Tann, fo glaube ich diefe Frage befahen zu fünnen, wenn das 
befegte Land eine Menge Bieh und viele Branntweinbrennereien 
befigt, und im entgegengefegten Fall fie verneinen zu müffen, 
ausgenommen wenn das Land reich genug ift um ben Anfauf 
zu machen und man es feindlich behandelt um fi aller feiner 
Hülfsquellen zu bemädtigen. Die Gegenden aus denen bas 
Wittgenfteinfhe Heer ſich verforgt, die Preußifchen Provinzen 





281 


zwiſchen Elbe uud Niemen, befigen wenig Vieh und die Bren- 
nereien find nicht zahlreich — fie finden fi in großer Zahl 
im Großherzogthum Warſchau; ich erlaube mir daher den 
Borſchlag, 1) daß man die Rieferungen für die Refervemagazine 
im Herzogthum Warfchau ausfchreibe, welches großentheils von 
den Ruſſiſchen Heeren beſetzt if. 2) Daß das erforderliche 
Bieh in den Preußifhen Provinzen ausgeſchrieben und nad 
angemeffenen Preifen bezahlt werbe; im Feindes Lande kann 
man ſich an unentgeltliche Lieferungen halten. Ich wieberhole 
es, der Generalintendant muß feine Forderungen mit Kenntniß 
der Hülfsquellen des Landes machen, fie mit Gleichheit und 
Diligfeit vertheilen, und wenn man ein befreundetes Land be- 
fegt, deſſen Fürft den Genuß der Einfünfte bewahren fol um 
Truppen zu unterhalten, fo muß man für ben Frühling auf 
Magazine denken die aus dem Innern herbeigezogen werden, 
oder man muß ben Einwohnern für ihre Waaren einen billigen 
Preis oder wenigfend einen Theil dieſes Preifes zahlen.“ 

Auf diefen Bericht befahl der Kaifer, daß Preußen mit 
Branntweinlieferung ganz verfhont bleiben, andere ausge- 
fepriebene Gegenflände nad einer billigen durch die Königs» 
berger Regierung vorgefchlagenen Schägung vergütet, und zwar 
mit /, baar, das Uebrige mit Empfangfcheinen der Intendantur 
welche das Ruffiihe Commiſſariat einzulöfen hatte, bezahlt 
werben follte ". 

Eine andere Forderung ließ der Kaifer durch Graf Neffel- 
rode an Stein gelangen *°, daß nämlih um die Verlufte des 
Ruffifhen Heeres an Material aufs Schleunigfe zu erfegen, 
eine bedeutende Anzahl Handwerker, Stellmacher, Rademacher, 
Schmiede, Sattler, Schloffer, Bühfenfhäfter, Schneider, Schuh⸗ 
mader, Hutmacher und Ladirer zur Verfügung geftellt würden; 
dieſes Anfinnen ward mittelft der Regierungen zu Königsberg, 
Gumbinnen und Marienwerder erledigt, welche vorläufige Liſten 


282 


aufftellten, und ſich mit den Ruffiihen Offizieren über Zahl 
und Lohn der Handwerfer zu verfländigen angetviefen wurben"". 

Größere Schwierigfeit fand bie gefeglihe Einführung des 
Ruſſiſchen Papiergeldes, Diefer in Ermangelung bes baaren 
Geldes unvermeidlihen Maßregel widerfegte fih die Königs— 
berger Regierung mit um fo größerem Rechte, ald die Zurück⸗ 
führung des Papiergeldes nach Rußland verboten war. Stein 
hatte daher fhon zu Raczky mit Araltſchejew die Aufhebung 
diefes Verbots verabredet, und fandte den von Kutuſow er— 
laffenen Befehl ** über Annahme und Berhältnig des Ruſſiſchen 
Geldes und der St. Petersburger Banfobligationen an bie drei 
Preußiſchen Regierungen zur Bekanntmachung. Die Oſtpreußiſche 
Regierung Tehnte dieſes Anfinnen ab; fie berief fih auf die 
Ruſſiſchen Proclamationen, nach denen die Eivilverwaltung in 
ihren Orundfägen in den Preußiſchen Provinzen ungeänbert 
bleiben folle, fie erwähnte der fo eben in Berlin befchloffenen 
Ausgabe von 10 Millionen Treſorſcheine deren Umlauf durch 
bie Zulaffung Ruſſiſchen Papiers gefchmälert werde, der Un- 
befanntfchaft des Publikums mit den fremden Obligationen, 
der vorausgefegten Annahme öffentlicher feit 1807 abgefchaffter 
Preisbeftimmungen, erfuchte den Minifter es bei freier Ueber- 
einfunft der Käufer und Verkaͤufer Hinfichtlich der Zahlunges 
mittel bewenden zu laſſen, und ſchloß mit der Erklärung: 
Auf jeden Fall Halten wir uns nach unferer amtlichen Stel- 
Tung, befonders da des Kaifers von Rußland Majeftät die 
Preußiſchen Adminiftrationsbehörben völlig in ihren Zunctionen 
zu belaffen geruht haben, fehuldig, die Genehmigung der ung 
vorgefegten Behörden über dieſen Gegenftand einzuholen. 

Königsberg den Iften Februar 1813, 

Königliche Regierung von Oftpreußen. 

(Cunterz.) Auerswald. Nicolovius. Frey. Müller. Thoma.“ 


283 


Diefen Gründen fegte Stein” die Vorflellung von der 
Nothwendigfeit der Maßregel entgegen: 


„Ih bin nit im Stande den Wunfe einer Königlichen 
Regierung zu erfüllen und die Bekanntmachung ber Verfügung 
wegen bes Berhältniffes ber Ruſſiſchen Münze zur Preußiſchen 
von der Genehmigung der ihr vorgefegten obern Behörde ab- 
haͤngig zu machen. — Diefer mein Entſchluß gründet fih auf 
den Zuſtand ber Preußifhen oberen Behörden, auf den Drang 
der Umftände, auf die Zwede des Krieges. 

Die Preußiſchen Behörden fiehen noch unter Franzöfifcher 
Influenz, fie find noch nicht fähig eines felbfländigen freyen 
Entfchluffes, eine Maßregel wie die in Rede feyende fann alfo 
nicht von ihrem gebundenen Urteil abhängig gemacht werben, 

Der Drang der Umflände if fo groß, die Ruffiihe Armee 
erhält Sold und Löhnung in Papiergeld, diefes if das haupt- 
ſaͤchliche Circulationsmittel im Ruſſiſchen Reich, der Dfficier 
und Soldat muß in den Stand gefegt werden, alle bie mannich- 
faltigen Bebürfniffe ſich anzufhaffen, bie niht vom Lande 
geliefert werben, und die Ruſſiſchen Staatscaffen nicht in Lagen 
geſetzt werben, die ihnen die Fuhrung eines auswärtigen Kriegs 
unmöglich maden. 

Zu allen diefem fümmt ber Zwed des Kriegs; er ift nicht 
Rußlands Selbfändigfeit, denn bie furchtbaren Ereigniffe des 
gegenwärtigen Feldzuges beweifen, daß dieſe gefihert if; er 
iſt nicht Eroberungen, biefes verbürgen die Erflärungen und 
die eblen Gefinnungen S. M. des Kaiſers; er ift die Wieber- 
berfiellung der Selbftändigfeit Deutſchlands und Preußens, und 
zu ber Erreichung dieſes Zweds iſt jeder Kräftige und Ber- 
fländige Gut und Blut aufzuopfern verpflichtet, 

Aus diefen Gründen wiederhole ih meine Aufforderung 


284 


an das hiefige Regierungs = Collegium bie Belanntmachung der 
Verfügung wegen ber Ruſſiſchen Muͤnze noch heute zu verfügen.’ 


Die Bekanntmachung erfolgte fofort, wie bie Regierung 
dem Minifter berichtete: 


„Auf Eurer Excellenz Befehl vom heutigen Datum wer- 
den wir dem geftern geäußerten Verlangen wegen der Eirfulation 
der Ruffifpen Münzen und Papiere fogleih nachkommen, welches 
wir Eurer Ercellenz anzuzeigen nicht verfehlen. Königeberg 
den 2ten Februar 1813, J 

Koͤnigliche Regierung von Oſtpreußen. 
(gez.) Auerswald.“ 
An des Staats-Miniſters und Ritters des rothen 
Adler-Drdend Freiheren vom Stein 
Excellenz 
bier. 


So fonnte eine Mafregel durchgeführt werben, welche zu 
jeber andern Zeit einen fehr großen Widerftand gefunden haben 
würde, Die öffentliche Stimmung war gehoben, alle Herzen 
vom Gefühl der Rache und bes Haſſes gegen den Unterbrüder 
und feine Schergen erfüllt, und bie Regierungen vermogten 
diefer Bewegung nicht zu widerſtehen. 

Einer wohlgemeinten und in gewöhnlichen Zeiten treffenden 
Borfiellung der Regierung zu Marienwerder *, daß das Ver— 
hältniß des Papiers zum baaren Gelbe beffer der freien Weber- 
einfunft überlaffen bleibe, Konnte eben fo wenig nachgegeben 
werden; Stein forderte zu unverzüglicher Veröffentlichung des 
Tarife auf, mit der Bemerkung, daß bei dem günftigen Ber- 
paltniß von 1 zu 4 die befürdpteten Folgen überhaupt nicht ein- 
treten Fönnten; und follten fie ſelbſt eintreten, welches fchlechter- 


285 


dings nicht der Fall fey, fo müffen fie den höheren durch ben 
Krieg zu erreichenden Zweden nachſtehen *. 

In feinem Berichte an den Kaiſer drang er auf Zulaffung 
der Banfobligationen in Rußland, deren Werth von ber Größe 
ihres Kreifes und von der Anwendung abhänge, welche man 
von ihnen machen könne, während das Einfuhr- Verbot ihren 
Werth herabdräde und doch durch feine Gewalt die heimliche 
Einfuhr zu verhindern fey. Der Kaifer hob das Verbot auf. 
Uebrigens fam Stein bei biefer Beranlaffung auf den Gedanfen 
eines Bundespapiers zurüäd; dadurch gelange Einheit in ben 
Plan des-Papiergeldes für den Kriegsſchauplatz, während jegt 
jede Macht für ſich handele, fo Preußen ein Papiergeld fhaffe; 
es habe eine weitere Grundlage durch ben vereinigten Credit 
mehrerer Maͤchte und gewähre England bie Leichtigleit den 
Verbündeten ohne Vermittlung von Baarſchaften durch feinen 
Eredit zu helfen **. 

Indem Stein fo mit feſter und ‚gerechter Hand die Ber- 
häftniffe des Befreiungsheeres gegen das Land zu gemeinfamer 
Befriedigung ordnete, gelang es ihm jedoch nicht ſich mit den 
Häuptern der Verwaltung in dem anfänglichen freundfichen 
Berhältniß zu erhalten. Die beiderfeitigen Standpuncte waren 
zu verſchieden. Stein forderte mit Nachdruck ein entſchiedenes 
raſches kraͤftiges Handeln für das gemeinfhaftlihe Ziel, während 
Auerswald in der Ungemwißheit über die Abfichten bes Könige, 
moͤglichſt wenig gegen deſſen ausbrüdfihen Willen thun wollte, 
und Yord dem Lande mißtrauend fi nicht entfchließen konnte 
zu handeln. Es erfolgten daher heftige Auftritte, Auerswald 
meldete fich franf — oder wie Stein es auffaßte, er Tegte ſich 
aus Furcht vor der Wiederkehr der Franzofen zu Bett — und 
308 fih von aller Theilnahme zurüd, Bon dem BVorfiger 
des fländifehen Ausſchuſſes, dem ehemaligen Minifter Grafen 
Merander Dohna hatte Stein verlangt, daß das Land zu 


286 


raſcherer Betreibung der Rüftungen, ſogleich Papiergeld made 
und ausgebe; wogegen Dohna meinte, folhes Papiergeld werde 
bei dem dermaligen Stande ber Dinge von Niemand genommen 
und badurh das allgemeine Vertrauen geſchwaͤcht werben. 
Stein berief daher den Präfidenten v. Schön nad Königsberg, 
und deſſen eifrigen und verfländigen Bemühungen gelang es das 
Einverftändniß zwiſchen Stein Yord und Dohna herzuftellen. 
Auerswald blieb unthätig allein. Stein hatte den General Yord 
aufgefordert, die Leitung der Stände zu übernehmen. 


Stein an York. 


„Königsberg den a armar 1813. Des Kaiſers Ma- 
ieftät Haben Ihre Gefinnungen gegen Preußen und feinen König 
in Allerhoͤchſtihrer Proclamation dd. 17 Januar deutlich aus⸗ 
geſprochen; fie find Wieberherfiellung der Unabhängigkeit des 
Staates und des Glanzes des Thrones. ‚ 

Diefe großmäthige Erklaͤrung hat die Herzen aller Ber 
wohner diefes Landes mit Dankbarkeit und Ehrfurcht erfüllt; 
überall wurden Seine Majeftät der Kaifer mit Tautem Jubel, 
die Ruffifhen Heere als Brüder und Befreyer empfangen, und 
der brennende Wunſch mit ihnen gegen den Menfchenverberber 
und feine Räuberbanden zu fämpfen brach allgemein und laut 
aus. Nichts Hindert jegt die Erfüllung dieſes Wunſches. Das 
Land if bis an die Ufer der Spree frep, der König ift für 
feine Perſon gefichert, Klugheit Ehre Vaterlandsliebe Rache 
gebieten feine Zeit zu verlieren, den Volkskrieg aufzurufen, die 
Waffen zu ergreifen, und jede Kraft anzufpannen, um bie 
Feſſeln des frechen Unterdrüders zu breden, und bie erlittene 
Schmach im Blut feiner verruchten Banden abzuwafchen. 

Des Raifers Alerander Majeftät haben mich in der unter 
dem Januar ertheilten Vollmacht zu beauftragen geruhet, 
diefe Bolfsbewaffnungen auf die verfaffungsmäßige Art zu ver- 


287 


anlaffen. Die Stände von Lithauen, Dfipreußen und Wefl- 
preußen find auf den 5ten d. M. von des Herrn Randhof- 
meifters v. Auerswald Ercellenz zufammenberufen; die Leitung 
ihrer Berathungen damit fie zu einem zmwedmäßigen weifen 
Refultate führen, kann von niemand vollfommener geſchehen 
als von Eurer Ercellenz die durch ihren fräftigen und weiſen 
Entſchluß die Flucht des Feindes befchleunigt und dem König 
und Baterlande ein Corps tapferer Männer zum Kampf für 
Freyheit und Ehre aufbewahrt haben; Seine Majeftät der Kaiſer 
erwarten daher, daß Eure Excellenz diefe Leitung übernehmen 
und die Verhandlungen zu einem erwunſchten Refultat bringen 
werben.” 


Der General Iehnte diefe Aufforderung ab, weil bie Be- 
rufung auf Steind Verlangen erfolgt fey und man allgemein 
deffen Aeußerung erwarte; Schön unterflügte diefe Gründe mit 
der Bemerkung, Yord könne ohne Aufforderung des Landes 
nicht felbft vortreten, um fo weniger ba er in ben Zeitungen 
als förmlih abgefegter General baftehe; Fein Diener bes 
Königs könne da der König fih noch nicht erklärt habe den 
erſten Schritt thun, Stein fey als Ruſſiſcher Bevollmächtigter 
mit einem Preußiſch-Deutſchen Herzen dazu berufen. Stein 
veranlaßte daher den Stellvertreter bed Herrn v. Auerswald 
Geheimen Juſtiz-⸗Rath v. Brandt durch ein von Schön entwor⸗ 
fenes Schreiben zu den nöthigen Eröffnungen an bie Stände: 


„Euer Hochwohlgeboren ald dem Stellvertreter des Herrn 
Landhofmeifter v. Auerswald Ercellenz bey ber morgenden 
Konferenz und fländifhen Verfammlung, wird e8 aus meinem 
Schreiben“ an den Herrn Lanbhofmeifter über diefen Gegen⸗ 
Rand befannt feyn, daß ich dieſe Verſammlung veranlaßt habe, 
um ber Deliberation ber Herren Stände bie Auswahl ber 


288 


Mittel zur allgemeinen Bertheidigung bes Baterlandes anheim 
zu geben. Ich erfuche Euer Hochwohlgeboren dies ben ver- 
fammelten Herren Ständen mitzutheilen, deren Anerbietungen 
und Vorfepläge verfaflungsmäßig zu Ieiten, und folge den ge- 
orbneten Behörden vorzulegen.” 


Wahrſcheinlich ward zugleid verabredet, daß die Stände 
den General fofort in ihre Mitte fordern follten, um die Be— 
waffnung zu leiten. Der General war bei den Unterredungen 
mit Stein und Schön in der hoͤchſten Aufregung gewefen, und 
hatte im Zweifel am Gelingen fogar den Gedanfen geäußert 
abzureifen und heimlich nad England gehen zu wollen, wohin 
ihm Schön Empfehlungen mitgeben möge; er fürdtete, falls 
die Stände die von ihm eingeſchlagene Bahn nicht verfolgen 
würden, fein Werf vernichtet und ſich felbft vom König aufge- 
geben zu fehen. 

Die Stände, ein Verein ber wohlhabendften und achtungs- 
wertheften Männer bed Landes, traten am 5ten Februar zufam- 
men. Sie waren, unter dem Einfluffe des Präfidenten v. Schön, 
von dem ebelften Geifte belebt. Um die Unabhängigkeit und Würde 
des Landes zu wahren erffärte die Verſammlung zuerft, daß 
fie nur deshalb vereinigt fey, um dem Könige den Iebhafteften 
Beweis ihrer unerfütterlihen Treue und vaterländifhen Ge— 
finnung an den Tag zu legen; fie verbänden ſich nur nad 
diefer Anfiht zu handeln, feinem fremden Einfluß nachzugeben 
und allein den Willen des Königs zu dem ihrigen zu machen. 
In folchen Gefinnungen, deren Ausdrud böswillige Auslegungen 
in Berlin und Breslau zu widerlegen geeignet war, ergriff 
man den Gegenftand ber Beratfung, und fandte Abgeorbnete 
um Yord als Generafgouverneur von Preußen zur Erflärung 
über Steins Antrag aufzufordern. Der General erſchien in 
der Verfammlung, forderte mit eindringlihen Worten, da bie 


239 


Berbindung mit dem König unterbrochen ſey als deſſen Stell- 
vertreter das Land zur Bewaffnung auf, und erbot fi feine 
näheren Borfhläge einem fändifhen Ausſchuß vorzulegen. 
Es lebe York! war die begeifterte Antwort; ba gebot Yord 
mit aller Stärfe der Stimme Stille, und fegte dazu: Auf dem 
Schlachtfelde bitte ih mir das aus! Nachdem der Feldherr 
ſich entfernt hatte, nahm der Vorſitzer des fländifchen Aus- 
ſchuſſes Graf Alerander Dohna das Wort; er fellte die For— 
derung Mar dar, fchilderte bie Gefahr, wie auf ben Fall des 
Mißlingens fie Alles verlieren und mit ihren Angehörigen ver— 
trieben und verfolgt werben würden; dennoch flimme er, Gott 
und dem Könige treu, für die Bewaffnung. Ihm antwortete 
ein ftärmifcher Ausbruch der Berfammlung: Es Iebe der König! 
Es wurde dann ein Ausfhuß gewählt, welhem Yord den Plan 
zur Randesbewaffnung vorlegte; die Hauptzüge deffelben waren 
die Aushebung von 13000 Mann Referve zur fleten Boll- 
zählighaltung feines Heerd, Errichtung einer Landwehr von 
20,000 Mann, eines Landflurms fobald der Feind über die 
Weichſel dringen follte, und die Bildung einer Schaar von 
700 Freiwilligen zu Pferde, welche ſich ſelbſt auszuräften hätten 
und als Pflanzfhule für die Offiziere dienen würben. 

Der Ausſchuß ward aus fieben Abgeordneten gebildet, von 
denen ber ehemalige Minifter Dopna und fein Bruder Graf 
Louis Dohna, und ber Dberbürgermeifter Heydemann von 
Königsberg befonders thätig waren. „Allee, fehrieb Stein dem 
Kaifer, verſpricht die glücklichſten Erfolge, zunächſt aber den, 
daß das Beifpiel diefer Provinzen einen mächtigen Einfluß auf 
das ganze übrige Deutſchland ausüben wird,” 

Der Entwurf der Landfturm- und Landwehrordnung war 
in Steins Auftrag von Dörnberg, Claufewig und Dohna ber 
rathen worden””, von Clauſewitz niebergefihrieben, darna von 
Dohna der Entwurf zu einer Berorbnung ausgearbeitet, und 

Stein’s Leben. I. 2ie Aufl. 19° 


290 


diefer von Stein durchgeſehen und verbeffert””. Am Tien Fe— 
bruar wurden bie Anträge von ben Ständen einflimmig ange- 
nommen, am Sten von Yord beftätigt. Zu Ausführung der 
großen Maßregel, welche den regeltechten Händen ber gemwöhn- 
lichen Behörden nicht mit vollem Vertrauen auf die erforber- 
liche Kraft und Nachdruck überlaffen werben durfte, fegte man 
nad dem von Stein für ſolche Faͤlle vorher entworfenen Plane 
eine aus fieben Mitgliedern beftehende General-Eommiffion ein, 
welche als außerorbentlihe Behörde Altes auf die Vertheilung 
Bildung und Ausrüſtung der Truppen Bezügliche ſelbſtaͤndig 
anzuorbnen, den Behörden zu gebieten, auch außerordentliche 
Mafregeln zu ſchneller Beförberung zu treffen habe. Graf 
Louis Dohna ward fobann abgeordnet, um bie Beſchlüſſe dem 
Könige zu überbringen und feine Zuſtimmung zu biefen ganz 
für ihn und des Landes Rettung, aber nit nur ohne feinen 
Befehl fondern in geradem Gegenfage mit der öffentlichen 
Mißbilligung der Yordſchen Eapitulation getroffenen Maßregeln 
zu erfangen. Zu Erleichterung biefer Abſicht gab Yord in fei- 
nem Berichte an den König, der Sache eine moͤglichſt unanftößige 
Wendung?“. „Der ehemalige Minifter v. Stein — ſchrieb er — 
ein Mann der Sache Preußens und Deutſchlands warm ergeben, 
erſchien hier und berief durch den Landhofmeiſter v. Auers- 
wald, mit Vollmacht Sr. M. des Kaiſers von Rußland, eine 
landſtaͤndiſche Verſammlung, deren Berathungen die zweck— 
mäßigfte Lanbesvertheidigung zum Gegenfland haben follten. 
Die Treue jedes Unterthans an Ew. K. M. Perfon und Aller- 
hoͤchſtihre erhabene Dynaftie hatte alle Gemüther entflammt, und 
zu jedem Opfer bereit würde fi der Patriotiemus an die, 
wenn gleih durch bie Aeußerungen des erhabenen Monarchen 
Rußlands als befreundet anerfannte, dennoch fremde Autorität 
angefäloffen haben. Da füplte ih mit Männern von Einfiht 
und Baterlandsliebe gleichartig das Bedurfniß, im Namen Eurer 


291 


Königlichen Majeflät dieſe erhabene Willensäußerung der Menge 
aufzunehmen und zu leiten, und trat ald treuefler Unterthan 
meines verehrten Königs an die Spige der Iandfländifhen Ver— 
fammlung, welde nur iprem Monarchen und fi felbft mit Bei- 
fand feines Faiferlichen Freundes zu verbanfen wünfchte, was 
das Höchfte aller öffentlichen Güter ift, äußere Sicherheit.” 

In einem andern Schreiben, wie es ſcheint an den König- 
lien Generaladjudanten v. Thile, behauptet Yord, Etein vom 
eigenen Auftreten in der ftändifhen Verfammlung abgehalten 
zu haben, während gerade im Gegentheil Herr v. Schön er- 
zählt, wie viele Mühe es ihm gefoflet habe, Stein nur zum 
Erlaß des furzen Schreibens an Herrn v. Brandt zu bewegen. 
Es ſcheint, die Größe der Begebenheit hat bie Erinnerungen 
verbunfelt, und da weder Yord noch Schön den Verlauf fogleich 
nieberfehrieben, fo hat man ſich wefentlih an die vorhandenen 
Urfunden zu halten. Yord’d Schreiben lautet: 


„Obgleich man mit mir verfährt als wenn id) in ber 
Wirflichfeit aufgegeben wäre, fo fahre ih dennoch fort nad 
Kräften für das wahre Intereffe Sr. M. des Königs und des 
Baterlandes zu würfen und auf einer Bahn fortzumandeln auf 
der fein Rüdfepritt mehr möglih if. Alle meine fonfligen 
Freunde haben fih aus Furcht vor Compromittirung von mir 
zurüdgezogen: von feinem ein Wink, noch weniger Rath oder gar 
Hütfe. In folden Zeiten wo ſchon ein eingeführter Schlendrian _ 
hinreihend if bie Sache von ſelbſt weiter zu treiben, ift rathen 
ſehr Teicht: aber in Zeiten von Seyn und Nichtſeyn deſto 
ſchwerer. Leider überzeuge ih mid) immer mehr, daß biefenigen 
Leute die bei ruhigem Gemüth und einer behaglichen Lage der 
Dinge am leichteſten von den Thaten ber Vorwelt ergriffen 
werden, gemeiniglih am wenigften bie Leute find ähnliche 
Tpaten unter ihren Zeitgenoffen auszuführen. Dod wozu noch 

19* 


292 


mehr folder Klagen, ich werde Tieber die Gelegenheit benutzen, 
Ew. Hochwohlgeboren einige Nachrichten über die biefige gegen- 
wärtige Rage ber Dinge mitzutpeifen. " 
Ohne Zweifel haben E. H. fehon erfahren, daß bier beym 
Rüdzuge der Franzofen der gerechte Tange verbiffene Haß gegen 
die bisherigen übermüthigen Unterbrüder in vollem Maaße 
ausbrach: Einem entſchloſſenen Intriganten von Einfluß würbe 
es leicht geworden feyn diefer Stimmung der Nation eine ge- 
fährliche Richtung zu geben: id verfihere Sie- dag es Mühe 
foftete die Leute bey Befinnung zu erhalten. Unter diefen Um— 
Ränden wurde unter Ruffifhem Einfluß ein Landtag ausge: 
ſchrieben. Um dieſen Einfluß nicht au auf die Berathſchlagungen 
defielden einwirfen und dadurch den Sonveränitätsredhten des 
Königs zu nahe treten zu Taffen, erflärte ich aber dem Ruſſiſchen 
Commiffarius Baron vom Stein, daß ich mich fogleih von 
allem zurüdziehen würde, wenn er in ber Verſammlung erfchiene. 
Herr v. Stein gab meinen Vorſtellungen nad, und die Sade 
iR nun unter meiner Einwürfung gefchehen. Cine unmerkliche 
Spur von Offizianten-Intrigue abgerechnet babe ich alle Urſache 
gehabt mit dem Geift der Stände zufrieden zu feyn. Alle find 
entſchloſſen der Unabhängigfeit des Könige und des Vaterlandes 
Gut und Blut aufzuopfern. Schon ift mein Corps auf 20,000 
Combattanten ergänzt, ein neu zu errichtendes National-Cavalleric 
Regiment von 1000 Pferden wird dazu ftoßen, 13,000 Mann 
zu Kriegsdepots und Belagerungs-Bataillons werben jebt aud- 
gehoben, man wird fofort zur Formirung einer befonderen Land« 
wehr fehreiten, und endlich ſchon im Voraus einen allgemeinen 
Landſturm organifiren, wenn es je bem Feinde wieder gelingen 
follte über die Weichfel zu fonımen. Folgen die andern Pro: 
vinzen diefem Beifpiel, dann wird ung Napoleon mit aller 
feiner wirflihen und gelogenen Macht nichts mehr thun, und 
wir fönnen mit Zuverfiht auf die Rüdfehr des vorigen Glanzes 


293 


unferes Baterlandes bauen. — Um bei ber Armee eine bins 
längliche Anzahl an Gefhüg zu erhalten laſſe ich jegt noch eine 
12pfündige, eine 6pfündige und eine Ipfündige Batterie mobil 
machen, und von dem Raifer von Rußland habe id 15000 
Gewehre gefchenft befommen, wovon ich den Ueberreſt an bie 
Landwehr vertheilen werde. Unter biefen Gewehren befinden 
fh auch die 7000 welde und bie Franzofen aus Pillau ger 
ſtohlen, fowie ich auch noch hoffe das Gefchüg wieder zu erhalten, 
was man und dort weggenommen bat und glüdficherweife 
ebenfalls in die Hände der Ruffen gefallen if. Die jegige 
Räumung Pilau’s von den Franzofen fegt ung nun auch in 
Befig der noch übriggeblichenen Hülfgmittel in dieſem Platz. 

Daß übrigens zur Retablirung eines nicht unbedeutenden 
Corps und zu folden anfehnlihen neuen Formations Gelb 
gehört, verfieht fi wohl von felbf. Bon Berlin hat man dem 
Corps unbegreiflicherweife nichts zufommen laſſen; man hat ihm 
fogar noch dasjenige zu entziehen gefucht was ſchon für daſſelbe 
in Graudenz lag; und da ih aus ben Reſſourcen des Landes 
taum bie Löhnung pro Februar fchaffen konnte, fo blieb mir 
freilich nichts übrig, als auf meinen perfönfichen Credit eine 
halbe Million Thaler zu borgen. Schon die Möglichfeit eines 
folhen Credits giebt indeß einen Beweis von dem Ernſt der 
hiefigen Anftrengungen, und ich hoffe daß endlich unfere oberen 
Finanzbehörden zur Befinnung fommen und weiteren Rath 
ſchaffen werben. 

€. 9. beſchwöre ich aber ſchließlich, mir wenigſtens einen 
Wink zufommen zu laſſen, wenn noch nicht der Zeitpunet ift 
fih rein auszuſprechen: Zeit gewinnen fönnen nur bie Franz 
zofen, wir aber nur fie verlieren. 

Noch benachrichtige ih E. H. daß der Major Graf Dohna aus 
Findenftein von den Ständen nach Breslau abgefendet werden 
wird, um Seiner Majeſtät die Befhlüffe und Anerbietungen ber 


294 


Stände von Preußen zu überreihen. Im Fall noch nicht der 
Zeitpunkt feyn follte, daß er bey Sr. Majeftät zur Audienz 
gelaffen werden fönnte, fo wird er ſich eine Zeit Tang ale 
Privatmann in Breslau aufhalten; bod bitte ih E. H. ſich 
feiner möglihf anzunehmen. 
Königsberg den 10ten Februar 1813. 
v. Yord. 
Schreiben Sie mir doch ja bald ob ih den Major v. Jaski 
aus Graudenz abberufen und ihm die Formation des Land- 
wehrbataillons übertragen barf. 
v. Jorck.“ 


Dieſe und andere nach vollbrachter That ausgeſonnene 
Wendungen mogten der That ſelbſt einen leichteren Eingang 
verſichern, konnten ſie aber nicht mehr ungeſchehen machen. 
Was auch in viel fpäteren Zeiten, nachdem Stein längſt ent- 
ſchlafen war, über dieſe Vorgänge verbreitet worden, Tann 
Steine Verdienft dabei nicht entftellen *'. Er fam, er gab den 
bis dahin fehlenden Anftoß zur Erhebung des Landes, er Iegte 
die Mittel das begonnene Werf fortzufegen in die rechten 
Hände, gewiß daß fih nunmehr die Lawine wachfend und 
immer wachſend den Abhang hinunterwälzen würde; er riß 
das Land fort, und froh des Werkes zu deffen Angriff ſich die 
ebelften Männer mit ihm vereinigt hatten, unbefümmert was 
andere dazu fagen, wie man es den Franzoſen genießbar machen 
würbe, fehrte er fon am Tien Februar zum Kaifer Alerander 
zurück. Er ließ Arndt in Königsberg, feines Geiftes Verfünder, 
durch Wort und Schrift die heilige Flamme zu fehüren, welde 
den Preußen- Herzen entfirömte. Das Bud „über Landwehr 
und Landſturm“ trat als eine That in die Zeitgeſchichte, es 
begann feinen Lauf in Königsberg, um fpäter in taufenden von 
Abdrüden die Deutſchen Lande zu erregen. 


295 


Aus dem Leben biefer Rönigeberger Tage, der Erſtlinge⸗ 
frucht von 1808, erzählt Arndt diefen Zug: Bald nad feiner 
Ankunft in Königsberg war Stein vom Dberft Teitenborn zu 
Mittag geladen. Mit ihm eine Menge Gäſte, meiſtens vor- 
nehme Ruffifge und Preußiſche Offiziere. Gegen das Ende 
der Tafel ließ Tettenborn einen Heinen Franzoſen auftreten, 
einen Knaben von 12 Jahren, ben er auf der Franzoſenjagd 
zwifchen den erfrorenen Eltern auf einem Marfetenderfarren 
halberſtarrt gefunden, aufgewärmt und mitgenommen hatte. 
Diefes Abentheuer war erzählt, der Junge aufgeführt; dann 
hieß ihn fein Retter Lagerlieder fingen. Diefe waren, wie bei 
den meiften Völkern, ausgelaflen und wäh. Der Knabe wahr ⸗ 
ſcheinlich im Lager geboren und erzogen, trug fie zur allgemeinen 
Belufiigung mit einer gewiflen Meiſterſchaft vor, die weit über 
feine Jahre war. Die Ergögung war allgemein; Stein hörte 
einen Augenblid mit zu und lachte mit; dann gleihfam über 
fein eigenes Lachen erzürmt, fuhr er auf feinen Wirth los: 
„Den Buben hätten Sie nur mit andern im Litthauifchen 
Schnee können figen laſſen; bas wäre ihm beffer geweſen, ale 
folcher Gebrauch. Wenn Sie nicht einen Kiederlihen Böſewicht 
aus ihm ziehen wollen, fo wenden Sie jährlih 30 Thaler an 
ihn und thun ihn zu einem ehrlichen Dorffhulmeifter ober 
Bauern, und laſſen ihn flatt ber Lagerlieder arbeiten und beten 
lehren, wenn das nicht fehon zu fpät if.” 

In Königsberg erfeplenen mehrere Perfonen aus Berlin, 
Herr v. Marwig, Herr v. Kehnert, Major v. Rühle, Rech- 
nungsrath Rother, vom Geheimeraty Stägemann abgefandt um 
Stein von dem Zuftande der Haupiſtadt zu unterrichten und 
dringend die Beſchleunigung bes Vorrüdens zu empfehlen. Er 
theilte diefe Nachrichten dem Feldmarſchall Kutuſow mit’, und 
‚forderte ihm nachdrüdlich zur Befreiung des Landes zwiſchen 
Oder und Elbe auf, deflen Hülfsquellen von den Feinden er- 


296 


fhöpft würden; die Preußifchen Truppen außer Yord damals 
auf 34,000 Dann angegeben, fönne man auf 80,000 verftärfen. 


Behr. 7. An demfelben Tage, welder die Rüdgabe von Pillau an 
Preußen und ben Einzug der Rufen in Warſchau fah, verließ 
Stein Königsberg um dem Kaifer Alexander über feine Sen- 

ge dung Rechenschaft abzulegen. Er traf das Hauptquartier in 
Ploczk. Der Kaifer nahm ihn fehr gnädig auf, und äußerte 
von Neuem den Wunſch ihn in feinem Dienfte zu fehen. Stein 
lehnte es abermals ab. „Dein Plan, fcprieb er um biefe 
Zeit ** feiner Frau, ift nad Beendigung des Krieges Ruhe und 
Unabpängigfeit; ich fann auf den Schug und das Wohlwollen 
des Kaiſers vechnen, deſſen edle und erhabene Denfungsart 
mir die ſicherſte Gewähr meiner Ruhe if." 

Das Hauptquartier bewegte fih nun weiter durch Polen in 
der Richtung auf Breslau. Stein theilte das Geſchick der 
Umgebung des Kaifers; eine Nacht ſchlief er in einem Pol« 
nifhen Bauerhaufe mit Mann Frau und ber alten Mutter in 
einer Kammer, am folgenden Tage fhrieb *' er feiner Frau 
aus einem Schloffe, von einem Divan auf einem DMahagoni- 
tiſch. Seine Gefundpeit war gut, die Beſchwerden fehr mäßig, 
die Gefellfpaft angenehm; er lebte mit Graf Tolfoy, Graf 
Neffelrode, „einem vortrefflihen Geſellſchafter, redlich, loyal, 
arbeitfamen und verbindlichen Gefhäftsmann;' der Geift des 
Hauptquartiers war gut; die große Ruhe und Einheit der 
Anfihten, Wunſche und Plane äußerſt wohlthuend. Mit Tpeil- 
nahme verfolgte er die Erziehung feiner Kinder. Er rieth feiner 
Frau nicht zu fehr auf Befenntnig von Fehlern zu dringen; 
„fie dürfen nur ben Eltern gemacht werben; man wird Leicht 
ſtumpfſinnig durch dieſe Gewohnheit feine Fehler zu geſtehen.“ 
Dann räth er, der Jüngeren eine Gefpielin zu geben, die mit 
ihr erzogen werde, er freuet fi der Hoffnung die Seinigen 


297 


bald wieder zu umarmen, und ermuntert fie zum Vertrauen 
auf bie göttliche Vorſehung: „die Sachen gehen gut, und man 
muß glauben daß die Borfehung fie zu gutem Ende leiten 
will; in jedem Fall feyen wir den Grundfägen der Ehre und 
der Pflicht gegen unfer Baterland treu — ahmen wir bie großen 
Beifpiele nah, deren Zeugen wir geweſen find. Preifen wir 
den Himmel, daß wir zu der Meinen Zahl derjenigen gehören, 
die fih nicht vor dem abfheulihen Tyrannen gebeugt haben, 
und daß wir nicht zu ben zahlreichen Helfershelfern feiner Ber- 
brechen gehören.” 

Mit folhen Gebanfen näherte er fih der Schleſiſchen 
Gränze. 


Zweiter Abſchnitt. 


Preußens Beitritt. Der Verwaltungsrath. 
Sebruar bis Mai. 


Zwei Tage nachdem die Berlinifgen Zeitungen die Miß- 
billigung ber Jordſchen Convention veröffentlicht hatten, fah ſich 
der König zu einem Schritt veranlaßt, welcher ihm die Freiheit 
des Entfhluffes und: der Bewegung zurüdgeben follte. Bon 
der Abfiht der Franzoſen ihn zu überfallen indgeheim unter- 
richtet, verließ er am 22ften Januar in Begleitung des Kron- 
pringen feinen bisherigen Aufenthalt Potsdam und begab ſich 
nad Schleſien, wohin ihm die übrige Königliche Familie und 
die Garden folgten. Er traf am 2öflen Januar in Breslau 
ein, und fammelte um fi) die ebelften Männer feines Landes. 
Scharnhorſt übernahm nun offen wieder die Leitung des Kriegs- 
minifteriums, bald traf Blucher von feinem Gute ein; bie 
Verwaltung der reichen Provinz war in ber Hand bes Fräftigen 
und entfploffenen Oberpräfidenten Merdel. Unter dem Schleier 
dipfomatifcper Verhandlungen wurden bie entſcheidenden Maße 
regeln zur Bewaffnung des Landes getroffen. Die Plane von 
1808, feit Jahren in Scharnhorſts Bruft verſchloſſen, traten 
ind Leben. Am Iten Februar wurden die der Kriegspflicht bis⸗ 
her eninommenen gebildeten Claffen zu freiwilligem Jägerdienft 


299 


aufgerufen. — Der König hatte feinen Glauben an die Wirf- 
famfeit des Aufrufe, und ihn erft auf wiederholtes Andringen 
Scharnhorſts nachgegeben. Wenige Tage nah dem Erlaß faß 
der König im Breslauer Schloß, ald die Annäherung eines 
großen Wagenzuges gemelbet ward. Er trat ans Fenfler. Es 
waren gegen achtzig Wagen mit Freiwilligen von Berlin. Auf 
Scharnhorſts Frage: ob Majeſtaͤt Sich nun überzeuge? ant- 
worteten bie rollenden Thränen aus des Könige Augen. Die 
Ninde des Mißtrauens welche die bitteren Unglüdsjahre um 
fein Herz gezogen hatten, war gefhmolgen; Er erfannte Sein 
Volk, und führte feften Willens, nimmer » wanfenden Muthes 
mit feinen Helden den Kampf bi zum Ziele. 

Neuntaufend junge Männer, erzählt Friccius °®, ließen ſich 
in Berlin in drei Tagen in die Liſten eintragen, 

Am Men Februar ward die gefeglihe Befreiung vom 
Kriegsdienſte aufgehoben, und die gleiche Beförderung Aller 
nach Fähigkeit und Betrageh ohne Unterſchied des Standes und 
Vermögens wiederholt verheißen. Diefe Schritte machten einen 
außerorbentlichen Eindrud, der die fühnften Erwartungen der 
Baterlandsfreunde übertraf. Es zeigte fi überall bie größte 
Bereitwilligfeit Opfer zu bringen; die Einftellung der Pferde 
ward mit einer nie gefehenen Eile bewerlſtelligt; denn obwohl 
der König fih noch immer nicht über feinen Entſchluß erklärt 
hatte, fo zweifelte do Niemand, wem biefe Rüftungen gälten, 
Das Feuer eines allgemeinen Aufſtandes glimmte unter ber 
Aſche; die höchſte Vorſicht der Behörben vermogte laum ben 
Ausbruch hinzuhalten. In Berlin dachte man daran bie Fran- 
zoͤſiſche Beſatzung zu überfallen und zu vernichten. 

„Die Öffentliche Stimmung ber Ration — ward aus Könige- 
berg berichtet — wiberfirebt mit umaufhaltfamer Macht bem 
politifhen Syſtem des verehrten Monarchen. Die öffentlichen 
Behörden thun das Ihrige um groben Ausbrüchen eines Tange 


300 


verſchloſſenen Rachegefühls, zu welchem fi jegt die Berzweif- 
lung gefelit, vorzubeugen — ihre Kraft wirb endlich doch er= 
Tahmen.” Und aus Pommern vernahm man, daß ohne Bürger- 
frieg an die Fortdauer ber Allianz mit Frankreich gegen bie 
Ruſſen nicht zu denfen fey. Der Staatsfanzler erflärte dem 
Franzoſiſchen Gefandten, der König müffe ſchon deshalb rüften, 
damit man nicht das Voll gegen ihn bewaffne ’°, 

Der König ſah fih alfo zum Handeln gezwungen. Er 
hatte wie es fcheint den Wunſch gehabt, im Verein mit Defter- 
reich eine unabhängige bewaffnete Stellung zwifchen den frieg- 
führenden Tpeilen einzunehmen, und hielt an dem Borfag feſt 
erſt dann wenn Napoleon felbft durch Gewährung oder Ableh- 
nung der ihm vorgelegten gerechten Forderungen ben Weg klar 
vorgezeichnet haben würbe, eine Entfheidung zu treffen. Aber 
von Napoleon abfichtlih ohne Antwort hingehalten und von 
Defterreih allein gelaffen, fand er fih in ber Nothwendigfeit, 
bes erffärten Widerſpruchs Napoleons ungeachtet fein Berhält- 
nig mit Rußland zu ordnen. Er fandte einen Offizier nad 
dem Ruffifhen Hauptquartier um bie nahe Anfunft eines Be— 
vollmaͤchtigten anzuzeigen. Am Iten Februar empfing ber General- 
abjudant bes Königs Oberſt v. Kneſebeck feine Päffe; er reifte 
unbemerkt unter dem Namen eines Kaufmanns Ebeling. Die 
Umgebungen bes Könige hatten den Verdacht, Rußland wolle 
Oſt⸗ und Weſtpreußen für fi behalten und fi bazu bee 
Minifters Stein bedienen; fie glaubten daher, nur mit großer 
Vorſicht unterhandeln zu dürfen. Auf geheime Nachricht daß 
bie Franzoͤſiſchen Truppen von Berlin und von Petrifau und 
Kaliſch aus einen Angriff auf Schlefien beabſichtigten, bereitete 
fih der König zum Widerſtande vor, und dachte ſaͤmmtliche 
Truppen in Preußen und Pommern dem General Yord zu 
übergeben und biefen den Franzoſen in den Rüden zu fenden; 
zugleich ließ er in Paris auf Erfag der vorgefchoffenen 94 Mil⸗ 


301 


lionen dringen. Die Nieberlage des Reynierſchen Corps bei 
Kaliſch verminderte für den Augenblid die Beforgniß, Kaiſer 
Alerander benachrichtigte den König davon, und forderte ihn auf Bebr. 15. 
die Flucht der gefchlagenen Truppen nad Glogau zu hindern; 

der König verbieß baldige Erklärung, fobald Napoleon fih 

ſelbſt ins Unrecht gefegt haben werde. 

Am 15ten traf Kneſebeck im Ruffiihen Hauptquartier zu 
Chlodava, zwei Märfhe von Kaliſch, ein und ward fogleih zu 
Alexander geführt. Er fand den Kaifer über alles Erwarten 
zu Gunften Preußens geftimmt. Alerander ſprach mit ber 
größten Beſtimmtheit feine Wünfche für bie völlige Herflelung 
des alten Glanzes Preußens aus und felbft für mehr, wenn 
die Erfolge den Anftrengungen entſprächen; der Tag an welchem 
er den König in feine rechtmäßigen Befigungen wieder eingefegt 
fehe, werde der fehönfte und füßefte Tag feines Lebens feyn. 
In demfelben Sinne äußerte ſich die Umgebung bes Kaifers. 

Die Unterhandlung ſchien daher einen raſchen Gang neb- 
men zu fünnen; auch der Staatscanzler Hardenberg drang in 
feinen Mittpeifungen auf den Abſchluß und benadprichtigte den 
Gefandten, ber König werde ebenfalls mit dem Kaifer gehen, 
und erwarte nur die Antwort aus Paris um fi öffentlich zu 
erHlären, ed werde inbeffen gehandelt. Aber Herrn v. Knefebert 
fehlte der Scharfblid, der bie beiberfeitige Lage raſch erfennt; 
er täufchte ſich zwiefach, er bemerkte nit daß Rußland über 
den Befig des Herzogihums Warſchau entfchieden war, und 
argwöhnte dagegen geheime Abfichten auf Oſtpreußen; die Folge 
davon war, daß die Unterhandlungen befonders über das Her= 
zogthum Warſchau fih verwidelten. Der Kaifer bot Sachſen 
an, und fügte hinzu, Preußen müffe vergrößert werben. Kneſebeck 
erwiderte, dieſer Vorſchlag berühre einen Grundfag, er müffe 
daber erft die Anfichten des Königs darüber einholen; er meinte, 
die Ruffen würden dafür eine Abtretung in der Gegend von 


292 

mehr folder Klagen, ich werde lieber die Gelegenbeit benugen, 
Ew. Hochwohlgeboren einige Nachrichten über die biefige gegen- 
wärtige Tage der Dinge mitzutheilen. " 

Ohne Zweifel haben E. H. ſchon erfahren, daß hier beym 
Rüdzuge der Franzofen der gerechte lange verbiffene Haß gegen 
die bisherigen übermüthigen Unterbrüder in vollem Maaße 
ausbrach: Einem entfchloffenen Intriganten von Einfluß würde 
es leicht geroorden feyn dieſer Stimmung ber Nation eine ge- 
fährliche Richtung zu geben: ich verfihere Sie · daß es Mühe 
foftete die Leute bey Befinnung zu erhalten. Unter diefen Um— 
Ränden wurde unter Ruffifhem Einfluß ein Landtag ausge: 
ſchrieben. Um diefen Einfluß nit au auf die Berathſchlagungen 
deffelben einwirfen und dadurch den Sonveränitätdrechten des 
Königs zu nahe treten zu laſſen, erflärte ich aber dem Ruſſiſchen 
Commiffarius Baron vom Stein, daß ich mich fogleih von 
allem zurüdziehen würbe, wenn er in ber Verſammlung erſchiene. 
Herr v. Stein gab meinen Borftellungen nad, und die Sache 
iſt nun unter meiner Einwürfung gefhehen. Eine unmerkliche 
Spur von Dffizianten-Intrigue abgerechnet habe ih alle Urſache 
gehabt mit dem Geift der Stände zufrieden zu feyn. Alle find 
entſchloſſen der Unabhängigkeit des Königs und des Baterlandes 
Gut und Blut aufzuopfern. Schon it mein Corps auf 20,000 
Eombattanten ergänzt, ein neu zu errichtendes National-Gavalleric 
Regiment von 1000 Pferden wird dazu ſtoßen, 13,000 Mann 
zu Kriegsdepots und Belagerungs-Bataillons werden jet aus ⸗ 
gehoben, man wird fofort zur Formirung einer befonderen Land 
wehr fehreiten, und endlich ſchon im Voraus einen allgemeinen 
Landſturm organifiren, wenn es je dem Feinde wieder gelingen 
ſollte über die Weichfel zu fommen. Folgen bie andern Pro- 
vinzen biefem Beifpiel, dann wird und Napoleon mit aller 
feiner wirflihen und gelogenen Macht nichts mehr thun, und 
wir fönnen mit Zuverfiht auf die Rüdfehr des vorigen Glanzes 


293 


unferes Baterlandes bauen. — Um bei der Armee eine bins 
Tängliche Anzahl an Gefhüg zu erhalten laſſe ich jegt noch eine 
12pfündige, eine 6pfündige und eine Ipfündige Batterie mobil 
maden, und von dem Kaifer von Rußland habe ih 15000 
Gewehre geſchenkt befommen, wovon ich den Ueberreſt an bie 
Landwehr vertheilen werde. Unter biefen Gewehren befinden 
ſich auch die 7000 welche und die Franzofen aus Pilau ger 
Hopfen, fowie ich auch noch hoffe das Gefäß wieder zu erhalten, 
was man und dort weggenommen hat und glüdficherweife 
ebenfalls in die Hände der Ruffen gefallen if. Die jegige 
Räumung Pillau’s von den Franzoſen fegt uns nun aud in 
Befig der noch übriggeblichenen Hülfsmittel in diefem Pag. 

Daß übrigens zur Retablirung eines nicht unbedeutenden 
Corps und zu folhen anfehnlihen neuen Formations Geld 
gehört, verfteht fih wohl von felbfl. Bon Berlin hat man dem 
Corps unbegreifliherweife nichts zufommen Taffen; man hat ihm 
fogar noch dasjenige zu entziehen gefucht was fhon für daſſelbe 
in Graudenz lag; und da ih aus den Reffourcen des Landes 
taum bie Loͤhnung pro Februar ſchaffen Fonnte, fo blieb mir 
freilich nichts übrig, ale auf meinen perfönlichen Credit eine 
halbe Million Thaler zu borgen. Schon die Möglicfeit eines 
folhen Credits giebt indeß einen Beweis von dem Ernft der 
hiefigen Anftrengungen, und ich hoffe daß endlich unfere oberen 
Finanzbehoͤrden zur Befinnung fommen und weiteren Rath 
ſchaffen werben. 

€. H. befcpwöre ich aber ſchließlich, mir wenigſtens einen 
Wink zufommen zu laſſen, wenn noch nicht der Zeitpunet iſt 
ſich rein auszuſprechen: Zeit gewinnen fönnen nur die Fran— 
zofen, wir aber nur fie verlieren. 

Noch benachrichtige ih E. H. daß der Major Graf Dohna aus 
Finckenſtein von den Ständen nach Breslau abgefendet werben 
wird, um Seiner Majeftät die Befchlüffe und Anerbietungen ber 


292 


mehr folder Klagen, ich werde Tieber die Gelegenheit benugen, 
Ew. Hochwohlgeboren einige Nachrichten über die biefige gegen- 
wärtige Cage der Dinge mitzutheilen. . 
Ohne Zweifel haben €. H. fchon erfahren, daß bier beym 
Rüdzuge der Frangofen der gerechte Tange verbiffene Haß gegen 
die bisherigen übermüthigen Anterbrüder in vollem Maaße 
ausbrach: Einem entfchlofienen Intriganten von Einfluß würde 
es leicht geworben feyn diefer Stimmung der Nation eine ge 
fährliche Richtung zu geben: ich verfihere Sie ˖ daß es Mühe 
foftete die Leute bey Befinnung zu erhalten. Unter dieſen Um— 
Händen wurde unter Ruſſiſchem Einfluß ein Landtag audge- 
ſchrieben. Um diefen Einfluß nicht aud auf die Berathſchlagungen 
deffelben einwirfen und dadurch den Sonveränitätdrechten des 
Königs zu nahe treten zu laſſen, erflärte ih aber dem Ruſſiſchen 
Eommiffarius Baron vom Stein, daß ih mich fogleih von 
allem zurüdziehen würbe, wenn er in ber Verſammlung erfchiene. 
Herr v. Stein gab meinen Borftellungen nah, und die Sache 
iſt nun unter meiner Einwürfung gefhehen. Eine unmerkliche 
Spur von Dffizianten-Intrigue abgerechnet habe ih alle Urſache 
gehabt mit dem Geift der Stände zufrieden zu feyn. Alle find 
entſchloſſen der Unabhängigkeit des Könige und des Vaterlandes 
Gut und Blut aufzuopfern. Schon ift mein Corps auf 20,000 
Eombattanten ergänzt, ein neu zu errichtended National-Cavalleric 
Regiment von 1000 Pferden wird dazu ftoßen, 13,000 Mann 
zu Kriegsdepots und Belagerungs-Batailfong werden jetzt aus- 
gehoben, man wird fofort zur Formirung einer befonderen Land« 
wehr fehreiten, unb endlich ſchon im Voraus einen allgemeinen 
Landſturm organifiren, wenn es je bem Feinde wieder gelingen 
follte über die Weichfel zu kommen. Folgen die andern Pro— 
vinzen dieſem Beifpiel, dann wirb ung Napoleon mit aller 
feiner wirffihen und gelogenen Macht nichts mehr thun, und 
wir fönnen mit Zuverfiht auf die Rüdfehr des vorigen Glanzes 


293 


unferes Vaterlandes bauen. — Um bei der Armee eine hin— 
länglihe Anzahl an Gefhüg zu erhalten laſſe ich jegt noch eine 
12pfündige, eine bpfündige und cine Ipfündige Batterie mobil 
maden, und von dem Kaiſer von Rußland habe ih 15000 
Gewehre geſchenkt befommen, wovon ich den Ueberreſt an die 
Landwehr vertheilen werde. Unter biefen Gewehren befinden 
fih auch die 7000 welde und die Franzoſen aus Pillau ger 
ſtohlen, fowie ich auch noch hoffe das Geſchutz wieder zu erhalten, 
was man und dort weggenommen hat und glüdficherweife 
ebenfalls in die Hände der Ruffen gefallen if. Die jegige 
Räumung Pilau’s von den Franzoſen fegt und nun aud in 
Beſitz der noch übriggebliebenen Hülfgmittel in diefem Platz. 

Daß übrigens zur Retablirung eines nicht unbedeutenden 
Corps und zu ſolchen anfehnlihen neuen Formations Geld 
gehört, verſteht fi wohl von ſelbſt. Bon Berlin hat man dem 
Corps unbegreifliherweife nichts zukommen Iaffen; man hat ihm 
fogar noch dasjenige zu entziehen gefucht was ſchon für daſſelbe 
in Graudenz Tag; und da ich aus den Reffourcen bes Landes 
taum die Löhnung pro Februar fehaffen fonnte, fo blieb mir 
freifich nichts übrig, als auf meinen perfönlihen Credit eine 
halbe Million Thaler zu borgen. Schon bie Möglichkeit eines 
folhen Credits giebt indeß einen Beweis von dem Ernft ber 
hiefigen Anftvengungen, und ich hoffe daß endlich unfere oberen 
Zinangbehörben zur Befinnung fommen und weiteren Rath 
ſchaffen werben. 

€. H. beſchwöre ih aber ſchließlich, mir wenigfteng einen 
Wink zufommen zu laffen, wenn noch nicht der Zeitpunet iſt 
ſich rein auszuſprechen: Zeit gewinnen fönnen nur die Kran: 
zoſen, wir aber nur fie verlieren, 

Noch benachrichtige ih E. H. daß der Major Graf Dohna aus 
Findenflein von den Ständen nad Breslau abgefendet werben 
wird, um Seiner Majeſtät die Beſchlüſſe und Anerbietungen ber 


294 


Stände von Preußen zu überreichen. Im Fall noch nicht der 
Zeitpunft feyn follte, daß er bey Sr. Mafeftät zur Aubdienz 
gelaffen werden Fönnte, fo wird er fih eine Zeit lang als 
Privatmann in Breslau aufhalten; doch bitte ih E. 9. fih 
feiner mögliäft anzunehmen. 
Königsberg den 1Oten Februar 1813. 
v. Yord. 
Schreiben Sie mir doch ja bald ob ich den Major v. Zasfi 
aus Grandenz abberufen und ihm bie Formation des Lands 
wehrbataillong übertragen darf, 
v. Yord.“ 


Diefe und andere nad vollbrachter That ausgefonnene 
Wendungen mogten der That felbft einen Teichteren Eingang 
verfihern, fonnten fie aber nicht mehr ungefchehen machen. 
Was auch in viel fpäteren Zeiten, nachdem Stein längſt ent 
ſchlafen war, über dieſe Vorgänge verbreitet worben, kann 
Steins Verdienſt dabei nicht entſtellen“!. Er fam, er gab den 
bis dahin fehlenden Anftoß zur Erhebung des Landes, er Iegte 
die Mittel das begonnene Werk fortzufegen in bie rechten 
Hände, gewiß daß fi nunmehr die Lawine wachſend und 
immer wachſend den Abhang hinunterwälzen würde; er riß 
das Land fort, und froh des Werkes zu deſſen Angriff ſich die 
ebelften Dränner mit ihm vereinigt hatten, unbefümmert was 
andere dazu fagen, wie man es den Franzofen genießbar machen 
würde, fehrte er fon am Tten Februar zum Kaifer Alexander 
zurüd. Er ließ Arndt in Königsberg, feines Geiſtes Verfünder, 
durch Wort und Schrift die heilige Flamme zu fhüren, welche 
den Preußen- Herzen entfirömte. Das Buch „über Landwehr 
und Landflurm‘ trat als eine That in bie Zeitgefcichte, ed 
begann feinen Lauf in Königsberg, um fpäter in taufenden von 
Abdrücken die Deutſchen Lande zu erregen. 


295 


Aus dem Leben biefer Königsberger Tage, der Erfilinges 
frucht von 1808, erzäplt Arndt diefen Zug: Bald nach feiner 
Ankunft in Königsberg war Stein vom Oberſt Teitenborn zu 
Mittag geladen. Mit ihm eine Menge Gäſte, meiſtens vor⸗ 
nehme Ruſſiſche und Preußifhe Offiziere. Gegen das Ende 
der Tafel Tieß Tettenborn einen fleinen Franzoſen auftreten, 
einen Knaben von 12 Jahren, den er auf ber Franzoſenjagd 
zwiſchen ben erfrorenen Eltern auf einem Marketenderkarren 
halberflarrt gefunden, aufgewärmt und mitgenommen hatte, 
Diefes Abentheuer war erzählt, der Zunge aufgeführt; dann 
bieß ihn fein Retter Lagerlieder fingen. Diefe waren, wie bei 
den meiften Völkern, ausgelafien und wäh. Der Knabe wahr: 
ſcheinlich im Lager geboren und erzogen, trug fie zur allgemeinen 
Beluftigung mit einer gewiſſen Meifterfhaft vor, die weit über 
feine Jahre war. Die Ergögung war allgemein; Stein hörte 
einen Augenblick mit zu und lachte mit; dann gleihfam über 
fein eigenes Lagen erzürnt, fuhr er auf feinen Wirth los: 
„Den Buben hätten Sie nur mit andern im Litthauifchen 
Schnee können figen laſſen; das wäre ihm beffer gewefen, ale 
ſolcher Gebrauch. Wenn Sie nicht einen liederlichen Böfewict 
aus ihm ziehen wollen, fo wenden Sie jährlih 30 Thaler an 
ihn und tun ihn zu einem ehrlichen Dorfichulmeifter oder 
Bauern, und lafjen ihn flatt der Lagerlieder arbeiten und beten 
lehren, wenn das nicht ſchon zu fpät if.” 

In Königsberg erſchienen mehrere Perfonen aus Berlin, 
Here v. Marwig, Herr v. Kehnert, Mafor v. Rühle, Redh- 
nungsrath Rother, vom Geheimerath Stägemann abgefandt um 
Stein von dem Zuftande der Haupiſtadt zu unterrichten und 
dringend die Befchleunigung bes Vorrüdens zu empfehlen. Er 
theilte diefe Nachrichten dem Feldmarſchall Kutuſow mit‘, und 
‚forderte ihn nadrüdtih zur Befreiung des Landes zwiſchen 
Oder und Elbe auf, defien Hülfsquellen von den Feinden er- 


296 


föpft würden; die Preußifhen Truppen außer Yord damals 
auf 34,000 Mann angegeben, fönne man auf 80,000 verflärfen. 


Behr. 7. An demfelben Tage, welcher die Rüdgabe von Pillau an 
Preußen und den Einzug der Ruffen in Warſchau fah, verlieh 
Stein Königsberg um bem Kaifer Alexander über feine Sen- 

Bein, bung Rechenſchaft abzulegen. Er traf das Hauptquartier in 
Ploczk. Der Raifer nahm ihn fehr gnädig auf, und äußerte 
von Neuem den Wunſch ihn in feinem Dienfte zu fehen. Stein 
lehnte es abermals ab. „Mein Plan, ſchrieb er um biefe 
Zeit ** feiner Frau, ift nad Beendigung des Krieges Ruhe und 
Unabhängigkeit; ich fann auf den Schug und das Wohlwollen 
bes Kaiſers vechnen, deſſen edle unb erhabene Denfungsart 
mir die ſicherſte Gewähr meiner Ruhe if." 

Das Hauptquartier bewegte fi nun weiter durch Polen in 
der Richtung auf Breslau. Stein theilte das Geſchick ber 
Umgebung des Kaifers; eine Nacht fchlief er in einem Pol« 
niſchen Bauerhaufe mit Mann Frau und der alten Mutter in 
einer Kammer, am folgenden Tage fprieb ** er feiner Frau 
aus einem Schloſſe, von einem Divan auf einem Mahagoni« 
tiſch. Seine Gefundheit war gut, die Befchwerben fehr mäßig, 
die Geſellſchaft angenehm; er lebte mit Graf Tolftoy, Graf 
Neffeltode, „einem vortrefflihen Geſellſchafter, redlich, loyal, 
arbeitfamen und verbindlichen Gefhäftsmann;" der Geift des 
Hauptquartierd war gut; bie große Ruhe und Einheit der 
Anfihten, Wünfche und Plane äußerft wohlthuend. Mit Theils 
nahme verfolgte er die Erziehung feiner Kinder. Er rieth feiner 
Frau nicht zu fehr auf Befenntnig von Fehlern zu dringen; 
„fie bürfen nur den Eltern gemacht werben; man wird leicht 
ſtumpfſinnig durch diefe Gewohnheit feine Fehler zu geſtehen.“ 
Dann räth er, der Jüngeren eine Gefpielin zu geben, die mit 
ihr erzogen werde, er freuet fih ber Hoffnung die Seinigen 


297 


bald wieder zu umarmen, und ermuntert fie zum Vertrauen 
auf die göttliche Vorfehung: „die Sachen gehen gut, und man 
muß glauben dag die Vorfehung fie zu gutem Ende leiten 
will; in jedem Fall feyen wir den Grundfägen ber Ehre und 
der Pflicht gegen unfer Baterfand treu — ahmen wir die großen 
Beifpiele nad, deren Zeugen wir gewefen find. Preifen wir 
den Himmel, daß wir zu der Heinen Zahl derjenigen gehören, 
die fih nicht vor dem abſcheulichen Tyrannen gebeugt haben, 
und daß wir nicht zu den zahlreichen Helfershelfern feiner Ber- 
brechen gehören,” 

Mit folgen Gebanfen näherte er fih der Schleſiſchen 
Gränge. 


Zweiter Abfdnitt 


Preußens Beitritt. Der Verwaltungsrath. 
Februar bis Mai. 


Zwei Tage nachdem die Berlinifcpen Zeitungen die Miß— 
biffigung der Yordfchen Convention veröffentlicht hatten, fah ſich 
der König zu einem Schritt veranlaßt, welcher ihm die Freiheit 
des Entfhluffes und: der Bewegung zurüdgeben ſollte. Bon 
der Abfiht der Franzoſen ihn zu überfallen insgeheim unter- 
richtet, verließ er am 22ften Januar in Begleitung des Kron= 
pringen feinen bisherigen Aufenthalt Potsdam und begab fi 
nah Schleſien, wohin ihm die übrige Königliche Familie und 
die Garden folgten. Er traf am 25ſten Januar in Breslau 
ein, und fammelte um fi die edelſten Männer feines Landes. 
Scharnhorſt übernahm nun offen wieder bie Leitung des Kriege- 
minifteriums, bald traf Bluͤcher von feinem Gute ein; die 
Verwaltung ber reihen Provinz war in ber Hand des Fräftigen 
und entſchloſſenen Oberpräftdenten Merdel. Unter dem Schleier 
diplomatifcher Verhandlungen wurden die entſcheidenden Maß 
regeln zur Bewaffnung des Landes getroffen. Die Plane von 
1808, feit Jahren in Scharnhorfts Bruft verfäloffen, traten 
ind Leben. Am Iten Februar wurden die der Kriegspflicht bie- 
her entnommenen gebildeten Claſſen zu freiwilligem Zägerdienft 


299 


aufgerufen. — Der König hatte feinen Glauben an die Wirf- 
famfeit des Aufrufe, und ihn erſt auf wiederholtes Andringen 
Scharnhorſts nachgegeben. Wenige Tage nah dem Erlaß ſaß 
der König im Breslauer Schloß, als die Annäherung eines 
großen Wagenzuges gemeldet ward. Er trat ans Fenſter. Es 
waren gegen achtzig Wagen mit Freiwilligen von Berlin. Auf 
Scharnhorſts Frage: ob Majeftät Sich nun überzeuge? ant« 
worteten bie vollenden Thränen aus des Königs Augen. Die 
Rinde des Mißtrauens welche die bitteren Unglüdsjahre um 
fein Herz gezogen hatten, war gefhmolgen; Er erfannte Sein 
Bolt, und führte feſten Willens, nimmer - wanfenden Muihes 
mit feinen Helden den Kampf bis zum Ziele. 

Neuntaufend junge Männer, erzäplt Friccius °°, ließen fi 
in Berlin in drei Tagen in die Tiften eintragen. 

Am ten Februar warb bie gefeplihe Befreiung vom 
Kriegsdienſte aufgehoben, und die gleiche Beförderung Aller 
nad Fähigfeit und Betrageh ohne Unterſchied bes Standes und 
Bermögens wiederholt verheißen. Diefe Schritte machten einen 
außerordentlichen Eindrud, der bie Fühnfen Erwartungen ber 
Baterlandsfreunde übertraf. Es zeigte fi überall die größte 
Bereitwilligfeit Opfer zu bringen; die Einftellung ber Pferde 
ward mit einer nie gefehenen Eile bewerkftelligt; denn obwohl 
der König ſich noch immer nicht über feinen Entfhluß erflärt 
hatte, fo zweifelte docp Niemand, wem dieſe Rüftungen gälten, 
Das Feuer eines allgemeinen Aufftandes glimmte unter ber 
Aſche; die höchſte Vorſicht der Behörden vermogte Faum ben 
Ausbruch hinzuhalten. In Berlin dachte man baran bie Franz 
zoͤſiſche Beſatzung zu überfallen und zu vernichten. 

„Die Öffentliche Stimmung der Ration — ward aus Königs- 
berg berichtet — widerſtrebt mit unaufhaltfamer Macht dem 
politifhen Syſtem des verehrten Monarchen. Die öffentlichen 
Behörden thun das Ihrige um groben Ausbrüchen eines Tange 


300 


verſchloſſenen Rachegefühls, zu welchem ſich jegt die Verzweif⸗ 
lung geſellt, vorzubeugen — ihre Kraft wird endlich doch er— 
lahmen.“ Und aus Pommern vernahm man, daß ohne Bürger- 
frieg an bie Fortdauer der Allianz mit Sranfreih gegen die 
Ruſſen nicht zu denfen fey. Der Staatskanzler erklärte dem 
Franzoſiſchen Gefandten, der König müffe fhon deshalb rüften, 
damit man nit das Volk gegen ihn bewaffne ®°. 

Der König fah fih alſo zum Handeln gezwungen. Er 
hatte wie es ſcheint den Wunſch gehabt, im Verein mit Defter- 
reih eine unabhängige bewaffnete Stellung zwifchen den frieg- 
führenden Theilen einzunehmen, und hielt an dem Borfag feft 
erft dann wenn Napoleon felbft durch Geiwährung oder Ableh- 
nung ber ihm vorgelegten gerechten Forderungen den Weg klar 
vorgezeihnet haben würde, eine Entſcheidung zu treffen. Aber 
von Napoleon abfitlih ohne Antwort Hingehalten und von 
Defterreih allein gelaffen, fand er fih in ber Nothwendigfeit, 
des erklärten Widerfpruchs Napoleons ungeachtet fein Verhält- 
niß mit Rußland zu ordnen. Er fandte einen Offizier nach 
dem Ruſſiſchen Hauptquartier um die nahe Ankunft eines Be— 
vollmächtigten anzuzeigen. Am Iten Februar empfing ber General- 
abjubant des Könige Dberft v. Kneſebeck feine Päfle; er reifte 
unbemerkt unter dem Namen eines Kaufmanns Edeling. Die 
Umgebungen des Königs hatten den Verdacht, Rußland wolle 
Oſt- und Weftpreußen für fi behalten und fi bazu bee 
Miniflers Stein bedienen; fie glaubten daher, nur mit großer 
Borfiht unterhandeln zu dürfen. Auf geheime Nachricht daß 
die Franzoͤſiſchen Truppen von Berlin und von Petrifau und 
Kaliſch aus einen Angriff auf Schlefien beabfictigten, bereitete 
fih der König zum Widerftande vor, und dachte fämmtliche 
Truppen in Preußen und Pommern dem General Yord zu 
übergeben und dieſen den Franzoſen in den Rüden zu fenden; 
zugleich Tieß er in Paris auf Erfag der vorgefchoffenen 94 Mit- 


301 


lionen dringen. Die Niederlage des Reynierſchen Corps bei 
Kaliſch verminderte für den Augenblid die Beſorgniß, Kaifer 
Alerander benachrichtigte den König davon, und forderte ihn auf Bebr. 15. 
die Flucht der gefchlagenen Truppen nah Glogau zu hindern; 

der König verhieß baldige Erklärung, fobald Napoleon fih 

ſelbſt ind Unrecht gefegt haben werde. 

Am A5ten traf Knefebet im Ruſſiſchen Hauptquartier zu 
Chlodava, zwei Märfhe von Kaliſch, ein und ward ſogleich zu 
Alexander geführt. Er fand den Kaifer über alles Erwarten 
zu Gunften Preußens geſtimmt. Alexander ſprach mit der 
größten Beſtimmtheit feine Wünfche für die völlige Herflellung 
des alten Glanzes Preußens aus und ſelbſt für mehr, wenn 
die Erfolge den Anftrengungen entfprächen; der Tag an welchem 
er den König in feine rechtmäßigen Befigungen wieder eingefegt 
fehe, werde der fchönfte und füßefle Tag feines Lebens feyn. 
In demfelben Sinne äußerte fih die Umgebung bes Kaifers. 

Die Unterhandlung ſchien daher einen raſchen Gang neh— 
men zu fönnen; aud der Stantscanzler Hardenberg drang in 
feinen Mittheilungen auf den Abſchluß und benachrichtigte den 
Gefandten, der König werde jedenfalls mit dem Kaifer gehen, 
und erwarte nur bie Antwort aus Paris um fi Öffentlich zu 
erklaͤren, es werbe indeffen gehandelt. Aber Heren v. Kneſebeck 
fehlte der Scharfblid, der die beiderfeitige Lage raſch erfennt; 
er taͤuſchte ſich zwiefach, er bemerkte nicht dag Nußland über 
den Befig des Herzogthums Warfhau entfhieben war, und 
argwöhnte dagegen geheime Abfihten auf Oftpreußen; die Folge 
davon war, daß bie Unterhandlungen befonders über das Her- 
zogthum Warſchau fi verwidelten. Der Kaifer bot Sachfen 
an, und fügte hinzu, Preußen müffe vergrößert werden. Kneſebeck 
erwiberte, biefer Borfchlag berühre einen Grundfag, er müffe 
daber erſt die Anfihten des Königs darüber einholen; er meinte, 
die Ruffen würden dafür eine Abtretung in der Gegend von 


302 


Bialyftod verlangen. Der Kaiſer wollte Sachfen erffären, fein 
Benehmen bei dem Einbruch der Franzofen in Deutfchland er= 
fordere, es als erobertes Land zu behandeln; man fprad davon 
den König von Sachſen anderwärts, vielleicht in Italien, zu 
entfhädigen. Der Staatscanzler wies den Vorſchlag nicht ganz 
von ber Hand, bemerkte aber, daß die Ereigniffe darüber ent- 
ſcheiden müßten, die Hauptſache fey fih in bie Stellung zu 
fegen, um davon baldigften Vortheil zu ziehen. Damals er- 
fhien im Hauptquartier aud ein Abgeordneter des Churfürſten 
von Heffen, Oberft v. Müller, mit dem Erbieten 5000 Mann 
zu ſtellen; Stein rieth dem Churfürften 5000 Gewehre zu faufen 
und die Truppen den Preußifhen anzuſchließen. Aud ein 
Dänifer Gefandter warb erwartet. 

Stein ſchätzte Kneſebeck als braven unterricteten Mann, 
aber als dieſer eine alle Gefchäfte lähmende Zweifelſucht und 
eine Neigung zum Finaſſiren zeigte, die in Unklarheit ausartete, 
fo fagte ihm Stein offen feine Meinung und fegte den Staate- 
eanzler in Kenntniß, der den Unterhändler wiederholt aber 
vergeblich zum raſchen Abſchluß aufforderte. Jeder Zeitverluft 
war für ben großen Zwed des Krieges, die Befreiung von 
Deuiſchland, verberblih; Alles fam auf fepleunige Entwicklung 
der Streitkräfte an, da Napoleon mit der Bildung neuer Heere 
unabläffig befpäftigt war. Auf Steins Rath ließ daher der 
Raifer den bedenklichen Kneſebeck ohne Mittpeilungen und ſchickte 
Stein und Heren v. Anftett als feine Bevollmädtigten zu un« 
mittelbarer Unterhandlung nach Breslau. 

Stein übernahm die Sendung ohne Rüdfiht auf feine 
Gefundheit; an einer heftigen Erfältung Teidend traf er am 
24ften Februar in Kaliſch, am folgenden Tage in Breslau ein. 
Er fuhr fogleih am Schloffe vor, meldete ſich beim König und 
fagte, daß der König ſich nun doch nicht befinnen werde? Er 
ſtellte die Tage des Augenblids aufs Eindringlichſte vor’; 


303 


der König gab nad und ließ den Staatscanzler holen. Die 
Sache ward verabredet. Stein erflärte, wenn ber König nicht 
Scharnhorſt oder ihm ſelbſt nach Kalifh fende, fo werde der 
Kaiſer nicht glauben daß es Ernft fey. Es ward alfo Scharn- 
horſts Abſendung beſchloſſen. Darauf entfernte fih Harben- 
berg. Stein fuhr ein Unterfommen zu fuchen umher, und bei 
zwei Wirthehäufern vergeblich vor, endlich hielt er ungebuldig 
zürmend auf dem Markte. Hier hörte ihn ber General von 
Lügom, und bot ihm fein Zimmer im Wirthshauſe zum Zepter 
an, wo er die Werbung für fein Freicorps hatte. Dort wohnte 
Stein unbekannt, in einem Dachſtübchen, in großer Abgefchieden- 
heit, Aber feine alten Feinde waren wach. Der Feldmarſchall 
Kalkreuth entdedte feinen Aufenthalt dem Franzoͤſiſchen Gefand- 
ten; biefer miethete fi ein Zimmer gegenüber, im Haufe eines 
Schneiders, um zu fehen wer Stein befuchen würde; da aber 
nur Scharnhorft, Boyen und andere Bertraute im Abenddunfel 
famen, fo hielt St. Marfan ſich für getäufht und gab die 
Beobachtung auf. 

Der förmliche Abſchluß des Vertrages erfolgte ohne weitere 
Umftände; er ward. am 27ften zu Breslau von dem Staate« 
eanzler und Herrn v. Anftett, am 28ſten zu Kaliſch von Scharn- 
borft und Kutuſow unterzeichnet. 

Als Anftett mit dem abgefchloffenen Bertrage in Kaliſch 
anfam, befand ſich Knefebe beim Grafen Tolſtoy; er hatte 
auf die Nachricht von Steind Sendung geäußert, fie werde dem 
König unangenehm ſeyn, man hätte den Grafen Neſſelrode 
ſchiden follen. Anftett ging fogleih zum Kaifer. Alexander 
börte und las, darauf ließ er Knefebedt rufen, und den Vertrag 
in der Hand fprah er: Wohlan mein Herr, ber König bat 
mehr Vertrauen in mid), und hat fogleih ohne ein Wort zu 
aͤndern unterzeichnet! Kneſebeck antwortete: Sire, ber König 
ift Herr das 2008 meines Vaterlandes dem großmüthigen 


304 


Herzen Eurer Majefät anzuvertrauen, und da ih Ihre wohl- 
wollenden Abfichten für Preußen kenne, fo wünfce ich dem 
König und meinem Baterlande dazu Glück. Der Kaifer er: 
wieberte: Das ift eine Verftärfung, welche die Vorſehung mir 
fit, und der König kann ſicher feyn, daß ich nicht heraus 
treten würbe ohne feine Hoffnungen erfüllt zu haben, id würde 
eher fterben ald ihn verlaffen. Die Bewegung des Kaifers bei 
diefen Worten veranlapte einige Augenblide Schweigen, dann 
fuhr er fort: Sie haben fi aud darin geirrt, daß die Sen- 
dung ded Herrn von Stein dem König nicht angenehm feyn 
würde; id fann Ihnen fagen, er iſt vollfommen wohl aufs 
genommen worben. Kneſebeck äußerte, er freue ſich darüber, 
und erbat fih die Befehle des Kaifers wegen feiner Rüdreife. — 
Scharnhorſt, der an feine Stelle trat, war vom erften Augen« 
blick an mit dem Ruffifhen Generalftabe ganz einverflanden 
über bie Kriegführung, und er ward ber vollfommenfte Ber- 
mittler zwiſchen dem Preußiſchen und dem Ruſſiſchen Heere. 
Der ausgefprocpene Zweck diefes Bündniffes?® welches als 
die erfle Grundlage der gegenwärtigen Drbnung der Dinge 
angejehen werben fann, war die Befreiung Europa’s und zur 
naͤchſt Deutſchlands, fein erfter Gegenftand: Preußens Her- 
ſtellung in dem Umfange und mit ber wirflihen Kraft wie es 
vor dem Kriege von 1806 beftanden; der Kaifer verpflichtete 
fh aufs Feierlihfte, die Waffen nicht eher niederzulegen bie 
diefer Umfang in flatififher geographiſcher und finanzieller 
NRüdficht erlangt fey, und verhieß dafür Alles zu verwenden 
was Waffen oder Unterhandlungen ihm im nördlichen Deutfch« 
and, mit Ausnahme der alten Befigungen des Haufes Hannover 
verfohaffen würden, Bei jeder Einrichtung folle darauf gehalten 
werden, daß zwiſchen ben verfchiebenen Ländern, welche wieder 
unter Preußiſche Herrfhaft treten, die zu Herftellung eines 
unabpängigen Staatsganzen nothivendige Einheit und Abrun- 


305 


dung bewahrt werde. Außerdem leiftete der Kaiſer die aus— 
brüdtihe Gewähr für den jegigen Befig, inöbefondere von Oft- 
preußen, welchem ein Landſtrich hinzugefügt werden folle, der 
biefe Provinz in jeder fowohl militairiſchen als geographiſchen 
Beziehung mit Schlefien verbinde. Der Krieg, beſchließt man, 
fol zunächſt gegen die Franzöfifche Macht in Norbdeurfhland 
gerichtet und dazu alle Kräfte aufgeboten werden. Der Raifer 
verpflichtet ſich 150,000 Dann ins Feld zu fielen, der König 
ohne die Befagungen wenigſtens 80,000 Linientruppen, weilche 
er durch alle vorhandenen Mittel insbefondere auch durch bie 
Errichtung einer Landwehr verflärfen wird, 

Man vereinigt ſich fofort über einen Kriegsplan; beide 
Heere wirken verbunden. 

Unterhandlungen, Waffenſtillſtand, Frieden oder fonftige 
Verträge dürfen nur in Gemeinfhaft geführt oder gefchloffen 
werden; ber Kaiſer und der König wollen einander gegenfeitig 
vertraulih Alles mittheilen was fih auf ihre Politit bezieht, 
und ſchleunigſt Alles anwenden um ben Wiener Hof zum Bei- 
tritt zu beflimmen. Der Kaifer wird bie Schritte des Könige 
zu einer Verbindung mit England und Erlangung von Waffen 
Kriegsbedürfniffen und Geld aufs Wirkjamfte unterügen. Die 
Handelsbeziehungen beider Staaten follen auf Grundfägen bes 
hergeſtellten Bundesverhältniffes georbnet, aud eine ähnliche 
Befimmung über die Märfche und Verpflegung der Ruffifchen 
Truppen innerhalb bes Preußiſchen Gebiets getroffen werben.“ 


Diefer Bertrag entſprach in feinem Geiſte und ben ein- 
zelnen daraus hervorgegangenen Beftimmungen dem Bedärfnig 
Preußens wie dem damaligen Verhältni beider Mächte, Wäre 
die Ausführung fpäterhin in demfelben Geiſte und diefen Be- 
fimmungen gemäß erfolgt, fo würde Preußen bei den Wiener 
Berhanblungen nichts zu vermiffen gehabt haben; aber eine 

Etein’s chen. mi. 2te Aufl. 20 


306 5 

andere Hand hatte die Leitung ber auswärtigen Berhält- 
niffe; Hardenberg verfäumte, aller, Warnungen ungeachtet, 
die Ausführung zu fihern, und er trägt bie Schuld ber ver- 
Torenen Berheifungen. Erlangte der König dur bie Hingabe 
von Polen die Bildung eines zufammenhangenden Staates in 
Norddeutſchland bis Anſpach Cleve und Oſtfriesland mit dem 
Umfange und der Kraft von 1806, fo durfte er nicht weiter 
bedauern, daß nad) Oſten hin nur die Berbindungslinie zwifchen 
Oſtpreußen und Schlefien erhalten werben fonnie; denn was 
Englifher Einfluß noch im Herbft 1812 vermogt hätte, worauf 
Stein damals wieberholt aber vergebens drang, die Beibehal- 
tung der Ruſſiſchen Gränze gegen Polen, war jegt nicht mehr 
zu erlangen, da ber Kaiſer noch immer den Wunſch einer Her: 
ſtellung Polens nährte; und felbft hätte man die Wahl gehabt, 
fo würde für Preußen bie Verſtaͤrkung durch Deutfche Kräfte der 
Zurüdnahme Warſchau's vorzuziehen geweſen ſeyn. Steins An- 
ſicht ward von Scharnhorſt getheilt; auch er ſprach es aus”, 
daß die nächſte Sorge die Beſiegung des Feindes ſeyn, die Aus⸗ 
einanderfegung wegen Polens der fpäteren Bereinigung vorbe⸗ 
halten bleiben mäffe; und der Staatskauzler iR nicht dafür daß 
er den Bertrag gefchloffen, fondern dag er deffen Ausführung 
fpäterhin nicht Fräftiger betrieben hat, mit Recht getabelt worden. 

War biefer Vertrag ein zweiter folgerechter Schritt auf 
der von Stein ſchon im Sommer des verfloffenen Jahres vor- 
gezeichneten Bahn, fo verdient ed noch befondere Beachtung, 
daß darin die Errichtung der Landwehr ausdrüdlich verheißen 
ward. Graf Ludwig Dohna, welden die Preußifhen Stände 
in der Mitte Februars mit der in Königsberg ausgearbeiteten 
Landwehrorbnung nach Breslau fandten, hatte bei bem König 
eine falte Aufnahme gefunden. Die erften Eindrüde find mächtig, 
und biefe waren hinfichtlich der Königsberger Dinge durchaus 
irrig geweſen. Am 22ften Januar hatte, wie es ſcheint, der 


307 


Oberpraͤſident an Hardenberg gefchrieben: „Der Regierungsrarh 
Sulz aus Gumbinnen war in Memel und hat fi dort ver- 
Tauten laſſen, daß er einen Bolfsaufftand in Mafuren organifiren 
wolle. Er wurde ſchnell abberufen. Der Minifter Herr Frey⸗ 
herr vom Stein war in Gumbinnen, if jegt in Königsberg, und 
ich irre nicht wenn ich glaube der Tugend-Verein iſt auferftanden, 
eine Bollsregierung wird Hier bald erfcheinen.” Diefe grund- 
loſe und verkehrte Auffaffung — denn es war von feinem 
Tugendverein die Rede, feiner der Teitenden Männer ließ ſich 
mit “einem ehemaligen Tugendbundler ein" — begründete in 
Breslau eine fehr begreifliche Abneigung gegen das eigenmäd- 
tige Verfahren ber Provinz. 

Dohna*' war, wie Stein, von der Wahrheit durchdrungen, 
daß nur allgemeine Errichtung der Landwehr und Androhung 
des Landſturms den glüdtichen Erfolg des Krieges fihern könne; 
aber dieſer Gebanfe fand in Breslau den heftigfen Wider 
fand. Die Anhänger des Franzoͤſiſchen Bundniſſes, die Trägen, 
Unentfloffenen und Gpararterlofen oder in dem Schlendrian 
altperfömmlicher Begriffe Befangenen, befledten den fühnen 
Schritt der Preußiſchen Stände mit ihrem gemeinen Verdachte. 
Noch am 26ften Februar war es nad Dohna's Beriht‘* völlig 
zweifelhaft ob der Plan zur Ausführung fommen werde; am 
27ften war die Errichtung der Landwehr als Bedingung des 
Bündniffes unterzeichnet, und am 28ften fonnte Dohna feinem 
Bruder von der Annahme ber Plane Gewißheit geben. Das 
Geſetz, wie Scharnhorft es längſt ausgearbeitet Hatte, erfchien 
am 17ten März. 

Auch die Angelegenheit des Generals Yord fonnte nun 
ausgeglichen werben. Bon Steins Vorhaben unterrichtet, hatte 
der General ihm am 23ften Februar aus Conitz gefchrieben: 

„Mein Eorps marfchirt bis an die Oder, mit bem Corps des 
Generals Bülow in gleicher Höhe. Bis dahin erwarte ich nun die 

20* 


308 


befimmten Erflärungen Sr. M. des Könige. Noch habe id 
nur nad eigenen Anfichten gehandelt; Eure Excellenz wer: 
den mi aber nicht der Inconfequenz beſchuldigen, wenn id 
dann endlich einmal von Breslau Berhaltungsbefeble erwarten 
darf, wo man mic faft vergeſſen zu haben ſcheint. Es wäre 
fein Wunder gewefen, hätte ih am Ende Muth und Gebuld 
verloren. Euer Ercellenz Reife nad Breslau belebt mich mit 
großen Hoffnungen, und ich bitte Sie dringend mir nad Soldin 
beftimmte Befehle auszumwürfen, denn die Communifation ift 
nunmehr frei.” Nach Steins Anfunft ward am 5ten März 
drei Generalen der Auftrag ertheilt, Yords Gründe für den 
Abſchluß der Convention zu prüfen, und am 17ten März warb 

- Yord nicht nur vorwurföfrei erklärt und im Commando beftätigt, 
fondern ihm aud als Beweis der Königlichen Zufriedenheit der 
Oberbefehl der Bülowfhen Truppen übertragen. 

Den gewidtigften Preis für Yords Benehmen hat fpäter 
König Friedrih Wilhelm III ſelbſt in einer eigenhändigen Er- 
Märung ertpeilt, die er ber Meberfegung des Segurfchen Feld: 
zuges in Rußland beifchrieb*: 

„Die That des Generals Yord wirb dereinft in der Ge— 
ſchichte um fo glänzender erfheinen, wenn man fie als Gegen- 
ſtück zu den zahlreichen Beifpielen fo vieler Staatsmänner und 
Befehlshaber betrachtet, welche die ihnen übertragene Gewalt 
mißbrauchten indem fie nur ihre eigenen Zmwede und Ideen im 
Auge hatten, die fih aber wo es auf Verantwortung anfam, 
hinter höhere Autoritäten flüchteten und ihre Fürften Beſchwerden 
bloßftellten, die zu vermeiden ihre Schuldigfeit geweſen wäre. 
Diefe Convention bietet ein bedeutfames Beifpiel, wie ein treuer 
Diener, dur die Umftände zu einem felbftändigen Entſchluß 
gedrängt, feinem Könige bie ihm anvertrauten Truppen und 
feinem Vaterlande die Bortheife einer augenblicklichen Entſchei— 
bung fihern, die Nachtheile der Verzögerung abwenden fonnte, 


309 


ohne weiter zu greifen als ihm gebührte, indem wenn der von 
ihm gethanene Schritt zurädgethan werden follte, nichts erfor- 
derlih war als ein einziges Dpfer, wozu er ſich ſelbſt weihte, 
auch in diefem Fall wie immer bereit, feine Treue mit feinem 
Blute zu befiegeln, wie er fie dur fein ganzes ruhmvolles 
Leben vor⸗ und nachher bewieſen hat.” 


Ueber den Beitritt Preußens urtheilte Stein felbft zehn 
Jahre naher: 


nDer Beitritt Preußens zu dem von Rußland begonnenen 
Kampfe war gewagt; denn feine eigenen Kräfte waren beſchränkt 
und nicht entwidelt, und die Ruffifchen noch ſchwach, da zwifchen 
Der und Elbe nicht 40,000 Mann fanden; ihnen gegenüber 
Napoleon mit allen Kräften Frankreichs Italiens und des 
RhHeinbundes. Der Entſchluß des Königs und feines Volkes 
bfeibt immer edel; es war von Jenem vortrefflih fih den 
Wünihen feines Volkes anzuſchließen, heldenmüthig von diefem 
mit Strömen von Blut feine Ehre und feine Selbftändigfeit 
wieder zu erfämpfen. Diefe Gefinnung, diefe Begeifterung 
äußerte fi überall im Preugifhen und unter meinen Augen 
in Breslau auf die herrlichſte Art. Wohl theilten dieſe Gefühle 
alle übrigen Theile von Deutſchland, nit aber deren Fürften 
und Cabinette, und nicht deren Offiziere; denn dieſe ſchlugen 
ſich mit großer Bitterfeit unter den Fahnen des fremden Herr: 
ſchers, ſtolz auf Knechtſchaft.“ — 


Gleich nad Steins Ankunft in Breslau entwidelte ſich ein 
Nervenfieber *, wovon er am 23ſten Februar in einer Pol- 
niſchen Wirthſchaft, worin ihm unbewußt ein am Typhus Ge- 
florbener Tag, angeſtedt war, und führte Stein an bes Grabes 
Rand. Er brachte mehrere Tage ſchlaflos in heftigem Fieber 


310 


zu. Hufeland und Wiebel wibmeten ihm die größte Sorgfalt, 
und verfhafften ihm einen Wundarzt zum Wächter, Endlich 
gab der Ausbruch eines rothen Frieſels der Kranfpeit eine 
günfige Wendung, einer großen Schwäche ber Eingeweide warb 
durch warme Bäder abgeholfen, und er konnte fih wieder ber 
Teilnahme feiner Freunde erfreuen, und von der Maffe ber 
Einwohner Breslaus die rührendften Beweife von Freude über 
feine Rüdtehr und feine Wiederherftellung empfangen *. Die 
Prinzeffin Wilhelm fandte ihm täglich Kranfenfpeife ans ihrer 
Küche, Prinz Wilhelm und Prinz Auguf, General Blüder, 
Scharnhorſt befuhten ihn; Merkel, Rehdiger gaben taufend 
Beweife von Aufmerkfamfeit, Der König blieb ganz verſchloſſen, 
er Tieß felh nicht nah Steine Befinden fragen; ihm war bie 
plöglige, von ihm nicht veranlaßte Erfcpeinung zweier Perfonen 
aus dem Hauptquartier und die dadurch herbeigeführte ſchnelle 
Entwidlung der Sachen unangenehm. Hardenberg war miß⸗ 
trauiſch, beforgt für fein Anfehenz er fürchtete, Stein mögte 
Anfprühe auf den Rüdtritt in den Dienſt mahen. Den Mit- 
gliedern des Hofes warb verboten in irgend eine Verbindung 
mit Stein zu treten, oder feinen Zuftand zu erleichtern. 

Da Steins Briefe auöblieben und die Freunde durch Ber 
richte über feinen Zufand Frau vom Gtein nit erſchrecken 
wollten, fo lebte fie in ängflicher Sorge zu Pkag. Ein durch⸗ 
eilender Courier ſprach von feiner fehweren Krankhrit. Sie 
taffte ſich ohne Säumen auf, fuhr mit ihren Töchtern und einer 
Kammerfrau in der bitterfien Kälte Tag und Nacht ohne 
Aufenthalt, bis fie Breslau erreichte. Um nicht dur Weber- 
raſchung zu ſchaden und ungewig ob fie ben Gemahl noch 
lebend treffen würde, fuhr fie zu Merdel; Stein war indeflen 
fhon wieder genug hergeſtellt um fie zu empfangen. Das 
Wiederfehen der Seinigen nach fo vielen und großen Schid- 


311 


falen beglüdte und bob ihn. Seine Genefung machte Fort- 
ſchritte. As der Kaifer feinen Beſuch anfündigte, wandie füh 
Stein aud die Aufmerkfamfeit des Hofes zu; ſtatt des Dach⸗ 
ſtubchens im „Scepter”' ward ihm eine gute Wohnung angewiefen. 

Am A5ten März erfhien Alerander in Breslau, Sein 
Einzug erfolgte unter den Iebhafteften Beifalldbezeugungen des 
Volls; man begrüßte in ihm den Netter Europa’s. Gr begab 
ſich zu Stein, der noch ſchwach dem Kaifer in feinem Zimmer 
entgegenging, und von Alerander mit der wärmften Umarmung 
begrüßt wurde. Sie hatten allein eine lange Unterrebung. 
Darauf ging Alerander ind Vorzimmer und ſprach aufs Freund« 
lichſte mit Frau vom Stein und den Kindern, beren Aehnlich- 


keit mit dem Bater er bemerkte. 


Nah diefem Ereigniß verdoppelte der ganze Hof feine 
Freundlichleit und zunorfommende Sorgfalt; es ward bed Mel- 
dens und Befuchens fein Ende, auch von folhen bie verdienter- 
weife eines fchlimmen Empfanges gewärtig feyn mußten. 

Auf feinem Kranlenlager erhielt er von den Gläubigern, 
denen bie auf Birnbaum ſtehenden Zinfen nicht waren aus⸗ 
gezahlt worben, Mahnungsſchreiben. Diefes veranlapte ihn, 
‚den Kaifer zu ‚bitten, 80,000 Taler auf die in Polen liegende 
Dotation als den Betrag der Kriegsbrandſchaͤden anzuweiſen. 
Diefes geſchah durch einen Befehl an den oberfien Rath in 

Warſchau, deſſen Polnifhe Mitglieder, befonders Fürft Lubedy 
die Sache bis nad dem Einmarfh in Paris zu verzögern 
wußten, wo Herr v. Eolomb, der auf Steins Borfchlag bei dem 
oberſten Rathe angetellt worben war, die Zahlung bewirkte. 

Indeſſen war nach einem erſten vergeblichen Verſuche 
Tettenborus, worüber biefer an Stein berichtete, Berlin am 
Aen März von ben Ruſſiſchen Truppen befreitz bie Franzoſen 
zogen ſich gegen die Eibe, nad Magdeburg und Wittenberg, 


312 


Nuffen und Preußen folgten; am 14ten März trat der Herzog 
von Meklenburg auf die Seite der Deutfhen Sache, am 18ten 
308 Tettenborn in Hamburg ein. In Niederfachfen, Weftfalen, 
bis an ben Rhein und in Brabant zeigte ſich Gährung des 
Volks, das Franzöfifhe Joch zu brechen. Das Blaucherſche Heer 
wendete fi gegen Dresden. 

Bor ber Mitte des März erſchien aus England über 
Gothenburg und Eolberg hergeeilt Oneifenau, und ward wieder 
angeftellt. Er brachte die Verheißung Englifher Hülfe, von 
Waffen, Kriegevorräthen, Kleidung für ein Heer von 20,000 
Dann, und die Ausfiht auf Landung eines Englifh- Schwe- 
difhen Heeres. Ihm felbft ward die Befehlshaberſtelle des 
diefen beizuorbnenden Preußifchen Corps zugetheilt, und als 
die Landung ſich in die Länge 309, das Amt des zweiten General- 
quartiermeifters im Bluͤcherſchen Heere übertragen; erfler war 
Scharnhorſt. 

Am 16ten warb dem Franzoͤſiſchen Geſandten St. Marſan 
die Preußifche Kriegserflärung überfandt; am 17ten erinnerte 
der König in dem „Aufruf an mein Volk“ an die weltbefannten 
Gründe feiner Handlung und rief es zum Testen entſcheidenden 
Kampfe für Freiheit und Vaterland auf. Er ſprach es aus: 
„Keinen andern Ausweg giebt es als einen ehrenvollen Frieden 
ober einen ruhmvollen Untergang. Zugleih ward die Ver— 
ordnung über Errichtung der Landwehr im ganzen Umfange 
des Reihe erlaſſen; der König mit allen Prinzen feines Haufes 
trat an ihre Spige. ‚ 

„Mit Gott für König und Vaterland" 
ſolle ihr Wahlſpruch fein, vom Könige gegeben; die Preußifchen 
Stände hatten wie es heißt auf Steins Wort „Wehrlos Ehr- 
108° vorgefhlagen, was als Urtheil über ein Volk gemeint 
war; der König aber nabın es perfönlih und fand es daher 


313 


unbillig. Die Entwidlung der ganzen Kraft des Landes warb 
vier zu diefem Zwed eingefegten Generalcommifftonen, in Schle= 
fien und zwiſchen Elbe, Oder, Weichſel, Niemen, unter Auf- 
hebung ber gewöhnlichen Verwaltung anvertraut. * 

Am 19ten ward die Reihsfreiheit Hamburgs durch Tetten- 
born wieberhergeftellt, Lubeck befegt, und in beiden Städten bie 
Bewaffnung der Freiwilligen angeordnet. In Dresden fprengten 
die Franzoſen die Elbbrüde, die Bevölkerung erwartete mit 
größter Sehnſucht den Augenblid der Befreiung; am 22ften 
erfhienen bie erften Ruffen, ber König von Sachſen Hatte ſich 
entfernt. Graf Wittgenftein forderte die Sachſen zu den Waffen: 
„Die Thaten unferer Ahnen, rief er, find durch die Er— 
niebrigung ihrer Enkel verwirft. Nur die Erhebung Deutſch- 
lands bringt eble Geſchlechter hervor, und giebt denen welde 

"ed waren ihren Glanz zurüd.“ 


In Gemäßpeit der Entwürfe bes vorigen Jahres warb 
am 19ten März zwifchen Stein und Neſſelrode als Ruſſiſchen, 
Hardenberg und Scharnhorft als Preußiſchen Bevollmächtigten 
ein Vertrag über die Berwaltung ber im Laufe bes Krieges 
zu befreienden Länder abgefchloffen **: 

„Da die verbündeten Heere Ihrer Mafeftäten des Kaiſers 
von Rußland und des Könige von Preußen im Begriff find, 
in die Nheinbundftaaten und bie mit dem Franzoͤſiſchen Reiche 
vereinigten Landſchaften des nördlichen Deutſchlands einzurüden, 
fo haben die beiden Herrfcher nöthig erachtet ſich ſowohl über 
die im Augenblid der Einnahme dieſer Länder zu verfündenden 
politifhen Grundfäge, als über bie Verwaltung zum größten 
Vortheil ber gemeinen Sache zu verabreden. Zu dieſem Zweck 
ernennt bes Kaiſers Majeftät zu feinen Bevollmächtigten den 
Freiherrn vom Stein und den Graf v. Neffelrode, der König 
von Preußen den Freiherrn v. Hardenberg unb ben General 


314 


dv. Scharnhorſt, welche fih über bie folgenden BeRimmungen 
vereinigt haben: \ 

1. Es wird fofort im Namen der beiden fouverainen 
Maͤchte ein Aufruf verfündigt werden. Derfelbe befchränft ſich 
darauf anzufündigen, daß bie beiden Mächte feinen andern 
Zwed haben, als Deutfhland dem Einfluß und der Herrſchaft 
Frankreichs zu entziehen, und bie Fürften und Bölfer zur Mit« 
wirkung für bie Befreiung ihres Baterlandes einzuladen. Jeder 
Deutſche Zürft welcher in einem beflimmten Zeitraum biefer 
Aufforderung nicht entfpredden follte, wird mit dem Beruf 
feiner Staaten bedroht werben. 

2. Es wird ein Eentral-Berwaltungs-Rath mit unbe- 
fhränften Bollmachten errichtet werden. Die verbündeten Mächte 
ernennen jebe ein Mitglied für diefen Rath. Für den Augenblid 
wird er aus den Abgeorbneten Rußlands und Preußens zur 
fammengefegt; fo wie die Heere ber andern Mächte einen 
tpätigen Tpeil an der Kriegführung in Deutſchland nehmen, 
wird es ihnen geftattet gleicherweife ein Mitglied biefes Raths 
zu ernennen, insbefonbere dem König von England. Die Deut- 
fhen Furſten welde dem Bünbniß beitreten werben, "erhalten 
nur bie Gefammternennung eines Mitgliedes. 

3, Dem Rathe wird hauptfählih das Gefchäft zugetheilt, 
in den befegten Rändern vorläufige Verwaltungen einzufegen, 
biefelben zu überwachen und ihnen die Grunbfäße vorzuzeichnen, 
nach denen fie die Halfsquellen der Länder zu Gunſten ber ge— 
meinen Sade näglih machen follen. 

4. Die Einfünfte der eingenommenen Länder werben 
zwiſchen Rußland und Preußen gleihmäßig getheilt. Die Han= 
noverſche Regentfhaft wird daran, im Verhälmiß ber Truppen 
welche fie aufftellen wird, Theil nehmen. 

5. Alle zu befegende Länder von Sachſen bis zu ben 
Gränzen Hollands, mit Ausnahme ber alten Preußiſchen und 


315 


der Hannoverfhen Befigungen, follen in fünf große Abfchnitte 
getheilt werden, nämlich: 
1) Sadfen mit den Herzogthämern. 
2) Das Königreihd Weſtphalen mit Ausnahme Hans 
noverd und der alten Preußiſchen Provinzen. 
3) Die Herzogthümer Berg, Weftphalen und Naffau. 
4) Das Departement der Lippe. ö 
5) Die Departements der Eibmündbungen und Medien- 
burg. 

6. Jedem Abſchnitt wird ein Eivil- und ein Militair- 
Gouverneur vorgefegt. Der erfiere wird vom Central- Rathe 

„ abhängen, der zweite für Alles was fih auf die Ariegführung 
bezieht vom Oberfeldhern. Der Eivilgouvernenr wird fih zur 
Seite einen vorläufigen Landesrath bilden, welcher ihm in Aus- 
übung feiner Geſchaäfte beizufiehen hat. 

7. Der Eentral-Rath wird gleichfalls mit Allem beauf- 
tragt was fih auf das Ausheben der Mannſchaft, auf das 
Requiſitions und Magazin-Spfem für bie thätigen Heere und 
auf die in den befepten Ländern vorzunehmende Bewaffnung 
bezieht. 

8. Es wird darin nämlich gebildet werden, 1) ein Heer 
von Linientruppen, 2) eine Landwehr, 3) ein Landfurm; 
diefen Truppen jedoch das foͤrmliche Verſprechen ertheilt, daß 
fie in feinem Falle zu einem andern Zweck ald ber Ber- 
theidigung Deutſchlands gegen Frankreich dienen follen. Diefe 
Bildungen werden unter dem Schutze eines Corps des ver- 
bündeten Heeres Statt finden, 

9. Der Eentral-Rath erhält bie Freiheit, für die Stellen 
dev Gouverneure und bie Ortsverwaltung ſolche Perfonen zu 
wählen, welche er zu biefem Zweck fowopl durch ihre Talente 
als das Anfehen worin fie bei ipren Mitbürgern Reben für bie 
geeigneteften hält. 


März 20. 
März 21. 


“ 316 


10. Die Beftimmungen dieſes Planes follen Oeſterreich 
und England ohne Verzug angezeigt werben. 


2ten m. 
Breslau den Toten März 1813. 
Stein. Hardenberg. 


Neſſelrode. Scharnhorſt.“ 


Unmittelbar nah dem Abſchluſſe des Vertrages verließ 
Stein Breslau, und reifte in Gefellfpaft feines Schwagers 
Wallmoden, welhen der Prinz Regent zum Befehlshaber der 
Deutſchen Legion ernannt hatte, über Dels nad Kaliſch. Seine 
Gefundheit war noch immer angegriffen, die fortwährende Auf- 
regung durch Gefpräche, Befuche, Verhandlungen, denen er fih 
in Breslau nicht entziehen fonnte, hatte feine Genefung auf- 
gehalten; bie Reife und bie vollfommene Ruhe des Lebens in 
Kaliſch ſtellten ihn bald wieder her. 

Gleich nad feiner Ankunft Inüpfte er die feit December 
unterbrochene Verbindung mit Graf Münfter wieder an, deffen 
Briefe dem raſchen Gange der Begebenheiten nur in großer 
Entfernung folgen fonnten. Die Englifhen Minifter hatten, 
gegen Münfters Anficht, bie Deutſche Legion Schweden zu über- 
geben beſchloſſen fobald bas Landungsheer fegeln werde; wie 
aud in andern Punften Unkenntniß bes Feſtlandes, Furcht 
vor Dppofitiond» und Zeitungs = Angriffen ihren guten Willen 
laͤhmte *. General Hope war nah Schweden gefandt um 
die Maßregeln wegen ber Landung zu verabreden, Oberſt Löw 
mit Befichtigung ber Legion beauftragt °°; dagegen fehlten gerade 
Nachrichten vom Kriegsfhauplage; am 1Oten Februar kannte 
man in England die Yordfhe Eapitulation nur noch aus Fran- 
zoͤſiſchen Zeitungen, die letzten Nachrichten aus Wien waren 
zwei Monate alt“!. Münftere Plan Preugen auf die Oſtſeite 
der Elbe zu befchränfen, zu deſſen Betreibung bei Schweden 


317 


unlängft ein Hannoveraner abgefandt worden, war bereits durch 
die That vereitelt, und das Buͤndniß mit Preußen abgefhloffen 
ale Münfter am Iten März auf raſches Vorrüden gegen bie 
Oder dringt, weil Hardenberg dann auf den Entfhluß bes 
Königs rechne fofern fih Defterreich nit gegen Rußland 
erfläre®®, 

Sehr reizbar wie ihn die Krankheit gelaffen hatte, und 
mißvergnägt mit Münftere Hannoverfchen Abfichten, erwieberte 
Stein‘? jene Briefe mit der Erklärung: nachdem Münfter bie 
vertraulichen Eröffnungen eines Privatmannes, welcher er fey 
und nicht wie Münfter ihn titufire Ruſſiſcher Miniſier, offiziell 
benugt habe, müffe er alle Berbindung abbrechen, wenn Münfter 
ihn nicht gegen einen ähnlichen Mißbrauch des Vertrauens in 
Zukunft fiherftelle; offiziele Eröffnungen bes Ruſſiſchen an das 
Hannoverfhe Cabinet fönnten nur durch den Ruſſiſchen Ge— 
fandten in London gehen. Der Kaifer fenne feine politifchen 
Grundfäge feit 1805, und ſchenke ihm einiges Vertrauen in ber 
Vorausſetzung, daß er die Berhältniffe feines Vaterlandes 
fenne, weil er durch Eigentbum daran geknüpft, einem Stande 
angehöre welchem reihsftändifhe Rechte zugeflanden, und er 
dreißig Jahre bei der innern Verwaltung eines Königreichs ge= 
wirft habe, welche eines großen Ruhmes eines überwiegenden 
Einfluffes genoß, und wo noch in dieſem Augenbli der öffent- 
liche Geiſt fih auf die Fräftigfte und glänzendſte Weife zeige. 


In Kaliſch erhielt er aud Briefe feines Freundes Kunth 
und der Prinzeffin Louiſe. Diefe*t drüdte ihre Theilnahme an 
feiner Genefung, ihren Schmerz über die Aufnahme von Seiten 
bes Königs aus, und fuchte feine Verwendung für die Her- 
ſtellung Polens nach: 
„Was Sie neulich unſerer Freundin geſchrieben, hat mich 
lebhaft ergriffen: iſt es möglich jemals das Jahr 7 und die 


318 


tüprenden Opfer zu vergefien die Sie damals gebracht haben? 
Ich war barüber erfhroden; benn weit entfernt ſolches zu er- 
warten, dachte ich vielmehr, Sie würben in dem Herzen und 
den Gefühlen Defien den Sie wieberfahen eine Entfgädigung 
für viele peinliche Augenblide finden — ich Fann Ihnen nicht 
ausdräden, wie tief das Gegenteil mich betrübt, nicht für Sie, 
den fo ſchoͤne Belohnungen erwarten in dem fo vielen unter- 
drüdien Bölfern zurüdgegebenen Glüd und Freiheit, fondern 
für und, die es nit zu ſchätzen verfiehen was Sie waren, 
was Sie find, was Sie für ung noch feyn fönnen” .... Sie 
begreifen wie unruhig mein Mann über die Zufunft if, wie 
fehr ih wünfche, daß indem fo fhöne Hoffnung fih uns dar⸗ 
bietet, ex fie nicht für ſich vernichtet fehe, damit er ohne Beis 
miſchung die Gefühle theilen koͤnne die uns beleben und bie 
Freude eines Baterlandes weldes feinen Namen und fein 
Dafeyn wiebererlangt. Verzeihen Sie wenn ih von unfern 
Gefühlen ſpreche in einem Augenblick wo fo große Anliegen Sie 
befäftigen; Diejenigen welche ich Ihnen zu nennen wagte, 
haben in Wahrheit auch Rechte dazu gezählt zu werden; aber 
ich begreife daß das Alles in dieſem Augenblide verſchwindet 
neben der größeren Teilnahme, melde ber wichtige Kampf 
einflößt ber über Die Zukunft entſcheiden fol. Möge dann aud 
ein unglüdtihes Land die Rüdfehe feines Glücks der Groß- 
muth Defien verdanfen welden wir mit Recht als unferen 
Befreier betrachten, und in Ihnen einen Befhüger finden, ob« 
wohl viele Perfonen es an Ihnen nicht verdient haben.” 


Stein fand e6 damals nicht gerathen auf diefe Wünfce 
einzugehen; Fürft Adam Czartorinsky war im Hauptquartier, 
der natürliche Berireter feines Vaterlandes; neben ihm konnte 
und durfte Stein um fo weniger auftreten, als der Kaiſer bei 
ihm nur über Deutfhe Angelegenheiten Kunde vorausſetzte und 


319 


ihn nur darüber zu reden berechtigt hatte, und eine unberufene 
Einmifgung leiht mit dem Verluſt feines Vertrauens vergelten 
Ionnte. Er rieth baher dem Fürften Radziwill, in Verbindung 
- mit feinem Freunde Czartorinsky zu treten, ber ihm bie genauefte 
Kunde über bie Lage der Polniſchen Angelegenheiten geben und 
ihn in ben Stand fegen fönne eine Wahl zu treffen, wodurch 
Holen an die große Sache wofür man kämpfe gefnäpft werde. 

Furſt Radziwill nahm fpäterhin an ben Unterhanblungen 
Theil, welche zwifchen ben Berbünbeten und dem Fürſten 
Honiatowsfy und dem Polnifhen Heere eingeleitet wurben. 
Diefes Hatte fih vor den Rufen nah Kralau an die Defter- 
reichiſche Grenze zurüdgezogen, es gelang bem Fürften Radziwill 
durch feine Gegenwart Poniatowsky der Sache der Verbündeten 
geneigt zu machen, ba Kaifer Alexander die Herftellung Polens 
verheißen hatte; aber bie Nachricht von dem Ausgange der 
Schlacht bei Großgoͤrſchen vereitelte diefe Bemühungen, und Fürſt 
Radziwill auf Bignons Betrieb verhaftet, mußte ſich zur Rüd- 
kehr entſchließen, das Polnische Corps aber zog dann durch 
Deſterreichiſches Beblet und vereinigte fih mit ben Franzoſen. 

In Kaliſch traf auch Pozzo di Borgo bei dem Kaifer ein, 
der ihm fpäterhin eine Stellung bei dem Kronprinzen von 
Schweden anwies. 

Nachdem ber König von Preußen Napoleon den Krieg er⸗ 
Härt hatte, ward am 25ften März zu Kaliſch der in Breslau 
unterhandelte und befchlofiene Aufruf erlaſſen. Er verfündete 
ben feſten Entſchluß der Befreiung Europa’s, und beſonders 
Deutſchlands, die Auflöfung bes Rheinbundes, die Herſtellung 
ber Deutfhen Berfaflung in lebenskräftiger Verjungung uud 
Einheit opne fremden Einfluß allein durch bie Deutſchen Furſten 
und Bölfer und aus dem eigenen Geifte des Deutfchen Bolfe. 
Er entſprach in Allem deſſen gerechten Wünfhen, und muß ben 


320 


Anmaßungen der Rheinbund- Souverainetät gegenüber als die 
feierliche Verſicherung betrachtet werben, in beren Olauben 
Deutfhland zu den Waffen griff und feine Befreiung erfämpft 
bat. Der Aufruf ward in Aleranders und Friedrih Wilhelms 
Namen von dem Feldherrn erlaffen, in deffen Händen zu fräf- 
tigerer Führung bie ganze Heeresmacht beider Kürften ver- 
einigt war: 


„Indem Rußlands fiegreiche Krieger, begleitet von benen 
Sr. Majeftät des Königs von Preußen, Ihres Bundesgenoffen, 
in Deutſchland auftreten, fündigen Seine Majeftät der Kaifer 
von Rußland und Seine Majeftät der König von Prenßen den 
Fürften und Völkern Deutfhlande die Rüdfehr der Freiheit 
und Unabhängigfeit an. Sie fommen nur in der Abſicht, ihnen 
diefe entwanbten, aber unveräußerlihen Stammgüter der Völfer 
wieder erringen zu helfen und ber Wiedergeburt eines ehrwür⸗ 
digen Reiches maͤchtigen Schug und dauernde Gewähr zu leiſten. 
Nur diefer große, über jede Selbſtſucht erhabene und deshalb 
Ihrer Majeftäten allein würdige Zwed if es, der das Bor- 
dringen Ihrer Heere gebietet und leitet. 

Diefe, unter den Augen beider Monarchen von ihrem Feld: 
herrn geführten Heere vertrauen auf einen waltenden gerechten 
Gott und hoffen vollenden zu dürfen für Die ganze Welt, und 
unmieberruflich für Deutfchland, was fie für fih ſelbſt zur 
Anwendung des ſchmachvollſten Joches fo rühmlich begonnen. 
Bol von biefer Begeifterung rüden fie heran. Ihre Lofung 
iſt Ehre und Freiheit. Möge jeder Deutfche, ber des Namens 
noch würdig fein will, raſch und kraͤftig ſich anſchließen; möge 
jeder, er fei Fuͤrſt, er fei Edler, oder ftehe in den Reihen 
der Männer des Volfes, den Befreiungsplanen Rußlands und 
Preußens beitreten, mit Herz und Sinn, mit Gut und Blut, 
mit Leib und Leben! 


321 


Diefe Gefinnung, diefen Eifer glanben Ihre Majeftäten 
nad dem Geifte, welcher Rußlands Siege über die zurüd- 
wanfende Weltherrſchaft jo deutlich bezeichnet, von jedem Dent- 
ſchen mit Recht erwarten zu dürfen. 

Und fo fordern fie denn treues Mitwirken, befonders von " 
jedem beutfhen Fürften, und wollen dabei gerne vorausfegen, 
daß fi feiner finden werbe unter ihnen, ber, indem er der 
dentfpen Sache abtrünnig fein und bleiben will, fi reif zeige 
der verdienten Vernichtung dur bie Kraft der öffentlichen 
Meinung und durch die Macht gerechter Waffen. 

Der Rheinbund, diefe trügerifche Feſſel, mit welcher der 
Allentzweiende das erft zertrümmerte Deutſchland, ſelbſt mit 
Befeitigung des alten Namens, neu umſchlang, fann als Wir- 
fung fremden Zwanges und als Wirfung fremden Einfluffes 
Tänger nicht gebufbet werben. Bielmehr glauben Ihre Majeftäten 
einem längft gehegten nur mühfam noch in beffommener Bruſt 
zurüdgehaltenen allgemeinen Vollswunſche zu begegnen, wenn 
Eie erklären, daß bie Auflöfung biefes Vereins nicht anders als 
in Ihren beſtimmteſten Abſichten Tiegen könne. 

Hiermit if zugleih das Verhälmiß ausgeſprochen, in 
welhem Se. Majeftät der Kaifer aller Reußen zum wiederge- 
bornen Deutſchland und zu feiner Berfafung flehen wollen, 
Es fann dies, ba Sie den fremden Einfluß vernichtet zu fehen 
wünfchen, fein anderes fein, als eine fhügende Hand über 
ein Werk zu halten, beffen Geftaltung ganz allein den Fürften 
und Bölfern Deutſchlands anheimgeftellt bleiben fol. Je 
ſchaͤrfer in feinen Grundzügen und Unnriffen dies Werk heraus. 
treten wird aus dem ureignen Geifte des beutfchen Volfes, defto 
verfüngter, Tebensfräftiger und in Einheit gehaltener wirb 
Deutfhland wieder unter Europens Bölfer erfcheinen Können. 

Uebrigens werben Seine Mafeftät nebft Ihrem Bundes- 


genoffen, mit dem Sie in den hier bargelegten Gefinnungen 
Stein’s Leben. IL. 2te Aufl. 2a 


322 


und Anfihten vollfommen einverftanden find, dem fpönen Zwede 
ber Befreiung Deutſchlande von frembem Joche ihre hoͤchſten 
Anftrengungen jederzeit gewidmet fein laſſen. 

Frankreich, fhön und ſtark durch fi ſelbſt, beſchaͤftige 
ſich fernerhin mit der Befoͤrderung feiner innern Glädjeeligfeit. 
Keine äußere Macht wird dieſe ſtören wollen, keine feindliche 
Unternehmung wird gegen feine rechtmaͤßigen Graͤnzen gerichtet 
werden. Aber Frankreich wiſſe, daß die andern Maͤchte eine 
fortdauernde Rupe für ihre Völker zu erobern trachten und 
nicht eher die Waffen nieberfegen werden, bis der Grund zu 
der Unabhängigkeit aller Staaten von Europa feſtgeſetzt und 
geſichert fein wird. 


Gegeben im Hauptquartier zu Kaliſch den 1äten 


Zählen März 1813. 


Im Namen Sr. Majeftät des Kaifere und Selbſtherrſchers 
aller Reußen und Seiner Majeftät des Königs von Preußen 
[eigenhändig] Farſt Kutufoff Smolenst. 
General Feld -Marſchall und Oberſter Befehlshaber der ver- 
bündeten Armee.” 





Am Ofen März meldete Stein dem Staatscanzler Harden- 
berg, daß Wittgenftein vorwärtsgehe, — Jord deſſen Mitwirkung 
er erwarte, babe zwölf Tage zu Erholung und Herftellung 
feines Corps beburft; auch das Hauptquartier werbe bald vor- 
wartsgehen, man erwarte bie Einnahme von Dresden um es 
dahin zu verlegen. Zugleich ſchrieb Stein an Gneifenau und 
forderte ihn auf rafch porzurüden und die Franzofen aus Sachſen 
au verjagen. 

Bei dem Staatscanzler drang er wiederholt auf Entfer- 
nung unmwördiger und gefährlicher Menfhen. „Ih geſtehe 
theure Excellenz, daß ich Ihre Meinung über die Perfonen deren 
Curfernung ich für nothwendig halte nicht theilen laun, und 
erlauben Sie wir zu bemerfen, daß wenn ich wielleicht zu ſtrenge 


323 


urtheile, Sie zu einer Nachſicht geneigt find, welde bie jegige 
Krifis mir nicht immer zulaffen zw bürfen ſcheint. Es iR un- 
widerſprechlich, daß die Franzoͤſiſchen Minifter auf Entfernung 
der Perfonen befanden haben welche ihrem Herrn mißfielen, 
die Art der Entfernung iſt ziemlich gleichgültig. Der Graf G. 
wird fiherlih weber Gutes noch Böfes thun, aber nichtig, 
verachtet vom Publifum und vom König, vie ich mich deffen 
fehr wohl erinnere, warum ihn behalten? Ich geftehe Ihnen, 
ich fhämte mich zu Königsberg ihn meinen Collegen zu wiflen. 
Regieren, fagt man, it wählen, und ich finde feine Worte für 
diefe Wahl.” .... Noch ausbrädticher ſprach er über Fürft 
Witgenftein. Doch der Staatscanzler hatte gegen beide Ber- 
pflichtungen, und mag es wohl fpäterhin bereut haben, Steine 
Rathe nicht gefolgt zu ſeyn. 

Um dieſe Zeit erfolgte die Ankunft des Meklenburgiſchen 
Gefandten. Herrn v. Pleſſen im Hauptquartier, welcher mit dem 
Kaifer einen Vertrag unterhandelte, ber unter Steins Vermitt- 
Tung zu Stande fam. Eben ſo ſchloſſen fi die Anhaltiſchen 
Furſten und die Hanfeflädte dem Bunde an. 

Zu Anfang Aprils erfcien der König und mufterte die 
Ruſſiſchen Truppen, deren geringe Zahl ihn höchſt unangenehm 
überrafehte; indeffen der Wurf war gefehehen und nicht wieder 
zurädzunehmen. 

In Gemäßpeit des Breslauer Vertrages vom Idten März 
ward am Aten April ber Gentral-Berwaltungs-Kath eingefeht. 
Kaiſer Alexander ernannte den Grafen Kotſchubey und den 
Freiherrn v. Stein, ber König den Geh. Staatsrat v. Schön 
und Staatsrath v. Rhebiger zu Mitgliedern; ber Borfig war 
dem Ruſſiſchen Minifer des Innern zugetbeilt, fiel aber ba er 
nicht in Deutſchland erſchien, an Stein. Dem Rathe war die 
allgemeine Polizei und Finanz · Verwaltung in den zw befegen- 
den Pändern, der Abſchluß und die Aufſicht über bie Ansfüh- 

21* 





324 


rung von Verträgen mit Deutfhen Fürften über Truppen-, 
Lebensmittel⸗, Geld-Reiftungen für die Befreiung des Bater- 
landes, ferner die Ernennung der Eivil= Intendanten und aller 
unteren Beamten überlaffen, und beflimmt, daß die ernannten 
Mitglieder fi fofort nad) Dresden begeben follten um die Ber- 
waltung des rechten Elbufers und der Laufig zu übernehmen; 
ihr Wirkungskreis werde fih je nach dem Vorrücken ber ver- 
bünbeten Heere erweitern. 

Am 6ten April erhielt Graf Wallmoden durch Neffelrode 
feine Anweifung als Befehlehaber der Nordbeutfchen Truppen. 
Es ward ihm ale feine politifhe Aufgabe gefegt, die Wirkfam- 
feit der Eentralbehörde zu ftügen: bei der Verwaltung ber 
Länder feyen möglihft die beftehenden Behörden beizubehalten, 
oder folhe Männer anzuftellen bie das öffentlihe Vertrauen 
genießen, In Hannover müffen die alten Miniſter aufgefordert 
werben ihre Geſchaͤfte wieder zu beginnen, damit England ge= 
neigt werde, biefe Lande ohne Zeitverfuf zu den Rüftungen 
beitragen zu maden. In Heffen müffen gleichfalls Eivil- und 
Militairgouverneure unter ben alten Dienern bes Churfürften 
gewählt werben, man bezeichnet insbeſondere Herrn v. Witzleben. 

Bon befonderer Wichtigfeit für das begonnene große Werk 
war bie Entfpeidung des Könige von Sachſen, da fein Beitritt 
die Deutſche Bewegung raſch weiter fördern, fein Widerſtand 
dagegen ber Auflöfung bes Rheinbundes einen Damm fegen 
und den Krieg in Deutſchland fethalten mußte. Eine raſche 
günftige Entſcheidung Tag daher vor Allem in dem Wunfche des 
Königs von Preußen. Friedrich Auguft aber verfannte feine 
Lage. Er Hatte bei der Annäherung ber verbündeten Truppen 
mit ber Erflärung feinem „großen Alliirten“ Napoleon treu 
zu bfeiben, eine Immediat-Commiſſion niebergefegt, welche 
ſtatt feiner in Regierungsfahen handeln follte, fein Land 

erlafien, den Reſt bes Saͤchſiſchen Fußvolls unter General 


325 


Thielemann in Torgau gelaffen und fi mit zwei Reiter- 
regimentern nad Regensburg begeben. Gr verſuchte auf 
den Rath feines finaffirenden °° Minifters Grafen Senfft im 
Moment einer ungeheueren Entfpeibung einen Mittelweg ein 
zuſchlagen, und mit Defterreich und Bayern ein Reutralitäte- 
bündniß zu unterhandeln, als wenn es von dem Gutdünfen ber 
einen friegführenden Macht-abhinge, aus dem Berhältnig ber 
Theilnahme am Kriege den er bisher geführt zu treten, und 
dem Gegner zu erklären man fey neutral — und ald wenn 
Defterreih welches eine nachdruckliche Kraftäußerung haupt 
fählih von Rußland und Preußen erwartete und biefen ſich 
bereits genähert hatte, um des ſchwächeren Sachſens willen bie 
ihm wichtigere Verbindung mit den beiden Mächten aufgeben 
und fie beleidigen würde. Deflerreich ließ fih zwar in Unter 
handlungen ein, und machte Eröffnungen an Rußland, aber 
dieſes drüdte feine Mißbilligung aus. Der König von Preußen 
wählte zu der Sendung nad Regensburg den General v. Heifter 
einen Offizier von mildem verföhnlihen Character, ber ben 
König von Sachſen zum Beitritt einladen follte; Friedrich Auguft 
wenbeie ſich jedoch im Verfolg feiner Reutralitätsunterhand- 
tungen nad Defterrei und brachte bie Zeit ohne feflen Ent- 
ſchluß in Prag zu, bis die folgenden Ereigniffe ihn zur Theil- 
nahme am Kriege gegen fein eigenes Vaterland fortriffen und 
damit ind Verderben führten. . 

Ein ernſter Verſuch die Angelegenheit ber Deutfchen Legion 
zu fördern blieb ohne Erfolg. Stein, Wallmoden und Cathcart 
hatten beshalb mehrere Unterredungen; die Sache bot feine 
wefentlihe Schwierigfeit barz es ergaben fi baher nur unbe= 
deutende Meinungsverfihiebenpeiten; aber ber „inepte‘ unfähige 
Gefandte konnte keinen Entſchluß faflen, man trennte fih unent- 
ſchiedener Sache, und Wallmoden ſah ſich genöthigt einen Offt- 
zier nach London zu fenden, um dort zu unterhanbeln '”. 


35 

ex fd einen Zag aut; ieime früheren Gegarı brängten fidh an 
im, und erfajern tie Etärie feines Bierak. Eineı derfelben, 
wer üben barıh ten Sraasicas;ier ciara Briedh verihlag, erhielt 
die Yntwert: Stries Ttür öfne Feb nur ehrlichen Lcmiem. 
Exam ankera ter üb alte erfastiger, ab Earin ip jehen 
weict fr a srüßenn: Das werte er wiemald weiien. Boa 
einem keinen — tun er beim Emsuricamjier bei Zifhe fahı 
un weder chıe inderet Jccen ren Femezung anhören 
wujee, wie Etcin en jum Berger nın ben Sichesbrichhen, ben 
Geiäesichurn zur tvm Trroas weiie bei tem Beiphäliichen 
Grizubun sata waice azirar. — "Arch er ter Yrimgefan 
tee: „Ir but car Erlitue, we:an: mem Yergament madren 
Kemie. üe dich üb wie — ER im Cake, dir man mit 
Saziauz ut Simnb Kiofee mei. 32 ke Ex m 
Bergen; zıa teren Irieare ja Sans zz reiem“ 

Eien terr ämfere er I ur ame Fräinige Biniie über die 
Deribrs Au, wide immmiret (dur frare Bißten, web 
weise mas Tran set Jroafer vmeeeteen müe 

Tue Deeise Jirme wihe tu Rinder ıpred Deuich 
ap ıa m Edug purmmın Tu, Amsnı von Baden, 

erz 1a ihrih den beshrt eurdetigret: „Zur haben ma am meinen 
üsg werwirtz. mb ut ken Sara teibeit ame zram ; denn 
sb hie mod gee perdemenee me ab würde ve mag, 
zumal sen wmieten au tvien Fre üb unbrtungere Glauben 
hümge wur bad Stage. Mer ia tur Sxsermng pe fein jnuitet 
Üm ter Semmr. x umetüse: Fuust tur oumed bare 
Merz wem Im, Fihe mim zır dor Tordiochek. 
% wer om Finden berider. dem Gdieeiker mö 
Yen: zur mia Meriicen. — ab und dad; 
ver Sur megeenkrer: nk. Fühler 


327 


ich nicht warm für das was und Alle jetzt begeiſtern muß, hat 
mir wehe gethan, da ih fe nicht verdiene. Ich kann nad 
meinen Gefühlen nie eine Empfindung zu eraltirt finden, wenn 
es das Baterland und bie Befrelung von dem ſchimpflichſten 
Joche gilt; dafür iſt fein Opfer zu groß, und ich mögte fie 
gern ſelbſt alle bringen. Aber dem Vaterland und ber Frei— 
beit müffen fie gelten, and das wäre fein Opfer für beide, 
wenn man von einer anderen gefräßigen Mat, bie dazu noch 
ihrer jegigen unbegreiflichen Aufführung wegen warlich Daat 
von Niemanden verdient, unterjodht wärde. Nur dahin gept 
meine Sorge für die Meinigen, nur das fan ich aimtmernichr 
recht and bikig finden. In allem übrigen bie BWiederyerfiellung 
des Baterlandes betreffend bin ich fiolz einerlei Meinung ms 
Ihnen zu feyn, und jedes Dpfer welches dahin zieht, werbe 
ich wie zu groß nennen.” 


In Dresden angefommen errichtete er ben VBerwaltungs- 
rath nach ben getroffenen Berabredungen. Die Stinimung bes 
Landes war vortrefflih, bie Gemuther über die Franuzöoſiſche 
ſnechtſchaft und die Schande des Baterlandes empört, fehnten 
ſich nach Befreiung — wovon nur bie Hofleute nad die Feigen 
eine Ansnahtne machten — Kaiſer Merander warb Aberall alo 
Nester empfangen. Die laue Unentfleffenheit des Regenten 
lahmie jedo@ die freiwillige Tpuikraft, welde ſich nicht wie in 
Preußen zu entwideln vermogte. Zehntaufend Mann Säaͤchſiſche 
Truppen umer General Thielemaun fanden in Torgau; 
man flelte vorläufig die Feinbfeligfelien gegen fie ein uund 
Inürpfie Unterhandlungen wegen einer Bereinigung mis deu 
Berdünbeten an. Diefe Unterhandtung ward darch Ste und 
Bogen geführt. Als der Saͤchſiſche Generar hereiatrat und 
erfußpte gehörige Bebingungn zazugeſtehen, erwiodecte Siein 
raſch: Mm, Sie werben fi dech woht nicht bedenlen, und ſich 


328 


mit und verbinden? Thielemann: Ich bin fein General Yord, 
Darauf kehrte fih Stein um: Mit dem if nichts anzufangen! 
und brach für den Augenblick die Unterrebung ab. 

Im Lauf der Unterhandlung fandten die Verbündeten fehr 
annehmliche Vorſchlaͤge. Sie wollten dem König ganz Sachſen 
mit Einfluß von Cottbus, oder bie bafür von Weſtphalen ab- 
getretenen Sächſiſchen Theile, verbürgen, alle Lieferungen an 
die Preußifpen oder Ruſſiſchen Truppen baar bezahlen ober 
durch Ränderentfpäbigung erfegen; dafür forderten fie nur, daß 
Thielemann fogleih zu ihnen fliege und daß der König dem 
Volk geftattete ſich, wie es wünfcpte, für die Deutſche Sache 
anzufirengen. Die Antwort des Saͤchſiſchen Hofes war ver- 
neinend, aber mit einigen gefhrobenen Wendungen, welde 
Thielemann auf eine Möglicpfeit deutete, daß man nach näherer 
Ueberlegung fih wohl anders entſchließen fönne; indeflen ward 
fein Entſchluß gelähmt ®°, und bie von ihm befehligte Macht 
ging der guten Sache verloren. 

Am Iiten gab Stein dem Grafen Neſſelrode diefe Darftel- 
Tung der Dresdener Zuftände: 


„Ich befinde mich hier feit dem Yten d. M. und ich halte 
mid verpflichtet, Ihnen Herr Graf meine Bemerkungen über 
den Geift der Einwohner dieſes Landes und der Angeftellten, 
und über die Maßregeln die ich vorläufig nehmen zu müflen 
glaubte mitzutheilen. 

Die große Vollsmaſſe if dem König von Sachſen ergeben 
und verlangt feine Rüdfehr, jedoch hat man nicht zu erwarten, 
daß biefe ihrem Eigenthum anhängenden weichen Wortfrämer 
zu einem Aufftande oder zum Widerftande fähig feyn werben — 
es iſt wiberwärtig zu fehen, daß ber Zufland der Herabwür- 
digung worin fi ihr Vaterland befindet, die Unglädsfälle die 
es überwältigen, fie weniger berühren als die Unbequemlich- 


329 


keiten bes Krieges, die Entfernung des Könige und die Jer- 
förung der Dresdener Brüde. Nach der Meinung ber geringen 
Zapl wohldenfender Menſchen mit denen ich habe ſprechen 
Tönnen, ift es felbft fehr wahrfcheintih, daß falls ber König 
auf feine Hingebung gegen Napoleon beſteht, man ben flän« 
difchen Ausfhuß an die Spige ber Gefhäfte bringen und die 
Kräfte des Landes für die gute Sache nüglih machen kann. 
Eine folde Anordnung wäre ficherlich der Rüdfehr eines ſtolzen 
ſchwachen eigenfinnigen Könige vorzuziehen, ber Rüdfiten 
und Schonungen fordert worauf bie Gefhäftsträger und feine 
Minifter feinen Anſpruch machen Fönnen, und welche den Ge— 
Thäftsgang in jeder Hinfipt hemmt. Der König und feine 
Umgebungen fühlen daß ihre Lage fo gefährlich als herab- 
würbigend if, daß das ganze Land erwartet, daß fie Schritte 
thuen um fih Rußland und Preußen zu nähern; aber fie fürd- 
ten durch ſolche Schritte fih gegen Napoleon bloszuftellen und 
dann gänzlih von dem Willen der verbündeten Mächte abzu- 
hängen. Sie erwarten baher, daß bes Kaifers von Rußland 
Majeſtaͤt ihm die erfien Eröffnungen machen laſſe. Aber bie 
Hartnädigfeit womit fie dieſen Gang verfolgen, wird von dem 
größten Theile des Publicumsd getadelt, und Sie wiſſen ohne 
Zweifel Herr Graf, daß der General Thielemann fein Ehren- 
wort gegeben hat mit Graf Winzingerode einen Vertrag zu 
unterzeichnen, im alle fein König dem Bündnig mit Rußland 
beizutreten verweigert ober darum nachzuſuchen zögert. reis 
herr v. Miltig, ein wohlgefinnter Gutsbefiger der eine große 
Hingebung an die gute Sache zeigt und eine Feſtigkeit bie man 
in diefem Lande nicht häufig findet, wendet alle Mittel an um 
die Unterhandlung gelingen zu machen, und glaubt daß Thiele 
mann aus Anhänglichkeit an fein Land, aus Haß gegen bie 
Franzoſen in jebem Fall einen militairifhen Vertrag fliegen 
wirb, der die Uebergabe der Feſtung und bie Vereinigung ber 


330 


von ihm befehligten Truppen unter die Bahnen der Ehre zur 
Bolge habe, 

Im Allgemeinen ſcheint mir daß die Zulaffung des Königs 
von Sachſen zu der großen Sache nicht von überwiegender 
Wichtigkeit if, daß wenn er feinen wahren Vortheil hören 
wi, der Brief welchen Se. Majefät der König an ihn ge= 
richtet, ihm eine Unterhandlung erleichtert, obwohl es feiner 
und feines Miniſters Eigenliebe etwas koſten wird bie Eröffnung 
dazu ber Großmuth eines Fürfen zu verbanfen, ben er fo 
feige verrathen hat. Das Bundniß mit Sachſen verfhaffte nur 
ein Corps von 8 bis 10000 und Milizen die ſich Tangfam 
bilden werben, es würde in ber Verwaltung der Hülfsquellen 
des Landes anferorbentlich bemgen unb nur fehr wenig Einfluß 
auf die großen Erfolge bes Krieges haben, die von dem Schid- 
fal der Here und der Zulaffung Oeſterreichs abhangen. Wenn 
der König fih zu erHlären zögert oder wicht den Brief des 
Könige von Preußen auf eine befriebigenbe Weiſe beantwortet 
— wovon er abgehalten werden wird buch feinen Stolz, feinen 
Eigenfiun, fein haztuädiges Boruriheil für Napoleon, die Farcht 
weiche dieſer ihm immer noch einflößt, die Hoffnung welde er 
währt deſſen Erfolgen die Ruckehr in feine Staaten zu der- 
danken, bie Hoffnung daß Defterseich im niemals ganz ver- 
laffen werde, den Einfluß bes Sranzöfifhen Gefandten, — fo 
Meint mir, kann man einen fändifhen Ausſchuß für bie all⸗ 
gemeine Landbesyerwaltung einrichten, von dem man einen 
ensfchiebeneren Gaug erwarten laun als der ber Immediat- 
Commiffion if. Diefe beſſeht and einem Miniſtet Hesn 
v. Globig, einem ſchwachen, verlegenen, iacruſtitten Diana, 
deſſen Geiſt unter dem Deutſchen Staaterecht und den peban- 
tiſchen Schwierigkeiten bes Regensburger Reichstages vergraben 
iR, aus Heren v. Friefen, ber ein braver Ham iſt aber halb 
Landmann haid Göffing, ber feine Unterredangen im jebem 


331 


Augenblit mit dem Ausruf unterbricht: Schaffen Sie uns 
unfern König wieder; Herrn v. Manteuffel einem ehrgeizigen 
und flachen Bureaucraten, der feine Eolfegen durch feine Grob» 
yeit und feine Heftigeit beherrfcht, der zwiſchen ben Ruſſen 
und Preußen Zwietracht hervorzubringen ſucht; Herrn v. Zeſch⸗ 
wig einem wohlgefinnten Mann und guten Arbeiter. 

Der Gefcgäftofreis diefer Commiſſion beſchraͤnkt ſich eigent- 
lich auf die Mititairgefhäfte, wie Lebensmittel, Maͤrſche u. f. w. 
Die innere Verwaltung iR bem Geheimenraih welcher ans einigen 
Miniftern befieht, und dem Finanzcollegio verblieben. Ich 
glaube, diefe Immediateommifion wird feiner Zeit ohne Unzu -⸗ 
laͤnglichleit aufgelöft werden und eine andere Behörde eingefegt 
werden fönnen, und biefe Zeit wirb ficher herbeilommen, ba 
ich zweille daß man mit einem fa ſchlecht zufammengefegien won 
einem großen Theil des Publicums wenig grachteten unb in 
feinem BWirfungäfreife fo beſchranlien Ausſchuß die Geſchaͤfte 
vorwärts bringen fönne. . Dian konz mit dem Entſchluß ded« 
halb bis zur Ankunft Sr. M. des Kaifers warten; bis dahin 
werden bie Berhältmifle zum König von Sachſen fi beſeßigen, 
die öffentliche Meinung ſich vielleicht in liberalerem Sinne aus · 
fpregen, und man wirb in der Lage ſeyn ſich täglich eine 
größere Zahl von Daten zu verſchaffen. 

Ich habe durch die Immediat-Commiſſion die Belannt- 
mad ves Morſchais Fürßen Kutufoff vom "TER DER vers 
öffentlicgen laſſen. 

Es bleißt mir übrig Herr Graf mit Ihnen von dem Augele⸗ 
genheiten des rechten Elbufers zu ſpreches. Ich habe ben Sperren 
v. Alopeus und v. Heydebreck die erforderlichen Nachrichten 
über die Einführung von Zollen an ben Käfter zukemmen laſſen 
wurd dem Erſteren aufgetragen fi fobald ala möglich nah Ham ⸗ 
burg zu begeben um hart eine Auleihe von zwei Millionen zu 
maden." 


332 


Diefen Bericht und andere Actenftüde theilte er am 13ten 
dem Staatscanzler Hardenberg mit: 


„Es iR fehr betrübt theure Excellenz, daß feiner Ihrer 
Herren weder Schön noch Rhediger noch die Unterbeamten an- 
tommen, daher Alles auf mir beruht, und ih mich dadurch 
verhindert fehe einen Abſtecher in das Hauptquartier Blüchers 
und Wittgenfteind zu machen, wohin es fiher nöthig wäre daß 
ich mich für einen Augenblid begäbe. 

Nach meinen Briefen aus Regensburg fuhen Senfft und 
Langenau, welhe die Macher find, eine Stüge an Deſterreich 
und erwarten Alles von ihm; fie ſprechen ſich nod immer auf 
eine ſehr hochtrabende Weife aus und glauben daß Torgau 
ein hochwichtiger Gegenſtand if. Der Courier den Thielemann 
nach Regensburg gefcpidt hat, ein Herr v. Mindwig iR zuräd, 
er hat diefe Briefe zuruückgebracht, wahrſcheinlich find die für 
Tpielemann in demſelben Sinne. Ich habe ihm durch eine 
vertraute Perfon fagen laſſen, er folle ſich beeilen abzufchlichen, 
er werde dadurch die Schwankungen bes‘ Königs beenden, und 
das Verdienſt diefer Handlung werbe ausfliepfih ihm an- 
gehören — id erwarte feine Antwort. 

Der General Heiler kam geflern dur und hat mic 
befucht. 

Der Generaltieutenant Wilfon hat mit den Commandanten 
von Eüfttin und Stettin eine Unterhandlung angefnüpft oder 
anfnüpfen laffen, ich habe ihm verfihert dag feine Verpflic- 
tungen erfüllt und durch bie verbündeten Mächte genehmigt 
werben follen. 

Lefen Sie bie Abſchrift der Kleinen Note über das Bundes⸗ 
papier (f. oben S. 222. 223); diefer Vorſchlag if durch den 
Binanzminifter Gourief gebilligt und man hat Herrn v. Lieven 


333 


beauftragt es England vorzufhlagen, wir haben noch feine 
Antwort. 

Die fleine Denkſchrift über Deutfhland (ſ. oben Eeite 
140— 144) warb von mir dem Saifer übergeben und es ift 
fein Wille in Deutſchland zwei Mächte zu bilden — wenigftens 
ihnen, jeber in dem Kreife ihrer Tpätigfeit, einen überwiegen- 
den Einfluß zu geben. 

Sie erhalten hiebei Abfchrift meines Briefes an Neſſelrode 
über die Lage der biefigen Gefchäfte, ich werde fortfahren fie 
Ihnen zu fenden. — Inzwiſchen verlangte ich von der Immediat⸗ 
Commiffion auf bie Eontribution eine Abſchlagszahlung von 
500,000 Thaler in zehn Tagen zahlbar, bie wir nothwendig 
bebürfen, da an allen Orten Geld fehlt, Ribbentrop verlangt 
von mir 100,000 Thaler. Ich glaube Sachſen Tann eine 
Kriegsfteuer von 5 Millionen Thaler bezahlen, 4000 Pferde 
liefern und die Heere während ihres Aufenthaltes hier unter- 
halten; es hat 1806 an Napoleon 6'/, Million bezahlt, monat- 
lich 60,000 Thaler zu Unterhaltung der im Lande befindlichen 
Hospitäler, Garnifonen u. f. w. gegeben, und 6000 Mann 
Truppen bei dem Franzöfifchen Heere unterhalten; es hat ein 
Einkommen von 7 Millionen, Thaler — es kann beim Unter- 
balt feines Heeres 1%, Million erfparen, 1 Million bei dem 
Bau der Feſtung Torgau, mithin bleiben ihm nur 2%, Million 
zu liefern. Ich bitte Eure Excellenz mir Ihre Meinung hier- 
über zu fagen, man muß fih über diefe Brage mit der Imme- 
diat- Commiffion einlaflen, die ſich fehr firäuben wird, 

In der Hoffnung, daß man mehr Tpätigfeit in bie Kriegd- 
unternehmungen bringe, ſende ich Ihnen einige Nachrichten über 
das Franzöfifhe Heer, welches noch immer fehr ſchwach if. — 
Die Erfheinung Davouf’s zu Lüneburg ift beträbt, man muß 
die Deutſchen Aufftändifhen unter den Schutz der Kriegsgefege 
ſtellen und Wiedervergeltung anwenden — der Marſchall muß 


334 


dieſes öffentlich verfünden. Der Kronprinz müßte in Lübeck 
ausfchiffen und auf das linfe Eibufer gehen, dort würde man 
bie Kriegseinrichtungen treffen. 

Ich bitte Sie mir zwei Eremplare ber Verordnung über 
bie Randwehr zu fchiden, und falls die für ben Landſturm ent- 
worfen ift, gleichfalls. 

Dan fündigt mir einen Courier an, ih muß ſchließen x." 


An demfelden Tage erhielten Schön und Rhediger zu 
Breslau ihre Anweifung; es ward ihnen aufgegeben neben dem 
gemeinfamen Zwed bad Interefle des Königs und feiner Staaten 
im Auge zu haben, und dahin zu fireben, daß in den befeßten 
Ländern die Gemüther der gemeinfamen Sache gewonnen blieben. 

Die Grundfäge welche dem Berfahren des Verwaltungs: 
rathes und feiner Gefhäftsführer zum Grunde gelegt wurden, 
waren 1) Verpflegung ber Truppen ohne Bergütung aus ben 
Randeserzengnifien, und wo dieſes nicht moͤglich ober Fabrikate 
geliefert werben, Vergütung oder Abrechnung des Betrags von 
den Kriegsbeiträgen, 3) monatliche Kriegsbeiträge je nach dem 
Wohlſtande der Gegenden von 20 bis 30,000 Thaler auf 
100,000 Seelen, 3) auf biefelbe Bevölkerung werben zwei 
Bataillone Fußvolk je zu 800 Mann geſtellt, gelleidet und be- 
waffnet, 4) Landwehr oder Landſturm moͤglichſt nach Preußi⸗ 
ſchem Muſter. 

Der Geſchaͤftsklreis des Verwaltungsraths umfaßte die 
Lauſitz, Sachſen und Thüringen, Anhalt, Meklenburg, Hamburg 
und Kübel waͤhrend ihrer Beſetzung durch die verbünbeten 
Heere. Er fandte an bie verſchiedenen Staaten Bevollmaͤchtigte, 
welche befehligt wurben ihre Abfepläffe mit den Landesherren 
und deren Behörden immer mit ausdrücklicher Rüdfiht auf die 
von dem Furſten Kutuſow unterzeichnete Proclamation umd 
unabbruchig der darin von beiden Majefäten ausgeſprochenen 


335 


Abſichten einzuleiten und unter Vorbehalt der Genehmigung des 
Berwaltungsraths abzuſchließen. Die Herbeifhaffung von Gelb 
erfolgte tpeil aus einem bebeutenben Beitrage des Churfürften " 
von Heflen, theild durch ausgeſchriebene Steuern, Beſchlag ⸗ 
napme der Caſſen, und wurden auf diefem Wege bis zum 
Detober indgefammt 647,791 Thaler aufgebracht, und davon 
371,677 Thaler für Preußen, 273,227 Thaler für Rußland ver- 
wandt, Der bei weiten größte Theil der Gelder warb durch 
die Befehlepaber der Truppen erhoben und durch die Krieger 
Commiflare verwendet, nur etwa 26000 Thaler flofien in die 
Caſſe des Berwaltungsrathe, welche bavon unter anderem dad 
Lũtzowſche Freicorps zu Errichtung einer Batterie unterftügte 
und andere fremdartige Koſten, fo die Zurädführung der Leiche des 
Feldmarſchalls Kutufow von Bunzlau nah Warſchau, beftritt. 
Der Berwaltungsratp fuchte die Bewaffnung bes nörd- 
lichen Deutſchlands nah Möglichkeit zu befördern, in Hamburg 
und Lübel ward eine Hanſeatiſche Legion, in Meflenburg die 
Landwehr eingerichtet; in Sachſen verhinderte die Kürze des 
Beſitzes erfolgreihe Schritte, da die verbündeten Fürften in 
Hoffnung eines Beitritts des Könige einer Beſchlagnahme des 
Landes abgeneigt waren. Hier hatte Stein bei ben lebhaften 
und gerechten Wünfchen einen ſchweren Stand. Sachſen und 
Preußen drangen auf verfhiedene Weife im ihn, wenn der 
König von Sachſen ſich nicht ſchleunig entſcheide ein Heer von 
45000 bis 20000 Sachſen auszuheben und zu bewaffnen; mit 
“ guien Deutſchen Dffizieren verjehen würben fie hoffentlich für 
Deutſchland in Deutſchlands Namen fo gut fechten als für 
Napoleon in des Könige Namen. Da hörte er denn oft mit 
wunderbarer Geduld zu, und brach gewöhnlich mit kurzen 
Worten ab: Meine Herren, ih kann feine neuen Heere machen; 
ich bin weder der Kaifer von Rußland noch der König‘ von 
Preußen. Arndi, bem wir biefe Erinnerung nerdanfen, erzählt 


336 


in feinem Beriht Th. 2. ©. 161 mit einer andern Wendung: 
„Steffens und id aßen in Dreöden einmal zu Mittag bei ihm, 
unb brachten die Mahnung 25000 Sachſen unter die Waffen 
zu fliellen an ihn. Da gerietb er in heftigen Zorn, und ale 
wolle er und zur Thüre hinauswerfen, rief er: Gehen Sie 
meine Herren! So klug wie Eie bin ih auch; aber ih bin 
weder Kaiſer von Rußland noch König von Preußen.” 
Steffens war Etein in Breslau turd feine Fühne Auf- 
forderung der alademiſchen Jugend befannt ‚geworben, Stein 
batte ihm bafür feinen Beifall bezeugt. In Dresden fah er 
ihn öfter. Steffens ſchreibt barüber in feinen Erinnerungen: 


„Hier trat ich dem großen Deutfchen zuerft näher. Wer 
ihn gefannt hat, weiß, wie man ihm entfchieden entgegentreten 
mußte, follte man nit von ihm fi durchaus übermältigen 
laſſen; aber ber Kampf, den ih doch manchmal hier zu beſtehen 
hatte, war auf einem Felde, auf welchem ich mein ganzes Leben 
hindurch eingeübt war. Ich Fannte meine Waffen, ihre Wir- 
fung, und wußte fie zu brauchen; der Kampf war ein freund- 
ſchaftlicher, aber doch nicht felten harter, und ich war feined- 
wegs geneigt, nachzugeben; und je entſchiedener der Streit 
ward, deſto Harer ſchien es mir, ald wenn der Baron v. Stein 
eine Luſt daran fände, ihn hervorzurufen. Er, der mächtige 
Mann der unmittelbaren That, der den Augenblid, wie er ihm 
vorlag, ergriff, durchſchaute und zu beherrfchen wußte, war 
oder äußerte fih menigftens als ein Feind der Speculation 
und griff mid als einen fpeculatio conftruirenden geradezu 
ſchonungslos und mit Härte an, ald wollte er den Verſuch 
anftellen, ob ich ihn zu befämpfen wagte. Sein Angriff war 
mir eine Ausforberung und ich nahm fie an. Ich ward einiger 
mal in Dresden zur Tafel geladen; nur Morig Arndt und ich 
waren bie Gaſte. „Eure Eonftructionen a priori, fagte er, find 


337 


leere Worte, armfeliges Säulgefhwäg und recht eigentlich dazu 
gemacht, alle Tpaten zu, laͤhmen.“ — „Ercellenz, antwortete 
ich, wenn ich auch a priori conftruire, was ich keineswegs zu- 
gebe, fo hätte doch biefe vermeintliche Eonftruction eine praf- 
tiſche Richtung, ich würde fonft nicht das Glück haben, in dieſem 
Augenblick in diefem Kleide Ihnen gegenüber zu leben. Aber 
die Bemühung, Alles, was man innerlih erfährt, Alles, was 
man wahrhaft erlebt, als das, was es ift, nicht bloß, was es 
fpeint, in geiftiger Einheit zu erfennen, ift nicht eine willkür⸗ 
liche Geburt von biefem ober jenem, es iſt eine wahrhaft 
deutſche, und wenn mein großer Lehrer und Freund Schelling 
bie tiefe nationale Richtung beherrfeht, fo if es, weil er wie 
alle Herrſcher aus ihr hervorgegangen iſt.“ — „Ja, antwortete 
Stein, dad weiß ich wohl, daß die deutfhe Jugend von biefer 
leeren fpeculativen Krankheit angeftedt if; ber Deutſche hat 
einen unglücklichen Hang zur Grübelei, daher begreift er bie 
Gegenwart nicht und ift von jeher eine fichere Beute feiner 
ſchlaueren und gewandteren Feinde geworden.” — „Ercellenz, 
antwortete ich, zwar hat die Jugend auf eine erfreuliche Weiſe 
fih in Maffe erhoben, dennoch ift eine nicht geringe Zahl zu 
Haufe geblieben. Ich möchte eine Wette darauf wagen, daß 
fein einziger Angeftedter unter diefen if. Wer iſt fühner her⸗ 
vorgeireten, wer hat das Bolt entfchiebener entflammt, als es 
galt, den Feind mit geiftigen Waffen zu befämpfen, als bie 
zwei fpeculatio grübelnden Deutſchen, Fichte und Schleiermacher k 
Das a priori Eonfiruiren, fuhr ich fort, findet oft da flatt, wo 
man es eben befämpft, und Ew. Excellenz haben ein zu groß- 
artig thätiges Leben geführt, als daß Ihnen viele Zeit bleiben 
ſollte, fi um unfere Grübeleien zu befümmern; doch felbft 
unpractifch ſcheint es mir, eine Geiftesrichtung zu überfehen, 
die, wie Sie befennen und ein wefentliches Element 
Stein’s Leben. 1. 2ie Aufl. 22 


338 


der Ration iR.” Ich erfhraf faR über bie etwas derbe Frei- 
mätpigfeit, mit der ich mich geäußert hatte. Stein polterte und 
that zornig, lachte aber babei laut auf. „Am Ende, tief er 
ans, bin ich ſelbſt ein unpractifcher Grübler, der fi über das 
Grübeln in unnüge Grübeleien verliert.” Ich aber fhien, eben 
dur diefe unbefangene Art mich zu äußern, bei ihm gewonnen 
zu haben, und nie war es mir nothwenbiger, die große Zufunft in 
ihrer mächtigen Bedeutung zu überfcpauen, ald damals, wo meine 
Beichäftigung ſelbſt mich feineswegs ftärkte oder ermunterte.“ 


Wie fon früher in Königsberg, fo noch viel zahlreicher 
in Dresden wandten fih Planmacher und Sudende an Stein 
mit wohlgemeinten aber unausführbaren Vorſchlägen und Ent« 
würfen ber verfpiedenften Art. Ein Profeffor Hauff in Mähren, 
fpäter als Profefior der Mathematif in Genf verflorben, fandte 
ihm einen bdiden Pad Schriften und Zeichnungen über ben 
Bau einer ungeheueren magnetifirten Batterie, welche an bes 
vaterländifchen Heeres Spige geführt werben und alle feindliche 
Kugeln unfhädlih heranziehen und zerfplittern ſollte. Solche 
Entwürfe erhielt gewöhnlich Arndt, der in Dresden wieder zu 
ihm gefloßen war, zum Durchleſen. Bei diefem rief Stein: 
„Coelum ipsum pelimus stullitia! Schreiben Sie dem Narren, 
er fol mal herfommen und fih als Kugel in eine Kanone 
Inden und gegen feinen Magnetberg ſchießen laſſen, damit wir 
fehen ob das Ding bie Probe aushaͤlt!“ 

Am heftigſten aber ward er gereizt durch die vielen An- 
träge von Vätern und Oheimen vornepmer Jünglinge, biefer 
oder jener Sohn oder Neffe wänfche ſich unter feiner würdigen 
Leitung zur biplomatifchen Laufbahn vorzubereiten. Da rief er 
wohl ungeduldig zu Arndt gewendet aus: „Schreiben Sie, ich 
bin fein Diplomat und verſtehe nicht Diplomaten abzurichten. 
Die jungen Leute follen jegt die Büchfe nehmen und für's 


339 


Baterland fechten: das gebührt jegt dem Deutichen Edelmann. 
Andy könne man jene Kunft nicht lehren, und Leute bie fehr 
jung auf dieſe fhlüpfrige Bahn fommen, werben leicht entweder 
vollfommen daracterlofe Pinfel oder Schurken!” 

In der zweiten Hälfte Aprils erſchienen in Dresden ber 
Graf v. Reiſach und Freiherr v. Gagern. Beide waren Theils 
nehmer der geheimen Plane gewefen, welche ſeit dem November 
1812 mit Vorwiſſen des Kaifers Franz und feines geheimen 
Cabineis durch den Erzherzog Johann, Hormayr und Schneider 
entworfen waren, um die von Defterreih verlorenen Land» 
ſchaften Eroatien, Dalmatien, Kärnthen, Krain, Tyrol, Borarl- 
berg bis Graubündten bin zum Aufftande vorzubereiten, bie 
Zranzöfffhe Macht in Deutſchland von Italien zu trennen, und 
Defterreih nöthigenfalls wider den Willen Metternihs zum 
Kriege gegen Frankreich fortzureißen. Wallmoden und Nugent 
vermittelten die Verbindung mit Rußland und England, Gelb 
und Waffen waren bereit, ald es ben Gegnern gelang, Hor⸗ 
mayr burd feine eigene Creatur Roſchmann zu überliften, mit 
telſt deſſelben Plane welche an Hochverrath gränzten*® zur 
Sprache zu bringen, und das Mißtrauen des Kaifers aufzu⸗ 
vegen. Am Abend des Tien März erfolgte bie Berhaftung 
Hormayrs, Schneiders und des Verräthers Nofchmann, ber 
nad) einiger Zeit freigelaffen und belohnt ward; Hormayr und 
Schneider wurden in Feſtungen geflet und bis zu Napoleons 
Sturz aufbewahrt, ihre Tyroler Vorarlberger und Beltliner Ger 
hülfen verbannt, der Erzherzog fiel in Ungnade und der Riß 
zwiſchen dem Kaifer und den Erzherzogen ward befeftigt. Gagern, 
der von Hormayr benugt worben war um eine Gelbhälfe bes 
Churfurſten von Heffen zu bewirken, warb aus Deflerreich ver- 
wiefen, und wandte fi über Prag nah Breslau, Als er 
Stein dort nicht mehr vosfand, ſchrieb er Ihm nach Kaliſch über 

22* 


340 


die Lage der Dinge, bie Mittel Bayern für die Deutſche Sache 
zu gewinnen, und fam jegt auf Steins Wink nad Dresden. 
Gagern war auf Steins Vorſchlag von dem Prinzen von 
Dranien mit beffen Gefchäften beauftragt, und ſuchte Einfluß 
auf die Deutfhen Geſchaͤfte. Er ging von dem Gedaufen aus 
die alte Reihsverfaffung beizubehalten und durch Berbefferung 
einzelner Anfalten wirkſamer zu maden, wogegen Stein eine 
gründliche Verbefferung nur von größerer Bereinigung unter 
Preußen und Deſterreich erwarteie. Als Gagern feine Ber- 
bindung mit Metternich für die gute Sache zu benugen anbot, 
bemerkte ihm Stein: 

„Erwähnen Ew. Excellenz mich nie in Ihren Gefhäfts- 
briefen. Der Ruffifhe Kaifer hat feine Gefandtfgaft in Wien, 
welche fpricht; Ich kann feine Veranlaſſung zu einer doppelten 
Diplomatie geben, die ein übles Ende nimmt. Dem Inhalt der 
Bemerkungen trete ich übrigens bei, nur wunſche ih daß Sie 
auf den Grafen Metternich Eindrud mahen, woran ich aber 
zu zweifeln Urſach habe.” 

Gagerno Tpätigfeitstrieb fand jedoch in Dresden Fein 
geeignetes Feld, er machte ſich fpäter nad England zu bem 
Prinzen von Dranien auf, und fhrieb auf dem Wege dahin 
an Stein: „Nehmen Sie fih der Tyroler an, ſelbſt durch den 
Kaiſer Alerander. Verſchaffen Sie dem Erzherzog Johann 
den Andreas-Drben, oder gar eine Großfürfin ſobald Sie 
mit Defterreih genug im Reinen find. None but the brave 
deserves the fair. — Fur mich will id nichts als Ihre Freund⸗ 
ſchaft, aber nicht Cicero's amicilia mediocris, fondern eine 
volle, ganz ächte, altdeutſche. — Dazu hätte beſonders gehört, 
daß ih um Sie geblieben wäre, Bisweilen habe ih Waffer 
in Ipren Wein gegoflen; ganz von Waſſer bin ich jedoch nicht. 
Mit andern Worten, wenn in unferer politifhen Deutſchen 
Reformation Sie. Dr. Luther feyn wollen, wäre ich ein ganz 


341 


guter Melanchthon. Sie liebten fi, jedoch trog mander 
differenten Anfihten. . . Alfo mein lieber Dr. Martinus — 
Ganz Ihr Gagern Melanchthon.“ 


Dr. Martinus ließ dieſe Anträge unbeantwortet, 

Graf Reiſach hatte mit dem Tyroler Unternehmen gleich⸗ 
falls nur in weiter Verbindung geftanden. Durch ein früheres 
Berhälmig zu der Wittwe des Churfürken Karl Theodor zu 
Deſterreich geneigt und dem Minifter Montgelas mißfällig, der 
der Erzhergogin feinen Schwager den Grafen Arco zum Ge- 
mahl und Erben aufbrang, hatte er bei der Vorarlberger Er⸗ 
hebung 1809 als Generalcommiffair des Lech⸗ und Illerkreiſes 
menſchliche Gefinnung gezeigt, indem er dem Hanpte des Auf⸗ 
Randes Appellationsrath Schneider geftattete zu feiner Recht⸗ 
fertigung die Schänblicpkeiten aufzubeden wodurch von dem 
Generalcommiſſar v. Merb, einem Bertrauten des Miniſters, 
der Aufſtand hervorgerufen war. Montgelas ergrimmte; Merk 
ſturzte fih in den Lech, Reiſach aber deſſen Vermögen in Un- 
orbnung gerathen war, ward wegen Unrechtfertigkeiten ange 
Hagt, am iften December 1812 von der Inſtanz freigefprochen 
und am 2Ofen Februar 1813 des Dienftes entlaffen. Er hatte 
feit 1810 mit Hormayr in geheimer Verbindung geflanden. 
Aus Furcht vor weiteren Berfolgungen, oder wie er felbft fpäter 
angab gewarnt, weil er burd bie Wegnahme ber Hormayrſchen 
Papiere bloßgeflellt zu werben beforgte, verließ er Bayern und 
begab fih in das Hauptquartier ber Verbündeten, wo er fih 
als Märtyrer der guten Sache Stein vorftellte, feine Papiere 
vorlegte und um Anflellung bat. Stein fandte ihn mit Rüd- 
ſicht auf feine bisherige Stellung in Bayern als Bevollmäd- 
tigten zuerft nach Altenburg, fpäter in bie Niederlaufig, wo ſich 
der Graf bie Zufriedenheit nicht nur ber Feldherrn und Ge- 
ſchaͤftsmaͤnner ſondern auch der Einwohner zu erwerben wußte. 


342 


Ueber die allgemeinen Angelegenheiten, deren Wendung 
über den Plan der Reife feiner Familie nah Dresden entſchei⸗ 
april 22. den mußte, fchrieb Stein feiner Frau: „Wir find in Ere 
wartung großer Ereigniffe; während Napoleon feine Mittel ent- 
widelt, bleiben Defterreich, Bayern und das übrige Deutſchland 
Zufauer. Vertrauen wir ber Borfehung und der Tapfer- 
leit der Heere — und ziehen wir vor zu erben in Erfüllung 
unferer Pflichten gegen Bott und das Baterland, als zu leben 
bededt von Roth wie die Dalberg, die Senft und die Montgelas 
und biefer ganze elende Troß. Ich freue mich nur, daß alle 
Deine Brüder fi ber guten Sache weihen; Dein Bruder wird 
ſich bald an der Spige feiner Legion finden, da fie am Tten April 
bereits 7000 Mann ſtark war; ic habe Briefe von ihm vom 
13ten; er if nah Hamburg gegangen, . In Rußland und allents 
palben läßt man Preußens Betragen volle Gerechtigkeit widers 
fahren; es zeigt ſich darin fortwährend eine edle Hingebung.“ 

Am IORen April: „Wir find in Erwartung großer Ereig- 
niſſe, meine theure Freundin; der Kaifer iſt dieſe Nacht nad 
Frohberg ) abgereift, ber König nach Altenburg, unfere Prinzefe 
finnen nah Töplig, und Alles bereitet fih auf einen großen 
Schlag — Gott wird unfere Waffen fegnen, da wir nur bas 
Gute wollen, und ich hoffe Dir Erfolge anzufündigen.” 

Am 2ten Mai. „Wir find am Vorabend eines großen Ers 
eignifiee. Der Kaifer und ber König haben ung verlaflen, es 
herrſcht hier die Stile einer großen Erwartung. — Gott wird 
unfere Waffen fegnen und bie Gebete der Millionen, welche er⸗ 
worten daß ihre Feſſeln gebrochen werben. Du wirft indeſſen 
de S.... gefehen haben; er if ein erbärmliher Menſch; 
mon nennt ihn feiner Polnischen Tporpeit wegen ben Grafen 
v. Mutardofsly; Sie pat Erhabenpeit in ber Seele trotz taus 
fend Berfeprtpeiten.“ 

*) 0. h. Fropburg. 


u. 343 


Am Iten Mei. „Wir find noch immer in der Erwartung 
eined großen Ereigniſſes. Alles ſcheint noch geflern ruhig 
gewefen zu ſeyn; ic und Alle welche der guten Sache ergeben 
find es nicht, und erwarten günftige Nachrichten mit der größten 
Ungebulb.” 


Ein Blatt aus diefen herrlichſten Tagen ber Erhebung 
Preußens, darf hier eingelegt werben: Gneiſenau's Brief an 
Prinzeffin Louiſe, aus Blüchers Hauptquartier, acht Tage vor 
der erſten Schlacht. 

Gneiſenau an Prinzeſſin Louiſe. 

„Als ich in Colberg landete, waren unfere Feiade noch in 
Berlin, Ich durfte mir es alſo nicht erlauben, an Ew. Rönig- 
liche Hoheit den fehriftlichen Ausdrud meiner Freude, mich Ew. 
Königlichen Hoheit wieder nahen zu dürfen, gelangen zu laſſen. 
Auch hatte ih damals die, nachher durch höhere Befehle wieder 
vernichtete Hoffnung, mich in Perfon nad Berlin begeben zu 
önnen. Seit ih Colberg verließ, habe ich feinen einzigen 
Augenblid mein eigen nennen fönnen, denn weber Tag noch 
Nacht hören meine Geſchaͤfte auf. Ich ergreife den erfien freien 
Moment — denn Solbaten fepreiben weniger, wenn fie fih dem 
Feinde nähern, folglich habe ich weniger Antworten zu beforgen 
— um Em. Königlichen Hoheit eine tief gegründete Ehrfurcht zu 
Fußen zu legen, mit den Gefühlen des gerührteflen Danks für 
Höoͤchſtdero mir von jeher bewiefene Huld und Gnade. 

Ich habe das Glüd meinem alten Herrn und meinem 
aboptirten Baterlande unter mir angenehmen Verhältniffen wie- 
der dienen zu bürfen, Sch bin nie fo hoch beglüdt gewefen. 
Die Morgenröthe eines fhönen Tags erblidend, lebe ich ber 
befeeligenden Weberzeugung, daß wir nicht wieder unterfocht 
werden Fönnen, denn die gefammte Nation nimmt Theil am 
Kampf; fie Hat einen großen Character entwidelt, und damit 


3 

iR man unäberwinbiig. eine Kinder haben mid auf einen 
Augenblid beſuqcht, und find gefunb web munier von mir ge- 
ſqieden; meinen älteßen Sohn habe ich an meiner Seite, um 
Den Mnfang feines öffentlichen Lebens am eine grofie Begeben- 
beit zu fnäpfen. Bär bie Meinigen iR geforgt, denn ein ge- 
rechter Herr wird fi ihrer annchmen, falls das Schichſal des 
Krieges Aber mid) gebieten follte, und ich ſcheide dann beruhigt 
son hier in dem Bertrauen, daß wir unfern Enfeln Die Unab- 
hängigfeit Hinterlaffen werben. 

Was dieſes Gefühl an Glüdfeligfeit träbt, iR, daß fie 
nicht mehr unter uns lebt, die es in einem fo hohen Grabe 
getheilt Yätte, unfere Königin! und daß ich mich in der Nähe 
derjenigen Orte befinde, wo ein ebler Fürſt für eine Sache Titt 
und fiel, die ſpaͤt nach feinem Hinfheiden erft mit Glack wieder 
aufgenommen werben follte. Der edle Tobte kann uns nicht 
mehr führen, aber das Beiſpiel feiner Tapferkeit fol uns vor ⸗ 
leuchten. 

Altenburg den 23Ren April 1813.” 


Dritter Abſqhnitt. 


Der Ausbruch des Krieges. 
Mai bis Junius. 


Der Befreiungsfrieg welcher aus ben Flammen Moskau's 
berporgegangen gegen Ende des Jahres 1812 die Graͤnzen 
des Ruſſiſchen Reiche erreicht hatte, war bis zum Anfang 
Mai's 1813 duch Polen Preußen und Sachſen bis zur Saale, 
ungefähr 150 Deutſche Meilen in eben fo viel Tagen vorge 
drungen. So Tanger Zeit bedurfte das Werk, welchem die 
Deutfhen Voͤller entgegenharrten, wider Aller Erwartung; 
theils weil Menſchenwerk, am meiften bas von Hunbertiaufen- 
den, immer hinter dem Gedanken zurüdbleibt, da zahlloſe 
unvorhergefehene Hinberniffe die Gewalt des ftürmifhen An⸗ 
laufs brechen und theilen, theils auch weil nicht mit der nöthigen 
Entſchloſſenheit und fiherem Nachdruck gehandelt war. Auch 
nad Vernichtung des großen Franzoͤſiſchen Heeres unter Napo⸗ 
Teons Befehl hatten bie vorbringenden Befreier die ſtaffelweiſe 
bie zur Weichfel, Dder, Elbe und Wefer aufgeftellten Polniſchen 
Sranzöffihen und Rheinbundstruppen zu überwältigen,- und 
ſelbſt nachdem Polen unterworfen, Preußen mit dem Gewidt 
eines Volls welches ehrenvoll zu leben oder zu flerben ent 


346 


ſchloſſen iR, auf den Rampfplag getreten war, hatte der furcht⸗ 
fame zögernde Geift bes Oberbefehlspabers Kutuſow alle raſche 
Ausführung fühner Entwürfe aufgehalten. Großen Antheil 
hieran hatte bie unentfchiedene Politit des Oeſterreichiſchen 
Cabinets, welches Anfangs über feine eigene Richtung ungewiß, 
dur Unterhandlungen zwiſchen beiden Friegführenden Parteien 
Zeitgewinn fuchte, um fih auf den Kriegefuß zu ſetzen, und 
dann den Verſuch unternahm in Verbindung mit Preußen, und 
als dieſes durch den edlen Entſchluß feines Königs fortgerifien 
war, mit Bayern und Sachſen eine Mittelmacht zu bilden und 
den im gegenfeitigen Berniptungsfampfe geſchwächten Sranzofen 
und Ruffen den Frieden vorzuſchreiben. Aber man hatte fih 
über die Grundlagen eines ſolchen Planes getäufcht. Weder 
war Napoleon fo geſchwaͤcht, daß er fih hätte Frieden vor⸗ 
ſchreiben laſſen, noch befaß Defterreih nah Marien-Louifens 
Bermählung und feiner Tpeilnapme am Kriege gegen Rußland 
die hohe Stellung, welche ihm 1809 das bewundernde Vertrauen 
der Deutſchen Bölter gewonnen hatte, und diefe waren jegt 
durch Feine biplomatifche Kunft über ihre wahren Befreier aus 
fo viel Drangfalen irre zu leiten. Und ein Glüd war ee, daß 
die Vermittlungsvorfepläge wie fie Oeſterreich fpäter noch bis 
in den Auguft hinein verfuchte, völlig ungenügende Auskünfte, 
wobei die Rechte des Deutfchen Volkes verlannt wurben und 
für beide Seiten die Nothwendigfeit neuer Kriege blieb, -unbe= 
achtet fruchtlos vorübergingen, und fo gleichwohl zu Napoleons 
Berberben ausfplugen, wie fie in ben Krüplingsmonaten 1813 
die Entwicklung ber verbündeten Kräfte zurüdgehalten hatten. 
Denn an Deflerreih, von welchem man ben Anftop für Sud⸗ 
beutfchland erwartete, hatte Preußen die Bayerſchen Anträge 
gewiefen; weil Oeſterreich zögerte, hatte das Preußiſch-Ruſſiſche 
Heer gegen deſſen Verbündeten Sachſen eine ungeitige Langmuth 
geübt, und ben in ganz Nordbeusfhland von der Wefer bie 


347 


Holland und Brabant hin erwachten Vollsgeiſt für eine Bes 
feeiung des Landes zu benutzen aufgeben mäffen; die Mehrzahl 
der Rheinbundsfärften, an Knechtſchaft gewöhnt, Kieferte aber- 
mals Geld und Blut ihrer Unterthanen für die eigene Entwürs 
digung und die Zweite ihres Tyrannen. Mit den Fürſten 
theilten viele Minifter und Offiziere die muthlofe Geſinnung. 
Als in Sahfen und Thüringen im April Alles aufgeſchüttelt 
ward, fam auch Göthe nah Dresden um fi in das ſtillere 
Böhmen zurüdzuziehen. Herzlich mißvergnügt über den neuen 
Beltlärm lam er einmal zu dem Appellationsrath Körner, ber 
den einzigen Sohn mit Freuden: zu den Lügower Freiſchaaren 
entlaffen hatte und Hoffnungen glüdliher Zeiten ausſprach. 
Bei dieſer Aeußerung fuhr Göthe voll Zorns gegen ihn aus: 
Ja ſchuttelt nur an euern Ketten, fo viel ihr wollt; der Mann 
ik euch zu groß, ihr werdet fie nimmer zerbrechen fondern nur 
noch tiefer ind Fleiſch ziehen! — Als diefes Stein erfuhr, fagte 
er ganz ruhig: Laßt ihn, er ift alt geworben, 

So begünfigt und mit dem Aufgebot aller Kräfte, welche 
das erjhöpfte Frankreich und Italien zu liefern vermogten, hatte 
Napoleon ein neues gewaltiges Heer gefchaffen; ein fehr zahl⸗ 
reiches Fußvoll, größtentheils junge Leute, aber Stämmen alter 
erfahrener Unteroffiziere und: Soldaten angefchloffen, eine zahl- 
reihe Artillerie von 15000 Kanonieren bedient, welche der un⸗ 
brauchbaren Flotte entnommen worden; bie Gensbarmen und 
einige alte Regimenter aus Spanien und Italien nebſt Schaaren 
wohlpabender junger Leute welche unter dem Namen Ehren 
garden als Geißel dienten, mußten den Anfang ber Reiterei 
bilden, welde fih um einen Kern Deutfher Truppen ſchloß. 
Letziere waren im Beginn bes Feldzuges bie einzige Neiterei 
des Franzöfifcpen Heeres. Während Napoleons Felbherrn unter 
dem Dberbefehl des Bicefönigs langſam bis gegen bie Elbe 
zurückwichen, fammelte fi feit dem Januar am untern Mayr 


348 


ein neues Heer, deſſen Bildung dem Marſchall Ney anvertraut 
warb, Diefer flug nad Napoleons ausbrädticher Vorſchrift, 
da den Rheinbundsfürften nicht zu trauen fey*, fein Haupt- 
quartier in Frankfurt auf, fammelte bort eine Divifion Frau— 
ofen, und als bie gehorfamen Nheinbundetruppen, Badener, 
Darmftäbter, Würtemberger zu ihm geſtoßen waren, rüdte er 
nah Würzburg vor, deſſen Feſtung zunähf den Franzoſen 
einen Anlehnungspunft darbot; die Rheinbundstruppen wurden 
fo verlegt, daß fie ben Frauzoͤſiſchen Kern von allen Seiten in 
die Mitte nahmen und gegen einen feindlichen Anfall Schug 
und Sicherheit gewährten. Im März und April ging bas Heer 
über den Thüringerwald; das Hauptquartier warb nad Erfurt 
verlegt, und ba die Eiblinie nicht mehr gehalten werben Fonnte, 
die Uebergänge ber Saale befegt, hinter welchem Fluſſe wie 
binter einem Borhauge Napoleon feine Macht zu bilden befahl 
und zum Angriff vertheilte. Nah dem Eintreffen ber aus 
Italien Deutſchland und Franfreih erwarteten Verſtärkungen 
erſchien er ſelbſt. Sein erftes Ziel, die Vereinigung mit dem 
Bicelönig warb ohne bedeutende Hinderniffe bei Weißenfels an 
ber Saale erreicht; fein Heer zählte nun 145,000 Mann. Als 
er von bort auf dem Wege zur Elbe gegen Leipzig zog, ward 
er am 2ten Mai von Süben her unvermuthet durch bie Ber- 
bündeten unter Witigenftein und Blücher überfallen und zur 
Schlacht gezwungen. Der Plan dazu war von Scharnhorft 
entworfen, und auf einen großen Erfolg angelegt, aber bie 
ungefpicte Leitung der Xruppenmärfche aus dem Ruſſiſchen 
Hauptquartier zog einen Verluſt von ſechs frühen Morgen- 
Runden nad fi, welcher das Gelingen der Ueberrafhung 
beeintraͤchtigte. Die Preußifhen Truppen fümpften auf eigenes 
Berlangen in erfter Linie, Angriff und Widerſtand waren furcht⸗ 
bar. Dreißig Deutſche Meilen hin hörte man den Donner ber 


349 


Gefüge. Die fühnfte Tapferkeit, der ausdauerndſte Helben- 
muth, welcher jeden Einzelnen, den Jungſten wie ben ergrauten 
Krieger zu der hoͤchſten Anftrengung fortriß, vermogten es wohl 
der feindlichen Ueberzahl den Befig der Dörfer, an welchen bie 
Schlacht hing zu entreißen, aber nicht fie bis zur Nacht zu ber 
haupten. Nur Großgorſchen blieb erobert, und ein Abenbangriff 
der Reiterei Tonnte nicht erfegen was biefe Waffe bei Tage ver- 
fäumt hatte. Zehntaufend Heldenfeelen waren geopfert; unter 
ihnen adttaufend Preußen mit Prinz Leopolb von Heſſen⸗ 
Homburg; Blücher und Scharnhorft verwundet, aber bas 
Preußiſche Heer fand in verfüngter Ehre auf dem Schlacht⸗ 
felde, es hatte unüberwunden ben erſten Feldherrn ber Zeis 
befanden und war zum Rampfe bes nachſten Tages bereit, als 
die Franzöfifche Uebermacht und der eingetretene Mangel an 
Schießbedarf den Raifer Alerander und dann aud ben unwil ⸗ 
ligen König zum Rüdzug gegen die Elbe entſchied. 

Diefer gefhah in der Richtung auf Dresden mit Orbnung 
und Feſtigleit, und nad Ueberfepreitung der Elbe bis gegen 
Baugen, wo man in einer befefigten Stellung eine zweite 
Schlacht liefern wollte. Napoleon fhidte von Dresden aus 
einen Adjubanten an den König von Sachſen nah Prag mit 
der drohenden Aufforderung zur Rüdkehr oder Abfegung. Der 
König, von Defterreih ohne Eutſcheidung gelaffen, erfchien in 
Begleitung feiner beiden Reiterfihnaren in Dresben, unb befahl 
aud der Befagung von Torgau fi mit ben Franzoſen zu ver⸗ 
einigen. Das ganze dort aufgehäufte Kriegsmaterial von 
unglaublicher Menge und Mannigfaltigfeit warb ihnen über- 
liefert und fämmtlich gegen bie Preußen und Ruſſen verbraucht, 
General v. Thielemann der nicht gegen fein Vaterland fechten 
wollte, verließ bie Feſtung und erhielt vom Kaifer Alexander 
eine Anftellung, in welcher er mit großer Thätigfeit Kühnpeit 


Mai 
©. 2. 


350 


und Ehre der Deutſchen Sache gebient hat; mit ihm kamen 
der General v. Garlowig und ber fpätere General = Infpecteur 
der Preußifchen Feſtungen, Oberſt After, 

Als auch die Stelung von Baugen nad) einer zweitägigen 
mörderifchen Schlacht aufgegeben werden mußte, zog fi das 
Heer länge der Böhmifhen Gränze nah Schleſien, um mit 
Defterreih, deffen Gefinnung dur Graf Stadion in Goͤrlitz 
ausgeſprochen war, bie Verbindung feſtzuhalten. Der Ruchug 
erfolgte unter ſteten für bie Franzoſen beſonders mörderiſchen 
Gefechten unb der Krieg nahm das Ausfehen langer Dauer an. 
Raifer Alexander wollte fih nad der Weichſel zurädziehen, da 
Schleſien feine hinreichende Mittel biete um fi barin zu be= 
haupien; da erhob fi im Kriegsrathe ber Oberpräfident Merdel: 
Er bürge dafür, daß fie Hinreihenden Unterhalt finden würden, 
um fo mehr da es feinen Zweifel leide, dag falls man ſich 
zurüdziehe, die Franzoſen mehr als hinreichende Mittel aus dem 
Lande ziehen würden um fih darin zu halten. Das verſtand 
Alexander, und blieb. Beider Theile Hülfsquellen waren jedoch 
für den Augenblid fo gefhwächt, daß beide das Bedurfniß 
eines Waffenftillftandes fühlten, welder nah der Einnahme 
Breslau's durch die Franzoſen, unter Oeſterreichiſcher Bermitt- 
Tung am 4ten Junius zu Pleifnig abgefhloffen ward, Beide 
Theile hofften den Zeitraum der Ruhe zu neuer Stärkung zu 
benugen, und ben Beitritt des vermittelnden Oeſterreichs als 
Preis davon zu tragen. Und da diefer Zwed nicht fobalb zu 
erreihen war weil Defterreich feine Bewaffnung noch nit 
vollendet hatte, fo warb der Waffenſtillſtand nach Ablauf des 
erfien Termins am 20fen Julius bie zum 10ten Auguft ver- 
Tängert, und gleihfalls unter Oeſterreichiſcher Vermittlung ein 
Friedenscongreß nach Prag ausgeſchrieben. 


351 


Diefe Begebenheiten beren Berlauf jedes Deutſche Herz 
mit den wechfelnden Gefühlen von Freude und Schmerz, Hoff- 
nung und Beforgniß, Bewunderung und Unwillen erfchütterte, 
regten in Steine Bruft den Sturm ber gemaltigfien Gefühle 
auf, erbebende Freude über die geglaubten Erfolge ber Deut- 
fen Waffen, Niedergefchlagenheit und Verſtimmung über ben 
nothwendig gefundenen Rüdzug und bie ſchweren Berlufte, 
Hoffnung auf den enblihen Sieg ber guten Sache, zunädft 
auf den Beitritt Oeſterreichs, Beforgnig vor halben Maßregeln, 
vor einem ſchimpflichen Frieden, bie lebhafteſte innigfte Be— 
wunberung bed Preußifhen Volls und feines Heldenheeres, 
feiner edlen Feldheren, feiner Ruſſiſchen Verbündeten, tieffler 
Unwillen und bitterfie Verachtung der Deutfchen Fürften, deren 
feige Anhänglichfeit allein dem Feinde ihres Baterlandes feine 
Erfolge möglich gemacht und bie fofortige Befreiung Deutſch⸗ 
lands vereitelt hatte. 

Bon Dresden aus fhrieb er: 


An die Brinzeffin Wilhelm. 

Eurer Königlichen Hoheit Verzeihung erbitte ih mir zu⸗ 
erſt Hoͤchſtdero Schreiben vom 26ften März fo fpät zu beant« 
worden; oft verfuchte ich die Gefühle der Berehrung und Danf- 
barkeit auszubrüden, die der fromme und edle Sinn der fi 
in Ihrem Briefe wie in Ihrem ganzen fhönen Leben zeigt, 
und Ihr Wohtwollen gegen mich erregt; das gewöhnliche Ge- 
ſchaͤftsleben vereitelte aber immer die Ausführung eines ſolchen 
Borfages. 

Der gegenwärtige Augenblick fordert mich von Neuem leb⸗ 
baft auf jene Pflicht zw erfüllen, Eurer Königlichen Hoheit 
meine Freude auszubräden über ben errungenen Sieg, über 
das Denkmal das das Preußiihe Heer den 2ien Mai dem 


Mai 
2. 21. 


350 


und Ehre der Deutſchen Sache gedient hat; mit ihm famen 
der General v. Earlowig und ber fpätere General = Infpecteur 
der Preußiſchen Feſtungen, Oberft After. 

Als auch die Stellung von Baugen nad) einer zweitägigen 
mörberifhen Schlacht aufgegeben werben mußte, zog fih das 
Heer längs der Böhmifhen Gränze nah Schlefien, um mit 
Oeſterreich, deſſen Gefinnung durch Graf Stadion in Börlig 
ausgefprodhen war, bie Verbindung feftzuhalten. Der Rüdzug 
erfolgte nuter feten für bie Franzoſen beſonders moͤrderiſchen 
Gefechten und der Krieg nahm das Ausfehen langer Dauer an. 
Raifer Alexander wollte ſich nach der Weichfel zurüädziehen, da 
Schleſien feine hinreichende Mittel biete um fih darin zu be= 
haupten; da erhob ſich im Kriegsrathe der Oberpräfident Merdel: 
Er bürge dafür, daß fie hinreichenden Unterhalt finden würben, 
um fo mehr da es feinen Zweifel leide, dag falld man ſich 
zurüdziehe, bie Franzoſen mehr als hinreichende Mittel aus dem 
Lande ziehen würben um ſich barin zu halten. Das verfland 
Alexander, und blieb. Beider Theile Hülfsquellen waren jedoch 
für den Augenblid fo geſchwächt, daß beide das Bedarfniß 
eines Waffenftiliftandes fühlten, welder nah ber Einnahme 
Breslau's durch die Franzoſen, unter Defterreichifher Bermitt- 
Tung am 4ten Junins zu Pleignig abgefcploffen ward. Beide 
Theile hofften den Zeitraum ber Ruhe zu neuer Stärkung zu 
benugen, und ben Beitritt bed vermittelnden Defterreihs ale 
Preis davon zu tragen. Und da biefer Zwed nicht fobalb zu 
erreihen war weil Deflerreih feine Bewaffnung noch nicht 
vollendet hatte, fo warb der Waffenſtillſtand nach Ablauf des 
erſten Termins am 20ſten Julius bis zum ſ0ten Auguſt ver- 
Tängert, und gleichfalls unter Defterreicpifcher Vermittlung ein 
Briedenscongreß nach Prag ausgefchrieben. 


351 


Diefe Begebenheiten beren Berlauf jedes Dentſche Herz 
mit den wechfelnden Gefühlen von Freude und Schmerz, Hoff- 
nung und Beforgniß, Bewunderung und Unwillen erfcpütterte, 
tegten in Steine Bruft den Sturm ber gemwaltigfien Gefühle 
auf, erhebende Freude über bie geglaubten Erfolge ber Deut- 
ſchen Waffen, Niedergefchlagenheit und Verſtimmung über den 
nothwendig gefundenen Rüdzug und bie ſchweren Berlufte, 
Hoffnung auf den endlihen Sieg der guten Sache, zunächſt 
auf den Beitritt Defterreihe, Beforgniß vor halben Maßregeln, 
vor einem fehimpflihen Zrieben, bie lebhafteſte innigfte Be— 
wunberung des Preußifchen Volls und feines Heldenheeres, 
feiner edlen Feldherrn, feiner Ruffifhen Verbündeten, tieffter 
Unwillen und bitterfie Verachtung der Deutfchen Fürften, deren 
feige Anhängligpfeit allein dem Feinde ihres Vaterlandes feine 
Erfolge möglich gemadt und die fofortige Befreiung Deutfd- 
lands vereitelt hatte. 

Von Dresden aus fhrieb er: 


An bie Prinzeffin Wilhelm. 

Eurer Königlichen Hoheit Verzeihung erbitte ich mir zu⸗ 
erſt Höhftdero Schreiben vom 26ften März fo fpät zu beant« 
worten; oft verfuchte ich bie Gefühle ber Berehrung und Danf» 
barfeit anszudrüden, die der fromme und edle Sinn der fi 
in Ihrem Briefe wie in Ihrem ganzen fchönen Leben zeigt, 
und Ihr Wohlwollen gegen mich erregt; das gewöhnliche Ge- 
ſchaͤftsleben vereitelte aber immer die Ausführung eines ſolchen 
Vorſatzes. 

Der gegenwaͤrtige Augenblick fordert mich von Neuem leb⸗ 
haft auf jene Pflicht zu erfüllen, Eurer Königlichen Hoheit 
meine Freude auszubräden über ben errungenen Sieg, über 
das Denkmal das das Preußifhe Heer den 2ten Mai dem 


352 


vaterländifhen Ruhm in den Ebenen Leipzigs errichtete, und 
Theilnahme an dem Echmerz, den Hochdenſelben der Verluſt 
eines edlen Bruders, der ben fhönen Tod fürs Baterland flarb 
verurfacht; die Art des Todes bietet aber fo viele Gründe ber 
Beruhigung an, baß fie bei Eurer Königlichen Hoheit den 
Schmerz lindern und Sie bald darüber erheben werben. 

Ih kam krank nah Breslau, ed war eine Folge eines 
vernadhläffigten Podagra's das ſich auf die inneren Theile warf; 
ganz wiederhergeftellt bin ich noch nicht. 

Die Geſchichte dieſes Zeitalters beftätigt allerdings bie 
große Kehre der Weltregierung durch eine weile heilige Bor- 
fehung; bie großen verhängnißvollen Ereigniffe von denen wir 
Zeuge find, Können nicht einem Einzelnen zugefeprieben werben, 
fie find das Refultat des Zufammentreffens von Menſchen, von 
äußeren Umftänden, von Mafregeln, die anfcheinend unpaſſend 
waren, vom kräftigen frommen Sinn eines kindlichen Volls; 
möge er fi) beharrlih und ausbauernd zeigen in ganz Deutfch- 
Iand, fo wie er ſich jest in Preußen äußert. 

Bir bedürfen allerdings der alten Deutſchen Graͤnze; ber 
Rhein muß zwiſchen unfern Ufern fliegen, wenn er wohlthätig 
für ung ſeyn fol. 

Wittgenftein hat ſich neue Lorbeern auf dem Schlachtfeld 
des 2ten Mai erworben. Ueber die Benugung des Kampfes 
enthalte ich mich jegt alles Urtheils, da ich mir das Gefchehene, 
Gefchehenwerbenbe nicht zu erflären im Stande bin. 

Kogebue, der Berfaffer der Proclamationen, entſtellt und 
verbreht geſchichtliche Thatfachen, er verzerrt und verkleinert 
gern das Große; in ihm Tiegt fein reiner edler Sinn. 

Nicht in meinen Händen, fondern in benen einer liebenden, 
waltenden, die Herzen Ienfenden Borfehung liegt die zukünftige 
Deutſche Berfaffung; erwägen Ew. Königlihe Hoheit wie viele 


353 


Menfchen mit wie vielen entgegengefegten Anfichten darauf Ein- 
fluß Haben werben. 
Der Prinz Solms ſcheint ein braver Mann,” 


Ehe das Hauptquartier Dresden verließ, warb ber Bor: 
flag gemacht, das öffentliche Eigenthum, insbefondere den 
Beftand bes Saͤchſiſchen Schages, eine halbe Milton in Golde, 
die Beftände ber andern Kaflen und das vorhandene Kriegs · 
material mit fort zu führen, damit diefe Hülfsquellen nicht dem 
Zeinde zu Statten fämen, Stein wiberfegte fih diefem Plan 
mit der Bemerkung, daß Sachſen ſich noch nicht gegen bie 
Verbündeten erflärt habe, unb baß jede Härte gegen Deutſche 
Länder und Deutſche Fürften der Deutfhen Sade die Gemüther 
entfremden müßte. Diefer von Hippel erzählte *' Vorfall zeigt, 
wie vädfichtsvol die Verbündeten und namentlich Stein bie 
Deutſchen Fürften behandelten, ehe fie ſich entfchieben gegen das 
Vaterland erklärt hatten; um fo weniger barf bie nachherige 
Heftigfeit feiner Gefühle und die Derbheit feiner Aeußerungen 
über fie auffallen. Einige Tage fpäter, nad des Könige Rüd- 
kehr zu Napoleon, ließ Stein die öffentlichen Kaſſen in Baugen 
in Beſchlag nehmen, aber mit gleicher Reblichfeit die unter den 
fortgebracpten Geldern vorgefundenen Privat-Depofita zurüd- 
geben. Das Saͤchſiſche Bolt warb durch eine kurze leiden» 
ſchaftloſe Darftelung, der die Briefe des Könige von Preußen 
und von Sachſen angeſchloſſen wurben, von bem Gange ber 
fehlgefchlagenen Verhandlungen unterrichtet und zur Theilnahme 
am Kampfe für Deutſchlands Unabhängigkeit aufgefordert: ein 
Aufruf der von Einzelnen ſchon früher beachtet, in den Morgen- 
Runden bes 18ten October feine Frucht getragen hat. 


Die Berhandlungen über Deflerreihe Tpeilnahme am 
Kampfe waren im Hauptquartier zu Dresden durch Heren von 
Stein’s Leben. II. 2te Aufl. 23 





354 


Lebzeltern betrieben. Er war früher Gefandter in Et. Petere- 
burg; ein fehlauer gewandter Mann, unebel in Sitten und Ge- 
wohnpeiten, wie Stein bemerkt, genoß er gleich das ganze Ber- 
trauen bed Grafen Neffelrode und feiner ihn leitenden Frau, 
welche durch ihre Eltern den Finanzminiſter und bie Gräfin 
Gourief unterflügt wurde. Zu der Partei Gourief gehörte auch 
der den Kaiſer gleichfalls begleitende Obermarſchall Tolſtop, ber 
um den Kaiſer feit beffen A5ten Jahre war und ein bedeutendes 
Gewicht bei ihm hatte, deſſen er ſich jedoch nur mit ber ganzen 
Ruſſiſchen Schlauheit, durch einen Firniß von bieberer Derb- 
heit verbedt, bediente, 

Defterreih gab beſtimmte Berbeißung feines Beitritts und 
eine freilich fehr übertriebene ** Ueberficht ber vorbereiteten Streit- 
Kräfte, es ſchuͤtzte jedoch Mißtrauen in die Haltung und Schlacht- 
fähigfeit der verbündeten Heere vor; die Schlachten bei Bangen 
widerlegten dieſes Mißtrauen, fimmten zugleich die Verbündeten 
herab, und machten fie geneigter fi mit Deflerreich auf deſſen 
Bebingungen einzulaffen. Der fefte edle Character des neuen 
Bevollmaͤchtigten, des Miniſters Grafen Stadion, flößte Ber- 
trauen in die Gefinnungen feines Hofes ein; er begleitete das 
Hauptquartier von Görlig nah Reichenbach. 

Auch die Unterhandlungen über ein Bündnig zwifhen 
Preußen und England hatten in Dresden begonnen. Für diefen 
Zwed war Caſtlereaghs Bruber, Lord Eparles Stuart, bevoll- 
mädptigt, Der Gegenſtand bes Bündniffes war das Verfprechen 
gegenfeitiger Untertügung wider den gemeinfamen Feind, und 
die Bedingungen der von Preußen geforderten Geldhülfe. Mit 
Preußen befand fih Rußland in derfelben Lage, und Stein 
warb von beiden zu ben Unterhanblungen gezogen. Stuart 
trat in Dredben mit Forberungen einer künftigen Vergrößerung 
Hannovers hervor, welche zunähft gegen Preußen gerichtet 
waren, ba man bie Abtretung Preußifcer Randfchaften, Hildes- 


355 


heim, Goslar, Minden, Navensberg verlangte. Die Preußi⸗ 
ſchen Bevollmachtigten, befonders Stein wurden daräber in 
hohem Grade gereizt, und biefe Stimmung durch ben ungenügen- 
den Erfolg des eröffneten Feldzuges und bie fortbauernde Feind» 
feligfeit der Rheinbundsfürften verflärft, machte ſich unter 
anberen gegen Graf Münfter in dem Briefwechfel Luft, der fo 
Tange raſch gehandelt werben fonnte ruhte, und jegt nach Stuarts 
Ankunft wieder aufgenommen ward, 
Stuart überbrachte folgendes Schreiben: 


„London den Gten April 1813. Eure Excellenz haben 
mic feit Ihrer Abreife von St. Petersburg vergeflen. Kein 
Zeichen des Lebens habe ich von Ihnen erhalten. Ich Habe 
dagegen viel an Sie gedacht, und Ihnen Glüd gewünſcht daß 
Sie Preußen in einer, diefer Macht anftändigen Stellung wieber- 
finden und dag Sie zu deſſen Auferftehung beigetragen haben. 
Zur Allianz wünfche ih Ihnen Glück. Ih habe darin Spuren 
Ibhrer Hand zu bemerfen geglaubt. 

Mit großer Beftürzung habe ih Ew. Excellenz Uebel⸗ 
befinden vernommen. Sagen Sie mir bald daß Gie genefen 
find. An Wallmoden ſchreibe ich heute, durch ben Ueberbringer 
diefer Zeilen, auch; da Er zur Schwediſchen Armee gehen wird, 
fo dürfte Er Ihn dort am erfien treffen. Bey uns find wir 
jegt thätig. Der Regent will mich aber nod nicht herüber 
ziehen Laffen. — Was wird aus unfern Planen für Teuiſch⸗ 
land? Täglich ändern fih bie Umftände! Graf Metternich 
wird jegt nad) Bonaparte’s Erflärung vom 23ften März doch 
einfehen daß feine Mediation feinen weiteren Zweck haben fann, 
und dag man Franfreih nur duch Gewalt zu einem ver⸗ 
nünftigen Frieden bringen ann. 

Den Gmeral Stuart, Lorb Caſtlereaghs Bruder, der Em. 
Excellenz dieſes Schreiben bringt, empfehle ich Ihrer Gewo- 

23* 


356 


genheit. Er wird furzge Zeit in Berlin bleiben und dann zur 
Schwediſchen Armee abgeben. Sie behalten aber den jungen 
Jackſon als Charge d’affaires — hoc nomen longi carminis 
instar erit. — 
Ganz ber Ihrige 
J Graf v. Mänfter. 
Weffenberg if hier ſeit etwa 8 Tagen. 
PS. 
Ew. Excellenz Schwager Kielmanndegge ift hier gewefen. 
Er if am Freitage mit Aufträgen die auf Errihtung von 
Truppen Bezug haben nad; Teutſchland zurüd gegangen." 


Stein erwieberte diefe und bie in Kaliſch erhaltene Zuſchrift. 


„Görlig den 19ten May 1813. Die Apologie für Em. 
Ereellenz habe ih gar nicht erhalten, follte fie in die Hände 
Lord Biscount Cathcarts gefallen feyn, fo erhalte ich fie viel- 
leicht in einigen Monaten, 

Die Deutſche Fürften gehen durch ihre innige Schlechtheit 
unter, nicht dur) unfer Benehmen. Der Verwaltungsrath trat 
befehlend auf, da er in eroberten Ländern zu handeln hatte, 
und mit Recht jeden Fürften fo Tange als Feind anfah, bis er 
ſich für die Deutfhe Sache erflärte, diefes thaten die Herzoge 
von Medienburg, bie Hanfeefäbte — es that es nicht ber 
König von Sachfen, über fein Benehmen erfcpeint eine femi- 
offieiele Schrift die ih Em. Excellenz zuzufhiden die Ehre 
haben werde. Dan fest jegt die Nation in Tpätigfeit und 
wird fie ferner beleben wenn man wieder über die Elbe geht, 
fie iſt voll Unwille über die Erbärmligfeit ihres Hern — den 
man für fuspendirt erflären muß. 

Der Aufruf der verbündeten Mächte an die Deutſchen war 
Namens Ruplands und Preußens; denn biefes waren die ein⸗ 
zigen Verbündeten, es erifirt noch feine Alliance mit England 


37 


mit Schweden; man unterhandelt noch hier mit zwey Englifchen 
Diplomaten, bie in der Meinung fliehen, daß ipre Hauptbeftims 
mung fey, bei den Truppen herumzugaloppiren; man zanft, 
während das Schidfal von Deutſchland und ber Welt auf dem 
Spiele fteht, um Minden, Ravensberg, damit bie Hannoverfchen 
Minifer von Hannover nad Osnabrück nur auf Haffifhem 
guelfiſchen Boden reifen können; Sir Charles Stuart Täpt fih 
die Sache fehr angelegen feyn u. f. w. 

Unterbeffen hat man üble Saunen in Rußland über Koft- 
barfeit des Krieges; Preußen fann feine Truppen nit befols 
den, feine Landwehr nicht bewaffnen um das Eindringen 
einzelner Corps nach ber Oder zu verhindern. 

Die Waffenvorräthe, fo auf das fefte Land geſchickt wor- 
den, find anſehnlich, es finden ſich darunter 50,000 nad Ruß⸗ 
land, das gegenwärtig feine braucht, gegen 40,000 für bie han⸗ 
noverfche Bewaffnungen, die aus 3000 M. beftehen, und 5000 
für "Preußen, das 120,000 M. Landwehr ſtellt, und fih noch 
immer mehr erfhöpft, um fie zu bewaffnen. Der Geift, der 
ſich in diefer Nation äußert und den der Ruffe und ber Defter- 
weicher achtet und erfennt, den follte man von Carleton houfe und 
von Clarges fireet aus zu beloben und zu fräftigen fuchen. 

Die Schwedifhe Theilnahme an den Deutſchen Angelegen- 
heiten halte idy für nachtheilig wenigftens unbedeutend, Tann 
Rufland und Preußen nach der Niederelbe 10,000 und 20,000 
Dann ſchicken, fo braucht man bie Schweden nicht; 10, 15,000 
Mann Infanterie find feßt gegen Davouft und Bandamme 
volltommen hinreichend. Dänemark will und wie Leute, bie 
deffen Inneres kennen, kann Norwegen nicht verlieren, ohne 
fih aufzulöfen. — 

Kutufow commandirte zwar bie Preußiſche Armee, war 
aber nicht in Preußifchen Dienſten, Wallmoden würde in Rufs 


358 


ſiſchen und Engliſchen Dienfen feyn; wie er das maden wird 
um zweyen Herren zu dienen? 

Graf Stadion if bey ung, er ift ein RADAR braver ver- 
Rändiger deutſcher Mann. Deſterreich geht Fräftig los und ba 
iR an Schweden wenig gelegen. 

Der Here von Bremer ſchien mir voll juriſtiſcher und publi ⸗ 
eififher Haden, etwas biffig und pedantiſch, ich hätte einen 
anderen gewünfcht — fo lange wir dieffeits der Elbe find, if 
für den Verwaltungsrath nicht viel zu thun. 

Mit der ausgezeichneteften Hochachtung verbleibe ich 

Em. Excellenz 
ganz gehorfamfter 
Stein.“ 


Münfter an Stein, 
bei der Nachricht von Hamburgs Falle, 

„London den 6ten Junius 1813. Em. Ercellenz Brief 
vom 1dten May aus Görlig datirt habe ih vor drei Tagen 
erhalten, Er war mir um fo angenehmer, da wir feit langer 
Zeit und ganz auf Zeitungs⸗ Nachrichten haben befcpränfen müflen. 
Lord Cathearts letzte Depeche war vom Tien März; ein von 
ihm abgefdicter Courier, deſſen Stuart unterm 16ten May 
erwähnt, iſt noch immer nicht angelangt, ohnerachtet wir Briefe 
aus Stralfund vom 22ften May haben. Eben fo Tangfam geht 
die Eorrespondbenz von andern Orten. Werden es Ew. Excel- 
lenz glauben, daß Weffenberg feit dem 10ten April keine Zeile 
vom Grafen Metternich erhalten hat? Er iſt höchſt unglädtih 
darüber. Ich habe Depefchen von Wien yom 2ten May. Diefe 
ließen mid) evafive Antworten von allen Seiten erwarten, weil 
in den Deſterreichiſchen Vorſchlägen fo viele wichtige Punkte 
mit Stillſchweigen übergangen find, Ein jeder Theil wird biefe 
zu feinem Vortheil erflären; Bonaparte wird Zeit gewinnen, 


359 


und während Defterreich die Juſurrectionen in ben Alpen nieder⸗ 
hält, von den Reffonrcen Italiens Gebrauch machen können. 
Bei dieſer Anfiht waren mir bie vier Worte Ihres Briefes, 
„Deftsrreih geht kraftvoll los,“ wahre Worte des Trofes, 
und fie find es für alle die an ber Lage Deutſchlands warmen 
Antheil nehmen, Was Stadion thun ann, das thut er gewiß. 
Er verdient von Bonaparte mit „Stein, Kotzebue und ben 
Koſachen“ genannt zu werben. Ich fehe aus dem bittern Ton 
Ihres Briefes, dap Ew. Excellenz mich diefer Eonfraternität 
wit würdig halten. Ich hoffte Gneifenau und Harihaufen oder 
90330 würden meinen Bemühungen bier haben Gerechtigkeit 
wieberfahren laſſen. Ich hoffe das Englische Eabinet zu keinen 
falſchen Maßregeln verleitet zu haben, wie Sie mir Schuld 
geben. Ich wünfchte daß die Schritte die ich vergebens ange= 
rathen habe, hätten befolgt werben fünnen; beſonders bie in 
Beziehung auf bie Anwendung der Englifhen Streitfräfte und 
auf die Daͤniſche Negoriation. Nur davon daß wir Schweden 
ſollten entbehren koͤnnen, fann ih mich nicht überzeugen; 
theoretiſch follte es mich freuen wenn ihre Hülfe nach ben 
Schlachten vom.20ften bis 23ſten May nicht weiter erforderlich 
wäre. Aber auch dann würde Schweden für das was es im 
vorigen Jahre gethan und nicht gethan hat, Dank und Ruckſicht 
verdienen. Dein Glaube an Schweden hat für den Augenblick 
dur den Hall Hamburgs einen Stoß erlitten. Was man auch 
von den militairifhen Rüdfichten anfüpren mag, um biefen 
ſchrecklichen Fall zu entfhuldigen, — mir feinen die Folgen, 
das Abſchneiden unferer Communication, das Erdrüden des 
teimenden Patriotismus, die durch ben Fall Hamburgs möglich 
werdende Amalgamirung der Dänifhen Macht mit ber Fran⸗ 
zöſiſchen, — bie Geldb-Unterkägung die Bonaparte findet, fo 
wichtig zu feyn, bag man viel hätte wagen follen, um ben 


360 


Schlag zu vermeiden. Die Dänen fonnte man ja burd bie 
Drohung Altona in Brand zu ſchießen im Zaume halten, 

Ich komme auf Ew. Excellenz Briefe zuräd, 

Der Berluf meiner Apologie ift nicht wichtig; fie befand 
in einer Berictigung des Factums. Ich habe Ihre Briefe als 
Privatbriefe eines Freundes betrachtet und behandelt, habe aber 
beigelegte Memoires nicht in dem Sinn angefehen, noch, wie 
es mir fcheint, anfehen dürfen, da dieſe Stüde von Excellenz 
als Mitglied der Deutſchen Comitee- verfaßt waren, und da 
ich ihre Wichtigfeit (fie find in der Folge verbotenus in Trace 
taten eingefloffen) im voraus fühlte. Dennod fann ich betheuern, 
dag Niemand dieſe Piecen von mir erhalten hat, und daß ih 
nur einige Paſſus vorgelefen habe, und zwar dba wo es mir 
ſchien, daß der Gefchäftsgang es nöthig machte. Lieven haben 
Sie mir felb empfohlen, und ich finde ihn ganz fo wie ihm 
Ew. Excellenz mir ſchilderten. Glauben Sie mir daß der Geiſt 
ber Preußifhen Nation von Pallmall bis Elarges Street ge« 
würdigt und gefehägt wird. Wie gerne hätte ich ben Bären er⸗ 
Tegt gefehen, ehe man über die Theilung feiner Haut gefritten. 
IR es unfere Schuld, wenn man dort damit anfängt fih Alles 
beyzulegen, was im Noͤrdlichen Teutſchland durh Eroberung 
ober Negoeiation zu erhalten feyn wird, aveo la seule excep- 
tion etc. If es da nicht Zeit, wenn man 7 Millionen Livres 
Sterling, eine Eolonie, ungeheuere Waffenrüftungen ac. hergiebt, 
einige unentbehrliche Arrondiffements für unfere fünftige Ruhe 
zu fordern, bie und auch Alle ohne Ausnahme, bis auf Preußen 
gern zugeftehen würden, — bie Kraft der politifhen Anhäng ⸗ 
lichleit an dieſe bereits abgetretenen — und felbft bey ber 
Allianz an Frankreich nicht zurüdgeforberten Provinzen konnte 
man nicht vorausfehen. Diefe politifche Liebe wurbe in Preußen 
anno 1806 verlegt, ald man unfere fämmtlichen Länder incors 
porirte. An wen Liegt nun Zögerung? an bem, ber eine — 





361 


verhältnißmäßig als eine Kleinigkeit anzufehende Sache fordert, 
oder an dem, der fie unter folhen Umfländen verweigert? Der 
Borwurf daß bie Forderung beswegen gemacht worden fey, 
damit der Hannoverſche Minifter künftig auf claſſiſchem guelphi ⸗ 
ſchen Boden von Hannover bi6 Osnabruck mögte reifen fünnen, 
iR eben fo hart als wenn ich den Verzug der Sache dem ehe⸗ 
maligen Mindenfhen Oberpräfidenten zuſchreiben wollte. Wir 
beide gehen indeffen der Sache noch näher an als die Eity of 
London, mit der wir bedroht worben find. 

Ueber die Art der Waffenvertpeilung hat man Ew. Excel⸗ 
lenz falſch berichtet, Es iſt ungleich mehr für Preußen und 
weniger für Hannover dabey als Eie zu glauben feinen. 
Jacobi if ſelbſt zufrieden. Stuart und Cathcart bieponiren 
über die Stores.*) Was die Ruffen nicht brauchen, fann ja 
für Preußen verwendet werben. In Hamburg hat man viel 
vertheilt, was für und befiimmt war. Uebrigens würde es 
auch wohl fein Vorwurf feyn, zu fagen, daß wir vorerſt Sorge 
tragen Waffen vorräthig au haben, um bie Hannoveraner be⸗ 
woffnen zu fönnen, fobald die Stunde ihrer Befrepung fehlagen 
wird. Diefe mußte man, als die Waffen- Vorräthe abgingen, 
für näher — und den Gebraud der Preußifhen Landwehr für 
entfernter halten als fie nach der Schlacht von Lügen gewor⸗ 
den find. 

Bas über Wallmodens Dienſwerhaͤltniß gefagt iR, mag 
in Theorie richtig ſeyn, aber es if es nicht practifch, indem 
er feine widerfprechende Befehle zu vereinigen haben fann. 
Em. Excellenz wiflen ja, daß Er laͤngſt zum Englifchen General- 
Lieutenant ernannt worden war, ehe er in Ruſſiſche Dienſte 
trat. Er vefignixte hier nicht; — Er hatte ben angebotenen 
Engliſchen Character förmlich vorher angenommen; ich hatte 


d. 9. Borräthe. 


362 


dies in feinem Namen erflärt; Er follte das Commando Aber 
15,000 Mann übernehmen bie wir für Hannover errichten 
wollten, und zu errichten angefangen haben; baneben hatte er 
Urſache auf Erhaltung von Gage zu dringen. Sollte man Ihm 
das Commando und den Gehalt, zugleich mit einem — von 
Ihm felbft nicht geforderten Abſchied zufhiden? Lieven hat bes 
Regenten Brief an Wallmoben gefehen und Er ſchien feinen 
Inhalt ganz zu approbiren. Iſt man bort nicht zufrieden, fo 
wirb man bier gern über Alles was Form ift, weggehen. 

Ich glaube mich jetzt über alle Angriffe, die Ew. Excellenz 
auf mich machen, gehörig vertheidigt zu haben. Ich weiß aus 
alter Bekanniſchaft daß fie nicht übel gemeint find. Nicht für 
mich, aber für Andere, für Schweden, ſelbſt für die armeu 
Teutſchen Fürften, bitte ih um das suaviter in modo. Gelb 
England follten Ew. Excellenz bey ber genauen Kenntniß bie 
Sie über deſſen Verfaſſung haben, und bey den Schwierigfeiten, 
die dieſe den Miniftern oft in ben Weg Iegt, milder beurtheilen. 
Sareasmen gegen England mögten bort eine ſchaͤdliche Wurkung 
pervorbringen. Nur noch ein Wort: Halten Ew. Excellenz 
dafür, daß meine perfönlihe Anmwefenheit bey Ihnen ober ſonſt 
in Teutſchland auf eine Zeit lang von Nugen würbe feyn 
können, fo laſſen Sie es mich willen, und ich fiehe für bie 
Erlaubniß zu meiner Abreife ein. 

Mit dem Minifer Bremer habe ih 1805 und 6 mehrere 
Monate hindurch täglich gearbeitet und feitdem correspondirt. 
Ich fann alfo dafür einftehen, daß er Ew. Ercellenz in Ges 
ſchaͤften fehr gefallen wird. 

Ew. Excellenz empfehle ih mich ac. ıc. 

[ €. Münfter.“ 

Stein hatte mit dem Hauptquartier den Zug aus Dresden 
gegen Schlefien fortgefegt; in Görlig unter dem Kanonendonner 


363 


von Baugen, und am folgenden Tage in Lauban ſchrieb er Rei 
feiner Frau von der bewundernswärbigen Tapferkeit und Hal- 
tung bes Heeres, und bat fie bei fih und andern den guten 

Muth aufrecht zu erhalten und fi nicht zu beunruhigen. 

Napoleon zeichnete. ihn in feinen Bekanntmachungen im 
Moniteur aus: 

Am Tage nad der Lügener Schlacht fagte er zu feinen 
Soldaten: „Die Tartaren welche Mosfau angezündet haben, 
Find nah Deutfhland gefommen und ihnen voranf Alles was 
Deutſchland Fraukreich und Italien von ſchlechten Kerlen und 
Uebderläufern hat, um Empörung, Gefeplofigfeit, Bürgerkrieg, 
Mord zu predigen; Apoftel aller Verbrechen; fie wollten eine 
füttliche Feuersbrunſt zwifchen Weichfel und Rhein entzünden, 
und nad ber Sitte bespotifcher Völfer Wüften zwifchen fih und 
uns fegen ©, 

„Der berüchtigte Stein, ſchrieb er am Tten Mai, if der 
Gegenſtand ber Beratung aller ehrlichen Leute. Er wollte 

- ben Pöhel gegen die Eigentpümer aufrühren. Man fonnte fih 
nicht vom Erftaunen erholen, wie Herrſcher gleih dem König 
von Preußen und befonbers ber Kaifer Alexander, ben bie 
Natur mit fo viel ſchoͤnen Eigenſchaften ausgeſtattet hat, ihre 
Ramen zur Stüge eben fo verbrecheriſcher als gräßliher Um- 
triebe hergeben fünnen °%," . 

In dem Bericht über die Baugener Schlacht erklärte 
Napoleon: „Abende um 8 Uhr zog der Raifer in Baugen ein, 
und ward von den Einwohnern und ben Obrigfeiten mit ben 
Gefühlen empfangen welche Verbündete haben mußten, bie 
glucklich find fih von den Stein, den Kotzebue und den Koſacken 
befreiet zu finden *," 

Alle Fürften bes Rheinbundes Tießen in allen Kischen für 
die Lügener und Baugener Schlachten Te Deum fingen, und 


3 


ale Eike rat SA zum 
sder, wii TDessdiset zu tem Gen ter Darse Desiybsee 
me für küne BaArccang buch Rapelcen son tem Geik ber 
Gurtruug us Brerishgeis, befes Ende der Iemb über- 
woman hate“. Um tıirs Griä ;u bannen ham ter Rimig 
von Kırsuberg am Zun Bsi ein Erg“ eilaffen, webund 
be Hoqrerrach nt Maiskssehcieitigung feinem Berfiageen 
ein Beripeibiger gegeben werten ſolle. 

6 Aayolcon am ihn Junius tie Abgrordacica von 
Breslau empfing, fagse er ihnen, fie mögien bie Einwohner ver- 
Aigen, ex vergeipe ihnen was fie auch immer gethan haben 
mogten um den Geiſt der Geſetzloſigleit zu befördern, ben bie 
Cıeln und Scharuhorſt erregen wollten“, 


Don Bautzen war Stein nah Prag gerilt, wo er am 
Luften Mal bei den GSelnigen wieder eintraf. Bon hier lud er 
Rorfubey auſs Dringendfe ein, die ihm übertragene Stelle im 
Verwaltungsraip einzunehmen; „Ihre Gegenwart, ſchrieb er, 
wird von dem größten Nugen feyn. Sie werden Rußlands 
Vorthell überwachen, den ein Fremder wie ich nicht fennen 
Manny fle werben angeben, wie Deutfchland auf eine Ihnen an- 
nemeffene Weiſe nüglich zu machen iſt; Sie werben unter biefen 
verſchiedenartigen Theilen welde ben Rath bilden, durch Ihren 
verſobnlichen und gemäßigten Geiſt Uebereinſtimmung unb Ein- 
beit erhalten; Ibre Gegenwart wird ber National Eigenliebe 
eine Genugthuung geben; bie Ruſſen werben einen Ruffiihen 
Wamen haben „wollen in einer Einrichtung zu welder fie den 
Anſtoß gegeden haben, Es giebt noch mehrere andere Gründe 
te ich der Feder nicht vertranen darf, welche mich Ihre An- 
kunt wanſchen laſſen.“ 


365 


Die Erfahrung der beiden legten Monate hatte Stein ge⸗ 
zeigt, daß feine Stellung im Verwaltungsrathe wo er ben 
Preußiſchen Bevollmächtigten allein gegenüber im Namen Ruß ⸗ 
lands handeln follte, zu Mißverhältniffen führte, welche mit der 
Zeit eher zu wachſen als ſich auszugleichen ſchienen. Schön 
und Niebuhr, beide von ihm gewählt, wußten fi doch nicht 
auf feinen Standpunft zu verfegen. Sie wußten nicht, wie er, 
daß der Kaiſer biefen ganzen Krieg nur für Deutſchland, nicht 
für Rußland, führte, dag um ihn in feiner großen Aufgabe zu 
halten es nothwendig war Rußland die Kriegführung nad 
Mögligkeit zu erleichtern; fie waren baher nicht felten der Mei- 
mung, daß Stein das Ruffifche Intereffe auf eine unbillige Weife 
vertrete ; fie verlangten größere Berüdfichtigung ber Preußifchen 
Anfihten. Stein bei feiner fortbauernden Unpaͤßlichkeit doppelt 
reigbar, nahm ihren Vorwurf „daß er moslowitiſire“ mit an- 
ſcheinender Ruhe auf; doch ſchalt er fie gegen Arndt wohl 
„unvernünftig = Preußifh”, und Hagte: „Dieſe Mugen Männer 
mäffen doch wohl begreifen, daß fürs Erſte Kaifer Alexander 
die Sade treibt und führt, und daß ich fo handeln muß, als 
treibe und führe er. Ich Tann fa hier den Preußen fo wenig 
als den enthuftaftifchen Deutfchen fpielen; aber das find Dinge 
woräber man fi fill verfiehen muß, jedoch nicht ausfprechen 
kann.” Obwohl er nun, wie Arndt bezeugt, ſich mit einer 
ungewöhnlichen Sanftmuth, mit einer faſt berechneten Weliklug · 
heit benahm, die ſonſt feine Art nicht war, fo warb doch bie 
Verſtimmung feiner Freunde ” dadurch genährt, daß Stein, 
von ber Nothwendigfeit durhdrungen dem Kaifer nahe zu 
bleiben und fi nicht von dem entſcheidenden Punkte zu ent« 
fernen, wie er ſtets gethan hatte mit dem Hauptquartier ging, 
voogegen Schön ber Meinung war, daß eine geregelte Wirk- 
famfeit bes Berwaltungsrathes eine Entfernung im Rüden bes 


Heeres erforbere; und weil Stein in biefem Punkte nicht nad- 
geben wollte und wenn nicht der Ausgang des ganzen Krieges 
aufs Spiel geſetzt werben ſollte nicht nachgeben konnte, fo gab 
Schön bei der erfien fhielihen Gelegenheit feinen Poften auf 
und kehrte bei Abſchluß des Waffenſtillſtandes nad Gumbinnen 
zurück. Aber noch ungleih mehr al auf Kotſchubeys Thätig- 
keit im Berwaltungsrathe, hoffte Stein auf deſſen Einfluß bei 
dem Kaiſer. Der Kreis der dipfomatifchen Verhandlungen er= 
weiterte fih von Woche zu Woche, es beburfte ber größten 
Klarheit Feftigfeit und Gewanbtpeit um in allen Berhälmiffen 
die Einheit zu erhalten, welche allein das Gelingen verbürgen 
konnte. Diefer ſchweren Aufgabe hielt Stein den Grafen 
Neffelrobe nicht gewachſen; er fah, daß berfelbe dem Metter- 
nichſchen Einfluffe nicht widerfiehen werde und hielt es daher 
für nothwendig, das überwiegende Gewicht der Gurieffſchen 
Partei, bie ben Kaifer faft allein umgab, zu beſchräuken, dagegen 
die kleine Zahl der Fräftigen zu männlidem ausbauernden 
Kampfe entſchloſſenen Männer in der Nähe bes Kaifers durch 
den ausgezeichneten Staatsmann zu verftärfen, welchem Alexander 
ſchon einft das auswärtige Miniſterium beftiimmt hatte, 


Zu Prag fammelten fih damals ausgezeichnete Fremde, 
welche aus verfhiedenen Gegenden durch die herannahenden 
Ereigniſſe herbeigegogen wurden. Stein fand ba feinen Jugend⸗ 
freund Neben, ehemaligen Hannoverfchen Reichstagsgeſandten, 
ber nad London berichtete ”°. Dort lag and ber verwundete 
Scharnhorſt. Die bei Großgörfpen empfangene Wunde hatte 
Anfangs feine Beforgniß erregt. Scharnhorft hatte das Heer 
verlaffen, und in ber Ungewißheit über Oeſterreichs Eutſchluß 
es unternommen, durch feine Gegenwart in Wien die Entfchei- 
dung herbeizuführen. Er reifte Tag und Nacht, bie zur zweiten 


367 


Poſt vor Wien, dort traf ihn eine geheime Botſchaft bes Grafen 
Metternich, mit dem dringenden Erfuchen auf der Stelle um- 
zulehren, damit nicht feine Anmwefenheit den Franzoſen befannt 
werbe: Defterreihs Beitritt fey bereits gewiß. Und fo reifte 
er mit derfelben Eile ohne Schonung und Erholung zurüd bie 
Prag, wo bie durch bie große Anfrengung verfhlimmerte 
Bunde ihn aufs Lager warf, von dem er nicht wieber erftehen 
ſollte. Die Freunde welche das große Werk der Befreiung 
Deutfhlande 1807, 1808 begründet, und auf verfhiedenen 
Wegen bis zum letzten Augenblick einig zur Ausführung geleitet 
hatten, fahen einander hier zum legten Male. 


Vierter Abſchnitt. 


Waffenſtillſtand. Oeſterreichs Beitritt. 
5ten Junius bis 12ten Auguſt. 


Naq weniger Tage Erholung verließ Stein die Seinigen 
wieder, und kehrte in das große Hauptquartier zurüd. Das 
fhöne Land, befonders von Nachod .an, das Gebirge erfreuete 
ihn; am Gten Junius in Glatz angelangt erhielt er die Kunde 
vom Abſchluß des Waffenſtillſtandes, defien Gründe und Bor- 
theile freilich nicht vorlagen; doch dauerten die Friegerifchen 
Vorbereitungen in Preußen ohne Unterbredung fort, das Heer 
verftärkte fh, die Landwehr warb vollftändig eingerichtet, und 
als er am folgenden Tage in Reichenbach eintraf, wurden große 
Ruſſiſche Verſtaͤrkungen angefündigt. Hier am Fuße des Eufen- 
gebirges, in einer reizenden Gegend, war zwei Monate hin« 
durch bis zum Ausgange bes Waffenftillftandes das große 
Hauptquartier; ber Kalfer Alerander wohnte in Peterswaldau, 
der König zu Neuborff, und das fhöne Städtchen Reichenbach, 
eine halbe Stunde von Peterswaldau, vereinigte bie bedeutend⸗ 
. fien Gefchäftsmänner, Generale und die fremden Gefandten. 
Die äußere Ruhe nah fo Tangem raſtloſen Umpertreiben und 
der Gebrauh warmer Bäder flellte Steins Gefundheit wieder 


369 

ber. Es fehlte ihm nicht an angenehmer Geſellſchaft; in Reichen⸗ 
bad wohnten Graf Stadion, Alopäus, der Staatsfanzler Har- 
denberg, Niebuhr, Rehdiger, die Engliſchen Gefandten Cathcart 
und Stewart, d'Ivernois, es erfchienen Fürft Radziwill, Gnei« 
ſenau, Grolman, Tpielemann, After, der Hannoverfhe Ge— 
fanbte in Wien Hardenberg; in der Entfernung einiger Meilen 
zu Neiffe lebten die Kinder des Königs, bei ihnen Hufeland; 
noch näher war das Blücherfhe Hauptquartier zu Strehlen; 
und bie Jahreszeit lud zu Ausflügen in das fhöne Bebirge- 
land ein. 

Am 14ten und 15ten Junius gediehen die in Dresden 
begonnenen Unterhandlungen zwifchen Preußen Rußland und 
England ”! unter Steine Mitwirfung und nah dem von ihm 
ſchon am Ende des Jahres 1812 dem Kaifer vorgelegten Plane, 
zum Abſchluß. England verpflichtete fi) behuf des für bie 
Unabhängigfeit Europa's unternommenen Krieges auf das 
Jahr 1813 zur Zahlung von 666,666 Pfund Sterling an Preu- 
gen, von 1,133,333 an Rußland, wogegen Preußen 80,000, 
Rußland 160,000 Mann außer den Befagungen, zur thätigen 
Kriegführung gegen Napoleon fiellen wollten. Um bie weiteren 
Kriegsloſten zu deden und die Heere im Felde zu halten warb 
die Summe von 5,000,000 Pfund Sterling Bundes- Papiergeld 
geſchaffen, wovon ein Drittheil von Preugen, zwei Dritiheile 
von Rußland ausgegeben werden follten; bie brei Mächte übers 
nahmen die Einlöfung, England zur Hälfte, Rußland zu zwei, 
Preußen zu einem Sechetheil; die Einlöfung follte jedoch nicht 
vor dem Iften Julius 1815 oder ſechs Monate nach gefchloffe- 
nem Frieden erfolgen, und befondere Commiffionen die Ber« 
theilung und alle mit der Einrichtung, Gewähr, Ausgabe, Ueber⸗ 
tragung, bem Umlauf und der Einlöfung des Papiergeldes ver⸗ 
bundenen Einzelheiten beforgen. In dem Preugifch « Engliſchen 
Berirage ’* verpflichtete fi) Großbritannien mit allen Kräften 

Stein’ Leben. IT. 2te Aufl. 24 


370 


dahin zu wirken, daß Preußen wieber in Beſitz feiner ganzen 
Macht gefegt und Frankreich von jedem Einfluffe auf Nord⸗ 
deutſchland abgehalten werde, Preußen hingegen zu ber bereits 
in dem Kalifcher Bertrage ausbebungenen Wiedereinfegung bes 
Haufes Braunfchweig- Lüneburg fo wie der herzoglichen Linie 
in ihre Erbbefigungen. Ih einem geheimen Artifel vom 14ten 
Junius verſprach Großbritannien, fofern die Erfolge der ver⸗ 
bündeten Heere es geftatten würben, zur Vergrößerung Preußens 
wenigfiens bi6 zu benfelben ftatiftifchen und geographifchen Ver⸗ 
bhältniffen wie vor dem Kriege von 1806 beizutragen; bagegen 
verpflichtete fih Preußen dem Haufe Hannover eine paflende 
Abrundung einſchließlich des Biethums Hildesheim, von 250,000 
bis 300,000 Seelen zu verſchaffen, jedoch unter der Bedingung 
einer anderweiten Entfhädigung für dieſe Abtretung; Preußen 
geſtattete der Churbraunſchweigiſchen Regierung, Hildesheim for 
fort nach feiner Befreiung für fih in Pefig zu nehmen und zu 
verwalten, doch follten alle Hülfsmittel des Landes für ben 
Zwed bes Rrieges verwendet werben. 

Diefer Abſchluß erfolgte um dieſelbe Zeit, ald Napoleon 
dem durd ben Kronprinzen von Schweden aufgegebenen Ham- 
burg eine Kriegszahlung von 48 Millionen Franfen auferlegte 
und mittelft Einziehung des Vermögens der Bank abpreßte. 

Der Bertrag wegen Uebernahme der Ruffifch- Deutfchen 
Legion in Englifhen Solb, ward am ten Julius zu Petere- 
walbau abgefchloffen ”*, die Legion ward darin zu 10,000 Mann 
angenommen. 

Indem fo bie Verhaͤltniſſe der verbündeten drei Hanpt- 
mächte geordnet wurben, blieb ihre Stellung zu Deſterreich 
fortwährend unentſchieden, und Alexanders Iebhafter Wunſch 
diefe Macht zu gewinnen verſchaffte deren Anfihten und Wün- 
ſchen einen flets wachſenden Einfluß, deſſen Folgen fih bald 
nicht mehr überfehen ließen. 


3371 


Das Oeſterreichiſche Cabinet war durch die Ereigniſſe des 
Jahres 1812 überraſcht worden. Es hatte in Folge der mit 
Frankreich geſchloſſenen Verbindung, welche bei Napoleons da⸗ 
maliger Uebermacht die aͤußere Ruhe zu ſichern ſchien, den 
größten Theil feiner Heere aufgelöſſt, und als nädhftes Ziel die 
Berbefferung feines Geldweſens betrachtet, welches fih in ber 
größten Verwirrung befand, und feinesweges georbnet war, als 
der Ausgang des Ruſſiſchen Feldzuges die Nothwendigkeit neuer 
großer Anftrengungen herbeiführte. Der Untergang bes großen 
Franzoͤfiſchen Heeres bot die günftige Gelegenheit die alte Un- 
abhängigfeit zu erlangen und bie frühere Stellung unter ben 
Großmaͤchten Europa’s wieder einzunehmen. Aber die Mittel 
welche ein folder Plan erforderte, mußten erſt gefhaffen wer⸗ 
den, und die Ereigniffe forderten einen baldigen Entſchluß. 
Defterreih verfuchte daher durch Unterhanblungen mit den 
triegführenden Theilen Zeit zu gewinnen, um aus dem Zu- 
Rande der Entblögung in den ber größten Kraftentwicklung 
überzugehen und dadurch feiner Entfheidung ben Erfolg zu 
fiern. Wohin diefe Entſcheidung ausfallen folle, ſcheint von 
Anfang an nicht befiimmt geweſen zu feyn; man gab beiden 
Theilen vertraulihe Verfprechungen, und fiherte fih dadurch 
die Möglichkeit die weitere Entwidlung ber Ereigniffe abzur 
warten. Denn fo gefährlih und unerträglih bie bisherige 
Herrſchaft der Franzoſen gefühlt und eine Befreiung bavon 
aufrichtig erfehnt wurde, fo bedenklich erfchien doch auch bie 
von Ofen her Iangfam aber unaufhaltfam gegen das mittlere 
Europa vorrüdende Macht Rußlands, welches in ben legten 
Jahren durch Finnland feine Hauptſtadt gebedt, durch bie Er⸗ 
oberung von Beffarabien die Verbindung Oeſterreichs mit bem 
ſchwarzen Meere in feine Gewalt gebracht, an ber unteren 
Donau auf Serbien fo wie auf die Griechiſchen Epriften in 
Montenegro und ben Ungarifchen Gränzlänbern einen fehr fühl- 

24* 


362 


dies in feinem Namen erflärt; Ex follte das Commando über 
45,000 Mann übernehmen bie wir für Hannover errichten 
wollten, und zu errichten angefangen haben; baneben hatte er 
Urſache auf Erhaltung von Gage zu dringen. Sollte man Ihm 
das Commando und ben Gehalt, zugleih mit einem — von 
Ihm ſelbſt nicht geforderten Abſchied zufhiden? Lieven hat bes 
Regenten Brief an Wallmoden gefehen und Er ſchien feinen 
Inhalt ganz zu approbiren. Iſt man bort nicht zufrieden, fo 
wird man bier gern über Alles was Korm ift, weggehen. 

Ih glaube mich jegt über alle Angriffe, die Ew. Excellenz 
anf mich machen, gehörig vertheibigt zu haben. Ich weiß aus 
alter Bekanntſchaft daß ſie nicht übel gemeint find. Nicht für 
mid, aber für Andere, für Schweden, ſelbſt für die armen 
Teutſchen Fürften, bitte ih um das suaviter in modo. Selbſt 
England ſollten Ew. Excellenz bey der genauen Kenntniß bie 
Sie über deſſen Berfaffung haben, und bey den Schwierigfeiten, 
die dieſe den Miniftern oft in ben Weg Tegt, milder beurtheilen. 
Sareasmen gegen England mögten bort eine ſchaͤdliche Warkung 
hervorbringen. Nur no ein Wort: Halten Ew. Excellenz 
dafür, daß meine perfönlihe Anmefenpeit bey Ihnen oder fonft 
in Teutſchland auf eine Zeit lang von Nugen würde feyn 
fönnen, fo Taffen Sie es mich willen, und ich flehe für bie 
Erlaubniß zu meiner Abreife ein. 

Mit dem Miniſter Bremer habe ich 1805 und 6 mehrere 
Monate hindurch täglich gearbeitet und ſeitdem corresponbirt. 
Ich kann alfo dafür einftehen, daß er Ew. Excellenz in Ges 
ſchaͤften fehr gefallen wird. 

Ew. Excellenz empfehle ih mi ꝛtc. ıc. 

€. Münfter.” 


Stein hatte mit dem Hauptquartier den Zug aus Dresden 
gegen Schlefien fortgefegt; in Görlig unter dem Kanonendonner 


363 


son Bauzen, und am folgenden Tage in Lauban ſchrieb er a 
feiner Frau von ber bemundernewärbigen Tapferfeit und Hal- 

sung bed Heeres, und bat fie bei fih und andern dem guten 

Muth aufrecht zu erhalten und fi nicht zu beunruhigen. 

Napoleon zeichnete. ihn in feinen Bekanntmachungen im 
Moniteur aus: 

Am Tage nad der Lügener Schlacht fagte er zu feinen 
Soldaten: „Die Tartaren welhe Moskau angezündet haben, 
find nad Deutſchland gekommen und ihnen voranf Alles was 
Deutſchland Fraukreich und Italien von ſchlechten Kerlen und 
Meberläufern hat, um Empörung, Gefeglofigfeit, Bürgerkrieg, 
Mord zu predigen; Apoftel aller Verbrechen; fie wollten eine 
ſittliche Feuersbrunſt zwifchen Weichfel und Rhein entzünden, 
und nach der Sitte despotiſcher Völfer Wüften zwifchen fih und 
uns fegen u 

nDer berüchtigte Stein, fehrieb er am Tien Mai, if der 
Gegenſtand ber Beratung aller ehrlihen Leute. Er wollte 

- den Pöhel gegen die Eigenthümer aufrühren. Man fonnte ih 
nicht vom Erſtaunen erholen, wie Herrfher gleich dem König 
von Preußen und befonders ber Kaifer Alesander, den bie 
Natur mit fo viel fhönen Eigenſchaften ausgeftattet hat, ihre 
Namen zur Stüge eben fo verbrecheriſcher als gräßliher Um- 
triebe hergeben können ““.“ . 

In dem Bericht über die Baugener Schlacht erklärte 
Napoleon: „Abende um 8 Uhr zog ber Kaifer in Baugen ein, 
und ward von ben Einwohnern und ben Obrigfeiten mit den 
Gefühlen empfangen welche Verbündete haben mußten, bie 
glucklich find fih von den Stein, den Kotzebue und den Koſacken 
befreiet zu finden," 

Ale Fürften bes Rheinbundes Tießen in allen Kirchen für 
bie Lügener und Bangener Schlachten Te Deum fingen, und 


364 


alle Bifpöfe Frankreichs mußten das Volt zum Danfgebet aufs 
rufen, weil Deutſchland zu dem Gott ber Heere Dantgebete 
fende für feine Befreiung durch Napoleon von dem Geiſt der 
Empörung und Gefeglofigfeit, deflen Sache ber Feind über⸗ 
nommen hätte“. Um biefen Geiſt zu bannen hatte der König 
von Wirtemberg am 2ten Mai ein Gefep * erlaffen, woburd 
bei Hochverrath und Majeftätöbeleidigung feinem Berflagten 
ein Vertheidiger gegeben werben ſolle. ‚ 

As Napoleon am Aften Junius die Abgeordneten von 
Breslau empfing, fagte er ihnen, fie mögten die Einwohner ver- 
ſichern, er verzeipe ihnen was fie auch immer gethan haben 
mögten um den Geift der Gefeglofigfeit zu befördern, den bie 
Stein und Scharnhorft erregen wollten“, 


Bon Baugen war Stein nah Prag geeilt, wo er am 
29ften Mai bei den Seinigen wieder eintraf. Bon hier Iud er 
Kotſchubey aufs Dringendfte ein, bie ipm übertragene Stelle im 
BVerwaltungsrath einzunehmen; „Ihre Gegenwart, ſchrieb er, 
wird von dem größten Nugen feyn. Sie werben Rußlands 
Bortheil überwachen, ben ein Fremder wie ich nicht Fennen 
ann; fie werben angeben, wie Deutſchland auf eine Ihnen ans 
gemeflene Weife nüglich zu machen iſt; Sie werden unter diefen 
verſchiedenartigen Theilen welche den Rath bilden, durch Ihren 
verföhnlichen und gemäßigten Geiſt Uebereinſtimmung und Ein- 
heit erhalten; Ihre Gegenwart wird der National« Eigenliebe 
eine Genugthuung geben; die Ruffen werben einen Ruffifhen 
Namen haben wollen in einer Einrichtung zu welcher fie den 
Anſtoß gegeben” haben. Es giebt noch mehrere andere Gründe 
die ich der Feder nicht vertrauen darf, welche mich Ihre An- 
kunft wunſchen laſſen.“ 


365 


Die Erfahrung der beiden legten Monate hatte Stein ge⸗ 
zeigt, daß feine Stellung im Verwaltungsrathe wo er ben 
Preußiſchen Bevollmächtigten allein gegenüber im Namen Ruß ⸗ 
lauds handeln follte, zu Mißverhaͤltniſſen führte, welche mit der 
Zeit eher zu wachſen als fh auszugleichen ſchienen. Schön 
und Niebuhr, beide von ihm gewählt, wußten ſich dod nicht 
auf feinen Stanbpunft zn verfegen. Sie wußten nicht, wie er, 
daß der Kaifer biefen ganzen Krieg nur für Deutſchland, nicht 
für Rußland, führte, daß um ihn in feiner großen Aufgabe zu 
halten es nothwendig war Rußland die Kriegführung nad 
Mögligkeit zu erleihtern; fie waren daher nicht felten der Mei- 
nung, daß Stein das Ruſſiſche Intereffe auf eine unbillige Weiſe 
vertrete; fie verlangten größere Berüdfichtigung ber Preußifchen 
Anfihten. Stein bei feiner fortdauernden Unpaͤßlichkeit doppelt 
reizbar, nahm ihren Vorwurf „daß er mosfowitifire” mit an⸗ 
ſcheinender Ruhe auf; doch ſchalt er fie gegen Arndt wohl 
„unvernünftig= Preußiſch“, und Hagte: „Dieſe Mugen Männer 
mäffen bod wohl begreifen, daß fürs Erſte Kaifer Alexander 
die Sache treibt und führt, und daß ich fo handeln muß, als 
treibe und führe er. Ich fann fa hier ben Preußen fo wenig 
als ben enthufiaftifchen Deutſchen fpielen; aber das find Dinge 
worüber man fih ſtill verfiehen muß, jedoch nicht ausſprechen 
kann.” Obwohl er nun, wie Arndt bezeugt, fih mit einer 
ungewöhnlichen Sanftmuth, mit einer faft berechneten Weltklug ⸗ 
heit benahm, bie fonft feine Art nicht war, fo warb doch bie 
Verſtimmung feiner Freunde dadurch genährt, daß Stein, 
von ber Notwendigkeit durchdrungen dem Kaifer nahe zu 
bfeiben und fi nicht von dem entſcheidenden Punkte zu ente 
fernen, wie er fiet gethan hatte mit dem Hauptquartier ging, 
wogegen Schön ber Meinung war, daß eine geregelte Wirk« 
ſamleit des Verwaltungsrathes eine Entfernung im Rüden bes 


366 


Heeres erforbere; und weil Stein in diefem Punkte nit nach⸗ 
geben wollte und wenn nicht der Ausgang des ganzen Krieges 
aufs Spiel gefegt werben follte nicht nachgeben fonnte, fo gab 
Schön bei ber erſten ſchicklichen Gelegenheit feinen Poſten auf 
und Tehrte bei Abſchluß des Waffenftillftandes nad) Gumbimen 
zurück. Aber noch ungleih mehr als auf Kotſchubeys Thätig- 
keit im Berwaltungsrathe, hoffte Stein auf deſſen Einfluß bei 
dem Kaifer. Der Kreis ber biplomatifhen Verhandlungen er= 
weiterte fih von Woche zu Woche, es beburfte der größten 
Klarheit Feftigfeit und Gewandtheit um in allen Berhälmiffen 
die Einheit zu erhalten, welche allein das Gelingen verbürgen 
fonnte. Diefer ſchweren Aufgabe hielt Stein den Grafen 
Neſſelrode nicht gewachſen; er fah, daß berfelbe dem Metter- 
nichſchen Einfluffe nicht widerſtehen werbe und hielt es daher 
für nothwendig, das überwiegende Gewicht der Gurieffſchen 
Yartei, bie den Kaifer faft allein umgab, zu beichränfen, dagegen 
die kleine Zahl der Fräftigen zu männlihem ausbauernden 
Kampfe entſchloſſenen Männer in der Nähe bes Kaiſers durch 
den ausgezeichneten Staatsmann zu verftärfen, welchem Aferander 
ſchon einft das auswärtige Miniferium beftimmt hatte. 


Zu Prag fammelten fih bamals ausgezeichnete Fremde, 
welche aus verfhiedenen Gegenden durch die herannahenden 
Greigniffe herbeigegogen wurben. Stein fand ba feinen Ingend- 
freund Neben, ehemaligen Hannoverfchen Reichstagsgeſandten, 
der nach London berichtete "°. Dort lag au ber verwundete 
Scharnhorſt. Die bei Großgörfhen empfangene Wunde hatte 
Anfangs feine Beforgniß erregt. Scharnhorft hatte das Heer 
verlafien, und in ber Ungewißheit über Defterreihs Eutſchluß 
es unternommen, durch feine Gegenwart in Wien bie Entſchei - 
dung herbeizuführen. Er reifte Tag und Nacht, bis zur zweiten 


367 


Hof vor Wien, dort traf ihn eine geheime Botfchaft bes Grafen 
Metternih, mit dem dringenden Erfuchen auf der Stelle um- 
zufehren, damit nicht feine Anwefenheit den Franzoſen befannt 
werbe: Defterreihe Beitritt ſey bereits gewiß. Und fo reifte 
er mit derfelben Eile ohne Schonung und Erholung zurüd bis 
Prag, wo bie durch bie große Anftrengung verfchlimmerte 
Wunde ihn aufs Lager warf, von dem er nicht wieder erfiehen 
folte, Die Freunde welche das große Werk der Befreiung 
Deutfhlande 1807, 1808 begründet, und auf verfehiebenen 
Wegen bis zum letzten Augenbli einig zur Ausführung geleitet 
hatten, fahen einander hier zum legten Male. 


Vierter Abſchnitt. 


Waffenfillftand. Defterreihs Beitritt. 
5ten Junius bis 12ten Auguft. 





Nach weniger Tage Erholung verließ Stein die Seinigen 
wieder, und kehrte in das große Hauptquartier zurüd. Das 
ſchoͤne Land, befonders von Nachod an, das Gebirge erfreuete 
ihn; am Gten Zunius in Glag angelangt erhielt er die Kunde 
vom Abſchluß des Waffenſtillſtandes, defien Gründe und Bor- 
theife freilich nit vorlagen; doch dauerten bie friegerifchen 
Vorbereitungen in Preußen one Unterbrehung fort, das Heer 
verftärkte fih, die Landwehr warb vollftändig eingerichtet, und 
als er am folgenden Tage in Reichenbach eintraf, wurben große 
Ruſſiſche Verftärkungen angefünbigt. Hier am Fuße des Eulen- 
gebirges, in einer veigenden Gegend, war zwei Monate hin« 
burg bis zum Ausgange des Waffenftillftandes das große 
Hauptquartier; der Kaifer Alerander wohnte in Peterswaldau, 
der König zu Neuborff, und das fhöne Städtchen Reichenbach, 
eine halbe Stunde von Peterswaldau, vereinigte die bedeutend- 
, fien Gefchäftsmänner, Generale und bie fremden Gefandten. 
Die äußere Ruhe nach fo Yangem raſtloſen Umpertreiben und 
der Gebrauch warmer Bäder flellte Steins Gefundpeit wieder 


369 

her. Es fehlte ihm nicht an angenehmer Geſellſchaft; in Reichen» 
bad wohnten Graf Stadion, Alopäns, der Staatsfanzler Harz 
denberg, Niebuhr, Rehdiger, die Englifhen Gefandten Catheart 
und Stewart, d'Ivernois, ed erſchienen Fürft Radziwill, Gneis 
fenau, Grolman, Tpielemann, After, der Hannoverfhe Ge— 
fandte in Wien Hardenberg; in der Entfernung einiger Meilen 
zu Neiffe lebten bie Kinder des Königs, bei ihnen Hufeland; 
noch näher war das Blücherſche Hauptquartier zu Gteehlen; 
und die Jahreszeit lud zu Ausflügen in das fhöne Gebirge- 
Iand ein. 

Am i4ten und 15ten Junius gediehen die in Dresden 
begonnenen Unterhanblungen zwifhen Preußen Rußland und 
England ”' unter Steins Mitwirfung und nah dem von ihm 
ſchon am Ende des Jahres 1812 dem Kaifer vorgelegten Plane, 
zum Abſchluß. England verpflichtete ſich behuf des für bie 
Unabpängigfeit Europa’s unternommenen Krieges auf bas 
Jahr 1813 zur Zahlung von 666,666 Pfund Sterling an Preu- 
Sen, von 1,133,333 an Rußland, wogegen Preußen 80,000, 
Rußland 160,000 Mann außer den Befagungen, zur thätigen 
Kriegführung gegen Napoleon ftellen wollten. Um bie weiteren 
Kriegskoſten zu deden und die Heere im Felde zu halten warb 
die Summe von 5,000,000 Pfund Sterling Bunbes- Papiergeld 
geſchaffen, wovon ein Drittheil von Preußen, zwei Drittheile 
von Rußland ausgegeben werden follten; die drei Mächte über 
nahmen die Einlöfung, England zur Hälfte, Rußland zu zwei, 
Preußen zu einem Sehetpeil; die Einlöfung ſollte jedoch nicht 
vor dem iften Julius 1815 oder ſechs Monate nad geſchloſſe⸗ 
nem $rieden erfolgen, und befondere Eommiffionen die VBer- 
theilung und alle mit der Einrihtung, Gewähr, Ausgabe, Ueber- 
tragung, dem Umlauf und der Einlöfung des Papiergeldes ver- 
bundenen Einzelheiten beforgen. In dem Preußiſch-Engliſchen 
Bertrage ”* verpflichtete fih Großbritannien mit allen Kräften 

Stein’s Leben. II. 2te Aufl. 24 


370 


dapin zu wirken, baß Preußen wieder in Befig feiner ganzen 
Macht gefegt und Frankreich von jedem Einfluffe auf Nord⸗ 
deutſchland abgehalten werbe, Preußen hingegen zu ber bereits 
in dem Kalifcher Bertrage ausbebungenen Wiedereinfegung des 
Haufes Braunfpweig- Lüneburg fo wie ber herzoglichen Linie 
in ihre Erbbefigungen. In einem geheimen Artifel vom 14ten 
Zunius verfprah Großbritannien, fofern die Erfolge der ver⸗ 
bünbdeten Heere es geftatten würden, zur Vergrößerung Preußens 
wenigfteng bis zu denſelben ftatififchen und geographifchen Ver⸗ 
hältniffen wie vor dem Kriege von 1806 beizutragen; dagegen 
verpflichtete fi Preußen dem Haufe Hannover eine paflende 
Abrundung einfchließlic des Bisthums Hildesheim, von 250,000 
bis 300,000 Seelen zu verfchaffen, jedoch unter der Bedingung 
einer anderweiten Entfhäbigung für biefe Abtretung; Preußen 
gefattete der Cpurbraunfhweigifhen Regierung, Hildesheim ſo ⸗ 
fort nach feiner Befreiung für fi in Pefig zu nehmen und zu- 
verwalten, doch follten alle Hülfsmittel des Landes für den 
Zwed des Krieges verwendet werben. 

Diefer Abſchluß erfolgte um diefelbe Zeit, als Napoleon 
dem durch ben Kronprinzen von Schweden aufgegebenen Ham⸗ 
burg eine Kriegszahlung von 48 Millionen Franfen auferlegte 
und mittelft Einziehung des Vermögens der Bank abprefte. 

Der Vertrag wegen Nebernahme der Ruſſiſch-Deutſchen 
Legion in Englifhen Sold, ward am Gten Julius zu Peterd- 
waldau abgefchloffen ”*, die Legion ward darin zu 10,000 Mann 
angenommen. 

Indem fo die Verpältniffe der verhündeten brei Haupt- 
mächte geordnet wurden, blieb ihre Stellung zu Defterreich 
fortwaͤhrend unentſchieden, und Aleranders lebhafter Wunſch 
dieſe Macht zu gewinnen verſchaffte deren Anſichten und Wün- 
ſchen einen fletd wachſenden Einfluß, deſſen Folgen ſich bald 
nit mehr überfehen ließen. 


371 


Das Oeſterreichiſche Cabinet war durch die Ereigniſſe des 
Jahres 1812 überraſcht worden. Es Hatte in Folge der mit 
Frankreich geſchloſſenen Verbindung, welche bei Napoleons da⸗ 
maliger Uebermacht die äußere Ruhe zu fihern ſchien, den 
größten Theil feiner Heere aufgelöft, und als naͤchſtes Ziel bie 
Berbefferung feines Geldweſens betrachtet, welches fi in der 
größten Verwirrung befand, und feinesweges georbnet war, ald 
der Ausgang des Ruſſiſchen Feldzuges die Nothwendigkeit neuer 
großer Anftrengungen herbeiführte. Der Untergang des großen 
Franzofiſchen Heeres bot die günftige Gelegenheit die alte Un- 
abhängigfeit zu erlangen und bie frühere Stellung unter ben 
Großmaͤchten Europa’s wieder einzunehmen. Aber die Mittel 
welche ein folcher Plan erforderte, mußten erſt gefchaffen wer⸗ 
den, und bie Ereigniffe forderten einen baldigen Entfhluß. 
Defterreih verſuchte daher durch Unterhanblungen mit ben 
friegführenben Tpeilen Zeit zu gewinnen, um aus dem Zu- 
Rande der Entblößung in den der größten Kraftentwicklung 
überzugehen und dadurch feiner Entfheidung den Erfolg zu 
ſichern. Wohin diefe Entſcheidung ausfallen folle, ſcheint von 
Anfang an nicht beflimmt gewefen zu ſeyn; man gab beiden 
Theilen vertrauliche Verſprechungen, und ſicherte fih dadurch 
die Möglichkeit bie weitere Entwidlung ber Ereigniffe abzu= 
warten. Denn fo gefährfih und unerträglich die bisherige 
Herrſchaft der Franzoſen gefühlt und eine Befreiung davon 
anfrichtig erfehnt wurbe, fo bedenklich erſchien doch auch bie 
von Dfen her Tangfam aber unaufhaltfam gegen das mittlere 
Europa vorrüdende Macht Rußlands, welches in ben Tepten 
Jahren durch Finnland feine Hauptſtadt gebedt, durch die Er⸗ 
oberung von Beffarabien bie Verbindung Deſterreichs mit dem 
ſchwarzen Meere in feine Gewalt gebracht, an ber unteren 
Donau auf Serbien fo wie auf die Griechiſchen Epriften in 
Montenegro und den Ungarifchen Gränzländern einen fehr fühl- 

24* 


372 


baren politiſch⸗ geiſtlichen Einflug gewonnen hatte, und nun 
nach Eroberung des Herzogthums Warſchau ein hoͤchſt gefähr- 
licher unmittelbarer Nachbar ward. Der Gebanfe aus ber Er- 
ſchöpfung der beiden Gegner, Rußland und Frankreich, für bie 
Herſtellung der Oeſterreichiſchen Macht Bortheil zu ziehen, Tag 
daher fehr nahe; es fehlte jedoch dazu im Winter 1812. 13 
an eigner Kraft, und bis dieſe gefammelt und der Augenblick 
zur That gefommen wäre, beide Theile über den Entſchluß 
in Ungewißpeit zu halten, war bie Aufgabe, welche Graf 
Metterni übernommen und mit großem Erfolge, jedoch wie 
ſich erwarten läßt unter bem bitterfien Tatel und oft von den 
Staatsmännern beider Theile verfannt, durchgeführt hat. Denn 
nur ſehr allmaͤlig konnte bei Napoleons argwöhnifhem und 
herriſchem Character die Befreiung aus den Feſſeln des ge— 
ſchloſſenen Bünbniffes, die Einnahme einer freieren Stellung, 
das Auftreten und Handeln als eine Macht welde bie Ent- 
ſcheidung in der Hanb habe, und zulegt die beſtimmte Willens⸗ 
erflärung erfolgen. 

Im November 1812 Hatten die Unterhandlungen mit Ruß- 
land begonnen; im December warb Defterreih von Rußland 
die Wiebereroberung der Illyriſchen Provinzen, Stalien, bie 
Deutfche Raiferwärde ald Preis des Beitritts angeboten; Defter- 
reich aber äußerte nur den Wunſch nach Frieden. Anfang 
Januars erflärte das Oeſterreichiſche Cabinet dem Franzoͤſiſchen 
die Nothwendigleit, zwar zu ihm als guter Verbundeter zu 
leben, aber den fremden Höfen gegenüber als unabhängige 
Macht zu erfheinen, wenn die Berfuhe zu Herflellung des 
Friedens gelingen follten; und es fandte Abgeorbnete nad 
London und Wilna. Im Februar eröffnete Graf Metternich) 
dem Sranzöfifpen Eabinet, daß ber Kaifer bei der Annäherung 
ber Kriegsgefahr fein Heer um 70,000 Mann verflärfe; er 
unterfchied noch zwiſchen einer Ausgleihung welche Deſterreich 


373 


verſuche, und einer Vermittlung welche es nicht beabſichtigen 
tönne; er äußerte fih jedoch über die Nothwendigkeit eines 
Gleichgewichts der Europaͤiſchen Staaten — ein Ausdruck welcher 
Napoleon nah der bisher geführten Sprache fehr auffallen 
mußte. Im März zeigte er dem Kranzöfifcken Gefandten an, 
daß in Folge des Abfalls Preußens der Defterreihifhe Ger 
fandte in Breslau Befehl zur Abreife erhalten habe, auch die 
Verbindung mit dem Preußifhen Gefandten in Wien Herrn 
v. Humboldt abgebrochen fep; dabei dauerten die Rüftungen 
fort, mit Herbeiſchaffung ber nöthigen Gelbmittel warb eine 
Commiffion beauftragt, die im April 45 Millionen Gulden 
neues Papiergeld „Anticipationsfceine” auszugeben beſchloß. 
Zugleidy dauerten bie Unterhandlungen mit Sachen, Bayern, 
Wirtemberg, Dänemart, felbf Neapel und Wefphalen, zur Bil- 
bung eines Bündniffes neutraler Mächte fort. Gegen Ende 
Aprils erflärte der Gefandte in Paris, der Kaifer wuͤnſche einen 
ſchnellen und feften Frieden; er wolle daher als Hauptmacht 
eintreten, er bebürfe bazu des Vertrauens feiner Völker und 
möüffe alfo des Friedens wegen waffnen; und als Frankreich 
bei Beginn des Feldzuges forderte, daß das Oeſterreichiſche 
Hulfsheer Fraft bes beſtehenden Bündniffes auf Napoleons Be— 
fehl marſchiren folle, fo ward biefes Verlangen aus dem 
Grunde abgelehnt, weil der vermittelnde Staat nicht zuerft ben 
Krieg anfangen dürfe; Oeſterreich wolle feine Macht fammeln 
und bann fe auftreten. Nach ber Großgörfener Schlacht 
dauerten bie Unterhandlungen nach beiden Seiten fort; indem 
Preußen insgeheim von ber Zahl und Stellung des Defter- 
reichiſchen Heers in Kenntniß gefegt auf Deflerreihe Wunſch 
ſich zu einer zweiten Schlacht bereitete, welche für ben Ver— 
mittler wenigfiend den Vortheil beiberfeitiger Abkühlung und 
Schwädung der fämpfenden Heere haben fonnte, ertpeilte 
Napoleon dem Defterreichifpen Gefandten Vollmacht zum Ab⸗ 


374 


ſchluß eines Waffenſtillſtands, während deſſen in Prag über dem 
allgemeinen Frieden mit Zuziehung der Amerilaniſchen Frei= 
ſtaaten und der Spanifhen Regentfchaft, oder doch wenigſtens 
über den Frieden des, feften Landes unterhandelt werben fönne. 
Der Abſchluß erfolgte erft nach der Baugener Schlaht durch 
Stadions Bermittlung, und um biefelbe Zeit verließ Kaifer 
Franz mit feinen nächfen Umgebungen Wien und begab fi 
in bie Nähe ber beiden Hauptquartiere nah Böhmen. In 
NRatiborgiz, einem Schloſſe der Herzogin von Sagan nahe bei 
Nachod, fand im Junius eine Zufammenfunft bes Kaiſers 
Alerander, Neffelrodes, Hardenberge, Humboldt mit Graf 
Metternihd Statt. Es warb erwogen, daß bie Oeſterreichiſchen 
Nüftungen noch mehrere Wochen zu ihrer Vollendung bedärften, 
und gegen die beftiimmte Zufage des Beitrints zum Bunde gegen 
Frankreich falls die Friedensunterhandlung mißlingen follte, in 
eine abermalige Berlängerung des Waffenftilftande bis zum 
10ten Auguſt eingewilligt. Diefe Nachgiebigkeit gegen bie 
Oeſterreichiſchen Anficpten warb mit Mühe und nicht ohne eruft« 
liches Wiberfireben von den Verbündeten erlangt; das Preußifch- 
Ruſſiſche Heer mit unglaublichen Anftrengungen und wetteifern- 
den Aufopferungen auf drei bis vierhunderttaufend Mann ver- 
ftärkt, von Begierde brennend ben Kampf zu eröffnen und jeden 
weitern Berzug für unerfeglihen Verluſt achtend, verlangte die 
Schlacht; nur eine Stimme war: Deutſchlands Befreiung durch 
einen rühmligen Sieg oder ein ehrenvoller Untergang; man 
mißtraute den diplomatiſchen Unterhändfern, deren einige ſich 
auch wohl mit einem wenig ehrenvollen Frieden abfinden laſſen 
wollten. Solche Yeußerungen erbitterten jeden fräftigen Geiſt. 
Als ein Diplomat aus Hardenbergs Umgebung bei Tafel äußerte, 
man mäffe ben Frieden ſchließen wenn die Bedingungen nur 
nit gar zu ehrlos feyen, fo erwiederte Stein im Unmuth: 
Alfo Herr von... . einen einigermaßen ehrlofen Frieden wür« 


375 


den Sie fih wohl gefallen laſſen?! Und es war allerdings 
hoͤchſt bedenklich, daß durch bie eingefeplagenen Wege der Unter- 
handlung Ein Eabinet den bedeutendſten Einfluß gewann, welches 
feinen damaligen Grunbfägen nach der Erwecung aller unbes 
rechenbaren Kräfte der Völfer, wie Rußland und Preußen fie 
mit dem Lohn des Sieges und der Erhebung ausgeführt hatten; 
durchaus feindlich enigegenftand, ein Cabinet weldes außerdem 
erft fo eben aus dem Zuftande ber Weprlofigfeit und Hingebung 
on ben Stärferen fih aufraffend jenes fräftigen Selbfigefühls 
entbehrte, und bes Nachdrucks unfähig war, ben bie großen 
Erlebniſſe und Thaten von 1812 und 1813 und der Durſt nad 
Rache für erlittene Bebrädung dem Preußifch-Ruffischen Heere, 
den beiden Fürften und den ebelften Männern ihrer Umgebung 
mittheilten. 

Wohl Hatten dieſe Recht, einem Frieden wie ihn Defterreih 
wunſchte, wie er unter Defterreihs DBermittlung unterhandelt 
warb, bie Zortfegung des Krieges unbedingt vorzuziehen. Der 
Briede den Defterreich unterhandelte, hätte vor Allem Deutſch⸗ 
land zerriffen, Frankreichs Einfluß durch Erhaltung des Rhein- 
bundes beftätigt, dabei feine Frage gründlich erlebigt und baher 
hoͤchſtens einen Waffenſtillſtand gefchaffen, deſſen Gefahr aus⸗ 
ſchließlich auf Seiten der öſtlichen Maͤchte lag, deren jeder 
Napoleon in ungeſtoͤrtem Beſitz der Kraͤfte Frankreichs, ber 
Niederlande, des Rheinbunds, Italiens, der Schweiz, wohl 
ſelbſt Spaniens weit überlegen bleiben ſollie. Solche Bebin- 
gungen annehmen hieß den ganzen Vortheil der Vereinigung 
aufgeben, welche die ſpaͤte Frucht vieljaͤhriger Irrthümer und 
Leiden, durch bie Noth des Augenblids und die Ueberzeuguug 
Alexanders und Friedrich Wilhelms beftand, auf deren Dauer 
aber bei veränderten Umftänden vielleicht fhon nad einem, 
zwei Jahren nit zu rechnen war, Und indem nun doch 
Oeſterreichs Wünfhen fo weit nachgegeben ward, daß Unter- 


376 


handlungen auf folher Grundlage angelnäpft werden follten, 
wurde die Partei der kräftigen Staatsmänner und Feldherren 
zu der heftigſten Leidenfhaft, zu einem Mißtrauen aufgeregt, 
welches dur die Geſchichte der Tegten Jahre hinlänglih ge= 
rechtfertigt war, und nicht nur Schwäche fah, fondern an Ber- 
rath glaubte. > 

Graf Metternih indeſſen auf die erhaltene Einwilligung 
Aleranders und Friedrich Wilhelms fußend, ſchlug am 22ften 
Zunius von Gitfpin aus dem Franzöfifhen Kaifer Unterhand- 
Tungen über einen Continentalfrieden vor, bei denen Oeſterreich, 
unter Vorbehalt aber zeitweiliger Zurüdftellung feines Bünd- 
niſſes mit Franfreih, fih zum Vermittler anbot. Er wieder- 
holte biefe Forderung am 28ſten Junius zu Dresden, und 
Napoleon überbot fie durch fofortige gänzlihe Aufhebung des 
Bundes und einen perfönlichen Ausfal gegen den Defterreidi« 
ſchen Dinifter, der fölher Behandlung ruhige Würde ent 
gegenfegte, und bie Einwilligung der Verbündeten wie Napo- 
Teons zur Verlängerung des Waffenſtillſtands und Eröffnung 
von Friedensunterhandlungen zu Prag erlangte. Diefe follten 
am 12ten Julius beginnen. Drei Tage vorher verabredeten 
Alexander, der König, der Kronprinz von Schweden, Blüder 
und Hardenberg zu Trachenberg in Schlefien den Plan des 
bevorftehenden Feldzuges; es ward befchloffen, daß bie ver⸗ 
fhiedenen Heere der Verbündeten fih im Lager bes Feindes 
treffen, jeder Schlacht mit vereinzelten Kräften ausweichen, und 
die Entſcheidung mit vereinigter Macht herbeiführen follten. 
Zum Prager Congreß waren von Rußland Herr v. Anftett, 
von Preugen Wilhelm v. Humboldt abgeorbnet;z fie trafen mit 
Graf Metternich als Oefterreichiſchem Vermittler noch vor dem 
beftimmten Zeitpunfte zufammen; beide hatten gemeſſene Befehle 
die ganze Würde ihrer Höfe zu wahren, unb bie JIntereſſen 


377 


Englands und ber übrigen Verbündeten aufs forgfältige zu 
beachten. Hätten fie irgend einen Glauben an Erfolg der Unter- 
handlungen mitgebracht, er wäre ſchon gleich durch das Auf- 
treten der Franzöfifhen Geſandten berichtigt worden. Denn 
Napoleon hatte dem Grafen Narbonne feine Vollmacht mit 
gegeben, und ber erſte Gefandte Caulaincourt, ohne welchen 
jener nicht handeln konnte, blieb ganz aus. Am 22ften Julius 
erließ der Bermittler eine Beſchwerde an ben Franzoſiſchen 
Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten und bemerkte, daß 
Defterreih Preußen und Rußland ihre Verpflihtungen erfüllt 
hätten. Dennod erfchien Caulaincourt erſt am Ende bes Julins 
und verbrachte bie eilende Zeit mit Streitigkeiten über bie 
Form der bevorfiehenden Verhandlungen; vergebens verfuchte 
er feinen Raifer wenigſtens zu raſcher VBerfländigung mit 
Deferreih zu befimmen’‘; es warb vollfommen Mar, daß 
Rapoleon den Frieden nicht wollte; als daher der letzte Tag 
des Waffenſtillſtandes abgelaufen war, erflärten Humboldt und 
Anfett ihre Sendung für beendet, und Defterreich, bereits in 
eifrigfer Unterhanblung über die nähen notpwendigen Ber- 
einbarungen, trat den Verbündeten bei und erließ am 12ten 
Auguft feine Kriegserflärung gegen Frankreich. 


Aus biefer Zeit der ängſtlichſten Spannung befigen wir 
eine Reihe Briefe, welche Steine Stimmung darlegen und in 
feinem durchdringenden, nur bisweilen burch verzögerte Hoffe 
nungen zu gereizten und heftigen, Urtheile über die Handlungs⸗ 
weiſe der Haupttheilnehmer, bie Geſchichte jener Begebenheiten 
entwideln. 


Stein an feine Frau. 
„Reichenbach den Alten Junius. Napoleon hat den Waffen- 
ſtillſtand verlangt, Oeſterreich ihn unterftügt, um feine Bewaff- 


378 


nungen zu beendigen und Annäherungsverfuhe zu machen, bie 
bei den hiefigen Anfichten ſicher ſehr unnutz ſind. Nah Allem 
"hoffe ih und mit Grund das Gute, und ih vertraue auf 
Gott.... — Das verbündete Heer hat ſich feit der Baugener 
Schlacht um 50,000 Mann verftärft und verflärkt ſich noch 
täglich. 

Den iSten Junius. Wir führen hier ein einförmiges 
Leben. Der Kaifer ift zu einer Zufammenfunft mit ben Großs 
färfinnen nad Opotſchna gereiftt — ich bin gewiß, dieſe Zu⸗ 
fammentunft wird wohlthätig ſeyn. Der Heine N. begleitet 
ihn; ein armer Meiner Wiſch, 500,000 Klafter unter feinem 
Poſten. — Der Waffenſtillſtand if um drei Wochen zu lang; 
er war nüglich bis auf einen gewiflen Punct, obwohl er Bulows 
und Czernitſchews Unternehmungen gelähmt hat — hier if ber 
Bericht des einen, ih ſchide Dir auch ben andern — fie er= 
feinen fo fpät, daß man glauben muß, man erröthe über feine 
Siege von Hainau, Zudau und Taucha. — Ich habe Blücher 
in feinem Hauptquartier zu Strehlen beſucht; er if gefund, 
feine Wunde faft geheilt, er fpricht von nichts als Schlachten 
und Kämpfen. 

Den 22ften Zunius. Ich danfe Dir meine liebe Freun⸗ 
din für die genaue Nachricht über Scharnhorſts Geſundheit; 
ich hoffe er wird fih von feiner Wunde und Kranfpeit er= 
holen, da feine Gegenwart außerordentlich wohlthätig ik — er 
befigt einen richtigen ruhigen verföhnlichen Geiſt, einen reinen 
und edeln Character. Sie haben ihm ein fehr großes Ber- 
trauen bes Könige und ber Ruffiihen Generale erworben, 
welches Niemand erfegen fann..... Man verfärkt fih aufs 
äußerfte, und ich hoffe man wird den Kampf aushalten felbft 
wenn Defterreih unthätiger Zufhauer bliebe; ich bin davon 
fogar überzeugt. — Du haft General Thielemanns Belannt« 
fhaft gemacht; fein Betragen iſt weber bag eines Deutfchen 


379 


noch eines feinem Here blind ergebenen Sachſen — er if 
etwas eitel und Redensarten liebend — übrigens foll er ein 
guter Offizier ſeyn. Alopäus will nah Prag gehen, aber if 
dur Anftettens Krankheit aufgehalten, defien Arbeiten er zum 
Theil übernehmen muß; bie Schultern bes guten Meinen Neffel« 
rode gaben unter dem Gewicht nad, fobald fein Ct. Chriſtoph 
ihn nicht mehr trug. — Lebe wohl meine liebe und gute 
Trenndin, forge für Deine Gefunbheit, überlaß Di nit zu 
fehr ber Beforgniß für die Zukunft; vertrauen wir der Vor⸗ 
fehung, die uns bisher noch nicht verlaffen fondern uns auf 
eine Weife befpügt hat, welche unfere bemüthige Dankbarkeit 
verdient. .... Nach denen Ereigniffen von denen wir in Ruß 
Iand Zeuge waren, dürfen wir mit Recht erwarten, daß bie 
Borfehung es befchloffen habe, dem Unmefen Napoleons ein . 
Ende zu machen. 

28ſten Junius. Die Nachrichten welche Oberftlieutenant 
Grollmann und von Prag über des armen Scharnhorft Gefund- 
heit mitbrachte, find fehr betrübend; wir mäffen Alles für ipn 
fürdien; fein Tod wäre ein fehr großes Ungläd; er befaß 
einen richtigen Verftand, einen reinen Character, eine Ausdauer, 
eine Ruhe, welche ihn in biefem Augenblid äußerſt koſtbar 
machte — Gott wolle ihn uns erhalten. Herr v. Alopäus 
wird bald nah Prag fommen feine Frau zu beſuchen; er iR 
ein Mann von Geift und fehr fähig; man hätte ihn hier beſſer 
benugen können als man gethan, was ihn verbrießt — ich be= 
dauere daß er uns verläßt. Ich habe hier Gesler wiederger 
ſehen; er iſt mehr hypochonder und ſchärfer als je.” 


Die legteren Worte erläutert eine Aeußerung Arndis?*, wel- 
Her von Stein berufen in jenen Wochen in Reichenbach lebte 
und damals in Steins Freundſchaft trat'*: „Durch Stein bin 
ih bei Bester eingeführt worden. Es war nun bei biefen 


380 


Beiden ein ganz eigenes Verhältniß, wie es fih unter Jugend 
genoffen oft macht, wo fih ein gewifler Ton und eine gewiffe 
Art oder Unart auch für die fpätern Tage fehfegt. Sie fahen 
fih in Reichenbach faft alle Tage, ja fie fonnten von einander 
nicht laſſen, aber fliegen auch faft fogleih in den Harniſch 
gegen einander, und in diefen Kämpfen war Gesler gegen den 
„Titanen Prometheus,” wie er ihn in einem der Briefe nennt, 
meiſtens im Vortheil. Er ergögte fih den Titanen zum Zorn 
zu reizen, und freuete fih der augenblidtichen Uebermacht bes 
. Wiges, und fummte dann um ihn wie bie Bremfe, die ben 
Löwen zum Brüůllen gebracht hat: er, der mehr ruhige, Hate, 
ſcharfe, der aber fonft wohl wußte, wie er fih vor dem maͤch⸗ 
tigen Ungeſtüm des Titanen zu verneigen habe,” 


Stein an Münfter, 

„Reichenbach den 29ften Junius. Euer Excellenz fehr 
vereprlihes Schreiben d: d. 6ten Juny erhalte ich fo eben, und 
ich danfe Ihnen für die gutmüthige Nachſicht womit Sie meine 
Ausbrüde von Reizbarfeit und Ungeduld behandeln, — 

Ueber die Tage der Verhandlungen mit Defterreih werden 
Ew. Excellenz auf anderen befannten Wegen die vollfändigfe 
Nachricht erhalten — das Materielle zum Krieg iR da, ‚der 
Geift in der Armee und Nation vortreffli, nad ber Meinung 
aller an biefen Angelegenheiten Theil nehmenden Perfonen die 
Gefinnungen Metternichs Vertrauen verbienend, das Haupt- 
hinderniß die Kurzſichtigkeit und der Eigenſinn des Kaiſers der 
ſich an einige elende Umgebungen anlehnt. Iſt dieſes der Fall, 
fo müffen wir erwarten, daß er ben Einleitungen eines Hugen 
Minifters, dem lauten Wunſch des Volks und der Armee am 
Ende nicht widerſtehen lann, daß er zulegt eine Partey ergreifen 
wird zu ber ihn fein Haß gegen Frankreich und den Schwieger- 
fopn Hinzieht, und daß der Uebermuth und die Brutalität bes 


381 


Letztern ſolche Situation herbepführen wird bie feinen Entſchluß 
befleunigen. Ein folder erbitternder Vorgang if bie höhft 
treulofe Behandlung zweyer Escadrons des Lutzowſchen Frey⸗ 
corps, wovon Ihnen bie gefanbifhaftlihen Berichte die näheren 
Nachrichten geben werben. 

Der ſchleunige Abgang des Couriers Täßt mir nur eine 
Halbe Stunde zum Schreiben meines Briefes — fonft würde 
ich mic) gegen den Verdacht rechtfertigen, daß ih Ew. Excellenz 
Werth nicht zu ſchaͤtzen wiffe — ich behalte mir es vor. 

Die Ernennung bes Charles Etewart ift fehr wohlthätig, 
er if ein verfländiger mohlgefinnter den Gang der Gefchäfte 
beförbernder Dann, der ihnen einen Anftoß gegeben ohne beffen 
noch nichts geſchehen wäre, es hätte übrigens früher ſicherer 
und zeitiger geſchehen fönnen, und daß es unterlaffen, von Zus 
faͤlligkeiten abhängig gemacht worden, bleibt immer tadelns⸗ 
werth. 

Die Convention wegen der Deutfchen Legion wird morgen | 
unterzeichnet, 

Der Berluft von Hamburg ift ewig zu beffagen, und ber 
Kronprinz kann fi nie rechtfertigen vor feinen Augen mit einer 
bisponiblen Macht von wenigſtens 34— 35000 Mann nichts 
zur Vertheidigung von diefem in aller Hinficht fo wichtigen 
Punkt gethan zu haben. — Warum hat er es, aufgegeben? 
das laͤßt fi felbft nicht einmal vermuthen und errathen. — 
Militaͤriſche Gründe find feine vorhanden, wollte er vielleicht 
den Bruch mit Dänemark herbepführen® feine Hanblungsweife 
bat ben Verdacht ber Treulofigfeit gegen ihn befonders in 
-Defterreih beſtaͤrkt, die Borwände zum Zaubern vermehrt, — 
Er if jetzt ſehr geſchmeidig, weil er den Frieden fürchtet, er 
verfpriht alles, er fchlägt eine Zufammenfunft vor. — Man 
wirft England vor, ihn durch zu große Nachgiebigkeit zu ver- 
bätfhelnz er if ein Franzoſe und muß mit Ernſt behandelt 


: 382 


werben; Pozzo fo an ihn abgeſchidt iR, hält ihn für einen 
charactere disparate et impur, ein Gemiſche von Gasconier, 
Jacobiner, Soldaten, Prinzen, Chevalier ꝛc. — hunc tu Ro- 
wmane cavelo. 

IH muß fließen, behalte mir aber die Beantwortung 
des Schreibens Ew. Excellenz noch bevor und erſuche Sie mir 
Ihre Freundfchaft zu erhalten, und von meiner unwandelbaren 
Hochachtung und Anhänglichfeit überzeugt zu feyn. 

Stein. 
P. 8. 

Ew. Excellenz ſagen susviter in modo mit den Deutſchen 
Fürſten! Was ſagen Sie denn zu dem Betragen dieſer Elenden 
— hierbey hide ih Ihnen einen Auffag über das des Könige 
von Sachſen, dem Napoleon jede Kränfung und Demüthigung 
wieberfahren läßt — weil er ihn doch für einen heimlichen 
Berräther feiner Sache hält; fo zwingt er ihn z. B. der Aufe 
führung unzüuchtiger Schaufpiele der Vifitandines beyzuwohnen 
und mitzulahen — dann läßt der arme Tropf den Abend noch 
den Beichtvater fommen um fih zu entfündigen. Und dennoch 
hält er Napoleon für einen Mann von Gott gefandt. 

Diefe Meinen Tyrannen freuen fi ihrer Souverainetät, 
des Genuffes des Geraubten, und find gleihgäftig gegen das 
Leiden und die Schande des Vaterlandes.“ 


An Frau v. Stein. 

Reichenbach den 30ſten Junius. Ich habe wegen Graf 
Kollowrath mit dem Staatscanzler Hardenberg geſprochen und 
ſchreibe an den Oberpräfident Merdel, und wunſche daß es 
ihm müge; aber er weiß was es heißt mit feinen Gütern in- 
mitten bed Kriegsfhauplages zu liegen. 

Die öffentlihe Stimmung erhält ſich bewundernswerth, 
die Bewaffnungen fhreiten mit fehr großem Nachdruck vor. 


383 


Radziwill ſchreibt mir unterm 2iflen aus Berlin: „Kurz nad 
der Kunde vom Waffenfiliftande hier angelangt, konnte ih von 
deren Wirkung auf alle Gemüther urtheilen. Ich vermag 
Ihnen nicht die Niedergeſchlagenheit und die Trauer zu malen 
welche auf allen Gefihtern Ing. Krieger, Kaufleute, Bürger, 
Frauen ſelbſt, alles war empört bei dem Gebanfen an einen 
nahen Frieben, der nit die Freiheit Deutſchlands zur Folge 
hätte; fo wahr if es, daß nichts fo fehr zu großen Opfern 
vorbereitet, als die Opfer welche man gebracht hat.” 

Muth und Ausdauer und Vertrauen anf Gott ift ber 
Spruch ben ber Kaifer auf feinem Ringe trägt, ihn follten alle 
wohldenfenden Menſchen annehmen. 

5ten Julius. Scharnhorſts Tod betrübt mich tief; er if 
unerfeglih. — Wenn man fi in Abentheuer werfen, fi auf 
gut Gluck den Ereigniffen anvertrauen will, fo muß man Ent- 
ſchiedenheit und Begeifterung haben; jene ift das Gegentheil 
von Unentfeploffenheit; bie zweite entfchädigt durch die Ueber⸗ 
zeugung feine Pflicht gethan zu haben für das Fehlfchlagen 
unferer Entwürfe. — — Ich fehe fo wohl als andere die 
Mängel unferer Rüftung und die Schwäche bderfenigen welche 
leiten und Einfluß üben, aber ich fehe fo viel Ereigniffe ein- 
treten durch Urfachen deren man ſich nicht verfah, alle diefe 
ſchwachen Menſchen fo oft zu Schritten gedrängt welche ihren 
Begriffen und Abfichten vollfommen entgegenflehen ; ich fehe im 
Allgemeinen in Bonapartes Angelegenheiten eine rüdgängige 
Bewegung, fo daß ich mid nicht mit den Laͤrmſchlagern ver⸗ 
einigen fann. Die Entmuthigung fließt im Allgemeinen ent 
weber aus Zaghaftigfeit oder träger Weichlichkeit; bie erfle 
fürchtet die Gefahr, die zweite die Arbeit und die Opfer melde 
ein ausbauernder Kampf erheiſcht; und id hoffe fiher mid 
ihnen nie hinzugeben. Wir Ieben in einem Augenblid großer 
Entſcheidung. Der enge Geſichtskreis Franz II und feines 


384 


Minifters, wenigftend des Erfieren, halten die Bewegung auf 
welde Kaifer Aleranders großmüthige Anfichten den Angelegen- 
beiten geben würben wenn Franz fie zuließe. 

Alopaͤus wird zu euch fommen, verlegt, mißvergnügt, fo 
weit ein fehr hodhmüthiger aufgeblafener Menfch es feyn kann 
— er hat Recht fih über Vernahläffigung zu beflagen; er 
wird mit mir zufrieden fepn, da ich ihm mehrere Dienſte er- 
wiefen habe. Er if übrigens ein geiſtreicher fehr fähiger Mann, 
aber der Herr Dimande des Luſtſpiels. 

Ich geftehe Dir, daß bei mir Menfhen-Efel und Tinten- 
ſcheue täglich zunehmen. 

Im Begriff den Brief zu fließen erhalte ih durch Herrn 
v. Röder den Deinigen vom 2ten Julius. Die Einzelheiten 
über Scharnhorſts Tod, die er enthält find fehr beirübend; ich 
habe in ihm einen aufridhtigen Freund verloren, der fehr an 
mir hing. Niebuhr giebt nun feine Reife nach Prag auf.” 


Niebuhrs Verhaͤltniß zu Stein blieb in biefer Zeit fehr 
gefpannt, in Folge beiberfeitiger Verſtimmung über ben Gang 
ber Begebenheiten, und heftiger Reizbarkeit, welche bei Stein 
durch das Pobagra, bei Niebuhr durch die Kraͤnklichkeit feiner 
ihn begleitenden Frau erhöht wurde, und Arndt erwähnt, daß 
es Shöns — vielleicht Rehdigers? — Vermittlung bedurft 
babe, um eine Verfändigung herbeizuführen. Niebuhr ſpricht 
fih darüber in einem Franzoͤſiſchen Briefe an ihre gemeinfcaft- 
liche Freundin die Prinzeffin Louiſe Radziwill aus, welder eine 
große politiſche Verſtimmung beurfundet, und aus bem wir 
einige bezeichnende Stellen .ausheben: 


Niebuhr an die Prinzeffin Louiſe. 
„Reichenbach den 12ten Julius. Eure Königliche Hoheit 
wird beffer als ich bie betrübte Lage unferes Vaterlandes 


385 


tennen; unwillig, betrogen, und bahingegeben wie es ſcheint 
durch flache Setbffüchtige, die im Grund ihrer Seele ohne 
Zweifel ſtets über die Zeichen der Begeifterung und ber Helden- 
tugenden unferes Volkes gefpottet haben, und vielleicht damit 
enden ihm baraus ein Verbrechen zu machen, und barin einen 
Staatsgrund finden, ein Volk zu opfern und zu vernichten, 
welches nicht wie unbeweglihe Sklaven fühlt bis auf den 
Augenblid wo das Cabinet fie gegen den Feind feiner augen- 
blidllichen Vortheile Tosläßt. Wir waren fehr Teihigläubig, fo 
weit wir auf Menſchen gezählt; indeffen wer fönnte die Wünfche 
bereuen bie er gehegt und melde ber Regierung als Rath 
dienen mogten, wenn man ihr dergleichen geben könnte. Es 
iſt möglich, daß unfer Bolf- noch viel unglücklicher werde als 
es vor dem Kriege war; aber nie hat ein Volk mehr verdient 
und mehr gethan um feine Freiheit und fein ®lüd wieder zu 
erringen. Dan muß fühlen, daß die Mittel zum Siege in 
unferm Bufen felbft die möglichen Einbildungen der Enthufiaften 
noch übertrafen; und daß wenn wir untergehen, der Triumph 
durch unfere Mittel allein gefichert war, wenn man verſtanden 
hätte fie zu leiten, und vielleicht hätte es hingereicht fie von 
den Menfhen loszumachen, denen man fie aus Zutrauen und 
Gefälligfeit untergeben hatte. 

Diefe tiefe Traurigfeit welche aus dem Anblick unfers 
Ungluds entfpringt, follte niemand mehr fühlen als Stein; er 
feint fi ihrer zu erwehren, indem er fi Ausfällen der Laune 
und Leidenſchaft gegen diejenigen überläßt, bie davon leiden 
wie er davon leiden follte. Im Grunde befteht nicht mehr ein 
Schatten der alten Verbindungen die mid an ihn Mnüpftenz 
feine fortgefegte Unterredung; man, muß bie Gegenflände ver- 
meiden bie am meiften verdienten ung zu befchäftigen, will man 
ſich nicht Angriffe zuziehen die, ſtets abgefehmadt, unerträglich für 
jeden wären, der ihn nicht ehedem geliebt Hätte. Was mich mit 

Stein's Reben. II. 2ie Aufl. 25 


386 


ihm in Berlegenheit fegt if gerabe, daß wenn ich es auf einen 
Bruch anfommen ließe, ih viel weniger befangen wäre. Es 
reiht hin daß man eine Bemerkung macht um ihn zum Wider- 
foruc zu bringen, und er thut es ſtets auf die unpaſſendſte Weiſe 
wie wenn man Dummheiten fagte. Nie würde ich ehemals 
geglaubt haben, daß bie Zeit lommen könnte wo ich mich freuen 
würbe ihn bei meiner Ankunft nicht zu Haufe zu finden. Den- 
noch bewahre ich für ihn genug übrige Zärtlichkeit, um jedes» 
mal gerührt zu werden, daß ih ihn ruhig und für eine Unter 
redung empfänglich finde die fi auch fo wenig ber guten alten 
Zeit nähert, und ich werde ihn bis zum Ende ertragen, weil 
er im Grunde bed Herzens Schläge des Schidfald trägt die 
ex feinem eignen Anblid entzieht;. und gerabe biefe Zerriffen- 
heit feines Wefens macht ihn unerträglih. Uebrigens hat er 
feine Meinungen über viele Menſchen und Sachen fehr geändert; 
zu Dresben fhrieb er mir ein hoͤchſt beleidigendes Billet weil 
ich die Rechtlichteun eines Individuums in Zweifel zu ziehen 
wagte, von bem er jet mit ber größten Verachtung ſpricht. — 
Meder Alles diefes würde ih Eurer K. H. nichts gefchrieben 
haben, hätte diefer Brief der Poſt anvertraut werben mäffen, 
welche äußerft verdaͤchtig iſt Denn bei dem Minifer der und 
den Folgen feiner Unfäpigfeit und Iubolenz und den Verbrechen 
der Efenden mit denen er fich umgiebt, überläßt, if die Ueber- 
wachung der Perfonen die überführt find ihn zu verachten, der 
einzige Geſchaͤftszweig ber mit Eifer betrieben wird.” 


Leider ward das BVerhältniß auch nad dem Wiederaus- 
bruch des Krieges nur ſchlimmer und ſchlimmer; und im October 
ſchrieb Niebuhr der Prinzeffin aus Prag, wo er Tängere Zeit 
franf gelegen hatte: „Weber Stein behalte ih mir mündliche 
Auskunft vor; denn ich ſchmeichle mir bald diefen traurigen 
und nuglofen Aufentpalt zu endigen und nad Berlin zurüdzur 


387 


fehren. Wir fehen uns nicht mehr; dies war das fanftefte 
Mittel, um ein Berhältniß aufzulöfen, welches er unerträglich 
zu machen gemußt hatte,“ Erſt fieben Jahre fpäter in Rom 
werben wir beibe jegt durch ſchweres Mißverfländnig getrennte 
edle Männer eine Freundſchaft ernenern fehen, die bei ihrem 
Character, Geiſt und politischer Richtung fo naturlich, und Bei- 
der letzte Lebensjahre zu fchmüden beftimmt war. 

Bon diefer Reizbarkeit, an deren Neuerungen au Arndt 
gelitten zu haben erzählt, tragen Steins Briefe an die Seinigen 
feine Spur. Nach der Rückehr von einem Heinen Ausfluge 
nad Oberſchleſien fehreibt er: 


An Frau vom Stein. 

„Reichenbach den 16ten Jullus. Bon meinem Ausfluge 
babe ich bie beiliegenden Medaillen mitgebracht, die ich bitte 
Henriette an ihrem Geburtstage zu geben und fle in meinem 
Namen zu bitten, fie in ihrem Zimmer aufzuhängen — ic 
werde auch für Thereſe einige ſchiden. Henriettens Brief 
werde ich beforgen, bie Kinder des Königs ſind zu Landed, 
wo Frau von ©. gleichfalls fi befinden wird. — — Pozzo 
iR von Stralfund zurüdgefehrt; er hat viel Geift und Kennt- 
niffe, feine Gegenwart wird die niedergeſchlagenen Gemüther 
wieder etwas flählen. Du finder Dich jegt im Mittelpunft der 
Geſchaͤfte; ih glaube Du wirſt deshalb nicht beſſer unterrichtet 
ſeyn“ (Witpelm Humboldt brachte jeden Abend im Steinſchen 
Haufe in Prag zu); „ih hoffe daß Du niemand yon biefer 
Franzoͤſiſchen Gefandtfhaft begegnen und dag Du fie durchaus 
vermeiden wirft. Hiebei eine Elegie auf des braven Scharn- 
horſt Tod und ein Meines Werk über Fürflenerziehung von 
Arndt, beide voll fchöner und großer Gebanfen — vertheile fie 
an Deine Befannte. 

. 25*+ 


388 


Auf Sharnhorf’s Tod. 

Wen erleft ihr für die großen Tobten, 
Die ein ritterlich fürs teutfhe Land 
Ihre Bruf dem Eifen boten? 

Wen erleft ipr als den rechten Boten, 
Götter, zu dem Schattenftrand? 

Wer ift würdig, folhe Mähr zu bringen: 
„Aufgeftanden find bie Söhne Teuts, 
„Millionen Stimmen fingen: 

„Unfre Schandefeiten follen fpringen, 
„Auch der Donner klingts des Streits." 

Wer mag Hermann feine Rechte reihen? 
Und der Väter Angefichter ſchaun? 
Wahrli feine von den bleichen 
Seelen, die vor jedem Sturmwind freien; 
Die zermalmte ſchier das Grau'n. 


Nur ein Held mag Helden Botſchaft tragen: 
Darum muß Germaniens beſter Mann, 
Scharnhorſt muß bie Botſchaft tragen: 
„Unfer Joch das wollen wir zerſchlagen, 
„Und der Rache Tag bricht an.“ 

Heil dir, edler Bote! hohe Weihe 
Giebt dein Gang dem teutfhen. Waffenfpiel; 
Jeder wird ein Held in Treue, 

Jeder wird fürs Vaterland ein Leue, 
Wann ein folher blutig fiel. 

Heil dir, edler Bote, Männerfpiegel! 

Biedermann aus alter teutfcher Zeit! 

Ewig grünt dein Grabeshügel, 

Und der Ruhm fhlägt feine golbnen Flügel 
Um ipn bis in Ewigkeit. 


389 


Und er ſteht ung wie ein heil’ges Zeichen, 
* Wie ein hohes, feſtes @ötterpfand, 
Daß die Schande wird entweichen 
Bon dem Baterland der grünen Eichen, 
Bon dem teutfchen Baterland. 


Wann einft fromme Herzen teutſch ſich finden, 
Ohne Eide mit dem Hänbedrud 
Werden hier fie Treue binden: 
Bräuten, welche Hochzeitkraͤnze winden, 
Bluͤhet hier der Eprenfhmud. 

Wann fi Männer nähtlih ſtill verſchwoͤren 
Gegen Lug und Vaterlandsverrath, 
Gegen Gaufler, die bethören, 
Gegen Memmen, welche Knechtſchaft ehren, 
Lenken ſie hieher den Pfad. 

Will der Vater ſeinen Sohn bewehren, 
Hieher führt er ihn im Abendſchein, 
Heißt ihn fnieen, Heißt ihn ſchwoͤren, 
Treu des Baterlandes hohen Ehren, 
Treu bis in den Tod zu ſeyn. 

So blüht Tugend aus der Tugend Saamen 
Herrlich durch die Säfeln ohne Ziel, 
Buben zittern bei dem Namen, 
Edle rufen Scharnporft wie ein Amen 
Für das göttlichfte Gefühl. 


Stein an Münfer. 
„Reichenbach den 17ten Julius 1813, Ich vernehme fo 
eben, daß in wenigen Stunden ein Eourier abgeht, und benuge 
diefes, um Eurer Excellenz zu ſchreiben. 


390 


Seit meinem letzten Brief find mehrere Ereigniffe eingetreten, 
wodurch die allgemeine Lage der Dinge verſchlimmert worden if; 
der Berluft der Schlacht von Baugen, der Rüdzug, der Waffen- 
ſtillſtand, deſſen Verlängerung, ber Anfang von Unterhand- 
Tungen, das Schwanken des Defterreichifhen Eabinets. — Auf 
der andern Seite aber haben ſich die Ruffifchen und Preußiſchen 
Streitfräfte auf das höchſte entwidelt, der Öffentliche Geift hat 
ſich bewährt, und die Deſterreichiſchen Bewaffnungen eine große 
Ausdehnung erhalten, fo daß man mit Recht behauptet, nie 
baben ſich auf einem ſolchen verengten Kriegstheater eine ſolche 
Maſſe von Streitkräften von einem folhen Geiſt befeelt auf- 
geftellt gefunden, Die Stärfe der Preußifhen Armee ift nad 
der Behauptung Gneifenau’s 240,000 Mann; die Armee bes 
Kronprinzen beträgt, ausſchließlich das Preußifhe Corps fo 
dabei befindfic if, 60,000 Dann, nämlich 25,000 Schweden, 
25,000 Ruffen und 10,000 Deutihe Truppen, die Armee von 
Barclay de Tolly 110,000, die Referve von Bennigfen und Tolſtoy 
80,000, alfo 490,000; bie übertriebenfien Berechnungen legen 
Napoleon von Italien bis an die Oder nur 360,000 Mann 
bey, von denen er in jebem Fall ein bedeutendes Corps gegen 

die Oeſterreicher fliehen muß laſſen. 

Es iſt alſo eine große Maſſe von Gtreitfräften vorhanden — 
und alles kommt auf ben Gebrauch an, fo davon gemacht wird. 

Der Wunſch den Krieg fortzufegen herrſcht fortdanernd in 
Preußen, in Defterreih fowopl im Volk als in der Armee, in 
Rußland im Volk, in der Ruſſiſchen Armee weniger, fie faun 
und muß aber au gefchont und die große Laſt des Krieges 
auf Deutfpland gelegt werden. Der Kaifer Alerander flieht die 
Nothwendigfeit der Fortfegung bes Krieges ein, er hat Sinn 
für das Große der Unternehmung und des Zweds; bie Men- 
ſchen, die in politifcper und militairiſcher Beziehung ihn um- 
geben, find aber nicht geeignet zum färfen, ftählen, erleuchten. 


39 


Reſſelrode iR ein gutmüthiger Ierrer Schwädling, ber immer 
eines Anlehnungspunftes bebarf, Anſtetten, und jegt wo er ab» 
wefend ift, Pozzo dazu braucht, beides find Männer von Geiſt 
und Käpigfeit. Der letztere ſteht weit über den erſtern in feber 
Hinſicht; Sie fennen beyde — Anftetten hat mehr einen feinen 
als richtigen Verſtand, mehr Berebtfamfeit und Leichtigkeit des 
Ausdrudes ald Grundlichkeit — mehr Praxis als Wiſſenſchaft — 
er iſt übrigens Fräftig und hat viel Ehrgeiz. 

Barclay iſt tapfer, rechtlich, Friegserfahren, aber beſchraͤnkt 
und wenig unternehmend, daher mehr zum Frieden geneigt; er 
hat einen geſchidten, brauchbaren Dann von fi entfernt, ben 
General Toll — da Barclay aber Drbnung und Methode be- 
figt, fo if er Wittgenftein weit vorzuziehen, dem biefe Eigen- 
haften ganz fehlten. — Vielleicht wäre der befie Weg, um 
feinen Mnvollfommenpeiten abzuhelfen, wein man ihm einen 
tädıtigen Generalſtaab beiorbnete, der aus Wollonsky, Toll, 
und dem Preußiſchen Oberſtlieutenant Grolman beftände, 

- Sharnperfis Tod if ein großes Unglüd; ein richtiger 
Berkand, eine Ruhe, eine gründliche Wiſſenſchaft, eine auf⸗ 
opfernde, ſich ſelbſt verleugnende Hingebung für das Gute, 
waren bie herrlichen Eigenſchaften, bie feinen vortrefflichen 
Characier bildeten, bie ihm eine wohlthätige weit um fi greis 
fende Würkfamfeit verfchafften. Ich überfende Euer Excellenz 
ein Gedicht, das ich bitte unter die in England wohnende 
Deuiſche austheilen zu laſſen. — 

Des Staatscanzler Hardenbergs Benehmen ift fehr brav 
in Beziehung auf die auswärtigen Verhaͤltuiſſe, defto fhwäder 
und verworrener iſt feine Leitung ber Innern Angelegenheiten, 

Zu fpät hat fih der gute Neffelrode Aberzeugt, daß 
Metternich flach unmoraliſch und doppelfinnig ſey; er handelt 
entweder als ein Berräther, oder was wahrfheinliher ik er 
befigt nicht die Kraft und den auf perfönliches Anfehen gegrün« 


392 
deten Einflug um feinem Kaifer zu Ienfen und zu beherrſchen. — 
Die Tpeilnahme Defterreihe am Kriege ift immer noch ſchwan⸗ 
tend, ungewiß, und alle Negoziationen feit dem November 
haben noch fein befimmtes Refultat herbepgeführt, und feine 
Politik bietet denen Rathſchlaͤgen des Menſchenverſtandes Hohn. 
Auf Metternich if die Aeußerung des Mephiſtopheles im Doc⸗ 
tor Fauſt anwendbar: 
Ein Kerl ber finaffirt, 

IR wie ein Thier auf bürrer Heide 

Bon einem böfen Geif im Kreis herumgeführt, 

Und. ringsumper Tiegt fhöne grüne Weide. — 

Defterreich giebt feinen Bewaffnungen eine große Ausbeh- 
nung, aber ſelbſt ohne feinen Beiftand ift ein Krieg, der nur 
mittelmäßige Refultate giebt, beſſer als ein verderblicher Frieden. 

Wird England an den Unterhandlungen Theil nehmen ?. 
Möge es nur einen geiftvollen Eräftigen in dipfomatifchen Ge— 
ſchaͤften geübten Dann wählen, da Lord Cathcart, ih wieder- 
hole es Eurer Ercellenz mit inniger Ueberzeugung aus dem 
reinften Pflichtgefühl für die gute Sade, zu Gefhäften unfähig 
iſt. — Die Anwefenheit von Sir Charles Stuart war zur Be— 
förderung der Angelegenheiten von dem größten Nugen. 

Euer Ercellenz fragen mich, ob Ihre Anwefenheit auf dem 
feften Lande von Nugen feyn wird — ich glanbe auf jeden 
Ball vom größten. — Der Geift der Bewohner Deutſchlands 
hat fi feit 1805 fo umgewandelt, daß man faft in einem un⸗ 
befannten Lande fih zu finden glaubt; dieſen geſtählten frifch 
aufgeregten Geift würden Sie fennen Iernen, und zwednäßig 
leiten. — Kömmt es zu Unterhanblungen, fo würde durch Ihre 
Anweſenheit, durch Ihr Eingreifen die Parthey der Deutihen 
Baterlandsfreunde mächtig geflärkt und gehoben werden. — 
Alfo kann ich nicht anders als Ihre Ankunft für nüglih und 
wünfchenswerth halten.” 


393 


Stein an Gieifenau. 

„Reichenbach den 19tem Zuly. Euer Hochwohlgeboren 
fhägbares Schreiben d. d. Alten July fand ich bei meiner 
Zurädfunft von einer Reife nah Oberfihlefien, fie ging durch 
tie Eantonnemenis der Preußiſchen Truppen über Neiffe Eofel 
nad Gleiwig und zurüd; hätte ih Ihre Gegenwart in Neiſſe 
vermuthen Fönnen, fo hätte ich fie zu einem Befuch benugt. 

Die Anfirengungen Preußens find groß und ruhmwürdig, 

. mögen biefe Kraftäußerungen nur zwedmäßig und beharrlich 
angewandt werben, Nie war feit 1792 eine ſolche Maſſe von 
Streitkräften, auf einem nahen Kriegstheater zufammengeftellt, 
von einem folhen Geift belebt, vereinigt, — id rechne bie 
Ruſſiſchen und Preußiſchen Streitkräfte auf 400,000 Mann, 
nämlich 
Preußen... nee. 240,000 
Heer von Barclay Toy . .» +» 0.0. 100,000 
Heer des Kronpringen ausſchließlich der Preußen . 60,000 
Heer von Bennigfen und Tolfloy . . +. . ._100000 

500,000 
siehe ich nun hievon 100,000 Mann für Rechnungs-⸗Irrthümer 
und Garnifonen ab, fo bleiben 400,000 M. übrig zum Kampf 
im Selbe. — 

Und an ber Spige eines fo zahlreichen und fo begeifterten 
Heeres ſchließt man verderbliche Waffenftiliftände, laͤßt ſich von 
einem eitlen, pfiffigen, Teichtfinnigen, flachen Mett..... dazu 
und zu Unterhandlungen verleiten, bie entweber unnüg find, 
oder einen ſchaͤndlichen und verberblihen Frieden zur Folge 
haben? Diefem ſich zu widerfegen und Taut die Schwachlöpfe 
oder Schieflöpfe die bazu rathen anzugreifen, iR bie Pflicht jedes 
braven Mannes. — 


394 


Das Betragen des Eisarkcanziers Hardeubrrgs if (jo 
weis ich es fenne) Iebenswerig, nur mäffen fih ale feine 
Zreunde um ihn vereinigen um ihn zu härien und zu ſtählen. 

Bon Jyrem Brief habe id einen zwedmäßigen Gebrauch 
gemadt — und er hat gewärft. 

Ich werbe Ihnen einige taufend Eremplare des Arudeſchen 
Gedichts auf Scharahorſis Tod ſchiden, um fie ju verteilen, 
in gleicher Abſicht auch einige taufend Ercmplare des Arudiſchen 
Catechismus für chriſtliche Soldaten. 

Beſuchen und Ew. Hochwohlgeboren nicht balde r 

Ein großer Theil der Oberſchleſiſchen Landwehr, fo aus Po⸗ 
len beſteht, iR von einem ſchlechten Geiſt befeelt; wie läßt fich die- 
fer bei einem fo verunebelten Voll wieber heben unb fpaunen?" 


An Frau v. Stein. 

„Reichenbach den 19ten Juli. H. darf der Frau von 
Elaufewig alle Hefte der Revolutionsgefhihte ohne Ausnahme 
mittheilen, denn fie verdient das vollfommenfle Bertrauen. — 
Ich Hin fehr beträbt dag T. noch immer heftig und Iaunenhaft 
bleibt; man barf den Muth nicht verlieren und fi befonders 
bemüben ihr fromme @efinnungen einzuflößen. — Der glän- 
zende Sieg Wellington’s erfüllt uns mit Freude; wir haben hier 
einen Courier aus London vom 3ten July, der mir einen Brief 
Manſters bringt, wonach Joſeph und Jourdan gefchlagen find, 
und ihre Heere ganz vernichtet, 10,000 Gefangene, 152 Ra- 
nonen, 500 Bagagewagen genommen find. Es lebe ber Mar- 
quis v. Wellington! Id bitte Dip zu faufen Aug. With. 
Schlegel über dramatiſche Kunſt und Litteratur, Wien 1809; 
gieb es Henriette zu Tefen, um ihren Geſchmad für dramatifche 
Litteratur zu leiten. 

30fen July. Wir athmen hier wieder auf und wir 
hoffen, daß man neue Anftrengungen machen wird um einen 


395 


feſten und ehrenvollen Frieden zu erlangen — ich glaube nicht 
an die Mäßigung Napoleons, und feine Wuth wird ihn zu 
irgend eiger übereilten und ihm verberblihen Maaßregel hin⸗ 
treiben. Wenn der Krieg fih nach Böhmen verbreitete, was 
wurdeſt Du thun? Ich denke, ihr müßte nad) Mähren oder 
Troppau ober in bie Grafſchaft Glatz auf Frau v. Herberſteins 
Gut Graffenroth; denfe an alles diefes, und bereitet euch auf 
iebes Ereigniß vor... Wir haben hier ben Oberſt Latour, 
vom Feldmarfhall Für Schwarzenberg geſaudt. 

Iten Auguf, Wir vegetiren bier noch in Erwartung ber 
Ereigniſſe; unfere Nachrichten von dort find gut, und wir hoffen 
daß ſich Alles bald ſchließlich und nach unfern Wunſchen ent- 
ſcheiden werde. Prinz Auguft von Dibenburg erzählt mir Ein- 
seines von Prag, Caulaincourts Gepränge, Narbonne's veral- 
teter Liebenswurdigleit, dem gezierten ſchoͤnthueriſchen Wefen der 
Prinzeffin Paul Efterhazy. ... Die Defterreiher hier find we- 
niger fpröbe gegen mich als die in Prag gegen euch; ich fehe 
Stabion und feine Umgebungen viel.‘ 


Stein an Gneifenau. 

„sten Auguf. Es ift mir leid Em. ıc. verfehlt zu haben; 
ich war ben Aften nicht aus der Stadt, abgerechnet einen Ver⸗ 
ſuch den ih machte in Peylau ben Herrn Staatscanzler aufs 
zufinden. Schicken mir Ew. ıc. nur Ihre Denlſchrift, ih werde 
fie beforgen. — Vom Mitgetheilten habe ih ben uöthigen Ge- 
brauch gemacht. 

Meine Abſicht iſt, morgen nad) Glatz zu gehen und über- 
morgen wieder zuruck — ich werbe Sie in Franlkenſtein aufe 
ſuchen. Der Ihrige 

Stein. 

Belbmarfpalltieutenant Vacquant iR geſtern Abend ange- 

kommen.” 


396 


Es wurden aljo die Bereinigung ber Heere mit den Oeſter⸗ 
reihern und bie gemeinfamen Kriegöunternehmungen weiter 
vorbereitet. * 


An Frau v. Stein. 

„sten Auguſt. Ein Ausflug in Geſchaͤften gegen Glatz 
hat mich veranlaßt einen fehr fchönen Waſſerfall in der Gegend, 
den Wellfelsfall zu fehen; er ift an der Böhmifhen Gränze 
zwiſchen Habelſchwerdt und Mittenwalde, von mehr als 100 Fuß 
Höhe. Ich fende Dir 21 Epryfoprafe, zwei Ehalcedone und 
einen Topas, zum Neujahrsgeſchenk für Henriette und Tperefe. . - 
Wir find am Vorabend großer Ereigniffe — und wir hoffen 
guter — ich glaube ihr werbet dort ruhig bleiben, bereitet euch 
jedoch auf alle Wechſelfaͤlle. — Da die Gefahr doc fehr möge 
lich, fo iſt es rathſam fih auf einen Rüdzug vorzubereiten in⸗ 
dem man ben Punct feffegt wohin man gehen Tann. .. . 
Frage deshalb Anftetten und Humboldt, und urtheile ſelbſt; 
Du haft in diefer Hinficht Teider fo viele Erfahrung, daß Du 
ein Recht haft, Deine eigene Meinung mit in Rechnung zu 
bringen. .. Die gute H. hat mir einen fehr rüprenden Brief 
geſchrieben; ich antworte ihr einige Worte; mögte T. eben fo 
viel Sanftmuth und Wohlwollen haben.” 


Stein an Münfter. 

„Reichenbach den 7ten Auguft 1813. Ich habe von Ew. 
Excellenz feit dem Iten Julius fein Schreiben zu erhalten die 
Ehre gehabt, Ihnen werben unterdeffen verfhiebene der Meinigen 
zugekommen feyn. 

Die Annäherung von Defterrei iſt volllommener gegen- 
waͤrtig ald zu irgend einer vorhergegangenen Periode, und man 
kann einer vortheilhaften Entfheidung in wenigen Tagen ent- 
gegenfehen. Seine Zubereitungen find groß, die Verbindung 


397 


mit dem biefigen Hauptquartier genau, bie Berabrebungen we⸗ 
gen militairiſcher Operationen in vollem Gang, die militairi— 
ſchen Unterhändler hier; aber noch immer habe ih Mißtrauen, 
bie ich fehe daß ein entſcheidender Schlag gefchehen fey, und 
daß die Sache denen Händen ber Menfchen entgangen, und ber 
Entſcheidung des Schickſals anheimgeſtellt ift. 

Pozzo iſt hier ſehr nuͤtzlich, er befigt Geiſt, Muth, Beredt- 
ſamkeit, er hat dabey die Gewandtheit die noͤthig iſt um mit 
einem Schwaͤchling auszulommen, und bie Gutmüthigfeit um 
diefen nicht verdrängen zu wollen; ba biefer aber immer nad 
feiner Dienſtſtellung den unmittelbaren Zutritt zum Kaifer hat, 
und auf feine Privat- und Familien- Verbindungen Rüdficht 
nehmen, und fie berechnend, handeln muß, fo iR die Thätigfeit 
Pozzo's ſehr begränzt, und man fann ihn nicht für das Gute 
fo nicht gefchieht verantwortlich machen. 

Hiezu fommt die Nullität des Botſchafters, der auch nicht 
eine Eigenſchaft befigt wodurch man Achtung und Einfluß er= 
zwingt, oder auf milderem Weg erwirbt, die Abweſenheit 
Stewarts in biefem Augenblid der Entſcheidung, alles dieſes 
mwürft nachtheilig, ober verhindert daß England nicht fo ein- 
greift, wie ed nad feiner politiihen Lage eingreifen könnte 
und ſollte. 

Der Kronprinz von Schweden ſteht nun an ber Spige 
eines zahlreichen fhönen Heeres, möge er es fräftig und zum 
Frommen der guten Sache anwenden; erwünſcht ift es, daß 
Pozzo und Stewart ihn begleiten werden, daß er gänzlich von 
denen Bundesgenoffen abhängt in Hinfiht auf Geld und Macht 
und Schiffe, 

Man follte Holftein der Däniſchen Herrfchaft entziehen, 
und ed Hannover geben, Holftein ift der Dänifchen Regierung 
müde und wünfcht einen Deutfchen Regenten — und bie Dänen 
gehören nicht auf das bieffeitige Ufer ber Eyder. 


398 


Hannover erhielte alsdann eine Vermehrung an Menfchen- 
zahl von 500,000 Seelen — und würbe fi wieder zu einem 
fräftigen Zufand erheben können — bie Berbindungen Deutfch- 
lands mit England würden nicht abhängig feyn von denen Rau- 
nen bes Gabinets in Kopenhagen. 

Der Staatscanzler Hardenberg if in feinen Grunbfägen 
fo fih auf das politiſche Berhältnig gegen Frankreich beziehen 
ganz feft und Vertrauen verbienend, — Könnte er fih von der 
Berwaltung bes Innern losreißen, in fein Privatleben mehrere 
Sittlichleit bringen, fo wuͤrde er eine ſeſtere und einflußreigere 
Stellung erhalten. ‚ 

Den 10ten Augufl. Napoleon treibt fein Schichſal blind 
wäthenb zu feinem Berberben, er überläßt fih dem Einfluß feis 
ner teuflifhen Bosheit und wird hoffentlich mit Schmach und 
Beratung untergehen. 

Seit geftern bewegen fih die Truppen nad allen Richtun⸗ 
gen, morgen rüden fie in Böhmen ein, 

Ih reife nah Prag. ‚ 

Ich wünfche fehr daß bie Verhandlungen wegen bes Bun- 
despapiers gefchloffen werben, damit Preußen die Aräfle zur 
Borifegung des Krieges erhalte. Da General Stewart geſtern 
Abend angefommen ift, fo wird hoffentlich dieſes Gefchäft geen- 
bigt werben. 

Pozzo geht in wenig Tagen nad dem Hauptquartier bed 
Kronprinzen, es ift mir leid daß er und verläßt. 

Graf und Gräfin Orloff find wahrſcheinlich in London, ih 
bitte Sie diefe Briefe ihnen zuzuſtellen, und von denen Gefin- 
nungen ausgezeichneter Hochachtung und unwandelbarer Freund⸗ 
ſchaft überzeugt zu feyn, womit ih Ew. Ercellenz ergeben bin. 

Rüden wir nad Sachſen var, fo fpiden Sie und Bremer, 
wir mäflen alsdann gemeinſchaftlich Fräftigere Maßregeln neh- 


39 


men um bie Reffourcen des Landes zu benugen, und und gegen 
die Eingriffe und Anmapungen des Kronprinzen zu fügen.” 


Münfter erwiederte hierauf fpäterbin: 

„London am Aften September. Euer Excellenz danfe ich 
gehorfamft für Ihre intereffanten Briefe vom 17ten Julius und 
Tien Augufl. Bon Herzen wänfche ich Ihnen und uns Allen 
Gluck zur guten Wendung ber Dinge. Wenn wir nur jegt die 
Sachen nicht abfihtlich verderben. Noch zittere ich dag Napoleon 
vor dem 17ten Auguſt zur Vernunft gelommen feyn und das 
Deſterreichiſche Ultimatum !! angenommen haben föunte. 

Ich habe Bremer benachrichtigt ſich reifefertig zu halten. 
Hardenberg befommt heut eine Depeſche von mir die er Ew. 
Excellenz zeigen foll. Sie betrifft die Teutfchen Angelegenheiten 
in Beziehung auf Defterreih. Aus biefer Tonnen Sie abneh- 
men, was ich mit dem Suaviter in modo meine. Ich will 
gewiß ber Fürften nicht ſchonen die wie Sachſen ſich betragen. 
Er verdient geächtet, nicht geachtet, zu werben. So ber Bayer 
und Würtemberger Zaunfönig, wenn fie nicht bald herum 
fommen, 

In der Anlage erhalten Erw. Excellenz Briefe von ben 
Drloffs die zu meiner großen Freude bier find. Ich muß in 
ein paar Tagen dem Regenten aufs Rand folgen. 

Vom Gange des Krieges hängt es ab, ob wir uns bald 
fehen werden. In Spanien fanden am 24ſten Auguf die Sa- 
chen vet gut, Man glaubte dort noch an Waffenfilikand, 

In großer Eile Ew. Excellenz 

aufrichtiger Freund und Diener 
Graf v. Münfter. 

Ballmoden wird jegt zufrieden ſeyn. Heute werben alle 

Puncte berichtigt.“ 


400 


Stein an die Prinzeffin Louiſe. 

„Reichenbach den 12ten Auguſt. Das wichtige Ereigniß, 
weldes uns heute angelünbigt ift, verheißt uns eine glänzende 
Ausfiht. Napoleons Burp führt fein Berderben herbei, er ik 
verbiendet durch Stolz, Menſchenverachtung, die Wuth fih am 
Rande des Abgrunds zu finden. Mögten wir ihn bavon ver- 
ſchlungen fehen, zum Beifpiel fünftiger Geſchlechter. Sein Fall 
wird eine wohlthätige und weife Borfehung rechtfertigen, deren 
Finger wir in allen Ereigniffen unter unfern Augen erfennen 
müffen; denn fiherlih find es nicht die Dienfhen und deren 
Weisheit welche fie herbeigeführt haben. Indeſſen muß man 
den großen Eigenſchaften des Kaifers huldigen; feine Serlen- 
größe und Ausdauer haben 1812 Rußland gerettet, fie haben 
fi in der Entſcheidung bes Augenblids niemals verleugnet, 
und man muß hoffen daß er nebft feinen Verbündeten mit Er⸗ 
folg und Ruhm aus biefem Kampfe hervorgehen werbe, befien 
Frucht die Befreiung des Menſchengeſchlechts aus der abge- 
fhmadteften und erniedrigendften aller Tyranneien ſeyn wird. 

Eure 8. H. hat die Belanntfhaft des Kronprinzen von 
Schweden gemacht; vielleicht ift ihm die Rolle zugefallen Berlin 
zu verteidigen, und dadurch vergeffen zu machen baß er Ham⸗ 
burg verloren hat. General Pozzo di Borgo begiebt ſich zu 
ihm; €. K. 9. werben gewiß mit ihm zufrieden ſeyn; er ver- 
bindet mit viel Scharfinn und Kenntnig der Menſchen und der 
Dinge einen großen Borrath von Wohlwollen und Munterfeit, 

Ich reife morgen nad Prag ab, und wünfde Sie in Böh- 
men zu fehen; das Töpliger Wafler würde Ihnen wohl thun, 
und die Kriegsereigniffe fepeinen eine Wendung zu nehmen, welde 
die Ruhe biefes Drts verbürgen.” 


401 


Wäprend des Aufenthalts in Reichenbach ließ Stein dur 
Graf Reiſach eine Darfellung der Baierfhen Regierung bruden, 
welche bei dem Vorrüden der Heere in Süpdeutfhland verr 
breitet werben und das Voll gegen feine bisherigen Bedrüder 
aufregen ſollte. Die Schrift „Baiern unter ber Regierung 
des Minifters Montgelas. Deutfchland, im Verlag ber Kämpfer - 
für Deutfche Freiheit. 1813” enthält auf 95 Octavſeiten eine 
einfpneidende Schilderung ber äußern, innern und Binanz- 
Wirthfhaft des Grafen Montgelas und mußte ben tiefen 
Eindruck machen. Dinge worüber bis bahin bie öffentliche 
Stimme nicht erhoben werden durfte, die Baierfche Politif von 
4805, die unglaublihen Maßregeln einer heillofen Bureaufratie, 
die Aufhebung der Landftände, die Verſchleuderung ber geift- 
lihen Güter, die abſcheulichen Finanzoperationen des Juden 
Seligmann, die ſchamloſe Bereicherung des Grafen Montgelas 
und feiner Anhänger, wurden hier von einem Mann zur Sprache 
gebracht, ber als Baierfher hoher Beamte den Dingen wäh- 
rend eines längeren Zeitraums fehr nahe geflanden hatte. 

Stein betrieb den Drud der Schrift aufs Eifrigfe, und 
veranlaßte den Grafen fih über feine Berhältniffe ſchriftlich 
an ben Staatscanzler zu menden, dem er felbft am 30ſten 
Julius ſchrieb: 


„Der Graf Reifah hat fih der Aufträge welche ihm 
übertragen worden, mit viel Eifer und Einfiht entlebigt, er 
befigt die nötigen Kenntniffe und bie für Berwaltungsftellen 
erforberliche Uebung und Erfahrung. Man müßte fi feiner 
Zeit mit feiner restitulio in prislinum stalum beſchäftigen, 
gerade wie man über die Angelegenheiten der übrigen Deut- 
Then wachen muß, die im Dienfte der verbündeten Mächte 
ſtehen und die durch Napoleon und die Nheinbundfürften ver⸗ 

Stein’s Leben. I. 2te Aufl. 26 


402 
folgt werben. Der König von Bayern befigt in Schleſien 
verſchiedene Güter, unter anderen Sabercza bei Gleiwitz, man 
mäßte fie in DBefchlag nehmen und Herrn v. Reiſach für bie 
Dauer bes Krieges eine Eompetenz geben.” 


Obwohl Reiſach auf der Schrift nicht als Verfaſſer ge- 
nannt ward, fo war fein Verhaͤlmiß zu ihr nicht verborgen, 
ba er ſelbſt von Stein an ben Grafen Stadion gefandt, dieſem 
bie Schrift als fein Werk mitteilte; fürs Erſte aber blieb 
er in feinem neuen Wirkungsfreife unbeiert. 


Fünfter Abſchnitt. 


Wiederausbrug des Krieges. 
Mitte Augufts bis Mitte October. 





In der Nacht vom 10ten Auguſt gaben Feuerzeichen aus Prag 
dem großen Hauptquartier bie Kunde von dem Abbruch der 
Unterhandfungen; am iiten begannen hunderttaufend Preußen 
und Ruffen anf vorbereiteten Wegen ben Webergang aus 
Schleſien nah Böhmen zur Bereinigung mit dem Deferreidi« 
ſchen Heere. Alexander und Friedrich Wilhelm mit den Haupt- 
quartieren folgten nad Prag; Stein begleitete fie. 

Nah dem gemeiuſchaftlich verabredeten Plane wurden zu 
Erhaltung größerer Einigfeit und Zufammenwirfung die Pren- 
ßiſchen und Ruffifhen Truppen in alle drei Heere vertheilt. 
Das große Heer unter bem Befehl des Fürften Schwarzenberg 
beftand angeblich aus 230,000 Mann; nad Cathcarts Angabe 
aber, da Defterreih nie mehr als 50,000 Mann wirklich dabei 
aufgeſtellt Habe, aus 145,000 Mann; e6 befanden fid dabei die 
Kaiſer und der König; biefes Heer follte aus dem durch Natur 
befeftigten Böhmen in die Seite und ben Rüden der Franzofen 
hervorbrechen und nad Vereinigung mit den beiden anderen 
Heeren den Hauptſchlag führen. Das Schleſiſche Herr 80,000 

26* 


404 


Preußen und Ruffen unter Blüdher, erhielt die gefährliche Be— 
fimmung den Franzofen flets feft anzuhangen ohne fi in eine 
Schlacht einzulaffen; eine Bedingung, über die fi der Helben= 
geiſt feines Fuͤhrers bald hinausſchwang, und das wahre 
Schwerdt der Verbündeten von Siege zu Siege eilend bie an- 
deren Heere fi nachriß. Blücers Generalquartiermeifter war 
Gneifenau; Yord, Saden, Langeron führten die Heerestpeile. 
Im Rüden des Schlefifhen Heeres war Bennigfen mit Bil- 
dung eines Ruſſiſchen Referveheers befhäftigt; die Dber- und 
Weichſelfeſtungen wurden blodirt gehalten. Das Norbheer, 
150,000 Preußen, Rufen, Schweden, Deutſche Legion, unter 
dem Oberbefehl des Kronprinzen von Schweden, hatte Berlin 
und bie Marken zu deden, und bie Bereinigung mit dem 
Schleſiſchen und großen Heere auf dem linken Elbufer zu fuchen; 
Bülow und Tauenzien befehligten die Preußen und Ruffen, 
Ballmoden mit dem Tinfen Flügel und der Deutfpen Legion 
hatte die von Davouf befehligten Franzofen in Hamburg und 
deren neue Bundesgenoffen, die Dänen, in Schranken zu halten. 
Außerdem flanden zwei Defterreichifche Heere, eins den Bayern, 
das zweite dem Bicefönig von Italien in Kärnthen gegen 
über. — Napoleon hatte den größten Theil feines Heeres, 
welches mit Einfluß der Sachſen, Würtemberger, Weftphalen, 
anderer Rheinbundstruppen und ber Polen und Dänen ben 
Verbündeten faſt gleich kam, oder nach Cathcarts Angabe ihnen 
überlegen war, auf beiden Seiten ber Elbe, und in deren 
Beftungen Hamburg, Magdeburg, Wittenberg, Torgau, Dresden 
aufgeſtellt, bie größten Maffen gegen Böhmen, in Schleſien 
und gegen bie Marken, nur wenig Tagemärfche von einander 
entfernt; er erhielt die Verbindung mit Mainz durch Leipzig, 
Erfurt, Würzburg, in defien Nähe bie Mainz hin ein Referve- 
beer gebildet warb; aber die Bevölkerung Deutſchlands ertrug 


405 


mit Unwillen fein Joch und fehnte ſich nach dem Augenblid der 
Befreiung. Seine Heere in Spanien hielten die Aragonifchen 
Provinzen und die Pyrenäen befegt, und machten dem Englifchen 
Heere den Eintritt in Frankreich freitig, bis die Feſtungen 
San Schaftian und Pamplona gefallen waren und Wellington 
den Angriff mit Nachdrud wieder aufnahm, 

Stein fand den Geiſt der Deſterreichiſchen Bevölkerung 
und bes Heers fehr verfhieden von bemfenigen, welcher 1809 
feine Bewunderung und Theilnahme erregt hatte, Der Grund 
davon Tag in bem Benehmen bes Cabinets. Statt wie 1809 
das Gemüth bes Volks in Anſpruch zu nehmen, wendete bie 
Regierung ſich jegt nur an den Gehorfam. Alle Militair- 
Anftalten waren geboten; fie entquollen nicht dem National- 
gefühl. Diefes antworteten Steind Freunde in Böhmen, als er 
ipnen ihre Kälte, ihre Bedenktichkeiten vorhielt und bie Vers 
ſchiedenheit ihres gegenwärtigen Benehmens gegen das frühere, 
Statt wie damals bie großen Gutsbefiger an bie Spige ber 
Landwehrbataillone zu ftellen, wollte man von ipnen ein Paar 
Schwabronen Ordonnanzen bes Kaifers bilden, eine zwediofe 
und unrühmlihe Poſſe. Im Heere war wenig Bertrauen, 
wenig Zufriedenheit mit dem Kriege; und ber Feldherr, von 
drei Herrſchern umgeben beren Truppen unter feiner Leitung 
fechten ſollten, und felb mehr Hofmann als General, ſchien 
Napoleon gegenüber, ber mit bem ganzen Nachdruck Eines 
Willens handelte, im bedeutenden Nachtheil, der nur dadurch 
einigermaßen aufgewogen wurde, daß Kalfer Alesander einen 
entſchiedenen Einfluß auf bie Leitung gewann, indem der König 
in feiner Haren richtigen Beurtheilung der Dinge mit ihm voll⸗ 
tommen übereinftimmte, der Kaiſer Franz hingegen auf Feld- 
herrneinſicht feinen Anfpruch machte. 

Für die napdrüdfihe Führung des Krieges war es nun 


406 


von der hochſten Wichtigkeit die von England verheißene Geld- 
halfe Hüffig zu machen. Stein wendete ſich deshalb an Mänfter, 
und Harbenberg unterftägte das Geſuch, welches dann den Ab- 
ſchluß des Londoner Bertrags vom Ofen September zur Folge 
hatte, worin England ’’ ſtatt des Bunbespapiere fi zur Zah⸗ 
Tung von 15 Millionen an Preußen und Rußland verpflichtete. 


Stein an Mänfer. 

Prag den 28ſten Auguf 1813. Ich hoffe Eure Excellenz 
haben mein Schreiben aus Reichenbach erhalten — unterbefien 
hat fi die große Angelegenheit des Beitritts Deſterreichs eni« 
wide. — Bir verdaufen ihn nähft Gott, dem Eugen Be- 
nehmen Humboldts und Anſtetts, der Tollpeit Napoleons, benen 
edlen Gefinnungen des Kayfers Alexander, ber Beharrlidfeit 
des Könige und des Staatscanzlers — nicht der weichlichen 
egoiſtiſchen Politit Metternichs — und feines guten Rafers”. 

Jept leben wir in ber-gefpannieften Erwartung der mili⸗ 
tairiſchen Ereigniffe, die ganz in unferer Nähe vorgehen, und 
die und vielleicht von bier vertreiben. — Die Vergangenheit 
wird in der anliegenden Heinen Brocüre dargeflellt"". 

Das wichtigſte if in diefem Augenblid Preußen und Ruß- 
land mit Gelbmitteln zu unterfägen, um es zur Kortfegung 
des Krieges in den Stand zu fegen. Euer Excellenz werden 
fid erinnern, daß ich im Januar a. c. ein von ben verbündeien 
Mächten verbürgtes und von ihnen einlösbares Papiergeld vor- 
ſchlug — daß England diefen Vorſchlag annahm, in der Folge 
aber durch die zubringlipen Rathſchlaͤge des Chevalier d'Iver⸗ 
nois veranlaßt, vorſchlug bie Hälfte der angetragenen Summe 
von 30 Millionen Mark, alfo 15 Millionen Thaler, auf feinen 
Credit allein zu übernepmen, ben übrigen beiden Mächten es 
au überlaffen, ob fie rin eigenes Papiergeld zu ſchaffen für gut 
finden. — 


407 


Es war keine Zeit mehr, Aber den Werth dieſer Maß⸗ 
regeln zu discutiren, man nahm fie alfo an, es ift aber drin« 
gend möthig, ihre Ausführung zu befchleunigen, und Euer Excel 
lenz ſchreibe ih, um Sie zu erfuchen von Iprer Seite hierbei 
mitzuwirken — und dazu beyzutragen, daß das Project ber 
Eonvention fo angenommen werbe, wie es an Herrn Jacobi 
gefpidt worden if. Ich beforge nämlih, daß fih d'gvernois 
von neuem einmifche, und neue Ruͤdſprachen verurfache, ober 
neue unpafienbe Ideen einfhiehe. — Eine ſolche äußerte er 
bereits, indem ex meinte, England folle flatt ein yon ihm Here 
bürgtes Papiergeld, zinstrogende Obligationen verfertigen, bie 
man an bie Kapitaliften in Deutfchland verkaufen könnte; er 
bedenft aber nicht, daß durch eine’ Reihe fehr befannter Um⸗ 
Hände eine allgemeine Geldlofigfeit entflanden iſt, daß die noch 
übrig bleibenden Kapitalien bei weitem pöher als zu 6 pCt. 
benupt werben können, daß endlich alle unfere großen Hanbeld« 
Räbte in ben Händen bes Feindes find, und daß doch nur auf 
diefen Plägen große Geld- Geſchäfte gemacht werben können. 
Die Obligationen können zwar als ein Austaufhungsmittel 
gebraucht werben für den, der dazu Luſt hat, und als folde 
find fie in der Konvention angenommen worden, fie können aber 
die Stelle des vorgefchlagenen Papiergeldes nicht vertreten. 

Diefes wird aber mit Erfolg gebraucht werben Fönnen, 
und ih im Werth erhalten: 

4) weil e8 von den verbündeten Mächten als Circulations- 
mittel, als Geld in einem großen Theil von Deutſch⸗ 
land erHlärt wird. — 

2) weil man es in mäßiger Menge ausgiebt und bie Ber« 
ausgabung der Ruſſiſchen Bonf-Mfiguatiouen alsdonn 
aufpört. — 

3) weil es in Englifhe Obligationen verwandelt werben 


408 


tann, und England deſſen Wiedereinziehung gegen banres 
Geld verbürgt. 

Ich erfuhe Euer Excellenz alles diefes wohl zu prüfen 
und das Project der Eonvention, welches heute eingefandt wird, 
nachdrücklichſt zu unterflügen. 

Den gegenwärtigen Geift des hiefigen Volls finde ich bei 
weitem nicht fo gut geftimmt wie anno 1809, weil die Regie⸗ 
rung nichts thut, noch thun wil, um ipn aufzuregen — bamals 
Ienften die Grafen Stadion das Ruder; fie brauchten jedes 
Reigmittel um bie edleren Gefühle in denen Menſchen zu er- 
weden, und fie erreichten ihren Zwed auf das vollfommenfte — 
dest ſteht ein Falter abſichtlich flach⸗ berechnender Mann an der 
Spige, ber fi vor jeder fräftigen Maßregel ſcheut, und ſich 
das Ziel nahe ſtedt und mit fümmerlihem Flickwerk ſich be= 
hilft — daher die ehebrecperifche Heyrath, die thörige Hoffnung 
eines partiellen Friedens, der kindiſche Friedens Eongreß, das 
elende Ultimatum u, ſ. w. In biefem Augenblid erhält aber 
Metterni eine Snprematie in denen Rathfcplägen wegen ber 
Freude des Kaiſers Alerander über den Beitritt Oeſterreichs 
und feiner Hoffnung hiedurch den Krieg auf eine ehrenvolle 
Art zu beendigen, ber ſchwachen Hingebung Neſſelrode's — eine 
Suprematie die diefer Mann gewiß auf feine Deutſchland bes 
glüdende Art ausüben wird — die man beobadten und be— 
hränfen muß. — Leider ift aber der inepte Lord Gatheart 
biezu nicht geeignet, Ernſt Hardenberg ein bloßes lauerndes 
und herumſchniffelndes Werkzeug Metternichs — Stewart ein 
verfändiger Mann, der aber nah dem Hauptquartier bes 
Kronprinzen abgehen wird. — Um fo wichtiger ift es, daß 
Sie einen verfländigen gefchäftserfahrenen Mann an den Wiener 
Hof von Seiten Englands abſchiden, der Metternich beobachtet 
und influirt, 


409 


Ich ſchreibe Ew. Ercellenz dieſes zu Ihrem eigenen Ge- 
braud und erſuche Sie von denen Gefinnungen der ausgezeich- 
neten Hochachtung überzeugt zu ſeyn, womit ich verbleibe 

Ew. Ercellenz 
gehorfamfter Diener 
Stein." 


Hardenberg an Münfer. 

„Prag den 2Aften Auguft 1813. Indem ih Euer Excel⸗ 
lenz bie Anlage überfende, deren Inhalt mir befannt ift, kann 
ich nicht anftehen, Ihnen ſolchen angelegentlichft zu empfehlen. — 
Wir haben nie einen günftigeren Zeitpunft für die gute Sage 
gehabt, wenn nur jeder nad feinen Kräften auf den gemein- 
famen Zwed hinwirkt und auf diefen fein Hauptaugenmerk 
richtet, alle Neben» Rüdfichten ipm unterorbnet. Preußen wirb 
— ih fiehe dafür ein — biefen Grundfag treu befolgen und 
feine Anftrengung fparen, deren es fähig if. Ich bitte Euer 
Excellenz um Ihr Vertrauen und um birecte Mittpeilung Ihrer 
Ideen, wo Sie es nöthig finden. Die Einmifpung bes b’Iver« 
nois tann uns nüglic werden, wenn fie recht geleitet wird, 
aber Eile ift nöthig, der Moment darf nicht verfäumt werben. 
Nehmen Sie die Berfiherung meiner aufrihtigen Berehrung 
und Ergebenheit an. 

Hardenberg.” 


Münfter an Stein. 

„London den 28ften September 1813, Ew. Ercellenz 
haben vielleicht durch den Stantscanzler Freiherrn v. Harden- 
berg erfahren, daß ich bie Ehre gehabt habe, Ihr Schreiben 
vom 23ften Auguf vor etwa 8 Tagen zu erhalten, und daß 
ich ohne Zeitverfuf bemüht gewefen bin, Ihre Abſichten, fo viel 
an mir lag, zu befördern. Ich finde daß Graf Lieven zufrieden 


410 


iR, bis auf den Punks des Hüdzaplungs- Termine, mit dem 
aber, wie Er mir fagt, der Baron Jacobi einverkanden geweien 
iR; — und ber auch fehwerli andere zu befeitigen geweſen 
ſeyn würde, da er den erſten, von bort her gethanenen Bor- 
ſchlagen angemeflen beſtimmt worden if. 

Recht herzlich wunſche ih Ew. Excellenz zu unfern frohen 
Aus ſichten Glüd. Wie ſchoͤn haben die Preußen die Spuren 
früherer Schmach ausgelöfcht. Ich hoffe, wir werben im übrigen 
Teutſchland einen ähnlihen Geiſt finden. Geben Sie mir nur 
bald Gelegenheit benfelben bei uns anzufahen. Das wäre 
auch, des Ganzen wegen, hoͤchſt wünfchenswerth. Der Umfand, 
dag alle großen Hanbelskädte in des Feindes Hände find, 
macht jedes Geldgejhäft, und bad Ueberfenden von Waffen 
und Kriegebebärfnifien, äußerft ſchwierig, und wir leben hier 
ſtets im Ungewiſſen, und müffen uns behelfen aus franzöffepen 
Balletins das Wahre heraus zu fperulicen, eine Arbeit bie 
oft ſchwache Ausbeute gewährt. 

In Spanien gehen die Saden gut. Ich hoffe, dag Pamı- 
pelona Wellington nit aufhalten wird offenfive Operationen 
gegen Frankreich anzufangen. Ich begreife die Argumente nicht, 
dur welche man das Franzöfifhe Gebiet als heilig erklären 
mögte. Selbſt drüben, ſcheint es daß man beim Gebanfen des 
Rheins von einer Art Hydrophobie ergriffen wird. Sollen 
unfere Teutſchen Brüder jenfeits ſtets Franzoſen bleiben? 

Mit Walmoden ift man hier fehr zufrieden. Er foll auch 
jest, wie ich vernehme, ein Heer neu zu formirende hollaͤndiſche 
Bataillond unter feine Fahnen erhalten. Mit Ungebulb er= 
warte ich, welche Mobdificationen Defterreihe Beitritt den Teut ⸗ 
fpen Angelegenheiten geben wird. Ich hoffe Hardenberg wirb 
Ew. Excellenz meine barauf gerichtete Depefche vorgelegt haben? 
Dmpteba erhält den Auftrag Ihnen die Antwort mitzutpeilen, 
die ich dem Hergoge von Braunſchweig auf eine Anfrage wegen 


411 


der Drganifation bed Herzogthums Braunfchweig gegeben habe, 
Ew. Excellenz werben finden, daß fie ganz im Sinn der feſt⸗ 
gefehten Orundfäge verfaßt if, und daß ich nicht wänfdhe Feine 
Duodez-Sonveräne für fih handeln zu laſſen. Meine Antwort 
iR vom Prinzen-Regenten. approbirt, und von L. Caſtlereagh 
geſehen worden. 

Ich hoffe, dag wir über bie rohe Idee, einen Friedens⸗ 
Congreß zu eröffnen während wir und raufen, glüdlich hinweg 
Iommen. Er würde. alles Auflodern einer gedeihlichen Flamme, 
des Aufflandes, alles Uebertreten der Alliirten bes Corſilauers, 
hindern. Dann wann wir die Punkte laut fagen Fönnen, die 
- wir al8 Condilio sine qua non anfehen, dann mögen wir frei- 
lich zu unterhandeln anfangen, 

Bielen Dank für die überfandte Piece, Den Ueberbringer 
Herrn Pizarro, Spanifhen Gefandten am Berliner Hofe, foll 
ih Ew. Excellenz beſtens empfehlen. Ich verharre mit wahrer 
Hochachtung und Freundfchaft 

Ew. Ercellenz ganz gehorfamfter 
Münfter.” 


Der Feldzug warb in ber Mitte Augufls von Napoleon 
durch Angriffe auf das Norbheer und das Schleſiſche Heer 
eröffnet. Am 23Ren Auguſt feplugen Bülow und Tauenzien 
unter bem Kronprinzen von Schweden bei Großbeeren das 
Dubdinotfche Heer; Blücer zog ausmweichend die Franzoͤſiſche 
Hauptmadht hinter fi her, bis Napoleon nad Dresden zurüd- 
gerufen einen Teil feiner Truppen mit fih nahm, und Bücher 
bie Gelegenheit zu einem großen Siege an ber Rapbach be— 
nutzte, welder das Macdonaldſche Heer großenipeild vernichtete, 
Dagegen mißlang ber Zug bed großen Heeres gegen Dresden, 
wo an Aleranders Seite Moreau fiel; dies Unternehmen war 


42 


nad Steins Urtpeit ſchlecht angelegt, es ward durch Schwarzen ⸗ 
berg verfpätet, und endigte mit bebeutendem Verluſt und dem 
Rüdzuge bes Heeres nah Böhmen, wohin Napoleons Truppen 
folgten. Hier war es bei Eulm, wo ber König von Preußen 
bie Bröße der Gefahr erwägend, perfönlih Alles aufbot um 
Bandamme’s Fortſchritt auf der Haupifiraße nah Prag, wäh: 
rend das gefchlagene Heer ſich noch großentpeils auf grundlofen 
Straßen aus dem Gebirge Ioswideln mußte, aufzuhalten; bis 
am zweiten Tage Meifs Eorps durch Grolman geführt, dem 
Zeinde von Rollendorf her in den Rüden kam; da ward Ban- 
damme und ein bedeutender Theil feines Heeres gefangen, und 
Böhmen war gerettet. Als die Wagen voll Verwundeter in 
Prag von dem theilnehmenden Volke umringt wurden, rief ein 
Garde-Unteroffizier aus: „Der König von Preußen if es, dem 
ihr eure Rettung verbanft; Ich habe gefehen wie Er Alles 
wieberherfielte, ih vergap meine Wunde vor Freude ihn fo 
als König handeln zu ſehen!“ 

Am Gten September warb ein abermaliger Berfud der 
Eranzofen gegen das Norbheer und Berlin durch Bülows und 
Tauenziens großen Sieg bei Dennewig vereitelt, und das Ney'ſche 
Heer aufgelöf’t über die Elbe getrieben. 


Nah der Schlacht an der Kastbach ſchrieb Oneifenau an 
Stein; leider it nur beffen Antwort erhalten: 

„Prag den 5ten September 1813. Ich erhalte fo eben 
das Schreiben Euer x. vom 28ſten Auguft und bin hoch er- 
freut Aber den erfochtenen Sieg, und über ben Waffenrupm 
des Heeres und feiner tapfern mir perfönlih fo werthen An- 
führer. — Möge die Vorſehung ferner dieſe Heroen fo für die 
gute Sache kämpfen, mit dem glängendfien Erfolg ihrer Be— 
mäpnngen belohnen. Die Allianz mit Defterreih hat die Maffe 
der Materie, nicht der Einfihten vermehrt. — Leben Sie wohl, 


413 


empfehlen Sie mich dem braven Feldherrn, und bleiben Eie 
ein Freund des Sie Tiebenden und verehrenden 
Stein.” 


Nach diefen großen Schlägen fah fih Napoleon auf einen” 
engen Kreis befchränft, welcher für die Ernährung eines fo 
zahlreichen Heeres nicht Tange ausreichte, und er verfuchte den 
September hindurch abwechſelnd Unternehmungen gegen Blacher 
und Schwarzenberg. Die Verbündeten hingegen befolgten ben 
Plan, fein Heer aufzureiben ohne eine allgemeine Schlacht zu 
wagen; fie fuchten feine Verbindungen mit dem Rhein abzu- 
ſchneiden, ihn immer mehr zu beengen, bis bie Ankunft des 
Bennigfenfhen Heeres und vielleicht der Anſchluß Bayerns 
ihnen eine entfchiedene Weberfegenheit und bie zuverſichtliche 
Hoffnung eines großen entſcheidenden Sieges gewähren werde, 

Das große Heer hielt die Eingänge nah Böhmen befept, 
das Hauptquartier befand ſich ganz in ber Näpe, in Töplig. 

Die Berträge 

Hier wurde unter dem Einfluß der erfochtenen Siege und 
in der Spannung auf die bevorflehenden großen Entwid« 
Tungen am 9ten September ber Eintritt Defterreihs in ben 
Bund der drei Mächte durch Ausdehnung der unter biefen be— 
Rehenden Reichenbacher Verträge vollendet; bei biefem Anlaß 
ertheilte ber Kaifer Alerander Stein als Zeichen feiner Zu⸗ 
friebenpeit den St. Andreasorden. 

Der Töpliger Hauptvertrag warb in brei gleichmäßigen 
Ausfertigungen zwifhen Rußland Preußen und Deſterreich ab 
gefhloffen. Die Herrſcher erflärten darin, daß fie von gleichem 
Wunſche befeelt den Leiden Europa’s ein Ziel zu fegen und 
deſſen fünftige Ruhe durch bie Wiederherftelung eines billigen 
Gleichgewichts der Mächte zu fihern, ſich entfdloffen haben ben 


414 


Nrieg worin fie begriffen find, mit ihren gefammten Streit- 
feäften fortzufegen. Da fie zugleich die Wirfungen eines jo 
wohlthatigen Einverftändniffes auf bie Zeit hinaus erfireden 
wollen, wo nad vollfommen erreihtem Zwede bed gegen- 
wärtigen Krieges ihr wechfelfeitiges Interefie die Aufrehthal- 
tung der dur den glücklichen Erfolg defielben herbeigeführten 
Ordnung der Dinge dringend erheifchen wird, fo haben fie 
— Preußen und Rußland insbefondere zur Verftärkung bes 
Kaliſcher Vertrages — fi über folgende Puncte vereinigt: 
Erhaltung von Freundſchaft und aufrichtiger beſtaͤndiger Ein- 
tracht zwifchen ben Herrſchern, fo wie aud ihren Erben und 
Nachfolgern, gegenfeitige Gewähr aller Befigungen, gemein- 
fames Wirken für dieſen Zwed, mithin gegenfeitige Berwen- 
dung, wechfelfeitige Hülfe mit einem Heer von 60,000 Mann 
welches im Nothfall verftärft werben fol, Verpflichtung uur 
gemeinfchaftlih Waffenſtillſtand oder Frieden zu ſchließen, gegen- 
feitige Unterftüägung der Botſchafter und Gefanbten an aus⸗ 
wärtigen Höfen, Zulaſſung gleichgefinnter Mächte nad gemein- 
ſchaftlichem Einverftändnig *°, 

Als Bedingung deſſen was in biefem Vertrage über bie 
Wieberherfiellung eines Gleichgewichts der Mächte gefagt war, 
wurbe in befonderen und geheimen Artifeln feſtgeſetzt: 

1) Die Wieberherfielung der Defterreihifhen und ber 
Hreußifhen Monarchie in moͤglichſt gleihem Maßſtabe 
wie im Jahre 1805. 

2) Auflöfung des Rheinbundes und völlige und gänztiche 
Unabpängigfeit der zroifchen dem nad obigem Mapftabe 
wieberhergeftellten Defterreih und Preußen und dem 
Rhein und den Alpen liegenden Staaten; Defterreih 
und Preußen erklärten noch befonders, daß auch bie 
unter dem Namen der Z2ften Militairdisifion mit Sranf« 
reich vereinigten norddeutſchen Lande, fo wie alle von 


45 


Sranzöfffgen Prinzen in Deutfchland befeffenen Ränder, 
herausgegeben werben mäßten. 

3) Herfiellung des Haufes Braunſchweig · Lüneburg in feine 
ſammtlichen Deutfgen Befigungen. 

4) Freundſchaftliche Bereinigung zwifchen Preußen Rußland 
und Defterreih über das Herzogtum Warſchau. 

Es warb ferner von ben drei Mächten die feierlichſte Ber- 
pflihtung übernommen, während bes gegenwärtigen Kriegee 
eine jede ihr Heer auf wenigftens 150,000 Dann ungerechnet 
die Beftungebefagungen und Garnifonen vollſtaͤndig zu erhalten, 
ſich in feine Berabredung oder Friedensunterhandlung opne 
gemeinfamen Beſchluß einzulaffen, und fie verhießen einander auf 
die feierlichſte Art, keine Eingebung oder Borfchlag der ihnen 
durch das Franzoͤſiſche Cabinet mittel- ober unmittelbar gemacht 
wurde, anzuhören ohne felbige einander gegenfeitig mitzuteilen. 

Diefe Berträge, denen einige Wochen darauf aud ein 
Bandniß Deſterreichs mit England hinzufam, ſchloſſen fih zwar 
im Uebrigen an bie Kaliſcher und Reichenbacher Beftimmungen, 
aber fie wien in bem wefentlihen Punkte davon ab, daß man 
den Fürften des aufzulöfenden Rpeinbundes völlige Unabhängig- 
keit beließ und damit die zufünftige Geftaltung Deutſchlands 
als eines politifchen Ganzen aufgab. Stein hatte darauf ger 
drangen, dag man fih in dieſem Augenblid bes Stillſtandes 
der Kriegsunternehmungen und politiicher Einigfeit, wo noch 
Alles in den Händen der vier großen verbündeten Mächte Tag, 
mit den Deuiſchen Angelegenheiten befchäftige und über eine 
träftige und bauerverheißende Anordnung der Deutſchen Ver⸗ 
faffung vorläufige Verabredung treffe. Er wuͤnſchte, da eine 
Theilung Deutſchlands in zwei große Maffen, Defterreih und 
Preußen, nit möglih war, daß man bie Kaiſerwuͤrde, den 
Reichstag und die Reichsgerichte in verbeflerter Geftalt wieder- 
berftellen unb in den einzelnen Fürſtenthümern vepräfentative 


416 


Berfaffungen einführen möge. — Mit legteren waren Harben- 
berg und Humboldt einverftanden; fie widerſprachen hingegen 
der Idee eines Kaiſers und Reiche. 

Noch viel entfernter von Fraftigen Anfichten war Defer- 
reih. Es wollte Deutſchland in einige zwanzig unabhängige 
Zürftenthämer zerftüdelt Taffen, ohne Verbindung unter einander 
ober mit beiden Deutſchen Großmächten; die Kleinheit und 
Nichtigkeit jener Staaten würde dahin geführt haben, den Geift 
des Volls zu erniedrigen,, die Einheit der Nation zu zerflören 
und dem Dipfomatifhen Einfluß Frankreichs auf das ſudliche 
Deutſchland ein freies Feld zu laſſen. 

Stein befämpfte diefe Anfiht aufs Lebhafteſte; im Auguſt 
ſchlug Preußen die Errichtung eines Deutfhen Bundes vor, 
welcher die kleinen Fürftentpüämer mit Defterreih und Preußen 
vereinigen follte; Entwürfe bazu wurden von Stein und Hum- 
boldt ausgearbeitet, famen aber erft im folgenden Jahre zur 
Berathung; die raſchen Kriegsbewegungen ließen es zu feinem 
überlegten Entfhluffe fommen, und bie Eabinette fahen ſich zu 
einer fehr eiligen Verabredung bingebrängt, woraus theils 
widerſprechende theils unbeftimmte Maßregeln hervorgingen, 
deren Folgen ſchwer auf bie Geftaltung Deutſchlands zurüd- 
gewirkt haben. 

Stein und Humboldt wurden durch Zufammenleben in die- 
fer großen Zeit näher verbunden. „Ich hoffe, fhreibt Hums- 
boldt an die Prinzeffin Louiſe, daß Stein von nun an bei uns 
bleibt, für den ich unendlihe Achtung und Liebe hege.“ Beide 
bearbeiteten damals auch den Plan zur Einrichtung des Ver⸗ 
waltungsrathes für Deutſchland, welcher fpäterhin in Leipzig 
genehmigt wurde. 

Ueber die allgemeine Rage der Dinge, und indbefondere 
die Grundlagen und Bedingungen einer tüchtigen Deutſchen 
Verfaſſung, ſprachen fih au Stein und Münfter gegen ein- 


. 47 


ander ang, ketzterer als nahdrüdlicher Vertheidiger der perfün- 
lichen und pofitifchen, jedem Deutſchen von Alters her gebühr 
renden Freiheit, in einem vortrefffichen den Franzöffch-despoti« 
fen und Rheinbund- Ideen aufs firengfte entgegenftehenden 
Geiſte. 


Stein an Münſter. 

„Prag ben 16ten September. Ich hoffe Euer Excellenz 
haben meine Briefe aus Reichenbach erhalten. Die meiften 
Ereigniffe Haben ung unfere neuen Alliirten und ihren Feldherrn 
fennen lernen, — wir haben eine Vermehrung der Maffe, nicht 
der Einfihten und der edlen fräftigen Gefinnungen erhalten,‘ 
und bie Früchte des feit 1810 befolgten Syſtems kennen gelernt. 

Bon 1806 an bis 9 arbeiteten bie Stabiond daran um 
den Geift der Ration zu heben, um die Armee zu verftärfen 
und zu vervollfommnen, beides mit Erfolg; die Nation war 
begeiftert, bie Armee flug fi tapfer — das neue Minifterium 
firebte feit bem Frieden bis jegt den Cours zu verbeffern, ben 
Brieben zu erbetteln, die Armee zu desorganifiren, ben Geift 
der Nation zu Tähmen, man hoffte durch allerley diplomatiſche 
Künfte das große Problem der Regeneration Europen’s zu Töfen, 
und es gelang zum Theil: die Nation war und ift lau, bie 
Armee fhlägt fi nicht fonderlich, niemand vertrant weder auf 
den ſchwachen Regenten noch auf feinen egoiftifhen falten 
ſchlauen Minifter, der zwar rechnet aber ohne Tiefe, er ift ein 
guter Buchhalter aber Fein großer Mathematiker. 

Das Refultat fo fih bisher zeigte if, daß man überall mit 
Erfolg foht, nur nicht bei der großen Armee, daß zwifchen 
Ruſſen und Oeſterreichern eine große Abneigung herrſcht, bie 
dur eine befannte Unbeholfenheit der letzteren ſehr vermehrt 
wird. — Hiezu fümmt, daß Metternich nad einem überwiegen- 
den Einfluß firebt, dazu ihm weder fein Talent noch fein Eha- 

Stein’s Leben. Un. 2te Aufl. 27 


418 


after noch die militairifhe Etellung feines Landes Anſpruch 
geben. — Der Kaifer Alexander fieht alles dieſes fehr lebhaft 
ein, er wird wahrfceinlih das Commando feiner und der 
Preußiſchen Heere übernehmen, und die Bewegung biefer be⸗ 
Tebten Maſſen wird ſich ber inerten Oeſterreichiſchen mittheilen. 

Es iſt von der größten Wichtigkeit, daß man ſich über die 
Deutſchen Angelegenheiten beflimme — von Metternich erwar- 
ten Sie feine große Anfihten, er Redt fih das Ziel nahe, um 
auf die bequemfte und Fürzefe Art die Sache einftweilen aus- 
zufliden. Die Geſchichte feiner Unterhandlungen beweift es, 
und hätte bie Tollpeit Napoleons der Sache nicht eine uner= 
wartete Wendung gegeben, fo hätten wir einen verderblichen 
und hoͤchſt elenden Frieden erhalten. 

England muß mit Rußland und Preußen ernſtlich auf bie 
Erhaltung und Grändung einer feſten Orbnung ber Dinge in 
Deutſchland bedacht feyn, und id wünfhe Ew. Excellenz Ideen 
darüber zu wiffen. Kraft zum Widerftand nach außen, im Ju⸗ 
nern Sicherheit des Eigentpums und bes Lebens für den Ein- 
zelnen möäffen die Hauptpunfte, Verflärfung der Macht bes 
Raifers, von Preußen, Verminderung der Macht der Stände, 
Zerſtoͤrung des Rheinbundes und aller franzöfifhen Einrich- 
tungen müffen bie Mittel ſeyn. 

Gagern's Anſichten find phantaſtiſch. 

Erhalten mir Ew. Excellenz Ihre Freundſchaft und ſeyn Sie 
von der Unwanbelbarfeit der Meinigen überzeugt, 

Stein, 

Ich bin bald Hier bald in Töplig, gehe aber in das Haupt: 

Quartier fobald es vorrädkt,” 


Münfter an Stein, 
„London den Sten October. Ew. Excellenz aus Reichen- 
bach abgelaffene Briefe Habe ich TängR zu beantworten bie Ehre 


419 


gehabt. Dur einen von Weffenberg am 28flen September 
abgeſchidten Eourier habe ich Ihnen für Ihr durch den Canzler 
Hardenberg beförbertes Schreiben gedankt. Erſt geflern habe - 
ich das vom ſ0ten September datirt erhalten. 

Im Ganzen gehen doch unfere Sachen gut. Daß Manches 
beffer gehen fönnte, if eben fo gewiß als es wunſchenswerth 
ſeyn würbe, 

Der Mangel liegt in der Natur der Sade, in einer Goali« 
tion. Erinnern Sie fi der Zenien von Schiller: „Einzeln iſt 
Jeder Hug genug, fegt fie aufammen fo wird ein Dummkopf 
daraus!" Das Wichtige für und ſollte Teutſchland ſeyn. 
Ich finde nicht daß unfere Sache dort, im Rüden bes Feindes, 
mit ber Lebhaftigfeit aufgenommen wird, bie fie erregen follte. 
Ich glaube der Fehler Tiegt in einem Mangel beftimmter Er⸗ 
Härungen über das fünftige Schickſal Teutſchlands. Die Furſten 
find Anfangs durch manche Aeußerungen abgeſchredt worben, und 
diefe Fürkten halten ihre Untertanen zuräd, ſich als Teutſche 
zu zeigen. Jetzt droht ben Untertanen eine andere Gefahr. 

Defterreich ſcheint die Kaiferwürbe nicht zu wollen! Das 
hat ſelbſt Metternih an Aberdeen gefagt. Man glaubt im 
Wiener Cabinet die Deutfchen Fürften zu gewinnen, indem man 
ihnen ihre von Bonaparte gegebenen Provinzen, und beſonders 
ihre Souverainetät zu Iaffen verſpricht. Man bedenkt dabey die 
Unfigerheit der Eriftenz nicht die alle diefe Rheinbunde-Fürften 
dem Winke Bonaparted unterwarf, und nicht daß alle ihre 
Befigungen nur in ihren Händen waren um bem Feinde zu 
dienen, und bas Gehäffige ber Erpreffungen auf bie Fürften au 
wählen. — Kann es einen vernünftigen Fürſten geben, ber 
nicht die Timitirten Hoheitsrechte der Teutſchen Conföderation, 
dem wichtigen Titel einer unter Bonaparted Tyrannei ſtehenden, 
fo genannten, Souverainetät vorziehe? Das Schidfal der 
Teutſchen würde hoͤchſt zu beffagen ſeyn, wenn fie fünftig dem 

27 * 


40 


Willen Heiner Despoten unterworfen ſeyn follten, Beim gänz- 
lichen Ruin der Finanzen in den mehrften Ländern, würbe ihr 
2008 beffagenswerth fepn. Ich habe das Glück unter einem 
Heren zu fiehen der ſelbſt bie Art der Souverainetät nit 
will: ſollte fie für das arme Teutfchland beliebt werben, fo 
wäre ich bereit mi auf die Seite der Revolutionairs zu 
ſchlagen. 

Ew. Excellenz verlangen meine Meinung über die Teut- 
ſchen Angelegenheiten zu wiſſen. Sie ift Ihnen aus allen 
meinen früheren Briefen und Memoiren befannt. Ich Tann fie 
aus Weberzeugung nicht ändern, und weil der Prinz- Regent 
von jener Meinung nicht abgehen zu müffen glanbt. Als Be— 
weis wie gern man ſich von unferer Seite Mobificationen ge- 
fallen laſſen wird, darf ich zwey Auffäge anführen die Ew. Erc. 
durch den Grafen Hardenberg und durch Dmpteba mitgetheilt 
ſeyn werben, id meine einen Befehl für den erften, fi mit 
dem Grafen Metternich über die Teutfhen Angelegenheiten in 
Communication zu fegen, und eine Antiwort an ben Herzog von 
Braunſchweig, worin ic Ihn ganz auf die in Rüdfiht des 
Verwaltungs -Raths angenommenen Grundfäge zu verweifen 
authorifirt war. 

Id bin ganz Ew. Excellenz Meinung, daß wir ber Kaifer- 
würde Werth und Gewicht beifegen müffen. Wir können die 
Geiſtlichen Staaten nicht herftellen die ihr Einfluß gaben. 
Warum follte aber nicht ein größeres Gewicht durch eine 
Militairiſche Einrichtung bes Reihe hervorgebracht werben 
Tonnen? Was Liegt denn Außerorbentlihes in dem Gebanfen 
einer permanenten Reichs-Armee die unter Kaiferlihem Ober- 
befehl eine Reihe zu errichtender Reichsveſtungen und Reiche- 
ſtaͤdte befegen Fönnte. Eine ſolche Einrichtung allein würbe 
Intriguen ber Stände mit fremden Mächten verhindern, 

Ich werde von neuem das Englifhe Minifterium treiben 


424 


die Teutſchen Angelegenheiten zu befördern. Eigentlich follte 
wohl der Antrieb von dort her erfolgen. Können Ew. Excellenz 
denn nicht ben Kaifer Alerander veranlaffen mit Preußen auf 
beflimmte Puncte zu fommen, und fann Stadion nicht auf fei- 
nen Raifer würfen, damit Er die Wichtigkeit dieſes Gegen- 
fandes einfehe? Ich kann mir leicht Bünbniffe unter ben blei— 
benden Teutſchen Staaten denfen, die auch ohne Kaiferwürbe 
eine Art der Eonfiftenz erlangen würden. Bey dergleichen Ber- 
einigungen würden aber die Fürften allein die contrahirenden 
Theile ſeyn, und die Unterthanen bloße Sclaven werden. 

Ich Hoffe noch immer daß das linke Elbufer vor dem 
Winter frei werden, und daß diefes mir einen beflimmten Zwed 
darbieten werbe, um mein Herübergehen nad Teutſchland zu 
bewerffielligen. In diefem Falle würde ich gern fuchen zu Ihnen 
zu fommen um mid mit Ew. Erc. weiter zu beſprechen. 

Bremer ift avertirt ſich reifefertig zu halten wenn Sie 
feiner zum Gentral-Rath bedürfen werden. Diefen Brief gebe 
ich dem Herrn v. Gagern mit, beffen Anfichten mit den meinigen 
in den mehrfien Puncten übereinflimmen. Er ſcheint große 
Hoffnungen auf Bayern zu fegen. Mir fieht ed aus, als wolle 
man fih nur an bie Parthey bes Stärferen ſchließen. Wenn 
nur Metternich Die Bayern nicht eben fo wie Murat durch bie 
Finger gehen läßt. 

In Italien wird Beauharnois bald flarf werben, wenn 
man das Volt nicht gegen ihn aufreizt. 

Ew. Excellenz Schreiben an bie Drloff habe ich felbft be- 
forgt. Sie ift mit ihrem Manne noch in Harrowgate in Yorkfpire, 
gedenlt aber in 14 Tagen zurüd zu fommen, 

Wallmodens Sieg über die Franzoſen bei Dannenberg hat 
mir große Freude gemacht. Leider höre ich, daß er und Dörn- 
berg fi beide zu fehr erponirt haben. Ich hoffe diefe Affaire 
wird Wallmoden beffer mit dem Prinzen von Schweden fegen: 


422 


Tegterer ſcheint des arrieres pensdes zu haben. Er wirbt jegt 
Sachſen, die nur bis an ben Rhein dienen follen. Können 
wir fo weit fommen, warum foll denn ber Teutfche Rhein ung 
eine Hydrophobie einjagen? Warum follen Teutfhe Länder 
nicht wieder Teutſch werben. Da ließen fih ber Schadlos⸗ 
haltungen viele finden, Leider finde ich ſelbſt im Tractat zwifhen 
Defterreih und Rußland und Preußen, den Rhein faft ald das 
non plus ultra unferer Wünfche angegeben. 

Em. Ercellenz empfehle ꝛc. ıc. 

Münfer.“ 

Um diefelbe Zeit ſchrieb Humboldt aus dem Hauptquartier 

der Prinzeffin Louiſe: ' 


„Eure 8. H. wird entzüct ſeyn über Gneifenaw’s Unter- 
nehmungen, welchem man ohne Zweifel großen Theils die Er- 
folge des Blucherſchen Heers verdankt. Seine Tagesbefehle, 
feine Berichte, Alles malt den Mann von hernorragendem Geiſt 
und einer ebeln und erhabenen Seele. Das ſchoͤne Beiragen 
der Preußen bei ber Schlacht von Dennewig macht hier den 
tiefften Eindrud, und ſcheint auch dem König eine fehr lebhafte 
Genugthuung zu geben. Uebrigens ift ed großentheild der 
König dem man nad bem Dresdener Rüdzuge die Rettung des 
Heeres verbanft, Hätte der König nicht am 29ften den ganzen 
Tag verwendet um Graf Oftermann Hülfe zu fenden und ihn 
in feiner ruhmvollen Bertpeidigung zu unterflägen, fo drang 
Bandamme wahrfgeintih mit feinem Corps bier durch, und 
die unglüdtichen Folgen davon waren unberehenbar. Der König 
iſt in vollfommener Gefunbheit und fehr guter Stimmung. Er 
erlaubt wir oft ihn zu fehen, und überhäuft mich mit Wohl: 
wollen, Der Kronprinz if beſtändig bei ihm, er entwickelt ſich 
aufs alferbefte und behält lets feine naive Fröhlichleit inmitten 


423 


feiner fehr ernften Theilnahme an den friegerifcpen Ereigniffen, 
Kaiſer Alexander und der König fehen fi viel und vereinigen 
ſich oft zum Mittagstifch beim Kaifer Franz. Der Anblid des 
menſchlichen Elends iR auch hier fehr betrübend. Ich fah einen 
Theil des ſchoͤnen Fuͤrſt · Claryſchen Parks vollgeſtopft mit Leichen, 
mit Bermwundeten und abgehauenen Gliedern. In ben erften 
Tagen nach dem 3Uften fehlte es hier an Einrichtungen für bie 
Verwundeten; ſeitdem ift alles in Ordnung gebracht, und in 
Prag empfängt man unfere Verwundeten mit dem theilnehmend«- 
Ren Erbarmen und ber größten Gaſtfreundſchaft. Hier waren 
es befonbers bie Franzoſen welche für den Augenblick am 
meiſten litten.“ 


Aehnlich ſchrieb Niebuhr: „Mir fehlt der Raum um Eurer 
Koͤniglichen Hoheit von den Preußen, vom König und dem 
Kronprinzen zu fehreiben, der durch den Feldzug unglaublich 
gewinnt. Ich prophezeie von ihm bie fehönften und die größten 
Dinge. Was den König betrifft, fo iſt Nichts gewifler als was 
man nad Berlin gefeprieben haben wird, daß Er es If, der 
nad dem Ungläd von Dresden Alles gerettet hat, . „" 


Stein an Frau v. Stein. 

„Toplitz den 18ten September. Ich habe meine Reife 
raſch genug beendigt; ich kam hier um 6%, Uhr an, nachdem 
ih in Laun zu Mittag gefpeift und ben ganzen Weg von 
Prag bis hieher mit Fuhren aller Art bebedt fand. Abende 
erfuhr ich die Erfolge des Kampfes am Tage bei Nollendsrf 
— 3000 Gefangene, unter beten ber General Kreuger, 10 Ra= 
nonen. Der arme Major Blücer ift anf eine verräsperiiche 
Weiſe durch die haͤßlichen Polen gefangen worden; ich hoffe, 
er wird entlommen fönnen. Dan fagt, Napoleon habe alle 
Verwundete bie man nicht wegbringen fonnte, mit Bajoneit- 


424 


ſtichen tödten laffen. Heute früh begann er abermals einen 
ſchwachen Angriff, zog ſich aber bald zurüd; fo daß es in bie= 
fem Augenblick hier fehr ruhig iſt. — Ich bin hier ziemlich be= 
ſchaͤftigt, und glaube daher nicht vor Montag abreifen zu können.“ 


Stein an Öneifenau. 

„Töoplitz den 20ſten September. Euer Hochwohlgeboren 
aͤußerſt intereffanten Brief d. d. Tten a. c. erhielt.ich den 15ten 
dur die Defterreihifche Poft, alfo zweifelsohne eröffnet; 
ich legte eine Ueberfegung des theoretifhen Theils dem Kaiſer 
vor, ber mit denen Grundfägen vollfommen einig if, den praf« 
tifhen und fubjektiven Teil ſprach ih münblih aus, er machte 
fehr vielen Eindrud, man verfiherte mich mit Langeron eine 
Abänderung vornehmen zu wollen, ber ohnehin nicht in ber 
Armee geachtet if, und wegen Yord mit dem König zu ſprechen, 
um den Mann in bie Schranken der Ordnung zu weifen. 

Der Plan der Fortfegung des Felbzuges if Ew. Hoch- 
wohlgeboren befannt, und ich hoffe er hat Ihren Beifall, er ift 
auf ben entmutheten Zufland der Franzoͤſiſchen Armee berechnet, 
die Anlage fo Ihnen vieleicht noch nicht zugefommen if, ent 
hält beweifende Thatſachen — laſſen Sie eine Ueberſetzung in 
die Breslauer Zeitung rüden — als belehrend ermunternd und 
warnend. Napoleon if in einem Zufland der Bethörung, er 
reibt feine junge rohe Soldaten auf, vielleicht bringt er fie zur 
Verzweiflung, die fih durch feine Vernichtung äußert, doch habe 
ich wenig Vertrauen auf den Geift bes Franzöfifhen Volke, er 
hat alle Spannfraft, allen Adel verloren, 

Meine Abfiht iR Sie in Baugen zu beſuchen, beforgen 
Sie mir gefäligft ein Duartier für Mann und Pferd, — 

Dem Kaifer if ed gelungen mehr Geift den Deſterreichi- 
ſchen Befehlshabern einzuflößen, Nacheiferung zu erregen; er 
verdient durch feine Beharrlichkeit, feine Aufopferung, feine 


425 


Thaͤtigkeit unfere Bewunderung und unfere ehrfurchtsvolle Danf« 
barfeit — um fo mehr muß jeder brave Mann zittern für 
feinen Verluſt, mit bem wir feden Tag ber Schlacht dur 
feinen ſtürmiſchen Muth bedroht find, Alle Vorſtellungen bie 
man ihm macht find vergeblich. 

Der Kronprinz ſcheint nach feinem eigenen Bülletin, bei 
Dennewig einen Mißgriff gemacht zu haben, ber durch bie 
Tapferkeit des Bülowfchen Corps unſchaͤdlich gemacht worden ift. 

Die von dem General Blüher an den Görliger Crayß ge= 
machte Foderungen find fehr hoch — laſſen Sie dieſe Ange- 
legenheit durch Reiſach und durch Rehdiger gehen — denn der 
Kronprinz iſt nur zw geneigt einzugreifen und bie Hülfsquellen 
der von ihm befegten Länder an fi zu reißen, wie er bereits 
gethan hat, und welches man verhindern. muß. — Wir find 
jegt bier befchäftigt mit Graf Metternich eine Verabredung 
wegen bed Berwaltungsrathe zu treffen; in wenigen Tagen find 
fie abgeſchloſſen. — 

Mit den Gefinnungen ber ausgezeichneteſten Hochachtung 
und Freundſchaft verbleibe ich 

Em. Hochwohlgeboren 
sehorfamfter Diener und Freund 
Stein." 


Die in diefem Briefe nur angebeuteten Namen der Corps— 
befehlehaber über welche Gneiſenau geflagt hatte, find von 
diefem mit Bleiftift dabei gefhrieben; Langeron und Yord. — 
Die Reife nach Baugen hatte wohl die Wiebereinrichtung der 
Verwaltung der Laufig zum Zwed, welcher Graf Reiſach zum 
Generalcommiffar vorgefegt ward. 


Stein an Frau v. Stein. 
„Töplitz den 2iften September. Ih kann Dir meine 
liebe Freundin ben Tag meiner Abreife noch nicht fagen; wir 


436 


alle erwarten Graf Meiternichs NRüdfehr, der nah Prag ge- 
gangen ift um bas Geichäft zu endigen welches mid hicher 
führte. 

Der Kaiſer hat mir den St. Andread-Drben ertheilt; Du 
weißt daß es ber erfle Orden Rußlands if, felten gegeben 
wird, und daß ich ihn als Zeichen ber großen Güte betrachten 
muß, bie er mir erweifen will, 

Wenn wir in Deutſchland wiebereinräden, was mir nit 
mehr weit entfernt ſcheint, ſo werde ih meine alten Berhält- 
niffe wieber einnehmen — mag ih dann dem Hauptquartier 
folgen wie man ed wunſcht, oder nicht, fo werbe ich eine eigene 
Haushaltung haben mäflen — erfundige Did meine liche 
Freundin nach einem fehr guten Koch..... 

Benachrichtige General Vieth und Oberſt Earlowig ſich 
zum Abgang nach Bautzen vorzubereiten, und daß ich fie gleich 
nah meiner Rüdtehr nach Prag dahin abzureifen erſuchen 
würde. Was macht General Stewart. 

Wir find Hier fehr ruhig, wahrfgeintih aber wird man 
bald vorrüden; Napoleon richtet, fo ſcheint es, ſich felbft zu 
Grunde; durch feine Hartnädigfeit die Elbe zu behaupten zer- 
Hört er Körper und Geiſt feines Heeres, 

Lebewohl meine liebe Freundin, umarme die Kinder.” 


Gegen Ende Septemberd ale das Bennigfenfhe Heer in 
Böhmen eintraf, begannen die friegerifhen Bewegungen mit 
größerer Lebhaftigfeit. Das große Heer zog ſich weſtlich über 
Eommotau und das Erzgebirge auf Chemnitz; Blucher erzwang 
am 3ten Detober durch heidenmüthigfte Anftrengung der Yord- 
fhen Truppen ben Eibübergang bei Wartenburg, und am fol- 
genden Tage wagte fih auch ber Kronprinz von Schweden 


427 


über die Elbe; Bennigfens Heer zog gegen Dresden. Durch 
diefe Bewegungen und den nahe bevorftehenden Anſchluß Bayerns 
an die Deutfhe Sache in feiner Verbindung mit dem Rhein 
bedroht, z0g Napoleon ben größten Theil feines Heeres gegen 
Leipzig. Schon hatte aud ein kühner Zug Czernitſcheffs und 
die Einnahme von Caſſel dem verächtlihen Regiment Hierony« 
mus Bonaparte's und feines liederlichen Hofes, deſſen ſchamloſe 
Genüfle der Auswurf des Hannoverfhen und Heffifhen Adels 
und geabelter Franzoſenknechte geiheilt hatte, ein von ganz 
Deuitſchland mit Jubel begrüßtes Ende gemacht. 

Nach dem Grundfage, daß wie Preußen in Norddeutſch⸗ 
Yand, fo Defterreich in Suddeutſchland die vorwiegende Stimme 
gebühre, hatte man ber Iegteren Macht die Unterhandlungen 
mit den fäblihen Rheinbundfiaaten anheimgeſtellt. Nach lan⸗ 
gem Berzuge, welcher von Bayern zu Herfellung eines Heeres 
ſtatt des in Rußland gebliebenen benugt wurde, und nachdem 
ſich ber König von Bayern in einem offenen Briefe von Napoleon 
losgeſagt hatte, weil er von ihm verlaffen und burd bie Ueber⸗ 
macht gezwungen fey, ſchloſſen bie Unterhändler am Sten Detober 
zu Ried einen Vertrag. Der Bayerfhe Bevollmaͤchtigte Graf 
Wrede, duch Willenskraft den Oeſterreichiſchen Abgeordneten, 
dem ſchwachen und gutmüthigen Fürft Reuß und Geheimerath 
v. Bloret überlegen, erlangte Bedingungen, wie fie das ſchlimmſie 
Inehtifch-gehorfame Werkzeug Napoleons, ein Staat der acht 
Jahre hindurch die Hauptmittel hergegeben hatte um die Fran⸗ 
zoͤſiſchen Schlachten in Defterreih Preußen und Rußland zu 
gewinnen und der noch jetzt durch feine Erklärung fih den 
Weg zur Umfehr freibehielt, nicht erwarten durfte. Bayern 
entfagte dem Rheinbunde, trat dem Vereine gegen Frankreich 
bei, verſprach 36,000 Mann ins Feld zu flellen, und exhielt 
dagegen bie Gewähr des freien und frieblihen Genuffes fo wie 


428 


der vollen und gänzlichen Oberherrlichkeit aller feiner damaligen 
Befigungen, und bie Zufage vollftändiger Entſchäädigung mittelſt 
ihm genehmer mit dem Hauptlande zufammenhängender Land⸗ 
ſtriche für Die an Oeſterreich abzutretenden Provinzen. Diefe, 
einem ‚sreulofen, beöpotifchen, unfittlihen Cabinet gewährten 
Bortheile fanden in feinem Verhältniß zu dem Vortheil ber 
Verbündeten; benn ihr Heer war feit Blüchers Elbübergang 
im entfchiebenen Borrüden, in wenig Tagen mußten bie großen 
entſcheidenden Schläge gefhehen, und man fonnte bei günftigem 
Erfolg gerechtere Bedingungen vorſchreiben, während eine Nie— 
derlage die Bayern wieder unter Napoleons Zahnen geführt 
haben würde, Jetzt fprad man Bayern ben Raub von 1806, 
1807, 1809, oder volle Entfhädigung dafür zu, eine Bebin- 
gung bie in der Folge Defterreih ſelbſt nicht einmal erfüllen 
Sonnte, und wodurch es in ſchlimme Verwicklungen gerieth; 
dur Verſicherung der vollen Oberherrlichfeit mit Uebergehung 
aller Rechte des Landes genehmigte man bie 1806 erfolgte 
Unterbrüdung ber ftändifchen, mebiatifirten und reichſtaͤdtiſchen 
Rechte, und einen Zuftand der Recptlofigkeit wie er unter ber 
Deutfpen Reichsverfaſſung nie befanden hatte noch beſtehen 
durfte, und welder in Verbindung mit dem Fremdlingsjoche 
und befien Sündenlohn ber Fluch des Rheinbundes gewefen 
war. Man beftätigte Damit zugleich bie gewaltfame Zerftörung 
des Deutſchen Reihe ohne Vorbehalt, und genehmigte einen 
Zuftand völliger Auflöfung der verſchiedenen Beſtandtheile 
Deutfhlands, wobei die Rechte der Nation für Nichts zäplten, 
und fie ſelbſt nur einer herabgewürdigten Zufunft, gleich ber 
Italiens überlaffen werben ſollte. Weniger läßt fi den Unter- 
haͤndlern, welche nur bie allernaͤchſte Zufunft im Auge hatten, 
daraus ein Vorwurf machen, daß fie die Eonfeffionsverfehieben- 
heit der Fraͤnliſchen Fürftenthümer ganz außer Acht ließen und 


429 


daher den dortigen Proteflanten bei hartnädig fortgefegter Ver⸗ 
weigerung der ihnen reichs⸗ und abtretungegemäß zuftehenden 
freien und ungeftörten Relfgionsübung noch lange der Blid nah 
Preußen gewendet bleiben mußte. Bei einer Religions = Politik 
des fanatifhen Romanismus wie fie in Bayern gewefen if 
unb wieberfehren fann, find jene Fürftenthüämer ein Keim der 
Schwähe, welder der Regierung zu ungelegener Stunte bie 
fohlimmften Berlegenheiten bereiten wird. 

Jener Grundfag, ohne Beachtung ber Unterthanenrechte die 
unbefhränfte Oberherrlichkeit zuzugeftehen, war bie erfie Anz 
wenbung bes geheimen Zufagartifels bes Troppauer Vertrages. 

Als Stein zu Commotau, wo die Gabinelte verfammelt 
waren, am 12ten October den Inhalt des Vertrages erfuhr, 
fonnte er fi nicht enthalten feinen Unwillen über dieſes 
„diplomatifhe Product” auszudrücken; aber der Schritt war 
geſchehen, Alexander und Friedrich Wilhelm abwefend, und bie 
Preußiſchen und Ruffifhen Dinifter glaubten Defterreih nicht 
durch Verweigerung der Genehmigung in Verlegenheit fegen 
zu bürfen: man Tieß es fi gefallen bie Bahn des Unrecht zu 
betreten, auf der man bann im Laufe der Jahre noch manden 
traurigen Schritt.zu gehen gehabt hat. 

Das Hauptquartier war feit einiger Zeit durch ben Herzog 
v. Eumberland und Lord Aberdeen vermehrt. Der Iehtere, ein 
Dann von guter Bildung, Freund ber alten Fitteratur und 
Kunft, Reifender in Griechenland, richtigen aber kurzen Blicks, 
ließ es damals noch nicht ahnden, daß er dreißig Jahre fpäter 
durch ER und Fuge Behandlung berfelden Franzoſen geleitet 
werben würde, deren Waffen er fih jegt entgegenftellte. 


Stein an Frau v. Stein 
„Rothenhaus bei Commothau den 12ten October, Hier 
bin ich meine Tiebe Freundin eine Heine Stunde von Commothau 


1330 


in Erwartung der Ereigniffe welche eintreten werben oder ſchon 
eingetreten find, und die wir bald erfahren werben, und in 
Hoffnung der Wiederyereinigung der Hauptquartiere. Eie find 
jegt ſehr zerfireut, das des Kaiſers Alexander zu Altenburg 
bei bem großen Heere, des Königs von Preußen bei Bennig- 
ſens Heer zwifchen Dresden und Frepberg, das des Kaifers 
Franz hier; id rechne daranf morgen nach Marienberg abzu- 
reifen und vielleicht noch weiter zu geben, nach den Umftänden 
die fi nicht vorherfehen laſſen. Hoͤchſt wahrſcheinlich wird 
Sachſen bald von Napoleon geräumt ſeyn; Bayerns Beitritt 
erleichtert die Unternehmungen gegen ben Main und in Franken, 
und wirb ben Aufbruch der Sranzofen befchleunigen, weiche bie 
ſittlich und körperlich überlegenen Kräfte ber Verbündeten nicht 
länger ertragen tönnen, felbft wenn man das Uebergewicht von 
Napoleons Kriegstalenten in bie Wagſchaale legt. Da ic in 
der Meinen Stadt Commothau feine Wohnung finden konnte, 
fo hat man mir hier eine angewiefen; bie Lage iſt fhön, das 
Schloß Tiegt auf einer Anhöhe, ein Biere, deſſen eine Geite 
die Ausficht auf die Ebenen von Saatz und bje Berge von Laun; 
bie andern haben vor fi und fehr in ber Nähe das vielfach 
zerriſſene Hochgebirge des Erzgebirges — es iſt eine fehr ſchoͤne 
Befigung, das Innere des Schloffes gut ausgeflattet, fehr ge- 
räumig, die Umgebung bilden ausgebreitete und hübfhe Pflau⸗ 
zungen. — Ih genieße bier einer vollfommenen Cinfamfeit 
und Ruhe, die ich bald werde verlaffen müfjen mit vielem 
Bedauern und in der Hoffnung, endlich diefed unruhige umher⸗ 
siehende Leben das ich mein Lebelang geführt habe, endigen 
zu fehen und die für mein Alter fehr wünfcenswerthe Ruhe 
zu genießen. 

Ich bin mit meinem Reifegefährten Oberſt Earlowig fehr 
zufrieden; er ift ein Dann von viel Vernunft, fehr unterrichtet 


431 


und vollfommen wohlgefinnt — dieſe letzte Eigenfchaft findet 
fi felten bei den Sachſen. 

Ich mögte wohl in Caſſel feyn und die langen Tächerlichen 
Geſichter aller diefer Elenden fehen, die fi diefem erbärmlichen 
König Hieronymus angefehloffen und eine thätige Role in dem 
Poffenfpiel übernommen, welches biefer Heine fittenlofe Tauge- 
nichts aufgeführt hat. . 

Wenn die Köche kommen, fo Taß jeden eine Probe machen, 
wähle ben paſſendſten, ziehe ben Deutfchen vor wenn er gut 
ift, felbft wenn der andere beffer wäre... .. . 

Grüßet von mir alle unfere Freunde, umarme bie Kinder 
und fey meiner aufrihtigen und zärtfichen Anhänglichkeit gewiß." 


Sechster Abſchnitt. 


Leipzig. 
16ten bis 19ten Detober. 


Das Zufammenwirfen ber vier verbündeten Heere gegen 
Napoleons Rüdzugslinie beflimmte diefen zur Schladt in den 
Ebenen von Leipzig. Am 16ten Drtober griff Schwarzenberg 
von Süden, Blüher von Halle fommend an. Das große 
verbünbete Heer durch die Pleige und Eifter in drei Tpeile 
geſchieden, vermogte mit feiner oͤſtlichen Hälfte rechts der Pleiße 
nicht bie entgegenftehenden Franzoſen aus dem Befig der Dörfer 
zu vertreiben; nur Marfffeeberg ward durch Kleift dauernd be— 
hauptet, Wachau und Liebertwolfwig wieder verloren, und von 
hier aus dur bie Franzoſen bebeutende Fortfchritte gemacht, 
denen in einem höcdhft bedenklihen Augenblid Kaiſer Aleranders 
ſchnelle Anordnung ein Ziel fegte. Blucher hingegen über- 
wältigte von Norden her dur das Yordihe Corps die Fran- 
zoͤſiſche feſte Stelung bei Mödern, und drang fiegend bis in 
die Nähe von Leipzig; der Kronprinz von Schweden war aud« 
geblieben. Den 17ten verlor Napoleon mit vergeblihen Fries 
densunterhandlungen, den Verbündeten zogen das Bennigſenſche 
und das Norbheer zu. Am 18ten früh erwarteten die Fran— 
zofen in zurüdgezogener Stellung ben Angriff; das große Heer 
dur Bennigfen verflärft drang bis auf bie Rinien von Conne— 


433 


wig und Probfiheida vor, vermogte aber mit der größten An- 
ſtrengung nicht die Franzoͤſiſche Stellung zu überwältigen. 
Diefes vollbrachten ihrer Seits nad) Ueberfepreitung der Partha 
das Blücerfche und das Nordheer, und drangen über Schön- 
feld bis gegen Reubnig; Napoleon begann den Rüdzug, ber 
am 19ten nach der Erſtürmung der Stadt burd bie verbündeten 
Heere und Sprengung der Brüde bei Lindenau in eine große 
Niederlage überging; die Franzoſen verloren 38,000 Todte und 
Berwundete, 30,000 Dann mwurben gefangen, 370 Gefhüge 
und eine große Beute fielen den Berbündeten in bie Hände, 
welche jedoch den Sieg dieſer drei Tage mit einem Verluft von 
42,000 Todten und Bermundeten, darunter 21,000 Ruffen, 
14,000 Preußen, 7000 Defterreicher, erfauft hatten. Der größte 
Theil der Sächſiſchen und Wirtembergifchen Truppen hatte ſich 
am Morgen des 18ten, die übrigen Rheinbundtruppen nad der 
Einnahme der Stadt mit den Verbündeten vereinigt. Der 
König von Sachſen ward in der Stadt gefangen. Um ein 
Uhr zogen die verbündeten Herrſcher in Leipzig ein. 

Am folgenden Tage erſchien Stein und fand Altes im höch⸗ 
Ren Jubel. Der Kaifer umarmte ihn mit der innigften Freude. 
Stein ſah auch Gneifenau, und beide faßten den beftimmten. Ent- 
ſchluß: der Krieg dürfe nur mit Napoleons Entthro— 
nung enden. Wie beide Helden in diefem Augenblid der 
vollbrahten Befreiung Deutſchlands, zu deren vorzüglichen 
Werkzeugen fie der Himmel gebraucht hatte, fühlten, erfehen 
wir aus ihren Briefen: 


Stein an feine Fran. 

„Leipzig ben 2iften Detober 1813, Endlich meine liebe 
Sreundin wagt. man fi) dem Gefühl des Glücs hinzugeben. 
Napoleon ift gefhlagen, in unordentlicher Flucht; man treibt 
ihn auf das linke Rheinufer, und das Oeſterreichiſch-Baierſche 

Stein’s Leben. IM. 2te Aufl. 28 


431 


Heer wird ihn noch vor feinem Uebergange angreifen — das 
iſt der Erfolg der blutigen und ruhmvollen Kämpfe des 14ten, 
16ten, 18ten, 19ten October — ba liegt alfo das mit Blut und 
Tpränen fo vieler Millionen gefittete, durch die tollſte und ver- 
ruchteſte Tyrannei aufgerichtete ungeheure Gebäude am Boben; 
von einem Ende Deutſchlands bis zum andern wagt man ed aud- 
zurufen, daß Napolcon ein Böfewicht und der Feind des menfch- 
lichen Geſchlechtes ift, daß die fhänblihen Feſſeln in benen er 
unfer Vaterland hielt zerbrochen, und bie Schande womit er 
ung bebedte in Strömen Franzöfifhen Blutes abgewafchen if. 
Diefe großen Erfolge verbanfen wir der Beharrlichkeit und dem 
edeln Muthe den der Kaiſer Alerander in der großen Entſchei- 
dung des vorigen Jahres entwidelt hat, der heldenmüthigen 
Hingebung feines Bolfes, dem Geifte der Gerechtigkeit und 
Mäßigung den er entfaltete in allen Verhandlungen mit ben 
Mächten welche er einlud ihre Anftrengungen mit ben feinigen 
zu verbinden, ber Aufopferung und Kraftfülle welche Preußen 
gezeigt hat feitbem es in ben Kampf eintrat, bem Geifte des 
Unwillens und Hafles gegen den Unterdrüder, der fih von 
allen Seiten bethätigte, Die Borfehung if gerechtfertigt" durch 
das große Gericht das fie über das Ungeheuer ergehen ließ; 
feine Berfiodung hat ihn zu politifchen und militairifhen Toll- 
heiten verleitet, die feinen Fall beſchleunigt und ihn zum Gefpätt 
des Bolfs herabwürbigen. 

Wir verbanfen biefe großen Refultate nicht dem Einfluffe 
feiger Staatsmänner, elender Fürften; fie find hervorgebracht 
durch zwei blutige thatenvolle lorbeer⸗ und thränenreiche Feld⸗ 
züge — durch viele blutige Schlachten; und bei Lügen, Baupen, 
Teltow, Dresden, Katzbach, Kulm, Dennewig, Blebin, Leipzig 
wurde der Saamen gefreut zu ber fehönen Erndte die ung er— 
wartet, und beren Ertrag wir mit Frömmigfeit, Dankharfeit 
gegen bie Vorſehung und Mäßigung jet genießen dürfen“, 


435 

Lebe wohl meine liebe Freundin, füffe die Kinder, denen 
ih mit dem nädhften Courier antworten werde. 

Die verbündeten Mächte haben mir die Gefammt-Ber- 
waltung ber befegten Länder gegeben — Repnin if zum Gou— 
verneur von Sachfen ernannt — ich reife ab, fobald die Heere 
Frankfurt erreicht haben, in vierzehn Tagen.” 


Gneifenau an die Prinzeffin Louiſe. 

„Freiburg an ber Unftrutt den 22ften October 1813. 
Durdlaugtigfte gnädigfle Prinzeffin. Em. Königlihe Hoheit 
haben mich durch zwei Schreiben von Ihrer verehrten Hand 
hoch beglüdt. Ich ergreife, nad) vollendete Hauptarbeit, den 
erften freien Moment, um Ew. Koͤniglichen Hoheit für biefen 
Beweis Höcftiprer Huld meinen ehrfurchtsvollen Dank bar- 
aubringen. . 

Wie glüdtich ich jegt athme, lebe und webe, können Ew. 
Königliche Hoheit ermeffen. Das hödfte Glüd des Lebens if 
Befriedigung der Rache an einem übermüthigen Feind, Wir 
haben fie genommen, biefe Race, auf eine Weife, wie bie 
Geſchichte kein Beifpiel Fennt. 

Der Staat ift gerettet, ber Thron ift befeſtigt. Wir find 
zwar arm «geworben, aber jetzt reich an Friegerifhem Ruhme 
und flolz auf die wiedererrungene Nationalunabhängigkeit. Diefe 
Güter find mehr werth als die unermeßlihften Reichthümer 
bei fremder Herrfhaft. Aber warum muß bie nicht mehr 
leben, die dieſes Glück in den befeeligendften Gefühlen genoſſen 
hätte, unfere verewigte Königin! Sole Betrachtungen mifchen 
Wermuth in den Beer aus bem fo tiefe Züge ung zu thun 
vergönnt if. Mit melden Strömen von Blut indeffen bie 
Breipeit der Welt erfauft ift, davon mag man nur wenig Begriff 
anderwärts haben. Bier Tage Tang hat fih die Schleſiſche 
Armee geſchlagen. Bon 103,000 Mann bie fie am Anfang 

28* 


1% 


Res Aritzuzee üart wir, 1m üe art ca Mira arigmel;re. 
jzwrihen vierzig web Fenhig Taricre Moun haben ũcherlich 
bie vier Taze bei Kerrjig ten werküzteien Armeen gefeweı. 
Ten Berluß ver Zeinte kenzrı wir wide Auf Brilon wei 
Ant tie Felder mis Tetsen, Berwümmelıen und Berwunters 
beredt. Rund um bie innere Siatt Leirzig erſtredt ſich ein 
breiter Eaum ven fchinen Eraziergingen. Diele waren dad 
Sqlachtfeld des I9en Ociober. Rod des autern Zuges lag 
dort alles vell Sterbender, Leichnane von Menichen und Pfer⸗ 
den, Trümmer, umgeflürzte Kriegsfahrzeuge, Waffen, Saͤutl. 
Die Erde war mit Blut getränft. Es war dies ein jammer- 
volles Schauſpiel des höchften menihlichen Elendes. 

Den Prinzen Wilhelm haben Ew. Königliche Hoheit neh 
zur rechten Zeit zur Armee abgefhidt, damit er Zeuge und 
Theilnehmer fo großer Begebenheiten feyn fonnte. .Roch habe 
ich ihn nicht in feiner neuen Kleidung geſehen. Ew. Königlien 
Hoheit mätterlihes Herz mag wohl auch mandmal von ban- 
gen Beforgniffen erfüllt feyn. 

Geruhen Ew. Königliche Hoheit die treue und ehrfurchts- 
volle Verehrung zu genehmigen, womit ich unter ben lebhafte: 
Ken Wünfhen für das Wohl Ihres gefammten Haufe, ehr- 


erbietigft verharre J 
E. K. H. unterthänigſter Diener 


N. v. Gneiſenau.“ 


Dieſes die große erhebende Seite jener Tage, womit in 
und für ganz Deutſchland ein neues Leben begann. Wenden 
wir jedoch die Seele für einen Augenblid auch den Helden zu, 
die mit höchſter Anftrengung ihrer Kraft, mit bem freubig dar⸗ 
gebrachten Leben, mit dem ſchwerſten Opfer blühender Gefund- 
beit das Vaterland befreit Hatten. Selig bie im Augenblid 
edeifter hoͤchſter Pflichterfühung ben bitterfüßen Tod fürs Vater— 


437 


land farben, die im Vollgefuͤhl ſittlicher und Leibeskraft auf 
frei erfämpfter Muttererde zur ewigen Ruhe fanfen ; aber 
beweinenswertb war das Roos ber vielen Taufende die noch 
Iebensfähig aus ſchweren Wunden blutend auf der meilenweiten 
Wahlſtatt umperlagen, mit Tobten, Sterbenden, Freunden und 
Feinden vermengt, nad Hülfe und Rettung jammernd und feine 
fanden. Xaufende erlagen ben Dualen ber Wunden, dem 
Hunger und Durft bei Tage, dem Froft der falten Detober- 
nädte, ehe es gelang, fie in eilig geſchaffene Hospitäler 
zu bringen, Und weit entfernt gerettet zu feyn, waren fie hier 
für neue namenlofe Leiden aufgefpart, unglaubliche wenn nicht 
von Stein und Reil bezeugt. Stein erzählt, daß in Leipzig 
34,000 Kranke und Verwundete von allen Nationen in Lazarethen 
angehäuft waren, bie folhen Mangel litten, daß einige hundert 
von ihnen an Entbehrungen aller Art farben. Reil war von 
Berlin herbeigeeilt um fi unentgeltlich der Sache zu wibmen 
und hatte die oberfte Sorge der Hospitäler übernommen; fein 
Beriht vom 26ſten Detober fhildert den Zuftand ber ihm 
untergebenen Anflalten mit berzzerreißenden Zügen. Diefer 
Bericht iſt gräßlich ; aber es frommt, daß unfere Kinder er- 
fahren mit welchen Leiden ihre Freiheit erfauft ift, damit fie 
ein "einiges frommes kraͤftiges Deutfhland wahren, und bie 
abermalige Nothwenbigfeit fo furchtbarer Opfer verhüten lernen. 


Reil an Stein. 

„Leipzig den 26ften October 1813, Ew. Excellenz haben 
mich beauftragt, Ihnen einen Bericht über meinen Befund ber 
Lazarethe ber verbünbeten Armeen am biesfeitigen Elbufer ein- 
zureichen. Ich thue dies um fo williger, als in biefer thaten- 
reichen Zeit auch die Unthaten nicht für die Geſchichte verloren 
gehen bürfen. Ich kam am 2dflen October früh in Halle an, 
fand diefen von allen Seiten gepreßten Ort mit mehr als 


438 


7000 Kranken überladen, und noch flrömten immer neue vom 
Schlachtfelde bei Leipzig zu. Es würde ein Öozego» ngozegov 
gewefen ſeyn, wenn ich hier zu helfen hätte anfangen wollen. 
Ich ordnete bieferwegen für die Berwundeten an, was in bie= 
fem Augenblit das Dringendfte war, fand jeden Einwohner 
bereit, meine Borfchläge zur Hülfe der Unglüdtichen ins Werk 
zu richten, und eilte dann Leipzig zu, um beffen Lazarethen, 
die, wie ein Vulkan ihre Kranfen nach allen Richtungen aus— 
fpieen, und alle guten Anordnungen in ihren Umgebungen wie 
der vernichteten, eine zwedmäßige Ableitung zu verſchaffen. 
Auf dem Wege dahin begegnete mir ein ununterbrochener Zug 
von Verwundeten, bie wie die Kälber, auf Schubfarren, ohne 
Stroppolfter, zufammengeflumpt Tagen und einzelne ihre zer⸗ 
ſchoſſenen Glieder, die niht Raum genug auf biefem engen 
Zuhrwerf hatten, neben ſich her ſchleppten. Noch an diefem 
Tage, alfo Sieben Tage nad) der ewig denfwürbigen Bölfer- 
Schlacht, wurden Menfhen vom Schlachtfelde eingebracht, deren 
unverwüftlihes Leben nicht durch Berwundungen, noch durch 
Nachtfröſte und Hunger zerſtörbar gewefen war. In Leipzig 
fand ich ohngefähr 20,000 verwunbdete und kranfe Krieger von 
allen Nationen. Die zügellofefte Phantafie ift nicht im Stande, 
ſich ein Bild des Jammers in fo grellen Karben auszumalen, 
als ih es bier in der Wirklichkeit vor mir fand, Das 
Panorama wuͤrde felbft der Fräftigfte Menſch nicht anzufhauen 
vermögen; daher gebe ich Ihnen nur einzelne Züge dieſes 
fchauberhaften Gemäldes, von welchem ich felbft Augenzeuge 
war, und bie ich daher verbürgen fann. Dan hat unfere 
Verwundete an Orte niedergelegt, die ich ber Raufmännin nicht 
für ihren franfen Möppel anbieten möchte. Sie liegen ent- 
weber in bumpfen Spelunfen, in welchen ſelbſt das Amphibien- 
Leben nicht Sauerſtoffgas genug finden würde, ober in fheiben- 
leeren Schulen und wölbifchen Kirchen, in welchen die Kälte 


439 


ber Atmofphäre in dem Maaße waͤchſt, als ihre Berberbnig 
abnimmt, bis endlich einzelne Franzoſen noch ganz ind Freye 
hinausgefcpoben find, wo ber Himmel das Dach macht, und 
Heulen und Zähnflappen herrſcht. An dem einen Pol ber 
Reihe töbtet die Stickluft, an dem andern reibt ber Froft die 
Kranken auf. Bei dem Mangel öffentliher Gebäude hat man 
dennoch auch nicht ein einziges Bürgerhaus den gemeinen 
Soldaten zum Spitale eingeräumt, An jenen Orten liegen fie 
geſchichtet wie die Heringe in ihren Tonnen, alle noch in ben 
blutigen Geiwändern, in welchen fie aus ber heißen Schlacht 
bereingetragen find. Unter 20,000 Berwundeten hat auch nicht 
ein einziger ein Hemde, Beittuh, Dede, Strohfad oder Beit- 
ſtelle erhalten. Nicht Allen, aber doch Einzelnen hätte man 
geben fönnen. Keiner Nation if ein Vorzug eingeräumt, alle 
ſind glei elend berathen, und dies if das Einzige, worüber 
die Soldaten fi nicht zu beffagen haben. Sie haben nicht 
einmal Lagerſtroh, fondern bie Stuben find mit Hederling aus 
den Bivouac's ausgeftreut, das nur für ben Schein gelten 
kann. Alle Kranfe mit zerbrochenen Armen und Beinen, und 
beren find viele, denen man auf der nadten Erde feine Lage 
"hat geben fönnen,. find für bie verbündeten Armeen verloren. 
Ein Teil derfelben ift ſchon todt, der andere wird noch fterben. 
Ihre Glieder find, wie nach Vergiftungen, furhtbar aufgelaufen, 
brandig, und Tiegen in allen Richtungen neben den Rümpfen, 
Daher der Kinnbadenframpf in allen Eden und Winkeln, der 
um fo mehr wuchert, als Hunger und Kälte feiner Haupt- 
urfache zu Hülfe kommen. Unvergeplich bleibt mir eine Scene 
in ber Bürgerfchule. Iſt es Ihr Geift! fo rief mir eine Stimme 
entgegen, als ich die Thür eines Zimmers öffnete, oder find Sie es 
felbft, den mir der Himmel zur Rettung zufendet? und doppelte 
Thränengüffe, von Schmerz und Freuden gefordert, rollten über 
das Frampfhafte Geſicht herab. Es war ein Kaufmanns-Sohn 


440 


aus Preußen, der in ber Schlacht bei Groß-Beeren verwunbet, 
von mir im Spital des Frauenvereind geheilt und hier wieder 
im Schenfel verwundet war. ber beine Hoffnung, armer 
Züngling, ift eine leere Fulguration; du haft einen Strophalm 
in den wilden Brandungen ber Zeit gehaſcht, ber did gegen 
die Wellenfhläge des Todes nicht fehügen wird. Das Mark 
deiner Knochen ift abgeftorben, deine Wunden athmen nicht mehr, 
und ber Todesengel flattert fhon um beine Schläfe herum, 
der dich in wenigen Stunden in eine beffere Welt hinüberführen 
wird, — Biele find noch gar nicht, andere werben nicht alle 
Tage verbunden. Die Binden find zum Theil von grauer 
Leinwand, aus Dürrneberger Salzfäden gefehnitten, die die Haut 
mitnehmen, wo fie noch ganz if. In einer Stube fland ein 
Korb mit rohen Dachſchindeln zum Schienen der zerbrochenen 
Glieder. Biele Amputationen find verfäumt, andere werben 
von unberufenen Menfhen gemacht, die faum das Barbier- 
meſſer führen fönnen und die Gelegenheit nügen, ihre erſten 
Ausflüge an den vermunbeten Gliedern unferer Krieger zu 
verfuchen. iner Amputation fah ich mit zu, die mit flumpfen 
Meffern gemacht wurde. Die braunrothe Farbe der durchſägten 
Muskeln, bie faft fhon zu athmen aufgehört hatten, des Dpe- 
tirten nachmalige Lage und Pflege gaben mir wenig Hoffnung 
zu feiner Erhaltung. Doc hat er den Vortheil davon, daß er 
auf einem fürzeren Wege zu feinem Ziele fommt. An Wärtern 
fehlt e8 ganz. Verwundete, die nicht aufftehen können, müffen 
Koth und Urin unter fih gehen laſſen und faulen in ihrem 
eigenen Unrath an. Für die gangbaren find zwar offene Bütten 
ausgefegt, die aber nah allen Seiten überftrömen, weil fie 
nicht ausgetragen werben. In ber Petri-Kirhe ftand eine 
folge Bütte neben einer andern, ihr gleichen, die eben mit der 
Mittagsfuppe bereingebradht war. Diefe Nachbarſchaft der 
Speifen und ber Auslserungen, — — — — muß nothiwendig 


441 


einen Efel erregen, den nur ber grimmigfte Hunger zu über- 
winden im Stande if. Das feheußlihfte in dieſer Art gab 
das Gewandhaus. Der Perron war mit einer Reihe folder 
überfirömenden Bütten befegt, deren träger Inhalt fih Tangfam 
über bie Treppen herabwälzte. Es war mir unmöglich, dur 
die Dünfte dieſer Cascade zu dringen, bie ber Avernus nicht 
siftiger ausbauen fann, und der Eingang des Spitals von 
der Straße her zu foreiren. Ich fand einen andern Weg zu 
bemfelben auf dem Hofe, Fam in lange finftere Gallericen, die 
mit mehr als 2000 bleffirten Sranzofen garnirt waren, welde 
dur ihr Geächze und ihre Ausflüffe die Luft für Ohr und 
Naſe glei unerträglich machten. Unter biefer Maſſe traf ich 
obngefähr 20 Preußen vergraben, bie für Freude außer ſich 
waren, als fie wieder bie Stimme eines Deutfchen hörten,. die 
fie nad) der Schlacht nicht gehört hatten. Erlöfen Sie und aus 
diefem Pfupl des Verberbens! riefen fie mir aus einem Munde 
entgegen, wo bie phyſiſchen und pſychiſchen Eindrüde ung in 
Kurzem töbten müffen. Ich verſprach ihnen, daß ich fie noch 
den nämlihen Abend unter ihre Kameraden bringen wmürbe. 
In der PetrisKicche fah ich der Vertheilung des Mittagsbrods 
zu. Die Sleifhportion wog 2 bie 4, das Brod für den Tag 
ohngefähr 8 bis 12 Loth. Die Suppe befand aus Waffer, 
in welhem die Reisförner gefifcht werben mußten. Bier und 
Branntwein wurde hier gar nicht gegeben. An anderen Drten 
hatte er nur ben Geruch des Fufels, enthielt faum 10 yEt. 
Alfohol, der nicht einmal durch die Epidermis eines Kofaden- 
magens dringen fann. Bei biefer Meßdiät, die faum einen 
Sübländer auf den Beinen halten ann, gehen unfere Nordifche 
Bölfer in furzer Zeit verloren, verfallen in Nervenſchwaͤche, 
und ſchwinden wie die Schatten dahin. Die Diät richtet fi 
nad dem Mann. Der Rufe fpeift feinen Cozuß mit Behag- 
lichkeit; der Magen des Pommeraners findet an einem halben 





42 


Dugend Gerfien-Klöße feine gemeflene Arbeit, wenn dad Co— 
rinthenmãnuchen ſich benfelben an einem Zuderhrobe verbirht, 
das er aus den Händen feiner Lais nippt. Ich ſchließe meinen 
Bericht mit dem graͤßlichſten Schaufpiel, das mir falt durch 
die Glieder fuhr und meine ganze Zaffung lähmte. Nämlich 
anf dem offenen Hofe der Bürgerſchule fand ih einen Berg, 
der aus Kehrigt und Leihen meiner Randelente befland, die 
nadend lagen und von Hunden und Raben angefrefien wurben, 
als wenn fie Miſſethäter und Mordbrenner gewefen wären. 
So entheiliget man bie Ueberreſte der Helden, die dem Bater- 
Iande gefallen find! Ob Schlaffpeit, Indolenz oder böfer Wille 
die Urfache des ſchauderhaften Looſes if, das meine Landsleute 
bier trifft, die für ihren König, das Baterland und die Ehre 
der Deutfchen Nation geblutet haben, mag ich nicht beurtheilen. 
An andern DOrten* iR ihr Schidfal günfliger gewefen, wo 
jedermann fi an ihr Lager drängte, auf welches ihr Kampf 
für die Unabhängigfeit fie niederwarf, Balfam in ihre Wunden 
goß, ihre Schmerzen linderte und durch Mitgefühl ihren Muth 
ſtaͤhlte. Ich appellire an Ew. Ercellen; Humanität, an Ihre 
Liebe zu meinem König und fein Bolf, helfen Sie unferen 
Braven, helfen Sie bald, an jeder verfäumten Minute Flebt 
eine Blutſchuld. Legen Sie ein Schock kranker Baskiren in 
die Betten ber Banquiers- Frauen, und geben Sie in jedes 
Krankenzimmer einen Koſacken mit, ber für Aufrechthaltung ber 
Ordnung verantwortlich if. Diefe Maßregel, die gewiß Luft 
und Liebe zum Dinge macht, ſcheint mehr hart zu feyn, als fie 
es wirklich if. Der Kranfe muß ins Beite, und die Gefunden 
zu feiner Wartung vor bemfelben kommen. Wir befpötteln 
fonft in dem Tadel des Hottentolten, der fi ind Bette legt, 
wenn die Frau geboren hat, unfere eigene Inconfequenz. 

j Dr. 3. C. Reit." 

” Berlin, Prag. 


443 

Daß folden Gräueln foweit es mit Aufbietung alfer Kräfte 
möglich war gefteuert werbe, war bie unabweislichſte Pflicht. 

Es wurden die ſchleunigſten Maßregeln getroffen um die 
Lazarethe zu räumen, bie Kranfen unterzubringen, ihnen zu 
helfen, und Weil betrieb die Sade der er fih aus reiner 
Menſchenliebe gewidmet hatte, mit Einfiht und glühendem Eifer. 
Auch die teilnehmende Gefinnung der Einwohner machte ſich 
Bahn; Arndt welcher nach einigen Tagen nad Leipzig folgte, 
fand °°, fo ſchreibt er, ein Meines Bild von Wilna, nur mit dem 
Unterſchiede, daß die Stadt nicht verwüftet war und baß hier 
Deutfhe Menſchen lebten. Die Leihenwagen knarrten auch 
bier täglich durch die Straßen, und viele ber Einwohner wur— 
den mit von der Seuche fortgerafft. Doch ermüdete die Menſch⸗ 
lichteit und Wohltpätigfeit nimmer, und die Leipziger vergaßen 
die Aengfte und Nöthen und fi ſelbſt, und halfen und retteten 
fo viel fie fonnten. Das war auch Deutfhland, — fließt 
Arndt — und das allerbefte Deutſchland. 

Auch Reit fiel wenig Tage nachher, ein Opfer feines eben 
Eifers, er erlag dem furdtbaren Nervenfieber welches den 
Branzöfifchen Heeren folgend durch ganz Sachſen und Thüringen 
und an ber großen Heerfiraße bis Mainz den Winter und 
Zrüpling hindurch ein volles Drittheil der Bevölferung ver- 
peftend hinwegraffte. 

Arndt ſchrieb hier die Schrift „Der Rhein Deutſchlands 
Strom, nicht Deutſchlands Gränze”, welde zuerft wieder die 
richtige Anficht den Franzöfiihen Lügen und Anmaßungen gegen- 
über in Deutſchland zur allgemeinen Anerfennung brachte. 


Siebenter Abſchnitt. 


Die Central-Berwaltung in Leipzig. 
Ende Detobers, Anfang Rovembers. 





Der erfie Gegenftand welcher eine Entfcheidung ber verbün- 
deten Mächte bedurfte, war das Loos des Königs von Sachſen, 
der nach der Erflürmung Leipzige am 19ten Vormittags fi 
als Gefangener ergeben müffen. Kaifer Franz wünfchte ihn 
feinem Lande zu erhalten und flug vor ihn nah Prag zu 
fenden; Alerander aber beftand darauf, daß er ale Gefangener 
nad Berlin gebracht würbe; er ward bahin durch Anflett mit 
einer militairifhen Bedeckung abgeführt, und damit bie Ent— 
ſcheidung über fein Loos und feine Ränder bis auf weiteres 
ausgeſetzt. 

Ein zweiter Gegenſtand von größter Wichtigkeit, war bie 
Verwaltung ber eroberten und noch zu erobernden Länder, die 
Benugung ihrer Hülfsquellen für die gemeinfame Sache. Um 
diefe mit Einheit, Kraft und Ordnung zu betreiben, Iegten bie 
verbündeten Fürften fie mit uneingefchränktem Vertrauen in 
Steins Hände. Der nah früheren Befprehungen mit ihm 
durh Humboldt ausgearbeitete Plan einer Vollmacht ward am 
2iften October von Stein mit Metternih, Hardenberg und 
Neſſelrode beſprochen, einige zur Aufnahme in eine befonbere 


445 


Inſtruction geeignete Punkte vorbehalten, und die Uebrigen in 
eine Urkunde zufammengefaßt, welche von ben brei Miniftern 
Namens der fämmtlihen Verbündeten unterzeichnet ward; 
Schweden erflärte feine Beifimmung am folgenden Tage, 
Großbritannien fpäterhin. 

Die Hauptbefiimmungen dieſes Vertrages find: 

Da ber gegenwärtige Krieg bie Bereinigung aller verfüg- 
baren Kräfte erfordert, und es daher unabweislich nothwendig 
iſt, alle Länder welche befegt find zu ben Kriegskoſten beitragen 
zu Taffen umd jedem derfelben bie der gemeinfamen Sache 
nüglichfte Kriegseinrichtung zu geben, Zwede welche nur durch 
zeitweilige von einem Mittelpunfte ausgehende Einheit der 
Berwaltungsgrundfäge erreicht werben fünnen, fo wirb unter 
Vollmacht aller verbündeten Mächte eine einftweilige Central⸗ 
verwaltung errichtet. 

Der Wirkungsfreis derfelben erfiredt fih über alle im 
Lauf bed Krieges einzunehmende Länder, welche für den Augen- 
blick herrenlos ober deren Herren dem Bunde gegen ben ge= 
meinfamen Feind nicht beigetreten find; jedoch mit Ausnahme 
der vor dem Jahr 1805 Defterreih, Preußen, Hannover oder 
Schweden gehörigen Landftrihe, fo wie des Großherzogthums 
Würzburg als Defterreihifger Secundogenitur. 

Hinſichtlich der Länder deren Fürſten dem Bunde beitreten, 
wird es von den abzufchliegenden Verträgen abhangen, wie bie 
Gentralbehörbe fih in die Regierung einzumiſchen hat; folden 
Bürften wird ein Agent der Centralbehoͤrde beigeorbnet. 

Die Leitung der Gentralverwaltung if durch die verbün- 
deten Fürften dem Minifter Freiherrn vom Stein anvertraut; 
er beforgt diefelbe einzig unter feiner eigenen Verantwortlichfeit, 
und bildet nach feiner Wahl die erforderlichen Behörden, 


At. 1. 


Art, 2,5. 


Art. 3,4, 


Art. 7.8, 


Das Eentralamt ſteht unter fämmtlichen verbündeten Maͤch- Art. 9. 


ten, holt deren Befehle in den durch die allgemeine Inftruction 


446 
nicht vorgefehenen Fällen ein, und giebt ihnen von der Ber- 

Art. 10. waltung Rechenſchaft; um den Geſchaͤftsgang möglihf zu ver- 
einfahen und zu beſchleunigen und Verfäumniß zu verhüten, 
ernennen die Verbündeten welche nicht ſelbſt zugegen find, jede 
einen ihrer im großen Hauptquartiere anmwefenden Dinifter, 
welche über alle die Berwaltung ber eroberten Ränder betreffende 
Gegenftände zu berathen und entſcheiden haben; dieſe Abgeord=- 

Art, 11. neten bilden einen Rath unter Borfig des Aelteften unter ihnen, 
welcher die Berichte des Chefsdes Centralamts erhält und bie 
Antworten barauf erläßt. 

Art. 6. Das Gentralamt verwaltet die beſetzten Länder durch unter 

Art. 12. ihm ſtehende Generalgouverneure, Seine Hauptberehtigungen 
find, Ernennung diefer Gouverneure und ihnen beizuorbnender 
Näthe, Ernennung ber Agenten bei ben zugetretenen Fürften; 
diefe Ernennungen werben ben verbündeten Höfen angezeigt; 
Ertheilung der Vollmachten für die Gouverneure, die nur in 
fo weit fie über die ihnen ertheilte Macht hinausgehen den ver⸗ 
bündeten Dlächten zur Genehmigung vorzulegen find; Leitung 
und Ueberwachung der Gouverneure und Agenten, fo wie Ab» 
berufung derfelben wenn fie nöthig gefunden wird. Die Stellen 
der Gouverneure und Räthe find jeden Augenblick widerruflich; 
jede Ernennung oder Zurüdtufung if durch das Gentralamt 
fofort den verbündeten Höfen anzuzeigen. 

Art, 13, Die Tpätigfeit bes Centralamts beginnt in jedem Lande 
vermöge ausdrädtihen Beſchluſſes der Verbündeten, worin bie 
Graͤnzen bes Berwaltungsfreifes und die Zahl ber zu errichten- 
den Gouvernements bezeichnet find; das Gentralamt überreicht 
dann fofort einen Berwaltungsplan, welcher fih vorzüglich auf 
die Mittel der einzurichtenden Vollsbewaffnung bezieht. 

Art. 14, Die Leiftungen der verwalteten Länder werben nad bem 
Mafftabe von je 150,000 Mann unter Defterreih Rußland 
und Preußen gleich vertheilt; Schweden nimmt Theil nach 


447 


Maßgabe den von ihm geftellten 30,000 Mann, Hannover nah 
dem Berhäftniß der von ihm aufzuftellenden Truppenzahl. 

Die Gouverneure, fo weit als thunfih Offiziere ber art. Fe 
höheren Grade, wirfen unter Leitung der Gentralbehörde, und 
halten ſich firenge an deren Befehle; follten fie in dringenden 
oder unvorbergefehenen Faͤllen glauben davon abweichen zu 
muſſen, fo dürfen fie auf eigene Verantwortlichkeit handeln, 
müffen jedoch fofort deshalb an die Eentralbehörbe berichten. 

Es wird als Grundfag angenommen, daß die Gonverneure Art. 18. 
allenthalben bie vorhandenen Obrigfeiten beftehen laſſen und 
nur durch fie handeln; nur bie wichtigften Gründe fönnen eine 
Ausnahme von biefer allgemeinen Regel rechtfertigen. 

Jeder Gouverneur hat hauptfählich Art. 19, 

1) Alles zu überwachen was fih auf ben unmittelbaren 
Unterhalt der verbündeten Heere innerhalb feines Wirfunge- 
freifes bezieht; bie unmittelbare Beforgung dieſes Unterhaltes 
liegt den Intendanten ob, . 

2) fein Gouvernement mittelft Lieferungen oder Gelb zu 
den gemeinfchaftlihen Kriegsfoften beitragen zu maden; alfo 
ſich gleich zunächſt der Mittel welche das Gouvernement befigt 
zu verfühern, eine Ueberſicht derſelben der Eentralbehörbe vor- 
zulegen, und deſſen Entſcheidung zu erwarten, 

3) in dem befegten und verwalteten Lande die wirffamften 
und ben Dertlicfeiten am beften entfprechenden Kriegsmittel in 
Thätigfeit zu fegen, 

4) nad ben oben ausgefprocpenen Grunbfägen bie Ver— 
waltung der Lanbesobrigfeiten zu Teiten und im Allgemeinen 
zu überwachen. 

Die Koften der gefammten Verwaltung werden aus dem Art. 20. 
Einfommen der verwalteten Laͤnder beftritten. 


415 


Unser den vorgeihlazenen aber niche geachmigien Deiim- 
mungen des Stein-Sumbeltrigen Planes if bie eine beadtungs- 
nerıp, boß tie Gouverncure alleatbalben wo Lantkänte vor⸗ 
basten iegen, mittel berielten wirfen and das Belf ju thäniger 
Sälfsteitung für bie gemeine Sache anzuregen fuchen follten. 


Es gelangten alfo, in demfelben Maße als die verbünderen 
Heere vorrüdten, die befreieten Länder unter die Gentralvermal- 
tung; Stein hatte diefe einzurichten, fo wie fein Wirfungsfreis 
fi erweiterte, Generalgouverneure nebR deren Räthen zu er= 
nennen, deren Verwaltung einzurichten, bei den beitretenden 
Zürften Agenten anzuftellen, in allen wichtigen Dingen die nicht 
durch die Gouverneure beſtimmt werden Fonnten zu entfcheiden, 
mit dem Miniſterrath im großen Hauptquartier, deſſen Alters- 
vorfieher der Staatscanzler Hardenberg warb, in fleter Ver⸗ 
bindung zu bleiben, und dem ganzen Getriebe dieſer Berwal- 
tung eben einzubauen, ihrem Wirken Kraft und Nachdruck 
zu geben. 

Er verlor feinen Augenblid, das Werk zu beginnen. Das 
nachſte war bie Einrichtung des Generalgouvernements Sadhfen ; 
fie mußte, da Dresden belagert war, in Leipzig erfolgen. 

Noch am Tage ber Errichtung der Gentralbehörbe ward 
der Ruſſiſche Generallieutenant Fuͤrſt Repnin zum General- 
gouverneur des Konigreichs Sachſen ernannt. Der Fürft, früher- 
pin Gefandter in Eaffel, ein gefpeuter gutmüthiger Mann, hatte 
durch Tangen Aufenthalt in Deutſchland deffen Einwohner und 
Verfaſſung fennen gelernt; er war von dem beflen Willen ber 
feelt feiner fepwierigen Stellung zu genügen. Ihm zur Seite 
bildete Stein den Gouvernementsrath aus dem Ruffifchen 
Staatsrath v. Merian, den Sachſen v. Miltig, v. Earlowig, 
v. Oppeln, denen fodann Körner hinzutrat, und dem Preußiſchen 


449 


Geheimerath Krüger. Merian welcher fih bei Stein in Prag 
aufgehalten hatte, war noch nicht eingetroffen; er warb beſtimmt 
als Generalfecretair ober Director dem Generalgouverneur zus 
nähf die Ordnung bes Geſchaäftsganges bei dem Einkommen 
der Vorſtellungen und Berichte, den Vorträgen, ber Augfer« 
tigung und dem Abgang der Berfügungen zu erhalten, bie 
Correspondenz des Chefs zu beforgen und die an Stein gehen- 
den wöchentlichen Berichte zu entwerfen. Herr v. Miltig erhielt 
die Leitung der allgemeinen Polizei, v. Oppeln bie Finanzver⸗ 
waltung, Geheimerath Krüger die Heeresverpflegung und dag 
Caſſenweſen, Oberft v. Carlowig das Heer und Landesbewaff- 
nungswefen. Am 22ften Detober verfammelte Stein die Räthe, 
Er fagte ihnen, die Sachſen hätten fi bisher ſchlecht in der 
Politit benommen, fi bald dieſem bald jenem angehängt, da⸗ 
bei einen ſchlechten Character gezeigt‘; jetzt aber folle eine 
ganz andere Gefalt der Dinge beginnen; fie feyen zwar Sad 
fen, aber er hoffe, fie werden ſich als tüchtige Männer zeigen 
und das große Werk befördern. Er trug bem Herrn v. Miltig 
auf, ſchleunigſt bewegliche Colonnen zu errichten, welche für 
Herkellung der Ordnung im Lande forgen, dafür einen Plan 
zu entwerfen und ihm vorzulegen. Der Geheime - Finanz- 
rath v. Oppeln folle ſchleunigſt den Heinen Dienft des Gou—⸗ 
vernementd in Gang bringen, eine Canzlei und Regiſtratur 
einrichten und bie dabei nöthigen Beamten berufen; erforder⸗ 
lichenfalls feyen taugliche Perfonen von ben beftehenden Be- 
börden, dem Magiftrat, Stadtgericht ꝛc. zu fordern. Derfelbe 
ſolle auch eine Centralcaſſe einrichten, die Provinzial- und 
Kreisfaffen zu unverzügliher Ablieferung ihrer Ueberſchüſſe an 
diefelbe auffordern, und falls die Einrichtung einer befonderen 
Caſſe Schwierigkeiten mache, fi fürs Erfte eines zunerläffigen 


Banquiers mit Bewilligung einer Heinen Provifion bedienen. 
Stein’ Beben. IM. 2te Aufl. 29 


450 


Der Oberſt v. Carlowig, ein ausgezeichneter Offizier der 
nah der Großgörfhener Schlacht den Saͤchſiſchen Dienk ver- 
laſſen und fih zum Kaifer Alerander nah Baugen begeben 
batte, erhielt den Auftrag einen Plan auszuarbeiten, wie das 
Saͤchſiſche Heer ſchleunigſt wiederhergeftellt, Landwehr und Land- 
flurm eingerichtet werden könnte; ed ward ihm für diefes Ge⸗ 
fhäft der Kammergerichts- Affeffor, fpätere Minifter, Eichhorn, 
freiwilliger Offizier im Generalſtabe bes Blücherſchen Heeres, 
beigeorbuet, welchen auch Stein als Generalfecretair ber Een- 
tealverwaltung befchäftigte. Dabei befiimmte Stein über die 
Geihäftsführung: 1) wo es auf Fefftellung eines Grundfages 
antommt, da geſchieht Berathung und Beſchluß in voller Sigung 
des Gouvernementsraths; 2) bei Anwendung eines allgemeinen 
Grundfages auf befondere Fälle handelt jeder Sectionschef 
felbfändig; 3) in Faͤllen wo die Mitwirkung anderer Sections- 
Hefe erforderlich ift, handeln die Chefs der betreffenden Sec- 
tionen gemeinſchaftlich; 4) die Ausfertigungen geſchehen auf 
Befehl des Generalgouverneurs. 

Am 23ften October fegte Stein den Fürft Repnin von ben 
getroffenen Einrichtungen in Kenntniß und überfandte ihm zur 
öffentlichen Belanntmachung eine Proclamation, worin die Ein- 
fegung bes oberften VBerwaltungsbepartements verfündet, und 
zu treuer fefter Anhänglichkeit an den Zwed der Verbündeten 
und zu firengem Gehorfam gegen bie zu erlaffenden Anord- 
nungen aufgefordert warb: bie Kräfte der eroberten Länder 
ſollten zur Befreiung Deutſchlands und zur Herftellung eines 
dauerhaften Friedens in Europa verwendet werben. 

Am 2öften forderte Stein den Staatscanzler Hardenberg 
auf 1) die Auflöfung des Grofherzogthums Frankfurt zu ver⸗ 
hindern und bie Einrichtung eines Generalgounernementd vor= 
zubereiten; man könne dazu Defterreihifche Beamte gebrauchen, 
die Graf Metternich namhaft machen werde, 2) das Herzog- 


451 


thum Raffau und das Großperzogihum Berg ausſchließlich der 
Grafſchaft Mark zu befegen und Gouvernementsverfaflungen 
darin einzuführen, 3) das übrige Weftphalen ausſchließlich der 
Hannoverſchen Lande in ein nörbfiches und füdlihes Gouver- 
mement unter Preußifcher Verwaltung der Herrn v. d. Hork 
und v. Binde einzurichten, welche die Einfünfte der nicht⸗ 
Preußiſchen Länder der Gentralverwaltung berechnen Fönnten; 
4) mit Epurpeffen abzuſchließen, unter Bedingung vorläufigen 
Befiges und der Berpflichtung fi die für die allgemeine Deutſche 
Berfaffung dereinft zu treffenden Bedingungen gefallen zu laſſen; 
eines Beitrags von 6000 Mann Truppen, worunter ein Regi- 
ment Reiterei, 4000 Mann Landwehr, Tandfurm und 40,000 
Thaler monatlid an Gelde. 

An demfelben Tage forderte er den Fürft Repnin auf, 
ſaͤmmtliche Sächſiſche Beamte durch beftimmte fchriftlih zu voll- 
ziehende Erklärungen ben verbündeten Mächten zu verpflichten, 
und diejenigen welche fih weigern würden, fofort durch andere 
zu erfegen; ferner wurden die nöthigen Schreiben über Errich- 
tung der Gentralverwaltung und des Generalgouvernements 
Sachſen an die Feldherrn Fürft Schwarzenberg, Blüher, Barclay 
de Tolly, den Oberfiburggrafen Graf Kollowrath, Staatscanzler 
Hardenberg und bie Ruffifcpe und Preußiſche Intendanturen, am 
28fen auch an den General Wallmoden erlaffen, und fomit 
der Anfang gemacht den Unordnungen und Bebrädungen abzu- 
helfen welche durch die Befehle, Forderungen und Ausfchreiben 
der verſchiedenen Befehlshaber der vier Heere entflanden waren. 
Sodann ward die Gefhäftsordnung für die Generalgouverne- 
ments beſchloſſen und ausgefertigt. Letztere enthält die Aus- 
führung der von Stein bereits Anfangs fefgefegten Regeln 
über den Gefchäftsgang, geftattet die Ernennung von General« 
Commiſſairen in entfernten Randestheilen, welche in denfelben 

29* 


452 


unter Leitung des Generalgouverneurs mit Hulfe eines ober 
zweier beigeorbneter Räthe die Verwaltung führen; beſtimmt 
die Einrichtung von Staffelfträßen für die durchziehenden Heeres- 
Abtheilungen, Einrichtung einer militairifchen Abfudantur, einer 
bewaffneten Sicherheitöpofizei, geheimer Ueberwachung ber fort- 
gefegten Verbindungen übelgefinnter Menſchen mit dem Feinde, 
die Geſchaͤftsverbindung mit den Heeres-Intendanten, Errichtung 
von Magazinen, die Drbnung des Tieferungswefens, das Eaffen- 
wefen, und die Einreichung wöchentliher Berichte an die Gen- 
tralverwaltung,, worin eine Ueberſicht des Caffenzuftandes, der 
Fortſchritte in Bildung von Streitfräften, der angelegten Ma- 
gazine, Lieferungen, Einquartierungen und Durchmaͤrſche, Shil- 
derung ber Öffentlichen Meinung und der inneren Sicherheit, 
nebſt Abſchrift des Vortragsjournals gegeben werben follte. 
Dieſe Berichte hatte der Generalſecretair aus Auffägen der 
einzelnen Räthe zufammenzuftellen. Die Ausgaben für die 
Bebürfniffe des Generalgouvernements wurden auf monatlich 
etwas über 5000 Thaler feſtgeſtellt, wovon 1000 für Canzlei⸗ 
bedürfniffe, 1000 für außerordentliche Ausgaben einfchließlich 
der Höheren Polizei, 1000 für den Generalgouverneur, 500 für 
die Mifttairerpebition und Adfudantur, 933, Thaler für Be- 
foldung von 5 Räthen, das Webrige für 3 Secretaire, 1 Re⸗ 
giſtrator mit 2 Gehülfen, 1 Obercaleulator mit einem Gehülfen 
und 4 Copiſten. — Zum General» ommifjar in der Laufig 
deren eigenthämliche Berfaffung, Entfernung und ſchwierige 
Verbindung, fo Tange Dresden und Torgau in Beindes Hand 
waren, eine Verwaltung an Drt und Stelle erforderte, ward 
der Graf Reifad ernannt. 

Der Umfang des Generalgouvernements warb feit dem 
27ften October durch Anflug der anliegenden und theils 
von ihm umſchloſſenen Cänder Fürftentbum Altenburg und Reuß 


453 


ergänzt; in eine mittelbare Verbindung mit Sachſen fegte Stein 
die Auhaltſchen Länder und die Fürftenthämer Schwarzburg« 
Rudolkadt und Sonderspaufen; diefe Verbindung beftand darin, 
daß die Theilnehmer an der gemeinfamen Sache die Beiträge 
an Geld, Lieferungen und Mannſchaften welde fie verfproden, 
nad ber Befimmung und dem Auseſchreiben des Generalgou- 
vernements zu leiften hatten, bie Ausführung aber nach den 
von jenem vorgezeichneten Planen und Grundfägen ſelbſt über- 
nahmen, 

In furzer Zeit war die Verwaltung in vollem Gange. 
Ale durch den Krieg zerfprengte und aufgelöfte Behörden zu 
ihrer Thaͤtigkeit zurüdgefehrt, erhielten ihren Antrieb von der 
neuen Regierung, und wurden für die gemeinfame Sache an 
geſtrengt. 

Das wichtigſte Gefhäft der Polizei, die Herſtellung der 
Sicherheit auf den Landſtraßen und ungehinderten inneren Ber- 
tehrs, warb durch den Kriegeszuftand worin fih die Gegend 
von Dresden, Torgau, Wittenberg fortwährend befand, fo wie 
durch die Widerſetzlichleit der befreundeten Truppen aufs äußerfte 
erſchwert. Nah den einfommenden Berichten überfliegen die 
Ausfhmweifungen im Rüden der verbündeten befondere bes 
Nuffifchen Heeres allen Glauben, die Befehlshaber weigerten 
ſich den geſetzlichen Landesbehörden zu geboren, und Stein 
mußte fi deshalb an den Generalabjudanten bes Kaifers, 
Zürft Wolfonsfy, um Abhülfe wenden. 

Die Eentralcaffe, in welcher alle Ueberſchüſſe der Landes: 
caſſen zufammenfliegen follten, ward zuerſt bei dem Handlungs» 
hauſe Reichenbach geführt. Ihre erſte Einnahme bildete ein 
Anlehen von 80,000 Thalern, welches zu Beftreitung der drin⸗ 
gendften Bebürfniffe auf die andeseinfünfte eröffnet war. Ein 
wichtiger Gegenftand waren bie Sähfifhen Caſſenbillets, fie 
hatten im Betrage von mehreren Millionen Thaler ein wichtiges 


454 


Umlaufsmittel gebildet, waren aber durch das Zuſchließen der 
Auswechslungscaffe zu Dresden bis auf Y, ihres Nennwerthes 
gefallen. Die Wohlfahrt und Ehre des Landes und die Zah- 
Tungsfähigfeit ber einzelnen Einwohner erforderte es, den Werth 
des Papierd zu erhalten und foviel als möglich dem alten 
Stande wieder zu nähern. Zu diefem Zwed warb ein Berein 
der veichften und ſicherſten Leipziger Kaufleute gebildet, welche 
mit einem Kapital von einer Milion Thaler eine Auswechs- 
Tungscaffe hielten, die mitt einem etwas unter dem damaligen 
ftehenden Courfe beginnend, jene Papiere innerhalb 18 Monaten 
mit fleigendem Verhältniß dergeftalt einwechfeln follte, dag es 
am Ende jenes Zeitraums zum Nennwerthe gefhehe. Die Regie- 
rung verhieß dagegen nad) 18 Monaten das Auswechslungs- 
gefhäft wieder zu übernehmen, die eingelöfte Million Thaler 
Caſſenbillets mit einer Million Geld einzuföfen, beftellte Sicher— 
beit für Erfülung dieſes Verſprechens, und geflattete fortwäh- 
rend, bie Gaffenbillets wie bisher nad dem Nennmwerthe zur 
Hälfte bei allen öffentlichen Abgaben anzunehmen. Dabei wur- 
den die Handelshäufer fo viel als möglih mit baarem Gelde 
aus den Caffen unterftügt. Auf dieſe Weife gelang es, dem 
erfhöpften Lande ein großes Leiden zu erfparen. 

Eine vor dem Webergange des Blücherſchen Heeres über 
die Elbe in den Laufigen ausgeſchriebene Kriegsſteuer, welche 
die Kräfte des Landes überflieg, ward fo weit fie ſchon ent- 
richtet war dem Lande auf feine Leiftungen angerednet, das 
Nebrige erlaffen; fpäterhin ließ der Kaiſer Alerander auf Steine 
Antrag dem erfhöpften Lande ein Gefchent von 800,000 France 
auszahlen ®, 

Die größte Schwierigfeit fand die Verpflegung der im 
Lande flehenden Truppen wegen deren übergroßer Zahl und 
wegen der Unordnungen und Ausfhweifungen welche diefelben 
ſich bei eigenmächtigem Herbeifhaffen der Lebensmittel und des 


455 


Butters erlaubten. Das Land war durd den monatelangen 
Aufentpalt der großen Heere ausgefogen und zum Theil ver- 
heert. Die Nieberlaufig, der Erzgebirgifche, Leipziger, Chur⸗ 
und ber größte Theil des Meißner Kreifes hatten am meiften 
gelitten und waren an Lebensmitteln völlig erfhöpft. Die Zahl 
der verbünbdeten Truppen, ber Sachſen, der durchziehenden oder 
vor Dresden, Torgau, Wittenberg Iagernden Corps, betrug 
87,000 Mann; dazu famen 40,000 Kranfe und Berwundete; 
die Verpflegung biefer großen Maffen erforderte monatlich eine 
Million Thaler, wozu noch die Koften ber Ausräftung und 
Bekleidung ſowohl der Saͤchſiſchen als der genefenden ober ab- 
geriffenen Truppen fam. Zur Abhülfe ſchlug Stein vor, bie 
Ausfuhr des Korns aus Böhmen und Schlefien zu gefatten, 
Bieh und Korn durch Lieferung oder Kauf aus Polen und 
Meftenburg berbeizufgaffen, und auf ein bis zwei Monate für 
100,000 Dann zu faufen; das Dresdener Belagerungsheer 
aus den Magazinen von Thereſienſtadt und Königegräg zu 
verpflegen, eine allgemeine Hospitalverwaltung einzurichten, 
welche die Ueberbürbung einzelner Ortſchaften wo ſich geeignete 
Locale gefunden haben, auszugleihen hat; firengfie Drbnung 
im Aufbringen und Sparfamfeit in Verwendung der aufzu- 
bringenden Mittel, Zufcüffe für die Verwundeten aus der all- 
gemeinen Cafe, und Erlegung einer allgemeinen Kriegsfteuer. 
Letztere ward zum Betrage von zwei Millionen Thaler in der 
Form und nad den Grundſätzen erhoben, welche in Preußen 
durch Erfahrung bewährt gefunden waren; den Entwurf arbei- 
tete Geheimerath Friefe aud; die Leitung des Gefhäfts warb 
einem eigenen Ausſchuß übertragen, worin der Amtshauptmann 
v. Dandelmann und der Hofrath Faber, Männer die mit bes 
Landes Finanz» BVerhältniffen vorzüglih vertrant waren, aufs 
genommen wurben. 


456 


Die Entwidiung der Streitkräfte warb aufs Lebhaſteſte 
betrieben. General dv. Thielemann ſtellte das Saͤchſiſche Heer 
in einer Stärfe von 15,000 Dann wieder ber, nach 14 Tagen 
waren zwei Drittheile biefer Zahl bereits beifammen und aus=- 
gerüfet. Die Landwehr 20,000 Mann für den thätigen Dienft, 
und 20,000 Mann Ergänzung, ward im Wefentlihen nad 
Preußiſchem Mufter durch den Generalmajor v. Vieth gebildet, 
und bie Freiwilligen an die Landwehr geſchloſſen welde glei 
ihnen mit einem neuen Geifte belebt werden follte, während bie 
Linie durch frühere Bildung und Geſchichte fhon eine feſte 
Beſtimmung und Richtung erhalten hatte. Die Einrihtung des 
Landfiurme mit Rinkfiht auf die Eigenthümlichfeit des Landes 
warb der nahen Zufunft vorbehalten. 





Unter biefen Befhäftigungen mit der dringendſten Gegen- 
wart warb bie Zufunft nicht aus dem Auge gelaffen. Deutf- 
lands Berfaffung mußte demnähft angegriffen werden, und 
Stein date an Kaifer und Reich; aber wenn er fi erinnerte 
daß es Franz und Metternich feyn würden denen in diefem 
Falle die erfien Rollen zufallen mögten, fo ſchauderte er doch 
jedesmal. Eben fo wenig aber behagte ihm die Deutfchthümelei 
mit ihren Anſprüchen. Kammergerichtsrath Eichhorn, mit dem 
er fi über die Zufunft öfters unterhielt, wollte ihm eines 
Toges den Turnmeifter Jahn vorftellen. Stein verweigerte 
entſchieden ihn zu fehen, und als Eichhorn bat und verfiderte, 
wie fehr ihn Jahn verehre, ſchlug es Stein aufs Entſchiedenſte 
und für immer ab. — „Laßt mir den fragenhaften Kerl vom 
Leibe,“ vertheibigte er fih dagegen bei einer andern Gefegen- 
beit, Doch ward Jahn fpäter in Frankfurt neben Mar von 
Schenkendorf bei der Militair » Commiffion angefeltt. 


457 


Indeſſen hatten ſich die Folgen der Leipziger Schlacht ent- 
wide. Zwar war bie Verfolgung des geſchlagenen Feindes 
nur langfam ohne gemeinfames Zufammenmwirfen und nur mit 
theilweiſem Nachdruck ausgeführt, fo daß die Gelegenheit ver- 
Toren ward, Napoleon wie im Jahre 1812 an der Berefina, 
fo 1813 diesſeits des Rheins zu vernichten und den Feldzug 
von 1814 zu erfparen; und es gelang dem nicht gebräng- 
ten Franzöfifhen Heere am 30ſten October die Bayern und 
Defterreiher bei Hanau zu durchbrechen und fi den Weg 
zum Rheine zu eröffnen; aber die Befreiung bes ganzen dies— 
feitigen Deutfhlands war bereits entfehieden, und es handelte 
ſich nun darum deſſen Kräfte mit möglichflem Vortheil und 
Nachdruck für die gemeinfame Sache zu benugen. Stein ſchrieb 
deshalb am 3Often October an ben Staatscanzler, und er= 
ſuchte ihn dem Kaifer Alerander diefe Denkſchrift zur Ent- 
ſcheidung vorzulegen: 


„Deutfhland wird in wenigen Tagen befreyt und bad 
Gebäude des Rheinbundes zertrümmert feyn; die Frage ent- 
ſteht, was iR mit deſſen Mitgliedern bie ihn noch nicht verlaſſen 
haben, zu beginnen? 

Sie werden fih vor den fiegreichen Verbündeten beugen, 
fie werden fih zu Truppenftellungen verbindlih machen, in 
geringer entbehrlicher Zahl, aber und möglichft die Benugung 
der Kräfte ihres Landes erfhweren, unfere Maßregeln Tähmen, 
uns im Ungfüd verlaffen und verrathen. 

Um den Plan der Entwidelung und Benugung der Kräfte 
Deutfhlands in feinem vollen Umfang auszuführen, ift es nöthig 
die Verwaltung ber Länder durch Gouverneurs leiten zu laſſen, 
bie Gewalt der Fürften vermöge des denen Verbündeten zu— 
ſtehenden Eroberungsrechtes bis zu dem Frieden zu fuspendiren, 
fie felbft aber aus dem Lande bis dahin zu entfernen, 


458 
Die Länder auf welche diefe Maßregel Anwendung finden 
wird, find vorzüglih außer Sachſen 


D Meilen Menſchenzahl 


1. Wärtemberg..3329 1,211,000 
2. Großherzogthum Franffurt . 683 300,000 
3. Baden. 2 22200. 295 924,000 
4. Berg....314 931,000 
5. Herzogthum Naffau . . . . 103 272,000 
6. Die übrigen Heinen Fürfen . 318 787,000 

1422 4,425,000 


Aus diefer Population kann man ein Heer von 89,000 Mann 
Tinientruppen, ohne Landwehr und Landfiurm zu rechnen, bilden, 
und ber Ertrag des Öffentlichen Einfommens ift gewiß 15 Mil» 
Tionen Gulden, da das Einfommen bed Könige von Würtem- 
berg allein auf 10 Millionen berechnet wird. 

Eine Berabrebung zwiſchen ben verbündeten Mächten über 
diefen Gegenſtand müßte eiligft getroffen werden — ich hoffe 
daß fie die Nothwendigfeit dieſer Maßregel einfehen werden.” 


Um diefen Vorſchlag durchzuſetzen hätte e8 Steins Gegen- 
wart im großen Hauptquartier beburft; dort begehrte man auch 
feine Anweſenheit. „Unfere Fortfritte, fehrieb ihm Graf 
Neſſelrode aus Meiningen am ZOften October, find fo raſch, 
daß es der ſchleunigſten Ernennung der verſchiedenen Gouver⸗ 
neure bedarf, um Ordnung und Einheit in unferen Berwal- 
tungsmaßregeln zu erhalten. Wir haben die angefchloffene 
Liſte abgefaßt, welche ber Kaiſer gebilligt; ich hoffe daß fie 
gleichfalls die hohe Billigung Eurer Excellenz erhalten wird, 
Aber was mir nod wichtiger ſcheint iR, daß Sie fo bald als 
möglich wieder bei uns eintreffen. Zu biefem Zweck bin id 





459 


beauftragt an Sie bie bringendfle Einladung von Geiten bes 
Grafen Metternich zu richten. Auf der Reife könnten Sie viel- 
leicht mit alle den Fürften abſchließen welche fi auf Ihrem 
Wege finden. Wir haben fie alle an Eure Excellenz gewiefen, 
und uns nur den Abfchluß der Beitrittsurfunde vorbehalten. . . 
Nah den Nachrichten aus dem Innern Frankreichs welche durch 
aufgefangene Briefe beflätigt werden, find bie Anftrengungen 
für die Kortfegung des Krieges unermeßlich; es iſt daher noth⸗ 
wendig, daß Deutſchland besgleihen thue. Wir rechnen in 
diefer Hinſicht auf Ihre Thätigfeit und Feftigfeit. Nur fommen 
Sie bald zu und. Das große Hauptquartier wird, fo Gott 
will, in acht Tagen zu Frankfurt ſeyn; dort werben wir hoffent- 
lich Muße haben Altes zu ordnen was wir hinter und zurüd» 
laffen. Wrede if bei Hanan und erwartet dort feſten Fußes 
den Kaiſer Napoleon und hat die größte Luft ihm eine Schlacht 
zu liefern. Möge Gott fie ihm erhalten, wie ich hoffe, mein 
lieber Freiherr, daß er mir ſtets Ihre Freundſchaft erhalten 
werde. Zweifeln Sie niemals an derjenigen bie ih Ihnen 
gewidmet habe.” 

Nah dem beiliegenden Entwurf von Neſſelrode's Hand 
follten das Königreih Sachſen, Weimar, Coburg, Fulda durch 
Ruſſiſche, Gotha, Erfurt, Braunfhweig, Heflen- Caffel, Berg 
durch Preußifche, Hildburghaufen, Meiningen, Reuß, Frankfurt, 
Heffen- Darmftadt, Naſſau, Baden, Würzburg durch Defter- 
reichiſche Gouverneure verwaltet werden. Neffelrode fügte 
jedoch die Bemerkung hinzu, daß ihm der Plan fo Pleiner 
Gouvernements unpaſſend erfcheine, und zum Beften der Ver— 
maltung fünf Generalgouvernements gebildet werben mögten: 
Königreih Sachſen nebft den Säaͤchſiſchen Herzogthümern, Reuß, 
Schwarzburg, Erfurt, und Fulda mit Frankfurt, Heflen-Darm- 
Rabt, Naffau unter Ruffifhem; Braunfchweig mit Anhalt, Heffen- 


460 


Caſſel, Walde, Lippe, und Berg mit Wehphalen unter Preu- 
ßiſchem, Würzburg und Baden unter einem Deſterreichiſchen 
©eneralgouverneur; Defterreih werbe genug zu verwalten in 
Italien finden. 

Stein erklärte fi in Schreiben an Hardenberg und Neſſel- 
rode gleichfalls gegen bie Bildung Feiner Gouvernements, wo- 
dur der Gefchäftsgang und bie Berwaltungsfoften verviel- 
fältigt würben, und ſchlug vor den zweiten Plan anzunehmen, 
allenfalls zu dem .Defterreihiihen Würzburg noch Coburg, 
Meiningen und Hildburghaufen und zu Baden Darmfladt zu 
Tegen, hingegen das ganze Großherzogthum Franffurt mit Naffau 
einem Ruſſiſchen Generalgouverneur, Zürft Trubepkof, unterzu- 
ordnen. Hinficptlih der Entwidlung der Geld- und Streit 
kraͤfte müffen feſte Grundfäge aufgefellt und dabur dem Be— 
fireben des Egoismus fi der allgemeinen Anftrengung zu ent- 
sieben Gränzen gefegt werben: 1) Bon ber Bevölkerung wer- 
den zwei vom Hundert an Linientruppen aufgeftellt, außer der 
Landwehr und dem Landflurm. 2) Es wird eine Vermbgens- 
fteuer nadp dem vom Geheimerath Frieſe entworfenen Plan in 
allen Gouvernements eingeführt; Stein werde ihn in allen 
Gouvernements zur Sprache bringen, und in dieſem Sinn vor- 
läufig dem Herzog von Weimar auf fein unangemeffenes An- 
erbieten antworten. 

Die Ausführung diefer in Sachſen bereits eingeleiteten 
Borſchlaͤge ward mit größtem Nachdruck gefördert. Noch am 
2ten November machte Stein den Generalgouverneur mit den 
Franzoͤſiſchen Rüfungen befannt und erfuchte ihn, nicht nur 
feine Räthe aufmerffam zu machen fondern auch alle unter- 
georbneten Randesbehörben zu erweden und in firenger Aufſicht 
zu halten, damit die Streitkräfte des Landes in vollem Um— 
fange aufs Schnellſte entwidelt, und für diefen Zweck alle er- 


461 


reichbaren Hülfgmittel aufgefuht und nutzbar gemacht werden; 
und nachdem er in den nächften Tagen alle ſchwebenden Ein- 
richtungen beendigt und bie Regierung in kräftige geſicherte 
Tyaͤtigkeit gefegt hatte, verließ er Leipzig am Iten November 
und eilte dem großen Hauptquartier zu. 

Auf der Reife hielt er ſich einen halben Tag in Weimar 
auf, um den Herzog und die Großfürftinnen zu fehen, und traf 
am 13ten in Frankfurt ein. 


Achter Abſchnitt. 


Frankfurt am Main. 
13ten Rovember bis 18ten December. 


So wohlthätig Steins Anweſenheit in Leipzig für die Ein— 
richtung der Sächſiſchen Verwaltung gewirkt hatte, und fo fräfe 
tig ber von ihm gegebene Anftoß auch in der Folge nachwirkte, 
fo war es doch vielleicht ein politifher Fehler, daß er ſich 
überhaupt zu Webernahme der Gentralverwaltung entfchloffen, 
oder wenigftend nicht Leipzig mit dem Kaifer Alexander zugleich 
verlaffen hatte. Denn fo wie das große Hauptquartier ſich 
nah Weimar entfernte, und fih dann allmälig nad Franffurt 
meiterbewegte, ward es nur allzu fihtbar, daß darin der trei⸗ 
bende politiihe Geift fehlte, der richtige Bli der den Rath- 
ſchlagen Klarheit, der fette Wille der ihnen Nachdrud gegeben 
hatte; und es darf vieleicht vermuthet werben, daß insbefondere 
Graf Metternich gern die Hand geboten hatte, Stein durch ein 
Geſchaͤft in Leipzig feſtzuhalten, um feiner unmittelbaren Einwir- 
fung auf den Kaiſer Alerander enthoben zu werben. Diefe Ber- 
muthung fand ſchon damals Glauben und verbreitete ſich ſelbſt 
nad Rußland, wo Steins Freunde Kotſchubey und Drloff dem 
Gange feines großen Wirfens mit lebender Bewunderung folgten. 
Metternichs und Steins Anfihten von dem Zwed des Krieges 


463 


gegen Frankreich waren in dem wefentlihen Punfte verfhieden, 
dag Stein für die Beruhigung der Welt Napoleons Sturz für 
nothwendig hielt und darauf mit aller Kraft hinarbeitete, wäh- 
rend Metternich fi das Ziel näher fledte, damit zufrieden war 
die Sranzöfifhe Macht über ben Rhein zurüdzudrüden, und 
ſich den Schwiegerfohn des Kaiſers Franz als Beherrſcher eines 
träftigen und vergrößerten Frankreichs fehr gern gefallen laſſen 
wollte. Es if alfo wohl eine leere Bermuthung, wenn man 
auf politiſche Rüdfichten die fhlaffe und Iangfame Verfolgung 
des gefeplagenen Feindes zurüdführt, der von Leipzig bis Hanau 
einen achttaͤgigen Borfprung vor dem Schwarzenbergſchen Heere 
gewann; dahin gehört wohl ferner der mehrtägige Aufenthalt 
der Monarchen in Weimar, wo fie nad Gneiſenau's Urtheil 
eine koſtbare Zeit verloren; endlid das einfeitige Einleiten von 
Friedensunterhandlungen gegen den Sinn der Töpliger Ver- 
träge. Schon am 26ften Detober während des Aufenthalts des 
großen Hauptquartiers zu Weimar, wurden dem gefangenen 
Franzoͤſiſchen Gefcpäftsträger St. Aignan die erſten Eröffnungen 
gemacht, denen zu Frankfurt, wohin Detternich ihn beſchieden 
hatte, wichtigere folgten. Der Fürft ſprach am Sten November 
unter anderm von ber in Deutihland vorgehenden Ummälzung, 
der Nothwendigkeit Frieden zu fchließen, er erwähnte daß die Ber- 
bündeten lange vor der Kriegserklaͤrung Defterreich die Deutſche 
KRaiferwärde angeboten hätten, der Kaifer Franz aber dieſen 
unbedeutenden Titel nicht annehme, und auf biefe Weife Deutfch- 
land viel mehr befige als vorher; daß bie Verbündeten gemäßigt 
unzertrennlich vereint und ſtark feyen, und Niemand daran 
denfe Napoleon zu entfernen. Bei einer zweiten Zufammen- 
funft am folgenden Tage übergab der Fürft feines Kaifers 
Briefe an Marie Louiſe, beauftragte St, Aignan dem Herzog 
von Bicenza die Achtung zu bezeugen welche fein edler Cha— 
rarter — Caulaincourt hatte den Herzog von Enghien aus 


464 


Ettenheim entführt — ſtets eingeflößt habe. In Gegenwart 
Neſſelrode's, und fpäter auch mit Beiftimmung Aberdeens und 
Schwarzenbergs und für den abweſenden Hardenberg, erflärte 
Fürft Metternich: bie Verbündeten würden nur vereinigt und 
nur um einen allgemeinen Frieden unterhandeln; fie feyen völlig 
darüber einverftianden, daß Frankreich innerhalb feiner natür« 
lichen Gränzen, der Pyrenäen, Alpen und bes Rheins unver- 
kürzt bleiben, feine Macht und fein Uebergewicht behalten müſſe. 
Deutſchlauds Unabhängigkeit fey eine wefentlihe Bedingung; - 
Frankreich müffe daher zwar nicht dem Einfluß den jeder große 
Staat nothwendig über einen minder mächtigen Staat ausübt, 
aber jeder Dberherrligfeit über Deutfchland entfagen. Spaniens 
Unabhängigfeit und die Herftellung des alten Herrſcherhauſes 
ſey wefentlihe Bedingung. In Italien müffe Deferreih eine 
Gränge haben, über die ſich unterhandeln laſſe. Piemont biete 
mehrere dazu geeignete Linien dar, die man befprechen könne, 
fo wie auch den Zuftand Italiens, vorausgefegt daß es gleich 
Deutſchland unabhängig von Franfreih oder irgend einer an⸗ 
deren überwiegenden Macht regiert werde. Auch über Holland 
laſſe ſich unterhandeln, doch ſtets in der Vorausſetzung feiner 
Unabhängigkeit. England werde für einen Frieden auf ſolchen 
Grundlagen die größten Opfer bringen, und bie Freiheit des 
Handels und ber Schifffahrt worauf Frankreich Anfpruh machen 
fönrie, anerfennen. Zur Unterhandlung über einen Frieden auf 
ſolchen Grundlagen möge eine Stadt am rechten Rheinufer 
beftimmt werben, während jedoch die Kriegsunternehmungen 
ihren Fortgang haben müßten. 

Mit diefen Erklärungen reifte Et. Aignan am i1ten Nor 
vember ab; fie zeigen, wie wenig man noch drei Wochen nach 
der Leipziger Schlacht, während Wellington in Südfranfreid, bie 
Defterreicher in Italien einrüdten, und ben verbündeten Heeren 
der Weg nach Paris offen fand, ſich des angeeigneten Gefühle 


465 


der Abhängigfeit vom Wranzöfifhen Joche und Franzöſiſchen 
Irrbegriffen entwöhnt hatte; daß man Franfreih das ganze 
überrheinifhe Deutfhland und Niederland als natürlichen Be— 
fig zuerfannte, ihm ein Uebergewicht in Europa und einen 
natürlihen Einfluß auf das als ſchwächer dargeſtellte Deutfch- 
Iand offen zugeftand. Gflüdlicherweife zögerte Napoleon die 
Unterhandlung ernftlih aufzunehmen. Die Englifchen Abgeſand⸗ 
ten fanden fi nicht gehörig bevollmächtigt, e8 ward baher der 
General Pozzo di Borgo nach England gefandt um bie Ueber⸗ 
funft des’ Englifhen Staatsfecretaite der auswärtigen Angkler 
genheiten Lord Caſtlereagh mit hinreihenden Vollmachten zu 
bewirken; barüber vergingen zwei Monate, und am 13ten No— 
vember traf Stein zu Franffurt ein, und beflimmte den Kaifer 
Alexander zur Fortfegung des Krieges. 

Das große Hauptquartier vereinigte hier Alles, was für 
die zufünftige Geftaltung der Berhältniffe von Bedeutung war. 

Neben den Fürften, unter denen vortretend Alexander 
dur verföhnliches wohlwollendes fees Wefen Zutrauen und 
Hingebung einflößte, den Feldherren, dem glänzenden und glüd= 
lihen Blüder, den Staatsmännern und Geſandten, firömten 
die großen und Kleinen Rheinbundfürſten zufammen, und eiferten 
um bie Wette fih von der Iandesverrätherifhen Verbindung 
loszuſagen, wie fie fi früher beeilt hatten derſelben beizutreten; 
fie flößten weder Achtung noch Zutrauen ein. Der Herzog von 
Naffau hatte bie Beſchlagnahme der Steinſchen Güter aufge- 
hoben und fie ihrem Befiger nebſt den aus den Iegten Jahren 
aufgefammelten Einkünften zurüdgegeben; fie wurden von Blücher 
mit einer Sicherheitswache verfehen, und da Stein felbft nicht 
binübergeben konnte, von ihm feiner Schwefter Marianne zur 

. Verwaltung anvertraut, 

Mit dem bedeutendften der Rpeinbundfürften nächſt Bayern, 

dem König von Wirtemberg, hatte Defterreih ohne Zuziehung 
Stein’s Leben. II. 2ie Aufl, 30 


466 


der Verbündeten, bereits am ten November zu Fulda einen 
Bertrag gefäloffen, welder den noch am JOften October zu 
Meiningen geäußerten Grundfägen entgegen, diefem willigen 
und bösartigften Gehülfen Napoleons ohne alle Rüdficht auf 
die Rechte feiner tyrannifch niebergetretenen Unterthanen biefelben 
Bedingungen wie vor der Leipziger Schlacht Bayern bewilligte. 
Der König verfprah 12000 Dann zum Deſterreichiſchen Heere 
ſtoßen zu laſſen, und Defterreih gewährte ihm dafür: „ben 
Genuß feiner ganzen Oberherrlichleit unter Bürgfchaft der po- 
litiſchen Beziehungen, welde beim fünftigen Zriedensfhluß für 
Herfiellung und Sicherung der Unabhängigfeit und Freiheit 
Deutſchlands getroffen werden würden”; bie für biefen Zwei 
und zu Feſtſtellung der geographifchen kriegeriſchen und politi- 
ſchen Verhälmiffe der Deutſchen Staaten erforberlihen Abtre= 
tungen follten feinenfalls die alt-Wirtembergifchen Lande treffen 
und durch ein möglich gleiches, Wirtemberg paffendes mit ihm 
zuſammenhangendes Gebiet erfegt werben. Solche Bedingungen 
waren unzureichend um eine rechtlich geordnete Zukunft in 
Deutfhland zu begründen; fie enthielten eine Legalifirung 
des ſchreiendſten Unrechts; es waren außerdem dadurch ohne 
Noth die einzigen Mittel aus ter Hand gegeben, welde bei 
einem Character wie der König von Wirtemberg anfchlugen, 
und der allgemeinen Sache ein zweifelhafter Berbündeter ge- 
wonnen, der nicht lange darauf Napoleon nah Deutſchland 
zurückrief und fpäterhin ber Anordnung eines Rechtszuſtandes 
in Deutfpland ben hartnädigfien Widerſtand entgegenfegte. 
Aber ſey es Leihtfinn und Gewöhnung an rechtloſe Zuftände, 
ſey es der Wunſch durch folhe Bewilligungen fih ſchleunig 
eine Partei unter den Rheinbundfürften zu bilden, welche dem 
Gewicht des Preußiſch-Ruſſiſchen Einfluffes entgegenmwirfe, und 
eine völlige Sorglofigfeit über die politifhe Gefaltung Deutſch- 
lands, — der Vertrag war abgefchloffen und erforderte nun 


467 


die Gewähr der anderen Mächte. Diefe konnte opne eine 
Spannung mit Defterreih hervorzurufen nicht verweigert wer⸗ 
den, ward jedoch nur höchſt ungern und wie es ſcheint mit 
Aeußerungen der Unzufriedenheit ertpeilt*°. Indem nun fo der 
Steinfhe Vorſchlag, die Rheinbundländer bis zum Frieden 
durch die Verbündeten verwalten zu laſſen und ihre Fürften zu 
entfernen, durch bie That befeitigt und der Befland eines höchſt 
verberblichen Zuftandes von Deutſchland eingeleitet war, Tieß 
fih auch nad Steins Ankunft in Frankfurt nichts weiter er= 
halten, als daß am 15ten November für die Abfchlüffe mit den 
übrigen Nheinbundftaaten eine gemeinfame Form angenommen 
wurde, wonach benfelben gegen Aufgabe bes Rheinbundes und 
Aufbietung aller Kräfte für die Unabhängigkeit Deutfchlands, 
von Deflerreih Rußland und Preußen „ihre Oberherrlichkeit 
und Befigungen” gewährt, und dagegen jeder Fürft in unbe⸗ 
fimmten Ausbrüden verpflichtet ward ſich in biefer Hinficht und 
im Allgemeinen den Einrichtungen zu fügen, welche die zur Er⸗ 
haltung der Unabhängigkeit Deutfchlands einzuführende Orb» 
nung ber Dinge erfordern werde, ſtatt daß man in befimmten 
Worten die Graͤnzen welche der angemaßten Oberherrlichkeit 
diefer Heinen Rpeinbundfürften zu fegen waren, hätte ausbrüden 
und fefegen follen. In geheimen Artikeln erklärte dann noch 
der Fürft ſich zu allen Abtretungen bereit, welche bie auf Er⸗ 
haltung von Deutſchlands Kraft und Unabhängigfeit berechneten 
künftigen Einrichtungen erfordern würden, wogegen die Ber« 
bündeten ihre Verwendung für eine Entſchaͤdigung verhießen, 
welche mit jenem Zwed und ber demnächſt verfügbaren Länder« 
maffe verträglich ſey und der fegigen Ausdehnung möglichſt 
entſpreche. Die Leitungen für den gegenwärtigen Krieg wur⸗ 
den jedesmal in einem befonderen Bertrage ausbebungen. 
Nah diefem Zuſchnitt wurden im Lauf der nächften Wochen 
mit den dur Verwandiſchaft oder ſonſtige Schonungsgrände 
30* 


468 


empfohlenen Fürſten, zunächft Baden und Heſſen-Darmſtadt, 
Nebereinfommen getroffen, von denen zulegt nur fehr wenige 
vorzüglich ſchuldige ausgeſchloſſen blieben. Der Großherzog 
von Frankfurt, ehemaliger Eoadjutor von Mainz und Ehur- 
erzfanzler, hatte als anfcheinenbes Haupt bes Rheinbundes den 
wenigften Anfprug auf Schonung, und fih durch Wahl des 
Franzoſen Eugen Beauparnois zu feinem Nachfolger, von 
Deutſchland völlig losgeſagt; ber geiflliche Herr entfernte ſich 
vor Ankunft der Verbündeten, und fein Rand warb der Eentral- 
verwaltung übergeben. Der Fürft von Ifenburg, welcher im 
Jahre 1806 als Rheinbundfürft und Franzöſiſcher Brigade: 
general Preußifhe Soldaten zu einer Franzöſiſchen Räuber: 
bande verführt hatte, durfte fo wenig als der durch Ueber— 
tritt zu Franzöſiſchem Bürgerrecht gefürftete Graf v. d. Leyen 
auf Unterhandlung rechnen; die Schattenfürften Großherzog von 
Berg und König von Weftphalen entliefen über den Rhein, 
und die bisherigen Stügen und Zierden des Eaffeler Hofes ver- 
krochen ſich mit ihrer Schande in die entfernteften Winkel ihrer 
Schloͤſſer und Landfige. In Hannover, Braunfchweig, Diden- 
burg, Bremen traten bie rehtmäßigen Regierungen wieder auf; 
der Ehurfürft von Heffen erhielt durch Vertrag vom 2ten De- 
cember ben Befig feiner Staaten nebft ber Oberherrlichkeit unter 
denfelben Bedingungen wie die Rhpeinbundfürften, verpflichtete 
ſich 12,000 Mann Linientruppen und 12,000 Mann Landwehr 
zu fiellen, den Landſturm zu errichten, die Landftände mit den 
im Jahre 1805 ihnen zuftehenden Rechten, jebod unter Auf- 
hebung ber Steuerfreipeit, herzuftellen und bie Tarife Poſt in 
Hanau und Unterfagenellenbogen beftehen zu Iaffen. Die 
Draniſchen Entfhädigungslande wurden ebenfalls nicht zurüd- 
gegeben, da ber Prinz feine Stellung in Niederfand wieder 
erhielt; als des Prinzen Gefchäftsmann an Steind Tafel von 
Befignahme jener Länder ſprach, fuhr Stein auf: Herr von ..... 


469 


wenn Sie das thun, fo laſſe ih Sie ins Loch fleden ”’! Diefe 
Lande wurden gleichfalls der Centralverwaltung untergeben, 
und neben Sadfen noch zwei Generalgouvernements Franf- 
furt und Berg gebildet. Zum Defterreihifhen Generalgouver- 
neur von Frankfurt ward der General Prinz Philipp von 
Heffen- Homburg, fpäter Prinz Reuß ernannt; ihm zur Seite 
trat Herr v. Hügel. Die Angelegenheiten der Stadt Franfs 
furt leitete der Spyndicus Dr. Böhmer: Zum Preußifhen Ge— 
neralgouverneur von Berg beftimmte Stein vorläufig den 
Staatsrath Gruner und dann den General Fürften v. Solme- 
Lych; die in Weſtphalen umfcloffenen Gebiete wurden dem 
Eivifgouverneur des Preußiſchen Weftphalen, Freiherrn v. Binge, 
jedoch für Rechnung der Verbündeten übertragen. 

Die Berwaltung beider Generalgouvernements ward in 
demfelben Geifte eingerichtet und geführt wie die Sachſens: 
Belebung und Veredelung bes öffentlichen Geiftes, Ordnung der 
Berwaltung durch die tüchtigfen Männer welche man in Thä- 
tigfeit ſetzte, ſchleunige Aufftellung von 17,000 Mann Linien- 
truppen und Landwehr, gewiffenhafte und treue Verwaltung des 
Einfommens, Aufhebung bes verhaßten Enregiftrements, einer 
Steuer auf Uebertragung bes Grundeigenthums, bezeichneten 
das Walten einer Deutfhen Regierung. Im Großherzogihum 
Frankfurt Hatte man Miniſter und Staatsräthe vorgefunden, 
zahlreich genug für einen Staat von zehn Millionen, mit Aus- 
nahme Albini's und weniger andern eine aus Franzofen- und 
Judenthum aufgerihtete Pyramide, an ihrer Spige Graf 
Benzel- Sternan, mit dem Fluche des Landes über ihre Raub» 
gier und Beſtechlichleit beladen; fie wurden entfernt, und am 
14ten December die freie Verfaſſung der Stadt Frankfurt wie- 
derhergeſtellt. Diefe Wohlthat hat das banfbare Frankfurt nie 
vergeffen. Stein verfügte fie gegen den Willen mander Hab 
gierigen, die ſich der reihen Kaiſerſtadt zu bemächtigen baten 


170 


und noch auf bem Wiener Eongreß jede Fraukfurter Secle für 
ſechs andere anzunchmen bereit waren; und er bat fein Werf 
mit Kraft und Rahdrud aufrecht erhalten. 

Die allgemeinen rundfäge über die von ben Rheinbumd: 
fürften aufzubringenden Lieferungen und Geldbeiträge, 
fo wie eines Bertheidigungsiykems von Deutihland wurden 
unter Steins Mihvirfung von Staatömännern und Feldherren 
der Berbünbeten in zwei Commiſſionen feRgefegt. Die eine 
unter Für Metternichs Borfig vereinigte id am 18ten Ro- 
vember über einen Plan zur Naturalverpflegung und einen 
andern über Herbeifhaffung ber Kriegsfoften und über Errid- 
tung und Unterhaltung der Lazarethe. Die Rheinbundfürſten 
hatten als Beitrag zu den Kriegsfoften den einjährigen Rob: 
ertrag ihrer Einfünfte, 17 Millionen Gulden, beizutragen; bie 
Zahlung * follte in 24 dreimonatlichen Terminen erfolgen, für 
deren Innehaltung bie fämmtlihen Randeseinfünfte und Do- 
mainen haften; über den ganzen Betrag fofort eine Haupt- 
obligation ausgefellt, auf deren Grund Theilobligationen von 
5000, 2000, 1000, 500, 200, 100, 50 Gulden auf den In- 
haber lautend und ſechs vom Hundert Zinfen tragend ausgefer= 
tigt werden. Bon biefen Obligationen erhält Preußen, Defter- 
reich und Rußland jede %,, Schweden , und verpflichten ſich, 
damit ihre vertragsmäßigen Zahlungen zu Ieiften. Hannover 
Bayern und Würtemberg können beitreten und foviel Obliga- 
tionen als fie ſelbſt ſchaffen für fi erhalten. Bierteljährig 
wirb der vierundzwanzigſte Theil ausgeloof’t und nebft ben Zin- 
fen baar zurüdgezaplt; eine Commiſſion wacht über die Ausfüh- 
rung und vernichtet bie eingelöften Obligationen. 

Das Berpflegungswefen warb nad den Grundfägen 
georbuet”’, baß jeder Bundesftaat die erforderlichen Naturalien 
in Magazinen bereit Hält und fo viel unentgeltlich Tiefert, als 
die einjährige Berpflegung feines Truppenantheils erfordert, 


ai 


wobei jedoch deren Verpflegung im Inlande zur Berechnung 
gelangt; außerdem werben bie Beförberungsmittel für eigene 
und durchgehende Zufupren fo wie Weidepläge unentgeltlich 
geliefert. Die drei großen Mächte fhaffen aus ihren Ländern 
zu Waſſer oder auf anzulegenden Fuhrlinien den ſechsmonat- 
lichen Bedarf ihrer Heere nach, erheben jedoch da wo fie fiehen 
ihre Verpflegung nad den Anforderungen der General =Inten- 
danten oder ber Eorpabefehlshaber gegen Bezahlung mittelft 
der erwähnten Obligationen, worin auch alle feit dem Iften No- 
vember ausgefchriebenen Lieferungen zu bezahlen find. Der 
Werth wird nad den Durchſchnitts-Marktpreiſen der ſechs letz⸗ 
ten Monate des Jahres 1813 berechnet; den von bem großen 
Heere getrennt wirkenden Heeren werben befondere Berpfle- 
gungsbezirke angemwiefen, die fih nad den Bewegungen ber 
Heere verändern, und worin nach denfelben Grundfägen zu ver⸗ 
fahren if. 

Hinfihtlih der allgemeinen Bewaffnung Deutfchlande 
ward fefgefegt”, dag in allen Staaten nah Oeſterreichs, 
Preußens, Bayerns Beifpiel Schaaren Freiwilliger, Linien- 
truppen, Landwehr nebft dem erforberlihen Nachſchuß, und wo 
es erforderlich fey, Landſturm errichtet werben. Die Zahl der 
Truppen folle die doppelte der Rpeinbundscontingente betragen, 
bie erſte Hälfte die Linientruppen, bie andere Landwehr; beide 
mittelft des ſtets bereiten Nachſchuſſes allezeit vollftändig zu 
erhalten, dienen allenthalben wo es nöthig, der Landſturm nur 
im eigenen Lande und zur Bertpeibigung des eigenen Heerds. 
Diefe ganze Maffe wird zu mehreren großen Corps gebildet, 
deren jedes mit einem befonderen General und Stabe verfehen, 
welcher den Ländern aus denen es hervorgeht möglichft nahe 
geftellt und dem nächſten Obergeneral untergeordnet wird. 
Kleidung, Ausrüſtung, Sold wird yon jedem Lande für feine 
Truppen getragen; desgleichen beforgt es das erforderliche 


472 


Zuhrwefen. Für alle verbündete Truppen wird ein gemeinfchaft- 
liches Feldzeichen angenommen, durch dazu abgeorbnete Offiziere 
werben die Punfte und Stellungen ausgewählt, welche für 
die Bertpeidigung Deutſchlands befeftigt werden müflen, und 
deren ‚Herflellung fein Rand -weigern darf; vielmehr hat es 
dazu mit Hülfe der benachbarten unentgeltlih Fuhren und 
Handarbeit zu liefern. Um die Bewaffnung zu erleichtern 
werben alle in Deutfchland vorhandenen Waffenfabrifen und 
Yulvermäpfen, Suhl, Solingen, Herzberg, Olbernhau u. a. eins 
sig für diefen Zweck arbeiten; zur Bildung ber Artillerie geben 
die Berbündeten einen Theil der eroberten Gefhüge; fo wie 
auch alle in den Eibfeftungen zu erobernden Waffen ohne Unters 
ſchied zur Bewaffnung Deutſchlands verwendet werden follen. 
Die von ben drei Mächten angeordnete Commiffion für das 
Bertheidigungswefen Deutſchlands, Schwarzenberg, 
Stein, die Ruffifhen Generaladjudanten Wolfonsty und Wol- 
zogen, und bie Chefs des Defterreihiihen und Preußiſchen 
Generalftabes Radetzky und Gneifenau, beftimmten *' am 24ften 
November die Zahl der in Deutfhland aufzuftellenden Truppen 
auf nahe an 150,000 Mann und eine gleihe Zahl Landwehr; 
diefe 290,000 Dann wurden in mehrere Corps vertpeilt, 
Bayern, Hannoveraner, Sachſen, Heflen, Wirtemberger, Bar 
dener, denen fich die kleineren Contingente anſchloſſen; bie 
Bündnifle der drei Mächte mit diefen Deutfchen Fürften follen 
erft an dem Tage beflätigt werden, an welchem das auferlegte 
Truppenmaaß vollfommen ausgerüftet aufgeftellt if, und ale 
Iegter Termin bafür wird ber 31iſte December fefgefegt, für 
die Landwehr 12 Tage fpäter. Die Corps floßen zu den großen 
Heeren und werben ihnen glei verpflegt. Außerdem foll ein 
allgemeiner Deutfcher Landflurm errichtet werden. Die des⸗ 
fallſige Verordnung ſowie die Anordnung des ganzen Verthei— 
digungsſyſtems von Deutſchland und der dafür anzulegenden 


473 


Befeſtigungen wird von einem eigenen Militaircommittee aus— 
sehen; die Ausführung aber von den Heerführern befonderen 
Militaircommiffarien aufgetragen. Berner ward die Errichtung 
einer Heerespolizei wiederholt, bie Benugung der in Deutſch⸗ 
land vorhandenen Waffenfabrifen, Gießereien, Pulvermäplen 
befimmt; die Benennung der Offiziere fo wie die Verbindung 
der Heereöbefehlehaber mit den Landesbehörden und mit ber 
Eentralverwaltung geregelt. In einer Beſprechung am 26ften 
November, welcher außer Schwarzenberg und Stein die Minifter 
Metternich, Neſſelrode, Hardenberg, General Kneſebech und 
Generalintendant Graf Lottum beimohnten, ward der Befehl 
über bie gebildeten Eorps den Generalen Wrede, Wallmoden, 
Herzog von Weimar, Herzog von Coburg, Prinz Philipp von 
Heffen-Homburg, Kronprinz von Wirtemberg übertragen, und 
das erſte, fünfte und feste mit dem Schwarzenbergifhen, das 
dritte und vierte mit dem Blücherfhen Heere in Verbindung 
gefegt, das zweite aber dem Norbheere zugetheilt. 

Die Ausführung biefer Beſchlüſſe, die von Stein mit« 
berathen und wahrſcheinlich auch zum Theil ober ganz verfaßt 
waren, ward ihm von ben Verbündeten ebenfalls übertragen. 
Lieferungen und Kriegsfleuern, Verpflegung, Bewaffnung, La- 
zarethweſen der großen Heere vereinigte fih alfo in feiner 
Hand mit der Berwaltung der in Deutfchland eroberten Länder. 
Zur Unterftügung in dieſem großen Gefchäftöfreife erbat er ſich 
die Hülfe tüchtiger Männer, die ihm als fehr brav und würdig 
perſoͤnlich befannt waren und ald Räthe der Centralverwaltung 
angeftellt wurden; fie follten unter ihm für die gemeinfchaftliche 
Sache arbeiten, aber aus den drei Berwaltungen der Berbündeten 
gewählt, dieſe zugleich in fortlaufender Kenntniß des Ganges 
der Eentralverwaltung halten und deren Verbindung mit ihnen 
erleichtern. reußifcherfeitd waren es die Geheimeräthe Friefe 
und Eichhorn, von Defterreich ber Hofrath Freiherr v. Spiegel, 


474 


welchen auch Kürft Metternich ** als einen dur Eifer, Grund- 
füge und umfaffende Gefchäftsfennmiß ausgezeichneten Mann 
empfahl, Ruſſiſcherſeits der Collegienaffeflor Turgenieff *”. Zur 
befonderen Leitung bed Creditwefens, ber allgemeinen Lazareth- 
Einrihtung und fpäter auch des Rhein-Detrops, beftiimmte 
Stein den Grafen von Solms-Laubach, ber fih biefen Ge— 
ſchaͤften mit großer Einfiht und Thätigfeit unterzog; die befon- 
dere Leitung der Deutſchen Landesbewaffnung übertrug er mit 
Zuftimmung ber Verbündeten dem Preußifchen Oberflientenant 
Ruhle von Lilicnftern mit dem Titel eines Generalcommiffairs ’*. 
Metternihe und Hardenbergs Zuftiimmung warb erft erhalten, 
als ihre Pferde zur Ahreife angefpannt waren: Metternich 
glaubte niht, daß aus ber Bewaffnung etwas werden könne. 
Als Agenten bei den Deutſchen Höfen, welche die Erfüllung der 
eingegangenen Verbindlichkeiten an Ort und Stelle betreiben 
und eine forgfältige und Fräftige Aufficht zu führen hatten, er⸗ 
nannte Stein ben Herrn v. Troſchke bei den Herzogen von An- 
halt mit dem Sige zu Deffau, den Herrn v. Riedefel auf 
Eiſenach bei den Sächfifhen Herzogen und ben Fürften von 
Schwarzburg mit dem Sige zu Arnflabt, den Fürften Repnin 
bei den Fürften von Neuß und zuerft auch bei den Saͤchſiſchen 
Herzogen ”°; den Ruffiihen Major v. Böttcher in Eaffel bei dem 
Ehurfürften von Heffen und den Fürften von Waldeck und 
Kippe, den Dichter Mar von Schenfendorf bei dem Großherzog 
von Baben in Carlsruhe; bei den Höfen von Naſſau und Darm: 
ſtadt wurden bie Gefchäfte von Frankfurt aus dur Graf Solms 
und Oberfilieutenant Rüple verfehen. 

Es bedurfte aber auch eines Mannes wie Stein an ber 
Spige und fo ausgezeichneter Gehülfen, um das große Ber- 
mwaltungsgefhäft gegen die entgegenflehenden Hinderniffe mit 
Erfolg durchzuführen. Denn mit nicht vielen Ausnahmen waren 
fo wenig die ehemals vertriebenen und wieder eingefegten Re— 


475 


gierungen als bie Rpeinbundfürften geneigt die Bedingung iprer 
Wieberherftellung oder ihrer Verſchonung zu erfüllen. Als ſich 
jemand gegen Stein über den Ehurfürften von Heffen beffagte, 
tief er and: Was fann das Alles helfen? Geben Sie mir 
Kanonen; mit Bernunftgränden ift bei dem Nichts auszurichten! 
Und als Oberſt Rühle feine Ernennung anzeigte, erwieberte 
der Ehurfürft, ein Preußiſcher Feldmarſchall, wie Er, laſſe fih 
von einem Oberſtlieutenant nichts vorfchreiben. Als ihm jedoch 
Nüple ſchrieb, fein Contingent fey aus Berfehen .zu hoch be 
rechnet gewefen und jetzt um einige taufend Dann herabgefegt, 
fo ging er in die Verhandlung ein. Die Rheinbundfürften 
melde fih vom Landesfeinde jede Erniedrigung feden Hohn 
gefallen Taffen und ohne alle Schonung Blut und Gut ihrer 
Untertanen den Franzoſen hingegeben hatten, fahen nicht fo 
bald Alerander an Napoleons Stelle, als fie, gleich zu Herren 
gewordenen Knechten, jede zum Beflen Deutſchlands noth- 
wenbige Unterordnung abwarfen. Zudem paßten bie Ideen 
von Landwehr und Landfturm nur auf Länder in denen Fürft 
und Volk durch gegenfeitige Liebe und Vertrauen innig ver⸗ 
bunden waren; in ben Gtanten bed Rheinbundes hingegen 
hatten die Unterthanen fo wenig Liebe als die Regierungen 
Vertrauen, und Letztere glaubten ihrer eigenen Sicherheit wegen 
die freiwilligen Regungen ihrer Unterthanen für die Sache bes 
Baterlandes eher hindern zu müflen. Auch warb die Neigung 
mancher Fürften zu Napoleon oder bie Furcht vor feiner Rache 
ein bedeutendes Hinderniß rafcper und genügender Anftten- 
gungen. Der König von Wirtemberg nicht zufrieden bie Er- 
richtung von Freiwilligen und Landwehr in feinem Lande zu 
verhindern, machte fogar ben Anſchlag den Oberſt Kühle wäh- 
rend beffen Aufenthalts in Carlsruhe verhaften zu laſſen; er 
wollte nichts vom Kampf für das Vaterland wiffen, fondern 
nur blinden Gchorfam von Linien Soldaten; feine Landes— 


476 


bewaffnung beftand darin, daß ben Unterthanen alle Beuer- 
gewehre genommen und nebft Piken unter Berfhluß gehalten 
wurden; er trat auch nicht in die entferntefte Beziehung mit der 
Eentrafverwaltung und hielt fih für Napoleons Wiederfehr 
bereit. Selbſt die verbündeten Mächte fonnten feinen tyran= 
nifhen Starrfinn auch für befceidene Wanſche kaum über- 
winden °%, 

Ebenfo ungefheut firebte das Montgelas'ſche Minifterium 
nad Unabhängigfeit von jeder Äußeren Einwirkung; die von 
ihm eingeſetzten Teuppenführer Beamten und diplomatiſchen 
Spione wetteiferten mit einander in Unruhe, gemeiner Liſt, 
Dünfel und Frechheit; der Deutfchgefinnte Kronprinz war ohne 
Einfluß. 

Die Hannoverſche Regierung blieb aus Nädfiht auf bie 
Erſchopfung bes zehn Jahre Tang ausgefogenen Landes und 
die Heldenthaten der Deutſchen Legion in Rechnung ziehend, in 
ihren Anftrengungen zurüd, fo daß SJünglinge welche Göt- 
tingen verlaffen hatten um als Freiwillige zu dienen, nad 
mehreren Wochen nuglofen Wartens zurüdfeprten, weil die 
Truppen doch für diefen Krieg nit mehr auf den Rampfplag 
gelangen ſollten. Und flatt die willigen Kräfte zu vereinen und 
duch Richtung auf die Sache des Baterlandes zu veredeln, 
ſuchte man ſchon die alten Standesvorurtheile wieder hervor. 
Der zuerſt eingetroffene Herzog von Cumberland errichtete ein 
Neiterregiment mit ausfchließlih ablihen Dffizieren; es war 
diefe Truppe, welche mit Ausnahme weniger Offiziere andert- 
halb Jahre darauf allein aus dem ganzen Hannoverfchen Heere 
von ihrem muthlofen Oberſten geführt das Schlachtfeld von 
Waterloo verließ und den fledenlofen Glanz der Hannoverfchen 
Waffen trühte, Diefer verberbliche Kaftengeift warb genährt 
vom General Deden, der während feine Landsleute auf der 
Pprenäifgen Halbinfel Lorbeern erfämpften, ruhig in England 


477 


geblieben war und jegt mit dem Herzog von Cambridge her⸗ 
übergefommen, bie Zührer ber Hannoverfchen Freiwilligen jen⸗ 
feits der Efbe, die beiden Grafen Kielmannsegge, zu befei- 
tigen mußte. 

In Baden, Darmftabt, ward die raſche Entwidlung der 
Kräfte durch Napoleonifivende Fürften zurüdgepalten; Diben- 
burg blieb völlig unthätig; Meflenburg deſſen Furſten feit dem 
Frühfahr für die gute Sache thätig gewirft hatten, wurbe zur 
naͤchſt durch das Franzoöſiſche Heer in Hamburg in Anfpruch 
genommen. Die Fürfin Pauline von Lippe, fortwährend in 
Franzoſiſchen Grunbfägen befangen, bewies daß fie nur der Ge— 
walt gehorche. 

Bon allen Deutfhen Regierungen waren es faft nur ber 
Herzog von Anhalt» Deflau, die meiften Herzoge von Sachſen, 
die Fürften von Schwarzburg, Lippe-Büdeburg, die Städte 
Bremen und Lübel, welche ihre Verpflichtungen am puͤnktlich⸗ 
ſten und reblich erfüllten. 

Ungeachtet aller diefer Hinderniffe wurden binnen ſechs Wo— 
hen 160,000 Dann fertig aufgeftellt, welche nach den unglüd- 
lichen Gefechten bes Februar ein bedeutendes Gewicht in bie 
Wagſchale geworfen haben. 


Da das gewöhnliche Mittel in eine fo große Mafregel 
Uebereinfimmung zu bringen, Einheit der Vorſchrift für die 
Bewaffnung, von dem vielgetheilten Hauptquartier nicht zu er= 
warten war, ba felbf nicht einmal ein mit großer Anftrengung 
gearbeiteter Plan für faffelweife Märfhe und Verpflegung der 
verbündeten Heere zur Annahme gelangte, fo mußte der Oberfi= 
lieutenant Ruhle ſich darauf befhränfen, die Verordnungen 
allein für den unmittelbaren Verwaltungskreis des Central 
departements zu entwerfen, und deren Anfertigung in den 


475 


übrigen Ländern den Fürften ſelbſt zu überlaffen. Er hielt mur 
darauf, daß dieſe die wefentlihen Gedanken nicht überfahen, 
theilte feine Berorbnungen mit und veröffentlihte einen Auffag 
über den Deutfhen Landſturm. 

Die Einführung eines Landſturms außer dem Großherzog⸗ 
thum Fraulfurt fand jedoch die größten Hindernifle. Man hatte 
den Gedanken, die Taupeit und Schwähe einer folhen Ein- 
richtung bei Heinen und verfhiebenartig regierten Gebieten da⸗ 
durch zu heben oder doc zu vermindern, daß ber Landſturm 
nad den großen natärlihen Stromgebieten vereinigt würde, 
und ihm eigene von ben Regierungen unabhängige Landſturm- 
herzoge vorzufegen, beren Wahl Stein vor feiner Abreife mit 
Ruhle verabredete. Es war dazu unter anderen ber Mark⸗ 
graf Ludwig von Baden beffimmt, der auch dazu bereit war. 
Die Ernennung unterblieb da fih der Großherzog an Stein 
wandte °” und bie vollftändige Erfüllung feiner Verpflihtungen 
nachwies; im Hauptquartier trug man Bedenfen die Durch⸗ 
führung des Landſturms zu genehmigen, und es war ein Glüd, 
dag man feiner fpäter nicht bedurfte; daß jedoch hinreichende 
Maſſen zufammengebracht werden Fonnten um ben Feind zu 
fchreden, zeigte das Großherzogthum Baden, wo 92 Bataillone 
in 9 Brigaden eingerichtet wurden; der Großherzog hatte außer- 
dem bis zum Aften Februar 17000 Dann Linientruppen und 
Landwehr geftellt und 6000 Dann Referven vereinigt. 

Die Beftimmung und Ausfcpreibung der Raturallieferungen 
erfolgte °* zunächft durch die Intendanten und Kriegscommiffare 
jedes Heeres. Um Störungen zu vermeiden wies man jedem 
Heere beftimmte Bezirke zu feiner Verpflegung an; und bie 
Eentralverwaltung trat nur bann auf, wenn irgend ein Land 
ſich vertragsmäßiger Lieferungen weigerte, oder wenn vertrage- 
voibrige Forderungen gemacht wurden. Indeſſen fonnten da= 
durh fo wie durd Errichtung einer Generalintendantur der 


479 


verbündeten Heere bie Kriegsübel wohl vermindert aber nicht 
aufgehoben werben. 

Die Unterhandlungen über das Bruttoeinkommen““ wur⸗ 
den durch ben ehemaligen K. Reichshofrath Grafen v. Solmd- 
Laubach geführt. Der Abſchluß mit ben einzelnen Staaten, 
melden der Eigennug höchſt zu verwideln und zu verzögern 
ſchien, fam durch die gründliche Kenntnig welche der Bevoll- 
mädhtigte unvolfftänbigen Erklärungen über bie Berhältniffe und 
Hulfsquellen der Länder enigegenfegte, durh das Bertrauen 
in feine Reblicpfeit und Geredtigfeit, feine Thaͤtigkeit und Ge⸗ 
ſchaͤftsfähigleit ſchnell zu Stande. 

Im Laufe feiner Verwaltung benugte Stein das Anfehen 
welches fein Name '° feine unbefimmte und einflußreiche 
Stellung und das Vertrauen ber Verbündeten ihm gewährten, 
ebenfalld dazu bei Streitigfeiten der Fürften und Unterthanen 
zu vermitteln, Klagen über willfürlihe Bebrädung abzu- 
helfen, und im Namen der Wiederherfieller des Rechts und 
der Freiheit das vorgefundene Recht und bie Verfaffung Deut- - 
ſcher Länder zu fhügen und zu handhaben, wie es während 
der früheren Berfaffung durch die Reichsgerichte gefchehen war. 
So hat er unter anderen ben Fürften von Walde, welder 
durch ſchlechte Rathgeber verleitet mittel eines Patents bie 
landſtaͤndiſche Berfaffung feines Gebietes bereits umgeworfen 
hatte, um in ber Rheinbundlichen Sonverainetät zu regieren, 
durch freundliche Dazwifcpenfunft zur alten Ordnung zurüd- 
geführt. : 

Das Anfehen welches Stein in diefer Wendezeit der Deut- 
ſchen und Europäifhen Geſchicke genoß, das Vertrauen weldes 
er ale der treibende Geift des Bundes, als Deutfchlande Mit- 
Erretter, feinem Bolfe einflößte, fpiegelt fi in der Thatfache, 
daß Offiziere der verbündeten Heere den befannten Profeffor 


480 


der Geſchichte nnd bes Staatsrechts, Nicolaus Bogt, in Franf- 
furt auffuchten und ihm die Frage flellten: ob Stein nach den 
Reichsgeſetzen zum Deutſchen Kaifer gewählt werben fönne? 
eine Frage, die Bogt, Metternichs ehemaliger Lehrer, unbedent- 
lich bejahte. 





Im Laufe des November hatte die Befreiung der Länder 
weitere Fortſchritte gemacht, und bie Franzofen waren überall 
im Rüdzuge begriffen. Wellington hatte nad ber Uebergabe 
von Pamplona und dem Treffen an der Nive fih im ſüdlichen 
Frankreich fegefegt; das Deſterreichiſche Südheer war in 
Italien eingedrungen und mit der Einnahme Dalmatiens ber 
fhäftigt; Dresden mit einer Befagung von 36,000 Mann, 
Stettin, Zamosc und Modlin ergaben fih; das Nordheer unter 
dem Kronprinzen von Schweben war durch Heiligenftadt, Göt- 
tingen, Hannover gegen bie Sranzofen und Dänen gezogen und 
im Begriff deren Stellung an der Stednig zu überwältigen und 
in Holftein einzubrechen; der General v. Bülow Hingegen hatte 
auf eigene Hand die Eroberung von Holland unternommen. 
Am 15ten November brach ein Auffland in Amfterbam aus; 
die Dranifhe Partei rief den Prinzen zum Fürften aus; am 
24ften erſchienen dort die leichten Truppen des Bülowfchen 
Heeres und gaben dem Aufftande Feftigfeit; am 3Often er- 
Rürmte der General Arnheim; am 2ten December zog ber 
Prinz von Dranien als Fürft der vereinigten Niederlande in 
Amfterdam ein. Das Kranzöfifche Heer bis auf 40,000 Mann 
geſchmolzen, die frank und erfhöpft über den Rhein zurüdtamen, 
vermogte bem weiteren Vordringen ber Verbündeten feinen 
Widerftand entgegenzufegen, und e8 war nun bie große Frage 
zu entſcheiden, ob und wie ber Krieg in Frankreich felbft fort- 
zufegen? Die Meinungen des Hauptquartier blieben getheilt. 
Defterreih war zum Frieden geneigt, und hielt — bie dur 


481 


St. Aignan begonnenen Unterhandfungen im Auge — den Ber: 
bündeten die Wahrſcheinlichkeit und Gefahr eines Volkskrieges 
in Sranfreih vor, welches diefelben Mittel des Widerſtandes 
dur Landwehr und Landflurm anwenden werde, deren ınan 
ſich in Deutſchland bedient hatte, Der Kaifer Alerander hin- 
gegen hielt in Webereinfiimmung mit Stein bie Dauer eines 
Friedens für unmöglich, fo lange Napoleon auf dem Throne 
ige; daß ohne Steins entſchiedenen Rath damals ein verberb- ⸗ 
licher Friede geſchloſſen feyn würde, hat er ſelbſt ausgeſprochen 
und iſt befannt '. Da der Kaiſer feinen feſten Entſchluß zur 
Bortfegung des Krieges erklärte, fo gab Defterreih nad und 
es blieb nur noch die Beftimmung ber Mittel übrig. 

Der erfte und natürlichfie Gebanfe war ber, die Berfol- 
gung des Sieges in berfelben Richtung fortzufegen, in welcher 
der Feind geflohen’ war, und nad Ueberſchreitung bes Rheins 
geradezu auf Paris zu ziehen. Diefer Anfiht waren bie Preu: 
Bifchen Feldherren. Bluͤcher und Gneifenau feplugen vor, vom 
Mittel- und Niederrhein aus, wo ſich die Heere befanden, 
gerade aus durch Lothringen und die Niederlande fogleih auf 
Paris Ioszugehen, Feine Zeit durch eine Seitenbewegung zu 
verlieren, fondern Napoleon in der Sammlung neuer Streite 
fräfte zuvorzufommen, indem man auf biefe Weife im December 
bereits bis gegen Paris vorgebrungen feyn würde, Fürſt 
Schwarzenberg und fein General - Duartiermeifter General 
Langenau hingegen befanden auf Befegung der Schweiz, indem 
das Hauptheer eine fühlihe große Seitenbewegung made, und 
von Bafel aus den Feldzug gegen Paris fortfege; fie hatten 
dabei bie Unterflügung des Defterreichifhen Heeres in Italien 
im Ange, und machten es geltend daß man auf dieſem Wege 
die flarfen und zahlreihen Franzoͤſiſchen Feſtungen umgehen 
werbe. Obwohl es nun bei der großen Uebermacht ber ver⸗ 
bünbeten Heere Keinen Zweifel Titt, dag Schnelligfeit und ver= 

Stein’s Leben. TIL. 2ie Aufl. 3 


482 


einigte Kraft den Sieg davon tragen müßten, fo war bed die 
Scheu vor dem Franzoͤſiſchen Boden feit dem Feldzuge in der 
Champagne bei den Diplomaten fo eingewurzelt, ihre Furcht 
vor dem fo Tange angebeteten Napoleon und feiner durch Zei⸗ 
tungelägen übertriebenen '* Macht fo groß, das Gefühl des 
Sieges, an welchem fie fih freilich unfhulbig mußten, fo 
unficher, daß der Schwarzenbergifhe Plan angenommen ward ; 
vielleicht Hoffte mander au auf diefem Wege ben ganzen 
Feldzug zu vereiteln und zu bem erfehnten Frieden zu gelangen. 
Der Feldzug durch die Schweiz warb beſchloſſen, man ver- 
wandte den Monat December zu biefer Seitenbewegung, gelangte 
erſt am Ende Januars bi Langres, und hatte nun mit Strömen 
Blutes die neuen Heere zu bekämpfen, zu deren Errichtung 
man durch ſolche Maßregel dem Feinde Zeit gegeben hatte, 


Napoleon war feit feiner Rüdkehr aufs Eifrigſte mit der 
Bildung neuer Streitträfte befhäftigt. Nach den ungeheueren 
Verluſten dieſes Feldzuges muthete er Franfreih neue Opfer 
zu. Am Iöten November rief er durch einen Beſchluß des 
gehorfamen Senats aufs Neue 300,000 Mana zu den Waffen, 
um bie bedrohte Unabhängigfeit des Landes zu vertpeidigen. 
Diefem Aufruf fegten die Verbündeten am Iflen December eine 
Erklärung entgegen, worin fie zum Erſtaunen des fo viele 
Jahre hindurch zertretenen Deutſchlands fi bei den Franzoſen 
über den Krieg gewiſſermaßen entſchuldigten, es als ihren 
Wunſch ausſprachen, daß Frankreich groß, mächtig und glädtich 
ſeyn möge, weil ein großes Voll nur ruhig feyn fönne in dem 
Maße als es glüdtih fey; fie verfiherten fogar dem Fran⸗ 
zoͤſiſchen Reiche eine Ausdehnung die es unter den Königen nie 
gehabt habe, weil ein tapferes Voll feinen Rang nicht durch 
die Unfälle verliere, die es feinerfeits nun auch in einem harte 
nädigen und blutigen Kampfe erfahren in welchem es mit 


483 


feiner gewohnten Tapferkeit gefochten habe; fie erklärten jedoch 
ihren feſten Eutſchluß die Waffen nicht eher niederzulegen, bie 
der Zufand Europa's auf unveränderlichen Grundfänlen nen 
begründet fey und feſte Verträge einen wahren Frieden geſichert 
haben würden. 

Am Sten December langten Gefandte der Stadt Bremen, 
Dr. Smidt und Gildemeifter, denen fih von Seiten ber ausge⸗ 
mwanberten Hamburger Perihes und Sieveling angeſchloſſen hat« 
ten, in Frankfurt an, um bie Hanfeftädte ben Verbündeten zu 
empfehlen und für Erhaltung ihrer Unabhängigkeit zu wirken. 
Auf Wallmodens Rath wandten fie fih zunähft an Stein, 
der ihnen am ten in einer Tangen und fehr offenen Unter⸗ 
vebung die nachdrücklichſten Zuficherungen für bie Selbſtaͤndig ⸗ 
keit der drei Städte ertheilte. Das Deutfhe Reich, äußerte 
er 1°%, werbe hergeflellt werben, aber fo Tange der Friebe noch 
nicht geſchloſſen ſey, bärfe, damit nicht Zwieſpalt entftände, Feine 
Berhandlung über die nähere Geſtaltung beffelben geführt wer« 
den. Den drei Städten fei die Stimmung ber großen Verbün- 
deten Mächte durchaus günftig, fie würden feinem Fürſten 
untergeorbnet werben, fonbern eine felbfländige Stellung - im 
Reiche erhalten, Nichts hätten fie von dem Kronprinzen von 
Schweden zu fürchten; man fenne ihn fhon mit feinen Pro- 
jeeten und Intriguen, und wiſſe daß der Schmug der Revolu- 
tion ihm noch anhinge. Sobald die Abftchten, welche derfelbe 
vertraulich geäußert hätte, officiel befannt würden, werde man 
ipn mit feinen 25,000 Mann, die thener genug bezahlt würben, 
eiupaden und nah Haufe ſchicken. Im äußerfen Kalle könne 
man feiner immer mit Geldopfern 106 werben, jeht aber den 
Schlangengaͤngen feiner Politif nachzugehen, fei unter ber 
Würde der verbündeten Mächte. Eben fo wenig habe Hannover 
Eingriffe zu machen, die Städte follten nur jede Zumuthung 

31* 


484 


deſſelben ohne Weiteres abweiſen; die Berbündeten hätten 
überall feine Urfache, Hannover etwas zu fehenfen. In das 
Innere ber Berfaffung ber Städte werde fi, wenn biefe ſich 
fo nähmen baß feine Unruhen entftänden, Niemand mifchen. 
Alle Mifbräuhe müßten abgefchafft werden, und bie Gleich- 
ſtellung der drei chriſtlichen Eonfeffionen in allen politiſchen 
Berhältniffen made er dringend zur Pflicht, aber fein Jude 
dürfe als gleigberechtigt aufgenommen werben. Das Ber- 
fahren bes hanſeatiſchen Directoriums billige er fehr, und ganz 
richtig fei es, daß für Hamburg eine proviforifhe Regierungs- 
eommiffion beftellt werben möfle, um die nothwendigen Ber- 
faffungsveränderungen vorzunehmen. — Ausführlich ließ ſich 
ſodann Stein auf bie Bedenlen ein, welche Perthes gegen ben 
Eiöfleiher Zoll erhob. Zölle, fagte er, feien feine Beſchraͤnkung 
des Handels; au England habe fie; aber freilich nur für eine 
einzelne Gegend dürfe ein Zoll nicht beſtehen, fondern eine 
einzige große Zolllinie für das ganze Reich müffe von Holland 
bis Rußland errichtet werden — „So frei, fo herzlich und offen 
ſprach Stein, ſchrieb Perthes, dag ih ihm Alles, was ich über 
unfer Deutfhes Vaterland und über unfere Städte auf bem 
Herzen hatte, ohne Rüdhaft äußern Fonnte, und bald merfte 
daß er mich gerne hörte.” 

Gleich günftig erflärten fi bie übrigen Staatsmänner, 
und ber König fowohl als die beiden Kaifer erfannten in bes 
fonderen Handfreiben die Freiheit der Hanfeftädte an. 


Bor feiner Abreiſe von Frankfurt erinnerte fih der Katfer 
Alexander feines Lehrers General Phull: „Bon ben Ufern der 
Mostwa an die des Rheins gelangt, ſchrieb er ihm, glaube 
ich eine Pflicht zu erfüllen indem ich biefe Zeilen an Sie richte. 
Wenn ih einige Kenniniffe in dem Kriegshandwerke erlangt 
babe, fo verbanfe ih Ihnen allein die Grundfäge derfelben. 


485 


Aber ih verbanfe Ihnen noch mehr: Sie haben den Plan 
gefaßt, in Folge deffen mit Hülfe der Vorſehung erſt Rußlaud 
dann Europa gerettet worden if. Empfangen Sie daher ben 
Tribut einer Dankbarkeit, bie Ihnen aus fo gerechtem Grunde 
gebäprt.“ 

Der Kaiſer ſandte ihm das Großkreuz des St. Wladimir- 
Ordens und die Zufiherung eines auf feine Gemahlin über- 
gehenden Gnadengehalts, welches der General erbeten hatte. 


Aus der Zeit des Frankfurter Aufenthalts teilen wir 
Brudftäde von Steins Briefen an feine Frau mit: 


uSranffurt den 27ften November. Ich Hoffe meine liebe 
Breundin bag Du meine Briefe von hier erhalten haft; ‚wenn 
ich weniger genau bin als Du zu erwarten Recht haft, fo 
bitte ih Did, es theils den Geſchaͤften und großentheild dem 
ungeheueren Zeitverluft beim Anhören zubringlicher und. Tang« 
weiliger Menſchen zuzuſchreiben. Die Sündfluth von Prinzen 
und Souverainen beginnt ſich zu verlaufen; fie find viel beffer 
behandelt worden als fie verdienten; inzwifchen find fie ver⸗ 
pflichtet der gemeinen Sache durch Truppen, Geld, Lebensmittel 
beizufpringen, und beim Frieden wird ihr Loos entſchieden 
werben. Der laͤcherlichſte und zugleich ber abſcheulichſte ift der 
Würtemberger Tyrann, ungeheuer an Geſtalt und Stolz; feine 
Feigheit und Böllerei — es if unmöglich daß dieſer Menſch 
nicht ein ſolchen Eparacters würbiges Ende habe, 

Alle diefe anderen Prinzlein find ſchwache Leute, fehr er⸗ 
ſtaunt dag man fo viel Umfände mit ihnen macht, und ihnen 
ein viel ehrenvolleres Dafeyn zugeſteht als fie durch ihr er— 
bärmliches Betragen verbienen.” 


486 


Steins Ungebuld bei manden folder Beſuche iR leicht 
glaublich. Es kamen Menſchen aller Größen und aller Ber- 
gangenpeiten, und firömten bei den einflußreichen Männern zu= 
fanmen, um ihre Zwecke zu betreiben. 


Granffurt den 27ften November. Die &.... find hier; 
fie Hat gewünfpt mich zu fehen; ich antwortete, daß ih mit 
Bergnügen fie und ipr Kind allein fehen würbe; weil ih mir 
veinliche Erinnerungen erfparen mögte. Ich habe fie alfo nicht 
geſehen. 

5ten December. Der Churfürſt von Heſſen hat mir Die 
Wiederherftelung des Capitels von Wallerſtein verſprochen. 

Die Prinzeffinnen find hier; Prinzeffin Sophie bezeugt 
mir fortwährend viele Freundſchaft. Berg aus Büdeburg war 
bier; er if ein fehr geſcheuter Mann, das Betragen des jungen 
Fürften fehr gut, er wird ben Feldzug mitmachen. 

12tem December. Meine Abreife von bier ift auf dem 
14ten. fefigefegt, nad Carlsrupe um dem Hauptquartier des 
Kaifers Alerander zu folgen. Ich war zu befcpäftigt und fonnte 
mich nicht von hier entfernen und nah Naſſau gehen um 
Marianne zu fehen; hoffe jedoch, wenn es möglich, mich dahin 
au begeben, da das Hauptquartier im Bereiche bleibt. 

Es hängt ganz von Dir ab meine liebe Freundin Dir 
einen Aufenthaltsort nach Belieben zu wählen, fey es Berlin 
oder Wien, Di dahin zu überfiedeln fobald es Dir angenehm 
iR; und ih bitte Di infändigk darin nar Deiner eigenen 
Meinung zu folgen.” 


Neunter Abſchnitt. 


Wiedereröffnung bes Feldzuges. Freiburg. 
Ende Deremberd 1813. 


Mu dem großen Hauptquartier verließ auch Stein Frankfurt 
und reifte am 18ten December über bie Bergſtraße nach Heibel- 
berg und Carlsruhe. Hier verweilte er mit dem Kaifer, und 
fah deſſen Schwiegermutter die Markgräfin von Baden, nebſt 
ihren Töchtern den Königinnen von Bayern und von Schweden 
fo mie den Großherzog. Alexander genoß das Glüd feines 
Bamilienfreifes in vollem Maaße; er hatte eine Ruhe, eine 
innere Befriedigung mit einer Einfachheit, einem Ausdruck von 
Ehrfurcht gegen feine Schwiegermutter, von Gutmüthigfeit 
gegen feine übrigen Verwandten, deren Anblid höchſt erfreulich 
war. Der König von Preußen blieb wegen einer leichten 
Unpaͤßlichteit noch einige Zeit in Srankfurt zuräd; tief durch⸗ 
drungen von der Groͤße ber Thaten und Opfer welde Heer 
und Bolt für die gerechte Sache gebracht hatten, ward ihm bie 
Genugthuung, diefes von allen Seiten anerfannt zu fehen; alle 
Welt, ſchrieb Humboldt der Prinzeffin Louiſe, geſteht von freien 
Städen, baß man den Preußen den größten Theil, und wenigr 
ſtens zwei Drittpeil aller Erfolge verbanft, Der Kaiſer Fran 
war zuerft in Freiburg eingetroffen, bie Heine hubſche Stadt 


488 


follte bald die vereinigten Hauptquartiere aufnehmen. Auf der 
Reife dahin faßte Stein den Gedanken, im naͤchſten Sommer 
wenn bie Kriegsunrupen vorbei feyen, mit den Geinigen dieſes 
fhöne Land und die Schweiz zu befuhen; „für die Bergreifen 
tönne er zwar nicht von fehr großer Hülfe feyn, jedenfalls 
aber werde er das Erreihbare genießen, und mit Theilnahme 
die Erzählungen bes jüngeren Tpeils ber Reifegefellfpaft an- 
hören.” Am 20Often December in Freiburg angelangt, ſchrieb 
er mit Entzüden von der herrlichen Gegend, und dem ſchoͤnen 
Münfer, „dieſem prächtigen Denkmal des Kunffinnes und 
der Srömmigfeit der Vorfahren,” 

Nah dem Eintreffen der Hauptquartiere wurben bie in 
Frankfurt abgebrocpenen Unterpanblungen wieder aufgenommen. 
Bei der nahe bevorfiehenden Eröffnung des Feldzuges mußte 
zunaͤchſt das Lazareth weſen ber verbündeten Heere georbnet 
werben. Die obere Leitung dieſes wichtigen Berwaltungszweiges 
im ganzen Umfange der verbündeten Deutfhen Länder warb 
ebenfalls Stein übertragen '°*, und von ihm fo vorbereitet, daß 
fie mit dem iften Januar 1814 beginnen follte. Zu biefem 
Zwed warb ganz Deutfhland mit Ausnahme Deſterreichs und 
Preußens in ſechs Kreife getheilt: Bayern, Würtemberg-Baben, 
Darmſtadt · Frankfurt · Würzburg, Cafiel-Naffau-Berg, Hannover= 
Braunfhweig - Oldenburg = Meflenburg- Hanſeſtaͤdte, Sachſen⸗ 
Anhalt Schwarzburg ⸗ Reuß. In jedem biefer Kreife ward von 
Seiten der dazu gehörigen Staaten eine Lazareth- Direction 
beſtellt, welche bie Leitung aller Lazarethe des Kreiſes mit 
voller Berantwortligfeit übernimmt, aus einem Offizier, einem 
Berwaltungsbeamten und einem Arte beftcht, und fi ſelbſt 
durch Freiwillige aus ben Einwohnern ihres Aufenthaltsorts 
verflärkt. Die Lazareihbirection beforgt auch bie Kaffenverwal- 
tung, ben Abſchluß vorläufiger, dem Miniſter v. Stein zur 
Genehmigung vorzulegender, Berträge mit Unternehmern ber 


489 . 


Lazarethverforgung, die Anftelung der Merzte und Wunbärzte. 
Die Koften wurben fo veriheilt, daß auf Deſterreich, Preußen 
und Rußland je ein Sechstheil fiele, die übrigen brei Sechs⸗ 
theile follten durch Stein unter die verſchiedenen Kreife und 
deren Beftandtpeile nad dem Maaß der Truppenftellung ver- 
theilt, und die Ausgaben von ihm allmonatlih nad der Zahl 
der verpflegten Kranken und Verwundeten gegen einander and- 
geglihen werben. Als Grundlage ber Verwaltung wird ſo— 
gleich ein eiferner Vorſchuß von 750,000 Thalern eingezaple 
und den einzelnen Direetionen nad Verhältniß überwiefen. 
Gebäude, Holz, Lagerſtroh, Krantenfuhren werden von jedem 
Kreife unentgeltlich geliefert. Die Verpflegung und ber ganze 
innere Haushalt der Lazarethe wird gleihmäßig georbnet. 
Jedes Razareth fleht unter einem eigenen Commandanten, welder 
dur die Kreis» Direetion ernannt, und mit gehöriger Mann- 
haft zu Erhaltung der Ordnung verfehen wird; an jedem 
Drie wo fih Lazarethe befinden, wird zu freiwilliger Unter- 
Fügung eine Anzahl Ehrenmitglieder aus den Einwohnern ge- 
wählt. Jeder Macht flieht es frei, einen Dffigier zu jedem 
Lazareth abzuorbnen, um fi von ber guten Verpflegung ihrer 
Kranken zu überzeugen, die Aufſicht über Waffen und Mon« 
tirung zu führen und bie Genefenen nad ihrer Beftimmung 
beforgen zu laſſen. 

Die Ausführung diefer Vorſchriften und die Beforgung 
aller dahin gehörigen Geſchaͤfte übertrug Stein unter feiner 
Leitung dem Grafen v. Solms-Laubach, welder fi auch die- 
fem wichtigen Auftrage mit großem Erfolge widmete. Außer⸗ 
ordentlich viel Gutes iſt ſowohl für bie einzelnen Kranken und 
Berwundeten als auch zu Erleichterung einzelner Länder und 
Orte geſchehen, welche durch die Kriegsereigniſſe mit Razarethen 
überhäuft waren. Die reine Liebe zum Guten welche den Grafen 
Solms beſeelte, verfheuchte Mißtrauen und ſelbſtſuchtiges Zu- 


40 


rädziehen bis auf Bayern und Würtemberg, welhe jedes Ein- 
treten in ein gemeinfames Deutfches Berhältniß ſcheuten. Aller 
Drten wo Lazarethe gefchaffen werben mußten, bildeten ſich 
neben guten Aerzten und Berwaltungsbeamten nad dem edeln 
Mufter Berlins freiwillige Vereine wohlthätiger Menfchen- 
freunde, welche durch Dienftleitungen und Gaben bie Leiden 
ber für das Vaterland Verwundeten zu erleichtern befliffen 
waren '®, 

Einen Blick in den Fortgang bes Bewaffnuugsweſens und 
deffen Hinderniffe gewähren um biefe Zeit erlaffene Briefe an 
Gneifenau und Munſter; in Folge ber ben Rheinbundfürften 
geſchenkten Nachſicht wollte es mit der Heeresſtellung nicht raſch 
vorwärts, und bie angebeutete Lanbfurmebildung blieb, wohl 
auch etwas zu theoretifch entworfen, bei dem Wibderflande der 

"Regierungen ohne Erfolg. 


Stein an Gneifenau. 

„Freiburg den 2URen December 1813. Die Lauigkeit aller 
der Meinen Regierungen war zu erwarten, bei ben meiften if 
es Anhaͤnglichteit an ihre Souverainetät, die aus Aufgeblafen- 
heit, Genußliebe, Herrſchſucht entſteht, diefe Souverainetät hat 
ipnen fa nichts zu erhalten gefoftet als Nieberträchtigleit, und 
dad Blut der Unterthanen. — 

Man muß jedoch die Sache von allen Seiten mit dem 
größten Nachdrud betreiben, befonders fo lange noch Truppen 
daftepen; iſt man vorgerädt, das Land entblößt, fo wird man 
tauben Ohren prebigen. 

Daß bie Sache fo fam, war vorherzufehen. 

Herr dv. Böttcher glaubt, daß die Churheſſen den i2ien 
Januar werben fertig ſeyn — es wäre gut wenn ber Feld» 
marſchall an den Ehnrfürften ſchriebe. 

Die Anlage erfuche ih Ew. Hochwohlgeboren dem Feld⸗ 


49 


marfchall zuzuſtellen, — fie enthält eine Anweifung zu dem 
bewußten Zwed. 

Hochachtungevoll verbleibe ih 

Ew. Excellenz 
gehorſamſter Diener 
Stein. 

Ohue allen Zweifel if ein Theil des Sächfiihen Corps 
in vollem Marſch nad dem Niederrhein — und wird Wefel 
blocquiren und ben Niederrhein beiden. — General Zechner 
ſcheint ſehr ſchlaff zu ſeyn.“ 


Stein an Muͤnſter. 

„Freyburg den 26ften December 1812, P. M. Die Han- 
növerfhen Lande gehören zwar nah ber Convention vom 
2iften Detober d. I, nicht zu denjenigen Deutſchen Territorien, 
für welche ein oberftes Verwaltungs = Departement angeorbnet 
werden, und von welchen die Ausführung ber für die allgemeine 
Deutſche Landesbewaffnung übereingelommenen Mafregeln kraft 
der gefchloffenen Acceſſionsverträge als Verbindlichteit gefordert 
werben kann. Was aber andern Deutfhen Staaten bie Ber- 
bindlichteit der Vertraͤge zur Pflicht macht, das fordert ale 
freiwiligen Beſchluß gleich dringend das Interefie aller Ber- 
bündeten, alſo auch Sr. Großbritanniſchen Majeſtät als Chur⸗ 
fürfen von Hannover, an dem gedeihlichen Fortgang, und der 
Ausführung der Deutſchen Tandesbewaffnung, welche nur durch 
Uebereinfiimmung ber einzelnen Deutſchen Territorien in ben 
Haupigrundſaͤtzen erreicht werben Tann. 

Zolgendes find die allgemeinen Grundfäge, nach welchen bei 
der Bildung der allgemeinen Landesbewaffuung verfahren wird. 

4) Die active Streitmafle wird nad ber gebrudten Anlage 
in ber Form von Freiwilligen, Landwehr und ſtehenden 
Truppen zufammengebracht, weil nah allen gemachten 


492 


Erfahrungen dieſe Form ber Auffiellung dem Enthufiasmus 
des Volls ben freieften Spielraum zu einer ſchnellen und 
volRändigen Entwicklung und Ausräfung ber National- 
flreitfräfte gewährt. 

2) Die Eorps, in welche nad $. 10 der Anlage die einzel- 
nen Deutſchen Contingente zufammen ſtoßen ſollen, find 
auf 8 beftimmt. " 

3) Bon diefen wird das 2te Corps 

a) aus den Hannöverfchen, 

b) aus den Braunfchweigifchen Truppen und aus ben 
Eontingenten 

c) von Oldenburg, 

d) von Medienburg: Schwerin, 

e) der Hanfeftäbte 

formirt. Die Beſtimmung der Eontingente für Hannover und 
Braunfhweig, fo wie bie Ernennung des Eorps- Eomman- 
banten iR Sr. Königlichen Hoheit dem Prinz Regenten von 
England überlaffen, und fepeinen zwei Procent ber Bevölferung 
ein paffender Maßſtab. 

4) Ueber die Einrichtung des Landflurms wird ein eigenes 
Regulativ ausgearbeitet, welches mitgetheilt werben wird, 
Borläufig find folgende Anordnungen beliebt, 

a) Die Leitung der Organifation im Ganzen wird einem 
oberen Landſturms⸗ Aufſeher ''* contrahirt. Diefe 
oberſte Behörde macht die allgemeine Eintheilung 
der Haupt · Landſturms⸗ Bezirke, wählt!" Die Haupt- 
und Unterbezirks⸗Befehlshaber aus den Eingebornen 
der Deutſchen Länder, und ſchlaͤgt fie den Deutſchen 
Souverains zur Beätigung vor. 

b) Bei der fpeciellen Organifation des Landſturms in 
jebem Deutfchen Lande concurrisen 


493 


1) die überall beſtehenden Landesbehorden, welche 
das Intereffe der Regierung wahrnehmen; 
2) eigne unter bem Ramen von Schugdeputationen 

zu beftellende Landſturmsbehörden, zu deren 
Mitgliedern hoͤchſt zuverläffige und patriotiſch 
gefinnte Männer von dem Bolfe gewählt wer« 
den. Diefe Schugdeputationen berathen und 
bringen zur Ausführung alles, was zum Ger 
deihen bes Landſturms in gefeglicher Drbnung 
gereichen Kann. 

©) Der Weften von Deutfepland, zwifchen Rhein, Wefer 
und Efbe, als das ganze für den Landſturm ein- 
zutheilende Land zerfällt: 

1) für den Oberrhein, 

2) = = Mittelrhein, 

3) = = Niederrhein, 
in Haupt · Landſturms⸗ Bezirke, welde, durch den 
Lauf der Gebirge, Fluſſe und Hauptſtraßen abge 
zwangt werben. Die Hauptbezirfe für den Nieber- 
rhein find: B 

a) das Land zwiſchen ber Sieg, dem Rhein, der Ruhr, 
der Diemel, Eder und Wefer, 

b) das Land zwifhen der Diemel, der Wefer, der 
Dber» Ems, der Straße von Minden nah Dsna- 
brüd und Rheine, 

€) zwifchen ber Lippe, dem Rhein, ber Yffel, der Vechte 
und ber Oberems, 

d) zwiſchen der Vechte, der Ems, ber Eyder und Nordfer, 

e) zwiſchen ber Ems und Wefer, füblih bis an die 
Strafe von Minden nah Dsnabrüd, 

N) zwiſchen der Wefer, Leine, Wipper, Unſtrut und 
Werra, 


49 


g) der Harz, oder das Rand zwifchen der Reine, Wipper, 
Unftrut, Saale und Bode, 

h) das Land nörblih vom Harz zwifchen der Leine, 
Weſer und Eibe. 

5) Damit die Zufammenfegung ber einzelnen Contingente in 
die beftimmten Corps zwedmäßig gefchieht, und die letzteren 
ſchleunigſt activirt werden, haben bie hohen verbündeten 
Mächte Rupland, Deferreih und Preußen den Königlich 
Preußiſchen Obriftlieutenant Rühle von Lilienftern zum 
General» Commiflair für die Deutfhen Berwaffnungs- 
angelegenheiten unter einer Oberaufſicht ernannt. Dem- 
ſelben iſt auch die allgemeine Drganifation des Land- 
ſturms, unter meiner Leitung in allen Deuiſchen Ländern 
anvertraut worden. 

Zur Erhaltung von Einheit und Nahdrud iſt es nöthig 
zu bewirken, daß fi die höchſte Landesregierung in Hannover 
dur einen befonders zu beftellenden Bevollmächtigten ſowobl 
“für die Hannöverfehen als Braunſchweigiſchen Lande mit bem 
genannten Obrifilientenant Rühle von Lilienftern für die Aus— 
führung jeder Art von Landesbewaffnung nach einem zufammen- 
fimmenden Plane für alle Deutſchen Rande in näheren Ber- 
kehr fege. 

Der Obriflieutenant Ruͤhle von Lilienftern, welcher in 
Frankfurt fih aufpält, if bereits von biefer Einleitung unter- 
richtet." 


In Freiburg ward Stein durch den Bayerſchen Gefandten 
Freiherrn von Berger in Kenntniß geſetzt, daß der Graf Reiſach 
fh großer Beruntrenungen in Bayern ſchuldig gemacht habe, 
und deshalb flüchtig geworben fep; der Geſandte gab fie in 
einer am 23flen December überreichten Denkſchrift auf beinahe 
800,000 Gulden an, und fügte hinzu, die Unterfuchung ſchwebe 


45 


noch und es werde fpäterhin unfehlbar nad Urtheil und Recht 
über Reiſach erfannt werden. Wenn nun eben auch damals 
ſchon nachtheilige Gerüchte über Malverfationen in ber Ver⸗ 
waltung in der Niederlaufig in Umlauf gefommen waren, fo 
hielt Stein e6 für rathſam den Grafen von ber ihm anver- 
trauten Stelle zu entfernen. Diefes geichah durch den Fürften 
Repnin, Reifah erhielt eine Penfion und begab ſich fpäterhin 
nach Bremen. 

Während des Aufenthalts in Freiburg ward bie in Frank- 
fürt zum Ausbruch gelommene Uneinigfeit unter den Berbün- 
deten befonders durch bie Saͤchſiſchen und Schweizer Angelegen- 
heiten genährt. 

Kaiſer Franz wunſchte Sach ſen feinen König zu erhalten; 
Rußland und Preußen fahen es als eine durch neun blutige 
Schlachten errungene Eroberung an, bie bei ber durch bie 
Töpliger Berträge feftgefegten Ländervertbeilung zu benugen 
ſey. Dur den während des Felbzuges aus Sächſiſchem in 
Defterreihifpen Dienft getretenen Generalquartiermeifter von 
Langenau veranlaßt, waren mehrere in Oeſterreichiſchen Dienften 
ſtehende Offiziere nah Sachſen gereift, und fuchten bort ben 
Einricptungen die das Oeneralgouvernement traf, Hinderniffe 
in den Weg zu legen. Auf die Nachricht von dieſen Umtrieben 
drang Stein fogleih bei Kaifer Aerander auf Erklärung an 
Metternih: man werde bie Werkzeuge diefer Umtriebe ver- 
baften laſſen. Der Defterreidifche Minifter verſicherte, er miß- 
billige fie, und befahl dem General Langenau fih aller ähn- 
lichen zu enthalten, 

Noch unangenehmer wurden bie Mißpelligfeiten wegen 
der Schweiz. 

Diefes Land, deſſen Jahrhunderte hindurch anerfannte Neu- 
tralität feit dem erfien Einbruch ber Franzoſen im Jahre 1798 
in Wirklichleit nie wieberhergeftelt und auch durch Napoleons 


4% 


Bermittlungdacte im Jahr 1803 nur für Franzoͤſiſche Zwecke 
eingerichtet war, hatte feitdem in Abhängigfeit von Frankreich 
geftanden und ben Forderungen biefes Landes feinen wirlſamen 
Widerftand enigegenzufegen vermogt. Nur der Ruſſiſche Feld⸗ 
zug hatte die Schweizer vor unmittelbarer Unterwerfung und 
völligem Berluft ihrer Selbfländigfeit gerettet. Seit 1810 war 
ein Theil ihres Gebiets, der Canton Teffin, gewaltſam von 
Franzdſiſchen Truppen befegt, das Wallis ohne Weiteres dem 
Franzoͤſiſchen Reiche einverleibt worden; die Tagfagung hatte 
ihre in Englifhem Dienſt ſtehenden Landsleute zurüdrufen müffen, 
die Franzoͤſiſchen Zollpladereien und die Einführung des Eon- 
tinentalfpftems beeinträchtigten den Schweizerifhen Handel, und 
alle in der Schweiz befindlihe Colonialwaaren welche nicht 
Schweizern gehörten, ſechs Millionen Franken werth, wurden 
von ben Franzofen weggenommen. Dabei drängten fletd neue 
Recruten⸗ Forderungen, ungeachtet bie Schweiz in ben vier 
Jahren von 1807 bis 1811 22,000 Mann mit einem Aufwande 
von 4,000,000 Franken für den Franzöſiſchen Dienft geftellt 
hatte, fo daß ber Betrag, vier vom Taufend der Bevölkerung, 
doppelt fo brüdend war als die der Eonfeription in Frankreich, 
und es koſtete Mühe wenigftens noch bie Form der Eonfeription 
abzuwehren. Wenn im November 1813 die Franzoͤſiſchen Truppen 
aus Teffin zurüdgezogen waren, fo blieb doch das ganze Ab⸗ 
bhängigfeitöverhältnig, und es war zu fpät wenn bie Tagfagung 
am 18ten November eine Neutralität erflärte, welche in ber 
That nicht befanden Hatte, von den Franzoſen im Jahre 1809 
zweimal verlegt war, und auch fegt allein ihnen zu Gute ge- 
fommen wäre, ba Frankreich gegen die Schweiz hin offen und 
unvertheibigt war. Und fo wie die verbünbeten Mächte das 
Recht hatten diefem Zwangsverhältnig ein Ende zu machen, fo 
fah auch ein großer Theil der Schweizer der Befreiung von 
Franzoͤſiſchem Joche mit Sehnſucht entgegen. Es handelte ſich 





497 


dabri um einen doppelten Gegenftand, bie äußeren und bie 
inneren Verhältniffe der Schweiz. Hinfiptlih jener war es 
nothwendig, durchzugreifen und dem Franzoͤſiſchen Einfluß ein 
Ende zu machen; dagegen war der Kaifer Alerander, der einen 
hohen Werth auf die Unabhängigkeit des Landes Tegte, ent- 
ſchloſſen in die inneren Angelegenheiten nicht einzugreifen, fon= 
dern fie der freien Vereinbarung ber Schweizer zu überlaffen. 
Sobald daher in Frankfurt die Hortfegung bes Krieges von 
der Schweiz aus befchloffen war, wurden bie erforderlichen 
Einfeitungen getroffen, Lebzeltern und Capodiſtria an die Tag⸗ 
ſatzung nach Zürich, und der in Oeſterreichiſche Dienſte getretene 
Graf Senft nach Bern geſandt, um den Anſchluß der Schweiz 
an bie Verbündeten zu betreiben, die Napoleoniſche Vermitt- 
Tungsacte aufzuheben und die Herftellung der Schweiz in ihren 
alten Gränzen und mit einer aus eigener Weberzeugung hervor- 
gegangenen, ihre Unabhängigkeit gewährenden, Verfaſſung zu 
verfpreen. Die Berbündeten hatten aber nicht bie Abficht 
alle alte Berhältniffe herzuftellen ; vielmehr gab Kaiſer Alexander 
den an ihn nad) Freiburg gefandten Waadtländifhen Abgeord - 
neten das Verſprechen der Fortdauer ihres Kantons, für welchen 
er als Laharpe's Zögling und wegen mehrerer bei der Kaiſer— 
lichen Familie angeftellter Perfonen eine Tebhafte Theilnahme 
begte. Fürft Metternich hatte zwar dem Kaifer ähnlihe Ver- 
fiderungen gegeben, heimlich aber, durch Berner Altgläubige '"* 
Woß und Karl v. Haller und Graf Salis-Soglio bewogen, _ 
den Grafen Senft beauftragt die alte Drbnung der Dinge in 
Bern wieder herzuftellen und den Durchzug des Heeres mit 
Nachdruck durchzuſetzen; dabei gab er die Verfiherung, Kaiſer 
Alerander werde mit dem Erfolge zuletzt zufrieden ſeyn wenn 
er auch die Sache jegt noch mißbillige; Fürſt Schwarzenberg 
babe auch auf eine fehr geſchickte Weife die Ruſſiſchen Corps 
Stein’s geben. II. 2te Aufl. 32 


498 


mit den Defterreiifchen fo vertheilt, daß die Bewegung der 
Einen die Andern zu entfprechenden nöthige. 

Indem nun Lebzeltern und Capodiſtria in Zürich die Auf- 
ldſung der Mediationsacte bewirkten und ber Stand Zurich in 
der Perfon feines Landammans v. Reinhard das vierhundert 
Jahre hindurch geführte Dirertorium der Eidgenoſſenſchaft wie- 
der übernahm, betrieb Graf Senft in Bern mit Heftigfeit 
drohend und überrebend die Auflöfung der beſtehenden Cantons- 
regierung und die Herſtellung der ehemaligen Behörden, welde" 
dann fofort die Cantone Waadt und Yargau zur Rüdfehr unter 
Bernd Hoheit aufforberten. Nun erfolgten die heftigen Be- 
ſchwerden Monod's und anderer Waabtländer; zugleich berich- 
teten Rebzeltern und Capodiſtria, bie Mebiationdacte und die 
Unabhängigfeit der dadurch gebildeten Cantone müffe aufredht 
erhalten werben, wenn man nicht in dem größten Tpeile der 
Schweiz einen hohen Grad von Mißvergnügen erregen wolle, 
welches nur durch militairifhe Befegung des Landes verhindert 
werden könne. Diefer Bericht, welden Metternich zuerft weber 
las noch beachtete, und die Borftellungen der Waadtländer 
reiten den Kaiſer Alexander zum heftigfien Unmwillen über 
Metternichs Unwahrheit, und von nun an faßte er das größte 
Mißtrauen gegen ipn. Metternich wußte ſich gegen die bittern 
Bormürfe nit anders zu helfen, als indem er Eenft der 
Ueberfopreitung feiner Vollmachten anflagte und ihn zurüdrief. 
Die Fortdauer der neuen Cantone ward entfhieden. Dennoch 
fuhr das Oeſterreichiſche Cabinet fort, unter der Hand die 
Unruhen in ber Schweiz zu nähren und die ariftofratifhen 
Cantone Bern Solothurn und Freiburg in ihrer Trennung von 
der Tagfagung in Zurich zu unterflügen. Cine Folge davon 
warb bie während der naͤchſten Monate fleigende Erbitterung 
der Cantone gegen einander, bie vermehrte Abneigung der 


49 


Waabtländer gegen bie Verbündeten und Lähmung aller Kräfte 
der Schweiger für bie gute Sache. 

Um die Mafregeln vorzubereiten hatten Schwarzenberg 
und Wrede auch Emanuel von Bellenberg aus Hofwyl na 
Freiburg eingeladen; er erſchien heimlich, und befikrlte ben 
kandammaun Reinhard in Innehaltung eines feäftigen feften 
Berfahrene. 

Das große Schwarzenbergife Heer überfchriti em Ziften 
December mit beruhigenben einfach und edel abgefaßten Er- 
Eärungen bie Schmweizergränge, und bald waren Bafel, Bern, 
Genf von den verbünbeten Truppen beſetzt, die fig dann einer- 
feits im Elſaß gegen Straßburg, anbererfeits gegen Befaugen 
und Lyon bin ausbreiteten ohne erheblichen Widerſtand anzu- 
treffen. Furſt Metternich bemühte ſich den Kaiſer Alezander 
au bewegen, ſich nicht nad) Frankreich zu begeben, ſondern ab⸗ 
zuwarten ob ber Krieg einen Volkswiderſtand veranlafen und 
diefer nicht zu unterbrüden feyn werde; Alerander verwarf den 
Vorſchlag mit Unwillen und erflärte wiederholt, er werbe felbft 
den Nriegsunternehmungen beiwohnen; er ging ſegleich üher 
Schaffhauſen nach Bafel ab, und befchleunigte yon ba der 
Truppenmarſch über Befoul nad Langres. 

Stein, der ihm folgte, beſchloß das Jahr mit diefen Zeilen 
an feine Frau: 


„Freyburg den 31ſten December 1813. In wenigen 
Stunden iſt ein Jahr verfloffen, das bie größten Ereignifle ber 
Weltgeſchichte in fih faßte, das nad eilf blutigen Schlachten 
Deutfchland vom Franzoſiſchen Joch befreite; möge bas fol- 
gende uns den Untergang bed Tyrannen und das Wieberauf- 
bfühen eines glüdlichen Baterlandes herbeiführen, und die Bor- 
febung fo ihr Werk frönen. Hiermit verbinde ich die Wünfche 

32 * 


500 


für Dein Gluck meine liebe Freundin, für den vollfommenften 
und reinften Genuß der Belohnung die Du nad fo vielen 
Entbehrungen und Aufopferungen, durch den Muth und die 
Geduld womit Du alles ertragen, fo reichlich verdient haft. 

Noch immer dauert unfer hieſiger Aufenthalt fort, er ift 
etwas einförmig, in ber guten Jahreszeit mag er fehr reizend 
ſeyn, denn die Gegend if himmliſch — fie fol immer ſchöner 
werden fo wie man fih Bafel nähert, id) wünfchte wir reiften 
hin, und Du koͤnnteſt die Schweiz beſuchen. 

Wir erwarten hier Graf Münfter — ich freue mid ihn 
wieder zu fehen, — Alopäus, Ompteda und Hardenberg find 
bier, auch ber alte ehrliche Rheinfelber der mich befucht hat. — 

Ich habe die Belanntſchaft gemacht mit Heren v. Fellenberg 
von Hofwyl, eines Außerft verſtändigen Maren Mannes von 

denen ebeiften Gefinnungen, — Du kennſt ihn wegen feiner 
Bemüpungen um Iandwirtsfchaftlihe und paͤdagogiſche Ber- 
befferungen. 

Lebe wohl meine Tiebe Freundin, verfihere die Kinder von 
der Fortdauer meiner wahren innigen Liebe — empfichl mid 
Louiſen und Me, Schröder. — Grüße die Familien Stern- 
berg und Czernin. —“ 


1814. 


Zehnter Abſqhnitt. 
Bafel. Langres. 


Der Bewegung des Schwargenbergifchen folgte das Bluͤcherſche 
Heer; es ging in ber Nacht zum erſten Januar bei Mannheim 
unter den Augen des Königs von Preußen, bei Raub und 
Coblenz über den Rhein, ließ ein Blodadecorps vor Mainz 
zurüd und drang ohne fih um bie übrigen Feſtungen zu be= 
fümmern über bie Gebirge nach Lothringen; es bemaͤchtigte ſich 
der Hauptſtadt Nanzig und fegte mit dem Hauptheere verbunden 
das Bordringen gegen Brienne fort. Das Bülowfhe Corps 
hatte nad Befreiung Hollandse am G6ten Januar die Maas 
überfchritten und verblieb nebſt bem Corps des Herzogs von 
Weimar in Belgien, indeflen Winzingerode am Iften Januar 
bei Neus den Rhein überfchritten hatte, Aachen, Lüttich, Namur 
einnahm und eine Verbindung mit dem Blücerfchen Heere 
gegen Laon ſuchte. Dem Kronpringen von Schweden war es 
ſchon in ber Mitte Decembers gelungen die Dänen zum Waffen« 
ſtillſtande zu bringen, welhem am A4ten Januar der Kieler 
Friede folgte, wobur Dänemark fih zur Abtretung Norwegens 
gegen Schwebifh- Pommern verpflitete. Bon Feſtungen im 
Rüden fielen Torgau, Danzig, Wittenberg; Hamburg warb 


504 


eingefchloffen. Das Defterreihifhe Hrer in Italien war bie 
zum Erfhfluffe vorgedrungen, Dalmatien und Ragufa waren 
befegt, und weitere Erfolge durch den zu Neapel am Iiten 
Januar mit Murat abgefcloffenen Allianzvertrag und die Be— 
fegung der Schweiz vorbereitet. Das Wellingtonfhe Heer fat 
unthätig in Winterquartieren im füdlihen Frankreich. Im 
Großen waren die verbündeten Heere in maͤchtigem Fortſchritt 
und befchränften in gleihem Verhaͤltniß die Kräfte bes Gegners; 
die dem Schwarzenbergifhen und Blücherſchen Heere entgegen- 
ſtehenden Truppen waren gering an Zahl, ſchlecht bewaffnet, 
ohne friegerifchen Aufſchwung; bie Einwohner durch fo viele 
und ſchwere der Kriegsluſt gebrachte Opfer niedergebrüdt, fahen 
den Fortſchritten ber Verbündeten unthätig zu; Vollskrieg war 
nirgends zu befürdten, 

Am ten Januar traf Stein noch vor dem Kaiſer Aerander 
in Bafel ein, und trat ſogleich mit den Schweizerifchen Geſandten 
und Gefhäftsmännern welche fi hier im Hauptquartier ein- 
fanden in Verbindung. ine am Abend vorher eingetroffene 
Gefandifaft der Stadt Genf ſuchte die Wiederanerfennung 
ihrer 1798 durch bie Franzoſen eingenommenen und jept 
durch Bubna befreiten Stadt ald unabhängigen Freiſtaates und 
zu Mönftiger Sicherheit eine mäßige Gebietsvergrößerung bie 
zum Waadilande Hin und Bereinigung mit ber Schweizerifchen 
Eidgenoffenfhaft, Die Gefandifhaft beftand aus ben Herren 
Defarts, Saladin be Bude und Pictet de Rochemout; fie fuchte 
und erpielt bei Stein Gehör. Ihr vorzüglihfies Mitglied 
Yictet fand damals in feinem 58ſten Jahre, ein Mann von 
ausgezeichneter Bildung, ber als Offizier, Magiſtrat, Landwirth 
eine veiche Lebenderfahrung mit ber Liebe zu den Wiffenfhaften 
verband, und dur bie Annehmlichkeit feines Umgangs für 
feine Sade gewann, Stein nahm ihn wohlwollend auf, und 
gab ihm die Verfiherung, es fey der Wille der verbündeten 


505 


Mächte den Freiftaat herzuftellen und mit der Schweiz zu vers 
einigen, welder die Monarchen und befonders der Kaifer 
Alexander fehr geneigt feyen. Diefer Abficht entſprach die Wieder- 
herſtellung einer unmittelbaren Berbinbung bes Genfer Gebiets 
mit der Schweiz, Stein forderte daher bie Gefandten auf eine 
Denffprift einzureichen und bie Abtretung des nöthigen Land- 
ſtrichs zu fordern. Die Gefandten erwieberten, Genf befinde 
ſich nicht in der Lage etwas zu fordern; als aber Stein darauf 
beftand, reichten die Gefandten am 12ten die Denkfehrift ein, 
Sie wurden von den Monarchen und deren Miniftern, befon= 
ders auch Metternih mit großem Wohlwollen, von Caſtlereagh 
hingegen mit gleihgültiger Kälte empfangen, und mit den beften 
Hoffnungen entlaffen. Stein hatte Pictets QTücptigfeit raſch er⸗ 
Tannt, ex trug ihm eine Stelle im Berwaltungsrathe an, Pictet 
nahm fie an, begleitete Stein nad Paris und war auch in 
diefem Wirfungsfreife feiner Vaterſtadt nüglih, indem Stein 
auf feinen Wunfh dem Grafen Bubna in einem Briefe vor— 
ſchrieb Genf als einen unabhängigen Staat anzufehen ', 

Indem Stein fo den ausgezeichneten Genfer an fi 308, 
wußte er aud beflen Landsleute von ihrer ſchwachen Seite 
aufzufaffen. Freilich hatte er mehr von Genf gefehen, als er 
mit fpäter in Gappenberg fagte: Wenn Sie in Genf einen 
Menſchen zum Fenſter hinausfpringen fehen, fo fpringen Sie 
ihm nur getroft nad; man iſt fiher, dabei immer wenigftens 
fünf Procent zu gewinnen! 

Seiner Frau fohrieb er damals: „Ich wohne im Haufe 
der guten Stredeifen am Ufer des Rheins; ih made Bekannt- 
ſchaft mit vielen bedeutenden Männern bes Landes, Landammann 
Reinhard, Aloys Reding, Herrn v. Müllinen und anderen, Es 
iſt eine neue Welt, Diefes Heine Land if durch taufend Feine 
Erbitterungen bewegt, Folgen der alten Revolutionen, einiger 
neuen Ereigniffe; aber alles das wird fich ohne Zweifel frieb- 


506 


lid) beifegen. Ich geftehe Dir, man muß fuchen feinen Geſichts— 
freis zu verengen, feinen Bid ber auf große Flaͤchen umher 
ſich zu bewegen gewohnt war, befcränfen, wenn man ben 
biefigen Dingen ein Intereffe abgewinnen will. Den Menſcheu 
muß man gut feyn; es find biedere verfländige gebildete an- 
ſtaͤndige Männer, und es lebt fih recht gut unter ihnen; man 
fann ſich aber nicht enthalten ihnen den Vorwurf zu maden, 
daß fie bie große Angelegenheit aller Völker um ipre häuslichen 
Zwiftigfeiten aus den Augen fegen.” 


Die Berhandlungen gewannen mit des Kaifers Ankunft 
ein größeres Leben. Am 13ten Januar, gerade ein Jahr nad 
dem er ben Niemen überfchritten, führte er feine Garden über 
die Rheinbräde nach Bafel. Den Schweizerifhen Abgeordneten 
erklärte er fein Bebauern über bie ausgebrochenen Zwiſte, for- 
derte fie zur Einigfeit auf, und empfahl ben Beitritt ber arifto- 
kratiſchen Cantone zur Tagfagung. Im Hinblid auf bie Fort- 
fopritte der verbündeten Waffen hatte Stein einen Plan zur 
Berwaltung der Sranzöfifgen Landſchaften vorgelegt, 
welcher am 12ten Januar genehmigt ward. Er ging von bem Ges 

"danken aus, daß ſich die zu bildenden Verwaltungsbezirke ben 
DOperationslinien ber großen Heere anfchließen; alfo die Defler- 
veichifche Berwaltungslinie gegen Paris vom Oberrhein, bie 
Ruffifhe vom Mittelrhein, die Preußiſche vom Niederrhein 
ausgehen, und die Generalgouverneure und höheren Berwal: 
tungsbeamten aus Beamten der drei Mächte nad deren Wahl 
genommen werben follten. Dem Defterreichifhen Herrn v. Heß 
warb das Elſaß ald Generalgouvernement Oberrhein mit dem 
Sige Kolmar beſtimmt; Heren v. Andlau zu Befoul die De— 
partements Doubs, Jura, Oberfaone und Wasgau, Herrn von 
Bartenftein bie Dbermarne, Aube, Yonne, Boldhügel; ein viertes 
Generalgouvernement ſollte den Loiret, Toire und Eher, Nievre, 





507 


Allier umfaſſen. Auf der Ruffiihen Linie erhielt der Staats— 
rath Juſtus Gruner mit dem Sitze Trier das Generalgouvernes 
ment Mittelrhein, nämlih den Donnersberg, Saar, Rhein 
und Mofel; Herrn v. Alopäus berief Stein nach Nancy für bie 
Verwaltung ber Meurthe, Mans, Mofel, Wälder; zwei weitere 
Generalgouvernements follten in Chalons für Marne, Seine 
und Marne, Aisne, Ardennen, und eins für Seine und Dife, 
Dife, Eure und Loire beſtimmt werben. Auf der Preußifhen 
Linie ertheilte Stein feinem alten Freunde Geheimerath Sad 
das Generalgouvernement Niederrhein mit dem Sitze Aachen 
über die Roer, Urihe, Niedermaas, dem Heren v. b. Hort mit 
dem Sig Brüffel die Sambre und Maas, Dyle, Jemappe; 
zwei weitere Verwaltungen zu Amlens über das Norbbeparter 
ment und Straße von Ealais, fo wie über Somme und Unter= 
Seine blieben vorbehalten. Jede der drei Berwaltungslinien 
zählte über 4,000,000 Einwohner, fo daß der demnaͤchſtige 
Wirkungskreis der Centralbehörde am linken Rheinufer gegen 
13 Millionen Einwohner umfaßte, 

Die weiteren Einrichtungen wurden, mit Beachtung bed 
Unterſchieds zwiſchen vorübergehend=befeßtem feindlichen und 
wiebererobertem eigenen Gebiete, denen der Eentralverwaltung 
des rechten Rheinufers nachgebildet. Der Generalgouver« 
neur hat die Erhebung und Verwendung ber Einkünfte auf 
Rechmung der verbündeten Mächte, die Lieferungen für bie 
Heere nad Verabredung mit dem General- Intendanten, und 
die Polizei, mit dem Hauptzwed für bie Sicherheit bed Heeres 
zu wachen und befien Verbindung mit den Referven frei zu 
erhalten, Was auf dem- rechten Rheinufer als ein Haupts 
gegenftand der Verwaltung betrachtet wurde, bie Bewaffnung 
des Landes unterblieb hier, weil man fi noch nicht ſicher 
genug fühlte, oder fi doch nicht darüber verfländigen Fonnte, 
um felbft nur bie Deutfcpen des linken Rheinufers, welche doch 


508 


exit feit elf Jahren an Frankreich abgetreten waren, für ihre 
eigene Freiheit aufzurufen; ihnen warb erſt ein Jahr fpäter 
bei Napoleons Rüdtehr von Elba das Glüd, die alte Deutſche 
Waffenbrüderfhaft in den Schlachten von Liguy und Belle 
Alliance mit ihrem Blute neu zu beſiegeln. 

Die Gouvernementsräthe welche man am rechten Rhein- 
ufer aus den vorhandenen Beamten wählen durfte, mußten 
bier wo auf Napoleons Befehl alle Verwaltungsbeamte mit 
ihren Regiſtraturen vor den Verbündeten entflohen, anders 
gebildet werben. Dean beftimmte alfo dazu je einen General 
fecretair, einen völlig zuverläffigen der guten Sache ganz er= 
gebenen Dann oder Beamten der verbünbeten Mächte, einen 
wohlgefinnten Praͤfectutrath jedes Departements, um über 
daffelbe Auskunft zu geben und Gefcpäfte zu beforgen bei denen 
die Berbündeten nicht betheiligt waren, und einen mit ber Ein- 
richtung und Verwaltung bes großen Heers bekannten Offizier 
der verbundeten Mächte. 

Bür die Verwaltung jedes der untergeorbneten Departements 
ernennt der Generalgouverneur einen Generalcommiffair. 

Um bie in Feindesland doppelt nothwendige genaue Berbin- 
dung ber Berwaltung mit den Heeren und gegenfeitige Berüdfich- 
tigung ber bienftlichen Wunſche fortwährend auf die fürzefte Weife 
zu erhalten, wird bei jedem ber drei Heere ein Heer-Eommiffa- 
rius ernannt, welcher zugleich unter dem Feldherrn und dem 
jedesmaligen Generalgouverneur ſtehend, ſtatt bes Leptern das 
‚Heer begleitet, die befegten Landftriche vorläufig übernimmt und 
bie zur Einrichtung eines neuen Generalgouvernements nad 
des Feldherrn oder Generalintendanten Befehle verwaltet; es 
liegt ihm ob, beim Borrüden fogleih das Staatseigenthum mit 
Beſchlag zu belegen. Jedem Generalgouverneur wird zu Er— 
haltung ber innern Ruhe und der Sicherheit gegen den Feind 


509 


eine hinlaͤngliche Truppenzahl gelaffen, daneben auch eine Po⸗ 
lizeiwache errichtet. 

Als leitende Grundſaͤtze wurden vorgeſchrieben: 

1) Einrichtung einer geheimen Polizei; in den Deutſchen 
Provinzen mit Hülfe Deutſchgeſinnter Männer, in den 
Sranzöfifgen mittelft folher welche der beſtehenden 
Regierung abgeneigt find. Die Gensb’armerie ift mit 
befonderer Vorſicht zu behandeln; ber größte Theil ber 
unteren Angeftellten fann im Dienfte bleiben; die Ober- 
offiziere muß man zuerfi benugen und dann entfernen. 

2) Hinfihtlih der Finanzverwaltung muß man auf die 
Einnahme aller öffentlichen Einfünfte achten und das 
Regierungseigenthum nugbar machen. 

Nah diefen Grundfägen warb die Verwaltung bes linken 
Rheinufers unternommen und ausgeführt. In der Wahl ber 
Generalgonverneure und ber übrigen höheren Beamten, fo weit 
fie der Preußifchen oder Ruſſiſchen Linie angehörten, hatte Stein 
freie Hand und die Befriedigung feine Wahlen durch ben Er— 
folg gerechtfertigt zu ſehen; fie fielen auf Beamte, deren Tüch⸗ 
tigfeit ihm großentheile perfönlich befannt war. Seltener be= 
feiebigten ihn bie Defterreiifchen Beamten, welche in einem 
ſchwerfaͤlligen Geſchaͤftsgange weniger als jene an Seldfthätig« 
feit gewöhnt waren und fi in der neuen oft fehr ſchwierigen 
Lage die den ganzen Mann verlangte, nicht fo leicht zu helfen 
wußten. 

In den Deutfchen und Niederländifchen Provinzen fand 
die Verwaltung feine Schwierigkeit; die Einwohner waren ben 
Franzoſen abgeneigt, und die Länder wurden zum Vortheil der 
Verbündeten benutzt. In Frankreich hingegen zeigten bie Ein« 
wohner die größte Widerfeglicfeit gegen diefe neuen Einrich- 
tungen; bie Abgaben ſtockten größtentheild; bie fpäterhin in 
Lothringen und der Champagne ausgebrodenen Aufflände bes 


510 


Landvolls und die furze Dauer der Berwaltung, welche am 
23ſten April an Sranfreih zurüdgegeben warb, ließen nichts 
zu einer gewiffen efigfeit gelangen. Dennoch gefhah auch 
bier manches zur Beruhigung. Dan fuchte die öffentliche 
Meinung mittelft der Zeitungen aufzuflären welche in jedem 
Generalgouvernement durch einen Gouvernementsrath bearbeitet, 
und zur amtlichen Bekanntmachung ber Berorbnungen und zu 
Mittheilung politiſcher und anderer Nachrichten und Aufläge 
beffimmt waren, die dem Volle über bie Taͤuſchungen der 
Zranzöfiiden Regierung und Alles was ihm fonft Noth thäte 
Aufklärung geben follten; und man verftärfte diefe Wirkung 
dur Uebung firenger Gerechtigkeit in der Verwaltung und 
durch Erleichterung Höchft drüdender Einrichtungen. Man hob 
die verhaßten Droits reunis auf, ſtellte den Verkauf der noch 
nicht veräußerten Gemeindegüter ein; die Tabade- und Salz⸗ 
regie TöPte ſich von felbft auf, da alle dabei angeftellten fo ſehr 
verhaßten Beamten aus Furdt vor den Mifhandlungen bes 
Bolks beim erfien Erſcheinen der verbündeten Truppen bie 
Flucht ergriffen, und ohne die Anwendung jener räuberifpen 
funftgeübten Hände wenig Ergiebigfeit zu hoffen war. Uebrigens 
fente das Franzoͤſiſche Bolfsgefühl felbk der Benugung vor- 
bandener Hülfsmittel den Widerfiand der Nichtbetheiligung 
entgegen; fo fanden in Veſoul Holz und anderes Eigenthum 
der Regierung feinen Käufer. Und da felbft die gerechteſte 
Verwaltung nicht geliebt wird, wo fle zunächft die Aufgabe hat, 
ein feindliche Heer von 200,000 Dann durch gezwungene 
unbezahlte Lieferungen zu erhalten, fo trugen bier im Lauf des 
Feldzuges theilweife Gewaltthätigfeiten und rohes Betragen 
befonders im Elfaß und Lothringen zu größerer Erbitterung ber 
Einwohner vorzüglih bei; indem ber Fürſt Wrede welder 
zuerſt in das Elſaß eingerüdt war, das Land ohne Rüd- 
ſicht auf die allgemeinen Borfchriften behandelte, unter dem 


511 


Vorwande, daß er zunächft für feine Truppen forgen müffe, die 
Berwaltung an fih riß, und fie trog aller Beſchwerden bie 
zum Ende des Feldzuges behauptete. 


Die Leitung des von den Franzoſen aufgelöftten Poſtweſens 
am linken Rheinufer übergab Stein der Fürflih Taris'ſchen 
General: Poft- Direction in Franffurt am Main, weldhe dafür 
einen Antheil der reinen Einkünfte erhielt. Diefe Maßregel 
bewährte fih als fehr zwedmaͤßig; die Taris’fhe Verwaltung 
brachte mit Hülfe ihrer alten Verbindungen und des Vertrauens 
welches fie noch von ber Zeit ihrer Poften am linken Rheinufer 
befaß, das Poftwefen faſt ohne Unterbrehung wieder in Gang, 
und erhielt es darin zum Beſten der Heere, des allgemeinen 
Berfehrs und ber Gentralcaffe. 

Die Rhein» Detrop, welde Napoleon durch einen Vertrag 
mit dem Großherzog von Frankfurt an fid gezogen hatte, ver- 
traute Stein dem Grafen von Solmd-Laubah an, und ver- 
wendete die Einfünfte dem Reichödeputationsfchluffe von 1803 
gemäß zur Tilgung der darauf angerwiefenen Ruhegehalte; die 
Ueberſchuſſe floffen in die Centralcaffe, und dienten fpäterhin 
zur Verpflegung der Deutfhen Bunbdesbefagung von Mainz. 

Die Koſten ber Gentralverwaltung hatte Stein fon in 
Frankfurt auf die Einkünfte der Saline Nauheim angewiefen, 
einer Dotation des Marſchalls Davouft. 


Langres. 
Januar 22 bie 29. 

Mit Einrichtung der neuen Verwaltung beſchaͤftigt verließ 
Stein Bafel gleich nad dem Kaifer Alexander am 17ten Januar 
und reifte über Mömpelgard, Villers-Sexel und Befoul nah 
Langres. Das Land erfhien nichts weniger als fchön, wenig 
fruchtbar, die Städte unreinlih, arm, die Häufer ſchlecht und 


512 


voll Wanzen, übelangelegte Kamine die viel Feuerung verzehrien 
ohne zu erwärmen, bie Einwohner haͤßlich, fill, niedergefchlagen, 
und über Napoleon aufgebracht; das Bolt wünfchte laut, daß 
die Verbündeten diefen Taugenichts vernichten mögten. Das 
Unglüd ipres Landes hielt die Franzofen nicht ab, wie über 
Alles fo über Napoleon zu wigeln; fie erdachten eine Bofton- 
partie, wobei Katfer Alexander fpriht: Ich fpiele, der König 
von Preußen: Ich unterftäge, und ber Kaifer Napoleon ver- 
tiert Oroß-Mifere weil er eine Levee gemacht hat — die 
levee en masse. Man verlangte nady Frieden, und viele Men- 
Then ſprachen fih gegen Napoleon aus und forderten bie 
Bourbons zuräd''. Bon einem Vollskriege war fein An- 
zeigen; ber Weg nach Paris ſchien offen, und Stein lud die 
Seinigen ein fi bereit zu halten ihm dahin zu folgen und 
unter den günfigften Umfländen bie merhwürbigen Kunftwerfe 
und wiſſenſchaftlichen Einrichtungen fennen zu Iernen; ber leich⸗ 
tefte Weg ſey über Mainz, Zmweibrüden, Nanzig; er werde 
baldigk einen Courier fenden um fie zu geleiten. Am 22ften 
Januar traf er mit dem Kaifer zu Langres im Schmwarzen- 
bergifhen Hauptquartier ein. 

Aleranderd Gegenwart verbreitete wieber Reben in dem 
Heere, welches unter dem Vorwande nothwenbigen Ausruhens 
feit mehreren Tagen Cantonirungs-Duartiere bezogen hatte. 
Schon am 24ften erhielten der Kronprinz von Wirtemberg und 
das Giulayſche Eorps Befehl zum Borrüden gegen Chaumont 
auf der großen Straße nach Paris, und nad) zweitägigen Ge- 
fecpten drangen fie bi8 Bar an der Aube. Das Hauptquartier 
in Langres befhäftigte fih während beffen mit wiederholten 
Berathungen über die Fortfegung des Krieges, und bie beiden 
Parteien welche fih fhon in Frankfurt Freiburg Bafel mehr 
und mehr geſchieden hatten, fanden einander mit Heftigfeit 
gegenüber. Die Friedenspartei war urſprunglich diplomatiſch, 


513 


ihr Mittelpunkt Fürft Metternich mit dem Kaifer Franz, welche 
die Abfegung Napoleons nicht wünſchten und ihm daher durch 
Zögern unter verſchiedenen Borwänden die Gelegenheit zum 
Frieden mit Beibehaltung der Rpeingränge zu verfchaffen fuchten. 
Sie hatten durch die Perfon des Oberfeldherrn das einfache 
Mittel die Unternehmungen des Hauptheers zu hemmen, und 
obwohl Für Schwarzenberg mit großer Mäßigung und Ber- 
föpnlichfeit die widerfprechenden Wünfche der Eabinette, welche 
ihm bie oberfte Leitung übertragen hatten, zu vereinigen bemüht 
war, fo vermogte er fi doch nicht dem überwiegenden Ber- 
langen feines eigenen Hofes zu entziehen, welcher vielleicht eben 
fo fehr ala durch das Band der Verwandiſchaft zu Napoleon, 
durch bie Beforgniß eines nach deffen Vernichtung überwiegen- 
den Ruſſiſchen Einfluffes in Europa geleitet ward. Das Defter- 
reichiſche militairifhe Hauptquartier erflärte fih daher eben- 
falls für den Frieden. Das Preußiihe war getheilt. Der 
König wunſchte allerdings einen ehrenvollen Frieden, war aber 
durch die Erfahrung der Jahre 1806 bie 1812 überzeugt, daß 
bei Napoleon nie auf wahre Ruhe zu rechnen fey; die Er- 
hebung feines Heldenvolls welche er getheilt und in den ſchwer—⸗ 
ſten Augenbliden mit der entſchloſſenſten Todesverachtung geleitet 
hatte, ermuihigte ihn das große Ziel mit Anftrengung aller 
Kräfte zu erreichen. Sein Stantscanzler Hardenberg war durch 
Fürft Metternich für die Friebenspartei gewonnen, und in dem 
Preußiſchen militairifchen Hauptquartier hatte ber Generaladju- 
dant v. Kneſebeck den Grundfag aufgeftellt dag man den Feld⸗ 
zug nicht über Langres hinaus führen dürfe; das Höhenland 
von Langres, von dem die Maas, Marne, Seine gegen Rord- 
weten hinabkrömen, muͤſſe als der Rubico betrachtet werden, 
den man nicht überfchreiten dürfe, „ein Sprung, fagte er, bringe 
bisweilen an's Ziel, aber nicht immer, man fehe Smolenst.” 
Der General hatte diefe Anficht in einer eigenen Dentſchrift 
Stein’s Leben. I. 2te Aufl, 33 


514 


entwidelt und zur Annahme empfohlen. Auch die anmwefenden 
Engliſchen Diplomaten zweiten Ranges fanden ſich dem Ein- 
fluffe Metterniche nicht gewachſen. Sie, denen als National- 
feinden am meiften baran hätte Liegen follen, Napoleons Macht 
zerlört au fehen, fürdteten die Angriffe der Oppoſition und 
predigten den Frieden. Weber Cathrarts Unfähigkeit iſt ſchon 
geſprochen worden; nidht bedeutender war Aberdeen. Bei einem 
Abendefien der Minifter in Veſoul, wo Kneſebeds Denffarift 
zur Berathung fam, hatte ber Lord geäußert, es fey einer 
großen Nation unwurdig, die Bedingungen welche man früher 
angeboten habe nicht zu halten; als wenn ein nit angenom=- 
menes Erbieten fpäterhin verpflichten kͤnne — worauf Metter- 
nich den eben angefommenen Grafen Mänfter, welcher antworten 
wollte, am Rod zupfte und mit den Worten beſchwichtigte: 
„Laſſen Sie ihn doch; er iR die Einfalt ald Diplomat!” 
Charles Stuart fplidert ſich in feiner Denkſchrift als den Defter- 
reichiſchen Abſichten entgegen, in ber That aber leiſtete er ihrer 
Politit Borſchub. Bei der anerkannten Unzulänglicfeit diefer 
Diplomaten zweiten Ranges hatte der Prinz-Regent den Bün- 
ſchen der Verbündeten nachgebend, feinen Engliſchen und feinen 
Hannoverſchen Minifter ber auswärtigen Angelegenheiten, Caſtle- 
reagh, Stuarts Bruder, und Graf Münfter in’s Hauptquartier 
geſandt; beide famen in Kangres an, Münfter mit dem aus- 
brüdlichen Befehl fo Tange zu bleiben Bis die Sache zu Ende 
fey. Beide waren verfepiebener Meinung. Caſtlereagh gerieth 
fogleid in Metternichs Abhängigkeit und ſtimmte für Frieden; 
Münfer Hingegen fah das Heil feines Landes und Europa’s 
nur in fräftiger Bortfegung des Krieges und erflärte ſich gegen 
jede Unterhandlung. Der Ruſſiſche Miniſter der auswärtigen 
Angelegenheiten Graf Nefielrobe Rand feit lange unter Metter- 
nichs Einfluß und firebte nad Frieden; dieſelbe Meinung 
gewann Anhänger in der Militairifhen Umgebung Alexanders. 


515 


Für fraftvolle Durchführung bes Krieges und Beendigung 
dur Napoleons Star; waren Kaifer Alerander und Stein. 
Aleranders Wille und Bluͤchers Schwerdt haben nach Paris ge- 
führt. Ohne den unerſchütterlichen Entfhluß des Kaiſers, welcher 
allein an Stein einen Halt fand, ohne das unauslöfpliche Feuer 
welches die Führer des Schlefiihen Heers, Blüder, Gneifenau, 
Grolman, die Prinzen Wilhelm und Auguf und ihre Helden- 
genoffen raflos vorwärts trieb, um in ber Eroberung von 
Paris die Kriegsehre des gefammien Europa herzuſtellen, 
würbe Napoleon trog der doppelten Ueberzahl ber verbündeten 
Heere, Kaiſer geblieben, und wahrſcheinlich als üÜbermäthiger 
Sieger auch ans biefem Kriege hervorgegangen ſeyn. 

Caſilereagh vereinigte fi mit Metternich, um dem Kaiſer 
vom weiteren Vorbringen in Frankreich abzurathen; auch Har« 
denberg und Neffelrode traten ihnen bei. Alexander Hingegen 
wiberlegte bie Scheingründe, womit man biefe Meinung zu 
beſchoͤnigen verſucht hatte, erflärte, er werde allein und ohne 
fremde Hülfe den Krieg fortfegen, und fragte ben König, wozu 
er entſchloſſen ſey ? Friedrich Wilhelm äußerte zwar feine Be⸗ 
denftichfeiten, aber zugleih: Er werde den Kaiſer nicht ver- 
laſſen. 

So vereinigte man ſich zur Fortſetzung des Krieges; aber 
Alerander gab anbererfeits nah, daß zu gleicher Zeit bie in 
Branffurt begonnenen Friedens ⸗ Unterhandlungen wieder aufe 
genommen, und auf einem Gongreß zu Chatillon an der Seine 
weitergeführt werben mögten. Zu biefer halben Maßregel, 
weiche Rapoleond bereits finfendes Anfehen in Frankreich wie 
der hob und alle diejenigen welche fein Jod abzufgätteln 
wünfchten entmuthigen mußte, gab ber Kaifer hoͤchſt ungern 
feine Zußimmung, und befahl feinem Gefandten Rafumofely 
nicht ohne befonderen ausdrüdtihen Befehl ben Frieden zu 
unterzeichnen. Am 28flen Januar vereinigte man fih über die 

33 * 


316 


Arm urt tie Aetımssrzen ber Umeerbestier: Mau weh: 
as: zrmeinigattig, im Namen Eureya’s Kuntele, Araufıeid 
aui bie Gränjen ven 1792 krikrinfer, ort Narelere mar eis 
affarmeire Ucberũda ber sufüritigen Anertuung Eureya’d Zehen. 
Hir ãd ilich der Lerieren beiblch man, ü auf tie Peimrehunz 
der Seerechte gar wid einzulaßen, und Die großen Eurreäiiden 
Mädpe in voller Unaktinzizfes innerbafb der tur) bir Ber- 
bünteren fehzufegenten Gränzen berzußelien; Dentichland ice 
aus unabhängigen Zürten beleben, weiche turd einen Auat 
vereinigt feyen, der Eruriglants Unabhängigfeit verbärze; Die 
Schweiz in ihren alten Gränzen, unt in einer ven ben großen 
Machten wit Einſchius Fraukreichs verbärgten Unabpängigfeit ; 
Italien in unabhängige Staaten vertheilt, welche Frankreich 
und die Leferreidifhen Beſizungen in Italien von einander 
trennen ; Spanien in feinen alten Gränzen, unter $ertinand VI: 
Holland als freier und unabhängiger Staat unter dem Prinzen 
von Dranien, mit einem Gebiets zuwachs und einer angemeffenen 
Graͤnze; dagegen folle Fraukreich feine verlorenen Colonien 
zurüderhalten, bie Feſtungen in dem abzutretenden Gebiet räumen, 
und bis zu gaͤnzlicher Erfüllung aller Bedingungen die Feſtungen 
Befort Hüningen und Befangon den Verbündeten übergeben. 
Zur Unterhandlang über biefe Bedingungen, welde die Grund- 
lage der nenern Gefaltung unfers Welttheils geworben find, 
wurden Rafumofsly, Stadion, Humboldt und von Englifder 
Seite Chatcart, Stuart, Aberdeen, denen eine Zeit lang auch 
Caſilereagh hinzutrat, abgeorbnetz Franzoſiſcherſeits wartete 
Caulaincourt ſchon laͤngſt zu Chatillon, er ließ mitten durch 
den Kriegslärm aus Paris die beſten Weine und Lederbiffen 
tommen, und forgte für Damenunterhaltung. Die Eröffnungen 
welche er insgepeim an Furſt Metterni hatte gelangen laſſen, 
um ben Kaiſer Kranz von den Verbündeten zu trennen, blieben 
ohne Wirkung; denn wenn Meiternich ihm auch erwiederte, 


517 


daß der Raifer Franz den Krieg ohne Haß begonnen habe und 
verfolge, und fi der hergeftellten Berbindung mit dem Mann 
feiner vorzüglich geliebten Tochter freuen werde, fo verhehlte er 
doch eben fo wenig, daß ber Kaifer bei längerer hartnädiger 
Verweigerung des Friedens dur Napoleon, das Loos feiner 
Tochter beweinen werbe ohne es aufzuhalten ''*, 

Bei der fortdauernden Erbitterung Aleranders gegen Met- 
ternich ſuchte Stein zu verhüten, daß nicht Caſtlereagh in ähn- 
Tiche Abhängigkeit wie Hardenberg und Neffelrode geriethe; er 
empfahl daher Sir Charles Stuart, mit dem er feit Dresden 
in freundfhaftlihem Berhältnig ftand, feinen Bruder zu warnen, 
daß er fih Metternihs Einfluffe nit ganz überlaffe und ſich 
dadurch das Vertrauen des Kaiferd entziehe; es fey wichtig 
daß er es erlange, um eine von Alexander gefaßte Neigung, 
Bernabotte einen überwiegenden Einfluß in Frankreich zu ver= 
f&haffen, zu verhindern. Stuart theilte diefe vertrauliche Mit: 
theilung Metternich mit, der darüber mit bem Kaifer ſprach, 
und um Stein zu ſchaden, ihn nannte. Der Kaiſer äußerte 
gegen Stein beim Mittagsefien: Sie haben etwas gefagt, das 
mir ſchadet — und fam barauf in der Folge zu Paris wieder 
jurüd. 

Kurz vor Caſtlereagh traf Pozzo di Borgo in Langres ein 
und verfärfte des Kaiſers und Steins Partei. 


„Der General Pozzo di Borgo, ſchrieb er, beglüdwünfdt 
Seine Excellenz den Freiherrn v. Stein fi miteinander zu Langres 
in Sranfreich zu finden, trog der Gensb’armen, ber Henker, ber 
Herzoge und‘ der Spione der Parifer Polizei, trog Napoleons 
des Verlehrten, bes Kleinen, und des Gottverlaffenen wie alle 
Guten hoffen müffen: ſich dreißig Meilen von Paris zu finden, 
im Gefolge unferes großen unferes vortrefflichen Kaifers, in 
Geſellſchaft von 200,000 Tapferen die aus ganz Europa her= 


518 


beigeeilt find, weniger um ſich zu rächen ale mit Großmuth zu 
triumphiren über die Galliſche Anmafung unb Praplereien. 
AG mein lieber Freund, faßen wir auf bie Kuniee vor Gott; 
Seine Hand iſt da; folgen wir Seinem Stern, Er wird und 
den Weg zeigen. Gott befoplen auf Wieberfehen; ih habe 
viel auf diefer Reife gelitten, aber die Seele übernimmt bie 
Sorge für den Körper. Nochmals Gott befohlen. Ganz ber 
Ihbrige. Zu Rangres den 2Aften Januar. Ihr ergebener 
Poꝛzo di Borgo.“ 


Stein an Oneifenau. 

„Langres den 24ften Januar 1814. Die Briefe Euer 
Hochwohlgeboren lege ich jebesmal dem Kapfer vor, der einzig 
fräftig ebel daſteht und bie Rathſchlaͤge der Erbärmlifeit und 
Schwähe von fih weit. Das Reid bes Tyrannen wird 
untergehen — und bie Sade des Rechts und der Freyheit 
wird fiegen. 

Pozzo ift hier, Caſtlereagh wird diefen Abend erwartet, 
und wir geben balde von hier. — 

IH Habe Ihrem Wunſch gemäß Gruner das Gouverne- 
ment vom Donnersberg, Rhein und Mofel, und Saone-Depar- 
tements gegeben, ich werde Ihnen mit ber nächflen Gelegen- 
heit das Nähere über die Departements-Drganifation ſchicken. — 
Leben Sie wohl und glüdiih, empfehlen Sie mid dem Feld» 
marſchall, dem ich mit naͤchſtem fchreiben werde.” 


Stein an feine Frau. 

„Rangres ben 27ten Januar... Ich richte jegt Gonverne- 
ments in Frankreich ein, trog Napoleon, feiner Adıtserklärung, 
feiner Polizey, und feiner Bayoneite. Wir müſſen uns bemätpi- 
gen unb nieberwerfen vor ber Vorſehung bie fo die Ereignifle 
geleitet hatz naͤchſt ihr nerbanfen wir Alles dem Kaiſer Alerander, 


519 


dem es durch feine edle Ausdauer und feinen wohlwollenden 
titterlihen Character fo viele Hindernifle jeder Art zu über- 
Reigen gelungen if. Sein ehemaliger Erzieher Laharpe ift hier 
angelommen; es ift rührend zu fehen, wie ehrfurchtsvoll ber 
Kaiſer ihn behandelt: er ſtellt ihn mit den Worten vor: „er ift 
mein zweiter Baier; wenn id etwas werth bin und etwas 
weiß, fo verbanfe ich es ihm.” Auch Pozzo ift bei ung, er 
bittet Dir empfohlen zu feyn; er if lets derſelbe, thätig, kraft- 
voll, unermäblih für die gute Sache, berebt und gut, und 
dadurch vom größten Nugen. — Ich freue mid fehr darauf 
Did meine liebe Freundin mitten unter und zu fehen, damit 
Du diejenigen fennen lernen fannft, welche an den großen Er- 
eigniffen die ſich unter unferen Augen zugetragen haben, fo viel 
Theil genommen.‘ 


Stein an Rühle'"”. 

„Die fcleunige Anordnung des Landſturms im General- 
Gouvernement Frankfurt if höchſt nothwendig, und alle von 
Euer ıc. deshalb veranlaften Maßregeln werden von mir ge- 
nehmigt. Da übrigens nicht nur ber Feldmarfchall v. Blücher 
aud die legten zu feiner Armee gehörigen Truppen von Mainz 
wegzieht, fondern aud die Deutfchen Kontingente welche zur 
Sicherheit jener Gegend zurüdgeblieben find, eheftens meift ab- 
berufen werden, fo made ich Em. ac. verantwortlich, daß auch 
im Herzogthum Naffau, im Großherzogthum Darmſtadt und 
Baden, endlich in der Grafſchaft Hanau und Kagenellenbogen 
der Landſturm unverzüglich nach den Grunbfägen welche im 
Generalgouvernement Frankfurt aufgeſtellt find, eingerichtet werbe. 
Die Entfernung erlaubt nicht, daß Ew. ıc. weitere Anfragen 
an mid machen. Sie müffen mit aller Energie darauf halten, 
dag Alles was als Verbindlichleit übernommen ift, und wovon 
die Umſtaͤnde die unerläßlihe Erfüllung dringend fordern, ges 


520 


leiſtet werde. Und damit Ew. ıc. ſich vor jeder Verantwortung 
ſicher felfen, und die hohen verbündeten Mächte genaue Kennt- 
niß erhalten, was die Ausführung erfhwert hat, fo erſuche ich 
Ew. ıc. alle und jede Schwierigkeit welche man Ihnen gemacht 
hat, mit aller Genauigfeit und Gewiffenhaftigfeit zu verzeichnen 
und mir mitzutheilen. Sie fünnen fih übrigens der ernannten 
Bannerherren bedienen, um mit ihrer Hülfe die Bildung des 
Landſturms zu befchleunigen. 
Laugres den 28ften Januar 1814. 
8. 5. v. Stein.“ 


Die Notpwendigfeit diefer nachdrüdlichen Befehle erheilet 
volkändig aus dem Bericht des ‚unter dem Oberſtlieutenaut 
v. Ruͤhle beſchaͤftigten Defterreichifchen Hauptmanne Meyer, über 
den Zuftand der Deutfhen Bewaffnungen: 


An 
des Kaiſerlich Königlihen Feldmarfcall = Lieutenant und 
Chef des General- Duartiermeifler- Stabes der großen 
Armee Grafen Radegfy Excellenz '*. 

Die allgemeine Bewaffnung gehet ihren Iangfamen Gang, 
und wenngleih willig vom Bolfe, doch von oben herab mit 
einem fo ſchlaffen oder vielmehr firäubendem Sinne angenom- 
men, baß der alte Geift, welder feit Jahrhunderten das zer⸗ 
ftüdte Deutſchland von allem Großen zurüdhielt, nicht gebeffert 
dur das Bergangene, fondern verſchlimmert erſcheint. Ich 
werde nad Aufftellung des Einzelnen, das Ganze nad feinem 
Character zufammenzufaflen fuchen. 

Württemberg an der Spige hat in feiner Berorbnung über 
100,000 Mann Landfurm eine Erſcheinung auf dem Papiere 
hervorgebracht, welche ihrem Wefen nach wahrer Hohn gegen. 
gefchloffene Verträge und dad Anfehen der Verbündeten if. 


521 


Allen Lenten dieſer Berdaffnung werden Schießgewehre verfagt. 
Pilen werden gemacht, aber eingefperrt; Verwalter und Amt⸗ 
Teute zu Auffehern ernannt. Dadurch aber find jene ewigen 
Grundlagen, ohne welche der befpießte Troß von 100,000 Mann 
ein formlofes Unding bleibt, — Uebung, gute Anführer, die 
Bereinigung fähiger Menſchen in militairifirten Korps, in eine 
wahrhafte, tüchtige, dienſtbdare Landwehr, alle Mittel einer fünf- 
tigen Taugfamfeit, — auf immer entferne, Die ganze An- 
ordnung ift ein Spiel mit der im Acceffiong - Protofolfe über- 
nommenen Berbindlicpkeit. 

Baden hat feine Truppen geſtellt, if am meiſten in die 
Hauptanſichten des Landſturms eingegangen, dort könnte es 
nachſt Frankfurt für dieſe Angelegenheit am Beſten gehen, wenn 
von oben her, und inſonderheit durch ben Fürften Schwarzen- 
berg Durchlaucht, die gehörige Aufmunterung gegeben würde. 

Darmfadt — aus dem flüchtigen Machwerk feiner Ber- 
orbnungen ‚geht der Anfchein hervor, man fuche bie allgemeine 
Bewaffnung, und was mit ihr vermeinet if, dur bie Halb» 
heit, mit der man fie entwirft, und die Erbärmlicfeit, mit der 
man fie ausführen laͤßt, im Nichts und Spott verfinfen zu 
machen. Laͤcherlich ſoll fie werben duch ihre Ohnmacht, um 
als unnüger Haufe gebrauchlofer Menſchen fo vecht auf immer 
zu vergeben. „Mögen auch dieſe Haufen leiden, Deutſchland 
in allen Urfachen feiner Ohnmacht beharren — bie aus Franf« 
reih ftammende Souverainetät biefer Heinen Regierungen will 
beftehen; und was fie ihrem Meifter Napoleon nie zu verfagen 
gewaget haben würden, verweigern fie ber Erhaltung von 
Deutfipland. Daß feine Rüdkehr den meiften erwünfchter wäre, 
als fein Sturz, if die Meinung der meiften Maͤnner biefer 
Gegend.” Ich werde fpäter auf den nicht zu überfehenden 
Bang der gegen fie gerichteten allgemeinen Meinung zuräd- 
kommen. 


522 


Dan fann 100,000 Dann mit einem Befehl nicht freit- 
bar maden. Dan ficht Abrichter nah Tanfenden unter fie 
vertheifen. Aber man fönnte, wenn man wollte, doch den 
Bielen, die Willen und Gefhid vor Andern voraus haben, 
Gelegenpeit geben, fi in ihrem Eifer zu begegnen, zu frei= 
willigen brauchbaren Körpern auszufcpeiden, um alles Tüchtige 
in der Maffe zu einer feften Grundlage ihrer fünftigen Zort- 
bildung zu fongentriren. Was nur aus dem felbftwilligen Be— 
ſtreben der Menfchen als Werk ihrer Neigung und Ueberzeugung 
etwas Taugfames werben kann, follte man auch, als Werk ihrer 
eigenen Rührigfeit hervorrufen; dies follte ber Sinn fein, aus 
welchem bie jegigen Verordnungen hervorgehen. Wo if eine 
Spur dason? 

Nur in Naffau ſcheinet man der Sache näher zu treten. 
Man hat von ſelbſt die Idee, etwas Unvergänglihes zu fliften, 
ergriffen. Die naſſauiſche Verordnung, bei weitem die gründ- 
lichſte, iſt mit einem Ernſte entworfen, ber für den Ernſt, etwas 
Haltbares zu gründen, ein Zeugniß abzulegen ſcheint. Auf 
gleihe Weife hat es auch in ber Aufftellung feiner Truppen 
übernommene Verbindlichkeiten zu erfüllen geſucht. Eie fanden 
an dem zugefagten Tage vor Kaffel nebft dem zugleih ein» 
getroffenen Bataillon Koburger, die einzigen bis jetzt vollfer⸗ 
tigen Truppen bes 5ten Armeekorps. 

Denn felb die feit einigen Tagen hier angelangten, an 
Mannſchaft tätigen Bataillone Bergifcher find bei dem Mangel 
an Dänteln und Gewehren, welde fie erft hier von Torgau 
aus vorfanden, noch nicht vollfommen zu nennen. Nirgende 
Tann bei dem Mangel an Gewehren und Kleidungsmitteln bie 
Ausrüftung mit dem verfprocenen Tage Schritt halten. 

Am beflagenswertheften aber fepeinen mir die ohne Mon⸗ 
tirung und Mäntel in ipren leinenen Wämfern der Armee nad: 
siehenden Kurheffen; Opfer für Spitäler! 


523 


Wenn nad Blüherfhen Befehlen das ganze Korps Lan⸗ 
geron am 15ten von Mainz abzieht, fehe ich Frankfurt, dieſe 
für das Deutſche Vermögen fo wichtige Stadt, nicht fehr gededt, 
denn das 5te Armeelorps wird bie dahin flatt 20,000, kaum 
40,000 meift neue Truppen enthalten. 

Was die allgemeine Bewaffnung anderer Deutfhen Lande 
betrifft, fo weiß ih aus Mangel an Berichten nichts darüber 
zu fagen. . 

In Frankfurt und Fulda, wo durch die niedergefegten Aus -· 
ſchuſſe und die freiwillige Verwendung thätiger Männer ber 
Geiſt der Sade und der Zwed für die Deutfpe Einheit ſich 
am beſtimmteſten auffaffen läßt, wird ſich auch bie eigentlie 
Geſtalt der Bewaffnung am beflimmteften und ſchnellſten ent- 
wideln. " 

In Frankfurt wird mit biefer Woche die Berfhmelzung 
der beſtehenden Bürgerforps in die allgemeine Bewaffnung, die 
Abtheilung aller Wehrbaren in die 3 Klaſſen ber verſchiedeuen 
Zaugfamfeit, bie Bildung freiwilliger Bataillone vor ſich gehen, 
und eine dadurch mögliche Schule entflehen, aus welcher all« 
gemeiner Geift und gebildete Anführer über alle übrigen aus⸗ 
gehen mögen. Hier giebt es Bermögen und Mittel militairifcher 
Bildung. 

In Zulda wird Armuth und ber Mangel militairiſch orga- 
nifirender Abrichter vieles erſchweren. Aber dem Geile der 
Berorbneten if zu vertrauen. 

In Afhaffendurg beſtehen alte Einrichtungen von 1799, 
der Schein einiger Brauchbarfeit, und obgleich nicht unter ben 
beſten Zeugniffen der hiefigen Gegenden, doch ein fehr großer 
Selbſtruhm des in ‚neuer Zeit damit Geleifteten, daher auch in 
den GStiftern des feit neuer Zeit vernachläffigten Alten ein 
großer Widerſpruch, es in Neues zu verwandeln. 


524 


Uebrigeng fehlet beiden aus Drud der vergangenen Regie- 
tung und bed Krieges jegt verarmten Ländern, Fulda und 
Aſchaffenburg, vorzüglih dem Erſten, Geld und Krebit, felbft 
für die beiden zu errichtenden aktiven Landwehr - Bataillone. 

In Fulda hat aus Mangel an Abrichtern Graf Schönborn 
am 23ften Januar, als ic ba war, feine Mannſchaft nicht ein- 
mal einberufen fönnen, weil aus gänzlihem Mangel an Ab- 
richtern ohne Aufſicht und Beihäftigung alfo Müßiggänger ohne 
Regel gewefen wären. 

Aſchaffenburg unter Graf Baffenheim if faft vollzäplig, im 
Mangel an Gewehren übrigens nad der erfien Kompagnie zu 
fließen, fo, daß es aus ſich ſelbſt mit Unteroffizieren fi ver- 
feben und bis Ende Februar von einigem Dienfte fein möchte. 
Es Tiegt nicht an beiden Ehefs, fondern in den Hinderniffen des 
Vermögens. Darum finde ich es aber au hart, daß, wie 
immer Graf Baſſenheim klagt, Baron Hügel diefen Bataillons 
allen Sold bis zum Ausmarſch verfagt. Unfolgfamfeit oder 
Kleinmuth fönnen daher entfiehen. Es iſt zu fürchten, daß diefe 
Leute früher Marodeurs als Soldaten werben. " 

Für die Leitung der großen militairiſchen Bezirke find von 
der Central» Direction von Deutfchland nun ſchon folgende 
Bannerherren ernannt: 

Bon der Lahn zur Ruhr: Kürft Neuwied. 

Bon der Lahn zum Main: Graf Baffenheim, welder, da 
er in Raiferlihen Dienften ſieht, ſich nicht für frei Hält, ſolches 
anzunehmen; aber als ein tüchtiger Mann wäre es fehr dafür 
zu wünfcen. 

Im Speffart: Graf Schönborn. 

Im Odenwald: Graf Erbad. 

Mit der Aufftellung diefer Autoritäten tritt ein organiſches 
Leben in die Sache. Bis dahin mußte man, um bie Zeit ber 


525 


erfien Vorarbeiten zu getwinnen, jedes Rand feinen eigenen Ver⸗ 
anftaltungen überlaffen: von jegt an wird Einheit und Ueber— 
einfimmung möglich. Ich gehe nun über zu allgemeinen Um ⸗ 
tiffen der innern Gedanken» Bewegungen Deutſchlands, wie fie 
dem ſtillen Zuhörer unter den Geſpraͤchen ber Menſchen ſich 
vorbilden. 

Zuerſt darf ich nad) dem wohl fagen: 

Es erfcheint eine „Trennung und Oppofition zwiſchen ben 
Geſinnungen der Einwohner und der Regierungen, vorzüglich 
aber zreifchen dem Gebankengange der ehemaligen Souverainen, 
jest Mediatifirten, und ihren noch fouverainen Gebietern. 

a) Die Einwohner find voll Haß gegen alles Franzöfifche, 
vol Bereitwilligfeit für Alles, was deſſen Wiederfehr hindert. 
Diefe Bereitwilligfeit, welche nach der Leipziger Schlacht äußerft 
lebhaft war, iſt freilich unter vielfältigem Drude, und weil für 
die Kurzſichtigkeit der Meiften bie unmittelbar erwarteten Wohl« 
thaten nicht eintraten, fehr gefunfen. Bewegungen, welche mögr 
lich gemacht Hätten, in Wochen zu erreichen, was jegt nur in 
Monaten, Bewegungen eines wahrhaft nationellen Sinnes, find 
dem Grade nach vorüber, doch im Keime no ba. Dan er- 
fennt, daß Deutfepland einer alfgemeinen Regierung bedürfe, 
daß in feiner Spaltung alle Uebel ihre Duellen fanden. Die 
ungeheuren Schulden, die Verſchwendung der fleinen Regierun- 
gen, ber Gedanke, daß bei diefer Willfür alle Abgaben nur noch 
höher feigen müffen — find fein Geheimnig. Dan wünfget 
den Schuß eines mädhtigern Geſetzes, jene wohlthätige Anftalt 
alter Reichögerichte, einen Schirmheren der Gedrüdten und wo 
Stände waren, ihre Wiederherfielung. Diefer Wunſch ift aber 
mehr eine dunkle Beängfiigung als ein klarer Gedanke. 

b) Ein ganz anderer Grab ber Spannung herrſcht in ben 
Untertbanen der Mebiatifirten. Hier bringet das Anbenfen 


526 


einer beffern Zeit vor ber Mediatifirung eine Art ſchwaͤrmeriſcher 
Neigung, einen faR offen ausbrechenden Widerwillen gegen ihre 
neuen Herrn hervor, der von denen Alten nur mit Mühe zu⸗ 
rädgehalten wird. An mehreren Orten haben fie bei @elegen- 
heit der Bewaffnung fih erflärt, für ihre alten Gebieter gern 
bie in den Tod, für ihren neuen, der fie arm gemacht hätte 
und bei ber nächften Gelegenheit nur wieder an bie Franzoſen 
verkaufe, nicht einen Schritt. Die abſchriftliche Beilage ift der 
Bericht eines ſolchen Borfalls. 

c) In denen mebiatifirten Furſten hat mit ihrer Berwanb- 
Tung in Unterthanen fih auch ber Ton der Gefinnung ver- 
ändert. Das Andenfen verlorener Herrlichkeit ſcheint ihnen 
ſelbſt nun eine Sache, die nit mehr hervorzurufen iR. Eine 
mãchtige Verfaffung, welche uuter billigen Gefegen gegen ihre 
aus Franzöfifcher Obermacht aufgebrungenen Gebieter fie be- 
fhirme, ſcheint ihnen das Beſte. Sie find für Alles geneigt, 
was bahin ziefet; gerne wollen fie Diener eines großen, nicht 
aber Knechte eines Heinen Herrn ſeyn. 

4) Was die fouverainen Regierungen endlich anbetrifft, fo 
faffe ih bier, ohne eigenes Zuthun, nur bie allgemein ver- 
nehmbaren Meinungen zufammen. „Beitahe alle, heißt es, 
find fo wenig deutſch, der jegigen Ereigniffe fo wenig froh, daß 
fle im Herzen das Bergangene zurädwänfgen. Mit Freu- 
den wärben fie bei einem Umfhlag der Dinge die Truppen, 
welche fie für bie Verbündeten werben, dem alten, ihren Wün- 
fen weit verwandteren Gebieter zum Suhnopfer barbringen, 
der, wenn fie nur die Kraft ihrer Länder feiner Herrſchaft 
zum Werkzeuge hergaben, im Urbrigen fie nach Wilkur ver⸗ 
fahren ließ. 

Dieſe allgemeine Bewaffnung iſt der Pruͤfſtein und das 
Schrechbild, an welchem ihre Geſtunungen und Beſorgniſſe fh 





527 


erweifen. Sie fühlen, daß dieſe Bewaffnung, wenn fie von 
einem allgemeinen Mittelpunft über ganz Deutſchland ausgehe, 
den, welcher dieſen Mittelpunft handhabe, zu ihrem Oberherrn 
mare, baß in ber Beftelung ber Bannerperren, wenn fie von 
biefem Dberhaupte ausgehe, eine Macht eniftehe, welde ber 
iprigen Schranfen ſetzt. 

Darum trachten fie, diefe Bewaffnung, ale ein Werk ihrer 
Leitung, fo gebrauchlos als möglich entftehen zu laſſen. Darum 
vwoären ihnen einige Taut ausbrechende Unordnungen jener ſtandes- 
berrlihen Unterthanen vieleicht fehr willlommen, um an folhen 
BVeifpielen gegen die ganze Anflalt zu deklamiren. 

So liegen nun die Fäden. 

In der Auffellung der Bannerherren, in ihrem Einfluffe 
auf bie militairifhe Erziehung, Bildung und Denfweife ber 
Menfgen; in der Mugen Verſchmelzung der Truppen, ber 
Landwehr und des Landſturms, als dreier Theile eines unzer- 
trennlihen Ganzen, deffen Geſtaltung in den Händen ber höch⸗ 
ſten Reichsmacht beruhet; in der Einführung einer Farbe und 
eines Feldzeichens für alle; in den Gefinnungen der Mebiati- 
firten, in ber verfaffungsmäßigen Wieberherfiellung von Land- 
Händen, liegen die Mittel eines Reichs⸗Oberhauptes zu be— 
gründen, J 

Kommt es nicht zu dieſer Begründung und ihren erſt 
angemwendeten Mitteln, fo bleibt Deutfchland, was es war — 
ein Land der Heinlichften Intereffen, der Intrigue aller Fremd⸗ 
linge von Dften zu Weſten, welche feine fouveraine Zerftüde- 
Tung benugen. Die Nation ſelbſt aber bleibt ohne politifchen 
Gehalt, Württemberger und Darmflädter, aber Feine Deutfche: 
der Moment einer großen Wiedergeburt geht vorüber, und alle 
Erniedrigung iſt zu fürdten. 

Alles diefes fo darzuftellen finde ich dur meinen Wunſch 
und ben Glauben mich verbunden: 


528 


daß Deutſchland nur im Verein unter ein gemeinfames 
Oberhaupt und einer dem angemeffenen Berfaffung 
zur Ehre, Ruhm und Dauer, auferftehen fönne. 

Der Abgang des Couriers nöthigt mich zu fließen. — 
Der Oberfilieutenant v. Ruͤhle bittet mid, ihn Ew. Ercellenz 
au Gnade zu empfehlen, ich aber beharre mit ber ausgezeich- 
neiften Verehrung 

Wilhelm Friedrich Meyer, 
. Hauptmann. 
Sranffurt den Sten Februar 1814, (P. C.) 


Elfter Abſchnitt. 
Der Krieg an der Seine und Marne. 





Chaumont. Schlacht von Brienne und La Rothiere. 


Kaum waren in Langres die Beſchluſſe über das Vorbringen 
gegen Paris und die in Epatillon aufzuftellenden Forderungen 
gefaßt worden, als in der Naht vom 28flen auf den 20ſten 
Januar ein Eifbote die Nachricht von Napoleons Vorrücken 
brachte; noch vor Tagesanbruch brach Alexander auf, und eilte 
mit dem König zu dem Blücherfhen Heere, 


Stein an feine Frau. 

„Chaumont den 30ſten Januar. Du ſiehſt aus dem Datum 
meines Briefes, daß wir Land gewinnen und auf dem Wege 
nach Babylon find; wir hoffen dort anzufommen — wirft Du 
dann bei und eintreffen? 

Pozzo ift mit ung; er ift befländig vollfommen, edel, wohl« 
dentend, thatkräftig, voll Geift und Rath; er ift vom größten 
Nugen — und empfiehlt fi Deiner Erinnerung. 

Laharpe if ein Mann von viel Geift und Erfahrung, fein 
Aeußeres angenehm und Zutrauen erwedend. 

Was fagft Du meine Liebe Freundin dazu, daß ich von 
Napoleon für vogelfrei und Feind der Franzoſen erklärt, mit 
Einrichtung der Gouvernements in 20 eroberten Departements 

Stein’s Leben. IL. 2te Aufl. 34 


530 
befchäftigt bin, und Alopäus nad Nancy fende, als Gouverneur 
der Departements der Meurthe, Mofel, Maas und Ardennen, 
Sternberg vorfhlage um mir in Paris beizuftehen u. |. w. Du 
wirft dies Alles fehr außerordentlich finden. 

Mein Brief trifft euch vieleicht nicht mehr in Prag fon- 
bern in Berlin; bie Erziehung der Kinder wird dabei ficher 
gewinnen, was Biel ift, ich fürdte jedoch, dag Du für Di 
ſelbſt nicht die Annehmlichkeiten finde, worauf Du ein Recht 
Harz ich rechne auf die Gräfin Karl [Brüßl] und die Prin- 
zeffinnen Wilhelm und Louife, die ſtets fehr viel Güte für ung 
gehabt haben. 

Münfter if feit ehegeftern mit ung; ich Tieß ihn zu Langres 
mit ber Maffe des Hauptquartierd — ich bin fehr erfreut über 
feine Ankunft; die ehrlichen Leute Haben durch ihn eine große 
Berflärkung erhalten — er ſprach zu mir mit vieler Tpeilnahme 
über Deine Schwefter Friederike. —“ 


Nach feiner Rüdkehr aus Deutfepland im November 1813 
hatte Napoleon neue Anftrengungen gemacht, um gegen ben 
erwarteten Einfall ber Verbündeten Kriegsmittel zu fammeln. 
Der unterwärfige Senat verorbnete auf feinen Befehl neue 
Aushebungen von 300,000 Mann durch ganz Frankreich; bie 
Steuern wurben erhöht, aus Spanien und Südfrankreich Trup- 
pen herbeigegogen, und Commiffarien mit außerorbentlicher Boll- 
macht ins Land geſchickt, um den eindringenden Heeren einen 
Vollswiderſtand entgegenzuftellen. Aber der Franzoͤſiſche Reichs- 
törper war durch häufigen und heftigen Aderlaß fo erfchöpft, 
daß er zu Fräftiger Anftvengung weder geneigt noch fähig war; 
die Aushebung der Mannfhaft ging Tangfam und unergiebig 
vor fih, haufenweife flüchteten die jungen Leute in die Wälder 
und abgelegenen Orte, und nur bie empörendften Zwangsmaß- 
regeln welche gegen ihre Eltern und Verwandte angewendet 


531 


wurden, bewirkten ihre Ablieferung zur Schlachtbank. Die 
allgemeine Abfpannung, das Berlangen nah Frieden fand in 
der gefeggebenden Verſammlung ihren unverhüllten Ausbrud: 
„Unſere Leiden, fagte Laine, find aufs Höchſte geftiegen, das 
Land auf allen Punkten der Grängen bedroht; der Handel ver⸗ 
nichtet, ber Aderbau ſchmachtet, das Gewerbe erflirht, und es 
giebt feinen Franzoſen, ber nicht in feiner Familie ober -in 
feinem Vermögen eine graufame Wunde zu heilen hätte. Geit 
fünf Jahren genießt der Aderbauer nicht mehr, er lebt kaum, 
und bie Früchte feiner Arbeiten dienen den Schag anzuſchwellen, 
welcher jährlich durch die Koſten der unaufbörlich vernichteten 
und verhungernden Heere verſchwendet wird, Die Confeription 
iſt für ganz Frankreich eine verhaßte Landplage geworden; feit 
zwei Jahren mähet man jährlich drei mal; ein barbariſcher 
und zwedlofer Krieg verſchlingt regelmäßig die der Erziehung, 
dem Aderbau, dem Handel, den Gewerben entriffene Jugend. 
Der Mütter Thränen und der Völker Schweiß, find fie denn 
das Eigenthum ber Könige? Es iſt Zeit, daß die Völfer auf⸗ 
athmen. ...“ Napoleon wagte es nit mehr, biefe Sprache 
zu ahnden; aber er entließ die gefeggebende Verfammlung, 
verfuchte die Zahl feiner Feinde durch Unterhandlung und Frei— 
laffung des Spanifchen Königs Ferdinand VII und des Papftes 
zu verringern, und buch unaufhörlih wiederholte Tügenhafte 
Berichte über die Zahl feiner Truppen bie Verbündeten zu 
säufhen und zu ſchrecken. Erſt als dieſe der Hauptflabt, 
welche ihnen vier Wochen früher wehrlos offen geftanden hätte, 
bis auf wenige Tagemärfhe genähert waren, vaffte Napoleon 
die vorhandenen Truppen zufammen, um zum letzten Male das 
Kriegsglüd zu verfuchen. Nachdem er feiner Gemahlin bie 
Regentſchaft übertragen hatte, verließ er am 2öften Januar 
Paris, ging über Chalons an der Spige von 70,000 Mann 
34* 


532 


gegen den Feind, ben er in St. Dizier traf, und wendete ſich 
in Blücers rechte Flanke, Die Schlacht bei Brienne am 
2oſten Januar, in welcher beide Feldherren mit Mühe der Ge— 
fangenſchaft entgingen, brachte feine Entſcheidung; Blücher 
nahm eine Stellung welche ihm an ben folgenden Tagen bie 
Bereinigung mit dem Schwarzenbergifhen Heere fiherte, und 
ſchlug am Aften Februar unter den Augen feines Könige und 
Aleranders bei La Rothiere Napoleon aufs Haupt. Die Fran⸗ 
zoſen verloren 4000 Gefangene, 73 Kanonen, und nad der 
Schlacht verließen Taufende neugeworbener Soldaten Napoleons 
Fahnen; er felbft zog ſich nah Troyes zuräd, und fandte von 
dort um Paris zu retten am 5ten Februar an Caulaincourt 
unbedingte Vollmacht zum Abſchluß des Friedens unter ben 
von ben Berbündeten vorgefepriebenen Bedingungen. Gegen 
die Franzoſen jedoch fegte er fein Lügenfpflem fort, und be⸗ 
hauptete daß eine eigentliche Schlacht gar nicht vorgefallen ſey; 
— bei einem andern Anlaß im Lauf dieſes Feldzuges, als 
Labesnardiere ihm eine Depeſche vorlegte, worin eins ber feind- 
lichen Heere wahrheitögemäß zu 60,000 Mann angegeben war, 
befahl er ihm: Bermindern Sie das auf 30,000 !'°, 


Sneifenau an Stein, 

„Brienne den 2ten Februar 1814. Ew. Ercellenz find 
bereits früher, als ich Ihnen diefe Nachricht zufommen laſſen 
ann, von unferem gefrigen Siege unterrichtet. Wir haben 
die vorlegten Kräfte des Feindes zerſtoͤrt; bie letzten follen auch 
bald vernichtet feyn. Bei diefem neuen Kampf hat Napoleon 
lein Feldherrn⸗ Talent gezeigt; bie Hartnädigfeit, womit er bie 
‚zweite Hälfte beffelben durchfocht, war allein zu loben. Er 
füprte nod in der Nacht die junge Garde zur Wiedereroberung 
des Dorfes La Routiere mit großer Entfhloffenheit heran, und 
fegte fi dabei fehr aus. 


533 


Ich Hoffe, dag man nun wenigftens ſich zu größeren Ideen 
erheben und nicht einen Frieden mit einem Böfewicht fließen 
wird, der alle alten Regenten beſchimpfte? Die dies thun 
wollen, verdienen aufs neue durch den Kaiſerlichen Jacobinismus 
gesüchtigt zu werben, der fie durch die ftete Furcht peinigte, 
ihrer Präfeften- Throne verluftig zu werben, 

Man fagt mir, es beſtehe eine Parthei gegen ben Färften 
Wolkonsky. Ih muß ihm das Zeugniß geben, daß er fih 
geftern mit einer zuvorfommenden Bereitroilligkeit in Herbeis 
führung der Referven, der Garden, in Ergänzung der Munl- 
tionen benommen hat, eine Bereitwilligfeit, die man nicht immer 
findet. Dagegen muß ich mic fehr über die Inſolenz bes 
Generals Toll gegen den Feldmarſchall beſchweren, und biefer 
durch feine Inſolenz fo befannte Toll Tönnte Teicht an Wol- 
tonety’s Stelle fommen, ber einen fanften Charafter hat und 
mit dem leicht zu verhandeln iR, während bag Toll mit dem 
ſtarrſten Eigenfinn auf den verrüdteften Ideen beharrt. So 
wollte er geftern durchaus alle Referven gegen unfern rechten 
Flügel gerichtet wiffen, während ich darauf beftand, daß folge 
gegen unfer Centrum geführt wurben. Hätte man feiner Mei 
nung gefolgt, fo ging die Schlacht verloren, denn ber Feind 
hatte feine Hauptmacht bei dem Dorfe La Routiere, in feinem 
Eentrum. 

Gott erhalte Ew. Excellenz und bleiben Sie mir gewogen, 

N. v. Gneiſenau.“ 


Münfter an Stein. 

„Langres den 3ten Februar 1814, Meinen herzlichſten 
Glädwunfh zum Siege bei Brienne. Der Kaiſer hatte wohl 
recht die Conferenzen vom 2ten auf ben Iten Februar zu ver⸗ 
fieben, Allein wird man fi noch jetzt der Gefahr ausfegen, 
zu unterhandeln d Sollte Bonaparte einmal vernünftig ſeyn und 


534 


die vorgefhlagenen Bedingungen blindlings annehmen? Jede 
Negoriation hat das Uebel, ben Anhängern ber Bonapartifchen 
Regierung bie Idee der Nothwendigkeit ihn los zu werben zu 
nehmen — und die Royaliften müffen durd eine Handlung 
der Alliirten zurüdgehalten werben bie fie fo großen Gefahren 
für die Zufunft ausfegt. Ew. Ercellenz Briefe nad London 
und Hannover werben heute Morgen benugt. Caſtlereagh ſchiebt 
feine Reife nach Chatillon noch heute auf um zu ſchreiben. 
Geftern hat er Bonapartes Friedensſchluß mit Ferdinand VII 
aus Madrid erhalten. Die Spanier betragen fih rechtlich und 
erklären diefes infidiöfe Werk für nichtig. 
Ih hoffe Ew. Excellenz morgen in Chaumons zu fehen 
falls ih Duartier finde. Hochachtungsvoll empfehle ih mich 
ganz gehorfamft 
Münfter." 


In der Schlacht bei La Rothiere oder Brienne war zum 
erfien Mal die bereits in Frankfurt befhloffene Annahme eines 
gemeinſchaftlichen Feldzeichens ausgeführt; jeder, Soldat wie 
Dffizier, trug eine weiße Binde am linfen Arm. Die Ruhe, 
der fühle Muth mit welchem ber Feldherr jeder Gefahr ent- 
gegentrat, bie gefchistte Leitung ber vielfältigen verwickeltſten An- 
griffsbewegungen wurden von Augenzeugen, Engländern, Ruffen 
wie Deutfhen, bewundert; vor dem Beginn der Schlacht 
beobachtete er das tieffte Schweigen und erwartete ungebulbig 
den Augenblid bes Handelns. Als ihm am Abend vorher 
Schwarzenberg einen vertrauten General fandte um fih mit 
ihm über die Kriegsbewegungen zu verftändigen, hatte Blücher 
nur biefe Antwort gegeben: „Wir müffen nad Paris gehen, 
Napoleon war in allen Hauptfläbten Europa’s; daher kommt 
es und von Rechtswegen zu, feinen Befuch zu erwiedern und 
ihn des Thrones verluſtig zu machen, auf ben er zum Wohl 


335 


Europa’s und unferer Herrſcher nie hätte fleigen follen. Wir 
werden nicht eher Ruhe haben als bis wir ihn ſtürzen.“ 


Troyes. 

In diefer Gefinnung fonnte man nad der Schlacht ent 
fhloffen vorwärts gehen, und Paris und damit der Friede war 
in wenig Tagen erreiht. Aber ein folder Erfolg Tag nicht in 
den Abfihten der Deferreihifhen Politil. Zwar warb im 
Kriegsrarhe unmittelbar nach der Schlacht das weitere Bor- 
dringen beſchloſſen; aber flatt vereinigt wie man gefiegt hatte 
vorzurüden, theilte man bie verbundene Macht, entfandte Blücher 
mit dem Schleſiſchen Heere gegen Chalons um längs der Marne 
feinen Weg nad Paris zu ſuchen, und nahdem man fih fo 
bes unbequemen raſtlos vorbringenden Gehülfen entledigt hatte, 
gewann man neue Gründe das Hauptheer zurüdzuhalten, und 
in alle deffen Bewegungen eine Langſamkeit zu bringen, welde 
Napoleon wieder zu Athem kommen ließ und den Briebend- 
Iufigen neue Gründe für ihre Zwecke gewährte. Statt durch 
eine raſche Verfolgung die beginnende Auflöfung bes Frangöfifchen 
Heeres zu vollenden, ließ Schwarzenberg beffen Rüdzug nur 
fehr matt verfolgen, ging zwar nad) Troyes vor, wohin am 
Tien Februar das Hauptquartier gelangte, verlegte aber dann 
feine Truppen in Duartiere füdlich der Seine. Während breier 
Tage blieb man bier unthätig liegen, nur bie Parteigänger 
ftreiften bis Fontainebleau und gegen Orleans, aber das Haupt« 
quartier ſcheute die Lorbeeren von Paris und hoffte von ben 
Chatilloner Verhandlungen einen fehnelen Ausgang. Alle die= 
jenigen welche an die Unmöglichkeit eines dauerhaften Friedens 
mit Napoleon glaubten und bie fräftige Kortfegung bes Krieges 
für nothwendig hielten, vor Allen Stein, wurden von ben Defter= 
reichern als unbefonnen und Teidenfchaftlich getabelt; fo äußerte 
ſich gegen Stein ſelbſt der Kaiferlihe Geheimerath Baldaccy, 


536 


und wollte ihm die Nothwendigleit des Friedens aus der Er= 
fhöpfung der Heere beweifen. Um feinen Zwed fiher zu er— 
reichen verbot fogar Kaiſer Franz insgeheim durch einen fehrift- 
lichen Befehl dem Fürften Schwarzenberg, dem Oberfelbheren 
eines nicht nur Deſterreichiſchen fonbern eines verbündeten 
Heeres, bei Nogent auf das rechte Seineufer überzugehen; 
aud Lord Eaftlereagh warb in Bewegung gefegt, und das Ge- 
wicht welches er als Sprecher des Fräftigen durch feine Hülfe- 
mittel unentbehrlichen Englands befaß, welchem fih Preußen 
anſchloß, ſchien den Erfolg der Friedenspartei fihern zu müffen: 
um neue Schwierigfeiten zu ſchaffen, verbreitete man ſich fogar 
über bie Gefahren und Gelegenheiten, denen man durch bie. 
Eroberung von Paris ausgefegt fepn würde. — Wahrſcheinlich 
gehört in biefe Tage ein von Stein dem Kaifer Alexander vor⸗ 
gelegter Plan über die Verwaltung von Paris und Ernennung 
eines Generalgouverneurs für Marne, Seine und Marne, Aisne, 
Ardennen und eines zweiten für Seine und Dife, Dife, Eure 
und Loire, wozu bie Generale Fürft Peter Wolkonsky, Kutufoff, 
Konownigin, Czernicheff, Woronzom geeignet feyen. 

Das aus fo verfepiebenartigen Fäden gewebte Net diplo— 
matifcher Schlaupeit hatte zu wenig innere Haltbarkeit um 
Alexanders Blick zu täufhen und feinen Willen zu feflein. In 
Troyes angelangt, betrieb er ohne Aufhören bie Bewegung ber 
Truppen, und Schwarzenberg ſah fih nah Erfhöpfung aller 
erfinnlihen Gegengründe am 9ten Februar gendthigt, dem Heere 
einen zweitägigen Marſch vorwärts zu befehlen. Zugleich er⸗ 
hielt Stein eine Depeſche des Ruſſiſchen Gefandten in London, 
Grafen Lieven vom a Januar, worin diefer, ohne Zweifel 
auf den ausbrädlihen Wunfd des Prinz-Regenten und bes 
Grafen Liverpool, unter Umgehung feines amtlichen Vorgeſetzten 
des Grafen Neſſelrode, Stein von den vertraulichen Eröffnungen 
in Kenntniß ſetzte, welche ihm durch den Regenten und beffen 


537 


erſten Minifter gemacht waren, und bie das Berlangen aus⸗ 
ſprachen, daß Napoleon aus Franfreich vertrieben und das Haus 
Bourbon in feine alten Rechte wieder eingefegt werden moͤgte. 
Stein fäumte feinen Augenblid dem Kaifer bie Depeſche 
vorzulegen. Alerander zwar den Bourbond abgeneigt, warb 
doch durch dieſe vertrauliche und offene Erflärung in feinem 
urſpruͤnglichen Plane beftärkt, die politiihen Maßregeln dem 
Kriege unterzuorbnen, die Ueberlegenheit im Felde zu bewahren, 
das Franzöfifhe Heer ohne Unterlag zu befämpfen, Paris zu 
nehmen, und ben Ehatilloner Unterhandlungen nur eine unter= 
geordnete Wichtigkeit beizulegen. Als nun Caulaincourt auf 
Grund feiner Bollmadten ''* am 9ten Februar in einem vers 
traulihen Briefe an Metternich, den er dem Congreß nicht 
mitgetpeilt hatte, die Abſicht erflärte in die Abtretung ber Fran⸗ 
zoͤſiſchen Eroberungen ſeit 1792 einzumilligen wofern bamit ein 
fofortiger Waffenſtillſtand erreicht werben fönne, ergriff bie 
Friedenspartei diefen erwünfchten Anlaß die Berathung zu er= 
neuern. Caſtlereagh verſuchte es perfönlih, ben Kaifer zu 
beugen, aber vergebens; während Alexander in heftigem Wort« 
wechfel mit ihm begriffen war, erhielt er die Kunde von dem Bebr. 11. 
erften Unfall der Blücherſchen Truppen; mit feurigem Blick 
und zornentbranntem Antlig theilte er dem Lorb die Nachricht 
mit '’” und erflätte, daß biefes die Folge der Unthätigfeit des 
Hauptheers und des hartnädigen Strebens nach Frieden fey. 
as !'° der Lord bei feiner Meinung beharrte und ſie ſchriftlich 
barlegte, erflärte ber Kaiſer fpäterhin gleichfalls ſchriftlich: 
„S. M. bedauere aufs Tebhaftefte, daß Lord Caſtlereagh bei 
diefer Gelegenheit durch völliges Hingeben an bie Meinung 
des Defterreichifchen Cabinets, in Folge feiner verföhnlichen 
Neigungen beigetragen habe den Gang ber Kriegsunternehmungen 
zu lähmen, auf welde ebenfalls die Unfälle des zu fehr zer⸗ 
freuten Bluͤcherſchen Heeres nachtheilig zurädwirkten, indem fie 


Bebr. 15. 


538 


die Langfamfeit und die Zögerungen ber Deflerreicher ver 
mehrten.“ 

Während nun der Kaiſer dem Blücherſchen Heere zu Hülfe 
die Bewegungen des Schwarzenbergiſchen befehlennigte, und zu 
dieſem Zweite ſelbſt nach Pont fur Seine ging, vereinigten ſich 
Metternich, Caſtlereagh und Hardenberg zu gemeinfchaftlichen 
Schritten. Sie beſchloſſen zu Protokoll, daß ber Kaifer gebeten 
werben folle, feinen Congreßgefandten zu Unterzeichnung bes 
Friedens zu bevollmächtigen ; und zugleich entwarf jeder ber 
brei Minifter ein Gutachten, worin bie politifhe und militairifche 
Lage der Angelegenheiten erörtert, daraus bie Nothwendig- 
feit des Friedens mit Napoleon gefolgert, und ber darauf 
gerichtete Wunſch ihrer Staaten erflärt ward, nachdem ber 
Zwed des Reichenbacher Bündniffes erreicht fey ''. 


Auf diefe Erflärungen, welche dem Kaifer in Pont fur Seine 
vorgelegt wurden, erwiederte er am 15ten Februar: „Der 
Zwed des gegenwärtigen Krieges, welchen er zuerft für bie 
Rettung feines Landes unb nachdem fie erreicht worden für bie 
Befreiung Europa’s unternommen, babe ſich mit ben Erfolgen 
verändert und erweitert; bie jegige Lage erfordere nothwendig 
die Hortfegung des Krieges; denn Verträge welche nur mit 
Zeitaufwand ausgeführt werben fönnten, würden dem Feinde 
geflatten feine Berftärfungen heranzuziehen und den Krieg wie- 
der zu beginnen. Napoleons Sturz, durch Waffenglüd, die 
Einnahme von Paris und die Erklärung der Provinzen herbeis 
geführt, würde bie Defreiung Europa’s vollenden, das glän - 
zendſte Beifpiel von Gerechtigkeit und Sittlichkeit für die Welt 
und das glüdtichfte Ereignig für Franfreih und die Ruhe ber 
Nachbarſtaaten ſeyn. Diefes Ziel zu erreichen laſſe die Friege- 
riſche Rage hoffen; die Geſchicklichkeit der Generale, die Tapfer- 
feit der Truppen, bie Uebermacht an Reiterei, die erwarteten 


539 


Berflärtungen, und die allgemeine Leberzeugung welde bie 
Bölfer befeele, würden nicht zulaffen, daß man ſich in foldem 
Grade wie man glaube, erniebrige; eine folhe Gefahr fönne 
nur dann entflehen, wenn bie in den ſchriftlichen Meinungen 
geäußerte Furcht auf die Truppen übergehe, deren große ber 
wiefene Feſtigleit jedoch fie gegen ſolche Eindrüde unempfänglich 
made. Die aus der Einnahme von Paris befürchteten Schwie- 
rigfeiten feyen übertrieben und laſſen ſich verhäten; bie Unter 
handlungen in Ehatillon mögten fortgefegt, und die gewünfchte 
Erflärung über das Schidfal Europa’s nah Maßgabe der in 
Langres gefaßten Beſchluͤſſe ertheilt werden; Waffenſtillſtand 
hingegen fey nur dem Feinde näglih und durchaus zu ver⸗ 
werfen. Für den glüdlihen Ausgang fey alle Wahrſcheinlich⸗ 
keit vorhanden, wenn bie Verbündeten wie bisher in Eintracht 
ihren Hauptzwed, die Niederlage des feindlichen Heeres, ver- 
folgten. 

An demfelben Tage vereinigten ſich auf Caſtlereaghs Be- 
trieb die Oeſterreichiſchen, Preußiſchen und Ruffifhen Minifter 
als Zugeftändnig für Englands ausdauernde und freigebige 
Unterftügung dahin, daß beim Frieden Holland mit den Defter- 
reichiſchen Niederlanden und dem Lande öftlih der Mans bis 
Cöln zu einem Staate verbunden, die übrigen Landfchaften des 
linken Rheinufers mit dem Zwech Holland und Norddeutſchland 
gegen Frankreich zu fchügen unter Englands voller und ganzer 
Zuftimmung vertheilt, und bie Seefchiffe in den von Frankreich 
abzutretenden Häfen zurüdbehalten werben follten. Mit Rüde 
fiht auf das zwiſchen Defterreih und Murat abgefchlofiene 
Bündniß verpflichtete man fih außerdem, die Sieilifhen Bour- 
bons für ben Berluft Neapels zu entfhädigen '*, Zu gleicher 
Zeit aber Tiefen bie weiteren Nachrichten über die Unfälle des 
Schleſiſchen Heeres im Hauptquartier ein. Bücher hatte nach 
der Schlacht von La Rothiere ber Verabredung gemäß feinen 


540 


Marfch gegen Epalons genommen, und dann bie Marne ent- 
lang gegen Paris gerichtet, Da er nicht anders glauben 
tonnte als dag Schwarzenberg Napoleon lebhaft verfolge, und 
er feine linke Seite durch das Wittgenfteinfhe Eorps und zwölf 
Rofadenregimenter gefihert wußte, Tieß er feine Truppen auf 
Tagemarfchentfernung ftaffelweife vorräden, und war im Be— 
griff das aus den Ardennen zurüdziehende Macdonaldfche Corps 
abzuſchneiden, als feine Heerestheile plöglih überfallen wurden. 
Napoleon hatte durch bie Unthätigfeit des Hauptheers Zeit 
ſich durch Truppen aus Catalonien und Eonferibirte bis auf 
100,000 Mann zu verflärken, er ließ Schwarzenberg gegenüber 
den Heineren Theil feines Heeres ſtehen, und warf fih über 
Sezanne in die duch Wittgenfleind und ber Kofaden Abzug über 
die Aube entblößte linke Seite des Schlefifchen Heeres. Die 
heldenmüthigfie Tapferkeit der Ruffen und Preußen, Olſufiefs, 
Sadens, Yorke, Blüchers, der fih mitten durch die Feinde ben 

- Weg bahnte, konnte nicht verhindern, daß das Heer in einzelnen 
Tpeilen am 10Oten, 1iten, 14ten Februar hei Champaubert, 
Montmirail, Etoges gefhlagen warb; doch fland es zwei Tage 
darauf wieber vereinigt bei Chalons und Rheims, und das am 
12ten zu Laon angefommene Winzingerodefhe Corps hatte am 
15ten Soiſſons erflärmt. 

Die Kunde dieſer felbfiverfchuldeten Ereigniffe ſetzte das 
große Hauptquartier in die Iebhaftefte Unruhe. Metternich, 
Caſtlereagh und Hardenberg begaben fich perföntich zu Alerander 
und drangen von Neuem auf Frieden; ber Kaifer wiberftand; 
in Tangen und lebhaften Unterredungen fuchte er feine beffere 
Ueberzeugung nicht ohne gerechte Leidenſchaft geltend zu machen; 
als er aber einfap, da ein Tängerer Widerftand ben erſchutterten 
Bund ganz auflöfen könnte, ward ex bedenklich und entfchloß 
ſich endlich feinen Gefandten zur Unterzeichnung des Friedens 
zu bevollmäcptigen. „Da er feinen andern Zwed habe als bas 


54 


allgemeine Wohl, und treu dem Grunbfag, bie Briebensunter- 
bandlungen vom Gange des Krieges abhängig zu machen, 
ergebe er fih in die dringenden Wünfche feiner Verbündeten; 
dabei hielt er es jedoch für nothwendig die begonnenen Angriffs 
unternehmungen fortzufegen, unb von ber günfligen Stellung 
des großen Heeres im Rüden des Feindes den möglichflen 
Bortheil zu ziehen, 


Meder diefe Unterhandlungen, in benen Stein dem Raifer 

aufs Entſchiedenſte zur Seite fand, äußerte er fih gegen 
Frau v. Stein. 

„Troyes den 16ten Februar. Seit fünf Tagen find wir 
bier in Troyes, einer großen fchlechtgebaueten hölzernen Stadt, 
voll von Bettlern, nämlich Fabrikanten welche durch Napoleons 
Berwaltungsmaßregeln zu Grunde gerichtet find — Nichte wirb 
uns hindern nad Paris zu gehen, wenn nur nicht wir ſelbſt 
biefen Plan aufgeben. 

Das Beiragen bes Kaifers Alexander if fortwährend 
glänzend und fhön; man kann nicht ermüden baräber zu flaunen, 
bis auf welhen Punkt dieſer Fürft der Hingebung, der Aufe 
opferung, ber Begeifterung für alles Große und Edele fähig 
iſt — möge es dem Gemeinen und Niedrigen nicht gelingen 
feinen Flug zu lähmen, und zu verhindern, daß Europa nicht 
das Gluck in feinem ganzen Umfang genieße, welches ihm bie 
Vorſehung anbietet, 

Pozzo iſt wieder mit ung; er ift ein fehr vortrefflicher und 
edler Character, von ſtets unerfchöpflicher Tiebenswürbiger Froͤh⸗ 
lichleit. 

Ich bin ſehr erfreut meine liebe Freundin, daß Du und 
die ganze Colonie mit eurer Reiſe nach Berlin zufrieden ſeyd, 
ih wunſche, daß ihr dort alle Befriedigung findet welche ihr 


542 


erwartet — ohne Zweifel aber findet ihr mehr Unterrichtsmittel 
für bie Kinder — ich bitte Dich ihnen einen Tanzmeifter zu geben. 

Die Freundfhaft der Prinzeffin Kouife wird Dir viele 

- Annehmlichkeiten darbieten; es iſt unmöglich, beffer, verbind- 
tiger, Tiebenswärdiger zu ſeyn als fie; die Prinzeffin Wilhelm 
wird Dir ohne Zweifel Theilnahme bezeugen, und Du fannf 
die Deinige fo vieler Güte, Geelenadel und Frömmigkeit 
unmöglig verfagen. " 

Frau v. Stael hat mir ihr Werk über Deutfhland gefchidt; 
es vereinigt mit dem ganzen Zauber eines berebten und belebten 
Style einen großen Reichthum anziehender Gedanken und eine 
wohltpätige Richtung, da fie der bürren fpöttelnden Selbſtſucht 
einen unausgefegten Krieg macht — fobald ich eine fihere Ge- 
Tegenpeit erhalte, werbe ich Dir das Werk ſenden.“ . 


In Troyes erwirkte Stein einen Erlaß der verbündeten 
Mächte an einen Deutfhen Fürften, welcher der dringendſten 
Aufforderungen des Oberften Ruͤhle ungeachtet feinen Berpflic- 
tungen zur Kriegehülfe nicht nadhfam; es warb ihm am 12ten 
Sebruar eröffnet: 

„Er fey nur infofern zur gemeinfhaftlihen Bundesſache 
aufgenommen, als er bie im Acceſſionsvertrage übernommenen 
BVerbinblichfeiten erfülle. Es werde ihm eine acht: bis vierzehn. 
tägige Friſt gefegt, nad fo langer Verzögerung bie traftaten- 
mäßige Zahl von Linientruppen und Landwehr endlich marſch- 
fertig zu maden, auch den Landſturm nah ben ihm vom 
General-Kommiffair für bie Deutfhe Randes-Bewaffnung mit- 
geteilten Grundfägen zu organifiren, widrigenfalls gedachter 
General-Rommiffair von ben verbündeten Mächten authorifirt 
werden folle, in deren Namen unmittelbar die ganze Landes- 
bewaffnung in feinem Lande einzurichten ''." 





543 


Das große Hauptquartier rüdte alfo auf ber Parifer 
Straße nad Bray, die erfien Eorps bis Provins, Donnemarie 
und Montereau vor; der Kaifer fuchte den Fürflen Schwarzen- 
berg zu Bereinigung bes Heeres auf Provins und einer Fräftigen 
Bewegung in dem Rüden bes Feindes zu Blüchers Gunften 
au beflimmen; aber vergebens, der günfige Augenblid ging 
verloren, und Rapoleon erhielt Zeit ſich mit ben gegen bas 
Heer zurüdgelaffenen Marfcällen wieder zu vereinigen und bie 
Poſten gegen die Seine zurädzubräden. Statt fie zu unter- 
Rügen gab Schwarzenberg den Befehl zum Rüdzuge, der durch 
die Tapferleit der Wirtemberger bei Montereau erleichtert 
ward; doch beſchloß man eine allgemeine Schlacht, und 
befahl Blücer fih mit dem großen Heere bei Mery zu ver⸗ 
einigen, um gemeinfchaftlih in den fhönen Ebenen von 
Troyes zu ſchlagen, welche ben Berbünbeten alle Vortheile 
des Schlachtfeldes darboten. Die Bereinigung erfolgte am 
2iften Februar; 130,000 Mann fanden zur Schlacht bereit, 
der Erfolg ſchien nach allen Kriegsgründen gefihert, und wärbe 
den Verbündeten geftattet haben entweder auf Napoleons Ab⸗ 
fegung hinzuwirken oder aud ben Frieden vorzuſchreiben. Aber 
Schwarzenberg gab den Gedanken einer Schlacht wieder auf, 
308 die weit überlegenen Heere vor ben Franzofen zuräd, 
trennte fi wieder von Blücher, und fegte einen Rüdzug fort, debr. 23. 
der bie Truppen erbitterte entmuthigte und dem Feldherrn bie 
Achtung des Heeres raubte, welche durch geheime Befehle an 
die Unterfeldheren nicht herzuftellen war. 

Diefes Verfahren war geeignet bie Friedensliebe des Hanpt« 
quartierd zu vermehren; in Tropes '** fprach Caſtlereagh mit 
dem Kaifer, und erklärte *, er habe Befehl die Gelegenheit 
zum Frieden zu benugen, ber jegt um fo nothwenbiger fey, ale 
er das Bundniß in der Auflöfung begriffen fehe. Der Kaifer 
erwieberte ihm: „Es wird fein Frieden, es wird ein Waffen- 


Bebr. 24. 


Mir 


544 


ſtillſtand ſeyn, der nur ein augenblidtiches Nieberlegen ber 
Waffen bewirkt. Ih kann Ihnen nicht zu Hälfe kommen, wenn 
ich mit meinen Heeren vierhundert Meilen zu machen habe. 
Ich werde nicht Trieben fchließen, fo Iange Napoleon auf dem 
Throne ſitzt.“ Aber ſelbſt Aleranders nächfte Umgebung '** 
erging ſich ohne NRüdfiht im Lobe des Friedens; bie Wenigen 
welche in ber allgemeinen Muthlofigfeit noch für den Krieg 
fimmten, befonders Stein und Pozzo, wurden zurüdftoßend 
behandelt; zulegt wurbe ſelbſt der Kaiſer zweifelhaft, und ge= 
nehmigte am 24ften die Abfenbung eines Deſterreichiſchen Offi- 
ziers um Napoleon einen Waffenſtillſtand vorzuſchlagen; bie 
darüber zu Luſigny bie zum 5ten März gepflogenen Unterhand- 
Tungen blieben jedoch erfolglos, und die Bewegungen ber Heere 
dauerten indeſſen fort. 


Napoleons Uebermuth war durch die Iegten Erfolge fo 
hoc geftiegen, daß er die völlige Vertreibung ber Verbündeten 
aus Frankreich hoffte und die Beibehaltung der Rheingränge 
als Friedensbedingung forderte. Diefer Uebermuth, deſſen Fol⸗ 
gen bei weiterem Gelingen ganz Europa, zunaͤchſt aber Deſter⸗ 
reich, zu fühlen gehabt haben würde, öffnete diefem Cabinet bie 
Augen; und als fih die Frage fo Rellte, ob Marie Louife den 
Franzoſiſchen Thron oder Oeſterreich Italien verlieren follte, fo 
entſchied man fih für das Erſtere. Was das Glüd zu Töfen 
gebropt hatte, warb durch das Unglüd wieder vereinigt, und 
am iſten März unterzeichneten England, Oeſterreich, Preußen 


. und Rußland zu Ehaumont einen Bund, welcher bie Einrichtung 


Europa’s auf den zu Langres befeploffenen Grundlagen zum 
Ziel hatte, jede der vier Mächte auf 20 Jahre zu Stellung 
von 150,000 Mann verpflichtete, England ſtatt deſſen Gelderfag 
freifieß, und den verbündeten Mächten zweiten Ranges, Schwer 
den, Spanien, Portugal, Holland, ben Beitritt geflattete, Da 


545 


Napoleon fih einem Bertrage auf folhen Grundlagen nicht 
fügen wollte, fo geriethen die Chatilloner Unterhandlungen, 
welche ihm hauptfählih dienen follten die Verbündeten zu 
täufchen und wo möglich zu theilen, ind Stoden; die im genauen 
Einverftänbnig handelnden Gefandten ber vier Mächte fahen 
von Tage zu Tage vergebens einer Annahme entgegen, und 
am 19ten März trennte fi ber Congreß, ohne andern Erfolg 
ald die wefentlihen Störungen welche er in den Kriegsunter- 
nehmungen ber Verbündeten bewirkt hatte, bie Verzögerung ber 
Einnahme von Paris um far zwei Monate, und bie völlige 
Enttäufhung ber friedenslufiigen Diplomatie: in einem Schrei- 
ben Marets an Caulaincourt war es ausgeſprochen, daß Napoleon 
fih an unterzeichnete Bedingungen nicht kehren werbe, fobald 
fein Bortheil es erheiſche '*. 

Das Schwarzenbergifhe Heer ſetzte feinen Rüdzug von 
Troyes nah Vandoeuvre und Bar fur Aube fort. 

Bei der Trennung von Blüher in Troyes hatte diefer 
einen Befehl erhalten, fih an die linke Seite des großen Heers 
anſchließend den Rüdzug zu theilen. Blücher von der Ver- 
derblichkeit der ganzen Maßregel durchdrungen, beſchloß biefem 
Befehl nicht zu gehorchen und auf eigene Hand den Zug nach 
Paris auszuführen. Oberſt dv. Grolman erhielt vom Kaiſer 
Alexander die Erlaubniß zw dieſem Schritt; Blücher ſetzte ſich 
ſogleich in Marſch um dem Widerruf ber Genehmigung aus⸗ 
zuweichen, banfte dem Kaifer von Mery aus, und bat bie 
Bülowfhen und Wingingerodefhen Eorps bes Norbheers ſei⸗ 
nem Befehl zu untergeben; „er fheue fo wenig Kaiſer Napoleon 
wie feine Marſchälle.“ Diefer fühne Entfhluß, von Blüder, 
Gneifenau, Grolman ohne Beachtung der Gegenbefehle aus— 
geführt, gab dem Kriege eine neue Wendung und führte zum 
endlichen Gelingen. 

Stein’s Reben. III. Ste Aufl. 35 


546 


Zu Vandoeuvres oder Bar warb Kriegsratb gehalten. 
Die Friedenspartei war für den weiteren Rädzug beider Heere; 
Alexander aber erflärte feinen Entfhluß, in ſolchem Fall feine 
Truppen von Schwarzenberg zu trennen und mit Blücher auf 
Paris zu ziehen; der König fiimmte ihm bei, und zog ben 
Kaifer Franz nah fih. Es ward alfo beſchloſſen, Blüchers 
Heer durch Unterordnung Bülows und Wingingerode's- auf 
100,000 Dann zu bringen, einen Theil des Haupiheers unter 


- dem Prinzen von Homburg zur Berftärfung bes Südheers gegen 


Bebr. 27. 


Lyon zu fenben, und mit den übrigen Truppen nöthigenfalle 
ohne Schlacht bis Langres zurüdzugehen. 

As das große Heer Bar verlaſſen hatte, nur ſchwach ver- 
folgt warb, und die Meldung eintraf, bag Napoleon fih gegen 
Blücher gewendet habe, fo bewog der König von Wittgenftein 
unterRägt ben Feldherrn zur Umkehr, muſterte zu Colombe 
zwei eben aus bem innern Rußland anfommende und für das 
Wittgenſteinſche Corps beftimmte Erfagbataillone in der braunen 
Necrutenfleivung, bie ihren Marſch fogleich fortfegten, noch an 
eben dem Lage in Reihe und Glied traten und ſchon am fol- 
genden Morgen den Sieg erfämpfen halfen. Am 27ften Fe⸗ 
bruar früh als die Truppen zur Schlacht bereit fanden, wurbe 
Schwarzenberg wieder unfchlüffig. Der König von der Uner- 
laͤßlichkeit des Angriffs überzeugt, machte ihn auf die ſchlimmen 
Folgen insbefondere für das Schlefifhe Heer aufmerffam, wenn 
der verabrebete Plan von biefer Seite aufgegeben werde; 
Graf Wittgenftein in gleicher Ueberzeugung erbot ſich ſogleich 
zum Angriff, und endlich willigte Schwarzenberg ein", Der 
Angriff ward von den Ruſſen und Baiern ausgeführt. Als 
dabei ein ZJägerregiment vom Feinde in Unordnung gebradt 
ſich zurädzog, verſuchte der König mit dem Kronprinzen und 
dem Prinzen von Preußen fie wieder zu fammeln, und warb hier 
mitten im Kugelregen vom Feldmarſchall getroffen, der ihn bat 


547 


ſich zurüdgzubegeben, aber die Antwort erhielt: „Wo Ihr Plag 
ift, mein lieber Feldmarſchall, da ift auch der Meinige.“ Ruſſen, 
Baiern, Defterreiher wiberlegten durch ben glänzendſten Muth 
die ſchlechte Meinung welche die Friedenspartei über ihre Schladhte 
fähigkeit verbreitet Hatte; ber äußerft ermübende mit ben här- 
teten Entbehrungen verbundene Rüdzug welcher das Heer ent« 
ſittlichte, ward aufgegeben, und von Neuem das Vorbringen 
gegen Paris beſchloſſen. . 

Der Marfch erfolgte jedoch mit großer Langſamkeit; erſt 
am Sten März warb Troyes wieder erobert, und das Heer blieb 
bis zum 48ten in völliger Unthätigfeit, fo nothwendig es au 
gewefen wäre, Napoleons Kräfte durch nachdrückliche Verfol- 
gung zu theilen und von Blucher abzuziehen. ' 

Alexander, Friedrich Wilhelm, Kranz, mit dem ſchreibenden 
Hauptquartier yerweilten biefe Zeit zu Chaumont. 


35 * 


Zwölfter Abſqhnitt. 


Aufenthalt in Chaumont 
in der erſten Hälfte des März. 





Stein war dem Kaifer Alexander gefolgt, und in ber größten 
Spannung des Feldzuges wendeten ſich feine Gebanfen zu ben 
Seinigen. Am Iten März fehrieb er an Frau v. Stein nad 
Berlin; „Wir find fegt hier, aber hoffen bald vorwärts zu 
gehen, da Blucher nahe bei Paris if, zwifhen Clay, Meaur und 
Dormont. ... Wir haben den Graf Münfter, bei ung; er if 
ein braver vortreffliher Mann, ber die Partei der Wohlge- 
finnten vermehrt... . Wir erwarten Alles von dem tapferen 
alten Blücher, und werden hoffentlich bald aus dieſem ſchlechten 
Roche fommen, wohin wir ohne Grund gegangen find, und wo 
wir ohne Urfach bleiben.” 


Stein an die Prinzeffin Wilhelm. 
„Chaumont ben ten März. Cure Königlihe Hoheit 
machen mich fehr glüdtih, wenn Sie meine Familie mit Güte 
und Wohlwollen zu behandeln geruhen wollen. Meine rau 
hat bie ſechs bitteren Jahre ber Profeription, worunter brei 
der Trennung waren, mit großer Refignation durchlebt, ohne 
fih je eine Klage zu erlauben, flets ihren Pflichten als Mutter 


549 


und Frau getreu, Hierfür fann ich ihr nicht danfhar genug 
feyn und freue mi wenn Ew. Königliche Hoheit ihr Beweiſe 
geben Ihrer liebevollen Achtung. Henriette if ein verflänbiges, 
befonnenes, zartfühlendes Mädchen, feit ihrem idten Jahre bie 
treue Theilnehmerin ber Leiden ihrer Eltern. Verzeihen Ew. 
8. H. dieſe Aeußerungen, und fehen Sie fie an ale einne 
Beweis meines ehrfurchtövollen Vertrauens.“ 


Die unwillfommene Ruhe diefer Tage warb benugt um 
mehrere Angelegenheiten zu orbnen, welde einer Entſcheidung 
dringend beburften. Die längere Dauer des Krieges und Steins 
Entfernung aus Deutfpland hatte die Umtriebe entwidelt, welche 
in Sach ſen angefponnen waren und bie Herfiellung des ge= 
fangenen Königs oder deſſen Erfegung durch die Weimarſche 
Linie zum Ziel hatten. Ein Verſuch Friedrich Auguſts, durch 

“ einen Brief an den Raifer Alexander, worin er bie Abberufung 
feines Gefandten am Franzöfifgen Hofe und bedingte Weber- 
gabe des Koͤnigſteins anbot, den Weg zur Verzeifung zu er= 
Öffnen, war ſchon im Februar vereitelt worden '*”; ber herr⸗ 
ſchende Hang zu Ränfen und ber Mangel an Gemeingeift, welche 
nad dem Urtheil eines .gebornen Sachen, bes Generals von 
Carlowig, nur durch bie Vereinigung mit einem größeren 
Staate ausgerottet werben fonnten, fanden bei der Ungewißheit 
des Landes über fein fünftiges Schickſal eine reichliche Nab- 
rung. Die Partei des Könige, aus dem Hofperfonal, ben 
Katholifen und vielen älteren Beamten beftehend, fuchte durch 
verbreitete Gerüchte die Hoffnung einer Herflellung ber alten 
Regierung zu erhalten. Einige Gutsbefiger wünfchten bas Hans 
Weimar, wenbeten fih an bie Erbgroßherzogin welche mit 
Alesanders Abficht unbekannt ihre Anträge nicht zurüdwies, und 
begannen im Stillen fehr thätig zu werden. Abgefandte von 
zweideutigem und ränfelufiigem Character, welche fih des Ver— 


550 


trauens ber Großfürftin rähmten, reiften umher, und ſuchtes 
Stimmen zu fammeln; fie arbeiteten dahin, daß bie Stände 
eine Denffhrift an dem Kaifer Alexander einreichen und num 
das Haus Weimar bitten folten. Man verfuchte felbh den 
Forſten Repnin und einzelne Männer feiner Umgebung in das 
Berfändniß zu ziebenz der Beneralgouverneur, welcher wie alle 
feine Räthe von Stein den Befehl hatte bie Bildung von 
Parteien zu verhäten, fo wie ber General v. Earlowig fegten 
Stein von biefen Verſuchen in Keuntniß, und er erfiattete am 
Gin März dem Kaifer darüber Bericht: 


„Der Plan das jegt regierende Hand durch Weimar zu 
erfegen, wird wie es ſcheint nur durch eine Heine Zahl unter 
ſtützt, an beren Spige fi Graf Hohenthal befindet; biefer 
Plan widerfpricht Eurer Kaiſerlichen Maieftät allgemeinen An- 
fihten über die Europäifhe Politik, und ein Verſuch ihn aus⸗ 
zuführen würde nur zu Herſtellung ber jegigen Dynaſtie auf 
den Thron dienen. 

Der Graf Hohenthal iR ein eitler neuerungsfüchtiger Mann, 
und hat fih verhaßt gemacht da er unter ber Franzoſiſchen 
Herrſchaft feinen Schwager '"" Heren von Krofegk, im König« 
reich Weſtphalen angefeffen, wegen deſſen Berfuche gegen bie 
fremde Unterbrüädung verrathen hat. Herr v. Kroſegk warb 
von ber Weſtphaͤliſchen Regierung verfolgt; er verlieh Alles, 
diente im Preußifchen Heere, und fiel an der Spige eines 
Bataillons welhes er führte, beim Sturm auf ein Dorf am 
46ten October 1819. Herr v. Hohenthal befigt nicht Einfluß 
und Achtung genug, um Anführer einer Partei feyn zu föunen. 

Sachſens Bereinigung mit Preußen welche Eure 8. M. 
ſich vorgefegt hat, gehört zu Ihrem Spftem der allgemeinen 
Politik; es if feine Maßregel der Umflände, Eure Majeftät 
will jene Macht wieber aufbauen und befeftigen, um ihr einen 


551 


fiherern und unabhängigeren Gang zu verfchaffen und fie dem 
Einfluß Frankreichs in Holland und Norbbeutfhland entgegen- 
zufegen; auf biefem Grundfag beruhen die Verpflichtungen welche 
Sie mit Preußen eingegangen find, und wovon Sie den übri⸗ 
gen Mächten Kenntniß gegeben haben. 

Ein Berfuh das Sächfifhe Königehaus durch das Haus 
Weimar zu erfegen, würde nichts bewirken, als Defterreich einen 
neuen Grund für die Erhaltung des Erſteren gu geben; biefe 
Aenberung würde nicht mehr auf den allgemeinen Bortheil 
Europa’s gegründet ſeyn, fondern eine rein perfönliche Anger 
Tegenheit werben; und bie Feinde des Ruhms Eurer K. M. 
würben Ihnen felbft den gehäffigen Grund einer perfönlichen 
Abneigung gegen den König von Sochſen unterfieben. 

Es ſcheint mir, daß man zu Weimar ſchon viel mehr als 
rathſam getban hat, indem man mit Eurer K. M. Abſichten 
völlig unbefannt war. Dan hat die Sache zum Gegenſtand 
von Minifterberatfungen, der Sendung des Graf Eitlingf ge 
macht — Alles das ift hinlänglich ins Publifum gebrungen um 
die Bährung zu unterhalten, wie ber Bericht des Fürften Repnin 
über den Zufand ber Öffentlichen Meinung beweiſ't. 

Um biefe Bewegung aufzuhalten würde es nöthig feyn 
dem Für Repnin zu fagen, er möge feine Aufmerffamfeit 
verboppeln um fie zu beruhigen, und wiederholen, wie Eure 
KM. erwartet, daß die Sachſen die Sorge für ihr Wohl 
mit Vertrauen in Ihre Hände legen, ohne der Zufunft vor: 
zugreifen.” 


Alexander erklärte fi mit diefer Anſicht einverflanden, 
er eröffnete feiner Schwefter feine Mißbilligung ber gethanenen 
Schritte, und empfahl ihr ſich alles ferneren Handelns in die- März 8. 
fer Angelegenheit zu enthalten. Stein aber benachrichtigte den 
Furſten Repnin, und gab ihm anheim, von den Bortheilen 


552 


ſprechen zu laſſen, welche für Sachſen aus ber Bereinigung 
mit einer großen Macht hervorgehen würden. 

Es war dem Fürfien gelungen, ſich bei allen Parteien 
Vertrauen und Adhtung zu erwerben. Selbft die Schlecht- 
gefinnten mußten geftehen, daß der Civilſtaat gut regiert warb 
und dag man bei der allgemeinen Noth mit mehr Theilnahme 
und Nahdrud zu helfen ſuchte, ale diefes von ber früheren 
Königlichen Regierung gefhehen feyn würbe. 

Ueber bie Fortſchritte des Sächfifhen Kriegweſens berichtete 
ber General v. Carlowitz an Stein: 


„Dresden den 2Often Februar. Die Hoffnung, welde 
mir der Fürft Repnin feit geraumer Zeit machte, mich mit 
Aufträgen an Ew. Ercellenz zu fenden, hielt mid bisher ab, 
Hochdenenſelben in dem mir aufgetragenen Maafe über ben 
Hergang ber Dinge in Sachſen zu ſchreiben. Jene Sendung 
findet nicht mehr flatt, fie würde mich unausſprechlich glücklich 
gemacht haben, wenn fie mich auch nur wenige Stunden in bie 
Näpe von Ew. Ercellenz geführt hätte; — benn mit inniger 
Hochachtung und mit treuem Herzen hänge ih an Denenfelben, 
dem ich alles zu banken habe, was ich bin.“ . . Nah Dar- 
ſtellung der Eivilverwaltung fährt er fort: „Weniger erwünſcht 
ift es bei der Militair-Drganifation gegangen. Weder der 
General= Gouverneur, noch feine Umgebung behielten dabei 
freie Hand. — Die wichtigſten Gegenflände wurden in Weimar 
zwiſchen dem Herzoge, dem General Thielemann und einigen 
Offizieren des Generalſtaabs abgehandelt, und das Generals 
Gouvernement erfuhr blos die Refultate. — Es geſchahen 
große Mißgriffe, faft alle Creaturen Langenau’s wurden zur 
unmittelbaren Umgebung des Herzogs gewählt; zum Beifpiel 
bie Oberſten Zefhwig und Ziegeler, beide hoͤchſt unzuverlaͤſſige 
Menſchen. — Langenau's Serretair Le Maitre wurde Ganzlei- 


553 


Director des Herzogs, — Langenau's Bruder, ein befannter 
Intriguant, Eapitain im Generalftaabe, und fo mehrere. Bei 
der furgen Anmwefenheit des Herzogs von Weimar in Dresden 
bot ich alles auf, diefe in möglichen Fällen Höchft verberblichen 
Wahlen zu zerflören. Es gelang mir indeß durch den General 
Bollzogen nur mit dem Gecretair Le Maitre und dem Haupt« 
mann Langenau, welche der Herzog fofort ausſtreichen Tieß. 

Ohne dieſes hat man noch in Weimar die Landwehr Re- 
gimenterweife unter die Brigaden der Linien-Armee vertheilt, 
eine Miſchung, bie bei Batailen und einzelnen Kriege-Dpera- 
tionen Gründe vor fih hat, von einem höheren Standpunkte 
betradptet aber Nachtheile mit fich führet, bie im gegenwärtigen 
Falle ſchwerlich die Bortheile biefer Marime aufwiegen wer—⸗ 
den. — Die Linientruppen mit ihren Anführern find moraliſch 
verborbene Söldner, gewohnt einen Staat im Staate zu bil- 
den, — dem zufiellend, der am beflen zahlt; im Kalle eines 
Zwiefpalts unter den Alliirten bei dem Kronpringen von Schwer 
den in fehr üblen. Händen. 

Der Herzog von Weimar würde aus vielen Gründen bie 
Sade zu halten nicht vermögenb ſeyn, und ſchwer würde man 
die Saͤchſiſche Armee die ächt Deutſche Partei ergreifen fehen. — 
Man muß aus diefen Gründen wünfden, daß Thielemann 
wenigſtens nicht entfernt werbe, weil er doch no zur Führung 
den Borzug vor allen übrigen verbient. Ich hoffe. zu Gott, 
daß er den Ereigniffen eine Wendung geben wird, bie mögliche 
Verſuchungen ausſchließt; ih baue auf den feen Deutſchen 
Sinn und die Weispeit von Ew. Excellenz, bie und einem 
gemeinfcpaftlichen Deutfchen Verein näher führen wird, und 
wären es nur einige Schritte, — wären ed nur bie Tragen 
auf den unfere jegt Friegerifch und frei gebildete Jugend einft 
bis zur Vollendung fortbauen fann. — Es iſt der einzige 


554 


Zwed, der werth ift für ihn gelebt zu haben, und werth ift 
für ihn zu flerben. 

Die freiwillige Schaar deren Drganifation mir Ew. Excel⸗ 
lenz aufteugen, ift nun big zu zwei Drittpeifen auf dem Marſche, 
der Geiſt, der fie beſeelt if vortrefflich, für diefe glaube ich 
leben zu fönnen. 

Aber die Kormirung war unglaublihen Schwierigkeiten 
unterworfen; bean nicht alle Autoritäten, mit denen ich zu thun 
hatte, wußten ihr perfönliches Intereffe, ihre egoiſtiſche Ambition 
von einem großen Zwed zu trennen, ber mit reinem Gemüth 
und ohne Rüdficht auf die eigene Perfon verfolgt werden mußte. 
Es würde möglich gewefen feyn, 400 Mann noch vor Weih- 
nachten des verfloffenen Jahres marſchiren zu laſſen, fie waren 
vollfommen fertig. Aber dann wäre die Abficht, eine eigene 
Legion zu bilden nicht erreicht worden, und zu ben fpäter for- 
mirten Abtheilungen würden bie Unteroffiziere gefehlt haben, 
die man aus fener früher gebilbeten Klaſſe nehmen mußte. 

Der Ueberbringer dieſes ift mein Adjudant der Graf Bofe, 
ehemals Zuftizrath, ein junger Mann von vortvefflihem Cha- 
racter, von Kemtniffen und reiner Deutfher Gefinnung, ich 
empfehle ihn ber Gnade Ew. Excellenz. 

Das Bewußtfein von Ew. Ercellenz gewiß gefannt zu feyn, 
überpebt mich aller Verficherungen treuer Anhänglichfeit, bie ich 
noch hinzufügen Fönnte.” 


Bom Niederrhein erfchollen vielfache Klagen über das 
Heer des Kronprinzen von Schweden, ber nad dem Friedens— 
abſchluß mit Dänemark mit größter Langſamkeit gegen Lüttich 
308, der Bewaffnung bes linken Rheinufers Hinderniffe in den 
Weg legte, und fatt feinen Verpflichtungen gemäß vorzugehen, 
unthätig leben blieb. Der Geheimerath Sad, welcher jegt bie 


555 


Berwaltung des Niederrhein übernommen hatte, berichtete 
darüber an Stein: 


„Wachen den 10ten März 1814... Mit welchen Empfin« 
dungen ich die Länder dieſſeits der Elbe und befonbers bie 
braven Wefphälinger wieder gefehen habe, nachdem fie nun 
wieber ihres Lebens froh werden fönnen und ihr voriges Glück 
zu erlangen die Hoffnung haben, können Sie am beften er= 
meſſen, da Sie meine Gefinnungen lennen. Weberall unterwegs 
habe ih den Geiſt vortrefflih, aber die fo nöthige Thätigfeit 
zur baldigften fräftigfen Theilnahme an ber großen Sade 
der Menfchheit, wahrlih nur in ben ehemaligen Preußiſchen 
Provinzen und im Bergifchen gefunden. Im Hannoverſchen 
ſchlaft man ganz, eingelullt durch die erbärmlidhen alten Ma- 
nieren und Formen, unter die man bas Land wieber geftellt 
bat, und umverholen fagt man bort, daß man bie Kaftanien 
lieber durch andere aus dem Feuer holen laſſe: Ein Fräftiges 
Erweden aus diefem Schlafe würde fehr wünfhenswerth feyn. 
Der Herzog von Braunfepweig iR zwar thätiger und hat ſchon 
Vieles formirt, aber er ſcheint an Heinen Dingen zu kleben und 
durch das dem bisherigen Minifterium entzogene Vertrauen, 
was bafielbe bei dem Bolfe hatte, von Neuem bie Korifchritte 
feiner Militair - Formation zu hemmen, wie ich ihm auch freis 
müthig eröffnet habe. 

Ueberall unterwegs fand ich Truppen von der Armee bes 
Kronprinzen von Schweden, aber auch überall Taute Unzufrie- 
denheit über ben Tangfamen Gang derfelben und den Verdacht, 
daß biefes unlautere Gründe habe. Hier hat nun Alles diejes 
anrüdende Mititair vollends Befehl zum Haltmachen befommen, 
woburd dieſes Land in großen Drud geräth und Requifitionen 
aller Art veranlaßt werben. 


556 


Ew. Excellenz wiederhole ih meinen gefühlteften Danf 
dafür, dap wenn ich bier gebraucht werben follte, Sie mir 
dieſes Gouvernement anvertraut haben, ba ih ben Nieder— 
laͤndiſchen Character achte und das Land fo ſchön und gewerb⸗ 
reich ift. Ich habe von der Seite das Bolf gefaßt, und ich 
boffe es fol mir gelingen, fein Vertrauen ganz zu erlangen 
und Gutes für die große Sache der Menſchheit und für baffelbe 
zu wirfen. Ich bin fehr gut empfangen und habe die Befannt- 
machung meiner Anfunft in jenem Sinn fo eben in bie Druderei 
gegeben wovon ich zur geſchwinden Einficht Abſchrift beifege. 
Zur gefhwinden Drientirung und zur Uebereinfimmung mit 
den Grundfägen der Verwaltung bes Mittelrhein- Gouverne- 
ments hat es fehr viel beigetragen, daß Sie die Güte gehabt 
haben meinen Bruder herzufgiden. Er geht nun morgen glei 
wieber nach Trier zurüd, wie ed Herr Gruner wuͤnſcht. Da— 
durch und burd bie unterwegs in Düffeldorf, Eöln ıc. ein= 
gezogenen Notizen bin ich ſchon fo orientirt, daß ich gleich 
in Allem fortſchreiten ann, und bald Ew. Excellenz einen 
vollſtaͤndigen officiellen Bericht zu erflatten gebenfe, Sehr er- 
freulid würde es mir fepn, wenn Sie mir von den dortigen 
Ereigniffen baldigſt Mittheilung machen laſſen wollten, da bie 
öffentliche Meinung hier noch, teils durch die Nähe des Kriege- 
fhauplages, theild durch den Tangen Drud fleinmäthig ift und 
gehoben werben muß, weshalb ich gleich für ein Nieberrheinifcpes 
Wochenblatt forge, das ſchon am 15ten hier erſcheinen wird 
und das Ew. Ercellenz regelmäßig überfandt werden fol.” 


„Befanntmadung 
an bie Bewohner bes General-Gouvernements vom 
Niederrhein. 
Durch das Vertrauen der hohen verbündeten Mächte zum 
©eneral-Öouverneur vom Niederrhein berufen, habe ich meine 


557 


Stelle als Civil» Gouverneur des Landes zwiſchen ber Eibe 
und der Dber verlaffen, und bin hieher in mein erfled Baters 
Iand geeilt, dem ich meine Geburt, meine erfte Bildung, und 
meine frühere Wirkfamfeit verbanfe. 

Welche Empfindungen mic ergreifen, daß ih Euch brave 
Bewohner bed General Gouvernements vom Niederrhein bes 
freit finde, von dem lange getragenen Joch eines fremden 
gemüthslofen Beherrſchers, daß die Morgenröthe des fehönen 
"Tages Euch aufgegangen ift, welcher das vorige Glück, und 
den hohen Wohlſtand dieſer Laͤnder wieder herbeiführen wird; 
daß ich mitwirken fol, um bie für Euch errungenen heifigften 
Güter des Lebens, Religion, Selbftändigfeit, Freiheit und Ehre 
zu erhalten und zu befeftigen — das vermag ich nicht aus- 
zubrüden, aber wohl fann ih Euch die Verfiherung wieder⸗ 
holen, daß ich der Hohen verbündeten Mächte und Eurem 
Vertrauen zu entſprechen, aus aller meiner Kraft bemüht 
ſeyn werbe. 

Kommt denn mit vollem Vertrauen mir entgegen, unter⸗ 
fügt mich in meinen Bemühungen, und erndiet bereinft glüdtih 
den Lohn aller der Anftrengungen bie noch erforderlich ſeyn 
möchten, um dieſe glüdfiche ehrenvolle Zukunft zu erreichen 
und zu verdienen. 

Das General» Gouvernement hat feinen Si hier in der 
alten, einft fo berühmten Deutſchen Reichs- und Krönungsflabt 
genommen. Es wird alle Eivil- und Militair-Angelegenheiten 
von num an in oberfler Behörde verforgen; unverzäglich werbe 
ich die Gouvernements⸗Commiſſairs und Kreis = Directoren 
öffentlich befannt machen. Nur ihnen allein ift Folge und Ge— 
horſam zu Teiften; alle einſtweilen ernannte Behörden und deren 
Anorbuungen hören dann auf. 

Ich felbR werde auf Recht und Sicherheit, Wahrheit uud 
Srbanng, als bie Grundfeſten Deutfher Berfaffung und eines 


558 


Dentfgen Bolfs, ſtreng und redlich Halten, mb fräftigk allem 
dem entgegenwirfen, was Berrätherei oder böfer Wille noch in 
ihren feßten Schlupfwinfeln dagegen aufftellen möchten. Jeden 
werde ich fhriftlih, und, wenn er es begehrt, mündlich hören, 
und wenn biefes nicht wegen ber Gefahr im Berzuge fofort 
nöthig IR, täglich von 11 bis 1 Uhr, die Gonn- und Arif- 
lichen Feſttage allein ausgenommen, für Jedermann, hoch ober 
niedrig, ſelbſt zu ſprechen ſeyn. Auch daburd möge ſich das 
‚ fhöne Band wieder befeſtigen, was durch ben ſchnoden Hohn ber 
fremden Unterdrüder fo Tange zerriffen war, was ben Deutfchen 
an den Deutfchen Fettet, und ihn’ unüberwindlih macht. 
Reichsſtadt Aachen den 10ten März 1814. 
Sad, 
General-Gonverneur des Niederrheins, Königl. Preuß. 
Geheimer Staatsraih, Chef des Departements für Ge⸗ 
werbe und Handel, Ritter des rothen Adlerordens.“ 


Jetzt ſchien der Augendlid gekommen, um au für die 
Deutſchen Angelegenheiten einen vorbereitenden Schrin 
zu than. Zu Rangres und nun in Chaumont war beflimmt 
worden, daß Deutfgland durch eine Bunbesverfaffung vereinigt 
werben ſolle. Diefen Gedanken entwidelte Stein in einer Denf- 
ſchrift, welche er am 10ten März dem’ Staatscanzler Harben- 
berg und dem Grafen Münfter, am Iiten dem Kaiſer Merander 
übergab. Er ging darin von dem Zuftande Deutſchlands, wie 
er noch vor kurzem unmittelbar vor Napoleons Eingriffen und 
dem Rüneviller Frieden beftanden Hatte, aus, erfehte das was 
nit wiederhergeftellt werben fonnte, ober einer Verbeſſerung 
bedurfte, durch Einrichtungen welche auf dem alten Rechte des 
Landes und jebes einzelnen Deutſchen beruhen follten, und ver= 
ſuchte fo, mit Beſeiligung des eingeriffenen Despotismns, die 
Rechte und den Beftand des Ganzen, der einzelnen Härten und 


559 


der Unterthanen mit einander zu vereinigen. Sein Vorſchlag 
enthielt die Zufiherung gewiſſer Rechte für den Einzelnen, die 
Errichtung von Landfländen in jebem Gebiet, und für das 
Ganze einer berathenden und befliegenden Bundesverfammlung 
mit einem Directorium an der Spige. 

„Die Staaten Deutſchlands, fagt er, find verbunden ſich 
den Beftimmungen ihrer Souverainetät welche bie Berfaffung 
erforbern wird zu unterwerfen, weil fie zum Theil diefe Ber- 
pflichtung in ihren Zulafjungsverträgen eingegangen find, ober 
die verbundeten Mächte doch nur unter dieſer Bedingung ihr 
politiſches Dafeyn gewähren werben." 

Statt des Kaiſers und der oberfien Reichsverwaltung, 
deren Wiederherſtellung weder als Wahl» noch als erblicher 
Behörbe thunlich erſchien, befonders feitbem Defterreich in dieſem 
Feldzuge die Sache ber Unterthanenrechte ganz aufgegeben hatte 
und das in voller Kraft feines Bolfes entwidelte Preußen fi 
weber zu ſolchen Grundſaͤtzen befennen noch der fie ausübenden 
Macht unterorbnen fonnte, — flug Stein die Bildung einer 
oberften leitenden, erhaltenden, ausführenden Behörde, eines 
Directoriums vor; biefes follte um Fräftiger Handlung und 
Erhaltung ber Drbnung gewachfen zu feyn, aus den mächtigften 
Staaten gebildet werben, Defterreih, Preußen, Baiern, Han- 
nover. Es follte den Bundestag leiten, bie von demſelben 
gegebenen Gefege ausführen, bie Verfaflung und Rechtspflege, 
die auswärtigen Berhättniffe, fo wie die ber einzelnen Deutfchen 
Staaten und ber Fürften und Unterthanen zu einander beanf- 
fihtigen, und das Recht Krieg und Frieden zu ſchließen mit 
allen daraus hervorgehenden Folgen befigen. Das Directorium 
meinte er, forget durch Mufterungen u. f. w. für Aufrechthaltung 
der getroffenen Sriegseinrihtungen, fo wie für die Graͤnz⸗ 
feftungen. 

Zu feiner Verfügung ſtehen bie Rheinoctroy, bie längs der 


560 


ganzen Bränze gegen das Ausland und an den Meeresfüflen 
einzurichtenden Zölle, fo wie bie durd den Bundestag außer- 
ordentlich anzuweiſenden Auflagen. Alle Binnenzölfe und Ein- 
fuhrverbote eines Deutſchen Staats gegen andere werben auf- 
gehoben. 

Die Bundesverfammlung befteht and Abgeordneten 
der Fürften und der Hanfefläbte, denen man Abgeordnete ber 
Provincialftände hinzugefügt, um eine gleichere Vertretung zu 
haben. Diefe Abgeordneten haben feinen diplomatiſchen Eha- 
racter, fie find nicht Geſchaͤftsführer, und werben fährlih zu Y, 
alle 5 Jahre erneuert. 

Der Bundestag if jährlih nur ſechs Wochen lang ver- 
fammelt; vor ihn gehören die Bundesgefeggebung, die Auflagen 
für Bundeszwede, die Entſcheidung ber Streitigkeiten zwiſchen 
einzelnen Bundesgliedern und zwiſchen Yürften und Unter 
thanen. Der Bundestag ernennt einen Ausſchuß um fie zu 
entſcheiden, und bie Ausführung zu beforgen. Die in Deutfch- 
land gegründeten Kriegseinrichtungen, bie fehgefegte Zahl der 
Linientruppen, die Landwehr, der Landſturm werben beibehalten, 
mit Rüdficht auf die Beflimmungen welche der Friedenszuſtand 
erfordert. . 

In jedem Bundesſtaat werden Tandflände gebildet, die 
ſich jährlich verfammeln um über bie Sandesgefege und die für 
die Verwaltung nöthigen Steuern zu flimmen. Die Domainen 
werben für den Unterhalt bes Fürftlihen Haufes, die Abgaben 
für die erwähnten Zwede verwendet. Die mebdiatifirten Fürften, . 
Grafen, Reichsritterſchaft gehören zu den Ständen, und erhalten 
die Rechte von Standesherren. 

Jeder Deutfhe fann nur dur feine natürlichen Richter 
verurtheift werden, und nicht länger als 48 Stunden verhaftet 
fegn ohne ihnen vorgeftellt zu werben, damit fie über die Ur— 
ſachen feiner Verhaftung entſcheiden. 


561 


Jedermann bat das Recht auszuwandern, in jedem Deut- 
ſchen Lande nad) feiner Wahl Civil- ober Kriegsbienfte zu neh⸗ 
men. Jedem einzelnen und jeber Koͤrperſchaft ſteht das Recht 
zu, ihre Beſchwerden gegen bie Behörden bruden zu laſſen. 

Das Eigenthum der wiſſenſchaftlichen und Kunftwerfe wird 
ihren Berfaffern gewährt; die Nachbildung verboten und beſtraft.“ 

Um eine auf diefen Grundlagen beruhende Berfaffung für 
den Deutfhen Bund auszuarbeiten, flug Stein die Ernen- 
nung einer Commiffion vor: Humboldt, Graf Solms - Laubach, 
v. Rademacher, Referendar in Deutfhen Sachen, ober Krei- 
herrn v. Spiegel welder damit vollfommen befannt fey. 

Wenn ber Plan fertig, mögten die Mächte die Abgeorb- 
neten der Deutfchen Fürſten berufen um die Bunbesarte zu 
unterzeichnen: worauf dann das Directorium ihn ausführen 
und die Bundesverfammlung berufen werbe, 


Der Borzug eines auf folhen Grundlagen ruhenden Ger 
bäubes vor derjenigen Verfaffung welche die Wiener Bundes- 
und bie Schlußacte mit ihren Folgen gegeben haben, bebarf 
feines Beweifes. Gerechtigkeit und Frieden, die letzten Zwece 
des Staats, fonnten unter einer Form der Verfaflung mit Er- 
folg gefihert werden, welche auf dem Grunde uralten unver- 
jährbaren Rechts, dem Cinzelnen feine durch blutigen Kampf 
gegen den Landesfeind wiedererworbene Freiheit, und eine 
Theilnahme an dem großen Ganzen gewährte, die zugleich 
biefem die Unterftägung bes ganzen Volks fierte. Die Mittel 
der Rechtsverfolgung bis zur höchſten Gerichtsſtelle und ſelbſt 
gegen ben Landesherrn, und der Fürften gegen einander, er- 
fegten die alten Reichsgerichte. Die Bildung von Lanbfänden 
in jedem Gebiet und deren Beratbung über Gefeggebung und 
Steuern, gleichfalls ein altes Deutſches Recht, konnte zwar den 
ehemaligen Rheinbundfürften höchſt mwiberwärtig feyn, ba fle 

Stein’s Leben. II. 2te Aufl. 36 


562 


dur Abfhaffung und Vernichtung jedes gefeplihen Wider- 
ſtandsmittels ihre Untertpanen gerade eben fo zu Knechten ge- 
macht hatten, wie fie felbft zu Napoleons Knechten erniedrigt 
waren; aber diefer Zuſtand der Rechtloſigkeit war durch bie 
Aufhebung des Rheinbundes gebrochen, und die Beitrittsur- 
. kunden enthielten bie ausbrüdtiche Verpflichtung fih die notp- 
wendigen Befchränfungen der Landeshoheit gefallen zu laſſen. 
Die Zutheilung der Domainen an bie Fürftlen war infofern 
eine Abweihung von dem alten und urfunblihen Rechte, ale 
nad diefem die Domainen nicht nur zu Beftreitung der Koften 
des Landesherrlihen Hofes fondern auch der Regierung dienen, 
und nur wenn fie dazu erweislich nicht ausreichen Steuerzufchüffe 
vom Lande gefordert werben fünnen; es ift daher buch Nicht» 
aufnahme dieſes Vorſchlags in die fpäteren Landesverfaflungen 
das alte den Fürften und dem Lande glei vortheilhafte Recht 
erhalten worden. Einheit des Zollweſens und Aufhebung der 
Binnengölle ift leider noch jegt, ein Menfchenalter fpäter, nicht 
völlig erreiht — damals wäre es durch einen Federſtrich zu 
bewirken gewefen; fein Einfluß des Auslandes, Fein angeblicher 
Bortheil des Einzelnen, fein Neid, Rand damals der Ausfüh- 
zung entgegen. Aufnahme von Abgeordneten der Landfände in 
die Bundesverfammlung wäre für die Erhaltung bes Rechts, 
und dadurch für Hebung eines fräftigen Nationalgefühle, von 
der größten Wichtigkeit gewefen, und die großen Mächte wür- 
den baburd der Welt das Schaufpiel der Scenen in Stuit- 
gard, Caſſel, Braunfchweig, Hannover, der Selbſthulfe der 
verlaffenen und von oben aufgegebenen Völker, das vernichtende 
Bewußtſeyn opmmächtiger Ergebung in den Zafobinismus auf 
Tpronen und in Hütten, und das ſchauderhafte Bild der Ent- 
ſutlichung und Auflöfung Deutſchlands erfpart haben. Der Ge . 
banfe einer folhen Einrihtung war um fo weniger unnatüre 
lich, als die Rheinbundfürften zum Theil mächtigere aber beffer 


583 


gefinnte Deutfhe Fürften Grafen und Herren gewaltſam unter- 
drüdt hatten, welche ohne Eprverlegung der fürflihen Gefand- 
ten neben biefen in ber Bundesverfammlung figen” durften. 
Oder wäre es für den Lichtenſteinſchen Gefandten eine Unehre 
gewefen, neben dem Fürften von Fürftenberg oder Hohenlohe, 
dem Lübedfchen neben dem von Nürnberg oder Berlin, dem 
Gefandten von Frankfurt neben Herrn vom Stein zu figen, 
dem feine Stadt bie Freiheit und das Recht der Theilnahme 
am Bundestage verbanfte? 


An demfelben Tage wo Stein die Grundzüge einer Deut- 
fen Berfaflung mittheilte, beantwortete er im Auftrage des 
Kaifers die vertrauliche Botſchaft des Prinzen Regentn. Er 
ſchilderte dem Grafen Lieven die Abfichten Alexanders und den 
Gang des Krieges, und beſchloß dieſe ausführlihe Erzählung 
mit folgenden Bemerkungen: 

Was die fünftige Leitung der allgemeinen Geſchaͤfte ber 
teifft, und die Mittel welche am ſicherſten einen glädlihen Er- 
folg herbeiführen fönnen, fo ift ber Kaiſer entſchloſſen in dieſem 
Geif die Feſtigkeit und zugleich der Verföhnlickeit zu beharren, 
welcher bisher fo viel Gutes hervorgebracht ober fo viel Unglüd 
verhindert hat. Die Dazwiſchenkunft Seiner K. H. des Prinz- 
Negenten, durch deffen Regierung und Minifter unterftügt, fann 
in diefer Hinſicht nur von ben wohlthätigften Wirkungen feyn. 
Des Kaiſers Mafeftät hat das lebhafteſte Gefühl für die Ber 
weife des Bertrauens und der Freundſchaft welche Seine K. H. 
ihm durch die offene Erflärung über Ihre politiſchen Anfihten 
hat geben wollen. Eine treue Erzählung der Ereigniffe und 
die aufrichtige Darlegung der Plane des Kaiſers wurden’ für 
die befte Probe der Erwiederung von feiner Selte gehalten. 
Der Kaiſer wunſcht daß biefe Erzählung vollſtaͤndig Seiner 
K. H. mitgetheilt werde, um dem Regenten einen richtigen und 

" 36 * 


564 


genauen Begriff des Geiſtes zu geben, welcher feine Schrüte 
geleitet, und die Hinderniffe welche den Erfolg bisher verhin- 
dert Haben. „Geine Kaiſerliche Dajekät ſchreiben fie vorzüg- 
lich dem Deſterreichiſchen Cabinet zu, und fönnen nur ihr 
Bedauern baräber ausbrüden, daß Lorb Cafflereagh demfelben 
nicht mehr Thätigleit und Kraft einzuflößen gefucht hat. Zudem 
er in bie frieblichenden Abfichten dieſes Hofes einging, hat er 
denfelben in gewiſſem Maaße aufgemuntert die kriegeriſchen 
Unternehmungen nicht zu verfolgen. Da feine Meinung wefent- 
lich vorwog, fo gelang es ihr auch Preußen nach fid zu ziehen, 
und das hat bie traurigen Erfolge herbeigeführt welche ber 
Kaiſer beweinen zu müffen glaubt. Seine K. Majekät hat 
davon einen unmwiderleglichen Beweis erhalten durch das Refcript 
worin Kaifer Franz dem Fürſten Schwarzenberg den liebergang 
über bie Seine bei Rogent verbot, und welches dem Kaifer erſt 
bei der Rüdtehr bei Troyes mitgetheilt worden iſt.“ 


Alerandere Plan die Entfheidung in Paris zu fuchen, 
dort bie wahre Meinung des Franzoͤſiſchen Volls mittel des 
gefeggebenden Körpers zu vernehmen und fi demgemäß au 
entfeheiden, war durch ben ganzen Feldzug unverändert geblieben ; 
nur fhwanfte er hinſichtlich der Thronfolge, hegte eine Abnei- 
gung gegen die Bourbons, und neigte fi zu dem Gebanfen 
dem König von Rom unter Regentfchaft feiner Mutter und bes 
Kronpringen von Schweden bie Krone zu übertragen. Die 
Bourbon hatten dur Ludwigs XVII Erklärung von Hartwell 
im Januar ipre Anfprüche auf den Franzöfifhen Thron wieder 
dargelegt; ber Herzog von Angouleme befand fih bei dem 
Engtifhen Heere in Sübfranfrei und ließ bie weiße Eocarde 
auffteden, ber Herzog von Berry wartete auf Jerſey am ber 
Franzoſiſchen Kuſte auf eine günftige Gelegenheit zum Landen, 
und Ende Januars war aud der Graf v. Artois in Veſoul 


. 565 


bei dem großen Heere eingetroffen. Er ward von den Ein- 
wohnern und den Verbündeten fehr kalt aufgenommen; letztere 
fahen ihn als ein Hinderniß bes Friedens an. Man wollte 
ihm die Ergreifung entſcheidender Maßregeln nicht erlauben; 
er lebte alfo fehr eingezogen, und ſchidte den Grafen Franz 
Escars ind Hauptquartier nad Troyes. Stein unterflügte bei 
alfer Gelegenheit feine Sache; er achtete die Wiedereinfegung 
der Bourbons als eine Wirkung des ihnen angeflammten und 
auf Feine gültige Weife verloren gegangenen Rechts auf den 
Franzoͤſiſchen Thron, das unter allen Berhältniffen zu beachten 
fey; und hielt alle anderen Auswege, einer neuen Dynaflie, 
da kein hochhervorragender Mann vorhanden war um fie zu 
gründen, ober einer Regentfcpaft Marie Louiſens mit Beiorb- 
nung von Bernadotte als Bormund, wegen ber Gefahr einer 
langen DMinderjäprigfeit und des Mangeld an Achtung und 
Bertrauen für Bernadotte, für durchaus verwerflich. 


Dreizehnter Abfdnitt 
Der Zug nah Paris. 





Diagers entſchloſſener Marſch von der Aube gegen bie Marne 
warb mit gleicher Borficht und Raſchheit ausgeführt. Die ver- 
bündeten Zürfen legten das Loos bes Krieges in feine Hände; 
das Schleſiſche und Böhmifhe Heer wechſelten ihre Rollen; 
nun war ihm bie Aufgabe anvertraut, welche bei Eröffnung 
des Feldzuges von 1813 das große Heer übernehmen follte, 
und biefes in die ihm damals zugetheilte der Verteidigung 
zurüdgetreten. Er gewann einen Borfprung von drei Tagen, 
drängte bie vor ihm fliehenden Marfchälle bis Meaur, und zog 
fih vor dem nadeilenden Napoleon zur Bereinigung mit den 
Corps von Bülow und Winzingerode an bie Aisne. Sadens 
und Woronzows heldenmüthiger Widerſtand bei Eraonne am 
Tien, und Blüchers großer Sieg bei Laon am Iten und 10ten 
März koſteten Napoleon 20,000 Mann; nur Blühers Kranf- 
heit vettete das Franzoͤſiſche Heer vor der Aufreibung, da 
Gneifenau nit die Berantwortlichfeit übernehmen konnte für 
DMaßregeln, denen Blücher beizufimmen durch feinen Körper- 
zuſtand verhindert war, Der Befehl in jener ganzen Zeit bie 
sum Einzuge in Paris war bei Gneifenau, aber unter Blüchers 


567 


Namen; ber Feldherr als die Seele des Heers warb im Wagen 
geführt, und es Foftete Mühe den Argwohn ber Corpsbefehls— 
haber Sadens, Yords abzuleiten, wenn ihnen in dem Drange 
des Gefechte des Feldherrn Befehle von ganz anderer Seite 
. Überbradt wurden als wo fie befien Wagen fahen. Man er- 

zaͤhlt ſelbſt, Yord habe gegen Kleiſt geäußert, Blucher leide 
wieder an feinem alten Uebel, man folle Gneifenau nicht ger 
horchen fondern den Prinzen Wilhelm zum Feldherrn verlangen, 
— ohne zu bedenken, daß bei Blüders Abgang der Oberbefehl 
an ben älteRen General, Langeron, fallen mußte. So wur- 
den bie Thaͤttraft und die Erfolge des flegreihen Heeres 
gelaͤhmt. 

Napoleon benutzte die ihm gelaſſene Zeit, um in Soiſſons 
ſein Heer zu ſammeln, trennte durch den Ueberfall von Rheims 
für den Augenblick die Verbindung der feindlichen Heere, und 
wagte fobann einen Verſuch gegen die rechte Seite des großen 
Heeres. Als dieſes ihm bei Arcis an der Aube am 20fen und 
2iften März mit Erfolg entgegengetreien, Lyon von den Defter- 
reichern, Borbeaur von ben Engländern genommen und in biefer 
Stadt die weiße Fahne aufgeſtedt war, faßte er den verzwei⸗ 
felten Entſchluß fi mit dem größten Theil feiner Macht in 
den Räden und auf die Verbindungen der Verbündeten zu 
werfen, den in Folge der Kriegesnoth ausgebrochenen Vollskrieg 
zu voller Glut auzufachen, und bie Verbündeten fi nad von 
Paris abzuziehen. Sein Brief worin er dieſen Entſchluß der 
Kaiſerin anzeigte, fiel Oſcharofskys Truppen in die Hände, Auf 
die Kunde dieſes Zuges entſchieden Alexander, Friedrich Wilhelm 
und ber große Kriegsrath am 23ſten und 24ſten März den Zug 
nah Paris; eine große Reitermaſſe unter Winzingerode follte 
Napoleon folgen unb ihn im Glauben an bie Umkehr ber Heere 
erhalten, welche dadurch einen bebeutenden Borfprung gegen 
Paris gewannen; das diplomatiſche Hauptquartier bei dem ſich 


568 


der Kaifer Franz und Metternich, au Stein, Münſter befau— 
den, mußte in großer Eile nur von Blanfenfein- Hufaren 
geleitet nad Chatillon und Difon gegen das Deſterreichiſche 
Südpeer zurüdgehen unb verlor damit feinen betäubenden und 
lähmenden Einfluß auf die Kriegsentſcheidung. 

Stein fah auf ber Stelle die Wichtigkeit diefer Schidfale- 
wendung und bejeugte darüber feine Freude. Als das biplo- 
matiſche Hauptquartier zu Bar um ein Upr Nachts zum fihleu- 
nigften Aufbruch gewedt ward, Tief Turgenieff in großer Eile 
zu Stein, ben er wegen ber Trennung vom Kaiſer Alerander 
in größter Unzufriebenheit zu treffen erwartete. Wie erflaunte 
er, als er Stein ganz angefleidet und mit freubeftraplendem 
Geſichte fand. Turgenieff fragte, was ihn fo heiter made? 
Stein erwieberte: „Wie? Es if das Glüdlihfle was und be⸗ 
gegnen fonnte. Der Raifer, von Metternich unb ben Defler- 
reichern los, wird nad Paris gehen, frei handeln fönnen;z 
er wird handeln, und Alles beendigt ſeyn '," 

Am 2Iften März von Bar fur Aube auf Ehatillon gezogen, 
traf Stein am 25ften in Difon ein. Das Hauptquartier hatte 
bei dem Wechſel ausnehmend gewonnen. Statt der vermüfteten 
ausgezehrten und im Aufftand begriffenen Champagne, fand 
man fih in einem wohlhabenden Lande, welches der Krieg bis 
dahin faft verfhont Hatte; die Wohnungen, die Zugthiere gut, 
bie Einwohner zuvorfommend und verbindlich; Dijon ſelbſt eine 
große wohlhabende Stadt mit vielen guten Gebäuden. Die 
Stimmung faft der ganzen Bevölferung für Ruhe und Frieden; 
man erwartete biefe von ben Bourbond. „Napoleon, fepreibt 
Stein '°, wird nicht dazu gelangen den Bolfsfrieg zu bilden, 
da er verabſcheuet wird, faft die ganze Bevölferung Frankreichs 
Ruhe verlangt, und fie nur von ber Rüdfchr der Bourbons 
erwartet. Die Mächte werben ſich endlih zu ihren Gunften 
ausfprehen, und ben Franzoſen einen Gegenfand für ihre 


569 


Thpeilnahme, eine Entihädigung für ihre Leiden und eine Be— 
fHäftigung für ihre Thaͤtigkeit barbieten. Graf Artois warb 
nad Alopäus Briefen am 1Yten zu Nancy erwartet. Alopäus 
ift Oonverneur der Departements Meurthe, Mofel, Maas, er 
iſt außerordentlich beliebt, und ich bin mit ihm ganz vorzüglich 
zufrieden.“ 

Bald darauf meldete Alopaͤus aus Nanzig das Ein— 
treffen des Grafen von Artois, deſſen Zufriedenheit mit ſeinem 
Empfange und dem Aufenthalt in Nanzig, und ſandte einen 
von bemfelben verfaßten Aufruf, deſſen Bekanntmachung er 
den Prinzen bis zum Eintritt weiterer Entfepeibung zu ver⸗ 
ſchieben beſtimmt habe. Alopäus bemerkte ferner, daß befon= 
ders bie Eröffnung des Ehatilloner Congreſſes bie Franzoſen 
ſchwanlend gemacht habe; Menſchen die fhon ein ober zweimal 
Opfer der Revolution gewefen feyen, würden bei folhen Be— 
trachtungen nicht zu blinder Begeifterung geführt werden; aber 
fobald einmal die Verbündeten fi für die Bourbons erklärten, 
werde ſich faft ganz Frankreich mit ihnen vereinigen, leineswegs 
aus Anhängligfeit an die Bourbons, fondern weil das Bolt 
Bonaparte's und bed Krieges müde fey; mit einem ſolchen 
Talisman erbiete er fi, Stein vier oder fünf Feſtungen allein 
in feinem Gouvernement zu überliefern. Uebrigens griff Alopäus 
der Entſcheidung der Mächte nicht vor; er hatte zwar ben 
Prinzen als Sprößling eines alten Königshaufes empfangen, 
aber das Aufſtecken der weißen Kofarde nicht gefattet, über- 
haupt feine Anerfennung ber Bourbonifhen Rechte ausgeſprochen, 
aber bem Prinzen ben Rath ertheilt, fih durch eine Zuficherung 
für die Befiger der Nationalgüter in feinem Aufruf, eine große 
Partei zu fihern. 

Stein theilte dieſe wichtigen Nachrichten dem Staatscanzler 
Hardenberg mit, und gab nach gemeinfamem Befchluffe Alopäus 
folgenden Befehl: 


570 


„Dijon den often März 1814. Nahdem ih mit den 
bei diefer Sache beiheiligten Perfonen übereingefommen bin, 
ann ih Ew. Ercellenz fehr befiimmt antworten. Die Mächte 
find entſchieden die Bourbons zu begünfigen; fie fommen mit 
ihnen über die Grundfäge des Aufrufs überein, welchen Sie 
durch alle zu Ihrer Verfügung ſtehenden Mittel fo 
viel als mögli verbreiten Taffen werden; Sie find 
ermädtigt, nit allein zu geftatten Daß man bie weiße 
Kokarde aufſteckt, fondern ſelbſt daß man ein Fran— 
söfifhes Hauptquartier und bewaffnete Corps bil: 
det; Sie können für diefen Zwed einen Borfhuß von 
200,000 Francs machen und fie in die Königliche Kriege- 
Kaffe zahlen. Es if fehr glüdlich, daß diefer abſcheuliche Eon- 
greß zu Ehatillon gebrochen, daß man zu den wahren Grund: 
fügen zurüdgeleprt it, und den Tyrannen zu Boden ſchlagen 
will. Berfuhen Sie jegt Ihre Unterhandlungen über bie 
Feſtungen einzuleiten, die ben Bourbons übergeben werden 
wmäffen; und biefe müffen verfuchen die verfammelten Bauern- 
haufen für ihren und Frankreichs Vortheil uüglih zu machen. 
Gott wird unfere Sade feguen, da wir der Gerechtigkeit und 
Sittlichleit huldigen. Bezeugen Sie dem Grafen Artois meine 
Shrerbietung, und fagen Sie ihm, wie fehr ich mich glücklich 
fühle, offen und nachdrücklich für feine Sache, die Sade bes 
Rechts und ber Ehre, handeln zu können.“ 


An dem Tage, wo dieſe wichtige Eutſcheidung abging, 
trafen zu Dijon die Herren Mathieu de Montmoreney und 
de Montagnac ein. Sie waren von ben vereinigten Parteien 
der Royaliften und Republifaner Talleyrand und Dalberg 
beauftragt, insgeheim aus Paris gefommen, um fi von dem 
forgfältig verheimlichten Stande der Heere zu unterrichten und 
den Grafen Artois aufzuſuchen. Im Glauben zunähf auf 


571 


Bernadotte zu Roßen, waren fie nicht wenig erflaunt fih an 
der Marne in dem nad Napoleons Nachrichten Tängft vernichtet 
geglaubten Blucherſchen Heere zu finden. Gneifenau '’' feßie fie 
von der Lage der Dinge in Renntniß; fie eilten fodann nad 
Dijon, um Stein und die Minifter der Verbündeten mit ben 
Gefinnungen und Abſichten der Parteien in Paris befannt zu 
machen. 

Stein erhielt am 2dften einen namenlofen Brief: „Ein 
Branzofe der aus Paris fommt, wo Herr vom Stein bewundert 
wird, wänfht von ihm eine geheime Unterredung zu erhalten. 
Er wendet fi vorzugsweife an Herrn v. Stein, weil er ihn 
als den Mann betradptet, der das was in Europa vorgeht aus 
dem erhabenfen und allgemeinften Standpunfte beobachtet hat. 
Indem er für fih von einer Unterredung mit Herm v. Stein 
viel hofft, wird er ihm vieleicht auch den Tribut einiger Auf- 
Märung über den Geift Frankreichs und befonders von Paris 
‚barbringen, der moͤglicherweiſe nicht hinreichend erforſcht iſt, in 
einem Augenblid wo eine unrichtige Wahl fo furchtbare Folgen 
haben kann.“ Der Unbefannte verſprach, Stein die Gründe 
feiner Namensverfhweigung mündlich zu eröffnen. 

Stein nahm die angebotenen Eröffnungen an, und begän- 
Rigte duch Rath und Hülfe die Zwmede ber Sendung nah 
feiner ganzen Ueberzeugung. Er machte die Gefandten mit 
Hardenberg, Metternich und Gaftlerengh bekannt, welche auf 
bie vorgelegten Gebanfen eingingen. Nur. zwei Tage ver= 
weilten die Abgeordneten in Dijon, die Miniſter drangen auf 
deren ſchleunige Rüdtehe nach Paris wo fie in dem entſchei- 
denden Augenblid von großem Nugen feyn fonnten. Montagnac 
eilte daher zurüd, Montmorency follte bie Reife zum Grafen März 29, 
Artois fortfegen: durch Namen, ſittlichen Character und voll 
fommene Kenntniß der Perfonen und Dinge eigne er fih ganz 
vorzäglih den Grafen Artoie zu unterſtützen. Mantagnac 


April 2, 


April 2. 


572 


empfahl ihn Stein, und fügte hinzu: „Es bleibt mir übrig, 
Eurer Excellenz für alle Beweife Ihrer Güte gegen mid zu 
danfen und um deren Erhaltung zu bitten. Ein Mann der 
Preußen und Deutſchland gerettet hat, indem er deren fo fhöne 
Bewegung bewirkte, muß der Befchüger Aller ſeyn, welche Franf- 
reich zu retten und zu bem Frieden Europa’s beizutragen ver⸗ 
ſuchen; unferem Lande bienend, dienen wir der Sache ber 
Europäifen Bildung.“ . 

Aopäus empfing die ihm ertheilten Befehle und verhieß 
feinen größten Eifer für die Ausführung. Er meldete zugleich 
den Inhalt einer Unterredung mit dem Kronprinzen yon 
Schweden, der durch fein langes verdaͤchtiges Zögern allen 
Einfluß bei den Berbündeten verloren hatte, und unerwartet 
am 31ſten März in Nanzig angelommen war um ſich in's große 
Hauptquartier zu begeben. Alopäus machte ihm fogleih feine 
Aufwertung. Der Kronprinz unterhielt ihm lange über ben 
gegenwärtigen Krieg, der wie er fagte, noch von feinem Ende 
entfernt ſey; er febe vorher, daß auch nicht ein Mann ber 
Berbündeten die fi jegt in Frankreich finden, wieder hinaus- 
fommen werde. „Die Fürften, fagte er, werben bie Borwürfe 
ihrer Voͤller zu ertragen haben, wegen Aufopferung des rein- 
ſten Blutes ber Nation für Gegenflände bie ihnen fremb ge= 
worben ſeitdem fie über den Rhein gegangen find.” Gr be- 
wunberte fehr Bonaparte's Bewegungen in biefem Feldzuge, 
der dadurch feine früheren Fehler wieder gut gemacht und fi 
als großen Feldherrn gezeigt habe; aber ein großer Fehler fey, 
daß er die Nation über den wahren Stand ber Dinge nicht 
auffläre. Hätte Bonaparte den Franzofen gefagt, daß bie Ber- 
bündeten nicht allein die durch ihn, fondern auch die durch das 
Bolf gemachten Eroberungen rauben wollten, fo wäre das 
Bolt in Maffe aufgeftanden. 


>”, 


Noch mehr als alle anderen tabelte er die Bourbons. Nie- 
mals hätten fie über Frankreichs Gränze fommen, fondern jen- 
ſeits des Rheins bleiben follen, bis fie ein Vermittler gerufen 
und die weiße Sahne aufgepflanzt hätte, nicht aus royaliſtiſchem 
Fanatismus fondern um dem Volle einen Ruhepunft zu bieten. 
Und als Alopäus eriwieberte, er vermöge Feine erhabenere 
Bermittler aufzufinden als bie verbündeten Herrſcher, gab ber 
Kronprinz noch beutliher zu verfiehen, daß er fich ſelbſt als 
diefen Vermittler meinte. 

Den Grafen von Artois zu fehen begehrte er nicht, und 
gegen feine früheren Belannten aus der Stadt äußerte er ſich 
noch offener: Die Bourbon feien eine verfaulte Raffe, die in 
Frankreich nicht mehr ausſchlagen könne. 

Er hielt fi nur einen Tag in Nanzig auf, feine Erfcei- 
nung - machte feinen Eindrud; und ba er wegen ber unter= 
brochenen Verbindung nicht weiter fonnte, fo kehrte er auf dem⸗ 
felben Wege welchen er gefommen war zuräd, um zum Kaiſer 
Alerander zu gelangen. 


Diefer von ben Feſſeln befreit, welche die Diplomaten ihm 
während bes ganzen Feldzuges aufzulegen verfuchten, nunmehr 
einziger Leiter des Krieges wie ber politifchen Mafregeln, hatte 
das große Ziel welches ihm feit der Schlacht von Brienne vor⸗ 
ſchwebte, glüdtih erreicht. Napoleon war entfernt, und Franf- 
reich in bie Lage gefegt, feine eigene Zufunft zu beftiimmen. 

Bluchers und Schwarzenbergs vereinigte Heere, eine Maffe 
von 150,000 Mann, waren ben öfllich eilenden Napoleon ver⸗ 
Taffend, am 25ſten und 26fen März auf beffen nachziehende 
Unterflägungen geftoßen; fie rieben das Corps Pacthod auf, 
und ſchlugen bei La Bere Champenoife die Marſchaͤlle Marmont 
und Mortier, welche laum der Vernichtung entgingen und gegen 
Paris geworfen wurden. Am 29fen März bei Sonnenunter- 


„574 


gang erblidten die verbünbeten Heere bie Tpürme von Notre- 
dame, am 3Oflen erfodten fie einen blutigen Sieg über das 
auf ben nörblihen unb öflihen Höhen vor Paris vertheilte 
Branzöffcge Heer, und zwangen es zu Räumung ber Gtabt; 
am 3iften März, 22 Jahre nad dem erfien Ausbruch des 
Revolutionskrieges, zogen Alexander, Friedrich Wilhelm und 
Schwarzenberg an der Epige ihrer fiegreihen Heere unter dem 
Jubel der befreieten Feinde in das eroberte Paris ein. Die 
Stadt warb nad) Steins früherem Vorſchlage einem Ruffiichen 
Gouverneur, General Saden, und einem Preußiſchen Eomman- 
danten, General Jagow untergeben, die Eivilbehörden ber Een- 
tralverwaltung untergeorbnet. 

An demfelben Tage erklärte Alexander im Namen der 
Berbünbeten, daß fie nicht weiter mit Napoleon ober einem 
Gliede feiner Familie unterhandeln, Frankreich in feinen alten 
Graͤnzen unter ben gefegmäßigen Königen belafien wärden; er 
forderte den Senat zu Ernennung einer proviforifhen Regie= 
rung auf, welche die Verwaltung leiten und eine für Frankreich 
paffende Verfaffung vorbereiten ſolle. Am Aften April trat 
ber Senat zufammen, ernannte bie proviſoriſche Regierung mit 
Talleyrand an der Spige und beidäftigte fih mit den Grund⸗ 
Tagen der künftigen Berfaffung. Talleyrand und der Poligeir 
präfeet Pasquier, ber fih für die Stimmung des Volks ver- 
bürgte, verlangten Alexanders Einwilligung zu Herſtellung ber 
Bourbons. 


Bon ber größten Geiſtes⸗ und Leibes-Anfirengang nach 
errungenem Siege enblih aufathmend, ſchrieb Gneifenau '" an 
den Generalgouverneur Gruner in Trier: 

„Paris iR unfer. Der Tyrann wird geftärzt. In biefem 
Augenblid wirb er für vogelftel und bes Thrones für verluſtig 
erflärt. Vorgeſtern hat fi unfere Armee wieder vortrefflich 


575 


geſchlagen. Wir haben 49 Kanonen erobert. Bon und ward 
der Montmartre geftürmt. Geftern hielten wir den Einzug. 
Fruher fonnte ih nicht fchreiben. Es war dies faſt unmöglich. 
Seit dem Iten Februar find wir in der angeftrengteien Tpätig- 
feit. Unfere Armee hat Wunder gethan. 

Montmärtre den Iften April 1814. 

Der Ihrige 
v. Gneifenau,” 


Am ten April warb Napoleon durch den Senat und 
gefengebenden Körper feierlich entfegt, am Aten diefer Beſchluß 
nebft den Gründen dafür öffentlich befannt gemacht, ein Theil 
der Franzöfifchen Truppen erflärte fih für die Bourbond. In 
den nädften Tagen folgten die meiften bedeutenden Männer 
und verliefen den Schöpfer ihres Gluͤks; nach vergeblihem 
Verſuche dur Gift zu enden, unterfehrieb Napoleon am Iiten 
zu ontainebleau feine Entfagung. 


Sobald die Nachricht von ber Eroberung der Hauptſtadt 
durch Graf Szecheny dem Kaiſer Franz überbracht war, bes 
ſchloß Stein Alerandern zu folgen; trog aller Warnungen fei- 
ner Freunde, des Staatscanzlers und anderer, welche ihm bie 
Gefahr vorftellten, nur von feinen zwei Koſacken begleitet durch 
ein im Aufftand begriffenes Land zu veifen, brach er auf und 
gelangte glüdlih nah Paris. 


Stein an feine Frau. 
nDifon den 2ten April. Sieg von La Fere Champenoiſe. 
Lyon will die weiße Cocarde aufſteden, man barf baffelbe 
von Paris vermuthen. Der Menfch ift zu Boden. — Danfen 
wir der Vorſehung, bie fih des Kaiſers Alexander bebient 
bat um biefen großen unb edein Erfolg au erhalten. ...... 
Ih hoffe wir reifen bald nad Paris, um das legte Ende 


576 


diefes merfwärbigen Kampfes anzufehen — und daß wir ung 
der Erfolge friedlich zu erfreuen wagen.” 

„Dijon den 5ten April. Liebe Freundin. Unmittelbar 
abgefertigte Eouriere werben euch die Einnahme von Paris 
gemeldet haben. Danfen wir dem Himmel für dieſes große 
und glädfihe Ereignig, und erbieten wir bie Huldigung unferer 
tiefen unb ewigen Dankbarkeit dem Kaifer Alexander — bem 
Führer biefer großen Unternehmung, von beren glüdlichem 
Gelingen bie Wiedergeburt Europa’s beginnt. — Ich reife 
morgen nach Paris. — Was fann ich für uns und für die 
Kinder in Paris kaufen?" 


Paris. 

Mit welchen Gefühlen zog Stein in Paris ein? 

„Paris den 10ten April. Hier bin ih in Paris, feit 
gefern, dem Jahrestage meiner Ankunft in Dresden — melde 
Ereigniffe feitbem, welcher Abgrund von Unglüd, aus dem wir 
gerettet find. Danf der Vorfehung, dem Kaifer Alerander und 
feinen tapferen Waffengefährten, Ruſſen und Deutfhen! Zu 
welchem Grade von Glüd, von Unabhängigfeit, von Ruhe 
find wir gefommen — wir wagen enblih ung dem Genuß der 
Gefühle hinzugeben, welche diefe Lage einflößt, und im Frieden 
in ben Schooß unferer Familie zurüdzufehren, das Loos derer 
aus denen fie befteht gegen das Unglüd gefichert welches ihnen 
Zerftörung drohte. Nur wenn ic das Gefühl das fih über 
mein ganzes Dafepn verbreitet, mit dem des Druds und dee 
Leidens vergleiche, das Neun Jahre mich ergriffen hatte, — nur 
diefe Bergleihung fegt mi in Stand, den ganzen Umfang 
meines jegigen Gluds, die Größe meines vorigen Leidens zu 
würbigen, 

Der Tyrann hat geendigt wie ein Beigling. So lange es 
nur darauf anfam das Blut der andern zu vergießen, war er 


577 


damit verſchwenderiſch, aber er wagt nicht zu ſterben um wenig ⸗ 
ſtens muthig zu enden; er nimmt ein Gnadengehalt an, er 
kehrt in das Nichts zurüd, er unterhandelt um fein Leben zu 
behalten und ein fhimpflihes Dafeyn zu verlängern; man ver⸗ 
ſichert daß er feine Tage zubringt mit Weinen, mit Seufzen; 
welches Ungeheuer und welche Berächtlihfeit! Duwaroff ſchrieb 
mir neulich, es gebe in Bonaparte's Geſchichte ein Gemiſch 
von Seltſamkeit und Größe, von Tamerlan und Gilblas; aber 
es giebt einen dritten Beſtandtheil in ber entſetzlichen miß- 
geftalteten Verbindung welche feinen Character bildet, das if 
Gemeinbeit; fie zeigte fich in feiner Flucht von der Armee in 
Rußland, in feiner Behandlung derer fo er verfolgt und nieder- 
gebrüdt hatte, in feinem Umgang, in feinen Reben, und gegen- 
wärtig in feinem Betragen im Unglüd — fie geht bie zur 
Nieberträchtigfeit, zur Furcht für fein Leben — zur Feigheit. 

Das edle hochherzige wohlwollende Betragen des Kaiſers 
Alexander ergreift alle Gemüther, reißt fie mit Gewalt vom 
Tyrannen los, macht ed den Franzofen vergeffen, und vorzüg- 
ih daß Fremde in ihrer Hauptftabt gebieten. 

Sie fühlen fi indeffen erniedrigt, zwanzig Jahre voll 
Gränel, von Folgemwibrigfeit, von Lügen in ihrer Geſchichte zu 
haben, und durch die Gräuel der Revolution zur Gefeplofigfeit 
übergegangen zu feyn, um befiegt zu werben durch bie Frem=- 
den, welche zu gleicher Zeit ihre Befreier gewefen find ſtatt als 
Rächer der erlittenen Schmad zu handeln. 

Der Raifer hat die Unterhandlungen wegen des Innern 
nad den reinſten und erhabenften. Grundfägen geführt, Er 

ließ die großen Staatsbehörden handeln, er ſchrieb nichts vor, 
zwang zu nichts — er ließ geſchehen, beſchutzte, aber ſprach 
nicht als Herr — Du wirſt in dieſem Verfahren eine ſeltene 
Vereinigung von Weisheit, Adel, Muth und Erhabenheit der 
Seele finden. Dieſe unreine, unverſchämte und unzüchtige 
Stein's Leben. III. 2te Aufl. 37 


578 


Franzoͤſiſche Raffe mißbraucht ſchon feine Großmuth, fie will 
mit einem eifernen Scepter regiert werben — es if efelpaft au 
fehen, nachdem fie fih mit Verbrechen bededt hat, fpricht fie 
von ihrer Bieberkeit, ihrer Güte, ihrer Großmuth, ale 
wäre es nicht fie die Europa mit Blut und Trauer bededt, die 
in zwei Jahrhunderten drei Könige ermordet, und die in allen 
Beziehungen die wiberwärtigfte Habgier gezeigt hat. 

Die Stadt ift nicht fhön, einzelne Gegenden find es, aber 
der größte Theil beſteht aus fehmugigen engen übelriechenben 
Straßen u. f. w., fur; meine liebe Freundin, id werde dem 
Himmel danfen, wenn ich nach Deutſchland zurüdfehren kann. 

Napoleon hat am ten gejagt. Er denft nur an feine 
gewöhnlichen Genüffe. Derfelde Mangel an Geifteserhebung 
der ihm bie Flucht aus Rußland eingab, indem er fein Heer 
allen Gräueln des Hunger und ber Kälte überließ, macht ihm 
jegt ein ſchamvolles Dafeyn erträglih. -- Die Erzherzogin 
kehrt zu ihrem Vater zurüd, Jerome geht nah Stuttgard, 
Joſeph nad der Schweiz, fo ift alles diefes Rumpengefindel 
zu Boden! 

Stein." 


Anmerfungen 


37* 


Dann, Google 


Zum fünften Bude 


1) Kalfer Alegander an Stein. Junius 1812. 

2) Ohne Zweifel, die Richtung iſt jedod nicht ausdrüdlich angegeben. 

3) Kneſebeck in den fpäter abgefaßten handſchriftlichen Grläuterungen 
über diefe Sendung (Militair: Wochenblatt Beiheft Julius und Auguft 1848. 
S. 101 ff.) ſchildert fein Betragen als Plan zu Napoleons Berderben, welchen 
allein der König gefannt habe, nicht einmal Hardenberg. 

4) „Rad; meinen Rachrichten über Anciilon® Aufführung, über die Rage 
worin er ſich dem Kronprinzen gegenüber gefeßt, hat er vielmehr eine Berech⸗ 
nung der Gigenfucht um feine Stelle angenehm und leicht zu machen, ald den 
Eifer eines Mannes gezeigt der ſich feinem Berufe weihet — ich Tann fein 
Benehmen nicht billigen.“ Stein an die Pringeffin Rouife 1812 März 13. 

5) Brief des Könige an Napoleon. Mat 10. Correspondence in- 
edite 7, 448. 

6) 300 nach Kueſebecks Angabe. 

7) Graf Lieven an Romangow. Aten Julius 1812. 

8) Memoires d’un homme d'état. T. XI. p. 363. 

9) 26ften Januar. 

10) fo das Goncept. 

11) vielen der dort angeftellten Perfonen. Concept. 

12) ©. oben Th. 2. ©. 227 — 229. 

13) Barclay gab fpäterhin den Beſtand feines Heeres beim Ausbruch der 
Zeinbfeligfeiten auf 97,000 Mann, Bagrathion auf 50,000 Mann an; ob in 
Keßteren Tormaſſows Abtheilung einbegriffen war, ift nicht Mar. 

14) ©. oben Th. 1. ©. 448. 

15) X. 1. S. 35, 51. 

16) Die Marais in Paris find befanntli nichts weniger ald ein Modes 
quartier; vielmehr finden fi dort lauter Gewerktreibende und die Archive 
des Landes, 

17) „Que son chantelier &toit un sot.“ 


582 


16) Mänder an Zıein. TiRem Julius 1N12. 

19) ©. Herzog Erzen von Wirtemberg Grinuerungen ame den Aeltzägen 
tes Jabreb 1912 S. 190 — 207. Die Bebauptung tap General r. Anciehrd 
tem Kaifer 1912 im März bei feiner Seutung tem Plan geachen babe, it 
vurh obige Ibatfahen witerlegt; der friter abgefakte Auriap Aneiehed’s 
¶ Seihen zum Mititair:Deodenbiatt für Imlind war Auzuf 1545. ©. 101 fi.) 
beweift weiter Ridte, als daß der General im Diefem Sinne zu Aleganter 
Befprechen, und der Kaifer ibn billigend angebört hat. 

20) E. ven Plan einer Infruction und Steine Vemertungen dazu 

21) Etein fhlug ver, Gremplare auch durch die Engliſchen Schiffe in 
Dentſchland verbreiten zu lafien. Item Julius 1512. 

22) Urteil des Herrn v. d. Gelp. Silna den Sten Juuine, der Schlus 
Steins. 

23) Danilewety 3, 149. 








Otte 
24) Stein an Romanze. Deilen Aatwort den Say Iunint. 


25) Geſchichte der Ariege in Eurepa. Ih. v. ©. 17. 

26) Bignon 11, E.5fl. 

27) Eo Stein, ohne Zweifel aus Alexanders Munde. Die Briefe ſind 
feltdem bei Bignon 10, 497 ff. getrudt. 

26) 150,000 und 100,000 Tſchetwert. 

29) Emincan liegt drei Märſche auf dem Wege von Wilna nad Driſſa, 


Pi’ 
der Tag RE fann daher nur Bann richtig fen, wenn der von Stein gleich: 


falls angegebene Tay feiner Abreife von Wilna nicht der 2Sfe gemefen ift; 
Rapoleon rüdte am 29iten in Wilna ein. Kin Brief des Prinzen Georg von 
Oldenburg der ſich auf riefen Plan zu beziehen fcheint, iſt Gautſchinick den 
27ften Juntus 1812 datirt. 

30) Beltowifhfew 3ten Julius 1512. 

31) Glaufenig ©. 12. 

32) S. Anlage. 

S.99. Gefellfhaft der Tugendfreunde. Diefe Aeußerung Steins 
beftätigt abermald die im zweiten Bande S. 193 — 196 gegebene Darſtellung 
feines Vergäftniffes zum Tugendbunde. Es war mir Damals nicht gelungen 
dafür auch die Aeten einzufehen, welde in Berfin nicht aufzufinden waren. 
Seitvem iR nun vie Geſchichte des Tugendbundes vom Herrn Geheimerath 
Johannes Voigt erſchienen, worin aus den in Königsberg aufbewahrten Acten 
Steins Verhaͤliniñ zum Bunde voͤllig fo dargeftellt wird als ich es nad) deſſen 
eigenen Aeußerungen gethan habe. Stein, welchem auch Kerr Minifter von 
Schön (S. 119 der Volgiſchen Schrift) beiguſtimmen ſcheint, nennt Barvelehen 
als Urheber, während Mosqua de erften actenmäßigen Schritte getban 
hat, Bardeleben aber nach ven Arten als thätigiter Theilnebmer erfcheint. 
Voigts Annahme nach ven Arten, daß ber Verein ſich nicht über Preußens 
damalige Grängen verbreitet babt, wirt ſchon durch die yon ihm fett &. 34 


583 


erzählte Thatſache widerlegt, Daß Dörnberg in Caſſel zum Bunde gehörte, 
Was ich über die Theifnahme von ffizteren auf halben Sold und deren 
Vereinigung erwähnt habe, beruht auf völlig glaubwürriger mündficer Mit: 
theifung. Es iſt alſo Mar, daß Die vorhandenen Acten allein night hin 
reihen, um ein richtiger Bild des Bundes zu geben. Daß ter Bund auf 
Napoleons Befehl aufgelöft fen, bemerkt Stein ausdrüdlich. 

33) „Voild un empire perdu!” 

34) Stein an Oldenburg, 9ten Julius 1812. Driſſa. 

35) Steine Childerung. 

36) So weit ſchrieb id im Sommer 1841; von hier an zu Verlin. 

37) Stein an Gneiſenau Tten Noveniber 1812, 

35) Stein an Münfter 29ſten October 1812. 

39) Hierin irrte Gruner wahrſcheinlich, da Die Uebergabe von Pillau und 
Spandau von den Frangofen nachträglich ausbedungen war; vielleiht lieh man 
der Uebergabe von Pillau jenen Schein, wie ſich auch noch bis jept die Er— 
zählung erhäft, die Zrangefen hätten fih der Gitadelle von Spandau durch 
Kriegsliſt bemächtigt, während fie ven Gommandanten General v. Thümen 
durch Einladung zur Mufterung eines durchmarſchirenden Bataillons von dem 
Schauplaß des Verraths entfernt hätten. 

40) 2Titen Julius. Stein an den Kaifer. 

41) Bignon 11, 194. 

42) Chazot an Stein im großen Hauptquartier bei Dorogobuſch. 
23ſten Auguft. 

10ten Auguſt 


13) Moskau onen Julius” 


44) Denkfchrift des Herrn v. d. Golz. Anfang Septembers. 

45) Diefer Zufag findet ſich nur in der durch Stein felbit im April 1813 
dem Staatscanzler Hardenberg mitgetheilten und von ihm durchgeſehenen Ab: 
ſchrift, uud fehlt in ver Abfchrift für den Grafen Münfter. 

46) Vergleiche oben die Denkfhrift vom 11ten Julius S. 96— 99. 

47) Münfer an Stein. Brighton ven 27ften Julius 1812. 

48) Gneifenau an Stein. iſten September. 

49) Danifewety 2, 239 ff. 

50) Desgt. 3, 24—42. 

51) Deagl. 2, 341. 

52) Stein an Frau v. Stein. October 15. 

53) Commentaries on tlıe war in Russia and Germany in 1812 
and 1813 by Colonel Cathcart 1850. S. 10. 

54) 1513 Rovember 19. 

55) S. 170. 

56) Arndt S. 166. 

57) Desgl. S. 156. 157. 

56) Danileweky 3, 74. 75. 


584 


59) Das Concept bat: Der Kaifer ift cin Mann von edeln Gefin— 
nungen, aber weich und nicht tief. 

60) Bon hier an aus ven Concept, da Graf Münjter mir nur bis 
dahin Abſchrift des Originale mittheifte. 

61) Ausfage Franzoͤſiſcher Offgiere, dem Staatscanzler Hardenberg mit: 
getheilt. 

62) Danilewäty 2, 237; 3, 30. 31. 

63) Muͤndliches Jeugniß des Generals v. Piuel: Ohne Stein würte 
das Ruſſiſche Heer nicht über den Riemen, nihtüber bie Beigfel 
gegangen feyn. 29ften März 1847. 

64) Danilemehy 4, 225. 

65) Accepi den 19ten Januar 13. von Münſters Hand beigeſchrieben. 

66) Wabrſcheinlich zu ergängen: das Wort feblt in der mir durch Graf 
Münfter mitgetbeilten Abſchrift. 


Zum u Bude. 


1) Lebeusbilder IL. 271. 

2) Stein an Gagern ©. 147. 1622 Junius 9. 

3) Graf Münfter theilte mir damals in London feine Schrift vor dem 
Abdrucke mit; ich glaubte ihn auf den Eindruck aufmerffam machen zu müfien, 
welchen die betreffende Aeußerung auf die Deutſchen Fürften machen werde; er 
erwiderte mir jedoch, Die Stelle enthalte feine wirkliche Ueberzeugung, und er 
ließ fie unverändert abdruden. 

4) Münfter, Wierlegung der chrenrührigen Beſchuldigungen S. 80 

5) Diefer Ruhm wie andere Kleinode des Haufes haben den ehemals 
Beitppälifhen Miniftern v. ẽgee und Leiſt im Jahre 1837 nicht ſonderlich 
am Herzen gelegen. 

6) Bergl. oben 8.1. ©. 40. 

7) Diefe Wenduug ſcheint von Steine Einfluß auf die Abfaſſung zu 
zeugen, die vielleicht ſchon in St. Petersburg erfolgt war. Sie trägt feine 
Zeitz oder Ortsangabe. Cine Abfchrift ward durch General Yord an ven 
König, ein Abdruck unterm Yten Januar durch den Präfiventen v. Wieman 
in Marienwerder an den Staatdcanzler eingefandt. 

8) Vom 20ften December, am 2iften reifte Seydlitz zurück; jene Erz 
nennung war aljo ein Vertrauenspfand für den General. 

8a) 5.255 3.20. Frangöfifhe Truppen in Königsberg. Am 22jten 
December waren in Königsberg einquartirt: 255 Generale, 699 Dberften, 
4412 Gapitäne und Tieutenante, 26,590 Unteroffigiere und Gemeine, aber faft 
alle in einem erbärmlichen Zuftande; in den Razaretpen außerdem 6000 Mann. 

9) Seydfig in feinem Tagebuch (1823) Theil 2. S. 251 und danach 
Glaufewig 7, 229 geben den Schluß abweichend an: „— fterben, wenigitens 
nicht als treuer Unterthan und wahrer Preuße gefehlt zu haben. Jept oner 
nie it der Zeitpunkt, wo Gw. Majeftät ſich von den übermüthigen Forderungen 
eines Alliirten losreißen können, deſſen Plane mit Preußen in ein mit Recht 
Beforgniß erregendes Dunkel gehüllt waren, wenn das Glüd ihm treu geblieben 
wäre. Dieje Anficht Hat mich geleitet, gebe der Simmel, taf fie zum Heil 
des Vaterlandes führt.“ “ 


586 


Das Originalſchreiben hat dieſes nicht; vielleicht entwarf der Major von 
Sevdlih in dieſer Weife Das Concept, und der General wählte für feine Rein: 
ihrift an den König die andere im Texte mitgetbeilte Faſſung. Der Gerante 
„jegt oder nie“ findet fih Dann in dem Schreiben vom Zten Januar 1513. 

10) Nur Magte er über Rachzügler, 9ten Januar, berichtete aber am 16ten 
daß Tigitfhafem dagegen ernftlichite Mafregeln ergriffen Habe. — Ueber vie 
Stimmung in der Provinz hatte fih Schön bereits am I1ten November jo 
ausgefpreden: „Die Stimmung it fo, dag nur ein Funke nötbig if um 
Flamme zu haben, und die Zrangefen fürdten auf ver Retirade erfdhlagen zu 
werden. Und dieſe Stimmung die bei allen Ständen allgemein üt, if von 
Memel bis Johannisburg, und fie iR um fo lebhafter weil Niemand mebr 
glaubt daß wir nicht im Stande wären den Gräueln zu begegnen.‘ 

11) Säriftlih von Arndt mitgetseift. 

12) Den 13ten giebt Arndt S. 179 an, womit ſich vie Acuperung 
Steins in den Briefe an feine Zrau vom 12ten, daß er ben folgenten Tag 
abreifen werde, vereinigt; in einem Nachſahe aus Suwalky den 1Tten Januar 
ſchreibt er jedoch, er fen am A5ten abgereiſt und am 16ten früh um 4 Uhr 
dm Hauptquartier eingetroffen, was bei ter Entfernung von Bilna bis Suwalkv, 
in Solitten möglich Üt; aud bei ven folgenden Angaben bin ich Eteins 
eigenen Briefen gefolgt; Arndis Angabe, mit Stein am 17ten in Lyck auf der 
Reife nady Königsberg gerwefen zu fern, wird durch Die Vollmacht Raczk ven 
1Sten, mit welcher Etein nad Königsberg abreif'te, zweifelhaft gemacht. 

13) Brief des Regierungsrath Schulz an Vord. 1Hten Januar im Militaiz 
rifhen Wochenblatt 1546, Beiheft ©. 5. 

14) Die Drohung flug natürlih an taube Ohren. Stein fonnte fie 
nicht einmal dem Kaifer vortragen; ‚fie mußte der Rage der Dinge nach, wie 
fie ihm befannt war, völlig wirkungslos erſcheinen, und würde bei der allge: 
meinen Etimmung der Provinz feine Ausführung gefunden Haben; aber fie 
zeugte won dem chrenwerthen Zinn, worin die Provinz ihre Unabhaͤngigkeit 
gewahrt wiſſen wollte, 

15) Aus einem Berichte Schoͤns vom Zoſten Januar an den Staate- 
canzler. Die Antwort ift aud im der Königsberger Zeitung gedruckt. 

16) Schön an Etein Zoſten Januar. 

Ziiten Januar, 
ten Februar 


5ten Februar 
15) Aönipeberg den Zaren Iannar 


17) Mlawa den 


. Lite 
19) Kutuſew an Stein. Plock ven Fr Zebruar. 
20) Neſſelrode an Stein. Mlawa den 21ſten Januar. 
21) Bericht ver Oſtpreußiſchen Regierung, Glen Februar. - Stein an 
Kefielrote. 


Far Sn 
22) Fuͤrſt Woltonstv an Stein. Ianuar. 
— 


587 


23) 2ten Februar 1813. 

24) 5ten Zebrnar. 

25) Ploczt 14ten Februar. 

26) Königsberg den 5ten Februar. 

27) Goncept ohne Eignirung, wie es ſcheint von der Hand des Herrn 
v. Schön. — Abdruck des Originals, Militairiſches Wochenblatt S. 9 etwas 
abweichend. 

28) Militairiſches Wochenblatt S. 11. 71. 

29) Voigt, Leben des Grafen Dohna. Leipzig 1833. ©. 28. 

30) Friecius S. 87. 

31) Ganz eben fo urtheilt Major v. Gerwien im Mititsirifhen Wochen: 
blatt ©. 16. 17. nad) den Acten. 

32) Zah Januar. 

33) 19ten Februar. 

34) Couiu, 19ten Februar. 

35) ©. 28. 

36) Bignon 11, 287. 

37) Mündliche Mittheilung des Kriegeminifters v. Boyen. 

38) Koch, trait6s de paix par Schoell, T. 10. ©. 545 ff. 

39) Hippel ©. 68. 

40) Schöns Zeugniß. 

41) Boigt 5.29. 

42) Deögl. ©. 29. 

43) Desgl. ©. 31. 

44) Mitgetgeilt duch Herrn ©. W. v. Raumer im Berliner Kalender für 
1849 ©. 20. 

45) Stein an jeine Frau. Breslau den Tten März. 

46) Stein an feine rau. 10ten März. 

47) Alten oder 12ten März. 

48) Das Franzofiſche Original bei Martens Nouveau recueill. p. 564. 

49) Münfter an Stein, 16ten Januar. 

50) Desgl. 22ſten Januar. 

51) Desgl. 10ten Februar. 

52) Desgl. 3ten März. 

53) Kaliſch den 23ſten März. 

54) Berlin den 20ften März. 

55) Martens I. 566. 

56) Steins Urtheif. 

57) Stein an Kotſchubey. 3iſten Mai 1913. 

58) Niebupr an Prinzefiin Louiſe. 

59) Lebensbilder 2, S.422. 

60) Diefe Darftellung beruht auf Napofeone Briefwechſel mit dem Marz 


588 


ſchall Rev, welchen ih 1844 in England in einer Handſchriftenſammlung ber 
nuht habe. 

61) €. 50.51. 

62) Nach Cathearte Verſicherung. 

63) Moniteur Mai 24. 

64) Desgt. Mu 15. 

65) Desgl. Mai 30. 

66) Desgt. Mai 31. 

67) Desgl. Mai 19. 

65) Desgl. Junius 10. 

69) Bei Niebuhr trat nod ein perfönfihes Mißverſtändniß Hinzu. S. 
Arndt, Nothgedrungener Bericht aus feinem Leben TH. 2. S. 163 und Die 
Anmerkung dazu ©. 160. 

70) Rebensbifter I. S. 203 — 207. 

71) Martens I. 568. 

72) Desgl. I. 571. 

73) Debgl. ©. 573. 

74) Die ausführlichften Nachrichten über dieſe Verhandlungen findet man 
bei Bignon 12. 

75) Nothgedrungener Bericht aus feinem Reben. TH. 2. S. 139. 

76) ©. 160. 

€. 382 P. 8. Die Angabe eines pfeudonymen Schreibers: „ Hormayr 
babe dieſes Poftfeript erft nach Muͤnſters Tode erdichtet,“ iſt eine baare Un: 
wahrheit; Graf Münfter theilte mir diefes und andere Schreiben im Driginal 
mit, ich ließ Abſchrift davon nehmen, verglich diefe mit den Driginalen, und 
fandte Leptere fodann in Münfters Auftrag an Hormayr, der mit der Ber: 
oͤffentlichung zuvortam. Für die Genauigkeit der Hormayrſchen Abdrüce läßt 
fich freilich nicht viel fagen; fo it bei ipm der Steinfhen Charakteriftit eines 
Auffifchen Staatsmannes ein falſcher Name, Arattſchejew, untergefhoben, was 
Dorow zu einem natürlich eben fo falſchen Urtheil über Steins Urtheilsfähig⸗ 
teit verleitete; in dem oben S. 418 mitgeteilten Briefe hat Hormayr flatt 
„Stände” das, übrigens in dieſem Zufammenhange gleihbedeutende, Wort 
„Bürften“ gefept u. vergl. 

77 Schoell III. 450. Martens 577. 

78) So das Original, Deſterreichiſche Audſprache ſtatt Kaiſers. 

79) Wohl die Heine von Clauſewiß verfaßte Schrift? 

30) Preußifhe Geſehſammlung 1813. ©. 198. 199. Schoell IM. 125. 
Martens 596. 

81) Bis hicher ift der Brief Franzoͤfiſch. 

82) Das Folgende wieder Franpöfifc. 

8) S. 217. 

84) Gin Lafaienvolf nannte er fie wohl früher. 

85) Stein an Turgeniew. Frankfurt den öten Auguft 1816. 

86) Bergl. auch die Andentung: die Gentralverwaltung ©. 25. 


589 


87) Mündliche Nachricht des Generals Rübfe v. Kilienftern. 

88) Die Gentralverwaltung von Herrn Minifter Eichhorn S. 101. 

89) S. 96. 

9) ©. 105. 

9) ©. 109. 

92) Metternich an Stein. 6ten December 1513. 

93) Finanzminiſter Gourieff an Stein. 20ften October 1813 a. St. 

94) Bergl. Gerwien's: General: Xieutenant Rühfe von Lilienjtern. Bei: 
‚seit des Militair⸗Wochenblattes October bis December 1847. 

95) Stein an die Herzoge von Weimar, Hildburghauſen, Coburg, Mei: 
ningen. Frankfurt den 2ten December. 

9) ©. 82. 

97) Garlörube 1814. Februar 20. 

9) ©. 35. 

99) ©. 37. . 

100) ©. 47. 

101) Herr Minifter Eichhorn hat mir dieſes gleichfalls mündlich und ſchrift⸗ 
lich begengt. i 

102) Fain Ms. de 1814. 

103) Friedrich Perthes Lehen von Elemens Theodor Verthes. 1848. I. 
©. 328. 329. 

104) Die Gentrafverwaltung S. 115 — 126. 

105) Daſelbſt S. 65. 66. 

106) So ift wohl zu fefen; im den Xebensbilvern fteht .. . . . Auffeher. 

107) Hormayr lieft: welche. 

108) Den Wiener Ausfhuß ver Schweizer; vergl. Die Memoires de 
Roverea T. IV. 15; 

109) Rilliet hi 
1849. S. 53. 

110) Stein an feine Frau. Kangres ven 23ſten Januar. 

111) „Laissez-le donc, c'est Ia naivet6 en diplomate.” Graf 
Münfters mündfiche Mittheifung. 

112) angres den 29ften Januar. Fain, 304. 5. 

113) Gerwien S. V. Beilage Ic. 

114) Aus dem Original in der Deutſchen Reform, 1849. Aten Januar. 
No. TI gedrudt. 

115) Graf Miünfters Mitteilung aus Rabesnardiere's Munde. 

116) Fain, &. 320. 

117) Danilewety ©. 129. 

118) Stein an Lieven, 10ten März 1814. 

119) Danitewsty ©. 81 —86. 

120) Bignen 13, 373. 

121) Beigeft zum Militair-Wochenblatt 1847. Det. bie Der. S. 157. 

122) Stier foll auch ein aufgefangener Brief des Königs von Wirtemberg, 








ire de Ia restauration de la republique de Gendre. 


590 


worin er Rapoleon zu den Biegen über das Schlefiſche Heer Glüd münicte 
und die Hoffnung auf nahe Rüdkehr unter deſſen glücliche Fahnen aueſprach, 
den Zürften vorgelegt, und ernftlih Davon Die Rede geweſen jenn, ven König 
ab: und den Aronprinzen auf den Thron zu-fegen, wie Stein c& ſchen in 
veipzig vorgefhlagen hatte. Hermanr Lebensbildet I. S. 155. 

123) Danilwety S. 160. 

124) S. 161. 

125) Bas man in Pignon 13. 424 ff. Darüber fieft, überzeugt keines 
wegs vom Gegentheil. 

126) Gigengändige Bemerkung des Königs zu: Thielen, tie Schlacht 
von Bar fur Aube. Wien 1832. $" in ver K. Bibliothek. 

127) 3. Anlagen. 

128) Better? 

129) La Russie et les Russes. T.L p. 40. 

130) Dijon ven 2Titen März. 

131) So Stein; nah Bignon 13,464 Bülow. 

132) Diefer ausdruckevolle Brief findet fi im Beſih Des Herrn B. Fried⸗ 
fänder, und iſt durch Herm Bibliothekar Dr. Friedlaͤnder nebſt einigen anderen 
leicper Art in der Zeitfrift für Aunft Biffenfhaft und Geſchichte de Krieget, 
Jahrgang 1946. Heft 8 befanut gemacht werben. 





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Blüher an einen Ungenannten. 
Im Sommer 1809. 


ich benuge dieſe gelegenheit ihnen zu fagen daß ich genplig 
hergeſtellt bin, ich bin gefundt wie ich vor 40 jahren wahr, Effen und 
Trinken Schmedt mid, Schlafen fan ich recht guht, und das Reitten 
geht wider wie es iemahls gegangen, nun wird die jacht wider vors 
genommen werden. 

Schill ift als ein brawer Man Geftorben, feine Eollegen haben 
gleich fals braff getahn, und haben fi ohne Meittere in meinen 
Schuß begeben, ich habe fie troß allem waß da wider wahr ange 
nommen 900 man Infanterie und 240 Man Cavallerie find in meine 
verwahrung um ihre begnadung habe ich am fönig gefchriben, fe find 
fo wohl Officir als untrofficir und gemeine ſchuld loß da Schif fie 
fagte, es geſchehe mit königlicher Bewilling daß er über der Ellbe 
ginge, als untergebener befolgten fie unfen dinft gemäß bie befehle 
ihres Chefs, wie fie fpähter hin entdeckten fie daß es nicht der wille 
des konigs fen allein Schill Declarirte wor der Fronte daß er ohne 
anfehn der Berfohn todtſchiſſen liße der fein befehl zu wider handelte. 

Den Tönig habe ih vor gefchlagen, da fie alle bewaffnet, die 
Cavallerie beritten aus der Infanterie ein leichtes Batallion, und auf 
der Gavallerie ein Husaren Regiment zu formiren. 

3% Habe bey der jegigen lage der ſachen meine Dienſt entiaffung 
ohne Penſion verlangt weil ich als ein Deuttſcher Ehdelman da im 
Deuttſchen Baterlande gefahr drohte nicht müffig fein wollte, der könig 
Refufirt es mich fehr gnebig und avanfirte mid zum General er jhrt 
fid) aber wenn er glaubt daf der General der Cavallerie anders hans 
deit und denft als der Generall-Lieutenant, Die Francosen find 
hier nun fehr gefhmeidig fie mögen fagen was fie wollen Herr Rapos 
leon it nad) Win in der Mauße Falle gegangen, erſt muſt er den Ertz⸗ 
HErrzog Carll Genplih Schlagen da wahr die Zeit nah Win zu 
sehen Früher glih es ein Pultavafhen Zug. in Itablien find die 
HErın ungleih und in Galicien if $Er Dombrowskj genglich zer⸗ 
ſtreut, er ſelbſt fol tod fein, und bei alle diefen muß man fagen 
Borussia du fehläffft aber gebuldt mein Freund die ſtunde iſt mahe 
wo alles anders und beffer komt, wihr fehn uns balde Emfehlen fie 
mid, Ihrer Frau gemahlin und grüffen alle meine guhten Freunde in 
dohrtiger gegend. 

Freundliche grüße. Blücher. 


Stein’s Leben. MU. 2te Aufl. 38 


Zum fünften Bude. 


IJ. 
Wilhelm v. Humboldt an Stein. 


Bien ben Sten Januar 1812. Ich benuße die Gelegenheit, melde 
mir die Abreife des Herrn v. Herder darbietet, um Ew. Excellenz 
einige Worte zu ſagen. Es iſt freilich fehr wenig, was man fih auf 
dieſe Weiſe ſchriftlich fagen Tann, inde if es mir immer wichtig von 
Seit zu Zeit mein Andenken bei Ihnen zu erneuern, und Ihnen bie 
Verficherung meiner herzlichen Berehrung zu wiederholen. — Ich fage 
Ihnen nichts über die großen Öffentlichen Angelegenheiten, und wüßte 
Yaum, was ich barüber fagen follte, wenn ih Ew. Ercellenz ſelbſt 
ſpraͤche. Es iR gerade der Augenblick der Krife, in welchem die Dinge 
am wenigften und am fhlimmften zu überfehen find. Sie muß fid, 
wenn mich nicht Alles trügt, fehr bald entfcheiden, wie aber bie 
Sachen ſtehen, ift es mir noch zweifelhaft, ob es zu einer Erpfoflon 
kommen wirb, fo drohend aud die Aspecten find. Bon uns und 
unferem Zuſtande habe th nur dunkle und unvolfändige Nachrichten. 
Em. Excellenz willen, daß man bei und nidt die Gewohnheit hat, 
über Dinge zu unterrichten, die nicht gerade den Ort angehen, an 
welchem man fih aufhält, was, im Ganzen genommen, auch zweds 
mäßig iſt. Aber die Lage bei und fordert große Klugheit, und noch 
außerdem nicht wenig Glüäd. Ich wünfdhe, daß es auch an dem Ieptern 
nicht mangeln möge. Im Innern ſcheint e8 mir immer ſchon viel, 
daß es nicht noch fhlimmer geht. Es beweift mir augenſcheinlich, 
daß die vom Staatöcanzler genommenen Maßregeln im Ganzen ziweds 
mäßig waren, und daß dasjenige, was man vielleicht noch hätte daran 
verbeffern Tönnen, fi ſelbſt durch die Feſtigkeit und Stätigkeit in der 
Ausführung abgefhliffen, und ins Gleiche gebracht hat. Weberhaupt 


585 


iſt dies Lehtere etwas, worauf man bei uns in der letzten Zeit nicht 
genug gerechnet hat. Faſt nie iſt's bei praftifch adminikrativen Ges 
genftänden möglich, das eigentlich Beſte zu wählen; allein Beit und 
Gewohnheit machen eine auch nur mittelmäßig zwedmaͤßige, aber mit 
Beharrlichteit ausgeführte Mafregel, bald den übrigen Staatselementen 
fo gewogen, daß das Refultat weit günfiger ausfällt, als man er 
warten Eonnte. Hier freilich feheint in Rüdfiht des neuen Finanz 
ſyſtems dies nicht ganz zuzutreffen. Indeß kann id doch Ew. Excel 
lenz verfihern, daß, wie manchem gerechten Tadel auch das Syſtem 
ausgefegt feyn mag, die wirkliche Ausführung aud) hier Vieles ins 
Gleiche gefeßt haben würde, wenn nicht neue Mißgriffe auch diefe 
fehlerhaft gemadjt hätten. Dan vermuthet, daß in wenigen Tagen die 
Kaiferlihe Entſchließung auf die Vorſtellung der Ungarifchen Stände 
vom Aiten einlaufen wird. Vermuthlich wird fi der Hof darauf 
beſchraͤnken, die bisher verlangten 12 Millionen Einlöfungsfgeine zu 
fordern, Allein auch da dürften fih hei den Ständen noch Schwierig⸗ 
keiten vorfinden. 

Ic Habe die Freude gehabt, meinen Bruder einige Wochen hier zu 
befigen. Ic hatte ihn in langer Zeit nicht gefehen, und wenn ung gleich 
die Geſellſchaft, die nicht ganz zu vermeiden war, einigermaßen geftört 
hat, fo find wir doch fehr angenehm mit einander gewefen. Der erfle 
Theil feiner eigentlichen Reifebefhreibung wird in fehr kurzer Zeit er⸗ 
ſcheinen, allein die folgenden auszuarbeiten, wird er fiherlih no 1%, 
bis 2 Jahre brauchen, und dann erft feine Reife nach Zibet antreten. 
Ich weiß niht, ob Em. Ercellenz das ſtatiſtiſch⸗politiſche Gemälde 
von Reus Spanien gelefen haben. Die Kapitel über die Maffe des 
in Europa vorhandenen Goldes und Silbers und über den Handel 
würden gewiß Intereffe für Sie gehabt haben. Da die Heine Auss 
gabe in 8° jetzt erſchienen ift, fo hoffe ih, wird das Wer? nunmehr 
befannter werden, als es bis jept war. — Ich bin feit der Abreiſe 
meines Bruders, fo viel es meine Gefchäfte erlauben, fehr anhaltend 
mit den Ameritanifhen Sprachen befchäftigt. Er wünſchte, daß ich 
ihm eine-Abhandiung für feine Neife dazu machte. Es if eine 
intereffante Arbeit, die es aber noch viel mehr feyn würde, wenn 
man hoffen dürfte, auf ſicherere Refultate in Abſicht der Abſtammung 
der Völker zu ſtoßen. Allein leider bleibt darin immer ein großes 
Dunkel übrig. Indeß iſt es nicht zu Iäugnen, daß der grammatifa- 
liſche Bau der Megicanifhen Sprache au auf den Afatifhen Ur- 
forung diefer Ration hindeutet, fo wie fo viele andere Spuren auf 
denfelben Beg führen. Nur wird man auch darin wieder fehr vers 
wirrt, wenn man fieht, daß Sprachen, wie z. B. die Vaskiſche, dies 

38* 


596 


ſelbe grammatifalifche Verwandtſchaft zu geben feinen, ohne daß die 
etymologifhe der Wörter, und hiſtoriſche Traditionen diefe Ver⸗ 
muthung begünftigen. Ueberhaupt iſt die Art, wie fih aus der Bes 
ſchaffenheit der Sprachen auf die früheſten Schickſale und Bande, 
rungen der Bölfer ſchließen laͤßt, noch lange nicht vollfommen in's 
Reine gebracht, und die Sache wird and nicht wenig dadurch ſchwie⸗ 
rig, daß es oft faſt unmöglich zu entfcheiden if, ob nicht verſchiedene 
Völker, ohne die mindefte Verbindung mit einander, auf gleiche Cigen ⸗ 
thümlichleiten bei der Erfindung oder Ausbildung ihrer Sprache 
gefommen feyn Tonnen. Dennod bin ich überzeugt, ließe ſich die 
Sache auf feſtere und vollftändigere Grundfäge zurädbringen, als man 
gegenwärtig darüber hat, und es käͤme nur auf eine gehörige Zuſam⸗ 
menftelung aller fatifhen Data welche man hierüber befipt, an, um 
darin zu gelingen. Immer aber würden die philoſophiſchen, bei einer 
folgen Arbeit zum Grunde zu Iegenden Anfichten die Oauptſache das 
bei ausmachen. — Bas Ew. Ereellenz mir in Ihrem Tepten Briefe 
über die Schaͤdlichteit der Sucht der Gelehrten fi in die vornehme 
Geſellſchaft einzumifchen, fagen, ift mir wie aus der Seele gefprochen 
geweien. Es wird Ihnen daher Freude machen, zu hören, daß Herr 
v. ©. der bisher vieleicht mehr als Andere in dieſer Hinfigt gemiß⸗ 
billigt werden konnte, diefen Winter far nicht feinen Schreibtifh vers 
laͤßt. Er ik mit einem großen Werke über Papiergeld, oder eigentlich 
über eine Prüfung der in dem Rapport des fogenannten Bullions 
Gomite in London aufgeftellten Grundfäge befchäftigt. Es freut mic 
fehr ihn auf diefe Weiſe zu eigentlich litterariſcher Thätigkeit zuräd« 
tehren zu fehen. 

Ich bitte Ew. Ercellenz mir aud in diefem Jahre Ihre gütige 
Gewogenheit zu erhalten, und die Berfiherung meiner ausgezeichneteften 
Verehrung anzunehmen. 

Humboldt. 


u. 
Hauptmann v. Pfuel in Wien an Stein. 


Ew. Ereellenz habe ich die Ehre, hier die beiden Theile des 
Vendee⸗Krieges zurüdzuftellen; die Arbeit zu welder ich fie zn ber 
nupen gedachte, iR zwar, mancher andern Befchäftigung wegen, noch 
nichts weniger als weit worgefchritten, da wir indeß hier im Archiv 
das Wert felbft befipen, fo fann ich das von Em. Ereellenz jept ent⸗ 


597 


behren, und würde es Ihnen ſchon eher zurüdgeihidt haben, wenn 
ich irgend eine fihre Gelegenheit dargeboten hätte. 

Die Erwartungen zu welchen diefen Herbſt der Gang der polis 
tiſchen Begebenheiten berechtigte, find böfe getäufcht worden. Man 
muß aber auch gefehen, die Ruſſen find fehr unbegreiflih; von allen 
dem was fie hätten thun follen, um dem, für diesmal nicht fehr ſchnell 
ih rüfenden Feinde kraftvoll zu begegnen, oder noch beffer zuvor» 
zufommen, if wenig, fo fcheint es gefchehen; ein erſtarrtes Stehen, 
bleiben auf den Gränzen, führt meines Erachtens niht zum Zweck, 
und die Türkei auf dem Halfe zu behalten, Preußen aus den Händen 
zu laffen, und eine brave und zahlreiche Armee mehr, in die Reihen 
der Feinde gewiffermaßen hineinzuzwingen, find, am gelindeften aus⸗ 
gebrüdt: himmelſchreiende Fehler. Die Sache fteht fhlimm, und wenn 
das Berhältnig zwifhen Rußland und Schweden, über weldes in 
diefem Augenblid noch sine Art Dunkelheit ſchwebt, ih auch noch 
feindfelig geſtaltet, fo ſteht alles noch hei weitem ſchlimmer und um 
die Küftenländer wenigſtens fheint es gefhehen zu feyn. Den Ruffen 
bfeiben aber dennoch Mittel den Kampf nicht unrühmlih zu beſtehen; 
nur Characterſtaͤrle, und ein hartnädiges Beharren auf das einmal 
Gewählte; und diefes zu Wählende muß für fie ein Kriegführen in 
Wellingtonſcher Manier feyn; vor allen Dingen aber wäre jenes 
römifche Princip zu beachten, in Widerwärtigfeiten nie Frieden zu 
wachen, und das um fo weniger je fhmieriger die Lage feheint. Ein 
langer Kampf ift fhon ein halber Sieg über Napoleon, bei dem alles 
auf Kürze abgefehen und auf ſchnelle Entſcheidung berechnet if. — 
Wenn Schweden mit Rußland ift, dann nimmt alles eine weit gün— 
Rigere Geftalt an, und ein weites Hineinlaufen in Rußland könnte in 
diefem Falle den Franzoſen fehr verderblich werden; die Zolgen einer 
großen Diverfion von 6080000 Schweden und (Engländer in 
Deutſchland wären nicht zu berechnen. 

Bas fagen Sie zu dem Ramen Armee von Europa? Mid dünkt 
Rapoleon fpricht ſich nach gerade treuherzig aus, wie er es eigentlich 
meint; man braudt nur zu fließen; feit einiger Zeit nannte er feine 
Armee gewöhnlich nach den Ländern die er zu erobern gedachte! 

Hier will man nod nicht viel vom Kriege wiffen, ich bin indeß 
lebhaft überzeugt daß er für uns unausweichlih und wahrſcheinlich 
ſelbſt ſchon beſchloſſen if; mancherlei Bewegungen unter den Truppen 
und vorzüglich der Abmarſch betraͤchtlicher Gefchügfolonnen nach Polen, 
deuten, auch bei der zur Zeit noch befiehenden Ruhe und ſelbſt Ge⸗ 
rüchtlofigkeit auf etwas hin das ih im Stillen entwidelt. — Bir 
graben unfer eigenes Grab, und mir thut es hitterlich leid, daß ich 


En 


tarau berien IL Was tes für eime Eribruumng imma aut! eme 
Urmee tie im eısem {sd zwenzigjibrigen Ariege Tb ie nell Framzeien- 
hah gefrgen hat, ves Ge für ale ifte früheren Seinde imuftere Geha: 
auagen AugCasmmCH, nun auf einmal Zreunt und Ramrigenefie ters 
kıtterßen Zeındes nat feiner Leitung geberbent! Exhr nahe Peräbe 
rungen würden nun freılıd wohl verwichen werben miren um Iintigen 
Sinteln ausjuweißen, was aber bilit tes im Grunde em, wir ers 
den für aus oyericen und trog alles krimlichen Arrgers nidt weniger 
sum algemeinen Untergang beizutragen fuben. 

Der Geseral B. bleikt weit länger aus als Gw. Erlen; u 
fangs red aelen; hat das wehvhäliige Dekret wicht einen Ginduh aui 
iym gehabt? id bin med chen jo bereit wie vormals, aber Die Zeit 
und Die Ereiguifle Lönnen leicht fo drängen, daß fpäter nichts mcht 
zu thun übrig bleibt. — Immer aber wünidte ih, dab Gm. Eruls 
ienz felOR, fiber mid mit dem General redeten, da ein geftodeneh 
Bort, zumal in folgen Zällen zehn geſchriebene aufwiegt. — Da der 
Brief welchen Ew. Ercellenz wir für den General mitgaben, durch mund» 
liche Müdivradge jet wielleigt unnäpg wird, fo bin id fo frei anzu- 
fragen, ob ih ihn doch noch abgeben oder Em. Ettellenz zuräd- 
Keen foll. . 

Mit unferen Zinanzen nimmt es eine immer tranriger werdende 
Bendung; das wenige Vertrauen in's Papier, die gaͤnzliche Unthätig- 
Belt Ungarns, und die Burcht wor neuen willfürlichen Bafregeln, 
bringen eine fo grängenlofe Verwirrung in ben Preifen aller Dinge 
hervor, daß man fi auf noch größere Uebel als die bereits beſteben⸗ 
den gefaßt halten muß, dabei ſtoden alle foliden Gefchäfte und nur 
der Wucher treibt fein Weſen; der Krieg wird völlig dem Faſſe den 
Boden ausfälagen, und was dann weiter werden fol das weiß Gott. 
Ueberfüllung an Papier heißt unfere Krankheit nicht mehr fondern 
Abweſenheit des Vertrauens in’s Papier, in’s Faiferliche Wort, und 
das laͤßt fi nit zurüdzwingen, fondern will mit weiler Hand 
zurlageführt ſeyn. Metalgeld if eine Waare; Papiergeld if etwas 
anderes; die Befepe des Marktes find demnach nur fehr unvollfommen 
darauf anzuwenden, und wenn die ganze Maſſe des Papiers auf 
40 Millionen reduzirt wärde, fo würden auch dieſe noch immer tief 
unter dem baaren Gelde flehen. Ohne Realifirung irgend einer Art 
iR, fo ſcheint mir's, aus der Verwirrung nicht herauszufinden, und 
da man einmal nicht realifiren will, fo wird man fi} durd jede 
neue Mafregel immer tiefer verwideln. Ja felpft durch Realifirung 
konnte leicht die Sache nicht geloſſt werden, das Uebel feint im 
ODrganiemue des Staats zu liegen, und dann find große Erſchütte- 








599 


tungen und Ummälzungen unvermeidlich. Bewahre uns der Hintmel 
vor biutigen. Ich habe die Ehre mi zu nennen 
Ew. Ercellenz 
gehorfamen Diener 
E. v. Pfuel. 


III. 


Kaiſer Alexander an Stein. 
(S. oben S. 50.) 


L’estime Monsieur que je vous ai toujours portée, n’a recue 
aucune alteration, par les Evenements qui vous ont eloigne du 
timon des affaires. C’est l’energie de votre Charactere, et vos 
talents eminents qui vous l’ont acquise. 

Les circonstances decisives du moment, doivent ralier tous 
les @tres bien pensants, amis de l’humanite, et des idees liberales. 
N s’agit de les sauver de la barbarie et de l’esclarage qui se pre- 
parent & les engloutir. 

Napoleon veut achever l’asservissement de l’Europe, et pour 
y atteindre, il lui faut abattre la Russie.— Depuis longtems l'on 
s’y prepare a la resistance et les moyens les plus Energiques y 
sont rassembles de longue main. 

Les amis de la Vertu et tous les ötres animés du sentiment 
d’independance et d’amour pour l’humanit6, sont tout interesses 
au Succ&s de cette Iutte. Vous Mr. le Baron qui avez marqué 
d’une maniere si brillante entre eux, Vous ne pourés nourrir 
d’autre Sentiment que celui de contribuer a faire reussir les ef- 
forts qu’on va faire dans le Nord pour triompher du despotisme 
envahissant de Napoleon. 

Je vous invite de la maniere la plus instante A me com- 
muniquer vos idees, soit par éerit d’une maniere sure, soit de 
bouche en venant me joindre a Vilna. Le C. de Lieven vous 
communiquera à cet eflet un passeport d’entree. Votre presence 
en Boheme il est vrai pourroit &tre d’une grande utilite, etant 
place pour ainsi dire au dos des armees francaises. Mais la 
faiblesse de l’Autriche Ja mettant d’une maniere à peu pres cer- 
taine sous les drapeaux de la France, pourroit compromettre votre 





600 


Suret, du moins celle de Votre correspondence. Je vous engage 
donc a reflechir marement sur l’importance de toutes ces circon- 
stances, et de choisir le parti qui vous paraitra le plus propre 
a Futilit€ de la grande cause, à la quelle nous apartenons tous 
deux. Je n’ai pas besoin de vous assurer que vous serds recu 
en Russie à hras ouverts. Les Sentiments sinceres que je vons 
porte, vous en sont un sur garant, 
St. Petershourg le 27. Mars 1812. 
Alexandre. 


IV. 
Stein an den Oberfiburggrafen Grafen Kollowraih. 


Des Kayfers von Rußland Majefät gerufen mich durch ein 
Tigenhändiges Schreiben dd. St. Petersburg den 27ften März zu 
einer Anftelung bei der Innern Staatsverwaltung zu berufen, ent- 
weder bei den Finanzen oder dem äffentlihen Unterricht nach meiner 
eigenen Wahl, und verbinden mit diefer Stelle ein von mir ſelbſt zu 
beftimmendes Gehalt. Diefer Antrag fteht in Verbindung mit einem 
früheren, der mir bereit6 am 2dften Auguft 1807 geſchah, den ich 
aber wegen Rüdfehr in den Königlich Preußifchen Dienf anzunehmen 
verhindert wurde. 

Das Kayſerliche Schreiben ift mir durch den Graf Liewen, nebſt 
einem Vorſpannspaß zugefertigt, und am 19ten May mir eingehäns 
digt worden. 

Ich Habe den Beruf des Kayfers angenommen, weil meine Lage 
erfordert für mein Auskommen zu forgen, und die Erhaltung eines 
zwedmäßigen Gefchäftscrayßes mir erwünſcht if, „und erfuche daher 
Em. Extellenz um Ertheilung eines Reifepaffes für mich durch Gallie 
zien nad der Ruſſiſchen Gränze, um mich an den Ort meiner Beftims 
mung zu begeben und die Befehle Sr. Majefät des Kayſers von Ruß⸗ 
fand zu empfangen. 


601 
V. 


Steins erſter Entwurf zum Aufruf an die 
Deutſchen, mit Alexanders Veränverungen. 


Entwurf zu einem Aufruf an die 
Teutſchen zum Auswandern und 
ſich unter den Fahnen des Baters 
landes und der Ehre zu fammeln. 


Teutſche! 

Warum bekriegt ihr Rußland, 
dringt in feine Grängen, behan⸗ 
delt als Feinde feine Völker die 
feit Menſchenaltern mit Eud in 
freundſchaftlichen Verhättniffen 
fanden, Taufende Eurer Landes 
leute in ihre Mitte aufnahmen, 
ihren Talenten Belohnung, ihrem 
Erwerbfleiß Beſchaͤftigung anwie⸗ 
Ten? Was verleitet Euch zu dies 
fem ungerechten Angriff; er fann 
nur verderblih für Euch ſeyn, 
und muß entweder mit dem Vers 
luſt des Lebens von Hunderts 
taufenden, oder Eurer gänzlichen 
Unterjochung enden? 


Doch diefer Angriff iſt nicht 
die Folge Eures freyen beſonne⸗ 
nen Entſchluſſes, Euer gefunder 
Verſtand, Euer Gefühl für Rechte 
lichteit verbürgt mir dieſes; ihr 
feid nur die unglücklichen Werks 
zeuge des Ehrgeizes eines Er⸗ 
obererö' der Sklaverey und Bers 
erben über fein eigenes Volk das 





4) Den Aenderungen des Kaiſers ge- 
maß, änderte Stein Hier und in ben äbri» 
gen Gtellen aud dem Deutfihen Text; wie 
man ihn oben ©. 78 lieft. 


Addresse aux Allemands pour 
emigrer et se rdunir sous les 
drapeaux de la Patrie. 


Allemands! (Germains.) 

Pourquoi faites vous la guerre . 
à la Russie, passes ses fron- 
tieres, trait&s comme ennemis 
les peuples qui depuis des ge- 
nerations entieres ont contrac- 
tes des raports d’amiti& avec 
vous, ont acceuillis des milliers 
de compatriotes parmi eux et ' 
ont actives honorablement et 
utilement leurs talents, et leur 
industrie? Quest-ce qui vous 
porte A cette aggression injuste; 
elle ne peut &tre que perni- 
cieuse pour vous et se terminer 
ou par la destruction de mil- 
liers d’entre vous ou par votre 
asservissement total. 

Cette oppression n’est cepen- 
dant point le resultat der votre 
volonte, la justesse la solidite 
de votre raison, Ja moralit& de 
votre charactere me le guaran- 
tissent, vous n'etes que les in- 
struments de l’ambition‘ d’un 
conquerant qui apres aroir as- 
servi au despotisme le plus dur, 


) L’ambillon &trangäre, qui s’el- 
force de meure dans les fers le 
reste de Europe, verbeflerte ber Raifer 
und firich das Dazwifihenfegende weg. 





602 


ihm vertrauensvoll die hoͤchte Ge⸗ 


walt anvertraute, verbreitete, und 
beides unter das übrige unglüd« 
liche Europa ferner zu verbreiten 
bemäpt if. 
Teutſche! 

ungluckliche ſchmachvolle Werk⸗ 
zeuge des Ehrgeizes eines Fremd⸗ 
linge, ermannt und erhebt Euch, 
erinnert Euch daß ihr feit [2000 
Jahr weggeftrichen, dann:] Jahr⸗ 
Hunderten in der Gefihichte die 
Stelle eines großen in den Küns 
ſten des Krieges und des Friedens 
fich anszeichnenden Volkes ein, 
nehmt, lernt aus dem neueſten 
Beyſpiel der Spanier und Pors 
tugiefen was ber fräftige Wille 
eines Bolkes gegen den eingedruns 
genen übermüthigen räuberiſchen 
Sremdling vermag. — Ihr fend 
unterdrüdt aber noch nicht ernies 
drigt und entartet, verriethen 
gleih viele Eurer Furſten bie 
Sache des Baterlandes ftatt für 
fie zu bluten und zu fallen, ließen 
fich gleich viele Eures Adels und 
Eurer Staatsbeamten zu Werkzeu⸗ 
gen feines Unterganges brauchen, 
flat dem ehrenvollen Beruf zu 
gehorchen, feine Bertheidiger zu 
werden, fo if dod die große 
Mehrheit Eures Volkes bieder, 
tapfer, des Druds der Fremd» 
finge unmuthig, Gott und dem 
Baterlande treu. 


ta nation qui l’avoit choisi avec 
confiance pourson chef, s’efforce 
de mettre le reste de la mal- 
heureuse Europe dans ses fers. 


Alleınands! 

instruments malheureux et arilis 
de l’ambition d’un etranger', 
reveilles vous, rapelles vous que 
vous marques depuis des siecles 
dans l’histoire comme une 
grande nation distinguee par 
ses succes dans les guerres, 
par ses decouvertes dans les 
sciences, aprennds par lesexem- 
ples recents des Espagnols et 
des Portugais les forces et les 
resultats de la volonte Energique 
et prononcee de tout un peuple 
contre* l’etranger arrogant et 
spoliateur*. Vous tes opprimes 
mais point avilis et abatardes, 
quoique presque tous vos? Prin- 
ces aient trahis la cause de la 
Patrie au lieu de verser leur 
sang pour elles quoiqu’un grand 
nombre de votreNoblesse de vos 
Emploies prete son ministere 
pour la perdre au lieu de la 
deffendre :, la grande totalite de 
votre Nation est cependant 
brave pieuse, indignee du joug 
de l’etranger, fidele à Dieu et 
a la patrie. 


) Alexander fepte dafür: des vues 
ambilleuses. 

*) Wexander ſchrich dafür: contre 
Yenvahlssement et l'oppression. 

3) Mlezander nahm an der ganıen 
Stelle von hier kis deflendre Anfof. 


Ihr die der Eroberer auf Ruß⸗ 
lands Gränzen getrieben hat, vers 
laßt alfo die Fahnen des Ber- 
derbens der Schande der Knecht⸗ 
ſchaft, ſammlet Euch unter denen 
des Baterlandes der Freyheit der 
RationalsEhre, die unter meinem 
Schuß errichtet werden — ih 
fage Euch zu den Beyſtand aller 
tapferen Ruffifhen Männer aus 
einer Bevölferung von 50 Mil 
lionen meines Unterthanen, die 
den Kampf für Unabhängigkeit 
und Rational-Ehre bis zum letz⸗ 
ten Athemzug zu beflehen ents 
ſchloſſen find. — 

Ich biete allen ausgewanderten 
braven Deutſchen Offizieren und 
Soldaten die Anftelung in der 
Deutſchen Legion an. — 

Sie wird vorläufig befehligt 
von 
und zur, Wiedereroberung der 
Freyheit Deutfchlands verwendet. 


Gelingt fie, fo ertheilt das 
dankbare Vaterland glänzende Bes 
lohnungen feinen treuen heldens 
müthigen Söhnen, die es von 
feinem Untergang gerettet — 


iſt der Erfolg nicht ganz glüds 
lich, fo weife Ich diefen braven 
Männern Wohnfige und eine 
Freyſtaͤtte unter dem ſchoͤnen 
Himmelsſtrich des füdlihen Ruß⸗ 
lands an. 


603 


Vous que le conquerant a 
traine sur les frontieres de la 
Russie, quittes les drapeaux de 
Vesclavage et de l’ignominie'; 
reunisses vous sous les ban- 
nieres de la patrie de !’honneur 
national que je fais eriger, je 
vous promets l’appui de tout 
ce quily ade braves gens dans 
une population de cinquante 
millions d’ames Russes mes 
sujets, decides & vaincre ou. 
mourir pour l'honneur et l’in- 
dependance nationale. 


'offre à tous les hraves emi- 
gr&s Allemands officiers et sol- 
dats d’ätre places dans la legion 
Allemande. — 

Elle sera commandee par 


et emploide A conquerir la li- 
herie de l’Allemagne. 


Si ce but sera obtenu, ce 
sera la patrie r&connaissante 
qui accordera des recompenses 
brillantes à ses enfants fideles 
et genereux, qui l’ont saures 
de sa perte; 

si un succ&s complet ne re- 
pondra point à nos eflorts, 
j'assignerois à ces braves gens 
un etablissement dans les beaux 
climats de la Russie meridio- 
nale. 


’) ei de Tignominle von Mferander 
gerichen, 


604 


Deutſche wählt, Allemands choisisses! _ 
folgt dem Ruf des Baterlandes, Suires la voix de' votre Bien- 
der Ehre ', faiteur de la patrie de I’hon- 

neur 
oder beugt Euch unter dem ou flechisses sous le joug de 


Joch feined Unterdrüdere und l’oppresseur ', et perissss par 
geht * unter in Schande Elend la dans la misere l’avilissement 





Erniedrigung. Tignominie. 
*) foäterer Zufag: und genießt bie ') dev. b. durch Mlerander ausge: 
Belofnung bie das Wemußtfehn eine ftriden und hinter partie gefeht et. 
edlen Betragen erteilt. ®) L’oppression fihrieb der Kaifer. 
®) fyätere Wenberung: und ie wer- 
det untergeen. 
"VL 


Stein an Münfter und an den Raifer Alerander. 
1. 


Quartier General de Witzy te 30: 2%. . Fein 1812. 


Monsieur le Comte. 

Votre Excellence sera probablement maintenant instruite de 
mon arrivee au quartier general Russe; je m’y suis rendu sur 
les ordres de 8. M. lEmpereur qui a bien voulu croire, que je 
pourrois peut ẽtre concourrir A remplir les intentions d’emploier 
les ressources de l’Allemagne, pour rendre ä celle-cy la liberte, 
et pour resister ä la France. C’est avec l’autorisation de ce Sou- 
verain, qui apprecie Monsieur le Comte votre maniere de penser 
[noble et liberale Bufaß des Concepts], que je vous fais part des 
elements du plan qu’il a forme pour Pemancipation de notre mal- 
heureuse patrie. — 

Dabord il a fait prendre les mesures n&cessaires pour animer 
Vesprit public, pour entretenir dans la grande masse de la Nation 
la haine de l’oppresseur et des princes ses complices, en ordon- 
nant qu’on repande en Allemagne les ouvrages et les imprimes 
qui peurent la nourrir, et il desire que l’Angleterre emploie de 
son cote les moiens qui sont a sa disposition pour introduire en 
Allemagne les ouvrages destines à influer les opinions. Les cotes 


605 


Allemandes de la Mer du Nord et de la Baltique et la flotte 
Anglaise fournissent des moiens de communication, et on · pourroit 
faire passer à l’Amiral Saumarez les imprimes qu’on desireroit 
faire penetrer dans le Nord de l’Allemagne. 

Ces moiens cependant ne sont que preparatoires aux mesures 
suivantes directes et efficaces: 

1) Les troupes Allemandes sont invites par la proclamation ey 
jointe a lemigration, on compte sur In bonne disposition des 
tronpes Prussiennes et Westphaliennes, des officiers intelligents 
sont emploies a les influer, et Mr. de Dörnberg a äte demande 
cy pour reprendre le fil de linisons qu’il avoit anterieurement 
Torme. 

2) La Russie concerte avec la Suede un debarquement sur 
les cotes de la Baltique ou de la Mer du Nord, pour proteger 
une organisation militaire de la partie de l’Allemagne qu’on peut 
considerer comme le Cercle d’Action de l’armee debarquee, et 
pour faire une diversion efficace a Napoleon. J'ai presente a 
S. M. 1. les memoires ey joint, dont Elle a approuve les idees 
generales autant qu’elles ce concilieront avec les Arrangements 
quElle prendra avec les Allies. Il importe done infiniment que 
Y’Angleterre accelera la conclusion de son arrangement avec la 
Suede, coınme la Saison est avancde, et que la navigation sur la 

. Baltique et le mouvement des troupes qui en depend, trouvera 
en peu de mois de grandes difficultes. 

Tous les moiens de la Russie se trourant emploids, pour 
resister a l’aggression faite par Napoleon avec tontes les forces 
de }Europe oceidentale, elle se voit necessitde d’abandonner a 
Y’Angleterre le soin d’appuier, le debarquement d’une armee allide 
etant fait, linsurrection Allemande d’armes de moiens d’equippe- 
ments et s'il est possible aussi, de troupes. S.M.I. croit de plus 
que le Duc de Brunswic s’est acquis par sa conduite militaire, 
et son entreprise audacieuse, une grande consideration dans le 
Nord de l’Allemagne, et que sa nomination pour ätre à la tete 
des Organisations militaires Allemandes, inspireroit de la confiance 
aux troupes et aux peuples. L’Empereur s’attend & ce que le 
Duc s’entournera d’Officiers distingues, tels que le Collonel 
Gneisenau etc. et activera leurs talents en leurs assignant des 
commandements importants. L’empereur vous demande votre 
opinion sur ceite mesure, et il vous invite de la preparer de la 
maniere que votre prudence et votre connaissance de tous les 
rapports auxquels elle tient, vous fera juger la plus propre. 





606 


3) Les dispositiond hostiles des Illiriens contre les Frangais 
font esperer qu’en offrant à ces peuples l’appui d’un Corps de 
troupes Russe qui est sur le Danube, on pourra les engager a 
se prononcer d’ui janiere vigoureuse. Ces moiens d’aggression 
pourroient ẽtre diriges contre le front et le Nord de I’Italie, et 
il est a desirer que l’Angleterre les appuie des forces militaires 
et navales qu'elle a dans la Sicile et l’Adriatique, 

Les intentions nobles et genereuses de S. M. ’Emperear 
sont connus depuis à longtems Votre Excellence, Elle sait que ce 
Souverain ne desire que le bonheur de l’Europe et de ses peu- 
ples, qu'il est convaincu que la tranquilit6 generale ne peut sub- 
sister d’une maniere stable sans que le repos de l’Allemagne ne 
soit assure, Elle emploira donc tous les moiens que la considera- 
tion generale dont Elle jouit, mettent a sa disposition pour con- 
courrir a l’execution des vues bien faisantes de S. M. I. — Jai 
T'honneur d’etre, etc. 





2. 
A l’Empereur. 

D’apres les ordres de V. M. I. j'ose lui presenter le projet 
d'une lettre au Comte de Münster a Londres, elle voudra m’in- 
diquer les changements qui lui paraitront necessaires. 

En redigeant cette lettre et en reflechissant à ce que V.M.I. 
a bien voulu me dire sur les plans du Prince Roial de Suede 
jai fait les observations suivantes que j'ose lui soumettre respec- 
tueusement, Le P. R. s’attend à ce que la perte de la Seelande 
et de la Capitale determineront le roi de D. a ceder la Nor- 
wege. — Je doute que ce Roi, dont on connait la fierte et l’en- 
teteıment, ne consente à cette cession qu’ä la derniere extremite — 
il se transportera avec les debris de son armee sur la Presqu’ 
continuera la guerre qui n’aura aucune influence sur les operations 
de l'armde francaise et ne lui fera point de diversion — et en 
ens de plus grand malheur il se jettera entre les mains de Napo- 
loon dont en attendant la Russie seule devra occuper les forces, 
et si celui-ci a des grands succes le Roi de Danemarc devra ätre 
restitu& d’une maniere ou d’autre dans ses etats. Un debarque- 
ment direct sur les cotes de l’Allemagne fera une diversion à l’ar- 
mee francaise, obligera A des detachements et à de plus graads 
efforts, augmentera les forces allids en activant celle d’une partie 
de l’Allemagne, et favorisera les vues d’aggrandissement du P.R. 





607 


VI. 
Raifer Alerander an Stein. 


Je trouve Monsieur le Baron votre lettre au C. de Münster 
trös bonne et il me semble qu’il ny a rien à y changer. 

Vos reflexions sur les projects du Prince-Royal de Suede 
sont assarement tres fondees, lembaras sera de les lui faire 
adopter. Le contrecarrer trop seroit le jetter dans les hras de 
la France, d’autant plus que n’etant pas trop hien second& par 
les Anglais, il a de la. peine à soutenir son systeme contre la 
France, aussi töt que les guinees Anglaises ne sont pas à sa dis- 
position, dans un pays pauvre comme la Suede. Toute fois j’y 
employerais toute ma persuasion. — Tout A Vous. 


VII. 
Münfter an Stein. 


Brighton den 27Ren July 1812. 

Em. Ereellenz gütiges Schreiben vom 2Sken Juni, aus Wilna 
datirt, hat mir in Anfehung Ihrer ſelbſt, und der Hoffnungen die 
Sie über den Ausgang diefes Krieges zu hegen feinen, die größte 
Freude gewährt. Wenn Männer von Ihrem Character Einfluß auf 
die Lenkung der Politif Rußlands gewinnen konnen, fo if noch viel 
zu hoffen, denn wie ein guter Beobachter richtig bemerkte, die Ruffen 
vereinigen mit der Disciplin eines Sclaven⸗Volks den Muth und 
Geiſt freyer Menſchen. Aber wie viel gehört nicht dazu Fehler gut 
zu machen wie die find, welche bei den Regociationen mit Preußen, 
Defterreih, und zufept mit der Pforte vorgefallen find, und was darf 
man hoffen fo lange man den Rathgeber folder ungeheuren Fehl⸗ 
griffe am Ruder fieht; einen Rathgeber der, im Augenblid des Auss 
bruchs diefes furchtbaren Krieges noch an Eroberungen an der Donau 
denen und fordern fonnte, daß England als Preis feines Friedens 
mit Rußland eine ungeheuere Schuld an Holland übernehmen, das 
heißt: feinem und Rußlands Feinde bezahlen follte. — Wie hätten 
die Sachen jept nicht ſtehen Können, wenn nicht alle unfere Bläne 


608 


recht abfihtlich verdorben wären. Indefien wir follten nur hinter 
uns fehen um für die Zukunft ähnliche Zehler zu vermeiden. 

Erf geftern habe ich durch einen Brief vom 2Ofen Zuly ron 
Dörnberg erfahren, daß Ew. Ercellenz ihn in’s Ruſſiſche Haupt- 
quartier gerufen haben. Ich hatte ſchon früher daran gearbeitet, Daß 
Er in Lord Gathearts Suite daſelbſt erſcheinen follt. In einem 
gehern an Dörnberg abgefhicten Briefe legte ih ein Schreiben von 
Pozzo di Borgo an Em. Erecllenz ein. Er if ungeduldig in Activität 
zu Tommen. Ich bin neugierig durch Em. Ercellenz, oder durch D. 
zu erfahren was man für Pläne für Teutſchland oder Italien emt- 
werfen wird? D. Tann Ihnen Manches über diefe Gegenfände fagen. 
Ich Hoffe man wird Ihm eine in feiner Lage nicht zu gefahrvolle 
Rolle zutheilen. Ich geftche daß Em. Ercellenz Brief an Gneiſenau 
adreſſirt, mich feinetwegen beuntuhigte, da ih daraus ſchloß, daß Er 
noch nicht in Rußland angekommen feyn müffe, obgleih er Wien am 
Ofen April verlaffen hatte. Sept erwarte ich Ihn unverzüglich in 
London. 

Zu Em. Excellenz ferneren Sreundfcaft und Gewogenheit em⸗ 
pfehle ih mich 

ganz gehorfamft 
€. Graf v. Münfer. 

Der junge Balmoden iſt jept bei der Armee im Spanien in 
einem Sufaren»Regimente, welches fi) während des ganzen Krieges 
fehr ausgezeichnet hat. Die Spanifhen und Portugieſiſchen Ans 
gelegenheiten ſtehen fehr gut und find von ber Art daß fie une Muth 
einflößen follten. Louis Walmoden wünſcht eine Anfellung im Eng- 
liſchen Dienf. Da find die Ausfihten fhleht für Ipn, falls Er 
nicht als geborner Engländer angefehen werden kann, worüber ich in 
Bweifel bin, da ich nicht weiß, ob fein Vater hier geboren if, oder 
06 Er nationalifirt worden. Bekanntlich giebt es hier feine höhere 
Gage als die eines Oberſten, fo lange als ein General nit wirklich 
in Activität if. 


co 


IX. 
Leo v. Lützow an Stein. 


Ew. Erxtellenz habe ih die Ehre, anliegend die Anfiht zu über 
fenden, die ich über die Wichtigkeit der Errichtung eines Nachrichten, 
ſyſtems an der Oſtſee, auf dem legten Theil meiner Reife aufgefaßt 
babe. — Abmiral Bentinf if als außerordentliher englifher Ge⸗ 
fandter hier geweſen, und nachdem er, wie es fcheint, mit großer 
Auszeihnung aufgenommen, diefen Vormittag nah Stodholm abs 
gereifet. Wenn die Berhältniffe mit England und die diplomatifhen 
Relationen wieberhergeftellt, fo glaube ih, würde es fehr intereflant 
fein, wenn e8 die mit Spanien auch würden. Es würde in Spanien 
und mehr noch in Europa einen guten Eindrud mahen. In Spanien 
eriſtirt, wie Ew. Ereellenz wiſſen, feit dem September 1810 in den 
Cortes, die reinſte Volfsrepräfentation die ein Bolt befigen fann: 
Repräfentation nach der Kopfzahl, ohne Rüdficht auf privilegirte 
Stände. Ihr erfter Schritt war die Erklärung daß Ferdinand VII. 
nur gezwungen dem Thron entfagt, daß er nach der befiehenden Con⸗ 
ſtitution ſelbſt nicht das Recht gehabt, ohne Einwilligung der Eortes 
zu abdiquiren, geſchweige über den Thron zu disponiren. Die jegige 
Regierung if eine Regentfchaft, welche während der augenblicdtichen 
Gefangenfhaft des Königs feine Stelle conftitutionsgemäß erfüllt, 
Die neue von den Gortes entworfene und fanctionirte Eonfitution if 
feit dem März diefes Jahres in Wirkfamkeit getreten. — Wenn die 
Engländer übernehmen, Spanier die bei der franzöflfchen Armee und 
defertirten, nach ihrer Heimat zu fhaffen, fo würde fih Defertion uns 
ter ihnen leicht fomentiren laſſen. 

Belkowiſchkew den ten Juli 1812. 

v. Lüpow. 


Ueber die Einrichtung eines Nachrichteneinziehungsſyſtems 
von ber Oſtſee aus. 


Der Feind befindet fih auf dem Kriegesfhauplag, den er jet 
inne hat, in großer Entfernung von den Punkten, aus denen er bie 
Erfegung feiner Kräfte zu ziehen hat. Die Entfernung vermehrt 
die Gelegenheiten, über die Kräfte, die er von ihnen an ſich zieht, die 
uöthigen Nachrichten einzuziehen. Die Art und Beife wie die Frans 
zofen ihre Kräfte an fich ziehen, nehmlich auf u Ctappen⸗ 

Stein’s Lehen. II. 2te Aufl. 





so 


ſtraßen, auf denen die Nachtquartiere immer diefelben find, erleichtert 
die Einziehung diefer Nachrichten bedeutend, und ebenfo if dabei die 
Lage der Oftfee, welche auf einer anfehnlihen Strede diefe Marſch- 
linie cotoyirt, fehr vortheilhaft. Ein genaues Tableau diefer Etappens 
pläge und diefer Etappenflraßen müßte als Grundlage, zur Einzies 
Jung und zur Ueberfiht und richtigen Berechnung entworfen werben. 
Ich füge beiliegend eine allgemeine Weberficht diefer Straßen bei; 
aus ihr wird zugleich fihtbar, daß wenn es gelingt auf einigen dieſer 
GEtappenpläge, die gleichfam ald Gentralpunkte diefer Maͤrſche zn bes 
traten find, bekimmte Nachrichten einzuziehen, man fih nicht allein 
ein fehr genaues Detail, fondern auch eine Kontrolle über feine 
Nichtigkeit verfhaffen fann. Es wird mit feiner großen Schwierig» 
teit verfnüpft fein, auf mehreren Punkten, ſelbſt durch Berfonen, 
welche .beim Gtappenwefen angeſtellt find, die gehörige Auskunft zw 
erhalten, indem man auf eine große Anzahl Menſchen rechnen fan, 
die diefes rein aus guter Abfiht thun; wobei nur nothwendig if, 
daß ein Mann diefe Leitung übernimmt, der mit ben Perſonalver⸗ 
bältniffen in jenen Gegenden befannt if. Im Preußifchen if dabei 
im Durchſchnitt von den Nachforſchungen ber Polizei nichts zu bes 
fürdten, im Gegentheil von ihr Reifepäffe u. f. w. zu erhalten. Die 
Dſtſeekũſte giebt aledann den Weg, auf welchem man die Naqrichten 
aus dem Innern von Teutfcland und Preußen nad Rußland ſchaffen 
kann. Dies kann gefchehen, einmal durch die Englifhen Schiffe 
welche die Küftenländer blodiren, dann aber auch durch den flattfin« 
denven Schleihhandel. Da es die Abfiht der Engländer in diefem 
Augenblid if, die Strenge der Blodade zu verdoppeln, um die Ein« 
fuhr der erſten Lebensbedürfniſſe im Rüden des Feindes zu verhin- 
dern, fo hat diefes die Anzahl der blodirenden Schiffe an den Küften 
die jene Communication bewirken kann, auf vortheilhafte Art vers 
mehrt. Der Schleihhandel wird unter mancherlei Borwänden, vor⸗ 
züglich jegt aber dadurch betrieben, daß die Communication zwifhen 
den Preußifhen und Schwedifchen Häfen noch nicht geſperrt if. Dies 
fer Schleihhandel wird im Ganzen durch die Eskader der Engländer 
in der Oftfee unterftüßt. Der befonders dazu beſtimmte Theil diefer 
Estader unter Admiral Morris hat auf der Höhe von Carlsham, bei 
der Meinen Infel Hand ihre Station. Auf diefer Infel ift das Kaufe 
mannshaus BWilfinfon und Comp. etablirt, weldes als Spediteur 
einen großen Theil des Schleihhandels leitet, dabei den Anſichten 
und Möglickeiten, die Admiral Morris darüber aufſtellt, befolgt, die 
gehörigen Päffe, Lizenzen verſchafft u. f.w. Ich glaube, daß es von 
Wichtigkeit fein würde, unter dieſen Umfländen in der Offer, und 


si 

zwar In Carlsham ein Tentrum zu etabfiren, welches bie Einziehung 
der Nachrichten von dort aus einrichtet und leitet, ſich zugleich auch 
mit dem Centrum in Verbindung feßt, weldes im Deſterreichtfchen 
zur Rachrichteneinziehung flattfindet. Bei der Wahl der Berfon, 
welche diefes Centrum leitet, ift zu berüdfichtigen, einmal, baß fie die 
Berfonatverhäftniffe im Preußifchen und im nördlihen Teutfchland 
Iennt, zweitens, daß er geeignet fey, mit den höheren Offizieren ber 
Englifhen Esfader in genaue Berkättniffe zu treten. Berr Alerander 
Gibſon vereinigt diefe Eigenfhaften in bedentendem Grade; er ift feit 
mehreren Jahren aus wahrer Anhänglichfeit an die allgemeine Sache 
mit dem Buftande und ben Perfonalverhältniffen auf dem feften Lande 
befannt, und befipt anderen Theile jept fhon das Zutrauen der Eng- 
liſchen Officiere und Behörden. Geborener Engländer würde er diefen 
Auftrag nicht allein als ein Geſchaͤftsverhaͤltniß mit den Engländern 
betreiben, fondern ihm auch durch fein Umgangsverhäftnig förbern. 
Außerdem daß Herr Gibſon die Perfonalverhältniffe in Teutſchland 
tennt, fo würde zugleih Denjenigen, welche durch ihre vormalige 
Lage davon unterrichtet find, aufzugeben fein, ihm das nöthige 
Detail zu überfenden, fo wie ihm aud von dem Minifter Sr. Kaiſer⸗ 
lichen Majeftät welcher am Hofe von Berlin acereditirt gewefen, bie 
Notizen mitzutheilen wären, die dahin eingreifen. Außerdem daß 
Herr Gibfon die Communicationen dur den Admiral Morris auf 
Engliſchen Kriegsfahrzeugen und Schleihhandelstreibenden Kauffahr 
tern dirigiren ann, fo werden ihm gewiß auch dazu vom Admiral 
Saumarez befondere Lizenzen bewilligt werden. Herrn Gibfon würde 
ein Fond anzuweiſen fein, die nöthigen Unkoſten der Beifen 2c. zu 
beftreiten. Diefe Ausgaben würden außerdem fo fehr bedeutend nicht 
ausfallen, weil zur Erhaltung der Nachrichten fo wie zur Betreibung 
des Gefchäftes überhaupt eigentlich Leute gebraucht werden, die fi 
aus Antheil an der Sache ſelbſt dazu hergeben. 

Bei der Etablirung diefes Nachrichtenſyſtems, würde man zugleich 
den Vortheil erlangen, beſtaͤndig in genauer Ueberficht des Zuſtanbes 
zu fein, der an den Küfen der Oſtſee und in den Küſtenlandern 
herrſcht, welches bei den Entfhlüffen zu Operationen im Rüden des 
Beindes von großem Intereffe fein würde. 

Ienifhen den Aften Juli 1812. J Lũdow. 


Allgemeine Skizzirung ber Etappenſtraßen ber Franzofiſchen 
Armee dutch das nördliche Teuiſchland 
In Nürnberg treffen die Etappenſtraßen zuſammen, bie dus 
Itatien dutch Bayern über Regensburg und Augsburg gehen. In 
39° 


62 


Bayreuth trifft die Ctappenſtraße über Nürnberg mit der von Bam⸗ 
berg zufammen, und continuirt über Hof, Plauen, Zwidau, Dresden. 
Bon Hof geht zugleich eine Seitenetappenftraße nad Hof*, wo die 
Ctappenſtraße von Cronach über Saalburg einfällt, und nah Gera 
eontinuirt, von hier auf Leipzig oder aber direct auf Meiffen geht. 
Im Leipzig fällt die Etappenfraße von Eaffel über Erfurt ein, die 
zugleih von Naumburg nad Halle geht. Bon Leipzig gehen die 
Gtappenftragen auf Meiffen, Torgau und Wittenberg, von Halle auf 
Deffau. Bon Weſel und Holland gehen die Militairſtraßen auf Min» 
den, Braunfchweig und Magdeburg, oder über Bremen auf Hamburg. 
Bon Dresden und Meißen gehen bie Etappenftraßen auf Glogau, von 
Wittenberg und Deflau auf Frankfurt oder Berlin, von Torgau auf 
Glogau oder Eroffen. Bon Magdeburg geht die Mititairftrage auf 
Berlin und auf Stettin; von Berlin auf Cüftrin oder Frankfurt. 
Bon Hamburg auf Berlin oder auf Schwedifh- Pommern und Stets 
tin. Demnad) erſcheinen Hof, Leipzig, Deffau, Magdeburg, und dann 
wieder Glogau, Croſſen, Sranffurt, Cüftrin, Stettin als Centralpunfte 
wo die Gtappenftraßen ineinanderfallen. 


*) wohl zu leſen Schleig. 


X. 
Prinz Georg von Oldenburg an Stein. 


Gautschinin le 27. Jain 1812. 

J’ai regu Votre aimable lettre, mon cher Baron, et me flattois 
toujours de pouvoir soumettre les differentes propositions que 
Vous y faites à la decision de l’Empereur, mais aujourd’hui il 
est de toute impossibilit& de parler a S. M., il est trop occupe. 

ll ne s'agira jamais de mon indulgence entre nous deux, ce 
n'est pas la le terme, je ne puis que profiter de Vos lumieres, 
et la purete de Vos sentimens m’est trop connue. Tout ce que 
Vous me conseillez sega execute au plus vite, demain l’Empereur 
donnera, je me flatte, sa sanction. 

Il me tarde de Vous reiterer de vive voix au plutöt les sen- 
timens de consideration d’estime et d’attachement que je Vous ai 
vouds pour la vie. 





George. 








613 


Algovka ce 6. Juillet 1812. 

L’Emperear vient de me repondre dans ce moment ici, mon 
cher Baron, il est impossible d’eviter l’alternative ou d’embarasser 
toutes les routes par des Equipages nombhreuses et qui y feroient 
un encombrement, ou de produire cette terreur en les faisant 
retrograder à temps. L’Empereur est parfaitement d’accord avec 
Votre intention d’aller A Moscou, et croit que cela soit tres bien 
fait. Moi en mon particulier, je ne puis que regretter, de me voir 
prive pour quelque tems du plaisir de vous parler, mais je me 
flatte que cela ne sera pas pour long tems. Mr. G. fait bien, 
TEmpereur prendra les mesures les plus energiques pour un nou- 
vel armement. Il nous faut une force enorme sur pied, et tout 
#y prepare, . 

Adieu, mon cher Baron, comptez sur moi, je vous suis vraie- 
ment et sincörement attache. 


George. 


XI. 
Graf Kotſchubey an Stein. 


Veliki Lucki le 11. Juillet 1812. 

Je suis bien reconnaissant à Votre Excellence, de son bon 
souvenir. Ses isvostchiks in'ont exactement rendu son aimable 
billet. Je n’ai pas besoin, Monsieur le Baron, de vous assurer 
combien notre separation m’a fait de la peine; je crois vous avoir 
assez donne de preures des sentimens que je vous ai vouds, 
pour quil puisse Ötre necessaire d’en parler encore aujourd’hui. 

Le voyage de ?’Empereur ä Smolensk et A Moscou m’a decide 
ä demander la permission d’aller à Petershourg; j'ai cru y ötre 
@autant plus autorise que je ne fais absolument rien ici, que je 
vais bientöt suivant toutes les apparences rester tout fin seul, que 
d’aprös les combinaisons les plus raisonnables il est impossible 
de supposer que S. M. revienne de ces cötds ci d'un moment A 
Yautre. J’&cris en consequence aujourd’hui directement à S. M. 
et j’adresse ma lettre au Comte Aracktchejeff. Rendu à Peters- 
bourg, je pourrai rerenir aussitöt que je pourrois @tre utile à 
quelque chose; en attendant je. donnerai un petit coup de lancette 
& mon oeil. 














000 


On diroit, Monsieur le Baron, que vous avez l'art de la di- 
vinatiog, tellement vous, avez choisi A propos le moment de votre 
voyage & Moscou. Vous verrez cette ancienne capitale dans um 
grand eclat, et ce qui plus est, vous trouverez un grand attache- 
ment et un grand enthousiasme pour un Souyerain legitime. 
Vous verrez lea »sacrifices que l’on fera, et tout cela agira bien 
agreablement sur un homme qui pense et sent comme vous. Je 
suis bien fach de ne pas ätre temoin de ces beaux elans. Je 
les aime par eux mêmes et la conviction qu’ils donnent de notre 
force, de nos moyens. 

S. A. I. le Prince George d’Oldenhourg a passe par Veliki 
Lucki sans que je le voye; je lai manque d'une minute & la, 
poste. Il etait extremement presse de se rendre à sa destination. 
Mr. Fabre est ä la fin depuis hier ici. Je lui ai fait part des 
vues que le comite a eues sur lui. Aujourd’/hui nous preciserons 
par Ecrit ce dont il sera charge, — sauve l’approbation du comite. 
Il travaillera d’abord A la 2. partie de son ourrage; & la traduc- 
tion de Divernois si nous pouxons azoir Poriginal, et A toutes les 
publications dont il pourra &tre charge accidentellement. il m’a 
lu quelques fragments de son ouvrage. Ils sont tr&s interessante. 
Nous continuerons cette lecture egcore aujourd’hui, et demain il 
retournera & Petersbaurg. Il a besoin de a'y xendre, d’abord 
pour soigner l’impression et ensuite pour Ötre a portde des ma- 
teriaux qu’il a encore hesoin de consulter. Je ne lai jamais vu 
avant; c'est un homme tr&s bonne societe, ce qui est assez rare 
parmi les sarants. 

Au grand mouvement que j’ai vue à Velicki Lucki le pre- 
mier jour apr&s le depart de l’Empereur, a succede le plus grand 
calme. Il ne passe plus personne; cependant ce matin nous 
avons appris la grande nouvelle de la ratification de notre paix 
avec les Turcs. C’est un ev@nement bien important et bien 
heureux, dont je henis le ciel avec la plus grande ferveur. 
Puisse-t-il proteger maintenant notre cause: la plus juste que les 
fastes du monde ayent jamais offertes! 

Recevez, Monsieur le Baron, les assurances de ma conside- 
ration tr&s distingude et de mon sincere attachement. " 

Comte Kotschonbey. 





63 


XI. 


Prinz Auguſt von Oldenburg an Stein und 
Steins Antwort, 


Witepse le $ Juillet 1812. 


Mon tres cher Baron. Ayant appris que Vous venez entre- 
prendre une course pour Moscou, j'addresse ces lignes au Comte 
de Rostopschin en le prinet: de vous les remettre. Vous saurer 
que mon frere a quitt6 Farmée pour se rendre a Norogrodt 
Jarosiaw et Twer. Pendant son absence l’Empereur a daigne 
me confier les affaires dont mon frere se troura charge. Jai en 
consequence le plaisir de vous communiquer ei jointe la reponse 
du Colonel: Doernberg. Je suis charmd de revoir cet homme, 
Quoiqu’il n’est pas un homme du premier ordre, on tirera sans 
eontredit grand profit de sa presence vu qu'il a heaucoup d’amis 
parmi les troupes ci-devant Hessois et Prussiens. Mr. le Major 
de Goltz n’a pas été heureux jusqu’ici, vu que Pennemi: ne s'est 
pas approche de la Courlande. Les proelamations sont distri- 
budes et une bonne guantite se trouve à Riga pour etre enroy6 
par mer. 

Depuis votre depart excepte quelques escarmouches rien ne 
west passe. On dit Bagrathion a Mohilew, et Platow avec ses 
Cosaques à Uldecot (?), et nous nous flattons de voir arriver un 
de ces jours l’un et ’autre. Pour le moment il parait qu’on ignore 
le quartier- general de Buonaparte. Nous avons contre nous le 
Viceroi d’Italie. Les Uhlans de la garde ont pris trente Uhlaus 
de la garde Hollandaise qui ont souhaite d’entrer dans la legion 
Allemande, et je suppose ‘que le oommandant en chef ne se re- 
fusera à leur demande; 

Voiei mon cher Baron quelques lettres qui sont emtrdes et 
que Lützow ın'a. donnd qui se troure A cette heure aux avant- 
postes comme adjoint du quartier-maitre- chez Mouschtin, eom- 
mendant une brigade du 5. Corps. 

Clausewitz a quitt6 pour le moment Phuhl, et s’est place 
pres de Palılen officier d’un merite distingue. 

ll y a justement un an, que j’etais à Moscou, mais je’ con- 
nais cette capitale senlement sous: le rapport des objects digues " 
d’etre vues; mais vous aurez l’agrement de voir aussi: la societe, 


616 


vu que pendant la presence de l’Empereur tout le monde se 
trouvera en ville. 

J'attends avec impatience le moment oü j’aurais le plaisir de 
vous rerair, et de pouvoir m’entretenir sur les objets que vous 
venez de voir. 

Il faut que je finisse, le coup de canon nous annongant que 
nos avant postes sont engages. Tout à vous. 

Auguste de. Holstein. 

Le comte Chäsot vous fait ses compliments. 


Steins Antwort. 
Moscou Je 2. Juillet _ 

1. d’Aout. 

La lettre que V. A. m’a fait I’bonneur de m’adresser du 





2. Juillet 
= Juillet ne m’est parvenue que ce matin TTaom © cette 


circonstance justifiera le retard que j’ai du mettre necessairement 
à ma reponse que je confie également aux soins de Mr. de Ro- 
stopschin. 

L’arrivee de Doernberg sera toujours utile, il pourra influer 
sur ses anciens camarades si on le place vis-A-vis d’euz, et si 
on lui procure les moiens de se mettre avec eux en contacte — 
c’est un homme bien pensant mais ses moiens sont mediocres. 

Je ne doute point que le General en Chef n'aie envoye les 
Uhlans prisonniers à Reval etc. 

On multipliera les moiens de contact en enrollant parmi les 
prisonniers Allemands, en observant l’arrangement deja pris par 
S. A. I. de les separer des Frangais, et en les traitant dans le 
depot oü on les rassemble d’une maniere a les encourager et à 
les electriser. 

Une centaine etant rassemble peut-ätre que V. A. croiera 
qu’il sera necessaire de s’occuper de la formation, et de la con- 
fier ad interim à un officier superieur intelligent. 

A-t-on quelgue certitude que les proclamations 'aient penetre 
jusqu’aux corps Allemands, et sgait-on quelle impression qu'elles 
ont faites? 

S. M. I. est partie hier, elle m’a ordonne de la suirre & 
Petersbourg, oü j’espere arriver le 25. en m’arrttant a Twer — 
ce voiage me procurera encore quelque tems l’honneur de faire 
ma cour à Votre Altesse. C’est de Petersbourg que jaural 
l'honneur de lui ecrire sur le plan de Lutzow, comme j’y pren- 











67 


drois quelques renseignements sur son contenu. 
est egalement à Petersbourg aiant obtenu la permi 
pereur. 

La vie guerriere et agitee que V. A. mene dans ce moment, 
Tempechera de lire de longues lettres et mes observations sur 
Moscou; pour lui en parler j'attendrois le moment qui me reunira 
ä elle et qui me procarera etc. 





Kotschubey 
ion de P’Em- 


Stein. 


XI. 
Dörnbergs Antwort auf den Ruf nah Rußland, 


„Carlshamm den Hten July. — Nichts konnte mir erwünfchter 
feyn, als die Einladung zweyer fo verehrungswürdiger Männer als 
Herrn v. Stein und Grafen Chafot, die ih in diefem Augenblick 
durch Ihre Güte erhalte, und der ih den Augenblid genügen würde, 
wäre ich nicht vom Prinzen-Regenten mit beſtimmten Aufträgen hiers 
her geſchictt, deſſen Erlaubniß ich erſt abwarten muß; ich zweifele 
aber feinen Augenblick daran, daß ich fie erhalte, da er mir ſchon 
früher Hoffnung gemacht, im Fall des Ausbruchs des Krieges, nach 
Rußland gehen zu dürfen. Der Reifende, der mir Ihren Brief ges 
bracht, und der gleich weiter ald Courier nach England geht, nimmt 
auch meine Briefe dahin mit; umd ich ſelbſt gehe nad) Gothenburg, 
um den Oberft v. Gn. dort zu ſprechen, und die Antwort defto ges 
ſchwinder zu haben. Verfihern Sie einſtweilen Graf Chaſot und 
Herrn v. Stein, daß ich, fobald ich fann, keinen Augenblid verlieren 
werde, zu ihnen zu eifen, und es mein höchfter Wunſch if mit folhen 
Männern für die Befreiung unfered Baterlandes wirken zu konnen.“ 


XIV. 
Pozzo di Borgo an Stein. 


Mon cher baron. — 
Votre lettre du 23. Juin m’a &t6 remise le 14. du courant: 
ma surprise a été egale au plaisir que j’ai ressenti en vous 


as 


sachant em terre mom Frangaise; appelle a csoperer am souhien 
de ia cause a la quelle Nous sommes tous deroues, et a serür 
un Prince qui est aujourd’hui le seul appui de l’Europe eonti- 
mentale, et l’esperance de ses braves et nombreux sujets. 

Les eirconstances actuelles m’inquietent sans me surprendre 
nullement; si jamais un evenement m’a paru inevitable; c'est suns 
contredit une guerre entre la Russie.et la France; la conduite 
de Napoleon depuis la paix de Tilsit a &t6 ute campagne 
politique adreitement combinee pour arrirer au point ou il aurait 
tout englobe dans son systeme, et tout reuni sous ses drapeaux 
afın de marcher ensuite contre l’Empereur Alexandre; quoigu’il 
en soit, Bonaparte ne l’attaque pas a l’improviste et sans avoir 
a combattre des obstacles, et des preparatifs correspondents a la 
grandeur des interets qui en dependent; si d’un autre cote om 
ajoute la perseverence, et m&me l’obstination, l’ennemi trouvera 
dans la durée de la guerre des difficultes, et s’exposera a des 
inconvenients qui, a coup sur, ne sont pas entres dans ses cal- 
euls actuels, — 

Quant a ce que vous voulez bien penser de moi, man eher 
Baron; je dois croire que vötre amitie ajoute a l’importanee que 
vous donnez aux services que je serais a möme de rendre aupr&s 
de S. M. L, j'aime cependent que vous sachiez, que ces serrices, 
quelqu’ils puissent etre, ont été constamment offerts avec le de- 
vourement le plus absoli. Sans recapituler des demarches, et de 
eirconstances anterieures; je dois vous imforıner qu’a mon arrivee 
ici, et depuis le mois d’Octobre passe je n’ai manque de faire 
connaitre mes sentimens, et ınes opinions, et celles meme des 
personnages du plus haut rang, sur ce que l’on devait attendre 
des projets et des dispositions de la France, et sur les mesures 
qui paraissaient les plus convenables pour contrarier les resolu- 
tions de l’ennemi a cette epoque: je me suis addresse depuis 
a Messieurs Van Suckteln, et Kotschubey comme a des anciens 
amis, et je les ai prie d’offrir humblement a S. M. l’Empereur 
la continuation du meme zele avec le quel j’ai eu le bonheur de 
le servir autre fois; mais je dois vous ajouter, que je n’ai pas 
encore r&cu le moindre encouragement qui aurait justifi€ la reso- 
lution prise de ma part de retourner en Russie; sur tout avant 
le commencement des hostilites; a ces considerations j’ai du 
ajouter le peu de progres qu'arait fait la reconciliation formelle 
entre ’Angleterre et la Russie; et la suspension de tout plan 
d’arrangement et de cooperation avec la Suede; l’indecision et le 





Lo} 


retard d’erenements si desirables ont confens mon impatience;, 
jusqu’ä tant que des nouvelles raisons viennent me tirer de mon 
hesitation, et me ramenent ou vous etez: dans ce cas j’apporterai, 
& l’Empereur la meme soumission et le m&me devourement qu'il 
trouve dans ses autres serviteurs, et peut etre quelques fruits de 
experience de 20 ans, et de l’application la plus constante, et 
la plus variee & connaitre les hommes et les affaires du temps 
ou Noys vivons, Notre cause, mon cher Baron, n’est pas aussj 
desesperee qu’elle le parait en general: les succ&s de Bonaparte 
sont un terme moyen entre les ressources qui dependent de lui, 
et les fautes calculdes de ses ennemis; il s’est rarement 
trompg sur cette derniere partie de ses combinaisons; et c'est 
cependant la seule par la quelle il nous serait permis de le, 
mettre en defaut: il soutient une guerre terrible aux deux extre-. 
mites de l’Europe; examinez combien de portes ouvertes entre 
les deux extremes de ses operations militaires, combien de parties 
foibles dans son systeme des qu'il la reodu unirersel; Bonäparte 
voit cela mieux que personne; mais il hazarde sur la connaissence 
quil a de nos mefiences, et de nos lenteurs; et dans lespoir 
dans le quel il se fonde, que dans une circonstance avantageuse 
il offrira A son adversaire prineipal de le relerer du danger du 
moment, avec le projet de le replonger dans d’autres plus gra- 
ves, plus systematiques, et des quels il lui sera ensuite impossible 
de se tirer: si Napoleon se trompait a cet, egard, et je l’espere, 
il verrait pulluler au tour de lui les difficultes dans les quelles il 
se propose de jetter les autres; et qui certainement ne sont pas 
entrès dans ses calculs de probabilites: la nature de cette lettre 
ne me permet pas d’entrer dans des details: au reste mon cher 
Baron, pour etre utile, il faut etre en place, dans une situation 
active, et d’ou l’on soit a portee d’executer ses propres idees, ou 
celles des autres lorsqu’on les croit meilleures; tout autre effort 
mest que de Yagitation en pure perte: si vous croyez qu'il n’y 
aurait pas de l’indiscretion a mettre cette lettre aux pieds de 
8. M. I, vous pouvez le faire, en ajoutant ce que vötre amitie 
vaus suggerera pour la faire recevoir avec bienveillance; c’est un’ 
exc&s de respect qui m’empöche de prendre la libert& de m’ad- 
dresser moi m&me directement a Sa Majeste. 

La perte de l’abb& de Stadion sur tout a la veille d’entrer 
dans le cabinet de l’Einpereur Francois à et& un grand malheur; 
son Esprit, et ses principes connus auraient peut etre, evite l’Al- 
liance de l’Autriche avec la France, le parti gpi a precipite cette 





620 

mesure fatale est le m&me qui a signe& la paix de Vienne; peu 
de mois apres on a decouvert ses plans ulterienrs, que l’on par- 
vint alors a eluder par les opinions personelles de l’Empereur, 
soutenues de quelques serriteurs qui lui restaient encore fidels; 
ce qui est arrivd depuis est l’effet de toutes les circonstances 
malheureuses d’ont vous avez et& tenoin, et de fautes graves 
dont Bonaparte a tirè tout le profit, dans le m&me temps qu’il 
les faisait commettre; mais l’Autriche agit par peur; si arec le 
temps Elle peut s’assurer contre ses propres craintes; Elle re- 
viendra a ses interets. — 

Adieu mon cher Baron, Dieu veuille que Nous nous rencon- 
trions; un peu de bien fait avec vous redoublerait les plaisirs du 
succ&s; rapellez moi a nos amis communs, et croyez moi bien 
sincerement 

votre bon ami et serriteur 
Pozzo di Borgo. 
Londre 18. Julliet 1812. 


XV. 


Instruction 
pour le Comit& charge des affaires d’Allemagne, 
nebft Steins Bemerfungen. 


Ayant juge convenable d’etablir un Comité speeialement 
charge de s’occuper des affaires d’Allemagne, auquel Nous avons 
nomm& par interim le Prince George d’Oldenbourg, Notre Beau 
frere, jusqu’& ce qu’il Nous plaise de charger le Duc, son Pere, 
du m&me objet, ainsi que Notre conseiller prive actuel Comte de 
Kotschoubey et le Ministre Baron de Stein; Nous avons de plus, 
sur la demande qui Nous en a été faite, permis que Notre Lieu- 
tenant General et Aide de Camp General Comte de Lieven, soit 
joint A ce Comite, auquel nous donnons la presente Instruction, 
a fin de lui prescrire les bornes de son activite, 

$.1. 

L’Allemagne entratnde malgre elle dans la presente guerre, 
offre des considerations infinies qui toutes doivent fixer les re- 
gards du Comite, et qui peuvent se reduire aux points suivans: 


621 


a) Tout ce qui peut s’envisager comme existant de fait ou de 
droit en Allemagne est plus particulierement connu aux 
membres qui compnsent le Comite, et Nous le chargeons 
de se procurer tous les renseignemens qui y ont rapport, et 
de se mettre en rapport avec les personnes qui ont une 
entiere connaissance de la statistique et du droit public 
d’Allemagne, afın que toutes les fois qu'il Nots parottra utile, 
Nous puissions Nous procurer les informations necessaires 
sur ces objets. 

b) Tout ce qui se passe pour le moment en Allemagne etant 
du plus grand interet, il est indispensable de prendre telles 
m6sures qu’il sera jugé necessaire par le Comite pour se 
procurer aussi regulierement et aussi promptement que 
possible les meilleures nouvelles. Nous autorisons les de- 
penses qui sont ndcessaires A ce sujet, sauf a demander 
dans les cas extraordinaires et importans Notre agrement. 

c) Le succes de Evenemens dependant sourent de leur popu- 
larite, et les esperances des opprimes du succes de Nos 
armes, il est necessaire de guider d’un cöte l’esprit public, 
de Pautre, de faire connoltre ce que l’ennemi a interet de 
cacher, afın que si le cas y &chöt, Nos troupes &prouvent 
une bonne reception des habitans et meme une cooperation 
active. 

d) II est &galement necessaire d’entretenir telle intelligence qui 
sera jugee necessaire pour avancer Notre service en y at- 
tachant des r&compenses proportionnees, emp&chant toute 
fois autant que possible tout nouvement spontane et qui ne 
fait que compromettre les particuliers sans avancer l’objet 
public. 

e) Les Allemands qui ont quitte leur patrie, las d’un joug 
etranger, ayant demande d’entrer à Notre service, il sera 
forme un corps de troupes Allemandes sous les regles de- 
termindes ci-apres, 

§. 2. 

Ayant approuve le 16. Juin une deliberation du Comité sur 
le partage de ses occupations entre ceux qui en font partie, il 
est superflu de revenir ici sur le m&me objet, et ce n'est que 
pour renvoyer & cette deliheration et pour assigner au General 
Comte de Liewen sa participation et ses oCcupations dans tout 
ce qui regarde la gestion des affaires militaires, qu'il est neces- 
saire d’en faire mention. 





vrꝛ 
8. 3. 


C'est an Comite lui-meme à regler la marehe interieure de 
ses occupations et A leur donner une telle direction qui abrege 
Autant que possible la gestion, en etahlissant le plus grand ordre 
possible. \ 

. 4. 

"Toutes les sommes que le 'service exigera, Nous seront de- 
mandees dans le courant de chaque Tiergal pour &tre assignees 
pres de Notre Ministre des finances pour le service du Tiergal 
suivant. I y aura une comptabilit6 à regler, consistant dans un 
Caissier tiré du Departement des finances et place sur la respon- 
sabilit& du Ministre de ce departement, lequel Caissier ne payera 
‘que sur un bon du Comité les sommes alloudes soit à un service 
ofdinaire et regle, soit A un service extraordinaire et momentane. 
A la fin de chaque annee il Nous sera present& un releve som- 
maire des depenses causees par le service des diverses branches 
sous la direction du Comite, et les comptes seront portes au 
Departement des finances pour en faire la revision et proceder 
ensuite selon les formes usitees à leur justification. 

8.5. 

Sulvant ce qui a ete dit $.1. e. il sera procede immediate- 
ment à lever en differens Corps les Allemands qui se trouvent 
persuades, que, servir sous Nos drapeaux, c'est servir la cause de 
leur patrie, bien que la volonte de leurs Princes lögitimes, sous 
Tinfluence d'un pouvoir etranger en lutte avec Nous, se soit pro- 
noncee differemment. Tous ces individus se trouvent en Russie, 
soit d’hazard, prisonniers ou transfuges, seront reunis en diffe- 
rens corps d’Infanterie, de Cavalerie et d’Artillerie. 

Leur engagement sera: 

a) pour le teıns de la guerre, laquelle finie ils seront libres de 
retourner dans leurs foyers, en supposant un heureux suc- 
c&s à Nos armes et l’emancipation de leur patrie d’une in- 
fluence &trangere; au cas contraire il leur sera accorde la 
permission de se retirer du service et celle de rester dans 
Nos etats. 

bh) Pour effectuer l’engagement susmentionne il sera &tabli des 
offlciers de la Legion Allemande & tous les avant postes et 
il en sera envoyd dans tous les depöts de prisonniers pour 
recevoir les Allemands, qui voudront s’engager volontaite- 
ment, et les envoyer aux depöts de formations, qui sont 
fixes prealablement à Reval et à Kiew. 











e) Les Officiers seront regas mu möme grade dans lequel ils 
sont dejä serri, mais Hs ne le seront qu’apr&s avoir donne 
convietion de leur attachement, fidelit6 et aptitude de ser- 
vice. L’engagement comme la r&partition dans les differens 
corps est plus expressement delegu€ au Comite et à sa 
charge, il en est de même de l’attention future sur leur 
conduite et les services qu’ils pourront rendre; d’ou depend 
leur avancement et les recompenses dont ils peuvent se 
rendre dignes et dont le Comit€ Nous fera rapport. 

Nous permettons &galement, vü la difference des lan- 
gues et la necessit6 de s’entendre, qu’un nombre d’Officiers 
Russes de naissance et dejä servant dans Nos armdes, s’en- 
gagent avec Notre agrement dans ce corps. Notre jeune 
noblesse Courlandoise, Livonienne et Estonienne peut &tre 
egalement engagee comme sous Officiers et promue au 
grade d’Offcier par Notre Comite meme. 

d) Les Officiers, après avoir pr&t& le serment, seront patentes 
comme le reste de Notre armde: les Subalternes et Capi- 
taines par Notre college de guerre, les Officiers Superieurs 
et Generaux sous Notre signature. Le Comite fera pre- 
parer A cet effet les patentes en langues Russe et Allemande, 
donnera connoissance de la nomination aa Ministre de la 
guerre, qui, sur un ordre general, fera mettre ceux qui sont 
nommes à l’ordre (npukase) et fera signer les patentes, qui 
lui sont enroyees par le college de guerre; celles que Nous 
avons à signer Nous-meme seront egalement dressees par 
le Comite et presentees A Notre signature par le Ministre 
de la guerre. 

e) Le traitement de l’Officier et du soldat ainsi que la forma- 
tion des divers corps se fera en conformite des etats deja 
approuves par Nous. 

fü) Les loix militaires de Notre armede, ainsi que T’ordre du 
service et celui pour le maniement des armes et &volutions, 
serviront de rögle dans ce nouveau corps. 

g) Au cas de delits graves et tels, qu’ils ne pourront Etre jages 
aux differens corps m&mes, le Comite substituera dans les 
formes legales, telles personnes qui pourront instruire le cas 
et le juger avec justice et integrite. Ces jugemens seront 
portes ä la connoissance du Comite, afın qu'il puisse Nous 
en rendre compte. " 





[73 
56 


Dans tous les cas qui ne seront point prevus dans cette in- 
struction, c'est à celui qui presidera pour le moment le Comite 
à prendre en personne Nos ordres, comme c’est à lui a Nous 
‚presenter les rapports et autres objets de ce genre. 


Observations sur le projet d’instruction pour le 
Comité charge des affaires de l’Allemagne. — 


Toute instruction donnde a une autorit€ permanente ou tem- 
poraire doit determiner le cercle et son mode d’actirite, et c'est 
de cet objet que s’occupe le projet present, donnant surtout plus 
de devellopement & la partie militaire, et se raportant au reste a 
la deliberation du comite du 16. de Juin. 

ad $. 1. Les communications avec l’Allemagne par courrier 
etant interrompus par la guerre avec l’Autriche, il est de toute 
necessit@ de les retablir par des voiageurs, ou par la voie de 
Radziwillow ou par celle de Rugenwalde ou Colberg — il #’agit 
done de choisir un sujet propre qu’on enverroit à Riga ou il se 
concerteroit au sujet de son passage par mer avec Mr. Alexandre 
Gibson, et il est à desirer que Mr. le Comte de Lieven indique 
une personne propre a cet envoi. 

$. 3. 11 faudra mettre dans cette marche la plus grande 
simplicite possible, en exclure les formes lourdes collegiales, 
adopter celle de Bureau, ou chacqu’un soigne le detail de la 
partie qui lui revient, et ne fait de communication que sur les 
resultats, et sur les objets importants. C’est surtout la partie 
militaire qui embrassera une grande quantit6 de details dont la 
communication à tout le comité seroit nuisible, et arreteroit le 
mouvement des affaires. 

ad 5. Peut etre que la levde des corps seroit accelerde en 
la confiant a plusieurs officiers, vu l’enorme distance des points 
de rassemblements, — 

8) Le Comit€ ne pourra guerre juger lui meme les delits 
graves, comme il n’est point compose de militaires et de gens de 
loi, et que selon l’usage des armees en tant que je les connais, 
tout delit militaire est juge par un conseil de guerre auquel on 
ajoute un homme de loi. 

$. 6. Chaqu’un des membres aiant joui jusqu'ici de ’hon- 
neur de l’admission directe aupres de Souverain, il ne verra 
qu’arec peine se priver de cette distinetion. 





625 


XVI. 
Graf Roſtopſchin an Stein. 


Le Comte de Rostopschin a l'honneur de présenter ses 
hommages à Monsieur le Baron de Stein. Il envoye un paquet A 
son adresse, et lui propose s’il est curieux de voir un Eınpereur 
adore par son peuple, de vouloir bien se rendre au chateau & 
10 heures. 

Dimanche. 


XVII. 
Stein an den Kaiſer Alexander. 


10 dAout 


39 de Znilier 1812. 


Moscow le 


A Sa Majeste l’Empereur. 

Les victoires remportees par les Comtes Wittgenstein et de 
Tormassow, ont fait perdre a l’ennemi pres de 6000 prisonniers, 
la majeure partie Saxons, mais ıneme parmi les Francais il doit se 
trouver beaucoup d’Allemands de la rive gauche du Rhin, qui 
sont si peu attaches à la France, que l’an 1809 le Departement 
de la Sarre a été en pleine revolte. — 

Jose proposer à V. M. I. de faire separer des prisonniers du 
Corps d’Oudinot, les Allemands des Francais, et d’envoier les 
premiers ä Reval, pour que le Collonel Ahrenschildt, auquel j’en 
ai parle, tache de les activer. — 

Quand aux prisonniers Saxons il seroit bon de charger Mr. de 
Bose ancien Capitaine des guardes du Corps Saxonnes, qui se 
troure maintenant au service de V. M. I. de se rendre a l’en- 
droit ou on les a reunis, ce qui est peut Etre Kiew, pour les 
ramener & la bonne cause, on pourrait lui adjoindre plusieurs des 
Officiers qui se trourent maintenant aupr&s de Mr. d’Ahrenschildt. 


Stein’s Leben. II. At Aufl. 40 


026 


XVIII. 


Stein an den Kaiſer Alexauder. 
1812 September 13, 


Sire. 

Votre Majeste Imperinle ıne permettra de lui presenter le 
Memoire du Capitaine de Pfuel sur la situation de l’Allemagne, 
forme sur les donnees qui lui ont et& fournies à Prague, et sur 
ce qu'il a lui m&me obserrd. 

Daignez agreer Sire les etc. 

Stein. 


Observations sur la situation politique et 
militaire de Allemagne, 
par le capitsine de Pfuel au service de l’Autriche. 





Petersbourg le 1. de Septembre 1812. 

Pour savoir jusqu’ä quel point la Russie peut compter sur 
TAllemagne, il faut connoftre la position dans laquelle ce pays 
se trouve vis à vis de la France et Ia maniöre dont on y en- 
visage la guerre presente. 

L’Allemagne ne peut pas ätre comprise sous un seul point 
de vue. L’Autriche, la Prusse, la Saxe, la Barviere ete. .. offrent 
des nuances differentes dont il faut tenir compte pour se faire 
une idee juste de l’etat des choses. Les observations suirantes 
repandront peut-Etre quelque jour sur cette matiere. 

L’Autriche. 

L’alliance entre l’Autriche et la France a faite une impression 
singuliöre sur la nation entidre, mais principalement sur l’armee. 
Beaucoup d’officiers se sont retires du service, d’autres ont de- 
elar& qu’ils donneroient leur dimission des qu'il leur arriveroit 
Yordre de marcher, enfin il en est venu au point que, se sous- 
traire & la guerre, ce qui autrefois auroit couvert d’infamie l’offi- 
cier qui eüt se le tenter, est une close dont on se glorifie à- 
present et qui ne se trouve. plus en contradiction avec les prin- 
eipes de I’'honneor militaire le plus rigoureux. L’armee autrichienne 
a fait depuis 20 ans la guerre aux Francais, depuis 20 ans on 
ma cesse de precher haine et vengeance A toute la nation, il en 
est result€ une maniere de voir, et des souvenirs que la proclama- 


627 


tion de 'cette alliance me pouvoit jamais altrer; aussi: cette haine 
na-t-elle point perdu de sa force, et la Russie ne trouvera d’en- 
nemis en Autriche que ce contingent de 30,000 hommes qui cer- 
tainement ne sera point augmente si l’Eiwpereur Francois reste 
füidele à ses prineipes, comme il y a toute apparence. La seule 
chose ä laquelle la Russie doit faire attention pour maintenir cet, 
esprit de hienveillance dont par la suite elle pourra peut-&tre 
tirer grand parti, c'est de ne pas entamer les frontieres de l’Au- 
triche; car des lors om commenceroit à douter de la bopne vo- 
lonte des Russes, l’on confondroit les idees d’ennemi apparent et 
d’ennemi veritable, et se battroit de bon coeur contre ceux des- 
quels on espere de ce moment la liberte de l’Europe. Jai en- 
tendu dire A beaucoup d’officiers qui d’ailleurs avoient les meil 
leures iatentions du monde, que rien ne pourroit les determiner 
& tirer l’epee contre les Russes qu’une invasion de la part de 
ees derniers. Cela doit Etre ainsi, se sentir attaque dans ses 
propres foyers est de tous les maux le premier quil faut Ecarter, 
La Prusse. 

La Prusse est un pays qui a éprouré coup sur coup des 
secousses si violentes que tous les esprits en sont comme dans 
une fermentation generale. De tout cöte d’anciennes harrieres 
brisdes, partout l’aspect du nourveau, par tout des experiences. et 
des tentations et souvent des erreurs; une noblesse moralement 
degradee et politiguement anneantie, une foule de parvenus .nul- 
lement attaches au bien ötre de l’etat, un peuple Ecrase par des 
impöts dont il me murmuroit cependant pas tant qu’il les croyoit 
necessaires à quelque grand effort qui püt sauver l’etat; le roi 
enfin changeant de parti dans le moment critique contre Vattente 
generale. Le peuple n’ecouta pas les pretextes, il ne sentit 
que sa misere et des lors mecontenteent general; les liens qui 
attachent le peuple au souverain se relacherent, et bien que l’on 
continua de hair les Frangois on vit avec indifference les Russes 
sur lesquels on avoit fonde quelque esperance vague de secours 
et de delivrance. Cette disposition des esprits en Prusse, cette 
agitation qui porte aux extremes, cette misere qui augmente 
dans une progression effrayante, rendent les Prussiens enclins de 
donner dans quelque parti desesper& et font presumer qu’ils em- 
brasseront la cause commune avec chaleur du ınoment oü il y 
aura quelque probabilite de reussir. On connoit d’ailleurs la 
maniere de penser du roi; elle tranquillise assez sur le erimg 
de felonie dans un certain sens. — Le jogr avant que je pas: 

40* 














628 


par Berlin ötoit arrire de Yarmee un officier de l’etat major avee 
la nouvelle d’un succds que les Prussiens avoient remporte sur 
les Russes, il avait avec lui un drapean qu’on avoit enlevé à 
Tennemi. Le roi fit attendre cet officier tr&s longtems dans l’anti- 
chambre, et lorsqu’il lui donna audience il ne parut nullement 
charme ni de la nourelle du 'succes ni du drapeau. Le 5 d’Aout 
le roi devoit partir pour Breslau, d’oü il avoit P’intention de se 
rendre ä Teplitz pour y passer quelques semaines. 

La Saxe, la Baviere, le Würtemberg 
rangent à peu pr&s tous dans la’m&ıne classe; leurs rois sont 
les prefets de Napoleon; les sujets bien qu'ils haissent les Fran- 
<ois, alınent leurs souverains qu'ils aimoient arant qu'ils con- 
nussent le joug frangois; tant qn’ils versont leurs souverains 
partiemment souffrir, ils supporteront leurs maux avec pa- 
tience et ne penseront point à se soulever; ce n’est que lorsque 
Pembrasement sera devenu general qu’ils pourront &tre entraines 
& mesure que le mouvement se propage. On ne peut done pas 
compter sur eux pour le commencement, mais ils grossiront le 
torrent quand il sera à quelque distance de sa source. Ceci n'est 
cependant pas exactement vrai pour Ja Baviere, tontes les pro- 
vinces nouvellement acquises de se royaume telles que le pays 
d’Anspach de Bareuth, de Bamberg, et principalement le Tyrol 
de glorieuse memoire, ne tiennent d’aucune fagon au Souverain, 
et sont par la bien plus enflammables que le reste, aussi ne 
faudra-t-il qu’une etincelle pour les mettre en feu à Yinstant 
meme que le cri: aux armes! se fera entendre sur les cötes de 
la mer du nord et de la baltique. 

La Westphalie. 

Dans cette partie de l’Allemagne comme aussi dans les pro- 
vinces nouvellement reunies à l’empire frangois, il n’existe pas 
de lien du tout entre le Souverain et ses sujets qui ne l’estiiment 
ni ne l’aiment. On y sent le joug des &trangers dans toute sa 
force et ne le supporte que parceque l’on n’a pas de point de 
reunion et que on manque de probabilits de r&ussir. C'est 
dont surtout ce pays qui merite particulierement Yattention de Ir 
Russie. Que l’on donne aux habitans ce qu’ils n’ont pas c.a.d. un 
point de reunion dans la personne illustre de quelque prince 
allemand d’une reputation militaire, et la probabilite de reussir dans 
une armee debarquede assez forte pour avoir d’abord des succes, 
et l'on sera etonne des effets. 


629 


Opinion publique. 

Malgre les nuances de positions qui influent sur l’esprit 
public dans les differentes parties de l’Allemagne on apercoit 
cependant une espece d’uniformit dans la maniere de voir les 
choses et de raisonner sur les @venemens qui se preparent. 
Cette uniformit€ constitue une opinion publique bien prononcde 
et tout à l’avantage de la Russie malgre les efforts des Frangois 
de la mettre de leur cöte. L’hyver passe on s’attendoit de 
voir entrer les armdes russes en Pologne; de ce qu'elles ne l'ont 
pas fait est result& la conviction que Napoleon est bien cette 
fois-ci l’aggresseur, ce que dans toutes les guerres precedentes il 
à reussi de cacher au public. En meme tens on s’est dit: les 
Russes determinds à recevoir le combat s’y preparent depuis deux 
ans, et ils ont mis tout ce temps A profit pour augmenter leurs 
moyens de guerre; d'où il doit ötre result une arınde extreme- 
ment nombreuse, des magazins bien fournis, un systeme d’appro- 
visionnement parfaitement organise, enfin tout ce qu'il faut pour 
presser la guerre avec vigueur. On a calcule les forces des 
deux cötes et l’on a trouve celles de Napoleon inferieures. Lors- 
que Napoleon passa le Niemen qu’il avanga à grandes journdes 
sur la Duina sans qu'il y eüt d’engagement serieux, et que les 
bulletins en parloient avec leur ton de rodomontade ordinaire, 
on n’a pas du tout été consterne, on a dit: voila un plan et 
c’est bien un dessein qu’on l’attire dans linterieur du pays, il en 
sera plus embarasse pour ses vivres et s’affoiblera a mesure 
qu'il s'eloigne de ses etats. On est partout dans la persuasion 
qu’il ne reussira pas cette fois, qu'il gagnera peut ätre des ba- 
tailles mais qu’il n’en r&ussira pas moins pourvü que la guerre 
dure, on s’attend de voir inquieter ses derrieres par des diver- 
sions puissantes, et on attend ces diversions principalement sur 
les cötes de l’Allemagne. En un mot la confinnce du public est 
cette fois-ci si grande et si bien au dessus de tous les bulletins 
frangois, qu’elle ne pourra etre ebranl&e que quand on ne verra 
point de debarquement tent6 et ses communications avec la 
France conserrees intactes. L’opinion publique quand elle est 
unanime, n’est jamais sans justesse, elle est produfte par une 
sorte d’instinet pour le vrai, et quand les dvenemens r&pondent 
à cette opinion, sa force se double et elle donne hien de moyens 
& celui qui s’en est empare. Les bulletins frangois sont faits 
pour guider opinion publique, mais ils ont perda leur eredit il 
y a longtems, et si bien qu’ils n’en imposent plus pas meme aux 








630 


sots; d’un autre cöt& il est de la derniere importance que la 
Russie ne laisse pas cette opinion sans appui mais qu’elle vienne 
au contraire à son secours et la dirige et la rassure par des 
nouvelles telles qu’elles les demande. 

Observations militaires sur l’Alliance. 

De quatre routes militaires sur lesquelles filoient les troupes 
frangoises aux mois d’Avril et de May, il n’y en a plus que deux 
en mouvement, une qui passe par la basse Lusace, et Fautre 
qui passe par Berlin. Celle de Berlin est la plus frequentee, 
des corps de troupes de 3, 4, 500 jusqu’& 2000 hommes s’y sui- 
vent à distances de tems inegales, mais rarement que les inter- 
ruptions durent plus que quelques jours. Au commencement 
d’Aoüt il y avoit deux reserves, l’une sur la Vistule sous Victor et 
Tautre qui devoit premierement se forıner & Berlin sous Augereau 
et etre portd à 20000 hommes, ä Berlin il y aroit une garnison 
Wa peu pres 4—5000 hommes dont une grande partie consistoit 
en depots; le mouvement continuel des troupes qui alloient et 
„venoient rendit impossible de dresser un etat de ce qui se trou- 
voit A Berlin quand je passai, de Berlin à Hambourg je wei 
point rencontre de soldats frangois; a Hambourg m&me il y aroit 
à peu pres 3000 hommes de garnison. Les Danois avoient ras- 
semble toutes leurs troupes à Seelande ou elles campoient pres 
de Rothschild fortes A peu pr&s de 30,000 hommes, le general 
Ewald dtoit avec 3—4000 hommes à Gluckstadt dans le Holstein. 
Une chose digne d’attention fut que la nuit du 11. d’Aodt la 
banque d’Altona fut transportee à Rendsbourg, forteresse sur 
TEider. Cet ev&nement a fait une impression sur le public, il 
„est sur que les Danois se doutent de quelgue chose de Ia part 
„des Suedois, mais comme jusqu’ä present on ne connoit encore 
d’ennemi qui prenne les hanques, que les Frangois, on ne sait 
trop comınent allier cette dämarche avec les mesures prises contre 
les Suedois, 








631 


XIX. 


Mö&moire sur la guerre actnelle. 
von unbelannter Hand. 


L’empire de Napoleon se trouvait apres la paix de Tilait 
dans sa plus grande &tendue. Il commandait par Ia force des 
armes et par la ruse depuis Lisbonne jusqu’a ia Memel. La 
foiblesse de l’Empereur francois se manifesta, des qu'il se trouva 
dans la necessite, d’employer la force des armes Ih, ow il s’etoit 
flatte de reussir par la ruse. Pour remettre l’Espagne sous le 
joug, qui avait para insupportable à cette nation genereuse, il 
abandonna à la discretion des Russes des Autrichiens et des 
Prussiens ses &tablissemens sur la Vistule sur l'Odre sur le Mein 
et sur le Danube. Lorsque l’Autriche s’armoit contre l'oppresseur 
des nations, celui-ci ne put rassembler ses forces qu'à Augsbourg, 
d’est-ä-dire au centre de son empire. La distance d’Augsbourg 
à la Memel est plus considerable que celle de Grodao ä Moscou. 
Le protecteur de Ia confederation du Rhin ne put preserver les 
rois de Saxe et de Baviere de la mortification. de s’enfuir de 
leurs capitales et de leurs dtats. A la face de toute l’Europe 
il jura Taneantissement de la maison d’Autriche. Cependant 
apres la victoire de Wagram il consentit en une paix, par la- 
quelle il obtint des avantages, qu’il n’osoit esperer par la con- 
tinuation de la guerre. Ses forces militaires se trouvoient alors 
emoussees aux deux extremites de sa ligne d’operation, qui 
s’ötendant de Brunn jusqu’s la Serra Murena, avoit une longueur 
de 300 milles d’Allemagne. Dans la dernitre guerre avec l’Au- 
triche il avnit A disposer de toutes les troupes francoises et 
italiennes, de celles de la confederation da Rhin et du Duche de 
Varsovie. La Russie secondoit ses operations d’une maniere trös 
€quivoque avec une arınde de 30,000 hommes. Ses progres en 
Espagne- se trouvoient suspendus, et sa ligne d’operation fut en- 
tamde, du cöte de la Boheme et des montagnes de la "Tharinge 
par les Autrichiens, du cöte de la Baviere et de la Suabe par 
les habitans du Tyrol. Si alors l’Autriche avoit pu montrer l’es- 
prit de perseverance, dont dans ce moment la Russie donne un 
si bel exemple, si on avoit su augmenter les embarras sur les 
communications de l’ennemi, l’on seroit parvenu sans deute A 
diminuer en peu de temps et à peu de frais sa ligne d’opera- 








633 


tion, de degager quelques uns de ses allides et d’emploier contre lai 
m&me des moyens, dont il pensoit se serrir contre [pour] l’oppres- 
sion du genre humain. Pour la guerre contre la Russie Napoleon 
a fait les plus grands preparatifs. Il a augmente considerable- 
ment le nombre des conscripts; l’armee de Pologne est au moins 
trois fois plus grande qu’elle ne l’etait dans la guerre contre 
YAutriche; la Prusse a augmente le nombre de ses allides, et 
Y’Autriche seconde avec activit6 ses operations. Malgre toat cela 
il ne laisse par d’ötre maintenant dans une position tres embar- 
sassante. Son arınde ayant essuice des pertes considerables n'est 
certainement pas plus nombreuse quelle ne l’a et€ arant la ba- 
taille de Wagram. Sa ligne d’operation de Moscou jusqu’a 
Tolede a au moins une étendue de 450 milles d’Allemagne. Ses 
affaires en Espagne se trouvent derangees d’une maniere a ne 
pouvoir Etre retablies que par des efforts, qu'il ne sera plus en 
tat de faire. Dans l’esperance de pouvoir dicter la paix à 
Moscou il s’y est &lance à tout prix avec son armee. Contre 
son attente il voit, qu'il a affaire A un gouvernement ferme et 
& une nation devoude à son Souverain. Il doit sentir l'insufk- 
sance de ses moyens et faire bientöt en reculant l’aveu de son 
&tourderie. . 

Mais c’est aussi en recalant qu’il pourra retablir ses affaires. 
En se retirant il pourra s’emparer du pays situe sur la rire 
droite du Dnieper. A l’ouverture de la seconde campagne ses 
forces pourront ätre les m&mes qu’& l’ouverture de la premiere. 
Car si la guerre d’Espagne pourroit l’obliger d’y faire passer le 
plus grand nombre des nouveaux conscrits, l’arınde de Pologne 
pourra Etre renforc&e de 40,000 au 50,000 cembattans. Le gout 
de pousser jusqu’a la capitale aura vraisemblablement passe & 
Napoleon. Ayant retabli son armee il commencera par forcer le 
passage du Daieper pour s’emparer du pais situ entre le Dnieper 
et le Don. 

S'il est impossible, de mettre Napoleon dans la necessits de 
diviser ses forces, il faudra faire l'impossible pour mettre la 
Russie en etat de continuer la lutte. 

Il semble, que dans ce cas la plus grande partie de l’armde 
russe devra ätre etahlie entre le Dnieper, le Don, et quil faudra 
preparer des lerdes en masse sur le Don et sur la Wolga contre 
Pennemi qui aura fait reculer l!’armee. Il est de la derniere im- 
portance de saroir en quel état l’armde Russe pourra ätre à 
Youverture de la seconde campagne. 


633 


Napoleon pourra @tre reduit à se borner de soutenir la con- 
quöte faite Ia premiere eampagne, s'il se trouve oblige d’employer 
une partie de ses forces contre des debarquemens faits en 
Allemagne combines avec la guerre d’insurrection. Dans ce cas 
la Russie pourra se tirer d’affaire avec ses moiens ordinaires sans 
recourir aux levees en masse. 

Si F'on parvient à degager !’Autriche de l’alliance avec Ia 
France et de l’armer contre elle, la Russie pourra faire la guerre 
offensive, par la quelle elle tachera de reprendre la Volhinie et 
de passer de la dans le Duche de Varsovie. Napoleon dans 
toutes ses guerres a suivi le m&me systöme, dont la foiblesse se 
manifesta alternatirement & Vextremit6 de la ligne d’operation et 
sur la communication, Il faudroit donc etablir un contresysteine 
par lequel, prevoyant l’epoque de la foiblesse, l’on se ındnage 
les moyens d’en tirer arantage. Les forces militaires employ&es 
contre Napoleon sont-la propriet& de plusieurs dtats. MI est 
impossible, que ces forces se dirigent d’elles m&mes d’apres un 
systeme general. Dans le concours de plusieurs états contre un 
ennemi commun il faut qu'il y ait pour les operations militaires 
un tat directeur, que cet état au lien de se regler sur la con- 
duite incertaine de ses alliees les fasse agir d’apres son but 
reconnu pour le but general. Dans la guerre presente ce n'est 
que /’Angleterre qui puisse se charger de la direction des op&- 
rations militaires sur le continent. C’est ä elle de proposer un 
plan general base sur des principes reconnus, et d’assiguer & 
chacun des ses allides la täche, qu’il a à remplir. Napoleon a 
arme la plus grande partie du continent contre la Russie, il ne 
laisse à ses alliees aucun choix sur ’cmploi de leurs forces 
militaires, et c’est à cela qu'il doit ses succds. Que Londres 
devienne desormais le Quartier general des puissances allides 
contre Napoleon, que les ambassadeurs d’Angleterre soient autant 
d’instrumens pour faire agir les alliées d’apr&s un plan qui aura 
pour but la libert& de l’Europe, 


834 


XX. 
Stein an den Kaiſer Alexander. 


Petersbourg le m de Septembre 1812. 


La lettre du Colonel de Goeusenau en date de Londres 
4. Septembre n. st. est d’un si grand inter&t que jai eru devoir 
en mettre la traduction sous les yeux de Sa Majeste I. La reponse 
du Comte Münster à la lettre que je lui ai ecrite d’apres les 
ordres de V. M. I. de Witzy ne m’est point encore parvenue, 
quoiqu’anoncee. 

Daignez agreer Sire PVhommage de la resp. etc. 


XXI. 


Novoſſilzoff an Stein über Bundesfinanzen. 
1813 Januar 11. (S. oben ©. 223.) 


St. Petersbourg ce 11. Janvier 1813. 
Monsieur le Baron. 

Je m’empresse de venir au devant de la permission que je 
vows ai demandd de vous éerire et vous entretenir quelque fois 
d’un objet qui nous a occupe pendant quelque tems ensemble. 
Je vous envoye, cy-joint, In Copie d’un Projet que je viens de 
pr&senter a S. M. l’Empereur sur un Systeme federatif de Fi- 
nance et de Commerce. L’Idee est entierement neuve et elle 
est grande. Je vais m’occuper & faire un Memeire explicatif et 
justificatif, mais votre Excellence n’a pas hesoin de cela et je 
prefere qu’Elle l’examine dans toute sa nadite et sous la forme 
reglementaire que je lui ai donne. Vous m’obligerez beaucoup, 
Monsieur le Baron, en me communiquant sur ce projet votre 
eritique, je n’en trouverai certainement pas, ni de plus juste, ni 
de plus instructire. Je suis fache de ne pas avoir pü parrenir 
encore A lire le papier que vous avez denne A Mr. Gouriefl. 
Le Comte Kotschubey et Mr. Droujinin m’en ont dit le contenü 
sans pouvoir ın’en procurer la lecture, car ils ne l’avoient plus entre 
leurs mains. Il me semnble que ce que vous proposez est à peu 





68 
pres base sur le m&me prineipe que mon projet, excepté que je 
lui donne une plus grande extension et je trouve que c'est fort 
bien appropri€ aux circonstances presentes. Si 8. M. l’Empereur 
vondra former un Comit6 pour examiner mon prejet, je crais qu’il 
faudroit donner la revanche au Chevalier d’Ivernois et le mettre 
dans ce Comite, Veuillez, Monsieur le Baron, agreer l’assurance 
des sentiınens de respect et de la haute consideration avee les- 
quels j’ai ’honnenr d’etre Monsieur le Baron 
Votre tres humble 
et tres obeissant serriteur 
N. Novossilzoff. 


A. 
Projet d’un Syst&äme federatif de finances et de 
Commerce, et 6tablissement d’une banque y 
relative. 


Art. 1. 

Il sera cree pour toste l’etendue de l’Empire une banque 
generale de commerce dont l’administration centrale sera fixde a 
St. Petersbourg. 

Art. 2. J 

Cette banque aura des comptoirs particuliers dans les villes 
de Moscou, Riga etc. aux quels elle deleguera les pouvoirs et les 
"attributions necessalres, 

Art. 3. 

La banque et les comptoirs seront constitues au compte du 
:Gouvernement et placdes sous la garantie speciale et immediate 
de l’Etat. 

Art. 4. 

ll sera constitu€ entre le Gouvernement et, les autres puis- 
sances alli6es un systöme federatif de finances et de commerce, 
dont un des objets sera de snbstituer, dans lears rapports eom- 
merciaux, mu nuineraire effectif, un papier valeer argent au titre 
fin des monnoyes respeetives. L’Empire de Russie aura pour 
base les Roubles d’argent au titre de 4 Soletnik 21 parties d’ar- 
gent pur. 

Art. 5. 

Un tableau comparatif de la valeur intrins&que de toutes les 
espöces de ces puissances, determinera leur rapport avec le 
Roable d’argent. 


Art. 6. 

La direction et les operations de la banque, ainsi que ses 
relations avec les puissances 6trangeres ‚qui feront partie de 
systeme federatif de commerce, seront confices a une administra- 
tion, composde d'un Directeur etc. 

Art. 7. 

La banque emettra des billets de Commerce jusqu’& la com- 
eurrence du montant annde-communes de toutes les denrees 
d’ezportation de l’Empire de Russie. 

Art. 8. 

Les billets de la banque de commerce seront de 50, 100, 
200, 300, 500 et 1000 Roubles valeur-numeraire au titre de 
4 Solotnik 21 parties argent fin-le Rouble. 

Art, 9, 

Les billets seront divises en nombre fixe de series, et chaque 
billet portera avec le chiffre qui designera sa serie, le No. qu'il 
y occupera. 

Art. 10. 

Le nombre des series et la quautitö des No. qui compose- 
ront ehacune d’elles seront rendus publies; Je Gouveraemeat oh- 
servera la meine regle, si par la suite leatentios du commerce 
et l’accroissement de l'exportation exigent une addition de nou- 
velles series. 

Art. 11. 

Les billets de commerce seront exclusivement applicables au 
payement des droits de Douane; il seront en autre regus dans 
tout l'Empire, sans aucune perte ni dimiaution de valeur en paye- 
ment de toutes lettres de changes, lettres d’emprunt, obligations 
ou dettes stipuldes en monnoye d’or ou d’argent, et contractdes 
soit envers le Gouvernement, soit envers les particuliers. 

Art. 12, 

Tout agio contre les especes au detriment de ces billets de 
ecommerce est strictement et generalement defendu dans tout 
l’Empire. Chaque contravention & cette loi sera, comme abus 
en delit tendant & ebranler le credit public, punie d’une amende 
pecuniaire, egale au double de la somme sur la quelle l’agio 
aura porte. Le produit de cette amende se dirisera en deux 
parties, dont l’une sera au proffit du denonciateur, et l’autre au 


proffit des paurres. 
Art. 13. 


N sera libre A tout particulier de porter à la banque de 


e37 


commerce de l’or de l’argent, soit en barres ou lingots, soit ou- 
res, et de receroir en Echange à son .choix, soit de l’argent 
monnoye, soit des billets de commerce, dans la m&me proportion 
d’or et d’argent fin, que les ohjets qu’il y presentera en con- 
tiendront, 

- Art. 14. 

La banque recerra egalement contre ses billets de commerce 
les monnoyes &trangöres ainsi que les papiers numeraires de 
puissances ‚appartenantes au systöme federatif de commerce, dans 
la proportion fixe au prealable, en prenant pour base le talleau 
comparatif de la valeur intrinsöque des especes. 

Art. 15. 

Une reciprocite parfaite sera obserrde par ces m&mes puis- 

sances, à l’egard des billets de commerce de la banque. 
Art. 16. 

Pour favoriser le commerce, faciliter les transactions dans 
Fetranger, et maintenir le credit, la banque se chargera de toutes 
les operations de change et rechange; elle se chargera de tirer 
et remettre à l’etranger pour le compte des particuliers, en se 
courrant de telle maniere qu’elle jugera convenable; en con- 
sequence elle admettra indistinctement soit des assignations de 
banque au cours, soit des billets de commerce valeur numeraire, 
soit des espẽces, soit de l’or de l’argent en barres lingots ou 
ouvres, soit des marchandises, soit enfin toutes autres valeurs 

“ qui pourront garantir ses operations. 
. Art. 17. 

A partir de PEpoque oü interviendra la loi qui constituera 
la banque et les billets de commerce, toutes les prohibitions qui 
ont existe jusqu’alors au sujet de l’importation de plusieurs sor- 
tes de marchandises seront lerdes en faveur des puissances qui 
feront partie du systöme federatif. En consequence toutes leurs 
productions sans aucune exception auront une entree lihre, et ne 
seront assujetties qa’A payer les droits de Donane fixes par 
le tarif. 

Art. 18. 

La bangne aura pr&s d’elle un bareau ou comptoir d’echange, 
oü les billets de commerce valeur-numeraire seront dchanges 
contre les assignations de hanque au cours, et oü les assignations 
de banque au cours, seront &changees Egalement contre des bil- 
lets de commerce, sans aucune retribution, ni la moindre enträve. 


A eet effet chaque jour le cours de l'assignatien de banque sera 
whüichö dans le eompteir. 
Art. 19. 
La banque aura en oufre une chambre d’escompte, etc. 


B. 
Btablissement d’ano banque de commerce. 


Art. 1. 

I sera er&de pour toute l’etendue de l’Empire une banque 
generale de commerce, dont l’administration centrale sera fixde 
& St. Petersbourg. 

Art. 2, 

Cette banque aura des comptoirs particuliers dans les villes 
de Moscou, Riga etc. auxquels elle deleguera les pouvoirs et les 
attributions necessaires. 

Art. 3. 

La banque et ses comptoirs seront constitues au compte du 
Gouvernement, et places sous la garantie speciale et immediate 
de Vetat. 

Art. 4 

La Direction et les operations de la Banque seront confices 

& une administration qui sera composde d’un directeur general etc. 
Art. 5. 

La banque &mettra des billets de commeree jusqu’a la Con- 
eurrence du montant annde-commune de toutes les denrees 
d’exportation de l’Empire de Russie. 

Art. 6. 

Les Billets de la banque de commerce seront de 50, 100, 
200, 300, 500 et 1000 Roubles valeur numeraire au titre de 
4 Solotoik, 21 parties d’argent fin le Rouble. 

Art. 7. 

Les billets seront divises en nombre fixe de series, et chaque 
billet portera avec le chiffre qui desigaera sa serie, le No. qu'il 
y occupera, 

Art, 8. B 

Le nombre des series et la quantitd des No. qui compose- 
ront chacune d’elles seront rendus public, Le Gouvernement 
observera la ımeme regle, si par la suite l’extension du commerce 


et laccroisement de l’exportation exigent une addition de nou- 
velles series. 


Art. 9. 5 
Les billets de commerce seront exclusivement applicables au 
payement des droits de Douane, ils seront en outre regus dans 
tout l’Empire, sans aucune perte ni diminution de valeur, en 
payement de toates lettres de change, lettres d’emprunt, obliga- 
tions ou dettes stipul&es en monnoye d’or os d’argent, et con- 
tractdes soit envers le Gouvernement soit envers les particuliers. 


Art. 10. 

Tout agio contre les especes au detriment de ces billets 
de commerce est strictement et generaleinent defendu dans tout 
V’Empire. Chaque contravention ä cette loi, sera comme abus et 
delit tendant & ebranler le er&dit public, punie par une amende 
peeuniaire €gale ou double de la somme sur laquelle l’agio aura 
porte. Le produit de cette amende se divisera en deux parties 
dont Fune sera au proffit du denonciateur, et l’autre au proffit 
des pauvres. 


Art, 11. 

Il sera libre à tout partieulier de porter A la banque de 
commerce de l’or da l’argent soit en barres om Üngots soit ouvres, 
et de recevoir en Echange à son choix, soit de Yargent monnoye, 
soit des billets de commerce dans la meme proportion d’or et 
d’argent fin que les objets qu’il y presentera en contiendront. 


Art. 12. 
La banque recevra &galement contre ses billets de commerce 
les monnoyes etrangeres en prenant pour base le tahleau com- 
paratif qui sera fait de la valeur-intrinsegue des esp&ces. 


B Art. 12, . 

: Pour favoriser le commerce, faciliter les transactions dans 
letranger et maintenir le credit, la banque ‚se chargera de toutes 
les operations de change et rechange; elle se chargera de tirer 
et remettre à l'etranger, pour le compte des particuliers, en se 
couvrant de telle maniere quelle jugera convenable, en conse- 
quenee elle admettra ii 'inctement soit des assignations de 
banque au eours, soit des hillets de commerce valeur numeraire, 
soit des espöces, soit de l’or de l’argent en barres ou en lingots. 
au ouvres, soit des marchandises, soit enfin toutes autres valeurs 
Qui pourront garantir ses operationa, 





0 


Art. 14. 

La banque aura pres d’elle un bureau ou comptoir d’echange 
oü les billets de commerce valeur numeraire seront Echanges 
contre les assignations de banque au cours et oü les assignations 
de banque au cours, seront €galement Echangees contre les billets 
de commerce, sans aucune retribution ni la moindre enträve. A 
cet effet chaque jour le cours de l’assignation de banque sera 
affiche dans le comptoir. 

Art. 15. 

La banque aura en outre une chambre d’escompte, qui es- 
comptera à une taux modere toutes les lettres de change, traites 
et effets de commerce qui lui seront presentes, sous la garantie 
de trois signatures dont elle connoitra la solvabilite. 

Art. 16. 

Un reglement particulier fixera l’organisation interieure de la 

banque et de ses accessoires. 


Zum festen Bude, 





XXI. 


Der General v. Bülow 
w 6. 261. 3.6—10, 


1. Yord an Bülow, 

Bas für Anfihten hat man in Berlin? IR man denn fon 
fo tief gefünten, daß man es nit wagen barf die Sclavenketten zu 
zerbrechen die wir feit fünf Jahren fo dehmüthig tragen mußten? 
Jetzt oder niemals if der Beitpunft, Freyheit und Ehre wieder zu 
erlangen. Die Boriht zeigt uns den Weg, wir find unwärdig ihres 
Beyſtandes, wenn mir ihre Wohlthat von und weißen. Welch' eine 
erbärmliche Politique hat man, wenn man immer noch den Gemein⸗ 
forud im Munde hat — man muß Zeit gewinnen. Unfer Gegner 
gewinnt bei unferm Zögern nur Beit, wir verlieren fie, jeder Moment 
iR ein unerfegliher Verluſt. it blutigem Herzen zerreiße ich bie 


4. 


Bonden des Gehorfams und führe den Krieg auf meine eigene Hand. 
Die Armee will den Krieg gegen Branfreih. Das Bolt will ihn, 
der König will ihn; aber der König hat feinen freyen Willen. Die 
Armee muß Ihm diefen Willen frey machen, ich werde in kurzem mit 
50,000 Mann bey Berlin und an der Elbe feyn. An der Elbe werde 
id zum Könige jagen — Hier Sire ift Ihre Armee und hier ift 
mein alter Kopf — dem Könige will ich diefen Kopf willig zu Füßen 
legen, aber durch einen Murat läßt fih Mord nicht richten oder vers 
urtheilen. Ich handle kühn aber ich handle als treuer Diener, als 
wahrer Preuße und ohne alle perfönlihe Rüdfichten. 

Sie General und alle wahre Anhänger des Königs und feines 
Dienfes müffen jept handeln und kraftvoll auftreten. — Jept if der 
Seitpunft uns ehrenvoll neben unfere Ahnen zu flellen — oder was 
Gott nit wolle fhmählih von ihnen verachtet und verleugnet zu 
werden. Erfämpfen, erwerben wollen wir unfere nationale Freyheit, 
und unfere Selbftändigkeit, diefe Frepheit und Selbſtaͤndigkeit als ein 
Geſchenk erhalten und annehmen heißt die Nation an den Schandpfahl 
der Erbärmlickeit ſtellen und fie der Verachtung der Mit und Nadıs 
welt preisgeben. 

Handeln Sie General, es if abjolut nothwendig, fonft ift alles 
auf ewig verloren. Glauben Sie es mir die Sachen fiehen hier fehr 
ſchlimm. Entferne ih mid von hier, fo if das Corps aufgelöpt 
und die Provinz in Infurrection; wo ann das hinführen? Das if 
nicht zu berechnen. 

Königsberg den 13ten Januar 1813. 

v. Dord. 


2. Bülow an Borſtell. 

Auer * welcher aus Königäberg von General v. NYord zu mir 
geſchidt, iſt von den Ideen des Generals v. Mord als aud von den 
meinigen unterrichtet. Haben Sie die Güte beſter General ihm die 
Ihrigen mitzutheifen, ich ftehe für feine Verſchwiegenheit. Es iſt fehr 
wichtig daß wir darin übereinftimmend handeln, und gewiß beabfichs 
tigen wir nichts als das Intereffe des Königs und des Staats zu 
bewürfen, ich meiner Seits wende alles an um den König zu einem 
kräftigen Entſchluß zu vermögen. 

Reuftettin den 17ten Januar 1813. 

v. Bülow. 

*) Edwager des Generals v. Bülow. 


Stein’s Leben. II. 2te Aufl. 4 


642 


3. Bülows Berigt an den König, 

Die gegenwärtige für den Staat fo wichtige Epoque, die wahre 
ſcheinlich für die Tünftige Eriſtenz des Staates entſcheidend feyn wird, 
bewegt mid aud meine Anfichten Eurer K. M. ehrfurchtsvoll vors 
zutragen. Man kann hoffen daß die neueren Ereigniffe, die fo ſicht⸗ 
bar durch die Hand der Borfehung herbeigeführt, dazu dienen werden 
den Staat groß und blühend wiederherzuftellen. Auf der andern 
Seite Tann man fi, bei Befolgung eines gewiffen Syftems, nicht die 
Möglichkeit verhelen, daß der Staat nod mehr in feinen Grenzen 
beengt noch tiefer finfen Eönnte. Das erfte fann man mit Zuverfiht 
hoffen wenn E. 8. M. fih mit Rußland verbinden. Es Tann und 
wird dahin führen, daß Deutſchland dem fremden Joche entzogen 
werde und daß alle Norddeutſche Staaten fih unter dem ’Schupe 
E. 8. M. vereinigen. Das zweite, die Berftüdelung des Staats, 
wird ohnfehlbar erfolgen, wenn E. K. M. dem durch die Rothwendige 
teit aufgedrungenen Bündniß treu bleiben wollten. Die beifpiellofe 
Vernichtung der großen Franzöfifchen Armee wird nun durch das 
zafche Folgen Ruffifcher Corps vollendet. Es if nichts vorhanden 
was dieſen widerflehen Fann, wenige werden nur die Oder erreichen, 
und weder an die Oder noch an die Elbe etwas aufgeftellt werden 
Tonnen, was auch nur einigen Widerftand leiſten kann. E. 8. M. 
ſtehen noch immer fehr bedeutende Streitkräfte zu Gebote, vereinigen 
dieſe fi mit den Ruffifhen, fo if mit Gewißheit zu erwarten, daß 
man in furzem bis an die Ufer des Rheins vorbringen könne, da 
nicht zu zweifeln, daß nicht alle Norddeutſche Völker anſchließen und 
gemeinfhaftlihe Sache machen werden. Es if zwar nicht zu zweifeln, 
daß es Napoleon gelingen werde eine Menfchenmaffe zufammen zu 
bringen, aber wie wenig fann er ſich von einer ſolchen Maffe roher 
Conſcribirter verfprehen die durch die Vertilgung der alten Truppen 
muthlos werden mäffen und die zu wenig gelibt feyn werden um fie 
im freyen Zelde gebrauchen zu fönnen. Hiezu fommt, daß es ihm 
unmöglich feyn muß irgend einige Gavallerie in bedeutend langer 
Zeit wieder zu formiren. , 

Um nun des guten Erfolgs gewiß zu feyn würde ein fhneller 
Entſchluß und fänelles Handeln nothwendig feyn, welches übrigens 
duch das Vordringen der Ruſſen ohnedem nothwendig wird; denn 
ftehen dieſe an der Oder, welches in kurzem der Fall feyn wird, fo 
wird eine endliche Erklärung nothwendig. Die ganze Netion hat 
nur eine Stimme, Krieg gegen Frankreich ift der Wunſch aller. 
Diefer wird Sache ber Razion fen, freimilig werden die größten 


Opfer gebracht werden, und Quellen werben fih öffnen die man längſt 
verfiegt glaubte. Einen Mittelweg einfhlagen, einen Frieden negoziren, 
würde nur ein augenblidliches Palliativ feyn, wodurch das Uebel für 
die Folge unheilbar wird, man würde fih muthwillig feines Vortheils 
begeben um einem unverföhnlichen Feinde Zeit zu laffen, fih von 
feinem Falle zu erhofen. Es iR nicht denfbar daß der Peteröburger 
Hof fi fo feines Vortheils begehen wird, eben fo wenig es denkbar 
und mit dem Gharafter Napoleons vereinbar, daß er große Aufs 
opferungen fchon gegenwärtig darbringen wird, wohl aber if es dent» 
bar, daß um einen Frieden mit Rußland gu bewürken, Rapoleon 
Preußen aufopfern und die am rechten Weichfelufer gelegenen Pros 
vinzen anbieten wird. Rach meiner Weberzeugung, und diefes iR die 
Ueberzeugung der ganzen Razion, if die Wohlfahrt des Staates nur 
durch einen Krieg gegen Frankreich zu begründen, die Umftände find 
nie günftiger gewefen, eben fo wenig läßt fi denken daß der Wiener 
Hof fo fehr fein eigenes Intereffe verfennen werde um nit mit⸗ 
zuwirfen, wenn derfelbe auch nicht gleich thätig Antheil nehmen follte 
fo ift es doch zu erwarten daß es gefchehen wird. Um ein bedeuten 
des Eorps in der Mark baldmöglihk zufammen zu bringen würde 
nothwendig feyn, daß das mobile Corps aus Preußen baldmöglichft 
vorrüde welches fih durch alle disponible Artillerie in Graudenz vers 
Rärken könnte; ſobald dieſes Corps nahe genug gekommen, Eönnte ich 
mit allem was der General v. Borftell aufbringen Tann, wereint über 
die Oder marfchiren, gegen welche Zeit alle disponible Truppen aus 
Schleſien dort mit uns zufammentreifen Fönntem, auf welde Weiſe 
eine nicht unbedeutende Macht Hier aufgeftellt ſeyn würde, 
Neuftettin den 18ten Januar 1813. 
v. Bülow. 


4, Aus einem Briefe Bülows an Borftell, Jan. 20, 
.... folglich hat Yorck noch nicht die Ordre bekommen das 
Commando niederzulegen; da inbeffen doch vom Niederlegen des Com⸗ 
mandos die Rede geweſen fo hat Kleift erflärt: er könne es eben fo 
wenig übernehmen, da er wenigftens eben fo firafbar wie Yord wäre, 
es iſt alfo niemand da der da commandiren wil. Im Uebrigen ik 
es gewiß daß die Convention von Yorck die Bernihtung der Brans 
zofen vollendet hat, ich betrachte fie alfo als für den Staat ſehr heilfam, 
eben fo bin ich überzeugt daß der König fie im Grunde gut heißt. 


4*r 





644 


XXI. . 
8. Aleranders Original-Vollmacht für Stein. 


Nous Alexandre Premier 
Par la grace de Dieu Empereur et Autocrateur de toules 
les Russies etc. etc. etc. 


Savoir fesons par les Presentes, que la Prusse orientale et 
oecidentale se trourant occupees par Nos armees, et etant par 
la separdes du centre de leur Gouvernement, les rapports avec 
Sa Majeste le Roi de Prusse restant encore indecis, Nous 
avons juge indispensable de prendre provisoirement des mesures 
de surveillance et de direction pour guider les autorites prorin- 
eiales et utiliser les ressources du Pays en faveur de la bonne 
cause. . 

En consequence Nous avons nomme, comme par les Pre- 
sentes Nous nommons le Baron Henri Frederic Charles de Stein, 
Chevalier de l’ordre de l’aigle rouge, pour se rendre à Königs- 
berg, et y prendre des informations sur la situation du pays, afın 
de s’occuper à activer les moyens militaires et pecuniaires à l’ap- 
puy de Nos operations contre les armdes frangoises. 

Nous le chargeons en outre de veiller à ce que les revenus 
publics du pays occupe soyent administres avec fidelit& et em- 
ploy&s d’une maniere conforme au but mentionnd ci-dessus, que 
les proprietes des Francois et celles de leurs allies soyent se- 
questrees, que l’armement de la milice et de la Population s’or- 
ganise d’apres les plans formes et approuves en 1808 par Sa 
Majeste le Roi de Prusse dans le plus court delai possible, et 
que les fournitures necessaires en vivres, moyens de transport 
pour les arındes se fassent avec ordre et celerite. A cet effet 
Nous autorisons le dit Baron de Stein à prendre toutes les me- 
sures qu’il jugera necessaires pour s’aquitter de cette Commission, 
à employer les agents qui lui paroitront les plus propres pour 
remplir Nos intentions, à destituer ou eloigner ceux qu'il croira 
incapables et malveillants, & surreiller et meme & faire arröter 
les personnes suspectes. Nous lui donnons le droit de substituer 
& sa place une personne de confiance, Sa mission sera terminde 
au moment que Nous aurons conclu un arrangement definitif avec 
le Roi de Prusse. Alors l’administration de ces Provinces lui 


645 


sera rendue et le Baron de Stein retournera aupres de Nous. 
Au reste Nous promettons sur Notre parole Imperiale d’agreer 
tout ce qui, en vertu du present Pleinpouroir aura été arrete et 
execut& par lui. En foi de quoi Nous avons signe ce Notre 
Pleinpouvoir et y arons fait apposer Notre sceau prive. 

Fait à Raczki le six Janvier de l’an de gräce Mil huit Cent treize, 
de Notre Regne la treizitme annee. 

LS. Alexandre. 


XXIV. 


Aus einem Berichte des Präfidenten v. Schön 
in Gumbinnen an den Staatscanzler. Yan. 30, 


... Der Baron v. Stein if Bevollmaͤchtigter des Ruſſiſchen 
Kaifers Majeftät in allen Preußifhen Adminiftrativ Angelegenheiten, 
welche Bezug auf den Krieg und die Ruffiiche Armee Haben. Diefem 
gemäß hat er bereits als militairifche Maasregel die Häfen wieder 
für Roggen und Hafer geöffnet und den Gontinentalzoll fuspendirt, 
auch die Güter des Herzogs von Deffau in diefem Departement unter 
Sequefttation gefept. Er hat mir feine Ordre und Vollmacht des» 
halb vorgezeigt, und dyr militairiſchen Maasregel war nichts entgegen⸗ 
zuſehen. 


XXV. 
Feldmarſchall Kutuſoff an Stein. 


21. Janvier 
à Mlawa le Foyer 1813. 


Monsieur le Baron. 

il seroit superflu sans doute, que je parlasse A Votre Excel- 
lence du sentiment, avec lequel je resois tout ce qui me vient 
de sa part. Les principes qui Vous animent, Monsieur le Baron, 
sont vivement apprecies et comme il ne s’agit que de s’expliquer 
sur les questions, qui se sont presentees, je vais droit à des 


646 


reponses cathegoriques. Il s’agit de l’entretien des malades Russes 
et Frangais, se trouvent dans les hopitaux de Königsberg, 
Tapiau, Labiau. On propose deux modes, celui d’assigner ä 
Ventretien de ces malades une somme de 112,000 ecus par mois, 
ou de 60,000 ecus, si on fait fournir par requisition les farines, 
gruaux, ris, eaux de vie et bols. La lettre meme de Votre Excel- 
lence doit me faire croire qu’'ele juge cette methode comme la 
plus adoptee au tems et aux circonstances; et je n’hesite point de 
Padmettre. L’Intendant general de Nos armees suppldera au 
reste, et a ordre de s’entendre à cet Egard, avec les autorites 
locales. 

Tout ce que Votre Excellence me fait l’honneur, de me dire 
de ses operations, ne peut point augmenter ma consideration 
pour Elle. Elle vous appartenoit Monsieur le Baron, à des epo- 
ques bien anterieures ä celle qui nous rapproche aujourd’hui, et 
il ne me reste qu’& vous renouveller l’expression des sentimens 
de haute consideration avec lesquels j'ai ’honneur d’etre 

Monsieur le Baron 
de Votre Excellence 
le tr&s humble 
et tr&s obeissant serviteur 
prince Koutousoff de Smolensk. 





XXVI. 


Steins Beriht an den Raifer Alerander. 
Februar 1813, 


Sire. 

La mission que Votre M. I. a daigne me confier avoit pour 
objet d’accelerer differentes mesures que les autorites locales 
hesitoient de prendre sur leur seule et unique responsabilite, 
scavoir l’ouverture des ports, l'introduction du papier monnaye 
Russe dans les pais occupes par l'armde, et larmement general. 

L’ouverture des ports et l’abolition du tarif continental, etoit 
pressante pour donner à la Prusse et à tous les pais riverains du 
Niemen et de la Vistule la possibilit6 d’exporter leurs produc- 
tions et de rendre une valeur aux produits de leur agriculture 





647 


— Cette mesure seule pouvoit leurs rendre la facilit€ de satis- 
faire aux impots aux charges de la guerre, et ranimer les trans- 
actions pecuniaires de particulier à particulier, comme cette mal- 
heureuse fermeture des ports avoit aneantie la valeur des terres 
& un point que les familles extrömement aisees, meme riches ne 
pouvaient ni paier les interets de leurs creanciers, ni retablir les 
terses devastees par la guerre de 1806. 7. — les exactions de 
Napoleon en chevaux hestinux grains, les depredations de ses 
Marechaux et de toute la tourbe de Voleurs titres et non titres, 
avoit puis6 ces pais d’une maniere dont on n’a point d’id&es, 
et cet etat des choses exigeoit imperieusement qu’on rendit aux 
pais devastes la faculte de vendre son superflu et d’exporter. 

Cette mesure a donne la possibilit€ de demander aux nego- 
ciants des ports une avance de 300,000 &cus pour .le General 
Yorck — qui a ete paid, — 

Pour en retirer toute l'utilit& il falloit abolir le tarif con- 
tinental, fonde sur le principe absurde de vouloir rompre les ra- 
ports d’echange entre le nourkau et l’ancien continents qui ont 
ete pour tous les deux une source de richesse d’activit et de 
jouissance, et ceux que la force des choses a etabli entre l’An- 
gleterre et les Pais de la Baltique pour les quels la premiere 
est le seul, et au moins le principal, marche. Le tarif continen- 
tal n’a meme jamais pu &tre applique dans toute sa severite, 
Napoleon a vendu des exemptions de ses loix atroces sous le 
nom de licence, il a pill& le commerce de ses Vassaux, et ses 
Marechaux, Generaux, Consuls, p. e. Rapp, Loison, Clerambault, 
Fromery etc. ont vendu leur consentement pour la fraude au 
poids de l’or. 

Ce systeme de folie d’oppression et de rapine a done du 
&tre aboli au moment que les bajonettes qui le soutenaient etaient 
brisees, et le commerce a du reprendre sa liberte et sa dignite, 
Yagriculture son energie la oü flottaient les drapeaux des armdes 
de l’Empereur Alexandre. 

Le second objet dont il s’agissoit c’etoit l’introduction du 
papier monnoye Russe dans la circulation des pais occupes par 
les armees. 

Les difficultes que les autorites administratives opposaient & 
la publication de cette ordonnance ont été dcartdes par les 
representations que je leur ai faits que P’approbation du Con- 
seil des finances de Berlin ne pouvoit absolument ätre ni de- 
mandee, ni attendue, comme ce Conseil se trouvoit à Berlin sous 


648 


Pinfluence francaise, que la mesure &toit urgente puisque l’officier 
et le soldat Russe recevant sa paie en’billets de Banque devait 
ötre sur de pouvoir Nemploier dans les achats, que Nobjet de la 
guerre etoit l’independance de l’Allemagne, point la propre surete 
qui comme les evenements du tems l’avoient prouve, etoit hors 
d’atteinte, ni des conquötes auxquelles la magnanimite et la 
generosit& de l’Empereur Alexandre avoit renonce. La publication 
fut donc realisee, elle auroit trouve une tr&s grande resistance 
dans d’autre tems, mais dans celui-ci Pesprit public &toit monte, 
tous les coeurs remplis de sentiments de vengeance et de haine 
contre loppresseur et ses satellites, et les Regences n’ont pu s’op- 
poser a son Elan. 5 

Cette mise en circulation des Billets de Banque exige ce- 
pendant encore la lerde de la prohibition qui a subsiste jusqu’ic 
de reimporter les .assignats en Russie — le Comte d’Araczejeff 
etoit convenu sur la necessit& de lever cette prohihition dans la 
conversation que j'ai eu avec lui à Raczi sur cet objet, elle est 
essentielle pour la valeur des Billets de Banque, comme celle-ci 
depend de l’etendue du cercle d’activit6 qu’on leurs assigne et 
de l’emploi qu’on leurs donne. Vouloir continuer à les repousser 

.de la Russie, pendant qu’on les déclare papier monnaye dans 
le pais que les armees occupent, c'est commettre une injustice à 
pure perte, comme on les depreciera et que rien au monde ne 
pourra empecher la r&importation clandestine dans l’Einpire. 

La creation d’un papier federatif me parait cependant meriter 
qu’on s’occupe seriensement de son execution, elle met de l’unite 
dans le systeme du papier monnaye qu’on applique au theatre 
de la guerre, au lieu que maitenant chaque puissance agit dans 
un sens isol& (la Prusse vient de creer un papier monnaye) le 
papier monnaye seroit de plus 6tabli sur une base plus large, le 
eredit reuni de plusieurs puissances, et il offriroit A l’Angleterre 
la facilit€ de secourrir ses alliées par son credit sans l’interren- 
tion du numeraire metallique. 

L’assemblee des états ou de la noblesse et des villes a en 
lieu aujourd’hui, elle est composde des groupes les plus mar- 
quantes par leur propriete, les plus estimables pat leur charac- 
tere. Tous ont &t6 animes d’un esprit public parfait. 

Le General Yorck a propose à l’assemblee la formation 
d’une Reserve de 13,000 h. pour tenir son corps toujours au 
complet, une milice de 20,000 h. et une population armee quand 
Vennemi aura passe la Vistule, enfin d’un corps de 700 Volon- 





0 


taires qui s’equippe à leurs \fraix et qui servira de pepiniere 
pour des officiers. — 

Ces propositions ont étẽ accepte arec unanimite, on a tabli 
un Comite pour l’organisation et les details — et tout guarantit 
les plus heureux resultats, dont le principal sera que l’exemple 
que donnent ces provinces influera puissament sur tout le reste 
de Allemagne. 

Jose demander & V.M. I. la permission de mettre moi meme 
les details et les resultats sous ses yeux et de lui faire agreer de 
bouche l’assurance de la soumission respect. avec laquelle jai... 


XXVIL 


Erinnerungen des Herrn Minifters v. Schön 
März 1849, 


Im December 1812 rücten die Ruſſiſchen Truppen bei Berfols 
gung der Zranzofen in 3 Abtheilungen über die Preußifhe Grenze. 
Das mittlere Corps unter dem General Wittgenftein, nahm meinen 
Vorſchlag an, daß nur von militairifcher Beſetzung des Landes die 
Mede fey. Der Rufffche General Marquis Paulucci, welcher mit feis 
nem Corps den nördlichen Theil der Preußifchen Grenze überfchritt, 
ging aber vollſtändig erobernd vor. Er entband die Behörden von 
ihrer bisherigen Verpflichtung gegen den König von Preußen, wies 
fie an, ihre Berichte nach Petersburg zu erflatten, und nur Befehle 
von dort anzunehmen. Der diefem Corps von mir entgegengefchidte 
Regierungs-Gommiffarius machte dem Marquis dagegen Borftellung, 
und es kam darüber zwifchen beiden zu einer fo heftigen Debatte, daß 
der Kommiffarius offen erflärte: Wir haßten die Aflatifche Apathie 
nicht weniger, als die Franzoͤſiſche Despotie, und das Land, welches 
die Auffifchen Truppen jegt als Erretter und Befreier empfange, 
würde feindlich fi gegen fie erheben. Der Marquis blieb dabei, daß 
er fein Verfahren bei feinem Kaifer verantworten würde. 

Un eben dem Tage, an weldem ich den Bericht über dies Er⸗ 
eigniß erhielt, welches das Land in eine neue und empdrende Rich⸗ 
tung bringen mußte, befam id) ein Schreiben von Stein, in welchem 
er mich benadrichtigte, daß am zweiten Tage darauf, der Kaifer 
Alexander mit ihm in der ſüdlichſt gelegenen Grenzſtadt Lyck ankommen 





650 


würde. Ich ſchicte fefort einen Courier, mit einem Briefe an Stein 
ab, in weldhem id ihm, mit voller Entrüfung, von dem Berfahren 
des Marquis Baulucci in Kenntniß fepte, ihn bat, dem Kaifer Alegander 
dies anzuzeigen und zu erlären, daß wenn die Anordnungen des 
Marquis nicht fofort aufgehoben würden, und ich nicht Genugthuung 
für deſſen @ingriffe in die Preußifhen Majeſtätsrechte erhielte, ich 
gendthigt fein würde, das Land gegen die Ruffen aufzubieten. Dabei 
ließ ich meinem Freunde Stein, durch den Ueberbringer meines Briefes 
den Major v. Plotho den zerrütteten Zufand der bei und eingerüdten 
Ruſſiſchen Truppen ſchildern, fo, daß wenn das Land gegen diefe aufs 
geboten würde, fie wohl bald das Land zu verlaffen genöthigt fein 
würden. Statt daß Stein mir fhriftlih antwortete, war er am 
2ten Tage nad; Empfang meines Briefes, felbft in Gumbinnen bei 
mir. Stein und id, wir hatten früher wichtige Momente mit eins 
ander verlebt, und nun trafen wir uns in dem Wichtigſten! Das 
Herz ging und Beiden auf. Doch! forderte id hald nad) der Bes 
grüßung, Antwort wegen Paulucci. Darauf erflärte Stein: Paulucci 
fei, wie er fi) ausdrüdte, verrüdt, der Kaifer habe deffen Anords 
nungen, über welche ich Beſchwerde geführt hätte aufgehoben, ihm das 
Commando genommen und nad Rußland gefhidt. Da begrüßte ich 
zum zweiten Male meinen Freund in feiner ganzen Herrlichkeit. Wir 
Iamen bald darin überein, daß bei dem Zuftande der Ruſſiſchen Armee 
Horte Abfall nur günfigen Erfolg für Napoleon, und großen Rache 
theit für Preußen haben mäfle, wenn das Rand nicht offen feine Meis 
nung für Yorl's Verfahren ausfprehe und dadurch den König in dem 
Stand ſetze, ſich von der Franzoͤſiſchen Abhängigkeit zu befreien. 
Wir verabredeten, was zu thun fei, und welche Einleitungen zu 
treffen wären, um die öffentliche Stimme, für welche ich gut fagte, 
laut werden zu laffen. Nachdem wir darüber einig waren, daß Stein 
in Beziehung auf die militairifche Befepung des Landes von Ruffifcher 
Seite eine Berfammlung der Landflände von Oſt⸗ und eines Theile 
von Weftpreußen fordern follte, alddann die im Lande herrſchende 
Richtung laut werden müßte, wollte Stein, daß ih, als Preußiſche 
Autorität, gleich mit einzelnen Maaßregeln im Intereffe Rußlands 
vorgehen folle. Dies verweigerte ih, weil dazu noch nicht der Mos 
ment fei. Stein beharrte bei feiner Forderung 3. B. daß ich die 
Güter des Herzogs von Deffau, als eines Rheinbund-Fürſten, in 
Sequeftration nehmen, oder mit Kriegs-Gontribution belegen follte 2. 
und zur Begründung feines Anfpruchs brachte er eine Vollmacht vor, 
nad welder der Kaifer Alegander ihn zum General«Berwalter von 
Preußen ernannt und als folhen unbeſchraͤnkt bevollmächtigt hatte. 





651 


Stein hatte fih zwar nur, wie ih annehmen zu müſſen Urfache habe, 
diefe Vollmacht geben laffen, damit der Auftrag fo ſchonend als mög« 
lich volführt werde, aber er gab fie mir in quafisofficieler Form 
und verlangte von mir, daß ich zur Nachachtung Abichrift davon 
nehme. Dies verweigerte ich unbedingt, und forderte im Gegentheil, 
dag Stein diefe Vollmacht unter feinen Umfänden befannt werden 
laffe, weil jede Preußiſche Autorität dann feindlich gegen ihn aufs 
treten müßte. Stein fträubte fi dagegen, aber meine Forderung 
war fo befimmt, und meine Erklärung, daß id, wenn er [Stein] von 
diefer Vollmacht Gebrauch made, nicht weiter mit ihm verhandeln 
Inne, war fo entſchieden, daß er nachgab, die Vollmacht einſteckte, 
und wir ald Freunde weiter verhandelten. Stein fuhr nah Königs» 
berg ab, um bei dem dortigen ObersPBräfidenten, zu beffen Geſchäfts⸗ 
kreis die fländifchen Angelegenheiten gehörten, eine fländifche Ber 
fammtung in Beziehung auf die militairifche Befegung des Landes 
zu veranlaffen. Die Sache ging in Königsberg Anfangs gut; der 
Dperpräfident v. Auerswald hatte Stein mit Hochachtung und Ers 
gebenheit begrüßt, York und der Praͤſes des fländifchen Eomite, der 
Graf Dohna⸗Schlobitten, waren bereitwillig auf Alles das, was Stein 
mit mir verabredet hatte, eingegangen. Bald fing Stein aber an, 
fi) in die innern Angelegenheiten des Landes zu miſchen, und ale 
man ihm dabei Bedenken entgegenjeßte, trat er mit feiner Ruſſiſchen 
Vollmacht vor, theilte diefe amtlich dem ObersPräfldenten mit, und 
tam dadurch nicht allein mit diefem, fondern aud mit York, ale 
GeneralsMititairs Gouverneur, und mit dem Präfes des fländiichen 
Eomites dermaßen in Streit, daß Auerswald ald frank jede Bers 
handlung mit Stein verweigerte, daß Dorf fih von ihm entfernte, 
und ſelbſt der Graf Dohna, bei hoher Achtung für und Anhänglichfeit 
an Stein vorausjah, daß Steins Verfahren den guten Geift im Volke 
laͤhmen müffe. Stein hatte 3. B. von Dohna verlangt, daß das 
Land gleich Papiergeld mache und auegebe, obgleich klar vorauszus 
fehen war, daß bei dem damaligen Stande der Dinge, dies Papiers 
geld Niemand nehmen, und dieſe Maafregel nur die Achtung und 
das Vertrauen des Volkes gegen feine Leiter wanfend machen würde. 
Der Zwieipalt unter den Männern, welde die große Sache führen 
follten, wurde fo groß, daß al Stein fah, wie er ifolirt daftand, in 
diefer Verlegenheit von mir forderte, daß ich fofort nad) Konigs⸗ 
berg fäme. 

Nach meiner Ankunft in Königsberg ſprach ich zuerft den Obers 
Präfidenten, diefer theilte mir die Differenzen und heftigen Scenen, 
welche er mit Stein gehabt hatte, mit und ſchloß damit, daß er feinen 


Theil an den Stein'ſchen Operationen nehmen könne, weil dieſe für 
die große Sache nur verberblich fein könnten. York war aufgeregt 
gegen Stein, nannte ihn einen verbrannten Kopf, der Alles gegen 
Äh aufrege, und dadurch die Stimme des Landes und deſſen Theils 
nahme an dem großen Schritt, den er durch die Gapitulation gemaht 
habe, ſchwaͤche. Dohna, das Haupt der Stände, klagte bitter über 
Steins Unklarheit, und über die Heftigfeit feiner Zumuthungen, doch 
war ihm diefer noch am nächften geblieben. Stein felbf fand ih in 
hoher Spannung, ſcheltend und tobend auf alle Autoritäten in Königs⸗ 
berg. Mit dem Ober» Präfidenten v. Auerswald war feine Aus« 
gleiyung möglih. Diefer war zu fehr überzeugt, daß Stein der 
großen Sache nur hinderlich fei. Dohna wollte unbedingt mit mir 
gehen und der Ueberzeugung, daf wir vereint, Stein von zeitwidrigen 
Forderungen abhalten würden. Dork, ſchon beforgt, daß, menn das 
Land fih nicht für den von ihm gemachten Schritt erfläre, feine 
Kapitulation als eine Graͤuelthat daſtehe, verſtand fih nach langem 
Biderfireben emplih, obgleich mit erflärtem Widerwillen dazu, mit 
mir zu Gtein zu gehen, und über die am’ morgenden Tage flatt« 
Andende Eröffnung der großen Rändifhen Verſammlung zu verhans 
dein. Das Gefpräh hatte Anfangs einen ruhigen Gang, als Stein 
aber verlangte, daß York die fländifhe Verſammlung mit einer Ans 
ſprache über den eigentlihen Zwed der Berufung eröffnen folle, und 
als Dort dies ablehnte, weil die Berufung auf Steins Verlangen ers 
folgt fei, und man allgemein eine Aeußerung Steins erwarte, und 
als ih York mit Entfdietenheit beifimmte, wurde das Geſpräch von 
Seiten Steine fo bitter und heftig und namentlich für York, dem er 
vorwarf, durd feine Kapitulation etwas angefangen zu haben, und 
jegt nicht vollführen zu wollen, fo beleidigend, daß Mork plöplih von 
feinem Stuhle aufſtand und ohne Weiteres das Zimmer verließ. Ih 
folgte ibm mit der Bemerkung, daß id) nach einiger Zeit wiederfommen 
würde. Bald nachdem ich in meiner Wohnung angelommen war, trat 
Dort in mein Zimmer; ih fah es ihm an, daß in feinem Innern ein 
großer Kampf ftattfand. Er klagte zuerft fein Schidfal an, daß ins 
dem ein großer Moment für ihn einzutreten fhiene, er vom Schidfal 
jegt dur die Unvernunft Stein’s zurüdgefchleudert würde. Stein 
habe die Sache jeht dahin gebracht, daß fein guter Ausgang für ihn 
abzufehen fei. Erklaͤre fih das Land nicht laut und entfdieden für 
das, was er dur feine Gapitulation angefangen habe, dann müſſe 
der König ibn verlaffen, Stein habe durch feine Ruſſiſche Vollmacht 
und durch feine darauf geftügten unüberlegten Forderungen ſchon viel 


verdorben, und indem er jeht fi weigere zu den auf fein Berlangen 
verfammelten Ständen eine Anſprache zu richten, könne unfer Bors 
haben fein gutes Ende nehmen, ihm [Work] bliebe jegt nichts anderes 
übrig, als, da er einer jhimpflihen Behandlung fh nicht ausfegen 
könne, fogleih heimlich nach England zu gehen, und ich möge ihm, 
da ich in dem Lande befannt fei, Empfehlungen dahin geben; ich 
ſuchte York zu beruhigen, aber die Zufunft fand ſchwarz vor feinen 
Augen und nur mit Mühe erlangte ih Aufſchub, bis dahin, daß ich 
mit Stein wieber geſprochen hatte. Nach Berlauf von etwa einer 
Stunde fand ih Stein zwar noch aufgeregt, aber doch ſchon gefaßter. 
Ich Rellte ihm die Wichtigfeit des Moments vor, wie es jept in 
unferer Hand wäre, bie vorhandene Schmach von unferem Baterlande, 
ja! von ganz Deutſchland zu enifernen, wie wir jegt berufen zu fein 
fsienen, dem Laufe der Beit in die Räder zu greifen und ihm eine 
andere Richtung zu geben, und daß biefer große Moment verloren 
fei, wenn nicht jeder, der zu Ergreifung deſſelben beitragen Rinne, 
dazu die Hand biete, und wenn er jet hei dem beharre, was er York 
und mir vor einer Stunde geäußert habe. York könne ohne Auf⸗ 
forderung des Landes ſelbſt, nicht vortreten, um fo weniger, da er 
nad den Zeitungen als formell abgefeßter General daftehe, er [Stein] 
habe die Stände des Landes berufen, fie erwarteten von ihm die Ans 
ſprache. Kein Diener unferes Königs Tönne, da der König fih noch 
nicht erklärt habe, die Initiative ergreifen. Er [Stein] wäre als 
Ruſſiſcher Eommiffarius mit einem Preußifhen Deutſchen Herzen dazu 
berufen. Stein fuchte auf alle Art die von ihm gemachte Aeußerung 
zu rechtfertigen, das Geſpraͤch ging hin und her, als ich aber zuiegt 
den großen Moment, und den Auf des Baterlandes Iebhaft und mit 
Wärme heraushob, und forderte, daß jeder an feinem Theile feine 
Berfönlichkeit dafür einfege, da konnte die edle Ratur in Stein nicht 
länger wiberftehen und er erflärte ſich bereit, in einem Schreiben, 
der Verfammlung den Wunſch zu äußern, daß das Land an der Bes 
freiung des großen Vaterlandes Theil nehme. Die Zuſchrift wurde 
fehr allgemein gefaßt, damit weder Ruſſiſche Forderung noch Auffland 
gegen den Willen unferes Königs durchſcheine. Stein hatte fich ges 
fräubt, ald Veranlaſſer eines Aufgebots aufzutreten, und wollte des⸗ 
halb Anfangs daß York vortrete, und glaubte dies als Folge von 
deſſen Eupitulation betrachten zu fönnen. Stein kannte den damaligen 
zerrütteten Bufand der Ruffifhen Armee und fah voraus, daß, wenn 
Preußen nicht mit Rußland gegen Napoleon ginge, Rapoleon unans 
taſtbar bliebe, und den, der unſer Volk gegen ihn aufzuregen vers 


ſucht hätte, dann Schimpf und Schande träfe. Die Ausdauer Nuß⸗ 
lands ohne Preußen war bei dem Stande feiner Armee allerbinge 
bedenklich: das ganze Tſchitſchalows ſche Armee⸗Corps wurde 3. D. 
als Einquartierung in Gumbinnen angefagt, ich erklärte dem voraus- 
gefommenen General⸗Staabs⸗Offizier, daß dies in einer kleinen Stadt 
von 200 beinahe durchweg nur einfödigen Meinen Häufern im firens 
gen Binter unmöglich fei. Der Offcier blieb bei feiner Anfündigung, 
und Hauptquartier und Armee» Corps fanden fo ausreihend Plag, 
daß fein Bürger dur Einquartierung beläftigt wurde. 

Ale diefe Umftände machten, daß es Stein einen großen Kampf 
toftete, auf Yorks und mein Verlangen einzugehen. Er war fo er⸗ 
f&üttert, daß er das kurze Schreiben an die Stände» Berjaummlung 
nicht zu machen im Stande war. Er wollte, daß id) ed dietire, und 
nun fchrieb er es, und fchidte es ab. 

Nun kam es aber erft zu dem für Stein empfindliäften Punkte. 
Bei dem Berbältniffe, in welchem er zu Auerswald, Dort und Dohna 
Rand, war feine Anwefenheit in Königeberg dem Fortgange der großen 
Sade nur hinderlih. Seine Entfernung von Königsberg war noth⸗ 
wendig. Auf der andern Seite entging ihm dadurd alle Theilnahme 
an dem großen Acte diefer Zeit. Doch! es fiegte fein guter Geiſt, 
er entſchloß fih nad 36 Stunden Königsberg zu verlaſſen. Mit 
diefer Bufage kam in unfere Sache neues Leben. Auerswald der zeits 
her nur hinter dem Vorhange thätig dafür gewefen war, trat wieder 
vor, Dort beſuchte Stein und fie ſchieden in Frieden von einander. 
Dohna hoffte Alles. Am Abende vor feiner Abreife hatte Stein noch 
die Freude, den Beſchluß der Ständifhen Berfammlung und den 
Gang der Sache in diefer Verſammlung zu erfahren. 

Auf Ruſſiſche Aufforderung, hatte die Verſammlung geantwortet, 
könne von feiner politifhen oder militairifhen Maaßregel die Rede 
fein. Die Berfammlung hatte aber eine Deputation mit der fhrifts 
lichen Aufforderung von Stein, an den General Port ald Generals 
Militair» Gouverneur von Preußen abgefhikt, um ihn von der Aufs 
forderung des Ruffifhen Commiffarii und von ihrem darauf gefaßten 
Beſchluß zu unterrichten, umd ihn zugleich zu fragen: ob er ale 
GeneralsMilitair-Gounerneur von Preußen im Ramen unferes Königs 
der fländifhen Verſammlung Mittheilung zu machen habe. Da kam 
Dort felbR in die Berfammiung und forderte im Namen unferes 
Königs das Land zur Bewaffnung auf. Allgemeiner Jubel folgte 
ihm. Als Dort die Berfammiung verlaffen Yatte, nahm ber Präfes 
des fländifhen Comites der Graf Dohna⸗Schlobitten (der ehemalige 


Minifter) zur Beſchlußnahme das Wort, ftelite die Forderung klar 
dar, fhilderte die Gefahr, wenn das Borhaben nicht gelänge, mit den 
lebhafteſten Farben, und doch rief er zufeßt: Gott und dem Könige 
treu, (als feine Meinung) die Bewaffnung aus. Seiner Rede folgte 
flürmifcher Beifall und unbedingte Beikimmung unter dem Vorbehalt 
der Genehmigung des Könige, dod fo, daß man gleich mit der Bes 
waffnung vorgehen wolle. Als Form flug Dohna Landwehr, Lands 
furm vor. 

Stein reifte ab; und ih muß ausdrücklich bemerken, daß er mir 
niemals größer, als in dem Momente der Refignation erſchienen if. 
Die Glorie, die Preußen bewaffnet, und Landwehr und Landflurm 
errichtet, und dem Gange der Europäifchen Angelegenheiten einen 
anderen Weg angewiefen zu haben, fland vor ihm, und er follte dar⸗ 
auf Verzicht Teiften! Nur fein unbedingtes Leben für die Idee des 
Baterlandes und das Aufgehen feines ganzen Lebens in diefer Idee 
vermochte ihn dazu. Der Kampf in ihm war groß, aber fein herr⸗ 
licher Geift fiegte, und er trat nicht Meinmüthig, fondern wie ein 
großer Character zurüd. Ehre ihm! 

Ganz widerftreitend feiner Natur und feinem Weien if es hier⸗ 
nad von ihm zu meinen, daß er ein Volk in Vewegung fegen oder 
darauf perfönlih Einfluß üben konnte. Er erflärte ſich ſelbſt, in dem 
fritifhen Momente der Refignation dazu für unfähig. Im Gegens 
theil war fein Geiſt fo ſcharf, daß es ſchwer war, unangenehme 
Differenzen mit ihm zu vermeiden. Daß ich frei davon blieb, habe 
ich bloß der Ueberzeugung, welche Stein von mir hatte zu vers 
danken, daß ich feinen großen herrlichen Geiſt unbedingt chre, und 
daß der Fathegorifche Imperativ in mir unerfhätterlid lebendig fey... 

Nach Stein’s Abreiſe entwidelte Dohna das Syſtem der Land» 
wehr und des Landfturms ausführlich. Der damalige Kuſſiſche Major 
dv. Claufewig machte dabei nur den EonzertsMeifter, er entwarf 
nehmlich den Schematismus für die einzelnen Waffengattungen und 
die Eintheilungen in Compagnien, Bataillone und Brigaden. — 
Scharnhorſt in Breslau, konnte von alle dem, was in Preußen fo 
ſchnell nad) einander vorging Nichts wiffen, und der Graf Dohna und 
id, wir nahe Freunde von Scharnhorft, hatten auch Bedenken, ob 
Scharnhorſt auf eine Landesbewafinung in unferer Urt eingehen 
würde, da er nod im Jahre 1811 bei einer Gonferenz in Wehlau 
mit mir ausdrücklich fich Dagegen erMärt hatte. Er war großer 
Linien« Soldat! Gneifenau war damals in England, Grolman in 
Iena. Wenn man meinen hertlihen Freund Dohna, als Stifter der 


Landwehr mit Recht nannte, dann protekirte er dagegen mit dem 
Borten: Gott ſprach unmittelbar! vox populi vox Deil 
HiRorifhe Quellen für diefen Moment: 
1) Boigts Lebensgefhichte des Grafen Dohna, 
2) mein Brief an Arndt in deffen neuefter Schrift abgedrudt, 
3) mein Schreiben an Herrn Gottfhald in Eylau in der 
Zeitſchrift: „Rewe Preußiſche Provinzialblaͤtter, Jahr⸗ 
gang 1847 oder 1848. 


XXVIII. 
Tettenborns Berichte an Stein. 


1. Ueber ſeinen Zug gegen Berlin. 


Dranienburg den 22ſten Februar 1813. 

Ih eile Em. Ercellenz von meinen Operationen ſeit meinem 
Uebergang über die Oder zu unterrichten, nebſt Beilage eines Raps 
ports über die vorgeflern in und bei Berlin gehabte Affaire. Den 
46ten paſſirte ich bie Oder und fing fogleih meine Bewegungen das 
mit an, daß ih in Wriegen ein Bataillon Werphälinger überrumpelte 
und zu Gefangenen machte. Ich war fo glüdlih Sr. Majekät 2 Fahnen 
zu Büßen legen zu können. Major Bentendorf führte meine Avants 
garde und hat fi beſonders ausgezeichnet. Marſchall Augerau 
welcher meine Annäherung erfuhr, betachirte den General Boffon mit 
8000 Mann nad Werneuchen um mich von Berlin abzuhalten. Ich 
traf den 17ten früh da ein und hatte ein flarkes Gefecht welches ſich 
auch den 18ten unterhielt. Der Feind durfte nicht aus Werneuchen, 
denn ich hielt ihn im Orte fe, und machte mehrere hundert Gefan« 
gene. Indeffen erhielt ih den 19ten von Czernicheff die Nachricht, 
daß er an demfelben Tage die Oder paffiren würde und fih mit mir 
zu vereinigen wünfchte um etwas ernfhaftes auf Berlin unternehmen 
zu Tönnen. Ich bat denfelben, ſich nad; meinem Hauptquartier Hirſch⸗ 
felde zu begeben um weitere Rückſſprache nehmen zu können. Er traf 
auch alfogleih ein und e6 wurde befchloffen den Feind in Werneuchen 
zu beobachten, und mit der ganzen Mafle auf Berlin zu gehen. 

Die Einwohner diefer Stadt Hatten mir eine Deputation ges 
fHitt um mid zu bitten, meinen Marſch zu befleunigen, da fie 


657 


entſchloſſen feyen Hand ans Werk zu legen um die Canaillen zu vers 
treiben. Wir vereinigten und die Nacht vom 1Pten auf den 2Often 
in AlteLandsberg und waren mit Tagesanbruch vor Berlin. Das 
was da vorgefallen finden Sie in meinem Rapport, nur muß id) noch 
hinzufegen, daß die Berliner Beftien find, die fein Blut fondern 
Waſſer in den Adern haben. Der BolizeisPräfident 2..... der 
felbft mit Augerau herumritt um die Vertheidigungs » Anftalten zu 
machen, erſtickte noch den wenigen Geift, indem er viele Leute ver⸗ 
haften Tieß, die fi für uns erklärten. Daß diefer Rader an den 
Galgen muß, werden Em. Ereellenz einfehen und ich hoffe Hochdie⸗ 
felden werden ihm diefen Ehrenplag verſchaffen. Die Damen haben 
uns am beflen empfangen, denn als ich hineinfprengte, flogen mir aus 
allen Fenſtern Schnupftücher entgegen, aber die Männer wollten nicht 
zuſchlagen und dies war das Wichtigfte. Indeffen waren in allen 
Straßen Berlins Koſadcen, ich felbft auf dem Alexanderplatz und unter 
den Linden, aber da ich nicht foutenirt war von den [Einwohnern ?], 
mußte ih nach 2 Stunden die Stadt wieder verlaffen, wo fi indeffen 
6000 Dann Infanterie und 40 Kanonen gefammelt hatten. Der 
arme Blomberg mit den ich unendlich zufrieden war, fiel gleich beim 
Thore, er ſtarb den Heldentod. Gott hab’ ihn ſelig. Sehr bedauere 
ih aud) den Verluſt eines Herrn v. Arnim der einft bei Schwarzen⸗ 
berg Uhlanen war, und jet bei mir als Volontair diente. Ich kam 
mit einigen Kugeln dur den Mantel davon. — Indeffen hatte diefe 
Bewegung den Vortheil, daß nun der Bices König mit feiner ganzen 
Armee gegen uns marſchirte, folglich Frankfurt und die Oder ganz 
von Truppen entblößt if. Man marſchirt von allen Seiten, in der 
Hoffnung uns einzufchließen, id) hoffe aber, daß wir die Nolle des 
Einſchließens am Ende übernehmen werden, wenn wir auch jept ſchon 
mit aller Welt außer Commünication find. 

Wenn es möglich if, fo bitte ih Em. Ercellenz dem Kaiſer den 
Franzöfiihen Brief leſen zu laſſen, denn ich ſchmeichle mir feine Bus 
friebenheit verdient zu haben. Ueberhaupt müſſen Sie fhon bie 
Gnade haben, fih meiner anzunehmen, denn ich habe fonf feinen 
wahren Freund. Ich hoffe man wird nun raſch vorgehen, damit wir 
etwas Luft befommen um dann die Herren la Pique dans les reins 
verfolgen zu Lönnen. — Herr v. 2.... if als Courier des Königs 
bei Sch... gewefen um ihm den Befehl zu bringen, nicht über die 
Oder zu gehen; er hat dies auch befolgt und ich gratufire mir, diefen 
elenden Keri nicht bei mir zu haben. Ich habe aber fehr viele Preus 
biſche Offiziere als Volontairs, die fich in jeder Affaire auszeichnen. 
Sobald Berlin genommen ift, werde ich meine Operationen noͤrdlich 

Stein’s Leben. II. Ste Aufl. 43 


fortfegen, denn ich hoffe dort mehr Geiſt als in Berlin zu finden. 
In Paderborn ik alles in Bewegung und die Flamme geht Fis nad 
Brabant; fo wie die Armee die Eibe paſſirt geht es in allen Eden 
106. Schreiben mir dod Em. Ercellenz wie die Sachen mit Deſterreich 
Reben, überhaupt bitte ih, mich ein wenig au courant zu feßen. 
Bas macht Walmoden? So oft e6 nur immer möglich, ſollen Ew. 
Ereellenz Nachricht von mir haben. Indeſſen empfehle ich mich in 
Ihr Andenken und bitte die Berfiberung meiner befonderen Verehrung 
gütig aufzunehmen. 
Ew. Ercellenz 
tren ergebener 
Tettenborn. 

Der Ueberbringer iſt ein ſehr guter und braver Mann, der auch 
von der Feder zu den Waffen gegriffen Hat und ſich in jeder Gelegen⸗ 
heit auszeichnet. Er wird, fobald Sie ihn abfertigen, gleich wieder 
zu mir zurüdkeifen. 


2. Ueber feinen Zug nach Hamburg; an einen Unbefannten. 


Hambourg le ” Mars 1813. 


Mon cher ami. 

Me voilä à Hambourg et encore d’une maniere tres glorieuse 
parsque j’ai et& aux prises deux jours de suite avec le Corps de 
Morand qui venoit de la Pomindranie suedoise. J’ai marche de 
Berlin à grandes journees, ai conclu chemin faisant un traite 
d'alliance avec le Duc de Meklenbourg qui s’est detache de la 
confederation du Rhin et c’est engage à mettre sur pied sans le 
plus court delai possible un regiment d’infanterie et mille chas- 
seurs à cheval volontaires. Cette besogne faite je me mis en marche 
vers Boitzenbourg, ou je sus que le General Morand &toit arrire 
à Möln avec la soidisante arınde de Pomeranie forte de 2700 hommes 
à pied, 50 hommes de cavallerie et 16 canons. Il voulut d’abord 
se replier sur Hambourg, mais arrive à Bergedorf les Danois lui 
refuserent le passage; il resolut alors de se maintenir entre Berge- 
dorf et Eschebourg et occupa ces deux points avec de l’infanterie 
et du canon; un defil€ continuel lie ces deux endroits ensemble 
de maniere que la cavallerie n’y peut absolument pas agir; apres 
une attaque assez vire de cosaques en tirailleurs à pied sur 
Eschebourg oü les ennemis ne manquerent pas de nous saluer 
aveo leurs canons, je detachai un parti de 60 chevaux sur 





Bergedorf gi repoussa les piquets de l’ennemi si brusquement 
et allarma d’une maniere si vive les troupes qui cantonnoient à 
Bergedorf, que le General Morand quitta son premier projet 
et resolut de se retirer sur la rive gauche de l’Elbe, je le fis 
poursuivre le 17. avec ardeur et si le terrain n’avoit pas et6 si 
decidemment defavorable à la cavallerie, cette retraite n’auroit pas 
manque de lui couter cher; je n’ai jamais tant regrette de n’avoir 
pas 500 hommes d’infanterie, le corps entier de Morand auroit 
ete pris. Pr&s du passage du Zollerspieker les Francois defen- 
dirent une derniere position derriere une digue transversale & 
laquelle on ne pouvoit approcher que par un chemin très etroit. 
L’ennemi defendit cette position par 6 pieces de canon; apres un 
engagement de tirailleurs je fis braquer un canon uniquement 
pour en imposer à l’ennemi qui peut @tre ne m’avoit pas suppos6 
de Vartillerie. Mon canon eut un plein effet, l’egnemi se retira 
apr&s une canonade assez vire avec tant de precipitations, et 
cent cosaques le talonnerent de si pres, qu’il se sauva dans des 
barques et nous abandonna 6 pieces de canon. Apres cette 
expedition heureuse je me rendis ä Bergedorf oü une deputation 
de la ville d’Hambourg m’attendoit, je ne l’accepfai pas en de- 
elarant à ces messieurs que la oü je voulois entrer en ami je ne 
oint d’autorites frangoises, et que s’ils ne vouloient 
pas que je traitasse la ville en ennemi ils devoient restituer les 
anciennes autorites de la ville arant mon arrivee et consommer 
par Ik eux m&mes Pacte de leur delivrance. Cette mesure me 
parut indispensable pour donner au peuple de la confiance en 
notre Energie et pour rendre Evident que le gouvernement russe 
v’est pas pour les demi-mesures et ne connoit que des amis ou 
ennemis bien prononces. Les Hambourgeois ont fait ce que je 
leur avoit demande, et cet exemple energique entrainera infailli- 
blement d’autres villes et distriets sur la rive gauche de l’Elbe 
à se declarer hautement contre la France, ce qui facilitera heau- 
coup les operations militaires que l’on voudra entreprendre par 
la suite. J’ai étse regu à Hainbourg avec des acclamations qui sur- 
passent toute iımagination. Les vire Alexandre n’ont pas fini depuis 
40 heures du matin jusqu’& minuit. Je vons envoie iei la premiere 
gazette d’Hamlourg sous son ancienne forme. Gielsdorf qui est 
A present avec moi y a decrit notre entree. Vous y trouverez 
encore une proclamation aux Hambourgeois et j’Espere y former 
dans peu une cavallerie de volontaires et quelques bataillons 
d’infanterie, un bataillon d’infanterie prussienne qui lui servit de 
42° 








660 


quadres ne me feroit pas de mal. Hier la ville de Lubec m’a 
aussi envoy& une deputation A la quelle j'ai demande la mäme 
chose quaux deputes d’Haihourg, et e’est aujourd’hui que les 
autorites francoises seront remplacés par les anciennes autorites 
cassees par les Francois. Benkendorf y sera envoy& demain 
pour pousser l’organisation des forces militaires que la ville a offertes 
avec Energie. Yui tant d’affaires dans ce moment que je ne sais 
oü donner de la tete, je prefere le champ de hataille & toutes 
ces negociations qui ne donnent que du mauvais sang. Des que 
j'aurai quelque infanterie sur pied je reprendrai Voffensire. Je 
joins encore ici une proclamation du prefet du departement des 
bouches du Weser qui proure que c'est bien les cosaques qui 
ont fait abandonner au General Morand le projet de se maintenir 
de ce cöt& de l’Elhe. Je Vous salne de tout ınon coeur mon 
cher et digne ami et Vous prie de faire mes respects à M. de 
Stein auquel j’ecrirai sous peu. 
Tettenhorn. 
Renvoyez moi Gourieff sur le champ. 


XXIX. 


Steffens über fein erſtes Zufammenfeyn mit 
Stein in Breslau. 
Was ih erlebte, Th. 7. ©. 110, 


Baron v. Stein der durch die fehr ſchnelle Meife fh angegriffen 
fühlte, ließ mich wiffen, daß er mich zu fehen wünſche; man kann ſich 
denfen, mit welcher großen Begierde ich die Gelegenheit ergriff, die 
Bekanntſchaft des großen Mannes zu machen. Ich fand ihn in einer 
Heinen höchſt unanfehnlihen, ja fat unfaubern Kammer im Bett; 
ſelbſt fo imponirte mir fein Jupitersgefiht und feine gebietende Sprache. 
Er fprad mit Entſchiedenheit, und einige der ergriffenen Maßregeln 
tadelnd, felbft mit Härte, und äußerte fi über die Art, wie ich in 
einer bedenflichen Zeit das Wort genommen hatte, auf eine für mid 
ſehr ſchmeichelhafte Weiſe. Durd ihn erfuhr ih nun, dag Scham 
horſt nach Kalifch, wo der Kaifer Alerander ſich aufhielt, gereiPt war, 
daß dort am 27ften Februar ein Bündnig mit Rußland abgeſchloſſen 
wurde, 





661 


XXX. 


Münfter an Stein über Dänemark, 
Zu ©. 317, 


London den ten März 1813. ..... Man folte diefe Infel » 
[Seeland] bloquiren und glei auf Holftein fallen, fih der Reffourcen 
diefer Halbinfel bedienen und fo vorrüden, das würde mehr Nutzen 
bringen als wenn man die Dänifche Armee hat, die man mit ſchwerem 
Gelde würde begahlen müffen, während dieje Summen beffere Soldaten 
heranſchaffen Lönnten. Ew. Excellenz wiffen wie fehr ich dem Plan 
entgegen bin, Dänemark für Norwegens Verluſt in Teutſchland ent» 
ſchaͤdigen zu wollen. Id bin der Meinung, daß Schweden Norwegen 
haben muß, allein warum foll nicht Dänemark dieſes Land als Folge 
eines Krieges den es ſich zugezogen hat, verlieren und warum follte 
Teutſchland dafür leiden? Der Wunſch von der Franzöfiichen Herrs 
ſchaft unter’ die Däniſche zu fallen, würde wahrlid, nicht tröftlich ſeyn. 
Ruinirte Finanzen, Eorruption und Despotismus find feine Auss 
fichten die man einem Bolfe vorhalten follte dag man zum Kampfe 
für Freyheit aufrufen will. Gottlob! Dänemark hat die Preußifchen 
Vorſchlaͤge abgelehnt. Unterm sten Februar hat man hier Zriedend« 
vorfhläge von Seiten Dänemarks gethan unter dem Berlangen, daß 
England alle Eroberungen herausgeben und Dänemark fchadlos halten 
foltte. Man hat die Regociation abgelehnt und geäußert, daß man 
nur gemeinfhaftlihd mit Rußland und Schweden in Stodholm 
negociiren wolle. 


XXXI. 
Stein an Gneiſenau. 


Kaliſch den 3Often März 1813. 
Herr v. Harthauſen ift mir bekannt, ich wünfchte er Time in 
Dresden zu mir, welches Sie hoffentlich bald befegen werden. 
Phull's Verdienfte und die Urfache feines Mißgeſchids verkennt 
hier fein verändiger Mann, der Kaiſer ift ihm gewogen. Phull wünſcht 


662 


ein WittwensGehalt für feine Frau, das wird erfolgen, 12— 1500 Th. 
er will das ganze Gehalt 16000 Rubel P. das ift zu viel. 
Rüden Sie doch raſch vor und jagen die Franzofen aus Sachfen. 
Vale. 
Grüßen Sie General Blücher und Scharnhorft, fagen Sie dem 
Xepteren, das nöthige wegen Einmiſchungen fey von hier aus er» 
gangen. 


XXXII. 


Inſtruction 
für den Ruſſiſch Kaiſerlichen Geheinrath Herrn 
Freiherrn v. Alopäus Excellenz zum Generalbevoll— 
mächtigten in den Herzogl. Mecklenburgiſchen Landen 
und ben Hanſeſtädten Hamburg und Lübeck. 


Dresden den 26ften April 1813. 

In Beziehung auf das dem Ruſſiſch Kaiferlichen Geheimrath 
‚Herrn Freiherrn v. Uopäus Ercellenz als Generalbevollmägtigten in 
den Herzoglich Medlenburgifhen Landen ꝛe. und den Hanſeſtädten 
Hamburg und Lübeck unterm heutigen Tage ertheilte Gommifforium, 
werden Euer Excellenz erfucht, bei Ihren Unterhandlungen wegen 

1) der Verpflegung der durchmarfchirenden oder ſtehenden Truppen, 
2) der Entrichtung figirter Kriegsheiträge, 
3) der Stellung regulirter Militairs Gontingente und 
4) der Errichtung der Landwehr oder des Landſturms 
folgende Normen — infoweit befondere Localverhäftniffe nicht Ab⸗ 
weichungen nöthig machen — möglich überall zum Grunde zu legen. 

Hu 1. Die Verpflegung erfolgt ohne Vergütigung, infofern fie 
aus den Randeserzeugnifen geleiftet worden iſt. Nur wo ſolches nicht 
der Fall if, oder wenn Fabrikate z. B. Tuch, Leinwand u. dergl. m. 
geliefert werben, findet Vergütigung oder Abrechnung auf die ſtehen⸗ 
den Kriegsbeytraͤge Statt. 

Zu 2. Die Kriegsbeyträge find nach Maasgabe des Wohlftandes 
der verſchiedenen Gegenden in monatlichen Beiträgen von ohngefähr 
20 bis 30,000 Thlr. auf 100,000 Seelen Bevölkerung zu verlangen. 

Hu 3. Auf diefelbe Bevölkerung Tann ein Militaircontingent von 
ohngefähr 2 Bataillonen Infanterie uniformirt und bewaffnet, jedes 
800 Dann ſtark, gefordert werden. 





663 


Zu 4. Die Landwehr oder der Landſturm if nach dem Mufter 
der Preußifchen — wovon das Organiſations⸗Edict hier beiliegt — 
foweit es die Umfände erlauben, möglihft einzurichten. 

Da mit dem Herzogthum Medienburgs Schwerin durh den Ges 
fandten Herrn v. Pleſſen fhon Einrichtungen getroffen find, fo wird 
eine Abweichung von den vorflehenden Grundfägen nah Maasgabe 
der deshalb ſchon übergebenen hier beyliegenden Punkte in den Ders 
Handlungen mit jenem Herzogthum nöthig feyn. 

Noch erfuhen wir Em. Ercellenz ergebenft, Ihre Stipulationen 
mit den verfhiedenen Lundesherren und deren Behörden immer mit 
ausdrüdlicher Rüdfiht auf die von des Herrn Fürſten Kutuſoff⸗ 
Smolensk Durchlaucht unterzeichnete Proclamation und unabbrüchig 
der darin von beiden Majeftäten ausgefprodhenen Abfichten, einleiten 
und unter dem Vorbehalt unferer Genehmigung abfchließen zu wollen. 

Da der K. Preußifhe Staatsrath Herr v. Heydebreck mit der 
Einführung und Verwaltung eines Kriegsimpoftes auf überfeeifche 
Waaren, an den Nord» und Oftfeefüften beauftragt worden, fo wers 
den Ew. Excellenz denfelben in feinen Berhäftniffen, fowohl zu den 
Regierungen der in Ihrem Gouvernementsbezirk belegenen Lande als 
auch zu den militairifhen Herren Befehlshabern beftens zu unters 
fügen belieben, und fih au der Beförderung des ihm übertragenen 
Anfeihegefhäfts wo ſich Ihrer Seits Gelegenheit dazu finden ſollte, 
möglihf empfohlen feyn laſſen. 

Bei der Em. x. eigenen durch lange Jahre erprobten Umficht 
und Kenntniß in Gefhäften, dürfen wir an das Einverftändniß, in 
welchem überall mit den commandirenden ‚Herren Generalen zu hans 
dein ift, nicht erft erinnern. 

Ueber den Fortgang Ihrer Aufträge und Verhandlungen, welche 
lehteren uns vor dem Abſchluß immer erſt zur Genehmigung einzus 
reichen ſeyn werden, bitten wir ergebenft uns wenigftens alle 8 Tage 
Bericht zu erftatten. 

Der Diätenfap für Ew. Ercellenz if auf 20 Thaler und der der 
Secretairs auf 3 Thaler beftimmt. 





Ernennungspatent: Namens II. MM. des Kaifers von Rußland und 
Königs von Preußen ernennt der — Berwaltungsrath für 
das nördliche Deutfchland durch das gegenwärtige Kom⸗ 
mifforium des K. Ruffifchen Geheimrath v. Alopäus Exe, 
zum Generalbevollmächtigten oder Civilgouverneur in beiden 
Medlenburg, Eutin, Hamburg, Lübel. Aufficht und Leis 
tung ber Polizei und Finanzen, und bis zu Ernennung eines 


664 


Militairgouverneurd auch des Militairweſens, fo weit diefe 
Berwaltungszweige auf die Sicherheit, den Unterhalt und 
die Bermehrung der verbündeten für Deutichlands Selbſt⸗ 
fändigfeit fireitenden Heere Bezug haben. 

. Verpflegung der ftehenden oder marfchirenden Truppen, 
Stellung von Nilitairs Eontingenten, Errichtung einer Lands 
wehr oder Landfturms, mit den verfchiedenen Regierungen 
unterhandeind verftändigen und über fdleunigfte Ausführung 
au wadhen. 


Schreiben an Hamburg, Lübeck, Medienburg- Schwerin, Graf Witt 
genftein, ihm militairiſche Affiftenz zu leiften. 
26ften Mai 1813. Das Medienburg- Schwerinfhe Minifterium vers 


langt Theilnahme am Verwaltungsrath wenn es ſich ihm 
unterworfen halten foll. . 

= Mei. Alopäus erfuht den Kronprinzen von Schweden 5— 6000 
Mann Infanterie nah Hamburg zu werfen. 

19ten Mai. Stralfund. Der Kronprinz fhreibt, feine Truppen ziehen 
gegen die Elbe, muß fie aber zuſammenhalten und feine 
unnöthige Spipen machen, da die Franzoſen Berlin zu ber 
drohen feheinen. 








XXXIII. 


Steins Fragen an Gagern über Deutſche Ver— 
faſſung. Ende Aprils 1813. 


Beſteht die Freiheit Deutſchlands allein in der Macht der Fürſten 
oder in der Freiheit der Einwohner und der Kraft der Ration? 

Wie ift eine Conftitution möglich, die beides gewährt? 

Wurde es gewährt durch die Conftitution von 1648? durch die 
Eonfitution von 1802? 

Hat die Nation oder fremder Einfluß die Gonftitutionen gebildet? 

Wie find die Fürſten entftanden, wie haben fie ihre Pflicht in 
den großen Crifen des 3Ojährigen Kriegs, des Revolutions «Kriegs 
erfült? 

Bie, und durch welde Mittel fol der Kaifer Macht und Ans 
fehen erhalten und in den Stand gefept werden, Gehorfam zu ber 





wirken von den großen Staaten, da man diefes ſchon vor der Auf⸗ 
loſung der Deutfchen Reichöverfaffung nicht vermochte? und wer foll 
Reichsgerichtliche Urtheile gegen die großen Stände volifireden? 

Ber fol die Reihss Armee im Frieden verwalten, bilden, im 
Kriege leiten, wer fol Krieg und Frieden fließen? 

Ber ſoll Gejege machen, Finanzen verwalten? der Reichstag, und 
die 15 bis 16 übrig gebliebenen Deutſchen Zürften, ihre Gabinette? 

Wie fol in alles diefes Kraft, Einheit, Rationalität gebracht 
werden? 


XXXIV. 


Flugſchrift über Das Benehmen des Königs 
von Sachſen. Zu ©. 353. 


Für jeden deutſchen Mann mußte das Benehmen des ſächſiſchen 
Hofes in den legten Unterbrüdungsjahren mehr als niederfchlagend 
fein. Nur zu bald hatte diefer Hof mit den übernommenen Feſſeln 
auch die Sertigfeit gewonnen, fi) in ihnen zu bewegen: ſtolz im Dies 
nen, eifrig in der Knechtſchaft, war ex, wo nur Rapoleon mißfällig 
hinbliden durfte, ſogleich befliffen auch feinerfeits ein Syſtem von 
Kränkungen eintreten zu laffen. Das Mithelfen bei den großen Bere 
trümmerungsfhlägen wurde vornehmlih von ihm als Chrenpunkt 
genommen, und demzufolge den Truppen, die er zu den abentheuers 
lichen Zügen für die allgemeine Unterjohung ſtellen mußte, ein fonft 
nicht in ihrer Neigung liegender Geiſt der Erbitterung und ein Eifer 
eingehaudht, der weit über die Gränzen einer blos von den Umſtaͤn⸗ 
den gebotenen Theilnahme hinauslag. Waren nicht — den Vertrag 
von Bayonne gar nicht zu erwähnen — faft alle Berührungen, in 
denen diefer Hof zu Preußen ftand, voll unfreundliher Formen? 
Wurde nicht gegen diefen Staat, um Napoleons Empfindlichfeiten zu 
ſchmeicheln, überall Stoff zu Mißhelligkeiten aufgegriffen und geltend 
gemacht? Und waren nicht unter allen deutfchen Bundesfchaaren gerade 
die. fähfifehen Truppen, tro der dringendften Veranlaffungen dazu, 
die am mindeflen geneigten, dem ernfihaften Rampfe gegen Rußland 
zu entfagen? Dieſemnach wären, ald die ruſſiſch⸗preußiſchen Heere 
Sachſens Gränzen berührten und fein König nur in der Flucht fein 
Heil zu finden glaubte, Maasregeln der entfhiedenften Feindſeligkeit 


an ihrer Stelle und gerechtfertigt gewefen: aber der Weg der Mäßigung, 
dem Herzen der verbündeten Monarchen fo eigen und fo heilig, ward 
vorgezogen, und die Hand, die Sachen zuerſt hätte bieten follen, zus 
vorfommend gereicht. 

Dies gefhah am Oten April durd ein Schreiben Gr. preußiſchen 
Majeſtaͤt an Sachſens König, worin derſelbe mit der freundfchaft 
lichſten Herzlichleit beſchworen ward, dem Syſtem der verbündeten 
Mächte beizutreten und an dem großen Befreiungswerfe Deutfchlants 
aus allen Kräften mitzuwirken. Diefe durch den preußifchen Generals 
Mafor von Heifter überbrachte Einladung ward indeffen gegen alle 
Erwartung der beiden Herrſcher und zum Erſtaunen jedes Deutichen, 
und alfo auch jedes gutgefinnten Sachſen, in wiederholten Antworten 
vom 16ten und 2Hfen April mit einer Kälte von Phrafen und mit 
einer Leerheit der Ausflüchte zuräcgewiefen, die gerade in dem Mor 
ment, wo fie erfolgten — während Napoleons Verzweiflungs-Berfud, 
Deutſchlands Joch durch einen letzten Schlag unauflöslih an feinen 
Thron zu ſchmieden — überall Gefühle der fehmerzhafteften Art aufs 
regen mußten. 

Doch troß der bedauernswürdigen Schwäche, bie fih in jenen 
Schreiben ausfprah, war immer noch einige Hoffnung da, den König 
von Sachſen zur deutſchen Fürftenpfliht und zu der großen gemeins 
ſchaftlichen Sache zurüdtehren zu fehen. Wenigftens Hatte es nad 
manchem, was im Verlauf jener Eorrefpondenz gefhah, das Anfehen, 
als fei er auf dem Wege dahin einfenten zu wollen. Selbft Rapolcon 
hegte ſolchen Verdacht, und Tieß von Weimar aus drohende Bars 
nungen an ihn ergeben. So wurde 3. B. die franzöfifcher Seite ges 
machte Forderung, daß die den fächfifhen Hof nach Regensburg ber 
gleitende Cavallerie zur fogenannten großen Armee ſtoßen folle, ents 
ſchieden von ihm abgelehnt. Noch mehr! der König verließ diele 
Stadt, und begab fi, dem franzöffchen Einfluffe fich entziehend, nah 
Prag. Die Abficht bei diefem Aufenthaftswechfel war unftreitig Ans 
näherung an Deſterreich und der Verſuch ſich an deſſen Vermittlungs⸗ 
Syſtem anzufähließen.”) 


*) 68 war wunderfih genug, daß Sachſen meinte fih als mitwermittelnd 
Hinftellen zu koͤnnen. Entweder ſchob man dies nur als einen Ver⸗ 
wand vor, oder man begriff feinen Standpunkt nicht. Wer ala ver 
mittelnde Macht auftreten will, muß erftlich außerhalb dem Streite ftehen, 
zweltens Stärfe und Anſehen haben. Hier fehlte aber beide. Sachſent 
Land war von den Truppen der Berbündeten befegt, uud wann Diefe 
ed verliehen, rüdtte ficher Rapoleon ein; es war der Kampfplap. Stärke 


oe 


Leider waren diefe ohnmächtigen Schwankungen zum Beflern bin 
nicht geeignet, auch nur die leifefte Prüfung zu befichen. Am 2ten 
Mai ward — wo fihon einmal um Deutfchlands Freiheit gefochten 
ward — unfern von Lühen eine biutige Schlacht geſchlagen. Der 
Sieg fand der gerechten Sache zur Seite: "die verbündeten Heere 
wurden indeffen, nachdem ihnen das Schlachtfeld und die Ehre des 
Tages geblieben war, durch die Bewegungen des Feines veranlaßt, 
Stellungen zu nehmen, die ihnen einen großen Zufammenhang in dem 
Ganzen ihrer Operationen nur allein verfihern konnten. So wurden 
im Gefolge diefer Maßregeln die Gegenden jenfelts der Elbe, wohin 
man dem Feinde entgegengegangen war, wieber geräumt den Sten Mai, 
und ihm einftweilen überlaffen. 

Kaum war die Nachricht von diefer rüdgängigen Bewegung, von 
Saghaften und Webelgefinnten furchtbar entſtellt und vergrößert, dem 
Könige von Sachſen zugefommen, als er auch ſchon von Rapoleon 
eine Botſchaft (die Abgefandten waren Herr von Montesquiou und 
der ehemalige ſaͤchſiſche Gefandte in Paris Graf Einfledel) erhielt, die 
ihm mit der gewöhnlichen fehneidenden Formel anfündigte, daß er 
zu regieren aufgehört habe, wenn er nicht fofort in feine — 
unterdeffen von dem franzöflfchen Heere bejepte — Hauptſtadt zurüd« 
kehre. Der betäubte König erblaßte, folgte dem Gebot der Schande, 
und eilte — ſich begnadigen zu laſſen — zu Napoleons Füßen den 
44ten Mai zurück. 

Friedrich Auguft mußte feine bisherigen Rathgeber, den Minifter 
Graf Senft und den General Langenau, entlaffen, da Napoleon fie 
in Verdacht hatte, fie jeyen ihren bisherigen franzöflfchen Grundfägen 
ungetreu geworben. So belohnt Napoleon feine Anhänger, wenn fie 
es wagen der Stimme deö aufwachenden Gewiſſens zu gehorchen. 

Diefer feigen Hingebung folgte unmittelbar die Ueberlieferung 
der Zeflung Torgau. Ihr braver Commandant, der General von 
Thielemann, hatte fie und das in und bei ihr befindliche Corps dem 
Franzoſen, die deffen Mitwirkung und die Deffnung der Feſtung vers 
Tangten, mit der Erklärung nad ten ausdrüdlichen Befehlen feines 
Königs verweigert, daß er nur folhen Befehlen gehorchen könne, die 
ihm von feinem Könige mit Deſterreichs Zuſtimmung ertheilt würden, 


und Anfchen fehlten auch; der große Protefter fah den Koͤnig von 
Sachſen faſt als feinen Bafallen, fein Land faft wie eine franzoͤſiſche 
Randfhaft an; der König hatte damals nur noch Gine Feftung, und 
kaum 15,000 Mann auf den Beinen. Wie follte da mitwermittelt 
werden? 


und daß er außer diefem Fall zur hartnädigfen Vertheidigung gegen 
Jedermann feſt entſchloſſen ſei. Ieht bei dem Wechſel der Dinge, mo 
ihn fein König fogleich entfegen mußte, und dies die Anhänglicteit 
der Befagung an ihn wanfend machte, blieb ihm nichts weiter übrig 
als im Gefolge weniger ihm treu gebliebener Dffieiere cine Zuflucht 
bei den verbündeten Heeren zu fuchen. Er hat ſie hier gefunden, und 
Se. Majeſtät aller Reuffen Haben ihn ehrenvoll in Ihrer Arme 
angefellt. 

Sachſen! bei der Darlegung diefer Thatſachen fann man, fo 
ſchmerzhaft es auch fein mag, nicht umbin, euch zuzurufen: feht, 
das ift euer König! und es eurem eigenen Urtheil hinzugeben: 
ob fi) wohl ein vollendeterer Berrath der deutſchen Sache Durch einen 
deutſchen Fürften gedenken laſſe? 

Brave Sachſen! die ihr ſchon längf gern Theilnehmer des großen 
Kampfes geweien wäret und nur fiber zu große Nachſicht der vers 
bündeten Mächte gegen euren eure Kräfte lähmenden König geklagt 
habt, — jeßt ift es am euch, feine Schuld durch eure Thaten zu tilgen. 

Rur durch euer Blut, glorreih für Deutfchlands Freiheit ver 
goſſen, kann die Schmach von Cuch gewafchen werden. 

Neue Kämpfe werden beseitet — der Sieg wird bald wieder in 
Gottes Hand gewogen — Euer Ruhm finft, wenn die Looſe ohne 
eure Theilnahme den Gerechten fallen. 


Durchlauchtigſter x. 

Bereint mit dem fiegreichen Heere Rußlands Haben meine Truppen 
Em. Majeftät Gebiet betreten: 

Diefer Schritt hat Leinen andern Zwe als die Unabhängigfeit 
Deutſchlands, ohne welche auch die Meiner Staaten nicht beſtehen 
Tann, wieder zu erobern. 

Ew. Majekät wird Ihr Gefandter, General von Thiolaz, die 
im Namen des Kaiſers und in dem Meinigen erlaffene Proclamation 
vorgelegt haben, auf die Ich Mich beziehe. 

Bon jedem deutfchen Fürften läßt fih erwarten, daß er begierig 
die gewiß nie wiederkehrende Gelegenheit ergreifen werde, die ihm 
aufgedrungenen franzoͤſiſchen Feſſeln zu zerbrechen, und ein Zoch ab⸗ 
zuſchütteln, welches unfer fonft fo blühendes, fo geachtetes Baterland 
in Elend und Beratung geftürzt hat. 

Alle deutſche Völker brennen für Begierde, die Unabhängigkeit 
ihrer Fürften, den ruhigen Genuß ihres Eigenthums, und die Früdte 
ihres Kunftfleißes endli vor fremder Anmapung und Habſucht ſicher 
Ju ftellen. 


Ein muthiger und laut ausgefprochener Entſchluß ber Fürſten 
wird überal diefelben Kraftäugerungen hervorrufen, welche fih im 
meinem Lande wie noch nie gezeigt haben. Entfprehen Ew. Majeſtät 
mit mir den Wünfchen unjerer Völker, befördern Sie jede der vors 
übergehenden Maasregeln, die zur Erreihung des grofien Biels 
unumgänglich erforderlich find, eifen Sie mit uns über die Mittel 
überein zu fommen, die Ihre Staaten für diefelben darbieten, und 
vereinigen Sie alle Ihre Streitfräfte mit Meinen und mit Rußlands 
Heeren. . 

Der Staatöminifter Freiherr v. Stein verfügt ſich nach Dresden, 
um dort vorerft für Mic; und des Kaifers von Rußland Majeſtät die 
hierauf Bezug habenden Gefchäfte zu leiten. 

Geruhen Ew. Majetät Ihre Landesbehörden anzumweifen, Ach an 
ihn zu wenden, 

Gott wird unfere gerechte Sache beſchüten, und wir werden in 
der vermehrten Liebe umferer Unterthanen und in dem Danke der 
ſpateſten Nachwelt einen reichlichen Lohn für alle Gefahren und 
Mühen finden, denen wir uns auf kurze Zeit rühmlich unterzogen 
haben. 

Em. Majeſtaͤt wird es übrigens nicht befremden, daß ich die 
Länderantheile wieder in Befig nehme, die ein ungeredhter gegen Mich 
nit einmal gehaltener Priedenstractat mir abzwang und Ihnen 
zuwendete. 

Die Umſtände ſind fo dringend, daß id Ew. Majeſtaͤt bitten 
muß, mir Ihre Entſchließung dur den Weberbringer, fobald als 
immer mögli, bekannt zu machen. Ich würde es bei der Hochachtung 
und den freundſchaftlichen Gefinuungen, die ih für Em. Majeftät 
hege, unendlich bedauern, wenn jene Entſchließung mic nöthigte Sie 
als einen Widerſacher des edeiften Zweckes betrachten und darnach 
verfahren zu müffen. 

Ich verbleibe x. 

Em. Majeſtat 
Zriedrich Wilhelm. 
Breslau den Pen April 1813. 
An 
des Königs von Sachen Majefät. 


Durchlauchtigſter x. 
Das Schreiben, weldhes Ew. Majeftät unterm Oten d. M. an 
Mid zu erlaffen gefänig gewefen if, ik Mir durch den Generals 
Major von Heifter behändigt worden, und Ich erfenne mit aufrich⸗ 


670 


tigem Dan? die darin gegen Mich bezeugten perfönlichen Gefinnungen. 
So ſchmerzlich Mir die neuerlich eingetretenen Berhältniffe auch ſeya 
müften, fo ſchmeichele ih mir doch, daß Ew. Majeftät die in Meiner 
Handlungsweife immer allein vorwaltende pRichtmäßige Rüdficht auf 
das bleibende Wohl Meiner Staaten und auf Meine beftchenden Bers 
bindlichkeiten nicht verfennen, vielmehr derſelben Gerechtigkeit wider⸗ 
fahren laſſen werden. Schr erwinfcht wird mir übrigens allezeit jede 
Gelegenheit feyn, Ew. Majefät von neuem die aufrichtige Hochachtung 
und die freundfaftlihen Gefinnungen zu bethätigen, womit IS 
verbleibe 
Ew. Majerät 
freundwilliger Bruder und Better 
iedrich Yugu! 
Regensburg, den 16ten April 1813. ſricdrich Aagup. 
An 

des Königs von Preußen Majeftät. 


Durchlauchtigſter 2c. 

Ich made es mir zum angelegenen Geſchäft, Ew. MajeRät zu 
eröffnen, daß Ich in Verfolg der zwilhen Mir umb des Kaiſers von 
Defterreih Majeftät eingetretenen Uebereinſtimmung der Grundfähe 
und Anfihten, Mich den Maasregein Defterreihs in Beziehung auf 
die von demfelben mit Zuftimmung der friegführenden Nächte über 
nommene bewaffnete Mediation anzuſchließen, Mich bewogen gefunden 
habe. In Betracht dieſes Verhältniffes ſchmeichele ih Mir, dag Em. 
Majeftät nad) Dero Mir bekannten billigen Gefinnungen, fo wie dei 
Kaifers von Rußland Majeſtät, an welche Ih Mich gleichfalls biejer- 
halb verwende, der Anwendung ber zum Behuf jenes von allen Seiten 
als wohlthätig anerkannten Bweds dienenden Mittel in Meinen 
Staaten Feine Hinderniffe entgegenfegen und eine feindliche Behandlung 
Meiner Lande und Untertbanen nicht geftatten werden. In ebene 
mäßigem Vertrauen auf Ew. Majeftät gerechte Denfungsart fehe Ih 
auch zugleich mit der Aufhebung des Kriegezuftandes der Wiederher ⸗ 
ſtellung Meines traftatenmäßigen Beſitzes im Cottbuſſer Kreife ent 
gegen, indem Dero erleuchteten Beurteilung die gemeinſchädlichen 
Folgen eines Grundfages nicht entgeben können, welder die Sicher⸗ 
heit des Beſitzſtandes zwiſchen benachbarten Staaten aufheben würde. 

Ew. Majeftät werden gewiß in diefen Anträgen, fo wie in dem 
gegenwärtigen Schritte überhaupt Meinen aufrihtigfen gun ke der 
Gutfernung aller Mißverſtaͤndniſſe nicht verkennen, welche Deinem 


Li} 


Herzen eben fo erwünfcht feyn wird, als fie der wahren Hochachtung 
und Freundſchaft gemäß if, womit ich verbleibe 
Ew. Majeftät 

freundwilliger Bruder und Better 
Friedrich Auguſt. 

Prag den 20ſten April 1813. 

An 
des Königs von Preußen Majefät. 


XXXV. 


Frau v. Stael in Stodholm an die Prinzeffin 
Louiſe von Preußen. 


1. 

Madame! Jetais bien tentde d’aller à Berlin, et le desir de 
revoir votre Altesse Royale en etait la cause, mais il me prend 
un sentiment de curiosit& de me retrouver dans le cerele dont je 
suis sortie avec tant de peine. Le Prince Royal est parti, et 
ce pays est devenu d'un terrible ennui depuis cet instant. J’at- 
tends mon fils atué pour en partir, mais la longueur de son 
voyage m’inquiete. Je le sais parti depuis le 25 du ınois, mais 
aucune lettre ne ın’arrive; les communications directes avec la 
Suisse et la France sont absolument conpees. Je prends la 
lihert€ Madame de vous envoyer une exemplaire de quelques 
meditations philosophiques de mon exil ä Coppet. Je vais faire 
imprimer mon grand ouvrage en Angleterre, celui pour lequel on 
ın’a tant persecutde. J’aurais voulu le publier en Allemagne mais 
toujours j'ai peur. L’homme qui menace l’espece humaine est 
d’une nature tellement perseverant dans le mal, qu'il ne neglige 
aucune occasion, ni aucun individu. 

Aux petits des oiseaux il öte la pature 
Et sa griffe s’etend sur toute la nature. 

La Reine et la Princesse Albertine sont au troisieme ciel 
quand elles regoirent de lettres de Vous Madame; le Comte de 
Neipperg et votre chevalier le Prince Royal est parti plein de 

‘ desir d’avoir ’honneur de vous voir. — Je ne sais aucun endroit 





672 


ou il y ait quelques alimens de bonne compagnie ou votre nom 
ne soit cheri et considere. 

Je crois, »il plait a Dieu que je serai à Londres daus un 
mois, ne m’y oubliez par Madame, et daignez songer que je porte 
partout un culte pour vous qui merite votre interet. — Aurez 
vous la honte de me rappeler au souvenir des personnes qui vous 
entourent, Mad. de Berg, Mad. de Vosse, Mile. de Seune, Mad. de 
Sartois, Mile. Neal; que j'aimerais A retrouver ce circle trace 
par votre main magique! Mon Dieu que les dvenements de cette 
annde sont importants’ C'est une guerre à mort pour les indi- 
vidus, et les nations, et nul ne survivra à lui avoir resiste, enfin 
il seroit doux de se reunir dans la vie ou dans la mort. — 
Je prie votre Altesse royale de recevoir avec honte I’'hommage 
de mon respect. J'espöre que le Prince Radziwill est aupres de 
vous; il me semhıle bien a desirer que le sort de la Pologne soit 
decide dans cette occasion, elle a droit ä @tre une nation. Mille 
respects etc. 





2 

Madame! Vous allez voir la personne dont la societe a fait 
tout mon plaisir pendant mois, mais ce sort d’exilde me separe 
pour je ne sais combien de tems d’amis anciens, comme d’amis 
nouveaux. — Je pars pour l’Angleterre, et j'attends que votre 
Altesse daigne m’ecrire de venir à Berlin, ce jour me sera bien 
doux, je croirai presque rentrer dans ma patrie. — Je ın’en reınets 
& Mr. de Neipperg pour vous dire Madame, tont ce qui peut 
vous interesser dans ce pays, mais je ne me fie pas ıeme à lui 
pour vous exprimer combien mon coeur vous est tendrement 
attache. — 

Je me rappelle au sourenir du Prince Antoine, de toute cette 
societe d’elite en feınmes vous aime et vous admire, Mad. de 
Berg, Mad. de Vosse, Mile. Neal. — 

Je mets aux pieds de votre Altesse le respectueux hom- 
mage que jamais personne ne lur a offert sans le lui conserrer 
jusqu’a la mort. 

Le coeur me bat sur le destin de l’Allemagne comme si le 
theatre de la guerre était en France. 





673 


XXXVI. 


Wilpelm v. Humboldt an die Prinzeffin Loutfe 
von Preußen. 


J 1. 

Madame. Lorsque le Roi m'ordonna de me rendre au 
Quartier General pendant l’absence de l’Empereur et du Comte 
Metternich de Vienne, je me bergoi de l’espoir de trourer Votre 
Altesse Royale en Silesie. Mon esperance fut cruellement trom- 
pee, quoique sur d’auires rapports je trouve que Votre Altesse 
a parfaitement bien fait de rester à Berlin. J’ai quitté Vienne 
du premier jour de ce mois, j'ai passe quelques jours à Reichen- 
bach d’oü j'ai vü le Roi et l’Einpereur de Russie, je suis alle 
apres avec le Chancelier d’Etät ici pour aroir A cette eampagne 
de la Duchesse de Sagan un rendez-vous avec le Comte Metter- 
nich qui y passoit pour aller A Gitschin, et le chancelier ın’a 
laisse depuis ici puisque d’un cöte cela sembloit utile aux af- 
faires, et que d’un autre je ne prevoyois moi-meme que mon 
activitd au veritable Quartier General pouvoit aboutir à grande 
chöse. Des que j'aurai regu des nouvelles ulterieures de Gitschin 
du Comte Metternich je quitterai cet endroit et irai probablement 
pour le moment & Reichenbach. C'est ici que j'ai regu hier la 
lettre de Votre Altesse Royale du 21. et je m’empresserai de 
faire parvenir à Mr. de Capustigal la lettre de Votre Altesse. 
J'ai été vivement touche des bontes dont Vous daignez, Madame, 
continuer de me combler. Je Vous supplie de croire que per- 
sonne ne sauroit Vous Etre plus deroug que moi, et prendre une 
part plus vive et plus intime A tout ce qui concerne Votre Altesse. 
Les circonstances du moment miaffligent, je puis le dire aveo 
verite, doublement puisque je sais combien elles doivent affecter 
Votre Altesse Royale. 

Elle dit qu’Elle se trouve dans des tenähres assez inquid- 
tantes, combien je voudrois pouvoir les disperser, mais je puis 
loi assurer bien positirement que nous ne voyons gueres bien 
plus clair dans FVavenir. Je crois à la verit€ pouvoir dire que 
les choses n’iront pas ce qu’on nomme vulgairement mal; mais 
il est moins probable encore qu’elles aillent vraiment bien, et 
voila surtout ce qui apres de si beaux et de si nobles efforts me 
desespöre. Je puis peut-&tre me tromper, mais l’etat des choses 

Etein’s Leben. IM. 208 Aufl. 43 


6 


qui resultera & present, me semble un mur d’airain qu’on ne 
parviendra pas facilement à rompre de nouveau; et par cela m&me 
je tremble qu’il ne soit pas assis sur des fondemens assez solides. 
Je me fais neantmoins un deroir de dire à Votre Altesse Royale 
que le chancelier d’Etat est on ne peut pas mieux, pensant; au 
moins s'il ne l'est pas, je ne le suis pas non plus; car nous 
sommes entierement d’accord, nous tiendrons tr&s probablement 
absolument la m&me marche, il me comble de confiance et d’ami- 
tie. Les contes da Hohen Kranke sont, comme Votre Altesse 
observe avec beaucoup de justesse, bien mal imagines. Le Roi 
en parla hier à diner, ou je fus le voir d’ici a Kudowa, avec 
beaucoup d’humeur aussi de quelques autres articles de la gazette 
de Berlin &galement menvongers. Il a parfaitement raison, et il 
est incroyahble qu’on ne tienne pas cette gazette sous une sur- 
veillance plus severe. 

J'ai dine hier avec le Roi et tous ses enfans, et je ne nie 
pas que ce diner m’a fait faire bien des reflexions. Le Roi est 
serein et d'un courage qui lui fait le plus grand honneur. J’ai 
admire le calme, la verit@ et la justice avec lesquels il parle et 
juge de tout. La Cour etoit accompagnee de toutes les per- 
trourent ordinairement A l’exception de celles qui 
le Roi en Silesie. Toutes etaient fort &tonndes 
de me trouver ici, et si j’avois l’'honneur d’entretenir de bouche 
Votre Altesse Royale, Elle entendroit peut-&tre encore arec in- 
terät quelques details qu'il seroit trop long d’ecrire. Ancillon 
seroit presque venü ici arec moi pour voir Gentz, qu'il na pas 
revü depuis que celui-ci a quitt& Berlin. 

Si le passe et l’avenir n’influoient pas trop sur le present, je 
menerois une vie extremement douce iei. La Duchesse a beau- 
coup de bonte pour moi, Gentz rend le s&jour vraiment interes- 
sant pour moi, et nous recevons de jour en jour des visites 
ou agreables, ou au moins marquantes. On peut dire l’un et 
Yautre au supr&me degre de celle de l’Einpereur Alexandre qui a 
ding ici avant peu de jours. Il étoit A Opoczna pour y voir ses 
soeurs, oü le Roi venoit aussi pour un jour oü je m’y trouvoi 
preeisement, C’est au retour de Opoczna à Peterswalde qu'il a 
dine iei. 11 n’y avoit entre lui et moi que Stadion, et ’Empe- 
reur etoit on ne peut pas plus aimable. Il s’enonce en effet 
d’une maniere infiniment distingue, 

Mon fils est aussi venü me voir ici. Il a eü en 5 à 6 jours 
deux chevaux tuds sous lui, deax contusions, et une blessure à 








675 


Ia jamhe. Mais il est entitrement gudri et la campagne a très - 
bien influe sur son moral, sans nuire à son physique. 
Je supplie Votre Altesse Royale de me conserver Ses bonnes 
graces et suis avec le plus profond respect 
Madame 
de Votre Altesse Royale 
le trös hümble 
et tr&s obeissant serviteur 
Humboldt. 
& Ratiborzitz pres de Nachod, 
ce 28. Juin 1813. 
Je supplie Votre Altesse d’adresser Ses lettres si Elle daigna 
m’eerire au quartier general de Chancelier d’etat. 


2. 

Madame. J'ai resu depnis que j'ai eü ’honneur d’ecrire la 
derniere fois à Votre Altesse Royale Ses deux lettres du 16. Juin 
et du 4. Juillet. Je lui en fais mes plus profonds remercimens, 
mais il est vralment douloureux pour moi que mon voyage et 
mon sejour iei me prive du bonheur de voir le Prince, Rien 
ne m’auroit cause une si vive joie. Il a été bien bon et amical 
de dire que nous logerions ensemble;  j'arois vratinent dans la 
eonfiance sur son amitie l’indiseretion d’occuper son appartement, 
mais il s'entend que j'aurois cede au premier moment. 

Jimagine et je vois par les gazettes qu’on parle d'un congres 
@Amhassadeurs ä Prague. Il est vrai qu’on nous prodigue ce 
titre et les honneurs qui y Appartiennent, mais si Votre Alteuse 
etoit ici, Elle ne verroit que deux chetives remises, celle de 
Mr. Anstett et la mienne, rouler tr&s oisirement par la ville. Le 
Comte Metternich plaisante souvent avec moi de ce contraste 
entre les apparences et la réalité des choses. Vous avez peut- 
&tre entendü, Madame, que le 12. &toit le jour fire pour le 
rendez- vous des Negociateurs. Nous avons exactement été ici, 
mais nous sommes encore à attendre celui de l’Einpereur Napoleon. 
Nous savons enfin que le Duc de Vicence et le Comte de Nar- 
bonne sont nomınds pour cette commission, mais le premier n’est 
pas encore venü, et le dernier, quoique present, n’a jusqu’ici ni 
pleiopouvoir, ni instraction. Votre Altesse avouera que cela n’an- 
nonce gaeres le desir de faire la paix. Nous d’un autre cötE 
ne serions certainement pas @loign6 d’y arriver, mais un arrange- 

43° 











676 


ment qui ne nous assureroit pas des garanties certaines de sa 
duree, seroit doublement malheureux et aggraveroit tous nos 
maux; et d’en arriver ä un veritablement bon, voila ce que je 
erois encore moins probable depuis que je suis ici que je ne le 
faisois auparavant. Ce qui est tres bon, c'est qu’il nous est ex- 
pressement enjoint de maintenir toute la dignit€ de nos Cours, 
et de menager entierement et scrupuleusement les interets de 
VAngleterre, et des nos autres allies. Ceci fait que nous n’au- 
rons point de conferences proprement dites avec les Negotiateurs 

. Frangois, et que nous ne les verrons que dans les reunions de 
societe, dont il n'y aura cependant probablement que des soirdes 
chez la jeune Princesse Paul Esterhazy, qui semble aroir ete 
appellee a dessein ici pour cela, et tout au plus des diners chez 
le Comte de Metternich. Votre Altesse sentira par la et bien 
plus par tout ce qu'il y a dans les affaires memes d’amer et 
d’embarrassant, que ma position n’est pas agreable ici. La seule 
chose dont je me flatte, c’est que nous ne gaterons rien ici, 
mais qu’au contraire, si les hostilit6s, comme ils n’est que trop 
probable, doivent recommencer, les cours alliees seront renforcdes 
par le secours qu'on attend depuis si longtems, et avec Vespe- 
rance duquel on a meme bereé souvent déjà le Public. Votre 
Altesse a peut-&tre deja trouve que je crois toujours trop A une 
heureuse issue de la crise dans laquelle nous sommes. Mais je 
ne puis pas desesperer, lorsque je vois la plus juste des causes, 
une nation pröte à ajouter de nouveaux sacrifices à ceux faits 
dejä, une armee qui s’est concilie l’admiration generale et qui 
brüle d’ardeur de recoımmencer la lutte, et enfin des forces ma- 
terielles comme on n’en a peut-&tre jamais reunis. Dans une 
pareille situation des choses le seul malheur veritable et irre- 
parable me parottroit celui, si on souscrivoit A un dtat de 
choses qui malheureux en lui-meme, öteroit presque jusqu’a la 
possibilit6 d’en venir jamais & un plus satisfaisant. 

Les relations de societe ne sont guères ni frequentes, ni tr&s 
agresbles iei. Il y a cependant quelques jouissances interes- 
santes. Je passe ordinairement mes avant-soirdes chez Madame 
de Stein, et vais à 10 heures chez le Comte Metternich oü il n’y 
a que trois ou quatre personnes. La Comtesse Brühl est ici; sa 
fille, Mad. de Clausewitz l’etoit aussi, mais elle est alle a Nachod 
s’y donner rendez-vous avec son mari. Il me paroit point in- 
certain, si elle reviendra de là ici, ou si elle ira & Berlin, 
Comme son mari est placd maintenant dans la Legion Allemande 











em 


elle se trouveroit en restant en Bohöme separde de lui par toutes 
les armees, ce qui est toujours inquietant. Me. de Marwitz avec 
aa belle soeur est aussi ici, ainsi que Me. d’Ompteda. Commes 
il faut toujours un peu rire m&me par le tems qui court, Votre 
Altesse daignera me permettre de lui dire que P’heroisme de cette 
derniere est à toute Epreuve. Elle m’a dit derniörement quand 
& un beau clair de lune je pasyais la riviere en hatean avec elle 
pour la reconduire de chez Me. de Stein, qu’elle regrettoit vive- 
ment de n’avoir pas eü autant d’enfans qu’une Mondtaube, et 
de ne pas avoir 24 fils à offrir au Roi. Le sentiment est excel- 
lent et admirable, mais la comparaison m’a beaucoup amuse. Le 
Priace de Solms est aussi des nötres. Il paroit avoir offert ses 
services au Roi, et me parle quelquefois comme à un Ministre 
du Congres des interets des Princes d’Allemagae meins con- 
siderables. La Princesse Paul Esterhazy me paroft tr&s bonne et 
aimable. Elle s’occupe entierement à present de son enfant 
qu’elle neurrit elle-m&me, et si elle doit faire les honneurs du 
Congrös, je craias qu’elle ne s’en acquitte pas volontiers; car elle 
semble beaucoup aimer une vie tranguille et domestique. La 
Comtesse de Metternich est allee sur ses törres en Moravie. La 
Moravie et la Hongrie, oü ira probablement ma femme, sont re- 
gardees ici comme les seuls pais, ou, si la guerre recommence 
on seroit à l’abri de toutes les incertitudes et de toutes les chances. 

Je supplie Votre Altesse Royale de daigner m’ecrire de tous 
les tens, mais d’adresser toujours Ses lettres au quartier general 
du chancelier d’Etat. Je suis avec le plus profond respect, et un 
devouement sans bornes etc, 

& Prague, ce 21. Juillet 1813. 





3 

Madame. Je ne sais, si je me trompe, mais il me semble 
que Votre Altesse Royale m’a donne ordres de Lui envoyer un 
billet de la lotterie de la terre Neu-Bistritz. Je le Lui Enroye 
ei-joint, mais je crois que ce que je puis desirer de mieux pour 
Elle, s’est qu’Elle gagne tout plutöt que cette terre. Car on 
assure qu’en la gagnant il faut faire tant de paiemens qu’on se 
eroiroit trop heureux d’avoir perdü tout simplement. 

Le Roi a quittö Prague aujourd’hui. Les-Emperears ont 
devance deja; P’armee sera entr€ en Saxe aujourd’hui. Un de- 
tachement de trouppes Frangoises a occupe Friedland en Boheme, 





ors 


il a voulü se porter en avant vers Reichenberg, mais a été re- 
pousse par les Autrichiens. Le General Blücher etait d’apr&s les 
deroieres nouvelles a Loewenberg. Nous sommes ä la veille des 
plus grands evönemens, on croit cependant assez generalement 
que Napoleon ne se battra que sur la rire gauche de I’Elbe, et 
il lui faudra toujours plusieurs jours pour faire passer la ririere 
ä.ses trouppes. 

Le Roi a daigae me faire V’acceuil le plus gracieux. Il m’a 
donne la croix de fer, qui seule dans le genre des decorations 
faisoit l’objet de mes voeux, et m’a dit qu’il me donneroit le cor- 
don de l’Ordre de l'aigle rouge, d&s que les statuts qui defen- 
dent de donner d’autres ordres pendant la guerre, le permettoient. 

Je vais aujourd’hui A Vienne, mais j'en reviens en huit jowrs, 
et jirai apres au quartier general du Roi, d’oü je me rendrai & 
celui de l’Eınpereur d’Autriche. 

Votre Altesse Royale me rendroit infinriment heureux si Elle 
daignoit m’ecrire hientöt, et si Elle envoyoit ses lettres au bureau 
de poste à Glatz qui sait toujours oü je suis. etc. 


XxXxXVII. 


Gneiſenau über die Schlacht an der Katzbach, 
an Graf Münſter 
ſtatt des verlorenen an Stein S. oben S. 412. 


1. 
Brechtelshof, den 2öften Auguſt 1818. 

Wir Haben Heute einen Sieg erfochten. Bir hatten die Dies 
pofition zum Angriff gemacht und wollten fie eben in Ausführung 
bringen, als man uns meldete, die feindlichen Golonnen feyen gegen 
uns über die Katzbach im Angrif. Schnell änderten wir unferen 
Angriffsplan, verbargen unfere Cofonnen hinter fanften Anhöhen, 
zeigten nur unfere Avantgarde, und flellten uns, ald ob wir im bie 
Defenfive verfielen. Run drang der Feind übermüthig vor. Auf ein 
mal brachen wir über die fanften Anhöhen hervor. Ginen Augenblid 
war das Gefeht im Stillſtand. Wir brachten mehr Gavallerie im’s 
Gefecht; zuiegt unfere Infanteriemaffen; griffen die feindlichen mit 





dem Bajonett an und flürzten fie ben fleilen Rand des Fluſſes, der 
Rapbad, hinunter. Der General (ruffifche) von Saden hat uns vor⸗ 
trefflich unterſtützt. Nicht fo der ruſſiſche General Graf Langeron. 
Er Hatte eine ungeheuer ſtarke Pofition, und wollte ſich dennoch nicht 
lagen. Er verlor einen Theil diefer Poſition durch Ungeſchicklich⸗ 
keit und Unentfhloffenheit, und nur dadurch, daß wir dem gegen ihn 
vorgedrungenen Feind in den Rücken gingen, retteten wir ihn. Biel 
Gefhüg if in unfern Händen. Es if jept Mitternacht, wir wiffen 
alfo nicht deſſen Zahl. Die Schlacht heißt die Schlaht an der 
Kabbach. 
Gott erhalte Sie. 


2. 
Holftein bei Löwenberg, den 3Often Auguf 1813. 

Unfer Sieg am 26ften ift weit vollſtändiger, als ich Ew. Excellenz 
in meinem letzten Bericht Darüber anzeigen fonnte. In den beholzten 
leiten Thalrändern der wüthenden Neiffe und der Kapbadı wurden des 
andern Tages die hinabgeſtürzten Gefüge und Kriegsfuhrwerle ges 
funden. Wir haben über 100 Kanonen erobert; 300 Munitionss 
wagen und Feldſchmieden; 15,000 Gefangene find eingebracht, mehrere 
derſelben kommen fländlich ein; alle Straßen zwifchen der Kaßbach 
und dem Bober tragen die Wirkungen des Schredens unferer Feinde; 
Leichname übergefahren und in den Schlamm gefenkt; umgefürzte 
Fahrzeuge, verbrannte Dörfer. Der größte Theil der Macdonaldſchen 
Armee hat fich aufgelöt. Bon den Uebergängen der angefhwollenen 
Flüffe abgeſchnitten, irren die Flüchtlinge in den Wäldern und Bers 
gen umher und begehen aus Hunger Unordnungen. Id habe die 
Sturmglocke gegen fie läuten laffen und die Bauern aufgeboten, fie 
zu töbten oder gefangen zu nehmen. 

Geſtern fand hier in der Nähe die Divifion Puthod ihr Ende 
Sie ward ereilt und mußte fih, mit dem Rüden gegen den Bober 
aufgeftellt, ſchlagen. Man Fartätichte fie anfänglich und griff fie dann 
mit dem Bajonett an. Zum Theil ward fie getödtet, zum Theil in 
das Waffer geftürzt; der Reſt, Generale, Officiere und Adler gefangen 
gemacht und erobert. 

Das Better ift abfcheulich, der Regen unaufhörlih; während, der 
Schlacht ſchlug und der Sturm in's Gefiht. Der Soldat bringt die 
Nächte unter freiem Himmel zu. 


680 


XXXVIII. 
Wilbelm v. Humboldt an die Prinzeſſin Louiſe. 


Madame. Ce n’est qu'hier et avant-hier que j’ai rega les 
trois lettres que Votre Altesse Royale a daigne m’adresser en 
date du 27. et.31. Aoüt et du 2. Septembre, et je la supplie de 
pardonner par cette raison que je n’ai pas pü y repondre plas- 
töt. L’issue de l’expedition de Dresde Vous est connü depuis 
longtems, Madame, mais si cette expedition et surtout la retraite 
n’a pas A ce que pretendent les connoisseurs, été bien cal- 
culee, le brillant combat du 30. Aoüt, et la victoire du Prince 
Royal du 6. ont fait oublier tout Evenement moins heureux. I 
n’y a gueres aussi de doute que l’expedition de Dresde meme a 
coute, encore outre l’affaire de Vandamme, beaucoup de monde 
ä Napoleon. Il,faut avouer en general quil eüt &te difficile de 
s’attendre A d4s succes aussi multiplies sans un seul veritable 
revers jusqu’ici. e plan d’aneantir l’armee Frangaise sans ri- 
quer un engagement general, a reussi à merreille jusqu'ici, et lea 
& raison, il me semble, si l’on fait tout pour pousser ce sistme 
plus loin. L’armee de Boheme n’a vü aucun evenement impor 
tant depuis le 30. quoiqu'il y ait eu differens petits mouvemens. 
D’abord on fit marcher une grande partie de l’armee Autrichienae 
vers Aussig et Leitmeritz pour porter secours à Blücher, gai pa 
raissoit menac& de toute l’armde Frangoise commandee par !’En- 
pereur lui-meme. Mais à peine ces trouppes avoient-elles fait 
deux marches, qu’on apprit que Napoleon &toit retourne à Dresde. 
On suspendit par consequent cette marche.‘ En attendant le 
Comte de Wittgenstein &toit marche en avant, et avoit pouse 
sa pointe jusqu’ä Pirna, oü il raconte avoir r&gal& le Duc de 
Cumberland qui l’accompagnoit d’un dejeuner prepare pour 
Napoleon. Il n’avoit cependant pas l’intention de se maintenir 
-1a, et comme il voyoit qu’on l’attaqueroit en face, et qu'il etoit 
menace d’ätre tourne du eõtẽ Zinnwalde, il se replia sur Bar- 
elay de Tolly à Peterswalde, et tous les deux se retirdrent das 
la vallee. lei FPon crut ötre attaqud par l'ennemi, et cette in 
certitude dura depuis le 10. ou 12 environ. On renroya le gros 
bagage, on rappella les trouppes Autrichiennes, et on se prepara 
de toutes manitres pour accepter le combat. Mais l’ennemi ne 
descendit point des montagnes sur lesquelles nous voyons le sor 








681 


du 11. tres-distinctement les feus de ses bivouacques. Il se retira 
au contraire, et nous occupons de nouveau la cräte des mon- 
tagnes. Il auroit et& d’autant plus desirable que Napoleon eüt 
tente un combat le 12. que toute notre armee &toit electrisce par 
la nourelle de la vietoire de Dennewitz arrivee ce meme jour. 
1 doit avoir entendü le canon qui sur toute notre ligne celebroit 
eette journde glorieuse. On ne sait trop ce que l’Empereur 
Napoleon ait voulü si pr&s de notre armee. Mais il est sür qu'il 
y &toit lui-meme, et quil avoit ses gardes avec lui. Peut-etre 
avoit-il connaissance de la marche des Autrichiens sur Aussig, 
et esperoit de nous battre en detail. La conviction que l’arınde 
etait aussi bien que r&unie peut l’avoir detourne de ce projet. 
Il a cependant encore été l’avant derniere nuit à Bärenfels pres 
d’Altenburg, et s'il faut en croire aux espions, il a pris le chemin 
de Tippoldswalde. Il est prohable ‚que Y’armee de Boheme fera 
maintenant bientöt quelque mouvement, mais son inaction appa- 
rente n'est point inutile. Elle force notre adversaire A tirer des 
forces de ce cöt6, ce qui facilite les progrös des autres armées. 
Le grand homme doit trouver en effet qu’il n’a pas encore fait 
une campagne, comme celle-ci. Il ne sait oü se tourner et 
montre beaucoup d’irresolution et m&me de lenteur. Dieu veuille 
que nous ne nous trompons pas em croyant que son heure a 
sonne. Votre Altesse Royale aura été enchantee des operations 
de Gneisenau à qui l’on doit sans contredit en plus grande par- 
tie les succ&s de l’armee de Blücher. Les ordres du jour, ses 
rapports, tout peint I'homme d’un genie &minent, et d’une äme 
noble et elevee. La belle conduite des Prussiens à la bataille 
de Dennewitz fait la plus profonde impression ici, et semble aussi 
donner une trös-vive satisfaction au Roi. C’est au reste en 
grande partie au Roi qu’on doit le salut de l’arınde apres la re- 
traite de Dresde. Si le Roi n’avoit point employe toute la jour- 
nude du 29. A envoyer des secours au Comte Ostermann, et à le 
soutenir dans sa glorieuse defense, Vandamme passoit proba- 
blement avec son corps ici, et il est incalculable quels malheurs 
auroient pü en naftre pour lui. Le Roi. est en parfaite sante, et 
de tres bonne humeur. Il me permet de le voir souvent et me 
comble de bienveillance. Le Prince Royal est constamment avec 
lui, il se developpe on ne peut pas mieux et garde toujours sa 
galtE naive au milieu de la part trös-serieuse qu’il prend aux 
ev&nemens militaires. L’Empereur Alexandre et le Roi se voyent 
beaucoup et ils se r&unissent souvent à diner chez l’Empereur 





Frangois. Le spectacle de la misöre humaine est aussi ici bien 
affligeant. J’ai vü une partie du joli parc du Prince Clary jonche 
de cadavres, de hlesses, et de membres coupes. On manguoit 
les premiers jours apr&s l’affaire du 30. d’arrangemens pour les 
blesses ici; depuis tout a et& mis en ordre, et a Prague on a 
fait l’acceuil le plus charitable et m&me le plus hospitalier ä 
nos hlesses. Ici ce sont surtout les Frangois qui ont momentand- 
ment beaucoup souffert. — Je suis charme que le billet pour la 
lotterie de Bistritz ait fait plaisir à Votre Altesse Royale, je Ls 
supplie, puisqu’Elle croit que cela charge Sa conscience de payer 
les 12 florins à Kuntlı qui en a pris aussi et qui pourra lui dire 
combien cela fait en monnaye de Prusse. — Ma femme sera in- 
finiment sensible au souvenir gracieux de Votre Altesse. Elle se 
porte bien ainsi que mes enfans qui sout & Vienne. Je puis en 
dire autant de Theodore qui est pres d’ici en bivouacque. — k 
ne ınanquerais pas de faire, Madame, Votre commission aupres 
de la Duchesse Chiarenza. Elle et sa soeur Hohenzollern oat 
baise la croix de fer quand je suis venũ à Vienne; tant 'elles ea 
font un ohjet de culte. Cette croix a fait en general la plas 
grande sensation. C’etait la premiere qu’on y voyoit, et de ciaq 
visites qu’on me faisoit, il y en aroit certainement quatre pour 
la croix. Je supplie Votre Altesse Royale de me rappeller as 
souvenir amical du Prince, et de faire la grace de m’ecrire bies- 
töt. Les dangers de Berlin m’ont infinement inquiets pour Votre 
Altesse Royale, mais je suis sür qu'il n’en peut plus exister. Je 
suis avec le plus profond respect etc. 
Toeplitz, ce 14 Septembre 1813. 





XXXIX. 
Der Herzog von Braunſchweig an Stein. 


Hochwohlgeborner, 
OHochgeehrter Herr dirigirender Miniſter. 
Em. Excellenz hatte ich nur wenige Augenblide das Vergnügen 
in Deutſchland zu fehen, und die mir damals bevorſtehende Hoffnung, 
in meinem Baterlande durch einen der Adirten Mächte, eine militai⸗ 





riſche Anftellung zu erhalten, ober die Erlaubniß ſelbſt einige Taufend 
Mann zu errichten blieb unerfüllt: unter ſolchen VBerhäftniffen bin ich 
von dem Schauplag der großen und für das Vaterland fo wichtigen 
Begebenheiten getrennt; eben fo bin ich dadurch der näheren Bekannt⸗ 
ſchaft Em. Ercellenz entzogen worden. Diefer Brief würde Ew. Er⸗ 
cellenz koſtbare Zeit nicht unterbrechen, wenn ich nicht durch den 
Freiherrn v. Gagern aufgefordert wäre, mid; zu erflären, an welchen 
Theil des Verwaltungsraths ih mic in Rüdficht des Herzogthums 
Braunſchweig anſchließen wollte. 

Meine unglückliche Familie hat ihre gütige Aufnahme in dieſem 
Lande und die Mittel ihrer Fünftigen Eriftenz dem Churhaus Brauns 
ſchweig zu verdanken, und ven felbigem auch ferner zu erwarten; es 
find daher nicht nur die Bande der Anverwandtſchaft, aber aud die 
der ſchuldigſten Dankbarkeit, welche mich verpflichten den weifen Maß⸗ 
regeln des Churhaufes Hannover beſtimmte Folge zu leiten; aud bin 
ich feſt überzeugt, daß felbiges fo wie ich zu jedem Schritt bereit if 
mit Gewiffenhaftigfeit den Anordnungen des Verwaltungsraths Folge 
zu leiften: hieraus wollen Em. Extellenz gefälligſt erſehen, daß ich 
mich gänzlich an das Churhaus Braunſchweig anſchließe und im vors 
aus beabfichtige deffen Weifungen nachzuleben. 

In dem jegigen Augenblid, wo Deutfchland nur im Wiebers 
entftehen iſt, und feine einfeitige Schritte Ratt haben konnen, erſuche 
ich Euer Excellenz meinen Wunſch zu leiten, in wie fern ich zu hans 
dein, um mit meinen geringen Kräften zu der Vollendung diefes fo 
fhön angefangenen Werkes beizutragen; wozu die Hoffnung, daß der 
Feind in kurzem gezwungen ſeyn wird, die Vertheidigung der Elbe 
aufzugeben und dadurd die Braunſchweigiſchen Befigungen frei wer⸗ 
den, ich vielleicht Gelegenheit hätte, an der Spige der dortigen Unters 
thanen zur Befreiung Deutſchlands mit beizutragen. 

Ungewiß in wie fern die hoben Alliirten Mächte geneigt feyn 
mögen, dieſer Borflelung Gehör zu geben, muß ih Ew. Excellenz 
erfuhen mi mit der Willensmeinung derſelben geneigft befannt zu 
machen. 

Indem ich nicht verfehle meine Gefinnungen der ausgezeichneteſten 
Hochachtung und Ergebenheit zu fagen, habe ich die Ehre ‚mich zu 
nennen 

Em. Erxcellenz 
ganz gehorfamer Diener 
Wilhelm, Herzog von Braunſchweig. 


XL. 
Alopäus Beriht an Stein. 


Der Landfturm im Medienburg » Schwerinfen if unter der 
Leitung des Erbprinzen nunmehr fo vollfommen organifirt, daß das 
ganze Land auftreten würde, wenn der Feind aufs Reue verfuchte ins 
Medienburgifche einzurüden. Selbſt in dem Zalle, daß das unbeden⸗ 
tende Schwediſche Corps unter General Vegeſack fih nach Bor 
zurüdgdge, würde es gefchehen. 5000 Mann, Semafnet und militai⸗ 
riſch organifirt find von diefem Landflurm am —— Bu September nah 
Grevismüglen aufgebrochen; ein fehr guter Geift zeigt fih mm 
endlich unter diefen Leuten, welcher durch die Iepte franzöfifche Jude⸗ 
fion hauptſächlich entflanden if. 

Das ifte Bataillon des 33ſten und aß ie Bataillon des Töfrn 
Ensliſchen Infanterie-Regiments find den Sm 5 * In September in Hof 
eingerüdt. Es follen fhöne Leute und die Mannszuct fehr ſtrenge ſeyn 

Nah der befannt gewordenen Dänifhen Kriegs Erklärung au 
Schweden if der Dänifhe Cours auf 13,000 pCt. gefallen, fo daj 
1000 Thlr. Hamburger Banco 130,000 Thlr. in Dänifchen Bank 
noten gelten. 


Berlin, den 





20ften Sevtember 


ten October 1818. 


M. v. Alopeus. 


XLI. 
W. v. Humboldt an die Prinzeffin Louiſe. 


Madame. Je ne saurois suffisamment exprimer à Votre Altesse 
Royale avec quel plaisir j’ai regu et relu la lettre qu’Elle ma 
fait la grace de m’adresser en date du 29. du mois passe, et ji 
6t& vivement et profondement touche de toutes les marques de 
bonte et de bienveillance que j'y ai trouvdes de nouveau. Je 
me represente sourent le moment oü j’aurai le bonheur de reroir 
Votre Altesse apr&s que toutes nos incertitudes auront disperses 


et qu'une paix glorieuse aura couronne tous nos voeux, comme 
le plus heureux de ma vie. Que la Proridence veuille qu’il ne 
soit pas trop Eloigne, et si elle protege aussi visiblement nos 
armes qu’elle l'a fait jusqu’ici, on peut se flatter au moins d’une 
prompte fin de la campagne presente. L’armee ennemie a eprouveé 
@’horribles pertes; si on la force de quitter la Saxe, et quelle 
trouve une grand partie de l’Allemagne contr'elle, il ne peut 
point rester des forces considerables en deca du Rhin. L’Em- 
pereur Napoleon sera force de passer ce fleure, et je doute qu'il 
reussisse A cr&er une nouvelle arınde. Mais il est vrai et il ne 
faut point se le dissimuler, que tout d&pend encore de la crise 
actuelle. Quelques grands coups doivent probablement encore 
ätre frappes avant qu’on pourra dire que l’ennemi n’ait plus 
d’autre ressource que celle d’une retraite subite. Dans ce moment 
on le cerne de tout cote. L’Eimpereur de Russie a quitte Kru- 
methau avant-hier au soir pour aller a Marienberg. Il en sera 
probablement deja parti pour Chemnitz. L’Empereur Frangois 
va le suivre incessamınent, Le Roi etoit reste à 'Toeplitz apr&s 
le depart des deux Empereurs. Il a été present le 8. a une 
grande reconnaissance que le General Benningsen a faite et par 
laquelle il a deloge les trouppes Frangoises de Gisshübel et 
d’autres endroits, et a pousse les siennes jusqu’a Zehist. Le Roi 
est parti apres cela le 9. de Toeplitz pour Peterswalde, mais 
comme il a ordonne que les chevaux qu'il avoit ici, allassent A 
Marienberg, je suppose qu'il se tournera de Peterswalde à gauche 
pour rejoindre l’Empereur de Russie. Hier le 9. le Prince de 
Schwarzenberg se trouvoit & Chemnitz, le General Klenau ä 
Penig, le General Wittgenstein à Altenburg, ainsi que son 
avantgarde à Borna, le Prince Maurice Lichtenstein entre Eisen- 
berg et Jena, le General Thielemann s’etoit reuni avec lui, et 
tous les deux operent contre le General Augereau. On mende 
comme une chose certaine de Toeplitz que l’Empereur Napoleon 
a quitt6 Dresde le 7. avec la Cour de Saxe, et deux Regimens 
de cuirassiers Saxons, et l’on croit savoir qu’il a été le 9. à Roch- 
litz. D’apr&s les mömes nouvelles les Gardes de l’Empereur 
avoient quitte Dresde deja le 6. et toutes les autres trouppes, & 
Texception de 30,000 hommes, restes, dit-on, à Dresde, doivent avoir 
pris la route de Nossen et de Leipsic. Le General Bubna a 
occupe le camp Frangois pr&s de Lilienstein qu'il a trouvé aban- 
donne, et les ponts que Napoleon avoit fait etablir sur l’Elbe, 
ont 6t6 demolis par ses ordres. Lo General Bennigsen compteit, 


& ce que j’apprends depuis que j'ai commenc# & &crire cette 
lettre, etre à Pirna hier ou aujourd’hui. Je mande toutes ces 
nouvelles a Votre Altesse Royale, puisque je suppose qu'elles 
auront un grand inter&t pour Elle, mais je la supplie d’attendre 
encore la confirmation de celles qui regardent l’ennemi; je snis 
par experience qu'il arrire souvent qu’on est mal informd A cet 
egard. — L’occupation de Cassel par le General Crernischeff 
sera deja connu A Votre Altesse, Ce n’est pas à la verite un 
erenement tr&s important sous le rapport militaire, mais si les 
Russes peuvent se maintenir A Cassel pendant 15 jours seule- 
ment, une grande partie du Royaume de Westphalie prendra les 
Armes contre les Frangois, et toujours la fuite du Roi Jerome 
produira immanquablement une impression profonde sur les es- 
prits tant dans ses Etäts, que dans les prorinces voisines de 
YAllemagoe. — 

Votre Altesse dit avec tant de raison, combien la Reine de- 
funte dont tous les wentiımens &toient si Eleres, si purs et si vifs, 
auroit joui de ces evenemens, de la gloire qu’en remportera le 
Roi, qu'elle desiroit si profondement, et de celle qui en restera 
@galement A la Nation. Je ne puis ceuser d’y penser. 

Je sens profondement coınbien le depart du Prince, son fils, 
pour l’arınde doit etre pénihle au coeur de Votre Altesse Royale. 
Mais il va partager le doux sentiment d’aroir contribue aussi de 
son cöte A l’affranchissement de notre patrie, et à la gloire qui 
en resulte pour l’auguste famille dont il est isst. Je supplie 
Votre Altesse Royale de lui demander la continuation de son 
sourenir, et de renonveller au Prince, son pere, lassurance de 
mon derouement respectueux et amical. 

La vie du quartier general me convient extremement bien. 
L’inter&t du moment et des &renemens absorbe tellement toutes 
les facultes de l’äıne, qu’on pusse bien facilement sur le vuide 
qui reste ä la verit@ souvent dans cette vie errante qui n’offre 
qu’une occupation et qui ne sauroit donner & faire constamment, 
Je suis d’ailteurs jusqu’ici toujours arec le Chancelier d’Etat, au- 
quel aboutit tout ce qui aussi dans notre Interieur peut etre 
nonme important, et je passe toujours quelques heures de la 
journde avec le Comte de Metternich. Parmi le Corps diplo- 
matique Lord Aberdeen avec qui je commence à me lier plus Etroite- 
ment, est un homme de beaucoup de sens, d’un excellent carac- 
töre, et de connaissances tr&s varices. Il a fait le veyage de la 
Grece et aime les arts et la litterature ancienne. Je me flatte 


or 


aussi que Stein restera desormais avec nous, pour qui j’ai infini- 
ment d’estime et d’affection. 

Votre Altesse Royale daigne parler de mon avenir. Je me 
flatte qu’aussi interieurement tout s’arrange de maniere A faire 
jouir reellement le pais des bienfaits que nous attendons de la 
paix. Aussi je doute que je quitterai la carri&re dans laquelle 
je me trouve, de si töt. Si jarois le bonheur de vous voir, 
Madame, je Vous en parlerois plus amplement. 

Je supplie Votre Altesse de dire à Me. de Sartorius que j’ai 
tache de faire aussi bien que possible toutes ses commissions et 
que je continuerais de m&me. 

Je suis avec le plus profond respect, et le devoudment le 
plus inalterable etc. 

Ce 10. Octobre 1813. 

Si Votre Altesse daigne faire remettre ses lettres A Mr. de 
Wenckstern (Geheimen Hofratlı) à Berlin, elles me parviendroient 
plus vite et plus sürement. 


XL. . 
Niebupr an die Prinzeffin Lonife 


ä Prague le 11. Octobre 1813. 

Madame. Je proffite d'une occasion sure pour éerire à Votre 
Altesse Royale, c’est en meme temps m’acquitter d’une dette 
sacree, et me livrer a l’agreable illusion qu’une longue distance, 
semee de toutes les difficultes qui degoutent de la communication 
epistolaire, n’existe plus, Ces occasions sures ont été infiniment 
rares pour moi; peut-&tre aussi Votre Altesse Royale a-t-elle 
appris que j'ai essuy& ici une maladie, qui depuis le commen- 
eement de Septembre m’a mis hors d’etat de rien entreprendre. 
En general je n’aurais eu que de vieilles nouvelles à lui mander; 
si j'ötais pr&s des sources, j'aurais bien du plaisir à lui éerire le 
premier ce qui nous arrive d’agreable, avec plus de verite que 
nos trop meprisables bulletins, et le facheux qu’on cache plus 
encore que ces bulletins frangois dont on s’est tant recrie. On 
doit l’avouer, ces derniers sont l'ouvrage du mensonge, qui en 
gendral travaille sur de tr&s boms materiaux de rapports mili- 


taires, dont ou retranche. et on l’on ajoute (temoin le rapport 
frangois sur la bataille de Bautzen, ou tout ce qui regarde les 
mouvemens des armees, est de la dernire exactitude, malgre les 
mensonges entremeles avec ce recit et ajoutes à la fin). Nos 
bulletins au contraire sont faits par des gens A ce qa'il parait 
totalement etrangers au militaire et qui ne tra 
eontes vagues, qu’on leur debitte pour y e leur plume. Je 
crois meme que des rapports vraiment militaires, tels que dans 
Varmnee anglaise le General en chef les regoit le matin apres 
chaque affaire (au plus tard) ne s’ecrivent plus chez les armees 
allices ou tout au plus seulement quelques semaines apres. L'a- 
narcbie qui nous dissout, penetre l'organisation militaire, apres 
avoir devore celle de l’etat; c'est à l’heroisme de l’armee qu’on 
doit tout ce que nous arons vu de beau, et c’est d’autant plus 
de gloire pour notre armde prussienne et pour la nation & la- 
quelle elle appartient, 

Cependant un hazard heureux me fournit aujourd’hui l’occa- 
sion de donner à Votre Altesse Royale une nourelle, qui ä ce 
que j’espere, aura le prix de la noureaute, et le conservera, (& 
Tavantage de ma lettre) si celui qui doit la remettre, ne voyage 
pas trop lentement. On m’assure positirement, que le traité avec 
la Baviere a été signe le 8., sous reserve de la ratification de 
/’Empereur d’Autriche; apparemment ce trait& sera beaucoup plus 
favorable ä la Baviere qu’on n’arait droit de le aupposer dans le 
commencement. On craint que la cour de Munich aura reussi A 
se maintenir dans la possession du pays de Salzbourg, et alors 
je n’ai aucun doute qu’on leur laissera aussi Innviertel, auquel 
leur vanitẽ tient specialement, comme ayant été demembre de 
ia Baviere. Alors ils ne cederaient que ce qu’ils ont conserwe 
dans le Tyrol, et la lisiere de la haute Autriche, dont ils araient 
fait acquisition par le trait6 de Vienne en 1809. Eocore parle-t-on 
d'une indemnification par le Wurtzbourg, qui sereit plutöt un 
profit quant à nos ioteröts; il parait que les Margrariats de 
Franconie leur resteront sauf à nous indemniser: les cabinets ne 
guerrissent pas de ce mallıeureux systeme. Cependant puisqu’on 
eu a cru avoir besoin de cette alliance, les autres auront cra 
nous faire peu de mal, et ne pouvoir pas agir autrement; et le 
Roi a bien du ceder. Au moment ou j'ecris, une grande Bataille 
aura eu lieu infailliblement en Saxe; il en faudra probablement 
plus d’une pour decider la Campagne. J'ai le coeur serre en y 
pensant; il n’y a qu'un cri, meme parmi les Autrichiens, contre 








68 


le Prince Schwarzenberg, si indignement promu à l’'honneur de 
tout commander et qui comme il s’est montre, serait probable- 
ment un detestable general de division. Tout ce qui a ete dit 
sur les dispositions pour la malheureuse attaque de Dresde, dans 
un rapport francois, insere dans la gazette de Francfort est 
exactement vrai, il faut aussi convenir que l’armee Autrichienne 
est degeneree d’une maniere inconcevable. Qui ne s’attendait & 
voir renouveller l’heroisme d’Aspern, et meme on peut nommer 
Wagram. Cette armee à la verite assez nomhreuse, quoigue tr&s 
inferieure en nombre, ä ce qu’un nous avait fait entrevoir, recorm- 
posee à la häte, apr&s avoir te presque dissoute sous Padınini- 
n du Comte Wallis, parait avoir totalement perdu l’esprit 
militaire et m&me la bravoure. Commandee par des generaux in- 
dolents, mende par des officiers qui ne le sont pas moins, peu 
instruits, sans enthousiasme, et composde de soldats, qui marchent 
malgre eux parceque le gouvernement par rapport A Venthousiasme 
qui aurait pu supplöer & tout ce qui manque, n’a eu d’autre soin 
que d’emp£cher qu'il naisse — on ne voit pas comınent elle pourra 
ätre victorieuse. Des regiinens entiers se sont laisses prendre, 
et la honte de Dresden n’a pas emp&che que tout recemment 
huit compagnies du regiment grand Duc de Wurzburg se sont 
rendus prisoniers. Ni l’heroisme de nos Prussiens, ni la bravoure 
fataliste et infatigable des Russes (qui se battent beaucoup mieux 
depuis la rupture de l’armistice qu’auparavant) ne permet aux 
uns ou aux autres de regarder cette armde en camerades, et 
c’est IA un germe de maux sans compter, ce qui pourtant est la 
chose principale, qu’on ne peut pas compter dans les grands 
operations sur la partie de la ligne ou se trouvent les Autri- 
chiens, 

ll y a sans doute des exceptions, tout le monde fait l'éloge 
de Jerome Colloredo et de sa division que son exemple anime: 
quoique ceux qui le connaissent avouent qu’il n’est rien moins 
qu’un bon general. Peut ötre n’en avons nous aucun qui merite 
le plus beau de tous les titres; mais nous pourrions nous en pas- 
ser, si nous arions A la tete de la grande arınee, un general 
brave et actif, seulement tel que Kleist, et si les Autrichiens 
&taient animds du m&me esprit qu’en 1809. Un gouvernement 
qui a perdu Famour hereditaire de ses sujets, qui paraissait ne 
pouvoir jamais @tre deracine dans un coeur Autrichien, devenu 
dur sans avoir acquis de l’energie, insulte sans saroir imposer, 
tourmente d’un sentiment sourd de son insuffisance croit pouvoir 

Stein’s Leben. II. 2te Aufl. 








6% 


dominer seulement alors quand il ne traite ses sujets que comme 
sujets qui ne doivent jamais recevoir d’autre impulsion que celle 
qu’il leur donne par ses ordres. L’Esprit national en Prusse a 
effraye. On se flattait peut-&tre d’abord que l’armee ne s’en 
battrait pas plus mal pour avoir etd rassemblee sans qu’aacun 
effort poussait les recruts ä marcher à leur Drapeaux, il faut 
supposer qu’on se sera detrompe; mais on reste egalement fidele 
A ce meprisable principe: on se flatte que la guerre terminera 
bien, et à tout &renement on parait persuade que la France est 
trop &puisde pour pouroir encore porter des coups tr&s funestes. 
Un Allemand du Nord, surtout un Prussien (le nom le plus glo- 
rieux qu’aucun Allemand puisse porter) se fait difficilement idee 
de ce que le gouvernement peut craindre igi d’idees, et de sen- 
timens, le peuple si engourdi, si denud d'idees n’aura jamais la 
tẽte montee. Nous autres nous nous sentions glages, A l'idée 
seule de passer la vie parmi cette nation. Autant vaudrait @tre 
enterre vif. S’il y a ici des troubles, ce ne seront jamais que 
les inter&ts les plus grossiers qui les feraient naltre. — 

Votre Altesse Royale saura peut-&tre deja que Napoleon a 
envoy& dernierement Mr. de Flahault chez le Comte Bubna, 
charge d’une lettre pour l’Empereur Frangois, et de l’accompagner 
d’ouvertures verbales. Mr. de Bubna la regu entoure d’ofliciers 
Prussiens et Russes, ce dont Mr. de Flahault s’est fortement 
plaint; parceque l’on avait neglig6 une occasion precieuse de 
profiter des sentimens trös pacifiques de Napoleon, dispose à ce 
qu’il disait à accorder plus qu'il n’aurait fait pendant l’armistice. 
La lettre dit-on ne contient que des choses vägues ou absurdes 
une tentative grossiere de separer les deux puissances Allemandes 
de la Russie et de l’Angleterre, et cela en offrant des cessions 
presque risibles. — Votre Altesse Royale m’a commande de lui 
€cerire au sujet du Prince Czartorinsky. Je puis le faire en deux 
mots, en assurant que je suis persuade, qu’il n’existe pas sur le 
continent un homme seul qui lui soit egal pour le genie, et pour 
les lumieres, et je rep&te ce que j'ai dit à d’autres, que je trouve 
inconcevable que l’Empereur ait jamais pu se separer de lui. 
Quant à Stein je me reserre d’en parler de bouche: car je me 
flatte pouvoir bientöt finir mon triste et inutile sejour igi, et me 
rendre à Berlin. Nous ne nous voyons plus: c’etait le moyen le 
plus doux de terminer une relation qu’il avait su rendre insup- 
portable. — Je suis fache que le temps et l’espace me manquent 
pour parler à Votre Altesse Royale des Prussiens, du Roi, et du 





ei 


Prince Royal, qui gagne incroyablement par la campagne. J'en 
augure les plus belles et les plus grandes choses. Quant au 
Roi, rien n’est plus certain, que ce qu’on aura €crit à Berlin, 
que c'est li qui a tout saurd apr&s le desastre de Dresden. 
„Cest au Roi de Prusse que vous devez votre securite” disait 
un sergeant des gardes blesse au peuple qui environnait la 
‚ charette sur laquelle il etait place. „Je Vai vu tout retablir, alors 
joubliais ma blessure par le plaisir de le voir agir en Roi.” 
Que ne le fait-il dans toutes les choses et toujours A la guerre! 
Je demande pardon ä Votre Altesse Royale de devoir passer 
ä la marge pour finir. Ma femme lui presente ses respects, con- 
jointement avec ceux que je la prie d’agreer. Je la prie de me 
rappeller au sonvenir si plein de hontes de Mr. le Prince. 
Oserai-je ajouter encore que mes nourelles (meme celle de la 
Baviere est ici un grand secret) et tout le contenu de cette lettre 
n'est que pour Votre Altesse Royale et pour lui. Jai Ihonneur 

d’ätre avec le plus respectueux attachement, 

Madame 
de Votre Altesse Royale 
le plus humble 
et plus obeissant serviteur 
Niebuhr. 


XL. 


Publicandum, 
die Anordnung bes oberfien Berwaltungs=- Departer 
ments und bes General-Öouverneurs betreffend, 


Publicirt in der Leipziger Zeitung Ro. 205. Dienflags den 
2öften October 1813. 


Die hohen verbündeten Mächte wollen, ftets eingedenf ihres er⸗ 
habenen und feften Borfages, Deutfchland von feinem bisherigen Joche 
zu befreien, die Kräfte der von ihren flegreihen Armeen eroberten 
Länder zu feinem andern, als diefem Zwecke benugen, mit welchem 
die Herzen aller Deutfchen einverftanden find. 

Sie haben zu dem Ende für die Verwaltung der eroberten Läns 
der in der Perſon des unterzeichneten Staatsminifters und Ritters 

44* 





692 


des Hohen Andreasordend Freyherrn vom Stein ein oberſtes Ber- 
waltungs-Departement angeordnet, deſſen Befimmung und Beftreben 
feyn wird, die Hülfsquellen der verſchiedenen Länder zu dem ange 
gebenen militairifhpolitifhen Zmwede zu benugen. Den Ländern 
werden General» Gouverneurs vorgefegt werden, als die hoͤchſte Bes 
hörde und ber Bereinigungspunft aller Militair» und Eivil-Abminis 
ration. Bon den Einwohnern wird Treue und feſte Anhänglichkeit 
am jenen erhabenen Zweck erwartet, dem ſich die Befieren bisher ſchon 
angeſchloſſen, und firenger Gehorfam gegen die vom oberften Ber- 
waltungs» Departement und dem Generals Gouverneur zu treffenden 
Anordnungen. Füuͤr die bisherigen Behörden ber eroberten Länder iR 
dies doppelte Pfliht. Sie werden durch einen ihnen hefonders vors 
zufegenden Revers diefen Gehorſam angeloben, oder aus ihrem Dienſt ⸗ 
verhältniffe ausfcheiden, und fid dadurch für Gegner der guten und 
gerechten Sache erklären müffen. 
Leipzig den 23ften October 1813. 
Oberſtes Berwaltungss Departement. 
K. Freyhert vom Stein. 


XLIV. 
Duwaroff an Stein. 


Petersbourg ce 22. Octobre v. s. 1813. 

Jai regu dans ce moment Votre lettre du 6. Octobre par 
Milord Walpole; et c’est au bruit des grands nouvelles de Leipzig 
que je prends Ia plume pour Vous repondre. Nous sommes si 
€blouis de ce fracas d’evenemens et si ignorants des details, 
qu’il ne nous reste qu’une seule faculte, celle de nous rejouir. 
Il parait que l’heure de la delirrance de l’Europe a sonne, mais il 
lui faut un grand courage pour tirer parti de son affranchisse- 
ment, et les Francais ne sont pas les seuls ennemis que P’Alle- 
magne ait a repousser de son sein. Sa situation me parait en 
general tres compliqude. Je suis bien aise de voir que Votre 
opinion sur l’accession et la conduite de l’Autriche s’accorde avec 
mes pressentimens. Mes preventions favorables pour un pays 
dans lequel j’ai et& tr&s bien accueilli et tr&s heureux ne m’em- 
pöchent pas de sentir parfaitement tout ce qu'il y a au fond 


693 


d’anti-allemand dans le cabinet Autrichien. Ses pensdes se- 
cretes, ses esperances cachees, la direction qu'il voudrait donner 
à la marche des aHfaires, tout cela est en rapport avec sa situa- 
tion. L’Archiduchesse Marie Louise et le Roi de Rome sont deux 
pierres d’achoppement que l’on ne tardera pas a trouver dans la 
route tragde. Vous dites que je ne reconnaitrais pas les hommes 
de 1809 et je le crois. A cette epoque le Peuple etait admi- 
rable, l’armee belle et anim&e d’un bon esprit; mais les chefs ne 
repondaient à aucun de ces elömens. Les Stadions seuls mar- 
chaient droits. La mort de l’Abbe est un grand mal. Ce sont 
constamment les arriere-pensdes qui ont perdu les Ministres 
en Autriche; et il ne parait pas que ceux d’aujourd’hui en soyent 
gueris, 

Mais le spectacle que la Prusse nous offre console de tout. 
Ce peuple lä doit devenir par lui-meme le premier peuple de 
VAllemagne. C’est une complette et entiere regeneration. Je 
suis persuade qu'elle produira sous tous les rapports les plus 
grands resultats. On ne saurait donner trop de louanges a une 
nation qui se relöve de cette maniere; et quand on songe que 
VAllemagne depuis plusieurs siecles etait travaillee par mille et 
un motifs de dissolution politique; qu’elle Fa et6 tour a tour par 
Luther, par Louis XIV, par la Philosophie francaise, par ’Exegöse, 
par Ia bataille de Jena etc. on est frapp& d’admiration. 

Votre jugement sur le fameux manifeste est singulierement 
juste. Les desiderata que j'y trourais sont precisement le feu 
et läme. C’est une bonne piece de rhetorique, et de discussion 
un tissu de sophismes accumulees pour plaider une tres mau- 
vaise cause, oü il ya de la finesse dans les idées et de l’elegance 
dans les expressions: mais rien au delä. La fin est pitoyable. 

Tourguenew qui Vous remettra cette lettre est un jeune 
homme d’un esprit solide et d’un caractere distingue. J’espere 
qu’il Vous conviendra. Il vous remettra en m&me tems trois 
livres de the de la part de ma femme, quelle Vous prie d’ac- 
cepter en memoire de celui que nous prenions ci souvent en- 
semble sous les Orangers de Gorinsky et dans nos petits chambres 
de Petersbourg. Ma femme est sur le point d’Etre delivree de 
son fardeau. 

Ce serait en vain que je voudrais Vous decrire toute la joye 
et Porgueil que j'eprouve de Vous voir jouer le grand röle qui 
Vous convient si bien sous tous les rapports. Il y a au fond de 
mon attachement. ... Das Uebrige ift verloren.) 








694 





PS. Le the est dirise en trois paguets d’une liwre chacune. 
Le No. 1 est superfin. Je Vous enroye aussi ci-joint un exem- 
plaire de l’ourrage de Graefe que je Vous ai dee en qualite 
d’Editeur. Ce n’est gu&re le moment de s’occuper de litterature. 
N’importe, Vous n’y verres que l'intention. 

Madame de G..... que je vois quelquefois me parle sou- 
vent de Vous. Son mari egalement. Ses idees politiques et ad- 
ministratives sont encore aussi enfongdes dans la matiere que 
gi devant. Le Chancelier joue un röle pitoyable. Les G..... 
vivent sur la gloire de Mr. de N.. . et s’en repaissent con- 
tinuellement. Que fait-on de Mr. d’Anstett? — Beatus ille 
qui procul non pas negotiis mais du tiraillement ridicule 
et de la petite vanit& des Gens en place d’ici. 

Tous les miens Vous saluent. L'Abbé Mauguin a fait jusqu’ici 
le Conservateur. 

Madame de Sta&l n'est pas contente de son sejour à Londres. 
Elle doit revenir sur le Continent. Je ne suis pas surpris qu’elle 
ne soit pas satisfaite de Londres. La maniere de faire les affaires 
est trop nationale dans ce pays IA et trop serere pour s’adopter 
aux clabauderies politiques et aux commerages de salons. On 
m’a assuré que Mad. de Stael allait se rapprocher de la Suede; 
son ami Schlegel est-il toujours aupres du Prince Royal? 











XLV. 
Stein an die Prinzeffin Louife. 


Madame. D’apres les ordres de Votre Altesse Roiale j'ai 
parl& au sujet du renvoi du Prince Michel Radziwill dans ses 
foiers apr&s la prise de Danzig. Mais pourquoi, m’a-t-on repondu, 
continue t'il de combattre, pendant que ses compatriotes ont 
presque tous quittes les drapeaux de Napoleon, que leur gou- 
vernement s’est dissout volontairement, que Modlin est tombe, II 
my a que cette poignde des Polonais guidee par le Prince Michel 
qui prolonge une lutte inutile, pour Danzig desastreuse, et qui 
paralyse une armee qui pourroit &tre emploie allieurs plus utile- 
ment. Il est connu que Rapp n’attend qu'un pretexte pour se 


695 


rendre. Les Polonais joints à un regiment de Bavarois pour- 
roient le lui fournir, mais une conduite opposde peut elle donner 
un titre A une exception d’un prineipe? — Voilä ce qu'on m’a 
repondu et ce que je prie Votre Altesse Roiale de repondre. 

Je vons felicite, Madame, de voir un Prince Votre fils dans 
les rangs de ces armees qui ont reconquis lindependance et la 
moralit€ et qui ont brise un joug aussi odieux que ridicule. — 
Un de mes amis dit avec bien de la raison qu'il y aura dans 
Phistoire de Buonaparte toujours un melange de. celle de Gilblas 
et de 'Tamerlan. 

Veuilles me rappeller au souvenir de la Comtesse Brühl et 
lui dire que je sollicite son affaire. 

Daignez agreer les hommages du respectueuz derouement 
avec lequel j’ai l’honneur d’etre 

de Votre Altesse Roiale 
le tr&s humble 
et tr&s obeissant serviteur 


Ch. Stein. 
Francfort le 22. de Novembre 1813. 
XLVI. 
Graf Kotſchubey an Stein. 


Petersbourg le 45: Norembre 1813, 


Ne sachant pas, quand cette lettre pourra vous parveı 
mon cher Baron, car on ma assure, que vous avés deja quitte 
Leipzig, je me bornerai & vous recommander son porteur Mr. 
Gervais qui ne se rend pour le moment, que jusqu’ä cette der- 
niere ville. C’est un homme de merite et qui plus est, c'est un 
tres digne homme. Il a servi sous mes ordres dans les affaires 
etrangeres et a toujours suivi cette carriere jusques A ces der- 
niers tems, ou il fut entraine dans une disgrace. Placé mainte- 
nant dans le ministere des Finances, il est envoyé en Allemagne 
comme commissaire ou agent pour les affnires des subsides an- 
glais, des papiers federatifs, et autres ohjets. Sous ces differents 
raports il sera peut-Etre en relation avec vous, ınon cher Baron, 








696 


ei je r&clame pour lui de votre part confiance et bon conseil. 
Le Comte Nesselrode, qui est son ami intime, confirmera sans 
doute tout ce que je viens de vous dire en faveur de Mr. Gerrais. 

Quoique cette lettre doive vous parvenir trös tard, je ne 
saurois, mon cher ami, m’empecher de vous dire un mot, du 
plaisir que jai eu, en apprenant que vous avds quitté Leipzig 
pour rejoindre l’Empereur a Francfort. Differents bruits avoient 
courrus sur votre nomination au ministere des allies pour les 
affaires de l’Allemagne. On a pretendu, que le Comte Metternich 
avoit eu l’idee de vous eloigner par lA du quartier general etc. 
Tout cela etoit accompagnd de tant de raisonnemens, que l’on 

' pouvoit y eroire. Sans öter rien au merite que l’on peut trourer 
& Mr. Metternich, je ne voudrois cependant pas, que ce merite 
reste seul preponderant. Il peut. ötre très utile, qu'il y ait 
d’autres bonnes tötes au Quartier general, qui puissent surtout 
avoir des ides saines sur les arrangemens A prendre pour P’Alle- 
magne. De grace mon cher Baron, n’abandonnes pas le röle que 
vous avds suivi jusqu’ä present. Restes A votre poste aupres de 
notre Empereur, qui vous aime et qui a une grande confiance en 
vous, d’autant plus ıneritde, que vous avés rendu d’aussi bons 
services au commencement de la guerre hors de nos frontieres. 
Tous les esprits étoient encore indecis, fluctuants, en Allemagne, 
lorsque vous avds apparu, pour les prendre au collet, C’est une 
justice que personne ne pourra jamais vous refuser. 

Adieu mon cher Baron; je vous demande de la reserre 
pour ce que je viens de vous mander au sujet de vous meme. 
Je me porte depuis trois semaines parfaitement bien et je suis à 
m’en etonner moi m&me, car depuis long teıns pareil bonheur ne 
m’est arrive. Je vois asses souvent Lord Walpole, qui a une 
tres bonne töte. Que ne l’a-t-il placde sur le corps à hottes 
fortes de L. Catbeart? — Tous les cercles sont maintenant oc- 
cupes de la grande question: Passera-t-on le Rlıin ou non? Je 
pense que cette question ne peut ötre decidee que sur les lieux. 
Certes s'il y a des intelligences avec les rires opposdes du Rhin, 
si l’on sait les dispositions en France defavorables pour Napoleon 
et que l’on peut s’attendre à une reaction utile de l’interieur, 
pourquoi ne franchiroit-on pas le Rubicon; mais sans ces corolaires 
Ton ne se decidera certainement pas à une demarche, qui pour- 
roit plutöt nuire que faire du bien à la cause generale. De coeur 
et d’äme et pour la vie Votre devoue K. 


697 · 


XLVII. 
Duwaroff an Stein. 


St. Petersbourg le 18. Novembre v. s. 1813. 

Je profite du depart de Gervais qui m’a demande une 
lettre pour Vous, pour Vous annoncer que ma femme vient 
dätre heureusement delivre le 15. d’une fille que j'ai nommee 
Alexandrine en l’honneur de notre bon Empereur. La mere 
et l’enfant se portent au mieux. 

Gervais qui Vous remettra cette lettre est un homme de 
confiance sous tous les rapports. Il a plus de talent et moins 
de pedanterie que ne le comporte une longue habitade du travail 
des bureaux. Il sait bien les trois langues et je puis hardiment 
le recommander à Vos bontes. 

Quelque part que cette lette Vous trouve elle Vous portera 
lexpression de mon tendre et sincere attachement pour Votre per- 
sonne; je ne desespere pas de Vous le redire de vive voix un 
jour sur les bords du Danube ou du Rhin. Tout semble annon- 
ger que l’Allemagne va reprendre son veritable rang parmi les 
puissances de l’Europe, et je ne Vous cacherai pas qu’un voyage 
hors du pays est la secrete esperance que je caresse depuis long- 
tems. Tout doit me faire cherir cette idee; ne fut-ge que toutes 
les tribulations reelles attachees au metier que je fais en ce pays 
gi. Je n'en connais pas de plus ingrat ou plutöt de plus im- 
possible. Je ne suis pas une tete à chiıneres, Vous le savds; 
jaime les affaires et j’y ai été pour ainsi dire depuis mon en- 
fance; Vous connaitres mes principes et ma fagon de voir: mal- 
gr& tout cela, j'en suis à desesperer de pouvoir non pas faire le 
bien mais continuer dans la ligne que je me suis tragde et dont 
je ne m’ecarterais jamais; sans y sacrilier ce que j’ai de plus 
cher au monde, mon honneur, ma sante, mes opinions, le bien 
ötre de ma fortune etc. — Ne croyes pas qu’il y ait la moindre 
exag6ration dans mes paroles. Je suis calme à tonner tous ceux 
qui m’entourent, mais j'ai le desespoir dans l’&ıne. L’etat des 
esprits est tel dans ce moment que la confusion des idees est au 
comble. Les uns veulent des lumi&res sans danger, c.a.d. 
un feu qui ne brüle pas. D’autres (et c’est le plus grand 
nombre) mettent dans le meme sac Napoleon et Montesquieu, 
les arındes frangaises et les lirres frangais, Moreau et Rosen- 


kampff, les reveries de Sch..... et les decouvertes de Leih- 
nitz; enfin c’est un chaos de cries, de passions, de factions en- 
venimees les unes contre les autres, d’exagerations de partis, tel 
qu’il est impossihle d’en soutenir longtems le spectacke. Om ce 
jette a la töte les mots de Religion en danger, de morale 
compromise, de fauteur des idees etrangeres, dIllu- 
mine, de Philosophe, de Franc-Magon, de fanatique 
etc. En un mot c’est une deraison complette. On court à chaque 
instant le risque de se compromettre ou de se constituer l’organe 
de toutes les inepties et l’executeur des hautes-oeuvres 
des passions les plus exagerdes. Voila au milieu de quelle con- 
fusion et de quelle profonde ignorance, on se trouve ohlige de 
travailler A un edifiee mine par les fondemens, et qui menace 
ruine de toutes parts. C’est, je Vous l’avoue, un triste et penible 
areu; mais croyes que ce que je Vous en dis est de la plas 
parfaite verite. Jai besoin de m’epancher l’üme, et je pourrais 
en dire lä desus un volume. Dernierement nous arons eu une 
dispute, la plus scandaleuse du monde, entre un Archeräque et 
le directeur de l’Academie Eeclesiastique; dans laquelle tous les 
deux araient tort; et cela pour un mauvais livre d’Ancillon. 1 
serait necessaire en veritE que ce debat fut connu dans son 
veritable jour; car je suis sür que l'’Empereur ne le yaura, s'il le 
sait, que d’une maniere tr&s imparfaite. Enfın il serait trop 
long de tout dire. Animus meminisse horret. Je n’attends 
qu’une circonstance farorable pour me retirer de ce chaos, qui 
m’etonffe et qui m’accable plus que je ne puis Vous le dire. 
ai besoin de respirer un air plus pur et de reposer. Ma sante 
en est detruite; et il n’y a pas jusqu’aux facultes morales gui ne 
s’en ressentent. On ne me dira pas que je me suis laisse aise- 
ment decourager, J’ai eu aussi beaucoup d’esperances et d'illu- 
sions, mais trois anndes d’experience les ont detruites. 

Je Vous demande pardon de Vous parler ci au long de 
moi, mais je connais Votre amitie et je suis sur de Votre interet. 
Tous ces motifs reunis ıne font desirer vivement de faire un 
voyage, aussitöt que la paix sera faite; et il est hors de doute 
que le desir de Vous rencontrer ne preside à mes plans de voyage. 

Je ne connais dans l’Histoire aucune transaction dont l’im- 
portance puisse egaler le conseil qui a du Etre tenu sar les bords 
du Rhin. Jamais de plus grands interets mais aussi jamais des 
interöts plus compliques n’ont ete debattus. Nous ne tarderons 
pas à en voir les resultats, Il n’y a rien de comparable à la 








699 


chüte de N. C’est eridemment le doigt de Dieu qul a tout 
trace. Le phantöme de Monarchie universelle est dissipe; la 
Politique cessera, je l’espöre, d’ötre separee de la Morale; 
comme de miserables Sophistes le disaient: et nul .doute que 
YEsprit humain n’&prouve une revolution salutaire dans tous ses 
effets. 

Yai lu ces jours gi la correspondence de J. Müller. Quel 
dommage qu’un tel homme soit tombe! Comme «a chüte a été 
honteuse! Quel beau talent, mais aussi quelle faiblesse et quelle va- 
cillation dans l’application des principes! Le malheur des tems 
est pour beaucoup dans des semlables catastrophes. 

Ma femme Vous dit mille tendres choses et Vous presente 
sa petite. Charges Vous de remettre l’incluse à notre Arndt. 
Le Chancelier a partage le Conserrateur de la maniere la 
plus bizarre entre Faber et ’Abbe Mauguin. Aussi la feuille s’en 
ressent- elle. B 

Dans vos momens de loisir Vous lirés sürement nos amis 
communs Tacite et Thucydide. J'irai les lire avec Vous dans 
le chateau de Stein, et nous leur associerons Homö&re et Eschyle. 

Adieu, Monsieur le Baron, pardon de cette longue rhapsodie; 
mais le coeur est babillard de sa nature, et ce qui sort du mien 
est sur d’aller au Votre. Vale et me ama. 

of 

PS. Etes Vous ce M. de Stein, Ministre de Prusse ä 
Aschaffenbourg dont parle Müller? Mon frere ä-peine gueri d’une 
fievre tr&s tenace, va se remettre en route pour l’armee. S’il Vous 
rencontre quelgue part, je le recommande a Vos bontes. Il en 
est de sa carriere à peu pres oü j’en suis de la mienne. Ni lai, 
ni moi ne sommes destines à faire fortune ici. 


XLVIII. 
Graf Neſſelrode an Rühle v. Lilienſtern. 


Monsieur. 
Je m’empresse d’avoir l'honneur de Vous annoncer que Sa 
Majeste L’Empereur mon Auguste Maltre vient de vous deleguer 
la partie administrative et organique des armemens de l’Allemagne. 


700 


Sa Majeste Imperiale est persuadde que Vos lumieres et Votre 
z2le repondront a la juste confiance qu’Elle y a place. Elle en | 
a pour garant celle que Vous a vouée Son Excellence Mr. le 
Baron de Stein. Quant à moi rien ne me sera plus agreable 
que de trouver de frequentes occasions de Vous renourveller 
Vassurance des sentimens les plus distingues avec lesquels j'ai 
Y’honneur d’ätre 
Monsieur 
V.t. h. et t. ob. servitear 
Le Comte de Nesselrode. 
Francfort s. M. le 29. Novembre 1813. 
A Mr. le Colonel de Ruehle etc. etc. 





XLIX. 
W. v. Humboldt an die Prinzeffin Louiſe. 


Madame. Il me semble qu'il y a bien longtems que je n’ai 
pas eü Phonneur d’ecrire à Votre Altesse Royale, et je La sup- 
plie d’excuser ce silence involontaire. Je n’ai presque pas eü un 
moment de loisir.a Francfort. Sans avoir des affaires bien im- 
portantes, j'en ai eü qui m’ont beaucoup tracasse. Les Cabinets 
des trois cours s’etoient debarrasses de tous les pourparlers et 
de toutes les negociations avec les Princes de l’Allemagne, en 
les remettant aux barons d’Anstett et de Binder et de moi, et 
comme je suis plus connü en Allemagne que mes denx Collegues, 
on s’est adresse surtout à moi pour toutes les demandes sans 
nombre qu’on aroit à faire, et les plaintes qu’on porteit, ce qui 
ne conduisoit pourtant qu’ä des entretiens peu amnsants, et or 
dinairement inutiles. Mais nous avons aussi vü des figures deli- 
cieuses de Plenipotentiaires, et avons eü des scenes exträme- 
ment comiques. Si les tems heureux oü j’avois le bonheur de 
passer mes soirdes aupr2s de Votre Altesse aroient encore existe, 
je Yaurois fait rire sourent par mes récits. Mais je m’abstiens 
@’autant plus de Vous les faire par éerit, Madame, que le Prince 
Antoine m’accuse deja de ne prendre pour moi que In partie 
amusante de tout ce qui se passe ici. Votre Altesse sait cer- 


701 


tainement que les choses ne m’en tiennent pas moins à coeur, 
mais il est impossible de ne pas faire aussi quelquefois des re- 
marques d’un genre plus gai. 

Si Votre Altesse Royale a peut-&tre trouré qu’on étoit lent 
& poursuivre la campagne, Elle s’etonnera d’autant plus de l’idee 
qu’on a pris d’ici. Le Prince Schwartzenberg doit avoir passe 
bier le Rhin a Bäle, et le General Bubna est entre en Suisse. 
On s’est assurd aussi bien qu’on a pü, de ce pais, et il paroit 
sür qu’on ny trouvera aucune resistance. Un parti tr&s con- 
siderable est au contraire pour nous; on a pris les mesures les 
plus sevöres pour le maintien d’une bonne diseipline, et pour la 
subsistance de l’Armee; on promet m&me de tout payer argent 
comptant. Si F'on tient parole dans ces helles promesses, les 
habitans ne seront pas fäches de voir passer nos troupes chez 
eux, et celles-ci n’&prouveront point de desagremens. Qu’avez 
Vous dit, Madame, de la Revolution de Hollande? Ce triomphe 
d’une famille de sentimens aussi nobles et élevés, comme celle 
d’Orange, m’a mis au comble de la joie; je me figure la Prin- 
cesse möre qui est vrafment destinde & jouir vers la fin de ses 
jours d’un bonheur peu commun comme Princesse, comme mère 
et comme grand-mere. Elle le merite bien; avec quelle dignite 
et quelle resignation calme elle se conduisoit toujours“ dans les 
jours de notre infortune. Si l’on peut bientöt envoyer des ren- 
forts considerables en Hollande, ainsi qu’on s’en occupe très 
serieusement, et si nos armées pénètrent vraiment bien avant en 
France, PEmpereur Napoleon doit avoir de puissans motifs A 
chercher la paix, et s’il se roidit contre la voix de la raison, il 
pourroit voir peut-ötre aussi son tröne ebranl& par des mouve- 
mens interieures. Jamais epoque n’a &t& plus memorable, et 
il n’y a quune voix sur la conduite des Prussiens; tout le 
monde convient de propre mouvement que c’est A eux en plus 
grande partie, et au moins pour les deux tiers, qu’on est redevahle 
de tous les snecès. C’est un bien beau sentiment, et j'ai été 
temoin plus d’une fois que le Roi reconnoit profondement ce que 
Varmee et la nation ont fait dans cette crise terrible, mais qui 
retablira la Prusse dans son ancienne independance et dans son 
ancien eclat. Le Roi n’etoit pas trop bien portant les derniers 
jours de mon sejour à Francfort, son incommodite &toit cepen- 
dant trös-legere. Je Vattends A present d’un moment A Vautre 
ic, J'ai vü passant par Carlsruhe la Grande-Duchesse de Bade, 
la Princesse Stephanie. Elle n’est pas belle, mais jolie, et sa 





708 


maniere d’ötre ici ne m’a aucunement deplu. Elle est naturelle, 
sans affectation, ‚et semble ne pas manquer d’esprit. Elle aime 
à faire voir qu’elle ne veut ©tre qu’Allemande. Sa fille qui aura 
bientöt trois ans, ne parle meme pas un mot de Frangois. On 
assure que lorsqu’une Dame d’honneur Frangoise qu'elle avoit, et 
qui a suivi le ministre de France dans sa patrie, lui a conseille 
.d’engager le Grand-Duc a passer egalement le Rlin, elle a dit en 
public qu’elle n’en feroit rien, et qu’elle ne lui conseilleroit ja- 
mais de s’exposer à la honte d’avoir été le seul Prince Allemand 
qui alt quitte sa patrie. Napoleon ne l’avoit pas trop bien trai- 
tee; car apr&s lui avoir promis A son mariage un revenü annuel 
de 100,000 francs, il l’a mise tout à coup, il y a pres de deux 
ans, à la moitie sans autre raison sinon que 100,000 etoient trop 
pour elle. 

Votre Altesse aura vü arriver, ou verra encore le nouveau 
ministre des Finances. Je crois pouvoir &tre sür que l’etät se 
trouvera bien de sa gestion. Mais comme on traite les Geheime 
Staats-Räthel Ayant été moi möme dans cette categorie dans 
le temps ou Votre Altesse me plaisantoit quelquefois sur mes 
€paulettes, je ne puis que m’apitoyer un peu sur leur sort. Je 
trouve surtout fort plaisante la situation des deux du Ministere 
de VInterieur. Car ils doivent prevoir par l’exemple du Ministere 
des finances leur fin tragique, sans savoir lequel des deux and- 
antira l’autre, ou s'ils cederont tous les deux à un troisieme en- 
core inconnü. Ceci doit &tre vraiment piquant. 

Il me seroit difficile d’exprimer à Votre Altesse Royale quelle 
joie j'ai eu reroyant Je Prince, son Epoux. Je me flatte qu'il 
nous rejoindra aussi ici. Je connoissois dejä cette ville d’an- 
cienne date, mais elle ne m’en plait pas moins & present. La 
Cathedrale surtout est bien la plus belle chose qu’on puisse voir 
en architecture Gotlique, pas aussi immense que celle de Stras- 
bourg, mais plus reguliere, d’un gout plus simple, et plus fini 
dans tous les details, 

Je supplie Votre Altesse de me conserver Son gracieux s00- 
venir, et de croire que rien ne sauroit &galer le devouement 
respectueux avec lequel je suis etc, 


& Freibourg, ce 22. Decembre 1813. 
Humboldt. 





703 


L. 
Gneiſenau an die Prinzeffin Louiſe. 


Durchlauchtigſte Fürfin, 
Gnädigfte Fürſtin. 

Em. Königlihen Hoheit Befehlen if genügt. Der junge Kleiſt 
war ſchon feit mehreren Monaten im Blücherſchen Hauptquartiere in 
einer Lage, die ihn weder Gefahren noch Beſchwerden ausſetzte. Jetzt 
ift er in das Bureau des Obriftfieutenant von Nühle übergegangen, 
der für die Organifationsarbeiten ber neu zu erfchaffenden Deutfchen 
Armee angeftelt if. Wenn er fo lange gefahrlos und gefund bleibt, 
bis diefe gebildet feyn wird, fo ift für die Wünfche der zärtlichften 
und beforgteften Mutter ſchon viel .erlangt. 

In zwei Tagen geht unfere Urmee über den Rhein, um den 
Franzoſen am Iſten Januar jenfeits Glüd zum Neujahre zu wünfchen. 
Die Schweiz nebſt ihren weftlihen Päflen if unfer. Betfort, in 
Frankreich ſelbſt iſt eingefchloffen. Zwei feſte Schlöffer, Belmont und 
Landskron und darin 16,000 Eentner Pulver find erobert. Genf 
hat die Fahne des Aufruhrs aufgepflanzt, und ihre Schlüffel dem 
Fürften Schwarzenberg überfchidt. Morgen ift Graf Bubna dafelbft; 
Lichtenftein in Befancon. Ale Nachrichten lauten übereinftimmend, 
daß in Frankreich wenige Truppen, und ſchlecht bewaffnet, und nicht 
vom beften Willen befeelt, zufammen find. Iſt dies wirklich der Fall, 
und begehen wir nicht fehr große Fehler, fo mögen wir auf Paris 
losgehen. Uber ich fehe oft durch Unentfchloffenheit und Trägheit 
die vielverſprechendſten Entſchlüſſe fheitern, und wid daher nicht vor» 
eilig in meinen Vorherfagungen, fondern fein mißtrauifh feyn. 

Geruhen Em. Königliche Hoheit die reinſte Verehrung, und bie 
treueſten Wünſche für Ihr und Höchſt Ihren Haufes Wohl bei dım 
bevorftehenden Jahreswechfel zu genehmigen, womit ih bin 

Ew. Königlichen Hoheit 
unterthänigfter 
N. v. Gneifenau. 
Sranffurt a. M. den 2Often Dezember 1813. 


704 


ul. 
Blücher an Rühle in Frankfurt a. M. 


Euer Hochwohlgeboren mache ich hiedurch hefannt, daß ich Heute 
über den Rhein gehe. Es können an dem bieffeitigen Ufer nicht fo 
viel Kräfte zurüdbleiben, daß die hier gelegenen Länder völlig ges 
ſichert wären. 

Ew. 9. erſuche ich daher in diefen fämmtlihen Provinzen den 
Landſturm aufzubieten, die Organifation deſſelben mit möglichfer 
Schnelligkeit zu betreiben, vorzüglich aber dafür zu forgen, daß tüchs 
tige Männer an die Spige geftellt werden, ohne dabei auf die eins» 
zelnen Diſtricte oder überhaupt auf geographifche und politifche Graͤnzen 
und Verhältniffe, befondere Rüdfiht zu nehmen. 

Hauptquartier Caub den iften Januar 1814. 

[unterzeiänet] Bücher. 

N. S. Es find in diefem Augenblit 3000 Mann Infanterie 
über den Rhein. Binnen 2 Stunden ift die Brüde fertig; wo ich 
alddann mit meiner ganzen Armee hinühergehen werde. Der Feind 
hat feinen bedeutenden Widerftand geleiftet. 

[unterzeichnet] Blücher. 


LII. 
Tettenborns Bericht an Stein über ſeinen 
Feldzug gegen die Dänen. 


Ew. Egeellenz! 

Durch ein Schreiben des Herrn Perthes, welcher nach Kiel zu⸗ 
rüdgefehrt iſt, erfahre ich, daß Em. Excellenz ſowohl mir, als dem 
Oberſten Pfuell gefhrieben haben, leider aber find diefe beiden Briefe 
bis jegt nod nicht angefommen. So fehr ih auch gewünſcht hätte 
den Inhalt derfelben ſchon in diefem Briefe beantworten zu Können, 
fo darf ich jedod nicht länger fäumen, Ew. Ercellenz über den Zur 
fand der hiefigen Angelegenheiten und deren muthmaßlige Entwid- 
fung einige Nachrichten mitzutheilen, die Ew. Ercellenz gewiß fehr 
intereffant fein werden, und denen ich eine kurze Ueberfiht des hol⸗ 
ſteiniſchen Feldzuges voranſchicke. 


205 


Nachdem auf die Unnäherung der Macht des Kronprinzen von 
Schweden die Franzofen unter Davouft fi eilig nad Hamburg, die 
Dänen aber unter dem Prinzen Friedrich von Heffen fih nah Oldes⸗ 
lohe zurüdgegogen hatten, brachen am Aten Dezember alle unfere 
Truppen auf verſchiedenen Punkten in Holftein ein. Der General 
Boronzoff rücte über Bergedorf den Franzofen nah, General Walls 
moden nahm jeine Richtung gerade auf Dldeslohe, und der Marſchall 
Stedingk mit den Schweden die feinige auf Lübel. Durd das Zus 
rüdziehen der Franzoſen war die rechte Flanke der Dänen ganz ents 
bloßt und ihre Stelung bei Oldeslohe einen fo bedeutenden Heer 
gegenüber hoͤchſt gefährlich geworden; id warf mic fogleih mit meis 
nem Corps leichter Truppen über Trittau auf die Kommunikation des 
Feindes, drang in das Innere von Holſtein vor, und hob alle Bers 
bindung zwifhen Dänen und Franzofen auf. Nach einigen Gefechten 
mit den Dänen marſchirte ich weiter vor, während zugleich die Dänen, 
in Flanke und Rüden bedroht und angegriffen, ihren Rüdzug von 
Oldeslohe antraten und mich auf diefe Weife immer theils feitwärts, 
teils voraus Hatten. Ich fehte meinen Weg ohne Raft bei Tag und 
Nacht durch faſt unzugänglich geglaubte Gegenden trog alen Widers 
wärtigkeiten unaufhaltfam nach der Eider fort, fandte Bartheien nad 
Kiel und Ipehoe, entwaflnete den Landflurm, hob große Transporte 
und mehrere Kaffen auf, nahm eine Anzahl Pulverwagen und eine 
beträchtliche Anzahl Gefangene, in Igehoe unter anderen nad einem 
heftigen Angriff die Depots der feindlichen Kavallerie, und Fam ſchon 
am Sten December glüdlich an die Eider, die ih am folgenden Tage 
bei Friedrichoſtadt paffirte, worauf ih mich fogleih in Schleswig 
ausdehnte, und außer Friedrichstadt auch Tönningen und Hufum 
befeßte, wo ih an erfterem Orte drei und an letzterem fieben Kanonen 
nahm. Inzwiſchen hatte der General Woronzoff bei Wandsbeck die 
franzöfifche Kavallerie, bei der fih auch einige dänifche Schwadronen 
befanden, zufammengehauen, der Marſchall Stedingk Lübel durch 
Uebereinkunft befegt, und mit den Schweden am 7ten December bei 
Bornhoͤft die Dänen geſchlagen, der General Wallmoden aber über 
Oldeslohe den Feind Iehhaft verfolgt und von der Straße von Rendss 
burg feitwärts gegen Kiel gedrängt. Ich Hatte in Bramſtedt eine 
hoͤchſtwichtige Depefche des Königs von Dänemark an den Prinzen 
Friedrich von Heffen aufgefangen, worin biefem aufgetragen wird, 
alles anzuwenden, um einen Waffenſtillſtand zu Stande zu bringen, 
wo möglich mit Inbegriff des Marſchalls Davouſt, wenn dies nicht 
ginge, aber auch ohne denfelben; feit drei Monaten hätten die Frans 
zoſen ihre Zahlungen an Dänemark eingefellt, bei dem gänzlichen 

Stein’s Leben. IL 2te Aufl. 45 


706 


Mangel an Geld und Truppen fei es diefem unmöglich, einen Krieg 
fortzuführen, der bald in Jütland endigen würde, man müſſe daher 
vor allen Dingen Zeit für die Unterhandlungen gewinnen, die der 
Graf Bernftorff fogleih anknüpfen ſolle. Diefe Depeche, welche die 
ganze Schwäche des dänifhen Staats enthülte und von mir dem 
Kronprinzen überfhiet wurde, wäre immer zu fpät an den Prinzen 
Friedrich von Heflen gelangt, da in weniger als feche Tagen ganz 
Holftein fon erobert und der Krieg nah Schleswig geipielt war, 
worauf der König von Dänemark wohl nicht gerechnet hatte. Ich 
hatte meine Bartheien bereits in der Richtung von Tondern und 
Flensburg vorgefhidt und eine kühne Operation ſchien uns die noch 
Teihtere Eroberung von dem ganzen Herzogthum Schleswig zu vers 
ſprechen, als ein unangenehmer Vorfall plögfich meine ganze Aufmerk- 
ſamkeit nad meiner rechten Seite zog. Der General Dörnberg war 
naͤmlich zwifchen Kiel und Rendsburg ebenfalls über die Eider ges 
gangen und bis an den Wittenfee vorgerüdt, ald die Dänen ploͤßlich 
den günftigen Augenblick, da die Wallmodenſchen Zruppen getheilt 
waren, benußten, und von Kiel her den General Wallmoden, der mit 
den übrigen Truppen nachrückte, bei Schlädt unvermuthet mit ganzer 
Macht angriffen, und nach einem äußert hartnädigen Gefechte, worin 
auf jeder Seite der Verluſt mehr als taufend Mann beträgt, zurüds 
drängten. Die geringe Anzahl unferer Truppen und das nngünftige 
Terrain, das fie neben dem Feinde zu überwinden hatten, machen 
diefes Gefecht fehr ehrenvoll, und felbft die eine Kanone, welche vers 
Toren wurde, Tann als reichlich erfegt betrachtet werden durch fieben 
andere, die dem Zeinde Tags zuvor waren abgenommen worden, allein 
der Nachtheil des Ausgangs hatte nicht nur den Dänen die Straße 
nad Rendsburg frei gemacht, fondern auch den General-Dörnberg in 
eine bedenkliche Rage verfeßt, indem er eine Zeitlang ohne Berbin- 
dung mit dem General Wallmoden blieb, und von Rendsburg aus, 
wie auch von Schleswig her, wo inzwiſchen anfehnlihe Verklärung 
von den Infeln angefommen war, bedroht wurde. Unter diefen Ums 
fänden mußte ich mic) bereiten, den General Ddrnberg nöthigenfalls 
aufnehmen und ihm den Rüdzug über die Eider fihern zu fönnen, 
daher ich meine Truppen zufammenzog und gegen bie Stadt Schles⸗ 
wig vorrüdte, indem ich nur fehmächere Partheien nah Flensburg 
fandte, und eine andere bei dem Fort Vollerwiel, weldhes den Auss 
fluß der Eider beherrfcht und deshalb für uns von großer Wichtige 
teit war, fichen ließ. Die Angriffe auf diefes Fort hatten den er= 
wünſchteſten Erfolg, nach einer heftigen Beſchießung, zu welcher id 
die genommene Artiderie verwenden und durch Kofaden bedienen ließ, 


707 


ergab fi die Befagung durch Kapitulation, und 28 Stüde Geſchütz 
nebft großen Vorräthen an Pulver und anderen Kriegsbedürfniffen 
fielen in unfere Hände. Ich bereitete mich ſchon zu einem Angriff 
auf Schleswig, über deffen Räumung man dänifcher Seits angefangen 
hatte, mit mir zu unterhandeln, als die Nachricht von dem abge—⸗ 
ſchloſſenen Waffenſtillſtande allen ferneren Operationen Einhalt that. 
Die Bedingungen diefes Waffenftilftandes, welche Ew. Excellenz ſchon 
befannt fein werden, find für die Dänen fo ungünftig, daß man nicht 
glauben follte, eine Verlängerung derfelben fönne ihnen angenehm 
fein. Schon ift Zriedrihsort genommen, und Glüdftadt, welches jept 
heftig befchoffen wird, dürfte fi ſchwerlich fange halten. Allein die 
eingetretene Vermittlung Deſterreichs ſcheint den daͤniſchen Hof mit 
neuer Hoffnung erfüllt zu haben, die gleichwohl nicht fange beſtehen 
Tonnte. Ich theile Ew. Excellenz hierüber im Vertrauen das Wefents 
liche einiger Auftritte mit, von denen ich zufällig Zeuge war. Der 
Kronprinz hatte nach gefchloffenem Waffenftiliftande mich eingeladen 
in fein Hauptquartier nah Kiel zu fommen, um verfhiedene Ans 
gelegenheiten zu beſprechen; er bezeigte die größte Zufriedenheit über 
die glücklichen Ereigniffe, die meinen Zug begleitet hatten, und vers 
lieh mir das Kommandeurfreuz des Königl. ſchwediſchen Schwerts 
ordens. Im Begriff wieder abzureifen wurde ich zu dem Kronprinzen 
zurüdgerufen, der mich bei den Verhandlungen mit den eben im 
Hauptquartier angefommenen Unterhäudlern gegenwärtig wollte. Der 
dänifche Abgeordnete, Herr v. Burfe, begleitet von dem öſterreichiſchen 
Legationsrath Grafen Bombelles, fuchte eine Verlängerung des Waffen⸗ 
Filftandes an, um den unter öfterreichijher Vermittlung angefnüpften 
Friedensunterhandfungen größeren Spielraum zu geben, für alles 
Uebrige, wa der Kronprinz zur Sprade bringen wollte, hatten fie 
nicht die geringfte Vollmacht. Der Kronprinz war über die Bers 
zogerung der Entſcheidung der Hauptfahe höhft aufgebracht, und 
wollte anfangs nichts von dem verlängerten Stillftande hören, er 
drücte fih gegen die beiden Unterhändler in Gegenwart der fämmts 
lichen Minifter der Verbündeten mit vieler Kraft und Beftimmtheit 
aus, entwidelte die politifche und militairifche Lage Dänemarks, und 
zeigte wie thöricht es fei, von Verzögerungen etwas zu hoffen. Er 
berief fih auf die Traftate mit Rußland, Preußen und England, und 
auf die für Dänemark daraus hervorgehende unabänderliche Rothe 
wendigfeit der Abtretung an Land, ohne welche an einen Frieden 
nicht zu denken fei. Er zeigte, welchen Nachtheil die allgemeine Sache 
durch diefe Zögerung erleide, und wie fehr aus diefen der üble Wille 
des dänischen Rabinets hervorgehe, dem es felbft in diefem Augenblicke 
45% 





708 


der höchften Gefahr mit dem Frieden noch nicht rechter Ernſt fei; daß 
auch Defterreich bei diefer Vermittlung mit Hinterlit verfahre und 
gegen ihn eine falſche Rolle fpiele, gab er auf mehr ald Eine Weiſe 
zu verftehen. Der Kronprinz ging nachher gegen mid vollfommen 
mit der Sprache heraus, und befchuldigte Defterreich geradezu der 
Falſchheit, und der Abficht, ihn hier in den dänifhen Berwidlungen 
zurück und befhäftigt zu erhalten, damit er übrigens unthätig bleibe. 
Ingwifgen war der Herr von Burke mit dem Kanzler von Wetterſtedt 
zu einer Unterredung abgetreten, und der Kronprinz fuhr fort feine 
Beſchwerden in Gegenwart der Minifter mit Wärme vorzutragen, und 
weder der Graf Bombelles noch der General Vincent waren im Stande 
die Vorwürfe, die auf Oeſterreich fielen, gehörig mit Gründen zu 
widerlegen. Der Kronprinz fagte unter anderen, er vertraue gamz 
der Denkungsart des Kaifers Alegander, der Gefinnung des Königs 
von Preußen und Großbritanniens, es würde ihn fehr ſchmerzen, in 
dem öfterreihifchen Kabinet Abfichten vorausfeßen zu müſſen, die von 
denen ber anderen Verbündeten abwichen. „Aber, fügte er mit nach⸗ 
drudsvoller Bewegung hinzu, was aud immer die Abfiht der Ka⸗ 
binetter fein möge, ich erkläre Ihnen und betheuere bei meiner Ehre, 
dag Rapoleon nicht in Frankreich herrſchen wird, und eben fo wenig 
der König von Rom! Man glaubt vielleicht, daß ih dahin ſtrebe, 
aber nein, ich blide nicht fo hoch hinauf, das Volk wird die Wahl 
unter denjenigen treffen, die dazu würdig find, und felber den wählen, 
dem es feine Wohlfahrt vertrauen will!" Der Kronprinz fuhr hierauf 
fort, gegen die Dänen heftig zu fpredhen, und befragte mid um mein 
Urtheil als Militär über die zu bewilligende Verlängerung des Waffen» 
ſtillſtandes; ich Tonnte als Militär nicht anders ald dagegen ſprechen, 
und fügte Hinzu, daß fie auf feine Weife anders als unter der Bes 
dingung gefchloffen werben Lönnte, daß die Dänen feine Truppen von 
den Infeln auf das fehle Land überfepten. Rad) langem Widerſtreben 
bewilligte endlich der Kronprinz auf die dringenden Bitten des Ges 
nerald Vincent und des Grafen Bombelles die Verlängerung bis zum 
6ten Januar. Schon nähert auch diefe Friſt fh ihrem Ende, und 
noch ſcheint in der Lage der Dinge nichts entfchieden zu fein. Die 
dänifche Regierung ſcheint in der That nicht ernfllih zu Werke zu 
sehen, fondern für den Fall des erneuerten Krieges thörichte Hoffe 
nungen zu nähren, für weiche fie nur erft Beit gewinnen will. IR 
dies wirklich der Fall, wie ich nach manderlei Angaben glauben muß, 
fo iR ihr Untergang gewiß, und in wenigen Tagen das ganze Land 
erobert, mit Ausſchluß der Infeln, die vieleicht die wachfende innere 
Gaͤhrung in unfere Hände Liefert. Schon if Defterreih, durch die 


709 


Entfäiedenheit des Kronprinzen bewogen, zurüdgetreten, der Graf 
Bombelles desavouirt, und vieleiht die ganze Bermittlung nahe 
daran, zurüdgenommen zu werden. Der Kronprinz dagegen findet ſich 
in diefem Augenblid mehr als je durch Schweden geftügt, die Nation 
bewilligt ihm Geld und Truppen foviel fie vermag, und if entfchloffen, 
ihren Krieg gegen Dänemark für fih allein und ganz mit eigenen 
Kräften zu führen; als davon die Rede war, daß der Kronprinz jet 
bald die Armee über den Rhein führen, aber nur fehr wenige Schwes 
den mitnehmen würde um nicht-diefe Truppen zu fehr zu erſchoͤpfen, 
haben alle betheuert, es würde eine Kränkung für Schweden fein, 
wenn er nicht alle in Deutſchland gelandeten Truppen mit über den 
Rhein nähme, wohin ihm zu folgen ihre Ehre und Freude fei. Diefe 
dem Kronprinzen ungemein erwünfchten Vorgänge weiß ich durch vers 
traute Mittheilungen aus dem Hauptquartier, daher ih Ew. Excellenz 
erſuche, bei etwaniger fernerer Mittheilung derfelben meinen Ramen 
nicht zu nennen. 

Was die mid perfönlih betreffenden Angelegenheiten betrifft, 
über welche Herr Perthes mit Em. Ercellenz geſprochen hat, fo vers 
laſſe ich mich darin mit vollem Bertrauen auf die wohlwollende Ges 
finnung, welche Em. Egcellenz mir immer bezeigt haben, und die auch 
diesmal fiher mein Beftes wahrnehmen wird. Nur werden Ew. Excel⸗ 
lenz mir verzeihen, wenn ich, bei der leicht vorhandenen Möglichfeit, 
daß die Verhältniffe im nächſten Augenblicke ſich verändern und dann 
jede Bemühung zu fpät fein Tönnte, die möglichſte Beſchleunigung 
diefer Angelegenheit Em. Ezrellenz dringend an's Herz lege! 

Nach dem Beifpiele von Hamburg hat aud die Stadt Bremen 
mir ihr Bürgerrecht verliehen; eine anfehnlihe Summe, mit welder 
man daffelbe, um mi in Stand zu fepen durch Anfauf dafelbft auch 
Eigenthümer zu werden, begleiten wollte, ſchlug ih aus, um nicht 
den Leuten Gelegenheit zu geben, durch ihre mißbilligenden Reden, 
wie damals über die Annahme des Geſchenks von der Stadt Hams 
burg, das Gefühl des Unwillens, den ih empfinden mußte und den 
dergleichen nicht werth ift, zu erneuern. Gleichwohl ift das Bürger 
recht ohne Grundeigenthum gewiffermaßen unvoAftändig; in der Stadt 
befinden fi mehrere Häufer, die Eigenthum der franzöfifchen Regier 
tung waren, befonders eines, wo ſich die Regie befand, deffen Befig 
mir fehr wünſchenswerth wäre; wenn Ew. Excellenz die Verfügung 
darüber treffen wollten, fo Fönnte ich ohne weiteres mich in Beſitz 
davon feßen, da die Sache weiter feinen Anftand hat. 

Ich empfehle Em. Excellenz auf das allerbefte den Ueberbringer 
diefes Schreibens, den preußifchen Rittmeifter von Bismark, der als 

— 


10 


ein ſehr braver und ausgezeichneter Offizier dieſe ganze Beit hindurch 
bei mir den Feldzug mitgemacht, und fehr vorzügliche Dienfte geleiftet 
hat. Er wünfht aus manderlei Gründen den preußifchen Dienſt 
mit dem rufflihen zu vertaufchen, und wird Gefuc deshalb, weldes 
ich mir beftens zu unterftügen angelegen fein laſſe, felbt anbringen; 
ih bin fo frei Ew. Excellenz gütiges Wohlwollen und Verwenden für 
diefen Offizier um fo mehr in Anfpruch zu nehmen, als id; überzeugt 
bin, daß er beffelben aud von Ew. Exeellenz bei längerem Kennen 
vollfommen würdig befunden werden müßte. 
Empfangen Ew. Extellenz die Berfiherungen ber ausgezeichnetften 
OHochachtung und Ergebenheit, mit denen ich die Ehre habe zu verharren 
Ew. Egeellenz 
sehorfamfer Diener 
Tettenborn. 
ZTönningen den 2ten Januar 1814. 


LI. 
General v. Phull an Stein, 


Ew. Excellenz habe ich die Ehre die Abfchrift eines von ©. M. 
dem Kaifer Alegander vor einigen Tagen erhaltenen Schreibens mit« 
zutheilen, in der Ueberzeugung, daß Hochdiefelben an allem, was mid, 
betrifft, geneigten Antheil nehmen. Das Schreiben hat mir ein 
größeres Vergnügen gewährt, als der Orden, hauptſächlich des Kaijers 
wegen, von deſſen Großmuth und edler Denkungsart es zeugt. Ich 
darf es nur denjenigen zeigen, welchen meine traurige Geſchichte bes 
Tannt ift, um nicht das Anfehen zu haben, als wollte ih mid mit 
meinen geringen Verdienften brüſten und über andere erheben. Mir 
thut es recht von Herzen leid, daß id nichts habe leiſten können. 
Mit der größten Bereitwilligkeit würde ich mich zu jedem Gefdäft 
hingeben, zu welchem man mid) tauglich glaubt. Am liebften würde 
id ein Corps commandiren. Hier ift für mich nichts zu machen. 
Holland ift ein von allen Kriegsbebürfniffen entblößtes Land. Die 
fremden Truppen, welche gierig die Brofamen auffuchen, die von des 
reihen Mannes Tifche gefallen find, erlauben ihm nicht, ſich etwas zu 
erholen. Glügt die Operation durch die Schweiz, fo werden die 


au 


Sachen auf fange Zeit abgethan feyn. Mißglüct aber die Operation, 
fo haben wir vielleicht noch Einen, vorzüglih in den Niederlanden 
fehr lebhaften Feldzug. 

Ich bin gänzlich wieberbergefteflt, mehr bei Kräften, ale ih es 
in Wilna gewefen bin; td) verdanfe dies weniger dem Arzt als beis 
nahe ganz allein der vortrefflichen Pflege und Sorgfalt meiner Frau. 

Ew. Extellenz Gewogenheit mid beftens empfehlend habe ich die 
Ehre mit ehrfurchtsvoller Hochachtung zu verharren 

Euer Exeellenz 
unterthäniger Diener 
Phull. 
Haag den 24ſten Januar 1814. 


Copie de la lettre de S.M. I. !’Empereur Alexandre 
au Lieutenant Göneral de Phull. 


Des bords de la Moscwa arrive a ceux du Rhin je crois 
m’aequiter d’un devoir en Vous adressant, General, ces lignes. 
Si j’ai acquis quelque connoissance dans le metier de la guerre, 
c’est à Vous seul, que j’en dois les principes. — Mais je Vous 
dois plus encore: c’est Vous, qui avez congu le plan, qui arec 
raide de la providence a eu pour suite le Salut de la Russie et 
pour resultat celui de l’Europe. Recevez donc, General, le tribut 
d’une reconnaissance, qui Vous est due à si juste titre. — Je 
joins iei les marques de l’Ordre de St. Wladimir de la premiere 
Classe, dont,je Vous prie de Vous decorer. Je n’ai pas besoin 
d’y ajouter, que Vos desirs sur la pension pour Madame Votre 
epouse ont &t& remplis à Pinstant möme apres la reception de 
Votre lettre. L’activit& de la campagne m’a empeche de Vous 
en donner avis plustot. Je Vous reitere, General, l’assurance de 
tout Vattachement et de toute l’estime, que je Vous porte. 

Alexandre. 


30. Novembre 
Franefort s. M. ce 75 Decembre 1813. 





212 


LIV. 


1. König Friedrich Auguft an den Kaifer 
Alerander. 


Monsieur mon Frere, 

Votre Majeste Imperiale sera sans doute informee, que jai 
envoy& mon Chambellan d’Uechtritz à Dresde pour y communiquer 
au Prince Repnin les considerations qui ont trait aux moyens 
pecuniaires necessaires A mon entretien et au sort de ceux de 
mes serviteurs qui ont jusqu’ici rempli des places diplomatiques 
pres des Cours étrangères. Votre Majeste Imperiale n’aura pas 
meconnu en cela la confiance avec laquelle je m’abandonne en- 
tiörement aux dispositions des trois Cours Allides, et Elles recon- 
noitront sans doute le sacrifice que je fais en suspendant mes 
relations directes avec des Cours, qui n’ont cesse de me temoigner 
de l'intert., Parmi mes ministres dans l’etranger il en est um, 
sur la position politique duquel j’appelle attention particuliere 
de Votre Majeste Imperiale et de ses Allies: c’est celle de mon 
Envoy& en France le Baron de Just. Je crois analogue aux cir- 
constances qu’il termine ses fonctions au plutot. Mais comme 
je mai aucun moyen direct à ma disposition pour faire parvenir 
ma volonté à sa connoissance, et que le retranchement de son 
traitement seul n’engagera probablement ni lui ni l’Empereur 
Napoleon de considerer ses fonctions ministerielles comme ter- 
mindes: je demande & Votre Majeste Iınperiale de me faire con- 
noitre Ses intentions et celles de Ses Allies sous ce rapport, et 
joffre de lui adresser sans delai l’ordre de son rappel, que pour 
@tre assurd de le lui voir parvenir, je ferai adresser au Quartier 
‚general de Votre Majeste Imperiale. 

Un autre objet que mon Chambellan d’Uechtritz doit com- 
muniquer au Prince Repnin, est le sort de la forteresse de 
Koenigstein. Votre Majest€ Imperiale n’ignore pas le contenu 
de la convention conclue entre le commandant General de 
Warnsdorf et le General de Bubna, en consequence de laquelle 
cette place à conserve une garnison independante d’une autre 
volonte que de la mienne. Votre Majeste Imperiale et Ses Allies 
trouveront dans la proposition de mettre la forteresse, avec tous 
les effets militaires, sous Leurs ordres, en ne me reserrant que 
les autres effets qui y sont deposes, une preuve de ma confiance 








13 


illimitdee et de mon devouement. Votre Majeste ‚Imperiale et 
Leurs Majeste l’Empereur d’Autriche et le Roi de Prusse trouve- 
ront, j’espere, dans ces deux propositions la franchisse et la 
loyaute, que je ne cesserai de suivre dans toute ma marche, 
Sans m’etendre d’avantage sur cet objet je T’abandonne à l’ap- 
preciation du coeur genereax de Votre Majeste Imperiale et je 
saisis avec empressement l’occasion de lui renouveller l’espression, 
de la sincere amitie et du derouement inviolable avec lesquels 
je suis & jamais, 
Monsieur mon Frere, 
de Votre Majeste Imperiale 
le bon frere 
Frederic Auguste. 





& Berlin, le 8. Janvier 1814. 


2. Fürſt Repnin an Stein, 


Monsieur le Baron. 

Je prie Votre Excellence de presenter à S. M. l’Empereur 
la lettre ci-jointe du Roi de Saxe. Je suis informe qu'elle 
concerne le rappel de M. de Just de Paris, et la proposition de 
mettre la forteresse de Koenigstein à la disposition de mon 
Auguste Maltre. Je connols d’une maniere authentique, mais 
secrete, les conditions auxquelles le Roi voudroit ceder cette 
place: et je ne manque pas de joindre ici une traduction des 
articles qui les renferment. Entre autres objets M. d’Uechtritz 
m’a parl& de cette affaire. Je n'ai pu m’empöcher de lui observer 
que la position actuelle du Roi ne le mettoit pas dans le cas de 
negocier: et je crois d’ailleurs une pareille \negociation d’autant 
moins à sa place, que le commandant de la forteresse, de son 
propre chef, se montre trös-dispose à m’accorder ce que je lui 
demande, m’a dejä c&de plusieurs objets importants, et reconnoit 
ouvertement les droits de S. M. l’Empereur. 

Agreez l’assurance renourellde de la haute consideration avec 
laquelle je ruis sans cesse 

de Votre Excellence 
le tr&s humble 
et tr&s oheissant serviteur 
Prince Repnin. 





Dresde = Janvier 1814. 


114 


1. La forteresse reste confide à une garnison saxoane, sous 
un commandant saxon, et est conserree en bon etat. 

2. Tous les canons, armes, munitions, approvisionnements 
appartenant à la forteresse, y restent. 

3. Le reste peut &tre livr€ pour le service de l’arınde mobile 
saxonne. - 

4. Mais ce qui n'est pas compris sous 2 et 3 est considere 
comıne propriet& particuliere et y reste & la disposition du Roi. 

5. A la paix la forteresse est rendue dans son etat d’au- 
jourd’hui, constate par des commissaires. 


3. Stein an den Kaiſer Alerander. 


Sire. 

Le Gouverneur General Prince Repnin m’envoie la lettre cy 
jointe du Roi de Saxe, par la quelle il offre de remettre la for- 
teresse de Koenigstein sous certaines conditions, qui d’apres 
Yopinion tr&s fondee du Prince ne meritent aucune attention. 

Daignes agreer Sire Phommage de la soumission respectueuse 
avec la quelle j’ai ’honneur d’ätre 

De Votre Majeste Imperiale 
le tr&s humble 
et tr&s obeissant serviteur 
Ch. Stein. 
Troyes le 9. de Fevrier 1814. 


LV. 
Stein über die Verwaltung von Paris. 


L’administration civile et militaire de Paris se partage entre 

le Gouverneur militaire commandant et son Etat Major, entre 

le Prefet du Departement de la Seine et dependances, et le 
Prefet de la Police. 


Les attributions du Gouverneur et Commandant se rapor- 
tent a la ınanutention de l’ordre militaire; il seroit a desirer qu'on 
nommat pour Gouverneur un General Russe et des Comandants 
des autres puissances Allies. 





115 


Les fonctions du Prefet du Departement se raporten aux 
fetes publiques, Vordre general, les Contributions, les Domaines 
nationaux, l’instruction publique, Hospices Secours Prisons, tra- 
vaux public. — 

Les fonctions pourront, rester entre les mains des bureaux 
constitues et de personnes choisies dans le conseil de prefecture, 
et ils seront rendus dependants du departement central ou du 
Chef de la Police selon la nature des affaires. 

Il faudra preposer au Conseil de Prefecture de la Police et a 
ses Bureaux un Chef de Police entendu, vigilant, et connoissant 
cette branche d’administration; peut etre que V. M. I. pensera au 
General Balascheff. 

D’apres le tableau de distribution des Gourernements que 
jai eu l'honneur de remettre anterieurement à Votre Majeste 
Imperiale les Gouvernements 

I. de Marne, Seine et Marne, Aisne et Ardennes, 
et Il. celui de Seine et Oise, Oise, Eure et Loire 
seroient A sa nomination. — | 

Je supplie Votre Majeste Inperiale de vouloir porter son 
attention à la nomination des places cy dessus mentionndes, et 
de permettre que je rappelle a sa memoire les noms des Gene- 
raux Prince Pierre Wolkonsky, Kutusoff, Konownitzin, Czernicheff, 
Woronzofl. — 

Avec la prise de Paris je considere la guerre comme terminee. 

Stein. 





LVI. 


Blücher an den Kaifer Alexander. - 
aus dem lithographirten Zacfimife der K. Bibliothek. 


Der obriſt von Grollman bringt mich die nachricht dag die 
haupht armee eine Rüdgengige bewegung machen wird, ich halte mich 
verplichtet Euer Keiferlige Magiftedt die unvermeidligen nachtheilligen 
vollgen davon, aller untertänigft vor zu flellen. 

1) die gantze francöifche Nation trit unter den waffen, der theil 
fo fi vor der guten fache geaüffert ift unglüdlig. 

2) unſte Gigreihe armee wird muhtloß. 

3) wihr gehen durch rüdgengie bewegung in gegenden, wo unfre 
Truppen durch mangell feiden werden, die einwohner werden durch 
den verluf des letzten waß fie noch haben zur verzweifflung gebracht 


is 

4) der Keifer von Frandreich wird ſich von feine beſtürtzung 
worin er durch unfer vorbringen, erholen und feine nation wider 
vor ſich gewinnen. 

Euer Keißerlige Mageftebt danke ih aller untertänigk daß fie 
mid) eine offensive zu beginnen erlaubt haben ich darff mich alles 
guhte da von verfprechen wen fie gnedigf zu beftimmen geruhen, daß 
die Generalle von Winzngrode und v. Bülow mein anfordrung 
genügen müffen, in diefer verbindung werde ih auf Parif vordringen 
ich Scheüe fo wenig Keißer Napoleon wie feine Marſchelle wen fe 
mid) entgegen träten, erlauben Euer Keiferlige Mageſtedt die vers 
fiherung, daß ich mic glüclig Schepen werde an der fpipe der mich 
anvertrauten armees Euer Keiferligen Mageftedt befähle und wünſche 
zu erfüllen G. v. Blücher. 

Merry den 22ten Februar 1814. 


LVII. 


Kurheffifher Miniſter v. Schmerfeld an Stein 
und deſſen Antwort. 


Oochwohlgeborner Freyherr 
Oochzuverehrender Herr Staats⸗Miniſter! 

Verzeihen Ew. Ercellenz, wenn ich mir hierdurch eine gehorfampte 
Anfrage erlaube. 

Sr. Kurfürklihen Durdlaucht von Heffen find während der 
feindlichen Occupation Ihrer Lande verfchiedene Lehne heimgefallen. 

Ueberzeugt, daß es HöchftDenenfelben zum großen Vergnügen 
gereichen würde, Ew. Excellenz unter der Zahl der Heffifchen Ritters 
ſchaft glänzen zu fehen, wage ich es, um gefällige Nachricht zu bitten, 
ob mein gnädigfter Herr ſich fehmeicheln dürfe, diefen Wunſch erfüllt 
zu fehen? 

Sollten Ew. Ereellenz eine Alodification vorziehen, fo würde 
auch diefe nicht dem kleinſten Anſtand unterliegen, fo wie überhaupt 
Se. Kurfürftlihe Durchlaucht nichts angelegentliher wünſchen, als 
Denenfelben bey jeder Gelegenheit Ihre aufrichtigfte Hochachtung an 
den Tag legen zu können. 


N 


217 


Sehr glücktich würde ich mich fhägen, wenn Cw. Exeellenz mi 
mit einer bejahenden Antwort beehren und mir erlauben wollten, das 
nähere über die jet disponiblen Lehne zur gefälligen Auswahl mits 
teilen zu dürfen. Mit dem größten Vergnügen werde ich alsdann 
alles weitere augenblicklich beforgen. 

Indem ich zugleich die Nachricht hinzufüge, daß wegen Herflellung 
des Stifts Wallenflein alles nöthige bereits beforgt, und darüber 
eine befondere Urkunde ausgefertigt worden, bitte ich, die Berfiherung 
derjenigen unbegrenzten Verehrung zu genehmigen, mit welcher ich zu 
beharren die Ehre Habe 

Ew. Egeellenz 
ganz gehorfamfter Diener 
©. v. Schmerfeld, 
Kurheſſiſcher Juſtiz ⸗Miniſter. 
Caſſel den 28ſten Februar 1814. 


Antwort. 

Erlauben mir gleich meine Verhältniſſe nicht von dem gnaͤdigen 
Anerbieten Sr. Churfürſtlichen Durchlaucht für mich Gebrauch zu 
machen, fo nehme ich mir doch die Freiheit mich bei Höchſtdenenſelben 
für einen meiner Freunde zu verwenden, den braven General von 
Dörnberg, der fo vieles aufgeopfert gewagt und gelitten hat für feinen 
angeſtammten Fürften, fein Baterland und die gute Sache. 

Em. Excellenz würden mich fehr verpflihten, wenn fie mid von 
ter Gewährung meiner Bitte zu benachrichtigen die Güte hätten, 
und zugleihen Sr. Churfürſtlichen Durchlaucht meine ehrfurchtsvolle 
Dankbarkeit und treue Ergebenheit verfiherten. — Für den thätigen 
Antheil welchen Ew. Ercellenz an der Wiederherfiellung des Stifts 
Wallenſtein genommen haben, danfe auch ich ihnen auf das lebhafteſte. 

Empfangen Ew. Ereellenz x. 

Stein. 


Ti8s 


LVIIL 


Stein an den Grofherzog von Baden. 
[Antwort auf deffen Schreiben vom 20ſten Februar 1814.) 


Die Darftellung welche das höchſtverehrliche Schreiten E. 8.9. 
enthält, beweißt auf eine überzeugende Art, daß Hoͤchſtdieſelben die 
träftigftien Maaßregeln zur Erfüllung der Tractatenmäßigen Berbinds 
lichteiten und zur Vertheidigung des Deutfhen Baterlandes ergriffen 
haben. Es wäre allerdings zu wünfden geweſen, daß des Herrn 
Markgrafen Ludwigs Hochfürſtliche Durchlaucht fich beſtimmt über die 
Annahme des Oberbefehls erklärt haben mögten, da fein Rahme und 
feine verwandtſchaftlichen Berhältniffe zu E. K. H. wohlthätig auf den 
Geiſt des Volles würden gewirkt haben. 

Die Mittheilung des Edifts wegen des Landflurms darf ih wohl 
von Hochdero Minifterium des Innern erwarten. Mit der voll 
tommenften Ehrfurcht verbleibe ih zc. 

. Stein. 


LIX. 


Steins Denkſchrift über Deutſchlands Fünftige 
Berfaffung. Chaumont 1814 März 10. 


Les Puissances Alliees sont convenues dans leur tr#ft que 
YAllemagne seroit un Corps politique federatif. 

1 est donc indispensable de s’occuper de organisation de 
ce corps, de fixer les raports des parties qui le composent, les 
droits qu’on lui attrihue, les obligations qu'il contracte, et de 
convenir sur l’organisation interieure de ces parties integrantes 
meme. — 

il resulte de la une constitution generale pour le Corps 
politique, et une particuli@re pour les états qui le forment. _ 

Les Etats de l’Allemagne sont tenı a se soumetire aux mo- 
difications de leurs souverainete % que la constitution exigerz, 
puisqu’ils ont, ou contract cette obligation dans leurs traite 
d’admission, ou que ce ne sera qu’ä cette condition que les puis- 
sances allides leurs guarantiront leur existence politique. 


1) d’ailleurs usurp6e hier zugefeßt, fodann autgeſtrichen. Goucent. 


719 


Tout Corps politique federatif suppose une assemblee 
des etats qui le composent, ou une diète qui ‚statue sur les 
interets politiques, sur sa legislation interieure, sur ses institu- 
tions’ eiviles et militaires, 

et un directoire une magistrature qui dirige l’assemblee, qui 
veille ä l’execution de ses conclusions, ä la conservation de ses 
institutions, sociales, politiques, judiciaires, ou militaires®, 

Le developement de ces idees apartient a l’acte constitu- 
tionel, sa redaction doit &tre l’ohjet du travail d’une Commission 
particuliere, il suffit d’indiquer iei les idees elementaires sur les- 
quels il doit &tre base. 

Le Directoire ne peut @tre choisi que parıni? les membres 
les plus puissants de la federation, comme il doit avoir une force 
suffisante pour l’impulsion de l’action, le ınaintien de l’Ordre. 
On ne peut done le confier en Allemagne qu'a l’Autriche, la 
Prusse, la Baviere, et l'Hanovre. 

Ses attributions essentielles sont la Direction de la diete, 
Vexecution de ses loix, la surveillance sur les institutions, sur le 
maintien des raports avec les puissances etrangöres, sur ceux qui 

' sont fixes entre les etats de la federation et entre les Princes 
et les Sujets. 

N lui seroit delegue le droit de faire la guerre et la paix, 
au nom de la federation, et toutes les consequences qui en de- 
coulent. 

. La di&te se composeroit des deputes des Princes et de 
ceux des Villes Anseatiques, auxquels“ on ajouteroit pour avoir 
une representation plus egale des deputds des etats provinciaux. 

Ces deputds n’auroient point de charactere diplomatique ‘, 
ils ne seroient point mandataires, et seront renouvellds periodique- 
ment tous les 5 Ans, par’ Y, chaque annee. 

La diete ne seroit assemblee que pour six semaines annuelle- 
ment. 

Ses attributions seroient, la legislation federative, les im- 
pots pour les besoins de la federation, la decision des contro- 





1) 2) inst. civiles et militaires, verändert in: iudiciaires, mili- 
taires, politiques, administratives; dagegen fit pol. iud. 
ou militaires am Ente diejer Ceite weggefallen. Goucept. 

3) par Goncept. 

4) auxquelles im Concept. 

5) died Wort von Steins eigner Hand, es ſtand früher representatif, 
welches das Goncept ebenfalls hat. 


29 


verses entre les etats federatifs et entre les princes et leurs sujets, 
elle nomme un comitd qui les decide, et les fait executer. 

Les institutions militaires formees en Allemagne, le nombre 
fixe de troupes de ligne, la Landwehr, le Landsturm, seront con- 
serves, sous les modifications que l’etat de paix exige, 

Le Directoire veillera à leurs maintien par les rerues etc, 
de meme qu’aux places frontieres. 

Les recettes' mises a la disposition du Directoire sont les 
douanes du Rhin, les douanes à etahlir le long de la frontiere, 
et la cote — les impots extraordinaires que la diete accordera. 

Les douanes interieures, les prohibitions de marchandises 
entre les differents etats de la federation seront aholies. 

Dans chaque Etat de la federation seront forınds des Etats 
provinciaux, qui s’assembleront annuellement pour voter sur 
les loix provinciales, sur les impots destines pour l’entretien de 
Y’Administration. 

Les Domaines seront affectes à l’entretien de la maison da 
prince, les impots aux objets mentionnes. 

Les princes et Comtes et la nohlesse mediatises feront par- 
tie des Etats — il leurs seront attribuds les droits de Standes- 
herren. 

Tout homme ne peut &tre juge que par ses juges naturels: 
ne peut ätre detenu plus de 48 heures sans leurs &tre 
presente pour qu’ils decident sur les causes de son ar- 
restation — 
tout homme a le droit d’einigrer, 
de choisir le Service civil ou militaire de l’Allemagne 
qui lui convient, 
tout homme et toute corporation a le droit de faire im- 
primer les griefs contre l’autorite?. 

Il sera etabli un comite pour rediger un plan de constitution 

pour la federation germanique, qui sera compose 
du Baron de Humboldt, du Comte Solms-Laubach, de 
Mr. de Rademacher, comme raporteur des affaires Alle- 
mandes, ou du Baron de Spiegel qui en possede une 
parfaite connaissance. 


1) erft impota mis; 

2) la propriet6 des ouvrages de la lilterature et des arts est 
guarantie aux auteurs, la contrefaction deffendue et punie. 
Zufag im Concept von Steind Hand. 


721 


Le Plan etant forme, les Puissances assembleront les Envoies 
des Princes Allemands pour signer l’acte constitutionel, le Directoire 
se chargera de son execution de la convocation de la diete ete. 

[eigenhändig] Ch. de Stein. 


LX. 
Depeche à l’Ambassadeur de Russie Comte Lieven. 


26. Ferrier 
10. Mars 1814. 


J'ai port & la connaissance de S. M. l’Empereur la depeche 


Chaumont 


de V. E. 4%: Janrier eontenant les communications confidentielles 


qui lai ont été faites par S. A, R. le Prince Regent et par Lord 
Liverpool sur le desir de voir Napoleon expulse du trone de 
France et la Dynastie des Bourbons retablie dans ses anciens droits. 

La grandeur de l’objet et les avantages immenses que le 
monde auroit retire d’un pareil &venement, avoient deja fixe Pat- 
tention de S. M. et V. E. verra par le precis historique que je 
vais lui tracer, tout ce qui s’est pass& depuis l’entree des Allies 
en France. 

La superiorite comparative des moyens militaires des Coalises, 
les dispositions favorables ou passives du peuple francais, la 
r&pugnance extreme que la nation avait montre contre l’armement 
general propose par son gouvernement, avoient decidé S. M. à 
eontinuer la’ guerre avec rigueur, à marcher contre P’armde de 
Napoleon quelque part qu'elle se fut trouvée, et A pendtrer jus- 
qu'à Paris; les ressources militaires justifiaient cette grande 
entreprise. 

8. M. pensoit avee raison que la presence des alliés dans 
la Capitale pouvoit seule les mettre dans la situation d’annoncer 
leurs desseins sur Pexistence politique du chef actuel de la France, 
sans compromettre ni leur dignite ni leurs interets; il aurait alors 
ete facile de mieux juger les intentions veritables de la Nation, 
de lassocier au plan de retablissement de la monarchie legitime, 
elle montrait des dispositions favorables à ce changement; et de 

Stein’s Leben. IM. 2te Aufl. 46 


detruire ainsi radicalement le mal present, et les inquietudes sur 
Vavenir. Dans le cas oü des difficultes insurmontables se seroient 
opposdes, la continvation de ia guerre et l’occupation de Paris 
auroient port& un coup mortel ä la reputation et aux ressources 
militaires de l’ennemi, et la paix avec lui, place ainsi dans une 
situation presque desesperde, n’en auroit dt€ que plus honorable 
et plus avantageuse pour les Allies. 

Fels etoient Mr. le Comte les sentiments de S. M. au mo- 
ment de son entree en France,.les autres Cours ne les parta- 
goient point entierement, et cette difference d’opinion produisoit 
dans la marche des affaires militäires des lenteurs qui ne pou- 
voient qu’tre nuisibles. 

Ardives & Langtes les Souverains se consulterent de nou- 
veau entre eux sur la conduite & tenir. — V. E. verra par la 
copie du protocole cy-joint les resolutions qui furent prises en 
cette occasion. Te fut igi, à cette &poque, que Lord Castlereagh 
joignit le quartier-general de S. M. — Dans les differentes dis- 
cussions qui preoederent la reanion des plenipotentiaires a Cha- 
tillon, ce ministre se declara pour une negociation immediate avec 
Napoleon, informe du plan de S. M. il crut devoir le combattre, 
et le poids de son opinion aupr&s des autres allies, n’a pu man- 
quer de contribuer efficacement à l’ouverture, et au charactere 
actuel des negociations de Chatillon. — En attendaat que l’on 
deliberoit à Langres, Napoleon avoit repris l'offensive, le General 
Blücher avoit da soutenir un combat inegal, 8. M. accourut arec 
la grande reserve et toutes les mesures furent prises pour com- 
battre l’ennemi. La journee de Brienne a ete brillante. — Une 
poursuite plus vive auroit desorganise completement l’armde battue, 
on lui laissa le tems de se reporter sur Treyes presque sans 
&tre molestee, et de se placer entre la Seine et la Marme oa 
elle eut des renforts et des ressources neuvelles, par l’impos- 
sibilit6 oß on a'est trouve d’imprimer „plus d’activite à letet 
major du Prince Schwarzenberg.” Le quartier general des allies 
se transfera à Troyen TIER cr mu für dans cette ville que 
la depeche de V. E. me parvint. — En recevant un temoignage 
aussi explicite des sentiments et des vues de S. A. R. le Prince 
Regent en les voiant aussi conformes à son propre plan, S. M. 
ne pouvoit regarder cette ouverture confidentielle, que comme 
une grande raison de plus pour persister dans sa resolution pri- 
mitive; elle consistoit dans la necessite de conserver la superiorite 


723 


militaire, de comhattre sans relache l’armee francaise, de Pobliger 
& nous abandonner Paris et de ne donner aux negotiations 
de Chatillon qu’une attention secondaire. — Une proposition 
Warmistice faite le 10. Fevrier par le Duc de Vicence, dans une 
lettre semi-officielle au Prince Metternich, sans en aroir instruit 
les plenipotentiaires A Chatillon, donna lieu à de nouvelles dis- 
cussions, V. E. verra par les copies cy-Jointes l’opinion &mise 
par Lord Castlereagh et la reponse que 8. M. a ordonne A com- 
ınuniquer aux Allies, „Elle deplore virement que Lord Castlereagh 
en ahondant à cette occasion dans le sens du eahinet Autrichien, 
par une suite de ses dispositons conciliatrices, ale contribue A 
ralentir In marehe des operations militaires, aur lesquelles les 
echecs dus à l'imprudence à larmede du M. Blücher qui avoit 
trop dissemind son corps, produisirent egalement un effet facheux, 
en augmentant la lenteur et les hesitations des Autrichiens.” 
Malgre l'influence de tant de diseussions 8. M. avoit enfin 
deeide le Prince Schwarzenberg à se porter de deux marches 
en avant, et pour mieux soutenir ce mouvement offensif pendant 
que Napoleon effectuoit le sien contre le M. Blücher, elle se 





tränsfera de sa personne A Pont sur Seine 77: Fevrier. Ce füt 
IA qu'on Lui soumit un projet de trait preliminaire, destine à 
@tre present immediatement à Chatillon comme ultimatum. 
„L’Empereur aprit au meme tems les nouveaux combats desavan- 
tageux qu’essuierent les corps partiels du Marechal Blücher.” 
„Nayant d’antre but que celui du bien general” et fidtle au prin- 
cipe qui avolt &t6 adopte de subordenner les negoeiations & la 
marche des jerments militaires, il consentit A „se preter aux 
instances des allies, et le projet fut agree.” — La proxünite des 
armees et la certitude que Napoleon ne visoit qu’ä ameliorer sa 
position par des suecäs militaires sans se laisser arräter par mos 
demarches pacifiques, determinerent 8.M. à souteair le mouvement 
offensif qui aroit Eid commenee; le quartier general se porta par 
consequent à Bray et les avant corps à Provins Damarins et 
Montereau „alors toutes les comsiderations strategiques comseille- 
rent de eoncentrer toutes nos forces sur Provias et d’operer wir 
geureusement dans le dos de l’ennemi pour produire une diver- 
sion faverable au Marechal Blücher, mais B. M. I. ne peut y 
determiner le Prince Schwarzenberg, et le moment favorable une 
fois manque „l’ennemi s’avance avec toutes les forces et brusqua 
nos avant-guardes exposees de l’autre coté de la Beine.“ Placd 
46 * 








124 


dans Yalternative de se retirer ou de les soutenir, le Prince 
Schwarzenberg se decida pour le premier parti; cependant 
n’aiant renonce A l'intention d’en venir à une bataille generale, 
on donna ordre au Marechal Blücher de marcher par sa gauche, 
et de venir se joindre ä la grande armée vers Mery, afın de 
combattre tous ensembles dans les belles plaines qui se trouvent 
en avant de Troyes et qui nous offraient tous les avantages du 
terrain. La jonction se fit sans obstacle et 130 mille combattans 
Wapres le calcul le plus stricte se trouverent r&unis. Toutes les 
raisons militaires presentoient les chances les plus probables du 
succös, et un succes dans la situation oü nous etions, nous ren- 
dait les maitres de suivre avec une reussite immanquable le plan 
que nous avions adopte, soit d’acquerir les donnees propres A 
fixer notre jugement sur la.probabilit& d’operer un changement 
de Gouvernement en France, soit de dicter la paix sans opposi- 
tion; mais le Marechal de Schwarzenberg crut apercevoir des 
motifs pour s’abstenir de comhattre, et il ordonna un maırement 
rötrograde. En consequence l’armee de Blücher dut se separer 
de nouveau de celle du Prince, et celui commenge »a retraite 
sur Vandoeuvre et sur Bar sur Aube. — Arrivés a ce dernier 
point on s’appercut que Fennemi ne suivoit que mollement avec 
la plus petite partie de ses forces; et que Napoleon de sa per- 
sonne 3’etoit porte contre le Marechal Blücher; cette circonstance 
decida les mesures suivantes, Iment de s’arreter et de reprendre 
Poffensive à notre tour, ce qui a été fait avec succes; en second 
lieu de renforcer l’armde de Silesie par les corps de Bülow et 
Winzingerode, et de la porter ainsi & 100 mille honmes; cette 
disposition a été execulde sans obstacle. Le Marechal Blücher 
a passe sur la rive droite de la Marne, oü les renforts qui lui 
ont et€ destines ont pu se reunir à lui. Napoleon l’observe avec 
la majeure partie de son armee: c’est du resultat de ce moure- 
ment que dependront les operations ulterieures. De notre cote 
nous arons pris possession de 'Troyes après plusieurs combats 
arantageux, et l’ennemi est virement poursuivi sur cette ligne. 

Une negociation d’armistice qui duroit depuis plusieurs jours, 
vient d’ätre rompue, la difference des conditions à l’egard de la 
ligne militaire que on se proposoit de tracer, en a &te la cause. 

Le gouvernement francais n’a point encore fait reponse au 
projet de pacification qui a Ets presente sous la forne d’Ulti- 
matum de la part des Puissances. — Celles-ci ont fixes le 10. 
de ce mois comme terme peremptoire. 





725 


La teneur de cette depeche deıinontre suffisament, quelles 
etoient les vues de S. M. I. en portant la guerre en France; les 
causes qui en ont jusqu’ä present suspendu le succds, n’echape- 
ront nullement & la penetration de S. A. R. le Prince R. 

Quant & la direction des affaires generales A l’avenir, et 
aux moiens qui peuvent le plus contribuer à les faire terminer 
heureusement, S. M. est resolue de perseverer dans cet esprit 
de fermete, et de conciliation A la fois, qui jusqu’ä present a 
produit tant de bien, ou evite tant de malheurs. L’intervention 
de 8. A. R. le Prince R. soutenu par son gouvernement et ses 
wministres, ne pourra que produire ä cet egard les effets les plus 
salutaires. S. M. I. a été infiniment sensible aux temoignages de 
confiances et d’amitie que S. A. R. a voulu ui donner en s’ex- 
pliquant avec franchise sur les vues politiques. Un recit fidel 
des &venements, et Vexposition sincere des projets de S. M. I. 
ont te juge comne Ia meilleure preure de rdciprocit6 de sa 
part, Elle desire que ce recit soit communique en entier a 8. A. R. 
afın de lui donner une idee juste et exacte de lesprit qui a 
preside A ses demarches et des ohstacles qui en ont jusquä 
present empeche le succes. „C'est surtout au Cabinet Autrichien 
que S. M. I. les attribue, et Elle ne peut qu’exprimer des re- 
grets que Lord Castlereaglı n’nie pas cherche A lui imprimer plus 
d’activit6 et de vigueur. En enfrant dans les vues pacifiques de 
cette cour, il l’a encourage en quelque sorte à ne point pousser 
les operations militaires. Son opinion aiant été essentiellement 
preponderante, elle est pürvenue à entrainer aussi celle de la 
Prusse, et c'est ce qui a produit les resultats facheux que T’Em- 
pereur croit avoir A deplorer. S. M. I. en a acquis une preure 
incontestable par le rescript que Empereur Francois avoit ad- 
dresse au Prince Schwarzenberg pour lui enjoindre de ne pas 
passer la Seine à Nogent, et qui ne iui fut communique qu’ä 
son retour ä Troyes.” Stein. 





LXI. 
Münfter an Stein. 


„Chaumont den 13ten März 1814. Em. Excellenz danke ich 
gehorſamſt für die hiebei zurüdgehenden Bapiere über den Landflurm. 


726 


Die Sache if allerdings durd den Widerſtand der Zürfen jept in 
eine übele Lage gerathen. 

Es ſcheint mir aber, daß die Gommiffarien für die Bewaffnung 
zu weit gegangen find, und daß es um fo rathfamer feyn werde, die 
Sache dur Rachgeben wieder in's Gleife zu bringen, als ih mir 
nicht denken Tann, daß die alliirten Mächte die Verfügungen gut 
heißen follten, wornach die ganze Organifation des Landfiurms und 
deffen Befehl, mit Beifeitefepung der landesherrlichen Rechte der Fürs 
Ren, und aller Local-Autoritäten, ja mit Beifeitefegung aller beſtehen⸗ 
den politifhen Grenzen, nach Flußgebieten oder Gebirgszügen eins 
gerichtet werden follen?? Warum follte ſich beim Landſturm die Aufs 
ſicht der allürten Mächte weiter erfireden, als fie es hei der Errichtung 
der regulairen Armee und der Landwehr thut? Diefe iſt jedem Zürften 
vorbehalten; Niemand hat es verfucht, für fie Generäle und andere 
Offiziere zu ernennen. Ich glaube der Landſturm Bann nur egels 
mäßigfeit erlangen und nüglih werden, wenn er mit der Landwehr 
in Berbindung gefegt wird. Die von diefer zurüdbleibenden Depots 
tönnen fih dann an die Landfurmmänner anfchließen und diefe leis 
ten. — Mein aufrichtiger Wunſch für Deutſchlands Wohl und Zreis 
heit mitzuwirken, verbindet mich eines Theile zur aufrichtigen Dars 
tegung meiner Meinungen gegen Em. Ercellenz, andern Tpeile aber 
zu den Wunſche, daß wir um das Erreihbare zu erlangen, und nicht 
in Pläne einlaffen mögen, welche durch den Widerſtand, den fie fin⸗ 
den müffen, uns der Gefahr ausfeßen, auch jenes zu verlieren. 

Nach den eingegangenen Tractaten ann ich die deutichen Fürſten 
nicht blos als aummefirte Feinde amfehen, oder glauben, Daß die 
Landfturm-Einrihtung (wie mir Hr. Meyer fhreibt) gegen die Fürſten 
beabfichtigt gewefen ſeyn ſollte. 

Em. Ercellenz werden meine Aufrichtigfeit nicht falfch beurtheilen. 
Ich glaube fie Ibnen und unferer Sache ſchuldig zu ſeyn. Wenn ih 
irre, fo gefhieht es nicht abfichtlich. 

Ew. Epeellenz x. 
€. Münfer.“ 


Dann, Google 








voran, Google