Google
This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct
to make the world's books discoverablc online.
It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover.
Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe.
Äbout Google Book Search
Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web
at|http: //books. google .com/l
Google
IJber dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nu tzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|http: //books . google .coiril durchsuchen.
• I
f - • ^tf ü* •• ",•
\
Das
Leben Jesn^
kritiscli beariieitet
von
Dr. David Friedrieh Sirmm,
ZweiterBanct ,
y /
0
Dritte
mit Rüeksicki auf die Gegenschriften verbesserte Auflage*
T fl b i n g e n, ,
Verlag von G. F. Oiiander.
1 S 3 9.
IIC!- . d
.*'
f \
Inhalt des zweiten Bandes.
\
Stile
(Zweiter Abeehnitt)
Neuntet Hapitel. Die Wunder Jesu - i— 168
f. 89« Jetot alt WunderthXter ..... |
$, 90. Die DämonitclieB, allgemein betraclitet • • iO
^« Öi. Jesu Dimoneaauttreibungen einseln betrachtet - 87
^ 92. Heilungeii von Paralytitcben* Ob Jesut Krankhei-
ten alt SUndenttrafen betrachtet habe - - 59
\, 93. Heilungen von Auttätcigen ..... 7t
$• 94« Blindenheiiungen •. .'. . . • 79
$• 95. UnwOlhlirliche Heilungen ..... fo^
$. 96. Heilungen in die Ferne ii8
^ 97. Sabhatheilungen iS8
§• 98» Todtenerm^ckungen - - - . - '^ • |45
^ 99. Seeanekdoten ....... fgj
%. 100. Die MTunderhare Speisung ..... f ff
§. iOf« Jesus verwandelt Wasser in Wein ... SSS
%• 102« Jesus verwünscht einen nnfiruchtbaren Feigenbaum 858
Zehntes KapifeL Jes a VerklXrnng und
letzte Reise nach Jerusalem - 869-*5i8
^ 103. Die VerkllCruag Jesu als wunderbarer Vusserer
Vorgang * - 86D
§. 104. Die natürliche Anikssung der Ersühlnng in ver-
schiedenen Formen ...••• 873^
$. 105» Die VerklMrungsgeschichte als Mythus 880
$. 106. Abweichende Nachrichten Über die letate Reis«
Jesu nach Jerusalem . . • • . 899
I
IV Inhalt
§, 107. Abwelchungea der Eyangeliea in Hinticiit auf d«n
Aufgangtpankt des Einengt Jetii in Jerutaleo» J99
%p 108» Näherer Hergang bei dem Eincug^ Zweck und
liittoriiche Realist deatelJben - • * - 106
Dritter Absehnitt Die Geaohiehte dea Lel-
deoS) Todea^ und der Auferatehnng Jeao 519^717
Eratet KapiteL Verhältnisa Jesu zu der
' Idee einet leidenden. uiid al^rh.^n-
den Met tiai; aeine Beden Ton Tod,
Auferttehung und Wiederkunft 321—397
^. 109» ObJetut te{nl.eiden und teinen Tod in bettinun-
ten Zügen vorhergetagt habe ? • • • ' -^ii
§*' ilOp Jptu Tode t Verkündigung im Allgemeinen^ ihr
Verhältnitt zu den jüdit eben Mettiasbßgriffen;
Auttprüche Jetu übef den Zweck und die Wir« ^
kungen teine^ Todet - • •> , • 930
§^ 11^ Bettimmte Auttprüche Jesu über leine künftige
*" Auferttehung • • . • j. . . .344
|i 112 Bildliche Reden, itt welahen Jetut teine Aufertte«
hung vorherveriiündigt haben toU « - * 548
(> 113^ Die Reden Jeau vnh tetner Farutie. Kritik der
veirtchiedenelk Autlegungen . - • >. 262
§. J14» Ürtprung der Redea über die Farutie • ^ 380
2^eiiea Kapitel. AntdilHg^'der Feinde
Jetu;. Verrath det Judat; letztep
Mahl mit deü Jüngern - * SOS—^TO
§. 11^. Entwicklung det VerhMltnittet Jetu zu teinen
FeindeA - • - . * • - •' 398
^ 116i JetuI und «ein Veff atiier 405
$w 117. Vertchiedene Aniichten über den Charakter det •
Judat, und die Motive telnet Verratht • - 414
§. ilg. Betteilung det Fatchamahlt • . - - - 425
§: 119. Abweichende Angaben über die Zeit dea letzten
Mahlet Jetu ... ^ - - - 429
I ti*4i fl 1 t. V
»
Seite
^ i20> DiÜnttttea ia Betreff dmr VergXnge beim lelsle»
BfiliIeJew 443
«
(« f21. Verkündigoiig des Verraths und der Verläugnung 454
^ US. Die CinieUong defc Abendmelile . .. - • 464
Drillet H«piteL Gettg aaob deaOelberg,
Cef aageanehmiagy Verkttr, Ver*
nrlhQÜuAg aadiCr eiiii^uag Jeeu 47i-*5d3
$. 133. Jesu 6eelenkaiapf im Geirtea - • * • « 471
^ 124. VerlililtBit« de« -nerlea FVengeliuBW tu den Vor-
g'ängen in Gethtemaae. Die johanoeitehen Ab«
tchiedsreden und die Scene bei Anmeldung
der Hellenen • ' • • - ' - *- • 492
$. 125. Gefangennehmung Jesu , • - • • ' .> 499
^ 128. Jesu Verhör vor dem fl4»henpriester • '- • • 607
i 127. Die Verläugnung des Fetrut .... 5I6
i 128. Der Ted de« Verräther« -525
V 129. Jesu« vor Filatu« und Herode« • . . • 539
V 130. Die Kreuzigung 555
Viertes Kapitel. Tod und Auferstehung
Jesu 585-695
(. 131. Die Naturerscheinungen hei*m Tode Jesu - - 585
(. iSl. Der Lanzenstich in die Seite Jesu ... 595
$. iSS. Be^äbniss Jesu 604
$. 134. Die "Wache am Grabe« Jesu ..... 611
$. 155. Erste Kunde der Auferstehung .... 620
$. 136* Galiläiscbe und judäische, paulinische und apokry-
phisdie Erscheinungen des Auferstandenen - 639
$• 137. . Die Qualität des Leibs und Wandels Jesu nach
der Auferstehung ...... 660
^ 138. Die Debatte über die ReaUtät de« Tode« und der
Auferstehung Jesu - - - - ... 676
Fünfte« Kapitel. Die Himmelfahrt 696-717
(. 139. Die letzten Anordnungen und Verheissungen Jesu 696
f. 140« Die sogenannte Himmelfahrt als Übernatürliches
und als natürliches Ercigniss • - - . - 705
VI Inhalt.
Seite
§. I4f. Da» Up^ott^ende der N«AbHcIitett über Jeau.Blitt*
melfahrt. Deren mythische Auffaatiuig m . 799
Sohlnfsabhandloiig* Dlß donmatlaebe Be-
deatnng dea Lebeoa Jesu * * 718—778
(. 142. Nothwendiger Uebergang dor Kritik in da« Dogma 718
§* 143. Die Christologie des orthodoxen Syitema - . 721
$. 144. Bestreitung der kirchliehen Lehre von Christo 733
!• 145. Die Cbristologie des AationaUamiis . • • ' 739
$. 146. Eine eklektische Christologie., ScHUinMucRBii « 743
§• 147. Die Christologie, ajmboUseb gewendet Hakt«
j>i Wrti - • ... • • • . 755
$• 148. Die speculative Christologie - • • • . 751
$• 149. Letztes Dilemma .••....• 7^4
$. 150. Vermktlungsvertuche. Schluss . « . . 770
>.
V
}
If^onles Kapitel.
Die Wunder Jesa<
%. 89.
Jesus als Wunderthäter. .
Dtlii das jodische Volk ca Jesa Zeit fem Mefalaa
K^Boderthaten erwartete ^ iat tbeUa an sich aehon natar»
IicIk, da ihm der Measiaa ein «weiter Moaea und der grüfa-
te Prophet war, von Moaea ond lien Propheten aber die
beilige Nationaitage Wander aller Art ersählte; theilaUbt
es sieh ana apiteren jttdiftchen Schriften wahrscheinlich
flitehen ^) ; theila wird ea ana den Evangelien seihst ge«
wils. Ab Jeaoa eiomat einen dämonkchen Blindstummeii
(ohne natarliehe Miilel) geheilt hatte, wurde daa Volk
dadoreh aaf die Vermuthnng gefllhrt: ^ti^i 5t6^ igiv o
vlos Javld; (Matth. \% 23 ) ftum Beweise, dafa man eine
wunderbare Heilkraft ala Attribut dea Mestfiaa betrachtete.
Jobannea der Täufer wurde durch daa Gerflcht von den
^yoi^ Jeaa su der Frage an ihn veranlafst, ob er der
i^Ofi&>'OS *^1? worauf aich Jeana, sdm Belege, dafa. er ea
sei, nur wieder auf aeine Wunderthaten berief (Maith.
11, 2 £L paralL). Auf dem Laubhfitienfeate, daa Jeaua in
1) S« die im iten Band, Einleitung, S. 106 ff. Aam., angefülir-
ten Stellen, %lrosu noch genommen werden hann 4 Esdr. 15,
SO. (Fabrie. Cod. pseudepigr. V. T. 2, 8. 286) und Sohar
Exod. fol. S, col. 12 (bei ScHÖrraai«, horae, 2, S. 541, auch
in BaaTBOLDT't Christol. §. 33, not. 1 ).
BaM Lehen Jeni Me Aufl. II, Band. 1
t
ü Zweiter Absohnilt.
Jerusalem feierte, wurden Viele vom Volk an ihn glaubig,
indem sie dachten: ott o XQigoi; orav ilO-rj, faji Tihioru
a^jpela THuov 7wn\aaiy wv arog inolrflev; {Job« 7, 31.)
Uocb nicht bloft, daf« er Oberhaupt Wunder ihnn
sollte, sondern auch die verschiedenen Arten von Wun-
dern, welche der Messias verrichten würde, war^n. in der
Volkserwartung vorherbestimmt. Auch diefs durch altie«
stamentlic^he Vorbilder und Aussprüche. Durch Moses war
dem Volke auf fiberuatürliche Art Speise' und Trank ge-
währt worden (2. Mos. 16, 17.): ein Uleiches erwartete
man, wie die Rabbinen ausdrfleklich sagen, vom ^Messias;
auf filisa's Bitten waren den Einen die Au^en auf Über-
natürliche Weise verschlossen, den Andern ebenso geöff-
net worden (2. Kön. 6): auch der Messias sollte die Au-
gen der Blinden aufthun ; seihst Todte hatte der genannte
Prophet und sein Lehrer wiederbelebt (1. Kön. 17. 2. Kön.
4.): so konnte auch dem Messias die Macht über den Tod
nicht fehlen ^;. Unter den Weissagungen war besonders
Jes. ;]5, 5 f. (vgl. 42, 7.^ auf diese Seite der Messiasvor-
stellung von K]nf!uf-i. liier war von der messianischen
Zeit gesagt (LXX.) : lorc avoty^d-r^QOM.(Xi oipd^u/^fiui 7i'<f'/.o}v,
TQavTJ dk egal yXüiaaa (.icr/ikaXiov , was, bei Jesaias zwar in
bildlichem Zusammenhange, doch bald eigentlich verstan-
den wurde, wie daraus erhellt, dafs Jesus den Bot|&n des
Johannes gegenüber (Matth. II, 5.) mit offenbarer Bezie-
hung auf diese Prophetenstelle seine Wunderthaten be-
schreibt.
Diese Erwartung trat auch Jesu, sofern er als Mes-
sias, oder auch nur als Prophet, sich gab und angesehen
wurde, in Gestalt einer Forderung entgegen, wenn er nach
mehreren bereits betrachteten Stellen (Matth. 12 , 38. 16y
2} S. die a. a. 0. des Iten Bandet angeführten rabbinischen
Stellen.
Nenntet Kapitel. $. M. S
l.parall.) ?oii seinen pharieiitchen Gegnern um ein arjthlov
angegangen worde ; «renn nach der gewaltannipn Vertret*
hang der Verkfiufer ond Wechsler aus dem Tempel die
Juden ein tegitimirendes ar^^nov von ihm verlangten (Joh,
tj 18), und das Volk in der Synagoge von Kapernaumi
da er Glauben an sieh alt den von Gott gesandten forder-
te, cur Bediiignng dieies Glaubens macfate^ dafs er ihm
ein ar^futoy seigen sollte (Job. 6, 30 ).
Den neu testamentlichen Naclirichten «nfolgehat Jesus
dieser Anforderung, welche seine Zeitgenossen an den
Metou machten, mehr als genoggetban. Dicht nur 'be-
steht ein betrfichtlicher Theil der evangelischen £rsXhlnn«
gen ans Beschreibungen seiner Wnnderthaten ; nicht nur
riefen nach seinem Tode seine Anhänger vor Allem auch
die fon ihm verrichteten ^rviif^fig, Of^^tla und xiQona sich
und den Juden in das Gedfichtnirs surttck (A. G. 2, %%
v|L Loo» 24; 19.) : sondern das Volk selbst vear schon au
innen Lebzeiten nach dieser Seite so durch ihn befriedigt|
dafs viele defswegen an ihn glaubten' (Job. 2, 23. vgl. 6,
2.); dafs m«n ihn dem Tffufer, der kein ar^f,:elov gethan
hatte, entgegenstellte (Joh. 10» 41.)» und selbst vom kflnf-
tigen Hesttas nicht glaulite, dafs er ihn in dieser Hinsicht
werde fiberbieten können (Joh. 7, Sl.)* D^fs es Jesus an
Wundern hStte fehlen lassen y scheinen jene Zeichenforde-
ningen um so weniger su beweisen , da mehrere dersel«
baa unmittelbar nach bedeutenden Wunderaoten gemacht
wurden, so Matth. 12, 38. nach der Heilung eines Dämo-
nischen , Joh. 6, 39« nach der Speisung der Fdnftausende«
Freilieh ist eben diese Stellung schwierig; denn wie die
Juden die uwei genannten nicht als rechte ar^^ma gelteo
gelassen haben sollten, ist nicht wohl au begreifen, da
oamentliob die Dümoneaaustreibungen sehr hoch gehalten
worden C^oc. 10, 17.) : es mfifste denn das in Jenen bei-
den Stellen geforderte Zeifhen aus Luc. 11, 16. (vgl.
Msttb. 16, 1. Marc. 8, II.) als arfiiH€v e| u{}avH näher
1* .
4 Zweiter Abschnitt.
betttmint , und dabei entweder an das apeclfisoh - mettia-
nisehe ai^p&foy tu vi5 r« c«'*>(kJvT« iv r<ii SQav«o (Matth. 24,
30.)) oder an Stillstand, Verfinstemng, der Gestirne, etwa
aoch an eine beglaubigende Himmelsstimme, gedacht wer*
den ')• Will man aber lieber die Verbindang jener Zei*
chenforderangen mit vorhergegangenen Wonderacten auf-
lösen, so Lann Jesus ganz wohl sahireiche Wunder ge«
than, und dennoch einige feindselige PharisXer, weiche
ftuftllig noch bei lieinem derselben Augeneengen gewesen
waren, nun auch selbst eines su sehen verlangt haben.
Auch dafs Jesus die Wnndersuoht tadelt (Job. 4, 48 >y
und auf jVne Zeichenfordernngen Jedesmal ablehnend ant»
wertet, beweist nn sich gar nicht^ dafs er nicht in andern
Fällen freiwillig Wunder gethnn haben könnte, wo ihm
solche besser angelegt schienen. Wenn er in Bezug auf
die Forderung der PharisSer Marc. S, 12. erklärt, es wer-
de T^ yeve^ tavTi] gar keines, oder Matth. 12^ 39 f. 16, 4«
Luc. 11, 29 f. y es werde ihr kein Zeichen aufser dem
arjjueYav Yovä rS nQOfprp:ii gegeben werden: so könnte es
swar scheinen, als verweigerte Jesus biemit Jedes Wnn»
der aufser dem Zeichen des Jonas, d. h.« nach der Den-
tung des ersten Evangeliums, seiner Auferstehung; da je-
doch nach dem reineren Berichte des Lukas unter dem
ar^peJov %)ra vielmehr die ganze Erscheinung Jesu zu ver-
stehen ist, in welcher auch seine Wunder miteinbegriffen
sind : so will Jesus ohne Zweifel nur sagen, es sei unver-
antwortlich von diesem Geschlechte , noch ein besonderes
Wunderzeichen, ansdrficklich zu setner Beglaubigung, su
verlangen, da doch seine gesammte Erscheinung und Wirk«
samkeit so viel Beglaubigendes (sum Theil auch Wunder-
bares) von selbst schon in sich scbllefse, dafs nur ein
ganz verhärteter Sinn dadurch unfiberseugt bleiben könne *)•
3) Vgl. Dl Wim, exeg. Handb., s. d. St ; Nia^dkr, L.J. Chr.,
S. 264.
4) S. Nkaadbr, a. a. O. S. 265 f.
B« ikr Frage naoh der geaohiehtlicheii Begleobigong
der Wender Jeio kann eg swar befremden, dafa, «o viel
•■eil rott aolehen In den Krangelieu ersihlt wird, sie doeh
in der Geeebiebfte und den Briefen der Apoetol, ein paar
allgemeine £rwfihnnngen abgereehnet (A.,6. 2, S2. lO,
Z8 f.) , ao gut wie reraebollen aind , und Alles auf iieine
Anferatehnng gebaut wird. Doeh erklXrt sieb dlefa naob
den Berieht der Apostelgesehiebte daraus, dafs man den
Wnnderl^eweis In den ersten christlichen Gemeinden ge-
genwärtig hatte, nnd dalier nicht auf die der Vergangen«
lieit angehSrigen Wunder Jesu sich sn berufen brauehtei
sondern nar darauf anfmerlLsam nn maehen, wie auch die
Wnnder der Apostel Ausflösse der Wirluamkeit Jesu seien
(A. 6. 2, 33. S, 16. 4, SO.)«
Dals /nXmlieh die Wnndergabe auch nach dem Hin«
scheiden Jesu in der apostolischen Kirche fortdauerte, des«
▼ersiehert uns nicht allein die Apostelgeschichte, de>
Zengnifs mSglicherweise in Anspruch genommen wer-
den kSnnte; sondern ein nnrerwerflicher Z^enge dafflr Ist
der Apostel Paulus in seinen Briefen, wo er thells sich
selbst eine von Christus verliehene dtrafug ai^ftHiav xai tt-
(jtrictfF (Rda. 15, 19), eine Wirksamkeit iv arjidotg x<d
i^HtOi xiä SnHxfifai (2. Kor. 12, 120f «uschreibt, theils un-
ler den in der Gemeinde vertheilten Geistesgaben xa{iia^i(xia
la^itnwv nnd ivfnyjjfiara dwafnoiv auffflhrt (1. Kor. 12, 9 f.
2S f.)- Von hier ans gilt ein Rflekschlofs auf Jesum selbst
nicht nnr in der Art, dafs wir Oberhaupt, was wir an
Einem Orte anerkennen mflssen, an einem andern sn vor«
werfen kein absolutes Recht mehr haben; sondern sogar
a mmori ad majus scbliefsend mflssen wir bei Jesu das
Aurserordentliohe glaublicher finden , als bei seinen Jttn-
gern ; oder bestimmter , wir mflssen , der eigenen Andeu-
tung der Apostel sufolge, in ihm and seiner aufserordent-
licben Begabung die anregende Ursache ähnUoher ISrschei*
nuogen im apostolischen Zeitalter finden.
/
f» Zweiter Absehnitf.
Wie Terbftlt «ich nun aber eu dieser , der Glaabwtir-
digkeit des von Jesa erzählten Wanderbaren günstigen,
historischen Brwligang die in der Einleitung gegebene pbi-
losophisehe Darlegung von der Unoiftgliehlieit des Wan«
ders ^) ? stehen nicht beide Im vollkommensten WidcMpra«
che? Es scheint so; in der That aber stofsen sie nicht
anmittelbar gegeneinander, sondern, w&hrend der ein«
Sats das Wander im strengen Sinne l&agnet, erkennt der
andere Wirkungen und Erscheinungen an, von welchen es
sieh erst ffAgt» *ob sie absolute Wander sind? üafs Uott
durch Jesum, oder riafs dieser selbst aas sich, auf einsei-
nes Endliche, angebunden an die Oesetse endlicher Wirk*
aamkeit, durch seinen blofsen Willen, rein schöpferisch
gevirirkt habe — diefs bleibt ans andenkbaf , and vi^§ nna
Derartiges eraählt wörde, anglaoblich; aber sind denn die
evangelischen Wandergeschichten so beschaffen ,# dafs sie
schlechterdings anf einesolche Wirksamkeit hinführen wür-
den? Einige «war «- am diefs vorwegnanehmen — , wie
die Brotvermehrang^ die Wasser verwandlang, die Todfen-
erwecknngea, wenn man bei den Worten der ErzXhlang
bleibt, lassen sich nur aus der Wirksamkeit eines Wesens
erklfireii , welches , über der Natur , als der Uesammtbeit
endlicher,/ miteinander in Wechsel vplrkung begriffener ür«
s&chlichkeiten stehend, von anfsen oder oben lier in diese
eingreift: bei manchen andern Wondererc&hiungen aber
acheint eine i!«rkUirung, wenn aooh nicht aus. den gewöhn-
lichen Naturkräften (wie die sogenannte natüriicba Erkltf-
rang a. ß* bei den Heillings wundern Jesu die Anwendung
von Medicamenten and chirurgischen Operationen vorans-
setete), doch immerhin noch aus «tolcben Kräften iBaläfsig
CO sein, welche eu der Gesammtheit des endlichen Seins
gehöHg, in diesem nur eine höhere, oder auch tiefere
Stelle In dem Sinne einnehmen, dafs sie, seltener wirksam
■»— ^
$) Band I, ). H.
Nenotes Kapitel S. 89. i^
henrorCretend, «ich ddr Beobaebtang, and dadoreh der All-
tigiiehkeit, mehr entstellen.
-indeon wir, am ona der NatOrliebkeit des Wirbeni
Jesa bei gewissen Wanderthaten , und damit der GlaolN
wtrdigkcit von diesen, ca ▼ersiehem, naeb entspreehenden
firseiieinangen im Gebiete desjenigen Geschehens ans am-
lehen mttssen, welches Insgemein filr ein natQrliches gilt:
ao bildet den Mittelpankt aller aufeufindenden Analogien
bekanntlich der thierische Magnetlsmas. Hier haben wir
gtelcbfalls eine heilende ETnwirkang der Hand, nnd nwar
nteht der Arsnei reichenden oder chirurgisch operirendeni
saadem der blofs berttbrenden Hand, der einfachen Hand-*
aoflegong, mittelst welcher auch Jesus so bftnfig heilt ; hte#
Cnden wir sogar ohne unmittelbare Berflhrung eine Wirk»
mmkett des blofsen Wortes, ja der Wiilensrichtung des
Magnetiseors : and doch lüfst die ganze Beschaffenheit der
ZostSode, der wirkenden Individuen and des Heilrerfah-
rens, an nielits wirklich Uebernatlirliches denken. Inner-
halb desselben Gebietes ist es auch, wo uns , neben dieser
Dnrcbbrechung der Schranke gewöhnlicher Wirksamkeit,
eine Hhniiche Erwelteruni^ der Grfinse des Wahrnehmungs-
rermögens, ein Hell und Fernsehen, begegnet, an welches
manche Zfige aus dem Leben Jesu nach der evangelischen
Jirsihlang ans erinnern« Diese also auf der einen , und
fKe Klnwirkang «leso auf den erkrankten menschlichen
Organismus auf der andern Seite selgen uns Anknflpfungs-
punkte an sonst beobachtetes natürliches Geschehen: wfih-
rend die BrsXhlungen von einem Kinwirken Jesu auf die
anfsermenscbliche und die im Tode leblos gewordene
menachliche Natur aufser aller Analogie als schlechthin
aberoatttrliobe, mithin auch uiiglaubllche, stehen bleiben").
6) Vgl. meine Slreitscbriflen, 1, 5, S. 58f. 154f. ; Wbi!*««, die
evangelische Geschichte, Itrilisch und philosophisch J carbci-
tet, J, S. 144 ff. 554 ff.; TMotircR, Gltub^%'iirdigkeit, 9. 90 ff.
8 Zweiler Absttbnitt.
Inwiefern indef« auch dA^jeoige in der WlrktfAflikeil Jesu,
Was mit mngneti«chen and Ähnlichen firsebeinangen Ver-
wandtschaft hnt, grorsentbells ttber das Mab dea sonat Be-
obachteten hinansgehe, and welchen Ginfiafa dieaer Unter-
schied aof die Glanbwttrdigkeit der betreffenden Eraählun-
gen habe, davon wird unten, In der Betrachtung der eiusei-
nen Ers&hlnngen, su sprechen Gelegenheit aeio.
Bieher gehdrt noch eine Bemerkung Ober den Wertb,
welchen wir Ihnliehen Fähigkeiten und Wirkungsweisen^
wo sie sonst vorkommen, beilegen gewohnt sind. Uio
Kraft magnetischer Finwirkung vorerst kennen; wir sonst
überall nur als eine Natorgabe, weletie, wie Körperatftrke^
Beredtsamkeit n. dgl , mit dem sittlichen Werthe oder der
Frömmigkeit der damit Begabten in einem nor zufälligen
Ersterer untertcheidel in dieser Beziehung zwischen Wun*
derbarem und Miraculttsem; Letzterer zwischen miraeuUnn
und miroMe. In demselben Sinne tagt Waitsa in einer Ab-
handlung in Tholvck^s literarischem Anzeiger, 1836, No. 20,
S. 157 : „Zu dem eigentlichen Wunderglauben, insofern der-
selbe nicht in den Erfahrungen vom thierischen Magnetis-
mus , vom somnambulen Hellsehen u. s. w. einen rationalen
Haltpunkt findet, hat sich die Philosophie durch die Auf-
nahme und Durchbildung der speculativen Physik und der
dynamischen Naturansicht nicht im Mindesten in ein anderes
Verhäitniss gesetzt, als in welches ehemals die mechanische
Naturansicht sich gesetzt hatte. Im Gegentheil wird die Ab«
neigiing des speculativen Naturbeobachters vor jeder An-
nahme einer äusserlichen Durchbrechung des gesetzmässigca
Naturlaufcs um so grösser sein denn die eines Anhängers
der mechanischen Ansicht, als er eben in jenen Gesetzen das
eigentliche 5^ihst , die Substanz und den Begriff der Natur
zu erkennen das Bewusstscin hat, die durch eine Durchbre-
chung der Gesetze vbllig aufgehoben und vernichtet werden
würde; während dem Mechaniker die Gesetze nur für äus-
bcrlich au die Substanz der Natur gebrachte und daher eben-
fslls auch wohl äusserlich lu durchbrechende gelten.''
• • f
V^rhllliiUsa stebt. IHs nafnelitche Hell* anil F«i>asehen
In der Somnambale «ber kommt ^ wie aueb die Freunde
dieser Analogie fttr die Wunder Jean aofesfeben 'J, viel-
mehr in und dorcb einen Zustand geistiger Depressiuni
gebandenen Bewnrataeins , su Stande. Aebniiche Eracbei*
miugen linden sieb swar aueb aufserbalb des ei^entlicb
■agnetiachen Kreisea, und swar in»b »sondere auf dem Ge-
biete der Religion ; allein , wie mehrere von den beglaa»
bigten Wnndergeaeblcbten de« Mittelalrers, ferner die Voti*
ginge aas Grabe dea heil. Paris , unter den Cauiisards im^
CeTeuoenbriege n. a. seigen, sind sie kelnetwogs nur l>o-
glaobigende Kennseieben des Wabren und Aechten in der
Religion, sondern ebensooft mit Falschem und Uniautereas
vergeselliichaftet, Begleiter gewaltiger religiöser Aufregnn»
gen überhaupt, sofern und so lange diese mehr im unmit«
t^lbaren GefabI und Bewnfstsein gfthren, als in klRi*er Re-
flexion auseinandergetrefen. sind. In kleinem Falle demnach
können diese Fibigkeiten und Erscheinungen es sein, an
denen nna Jeans als Stifter der wahren Religion erkenn-
bar wftre : vielmebr umgekehrt, weil wir ihn anderswoher
ula selehen kennen , mttssan wir auch jene Ersebeinnngen
in aeinem Leben als gesunde and reine fassen.
Allerdinga mag es natürlich sein, an neuen Entwick-
longspunkten des geistigen Lebens auch entsprechende nnd
durch die neu4 geistige Kraft vermittelte Erscheinungen in
der leiblichen Natur cu erwarten; demgemifs namentlich
von Christo Torausznsetaen, er, der eine so eigentbfimlicho
Wirksamkeit auf die übrige menschliche Natur ausgeübt
bat, werde vermöge des allgemeinen Zqsammenhangs auch
eine* eigentbümliche Kraft bewiesen haben, auf die leibliche
Seite der menschlichen Natur su wirken*): aberdafs eine
7) Tuotvcx, a. a. O. S. 94« 98; OuKAUiia^ bibl. Comm., Vor-
rede zur ^weiten Aufl., S. Vli.
f) ScaaiiaauAcaaR; GUubcnilchrc, 1, i- !4i S. 102*
10 Zweiter Absebnitt r
•olobe leibliehe Be^rabong mit teinem geistigen Weten noth-
wendig sBueamraenbfinge , er mithin an jener tijibe als die
höebste religitfae Persönliehiieit mn erkennen sei, dieser
Beweis ') ~- 'der Wnnderbeweis im Sinne des orthodoxen
Systems — wird sich defswegen niemals fähren lassen^
weil nicht nur auf andern Gebieten die gröfsten Epoelien
ohne dergleielien Ersehelnangen waren, sondern auch in«
nerhalb des religiösen Gebietes dieselben nicht ansschllefs*
lieh nnr ^Is Begleiter des Beinen nnd Aechten nns he*
gegnen.
So rlel im Allgemeinen ttlier die Wunder Jesu; die
Betrachtang der einzelnen wollen wir, aus eineln Grunde,
der bald klar werden wird, mit seinen D&monenanstreip
bongen eröffnen.
S. 90.
Die Dämonitchea ) allgemein betrachtet.
Während im vierten Evangelium die Ausdrdoke dai-
fiovujv %yßiv und dai^iwi^oficvog nur im Munde der Joden
als Beseholdigung gegen Jesom, parallel mit ftcuveaiß^csi^
vorkommen (S, 48 f. 10, 20 f. vgl. Marc. 3, 22. 30. Mauh.
lly 18.): sind in den drei ersten Dämonisch)», man kann
sagen die gewöhnlichsten Gegenstände der heilenden Tbä-
tigkeit JesQ. Gleich wo sie die Anfänge seiner Wirksam-
kejt in 'Galiläa beschreiben ^ stellen die Synoptiker unter
den Kranken, welche Jesus geheilt habe , die äatftoi'ii^o^ii-
ifHg ^) oben an (Matth. 4, 24. Marc. 1, 34.), und diese
spielen durchweg in ihren summarischen Berichten von der
9) Wie um Wsisai versucht, die evangel. Gesch., 1, S. 337 f.
1) Dass die ihnen bei Matthäus zugesellten athinnZoufvr.i nur
eine besondere Art von Dämonischen sind, deren Krankhpit
sich nämlich nach <lem Mondwechsel ku richten schien, icigt
Matth. 17, l4fr.| wo aus eine« ^tkr,nttiou9roi ein 6mi ftonm' aus«
getrieben wird^
N«iitites Kafiitel. $• !)0» 11
Wlrksttak^it Jetn in gewissen Gej^endeo eine Hauptrolle
(Metth. d, 16 f. Marc. J, 59. 3, II f. Luc. 6, IS.)- Aach
seioeo Jingern theilt Je«us vor allem Ändern die Vollr
macht mit, Uiünenen ansautreibeii (Matth. 10, 1.8 Marc.
S, 15. 6/7. Lac. 9, !•); %vas Ihnen Ett ihrer besondera
Frmide wirklich nach Wunsch gelang (Lne. 10, 17. 20.
Mave. 6, 13.>
Anfser diesen snmmarisciren Angelten aber werden
ans > noch die Heilangen mehrerer Dlmonisehen im Binsel-
nen emiihlt, so dafs wir ans eine Biemlich genaae Vorstel-
long von dem eigenthttmlichen Zustande dieser Leidenden
ninehen kdnoen« Gleich bei demjenigen , dessen Hellung
in der Synagoge nn Kapernanm die nwei mittleren Evan-
geliateo als die erste dieser Art setsen (Maro* 1, 23 ff. Luo.
4, 33 ff.)) finden wir einestheils eine Alterirung des Selbst-
bewttfetsrfna 9 vermdge deren der Besessene in der Person
des Dämon redet, was sich auch hei andern Dfimonisehen^
wie bei den Gadarenischen (Matih. 8, 29 f. parall.) , wie^
derholt; anderatheila Krftmpfe und Convnlsionen mit wil- %
dem GesehveL Dieses krampfhafte Wesen findet sieh bei
fenem Ofimonisehen, der sogleich als MondsOchilger h»>
seichnet bt (Mattb. 17, 14 ff. paralL), dentlich als Fall-
sucht ausgebildet ; denn das pidtsllche Niederstttrsen , oft
an gefihriichen Orten, das BrfiUen, Zähneknirschen und
S<sh<amen, sind bekannte Symptome der Epilepsie ^. Die
andre Seite, die Sttfrnng des Selbsibewufstseins, erscheint
besonders bei den Gadarenischen Besessenen, neben dem,
dafs gleichfalls der Dämon , oder vielmehr eine Mehrheit
Ton solchen, alsSobJect aus ihnen sprieht| uom menschen«
scheuen Wahnsinn mit Anfallen einer gegen sich und Än-
dere wfithenden Tohsncht gesteigert'). Doch nicht blofs
2) Vergl. die Stellen alter Aerzte bei Wiksk^ bibl. RealwBrttrb.
i, S. J9I.
i) fXsbhmwhr n. a. Stellen i. bei WiNaa, a. a. O. S. 193.
n
Zweitor Abschnitt.
Wahosiniiiga and Epileptische, sendem eooh Stamme
(Matth. 9, 32. Lac. 11, U. Matfh. 12, 22. bt der daifia-
vi^oftevoi xoHpag eagleich noch vv(f>kog^ and an gichtUeher
VerkrOmmang des Körpers Leidende CLac. IS, IL) werden
mehr oder minder bestimmt als D&monisehe beseiehnet.
Die In den Evangelien Toraasgesetste, aneh von deren
Verfassern getheilte, Vorstellang von diesen Leidenden iat
die, dafs ein böser, unreiner Geist idat/novim'y Jtvevfia axii-
9'(xftvGv)y oder mehrere, 'Sicb ihrer~ tiemldhUgt haben (daher
ihr Zustand durch daifiovioy sxBiVf daifiovi^cad^t beseieh*
not wird), welche nun aus ihnen reden ^so Hatth. 8, 31 :
Ol duifiovtg Tia^yBxaXav aviov iihyon^g')j und ihre tiÜedma«
fsen nach Belieben in Bewegung setzen C eo Marc. 0, 20 :
70 7ciii\au iandifa^tv aikoi), bis sie bei der Heilung, mit
Gewalt ausgetrieben, den Mensohen Terlassen CixßdiiJiaiv^
i^BQXeoi^aiy Der evangelischen Darstellung sufolge hatte
auch Jesus diese Ansicht von der Sache. Zwan, wenn er
cum Behuf der Heilung von Besessenen den in ihnen be-
findlichen Dfimon anredet (wie Marc. 9, 25. Matth. 8, 32.
Luc. 4, 35.): so könnte man diefs allerdings mit Paulos^)
als Eingehen in die fixe Idee dieser mehr oder minder ver*
rfickten Personen ansehen, wosu der psychische Arxt, um
wirken sn können, sich bequemen mufs , so sehr er von
dem Dngronde einer aolchen Vorstellung ttberaeugt sein
mag. Allein wenn nun Jesus auch in Prlvatunterbaltun*
gen mit seinen Jüngern diesen nicht allein niemals etwaa
cur Untergrabung jener Vorstellung sagt, sondern vielmehr
wiederholt aus der Voraussetaung eines dXmoniscIien Grun-
des jener Zustände heraus spricht (so, aufser dem Auf-
trage: fScufiOvia ixßdllere, Matth. 10, 8 noch Luc 10, 18 £
und besonders Matth. 17, 21.paraU.: täto to yivoSi ^* dai-
l^vUoVj dx ix7ioQ£V€iat X. t, A.); wenn er io einer rein
theoretischen Ausftfbrung, vielleicht ebenfalls im engeren
4) txe^. Handb.^ 1; h, S. 475 i vgl. Hau, L. J., (. 60.
•*;
^-•♦•'
Rttantes Kapitel, f. MI. IS
KrriM<«eiaer JOnger, efaüe gans den damaligan Volktror-
stalluigeB sieh aoschliefaende Beaehreibang ¥oai Aufgehen
dar Diaionen, ihrem Umfarren In der Wllate nnd ihrer ver-
■tlrkten Rfickkehr gibt (Matth. 12, 4Sff.): ao kann man
aar ein Zareehtsaehen der VorateHungen «lean nach den
■Mrigeo darin aelien , - wenn aonat unbefangene Forscher,
wie WiHEa*), Jeaom die Meinung dea Volks von der Ui^
Sache dieaer Krankheiten nicht theilen, aondern sieh ihr
aar onlieqBeBMn lassen. Cm von jedem Gedanken a i blo*
be Aeeommodation absukommen, darf man nur die anletat
beaierkte Srelle genaaer ansehen. Zwar hat man das Be^
weisende derselben dadarch an umgehen gesnehti data man
sie bildlich nahm, oder gar als eine Parabel beaeiehnete *)•
Dsbei, wenn wir Ansdeutongen , wie diejenige, welche
nach Calmbt noch Olshadskn gibt^), iiei Seite lassen,
kämmt das Wesentliche der . ErkUruiig des vorgeblichen
Bildes immer daranf liinans, data oberflXchliehe Bekehrung
aa dar Sache Jesb. einen nur um so schlimmeren ROckfuli
nsdi sieh siehe ^. Allein ich möchte wissen, was uns
deaa ftberhaupt berechtigt, von der eigentlichen Aoffassong
dieser Rede abcuweichen? In den ^Sitaen aelbst Hegt keine
Andentaag, ebensowenig in der anderweitigen Darsfel«
loogsweise Jesu , welcher sonst nirgends sittliche VerhXlt«
nisse ia das Bild dftmonischer Zustande httUt, sondern wo
er aonat noch, wie hier, von i^eQx^^^^ ^^^ bttsen Geister
qnicht, s. B. Matth. 17, U.^ dieiTs eigentlich will verataa»
5) a. a. O. S. 191.
6) G1UTZ9 Comm. x. Matth., 1, S. 615; NsAXDaa, L. J. Chr.,
S. 393.
7) bibl. Comm. , I , S. 417. Es sei yom jüdischen Volke die
Rede, das vor dem Exil durch den Teufel ia Form der Ab-
götterei, nach demselben durch den schlimmeren des Phsri-
säismns besessen gewesen. '
8) So FaiTsscaa, in Matth. p. 447.
14 Zweiter Abachnltt.
den wUfen. Aber in dem Zusammenheng der Er^ *nlang?
Lukas (11, S4flF.) stellt den in Frage stehenden Äusuproeh
hinter die Vertbeidigong Jesa gegen die pharisüisehe Be^
aehaldigang, dIeDfimonen durch Keelsebnl aQssatreiben, —
ohne Zweifel irrlgi wie wir gesehen haben, aber doch wohl
Bum Beweise, dafs er de eigentlich, von wirklichen U£-
monen, verstanden hat. Auch Alatthfias stellt den Ans^
Spruch in die Nähe jener Besohaldigang ond Apologie,
doch schiebt er die Zeiehenforderung nebst Jesu Gegen-
fiofserungen daswischen, und ififst Jesnn am Schlüsse die
Nutaan Wendung machen: üriog scai xai zfi ytn^t lavirj tiy
novr^Q^. Dadurch gibt er freilich der Rede eine bildliche
Beziehung auf den sittlich- religiösen Zustand seiher Zeit-
genossen, aber ohne Zweifel nur so, dafs er dia voränge-
scbickte Beschreibung des vertriebenen und wiederkehren*
den Dffmons eigentlich von Besessenen gemeint hat, hier-
auf aber diesen Hergang auch wieder aür Bild des morali«
sehen Zustandes seiner Zeitgenossen wendet« Jedenfalls
gibt Lukas, der diesen Beisats nicht hat, die Rede Jesu,
wie Paulus sich ansdrOckt , als eine Warnung vor dlimo*
nischer Recidive 'J. Dafs nun die meisten jetsigen Theo*
lügen ohne bestimmten Vorschob von Seiten des Matthäus,
ond in bestimmtem Widerspruch gegen Lukas, den Aus-
Spruch blofs bildlich fassen wollen , diefs scheint nur in
der Scheue seinen Grund au haben, Jesu eine so ausge«
ffihrte Dfmortologie suansehreiben, wie sie in den eigent-
lich gefafsten Worten liegt. Einer solchen aber entgeht
man auch abgesehen von dieser S(!elle dennoch nicht.
Mattb. 12, 2.5 f. 29. spricht Jesus von einem Reich und
Haushalt des Teufels in einer Weise, welche über das
blofs Figo rllche augenscheinlich hinausgeht; besonders aber
ist die schon angeführte Stelle, Luc. 10, 18 — 20., von der
Art, dafs sie selbst einem Paulus, der sonst den geheilig-
9) Vgl. »B Wbttb, exeg. Handb., I, 1, S. 120.
JNeatilet Kapitel. $.90. ]&
teü Peno^en der ohriidicben Uif eschiohte eo gerne die
Einsichten unseres Zettalters leikt. das tiestlndnifs abnö-
chigt y das Satansreich sei Jeso. dorchans nieht blofs Sym-
bol des Busen gewesen, ond er habe nsmeatlich wirkliche«
i)&BOiienbesitsBangen angenonnsen. Denn, sagt er gans
richtig, da hier Jesus nicht au den Kranken, nicht snni
Volke, sondern su solchen spreche, weiche selbst von der-
gleichen Krankheiten nach seiner Anleitung befreiten, 90
sei es nicht als blofse Anbequemnng erklärbar, wenn er
ihr la duiftOt'ia v.TOtaaaitiu i^uTv bestitigend wieder auf-
nehme, und ihi*e Befähigung cor Heilung der Dlmonischen
als eine Gewalt über die dvi'ix^tg %ä ixO'ffä beschreibe ^^«
£benso treCFend hat derselbe Theologe an andern Orten
dem Anstofse , welchen solche , deren Bildung mit dem
Glauben an DSmonenbesitaungen sich nicht evrtrSgt, an
dem Ergebniise nehmen könnten ^ dafs Jesus jenen Glau-
ben gehabt habe, durch die Bemerkung vorgebeugt, dafs
selbst der ausgeaeichnetste Geist eine unrichtige Zeitvor*
Stellung beihebalten könne, sofern sie nicht gerade Im Be«
reiche seines besondern Nachdenkens liege ^^).
Erläuternd för die neutestamentlichen Vorstellungen
von den Dämonischen sind die Ansichten, welche wir bei
andern mehr oder minder gleichzeitigen Schriftstellern Ober
diese Materie finden. Die allgemeinen Begriflfe von Ein-
flössen böser Geister auf den Menschen , welche Melan«
-cholie, Wahnsinn, Epilepsie, sur Folge haben, waren awar
schon frfihe bei Griechen ^^) wie bei Hebräern ^') verbiß
10) exeg. Handb., 2, S. 566.
11) «. «. O., i, hy S. 483. 2, S. OB.
12) Daher wurde Saitioruyj leaxoSmttorijy'^^^ ^*XaYxo^''y fMtiitfft^m» ge-
braucht, und Hippokrates mu88te die Ableitung der Epilepsie
von dämonischem Einflüsse bestreiten; s. bei WsTSvsnii
S. 282 ff.
i3) Man vergleiche die n^H" nXO TVr\ T!T\j welche des Sauf
16 Zweiter Abtebnitt
let: aber die bettimmtere Voritenang, d«(t die bdten G«i>
•ter in den Leib des Menschen fahren nnd von demselben
BesitB nehmen y hat sich naohweislieh doch erst Biemli<*h
sp8t, f n Folge allgemeinerer Verbreitung der orientalischen«
namentlich persischen , Pnenmatelogie unter Hebräern und
Griechen aasgebildet ^^)* Daher denn bei Josephns die
Aede von daifmia tdig ^(Soiv eigdvofieva '^), tyxa&eCoittf'
va ^*)» und dieselben Vorstellungen auch bei Lneiao *^
und Philostratus <^.
Ceber die Natur und Herkunft dieser Geister finden
wir in den Evangelien nichts ausdrfloLlich bemeri&t, als
dafs sie cum Haushalte des Satan gehören (Mstth. 12, 26 ff.
parall ) ; wefswegen denn, was einer von ihnen thuf, ancfi
geradeau dem Satan augeschi ieben wird (Luc. IS, 16.}-
Durch Josephus ^'), Justin den Mfirtyrer -^) und Philo-
stratus ^0) mit welchen auch rabbinische Schrifteh fiber-
etnstlmmen '^ , erfahren wir nun aber, dafs diese Dfimo-
nien von Hanse aus eigentlich abgeschiedene Seelen böser
Mensehen seien t und neuere Theologen haben keinen An«
melancholisch machte^ 1. Sam. 16, 14. Ihr Einflai» auf S«ul
wird durch W^V^, sie Überfiel ihn, ausgedrückt.
14) s. Grbüzir, Symbolik, 3, S. 69 f.; Bach, Apollooius vo«
Tyaoa und Christus, S. 144.
15) Bell. jud. 7, 6, 3.
16) Antiq. 6, 11, 2. von dem Zustand Sauft.
17) l^hiLopseud. |6.
18) Vita Apollon. 4, 20, 25 ; vergl. Baür , a. a. O. S. 38 f. 42.
Indessen spricht auch schon Aristoteles, de mirab. 166. ed.
Bekk., von daC/iwi r»w y^vo^thoi^ xaroj^oif,
19) a. a. O. des Bell* jud. : ra y«r^ nnlnfifva tlai/torim — TrovtjtKoy
&tCai uij rvyj^ayorrag^
20) Apol. 1, 18.
21) a. a. O. 3, 38.
22) s. EisBVMBusBM, entdeckte! Judenthum, 2, S. 427.
I^euntes K•pi^el• $. M.
17
stand genomnien , diese Ansicht von ihrer Herknnft aiieh
dem N. T. aotorsiilegeii '')• Näher bestimmen jedoch Ja-
itia and die Rebbinen TorBOgsweise die Seelen der Rie«
sea^ der Abliömmiinge jener En^el, welche sich mit den
Töchtern der Menschen Termischteu , nnd • die Rabbinen
femer noch di<9 Seelen der in der Sffndllnth UmgeLomme«
Ben nnd der Theilhaber am babylonischen Thurmban^ ala
Piagageitter fQr die UeberlelMttden *^ ; wondt auch die
KlemeDtinen Bukammenstimmen , nach welchen gleiohfalla
jene mn Dämonen gewordenen Riesenseeien sich als die
tt&rikeren ün menschliche Seelen an hängen^ nnd In Men«
/
33) Faqlvs, ezeg. Handb., 2, S. 39^ L. J., 1, i, S.217. Er be-
mfl sich hiefur namentlich auf Matth. 14, 2., wo Herodea
auf das Gerücht von Jesu Wundertbaten hin sagt: mg i^tv
^Itoamji o ftoTrrtgijg^ auro; iy^'^^ff ano TtSr vtx^v' worin pAÜLtJt
die rahbinische Ansicht irom "^"Q^y findet, yerm'öge desseil
(im Unterschiede vom tTiS^I, oder der eigentlichen Seeleit-
Wanderung, d. h. der Versetzung abgeschiedene^ Seelen in
eben sich bildende Hinderleibcr ) zu der Seele eines Leben-
den die eines Verstorbenen als yerstXrliender Zusats sieb
gesellt (s. Eisbumehobr , 2j S. 85 ff.)- Allein, dass in dei|i
jjy*^^ wenn es anders so genau genommen werden darf (vgl.
aa Warn z. d. St.) 9 nicht diese, sondern die Vorstellung
mner wirklichen Auferstehung des Täufers liege , hat u. A,
PatTzscaa X. d. St. gezeigt, und wenn auch jene> so wSre
doch hier von einem ganz indem Verhältnisse die Rede, ils
Ton dern^ der dämonischen Besitzung. Hier wäre es nämlich
ein guter Geist, der in einen rfopbeten zur Verstärkung
seiner Kraft übergegangen wäre, wie nach spätere^ jüdischer
Vorstellung Seths Seele zu der des Moses, und wieder Mo-
ses und Aarons Seelen zu der des Samuel sich gesellt haben
(EisBiiau90Ba, s. a. 0.[); wofaus aber die Möglichkeit eines
tJebergangs böser Seelen in Lebende noch keineswegs folgen
wttrde.
24) Justin. Apol. 1« 5. Eisbkmbkszr, a. a. O. S. 42Sff.
Ae« Jjfthtm J99U lU Avß. IL Band 3
18 Zweiter Abschnitt.
lehenieiber so fat^ren snchen ^'). Da oan in der ersterea
welter lautenden Stelle Justin den Heiden aus ihren eige-
nen Vorstellungen heraus die Unsterblichkeit beweisen will|
so ist die Ansicht von den Uftmonen als Seelen Verstor-
bener fibek*haupt, welche er dort fiufsert, sumal sein Schil-
ler Tatian sich äusdrücldich gegen diese Vorstellung er-
lilärt '^)) schwerlich als seine eigene sn betrachten j Jo-
aephns aber entscheidet fflr die im N. T. cum Grunde
liegende Ansicht defswegen, nichts , weil sich seiner grie-
chischen Bildung wegen sehr fragt | ob er Jene Lehre in
der ursprfinglich jüdischen, oder in grficisirier Gestalt
wiedergibt. Darf man nun annehmen, dafs die Dfimonen«
lehre su den Hebräern von Persien her gekommen sei :
so waren die üew*s der Zendreligion bekanntlich vor der
Mensohenwelt entstandene, von Hause aus böse Geiser,
an weichen der Hebraismus för sich nur den letzteren,
dem Dualismus angehörigen Zug, nicht aber den ersteren,
EU verwischen veraniafst sein konnte. So wurden die DU»
monen in der hehrfiischen Ansicht die gefallenen Engel
von 1. Mos. 9, die Seelen ihrer Kinder, der Riesen,' und
der grofsen Verbrecher vor und unmittelbar nach der
Sdndfluth überhaupt, welche die Volksvorstellung allmfib«
lig in das Uebermenschliche hinaufgesteigert hatte; Ober
den Kreis dieser Seelen jedoch, die man sich als den
Hofstaat des Satans denken mochte, lag in den Voi^stel-
lungen der Hebräer kein prund herabzusteigen. Ein sol-
cher lag nur in dem Zusammentreffen der griechisch - rö«
mischen Bildung mit der hebräischen: jene hatte keinen
Satan, also auch keinen e*genthttmlichen , ihm dienenden
Geisterstaat; wohl aber hatte sie Ihre Alanen, Lemuren
u. dgl., sfimmtlich abgeschiedene Menschengeister, welche
die Lebenden beunruhigten. Prodnct nun der Ausglei*
25) Homil. 8, 18 f. 9, 9 f.
26) Orat. contra Graecos, 16.
Neuntes Kapitel« $. 00.
11»
chang Jener jSdischen Vontellangen mit dleaen griechiscli-
roaiseben eeiieint die Darsteiiangsweise des Josephns and
Joftin, wie aoeh der späteren Rabbinen^ sa sein: dafa
aber aiieh schon im N. T, eine sofobe so finden sei, folgt
faiermia nicht. Sondern, wenn wir hier diese gricisirte
Vorstellangsweise nicht positiv nngeceigt finden, wie sie
es denn nirgends ist, vielmehr an einigen Orten die Dft*
manen mit dem Satan als sein sngehöriger Haushalt in
Verbindnng gesetst sind: so missen wir, bei der sonsti-
gen (soweit keine Umbildoog in christlichem Sinna ein-
trat') aovermischt jfidisohen Denkweise de? synoptischen
EvangelieD , vielmehr jene rein and ursprünglich Jüdische
VorrtellaDg als die ihrige voraassetsen -').
Die Iltere Theologie nun hat bekanntlich, in Betracht
der Aactoritit Jesu and der Evangelisten, die Ansicht von
einem wirklichen B^sessensein Jener Menschen darch Dfi-
monen so der ihrigen gemacht. Die neaere Theologie da-
gegen, l»eaonders seit Skmler 2^), in Betracht der auf-
fatleaden Aehnliehkeit, welche swi8<Aen dem Zustande der
neoteitamentlichen llftmonischen and mancher natfirticb
Kranken unserer Zeit stattfindet 2^, bat angefangen, anch
das Uebel von jenen aus natürlichen Ursachen absnleiten,
und die im M. T. voransgesetste übernatürliche Ursache
auf Haehiiong der Vorsceilangen jener Zeit so schreiben«
Dafii, wo in jetsiger Zeit Epilepsie, Wahnsinn und selbst
eine^ dem Zustand der nentestamentlichen Besessenen 8hn-
27) So auch NsANDia, L. J. Chr., S. 28i,
28) s. dessen Commentatio de daemoni«ci8 quorum in N. T. fit
mentio, und Umst'andliche Untersuchung der dämonischen
Leute. — Schon zu Origenes 2eit gaben übrigens die Acrite
von dem Zustand der angeblich Besessenen natürliche Ülrlilä-
ruBgeo, 8. Orig. in Matth. 17, 15. /
29) Vcrgl. besonders Hcrxbr , (Ji^schichten Besessener nfurrer
Zeit, Carlsruhe 1834.
\
20
Zweiter Absehnitt
lioha AlteratloD des SelbsibewuOtseini vorkomnen , dooh
nicht leicht mehr an dfimonischen Eloflari gedacht «wird,
hat seinen Grand theil» darin , dafs der fortgeschrittenen
Natur-- und SeeieniLunde Jetzt mehr Mittel und Anlcnfl-
pfangspnnlite aar natarljchen Erklärnng jener Znstfinde
■u Gebote stehen, theils darin, dafs man die Widersprft-
ehe, welche in der Vorstellung des Besessenseins liegen,
wenigstens dunkel xu erkennen angefangen hat. ' Denn ab-
gesehen von den oben anseinandergesetEten Schwierigkei-
ten, welche die Annahme der Eiistenn von Teufel und
Dämonen überhaupt drncken, so mag man sich das Ver-
hfiltnifs zwischen dem Selbstbewurstsein und den leiblichen
Organen denken wie man will, immer ist doch das schlech-
terdings nicht vorsuttellen, wie das Band zwischen bei-
den so lose sein sollte, dafs ein fremdes Selbstbewufstsein
sich einschieben, und, mit Verdrfingnng des zum Organis-
mus gehörigen, diesen in Besitz nehmen könnte* So er-
gibt sich fär jeden , welcher die Ersohetinungen der 6e-
genwfirt mit aufgeklärten , und doch die Erzählungen des
N. T. noch mit orthodoxen Augen betrachtet, der Wider-
spruch, dafs dasselbe, was jetzt aus natfirlichen Ursachen
kommt, zu Jesu Zeiten fibernatttrlich mflfste verursacht
gewesen sein«
Diesen undenkbaren Unterschied der Zeiten wegza-
bringen, und doch dem N. T. nichts zu vergeben, läng-
net Olshadsen, welchen wir för diesen Punkt fOgUch als
Repräsentanten der mystischen Theologie und Philosophie
jetziger Zeit betrachten können, Beides: sowohl dafs jetet
alle dergleichen Zustände natürlich, als dafs damals alle
übernatörlich verursacht gewesen seien. Was unsere Zeit
betrifft, so fragt er, wenn die Apostel in unsere Irren«
bäuser träten, wie sie manche der Kranken in denselben
nennen würden ^®)? Allerdings, antworten wir, würden
50) bibl. Conim., J, S. 29i/Anin.
N«ante« Kapildl. $.00. 21 /
•!• vMtt denelben BesetMiM oemidB, rarmdge ihrer Zeit-
«nd VolksTorstellang nXmliob, und nicht Termdge apostö«
lischer Erleocbtnng ; so dafs also der heranffilirende Mann
?o« Fache sie mil Recht eines Bessern sa betohren sa-
eiiea würde, ond daraas gegen die Natllriichkeit Jener
Zostfinjie in unserer Zeit lediglich nichts folgen kann«
ten der Zeit Jesu behauptet der genannte Theologe, auch
Ten den Juden seien dieseiben KranlLheiisformen , Je oaeh
der Tersehiedenen Enlstehongsart, das eioemal fflr dämo-
nisch gehalten worden , das andrenal nicht: so dafs »• £•
einer, der durch organische Verletanng des Gehirns wahn*
sinnig, oder der Zange stumm geworden war,, ni^ht fftr
daaeniseh gegolten haben würde, sondern nur ein solcheri
dessen Zustand mehr oder minder auch psychisch ?eran*
iafst gewesen sei. Beispiele einer solchen, im Zeltalter
Jesa gemachten Unterscheidung bleibt uns Olsbausbn, wie
sich Ton selbst versteht, schuldig.. Wo hätten auch die
damaligen Juden die Keontnils der verborgenen natürli«
chen Ursachen solcher Zustände hergenommen, wo die
Kriterien, einen durch Mifsbildung des Gehirns entstan-
denen Wahnsinn oder Blädsinn von psychologisch vernr»
aachtesi an unterscheiden ? Waren sie nicht gann und gar
aof die äoCiere Erscheinung, und awar in ihren gröberen
Umrissen, angewiesen? Diese aber ist bei einem Epilep-
tischen mit seinem plötslichen unvorhergesehenen Mieder«
stüreen und seinen iJonvulsionen, bei einem Wahnsinnigen
mit seinem Irrereden, namentlich wenn er, durch Rück*
Wirkung der Volksvorstellungen auf seinen Zustand, in
der Person eines Dritten spricht, von der Art, dafs sie
auf eine fremde den Menschen beherrschende Macht hin-
weist, und dafs folglich, sobald einmal der Glaube an dä-
■M>nische Beaitsungen im Volke gegeben ist, alle derglei«
chen Zustände auf solche aurückgeführt werden werden,
wie wir diefs im M. T. finden ; wogegen bei Stnmmheit .
i^d giohiiscber Verkrümmung oder Lähmung die Herr*
±1 Z weiter A bs dl ni tt« '
aeliaft eioer fremdeu Macht schon weniger entechieded io-
dicirt ist, and diese Leiden also bald gleichfalls einem be*
sitzenden öfimon sugeschrieben werden liönoan, bald aaoh
nicht; wie wir jenes bei den sehon erwähnten Stuaimen
Matth. 9, 32. 12, 22. and bei der verkrümmten Frau,
Luc. 13, 11«; dieses bei dem xiocfo^ ftoyddlog Marc. 7, 32 ff.
und bei den mancherlei Paralytischen, deren in den Evan-
gelien gedacht wird, finden : wobei übrigens die Entschei-
dung för die eine oder andre Ansieht gewifs nicht von
Krforscfanng der Entstehungsweise, sondern lediglich von
der Sofsern Erscheinung ausgegangen ist* Haben deoinach
die Juden, nnd mit ihnen die Evangelisten, die beiden
Hftoptärten der hiehergehdrigen Zustünde anf dämonischen
Einflufs Burllckgeffikrt , so bleibt fftr den, der sich durch
ihre Ansicht gebunden glaubt, ohne sich doch der Bildung
unserer Zeit entsiehen ku wollen, die grelle Uogleiohheit^
dieselben Kranidielten in der einen Zeit sämmtlich als na*
tllrliche, in der andern s&mmtlich als fibernatfiriiche den-
ken SU müssen.
Die schlimmste Schwierigkeit aber erwächst fflr den
OtSHAUSBN'schen Vermittlungsversuch ewischen der jüdisch*
neutestamentlichen Dämonologie und der Bildung unserer
Zeit daraus, dafs dieses letztere Element in ihm der An-
nahme persönlicher Dämonen widerstrebt. Dasselbe, der
Bildung des gedachten Theologen durch die Naturphiloso*
phie angehörige Streben, das im M. T. als ein Heer dis-
creter Individuen Gedachte emanatistisch in das Gontinuom
einer Substanz aufsnlösen , welche zwar einselne Kräfte
aus sich hervortreten , diese jedoch nioht zu selbstständi-
gen Individuen sich fixiren, sondern als Accidenzien wie-
der in die Einheit der Substanz zurückkehren läfst, —
dieses Streben sahen wir schon in 0L8HAuaEN*s* Angelo-
logie hindurchleucbten , und entschiedener tritt es nun in
der Dämonologie hervor. Dämonische Persönlichkeiten
sind »u widrig; bei den angeblich Besessenen namentlich
NoanteB Kapitel. {. 00. 23
das — wie es Olshadskr selbst aosdrflekt -> Steoken
Eweier Sabjecte io Einem Indivirfanin su andenkbar ^ als
dalii nan sich eine solche Vorstellung sumatben ktinnte.
Dsker wird überall nur in schwebender Allgemeinheit ?on
einem Reiche des Bösen and der Finsternils geredet, and
Bw»r ein persönlicher Fürst desselben ▼oransgesetct, aber
anter den Dfiknonen nur die einseinen Aasflüsse and Wii^
kaagen Terstanden, in welchen das böse Princip sich am«
nifeatirt. Daher, and hieran ist Olsuaüskm's and hier
aocb Nbakpsr's '0 Ansicht ¥on den Oimonen am bestimm-
testea an ergreifen, ist es ihnen an viel, dafs Jeans dea
Dimea im Gadarener nm seinen Namea gefragt haben
soll; so iiestimmt kann doch Christus die Ton dem Ausle-
ger besweifelte Persönlichkeit Jener Aasflüsse des finstern
fteiehes nicht Toraasgesetat hkben; wefswegen denn das
7/ am iiwfia; (Marc 5, 90 ^^^ Frage nach dem M^men '
nicht des Dämon, sondern des Menschen aufgefafst wird ^'); ^
gegen allen Zusammenhang offenbar, da die Antwort: Ae-
7H«iy, lieineswegs als Mifsv^rstand , sondern als die rechte,
?on Jesus gewollte, Antwort erscheint.
Sind nun aber die Dämonen, nach dieser Ansicht,
unpersönliche Kräfte: so ist es die Gesetsmäfsigkeit des
Reichs der Finsternifs in seinem Verhältnils cum Lieht-
rtichej was sie leitet und au ihren verschiedenen Thätig«
ieilett bewegt« Von dieser Seite müfste also, Je schlim-
mer dar Mensch wird, desto enger der Znsammenhang
awiseben ihm und dem Reiche des Bösen sich knüpfen, .
und dar engste denkbare Zusammenhang, das Eingehen
der finstern Macht in die Persönlichkeit des Menschen,
d. h. die Besessenheit, müfste immer bei den Schlechtesten
eintreten. Diefs finden wir aber geschichtlich gar nicht
31) L. J. Chr., S. 206.
iZ) S. 302, nach dem Vorgang von Favlus, excg. Uandb.^ i, b,
5. 474.
24 Zweiter AbsobnitL
eo: die Üämoaischea erscheinen in den Evangelien nur eo
weit ali Sünder, wie alle Kranke Vergebung der Sttnde
DÖthig haben ^ und die gröfaten Sfinder, wie ein Judas^
bleiben von der Besessenheit versobont. Die gewöhnliohe
Vorstellung, mit Ihren persönlichen Dämonen, entgeht die*
sem Widerspruch. Zwar hält auch sie, wie wir dlefs
s« B; in den Klementlnen finden, daran fest, dafs nur
durch die Sünde der-« Mensch dem Dämon den Zugang uu
sich eröffne''); doch bleibt hier immer noch ein Spiel-
raum für die individuelle WillkOr des Dämon, welcher
aus nicht m^ berechnenden subjeotiven Gründen oft den
Schlechteren vorfibergeben , auf den weniger Schlechten
aber Jagd machen kann '^>. Werden hingegen , wie von
Olshaüsbn, die Dämonen nur als die Actiooen der Macht
des Bösen In Ihrem durch Gesetce geregelten Verhältnifs
Bur Macht des Guten betrachtet t so Ist Jede Willkür und
Zttfklligkeit ausgeschlossen, und defs wegen hat die Abwei-
sung der Consequens, dafs nach seiner Theorie eigentlich
Immer die Schlimmsten besessen sein sollten, Olshacsbn
sichtbare Mühe verursacht. Von dem scheinbaren Kampfe
Bweler Mächte in den Dämonischen ausgehend, ergreift er
Bunächst den Ausweg, dafs nicht bei denjenigen, welche
sich gans dem Bösen ergeben, und somit eine innere Ein-
heit ihres Wesens behalten, sondern nur bei denen, in
welchen noch ein inneres Widerstreben gegen die Sünde
vorhanden sei, der Zustand des Besessenseins eintrete.
So aber, sum rein moralischen Phänomen gemacht, mdfste
dSeser Zustand weit häufiger vorkommen ; es mülbte jeder
heftige Innere Kampf in dieser Form sich äufsem, und
HS) Homil. 8, 19.
54) 'VVie sich Asmodi die »Sara und ihre Männer zum Plagen und
Umbringen auscrsieht, nicht weil jene oder diese besonders
nchleaht waren, sondern weil Sarahs Sehtfnheit ihn anzog,
Tob. 6, i2. i5.
Keantes Kapifel. f. M. 31»
naneatlich diejenigen) welche sich spiter deni BSsen gans
ergeben, ihren Dnrebgang dorch eine Periode des Kampfsy
also des Beaessenseins , nehmen. Daher fügt anch Ols*
HAUSiH noch ein physisches Moment hinna : dafs nXmlich
das Bdae im Menschen rorwiegend seinen leiblichen Orga«
jiifmna, insbesondere das NerTcnsystem , geschwächt haben
■Osse, wenn er für den dämonischen Zustand empfünglioh
sein solle. Aliein wer sieht nicht , nnmal solche Zerrlit-
tQBgen des Merrensystems noch ohne sittliche Verschni«
dang eintreten können, dafs auf diese Weise der Zustand,
welchen nuin der dämonischen Macht als eigenthilmlicher
Dnaelie vindiciren wollte, snm grofsen Theil Huf natllrll"
ebe Gründe anrIlcbgefiBbrt, and somit dem eigenen Zwecke
widersprochen wird? Daher wendet sich Olshausbn von
ilieser Seite aiioh bald wieder weg, und verweilt bei der
Vergleiehvng des daifiWi^ofiBvos mit dem Ttovr^Qogy statt
dafs er ihn mit dem Epileptischen and Wahnsinnigen an*
sammenstellen sollte, aus deren Vergieichung allein anf
den Besessenen ein Licht snrflofcgeworfen werden kann*
Dnreh dieses flinfilierspielen der Sache vom physiologisch»
fisyehologischen Gebiete auf das moralisch-religiöse ist der
Ezears ikt>er die Dämonischen au einem der anbranchSar-
Bten geworden, die im 0L8HAü8Kii*schen Buche sa finden
sind ^>.
La$Mn wir also die anerfrenlichen Versnche, die
neatestamentlichen Vorstellungen von den Dämonischen
so modernisiren , und unsere jetsigen Begriffe sn judaisi-
ren; fassen wir vielmehr anch in diesem Punkte das N.T.
auf, ivie es sich gibt, ohne jedoch durch die Zeit- and
VoiksTorstellungen in demselben uns fttr weitere Forschun-
gen die Hände binden su lassen '^).
S5) Er füllt S. 294—293.
36) Beiträge su einer wisseiLSchaftlichen AufTassung der fragii-
cben Zustsflde habe ich ia zwei Recfsiioaen der Usassa*-
M Zweiter Abicbnitu
Den bieher ermittelten. Vorstellungen ▼em Wesen der
Dlmonfscben gernftfa gestaltete sieh aoeh das Heilverfah-
ren mit solchen Personen, namentlioh bei den Juden. Da
die Rrankheitsnrsaohe nicht, wie bei natflrlichen Hebeln,
als ein unpersdnllcher Gegenstand oder. Znstand , ' wie ein
angesnnder Saft, eine tirankhafte Spannting oder SchwK*
ehe, sondern als ein selbstbewubtes Wesen angesehen
wurde: so suchte man aufv dieselbe auch nicht blofs me*
ehanisoh, ehemisoh und dergl., sondern logisch, durch das
Wort, SU wiriiien. Man sprach dem Dämon sn, sich ua
entfernen, und um diesem Zuspruch Machdruck eu geben^
knüpfte man ihn an die Namen ?on Wesen, welchen man
Macht über das Reich der Dämonen Busohrieb* Daher
als Haupfmittel gegen dämonische Besitsungen die Be-
schwörung ^') , sei es bei dem Namen Gottes , oder der
£ngel, oder eines andern fibermächtigen Wesens, wie dee
Messias (A. G. 19, 13.), in gewissen Formeln, die man
von Salomo herxuleiren pflegte '^. Uebrigens wurden hie-
mit auch gewisse Wnrseln '') , Steine ^^), Räuoherungeo
und Amulete^O 1^ Verbindunj^; gesetzt, ebenfalls, wie man
glaubte, ans Salomonischer Oeberliefernng. Da nun die
Ursache von dergleichen liebeln nicht selten wirklich eine
psychische war, oder doch im Nervensysteme lag, auf
welches sich von geistiger Seite unberechenbar einwirken
läfst: SO' täuschte Jenes -psychologische Verfahren nicht
sehen und EscHSHMArsR^schen Schriften üb*er Besessene neue-
rer Zeit, in den Jahrbb. für wiss. Kr., 1836, Juni, No. 102 ff.
1858, Febr., No. 31 ff., zu geben gesucht. Ausserdem vergU
WiRTH, Theorie des Sonmanibulismus, S. 311 ff.
37) s. die Anm. 17. angeführte Lucianische Stelle.
38) Joseph. Antiq. 8, 2, 5-
39) Joseph, a. a. 0.
40) Giltin, f. 67. 2.
41) Justin. Mai(. dial. c. Iryph. 85.
Keantes Kapitel. S^ 91. 27
dureham, sondern es konnte oft wirkliiih darch die im
Kmnkea erregte Meinung, dafs vor einer Zaoberfornei
der ihn besitsende Dllnion sieb nicht länger halten könne,
eine Hebung des Uebels bewirkt werden ; wie denn Jesus
selbst eugibt, dafs auch jödiscben Beschwörern dergleichen
Koren bisweilen gelingen (Matth. 12, 27.)* Von Jesn»
aber lasen wir, dafs er ohne anderv^eitige Mittel and
ohne Beschwörung bei einer andern Macht durch sein
blofses Wort die Ditmonen ausgetrieben habe : und es sind
die herrorstechendsten Heilungen dieser Art, Ton welchen
uns dif Evangelien berickten , nunmehr * in Erwägung sa
sieheu«
S. 91.
Jesu Damonenaastreibungen, einzöln betrachtet.
Unter den einzelnen ErcKhlongen, welolTe uns in den
drei ersten Evangelien von den Kuren Jesu an Dämoni-
schen gegeben werden, ragen besonders drei hervor: die
Heilung eines Dämonischen in der Synagoge eu Kaper-
naum; die der von einer Menge Dämonen besessenen Ga-
darener, und endlich die des Mondsfichtigen , welchen die
Jünger nicht im Stande gewesen waren su heilen.
Wie nach Johannes die Wasserverwandlung, so ist
nach Markus (1, 23 ff.) und Lukas (4, 33 ff.) die Heiluog
mte^ Besessenen in der Synagoge von Kapernaum das er-
ste Wunder, das sie von Jesu seit seiner Rückkehr von
der Taufe nach Galiläa zu erzählen wissen. Jesus hatte
Qilt gewaltigem Eindrucke gelehrt: als auf einmal ein an-
wesender Besessener in der Rolle des ihn besitzenden Dä-
mons aufschrie, er wolle mit ihm cichts zu schaffen haben,
er kenne ihn als den Messias, welcher gekommen sei, sie,
die Dämonen, zu verderben ; worauf Jesus dem Dämon zu
schweigen und auszufahren gebot, was unter Geschrei und
Zockungen von Seiten des Kranken und zum grofnen Er-
atannen der Menge über solche Gewalt Jesu gcöchab*
/
28 Zweiter AbsebiiiU.
Hier könnte man steh Allerdings mit rationallstitohen
Auslegern die Sache so vorstellen : wenn der Kranke, der
wfihrend eines lichten Afigenbllcks in die Synagoge getre-
ten war 9 von der gewaltigen Rede Jesu einen Eindruck
bekommen, nnd dabei einen der Anwesenden von ihm als
dem Messias hatte sprechen hören, so konnte itk ihm ieioht
die Vorstellnng sich bilden, der ihn besitaende unreine
Geist könne mit dem heiligen Messias nicht ausammenbe-
steben, wodarch er in Paroxysmus gerathen, und seine
Furcht vor Jesu in der Rolle des Dämon aussprechen moob*
te* Sah aber Jesus einmal den Menschen so gestimmt:
was war ihm näher gelegt, ais, die Meinung desselben
von seiner Gewalt Ober Uen Dämon au benlitaen, und die-
sem das Ausfahren su gebieten, was dann nach den 6e-
aetsen der Seelenheilkunde, da der Irre von seiner fixen
Idee aus ergriflfen wurde, gar wobi gfinstigen Erfolg hal-
ben konnte ; wefswegen Paulus diesen Fall für die Veran«
iassung hält, durch welche Jesus suerst auf den Gedanken
gcfahrt worden sei, seine messianische Geltung su Hei-
lung von dergleichen Kranken au benötaen ^).
Doch erhebt sich gegen diese natürliche Vorstellung
von der Sache auch manche Schwierigkeit. Dafs Jesus der
Messias sei, soll ihr sufpige der Kranke durch die Leute
In der Synagoge erfahren haben. Davon schweigt der Text
nicht blofs, sondern er widerspricht einer solchen Annahm
me aufs Bestimmteste. Sein Wissen um Jesu Messiani-
tä( hebt der aus dem Menschen redende Dämon durch daa
oida ae xlg et x. r. L deutlich als ein ihm nicht von Men-
schen euffillig mifgetheiltes, sondern als ein ihm vermöge
seiner dämonischen Natur wesentlich ankommendes heraita«
Ferner, wenn Jesus ihm ein (pifuo^tjiil anruft, so beaieht
sich diefs eben auf das, was der Dämon zuvor von seiner
Messianität ausgesagt hatte, wie ja auch sonst von Jeau
\) cxcg. Handb., 1, b, S. 422 i L. J., 1, a, S. 218.
Neuntes Kspltel. {• 91. S9
«rmfthk vrird^ dal« er ax ^^is la)Mv ta dai^ivia^ ^i
^iu0€a^ ccvrav CMerc. 1, 34. Lno. 4, 41.) 9 oder %va ^ q^cc
ngop avTOv noirflcoatv (Mare. 3, 12.); glaubte also Jesus
dareb das dem Dfimon aufgelegte Schweigen das Bekannt-
werden seiner Hessianitl^ verhindern sn können, so mufs
fge der Meinung gewesen sein, dafs nicht der Besessene
doreh dais Volk in der Synagoge etwas von derselben ge-
hört habe , yielmehr umgekehrt dieses es von dem Besee-
seaen erfahren könnte, wie denn auch in der Zeit des er-
sten A^uftritts Jesu, in welche die Evangelisten den Vorfall
verlegen, noch Niemand an seine Messianitfit gedacht hat.
Fragt es sich demnach, wie, ohne Mittheilnng von
aslsen, der Dfimonisohe Jesum als Messias durchschaut
haben könne? so beruft sich Olsbausbn auf die unnatilr-
lleh gesteigerte Nerventhfttigkeit, -welche in d&monischen
Personen wie in somnambfllen ein verstftrktes Ahnnngs-
vermögen, eine Art von Hellsehen, hervorbringe, vermöge
dessen ein solcher Mensch gar wohl die Bedeutung Jesu
für das ganse Oeisterreich habe erkennen können ^. Die
evsngelttcbe Darstellung freilich schreibt jene Kunde nicht
einem Vermögen des Kranken , sondern des in ihm woh-
nenden Dimons su , wie diefs auch allein den damaligen
Jffdisehen yorstellunjjen angemessen ist. Der Messias soll-
te ersebeioen, um das dämonische Reich su stOrsen iurco-
liaai ^fiag^ vgl. 1. Job. 3, 8. Luc. 10, 18 f.), den Teufel
samoit seinen Engeln in den Fenerpfuhl su werfen (Matth.
25 , 41. Offenb. 20 , 10. ) ^ , und dafs nun die Dfimonen
denjenigenj, der ein solches Gericht über sie su oben be-
stiflimt war, als solchen erkennen würden, ergab sich von
selbst ^. Da somit das Erkanntwerden des Messiaa von
2) bi]>L Coiiun., 1, 290 f.
3) Tgl. BsRTBOLOTy Christol. Jnd. $$. S6. 41.
4) Nsch Peailta in Jalkut Schimoni 2, fi 56t 3. (s. Bsstrout,
p. 185.) erkennt auf ähnliche Weise der Satan den unter dem
30 Zweiter Absohnitr.
den Dttmonen so gans mit den volksthfimlichen Vorstel-
longen cusammentriffit : ao kOnnte man vermothen, dafs in
diesem Ponkte die eTangelische Tradition nicht rein nach
der historischen Wahrheit sich gebildet habC) sondern
durch jene Vorstellungen mitbestimmt worden sei ^). Hiesu
war um so mehr Veraniassung , je rfihmlleher fflr Jesum
eine solche Anerkennung von Seiten der Dlimonen war.
Wie ihm, da die Erwachsenen ihn verkannten, ans dem
Munde der Kinder Lob zubereitet war (Matth. 21, 16.)}
wie er, falls die Menschen schwiegen, tibereeugt war,
dafs die Steine schreien würden (Luc. 19, 400- so mufs- /
Ce es angemessen scheinen, den, welchen sein Volk, das
KU retten er gekommen war, nicht anerkennen wollte, von
den Dämonen anerkannt werden sn lassen , deren Zeug-
nifs, weil sie nur Verderben von ihm su gewarten hatten,
unparteiisch, und wegen ihrer höheren geistigen Natur
enverlfffsig war. Indefs genöthigt ist man eu dieser Aus-
kunft in der That nicht Dafs dftmonisch Leidende wie
Somnambule während des Paroxysmns mit anwesenden
Personen in Rapport treten, und vermöge desselben in
Throne Gottes präexistirenden Messias mit Schrecken als
denjenigen, qui me, sagt er, et amnes gentiles in infemunt
praecipitaturus est*
5) Fhitzsche, in Marc. p. 35 : in multis evangeliorwm locis
homines legas a pravis daenionibus agitatos, quum primunt
eonspexerint Jesum, eum Messiam esse, a nemine unquam
de hac re contmonitos, statim inteliigere. In qua re kac no -
strt Script nres ducti su$U sententia, consentaneusn esse, Sa-
tanae sateliites faeile cognocisse Messiam, quippe insignia
de se suppHda aUqtumdo sumturunu Auch Nrandba, S.3()J,
< Anm.j findet wenigstens möglich , dass die Bekenntnisse der
Dämonischen in der UeberÜeferung in eine stehende Komi
gebracht worden seien (so dass in der Wirklichkeit dieser
Dämonische Jesum vielleicht nur als Propheten angeredet
hätte).
Neunte« Kapitel. %. 91. 31
«lereA Imeres sich hineinsaftiileii| an ihren Empfindangetty
Sdnangeii nnd Gedanken Theil sa nehven iai Stand»
•tnd, iit nicht selten beobachtet worden *): und so konnte
aack hier, wenn Jeans so eben ans dem Tollen Bewofst*
•flia swn«r Messlanitfit heraas gesproclicn hatte, der Di-
■oaiscbe hicTon Termdge magnetischen Rapports eine
HTahrnehaanng bekommen.
Hiebt mehr Schwierigkeit als diese Kenntoifs des Da-
aionisehen Ton Jesn hat sofort seine Heilang. Hatte der
Kranke die Vorstellung ?ort Jesns als dem Messias, und
hatte er diese nicht biofs, wie nach der rationalistisclien
Ansicht, durch Mittheilnng von anrsen, sondern durch ei-
gsues magnetisehes MitgefAhl: 90 ging anch Wort und
Wille Jesu, den DXmon anssutreiben , in unmittelbarer
Stärke and Wirkaamkeit auf ihn fiber.
Haben wir in der unletst betrachteten Heilungsge-
sehiehte eines DXmonischen eine von der einfachsten Gat-
tung gehabt: so begegnet uns In der Erslbiung ?on der
Beilaug der besessenen Gadarener (Matth. 8, 28 ff. Marc.
5, Iff. Luc 8, S6 ff . ) eine höchst Eusammenge^etzte, in-
dem wir hier, neben mehreren Abweichungen der Evan-
gelisten, statt Eines Dämons viele, und statt des einfachen
Ausfahrens derselben ein Fahren in eine Schweineheerde
haben.
Nach einer stfirmischen Ceberfahrt über den galilsl«
sehen See an das östliche Ufer begegnet Jesu nach Mar-
kus und Lukas ein Dämonischer, welcher sich in den
Grabroälern jener Gegend aufhielt O9 und mit furchtbarer
Wildheit gegen sich selbst ^ und Andere eu wOthen pfleg-
6) s. TViRTH, a. a. O. S. 321, vgl. 179 ff.
7) Ein Lieblingssul'enthalt der Rssenden, •• Lishttoot und
Scnörrsan z. d. St., und der unreinen Geister, s. die rsbbi-
nischen Stellen bei Wststrik.
$) Die Behauptung, das« das xmraxoirm Uvror kt^otfy welches
32 Zweiter Abschnitt.
le ; nach Matthias waren es ihrer 2weL £s ist erstaun- *
lieh, wie iange sieh hier die Haroionistik mit elenden
Ausfluchten, wie, dafs Markus und Lukas nur Einen nen-
nen 9 weil dieser durch Wildheit sich besonders ausge*
aeichnet, oder Mattbfius swei, weil er den dem Wahnsin-
nigen anr Aufsicht beigegebenen Begleiter mitgeafihlt habe,
u. dergl. ') bebolfen hat, bis man eine wirkliche Differens
Bwischen beiden Berichten angeben mochte* Hiebei hat
man, in Erwägung dessen, dafs dergleichen Rasende unge«
seilig au sein pflegen , der Angabe der beiden mittlem
Evangelisten den Voraug gegeben, und die Verdoppelang
des Einen Dämonischen bei dem ersten daraus erklärt,
dafs die Mehrheit der dalfim'eg^ von welchen ia der Er-
aäblung die Rede war, dem Eraähler an einer Mehrheit
▼on daijii(n'uojiif.vo{ geworden sei ^^). Allein so entschieden
ist die Unmöglichkeit, dafs awei Rasende in der Wirk-
lichkeit sich ansammengesellen, oder yielleieht auch nur in
der ursprAngliehen Sage ausammengesellt wurden, denn
doch> nicht, dafs hierauf allein schon ein Voraug des Be-
richts bei Markus and Lukas vor dem bei Matthärs sich
begrflnden liefse* Wenigstens wenn man fragt, welche
der beiden Darstellungen der Sache leichter aus der an-
dern, als der ursprflnglichen , in der Ueberlieferung sich
habe bilden können? so wird man die Möglichkeit auf
Markus dem Beiessenca zus6hreibt| in lichten Augenbliclien
alt Busse für seine Verschuldung von ihm geschehen sei,
gehört tu den Unrichtigkeiten, tu welchen Olskavsbn durch
seinen falschen, moralisch -religiösen Standpunkt in Betrach-
tung dieser Erscheinungen Terfuhrt wird , da doch bekannt
genug ist, Mrie gerade in den Parozysmen solcher Kranken
die selbstzerstörende Wuth eintritt.
9) s. die Sammlung von dergleichen Erklärungen hei Fairs-
scBBy in Matth. p. S27.
10) so Schule, über das Abendmahl, S. 309; Paulus, s. d. St. ;
Ha», L. J,y V 75 ; Nbakdbr, L. J. Chr., S. 295. Aua.
}
Neonces Kapitel. $.91. SU
bddia Briten gleich grob finden. Ueno' weon auf die
eben engeseigte Weiae die mehreren DAaiontn su der
VonteUnng aaeb ron mehreren Dömonischen Anlafe gehen
kaflateii, ao IflGit aich ebenso umgekehrt sagen : in der dem
Faetaffl nSheren Darstellang des MatlhXusy vpo ron Besea»
teaea sowohl als ron Dfimonen in der Mehrzahl die Rede
wsri trat das speoifisob Aofserordentliche, welches dieser
Fall in der £rsählnng der beiden andern bat, noch flicht
so henror, dafs nämlich auf Kin Indlfidadm mehrere Dft-
Aonen kamen: und indem man, nm dieies Verhiltnifs
hervorznheben , sich heim Wiedererafihlen so ansdrficken
■Q&tSy dafs in Einem Menschen mehrere üfimonen sich
befoaden haben, so konnte diefs leicht Veranlassung wer*
den, da£s nach und nach dem Plnral der O&monen gege«*
Über der Besessene in den Singular gesetat wurde '0* I<tt
üebrigen ist in diesem ersten Eingange die Erafihlung dea
MatthSna kure und ailgemein , die der beiden andern aus«
ffthrUeh malend; woraus man gleichfalls nicht ermangelt
hat, auf die gröfsere UrsprOnglichkeit der ietateren au
schUeben *^» Gewib aber kann ebensowohl die Ausfüh-
rung^ in welche sich Lukas und Markus theiien , dals dev
Besessene kein Kleid an sich geduldet, alle Fesseln aerris»
sen, und sich selbst mit Steinen geschlagen habe, eine
willkfirliehe Ausmalung der einfachen BeaeichnuHg: ya?^*
stoi Uavy aain, welche Matthäus nebst der Folge, dafs Nie*
amnd Jeaeli Weg habe gehen können, gibt , als diese eine
angenaae Zoaammenfassung von fener.
Die Eröffnung der Scene a wischen ^dem oder den
Dteoniachen und Jesus geschieht hier wie oben durch
einen angatvollen Zuruf des Dämonischen in der Person
des ihn beaiteenden Dämons, dafs er mit Jesus, dem Mes«
lies, yoo ivelchem er nur Qualen an erwarten hätte, nichts
11) VgL i>B WsTTty 'exeg. Htndb., 1, 1, S. 88«
12) Scnuz-z, a. «. O. ^
Daa Leben Jem Vt Anfl. //. Band. 3
•84
Zweiter Abtehnitt.
BQ schaffen hebm walle. Die xar Erkiffrang der Erachei-
nang*) defs der Dtraoniscbe Jesum sogleich als Messias
erkennt, ron rationaiiRtiscber Seite gemachten PosCaUte,
dafs Jesns damals wohl auch schon auf dem Jenseitigen
Ufer als Messias genannt worden sei ^*) , oder drffs <lem
Menschen ^(welchem seiner Wildheit wegen Niemand nahe
kommen konnte ! ) einige von den mit Jesu fiber den See
Gekommenen gesagt haben, dort sei der Messias an's Lnnd
-gestiegen ^^ , sind gleicherweise grundlos, und in demsel-
ben Verhffltnifs, als hier, wo kein Redeact Jesu Torange-
gangen, dieser vielmehr so eben erst in einiger Entfernung
an's Land gestiegen ist, die Annahme eines Erkennens
darch magnetischen Rapport schwierig wird, tritt die an-
dere Auskunft nfiher, dafs niimlioh die jüdisch- christliche
Voraussetzung Hber das Verhältnlfs der Dämonen snm
Messias diesen Zog der Erzfihlung hervorgebracht habe ^^).
Indefs tritt hier noch eine Abweichung der Berichte ein.
Nach Mattbflua nfimlleh rufen die Besessenen, wie sie Jesu
ansichtig werden : %i jjfuv xal aal -^ ; jjld-fg — ßctaaviaai
i^tidg; nach Lukas ffillt der Dämonische Jesu cu Füfsen,
ond bittet ihn, ^n^ jus ßarjcn^iais;' nach Mnrkus endlich
MufKer Ton ferne herbei, um Jesum fofsfätlig bei Gott
Bu beschw6rei|, dafs er ihn nicht qufilen möchte« Wir
haben also wieder einen Klimax: bei MattbÜos ein schre«
ekenvolles Abwehren des unerwdnscht kommenden Jesus :
bei Lukas eine bittende Annäherung an den gegenwärti-
gen ; bei Markus sogar ein eiliges Aufsuchen des noch
entfernten. Die Erklärer, von Markus ausgehend, müssen
selbst sugeben , dafs das Hersulanfen eines Dämonischen
ea Jesu, den er doch fOrchtet, etwas Widersprechendes
sei ; wefswegen sie sich durch die Annahme helfen , der
15) ScHLSiBRMACBBR, übcT den Lukas, S. 127.
14) Paulus, L. J., i, «, S. 232.
15) t. FniTzsctiB, in Matlh. S. 329.
Neuntes Kapitel. {. 91. 35
Men«^ mh er sieb gegen Jesom hin in Bewegung setete,
tei in einem lichten Angenhlieke gl!we8en,'in welchem er
Yom Dimon befreit en werden wOnschte, und erst durch
die ErbitEnng des Laufens ^) , oder durch die Anrede
JssB *''} sei er in den Paroxyamus g^rathen , in welchem
er in der Rolle des Dlimons um Unterlassung der Austrei-
bung bat. Allein in den cnsammen hängenden Worten bei
Harliiis: idcJi* — $d(}aite — xai TtQO^fxvr^ — xai xQaSctg
— ftTie * iit keine Spur von einem Wechsel seines Zostan-
des Bv finden , und es bleibt so das Unwahrscheinliche
der Bmrstellnng; denn der wirklich Besessene hätte sich|
wenn er den gefiirchteten Messias von ferne erkannte,
eher so aebnell wie möglich davon gemacht , als sich ihm
geolherC, und wenn auch nicht, so konnte er^ der sich
dureb einen Gott feindseligen DKmon besessen glaubttf|
Jemim doch gewifs nicht bei Gott beschwören, wie Mar-
kus den Dimonischen thun läfst ^*). Kann demnach seine
DanteiluDg hier die ursprttngliche nicht sein, so ist die
des Lakua ihr so verwandt, und eigentlich nur um die
ZAge des 2(«rzulaufens und Beschworene einfac^r, als
dafs wir «e fttr die dem Factum nlichste ansehen könnten.
Sondern die am reinsten gehaltene ist ohne Zweifel die
des Matthäus, deren sohreckenvolle .Frage : ?j?.^'€g uide nqo
KcciQä ßccßfxnaai rjftai;; einem DXmon, der «Is Feind dea
Meesiusreiebs vom Messias keine Schonung so erwarten
hatte, weit natörlicher steht, als die Bitte um Schonung
bei Markos und Lukas; wenn gleich Philostratus in einer
16) Natürliche Geschichte, 2, S. 174.
17) Paüujs, OLsaAtrsSMy t. d. St,
18) Diest finden «och Paulus und OLlMAütsif AuffsUeitd, ttitd
Wftists, ob er gleich den Bericht de« Markus auch hier für
den ursprünglichen halt, vcrzichtst doch auf seine wörtliche
Geltung (1, S. 497.).
ZC Zweiter Abschnitt.
Erctthlungi die niAn als Naohbildang illeaer eTangeiisciien
ansehen könnte, sich an die letstere Form gehalten hat *^).
Wfihrend man nach dem Bisherigen glauben mufste,
die Dämonen haben hier wie in der ersten Ersählnng,
ohne dafs etwas von Seiten Jesa Torangegangen war, ihn
auf die besehriebene Welse angesprochen : so holen nnn
die awei mittleren ETangelisten nach, Jesus habe nftmiich
dem nnsaubern Geiste geboten gehabt, den Mensehen so
Terlassen. £s fragt sich, wann Jesus diefs gethan haben
soll? Das Nächste wäre: ehe der Mensch ihn anredete;
aber mit dieser Anrede ist bei Lukas das TiQog^TiUße , und
mit diesem weiter rfickwärts das cn^ccxQa^ag so eng ver-
bunden, dafs man den Befehl Jesu vor den Schrei und
Fufsfall als deren Ursache setsen mttfste. Nun aber ist als
Ursache davon vielmehr der blofse Anblick Jesu angege-
ben: so dafs man bei Lukas nicht sieht, wo Jenes Gebot
Jesu seine Stelle finden soll. Noch schlimmer ist es bei
Markus, wo der Zuruf Jesu durch eine ähnliche Verket-
tung ,der Sätse sogar vor das sdQafie surfickgescholien
wird, so dals Jesus sonderbarerweise schon m der Ferne
dem Dämon das t^elO'e angerufen haben müf'ste. Wenn
auf diese Weise bei den beiden mittleron Evangelisten
entweder die vorangeschickte suSammenhängende Darstel*
lung oder der daranffolgendö Zosata unrichtig sein mufs:
so fWigt sich nur, was von beiden eher den Schein des
Unhistoriscben wider sich habe? U|id hier hat selbst
ScHLKiSRMACHER uud ihm uaoh auch Neandkr eingeräumt,
wenn in der ursprünglichen Eraählung von einem vorans-
gegangenen Gebote Jesu die Rede gei^esen wäre, so wfirde
dieses gewifs in seiner rechten Stelle vor der Bitte der
Dämonen , und mit Anffihrung der eigenen Worte Jesu,
gegehea worden sein ; wogeged seine jetsige Stellung ala
19) Es ist diess die Erzählung von der EintUnrang einer Einpusa
durch Apollonius von Tyana, vita.Ap. 4, 35 ; bei Bäür, S. 145.
Heantef Kapitel. $• fl. 37
P< achtrag, and ebenso seine abgekQrste Fassung in der
oratio obUqiia (bei Lukas; erst Markus wandelt sie nach
seiner Welse in oratio recta um) sehr stark die Vermu*
tbnog begrfinde , dafs es auch nur ein erklärender Nach«
trag des Ers&hlers aus eigener Conjector sei ^% Und
swsr Ist OS ein höchst störender, Indem er der ganaen
Scene naehtrfigiich eine' andere Gestalt gibt, als sie ron
forne hereih Eeigte. Zuerst nämlioh war sie auf ^n sn-
forkomaaendes Erkennen und Bitten des Dlmonlschen an«
gelegt: nnn aber fällt der Ersftbler aus seine» Rolle, und
in der Meinong, .der Bitte des Dämons um Schonung
ndsse ein barter Befehl Jesu vorangegangen sein, bemerkt
er nachholend, dafs Jesus vielmehr mit seinem Gebote an«
rorgekommen.
An die Nachholung dieses Gebotes schliefst sich nun
bei Markne und Lukas die Frage Jesu an den Dämon an:
T( tfof ovofia; worauf sich eine Mehrheit von Dämonen an
erkennen gibt, und als ihren Namen X^€wv beseichnet, *«
eine Zwischenhandlung, von welcher Matthäus nichts hat«
Wie wäre aa nqn, wenn, wie* der vorige Zasata eine nach-
trägliche Erklärung des Vorhergehenden , so diese Frage
und Antwort eine vorausgeschickte Einleitung des Folgen«
den wäre, und ebenso nur aus den eigenen Mittein der
Sage oder der Referenten ? Der sofort von den Dämonen
ausgesprochene Wunsch nämlich, in die Schweineheerde
KU fahren, aetat bei Matthäus noch gar nicht nothwendi^
30) Sghlxibiiiiucnrr , über den Lukas, S. 128; NiAnaiR, L. J.
Chr., S* 296, Anm. ' Wenn nun aber der Erstere diese un-
richtige Ergäxisung von Seiten des Lukas daraus erklärt,
dsss sein I}erichterstattcr vcrnkuthlich bei^m Schiff beschäf*
»
tigt und etwas zurüplsgeblicben , dem Anfang der Scene mit
dem Dämonischen nicht angewohnt habe : so ist diess ein
gar zu neugieriger Scharfsinn neben der veralteten Annahme
eines m'ögHohst nnmittclbarcn Verhältnisses der evangeli«
sehen Berichte zu den Thatsachcni
ZH Zweiter Abteil uitt,
eine Mehrheit von Uämooeo in jedem der beiden Besesse-
nen voraos, de wir oicbt wissen l&önnen , ob der Hebräer
niebt auch swei Dämonen in ein Besitaongsverhältnifs an
einer ganeen Heerde au aetzen im Stande warr wohl aber
konnte ein späterer Erzähler meinen, die Zahl der bösen
Geister mit der Zahl der Schweine aosgleiehen au müssen.
Was nun bei Thieren eine Heerde, daa ist bei Mensehen
nnd hliheren Wesen ein Heer oder eine Heeresabtheilang,
und da lag, wenn eine gröfsere Abtheiluog bezeichnet
Werden sollte, nichts näher, als die römische Legion, wel-
che Matth. 26, M. auf die Engel, wie hier auf die Dämo-
neu, angewendet ist. — Uafs es nnn aber, auch abgese-
hen fon dieser näheren Bestimmung, mehrere Dämonen
gewesen sein sollen, welche hier in Einem Individnam
ihre Wohnung aufgeschlagen hatten, ist als undenkbar ea
beseichnen. Denn wenn man zwar so viel etwa noch sieh
vorstellig machen könnte, wie Ein Dämon, mit UnterdrA-
ckung des menschlichen Bewufstseins, sich eines manschli«
eben Organismus bemächtigen könne: so geht einem doch
alle Vorstellung aus, sobald man gar viele einen Menschen
(»esitsende dämonische Persönlichkeiten aicli denken soll.
Denn da dieses Besitzen nichts Anderes ist, ala, sich zum
Subject des Bewufstseins in einem Individuum machen,
das Bewufstsein aber in der Wirklichkeit nur Eine Spitxe,
Einen Mittelpunkt, haben kann: so ist jedenfalls daa
schlechterdings nicht zu denken, dafs zu gleicher Zeit
mehrere Dämonen von einem Menschen sollten Besitz nebr
men können, und es könnte die mehrfache Besitzung im-
mer nur als successiver Wechsel des Besessenselna durch
verschiedene Dämonen vorhanden sein^ nicht aber wie hiev
ein ganzes Herr derselben zoglefch im Menschen wohnen
und zugleich ihn verlassen. Pie«e Form der Krankheit
mithin, die fibrigens auch in neuerer. Zelt beobachtet wor-
den, enthält noch eine besondere Möthigung fsur rationalen^
•abjectiv^u AuS'assupjr derselb^üt
neuntes Kapitel. $• 9^ W
Dtrin onn stimineD weiterhin 'die Ei^sählokigen ttber-^
ein ) dab die DXraonen Cooi nicht , wie Markaa sagt , aus-
ser Landes, oder naeh Lukas in den Abgrund verwiese»
SU werden) Jesum um die Erlaubnifs gebeten haben | iu
die benachbarte Sohwelneheerde sn fahren { dals ihnen
diefs von Jesn gestattet worden , nnd sofort durch ihre
Kinwirkaog lämmtliche Schweine (Markusy man darf nicht
fragen, ans welchen Mitteln, bestimmt ihre Zahl anf tM)00>
jti den See gestürzt nnd ersoffen seien. Bleibt man hie«
nnf dem Standpunkte der Berichte, welche durchaus wirk«
liehe Ulmonen voranssetsen, stehen, so fragt es sich: wie
kö'inen ÜAmonen •- einger&umt auch, daCs sie von Meufi
sehen Besitz nehmen liönnen, — wie können sie ^ber, ala
in Jedem Falle vernttoftige Geister, den Wunsch haben
und erreichen, in thierische BiMMngen einEugehen? Jede
Religion und Philosophie, welche die Seeienwanderung
verwirft, mnls aus demselben Grunde auch die Möglichkeit
eines solchen Ueber^^Hnges langnen, nnd Olsu/IDSEN stellt
voUkommen richtig die gadareniscben Säue im N« T* mit
Bileams Esel im alten als ein fihnliches ax<iydalov xal
noosKOftfia Busaoimen ^0* Diesem ist er aber durch die
Beraerknipg, dafs hier nicht an ein Eingehen der einseinen
IMmonen in die einseinen Schweine, sondern an ein blo«
fses Einwirken sfimmtlicher bösen Geister auf die Thier-
masse sn denken sei, mehr ausgewichen, ajs dafs er dar-
über hinweggekommen wäre. Denn das eii;6l(>eiy eigr^g
yoiQHgj wie es dem i^€?M-€Tv ix ra av&QCJTie gegenübersteht,
kann doclh unmöglich etwas Anderes bedeuten, als dafs
die Dämonen in dasselbe Verhfiltnifs, in welchem sie bis-
her SU den besessenen Menschen gestanden, nunmehr sn
den Schweinen getreten seien \ anoh konnte sie vor der ,
Verbannung aufser Landes oder in den Abgrund nicht ein
blofsee Einwirken, sondern nur ein wirklichifs ^nwohnen
:i) S, 299, Anm.
4^ Zweiter Abseh uitt.
in deti Leibero der TMere bewaiireo : so daCi jenes axdv-
dakov steheB' bleibt. Uomögllch also kaoa Jene Bitte von
#lrkUchdn DSeionen, sondern aor etwa von Jüdischen
Wahnsinnigen , vorgebraebt worden sein 9 nach den Vor-
stellnngenl ihrds Volkes. Ohne leibliche Halle ma sein,
macht diesen enfolge den bösen Geistern Qnal, weU sie
ohne Leib ihre sinnlfchen Lüste nicht befriedigen kön-
nen ^2); waren sie daher aus den Menschen aasgetrieben,
so mnfstf n sie in Thierleiber ^n fahren wünschen , dnd
was tangte für ein Ttvtv^ia axd&uqit<n' besser, als ein ^cJoy
^dO^aQTOv y wie das Schwein war ? ^^) So weit könnten
also die EvangelUten in diesedi Punkte das Thatsilchliche
viobHg wiedergeoen , indem sie nur ihrer Vorstellung ge-
mfifs den Dfimonen zuschrieben, was vielmehr die Kran-
ken aus ihrem Wahne heraus sprachen. Nun aber, wenn
es weiter heifst, die Dämonen seien in die Schweine ge-
fahren , berichten da die Evangelisten nicht eine offenbare
Unmöglichkeit? Paulus, bnd mit ihm selbst supranatura-
Ilstiscbe Theologen, wie S^gudel, meint, auch hier, wie
sonst immer, identificiren die Evangelisten die besessenen
Menschen mit den sie besitzenden Dfimonen, und schrei-
ben alsoj das slseXS-eTv etg r&g xo^Q^S den letat^ren an,
während doch in der Wirklichkeit nur die ersteren ihrer
fixen Idee gemfifs auf die Schweine losgerannt seien ^*),
Hier liefse sich zwar des Matthfins ccTiijJid'Cfif sig zag toL-^
22) Clem. hom. 9, 10. VcrgK eine ähnliche Bittstellung eines
Dämons in Kerkrr's Geschichten Besessener, S. 116 f.
23) Fritzschb, in Matth. p. 3S2. Nach Eisskmknger , 2 9 447 fr.,
halten sich^ der jüdischen Vorstellung gemäss, die Dämonen
Überhaupt gern an unreinen Orten auf, und in Jalknt Hu-
Jienf f. 10, |. (bei Wktstkiiv) ilndet sich die Notiz: Animu
idoloMrarum, qtiae venit u xpiritü tfmnundo, tociftür porcus^
24) a a. O. S. 474. 485; Stbudbl, Glaubentlehre, S. 175; ebenso
Wimrk; bibl. Rcslw., J, S, 192,
* NoaVites KAuitel. S- Ol- ^1
oHf; , fttr «iah fuenomnen , etwa noch von einam Losrennen
aaf die Heerde versieben ; aber niobt nar rnnfs PAüifUa
selbst einriamen, dafs das etgeld-oir^g der beiden andern
Synoptiker ein vfirldiches Hineingeben in die Sebweine
beseiehne t sondern es hat ancb Matthfios , wie die beiden
andern 9 vor dem uni^Xd-dv ein i£el%^6ynF^ ol dalfiovfg C^e.
tx t<Sy ayO'(Hjina}iO 7 wodaroh also die in die Schweine fah«
rendeo Dämonrn von den Mensebenf aus welchen sie vep^
her wichen, deatlich genug unterschieden sind '^). Kine
feinere Art von natllrlieber Erklärung dieses Zuges hat
neuestens Weisse in Vorschlag gebracht, indem er, ohne
die Voranssetanng wirklicher Dftmonen au theilen , eine
magl^ehe Ableitung der Krankheit in die Sohweinebeerde
annehmlich findet, wofür er sieh auf Kieser beruft, der
die Mögliehkeit eines Uebergangs dämonischer Zustände
auf Andere und selbst auf Thjere anerkenne ^^). Eine
Ableitung gewisser körperlicher Leiden auf Thiere kommt
bekanntlich in der -^ freilich noch immer einer kritischen
Sichtung bedürftigen — sympathetischen Heilpraxis vor;
von Mittheilang organisch -psychischer Zustände an Thiere
ist meines Wissens nur die Theilnahme von Pferden und
andern Thieren an dem sogenannten eweiten Gesiebte der
sebottlschen und dänischen Inselbewohner sicher beglau-
bigt ^Oy was aber der evangelischen Eraäblung immer
noch Eiemlich ferne steht.
Neuen Anstofs macht die Wirkung, welche die Dä-
monen in den Schweinen hervorgebrifeht haben sollen.
Kaum In dieselben gefahren nägiUch sollen sie die ganse
25) t. FkiTziCHE, in Matth. S. 3S0.
26) AYkissi, die evang. Gesch., 1, S. 497. 499; Kiisir, System
des Tcliurisnms, 2, S. 72.
$7) S. die Mittheilungea von Bende äendsen in verschiede-
nen Bänden des £8CNXiiMAYSR^schefi Archivj für «lea tkisri*
sickpit MagnclisjEus«
it Zweiter Abschnitt.
Heerde angetrieben beben j eich In den See sa etiireeiiy
wobei man mit Recht fragt , wae denn die Dinenen nun
dnroh da« Fahren in die Thiere gewannen liaben , wenn
eie diese alsbald vernichteten ^ and sich somit der- so sehr
erbetenen leidiiehen Interimswohnnng selbst wieder be-
raubten ^)? Die Vermuthnng, die Absieht der Oftmonen
bei Vernichtung der Schweine sei gewesen , die GemOther
der Eigenthttmer durch diesen Verlast gegen Jesnm ein«
sanebmen, was anch erfolgt sei *^)y ist sn weit iiergeholt ;
die andre, dafs der mit Geschrei auf die Heerde losstttr«
sende DSmonische sammt den Im Schreclien däronlanfen-
den Hirten die Schweine sehen gemacht und ln*s Wasser
gefegt habe ^®) , wfirde, wenn sie anch nicht nach deiD
Obigen dem Text so wider wftre, doch nicht hinreichen^
um das Ertrinken einer Heerde von 2000 Stfiolien nach
Markus, oder Qbefhaopl nur einer grofsen Heerde, nach
Matthäus, EU erklären. Die Ausflucht, dsfs wohl nur eia
Theil der Heerde ersoffen sei *^), ist entschieden gegen
den Bericht, de Matthäus ausdrücklich sagt, maaa r^ ayü.tj
sei in den See gestOrst und erstickt, Markus aber seine
Zablbestimmnng swisehen oiQurfltv rj ayiktj eis ^17^ (^akaa^
0av und inviyovro stellt» -^ Vermehrt wird ffir dleeen
Punkt die Schwierigkeit durch die nahe liegende Reflexioo
auf den nicht geringen Schaden , welchen das Ertrinken
der. Heerde den Eigenthümern brachte, und dessen mittel-
barer Urheber Jesus gewesen wäre. Die Orthodoxen,
wenn sie Jesnm Vk irgend einer Wendung dadurch recht«
fertigen wollen, da& durch Zulassung des Uebergangs der
Dämonen in die Schweine die Heilung des Besessenen
möglich gemacht worden sei, und dafs doch gewils Thjere
\
38) Paulus, a. a. O. S. 475.
29) Olsiiausiit, S. 301.
30) Paulus, S. 474.
31) Tailus, S, ^%by WiMR, a. a. Q.
Neuntes Kafiitel. S* l^l- 43
• «
getddtel werden dfirfen, denit die Menseheo lebendig wer*
den ^y bedenken nieht, dafs sie hiedvroh auf die fflr ih-
ren Standpunkt folgewidrigste Weise die sehlecbtbinige
MAchc Jesu fiber das dämonische Reich beschrlinken. Die
Aesknnft aber^ Jesus habe, sofern die Schweine Judea
gehörten, ^diese für ilire gewinnsttehtige Uebertretong des
Gesetses strafen wollen "*j, überhaopt habe er ans göttli«
eher Vollmacbt gehandelt, welche oft au höhWen Zwecken
filnaelnes eerstöre, und durch Bllta, Hagei und Ceber«
sehwemonng vieler Menschen Habe vernichten lasse, wer«
Aber Gott der Ungerechtigkeit aneuklagen, albern wäre ^)f
— diefs ist wieder die a^f orthodoxem Standpunkt aner«
laubteste VermiscboDg des Standes der Erniedrigung Chri*
sti mit dem seiner Erhöhung, ein schwärmerisches Hin*
ausgehen ftber das besonnene paulinische yeivftevov vrco
rouor Oi»l. 4» 4.) und iavtov ixinoae (Phil. 2, TOi welches
uns Jesnm völlig entfremdet, indem es ihn auch in Beeug
auf die sittliche Beurtheilung seiner Handlungen fiber das
Maafs des Menschlichen hinaushebt. Soll daher nicht auf
Jesu die Beschuidigung eines Eingriffs in fremdes i£igen*
thum liegen bleiben, wie denn Gegner des Cbristenthums
diese Eraählung sich längst gehörig au Nutse gemacht
babed ^): so bleibt nur noch fibrig, das vom Standpunkte
der natfirlicben Erklärung voraosgesetete Hineinrennen
der Dämonisolien unter die Schweine, oder die verderbliohe
32) Olsmavss!<v, a. a. O.
33) Ders. cbcndas.
54) UhLKkTin , über die Unsiiiidlich1<eit Jesu , in den thcol. Stii-
dien und Krit., 1, 1, S. 51 f.; Olsuiuskn, a. a. 0. ^
55) 2. B. WooLSTON, Disc, 1, S. 32 if. Wenigstens wlrc Pytha-
goras in ähnlichem Falle weit billiger verfahren, da er die
Fische, deren Loslassung er von den Fischrrn , die sie ge-
fangen hatten, auswirkte, ihnen baar bezahlt haben soll.
JsmHicJi* ^ita r)thag. no. 30. cd. Kiesiling.
44 Zweiter Absobaitt.
Wirkang des aof sie Qbergetragenen dimonliebeD Zastan*
des, als etwas Jesn selbst unerwartetes, ffir das er alao
aaeh nicht verantwortlieb sei, darsnstellen ^) ; wobei man
dann nnr eingestehen mnfii, sieh in Widersprach gegen
die evangelische Darstellung sn setsen, welche Jesnm die
firfolg€l, sofern er sie aneh nicht geradesn bewirli.t , dech
anfs Bestimmteste Vorhersehen lifst").
Bei diesem Gewebe von. Schwieriglieiten , welche na-
mentlich der 'Punkt mit den Schweinen in die vorliegende
ErzXhlnng bringt, ist es kein Wnnder, dafs man in Becn^
auf diese Anekdote froher als bei den meisten andern aus
dem öffentlichen Leben Jesu angefangen hat, die dnrch*
gängige geschichtliche Treue der Erzfihiung en beswetfel*,
und insbesondere den Untergang der Schweine mit dev
durch Jesum bewirkten Austreibung der Dimonen aufsev
Besiehung ku setzen. Da durch eine uns unbekannte Urw
Sache — meint Meandkr — in der Heerde eine Verwirrung
entsteht, und sie das steile Ufer hinabstfiraend im See anim
Tbeil umkommt: so schliefst sich dieser Wahrnehmangr
, bei dem Dämonischen die Ueberzengnng an, dafs die bösen
Geister Ihn' verlassen, von den Schweinen Besita genommen
und diese durch ihre Zerstörungswnth in das Wasser ge«
triei)en hätten ^. Bestimmter vermnthete Krug, die Schwei«
ne seien schon vor der Landung Jesn durch den Sturm,
der während seiner Ueberfahrt wflthete, in den See ge-
atfirat worden, und als Jesus nachher den Dämonischen
heilen wollte, habe entweder er selbst, oder einer aus sei-
nem Gefolge, den Menschen beredet, seine Dämonen seien
bereits in jene Schweine gefahren, und haben sie in den
See gestürat; was dann a|s durch Jesum bewirkt aufge*
36) Paulus.
37) s. UiaiuAiiir,
38) 1'. J. Chr., S. 397 f.
^-
Neanlet KapiteL $. fl« 4S
nwmmtm and welter getegt worden sei *> K. Cb. L.
ScBViBT Ufet, alt Jeeos aa'e Land stieg , die Hirten ihm
entgingen gehen, indeeeen von den «ieh «elbet fiherlaMenen
Sehwelnes mehrere In das Waaaer tiOrsen , and da nan
OB eben diese Zeit Jesus dem UXmoa anseafahren geboten
habe, so liaben die Umstehenden Beides In Caasalansism-
■enhang gesetst**). Durch diese answei9henden KrftlX-
raagsTersiiche wird man sich nieht befriedigt finden, soo«
dem aut Wsisss die Alternative stellen, dals der henror«
tteebeadste Zng der ErKählang, die Ableitung der Krank-
hnt der Besessenen in die Schweineheerde, entweder fa-
ctiseh wahr, oder erdichtet sein nittsse. In welchem Sinne
flie mU thatsichlich wahr an sonst bekknnte Erfahrungen
lieh etwa aniinflpfen liefse, ist beiylts oben angegeben;
da jedoch die dort beigebrachten Analogien weder durch-
aus aieher noch erschöpfend sind: so Ist hier schlierslieh
noch sa fragen, ob In der Zelt der mothmalslichen Bildung
der eTangeliaehen Ersiblungen sich nicht Vorstellungen fin«
den, ans welchen tleh die Erdichtung des Zugs mit den
Schweinen In der vorliegenden Geschichte erlilären liefse?
Eine biehergehörige Zeitmeihung hatten wir schon :
nlmlich die, dafs Dämonen nicht ohne Leib sein wollen,
■nd^ dats sie gerne an unreinen Orten seien, wefswegen
ihiiea die Leiber von Schweinen am besten taugen muf««
tea; indefs erklfirt sich hieraus der Zug noch nicht, dafe
ide die Schweine in das Wasser gettiIrKt haben sollen.
Dpeh anch hiefflr fehlt es nicht, an erkltfrenden Notisen.
Joaephos berichtet von einem Jüdischen Beschwörer, der
39) In der Abbandlung! über genetische oder formelle Erkia'rangs-
art der Wunder, in Hikkk^s Museum, 1, 3| S. 410 (F. Zu
loben ist hier auch das Bevvusstsein davon, dass die Darstel-
lung bei Matthäus die einfachere , die der beiden andern
Erangelisten die gusgeschmücktere ist.
40) Exeg. Beiträge, 2, S, 109 ff.
/
I
M Zi^eiter Abschnitf^
durch Salomonische f^ormeln ond Mittel die Ditttonen tkUB-
trieb, dafs er, om die Anwesenden von der Realität sei-
ner Aostreibong sa überfahren, In die Nfihe des Besesse-
nen ein Wassergeftfs gestellt hnbe, welches der ausfah-
rende Dämon umwerfen ^ und dadurch den Zuschauern
augenscheinlich Keigen mufste, dafs er aus dem Menschen
heraus sei ^0« ^uf ähnliche Weise wird von Apöllonius
von Tyana ersählt, dafs er einem Dämon, der einen Jüng-
ling besessen hatte, befohlen habe, sich mit einem sichtbar
ren Zeichen zu entfernen, worauf derselbe sich erbot, ein
in der Nähe befindliches Srnndbild umsuwerfen, welches
dann Eum grofsen Erstaunen aller Anwesenden wirklich
In dem Augenblicke umfiel , als der Dämon den Jüngling
verliefs ^^). Galt bienach das in Bewegung Setsen eines
nahen Gegenstandes ohne körperliche Berfibrong als die
sicherste Probe der Realität einer Dämonenaustreibung:
so durfte diese Probe auch Jesu nicht fehlen , und swar,
wenn jener Gegenstand bei einem Eleasar nur fuxQov von
dem Beschwörer und dem Kranken entfernt, mithid der
Gedanke an eine Täuschung nicht ganz ausgeschlossen
war, so räumt in Bezug auf Jesum Matthäus, hierin
ausmalender als die beiden andern, durch die Bemerkung,
dafs die Schweineheerde (.tayj^dv geweidet ha^e, auch den
letzten Rest einer solchen Möglichkeit hinweg. Dsfs der
Gegenstand, an welchem Jesus diese Probe ablegte, eine
Schweineheerde ist, diefs, wie es einerseits aus der jfldt*
sehen Vorstellung von unreinen Geistern und Thieren
hervorgegangen war, %6 knfinfre es sich andererseits an
41) Antiq. 8, 2, 5 t ßeloutvoi d'k ntlaat arae nanag^nm toTq TretQOTuy^
^avaaiv o ^Elfata^t, OTi ravrrp^ f^^t i'»;|fw', trC^rt ^hxqov hunQoa^-fir
^TOi noTtj^ov nJt^^g vSarog ^ naSoviTtr^y xeti rto daiftwüo n^grrar—
Tfv, r^VTi TS av>ana ravT ttrar^hpai^ itai fra^arf;fwv iniyvöh'eit
TOii o^wftr^ OTi xaTa?^Xotne ror ar&^timor. '
k'2) Fhilostr. vir. Apollon. 4, 20 ; bei Baus, ä. a. O. S. 39.
^ IVevnees KiipiteL f. 01, 47
^ •
die iilfklioke GescbiehCe iniofern paBtend an, mh Jetas
In d«r T'httt nicht bloft einfach Beseasene, wie den dar
vorifBB Geachiehte, aondern anoh aolehcy die, wie Maria
Magdalena (Luc. 8, ^.)^ ^^^ nehreren Ulmonen aich !>•-
aetieB wfihnten, gehelit'hatte; eine Mehrheit, die» wenn
sie alier Wahraeheinliohlceit nach auch hier snr geichichtU-
ehen Grandlage gehört, darch die gegenübergeatelite Vielheit
einer HeeMe noch geateigert wnrde. Die Einwirlinng der
aai den Blenachen Tcrtriebenen Dämonen aber, wie aie
an Mnem Waaaergefiirs oder Standbilde dorch nichta aogen-
aeheialicher aich «eigen k9nnte, als dadurch, dafs daaaelbe
gegen aein natirliobea , dorch daa Geaets der Schwere be-
stiramtea Verhalten umfiel: ao konnte -aie an Thieren dorch
nichts aieherer sich IwthKtigen , ala wenn dieae, ihrem na«
tirliehen Lebenstriebe ao wider, aich an erafiufen voran*
lafst wurden. So wenig man daher Oraache hat, die Hei-
lung ^oe« oder aweier Dämonischen von besondere achwie-
figer KranlLheitaform dorch Jeaum ala anm Gmnde lie«
genda Tbataache zn beaweifeln : ao dringend ist man ver»
anlaftt, in manche Nebeonmstände der Ercählung einen
Zweifel an aetaen , und namentlich den Zug mit den
Schweinen ala eine sAgenhafte Zothat an iietrachten.
Die dritte und letzte anaffibrlich eraählte Dämonen«
auatreibang hat das Eigenthfimliche , dafa auerst die Jün-^
ger vergeblich die Heilung verauchten , hierauf aber Je^ua
diesellie mit Leichtigkeit vollbringt. Sämmtliche Synopti-
ker nämlich (Mattb. 17, 14 ff. Marc. 9, 14 ff. Luc. 9, 37 ff.)
berichten einatimmig, wie Jesoa mit aelnen drei Vertrau-
testen vom Verklärungsberge herabgekommen sei, habe er
leine übrigen JOnger in der Verlegenheit gefunden, duh
ne einen beaeaaenen Knaben, welchen sein Vater an ihnen
gebracht hatte, nicht im Stande gewesen seien, zu heilen.
Anoh in dieser Kraählung findet eine Abstufung statt
fon der gröfaten Einfachheit bei Matthäus bia zur gr6f$ten
AaaflDhrliohkeit der Sehllderang bei Markos; was denn
/
4B Zweiter Abschnitt«
anoh hier, wieder lile Folge gehabt bat, dafa tnaii itrn
Bericht des Hatthäiu ala den der Thatsache am fernsten
stehenden den Relationen der beiden andern oaehsetsen
Bu müssen glaubte ^^> Im .Eingange Ufst Matthfins Jesum,
vom^erge herabgestiegen, kq dem oyj^og stofiien, hierauf
den Vater des Knaben bq ihm treten und ihn fufsfftlllg
um Heilung desselben bitten; nach Lukas kommt ihm der
^iy.iiog entgegen; nach Marluis endlich sieht JAus um die
Jtf nger viel Volks, und Sohriftgelehrte, die. mit ihnen strei-
ten, das Volk, wie es seiner ansichtig' wird, läuft hiriBu
und begriffst ihn, er aber fragt, was sie streiten? worauf
der Vater d^s Knaben das Wort nimmt. Hier haben wir*
in Bezog auf das Benehmen des Volks wieder einen Kli-
max: ans dem BufüUigen Zusammentreffen mit demselben
bei Matthäus war schon bei Lukas ein Entgegenkommen
des Volks geworden, und dieses steigert nun Markus bu
einem Herbeilaufen, um Jesnm an begrOfsen, wobu er
noch das sonderbare i^eü'a^tßi^jj fflgt. Was in aller Welt
hatte das Volk, wenn Jesus .mit einigen Jfingem daher-
kam, so sehr bu erstaunen? Oiefs* bleibt durch alle andern
ErklärungsgrOnde, die man aufgesucht hat, so unerklärt,
dafs ich den Gedanken des Enthymius nicht so absurd
finden kann, wie Fritzsche ihn dafür ausgibt, es sei an
dem eben vom Verklärungsberg hefabgestiegeneo Jesus
tioch etwas von dem himmlischen Glänze, der ihn dort
umleuchtet hatte, sichtbar gewesen, wie bei Moses, ala
er vom Sinai herunterkam (2 Mos. 34, 29 f.) ^^)- Dafs
unter diesem Volksgedränge zufällig auch Schriftgelehrte
aich befunden haben, welche den Jflngern wegen der mifa-
Inngenen Heilung zusetzten und sie in einen Streit veiv
wickelten, ist Bwar an und fOr sich gar wohl denkbar,
aber im Zusammenhang mit jenen üebertreibungen hin-
43) ScRULZf S. 3l9; NiANDBRy S. 301; Wiissi, I, S. SfiOlL
44) V^L. Ol Wbttb, exeg. Handb., 1, 3, S. 162.
Heontes Kapitel. §. 91« 4f
iiehttteh des ,Verluilteiu der Menge mliCi aaeh dieMr Zog
Teidiehlig werden, snmal die beideo andern Bericbter*
flUtter ihn niobt liaben; se daCi, wenn lich Migen lIfeC|
anf welche Weite der Referent dean liomineD lionnte, ihn
ana eigener Combination hioBaaafifgen, wir ihn mit hik)h*
fCer Wahrscheinlichkeit fallen lassen dOrfen. In Besag
auf die Ffihigkeit Jesu, Wunder an thnn, MeA es bei
Markna frfiber einmal (8^ IK) bei Gelegenheit der Forde*
rang eines himmlischen Sieicbeos von den PharlaXern:
i^^ccno üv^t/i€tv avtfff ond so liels er denn hier^ wo die
Jttnger sich anfibig som Wnnderthnu seigteni die gro*
fsentbeils snr pbarisidschen Secte .gehörigen yQafificttäg als
ov^fjl^&nas Tcig ftai^r^Tcug auftreten *^)* -^ Aneh i^ der
folgenden Schilderang der ümstfinde des Knaben findet
dieselbe Abstufung in Beaug auf die Ausfährlicbkeit statt ;
nur daia Halthfins das aeXr^via^ai eigen bat, welches man
ilun nie hätte snm Vorwurf machen sollen ^)f da die Her«
leitmig periodischer Krankheiten vom Monde im Zeitalter
Jeeo niehta Ungewöhnliches war *'> Dem Markus ist die
Bcoeieiuinng des den Knaben besitaenden nvBviax als aka-
Xaf CV* 170 "od xoHfov (V. 25.) eigenthiimllob; es konnte
Bimiieh das Ausstofsen nnarticulirter Laute während des
epileptiseben Anfalles als Stommheit, nnd das fOr jede
Anrede naaugäogliche Verhalten des Kranken als Taubheit
dee Dämona angesehen werden*
Wie der Vater Jesom von dem Gegenstande des Streik
tea nnd der Unfähigkeit seiner Jflnger, den Knaben au hei-
len, nnterrichtet hat, bricht Jesus In die Worte ans x yeped
äju^og xtd diegQai4fdivt} x. r. X. Vergleicht nmn liei Mat«
cliäna den Schlufs der Ersählungy wo Jesus den Jfingem
45) Vgl. Hl Wim, t. a. O.
46) lYie ScavLX »j a. O. su thun icheint«
47) s. die von Paulus, exeg. Handb., 1, h, S. 56dy Und ton Wi-
KBA, 1, 8. 191 f. angeführten Stellen.
MkuLthmJem ^e Aufl. ILBandi ^
50 Zweiter Abtchniei.
attf die Frage 9 wamin sie ^ den Kranken nicht haben hel-
len kdnnen, aar Antwort gibt; dia tt^v anigiixv vfiiiVf
und hieran die Schilderung der bergeversetaenden Macht
achliefst, welche ein auch nur senfkorngrorser Glaube ha-
be (V. 19 ff.) : 80 kann man nicht sweifelhaft sein , darf
nicht auch jene unwillige Anrede sich auf die Jünger b^
aiehe, in deren Unfähigkeit, den OXmon ausautreiben, Je-
sus einen Beweis Ihres noch immer mangelhaften Glau-
bens fand ^> Diese schliersliche Erklärung des Unver-
mögens der Jfinger aus ihrer anigla Ififst Lukas weg, und
Markus thut ihm nicht nur dieses nach, sondern flieht auch
V» 21 — 24. eine ihm eigenthu milche Zwischenscene swi-
sehen Jesus und dem Vater ein, in welcher er anerst Ei-
niges über die KraiikheitsumstXnde, theils aus Matthäus,
thells aus eigenen Mitteln, nachholt, hierauf aber den Va-
ter Bur Tiigig aufgefordert werden , und sofort mit Thrä-
nen die Schwäche seines Glaubens und den Wunsch einer
Stärkung desselben ausspreeh6n lädt» Diefs ausammenge*
nommen mit der Notia von den streitenden Schriftgelehiv
ten, wird man nicht irre gehen, wenn knan bei Markus und
wohl auch bei Lukas die Anrede t cJ ytvedi ikagoi:^ auf daa
Publicum im Unterschiede von den Jüngern, nach Markus
namentlich auch auf den Vat^r des Knaben, beaieht, des«
aen Unglaube hier als der Heilung hinderlich, wie ander«»
wärts (Matth. 9, 20 der Glaube der Angehörigen als def-»
aelben förderlich, dargestellt wird* Da aber beide Evange-
listen diesen Sinn dadurch hervorbringen, dafs sie die Er«
klärnng der Unwirksamkeit der Jünger ans ihrer Migia
sammt dem Ai^sspruch über die bergeversetaende Macht
des Glaubens hier weglassen: so fragt sich, ob die «n«
dorn Verbindungen, in welche sie diese Reden stellen, paa-
sender als die bei Matthäus sind ? Bei Lukas nun steht
•
der Ausspruch : wönn ihr Glauben habt wie ein Senfkora
4S) 80 Kritisch« und ds Wirra f. d. St.
MeanCes Kapitel. $» 91. 51
t •
a. s« f. (denn des did rfjv amdcnf vf.icjv haben beide gar
meht), nnr mit der geringen Variation, dafs statt dea Ber-
gea ein Banm genannt iM, 17, 5* 6. anfaer aller Verbin-
dmg vreder mit dem Vorliergehenden noch Folgenden al«
ein rersprengtet Redestfick; kleinster Grdfse, mit der ohne
Zireifel nach Art von Lnc. 11, 1. und 13, 23. gemachren
£iiüeitBng, dals die «Ifinger Jesnm bitten: nQog&sg i^uTv
ai^iw. Marlons gibt die Sentenn vom bergeversetsejiden
Glanben als Nntsanwendnng sn der Geichichte vom ver«
flochten Feigenbaiune , wo sie auch MatthSos wieder iiet«
Aber dasa pafst, wie wir imld aehen werden, der Aus-
sprach gar nicht; sondern, wenn wir nicht gans darauf
versiehten wollen, etwa« von dem Aniafs an wissen, bei
welcliem er gethan worden ist, so müssen wir die V|)r-
bindoog bei Matthffus als die ursprüngliche annehmen;
denn so einer den Jüngern mifslnngenen Kur palst er
vorti<efflicb« Ueberdiefs lüfst sich der Natur der Sache
nach swar wohl denken, wie Jesus der Glaubensschwüche
der Jünger die Schuld des Mifslingens der Kur beimessen
mochte, nicht aber, wie er an den Glanben des Varters die
MögRehkeit der Heilung des Sohnes knüpfen konnte; viel-
mehr sieht letBtere Wendung des Markus einem Mifsvei^
atindnifs des ursprünglichen Berichtes ähnlich ^^. — Au-
ÜBT dem Zwischenspiele mit dem Vater hat Marktfs die
Scene auch dadurch noch effectvoUer cu machen gesucht,
da(ä er während jener Zwischenhandlung einen Volkssn-
lanf entstehen, nach Austreibung des Dämons aber den
Knjilien tigel vexQot^j so dafs Viele sagten, ori aned'ityevj hln-
ainken, und von Jesu, wie er sonst bei Todten that (Matth.
9, 2S.)9 durch ein xQaTtiv rijg x^^Q^ aufgerichtet und ins
Lehen surückgerufen werden läfst; Letsteres Züge, die
49) Diett erkennt auch M^is» «n ( S. 552. ) y kommt aker da-
durch mit' seiner BehsupUmg der UrsprUnglichkeit des Be-
richts von Markus in ColHsion.
4*
4
.Vi Zweit'er Ahichnitt
ans richtiger Naohrichl oder Beobachtung gefioasen «ein
kannten.
Während nach vollendeter Kor Lokaa darcb eine kor-
se Hinweisnng auf das Erstaunen des Volkes schlierst, laa-
aen die ersten Synoptiker beide die Jflnger, als sie mit
Jesu allein sind^ die Frage an ihn richten , warnm sie
nicht im Stande gewesen seien, den Dlmon aosEUtreiben?
was er nnn bei Matthäus snnächst auf die erwähnte Weise
ans ihrem Unglauben, bei Markns aber daraus erkläre,
dals tSto t6 yivog iv sdsvl dmatai i^eld-dv, et ftrj *v Tipo;;-^
eiiXfj xai vrjgeltfy was auch Matthäus nach den Reden über
Unglauben und 61anl>en8macht noch hinsnffigt, ohne Zwei-
fel in dem Sinne, dafs durch Beten und Fasten der Glaube
Bii solcher Wirksamkeit gestärkt werden mOsse^^). Uafs
eine solche geistige und leibliche Diät des fixorcisten aof
den Besessenen von Wirkung sein sollte,, hat man mit Un»
recht befremdlich gefunden, und indem man eine solche mit
Porphyrius ^') eher dem Kranken angemessen dachte , bat
man die nqoQBvxrj xal vr^^da als eine dem Besessenen, om
die Rur radical su machen, gegebene Vorschrift angese*
hen '^; Allein in offenbarem Widerspruch gegen die £r*
Bählnng« Denn wenn Fasten und Beten von Seiten des
Kranken eum Gelingen der Kur erforderlich gewesen
wäre: so hätten wir eine allmählige HeiJung und keine
plötsliche, was doch alle Kuren sind, die in den Evange*
iien von Jesu eraählt werden, und wie namentlich diese
durch das xal id-eQcmevd'r^ 6 naig and zijg oiQag ixem^s bei
Matthäus, so wie durch das ewischen imxl(.ir^(Je x. 7. h,
und cmkdbiiite x. t. h hineingestellte idaaro bei Lukas deut-
lich beseichnet ist Freilich will Paulus jenen Ausdruck
des Matthäus gerade ku seinem Vortheil wenden, indem
50) Fritxschb u. Dl WsTTs z, d. St. 5^ Nianosr^ L. J. Chr., S. 304 f-
51) de «bstinentv 2, p. 204. u. 417 f. 8. Wikbr, 1, S. 191.
52) PiULU», exeg. Handb., 2, 6. 471 ^.
Neonles Kapitel $. 91. 5S
er' Ihn ao Terttelit, von jener Zeit an sei nun der Knalie
darch Anwendung der^ vorgesebriebenen Diät alim&lüig
YoUenda geannd geworden« Altein man darf nnr dieaeUbe
Forsal, wo aie aonst in den Evangelien ala Soblnlafonnel
TOB Beilnogtgetchiehten^rorlioniait, betrachten, nm aioh
Tofl der Unmöglichkeit Jener Deotnng an MierBeagen.
Wean s. B. die Gecchiebte von der Beilong der Bintflfia»
ligen mit der Bemerkong achlterat CMatth. 9,320: xoi
effct»^ 17 ytv^ ono t^g oßQag ixelvrjSj ao wird man diefa doelr
nieht flberaetsen wollen x e< exhuAe midier paidaÜM ser^
vabaJtMry aondem ea kann nnr heifaen: servata est (et
$erraiam se praebuit) ab illo temjnnii numento. Ein
Aoderea, worauf aicb Padlub bemft, um an beweiaen,
daiä Jeana hier ein fortanaetcendea Heilverfahren eingelel"
tet halle, iat daa ankditmev ttmov rtp ncetqi amö bei Lnkaai
vraa nach Ihm aiemlich llberflessig wire, wenni ea nieht
rin Oeliergeben an besonderer FOrsorge beaeichnen aollte*
Allein oTiodidiafU beibt nieht cnnächst übergeben, aondem
aarftekgeben, nnd so liegt in dem Satae nur der Sinn:
puerum, quem sanandtan acoeperat, mnatum reddidU,
od«r, daTs er den einei^ firemden Gewalt, dea Dfimona,
verfallenen Sohn den Eltern als den ihrigen «nrfiekgege-
beo habe. Endlich, wie willkttrUeh ist es, wenn PAVLua
daa ixTtonei^ai (Mattb. V. 21.) in der engeren Bedeutung
aiaea vdfilgen Weggehens vom vorläufigen Ausfahren, waa
tehoB avf daa Wort Jesu CV. IS.) geschehen sei, unter-
seheidet. So dafs uns auch hier keine Kur berichtet ist,
welche Tage und Wochen gedauert hätte, sondern, wie
sont immer, eine in Einem Wnnderact vollendete; wefa-
f^en denn auch die nQOgevxf] ond vj^eia nicht als Vor-
sehrifit für den Patienten gefafst werden können.
Von den übrigefi, kürzer eraHblten Uämonenaostrei-
bangen Ist* die Heilung eines dfimonisch Stmnmen und el«
■ea eiienso BUndstnmmen oben bei Gelegenheit des daran
ikb knfljifenden Vorwurfs eines höllischen Bttndnifises, so
54 Zweiter Abschnitt.
■
^ie die der susamiiieogebfickteD Frao In der allgemeinen
Betrachtung über die Dämonischen 'bereits hinreichend cur
Sprache *gelLommen; die dei^ besassenen Tochter des liana-
iiäischen Weibes aber (Matth. J5, 22 ff. Marc. 7, 25 flf.)
hat nor das Eigenthttmliohe , dafs sie von Jesu durcb ein
Wort ans der > Entfernung bewirkt wird, wovon spiiter.
Wenn nun den evangelischen Berichten zufolge in
allen diesen Fällen die Austreibung dies Dämons Jesu ge-
lungen ist: so bemerkt Paolus, dafs diese Art von Heilan-
gen, nnerachtet sie für das Ansehen Jesu bei der Menge
das Meiste gewirkt habe, doeb an sich /iie leichteste ge-
wesea sei, und auch db Wetts *will ffir die Heilung der
Dämonischen, aber auch nor ffir sie, eine psychologische
Erklärung gelten lassen ^^ ; Bemerkungen , welchen wir
nicht werden umhin können beiButreten. Denn sehen ,wif
als die u^irküche Grundlage des Znstandes der Dämoni-
schen eine Art von VerrQcknng mit krampfhafter Stim-
mung des Nervensystems an: so wissen wir, dafs auf psy-
chische und Nervenkrankheiten am ehesten «uoh psychisch
einBuwirken ist; eine Einwirkung, eu weloher bei dem
fiberwiegenden Ansehen Jesu ala Propheten und später
selbst als des Messias alle Bedingungen vorhanden waren.
Freilich findet unter solchen Zuständen. Cfine bedeutende
Abstufiang statt, je nachdem sich die psychische Verrü-
ckung mehr oder weniger auch schon körperlich fizirt bat,
und die Verstimmung des Nervensystems mehr oder minder
baUtuell geworden und in die fibrigen Systeme äbel*ge*
gangen ist. Je mehr das Cebel blols in einer Verstim-
mung des (jemfithes lag, auf welches Jesus unmittelbar
durch sein Wort geistig wirken konnte, oder in einer
leichteren des Nervensystems, auf welches er durch Ver-
mittlung des Gemfiths gewaltigen Eindruck bu machen im
55) Paulus, e^e^. Handb. 1, b, S. 438. L. J. i;, «, S. 023$ ds
Wbtti, bibl. Pogm. ^. 222, Anm. c.
Meontet KapiteL $. 91. SS
Simds war, wie die ente der von uim ertivogenen 6a-
•chiehftao aich aaffaMen lAtbt: desto eher war es mdgliob^
daTs Jeaaa lirf^f (Matth. 8, lA.) und TiaQcexQ^iaa (Loe. 13^
U> daff^tehen Zoat Anden ein Ende auielien iionnte; Je
mAr aber naigelLehrty wie in den beiden folgenden ^ das
DeM aieh aneli aehon als lidrperliche Kranliheit featgO"
«eCit hatte : desto sehwerer* ist ansnnehmeni dals Jeans Im
Stands gewesen sei, anf rein psychologisohe Weise aogen-
Uieiifieh H&lfe an sehaffen. ^ Mit Reeht eriiennt diefs aneli
WiiasK an *^ y nnd Illst daher eine liörperlich wirliende,
■affirtisch artige Kraft Jesu liinantreton { deren Wiriisaai*
•iwigena dadnroh eraehwert wird^ dsJa in iieiaer an»
drei ansfülirlielien erangelischen Erslblnngen ron
AisMoenaastrolbnpgen von dner der Heilnng roraosgelieD«
dsn Bsrfllimng die Rede ist. Am wenigsten iJÜTst sicli
danken, dafa aneh oline das laiposante seiner Gegenwart
der Wanderthiter ans der Feme tiabe wirlien liönnen,
wie diefa Jesns anf die Toehter des iLananAischen Weibea
gsthaa iialien soll. Dagegen llfiit sieh der Fieberanfall der
Sehwiegemifitter Petri, welehen Jesns nach Matth. Sf
14 ff. parall* dadorah gehoben hat, dafii er die Kranke bei
der Haad nabm und Cn<^oh Lukas) das Fieber bedrohte,
na dea favibergehenden Verstimmnngen Bihlenj auf welo^
Jeaoa jwfrehologiseh-Biagiietiseh eingewirkt haben kann« ,
Sa aehr aich also der Nator der Sache nach anneh-
■ea Urst, dab es Jesn bisweilen gelangen sei, Personen,
welahe an remeintUeh dCmonlseher Venrllokung oder Nor-
vaoatgraag litten, anf psychische Weise, durch die Co-
benaaeht seines Ansehens nnd Wortes, nnd dnrch eine
der magnetischen Ähnliche Kraft, sn heilen: bo aufsCr-
ordentlich ist es, dafs ihm, so viel wir aus den Kvange-
lieo wissen , nie eine derartige Kur mifslungen ist ; wefs-
wegen schon rermntbet worden ist. Kranke dieser Art
54) a. a. O. S. 354 f.
50 Zweiter Abschnitt.
finton tblh nicht gelten geheilt geglaubt, wenn nur durch
Jesu Binwirknng die Krisis gebrochen war, und die Re«
ferenten haben sie dafflr aasgegeben , weil sie nichts Wei-
teres voft ihnen erfuhren , und also von der wahrschein-
lich wiedergekehrten Krankheit nichts wufsten ^). Da
Oberdi^fs nanientllch in der eweiten Austreibungsgeschichte
auf die nicht undenkbare wesentliche Gromlli^ iMgBjtgt
getragen sind, welche über die auch noch ei^celir erweiterten
Grincen der Mdglichkrit aUcnentschieden hinausgehen: so
müssen wir wohl annehmen , dab die Sage auch auf die-
sem Felde nicht ganz gefeiert, sondern theils den histori-
schen nnhistorische Züge steigernd hinsngefilgt| tbellsviei-
teicht auch, was ursprünglich verschiedenen Geschichten
angehört hatte, sn den drei grofsen Bildern i|erartiger
Heilungen, die uns übrig sind, ausammengetragen habe.
Werfen wir schlie(slieh noch einen Blick auf das Jo*
hanneischc Evangelium, welches von Dümontsehen und de»
reu Heilung durch Jesum nichts hat, so ist diefs dem Apo-
stel Johannes, dem voraussetslichen Verfasser, nicht selten
als ein Zeichen geläuterter Ansichten anm Vortheil aoge*
rechnet worden ^^. Allein, wenn der genannte Apostel
an wirkliche Teufelsbesitcungen nicht glaubte, so hatte er
als Verfasser des vierten Evangeliums, der g-ewtfhnlichen
Ansicht von seinem Verhältnisse au den Synoptikern snfol^
ge, die bestimmteste Veranlassung, sie cu berichtigen, und
der Verbreitung einer nach seiner Ansieht falschen MeU
nung durch eine Darstellung dieser Heilungen vom ricfati«
gen Gesichtspunkt aus vor«ubeugen. Doch wie konnte der
55) NstUrUche Geschichte u. s. f. 9, S. 499; Kiisia, bihl. The-
plogie^ 1, S, 196,
56) So mehr qder minder von Eichhorn, in der allg. Bibliothek,
4| S. 435 i HiRDSB, von Gottes Sohn ti. s. f. , S. 20 ; Wbg-
scHBiDSR, Einl. in dss Evsng, Job. S. 513; PS WsiTi, biJ)l.
Pogm. i. 269,
Keuntes Kapitel $• 01* 57
A|io»tel «lobutinea cur Verwerfung der Ansieht, dafs jene
Krankheiten ihren Grund in dämonischen BesitBongen ha-
ben y kdmoien ? Sie war nach Josephns jfidisehe Volksan*
siebt £d jener Zeit, von der ein palfiatinisoher Jude, der^
wie J«lianiiea, erst In -sfäteaew Jahiiw iü läm . ftimiand
■neben.; sie war, der Natur der Sache und den synopti-
schen Berichten enfolge, Ansicht Jesu selbst, seines ange-
beteten Meisters y von welcher der Lieblingsjünger gewifa
keinen Finger breit abeuweichen geneigt war. Theilte
aber Johannes mit seinen Volksgenossen und Jesu selbst die
Annahme wirklicher Dimonenbesiläaungen, und bildete die
üeiiang solcher Personen, wie wir gesehen haben, einen
Hanpttheil der angeblichen WunderthStigkeit Jesu: wie
kommt es , da(a et* \iessenungeachtet in seinem £vangeiiam
ihrer lieine Erwähnung thut? Dafs er sie abergangen ha-
be, weil die Qbrigen Evangelisten genug dergleichen Ge-
schichten anfgenommen hatten ^'j, sollte man doch endlioh
aufhören sn sagen, da er ja mehr als Eine von ihnen
schon berichtete Wnndergeschioht^ wiederholt hat;, nnd
meint man, diese habe er wiederholt, weil sie der Be-
riebtigong bedurften : so haben wir bei Erwägung der
aynoptisehen Relationen von den Heilungen der Dämoni«
sehen gesehen, dale bei densellien, schon der Abweichung
der \verscbiedenen Berichte wegen, eine Zurfickfüh-
mng anf die einfache geschichtliche Grundlage gar sehif
am Orte gewesen wäre. So bliebeNjiech, dafs Johannes
ans Anbeqnemnng an die griechische Cultur der Klein-
asiaten, unter welchen er geschrieben haben soll, die ih-
nen nnglanbliehen oder anstö&igen Dämonengeschichten
ans seinem Evangelium weggelassen hätte. Aber konnte
nnd durfte wohl, mnfs man auch hier Iragen, ein Apoistel
57} 0|.saÄVssii, h. Consm. \, S 292*
^ Zweiter AbtQhttilw
«US blolier Aeocmoiodation «n die fe{nen Ohren seioer
ZuhiSrer eiiien so weseDtlichen Zag des Wirkens Jesu su-
rflckbehalten ? Sehwerlich, wenn er ihm bekannt war ^:
und so soheint sieh das bedenkliche Dilemma nu stsl-
len^ dafs entweder die synoptischen Berichte von Oft*
monenanstreibongen nicht geschichtlich ^ oder da(s vom
vierten Evangeliam, das von diesen Geschichten nichts
weitkj der Apostel Johannes ji^r Verfasser nicht teia
könne. Das Erstere nnb anannehmen , können wir ans
nach dem Bisherigen nicht entschlielsen , da uns die Er*
sAhlnngen der Synoptiker von den Heilangen Dfimoni-
scher dnrch Jesam ihrem wesentlichen Inhalte nach ab
le Kennseichen der Wahrheit zu tragen schienen: es
bliei»e mithin dieser Punkt eine Instans gegen das vierte
Evangelium. Nkanobr sucht aus der Ansicht seines Ver-
fassers vom Teufel wahrscheinlich su machen, dafs der,
welcher sagte, Christus sei gekomnien, die Werke des
Teufels su serstören (1 Job« 3, 8.>, gewifs auch jene
Krankheiten dacu gerechnet haben werde: ^ — • gewils»
wenn er nftmlioh wafste, dafs dergleichen tou Jesu ge-
heilt worden. Was nun Neandsr sum Beweise beibringt,
dals er darum gewufst, und doch nichts davon erafthlt
haben könne, das läuft im Wesentlichen acsf das Obige
hinaus, dafs er n&mlich die Auswahl des von ihm so Er-
sfthlenden unter Voraussetzung dessen eingerichtet hsbe,
was schon aus der synoptischen Tradition bekannt gewe-
sen; woBu nur noch die eigenthümliche Bemerkung geflDgt
wird, dafs das aufserjerusalemisohe Gebiet dieser Heilun-
gen mit ein Grund sein möge, warum sie hei dem vor-
sugsweise an die Vorgänge in der Hauptstadt sich halten-
den Johannes fehlen. Indessen setzt Neandkr selbst hinsu,
dafs auf den GrSnden dieser Auslassung immer ein ge-
58) s. Wbuss, a. a. 0. S. 552.
Ifenntes Kapieei f« M. S9
wisse« Dunkel liegen bleibe; onr lasse sich daraas niehts.
ca Ungunsten des vierten Evangelianis folgern *0* D^^
Drtheil über solche Abwolchungen und Lüeken wird der.
Natar der Saehe nach immer bei Versehiedefen versehie»
des aosfallen: fQr mich gehört sein Stillschweigen von
den Dämonenaostreibongen bu den bedenklichsten Kigeu'^
thfimtiebkeiten des vierten Evangeliums.
Heilungen ron Paralytischen. Ob Jesu« Hrankhelten alt
Siindenstrafcn betrachtet habe.
Den Boten des Tfiuferk gegenttber lassen die Synoptl«
ter Jesum sich namentlich auch darauf berufen, dafs
durob seine Wandermacht x^^^ neQiucnöaiv (Matth. 11,
5.)> und ein andermal wundert sich das Volk, wie es ne*
ben andern Geheilten auch x^^^^ nsqinatBvrag und icvl^Bg
i'/iiig erblickt (Matth. 15, 31.)* An der Stelle der x^^^^
werden anderwärts TtaQalirrixol aufgeffihrt (Matth* 4,24.)«
und namentlich sind in den defaillirten Heilungsgeschich-
ten, welche wir Ober diese Art von Kranken haben, (wie
Matth. 9, 1 ff. parall. 8, ^5 ff. parall.) nicht x^A^^ sondern
naQaXciucl genannt. Der Kranke Jofa. 5, 5. gehörte wohl
gu den /(oköiSj von welchen V. 3. die Rede gewesen war;
ebendaselbst sind ^r^Qol aufj^efahrt, und so finden wir
Matth* 13y 9. ff. parall. die Heilung eines Menschen, der
eine x^^Q l'/P^ hatte. Da Jedoch die drei zuletzt ange-
fahrten Heilungen von Gliederkranken unter andern Ru-
briken uns wiederkehren werden: so bleibt hier nur die
Hellung des Paralytischen Matth. 9, 1. ff. paralL sn be-
leochten übrig.
Da die Definitionen , welche die alten Aerete von der
TtaQaXvoig geben , swar alle auf Lähmung , aber iinent-
59) NsAADSft, L. J* Chr,; S. 307 ff.
M Zweiter 4^b8obDitt.
sohleifen , ob totale ^der partiale , gehen 0 > i>nd fibei^dier«
von den Evangeiigten Lein strenges Festbalten an der nie*
dicinischen Kunstsprache an erwarten ist, so mfissen wir,
was sie ante» Paralytischen verstehen, aas ihren eigenen
fcai lii ulimiigff n von dergleichen Kranken entnehmen. In
onserer Stelle nnn erfahren wir von dem riaQakiTixog y
dafs er anf einer xijvrj getragen werden mafste, nnd daft,
ihn aam Anstehen and Tragen seines Bettes nn beflBhigen,
ffir ein nie gesehenes na^do^w galt, woraas wir also auf
eine Lfthmang wenigstens der Ffllse scbliefsen müssen«
Wihrend von Schmersen i^nd einem hitzigen Charakter
der Krankheit in anserem Falle nicht die Rede ist, wird
ein solcher in der Geschichte Matth. 8, 6» unverkennbar
vorausgesetzt, wenn der Centurio von seinem Knechte sagt:
ßißhp;uL '-7ta^a?^vTixdgy daivvUs ßaacd'i^oftevoSy so daft wir
also unter der TtaQaJ^voig in den Evangelien bald eine
schmerslos lähmende ^ bald eine schmerchaft gichtische
Gliederkran kbeit sn verstehen hfitten ^).
In Schilderqng der Scene, wie der Paralytische Matth.
9, 1 ff. parall, cu Jesu gebracht wii'd , findet zwischen den
drei Berichten eine merkliche ^Abstnfnng statt. Mattbfins
sagt einfach-, wie Jesus, von eioem Aosflug an das Jensei-
tige Dfer nach Kapernaum aurfickgekehrt sei, habe man
Ihm einen Paralytischen, auf einem Lager hingestreckt,
gebracht. Lukas- beschreibt genau , wie Jesus , von einer
grofsen Me^ge, namentlich von Pharisäern und Schriftge-
lehrten, umgeben, in einem Hause lehrte und ^heilte, und
wie die Trfiger des Paralytischen , weil sie vor der Volka-
menge nicht durch die Thfire an Jesu g|elangen konnten ^
den Kranken durch das Dach au ihm niederliefsen« Be-
i) Man sehe sie bei Wetstbin^ N. T. 1, S. 284, und in Waui^'s
Clavis 'U. d. Art. nach.
2) vgl. WiMtR, b. Realw. 2, S. 225 iF., und Faitzschs, in Matth.
p. 194.
ll#ttAtea K^apltok S* 9SL ni
dmkt lüMi ÜB Strocmr sorgenländlteher
ND yhtfa» Daeh aas deat oberen Stockwerke eine Oeffnong
ttnrte *) , and niaunt aian den rabbinisehen Sprachgebraach
biaan, in welobem der via per partam (DTIPD "pi) die
IM per teehim if33i *pi) als nicht mihder ordentlicher
Wieg, naaientlicb am in das vn^Q(^w an gelangen , gegen-
ttergeaCelit wird ^: so kann man anter dem xa&iirai dia
fÜ9 xs^fuay schwerlich etwas Anderes verstehen , als data
dieTriger, welche entweder mittelst einer nnmittelbar von
der StraCie dahin fOhrenden Treppe , oder vom Dache des
NaaUhariiaases aas | aaf das platte Dach des Hanses 9 in
welcbem Jesus sich befand , gelangt waren, den Kranken
samaU seinem Bette darch die ' im Dachboden bereits be-
iadliehe OeSnang, wie es scheint an Stricken, an Jesa her*
akgelaaaen haben« Markus, der in der Verlegung der Sce-
■e nach Kapemaum oiit Matthias, in Schilderung des gros-
sen Gedränges uud der dadurch veranlafsten Besteigung
3) WrasKy s. s. 0. u. d. A. Dach. Niahoir meint (S. 316. Anm.)»
Joseph. Antiq. 14^ 15; 12 Usse eBer darauf schlicssen', data
kaue solche Thtire Torhandeft gewesen, sondern dass man
mir durch Abdeckung des Daches in den unter demselben
beluiAichen Raum gelangen, und was in diesem Torging,
fFsbraehmen konnte; denn als Herodes I. einen Flecken, in
welchem sich viele feindliche Soldaten befanden, eingenom-
nfen , und ein Theil von diesen auf die Dächer der Häuser
sich geflüchtet hatte , wo sie gefangen genommen wurden,
heisse es sodann : Tag o^oipsg rtay ö^Ktar araaxanTtar , Xfmha tu
rarta rwr (^^otuotw^ iiooa x. t. JL Allein, auch wenn eine ThUre im
Dache war f so konnte man Ton ihr aus schwerlich alle Theile
des darunter befindlichen Stockwerks tibersehen; überdies s
war sie von den Geflüchteten ohne Zweifel verrammelt ; ein
Aufbrechen des Daches bedurfte es aber jedenfalls 2um Be-
«
bnfe dessen , was Josephus weiter berichtet : TMTitt (r«g <^-
4) LiSHTfOOT, p. 601.
I
\
64 ZmmUfimir AtesirinrMli
r^ ipii^erdim teine Mfihe soheuenilen £ifer, veU
eben das Zulraoen ma Jeso den Lenteo einflöfste, in dag
atiSrksto Lioht so seteen geeignet war. Aber eben aas dem
letEteren Interesse seheint aoeh sehen die Äbweiehnng des
Lukas von Matthias hervorgegangen en sein. Bei Mat-
thias nän^iicb ) der die IVflger den Paralytisehen aaf dem
gewöhnlichen Wege so Jesa bringen läTst, indem er ohne
Zweifel das mfihselige Herbeisehleppen des Kranken aaf
seioem Lager fflr sieh sehen als Probe ihres tilaabens an-
sah} tritt es doch minder bestimmt hervor, worin Jesus
ihre ni^ig gesehen haben soll« Wurde nun die Geschichte
orsprfinglich so, wie sie im ersten Evangelium lautet, vor-
getragen , so konnte leicht der Reis entstehen , ein mehr
hervortretendes Zeichen ihres Zutrauens fflr die Triger
ausfindig au machen, welches, sofern man die Scene eu-
gteicb in grofsem Volksgedränge vor sich gehen liefs, am
angemessensten in deui ungewöhnlichen Wege gefunden seu
werden scheinen konnte, welchen die Leute einschlugen,
am ihren Kranken au Jesu cu bringen ^^).
Der Hergang bei der Heilung ist sofort nach dem
Obereinstimmenden Bericht aller drei Syi\optiker einfach
der, dafs Jesus dem Paralytischen suerst in freoodlich be-
ruhigender Anrede die Vergebung seiner Sünden ankfin-
digt (wovon gleich hernach); hierauf, die murrenden
Schriftgelehrten beschfimend, den Beweis fflr seine Voll-
macht, SBnden cu vergeben, durch die Anweisung ffihrC,
die er' mit augenblicklichem Erfolge dem Gelähmten er-
tbeilt, sein Bett aufzunehmen, und heimcugeben. Diesen
Erfolg hat man dadurch als einen natürlichen daraustellen
gesucht, dafs man den Znstand des Kranken nur für Mer-
venschwffche erklärte, bei welcher das Schlimmste die Ein-
bildung dbs Kranken, sein Uebel müsse als Sündenstrafe
fortdaudrn, gewesen sei; wobei man überdiefs eine länger
li) Vergl. Bi, WsTTT, exe^. Hsndb., 1, 1, S. 90. 1, 2; S. 40.
Nountes Kapitel, f. 92. <i5
fnrlgMetete 11 achkar annahm *^) : allein daa ^Ine» wier dds
Andere ist gegen den Berieht. So hat man.tioh denn' mmh
Analogien aaa dem ffaboel»: des swar nngewMiriÜoheA und
gebeianifetollen, «loeh immer noch oattfrliehen Geschiohens
oBgesehen. Wäiir^d aich-PAUioa au€'-%ineifihlhlahg dek
LiVios beroft^ die sehr elhem. Mühriclldn ^Ihnlioh sieht ^^}t
«eheint aioh gegen den Fall einer IlelliiAg^Fief|lltMnigep VeiC
krftmmwug nad thell«v^er: Lftbmnng. dtirob- Mofqe lllan^
beDolwaft, welcher in der «weite» AasgnbbMronr' BsKoaela
Gnomen beigebracht iaik ^^9' nichts eimbenAn su lassenr^
wie aoch . ähnitohe Beispiele im ETdlda^ des « thiei4sohenl
MagnetiMMis > immer wieder «"voi^komtoen. Beides nun en*
aammen: in Jesu eine der magnetiaehen ähnliche Heil'-
krafty und im KraalLon einen starken ^ darcb die Anrede
Jesn cor bdclbsten GmuHthabeWegiing ^ Erregbaren Glaa«>
ben gedacht! so rttcM diese Bnlnngsgeschiohte in den
Kreia. derjenigen eini für weiche nas der Anknttpfiingi^
pnnkt an das anoh soinst Beobachtete nicfat- fehk, welche
wir daher anoh nicht, ohne Weitete ans dem Kreise idef
Geschichtlichen aosensehUeTsea berechtigt aind. -Freilicll
liegt anf der aatdem Sblfla-dieAbleitong derBeeäbking ans
der aaf Jesum aber|[etragene9 Jüdiscbeh Messiaserwartung
golserst nahe«. In. der sehen angeftthrtea StelliB des Ja-
aaias nämlich^ 35, 6., war von der messiant«6ben. Zeit anoh
verheiGian : zove althtxt dg Hkatpog o 'jß/a^kog^ and in dem*
aeibea Znsammienbang, V« S., war den yimca nagakekoi
fiha ein iaxvoixga angerufen; .was, wie die flbrigen damit
Boaama^nhftngenden Zflge» später eigenilkb verstanden nnd
ala Wonderleiatung vom .Hefsias' erwartet worden sein
ma£i» da sich» wie schon ^rMIhnt^ Jesas, anm Beweise^
12) PaulM» exeg. Hsndb.^ iy hf 9. 498^ $01/
15) Liv. 2, 36. ^
•\S',
14) Gnomon, 1, S. 245.
■ •, .
Das Leben Jesu Ue Aufl, //. Band* ^
M Zweiter Absohnitt.
daf $ er der i(fxofievoQ sei , aoch darasf , dafs x^^ TteQi-
Tiazöai^ berief.
Aaf eiDOii *2mg dieaer Ereiliking tat nnn noeh niSher
«inaagebeo y 4ler berelta berfihrt worden iaU Wenn nfim-
lieh Jesoa ^lan»'. Kranken euerat erklirt: ärpeMmtl ooi ai
afiaQTiat ^, «hd.^blbraaf , ala Bew«ia, dafa er su aolcber
Sfindeni/tae^cjbfmg VoUaiacht habe, ikn heilt: ao iat die ße*
siehaniif «ef die Jttdiaclie Ansicht nlefit an yerkeotteay d^fa
daa Uebel vnd' mtmentlieh die Krankheit des Btnaeinpti
Strafe setner -ftilnda aei; eine Ansieht , welehe, in ihren
flmndBtijgen ini A; T.. angelegt (3. Mos. 26, 14 iF. 5. Moa.
^j 15 ff, !L Chron. 21, 15. 18 f), von den «pttaren Ja-
gden anfs Bestimmtosta aoage^rochen wurde ^^). Mitten
wir nun blofa Jene aynoptisehe Erdhlang, aa mfifliten wir
glauben, Jeana habe die Anaieht seiner* Zcftt • und Volka-
genoaaen Aber diesen Penkt getheilt, indeai er ja aelne Bn*
ftignifa, Sdnden (ak Grood der Krankheit) en vergeben,
4nreh eine Pk^obe aeinar Fähigkeit, Krankheiten (die Fol-
gein der Sfinde) es heilen, beweist. Allein, sagt man, ea
finden aich andere Steilen, wo Jesna dieaer JOdiaehen Mei-
nung geradem wlderapricht, und darans folgt, dafa, wna
er dort sum Paralytischen sprach , blofae Aocoinniodiitioa
«n die Vorstellungeo des Kranken nur f (^rdemng seiDer
Heilung war ^0* ^
Uie Hanptstelle, welche man hiefilr aDBufShuan pflegt,
iat die Einleitung der spiter bu betrachtenden <ieschichte
vom Blindgeborenen, Job. 9, 1— »S. Hier nffmlieh legen
die Jünger, wie aie den Mann aoi Wage stehen aeh^ü, «den
aie als von Geburt an Blinden -kennen, Jesu die ¥tng6 vor,
ob aeine Blindheit Folge aeiner eigenen, edar der Sünde
15) Nedarim f. 41, 1. (bei Scn^mmv; 1, S. 93.) : DixU JL €h^
fiL Abba: nuUu9 aegrotns a mcrbo suo sanatur, danec ipgi
omnia peccata remissa stni.
16) Hase, L. J., (. 75. j Fritzschb, in Matth. S. 33$.
N.eonres Kapitel. $. IM. 57
MIMT Umru «ei? Dar Fall war Ar die jOdiaebe Vergel-
tangidieorie beeonders eohiflerlg. Von Uebela, weleiie ei-
Ben Meaechgo erel in Verkofe «eiiies Leben« engestoliieii
sind, wild der eaf eiae gewiife Seile «leb einmal neigen-
de Beeheehter leiebt irgend «reiche eigene Verseboldangen
dbiei Henseben als Uneobe anelindig «laehen , oder doch
forausetsen« Von angeboreoeo Uebeln dagegen gab ewar
die altbebriiaohe Ansieht (S. Moe. 30, & & Aloe. 5, 9.
1 Saa. 3^ 21^0 ^ Erkllrang an die Hand, daft durch
öieMiben die Sfinden der Vorfahren an den Nachkommen
httapMoht werden ; allein, wie fttr das menschliche Recht
du aMafnebe Geeets selbst verordnete , dafs Jeder nur für
cfgtss V^rgehnngen solle gestraft werden kdnnen (fi. Mos*
Uy il t. K5n« 14, 6.), nnd ««ach in Besog auf die gött-
liebe SCrft^gereefatl^beit die Propheten ein Oleieh^s ahnten
(Jer. 81, SO. Bneeh. 18, 19 f.): so eigab sich fiir angebo-
rsM DeM deife rabbiniseben Sebarfiiinne 4er Änsweg, sol-
ibe Meoeflheii mfigM wohl sbhon in Mntterleibe gesAndigt
habsD ^^ , nod diese Melouig war es ohne Zweifel anoh,
wdshe die Jünger bei lhre# Frage V. 2. roranssetsten.
Wenn ihnen nun Jesus nur Antwort gibt : weder um ei-
ner eiganen, noch am einer Sünde seiner tfUtem willen sei
fsner Measeh bliüd nur Wek gekommen, eeadern, um
dercb die floflnng , welchn er ob Messias an ihm rollsie-
hsn solito, die Wnndermeoht Gottes «nr Anschannng nn
klingen : so wird diefs Insgemein so verstanden, als hfitte
dasüt Josns Jene ganee Meinnng, dafs Krankheit und son-
stiges Oebel wesentlich Sttndenstrafe sei, ver,worfen. AI-
17) Sanbedr. f. 91, 2. und Bereschith Rabbs f. 38, 1. (bei Li»ht-
rooT, S. 1050.) : Antoninus interrogavÜ liabH (Judam) : a
gtumam tempore incipit malus affectus praevalere in homi-
nel an a tempere fnrmaiionis ejus (in utero), an a tempore
processimis ejus (ex utero) f IHeit ei RabM : a tempore far^
mailowls ejus.
^ 5*
08 ZmeitM* A b«rhnitt.
lela ausdrflcklioh spricht hier Jesm nur von'ttem Fall«,
der ihm eben vorlag: dafs dieses bestimmte üebel hier
nicht in der VerschoMiing des IndiridonniSj sdiNlern in
höheren göttlichen Absichten seinen Grund* babe^; einen
allgemeineren Sinn nnd die V^werfong der gtniMn füi^
.sehen Ansicht in jenem Atissprache £u finden, fcönnSeman
nar darcb andere bestimmter dahin lautende Attsspräehe
ein Recht bekommen. - Da nun aber dem Obigen Bufol^te
In den synoptischen Evangelien eine Ereählung sich findet,
welche, einfach aufgefafst,- vielmehr ein Einstimmen Jesu
in die herrschende Meinung enthfilt, so w^rde sich fra-
gen, was leichter angehe, jenen synoptischen Anaspruch
Jesu als Anbequeraung, oder den .jöimnneischen nar mit
BcEug auf den vorliegenden Fall ^au fassen? eine Frage,
'welche Jeder su Gunsteli des ietsten Glie<les erntacheiden
wird, der einerseits die Schwierigkeiten dar Accoihmoda-
tionshypothese In ihrer Anwendung auf die evangeiiaelien
Ausspruche Jesu kennt, und andrerseits sich kLar maeht,
dafs in der betreffenden Stelle des vierten EvangeliaoM' ei-
ne allgemeinere Beziehung des Ausspruchs gar nicht aoge*
deutet ist.
Freiliefa darf nach, richtigen Auslegungsgmndaftteen
ein Evangelist . nicht unmittelbar aus einem andern erläu-
tert werden ; sondern es bliebe in unserem Fall6 «rbhl mög-
lich , dafs , während die Synoptiker Jesu jene Zelfeansic^t
suschreiben, der höher gebüdele Verfasser des viei^ten
Evangeliums ihn dieselbe verwerfen liefse: a||ein dafs aueh
er jene Abweisung der Zeitansicht von Seiten JAsa nur
auf den einzelnen Fall bezog , beweist er durch die Art,
wie er ein andermal Jesum reden Ififst. Wenn dieser näm-
lich zu dem achtdnddreifsigjährigen Kranken Job. 5. nach
seiner Wiederherstellung warnend sagt: ftipcert aftaorcn'ey
ha fit] x^T^ov zi aot yivr/tai (V. 14.) i so Ist dlefs so gut,
als wenn er einem zu Hellenden zuruft: dqa^rai aot ai
afiaQiiai an: beidemale nämlich wird Krankheit i^ls Sün-
■^
Neuotea Kupital. §• 92. «tt
den»trafe hier «iifg«hoben, dort Mgü^^lroht« Uoob auch hier
wissen die Erklärer, deoen e» onwillkommen ist^ von Jesa
eine Aasidit , welehe sie verwerfen , anerkannt so finden,
dem natürlichen Sinne anssniveichen. Jesus soll das be-
sondere Debel dieses Mensohen a|s eine natOrliehe Folge
gewisser Ao^schweifungen erkannt, nnd ihn vor Wieder-
holung derselben gewarnt haben, weil diefs eipis gef&hrli*
«here Re^dive berbeifQbreii könnte ^^)* Allein der Oenk-
weisct des Zeitalters Jesu liegt die Einsicht in den natfirli-
ehen Zusammenhang gewisser Anssohwoifnngen mit gewis-
sen ILrankheiten als deren Folgen weit ferner, als die An«
sieht von einem positiven Zusammenhang der Sflnde fiber-
hanpt mit der Krankheit als deren Strafe i es m&lste also,
wenn wir denqoch den Worten Jesu den ersteren Sinn
sollten unterlegen dfirfen, dieser sehr bestimmt in der Stel-
le aogeeeigt sein* Mun aber ist in der. gansen Erstthlung
von einer tiesdmmlen Aiissohwf ifong de^ Mensi^ben nicht
die Rede; das von Jesu ihm eugerufene. ^rftixi u^uQftmt
lieceiehaet nur Sfindigen. Oberhaupt, nnd eine Unterredung
Jesu mit dem Kranken, in welcher er denselben über den
Zusammenhang seines Leidens mit einer bestimmten SUnde
belehrt hStte, cn «oppliren ^0, ist eine gar nicht im Gei-
ste des sonstigen Verfahrens Jesu gemachte Fiction. Wel-
che Auslegung, wenn man, um einem dogmatisch unange-
nebiaen JKrgebnifs ansznweichea, die eine Stelle (Job. 9.>
cu eioer Allgemeinheit erweitert, welche nicht in ihr liegt;
die andere (Matth. 9.) durch die Aocommodationshypothese
elmdirt; der dritten (Job. 5,) einen modernen Begriff ge»
wmltsam an£(lrftngt: statt dafs, wenn man nur die erste
ScmlU^ m^t mehr /lagen läfst als sie sagt, die beiden an-
19) lUvX'Vtf Con^. 4, 9. 264; LUcrb, ty S. 22; such Nbakoiü
neigt sich dahin , S. S19.
19) We Taf fcücji ijj d. St. Ikul.
\
l
70 Zweiter AbscbnitC
dern fn Ihrem BanSchsC liegenden Sinne nlcllt im Minde«
«ten angetastet zu werden braochen !
Doch man bringt noch eine weitere, and ftwar 9yn»
optische, Steile herbei, um Jesa Erhabenheit über die b^
eeichnete Volksmeinnilg ea belegen. Wie ihm nffmiich ein«
mal von Badilffern ers&hlt wurde, weiehe Pilatin l»ei'm
Opfern hatte 'niederhaaen lassen, and von andern, weiche
durch den Einstur« eines Thvrmes vemngiOokt waren
(Luc, 13, 1 (F.); wobei ditf EmlfMer, wie man glauben mnfs,
vsu eriiennen gaben, daft sie jene DngUicksflille fflr göttliche
Strafen dei^ b^sondern Verworfenheit jener Leute ansahen:
erwiederte Jesai, sie möchten Ja nicht glauben, jene Men-
achen seien b^soliders schlecht gewesen; sie ielb^t seien
um nichts besser, and sehen daher, falls rfe sieh nicht
bekehren, einem gleichen Untergang entgegen. Ea ist in
der That hieht kikPf wie man in dieser Aeafsernng Jesi^
eine Verwerfung Jener Volktansicht finden kamt. Wollte
ciesas gegen di^c^ sprechen, so mufste er entweder sagen :
ihr seid ebenso grofse Sünder, v^enn ihr auch oldil aaf
die gleiche Weise leiblich au Grunde gehet; odert glau-
bet ihr, dafs jene' Menschen ihnsr Sünde wegen ssa Grunde
g^^angen seien? nein! diels sieht man an eilch, die Ihr
ntierachtet eurer Schlechtigkeit doch nicht ebenso sa
Grunde gehet. So dagegen , wie* der Ausspruch Jesu bei
Lukas lautet, kann der Sfiin desselben nur dieself dein:
d^fs jene Menschen schon Jetat ein solcher Unfall betrof-
fen hat*^ beweist nichts fflr Ihre besondre SehlMiitt^eit,
80^ wenig das, däfs Ihr bisher voU dergleichen verschont
geblieben seid, fflr eure gröfsere Wflrdigkeit beweist ; ' viel-
mcihr werden frfiher oder spAter fll»er euöh * kommende
Ähnliche Strafgerichte eare gleiche Sch(eehtigkeit beor«
künden: — wodurch also das Gesetz des Zosammenhanga
iswisoheil Sflnde and Unglflck jedes Einednen belstktlgt,
nicht umgestofsen wflrde. Diese vuigflr-bebrh'ische' An-
siebt von Krankheit und Uebel steht nliit allei*ding8 in^
% •
Keantes KapileL {• M. 71
Widenprueke mit jener esotori«ehea , eMenfsch-ebioitiü«
«eben, die wir lia Kingang der Itergrede^ im fileichBifii
TOn reieiiea Mann oud soatt gefdiiden liabea , naoh wel«
eher fielneiir die üereehton in dieaeai Aeon die Leiden-
den, Aroien, Kranken, eind; allein beide Aneiebten liegen
elaaal in den Aenfeernngen Jeen fär eine unbefangene
Exegese «i Tage: und der Wideräprneh^ weleben wir
aarisalien imiden ftndan^ bereebtigt ans nidihl, die eine
Kinase yon Anssprieben gewaltsam na denteiu Wir mdib*
teo Tielniefar die eine oder andere Jeen abspreobenj aber
wir kfinnea Ja doeb nieht wissen., ob er den Widerstreit
nweier ihm von verscbiedenen Seiten der damaligen jadi«
schea Büdnng her gebotanen WeltansebnMUigen niebt Ir*
gendwte in sieb gelöst hatte.
s. «s.
Heilungen von AastHtzigen.
Unter den. Kranben , welche Jesns hriita^ spielen , ge*i
mifs dem leiebt Hautkrankheiten emengenden Klima von
PaUsthia, die AussAtsigen eine Haaptrelle. Wo Jesus der
synoptiseheo Krsilhlnng nofolge die Abgesandten des Täu-
fers auf die tbatsüohlicben Beweise seiner Messtanitfit hin-
weist CAfstth. 11, 50» ffihrt er unter diesen, auch das A«-
nQoi xad^Qi'Qanai auf; wo er seine Jünger bei der ersten
Aussendung eu allerband Wundertbaten beyollmfichtigt^
stellt er die Reinigung der Aussätzigen oben an (Mat^h. lo,
8.) , und swei Fälle von solchen Hellungen werden nns im
Kirsceinen beriehte^
Der eine Fall ist allen S noptikem gemeinsohafdich ,
wiewohl sie ihn in verschiedenen Zusammenhang stellen.
Mmtthäns nämlich läfst Jesu bei*m Hersbgehen von dem
Ben*ge, auf welchem er die Bergrade gehalten (8, 1 ff.)i ^1^
abr-igen in unbestimmter Stellung am Anfang seiner gali*
läisehen Wirksamkeit (Marc. 1, 40 ff. Lac. 5, 12 ff.) einen
'
72 Zweiter Abacfanitt.
Aussfitsigeo begegnen, der ihn fuf^föllig am Heilang an-
fleht, lind diese ' auch durch eine Berührung Jesu erhält,
weicher ihn sofort Anweist, sich dem Gesetze (Z Mos. 14,
2 ff.) geniärs dem Priester cur Reinerklffrung su stellen.
Der Zustand defii Menschen wird von Matthfius and Mar«
lius einfach durch XeTtQog^ von Lulias stflriLer durch TtlijQt^
XtTtQag beseichnet. Nach Paulos freilich war eben dieses
Vtfllsein von Anssats ein Symptom der Heiibariieit, indem
das Ausschlagen and Abblättern desAassatses auf dergan-
2sen Haut die Reinigangsiirisis beseichne , und demgemäfs
stellt sieh Jener Ausleger den Hergang folgendermafsen vor«
Der Aassitsige geht Jesam als den Messias am ein Gut-
achten Über seinen Zustand, und nach Befund um eine Rein-
erhlArung, an Qel d-ilat^^ dvvaaal /ae xai^aQlaaO y weiche
ihm-den Gang eum Priester entweder ersparen, oder doch
eine tröstliche Hoffnung auf denselben mitgeben sollte« Je-
sus, indem er sich «u einer Untersuchung bereit erklärt
(^eXco), streclit die Hand ans, um ihn su beföhlen, ohne
dnfs doch der vielleicht noeh ansteckende Kranke ihm zu
nahe ktfme, und naoh genauer üntersachnng spricht er als
Ergebnifs derselben die Ueberseugung aus, dafs die Krank-
heit nicht mehr ansteckend sei (x&d-aQlad-rjTOj woraut sieb
denn wirklieh bald und leicht C^vü'icog) der Aussäte vol-
lends gana verlor *>•
Hier ist vor Allem die Behauptung, der Aasafitsige sei
gerade in der keinlgungskrise gewesen, dem Texte fremd,
welcher bei ' din zwei ersten Evangelisten von Adssata
schlechtweg spricht,' während das TiXr^Qrß UuQaL; des drit-
ten nichts Andres bedeuten kann, als das A. T.liche
A»tÖ3 irfsO (2 Mos. 4, 6. 4 Mos. 12, 10. 2 Kön« 5, 27.) ,
was dem Zusammenhang nach jedesmal den höchsten Grad
des Aassatsses bea^ichnet. Dafs das xad^anlCeiv nach he-
1) excg. Handb, 1; b; 8, 698 ff.
Keuote« KapileL %» 93. 73
briiaohem ond beUeDiatbohcm Spracbgebraach anoh blofs
reinerklären twdeuton könne^ lat zwar nicht in Abrede bu
■teilen ; nar mfirste ea dieae Bedeotnng in dem ganaen Ab-
•eiinitte beibehalten« Dafa nan aber, nachdem von Jeana
eniblt wavy er habe daa xai^aoia&ijn gespfroehen, Mat».
tkloa Bodi ei» xoi ev&iiog ixaO-aQia&fj x. t. L in dejn Sin*-
ae, dafa alao der Kranke wirklich von Jesa reinerklärt
worden aei, hinzngefflgt haben aollte, ist- der albernen
Tantelogte wegen ao und^nkbar, dafa hier, aber, dana
»ncli in gaasen Abschnitt , das xa^^a^^ea^ai von wirkli-
chem 6ereIoigt%verden an nehmen ist« An das Jüngoi xa-
^^acfiZanai CMatth* 11, 5.) und X^Ttgag xaÜxxQi^ffrB (Matth.
10, 8.>9 wo doch daa letztere Wort weder blofse Rein-
erkfärang, noch aocb etwaa Anderes als in der- vorliegeni»
den £r2fihlang beaeicbnen kann, genügt ea su erinnern*
Woran aber die natürliche Dentnng der Anekdote am 'ent*
sehiedensten scheitet, das ist die Zerreifsnng des ^ha^
xa^ttQiO^ijti. Wer wird sieh überreden können, dafa diese
In sllen drei Berichten unmittelbar verbundenen Worto
darcb eine ciemliebe Pause getrennt gewesen, dab da<
^aUtf bei oder eigentlich vor dem Befühlen, daa xcr^a^-
aihji *aber ^ nach demselben gesprochen worden sei , da
doeh säamtlicbe Evangelisten beide Worte ohne Unter*
sehied während der Berührnng gesprochen sein lassen!
Ivewifs wücdoy .wenn der angegebene Sinn der ttreprÜDgU«
ebe wäre , wenigstens Einer der Evaogelistfm , statt, dea
il\fHno aii&6 Vf^oäs liycnr &elu)y x^thaQiax^ijTiy sagen: ^ L
a.r&sQiyazö* O^aifyif xal dipafievieg avvä am* xai^ixqla^rflu
Ist aber dus xad^aQio&r^zi in Einem Zuge mit iyiha gespro«
eben, so. dafs Jesus lediglich in Folge seines Willens, ebne
dazwiacbeneirt^etretene Untersuchung, das xaO^aQiCkod'ai
eintreten Heb: so kann dieC^ unmögiiob eine Reinerklärung,
wenn es ei|ier.,*vorgäng2gen Untersuchung bedurft^^ sondern
mufs ein wirkliches lleinmaclien gewesen sein. In diesem
Zusammenbang ist dann auch das uKHOi^iU nicht von un-
74 ' Zweiler AbecboUt
lerauchender' BerilbniDg su revsteheii) sendern, wie Bönst
Inmer in aoieben Krcfthlangen, von heilender*
Fftr eefaie Metttriielie Erkllmng dienet Vorgangs beruft
fieh Paulus nnf den Kanon , dar« ttberall in einer Erslh-
long das GewtffanÜcbe und Ordentliobe voransgeaatat wer»
den mflsae, wo niebt das Gegentbeil ausdrüeUieb angege-
ben sei ^ ; ein Kanen , welcher, an der der gancen ratio*
nalistisehen Auslegung eigentbfimliclien Zweideutigkeit lei-
det, was ffir nna, nnd- was fdr die anssuiegenden Schrift-
steller gewöhnlich und ordentlich ist, nicht sn nntersobei-
den. Allerdings, wenn ich einen Gibbon ror mir habe^ so
darf ich in seinen i£mählnngen, sofern er nicht ausdrUck-
licb das Gegentheil anmerkt, nnr natfiriicbe Ursachen und.
Vorginge voraussetaen, weit von der Bildung eines solcheu
Schriftstellers aus das Uebernatllrliche htfcbstens als selten-
ste Ausnahme denkbar ist; aohon anders verhält sich diefs
bei einem Herodot, in dessen Vorstellnngs weise das Ein-
greifen höherer Mächte keineswegs ungewdhnlioh and aus-
ser der Ordnung ist: und vollends in einer auf Jüdischem
Boden gewachsenen Anekdotenreibe^ deren Zweek Ist, ein
Individuum als höchsten Propheten, alt mit Gott innigst
verbundenen Menschen darsustellen , versteht - ideh das
Uebematarltche so sehr von selbst, dsfs jener ratiönaiistip
sehe Kanon sich dahin umkehrt: wo In solcben Ersählun*
gen auf Erfolge Gewicht gelegt ist, welche, als nfftllriiehe
betrachtet , keine Wichtigkeit haben worden , da juUrsten
abematörlicbe Ursachen ansdriicklich ausgescfalosaen sein,
wenn nicht , dafs solche im Spiele gewesen , als Ansicht
des EraAblers vorausgesetat werden sollte. In der vorlie-
genden Geschichte ist flberdiefs das Aufserordentllehe des
Hergangs dadurch hinlänglich angedeutet, dafe es belfst,
auf Jesu Wort habe den Kranken der Aussäte alsbald ver-
lassen. Freilich weifs Paulus , wie schon bemerkt , diese
2) a. a. 0. S. 7ü5 u. sonst.
Neante« Kapii«L S* M* 7^
ALttgsbe auf dlne aüailhiige iMtlfrUebeOefteililig a« deaCan,
lU hilHaßg^ wodurch die Evangelisten dSa Zeit derselben
bntiaiiaen, je nach den verschiedeaeo Soeanmeohaoge da«
pineaial aogleich bedeute ^ das andreaal oorbald nnd an«
gehindert. Diefa eingertemt: eoil nnn das bei Marlins In
Damtffelbareni Zasammenhang felgeade evQifos 'i^i(i(Kltw
uviov (V. 43.) sagen wolleA> bald uad ungahindert babtf
Jcsna den Ueheillen binaMgetrieben ? Oder sqU in assei
snfeinADder ftiigenden Vamen das Wort in verschiedeneoi^
Sinne genomnen weMea?
Ist aomit naeh der Absieht der evangelisoiien Ersiblev
von eiaoB angenblieklieben Vereobwindcn des Äussataes
aaf daa Wort nnd die Berfibrnng Jesu hin die Rede : so
ist^ eich diels denkbar 'au macheni fr^lioh noch eine gana
aadere Aiifgabe, als diO) das aogeBbUekiiohe Znrecbtbrin«
gen rines aut fiier Idee Behafteten, oder einen bleibend
stirlionden Kindrnok anf einen Nervenkranken sich vorao-
stelleB« üafs eine, in Folge tiefer Verderbnirs der Säfte
dnrelk den bartnielügsten nnd bösartigsten aller AnssehlAga
aerfressane flant durch ein- Wort uad eine BerlUirung an»
geabUekIteh rein und gesund geworden sein sollte , diels
iMtj weil es etwas einer langen Reihe von Vermittlungen
Bedürftiges als unaiittelbar eingetreten darstellt, so undenk^
bar 0« d<^« M jeden, der aufserhalb gewisser Vorurtbetle
steht (waa der Kritiker immer soll), nttwillkOrlicb an das
Fabelreich erinnern mnfs. Und im fabelhaften Gebiete mor-
genilndiseller, näher jfidischer , Sage ftnden wir wirklich
das pltftaliehe sowohl Entstehen - als Verschwindenmachen
dea Avasataes anerst» Als Jehova den Moses anm Behuf
seiner Sendung nach Aegyptea mit dar Fähigkeit , allerlei
Zeloben an tbnn , ausrastete , biefs er ihn unter Anderem
aaeli aeine«Hand an seinen Busen stecken: nnd als er sie
besKsaaeg^ war sia von Anssata bedeckt \ er mufiMe sie
3) vgl. ÜASBy L. J«, ^: 86; Wii8>B, a, a. p. S. 47^.
76 Zweiler Abftoliiiitt
noiBh tflnttml Itf imkiftieclteii , mid beim abermaligen HeraitB-
stehen war sie wfeeder rein (2 Mo«. 4, H. 7.)* . Später, we*
gen eines EmplH^angtversochs gegen Mo^es, wurde seine
Schwester Mirjam plötKlieh mit Aussats geschlagen, aber
anf die Fürbitte des Moses bald wieder geheilt (4 Mos. 12,
10 ff.)« Besonders aber spielt auter den Wunderthaten des
Propheten Bllsa die Heilung eines ÄassIitBigeB , deren auch
Jesus (Lue. 4,' 87.) gedenkt , eine bedeutende Rolle. Der
syrische Feldherr Nahmen, weieber am Aussatse litt,
wandte sich an den israelitischen Propheten um flfilfe;
dieser liefs Ihm die Wei^ng geben, er solle sich siebenmal
im Jordan waschen: worauf auch wirklich der Aossata
wich, welchen aber der Prophet später voran laf st war,
auf seinen betragerlschen Diener Gehasi ilberautragen
(2 Kön. 5.)* Ans diesen A. T.lichen Vorgängen scheint die
evangelische £reählang sich vollständig ableiten au lassen.
Was der erste Goel In Jebora's Auftrag vermochte , das ,
wie gesagt, mufste auch der a weite an thun im Stande
aein , und ohnehin hinter einem Prophetea durfte der Pro*
pheton gr^fster nicht aurllckbleiben. Waren bienach ohne
Zweifel schon in dem Jüdischen Messiasbilde dergleiohen
Heilungen mitbegriffen , so * wären noch bestimmter die
Christen, welche den Messlas in Jesu wirklich erschienea
glaubten, veranlafst, seine Geschichte durch 'solche aas
der mosaischen und prophetischen Sage genommene Zöge
au verherrlichen, nur dafs sie dem milden Gmste des neuen
Bundes (Luc. 9, 55 f.) gemäfs die strafende Seite Jener
alten Wunder wegtiefsen.
Etwas mehr Schein hat die rationaÜstisehe Berufung
auf den Mangel einer ausdrilolEliehen Angabe, r dafs eine
wunderbare Reinigung vom Ausaatae gemeiat sei , l>ei der
fireähluog von den cehn Ansfcätaigen., .wdloke. duift :Lukas
eigenthttmlich ist (17, 12 ff.). iliarinäsBlicfa<.ver|i|itga»iWe^
der die Kranken ausdrOcklich die Heilung, sondern, sie ru-
fen nur: iUffiov fjiii^j noch thut Jesus ein hier amI' sich
Neuntes Knpitel» $. 93. 77
betiplietide» Machtwort, «eiidern er veisl »ie iHii: «y^ sieb
dan Priestern bu aeigen ; was man' deon mtioballstiiith^r-
seits iiioht aänmt, dahin so erfclfiren, dafs Jeiii|S|i.j||s(ch g^
DOoiBener Kenntnlfs von ihreca Zii)itafide.y' sie :ers|antert
Wfaey sieh der priesterÜeheii ViaitaÜm 49u. oiilAcwalBfen;
diefs habe wbrUioh ihre Reinapretbang aar Felge gidiilbl;,
■nd der Samariter sei attgekehrl) am Jeea für jeiaeii ^^
mathigendeB Rath an danken *). Allein «o angelegtutli^
wie es hier besehrieben wird, dnrch. ein 7mm£$y inl n^i
ownor, dankt man nicht filr einen blofsen Rath , ttotb .we*
nigsr konnte Jesns rerlangeo^ dafs aai.dea£ff£algs diesa^
Itathes willen alle Zebae hftttea ttaifcHvea'.«^!^»,. nad
aarar eai Gott die Ehre su- gel>en • — 4oU* nie» itaa vsag^
iaSbr^ dafa er Jesom befiäbigt habe; ihflNln- tomin isa gMafi
Balh aai ertbeiien? Nein; sondern hier wird «iaejndiUaafe
Lcistnng ▼orani|[eseta^ and diese gibt die finslkhlang wit iü-
lieb Jüiy arann sie sowobl die übikdhp des ^iaiaritetre
darek Idoir ofi iaSTj begvOndet, als aaeb «lesilai: deniGmodf
wsnini ec von Allan Dank, erwartet' hfttd« daaok a^ d
dexa ikaSa^&fjaay; aassprechen ISist^ wa^'Beidea doch
nar bBehst gaawnngen so erklfirt wenden hant», dab, weil
'de gasshen, dafs Jesus mit seiner Reinerkltfrang reofat
gakabt> der eine wirklioh nmgekehrt sei,, ihm.ao danken,
die fibr^en aber hättea nmkeihren soUen.M JSfilaoheideiMl
«bar gegen -die natllrliohe £rklfirung i4t der Sota : iy %^
maffiw ctvT^ ixad^aqUs&tiöax. Wölke hifr,. jener Qenliiqg
genJLfa^ dar Referent blofii skgen: wie die Ki^nfiaAi/ b^iip
Priestar angekommen, sieh ihm seiften, wnrden sie fCr
reiii arkUM: so mnlste er wenigstens setaeki: naQBvikivM^
ixa9aQlo&r]ffar: wogegea non die abmbtsvpile Waiil des
h xt^ imayeiv unwidersprecblich neigt , dab . von ej^em
Reinwerden wfthrend des Hingehens die Rede, ist A^b
biar also haben wir eine wnnderbara AassatuheUmg) Wf4*
4) Paulus, L. J., 1, b, S. 68.
78 Zweiter Abgchnitc.
ohe eben deneelben tichwierigkeiton unterliegt , aber auch
ebenso tn ihrer BntetehaDg erklttrbar sebeiot, wie iBe vo-
rige • Anekdote.
Doch ee kommt bei dieser Brsihlong noch etwis Ei-
gentbüiDKcbes to Betracht, das sie von der vorigen nnter-
sciheidet. Es Ist hier keine simple Heiiang , ja die Hei-
long ist nicht einmal eigentlich die Hauptsache; diese liegt
«tieÜniehr in dem Torschiedenen Betragen der tieheilten,
nnd die Frage Jesu : bxI oi dixa iKa(htqiaihia€gif m* t. L
CV. 17 fO bildet die Spitse des Oanaen, welches hiemit
gans moraliteh schliefst, and sum Behnf der Belehrong
ertfAhlc an sein scheint ^> NaraeDtüch dafs der als Mnster
der Dankbarkeit Ersoheinende gerade ein Samariter ist,
mofs bei 'demjenigen Evangelisten anifallen , welchem* «ueii
die Lebrrede vom barmhersigen Samariter eigentilümlich
ist. Wie ntmlich in dieser swei Joden, ein Priester und
-ein Le^it, sieh nobarmheralg beweisen, ein Seonariter da-
gegen mosterhaft barmhersig : so steht hier neva nndanlh
baren Joden ein Samariter als der einelg Dankbare ge-
genfiber. IV ie daher, sofern doch die plfttBÜcbe HeÜnng
dieser Kranken nicht historisch sein kann, wenn wir auch
hier, wie dort, eine von Jean vorgetragene Parabel vor
«ns hfttten, welche die Dankbarkieit, wie jene die Bana-
heretgkdt, am Beispiel eines Samariters darsteilen sollte,
nur aber gesehlchtlieh verstanden worden wffre! DieCs
wSre dann se, wie man schon behauptet hat, dafs es mit
der Versoeinnigsgeschichte sieh verhalte. Doeli eben in
Sesvg auf diese haben wir gesehen , daCi und warum Je-
sus nie sieh selbst unmittelbar in einer Oleichnifarede auf-
treten lassen konnte , > und diefs mflfste er hier getlian ha-
ben, wenn er von sehn Anssttuigen ersihlt hfitte, die er
einmal geheilt habe. Wollen wir daher den Gedanken,
hier etwas nlrsprttnglich Parabolisches ku haben, nicht
S) ScntstSMiAciiiii, Über den Lukas, S. 2i5.
neuntes Kiipitel. $. 94. 79
fiJlen liwseo, so hiuen wir urb die Saobe «o s« deok^n,
dab ans d«r Sag» Toa Hailimgeii, walcha Jesas a«oli an
Amltwigan vollkraeht habe, eioeraaks, ond andrerseifB
aat Parabeln, in welchen Jesaa, wie in der Tom barni-
henagen Samariter, lndi?idaen dieses angeMndeten Voi-
km als Master Tersehiedener Tagenden anfstellte, die or-
eiuisdiehe Sage diese Eraftblang nnsammengewoben habe^
«veiehe ebendaher halb Wnndereraihhiag, halb Parabel ist.
Aaf eine neeh andere Krklirung kann M dieser £r-
■iUaai; der Zng flibren, dafs die Kranken nlcbl oanrittel-
bsr in Jesa Gegenwart, sondern naehdem sie sieh bereits
von Ihm entfernt hatten, geheilt worden. Zwar
diefa der fiTangelist avgenseheinlich nor ?on einer
knmen Entfernung vielleicht nicht einmal mehrerer Stnn*
den 0: aber es liefiw sich eh^n dieb als nngesobiohtllche
Verkfirsug denken, und vermuthen, erst nach längerer
Zwiselienseit seien die Minner, in Feige des heilenden
ffinflnassn tlesn, von ihrem Debel belMt worden; eine Erf>
Uirang, die man anch anf die erstere Geschichte des Ei*
AnasMtnigon fbertrageo könnte. Ob eine der magno*
iibniigibs Heilkraft , wie wir sie in Jesn annuneh*
iiabsn, wie anf verstimmts Nerven , so aneh aof verw
doribeno Sifte, heilend einwirken ktone, mnfs freilich da^
hingniUeüt bleiben ; Jedenfalls wäre die Einsehiebnng einer
ZwisoiMMBoit nöthigi mn den gomoidetan Erfolg denkbar
f. M.
BUadenheiluageii.
Eine der ersten Stellen anter den von Jeto gehßllten
Kranken pehmen, gleichfalls nach der Natar des Landes 0,
6) Vgl. \BiaDsa, S. 337. '
i) s. WwMy Retlw. d. A. Blinde.
I
[
80 ZWeitvr Abstttinltr*
.die Blinden ein , ron deren HeUung wiederum nicbt bii>r5
in den allgemeinen Schilderungen, welche die ETangeliaMi
(Matth. 15, 30 f. Lnc. 7, 21.) oder Jesus selbst (llatth.
11,5.) von seiner messianischen Thfidgkeit geben, die
Rede, ist, sondern auch einige eincelne Fülle ansfclbrliofc
beriehtet werden. Und swar mehrere als von den Beilai»-
^en der suletzt beschriebenen Act; Tieileieht, weil die
Blindheit, als ein Leiden des feinsten und complioirteiten
Organs, juehrere abweichende Behandlnngsweisen enliefs.
Eine dieser Blindenheilnngen ist sämmtlicben Sjrnofiiakera
gemeinsam; die andern sind (sefern wir den dänienische«
•Blindstumman' des Matthäus hier, nicht wieder, suhlen )
je eine dem ersten, sweiten und vierten Evangelisten ei-
genthümliefa.
Gemeinsam ist den dtei synoptischen Evangelien die
Ersähiung, dafs Jesus auf seiner leteteo Reise nach Jeru-
salem bei Jericho eine .Blindenheilung verrichtet habe
( Matth. 20, !SL9. parall. ) : aber bedeutende Ab'weiebottgen
finden statt sowohl in Bestimmung des Objecte der Hei*
lung, indem Alatthftns swei Blinde bat, die b^dte andern
nur Einen , als auch in Benug auf das LeealT A^rselbeii^
indeih Lukas sie.bei'm Einsog, MattbXos und Marhiis
bei'm Ausaug aus Jericho vor sich gehen lassen; aneb
wissen von der Berührung, mittelst welcher nacb deoi er*
sten EvAngeltsten Jesus die Blinden heilt, die beidien ao*
dern Berichterstatter nichts. Von diesen Differensea mag
sich die leiste durch die BemeriLung, dafs AlarlLUS nnd
Lukas die Berührung, die sie verschweigen, darum nicht
läugnen, etwa lösen lassen: schwieriger ist die erste, \4'el-
che die Zahl der Geheilten betrifft. Hier haf mai^ bald
mit Zugrundlegung des MaUhfius gesagt, es möge sich ei-
ner von beiden Blinden besonders ausgeseichnet haben,
wefswegen in die erste Ueberliefemng er allein gekemoien
sei; Matthäus aber als Augenzeuge habe ergärueend den
Bweiten Blinden hinsugefUgt. So widersprechen weder
Neoalet KapItaL % 94. 81
Lakas imd Markai dem Matthlsf , dam ah liognen nlr-
geads, dafs nicht Doob mehrere ab nnr der Toa Ihnen
herforgehohefie Blinde geheilt worden seien; noch Mat-
Ihfai den b^den andern, denn wo Zwei seien, da sei aoeh
Katr^y, AUdn wenn der einfaehe Ersfthier Ton Einem
loiliridanm spricht (und sogar, wie Markus, dessen Namen
aeant>, an welchem etwas. AnlsercNrdentliehes geschehen
sei: ao hat er offenbar der Angabe, es sei an awei Indl-
Tidaen Torgegangen, stillschweigend widersprochen; wae
aasdrAckUeh an thnn er keine Veranlassung hatte. Wenn
man sieh aber auf die andere Seite wendet, und, die Ein-
■aU des Markus and Lukas aum Grunde legend, von Mat-
tiilBs, der hier wohl nicht Angenseuge gewesen sei, Ter-
■athet, sein Gewährsmann habe vielleicht den Fahrer des
Blinden f&r einen aweilen Blinden angesehen*): so ist
daant achon ein wahrer Widerspruch angegeben, nnr nn*
ndthigerweise eine höchst unwahrscheinliche Veranlassung
desseUien erdacht. Dafs die dritte Differeas, das ixno^en-
Ofihw mto und iv %i^ iyyl^eiv eis 'hQixtij noltfsbar sei,
kana, wen die Worte nicht fiberseugen, aas den gewaitsa-»
aMo AnsgleichnngSTersucben lernen , welche von Orotius
1^ Pavu» darttber aufgestellt worden sind.
Besser haben daher die Alteren Harmonisten *) gethaa,
welehea defswegen auch neuere Kritiker beigefallen sind *),
wenn nie mit Rflckslcht auf die aitletst besprochene Ab-
weichang hier aweierlei Begebenheiten unterschieden, und
annahaaen, Jesus habe suerst bei'm Einsug ia Jericho (nach
Lakaa>9 dann wieder bei*m Ansang (nach Matthäus und
Markoa ) , einen Blinden geheilt. Mit der andern Abwei-
chung, rficksichtllch der Zahl, glauben diese Harmonisten
2) GtLMTXy Gomm. z. Mattb. 2, S. 323.
3) PAUiut, ezeg. Handb., 3, a, S. 44. J
4) ScavTLZ, AmnerkuogeB zu MicHAUiSy 2, S. 105.
5) SisafSST, a. a. O. S. 104.
Da» JLehn Jesu Ue Auß. iL Baitd 6
92 Zweiter Absehnilt.
durch die Voränssetsang fertig Ma werden, Matthäos habe
die beides Blinden, den vor und den hinter Jericho ge-
heilten, wm9mmmengedkhlty ond die Heilung Ton beiden
hinter. Jericho versetst« Allein, wenn man der Angabe des
Matthftua rdckaichtlich der Oertlichkeit der Heilung so viel
Gewicht bellet, um ihr und der dea Markus sufolge ewei
Heilungen I die eine vor, die andere hinter der Stadt an-
Kunehmeo: so weiis ich nicht, warum seine abweichende
Zablangabe nicht ebensoviel Geltung haben soll, und Storr
scheint mir folgerichtiger sn verfahren, wenn er, auf bei«
de Abweichungen gleiches Gewicht legend, annimmt, dafs
Jesus Buerst bei'm Eineug in Jericho Einen Blinden (Lu-
kas), dann bei'ra Auszug von da swei Blinde CMatthäus)
geheilt habe ^)* Kommt nun aber hiebei Matthfius su sei-
nem vollen B.echte, so ist diefs hingegen dem Markus ver-
weigert. Denn wenn dieser, wie hier geschieht, um sei-
ner Ortsangabe willen mit Matthäus zusammengestellt ist,
so geschieht hiedurch seiner Zablangabe Gewalt, welche
filr sich vielmehr eine Zusammenstellung mit Lukas erhei-
schen würde: so dafs, wenn man keine seiner Angaben
beeinträchtigen will, was man bei dieser Verfahr ungsart
nicht darf, er von beiden gleicherweise getrennt werden
mufs. So hätten wir drei verschiedene Blindenheilungen
bei Jericho: 1) die Heilung Eines Blinden bei*ai Einzug,
2) die eines weiteren bei*m Auszug, und 3) die Heilung
zweier Blinden bei'm Auszug, also zusammen vier Blinde.
Uen zweiten und dritteii Fall nun auseinanderzuhalten, ist
freilich schwierig. Denn wenn doch Jesus zu zwei verschie-
denen Thoren zu gleicher Zeit nicht ausgezogen ^sein kann,
so will sich ebensowenig das vorstellen lassen, dafs er,
blofs auf der Durchreise hegriifen , nach dem erstea Aus-
zuge wieder in die Stadt zurückgekehrt, und später noch
6) lieber den Zweck der evang. Gescliichtc und der Briefe Joh.
S. 5^5.
/"
/
Neunte« -Kiipitei. §.04. 83
eiamal «usgescigen sein coUle. üeberhaupt aber, drei so
gsns iknlicha VorfiÜle hier sosammentreffeD sn lassen, wiU
kaiiB angehen. Sehen die Häufung ven Bttndenheilungen
ma6 befremden. Besonders aber wird das Benehmen der
B^leiter Jesu nnbegreifteh, welche, hatten sie einmal hei'm
fincoge gesehen, dafs das fVri<f/#^v z(p tvq^h^ iVc aiwTtrjuri
nieht ia Jesu Sinne sei, indem er ihn Ja nn sich rief, diels
doch nicht bei dem Ansenge, und swar sweimal, wieder-
holt haben werden. Sreaa n freilieh stdrt diese Wiederho-
ItiDg nieht in der Annahme von wenigstens swei Vorfkl-
lea ^eser Art; denn Niemand wisse Ja, ob diejenigen,
welche hinter Jericho Stille geboten, nicht gans andere
gewesen seien , als die vor der Stadt das Gleiche getban
hstten; wenn atier aneh, so wfire eine solche Wiederhc*
hing, eines von Jesu thatsXchlich mifsbUligten Benehmens
swar nnschicklich gewesen, aber dämm nicht unmöglich,
ds anch die Jfinger, welche der ersten Speisung angewohnt
liatten, doch vor der sweiten wieder gefragt haben, wo
Brot fOr so Viele herannehmen sei? — aliein das heifst
ans der Wirklichkeit einer UnmÖglichaeit auf die der an-
dern gBsehlossen , wie wir bald genug bei Betrachtung des
doppeltea Speisnngswnoders sehen werden« Doch nicht
MÜmn das Benehmen der Begleiter, sondern Oberhaupt fast
alle Zfige der Begebenheit mttfsten sich auf die unbegreif-
Ikiiste Weise wiederholt haben. Einmal wie das andere
der Rnf der Blinden: iXirflay i^fiag, oder ^£, vie JcnHÖ\
hierauf (nachdem ihnen von der Umgebung Stillschweigea
auferlegt worden) der Befehl Jesu, sie an ihm eu brin-
gen; seine Frage, was sie von ihm wollen? ihre Antwort:
teilend werden ; seine Gewährung ihres Wunsches, worauf
sie ihm dankbar nachfolgen. Dafs sieh diefs Alles drei*
mal, oder anch nur zweimal so wiederholt haben sollte,
ist eine der Unmöglichkeit gleichkommende Unwahrschein-
lichkeit, und es müfste entweder nach der von Sieffrrt
hl solchen FiSllen angewandten Hypothese eine Bagenhafte
G '
84 Zweiter Absehnltt»
AMfanilatioa veriehiedener Facta, oder eine traditioMlIe
Variatfen einer rinaigen Begebenheit aDgenommen werden»
Fragt man sich, am hier an entscheiden: was lionotoy ein-
mai eine Vermittlang durch die Sage Toraosgesetet^ leich-
ter geschehen : das iJone, dafs dieselbe Geschichte bald ?on
Einem, bald yon Mehreren, bald yom Einzog, bald Ton
AnsEug erzählt wnrde ? so braucht man das Andre gar
nicht erst dasafindenken , da jenes Erstere so ohne Ver>
gieichnng wahrscheinlich ist, dafii man keinen Angenblick
anstehen kann, es als wirklich voraassasetaen. Führt man
aber so die scheinbar mehreren Facta anf wenigere aarück,
so bleibe man nnr nicht mit Suffert bei der Reduction
aof Bwei stehen, da hiebei nicht allein die Schwierigkei-
ten hinsichtlich der Wiederholung desselben Hergangs blei-
ben, sondern auch die Consequeoz verfangt,, wenn, man
die eine Abweichung (in der Zahl) als unwesentlich auf-
gibt , auch von der andern (im Local) abausehen. Stellt
sich nun, wenn hi|9r nur Eine Begebenheit ersKhlt werden
soll, die weitere Frage, welche der verschiedenen Eraih-
langen wohl die ursprfln|[liche sei ? so wird die Orteangabe
an keiner Entscheidung helfen, da genau ebensogut vor als
hioter Jericho ein Blinde^ au Jesu stolsen konnte. Eher
wird man in Bezog auf die ZahkOrond haben, aich eo
entscheiden, und zwar zu Gunsten des Lukas und Markos
ffir blols Einen Blinden; Keineswegs zwar aas dem von
ScBLEnRMACHBR angegebenen Gm udc , weil Markus ^ der
durch die Angabe, wie der Bünde geheilsen, eine genaaere
Bekanntschaft mit den Verhältnissen beorkonde, auch nur^
Einen habe 0 , da dem so oft auf eigne Hand individuali-
sirenden Markus am wenigsten bei den ihm eigenthfimli-
chen Namen zu trauen sein dfirfte; sondern wegen eines
andern Cmstendes*
Es scheint nändich die Verdoppelung des Blinden bei
7) s. t. O. S. 237.
Nenntea Kapitel. S. M. 85
Hattbftas dmreh die ErinneroDg an die deaielben Evaiige-
ÜflUm eigenthftaUiche Eraibiiuig Ton eiaer ffftthereii Heilnng
BWMflr Blinden (9, S7 £F0 Teranlalät ra sein. Hier, gleiclh
Idb iaa Weggehen, nCnlieh Tön; dem Ortei wo er die
Totbtar des aigf/a^ wiedererweokt hattei folgen Jesu evrei
Jlfinde nacli (die iiei Jerieho dtnen), und mfen ilinlich
wie dort den OavidMohn um Erbarmen aoi der sie sofort
aneh hier, vHe dort nach Matthäus , duroh Handanflegnng
heilt. Daneben finden sieh freilich niebt geringe Abwei-
chui^en: von einem Stillegebote der Begleiter Jesu steht
Uer niehts, und während bei Jericho «Ifsus die Bünden
segisieh su sich raft| kommen sie in dfin frflheren Falle
ent WM, ihm, als er wieder en Hanse isti .ferner, während
er dort sie fragt, was sie yon ihm wol|po? fragt er hier
gleich, ob sie das Vertrauen haben,. 4<^fs er 'sie heilen
hdnae? endlich das Verbot, Niemanden etwas su sagen,
ist dem froheren Falle eigentbamlich. )|pi diesem Verhält-
niTs beider Erzählungen könnte wohl |lpe Assimilation in
der Art aftatigefnnden hallen, daTs dem IMatthäns die uwei
Bliudep md die Btortthrnng Jesu aus d||f ersten Anekdote
In die «weite, die Form des Rufs dM füranken aber aus
der swdton in die erste hineingekon^ptn wäre ^>
Wie beide Geschichten angelegt slpd, scheint fttr eine
aetflriiehe Brklärung sich wenig d^Mubieten. Dennoch
hA^ die r*tioa.li.tisch«n Aiuleger 0» soiehe >a y«nui.
stalteo gevi^ulst. Dais Jesus in dem ^^^^'^ Falle die
Blinden f^agt, ob sie Vertrauen cu Vt^ haben, erklärt man
dalde, Jesus habe sich fiberaeugeii wollen, ob sie ihm
woU bei der Operation festhalten, Md seine weiteren Vor-
sefariften pinktlieh befolgen wttrd|||| ^); erst nu Hanse
biemaf , um ungestört su sein, haj^f er ihr Hebel untere
8) Vgl. OB WsTTSy exeg. Handb. 1, 1, S, 17f ; Wsuss, die ev.
Geschichte, 1, S. 571.
9) FlVLUS, L. J., 1, a, S. 249.
85 Zweiter Abschnitt. '
sacht, hikI als er ' in demselben ein hellbares (nncb Vektu-
RiNi ^^ durch den feinen Stanb jener Gegenden bevHrktes)
Uebel erkannte, die Leidenden versichert, dafs ihnen nach
dem Maafs ihres' Zutranens geschehen solle. Hierauf sagt
Paulus nur knrs, 'Jesus habe das Hindernifs ihres Sehens
entfernt ; aber anch er mufs sich etwas Äehnllches mit
Venturini denken, welcher Jesum die Augen der Blinden
mit einem scharfen, von ihm vorher enbereiteten Wasser
bestreichen, ond sie so von dem etitcündeten Staube rei-
nigen läfst, woranf in Kureem ihr Gesicht enrückgekehrt
sei. Allein auch diese natürliche Erklärung hat nicht die
mindeste Wurzel im Texte; denn weder kann in der von^
den Kranken geforderten nlgig etwas Anderes, als, wie
Immer in ähnlichen Fällen, das Vertrauen auf Jesa Wun»
dermacbt gefunden werden, noch in dem ijifjoro eine ehi^
urgische Operation, sondern lediglich jenes Berühren, wel*
ches bei so vielen evangelischen Heilungswundern , sei es
als Zeichen odek* ails Leiter der heilenden Kraft Jesn , ei^
scheint; von weiteren Vorschriften Kur völligen Herstel-
lung ist ohnehin nichts en bemerken. Nicht anders ver-
hält, es sich diit der Heilung der Blinden bei Jericho, we
übcrdiefs die zwei mittleren Evangelisten nicht einmal et
ner Berfihmng gedenken.
Sollen aber auf diese Weise nach dem Sinne der Re-
ferenten auf das bloise Wort oder die ßerfihrung^ Jesu hin
Blinde augenblicklicli' Behend geworden sein: so werden
wohl ähnliche Bederi'4lichkeiten hier eintreten, wie in dem
vorigen Falle mit den Aussäteigen. Denn ein AngenObef,
es mag noch so leicht' sein, wie es nicht ohne mancbfache
Vermittlung entstanden ist, so wird es noch weniger an-
mittelbar auf ein Wort oder eine Berührung hin weichen
wollen; sondern es erfordert sehr complicirte theils cbimr«
gische theils medicinische Behandlung, und so vornehmlich
10) Natürliche Geschichte des Propheten von Naz. 2, S. 216.
Meanles Kapitel. % 94. 87
die BUndheit) wenn sie fiberbavpt heilbarer Natar Ut. Wie
»ellteii wir ans auch die pl6tsliobe iieiiende Kiiiwirkung
eieee Wortes ond einer Hand anf ein erblindetes Aoge ror»
steileB? rein wanderbar aod magiseh? das Uelse das Oea*
kea fiber die Saebe anfjgeben; «4^* magnetisob ? allein es
IM «ohne Beispiel, da(s anf dergleiehen Uel»el der Magne«
tifflins Ton Einflofs gewesen; oder endlich psyehisoh? aber
die BUndheit ist etwas Tom SeelenlelieD so Unabhängiges)
selbstotindig Körperliehes, dafs an eine, namendicb plöts«
liehe, Hebang derselben Ton geistiger Seite her nicht sSb
denken ist. Wir mOisen folglich ll»kennen, dars eine ge-
seiiicbtiiehe Anffassong dieser Krsiihlangen uns äafserst
schwer fiillt, and bis namentlieb voUstftodigere Analogien
mmg dem Gebiete magnetischer ond psychischer Heilange«
be^ebraeht sein werden, mafs der Versoch erlaobt sein,
sich die sagenhafte Entstiehnng dieser Er£&hlungen denk-
bar mm machen*
Die Stelle ist bereits angeffihrt, wo nach dem ersten
ond dritten Evangelium Jesns den.fpesandten des Täafers
gegeoiber, welche ihn so fragen hatten, ob er der igxo-
fnros sei, sich auf seine Thaten beruft, ond vor allem An-
dern hervorhebt, dafs rvifhu m'aßkLiaai\ eum deutlichen
Beweise, dafs namentlich auch solche, an Blinden verrich-
tete^ Wander vom Messias erwartet wurden; wie ja jene
Worte MUB Jes. 35, 5, einer ai^^Mianisch gedeuteten Weis-
S8ga]i|r, genommen sind, vnd nach in einer oben angefihr-
len rabbiniseben Stelle unter den Wundern, welche Jehova
in der messianisefaen Zeit ausführen werde ^ das hervorge»
hoben ist, dafs er ocnlos caecorvm apeiiet, id quod per
Elisam fecit ")• Eine eigentliche Blindheit nun hat Elisa
nicht geheut, sondern nur einmal seinem Diener die Augen
für eine Wahrnehmung aus der übersinnlichen (Welt er-
öffnet, und dann eine in Folge seines Gebets über seine
IJ) s. Band ). S 106 ff Aiun
86 Zweier Al»«ohaitt.
Feinde verhängte. Verbloi«liuig wieder «BÜhfiren Ineen
(2* Ktfn. 17—20.)» Dieee Tbaten des Elisa non fabte man,
ahne Zweifel in Rficksicht aaf die Jesaianjsche Stelle ^ ge*
radesn als Eröffnung erblindeter Aogen, wie wir ans je^er
rabbinisehen Stelle sehen | and so wnrden vom Messias
aneh Bltndenbeilnngen erwartet ^^. Nahm nun die nr-
ehristllohe Gemeinde, wie sie ans den Jaden hervorgegan-
gen war, Jesam für das messianiscbe Snbjeet, so mafste
sie die Tendene haben, ihm anch alle messianiseben Prä-
dicate, and so auch das In Rede, stehende, saeaschreiben.
Die dem Marlius elgenthfimlicbe Ersfiblnng von einer
Blindenheilang bei Bethsaida <8, 22 ff ) ist, neben der gieich-*
lalls nur bei ihm sn findenden von der Heilang eines
aebwerredenden Taaben (7, 32ff.)) welebe.wir defswegen
hier mitberiloksichtigen, die Lieblingsersühlnng alier ratio-
12) Auch sonst finden wir , dass in jener Zeit Männern , die iiir
Lieblinge der Gottheit galten , das Verm'dgen Wunderbarer
Heilung, nsmentUdi such der BHndheit, zugeschrieben zu
werden pflegte. So erzählen uns Tacitus, Bist. 4^ 81., und
Sneton , Vespas* 7« , in Alezandrien habe sich an den kürz-
lich Imperator gewordenen Vespasian ein Blinder, angeblich
nacli einer Weisung des Gottes Serapis, mit der Bitte ge-
wendet, ihn durch Benetzung seiner Augen mit seinem Spei-
chel zu heilen, was Vespasian mit dem Erfolge gethan habe,
dass der Blinde augenblicklich das Gesicht wieder erhielt.
Da Tacitus die Richtigkeit dieser Erzählung ganz besonders
verbürgt, so dürfte Paulvs woIü nicht Unrecht haben, wenn
er die Sache als Veranstaltung 9chmeschlertscher Priester
ansieht, welche durch subornirte Scheinkranke den Kaiser in
den Ruf des Wunderthäters, und dadurch ihren Gott, dessen
Rath den Vorgang veranlasst hatte, bei ihm in Gunst setzen
wollten ( exeg. Handb. 2, S. 56 f. ). Jedenfalls aber sehen
wir hieraus, was man in jener Zeit auch ausserhalb Palüsti-
na*8 von einem Manne erwartete , welcher, wie Tacitus sich
hier über Vespasian ausdrückt, einen fwoor e coeUs und eine
inciinaiio numinum genoss.
#fii>gwlhdinij HeHngifMefaiditaB irie
de, dab Jewn niehl lüvaii blobe MaebttpHldie heilte, hi-
■iwieiih Sil erweisen , ond tut tiefer Ferecliende sogar die
MtfiriieboB Mittel seiner Hoilnngen so eotdeeken sein ^^)l
So ist, ▼orsOglieli ans Vonuüassong dieser Eraihlungen,
weicliea aich dann aber aneh oiaselne Zfige ans andern
ThHloa des nweiten ETangelinms anschliefsen , Markos Ih
neooBtar Zeit aoeb von solcben, die sonst dieser Ansle-
gongsweiae nieht eben geneigt sind , als Patron der natip-
iiehea Erl&Ulrong dargestellt worden ^^)*
Was aon nnsere beiden Heilungen betriflEt, so ist den
raüenalistuchen Anslegem sehen das eine goto Vorbeden-
tni^, dnfs Jesus beide iüranke Tom Volke weg besondere
mt: nos keinem andern Grande, wie sie glaoben, als
ilirea Zustand Srstlioh so nntersnoheni nnd so seheni
ob «elr lielfen lasse oder nieht. Eine solche Untersnehnng
fiadea die beaeiehneten Erklärer vom ETongelisten ^selbst
angcaeigt, wenn naeh ihm Jesns dem Tanben die Finger
in Um Ohren steekte, wobei er die Tapbheit als eine he>I-
bnroj fielleicbt nur dnrch ForbXrtete Fenchtigkeit im Ohr
ealataDdene, gefanden > and hierauf, gleichfalls mit den
Fiagem, das Hindemils des Gehörs entfernt habe. Wie
da« ijilale %hs dcoavkag eis ra cka^ 00 wird anch das i^tpa-
%o Trfi Yltiiaatjg von einer chirorgisohen Operation verstan*
den, dareh welche Jesus das Zangenband bis anf den op-
forderliclien Punkt gelöst, nnd dem erstarrten Organ seine
Gelenkigkeit wieder gegeben habe, und ebenso wird das
t$) So tingefihr Paulus, exeg. Uandb. 2, S. 312- S91.
t4) i»B WsTTB, Beitrag zur Cbaraktcristik des Evangelisten Mar-
kus, ia Uluunm's und Umbhsit's Studien^ 1, 4, 789 ff. Vgl.
H'ötrtaiy Immanuel y S. 72. Digegeo vergl. db Wettb^s exeg.
Handi. J, Z, S. 148 f.
00 Zweiter Absoknitt«
\'
miOsig rag xetQag avTifi bei dem Blinden dahin erkllirt,
JesQS habe vielleicht daroh ein Drflcken der Augen die
verdickte Linse herausgebracht. Eine weitere HolfQ findet
diese Erklärnngsweise darin, dafs Jesus (»eidemaie, an der
Zunge des Sohwerredenden und nn den Augen des Blin-
den, Speichel anwandte* Schon für sich hat der Speichel,
wenigstens nach der Meinung äkerer Aereto^^}, eine ffir
die Augen heilsame Kraft; da er indefs so schnell in kel>
jiem Falle wirkt, um eine Blindheit und einen Fehler der
Sprachorgane mit Einemmale entfernen bu können, so
wird ftf r beide FfiUe vermuthet , Jesus habe den Speichel
nur gebraucht, um ein Arsneimittel , wahrscheinlich ein
Stzendes Pulver, ansufeuchten ; wobei sowohl der Blinde
nur das Ausspucken gehört, von den eingemischten Medi-
camenten aber nichts gesehen, als auch der Taube nach
dem Geiste der Zeit die natürlichen Mittel wenig beachtet,
oder die Sage sie nicht weiter aufbewahrt habe. Wird
hierauf in der Ersfihlung' vom Tauben die Heilung tiar
einfach atigegeben, so eeichnet sich die vom Blinden noch
dadurch aus, dafs sie die Wiederherstellung seines Gesichts
umständlich als eine successive beschreibt. Nachdem Jesus
die Augen des Kranken auf die beschriebene Weise be-
handelt hatte, fragte er denselben, u ri ßUnu; gar nicht,
bemerkt Paulus, wie ein Wunderthfiter, der des Erfolges
sicher ist, sondern recht wie ein Aret, der nach gemach-
ter Operation den Patienten probiren Ififst, ob ihm gehol-
fen sei. Der Kranke erwiedert, er sehe, aber erst un-
deutlich, so dafs ihm die Menschen wie Bät^me erschei-
nen. Hier kann nun der rationalistische Erklärer siegreich,
wie es scheint, den orthodoxen fragen: wenn Jesu die
götiiiche Kraft su Bewirkung von Heilongen su GeI>ote
stand, warum heilte er den Blinden nicht sogleich voll-
ständig? Wenn ihm das Uebel einen Widerstand entge-
15) PUn. H. N. 28, 7. u. a St. hei WÄibiEiw.
Keuntes KujtiteJ« S* 94. ^91
l>eMeteto{, dm er nieht schon beffli «rtten Vanaohe bh
überwinden Teraoehte, wird daraus niobt klar, d«(s seine
Krmft eine endliclie, gewöhnlich menseliliohe gewesen isl?
Hierenf legte Jesus noch einmal Hand an die Augen dm
Kranken, nm der ersten Operation naebsnhelfen) und nun
erst wnr die Kor vollendet '^).
Die Freude der rationalistischen Ansieger an diesen
firsibiangen des Markus ist durch die trockene Bemer-
kung sn stdren, dafs auch hier die Umstlnde, weieiie die
naHrliehe ErUärong möglich machen sollen , nicht tom
ETangeBsten selbst angegeben, sondern Ton den Anslegem
nntcrgescboben sind. Denn bei beiden Heilungen gibi
Markus nar den Speichel her, das wirksame Polver aber
streuen Paulus und Vsvturiiii darein , wie auch * nvr sin
es sind, die aus dem Legen der Finger in die Ohren nnp
erst ein Sondiren, dann ein Operiren, und ans dem im^
itiHviu rag x^^(!^S ini zag otpO-al/ueg sprachwidrig statt
eines Bandaufl^gens ein chirurgisches Handanlegen machen*
Auch dne Beiseitenelimen der Kranken besieht sich dem
Zasammenhang nnfolge C7, 36. 8, 26.) auf die Absicht
Jesn, den wunderbaren Erfolg geheim su halten, niclit
nof das Verlangen , In Anwendung natürlicher Mittel n»-
gestlM an sein: ^ dafs de^ rationalistischen Erklftrung
alle StiUsen sinken, und die orthodoxe sich ihr auf s Nene
gegen BbersteUen kann* Diese nimmt die Berübrnng Qnd
den Speichel entweder als Herablassung au den Kranken,
welchen dadureh nahe gelegt werden sollte, wessen Macht
sie ihr« Heilung su Tcrdanken hfitten, oder als ein leiten-
des Medium der geistigen Kraft Christi , an dessen G^
braneh er jedoch nicht gebunden gewesen sei ^0 i ^^ ^^^'
16) Virtu«, a. a. O. S. 512 f. 392 ff. ; Natürliche Getchiehtc, i,
S. .?1 ff. 216 f. ; KSiiTBR, Immanuel, S. 188 ff. '
17) Jenes Hiss, Geschichte Jesu, 1, S. 390 ii dieses Olsuausiv,
h. Comm- 1, S. 500 1.
SS liwcit«ir AliaeliBitt.
endra ^äBeWUUmag aber 8iiebt oubi iman fhtiU «o «i wm«
den 9 daCi JeeiM dnrch die lialbe Heilsng enror d«B Olat»*
ben des Blinden liebe bdeben ^wollen , and erst als di^er
gewachsen war, den nanmebr Würdigen gans wiederher»
gestellt habe^^; oder Termnthet man, dem Blinden, bei
seinem tiefgewnrnelten Leiden , wäre eine plfftaliche Hei-
lung vielleicht sehädlicb gewesen ^0*
Allein durch diese Versuche, namentlicb die letsto /
Eigenheit der evangelischen Ersfihlnng su deuten, begeben
eich die supranaturalistischen Theologen, welche sie toi^
bringen, selbst auf Einen Boden mit den Rationalisten,
Indem Hb nicht minder als jene in den Text hineintragen,
tras in demselben nicht von ferne angedeutet ist* Denn
wo ist in dem Heilverfahren Jesu mit dem Kranken irgend
«Ine Spur, dafs er euerst nur darauf ausgegangen sei, sei-
nen Glauben cu prfifen und 2u stfirken? in welchem Falle
etatt des nur seinen fiufsem Zustand betreffenden iwjQoiva
<xmc(¥ ei ti ßUnei; vielmehr wie Matth. 9, 28. ein nigei)€ig
mi dwafiai tSto Ttoiijoai; stehen mlffste* Vollends aber
die Vermuthung, eine plötaliche Kur mdchte schfidlich ge-
wesen sein! Der heilende Act eines Wunderthlters lat
doch (namentlich nach Olshausen's Ansicht) nicht als der
blors negative der VlTegrftumung eines Uebels, sondern bq-
gleicfa als der positive einer Mlttheilnng neuen Lebens und
frischer Kraff an das leidende Organ nu betrachten, bei
welcher von Schftdlichbeit ihres plötalichen Eintritts nleht
die Rede sein kann* Da somit kein Grund sich ausfindig
machen läfst, aus welchem Jesus absichüiob dem äugen*
blicklieben Wirken seiner Wunderkraft Einhalt gethan
bfitte, so mfifste sie nur ohne seinen Willen ^ von aufsen
.durch die Macht des eingewureelten Uebels gehemmt wor-
den sein ; was aber der ganaen evangelischen Voi;*steliung
18) bei KuikSl, in Marc. p. ilO.
19) Olshaussk, a. a. O.
He«»!«« Ka^UL Sp M»
mttmt <■» Tqd tfwIafBam WaachnMotit 1
OBtpgen ist, fiilgifah steht Meinway niiiwrim firangsUftea
Sttndoro dia Abrieht des Merknt^ wenn wir
•ehffifiMalleriiehe Elgentfattoülehkelt erwlgen^
kann auch hier anf niehta Anderei als anf Veransehanli«
6ban|r gehen. Alles PUtsliehe aber Ist sehwer rieh anr
A nsr hnnnng nn bringen : wer eine gesehwinde Bewegung
Andern dentiieh sMudien will, der maeht sie ihm
laogsam tot, und ein sehneller Brfolg wird nnr
dum vneht TorsteJlbai^ wenn ihn der Emihler dnreh alle
seine Moaiente hindnrchf&hrt; welswegen denn ein Refe*
rent, dens es dämm sn thnn ist, in seiner Erslhlnng der
VersteUnngsinräft seiiier Leser mdgiiehst an Hülfe an kom-
men, nnch die Neigung neigen wird, we möglich flberall
das Uiunittelbare an Termitteln, nnd an dem plfftaliohen
Erfolge doch das SnecessiTo seines Eintritts lienrorankeb-
<*)• So glaobte hier Markus oder sein Gewihcemann
Dir die Ansehaulichkeit an thun, wenn er awisohen
die BUndbeit des Mannes und die völlige Herstellung sei-
ner Sehkraft die halbCsrtige Heilung oder das Sehen der
Menaelien wie Bäume einsehob, und das eigene Gefühl
wird Jede« sagen, dafs dieser Zweck vollkommen erreicht
ist. IhrlB aber liegt, wie auch Andere bemerkt haben ^%
so wenig eine Hinneigung des Markus aa natürlicher Auf-
bsseng solcher Wunder, dafs er ja fMfli^r ideht selten
die Wunder au vergrdfsem bemüht Ist; wie wir tiieils
befm Sadarener gesehen haben, theils noch öfters w^en
bemerken können.
Hiebt gana ebenso verhilt es sich mit der Eigeniieit,
dals Markus namentlich in diesen ihm eigenen Eraählun-
gni Caber auch sonst, wie 6, 13., wo er bemerkt, dals die
m) Tgl. BS VVsm, Kritik der mosaischen Gescbtchte, S. 36 £•
ü) Vtan^CMB., Cosun. in Marc. p. XLUI.
94 Zvireiter Abschnitt
Jftnger die Kranlien mit Oel gesalbt haben) die Änwi^An-
ihing Unfserer Mittel nnd Manipnlationen bei den Hei-
langswondern mehr afs die übrigen Evangeliaten hervor-
hebt. Dafs diese Mittel, vrie besonders der Speichel, in
der damaligen Volksansicht nicht als natflrlich wirken de
Ursachen der tkeÜnn^ galfen, davon kann schon die oben
angefahrte Erzählang von Vespaslan fiberzeogen, so wie
Steileti jüdischer vnd römischer Autoren^ nach weichen
das Aasspacken als magisehes Mittel^ Vornehmlich gegen
Angenfibel, g^alt 2^. 80 dafti Olshausen gane die damalige
Vorstellung gibt, wenn er Berührang, Speichel a. dgl. för
die Condactoren der dem Wondermann inwohnenden hö-
heren Kraft erklSrt. Und wenn wir nicht umhin können,
die Wunderkraft Jean, sofern sie geschichtlich denkbar
gemacht werden ^oU, in Analogie mit der animalisch -
magnetisohen vorznstellen , bei welcher die Wirksamkeit
nicht allein der anmittelbaren Berfihrang, sondern auch
mittelst solcher Leiter, bekannt ist : so könnten wir geneigt
«ein, diese Zöge in den Beschreibnngen des Markus als
ganz besonders fichte und liehlgebende zu schätzen. Frei*
lieh hfingen mit denselben fli)rigens fast lauter verdfiohtige
Eigenheiten zusammen. 80 das Besonderne^men der
Kranken, die fibertreibende Beschreibung der Verwunde-
rung des Volks (^vntnTxeqiaaws i^eTtXrjoaovto ccTtonnceSy 7,37.)»
und das strenge Verbot, Niemanden von den HeUnngen
etwas zu sagen. Dieses Geheimhalten gab der Saehe ein
mysteriöses Ansehen , welches auch nach andern Stellen
dem Markus gefallen zu haben scheint. Zu dem Myste-
riösen gehört bei der Heilung des Taoben auch diefs, dafs
Markus das gebietende Wort, mit welchem Jesus die Ob-
ren desselben aufthut, in seiner ursprünglichen syrischen
Form: i(f(pad^a^ wiedergibt; wie bei der Erweckung der
Tochter des Jairus nur unser Evangelist (5, 41.) das rcr -
22) 8. d. St. bei WsTSTfiiN und Li«iitfoot zu Job. 9, 6.
I^enntes KApitei* $. 04. 95
Ar«9€r nHiJti hat. Man sagt wohl, dieCs seien nichts weniger
ils Zaoberformeln gewesen ^^) ; allein , dab Markus diese
Machtworte so gerne in der seinen Lesern, denen er sie
js erklären mufs, fremden Drsprache wiedergibt, beweist
doch, dafs er eiien dieser ihrer arsprtttfgliehen Form eine
besondere Bedeutnng beigelegt haben mufs, welche dem
Zatammenhang zufolge nur eine magische scheint gewesen
sein za können ^0* Diese Neigung sum Mysteriösen kön-
nen wir rückwärts blickend nun auch in der Anwendung
jener änfseren Mittel finden, welche sum Erfolg in keinem
Verhältnifs stehen; denn eben darin besteht ja das Myste-
rium, dafs mit einer inadäquaten, endlichen Form ein un**
endlicher Inhalt, mit einem scheinbar unwirksamen Mittel
die kräftigste Wirkung sich verbindet.
Haben wir nun oben die einfache Ereählnng sämmt-
lieber Synoptiker von der Blindenbeilnng bei Jericho ge-
schichtlich zweifelhaft gefunden: so findet diefs bei der
geheimnifsvoUen Schilderung des f<inen Markus von^ der
Heilung eines Blinden bei Bethsaida in noch höherem
Mafse statt; wir können sie kaum anders, als fOr ein Er*
Bengnils der Sage mit mehr oder weniger Zuthaten des
evangelisehen Berichterstatters halten, und ebenso die von
ihm mit gleicher Eigenthttmlichkeit ereählte Heilung dee
TUiHpog fioyüLah)g, Denn auch bei dieser letsteren Geschichte
fehlen uns neben den schon ausgeffihrten negativen Gran-
den gegen ihre bistorisclie Glaubwürdigkeit die positiven
Veranlassungen ihrer mythischen Entstehung nicht, da die
Weissagung auf die messianische Zeit: Tore-^arra xotq^wv
axudififvai — tQavi} dt e'gai yhaaaa fioyikdkMv ( Jes.-3ö,
5. 6. ) vorimnden war, und nadb Matth. 11, 5. eigentlich,
verstanden wurde. t
So günstig der natfirhchen Erklärung auf den ersten
23) Hess, Gesch. Jesu, 1, S. 391. Aiun. 1.
24) Vgl. DB WsTTK, cxcg. Hdridb. 1, 2, S. 148 f. und 156.
M Zweiter Abschnttt.
Aobliefc «He eben betraehtetea Erslblangen des Markai so
sein sebienen: 80 angfinatig ond Temichtend, sollte man
glaaben, mfisae die Johanneisehe Ersfihlang, Kap« 9», aaf
aie fallen, wo niebt von einem Blinden schleohtweg, dessen
snfiUHg eingetretenes Debel lelehter wieder su beben sein
moobte^ sondern yon einem Biindgebornen die Rede ist.
Doch wie die Aäsleger dieser Riehtnng seharfsiehtig sind
nnd den Mnth nicht bald verlieren , so wissen sie auch
hier manches ihnen Ofinstige sn entdeciien. Vor Allem
den Znstand des Kranken finden sie, so bestimmt aneh
das Tvg>X6v ix yspetijg sn lanten scheint, doch nur unge-
nau beseichnet« Die Zeitbestimmung nwar, welche darin
liegt, entbftlt sich Paulus, wiewohl ungern und eigentlich
nur halb, umzustofsen: um so mehr mufs er dann aber an
der Qualitätsbestimmung des Znstandes zu rtf tteln suchen.
Tviplas mfisse nicht gerade totale Blindheit beaeichnen,
und wenn Jesus den Kranken anweise, zum Siloateich su
gehen, nicht sieh flBhren zu lassen, so müsse derselbe noch
einigen Schein des Augenlichts gehabt haben, mittelst des»
sen er selbst den Weg dahin finden konnte. Noch mehr
HfUfe sehen die rationalistischen Ausleger in dem Heilver-
fahren Jesu. Gleich An&ngs (V. 4.) sage er, er mllase
wirken Uing ^idqa i^lv^ in der Nacht lasse sich nichts
mehr anfangen: Beweis genug, dafs er den Blinden nicht
ndt einem blofsen Machtworte zu heilen im Sinne gehabt
habe, was er auch bei Nacht hfitte aussprechen können;
dafs er vielmehr eine kfinstliche Operation habe voraeh«'
men wollen, zu welcher er freilich das Tageslicht liedurfite«
Der mjljog femer, welchen Jesus mittelst seines Speichels
macht, und dem Blinden auf die Augen streicht, ist ja der
natttrlichen Auslegung noch gftnstiger als das blofse vctv^
cag bei'm vorigem Fall; wefs wiegen 'denn aus . demselben
die Fragen nnd Vermuthungen wie Pilze in Üppiger Falle
anfschiefsen. Woher wuIste Johannes, fragt man, dnfe
Jesus nichts weiter als Speichel nnd Staub zu der Augen-
Mennte» KapileL $• M. ^ 97
tdfcfr wmtmi war er mikat dabei, oder Jbatle er et blof«
eae 4er Kreihleng dea gehdltea Blinden ! Dieser konnte
eker bei dem aehwaehen Sehlmmer, den er nnr batte^
nieiit genen aeben, waa Jeana vornaim; er konnte vlel-
laiabi, wenn Jeaoa, wlbrend er ana andern Ingrediensien
eine Salbe «iacbte, snfUlig anch anaapnekte, auf den Wahn
fCffidlBB, eoa dem Anigeapaekten aei die Salbe entatanden.
Heeh mehr: hat Jeana, während oder ehe er etwaa auf
die Augen atrich , nieht aueh etwaa ana denaelben wegge»
nommen, weggestrichen, oder sonst etwaa daran Terin*
dert, waa der Blinde aelbat und die OoMtebenden leicht
fir Nebensache ansehen konnten? Endlich daa dem Blin«
den gebotene Waschen im Teiche danerte vielleicht meh-
rare Tage , war eine längere Badekur , und daa ^li>€ ßli-
juav aagt nicht, dals er nach dem ersten Bade, sondern
dafa er so aeiner Zeit, nach Vollendung der Kur, aehend
tyk.
Allein^ um ron Tome ananfangen, ao wird hier dem
nod rv^ eine Bedeutung gegeben, welche selbst ei*
Vkhtürini an selcht gewesen ist ^^), und namentlich
Ziuaammenhange mit V. 5. anwiderlänft, welcher durch«
eoa eine Beaiehung der Worte auf den baldigen Hingang
Jeßa erfaaischt ''). Waa aber Ton etwaigen medicinischen
Ingredienaien dea 7€t]l6g Tcrmuthet wird, ist um so boden*
laaer, ala hier nicht wie bei dem vorigen Falle gesagt wer-
den kenn, es werde nnr das angegeben, was der Blinde
dnreh daa Gehör oder einen leichten Lichtschimmer wahr-
nehmen konnte , da ja dlefsmal Jesus den Kranken nicht
aUrin, sondern in Gegenwart seiner Jtfnger vornahm.
Oeiier die weitere Vermnthung vorangegangener chfrorgi«
Seher Operationen, durch welche die im Texte allein aoge-
25) Paulus, Gonun. 4, S. 472 ff.
26) Natürliche Gesch. 3, S. 215.
27) s. Trolucx und Lvcas s. d. St.
JJas Leben Jem Ite Aufl, Fi, Band»
98 , Zweiter Abschnitt
gebene Bestreichung and Waschung Kar Nebenraohe wird,
ist nichts zu sagen, als dafs man an diesem Beispiele siehe,
wie BÜgelios die einmal eingelassene natfirlicbe Erl&lfirang
sich alsbald gebürdet , nnd die lilarsten Worte des Textes
dareh die Gebilde ihrer eigenen Combinatiön ?erdrftngt.
Wenn ferner daraas , dafs Jesas den Blinden sam Teiche
gehen hiefs, gefolgert wird, er mflsse noch einen Schein
des Lichts gehabt haben, so ist dagegen mn bemerken, dafs
Jesas demselben nnr angab, wohin er sich begeben Cv7ia-
yeiv') solle; wie er diefs näher augreifen wollte, ob allein
gehen oder einen Führer nehmen, das fiberliefs er ihm sel-
ber« Endlich wenn das engverbnndene d/iijÄ^fv sv xal ivL
f^foTO xal TjXd^e ßUnojv (V. 7, vgl. V. 11.) «« einer mehr*
wöchigen Badekar aaseinandergesogen wird, so ist diefa
gerade, wie wenif man das veni, vidi, vici übersetzen
wollte: nach meiner Ankunft recognoscirte ich mehrere
Tage, lieferte hierauf in gehörigen Zwischenseiten anter-
schiedliche Schlachten, and blieb endlich Sieger.
Es Ififst ans also auch hier die natürliche Erklärong
im Stiche, ond wir behalten einen ?on Jesu wunderbar
geheilten Blindgeborenen. Dafs unsere obigen Zweifel ge-
gen die Realität der Blindenheilungen hier, wo es sich von
angedorener Blindheit handelt, in verstärktem Maafse wie*
derkehren, ist natürlich. Und ewar kommen hier noch ei-
nige besondere kritische Gründe hinzu. Keiner der drei
ersten Evangelisten weifs etwas von dieser Heilung. Nan
aber, wenn doch in der G)sstaltung der apostolischen Ue-
berlieferung und in der Auswahl, welche sie anter deo
von Jesu eu erzählenden Wundern traf, irgend ein Ver-
stand gewesen sein soll, so muis sich diese nach den zwei
Gesichtspunkten gerichtet haben: erstlich, die gröfseren
Wunder vor den scheinbar minder bedeutenden auszuwäh-
len, und zweitens diejenigen, an welche sich erbauliche
Erörterungen knüpften, vor denen, hei welchen diefs nicht
der Fall war. In der ersteren Rücksicht war nun often-
\
Nf^nheet Knpi tel (^ 94. 99
bar die Röllong einea yon Gebart an Blinden , als die an-
gleieb seiiwiefigere, ?or der einet Blinden sehleohthin aas«
Buwibleni and man begreift nicht, wenn doeh Jesus wirk«
lieh einen Blindgeborenen sehend gemacht hat, warum da-
TOD nichts in die evangelidche Tradition and also in die
synoptischen Eyangelien gekommen ist. Freilich konnte mit
dieser Rficksiebt anf die Grörse des Wunders die andere
anf die ErbaoUchkeit der daran sich knüpfenden Reden
nicht selten in Streit gerathen^ so dafs ein minder auf*
fallendes^ aber durch die GesprKcbe, die es veranlafste^
frocbtbareres Wunder einem auffallenderen, aber bei wei-
chem das Letstere weniger entraf, vorgeeogen werden
mochte. Allein die Heilung des Blindgeborenen bei Jo-
hannes ist von so merkwürdigen Gesprächen, euerst Jesu
mit deo Jfingern, dann des Geheilten mit der Obrigkeit,
endlich Jesu mit dem Geheilten, begleitet, wie von derglei-
chen bei den synoptischen Blindenheilnngen keine Spur
ist; Gesprfiche, von welchen, wenn auch nicht der ganze
diaiogische Verlauf, so doch gnomische Perlen , wie V. 4«
5. 39., sich audh für die Darstellung der drei ersten Evan-
gelisten trefflich eigneten. Diese hätten also nicht umhin
grelionnt, statt der sowohl weniger merkwürdigen, als auch
ffllsder erbaalichen Blindenheilnngen, welche sie haben ,
die Heilung des Blindgeborenen aufsunehmen, wenn diesel-
be in der evangelischen üebcf liefer ung, aus welcher sie'
schöpften, befindlich gewesen wäre. Der allgemeinen evan-
gelisoben Verkündigung konnte sie möglicherweise unbe-
kannt bleiben, wenn sie an einem Orte und unter Umstän-
den Torgefallen war, die ihre Ausbreitung nicht begün-
stigten; also wenn sie in einem Winkel des Landes ohiie
weitere Zeugen verrichtet worden war« Aber Jesus voll-
bringt sie Ja vielmehr bu Jerusalem, im Kreise seiner Jün-
ger , mit gröfstem Aufsehen in der Stadt , und sum hoch*
sten Anstofse bei der Obrigkeit: da mufste die Suche be-
kannt werden, wenn sie anders' geschehen^ war, und da
7*
100 Zweiter Abeehnitt.
wir sie in der gewöhnlichen Byangeüeiitradidon nicht als
bekannt antreffen 9 so entsteht der Verdacht , ai» möchte
rielleicht gar nicht geschehen sein.
Aber der Gewährsmann ist doch der Apostel Johan«
nes. Wenn diefs nur nicht, aaber dem unglauliliohen,
also schwerlich yon einem Aogenceogen berrttbrenden In«
halte des Berichts, auch noch aas einem andern Grond an*
wahrscheinlich würde. Der Referent erklnrt nttmlieh den
Namen des Teiches 2iX(üa^ durch das griechische ccTiegal-
fiivQS CV« 7.) 9 mit Beeng entweder auf den Oottgesandf en
Jesus, oder wahrscheinlicher anf den von Jesu dahinge«
sendeten Blinden : eine Jedenfalls Irrige Erklärung ; denn
ein Abgeschickter heilst Tjh^f wogegen IlScf der wahr-
scheinlichsten Erklärung sofolge einen Wassergufs bedeu«
det ^) ; der Evangelist wählte aber jene Deotong, weil er
Bwlschen dem Namen des Teichs und der Sendung des
Blinden bu demselben eine bedeutungsvolle Besiehung sach-
te, und sich also vorgestellt su haben scheint, der Teich
habe durch besondere Ffigung den Namen des Gesendeten
bekommen, weil dereinst vom Messias aur Offenbarung sei»
ner Herrlichkeit ein Blinder eu demselben gesendet wer-
den sollte ^'). LüCKB stöfst sich stark an einer solchen,
wie er sich ausdrfickt, an Unsinn streifenden Allegorie,
welche er ebendefswegen sich nicht für Johanneisch aufre-
den lassen will, sondern als eine Glosse betrachtet. Da
jedoch alle kritischen Auctorl täten , bis anf Eine, minder
bedeutende , dieselbe bieten, so ist eine solche Behauptung
die haare WiilkOr, und man hat nur die Wahl, ob man
mit Olshaüsbn auch an diesem Zog als einem apostolischen
sich erbauen '^, oder mit den ProbabiÜen denselben mil
28) >• Paulus und Lijckb z. d. St.
29) so Eutbymius und Paulus z. d. St.
30) b. Coinm. 2, S. 230, -wo er jedoch das antqaXufvo^ auf den
von Gott ausgehenden Geittctstrom bezieht.
N«ontes Kapitel. %. 94. 101
die Morkoiale von i&m olohft «postoUsoben Unprong
4n wwmwtma Evftsgelioait sfiblen will '0* Man konnte al-
lerAiBgo ein Apostel eine grammetiseh unriehtige Erklärung
geken, eofern er nur nieht aU inspirirt vorantgesetat wird,
and nach ein geborener Paläatinenier konnte sieh in Ety«
Buiegien heiirüieber Worte irren, wie das A. T. telbst,
ferner Joaiin der Märtyrer n« A. seigen: dooh aber sieht
eine Spioierei dieser Art eher wie das Machwerk eines
lemer Stehenden als ^es Aagennengen ans. Der Aagen«
■enge, seilte man denken, hatte an dem angesphanten Wan«
dsr «nd den Temoninienen Reden genng B^deatnngsTolles:
erst bei dem entfernter Stehenden konnte die Mikrologie
eintreten, daft er anch ans den kleinsten Netiennflgen eine
BedsatoDg heraosnapressen snobte^
Was nan aber den Verfasser d^ vierten Evangellams,
oder die DeberUeferong, ans welcher er sohöpfte, veran*
lassen kcMante, annofrieden mit den Blindenheilangen, von
weieben die Synoptiker berichten, die vorliegende Erzäh«
lang aasmibÜden, liegt sehen in dem bisher Aosgeffthrten.
Es ist sehen von Andern die Bemerknng gemaebt, wie das
vierte Evangellam awar wenigere, aber um so stärkere
Wnndsr von Jesu eraähle '^). So , wenn die flbrigen
fmagelies einfach Paralytische haben, welche Jesns heilt,
hat das vierte Evangellam einen , der 38 Jähre lang ge-
lähmt war; wenn Jesas in Jenen eben Verstorbene wieder»
belebe , ruft er in diesem einen schon vier Tage in der
GruSt Gelegenen, bei welchem bereits der Eintritt der Ver-
wesQog na vermnthen war, in das Leben nnrflck; ebenso
hier statt einfacher Blindenheilangen die Heilang eines
Blindgeborenen: — eine Steigerang der Wander, wie sie
der apologetisch* dogmatischen Teodene dieses Evange«
M) S. 9}.
12) KVfTBA, Iflunanuel, S. 79, BsiTioajisiBBs, Frobiji. S. 122.
t
I
UVl Zwaiter AbBchniU.
liiiqi« gaos Aoi^emessen ist« Auf welohem Wege hiebet
der Verfasser . des EvAiigeliams oder die perticoiAre Tm-
dltton, welcher er folgte, pu den einftelnen Zügen der lär»
sftiilang kommen konnte, ergibt sich leicht. Das TvnfBtv
war bei magischen Aogenkoren gew6bnlieh ; der ntjlo^' lag
hIs Surrogat einer Äugensalbe nahe und kommt auch sonst
bei zauberhaften Procedureii yor^); der Befehl, sich in
Siioateich sn waschen, kann der Verordnuog filisa's, dab
der aussätaige Näeman sich siebenmal im Jordan baden
solle, nachgebildet sein. Die Verhandlungen, welche sich
an die Heilung knüpfen, gehen theils aus der, auch von
Storr bemerblioh gemachten Tendens des johanneisoben
Evangeliums hervor, sowohl die Heilung als fy angeborne
Blindheit des Menschen mttglichst urkundlich eu machen
und »n verbffrgen, daher das wiederholte Verhör des Ge-
heilten selbst und sogar seiner Eltern; theils drehen aie
sich um die symbolische Bedeutung der Äusdrioke: Tixpkos
und ßkemoVy r^f.dQce und voSj wie sie awar auch den Syno«
ptikem nicht fremd ist, noch specifisoher jedoch in den
jobanneischen Bilderkreis gehört ^^),
S. 95.
Unwillkürliche Heilungen.
Etiichemale in ihren allgemeinen Angaben fiber die
heilende Thätigkeit Jesu bemerken die Synoptiker, dafs
Kranke aller Art Jesum nur »u berQbren, oder am Saume
seines Kleides eu fassen gesucht haben, um geheilt so
werden, was dann auf die Berfihrnng hin auch wiriüich
erfolgt sei (Matth. 14,36« Marc. 3, 10. 6,56. Luc. 6, 19.).
Hier wirkte aIso Jesos nicht, wie wir es bis Jetet immev
^ 33) WlTSTRlIf, E. d. St.
34) Wbissb vcrmuthct, die johanneitche Erzählung sei Umbil-
düng der synoptischen von der ^lindcnbcilung bei Jericho
(S. 375,).
Mettotas Kapiiel. $.95. lOS
gefmden habea, mit besCioiafter RiekloOg «uf einseliid
Kranke , sondern , ohne dafs er von Jede« be«oadre Noti«
ndoiwii konnte, anf ganze Maaten ; sein Vermögen eo keir
len encbeint hier nicht, wie aonet, an aelnen Wiüen^ ton*
d«n an seinen Leib nnd dessen Dmbftlkuigen gebunden;
er spendet nicht selbstthfitig Kr£fle aus, sondern Utfst sieb
tfeselben nnwillkfirlicb abgeivinnen.
Anclft von dieser Gattsng der Heilnogswnnder iit uns»
dn detailiirtes Beispiel aafbehalten: in der üescbiebte von
der blniflfisslgen Fran« weioke sAnaaptliobe Synoptiker wie»
dergebea , and sie anf eigeathfimliphe Weise mit der 60*
sebiehte Ton der Auferweebnng der Tocbter des Jairos so
verfleebten) dafs anf den Hinwege su dessen Hause Jesue
die Fraa gebellt beben soll (Matth, 9, M ff. Maro. 5, 25 ff.
Loe. 8, 43£> Vergleicben wir die Oarstellang des Vor-
gangs bei den verscbiedenen Evaogellsteoy so könnten wir
diebmal yeraacht sein, die des Lukas für die urspr&ngliobe
SB iialtan, weil aus ihr die gleichm&£iige Verbindung der
beaeieliaeten swei Geschichten sich vielleicht erklfiren
liebe. Wie nftmlich die Leidenseeit der Fran von sfimmt«
Üebeo Erafiblern, so wird von Lukas, welchem Markus
folgt, auch das Lebensalter des M&dohens anf cwölf Jahre
ge§etMt ; eine Gleicbheit Jer 21ahlj welche wohl im Stande
gewesen sein könnte, die beiden Geschichten in der evsn-
geÜseben Ueberlieferong Eusammensngesellen, Doch dieses
Moment steht viel «u vereinselt, um für sich eifie Ent*
seheidnng berbeifeufUhren, welche nur ans einer durcbge-
Inhrten VergleioJinng der drei Berichte naeh ihren einsei«
nen Zügen hervorgehen kann. Matthäus nun beaeichnet
die Fran einfach ah yvvtj atfdOQjoQacf Jwdexu hnjj was einen
so lange andaoernden starken Bintverlast, vermuthltch in
Form an reichlicher Menstruation^ bedeutet« Lukas, der
angebliche Arst, aelgt sich hier se^en Knnstverwandten
keineswegs hold, sondern setzt hinan, die Frau habe ihr
gaaaes Vermögen an Aerzte gewcitdet, ohne dafs diese ihr
k4
. •
104 Zweiter Äbschaitl.
bätteo helfen können. MarkiM,, noch ongilnttf ger, tAgt bei,
ilafe sie von den yieien Aeraten viel habe leiden rnttesen,
und dafe es dovoh dieselben, statt besser, vieimehr sehlim-
mer mit ihr geworden sei. Die Umgebung Jesu , ais die
Frau Bu ihm tritt, bilden nach Matthäus seine Jflnger;
nach Markus und L^kas drängende Volksmassen« Naeh^
dem nun alle drei Berichterstatter erzählt haben, wie die
Frau, ebenso sohfiehtem ais vertrauensvoll, von hinten her-
Bugetreten sei, und den Saum von Jesu Gewand berfihrt
habe, melden Markus und Lukas, sie sei alsbald geheilt
worden, Jesus aber habe das Ausgehen einer Kraft geffihlt
ttnd gefragt, wer ihn berfihrt habe? Als die Jünger be-
fremdet erwiedem, wie er denn bei so allgemeinem Dräo«
gen und Drücken des Volks eine einselne Berührung habe
unterscheiden künn'en ? beharrt er nach Lukas auf seiner
Behauptung, nach Markus blickt er suchend um sich, die
Thäterin ausfindig bu machen. Auf dieses kommt nacb
beiden die Frau Bitternd herbei, fällt ihm bu Füflieu und
bekennt Alles, worauf er ihr die beruhigende Versicherung
gibt, dals ihr Glaube ihr geholfen habe. Diesen verwickel-
ten Hergang hat Matthäus nicht, sondern läfst nach der
Berührung Jesum sich umschauen, die Frau entdecken and
ihr die Rettung durch ihren Glauben verkündigen.
Die vorgelegte Differena ist so erheblich, dals man
sich nicht bu sehr wundern darf, wenn Storr Bwei ver-
schiedene Heilungen blutflüssiger Frauen annehmen woll-
te 0- Wurde er aber hiesu noch mehr durch die bedeu-
tenderen Abweichungen bestimmt, welche in der mit vor-
liegender Heilnngsgeschichte verflochtenen firsählong von
der Auferweckung der Tochter des Jairus sich finden: sa
wird es eben durch diese Verflechtung vollends unmöglich^
sich vorzustellen, dafs Jesus zweimal, beidemale im Hin-
J) Ucbor den Zweck der cvang. Geschiebte und der Briefe Job.
S. 551 f.
•■*
^•mJkJtMlLmfUet f. AS. 1115
WkAiitBiBiiyft der Todüer ^tmm piMbmm ^.
Tuir, «iM Bwdtf Jahre kng mit deai Blatflsb balMflMB
Ffn geheilt haben aolle. Wann in Belradit imma die
Kritik Ifingtt fOr die Einheit der faetiaehen Orwmümgb «►
amr drei EreiUaBgeB sieh eeAMhiedan JMt, ae hat aie
avgleich den Beriehten des Markes and Lakaa, ihrer gröa»
Mren Anscshaniichkdt wegen, den Vorseg gegeben ^)* Al-
lein, gleioh von vorne, wenn doch von Marknt Jeder an*
gehen wird, dafe sein Znaata: aiXd /aaiXoy ^ig t6 xnQOif
eldwo, als Ansmalnng des at laxvasv m ndevog xhsQaruv-
^^^Ktt hei Lukas, auf seine eigene Reelmang kommt t so
scheint dieser Zog bei Lukas gleichfalls nnr eine selbster-
schJeeaene ErgKnanog des aifto^itoöaa dioi&ta m] an sein^ *
welehea Matthfins ohne Znsata wiedergibt. War die Frau
se langje lirank , dachte man , so wird sie in dieser Zeit
viel Btit Aemten an thon gehabt haben, und weil angleich
im Contraat gegen die Aerate , weiche nichts ansgerichtet
hatten, die Wnndermacht Jesu, welche augenblicklich Ufilfe
sehaibe, in am so glftnaenderem Lichte erschien : so bilde-
ten äeb im Weitereraihlen jene Znsätae. Wie nun, wenn
es mit dmi flbrigen Differeoaen sich elM||iso verhielte? Dafs
die Fran auch nach Matthäus Jesnm nnr von hinten bcK
TühriBj drickte das Bestreben und die Hoffnung 'ans, ver-
borgen an bleiben; dafs Jesus sich sogleich nach ihr um-
sah, darin lag, da(s er ihre Berflhmng gefühlt haben
■niste. Jene Hoffnung der Frau wurde erklärlicher und
diesea Geftthl Jesu um so wundervoller, Je mehr Menschen
Jesuaa umgaben und drängten: daher wurde aus dem Oe«
leite der fta&ijiiu bei Matthins von den beiden andern ein
awi>JJßea^ßi durch die o^iloei gemacht. Da angreich in
dem aneh von Matthäus erwähnten Umschauen Jesu nach
der Berfihmng die Voraussetzung gefunden werden konnte,
dafs er diese auf eigenthämlicbe Weise empfunden habe,
2) ScauLZ a. a. O. S. 517, Ovsiuussxi 1) S. 313 ^
108 Zweiler Abiobiiii^*
^^fwtö imi iiMQag^ nal Idtov cnkipf deotlleh cHeb, defs
iwm ^nt neelMbiii «ie ibn bertthrt bette, die Frau ken-
Aeü gelenit habe. Lvfit «leb Madt eine der Heilangr iror-
eaagq{a]igeiie Kem^nifs der-Fnui uad eio «peoieUer Wllle^
ibr sa helfen ^ bei Jete nleht nacbwiSsen , so bliebe fiip
denjenigen, tmieher lEeine onwilikOrliehe Aenlsemng der
Heilkraft Jean annehmen will, nnr flbrig, einen lieatftndi-
gen allgemeioen Willen, sn heilen, in ihn voransansetsen,
mit welohem dann nnr der Olanbe im Kranken anaammeu-
treffen durfte, nm die wirkliehe Heilung berTorsnbringen.
Allein dafs, uneraobtet eine besondere Willenerichtnng aaf
die Heilung dieser Frau in Jet^ nicht vorhanden war, siA
duröh ihren bioben Glauben, aneh ohne Berttbmag a^nea
Kleides, gesund geworden wfire , ist gewils nicht die Ver-
stellung der Kyangeiisten; sondern ee tritt hier an
Stelle des individuellen Willensaetes von Seiten Jeen
Bwahrnng von Seiten des Kranken ; diese ist es , welche
statt des ersteren die in Jesu ruhende Kraft anr Aeafse-
mng bringt: so dafs mithin das Materialistische der Vor-
Stellung taf diesem Wege nicht an vermeiden ist«
Janen Schritt weiter mnfs die rationalistische Anale-
gnng gehen ,^ welcher nicht bloüs, wie dem modernen Sn-
pranaluralismus, ein nnbewnfstes, sondern überhaupt das
Ausgehen heilender Kräfte von Jesu unglaublich ist, wel<i
ehe aber doch die Evangelisten gescbiciitlicb wahr erafih«
len lassen will. Nach ihr wurde Jesus an der Frage, wer
ihn berfihrt habe, lediglich dadurch veranlafst, dafs er eieh
im Vorwärtsgehen aufgebalten fühlte ; dafs die Empfindvng
einer dvvafttg i^ekO^saa die Veranlassung gewesen sei , ist
blofser Sohlufs sweier Referenten, von welchen der eine,
Markus , es auch blofs als eigene Bemerkung gibt , and
nur Lukas es der Frage Jean einverleibt 0 ; die Oeneeang
5) Hierin stimmt auch Nbaxdbr (S. 423.) mit den Rationalisten
zusammen. Dass CliHslus wil'itüGk eine aufsirömsadc Kraft
üeavtes Kcpiiet S* M. 109
der Rtm ward« dmnh ihm «rolrfrr— ZatnoMO bMrM^
vtmi^;» diwinn sie bei der J^rihwiag d«ft 8fM— Jen»
in aUmi JNerven BnumaauoiiUHkvtQ, wodavek fielkieiit
eine piötsiiehe Znnaiiinieiudehaiig- der erweilertett Bliitgo»
fibe herbeigefUhrt wurde; tbrigeiis kernte nie ia Auge»*
bfiefce Bwr neinen^y nieht gewifii witsen, geheilt sa sein,
nnd erst nach nod Aecb) vieUeiebt in Folge des Gebrenelie
fon Mitteln, die ibr Jesus eorfeth, wird das Cebel sieh
vtilig verloren lieben *>. Allein wer wird sieh die sehftelf-^
tenie Berfthmng einer kranken Fran , deren Absiebt war^
Tsrborgen sn bleiben , und deren Glaube auch dnreh das
leiseste Anstreifen Heilung zu erlangen gewifs war, als
da AnISnasen vorstellen, welches den nach Markos und
Lakaa Vom Volk nmdrSngten Jesns Im Geben anftielt?
wss Ar ein mSchtiges Vertranen ferner anf die Macht des
Vertrauens gehört an der Annahme , da(s es ohne flinan-
gefohlt hStte, damit stehen nach N. seine nachher gespro.
chenen Worte in IViderspruch , worin er die Heilung von
dem Glauben der Frau ableite (als oh nicht der Glauhe in
der Bertihraag als das Solicitürende jener Kraft gedacht sein
kbnate}; es hönne 9,aus dieser Erz'äUung nicht entschieden
werden, ob Christus mit Absicht die Frau heilte y oder (man
erwartet : ob er unwillkürlich sich eine Kraft abgewinnen
Ues^i aber es folgt: oder) ob es eine unabhängig von ihm
erfolgte göttliche Wirkung war, welche (der Verf. fühlt,
dass er die eigenthÜmliche Vermittlung der Heilung durch
Bertthrung Jesu zu sehr aus den Augen gelassen, und setzt
daher hinzu : welche ) auch auf eine dem Naturzusammen-
lieage entsprechende Weise, (das ist nun wieder zu rationa-
listisch, daher der weitere Zusatz:) wenngleich als Erhö-
mng des glaubigen Vertrauens der Frau, erfolgt^sein konn-
te. ^^ (Ich frage den Leser, ob ihm von diesen sich gegen«
seitig zurücknehmenden Sätzen etwas Bestimmtes in der
Hand geblieben ist?)
6) Pacmts, ezeg. Handb. 1, b, S. 524 f. 530. L. J. 1, a, S. 244 f.^
ViRTOaiifi, 2, S. 204 ff.; Köstbb, a. a. O.
110 Zweiler Abaehoitt.
tritt einer realen Kraft von Seiten Jean einen swölQAlir^
gen Blutflafa geheilt oder aneb nur gemindert habe? end«
lieh aber, wenn die Evangelisten einen selbstgenacbten
Schlafs C^<^' ^^^^ Kraft von ihm ausgegangen) Jesu in
den Mond gelegt, und eine nur nach and nach eingetre*
teiie Wiederherstellung als eine äugen bliekliehe besehrie-
ben haben sollen : so fiSllt mit dem Aufgeben dieser Zfige
die Bfirgsohaft fflr die gescbiehtUche Wahjrheit der gansen
Erzählung, aber ebendamit auch die Veranlassung hinweg,
sich mit der natArlichen Erklärung vergebliche Mflhe su
machen»
Uns in diesem Sinne bu entscheiden , könnte uns in
der That die Vergleichnng dieser Ersählung mit verwand«*
ten Anekdoten geneigt machen. Wie hier und an einigen
andern, oben angefahrten Stellen von Jesu erzählt wird,
dafs durch blofse BerQhrung seines Kleides Kranke genesen
seien: so berichtet die Apostelgeschichte, dafs die asdaQiu
und aifuxiPx^ia des Paulus, wenn man sie auflegte (19, 11 f.)^
und von Petrus selbst der Schatten, wenn er auf einen
fiel (5, 15.) 9 Kranke aller Art gesund gemacht hftbe, und
apokryphische Evangelien lassen durch die Windeln und
das Waschwasser des Kindes Jeans eine Masse von Kuren
verrichtet werden '). Von diesen leteteren Geschichten,
wie auch von den Ileilungslegenden der katholischen Rir«»
ehe, weifs Jedermann, dafs er sich mit denselben auf dem
Gebiete der Sage und Dichtung befindet; aber wodurch,
kann man fragen, sollen sich von diesen Kuren durch die
Windeln Jesu oder durch die Knochen eines Heiligen diö
Heilungen, durch die Schweifstttcher Pauli unterscheiden,
als etwa dadurch, dafs jene von einem Kinde, diese von
einem Et- * .chsenen , diese von einem lebenden , jene von
einem todten Körper ausgehen? Zwischen diesen Heilun-
gen durch die Schweifstticher aber und denen durch die
7) t. das Evangelium infantiae arabicum bei Fjibiiicivs und Thilo.
Neanles KapIceL $• 96. 111
Berttbraog des Sauiaa an Kleide findet wledcnm, so
aeheiot ea^ kein weaentlicher ünteraehied statt: beidemale
eine BerOliruDg yon Gegenstinden, welche nur in lutserem
Zaaafl»enhange mit dem Wnnderthäter atehen; nur dafs
diessr ZuaamflMnhang bei den abgelegten Sehweifstöchern
eis ■ntarbroehener, bei dem Gewände ein noch fortdauern«
dar iat.
Findet aich durch diese Parallele der Kritiker ver-
tagt, mit der einen Klasse von Ersfihlnngen auch die an*
dcre als uogesehichdieh ancnsprechen : so hat er doch auf
beiden Seiten sich wohl in Acht an nehmen. fürstlich
sehen anf Seiten der katholischen Legende ist es gewifs
sn rasch, mit den vielleicht neun Zehntheilen Fabel auch
das letste 2jehntheil als un historisch f orten werfen ; da
manebe jener Heilnngsgeschichten theils in beglaubigten
neueren Verffillen Analogie^ theils in dem Znsammentreffen
der Glaul>enskraft in den Kranken mit einer vielleicht
magaetiseh - artigen im Wnnderthäter die Möglichkeit ei-
ner Erklärung haben. Auf Seiten der nentestamentlichen
nud namentlieh der evangelischen Erzählungen dieser Art
aber ist es nnch hier wieder der Fall , dals der Kritiker,
welcher ihre geschichtliebe Wahrheit aua den angegebenen
Grfiiiden besweifelt, sich anf einer versteckten Befangen*
lieit Im snpranatnralistlBchen Standpunkt ertappt. Denn
nicht weil ihm ein solches rein - physisches Ausgehen hei*
lender Kräfte von Jesus unmöglich erschiene — welches
er Ja auf dem Felde des Magnetismus ausdrücklich als
wirUich einräumt — , spricht er es Jesu ab, sondern in
der Tbat nur defswegen , weil es ihm Jesu unwfirHlg
dftnkt: and diels aus welchem andern Grunde | als ver^
mäge der aus dem Snpranatnralismus hertfbergenommenen
Veranssetanng, dafs die Wunder Jesu nur als rein geistige
and freie Acte seines mit dem göttlichen geeinigten Wil*
kns nn betrachten f • len ? Sobald wir aber dieses supra?
■aCuraijstische Vorurtheil ablegten y und auf der andern
4C.
/
lli Zvreiter Absehniti.
Seit» am reeht bewiiCit werden ^ da£i wir efaeaso wenig
mit den ftatfonalitfeB Jene verborgenen Kräfte der meaech*
lieben Nator^ wie sie in tfaieriMihen Magnetinnns und in
den Zmtlnden i«ligittier und anderer Exaltation «leb sei-
gotty BV iXngnen gemeint sein können: so wird uns niebte
mehr abhalten — wie viel anoh immer , aehon Im N. T^
die Sage, vermöge der VoiMebe dea Volke fftr eine ao mn«
terielle Äealäemng (woffir man ea nalim) der gOttÜch«
Kraut nnd Wirde Jean, binaogediehtet haben mag — , den-
noeh aia gesebiebtiieb denkbar ansner kennen , dafii Petri
Schatten mittelst der glänidgen Einbildangskraft der Kran*
keni die Berabmng dea Gewandes Jesu aber aufserdem
noch dorcb eine aeinem Körper nnd dessen UmbOllangen
4nwohnende, der magnetischen vergleichbare Heilkraft, man-
che von denjenigen Wirkungen bervorgebracht liabe, deren
die Evangelien nnd die Apostelgeaebiebte Meldung tban ^>.
S. M.
Heilungen in die Ferne.
Von jenen nnwillkfirlieben Heilungen sind nun aol-
cbe, welche ana der Entfernung liewirkt werden, eigent»
lieh das gerade GegentheiL Geschehen jene durch blofse
körperliche Berfibrnng, ohne besondern WiUensact: $o er*
folgen diese durch den bloisen WiUensact ohne leibliche
Berührung, oder auch nur räumliche Nfibe. Zugleich aber
mofs man sagen: war die Heilkraft Jesu so materiell, defa
aie bei der blofseh leiblichen Berührung nnwlllkllrlicb sich
entlud, so kann sie nicht ao geistig gewesen aein, dafa der
blobe Wille sie auch über bedeutende Entfernungen bin-
Obergetragen hätte; war sie aller ao geistig, um auch ohne
leibliche Gegenwart su wirken, so kann sie nicht so ma«>
teriell gewesen sein, um ohne Willen sieb sn entladen.
8) Vergi'. hicmit die Bemerkungen von Waisia, die evang. Ge-
schichte, 1, S. 5U1 f.
Neuntes Kapitel. §• 9ß* 113
Alt Proben einer solct^ea in die Feme wirlienden
Hdiknift Jesu l>eriehten uns Mattbäua und Loiiaa die
Heüenjr dea kranken Kneehta rfnea Hanptmanna so Ka«
peraanm: Johannea die dea kranken Sohna einea ebenda«
•aihst wohnenden ßaailoeog ( Hatth. 8, 5 £L Luc» 7, 1 ff.
Jotu 4 , 46 ff ). Die gewöhnliche Ansicht fiber diese Er*
siUnogen iat die, dafs SMrar Matthäns und Lukas dasselbe,
Johannaa aber ein von diesen irerschiedenea Faetnm mel-
de, da aeiB Bericht von 4^01 der beiden andern in folgen-
den Zfigen abweiche: I) der Ort, von wo aus Jeans heile,
sei btt den Synoptikern de^ Aufenthaltsort des Kranken,
Kapemaam: nach Johannea ein davon veraehiedener, näm-
lieh Kana ; 2) die Zeit, in welehe die Synoptikei^ die Be-
gebeabeit aetsen, nämlich beide unmittelbar hinter die
Heimkehr Jean nach der Bergrede, aei von der im vierten
Evangeliom angegebenen , ebenao unmittelbar nach der
Rückkehr Jesu vom ersten Pascha und seiner Wirksamkeit
in Samaria, verschieden; 3) der Kranke sei nach jenen der
Sklave, aach diesem der Sohn dea Bittstellers; die wich-
tigsten Abweichungen aber finden 4) in Hinsieht des Bitt-
stellers selber statt, indem er im ersten und dritten £van«
geliam eiae Militürperson (ein Ixcn^mTa^XO^ ) , im vierten
ein flofbaamter (ßaadixog) , nach jenen (laut V« 10 ff. bei
Hattfi.) ein Heide, nach diesem ohne Zweifel als Jude au
denken sei; hauptsächlich aber werde, er nach den Syno-
ptikern von t Jesu ala Muster des innigsten, demfithigsten
Glaobeoa beiobt, weil er ja Jeaum in der Zuversicht, dafs
er aaah aus der Ferne heilen könne, verhinderte, in sein
Haas an gehen: nach Johannes dagegen werde er umge-
kehrt, weil er die Gegenwart Jesu in seinem Hause aum
Behnf der Heilung fOr nöthig hielt, wegen seines schwa-
eben, der ar^f^da und TtQaia bedürftigen Glaubena getadelt >)•
1) s. die Ausführungen von Fauivs^ Luckb, Tholucx und OlS;
HAUSBl« z. d. St.
Das Leben Jesu 'hte Aufl, fi. Band. S
114 Zweiter Abschnitt.
Diese Abweloliongen sind aUerdingB bedeotend genüge
um von einem gewissen Gesiehtspnnltt aus um ihretwülen
auf der Verschiedenheit des dem synoptisehen und des dem
(ohanneischen Berichte Eum Grande liegenden Thatsächli-
ehen bu beharren: nur sollte man, wenn man es von die-
ser Seite so genau nimmt, sieh über die Abweicbungenv
welche auch swisohen den beiden synoptischen Berichten
stattfifiden , nicht verblenden. Schon in Beaeichnung der
Person des Leidenden stimmen sie nicht gane eusammen:
Lukas heifst ihn einen dSlos tvtifiog de& Hauptmanns; bei
MatthXus nennt dieser ihn 6 Tfoig pm^ was ebensowohl ei«
nen Sc^n als einen Diener bedeuten iiann , und dadurch,
dafs dell Hauptmann V. 9., wo er von seinem Knechte
spricht, den Ausdrucls : öSXoQy gebraucht, wfihrend der Ge*
heilte V. 13« noch einmal als o ndig avrS bezeichnet wird,
eher im ersteren Sinn6 erklSrt ea sein scheint. In Betreff
aeines Leidens wird der Mensch von MatthXus als ein
naQaXvTixog dsivtilg ßaaavi^oftevos geschildert, \on welcher
Krankheitsform Lukas nicht allein schwelgt, sondern, in-
dem er EU dem unbestimmten : xcexcog t%u)v noch i^^itXke rs-
leirvfv setzt, Manchen eine andere Krankheit yorauscu-
setzen geschienen hat, da die Paralyse sonst nicht als sehneil
tödtende Krankheit vorkomme ')• Als die bedeutendste
Differenz aber geht durch die ganze Erzählung diese hin*
durch, dafs Alles, was nach Matthäus der Centurio an*
mittelbar selbst tbut, bei -Lukas durch Gesandtschaften
vermittelt ist, indem er hier zuerst schon, nicht wie bei
Matthäus persönlich, sondern durch die TtQeoßvreQsg %iov
ladaL(i)Vj Jesum um die Heilung ersucht, dann aber von
dem Betreten seines Hauses ihn wiederum nicht selbst sa-
rilckhält, sonderii durch einige Freunde abmahnen Ififst»
Zur Ausgleichung dieser Differenz pflegt man sich auf die
2) SciiLBiSHMACiiBR, Über den Lukas, S. 92.
Neontes Kupitel. {• OCu 115
Regel: quod quii per alium facti etc. zu berufen '')• Soll
danit, wie es auf dem Standpnokto der so nrt hellenden
Rrklfirer nicht anders denkbar Ist^ gesagt sdin, Matthätts
habe wohl gewufst, dab awisehen dem Hauptmann und
Jesa Alles durch Mittelspersonen verhandelt worden sei,
dennoch aber habe er der Kfirse wegen mittelst jener Re*
defigar Ihn selbst mit Jesu sprechen lassen: so hat Storr
Tollkommen recht mit der Gegenbemerkung, dafs wohl
schwerlich irgend ein Oeschichtsohreiber Jene Metonymie
so beharrlich durch eine ganse Eraählung hiodurchfahren
w&rde, und swar in einem Falle, wo einerseits die Rede-
fignr sieh keineswegs so von selbst verrathe, wie s. B.
weoa einem Feldherrn angeschrieben wird^ was seine Sol*
datea thnn, und wo andrerseits gerade auf den Umstand,
ob die Person selbst oder durch Andere gehandelt habe,
sar Tollen Erkennbarkeit ihres Charakters etwas ankom-
me ^. Mit löblicher Conseqnena hat daher Storr, wie er
der be<leutenden Differensen wegen die Brnihlung des vier-
ten ETasgelinms auf eine andere Thatsaohe besiehen su
missen glaubte, als die des ersten und dritten, ebenso um
der Abweichungen willen, welche er swisoben den Berich-
ten der letsteren lieiden fand, auch diese fflr Ereihlungen
sweier Terschiedenen Begebenheiten erklXrt. Wundert man
sieb, dals en drei Terschiedenen Malen ein so gane ähnii«
eiier Heilnngsfall an dem gleichen Orte Torgekommen sein
soll C<lonn auch nach Johannes lag und genas der Kranke
in Kapernaum) : so Tcrwundert sich Storr seinerseits, wie
auui Im Mindesten unwahrscheinlich finden könne, dafs in
Kapernaum an Terschiedenen Zeiten swei Hauptlente einen
kranke» Knecht, und wieder ein andermal ein Hofbeamter
einen kranken Sohn gehabt; dafs der nweite Hauptmann
3) Augustin, de consens. evang. 1^ 20; Paulus^ exeg. Handb. I,
b, 8. 709.; KösTBii, Immanuel^ S. 63* *
4) Veber den Zweck o. i. f. S. 351.
115 ZwaiterAbseliiiUt.
(des Lukas) toh der Geschichte des ersten gehört, sich auf
ähnliche Art an Jesum gewendet, ond sein Beispiel ebenso
durch Oemuth eu übertreffen gesnobt habe, wie der erste
Hauptmann (Matth.), dem die frfihere Geschichte des Hof-
manns (Job.) bekannt gewesen sei, das schwache Vertranen
dieses leteteren habe übertreffen wollen , und dafs endlich
Jesus alle drei Patienten auf dieselbe Weise aus der Ferne
geheilt habe. Aliein der Vorfall, dafs ein vornehmer Be-
amter Ton Kapernaum Jesum um die Heilung eines Ange-
iillrigen bat, und Jesus aus der Entfernung so auf diesen
einwirkte, dafs um dieselbe Zeit, da Jesus das heilende
Wort sprach , der Kranke au Hanse genas , ist so einsig
in seiner ^Art, dafs eine dreimalige Wiederholung dessel-
ben nnmttglich angenommen werden kann, und auch schon
eine blofs sweimalige Schwierigkeiten hat; wefs wegen der
Versuch gemacht werden mufs, ob nicht die drei Berichte
auf Eine Grundlage eurflckgeftthrt werden können.
Hier Ist nun die am allgemeinsten für yerschiedenartig
gehaltene Ersälünng des vierten Evangelisten nicht allein
In den schon angegebenen Grondzügen cfer synoptischen
verwandt, sondern in manchen bemerkenswert hen fiincel-
heiten stimmt einer oder der andere der beiden synopti-
schen Referenten genauer mit Johannes eusammen als mit
dem andern Synoptiker. So, während in dem Zuge, dafs
er den Kranken als 711/1^; beseichnet, Matthäus mindestens
ebensowohl mit dem jobanneischen viog übereinstimmend
gefunden werden kann, als mit dem döXog des Lukas, tref-
fen Matthäus und Johannes darin entschieden ausammen,
dafs nach beiden der kapernaitische Beamte sich unmittel-
bar an Jesum selber wendet, und nicht, wie bei Lukas,
durch Vermittler. Dagegen stimmt der Johanneische Be-
richt mit dem des Lukas gegen den Matthäus in der Be*
Schreibung des Znstandes fiberein, in welchem der Lei-
dende sich befunden haben soll: beide wissen nichts von
der TiaQaktmg, von welcher Matthäus spricht, sondern be-
Nonatea Kapitel. S* 96. 117
zeiehnen den Kranken als dem Tode nahe, Lukas durch
intJJie %tkev%aY. Jobahnea durch ruiiJktv drco&r/Hßxtiv, vrosu
Att letstere V. 52. oachtrffglioh bemerkt, dafa die Krank-
heit Ton einem nv^eTog begleitet gewesen. In Darstellung
der'^Art, wie Jesus die Heilung des Kranken vollBog, und
wie dessen Genesung erfolgte, steht Johannes wieder auf
Seitan des Matthius gegen den Lukas. Während nämlich
dieser eine ausdrückliche Versicherung Jesu, dafs der
Kneefat geheilt sei, gar nleht bat, lassen Jene beiden ihn
sehr Abereinstimmend so dem Beamten sagen, der eine:
tnay«, xcd vig inigsvoag y^i^thjrtj aoij der andere : tioq^u^
o lios OS ^jj^ and auch der Sohlufs des Matthäus: xai
iu!h^ Q Ttdig ctviS iv rij WQ^ kxaLvi]^ stimmt wenigstens der
Fora Dach mehr su der johanneischen Angabe: bei gehal-
tener Nachfrage habe der Vater gefunden, dafs iv iteeivfj
ffj »pn, in welcher Jesus jenes Wort gesprochen, sein
Sohu gesund geworden sei, als su der des Lukas, dafs die
cnrilckgehehrten Boten den kranken Knecht gesund enge-
troSm haben. In einem andern Punkte dieses Schlusses
wendet sich nun aber die Zustimmung des Johannes von
Mattbins wieder eu Lukas aurttck. Bei beiden nämlich
fot Ton euer Art von Gesandtscliaft die Rede, welche un*
letmt nach aus dem Hause d% Beamten tritt: bei Lukas
eine Ansahl von Freunden des Hauptmanns, welche Jesum
abhalten sollen, sich selbst uu bemflhen; bei Johannes
Knechte, welche Joiielnd ihrem Herrn entgegenuieben, und
ihm <lie Kunde von der Genesung seines Sohnes bringen.
GewiCs, wo dr^ Ersäblnngen so durcheinander versohlun«
gen sind , wie diese , darf man nicht blofs swei dersellien
fär identisch erklären, und eine als verschiedene stehen
laseen ; sondern man mofs die drei Berichte entweder alle
auseinander halten, oder alle uusammenwerfen , wie Lete-
teres nach älteren Vorgängern Sbmler gethan *), und
5) s. bei Ll'CMB, i, S. 552. Vgl. auch oi Wbtti, exeg. Hsndb.
I, d, S. 64.
118 Zweiter Absobuitt.
Tholuck wenigsten« ffir möglich erblSrt hat, es sa thun.
Nur sucbeo solche Ausleger dann die Abweichungen der
drei Berichte so au erUliren^ dafs keiner der ETangelisten
etwas Falsches gesagt haben soll. Den Stand des Bitt«
stellers betre£Fend sucht man den ßaaiXixo^ des Johannes
cum Militärbeamten au machen, wovon dann das hcatoviaQ-
yo$ der beiden andern nur nKhere Bestimmung wäre; was
aber den Hauptpunkt , das Benehmen des Bittstellers , be-
trifft, so könnten, meint man, die verschiedenen Ercähier
verschiedene Seiten der Sache In der Art hervorgehoben
haben, dafs Johannes nur das Frohere wiedergäbe, wie
sich Jesus ober die anfibigliche Schwäche des Glaubens in
dem Bittenden beklagte, die Synoptiker nur das Spätere,
wie er seinen schnell gewachsenen Glauben belobte. Wie
man auf noch leichtere Weise die Banptdlfferena swischen
den beiden synoptischen Berichten, in Hinsicht der mittel-
baren oder unmittelbaren Bittstellung, ausgleichen an kön-
nen meinte, ist bereits angegeben worden. Dieses Bestre-
ben , die Widersprüche der drei Relaiionen auf gfitlichem
Wege ausEugleichen, ist ein falsches. Es bleibt dabei: die
Synoptiker habjBU sich den Bittsteller als einen Centnrio
g«>daeht, der vierte Evangelist als einen Hofbeamten; jene
als glaubensstark, dieser als^der Stärkung noch bedürftig;
Jobannes und Matthäus stellten sich vor, er habe sieh nn-
mittelbar, Lukas, er habe sich aus Bescheidenheit nur
mittelbar an Jesum gewendet ^).
Wer stellt n|in die Sache auf die rechte, und wer auf
irrige Weise dar? Nehmen wir suerst die beiden Syn-
optiker für sieh, so ist, mit Ausnahme dk Wbtte's, nur
Eine Stimme der Erklärer, dafs Lukas die genauere Dar*
6) Fritzschs, in Matth. p. 310: dtscrepat autem Lucas ita a
Matthaet narratione, ut centurionem non tpsum venisse od
Jesum ^ sed per iegatos cum eo egisse tradat; t^uibus dUsi-
detUiöus pucem obtrudere, boni nego inierprciis esse.
Neunte« Kapileh f. 96. llO
•lelloDg gebe. Sohoo daa will man anvrahrscheinKeh fin*
den, dafs der Kranke nach MatthXus ein Pamlytiscber ge-
weaea aein sollte, da bei dem UiigefKhrliohen dleaea Lei-
dens der bescheidene Hauptmann schwerlich Jesnm gleich
bei'ci Eintritt in die i9^adt in Beschlag genommen haben
würde ^ : als ob ein sehr schmershaftes Uebel , wie das
ron Matthäus beschriebene, nicht möglichst schnelle Ab-
bfilfe wfinschenswerth machte, und als ob es ein nnbeschei'
denar Anspruch gewesen wXre, Jesom noch vor seiner
Nadüiaasefcunft um ein heilendes Wort nn ersuchen.
Yielmehr das umgekehrte VerhXltnils nwiscben Matthfius
■nd Lukas wird durch die Bemerkung wahrscheinlich, dafs
das Wnoder, und also auch das Uebel des wunderbar Oe*
bctltaa, in der Uel>erlieferung sich nie yerkleinert, sondern
stets fergrdfsert; daher eher der arggeplagte Paralytische
aam fiiiJUav Ta?.etrv^v gesteigert, als dieser su einem blofs
Leidenden herabgesetct werden mochte. Hauptsfichlich
ab^ die doppelte Gesandtschaft bei Lukas ist nach
ScauunniiACBBR etwas, das nicht leicht erdacht wird.
Wie, wenn sich dieser Zug vielmehr sehr deutlich als ei-
nen erdachten an erkennen gSbe? Während bei Matthäus
der Baaptmann Jesnm auf sein Erbieten, mit ihm gehen
s» walisB, durch die Einwendung aurfickauhalten sucht:
Kvpi€f WC eifdl ixccvog^ ha /na vno Tf^v gipjv eiglkihf^Sj läfst
er bei Lukas durch die abgesandten Freunde noch hincn-
setseo : dio adi i^airtov r^^Uoaa Ttqog ce ilt>uv^ womit deut-
lich genug der Schlufs angegeben. ist, auf welchem diese
Gesandtschaft lieruht Erklärte sich der Mann ffir unwür-
dig , dafs Jesus su ihm komme, dachte man, so hat er
wohl auch sich selbst nicht fiDr wfirdig gehalten , su Jesu
an kommen ; eine Steigerung seiner Demuth, durch welche
sieh auch hier der Bericht des Lukas als der secundäre
stt erkennen gibt. Den ersten Anatofs su <Ueser Gesandt-
1) ScjusiSKiUACHaA; a. a. 0. S. 92 f.
120 Zweiter AbschnUt.
«cbaft scheint fibrigens das andere Interesse gegeben so
haben , die Bereitwilligkeit Jesu , in des Heiden Hans so
geben, durch eine vorgfingige Empfehlung desselben mm
motiviren« Das ist ja das Erste, was die 7ti)€i;ii in ^toi tcJv
*lödaiwv, nachdem sie Jesu den Krankheitsfall beric>tet,
hincnsetzen: ari a§i6g iciv y naqi^ei rOzo' ayan^ yccQ xo
eihog T^ftcüv x. t. L, ähnlieh, wie gleichfalls bei Lukas, in
der Ä« 6 10, 22., die Boten des Cornelius dem Petrus, um
ihn SU einem Gang in dessen Hans zu vermögen, ausein«
and^rvetzen, dafs er ein avfJQ dlxaiog xal q^oßöfievog zov
d^tov^ f.i<x(rrrQöin€v6g tb vno ola tö tOiag icov ^ladalußv «ei-
Dafs die doppelte Gesandtschaft nicht ursprünglich sein kann,
erhellt aber am deatlichsten daraus, dafs durch dieselbe
die Erzählung des Lukas alle Haltung verliert. Bei Mat-
thäus hängt Alles wohl zusammen: der Hauptmann zeigt
Jesu zuerst nur den Zustand des Kranken an, und fibei>
läfst entweder ihm selber, was er nun thun wolle, oder
es kommt ihm, ehe er seine Bitte stellt, Jesus mit seinem
Anerbieten, sich in sein Haus zu begeben, zuvor, waa nun
der Hauptmann auf die bekannte Weise ablehnt« Welches
Benehmen dagegen , wenn nach Lukas der Centurio Jesu
zuerst durch die jüdischen Aeltesten sagen läfst, er mächte
kommen ii?.d-a)i') und seinen Knecht heilen; hierauf aber,
wie Jesus wirklich kommen will, gereut es ihn wieder,
ihn dazu veranlafst zu haben, und er begehrt nur ein
wunderthätiges Wort von ihm. Dab die erste Bitte nur
von den Aeltesten, nicht von dem Centurio ausgegangen ^),
diese Auskunft läuft den ausdrücklichen Worten des
Evangelisten entgegen, welcher durch die Wendung: ani
C^iAe — TiQeaßvTEQüg — i(Hf)Twv aurovy die Bitte als vom
Hauptmann selber ausgegangen darstellt; dafs aber dieser
mit dem i?Jh'iv nur gemeint haben sollte, Jesus möchte
sich in die Nähe seines Hauses begeben, und nun wie er
8) KuiKöt, in Matth. S. 221 f.
N0ttiit«s Kapitel, i. 96. 111
gBiihcu^ daCi Jen» »ogut in sein flaua treten wolle, «Keb
akgelahnC hebe: wire doeh wohl b« angeraimt, «!• dele
■en ee den sonst Terstindigen Manne eotrauen htentoj
von welebea aber ebendelshalb nooh weniger 'eine eo m&^
tcrwendinehe UnutlflMipng so erwarten ist, wie sie Im
Tczse des Lnkas liegt. Der ganse Uebelstand wäre vor*
■iedea worden, wenn Lakas der ersten tiesandtsehaft,
wie MatthSns dem Centnrio selbst, suerst nnr die direete
oier Indireefe Bitte nm Heilung ttberhaapt, nnd dann,
aaehdeas Jesvis sieb erboten, in das Hans des Kranken
•ieh in begeben, noch de|selben ersten Gesandtschaft das
kesebeidene Ablehnen dieses Anerbietens in den Mnnd go-
legt bitte. Allein er glaubte, den Entsehlnfs Jesu, in das
Asus sn gehen, doreh eine ebendahin sielende Bitte moti*
Tiren ca mUssen, nnd indem ihm nnn die Ueberliefemng
noeh ein Verbitten dieser persönlichen Bemflhnng Jesu
sn die Hand gab: so sah er sieh anfser Stands, Bitten
nnd Verbitten denselben Personen so leihen, und mnbte
daher eine sweite Gesandtschaft veranstalten; wodurch
aber der Widerspruch nur scheinbar vermieden ist, indem
ja beide Gesandtschaften von dem Einen Centnrio abge-
eebiekt dnd. Vielleicht Erinnerte ihn auch der Haupt-
aanno, welcher Jesum nicht in sein Haus bemflhen will,
Mn den Boten, 'der dem Jairns wehrte, den Lehrer in sein
Haus so bemühen, nachdem gleichfalls eine Aufforderung,
in das Hans su kommen, Torangegangen war, und er legte
aon, wie sn Jairus nach ihm und Merkus der Bote sagt:
//jf axvike Tov didaaxalov (Luc. 8, 49- )i •<> •"«'* '***' •**'
swetten Gesandtschaft ein Kv\iie //?; axoHü in den Blnnd ;
obwohl SU einer solohen Contre- ordre nur bei Jairus, in
dessen Hause sich seit der ersten Aufforderung durch den
Tod der Tochter die Lage der Dinge verändert hatte, ein
Grund vorlag, keineswegs aber bei dem Centnrio, dessen
Kneeht noch immer im gleichen Znstande sich befand ')•
9) Vgl. M VVsTTB , weg. Uandb. 1 , J , 8. 85. Niaamr , auch
Vl'l Zweiter AbBcbnitt,
Da von der Identification aller drei Geachichten die
neueren ErklXrer aich hauptaSahlich durch die Furcht ab-
gebalten finden, Johanne^ möchte dabei in daa Liebt einet
aolcheh gestellt werden, der die Scene nicht genau genug
aufgefafat, und wohl gar daa Hauptmoment fiberaehen ha«
be ^^: ao würden sie also, wenn sie eine Vereinigong
dennoch wagen wollten, dem vierten Evangelium ao viel
möglich die nrsprfiuglichste Darstellung der Sache vindi-
^iren; eine Vorausaetsung, die wir sofort aua der Beschaf-
fenheit der Berichte heraua su prfifen hab^n* Das nun,
dafs dem vierten Evangelisten der Bittende ein ßaadixog
ist, nicht, wie den äbrigen, ein IxccroiraQxog ^ iat ein lo-
differenter Zug, aus welchem sich fflr keinen Thetl etwas
achliersen Ififst, und ebenso kann es mit der Abweichung
in Betre£F des Verhftltnisses des Kranken zum Bittsteller
aich zu verhalten scheinen» Indessen, wenn man in Bezug
auf den letzteren Punkt aich fragt: welche der drei Be-
seichnungs weisen eignet sich am ehesten dazu, die beides
andern aus sich haben entstehen zu lassen? ao wird man
wohl schwerlich annehmen können, dafs aus dem joban«*
neischen t^log in absteigender Linie zuerst unbestimmt ein
maTg, dann ein dälog geworden sei, und auch die umge-
kehrte aufsteigende Richtung ist hier minder wahrschein-
lich, als das Mittlere, dafs aus dem zweideutigen mag
(=s nV3), welches wir im ersten Evangelium finden, in
zwei Richtungen das einemal ein Knecht, wie bei Lukas,
das andremal ein Sohn, wie bei Johannes, gemacht wor-
den sein mag. Dafs die Bezeichnung des Zoatandes, in
welchem sich der Leidende befand, bei Johannea wie
hier dem Lulias folgend, tucht die Umstimmung des Haupt-
manns denkbar zu machen ( S. 328- ) ; man sehe selbst , oh
mit Glück.
10) Thouxk z. d. St. j ExsEy §. 6g. Anni. 2.
I
Neunte« KapiceL $.06. 1S3'
Lokft» sich sa der bei Matthfiaa als Sreigeroijg, mifhin als
die apitere Terhalte , Ist bereia oben bemerkt Der Un*
ttrtcbied in der Ortsangabe wfirde aaf dem Jetaigen Stand-
punkte der vergleiebenden Evangelien kritik ebne Zweifel
fo bevrtfaeilt werden, dafs in der Ceberlieferong, aas wel-
eher die Synoptiker schöpften, der Ort, von weldiem aus
Jesos das Wunder verrichtete, mit dem, in welchem der
Kranke lag, susammengeflossen, das minder bekannte Kaoa
vea dem berfihmten Kapemaum verschlangen worden sei,
Jobannea aber, als Augenaeuge, das Genauere aufbewahrt
habe. AUein so erscheint das Verh£ltnifs nur, wenn man
den vierten Evangelisten als Augenaeugen schon voraua-
aetat: sacht man, wie man soll, rein aus der Beschaffen-
heit der Berichte heraus au entscheiden, so stellt sich ein
gaas anderes Ergebnifs heraus. Es wird hier eine Hei-
lung aaa der Ferne berichtet, in welcher das Wnnder um
so gröfser erscheint, je weiter der Zwischenraum zwischen
den Heilenden ' «nd dem Geheilten ist. Wird nun die
mfiudliehe Überlieferung, wenn sich die Ercfthlung in die-
ser fortpflanst, eine Neigung haben, jene Entfernung, nnd
damit das Wunder, an verkleinem, so dafs wir in der
Darstellang des Johannes, der Jesum die Heilung von ei-
nem Orte aus verrichten iifst , von welchem der Hofbe-
Bmtm erst am andern Tage bei dem Geheilten ankommt,
die arsprflngliobe, in der der Synoptiker dagegen, welche
Jesom mit dem liranken Knecht in derselben Stadt sich
befinden lassen, die traditionell umgebildete Ere£hlung
hStten? Nur das Umgekehrte kann der Sage gemfifs ge-
fiinden werden : und auch hierin also aeigt sich der jo*
hanneische Bericht als ein abgeleiteter. Besonders gemacht
aeigt sich noch die Pfinktlichkeit ,_ mit welcher im vierten
Evangelium die Stunde .der Genesung des Kranken ausge*
aittrif wird. Aus dem einfachen, auch sonst am Schlüsse
von Ueilungsgeschichten vorkommenden tu^-r; tr rjj ui(ff/
ixupr^ des Matthäus i«t eine Nachfrage des Vaters nach
114 Zweiter Abf obiiilt.
der ä(Hx h fi xo/atl^oreQoy ür^r«, eine Antwort der Kneehte:
0^1 X^^Sy MQcev eßdofitpfy arpijxey avtov o ^tvQevog, und end-
lieh das Ergebnifa, dafa iv ixelvr] rrj dßQf^y iv jj einer avuf
o jf.* o liog üü ^fjj dieser wirklich gesond geworden sei,
gemacht: eine ängstliche Oenanigkeit, eine Quälerei mit
der Rechnung, welche weit mehr das Streben des Gnfih«
iers, das Wunder en beurkunden , als den ursprünglichen
Hergang der Sache au seigen scheint Darin, dafs er den
ßaadixog persdnlich mit Jesu verhandeln iäfst, hat der
Verfasser des vierten Evangeliums mehr als der des dritten
die ursprüngliche Einfachheit der Ersählung bewahrt;
wiewohl er^ wie bemerkt, in den entgegenkommenden
Knechten einen Anklang an die Eweite Botschaft des Lu-
kas hat. In dem Hauptdifferenapunkt aber, der den Cha-
rakter des Bittstellers betriflft, könnte man mit Anwendang
unsers eigenen Marsstal>es dem Johannes den Vorsng vor
den beiden andern Berichterstattern euerkennen wollen.
Denn wenn diejenige Ercähinng die mehr sagenhafte ist,
welche ein Bestreben nach Vergröfserung oder Verschöne*
rang SU erkennen gibt: so könnte man sagen, es seige
sich der Bittende , der nach Johannes eiemlieh schwach
im Glauben gewesen sei, bei den Synoptikern su einem
Glaubensmuster verschönert« Allein nicht auf Verschöne-
rung fiberhaupt, sondern nur in Besiehung auf ihren
Haupte weck, welcher bei den Evangelien die Verherrli-
ohung Jesu ist, geht die Sage oder ein diehtender Ersah*
1er aus: und hienach wird man in doppelter Hinsicht die
Verschönerung auf Seiten des vierten Evangeliums finden.
Einmal, wie es fiberbaupt darauf ausgeht, die Überlegen*
beit Jesu durch den Contrast mit der Schwäche derer,
die mit ihm au thun haben, hervorsnheben, konnte es
auch hier sein Interesse sein, den Bittsteller eher schwach-
als starkgläubig darcustellen ; wobei ihm Jedoch die Er-
wiederung, welche es Jesu in den Mund legt: iav //?; or
fiHa y,ai liquiu c(J/jTe, ö fttf nigeiv^/ien doch wohl au hart
Nennlea KapiteL S* M. ftt
gmmlhen bt, wefiiwegaii ü» «lenn »neb dte nektan ErkU-
rer in Verlegenheit setaL Zwtttens aber konnte et nn>
achieklieh erscheinen, dafs Jeane Toa aeinem anffingliehen
Venelne, In daa Hana dea Kranken zn gehen , sich naeb«
bar iiieder abbringen Hefa, und so fremdem Einflüsse sn
fa%«a sehien; man konnte es für angsiiessenar halten, die
Hctinwg ana der Feme als seinen nrapringliahen Vorsats,
and nicht erst darch einen Andern ihm eingeredet, daranr
ttellen. SoUta nnn aber, wie diaCs die Uberiiefemng an
die Hand gab, der Bittatellar doch eine Einrede gethan
haben, ao mnfste diese die entgegen^setate Richtung als
bsa dea Sjooptikem bekommen: nlmlicb, Jesnm an einem
6a^e in das Hana des Kjranken bestimmen an wollen»
Fragt ea sich nnn um die MfigUdikelt nnd den idft^
ran Hergang des , vorliegenden Ereignisses , so glaniit die
natiriieho Erkllmng am leichtesten arit der Kraählnng
dea vierten Evangeliums anreehtaukommen. Hier, wird
beamrkt, sage Jesus nichts davon, daüs er die Heilung dea
Kranken bewirken wolle, aondem er versichere den Vater
nur, dab das Leben aeines Sohnea anfaer tiefahr aei (o
tiog OB ^]\^j und auch der Vatar, wie er finde, data daa
Heaaerwerden seines Sohnes mit der Zeit , um welche er
mit Jeans geaprochen, zusammenfalle, sefalielse keineswegs,
dafa Jeana die Heilung ana der Ferne bewirkt liabe. So
isi dieae Geachichte nur die Probe davon, dafs Jesus, ver-
aifige grfindlicher Kenntnisse in der Semiotik, %m Stande
gewesen sei, auf gegebene Beachreibung der Umstfinde
eines Kranken hin eine richtige Prognose über den Vei^*
laaf aeiner Krankheit zu atellen ; dafs jene Beachreibung
hier niefat mitgetheilt aei, darana folge nicht, dafs sie
Jmoa sich jiicbt habe geben lassen; ein ar^fihXw aber
werde diese Probe (¥• 54.) genannt, als Zeichen einer
?on Johannes zuvor noch nicht angedeuteten Fertig«
keit Jesu, die Genesung eines besorgiich Kranken voraus*
IM Zweiter Abschnitt.
EUiageii ^0* Ailetiii abgesehen von dieser Mif^deutung riet
Wortes ai]^m(jv^ and jener Einschwireang eines im Texte
nicht angedeuteten GesprXchs, erschiene bei dieser Ansicht
von der Sache der Charatiter ond selbst der Verstand
Jesn im sweidentigsten Lichte. Denn, wenn wir schon
denjenigen ArEt för an?orsichtig halten würden, welcher
auf selbstgenommenen Augenschein hin bei einem Fieber*
kranken, den man so el>en noch fftr sterbend Iiielt, die
Genesung verbürgte , und dadurch seinen Credit auf das
Spiel setzte : um wie viel vermessener hätte Jesus gehen*
delt, wenn er auf die blofse Beschreibung eines Laien hin
die Gefahrlosigkeit des Znstandes versichert hütte? Ein
Solches Benehmen können wi^ uns an ihm — nicht etwa
ans orthodoxen VurstcIInngen, sondern — defswegen nicht
denken, weil es der Analogie seines sonstigen Verfahrens,
und dem Eindrucke, welchen sein Charakter bei den Zeit-
genossen snrilckliefs, geradesu widersprechen würde. Hat
also Jesus die Genesung des Fieberkranken auch nur vor-
ausgesagt, ohne sie bu liewirken : so mnfs er doch anf bu«
verlfifsigere Weise als durch natürliche Vermuthung von
derselben versichert gewesen sein ; er mnfs sie auf Ül>er-
natOrliche Art gewufst liaben. Diese Wendung bat einer
der neuesten Erklärer des Johannes der Sache bu geben
versucht. Er stellt die Frage, ob wir hier ein Wunder
des Wissens oder des Wirkens haben? und da nun von
einer on mittelbaren Wirkung dea Wortes Jesu nirgends
die Rede sei, sonst aber im vierten EvangeUnm gerade das
höhere Wissen Jesu besonders hervorgehoben werde, so
erklärt er sich dahin, Jesus habe vermöge seiner höheren
Natur nur gewufst, dafs in jenem Augenblicke die Kranli«
heit sich cum Leben entschied ^^. Allein die öftere Her*
11) Paulus, Comm. 4, S. 253 t; Vbiiturihx, 2, S. 140 ff. Vcrgl,
Hass, $. 68.
12) Luchs , 1 , S. 550 f.
1
IfeBfiles Kapitel. S^ 96. 1*27
Torhebang des büberen Wlaaem Jesu in unsereoi K?aDge«
lien beweist bieber nicbts , da es ebenso oft aof sebi lid-
herea Wirken aufmerksam macht. Femer, wenn Von
ftbcnatflriicbem Wissen Jesn die Rede Ist, wird diefs
sonst deatlicb angegeben (wie 1, 49. 2, 25. 6, 64. )i und
$o würde Johannes, wenn eine Obematarliohe Kunde von
der ohnehin erfolgten Genesung des Knaben gemeint wire,
Jesnm wohl anoh hier aof fihBliehe Weise, wie dort eu
Kathanaei, so dem Vater sprechen lassen, dafii er seinen
Sohn bereits in ertrXgiicherem ZnstaAde auf seinem Bette
erblicke. Nicht nar aber ist von höherem Wissen nichts
asgedentet, sondern eine wanderbare Wirksamkeit deut«
lieh genog ea verstehen gegeben. Wenn nimlicb von ei«
Bern fiiiXitiv dnoihr^axeiv die plötsllche Genesung gemeldet
»t, so ^^1 man sunfichst die Ursache wissen, welche diese
unerwartete Wendung berbelgefilhri habe, und wenn nun
ein Berieht, der auch sonst auf das Wort seines Helden
hin Wunder erfolgen IXfsr, eine Versicherung desselben,
dafs der Kranke lebe, mittbeilt, so kann nur das falsche
Bestreben, das Wunderbare au vermindern, der Anerkennt*
nifs im Wege stehen, dafs der Erefihier in diesem Worte
di» Ursache Jener Verfindemng angeben wolle ^'J.
Bti der synoptischen ErEäblung ist mit der Annahme
einer biofsen Prognose nicht abcukommen, da hier der
Vater (MatUi. V. 8.) eine heilende Einwirkung verlangt,
and Jesus ihm (V. 13.) eben diese seine Bitte gewfthrt.
Dadurch schien sich bei der Entfernung Jesu von dem
Kranken, welche alle physische wie psychische Einwirkung
unmöglich machte , der natflrlichen Erklärung Jeder Weg
au versehliefsen : wenn nicht Ein Zug der ErsXhlnng un-
erwartete Hälfe geboten bfifte. Die Vergleichung nämlich,
welche der Centurio awisehen sich und Jesu anstellt, dafs,
wie er nur ein Wort sprechen dflrfe, um durch ^seine
li) V^l. Dl WsTTt z. d. St.
12g Zureiter Abgehnitt:
fliilAitnn winA Dianer didb asd feaeA amgenchtet sa »ehen,
«a ftock Jetttm es nar ein Wort koite, seinem Koeeht«
mär -Qmanihfit am verhelfen , komite man mfiglicIierweiM
so pressen, dafe, wie aaf Seiten des Haaptoianils, «o aoeh
auf Seiten Jeeo an mensotiiiohe Mittelspersonen gedacht
wurde. Demnach soll nna der HanptnMuin Jean haben
vorstellen wollen, er dfirfis nor au einem seiaer Jfinger
ettt Wort spreehev^ so werde dieaer mit ihm gehen nnd
seinen Kneebt gesund maeben; wa« sofort auch wirklich
gesebehen sein aoll^» Allein, da diefa der erste FaII
wire, daf« Jesas durch seine Jünger heilen iiefs, und der
eiaaige, dafa er aie unmittelbar an einer bestimmten Hei-
lung abseUekte: wie konnte dieser rigenthttmlicbe Umstand
sogar in der sonst so ausfflhrlicben firafihlung des fjukas
stUlschweigend voransgesetat werden? warum, da dieser
Referent In Ansspinniipg der flbrigen Rede der Abgesand-
ten nicht sparsam ist, geiat er mit den paar Worten, vrel*
che Alles anfgeklirt haben würden, wenn er nämlich sa
dem eiTik k6y((fi tvl twv fta&rjviSv ob oder dergleichen etwss
gesef Et bitte ? Vollends aber am Schlosse der Ersfiblung,
wo der Erfolg gemeldet wird, kommt diese Deutung nicht
biofs durch das Stillschweigen der Eraäbler, aondern
durch einen positiven Zug bei Lukas in die ülielste Ver-
legenbeit. Lukas schliefst nftmliich mit der Motie, dafs
die Freande des Hauptmanns bei ihrer Rückkehr in des-
sen Haus den Knecht bereits gesund gefunden haben«
Soll ihn nun Jesus dadurch wiederhergestellt haben, dafs
er den Abgesandten einen oder mehrere seiner Jünger
mitgab: so konnte es mit dem Kranken erst von da an^
als die Abgesandten mit den Jüngern im Hause ankamen,
allmählig besser werden ; nicht aber konnten sie ihn bei
ihrer Ankunft schon hergestellt finden« Paulus freiUeh
14) Paulus, e\cg. Handb., 1, b, S. 710 f. ; Natürliche Gescbich
tc, 2, S. 285 ff.
Meantea Kapitel. {. 96. 129
B«Ut ToravS) die Abgesandt^il haben sieh bei den Rtden
Jesu no«h etwas verweilt, and so seien die Jinger vor
UttOD angekoauneo : aber wie sieh. JenO' so nnoöthig babea
TerweÜ0D mögen, and wie der Evangelist neben- der Äbsen«
dang der Jünger nnn aneh noeh' das Znrilel&ldeilien der
Abgesandten habe versehweigen ktanen, enthält er sich
an erUfiren. Mag man nun statt dessen als daafenige, waa
den Soldaten des llaaptmanna anf Seiten Jean entsprioht,
KrankheitsdXnonen *') 9 <^^' dienstbare Bngel ^^, oder
Uo(s daa Wort nnd die HeitkrXfte Jesn^O denken: Jeden-
faUa bleibt ans eine wanderbare Wirksamkeit in die Ferne.
Ein Bweites Beispiel von einer Heilang in die Ferne
ist dam ersten nnd dem sweiten Evangelium gemein (Matth*
Id, S2ff. Marc 7, 25 ff. > Anderphtoieisohen Grinse rief
ein heidniaelies Weib Jesam om H&lfe für ihre besessene
Toehter an. Er wendete anfkngliehaeine aasschliefiiliohe Be»
stimmiing fBr das israelitisehe Volk vor; als aber die MnUer
in demflthigem Flehen beharrte, sagte er ihrem starken'
Gianben GewAhraog ihres Wunsches au, welche aneh als*
bald an der geheilten Toehter sichtbar wnrde. Von die-
aar Erdhlong ist in einer Hinsicht — auf die- anfAogliohe
We^etnag Jesu — bereits oben, in der Untersnehang des
mesaianischen Planes Jesu ^) , in der andern , dafs die
Kranke eine Dfimonisehe war, noch so eben erst die Rede
gewesen ^): in Betreff des dritten Punktes, dafs die Hei«,
lang durch das blolse Wort nnd den Willen Jesu aus der
Feme erfolgt, ist sie hier, in Verbindung mit der 6e-
aehiehte von dem kranken Knecht oder Sohn des Beamten
In Kaperpaom, na wfirdigeli.
15) so schon Giern, homil. 9, 21 ; jetzt Frxtzscrs, in Matth. 313*
16) Yfvnmtitj N. T. 1, p.. $49; vgl. Oi.SHA0tSN s* d. St.
17) HösTBBy Immanuel) S. 195- Anm.
18) Band 1, §. 67.
19) Band 2, §. 90 ff.
Das Leben Jem Ue Aufl^ iL Band 9
lao Zweiter AbtchniCt.
OtoM An dee Wirkena Jeen hat nach dem Zage*
•tändnbae «elbtt eoloher Äasleger, welche eonat das Wan-
derbare nichl sobeuen , darin etwas besonders Schwieri-
ges | da(s durch den Mangel der persönllehen Gegenwart
Jesu nnd ihres wohlthAtigen Eindrael&s anf den Kranken
ni|8 Jede Möglichkeit genommen ist, die Heilang darch ein
Analogen des Natfirlieben ans denkbar an machen- -^>
Nach OLSHAUSKti ewar hat aach diese Fernwirknng ihre
Analogien : nämlich im thierisoben Magnetismus ^0* '^h
will diefs nicht geradeaa bestreiten , sondern nor auf die
Schranken aufmerksam machen, innerhalb deren sich mei-
nes Wissens diese Erscheinung im Gebiete des Magnetis-
mus Immer hält. In die Feme bin wirken kann nach den
bisherlgenj Erfahrungen nur theüs der Magnetiseur oder
ein anderes im magnetischen Rapport mit ihr stehendes In-
dividuum auf die somoambOle Person, wo also der Fern-
wirkung immer eine unmittelbare Berflhrung vorausgegan-
gen sein mafs, was in dem Verhältnifs Jesu su den Kran-
ken unserer EniXhlungen nicht gegeben ist; theils besitsen
Cwenn anders die l^hatsschen sicher sind) ein solches Wir*
kungsvermögen die Somnambalen selbst oder andere in
serrflttetem Nervenaustande befindliche Mensehen, was auf
Jesum entschieden keine Anwendung findet. Geht also ein
solches äeilen entCernfer Personen, wie es in unsern £w
sählungen Jesu sugeschrieben wird, fiber jenes Aenfserste
natfirlicher Wirksamkeit, wie wir es im Magnetismus und
den verwandten Erscheinungen finden, bis aum Abreifaen
Jedes anknflpfenden Fadens weit hinaus: so wird uns darch
Jene Erzählungen, sofern sie historische Geltung anspre-
chen , Jesus EU einem übernatürlichen Wesen , nnd ehe
wir ein solches uns als wirklich denken, verlohnt es sich
auf unserem kritischen Standpunkte, anvor noch an nn-
20) Lücxi, ], S. 550; Wbissb, a. a. O. S. 526 f.
21) bibl. Comm, 1, S. 264.
Neonleft Kapitel. $.96 131
tAMoeheii, ob die be^raehteteii Erftftliiuogeo aMü aooh oh-
■e hislaiieeheo Omnd dennoeb liebeii entstellen kennen!
■■■mI eiob, dafe aie aagenbafte Bestandtboile entbaltea, we-
■ignieiia bei der enteren, an d^ yerteiiiedenen Formatio»
Den neigt , welcbo* sie in den drei erangeliselien fiericbten
erlialinn bat. Und liier erhellt es nnn von selbst, dals das
irnndnrbnre Heilen Jesn dnreh BerAhren des Kranken,
wie wir es s. B. bd dem Anssfttsigen Matth« 8, S. und
den Blinden Matth. 9, S9. antreflfon, fermdge eines nahn
Begendeo Klimax sunächst nnm Heilen Gegenwärtiger mit*
lelst des blofsen Wortes, wie bei den Anssltsigen Lae.
17, 14. and andern Kranken, dann aber nur Herstellnng
selbst Abwesender durch ein Wort sieh steigern konnte;
wie denn schon im A. T. ein Analogen hieron besonders
Aeransgeboben ist. Wie nftmlioh nach 2. Kön. 5, 9 ff. der
syrieche Feldherr Nahmen vor^ die Wohnnng des Prophe>
ten Kliea kam, nm sich vom Anssatne heilen so lassen,
ging dieser nicht selbst su Ihm heraus, sondern sandte Ihm
einen Boten, nnd liefs ihn nn siebenmaliger Wasch ong im
Jordan aoweisen. Darfiber wurde der Syrer so nogehaU
ten, dafs er, ohne die Anweisung des Propheten su he«
rfeksiditigen , wieder heimsiehen wollte* Er habe erwar-
tet^ cMSrt er, der Prophet werde so ihm hertreten, und
■nter Anrufung Gottes mit der Hand über die aussätsige
Stelle fahren; dafs nun aber der Prophet, ohne selbst et-
was nn ihm voreonehmen, ihn an den Jordan verweist,
das macht ihn muthlos und firgerllch, weil, wenn es auf
Wasser ankäme, er sotcbe su Hause besser als hier hfitte
hallen können» Man sieht aus dieser A. TJichen Darstel-
lung: das Ordentliche, was man von einem Propheten er«
wartete, war, dafs er anwesend mit körperlicher Ber^h-
Tmng heilen könne; dafs er es auch entfernt und ohne Be-
rVhnuig vermöge, wurde nicht ebenso vorausgesetet. Dafs
BlisA dennoeb auf die letetere Weise die Kur des ausslitsi«
gen Feldberrn vollbringt (denn das Waschen war es auch
9*
13i ""Zweiter AbBehnitt.
hier so «renlg iili Job. 9, was den Kranken gesand maoh-
tOi sondern die Wandermacht des Propheten, welche ihro
Wirksamkeit an diese ftofsere Handlang an knOpfen für
gut fand), dadurch bewies er sich als einen i>esonders
ansgbiseichneten Propheten — : and nan der Messias, durf-
te der auch in diesess Stocke hinter dem Propheten nu-
rfickbleiben? So neigen sich unsere N* T.lichen Erftfthlnn«
gen als nothwendige Gegenlnlder Jener A. T.lichen« Wie
dort der Kranke an die Möglichkeit seiner Wiederherstel-
loog nicht glanlien will, wenn der Prophet nicht ans sei*
nem Hanse heraus ieu ihm trete : so sweifelt hier nach der
einen Redaction der ersten Oeschichte der ffir den Kran-
ken Bittende ebenso an der Möglichkeit der Heilung, wenn
nicht Jesus in sein Haus trete; nach der andern im 6e-
gentheil ist er von der Wirksamkeit der Heilkraft Jeaa
auch ohne das übersengt: und beidemale gelingt hier Jesu
wie dort dem Proplieten auch dieser besonders schwierige
Wunderact ^.
$.97.
^ SabbatheilungeiK *
Grofsen Anstofs erregte den eyangelisehen Nachrichten
Bufolge Jesus dadurch, dafs er nicht selten seine Heiinngs-
wunder am Sabbat verrichtete; wovon ein Beispiel den
drei Synoptikern gemeinschaftlich ist, Ewei dem Lukas ei-
genthfimlich, und ewei dem Johannes.
In jener den drei ersten Evangelisten gemeinschaftli«
eben Eraäblnng sind swei Fälle vermeinter Sabbatsenthei-
lignng verbunden, das Aehrenraufen der Jünger (Matth.
12, 1 parall.) und die durch Jesum vollbrachte Heilung des
22) Weissb zieht et hier wie anderwärts vor, die unhistorische
Wundcrcrzählung aus einer missverstandenen Parabel Jesu
herzuleiten (S. 526 f.) ; von der er uns aber Keine deutliche
Vorslelhmg gibt.
Keaiiiet Kapitel $• 07. 135
MaatdieQ i^t der verdonien Hand (V. 0 ffi.panJl<). . 'Neeh
dir aof . dem Felde voi|[ef«ileBeii Verhandlmig Aber das
A^rearatifen fahren die beiden ersten EraDgelisteD ao fort,
wie wenn Jeaoa unmittelbar yon dieser Seene «weg in die
SjnMgfigö desselben nicht nAher beseiohoeteii Qrts siofi yev^
fä^y «nd hier ans Anlals der Heilang des Mensoben mit
der verdorrten Rand abermals einen Streit .fibev die Ueili^
gimg des Sabliats gehabt hätte. Offenbar aber waren diese
bilden Geeobiobten arsprfingiieh nur der Aehniiehkeit dem
Inhalts wrsgen ansammengestellt; weswegen hier Lokas sa
loben isly dafs er dnrohdie Worte: iy higff außßiki^^ den
chranelogiseben Zusammenhang swisehen lieiden aosdrflolL-
seraebnitten hat *> Die weitere üntersnehnng} wiis-^
&r«ftUung hier die ursprangUehere sei, kffnnen wir
durah die Bemerkung erledigen, dafs, weon.d(e von Mat«
thiiia den Pharisiem in den Mund gelegte Frage, ob es
eriavbt ael, am Sabbat an heilen, als ein Stfiek von ge-
maehtem Dialogisiren beneiohnet wird ^ : dessen ebensogut
dieselbe Frage beschuldigt werden kann, welebe die nwet
mitdereo Evangelisten Jesu leihen, und noeh dann ihre
belebte') Schilderung, wie Jesus den Kranken in die Mitte
treten heilst, und spftter strafende Blieke ringsumher vrir^
eiaer geauiehten Anschaulichkeit.
Das Hebel des Kranken war nach den fibereinstimmen-
den Nachrichten eine %hq ^ijQa oder i^rjqafiiAhr^. So un-:
besdmmt diese BeEcicbnung ist, so macht es sich doch die
aatfirllehe Erklftrnng ailauieicht, wenn sie nüt Paulus nur
eine dureh Hitse angegriffene 0, oder gar nach Vsmturiiii*s
Ansdmck eine verstauchte Band*), darunter versteht. Son-
1) ScRunBMiAcasRy über den Lnkss, S. SO f.
2) SdanoxBiiBuasiAy über den Vrsprong u. s» f« S* 50«
i) ScHuiiBiiBuciiBii, a. a. O.
4) exeg. Haodh. 2, S. 48 ff.
5) Natürliche Geschichte, 2; S. 421.
\
134 Zvr«Iler Absebnilt
•
dem wann wir, om dh BedeoCong der N. T.iieben Be-
aeiohnungsw^e seq be«tiaiBien, bUttg auf das A. T. so«
rfiekgeben, so finden wir !• Ktfn« 13, 4* eine Hend, wei*
ebe im Autatreelieii i^r^qm^ij GtO'/TI), M« imfthig geschil-
dert, an den Leib\sarffcbgesogen bq werden: aö daf« also
an Libmang und Starrheit der Hand, nnd^ bei Verglei-
ehnng des von einem Epileptiaehen gebrauchten ^r^iKxlvtadm
Marc. 0, IS«, sogleieh an ein Saftloswerden nnd Schwin-
den BQ denken ist ®)» Dafür nun aber , dafs Jesus dieses
und andre Uebel mit natfirliehen Mitteln behandelt bäbsy
wird ans der vorliegenden ErBfiblung ein sehr scheinbares
Argument abgeleitet. Nur ein solche$ Heilen, sagt dsdi
war am Sabbat verboten, welches mit irgend einer Be*
iohKftigttng verbunden war; also' mttssen die Pharisäer,
wenn sie, wie iss hier heifst, von Jesu eine Uebertretong
der SabbatsgesetBe durch Heilen erwarteten, gewuist ha*
bau, dafs er nieht durch das blofso Wort, sondern durch
Medicamente und chirurgische Operationen bu heilen pfleg«
te 0. Da indessen , wie Paulus selbst and&rswo anführt,
am Sabbat das Beilen auch nur durch eine sonst erlaubte
Beschwörung verboten war ®); da ferner swischen den
Schulen Hillers und Schammai's ein Streit obwaltete, ob
auch nur das TrÖ6<>en der Kranken am Sabbat erlaubt sei ^,
und da fiberdiefs nach Paulus eigener Bemerkung die fil-
teren Rabbinen im Punkte des Sabbats strenger waren als
diejenigen , «von welchen die uns vorliegenden Schriften
ober diesen Gegenstand herstammen *^): so konnten die
Hellungen Jesu, auch ohne dafs natfirliche Mittel dabei
in's Spiel kamen, i^on chicanirenden Pharisflem unter die
6) Wivsa, bibl. Realw. 1, S. 796.
7) Pauros, a. a. O. S. 49. 54.; HtfsTsa, Immanuel, 8. 185 f-
8) «. a. O* S. 85, aus Tract. Schahbat.
9) Schabbat, f «2, 1^ bei Scu9tt»V| I, p. 123«
10) a d, auletat a. 0.
Aeuntes KapiteL $. 97* 131^
Rategiyrt« Ton SabbatfFerletevngen gesogen werden. Dem
Uanptein wende gegen die ratiooalistieebe ErkiArung) der
wndmm Sehweigen der Eyangelkten von natürliobei^Mitteln
hergeoovmen wird, glenbt Paulus für oneem Fall dnreh
die Wendnng sn begegnen , dafe damala in der Synagogo
wirkÜeh keine snr Anwendung gekomnen seien, sondern
«lesos habe sieb die Hand vorneigen lassen, nn su seheni
wie die bisber von Üim angeordneten Mittel ^alMo werden
dergleielien.doeh fingirl) geholfen bitten, nnd da balM ev
sie bereits v^ig geheilt gefunden ; denn dals sie bereits
wiederhergestellt gewesen sei, nicht dafs sie nun plötslieh
gesnnd geworden, bedeute das fmoKotegd^ simmtliober
Referenten. Allein der Aorist kann hier nnr heUsen: sie
worde ein demselben Augenblicke) wiederhergestellt; durch
das Wort Jesu nlmlieh, welches die Evangelisten mitthei«
loa, ttksbt durch natürliche Mittel, welche nnr von den
KrkÜrem ersonnen sind ^0*
Da die x^^Q ^KQ^ unter die Lähmungen gehdit, auf
wefebe nach frfiheren Bemerknngen die Berührung (von
weleher aber hier nichts gemeldet wird) eines magnetisch
B^gjshten, und vielleicbt selbst die bloTse glanbige Exalta«
tioB des Kranken, möglicherweise heilend wirken kann : so
fielae neb hier eine natfirlicbe Erklärung feinerer Art an«
kndpfen: indels fragt es sich, ob nicht die Verwandtschaft
der schon erwähnten A. T.iichen Ercählnng (1 Kön. 13,
I £) eine mythische Entstehung auch der evangelischen
Anekdote wahrscheinlicher nmcht? Als ein Prophet aus
Juda den am Götaeoaltare räuchernden Jerobeam mit dem
Untergang des Altsrs nndsdes Götcendienstes drohte, und
der König mit ausgestreckter Hand den Unglficksprophe-
tan SU greifen befahl : da vertrocknete plätalicli seine Hand,
ae dals er sie nicht mehr curttckaiehen konnte, und der
II) FamscHi, in Matth. p. 427. in Marc. S. 79; ds Wstts, cxcg.
HsnJb., U i^ S* ii5-
IM
Zweiter AbBchoitt«
Alter zerfieL Wie aber aof Erenchen des Köoigs der
Prophet Jehova um Wiederherstellung der Hand bat,
konote sie jener wieder an tioh sieben , • und sie wnitle
wie aie vorher geweaeo war ^^). Auch Paulus rergleicht
hier diese £rsihlnng; aber ntir «n auch auf sie seine oa«
tflrliche Erklärongs weise dareh die Bemerkung ansnwea-
den^ Jerobeams 21om habe leioht rine vorUbergebende
krampfhafte Erstarrung der Muskeln o« s. w* in der gerade
mit Heftigkrft ausgestreckten Hand henrorbringen können.
Wem fftUt^ es^dber nicht yielmehr in die Augen, dafs wir
hier eine Sage sdr VerherrUehnng des monotheisttscheD
Prophetenthums und tsur Brandmarkung des israelitischen
ddtaendiensts in der Person seines Urhebers Jerobeam vor
uns haben? Der Mann Gottes, weissagt dem Götaenalur
sebnelien wunderbaren Ruin ; der abgöttische König streckt
freventlich die Hand gegen den Gottesmann aus; die. Hand
erstarrt, der Götsenaltar serfttllt In Staub, und nur aaf
die Fürbitte des Propheten wird der König wiederherge-
stellt: wer mag hier über wunderbaren oder natOrllchen
Hergang rechten, wo man eine offenbare Mythe vor sieh
hat? Weiter Iftlst sich sofort in unserer evangeliftcben
firnihlung eine Nachbildung jener A* T.lichen vermutbeo,
wobei nur, dem Geiste des Christenthnms gemäfs, die Ver-
•trocknung der Hand nicht als Strafwunder eintritt, son«
dern als natfirliche Krankheit dargestellt, und Jesu blofs
die Heilung angeschrieben wird; ebendefswegen auch nicht
wie dort die Ausstreckung der Hand aür
U) 1. K»n. 13, 4. LXX : »«l iSi
6 5 Kai fn^^Qitf/a Tijr X'^
TH flaoiXiwi n^9 oJroV, teal
Matth. 12 , 10 : «ttk M« oy-
(Marc, eitjgaju/i^rip'),
l5 ! TOT« 2tyet t^ ay9^ia7TU
ixriiyor rtjv x^^^ ^^' **** ***'
Tfivt' Kai anoxoTf^a^ v/v/i (**t'
i akiij.
Neanle« Kapitel* (• 9T. 197
Vrsaehe and cmn pSnalen HubUns der Krankheit, de« An-
aielien ileraelben aber snm Zeichen der Genesung gemacht
iat, aondem die Hand, welebe his dahin kradlibaft enge«
sogen war, nach ToUbraebter Heilung wieder antgeetreckt
werden kann. Dafs auch sonst um Jene Zelt Im Orient
dem Llehfingen der Gdtter das Vermdgen es dergleiobeii
HeUongen sugetrant wvrde, sehen wir ans einer schon
frfifaer angeflihrten Ersfiblnng, in welcher dem Vespaslan
«eben einer BlindenheUnng auch die WiederhersteUnng ei«
ner kranken Hand sageschrieben wird ^').
Nicht selbststKndig übrigens und als Zweck für sich
ftht in dieser Geschichte das Heilnngswnnder aaf, sondern
die Haopttaehe ist, dafs es am Sabbat geschieht, and die
Spitse der Ätiekdote liegt in den Worten, durch welche
Jesns seine heilende Thfitlgkeit am Sabbat gegen die Pha«
risler rechtfertigt, bei Lukas und Markus nämlich durch
die Frage 9 was am Sabbat eher angehe ^ Gutes en thun
oder B5ses, ein Leben su srhalten, -oder sn verderben?
bd Matthäus, neben einem Stück von dieser Rede, durch
das Dictum von der sabbatlichen Rettung des in die Grube
geUlenen Schaafs. Lnkas, welcher diese Gnome hier nicht
ha^ legt sie mit der Abweichung, daCs statt des n^ßoeta»
ein 090S i} ßsgj und statt der Grube der Brunnen steht,
bei Gelegenheit der Heilung eines vd(Ktmix6g Jesu in. den
Hund (14, 5.); sine Ersählung, an welcher überhaupt die
Aehnlichkeit mit der bisher erwogenen aufffillt» Jesus
speist bei einem Pharisierobersten , wo man, wie dort in
der Synijgoge nach den swei mittleren Evangelisten, auf
ihn lauert rhier: ^aov naQccTTjQdjuevoi^ dort: 7iaQBTi^Q8v')j
es ist ein Wassersüchtigisr da , wie dort ein Mensch mit
verdorrter Hand; wie dort nach Matthäus die Pharisäer
Jessm fragen: ei ^eci rcSg oaßßaai y^eqoTtevnv; nach Mar-
ksa and Lukas er sie fragt, ob es erlaubt sd, am Sabbat ein
\l) Tacit. Histsr. 4, 81.
13$ Zweiter Äbtohnict.
»
Leben cd retten o« e. f.: so legt er Ihnen hier die Frage
▼or: H i^egi r(ji aaßßattf) x^s^neviiv; woranf^ wie flort,
die Gefragten sehweigen (dort Harkas: o^ di iaiWTuoVy
liier Lnkaa : 6L di rjovxaaav) ; endiieb als Epilog der Bei-
lang, wie dort bef Matthiaa als Prolog, das Dictam yoa
dem in den Bronnen gefallenen Thiere. Noeh eine dritte,
sehr fihniiche Eraihlnng bat Lukas (IS, 10 ff.) eigenthfina-
licb* Jesus lehrt, wie in der ersten Gesohiehte, am Sab-
bat in einer Synagoge ;- hier befindet sieh eide Fran, dle^
schon seit achtsehn Jahren dureh die BInwirkong eines
Krankheitsgeistes (Tsrcv/za Sxsaa da&&^ag^j so ansammen-
gekrttmmt war, dafs sie sich nicht mehr aufrichten konnt^
Jesus ruft sie bu sich , kündigt ihr Befreiung von ihrem
Uebei an, und legt ihr die Hände auf; sogleich rich-
tet sie sich auf und preist Gott, der Synagogenvorsteher
aber, ärgerlich, weist das Volk an, an den Wochentagen
und nicht am Sabbat, sich heilen au lassen; worauf jesna
die Frage euräckgibt, ob denn nicht jeder am Sabbat sei-
nen Ochsen oder Esel von der Krippe löse und nur Tranke
ffihre?
Bei der eigenthflmlichen Aehnlichkeit dieser drei Ge*
schichten, in welchen ewar Person und Krankheit des
Geheilten verschieden, aber die^ Verhältnisse, unter wel-
chen Jesus heilt, und die Nnfzanwendong, die er von sei-
ner Heilung macht, selbst bis auf die Form hinaus iden-
tisch sind, ist die Frage natürlich, ob wir hier wirklich
drei verschiedene Geschichten, oder nur verschiedene Va-
riationen einer und derselben, oder endlich wenigstens
diefs haben, dafs drei Vorfälle, die sich ursprünglich nicht
so ähnlich gesehen, in der Ueberlieferung einander aasi-
milirt worden sind. Dafs nun bei dem Verhältnirs, in
welchem Jesu Ansicht von der Sabbatfeier su der phari-
säischen stand, und bei seiner Geneigtheit, ^die ihm ver-
liehene eigenthümliche Kraft aus Heilung von Krankheiten
au verwenden, mehr als einmal der Fall eintreten konnte,
Neaates Kapitel. {• 97. 139
weleber vnsem drei Brslblangen ■am Omnde liegt; daf^
J^wmm Raaentlich für gnt finden konnte , den lehlagenden
Aaaaproeh von der sabbatliehen Bemühung mit dem Haae<i
thter, sMial mit den Verädderangen, die wir oben an der
dretami wiederkehrenden Sentena angebraelit gefiinden ha*
iwii, SU wiederholen: diefa ist nicht wohl In Abrede an aiehen«
Frrilieh elientowentg auf der andern Seite die Mdglicbkeit,
dafa — sofern hier nicht anf der Heilong als solcher^ son-
dern anf dem Tag, an welchem sie rorging^ and der Art,
wiesle angefochten and rertlieidigt wordci dasHaaptgewicht
lag — in der Oeberliefemng Jener Mebenpnnkt wechseln,
nnd daa anrergelsHebe, wahrhaft ▼olksthflmliche Dictum ?on
dem aai Sabbat an rettenden oder an Tcrsorgenden Hans-
thier In yerschiedene Rahmen gefafst werden konnte.
Nicht ohne Vorschnb fiir diese letatere AnnaRme«ist der
Uautandi dafs nar die erste der drei Khnlichen Geschich-
ten, die Bedang der verdorrten Hand, sfimmtlichen Syn-
optikern gemeinsam, fttr die beiden andern aber Lukas der
einnge Gewihrsmann ist Und awar ist bei diesen bei«
den, aomal sie in kurzem Zwischenraum aufeinander fol«
gen , die Aehnlichkeit so anfiPallend , dafs^ Schlkibrmacbkr
nrtheilt, wire die sweite yon demselben Verfasser wie die
erste orsprfinglich anfgeseichnet , so hätte dieser nicht
umhingekonnt, durch Rückweisung auf die yorangegangene
die Wiederholung au entschuldigen f nun diefs nicht ge-
schehen sei, mOsse man annehmen, Lukas habe die beiden
BnBlhlangen aus awei Tcrschiedenen schriftlichen Quellen
hier eingefBgt ^^). Wie möglich aber gerade in diesem
Falle, dafs dem einen dieser Gewfihrsmfinner als Gegen-
stand der berflhmten Sabbathoilung eine yerkrftmmte Frau,
dem andern ein wassersichtfger Mann genannt worden
war! Dabei Ue(se sich an und für sich denken, beiderlei
Kranke, so wie aberdiefs der Mann mit der vertrockne«
14) Ueber den Lnliat, S. 196.
[
140
Zweiter ÄbsohnitU
ten Hand,. 8%len wirklich aiie von Jesu gellet worden;
und nur in der Verlegung sämmtUeher Heilnngea auf deo
Sabbat habe die Sage ihre asaimilirende Kraft l»ewiesen.
In dieser Hinsieht fragt ea sich letattichy ob alle diese drei
Heilungen, oder ob nur einigOi und weloboi <Ue geschieht-
Üohe DenkbariLeit für sieh haben. Hier haben wir non
von der verdorrten Hand schon oben gesehen, da(s eine
magnetisch-psychologische Heilung derselben nicht nnddnk*
bar, aber ebenso möglich eine mythische Entstehung der
gansen Ersählung ans der Nachbildung e^er A« T.lichen
(jeschichte ist; eine ähnliche geschichtliche Auffisssung,
und swar ohne die gleiche 'Versuchung su mythischer Ab*
leitung auf der andern Seite, lafst die Heilung des Busam-
mengekrflmmten Weibes eu, obwohl die Krankheitsaeit
von 18 Jafll>en ein erschwerender Umstand ist; die Hei-
lung des Wassersüchtigen hingegen bietet kauni fiberwind-
liche Schwierigkeiten. Hier nämlich handelt es sich nicht
blofs, wie in jenen beiden Fällen, von einem krankhaften
Habitus, sondern (wenn die Krankheit richtig beseichnet
ist) von einem Krankheitsstoffe , dem .unter der Haut ge-
sammelten Wasser, von welchem sich eine augenblickliche
Entfernung nur entweder durch eine chirurgische Opera-
tion ^^>, oder durch ein absolutes Wunder denken läfst.
Sofern wir nun das letztere von vorne herein ausschlielsen,
die erstere Annahme aber gegen die sonstige Art des Vei^
fahrens Jesu ist: so können wir diese Eraählnng, so wie
sie lautet, nicht ffir treu geschichtlich halten, sondern uitts-
sen sie ffir eine freie Variation auf das Thema der Sali-
batheiiungen erklären.
Von den swei Sabbatheilungen des vierten Evange-
liums ist die eine schon mit den Blindenheilnngen betrach-
tet worden ; die andere (5 , 1 ffO ) welche unter den Hei-
15) Vergl. die aatUrlicIic Erklärung von Favivs» cxcg. Handb, 2,
S. 341 f. /
Neantet KapiteL $. 97* 141
langen der Pamlytischeo Torgenommeii werden konnte ^
iiefs sich 9 weil doch der Kranke nicht mit Jenem Aus-
dmeke beceichnet ist, hieber versparen. In den Hallen
de» Teiches Bethesda in Jerusalem fand Jesus einen schon
38 Jahre — wie ans dem Folgenden erhellt| an LAhmnng —
kranken Mensehen, welchen er mit einem Worte cum Auf*
stehen nnd Beimtragen Seines Bettes befthlgte, hiedurch
jedoehy weil es Sabbat war, die Feindschaft der jadisohen
Hierarehen auf sich lud. Anf eigene Weise glaubten seit
W001.8TON ^^ Manche mit dieser Geschichte durch die
Annahaiie fertig en werden, dafs Jesus hier' nicht einen
wirklieh Leidenden geheilt, sondern nur ^nen yerstellten
Kranken entlarvt habe ^'). Der einsige 6rond , der mit
einigem Schein hiefifr angeführt worden kann, ist, dafs
der Gesnndgemachte Jesnm seinen Feinden als denjenigen
angebe, der ihm am Sabbat sein Bette sn tragen befohlen
habe C^* 1^* ^g^* ll^Oj ^^ ^^^^ ^^^ dann erklftren lasse,
wenn Jesus ihnr etwas Unwillkommenes erwiesen hatte«
Allein Jene Aneeige konnte er auch entweder in guter Mei-
nung maehen, wie der Blindgeborene (Job* 9, 11. 25.)»
oder wenigstens in der unschuldigen, den Vorwurf der
Sabbatsferletsung von sich auf einen Stfirkeren abauwäl-
nen '0* DwlCs der Mensch wit*klich lurank , nnd swar an
dnem langwierigen Ceb^l krank gewesen sei, gibt we-
nigstens der Evangelist als seine Ansicht, wenn er ihn als
xQiaxona xai oxtcj ett] EX(ay iv vfj dad'evein beseichnet (V. 5*);
wovon Paulus seine früher vorgetragene gewaltsame fir-
klfirung , nach welcher er die 38 Jahre anf das Lebens-
nlter, nicht auf die Krankheitsseit des Mannes bezog, neuer-
lieh selbst nicht mehr vertreten mag ^^. Unerklftrlich bliebe
16) Disc. 3.
17) FirLUSy €omm. 4, S. 263 ff. L. J. 1, «, S. 298 ff.
fS) s LUcKi und Tholuck z. d. St.
19) Vgl. mit Gomm. 4, S. ;290. das L. J. 1, a, S. 298
14a Zweiter Abächnitt.
bei Jener Ansichl von dein ^Vorfall aach, wa« Jeaa» bei I
einer spfiteren Begegnung an dem Geheilten aprach(V« 14):
tih ryujg yeyova^ fir^xhi a//a(/ray6,. ha firj xd^¥ %i am
yivr^tau Paulus selbst sieht sieb dnreh diese Worts ge«
nöthigt, ein wirkliches ^ nur onbedeatendes, DnwohkeiD
bei dem Menseben voransanseteen, d. h« das tlnanreieheode
seiner Grnndansicbt ?on dem Vorfall selbst einangesteheii;
so dufs wir also hier ein Wunder & und awar keines der
geringsten } behalten«
Was nun die historische Glaubwürdigkeit der Ersah-
long betrifft y so kann man es allerdings auffallend fiodes,
dars einer so grorsartigen Wohltbäligkeitsanstalt, wie Jo-
hannes Bethesda Iieschreibt^ weder Josephns noch die lUb-
binen Erwähnung thun^^); aumal, wenn die Volksoei-
nungan den Teich eine wunderbare Heilkraft knüpfte^')**
doch fahrt dlefs noch keine Entscheidung herbcL Daf^
in der Beschreibung des Teiches ein fabelhafter Volksglaobe
liegt y der vom ErsAhler gebilligt en werden scheint (weno
auch V. 4* unffcht wfire, was keineswegs entschiedeo ist ^^
so liegt eine ähnliche Voranssetsung doch schon in dem
raQaxOfj V. T.)» beweist gegen die Wahrheit der Ersib*
Inpg nichts; da auch ein Augensenge und Jfinger Jesu
den betreffenden Volksglauben gethellt haben iiann. 1^"^
nun aber ein seit 3S Jahren in der Art gelähmter MenA
dafs er aum Gehen ni\fahig auf einem Bette liegen mofste,
durch ein Wort eines, wie AusdrQcklich bemerkt wird,
ihm durchaus unbekannten Menschen in einem Aog«"'
blicke völlig wiederhergestellt worden sein soll : dlefs geb^
über alle andern evangelischen Heilangsgeschichteu äluiü-
20) Sondern erat christliche Schriftstcllpr (Eu«pb. und Hic»'»"^'
welche nach der Zerstörung Jerusalemt leicht irgend emcR
Teich jener Gegend als den unserer Stelle nelwien fconDic«
21) Britschkbidir, Frobab. S. 69.
22) t. Dl Wbtti 2. d. St.
Keonlet KapIteL $. !)7» 143
eher Art C^ie Inngwierigiiteii KranklielUamstünde bei den
Synoptikern tlnd ein swölfjfibrlger BJatflof« und die
aehtaehnjäbrige Verl&rffeininng , von weicher - go eb^n
die Bede wftr)^ eof bedenkliebe Welse hinaus. Zwar^
wenn nuin einaal Ein derartiges Uebel , ob auch yon kür»
mt'nT Dauer, auf die in den Evangelien 'angegebene Welse
ifSiT beilbar erkennt: so kann es willkfiriieh erscheinen,
eine andere übrigens gleichartige Hellnngsgescbichte, le-
digli^ nn des quantitativen Unterschieds der längeren
Dauer des Uebels willen eu verwM*fen: allein mit diesem
negativen Grunde gegen die geschichtliche Wahrscheinlich •
keit der Krufiblung trifft ein positiver ensammen, der den
Verdaeht der Erdichtung erregt. Gerade Jener schwierige
Zug mkt der Ifingeren Dauer der Krankheit nämlich ist es,
wodnreh sieh auch sonst das vierte Evangelium auf eine
Weise von dan Abrigen unterscheidet, die uns theils schon
aufgefallen Ist , theils noch auftauen wird. Wo die lete-
teren Blinde schlechthin haben , gibt Jenes einen BKndge«
borenen ; statt so eben Gestorbener Ififst es einen bereits
vier Tage Im Grabe Befindlichen von Jesu erweckt wer-
den; so hier, statt eines Paralytischen schlechtweg, einen
seit 98 Jahren Gelähmten : eine Steigerung des Wunder-
baren, welche, so durchgängig und so ohne Bestätigung
von Seiten der Synoptiker, wie sie ist, den Verdacht des
Gemaebten erregen muls. Das andere Elgenthümliche die-
ser firsählung swar, dafs Jesus ans der Menge von Kran-
ken, welche in den Hallen von Bethesda sich befanden,
nur diesen einsigen eur Heilung anserkor, hätte man nle-
nuds bedenklich finden sollen ^'3; da die Heilung dessen,
der am längsten krank lag, eur Verherrlichung der mes-
sianlschen Wunderkraft nicht nur besonders geeignet, son«
dem auch hinreichend war. Dennoch knüpft sich andrer«
seita eben auch an diesen Zug die Vermuthung eines un-
2») Wie Bissy L. J. V d2.
144
Zweiter Absohnicc.
gesohichtlichen Charakters der EfzShlun^. Anf i*iii&m gro*
fgon Schaaplatse der Krankheit, wo alle müglicbe Leiden-
de ausgestellt sind, tritt 4er grofse Wunderarzt Jesaa auf,
und wählt sich denjenigen, dar am bartnäckigaten leidet,
heraus, um durch Wiederherstellung dessell>en die glän-
sendste Probe seiner HeiÜLraft abanlegen : eine Celebrität|
OeiFentiichkeit und Crkundliobkeit, welche, wie wir schon
oben, bei der tiescbichte vom Blindgeborenen, wahrgenom-
men haben, der vierte Evangelist so gerne im Unterschie-
de von den ttbrigen den Hellangswondern Jesu verleiht.
Wäre diesem Verdachte in Betreff der vorliegenden Er-
sählung nachzugeben : so Heise sich annehmen , dafs dem
Evangelisten eine, obwohl ziemlich unbestimmte, Kunde
von dergleichen fleilangen Jesu, namentlich der des Pa-
ralytischen Matth» 9, 2 ff. paralL,- zugekommen gewesen
wäre; da der heilende Zuruf und der Erfolg der Heilung
hier bei Johannes fast wörtlich ebenso, wie dort nament-
lieh bei Markus, angegeben ist 2^). Auch davon, dafs in
der synoptischen Erzähluqg jene Hellung zugleich als ein
Act der Sündenvergebung erscheint, ist in der vorliegen-
den Johanneischen Geschichte noch eine Spar, indem Je»
sus , wie er dort den Kranken vor der Heilung mit einem
afpiwvTäl aoc ai a^uaQziai beruhigt , so hier nach der Hei-
lung ihn durch das f^jpUu afiaQrFavs x. r. iL verwarnt., lile
24) Marc. 2, 9.:
\t£ fgiy €vxo7t(are^oy j tinety
- — — ) ^yeiqe , aQor an tot
xQaßßaroy xm Tfe^avH^
10 5 — Jsyfiüf» OQor tqv x^fi^
ßarov aa xm vnaye elg tov
otxoy OB,
12 : XM T/Y^^^tj 9v9^taij xal Z()ag
TOT xQaßßarw t^l^tv evav"
r(ov Tidyruiy.
Joh. 5, 8:
f/fi^ft, a^ TOV x^ßßaror er«, xal
9 2 xal eu^ttüi iyh'tro vyt^i o
tey^^ümo;, xcu jy^ ror x^ßßaroi
avTH xai TtfotiTtätti.
Neontea Kapitel. $. DS« 145
80 aasgeflchmflckteHeilangsgeschicbte aber wurde zagleich
sar Sabbatheilong gemacht, weil das darin vorkommende
Gebeila, das Bette iiln wegzutragen, als der geeignetste Anlab
cm Vorwarf der Sabbaten theiligung erscheinen mochte *').
§. 98.
Todtcnerweckungcn. .
Drei Todtenerweckungen wissen die Evangelisten von
Jesu zu ersahlen , davon eine den ^drei Synoptikern ge-
Bieinschaftlich , eine dem Lukas, und eine dem Johannes
dgenthiimlicb ist.
Die gemeinsame ist diejenige, welche von Jesu an ei-
nem Hfidcben verrichtet worden, und in allen drei ße-
richten mit der Erzählung von der blutflfissigen Frau ver«
bonden ist (Matth. 9, 1$ f. 23 ->2& Marc. 5, 22 ff, Luc. S, 41 ff.)
In der näheren Bezeichnung des Mfidchens und ihres Va-
ters weichen die Synoptiker ab, indem Matthäus den Va-
ter, ohoe einen Namen su nennen, unbestimmt als uff^^ov
ägj die beiden andern aber als Synagogenvorsteher Na-
mens ^idstffog einffihren , und ebendieselben auch die Toch*
ter als BwölQährig, Lukas noch aufserdem als das einzige
Kind ihres Vaters, bestimmen, wovon Matthäus nichts
weifs. Bedeutender Ist die weitere Differenz, dafs nach
Matthins der Vater das Mädchen Jesu gleich Anfangs als
gestorben ankündigt, und ihre Wiederbelebung verlangt;
wälirend er nach den beiden andern sie noch lebend, ob-
wohl ^in den letzten ZQgen, verliels, um Jesum »ur Verhü«
tung ihres wirklichen Yodes herbeizuholen, und erst, wie
Jesus mit ihm auf dem Wege war, Leute aus seinem Hau*
se mit der Nachricht kqmmen, dafs das Mädchen indefs
gestorben, und nun jede weitere Bemühung Jesu vergeh-
lieh sei. Auch die Umstände bei der Wiederbelebung wer*
23) Vergl. die ähnliche Ansicht von Wiisss, 1. S. "128 ff.
J^as Leben Je^u o(c Aufl. U üund. *0
V
IM Zweiter Abschnilt.
den rerschledeo besehrieben, indem Matthfiua namentlich
davon niohti weiCs» dafs Jeaoa nach den beiden andern
Referenten nur den engsten Attssehnfs seiner Jfinger, den
Petrvs und die Zebedaiden, als Zeugen mitgenommen ha-
ben soll. Diese Abwetehungen hat b. B« Storr so bedeu-
tend gefunden, dafs er ewei versehiedene Fälle annahm.
In welohen unter fthnliehen Umstunden die Tochter das ei-
nemal eines weltlichen aQXfov CMatthäus), das anderemal
eines Synagogarohen Jairus (Markus und Lukas), vom To*
de erweckt worden sei ^). Dafs nun aber, was Store
noch dasn annimmt, und was auf diesem Standpunkt an-
genommen werden mufs, Jesus nicht blofs zweimal ein Mäd-
chen vom Tode erweckt, sondern auch beidemale unmittel-
bar vorher eine Frau vom Blutflusse geheilt haben soll, ist
ein Zusammentreffen, welches sich durch die vage Bemer-
kung STORR'd, es k5nnen sich bu verschiedenen Zeilen gar
wohl sehr ähnliche Dinge sotra^en, um nichts wahrschein-
licher wird. Mufs man somit einräumen , dafs die Evan-
gelisten nur Eine Begebenheit eraähleii, so sollte man doch
des weichlichen Bestrebens sich entschlagen, eine völlige
Ueboreinstimmung Ihrer Ersählongen heraussubringen. Denn
weder kann das aqri itüLsvtjyjs bat iMiatthäus, wie Kuiköl
wIllO» ^'^ moftt proxima belisen|2 noch läfst sich das
ioffionag b%u und duidvr^ince bei Markus und Lukas von
bereits erfolgtem Tode verstehen, nfimal bei beiden die
Todesnachricht dem Vater später als etwas Neues hinter-
bracht wird ")•
1) Ueber den Zweck des Evailg. und der Briefe Job. S. 351 IT.
2) €omm. in Matth. p. 263. Welche Argumentation: eerto
[NB. Matthaet]: «(in Irflturr^tt, non posrnni Udine reddi:
fam mtoNua est: nam, auetore (NB.] Luca, paM adkue
cum Christo coUoguenti nunüaöat aervu», fiüamjam exspi^
rosse, ergo [oMictore Matt haeof] nandum martuß erat,
cum pater ad Jesum acesderet,
3) Ver^l. über diese falschen Ausgleichungsversuche Schlbibr-
Neunles Kapitel. S« 96. 147
Bat daher die neuere KriHk mit Recht hier eine Ab*
weiehiing der Beriohte aagegeben : so findet sie die ge-
■seere Darsteilaog des Hergangs einstimmig aof Seiten der
lutderen SrangeÜsten ; sei es, dafs man mit Scbonnng des
Matthias in seiner Oaräteliong eine Abliflrsang fimdet, wie
sie aaoh ron einem Angenseugen veranstaltet sein liönn-
te % «^der dafs man diese mindere Genauigiieit als Zeichen
eines niebtapostoUsehen Drsprongs des ersten Brangeliuma
ansiebt *)• Dafs nim Marlins and Lahas den ven Matthloa
vertehwiegenen Namen des Bittstellers angeben, and aaoh
seinen Stand genaaer als Jener bestimmen, kann ebenso*
wähl B3 Dngansten , als , wie gewöhniioh , an Oonsten je*
OST beiden ausgelegt werden; da die namentliohe Beseich*
ning der Personen, wie sehön fipllber bemerkt, nieht sei*
len Zatliat der spSteren Sage ist, wie die blotflflssige Frau
erst in der Tradition eines JoIl Malaie Veronika *)^ daa
kananlisclie Weib erst in den Klementinen Justa heifst ^
und die beiden MltgekreuBigten Jesu erst im Erangelium
TÜDodemi Gestaa and Demas*). Das liovcymjs des La«
lus eiinebin dient nur, die Seene rührender au machen,
and das erotr iiid&ta könnte er und nach ihm Markus aas
der Bawhiehte der BlotflOssigen heranfgenommen liabea.
Ose Akwrfehnng , daft nach Matti^äus das Mädclien schon
AnCuige als gestorlNin , nach den beiden andern erst als
sterliend angekündigt wird , mfifste man sehr oberfläehlich
aagasehen haben , wenn man dieselbe nach unseMOi eige*
MACMsa, über den Lukas, S. 132. und Fritibcrb, in Matth«
p. 347 f.
4) OuuAutEKj ly S. 316.
5) ScHLBiBAMAcaimy a. a. O. S. 131 ff.; ScsuLty Über daa Abendm,
S. 316 f.
6) a. Fabmgios, Cod. apocr. N. T. 2, S. 440 ff.
7) Homil. 2, 19.
8) Cap. 10.
10*
148' Z wei ter A hechnitt.
nen Kanon zu Ungunsten des Matthftud unter dem Verwand
gebraueben eu können glaubte, dafs bei ihm das Wunder
vergrüfsert sei. Denn auch bei den l)eiden andern wird
hernach der Tod des Mädcliens gemeldet, und dafs er nach
Matthäus einige Augenblieice früher eingetreten sein mflfs-
te, kann keine Vergröfserung des Wunders beifsen. Um*
gekehrt mnfs man sagen , dafs. bei den beiden andern di0
Wundermaeht Jesn^ zwar nicht objectiv, wohl aber subjc*
ctiv gröfser, weil gesteigert d^rch den Contrast und *da<t
Unerwartete, erscheine* Dort, wo Jesus gleich Anfangs
am eine Todtenerweckung gebeten wird , leistet er nicht
mehr, als von ihm verlangt war: hier dagegen, wo er, nnr
um eine Krankenheilnng ersucht, eine Todtenerweckung voll-
bringt , thut er mehr als die Beiheiiigten bitten und vern
stehen; dort, wo das Vermögen, Todte zu erwecken, vom
Vater bei Jesu vorausgesetzt wird , ist das Ungemeine eines
solchen Vermögens noch nicht so hervorgehoben , als hier,
wo der Vater zunächst- nur das Vermögen, die Kranke sa
heilen, voraussetzt, und als der Tod eingetreten ist, Fon
jeder weiteren Hofinung abgemahnt wird* In der Art, wie
die Ankunft und das Verfahren Jesu im Leichenhause be-
schrieben wird, ist Matthäus bei seiner Kfirze wenigstens
klarer als die andern mit ihren weitläuftigen Berichten.
Denn dafs Jesus, im Hause angelangt, die bereits zur Lei-
che rersammelten Pfeifer sammt der übrigen Menge aas
dem Grunde weggewieseh'habe, weil es hier keine Leiche
geben werde, ist vollkommen verständlich; warum er aber
nach Markus und Lukas aufserdem auch seine Jünger bis
auf jene drei von dem vorzunehmenden Schauspiel ausge*
schlössen habän soll, davon ist ein Grund schwer einea-
sehen. Dafs eine gröfsere Anzahl von Zuschauern phy-
sisch oder psychologisch ein Hindernifs der Wiederbele-
bung gewesen wäre, kann man nur unter Voraussetzung
eines natürlichen * Hergangs sagen : war es ein Wunder ,
so könnte man den Grund jener Ausschliefsung nur in
^Mettotes KapileL ,§.98. 140
d«r mUid«rn Flh%[keit der AoBg^sschloaeeaen •achcD , wel-
cher aber eben doreh die Ansehaaang eines aolehen Won-
4ers Iifitte aufgeholfen werden «ollen. Vielmehr scheint
ei aaeh Allem , als bfitt^u die swei spftteren Synoptiker^
weiche aoeb im Gegensata .gegen. die Schlufsfovmel des Met*
thius, dals das ttertfcht von diesem fireignifs sich im
fMiaen Lande verbreitet habe, den Zeugen desselben von
Jesu das strengste Btillschwelgen auflegen lassen, den
Vorgang als ein Mysterinm betrachtet, an welchem aalser
den nfichsten Angehörigen nur der engste Ansschula dev
JGnger gesogen worden seL Vollends auf das voa Schuld
haraoagebobene, dafs, während MatthSns 'Jesnm das Mädf
ehea nur einfach liei der Hand nehmen Ififst,. Markus nnd
Lskaa nna die Worte, welche er dasn gesprochen, der er-
itere aogar In der Ursprache, au überliefern wissen, bann
eiitwe40P ^cin Gewicht gelegt werden, dder nur in entge*
geogeaetstem Sinne. Denn daüs Jesus, wenn er bei Aofer-
weeknng eines Msdchens etwas sprach , sieh ungefkbr der
Worte: 7/ naig ayeiQü, bedient haben werde, diefs konnte
wohl aaeh der vom Factum entfernteste Eraihler auf el«
geoe Hand sieh vorstellen; ond bei Markus gar das
Tfdt^ MSfii als Zeichen einer liesondars ursprttnglichen
Quelle, ans welcher der Evaogelist geschöpft habe, anse-'
beo, bellst das Niherliegende vergesaen, dats er es ebenso
leicht ans dem Griechischen seines Gewährsmanns über-
tragen ballen kann, um, wie bei Jenem iff(pai}aj dils geheim*
nifavolle Lebenswort in seiner ursprfinglichen fremden Spra-
che, also nur um so mysteriöser klingend, wiederaugeben.
fiema werden wir uns demnach dessen bescheiden, mit
ScHLKiERMACRKR'schem Scharfsinn auseumaohen , ob der ur-
spranglicbe Gewährsmann der Brafihlnng des Lukas einer
von den drei angelassenen JQngern gewesen, und ob der-
selbe, der B\e ursprQnglicb berichtete, sie auch niederge-
schrieben habe '^j ?
V
150 Zweiter Absohntci.
Id Besog nan aof den ForeasBaaetBendeii wirklieb«!
Hergang der Sache tritt die natttrliche Krklfirung hier
gans besonders snyeralobtlioh auf, Indem sie Jesa eigene
Versiohemng ffir sich an haben glaobt, dafs das MiEdehen
nicht wirldich todt sei^ sondern nnr in einem sohlafihnliehen
Zustande der Ohniäacht sich befinde; und nicht blofs entschie*
den rationalistische Ausleger, wie Paulus, oder balbratio«
naiistische, wie Schlbiermachbr, sondern auch entsehieden
supranaturallstisohe Theologen, wie Olshaüssn, glauben
um der beeelchneten Erklftrnng Jesu willen hier an keine
Todtenerweckung denken bu dfirfen '^. Der enletet ge-
nannte Erklfirer legt besonders auf dein tiegensats In der
Rede Jesu Gewleht, und meint, weil su dem &x ani&ai^e
noch das dXka yct^evdei gesetst sei, 'so könne der erstere
ÜLUsdruek nicht blofs so gefafst werden : sie ist nicht todt.
Indem ich den Vorsats habe, sie nnerwecken; — wundei*-
lieh, da doch dieser Znsatu gerade anzeigt, dafs sie nur
Insofern nicht gestorben sei, als Jesus sie bu M'weoken
vermöge. Man beruft sich femer auf die Erklftrung Jesv
über den LaBarusj^, JohJ li, 14., weiche mit ihrem: ^d-
^aQojs miiihxn, de« gerade (}egensatB bu unserem m mi-
SteP€ to xoqaüicfv sei. Aber vorher hatte Jesus doch aooh
von LaBarus gesagt} qvtti tj dad-ivBia ax e^t ngog d'dvcerw
CV. 4.)) ^^' Ad^tKQos 6 qilXog ^^wv xex(Jftrp:ai (V. 11.)?
also gauB dieselbe Lfiugnung- des Todes und Behauptung
eines blofsen Schlafe^, wie hier, und doch bei einem wiri^-
lich Gestorbenen. Gewifs hat demnach Fritzschb recht,
wenn er den Sinn der Worte Jesu In unserer Stelle so
10) Pauujs f eseg. Handb. , 1 , b , S. 526. 31 f. ;
a. a. 0. S. 132.; Olbhaussh, 1, S. 321 f Selbst Nbatcdsr
spricht sich nicht völlig entschieden gegen diese Deutung der
Worte Jesu aus; den Zustand des Mädchens selbst aber be-
treffend , findet er die Annahme eines Scheintodes wahr-
scheinlich. L. J. Chr. S. 543. vgl. 338 f.
Meonles Kapitel. $. 98.
151
angibt: puellam ne pro mortua kabetote, ied dormirc
, quippe In "»itarn, mox redüuram. Ohnehin,
weaa Matlhioa spSter (11, 5.) Jeüam sagen iäCsti vwQci
if^ffwzaij ao soheint er, der aonst keine Todtenerwecliang
aniUt j eben an diese gedacht haben an mttaaen *')•
Doch aneh abgesehen von der falschen Deutung der
Worte Jesu hat diese Erklärung noch manche andere
Sehwlerigkeittsn. Zwar, dafs sowohl an sich bei manchen
Krsakhfdten Zustände eintreten kdnnen, welche dem Tode
tiucbetid ähnlich sehen, als auch insbesondere bei dem
seUsehtea Znstand der Hellkunde unter den damaligen
Jadsu eine Ohnmacht leicht f flr wirklichen Tod genenunan
wttdeo konnte, lit nicht in Abrede an stellen. Nun aber
wsher aoU Jesus gewulst haben, dafs gerade bei diesem
JUldeiiM ein blolser Scheintod stattfand? Eraähite Ihm
sueh der Vater den Gang der Krankheit noch so genau;
j«, war er mit den Uoutänden des Mädchens vielieioht
vorher aehon bekannt , wie die natttrliebe Erklärung ror-
amaetst: immer firagt sich doch, wie er hierauf so Tief
bsasB konnte, um, ohne das Kind noch gesehen su habea^
im Widerspruche gegen die Versicherung der AugeHuen*
gm, es, nach der rationalistischen Deuhing seiner Worte,
bestimmt fttr nicht gestorben en ei4illrenf Diefs wäre
Veramasenbelt gewesen und Onklugheit' dacn, wenn nicht
anders Jesus auf flbematarliehem Wi^ Fon dem wahren
Thatbestande sichere Kenntnifs hatte ^^; womit aber der
Standpunkt der natürlichen ErkMrdlig verlassen wäre.
Nach Jesu Ankunft bei der angeblich' Bcheintodten aehiebt
non Paulus awischen ixQotJjae t^g x^'^QOS cnkr^ und ^iQ^rf
fo xoQdatoVf was, bei Matthäus schon enge genug verbun«
den, die l>eiden andern Evangelisten dnreh evS-icog and
11) VgL OS WbttBi ezeg. Handb., l, 1« S. 95.; Waisss, die sv>
Geschichte, 1, S. 503.
12; Vgl. NsuiusA^ L. J. Chr.; S. 542.
1.^ ' Zweiter Abschnitt.
naQoxQ^ffcc nooh fnfther easammenrficken, eine Jfiogere Zeit
der ärsstlicben Behandiong ein , und Vbnturini weifs. die
angewandten Mittel sogar im fiinfeeinen namhaft zu ma-
chen ^^). Mit Recht h.^lt gegen solche Willkfirlichkeiteo
Olshaüskn daran fest, dafs nach der Ansicht der Ersliii-
ier der belebende Ruf Jesn , nnd' wir können hinsuseteen,
(Ue Berfthmng/ seinej* mjit göttlicher Macht gerfisteten Hand,
das Medium der Erweckung des Mfidchens gewesen sei.
. Bei der dem Lukas eigenthfimlichen Erweckungsge*
eohichte (7, 11 ff.) fehlt der natörliohen Erklfiruog die
Handhabe, die in der «nletzt betrachteten der Aussprach
Jesn bot| in welchem er de^ wirklich e^rfolgten Tod des
Mädchens an Ifiugnen schien. Dennoch fassen die ratio-
nalistischen Ausleger Muth, und knüpfen ihre Hoffnongen
hauptsächlich daran, dafs Jesus V. 14. den im Sarge Ud-
genden Jüngling anredet: anreden aber, sagen siCi könne
man doch nicht einen Todten , sondern nnr einen solchen,
den man des Hörens fähig erkannt habe oder vermutbe ^^).
Allein dieser .Kanon würde auch beweisen , dafs die Tod-
ten alle, welche am Ende der Tage Christus auferweoken
wird, nur Soheiotodte ireien^ da sie sonst nioht, wie es
. doch ausdpflcklich heifst (Job. 5, 28. vgl. 1 Tliess: 4, 16.)i
seine Stimme hören könnten: fr würde also eq viel be^
ji^eisen. Allerdings mufs, wer angeredet wird, als hörend
und in gewissem Sinne lebend voransgesetst werden; aber
hier nur insofern, als die Stimme des Todtenerweckers
auch in erstorbene Dhren dringen kann. Nächstdem wer-
den wir zwar die Möglichkeit, däfs bei der jüdischen On*
Sitte, die Todten schon einige Stunden nach deren Ver*
scheiden an begraben , ' leicht ein blofs Sehelntodter sa
Grabe getragen werden konnte, ssugeben müssen ^0: alles
13) Natürliche Geschichte, 2, S. 212, .
14) Paulus, exc^. Uandb., J, b, S. 716. Anm. und 719 f-
t5) Ders. d. a. 0. S. 723 Vgl »js Wette , cxcg. Unndh. , 1, 2;
M • u n tes ümfi ieL $. 98. 153
Wetter» afair 9 wodvroh man eo^seffven 'sucht, dufs diese
Wildheit hier Wirkliobkeit gewesen, ist eiil Gewebe
f«e Erdichtungen. Um sa erklfiren, wie Jesus, anch ohne
den VorsatB, hier ein Wnnder 2u than , sich mit deip Lei-
plMDsuge einlassen, wie er aof die Vermuthung, der bu
Begrabende möchte vielleicht nicht wirklich, todt sein,
ftosinen konnte, wird suerst fingirt, die beiden Zfige, der
Leichensog nnd der Zag der Begleiter Jesn, seien g^ade
eatep dem Stadtthor sasammengetroifen, und da sie einen*
der den Weg sperrten , eine Weile aufgehalten worden :
gendesu gegen den Text, der erst, als Jesus den Sarg
sn&ilste, die Träger stillestehen Ififst. Durch die Ersfih-
bmg der näheren Umstände des Todesfalles , die er sich
wahrend des Stillstands habe geben lassen, gerührt, sei
Ben Jeeus so der Mutter getreten, nnd habe, ohne Bezug
auf eine su vollbringende Todtenerweckung , rein nur als
tröstenden Zuspruch, die Worte: ft^ xla^Bj su ihr gespro-
eben ^^). Allein was wäre doch das fiQr ein leerer, an-
lujsender Tröster, welcher einer Mutter, die ihren einsi-
}rsa Sohn begräbt, nur geradezu das Weinen verbieten
wollte, ohne weder reale Hfilfe durch Wiederbelebung -des
tiestorbslien , noch ideale durch ausgesuchte Trostgrtinde
ihr ze bietend Das Letztere thut nun !esus nicht: soll
er also nicht ganz unzart aufgetreten sein, so^muis er das
Erstere im Sinne gehabt haben, und dazu macht er auch
alle Anstalt, indem er absichtlich den Sarg anhält und die
Träger zum Stehen bringt. Vor dem erweckenden Rufe
Jesu schiebt nun die natörliohe Erklärung den Umstand
ein, dafs Jesus an dem jQngling irgend ein Lebenszeichen
bemerkt, und auf dieses hin entweder unmittelbar, oder
nach vorgängiger Anwendung von Medicamenten '^9 j®'*^
Worte gesprochen habe, welche ihn vollends erwecklen
16) So auch HAb£, L. J., §. 87-
r> V^vriRwi, 2, S. 295.
154 Zweiler Äbnohnitt.
halfen. Allein abgesehen daron , daft Jene Zwlsehenmo-
mente In den Text nar eingeschoben sind, und da« starke:
vBovlanBj aoL XiyiOj iyiQO-t/i^i^ eher dem Maohtbefebl eines
Wanderthäters als dem Belebungsversnch eines Arztes
Ahnlich sieht: wie lionnte Jesns^ wenn er sich bewofsk
war, den Jfingling als lebenden schon angetroffen, nicht
selbst erst ihn vom Tode cnrflckgerofen an haben, mit
gotem Gewissen die Lobpreisungen hinnehmen , welohe
dem Bericht safulge die aasehauende Menge dieser Thak
wegen ihm als grofsem Propheten sollte? Naeh Paulos
war er selber ungewils, wie er den Erfolg ansusehen
habe ; aber eben wenn er nicht ilberseagt war, den Erfolg
sich selber anschreiben eu dürfen, so «rwucbs ihm die
Pflicht, alles Lob in Besug auf denselben absulehnen, ond
er liommt, wenn er diefs nicht that, In ein aweidentiges
Licht, in welchem er naeh der ttbrigen eTangelisohen tie-
schichte, sofern sie unbefangen aufgefafst wird, keines-
wegs steht. Auch hier also mfissen wir anerkennen, dsfs
der Evangelist uns eine wunderbare Todten«rweckttng er-
säblen will, und dafs nach ihm auch Jesus aeioo That als
ein Wunder angesehen haben mufs'^.
Je weniger bei der dritten Todtenerweekungsgescbicb-
te, welche denv Johanneisohen Evangelium (Kap.. 11.) ei*
genthOmlich ist, weil wir an Lasarns, kdnen elien Gestor-
benen , oder auf dem Weg unm Grabe Befindlichen , son-
dern einen schon mehrere Tage Begrabenen vor uns ha-
llen, an eine natürliche Erklfimng gedacht werden au köa-
nen scheint: desto künstlicher und ausführliober bat sie
sich gerade in Beang auf diese Ersfthlung ausgebildet. Dod
Bwar ist hier neben der streng und consequent rationali>
stischen Auslegungsweise, welche den evangelischen Be-
richt durchaus als geschichtlich festhaltend, alle Theile
desselben natürlich au deuten sich anheischig macht, auch
i8) Vgl. ScaLSiaJiMACUSKy a. a. 0. S. 103 f*
N^ttolet KupitaL {• 98. 15&
noeb jene andere aafgetreten , welche einselne Züge des
Rcriebtfl als solche aossoheidet, die erst nach dem Erfolg
hlBBagesetat seien, womit also schon ein Schritt In die
■lythisebe Erklärung hinäber gemacht worden ist.
Attf die nfimlieheh Prtmissen wie bei der rorigen
Entiftlong gestatst, dab sowohl an sicti als wegen der JO-
diiebeo Sitten ein Begrabener wohl nach riertJIgigem Auf-
enfbalft In einer Felsengmft wieder snm Leben habe kom-
men können — eine Möglichkeit, die wir als solche auch
Msr nicht bestreiten «— , beginnt die natOrliohe Krklfining *')
mit der Voransse|snng, die wir vielleicht schon nicht mehr
ebenso passiren lassen sollten , dafs bei dem Boten , den
ihm «lie Sehwestem mit der Rrankheitsnachiicht sandten,
Jesnn sieh genan nach den Umständen der Krankheit er»
faindigt beben werde; nnd nnn soll die Antwort, welche
€r daaa Boten gab (V. 4*): aStfi 17 da&lvBia ex $gi nQog
^awcegaat jr. t. iL, ebenso nnr als Scblnfs ans den von dem
Boten eingesogenen Nachrichten seine UberEeugong an»-
dHlclLen, dafs die Krankheit nicht tddtlich sei« Mit einer
•olehen Ansicht ron dem Zustande des Freundes wttrde ak
lerdings das anf s Beste snsammenstimmen, dafs Jesus naeb
erhaltener Botsebafifc noch swei Tage in Peria blieb (V.6.);
lodeas er nach jener Voraussetsung seine Anwesenheit in
Bethanien fflr nicht so dringend nothwendig erachten konnte.
Mnn aber, wie kommt es, dafs er nach Abflnfs dieser nwei
Tage nieht nur entschlossen ist, dahin en reiseii (V. 8.))
Sendern auch von dem Znstande des Lasams eine gann
andre Anfticht, ja die bestimmte Kunde von seinem Tode
hat, weichen er' den Jüngern soerst verbiflmt (¥• 11.),
dann offen (V. 14.) ankttndigt? Hier erhält die beseich-
nete Erklärongsart einen bedeutenden Rifs, den sie durch
die Fiction eines a weiten Boten ^), welcher nach Verflnls
19) PiCLOs, Conun. 4, S. 5S5 ff. L. J. 1, b^ S. 53 ff*
20) Im L. J. '2, 1) (TcitüLcrsctzung) , S. 46. scheinen gar nach
156 Z VI oiler Äbbtiliniit.
der zwei Tage Jesn dio Nachricht von des Laearot' Indefs
erfolgtem Ableben gebracht habe, nur am ao aoffallendev
macht. Denn von einem sweiten Boten kann wenigstens
der Verfasser des Evangeliums nichts gewulst haben, sonst
mflfste er seiner Erwähnung thun, da die Verschweignng
desselben der ganeen Erzählung einen andern Schein gibt,
den nämlich I dafs Jesus auf wunderbare Weise von dem
.Tode des Lazarus Kenntnifs gehabt habe. Dafs sofort
Jesus, als er entschlossen war, nach Bethanien zu reisen,
KU den Jüngern sagte , er wolle den eingeschlummerten
Lazarus aufwecken ixexoiii7/Fai — t^v:wle,(a — V. 11.))
wird auf diesem Standpunkte so erklärt, Jesus mtfsie aus
den Nachrichten des Boten , der den Tod des Laearus
meldete, irgendwie abgenommea haben , dais derselbe nur
In einem soporösen Zustande sich befinde. Allein hier so
wenig als oben können wir Jesu die unkluge Vermessen-
heit zutrauen, ehe er noch den angeblich Verstorbenen
gesehen hatte, die bestimmte Versicherung zu geben, dafs
er noch lebe ^0* Auch das hat auf diesem ^Standpunkte
•eine Schwierigkeit, da(s Jesu^ zu seinen Jüngern (V. 15.)
sagt, er freue sieh um ihretwillen , vor und bei des Laza-
rus Tode nicht zugegen gewesen zu sein, iva mgevöijii*
Die pAüLUs'sche Erklärung dieser VITorte , ab ob Jesos
gefürchtet hätte, der in seiner Gegenwart erfolgte Tod
hätte sie im Glauben an ihn wankend machen können, hat
nicht allein das von Gabler Bemerkte gegen sieb, dafs
nicevü) nicht geradezu nur das Negative: den Glanbeo
nicht verlieren, bedeuten kann, was vielmehr durch eine
Pbrasis, wie : Hva ^ij txhiTif} jy mgig vfiwvy C^. Luc- 22, 32.)
der im Evangelium erwähnten Sendung noch drei weitere
vorausgesetzt zu werden.
21) Vgl. C. Ch. FLATT,^et^a» zur Verlhoidigung des VVunJtii
der Wiederbelebung des Luzaiub, in SI'muad s Mü^iizin^ I<4tr«
3hii k , S. 93 ff. '
/
Neontet KapUel. $. 09. 157
1
«Qsgedrllekt sein mül^te^j; sondern es ist aach nirgends-
lier eine solche Vorstellung der Jfinger von Jesa als dem
Messias nachcoweisen , mit weAßber das Sterben eines
Maschen , oder nSher eines Freundes ^ in seiner Gegen* '
Wirt anvertriglieh gewesen wfire.
Von Jesn Anliunft tn Bethanien an wird die erange-
lisehe ErcShlnng der natürlichen Erklürung etwas gflnsti-
gM*. Zwar die Anrede der Martha /an ihn (V. 21 f.): wS-
re er EOgegen gewesen, so wflrde ihr Bruder nicht gestor*
bw sein : ixXXd. xtri vvv otda , ort , oaa av cun^ari rov S-eov,
<Wci am 6 O-eog'j scheint unverkennbar äie Hoffnung aus*
nipeben, dafs Jesus auch den schon Gestorlienen in das
Le^ suröckeurnfen vermöge ; allein dafs sie auf die foU
genile Zosicherung Jesu; avucijaeToi 6 adskq^^og os, klein-
müthig enriedert : ja, am jfingsten Tage (V. 24. )j thnt al-
lerdings einer £rklfirnng Vorschub, welche nun rfickwärta
taeh der obigen Äufserung d^r Martha CV»22.) den unbe-
itiamten Sinn unterlegt , selbst JetEt noch , unerachtet er
ibren Bruder nicht bei'm Leben erhalten habe, glaube sie
»Jemm als an denjenigen, welcbem Gott Alles, was er
Utte^gewftbre, d. h. als den Liebling der Gottheit, den a
Hesiitt. Allein nicht nigsvio sagte Martha dort, sondern
adffyUad die Wendung: ich weifs, dals das und das ge«
leAiebt, wenn du nur willst, ist eine gewöhnllohe indireote
Föns der Bitte, und hier um so unverkennbarer, da der
fegenstand der Bitte ans dem vorausgeschickten Gegensätze
^in klar wird y dafs Martha sagen will : den Tod des
Binders ewar hast du nicht verhindert; aber auch jetst ist
o nach nicht su spät, sondern auf deine Bitte 'wird ihn
Sott dir und uns wieder schien ken. £in Wechsel der Stim-
mig, wie er dann in Martha angenommen werden mnfs,
22) GiBum's Journal für auserlesene theol, Literatur ,3,2,
S. 261. Anm. /
136 Zvreiter Abschnlie.
deren kaum geftafiierte Hoffnang In der ErwiodeiMing V 24.
bereits wieder erloschen ist, kann bei einem Weibe, wel*
ohes hier and sonst als von sehr beweglioher Nator sich
selgt^' nicht en sehr l>efrenideny ond wird in unserem Falk
durch die Form der vorangegangenen Zusicherung Jesn
(V. 230 hinlfinglich erklärt. Auf ihre indirecte Bitte nISm-
lieh hatte Martha eine bestimmte gewährende Zusage et-
wartet ; da non Jesus nur gane allgemein und mit einem
Ausdruck antwortet, welchen man auf die Anferstehang
am Ende der Dinge bu beviehen gewohnt Vfar (jdvagijctraiyi
so gibt sib halb empfindlich halb kleinmüthig Jene Erwiede-
rung ^^> Eben jene so allgemein lautende Aeafserung Je-
su aber, so wie die noch unbestimmteren, V> 25 f: i^*(i
et fit 7] aragaatg x. t. A., glaubt man nun rationalistischer*
seits dahin deuten eu können , Jesus selbst sei von der Er-
wartung eines aufserordentlichen Erfolgs noeh entfernt ge
wesen , defswegen tröste er die Martha blofs mit der allge-
meinen HoflFnong, dals er, der Messiiis, den an ihn Gläu-
bigen die einstige Auferstehung und ein seliges Leiien ver-
aehaffen werde. Da Jedoch Jesus oben (V* 11.) mia seinen
JAngem Euversichtlich von einem "Aufwecken des liasanis
gesprochen hatte, so mfifste er indessen umgestimmt wor-
den sein ; woen kein AnlaTs an finden ist, Ancb beruft
sich Jesus V« 40, wo er im Begriff, sur Erwecknng des
Laaams bu schreiten^, bu Martha sagt: «k elnw aoe, oii
iav nicevojjgy otf/ei rr^v do^av ta -d^eS; offenbar auf V. . 2^
in welchem er also schon die vorannehmende Wiederbele-
bung vorhergesagt haben will. Dafs er diese nicht be-
stimmter bcBeichnet , und das kaum gegebene Versprechen
in BcEug aäf den aäelg>6s V. 25. f. wieder in allgemeine
Verheifsungen fflr den ni^^vanf überhaupt verhallt, ge-
23) Flatt, a. a. O. S. 102 f.; »i Wstrs z. d. St. > Nbai^dbh^
S. 351 f.
Neotites KapileL f. 98. ISt
schiebt absichtlich , um den Glauben der Martha su prU-
fto , und ihren Gesichtslireia eu erweitern '^)«
Wie DUQ Maria mit Begleitung hernntkomnt ) «nd
durch ihr Weinen auch Jesus bis au Thronen ersehOttert
urird y das Ist ein Punkt , auf welohen sich die Datflrlichc
ErkUruDg mit liesonderer Zuversicht beruft und Iragt^ ob
iesas, wenn ihm die Wiederbelebung des Freuildes jetat
lebon gewifs gewesen wäre, nicht vielmehr mit der innig»
tten Frende sich seiner Gruft genähert haben würde, ans
der er ihn im nficbsten Augenbliclie lebend wieder hervor-
mfen bo können sieb bewufst war! Hiebei wird dann daa
inßQiurfiaro (V. 33.) und ijjßQifid^evoi; CV« 38.) von ge-
waltsamem Zurückdrängen des Scbmersens über den Tod
des Preondes verstanden , der sieh hierauf in deni eddxQv-
aew Loft gemacht habe. Allein sowohl nach der Etymolo-
gie, nach welcher es fremere m aliqnem oder i» se heifst,
als naeh der Analogie des M* T. liehen Sprachgebrauchs, wo
es Matth. 9 , 30. Marc. 1 , 43. 14, 5. Immer /nur im Sinne
imcrepare aliquem vorkommt, beeeichnet efißQiftaad^ak
Bewegung des Zorns, nicht des Scbmersens, und awar
miiste ea hier, wo.es nicht mit dem Dativ einer andern
Pcnea, sondern mit %if wftvfum mod er eavttf verbanden
hi^ von einem atiUen, verhaltenen Onwillen verstanden wer*
den. In diesem Sinne würde es V» 38, wo es num swel-
tanmale vorkommt, gans wohl passen ; denn in der voran*
gegangenen Aenfsernng der Juden: «x r^diißaxo SroSj o
c9ol^<iQ%sg ofpd-aXfiHQ tS TvqfJiSf noiijaai tva xal oros pt^
axo9awT}; liegt Jedenfalls ein axceySaXl^ead-aif indem Jesu
frühere Thai sie an seinem Jetaigen Benehmen, und dieses
hinwiedenim an Jener, irre machte* Wo aber das erstemal
von einem efißQifiäaO'ai die Rede ist, V. 33, scheint awar
das allgemeine Weinen Jesnm eher su einer wehmüthigen
•iM unwilligen Bewegung haben veranlassen an ktfnnen:
4
24} Flatt, a. a. O. ; LuckI; Tholvch und di Warn i. d. St.
JCO Zweiter Absohiiitc.
«
doch war auch hier eine' starke Miräbilligang der slcheei-
genden ollyottigla möglioh. Data hierauf Josas selbst in
Thronen ausbrach, beweist nar, dafs sein Unwille fiber
die yevm uTtigog um ihn her sich in Wehmutb auflöste,
nicht aber, dafs Wehmuth von Anfang an seine Gmpfin-
dcng war. Endlich, dafs die Juden (V. S6.) in Beeng auf
die Thrünen Jesu untereinander sagten:* ide, TTcig e(fllfi
avzov, diefs scheint eher gcj^en als f0r diejenigen bu sprühen,
welche die Gemüthsbewegung Jesu als Schmerz über den Tod
des Frenndes^und Mitgeffihl mit dessen Schwestern betracb-
ten ; da , wie der Charakter der jobanneiscRen Darstellung
Oberhaupt eher einen Gegensatz zwischen dem wirklifben
Sinne des Benehmens Jesu und der Art, wie die Zuschauer e«
auffafsten, erwarten läfsti so insbeeondere ot ^lüätdoi in die*
sem Evangelium sonst immer diejenigen sind, welche Jeso
Worte und Thaten theils mifsverstehen , th^ls mifsdeuten.
Man beruft sich freilich noch auf den sonst so milden Charak»
ter Jesu, welchem die Härte nicht angemessen sei, mit wel-
cher er hier der Maria und den Uebrigen ihr so natOrlicbei
IVeinen übelgenommen haben müfste ^^) : allein dem joi^anoei*
sehen Christus ist eine solche Denkweise keineswegs fremd.
Derjenige, welcher dem ßaailixog, der ihm mit der anve^
finglicben JUtte» zur Heilung seines Sohnes in sein Haoi
BU kommoo» entgegentrat, den Verweis gab : iav fifj Grftm
rMi zeQixza tdrjiey ö ^ nigeiat^re (4, 48.); der die Jün*
ger, welche sich an der harten Rede des 6ten Kapitel«
gestofsen hatten , so schneidend mit einem zäro vf^ag oy.av
dulii^ei; und ^ttj y,ai vfisJg Stiere vTiayeiv; anliefe (6, 61«
67.) ; der seine eigene Mutter, als sie bei der Hochzeit co
Kana ihm den Weinmangel klagte, durch das harte: li
ifiol yal coij yhfxi; abwies (2, 4.); der also jedesmal dann
am unwilligsten wurde^ wenn Menschen, sein höheres Tliun
25) LüCKB, 2, S. 388.
NeoDles KapiteL f. 08. 161
aad Benken jafeht begreifepid, «ich U^nnilUifg oder ra-
driBgiieh «eigten: der war hier geoc besonders bo ähnli-r
eben UawiUeo vemniefit. , Ist bei dieser firklärnng der
Stelle von einem Sebmer« Jeea Ober den Tod de« Latariui
pr nicht die Bede, so fällt ench die HOlfe weg, welcbe
die eatärlicbe Brklärnng des gennfn Hergangs in diesem
Zagfi nv .finden glaubt ; indels äneh bei der anderen üea«
taug Ififst sieh die angenbliokiiobe Rlibrnng durch dae Mit«
gefOhl mit , den Weinenden gar wohl mit der Voranssicbt
der Wiedertielebung vereinigen ^^). Und wie hätten sich
auch die Worte der Juden V« 37. nach der Behauptung
natfirlicher Erklärer geeignet, die Hoffnung, d«(s Gott auch
jeCit vielleicht etwas Ansaeicbnendes ftr ihn thun werde,
la Jesa nnerst anzuregen ? ' JNlcht die Hoff^nnng , dafs er
den Todten wiedererwecken kOo^e, sondern nur die Ver»
authiiDg, dafs er vielleicht den Kranken am Leben sn er-
kalten im Stande gewesen wäre, sprachen ja die Juden
aas; es hatte also schon früher Martha durch die Aenfse-
mg, dala auoh jetst noch der Vater ihm gewähren werde,
wss er bitte, mehr gesagt: so dais, wenn dergleichen
Hsfibangen erst von anisen in Jesu angeregt wurden, die-
flclban sehen frtther angeregt sein mufsten, und nament-
lich for jenem Weinen Jesu, anf welches man sich dafHr,
dals sie noch nicht angeregt gewesen, au berufen pflegt.
Dafs die Aeufserung der Martfia, als Jesus den Stein
vom fSmbe eu nehmen befiehlt :,.iCi^<€, ^dtj ii^ei (V.Bd.),
filr die wirklich schon eingetretene Verwesung und also
gegen die BIdglichkeit einer .natürlichen Wiederbelebung
niebts beweise^ da sie aneh.UoiiB^r.Schlors ans dem rercr^-
täios Min kann , ist ancti <roa sttpvanatumlistischen Ans«
legern «ingeeänrnt wprde|k F).' JUeriinf aber die Worte,
mit welchen Jesus, diesBinredA der Martha ablehnend,
26) Flatt, a. a. O. S. 104 f. ; Lvckk, a. a. O.
27) Flatt, S. 106 ; Olshavssn y 2, S. 269 (2te Auflage).
Ikis Leben Jesu ^te Aufl. //. Band. 11
16i . Zweiler ftbBohnitt.
aaf der Oeffnung des ftvr^fmo» besteht (V. 40.) : dab sie,
weno sie nar gliiabe, rrpf do^osp i;h &e5 sehen werde; wie
konnte er diese aasspredhen, wenn er sich setner Macht,
den Lasams au erwecken, nioht anf s Bestimmteste bewofst
war? Nach Paulus sagte Jener Anssprueh nttr allgemein,
dafs der Vertranensvotle anf irgend eine Weise eine herr-
liehe Aenfserung der Gottheit erlebe. Allein welche herr>
liehe Aenfsernng der Gottheit war denn hier, bei Erftffnang
der Gruft eines seit vier Tagen Begrabenen , zn erleben,
wenn nicht die , dafs er anferweckt werden solltet und
im Gegensatee vollends gegen die Versicherung der Marths,
dafs den Braddi* bereits die Verwesung ergrilFen haben müs-
se, was können jene Worte fttr einen Sinn haben, aIs,
hier sei der Mann, der Verwesung eu wehren? Um aber
gans sicher an erfahren , was die io^a tS d-eö in unserer
Stelle sagen will, darf man nur auf V. 4. cnrttekseheit,
wo Jesus gesagt hatte, die Krankbdt des Laeams sei nicht
ftQog d'avcniavj sondern vneQ tjjg do^tjg tö &eSy x. t. L
Hier erhellt doch wohl aus dem Gegensats : nicht cum To«
de, unabweisbar, dafs die do^a t« d'es die Verherrlichung
Gottes durch das Leben , also, sofern er jetst bereits toiit
war, durch die Wiederbelebung des Laearas bedeutet;
eine Hoffnung, welche Jesus gerade im entscheidendsten
Augenblicke nicht anauregen wsgen konnte, ohne eine bö*
here Gewifsheit au haben, dafs sie in ErfttUung gehen wer*
de*^). Dafs er sofort nach Eröffnung der Grnft, noch
ehe er dem Todten das devQO e^oi! angerufen, bereits dem
Vater f&r die Erhörung seiner Bitte dankt , dtefs wird vom
Standpunkte der natfirlichen Eirüttrung als der klarste Be«
web daffir angeführt, dsfa 4r den Lazarus taicht durch je-
nes Wort erst in das Leben gerufen, sondern beim Hinein«
lüick in die Gruft ihn bereits wiederbelebt gefunden habe»'
mfisse. Ein solches Argument sollte man von Kennern des
28) KLAtT, S. 97 f.
f(eiinl«ft Kapitel. (. f^. 16S
johanoriseliMi ETangellam« In der Thal nicht erwarten«
WiegowShnlieh lat et dieaeai nieht, •• B. in dem AoMpraehe:
ilk^aaSi^ o viog r. a«, das erst noch Bevoratehende nnd nur
ent Angelegte als bereits Verwirklichtes daraasteUen; wie
jMssend war ea namentlich hier, die Gewilsheit der BrIUl-
rvag dadarch herYorsnheben , dafs sie als bereits gesohe*
hsne beneiehaet wurde! Und welcher Fictieaen liedarf ea
■an ferner, nm au eriilKren, theils wie Jesus das in den
•carflclKgekehrte Leben bemerken, theils wie dieser
Bom Leben gelangt sein konnte! Zwischen dem Weg-
nd»ea des Steins, sagt PAULua, und Jesu Dankgebet liegt
der Moment des überraschenden Erfolgs ;' damals mnfs Ji^
HS, noeh um einige Schritte entfernt, den Lasarns als ei<*
asa Labenden erkannt haben. Woran? mflssen wir fra»
gm, ond wie so schnell nnd sieher? nnd warum nur er
and Niemand aonst? Erkannt m^ge er ihn haben an Be-
wegangen, vermathet man* Al>er wie leicht konnte er
lieb bierin^ tXnschen bei einem in dunkler Felsengmft iie-
gmdon Todten; wie voreilig, wenn er, ohne erst genaoer
aatersaeht au haben, so schnell und bestimmt die Über-
aengaag, dafs er lebe, aassprach I Oder, wenn die Bewe-
gangea des Todtgegia übten stark und unverkennbar waren,
wie koanten sie den Umstehenden entgehen? Endlich, wie
koaata Jesus in seinem Gebete das bevorstehende Erelgnifs
als Erkennangsaeichen seiner göttlichen Sendung darsteU
iea, wenn er' sich bewuCst war, die Wiederbelebnng des
Lasams nicht bewirkt, sondern nur entdeckt au haben?
Pflr die natürliche Möglichkeit eines Wiederauflebens des
sehen Begrabenen wird unsere Unkenntnils der näheren Um-
stSnde seines rermeintlichen Todes, das schnelle Begraben
bei den Juden, hierauf die kühle Gruft, die stark duften«
den Specereien, und endlich der warme Lufteug angeführt,
welcher mit der Abwfilaung des. Steins belebend in diamraft
strömte. Alle diese Umstünde jedoeh führen niehl über den
niedrigsten Grad der Möglichkeit, welcher der höchsten
II*
164 Zweiter Absehniec.
UnwahrschelnlicIikeU gieioh ist, hinaus; WMbtr liatiD die
Oewibbeit, mit weleher Jesoa den Brfolg voraa«?erbün-
digt , unvereinbar bleiben mufs ^').
Eben diese bestimmten Vorhersagen, als das fladptbin-
dernifs einer natttrlichen ErklSmng dieses Abschnitts, sind
es daher, welche man, noch vom rationalistiscben Stand-
'pnnkt ans, durch die Annahme su beseitigen suchte, daf«
«ie nicht von Jesu selbst herrllhi'en , sondern ex eventn
vom Referenten binangefügt sein mögen. Paulos selbst fand
wenigstens das i^x-Twlaw avrov (V. 11.) gar zu Itestlamt,
und wagte daher die Vermuthung, dafs der ErcXhler nack
dem Erfolge ein milderndes Vielleicht, das Jesua hinzage-
setet hatte, weggelassen habe ^. Diese Auskimflfc hat
Gablch in erweiterte Anwendung gebracht« Nicht blob
ttber den beseichneten Ausspruch theilt er die PAULUs'scbe
Vermuthung, sondern schon V.4. ist er geneigt, das vnifi
%^g do^ijg TS d'eö nur auf Rechnung des Evangelisten a«
schreiben ; elienso V« 15., bei dem xalq(a dC vftag^ Hva nicfi^
isrjcBj Oll ax WV^ ^ttty vermothet er eine kleine, von Jo-
hannes nach dem Erfohg angebrachte Verstfirkung; endlich
«uch bei den Worten der Martha, V. 22: diXamatrh
oida K. T. h. gibt er dem Gedanken an einen eigenen Zu-
aats des Berichterstatters Raum'^). Durch diese Wendsng
bat die natürliche Aoslegungsweise selbst sich als unfthig
bekannt , ffir sich allein mit der Johanneischen Ersählang
29) Vgl« auch hierüber vorzüglich Flatt und Lücxs.
50) So im Gomme&tar, 4, S. 537 \ im L. J. 1, b, S. 57 » und 2,
b, S. 46. wird diese Vermuthang nicht mehr angewendet.
51) a. a. Q. S. 272 ff. Auch Nsakdsr zeigt «ich fUr V. 4. einer
solchen Vermuthung nicht abgeneigt, S. 349. Wie Gabuck
diese Aeusierungen nicht von Jesu, sondern nur yon Jo-
hannes, so glaubte sie Dibffskbach, in Bsrtholdt'8 Krit. Jour-
nal, 5 , S. 7 ff. , auch nicht v<on Johannes ableiten zn k'ön-
nenr, And' da* ^«f* das übrige EVangeHum für johanneisch hielt,
so erMdete. er jene Stelien für Interpolationen.
)
Neonles Kapitel. $. )m. 165
fiif ligJt fTtden. Denn weon aie) am sieh andenalbeD gel-
lend oMielien m lU^aneB^ mehrere, gerade dar beseiehnend-
Um SteiJea eeemersen mufs , so gesteht ele damit eb^n,
deb die. Kreghlung, so wie sie verliegt , eine natttriiehe
ilMit«0g Hiebt. Mlifst. Zwar sind die Steilen, deren Un-
fwtrigliehheit mit der ratlonalistisohto ErkUnuigsart dnroh
Aesaeheldnog deniellien eingestanden wird, sehr sparsam
gswSbit} allei» aus der obigen üarstellnng erbellt, dab,
imllte aMn'<aUe in diesem Absehnitt verkommende Zfige,
ndeha dsir i^ttflrliohen Ansicht vom gannen Hergang wi-
^stMftihnii , md{ Rechnvnf des Evangelisten sehreiben » am
Knde mmt nieht gar Alles , was hier verbandelt wird , ala
spMsr» Srdiehtnng angesehen werden mllfste» Hiemil^ ist,
isas M den früher betraebteten nwei Berichten von Tod-
Isnerweeliengea wir gethan haben, bei der letsiten nml
merkwürdigsten Oeschiehte dieser Art von den verschiede-
nem nof einander gefolgten Erklimngsversnohen selbst voll*
aege« worden, nfimlieh die Sache anf die Alternative an
irtibiiH» dafs man von der evangelischen Brnfihlnng entwe*
der den Hergang als ftbematürliehen hinnehmen, oder, vrenn
man üin ala solchen nnglanblich findet, den historischen
Chsfikter der Ersiblnug liingoen mols«
Vm in diesem Dilemma für alle drei hiehergehürige
Braihhingen eine Eatseheidong an finden, müssen wir anf
dsn e^entbündlchen Charakter derfenigen Art von IVundem
BirüekgelMn, welche wir hier vor ans haben. Wir sind
Ms Jetnt durch eine Stufenleiter des Wnnderbaren aufge*
stiegen« Zoerst Uellnngon von OelsteslMranken ; dann von
•llsn Arten leiblich Kraiiber , deren Organismus aber doch
socb nicht bis cum Entweichen des Geistes und Lebena
ssirüttet war; nunmehr die Wiederbelebung solcher Kör*
per, ans welchen das iicben bereits geflohen ist. Dieser
KÜSMX des Wunderbaren ist sogleich eine Stufenreihe des
(iodenkbaren. Das nümlioh haben wir uns awar etwa noch
lorstellcn können^ wie eine geistige Störung, bei welcher
166 Zweiter Abtohaitc
voo den kdrperilAheii Organeo nar des dem GebCe mMtiist
nngrehörige Nevrensystem «ieh angegriffen v^le, ämtk tbeili
auf dem geistigen Wege des blorsen WorSes, Aabllcki,
fSindmeln Jfsn, thells dareh magoetiscbe BitmAknng auf
die kraniLeji Nerven, gebeben werden asoehle] aueh die
Heilung r#n Lahmangen, Blvtflurs , 4i«C demselben Wegs,
fanden wir weder an sieb undenkbar, noeb iriine Beispiel;
sweifelbafter waren wir sehen In' Beaog a»l filiadenbel>
Jungen; bei Aussitsigen, WassersfiohtigeW, kMMften wir
die Seilong ens wenigstens nieht als efi|p plöorflehe den-
%ei^j die Iteiol^iehten von Heilungen BntflMter moAten
ipvir geradeau abweisen. Und doch war hier iumeir noob
etwas vorbanden , woran die Wuoderkraft Jesu äoh we»»
tlen konnte; es war doch noeb ein Bewnfatseiu In den
Menschen , auf welchee Eindruck an machen , ein Nerves«
leben , welches ancnregen war. Nun aber brt Todteo iil
das anders. Der Gestorbene, welchem Leben und Be-
wofstsein entflohen ist, hat den letttten AnknApAingspankt
für die Einwirkung des Wnnderthiters verloren : er niant
{ha nicht mehr wahr, bekommt keinen Eindmck mehr von
tbm ; da ihm selbst die Fähigkeit , Eindrücke au bekon»
men , aufs Nene verliehen werden mufs« Diese alkf m
verleihen , oder beieben im eigendiehen Sinn, ist eise
"schöpferische Thfitigkelt , wefche von einem Menschen aui*
gefibt an denken, wir unsere Unfähigkeit bekennen onUieD«
Doch auch innerhalb unserer drei Todtenerweefcangs*
gesohichten selbst findet ein unverkennbarer lUimai stsit,
Mit Recht hat schon M^oolston bemerkt, es sehe ans, wie
wenn von diesen drei Erafihlungen- Jede au der voraoge*
henden an Wunderbarem hätte hinaufligen wollen, was
dieser noch fehlie^. Die Jalrustoohter erweekt Jesus
noch auf dems^lien Lager , auf welchem sie so eben ver»
schieden wfuS ^^d nainitischen JQnglIng achon im Sargs
12) Vit/ 5.
noA Mif dMn Wege ^ur Bgflpfttafig ; den Lasanu endlicb
MNsk viertl^gfgeiii Anfoodielt im 4^ Orafu War es in Je-
mm ersten fieicbiohte nnr 4^mh ein Wort angfpneigl, daCi
4ln BUdehen de« untorirdhehen Mfiehten vei^aUen gew^
mmz ao wurde diele in der nweiton Gesobiebta dnroh den
Ügy dtJk man den Jüngling bereiJly i^or die Stadt binana
M (iffabe getragen habe^ aneb Ar die Anaobaunng anag^
prigt ; nni. entiebiedenaten al^ ist dfr Ungst {n der Gmft
fwsehiosaene fianama ala ein bereits der Dntervrelt angep
IMgnr geaebildert: so da(s» wenn die Wirldiebkelt dea
Isdea ins eisten Falle benweifolt werden konnte, diele
W». snneitea sebon seliwerery bei*in dNtten so viel wie
BiMJglifili ist ^). In dieser Abstnfnng steigt dann aneb
die Snbwierigfcett, die drei Begebenbeiten sieb deinbbar sn
i : wenn anders, wo die Sa«be selbst undankbar ist,
f ersebledeaen Modificationen derselben eine Stei«
gsroBg der Dndenkbarkeit stattfinden kaom Webern nfta.
fisb eine Todtenerwecknng Qbarbanpt^ mSglleliy ae ttifste
sie wohl aber ndglieh sein b^i einett ee ebent erst rw*
sshMenen, noeb lebenswarmen ladlTldnnm, ala «bei einem
erkaltetea, das sebon au Grabe getragen wird; und wio-
dmm bei diesem ober als bei einem soleben , an welchem
wegen bereits vlertftgigen Aufenthalts im Grabe der An«
Ikng der Verwetnog ala eingetreten voraosgesetnt, und dab
iieh diene Voraossitettng beetfitjgt habe, wenigstens nicht
fsmeiot wird.
Doch aneh ai^gasebeft von dem Wunderberotty ist von
den lietvaehtelen tiesehiebten immer die folgende theils isi-
asriioh nowabrsch^licber , tbeils Xn&erlieh nnrerbOigter
als die Torbergehgyde. Waa die innere Unwahrseheinlieh*
keit lietriflb, so pnit ein Moment derselben, welobes an
aieh swar in allen, und somit auch in der ersten, liegt,
doeh bei der nweitei^ besonders hervor« Alslttotir, warum
53) Basiaciuisiosai l^robab. S. 61.
108 Zweil^^ Absoiiiiit^U «
iesuB den Jfingling an NMn erweckte, wird Kler dl» Mit-
leiden Ale* «einet' Mtottei* Meeeiehnet (V. 1S«> 4>mmt iit
nftoh OtSHACBüN' eihe «Besfebtffig dieser Hatidkkng «tf den
Erweekten eeifttt nieht auigesehlessen. Denn der Mensoh,
hemerlkter, *icann als bewafstes Wesen ^nit Mofs ak Mittel
behandelt turefdbn , x^iA es hier der Fall tFire, wenn^ «aa
die "Prend^ tfer Mact^f als alleinigen Zweck Jis« bei dw
Aaferwechüng des J^n^lfngs betrachten wollte*^. Hie»
durch halOiSRAusEK adf darnb^nswerthe Weise «dleSehwIe*
rigkels dieser and Jeder' TodtenerweclKang nitfht gehoben,
sondern In's Lieht gebellt. Oönn der SchltffiSy dtifs, wat
anstehe oder^nach gelUbterten Begriffeta, nlcbl^Haobc
oder sehieklieh ist, Tön* den £vangelisten Jeeo ntoht eoge-
achrieben sehi k5niie, Ist ein darchaus unerlatiblsr: viel-
mehr mäfste, die Reinheit des Charaliters Jesu ' Voraasge-
setzt, wenn Ihm die Evangelien etwas ünerlaobles w*
schreiben, a«f die - Unrichtigkeit Ihrer Enfthlnngen ge-
sehlMseoh werden« Dafs nlin Jesns bei seinen Todtene^
weckvnge» 4aranf Rttcksichi genommen bitte, ob dieselben
den flo erweckenden Personen, vermöge dee Seelenanstsndi,
in welchem' sie gestorben waren, mn Gtfte kommen oder
niekt^ davon finden wir keine Spar; dafs, wie Olbhiussn
annimibt, bei den leiblich Erweckten aach die gektige fir-
wecknng habe eintreten selleo und eingetreten sei, wird
nirgends. gesagt) überhaupt treten diele« firwecklen, aaeh
den Lasaras nicht aasgenommen, nach ihrer Brweekang
dorchius ' jsavilol ! 'We&rwe];M 'Woolsi^m fragen konnte,
warum doeh> Jesus gerade diese felnbe^otenrfen Personen
dem Tode entrissen habe, ond nicht einen Tlufer Johannes,
oder etnen avidern allgemein nfitslichdtft* Mann? Wollte
man sagen , er habe es als den Willen' ller Vorsehung er-
kannt, darTs diese Mfinner, einteaj gestorben, im Tode bite-
ben: so hAtie er, sebeint es, von allen ^nmal 43cstorbeneB
54) J, S. 270 f.
JNea»t*s KaplteL %. 96. 160
X
/
m &&n1um oiIIbmii, «liil e« wird in letstvr Betlehang keloe
«ädere Antwort übrig Uelhen, alt diese: well man ¥oa
WrlhfliteD MiiMiem urkandlieh wobte, dafe die dnreh Ui-
rea Tod entstandene LMiie dnreh kela Wiederaoflebe»
■mgefnllt worden war, so konnte die Sage, was sie von
Tsdteaerweeknngen tm evsXMen Lnst batte, nicht an sei-
ein Mannen knOpfen^ eondem ninftte »n bekannte Snbjeote
wiblen, bei weiebe« 'Jene Oentrole weffieL '
b* dieser Anstofs allen drei KrsMblnngen geaeln,
md trüt bei der nweiten nnr ^nes soAllllgan Aosdmoks
wegen siehtbarer hervors s» ist dagefindi^dritte Ecnil^
lang ToU von gans elgeatkiuiMsbea*Seiiwisrigkeiten, ii>*
dm das ganse Benehnen ' Jesn nnd «siMi .Theil nneb da»
fMgen Personen nlobt wohl cn l»egnslfcn ist Wie Jesna
die Naehrieht ron der Krankhell idns Lankras «nd did
dsrin enthaltene Bitte der Sebwestem, nnsb fietbanien m
kemnien , erhflit , bleibt er noch nwei Tage an Ort nnd
BtsUe, «od setst sich ent, naekdem er selnee Todes ge*
üÜs gewovden, naeh Jndda fen. Bewegung. Wanim diefsl
Dsfr es niebt gesebah, well er etwia die Krankheit filr n»*
geiUbliek gehalten bitte, ist. oben 'geneigt; da er vielmebn
den Ted des Lannm 'V^ranssalu Däft es nbenaowenlg
Gleiefcgiltigkdt gegen diesen war , wird rok BrsngellsteD
(V. 5.) nusdrOeklieb bettni»kt.> Was also sonst? Lücu
fwsntbet, Jesna sei fieüeleht eben in einer besonders fem
itgneten WMcsaKkelt In Perili tM^IAhn gewesen, welehn
«r nai des Lansros willen nltht sogMob habe abbreehen
wollen, indem er* f dr i^flleht gebaken habe, seineni höhere»
Bsrof als Lehrer den geringeren als hedender Wunder«
thXter und kelfeiider Frenndi nachmbetsen «^y* Allefai ne»
ten dem, daüs er hier ganz wohl das Eine thon nnd das
Andere nicht Isssen konnte: nämlich entweder einige Jfin*
ISer aar Fortsetsnng ' seloei^ Wtrksanikeir fki' Jeuer Gegend
S5) Ccmm. 2y 8« 37^. Ebensi) Nsahiier; S. $49«
179 vZwoicer A;bi«hBiU.
«
gynoptf— tiea Todtogüi tfdkiMUcn TorftotgetäiB«^ aehwer be*
gf^iflioh. Die JttiIeD berafm akh aaf db Meilaog 'il«
BUndgeböMiieii (Job. a), wd ndobaii dan^Ualii, dtff
derjen^) wdobev dIeMm onm fltticbt verfatdfen» wohl
auch iai Stttade gew«en •du taififirte, den .T^dr.des LaBi-
rus Bit verhindern* Wie imrfellen «ie.naf dieses hetero»
gene-aed baaiiraiteheiidB BeUldel, «raon ihnen doeb le ^
iNMdk « Fodtenerwseekaligen • gleiehevilgere Toriegeo , end
eolebe^ ^eloha eellist nnnh ffer den Faä.des beveito effolf*
ten CTodtos HeflMng bn- gehen . geeignet waren { Voraage-
ganganU fravan- after Jehe {(aiflüieben Todtenarweokangeo
dieser Jadäischen in jedem V^wSk^ weüxJ^iie! naeb* dieier
ifieht . mehr /liabh 6aU«a' kaia; aodi v honniens jen# Vo^
finga in ikr flahptotad* nicht anbehaattt geblieben aein^O»
anmeiaa Ja fSA .beiden* aaedHIeUieh beifit, daa liiritoiit
von d^neeUien halie aidb .erV oAj^y*<ri^ 9^ inelnpty er ohj ttj
*£Bd^Uf f^cd »i»^ haar] tf\ neq^tiq^ Terbreiltt» |)en wirkli-
oben Jaden also füllten diese FAÜa ntfheii;yßlagsii i da der
Viiaita l&ramgaBit sie aaf etwas weniger^NahaU^gsndei sieh
beanfan'lifst^ sa Jwladiwahridbeinliebi, dals er von jenen
VorgingiAn liiabta gewaTstlhat; dann daJTs. die Berafong
aar ihaiy nleht den «faden splbet angehört, aelgt eich schon
davin^ .^dalkier sie gerade aaf diejenige Beilaag sich betia-
hen itfst, laaUh^ ar näebstanvior eraftUt baikte«
. . Kill «tarlier, Aaetofs liegt anob iq dam Gabata» walchss
V* ^liw-JiBfUiiin daa Bland gelegt, wird« Haobdamar dem
;.. -I.'.'. ■>{
'41) WieFfiifKDSit bcbantitet t L. J. Ohr., 9. ^4. Seine Einwen-
dvng>i da'ss'dor vierte EvangeMsl ledenfalls von Todtenerwe-
'€ku]igenr.9esuigc4ru8st baben müsse , wena die ia Präge tte*
hende EtxSUiluQg. eine unhittorj^che Ueberbistung derselben
sein s.olloy — erledigt sich durch die Bemerkung, daM> un
eine solche zu veranstalten, schon die allgemeine Hunde «
^ Jesus habe such Todte erweckt, hinreichend, und keinci-
Wegs die Bekanntschaft mit einzelnen Detailer züblongen er
forderlich war, auf welche er hier xurUckwoi&en konott.
Nevate« Kupilel. % 98. 173
Viiter fir db ErMrung gedankt , aetac er hiiwo ^ er für
akh wiaee woU, dafa. der Vater Um jederaeil erbtfre> and
amr «aa dee Volkes wiUen, «ai iluaCUaabeii an teiaegfttUi-
elie Seadimg beianbringen ^ eprecbe er dieten beeonderea
Duk ane. Zuerst also gili* er seiner Rede eine Bealebnng
aaf 6<»tty Idnterber aber setat er diesa Beeiehnng an einer
aar vaa dea Volks wiUea gemaehtefn bemnter. Uad diefs
BiAt nur so , wie LOoaa will , dafs Jesas für sich swar
bloia ailll gebetet haben wirde, nm des Volks willen aber sein
(Met laut spreebe (denn für das bfaiA stille Beten liegt in
der GewiGriielt der Erhdmng kmn Grund); sondern in den
Siane, dals er flir sich dem Vater nlobt Ar einen einaelnen .
£rfolg9 wie gieiobsaa» fiberrasoht, an danken branehoy da
er der Sawifarnng im Voraus gewifii sei, also Wunsch und
Disk nnsammenfallen, fiberhanpt sein Verhiltnifs anm Va-
ter nicht in einseinen Acten der Bitte , der Erbürnng und
des Dankes sieh bewege, sondern ein bestftndiger und st»-
tigsr Auatansch dieser gegenseitigen Functionen sei, ans
Webens an und für sich kein dnaelner Dankact in dieser
IVsMO sieh aussondern wfirde. Wenn nun allerdings tn
Besag auf die Aediirfnisse des Volks und aus Sympathie
mit demseliien in Jesu ein solcher einaelner Act bervorge-
treCen sein kfinnte: so mfilste doch, wenn in dieser Stel-
Isng Wahrheit gewesen sein soll, Jesus gans im HitgefÜbl
asf^angen sein, den Standpunkt des Volks sn dem sei*
fligen gemacht, und so in Jenem Angen blicke doch auch aus
eigenem Trieb lind Ar sich selber gebetet haben ^^. Hier
aber iiat er kaum su beten angefangen, so steigt ihm schon
die Reflexion auf, dafs er diefs nioht in eigenem Bedfirfnisse
thne; er iietet also nicht aus lebendigem GeAbl, sondern
ans kalter Accommodation : und dieis mufie bmu anstölsig, ja
42) Dieu sock gegen ob Wsns, der zwar jene Wendung im
Munde Jesu für unpassend, erkennt , sie aber doch in sei-
ner Seele wirklich liegen liisst.
174 Zweiter AbsobnAic. '-
widrig finden. lo keinom Fiilie darf, wer eiit dteee Wei*
He nor aar £rbaniiiig Anderer betet , ee dieeen sagen , et
geschehe nicht von seinem^ sondern nur von ihrem Stand*
punlKt aus ; weil ein lautes Gebet auf die Uörer nur dann
Kindruck machen kann, wenn sie vorfinssetaen, dab der Spre-
chende mit gmiaer Seele * datmi sei* Wie mochte also J^
ans sein angefangenes Gebet durch diesen Znsats nnwirk*
sam machen? Dringte es ihn, vor 6ott ein Behenntniri
des wahren Bestands der Sache abenlegen> io konnte er
dier* im Stillen tbnn; daft er es laut aussprach 9 und is
Folge dessen auch wir es hier lesen , diefs-kdnnte nur auf
die spXtere Christenheit, auf die Leser des fivaageliaiu><,
berechnet gewesen sein. Während nimlich nur Srweckani
des Glaubens in der umaftehenden Menge erkUrlermaraen
das Dankgebet ndthig war: konnte der fortgesohrittune
Glaube, wie ihn das vierte Evangelium voraussetety sich an
demselben stofsen, weil es aus einem au untergeordneten,
und namentlich an wenig stetigen Verhfiltnib dea Sohai
cum Vater hervorgegangen sehelnen konnte; es mufste folg-
lich jenes Gebet, das für die gegenwKrtigen Httrer ndthig
war, fttr die spKteren Leser wieder annulÜK, oder auf den
Werth einer bloüsen Anbequemung restringirt werden.
Diese Rücksicht aber kann unmöglich schon Jesus, sondern
nnr ein tpiter leiwnder Christ gehabt haben. DisTt hat
schon früher ein Kritiker gefühlt, und daher den 4S. Vers
als unffohten Znsata von späterer Hand aus dem Texte wer-
fen wollen *3). Da jedoch diefes Urtheilvon allen änfeeren
Grüriden verlassen ist, so müfete man, wenn jene Worte
doch nicht von Jesu sein können, annehioen, woau Lücke
früher nicht gana nngeneigt war ^^), der Evangelist iiabe
Jesu Jene Worte nur geliehen, um die in V« 41. vorange*
43) DiBFmniACH, über einige wahrscheinliche Interpolationen ün
Evangelium Johannii, In BaiiTMOLiiT*t krit Journal, 5, S. 8 (•
44) Comm. x. Joh., Ite Aufl., 2, 8. MO.
Neuntes K-pitel. f. 98. 175
gungenen cn erl/Sutern* Gane gewlfii haben' wir hter Wor-
te, die Jeen Tom Bvangeliaten nnr igeiieheD sind: aber,
wenn elnmai diete, wer steht uns dann aneh liier dafür,
dab es nor mit diesen sich so Terhfiit¥ in einem Evange*
Kon, in w<dehem wir soboa so vieie Reden als biofs gelie-
hene erkannt haben , im Znsammenhang einer Erftählniig,
weiobe an allen Enden hitotorishe Undenkbarkeiten hat,
ist die Sehwierigkeit eines einaelnen Verses nieht ein Zei«
ohen , dafs er nicht snm Uebrigen , sondern in Verbindang
mit dem übrigen davon, dafs das Ganee nicht in die KlaF-
le bittorischer Compositlonen gehSrt ^^).
Was ffir's Andere die Abstufung nwisehen den drei
KrtXhlangen-in Rtteksicht auf die äofsere Beglaubigung l>e«
trift, so hat schon Woolston richtig beobachtet, wie auf-
falieod es sei , da(s nur die Erwecknng der Jaimstochter,
in weleber das Wunderbare am wenigsten hervortrete, bei
drei ErangeÜaten vorkomme; die beiden andern aber Je
nnrbei Einem ^^): n^d nwar, indem es bei der Erwecknng
dei liSKsrns noch weit weniger begreiflich ist, wie sie bei
den flbrigen fehlen kann, als bei der Erweckung des naini-
Hiehen Jiinglings, so ist auch hier ein vollständiger Kii-
BIX vorhanden*
üaCe die suletut genannte Begebenheit nur allein vom
Verfaiter des Lukasevangeliums frsShIt ist; dals insbeson-
i»e Matthias nnd Markus sie nicht neben oder statt der
KnXhlang von dem erweckten Mädchen haben : macht in
nehr als Einer Hinsicht Schwierigkeit ^0- Schon ilbnr-
baspt als Todtenerweckung) sollte man glauben, da deren
Mb unsem Berichten nur wenige vorgekommen waren,
^ diese von auqeaeichneter Beweiskraft sind , es mflfste
die Evangelisten nicht verdrossen haben , neben der einen
^) So a^ich der Verf. der Fl>obsbilien S. 61.
^) Di»c. 5.
^') Vgl. ScuutigRMAGHBH, Übet dcii Lukas, S. lOS ff.
176 Zweiter A-baohaitc.
aooh «loch die sweite anfBooebmen; da es ja MatlhikM fflr
der Mübe werth gehalten ^bat, «• B« von Bliodenbeiinugea
drrf Proben so bertchteO) welehe doeh weit weniger Ge-
wicbt batteO) wo er also weit eher mit Einer bitte ab-
fcommen, und statt der übrigen nooh eine oder die aade^
re Todtenerweckang aufnehmen iKöoneo. GeeetEt aber auch,
die swei erften Evangelisten wollten aus einem nicht mehr
SU ermittelnden Grnode nicht weiter als Eine Todtener*
weckungsgesohichte geben: so sollten sie^ mofs man mei-
nen., weit eher die vom Jfingling au Main, sofern sie von
derselben wufsten, ansgewAhlt haben, als die von der Jai*
rustochter; weil jene, wie oben ausgeführt, eine entschiede-
nere und auffallendere Todtenerweekung war* Geben sie
dessen ungeachtet nur die letctere, so kann von der andern
wenigstens Mattbfius nichts gewnfst haben; dem Markui
freilich lag sie wahrscheinlich im Lukas vor, aber er war
schon 3, 7. oder 20 von Lukas 6, 12, (17.) au Matthiins 12, 15.
Ilbersgeprnngen, und kehrt erst 4, 35. (21 ff«) an Lukas 8, 22.
(16 ff.) aurfick ^^), wo er dann die Erweckung des Jfinglings
(Luc. 7, 11 ff) bereits hinter sieh hat. Die nunmehr entstehen-
de s weite Frage: wie kann die Wiederbelebung des J0ng^
lings, wenn sie wirklich vorgegangen war, dem Verfasser
des ersten EvangeÜums unbekannt geblieben sein ? hat,
auch abgesehen von dem voraussetslich apostolischen Ur*
Sprung dieses Evangeliums, doeh nicht geringere Schwie-
rigkeiten als die vorige, Waren doch aufser dem Volke
auch fiaO-i/ial ixcnfol dabei; 4w Ort Main kann, wie Jose-
phus seine Lage im Verhältnifs sum Thabor bestimmt,
nicht fern von dem gewöhnlichen galUiischen Schauplatse
der Tb&tigkeit Jesu gewesen sein *0 ; endlich verbreitete
sich Ja das GerQcht von dem Ereignifs, wie natfirlich, weit
48) Savkur, Über die Quellen des Markus, S. 66 ff.
49) vgl. WiKKR, bibl. Realw. d. A,
Nennlea Kapitel $. 98. 177
umber (V. t?.)« ScHieKiEiiMACHBB meiAl, die nicblapostoli«
celieo Verfasser der ersten Anfseiehnungea aus dem Leben
Jesu haben weniger gewagt , die vielbeselififUgten Apostel
HB Notisen ansogeben y sondern mebr die Freunde Jesu
■wsitur Ordnung aufgesnebt, und bi^bei beben sie sieb.
Bstflrlieh am meisten an diejenigen Orte gewendet, wo sin
ia» reicbste £mte boffen lionoten: naob Kapernanas nnd
Jerusalem; was sieb, wie die in Rede stabende Todtener«
weeknog, an andern Orten sugetragen, da» bebe niebt so
ieicbt Gemeingut werden können« AUein diese Vorstellung
dsr Saehe ist tbeils an subjeetiv, indem sie die erste Vor*
kreitnng der Kunde ?on Jesu Tornebmsten Tbaten, wie
wfitittr die NaeMese eines Papias, dureb Nachfrage einsel-
Bsr Liel»baber und Anekdotensammler gehen Ififst ; tbeilsy
was damit susammenbängt , es liegt ?on dergleichen 6e-
seUebteo die irrige Ansicht aum Grunde, als wären sie
so den Plitcen, wo sie ?orgeg#ugen, wie träge Klumpen
m Bodeo gefallen » desselben Orts als todte Sohätae ver^
wdhrt, vnd nur denen, die sieb in Ort und Stelle bemab«
tea, Toi^eaeigt worden : statt dafs dieselben vielmehr von
dem Orte, wo sie sieb begeben oder gebildet haben, leben-
dig anfBiegen, allenthalben umherschweifen, und nicht
selten das Band, das sie mit dem Ort ihrer Entstehung
verknüpft, gans senreilsen, wie wir an unaähligen wahren
oder erdichteten Geschiob^en täglieh sehen, welche als an
den vemchiedensten Orten vorgefallen dargestellt werden.
Bat sieb einmal ei^e soiebe Ercäblung gebildet, so ist sie
die Sobetans ; die angebliche jLocalität das Accidens : kei-
neswegs, wie ScHUtiXRMACBsa es wendet, der Ort die Sub-
Staus 9 an welche die Eraäblung als Accidens gebunden
wäre. Läfst es sich demnach ni^ht wohl denken , wie
«iiie Begebenheit dieser Art, wenn sie wirklich vorgefal*
Im war, anfser der allgemeinen. Uberliefenyng bleiben,
und daher dem Verfasser des ersten Evangeliums unbe-
kannt sein konnte: so ergibt sich aus der Thatsache, dais
Jku Leben Jem Ite Aufl. iL Band. 12
178 Zweiter Abschnitt.
er nichts von derselben wel(s, ein Verdacht gegen ihr
wirkliches Vorgefallensein.
Doch mit ungleich schwererem GFewichto fkllt dieser
Zweifelsgmnd auf die Erzfthlnng des Werten ^Tvangeliams
von der Anferweckuog des Lasarns. Wufsten die Ver-
fasser oder Sammler der drei ersten Evangelien von die-
ser: so konnten sie ans mehr als Einem Grande nicht am-
liin, sie in ihre {Schriften aufsnnehmen. Denn erstlich ist
sie unter sfimmtlichen von Jeso vollbrachten Todtener'
weckungen, Ja anter seinen sämmtlichen Wandern fiber-
haopt| wenn nicht das wander barste, so doch dasjenige,
in welchem das Wanderbare am augenscheinlichsten und
ergreifendsten hervortritt, und welches daher, wenn es
gelingt, einen von seiner historischen Realität so fiber-
seugen, eine vorattgiich starke Beweiskraft hat^®); web-
wegen die Evangelisten, sie mochten schon eine oder Ewei
andere Todtenerwecknngen ersählt haben, doch nicht
überflüssig finden konnten,- auch diese noch hinsasufflgen«
Zweitens aber gri£F sie, laut der johanneischen' Dante!-
lang , entscheidend in die Entwickelang des Schickesls
Jesu ein, indem nach 11, 47 ff. der vermehrte Zulauf sa
Jesu und das grofse Aufsehen, welches die Wiederbele-
bung des JLasarns herbelgeftthrt hatte , das Synedriom so
jener Berathschlagnng veranlafste, bei welcher dar blsdge
Rath des Kaiphas gegeben wnrde und Eingang fand«
Diese doppelte, dogmatische sowohl als pragmatische Wich-
tigkeit des Ereignisses mnfste die Synoptiker nathigen, es
Bu erefthlen, wenn sie davon wufsten. Indefs lUe' Theo-
logen haben allerlei Gründe ausfindig gemacht, warum Jene
Evangelisten, auch wenn ihnen die Sache bekannt war,
doch nichts von derselben sollen haben ersfiblen mögen.
Die einen waren der Meinting,' cur Zeit der Abfassang
der drei «rsten Evangelien* sei die Geschichte noeli in al-
so) Man erinnere sich der bekannten Aettsscrung von Spimoia.
Neantes Kapitel. §. 98. 179
ter JHimdej mitbin ihre Anfoelchnung aberflUwig gewe-
sen ^^); Andre viMrmatheten omgekehrt, man habe das wei-
tere Bekanntwerden derselben verb&ten wollen, om dem
nesh lebenden Lasams, welcher nach Job» 12, 10. wegen
des an ihm geschehenen Wunders von den jüdischen Hie-
rarehen rerfolgt wnrde, oder seiner Familie, keine Gefahr
BS liereiten, was in der späteren Zeit, als Johannes sein
Evangelium schrieb, nicht mehr^ sn befürchten gewesen
aei^« Zwar heben sich nun diese beiden Gr finde aufs
SehUnste gegenseitig auf, und sind auch Jec^er für sich
kaum mier ernsthaften Widerlegung werth: doch solleui
treil ähnliche Ausflöchte auch sonst noch öfter als man
glauben ndchte, angewendet werden, einige Gegenbemer-
kaagen nicht gespart sein. Die Behauptung, als in ihrem
firaise allgemein bekannt sei die Wiederbelebung des La-
mms von den Synoptikern nicht aufgezeichnet worden^
beweist su viel ; indem auf diese Welse gerade die Haupt«
punkte im Leben Jesu, seine Taufe im flordan, sein Tod
und seine Auferstehung, hätten unbeschrieben bleiben
Es dient aber eine solche Schrift, die, wie un**
Kvangelien, in einer religiösen Gemeinde entsteht,
keiaesiregs blofs dasu. Unbekanntes bekannt su machen,
sondern auch das bereits Bekannte festsubalten. Gegen
die andere Erklärung ist schon von Andern bemerkt wor-
den, das Bekanntwerden dieser Geschichte «unter Nioht-
pallstinensern , fiSr welche Markus und Lukas schrieben,
habe dem Laearns nichts schaden können; aber auch der
Verfasser des ersten Evangeliums, falls er in und fflr Pa-
listina geschrieben, wQrde wohl schwerlich aus Röcksicht
aaf Lazarus, welcher, ohne Zweifel Christ geworden,
sollte er auch im unwahrscheinlichen Falle nur Zeit der
51) Whitüt, Annpt. z. d. St.
52) So GmoTiDS, Hsnoin; auch OtSRAVSin bekennt sich vermu-
thungsweise lu dieser Ansicht, 2y S. 256 f* Anmerk.
12 •
ISO Zweiter Abschnitt,
•
AbfuMung des ersten Evangelioms noch gelebt haben, so
wenig als seine Familie sieh weigern durfte, um des Na-
mens Christi willen eu leiden, eine Thatsache ?ersehwie-
ghn haben , in welcher sich dessen Herrlichkeit so beson*
ders geoft'enbart hatte. Die gefllhrlichste Zeit ftr Laxams
war nach Job. 12* 10. die gleich nach seiner Wiederbe-
lebung, und schwerlich itonnte eine so spät liommende
Ersählung diese Gefahr erhöhen oder erneoern ; Oberhaupt
mafste in der Gegend ?on Bethanien und Jerosalem, Ton
woher dem Lamms die Gefahr drohte, der Vorgang so
bekannt sein und Im Andenken bleiben, da(s dorch Aof-
seichnung desselben nichts cu verderben war'^^).
Bleibt es also, dafs die Synoptiker von der Aofer-
wecknng dks Lasaras, von welcher sie nichts erslhleri,
auch nichts gewnfst haben können: so entsteht auch hier
die «weite Frage, wie diefs Nichtwissen mdglich war?
Die mysteriöse Antwort Hasb's, der Gmnd dieser Auslas-
sung -sei in den gemeinsamen Verhältnissen verborgen, on«
t^r weichen die Synoptiker überhaupt von allen frfiheren
VorfkUen in Judfia schweigen, Ififst wenigstens dem Aot-
drocke nach ungewifs, ob damit sn Ungunsten des vierten
EvangeUums oder der Qbrigen entschieden sein aoil» Diese
53) •• diese ATgumente zerstreut bei Paulus und Luckb z. d. Abtcl&n. ;
bei Gabler in der angef. Abhandl. S. 338 ff. und Hasb, L. J-
$. 119. — Einen neuen Grund 9 warum namentlich Mattbäut
von der Auferweckung des Lazarus' schweige 9 bat Hbyobh-
RBjtcM (über die Unxulässigkeit der mythischen Auffassung,
2tes Stück, S. 42.) ausgedacht. Der Evangelist habe sie
übergangen 9 weil sie mit einer 2artheit und Lebendigkeit
des Gefühls dargestellt und behandelt seinwoUe, zu welcher
er sich nicht fähig gefühlt habe. Daher habe der beschei-
dene Mann sich lieber gar nicht an die Geschichte wagen
wollen y als sie in seiner Erzählung an rührender Kraft und
Erhabenheit verlieren lassen. — Welche eitle Bescheidenheit
diess gewesen wäre!
Kennte» KapileL $• 06. 181
ZwaUewtigkeit der HASk'fchen Antwort hat die oeaeste
Kritik des Matrhlosevaiigeliooie in ihrer Weite aufgehe«
ben, indem sie jene gemeinsamen Verhiltnisse dahin Im*
titainite, ,dafs durch die Cnbekanntsohaft mit einer Oe»
Mhiclite, die einem Äpostei habe bekannt sein mttssen, die
Synoptiker sieh slmmdich als Niehtapostel beurkunden*^.
Allein dareb diese Vemiehtleistung auf den apostolischen
Onpmng des ersten Evangeliums wird sein und der an-
dsm Nlebtwissea um den Vorgang mit Lanams noch kd«
netwegs erkllrlicb« Denn i»ei der Merkw&rdigkeit des
Erei^iasesi da es femer im Mittelpunkte des jfldischen
Landee vorgefallen war, grofses Anflehen erregt liatte,
and die Apostel als Augenneugen sngegen gewesen waren:
iit gar nicht einnuseheny wie es nicht in die allgemeine
Dberüeferungi und aus ihr in die synoptischen Evangelien
bitte iLommen sollen. Man berief sich darauf, dafs diesen
Efangellen galilSische Sagen, d, h. mttndliche Ersählungen
aad sehrifkliche Anfsitne der galillisohen Freunde und
Bsgleicer Jesu , som Grunde liegen ; diese seien bei der
Arferweckung des Laearus nicht sngegen gewesen, und
haben ne also nicht in ihre Denkwürdigkeiten aufgenom«
■ea; die Verfasser der ersten Evangelien aber, indem sie
sieb streng an diese gsliläischen Nachrichten hielten , ha«
beo die Begebenheit gleichfalls flbergangen ^). Allein so
scharf llTst sich die Scheidewand swischen Galiläischem
and Jodftischem nicht sieben, dafli der Ruf eines Ereig-
nisses wie die Auferweckung desLasarns nicht auch nach
GalÜIa hätte binflbertSnen mflssen; war es auch nicht in
fioer Fests^it vorgefallen, wo (wie «loh. 4, 45.) viele Ga«
iilXer Angensengen sein konnten, so waren doch die Jün-
ger, grdtsemtheils Galiller, dabei (V. 16.) 9 nn^ mufsten,
sobald de nach Jean . Auferstehung wieder nach GaUltfa
54) ScmiCKSiKBUECBRy Über den Urspr. S. 10.
53) Qj^udi) 4. «. O. S. 340 f. Aehnlicb Nsahosa, S. ^7.
Kt
Zweiler Äbschoilt
kamen, die Gesehiebto ttberall^aoeh to dieser Provint aiu-
breiten ; oder ?ielmebr rnnfaten sehen vorher, an dem lats-
tto von Jesa besoehten Pasehafeste, die festbesnchenden
Qaiiläer die stadtkundige Begebenheit erfahren haben.
Daher findet anch LOcrk diese GABLSR*sobe Erklfirong
angenflgend; wenn er aber seinerseits das Räthsel. darch
die Bemerkung lösen will, dafs die urspr&ngiiehe evaoge-
lisehe Überiiefernng, weicher die Synoptiker gefolgt seien,
die Leidensgeschiohte wenig pragmatisch, also auch ohne
Rficksicht auf diese Begebenheit , als das geheime Motiv
des''Alordbefehi8 gegen Jesum, dargestellt habe, und erst
der in die innere tieschiohte des Synedrinms eingeweihte
Johannes im Stande gewesen sei, diese Erglnanng ao ge-
lten ^^) : so könnte «war hiemit der eine Grund entkräftet
an sein scheinen, der die Synoptiker nöthigen mufste, jene
Begebenheit anfennehmen, der nämlich, welcher von ihrer
pragmatischen Wichtigkeit hergenommen ist; wenn aber
hinsogesetzt wird, als Wunder an sich und ohne jene nä-
heren Umstände betrachtet, habe sie sich leicht unter den
fibrigen Wunderersählnngen verlieren können, von wel-
chen wir in den drei ersten Evangelien eine cum Theil
sufällige Auswahl haben: so erscheint die synoptische
Wnnderauswahl eben nur dann als eine eufällige, wenn
man, was hier erst bewiesen werden soll, schon vorans-
aetst, dafs die johanneischen Wunder historisch seien, und
ist sie nicht bis som Verstandlosen anfällig, so kann üe
ein solches Wunder nicht verloren haben ^0.
56) Comm. z. Joh. 2> S. 402.
57) Vgl. Ol Wbttk , exeg. Handb. , 1^ 3, S. 139. Darf ich mich
auch auf eine erst zu druckende ScLrift beziehen, so werden
wir in den ScHLiiiRiiAcaiR^schcn Vorlesungen über das Le-
ben Jesu zur Erklärung des fraglichen Stillschweigens dar-
auf verwiesen werden, dass die» synoptischen Evangelien
überhaupt das Verhältniss Jesu zur Betlianisclien Familie
ignoriren, weil vielleicht die Apostel eine vertraute pcrsönU-
fieonle« KapiteL §.98. IS3
Dieie mhA fihnliolie Erwlgoogen «lad m wohl gewe-
sen, welobe eioen ilev neaesten Sprecher In 4er StreiCsa«
cbe dee ersten Krangeliiui« sa einer Rüge der Einaeidg«
kflit veraalaCsteD, mit welcher man die obige Frege immer
Rv Bom Neehtheil der Synoptiker nnd nementlieh des
Matthine beantwortet habe, ohne daran na denken, dals
ckeaso nahe eine dem vierten ISvangelinm gefkhrliche Ant>
irorr li^e ^| nnd anch uns schrecken LOcki s Bannstrab-
kn, welcher auch in der neaen Ausgabe demjenigen, der
ans i^m Schweigen der Synoptiker auf Erdichtung dieser
Knfihiang nnd Cnichtbeit des Johanneischen E?angeUuma
lekliefst, eine Aluisie eonder Oleichsii nnd ginnlichen
che Verbindung dieser Art nicht in die allgemeine Tradition
baben übergehen lassen wollen ^ ans welcher jene Evange-
listen achtfpflen: mit dem Verhältnisse Jesu eu dieser Fami-
lie überhaupt sei nun auch dieses einzelne auf sie sich bc^-
liebende Factum unbekannt geblieben. Allein was sollte die
Apostel zu einem solchen ZurUokbalten bewogen haben ? aol-
lea wir denn an geheime y oder mit VsnTDnnn an sarte Ver-
kudiingen denken? sollte bei Jesu nicht anch ein solches
Fm atvcrhältniss des Erbaulichen viel gehabt haben ? Wirk-
Ikh enthalten ja die Frohen, welche uns Johannes und Lu-
ku von dem Verhältnisse Jesu zu der bezeichneten Familie
geben , dessen viel j und aus der Erzählung des Letzteren
von dem BesucI^Jesu bei Martha und Maria sehen wir zu-
gleich, dass auch die apostolische Verkündigiuig keineswegs
abgeneigt war, etwas von jenem VerhÜltnisse sehen zu las-
sen, sofern es allgemeines Interesse gewähren konnte. In
dieser Hinsicht ragte nun aber die Auferweckung des Laza-
rus als eminentes Wunder ohne Vergleichung weiter als je-
ner Besuch mit seinem hog hi '/^^ \jheT das Privatverhält«
niss Jesu zur Bethanischen Familie hinaus : das vorausge-
setzte Streben, dieses geheim zu halten, konnte der Ver-
breitung von jener nicht in den Weg treten.
i) Kann, über den Ursprung des Evang. Matth. 'flibing. Zeit-
schrift, 185'i, 2, S. 110,
184 Zweiter Abschnitt.
Mangel an Eiriafoht in das Verhtltnlft anti>er Bvaogelien
an einander (wie es nMniHcli die geistliehe Sicherheit der
Theologen, auch durch die ann Theil treffenden Winke
der ProliabilieD nicht aofgerdf telt , noch immer festhfilt)
vorwirft, nieht In». sehr, am nns von der bestimmten Er-
liilmng snrllclK«ahalten, dafs wir die Erweetiangsgescbiobte
des Laannas fSr die wie innerlich unwahrscheinliohste, lo
änfserlich am wenigsten beglanbigte ansehen ; ohne ans dt«
bei die Schwierigkeit aa vei^l»ergen , welche ' ein solches
Urtheil ftlr denjenigen bat, der dem vierten Evangelisten
ttbrigens eine genaaero Renntnirs der Bethanischen Ver-
hältnisse Jesa Kogesteht«
Sind auf diese Weise alle drei evangelische Todten«
erweckangsgetchichten durch negative Gründe mehr oder
weniger sweifelhaft gemacht: so fehlt jetzt nur noch der
positive Nachweis, dafs leicht auch ohne historieobeD
Grund die Sage, Jesus habe Todto erweckt, sich bilden
konnte. Vom Messias wurde bei seiner Ankunft nach
rabbinischen ^') wie nach N. T. Ilcheq Stellen (a. B. Joh.
5, 28 f. 6, 40, 44. 1. Kor. 15. l.Thess. 4, 16.) die Auf-
erweckung der Todten erwartet. Nun war al»er die na-
QHaia des Messias Jesus in der Ansicht der ersten Ge-
meinde durch seinen Tod in swei Stücke gebrochen: in
seine erste vorbereitende Anwesenheit, welche mit eeioer
menschlichen Geburt begann und mit der AnferstehoDg
and Himmelfahrt schlofs, und in die aweite, noch ss ^^
wartende, Ankunft in den Wolken des Himmels, um den
alciv fiikhav wirklich au eröffnen. Da es der ersten Pa-
rusie Jesu an der von einem Messlas erwarteten Herrlich-
keit gefehlt hatte, so wurden die großartigen Bethfitigon«
gen messianischer Macht, wie namentlich die allgemeine
Todtenerwecknng, in die aweite, noch bevorstehende, Pa-
rosie verlegt. Doch mulstc» eum Dnterpfande für das so
59) BsRTHOLPTy Chrifltol. Jud. §. 35«
Neunte« Kapitel. S. 99. 185
Emartondei anoh lehon dorch die erste Anwetenbeli
Herrlichkeit der Bweitim in eiiiflelneQ Proi>en blndurehge*
ubittAert, Jerae eeiDen Beruf, einet alle Todte sn erwe»
fkmj icbon M seiner ersten Aniiunft dnrch Erweckang
Boipr Todten i»enrkondet haben; er mnfstei um seine
HtnltiiitXt gefragt, unter den Kriterien derselben auch
iuy&Qoi i^'siQonm (Matth. 11, 5.) haben anilübren und
leineo Apesteln dieselbe Vollmaeht ertheilen können (Matth.
10, 8. TgL A. 6. 9, 40. 20, 10.) , namentlich aber als ge-
nasM Vorspiel davon , dafs einst navtig d iv töig finj^tL
w; axioanau rijg qxav^g avrs xai iimoQtvaavTat (Job. 5,
SSf.), einesi riüaoQixg ij/nigag ^Sfj exorn iv rif ftvi^ftelqt
ifmi iie/akji das d^vQO e^w ecgernfen haben (Job. 11, 17.
tt.). Fttr die Entstehung detaillirter Er«Ihlungen ron dn-
ttlaen Todtenerweokungen lagen flberdlefs im A. T. die
geeigostrtsn Vorbilder» Die Propheten Ellas (1. Kön. 17,
17 ff.) and Elisa (2.K8n. 4, 18 ff) hatten Todte erweckt,
«ad dtraaf berufen sich Jüdische Schriften als auf ein
Vorbild der niessianischen Zeit ^. Objeet ilirer Todten-
RWttksngen war l>ei beiden ein Kind, nur ein Knabe, wie
in iti den Synoptikern gemeinsamen Era£hlong ein Mid-
eben; beide erweckten es, wie Jesus die Jairustochter,
oocb lof dem Bette ; beide so , dafs sie sich allein in die
Todtenkammer l>egal»en, wie Jesus dort Alle aufser weni-
gen Vertrauten hinauswies ; nur braucht wie billig der
Meiiias die mflhsamen Manipulationen nicht vorsnnehmen,
doreh welche die Propheten eo ihrem Zwecke an gelan-
gen soeben. Elia im Besondern erweckte den Sohn einer
Wittwe, wie Jesus bu Nein that; er begegnete der Sare-
pUniicben Wittwe (^ber vor dem Tod ihres Sohnes) am
Thor, wie Jesus mit der Mainitischen (nach ihres Sohnes
Tod) unter dem Stadtthor ansammentraf; endlich wird
mit denselben Worten beidemale gemeldet, wie der Wnn-
60) I. die Band 1^ S. 108 angeführte Stelle aus Tanchuma.
im Zweiter Abscboiitr.
derthMter den Sohn der Mptter , surilekgegeben babe ^0.
Selbst ein bereits in*s Urab Gelegter, wie Lasams, wurde
durch Elisa erweckt (2 Kön. 13, 31.) , nur dals damsli
der Prophet lAngst todt war, und die fierllhroBg seiner
Gebeine den sufällig darauf geworfenen Leichnam belebte;
Bwisehen den snvor angef<|hrten A. T.licben Todtenerwe-
ckungen aber und der des Lasarus besteht darin eine Ahn«
lichke^t, dafs. Jesus, während er bei den bttden andern
geradeeu gebietend auftritt, bei dieser an Gott betet, wie
Elisa und namentlich Elia gethan hatte. Während nun
Paulus anch auf diese A« T« lieben Erzllilungen seine an
den erangelischen rollsogeoe natfirliche Erklärung ans*
dehnt: haben weitersehende Theologeh längst bemerkt,
dafs die N. T. lieben Todtenerweokungen nichts Anderes
als Mythen seien, entstanden aus der Neigung der. ältesten
Christengemeinde, ihren Messias dem Vorbilde der Pro-
pheten und dem messlanischen Ideale gemäfs nn machen ^.
61) 1. Hön. 17, 23. LXX: xa\ MSmntv auzo r? ^^r^V ovr?. Luc.7,16:
ncn ^Stoxfv auror rij /if/r^ ovth,
62) So der Verf. der Abhandlung über die verschiedenen Rück-
sichten , in welchen der Biograph Jesu arbeiten kann , in
• Birtiioldt's Ifrit. Journ.yS, S. 237 f*; Kaissk, bibU Thcol. 1)
S. 202. ^ Eine der £rweckung des Jünglings zu Nain auf-
fallend ahnliche Todtenerweckung weiss Philostratus von Bci-
nem Apollonius zu erzählen : ^^Wie es nach Lukas ein Jüng-
ling , der einzige Sohn einer Wittwe , war , der schon vor
die Stadt hinausgetragen wurde : so ist es bei Philostrstui
ein er^'achscncs y schon dem Bräutigam verlobtes Mädchen,
dessen Bahre Apollonius begegnet. Der Befehl, die Bahre
niederzusetzen, die blosse Berührung und wenige ausgespro-
chene Worte reichen hier wie dort hin, den Todtcn wieder
zum Leben zu bringen.^^ (Baub, Apollonius v. Tyana und
Christus, S. 145.)- Ich möchte wissen , ob vielleicht PiULüt
' oder wer sonst Lust hätte , auch diese Erzählung natürlich
zu erklären; wenn man sie aber, wir man wohl nicht um-
• hin kann f als Nachbildung der ovauj^cU&chtn fassen inuss '
Meuotes Kapitel. $.99. 187
■Seeanekdoten.
Wie flberhaapt, wenigstens nach der Darstellung der
drei ersten Evangelisten , die Umgegend des galilfiischen
See'i flsoptschaupiatz der Thfitigkeit Jesn war : so steht
aoeh eine ciemliche Ansahl seiner Wunder mit dem See
io «naittelbarer Besiehang. £ines ?on dieser Gattung,
der des Petrus bescheerte wunderbare Fischeng, hat sich
BUS bereits cur Betrachtung dargeboten ; fibrig sind nun
noeh die wunderbare Stillung des Sturms, der, wfihrend
Jeias schlief, auf dem See entstanden war, bei den drei
Synoptikern; das Wandeln Jesu auf dem See, gleichfalls
wihrend eines Sturms, bei Matthfius, Markus und Johan-
oes; die Zusammenfassung der meisten dieser Momente,
weiche der Anhang des vierten Evangeliums in die Zeit
Mch der Auferstehung verlegt; endlich der von Petrus
u erangelnde Stater bei Matthäus.
Die Buerst genannte Ersfihlong (Matth. 8, 23 ff. paralL)
^ ons ihrer eigenen Schlufsformel sufolge Jesum als
denjesigen darstellen, welchem d ave^oi xat tj ^aXaaaa
vTwxmvf, £s wird also^ wenn wir den bisherigen Wun«
derkiisax verfolgen , hier nicht blofs vorausgesetst, dafs
Jetoi inf den menschlichen Geist und lebendigen Leib psy- *
chologiich - a&agnetisch , oder auf den vom Geist verlasse-
n«n menschlichen Organismus neu belebend , auch nicht .
Uofs, wie in der frfiher erwogenen Fischeugsgeschiohte,
to gehört schon eine vorgefasste Meinung von dem Charak-
ter der N. T.lichen Bücher dazu, um der Gonsequenz aua-
EuweicheAy das^ ebenso die in ihnen sich findenden Todten-
erweckungen nur minder absichtlich entstandene Nachbildun-
gen jener A. T.lichen seien ^ welche selbst aus dem Glauben
dos Alterthums an die den Tod bcz\^ingcnde Kraft gottge-
licbtcr Männer (Hercules^ Acsculap), und naher aus den jü-
dischen Begriffen von einem Propheten abzuleiten sind.
188 Zweiler Ab«ebnitt. ^
dafs er auf die TcmanfÜoae aber lebendige Natar: son-
dern, dab er selbst auf die leblose nnmlctelbar bettin-
mend habe einwirken können. Die Mttgliehkelt einer An-
knflpfnng an das natfirllebe Gesehehen reifst hier entsehie-
den ab: hier spätestens (sofern bei Todtenerweckongen
Immer noch die Annahme eines Seheintodes an sich m5g-
lieh bleibt) hdren die Wunder in dem frflher beseicbneteo
Sinne auf, und fangen die Mirakel an. Bietet sich dem-
nach Bunichst die reinsnpranatnralistische Ansicht, so bat
Olshaüssn richdg gefohlt, dafs eine solche Gewalt fiber
die ftnfsere Nator mit der Bestimmung Jesu für die Mensch-
heit und ihre Erlösung an sich nicht eusammenhfinge ;
wodurch er auf den Versuch geffihrt wurde, das NatB^
ereignits, welchem Jesus hier Einhalt thut, In eine Besie-
hnng Eur Sflnde, und damit eum Berufe Jesu, sn setsen.
Die Stürme sind Ihm die Krämpfe und Zuckungen der
Matur, und als solche Folgen der SOnde, welche in ibrer
furchtbaren Wirksamkeit auch die physische Seite des
Daseins zerrüttet hat ^). Allein nur eine Naturbeobach-
tung,, welche über dem Einzelnen das Allgemeine yergifst)
kann Stürme, Gewitter n. dgK Erscheinungen, die im Za-
sammenhang des Ganzen ihre nothwendige Stelle nnd
wohlth&tige Wirkung haben, als Übel und AbnormitSten
betrachten , und eine Weltansicht , welche im Ernste der
Meinung ist, vor nnd ohnd den Sflndenfall würde es keine
Stürme und Gewitter, wie andererseits keine Giftpflansen
and reifsende Thiere, gegebeii heben, streift — man weib
nicht, soll man sagen, an das Schwärmerische oder an
das Kindische. Wosu aber, wenn sich die Sache auf
diese Weise nicht fassen läfst, bei Jesu eine solche Haeht
über die Natur? Als Mittel, ihm Glauben zu erwecken,
war sie unznreic'hend und überflüssig; denn einzelne GlSu-
bige fand Jesus auch ohne diese Art von Maohtbeweisen,
J) bihl. Comm. i, S. 282 f.
Neunte« Kapitel« $. M. ist
■od idlgemeliiM Aaiiiy y>r—li»ffigo ihm afaeh Umm iiühc
Als Bild dar HrsprflngliobMi H«mdM& diat Mfimehan
Iber die SnrMre Natur, an deren Wied^rerlangnng er be»
•tiaait ist, kaao aie ebensewenig betrachtet werden; denn
der Werth dieeer Herreehaft besteht eben darin , dals sie
eine Termittelte , dvreh das fortgeeetste Naebdenken npd
die rereinigte Anstrengung ron Jahrhunderten der Natnr
abgerungene 9 nicht aber eine nnmittelbare , magische. ist,
weiclie>iir ein« Wort kostet So ist in Besag auf denjeni-
gen Theil der Natur, von welchem hier die Rede ist , der
f^onpafs, das Dampfschiff, eine nngleich wahrere Verwirk*
Üehnng der Herrschaft des Menschen Ober dieselbe, als
die Beschwichtigung des Meeres durch ein blofses Wort
gewesen wire« Die Sache hat aber noch eine andere
Seite, indem di^ Herrschaft des Menschen Ober die Natnr
nicht blofs eine in sie eingreifende', praktische, sonderh
aneb eine immanente oder theoretische ist, rermdge wel-
dber der Mensch, anch wo er Infserlich der Macht des
TOfimnntrs unterliegt, doch innerlich nicht ron derselben
l>erieg|t wird, sondern in der Überneugung, dafs die Na*
turgewslt nur das Natfirliobe an ihm bu serstören vermtf
ge, sieb in der Selbstgewifsbeit des Geistes Ober den mög^
lieben Dntergang seiner Natflrlichkeit emporhebt. Diese
geistige Macht, sagt man, bewies Jesns, indem er mitten
im Sturme ruhig schlief ,^nd, ron den nagenden Jttngem
an%eweekt, ihnen Muth einsprach. Da Jedoch, wenn
Mnth bewiesen werden soll, wirkliche Gefahr rorhanden
sein mufs; flir Jesum aber, sofern er sich als die nnmit*
telbare Madit Ober die Natur wofste, eine solche gar nicht
Torhanden war: so hätte er auch von dieser theoretischen
Macht keine wahre Probe hier abgelegt.
In beiden Hinsichten hat die nat&rliche Erklftmng in
der evangelischen Ersählnngnur das Denkbare und Wfln-
scbenewertfae Jesu nugeschrieben finden wollen, nämlich
sinerseiU verständige Beobachtung des Gangs der Witte-
190
Zweiter Abschnitt«
•rong, andererseita hohen Muth bei wirklicher Gefahr des
Unterganges. Das inirtfi^ toTs^ dviitotg soll nur in einem
Sprechen aber den Sturm, in einigen Ansmfnngen fiber
seine UeftiglKeit, das Stillegebieten in der auf Beobachtung
gewisser Zeichen gegrfindeten Voraussage bratanden haben,
dafs der Sturm sich nun wohl bald legen werde, und der
Zuspruch an die JOnger soll , wie Jener beitannte yon Gl«
sar, nur aus dem Vertrauen hervorgegangen sein, dafs ein
Mann , auf welchen in der Weltgeschichte gerechnet lei,
nicht so leicht durch Zufälle aus seiner Bahn heransge>
worfen werde. Dafs hierauf die im Schiffe Befindlioben
die Stillung des Sturms als Wirkung der Worte Jesu an-
gesehen haben, beweise nichts ; da ja Jesus ihre Deatong
nirgends billige ^« Doch anch mifsbtlligt hat er sie nicht,
unerachtet er den Eindruck wohl bemerken mufste, wel-
chen von der beceichneten Ansicht aus der Erfolg auf die
Leute gemacht hattet; er mfifste also absichtlich, ivie
Ventubini wirklich annimmt, ihre hohe Meinung von sei-
ner Wundermacht nicht haben stören wollen, um sie desto
fester an sich bu knflpfen. Noch ganz abgesehen hieven
aber, wie sollte die natttrlichen Vorseichen von dem Ende
des Sturmes Jesus , der nie einen Beruf auf dem See ge-
habt hatte, besser verstanden haben, als ein Petrus, Mo'
bus, Johannes , welche von Jugend an auf demselben oln-
heimisch waren ^) ?
Es bleibt also dabei: so, wie die Evangelisten uns den
Vorgang ersfihlen, mflssen wir in demselben ein Wunder
erkennen; dieses nun aber vom exegetischen BrgebniCs sor
2) to Paulus, exeg. Handb., 1, b, S. 468 ü. ', Vaxnmiin, 2^
S. 166 ff. ; Kaissr, bibl. Thcol. 1, S. 197. Auch Hasb^ §. 74,
findet diese Ansicht möglich.
3) Nkakdir, L. J. Chr., S. S63, der sich übrigens hier nur
schwach der natürlichen Erklärung erwehrt,
4) Hasi, a. a. O.
Neontes Kapleel. $. 99. 191
wirklichen Thatsache iin erheben, fällt nach dem oben
Aosgefthrten ftufserst schwer; woraus gegen den hiatori-
ichen Charakter der Ersfiblnng ein Verdacht erwftchst.
Niher Jedoch läCit sich, den Matthäus snm Grunde gelegt,
gegen die Ercählnng bis snr Mitte von V. 2G. nichts ein-
wenden; sondern Jesus könnte bei seinen öfteren Fahrten
aof dem galilftisehen See wirklieh einmal geschlafen ha«
fcen, als ein Sturm ausbrach; die Jfinger könnten ihn mit
Schreeken erweckt, er aber ruhig und gefafst das: tl&ei-
Id ecf, ohyomgoi; sn ihnen gesprochen haben* Was dann
weiter folgt, ^das iuiTifi^ rrj O^akdaarj, welches Markus
wieder mit seiner i>ekannten Vorliebe fOr solche Machtwor-
te mit den angeblich eigenen Ausdrficken Jesu nach grie-
chiseher Uebersetsung (aroi^Ta, ne^ifiwaol') wiedergibt, der
Erfolg und der Eindruck, könnte in der Wiedererefihlnng
biozQgefDgt worden sein* Dafs ein solches iniTifiqv rij
^aliaar] Jesu angedichtet werden konnte, daeu lag, auf^er
der Ansiebt von seiner Person , die Veranlassung ober»
dieb im A. T* Hier wird in poetischen Darstellungen des
Durchgangs der Israeliten durch daa rothe Meer Jehova
ab derjenige beseichnet, welcher imci^ajae ttj eQD&Q^ S'a-
Uaari (Ps* 106, 9. LXX. vgl* Nahnm 1, 4.) , dafs sie eu-
rlekweichen sollte*, Da nun das Werkseug dieser Zurflck-
weiiung de8 reihen Meers Moses gewesen war (2. Mos.
14, 16. 210 9 flo ^Ag es nahe, seinem grofsen Nachfolger,
dem Messias, eine fihnliche Function sususchreiben , -wie
deon wirlülch nach rabbinischen Stellen in der messianl-
•eben Zeit ein fthnliehes Austrocknen des Meeres, von
Gott — ohne Zweifel durch den Messias — bewirkt, er-
wartet wurde, wie einst Moses eines herbeigefflhrt hat-
te ^). Dafs Jesu hier statt des Austrockneos nur ein StU-
^ des Meers sugeschrieben wird, erklärt sich, wenn man
^ Sturm und die dabei von Jesu bewiesene Fassung hi-
S) s. Band 1, S. 107. Anm.
I9i Zvpeiier Ab«iih.jxi.et«
slorisoh ninmity eben ava dem Anknfliifan dea Hythiseheii
B» diese gesohichtliohe Gnindlage, wo ein Austrockuso
des See*s, da sie Ja so Schiffe, waren ^ okbt äa der Stelle
gewesen wire*
Ifflflieriün indefa ist es ohne sicheres Beiqpieli dab
8uf den Stamai einea wlrkUchen Vorfaila ein mythischer
Zusatz in der Art gepfropft worden w2re» dafs jener vol-
iig nnverSndert hiieb. Und Ein Zng ist schon in Jepeia
bisher ais historisch voransgesetalien Stücke y welcher , nl-
her angesehen, ebensowohl in der Sage gedichtet, alt
wirklich so vorgefallen sein kann. Dafs nftmiich JesoB
vor dem Ausbräche des Sturmes eloschlief , . und auch ais
er ausbrach, nicht sogleich erwachte , daa war nicht seine
That , sondern Zufall ^ ; eben dieser Zufall aber ist Hj
• welcher der ganaen Seene erst ihre volle Bedeutung gibt;
denn der im Sturme schlafende Jesus ist durch d^ Con-
trast, welcher darin liegt, ein nicht minder sinnvolles BiU)
als der nach so vielen Stürmen im Sclilaf an der heimi-
schen Insel landende Odysseus. Dafs nun Jesus wirklieh
bei'm Ansbruch eines Sturmes geschlafen, kann awar foo
Ungef Ahr in Einem Falle unter nehn geschehen sein : soch
in den neun Fällen abev, wo es nicht geachehen war,
sondern Jesus nur überhaupt im Sturme gefafst und no-
thig sich aeigte , würde , glaube ich , die Sage ihres Vor-
theil so weit verstanden haben, dafs sie den Contrast
der Seelenruhe Jesu mit dem Toben der Elemeate, wie
6) Nbaüdbr verschiebt die Sache , wenn er Jeaum ,, mitten un-
ter dem Toben der Stürme und Wellen in einen Schlaf ver-
fallen lässt, welcher von seiner durch keine schrccliöndc
Naturgcwalt zu st'drenden Seelenruhe zeugte^' (S. 562- )• ^^
kas sagt ausdrücklich (V. 25. ) 5 nlForrtay S'$ avTtar aqvnvhm-
Kai xartß/j )jaCXaxf> x. t. i. y Und auch nach der Darstellung der
übrigen ist das Einschlafen Jesu dem Ausbruche des Sturme
vorangehend zu denken, st>nst würden die zaghaften Jünger
ihn nicht geweckt, sondern gar nicht haben einschlafen lassen.
k
MeantM Kapllel. S* 99* 19S
er lieh fdr den Gedanktfii in den Worten Jmb «nadrfioktty
10 fllr die Antehaaiiag in des BIM des im Sehiflb (oder
wie Mwkos nelt 0 9 *"' einem Kissen ia Hintortlieil des
Sdiifib) sehieienden Jfesas nnsenunenfafste* Wenn so, was
hSioeA Felle rieUeieht skh wirklieh ereignet hei, in
MIO Fillen Ton der Sage geidldet werden mnlsto: so
naii Man sieh dooh wohl ?emflnftigerweise anf die um
(iigbore Mögliehkeil gefiifsl oMehen, dafii wir liier einen
dienr neun , stett Jenes Biaea Falles , ?or «na hItton *)•
Bliebe anf dieae Weiae als historisehe Gnmdiage niehta
nehr Abrig, als dalk Jasns ia Uegensatee so tebenden
MeoKtwellen den Glanbeesaiuth seiner Jflnger in Anspruch
geoosiaeo, so kann er diefs swar möglicherweise einmal
nitteo in einem Seestnrme gelhan Imlien; doeh aller, so
pt er kildlieb sagen kennte: wenn ihr Glanben habt nnr
«uei 'Senfkorns gro£s, so seid ihr im Stande , sn diesem
Beije an spreehen: hohe dieh weg nnd wirf dieh in*4
Meer (Biatth» 21,' 21O9 oder an diesem Banme: entwnrsle
^■ad pflnnne dich in den Meeresgrund (Lne. 17, 6.)»
"■Abddes aalt Erfolg ixcu vTtrjxwSkv av vfuvj Lno.): •o
^■nte er, nicht blofs anf der See, sondern in jeder LagOf
'Kh du Bildes bedienen, data demjenigen, der Glanlien
^9 Wind nnd Wellen anf das Wort gehorsam seien
(m xd TcXs awifiois intituaau xcä'Ttß tidarf, xal vTiaatoHaw
ttiT(^, Loe. )• 'Bringen wir nnn noch in Reehnnng, was
mh Olshausbn beuMrkt, nnd ScHNicKaNBuaaKR belegt
^\ daTs der Kampf des Gottesreiehs mit der Welt in
^ ersten ehristliohen 2^it gerne mit einer Fahrt durch
eoen stirmisehen Oceau Tergliehen wurde: so sieht man,
^ie leicht die Sage dann kommen konnte , aus der Paral-
7) Vgl. SAimiBA, Über die Quellen deo Markuo, S. 83.
t) Dieot gegen Tmoluck^s Beschuldigung, GUubwttrdigkeit ,
8. 110.
9) üeber den Ursprung u. s. f. S. 68 f.
Dst JMm Je9U 3#e Amß, Fl. Bmui. 13
1Ü4 Zweiter AbaebnitU
lele mit Moses, aas Aeafserongeii Jesu, ond aus der Vor-
stelloDg ?oo ihm als demjenigen, weleher das ScbiflSets
des Oottesretohs dnreh die empörton Wogen des xoa]uo^
sieber hlBdarcbstenert , eine solebe Brilblung sasammea«
snsetBen. Oder, abgesehen bievon, die Saehe nur allgs«
mein ?om Begriff eines WnoderCbXters ans betrachtet, fin»
det man s. B. auch einem Pytbagoras fthaliebe Macht Aber
Storm und Unwetter nngesebrieben ^%
Verwickelter als diese erste ist die andere See Anek-
dote, welebe dem Lukas fehlt, dagegen aber neben Matth.
14, SS ff. und Marc. 6, 45 ff. sieb auch bei Johannes, d,
16 ff., findet, wo der Stnrm die In der Naeht allein schif-
fenden Jfinger fiberftllt, und sofort Jesus, Aber den See
daherwandelnd, su ihrer Rettung erscheint« Wxhrend
auch hier mit Jesu Eintritt In das Schiff wunderbsrer
Weise der Sturm sich legt, bildet doch den eigentlichen
Knoten dei^ Erslhlnng diefs, dafs in derselben der Leib
Jesu von einem üesetse, welches sonst ausnahmslos alle
menschlichen Leiber in seinen Banden hMit, ron den Ge«
aeti der Schwere , so sehr ausgenommen erscheint , dsfi
er im Wasser nicht nur nicht unter , sondern selbst niebt
einsinkt, rielmehr Aber die Wellen wie Aber festen Boden
eich emporhAlt Da mfifste man sich den Leib Jesn In
irgend einer Art als einen Itherischen Scheinktfrper den-
ken, wie die Doketen thaten; eine Vorstellung, welehe*
wie von den RircbenrXtern als eine irreligiöse, so ron oni
als eine abenteuerliche uurilckgewiesen werden mnfik
Zwar sagt Olshausxn, an einer höheren lielblicbkeit , ge-
sehwlngert mit Krifien einer höheren Welt, dOrfe eine
10) Nach Jamblich. vita Pyth. 135, ed. HiittuKS, wurdea Ton
Fythagoras enMhlt avi/itar ßtaUav ;)fcr2a(i5v r« /vtr^oig na^avrtxa
woTtvyrfltii 9NU MVfiartay nora/diav rt »ai Salcuaiiar an^vStaa/idi AfK
, «v/Me? TWK ha:^un- Swißatuv. Vgl. Porphyr. ▼. F. 29. den.
Ausg.
Neontes Kapitel. S* 99* lOS
solche Erflcheinong nioht befiremden *^) : doch das sind
Worte ) mit welehen sieh liein beatianater Gedanke ver-
bindet Weon man die den Leib verklärende ond vollem
deode TliXtigkeit des Geiitea Jeen, atatt sie als eine solche
n fsseen, welehe seinen Leib den psychlseben Gesetsen
der Lost und Sinnlichkeit immer voUatlndlger entnahm^
fielaehr so versteht, dafs derselbe durch sie den physi*»
lehoD Geseteen der Schwere entholien worden sei: so ist
dieb ein Materialismns, von welchem, wie oben, schwer
so entscheiden ist, ob man ihn mehr phantastisoh nennen
mU oder kindisch. Ein Jesns, der im Wasser nicht eiiH
iloke, wäre ein Gespenst, und die Jänger in nnserer Ei^
siUang bitten ihn nicht mit Unrecht dafUlr gehalten.
kmth daran mflssen wir uns erinnern, dafs bei seiner
Tanfe im Jordan Jesns diese Eigenschaft nicht neigte,
Mndero ordentlich wie ein* anderer Mensch nntertanchtc
Iktte er nnn aach damals schon die Ffthigkeit, sich fiber
der Wasserfläche so halten , nnd wollte sie nnr nicht ge-
bftsehen? nnd war es also ein Act seines Willens, sich
tehwsr oder leicht an machen! oder aber, wie Olshausbn
fieUncht sagen würde, war er nur Zeit seiner Taufe im
ProeeCr der Läuterung seines Körpers noch nicht so weit
getaassen, dafs ihn das Wasser frei getragen hätte, son-
dem so weit brachte er es erst später? — Fragen, welche
Olshaüssn mit Recht absurd nennt, sofern sie einen Blick
in den Abgrund von Ungereimtheiten eröffnen , in welche
man sich bei der supranaturalistischen und insbesondere
bei seiner Deutung dieser Erzählung verwickelt.
Sie SU vermeiden, hat die natjQrliche Erklärung man-
cherlei Wendungen genommen. Am kfihnsten hat Paulus
geradezu behauptet, es stehe gar nicht im Texte, dals Je-
sus aof dem Meere gegangen; das Wunder in dieser Stelle
id lediglich ein philologisches, indem das ruQmmüv ini
11) a. a. 0< 8. 481.
13
\
196 Zw'eiter Abschnitt.
%TJg d'alaaaijg nar, wie 2. Mos. 14, 2. du« gQoromdeü^iv
ini tfjg S'aJijttaür^s ein Lagern, so ein Wendein Aber dem
Meere y d* h. am erliabenen Dfer desselben , bedeute ^^.
Der Bedentang der eincelnen Worte nach ist diese Brkll*
rang mögileh: ihre wirkliche AnwendbArkeit aber mab
sich erst aas dem Zasammenbang ergeben. Dieser nun
lllst die Jünger 25 - 30 Stadien weit gefahren sein C>IohOi
oder mitten im See sich befinden (Matth. u. Mark.), and
nun heifst es, Jesns sei anf sie eu«, und ewar so nalie,
dafs er mit ihnen sprechen konnte, an das Schiff heran-
gekommen , TiSQiTtarwy ini xijs d-aliaaTjg — : wie konnte
er dfefs, wenn er am Ufer bÜeb? Dieser Instane ansBia*
weichen, yermatbet Paulus, die Jünger seien in der a£llr-
mlschen Nacht wohl nnr am Ufer hingefahren; was dem
iv fiiatfl T^ d-aXaaarjgy wenn es aach allerdings nicht ma*
thematisch genan, sondern nach popnllrer Redeweise sa
nehmen ist, an entschieden widerspricht, am In weitere
Rücksicht kommen sn können. Tödtlioh aber verletat sieh
diese Aafl(assongsweise an der Stelle, wo Mattbftos aach
Ton Petras sagt, dafs er xccraßag dno rä nXöis neQi&iatij-
aev ini za vdctta i\. 29.); was, da anmittelbar daraaf
¥on xoaaTtoni^ea&di die Reder ist, doch wohl kein Wan-
deln am Dfer sein kann, und wenn dieses nicht, dann
anch nicht das wesentlieh ebenso beselchnete Wandeln
Jesa ").
Aber, wenn Petras bei seinem neQiTiateiv tni %a
vdceta an sinken anfing: kannte da nicht bei ihm sowohl
als bei Jesns an ein Schwimmen anf dem See oder an ein
Waten dnrch seine Untiefen nn denken sein? Beide An-
12) Paulus, Memorabilien , 6. StUck, No. V.; exeg. Handb. 2^
S. 238 S.
13) Gegen die h'öchtt gewaltsame Auskunft » welche hier Pacuts
getrofFen, s. Storr, Opusc. acad. 3> p. 288.
MeonUs KaplieL S* W. 19T
tiehton tind wirklMi aafgetteUt worden ^^^ Allein das
Waten allfste dnreh TteQiTiccteip dia xijg &aldaarfi ausge-
dHlekt, nm daa Schwimmen nn beseiehnen aber doeh ir*
päd einmal in den jiarailelen Stellen der meigentliebe
Amdrock mit dem eigentlieben Tertanseht eein; abgeseben
diTon , dafs 25 — 30 Stadien im Sturme cn eehwimoMn^
oder bis gegen die Mitte des gewifs nicht so weit hinein
•eichtea See's nn waten , beides gleich anmögliob aein
nnbte, ferner ein Schwimmender nicht leicht filr ein Ge*
•peost gehalten werden konnte, nnd endlich die Bitte des
Petrua um besondere Erlanbnifs, es Jesn nachanthnn, und
daft er wegen Mangels an Glauben es nicht Tcrmochte^
•uf etwas Ubematarliches hinweist *^).
Das RXsonnement, worauf auch hier die natfirliche
iatlegungsweise beruht, hat bei dieser Gelegenheit Paulus
io einer Weise ausgesprochen, an welcher der cum Grunde
liegende Irrtbnm besonders glficklich in die Augen ftllt
Die Frage, sagt er^ bleibe in solchen FcUen immer diCi
•b dSe Möglichkeit eines nicht gans genauen Ausdrucks
TOS Seiten der Schriftsteller, oder eine Abweichung vom
Sttsrlanf das Wahrscheinlichere sei! Man sieht, wie
faiieh das Dilemma gestellt ist; da es vielmehr nur beUben
lolfte, ob es wahrscheinlicher sei, dafs der Verfasser sich
■ogenaa (yielmelv^ Wl^^^nnig) ausgedrfickt, oder dafs er
eine Abweichung vom Natnrlauf habe erzAhlen wollen;
d^nn nnr von dem, was er geben will, ist ennftchst die
Rede: was wirklich cum Grunde gelegen, das ist, selbst
nseh dem immerwfthrenden PAüLCS'schen Reden von Un-
terscheidung des Crtheils vom Factum, eine gans andere
Frage. Daraus, dafs unserer Ansicht snfolge ein^ Abwei*
ehnng vom Naturlaufe nicbt vorgekommen sein kann, folgt
U) Jene von Boltkn j Bericht des MaHhli^s s. d. St. ; diese in
HsKXB^t neuem Magazin, 6, 2, S. 327 ff,
iS) Tgi« Pavlvs und FaiTieaGHS^ i» d. St« ^
19S Zweiter Absobnitt.
keineswegs, dafs ein Krsfthler aas der christlichen Ursett
eine solche nicht annehmen and berichten Iionnte ^^): um
also das Wauderbare aus dem Wege za rftnmen, dürfen
wir es nicht aas dem Bericht hinaus erklären , sondern
das mfissen wir versuchen, ob nicht der Bericht selbst
ganz oder anm Theil' ans dem Kreise des GesohichtUcliea
auszaschliefsen ist. Und in dieser Hinsicht hat nun so-
TÖrderst Jede unserer drei Relationen eigenthfimliche Zfige,
die in historischer Hinsicht verdächtig sind.
Am auffallendsten sticht ein solcher Zug bei Markus
bervori wenn er V. 48. von Jesa sagt, er sei auf dem
Meer gegen die Jfioger dahergekommen , xai ^O-eJie nuQeX'
d-tXv autHj^y nur ihr angstvolles Rufen habe ihn vermoclit,
von ihnen Notis an nehmen. Mit Recht deutet FaiTZscuB
diese Stelle so, dafs Markus dadurch anaeigen wolle, Je-
sus hai>e im Sinne gehabt, durch göttliche Kraft unter*
stfitst, fiber den gansen See, wie über festen Boden, iiin*
dbersugehen. Aber mit eben so vielem Rechte fragt Pau-
lus: hätte etwas aweckloser, abenteuerlicher sein können,
als ein so seltsames Wunder bu thun, ohne dafs es gese-
hen werden sollte? l^ur dafs man defswegen nicht mit
diesem Ausleger den Worten des Markus den natärÜchen
Sinn geben darf, als hätte Jesus die in der Mähe des
Ufers Schiffenden su Lande vorübergehen wollen; somal
die wnnderhafte Deutung der Stelle dem Geiste unseres
Schriftstellers vollkommen angemessen ist. Nicht sufrie-
den mit der Darstellung seines Gewährsmanns, dats Jeaas
mit besonderer Röcksicht auf die Jünger diePsmal einen
so anfserordentlichen Weg gemacht habe, gibt er darcli
jenen Zusats der Sache die Wendung, als wäre Jesu ein
solches Gehen auf dem Wasser so natürlich und gewöhn-
lich gewesen, dafs er auch ohne Rücksicht auf die Jünger,
wo ihm ein Wasser im Wege iag, seine Strafse über das-
16) 9. die trefiFlicbe Stelle bei FaiTZScaa, Conmi. in Mstth. p. 505
•tlka ie nnlMdMiUieli, wie iber Cittet liand, nahni. Duft
iMo eio solehet Geben hei Jeea habiUiell geweeen, dieft
wAriie am etechledeailen eine OLBHAimiii'eehe Lelbeever-
Uinng, Milbin des Undenkbeve, rereneeeiaen; wodnroh
inb dieeer Zag ale einer der stifarkaten ?on jenen in er-
ieooen gibt, dnreb weiebe des nweite Kyengettan alob
hm und wieder der epokrypbiaeben Übertreibnog nip
Inrt'O-
Auf andere Welse findet sich bei HatthXna da« Wun-
derbare des Vorgangs, nicht sowohl gesteigert^ als venriel»
lUtigt, indem er anfser Jean auch den Petrus einen, wie-
wohl niebt gane gut abgelaufenen , Versuch im Gehen auf
den Meere machen llfst Diesen Zug maeht anfser dem
StiUsohvreigen der beiden Correferenten anch seine eigene
Katar ererdSebtig. Anf das Wort Jesu bin und durch
leinen anfknglichen Glaulien vermag Petrus wirklieh eine
Zdt fang auf dem Wasser su gehen , und erst als Furcht
ind Kleinglftnbigkeit ihn ergreift, fingt er nnternnainken
ui. Was sollen wir nun hieron denken ? Vermochte Je-
ns nittelst eines Ferklftrten Leibes auf dem Wasser nn f
gehen: wie konnte er dem Petrus, der eines solchen Ktfr- ^
jien neb nicht erfreute, ansprechen, ein Gleiches bu thnn?
oder wenn er durch ein blofses Wort den Leib des Pe-
tras vom Gesets der Schwere dispensiren konnte , Ist er
dann noch ein Mensch? nnd wenn ein Gott, wird dieser
•of den Einfall eines Menschen hin so spielend Naturge-
•etce cessiren lassen ? oder endlich , soll der Glanlie die
Krafk haben, augenbUckiiob den Körper des GlXnb^en
17) Des Markos Neigung tum Uebertreibeii selgt rieb auch in der
Schlottformel, V. 51 (Tgl* 7| S7) ; »tA Uar ht 'nf^iooii er Savreit
H^^orro M» l^ov/tfoCor» worin man dach nicht mit Pahus (9,
8.2660 eine 'MislbaUgmig. des uaveiiiSttnissmäetigen Br
•IsoaeM wir A finden svQHea.;,^
200 Zweiter Abaehuici.
Jelehter bd maebeii ? Der Gleube hat freiiieh eine eekka
Kraft, nämlieh in der kann erwihnten biliUlehen Ra4«
Jesu ) nach welcher dör Glftobige Berge iumI Bätnae in*t
Meer sa venetaen — and warom nicht aveh adtist arf
dem Meere an wandeln ? — Im Stande ist. . Dnd daf« naD^
sobald der Glaube weiche, anch *das Gelingen aafblHre,
diefs konnte in keines der nwei ersteren Bilder so ge-
schickt dargestellt werden , wie in dem lotsten darch die
Wendang: so lange einer Glanben habe, vermöge er an-
gjsfährdet auf dem wogenden Meere einhersaschrelten;
sobald er aber Zweifeln Raum gebe, sinke/ er unter, weno
nicht Christus helfend ihm die Hand reiche. Das also
werden die Grundgedanken der von Matthäus eingescho-
benen Erafthlnng liein , dafs Petras auf die Festigkeit sei-
nes Glaubens au viel vertraut bebe, durch das plötsliche
Schwachwerden desselben in grofse Gefahr gekommen,
aber durch Jesus gerettet worden sei; ein Gedanke, wel-
cher sieh Luc. 22, 31 f. wirklich ausgesprochen findet,
wenn Jesas au Simon sagt: o.aatavag i^uti^aaro vfiag li
Civiäaai vis top oitoV iyui de id&lj97jv TtiQi oö, ha //ij
iidelnr] iq nlgig oh. Diefs sagt Jesus dem Petrus mit Be-
äug auf seine bevorstehende Verläugnung : diese war der
Fall, wo sein Glaube, kraft dessen er sich so eben noch
erboten hatte, mit Jesu xal tlg (pvXcmrpf xal etg i^arcno»
noQSvead^ai , wankend wurde , wenn nicht der Herr doroh
seine Ffirbitte ihm neue Stärke verschafft hätte. I^ehmen
wir dasu die schon erwähnte Neigung der ersten christli-
chen Zeit, die den Christen anfechtende Welt unter dem
Bilde eines wilden Meeres darzustellen: so werden wir
nicht umhin können, mit einem der neuesten Kritiker in
dem sich muthig cum Gehen auf dem Meer ansohickendeo,
bald Jedooh kleinmüthig untersinkenden , aber von Jesu
emporgehaltienen Petras eine in der Sage gebildete allsge*
risch- mythische Darstellong. jener i Glaubensprobe nn fin-
den, welche der so stark sich dttnkdiide^Jlinger so schwach
NttttütM kAfiitel. S« 99. Ml
«od «MP 4mfA kMkmm BäUttaä
Omk wmA 4^ä SktMm 4m üai— ftMiiig«BnM
leUt fls vMxt mn eia^jen tignUblliBliehoii Ztgen, die «Ihm
«diMtoritelieii Cfairnktep wamAeu. \jm jeher hat et den
HifeeittiMi Kmc gemeolit, dele imeh flialthft«« nod
Marlrai dat S<;|iiflF ertt ungeflhr in der Mitte dea See'-a
aeh befand , als Jeaos demselben begegnete : naeh Johan*
Des aber bald Tellends daa jenseitige |Ufer erreioht gehabt
haben seil; dafa naeh jenen Jesns wirklieh noeb in daa
Schiff atieg, und darauf der Starm eieh legte: nach Jo-
banaet dagegen die Jtfnger ihn nwar In das Sehiff nah*
■en wollten, die wirbliche Aufnahnte aber durch das so*
gkich erfolgte Anlanden fiberflttssig gemacht wurde. Zwar
fftnd man auch hier Ansgletchungen in Menge: das an
laßfjp geaetste ijd'eXcv sollte bald abundiren, bald, wie
wenn es ix^DMvxBg tkaßw hiefse , die freudige Aufnahme
beteicbnen, bald nur dea ersten Eindruck bescbreibei»,
Weichen das Erkennen Jesu auf die Jttnger gemac|it haboi
wobei die später wirklich erfolgte Aufnahme in das Schiff
verschwiegen sei ^^. Doeh an einer solchen Deutung
fiegt d^k* einaige Anlafs in der unbefugten Vergleichung
'er Synoptiker: in der Braählung des Johannes fttr sich
liegt nicht nur kein Grund dafiUri sondern ein entschiede-
ner dagegen. Denn der hinEogefagte Sata: ^vd'iwg to
^hXw iyiveto im rijg yrjg^ eis ^^v vnrjyWj wenn er aueb
nicht durch di^ sondern durch xal angeknfipft ist, kann
doch nur adversatlF in dem Sinn genommen werden , dafa
es anr wirklichen Aufnahme Jesu in das Schiff, unerach-
tet der Bereitwilligkeit der Jfinger, doch nicht gekommen
<ei, weil sie sich bereits am Ufer befunden haben. In
18) ScmicsaABURftiii , über den Ursprung u. s, f. S. ^ L ; vgl-
Wxiksa, die evang, Geschiclite> t, S* 591»
19) ». bei Lflcaa und Tholück*'
M4 Zweiter Abeohnid.
habe, mit aller oben anseinandergesetsten Unwahraoheio-'
llchkelt eines solchen Ereigniasea larflok. Doeh hat am
die Aofltfsnng Jener Nebensfige , \ indem wir die AnlXsse
ihrer nnhiatorischen Entstebang entdeckten, die Aoffiih
düng aoloher Anlässe anoh fttr die HaaptensXhlong erleich-
tert« und damit die Auflösung auch dieser selbst möglieh
gemimht. Dars die Gewalt Gottes upd des mit ihm eini-
gen menschlichen Geistes Aber die Natur Ton den HebrXeni
und ersten Christen gerne unter dem Bilde einer Dbe^
macht über die toi»enden Meereswellen vorgestellt worde,
haben wir aus depi vorigen Beispiel gesehen. In der E^
stthlung des Exodus stellt sich diese Übermacht so dar,
dafs das Meer durch einen Wink ans seiner Stelle ve^
jagt, und so dem Volke Gottes ein trockener Weg doroh
seinen Grund geoflfnet wurde; in der «nvor betrachteten
R. T.lichen Ersäblung so, dafs das Meer an seiner Stelle
blieb, und nur so weit edr Ruhe gewiesen wurde, dsfi
Jesus und seine Jünger su Schiffe gefahrlos über dasselbe
hinübergelangen konnten : in der jetst vorliegenden Anek-
dote wird aus der sweiten der Zog beibehalten , dab dsi
Meer an seiner Stelle bleibt , eugleich jedoch ans der e^
sten der herbeigeholt, dafs cu Fnfs, nicht su Schiffe, hin-
fibergewandelt wird , dochg mit Rücksicht auf den andern
Zug, nicht durch seinen Grund , sondern über seine Ober-
fläche. Oafs sich auf solche Weise die Anschauung der
Übermacht des Wnnderthfit^rs über Waaserwogen fort-
bildete, daau läfst sich theils im A. T., theils Jn den Mei-
nungen des Zeitalters Jesu noch nähere Veranlassung ent-
decken. Unter den Wundern des Elisa wird nelien dem,
dafs er mittelst seines Mantels den Jordan getheilt, und
so trockenen Fufses habe hindurchgehen können (2.Köa.
3, 14.)9 auch das erzählt, dafs er ein in*s Wasser gefaile-
nls Eisen schwimmend gemacht habe (2. Kön. 6, 0«) : eine
Uebermacht über das Gesets der Schwere, welche der
Wunderthäter wohl auch am eigenen Leibe gfeltend ma-
Neuntes Kapitel« §. 99« SOS
eben, nnd so, wie es Hiob 9, 8. LXX« von Jebova heilst,
sIs n€Qina%ti¥ wg en^ idag>Hs inl &ahiüarfi sich darstellen
koDBte» ¥oD Woiidertbltern, die auf dem Wasser gehen
koneten, wnfste muk sieh nm die Zeit Jesa Vieles en ei^
siUen. Abgesehen von elgeothUeilieh griechisehen Vor*
ndRingen^, so sebrieb^ die orientalisch- grieehisehe Sage
Ml Hyperboreer Aberis einen PAÜ sa , ant weleheK er
fiber Flösse, Meere nnd AbgWIiide eeh wehend seiaUi *^;
der geaaeine Voiksglanbe lieh flsaneben ThaaoMtnrgen die
Fihigkcit, anf dem Wasser an geben '^i nnd es eraeheint
10 die Mögiiobieity dafs sich aof allen diesen Elementen
■ad Veranlaasnngen eine gleiche Sage auch Aber Jesnm
bilden konnte, ungleich gröfser, als die eines wirklichen
Vorgangs dieser Art, — womit unsere Rechnung geschlos«
len ist.
Mit den bisher betrachteten Seeanekdoten hat die Joh. 21.
enfthlte q^a^iqwatg Jesu enl v^ d'aXaaaijg tijg TißeQiddos
10 snffiallende Ahnllohkeit, da(s wir, obwohl das vierte
Kitsgelinm den Vorfall in die Tage der Auferstehung Je-
» vorlegt, doch nicht umhin können, wie wir sie schon
ttAat Ihrem einen Theile nach mit der Emählung vom
Fiaditag Petri in VerbinduDg brachten, ao nun ihren an-
dnv Bestandtheil mit dem Wandein Jesu nnd Petri auf
den Meer in Parallele au setaen. Beidemale wird in dem
Boeh nfichtlicben Dunkel das Frühmorgens Jesus von den
m Schiffe befindlichen J Ungern erblickt; nur dafs er bei
dem spiteren Falle nicht wie in dem früheren auf dem
Heere geht, sondern am Jlfer steht, nnd die Jünger nicht
durch Sturm, sondern nur durch die Fruchtlosigkeit ihrer
Fiseherarbeit in Verlegenheit gesetat sind» Beidemale furch«
ten sie ihn: dort, weil sie ihn für ein Gespenst halten.
23) t. die Stellen bei Wbtsisik, p. 417 f.
24) Jamblich. Tita Pythigorae 136 ; , vgl. Porphyr. 29.
25) Lucian. Philop8eudet, 13.
206 Zweiter Absohniet.
hier wagt eB keiner, so fragen, wer er sei, dtSor^g, ort o
KvQiog eciv. Im Besondern Aber findet die dem ersten
BTangetivm eigenthamliohe Scene mit Petras in der ge*
nannten Stelle des vierten ihr SeitenstOcii. Wie Petru
dort, als der ttber den See einhersohreitende Jesus sich
ea erkennen gibt , ihn am die Erlanbniia bittet ,- Ba^bm
über das Wasser hingehet) ea dürfen : so wirft er sieh
hier, sobald der am Ufer stehende Jesas erkannt ist, in
das Wasser, am aaf dem kOrsesten Wege sehwimmend ca
ihm ea gelangen. Da aaf diese Weise, was in Jener frfl-
heren ErsMhlong ei^i wonderbares Wandeln aaf dem Meere
war, in der vorliegenden in Beaog auf Jesom ein wen*
derloses Stehen am Ufer, in Beeng anf den Petras aber
ein natttrliehes Schwimmen ist, somit die ietstere Oeschtcbte
fast wie eine ratlonallstiFche Paraphrase der ersteren lii«
tet: so hat es nicht an solchen gefehlt, welche wenigstens
von der petrinischen Anekdote im ersten Evangeliam be-
hanpteten , dafs sie eine traditionelle Dmbildnng des Zogt
Job. 21 , 7. in's Wanderhafte sei >*> Diese Vermathong
auch aaf das Meerwandeln Jesu aassadehnen , wird die
jetaigo Kritik dadarch abgebalten, dals diesen Zog das sli
apostolisch vorausgesetcte viefte Evangeliom selbst ia der
froheren Ersählang (6, 16 ff.) hat; wogegen wir aof on*^
rem Standpunkt es gar wohl möglich finden werden, difs
die betreffende Geschichte entweder dem Verfasser des
Evangeliums in der einen, dem Verfasser des Anhsng«
aber in der andern Gestalt, oder dafs sie demselben vie^
ten Evangelisten in zwiefacher Form au Ohren gekooiDeD)
und von ihm an verschiedenen Orten seiner Erefihlung
einverleibt worden sei. Indessen, wenn beide Gesehiehten
▼erglichen werden sollen, so dürfen wir nicht schon Koa
Voraas die eine, Job. 21., als die arsprfingllehe, die an*
dere, Matth. 14. parall., als die abgeleitete setsenf sopd^m
26) ScRMKCxBKBvaoKRi Über den Urtpr. S. 68'
Neontes KiipIteL (.99. M7
BtttMn erst fragen, welche von beide» «ieh eher söiii Eh-
ma oder Andern eigne? Allerdings nnn^ wenn wir desi
Ksnon folgen ^ ders ilie wnnderhaftere die spätere «ei , se
enehelnt die ?on Joh. 21. in Benag anf die Art, wie Je*
MS In die Nfthe der Jfinger, und Petros nn ihm gelangt,
■b die orsprfingliehe. Aber anfs Engste hingt mit jenen
Ksiion der andere nnsammen , dafs die einfachere firsfth-
Isag ^e frflhere, die cnsanifliengesetBtere die spfttero Ist,
wie das Conglomerat spiter als die einfache Steinblldang :
and nach diesen Kanon wMre nmgehehrt die Ernihlnng
Jsb. Sl. die abgeleitete, da In ihr die beseichneten ZAg6
Doeh nit den wunderbaren FischBuge Tcrflecbten sind^
wihrend sie in der früheren Erisfthlnng fflr sich ein Oanses
loinuieben. Allerdings swar kann auch ein grOfseres Oanne
io kleinere JStfleke nerspUttem: doch solchen Bmchstficken
lehen die getrennten ErEählnngen vom Fischnng und von
Wandela anf den Meere keineswegs Ihnttch, welche riel-
«thr Jede als wohigeschlossenes Ganne sich verhalten«
An dieser Verflbchtnng mit dem Wunder des Fischeugs,
wfsa iiaoh kommt, dals der ganse Vorgang am den anf*
erstandenen Jesus, der an sich schon ein Wunder ist, sich
dreht, wird nun auch erkllrlich, wie, g^gen die sonstige
S^d, die oH beseichneten Zflge In der späteren Darstel-
bng ihr Wnnderhafites verlieren konnten. Indem sie nftni'
Keh durch die Verbindung mit anderweitigem Wonderba*
reu nu blofsen Nebensfigcn, nur natürlichen StaflFage, her*
nntergeeetnt wurden. Ist aber auf diese Weise die Er-
slUottg Job. 21. eine durchaus abgeleitete, so ist sie in
Besng auf ihren geschichtlichen Werth bereits mit denje-
nigen Ersfihiungen benrtheilt, welche ihre Grundlage bilden.
Sehen wir, ehe wir weiter gehen, auf die bisher
durchlaufene Reihe von Seeanekdoten lurück: so finden
wir, dals uwar die eine ftufserste der andern durchaus un«
ihnlieh ist, Indem in der dnen blofs von Fischen, in der
andern blofs vom Sturm gehandelt wird; doch aber> je
'n
206 Zweiler Abschnitt.
nacbdem aiiii «10 aufstellt, hängt jede mit der folgenden
dnrch einen gemeinsamen Zug zusammen. Die firsftlilaug
ven der Bemfnng der Menscheniacher CMatth. 4, IS ff.
paratt.) eröffnet die Reihe; mit dieser hat die vom Fiseh-
sog des PMraa CLue» 5, 1 ff.} die Onrnne von den Mas«
oeiimifiseiiera gemein, aber die Tbateaebe des E1seh«igi
ist ihr eigeadriLtüiah i diese letatere kehrt Job. 21. wieder,
wo noek da» mosgenliehe Stehen Jesn am Ufer und das
ttnffhenehwimme& des Petrus damikemnit; diefs Stehen
nd Sehwintmen erseheint Matih« 14, 22 ff. paralL als U^
ben auf dem Meer, und aoglmb mt ein Sturm und deeien
Aufhören mit dem Eintritt Jesu in das Schiff hinmigefligt;
Matth. 8, 2S ff. parall. endlich steht die Stillung des Storni
durch Jesnm für sich allein.
Entfernter von den bisher betraehteten firafthlaogen
steht die Geschichte Matth. 17 , 24 ff. Zwar findet sich
auch hier, wie bei einigen von jenen, eine Anweisnng Jeii
an den Petrus cum Fischfang, welcher, wie swar nicht
ansdrfiohlioh gesagt ist, doch vorausgeseCkt werden oiiifi,
der Erfolg entspricht: aber theils soll nur Ein Fisch, und
■war mit dem Angel, gefangen werden; tbeils iit die
Hauptsache die, dafs in seinem Maule ein Geldstfiok ge-
funden werden soll, um damit die Tempelstener fiBr Jesus
und Petrus, welche von dem letsteren gefordert wer, so
besshlen. Diese ErsAhlong, wie sie snnächst sieh gi^
hat eigenthamliche Schwierigkeiten, welche Padlijs gut
anseinandersetst , und auch Olshaussn nicht in Abrede
sieht Wenn nämlich Fritzschk mit Recht bemerkt, swei
wunderbare Stücke seien in dieser Geschichte; das eine,
dafs der Fisch einen Stator im Manie gehabt, das andere,
dafs Jesus diefs vorhergewufst heben solle; so erscheioi
theils jenes und damit anoh dieses als abenteuerlich) tbeiti
das ganae Wunder als unnöthig. Zwar, dafs Fische Me-
talle nnd andere Kostbarkeiten im Leibe gehabt haben,
\
NeanCes Kapitel. §. U9. 209
wird «Doh sonst ersühlt '^), and ist nicht aBglanblich : dafs
«ber ein Fisch ein GeldstUck im Manie haben und darin
behaltan sollte , während er nnglelch nach dem Angel
whnappt^ das fand aneh Dr. Scrvappinobr *^ nnhegreifliolu
Der Anlafa Ar Jesnm aber, ein solohea Wunder nn thnn,
konnte weder OeMniangel sein: denn wenn aneh damaia
gerade kein Vorrath in der gemeinsaBien Kasse war, ao
befand alch doch Jesus in den befreundeten Kapernanm,
wo er auf natürlichem Wege bu dem nSthigen Oelde ge*
langen konnte, man milfste denn mit OLdBAVSBN das Ent-
lehnen durch Zusammenwerfen mit dem Betteln gegen das
fOB Jesu BU beobachtende dect^rum dwiimm finden ; noch
konnte Jeans nach so vielen Proben seiner Wunderliraft
Mcb dieses Wunder noch fiir ndthig erachten, um denf Pe-
tras im Glauben an seine M essianität su bestXrken.
Defswegen ist es nicht su Torwundern , wenn eatio«
saBitisclie Ausleger gesucht haben, eines Wunders, das
asch Olsbauskn das schwierigste in der gansen CTangeli«
diea Gesdiichte nennt, um Jeden Preis sich su entledigen :
M kommt nur auf die Art an , wie sie diefs angegriffeD
bibsBL Der Nerr der natfirlichen Erklärung des Factnms
ÜBgt ikrin, dafs man in der Anweisung Jesu das evQi^sig
ajeht Tom unmittelbaren Finden eines Stators im Fische,
iondeni ron einem mittelbaren "Erwerben dieses Geldbe-
trage durch Verkaof des Erangelten versteht ^^. Dafs das
SBgeseigte Wort auch diese Bedeutung haben kann, ist
suBugeben; nur mufs, dafs es diese und nicht seine ge-
wöhnliche Bedeutung habe, im einselnen Falle aus dem
Zusamnaeohang erhellen. Wenn es also in unserem Fall
hiefae: nimm den ersten besten Fisch, trage ihn auf den
Markt, xmel evQi^a$ig gccr^Qaj so wäre jene Erklärung an
27) Die Beispiele s. bei Witstbih z. d. St.
28) Die heil. Schrift des n. Bandes 1, S. 314. 2te Aufl.
29) Paulus, exeg. Handb.^ 2, 502 ff. Vgl. Hasb, L. J. $. 111.
Das liehen Jesu Ue Aufl. iL Band. 14
210 Zweiter Abschnitt
der Stelle ; da statt dessen dem evQijaeig vielmehr ein am-
£ag t6 cofia amCt vorhergeht, da also nicht ein Ort enm
Verkaufen ) sondern nur ein Ort am Fisch angegeben bt,
bei dessen Er5£Fnnng der Stater erlangt werden sollte, so
kann nor an ein anmittelbares Finden des Geldstückt io
diesem Theile des Flscbs gedacht %verden ^y. Wozu wftre
auch das Offnen des Fischmaules ansdrüekllch bemerkt,
VFcnn nicht eben in demselben das Begehrte gefanden
werden sollte? Paulus sieht darin nur die Anwehung,
den Fisch ungesäumt vom Angel su lösen, um ihn leben«
dig EU erhalten und desto eher verktfuflich au machen*
Zu dem Befehl, das Maul des Fisches au Öffnen, könnte
allerdings, wenn sonst nichts dabei stönde, die Herausnehme
des Augeis als Zweck und Erfolg hinsugedaeht werden:
da aber evQijaetg cctrijoa dabeisteht, so ist unverkennbar
dieses als nächster Zweck des Maulöffhens Iveseichnet.
Das Gef&hl, dafs, so lange von einem Anftlian des Manles
am Fisch in der Stelle die Rede sei, auch der Stater alt
in demselben su findender voransgesetat werde ^ bewog
die rationalistischen Erklärer, das co^ia wo möglich auf
ein anderes Subject als den Fisch bo bestehen: und da
war nur der Fischer, Petrus, Abrig. Da nun aber dai
coiicr durch das dabeistehende avrö an den Fisch gebondeii
schien, so hat Dr. Paulus, den Vorsehlag eines Frenndei,
statt — ariS, et\)i^ani; — geradeau uy&evfn}a€ig «u leien,
mildernd oder überbietend , das stehen gelassene crvr« von
c:6fii(x getrennt, adverbialisch genommen, und übersetst: da
darfst dann nur deinen Mund aufthnn, um den Fisch feil*
anbieten, so wirst du auf der Stelle Corrü') einen Stater
fttr denselben ausbeaahlt bekommen. Wie konnte aber,
mnfste man noch fragen, in dem fischreichen KapernsDni
ein einziger Fisch so theoer beaahlt werden? weswegen
denn Paulus das %6i' (h*aßdvta uQtiTOv Ix^vv aim- collecdv
30) >'gl. Storii, im FiJkrr^schcn Magazin, 2, S« 68 (T.
Neantes KapiteL $. 99. 211
füfiCie: nlaoi alfeauil.deii Fisch, rfer dir saerst aof«l6r8f,
ttiid BMche $o fort, bis da einet Sutert werth eran«
gelt hast.
Werdeo «vir d^reh dte Reibe von Oewaltlhltigkeifen,
welche sor natfirlieheo Krklümng dieser ErEäblung nö*
diig sind, wieder au derjenigen snriickgewiesen , welche
hier ein Wander findet ; and erscheint uns doch nach dem
frflher BeoMrliten dieses' Wnnder als alienteaerlieh und
uoalithig, aütbio tdit anglÄobllch: so bleibt nichts fibrig,
ab aocb hier ein sagenhaftes Element voraussusetaeii«
Uisfs bat man so fersaeht, dafs man eine wirkliche aber
aatfrliebe Thatsaehe als aam Grunde liegend annahm: dafs
siadieb Jeaos einaMl den P^ros angewiesen habe, so lange
so fiseheo, bis die Tempdstener erangelt w4re; woraus
daaa die Sage entstanden sei, der Fisch habe die Steuer«
■iaae im Manie gehabt '0* Beaser denken wir one wohl
sif Yeranlassong dieser Anekdote das ?ielbentttzte Tbeinn
fSB einem Fischfang des Petras auf der einen , and die
htkannfen KraAhlungen von Kostbarkeiten, die im Leiue
fsa Fischen gefunden worden , auf der andern Seite. Pe-
tras war, wie wir aus Matth. 4, Luc. 5, Job. Si. wissen,
ia dar evangelischen Sage der Fischer, welchem Jesus in
renebiedenen Formen, nanächst symbolisch, dann eigent»
lUb, den reichen Fang beseheert hatte« Das Werth volle
das Fangs tritt sinn hier als Oeldmanze heraus, welche,
wie dergleichen Uinge sonst im Bauche ?on Fischen, so
doreh eine Steigerung des Wunders gleich im JMaule des
Fisehes gefanden werden sollte« üals es gerade der sur
Tempelsteaer erforderliche Stater ist, könnte durch eine
wflrküehe Aulserang Jesu über sein Verhältnifs an dieser
Abgalie, welche aofKliig mit Jener Anekdote in Verbindung
kam^ veranlalst sein; oder könnte umgekehrt der in dar
Ssge vom Fischfang sufällig vorhandene Stater an die
Sl) Kusaa» bibl. Theol. 1, S. 20U. Vgl. Hxw, a. a. O.
14*
212 Zweiter Absehnllt«
Tempelabgabe I welche fiBr cwei Personen eben eo ?iel be-
trag, ond den darauf beeOgUcben Aasspruoh Jesn erin-
nert haben.
In diesen mlhrohenhaften Ansltefsr endigen dUe Ses*
anekdoten«
f. 100.
Die wunderbare ^eitung^ •
Wie In den snletst betrachteten Gbseblohten Jerai
bestimmend und besinftigend anf die TemtinfllosiB nnd selbtt
auf die leblose Natur einwirkte: so Wirkt er in denjeni-
gen Ereählungen , bu deren Betrachtung wir JetEt fort»
schreiten, sogar vermehrend nicht allein anf Naturgegen-
stände, sondern selbst auf kflnstiicli verarbeitete Matll^
Produkte.
Dafs Jesus nnliereitete Nahrungsmittel auf *waDde^
bare Weise vermehrt, mit wenigen Broten und Fischen
eine grufse Menschenmenge gespeist habe, ersählen ans
mit seltener Einstimmigkeit sKmmtliche Evangelisten (Mstth.
14, 13 ff. Marc. 0, SO ff. Luc 9, 10 ff. Job. 6, 1 ff.)> ^^
glauben wir den beiden ersten von ihnen , so hat Jerai
diefii nicht blofs Einmal gethan; sondern Mattli. 15, 32 £
Marc. 8, 1 ff. vrird eine sweite Speisung erslliit , bei der
es im Wesentlichen ebenso wie bei der ersten coging*
Sie fiUlt der Zeit nach etwas spiter ; der Ort ist etwas
anders beseichnet, und die Dauer des Anfentbalts der
Menge bei Jesu abweichend angegeben; aucli ist, wsi
mehr besagen will, das OrfffsenverhSltnirs swischen dem
Speisevorrath und der Menschenmenge ein verschiedenes,
indem das erstemal mit 5 Broten und 2 Fiselien 5000, des
sweitemal mit 7 Broten und wenigen Fisctien 4000 Mann
gesittigt werden, und dort 12, hier 7 Kttrbe mit Brocken
Übrig bleiben. Demongeachtet ist nicht nur die Substani
der Geschichte auf beiden Seiten gana dieselbe : Sfittlgoog
einer Volksmenge mit nnverblltniCimäfsig wenigen Nah'
Neanlea Kapitel. S* 100. %lt
raagiMletola ; MMidam aaeh die Ansimlung de» 8e»He ist
ia ilen GrandaAgMi gana antsprecheiHl : beidemale das Lo-
cal aiaa dmawia tiegand Ui dar Nahe das galilXltobaD
Sea's; baideiaale die Varanlassang des Wondats ein ai»
Isnges Verweilen des VaUis bei Jesu; beidemale iwaeogt
Jssas Last, die Menge bu9 eigenen Mitteln an speiseny
was ctte Jünger als eine annttgliehe Saefae betraebtan;
heideauJa bestebt der disponible SpeiseTorrath In Broten
oad Fischen ; lieideniala Ufst Jesns die Leate sieb lagern
■ad tiieilt ihnen naob gesproolianeai Dankgebet dureh Ver-
■Ittlaag seiner Jünger aus; lieidenuile werden sie yoUkoai*
■ea satt, und es liann noeb eine anrerliiCltfdfsniSrsig
gro(se Menge Abrig geblieben«* Brocken in Körbe gesam*
■elt werden; endlieh einmal wie das andere satat Jesns
oaeh roUbrachter Speisung lllier den See.a
Bei dieser Wiederholung desselbae Vorfalls nacht
■sasntUch die Frage Schwierigkeit , ob es wolü denkbar
ad, dafa die Jünger, naclidem sie selbst nitangesehen hat*
tas, wie Jesos mit wenigen Nahrungsmitteln eine grofsa
Mesp m speisen vennechte, dennoch bei einem awettoii
Ihaliabao Falle Jenen ersten spurlos vergessen gehabt, nnil
fB&i|t haben sollteu : nodtr ijfitp iv iQfjfdff aqtik roaStoij
tSgi xoffKoaai oxiov xoaäfsey; Wen^ auin sich für eine sol«
sbe VergefiUiehkeit der Jünger darauf berufifc, dafs sie auf
ihnlieba unbegreiflicbe Weise die Erklärungen Jesu über
asin l^rorstabendas Leiden und Sterben vergessen gehabt
iisben , ala dasselbe eiatrat ^> ^ so ist es Ja ebenso noch
1) OiSHAvasir , 1 , S. 503> Die ebendsa. in der Anmerkung gel-
tend genachte Inatanz, daaa laut dea a^n^ hx llaßofttv Matth.
16, ?• die Jtinger auch nach der «weiten Speiaung noch aicb
nicht gemerkt hatten, wie man in der Nühe dea Menaohen*
sohna keine Speise für den Leib mitxunehmen brauche, l>e-
weist deaswegen nichta, weil die Umstände hier gana andere
vvaren. Dass aus der wunderbaren Sättigung des zufällig in
314 »* Zweiter Abtcbnitt
riiie obMibwebende Fragen ob neeti so dentllcben Vomiw-
sAgen Jesu sein Tod den JAnger« so unerwartet hätte sein
können ? Denkt man sieh aber Kwtscben beide Speisongen
eine l&ngere Zeit nnd eine Ansahi fihnlieher FfiUe hiaein,
wo aber Jesus nicht für gut gefonden habe, aof'Huoder-
bare Weise ed helfen ^j, so sind dieb theÜs reine Erdieh*
tangen, theils bliebe auch so nnbegreiflieh, wie die gar sn
spreehende . Ähnlichkeit der Unistände vor der sweitca
üpeisong -niit denen vor der ersten auch nicht Einen der
•I tinger an diese sollte erinnert haben* Mit Recht behaup-
tet daher Paulus , hätte Jesos schon einmal die Menge
darch ein Wunder gespeist gehabt, so würden beFm evrei-
tan iiiale die Jflnger auf seine Erklärung, er möge das
Volk nicht nUchtern entlassen, ihn getrost sur Wiederho-
lung des vorigen Wunders aufgefordert haben.
Jedenfalls daher, wenn Jesus uu ewei verschiedenen
Malen eine Volksmenge mit unvertHlltnirsmärsig geringem
Vorrathe gesättigt hat , müfste man mit einigen Kritikern
annehmen , dafs aus der Ersählung von. der einem Bege*
beoheit viele Züge in die von der andern Übergegangen,
and so beide, ursprünglich sich unähnlieber, in der münd»
liehen Oberlieferung immer mehr ausgeglichen worden
seien, wobei also namentlich die uweifelnde Frage der Jün-
ger nur das erste , nicht aber auch das Rweitemai vorge-
kommen sein künnte ')• Für eine solche Assimilation kann
es SU sprechen scheinen, wenn man bemerkt, wie der
vierte Evangelist, der namentlich in den Zahlangaben auf
Seiten der ersten Speisung des Matthäus und Markns ist,
der Wtiste verspäteten Volks die Jünger nicht den beque-
men Schluss zogen,' welchen der bibl. Comm. daraus sieht,
kann ihnen nur zur Ehre gereichen.
2) Ders. ebcnd.
3) GRArii Comm. z. Matlh. 2, S. 90 f.; SxsmRT, über Atn Ur-
sprung, S. 97. .
A««AlO0 Kapitel. S* 100. . 215
iloeh rcn deten sweitar ßpebongfgeMhlchte die Züge hat,
daCi eine Aarade Jesa, nicht der Jfinger, die Scene eröflf*
netj end dab das Velk aq Je«o auf einen Berg kommt»
AUeia wenn man hiebei die Grandaflge: Wüste, Speisung
des Volks, Aufsammeln der Brocken, auf beiden Seiten
itahen ififst, so ist auch ohne Jene Frage der Jünger Inn
aer noeh unwahrscheinlich genug, dsfs eine solche Sceue
lieh aaf so gana ähnliche Weise «i^iedcrhoU haben sollte;
lifst Bsa hingegen auch Jene allgemeinen ZOge bei der el-
oea Geschichte fallen, so ist nicht wmter einaosehen , wie
naa die Treue der OTangeiischen Bralhlong in Beang auf
du Wie der aweiten Speisung auf allen Punkten in An*
ipraek nehmen 9 und doch an der Angabe, dafs eine soU
che vofgefallen, feathalten kann, aumal nur Matthäus und
der ihn folgende Markus yon derselben wissen.
Daher haben^ neuere Kritiker^ mit mehr ^) oder weni*
gn*) Entschiedenheit, die Ansicht ausgesprochen, es sei
luer ein und dasselbe Factum durch Mifsverstand des er-
ta£Tangelisten, welchem der aweite folgte, Tcrdoppelt
«oidau \on der wunderbaren Speisung seien Tcrschie*
dene Sraähinngen im Umlauf gewesen, welche namentlich
u dn Zahlangaben von einander abwichen : und nun habe
dvVerfiuaer des ersten BTangeliums, welchem Jede Wun-
beschichte weiter ein willkommener Fund, und der defs«
küb KU kritischer Reduction aweier verschieden lautenden
Krablangen der Art wenig geeignet war, beide In seine
Simsiliing aufgenommen« Dann erklärt sich voUkommen,
«ie bei der aweiten Speisung die Jfinger noch einmal so
ugliabig sich äntkem können: weil nämlich auchi die
4)TKis88y krit. Commentar, 1, S. 168 ff.; Schulz, Über das
Abendmaht, S. ^11. Vgl. Fritzschb, in Matth. p. 523.
3) ScauisiiMAcniR, über den Lukas, S. 145. ; Siirrsar, a. a. 0.
S. 95ff. ; Hus, $. 97. Gan« unentschieden «chwankt Nbakobr,
L. J. Cur., S. 372ff. Anm,
216 Zweiter Abftckaili^
aweite Gesehlohte de , wo der Verfaeier des ersteo B?ui*
gelioma sie hernahm ^ die eioelge and erste gewesen war;
und der Evangelist verwischte diesen Zug nicht, weil er
überhaupt die beiden Erzählungen gans so, wie er ale
hörte o(ier las, seiner Schrift einverleibt uu haben scheint,
was sich unter Anderem auch in der Constane selgt, mit
welcher er und der ihm nachschreibende Marlius nicht
^ nur in der Darstellung der Begebenbeiton selbst, sondern
auch in der spfttereo Erwähnung derselben Mattb. 16, 9 f.
Marc. 8, 19 f., bei der ersten Speisung die Körbe dorch
)f6ftvotf bei der eweiten durch anvqUiBg lieseichnen ^). Frei*
lieh wird mit Recht behauptet, dafs der Apostel Matthias
unmöglich einerlei fUr zweierlei habe aufgreifen, und eine
gar niclit vorgefallene neue Geschichte ereäblen können')*
aber die Wirklichkeit einer doppelten Speisung folgt nur
dann hieraus , wenn man den apostolischen Ursprang des
ersten Evangeliums schon voraussetzt, der doch erst sa
beweisen ist. Wenn ferner Paulus einwirft, die Verdop-
pelung jener Geschichte wäre ohne allen Vortheii Ar die
Sache des Evangelisten gewesen , und Olsbauskn diefs ofi-
her dabin entwickelt, daCs die Sage die sweite Speieongs-
gescbichte nicht so einfach und nachtern, wie die erste,
gelassen haben wOrde: so kann diesea begehrliche Redeo^
es sei etw^as keine Erdichtung, weil es als solche noch ««•-
gescbn«jickter sein mOfste, eigentlich geradezu abgewieMA
werden, weil es, jedes bestimmten Mafsstabes entbebrendi
unter allen Umständen wiederkehren, und am Ende du
Mährchen selbst nicht mährchenhaft genug finden wird;
insbesoqdene aber hier ist es defswegen völlig ieer^ weil es
die Erzählung von der ersten Speisung als eine historiscb
genaue voraussetzt: haben wir in dieser schon ein sageo*
haftes Erzeugnifs, so braucht sich die Variation dafoOi
6) Vgl. SAVxua, a. a. 0. S. 105.
7) Paulis, exeg. Handb.^ 2) S. 315; OlshaCsbiv^ a. a* ^'
die «weite Sprunge gnehiehtö, nielit Höcb «diwrili beeendere
tradldeneUe Züge aonmekbfieii. l>fteh 'fiieli^ Mic^fe iitclit
ift*8 WnderherBPe iet die firslbioiig Ven dMr cwehM
SjMjjieHg gegwikii Ten der iMreted ttuegeeeÜMMt ; - ion«
dern, indeM aia, Ae Ihuge der HshHnigeMlItef -i^emieh»
rend, die Zahl der 6eeitdg«Mi «Mmikidert , Terrlng«!^ "de
du Woader: »od in diesein A»til|liieeic 'toAmi tuok * dW
•khersto Itttrgsebefft fiSr die WirUiohkeit der cwelleii
Speisung; iBdeni , wer so der ereten dooIf eine welteni
Unsudichten wollte , dieselbe wohl e«cb ttberfnoten, und
statt der MOO Mensclien oiebt 4000| sondern ¥0,000 gesetst
heben würde ^. Aach diese Argonfentation beruht anf der
anbegrOndeten VeraossetEong, dafs gerade die erste Speisung
die historisehe sei; wobei Olshauskn selbst den Gedanken hat,
dafs einer wohl auch die aweite für die historisehe Grand«>
Isge, nad die erste fttr die sagenhafte Zuthat ansehen
könnte, nnd dann rerhielte sioh die erdichtete sur walw
lea , wie gefordert würde, als Steigerang* 'Wenn er nm
tW liiegegen bemerkt, wie unwahrsobeinltch es sei, dafd
der lalantere Referent dae Achte Factooi aie das geringere
Bsehbrfnge, nnd das falsche voranstelle, yielaehr wolle «in
nidher die Wahrheit Überbieten , nnd stelle defshalb im-
■er daa Erdichtete als das OlünEenderc hinten au: bo
seigt er damit anfs Nene, dafs er sieb anf die mythisch«
Ansicht von den biblischen Brafihiungen nicht einmal so
iveit rersteht, als su ihrer BenrtbeUnpg nöthig ist. Denn
▼ea einem unlauteren Referenten , welcher absichtlich die
wahre Speisnngsgescbichte bitte Oberbieten wollen, spricht
bier Niemand, und am wenigsten erklärt irgend wer denr
Matthtas für einen solchen; sondern, mit vollkommenster
Redlichkeit, ist. die Meinung, hatte der eine von 5000, der
tndere von 4000 Gesättigten geschrieben, ebenso redlich
•ehrieb der erste Evangelist Beides nach, nnd eben
8) OLsaAVSB»; S. 504.
918 Zweitor Abaohnitl*
er TdUig arg* and ebsiehtolot sa Werke gfaif ^ kem et iha
eech iiioht dareof an^ welehe von beiden Gesehiehten To^
en- oder neehetehe, die bedentendere oder die ?on minde-
rem Beienge; fondern er lieft eleh hierin dnreh snfkllige
UmsUUidei wie dafs er die eine mit Begebenheilen snsam-
mengestellt fand, die ihm die firflheren^ die andere nit
•pichen, die ihm die apXteren aehienen, bestimmen, tiani
dieselbe Verdoppelnng" findet aiob ancb sehen im Penti-
tench in Beeng aqf die Gesebicbten von der Speisung mit
Wi^ehteln und der Tränkung ans dem Felsen, von welebea
die erstere sowohl 2. Mos. 10. als 4* Mos. 11., die letetere
aber 2. Mos. 17. und wieder 4. Mos. 20:^ « beidemale mit
reriinderten Zeit-, Orts- and sonstigen Umstinden, ersShlt
ist *> Hiemit haben wir indefs blofs das negative Ergeh-
nib, dafs der dopjMlteii £raählang der ersten Evangelien
nioht swei verschiedene Begebenheiten kennen snm Grunde
gelegen haben : welche, und ob fiberhaupf eine von lieiden
geschichtlich begründet se^ mnfs Gegenstaiid einer eigeoen
Untersuchung werden.»
Wenn,, um dem magischen Scheine ensunweleheo,
welchen das vorliegende Wunder vor aodera hat, Oi.SflAU-
aSH dasselbe mit dem GemOthsenstand der betbeiligten
Personen in Beziehung setaC, und die wunderbare Spei-
aung durch den geintlieben Hunger der Menge vermittelt
wissen will: so ist diefs nur ein zweideutiges Reden, das
bei dem ersten Versuche, den Sinn desseliien festsusteUen,
in Nichts nerfällt« Denn bei Heilnogen u« B. besteht nach
der hier vorausgesetsten Ansicht Jene Vermittlung darin,
dafs das Gemfith des Kranken sich der Einwirkung Jesu
glaubig öffnet, so dars bei fehlendem Glauben auch der Wnn*
der kraft Jesu der erforderliche Anknflpfungspunkt im Men*
scheu fehlt: hier also ist die Vermittlung eine reale. Sollte
9) •. die Nachweisung bei dk Witts, Kritik der mos. Gesch. .
S. 220 ü. 314 a.
Meaiiles KapiteL S* 100« SlO
nim In gegeawirCfgem Falle dieselbe Art tos Venftlttlnog
•tattgehabt, and also bei denjenigen Ton der Menge, welehe
etwa nngiaoblg waren, die slltligende Einwlrknng Jesu kel*
nen Eingang gefunden haben: so mfifste hier die Sittigvng
wie dort die Hellung als etwas von Jeso geradeso and
ohne voroügegangene Vermehrung der Mafserlich yorhan-
denen Mahmngsmlttel In dem Leibe der Hungrigen 6e*
wirktes angesehen werden. Allein eine solehe Vorstellung
von der Sache wird, wie Paulos mit Recht erinnert, and
«aeh Olsbaosbm andeutet, durch die Bemerkung der Evaii«
gellsten abgeschnitten, dafs unter die Menge wirklich Spot-
ten rertheilt worden seien, dals von diesen Jeder, so yiel
er wollte, genossen habe, und dafs am Ende noch mehr
ile ursprOiigllch yorräthig gewesen , übrig geblieben sei.
Die hierin liegende lurserlleh and objectiy yorgegangene
Vermehrung der Nahrungsmittel kann nun doch nicht
durch den Glauben des Volks auf reale Weise yermittelt
gedacht werden , so dafs jener Glaube cum Gelingen der
Brotrermobrnng mitwirken mufste; die Vermittlung kann
Helmehr nur eine teleologische gewesen sein, d. h. dafs
um eines gei» lesen Gemfithssnstands der Menge willro
Jesus die Speisung vornahm. Kino solche Vermittlung
tber gibt mir nicht die mindeste Hülfe, mir den fraglichen
Vorgang denkbarer an machen ; denn nicht, warum es so^
•sndem wie es engegangen sei, ist die Frage. So beruhe
adthin Alles, was Olshaoskn hier gethan un haben glaubt,
un das Wunder denkbarer bu machen, auf der Zweideutig-
ksit des Ausdrucks: Vermittlung, und es bleibt die Dn-
(knkbarkeit einer nnmittelbaren Einwirkung des Willens
Jesu auf die yemuuftlose Natur dieser Geschichte mit den
loletBt erwogenen gemein.
i>oeh eigenthümlich vor den andern ist Ihr die Schwie-
rigkeit, dafs hier nicht blofs wie bisher von einer den Na-
targegenständen ertheilten lliohtung oder Modification,
tondern von einer Vermehrung derselben, und awar tn's
220 Zw«il»r Abschnitt.
•
Ungtobettfe, dia Rede Ist. Zwar Ist uns nlehts «UtitgllclMr,
als Wachstham und Vermehmiig dar MatorgegenstHnde,
wie sie b. B. vom SamenkMfa in den Parabeln vom Sie-
mann und vom Senfkorn dargestellt bt. AlMn diese gs-
sohiebt erstlich nicht ohne Zntvitt anderer Natnrdhige, wie
Erde, WasMr, Lnft, So dafs aiieh bfery naeh dem beksnn-
tei» Sats der Natiiriehre, oiebt eigentlich die Substana Tsr>
mehrt, sondern nur die Aceidenslen verwandelt werden;
zweitens geschieht dieser Prooeb so , dafs er seine ver*
aohiedenen Stadien in .entsprechenden Zeitdistaneen so«
rfieklegt. liier dagegen , bei der Vermehrang der Nah-
WMigsmlttel darch Jesus i, findet ¥iwder das £ine noch das
Ander« statt: das Brot in der Hand Jesu b&ngt nicht
mehr, wie der Halm, auf welchem die Frucht wuchs, mit
dem mfitterlichen Boden uusan^en, noch geschieht sMse
Vermehrung ailmäblig» sondern pUltalieh.
Das aber eb^ii soll das Wunderbare an der Saebe
aefp ^ und namentlich nach der letzteren Seite hin dai ge-
genwfirtige Wunder ein beschleunigter NatnrproeeCa ge-
nannt werden können. Was von der Aussaat bis aar
Ernte in drei Vierteljahren geschieht, soll da in Minotao
unter der Austheilung der Speise geschehen sein; denn ei-
nes Beschleunigung seien die Natnrentwicklnngen fi%
und einer wie grofsen, daa sei nicht au bestimoMn ^®). f^
beschleunigter Naturprocefs wäre es gewesen , wenn in
Jesu Hand Je ein Korn hundertfftltige Frucht getragen aad
sur Reife gebracht, und er die vermehrten Kömer ana
immer vollen Httnden dem Volke bingesohattet hStte , vm
sie von diesem serreiben , kneten und backen , oder in der
Wüste , wo sie waren , roh aus den Hfllsen geniefsen so
lassen; wenn er einen lebendigen Fisch genommen, nod
die Eier in dessen Leibe plötsllch hervorgerufen, befrach-
tet, und SU ausgewachsenen Fischen gemacht h&tte^ welche
10) So, nach Fmnmnssa> Oumaussh, 1, S. 480. Vgl. Hass> §• 9^
Meontes Raplcel. S- 100. 121
dinn die Jdknger oder das Volk hitten sieden oder braten
■Sgttfl. So hingegen nimmt er nieht Korn in die Hnnd,
soadera Brot, nnd eneh die Piaohe misten, se win sie in
Stfieken ansgetlieill werden, irgendwie nnliereitet} viel«»
bieht, wie Ln6. M, ISL rgl. Job. 21 , 9., gebraten , oder
daieialsen gewesen sein« Hier ist ako aof iieideii Seiten
kein reines, lebendiges Natnrprodnet mehr, sondern ein
todtes nnd durch Konst modificlrtes ; um ein solehee in
eineD NatnrproeeCs Jener Art en rersetsen, bitte Jesos
Tor Allem dnroh seine Wunderkraft ans dem Brot wieder
KSnier, ans den Bratfischen wieder rohe nnd lel>ende
mehen, dann geschwind die besehriebene Verdiebmng
nrnehmen, endlieh simmtliohes Vermehrte Tom Natumn*
•tand in den kflnstÜchen anrOckrersetsen mflssen. So
wire mitbin dieses Wunder aosammengesetEt 1} ans einer
Wiederbelebang, welche alle sonst in den Srangelian er*
ilUle an MiraculositXt llbertrife; S) ans einem bSchst
beiehleanigten Maturprooefs, nnd S) ans einem nnsicMlialp
virgsoemmenen und el»enfalls höchst liesobleunigten Kunst»
pnoefs, indem alle die langen Prooeduren des Müllers
■BdBäckersi auf der einen, nnd des Kochs auf der andern
Seite dnroh Jeen Wort in einem Augenblick mfifsten vor
lieh gegangen sein. Wie mag also Olsbahsbn sieh selbst
■id den glaubigen Leser durch den annehmlich kUngen*
isn Ausdruck: beschleunigter Maturprocefs , tSnsohen,
veno doch dieser diu Sache., ron der die Rede ist^ nur
nun dritten Theil beneicbnet ^0 <
il) Diese jämmerliche Bemerkung, ven mir luit nach OfUAV^mn
wohl in etwas Schlimmerem als in blosser inteUectueller Ua«
fahigkeit ihren Grund, nämlich in meinem vollendeten Un-
glauben an einen lebendigen Gott; sonst hätte mir wohlidaa
Bedenken nicht so gross scheinen können , wie durch die
göttliche Causalität menschliche Thätigkeitcn ersetzt werden
können (S. 479.)*
934 Zweiter Absohniit.
lieb Bnni gröfseren Tlielli^aaa efaMr FestknraFane beitiin-
den habei so könne de nioht ebne. alle Speberorrlthe ge-
weaen, and nnr einigen Aermerei vielleiebt der Vorrath
bereite anegegangen geweaen sein. Dm nun die besser Ve^
eebenen nur Mittbrflnng an die, denen es fehlte, eb ye^
anlassen, bebe Jesus ein Mahl veranstaltet, und sei mit
eigenem Beispiele in der Mittheilnng dessen, was er and
seine Jflnger von ihrem geringen V-ormtb entbehren konn*
ten, vorangegangen; dieser Vorgang habe Naobaboiiing
gafnnden, und so sei, indem 'Jean Brotaustheilong eine
allgemeine Mittheilnng veranlafste, der ganee Volkshaof«
satt geiiovden. Allerdings mfisse man dieses natürliche
Bfittelglied in den Text erst hineindenken ; da jedoch du
flbernatfirliche, welches man gewöhnlich annehme, die wun-
derbare Brotvermehmng, ebenso wenig aoadrAeklleb enge-
gelMu sei, 'eondern beide gleicherweise tünnugedaebt wer-
den müssen: so könne man. nicht anders, als ftr das n«*
tttrliehe sieh entscheiden. ^ üoch das hier i»ehänptete giei-
ebe VerbftltniTs der beiden Mittelglieder nnm Texte findet
in der That nicht statte Sondern, während ^nnm Behufe
der natttriichen Erklftmng ein neues austheÜendea Sobjfet
Cdie besser Versehenen unter der Menge), und ein neaea
auagetheilfees Object (deren Vorrlthe), summt der Handltnf
des Austbettens von diesen, biuBi^gedacht werden mab: be*
gnl^t sieh die snpranaturallstisehe Erklärung', mit des vor-
handenen Snbject (Jesu und seinen Jüngern) , Object (de*
ren kleinem Vorratli) nnd dessen Austbellung, und lüfft
nur die Art hinandenken, wie dieser Vorrath cur Sfitti-
guflg der Menge aulänglich gemacht wnrde^ indem er sich
nämlich unter Jesu (oder seiner Jttnger) Händen wunder^
Iwr vermehrte. Wie kann men hier noch bebaopten, dem
Texte liege keines von beiden Mittelgliedern näher als das
andere? Dafs die wunderbare Vermehrung der Brote und
Fische verschwiegen ist, erklärt sich daraua^ dafs dieser
Vorgang selbst sich nicht ffir die Anscbanung festhalten
Senates Kapitel. §.100. 225
iiMeo v9'Jtj daber besser mir naeh dem Erfolg bezeichnet
wird: wie aber will aian erklären, daCi von der dnroh
Jetaa berrorgerofenen Miitheilsamkeit der Obrigen mit
Vorratb Versebeneo niebts gesagt ist? Zwischen das tdtw»
tig /üctd^r^zcag^ ci de fiaO^r/icd loig iixi^S (Mattb. 14, 19)
Süd xai Bffteyoy navreg xat i^oiKaa^rfleof (V. 20.) {ene Mit-
tbcilaog der Andern bineinsodenken , ist reine Willkür:
wogegen durcb das xoi tag ovo ix^^vag ifdgiae naai (Marc.
6^41.) nnrerkennbar angeeeigt ist, dafs nnr die awei Fische
- und ako aneb nur die 5 Brote — das Object der Tbei«
ioBg fOr Alle waren ^^). Gans besonders kommt aber diese
nstürlicbe firkiärung mit den Körben in Verlegenheit ^
welebe, nachdem Alle satt geworden, Jesus noch mit den
llirig gebliebenen Brocken füllen liefs. Wenn hier der
rierte firangelist sagt: av>Tjctyoif &y, xcd eyifuaay diodexa
totfivHg xijaaficnunf ix %uiv nevre ägrafv tcüv xqiD-IvuVj a
ijUQiaaiuae xcig ßeßQtaxoaiv <6, 13.) : so scheint doch hie<^
dareh deutlich geoug gesagt au sein, dafs eben yon jenen
% Broten , nachdem 5000 Mann sich von denselben gesät-
tigt, noch 12 Körbe voll Brocken , also mehr als der ar-
^rSftgliche Vorratb betragen hatte, fibrig geblieben seien,
filier hat daher .der iiatfirliche Erklärer die abentenerlicb*
sieo Wendungen nöthig, um dem Wunder auszuweichen..
Zwar, wenn die Synoptiker nur schlechtweg sagen, man
habe die Ueberreste des Mahls gesammelt, und mit densel«
ben 12 Körbe geföllt, so könnte man vom Standpunkte der
aatfirlieben Erklärung etwa denken, Jesus habe ans Ach«
taug für die Gottesgabe auch das, was die Versammlung
foo den eigenen Vorräthen liegen liefs, durch seioe Jfin-
ger aufsammeln lassen. Allein, wie das, daCs das Volk
das fibrig Gebliebene liegen liefs und nicht au sich steckte,«
ioaudeaten scheint, Jafs es die gereichten Nahrungsmittel
sls fremdes Eigenthum bebandelte : so seheint Jesus , in-
l V
Dit9 Leben Jesu Ifa Aufl. li. Band. l*»
226 Zweiler Abiehnitt.
dem er es ohne Weiteres dnrcli seloe Jflnger slniannieln
IXfst, es als sein EigentlioBi bu lietrachten. Daher nimmt
dton Paulus das ijQixv x* r. iL der Synoptiker nicht ?oa
einem auf das Essen erst erfolgten Aufsammeln desseui wti
nach S&ttignng der Menge fibrig blieb, sondern von dem
Ueiierflofs ihres geringen Verratlu, weleben die Jflogeri
naehdem sie das ffir Jesnm and sie selbst Erforderliche
cnrflohgethan , vor dem geoteinsamen Mahle and om ein
solches na veranlassen , hemmgetragen liaben. Wie kano
aber, wenn nach etpayov ttal ixoqfiiad-rfiaiß unmittelbar xai
ijqccif folgt, damit auf die Zeit vor dem Essen socSckge-
eprungen sefn ? milfste es nicht nothwendig wenigstens ^^
yoQ heifsen ? Ferner, wie kann, nachdem eben gesagt war,
das Volk habe sich satt gegessen, to n€QiaatüOaVy voilenda
wenn, wie bei Lukas, avrds dabei steht, etwas Anderes
ab das vom Volk Debergelassene bedeuten? Endlich) wie
bt es möglich, dafs von &- Broten und 2 Fischen, nachdem
Jesus und seine Jflnger ihren Bedarf genommen , oder
selbst ohne diefs , natttriicherweise 12 Körbe mnr Aastbei"
Inng an das Volk gefflilt werden konnten? Doch noch
seltsamer geht es bei Erklärung der Johanneisohen Stelle
EU. Wegen der Anweisung Jesu, das Uebriggebliebeoe
mu sammeln, tva fuj %i ajiohjraij scheint der folgendes
Angabe, dafs sie von dem Debersehufs der 5 Brote 12 Kö^
he gefüllt haben, die Besiebung auf die Zeit nach dem
Mahle nicht enteogen werden bu können ; wobei dann oh-
ne wunderbare Brotvermehrung nicht abeukommen wire.
Lieber reifst daher Paulus von dem avn-yayw 6r das in
Einem fortlaufende xal iyifdUJav dtidexa xoq^ivug x« t. A* sb,
und Ifilst nun hier die Rede, noch härter als beladen Syn-
optikern, ohne alle Andeutung auf Einmal In das PlU'
quamperfectum und in die Zeit vor dem Mahle siurfiok-
springen«
Auch hier demnach löst die natiirliche Erklärung ih-
re Aufgabe nicht: dem Texte bleibt sein Wunder, und
Nennt«! Kapitel. S- 100. i27
V
weno ivir Grflnde haben, diese« nnglanblieh en finden , se
mSssen wir natennclien, ob die £rsllbiang de« Texte«
wirklieh Glaoben verdiene? Ffir ihre ansgeaeiohnetefjlanli-
Würdigkeit ffihrt man gewöhnlich die Deliereinstimniung
liamtlleher vier Evangelieten in derselben an : aber diese
Oeber^stiBBong Ist so vollstftndlg nicht. Zwar die Dif-
ftreosea, welche nwischen Matthäus und Lukas, und wie^
derswiseben diesen beiden and dem auch hier ausmalen«
denMsrkns stattfinden, ferner swischen simmfiichen Syn»
Optikern and Johannes dariui dafs Jene den Vorgang schlecht-
weg an einen lono^ iQrjtOQj dieser ihn auf ein oQog ver-
Ktit, nnd dafs den Synoptikern nnfolge die Handlung
dorch eine Anrede der Jfinger, nach Johannes darch eine
Fnge Jesu eröffnet ist C'wei Zfige, worin, wie bereits
knerkt, die Jobanneische ErnUhlnng sich dem Berichte de«
Httdilas und Markus von der nweiten Speisung nähert),
Mdlkh noch die Abweichnng, dafs die Reden, welche die
M ersten Eirangelisten unbestimmt tdlg fiad't/tatg in den
MunI legen, der wierte in seiner individualislrenden Wei-
Mninendieh dem Philippns und Andreas leiht, wie der-
Mfte nch als Träger der Brote und Fische bestimmt elit
^KttÜ^m» angibt, — diese Abweichungen können wir als
■htkr wesentlich II hergehen, um nur an Eine uns su hal-
^> welche tiefer eingreift. Während nämlich nach den
ij^tisohen Berichten Jesus die Volksmenge suerst lange
Mehrt nnd ihre Kranken geheilt hatte, nnd erst durch
^ einbrechenden Abend und die bemerkte Verspätung
Knmlafst wurde, sie noch su speisen: ist bei Johannes,
loktld er nur die Augen aufhebt und das Volk heranaie«
^ sieht, Jesu erster Gedanke der, welchen er in der
^nge an den Philippus ausspricht ; woher Brot nehmen,
^ diese nn speisen ? oder, da er diefs nur neiQd^ajv f^*g*
^} wohlwiasend, tl ^fitlle nouiv^ der Vorsats, hier eine
änderbare Speisung nn veranstalten. Wie konnte denn
*W Jesu bei*m ersten Herannahen des Volks sogleich die
15*
228 Zweiter Abschnitt.
Aufgalie entstehen, ihm zn essen su geben! Defshilb
kam es ja gar nicht zn ihm^ sondern nm seiner Lehre ond
Heilliraft wille.n. Er mnfste sich also gane ans eigenen
Antrieb jene Aufgabe steilen , nm seine Wnndermaeht in
einer recht ausgezeichneten Probe zn beweisen* Aber that
er auch Je sonst ein Wunder so ohne Noth und selbst oIh
ne Veranlassung, ganz eigenwillig, nur nm ein Wunder es
verrichten? Ich weils es nicht stark genug anaznsprechen,
wie unmöglich hier das Essen Jesu erster Gedanke sein,
wie unmöglich er dem Volke sdn Speisungs wunder in die-
ser Weise aufdringen konnte« Hier geht also die synopti-
sche Darstellung, in welcher das Wunder doch einen An-
lafs hat, der des vierten Evangelisten bedeutend vor, wel-
cher, zum Wunder eilend, die nöthige Motivimng dessel-
ben flberspringt, und Jesnm die Gelegenheft zn demselbeo
machen, nicht abwarten Iftfst« So konnte ein Augenzeuge
nicht erzfihlen ^% und wenn somit der Bericht desjenigen
Evangeliums, welchem man jetf t die gröfste Auctoritftt ein-
rfiumt, als nngeschichtlich bei Seite gestellt werden mab:
so sind bei den öbrigen die oben beregten Schwierigkei-
ten der Thatsache hinreichende Gründe, ihre geschieh tUehe
Zuverlässigkeit zu bezweifeln, besonders wenn sich neben
diesen negativen auch positive Gründe auffinden isMeo,
welche eine unhistorische Entstehung unserer Erzfiblong
denkbar machen«
Solche Veranlassungen finden sich wirklich sowohl in«
nerhalb der evangelischen Berichte selbst, als anfserhsib
ihrer in der A. T. liehen Geschichte und dem jadiachen
Volksglauben. In ersterer Beziehung ist es bemerkenswertb,
dafs sowohl bei den Synoptikern als bei Jobannes an lUe
durch Jesum vollzogene Speisung mit eigentliobem Brote
mehr oder minder unmittelbar Reden Jesu von Brot nn^
16) Gegen Nbakdbr's Ausgleichungavcrsuch vergl. db Wbttk, cxeg.
Hendb.) 1, 3, S. 77.
Neuntes Kapitel. S* 100. d29
Bretefst^ in nneifentlieheiB Sinne angebflngt sind, nftin»
lioh hier die Austprüeiie Tom wahren HinunelB* nnd Lv*
beiubrot, da« Jeaiu gekm (Joh. 6, 27 iE)» dort .dla Tom. fal*
nhen Sawrleif der Phariaäer nnd SaddnoXer» Mmlieh. ib^
rer falseheh Lehre und Uenefaelei (Matth, 16, *5 ff. - Marm
S^ 14 ff. vgl: Lue. 12, 1.) >0» «nd beidereeita wird dieeb
bildliche Aede Jean irrig von eigen tliebea Brote Terataitdehi
Dnoaeh lige die Vennutbnng nicht allsnfern^ wie in den
lagifiMiften. Stellen das Volk nnd die Jfioger, so habe aueb
die ente ohriatliehe Ueberiieferong das von Jean nneigent«
SA tiemeidte eigentlich gefafst, und wenn er. sieb etwa
iibüdliofaer Rede hisweHen als denjenigen dargasteilt bal«
ta, wetober dem irerinrten nnd hungernden Volk das wldN
n Lebtnsbrot, die beste Zukost, nn reichen varmSge, mo^
t7) Dietem Fingerzeig ist neuestens Wbissb nacligegangen, und hat
den Schlüssel zu der Speisungsgeschichte in der Frage Jesu
gefunden , welche er auf das Missverst'ändniss seiner War-
Btiag vor dem Sauerteige der Pharisäer und Saddncäer an
die Jiioger richtet , oh sie sich denn nicht erinnern, wie
nelKtfirlbe sie von den fttnf und wieder von den sieben BfO*^
tea hah&n aufsammeln können? Wenn er dann hinzusetze;
««5 H rOS2Tf n OTl « 71^^ S^H flTtOy VfJUV «. T. X» (Matth. 16, H)«
to zeige die Parallele, in welche Jesus hier die Speisungs-
geschichte mit der Rede vom Sauerteig setze, dassauph jen«
nur paraholisch zu verstehen gewesen sei (S. 511 ff-)* Allein
die Form der Frage Jesu: noan^ xoiptvug {o.ioftiSct^) hXufifrf\ setzt
eine wirkliche Begebenheit vori^us ; von einer ParAhel , in
welcher Jesus «iid die Jünger eine Hauptrolle gespielt hHU
teo, kann man sich nach dem im ersten Bande, bei Gele-
genheit der Versuchungsgeschichte Bemerkten, keine Vor-
stellung machen; die Schlussweise Jesu aber geht dem Texte
zufolge nicht von dem hlos bildlichen Sinne der früheren
Erzählung auf die gleiche Bedeutung der sjpäteren Rede,
sondern von dem früheren Beweise, Wie Überflüssig die Sor.i
ge für leibliches Brot in Jesu NlChe «ei i nAf d?e Üiigercii&t*
heit, seine >jetzige Rede von solchem lii yerstefaen. ' *
230 Zweiter Absohnilt*
mit er vielleieht den Saaerteig der Pbariiier i* QegenaaU
stellte: so habe diefa io der Sage, ibrer realistiaohen Rieh-
fohg gemäfa, die Wendung genommen, ala ob Jesni wirk*
lioh eifamal in der Wfiste hungernde Yolkamaiaea waBde^
bar gespeist hätte. Wenn das vierte fivangellnm die &e«
den vom Himmelsbrot als veranlafst duveh die. Speisung
hinstellt, so könnte das Verhiltnifi leioht umgekehrt dieri
gewesen sein, dafs die Entstehung dieser GescMohte durch
jeno> Rede veranlafst war, sumal aneh der lüngmig der jo*
hanneisoben Ibraäblnng mit seinem : no^&f ct/epaao^ «V
T8^, Um ydyioaiy moi; sich gleich bei'm ersten. AiÄbikk
lies' Volk« in Jesu Munde eher denken läfst, wenn er dt*
mit"ai^ieiiie Speisung dureh das Wort Gottes (vgl. Joh.
4v ^% ft'.)i «nf eine Stillung des geietigen Hn^era (Mattk
5, 6) anspielte, um das höhere Verstfindoirs seiner Jfin-
ger Bu fiben (jieiQa^tav)^ als wenn er wirklich an leibliche
Sfittigung gedacht, und seine Jünger nur in der Hinsiebt
auf die Probe gestellt haben soll, ob sie sich dabei aof
aeinjO Wunderkraft verlassen würden« Weniger ladet so
i^ioer aolohen Ansicht die ErB&hlnng der Synoptiker ein :
durch die bildlichen Reden vom Sauerteig für sich konnte
die Entstehung der Speisimgsgeschiohte nicht versnlibt
werden, und da somit das johanneische Evangelium in Be-
Eug auf jenen Schein eigentlich allein steht, so ist es dea
Charakter desselben doch angemessener, zu vermuthen, dab
es die traditionell überkommene Wunderersählung au bäd-
liehen Reden im alexandrinischen Geschmaoke verweodet|
als dafs ea uns die ursprünglichen Reden aafbewahrt ha-
be, ans welchen die Sage Jene Wundergeschichte gespon-
nen hätte.
Sind nun vollends die anfserhalb des N. T. liegenden
möglichen Veranlassungen nur Entstehung der Speisnngt-
geschichte ß^ihr stark: so werden wir den a«fgenomme-
nen Verjiucl^^ dieselbe ana M. T. liehen Stoffen an con-
strniren , wieder fallen laasen müssen. Und hier erioiiert
Neuntes KapIteL {• 100. S31
vns gieleh der ?ierle Evangelltt doreb die dem Vdke In
den Mnnd gelegte Erwlhnnng des Manna, Jene« Hiomele-
brots, welches Moses in der Wttsto den Verfahren nu es«
Kn gegeben habe (V. Sl«)» ^^ einen der berahmtesten ZU*
p der israelitlsefaen OrgescUebte (8. Mos. 16* ) , welcher
lieh gans dasn eignete, dab in der messianisehen Zeit ein
Rsehbild desselben erwartet wnrde, wie wir denn wirk-
lieb ans rabbiniseben Schriften wissen, dafs unter denje-
nigen Zügen 9 welche roni ersten 6o#l auf den nweitea
ibeinetragen wurden, das Verleihen von HioiaMlsbrot eine
Bsaptstdle einnabm ^^. Und wenn das uiesalsehe Manna
lieh dann hergibt, als Vorbild des von Jesu auf wunder»
bsra Weise vermehrten Brotes angesehen nn werden: so
kSanten die Fische, welche Jesns ebenso wunderber tct-
nslirte, daran erinnern, wie auch durch Moses nicht nur
ja desa Manna ein Brotsurrogat, sondern auch in den
Wachteln sine Fleischspeise dem Volke nu TheU geworden
war OL Mos. 16, 8. 12. IS. 4. Mos. 11, 4— Ende). Ver-
gjlcieht mau diese mosaischen Kralhlungen mit unserer CTan*
gcdsehen, so findet sich auch in den einseinen Zflgen el-
ne sflSallende Aebnlichkeit* Das Local ist beidemale die
Wiele; die Veranlassung des Wunders hier wie dort die
Bsssrgirfrs,.das Volk möchte in der Wflste Mangel leiden,
oder gur durch Hunger eu Grunde gehen: in der A. T.-
Üsben Geschichte die vorlaute, mit Murren rerbundene des
Volks, in der N»T.liclien die knrssichtige der Jttnger und
die meneehenlreundUche Jesu. Geht hierauf mit der An-
weisuog des letstereu an die Jfinger, sie sollen dem Volke
so essen geben, in welcher schon sein Vorhaben einer
Wunderbesen Speisung liegt, die Zusage parallel, welche
Jebora dem Moses gab, das Volk mit Manna (% Mos. 16,
4.) und mit Wachteln (2. Mos. 16, 12. 4. Mos. 11, 18 - 2a)
>u speisen : so ist gana besonders spreebend die Aehnlich-
18) ts den 1. Band^ ^. 14.
233 Zweiter Abtohnitt.
Mt des Zage« der evangelieeben BriXblung, dafs die
Jünger es als Unmöglichkeit ansehen, ffir' eine so grofse
Volksmasse In der Wüste Mahroogsmittel^ herbeisoschaf*
fen, mit dem, was der A. T. liehe Berieht den Moses gegen
die Verheirsang Jehova's, das Volk mit Fleisch bo sSttU
gen, eweifelnd einwenden lurst (4. Mos. 11, 21 f.)- Wie
nSmlich die Jünger, so findet auch Moses die Menge des
Volks KU grofs, als dafs er ffir möglich haken könnte, es
hinreichend mit Nahrungsmitteln ed versorgen; wie jene
fragen^ woher in der Wö^fo so viele Brote nehmen? lo
fragt Moses Ironisch, ob sie denn Schafe und Rinder (wes
sie nicht hatten) schlachten sollen? nnd wie die Jünger
einwenden , dafs nicht einmal durch die erschöpfendste
Aosgaba von ihrer Seite dem Bedürfnifs gründlich abge>
holfen werden könnte: so hatte Moses In einer andern
Wendung erklärt, um das Volk so, wie Jehova verhiefs^
aftttigen eo können^ müfste das Unmögliche geschehen (die
Fische aus dem Meer herbeikommen); Kin Wendungen, sof
welche dort Jehova, wie hier Jesus, nicht achtet, sondern
das Volk Bur Empfangnahme der wunderbaren Speise sich
rüsten belfst.
So analog übrigens der Hergang der aofserordentlicheo
Speisung auf beiden Seiten ist, so findet sich doch der
wesentliche Unterschied, dafs Im A. T. beldemale, bei dem
Manna wie bei den Wachteln, von wunderbarer BeiMhsC-
fnng SU vor nicht vorhandener Speise, im neuen aber fon
wunderbarer Vermehrung eines schon vorhandenen, aber
unBurelohenden Vorraths die R^de Ist, so dafs die Kloft
cwiscben der mosaischen Erzfihlung und der evangelischen
cu grofs wllre, um diese unmittelbar ans Jener ableiten cn
können. Sehen wir uns hier nach einem Mittelglied O0|
so trifft es sich gane sachgemfifs, dafs «wischen Moses and
den Messias auch In diesem Stücke die Propheten eintreten.
Von Elias Ist es bekannt, wie durch Ihn und nm seinet-
willen der geringe Vorrath an Mehl und Oel, den er bei
Meootes Kaintel. S« 100*
233
der Wittwe tn Zarpath faiu)^ woaderbar vennehrt, oder
niher wXhrend der ganeen üaoer diner Hangersooth bd«
reichend erhalten wurde (1 Kön. 17, 8—16.). Noch wei«
ter, ond mehr znr Aebniiehkeit mit der eTaogelisehen Er^
lihlang entwickelt findet sich diese Wnndergeschichte bei
fiUta (2 Kein. 4, 42 ff.)- lüeser will, wie Jeans in der
Wüste mit 5 Broten nnd 2 Fischen SMC, so während ei-
ser Hnngersnoth mit 20 Broten (welche, wie die von Jeaa
vsrtbeiken bei Johannes , als Gerstenhrode beseichnet wer-
den) nebst etwas zerriebenem tietreide (hvTQy LXX: na-
Itxlhai;') 100 Menschen speisen ; ein Mifsrerbfiltnirs ewischen
Vorrath nnd Mannschaft, welches sein Diener, wie dort
Jesn Jttnger, in der Frage ausdrfickt, was denn fBrlOO
Mann diefs Wenige solle? Eliiia wie Jeans lifst sich da*
dvreh nicht irren, sondern befiehlt dem Diener, das Vor-
handene dem Volke sn essen eu geben, nnd wie in der
erangelischen Erefthlnng das Sammeln der llbriggebliebenen
Brocken, so wird auch in der A. T.lichen. am Schlüsse
•
das besonders hervorgehoben, dafa nnerachtet von dem
Venrath so Viele gegessen hatten, doch noch Ueberschnfs
sieh keransgestellt habe ^'). Die einsige Dififerene ist hier
e^mtlich noch die geringere Zahl der Brote nnd die grö-
ßere des gesättigten Volks auf Seiten der evangelischen Er-
siUong; allein wer weifs nicht, dafs (Iberhaopt die Sage
nicht leicht nachbildet, ohne nngleich an (Iberbieten, nnd
wer aieht nicht, dafs es insbesondre der Stellung des Mos«
rtas vdillg angemessen war, seine Wnnderkraft zu der ei-
19) 3. Ktfn. 4, 43. LXX:
ri Sw T9TO inanior exaror
Ebendas. V. 44 : jw» hpa^
yor, «a* nmlaiw waa ro
Joh. 6, 9:
Mattb. 14« 20: ml iipayor nav^
r^ aral f/o^<Hf<9j|;(yay, iral ^(hiv
M. T. L
2S4 Zweiter AbschuitU
nes Elba, was das BedArfDifs natOrlieher Mittel tMCriSk^ln
das VerhlltDifii ?on 5 so SO, was aber die flbernatOrliche
Lebtangi in das von AOOO zu 100 an setaen? Paulus fird-
liob^ um die Folgemng abaaschneideni dSifs, wie die bei-
den A. T«Uoben, so aueh die ihnen so anffaliend Ibniiebe
e?angelisohe Eraihlong mythiseh an fassen sei, dehnt auch
auf Jene den Versueh einer natllrliehen Erlilfimng aus, den
•r an dieser dnrchgefilbrt , und IXfst den Oelkrog der
Wittwe duroh BeitrXge der ProphetensehOler Toll erhalten
werden, die 20 Brote aber für 100 Mann veraiöge einer
lobenswerthen MXfsigkeit derselben sureiohen *^ ; eine B^
fclXrung, welche in dem Maafse noch weniger Terffibreriscb
ist, als die entsprechende der N, T.lichen Erslhlong, in
welchem bei Jener vermöge ihrer grBfseren Zeitentfemang
weniger kritische (und vermöge ihres nnr mittelbaren Ver-
hXltnisses com Christenthnm auch weniger dogmatische)
Beweggründe vorhanden sind, an ihrer historischen Rieh-
tigkeit festanhalten.
Diese mythische . Deducdon der Speisangsgesohichte
TollstAndig an machen, fehlt nichts mehr, als die Naeh-
weisnug, dafs auch die spXteren Juden noch Ton besonder!
belügen MXnnern glaubten, es werde durch ihren Einflnfs
geringer Speisevorrath soreichend gemacht, — and auch
mit solchen Notiaen hat uns der uneigennOtsige Samnlar-
fleifs von Dr. Paulus beschenkt, wie namentlich, dafisnr
Zeit eines besonders heiligen Mannes die wenigen Schsa-
brote anr SXttignng der Priester bis anm Ueberflufa ange-
reicht haben '0* Consequenterweise sollte der genannte
30) Exeg. Uandb., 2, S. 237 f.
21) Joma f. 39, 1: Tempare SimeimisJutH henedictiö etai ntper
dm09 panes peniecastaies et super decem pancM rr^^fa^t^ . ^
HnguH sacerdatess gui pro rata purie aedpereni gtumtita-
Um oÜvae, ad satietaiem comedereni, imo «i adhmc reH-
quiae superessent.
Neante« Kapitel, f. 10h 2SS
Antbger umA diese Eralhlong natürlieb, etwa gleiohfSiJls
dnrch die Blibigkek Jener Priester, an erUiren nielieB:
doch die Oesehielite stellt Ja nicht in Kanon, daher kann
crsie anbedenlLlieh ftr ein Mähreben halten, «nd rtaat
Itesr au&lienden Aehnliehiieit mit der evangelischen nar
«fiel eiift^ dafs reroMige des dureh Jene rabliinische No«
tii doeiNnentirlen Glanbens der Jaden an dergleieben Spei*
Kferashrongen anch die N. T. liehe Eralhlong von Jodal-
arenden <%risteo frflhaeitig in gleichem (wnnderhaftem)
Sinne habe aufgeiWlst werden können. Allein laut onserer
Diitenachnng ist der evangeltsche Berieht in diesem Sinne
idioo abgefalst, nnd lag dieser Sinn im Geiste der JBdi»
leheo Volkssngö, .so ist die evangeliscbe Krzihlnng ebne
Zweifsl ein färaeogniis derselben ^.
S. 101.
Jesus Terwandelt Waster in Wein.
An die Spelsnngsgeschiehte läfst sieh lUe Ersililang
Ja fierten Evangeliums (2, 1 ff.) anreihen, diis Jesus
ki tiaer Bochaeit an Kana in Galiläa Wasser in Wein
v'C'waidelt habe. Nach Olshadskk sollen Iwide Wunder
■■terdiesell^ Kategorie ansammenfallen, indem beidemale
tu Sabstrat vorhanden sei, dessen SnlMtana modificirt
wwde <)• Allein hiebei ist der logische Unterschied fiber^
■theo, dafs in der Speisungsgeschiehte die Modification des
wstrsts eine blofs quantitative, eine Vermehrung des be-
ftiti m dieser Eigenschaft Vorhandenen, ist (Brot wird
Aor niehr Brot, aber bleibt Brot)s wogegen bei der
Bochaeit au Kana das Substrat qualitativ modificirt, aus
^u nicht blofs mehr dergleichen, sondern ein Anderes
(ins Wasser Wein) wird, somit eine eigentliche Trans-
tiktsntiation vor sich geht. Zwar gibt es qualitative Ver»
22) VgL DB Warn, exeg. Hsadb., i, i, S. i» f.
i) bim. Conm. 2, S. 74.
236 Zweiter Abschnitt.
finderangen^ welche natargemSfs ei4blgeii) und deren pldtt*
liehe HervorbriDgang von Seiten Jesu noch leichier denk*
bar wXre, als eine ebenso schnelle Vermehrong des Quan-
tums, wie s. B. wenn er plötclich Most na Wein, oder
Wein EU Essig gemacht haben würde: denn dters wlrs
nur ein beschlennigtes Hindnrchfffhren desselben vegetabh
lisohen Snbstrats, des Tranbensaftes, doreh Vwsebieden«
ihm natürliche ZostSndHchkeiten ; wogegen es sdion won*
derberer wäre, wenn Jesus dem Saft einer andern Pflsa*
nenfmoht, b. B. des Apfels, diednalitftt des Tranbensafrei
ertheilt hSCte, ob er gleich hiebei doch immer noch inner-
halb der Grinsen desselben Katnrreichs stehen geblieben
wäre. ' Hier nun aber, wo Wasser in Wein verwandelt
wird, ist von einem Naturreich in das andere, vom Ele-
mentarischen in das Vegetabilische, übergesprungen; ein
Wunder, welches so weit über dem Speisnngswnnder steht,
als wenn Jesna dem Rath des Versuchers Gehör gegeben,
und ans Steinen Brot genmcht hfitte ^).
Auch auf diese, wie auf die vorige Wunderenählong
wendet Olshaosbn, nach Augustin '), die Kategorie eines
besehiennigten Maturprocesses an, so dafs hier nichts An-
dres geschehen sein soll, als in accelerirter Weise dasselbe,
was in langsamer Entwicklung sich jährlich am Weinitoei
darstelle. Diese Betrachtungsweise wäre in dem Fall ge-
gründet, wenn das Substrat, auf welches Jesus einwirkte,
dasselbe gewesen wäre, ans welchem natnrgemäCi te
2) Nbandbr meint , für dieses Wunder * lasse sich noch leichter
als für das Speisungswunder eine Analogie finden ^ in den
Mineralquellen nämlich, deren Wasser durch Naturkräfte »o
„potcnzirt^^ werde , dass es Wirkungen hervorbringe , wel-
che die Wirkung des gewöhnlichen Wassers weit tiberstei-
gen , und zum Theil der des Weines ahnlich seien (S. 569)
3) In Joann. tracl. 8: Ipse vinum feeit in WipMs , qni mnl
atmo hoc facit in vilibus.
Nennte« Kupitel. { loi. 2)7
Wein herrersogeheii pflegt: hxtte er eine Weinrebe nor
Hand genommen, nnd diese plStnlaeb snm Billben vnd
Tragen reifer Trauben gebraeht, so iielsefSieh dieft ein
besehiennigter Naiarproeess nennen. Äncb so übrigens
kitten wir nocb lieinen Wein , und lursGhte Jesns ans der
mr Hand genonamenen Rebe sogleich auch diesen liervor,
10 mnfirte er iloeh ein unsichtbares Surrogat des Kelterns,
alio einen beschlennigten Kuntiproeess, hinsnfilgen, so dals
iseli so eebon die Kategorie des i>eiclileunigten Natnrpro*
csises nnnnreichend würde. Doeh wir liaben Ja lieine
Rebe als Substrat dieser Weinproduetion, sondiBrn Wasser,
and hiebe! könnte von einem beschleunigten Matnrproeess
aar dann mit Fug gesproehen werden , wenn Jemals aus
Waiser y sei es auch noch so allmihlig, Wein entstünde«
Hier wird nun der Saebe^ die Wendung gegeben, dafs
allerdings ans Wasier, aus der dureh Regen u. dgl. in
dieKrde gebrachten Feuehtigkeit, die Rebe üiren Saft niehe,
den sie sofort zur t'roductlon der Traube und des in ihr
tathaltenen Weines verwende , so dafs folglich' allerdings
jiMieb vermöge eines natürlichen Proeesses ans Wasser
Weia enfatehe *). Allein abgesehen davon, dafs das Was-
üranr Eine der elemeutariaehen Potensen ist, welclie die
Kebe so ihrer Fruchtbarkeit nöthig hat, nnd dals sn dem-
•dben noch Erde, Luft und Licht hineukommen müssen:
ao konnte doch weder von einer, noch von allen diesen
elementarisohen Potennen zusammen gesagt werden, dals
•ie die Traube od^r den Wein hervorbringen, dafs also
Jeans, wenn er aus Wasser Wein hervorbrachte, dasselbe,
nur schneller, gethau habe, was sich in allmähligem Pro»
cssse Jibrlich wiederhole, sondern auch hier wieder sind
4) So , von OitiuvsRTf gebilligt , Augustin a. a. O. : ticut enim,
guod mtnemnt minMri in Hydrias, In vinnm conversum est
optre Domini» »ie ei guod fwbes fimdmnt, in trinum etmver-^
tUur i^U9dem apere Domini.
2S8 Zweiter AbtohniCt.
wesentlieh Tenehiedene logitcbe Kategerieen Terwechtelt.
Wir mögen nftmlioh das Verbftltnifii de« Prodocto sum Fro-
dooirenden, Ton welobeM es sieb bier bandelt, uoter die
Kategorie Ton Kraft nod Aeafserong, oder toh Drsacbs
und Wirltiuig steilen: niemals wird gesagt werden können,
dafs das Wasser die Kraft oder die Drsaebe sei, welehs
Tranben nnd Wrfn benrorbringe , sondern die Kraft, wel*
ebe deiren Entstehung verursacht, ist immer nur die Tege-
tabilisebe indi?idnalitfit des Weinstoeks, au welcher sich
das Wasser nebst den übrigen elementarisoben Ageasien
nnr wie die Sollicitation snr Kraft, wie die Veranlassung
sar Ursache, ?erbXlt. D. b. ohne Einwirkung von Wasser,
Laft n. s. f« kann allerdings die Traube nicht entstehen,
so wenig als ohne die R«»be; aber der Unterschied ist,
dafs in der Rebe die Traube an sich oder dem Keime nach
bereits vorhanden ist, welchem Wasser n. s* f. nnr sur
Entwicklung verhelfen: in diesen elementariscben Wesen
dagegen ist die Traube weder aciu noch potetUia vorban-
den, sie können dieselbe auf keine Weise ans sich, son-
dern nur aus einem Andern, der Rebe, entwickeln. Aus
Wasser Wein machen beiist also nicht, eine Ursache
schneller als auf natürlichem Wege erfolgen würde, snr
Wirksamkeit bringen, sondern ohne Ursache, ans der blo-
fsen Veranlassung, die Wirkung entstehen lassen; oder,
bestimmter auf das Organische besogen, ein organisches
Produot ohne den producirenden Organismus aus dem blo-
fsen unorganischen Material, oder vielmehr nur aus Einem
Bestandtheil dieses Materials, hervorrufen: nngefiibr wie
wenn Einer ans Erde, ohne Das wischen kunft der Getreide*
pflanse, Brot, aus Brot, ohne es vorher durch einen thie-
rischen Körper assimiliren au lassen. Fleisch, ans Wein
auf eben dieselbe Weise Blut gemacht haben sollte. Will
man sich daher nicht blqfs auf das Unbegreifliobe eines
AUmaebtsworts Jesu berufen, sondern mit Olshausvn den
Prooefs, der in dem fraglichen Wunder enthalten sein
Neantet Kapitel. $• 101. 239
mfibto) nach Art eines NaIacproeesMt aioli nftlier bringen:
10 mufs man nur niebt, nm die Sache acheinbarer ea machen,
einen Theil der dann gehörigen Momente verschweigen, son-
dern alle her?orstellen, wekhe dann, folgende gewesen sein
n&fsteii: 1) an dem elementarischen tigens des Wassers mllfste
Jeios die Kraft der übrigen oben genannten Elemente ge-
fBgt, dann aber 2) was die Hauptsache ist, die organische
lodiTidnalitAt der Rebe ebenso unsichtbar herbeigeschafft
haben ; S) bitte er nun den natfirlichen Procefs dieser Ge-
genstände mit einander, das Blllhen und Frnchttragen der
Rebe sammt dem Reifen der Traube, bis «um Angenhlickr
lieben beselUennigt; 4) hierauf den Knnstprocefs des Pres*
•ens n. s. f • unsichtbar nnd piötalich geschehen lassen, und
endlieh 5) den weiteren Naturprocefs der Gfihrung wieder
hk cum Augenblicklichen beschleunigen müssen« Auch hier
demnaeh ist die Beeeichnung das wunderbaren Vorgangs
als bescliieanigten Natnrprocessaa nur Ten nwei Momenten
nnter flinfen hergenommen, während deren drei unter die»
len Gesichtspunkt sich gar nicht bringen lassen, von wel-
eben doch die beiden ersten, namentlich das eweite, von
einem Belange sind, der selbst den l>ei der Speisnngsge*
schichte von dieser Vorstellungsweise vemaclüässigten Mo«
menten nicht nnkam: so dals also von einem lieschleunig-
ten Natnrprocefs hier so wenig wie dort die Rede sein
kann '^). Da aber allerdings diese Kategorie die einaige
sder änaserste ist, unter welcher wir dergleichen Vorgän-
ge unserem Vorstellen und Begreifen näher bringen kdn-
neu : so ist mit der Dnanwendbarkeit Jener Kategorie auch
die Undenkbarkeit des Vorgangs dargetban«
5) Auch LvcKB, if S. 405) findet die Analogie mit dem bezeich-
neten Naturproceftt mangelhaft und undeutlich, und weise
sich hierüber nur dadurch einigermassen zu beruhigen, dast
ein ähnlicher Uehelstand auch bei dem Speisungswunder
stattfinde.
240 Zweiter Atrsehnitc«
Doch nioht allein in Beeng anf die Mö|;liohkeit, smi*
dem auch anf die Zweokmftfsigkeit nnd ScIuekliohJieit Ut
das vorliegende Wnnder in Äutprnoh genommen worden.
Zwar der in Alteren ^) nnd neueren ^) Zeiten gemaehle
Vorwnrf, dafa eu Jesu unwürdig sei» sieh nicht allein in
Gesellschaft von Trnnkenen betreten au lassen, sondern
ihrer Trunkenheit durch seine Wunderkraft noch Vorschob
EU tbun, ist als fibertrieben aban weisen, indem, wie die
Erklärer mit Recht bemerken, aus dem oroev fiadva^äai
(V. 100 9 welches der oQXi^^Qi^'^vog in Beaug auf den ge-
wöhnlichen Hergang bei dergleichen Mahlen bemerkt^ fBr
^en damaligen Fall nichts mit Sicherheit gefolgert werden
kann« So viel Jedoch bleibt immer, was nicht allein Päd*
LC8 nnd die ProbabiKen ^) bemeridich machen, sondern
audh LOcKX und Olshadsbn als eine bei'm ersten Anblick
sich aufdringende Bedenklichkeit angestehen, dafs nftmlich
Jesus durch dieses Wunder nicht, wie er sonst pflegte,
irgend einer Notkh, einem wirklichen Bedfirfnifs, abhalf,
sondern nur einen weiteren Reia der Lnat herbeischaffte;
nicht aowohl hfilfireich , ala vielmehr gefflllig sich erwies ;
mehr nur so au sagen ein Lnxuswunder, als ein wirldich
wohltbätiges, verrichtete« Sagt man hier, es sei ein hinrei-
chender Zweck des Wunders gewesen, den Glauben der
Jfinger zu befestigen '), was nach V. 11. auch wirtlich
die Folge war: so mufs mau sich erinnern, dafs bei den
übrigen Wundern Jesu in der Regel nicht allein das For-
male derselben, d. h. dafs sie aulserordentliche Krfolge
waren , etwas Wfinschenswerth^s , nämlich den Glauben
der Anwesenden, aur Folge hatte, sondern auch ihrem
Materialen, d. h« dafs sie in Heilungen, Spebungen u. dgl.
6) Bei Chrysostomus, homil. in Joann. 21.
7) WOOLSTOK, Di8C. 4.
8) p. 42.
9) TllOLVGKj z. d. St.
Neontet Kapitel. '§. 101. i4t
befUmdeii, eine wöhltbldge Absieht saa Grande lag« Bei
den gegenwlrtlgen Wunder fehlt diese Seite, ond Paulus
bst %o Unreeht niebt, wenn er auf den Widersprach aaf-
■eriisas macht, welcher darin liege, dafs Jesns «war dem
Vcrsaeber gegenfiber Jede Aafforderung an solchen Wnn*
dem, die, ohne materiell woblthXtig, und durch ein drin«
pndes BedOrfnifs gefordert sn sein, nnr formell etwn
Gkaben und Bewnndemng wirlien könnten, abgofriesen,
ud nun doch ein solches Wunder gethan haben sollte *^.
Man war daher supranaturalistischerseits anf die Wen-
doDg angewiesen, nicht Glauben überhaupt, welche^ eben«
M got oder noch besser durch eine auch materiell wohl«
thitige Wunderhandlung nu iMwirken war, sondern eine
pos specielle, eben nnr doreh dieses Wunder nu be wir-
kende Ueinerseagung hal>e Jesus durch dasselbe hervorbrin*
gen wollmn. Und hier lag nun nichts näher, als durch den
Gegeneats Ton Wasser und Wein, um welchen sich das
Wonder dreht, an den Gegensats swisohen dem ßaTvri^wv
hvömi <Matth. S, 110> ^'^^ augleieh ein dvay ^tj Tuvityv
wv (Luc. 1, 15. Matth. 11, 18.), und demjenigen, wel-
cher, wie er mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufte,
M isih die feurige, geistreiche Frucht des Weinstocba
lU nicht versagte, und daher olvoTiiit^^ gescholten ward
(Matth. 1 i, 19.)) erinnert nu werden, um so mehr, da das
Tieite Evangelium, welches die Ers&hiung von der Hoch-
ieit sa Kana enthält , in seinen ersten Abschnitten beson-
ders die Tendens seigt, vom Täufer au Jesu herfiberau-
Abren. Daher haben denn Hkrdbr ^^) und nach ihm einige
Andere *')^ angenonunen, Jesus habe durch Jenes Vorneh-
10) Comm. 4, S. 151 f..
11) Von Gottes Sohn u. s. f. nach Johannes Evangeliom, S. 131 f.
12) C. Ch. Flatt , über die Verwandlung des Wassers in Wein,
in Susxnn>*s Magazin, 14. Stück, S. 86 f. ; OLSHAUsaH, s. a. O.
S. 75 f. ; vgl. NiAiTDiii, L. J. Chr., S. 572.
Das Leben Jesu Ue Aufl, IL Band. 16
242 Zweiter Abschnitt.
men seinen Jüngern , yon welchen mehrere verlier Schü-
ler des Täufers gewesen waren, das Verhältnirs seines
Geistes and Amtes za dem des Johannes yersinnlichen,
and den Anstofs, welchen sie etwa an seiner liberaleren
Lebensweise nehmen mochten, darch das Wander nieder-
schlagen wollen. Allein hier tritt nan dasjenige ein , wss
gleichfalls selbst Freunde dieser Aaslegang als aafFallend her-
Forheben ^^, dafs Jesus das sinnbildliche Wand0r nicht be«
DÜtsti um durch erläuternde Reden seine Jfinger ober sein
Verhältnifs cum Täufer anfsuklären. Wie nöthig eine sol-
che Auslegung war, wenn das Wunder nicht seinen spe-
ciellen Zweck verfehlen sollte, erhellt sogleich daraus, dab
der Referent nach V. II. dasselbe gar nicht in diesem
Sinn, als Veranschaulichung einer besondern Maxime Je-
su, sondern gans allgemein, als (paviQwaig seiner Jo|cr, ve^
standen hat ^*). War also doch jene specielle Verständi-
gung Jesu Zweck bei dem vorliegenden Wunder, so hat
Ihn der Verfasser des vierten Evangeliums, d. h. nach der
VoraussetEung jener Erklärer sein empfänglichster Schfiler,
mifsverstanden, und Jesus, diesem Alifsverständnirs vorso-
beugen, auf unzweckmäfsige Weise versäumt; oder, wenD
man dieses Beides nicht annehmen will, so bleibt es dabei,
dafs Jesus den allgemeinen Zweck, seine Wunderkraft sa
Beigen, gegen seine sonstige Weise durch eine Handiong
SU erreichen gesucht hätte , an deren SteiUe er eine nfits-
lichere scheint haben setzen zu können.
Auch das unverhältnifsmäfsige Quantam Weins, wel-
ches Jesus den Gästen gewährt, mufs in Erstaunen setzen.
6 Krfige, jeder 2 bis S ^eiqijcag fassend, gäben, wenn der
dem hebräischen Bath entsprechende attische ^BTQijtrßj sn
13) Olbuausi]«, a. a. 0.
14) Auch LUcKs findet jene symbolische Deutung zu weit herge-
holt, und zu wenig im Tone der Erzählung begründet, S. 406.
Vgl. ni Wim, excg. Handb., 1, 5, S. 37.
Nenntet KapiteL $.101. 243
IV; rdoibchen ampkcris oder 21 WürteabergUcheii Mae-
Tseo, rerttanden ist, 252—378 Maars ^'). Welches Qnan-
tom fiir eine Gesellschaft , die bereits sienilieh getrunken
bstte! Welche ungeheuren Krfige! mfi anch Dr. Paulus
IIS, und wendet nun Alles an, um die Maaüsangabe des
Textes an verlilelnern. Aof die sprachwidrigste Weise gibt
er dem ma statt seiner distribntiiren eine ansanimenfassen-
de Bedeatnag, so dafs die A Hydrien nicht Jede , sondern
sossaiDen 2 bis 3 Metreten enthalten haben sollen, und
socb Olshausbn getröstet sich nach Skmlkr dessen, dafs
jsairgends bemerkt sei, das Wasser aller Krilge sei in Wein
rerwsndelt worden. Allein das sind Ansflaohte: wem die
Herbeisehaffang eines so verschwenderisch und geffthrlieh
groben Quantums von Seiten Jesu unglaublich Ist, der mufs
daraus auf einen anhistorischen Charakter der Braählung
•eUiefsen.
Elg^nthUmliche Schwierigkeit macht bei dieser Er-
eShiaog auch das VerhAltnifs, in welches sie Jesum su sei^
9» Mutter und diese bu ihm setst. Nach des Evangelisten
tnlHIcklicber Angabe war dieses Wunder die apx? ^^'^^
or^fimsr Jesu: und doch sShit seine Mutter* so bestimmt
danif, er werde hier ein Wunder thun, dals sieHhm den
elflgetretenen Weinmangel nur anseigen bu dürfen glaubt,
iB ihn BU fibernatiirlicher Abhülfe bu bewegen, und selbst
ils sie eine abweisende Antwort erhält , verliert sie diese
Boffnnng. so wenig, dafs sie den* Dienern Anweisung gibt,
der Winke Ihres Sohnes gewXrtIg zu sein (V. 3. 5.). Wie
loUen wir diese Erwartung eines Wunders bei Jesu Mut«
ter erklären ? sollen wir die johanneische Angabe, die Was-
ssrverwandlung sei das erste Zeichen Jesu gewesen, nur
•nf die Zeit seines öffentlichen Lebens boEiehen, fttr seine
Jagend aber die apokrjphischen Wunder der Kindheits-
15) WmM, de pondermn, meniurariun etc. rationibua ap. Rom.
et Graec. p. 123. 126. Vgl. Lücics, z. d. St.
16*
244 Zweiter Abschnitc.
eTangelien roraosseleen? oder wenn diefs schon Chrygosto«
mos mit Recht eu unkritisch gefunden hat ^0, sollen wir
lieber vermnthen, Maria habe, vermöge ihrer durch die
Zeichen bei Jesu Geburt bewiriiten üeberzeugung, dafs er
der Messias sei, auch Wunder von ihm erwartet, und, wie
rielleloht schon bei einigen frflheren, so nun auch bei die-
sem Anlafs, wo die Verlegenheit grofs war, eine Probe ja-
ner Kraft Ton ihm verlangt *^ ? Wenn nnr jene frfibe
üel>erseugung der Angehörigen Jesu von seiner Messiaoi-
tat in etwas wahrscheinlicher, und namentlich die anfseror-
dentliohen Ereignisse der Kindheit, durch welche sie hervor-
gebracht worden sein soll, mehr lieglaubigt wfiren! wobu
noch kommt, dals, auch den Glauben der Maria an die
Wunderkraft ihres Sohnes vorausgesetat , immer nicht er*
hellt, wie sie unerachtet seiner abweisenden Antwort doch
noch Buversichtlich erwarten konnte, er werde gerade bei
dieser Gelegenheit sein erstes Wunder thun, und bestimmt
SU wissen glauben,' er werde es gerade so thun, dafs er
die Diener dazu gebrauchen würde ^®). Diefs bestimmte Wis«
sen der Maria selbst um die Modalität des eu verrichtenden
Wunders scheint auf eine vorangegangene Eröffnung Je-
su gegen sie an deuten, und so setzt Olsuaüssm voraus,
Jesus habe seiner Mutter aber das Wunder, das er vor-
hatte, einen Wink gegeben gehabt« Wann aber sollte die-
se Eröffnung geschehen sein? «chon wie sie au der Boch-
Bcit gingen? da mfilste also Jesus vorausgesehen halieD,
dafs es an Wein gebrechen wfirde; in welchem Falle dann
aber Maria nicht wie von einer unerwarteten Verlegenheit
16) HomiL in Joann« c. d. St.
17) Tholuck, z. d. St.
18) Diese gilt auch gegen Nsandkr, der auf dem Glauben der
Maria an Jesu Messianität sich mehr insofern beruft t als
derselbe durch die feierliche Inauguration bei der Taufe her-
vorgerufen sein musste (S. 370.).
Neontea Kapitel* $. 101. 245
ihn ven dem olvw sx exQffi tn KeDntnift setsen konnte.
Oder erst nach dieser Anaeige , also in Verbindong mit den
Worten: %l i^oi xai aoL y^ai; x. r. A.? aber hiemlt IXbt
aeh eine so entgegengesetate Eröffnung gar nicht in Ver-
Undang deniten ; man mfifste sich denn die abweisenden
Worte laat, die ansagenden aber leise, biofs fflr Maria,
gesprochen vorstellen, was eine Komödie veranstalten
Meise. Begreift man somit auf keine Weise, wie Maria ein
Wunder, und gerade ein solches, erwarten konnte: so
fiefse sich derersteren Sonwierigkeit swar durch dieÄnnali*
BS scheinbar aosweichen , dafs Maria nicht in Erwartpng
eines Wunders^ sondern nnr so, wie sie sich in allen
ichwierigen Fällen bei ihrem Sohne Raths erholte, sich
aaeh in diesem an ihn gewendet habe ^'; ; aber seine Kr-
wiederaog aeigt, dafs er in den Worten seiner Mntter
die Aaffordemng an einem Wunder gefunden hatte, und
die Anwreisnng , welche Maria den Dienern gibt, bleibt
ohnehiD iiei dieser Annahme unerklärt.
Die Erwiederung Jesu auf die Anmahnung seiner Mut«
tBr(Y.40 ist ebenso oft auf Obertriebene Weise getadelt ^^
ab n{ nngenflgende g^redhtfertigt worden. Man mag Im*
■erliia aagen, das hebräische "^ T HO, dem das %l i^oi
xcu 001 entspreche, komme a. B. 2. Sam. 16, 10. auch als
^liader Tadel vor '^ , oder sich darauf berufen , dafs mit
den Amtsantritte Jesu sein Verhältnifs anr Mntter, was sei-
ne Wirksamkeit betrifft, sich gelöst habe>^: gewifs durfte
doch Jesus auf die Gelegenheiten , seine Wundermacht in
Anwendung au bringen, mit Bescheidenheit aufmerksam
geaacht werden, und so wenig derjenige, welcher ihm ei*
oea Krankheitsfall mit hinaugefiBgter Bitte um Hfilfe an-
19) Hess, Geschichte Jesu, 1, S. 135. Vgl. auch Calvih, s. d. Sl.
20) z. B. von WoouTOH a. a. O.
2J) Flatt, a. a. O. S. 90. j TaoLOCK, s. d. St.
22) OlshavisiV) X. d. St.
246 Zweiter AbachniU.
seigte, eine Schmfthang verdiente, so wenig and noch we-
niger Maria^ wenn Ae einen eingetretenen Mangel mit biori
hinsogedaohter Bitte uro Abhülfe za seiner Kenntnifs brach-
te. Ein Anderes wfire es gewesen , wenn Jesus den Fall
nicht geeignet, oder gar nnwfirdig gefunden hätte, ein Wun-
der ^an denselben su kndpfen : dann hätte er die auffor»
dernde Anseige als Reiuung uu falscher Wunderthätigkeit
(wie in der Versnchnngsgesohichte) hart abweisen mögen j
so hingegen, da er bald darauf durch die That seigte^ dafs
er den Aolafs allerdings eines Wunders werth finde, ist
schlechterdings nicht einsnsehen, wie er der Mutter ihre
Anaeige, die ihm nur vielleicht einige Augenblicke so frfi*
he kam, verdenken konnte ^^).
Den sahlreiehen Schwierigkeiten der snpranatnralisti-
sehen Auffassung hat man auch hier durch natflrliohe Deu-
tung der Geschichte zu entfliehen versucht. Von der Sitte
ausgehend, dafa bei JAdischen Hochzeiten Geschenke an
Wein oder Oel gewöhnlich waren, und davon, dafs Jesos,
der fünf neugeworbene Sohfiler als ungeladene Gäste mit-
brachte, einen Mangel an Wein voraussehen konnte, nimmt
man an, des Scherzes wegen habe Jesus sein Geschenk snf
unerwartete und geheironifsvolle Weise anbringen wollen.
Die do|cr, weiche er durch diese Handlung offenbarte, lit
hienach nur seine Humanität, welche gehörigen Ortes soch
einen Spaf« zu machen nicht verschmähte; die mgig, die
er sich dadurch bei seinen JOngern zuwege brachte , ist
dfis freudige Anschliefsen an einen Mann, welcher nichts
von dem drückenden Ernste zeigte, den man sich vom
Messias prognosticirte« Die Mutter wufste um den Vor-
satz des Sohnes und mahnt ihn, wie es ihr Zeit schien,
denselben zur Ausfflhrnng zu bringen ; er aber erinnert
sie scherzend, ihm nicht durch Vorschoelligkeit den Spafs
zu verderben. Dafs er Wasser einschöpfen lieüs, scheint
2h) Vgl. auch die ProbabiLien, p. 41 f> |
Neujites Kapitel. $. lOi. 247
lu der sohershaften Täiuchang gehört eu haben , welche
tr beabsichtigte ; dafa , als auf EiDmal Wein statt Was*
ers in den Krflgen sich fand , diefs fflr eine wunderbare
Verwandlung gehalten wurde, ist leicht begreiflich in ei-
■er späten Nachtstunde, wo man schon siemlich getrunaen
ktte; dafa endlich tlesut die Hochseitlente über den wah*
nn Tbstbestand nicht anfklfirte , war die natArliche Coxi-
uquens, die hervorgebrachte acherahafte Tfioschong nicht
idbst seratdren an wollen ^^). Wie ttbrigena die Sache
logegangen, durch welche Veranstaltung Jesus den Wein
airdle Stelle des Waaaers gebrächt, diefs, meint Paulus,
Uiw sich nicht mehr ausmachen; genug, wenn wir wie«
teo, dafa Alles natfirlich vor sich gegangen sei. Da aber
nach der Annahme dieses Auslegers der Evangelist sich der
Natflrliehkeit des Erfolgs im Allgemeinen bewufst war,
waraii hat er uns keinen Winli darfiber gegeben? Wollte
eraach den Leaern die üeberraachung bereiten, welche
Jesus den Zuachanem bereitet hatte : so mulate er aie doch
Ikiiiterher aufldaen, um die Tänachung nicht bleibend sn
aidisn. Mameotlich durfte er nicht den irreführenden
AaiJrnck gebrauchen, dafa Jeaua durch dieaen Act tnljv
^^09 ctms (V. 1 1.) , waa in der Sprache aeinea Evange«
lioat nur deaaen höhere Würde liedeuten kann, geoffen-
i»rt habe; er durfte den Vorfall kein ar^paiov nennen, waa
eio Oebernatfirlichea in sich aobliefat ;^er durfte endlieh nicht
dorch den Auadruok: to vdioQ ohov yayävij^ievoy (V. 9.),
noch weniger unten C4, 46 ) durch die Beseichnung Kana'a
■it ojis inoLtfliv vdoiQ olvovy den Schein erregen, ala atimmte
er der wunderhaften Anffiiaaung des Vorganga bei^). Die-
se Schwierigkeiten aucbte der Verfaaaer der natürlichen
Ueachichte durch die Einrfiumnng au umgehen, dafa der
24) Paulus, Comm. 4, S. 150 ff. L. J. 1, a, S. 169 ff. i NatUr.
liehe Geschichte, 2, S. 61 ff.
23) Vgl. hierüber Flatt, a. a. 0. S. 77 ff. und Lücica, a. d. Absch.
248 Zweiter Abtohnitt.
Berichterstatter selbst, Johannes, die Sache für ein Won
der angesehen habe und als solches ers£hle. Indefs, ab
gesehen von der anwürdigen Art, wie er diesen Irrthon
des Evangelisten erklärt ^®), wäre es von Jesu nicht woU
denkbar, dafi er auch seine Schiller in der Täuschung der
übrigen Gäste erhalten, und nicht wenigstens ihnen eins
Aofklärong über den wirklichen Hergang der Sache gege-
ben haben sollte. Man müfste daher annehmen, der Re-
ferent dieses Vorfalls im vierten Evangelium sei keiner vsn
Jesu Schülern gewesen; was Jedoch über die Sphäre diC'
aer Erklärnngsweise hinausgeht. Doch auch Bugegeben,
dals der Ersähler selbst, wer «r immer sein möge, in der
Täuschung derer, welche in dem Vorgang ein Wander
sahen, befangen gewesen sei, wobei also seine Oarstel«
lungsweise und die von ihm gebrauchten Ausdrücke be-
greiflich würden: so ist Jesu Verfahren und Handlungs-
weise desto unbegreiflicher, wenn kein wirkliches Wunder
Im Spiele war. Warum richtete er die Darliringung des
Geschenks mit raffinirtem Fleilse so ein, dafs es als wun-
derbare Bescheerung erscheinen mulste? warum liels er
namentlich die Geftfse, in welche er sofort den Wein ni
bringen im Sinne hatte, vorher mit Wasser voll maeheo,
dessen nothwendige Wiederentfernung am unbemerkten
Vornehmen der Sache nur hinderlich sein konnte? weaa
man nicht mit Woolston annehmen will, er habe desi
Wasser nur durch angegossene Liqueure einen Weinge-
achmack ertheilt. Das Gefühl dieser doppelten Schwierig-
keit, theils das Hineinbringen des Weins in die bereits
mit Wasser gefüllten Krüge denkbar au machen, theils
Jesum von dem Verdachte freisnsprechen , als hätte er
den Schein einer wunderbaren Verwandlung des Wassers
erregen wollen, mag es gewesen sein, was den Verfasser
26) Er gibt dem /ut9vaxfo9ai V. fO. eine Beiiehung auch auf den
Johannes.
Neuntes Kapitel. S. 101. 249
der oitOflleheD Geschichte bewog, den Zneammenliang
Bwiichen dem eingeffiUten Wasser -and dem später «um
Vorschein gel&ommenen Wein gans so cerreifsen dnroli die
Asnahmey das Wasser habe Jesos holen lassen, weil es
aseh daran fehlte, und er den wohlthfitigen Gebranch des
Waicbens ?or und nach der Tafel empfehlen wollte, den
Wein aber habe er hernach ans einer anrtofsenden Kam«
■er, wobin er ihn gestellt hatte, herbeibringen lassen —
eine Aoffsssnng , bei welcher freilieh entweder die Trun-
kenheit sfimmtlicher Giste nnd namentlich des Referenten
ab ciemlich bedeutend angenommen werden müfste, wenn
<ie den aas ^er Kammer gebrachten Wein fiSr einen aus
den Wssserkriigen geschöpften angesehen haben sollen,
oder die täuschende Veranstaltung Jesu als sehr fein an-
gelegt, was mit seiner sonstigen Geradheit sich nicht ver-
trägt
In dieser Klemme zwischen der supranaturalistlschen
ud der natOrlichen Erklärung, von welchen auch hier
&eine so wenig als die andre genfigen kann, mflfsten
«ir Dsn mit einem der neuesten Ausleger des vierten
Srtnpünms warten, „bis es Gott gefällt, durch weitere
liotwidünngen des besonnenen christlichen Denkens die
''toig dieser Räthsel sn allgemeiner Befriedigung herbei*
leftlifen ^')'< ; wenn uns nicht ein Ausweg schon dadurch
ugeseigt wäre, dab wir die betreifende Geschichte nur
bei dfMB l£inen Jobannes finden. War sie, einsig in ihrer
^ wie sie Ist, sngleich ^m erste Zeichen Jesu, sp mnfsle
*»^ wenn auch damals noch nicht alle Zwölfe mit Jesu
waren, doch diesen allen bekannt werden, und wenn auch
Boter den übrigen Evangelisten kein Apostel ist, doch in
ole sllgemeine Tradition und von da in die synoptischen
Aofseichnnngen fibergehen: so, da sie nnr Johannes hat,
Kheint die Annahme, dafs sie in einem den Synoptikern
H) LUcKi, 8. 407.
25a Zweiter Absohoitt.
igegen Bittende (wie Job. 4, 48.) , nnd selbst gegen seine
Matter, auf die Spitse mu stellen '*)• Ebenso im Geiste
dieses Evangelisten ist es aneb, den festen Glauben , wel-
eben Maria nnerachtet der abweisenden Antwort Jesu be-
hielt, dadaroh' beranssobeben , dafs er sie in einer histo-
risch anmögliehen Abnang selbst von der Art nnd Weise,
wie Jesns das Wunder verricbten wfirde, die oben be-
aprocheile Anweisung den Dienern geben Iftlst "O*
S« 102.
Jesus verwünscht einen unfruchtbaren Feigenbaum.
Die Anekdote von dem Feigenbaum , welchen Jesus,
weil er, hungrig, keine Früchte auf ihm fand, durch sein
Wort verdorren machte, ist den zwei ersten Evangelieo
eigenthfimlich CMatth. 21, 18 ff. Marc. 11, 12 ff.)» wird aber
von ihnen mit Abweichungen ersählt, welche auf die An-
sicht von der Sache von Elnflufs sind. Und swar scbieo
die eine dieser Abweichungen d^s Markus von Matthlos
32) Vgl. die Frohabilien, a. a. O.
33) OS Warn findet die beigebrachten A. T.lichen Analogiea lo
ferne liegend ; „näher der Sache, und nicht feriie dem grie-
chischen Boden, auf welchem das Evang. Job. entsUDifen
ist, läge nach ihm, was Witsteiit anführt von Wasserrer-
wandlung in Wein durch Bacchus. Am analogsten wäre es,
diese Weinspende als Gegenbild der Brotspende , und beide
als dem Brote und Weine im Abendmahl entsprechend anzu-
sehen. Aber der mythischen Ansicht steht entgegen 1) die
noch nicht über den Haufen geworfene Aechtheit unseres
Evangeliums ; 2) das weniger sagenhafte als subjective Ge-
präge der Erzählung, das darauf ruhende Dunkel, der Man-
. gel einer das Gänse beherrschenden Idee, bei einem Reich-
thum von darin liegenden, Jesu würdigen, praktischen Ideen.^^
Hiemit scheint eine natürliche Erklärung aus Selbsttäuschung
des Johannes angedeutet ; «velche die oben bemerkten Schwie-
rigkeiten gegen sich hätte.
Meüiite» Kapitel. $.102. 253
der jijuarlleheii Krklfirung so gflnstig so sein, dafs aan
iuuneot|ich aach mil Rllckalcbt auf tie dem EFangelisten
neoerlich eine Teodeoa so natürlicher Ansiebt ¥on den
UTandern Jesa soiresebriebeD, und nm dieser einen« rfin*
läpn, Abweichung willen ihn aoch Im! der andern, siem-
lieh nnbeqaemen , die sich in Yorliegender firsAblnng fin*
det, in ScbntB genommen hat«
Bliebe es nämlich bei der Art, wie der erste Evange-
list den Erfolg der Verwfinscbung Jesn angibt : xai i^i^-
fiif9t] naQaxQ^ficc 17 avx^ CV» 19.)} «o wfirde es wohl schwer
hilteo, hier ndt einer natilrliehen Erkllrnng ananltommen,
dtsneb die gewaltsame PAULU8*scbe Deutung, nach wel-
ebcr das TiagaxQ^fi^c nur weiteres menschliches Zuthun ,
nielit abev eine längere Zeitfrist ansschllersen soll , doch
iir auf unbefugtem Herlibertragen des Markus in den
Mttthäos beruht. Bei Markus nämlich Tcrwfinscht Jesus
dm Banmi am Morgen nach seinem Einsog in Jerusalem,
ud erst nm folgenden Morgen bemerken die Jflnger im Vor-
fikergebeo, dais der Baum verdorrt ist« Durch diese Zwi«
Khe&seifey welche Markus swischen der Rede Jesu und
den Verdorren des Baumes offen läfst, drängt sich nun
die Mt&rliche Erklärung der gaonen Oesobichte ein, darauf
fii/Mid, dafs in dieser Frist der Baum wohl auch durch na«
ttrliehe Ursachen habe verdorren können. DemgemäCs
loil Jesus an dem Baume neben dem Mangel an Frfich»
im SQcb sonst noch eine Beschaffenheit i>emerkt haben 9
iQi welcher er ein baldiges Absterben desselben prognosd*
eirte, und dieses Prognostiken soll er ihm in den Worten:
lOD dir wird wohl Niemand mehr FrQchte su essen he*
iommen, gestellt haben« * Als die Hltce des Tages die Vor-
lossage Jesu unvermothet schnell verwirklichte, und die
JdDger diefs am andern Morgen bemerkten: da erst setn-
ten sie diesen Erfolg mit den Worten Jesn vom vorigen
Morgen in Verbindung, nnd begannen diese als VerwAn-
lehoDg anfsufassen; eine Deutung, welche ttbrigens Jesus
^254 Zweiter Abschnitt.
nicht bestätigt I sondern' den Jfingern ku Gemfithe fährt,
mit nur einigem Selbstvertraoen werden sie nicht blof«
solche schon physiologisch bemerkbare Erfolge voraussa-
gen, sondern noch viel Schwereres wissen und bewirken
können 0* Allein gesetst anch, die Angabe des Msrkai
wäre die richtige, so bleibt doch aach so die natflrliche
£rkl([rang anmöglich. Denn die Worte, Jesu hei Msrkas
(V. 14.) : iLopeiri ix a5 eig rov akova fif;S6is xaQuov yajw,
mtifsten , wenn sie blofs eine Vermuthnng j was wohl ge-
schehen werde , enthalten sollten , nothwendig ein av bei
sich haben, nnd in dem fiipdri ix a3 xa(KT6i; y^^cii ''w
Matthäns ist ohnehin der Befehl nicht sn verkennen, ob-
gleich Paulus anch hier mit einem blofsen „mag werdep^^
abkommen möchte. Anch dafs Jesns den Baam selbst an-
redet, so wie das feierliehe etg rov aicSvay welches er bin*
cnfttgt , spricht gegen eine blofse Voraussage and ffir di«
VerwOnschang ; Paulus ftlhlt diefs wohl, and deutet daher
mit unerlaubter Gewaltsamkeit das Jiayet avijj an eineD
Sagen in BeBiehnng auf den Baam am , während er das
dg Tov aliova durch die Debersetzung: in die FoigcEeit hin,
abschwächt. Doch gesetzt auch, die Evangelisten hfitten
aus ihrer irrigen Ansicht von dem Vorgang heraus die Worte
Jesu fiber den Feigenbaum in etwas verändert, und Jefo«
also wirklich dem Baum nur ein Prognostiken gestellt: so
hat er doch, als das Vorausgesagte eingetreten war, den
£rfolg seiner übernatürlichen Kinwirkang zugeschrieben.
Denn wenn er das, was er in Bezug auf den Feigenbaoni
geleistet, als ein noitlv bezeichnet (V.2I. bei Matth.), so
kann schon diefs nur gezwungen auf eine blofse Voraas-
sage bezogen werden; namei^tlich aber, wenn er es dem
Bergeversetzen gegenüberstellt, so mofs, wie dieses nach
Jeder möglichen Deutung doch immer ein Bewirken i^t,
ebenso auch jenes als eine Einwirkung auf den Baam ge*
1) Paulus, exeg. Handb., S, a, S. 157 ff.
Nenntet Kapitel. $. 102. 255
fafst werden; jedenfalls mafste Jeso« dem xitn^QdiJcü des
Petms Cf. 21. MarcO entweder widersprechen, oder. war
sein Stillseh welgen darüber Zastioimnng. Schreibt deoinaoh
Jesus das Verdorren des Baams hinterher seiner Einwir-
knag so: so bat er entweder auch schon durch seine An*
rede an denselben eine Binwirlinng beabsichtigt , oder er
hat den snCKlligen Erfolg aar Täuschung seiner Jünger
ebrgeiajg milsbrauoht ; ein Dilerama, in welehem ans die
Worte Jesu, wie sie von den Evangelisten wiedergegeben
liad, entschieden auf die erstere Seite hinweisen.
Unerbittlich also werden wir von diesem natfirlichen
Brfclirungsversnch auf die supranatoralistlsche Auffassang
sorllekgedrftngt, so schwierig diese auch gerade bei vorjie-
^nder fieschiohte ist Was sich gegen die physische Mög-
Ikfakmt einer solchen Einwirkung sagen liefse, fibergehen
wiTi nicht zwar 9 als ob wir mit Hase uns anheischig ma-
eben könnten , sie ans der natfirlichen Magie zu begrei-
fra *) , sondern weil eine andere Schwierigkeit die Unter-
saehang sehen vorher abschliefst, und gar nicht bis zur
Erwigoog der physischen Möglichkeit kommen Itffst Die-
ser entsoheidende Anstofs betrifft die moralische Möglich-
keit einer solchen Handlang von Seiten Jesa. Was er hier
vollzieht, bt ein Strafwnnder. Ein solches findet sich sonst
in den kanonischen Eeriebten Aber das Leben Jesu nicht:
aur die apokryphischen Evangelien sind, wie oben bemerkt
wurde, voll davon. In einem der kanonischen Evangelien
findet sich vielmehr eine gleichfalls schon öfters angefahr-
te Stelle , Lac* 9 , 55 f. , welche es als Bewufstsein Jesu
SBsspricht, dafs eine Benfitzang der Wunderkraft, um Stra-
fe zo Oben und Rache zu nehmen , dem Geiste seines Bä-
iii£i widerspreche, und dasselbe Bewufstsein spricht der^
Evangelist fiber ihn ans, wenn er das Jesaianische: xaXa-
f/oy awretiiiii^iivcfv a xared^ei x. t. L auf ihn anwendet
2y I^. J., V 128.
256 Zweiter Abschnitt.
CMatth. 12^ 200* Diesem Graodsats und seine^i sonstigeo
Verfahren gemfift hätte Jeans vielmehr einen dfirren Baum
nenbeieben, als einen grfinen verdorren machen mttssen,
und nm seine diefsmalige Handlungsweise su begreifen,
mäfsten wir Gründe nachsnweisen im Stande s^, wei«
che er gehabt haben könnte, von dem dort ansgesprochenen
tirundsatEC, welcher keine Zeichen der Unficbtheit gegen
sich hat, in diesem Fall abzugehen. Die Gelegenheit,
bei welcher er Jenen Gmndsate aufstellte, war die ans An-
lafs der Weigerung eines samarischen Dorfs, Jesnm und
.seine Jfinger gastlich aufannehmen, an ihn gerichtete Fra-
ge der Zebedaiden, ob sie nicht nach der Weise des Elisa
Feuer auf das Dorf herabregnen lassen sollen? worauf sie
Jesus an die ISfgenthfimlichkeit des Geistes mahnt, den
sie angehdren, mit welcher ein so verderbendes Thnn sich
nicht vertrage, in unserem Falle hatte es Jesus nicht wie
dort mit Menschen , die sich unrecht gegen ihn betragen
hatten, sondern mit. einem Banme sn thun, den er nicht
in der erwfinschten Verfassung traf. Statt dafs nun hierin
ein besonderer Grund IXge, von jener Regel absugehen,
ist vielmehr der Hauptgrund, welcher in jenem «raten Fslle
möglicherweise nur Verhängung eines Strafwundera fafitte
bewegen können, bei diesem sweiten nicht vorhanden. Der
moralische Zweck der Strafe nämlich, den Gestraften cor
Einsicht und Anerkenn tnifs seines Fehlers su bringen and
dadurch eu bessern, fällt einem Baume gegenüber vöUtg
weg, und selbst von Strafe als Vergeltung kann bei einem
unfreien Mntorgegenstande ni<^bt die Rede sein ^). Sich
gegen einen leblosen Gegenstand, den man eben nicht im
erwünschten Zustande findet, au ereifern, wird mit Recht
als Mange^ an Bildung ausgelegt; in solcher fintrfistang
3) Augustin. de verbis Domini in ev. tec. Joann. eermo 44 :
Quid är bar fecerat, fructum non afferendof guae culpa ar-
boris infoecunditas t
Nenntet Kapitel. $• 102- 257
bi« aar ZerstSrang des Uegenstandet fortsugehen , wird
»elbst ffer roh und nnwArdig angeeehen, und Woolstoh hat
M Unreeht nicht, «renn er behauptet, an Jedem Andern
aJs an Jeen würde eine soiehe HandJung streng getadelt
wtrden ^)* Zwar bei wiriilich objectif und habitneii feh*
krbafker JBesebeffenheit eines Watorgegenstandes kann es
wohl etwa geschehen, dafs der Mensch ihn ans dem Wege
rIoBt , nas einen bessmm an seine Stelle an setaen ; woau
übrigens immer nnr der EigenthaoMf die gehörige Anffor-
derang und Befngnlfs hat (Tgl. Luc. 13, 7.)* Oars aber
dimer Baiam , weil er eben damals keine Frflchte bot , aneh
in folgenden Jahre keine getragen haben wttrde, verstand
lieh keineswegs von selbst, und auch in der Ernihlung
wird das Gegentheil angedeotet, wenn Jesns seine Verwlla-
•ehaag so ansdrfickt, dafs anf dem Banme nie mehr Frfich*
te wacknen jolien, was also ohne diesen Finch voraosset»-
licb doeh noch geschehen sein wttrde»
War so die* Qble Beschaffenheit des BanaM keine ha«
Ukielley sondern nur eine vorfibergehende , so war sie,
»«» wir dem Markns weiter folgen, nicht einmal eine ob-
jeetivi, sondern rein sobjectiv nnr in dem nuftlllgen Ver-
hlltBiTa des Baums so dem angenblicklichen Wunsch und
Badirfnib Jesu gegründet. Denn nach einem Znsatae, wei-
ther die Bweite Elgenthfimlichkeit des Markns in dieser
EnXhInng bildet, war eben damals nicht Feigenseit (V. 13.)«
ei war also kein Fehler, vielmehr gana in der Ordnung,
dals auch dieser Baum damals keine hatte, und Jesns, an
den es schon Wunder nehmen mufs, dafs er so cur Cn-
seit Feigen anf dem Banme erwartete, hüte wenigstens, als
er keine fand , sich anf das Dngegründete seiner Erwar-
tong besinnen, und eine so gans unbillige Handlung, wie
die Verwünschung war, unterlassen sollen. Schon Kirchen
Titer stiefsen sich an diesem Zusatae des Markus, und fan«
4) Ditc. 4.
Am tjtbm Jem lU Auß. U. Band. 17
338 Zireifeer Abiuhnitt.
ddo uiiCer Vomatsetsang deaselben das Verfahren Jesu gans
besondera rätbselhaft ^) ; Woolston aber apottet nioht mit
Unrecht 9 wenn ein Kentiacber Bauer im Frflbjahr Obst In
aelneoi Garten anebte, nnd die BKuaie nmhiebe, welche kei-
nes haben 9 ao wttrde er von Jedemann anagelacht we^
den« Die Ausleger haben durch eine bunte Reihe von Con-
Jectnren und Deutungen der Sebwieriglieit dieses ZotstE«!
BU entgehen gesucht« Von der einen Seite hat man den
Wunach, dafs doch die schwierigen Worte lieber gar nicht
dastehen möchten) geradeau in die Hypothese verwandelt,
sie mögen wohl spätere Glosse sein *)• Andrerseits, da,
wenn ein Zusata der Art dastehen sollte, eh^r die amge-
kehrte Angabe au wfinsohen war, dafs damals Peigenseit
gewesen, um nftmlich Jesu Erwartung, und seinen Unwil-
len, als er sie getXuscht sah, begreifen su liönnen: so bit
man auf verschiedene Weise die Negation aus dem Satze
BU entfernen gesucht, theils gans gewaltsam, indem man
atatt ä 5 laa, nach tjv interpungirte, hinter avxfoy ein swei-
tes ^ aupplirte, und fibersetste : ubi enifk tum versabattr
(Jems), tempus ficuum erat '); theils abgeschaiackt, durch
Verwandlung des Sataea in einen Frage^ats : itomi« enia
etc. 0 ; theils dadurch , dafs das xat^ oinnav von der Zeit
der FeigenXrnte genommen, und so in dem Zusats dieAfl'
gäbe, die FeigeD aalen noch nicht weggelesen, d. h. aoeh
5) Orig. Comm. in Matth. Tom. 16 , 29 : 'O 9t Ma(^oi ara^^'^i
TcJ Hora TOT TOTTor, antutfaivov r%, wf n^f ro ^jrov n^f^,'^}
noajaaf , St» — « /«e '7'' xat^e avxtar' ^- Eünoi ycf^ ar t^i •» ^1
Suiaüai tiTitr avrjf fnjfdri «f; tov ttlära ht ai /utjSäkf Ko^nw ffo^H)
vgl« Auguatin a. a. O.
6) ToUFn emendd. in Suidam, 1, p. 330 f.
7) Hiiiraivs u. A., bei FRiTsscai c d. St.
8) M4JI Obs «. bei dems.
Neuntes Kapitel. $. 102. 259
9
I
auf den Bimnen gewesen , gefnnden wurde *) , woftir man
sieh «af das xaiQog ruh xaq^twv Mattb. 21, S4. berief. AI-
leifl wie anter diesem Aasdmeliey der eigentlleh nur das
(oiecedens der Aemte, das Vorliandenseln der Früchte aof
Aeekero oder Blumen, beseichnet, wenn er in einem affirma-
dreo Satae steht, das ctmsequens, die mögliche Fruchtein-
uamlang , nnr in der Art verstanden sein kann , dafs das
aittecedais^ das Dasein der Früchte auf dem Felde, mitein-
feschloMen bleibt, folglich igt xaiQog xaqmiiv nnr so viel
bedeuteo kann : die (reifen) Früchte stehen auf den Aeckern,
Bod sind demnach zur Einsammlung bereit: ebenso wird,
weno Jener Ausdruck in einem negativen Satse steht, an-
tm iu antecedenSy das Befiodlichsein der Früchte auf dem
Acker, Baum u. dgl., und erst mittelst dessen das conse»
(ßenSy die Einsammlung der Früchte, aufgehoben; we iz$
tai^ (fvxwv heifst also : die Feigen sind nicht auf den BXn-
■en gej^nwürtig , und somit auch nicht sum Einsammeln
bereit, keineswegs aber umgekehrt: sie sind noch nicht
gesammelt, und stehen also noch auf den Bitumen. Aber
nMikDar diese unerhörte Redefigur, dafs, wfihrend den
Worten nach das antecedens aufgehoben wird , dem Sinne
lueii aar das consequens aufgehoben, das antecedens aber
pietn sein soll, sondern noch eine andere, die man bald
Sjochyais, bald Hyperbaton nennt, mufs bei dieser Erklft-
ning angenommen werden. Denn als Angabe, dafs damals
die Feigen noch auf den Bäumen gewesen , gibt der in
Kede stehende Zusata nicht den Grund, warum Jesus auf
jenem Baume keine fand, sondern, warum er welche er-
Wftrtete: er sollte also nicht hinter ödlv evQCv x. t, A.,
sondern nach ^hS'ev^ d aqa evQj^ei x. t. X. stehen; eine
VerietBung, welche aber nur beweist, dafs diese ganae
Kriilürang gegen den Teit Ifuft. Ueberaeugt einerseits, dafs
9) Dasmb, in Hbnxi's b. Magazin, 2. Bd. 2. Heft, S. 252.^ Auch
Kuiaöii, in Marc. p. ISO f.
17»
000 Zweiter Abaohnltt«
der Zasata des Markus das Obwalten gttns^ger Doistftnde
fflr das Vorhandensein von Feigen auf Jenem Banane Ter«
neine, aber andrerseits doch bemllbt, Jesu Erwartung eo
rechtfertigen, suchten andere Erlillrer Jener Verneinung statt
des allgemeinen Sinns, dafs es überhaupt nicht an der Jahn-
neit gewesen sei, wovon Jesus nothwendig hfitte Notia ha-
ben mfissen, den particullren su geben , dafs nur besondre
Umstände, welche Jesu nicht nothwendig belcannt sein mofa-
ten, der Fruchtbarlieit des Feigenbaums entgegengestanden
haben. Ein gans specielles Hindernils wAre es gewesen,
wtenn etwa der Boden , in welchem der Baum wure^lte,
ein unfruchtbarer gewesen wire, und wirklich soll nach
Einigen xaiQOS avxiav einen ffir Feigen günstigen Boden be«
seichnen ^^^^ Andere, mit mehr Achtung von der Wortbe-
deutung von xaiQogi bleiben swar bei der Erklärung von gün-
stiger Zeit, nur dafs sie die Angabe des Markus nicht universell
von einer stehend und alljährlich der Feigen ermangelnden
Jahreseeit, sondern nur von einem eineeinen, sufällig den
Feigen ungünstigen Jahrgange verstehen ^0* Allein xaiQog
ist eunächst die rechte Zelt imGegensatae aurUnaeit, nicht
eine günstige gegenüber einer ungünstigen ; nun aber kann,
wenn einer, auch in einem unfruchtbaren Jahrgange, su der
Zeit, in welcher sonst die Früchte su reifen pflegen , solclia
sucht, doch nicht gesagt werden, dafs es cur Unseitsei, riei-
mehr könnte ein Mifsjahr gerade dadurch beaeichnet wer-
den, dafs, irre ^IS-sy 6 xaiQog twv xaqmSv^ man nirgends
welche gefunden habe. Jedenfalls, wenn der gance Jahr-
gang die Feigen, eine in Palästina so häufige Frucht ^ nicht
begünstigte, mufste Jesus diefs fast ebensogut wissen , als
wenn die unrechte Jahrazeit war: so dals das Räthael
bleibt, wie Jesus über eine Beschaffenheit dea Baums , wel-
10) s. bei KuxiftfL z. d. St.
11) 'Bkvvotj exeg. Handb.; S, a, S. 175; OLSSAuan!, b. Goaittu i^
S. 772.
Neuoles KapiteL f. 102. 261
•he in Folge Ihm bekannter Omatlnda niehft andere sein
konnte, ao ungehalten aein noohte.
Allein erinnern wir nna dooh nnr^ wer ea lat^ dem
wir jenen Znaats verdanken. Ea lat' Markus, weloher In
sdaem erlinternden, ?erantobanllchendon Beatreben ao Man«
ches ana seinem Eignen Boaetst, und dabei) wie Ungat an-
srkannt ist, und aoeh wir auf unarem Wege aehon snr
GenOge gefunden haben | nicht immer auf die fiberlegteato
Welae au Werke geht. So hier nimmt er gleieh das erste
AaSallendai waa ihm begegnet, dafa der Banm keine
Frttehte hat, und lat eilig mit der Eriüirung bei der
Hsnd, ea werde die Zeit nleht geweaen aein; merkt aber
licht, dafif er, indem er phyaikaüsoh die Leerheit dea Bauma
erkUrt, dadurch daa Verfaiiren Jean moralisch unerklir«
lieh macht. Auch die olien erwihnte Abweichung von Mal»
xiäuM in Betreff der Zeit, innerhalb weloher der Banm
rerdorrte, tat, weit entfernt, eine gröfsere Urkundlichkeit
dm Markus in dieaer Erafthlnng ^'j , oder eine Neigung
m naMrllober Erkllmng dea Wunderbaren au beweiaen,
iviedar nur ana demaelben Teranachaulichenden Bestreben,
wie dsv Buletat betrachtete Znaata , hervorgegangen. Daa
Bild cinea auf ein Wort hin pltttalich verdorrenden Bauma
iUlt der Klnbildungakraft aehwer au voUaiehen : wogegen
6s oleht abel dramatisch genannt werden kann, den Pro-
csfa dea Verdorreos hinter die Soene an verlegen, und erst
Tsn deeaen Resultate die später Vorübergehenden Ansicht
nehmeo au lassen. *— Blit seiner Behauptung übrigens , ea
Mi damala, etilehe Tage vor Oatem, keine Zeit für Feigen ge*
weeen , hätte , auf die klimatischen Verhältnisse Palästina a
gsaelien, Markua inaofem recht, ala In ao früher Jahraaelt
^e fipiaeh getriebenen feigen Jenea Jahrgangs noch nicht
12) Wie Siavvaav meint, über den 'Ursprung u. •• f. S. IIS IT,
Vergh dagegen meine Recens. in den Jahrb. f. wiss, Hritik,
Nov. 18M*
252 Zweiter Abtohoitt. '^
reif waren > iodem die Frtihfeige oder Booeore doch ent
nm die Mitte oder gegen Ende Juni*«, die eigentliche Fei-
ge , die Kermos , aber gar erst im Augustmonat reif wird.
Dagegen konnte um dieOsterzcit nooh Tom vorigen Herbit
nnd fiber den Winter her die dritte Frucht des Feigeo-
banms, die späte Kermus, hie nnd da auf einem Baam
angetroffen werden ^^ ; wie denn nach Josephns ein Tbeil
Ton Palästina (das Uferland des gaiiiäischen Sees, freilieh
fruchtbarer, als die Gegend um Jerusaiem, wo die frag«
iicbe Geschichte vorging) amov d&ta fitjolv udiaXelmfos
XOQtffd ").
Doch wenn wir auch auf diese Weise die allerdiogi
erschwerende Notia des Markus, dais der Mangel dei
Baums kein wirklicher gewesen, sondern nur Jesu fe^
möge einer irrigen Erwartung so erschienen sei, anf die
Seite gebracht halten : so bleibt uns doch auch nach Met-
thäns noch das MifsFerhähnifs , dafs Jesus wegen eines
?ieilelcht biofs vorübergehenden Mangels einen Natnrgegen-
stand zu Grund gerichtet hätte. Weii ihn hiesn weder
ökonomische Rfioksichten, da er nicht -Eigenthüner dei
Baumes war, noch auch moralische Absichten -^ auf eineo
bewufstlosen Naturgegenstand — bewogen haben kdaaen,
so hat man den Ausweg ergriffen , als das eigenÜieha Ob-
ject, auf welches Jesus hier wirken wollte, die JOng^i*
SU substituiren , den Baum aber und was Jesus aa ibm
that, als blofses Mittel seiner Absicht auf jene zu betrseh-
len. Diefs ist die symbolische Auffassung ^ durch welche
schon die Kirchenväter , und nun auch die meisten ortho-
doxen Theologen unter den Nenefen, die Handlungsweise
Jesu von dem Vorwurfe des Unpassenden sa befreien ge-
meint haben. Nicht Erbofsung fiber den Baum , der sei«
13) s. Paulus, a. a. O. S. 168 f.; Wim», b*. Reaiw. d. A. Fei-
genbaum.
14) Bell. jud. 3, 10, 8.
üesnies KapiteL $.102. MS
aem Banger keine Stillang bot, war hienaeb die Sdjnmnng
Jesn bei dieaeai Aete, sein Zweeb nicht eehleebtweg die
Vertilgang des nnfruohtbaren Uewicbsee ; aondern mit Be-
Mwoeniieit bat er die Gelegenheit einet frftcbteleer befiin-
imea BauoMi dasn bentttat, den Jflngern durch eine ayu-
Mische Handlung anschaulicher und unvergefslicber als
ilsreh Worte die Wahrheit au machen, die nun entweder
spsdeU so gefafst werden kann , da(s das jfldiscbe Volk»
welchea beherrlieh keine Gott und dem Messias gcfiilligen
Frfichte bringe^ au Grunde geben werde^ oder allgemeiner
10 , dafa Aberbaopt jeder , der Ton guten Werken so etit*
blofst am^ wie dieser Baum ton FröchteU) einem ihnlieben
Strafgericht entgegensnseben habe '^). Mit Recht indefii
fsrdern andere Ausleger , wenn Jesus mit der Handlung
dieft besweckte» so hXtte er sich irgendwie darfiber erklft*
ran mOsaen *^} ; denn war bei seinen Gleicbnifsreden eine
Amlegang nftthig^ so war sie bei einer Handlung um
w aaeoibebrlicher) Je mehr diese ohne eine derartige Hin«
«draag auf einen aufser ihr liegenden Zweck als Zweck
ftrueh eelbst gefafst werden mufste. Zwar liefsesieh aui^b
bteri wie sonst , annehmen) Jesus habe wohl aur Veratln-
digsBg seiner Jünger aber das von ihm VoUcogeue noch
elwas gesprochen, was jedoch die Referenten ^ mit dem
Wonderfactumsufrieden, weggelassen haben« Allein, sollte
Jesus eine Deutung seiner Handlung im angegebenen sym*
boiisehen Sinne gegeben haben , so hätten die Evangelisten
dieie Rede nicht bjk>fs TcrschwiegeUi sondern eine falsche
so deren Stelle gesetst ; denn sie lassen Jesum nach seinem
Vornehmen mit dem Asume nicht schweigen, sondern aus
13) Ullhaiiii 9 vher^läe Unstindlichkeit Jesu , in seinen Studien ,
iy S. 50; SiBi^irry s. a. O. S. 115 it; Ouiuossir, 1, S. 773;
l^SAioHiB, L. AoChr., S. 378. _
1(>) P4VL0Sy a. a. O. S. 170 1 Hasb, L. J. ^. 128 ; auch SiSffffsaT,
a. a. 0.
264 Zweiter Ahaohnitf.
Anlab niner Terwqndemingsvollen Frage seiner Jttoger, wie
es mit dem Baume zugegangen, eine Erläuterung gelten,
fvelche aber nicht Jene symbolische , sondern von ihr ver-
schieden, Ja ihr entgegengesetzt ist. Denn wenn Jesus ih-
nen nagt , sie sollen sieh aber das Verdorren des Feigen«
baums anf sein Wort hin nicht wnndern , mit nur weoi-
nigem Glauben werden sie noch Gröfseres zu thun im Stande
sein : so legt er das Hauptgewieht anf sein Thun in der
Sache , nicht auf den Zustand* und das Leiden des Baomt
als l^ymbole ; er hätte also , wenn doch auf das Letstere
s6in Absehen ging, sweck widrig su seinen Jüngern ge*
aprochen ; oder vielmehr , wenn er so sprach , kann Jenes
feine Absicht nicht gewesen sein. Ebendamit ftllt auch
Sibftkrt's, ohaeliin auf nichts sich stOtaende Hypothese,
dafs Jesus a war nicht nach, wohl aber vor Jenem Acte,
auf dem Weg zum Feigenbaum hin, über den Zustand und
die Zukunft des israelitischen Volks mit seinen Jangem
Gespriiche gefflhrt halie, zu welchen die symbolische Ver-
wflnsehnng des Baums nur als von selbst verstindlicher
Schluf «stein gefligt worden sei: denn alles durch Jen« Ein-
leitung etwa angebahnte Verstftndnifs des fraglichen Actes
h&tte, zumal bei der Neigung der Zeit zum Miracultfseo,
durch Jenes Nachwort , welches nur die' wunderbare Seile
des Factnms iierQcksichtigte, wieder zu Nichte gemsiht
werderi mOssen. Mit Recht hat daher Ullmann den hin-
IBUgefOgten Worten Jesu so weit nachgegeben, dals er der
von ihm zulässig gefundenen symboliscKbn Auffassung die
andere noch vorzieht, welche auch sonst schon vorgetra«
gen war ^0 > Jesus habe durch die Wttnderhandlung den
Beinigen einen neuen Beweis seiner Machtvollkommenheit
geben wollen , um dadurch ihr Vertraa^n auf ihn fBr ilie
bevorstehenden Gefahren au stärken« Qder vielmehr, da
eine specielle Beidehnng aaf das beviirst^h^nde |«eideQ
t7) HuTPSHMtcu, in dpn tbeol« Nadiri^ht^ni 4814, Mai, S, 131 IT.
NesDtes Kapitel» $. 102. 265
Bipgends hervorgehoben, and in den Worten Jean riiohte
enthalten ist, was er nieht auch schon früher gesagt hätte
(Hattb. 17, 80. Lac. 17, 6«) : so mars man mit Fritzschb
ils die Ansicht der BFangelisten gans allgemein diese ans-
iprachen, Jesns habe seinen Unwillen Über die Unfrneht-
krkeit des Feigenbaums als Gelegenheit mnr Verrichtung
eioes Wunders benfitst, dessen Zweck nur der allgemeine
liier seiner Wunder war, sich als Messias en beorkan*
den ^. Gans in dem von Fritzschb geseichneten '*) Geiste
der Ersäbler spricht daher Euthymius» wenn er alles
fimbeln Aber den besondern Zweck der Handlung Terbie-
tat, and nur im Allgemeinen auf das Wunder in ihr tu
wben ermahnt^. Keineswegs aber folgt hieraus ^ dafa
•och wir uns des Nachdenkens hierüber enthalten, und
ohne Weiteres das Wunder gläubig hinnehmen mfifsten;
Tielmehr können wir uns der Hemerkung nieht erwehren^
difs das besondere Wunder, welches wir hier haben ^ we*
dar aea dem allgemeinen Zwecke des Wunderthuns Aber-
^ipt, noch aus irgend einem besendern Zweck und Grund
ihwirklieh von Jesu Tcrrichtet sich erkliren lifst, viel-
Mhrin Jeder Hinsieht seiner Theorie wie sonstigen Praxis
i^nientrebt, und defswegen mit gröfserer Bestimmtheit als
ifgni ein amdreS| auch abgesehen von der Frage fiber die
m Conm. in Matth. p. 637.
19) Coimii. in Marc. p. 481 : Vale -^ vv. dd. in eo hmMenaU,
quod Jesus sine raiiane innoeeniem fievm aridam reddidisse
videretur, närisque Qr§nUis usi sunt» ut aHquod hujus rsi
eonsiiium fuisse ostenderent Nimirwn apüstoU» evangeiistae
et omnes prim4 temporis Christiani, qua erani ingeniorum
stmpÜcttale, quid quantumque Jesus porteniase fecisse dice^
retur, curarunt tantummodo, neu quod Jesu in edendo nU^
raciUo eonsiiium fuerit, sublUiter et m-guie quaesiverunt.
266 Zweiler Abcchnitt.
physische Möglichkeit, fttr eia solobea erliiftrt werden mafi|
weiches Jesas nicht wirlilich verrichtet heben liaon.
Indem uns nun aller noch der positire Necliweis der-
jenigen Veraniassung ohliegt , dnroh welche , auch ohne ge-
aehichtiieheo Grund, eine solche Erafihlong entstehen konn-
te: so finden wir in unserer gewöhnliehen Quelle, deniA.
T«, awar wohl manche bildliche Reden und Ercähluogen
von Bäumen und von Feigenbäumen insliesondere, sber
keine, weiche au unserer Ersäblung eine so speeifische Ve^
wandtschaft hätte, »dafs wir sagen könnten, diese sei jener
nachgebildet. Statt dessen aber dfirfen wir im N. T. nicht
weit blättern , so finden wir schon , suerst in des Tänfen
CMatth.3, 10 j, dann in Jesu eigenem Munde (7, 19.) die
Onome von dem Baume, der, weil er keine gute Frocbt
trägt, abgehauen und in's Feuer geworfen wird, und wei*
terbin (Luc. 13, 6 ff.) findet sich dieses Thema au der fin-
glrten Geschichte eines Herrn ansgeffibrt, welcher auf ei-
nem Feigenbaum in seinem Weinberge drei Jahre lang Te^
geblich Früchte sucht, und defswegen denselben umfasnes
lassen will , wenn nicht durch die Ffirbitto des Gärtnen
ihm noch eine einjährige Frist ausgewirkt wfirde. Schon
Kirchenväter haben in der Verwttnsehang des Feigenbsoms
nur eine tbatsächliche Aosfahrung der Parabel vom Feigeo-
bäum gefunden -^) ; freilich in dem Sinne der vorhte
angeführten Erklärung, dafs Jesus selbst den damaiigen
Znstand und das bevorstehende Schicksal des Jödieobeii
Volks, wie frflher durch eine bildiiohe Rede, so damals durch
eine symbolische Handlung habe darsteilen wollen ; wai)
wie wir gesehen haben , undenkbar ist. Dennoch werden
wir uns jder Vermuthung nicht erwehren können, dafs
wir hier ein und dasselbe Thema in drei verschiedenen
Gestalten vor uns haben: euerst in concentrirtester Form,
2i) Ambrosius, Comm. in Luc. z. d. St. Aehnlich jetzt NsAKoa««
a. a. O.
\
Neuoces Kapic«!. j^« 103. 267
aJs Gnoflic, dann sor Panbel erweitert, niid endlich cor
(jeschiohle reeiUirC ; wobei wir nur nicht ennehmeo , dafg
JeeiUy was er nweimal durch Worte , snietst anch noch
dareh eine Handlung dargestellt, sondern , daüs die Tradi*
tum 9 was sie als tinome und psrabolisohe Geschichte vor-
fsad, auch vollends eur wirkliehen Begeiüenheit gemacht
iksbe. Dafs in dieser wirldicben Geschichte das Ende des
Baums ein etwas andres ist, als was ihm in der Gnodie
«ad Gleichnifsrede angedroht wird, nimlich Verdorren
statt des Umgehauen werdena, darf nicht sum Anstols ge-
rsiclien* Denn war die Patabel einmal nur wirklichen
Ueschiehte, mit desu Subject Jesus, geworden, war also
ihr ganner didaktischer und symbolischer Gehalt in der lus-
tersn Haodlung aufgegangen: so mufste diese, sollte sie
noch Gewicht und Interesse haben, als Wunderhandluog
sich bestimmen, also die durch A^t und Hauen natürlich
vermittelte Vertilgung des Baums in ein unmittelbares Ver-
dorren anf das Wort Jesu sich verwandeln. Zwar scheint
pgen «iiese Ansieht von der Krsfthlnng, nach welcher ihr
laaereter Kern doch kein andrer als ein symbolischer blie>
be, deh ebendasselbe, was gegen die oben erwogene, ein-
wenden SU lassen: «dals nXmlich die daran sich knüpfen-
de Rede Jesu einer solchen Auffassung widerstrebe. AI-
Irin bei unserer Ansicht von den Berichten sind wir befugt,
en sagen, da(s mit der Umwandlung der Parabel aur Ge-
ichichte in der Oeberliefemng auch der ursprüngliche Sinn
Fon jener verloren ging, und, indem das >/uDderbare als der
Nerv der Sache betrachtet au werden anfing , irrigerweise
jene, die Wundermacht und Glanbenskraft betreffende Re«
de damit verknöpft wurde. Sogar die besondere Veranlas-
long, warum gerade die Rede vom Bergev ersetzen an die
Krafihiung vom Feigenbaum angeknüpft ist, l&fst sich mit
Wahrscheinlichkeit nachweisen. Die Glaubenskraft, wel-
ehe hier durch ein von £rfoig begleitetes Sprechen au einem
Berge: a^^rpri utai ßlljS^f^ii efg ttjtf d^aXuaoaVy dargestellt
208 Zweiter Absohnict. '
ist, findet sich anderswo (Lno. 17, 0.) versinnblldlieht dnrch
ein ebenso wirksames Sprechen so einer Art von Feigenbaan
(auxa/nivog) : ixQi^oid-t^t^ xal (pvttvxhijzi iv ttj d-aXaaari. So
erinnerte der Terwünsehte Feigenbaum, sobald sein Ver-
dorren als WirlLong der Wnnderkraft Jesu gefafst wurde,
an den durch die wunderbare Kraft des Glaubens eu ?e^
pQanaenden Baum oder Berg, und so wurde dieses Oictam
Jenem Factum angehängt. Hier also gebflhrt dem dritten
£Tangelinm der Preis, welches uns die Parabel von der
unfruchtbaren avx!} und die Gnome von der dnreh deo
Glauben an verpflanzenden avxafuvog getrennt und rein,
Jede in ihrer ursprttagliehea Form und Bedeutung, erhal-
ten hat: während die beiden andern Synoptiker die Para-
bel Bur Geschichte umgebildet, die Gnome aber (In etwM
anderer Form) au einer falschen Deutung Jener angebli«
eben Geschichte Verwendet haben ^^.
33) Vergl. Iiiemit die im Wesentlioken ttberelnaUmmendeii Auf-
fasauiigen der ErsVhlnng hei vm Wim, exeg. Handb., 1, 1
S. 176 f. I, 3, S. 174 t und b^i Wassss, die evang. Gcicli.
I, S. 576 f.
9
'^Ä»
• f
Zehntes KaptteJ,
■
Jesn Verklärang und letzte Reise nach
Jerusalem.
$. 103.
Die VerklSiriuig Jetu aU wunderbarer Hnsserer Vorgang.
Hit den bisher antersnehten WondererziUnngen konnte
die Gescbichte von der Verkllmng Jesn auf dem Berge nicht
mehr verbunden werden : nicht blob well sie kein von Jesn
f errichtetes Wunder wie jene^ vielmehr ein an ihm vorge-
gangenes betrifft; sondern anch weil sie als ein Ifer sich
stehender Moment im Leben Jesn hervortritt, welcher der
fiUehnrtigkeit wegen nnr etwa mit der Taufe und Auf-
entehang nusammengestellt werden könnte ; wie denn Hir-
Dit nit Recht diese drei Begebenheiten als die drei licli-
tett Punkte himmÜseher Beurkundung im Leben Jesu Inh
saiehnet hat 0*
So 9 wie sich die synoptische Krsfihlong (Matth. 17|
1 C Mare. 0 , 2 ff. Luc. 9, 28 ff.) — denn im vierten Bvan-
geliom fehlt die 'Geschichte — dem ersten Anblicke darbie-
tet, haben wir hier einen wirklichen fiufseren und swar
wunderbaren Vorgang: als Jesus 6 — 8 Tage nach seiner
ersten Leidensverktfndignng mit seinen drei vertrautesten
Jflngem einen hohen Berg bestieg, waren diese Zengeni
wie mit Einem Male sein Angesicht und selbst seine Klei-
der in aberirdischem Olanse sich veridArteni wie nwel
1) Vem Ertöser der Menschen nach unsem drei ersten Evange-
lien, S. 114.
270' Zweiter Abschnitt.
ehrwürdige Geataiten aas dem Geisterreiche, Moses und
Elias ^ erschienen, sich mit ihm cu unterreden , und wie
endlich aas einer lichten Wolke eine himmlische Stimme
Jesnm fttr Gottes Sohn | dem sie Gehör au schenlieo bit-
ten, erklftrte. "
Diese wenigen Zflge der Geschichte regeif eine Men-
ge Fragen an , nm deren Sammlang sich Gabler ein be-
sonderes Verdienst erworben hat *). Bei Jedem der dni
Momente des Vorgangs : dem Glanae , der Todtenerschei-
nang, and der Stimme, iäfst sich sowohl nach der Hog
lichkeit, als nach dem aarelchenden Zwecke fragen. Wo-
her soll vorerst der aarserordentllche Glanz an Jesrnn ge-
kommen sein? Bedeokt man, dafs von einem fierafioijqi
ad-at Jesa die Rede ist, so scheint nicht an ein blofsesBe-
achienenwerden von aafsen her, sondern an eine von inneo
kommende VerkiXrong gedacht werden an mfisseo, so som-
gen an ein vorübergehendes Darchieochten der göttlicben
do^a durch die menschliche HfiUe; wie aach Olshacsen diese
Begel^enheit als einen Haaptmoment in dem Lfiuteronge-
and Verklftrangsprbcefse fafst, in welchem er die Leiblicb-
keit Jeso wfihrend seines gansen Lebens bis cur Blmmel-
fahrt begriften denkt ^.^ Allein^ ohne das schon oben
Gesagte hier weiter anszaflQhren, dafs Jesus entweder kein
wahrer Mensch war, oder die mit ihm während seines Le-
idens vorgegangene Llnterung eine andere gewesen tein
mafs, als welche in einem Licht- ond Leichtwerdeo ds>
Körpers bestand : so ist in keinem Falle sn begreifen, wie
an einem solchen Verkl£rongtproce(s anfser seinem Lei-
be anch sdne Kleider theilnehmen konnten. Möchte dsb
dieses letateren Punktes wegen lielier an eine Belenchtong
2) In einer Abhandlung Über die Verklärangsgetchicbte » in t.
neuesten theolog. Journal, 1. Bd. 5. Stück, S. 5l7 ff. ^6^
Bausr, hebr. Mythol. 2, S. 233 ff.
S) bibl. Comm. 1, S. 524.
Zehntes Kapitel. $. 103. ^1
Ton ffar«efi denken, so wtfre diefa dann keine Metamorpho-
se, Ton welcher doch die Evangelisten sprechen: so dafs
also diese Scene zu keiner in sich Ensammensttmmendiin
Anschaaong gebracht werden kann, wofern man nicht et-
wa mit Olshauskn beides Tcrbunden , Jesnm sowohl strah-
lend als bestrahlt, sich denken will. Aber war dieser Glanz
aoch möglich : immer bleibt doch die Frage, woaii er denn
gedient haben soll? Sagt man, was am nächsten liegt;
om Jesom zn Ferherrlichen : so war der geistigen Verherr-
liehong gegenüber, welolie Jesus darch. Rede und Tbat
sieb selber gab, diese physische dorch glSnieende Beleuch-
tong eine sehr nnwesentliche , und fast kindisch bq nen-
nen; soll sie aber dennoch zur Erhaltung des allznschwa-
ehen Glaubens nöthig gewesen sein , so mfifste sie vor der
Menge, oder doch vor dem weiteren Kreise der Jünger,
nicht aber vor dem engsten Ausschusse der kräftigsten vor-
genommen*, mindestens den wenigen Augenzeugen nicht
die Mittheilung gerade fiBr die am meisten kritische Zeit,
bis zar Auferstehung , untersagt worden sein, — Mit ver-
Btlrkter Kraft kehren diese beiden Fragen bei dem zweiten
Moment in anserer Geschichte , bei der Erscheinung der
beiden Verstorbenen, wieder. Können abgeschiedene See-
len den Lebenden erscheinen? und wenn, wie es scheint,
die beiden Gottesmftnner mit ihrem vormaligen , nur ver-
USrten, Leibe sich zeigten, woher nahmen sie diesen «—
flach biblischer Vorstellung — vor der allgemeinen Auf-
erstehung? Zwar bei Elias, der ohne Ablegung des Kör-
pers gen Himmel fuhr, macht diefs weniger Schwierig-
keit: allein Moses war doch gestorben, und sein Leich-
nam begraben worden. Vollends aber zu welchem Zwecke
tollten die beiden grofsen Todten erschienen sein? Die
svangelische JSarstellong , indem sie die beideh Gestalten
Alt avllaXävteg t(^ '/. darstellt, scheint den Zweck der Er-
tcheinnng in Jesum zu setzen ; näher , wenn Lukas recht
bat, bezog sich dieselbe auf da» Jesu bevorstehende Lei*
77t Zweiter Abachnitt
den und Stmrben. Aber mngekttndigt können sie ihm diers
nicht erst haben, dm der einstimmigen Angabe der Syiiop-
til£er Eufolge schon eine Woche vorher er selbst es ?oraui-
gesagt hatte (Matth. 16, 21. paralJ.)* Daher yermnthet man,
durch Moses und Elias sei Jesus nur ron, den näheren
Umständen und Verhältnissen seines Todes genauer unte^
richtet worden^): allein einerseits ist es der Stellong,
welche die Evangelien Jesu an den alten Propheten geben,
nicht angemessen, dafs er von ihnen Belehrung bedarft
haben soll: andrerseits hatte Jesus schon frfiher sein Lei-
den mit so genauen Zfigen vorhergesagt, dafs die speciel-
lerefi Eröffnungen aus der Geisterwelt nur etwa das ^a-
gadldoadxct f^öig edrsaiv and ifiTwvea&aij wovon er erst
später sagt (Matth. 20, 19. Marc. 10, a4.)i betroffen haben
liönnten. Oder sollte die an Jesum cu maehende Mittbei-
long nicht sowohl in einer Belehrung, als in einer Stär-
kung ffir sein bevorstehendes Leiden bestehen: so ist am
diese Zelt noch keine Spur eines ttemfitlisBustands l>ei Je
SU £U finden, welcher einen Beistand dieser Art eu e^
heischen scheinen lu»nnte;'fflr das spätere Leiden aber
hätte diese so frtthe Stärkung doch nicht hingereiejit, wie
wir daraus sehen, dafs in Gethsemane eine weitere nötbi;
war. Werden wir so, wiewohl bereits gegen die Anhp
des Teites, su dem Versuche veranlafst, ob sieh der Er-
scheinung nicht vielleicht eine Beziehung auf die Jffnger
geben lasse : so reicht der Zweck' der Glaubensstärkoog
Oberhaupt sur Begrfindung einer so besondern Veranstal-
tung theils als cu allgemein nicht aus ; theils mfifste Jesus
in der Parabel vom reichen Manne den leitenden Grundsats
der göttlichen FOgungen in dieser Beziehung falsch gedeu-
tet habeq, wenn er ihn dahin aussprach, dafs, wer den
Schriften des Moses und der Propheten — und wie viel
mehr, wer dem gegenwärtigen Christus — kein Gehör
4) Olshausbk a. a. 0/ S, 527.
V
Zehntes Kapitel S* 104. «17S
schenke, auch durch eioen wiederkehrenden Todcen nicht
gvm Glaaben gebracht werdeh würden wefsvregen denn ei-
ne eoiche Erscheinung, wenigstens en Jenem Zweclie, Ton
6ott nicht verfllgt werde. Der speciellere Zweck, dioJfln-
pr ¥on der Del>ereinstimmung der Lehre und Schicksale
Jen mit Moses und den Propheten -cu ttberseogen, war
lom Tbell schon erreicht ; enra Theil aber wurde er es
erst nach dem Tod und der Anferstehnng Jesn und der
Ansjriefiuing des Geistes , ohne data die Verkllfmng in die>>
ler Hinsicht irgend Epoche gemacht hätte. -— Endlich die
iitisiaie aas der lichten Wolke (ohne Zweifel der Sckechi'
xoi) ist, gleich der bei der Taufe, eine Gottesstimme;
sber wie anthropemerphistisch mnfs die Vorstellung yon
Gott sein , welche ein wirkliches hörbares Sprechen Got-
tes ttr miöglich hält; oder wenn hier nur von einer Mit-
theilimg Gottes an das geistige Ohr die Rede sein soll ^),
10 ist damit die Sache In das Visionttre hinfibergespielt, und
b eine j^anu andere Betrachtungsweise fihergesprungen.
S. 104.
Die uförliche Auffaissung der Eriäklung in verschiedenen Fonnan.
Den ausgef&hrten Schwierigkeiten derjenigen Ansicht,
weiebe die Verklärung Jesu als wunderbare und awar Sus*
«ere Begebenheit betrachtet, hat man dadurch eu entgehen
gesDcht, dafs man den gansen Vorgang In das Innere der
dabei betheiligten Personen verlegte. Hiebei braucht das
Waoderbare nicht sogleich aufgegeben au werden: nur
scheint es als ein im menschliehen Innern gewirktes Wnn^
der einfacher und denkbarer cu sein. Man nimmt daher
an, dafs durch göttliche Einwirkung das geistige Wesen
der drei Apostel, und wohl auch Jesu selbst^ bis cur
Kkstase gesteigert worden sei , in welcher sie entweder
5) OukHAüssiv, 1, S. 529. vgl. S. 174.
Das Leben Jesu Zie Aufl. //. Band. IB
274 Zweiter Abschnitt.
wirklich mit der höheren Welt in Berührang traten,
oder deren Gestalten aufs Lebendigste selbst prodaoiren
konnten , d. h. man denkt sich den Vorgang als Vision *;.
Allein die erste Stütise dieser Änffassong , dafs Ja Matthfioi
selbst durch den Aasdrack : oQafia CV. 9O9 die Sache als ei-
nen blofs snbjecti?eny visionären Vorgang beseichne, weicht
alsbald, wenn man sich erinnert, dafs weder in der Wort«
iiedeutung ?on oQUfia das Merkmal des blofs InnerHcheo
liegt, noch aoch der N. T. liebe Sprachgebranch den Aas-
druck nar für innere, sondern, wie A6. 7, 31., ebenso aach
fflr fiufsere Anschauungen verwendet ^. Die Sache seib&t
betreffend aber ist es unwahrscheinlich , und wenigstenj
in der Schrift beispiellos, dafs Mehrere, wie hier Drei
oder Viere, an demselben, sehr ausfdhrllcben , Ivesicbte
Thell gehabt hätten ') ; woeu noch kommt, dafs die ganse
schwierige Frage nach der Zweckmäfsigkeit einer solchen
wunderbaren Veranstaltung auch bei dieser Auffassung der
Sache wiederkehrt.
Diesen Anstofs an vermelden, haben daher Andere den
Vorgang £war im Innern der bechelHgten Personen belas-
sen, aber als Pruduct einer natärlichen Thätigkeit der
Seele : das Ganze mithin für einen Traum erklärt *). Wäh-
rend oder nach einem von Jesu oder ihnen selbst gespro-
chenen Gebete, in welchem des Moses and Elias gedieht,
und ihre Ankunft als messianlscher Vorläufer gewünscht
worden war, achliefen dieser Auffassung zufolge die drei
Jünger ein, and träumten, indem wohl aach die von Jesu
1) So Tertull. adv. Marcion. 4> 22; Herdbr, a. a. O S. 115 f)
welcben auch Gratz, Comm. z. Matth. 2, S. 163 f. 169. bei-
stimmt.
2) Vgl. Fritzscbi, in Matth. p. 552; Olshat7Sbs, l, S. 523.
3) Olshavsitt, a« a. O.' .
4) Bau, eymbola ad illuetrandam Ew. de metamorphosi J. Chr.
narrationem; Gabler, a. a. O. S. 539 IT.; KvikÖL| Comm. t.
Matth. p. 459 ff. ; Nsakdsr, L. J Chr. S. 474 f.
Zehntes Kapitel. $. 104. 275
genannten Namen jener Beiden in ihre seh laftmnkenen Oh-
ren hineintönteni als ob HoBea nnd Elias gegenwärtig wff-
ren, andJeena sich mit ihnen unterhielte; was ihnen aach
bei*fB ersten, trflben Krwaehen noeh einen Aogenblick yor^
lehvrebte. -^ Wie die vorige Erkiffrnng aof das oQa^a des
Hatthlo^, so stfitBt sieh diese darauf, dafs Lukas die Jiln«>
ger als ßfßaQijfitevoi tm'r;», und erst gegen das Ende der
Seene wieder als SiayQr^yofn^cnreg j he«Mchnet (¥• 32.).
Aof die Handhabe, welche der dritte Evangelist hiemit der
natfirllehen Erklärung bietet , winl nun ein bedeutender Vor-
sog seiner Ensählong vor der der beiden ersten begrfindet,
indem die neueren Kritiker erklären, dafs durch diese und
sodere Zflge, weiche die Begebenheit dem Natfirlichen nä-
her bringen, die üarsteliong bei Lukas sich als die ui^
iprfiogliche, die des Matthäus dagegen durch Weglassong
derselben sich als die abgeleitete erweise, da bei der wunder-
säcbtigen Richtung jener Zeit wohl Miemand solche , das
Wander mindernde Zage, wie das Schlafen der Jdnger,
hlnsogedichtet haben wfirde ^). Diese Schlufsweise wür-
den wir sn der nnsrigen machen müssen, wenn wirklich
der bezeichnete' Zug nur im Sinne der natflriichen Erklä-
mng aafgefafst werden könnte. Hier dürfen wir uns aber
Dar erinnern , wie bei einer andern Scene , in welcher das
naeh Lnkas liei der Verklärung Jesti angekündigte Leiden
in ErfüUong so gehen anfing, und bei welcher naeh dem-
selben Evangelisten Jesu gleichfalls eine himmlische Ersehet*
onng SU Theil wurde, in Gethsemane nämliob, die Jünger
ebenso, und swar nach sämmtliehen Synoptikern, als xa-
^ivdovTEg erscheinen (Matth. 26, 40parall.). Konnte hier
sehen die blofs änfsere, formelle Äehnliohkeit beider Sce-
nen einen Referenten cur Debertragnng des Zugs vom Schlaf
in die Verklärungsgesohichte veranlassen :^ so konnte ihm
5) Schulz, über das Abendm., S. 319; ScHLtisiiMACHtii, über den
Lukas, S. 148 f. ; vgl. auch Köstsr, Immanuel , S. 60 f.
18*
ITA Zweiter AbiobnitU
noch mehr der Sinn ond Inhalt dieses Zags anch hier in
seinem Orte scheinen« Durch das Schlafen der Jfloger
nKmlich, eben während mit ihrem Meister das Wichtigito
vergeht, wird ihr nnendlicher Abstand ypn ihm, ihre On-
ffibigkeit, seine Höhe sn erreichen , nnd seine Ueberiegeo-
heit beseiclinet; der Prophet, der Empfllnger einer Offeo-
barnng, ist anter den gewöhnlichen Mensohen wie eio
Wachender anter Schlafenden: wefswegen es sich gani
von selbst ergab , wie bei dem tiefsten Leiden , so aoeb
hier l>ei der höchsten Verherrlichung Jesu die Jflnger all
sehlaftraniLene darEustellen. Ist somit dieser Zog so weil
entfernt, der natfirlichen Erklärung Vorschub su thun,
dafs er vielmehr das an Jesu vorgegangene Wunder durch
einen Contrast heben will: so sind wir auch nicht mehr
befugt, den Bericht des Lukas als den ursprünglichen an«
Busehen, und auf seine Angabe eine Erklärung des Vor
falls ca bauen ; sondern umgekehrt werden wir an jenem
ZusatE , in Verbindung mit dem. schon erwähnten V. 31.)
seine Darstellung als abgeleitete und aasgesohmückte e^
kennen ®J, und uns mehr an die der l>eiden ersten Eyan-
gellsten halten müssen.
Fällt auf diese Weise die Hanptstatee derjenigen Auf*
fassong, welche hier nur einen natürlichen Traom iff
Apostel sieht: so hat diese aofserdem noch eine Mengein*
nerer Schwierigkeiten. Sie setet nur die drei Jünger als
träumend voraus, vnd läfst Jesnm wachen, also nieht in
der Ulusion begriffen sein. Die ganse evangelische Dar-
stellung lautet aber so, als ob Jesus so gut wie die Jflnger
die Erscheinung gehabt hätte; namentlich konnte er, wenn
das Gänse nur ein Traum der Jünger war, ihnen nicht
6) Diese Einsicht hat Baubr^ a. a. O. S. 237; Fritzscrb, p.556;
« DB Warn, exeg. Handb. , 1, 2, S. 56 f. ; Waissa, die evang.
Gesch. 1, S» 536; und zum Theil auch Pavlus, exeg. Handb.;
2, S. 447 f.
Zehntes Kapitel $.104. tn
heroAoh sagen: fn^evl ämfjCB to o^Kx^iay wodureb er sie ja
•bea in der Meinang bestärkt blltte, dafs es etwas Beson-
deres nnd Wanderbares gewesen sei. ^ Hatte aber aneh Je-
101 keinen Theil an dem Tranmei so bleibt es doob immer
noch nnerbdrt, da(s drei Personen natarlicberweite so
|ieicher Zeit einen und denselben Tranm haben sollten.
Dieb haben die Freunde dieser KrklJIrang eingesehen^ und
daher soll nun eigentlloh nur der feurige Petrus ^ der Ja
iscb' allein spreehe, so geträumt, die Referenten aber yer-
noge einer Synekdoche allen drei Jfingem Bugeschrielien
heben, was nur Einem von ihnen begegnet war. Allein
Jsrsns, dafs Petrus aueh hier wie sonst den Spreeher
Biacht, folgt nieht| dafs auch nur er allein Jenes Gesicht
febabt habe, wovon das Oegentheil ans den klaren Worten
iler Erangelisten durch keine Redefignr entfernt werden
kann« Doch die in Rede stehende Erklärung der Sache
bekennt Ihre Unsulänglichkeit noch deutlieher* Nicht nur,
irie uehon bemerkt, das laute Ausspreeben der Namen des
Moeee and Elias von Seiten Jesu mufs in den Tranm der
JOngier onterstfifsend hineinspieien ; sondern auch ein 6e»
%vittcr v9\tA bu Hfilfe genommen , welches in denselben
dorcb seine BliUe das Bild ?on Überirdischem Glans, und
doreh seine Donnerschläge das von Gesprächen und Alm««
melastioimen hineingebracht, und sie auch nach ihrem Er^
wachen noch einige Zeit in der Täuschung erhalten haben
soll. Doch dafs die JOnger nach Lnkas eben bei ihrem
Erweichen idKxyQrffoqrjoccvtBg^ die Ewei Männer bei Jesu
stehen sahen, sieht nicht wie eine blofse aus dem Traum
^n das Wachen herflhergenommene Täuschung aus; wefs«
wegen denn Kuinöl die weitere Annahme herbeisieht, dafs,
während die Jflnger schliefen, wirklich zwei unbekannte
Männer an Jesu gekommen seien, welche die Erwachen-
den sofort mit I ihren Tränmen in Verbindung gebracht,
and fflr Moses und Elias gehalten haben. Durch diese
IVendnng der Ansicht sind nun alle diejenigen Momente,
278 Zweiter Abschnitt.
^welche die auf einen Traum sorflokgehende Aoffasi ong all
innerlich Forschwebende betrachten sollte, wieder nach aas-
sen getreten, indem die Vorstellung eines Lichtglansesdarch
die Blitse, die Meinung, Stimmen an hören, durch des
Donner, endlich die Vorstellung von cwei bei Jesu anwe-
senden Personen durch die wirkliche Gegenwart sweier
Unbekannten\hervorgebracht worden sein soll. Das AUei
konnten die Jfinger eigentlich nur im Wachen wahroeh-
men , und fällt somit die Voranssetcong eines Traum all
eine fiberflttsslge hinweg.
Besser daher , sofern sie darin , daCs ihrer Drei ao
Einem Traume theilgenommen haben mfifsten , eine eigao-
thamliche Schwierigkeit hat, den Faden, welcher nach
dieser ErkiMrnngsarl den Vorgang noch an das Innere
knflpft , gans abgerissen , und Alles wieder inj die Aufsen«
weit verlegt: so dafs wir, wie cuer^t einen öbernatfirli-
chen , so nun einen natürlichen ftufseren Hergang vor ans
haben. Den JOngem bot sich etwas Objectives dar: lo
erklärt sich, wie es mehrere sngleich wahrnehmen kenn*
ten; sie täuschten sich wachend Ober das Wahrgenomme-
ne : natQrliob, weil sie alle in demselben Vorstellungakreis,
in derselben Stimmung und Lage sich befanden« Dieser
Ansicht snfolge ist das Wesentliche der Scene auf dea
Berge eine geheime Zusammenkunft, welche Jesus beib
sichtigte, und bu diesem Behufe die drei suverlästiftteii
seiner Jfinger mit sich nahm. Wer die Bwei Männer wa-
ren, mit welchen Jesus susammenkam , wagt Paulus sieht
BU bestimmen ; Kuinöl vermnthet heimliche Anhänger von
der Art des Nikodemus; nach Vskturini waren es Esse-
ner, Jesu geheime Verbündete. Ehe diese noch eintrafen,
betete Jesus, und die Jfinger, nicht janr Theilnahme geso-
gen , schliefen ein ; denn den von Lukas an die Hand ge-
gebenen Schlaf, wiewohl tranmlos, behält diese ErklironK
gerne bei, nm bei eben erst Erwachten die Täuschung
wahrscheinlicher zu machen. An fremden Stimmen, Ale
Zehntes Kapital {• 104. ^ 279
sie bei Jesa hörten, wachen eie auf, sehen Jesom, der
waliracheiniieh aaf einem höheren Punkte des Berges ^ als
wo sie sich gelsgert hatten , stand , in einem angewöhnli-
ehen Glänze , der von den ersten Morgenstrshlen , welche,
vielleicht durch nahe Schneelagen sarfickgeworfen, anf Je-
MBi fielen, herrührte, ?on ihnen aber in der ersten Ueber-
rstchnng för flbernatQrliche Verklämng gehalten wurde;
•ie erblicken die beiden MXnner, welche ans nnbekanntea
Urfinden der schlaftrunkene Petrus, und nach ihm die Oebri^
gen, für Moses und Elias halten; ihre Bestfirnnng Steigt,
als sie die beiden Unbekannten in einem lichten Morgen^
nebei, der sich, wie sie weggehen wollten, herabsenkto^
rovehwinden sehen, und aus dem Mebelgewölk einen der^
feÜNui die Worte: isos is^y x. t. X* rufen hören, welehiBL
m onter diesen ümstttnden fUr eine Himmelsstimme haltea
Buläteo '> Diese Erklärung, welcher auch ScHLKiSBMicaxE
lieh geneigt neigt ^, glaubt, wie die vorige, besonders in
Lukas eine StöCse nn finden, weil bei diesem die Behauptung,
die imden Münner seien Moses und Elias gewesen, weit we»
luger saversichtlich als bei Matthins und Markus ausg0«
aprothen werde, nnd mehr nur als Einfall des sehlaftmn«
kenen Petrus erscheine« Diefs besieht sich darauf, dafs,
wlhrend die beiden ersten Evangelisten geradenu sagen:
viff&f^accv avToTs Mcoaijg xal ^HUag j Lukas, wie es scheint,
behotaumer, von civdQeg ovo spricht, (ätiveg rfiov JH(aaijg
xal ^HXiag, wobei dann die erstere Bezeichnung den obje«
Ciiven Thatbestand, die zweite dessen snbjective Deutung
enthalten soll. Allein dieser Deutung pflichtet der Refe-
rent, wenn er doch oinveg r^acn*, nnd nicht eJo^av elrai, sagt,
offenbar beiy wefs wegen er also zuerst nur von swei Man«
nem spricht , und erst nachher ihre Namen nennt , davon
7) Paulus^ exeg. Handb.^ 2, 43G ff. L. J. 1, b, S. 7ff. ; Natüf.
Uche Geschichte, 3, S. S56 ff.
S) 1. a. 0.
280 Zweiter Absehnitt.
kann die Absicht nicht gevreaen sein, dem Leser eine be-
liebige andere Deutung offen su lassen , sondern nur die,
das tieheimnirsFoUe der anfserordentlichen Soene durch
die anfängliche Unbestimintheit des Ansdraeks naehenhil*
den« Hat somit diese Erklärung ebensowenig als die bis-
her betrachteten in einer der eyangelisohen Ersählnngen
eine Stütse : so hat sie Bugleieh nicht mindere Schwierig-
keiten als Jene in sieh selbst. Die Morgeni»eleuobtnng
auf ihren yaterländisehen Bergen mufsten die Jflnger so
weit kennen, um sie von himmlischer Glorie unterscheiden
■n kttnneo; wie sie auf die Meinung kamen, dafs die bei-
deb Unbekannten Moses und Elias seien, ist swar bei kei-
amr der irfsher vorgelegten Ansichten leicht, am schweiften
aber bei dieser, bu erklären; wie Jesus, dem ja Petras
durch seinen Antrag, die bu erbauenden OTtrjvag betreffend,
die Täuschung der JOnger bu erkennen gab, ihnen €Üese
sieht benahm, Ist unbegreiflich: webwegen Paulus sich
bu der Annahme flflchtet, Jesus habe die Anrede des Pe-
trus fiberhdrt; die gauBC Ansicht yon geheimen Verbfin*
deten Jesu Ist eine mit Recht verschollene, und eiMilich
hätte derjenige dieser Verbändeten, welcher aus der Wolke
heraus Jene Worte bu den Jüngern sprach , sich eine ua-
Mystifieation erlaubt. •
S. 105.
Die Verklärungsgeschichte als Mythus.
Wie Immer also, so finden wir uns auch hier, nach»
dem wir den Kreis der natQrlichen Erklärungen durohlau*
fen haben, bu der Obernatarlichen Burfickgeffihrt ; aber
ebenso entschieden von dieser abgestofsen, müssen wir, da
eine natürliche Auslegung der Text verbietet, die textge-
mäfse supranaturale aber historisch festsuhalten aus ratio-
nalen Gründen unmöglich fkllt, uns dasu wenden, die
Aussagen des Textes kritisch bu untersuchen. Diese sollen
Zehnte« Kiipitel. «. 105. »i
MWär bei yerliegemder Ei^ählong besonders cnverlälsig sein,
da das Fsctvm von drei Evangelisten , welobe namentlicli
•ocli in der genauen Zeitbestimmnng anffaliend nosaianien*
traffea, erkthlt, und ttberdters vom Apostel Petras C^ Patr.
l, 17.) besengt werde 0* Jene . QbereinstioiBiende Zeiten-.
pbe (sofern die r^fxiqvn oxrcu des Lukas , Je naehdem man
lihlt, mit den rj^iqaig £| der andern dasselbe sagen) ist
illerdiogs anffaliend ; sie Ifilst sich aber, sammt dem, dafs
naeh allen drei Berichterstattern anf die VerlLÜndigangsscene
die Hellnng des dftmonisehen Knaben folgt,» den die Jünger
sieht hatten heilen liönnen, schon durch den Ursprung
der ejfloptisclien Evangelien aus stehend gewordener evan«
geliieher Yerk&ndignng orldMren, von welcher es nicht
hdher Wunder nehmen darf, dafs sie manche Anekdoten
ohne objectiven Grund auf bestimmte Weise nusammen
pppirt, als dals sie oft Ausdrücke , in welchen sie hätte
furüren körnten, durch alle drei Redactionen hindurch
intgehaleen haf). Hie Beurkundung der Geschichte durch
in drei Synoptiker aber wird wenigstens ffir die gewöhn-
^ Ansioht von dem Verhiltnifs der ner Evangelien
<larä das Schweigen des |ohannei8chen sehr geschwächt,
iodee nicht einsusehen ist , warum dieser Evangelist eine
'(^ wichtige Begebenheit, welche sogleich seinem Systeme
(0 aogemessen , und eigentlich die anschauliche Verwirkll-
cfiaog seines Ausspruchs im Prolog (V. 140- xal id'eaad-
fii^a Tjjv do^cev avräy do^av wg ftovoye^'ög noQa navQOSf
^Wf nicht aufgenommen haben soll. Der abgenutate Grund,
tr habe . die Begebenheit als dureh seine Vorgänger be-
kannt voraussetzen können , ist neben seiner allgemeinen
Cnricbtigkeit hier noch besonders defswegen unbrauchbar,
weil von den Synoptikern diefsmal keiner Augenaeoge ge-
veien war, also an ihren Eraäblnngen durch einen, der,
1) Paulus, exeg. Uandb., S. 446; Giuxxy 2, S. 165 f.
2) Vgl. BS Wbtts, Einlcit. in das N. T. $• 79.
289t Zweiter ÄbsolioiM»
wie Johannes^ die Scene miterlebt hatte, noeh Manches
SU berichtigen and bu erifiutero sein mnfsta. Man hat
aioh daher naeh einem andern Grande für diese und ähn-
liche Ansiassangen im vierten E?angeliam umgesehen, uod
einen solchen in der antignostischen, nfiher antidolietiicbeD,
Tendenz sn finden geglaubt, welche man aus den johannei-
schen Briefen auch auf das Evangelium übertrug, in der
VerU&rungageschichte, wird hienach behauptet, habe der
Jesum umleuchtende Glane , die Verwandlung seines Ao^
Sehens in das Ceberirdische, der Meinung Vorschub lei-
sten können, als sei seine menschliche Gestalt nur einie Schein*
hfille gewesen , durch welche zu Zeiten seine wahre , über
menschliche Natur hindurchgeleuchtet habe; sein Verkehr
mit alten Propbetengeistern habe auf die Verrauthnng ffib-
ren können , er möge vielleicht selbst nur eine solche wie-
dergekommene Seele eines A« T. liehen Frommen sein : —
und um solchen irrigen Meinungen, welche unter gnosd-
sirenden Christen sich frühseitlg un bilden anfingen , kei-
ne Nahrung eu geben , habe Johannes diese und ähnliche
Geschichten lieber unterdrückt '). Aliein abgesehen davon,
dafs es der apostolischen naii^rpia nicht entspricht, mdg*
liehen Mife brauche bei Einselnen wegen Haupttbatsachen der
evangelischen Geschichte sn unterdröcken : so mafste Jo-
hannes liiebei doch mit einiger Consequenz verfahren sein,
und alle Erzählungen, welche eine doketische Mifsdevtsn^
in gleichem Maafse mit der gegenwärtigen hervormfea
konnten, ans dem Kreise seiner Darstellung ausgescbloe-
Ben haben. Non erinnert sich aber sogleich Jeder an die
Geschichte vom Wandeln Jesu auf dem See, welche min-
destens ebensosehr wie die Verkittrungsgeschichte die Mei-
nung von einem blofsen Scheinkörper Jesu hervorroft,
und doch auch von Johannes aufgenommen ist. Die Wich-
tigkeit freilich eines Vorfalls konnte hier noch einen Do-
3) Sd Schascksasuaosa; Beiträge, S. 62 ff.
1
Zehntes Kapitel. $. 10^
2S3
fergobied begründen: so dafs von swel Ersfibiangen mit
gleich stark doftetiscbem Sobeln Johannes dennoch gröfse-
rer Wichtigkeit wegen die eine anfnahm, die minder wich-
tige aber wegiiefs« Hier non aber wird doch wohl Nie-
mtnd behaupten wollen, der Gang Jesu auf dem See ste-
he an Wichtigkeit der Verklärongsgeschichte voran oder
ftoeh nur gleich ;^'ohannes mufste , wenn es ihm um Ver-
■eidang des doketisoh Scheinenden eu thun war, in Jeder
Hinsicht vor Allem jene erste Geschichte unterdrücken :
da er es nicht gethan hat, so kann er anch jenes Princip
nicht gehabt haben , weiches daher nie als Grund der ab«.
sichtlichen Auslassung einer Geschichte im vierten Evan-
geliom gebraucht werden darf; sondern es bleibt, was na-
mentlich diese Begebenheit betrifft, dabei, dafs sein Ver«
iaaser nichts oder doch nichts Genaues von derselben ge*
wnfst haben kann ^). Freilich kann dieses Ergebnifs nur
denen eine Instanz gegen den historischen Charakter der
Verklfirungsgeschichte sein,' welche das vierte Evangelium
lU Werk eines Apostels voraussetzen; so dafs also wir ans
diesem Stillacbwelgen nicht gegen die Wfihrheit der Er-
sShIang argumentiren können : aber uns beweist auch um-
gekehrt die Uebereinstimmung der Synoptiker nichts ffir
dieselbe, indem wir schon mehr als Eine Erztthlung, in
welcher drei, ja alle vier Evangelien zusammenstimmeni
für unhistorisch haben erklären mUssen. — Was endlich
das angebliche Zeugnifs des Petrus betrifft, so ist wegen
der mehr als zweifelhaften Aechtheit des zweiten Briefs
Petri die allerdings auf unsere Verkl&rnngsgeschichte be*
Bfigiiche Stelle als Beweis ffir die historische Wahrheit
derselben jetzt anch von orthodoxen Theologen aufgegebeu
Worden *).
4) Nbi:^dkR| weil ihm die objective Realität der Verklärungsge-
schicLtc zweifelhaft ist, tindei dicssmal auch das StiUschwei-
gun des vierten EvaDgciiiuns bedenklich (^, 475 f.).
3) Ol8mai;6bK| S. 523. Anm.
P
S84 Zweiter Absohnitt.
Dagegen haben wir anfaer den oben angeselgten Schwir
rigkeiten, weiche in dem wanderhaften Inhalte der E^
sfthiung liegen, noch einen weiteren Grond gegen die
historische Geltung der Verklfirnngsgeschichte : die Co-
terrednng nfimlich , welche den beiden ersten Evangelisten
Bufolge die Jünger anmittelbar nachher mit Jesn gefilhrt
haben sollen. Wenn nämlich im Herabsteigen yomVerkifi-
rnngsberge die Jfinger Jesam frn^en: tl sv ot y^afificntii;
XiyHaiVy ort ^Hkiav du ild'eiv nQfJkay; CAIatth. V. 10.) so
klingt diefs gane, wie wenn etwas vorangegangen vräre,
woraas sie hätten abnehmen mfissen, Elias werde nicht er<
eeheinen, und gar nicht, wie wenn sie eben von einer £r-
scheinang desselben herltämen ; da sie in diesem Falle nicht
anbefriedigt fragen, sondern cnfriedengestellt sagen mafs-
ten: etxaiwg iv oi yQaftftateTg ksysaiv x. r, X. •). Daher
wird denn die Frage der Jfinger von den Er klarem so ge-
deutet, als oh sie nicht eine'. Elias- Erscheinung Oberhaupt,
sondern an der eben gehabten nur ein gewisses Merkmal
vermifst hätten; das nämlich, dafs nach der Ansicht der
Sohriftgelehrten Elias bei seinem Auftritt wirksam und re-
formatorisch in das Leben der Nation eingreifen sollte; uro-
gegen er bei der eben gehabten Erscheinung ohne weitere
Wirksamkeit sogleich wieder verschwunden war '). Diese
Erklärung wäre sulässig, wenn das aTcoxaragj^aei nma
In der Frage der Jfinger stfinde; statt dessen aber ifeht
es bei beiden Referenten (Matth. V. 11. , Marc. V. \%)
nur in der Antwort Jesu: so dafs die Jfinger auf finfserst
verkehrte Weise das, was sie eigentlich vermifsten, das
anoxux^igdvaii verschwiegen, and nur das tQxtü^ai ge-
6) 8. Hau, im angef. Programm, bei Gablbr, neuestes tlieolog.
Journal, 1, 5, S. 506 ( de Wsirk z. d. St. des Matth.
7) Fritzschb^ in Matth. p. 553; Olshauskn, 1, S. 531- Noch
weniger genügende Auskünfte bei Gabi.kr , a. a. O. und hei
MArriuiX; Rcligionsgl. der Apostel; 2, S. 596.
Zehntes Kapitel. {. 105. *i8i
oaDnt haben mOrsten , was sie naeh der gehabten Erscbei-
BODg nieht vermissen konnten. Wie aber die Frage der
Jfiager. Iteine gehabte lUias^Erscbeinnng, vielmehr das 6e-
ffihl des Mangels einer solchen veranssetst : so aneh die Ant-
wort, welche ihnen Jesus gibt, Denn wenn er erwie-
dert: wohl haben die Schriftgelehrten recht, wenn sie sa-
gen, £lias mflsse vor dem Messias kommen ; diefs ist aber
kdn Grand gegen meine Hessianitfit, da mir bereits ein
Elias in der Person des TXufers vorangegangen ist, —
wenn er aomit seine Jfinger gegen den ans der Erwartung
der yQafificcreTg sn siehenden Zweifel durch Verweisung
aof den ihm vorangegangenen nneigentlichen Elias sn ver-
wahren sucht: so kann eine Erscheinung des eigentlichen
Elias unmöglich vorausgegangen sein; fonst müfste Jesus
an allererst auf diese Erscheinung , und nur etwa weiter-
hin,auch auf den Täufer, hingewiesen haben ^. Die un-
aittelbsure . Verbindung dieses GesprJlobs mit jener Ersohei-
aaog kann also nicht historisch sein, sondern nur der Äehn-
üehkeit enlieb gemacht, weil in beiden von[ Elias die Rede
iit^ Doch nicht einmal mittelbar und durch Zwischen-
begeknheiten getrennt kann einer solchen Rede eine Er-
sefaetaang des Elias vorangegangen sein: cfa, wenn auch
soeh so lange nachher, sowohl Jesus als die drei Augen-
seogen unter seinen J fingern sich derselben erinnern mufs-
ten, und nie so sprechen konnten, als ob eine solche gar
sieht stattgefunden hfilte. Selbst aber auch nach einer
Beleben Unterredung kann eine Erscheinung des wirklichen
Ellas der orthodoxen Vorstellung von Jesu gemäfs nicht wohl
stattgefunden haben. Denn nn deutlich spricht er hier
•eine Ansicht aus , da(s der eigentliche Elias gar nicht au
erwarten , sondern der Täufer Johannes der verheifsene
Elias gewesen sei : wäre also dennoch später eine Erschein
8} Diess gestellt auch Paulus zu, 2, S. 442.
9) ScHLBiBiiMACHBii, Über den Lukas, S. 149.
flS5 Zweiter Absohnitt.
uung des wirklioben Elias noch eingetreten , so hStte §ich
Jesas geirrt, was gerade diejenigen, welchen an der hi-
storisohen Realität der Verl&lärangsgescbichte am meisten
gelegen ist, am wenigsten annehmen Icönnen. Schliefsen sich
somit jene Erscheinung und diese Unterredung geradesa aoi:
so fragt sich , welches von beiden Stficiten eher aufgegeben
werden icann ? Und hier ist der Inhalt der Unterredong
durch Matth. 11, 14. vgl» Luc. 1, 17., so bestätigt; die
Verkl&rnngsgeschicbte aber durch alle Arten von Schwie-
rigiieiten so unwahrscheinlich gemacht, dafs die Entschei-
dung niebt Bweifelhafi sein kann. Es scheinen demnach^
wie oben sclion einige Male , so auch hier swei von gäni
verschiedenen Voraussetzungen ausgehende und wohl soch
in verschiedenen Zeiten entstandene Erzählungsstflcke aof
eiemlich ungeschickte Weise susammengesetct worden eu
sein : das die Unterredung enthaltende Stück nttmlich geht
von der, wahrscheinlich früheren, Ansicht aus, die Weis-
sagung in Betreff des Elias sei eben nur in Johannes in
Erfüllung gegangen; wogegen das StBck von der Verklli-
rnng, ohne Zweifel späteren Ursprungs, sieh damit nicht
begnfigt, dafs in der messianischen Zeit Jesu Elias onei-
gentlioh im Täufer aufgetreten sei : er mdfste auch persön*
lieh und eigentlich, wenn auch nur in vorfibergeheniier
Erscheinung vor wenigen Zeugen — weil eine öffenfficbe
und tiefer eingreifende % bekann termafsen nicht stattgefun-
den hatte ^^, — sich gezeigt haben.
Um nun zu begreifen , wie eine solche Erzählung aof
sagenhaftem Wege entstehen konnte, ist der zuerst zu er-
wägende Zug , an dessen Betrachtung sich die aller fibri-
gen am leichtesten anreiht, der sonnenartfge Glanz dej
Angesichts und das helle Leuchten der Kleider Jesu. Dsi
Schöne und Majestätische ist dem Orientalen, und insbe-
sondere dem Hebräer, ein Leuchtendes; der Dichter de«
10) Diess gegen Wsitss^s Einwurf, S. 539.
Zehntes Kapitel. $. 105. 297
hohen Lied« vergfeieht seine Geliebte mit der Horgenröthei
dem Monde, der Sonne (6, 9.); die von Gottes Segen on*
terstfitEten Frommen werden der Sonne in ihrer Macht
verglichen (Rieht. 5, 31«), ond nainentlich das kflnftige
Loos der Gereohten wird dem Glanae der Sonne nnd der
Gestirne sur Seite gesetst (Dan. t2, .3. Matth. 13, 43.) '0*
Daher erscheint nicht allein Gott im Licbtglanz, und Enget
mit gifinsendem Angesicht and leuchtenden Gewändern (Ps.
50, 2. 3. Dan. 7, 9 f. 10, 5. 6. Luc. 14, 4. Offenb. 1,
13 ff.), sondern auch die Frommen des behrfiischen Alter-
thoms , wie Ädsm vor dem Fall , und unter den folgenden
nifflentlioh Moites nnd Josua, werden mit einem solchen Licht-
glans vorgestellt ^^ * wie denn die spfitere jßdisohe Sage auch
losgezeichneten Rabuinen in erhöhten Augenblicken Über-
irdischen Glans verlieh *'). Am berühmtesten ist das leuch-
tende Antlitz des Moses geworden , von welchem 2. Mos.
34, 29 ß. die Rede ist, nnd von ihm wurde, wie in an*
dern 8tfl«ken, so auch in diesem ein Schluf« a minori ad
ttaJKx auif den Messias gemacht, was schon der Apostel
Pinlas %. Kor. 3, 7 ff. andeutet, wiewohl er dem Moses
als dem Sidxcvos tS yQafificcTog nicht Jesnm , sondern , ge-
nl/s der Veranlassung seines Schreibens, die Apostel und
(briitlicben Lehrer als iicacüvag xö 7tv€Vfiatog gegenfiber*
itellt, und die den Glans des Moses überbietende So^a die*
11) Vgl. Jalkut Simeoni P. 2, f. 10» 3. G>ei Watstrin , p. 435.) :
Facies Justorum futuro tempore HnUles eruni soH et hmae,
coelo et steiiis, fulguri etc*
12) Bereschith Rabba 20, 29 (bei WsTStativ) : Vestes htcis vestes
Adami primL PococKSy ex Nachmanide (ebendas.) : Fulgida
facta fuit fades Mosis instar soits, Josuae instar hinaef
quod idem affirmarunt veteres de Adorno.
15) la PirJte Elieser, 2, findet sich nach WrrsTiiiv die Angabe,
fnJter docendum radios ex fade ipstus, ut oHm e Mosis fa-
de, prodiisse , adeo ut non dignosceret quis, utrwn dies es-
set an nox.
3S8 Zweiter Abaehnitt.
ser leteteren erst als Gegenstand der ilmg im sakOnftigen
Leben erwartet. Eigentlich aber war doch am MeMiai
aelbat ein Glans eq erwarten, welcher dem dea Moses enUprS-
ehe, Ja ihn überstrahlte: nnd eine jfldische Schrift, die ? on
unserer Veriilärungsgescbichte keine INotis nimmt ^ argu-
^ mentirt gans im Geiste der Jaden der ersten christlichen
Zeit, wenn sie geltend macht, Jesus könne nicht der Mes-
sias gewesen sein, da Ja sein Angesicht nicht den Glanz
des Angesichts Mosis, gesohfieige einen höheren, gehabt
habe ^^)« Solche Einwürfe, wie sie ohoe Zweifel schon
die ersten Christen tbeils von Jaden hören, theils aich
selber machen mafsten, konnten nicht anders, als Inder
ältesten Gemeinde eine Tendenz erseogen , Jenen Zug an<
dem Leben dea Moaea im Leben Jean nachBubilden , ja in
Einer Hinaicht sa überbieten , and atatt eines leuchtenden
Angesichts, das sich mit einem Tuche verdecken liefa, ihm
einen auch über die Gewänder aich ergiefaenden Strahlen-
glane, wenn auch nur vorübergehend, susnachreiben.
Dafa die Verklärung des Angesichts von Moses sam
Vorbilde für Jesu Verklärung gedient habe, beweist aber
überdiefs eine Reihe einselner Züge. Moaes i>ekam seinen
Glane auf dem Berge Sinai: auch von Jesu Verklärung ist
ein Berg der Schnnplate; Moses hatte bei einer früheren
Besteigung des Bergs , welche mit der späteren ^ nach der
sein Angesicht glänzend wurde, leicht susammenfllersen
konnte, anfaer den 70 Aelteaten beaonders noch drei Ver-
14) Nizzachon vetu8, p. 40 9 ad Exod. 34, 33. (bei WsTsranr):
Ecce Moses tnagister noster feÜcis menwriaey qiU hämo me-
rus erat , guia Dens de fade ad fadem cum. eo locutus est,
miitum tarn lucentem retulit, ut Judad vererentur accedere:
quanto igitur magis de ipsa dMtätate hoc teuere oportet,
atgue Jesu fadem ab uno orbis cardine ad aiterum fulgo--
rem diffundere conveniebatf At non praedit\is fuit uUo spien-
dvre, sed reUguis mortaÜbus fuit simillimus. Quiqfropter
eoHstat, non esse in eum credendum.
Zehntes Kapitel. }. 105.
tmiite) Aaron, Nftdub und Abiho^ Eiir Theilnahme an der
Anschauaog Jehova^s mit sich auf den Berg geaon|oie|i
(2. Mos. 24 y 1. 9—11«): so nimmt non anch Jesus. seine
drei rertraatesten Jfinger mit sich, am, so vialJbre Kräfte
es Termöcbten, Zeugen des erhabenen Schauspiels au sein,
and ihre nfichste Absicht war, nach Luc. V« ^, TiQogav-
^aad^ai: gerade wie^ehova den Moses mit den l](f;eien ond
den Aeltasten auf den Berg kommen heifst, uipi, voo farna
ansuheten. Wie hernach , als Moses mit Josua d^^ Sinai
bestieg , die do^w Kv(iiü als vnfü.t^ den Berg bedepkte (V-
15 f.. LXX ) ; wie Jehova ans der Wolke heraus d^^
Moses rief, bis dieser endlich In die Wolke suibm hipl-
einging (V. 16 — IS.}: so haben wir auch in unserer EiT*
xiblong eine req>t)j; (fo/zo^j welche Jesum nnd die bunm-
lischen Erscheinungen beschattet , eine q^ojvtj ix zijg re(fikr/Vj
and bei Lukas ein eigelA>HV der Drei in die Wolke. Was
die Stimme aus der Wolke eu den Jüngern spricht, ist
im ersten Theile die messianische Oedaration, welche, ai|s
Ps. 2, 7. und Jes. 42, 1. znsammengesetet , schon bei Jesu
Tftsfe vom Himmel erscholl ; im zweiten Theil ist sie aus
des Worten genommen, mit welchen Moses in der frtther
aogeflibrten Stelle des Deuteronominm Cid, 15.) nach der
pwöhnlichen Deutung dem ^ Volk den künftigen Messias
snkQndigt, und es zur Folgsamkeit gegen denselben er-
mahnt ").
J5) Aus dieser Vergicichung mit der Bergbesteigung' des Moses
lässt sich ▼ielleicht auch die Zeitbestimmung der r^fif'^i ^l
ableiten, durch welche die zwei ersten ETangclisten das ge-
genwärtige £reigniss Yon dem zuletzt erzählten trennen. Denn
auch die eigentliche Geschichte von den Begegnissen des
Moses auf dem Berge beginnt nut der gleichen Zeitbestim-
mung, indem es heisst, nachdem 6 Tage lang die Wolke den
Berg bedeckt batt», sei Moses zu Jehova berufen worden
(V. 16.)y eine Zeitbestimmung^ welche, obgleich der Aus-
gangspunkt ein ganz anderer war^ für die Eröffnung der Jesum
betreffenden Verklärungsscene beibehalten werrfrn mochte.
Da» Leben Jesu Ite Aufl. tL Band. 19
\
290 Zweiter AbtchniU.
Durch die VerUftrahg aof dem Berge war Jetoa lei«
nem Vorbilde^ 'Moses, an die Seite gestellt , und da es in
den' Erwartungen der Jaden lag, dafs nach «fes. 52, 6 ff.
die messianisrhe Zeit nicht nnr Einen, sondern mebrers
Vorläafer haben ^^), und anter Andern namentlich auch
der alte Gesetsgeber cor Zeit des Messias erscheinen soll-
te ^^) : so War fttr dessen Erscheinung kein Moment ge-
eigneter, als der, in weichem der Messias auf dieselbe Wei-
se, D^ie dnst er, anf einem Berge verherrlicht worde.
Zu ihm gesellte sich dann von selbst derjenige, welcher
nach 'Mal« 3, 23. am bestimmtesten als messianisrher Vor-
laufer« und zwar nach den Rabbinen sogleich mit Moses,
erwartet wurde. Erschienen beide Männer dem Messias,
so ergab sich von selbst, dafs sie sich mit ihte unterredet
haben werden , und fragte slch*s um einen Inhalt dieser
Unterredung, so lag vom letaten Abschnitt her nichts nfiher,
als das bevorstehende Leiden und Sterben Jesu, vrelcbes
ohnehin als das eigentliche messianische Geheimnifs des
N. T. sich am ehesten eu einer solchen Dnterhaltong mit
Wesen einer andern Welt eignete; wefswegen man sich
wundern niufs, wie Olshausen behaupten bann, auf die-
sen Inhalt des Gesprächs hätte die Mythe nicht tiomiDen
können. So hätten wir also hier einen Mythus ^^, desses
16) 8. BiRTHOLDT, Ohristologia Judaeorum, §. 15. S. 60 ff.
17) Debarim Rabba 3. (Wststiin) : Dixit Dens 8. B. MoH: pn
vitam tuitm, quemadmodum vilam tuam ponästi jn'o Israi-
UtU in hoc mundo, iia tempore fuiuro, quando EUam pro-
phetam ad ipeos nUttam, vos duo codem tempore venietit.
Vgl. Tanchuma f. 42, 1, bei Schöttoii«, 1, S. 149.
18) Für einen Mythus erklärt diese Erzählung ds Wbttb, Kritik
der mos. Gesch. S. 250. vgl. exeg. Handb. , 1« 1, S. I4ö f.)
Bbatkoldt, Chriatologia Jud. §. 15. not. 17. ; Crbdkbr, Ein-
leitung in das N. T. 1, S. 241 ; Schulz, über das Abendmahl,
S. 319? gibt wenigstens ein Mehr und Minder des Mythischen
in den verschiedenen evangelischen Relationen der Verklä-
/
Zehntes Kapitel. $. 103. 'y i91
Tentlenc die gedoppelte ist: ersten?, die Verklimng des Ufo*
MS an Jesu in erhöhter Weise eo wiederholen , ond swei«
teos, Jesam als den Missias mit seinen beiden Vorlinfern
sasammensabriogen , durch diese Erscbeinang des Gesets*
gebers and des Propheten, des UrAnders nnd des Reforme*
tors der Theokratle, Jesnm als den Vollender des Qottes-
reichs, als die Krffillang des Gesetses und der Propheten
dtnsostellen, nnd seine messianische Wflrde noch Aberdiefs
dsrch eine Himmelsstinime bekrJKftigen cu lassen '').'
An diesem Ifieispiele «Ififst sich schllefslich besondere
aogenscheinlich eeigen, wie die natflrilohe ISrIilffrnng, In**
dea sie die historische tiewifsheit der Erefihlongetfi fest-
halten will, die ideale Wahrheit derselben verliert, gegen
die Form den (Inhalt aufgibt : wogegen die mythische dnrch
Aofopferang des geschichtlichen Leibes solcher ErsAhlun-
gen doch die Idee derselben, welohe ihr Geist and ihre
rangsgetchichte zu, und Fritcbcrb, in Matth. p. 448 f und
456, fuhrt die mythische Ansicht Ton derselben nicht ohne
Zeichen von Beistinunung auf« Vgl. auch Koiwik., in Matth.
p. 459, und Gritz, 2, S. 161 ff.
19) Aach Plato im Symposidn (p. 223. B. ff. Steph.) Terherrlicht
leinen Sokrates dadurch, dass er auf natürlichem und komi-
•chem Grund eine ähnliche Gruppe yeranstaltet , wie die
Evangelisten hier auf tragischem und übernatürlichem. Nach
einem Ttdnkgelage überwacht Sokrates die Freunde , welche
schlafend um ihn liegen : wie hier die Jünger, um den Herrn ;
mit Sokrates wachen nur noch zwei grossartige Gestalten,
der tragische Dichter und der komische, die beiden Elemente
des früheren griechischen Lebens, welche Sokrates in sich
bereinigte: wie mit Jesu der Gesetzgeber und der Prophet
sich unterreden , die beiden Säulen des A. T. liehen Lehens,
welche Jesus in höherer Weise in sich zusammenschloss ;
wie bei Plato endlich auch Agathon und Aristophanes ein-
schlafen, und Sokrates allein das Feld behält : so verschwin-
den im ETangelium Moses und Elias zuletzt, und die Jünger
ttken nur noch Jesum allein.
19»
292 Zweiter Abschnitt.
«
Seele ist, erbfilt und rettet. War nXmlich diY na tQr liehen
£rkl&rDng eufolge der Liehtglans nm Jesam ein snfäUigei
optiflchee Phfinomen, nnd die bei*en Eracbienenen entwe«
der Traambilder oder unbekannte Menachen : wo -bleibt
d# die Bedeutung der Begeiienheit? wo ein Grund, eine
aolche ideenlose, gehaltlaerei auf gemeiner Tfiuschnng und
Aberglauben beruhende Anekdote im Andenken der Ge-
meinde featauhalten? Dagegen, ^wenn ich nach der mythi-
schen Anffass nng in dem evangelischen Berichte ewar keine
wirkliche Begebenheit finden luinn, so* behalte ich doch
einen Sinn nnd Inhalt der Ereähl ung, weifs, was die erste
Christengemeinde sich bei derselben gedacht, und waran
die Verfasser der Evangelien ihr eine so wichtige Stelle
in ihren Denkaohriften eingeräumt haben ^^J.
20) Wbissb, durch die ron uns in dem Mythus gefundene Bedeu-
tung unbefriedigt, und eine geschichtliche Grundlage der
Erzählung übrig zu behalten bemüht, fasst dieselbe als eine
' von den drei Augenzeugen aelbst ausgegangene orientalisch-
bildliche Darstellung des Lichtes, das ihnen eben damsli
Über die Bestimmung Jesu, und namentlich über sein Ver-
ha'ltoiss zur A. T. liehen Iheokratic und zur messianischen
Weissagung, aufgegangen. Der hohe Berg, auf weichem die
Scene sich ereignet haben soll, bedeutet dann iymbohuh
die Höhe der firkcnntnisa , welche den Jüngern zu Thcil
wurde ^ die Metamorphose der Gestalt Jesu und der Glinz
seines Gewandes ist ein Sinnbild für ihre Intuition der gei-
stig verklärten Messiasidee ; die Wolke , die sich über die
Erscheinung legt, bezeichnet das Unbestimmte und Nebel-
liafte , in welches sich die neue^ Erkcnntniss , welche festxii-
halten sie noch nicht vermögend waren, für die^ Jünger ver-
lor; der Vorschlag des Petrus, Hütten zu bauen, ist der
Versuch dieses Apostels, die hohe Anschauung alsbald dog-
matisch zu fixiren. Wbissi befürchtet (S. 543.), man möchte
diese seine Au£Passung der Verklärungsgeschichte auch Air
eine mythische ansprecheii: ich denke nicht; sie gibt sieb
allzu deutlich als eine allegorische zu erkennen.
Zehntes Kapitel. $. IM. 19ä
S. 106.
Abweichende Nachrichten über die letzte Reise Jesu nach
Jerusalem. ^
Bald nach der Verklfirnng auf deuv Berge lassen die
Efangelisten Jesum die TerhängnifsTolle Reise anti*etenj
welche ihn seinem Leiden entgegenfOhrte. Deber den Ort,
ron weichem er bei dieser Reise ausging, und den Weg,
welchen er nabm^ weichen die evangelischen Nachrichten
roQ einander ab« Stimmen tfber den Ausgangspunkt die
Synoptiker susammen, indem sie sfimmtlich Jesnm von 6a«
liUa aufbrechen lassen (Hatth, 19, 1. Marc. 10> 1. Luc
9, 51 ; in welcher letzteren Stelle swar Galilfia nicht ans-
drScUich genannt ist | aber ans dem Vorhergehenden , wo
nsr ?on Galilfia nnd galiifilschen Ortschaften die Rede
war, flo wie ans der im Folgenden erwähnten Reise durch
Saaurien sich von selbst ergibt ')} : so scheinen sie doch
Über den Weg, welchen Jesus von da nach Jodfia ge-
wihlt habe, von einander abzugehen. Zwar sind die An-
gtWo zweier von ihnen in diesem Punkte so dunkel, dafs
iie der harmonisirenden Exegese Vorschub zn leisten schei*
nen konnten. Am klarsten und bestimmtesten sagt Mai^
^Bs, Jesus habe seinen Weg Über Perfia genommen: aber
•ein tQj^^ai tis ra o(fia rijg ^Ifidaiag did %h nsQctv %s Ioq-
tlinaUt schwerlich etwas Andei^es , als die Art, wie er
lieh den schwerverstfindlicben Ausdruck des Matthfius,
dem er in diesem Abschnitt folgt, erkl&ren zu dürfen gMlkb-
<«• Was dieser mit seinem fierrJQf-v ano z^g ToXiXaiag xai
f/(^ey dg td OQia rrjg ^Isdaiag niqocv %5 *Io()ddvs eigentlich
•igen will, ist in der That dunkel. Denn wenn die Er-
Ufimng: er kam in den Theil von Jqdfia, weicher Jenseits
des Jordans liegt ^ , < gleicherweise gegen Geographie wie
lirsBmatik verstöfst, bo ist die Oeutang^ zu welcher di^
1) ScHuisaii|ACiimH , über den Luliai f S. 160.
2) HviAÖL und Gratz, c. d. St.
294 Zweiter Absobaitt. ^
Vergletchung des Markos die meisten Ausleger geneigt
macht, dafs Jesus nach Judfia gekommen jsei durch da«
Land jenseits des Jordans ') , auch nach der von FritZscub
angebrachten Modifioation wenigstens nicht ohne graoiina-
tisohe Schwierigkeit. Bleibt indefs so viel in jedem Falle,
dafs auch Matth&us wie Markus Jesnm von Galiläa nach
Judfta den weiteren Weg über Pcräa nehmen Ififst: so
scheint dagegen Lukas ihn den näheren, durch Samaria, so
f Öhren. Zwar ist sein Ausdruck, 17 3 11, dafs Jesus anf
seiner Reise nach Jerusalem du]()%e%o did fiias 2afiu{>tia^
xui raXikaiaQy kaum klarer, als der eben erwogene dei
Matthäus. Der gewöhnlichen Wortbedeutung nach scheint
er aussusagen, Jesus habe Euerst Samarien , dann Galiläa,
quer durchschnitten, um so nach Jerusalem en kommeo.
Aber diese Aufeinanderfolge ist verkehrt; denn ging er
von einem galiläischen Orte aus, so mufste er suerst dai
übrige Galiläa, und dann erst Samarien durchreisen. Man
bat defswegen dem ditQxea&ai dia fiiaa x. t. it. die Bedeutung
eines Hineiehens auf der Gränee swiachen Galiläa und Sa-
marien gegeben ^ , und nun den Lukas mit den beiden e^
aten Evangelisten durch die Vorausseteung vereinigt, Jesus
sei auf der galiläisch - samarischen Gränee bis cum Jordan
hingereist , habe hierauf diesen überschritten , und sei so-
fort durch Peräa nach Judäa und Jerusalem gewandert
Diese letstere Voraussetsong verträgt sich aber mit Lac.
9,^1 ff. nicht; denn wenn dieser Stelle sufolge Jesus nach
dem Aufbruch aus Galiläa alsbald einem samarischen Dor-
fe Bugeht, und hier fibeln Eindruck macht, Sti t6 nQO(Ht>-
n€v avtä rpf noQtvo^ievov slg^Quaalrfi: so lautet diefsgsnc,
wie wenn er die Richtung von Galiläa durch Samarien
nach Judäa gehabt hätte, und wir werden am besten thun,
3) So z. B. LisHTFOoT, z* d. St.
4} WsTSTim , Olshavskk, z. d. St.; ScHLSisaaucasR , a. «• 0.
S. 164. 2U.
Zehntes Kapilel. (. lee. tVS
in Jener Angabe eine nngeDaoe y vielleicht darch das Be-
•treben, die Krsählung von den sehn Aossäteigen, vvornnter
ein Samariter, einauleiten^ veranlafste *) Wortstething, ond
fODit hier eine Abwelehang der synoptiaehen EvaDgelien an-
taeriLennen 'J. Erat gegen daa Ende des Wegea Jean verei*
nigen aie aich wieder, indem lant ihres fihereinstimmenden
Berichte Jesus nach Jerusalem von Jericho her gekommen
Ist (Matth. SO, 29 parall.) ; ein Ort, welcher übrigens mehr
dem Aber Perfta, als dem durch Samarien gekommenen 6a«
lilier auf der geraden Strafse lag.
l«t auf dieae Weise nnter den Synoptikern swar in
Rdoksicht auf den von Jesu eingesclilagenen Weg ein Streit,
aber doch in Beaug auf den ersten A'usgangspnnkt und daa
letate Stack des Wegs Cebereinstimmung : so weicht der Jo-
banneische Bericht in iieiden Hinsichten von ihnen ab. Ihm
nfolge ofinüioh ist es gar nicht Galilfta, von wo Jesus sulp
leisten Paschareise aufbricht, sondern schon vor dsm Laub-
bättenfeate des vorigen Jahrs hatte er Jene Provins , anm
Wtittnmal, wie es scheint, verlassen (7^ 1. 10); dafs er awi-
ttbn diesem und dem Feste der Tempelweihe (10, 22.) wie«
(ierUiin gekommen wfire, wird wenigstens nicht gesagt;
aaeb diesem Fest aber begab er sich nacH Peräa und blieb
diielbst CIO, 40,) » bis Ihn die Krankheit und der Tod des
Lazarus nach Judäa und in die nftchste Nähe Jerusalems,
nach Bethanien, rief (II, 8 ff.)* ^^^ Machstellungen seiner
Feinde wegen sog er sicb^ von hier bald wieder surOck,
doch, weil er das bevorstehende Pascha besuchen woUtCi
nor bis in das Stidtchen Ephraim, unweit der Wüste (1 1,
H); von wo ans er dann, ohne dafa einea Aufenthalts in
5) t. Da Wtm z. d. St.
6)-FiimtcMB, in Marc. p. 415: Marcus Matthaei 19, 1. $e atu
etoritaii h, L adstringit, diciigue, Jesum e Galilaea (cL 9, 35-)
profeclum esse per Perneam, Sed auriorf IfUca 17, f I *
in Judaeam eontendii per S 9 mar i am iUnerr hrevUtima^
296 Zweiter Abschnitt.
Jericho gedacht würde, das auch von Ephraim aus, wie
man dessen Lage gewöhnlich bestimmt, nicht im Wege
lag, nach Jerusalem eum Feste sich begab.
Eine so totale Abweichung mnfste ^die Harmonisten
in ungewöhnliche Geschäftigkeit versetsen. Der Aufbruch
aus Galilfta, dessen die Synoptiker gedenken, soll nach ih-
nen nicht der Aufbruch zum leteten Pascha, sondern snm
Feste der Tempeiweihe gewesen sein '): unerachtet er yod
Lukas durch das ev rtp avfiTilTjQÖaO'ai zag, T^fdQag zfjg ava-
)ij]ip€i(}g avrä (9, «510 unverkennbar als Aufbruch en dem-
jenigen Feste , auf welchem Leiden und Tod Jesu warte*
ten, beeeichnet ist, und sämmtliohe'Synoptiker die hier be-
gonnene Reise mit jenem festlichen Einsug in Jernaalem
endigen lassen , welcher auch dem vierten Evangelium su-
folge unmittelbar vor dem letzten Pascbafest erfolgt ist^).
Soll hienach der Aufbruch aus Galilfta, von welchem sie
erefthlen, der zum EnkSnienfest, die Ankunft in Jerusalem
aber, welche sie melden , die zum späteren Pascha gewe-
sen sein : so mttfsten sie das nach dieser Voraussetzung
zwischen beiden Punkten Liegende, nämlich Jesu Ankunfit
und Aufenthalt in Jerusalem zum Fest der Tempelweibe,
seine Reise von da nach Peräa, von Peräa nach Bethanien,
und von hier nach Ephraim, ganz Übergangen haben.
Scheint hieraus zu folgen , dafs jene Berichterstatter reo
allem diesem auch nichts gewufst haben: so soll vielmehr,
wie geltend gemacht wird, Lukas dadurch, dafs er bald
nach der Abreise aus Galiläa Jesum auf Sohrifrgelehrte
stofsen lasse, die ihn auf die Probe stellen wollen (10, 25 ff.)»
dann ihn in dem Jerusalem benachbarten Bethanien zeige
CiO, 38 ff.)? hierauf ihn wieder rückwärts an die Granz-
acheide von Samarien und Galiläa versetze (17, IIO9 und
erst alsdann ihn zum Pascha in Jerusalem einziehen kisse
7) Paulus; 2, S. 295. 554. Vgl. Olsuaisbk, 1, S. 573 f.
8) ScMLKUiiAucHSR; a. a. 0., S. 159.
Zehntes Kapitel. $. 106. 297
(19, 29 ff.), deotlioh g^nog daraaf hinweisen^ dafs ewi«
•chen jener Abreise ond dieser Ankunft Jesas ein weite-
res Mal nach Judfia ond Jerasalem, und von da wieder
sorOcki gereist sei ')• Allein, wenn die Schrlftgelebrten
ohoehin nichts beweisen, so ist auch von Bethanien nir«
gends die Rede, sondern nur von einer ^inliehr Jesu be
Martha und Maria, welche der vierte Evangelist in jenes
Dorf versetzt , woraus jedoch nicht folgt, dafs auch der
dritte sie ebendaselbst wohnhaft , und also Jesnm , wenn
er bei ihnen war, in der INfihe von Jerusalem sich gedacht
hsbe. Daraus aber, dafs Bö sehr lange nach der Abreise
(9, 51 — 17, 11.) Jesus erst auf der Gränsee swischen Ga-
lilfia und Samarien erscheint, folgt nur, dafs wir hier
keine geordnet fortschreitende Ersfihlung vor uns haben.
Doch selbst Matthäus soll nach dieser harmonisirenden
Auiicht von jenen Zwischen begebenheiten gewufst, and
iie für den genauer Zusehenden angedeutet haben,: sein
(ittiJQtv ano tf^g raliXaiug nfimlich soll als Andeutung der
Keise Jesu auf die finkänien eine Diegese abschliefseh,
Im tat ^l&ev dg td OQia zi^g ^ladaiug ntQav tu ^Io(fäuvB
dagegen mit Angabe der Ausweichung von Jerusalem nach
Peria (Job. 10, 40.) einen neuen Abschnitt eröffnen: wo-
bei fibrigens ehrlich sugestanden wird« dafs ohne die Data
det Johannes Niemand auf eine solche Zerreifsung der
Worte des Matthäus kommen wUrde ^^). Dergleichen
Kfinsteleien gegenüber Jst für denjenigen, welcher die
Richtigkeit des johanneischen Berichts voraussetat , « kein
anderer Weg Obrig, als der von der neuesten Kritik ein-
geschlagene : nfimlich die Autopsie des Matthäus , der die
Reise nur ganz kors behandelt, aufzugeben, von Lukaa
aber, der einen ausführlichen Reisebericht hat, anzuneh-
men, dafs er oder ein von ihm benutzter Sammler zwei
9) Paulü«, 2, 8. 294 tf.
10) Derselbe, i. a. 0. 295 f. 584 f.
3IIS
Zweiter Abicliiiitt.
yereebiedene Berlchißj voo welohen der eine die frfihen
Reise Jesu aof das Fest der Tempel weihe, der andere sei-
ne letate Pasohareise betraf, sosammengefOgt babt, obo«
Bo ahnen, dafs awischen die Abreise Jesn aus Gfdjlfia und
aeinen Eineug in Jerusalem vor dem Pascha noch ein fro-
herer Aufenthalt in Jerusalem | sammt andern Reisen and
Begebenheiten, fiel ^0.
Auf eigene Welse kehrt sieh nun aber im Verlaufe
des Berichts von der oder den letaten Reisen Jesu du
Verhältnlfs awischen den synoptischen Evangelien und
dem Johanneiechen um. Wie nfimlich snerst aof Seiten
der ersteren eine grofse Lfioice sich eeigte, indem sie eine
Masse von Zwisohenbegebenheiten und Zwischenanfenthel-
ten übergingen , deren Jobannes gedeni&t : so sciieint nun
gegen das Ende des Reiseberichts auf Seiten des letcCereo
eine , wenn auch kleinere , Lücke einautreten , indem er
nichts davon hat, dafs Jesus über Jericho hach Jerusaleu
gekommen ist. Alan kann swar sagen, Jobannes habe, nner-
achtet den Synoptitcern «ufolge eine Biindenheiinng und
der Besuch bei Zacc hau s in dieselbe fiel, doch diese üorch*
reise übergehen litfnnen : aliein es fragt sich , ob in seiner
Darstellung ein Darohgang durch Jericho überhaupt Reooi
habe ? Auf dem Wege von Ephraim nach Jerusalem Jie;^
die genannte Stadt nicht , sondern bedeutend östlich A\
man hilft sich daher durch die Voranssetaung, von fipbraim
ans habe Jesus allerlei Nebenreisen gemacht, auf oner
von diesen sei er nach Jericho gekommen, und von hier
dann nach Jerusalem gezogen ^*)*
Jedenfalls herrscht hienach in den evangelischen Nach-
richten von der letzten Reise Jesu eine besondere Uneinij-
11) ScaunsHMACHBR, a. a. O. S. 161 f. ; SixmRT, über den Urspr.
. S. 104 ff. Dem ersteren stimmt in Beziehung auf Lukas auch
Olshausbm bei , a. a. O.
12) laoauca, Coinm. z. Jok. S. 227 t OtsiiAtssf«; 1; S. 7b 1.
Zebnte« Kupitel. %. 107, iM
keit: ifideni er der valgiren, •jrnoptitchen Tradition bd«
folge «u 6alil&a Aber Jericho , nnd swar nach MaUbifiat
and Harkoi durch PerlUi| nach Lakai darch Samaria, ge«
reist wfire; dem vierten Evangeliam snfolge aber von
Kphraiffl her gekommen sein mOfste; Angaben , swischen
welchen eine Vereinignng anraöglioh| aber auch die Wahl
lehr schwierig ist.
$. 107. \
Abweichongen der KTangelien ia Hinsicht auf den Ausgangs-
punkt des Einzugs Jesu in Jerusalem.
Selbst Ober den Sohlula der Reise Jesu, über die letste
Station vor Jernsalem, sind die Evangelisten nicht gana ei-
nifS« Wahrend es nach den Synoptikern das Ansehen hat,
sl« sei Jeana von Jericho ans ohne l&ng^lren Zwischenauf-
enthalt an demselben Tage bU nach Jerusalem gekommen^
(Matth. 20, 34. 21, 1 ff. parall.) : Ififst ihn das vierte £van-
plioDi von Ephraim eonftchst nur bis Bethanien gehen,
bier fibernaehten, nnd erst am folgenden Tage seinen Ein*
M{ in die Hauptstadt halten (12, 1. 12 ff.)« Dm beide
Dmtellnngen eu vereinigen, sagt man, bei der nur snm«
atrittben Eraäblnng der Synoptiker sei es nicht au ver«
WBsdern , dafs sie das Debernachten in Bethanien nicht
sswirQcklich berfihren, ohne es defswegen Iftugnen au
wollen; es finde somit kein Widerspruch «wischen ihnen
Bsd Johannes statt, sondern, was jene linra eusammenfas-
fen, lege dieser in steine weiteren Momente auseinander ^).
Allein während Matthfius Bethanien gar nicht nennt,* thun
<iie beiden andern Synoptiker dieser Ortschaft auf eine
Weise Erwähnung, welche der Annahme, dafs Jesus da*
selbst fibernachtet habe, entschieden widerstrebt. Wenn
sie nämlich ercählen, w^* rjyyiaev tlg Br^S^fpayfj xai Br^aviixi*^
habe sich Jesus aus dem. nächsten Dorf einen Esel holen
l) Taoi.i;ca uad OksaACsaii a. d. a. OOt
300 Zweiter Absobnitt.
lassen, and sei sofort auf diesem in die Stadt eingeritten:
so kann man sieh zwischen die so verbundenen Vorginge
nn möglich eine Nacht hineindenken , sondern die Ersfth-
lang lantet so, als ob unmittelbar auf die Sendung Jesu
der Eigen^hfimer den Esel verabfolgt, und anmittelbar nach
der Ankunft des Esels Jesus sich eum Eineng angeschickt
hätte« Auch Ififst sich, wenn Jesus in Bethanien fiber
Nacht EU bleiben Tm Sinne hatte, iiuf keine Weise ein
Zweck seiner Sendnkig nach dem Esel ausfindig machen.
Denn soll das Dorf, in welches er schickte, eben Bethanien
gewesen sein : so hatte er, wenn erst auf den andern Mo^
gen ein Reitthier zu bestellen war, nicht nöthig, die Jün-
ger vorauszuschicken, sondern konnte fdglich warten, bis
er miit ihnen in Bethanien angekommen war; dafs er aber,
ehe er noch Bethanien erreicht, und sich umgesehen hatte,
ob nicht hier ein Esel zu finden sei, über dieses nächstge-
legene Dorf hinaus nach Bethphage geschickt haben sollte,
um dort auf den andern Morgen einen Esel aufzubieten,
entbehrt vollends aller Wahrscheinlichkeit: und doch sagt
wenigstens Matthäus entschieden , dafs der Esel in Beth-
phage geholt worden sei« Dazu kommt, dafs, der Dar-
stellung des Markus zufolge, als Jesus in Jerusalem an-
kam, bereits die oijda angebrochen (11, IL)» und es iha
defswegen nur noch möglich war, sich in Stadt undTeo-
pel vorläufig umznsehen, worauf er mit den Zwölfen
sich nach Bethanien znrOckzog. Nun läfst sich zwar dtt
nicht beweisen, was schon behauptet worden 'Ist, dafs da»
vierte Evangelizm den Einzug vielmehr auf den Morgen
verlege ; aber das mufs man fragen , warum, denn Jesus,
wenn er nur von dem nahen Bethanien kam, nicht bfil-
der von da aufgebrochen ist, um in Jerusalem auch noch
et^as, das der Rede werth wäre, thun zu können? Die
späte Ankunft Jesu in der Stadt, wie sie Markus behaup-
tet, erklärt sich oifenbar nur aus dem längeren Wege von
Jericho her: kam er blofs von Bethanien, so ging er von
Zehntes Kapitel. $. 107. 301
hier achweriioh so apat erst weg, daf« er, nachdem er die
Stadt sich nor angesehen, wieder nach Bethanien nmlieh-
ren ninfste, nm am folgenden Tage zeitiger von da anfsn-
brechen, woran ihn aber auch schon am rorigen nichts
gehindert hatte. Freilich ist in seiner Verlegung der An-
kunft Jesu in Jerusalem auf d^n spiSten Abend Markus
▼on den beiden andern Synoptikern nicht utaterstfltat, in-
dem diese Jesnm noch am Tage seiner Ankunft die Tem-
pelreinigung vornehmen, und Matthfius ihn selbst noch
Heilungen verrichten und sich gegen die Hohepriester und
Sehriftgelehrten verantworten Iftfst (Alattb. 21 , 12 ff.) :
sUein auch ohne jene Zeitangabe entscheidet .die Contlnuitüt
der Momente des Hinkommens gegen jene Flecken, der
Sendung der Jünger, der Ankunft des Esels, und des Ein-
reitens , gegen die Möglichkeit, in die Erzählung der Syn-
optiker ein Bethanisebes Nachtquartier einansohieben.^
Bleibt es auf diese Weise dabei , dafs die drei ersten
Evangelisten Jesum geradeau von Jericho ans, ohne Auf-
enthalt in Bethanien , der vierte aber ihn nur von Betha-
niea her nach Jerusalem sieben Ififst : so mfissen sie, wenn
sie beiderseits recht haben sollen , von swei verschiedenen
Eioal^en reden; wie diefs neuerlich von mehreren Kriti-
kern vermnthet worden ist ^.' Ihnen aufolge sog Jesus zu-
erst (was die Synoptiker erschien) mit der Festkarawane
geradesa nach Jerusalem , und es erfolgte hiebei , wie er
sich durch die Besteigung des Thiers bemerklich machte,
▼on Seiten der Mitreisenden unvorbereitet eine laute Holdi-
gQng, welche den Eincug in einen Triumphaug verwandelte.
Nachdem er sich am Abend nach Bethanien sorflckgezogen,
ging ihm dann am folgenden Morgen (wa^ Johannes be-
richtet) eine grofse Volksmenge entgegen , um ihn einsn-
bolen , und als er auf dem Wege von Bethanien her mit
2) Paulus, exeg. Handb., 3, a, S. 92 ff. 98 ff . > Scruibmiachiii,
über den T.uka«, S. 244 f.
30i Zweiter Absehniftt.
•
kommen wQrde; so wie auch der Empfang, den omn ihm
sofort bereitet, nnr als Verherrliebanj[ seines ersten Kin-
tritts in die Haaptstadt einen rectiten Sinn iiat, bei seiner
sweitenDahinkonft aber nnr etwa dann fOglich hfitte ?e^
anstaltet werden liönnen, wenn Jeans Tags Buvor anbe-
meriit nnd ungeehrt hereingekommen w&re, und mandieb
am folgenden Tag hätte nachholen wollen : nicht aber wenn
der erste £lnaug schon so glänsend gewesen war. Und
ewar müfsteo sich beim sweiten alle Zflge des ersten wie-
derholt haben; was, Ag man es mehr als absichtliche
Veranstaltung Jesu, oder als zufällige FOgung der Umstän-
de betrachten, immer unwahrscheinlich bleibt« VonJesoi<«r
es nicht wohl zu begreifen, wie er ein Schauspiel wiederbu-
len mochte, das, Einmal bedeutsam, in seiner Wiederho-
lung matt und zwecklos war ^); die Umstände aber ffififft*
ten auf unerhörte Weise zusammengetroffen haben, wenn
beidemale dieselben Khrenbeseogongen von Seiten desVolb,
dieselben Aeufserupgen des Neides von Seiten seiner Geg-
ner eingetreten sein, auch beidemale ein an die Wnsss-
gung des Zacharias erinnerndes Reittbier zu Gebote ge-
standen haben sollte. Man könnte daher did Si£FFERT*sche
Assimilationshypothese zu Hülfe nehmen, und voraussetsaflj
die beiden Einzöge, ursprünglich mehr versohiedeo, seif"
durch * traditionelle Vermischung sich so ähnlich gewor-
den: wenn nicht überhaupt die Annahme, dafs dener^n-
gelischen Erzählungen hier zwei verschiedene ThaU»<^l^e^^
zum Grunde liegen, eines andern Umstands wegen ooDÖg-
lieh würde.
Auf den ersten Anblick zwar scheint ea die Anoabme
von zwei verschiedenen Einzügen zu unterstützen, wenn
mafl bemerkt, dafs Johannes seinen Einzug den Tag nscii
jenem Bethanischen Mahle, bei welchem Jesus unter merk
würdigen Umständen gesalbt wurde, vor sieh gehen hifs^
5) Hask, L. J. §, 124.
Zehntem Kapitel. $. 107. 305
die beiileo ersten Synoptik^ dagegen (di>nn Lnkat weif«
fon einer so Bethanien und In dietem Abschnitte de« Le-
bens Jesu gehaltenen Mahlzeit bekanntlich nicht«) ihren
KioBOg dfeseoi Mahle vorangehen lassen: wodurch also,
gana der obigen VoraassMxung gemfffs, der synoptische
Einsog als der frühere ^ der johanneiscbe als der spfif ere
erschiene. Diefs würe gat, wenn nur nicht Johannes sei-
Ben Klnnag so frfih, die Synoptiker dagegen ihr Bethanl-
iches Mahl so spXt setzen wfirden, dafs jener nnmöglich
oseh dieseoi erst erfolgt sein kann« Nach Johannes nfim»
lieh kommt Jesus sechs* Tage ?or dem Pascha nach Be«
thsnien y ut\d sieht am folgenden Tag in Jerusalem ein
(12, 1. 12): das Bethanische Mahl der Synoptiker dage^*
gen ( Matth« My 6 S, parall. ) kann höchstens swei T»g6
for dem Pascha gehalten worden sein (V. 2 ) ; so dab,
wenn der synoptische Einsug vor dem johanneischen Mahl
snd Einsöge stattgefonden haben soll, dann nach allem
Diesem den Synoptikern sufolge noch eine sweite Betha-
aisehe Mahlseit angenommen werden mOfste. Allein ewi-
sehen den hiebei voraossusetsenden swei Mahlseiten fiBiide
nun ebenso, wie s wischen den beiden fiinsfigen,' bis ins
Kinsabte hinein die anffallendste Äehnlichkeit statt , und
das Siehverflechten von swei dergleichen Doppelbegeben-
heitea ist so verdächtig, dafs man hier schwerlich die Aus-
konft wird anwenden mögen , es seien swei £insüge und
Hahlsaiteo ^ die einander ursprAnglieh weit unähnlicher
gesehen haben, in der Tradition durch Uebertragnng von
Zfigen ans der einen Begebenheit In die andere sich so
ähnlich geworden , wie wir sie jetst haben : sondern hier,
wenn irgendwo, ist es leichter, sofern einmal die Urkund*
ikhkeit der Berichte aufgegeben wird, sich vorsustellen, dafs
in der Ueberlieferung eine Begebenheit variirt,als dafs durch
dieselbe swei Begebenheiten assimllirt worden seien 0«
6) Vgl. DB Wbttb, exeg. Handb., 1, 1, S. 172.
Dms Leben Jesu ^fe Auf. ii. Bund. ^0
306 Zweiter Abschnitt.
§. 108.
Näherer Hergang bei dem Einzug. Zweck und bittoriicbc
Realität desselben.
Wfthrend das ' vierte Evangelium saerst die* Jesu ent-
gegeustrdmende Menge ihm ihre Buldigang darbringeo,
und dann erst die Imrse Angabe fulgen läfsty dafi Jesu
einen jungen Esel, dessen er tiabhaft wurde, bestiegen ha*
be : ist bei den Synoptikern das Erste, was sie geben, eio
ausführlicher Bericht, wie Jesus bu dem Esel kam. Äk
er n£mlioh in die Nähe von Jerusalem, gegen Betbpbage
und Bethanien am Oelherg hingekommen, haha er zwei
seiner Jünger in das vor ihnen liegende Dorf gescbickt,
mit der Weisung, wenn sie hineinkämen, würden sie -
und nun sagt Matthäus, eine Eselin angebunden, and ein
Füllen bei ihr: die beiden andern, ein Füllen, auf welchem
noch Niemand gesessen habe, angebunden — finden, du
edle) sollen sie losbinden und ihm bringen , etwaige Ein-
wendungen des Eigenthümers aber durch die Bemerkung,
der Herr bedürfe seiner (ihrer), niederschlagen; diefs ssi
so geschehen, und die Jünger haben • — auf die Thiere
nach Matthäus: nach den beiden andern auf das Eine
Thier — , ihre Rigider unterbreitend, Jesum gesetat
Das Auffallendste in diesen Berichten ist offenbar <ire
Angabe des Matthäus, daCs Jesus nicht blofa, da iloch
nur er allein reiten wollte, swei Esel requirirt, sondern
dafs er auch wirklich auf beide sich gesetst haben soll.
Zwar, wie natürlich, hat es nicht an Versnoben gefehlt,
das Grstere eu erklären, und das Letztere sa beseitigen.
Das Mutterthier soll Jesus mit dem Füllen, auf welehea
er eigentlich reiten wollte, haben holen lassen , damit dsi
jniige, noch sangende Thier desto eher gehen möchte Oi
oder soll die an das Junge gewöhnte Hotter von teibst
1) Paulus, 3y a^ S. 115; Kuiivöi., in Matth. p. 541.
Zehnte« Kapitel. &. 108. 'MJ
nuchgclaafen «ein ') : allein ein noch durch Sangen an tile
Matter gewöhnte« Thier gab der Eigner bchwerlicb sum
Reiten her« Ein genügender Grund ffirJeaain, swei Thiere
holen so lassen, lag nur darin, wenn er auf beiden reiten
woUte; was Marthüns deutlich gcnog au sagen scheint, in-
dem er aof beide Thiere iindvap ainwi') sowohl die Klei-
der gebreitet werden , als Jesum sich setsen Ififst. Allein
wie soll man diefs sich vorstellen ? Als ein abwechselndes
Reiten auf dem einen und andern , meint Fritzschs ^) :
iber diefs war, ftfr die kurze Strecke Wegs, eine, nnnö-
thige Dnbeqnemlichkeit. Daher suchten die Ausleger der
Moderbaren Angabe los an werden; die einen indem «ie^
•ehr sehwmchen AuctoritAten aufolge , und gegen alle hri-
tischen tirnndsätse, in den Worten vom Auflegen der Klei«
der statt inayiü amaiv lasen: in atkov Ciov TuilLoy^f worauf
lodsnD bei der Erwähnung, dafs Jesus sich darauf gesetat
habe, das eTiavta avrwv auf die tiber das Eine Thier ge^
breiteten Kleider besogen ^wird ^). Ohne Aenderung der
Leurt glaobten Andere durch Annahme einer EnaUage
naen ausBokommen *), was Winrr dahin bestimmt hat,
d«fi wirklich der Eraüiiler in ungenauer Ausdrucks weise
Fon beiden Thieren spreche, wie auch wir von demjeni-
geo, der von einem der ansammengespannten.Pferde springt,
Mgeo, er ael von den Pferden gesprungen ^> Gesetzt,
diese Auskunft reichte an , so begreift man nun wieder
Dicht, wofür Jesus, der hienach nur des einen sich bedie-
oeo wollte, swei Thiere bestellt haben soll. Diese ganae
1) OUHAUSBN, \j S. 766.
l) Conun. in Matth. p. 630. Ihm stimmt db Wstti bei , ezeg.
Handb., 1, 1, S. 175. >
4) Paulus, a. «. O. S. 143 f.
5) Glassivs, pbil. sacr. p. 172. Aehnlich Koinöl und Gaatz
«. d. St.
6) N. T. Gramm. S. 149.
20*
SU8
Zweiter Abschnitt.
/
Angabe muta um so mehr Ferdiohtig werden, da der erst«
EFangelist mit derselben allein steht ; denn das reicht doch
nicht aus, am die fibrigen anf seine Seite an aiehen, wti
man gewöhnlich sa leseh bekommt: sie nennen nar dai
Füllen, auf welchem Jesus geritten sei, ^die Eselin , ab
Blebensacbe, lassen sie weg, ohne sie aussnsehliersen.
Fragt es sich nun, wie Matthäus an seiner eig^nthOm-
liehen Darstellung gekommen ist? so haben, wiewobi aof
seltsame Weise, diejenigen anf den rechten Punkt hinge-
wiesen, welche vermutheten, Jesus habe in seinem Auftrag
an die swei Jfinger, und Matthäus In seiner Urschrift,
der Stelle des Zacharfas (9, 9.) aufolge für den Einen Be-
griff des Esels mehrerer Ausdrücke sich bedient, woraoi
sofort der griechische Uebersetzer des ersten E?angeliaois
mifsverständlich mehrere Thiere gemacht habe ^). Aller-
dings sind die gehäuften Bezeichnungen des Esels in jener
Stelle: n^SHKI^ TJ?1 "^^^^CJ» vna^vyiovxainoilwvioy^ LXX.,
der Anlafs der Verdojipelung desselben im ersten £?ange-
lium: indem nämlich das Und, welches im Hebräischen
erklärend gemeint war, als hinzufügend genommen, and
statt „ein Esel, d. h. ein Eselsfüllen n. s. w«^^ vielmehr
„ein Esel sammt einem Esel«fflllen'^ in der Stelle gefunden
wurde ^. Allein diesen Fehler kann nicht erst der gnV
chische Uebersetzer gemacht haben, welcher scbwerlkh,
wenn er in der ganzen Erzählung des Matthäus nur Ei-
nen Esel gefunden hätte, rein aus der Prophetensteile her«
aus ihn verdoppelt, und so oft sein Original von Einem
Esel sprach, den zweiten hinzugefügt, oder statt des Sin-
gulars den Plural gesetzt haben würde; sondern ein sol-
cher mufs den Verstofs begangen haben, dessen einzige
7) EicHHORNy aligem. Bibliothek, 5, S. 896 f. Vgl. Boltsu, Be-
richt des Matthäus, S. 317 f.
8) s. FniTzscHS, z. d. St. Auch Nbandba^ S. 560, Anm. , räiunt
dicss ein.
Zehntes Kapitel. S- 108. S09
ichrifdich fixirte Quelle die Propbetenstelle war, ans wel-
cher er mit ZaBiehung der mQndlichen Tradirion feine
gaose Ersihlung heraa«apann, d. b. der Verfasser des er-
sten EFangeliums, welcher sich freilich hiedurch, wie die
neuere Kritik mit Recht behauptet , unwiederbringlich um
den Rohm eines Augen sengen bringt *).
hr dieser Mifsgriff dem ersten Evangelium eigen : so
haben hinwiederum auch die beiden mittleren einen Zog
f&r sich, welchen vermieden an haben dem Verfasser des
ersten soa Vortbeil gereidht* Aof das Schleppende swar
soll nur bellSufig anfmerhsam gemacht werden, was darin
liegt, dafs, nachdem bei allen drei Synoptikern Jesns den
twei abgeschickten Jüngern genau vorherbeseichnet hatte^ *
wie sie den Esel finden , nnd womit sie den £igenthttmer
dessslben snfrieden stellen sollten, nun Markus und Lu«
kss sich nnd dem Leser die Blühe nicht sparen, ausfuhr-
lieh nnd genau das Alles als eingetroffen en wiederholen
CMare. V. 4 ff. Luc. V. 32 ff.); während Hatthfins CV. tt.)
g^ickt dureh ein Tion^aavzeg xuO-iog nQogita^ev avtoig 6 jf.
sich abfindet — diefs, als blos die Form betreffend , soU
bier nicht weifer geltend gemacht werden. Das aber he-
fVift den Inhalt der Sache, dafs naeh Markus nnd Lukaa
Jeius ein Thier verlangte , itp" o Bdetg TttiiKne avD'Qionw(v
ixu!^taej ein Zug, von welchem Matthäus nichts weifs«
Man begreift hier nicht, wie sich Jesus das Vorwärtskom«
laen durch die Wahl eines noch nicht cogerirtenen Thiers
sb^tchtlich erschweren mochte, welches, wenn er es nicht
durch gdtiliche Allmacht in Ordnung hielt (denn bei dem
ersten Kitt auf einem solchen Thiere reicht auch die gröfs-
^e oenschliohe tieschicklicbkelt nicht aus), gewifs manche
Sfomng des festlichen Zuges herbeigeführt hab^n jwird,
somal ihm kein Vorangehen des Motterthiers zu Sutten
f)) SeHULz, über das Abendmabl, S. 310 f . ; ' SiirviAT , über dua
Vr«pr, S. 107 f.
3tO Zvreiter Absohiiitt.
kam, welches nur in der Vorstellong des ersten Evange-
listen mitgelaufen ist. Dieser Unannehmliohkeit bat Je^ai
gewifs nicht ohne triftigen Grand sich an^gesetct : ein sol-
cher aber scheint nahe genug au liegen in der Ansiebt dei
AlterthumSy welcher anfolge, nach Wetstkim's Autdruck,
animaliaj usibus humanis nondum mancipata, saaa habe-
bantar : so dafs also Jesus für seine geheiligte Person and
2u dem hoben Zwecke seines messianischen £insugs auch
nur ein heiliges Thier hfttte gebrauclven mögen. Niher
erwogen jedoch wird man diefs eitel finden, und wonder
lieh daau; denn dem Esel konnten die Zuschauer es nicht
anheben, dafs er noch nicht geritten war, aufser ander
Ungebärdigkeit, mit welcher er den ruhigen Fortschritt
des feierlichen Zuges gestört haben w0rde ^^. So w«nig
wir auf diese Weise begreifen , wie. Jesus in dem Beutel-
gen eines nicht zugerittenen Thiers eine Ehre gesucht ha-
ben kann: so begreiflich werdest wir es finden, dafsschoo
frähe die christliche Gemeinde es seiner Ehre schuldig tu
sein glaubte, ihn nur auf einem solchen Thiere reiten, wie
spSter ihn nur in einem ungebrauchten Grabe liegen zu
lassen; was in ihre DeukwOrdigkeitep aufzunehmen, die
Verfasser der mittleren Evangelien kein Bedenken trugeoi
weil ihnen freilich bdim Schreiben der nicbtEugerittejie
10) Dass jener Grund für die Maasregel Jesu nicht genüge > bat
auch Paulus gefUhlt ; denn nur aus dem verzweifelnden Su-
chen nach einem reelleren and mehr specifischen (irundeUt
es zu erklären, dass er hier das einzige Mnl mystisch wird,
und an die Erklärung Justina des Märtyrers (die als vntCv^
bezeichnete Eselin bedeute die Juden , der noch nicht gerit-
tene Esel die Heiden, Dial. o. Tryph. £|3.)y den er sonst im-
mer als Urheber der verkehrten kirchlichen Bibeldeutungen
bekämpft, sich anschliessend, wahrscheinlich zu machen sucht,
Jesus habe durch Besteigung eines noch nicht gerittenea
Thiers sich als Stifter und Regenten ?incr neuen Religioos-
gcsclUcliüfl ankündigen wollen. Exeg. Handb. 5, a, S. U^^-
Zehntes Kapitel. $. 106. 311
Beel nicht die CJnbeqoemllchkeit vernnachte, welche er
Jeea bei'm Kelten verursaeht haben mOrste.
Wenn in die bisher erwogenen beiden Schwierigkrt-
ten die Synoptiker sieh theiien : »o ist eine andre ihnen
allen gemeinschafrlioh , die nfimlich, welche in dem Um-
stände liegt, dafs Jesus so EUFersichtlich swei Jfinger nach
einem Esel sendet , den sie im nSchtten Dorf in der und
der Situation finden würden , und dafs der Erfolg seiner
Voraussage so genau entspricht. Das Natfirlichste könnte
leheioen, hier an eine vorangegangene Verabredung na
denken, welcher sufoige cur bestimmten Stunde am be«
seiebneten Orte ein Reitthier f2r Jesum bereit gehalten
worden sei*^); allein wie konnCe er eine solche Verabre-
dung in Bethphage getroffen haben , da er eben von Jeri-*
sbo kam? Daher findet auch Paulus diefsmal etwas An-
deraa wahrscheinlicher! dafs. nämlich in den an der flaupt-
«trafae nach Jerusalem gelegenen Dörfern um die Fest*
Seiten viele Lastthiere aum Vermiethen an die Wallfahrer
bereit gestanden haben werden ; wogegen jedoch bu be-
merken ist y dafs Jesus gar nicht , wie vom nächsten be*
sten , sondern von ein^ro bestimmten Thiere spricht. Man
wundert sich daher , wenn man es bei Olsrausbn npr als
rereiothliehen Sinn der Referenten bezeichnet findet| dafs
dem einziehenden Messias Alles idorch Fügung Gottes anr
Band gewesen rei, wie er dessen eben bedurfte; so wie,
dafa derselbe Ausleger, um die Willfährigkeit der Besitzer
des Thieres bu erklären, die Voraussetaung nothwendig
findet, sie seien mit Jesu befreundet gewesen : da vielmehr
durch diesen Zog die gleichsam magische Gewalt darge-
stellt werden soll, welche, sobald er nur woilre, dem blo-*
fsen Namen des Kvqios inwohnte, bei dessen Nennung
der Besitzer des Esels den Esel, wie später (Matth. iQ,
II) Natürliche Geschichte, 3, S. 366 f. ; NvanpsR) h- i- Cbr
S. 530, Aiuys.
i
312 Zweiter/Abschuitt. i
18 pnraliO der Inhaber des Saals dea Sani, unweigerlleh
ffu seiner Uictposition stellte. Za dieser göttlichen, Fligong
. KU Gantfien des Messias, und der unwiderstehlichen Kraft
seines Namens kommt noch das höhere Wissen, durch
^%elehes Jesu hier ein entferntes Verhältnifi, das er für
seine Bedürfnisse benfitaen konnte , offen vor Augen lag.
Ist diefs der Sinn und die Absicht der E?angeiisten
bei den angegebenen ZOgen ihrer Erzählung: so liefie sieb
Ewar ein solches Vorhersagen eines aufü^ligen Umstandei
- als magnetisches Hell- und Fernseilen begreifen^'): doch
kennen wir theih die Neigung der nrohrisfiichen Sage,
solche Proben der hüher^i Natur ihres Messias an geben,
bereits allen gut (man^ denke an die Berufung der awei
Brfiderpaare; die genaueste Analogie aber hat die eben
angefahrte, unten näher au betrachtende Art, %%ie Jeias
das Local für seine letzte Mahleeit mit den Zwölfen be-
atellen läfüt); theils läfst sich au augenscheinlich der pro-
phetisch-dogmatische Grund nachweisen, w/irum sich hier
das Fernsehen Jesu gerade als Wissen um einen angebande*
\ uen Esel zeigt : als dafs wir uns der Vermutbung "enthalten
könnten , auch hier nur , ein Gebilde Jener Neigung vi»!
dieses Pragmatismus For uns zu haben. I3i»ber der im e^
fiten und vierten Evangelium citirten Stelle aus Zachariai
nämlich, welche vom Einreiten des sanftmfithigen Könifi
nur Oberhaupt auf einem Esel handelt, versäumt man {6-
wohnlich, eine andere A. T.licbe Stelle m%k berücksichtigen,
welche näher den angebundenen Esel des Messias est-
liält. Es ist diefs diefs die Stelle 1 Mos. 49, 11., wo der
sterbende Jakob zu Juda von jenem nS^ ^^g^ (LXX.):
äiGfiti'vfy TiQog ctfiitdi-ov tov Ticihjv aviä xou tfj iktxi tov
:ujiim' lijg ora arrS. Justin der Märtyrer fafst auch dieie
mosaische StelleJ, wie jene prophetische, als Weissagung
auf den Einzug Jesu , und behauptet daher geradezu , dsi
12) Wsisss, S. 575.
ZehttM^KapileL $. 108. SU
Ffillen, welobet «lesot boten lieft, sei an einen WeinetociL
gebonden geweaeii ^^). Ebenso deuteten die Joden nicht
nnr Oberbeapt jenen Sehilo Foa Messiae , wie sich schon
ia den Targnmim nachweisen Ififst ^^) , sondern combinir-
ten such beide Stellen, das messianische Anbinden des
Esels mit dem Einreiten auf demselben ^^)» Dafs jene
Weitssgnng Jakobs von keinem nnsrer Evangelisten an*
gef&brt wird, beweist höchstens, dafs sie beim fiieder-
sehrsiben der vorliegenden Ersählung sich derselben nicht
astdrflcklich bewttfst waren : dafs sie aber anch. demjeni*
gen Kreise, in vielchem die Anekdote sich snerst bildetCi
nicht vorgeschwebt habe, kann es keineswegs beweisen. Für
einen Durchgang der Ereühlung durch mehrere Hfinde
?oo folchen, welche sich dev ursprünglichen Besiehung
auf die Stelle der Genesis nicht mehr bewurst waren,
iprieht allerdings auch diefs, dafs sie der Weissagung
nicht mehr ganz ähnlich ist. Sollte eine vollkommene
Cebereinstimmung stattfinden , ao mfifste Jesus , nachdem
er de« Zacharias snfolge auf dem Esel in die Stadt ge*
ritten war, diesen bei'm Absteigen an einer Weinrebe «n-
gebnden haben, statt dafs er ihn jetet im nichsten Dorfe
(necb Markaa von einer Thdre am Wege) losbinden Isrst.
fliedurcb wurde aber, angleich diefs noch erreicht, dafs
ait der Erfüllung jener beiden Weissagungen noch eine
Probe des SbernatOrlioben Wissens Jesu und der magischen
Kraft seines Namens verbunden werden konnte; woliei
aan insbesondere daran denken könnte, dafs auch Samuel
einat aeioe Sehergabe durch die Voraussage erprobt hatte,
15) Apol. S , 32 ! ^ To St' Stofifwar n^g a/tJtflor rw ntoior avrS —
aiiußolny dtjltarixor ^v rw yfVffSOfUvw tw X«??? xai r&v vii m^rS
iunplor StSfun^ , or ixihuatv ^aytiv avto* «. r. X,
i4) t. ScHtfTT«siv, horaey 2, p. 146. ^
13) Midf s»ch Rabbi f. 98.
314 Zweiler Abtchniit.
dem heimkehrenden Saql werden Bwei Mflnner begegnen
mit der Naehricht, daCe die Eselinnen seines Vaters Kia ge-
funden seien (1 Sam. 10, 2.)* — Im vierten Evangelinm
iehlt mit der Besiebnng auf die mosaische Stelle der Zog
vom angebundenen Esel and dessen Abholung, und ei
wird mit alleiniger Rilefcsicbt auf die Stelle des Zscbsrias
iLurn gesagt: ei)^ctfV de 6 Y; ovuQioVf ixad-taeif in cm
(V. 140 ").
Das Nächste, was nun in Betracht kommt, ist die
|luldignil|[, welche Jesu vom Volke dargebracht Wird.
Nach allen Berichten aufser dem des Lukas bestand diese
im Abhanen von Baomsweigen, welche man nach den htv
den Synoptikern auf den Weg streute: nach Johannes,
der nAher Palmaweige angibt, Jesu, wie es scheint, entge-
gentrug; ferner nach allen aufser Johannes iia Breiten
von lUeidern auf den Weg. Daeu kam, ein Jubelnder Zo*
ruf, von welchem all« mit unbedeutenden Modificationen
die Worte; tvkoyr^fitvog 6 tQxoff^og iy oroftcni KvqIü, !>«•
ben, ferner alle aufser Lukas das coocciya^ alle endlicb die
Begrfifgung als König oder Sohn Davids. Hier ist ewar
das r\)r\] DC^ K^n *!jr^ aus Ps, 118, 26. eine gewöhnitehe
Begrfifeungsformel fOr Festbesuchende gewesen , und auch
das dem vorhergehenden Verse desselben Psalms entnom*
mene )^J r^jTtJ^^n war ein gewöhnlicher Ruf am Laubhfitten*
fest und am Pascha ^^ ; aber das bineugesetste i^ t ^
Javld und 6 ßaoiltvg js ^la^ar^X seigt , dafs man jene all-
gemeinen Formeln hier speciell auf Jesum als den Messiaa
anwandte, ihn in eminentem Sinne willkommen beifsen,
16) Diesea Stillschweigens dea vierten Evangeliaten wegen ist
diessmsl auch Nsaaoir (« a. O. ) geneigt, die M<>gIichl(eU
einzuräumen , data ein einfacherer Hergang in Kolge Her
unverhältnisamässigen Bedeutung, die man nachher hinein-
gelegt ^ unhislorisch umgebildet worden wäre.
17j vgl. FAUi.ua z. d. St.
Zehnle» Kapitel. (• 108«
ond «einen Dnteroehinen Glück wOnschen wollte* In Be«
treff der Subjeole, weiebe die Holdi^ng darbringen, bleibt
Luka« im engsten Kreise stehen y er knfipft niKmlieh das
Breiten der Kleider auf den Weg (V. SO.) an das Vorher»
gehende so an, dafs ea scheint, als sehrielie er es, wie
das Legen der Kleider auf den Esisl, blofs den J fingern sn,
wie er denn die Loblieder ansdtdoblich nnr ünav %6 nU^-
^(V f (Jv fia9r/twv anstimnen Ififst; Matthäns und Markna
dagegen lassen diese Huldigungen von den begleitenden
Volksaassen ansgehen. Diefs vereinigt sich indessen leicht;
denn wenn Lubaa von dem ulijO'og taiy fiaShpiUv spricht^
10 ist diefs der weitere Kreis der AnbKnger Jean, und
lodrerseits Ist der nhUzog o/los bei Matthäus doch nur
die Gesammtheit der ihm Vflnstigen unter der Menge.
Wattrend nun aber die Synoptiker innerhalb der Grfinsen
de« mit Jesu reisenden Festauges bleiben: läfst Johanneoi
wie schon oben erwfthnt, die ganEC Feierlichkeit von sol«
eben ausgeben, die von Jerusalem aus Jesu entgegensogen .
(V. 13.) > wogegen dann die mit Jesu kommende Menge
des Einholenden die von ihm vollbrachte Anferweekupg
J«i Laaarua beseugt, um d^ren willen nach Johannes die
faMiche Einholung von Jerusalem aus veranstaltet war
(V. 17 f.> Diesen Beweggrund können wir, da wir die
Wiederbelebung des Lacarus oben kritisch besweifelt ha«
beu, eicht gelten lassen; mit seinc-m angeblichen Grunde
Aber wird auch das Factum der Einholung selbst erschüt-
tert, cnmal wenn wir bedenken, wie die Wfirde Jesu es nu
erfordern aeheinen konnte, dafs ihn die Davidsstadt feier-
lich eifigeholt habe , und wie es auch sonst su den Eigen-
tbAalichkeiten der Darstellung des vierten Evangeliuma
gebort, f or der Ankunft Jesu eu den Festen au beschrei«
ben, wie aehr die Erwartung desTolks auf ihn gespannt
war (7, 11 flF. 11, 50.).
I>er lotste Zug in dem vor uns liegenden fjemälde ist
der Unwille der Feinde Jesu aber die atarke Anhfioglieh r
S16 Zweiter Abfoholtt.
keit des Volks an ihn, welche s{ob bei dieser Gelegenheit
neigte. Naoh Johannes (V. iO.) sprachen die Pharisfier
Bu einander: da sehen wir, dafs unser bisheriges (icho*
nendes) Verfahren nichts nOtst ; alle Welt hfingt ihm ja
an C^v^i^ werden gewaltsam einschreiten müssen) Nach
Lukas CV* S9 f.) wandten sich einige Pharisier an Jesom
selbst mit dem Ansinnen , seinen Schfilern Stillscbwelgen
aufaulegen; worauf er ihnen Enr Antwort gibt, wenn
diese nicht rufen, würden die Steine schreien. Während
Lukas und Johannes diefs noch auf dem Zuge vor sich
geben lassen , ist es bei Matthäus erst nachher , als Jesus
mit dem Festzug im Tempel angekommen war, und liie
Kinder auch hier fortfuhren , Hosianna dem Sohne DaTidi
SU rufen , dafs die Höhenpriester und Schriftgelehrten Je-
sum auf den Unfug, wofür sie es hielten, aofmerkssm
machten , worauf er sie mit eiuer Sentenc aus Ps. 8, 3.
Cix goficcTog vrjiUov xal O-r^la'Conov xcrrf^(rfiaco alvov') zurück-
weist CV. 15 f.) ; eine Sentens , die also hier , uneracbtet
sie im Originale sich augenscheinlich auf Jehova besieht,
auf Jesum angewendet wird« Die von Lukas an den Ein«
sug angeknOpfte Klage Jesu über Jerusalem Wird unten
noch in Betrachtung kommen.
Unzweideutig sprechen Johannes und insbesondere Hat*
thitts durch sein rJzo dt olov y^yorer, in: Tckr^fKoO-ij x. r.L
V. 5. den Gedanken aus, die Abbicbt zunächst Gottes, in-
dem er diese Scene veranstaltete, dann aber auch des
Messias Jesus, als Mitwissers und Theilnehmers der gött-
lichen Rathschlüsse , sei gewesen, durch diese Gestaltung
seines £inzugs eine alte Weissagung zu erfüllen. Wenn
Jesus in der Stelle des Zacharias 9, 9. ^®), eine Weissa-
18) So wie Matthaus das Orakel anführt, ist es eine Zutammcn-
setztuig einer jesaianischen Stelle mit der des Zacharias.
Denn das tlnare t/i dvyar^t ^wJr ist aus Je«. 62, II. ; dai Wei-
tere aus Zach. 9; 9. « y<o die LXX^ etwas, abweichend, hai:
Zabotes KipiteL S* lOd* 317
piRf auf tieh als den Mesfiaa sah, so kann dieft niobt
ErkenntoU« des böberen Prlncips In ibm gewesen aein;
di| wenn die Propbetens teile anqb niebt anf einen bisto*
rbehen Ffirsten, wie Usta **) oder Jobannea Hyroanns *^,
loodem aof ein messianiscbes Indiridanm sa Itesieben
iic-'), dieses wobl als frledlioher, aber docb als weldleber
Ffirst , nnd swar im rnbigen Besitee vorf Jerosalem , also
fSDB anders als Jesns, gedacht werden rnnfs. Wobl aber
leheiiit Jesus anf natfirlicbem Wege zu Jener Beeiebnng
hiben kommen sn können, sofern wenigstens die Rabbinen
die Stelle des Zacharias mit grofser Uebereinstimmung auf
den Messias denten ^). Namentlich wissen wir, dafs, weil
die unscheinbare Ankunft , welche hier vom Messias vor-
bergesagt war, im Widerspruche an stehen schien mit der
giinsenden, welche Daniel ForherFcrkflndigt hatte, diefs
später dahin ausgeglichen su werden pflegte, dafs, je nach-
dem sich das jfidische Volk würdig beweisen wflrde oder
nieh^ sein Messias in der herrlichen oder in der geringen
Gutilt erscheinen aolle *')• War nun aaeh nur Zeit Jesu
2^« o ßatfUtvg 09 t^xtrai tfoi S^xettoi X4ä aviur ovrof ir^oo; uak hrt^'
ßißijtaag ItA vnoCvytor xak nalw rtcv,
19) Htni» , über die Abfassungszeit der Orakel Zach. 9—14 , in
den theol. Stadien, ISSOy 1, S. 36 ff. beiieht die Torange-
benden Verse auf die Kriegstbaten dieses Httnigs , also den
gegenwärtigen wohl auf seine friedlichen Tagenden.
SO) Paolvs, exeg. Handb., 3) a, S. 121 ff.
21) BosiiKMULLBR, Schöl. in V. T. 7^ 4, S. 274 ff.
71) In der , Tbl. 1 , §. l4. citirten GardinalsteUe aus Midraich
Goheleth wird gleich Anfangs das Zacharianische pawper ef
insidens asino auf den GM posiremus bezogen. Dieser Esel
des Messias wurde sofort mit dem des Abraham und Mose»
für identisch gehalten, s. Jalkut Rubeni f. 79 1 3. 4. hei
ScHÖTTOSir , 1 y S. 169 ; vgl. Eisinaumojsn , entdecktes Juden •
thum, 2, S. 697 f.
2S) Sanhedrin f. 96, 1. (bei WiTSTsnv) : Dijrtt I?. Alexander: ü.
\
S16 Zweiter Abschnitt.
diese Unterscheidung noch nicht aasgebildet, sondern nur
erst (Iberhaopt eine Besiehong der Stelle Zach. 0^9 aof
den Messias: ao konnte doch Jesus aioh etwa die Vor-
stelli^ng machen, dafs Jetzt, bei seiner ersten Paroila,
die Weissagung des Zacharias, einst aber bei seiner
»weiten die des Daniel an ihm in BrfAllung gelieo mfliie.
Doch wire anch das Dritte möglich, dafs entweder eis
eufäUiges Einreiten Jesu auf einem Ksel Fon den Christeo
später auf diese Weise gedeutet, oder dafs, damit kein
messianisehes Attribut ihm fehle, der ganee Einsng frei
nach den beiden Weisaagungen und der dogmatiscbeR
Voraussetsung einea höheren Wiasena in Jesu conponirt
worden wäre«
Joiua f. Leot duoius tnier äe coilatis tocU tanquam contra-
Hit vistM oiffecit: serMtur Dan. ly 13/ et eece cum nuMbät
eoeU veiui fiäus hominis venit Et teribitwr Zach, 9y 9'
pangper et tnMens atino. Verum haee duo ioca ita inter se
eoncüiari possunt : ttempe, si Justitia wa mereeniur itreäi'
tae, Messias veniet cum nubiinu coeU: si autem tum ms-
roaniur, veuiet patq^, et vehetur üsino^
Dritter jibschnitt.
Die Geschichte des Leidens, Todes,
und der Auferstehung Jesu.
/
Erst«! Kapitel.
Verhältniss Jesu zu, der Idee eines leiden-
den and sterbenden Messias; seine Reden
von Tod, Anferstehnng* und Wiederkunft.
S. 109.
Ob Jetut sein Leiden und seinen Tod in bestimmten Zügen
vorhergesagt habe ?
Den Eirangelien^safolge hat Jesos aeioen JQngern mehr
ils Einmal, ood schon geraume Zeit vor dem Erfolge *),
foraoügeMgt, daCs Ihm Leiden und gewaltsamer Tod b«»-
forstebe. Und swar blieb er, wenn wir den synoptischen
Naohrichten trauen, nicht * bei Voranssagnng dieses Schick*
isit im Allgemeinen stehen , sondern bestimmte den Ort
ieioer Leidens vorher, nfimlich Jerusalem; die Zeit des-
lelben: dafs eben auf dieser Festreise ihn sein Schicksal
ereilen wttrde; die Subjecte, von* welchen er an leiden
bsben wttrde iuQX^^Q^'^y yQccfifiOieigy slhi^') ; die wesentliche
Form seines Leidens: Kreneignng in Folge eines Richter-
sprucbs; auch Mebensfige sagte er voraus: dafs es an 6ei*
telhieben, Spott und Verspeien nicht fehlen würde (Matth.
16, 21. 17, 12. 22 f. 20, 17 ff. 26, 12. mit den Parall.,
Uc« 13, S3.> — Zwischen den Synoptikern und dem
Verfasser dea vierten Evangeliums findet hier ein dreifa-
1) Was er ganz in der Nähe des Erfolgs , in den letzten Tagen
seines Lebens, noch von einzelnen Umständen seinti Lei*
dens vorhersagte, kann erst weiter unten, in der Geschichte,
jcaer Tage, in Betrachtung kommen.
Oat Ub9H Jesu oie Aufl. iL Band, 21
322 Dritter Abschnitt.
eher Uoterscbied statt, fürs Erste und hauptsfiehiich 1«|.
ten bei dem LeCEteren die Voraussagen Jesu nicht so klar
und deutlich, sondern sind meistens in dunliler Bilderredtf
vorgetragen, von vreichar der Berichtersta'tter weit! auch
selbst gesteht, dafs sie den J fingern erst nach dem Erfolg«
lilar geworden sei (2, 22.). Aufser einer bestimmten
Aenfserong) dafs er sein Leben freiwillig lassen werde
(10, 15 ff.), spielt in diesem Evangelium Jesus auf seinen
bevorstehenden Tod besonders gerne durch den Aasdrock
vipBVy vt/jäüO-uiy an, welcher zwischen Erhöhung an das
Krens und Eur Herrlichkeit schwankt C^, 14. 8, 28. 12,
32.), und vergleicht die ihm bevorstehende Hrhöhung mil
der der ehernen Schlange in der Wflste (3, 14), wie bei
Matthfius sein Schicksal mit dem des Jonas (12, 40);
dann spricht er auch von einem Weggehen , wohin man
ihm nicht folgen könne (7, 33 ff. 8, 21 f.), wie beides
Synoptikern von einer Uinwegnahme des Bräutigams, wel-
che seine Freunde in Trauer versetzen werde (Matth. 9,
15 parall ), und von einem Kelche , den er trinken müsse,
und welchen mit ihm su theilen seinen J fingern schwer
fallen dfirfte (Mätth. 20, 22 parall.)- FHefsender, doch
immerhin bemerklich, sind die beideli andern Dnter&chiede.
Einmal, während bei Johannes die Hindeutungen auf den
gewaltsamen Tod sich gleichmafäig von Anfang durch dai
ganze Evangelium hinziehen: fiiiden sich bei den Syn*
optikern die wiederholten bestimmten Todes verkfindl*
gungen erst geigen das Ende, th^ils unmittelbar vor, cbeiU
«uf der letsfen Reise; in frühere Abschnitte fällt, aufser
der dunkeln Rede vom Zeichen des' Jonas , von welcher
wir bald sehen werdien, dafs sie keine Todesverkfindigong
ist, nur noch die Andeutung einer (ohne Zweifel gewalt-
samen) Hinwegnahme des Bräutigams. Endlich, weon
den drei ersten Evangelisten zufolge Jesus jene Vorsus-
sagongen, wieder mit alleiniger Ausnahme der so eben er-
wähnten Andeutung, Matth, 9, 15., nur dem vertrauten
Krates Kupitel. §. 109. SSS
Kmte der Zwölfe mluheilf, f pvfeht er lie bei Johannei
dem Volk und selbst seinen Feinden gegenftber uns.
Bei der liritisehen Prifnng dieser evengelisohen Naeb-
riebten werden wir irom Speelellen ran AllgesMinen in
4er Art fortsehreiten, dafs wir saerst fragen: ist es glanb«
lieb j dars Jesas so viele eineeine Zflge des auf ihn war-
teodeo Sohiobsala Toraosgewurst habe? hierauf antersn*
eben, ob fiberhaapt ein Voranswissen nnd Voranssagen
leiiiet Leidens von Seiten Jesn wahrseheinlioh sei; wobei
dann der Untersehied cwischen der synoptischen nnd der
johanneisQhen Darstellong von selbst Eur Sprache kom«
nen wird.
Wie Jesos die eincelnen Umstünde seines Leidens ond
Sterbens so genau vorberwissen lionnte, davon gibt es eine
doppelte ErUirungsweise : eine sapranatorale nnd eine
utiiriiehe. Die eritere seheint ihre Aufgabe dnrcb die
eijifaebe Berafong darauf lösen zu können , dafs vor dem
prophetischen Geiste, welcher Jesu in höchster Fülle in*
wohnte, von Anfang an sein Schicksal in allen eincelnen
, Zögen ausgebreitet gelegen haben mOsse. üa indessen Je*
so« selbst bei seinen LeidensverkOndignngen ausdrücklich
sich auf das A. T« berief, dessen Weissagungen anf ihn
in allen Stücken erföllt werden mfifsten (Lac. 18, 31. vgl.
22, 37. 24, 25 ff. Mstth. 26, 54.): «o da^f die orthodoxe
Betrachtungsweise diese Hülfe nicht verschmähen, sondern
Bofs ^er Sache die Wendung geben, Jesos habe, lebend
snd webend in den Weissagungen des A. T. , aus ihnen
mit Rolfe des ihm inwohnenden Geistes jene Einzelheiten
schöpfen können ^. Demnach milfste Jesus, wöhrend die
Kondc von der Zeit seines Leidens, soll er diese nicht
etwa aus Daniel oder einer fihnllchen Quelle berechnet
haben, seinem prophetischen Vorgefühl Oberlassen bliebe,
aof Jerusalem als den Ort seines Leidens nnd Todes durch
2) v^l. O&sMAUtBN, bibl. Comm. 1, S. 517.
21
324 Drilter Abschnitt.
Betrachtung de» Schicksals frfiherer Propheten als Typui
des seihigen in der Art gekommen sein, da(s der tieist
ihm sagte, wo so viele Propheten, da mttsse naeh h5iierer
Consequens auch der Messias den Tod erleiden (Lae. 13,
3S.)f A^^ seinen Untergang in Folge förmlicher Verorthei*
long mttfste ihn etwa diefs gefflhrt haben, da(s Jes. 5S, 8.
von einem ftber den Knecht Gottes verhknften JSBStü nnd
O r t ■
V. 12. davon die Rede ist, dafs er iv xolg drofioig tMr/iül>r^
(vgl. Luc. 22, 37.); seine Verurtheilung durch die Obe^
sten des eigenen Volks hätte er vielleicht ans Ps. HS, 22.
geschlossen, vio oi oixoSojiiörreg , vrelche den Eckstein ?e^
werfen haben , nach apostolischer Deutung (A. G. 4, 11.)
die jtfdi;3clien* Obern sind; seine Uebergabe an die Heideo
konnte er darin finden , daf» in mehreren A. T. liehen
Klageliedern , die sich messi^nisch deuten liofsen, die pla-
genden Snbjecte als d^VW^, d. h. als Heiden, erscheinen;
, dafs sein Tod gerade der Kreusestod sein wOrde, könnte
, er tbeils aus dem Typus der am Holz aufgehängten eher-
nen Schlange 4. Mos. 21, 8 f. (vgl. Joh. 3, 14.)) theili a«
^. \ dem Uurchgraben der Hände und Fufse P«. 22, 17. LXX.
abgenommen haben ; endlich den Hohn, und die Mirdhand-
' lung ans Stellen, wie im angeführten Psalm V. 7 ff. Jes.
50, 6. u. dgh ' Soll nun der Jesu inwohnende Geist, wel-
cher ihm der orthodoxen Ansicht Eufolge die Beziehvog
dieser Weissagungen und Vorbilder auf sein endiicbes
Schicksal erliennbar machte , ein Geist der Wahrheit ge-
wesen sein : so mufs sich die Beziehung auf Jesum aU
der wahre nnd ursprüngliche Sinn jener A. T. liehen Stel*
len nachweisen lassen. Um aber nur bei den Haupcstelien
stehen eu bleiben , so hat jetzt eine grQiidliche , gramma-
tisch-bistorische Auslegung für Alle, die sich aus dogmati*
sehen Voreussetzungen hinauszusetzen im Stande sind,
überzeugend nachgewiesen, dafs In denselben nirgends vom
Leiden Christi, sondern Jes. 50, 6. von 'den Milshandlan-
Erstea Kapitel. $. 109. ZU
|eD, welebe der Prophet su «rdoMen hatte *), Jei. 5S. ?on
den Drangtelen des Prophetensf ande« , oder noch wahr-
fcheinltcber des israelitifchen Volkef, die Rede sei ^) ; dafe
Ps. HS* von der unerwarteten Rettung and Erhöhung dei
Volks oder eine« Ffirsten dessi^iben gehandelt werde *) ;
so wie , dab P«. 22. ein bedrängter Exalant spreche *) ;
dsfi aber gar im I7ten Verse dieses Psalms von derKreu-
rigung Christi die Rede sei (da doch , auch die nnwahr«
leheiollchste Erkifirang des ^^3 dureh perfodei'unt vor-
ao9gesefKt, dieb in keinem Fall eigentlich, sondern nar
bildlich SQ Terstehen, das Bild aber nicht von einer Kreu«
tiffimg, aondern von einer Jagd oder einem Kampfe mit
wilden Thieren hergenommen wiire ')), diefs wird Jetzt nur
Doch von Solchen behauptet, mit welchen es sich nicht-
der Mühe verlohnt su streiten* Sollte demnach Jesus 'auf
ftbfrnatttrliebe Weise vermöge seiner höheren Matur in
diesen Stellen eine Vorandentnng der einseinen Zttge sei-
nes Leidens gefunden haben: so wEre^da eine solche Be*
liehnog niclit der wahre Sinn Jener Stellen ist, der Geist
in Jesu nielit der (jeist der Wahrheit, sondern ein Lügen*
geilt gewesen; eawird also der orthodoxe Erkllirer, sofern
^r lieh nur dem Lichte nnbefangeiier Auslegung des A.
T. nicht verscliliefst, aus eigenem Interesse eu der natffrli*
efien Ansicht bingetrieben, dafs nicht höhere Ein|rebnng,'
tondem eigene Combination Jesum -auf eine solche Ans-^
legang der A. T. liehen Stellen und auf die Voraus-
licht der einselDen ZOge seines kfinftigen Schicksals ge*
Ahrt habe.
5) Gnaaios, Jesaias, 3, S. 157 ff.; HinEiOy Cömm. v/Jes. S; SSO«*
4) GaaBRivs, a. •a O. S« 158 ff. ; Uituo, S« 577 ff- ; VAiiica, ^ihd.
Thcol. 1, S.,||Sff. . . .: o.. I. V »
5) Dl Wbtts, -Gomm. zu den Psalmen, S. 514 ff.> 5tc Aufl.
6) Dcrt. ebend., S. 224 ff.
7) Paulus , weg. Handb. , 3, b, S. 677 ff. aiid db yftrtE, z, d.
FsaljBstcllf.
926 Dritter Abftchuitt.
Dftfs es di« herrsclien4e Priester partei sein würde,
der er uiiterli^gien inüfste, diefi, kaoti man hienach sagen "),
uar leicht voraosttaseheiiy da diecse theiid voriEOg lieh gegen
Jesacn erbijbte^'t, tbells im Besitze der erforderlichen Macht
war^ dafs sie Jerusalem zum Sobaaplata^ seiner Verur-
theilung und H^inrichtuug machen wOrde, ebenfalls, da
hier der Mittelp^nlit ihrer SUIrke war; dals er, von den
Oberaten seines .Volks ▼erurtheilt, den Römern cur Hin*
rlQhtnng würde übergebe» • werden , folgte aus der damali-
gen Bekehr Jinkung der jüdiscbcn Qerichtsbarkeit^ daf« gerade
d^r Kreuzestod /Über ^hn verhängt werden würde, kpnnte
vermuthet ^^den^ di| diese Todesart bei den Kömern na»
n#ntlicb gegen Aufruhrer verfügt su werden pflegte ; dtSk
endlich Geifdelung und Verspottung nicht fehlen würde,
iiefs sich gleichfalls ans römischer Sitte und der Rohheit
diimaligen Ueriohtsverfahren^ «om Voraus berechnen. —
Doch, genauer die Sache erwogen , wie konnte denn Je-
aus so gewifs wissen, ob nicht flerodes, der eine gefähr-
liche Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet hatte (Luc. 13,
3i.)> der Priesterpartei su vorkommen, und su dem Morde
des Tfinfers auch den meines b^sdeutenderen Macbfolgers
fügen würde? Und wenn er auch gewifs sein an dürfen
glaubte, dafa ihm nur von Seiten der Hierarchie her wirk-
liche Gefahr drohe (Lue. 13, S*).)* ^^i" veracherte ibii
denn, dafs nicht einer ihrer tumultnarischen Mordversuebe
(vgl. Job. 8, 59 10, 31*) doch endlich, gelingen , und er
also, wie.^ spfit^r StepbanuSi ohne weitere Förmlichkeit,
und ohne vorgfingige Ablieferung an die Römer, seinen
Tod auf gans andere Weise, als-dnrch die römische Strafe
der Kreualgoag, finden könne? findlicb, ^ie konnte er ao
cuversichtlich behaupten, dafs gerade der iifichstB Anschlag,
nach so vielen mifslungenen, seinen Feinden glücken, ond
B) t. ,4|^te Ansicht ausgeführt bei FKiTSicaa , Comm. ia Marc,
p. $S1 f.
£rstet Kapitel. S« 109. S27
ebfn die jeUC bevorstehende Fettreite seine letzte sein
Kflrde? - Indessen kann auch die natflrliehe ErkiSruog
hier die A« T. liehen Stellen su Hälfe nehmen, und sagen,
Je^us habe, sei es durch Anwendung einer unter seinen
Volksgenossen damals üblichen Aoslegungs weise, oder von
eigenfbfimlieben Ansichten geleitet, in den schon angeführ-
ten Scbrifts teilen näheren Auf&clilufs über den Hergang
l»ei dem ihm als Messias bevorstehenden gewaltsamen Ende
gefunden ^. Allein wenn schon diefs schwer en beweisen
leiq möchte, dafs bereits bu Lebseiten Jesu alle diese ver-
ichiedenen Stelleo auf den Messias besogen worden seien ;
dafs aber Jesus selbststfindig , vor dem Erfolg, auf eine
lotfibe Besiehnng gekommen sei ,* ebenso schwer denkbar
it: go wire das vollends dem Wunder fihnlich , wenn ei-
ner so falschen Deutung der Erfolg wirklich entsprochen
haben sollte: überdlefs aber reichen die A. T. liehen Ora«
kel und Vorbilder nicht einmal hin^ um alle einzelnen
20ge in der Vorherverkündigung Jesu, namentlich die ge-
nsue Zeitbestimmung, so erklliren.
Kann somit Je»us weder auf Obernatürliche noch auf
Dstfirliche Weise eine so genaue Vorkenntnifs der Art und
Weise seines Leidens und Todes gehabt haben : so hat er
eine solche überhaupt nicht gehabt, und was ihm die
Kvsngelisten davon in den Mund legen j ist als vaiiciniwm,
post eventum ansusehen ^^). Hiebei hat man nicht er-
mangelt, den synoptischen Berichten gegenüber den johan-
Beiscben zu erheben, indem eben die specielien Züge der
Voninssaguog, welche Jesus oicht so gegeben haben kann,
ttor bei den Synoptikern sich finden , während Johannes
ihm our iinbestimmte Andeutongeo io den Mood lege, und
H) «. VnmtCHEy a. a, O.
10) Paulus, exeg. Handb. , 2, S. 415 IT,; Ammoa-, bibl. Throl. 2, *
S. 377 f. ; R.418BR, bibl. Tbeol., 1, S. 2 ib. Auch Frit«schi,
I a. O. vind Wsitss; J, S. 423} r'jiuiiicn dies» zum Tbcil cia<
32S Dritter Abschnitt.
von diesen seine nach dem Erfolge geniftchte Auslegung
derselben unterscheide; som deutlichen Beweise , dafs wir
in seinem E?AngeIiom allein die Reden Jeso onTerfikcht
in ihrer ursprQnglichen Gestalt besitsen ^^). Allein niber
betrachtet Terhfilt es sich nicht so, dafs auf den Verfaiser
des vierten Evangeliums nur die Schuld irriger Deutung
der übrigens unverffilscht erhaltenen Aussprüche Jesa
fiele, sondern an Einer Stelle wenigstens hat er, cwur
dunkel, aber doch unverkennbar, die Vorausbeceicbnung
seines Todes als Kreuzestodes ihm in den Mund gelegt,
mithin die eigenen Worte Jesu nach dem Erfolge verün-
dort. Wenn nfimlich «Jesus bei Johannes sonst passivisch
von einem vipojd-ijvai des Menschensohns spricht : so konnte
er hiemit ewar möglicherweise seine Erhebung sur Herr-
lichkeit meinen, wiewohl diefs 3, 14. wegen der Yergiei-
chung mit der mosaischen Schlange, die bekanntlich sn
einer Stange erhöht worden ist, bereits schwer ffillt; aber
wenn er nun 6, 28. das Erhöhen des Menschensobns sli
That seiner Feinde darstellt (Ikav vf^dar^re tov viov t. »)•
so konnten diese ihn nicht unmittelbar eur HerrKcbkeit,
sondern nur cum Kreuz erheben, und Johannes mufs siso,
wenn unser obiges Ergebnifs gelten soll, diesen Ausdrock
selbst gebildet, oder doch die aramäischen Worte Jeso
schief übersetzt haben, und er füllt daher mit den Synop-
tikern im Wesentlichen unter Eine Kategorie. Dafs er fibri-
gens gröfstentheils das Bestimmte, was eif sich dabei dschte,
Jesum in dunkeln Ausdrücken vortragen liefs , diefs hst
in der ganzen Manier dieses Evangelisten seinen Grand,
dessen Neigung cum Rlithselhaften und Mysteriösen hier
der Forderung, Weissagungen, die nicht verstanden wer-
den waren, auch unverständlich einzurichten, auf e^
wünschte Art entgegenkam.
11) Bbhtholdt, Einleitung in d. N. T. S. 1505 ff.; \Vb«8CHBidir,
Einlcit. in das Evang. Johannis, S. 271 i.
Erstes Kupitel. $. 109. Sa9
Jesu Hilf diese Wrise eine VorherirerkOndigang der
einseinen Zfige seines Leidens ^ namentlich der schmacb-
vollen Kreocigong) aas dem Erfolge heraas in den Mond
SU legen, dasa war diei arcbristiiche Sage hinlänglich ver«
anlaf:it. Je mehr der gekreuzigte Christos ^lisduuni; fitp
u/crJa/or, "Eili^ai dl fuoQia war (1 Kor. 1, 23.): desto
■ehr that es Nofh, diesen Anstofs auf hIIo W'eise hinweg-
lOdchsffen, ond wie biesa anter dem Machhergesebeheaen
besonders die Auferstehang, als gleichsam die nachtrug*
liebe Aafliebung jenes schmacb?ollen Todes, diente: so
mufste es erwünscht sein , jener anstöfsigen Katastrophe
attch schon vorlSofig den Srachel so benehmen, was
nicht besser, als durch eine solche in*s Einzelne gebende
Vorherverkflndigong, geschehen konnte. Denn uie das
üiibedeotendste , prophetisch voraas verkfindigt, durch sol«
che Aufnahme in den Zusammenhang eines höheren Wis-
sens Bedeutung gewinnt: so hört das Sobmihlichste , so-
bald es als Moment eines göttlichen Heilplans vorhergesagt
wird^ aufj achmfihllcb eu sein ; und wenn dann vollends
ebeo derjenige, fiber welchen es verhfingt ist, eugleich
den prophetiachen Geist besitzt, es voraoseuseben und vor-
aossQsagen : so beweist er sich, indem er nicht blofs leidet,
sondern auch das göttliche Wiissen um sein Leiden ist,
sli die ideale Macht über dasselbe. Noch weiter ist hierin
der vierte Evangelist gegangen, indem er es der Ehre Jesu
schoidig so sein glaubte," ihn auch als die reale Macht
Über sein Leiden , als denjenigen , welchem nicht fremde
Gewalt die V/i; entreifse, sondern der sie mit freiem
Willen hingebe, darzustellen (10, 17 f.); eine Darstellung,
2u welcher flbrigens Matth. 26, 53. , wo Jesus die Mög-
lichkeit behauptet, zu Abwendung seines Leidens den Va*
^r um Engellegiooen so bitten, bereits ein AnsatE ist.
SSO ^ Dritter Abtobuitt.
\
$. 110.
Jesu Todesverkündigung im Allgemeinen ; ibr Verhältniis zu den
jUditcben Messiasbegrißen ; Aussprüche Jesu über den Zweck
und die AVirkungen seines Todes.
Zieben wir auf diese Weise Toii den Aeufserongen,
welche die Evangelisten Jesu über sein berorstebendei
Schicksal in den Mund legen, alles dasjenige ab, was die
iifihere Bestimmtheit dieser Katastrophe betrifft : so bleibt
uns doch noch so Tiel, data Jesus fiberbaupt vorber?e^
hfindigt habe, ihm stehe Leiden und Tod bevor, und zwar
insofern in den \, T. lieben Orakeln dem Messias ein lol
ches Schicksal vorausbestimmt sei. Da nun aber die an-
gefahrten A. T. liehen Hanptstellcn , welche von Leiden
and Tod handeln, nur mit Unrecht auf den Messias bezo-
gen werden, und auch andere, wie Dan. 9, 26, Zach. 12,
10, diese Beziehung nicht haben ^): so werden sich wie«
derum gerade die Orthodoxen am meisten hüten müssen,
dem übernatürlichen Princip in Jesu eine so falsche l)ea-
tnng der betreffenden Weissagungen eueoschreiben. Dsfs
statt dessen Jesus möglicherweise durch rein natürliche
Cumblnation das allgemeine Ergebnifs herausgebracht ha-
ben könnte: da er die Hierarchie seines Volkes sich sor
unversöhnlichen Feindin gemacht, so habe er^ sofern er
aus der Bahn seines Berufs nicht au weichen fest est*
schlössen war, von ihrer Rachsucht und Uebei macht d«s
Aenfserste zu fürehten (Job. 10, 11 ff.); ^^^^ ^^ ^^^ ^^®
Schicksal früherer Propheten (Matth. 5, 12 21, 33 ff. Loe.
13, 33 f.), und einselneo dahin gedeuteten Weissagungen,
auch sich ein fthnllches finde prognosticiren , and demgs-
mäfs den Seinigen voraussagen konnte, es stehe ihm früher
oder spiiter ein gewaltsamer Tod bevor, '—' das sollte man
nichl'-iiiehr mit unnöthiger Ueberspannong des aupraoato-
i) Daniel, übersrlzt und erklärt von Berthoi.dt , 2, S. hU ^
660 C j •RosRNMÜLLÄii, Schol in V. T. 7, 4, S. 539 tf-
£r«tef Kapitel. $. 110. 331
rtltitiicheii Standponktt läogneo , aoriddrn der rationalea
Betnichtang«wet»e der Sache einrfiumeii '>
Es kaon auffiillen, wenn wir nach dleiem Zugeatlod-
nifs noeh die Frage maeheo j ob es der N. T. lieben Dar»
itellung cufulge aucb wahrtclieinlich sei, dafs Jesus %virk«
iich jene Voranssage gegeben habe? da ja eine ellgemeine
VorherrerkQndignng des gewaltsamen Todes das Mindeste
Mt, was die eirangeiiscben Nachrichten zu enthalten schei«
oen. Die Meinnng mit dieser Frage ist aber die, ob der
Krfsig, namendich das Benehmen der Jflngcr, in den
Evsogelien so beschrieben werde, dafs eine yoraasgegan*
gene Erdffnong Jean iber sein bevorstehendes Leiden da»
Mit vereinbar sei? Von den Jfingern non bemerken die
Kvsngelisten aHsdrfiokiieh , dafs sie in die Reden Jesa von
deu ihm bevorstehenden Tode und der Auferstehung sich
Bicbt allein nicht haben finden können, in dem Sinne, dafs
lie die Sache sieh uiclit sui echtsulegen , mit ihren vorge-
faCiteu Messiasbegriflfen nicht s« reimen wuffl^ten , wie Pe-
tras, wenn er Jesu auf die erste Todesverkündigung hin
Burief: iXeiig ooiy KvqW & firj i'gu^ ooi imo (Matth. 16,
tl); sondero , wenn Lukas das oi d^. i]yv6^ ro {iijfia des
Markos (9, 32.) so weiter ausführt : xai 7;v Tiaouxexalvfi-
/rtW uTt avTwv ha fifj aioO'un'zai uiio ißy 45.)> oder wenn
er ein andermal sagt : xul avtoi ödiv nsrtjv omi^xaVy xai
i,v 10 ^fjua ruro xexQriiiidroi' d/i avu^iv, xul hx iyivoMJxov
zff Isyofiei'a CiS , 34.) : so tautet diefs so , als hätten die
Jünger gar nicht verstanden, wovon die Rede war. —
So trifit sie denn auch hernach die Verurtheiinng und
Hinrichtung Jesu völlig unvorbereitet, und vernichtet defs-
wegen alle Hoffnungen, die sie auf ihn als Messias gesetEt
kttten CLue« 24 , 20 f . : igavQcouav avrov r^fisJg öi Tjlm^o-
//«', ort avfog iqiv 6 /hHJaov XvtQÖaO^ai tov ^laQur^ly Allein,
2) Da Wbtti, de morte Christi cxpiatoria, in dessen Opuseuia
tkeol , p. 150 9 Hasb; L/ J. ^. 106-
»t Dritter Abschoitt.
hatte Jesai mit den Jfingern lo gans nafl^rflUf (Mare. 8,
32.) von aeineni Tode gesprochen, so mofsten sie leim
klaren Worte und ansführlichen Reden nothwendig auch
fasten, und hatte er ihnen flberdiefii seinen Tod als g^
gründet in den messianisehen Weissagungen des A. T,
mithin cor Bestimronng des Messias gehl^rig, nscbgewie-
•en (Loe. 18, 31. 22, 37.) 9 >o konnten sie nach seinen
wirklich erfolgten Tode den Glauben an seine Messianitit
nicht so ganc verlieren. Mit Unrecht ewar hat der Wol*
fenbfittler Fragmentist in dem Benehmen Jesu, wie ea die
£rangeli8ten schildern, Spuren auffinden wollen, dafs noch
Ihm selbst sein Tod unerwartet gekommen sei; aber, blofs
auf das Benehmen der JOnger gesehen , wird der Folge-
rung , welche er aieht , schwer aussnweichen sein : dub
nimlich, nach demselben cu urtheilen, Jesus den Jfingern
keine vorlüofige Alittheilung Ober seinen bevorstehenden
Tod gemacht haben könne, sondern sie scheinen bis sof
die letate Zeit hinaus in diesem Stttcke die gewöhnliche
Ansicht gehabt, und erst nachdem sie der Tod Jesu uner-
wartet getroffen, aus dem Erfolge das Merkmal des Lei-
dens und Sterbens in ihren Messiasbegriff aufgenomoien
en haben ^). Allerdings mfissen wir hier das Dilemmi
stellen : entweder sind die Angaben der Evangelisten von
dem Nichfverstehen der Jfinger und ihrer Ueberrnschon|f
bei'm Tode Jesu unhistorisch flbertrieben, oder sind die
bestimmten Ausspräche Jesu über den Ihm bevorsteheodea
Tod ex eventu gemacht, und selbst das wird sweifelhaft, ob
er auch nur im Allgemeinen seinen Tod als an seinem roessis-
nischen Schickssl gehörig vorhergesagt habe. In beiden Hin-
sichten konnte die Ssge zu nnbistor Ischen Darstellungen ver^
anlafst sein: zur Erdichtung einer Voraussage seines Todes
im Allgemeinen durch dieselben (jründe, welche oben als
otive geltend gemacht worden sind , ihm die Vorberver-
3) Vom Zweck Jesu und seiner Jüngery S. 114 ff. 153 f-
l
Erates Kapitel. $• HO. Z%%
kOndtgang der einKeliieii Züge seines Leldena in den Mund
ca legen; cur Ficdon einet so Tölligen Unverstandes von
Seiten der Jfinger aber lionnte man sieh tbeils durch di«
Neigong Teranlafst sehen, die Tiefe des von Jesu eröffne-
ten Mysteriums von einem leidenden Messias mittelst des
Nicbtversteheus der Jünger jen heben, tbeils dadurch, dafa
■an in der evangelischen VerlLÜudignng die Jünger vor
der Aosgielsnng des Geistes den eu belKchrenden Juden
and Heiden verähnlichte , welche alles eher, als den Tod
des Messias, begreifen l&onnten.
Dm dieaes Dilemma einer Entscheidung entgegeosn«
ffihren, müsaen i«ir suvtirderst die danialigeo Zeitvorstel-
longen über den Messias darauf ansehen, ob wohl daa
Merkmal des Leidens und Sterbens schon vor und unab-
hingig von Jesu Tod in denselben enthalten war oder
oicht War es schon au Lebaeiten Jesu jüdische Vorstel*
long, dafa der Messias eines gewaltsamen Todea aterben
mfisse: so hat es alle Wahrscheinlichkeit, dafa auch Jesus
diese Vorstellung in seine Ueberzeugung aufgenommen und
leioen Jüngern mifgetheilt habe, welche dann um so we*
aiger In diesem Stücke so unbelehrt bleiben und vom
wirklichen Erfolge so gana darniedergeschlagen werden
konnten; war dagegen jene Vorstellung vor Jesu Tode
nicht unter seinen Landsleuten verbreitet: so bleibt es
cwar immer noch möglich, dafs Jesus durch eigenes Nach*
denken auf dieselbe kommen konnte, aber eben so mög-
lich ist dann vorerst, dafs die Jünger erst nach dfim Er-
folg das Merkmal des Leidens und Todes in ihren Messias«
begriff aufgenommen haben.
Die Frage, ob die Vorstellung von einem leidenden
ond sterbenden Messias au Jesu Zeit bereits unter den Ja«
den verbreitet gewesen sei, gehört zu den schwierigsten,
und über welche die Theologen ' noch am wenigsten zum
Einverständnifs gekommen sind. Und zwar liegt die
SchHierigkeit der Frage nicht in theologischem Partei lü-
SS4 Dritter Abaolinitt.
teresse, fo Aaü luaii hoffen könnte, mit dem Aofkomnien
nnperteiischer Fortchung werde «ich die Verwicklung l«%
een : da vielmehr , wie Staüdlin treffend nachgewiesen
hat ^)j sowohl das orthodoxe als das rationalittlsohe Inter-
esse Jedes auf beide Seiten hintreiben kann; wefiiwegen
wir denn auch anf beiden Seiten Theologen von beiden
Parteien finden ^): sondern die Schwierigkeit der Sache
liegt in dem Mangel an Nachrichten, and in der Unsicher*
heit derjenigen, welche vorhanden sind. Wenn das alte
Testament die Lehre von einem leidenden und sterbenden
Messias enthielte , so würde hieraus allerdings mit mehr
als blofser Wahrscheinliehkeil folgen ^ dafs sie auch unter
den Juden zu Jesu Zeit vorhanden gewesen: so hingegen,
da nach den neuesten Untersuchungen wohl die Lehre
von einer in der messianischen Zeit vorsunehmenden S8h-
nung des Volkes (Esech. 36, 25. 37, 23. Zach. 13, 1. Dan.
9, 24.) sieb im A. T. findet, aber keine Spur davon, daf«
diese SOhnung durch Leiden und Tod des Messias au
Stande kommen solle ^) : so ist von dieser Seite her keine
Entscheidung der vorgelegten Frage ku erwarten. M£her
liegen der Zelt Jesu die A. T.lichien Apokryphen: aber
da diese Überhaupt vom Messias schweigen, ao kann t^uch
von jenem speciellen Zog im Bilde desseiben keine Rede
4) lieber den Zweck und d>e Wirkungen des Todes Jesu, in der
Götlingischen Bibliothek, 1, 4, S. 252 ff.
5) s. das Verzeichniss bei db Wsits, a. a. 0. S. 6 ff. Die be-
deutendsten Stimmen für das Vorhandensein der fraglichen
Vorstellung schon zu Lebzeiten Jesu haben abgegeben StÄi»-
LiN in der angef. Abh. in der Gott. Biblfoth. 1, S. 255 0*. und
HsK68TSKBKR6, Christologie des ^. T. , 1, a, S. 270 ff- K
S. 290 ff. ; für die entgegengesetzte Ansicht ns Witts , in
der angef. Abb., Opusc. S. 1 ff.
6) Vgl. DB Wbttb, bibl. Dogm. §. 201 f. ; Baumsabtbk-Ciiosic$>
bibl. Thcol. §. 54.
^
Erstes Kapi tel. $. 110.
sein '); $0 wie auüli vou den beiden das fragliche Zeit- ^
alter am nüchsten berQbrenden Sehrifutellero , Philo und
JosephttSy der letztere die neteianitchen Hoffnungen aei-
ner Nation verschweigt^;, der eratere wohl measlaniache
Zeiten and einen measiasartigen Helden, aber nichts von
eioem Leiden desselben bat ^). Ea bleiben also nur das
N. T. und dio spSteren jfidischen Schriften «Is ttaellen
fibri^.
Im M. T. hat es fast dnrchana das Ansehen, als hätte
an einen leidenden und sterbenden Messias unter den- mit
Jesu lebenden Juden Niemand gedacht. Wenn der Mehr-
uhl dcir Juden die Lehre vom gekreuzigten Messias ein
oxui'jaln» war; wenn die Jfinger Jesu in seine wiederhol-
ten deutlichen Todesverkttndigungen steh nicht finden
konnten: so sieht diefs doch gar nicht aus, als ob die
Lehre von einem leidenden Messias unter den Juden je-
ner Zeit in Umlauf gewesen wfire; vielmehr stimmt mit
diesen Umständen die Behauptung vällig überein , welche
der vierte Evangelist dem jüdischen ox^'oü in den Mund
legt (12, 34.) : sie haben aus dem ivofdog gelernt, ort o X(fi'
?o^' liivei €ig tov gioiva ^^). Doch eine allgemeine Geltung
der Idee dea leidenden Messias unter den damaligen Juden
behaopten auch jene Theologen nicht ; sondern , die Hoff-
OQng auf einen weltlichen, endlos regierenden Mossims
US die herrschende einräumend, halten sie nur daran fest,
worin selbst der Wolfenbüttler Fragmentist ntit ihnen fiber-
einstimmt ^*) , dafs eine minder eahlreiche Partei , nach
7) s. OB WsTTi, a. a. 0. $. 189 fit.
8) Vgl. ]>| Warra, a. a. O. §. 193.
9) üiraoRBR, Philo, !, S. 495 Ü".
10) Eine Stelle aus dem eigentlichen rofio^ möchte hier schwer
zu finden sein: db Wbitb , de morte, S. 72. denkt an Jes.
9, 5.; LCcKB, z. d. St. an Fs. 110> 4. Dan. 7, 14. ty 44.
11) Vom Zweck Jesu und seiner Jünger, S. 179 f.
3S6 Dritter Absohnitt.
Staudlin namentlich die Essener, nac^h Ukngstrnbbrg d«r
bessere, erleuchtetere Theil des Volks überhaujir, el-
nen solchen Messias Angenommen habe, m elcher aunüchit
in Niedrigkeit erscheineni und erst dureh Leiden und Tod
2or Herrlichkeit eingehen würde. Hieför beraft man sich
besonders auf ei%ei Stellen: eine aus dem dritten, und eine
AUS dem vierten Evangelium. Wie Jesus als unmflndigei
Kind im Tempel zu Jerusalem "dargestellt wird, spricht
der greise Simeon unter andern Weissagungen, nament-
lich ober den Widerspruch, welchen ihr Sohn einst
finden werde, zu Maria auch die Worte: xai ai d'f
avii;g ttjv ipr^r/v di^evaetai (jofjquicc (Luc. 2, So.); w«
durch ihr mfitcerlicher Schmers über den Tod ihres Sob
nes beseichnef, also die Ansicht, dafs dem Messias ein ge-
waltsamer Tod bevorstehe, als eine schon vor Christo vor
handene dargestellt zu werden scheint. Noch deutlicher
liegt die Idee von einem leidenden Messias in den Wor-
ten, welche das vierte Evangelium den Täufer beim An
blick Jesu sprechen Ififal-, er sei o dftrog xü O^eS 6 ai(NA
ti^v dji/aQTiav lü xoofiu (1, 29.) r ein Ausspruch,' welcher,
in seiner Beziehung auf Jes. 53«, im Munde des Taufen
gleichfalls dafür sprechen wflrde, dafs die Vorstellung ei-
nes söhnenden Leidens des Messias schon vor Jesu 'Tor
banden gewesen sei. Allein beide Stellen sind bereits oben
als unhistorisch nachgewiesen, und es darf daraas, daf« die
urchristliche Sa^e «geraume Zeit nach dem Erfolge sich
bewogen fand, Personen, welche sie für gottbegei^terte
hielt, eine Vorkenntnifs des göttlichen Rathschlusses hin-
sichtlich des Todes Jesu in den Mund zu legen, keines-
wegs gefolgert %% erden, daf« wirklich schon vor dem Tode
Jesu diese Einsicht vorhanden gewesen. — Scbliefslich
wird das noch geltend gemHcht, dafs doch die Evangelisten
iind Apostel die Idee eines leidenden und sterbenden Mes
Sias im A. T. nachweisen ; woraus man schllefsen zu d&r-
fen glaubt, dafs diese Deutung- der betreffenden A. T.licfaeu
Erstes KaptteJ« S- HO. <S7
Seellea ooter den Joden nicht nnerhörC gewesen sei. Al-
krdiogs bernfen siehPetros (A.6. 3, IS. 1. Petr. 1, 11 f.)
ood Paulus (A. 6. 26, 82 f. l.Kor. 15, S.) anf IMoses and
die Propheten als Verkllndiger des Todes Jesu, und Phi-
lippos deutet dem äthiopischen Eunuchen die Stelle Jes. 53.
•sf die Leiden Christi (A. ti. S, 35.) : allein , da die ge-
Bannten Männer alles diefs nach dem Brfalge sprachen
«nd schnellen, so haben wir keine Sicherheit, ob sie nicht
aoch blofs.aus dem Erfolge heraus, und ohne sieb an doe
«nter ihren jadischen Zeitgenossen fl bliche Anslegungs*
webe ansuschliersen , jenen A. T. liehen Stellen eine Be«
liebong auf das Leiden des Messias gegeben haben ^^.
Wenn auf diese Weise die Annahme, dafs die in Frage
•tebende Idee schon an Jesu Lebzeiten anter seinen Volke-
genossen vorhanden gewesen sei, Im N. T. keinen festen
Grand hat, so fragt sich Jet£t, ob ein solcher vielleicht In
den späteren jfldlscben Schriften nn finden ist« Zu den
iltesten uns fibrigen Schriften dieser Klasse gehören die
beiden chaidftischen Paraphrasen von Onkelos and Jona-
than, und voBi diesen pflegt das Targum des let£teren, der
rabbinischen Tradition zufolge eines Schülers von Hillel
d. i. "), fBr die Vorstellung von einem leidenden Messias
deriwegen angefahrt £a werden, weil es die Stelle Jos.
52, 13 — 53 y 12. auf den Messlas besieheb Allein mit der
Aoslegung dieser Stelle im Targum Jonathan hat es die
eigene JBewnndtnifs, dafs dasselbe awar den Abschnitt im
Aligeraelnen messlanisch deutet, so oft aber von Leiden
snd Tod die Rede wird, recht absichtlich ond meistens
hdehst gewaltsam entweder diese Begriffe vermeidet, oder
infein anderes Subject, das Volk Israel, ausbeugt: aum
deotlichen Beweise ^ dafs dem Verfasser Leiden und ge-
12) s. Ol Wim, de morle Chr. p. 73' f.
U) Vgl. GsasHics, Jessiaa, 2. Tbl., S. 66; an ^Wana, linleitung
in das A. T. ^. 59. 3te Autg.
Hot leAsn j€m Ite Aufl. iL Band. 22
3»^
Dritter Abschnitt.
waltsttmer Tod mit dein Begriff des RÜeseias noTereinbur
geschienen «habe^ ^*)« Doch dieb soll eben der Anfang der
Abirmng vom wahren Sinne des Orakels sein, eu welcher
die späteren Juden ihr fleischlicher Sinn und die Oppo-
sition geg^n das Christenthum verleitet habe: die filteren
Ausleger haben , sagt man , in der jesaianischen Stelle ei-
nen leidendeii . und sterbenden Messias gefunden. Aller-
dings beeeugen Abenesra, Abarbanel und Andre, manche
alte Lehrbr haben Jes. 5^ auf den Messias bezogen '^J:
allein einigt diteer Angaben lassen dunkel, ob nicht eben-
so blofs. stftckweise, v^ie Jonathan, und bei allen bleibt
jBweifelbaft, ob die ErkUrer, von denen sie sprechen, aom
Alter Jonathan!a hinaufreichen, was ohnehin von den Tbei-
len d(^s. Bachs Sohar, welche die bcEeichnete Steile aof
Wörtliche übers, nach Hitzi» :
» • . ■» •, ^ ^
^ h%y f4; Gleichwie sich Viele
vor ihm entsetzten, also
entstellt y nicht menschlich,
war sein Ansehen, und sei-
' «e Gestalt taicht die derMen-
schenKindef u. s. f.
53, 4 : Allein unsre Krank-
heiten er trug sie, und un
sere Schmerzen lud er sich
auf, und wir achteten ihn
geschlagen, getrolFeavon Gott,
und gequält.
Targnm Jonathan:
Quemadmüdum per muHot
dies ipsum exapectäruni
israe'litae, quorum ctm-
tabuit inter gentes adspeetus
et splendor (et evanuUJ e fiäii
h&minum etc.
idcirco pro delictU nosiHt
ipse deprecabitur 9 et ini-
quttates nostraep ropter eum
condonabuntur, licet not
reputati simtut contusi, plagU
affecti et afflictL
Auch Origenes erzählt , c. Geis. 1 , 55 : wie ein l^yo/avoi jra^
^In^aioi: ao(fHJi seiner christlichen Deutung der jesaianischen Stelle
Witgegen gehalten habe: ravTa ntn^wftittva^ai «? nt^ «»d» t« t-i*
15) n. hei Snaif rrsn« , 2, S. 182 f. ; EistwÄSKwa , entdecktes Jn-
denlhum, 2, S. 758. * '
Erjtes Kapitel. $. 110. 339
den leidaoden Messias deoten **), anwahrscheinlieh ist.
Diejenige Schrift aber, welche neben Jonathan noch am
nächiten an die Zeit Jesu hinanreichen möchte, das
pieodepigraphische Vierte Bnch Esra, der wahrscheinlichsten
Rechnung snfolge linrs nach der Zerstörung Jerusalems
onter Titas ahgefafst ^') , erwähnt awar des Todes des
Messias, aber nicht eines leidensroUen , sondern nur eines
solchen , wie er nach der langen Daner des messianischen
Reichs der allgemeinen Anferstehnng vorangehen sollte ^^.
Die Vorstellung von groben Drangsalen allerdings, welche
gleichssm als tiebnrtswehen des Messlas OTtTün wSHy vgl.
ao//; lüdivorv Matth. 24, 8.) ^^^ messianischen Zeit voran*
gehen würden, ist ohne Zweifel schon vor Christo verbrei«
tet gewesen *') , und ebenso frfihe scheint an die Spitae
dieser, besonders das Volk Israel bedrängenden Oebel der
ortiXQi^og gestellt worden au sein, welchen der XQigog an
bekämpfen haben würde (2 Thess. 2, 3 flF.) ^^: aber, in-
dem er denselben auf übernatürliche Weise, t([} Ttvei^iun
vi zoiiaios avzSj vernichten sollte, so war hierin noch
kein Leiden fiQr den Messias enthalten. Dennoch finden
sich Stelleu , in welchen von einem Leiden des Messias,
snd £war von einem stellvertretenden für das Volk, die
Rede ist >^) ; allein theils ist diefs nur ein Leiden , kein
Sterben des Messias; theils triflPt es denselben entweder
vor seiner Herabkunft in das/ Irdische Leben, in seiner
Präexistens 2^, oder in der Verborgenheit, in welcher w
16) bei ScmUttmh, 2, S. J81 f.
17) Dl Witts, de morte Chr. expiatoris, a. s. O. S. 50.
18) Cap. 7, 29.
19) ScHÖTT^Bif , 2, S. 509 ff. y Schmidt , Christologische Fragmen-
te, in seiner Bibliothek, i , S. 24 ff. ^ Biatholot, Ghristol.
Jud. $. 13.
30) SciiBUDT, a. a. O. ; Bbhtuoldt, a. a. O. §. 16.
3t) Pesikta in Abkath Rochel, hei Schmidt, S. 47 1.
32) Sobar, P. 2, S5, 2., bei Schmidt, S, kS f.
940 Driffer Abtebnirt.
•ich von seiner Gebart bis £a seinem messisntschen Aof
tritt hfilt^'), theils ist das Alter dieser Vorstellnngen Bw<>b
felbaft, nnd sie kdnnten nach einigen Sparen erst von der
Zerstörung des jüdischen Staats durch Titas sich so da-
tiren scheinen '*). Indessen fehlt es in jOdifichen Schriften
keineswegs an Stellen, in iwelchen geradeso behauptet
wird, dafs ein Messias anf gewaltsame Weise omliomnen
werde: ailein diese betreflfen nicht den eigentlichen Me^
•ias, den Abkömmling Davids, sondern einen andern, soi
der Nachkommenschaft Josephs and Ephraims, welcher
dem ersteren in antergeordneterStellung beigegeben wurde.
Dieser Messlas ben Joseph sollte dem Messias ben Dattd
vorangehen, die zehn Stumme des ehemaligen Reichs l«rsel
mit den swei Stämmen des Reichs Jnda vereinigen , hie^
auf aber im Kriege gegen Gog and Magog durch du
Schwert umkommen, worauf die Stelle Zach. 12, 10. be-
sogen wurde ^^> Doch von diesem swelten , sterbenden
Messias fehlen vor der babylonischen Gemara , welche im
5ten und 6ten Jahrhundert nach Christo gesammelt ist,
nnd dem in Beaug auf sein Alfer höchst Bweifelhaften Bn-
che Sohar, die sicheren Spuren -%
So wenig es hienach sich nachweisen läfst, oder aueh
aar wahrscheinlich gefunden werden kann, dafs die Vor-
stellung eines leidenden und sterbenden Messias bu Jen
Zeit schon unter seinen Volksgenossen vorhunden gewesen:
so bleibt doch nicht blofs an sich möglich, dafs Jesat
33) Gemara Sanhedrin f. 98 , 1. bei di Wbttb, de morte Chr.,
p. 95 f. f und bei Hkkgstixbbrg, S. 292.
24) Sohar, P. 2, f. 82, 2. bei db Wkttb , S. 94 : Cum IsrailitM
essent in terra sancta, per ctiitus religiosos et sacrificia quoM
fadebant, omnes iäos morbos et poeruu e mundo MustuUnmif
nunc vero Messias debet auferre eas ab hanUnibus»
US) «• Bbrtroldt, a. a. 0. ^. 17.
26) DB WbttB; de morte Chr. p. 112. vgl. 55 ff.
Erstes KapiteL S- U^ *^l
«■eh ohne solchen Vorgang, ans sieh selbst faerans, doreh
Beobachtong der Verhältnisse und Vergleiehung d<;rselbeM
mit A. T. liehen Weissagongen, auf den Gedanken gekom-
nen fein kann, es gehd/*e Bor Bestimmong ond dem Amte
dei Messias Leiden und Sterben; sondern wir werden
aoeb doreh die Erwägung seines Planes nnd Verfahrens
auf diese Annahme fast mit Nothwendigkeit hingeffihrt
Hafte er, wfe gehörigen Orts bewiesen worden, sieh selbst
nit Bestimmtheit als Messias gefafst, nnd Bwar so, 'dafs
er die sinnlich politische Messiasidee seiner Landsleote für
iich voUstfindig fiberwunden und vergeistigt hatte : so ISfst
•iuh die Zorflckhaltung mit den Erklärungen seiner Mes-
lianitat, so wie die sparsamen Winke Bur Berichtigung
der irdischen Messiashoft'nungen seiner Jdnger, nur daraus
erklären, dafs er seinem gewaltsamen Tode, als dem ^hat«
iiohlichen und kräftigsten Correctiv dieser Irrthflmer, ent-
^^gensähm lUtte er nun freilich diese Voraussicht mit so
Hdrren und ausführlichen Worten, wie die Synoptiker er-
sShlen, seinen Jüngern mitgetheilt, so wfirde ihr haif
Dückiges Nichtverstehen und ihr Benehmen nach dem Ein«
tritte des Erfolges nicht su begreifen sein; wogegen kurce
und dunkle Andeutungen eines ihren MessiasbegriflTen so
durchaus entgegenlaufenden Schicksals ihnen eher unrer«
stündlich bleiben konnten. In diesem Betrachte scheint
"Qn, wie schon oben erwähnt worden ist, der Ruhm der
richtigeren nnd genaueren Darstellung dem vierten Eran-
getiam BUBufallen. Allein sind seine Todesrerkfindigungen
glf^ich für die Hörenden unbestimmt genug: $o sind sie
doch für den Sprechenden, ffir Jesus, bu bestimmt, da cum
Behufe deraelben , wie gleichfalls schon bemerkt , Jesus
«einen Tod bestimmt in Form der Kreuaigung Foraosge«
lehen hallen mfifste; so dafs vielmehr die Synoptiker ne-
ben den gemachten ansfQhrlichen Vorhersagen sugleich
die ursprflnglicben kuraen oder bildliehen Winke aufbe-
^▼•hrt haben , mit welchen Jesus auf seinen bevorstehen-
349 Dritier Abaehoitt. .
den JTod hinwies, in Stellen wie Matth. '9, 15: orcrr
a;caQd^fj aji atkfoy 6 vvfAffiog x. x. A.; Luc, 13, 32: ich
wirke noch heute und morgen, xai %rj TQiir] rUtisuai'
7i?^/jv — öx ivdiyerai TtQOcpr^upf dnoUad-at i%io %Qoaah'jft\
endlich in der Parabel von den rebellischen Weingfirtnern,
welche aufser den Knechten auch den Sohn ihres Herrui
der offenbar den Messias, Jesus, selbst bedeutet, erscbli-
gen CMatth. 21, 3S.>
Auch in Besog auf die Aeufserungen Jesu aber den
Zweck und die Wirkungen seines Todes können wir, wie
oben .bei der Vorherverkfindigung des Todes selbst , einen
mehr natürlichen Gesichtspunkt von einem mehr suprsni-
turalistischen unterscheiden. Wenp Jesus im vierten Evan-
gelinm sich mit dem treuen Hirten vergleicht, der für seine
Schafe das Leben lasse (10, 11. 15.): eo kann diefs den
gans natürlichen Sinn haben, dafs er von seinem Hirten*
und Lehramte nicht au weichen gesonnen sei, sollte noch
in Führung desselben der Tod ihm drohen (moraÜMhe
Nothwendigkeit seines Todes) *7) ; der ahnungsvolle Ans«
Spruch in demselben Evangelium (12, 24.), wenn das Wai-
senkorn nicht in die Erde fallend ersterbe, bleibe es ein-
sam, ersterbe es aber, so bringe es viele Frucht, Ififst eine
ebenso rationelle Erklärung von der siegenden Kraft jedes
Blfirtyrertods für eine Idee und Deberzeogung eu (mora*
iische Wirksamkeit seines Todes) ^^); endlich, was sich
in den johanneisehen Abschiedsreden so oft wiederholt, es
sei den Jüngern gut, dafs Jesus hingehe, denn ohne seinen
Hingang könnte der TtaQaxlr/tog nicht an ihnen kommen,
der ihn in ihnen verklären, und sie in alle Wahrheit leiten
werde, darin könnte man die gans natürliche Ueberlegang
Jesu finden , dafs ohne die Aufhebung seiner sinnlichen
tiegenwart die bis dahin noch so sinnlichen messianiscben
27) Hasb, I^. J. $. 108.
28) Ders. cbcndaa.
Erstet KapiteL $. 110. S48
VonteliniigeD seioer Jünger Dioht vergdbtlgt vv^rden wlfr^
den (psyohoiogiiche Wirksamkeit teinef TodeO ''>. Mehr
der tupranetaralistischen Betnicbtangsweise gehört dasje-
nige an, was JesQs bei der Stiftung des AbendttaUs -spricht«
Denn wenn zvrar das, was die mittlaren firaogelisten ihi|
klebst sagen lassen , dafs das dargereichte . noti^ov rö
Qi^u ti^^ xamjg itud^rpcr^i; (Maro. 14, 24)^ r^ y.aivjlj dtadtpoi
iv uft uijuccTi aiVj (Lue. 22, 20.) 9 '«^ nur so Fiel an be*
deoten scheinen könnte: wie durch die blutigen Opfer am
Sinai der Bund des alten Volkes mit Gott, so werde durch
•ein, des Messias, Blut in höherer Weise der Bund der neuen
um Ihn steh sammelnden Gemeinde besiegelt: so verschmilst
hingegen in dem Berichte des Matthius, wenn er (26, 26»)
Jeium hinaosetzen Iftfst, sein Blut werde rergossen ffl^
Viele eig arp^aiv aftaQiu^fVy die Vorstellung des Bunde»»
Opfers mit der Ton einem Sfihnopfer, vnd auch bM den
beiden andern ist durch den Zusats: ro ae(fi nolkoßv oder
vniQ i\ii^ £x;rtTo^6vov, über das blofse Bondesopfer aum
Sohnopfer hinausge|j[angen« Wenn ferner im ersten KtsO)*
^elium (20, 2S*) Jesus sagt, er mflsse davai tt^ ^pv^r/v
Olli XvTQcfv ani no'Ü.wri so ist diefs ohne Zwelftl auf
Jes. 53. rn beafehen , wo , nach einer , dem HebrXer auch
«onst geläufigen Vorstellung (Jes. 43, 3. Fror« 21, 18.),
dem Tode des Knechtes Jehova s eine sfihnende Bealehnng
iof die fibrige Menschheit gegeben wirf^.
Hienach könnte Jesus durch psychologische Reflexion
dsrauf gekommen sein , ' wie autrXglich der geistigen £nt*
Wicklung seiner Jünger, wie nnerläfsilch sur Vergeisti-
gung ihrer Messiasrorstellnngen , eine solche Katastrophe
sein werde, und nationalen Vorstellungen gemfifs mit Be-
rOeksiehtigong A. T. lieber Stellen seihst* auf die Idee ei<
ner sühnenden Kraft seines messianischen Todes. Indessen
könnte doch namentlieh das, was die Synoptiker Jesum'
39) Der», rbendaü. und f. 109.
144 'Dritter Abschnitt.
TOD meinem Tod aIi Sobnopfer SAgen luMeoi mehr dea
nach Jeso Tode aosgebildeten System anzogehören, ond
WM der vierte Erangelist ihm Über die Beeiehung teinei
Todes Bom ParalLlet in den. Mond legt, ex evemtu gesagt
SU sein scheinen; so dafs auch bei diesen Aossprttcbeo
Jesn lli>er den Zweck seines Todes eine Sonderung d«
Allgemeinen vom Speciellen vorgenommen werd^ müfsla.
S. 111.
Bestinimtä Au$$ppüche Jesu über seine künftige Auferstehung.
Mit nicht minder klaren Worten als seinen Tod und
mit einer besonders genauen Zeitbestimmung^ bat den evsn-
geUschen Nachrichten sufolge Jesus auch seine Auferste-
hung vorauaverkflndigt. So oft er seinea JOngero sagte»
des Menschen Solm werde am Kreuse getödtet werden,
setate er hinan: x(4 'tji '^Qi'^f! ^M^Q^ dvagi^aeTai, oder t^fq
^r;aevai (Matth. 16, 21. 17, 23. 20^ 19. parall. vgl 17,9*
26, 32. paralL)«
Aber auch von dieser Vorherverkfindignng heifst es,
die Jünger haben sie nicht gefaf^t; so wenig, dafs sie so<
gar miteinander stritten , ti igi i6 ix vtxQciv crivrc^c»
(Marc. 9, 10.); und gemfifs diesem Nichtverstehen seigen
sie sofort nach dem Tode Jesu keine Spur einer Erinne-
rung, dafs ihnen ein auf das Sterben folgendes Aafersteben
Jesn vorhergesagt war, keinen Funken von Hoffnung, dafs
diese Zusage in firffillang gehen werde. Als die Freonde
den vom Kreua abgenommenen Leichnam in das Grab ge-
legt hatten , nahmen sie (Job. 19, 40.) — oder behielten
sich die Frauen (Marc. 16, 1. Luc. 23, 56) — die Efai-
balsamirnng vor, was man doch nur bei einem solcben
thut, welchen man als eine Beute der Verwesung betrach-
tet ; als an dem Morgen, welcher nach N. T. lieber JRecb-
nung den voransbestimmten Anferstehungstag eröffnete, die
Frauen snm 6ral>e ginoen ^ dachten sie so wenig an eine
Erstes KapitsU S, 111. S4S
rorbeifessgte Aoferstehang , dafs ihnen die rermutliliche
Schwierigkeit, den Stein Tom Grabe so wXisen, Besorg«
mfa machte (Uare. 16| 3.) ; als Maria Magdalena and spft«
ter Petras das Grab ieer fanden, hXtte ihr erster Gedanke
seio mfisten, dafs non die Aaferatehang wirklich erfolgt
Ml, wenn eine solche voraasgesagt war: statt dessen rer*
nothet.Jene, der Leichnam mdehte gestohlen sein C^ob*
SO} 2.)} Petras aber ^erwandert sich blofs, ohne aaf eine
bsitimmte Vermathong na kommen (Lac. 24, 12.); als
die Weiber den Jüngern von der gehabten Engeierschel-
flung sagten^ und sich des Aoftrags der Engel entiedigten,
hielten die Jflnger ihre Aossage theils. fQr leeres Ge-
icbwfitB Q,r^ixis Lue« 24, 11-) 9 theils wurden sie an schre-
ckenToUem Erstaanen erregt Ci^igr^accv t^f-iag, Lno. 24, 21 ff.) ;
ils Maria Magdalena, ond hernach die Emmanntischen Jfln-
ger, die Eiife versicherten , den Auferstandenen selbst ge-
•ehen au haben, schenkten sie auch dieser Aassage keinen
Glauben (Marc. 10, 11. 13»), wie später Thomas sogar
der Yersichemng seiner Mitapostel nicht (Job, 20 , 25.) ;
endlich, als Jesus selbst in GalilSa den Jüngern erschien,
giben noch nicht alle den Zweifel auf (ot de idlgaaaVf
Marc. 28, 17 )• Diefs alles mufs man wohl mit dem Wol-
fenblittler Fragmentisten ^) unbegreiflich finden, wenn
Jesus seine Auferstehung so klar und bestimmt vorherge»
lagt hatte.
Zwar, wie das Benehmen der Jünger nach Jesu Tod
gegen eine solche von Jesu gegebene Voraussage spricht,
•0 scheint das seiner Feinde dafür an sprechen. Ueno
dsb nachHlatth. 27, 62 ff. die Hohenpriester und Phari-
sfier an das Grab Jesu sich von Pilatus eine Wache e^-
bitten , hat nach ihrer eigenen Erklärung darin seinen
Grund, dab Jesus bei seinem Leben noch gssagt habeo
1) s. dessen belebte und schlagende Ausführung, vom Zweck
a. s. f. S. 131 ff. Vgl. ai Wsns; eaeg.- Handb., 1^ 1? S. 141.
SM Dritter Ab«ohnitt.
sollte : /uezii T(wg ^^liQccg iyeiQO/nai.^ Allein diese Eriih*
loog des ersten Evangelinms, dje wir erst ooten ofiber
wflrdigen können , encscheidet noch nichts, sondern tritt
nor auf die eine Seit« des Dilemffla) so dafs wir nun •§•
gen müssen : wenn die Jfinger nach dem Tode Jeso sich
wirblieh so benahmen, dann bann weder er seine Aufer-
alehnng bestimmt vorhergesagt, noch können die Juden
aus Rflcbsiobt anf eine solche Vorheri^erkfindigvng eine
Wache an sein Grab bestellt haben ; oder , wenn die bei-
den letsteren Angaben richtig sind, bönnen die JOoger
sieh nicht so benommen haiien.
Die Schfirfe dieses Dilemma hat man dadorch abia*
stumpfen versacht, dafs man den oben angefflhrten Vo^
herverkUndigungen nicht den eigentlichen Sinn einer Wie-
derkehr des gestorbenen Jesa aus dem Grabe,' sondern nor
den aneigentlichen eines neaen Aufschwungs seiner an-
terdrflckten Lehre und Sache unterlegte^. Wie dieA.T.-
lichen Propheten, ^nrde gesagt, die Wiederherstellung
des israelitischen Volks bu neuem Wohlergehen unter dem
Bild einer Auferstehung der Todten darstellen (Jes. 26,
19. £sech. 37.); wie sie die kurae Frist, innerhalb wel-
cher unter gewissen Bedingungen diese Wendung der Dioge
SU erwarten wäre, durch den Ausdrnck bezeichnen, in
Bwei bis drei Tagen werde Jehova das Geschlagene auf-
richten , und das Getödtete wiederbeleben (Hos. 6, 2. %
eine Zeitangabe, welche auch Jesus unbestimmt fBr eine
kurze Zeit gebrauche (Luc. 13, 32.): so wolle er mit dem
Ausdrnck, er werde nach seinem Tode rij TQkfi 9/u^o^
a^'Lczi^^vaiy nichts Anderes sagen, als, wenn auch erder
Gewalt seiner Feinde unterliegen und getödtet werden
2) So namentlich Herder, vom Erlöser der Menschen, S. 133 ff*
Vgl, KuiivöL, Comm. in Matth. p. 444 f.
Erstes Kapitel.. '$• 111. 347
iolIt6| so werde das von ihm begonnene Werk doch'nieht
untergeben 9 sondern in liuraer Zeit einen neoen Aof«
•cbweng nehmen. Diese von Jesu blofs bildlich gemein»
tan Redensarten haben die Apostel , nachdem Jesos leib-
lieh auferstanden v^ar, eigentlich genommen, nnd fflr Weis-
Mgongen anf seine persönliche Wiederbelebung ftpgese^
hen. Dafs nun in den angeffihrten Prophetens teilen das
iTI]< D^ nnd pj^TI nar den angegebenen tropischen Sinn
habe, ist richtig; aber in Stellen, deren gancer Zusammen-
hang tropbch ist, and wo namentlich das dem Wiederbeleben
forsngegangene Schlagen tfkid Tödten selbst nor einen
iigarlichen Sinn hatte» Dafs dagegen hier, wo die ganze
forhergehende Reihe >on Ausdrücken : das naQaSldoad'ai^
xaroxQivea&aij gavQoa&ai, anoxrslvead'ai u. s. f., eigentlich
in nehmen war, auf Einmal mit dem iyeq^fjyai und orva-
c^'tti eine uneigentliche Bedeutung eintreten sollte, würde
doch ein unerhdrter Absprung sein ; dessen nicfit au ge-
denken, dafs Stellen, wie Matth. 26, 32, wo Jesus sagt:
/ifTtt ro iyeQd^ai fte nQod^o) vfiäg Big rr^v raXikaUxv , nur
bei der eigentlichen Bedeutung des iyfiQea&ai einen Sinn
haben. In diesem Zusammenhange von lauter eigentlich
and wUrtlieh zu nehmenden Bestimmungen fehlt dann
aaeh jede Berechtigung nnd selbst Veranlassung', die bei-
gefttgte Zeitbestimmung anders als gleichfalls eigentlich
and in ihrem bestimmten Wortsinn aafznfassen. Hat also
Jesos wirklich die Ausdrücke, und in dem Zusammenhange
geBraucht , wie die Evangelisten sie ihm in den Mund le*
gen, so kann er durch dieselben nicht blof:« uneigentlich
den baldigen Sieg seiner Sache haben verkündigen wollen,
•ondem seine Meinung mufs die gewesen sein, er selbst
werde drei Tage nach seinem gewaltsamen Tod aufs Neue
in das Leben zurückkehren *)•
h) Vgl. ScsKiNO, einige Bcmerliungcn Über die Frage , ob Jesus
.TIS Dritter Abtohnltt.
Da jedoch Jesus, dem Benehmen seiner Jünger puk
seinem Tode enfolge , seine Auferstehung nicht mit deat-
lieben Worten rorhenrerkOndigt haben liann: so habes
sieh andere Ausleger bu der Einräumung verstanden , dis
Evangelisten haben den Reden Jesu nach dem Erfolge eloe
Bestimmtheit gegeben, welohe sie in Jesu Munde noch
nicht gehabt haben ; sie haben das, was Jesus bildlich tob
Aufschwung ^seiner Sache nadi seinem Tode gesagt habsi
nicht blofs eigentlich verstanden, sondern es dieser AaSat>
sung gemäfs auch so umgeformt, dafs, wie wir es jetsc
leseh, wir es allerdings eigentlich verstehen müssen*).
Doch nicht alle betreffenden Reden Jesu seien auf diese
Weise verändert, sondern hie und da auch noch seine ur-
sprünglichen Ausdrücke stehen geblieben,
$• 112.
Bildliche "Reden, in 'welchen Je$U8 seine Auferstehung vorher-
verkündigt haben soll.
Schon SU Anfang seiner öffentlichen Wirksamkeit bat
dem vierten Evangelium siifolge Jesus die ihm feindlich
geainnten Juden in bildlicher Itede auf seine künftige Aof-
erstebung hingewiesen (2, 19 ff.)* Nachdem wfthrend sei-
nes ersten messianischen Festbesuchs der Marktunfug In
Tempel ihn eu jenem Schritte heiligen Eifers beivogm
hatte, von welchem oben die Rede gewesen , und wie non
die Juden ihn um ein Zeichen angingen, durch weichet
er sich als einen Gottgesandten legitimiren sollte, der isr
Vornahme solcher Gewaltmaftfegeln BefogoiCs hätte, giht
ihnen Jesus die Antwort: kvaceie zov vam* tSinw^ xal iv
t(iiatv ijfiBQaig iyeQcS avtov. Die Juden nahmen diese Wor-
te in dem Sinne, welcher, da sie im Tempel gesproobea
seine Auferstehung kestimmt vorhergesagt habe? in Furr'i
Magazin, 7, S. 203 ff.
i) rAVLOs^ ä. a. O. 2f S. 415 ff j Hass; L. J. ^. 109.
Erste« KapiteL f.. llf. ^49
wordaiiy mm niehsten lug, ond bieilen Jeso entgegpn. dpf«
er dieMO Tempel, £a dessen Bao man 46 Jalire gebraocht
habe, wohl schwerlioh , wenn er serstdrt wire , in 3 Ta*
geo wieder an&nriehten Im Stande sein dfirfte; aber der
Ersngelist belehrt uits, diefs sei nicht die Meinung Jes«
gewesen, sondern dieser habe, wie übrigens den JQngeru
erst nach seiner Änferstebnng klar geworden sei, ron dem
faog TS oo}ftixtog: uvrs geredet, d. h. also dnreh das Abb re-
eheo und Wiederaofbaoen des Tempels auf seinen Tod
«nd seine Auferstehung hingedeutet. Gibt man hiebel
•neb au, was indessen gemfifsigte Ausleger Ifiugnen % dafs
Jesus die Joden mit ihrer Forderung eines gegenwärtigen
Zeiebens (wie er es auch Matth. ü, 39 B. gethan haben
loll) f&glich auf seine einstige Auferstehung, als das
gröfste und namentlich fttr seine Feinde besehfimendste
Wunder in seiner Oesehichte, hai>e rerweisen können : so
sioff te diese Hinweisung doch von der Art sein , dals sie
oöglicherweise rerstanden werden konnte (wie Matth« a. d.
s. Steile Jesum gana unumwunden sich erkliren läfst). So
hingegen, wie wir hier den Ausspruch Jesu haben, konnte
er, als ihn Jesus that, unmöglich in diesem Sinne begriffen
werden. Denn wer im Tempel yon der Zerstörung dieses
Tempels spricht, dessen Rede wird Jedermann auf eben
eUiTempelgebSuda, in welchem er sich befindet, beaieben.
El mfifste denn Jesus, als er das roy vaov türov sprach,
mit dem Finger auf seinen Leib gewiesen haben; was
SBch die Freunde dieser Krkllrung meistens vorausseteen ^.
Allein ffir'a Erste sagt der Evangelist Ton einer solchen
Gebird« nfchts, uneraehtet es in seinem Interesse lag, ssur
DnterstfltEung seiner Deutung dieselbe hervorsn heben. F(ir'«
Andere hat Gabler mit Recht darauf aufmerksam gemacht,
wie matt und schaal es gewesen w£re, einer Rede, wel-
1) f. B. Lvcxa, i, S. 426 ; Tgl. dagegen Tboivsk x. d. St.
2) t. THOtvsv, a. s. O.
3A0 Dritter Absobnitt.
che nach Allem, \Ta» in ihr Wort, also Logfschet, wtr,
sieh aaf das Tempelgebftode besog, darob einen bloCien
Zosats von Mimischem eine gans audere Beeiehnng eq ge-
ben. Hat sich aber Jesus dieser Hfllfe bedient, so konnte
sein Fingerseig nicht unbemerkt bleiben ; es mnfsten die
Juden eher dardber mit ihm rechten, wie er mn den
Uebermnthe komme, seinen Leib vaog eu nennen; oder
wenn auch diefs nicht, so konnten doch in Folge jener
Action die Jdnger nieht bis nach der Auferstehung Jesu
fiber den Sinn seiner Rede im Dunkeln bleiben *).
Darch diese Schwierigkeiten fand sich die nenere
Exegese gedrungen, die johannelsche Auslegung der Wor-
te Jesu als eine ex eventu gemachte Umdeutnng zu rer-
lAssen, und zu versuchen, unabhängig von der Erkläronj;
des Evangelisten in den Sinn der räthsel haften Rede ein-
zudringen, welche er Jesu in den Mund legt *). Der Auf
fassung der Juden, weiche die Worte Jesu auf ein wirk-
liches Abbrechen und Wiederaufbauen des Nationaiheilig-
thums bezogen, kann man nicht beistimmen wollen, oboe
Jesu gegen seinen sonstigen Charakter eine in*s Ungeheure
getriebene leere Grofssprecherei zuzuschreiben. Siebt
man sich defsviegen nach einem irgendwie uneigentlicben
Verstände des Ausspruchs um, so begegnet man in dea-
selben Evangelium zuerst der Stelle 4 , 21 ff. , wo Jeisi
der Samariterin verkündigt, es komme nichstens die Zeit,
wo man nicht mehr ausschtiefslich iv ^QoaokvfiOig den
Vater anbeten, sondern ihn als Geist geistig verehren wer-
3) HsMKS, Joannes «postolus nonnuUorum Jesu apophthegmattin
in cvang. iiio et ipae interpres. In Fott^i und RursaTi'i
Sylloge Comm. theol. 1, S. 9; Gablbr, Recention des Hfx^
KX^schen Programms im neuesten tbeol. Journali 2, 1| S. S8j
LUcKB z. d. St.
4) So , ausser Hbnkb im angcf. Programm , Hsrdbr , von Gottes
Sohn nach Johannes E%'ang. , S. 135 f.; Paulus, Comm. 4,
S. 165 f. L. J. 1, a, S. 173 C. J Locke und »x Wansi. <i. 5t.
Erstes Kapitel. $. 112. 351
de. Eine Abstellung des vermeintlich allein gültigen 1*eni«
peicultas so Jemsalem liömite das Xvuv des vaog aneb \h
onierer Stelle arspriinglich bedeotet haben. Diese Aaf-
fssiong wird dnreb eine Erafthlnng der Apostelgeschichte,
6, 14., bestfltigt. Stephanas, welcher, wie es scheint, den
in Frage stehenden Aussprach Jesu adoptirt hatte, worde
TOD seinen Ankligem beschnldigt, geändert nn haben^
iVi ^frflng 6 Na^o}Qu7og 5tog xceralvaei tov tcmov rSrov, xat
ada^Bi ta sO'f^^ a naQedcjxe Mowaijs, wo demnach als Folge
des Tempelabbmohs eine Aeiidemng der mosaischen Reli«
gionsverfassung , ohne Zweifel eine Vergeistignng dersel-
ben, beaeicbnet wird. Dann kommt noch eine Stelle in
den synoptiachen Evangelien« Dieselben Worte beinahe,
welche bei Johannes Jesus selbst ausspricht, kommen in
den swei eisten Evangelien (Matth. 26, 60 f. Marc. 14,
57 f.) als Anklage falscher Zeugen gegen ihn vor, und
hier bat Markus den Zusats , dafs er den abEubrechenden
CO«; als x^'QOTEOifjfiog 9 den von Jesus neu sn bauenden als
uUOi; 9 dxuijon:oirjog bcEeichnet , was derselbe Gegensatz
Ton sinnlicher und geistiger Rellgionsverfassung zu sein
scheint. Demgemfifs l&fst sich nun auch die johanneische
Stelle so erklären : das ist das Stichen meiner Vollmacht
tnr Tempelreinigung , dais ich Im Stande bin , an die
Stelle des mosaischen Ceremonialdieostes in kürzester
Frist einen neuen , geistigen Gottesdienst zu setzen ; d. h.
ich bin zur fleformation des Alten berechtigt, sofern ich
sar Stiftung eines Neuen bef&higt bin. Hiegegen ist das
swar eine unbedeutende Einwendung, dafs bei Johannes
Dicht wie bei den Synoptikern das Subjeot gewechselt,
und der neu zu erbauende vaog als aAA(x;, sondern durch
cirrog als derselbe mit dem zerstörten bezeichnet werde');
d« Ja die christliche Religionsverfassung im VerbMltnifa
cur jadischen ganz ebenso wie der auferstandene Leib
)'i
5) Sroim, in FLA'rr^s Magazin, 4, S. 199.
Dritter Absebnitt.
Jesa im VerhXltnira mn dem gestorbenen towohl all iden-
tisch gefafst werden konnte wie als verschieden: sofern
beidemaie die Sabstans dieselbe bleiben , das vergSoglichs
Beiwerk aber wegfallen sollte. Gefährlicher dagegen iit
. die andere Einwendung , die sieh an die Zeitbestimmiing,
iv TQtalv TjfiiQatg, knfipft. Dafs diese nfimlich auch nage*
naa and sprfich wörtlich^ in der Bedeutung einer knrsen
Zeit Oberhaupt, vorkomme, wird durch die beiden Stellen,
anf welche man sieh dafür beruft, nicht hiniänglich e^
wiesen; da in denselben der dritte Tag durch Zossm-
menstell«ing mit dem sweiten und ersten (Hos. 6, 2:
'*B^Wn DV3 O.'^O; Luc. 13^ 32: ai^/n€QW xal avQioif xcu r?;
TQltrj) als blofs relative und ungetthre Zeitbestimmung sn-
gekdndigt ist, wogegen sein Alleinstehen in unserer Stell«
eine absolute und genaue Zeitangabe verspricht *).
So von beiden Erblfirungen in gleicher Weise enge-
sogen und abgestofsen ^), flüchten sich die Theologen tu
einem Doppelsinne, welcher entweder c wischen der johan-
neischen und der snletat dargelegten symbolischen ^, oder
cwischen der johanneischen Deutung und der JOdischeo
die Mitte htflt ^ ; so daCs Jesus entweder Eugleich von
seinem £u tödtenden und wieder eu belebenden Leibe nnd
von der dadurch hauptsXchllch vermittelten Dmgestalrung
der Jüdischen Religion gesprochen ; oder , um die Juden
abzuweisen, sie cum Abbrechen ihres wirklichen Tenipel*i
als EU etwas Unmöglichem, aufgefordert, und unter dieser
nie eintreflenden Bedingung sich Eom Bau eines andern
erboten haben soll , so Jedoch , dafs neben diesem osten-
6) Tholuck und Olbhausih, e. d. St.
7) Wesswegen Nkakdih zwischen beiden unentschieden in d«r
Schwebe bleibt, S. 395 f.
8) So Kbrk, die Hauptthatsscbea der evang. Geesh. TUb. Zii>-
ichrift 18S6, 1, S. 129.
9) So (HsHAOsax.
^ Erstes Kapitel. §. 11*2. 35S
fibeln Sinne fttr die Menge noch ein verborgener herging,
der den JOngern erst nach der Auferstehnng klar wurde,
nach welchem vaog den Leib Jesa beseichnete. Allein
Jene an die Joden geriohtete AniForderong sammt dem
darangehXngten Brbieten wfire ein unwürdiger Mothwille,
die darin verborgene Andeutong ffir die Jdnger eine nats-
lose Spielerei gewesen y und äberhanpt ist ein Doppelsinn ^
der einen oder andern, Art in der Rede eines verst&ndigen
Menschen unerhört *^. Oa man auf diese Welse an der
ErkISrbarkeit der johanneischen Stelle gana versweifeln
möchte, so beruft sich der Verfasser der Probabilien dar-
auf, dafs die Synoptiker die Zeugen, welche vor Gericht
behaopteten, Jesus habe Jenen Ausspruch gethan, als tpav-
i0ftd(nvQag bcEeichnen; woraus er folgert, dafs Jesus so
etwas, wie Johannes ihn hier sprechen lasse, gar nicht
getagt habe, und sich somit einer Erklfirnng der Johan-
seitchen Stelle Hberhebt, indem er sie als ein Pigment des
fierten Evangelisten betrachtet, welcher die Verlänmdung
jener Ankläger sowohl erklfiren, als durch eine mystische
Deotung der Worte Jesu habe abwenden wollen ")• AI*
lein theils folgt ans der synoptischen Beeeiohnung Jenef
Zeogen als falscher nicht , da(s der Ansicht Jener £vange*
Baten Eufolge Jesus gar nichts von dem, wessen sie ihn
besehnidigten , gesagt habe , da er es ja auch nur etwas
anders gesagt O-vaccre nicht Avacu), oder anders gemeint
baben kann (figflriioh, nicht eigentlich); theils ist, wenn
er gar nichts der Art gesagt haben soll, schwer un erklfi-
ren , wie die falschen Zeugen auf jene Aussage , und na-
mentlich auf das sonderbare iv tgiaiv i^/digaig^ gekommen
fein sollen.
iO) Kbah sagt wohl, es finde sich Aehnlicket auch in anderwei-
tigen Gebieten bedeutsamer Rede ; ' aber ein Beispiel aniu-
führen enthält er sich.
11} Frobahil. p. 23 ff.
i)a# Leben Jejtu ^te Äu0, II. Bund. 23
354 Dritter Abschnitt.
Wenn hienaoh bei jeder Deotnng des Aossprachsi «oi-
ser bei der anmöglicben aaf den Leib Jeso , des iv %Qia\v
fjfiiQais einen Anstofs bildet: so liönnte man mn der schon
erwähnten Ercihlang der Apostelgeschichte die Zoflocbt
nehmen, sofern in dieser Jene Zeitbestimmnng fehlt Hier
wird nftmlioh Stephanas nur besehnidigt, gesagt so haben,
CTi y. 0 Na^. atog xazalvaei %w ronov raroi* (Tor aYiov)f
xal aUA^ei ta tO-ij ix naQidioxe Miavaijg. Das Falsche an
dieser Aassage — denn auch die Zengen gegen Stepbanui
werden als fjaQTVQeg \pev5tig beaeichnet - könnte der
* Bweite Sata aein, welcher mit eigentlichen Worten roo
einer Aenderung der mosaischen Religionsverfassnng spricht,
and statt dessen Stephanas and frflher Jesas wohl in der
oben ansgefOhrten figfirlicben Bedentong gesagt haben:
xai nahif oUodo^jau \ — aio) amovj oder xai ullov {dxei^
fiolr^TOv) (Hxodoftijaei ( — auf)»
Indessen diese Auskunft ist nicht einmal nöthig, sofern
die Schwierigkeit der Worte : iv TQiali^ i^/tdQaig nicht an-
fiberwindlich ist Wie die Zahl 3 nicht blofs in Verhin-
dang mit 2 oder 4 (SprOohw. 30, 15. 18. 21. 29. Sir. 23,
21. 26| 25.), sondern auch för sich allein (Sir. 25, 1. 1)
sprttchwörtlich gebraaclit wird, so konnte der Aasdruck:
in drei Tagen, war er einmal in Verbindung mit dem svrei*
ten und ersten Tage als nngefiShre Zeitbestimmung g^
bräuchlich geworden, sofort wolil auch fUr sich in dem«
selben Sinne verwendet werden. Ob der Aasdrnck eine
längere oder kflrzere Zeit andenten sollte, kam dann aof
den Zusammenhang an: hier, im tiegensatae gegen die Be-
schaffenheit eines grofsen and kunstvollen Gebfiades, sa
dessen wirklichem, natarlichem Aufbau, wie auch die Ju-
den alsbald bemerklich machen, eine lange Reihe von Jah-
ren erforderlich war, kann Jener Ausdruck nur als Be-
Eeiobnung der kfi^sesten Zeit genommen werden ^^* —
12) Vgl. Nkakdbr, y. 396. Anm.
Erstes Kapitel. {. 112. 355
Eine VoraoMage, oder aach tiar Andeatang der Anfer»
itehuog ist mithin in diesen Worten nieht enthalten.
Wie hier durch das Bild vom abnubreehenden und
aea anfanbauenden Tempel, so soll Jesus l>ei einer andern
Gelegenheit doreh das Vorbild des Propheten Jonas auf
Mioe Auferstehung im Voraus hingedeutet haben (Matth.
12, )9 flE. vgL 16 9 4. Lue. 11, 29 ff.)- Ala die Sehrifcge-
lehrten und Pharisäer ein ar^ftiToy von ihm cn sehen vor-
langten, soll Jesus ihr Ansinnen dnrch die Erwiederung
snHieligewiesen haben, dals einer so schlimmen yevia kein
Zeichen gegeben werde, als to arjfiäloif ^I(ava %S nQoq)rjaj
welches in der ersten Stelle bei Matthfius Jesus selbst dahin
erUirt : Vf ie Jonas drei Tage und drei Nfiehte iv rf] nouJif
TS rijft^dQ gewesen sei , so werde auch des Menschen Sohn
drei Tage und drei Nichte er tj; xaQÖl^ Trjg yijg subringen.
An der 'nweiten Stelle, wo DIatthftua Jesu diesen Ausspruch
leiht, wiederholt er die angegebene Deutung nicht; Lulias
aber in der Parallelstelle erklärt denselben nur so: xaStig
/a^ iyheto tiavccs (njfieiay vdig Nivevtzaigj ik(og tgai xal 6 vlog
^i av^q(onö %j] yeve^ tavnj* Gegen die Möglichkeit, dafs
Jeias die Ajislegung des Jonasseichens , welche ihm Mat-
thlos, V.40., in den Mund legt, selbst gegeben habe, läfst
dch Verschiedenes einwenden. Das nwar, dafs Jesus von
drei Tagen und drei Nftehten, welche er im Hernen der
Erde subringen werde, defswegen nicht hal>e sprechen
kdnnen, well er nur einen Tag und swei Nftchte im Grabe
pwesen «ei "), wird sich schwerlich entgegenhalten las-
sen, da der N. T. liehe Sprachgebrauch entschieden die
Eigenheit hat," den Aufenthalt Jesu im Grabe, weil er den
Tag Tor dem Sabbat dnrch den Al>end, und den nach dem
Sabbat durch den Morgen noch berdhrte, einen dreitfigi-
gen SU nennen ; wurde aber einmal dieser Eine Tag sammt
cirei fliehten fOr drei ToUe Tage genommen , so war es
13) Pahuw, «Mg. Haadb. a% d. St.
S56 Dritter Abschnitt.
Dor eine Umsohreibong dieses Voliseins , da(s sn den Ta-
gen auch noch die Nächte gesetzt wurden, was sich ohae-
hin in der Vergieichnng mit den drei Tagen and Nichten
des Jonas von selbst ergab ^*) . Dagegen wäre es, wenn
Jesus von dem ar^fitiov Icovü die Erklärung vortrug, wel-
che ihm Matthäus leiht, eine so klare Voraussagung seiner
Auferstehung gewesen , dafs aus denselben Gründen, wel-
che nach dem Obigen den eigentlichen Vorausverköndl-
gnngen . derselben entgegenstehen , Jesus auch diese i£rkl£-
rang nicht gegeben haben kann. Jedenfalls mufste sie die
nach V. 49. anwesenden Jünger su einer Frage an Jesum
veranlassen ; wo sich dann nicht einsehen läf^t, warum er
ihnen die Sache nicht vollends klar gemacht , also mit ei-
gentlichen Worten seine Auferstehung vorherverkündigt
haben sollte. Kann er aber diefs nicht gethan haben, weil
sonst die Jünger nach seinem Tode sich nicb( so benom-
men haben könntep , wie sie steh den evangelischen Kacb*
richten zufolge benahmen : so kann er auch nicht dareb
Jene Vergleichong des ihm bevorstehenden Schicksalt mit
dem des Jonas eine Frage der Jünger hervorgerufen ha-
ben, welche er, wenn sie an ihn gestellt wurde, auch be-
antworten mafste, aber dem Erfolge nach nicht beantwo^
tet haben kann.
Aas diesen Gründen hat sich die neuere Kritik dsbin
ausgesprochen, dafs die Matthäische Erklärung des ar^fiiioif
^Iwivä eine post eventum vom Evangelisten gemachte Dea-
tang sei, welche er fälschlich Jeso in den Mund lege'')*
Wohl hat hienach Jesus die Pharisäer auf das ar^fiiic»
*(<avä verwiesen; aber nur in dem Sinne, ift welchem ei
Lukas ihn erklären lälat: dafs, wie Jonas selbst, seine
14) Vgl. Fritzschb und Olshausin, z. d. St.
15) Paulos, exeg. Handb. 2, S. 97 ff. ', Schulz, ttber das Abend»*
S. 317 f.; Da Wbtti, exeg. Handb., 1, i, S. 119 f. Vgl-
Nkakdsa, L. J. Chr., S. 266.
S
Erstes Kapitel $.112. 557
Uofse Gegenwart und seine Bufspredigt, ohne Wander,
den MlneTiten als göttliches Zeichen genügt habe: so auch
seine Zeitgenossen, statt nach WqitderBeiehen sa haseben,
fieh sn seiner Person und Predigt genügen lassen sollen.
Diese Auffassung ist die einaige dem Zusammenhang der
Rede Jesu — auch bei Matthäus -^ und nüher der Pa-
rallele' swischen dem Verhftitnifs der Niue?iteji au Jonas
ond dem der Königin dea Südens au Salomo angemessene«
Wie es die aoffia Soloiuorog war, durch welche die leta-
tere roa den Enden der Erde sich herbeigesogen fühlte :
80 bei Jonas aneh nach dem Ausdrucke des Matthäus le-
diglich sein xj]Qfyfiay auf welches hin die Nineviten Bufse
thateo. Das Futurum io deraSatae bei Lukas: äiojg egai
xcd 6 viog r. &• rfj yeve^ tccvrrj (cn^/ueioiO) ^®<* welchem man
glaoben möchte, es könne nicht auf den gegenwXrtagen
Jesus und seine Predigt, sondern müsse auf etwas Kflnfti«
ges, wie seine Auferstehung, beasogen werden, ist in der
That nur dadurch begründet, dafs, als Jesus diese Worte
sprach, seine Erscheinung noch nicht vollendet war, son*
dem manche Momente derselben noch in der Zukunft la-
gen. Frühaeitig mufs jedoch, wie wir aus dem ersten
EFsngelium ersehen, dem Schicksale des Jonas eine typi-
sche Beaiehung auf den Tod und die Auferstehung Jean
gegeben worden sein ; indem die erste Gemeinde für die
•0 anstöfsige Katastrophe ihres Messias mit Aengstllch«
keit Qberaii im A. T. Vorbilderund Weissagungen aufsuchte«
Noch einige Aussprüche Jesu finden sich im vierten
Fvangelinm, weiche schon als verhüllte Weissagungen der
Auferstehung gefafst worden sind. Die Rede vom Wel-
seokorn swar, 12, 24., drückt au augenscheinlich nur den
Gedanken aus , dafs durch aufopfernde Hingabe für dwa
Allgemeine sich das individuelle Leben au fruchtbarer
Wirksamkeit erweitere ^^) , um hier weiter in Betracht
\b) OS Warrs z. d. Sl.
358 Dritter Abschnitt.
fcommen mu liönneii. Aber io den Johaoneisohen Abtehladi-
reden finden sich einige Aussprache , weiche nech immer
Manche von der Auferstehung verstehen möchten. Wenn
Jesus sagt: ich werde euch nicht verwaist lassen, ich
komme su euch ; noch knrse Zeit, so sieht die Welt mich
nicht mehr, ihr aber sehet mich; aber ein KieineSi m
werdet ihr mich nicht mehr sehen , und wieder über ein
Kleines, so werdet ihr mich sehen u. s. f. (14, 18. ff. 16,
16 fF.): so glauben Manche, diese Reden, mit dem Ver*
hftltnifs von fiixQov aal :idXiv fitxQov^ mit dem Gegensstsa
•wischen ifitpcsvll^eiv f^fiiv O^olg fiaS-tjtalg) xal 8j(l rqi xoa^n^
mit dem von gana persönlichem Wiedersehen lautendes
Tidkiv otpofiai und oipead^€y können auf nichts Anderes, ab
auf J&e Auferstehung becogen werden , welche eben dm
kurs auf das Miehtsehen gefolgte Sehen, und cwar ein
persönliches und auf die Freunde Jesu eingeschrinktei,
gewesen sei ^^. Allein dieses verheifsene Wiederseben
beschreibt Jesus hier sugleich auf eine Welse, welebo
fOr die Tage der Auferstehung nicht ganz passen will
Wenn das Sti iyio ^(S (14, 19.) seine Auferstehung bedeu-
ten soll: so weifs man gar nicht, was in diesem Zaum-
menhange das xal v^eTg i^ijaead-a heifsen will; wenn Jeiai
sagt, bei jenem Wiederseben werden seine Jfinger sein
Verbfiltnifs som Vater erkennen , und ihn nichts mehr sa
fragen brauchen (14, 20. 16, 23.) ' so machten sie ja ooch
am loteten Tage ihres Zusammenseins mit ihm nach der
Auferstehung eine, und swar im Sinne des vierten £Tsn-
geiiums reclit nnverstfindige , Frage an ihn (A. 6. 1,6.);
endlich, wenn er verspricht , dals su demjenigen , der ihs
liebe , er und der Vater kommen und Wohnung bei thm
machen werden : so wird vollends klar , dafs Jesns hier
nicht von dnem leiblichen, sondern von seinem geistiges
Wiederkommen durch den nftQaxhiros redet ^*). Hat je-
17) SüsKiND, a. a. O. S, 184 ff.
SS) s^ l^vcM z. d. Si.
- Erstes Kapitel. §. lia. 959
doeh aaeh diese Erkllroog ihre Schwierigkelten , indem
hiowlederoni das otf.feaO'e fte und oipofiai vfiug anf Jene
Mob geistige Wiederkunft nicht gans passen will: so niHs«»
sen wir die Lösung dieses sonderbaren Widenprnohs auf
die genanere Beleuchtung dieser Ausspräche an einer spfi«
leren Stelle versparen, und erinnern einstweilen nur, dafs
SOS den Johanneischen Abschiedsreden, deren Untermi-
lehang mit eignen Gedanken des Evangelisten jetst selbes
Ton Freunden des vierten Evangeliums sugestanden ist,
sm wenigsten ein Beweis in dieser Sache genommen wer-
den kann.
Nach ullem diesem könnte der Ausweg noch fibrig mu
sein scheinen, dafs Jesus swar allerdings aber seine künf-
tige Auferstehung sich nicht geJSufsert, nichts desto weni-
ger aber aie fQr sich verberge wnfst habe. Wufste er seine
Aaferstehoog vorher, so wufste er sie entweder anf fiber-
natarllcbe Weise, vermöge des ihm inwohnenden prophe-
tischen Geistes, höheren Priocips, .— wenn man will, sei-
ner göttlichen T^titur : oder er wnfste sie auf natQrliohe
Weise, durch verstfindige menschliche Ueberlegung. Al-
lein ein übernatfirliches Vorherwisseo jenes Ereignisses
»t auch hier, wie in Rttcksicht auf den Tod, wegen der
Betiebuni^ undenkbar, in welche Jesus dasselbe Eum A.
T. setst. Nach denselben Berichten nftmlieh , welche ihn
seine Auferstehung vorherverkOndigen lassen, stellt er die-
selbe, wie sein Leiden und seinen Tod, als ein ErfUllt-
w erden novriay twv fty^fi/aivojv dia twv nqwptjiüiv T(f vu$
tQ uv&iHjina dar (Lue. 18, 31 ) , und anch nach dem Er-
folg hält er den an seiner Auferstehung sweifelnden
Jüngern vor, sie bfttten glauben sollen enl nüatv oig tka-
hfstxv OL nqotffjtui^ dafs nftmlieh %ama edfi naO^elv tov Xqi~
cov, xal elgeX^Hv eig %r^v doiap amS (Lue. 24« 25 f.)» Laut
des Verfolgs der Erafthlnng hat Jesus sofort diesen Jon-
^ern (den Emmauntiseheo) alle von ihm handelnden Schrift*
•teilen , ii^i^wog iXTio Mioaiwg mi dno ituvtußv tmv nQo^
360 Dritter Abtchoitt.
(jpiTrcJv, woso weiter anten auch noch die tpoXfoi gesetet
werden C^* ^^ ) 9 aasgelegt ; im Einseinen jedoch wird
uns keine Stelle «ngegebeni welche nnd wie sie Jesos aof
seine Wiederbelebung gedeutet hltte^ aofser dsfi tos
Matth. 12| 39 f. folgen würde , er habe das Schicksal des
Propheten Jonas als Vorbild des seinigen betrachtet, und
aus der späteren apostolischen Dentnng, alt mothmarsli*
chem Nachhall der seinigen, geschlossen werden höante,
dafs er, wie nachmals die Apostel) hauptsfichlioh io Pi.
16, 8 ff. (A. G. 2, 25 ff. 13, 35.), Jes. 53. (A. G. 8, 32 ff.},
Jes. 55, 3. (A. 6. 13, 34.), nnd dann etwa noch in Bot.
6, 2, solche Weissagungen gefunden habe. Allein das Schick-
sal des Jonas hat mit dem Schicksale Jean sieht eio-
mal recht eine änfserliche Aehnlichkeit, und das ihn be-
treffende Buch trfigt seinen Zweck so sehr In sich selber,
dafs derjenige es gewifs. nicht nach seinem Unehren Süin
und der Absicht seines Verfassers dentet, der Ihm oder
einem Zuge dessell»en eine vorbildliche BeEiehung auf Er>
eignisse der Zukunft unterlegt; Jes. 55, 3. ist so offenbar
fremdartig, dafs man kaum begreift, wie die Stelle nur
mit der Auferstehung Jesu hat in Beaiehung gebracht wer-
den können ; Jes. 53. besieht sich entschieden auf ein in
immer neuen Gliedern wiederauflebendea CoUectivsubject;
Bosea 7. unverkennbar bildlich auf Volk nnd Staat Israel;
endlich die Uauptstelle, Ps. 16^, kann nur auf einen Freot-
men gedeutet werden, welcher durch Jebova's Hfllfe einer
Todesgefahr cn entrinnen hofft , und nwar nicht in der
Art, dafs er, wie- Jesus, aus dem Grabe wieder hervor-
gehen , sondern gar nicht wirklich in dasselbe versetst
werden wärde, versteht sich, diefs nur vor der Hand, ond
mit den Vorbehalt, seiner Zeit allerdings der Natur den
Tribut zu entrichten , was auf Jesnm wiederum nicht
passen würde. Hfitte also ein übernatQrliehes PHncip in
Jesu, ein prophetischer Geist, ihn in dieaea A. T. lieben
Geschichten nnd Stellen eine Vorandeutang aeiner Anfer-
Erste« KapiteL §.112. 561
itehnng finden lauen : so kdnnre , da in keiner dersc Iben
eine solohe Beaiebang wirklich Hegt, der Geist in ihm
nicht der Geist der Wahrheit , sondern er mdfste ein Lll«
^engeist gewesen sein ^^, das iibernatariiche PrinGijp in
ilim nicht ein göttliches, sondern ein dä'monlsches. Bleibt,
001 dieser Consequens an entgehen , dem fOr verständige
Autlegnng des A. T. augfinglichen Sa]iranatoralisten nichts
fibrig, als das Vorherwissen Jesu von seiner Auferstehung
ili ein natarlich - menschliches au betrachten : so war die
Äsferstehung, als Wunder genommen, ein Geheimnifs des
göttlichen Rathschlusses^ in welches einaudringen dem
■eDfchllchen Verstände vor dem Erfolg anmöglicb war;
aU natürlicher Erfole angesehen aber war sie der unbere-
chenbarste Zufall, wenn man nicht einen von Jesu und
Mioen Verbündeten planmftlsig herbeigefBhrteo Scheintod
«naehmen wilL
Also nach dem Erfolg erst ist so Voraussieht wie Vur-
aoissge der Auferstehung Jesu beigelegt, and nun war es
loch bei der bodenlosen Willkfir jüdischer Exegese den
Jfingem und Verfassern der M. T. liehen Schriften ein
Leichtes , ina A. T. Vorbilder und Weissagungen auf die
Wiederbelebung ihres Messlas aufeufinden. Nicht als ob
iie diels mit schlaner Absichtlichkeit , und selbst von der
Nichtigkeit Ihrer Aoslegungs- und Schlufsweise fibersengt,
19) Diese Folgerung glaubt Kbkn durch die wettere turücKau-
weisen , dass man dieselbe Beschuldigung eines sie beherr-
schenden LUgengeistes auch auf >dic Apostel , ja auf die ge-
sammte christliche Kirche ausdehnen müsste, sofern auch 'sie
jene Deutung der A. T. liehen Weissagungen auf die Aufer-
stehung Jesu sich angeeignet habe (a. a. O. S. 150.)* Wobei
nur yeri^essen ist, dass lediglich unter Voraussetzung einer
tibernattirlichen Quelle dieser Deutung jene Folgerung ge-
macht war ; dass sie mithin bei den Jtingern und der Kirche
hinwegfäilt, und sich in die unverfängliche Beschuldigung
eines natürlichen Irrtbuns verwandelt.
MS Dritter Abschnitt.
getba Q hätten , wie der Wolfenbfittier FragmeDtist ood
Aodfe seinesgieioheo iftgtern; sondern, wie es dem, der
in dl.e Sonne gesehen , ergeht, dafs er noch IXngere Zeit,
wo isr hinsieht, ihr Bild erblickt : so sahen sie, dareh ihre
Begeisterung fflr den nened Messias geblendet, in den
einstigen Buche, das sie lasen, dem A. T«, ihn überall,
nnd ihre, in dem wahren Geftthl der Befriedigung tiefiter
Bedarf nisse g^grfindete Uebersengung , dafs Jesus der
Meissias sei, ein Geffihl und eine Ueberseugnng, die aaeh
wir noch ehren, griff, sobald es sich um reflexiensrnfitfip
Beiveise handelte, nach Stfltsen, welche Ifingst gebrochen
sind , und selbst durch das eifrigste Bemflhen einer hinter
der Zeit surackgebliebenen Exegese nicht mehr haltbar
gesaaoht werden können,
S. 113.
Die Reden Jesu von seiner Farusie. Rrltik der Terschie-
denen Auslegungen.
Doch nicht allein dafs er drei Tage naoh seinem Tode
wieder aufleben werde, um sieh seinen Freunden bu sei-
geil, sondern auch, dafs er später einmal, mitten in der
üirangsalsseit , welche auch die Zerstörung des Tempeli
in Jerusalem herbeifOhren sollte, in den Wolken des üin-
mels kommen werde, um die gegenwärtige Weltperiode
absuschliefsen, und durch ein allgemeines Gericht die fcfisf-
tige ca beginnen, hat Jesus den evangelischen Naehriehten
»ufolge vorausgesagt (Matth. 24. und 25. Marc. IS. Lue.
17, 22 — 37. 21, 5 — 36.).
Als Jesus cum letstenmale aus dem Tempel ging (Lo*
kas hat diese Bestimmung nicht) , und seine Jfinger (Lu-
kas unbestimmt : Einige) ihn auf den herrlichen Bau be-
wundernd aufmerksam machten, gab er ihnen die Veni«
cbemng , dafs alles , wie sie es da sähen , von Grund aas
serstttrt werden wflrde (Matth. 24, 1. 2. paraU.). A»'
die Frage der Jünger, wann diefs geschehen, und wai
Erft«8 Kapitel, f. IIS. 5«
das Zdehen der ihrer Aii»ieht nach damit ■nsammeDhln*
genden Aokonfc des Metfias aeiii werde (V. 3.) 9 warnt
sie JeMis , «ich nicht durch Leute , welche aich fSlschlich
fSr den Me«aiaa ausgeben, und durch die Meinung, gleich
nach den ersten Voraeichen müsse die erwartete Rata-
fkrophe folgen, irrefOhren an lassen; denn Kriege und
Kriegsgerfichte, Kämpfe von Völiiern und Reichen gegen-
einander, Hnngersnoth, Pest und Erdbehen da und do^,
seien nur die ersten AnfKnge des Elendes, welches der
Aakanft dea Messias vorangehen werde CV. 4 — 8). Auch
•ie selbst, aeine Anhänger, werden cuvor noch HaTs, Ver-
folgung und Mord filier sich ergehen lass^ mfissen; Treu«
lofigkeit, Verrath, Täuschung durch falsche Propheten,
Lieblosiglieit und allgemeines Sittenverderben werde unter
den Menschen einreifsen, ungleich al»er mfisse die Bot-
schaft vom Messiaareich noch vorher in der gansen Weit
feriLfindigt werden; nach allem diesem erst könne daa
Eode der jetsigen Weltperiode eintreten , auf welches mit
Stsndbaftigkeit harren mttsse, wer an dem Glficke der
kanftigen Antbeil bekommen wolle (V. 9 — 14.> Ein nl«
keres Vorseichen schon von dieser Katastrophe aei die
Erfüllung dea Danielischen Orakels (9, 27) von dem an
ketliger Stfitte aufsustellenden Verwfistungsgräuel (naeh
Lakas, 21, 20, die Umstellung Jerusalems durch Kriegs«
beere); wenn dieses eintrete, dann sei es (nach Lukas,
weil die Verödung Jerusalems berorstehe, welche Luc.
19, 43 f. in einer Anrede Jesu an die Stadt durch na^i--
ßtdSaiv (K ix^Q^ ^^ xa^oaca 001 ^ xul n^iiixvxXoiaaai ae xal
om^sai oe TiavvoO'ty^ xal iduifiüoi ae xal %a TBxva an h
(foiy XM Hx uq^janaiv iv ad Xl9ov i^u lixhy näher bestimmt
1^0 die höchste Zeit nur schleunigsten Flucht, bei welcher
>Ue am schnellen Fortkommen Gehinderte an bedenern,
and von welcher, dala sie in keine ungfinstige Zeit flalleiB
aitfge, angelegentlich cn wfinschen sei ; denn es trete dann
eine beiapiellose Urangsalsueit ein (nach Luc: V. 24. ha^pt-
304 * Dritter Abfohnitt.
«löblich Anrui beatehenil, dab vom Volk Israel viele vn*
kommen, andere gefangen weggeführt, Jerosalem aber eine
vorherbestimmte Periode hindurch von Heiden aertreten
werden werde), welche nor dorch gnadenvolle Abkfirsung
ihrer Dauer von Seiten Gottes aas Rücksicht aof die E^•
wählten ertrftglich werde (V. 15 ^ 22.)- ^«^ d*^«^ Zeit
werden fahche Propheten nnd Messiase dorch Wunder
und Speichen su täuschen suchen , und da oder dort den
Messias au eelgen versprechen: da doch ein Messias, der
irgendwo verborgen wäre und aufgesucht werden mfiftte,
kein wahrer sein könne; indem dessen Ankunft wie dm
Leuchten des Blitees eine plötsliche, überallhin dringende
Offenbarung sei, deren Hittelpunkt Jerusalem bilde, dm
durch ftpine Schuld die Strafe über sich herbeisiehe (V.
23 — 28.)« Unmittelbar nach dieser Drangsalszeit werde
sich nun durch Verfinsterung von Sonne und Mond, darcb
Herabfallen der Sterne und Erschütterunjg aller Kräfte dei
Himmels , die Ersoheinung des Messias einleiten , welcher
sofort cum Schrecken der Erdenbewohner mit grofser
Herrlichkeit In den Wolken des Himmels daherkommen,
und alsbald durch Engel mit Trompetenschall seine Er-
wählten von allen Enden der Erde susammenrufen lassen
werde (V. 29 -310* An den vorgenannten Zeichen sei die
Nähe der angegebenen Katastrophe so sicher, wie an des
Ausschlagen des Feigenbaums die I^ähe des Sommers, sa
erkennen; noch das gegenwärtige Zeitalter werde, bei el"
lem was sicher sei, das Alles erleben, obgleich der ge-
nauere Terfuin nur Gott altein bekannt sei (V. 32 — 36).
Wie aber die Menschen seien (das Folgende haben Mar*
hns und Lukas theils gar nicht, theils nicht in diesem
Zusammenhang) , so werden sie auch die Ankunft des
Messias , wie einst die der Sfindfloth , mit leichtsinniger
Sicherheit heranrficken lassen (V. 37- 39. ): und doch
werde es ein äufserst kritischer Zeitpunkt sein, der die-
jenigen , welche in den nächsten Verhältnissen gestanden,
Erstes. Kapitel. S« 113. . 363
gtD£ eDtgegengesetsteni Loos fiberantworten werde (V^
40. 41. )• Darain sei Waohsamkeit noth (V. 42. )> wie im-
mer, weno Ton einem entscheidenden Erfolge der Zeit*
pookt seines Eintreffens unbekannt sei; was sofort darcb
das Bild vom Haushcfrrn und Dieb (V. 43. 44. )> vom
Koechte, dem der verreisende Herr die Aufsicht Ober das
Haoswesen anvertraut (¥• 45 — 51.), ferner von den kla-
gen and thöriehten Jungfrauen (25 ,1 — 13.) , endiloh von
den Talenten (V. 14 - 30.)» veranschaulicht wird. Hierauf
folgt eine Beschreibung des feierlichen Gerichts, welches
der Messias fiber alle Völker halten , und in welchem er
Dach der Rücksicht , ob einer die Pflichten der Alensehen-
Uebe beobachtet oder hintangesetzt habe, Seligkeit oder
Verdammnifs suerkennen werde (V. 3l-46.)0-
In diesen Reden kündigt also Jesus bald O^^^oi^, 24,
2S.) nach derjenigen Drangsal, in welcher wir OiAment-
lieh nach der Uarstellung des Lukasetangelidms) liie 2<er-
Störung JemsaleoM and seines Tempeis erkennen mfissen.
1) Vgl. über den Inhalt und Zusammenhang dieser Beden Fmm«
SCHI , in Matth. p. 695 ff. ; ni Wim , exeg. Handb. ,1,1,
S. 197 ff. ; WiiziL , die urchristliche Unsterblichkeitslehre,
in den theol. Stadien und Kritiken, 1836, S. 599 ff. — In
Uebereinstimmung mit diesen Auslegern füge ich noch fol-
gende Eintheilung des Abschnittes bei Matthäus hei:
1) Vorxeichen des rtXoi" 24, 4—14.
a) entferntere , oQxi ^iyw» 4—8«
b) nähere, die eigentlichen Wehen. 9— 14«
2) Das Tfi^ selbst. 24, 15—25, 46.
a) Dessen Anbruch mit der Zerstörung Jerusalems und
der grossen sie begleitenden »Xlipi^» 15'-28.
b) Dessen Mitte und Wendepunkt : die Ankunft des Mes-
sias, nebst der Sammlung seiner Auserwählten. 29—31.
(Hierauf Rückblicke und Ermahnungen. 2^,32—25,90.)
c) Abschluss des r/2o( mit dem messianischen Gericht.
51-46.
■«• •m^
S6tt Dritter Abschnitt.
ond 8O9 daf« es die Generation «einer Zeitgenosten (i) yena
wkrj V. 34.) Dooh erleben werde , seine siebtbare Wieder-
kunft in den Wollien und das Ende der gegenwlrtigen
Zeitperiode an. Da nun bald vor 1800 Jahren die Ze^
Störung der Jüdischen Hauptstadt erfolgt, und ebensolaoge
her die "Zeitgenossenschäft Jesu ausgestorben, seine sieht-
l>are Wiederkunft aber und das von ihm mit derselben in
Verbindung gesetzte Weltende noch immer nicht einge-
treten ist: so scheint insofern die VorherverbQndlgong
Jesu eine irrige gewesen bu sein. Schon in der ttltesten
christlichen Zeit, da die Wiederkunft Christi sich Unger
TcrEOg, als man sich gedacht hatte, standen,^ nach 2. Petr.
S, 3 f., Spötter mit der Frage auf: 71H igiv 7^ tmxyyüia
TTJg naQoaiag avvQ; dtp ijg yccQ 01 narioeg ixoiiArf&rfiuv,
navra ma) diafiivti an csQx^t^ xriüeiog. In neuerer Zeit ist
die nachtheilige Folgerung, welche aus dem beseichneten
Verhiltnifs gegen Jesum und die Apostel sich schein-
bar sieben läfst, von Niemand sehneidender ausgespro-
chen worden, als von dem Wolfenbflttler Fragmenti-
sten. Keine Verbeifsung in der gansen Schrift, meiot er,
sei auf der einen Seite bestimmter Torgetragen , auf der
andern offen barer falsch befunden worden, als diese, wel-
0he doch eine der Grnndsäulen des gesammten Chrif^en-
thnms bilde. Und ewar^ieht er darin nicht einen blofi^n
Irrthum, sondern einen absichtlichen Betrug der Apo^^td
Cdenen, und nicht Jesu selbst, er jenes Versprechen ontl
die es enthaltenden Reden Buschreibt), herForgegangen ans
der Mothwendigkeit, die Leute, von deren Beiträgen sie
Ihren Unterhalt Eiehen wollten, durch das Versprechen ei-
ner nahen Belohnung anaulocken, und kennbar an der
Kablheit, mit welcher sie den aus dem allznlangen Versog
der Wiederkunft Christi erwachsenden Zweifeln, wie Pau-
lus im 2ten Thessalonicherbrief durch Versteckspielen mi
dunkeln Redensiirten , und gar Petrus in seiner swelten
Epistel durch das Ungeheure einer Berufung auf die gtttt-
Erstes Kapitel, f. IIS. Stf7
liehe Zeltreehnang, in welcher 1000 Jahre = einna Tage
leieo, so entgehen suchen ^.
Der tödtlioben Wunde, welclie auui durch solche Fol-
geroDgen ai|8 dem vor uns liegenden Abschnitte dem Chri-
itenthnm beibringen wollte, mufste natfirliob die Exegese
tof jede Weise aussnbeugen suchen. Und swar näher,
iodeffl der gauEO Knoten darin besteht , dafs Jesus mit et«
WM nunmehr Iftngst Vergangenem in unmittelbaren Zeit-
iDsammenhang etwas noch immer ZukOnftiges ea setsen
lebeint, so waren die drei Answegd möglich : entweder su
Uugoen, dafs Jesus sum Theil auch von etwas, jetst schon
Vergangenem fpreche, und ihn von lauter noch immer Zu-
kflnftigem reden nn lassen ; oder su läugnen, dafs ein Theil
seiner Rede etwas noch jetat ZulKOnfdges betreffe y somit
die gsnse Voraussagung auf etwas bereits hinter uns Lie-
gendes Bu iMsiehen ; oder endlich swar suBUgebeii , dafs
der Vortrag Jesu theils auf Solches, was uns schon ein
Vergangenes , theils auf Solches, was uns noch ein Zu-
kOnftiges ist, sich besiehe, aber nun entweder au iKugnen,
dtb er beides in unmittelbare Zeitfolge gestellt, oder su
behaupten, dafs er auch das in der Mitte Liegende be.
rflckaichtigt habe.
In der urchristlichen Erwartung der Wiederkunft
Christi noch lebend, und sugleich in geregelter ISxegese
nicht so geübt, um fiber einige Härten einer sonst er-
wfioschten £rklirung nicht hinwegsehen au können , be-
sogen einige Kirchenväter, wie Irenäus und HilaKius *)»
den ganzen Abschnitt, tou seinem Anfang Matth. i4. bis
BQ seinem Ende Kap. 25, auf die noch bevorstehende Wie-
2) Vom Zweck Jesu und seiner Jünger, 8. 184. 201 ff 207 ff.
3) Jener ady. haeres. 5 , 25 ; dieser Comm. in Matth. %. d. St.
Vergl. über die verschiedenen Auslegungen dieses Abschnitts
das Verseichniss hei Scmott, Commentarius in eos J. Chr.
scraiofies, qui de reditu ejus ad judislM» ^ aftunt, p. 73 ff.
36.^ Dritter Abschnitt.
derkunfc Chritti sna fiericht. Allein, in(l(»ni dieae Ausle»
gungsvi'eise sogleich einrJloait, Ton vorne herein habe Je-
ens aln Typos dieser letsten Kstastrophe die Zerstörung
Jerusalems gebraucht: so gibt sie damit sich selbst wieder
auf; d'»nn was heifst jenes Zugeständnlfs anders, als dufs
der Allfang der fraglichen Reden sunftchst den Eiadraek
mache I wie wenn Ton der ZerstSrung Jerusalems , also
etwas bereits Vergangenem, die Rede wfire , und dafs nur
eine v/eitere Reflexion und Combination demselben eine
Besieh ung auf etwas noch in der Zukunft Liegendes ge-
ben könne i
Der neuere Rationalismus, welchem in seinen nstarii*
listischicn AnfSngen jede Form der Hoffnung auf die Wie-
derkunft Christi au Nichte geworden war, und welcher,
um da:i ihm Mifsflfllige aus der Schrift wegeo bringen, jede
exegetische Gewaltthat sich erlaubte , warf sich defswegen
auf die entgegengesetzte Seite, und wagfe den Versuch,
die betrefifenden Reden Jesu in ihrem ganeen Verlaufn
nur avif die Zerstörung Jerusalems, und was ihr sunfichst
Toranfjing und folgte, su beaiehen*). Dieser Auslegong
Bufolge soll das Ende, von welchem die Rede ist, nur dai
Aufliören der jttdisch- heidnischen Weltgestaltung ; das von
der Ankunft Christi in den Wolken Gesagte nur bildliche
Beseichnung der Verbreitung und des Siegs seiner Lehre;
die Versammlung der Völker sum Gericht und die Ver-
weisung der einen in die Seligkeit, der andern in die Ver
dammnifs ein Bild für die beglöckenden Folgen sein, wel-
che die Aneignung der Lehre und Sache Jesu , und fftr
die Uebel, weiche die Gleichgfiltigkelt oder gar Feindschaft
gegen dieselbe mit sich fahre. Allein hiebei wird eis
4) Bahrdt, Uebersetzung des N. T. , 1 , S. IIOS, 3te Ausgabe;
EcKBRMiTVKy Handbuch der Claubenslelire, 2« S. 579. 3> S. 427.
437. 709 ff. , und Andere , bei Schott , a. a. O.
Erseea Kapitel. §. 113. 3611
Abstand der Bilder von den Ideen angenommen, der so-
wohl an sieh unerhört, als im Beaondem hier niehl denk-
bar ist, wo Jesus, EU jSdiseh Gebildeten redend, wissen
fflof«te, dafs sie, was er von Ankunft des Mes^as ia
den Wolken , vom Gericht und Ende der ge^onwärtigeii
Weltperiode sagte, im eigentlichsten Verstände nehmea
wflrden.
Läfst auf diese Weise die Rede Jesu ihrer ganaeii
Lfinge nach weder auf die Zerstörung des jSdisohen Staats,
ooch auf die Vorginge am Ende der Dinge sich bestehen :
10 mflfste sie auf etwas von heidem Verschiedenes*l>eco-
gen werden, wenn jedesmal an einem und ebendemseiben
Zug Jene gedoppelte Unmöglichkeit haften würde. So
aber liegt die Sache nicht ; sondern, während aqf das ferne
Ende der Welt nicht besogen werden kann, was Matth.
24, 2. 3. 15 fif. von Verwüstung des Tempels u. s. w* ge-
sagt wird : kann umgeliehrt auf die Zerstörung Jerusalems
das nicht gehen, was 25, 31 S, von dem durch des Men«
sehen Sohn sn haltenden Gerichte verkflndigt ist. Indem
bienach in der Rede Jesu von vorne herein dieBexiehung
auf die Zerstörung Jerusalems , nach hinten su aber die
auf das Ende der Uinge die vorwiegende ist:, so wird
eine Theilung möglich, in der Art, dafs der erste Theil
der Rede auf Jenen näheren, der sweite auf diesen entfern-
teren Erfolg besogen werden kann« Diefs ist der von den
meisten neueren Exegeten eingeschlagene Mittelweg, bei
welchem en sich nur fragt, wo der Einschnitt su machen
ist, welcher beide Theile von einander trennt. Da es eine
Spalte sein mfifste, in welche voraussetslich die ganse
Zeit* von der Zerstörung Jerusalems bis cum Jfingsten Tag,
also muthmafslich ein Zeitraum von mehreren Jahrtausen-
den, hineinfiele : so sollte sie, mufa man denken, kenntlich
beseichnet, und folglich leicht und mit Debereinstimmung
so finden sein. Es ist kein gutes Vorxeichen fflr die Vor-
anssetsung, dafs man diese Uebereinstimmung vergeblich
Dax Leben Jesu $te Aufl. Ef. Bfind, 24
S70 ' Dritter Abflchnitt.
soobt, vielmehr nn den verichiedeneten Oertem der K«de
Jesu Jener Absobnitt gefunden worden i»^.
Da auf der einen Seite so viel ehtscbieden cn sein
schien, dafs wenigstens der SchliiCs des 25ten Kapitels,
von V. 31. an, mit den Reden von dem feierliehen Gerichte,
welches der Messias, von den Engeln umgeben, über alle
Völker halten werde, nicht auf die Zeit der Zerstörung
Jerusalems besogen werden könne: so glaubten manche
Theologen hier dieUränce abstecken, und* bis 25, SO swar
die Besiehnng auf das Ende des jttdisohen Staates festhal-
ten m' können, von da an aber zum Weltgericht am Ende
der Dinge Sbergehen eu mfissen ^). Auffallen mnfs bei
dieser Erklärung schon diefs, die grofse Kluft, weiche
derseiben sufolge e wischen 25, 30. und 31. stattfinden
möfste, durch ein einfaches St beseichnet eu «sehen. Dann
aber wird hiebei nicht nur das von Sonnen • und Honds-
finsternissen , Erdbeben und herabfallenden Sternen Ge-
sagte als blofses Bild für den Untergang des Jüdischen
Staats und Cultus erklärt, sondern, dafs 84, 31* vom Mes-
sias gesagt ist, er werde auf den Wolken kommen, das
soll heifsen: unsichtbar; mit Macht, das heifse : nur durch
seine Wirkungen bemerkbar; mit vieler Herrlichkeit, d« b.
mit einer solchen, die aus Jenen Wirkungen werde er>
schlössen werden können; die alle Völker susammentrom-
petenden äyyfloi aber sollen die predigenden Apostel sein %
Völlig mit Unrecht beruft man sich für eine solche
blofs bildliche Bedeutung der angefahrten Zöge auf die
prophetischen Gemälde der göttlichen Gerichtstage, Jet.
5) So LiSHTroOT, x. d. St.; Flatt, Comm. de notione Tocii
ßaaiUCa rtav M^aräy^ in ViLTiivsiiv^s und A. Sammlung, 2, 461 ff-;
Jahn, Erklärung der Weissagungen Jesu von der Zerstörung
Jerusalems u. s. w. , in Bihsil^s ÄrchiT 2, 1, S. 79 ff- > »■'^
Andere, s. bei Schott, S. 75 f«
6^ So namentlich Jaioi, in der angef. Abhandlung.
Krste« Kapitel $. 113. S71
13, 9 ff. 24, 18 ff. Jeren. 4, i3 f. Eseeh. St, 7 ff. Joel.
S, 3 ff Arnos 8,9.; femer aaf Schildemiigen wie RiehL
5, 20. A. 6. 2. 17 ff. '). In Jenen Prophetenstellen ist von
wirklichen Sonnen- nnd Mondffiosternissen , Erdbeben o.
dergt. die Rede, welehe als Prodigien die yerkSodigte Ka-
tastrophe begleiten sollten; im Liede der Debora ist eben«
so ?on eineoi wirklichen Antheil des Himmels am Streite
wider Sissera die Rede , weicher Antheil in der Frclh-
iung, 4, 15., Gott selbst, hier im Liede seinen himmlisohen
Heersehaaren sugesehrieben ist; Petras endlich erwartet,
dtfs, nachdem die Aasgiefsoog des Geistes In Brfallang
gegsngen, demniichst nun auch die unter den Voreeicbeii
der i^fieQo KvQiS verbeifsenen Krscheinongen am Bimmel
eintreffen vrerden.
Füllt hiemit der Versnob, Ton hinten herein gehend
bei 25, 30. abzntheüen, durch die Unfähigkeit, das weiter
Torwfirts Liegende so erklären, in sich selbst eusammeo:
so Isg es nahe, von vorne herein au sehen , bis wohin die
Besiehung auf die nächste Zukunft nothwendig festeuhal«
ten sei : u nd da ergab sich der erste Höhepunkt hinter
24, 2S.; denn was bis dahin Ton Krieg nnd andrer Noth,
Tom Gräuel im Tempel, von der Mothwendigkeit schleuni-
ger Flucht y am beispiellosem Elend eu entgehen, gesagt
ist, das kann aus der Besiehong snr Zerstörung Jerusa»
leais ol|ne die gröfste Gewalt nicht gerissen werden : was
aber folgt, vom Erscheinen des Menschensohns in den
Wolken n. s« f. , erheischt eben so dringend eine Besie*
bong auf die lefEten Dinge ^). Hiebei jedoch scheint es
Beorderst unbegreiflich, wie man den ungeheuren Zeit-
mom , welcher auch bei dieser Erklärung swischen den
einen und andern Theil der Rede fällt, gerade awisehea
7) KsRif, Hsnptthatsachen, Tiib Zeitachr. 1836, 9, S. 140 ff.
8) So Storr, OpuBC. acad. 3, S. 34 ff. ; Paulus , exeg. Handb.,
3, A, S. 346 f. 402 f.
24*
372 Dritrer Abschilitt.
fewel Verse hineinlegen kann, welehe Matthias doreh eine
Partikel der kttrseslen Zeit Ov^^kog) verbindet Man hat
diesem üebelstande durch die Behauptung abcuhelfeo ge«
sucht, dafs (vd'ioig hier nicht die schnelle Folge der eines
Begebenheit auf die andere , sondern nur das unerwartete
Eintreten eines Ereignisses bezeichne, und also hier nsr
so viel gesagt werde: plötelich einmal (unbestimmt, wie
lange) nach jenen Bedrängnissen bei der Zerstörung Je-
rusalems werde der Messias sichtbar erscheinen. Abge-
sehen dayon jedoch, dafs eine solche Deutung Ton £i;^aui;,
wie Olshaussn richtig sieht, ein blofser Nothbehelf iit, to
ist durch dieselbe nieht einmal wirklich geholfen, indea
nicht allein der parallele Markus V. 24. durch sein iv
ixehaig laJg rjteQaig fifiu tr^v ihiJijnv ixhlvr^v die von hier
an gemeldeten Erfolge in dieselbe Zeitreibe mit den sQvor
erslblten verlegt, sondern auch kurc bernaeh Obereinttin-
mend in allen Berichten (Matth. V. 34. parall.) die Ver-
sicherung doh findet , alles diefs werde noch von der ge-
genwärtigen Generation erlebt werden. Da auf diese Weite
der Annahme, dafs von V. 29. an Alles auf die Wiede^
kunft Christi cum Weltgericht gehe, durch den 34 ten Ven
Vernichtung drohte: so wurde nunmehr, wie schoa der
Wolfenbattier klagt'), das Wort y&ta gefoltert, dsfi ei
der VoraussetEung nicht mehr entgegen sein sollte. Bald
mufste es die jtfdische Nation ^<0 9 bald die Anblinge^
Schaft Jesu '^) {bedeuten, und von dar einen oder an*
dern sollte Jeans sagen, sie werde, unbestimmt in der wie-
vielten Generation, befm Eintritt jener Katastrophe noch
vorhanden sein. So den gedachten Vers sn erklären, dati
er eine Zeitbestimmung gar nicht enthalte, soll selbst noth*
wendig sein in Rücksicht auf den gleichfolgenden SStes;
9) a. a. O. S. 188.
10) Stomr, a. a. O. S. 39. 116 ff.
11) Paüixs z. d. St.
I
J
Erstes Kapitel. $. 113. 373
da nSmlieh In diesem Jesus den Zeitponkt jener Katastro*
pbe Btt bestimmen fQr «nmdglioh erklfire, so könne er niotit
onoüttelbar vorher eine solche Bestimmung gegeben haben
dareh die Versioherang , dafs seine 2«eitgenossen noch AI*
let erleben wOrden. Indefs diese angebliche Itdthigung^
das yevea so so deaten^ ist längst ans dem Wege geschafft
doreh die Unterscheidung cwischen der nngefähren Be-
seichoang des Zeitranms, 5ber den das fragliche £reignib
nicht hinausfallen werde (y€veu)j welche Jesus gibt, und
der genauen Bestimmung des Zeitpunkts irj/niQa xal wQa)^
in welchem es eintreten werde, die er nicht geben sn kön-
nen versichert ^*). Doch selbst die Möglichkeit^ yevea auf
eine der angegebenen Arten su deuten, verschwindet, wenn
Bisa erwägt, dals in XTerbindung mit einem Verbnm der
Zeit und ohne sonstige Bestimmung yevea unmöglich eine
andre als seine ursprüngliche Bedeutung : Generation,
Zeitalter, haben kann; dafs in einen Zusammenhang, wal«
eher die Zukunft des Messias durch Zeiched su i>estlm«
nen sucht, ein Ausspruch Obel passen wQrde, der^ statt
Ober den Eintritt jener Katastrophe etwas aussusagen,
vielmehr von der Dauer des jödischen Volks oder der
christlichen Gemeinde handelte, von welcher gar nickt
die Rede war; dafs auch schon V. 33 in dem vfĀT$ crvav
ifJf^te Tiavza tavzay yivoiaxeze ^ x. t. L vorausgesetzt ist, die
Angeredeteq worden die Annäherung des fraglichen Er-
eignisses noch erleben; endlich, dafs an einer andern
Stelle (Mattb. 16, 28. parall.) die Versicherung, die An-
lionft des Menscbensehns noch su erlel>en, statt von der
ytna aikfj geradezu von nai %wv wde egcivKiV gegeben wird,
wodurch aufs Entscheidendste daigethan ist, dafs Jesus
sqoh an unserer Stelle unter jenem Ausdrucke das Ge«
schleciu seiner Zeitgenossen verstanden hat, welches noch
nicht ausgestorben sein sollte, bis jene Katastrophe eintr«^
12) a. HviA(i^ in Malth. S. 6^9,
374 Dritter Abtchnitt.
ten wttrde ^'). Dlel'B absolfiagnen aaher Stande , nnd
doch das hier angekOndigte Weiteode and die 2ieit Jein
fnöglichst aaieinandersurfloken beodttht , wollen Andere in
dem fraglichen Aussprache nur so viel finden, daft noch
im damaligen Zeitalter die bis daher beschriebenen E^
folge anfangen werden in ErfttUung sa geben; deren
rollst&ndige ErfflUang daram doch noch viele Jahrbonderte
BÖgern könne ^0* Allein wenn schon V. 8. von Anfing
der ürangsalsperiode die Rede gewesen , von V. 14. aber
das durch sie eingeleitete Ende der gegenwärtigen Welt«
seit beschrieben worden war, und es heifst naui das ge*
genwirtige Geschlecht werde nicht vorfibergehen, ewi; av
navta lavta yhr/tai : so können darunter unmöglich blof«
jene Anfinge, sondern mfissen die suletst besprocheoeo
Momente des Weltendes selbst verstanden sein.
Findet sich demnach noch V. S4. etwas , das auf ein
dem Zeitalter Jesu sehr nahes Ereignifs su besieben ist:
so kann nicht schon von V. 29t an die Rede Jesu auf (Ui
13) vgl. den Wolfenbüttler, Fragmentiaten , s. a. O. S. 190 ff.
Schott, a. a. O, S. 127 ff.
14) Hbjlm, a. a. O. S. 141 f. Dass zwischen dem Zeitpunkte^ io
welchem er sprach^ und dem Weitende Jesus einen ungleidi
längeren Zeitraum als den bis zu der Zerstörung Jerusaleoi
mitten inne liegend sich gedacht habe , glaubt Kbrn auf den
kürzesten Wege ans V. 14. unseres 24sten Kapitels Lei Mat-
thäus beweisen zu können^ wo Jesus sagt: xai xr^^x^i^""^
THTO t6 fvayyiXioy r^i ßaaiXtCaq er oXij r^ olxnfifvfi flf fta^v^
nam rot; f&yeat, »at t6c9 ijifi ro riXoi — ZU einer solchen Aul*
breitung des Christenthums sei doch „unwidersprechlich*^
eine ungleich längere Zeit, als jene paar Jahrzehente, er-
forderlich. Zum Glücke widersprechen die Apostel selbtt,
wenn sie noch vor der Zerstörung Jerusalems das Evange-
lium als bereits in jenem umfange verbreitet darstellen.
Z. B. Kol. 1 y 5 : r» euayyil^ , ( 6 ) r« na^rrog - *V Tteori t>-
MOOfua — (23) — TÄ xtf0tx&fyroi iv naofi rij »rtatt r^ Imo rot
ifttror. Vgl, Rom. 10, 13.
Erstes KaptleL S* 113. S7ft
«Dtfenito Ende der Weit gehen, sondern man mab den
Einschnitt noch etwas weiter hinaus y etwa naeh V. U.
oder 42., setsen *')• Allein hiebei behält man dann Ans»
iprQehe im Röcken, welche der Oeotang auf die Zeit von
Jerusalems Zerstörung, die man dem Abschnitt bis an den
beseichneten Versen geben will, widerstreben; man mufs
in den Reden Ton dem herrlichen Konimen Christi auf
den Wolken und dem Versammeln aller Völker durch
Kngel (V. 30 f.) dieselben ungeheuren Tropen finden, an
welchen, wie wir oben gesehen haben, eine andere Ab*
thelloog gescheitert ist«
Hat auf diese Weise der Ausspruch V. 34, welcher,
sammt der Torangehenden BUderrede vom Feigenbaum CV«
12 f.)' nnd der angehfingten BekrXftigung (V. 350» auf ein
•ehr nahes Erelgnifs sich beaiehen mnfii, sowohl ohnehin
vorwärts Reden, welche nur auf die ferne Katastrophe
gehen können, als auch rfickwirts bereits eben solche: so
teheiot er in dem Contexte der fibrigen Rede als Oase von
eigenthQmlichem Silin mitten inne nu liegen. So nimmt
Schott an, nachdem Jesus bis V. 26. von der Zerstörung
Jernsalems gesproehen , sei er awar V. 27. auf die Ereig*
nitse am Ende der jetaigen Weltperiode öbergegangen,
V. 32, aber komme er auf das die Zerstörung Jerusalems
Betreflfende surfick, und fahre erst V.36. wieder über das
Weltende sa sprechen fort ^0« Allein das heifst in der
Yersweiflnng den Text nerhaoken; denn so unordentlich
und springend luuin Jesus, noch dasn ohne in der Anein«
anderreihung der Sätze eine Andeutung su geben, unmög«
lieh gesprochen haben«
Das soll er auch nicht, meint die neuere Kritik, sön-^
derii auf Rechnung der Referenten soll es kommen, ver«
15) Jenes SIisriko, yermischte Aufsütze, S. 90 iT. ; dieses HuiköLi
in Matth. p. 653 ff.
^ti) 8. deft&cn Conunontariui , 2. d. St.
375 Dritter Absehnitt.
srhiedene, niobt snaamniengehdrlge Aossprficbe Jesu Dicht
ia dep besten Ordoong aoeinandergeflQgt sn haben. Mat-
tbäoA freilich, rfiumt Schulz ein, stelle sieh diese Reden
als in Einem Zage gesprochen vor, nnd nur Willkür oder
Gewalt könne sie in dieser Hinsicht auseinanderreir«en:
sehwerlich aber habe Jesus selbst sie in diesem Znssmmen-
hanff ond mit diesem Totalgepräge vorgetragen ^'). Die
verschiedenen Momente seiner Zukunft, meint Sieffert,
seine unsichtbare Parusie cur Zerstörung Jerosalemi, and
seine eigentliehe am finde der üinge , möge Jesus swar
nicht ausdrücklich gesondert haben , doch habe er sie si-
cher auch nicht positiv verbunden ; sondern , was er still-
schweigend aneinanderreihte, das sei den Evangelisten der
Dunkelheit des Gegenstandes wegen in einander veVflos-
aen ^®). Und indem hier swischen Matthlius und Lukas
die Differens wiederkehrt, dafs, was Matthäus in Einen
Zusammenhange gesprochen sein Ififst, bei Lukas an ?e^
schiedene Stellen vertheilt ist, woxu noch kommt, daft er
manches von Matthäus Mitgetheilte theils gar nicht, theils
anders gibt : so glaubte sich ScHLEiERMACHEa *^) berech-
tigt, die Composition des Matthäus geradezu aus Lokai
zu rectificiren, und zu behaupten , während bei Lukas die
zwei getrennten Beden, 17, 22 S* und 21, 5 ff., Jede ibreo
guten Znsammenhang und ihre unzweifelhafte Besiehong
haben, sei bei Matthäus (Kbp. 24. nnd 25.) durch Ve^
mengung jener beiden Vorträge nnd HinznfQgnng ande^
weitiger Redestfloke sowohl der Zusammenhang verdorben,
als die Beziehu^ng verdunkelt worden. Soll nun aber In
der Rede Luc. 21. für sich genommen niebta sein^ ws<
17) Ueber das Abendmahl, S. SIS f.
18) Uebcr den Ursprung des ersten kanon. Evangel. S. 119 ff-
Aebnlich >yiissi, a. a. O.
J9) Uebcr den Lukas, S. 2)5 ff. 265 ff. Ihm schiiesst sich luch
hier Ni4»DiR an , S, 562.
•,.- J
Erstes Kapitel. §• 113. 377
fiber die Beslehang anf die Einiiahoie Jerusalems und das
damit Zusammenhängende hinauifginge: so findet sich doch
iocb hier (V. 27) das tote oipanat tov viop t5 dud'Qci.ia
iQloiibvaif iv v£qiXt- y and wenn diefs Scbliisrmacher als
blobes Bild fiBr die su Tage kommende religiöse Beden«
tDDg der suvorbeschriebenen politischeii und Naturbege«
beubeiten erlilXrt: so ist diefs eine Gewaltsamkeit, an wel-
cher seine gsnse Ansicht von dem Verh<nils der beiden
Berichte scheitert. Wenn auf ^lese Welse In der Ver»
knäpfuog des Endes aller Dinge mit der Zerstörung des
Tempels au Jerusalem Matthins keineswegs allein steht,
sondern Lukas sie gleichfalls macht, pnd ohnehin Markus,
der io diesem Abschnitt einen Ansang aus Matthäus gibt :
so msg Ewar vielleicht auch in dieser Rede Jesu, wie in
andern, die sie mittheilen. Manches au verschiedenen Zei-
ten (jesprochene ausammengestellt sein; aber au der An«
nähme hst man kein Recht, dafs gerade dss anf jene bei-
den nach nnaerer Vorstellung so weit auseinanderliegenden
Begebenheiten sich Beaiehende das Michtausammengehörige
sei, Eumal wir aus der übereinstimmenden Darstellung der
Qbrigen N. T. liehen Schriften ersehen, dafs die erste Ge-
meinde die Wiederkunft Christi sammt dem Ende der ge^
genwfirtigen Weltperiode als nahe hevorstehend erwartete
(s. 1. Kor. 10, 11. in, 51. Phil. 4, 5. 1. Thess. 4, 15 ff.
Jac. 5, 8. 1. Petr. 4, 7. 1. Job, 2, 18. Offenb. 1, 1. 3.
3, 11. 22, 7. 10. 12. 20.).
Lufst sich demnach dem Anerkenntnifs nicht auswei-
chen, dsfs Jesus in seiner Rede, wenn wir sie nicht selbst-
beliebig aerreifsen, au Anfang von der Zerstörung Jeru-
salems, weiterhin und bis cum Schlüsse von seiner Wie-
derkunft am Ende aller Dinge rede, und dafii er beides
in onmjttel baren Zeiteosammenhang setae : so bleibt , um
seine Verkfindignng aufrecht an erhalten, nur noch die
Eine Auskunft, sein Kommen, von dem er spricht, «war
ainerseits in der Zukunft au belassen, es aber andre[rseits
S7S Dritter Abtehnitt.
Bogleieh in die Gegenwart herfibersEasiehen ; es aoi einem
blofs kfinftigen eum immerwährenden so maoben. Die
gaose Wekgescbichte, sagt man bienacb, seit der ersten
Ericheinung Christi, ist ein uneichtbaree Wiederliooinien
desselben, ein geistiges Gericht, das er fibor die Mensch-
heit hält. Davon ist die Zerstörung Jerusalems (in nnie-
Stelle bis V. 28.) nur der erste Aot ; in unmittelbarer Folge
C€t»€(og, V. 29£F.) schliefst sich hieran die darch die Ve^
kfindigung des Evangelia^is in der Menschheit bewirkte
Umgestaltung, welche in einer Reihe von Acten und Epo-
chen hinabläuft bis an's Ende der Dinge, wo das in der
Weltgeschichte nach und nach voUsogene Gericht sich lo
Einer Alles umfassenden, abschliefsenden Offenbarung iLond
geben wird ^^. Allein das berühmte Dichterwort, aus dem
Mittelpunkte des modernen Bewufstseins heraus gespro*
oben, eignet sich schlecht cum SchlQssel einer Rede, wel-
che mehr als irgend eine andere in dem Standpuniite der
alten Welt ihre Wursel hat« Das Weltgericht, das Kom-
men Christi, als etwas Successives au betrachten, ist der
schärfste Gegensata gegen die Vorstellnngsweise des N. T.
Sohpn die Ausdrücke, mit welchen es jene Katastrophe
beaeichnet, wie ixuvt] oder iayjotr^ rjfitQaj aeigen, dafs sie
als momentane an denken ist; die (TirvTcleia tö akorogf
nach deren Zeichen die Jünger CV. 3.) 'fragen, und welche
Jesus anderswo (Matth. 13,39.) unter dem Bilde der Ernte
darstellt, kann nur der endliche Abschlufs des Weltve^
laufe, nicht etwas sein, das sich während dieses Verlaofes
allmählig verwirklicht; wenn Jesus seine Parusie mit emea
Blitze (24, 370 i ihr Hereinbrechen mit dem des Diebs is
der Nacht vergleicht (V« 43.): so will er sienladurch als
Ein plötalich eintretendes Ereignifs, und nicht als eine
20) Olsraumw, bibl. Gomm. I, S. 865; KiRx,'a. a. O. S. \i$S-
Vgl. Stsudil; Glaub easlehre, S. 479 S.
Erstes KapiteL t. 113. S79
Reih« ▼•o aaleben, heseicbnen *^)« Nimmt man dasn noch
die unerlidrten Tropen, bu weieben men bei dieser Aue*,
legong nicht minder, als bei der oben erwähnten Deutung
des 24ten Kapitels auf den Untergang des Jndentbums^
sich genöthigt findet ^) : so wird man auch von dieser
Aoskttnft^ wie von allen bisherigen, wieder abstehen
■Assen.
Ist liiemit der letate Versnob gescheitert , die gro(se
Kloft, welche auf unserem heutigen Star.dpnnkte swischen
der Zerstörung Jerusalems und dem Ende aller Dinge be*
festigt bt, auch in die vorliegenden Reden hineinxubrin-
gen : so sind wir thatsächlich belehrt, dafs Jene Trennung
eben nur unsere Vorstellung bt, die wir in die Darstel«
Ipng des Textes nicht hineintragen dürfen. Und wenn
wir erwfigen , dafs wir die Vorstellung von jener KJuft
our der Erfahrung der vielen Jahrhunderte verdanken.
31) Vgl. besonders Wiixsi., die Zeit des )Ungsten Tags u. s. f.
in den Studien der evahg. Geistlichkeit Wiirtembergs, 9, 3,
S. 140 :ff. 154 ff.
22) Nach H srm heseichnet das ^Ktrtjo^rm otjfitlw th u« t. a. ir a^-
v^ ,>daa Sichtbarwerden alles desjenigen, was epochemachend
in der Entwicklung der Geschichte der Menschheit so her.
vortritt, dass sich daraus das Wirken des in der Geschichte
der Menschheit waltenden Christus so anschaulich erkennen
lasst| ^ie wenn man das Zeichen Christi am Himmel schau-
te \ das xa\ Tore xoxJxxvTat. naaeci at tpü?.ui r^g yt-; ist zu verstehen
von dem schmerzlichen Ergriffensein der Menschen durch
die mit der Verbreitung des Reichs Christi verbundene
jr^ts, als Ausstossung des Ung'öttlichen i^us der Welt und
Ert'ddtung des alten Menschen/^ Noch weiter lässt sich vom
allegoristischen Taumel Weisse fortreissen: Christus }|be*
klagt die Schwangeren und Säugenden , d. h. die , welche
noch innerhalb der alten Ordnung schaffen und erzeugen
wollen; er beklagt ferner die, deren Flucht in den Winter
fällt, d. 1i. in eine rauhe, unwirthbarc Zeit, die keine
rrttchte für den Geist trägt ^(S. 592.).
^
380 Dritter Abschnitt.
welche seit der Zerstörung Jerasalems Ferflossen sind r so nsfii
es uns leicht werden, ans eo denken, wie der Urheber
dieser Reden , welcher diese Erfahrnng noch nicht hinter
sich hatte, die Vorstellong hegen konnte, dafs bald nach
dem Falle des Jüdischen Heiligthnrns , nach Jüdischer Vor-
atellnng des Mittelpunkts der Jetsigen Welt, es aueh mit
dieser selbst ein Ende nehmen, und der Messias sum Ge-
richt erscheinen werde.
§. 114.
Ursprang der Reden über die Farusie.
In dem suletst gefundenen Ergebnifs über die unserer
Betrachtung vorliegenden Reden ist nun aber etwas ent-
halten , welches su vermeiden alle bisher l>enrtheilten fal-
schen Erklfirungsversnche gemacht worden aind. Bat
nSmlich Jesus sich vorgestellt und ausgesprochen, dafi
bald nach dem Falle des Jüdischen Heiligthums seine sicht-
bare Wiederkunft und das Ende der Welt erfolgen werde;
wAhrend nun seit jener ersten Katastrophe fast 1800 Jahre
hingegangen sind, ohne dafs die andere eingetreten wire:
so hat er in diesem Stücke geirrt; und wer nun auch
dem exegetischen Augenscheine so Viel nachgibt, uro in je-
nem Ergebnifs über den Sinn der vorliegenden Reden
mit uns übereinaustimmen , der sucht doch aus dogma-
tischen Rücksichten dieser Folgerung ans demselben ani-
suweichen.
Bekanntlich hat Hengstenbrro in Beaug auf die 6e*
sichte der hebräischen Propheten die VorstellungsweiM
aufgebracht, welche auch bei Andern Beifall gefunden, ei
haben sich dem geistigen Schauen dieser Mfinner die es-
künftigen Dinge nicht sowohl in dem Medium der Zeit,
als vielmehr des Raumes, gleichsam als grofse Tablesox,
dargeboten; wobei, wie diefs bei Gemfilden oder Ferosich*
ten der Fall ist, das Entfernteste oft unmittelbar hinter
dem ^'ächstcn au stehen geschienen , Vorder - und Hiater-
Erstes Kapitel. $. 114. 381
grund sich miteinander vermengt haben : nnd diese Theprie
?on einem perspectiviscben Schauen soll nan aoch auf
Jetam, namentlich in Betreff der vorliegenden Reden,
ihre Anwendung finden 0* Allein , was Paulus schlagend
kmerkt hat ^ , wie derjenigei welcher in einer AuCierlieh
gegebenen Perspective die Entfernungen nicht au "unter-
scheiden weifs, sich in einer optischen Tfiuschnng befin«
det, d. h. irrt: ebenso wird bei einer innerlichen Per-
spective von Vorstellungen I wenn es so etwas gibt, daa
Debersehen der Distanaen ein Irrtbnm genannt werden
mflssen ; und es zeigt somit diese Theorie nicht, dafs Jene
Minner nicht geirrt haben, sondern erlilärt vielmehr nur,
wie sie leicht irren konnten.
Auch Olshausen hfilt dfiher diese, von ihm sonst adop*
drte Betrachtungsweise nicht für aureichend , iii gegen-
wfirdgem Fall allen Schein des Irrthums von Jesu au ent-
fernen, und sucht defswegen aus der eigenthflmlichen Na-
(ar der Thatsache , von deren Voraussage es sich handelt,
noch besondere Rechtfertigungsgrände abanleiten '). Fflr*s
Erste soll «s cur ethischen Bedeutsamkeit der Lehre von
ChriiCl Wiederkunft gehören, dafs diese jeden Augenblick
fflr möglicli, ja wahrscheinlich, gehalten werde. Allein
hiedarch sind biofs Aeufserungen , wie Matth. 24, 37 ff.f
gereehtferCigt, wo Jesus aur Wachsamkeit ermahnt, weil
Niemand wissen könne, wie bald der entscheidende Au-
geoblick komme; keineswegs aber solche, wie 24, 34, wo
er versichert, noch vor Ablauf eines Menschenalters werde
Alles in Erfüllung gehen; denn das Mögliche denkt sich,
wer eine riehtige Vorstellung hat, eben als möglich, das
Wahrscheinliche als wahrscheinlich, nnd wenn er bei der
1) HiK68TBiiBias, Christologie de« A. T., 1, a, S. 305 ff.
2) exeg. Hmdb., 5, i, S. 405, Vgl. auch HsKif, HauplthiUi-
chen, a. a, O. S. 137.
3) Bibl. Comm. 1, S. 865 ff.
S81 Dritter Abschnitt.
'Wahrheit bleiben will, «teilt er es eben so dar: wer bis-
gegen das nur Mllgllcbe oder Wahrscheinliche als Wirk-
liches sich Torstellt) der irrt , und wer es y ohne es selbit
so Toreastellen, doch nm eines religiösen oder morsiitchen
Zweckes willen dafflr ausgibt, der hat sich eine piafravs
erlaubt. Weiter maeht Olshausxn das schon oben E^
wfihnte geltend, die Ansicht, dafs die Zahonft Christi be-
vorstehe, habe ihre Wahrheit darin, dafs wirklich die
ganae Weltgeschichte ein Kommen Christi sei, ohne d«b
jedoch hiedarch sein abschliefsendes Kommen am Ende
der Dioge aasgeschlossen wSre. Allein , wenn Jesus alt
nfichstbcTorstehend bewiesenermafsen sein eigentliches, ab-
schliefsendes Kommen darstellt, in Wahrheit aber nor
sein aneigentliches, fortwAhrendes Kommen aach in der
nächsten Zeit schon eingetreten ist : so hat er diese beiden
Arten seines Kommens verwechselt. Das Letzte, wsi
Olshausen anfuhrt: weil die Beschlennigang oder VercS-
gerang der Wiederkunft Christi von dem Benehmen der
Menschen, also von der Freiheit, abhfinge, so sei seine
\yei8ssgung nur bedingt zu verstehen , steht ond fBlIt mit
dem Ersten ; denn etwas Bedingtes als unbedingt darstellen,
heifst eine irrige Vorstellung verbreiten»
In fihniicher Weise hält auch Sieffbrt die OrOnde,
durch welche Olshausen die Bestimmungen Jesu Ober »ei-
ne Wiederkunft dem tiebiete des Irrthums sa entnehmen
sucht, fttr ^ungenfigend ; dennoch aber meint er, dem chriit-
liehen Bewufstseln sei es nnmöglich, Jesa eine getluschce
Erwartung sueuschreiben ^). In keinem Falle würde diefi
berechtigen, in der Rede Jesu diejenigen Elemente, wel-
che auf den niheren , , und welche auf den nach unserer
Einsicht entfernteren Erfolg sich beliehen, wiilkfirllcb
von einander bu scheiden: sondern, wenn wir Grfinde
hfitten, einen solchen Irrtham von Seiten Jeaa ffir on-
4) Ueber den Ursprung u. s. f. S. 119. AehnÜch Waissa, a. a. 0.
Erstes Kapital. $. If4. S8S
deDkbar su halten , to wBrden wir fiberhanpt die Reden
Ton der Parnsie, in welchen jene beiden Bettandtheile so
antrennbar in einander verflochten sind, ihm absprechen
aifl»en. Indofs, Tom orthodoxen Standpunkte betrachtet,
fragt man nicht cnerst, was einem heutigen ohrlstltehen
Bewafstseln beliebe, von Christo ansonehmen oder nicht,
Modem, was von Christo geschrieben stehe, ist die Frage,
worein sich dann das Bewnfstsein wird bu schicken su-
chen mOssen so gut es gebt; rational die Sache angesehen
aber hat ein solches auf Voraussetaungen. ruhendes tie-
f&hl, wie das sog. christliche Bewnfstsein ist, in wissen-
scbaftUcben Verhfindlungen keine Stimme, ond ist, so oft
et sich in solche mischen will , durch ein einfaches : mur
Her taceat in ecclesia! cur Ordnung tua weisen ^).
Fragt es sich nun, ob wir vielleicht andere Gründe
haben, die Weissagungen Matth. 24, 25. parall. Jesu ab-
sasprechen y so können wir unsere Untersuchung an die
Behauptung snpranaturalistischer Theologen anknüpfen,
was Jesus hier voraussage, habe er nicht auf dem natfir-
liehen Wege verstä'ndiger Berechnung, sonilern nur auf
übernatfirliche Weise vorherwissen können ^) Schon das
Allgemeine, dafs der Tempel serstört, und JerimAlem ver-
wfiitet werden würde, konnte nach dieser Ansicht nicht
10 sicher voransgewufst werden/ Wer hätte vermuthen
können, fragt man, dafs die Juden so weit in ihrer Ra-
serei gehen würden, dafs jener Ausgang herbeigeführt
werden mufste? wer konnte berechnen, dafs gerade solche
Kaiser solche Procuratoren schicken würden, welche durch
NiedertrSchtigkeit und Schwfiche sur Empörung relEten?
Noch auffallender ist dann , dafs" manche einzelne Züge,
die Jesus vorhersagte, wirklich eingetroffen sind. Die
Kriege, Seuchen, Erdbeben, Hungersnöthe, welche er
5) Vgl. auch meine Streittchriften, 1, 1, Schluss.
6) 8. s. B. GaATXy Comm. i. Matth. 2, A44 ff.
384 Dritter Abschnitt.
proplieseibte, liiuen sich in der folgenden Oesobichte wirk-
Jich nachweisen ; die Verfolgungen seiner Anhänger sind
ohnehin eingetreten ; die Voraossagong von falschen Pro«
pheten^ und zwar namentlich von solchen, die durch Ve^
sprechen von Wunderseicben das Volk in die Wfiste locken
wflrden (Mattb. 24, 11. 24 flf. parall.)» läfst sich mit einer
auffallend ähnlichen Stelle aus Josephns Schilderung der
letzten Zmten des Jfidischen Staats vergleichen ') ; die /t-
xlofthj; vTco gQaroittdcjy liQisaaljjfi bei Lukas, womit der
;^<r^a^ cu vergleichen ist, welcher nach Luc« 19, 43 f. ubi
Jerusalem gezogen werden sollte, kann in dem umstände
wiedergefunden werden, dafs nach Josephns Zeugnifs Ti-
tns Jerusalem durch eine Alauer einscbliefsen liefst; so
wie endlich auch das auffallen kann, dafs die Angaben:
;hc aq^id^tieiai kiO^os i^i kii>o» in Bezug auf den Tempel,
und iöacpiual ae (Luc. 19, 44) in Bezug auf die Stadt, in
wörtliche Erfüllung gegangen sind ^.
Wenn nun aus der Unmöglichkeit, dergleichen in ns-
tOrlioher Weise vorauszusehen, auf orthodoxem Standpunkt
eine öbernatürliche Einsicht Jesu gefolgert wird: so an-
terliegt die Annahme einer solchen auch hier der gleiches
Schwierigkeit, wie oben bei den Vorherverköndigongen
des Todes und der Auferstehung, und noch einer weiteren
dazu. Fürs Erste nämlich hat nach Matthfius (24, 15.)
und Markus (13, 140 Jesus das Eintreten der Katastrophe
an die Erffllinng der Danielischen Weissagung von einem
7) Antiq. 20, 8, 6 (vgl bell. jud. 2, 13, 4.): (H Si y^'J^^ ""
aTfcfTftZrtg av&Qianoi rov o^lov enfi&or avnug elg rr^v i^ftCar %ifw^
difCifiy ya^ ttpaaay fvaoyjj rf'^ara xai atificia , Ttara Tjyy t» ^f « 7^^
yotar yfyo/utva, Kat nolXdt nfio^kvTfg r^g aq*^vr^g ri/aa^; v^''
a^ov ava^^tyrag ya^ avrttg 'f'^lii ettoXaafv.
8) Bell. jud. 5, 12, 1. 2.
9) Weitere Zusammenstellungen der von Josephus u. A. gemel-
deten Erfolge mit der Weissagung i. bei Crsokb»,' fiinleit'
in das N. T., 1, S. 207.
Erstes Kapitel. $. 114. 38a
ßdiXvyfia rrg iQt^fttiaeiog geknApft, folglieb Dan* 9^ S7.
(Tgl. 11, 31. 12, ll.)*aaf ein EreigDifs bei der Zerstörang
Jerusalems darch die Römer besogeo. Dean was Paulus
behauptet, Jesus babe bier nur einen Ausdruck Fon Da-
niel entlehnt, ohne jenen Ausspruch des Propheten als
Weissagung auf etwas sn seiner Zeit noch Künftiges sn
betrachten, das wird bier besonders durch den Zuvats:
0 artcyivaiaxanf voelrio^ undenkbar* Nun aber darf es auf
dem jeteigen Standpunkte der A. T. liehen Kritik und
Exegese als entschieden angesehen werden, dafs die ange-
seigten Stellen im Daniel auf die Entweihung des Heilig«
tbams unter Antiochns Epiphanes sieh beaieben ^^) , also
die Dentang derselben , welche die E?angelisten bier Jesa
leihen, eine falsche ist. Ferner aber, was dieser Weiss»»
gang eigeothllmlich ist, sie ist nur nach ihrer Einen , Je-
msslem betreffenden, Seite eingetroffen; nach der andern
aber, die sich auf die Wiederkunft Jesu und das Wehende
becogy unerfdllt geblieben. Eine solche halbwahre Weis-
sagung nun aber kann Jesu nicht ans seiner höheren Na-
tar gekommen , sondern er mOfste hierin seiner menschli-
ebeo Geisteskraft Überlassen gewesen sein. Doch eben,
wie er mittelst dieser im Stande gewesen sein sollte, einen
von so Tieien Znffilligkeiten abhfingigen Erfolg, wie die
Zerstörung Jerusalems , mit seinen Einselheiten Torausso-
ishen, seheint unbegreiflich, und man wird von hier aus
auf die Vermuthung gefCIhrk, dafs diese Reden in der Be-
stimmtheit, wie wir sie hier lesen, nicht vor dem Erfolge,
nithin nicht von Jesu, gesprochen, sondern nach dem Er-
folg ihm als Weissagung in den Mund gelegt worden sein
mögen. So nimmt n. B. Kaisbr an , Jesus habe nur be-
dingt, för den Fall, dafs die Nation sich nicht durch den
10) BiRTHOLDT, Daniel übersetzt und erklärt, 2» S. 668 ff. ; Pau-
LW, excg.. Handb, 3, a, S. 340 f. ; de Witts , Einleitung in
das A. T. $. 254 ff.
J>aM Leben Jem Ue Aufl. iL Band. 25
386 Dritter Abschnitt.
Messias retten liefse, den Tempel and der Stadt ein
«ehreckliches Schicksal dorch die Römer -gedroht, nnd
diefs in prophetischen Bildern beschrieben, die anbsdingti
Haltnng aber nnd die genaueren Bestimmongen seien fei-
ner Rede erst post eventum gegeben worden, nnd aooh
Crbdnbr sehliefst aus dem Umstände, dafs Vorfülie wlb-
rend der Zerstörung Jerusalems Jesu als Weissagungen in
den Mund gelegt werden, die ArA ersten E?«ngeiieii
^können nicht Tor diesem Ereignisse verfafst sein^^. Nor
freilich mOfste die Weissagung, wie wir sie in den beiden
ersten Evangelien lesen, unmittelbar nach, oder selbst wfih-
rend des Erfolges gebildet worden sein, da hier fOr die
nfichste Zeit nach dem Falle Jerusalems die Erscheinung
des Messias vorhergesagt wird , was in spttteren Jahren
nicht mehr die Erwartung sein konnte. Da diese unmittel-
bare Zeitvenbindung der beiden Katastrophen hei Lokii
sich nicht so ausdrücklich findet , so hat man von ihnoi an-
genommen, er gebe die Weissagung in der Form, wie nie
aich durch die Erfahrung ungebildet habe^ dafs nach der
Zerstörung Jerusalems keineswegs sofort Parusie nnd
Weltende gefolgt waren ^^)*
Im (legensatae gegen diese beiden Ansichten, von einer
Qbernatürlichen, und einer erst nach dem Erfolge gemaeh-
ten Weissagung, sucht man von einer dritten Seite her
die Möglichkeit darzuffaun, dafs, was hier vorausgesagt
wird, wirklich schon Jesus natürlicherweise habe wisien
können ^'). — Wenn man vor Allem das befremdlich ge-
funden hat, dafs mit eincelnen Zögen der W eissagung Jesu
der Erfolg so genau eusammengetroffen sein soll: so wird
eben dieses Zusammenireffen in Anspruch genompien. Dai
i 1) Kaxsir, b. Theol. 1, S. 247 ; Crsorsk^ Ein!, in das N.T. 1, S. 206 1
12) OB Witts, Eixil. in das N. T. §. 97. iOl. Ezeg. Handb., U
iy S. 204. 1, 2, S. lös.
IS) Paulus, Fritzschb, db Wbttb s. d. Absck*
Erstes Kapitel, f. 114. 38f
Jenisslea prophecelhte xvxXaadai vno gffcaonidwv werde
Ton Titas bei Josephot gerade als unaosffihrbar beseioh-
net^*); ebenso ^ wenn das Aofwerfen eines x^Q^ ^^ ^
Stadt Foraasgesagt werde, so OMlde Josephos, dafs, naoh-
dem der erste Versacb eines x^f^^ dnroli Brandstiftung
Ton Seiten der Belagerten vereitelt worden , Titas vom
Aofvrerfen weiterer Wället abgestanden sei^^); von fatsohen
Messlaseoi die in der Zelt von Jesa Tod bia cur Zerstö-
rung Jerosalems angestanden wAren, melde die tiesokichte
nichts; die Völlierbewegnngen and Natorericheinnogen in
jener Periode seien bei Weitem nicht so bedentend gewe-
sen, wie aieihier geschildert werden; namentlich aber sei
in diesen Reden, nach ihrer Gestalt bei Matthäus und
Markos, keine Zerstörung Jerusalems, sondern nnr des Tem*
pels vorhergesagt: lauter Abweichungen der Weissagung
vom Erfolge, welche nicht stattfinden würden, %venn ent-
weder ein übernatürlicher Blick in die Zu&nft, oder ein
taticinium post eventum im Spiele wfire.
Nicht vorwärts, im Erfolge, dürfen daher. nach Jenen
Theologen die Gegenbilder dieser Weissagungen aufgesucht
werden: sondern rückwärts, auf Vorbilder der Vergan-
genheit, soll der l^rheber derselben gesehen haben. Eine
Masse solcher Vorbilder lieferte die Jüdische Vorstellung
von den Umständen, welche der Ankunft des Messias vor*
snsgehen sollten« Falsche Propheten und IMessiase, Krieg,
Tbeurung und Seuchen, Erdbeben und Bewegungen am
Himmel , überhandnehmende. Sittenlosigbeit , Verfolgungen
der gläubigen Jehovadiener, galten als die nächsten Vor»
boten des Messiasreichs, und es finden sich bei den Pro-
pheten so analoge Beachreibungen der Ürangsale, welche
14) B« ]• 5, 12, i V K\nthaaaa9tU rt y^ "^ß ^^^^^^ Wr noity, Sui ro*
IS) B. ]. 5, 11, 1 ir. 12, 1.
25*
388 Dritter Absehnitt.
den Tag des Kommena Jeho?a*s ankündigen nnd begleiten
(Jes. 13, 9 ff..Joel 1, Ifi. 2^ 1 ff. 10 ff. 3, 3 flEl 4, 15 f.
Zeph. 1, 14 ff. Hagg. 2, 7. Zaeb. 14, 1 ff. Mal. 3, 1 ff.},
oder dem Eintritte dea meaaianiaehen Reicha der Heiligeo
vorangehen aollten (Dan. 7— 12.), und ohnehin in spfiteren
Jfidiacben Schriften Anaaprficbe, welehemlt nnaern evan-
geliacben ao viel Verwandtacbaft haben/*)} ^'f* man nicht
eweifeln liann, ea aei hier aoa einem Kreiae von Zeitror-
ateiiangen heraaa Aber die Zeit« der Anlinnft dea Hesiiai
geaprochen.
Eine andere Frage lat, ob der OrnndEOg in dem Tor-
liegenden Gemälde, die Zerattfrang dea Tempela and die
Verödung der Stadt vor der Ankunft dea Meaaiaa, eich
ebenao ala ein Theil der allgemeinen Voratellungen aar
Zeit Jean nachweiaen laaae? In jodiaehen Schriften fin-
det aich die Meinung , die Geburt dea Meaaiaa treffe mit
der Zeratörung dea Heiligthuma euaammen ^') : doch dieie
Voratellung hat aich offenbar erat nach dem Untergänge
dea Tempela gebildet, um ana dem tiefaten Punkte dei
DnglQcka die Quelle dea Troatea entapringen eu laasen.
Joaephua findet im Daniel neben dem auf Antiochua Be-
Bfiglichen auch eine Weiaaagnng auf die Vernichtung dei
jfldiachen Staate durch die Römer ^^ : doch, wie diefa ?od
16} 8. die Stellen bei ScH'drroiir, 2, S. 509 ff. ^ Bbrtholot, $.13;
Schmidt, Bibliotb. 1, S. 24 ff.
17) 8. bei ScH'dTTGaN, 2, S. 525 f. *'
18) Antiqi 10, 11, 7. Nachdem er das kleine 'Hörn auf Antiochni
gedeutet, eetzt er kurx hinzu : Tw oM^ Sk r^onw /lanii(K
xai n(^ rFj( rav *^Pu)fiaCofv iqytfiaviai otviy^ctü'9 ^ »al oxi vn aurcUr
tgtfjuw,9t}atrai {ro fJyog tjfivJv)* Auf die Römer bezog er ohne
Zweifel die vierte, eiserne Monarchie, Dan. 2, 40, wie aui-
8er dem xnar^iei fl; oTiay, wa8 er ihr zuschreibt, besonder!
daraus erhellt, dass er ihre Zerst'örung (i^urch den Stein für
etwas noch Zukünftiges erklärt, Antiq. 10, 10, 4 : eSiJiuoi ^
»tu nffjk TB U&a davujloi ri^i ßaadfl, aif l/#ol /ib» ix fSdiß rho
Erstet Kapitel, f. 114. 3S9
keinem der DanieliMhen Geaiehte die arspriingliolie Be-
Biehang ist, so liönnte Josephas diese Deolang erst nach
dem Erfolge gemaolit haben , in welchem Falle sie fttr die
Zehen Jesu nichts beweisen würde. Indessen liefse sich,
doch denlien, dafs anoh sehen an Jesa Zeit die Juden den
Weissagongen Daniela, nnerachtet sie in der That weit
frflhere ZeltverhShnisse betreffen, eine Besiehon^ anf noch
beforstehende Ereignisse gegeben h£tten; aas demselben
Grande nAmJloh, aus welchem die Christen jetsiger Zeit
der vollen VerwirlLlichnng von Matth. 24. 29. noch entge«
geiisehen. Da nfimlieh nach dem Untergange der aus Thon
und Eisen gemischten Reiche, ond des Börnes, das die
tiotteslSsterongen ansstöfst and gegen die Heiligen streitet,
alsbald des Kommen des Menschensohnes in den Wolken
ond der Eintritt des ewigen Reichs der Heiligen , geweis«
sagt, diese Erfolge aber nach der üeberwindung des An*
tiochas keineswegs sofort eingetreten wären { so war man
v^ranlafst, mit diesem himmlischen Reiche auch die ihm
nnmitteibar vorangestellten Drangsale durch das eiserne
and gemischte Reich , worunter man nach Analogie dea
vom Hörne Vorhergesagten namentlich die Entweihung dea
Heiligthnma verstand, erst noch einmal von der Zukunft
sa erwfrten. Wfihrend nun aber bei Daniel nur Ent-
weihung dea Tempels und Störung dea Cnltus, nebst (theil*
otpfilam. Den Stein nämlich deutet Daniel 2, 44. auf das
hunmlische. Kl^nigreich, welches das eiserne zerstbren, selbst
aber ewig bleiben werde, — ein messianischer Zug, auf wel<
eben sich Josephus nicht weiter einlassen will. Dass nach
richtiger Auslegung die eisernen Schenkel des Bildes das
macedonische , die aus Thon und Eisen gemischten Füsse
aber die aus dem macedonischen entstandenen Reiche y also
namenttich das syrische, bezeichnen, darüber vgl. ns Witts,
Eiai. iu das A. T §. 25^.
300 Dritter Abiohnltt.
iiveiser **)) Zerstörung der Stadt, geweiisagt i<t: wird in
den vorliegenden Reden dem Tempel — nnd aach der
Stadt nicht blofs bei Lukas, wo es entschieden ist, son-
dern ohne Zweifel auch bei den beiden andern, wo die
Ermahnung zur eiligen Flucht aus der Stadt dasselbe sd-
Eudenten scheint — völlige Zerstörung vorhergesagt ; was
alfio, weil in dem Vorbilde nicht enthalten, nur aus dem
Erfolge scheint genommen sein bu können. Allein tbeili
Jiefs sich die Beschreibung bei Daniel mit den AusdrQcken
D^O^ und myffn (9, 36 f. 12, ll.)» welche die LXX. darch
tQ^fiwaig nnd dtaipd'UQto wiedergeben, leicht auch von völ-
liger Zerstörung verstehen ; theils war fa schon einmal im
Zusammenhange mit deiv Sonden des Volks Tempel nnd
Stadt eerstört, nnd das Volk gefangen weggeführt vior-
den : es konnte mithin von da an jeder begeisterte Israelite,
dem der religiöse und sittliche Zustand seiner Landslente
verwerflich und unverbesserlich erschien, die Wiederho-
lung jenes früheren Strafgerichts erwarten und vorher-
verkündigen. Hienach ist selbst dasfenige, was, laut der
im vorigen §* gegebenen Darstellung, Lukas vor seinen
beiden Correferenten an Bestimmtheit der einseinen Zöge
voraus hat, nicht von der Art, dafs es uns nöthigen würde,
entweder ein tthernatürliohes Vorherwissen» oder ein vati"
cinium post eventum anzunehmen : sondern es ISfst sich
Alles aus genauerer Berücksichtigung dessen erklären, was
über die erste Zerstörung Jerusalems 2 Kön. 25. 2 Chron.
36. nnd Jer. 39, 52. ersfihlt ist.
Nur Eine Bestimmung könnte Jesus, als Urheber die-
ser Reden, nicht aus irgend welchen Vorbildern, sonders
mfifste sie aus sich selber genommen haben : die Versiche-
rung nlimlioh , dafs die Katastrophe , welche er beschriebt
noch während des damaligen Menschenalters eintreten
werde. Diefs aas einer übernatflrlichao Erkeontnifs sb-
19) s* Jstepli. Anliq. i2, 5.
j
Erstes KapiteL {• 114. S91
Eoleitea, mflsien wir ans dem oben erwAhnten Granda
Bedeokea tragen , w^ es nfimliob nor snr HAlfte einge-
troffen ist: wogegen uns das Andere, dafs wenigstens die
Eine Hlifte der Weissagung so auffallend in ErfOllung ge-
lingen ist, ebenso gegen die Annahme einer blob natflr^
lieben Vorherbereehnnng mifstrauiseb, und geneigt machen
köante, wenigstens diese Zeitbestimmung als eine erst naeh
den Erfolg in die Reden Jesn hineingetragene z^ betraeh-
ten. Indefs die Wiederkunft Christi glaubten nach den
10 Bade des Forigen $. angeffihrten Stellen auch die Apo-
stel selbst noch an erleben: und so hat wohl auch Jesus
dieselbe, nebst der nach Oaniel ihr Torangehenden Drang-
Mi der Stadt und des 'Tempels 9 in der niichsten Zukunft
erwsrtet. Das Allgemeine der Erwartung ntimiich, irgend
sinoisl in den Wolken des Himmels au erscheinen, um
die Todten cu erwecken, Gericht au halten, und ein ewi-
ges Reich SU begründen, wa? Jesu ebensobald gegeben,
•Is er sich für den Messias hielt mit Beeug auf Daniel,
wo jenes Kommen dem viog tö av&QiajiH augesohrieben
ist; in Betreff der Zeit aber ergibt es sich als natOrlicb,
dsfs er' awisehen seiner ersten messianischen Ankunft in
der Niedrigkeit und der aweiten in der Herrlichkeit keine
slliülange Zwischenaelt hineingedacht haben wird.
Eine Einwendung gegen dieAechtheit der synoptischen
Reden über die Parusie ist noch aurSck; sie. hat übrigens
sttf nnsrem Standpunkte, weniger Erheblichkeit, als auf
dem der jetet gewöhnlichen Evangelienkritik: diejenige
nümlieb, welche aus dem Fehlen jeder ausfahrlicben Schil-
derung der kfinftlgen Parusie Jesu im johanneischen Evan-
gelium hergenommen werden kann <^ Zwar« die Grund-
bestandtheUe der Lehre von der Wiederkunft Chruti sind
auch im vierten Evangelium nicht au verkennen ^0- J^^ns
20) s. Hass, L. J. %. 130.
^i) Die hicbci gehörigen Stelieu finden sich zusamincngestcHt
392 Dritter Abtohnitt.
schreibt sich in demselben das einstige Geriebt ond dit
Aoferwecliang der Todten zu cJoh. 5, 21 --SO.)» %velche
letztere als Moment der Zukunft Christi swar in den ebeo
erwogenen synoptischen Rfden nicht hervortritt, aber
sonst im N. T. nicht sehen in jenem Zusammenhange
vorkommt (z. B. 1 Kor. 15, 23. 1 Thess. 4, 16.)- Weoa
Jesus im vierten Evangelium bisweilen Ifiugnet, com Ge-
richt in die Welt gekommen cu sein (3, 17. $| 15. 12,47.)t
so gilt dlefs theils nur von seiner ersten Anwesenheit,
theils wird es durch entgegengesetzte Aenfsernngen , wo
er vielmehr behauptet, zum Gerichte gekomraeA zu seio
(9, 39. vgl. 8, 16), auf den Sinn eingeschränkt, dafs der
Zweck seiner^'Sendung nicht Verdammen, sondern Retten,
und sein Gericht nicht ein particularistisches oder soo8t-
wie parteiisches, überhaupt kein subjectiver Machtirproch
seiner Person, sondern ein objoctiver Act .der Sache selbst
sei ; wie diefs deutlich ausgesprochen ist in der Versiche-
rung, wer sein Wort gehört habe, ohne zu glauben, den
richte nicht er, sondern o 16)'(k:, dv ilakr^aa, xqivh uvkh'
iv tfi ioxuTjfi rjf.(iQri (12, 4S.)« Wenn ferner der johanoei-
sehe Jesus von dem Glaubenden sagt: ti xQuetatj eiV xru
aiv sx i(>;^£Taf (3, 18. 5, 24.) : so ist diefs von einem Ge-
richte mit verdammendem Ausgang zu verstehen ; beifst ei
dagegen von dem Ungifiubigen : ijdi^ xlxQitai (3, 18 ): »o
sagt diefs nur so viel, dafs die Anweisung des verdienten
Looses für jeden nicht erst dem künftigen Gep*ieht aoi
Ende der Dinge aufbehalten sei, sondern mit seiner in-
nern Beschaffenheit schon jetzt Jeder das ihm gebührende
Schicksal in sich trage. Dadurch ist ein bevorstehender
solenner Gerichtsact, an welchem das Jetzt nur erst aa
sich Vorhandene zur feierlichen Offenbarung gelangen wird|
und erläutert bei Schott, Gommentarius etc. p. S64 ff. Vgl-
Lücxi, z. d. St. und WaiziL, urchristi. Ünstcrblichkvi (sich-
re; in den theo!. Studien, ISSü, S. 626 ff.
Erste« Kapitel. S* 114. 393
nicht anagetchlosBen ; wie denn in der snletst angefflbr^
teo Stelle die Zuerliennang der Verdammnife , und sonst
such die Ertheilong der Seligkeit i 5, 2S f. 6, 39 f. 54. ) f
an den jüngsten Tag und die Auferstehung geknfipft wird«
Ebenfo sagt ja auch bei Lulias Jesus in demselben Zusam-
menhang, in welchem er seine Wiederkunft als eine noch
bevorstehende liufsere Katastrophe beschreibt, 17} 20 f.»
das Reich Gottes komme nicht ue^a naQccir^Qr^aecjgy adi
iqiaiy lÖH tüöcy ^ ida ixai' iJ& yilff^ tj ßaOiUia %5 d^iH
ivzos vfidSv iglvy d. h. es habe bereits mitten unter den
Zeitgenossen seinen unsichtbaren Anfang genommen. —
Aach dafs seio^ Wiederkunft in Kursem bevorstehe, soll
flach einer gewissen Deutung seiner Worte . der johannei-
iche Jesus geäufsert haben. Die schon erwfihnten Aus-
aprflebe in den Abschiedsreden nämlich, wo Jesus seinen
Jüngern vernpricht, sie nicht verwaist aurückzulassen ,
londern, hingegangen aum Vater, in Kurzem (16, 16.) wie-
der eu ihnen zu kommen (14, 3. 18.), sind nicht selten
aach von der Wiederkunft Christi am Ende der Tage ver-
standen woraen ^^ ; aber wenn man von dieser nfimiichea
Wiederkunft Jesnm sagen hört, dafs er bei derselben nur
seinen Jfingcrn, nicht aber der Welt sich offenbaren wer-
de (14, 19. vgl. 22.): so kann man unmöglich an die Wie-
derkunft zum Gerichte denken, wo Jesus sich Goten und
Bösen ohne Unterschied zu offenbaren gedachte. Beson-
ders räthselbaft ist noch im Anhang des vierten Evange-
iuiDs, Kap. 21, von dem K,ommen Jesu die Rede. Auf
die Frage des Petrus , was es mit dem Apostel Johannes
werden solle, erwiedert hier Jesus: iuv amov ^iho fd-
«IV, (UPS tQXOfiai^ %i UQOS ae; (Y. 22) was, wie hinzo-
gesetzt wird, die Christen^ so verstanden, als sollte Jo-
bannes gar nicht sterben , indem sie das eqxta^ai auf die
letzte Wiederliunft Christi bezogen , bei welcher die sie
22) 8. bei TaetvcK, z. d. St.
SM Dritter Abtobuitc.
Erlebenden, ohne den Tod sa tebmeeken, Terwandelt wer-
den sollten (1. Kor. 15, 51 f.)* Aber, setst der Verfasser
berichtigend hinEu, Jesus habe nicht gesagt, der JAnger
werde nicht sterben, sondern nur, wenn er wolle, dab
er bleibe, bis er komme, was es den Petrus angehe?
Hiednroh kann der Evangelist eweierlei berichtigen wei-
len« Entweder schien es ihm unrichtig, das Bleiben, bii
Jesus komme, geradean mit nicht sterben eu identifioireo,
d. h. also das Kommen, von welchem hier Jesus sprach,
fttr das lotste, welches dem Tod ein Ende machen sollte,
JBU nehmen : und dann müfste er sich ein unsicbtbarei
Kommen Christi, etwa in der Zerstörung Jerusalems, du-
unter gedacht haben ^'> Oder hielt er es fttr irrig, was
Jesus nur hypothetisch gesagt hatte: wenn er auch etwa
das Angegebene wollte, so ginge das doch den Petras
nidits an, kategorisch au fassen, als ob es Jesu wirkli-
cher IfVille gewesen wfire ; wobei dann das eQxoftai seine
gewöhnliche Bedeutung behielte ^*)*
Sind hienach allerdings die GruudaOge der Lehre ?oo
der Parusie auch im vierten Evangelium Jesu in den Mund
gelegt, so finden wir doch nirgends e^was von der aas-
ffihrlichen sinnlichen Schilderung des Anfsern Hergangs
bei derselben und der mit ihr susammenhSngenden Vo^
gffnge, wie wir sie in den synoptischen Evangelien lesen.
Dieses Verhfiltnifs macht bei der gewöhnlichen Ansicht
von dem Ursprung der Evangelien, namentlich des vier-
ten> nicht wenig Schwierigkeit. Wenn Jesus wirklich so
aosfOhrlich und feierlich, wie ihn die Synoptiker daron
reden lassen, von seiner Wiederkunft gesprochen, und die
richtige Erkenntnifs und Beobachtung der Zeichen dersel-
ben als etwas so Wichtiges behandelt hat: so ist es schwer
Bu begreifen, wie der Verfasser des vierten Evangelian<
35) Vgl. Tholuck, z. d. St.
24) St LtCMn, auch lMoi.bCK; z. d. St. SvHori; p. 409.
Erstes KapIreL $. 114. 39&
das Alles fibergehen kooote, wenn er anders ein onnalltel*
barer Sehfiler Jean war. Das gewöhnliche Reden, er habe
dieft ans den Synoptikern oder der mflndUcben Verkfin-
digong als bekannt voranageaetst , reicht hier um so we-
oiger ans, Je mehr alles, was Weissagung ist, namentlich
einer ao eraehnten und gefUrohteten Kataatrophe, der Mifa-
deatong biofasteht, wie wir ana der suletzt erwähnten
Berichtigung aehen, welche der Verfaaaer von Job. 21. an
der Meinung aeiner Zeitgenoaaen fiber die dem Jobannes
?on Jean gegebene Verbeifaung ansubringen für nSthig
find. Hier alao ein verständigendes Wort su reden , wie
aweckmäfaig und verdienatlich wäre ea geweaen, lieaon-
dera da die Oaratellnng des ersten Evangeliuma, welche
sogleich auf die ZeratSrung des Tempels daa Ende der
Dinge folgen Uefa, Je nlfher Jenes Ereignifa kam, und noch
nehr ala es vorüber war, immer bedenklicher und anatöfai-
ger werden mufate ; und wer war eher im Stande , efaie
solche Berichtigung an geben , ala der Lieblingajfinger, bu-
mai wenn er nach Marc. 13, 3. der einsige Evangeliat
wir, der den Erörterungen Jeau Ober dieaen Gegenatand
angewohnt hatte ? Uaher aucht man auch hier einen be-
sondern Grnnd aeines Stillachweigena in der angeblichen
Bestimmung aeinea Evangeliuma fflr nicbtjOdiache , ideali-
sirendeGnostiker, forderen Standpunkt Jene Schilderungen
nicht gepafft haben, und delahalb weggelaaaen worden
seien *^). Allein gerade aolehen Lesern gegenüber wäre
es eine pflichtwidrige Nachgiebigkeit, eine Beatärkung in^
ihrer idealiairenden Richtung geweaen , wenn Johannes
iboen aulieb die reale Seite an der Wiederkunft Christi
hätte snrilektreten lassen. Uem Hang dieaer Leute, das
Snfaerlich Geschichtliche des Christenthums an verflQchti-
gen, mufste der Apostel dadurch entgegentreten, dafs er
eben diese Seite gebflhrend hervorhob; wie er in seinem
2h) OuaAOiiiK, I, S. 861.
396 Dritter Äbtcbnitt«
Brief ihrem Uoketitmos gegenflber auf die wahre Leib-
liohkeit Je«a dringt: so mufste er im Gegentata gegea
ihren IdealUmae an der Wiederkanft Christi die Kafserea
Momente ihres Kintritts mit besonderem Fieifse hervor-
kehren. Statt dessen spricht er * selbst fast wie ein Gdo-
stiker, and saoht die Wiederkanft Cbristi'von der Bedea-
tang eines äufsern, zukünftigen Vorgangs immer wieder
in das Innere nnd die Gegenwart surück abrufen. Lfibt
sich somit das Verhalten des vierten Evangelisteo sa den
ausfiihrlichen esohatologischen Reden Jesa, wie sie bei des
Synoptikern aofbehalten sind, nicht aas irgend welcher
fiafsern Rücksicht, weder auf die früheren Evangelien,
noch auf die Leser, genügend erklären: so hat man aof
die innere £igenthümlichkeit und den Grandgedanken je-
nes Evangeliams aufmerksam gemacht. Dieser sei die be-
seligende Gottesfttlle der Person Christi, der Glanbe aa
ihn als den Geber der ^co?} iuwviogi and nur was darauf
sich unmittelbar besog, oder in darauf beaiiglicbe Redeo
ond Thaten uneertrennlich verfloditeo war, habe Je-
hannes in sein Evangeliam aufgenommen. Die aosfQhrli-
cben Reden von der avnileia tä aiwvog nun stehen die-
sem Grandgedanken fern, und seien daher übergangen
worden ^^), Allein wie der vierte Evangelist in *deii Ab-
sohiedsreden Jesum Manches, das mit Jener Grundidee fei-
nes Evangeliums nicht sosammenhüngt , wie namendicb
die den Jüngern bevorstehenden Verfolgangen, ihnen si
dem Ende vorherverk findigen läfst, iva fttj axavdaliaihiksf
'iva^ (irav ekO^j^ i] otQu, ixvr^(.t(wtiioai\\ oii unev aikoig (16) !•
4.) • <o mufste su demselben Zwecke (vgl. Matth. 24, 4.
10.) auch die Vorherverkündigong der einaeinen Momentt
seiner ViTiederkunft und deren Vorzeichen dieniich schei-
nen ; woau noch über diefs die dringende Aufforderonf
26) WaizBL, urchristl. Unsterblicbkeitslehre, ibeol. Studien, ISh^,
S. 627 ff.
Erstes Kapitel. S* 114. 39T
kam, den Anttoft, der nm die Zeit der Abfassaog des
Tierten Evangeliama darin lag, dafs die Wiederlinnft Chri«
fti nicht,, wie man erwartet hatte, anmittelbar oder doeh
bald nach der Zerstörung Jemtalems eingetreten war, dnrch
eine neue grfindliche Krörterong dieses Gegenstandes in
(hniicher Weise en beseitigen, wie im Anhange des Evan«
geliams ein entsprechender AnstoCi an einer vereinselten
Rede Jesa beseitigt wird. Ist es demnach mu viel, mit
Fleck ''j 2 wischen der synoptischen und der johanneischen
Dantellong der Lehre von Jesu Wiederkunft geradesa ein
Verhältnifs gegenseitiger Ansschliefsung an behaupten: so
behxlt doch auch dieser UifFerenspunkt allen Lösongsver-
saehen cum Trotze eine eigenthü milche Schwierigkeit, und
in Verbindung mit einer Reihe entsprechender Abwei«
cbongen sein Gewicht bei Abwfig^ng der Frage Ober die
Aecbtheit des vierten Evangeliums; obwohl es, einer schon
frOber gemachten Bemerkung gemäfs, das Rede- Element
Iq demselben nicht ist^ was in dieser Sache den Ausschlag
geben kann.
37) De regno divino, p. 483.
Zweites Kapitel*
Anschläge der Feinde Jesu; Verrath des
Jadas; letztes Mahl mit den Jüngern.
§. 115.
Entwiclilung des Verhältnittes Jesu tu seinen Feinden.
Als die Feinde Jeaa erscheinen in den drei ertteo
£rangelieo am häafigeten die OaQiaaioi xai yQafjficaeig %
welche in ihm den verderblichsten Gegner ihres Satcnngi-
Wesens erkannten , ond neben diesen beiden die aQyu{)ft^
und TiQaaßüTtQOij welche als Hftnpter des äufseren Tempel-
cttlttts nnd der anf diesen gegrflndeten Hierarchie mit
Demjenigen , der bei jeder Gelegenheit anf den inneren
Gottesdienst des Gemflths als die Haoptsache hinwies, lich
nicht befreunden konnten. Sonst treten wohl auch die
2add'<£xouoL unter den Gegnern Jesu auf (Matth. 16, 1. 22,
23 flf. parall. vgl. Matth. 16, 6 ff. parali.), deren Mate-
rialismus Manches an seinen Ansichten sawider sein
mufste, und die Uerodische Partei (Marc. 3, 6. Matth. %
16 parall.)) welche, wie dem Tfinfer, so auch seinen
Nachfolger abhold war. Das vierte Evangelium, obwohl ei
einigemale die aQxieqbi^ und OaQiaaioi nennt, beseichnet
die Feinde Jesu doch 'am häufigsten durch den allgemeioes
Ausdruck: oi^Iadaioif was vom späteren, christlichen Stand-
punkt aus gesprochen ist, wenn es nicht gar die onrieii-
tige Vorstellung in ^foh schlierst, als sei die Masse dei
jadischen Volks Jesu abhold gewesen ')•
1) s. WiKBa's bibl. Realw'örterb. d. A. A.
a) Wbissb, die evang. Gescbichle, 1, S. 123.
Zweitot KapiteL fl. 115. 399
ÜebcireinftiniiDend beriehten slnuitUehe vier Evangeli-
sten, dar« die betlimniteren Anschläge der phnrlalTitch hier-
archiBohen Partei gegen Jeanm von einem Verstörte det-
selben gegen die den Sabbat betreffenden Satsnngen ihren
Aofaog genommen b&ben. Alt Jesns den Mentchen mit
der vertrockneten Hand am Sabbat wiederhergettellt hatte,
heilst et bei Mattbiut: ol dkOaQiaoSioi arinßö?uay tkaßw
tm avvSy Srtms avtov uTioUaoHSiv (12, 14. vgL Marc. 3^ 6.
Luc. 6, ll)| und ebento bemerkt Johannet bei der tabbat-
lichen Heilnng am Teich Bethetda: xal dia xäto idUoxoy
fov y. Ol ^Isdäioiy und er fährt, nachdem er noch einen Ana-
sprach Jeto gemeldet, fort : did rSvo 5v fiällov i^ijv&y av-
%ov d ^adaiai djioxTHvai C4, !•• 18.)-
Sogleich nach diesem Anfangspunkt aber gehen die
sjnoptisohe und die johanneische Darstellang des fraglichen
Verh<nitset auseinander. Bei den Synoptikern gibt den
Diebsten Anttefs die Vernaehlirsigung* des Waschens vor
Tische von Seiten Jetn und teiner Jünger und die tcbar%
fen Ausfälle, welche er, darüber cur Rede gestellt, gegen
den kleinllcben Satsungsgeist und die damit verbundene
fleocbelel und Verfolgungstucht der Pharisäer und Oeseis-
kandigen macht, wo es dann am Ende belfst, sie hi|-
Ben tiefen Groll gegen ihn gefafst, und ihn auscuholen,
ihm verfängliche Reden absnlocken gesucht, um tirund cur
Anklage gegen ihn zu gewinnen (Luc. II, 37 — 54* vgl.
Matth« 15, 1 ff. Marc. 7, 1 ff.)* Auf seiner lotsten Reise
Dach Jerusalem liefsen die Pharisäer Jesu eine Warnung
for Herodea ankommen (Lue. 13, 41), die^ wahrscheinlich
aar den Zweck hatte , ihn aua der Gegend wegzubringen.
Den nächsten Hauptanstofs nimmt die hierarchische Partei
an der auffallenden Huldigung, welche Jesu berm Einzug
in Jerusalem vom Volke dargebracht wird, und an der
Tempelreinigung, zu welcher er sofort schreitet : doch et-
was Gewaltsamea gegen ihn zu unternehmen, hielt aie aein
itarker Anhang unter dem Volke noch zurück (Matth. 21,
400 Dritter Abffch II itt.
15 f. Mare. 11, 18. Lac. 19, 39. 47 f.); was auch der em-
sige Grund war, waram sie nach der scharfen Zeiohnang
darch das Gleichnifs von den WeingISrtnern sich seiner
Person nicht bemfichtigte (Matth. 21, 45 f. parali.). Nach
diesen Vor^fingen bedurfte es kauni mehr der antiphiri-
aftisohen Rede Matth. 23, nin kurs vor dem Pascha die
Hohenpriester, Sohriftgelehrten und Aeltesten, d. b. du
Synedrium, in den Palast des Hohenpriesters ssu einer Be*
rat hang susammensuffibren , Hva rov L dolio xQceir;a<aoi m
aTtomEinoaiv (Matth. 26, 3 ff. parali.).
Auch im vierten Evangelium svrar wird der grofse
Anhang Jesu unter dem Volk einigemale als der Grund
beeeichnet) warum ihn seine Feinde hal>en wollen feit-
nehmen lassen (7, 82. 44. vgl. 4, 1 ff.), und sein feierlicher
Einsog in Jerusalem erbittert sie auch hier Ci^» 19 M ^^*'
weilen wird ihrer Mordanschlffge ohne Angabe einer Ver-
anlassung gedacht (7, 1. 19. 25. 8, 40.) : aber den Heupt-
'anstofs geben in diesem Evangelium die Aussagen Jeto
Über seine höhere WOrde. Schon bei Jener Sabbatbeilang
reiste das haoptsfichlich die Juden auf, dafs Jesus dieselbe
durch Berufung auf die ununterbrochene Thätigkeit Gottei^
als seines Vaters, rechtfertigte, worin nach ihrer Meinung
ein blasphemiscbes iaov taiTOv noulv n^ ^«f»! lag (5, 1S.)5
wenn er von seiner göttlichen Sendung sprach, sochteD
sie ihn au greifen (7, 30. vgl. 8, 20.)^ wegen derBeh«op-
tung, vor Abraham sei er, hoben sie Steine gegen ihn aof
(8, 59).; dasselbe thaten sie, als er äufserte, er und der
Vater seien Eins (10, 31.), und wie er behauptete, der
Vater sei in ihm, und er im Vater , suchten sie sich aber-
mals seiner su bemächtigen (10, 39.). Was aber dea Ans-
schlag gibt nach der Darstellung des vierten Evangeliums,
und die feindliche Partei au förmlicher Besohlufsnshme
gegen Jesum veranlafst, ist die Auferweokuog des Laearas.
Als diese That den Pharisäern gemeldet wurde, veransul-
taten sie und die Hohenpriester eine Synedriumssitaaiig}
Zweites Kapitel. §. 115.
401
in welcher sie In ErwXj^ng cogen, wenn Jefiis fortfahre,
flo viele aij/n€ia ssn thon, werde ihm ealetst Alles anhfingen,
und dann die Römer serstörend einschreiten ; worauf der
Hohepriester Kaiphas den verhängnife Tollen Anssprucb
that, es sei besser, dafs £in Mensch für das Volk sterbe,
ab dafs das ganse Volk sn Gmnde gehe« Nun war sein
Tod beschlossen, nnd es wnrde jedem cur Pflicht gemacht,
leinen Aufenthaltsort aonnselgen, um aich seiner Person
benüchtigen sn können (11, 46 ff.)*
In Besng auf diese Differens bemerkt die neuere Kri-
tik, dafs wir ans den synoptischen Berichten die tragische
Wendung des Schicksals Jesu gar nicht begreifen würden,
und nur Johannes einen Blick in die stufenweise Steige«
rang der Spannung Bwischen der hiemrchischen Partei
nnd Jesu uns eröffne; kurs, dii(s namentlich auch in die»
sem Stacke die Darstellung des vierten Kvangeliums als
eine pragmatische sich zeige, was die der fibrigen nicht
Mi ')• Alloin, was hier an stufenweisem Fortschreiten die
johsnneisch« firnihlung Toraushaben soll, ist schwer ein«
SQsehen; da ja gleich die erste bestimmtere Angabe Aber
das sich bildende MirsTerbKltnifs (5, 18.) in dem iaov
iaiToy noicSv tüj -d'Cip das Uuohste des Anstofses, in deni
Uf[n;v aikov djroxTttvai aber das Höchste der Feindselig-
keit enthält^ so dafs Alles, was weiter von der Feindschnft
der 'ladaloi ersühlt wird , blofse Wiederholung ist , und
nur der Synedrinmsbeschlufs Kap. 11. als Fortschritt anm
Bestimmteren sieh darstellt. In diesem Sinne fehlt aber
SQch der eynojiCiscben Darstellung der Fortschritt nicht,
fon dem unbestimmten iv^dgeveiv und dialaleivy %L üv Ttotr^-
OHuv jo) hfiö (Luc. 11, 54, 6, 11.), oder, wie es bei Mat*
thins (12, 14.) und Markus (3, 6.) bestimmter lautet, av^i-
ßi)uov kafißavHv oniag avjov anoliawaiVy bis an dem in
S) ScHxKCxswBVKoin) über den Urspr., S. 9f. ; Lvcm, 1, S. 133.
159. 2, S. 402.
Am Leben Jem Ite AulL IL Band. ^
r>
402 Dritter Abschnitt.
Becog anf Art ((foAf/i) und Zeit Q/i^ er tf^ eofftfj) nanmehr
genau bestimmten Bescblatse (Matth. 26, 4 f. parall.); ]t
es ist insofern mehr Fortschritt in der synoptischen Dm>-
steilnng bemerkbar, als in ihr während der gansea gsli-
läisehen Wirksamlieit Jesu^ hinter der AnhAngüchbeit dei
Volks die Anfeindung einer Partei BurfickCritt : wogegen
Im vierten Evangellam Jesus von Anfang bis su Ende fait
ununterbrochen mit den feindseligen ^ladaloig wo. itrd-
ten hat *).
Näher wird nun aber den drei ersten Evangelitten be-
sonders das Eum Vorwurf gemacht, dafs sie in der Aafe^
wecknng des Lasarus diejenige Begebenheit übergiingen
haben, welche für die letste Wendung des Schiekials
Jesu entscheidend geworden sei ^). Mttssen dagegen wir,
mit Rücksicht anf das obige /Resultat unserer Kritik die*
aer Wunderersählung , Tielmehr die Synoptiker loben,
dafs sie nicht eine Begebenheit cum Wendepunkte des
Schicksais Jesu machen , welche gar nicht wirklich F0^
gefallen ist, so beurkundet sich der vierte Evangelist sscb
durch die Art, wie er den dadurch veranlafsten Mordbe-
achlufs berichtet , keineswilgs als einen solchen , descen
Auctorität uns die Wahrheit seiner Ersählong verbärgen
könnte« Das awar, dafs er, ohne Zweifel iiach einer abe^
gläubischen Zeitvorstellnng Oy dom Hohenpriester ^le Gabe
der Prophetie nuschreibt , und seinen Ausspruch f&r eine
Weissagung anf den Tod Jesu hält, diefs wfirde fttr sich
noch keineswegs beweisen , daCs er nicht ein Augensenge
und Apostel könnte gewesen sein ^). Das aber bt out
Recht bedenklich gefunden worden, dafs unser Evangelist
4) Vgl. Band 1, §. 83. S. 749 (T. ; Wsitss^ a. a. O. S. 119 ff.
5) Vgl., ausser den angeführten Kritikern, Hq», Einleit. in du
N. T. 2, S, 215. ^
6) Hierüber am richtigsten Leen, 2, S. 409 IT.
7) Wie die Frobabilien meinen, S. 94.
Zweites Kapitel. %. 115. 403
denKaiphas ml« dQxuQevg ra mavrS exdya beeeiehnet (11,
49.)9 also ToraasBosetsea aeheint, diese Würde ael| wie
manche römisebe Magiatrataren , eioe Jährige geweaeo; de
ak doch nrsprOnglioh eine lebenslängliche war, nnd aaeh
ifl Jener Zeit der römischen Oberherrschaft nicht rs^ej*
miCiig Jährlich, aondern ao oft ea der WiUkttr der Röaer
gefiel I abwechaelte. Aaf die Aoctorität dea vierten Kvnn»
geliosM hin gegen die aonatige Sitte und nnerRchtet dee
Stillschweigens des Josephns anzonehmen, Annaa odd
Kaipfaaa haben Tormdge einer Privatfibereinknnft Jährlieb
gewechselt "J, dasn mag aichi, wer Lnat hat, entseUiersen ;
inavzS unbestimmt ffir XQO^^ *» nehmen*}, ist wegen der
doppelten Wiederholang dBsaelben Ansdrncks V. 51« nnd
18^ 13. nnnolässig; dafa in Jener Zeit das Hohepriester*
thaai so häufig wechselte, nnd einige Hohepriester nicht
lioger als ein Jahr in ihrer Steile belaaaen wurden ^^
berechtigte unaern Schriftsteller nicht, den Kalphaa da
Hohenpriester eines Jahre nn beseichnen, welcher gerade
rälaehr eine Reihe von Jahren , nameiftlich während, der
gaoaen Dauer von Jesu öffentlicher Wirksamkeit, Jene
Stelle bekleidete; dala aber endlich Johannea aoU aa^
gen wollen y im Todesjahr Jesu sei Kalphaa Hoherprieater
gewesen, ohne dadurch frflhere oder spätere Jahre anssn»
tcbliefsen , in welchen er dieses Amt gldcbfalia bekleidet
babe^'), geht ebenaowenig. Denn wenn die Zeit, in wel*
cbe eine Begebenheit fällt , als ein gewisses Jahr beseicli»
net wird, ao mnfs diefs darin seinen Grund haben, dafe
eatweder die Begebenheit, deren Zeit bestimmt werden
loU, oder das Datum , nach welchem man dieselbe bestimm
men will, mit dem Jahreswechsel susammenhängl* Ent-
8) Hv6, s. a. O. S. 221.
9) KvinttL, z. d. St.
10) YAVhV%j Chmm, 4, S. S79 f. Vgl. Joseph. Antiq. 18, 2, 2.
11) LCcMS, z. d. St. ' // 4.
26*
404 . Dritter Abgohnitt.
V
ureder mufa alao der Erzfihler im rierten Evangeliam der
Meinung gewesen tein, von Jesu Tod, ea weleben lie
damale den Anschlag machten , sei aaf jenes ganee Jahr,
aber weiter nicht, eine Fülle von Geistesgaben, unter wel-
chen auch die prophetische Gabe des damaligen Hohen-
priesters, ausgeflossen ^^: o&evj wenn diefs eine gesuchte
Erklärung ist, so mufs er den Kaiphas als Hohenpriester
eben nur jenes Jahrgangs sioh vorgestellt haben. Wenn
also Lücke schliefst, da nach Josephus der damalige Hohe-
priester dieses Amt sehn Jahre hintereinander verwaltet
habe, so könne Johannes mit dem gqxisqbvs tö iviam
ixeivü nicht gemeint haben , das hohepriesteriiche Amt sei
damals jährig gewesen : so kehrt sioh dieser Schlofs^ dt
das Zutageliegen dieser Meinung in den Worten des Evan-
geliums sicherer ist, als dafs dessen Verfasser JohsDnea
gewesen, in d^n entgegengesetcten um : da das vierte Evan-
gelium hier eine Vorstellung von der Dauer des Hohen-
priesteramts entweder überhaupt, oder wenigstens der
Amtsführung des Kaiphas, seige, die man in Palästina
nicht haben konnte, so werde dadurch höchst unwah^
scheiniich, dafs der Verfasser desselben ein Palisttnenser,
oder gar yno^6g>t(fi aQyjfQsT, wie Johannes IS, 15. beseich«
net. wird, gewesen sei ^^.
Auch der Inhalt dieser angdrfichen Verhandlung moA,
näher betrachtet, befremden. Der vierte Evangelist Ififit
nämlich die SynedrIsten die Furcht aussprechen, es möch-
ten durch den steigenden Anhang Jesu die Römer eu ge*
waltsamem Einschreiten bewogen werden ; sie legen abo
seinem Wirken eine politische, und namentlicli den Rö-
mern gegenäber revolutionäre Tendens unter« Daaaeibe
thun sie nun awar auch Luc. 23, 2. 5.; aber mit dem
Unterschiede, dafs, was sie bei den Synoptikern nur den
12) Lt&HTVOOT, K. d. St.
ii) Probabil. a. a. 0. Vgl. ds Wbttb, exeg. Handb., 1, S, S. 140.
Zweites Kapitel. S« 116. 40$
Pilatus bereden mSehten, sie im vierten EvapgeUttm unter
sicby ndthin als ihre ernstliche Meinung, vortragen. Ihr
£rnst konnte es aber wohl ebensowenig setny ab der Pro-
eorstor es sieh einreden liefs ; da die Beweise einer nieht
polidflcben Tendenn Jesu allan offenkundig vorlagen *^}.
Sofliit sind unter den Angaben der Evangelien Ober
die AnUsse und den Gang der Anfeindung, welobe Jesus
voD der jüdischen Hierarchie erfuhr, die besdeo im Voraus
glaobwürdigen Punkte — dafs sich nämlioh der an Je«
in genoa^mene Anstofs vornehmlich an sein Bteden und
Thun gegen die geltenden Sabbatsvorechriften, so wie spi*
ter an seine, bei dem letalen Einenge in Jerusalem nn
Tage gekommene, bedenkliche Popolaritttt, geknüpft habe —
diese Angaben sind sKmmtlieben vier Evangelisten gemein ;
?on denen, welche dem vierten Evangelium eigenthfimlich
«ind, haben wir drei — da(s gleich yom Anfang an die
Anfeindung die Anh&nglichkeit fiberwogen, dafs erstere
lieh spfiter besonders an die Auferweckung des Liasarus
geknüpft, and dafs die Synedristen politische Gefahr von
desu im Ernste befürchtet haben sollen — nicht als
historisch aneuerkennen vermocht; nur in dem Einen
Punkte, dafs auch die starken Aeufserungen Jesu über
seine Person und Würde Drsaehen desAnstolses gewesen,
nöcbte dieses Evangelium die übrigen auf glaubwürdige
Weise erg Annen ^^).
§. 116.
Jesus und sein Verrüther.
Uneraohtet im Rathe der Hohenpriester und Aeltesten
beschlossen worden war, die Festzeit erst vorübergehen
so lassen, weil eine in diesen Tagen an Jesu verübte Ge«
U) WsissK, die evang. Geschrchte, 1, S. 443 f.
15) Vgl. Biind 1, |. 61.
u
406 \ Dritter Abschnitt.
walttliat anter der Masse ihm gfinstiger Festbesucher Mcbt
einen Aafstand erregen konnte (Matth. 26 , 5. Marc. 14,
2.) : so wnrde diese Rficksicht der Feinde Jesu doch durch
die Leichtigkeit überw^gen^ mit weicher einer seiner Jfin*
ger ihn in ihre Hände zu iiefern sich anheischig machte.
Judas nfimlich, ohne Zweifel von^eeiner Abstammong am
der Judäischen Stadt Kerioth (Jos. 15, 25.) ^laxaQimjfi ge-
nannt Ol der habsfichtige und die^sche Casseffihrer der
Geseilschaft Jesu (Joh. 12, 6.), ging den Synoptikern su-
folge wenige Tage vor dem'Pasehafeste zu den Vorstehern
der Priesrerschaft, und erbot sich , Jesnm Ihnen in der
Stille zu fiberliefern, wofOr sie ihm Geld, nach Mattbfios
dreifsig Silbersekei (cr^t^ior), Terspracben (Matth. 26,
14 paralL). Von einer solehen vorläufigen Verhaodliuig
des Judas mit den Feinden Jesu meidet das vierte Gnn-
geUnm nicht nur nichts^ sondern scheint auch sonst die
Sache so darzustellen, als bitte Judas erst bei der lotsten
Mahlzeit den £ntschlnfs gefafst und sogleich ausgefthrt,
Jesum an die Priesterachaft zu verrathen. Dasselbe erV-
Bld^elv des Satan in Judas nftmlich, welches Lukas (22, 3.)
vor seinen ersten Gang zu den Hohenpriestern und die
Anstalten zum Paschafeste setzt , Ififst der Verfasser des
vierten Evangeliums bei dii^em Mahle eintreten, ehe Jadas
die Gesellschaft verliefs (13, 27.); sum Beweise, wie ei
scheint, dafs nach der Ansicht dieses Evangelisten Jodai
erst Jetzt den verrltherischen Gang gemacht hat. Zwar
i) Doch vg[. DB Witts, exeg. Handb., 1, 1, S. 99. — Genauere
Auskunft Über die Abstammung des Verr'itbers weiss Olsiuo-
SBH zu geben, wenn er hibJ. Commt 2, S. 458. Amn. ssgi:
„VieUeicht ist 1. Mos. 49, 17. [iVmn wird eine Schlange
sein auf dem Wege , ein Oerast auf dem Fusssteige, der da«
Pferd in die Hufe sticht, dasa sein Reiter rückwärts fäUt]
der Verrath des Judas prophetisch angedeutet, wornach mao
achlieaaen könnte, dass e^ aus dem Stamme Dan war.'' .
Zweites Kapitel. S> U9. 407
«choD ver dem MaUe, bemerkt derselbe (18, 20f babe der
Teufel dem Judas Ins Hers gegeben gehabt , Jesam bu
rerrathen, and dieses %h diaßaka ßeßh^xotag eigt^ xaQdiccv
wird gemeioigllob dem elg^l^e aavccväg bei Lukas gieioh*
gesetst, und von dem Bntsehlusse aum Verrath Terstan-
den,'in dessen Folg$ Jndas au den Hobenpriestern gegan-
gen sei: allein, war er sehen damals mit denselben einig
geworden, so war der Verrath bereits ToUaogen, und man
weils dann kaum, was das ugfjl^&f dg amcv o aarcevag
bei m lotsten Mable noch bedeuten soll, da das Hinausflih*
ren derer, welche Jesum greifen sollten, kein neuer Ten-
f eisen tschlnfs, sondern nur die VoUsiehung des bereits ge»
fafdten war« Der Ausdruck bei Johannes V.S7. bekommt
im Unterschiede Ton V« 2« nur dann einen gans passenden
Sinn, wenn man das ßaiXiiv dg ttpf xaqdlcnf von dem Auf-
steigen des 'Gedankens, das dgsX3siv aber von dem Reifen
desselben snm Entschlufs versteht, also nicht voraussetsly
dafs Judas schon vor dem Mahle den Hohenpriestern eine
Zttssge gemacht babe '). Stehen sich aber auf diese Weise
die Angabe der Synoptiker, dafs Judas schon einige Zeit
for der Ansfflhrifug seines Verraths mit den Feinden Jesu
in Unterhandlung gestanden, und die Johanneische, dafs er
erst unmittelbar vor der That sich mit ihnen in Verbin-
dung gesetzt habe, entgegen: so entscheidet sich swar
Lücke in der Art' ffir den Johannes, dafs er behauptet,
erst nach dem Aufbruch vom letsten Mahl (Job. 13, SO.)
habe Judas den Gang sn den Hohenpriestern gemacht,
welchen die Synoptiker (Mattb. 20. 14^ f. parall.) vor das
Mahl versetsen *) ; aber er thut diefs nur der vorausge»
3} Dass nach der johanneischen Darstellung Judas erst vom
Mahle weg zum erstenmal zu den Hohenpriestern gegangen
sei) hat auch LieurrooT ancrliannt (horac, p. 4650) ^^^^ ™^^
dcsswegen das von JohanncA erzählte Mahl für ein früheres
als das synoptische gehalten.
5) Comm z. Joh. 2, S. 48^.
408
Dritter Absehnitt.
4
N
setsten Aaotoritfit des JohanoeeiBalieb; denn wenn aoch,
wie er bemerkt, bei eben einbrecbeader Macht Jndat mit
den Priestern noch recht gut unterhandeln konnte: so bt
doch, die Sache ohne Vorauasetenng betrachtet, dieWahi«
acheinlichkeit ohne Vergleiehang mehr auf Seiten der Syn«
optiker, welche der Sache dooh einige Zeit lassen, als
des Johannes, bei weicbeoi Alles Knall and Fall gebt, nnd
Jndas, allerdings wie besessen ^ nach Einbruch der Nacht
noch dsTonrennt, nm mit den Prieslern su unterhandelo,
and nnmittelbar darauf sur Tjbät sud schreiten*
Ein anderer Punkt, in welchem die Synoptiker and
Johannes von einander abwekhen, ist das Vorherwissen
Jeso von des Judas Verrätfaelral. Bei den Synoptikern
keigt Jesus diese Kunde erst am ietäten Mahle, also eu ei-
ner Zeit, wo dieThat des Judas eigentlich schon gescheheo
war, und noch kars Torher, wie < es scheint, ahnte Jesus
so wenig von dem drohenden t^all eines der ZwiÜfe, dafs
er ihnen allen, wie sie da waren, bei der Palingeuesie ein
Sitzen auf 12 Riohterstflhlen^ rerhiefs (Matth. 19, 2S.).
Mach Johannes dagegen versichert Jesus schon um die
Zeit des vorletsten Pascha, also ein Jabr vor dem Erfotg,
einer von den Zwölfen sei ein duxßohyg^ womit er, laut der
Bemerkung des Evangelisten,' dbn Judas, als seinen kflnfti-
gen Verräther, meinte (6-, 70.); denn, wie kura vorher
(V. 64.) bemerkt war, i^et i^ ctqy/^g o ^Irjaüg^ — %lg izii
6 na^adotaaiv avrov, Hienach hütte sJso Jesus von Anfang
seiner Bekanntschaft mit dem Judas gewufst, dafs dieser
ihn verrathen würde, und nicht blofs diesen liufsern Er-
folg hätte er vorhergesehen, sondern, da er Ja wnfste,
was im Menschen war (Joh. 2, 25.)? so hätte er auch die
Triebfedern des Judas durchschaut, dafs er nämlich ans
Habsucht nnd Geldgier Jene Tbat begehen würde. Und
dabei soll er ihn £am Casseführer gemacht, d. h. ihn anf
einen Posten gestellt haben, auf welchem sein. Hang, sich
auf jede, wenn auch unrechte Art Gewinn tu schaffen,
Zweites Kapitel. $. 116. 409
die reiehete Nahrung bekommen mufste? er soll ibn durch
Gelegeoheit com Dieb gemacht, und sich, wie absichUicbj
an ihn eineu Verrüther grob gesogen haben? Schon vom
ökonomiaehen Standpnnbt ans betrachtel*: wer vertraot
denn einem eine Casse an, von dem er wei&i daCs er sie
bestiehk? dann pidagogisch: wer stellt den Schwachen
auf einen Plats, der gerade seine schwache Seite so be-
ftfindig in Anspruch nimmt, da£i voranssesehen ist, er
vfisse fraher oder später unterliegen? Nein in der That,
60 hat Jeans mit den ihm zunächst anvertranten Seelen
nicht gespielt, so nicht das Gegen theil von dem ihnen er«
wiesen, was er sie beten lehrte: /tii^ eigevi^^rig i]^iüg eis
n€i(iaafi6y (Matth. 6, 13.)» dafs er den Judas, von wel«
ehern er vorauswurste ^ er werde ans Gewinnsucht sein
Verräther werden, cum Casseffihrei^ ernannt haben könn-
te; oder wenn er ihn dasu machte, so kann er jenes
Yorherwlssen nicht gehabt haben.
Um in dieser Alternative nn einer Entscheidung su
gelangen, mfiaaen wir jenes Vorherwissen ftlr sich nehmen,
and sehen, ob es, abgesehen von dem Cassenamte des Ja-
Amj wahrscheinlich ist oder nicht? Auf die Frage nach
der psychologischen Möglichkeit wollen wir uns nicht ein-
lassen, da es ja immer frei steht, sich auf die göttliche
Natur/ in Jesu zu berufen ; aber von der moralischen Mög-
liebkeit wird es sich fragen, ob es bei jener Voraussicht
so rechtfertigen sei, dafs JeSns den Judas unter die Zwöl-
fe gewählt, und in diesem Kreise behalten habe? Da
darch diese Berufung sein Verrath als solcher erst mög*
lieh wurde, so scheint Jesus, wenn er diesen vorherwufs^
te, und den Judas doch berief, ihn absichtlich in jene
Sflode hineingezogen zu haben. Man wendet ein, dpreh
den Umgang mit Jesu sei dem Judas ja auch die Möglich-
keit gegeben Worden, jenem Abgrunde zu entgehen *):
4) Diesen und die folgenden Gründe s. bei Olsuiusbk, 2, S. 458 f£,
l^«gegea vgl. ns'WsriS; ejicg. ütndb., 1, hi S. 89 f.
410 Dritter Absehnitt.
aber Jesus bette Ja iroraasgeseben, dafs sieh diese Mög*
llohkeit uiebt \erwiriKlichea wttrde; man sagt weiter, sath
in andern Kreisen würde das in Judas gelegene Bdse sich,
nur in andrer Form , entwickelt haben : was scboo stsrk
deterministisob klingt; so wie iroUends die Behaeptasg,
es sei keine wahre Hfllfe für den Menschen, wenu das
Bdse, woan der Keim in ihm liegt, nicht anr Ausbildang
komme, auf Gonsequenaen an fähren scheint, wie sie
Rom. 3, 8. 6, 1 f. irerworfen sind. Und aneh nur yon der
gemfithlicben Seite angesehen, -^ wie konnte Jesus es er-
tragen, einen Menschen, von welchem er wafste, dafs er
jiein Verrüther werden, und alle Unterweisung an ihn
fruchtlos bleiben wfirde, die ganse Zeit seines öfFentiiches
Lebens hindurch um sieh au haben? mufste ihm dnreh
denselben nicht Jede Stunde traulichen Znsammenseins isk
den Zwölfen verkfimmert werden ? Gewifs triftige Grfin*
de mOfsten es gewesen s^in , um deren willen Jesus sieb
dieses Widrige und Harte aufgelegt bitte. Solefae Grflode
and Zwecl^e konnten sich entweder auf den Judas besie-
hen, und hier also in der Absicht bestehen, ihn an bei-
aem, welche aber durch die bestimmte Voraussicht seioei
Verbrechens aum Voraus abgeschnitten war; oder sie be-
sogen sich auf Jesum selbst und sein Werk , so dafs ff
die Ceberaeugung gehabt bitte, wenn die Erlösung doreh
seinen Tod au Stande kommen solle, mflsse auch einer
sein , der ihn verrathe ^). Allein au Jenem Zwecke war
nach christlicher Voraussetcung nur der Tod Jesu ein nn-
entbehrliches Mittel: ob dieser aber mittelst eines Ve^
raths, oder wie sonst, herbeigefiBhrt wurde, hatte fiBr des
ErlösungsEweck kein Moment, und dafs es den Feinden
Jesu auch ohne den Judas früher oder spiter bitte geiio*
gen mfissen, ihn in ihre Gewalt an bekommen, ist na-
liugbar; dafs aber der Verrither unentbehrliph gewesen»
5) ÜLSUAUfSA^ a. a. .0.
Zweites Kapitel. $. 116. 411
nm Jesu Tod eben aai Paschafeite, das sein typisches Vor-
bild enthalte I su Stande sn bringen 0» — ^^^ solchen
Spielereien wird man ans doch heutiges Tags nicht mehr
hiahalten wollen.
Lüfst sieh somit auf keine Weise eine genfigende Ab«
siebt anslindig machen, welche Jesnm bewegen konnte, in
der Person des Judas wissentlich 'seinen Verrither an sieh
SU Eichen nnd um sieh sn behalten : so sicheint entschieden,
dsls er ihn als solchen nicht im Voraus gekannt haben
kann« Scblkurmacher, am nicht durch Längnung dieseir
Vorberwlsaens der johanneischen Anctoritflt au nahe au
treten, nweifelt lieber daran, dafs Jesus die Zwölfe rein
lelbstst&ndig ausgewihlt habe, und indem nao dieser Kreis
lieh mehr doreh freies Ansehliefsen der Jflnger von selbst
gebildet haben soll, so könne Jesus leichter darüber ge-
rechtfertigt werden, dafs er den sich uudrfingenden Judas
oicbt BurOcbwies, als wenn er ihn ans freier Wahl nu
iich gecogen bitte O» Allein die Auctoritit des Johannes
wird hiednroh doch yerletat, da ja gerade er Jesum an
den Zwölfen sagen Ififst: aj^ vfihis fie i^sU^aa&e, aiiX iyvi
b^d^^a^rpf -vfiäg (15, 16. v|^5 5, 70 ); fibrigens einen be-
stimmten Wahlact auch weggedacht, so brauchte es doch,
damit einer bestfinJ'rg um Jesum bleiben durfte, seiner
£rlaubnifs nnd Bestfitigung, and schon diese konnte er
measchlicherweise einem Manne nicht geben, von welchem
er wufste , dafs er durch dieses Verhfiltnifs ku ihm der
tchwirsesten Frevelthat entgegenreife; sich aber gens, wie
mao sagt, in den Standpunkt Gottes cu versetKcn, und um
der Möglichkeit der Besserung willen, von der er doch
vorattswulste, dals sie nie cur Wirklichkeit werden würde,
deo Judas in seiner Gesellschaft na lassen^ das wftre eine
6) Ein solches Argument Hesse sich aus dem ableiten, was Ots-
uAUBBTi, 2y S. 387 unten und 588 oben sagt.
7) Ueber den Lukas, S. 88.
412 Dritter Abschnitt.
gdttliohe Uiimensohiiehkeit , niehts GotCmenMliIidies, ge-
wesen.
So schwer es bienach hAlt, ,die Angabe des irierten
Evaogeliomg} dafs Jesus i^on Anfang an den Judas mit
Bestimmtheit als seinen VereAther geJiannt habe, als hiito-
riscb fest«ubalten : so leicht entdeckt sich, was auch ohne
geschichtlichen Grund su einer solchen Darstellung bewe-
gen konnte. Dafs der yon einem seiner eignen Sehfiier
an Jesu begangene Verrath ihm in- den Augen seiner Feiode
eum Nachtheil gereichte, ist natfirlich; wenn wir aoeh
nicht von (Jelsns wttfsten, dafs er in der Rolle eines Joden
Jesu vorwarf, ini v€p (av wvo^aC,^ fiad-r^rolv TtQsdadi^^ sob
Beweis, dafs er weniger als jeder Räubi^rhauptmann die
Seinigen an sich su fesseln vermocht habe ^. Wie oon
die aus dem schmihlichen Tode Jesu na siebende fible
Folgerung durch die Behauptung, er habe seinen Tod
lange verberge wufst, am besten abgeschnitten zu werden
schien: ebenso das, was man aus dfem Verrathe des Judu
Schlimm/BS gegen Jesum ableitete, durch die Angabe, dafs
er von Anfang an den Verrfither- durchschaut habe, und
dem , was ihm dieser bereitete , hätte entgehen . können,
mithin mit Freiheit und aus höheren Rficksichten sich
seiner Treulosigkeit blofsgestellt habe'); womit- sogleich
noch der Vortheil sif gewinnen war, der in jeder angeb-
lich eingetroffenen Voraussagung fflr den Vorausverkiln-
digenden liegt, und welchen der vierte Evangelist naiv sei«
neu Jesus aussprechen läfst, wenn er ihm nach der Be*
Zeichnung des Verräthers beim lotsten Maiüe die Worte
leiht : an äqrci kiyu) v^lv tvqo rä yeviaO-aL , %va , orav yhr^
xuiy TiigevaijTey oti iyoi eifii (13 ^ 19.) — in der That dai
beste Motto zu allen vaiiciniis post eveiUtim. Diese beiden
Zwecke wurden destp vollkommener erreicht, je weiter
8) Orig. c. Gel». 2, fl f.
9) Vgl. Frobabil. p. 139.
Zweites Kapilei. §• 116. 413
Eorflek im Leben J^a dieees Vorherwissen gesetst wurde ;
woravs sieh also erklirt, wamm der Verfasser des vierten
Evaogelioms, nieht Bufrieden dami^, dafs oaoh der gewähn*
liehen Darstellung Jesns bel'm letzten Mahle den Verrath
des Jpdas Torherverkandigt haben sollte , sein Wissen nas
denselben schon in die Anfknge des Zosammenseins Jesn
mit Jndas irerlegte ^^). ,
Indessen, wenn Ewar ein ans seiner höheren Matnr
hervorgegangenes, bestimmtes nnd nntrflgliohes Voraus-
wissen von dem Verrsthe des Judas, welches Jesn gleieh
Fom Anfange seiner Verbindung mit demselben eingewohnt
hfitte, nach den früheren Bemerkungen ebenso andenkbar
ist, als nach dem suietst Beigebrachten diese johanneische
Angabe leicht auf ungesehichtliohem Wege entstehen
konnte: so fragt es sich, ob Jesus nicht «uf rein natfirliche
Weise den Judas in der Art durchschaut haben könnte,
dafs er frühaeitig, wenn gleich nicht die bestimmte fland-
long des Verraths vorhergesehen, doch die mindere iLan«
terkeit seiner Gesinnungen bemerkt hfttte? Ans dieser
Kenotnifs seines Charakters heraus könnte Jesus das ef
vfuüv £ig didßolog igiv (Job« 6, 70.) gesprochen haberi", ohne
damit auf den erst nach Jahresfrist erfolgten Verrath hin-
10) Noch weiter rückwärts wird, nicht das Wissen Jesu um sei-
nen VerrÜthery aber doch ein bedeutsames Zusammentr^ffea
mit demselben, im apokryphischen Evangelium infantiae ara-
bicum c. 35.) bei Fabiucxus 1, p. 197 f., bei Thilo, 1, p. 108 f.
gesetzt. Hier wird ein dämonischer Knabe j der im Anfall
mit den Zähnen um sich biss, «u dem Kinde Jesus gebracht,
er beisst nach ihm, und weil er es mit den Zähnen nicht er-
reichen kann^ versetzt er ihm einen Schlag auf die rechte
Seite 9 worauf das Jesuskind weint , der Satan aber einem
wüthenden Hunde ähnlich aus dem Knaben fährt. Hie au-
tem puer, qui Jesum percasHt et ex quo Satanas suh for-
ma eanii emMt ^ ftUt Judas ischariotes, qui Ubim Judaeis
prodidit.
414 Urittor Abschnirt.
*
weisen ■« wollen , - sondern nar mit Bezog auf den onlaa-
tem Sinn, welchen er an dem Jünger bemerkte , aber in-
mer noch hoffitei besserij eu können ^^). Allein Dicht biofi
diese natürliche Kenntnifs seines Charakters , der die nn-
bestimmte Möglichkeit bedeutender Fehltritte in sich trog,
schreibt der vierte Evangelist Jesu eo, sondern ein Im-
stimmtes Vorauswissen des Verraths; denn die Nbandsr-
sehe Dentnng der Worte : tjdei yccQ e^ ctQX^ o ^- ^fe «?'»'
o naqaddotav ainov (Job« 6 , 64«) : Jesus wufste von An-
fang an , was für ein Mensch oder Charakter Judas , sein
nachmaliger VerrXther, sei — ' diese ErklArung hat so viel
Verwandtschaft mit rationalistischen Ausflflchten y dafs ihr
Urheber sie selbst wieder aufgibt, und einrflnmt, Johannes
möge in unbestimmtere Andeutungen Jesu über den Cht*
rakter des Judas nach dem Erfolge bestimmtere Besiehun-
gen hineingelegt haben : das Mindeste allerdings , was in
dieser Sache Eugestanden, und aus dem oben bemerkten
apologetischen Interesse erkliirt werden mala«
Mit einem solchen rein na^rlichen und somit be-
achrSnkten Durchsehiinen des Judas ist nnn ewar seine
Berufung und Beibehaltung als Apostel vertriglich; nieht
aber die Uebertragong des Cassenamtes an denselben, wenn
anders Jesus unter den Fehlern des Judas eine bis aar
Unredlichkeit gehende Gewinnsucht kannte.
%. 117.
Verschiedene Ansichten Uber den Charakter des Judas und
die Mcttive seines Verraths.
Nun hat es aber von den Iltesten bis auf die neuesten
Zeiten Solche gegeben, welche mit dieser Ansicht der
N. T. liehen Schriftsteller von dem Beweggrunde des Jn-
das und mit ihrem durchaus verwerfenden Urthetl fiber
11) So KtRM, Hauptthatsachen, TBb. Zeitschr. 18SG, 2, S. 152 IT.;
Nbandiii, L. J. Chr., S. 571 ff.
Zweites Kapitel, f. 117. 415
denselben (vgL A. 6. l, 16 ff.) niebt fiberelnstimmeii sa
können glaubten; und ewar können wir sagen, dafs diese
Abweichung theils ans fibertriebenen SnprahaturalismnSi
theils ans einem rationaiistisehen Hange hervorgegangen ist.
Ein fiberspannter Supranaturalismns konnte von den
!■ N, T« selbst an die Hand gegebenen Gesichtspunkt ans,
dtfs der Tod Jesu , Im göttlichen Weltplan beschlossen,
tnm Heil der Menschheit gedient habe, nun auch den Ju-
das, durch dessen Verrath der Tod Jesu berbeigefiBhrt
worden ist, als ein tadelloses Werkeeug in der Hand der
Vorsehung, als einen Mitarbeiter an der Eriötnng^ der
Menschheit, betrachten; In dieses X#icht konnte er da-
doreh gestellt werden, dais man ihm ein Wissen um Je;
Den göttlichen Rathschlufs lieh , und die VoUaiehung des-
selben als bewufsten Zweck seines Verrathes setate. Die«
se Betrachtungsweise finden wir wirklich bei der gnosti-
scben Partei der Kainiten, welche den alten Hfiresiologen
snfolge den Judas fSr denjenigen hielten, der sich. Aber
die beschriokte jfldische Ansicht der fibrigen Jünger cur
(inosis erhoben, und dieser gemfifs Jesum verrathen habe,
weil er erkannte, dafs durch seinen Tod das Reich der die
Welt beherrschenden niederen Geister gestörat werden
wfir^e ')• Andere in der fiteren Kirche rfiumten swar
ein, da(s Judas Jesum ans Gewinnsucht verrathen habe;
doch soll er nicht erwartet haben, dafs Jesus getödtet wer-
den wfirde, sondern der Meinung gewesen sein, er werde,
wie schon öfters, so auch dieismal, durch seine flbernatör«
1) Iren. adv. haer. 1, 35 : Judam proditorem — solutn prae ee-
teris eognoscentem verttaiem perfecisse prodiiionijt mf/ste^
rium^ per quem ei terrena et coeUstia i^mnia dissoluta tU-
amt. Epiphan. 58, 3: Einige Kainiten sagen, Judas habe
Jesum als einen norr^^ verrathen, weil er das gute Gesetz
auflösen wollte; ^Um Se rav avrßv^ »;^*\ 9WW, iU^ aya»*^
416 Dritter Abscbiult.
liehe Macht seinen Feinddn entgehen ^) ; eine Aosicbt,
welche bereits den Vebergang «a den neueren Rechtferti-
gungen des Yerräthers bildet.
Wie die beeeichnete supranatnrslistische Erbebang dei
Judas bei den Kainiten sunfichst von ihrer Oppoiition ge-
gen das Jndenthum ausging, Iiraft deren sie sich sou
ÖrundsatEe gemacht hatten , alle von den jfidischen Ve^
fassern des alten, oder den judaisirenden des neuen Testa-
ments getadelte Personen zu ehren und umgekehrt: m
verspürte der Rationalismus , besonders lin seinem ersten
Unwillen Ober die lange Knechtschaft der Vernunft in den
Fesseln der Auctorität, einen gewissen Reie in sich, wie
die von der orthodoxen Ansicht seiner Meinung nach sd
sehr vergötterten bibiiicben Personen ihres Mimbna m
entkleiden, so die in eben dieser Ansicht verdamqiten oder
zurückgesetzten ku vertheidigen und bu heben. Daher,
was das A. T. betrifft , die Erhebung Esau*s ttber Jakob,
Saul's über Samuel; im neuen der Martha fiber die Maria,
die Lobreden auf den sweifelnden Thomas, und nun sogar
die Apologie/ des Verrltbers Judas. Den Einen war er
ein Verbrecher ans beleidigter Ehre : die Art , wie Jeivs
ihn bei der Bethaniechen Mahlcelt geellchtigt, die ZorOck*
seteung überhaupt, die er im Vergleich mit andern Jungen
erfuhr, verwandelte seine Liebe zu dem Lehrer in UiSi
und Rachgier '). Andere haben sich mehr der von Theo*
phylakt aufbehaltenen Vermuthung angeschlossen, daft
aa^fvtjq Svvajuig xai T«ro, iprflty y^ag 6 ^InSaq^ {ontvae km Ttdrta
fxiyf^ty, to^e na^adsvai avrov ^ aya&or fQyor noujijaf ^/uv «f outt-
^av. »at Sei ^/uSi inairf'iv xal anoSiSorai avr^ tot tnairwy on f^«
ttVTH xaTfaxevdad^tj ^juTv jy r5 ^orv^ otarij^ xoa. f dta rjj rottx^^p-
vno^iaftag rtav avto anoxaXvxpii.
2) Theophylact. in Matth. 27, 4.
3) Kai8br, bibl. Theol. 1, S. 249. Aehnlich auch Klopstocx, im
Messias.
Zweites KapiteL $• 117. 417
Jodas gehofft haben möge, Jesaa werde aach dieramal sei-
nen Feinden entgehen. Dieb fafsten die Einen noch an-
prAnatoralistiMh so, als lifitte Judas erwartet, Jesus werde
sich durch Anwendung seiner Wunderhraft in Freiheit
sotsen *) ; consequenter auf ihrem Standpunkt muthroafsten
Andere, Judas möge wohl erwartet haben, wenn Jesna
gefangen wäre, werde ein Volksaufstand sn seinen Gunsten
snsbreehen und Ihn befiraien ^). Judas wird hienaeh als
ein solchtt* Torgestellt, der, darin fihiigena den andern
Jüngern gleich, das Messiaareich irdisch und politisch sich
dachte, und daher nnsufrieden war, dafs Jesus die Gunst
des Volks so lange nicht benütste, um sich cum messiani*
«eben Herrs^iher anfznwerfen. Veranlalst nun entweder
dorch Bestechungsyersuche des Synedriums, oder durch
das Gerficht yon dessen Plane, Jesum nach dem Fest ins«
geheim sn verhaften, habe Judas diesem JVnschlag, der
Je«am verderben mufste, znvorsukommen, und eine Ver-
haftung noch wfihrend des Fests sn Stande eu bringen
gesucht, 1^0 er gewifs hoffen eu können glaubte, Jesun^
doroh einen Volksaufstand befreit, ebendamit aber genö-
thigt cn seilen, sich endlich dem Volk in die Arme eu wer-
fen, und snr GrOndung seiner Herrschaft den entscheiden-
den Schritt eu thun. Da er Jesudi von der Nothwendig«
keit seiner Gefangennehmung , und dab er in drei Tagen
sieh wieder erheben werde, sprechen hörte, habe er diefs
als Zeichen der Einstimmung Jesu in seinen Plan genom-
men , in diesem Wahne dessen fibrige abmahnende Reden
tbeils fiberhört, theils falsch gedeutet, namentlich das o
noiü^^ noirflov Totxiov als eine wirkliche Ermunterung eur
4) K. Ch. L. ScamiDT, exeg. Beiträge, 1. Thl. 2ter Versuch,
S. 18 ff* ; vgl. denselben in Schmiut^s Bibliothek, 3, 1, S.
163 ff.
5) Paitlüs, exeg. Handb., 3, b, S. 451 ff. L. J. 1, b, S. 143 ff.;
HASBy L. J. $^ 132. Vgl. THauü, zur Biographie Jesu, §. 33.
Das Leben Jesu Ue Aufl. ii. Band. 27
• ' ; ' * f
418 Dritter Abschnitt.
Ansffihrung ' seines Vorhabens anfgefarst. Die 30 Silber-
linge habe er von den Priestern genommen, entweder am
seine wahre Absicht hinter den Schein der Habsacbt so
▼erborgen I und ihnen dadarch jeden Verdacht sa beneb«
men ; oder habe er neben der Erhebang eu einer der er*
•ten Stellen im Reiche seines Meisters, die er erwartetCi
auch Jenen kleinen Vortheil noch mitnehmen wollen. Aber
Jodas habe sich in ewei Punkten verrechnet : einmal , in-
dem er nicht bedachte , dafs nach der darchsehmaasten
Paschanacht das Volk nicht frflhe su einem Aufstand wach
sein wArde; Eweitens, indem er nicht erwog, dafs das Syn-
edriom eilen wfirde, Jesum in die Hfinde der Römer so
bringen, denen ein Volksanfstand ihn schwerlich cu ent-
reifsen im Stande war. So soll nun Judas entweder ein
▼erkannter braver Mann ^), oder ein Getauschter sein, der
aber kein gemeiner Charakter, vielmehr in seiner Ver-
Bweiflnng noch ein Trümmer apostolischer Gröfse war^);
oder soll er, Bwar durch ein schlechtes Mittel, doch einen
guten Zweck haben erreichen wollen ®). — Beide Ansieh«
ten von Jesu, die übernatürliche und dje natürliche, Ufst
MsANDER in der Art als Dilemma in Jodas vorhanden sein,
dafs er gedacht haben soll; ist Jesus der Messias, so wird
inm, vermöge seiner Übernatürlichen Kraft, die Debergabe
an seine Feinde nichts schaden, im Gegentheil cur Be-
achleunigung seiner Verherrlichung- dienen ; ist er aber
der Messias nicht, so verdient er den Untergang. Hienach
wlire der Verrath nur die Probe gewesen, auf welche der
Bweifelnde Jünger die Messianitit d^a Meisters stellen
wollte »). ^
Unter diesen Ansichten ist eigentlich nur diejenige^
6) ScHHiDT, a. a. O.
7) Haib.
8) Paulus.
9) NiAWDsa, L. J. Chr., S. 578 f.
Zwniti's Kapirel. $. 117« 419
«reiche den Verrnth des Jadas ans gekrSnktem Ehrgeis
abieitet, im Stande, eine positive Spar fdr sich ansoffih«
ren: den Verweis iiSniiich, den sich derselbe von Jesu
beim Bethanischen Mahle cneog. Allein gegen die Beru-
fnng aaf diesen Verweis ist schon bei anderer Gelegenheit
die Bemerkung der neuesten Kritik gekehrt worden, dab
die Milde desselben, wie sie namentlich aus der Ver»
i;leichnng mit der weit schSrferen Zurechtweisung des
Petrus, Matth. 16, 23, erhelle, in gar keinem Verhfiltnifs
Btt dem Groll stflnde, den er in Judas erregt haben soll ^^) ;
dafs dieser aber sonst Zurücksetzung gegen seine Mit-
Jfinger erfahren habe, davon fehlt uns Jede Spur.
Alle Obrigeu Vermuthungen Ober die eigentliche Trieb-
feder der That des Jodas können nur negative Gründe fiBr
•ich anfahren, d, h. Gründe , die es unwahrscheinlich ma-
chen sollen, dafs er fiberhaupt eine böse Absiebt bei sei-
nem Anschlage gehabt habe, und dafs insbesondere Hab*
sncht seine Triebfeder gewesen sei; einen positiven Beweis
sber, dafs er das Werk Jesu habe fordern wollen, und
dafs namentlich ungestüme politische Messiashoffnungen
ihn getrieben haben, vermögen sie nicht beisnbringen. —
Dafs Judüs fiberhaupt keine böse Absicht gegen Jesnm
gehabt habe, dafür beruft man sich hauptsichlich darauf,
dafs er, nachdem ihm die Ablieferung Jesu an die Ktfmer
und die Unvermeidlichkeit seines Todes su Ohren gekom-
men, in Verzweiflung gerathen sei, als Beweis, diifs er ei-
nen entgegengesetzten Erfolg erwartet hatte. Allein nicht
blofs der unglückliche Erfolg, wie Paulus meint, sondern
ebenso auch der glückliche, oder das Gelingen des Verbre-
chens, „zeigt dasselbe, welches man sich vorher unter
tausend Entschuldigungsgründen verschleierte, in seiner
schwarzen, eigenthümlichen Gestalt.^^ Das real gewordene
Verbrechen wirft die Maske ab, ilie man dem nur erst
10) 1. Band, ^. 88. S. 779. Vgl. noch Mass, a .a. O^
27*
4^0 Dritter Abschnitt.
idealen, im Gedanken vorhandenen, leihen konnte; und lo
wenig die Reue manohes Mörders , wenn er den Ermor-
deten vor sieh Hegen sieht , beweist, dafs er den Mord
nicht wirklich beabsichtigt habe: ebenso wenig kann dis
des Judas, als er Jesum ohne Rettung sah, beweisen, dab
er nicht vorausberechnet hatte, es werde Jesam das Le-
ben kosten.
Unmöglich aber, sagt man ferner | kann insbesondere
Habsncht die Triebfeder des Jndas gewesen sein ; denn
wenn es ihm om Gewinn so thnn .war, so konnte ihm
nicht entgehen, dafs die fortdauernde Cassenfflhrung in
der Gesellschaft Jesu 'ihm mehr abwerfen würde, als die
elenden 30 Silberlinge, unsres Geldes 20 — 25 Thaler, die
er bekam, was bei- den Juden die Vergütung ffir einen
verletsten Sklaven, ein Taglohn auf 4 Monate war. Allein
eben die 30 Silberli.nge sucht man vergeblich bei allen Be-
richterstattern aufser MAtthfius. Jobannes schweigt völlig
fiber einen dem Judas von den Priestern gebotenen Lohn ;
Harkns tfnd Lnkas sprechen unbestimmt von dQyxQior^ des
sie ihm versprochen haben , und auch den Petrus Ififst die
Apostelgeschichte (1, 18.) nur von einem fuaO^os reden,
der dem Jndas eu Theil geworden sei. MatthKus aber,
der allein jene bestiminte Summe hat, IXlst ans Eogleicb
keinen Zweifel über den historisehen Werth seiner An-
gabe« Er citirt nftmlioh, nachdem er das Ende des Judas
berichtet (27, 0 f.), eine Stelle aus Zacharias (11, 12 f.;
aus Irrthum schreibt er Jeremias)', in welcher ebenfalls
30 Silberlinge als Preis vorkommen, eu welchem einer an-
geschlagen worden sei. Zwar sind in der Pr«)phetenstelle
die 30 Silberlinge kein Kaufpreis, sondern ein Lohn; der
damit Bezahlte ist der Jehova's Person vorstellende Pro-
phet, und durch die geringe Summe wird die Geringschi-
tBung angeeeigt, welche die Juden gegen so viele göttliche
Wohlthaten sich zu Schulden kommen liefsen ^0« ^'^
ll)^o8ciiMÜi.i.sR, SchoL in V. T. 7, 4, S. 318 ff.
Zweites Kapitel. %. 117. 421
leicht aber konnte ein christlicher Leser darch diese Stelle,
In welcher von einem scfamfihiich geringen Preise (ironisch
1j?TI niK) die Rede war, om welchen die Israeliten einen
in Orakel Redenden angeschlagen haben, an seinen Messias
erinnert werden, der um ein seinem Werthe gegenüber
Jedenfalls geringes Geld seinen Feinden verkauft worden,
war, nnd er konnte linn aus dieser Stelle heraus den Preis
bestimmen, der dem Judas für die Ueberliefernng Jesu
besahlt worden war ^-j. Hienach geben die TQidxoyra ccq-
yinia durchaus keinen Punkt ab, auf den sich derjenige
stutzen könnte , welcher beweisen will , der geringe Lohn
könne es nicht gewesen sein, was den Judas Eum Verrfi-
ther machte; denn wie gering oder bedeutend der Lohn
war, welchen Judas bekam, wissen wir hienach gar nicht.
Aach ans Matth. 27, 7 ff. A. 6. 1, 18«, wornach um den
Verritherlohn des Judas ein dyQO^ oder xiaQLOv erkauft
wurde , ist nicht mit Neander auf die Geringfügigkeit Je-
nfer Summe e^u schliefsen, da, auch abgesehen von dem sptt*
ter zu untersuchenden historischen Werthe Jener Angabe,
die beiden angeführten Ausdrücke^ ein gröfseres oder klei-
neres Stück Landes bedeuten können, und die Bestimmung
«4' Taq)TJiv idli; ^evoigy welche Matthfius demselben anweist,
an keinen allzu geringen Umfang desselben denken Ififst.
Wie derselbe Theologe gar in dem Ausdruck auch der
beiden mittleren Evangelisten , die Jüdischen Obern haben
dem Judas aQyvQiov en geben versprochen , die Andeutung
einer geringen Summe finden will, ist vollends nicht ein«
SDsehen. — Weit triftiger ist die schon oben in anderem
Sinne angeführte Bemerkung, dafs Jesus einen, den er als
gewinnsüchtig bis zur Unredlichkeit kannte, schwerlich
2ur Casseführung berufen und auf diesem Posten gelassen
haben würde; wefswegen Neander geradezu annimmt, der
12) Auch NR«%nBii findet Hirsr Entstehung der Angabe des ersten
Evangeliums möglich, S. 574. Anm.
422
Dritter Absehnitt.
vierte Evangelist^ weDn er die Bemerkung des Jodat beiQ
Betbanischen Mahle aus seiner Habsacht ableite^ habe die-
selbe nach der\Spfitern Wendong, die es mit Judas oshm,
falsch ausgelegt, and namentlich anch die Beschuldigung,
dafs Judas die Gesellschaf tscasse bestohlen habe , aus sei-
nem Eigenen hinzugefügt ^''}. Allein hiegegen fragt sich,
ob man vom N&ANDER'schen Standpunkte aus dem Apostel
Johannes, als vorausset^lichem Verfasser des vierten Evan-
geliums, eine so grundlose Verläumdnng — denn diefa
'w&re es nach Neander's Voraussetsnng — cur Last legen
darf; und auf dem unsrigenwfire es wenigstens natürlicher,
anzunehmen, dafs Jesus den Judas zwar als geldliebend,
aber bis zuletzt nicht als unredlich gekannt, und daher
fUr den bezeichneten Posten nicht ungeeignet gefunden
habe. — Was ISeander schliefslich bemerkt: wenn Judas
durch Geld bewogen werden konnte, Jesum zu verrathen,
s^ müsse er den rechten Glauben an ihn längst verloren
gehabt haben — diefs versteht sich von selbst ^ und inols
bei jeder Ansicht von d^r Sacl e vorausgesetzt werden ;
allein das Ersterben des Glaubens konnte ihn zunächst
nur zu deip airfA^cTv eii; lu ordau) Job. 6, 66. bewegen:
um ihn auf den Gedanken des Verraths zu bringen, be-
durfte es eines weiteren, besonderen Reizes, welcher duo
an sich gleich gut Gewinnsucht, wie jene von Meamder
o. A. ihm untergelegten Absichten, gewesen sein kano.
Dafs Gewinnsucht als solche nfiohste Triebfeder cor
Erklfirung der That des Judas genüge, will ich nicht be-
haupten ; nur das halte ich fest , dafs eine ändere Trieb-
feder in den Evangelien weder angegeben, noch irgendwie
angedeutet ist, jede derartige Hypothese also in der Loft
steht ").
15) L. J. Chr. S. 573.
14) Vgl. auch Fkitzscmk; in Mstth. p. 7S9 f.
Zweite« KapiteL {. HS. 42S
S. 11&
Bestellung des Faftchamahlt.
Am ersten Tage der angesfioerten Brote , an desfen
Abende das Paschalamm gescfalaohtet werden mnfste, alte
dea Tag vor dem eigentiicben Fette, welehes aber an dem-
selben Abend noch «einen Anfang nahm, d. h. den 14ten
Nitan, «611 Jean«, nach den awei eraten Evangelien auf
eine von den Jflngern an ihn gerichtete Anfrage, nachMat-
thäua nnbeatimmt, welche und wie viele, nach Marina
awei Jfinger, welche Luliaa als den Petrna und Johannea
beaeichnety cur Stadt geachickt haben (vielleieht von Betha-
nien aua), um filr die Featmahlzeit ein Local au bestellen,
und die weiteren Anordnungen au treffen (Matth. 26, 17 ff.
parallO* Waa Jeans dieaen Jflngern für eine Weisung ge-
geben, darin stimmen die drei Berichterstatter nicht gans
tiberein. flach allen schiciit er sie an einem Manne, bei
welchem sie^nnr im Auftrage des didaaxceXoi; ein Local
aar Paachafeier begehren dQrften, um aogleich einea einge-
rfiomt an beliommen: aber theila wird dieaea Local von
den beiden andern n&her ala von Matthäua l>eaeichn^,
nämlich als ein grofsea oberea Zimmer, welchea bereite
mit Polstern veraehen, und cum Empfang von Gisten su-
gerichtet sei; theila wird namentlich die Art, wie aie den
Eigenthflnier deaaelben auffinden aollten , von jenen andere
aU von diesem angegel>en. Matthfiua nämlich Ififst Jesnm
nur sagen, aie aollten hingehen TtQOS tov düvat die fibri*
gen aber , aie wfirden , in die Stadt getreten , einem Men-
Kben begegben , weicher ein xeQUfiiov vdaros trage , dem
sollten sie in das Hans, in welches er gehe, folgen, und
daselbst mit dem Hausherrn unterhandeln.
In dieser Erafthlung hat man eine Menge von Anstös-
ssn gefunden, welche Gablbr in einer eigenen Abhandlung
ausammengeatellt hat 0* Schon daa ist aufgefallen , dafs
1> Ueber die Anordnung des letzten FaschamahU Jesu, in sei«
■e» aeuetlen thcal. Journal/ 2y äj S. 441 ff*
•
V
424 Dritter Abschoitt.
Jeaus erst am loteten. Tage an die Bestell ang des Mahlet
gedaoht haben soll, ja naeh den beiden ersten Evangelisten
noch durch die jQnger daran erinnert werden mub, dt
doch bei dem grofsen Andrang von Menschen in der Pa«
achaseit (2,700,000 nach Josephus^)) die städtischen Lo-
cale bald vergeben waren , und die meisten Fremden vor
der Stadt unter Zelten oampi^en mnfsten. Dm so sooder-
barer ist dann, dafs demunerachtet die Boten Jesu dai
verlangte Zimmer nicht besetst finden, sondern der Eigen-
thümer, als hätte er Jesu Bestellung geahnt, es für ihn
aufgehoben, und bereits für ein Gastmahl eugericbtet hatte.
Und dessen versieht sich Jesus so gewifs, dafs er den
Hauseigenthttmer nicht erst fragen Ififst, ob er bei ihm ein
Local zur Pascbamahleeit bekommen könne, sondern ohne
Weiteres, wo das ffir ihn geeignete Local sei? oder nach
Matthäus ihm nur ansagen läfst, er werde bei ihm das
Pascha essen ] wozu noch kommt , dafs nach Markos und
Lukas Jesus sogar diefs weifs, was für ein Zimmer and
in welchem Theile des Hauses ihnen eingeräumt werden
wQrde. Besonders auffallend ist nun aber nach diesen hei-
den die Art, wie die Jünger den Weg nach dem betreffen*
den Hause finden sollen. Lautet nämlich bei Matth&ui
das vnayeve Ht; trjv nohv nqog %6v deiva einfach so, all
hätte zwar Jesus den Namen dessen, zu dem sie geben
sollten, genannt, der Referent aber ihn nicht. mehr* ange-
ben wollen oder können : so bezeichnet bei den /beiden an-
dern Berichterstattern Jesus den JOngern das Haus, in
das sie zu gehen hätten, durch einen Wasserträger, den
sie begegnen würden. Wie konnte nun Jesus in Betha-
nien, oder wo er sonst eben war, diesen zufälligen Un-
stand vorberwissen, wenn anders nicht vorher verabredet
worden war, dafs um diese Zeit ein Knecht aus jenem
Hause mit einem Krug - Wasser sich zeigen , und auf die
3) Bell. jud. 6, 9, 5,
Zweites KapiteL $. 118. 425
Boten Jean warten sollte ? Auf eine vorhergegangene Ver»
abredung schien den rationalistischen £rl&iärern Alles in
uDsrer Erzfiblnng hinanweisen, und durch diese Voraus-
seteung angleich alle Schwierigkeiten derselben sich sa
lösen. Die so sp£t erst ausgeschickten Jünger konnten
nur dann noch ein Local unbesetet finden, wenn diefs von
Jesu vorher bestellt worden war ; nur dann konnte er dem
Hausbesitser so kategorisch sich ansagen lassen , wenn er
mit ihm schon frfiher Abrede genommen hatte; aus einer
•eichen erklärt sicb-anch Jesu genaue Kenntnifs von dem
Locale, und endlich^ wovon ausgegangen wurde, seine 6e-
vrifsbeity dafs die Jflnger einem Wassertrfiger aus jenem
Hanse begegnen würden« Den Dmsehweif dieser Beseich«
oung des Hauses, der durch einfache Nennung des Namens
vom Eigenthflmer au vermeiden war, soll Jesus gemacht
haben, um den Ort, wc^ er die Alahlseit halten wollte, nicht
vor der Zeit dem Verrfither bekannt werden au lassen,
der sonst vielleicht schon dort ihn auf störende Weise'
fiberfallen haben würde ^).
Allein diesen Eindruck macht die evangelische Ersäh-
lung durchaus nicht. Von einer Verabredung, vorgingigen
Bestellung , hat sie nichts ; vielmehr scheint das evQOv xct-
^v»S tiqrjxev aikoig bei Markus und Lukas darauf hinwei*
sen au sollen, dals Jesus Alles, wie es sich später wirk-
lich fand, voransausagen im Stande war; eine furchtsame
Vorsicht^ ist nirgends angezeigt, vielmehr deutet Alles auf
eine wundersame Voraussicht hin. Näher ist hier, wie
oben bei der Bestellung des Reitthieres cum Einzug in
Jerusalem, das swieCache Wunder vorhanden, dafs einer-
seits für Jesu Bedürfnisse Alles bereit ist, nnd dertiewalt
seines Namens Niemand cn widerstehen vermag; andrer-
3) So Gablbk , a. a. 0. ; ähnlich PAUtut , exeg. Hjindb. , 3 ^ b ,
S.481 ; KsRM, Haupkthattachen, Tüh. Zeilschr. 1836^ 3, S. 3f. ;
NaAxasA, S, 583.
ißA Ürilter Abschnitt.
•eits aber Jesos in entfernte Verhältnisse eioen Bliok m
werfen, und das Zofftiligste vorhercosagen im Stande ist ^).
Ks oiufs befremden ,' dafs diese so unabweisbar sich dar-
bietende snpranatoraiistifcbe AaflFaAsung des vorliegenden
Beriehts diefsmal selbst Olsbausbn bq umgehen sucht, mit
Grfioden, durch welche die meisten WundergescbichteD
omsustofsen wären, und welche man sonst nur ?oo Ratio-
nalisten Bu hören gewohnt ist« Dem unparteiischeD Ana*
leger, sagt er ^), gebe die £rBäblnng nicht das Geringita
an die Hand, das die wunderhafte Auffassung rechtfertigte,
— man glaubt sich bereits in Paulus Commentar vertettt;
wollten die Referenten ein Wuuder ersählen,' so h&tteo
sie ausdrflcklich bemerken müssen, es habe keine Verab-
redung .stattgefunden -^ g^ns das rationalistische Begeih
ren, wenn eine Heilung als wunderbare anerkannt wer
den sollte, so mfifste die Anwendung natOrlicher Mittel
Ansdrficklicb geliiagnet sein ; auch ein Zweck dieses Wnn*
ders sei nicht einsusehen, insbesondere eine Glaubeof8tfi^
kung der Jünger sei damals nicht nötbig, und. nach deo
früheren erhabeneren Wundern durch dieses weniger be-
deutende nicht SU erreichen gewesen — Gründe, durch
welche ebenso namentlich auch die gans ähnliche Ersib-
Inng yon der Vorberbeneichnung des Esels bei*m Einsog)
welche doch Olshausbn als wunderbar festhält, auf den
Kreise des UehernatOrlichen ausgeschlossen werden wOrde.
Eben dieser früheren Ersählung min aber i^ die ge-
4) Richtig, nur mit zu specieller Beziehung auf das Jesu beror-
stehende Leiden , gibt Bsza , zu Matth. 26 , 18. , aU Zweck
dieser Vorherbezeichnung an , vt nmgis ac magis inteiäg^'
rent dUdpuU, nihil temere in urbe magistro eventurum, »^
quae ad minuiUsimas usgue drcufnatantioM penilus pertpe-
eta haberei.
ftX Bibl. Comm. 2, S. 3S5 f. Vgl. dagegen an Wsm s. d. St.
Zweites Kapitel' $.118. 427
genwUrÜge so auffallend ?erwandt, dafs Aber die hfsCori-
iche Realitlt der einen nicht anders als ober die der andern
geurtheiit werden kann. Hier wie dort hat Jesos ein Be-
darfnlfs, fflr dessen si^hleunige Befriedigung von Gott so
gesorgt ist, da^s Jesus die Art dieser Befriedigung aufs
Genaoette yorherweifs; hier bedarf er eAen Speisesaal,
wie dort ein Reicthier; hier wie dort sendet er swei J flu-
ger aas, um die Bestellung su machen ; hier gibt er ihnea
einen begegnenden Wassertrfiger als Kennseichen fflr das
Hins an, wie dort der angebundene Esel das Zeichen war ;
hier wie dort weist er die Jfinger an, dem £igenthflmer
Dor ihn, hier als diddaxukoi; ^ wie dort als xvQiogt su nen-
nen, um sogleich die unweigerliche Gewährung seines Ver-
Isngensi aussowirken; beidemaie entspricht der Erfolg sei-
ner Voraussage genau. Alich bei dieser Ersfihlung, wie
bei der früheren, fehlt der hinreichende Zweck, welchem
BDÜeb ein solches mehrfaches Wunder könnte veranstaltet
worden sein; wogegen der Grund ebenso leicht wie bei
jener in die Augen fällt, vermüge dessen sich in der ur-
christlichen Sage die Wunder erseählung ausgebildet babea
mag. An eine A. T. liehe Ersählung insbesondere, an
welche wir schon dort denken mufsten, werden wir hier
noch bestimmter erinnert« Zum Zeichen, dafs er Ihm mit
Grund der Wahrheit die Herrschaft Ober Israel verkfln«
digt habe 9 sagt Samuel dem Saul vorher, wer ihm bei*m
Weggehen von Ihm begegnen werde« Nfimlich sunfiehst
swei Mfinner mit der Machricht, dafs seines Vaters Ese-
linnen wiedergefunden seien; hierauf drei andefe, welche
Opferthiere, Brot und Wein tragen und ihm von dem
Brote anbieten werden n. s. f. (1 'Sam. 10, 1 ff.); voraus
wir se^en^ durch welcherlei Vorhersagungen die hebräi-
sche Sage ihre Propheten sich beglaubigen liefs.
Was schliefslich das Verb<nifs der Evangelien be-
trifft, so wird gewöhnlich die Ersählung des Matthäus
tief unter die der awei andern Synoptiker gesetst, und als
428 Dritter Absohaitt.
die spStere und abgeleitete betrachtet *)• Vor Allem loU
der Umstand mit dem Wasserträger, weichen jene beides
geben, der ursprünglichen Thatsache angehören, in der
Sage aber, bis sie an Matthfius kam, verloren gegsDgen,
and nun das rftthselhaflte vndyere TtQOS tov delva an seist
Stelle gesetst worden sein. Allein , wie wir gefunden ha-
ben, ist *(ler delia vielmehr unverfänglich, der Wssse^
trffger aber im höchsten Grade rfithselhaft '). Noch
weniger läfst sieh darin, dafs Matthfins die abgeschicktes
Jünger nicht wie Lulias als den Petrus und Johannes he-
Ecichnet, eine Spur finden, dafs die Eraäblnog des drittes
Evangeliums die ursprünglichere sei. Denn wenn Schleier*
MACBBR sagt, dieser Zug habe wohl im Hindurchgehen
durch mehrere Hfinde verloren gehen , nicht leicht aber
durch eine spStere Hand binsuliommen l&önnen, so ist we«
nigstens die letztere Behauptung ohne Grund. So wenig
wahrscheinlich es ist, dafs su einer so rein Ökonomischen
Bestellung Jesus gerade die beiden ersten Apostel verwen-
det haben sollte; so leicht Ififst sich denlien, dafs zuerst
unbestimmt, wie wir bei Matthäus lesen, eine Sendung
' der oder einiger Jünger eraählt wurde, deren Zahl hie^
auf, vielleicht ans der EraShlung von der Sendung nach
dem Esel, auf awei festgesetet, und diese Stellen endlich,
da es von einer Auswahl su einem Geschäft von spiterhin
hoher Bedeutung — der Bereitung des letcten Mahle«
Jesu — sich handelte, durch die beiden ersten Apostel
ausgefallt wurden. So dafs hier selbst Markus sich der
ursprünglfchen Wahrheit wieder mehr genähert eu hahen
scheint, indem er die von Lukas an die Hand gegehe-
6) Schulz, über das Abendmahl, S. .^21 ; Schlbisrmjiciuii , üher
den Lukas, S. 280; Wsissb, die evang. Gesch., S. 600 f.
7) t. Thbilb , über die letzte Mahlzeit Jesu , in M'i]«bb*s und
l!)»CKLiiAiibT*s iiniem krit. Journal^ 2, S. 169. Anni, , un<f <ur
Biographic Jesu, J. 31.
Zweites Kapitel. $. 119. 420
«
nen NameD der beiden Jflnger in seine Erzlihlanff nicht
anfnahnu
$. 119.
Abweichende Angaben über die Zeit des letzten Mahles Jeiu.
Meldet der vierte Evangelist von der bisher bespro«
ebenen Bestellung der Paschamahlseit nichts, so weicht er
auch in Bezng anf das Mahl selbst au£FaIlend von den
übrigen ab. Abgesehen nämlieh von der dnrchgehenden
DifferenE im Inhalte der Seene, von welcher erst später
die Rede werden Icsnn, scheint er, was die Zeit des Mah-
ks betrifft, es mit eben der Bes^mmtheit als eine vor dem
Pascha gehaltene Mahlaeit so geben , wie die Synoptilier
als das Pasehamahl selbst.
Wenn diesen zufolge der Tag, an welchem die Jfinger
fon Jesn znr Bestellung des Mahles angewiesen worden,
bereits jj nqdxi] talv a^vfiiav war, iv fi tdei di^fead-ai ro
naaxa (Matth. 26, 17. parall.) : so kann das darauf gefolgte
Mahl kein anderes als eben das Paschamahl gewesen sein;
wenn ferner diie Jfinger Jesum fragen : nä O-ileig kroifid-
oia^iv aoi q^ayeiv t6 7iaa%a; (ebendas.) wenn es hierauf
Ton denselben heifst : i^oifiaaav to naoxa (Matth. V. 19.
parail.), und sofort von Jesn: oipiag yet'Ofiivr^g avixsno
^na Ttsiv dcidexa (V. 20.): so würe das Mahl, an welchem
man sich hier niederliefs, schon Oberflüssig als dasPaseha-
mahl bezeichnet, wenn auch nicht Lukas (22, 15) Jesum
dasselbe mit den Worten eröffnen liefse: emO-viniff: inedv-
^rfsa tÖTO TO Ttdaxcc q^ayelv f.ied' v^itSv» — Wenn dagegen
das vierte Evangelium seine Erzfihlung von dem letzten
Mahle mit der Zicitbestimmung : tiqo da zijg kofnijg zö ndoxccy
eröffnet (13, 1.), so seheint das ötiTcvoVy dessen es unmit-
telbar darauf (Y. 2.) gedenkt , ebenfalls noch vor das Pa-
Khafest zu fallen ; zumal in der ganzen johanneischen
^hilderung dieses Abends, welche namentlich in Bezug
*vf die an das Mahl sich knfipfenden Reden höchst aus-
430 Dritter Abscbnitf.
fohrlicii Istf jede Erwähnung ond selbft jede Anspielong
darauf 9 dafs hier das Paschamahl gefeiert werde ^ fehle.
Wenn ferner die Aufforderung Jesu an den VerrSther
nach dem Essen, was er thae, schnell cd thon , von den
Jüngern dahin mifsverstanden wird, oV/ ?Jyei ai)zq? ayofw-
aoi'j tov x^f/ar tyiOfiBV sig tr^v ioQrr^v (V. 29.)' «o besogen
sich die Festbedürfnisse doch hauptsfichlich auf das Pn-
schauiahl , und kann folglich die so eben vollendete Mnhl-
seit nicht wohl schon das Paschamahl gewesen sein. Wenn
es dann (IS, 28.) weiter heifit, am folgenden Morgen
seien die Juden nicht in das heidnische PrStorium ge
gangen, iva firj ^lav&aiaiVf aU, Uta qaytoai zo Ttaayicti m
acheint auch hienach die Paschamahlzeit noch bevorgestan-
den SU habeq. Dasn kommt, dafs (19, 14.) eben dieser
folgende Tag, an welchem Jesus gekreuciget wurde, il«
naQaaxfvfj ra ndaxcc bezeichnet' wird, d. h. als derjenige
Tag, an dessen Abend erst das Paschalamm verzehrt wer-
den sollte ; auch, wenn von dem zweiten Tage nach jener
Mahlzeit, welchen Jesus im Grabe zubrachte, gesagt wird:
7;v yuQ /Lieydlrj tJ rj^tl-Qa ixelvü t5 aaßßdts (19, 31.): w
scheint diese besondere Feierlichkeit eben daher gerOhrt
zu haben, dafs auf jenen Sabbat d6r erste Paschatsg fiel,
also das Odterlamm nicht schon am Abend der Gefangen'
nehmung Jesu gefeiert worden war, sondern erat am Abend
seines Begrfibnisses gehalten wurde.
Diese Abweichungen sind so bedeutend, dafs manche
Ausleger , um die Evangelisten nicht in Widerspruch mit
einander kommen zu lassen , auch hier die alte probate
Auskunft angewendet haben, sie reden gar nicht von de^
aelben Sache, Johannes meine eine ganz andre Mablseit
als die Synoptiker« Das johanneische öeTnvov ist hienach
ein gewöhnliches Abendessen, ohne Zweifel in Bethanien;
bei diesem nahm Jesus die Fufswaschung vor, sprach voa
VerrMther, und fttgte, nachdem dieser die Gesellschaft ver-
Uaaen, noch andere Reden tröstenden and ermahneadea
Zvreites Kapitel. $, 110. 4Ü1
Inhalts hinso, bis er endlieh am Mprgen des 14ten Nisnn
dorch die Worte: i'/HQiod^ey aytaiiev mevd-ev (14, Sl.), die
Jfinger som Aufbruch von Bethanien und com tiang nach
Jerusalem ermahnte. Hier fallen nun die Synoptiker ein,
indem sie ihn auf dem Wege nach Jerusalem die swei
J Anger cur Bestellung des Mahls aussenden lassen, hier-
aof das Pasehamahl einfdgen, von welchem Johannes
schweigt) und seinerseits erst wieder mit den nach dem
Paschamahl gehaltenen Reden (15, 1 ff.) eingreift *). (le-
geo diesen Versuch , durch Besiehung der beiderseitigen
KrzShlungen auf gans verschiedene Vorffille den Wider-
spruch EU vermeiden y kehrt sich nun aber die in mehreren
Zfigen unverkennbare Identität beider Mablceiten heraus.
Abgesehen nämlich von einzelnen Stücken, die sich glei-
cherweise in beiden Berichten finden, will offenbar Johan-
nes wie die Synoptiker das letzte Mahl schildern, welches
Jesus mit seinen SchAlern gehalten hat. Darauf deutet
schon die Einleitung der Johanneisohen Erzfihinng hin;
denn der Beweis, der Ihr zufolge hier gegeben werden
soll, wie Jesus die Seinigen elg tilog geliebt habe, lieb
sich am passendsten aus seinem letzten geselligen Zuaam^
mensein mit denselben entnehmen. Ebenso weisen die
nach dem Mahle geführten Reden auf den unmittelbar be-
vorstehenden Abschied hin , und an die Mahlzeit vnd die
Reden schliefst sich auch bei Johannes sogleich der Hin-
gang nach Oethsemane und die Gefangeonehmung Jesu an.
Freilich sollen dieser Ansicht zufolge die zuletzt genann-
ten Vorgünge nur an diejenigen Gespräche sich unmittel-
bar angeknüpft haben, welche bei dem späteren, von Jo-
hannea Übergangenen, Mahle geführt worden sind (Kap.
15 170: allein, dafs zwischen 14, 31. und 15, 1. der
Verfaaaer des vierten Evangeliums auf bewulste Weise das
y
1) So LiaRvooT, horae, p. 463 ff.; Hiss, Geschichte Jesu, 1,
S. 273 ff. \ auch ViNTumin, 3^ S. 634 ff.
432 Dritter Abfchnitt.
ganze Paschamahl ausgelassen habe, diefs, obwohl dadorch
das seltsame iyetQsa&Sj ayiofiev ivrtv&ev nicht fibel erkifirt
EQ werden scheinen könnte, wird wohl Niemand mehr im
Ernst behaupten wollen. Doch , diefs auch zugegeben , so
sagt ja schon 13, 38. Jesos dem Petrus seine Verlängnong
mit der Zeitbestimmung: h i^rj dlexTWQ fptav^fjy voriioi,
wie er nur i>ei der lotsten Mahlseit sprechen i&onnte, oad
nicht, wie hier voransgesetst wi^d, bei einer froheren-).
Dieser Ausweg also mnfs verlassen, und sugestanden
werden, dafs sfimmtliche Evangelisten von der gleichen
Mahlseit, der lotsten, welche Jesus mit seinen Jdngern
hielt, reden wollen« Und hiebei schien die Billigkeit, die
man jedem Autor schuldig ist, und in besonderem Mabe
den biblischen schuldig su sein glaubte, den Versuch so e^
fordern, ob nicht, ungeachtet sie Einen und denselben Vo^
gang in mehreren Besiehnngen fiufserst abweichend dai^
Stellen, dennoch beide Theile recht haben könnten. Ks
mfifste sich also, was die Zeit betrifft, seigen lassen , ent*
weder dafs auch die drei ersten Evangelisten wie der
vierte nicht ein PaschamaKl, oder, dals auch dieser wie
jene ein solches geben wolle.
Ein altes Fragment ') hat die Aufgabe auf dem erete-
ren Wege su lösen versucht, indem es läugnet, dafe Mat-
thäus das lotste Mahl Jesu auf den Abend des 14ten Ni*
San, als die eigentliche Zeit für das Pasohamahl, und sein
Leiden auf den ]5ten Nisan , als den ersten Tag des Pa-
schafestes, setze ; allein es ist nicht absnsehen, wie die aus-
drficklichen Hinweisungen auf das Pascha in den Sjnopti*
keirn beseitigt Werden sollen.
Weit allgemeiner ist daher In neuern Zeiten der Ver-
such gemacht worden, den Johannes auf die Seite dir
2) Eine ungenügende Aaskanft gibt Lisktpoot, p. 482 f.
3) Fragm. ex Claudii Apollinaris libro de Faichate , in Cbron.
Pasch al. cd. du Fresne. Paris t988. p* 6 f. praef.
Zweites Kapitel. $. 110. 4SS
flbrigen berllbersaBiehen ^). Sein tzqo rr^g io^t^ t5 naoyn
(13, 1 ) glaubte man dareh die BeobAchttiog benetlSgen %m
können, wie Ja an diese Worte nicht anmtttelbar das
dtJ.Ti'm'f sondern iinr die Bemerkung sieh anschiierse, daüs
Jetns gewnfst habe, nun sei seine Stande gekommen, und
difs er die Seinigen bis an*s Ende gelieht habe; erst im
folgenden Verse sei dann vom iMahie die Rede, auf wel*'
ehes also jene Zeitl>es(immung sieh nicht iMElehe. WoraidF
loil $le sieb dann aber lieeiehen? auf das Wissen, dafa
leine Stonde gekommen sei? dtefs ist nur eine Neb^nbe-
nerkung; oder anf die bis sum Ende liewahrte Liebe? ea
dieser aber Itann eine so speclelle Zeitbestimmmtg nrnr
dann gehören , wenn sie als ein fiufserer Liebesbeweis go»
meint ist, und eis solcher bethäligte sie sieh eben betje»-
nem Mahle, welehes also immer der Punkt bleibt, der
dorch jene Tagsbestimmong fixirt werden soll. Uaher ve«^
nuthet man ferner, das nQo r^g (oqtijg sei ans Aobe«|nsk
Dong an die Griechen geredet, fQr welche Johannes gen
schrieben habe: .weil diese den Tag nicht wie die Juden
mit dem- Abend begannen, so sei ihnen das am Anfang des
ersfen PialMihiitags gehaltene Mahl als eine Mahlaeit am
Vorabende des Pascha erschienen. Allein welcher verstICn-
dige Schriftsteller, wenn er einen mi^gllchen Mifsverstand
des Lesen Termnthet, schreibt dann lieber gleich so, wie
der 'Leser Ihn mifsverstehen vrird? -— Schwieriger noch
ist 18, 98, wo die Juden am Morgen nach Jesu Gefangen-
nehttiang das Pritorium nicht betreten, um sich nicht sn
Terunreinigen, aiX Vvte q^dywai to naaxa. Doch glaubte
man nadh Stellen, wie 5 Mos. 16, L 2«, wo sftmmtlicbe
in der Paschazeit au schlachtenden Opfer durch den Aus-
druck npS beteiehnet sind, to 7taa%a hier von de« übrigen
wfibrend der Paschawoche darsubrln^enden Opfern, na-
._ #
4) t. samentUch Tmoluck und ÜLiNAUSBif , . %, d. Absch. ; Kkrn ,
'iliaiii^tlUtiacken, . Tüb. Zeitfch. 183l>» Sv S. 6 ff. .u .
Das Leben Jtm ite Aufl, iL Band. 2B
4S4 Dritter AbsehnitL
■lentlioh von der 4;egen Ende des ersten Festtsgs to ver-
sehrenden Cbegiga, verstehen cu dürfen. Allein schon
MosHSiM hatte richtig bemerkt, daraus, dafs bisweilen dai
Paschalamm einschliersiioh der übrigen in der Pasch«*
keit SU bringenden Opfer ilurch naaya bezeichnet werde,
Iblge keineswegs, dafs auch diese übrigen Opfer mit Äos*
aeblüfs des Paschalsmms so genannt werden können ').
Dagegen anchten nnnoiehr die Freonde jener Ansicht tu
ihrer Oeotnng der johanneischen Notis darch die Bemer-
k«ng SU nöthigen, dafs an der Paschaniahlsei^, die in den
SpStabend, also schon 'in den Anfang des folgenden Tages,
4iel, das Betreten eines heidnischen Hauses am Morgen,
als efne nur den laufenden Tag bindurrh dauernde Ve^
•unreinigung, nicht verhindert haben würde: wohl aber an
•Genosse der Chagiga, welche am Nachssittag, also noch
an deiDseibeH: Tage mit der am Morgen sogesogencn Ver
«ni^einigang, gegessen wurde: so dafs' also nor «liese, nicht
Jene gemeint sein könne« Allein theils wissen wir oichc,
#b der Eintritt in ein heidnisches Haus nur fDr den Tag
verunreinigte; theils waren, wenn sich diefs ai^h so ve^
hielt, die Joden durch eine Veronreinigong am Morgen
doch an der Seibatvornahme der vorbereitCfiden^Geschiifte,
die in den Nacbmitrag des 14ten Mitten fielen, wie an
Schlachtea.4er Lfimmer im Teropelvorhofe, v^r bindert. —
Um endtioh auch die Stelle 19, 14. in ihrem Sinne ss
deuien, nehmen die Harmonisten aani^x^oi; li tum-j^u reo
dem Rüsttag auf den Sabbat in der Osterwoohf ; eine (is-
waltsamkeit, welche wenigstens in 19, 31., wo die Tia^-
axacij als Rfisttag auf den Sabbat beeeichnet ist, keios
Hülfe findet, weil hieraus nur erbellt , dafs der Evangelist
die Vorstellung hat, der erste Pasobatag sei damals suf
den Sahbat gefallen %
5) Diss. de Vera notione coenae Domioi, au Cuowobtk. tjtt.
intell. p. 22. not. i:
6) Diese Gegenbemeriiaogeii a. beiondera bei Lttam imd aa
Zweite« Knpirpt, i ]I9l 43^
DieJte' Schwierigkeiten, welche ^er Besiehnnfr de« jo«
hunneiffchen Berichtes auf ein wirkliches Paschsnuihi hin«
derlich entgegenstehen, sehienen durch die Voranssetcani;
▼emiieden su werden , welche man aus S. Mos« 23, 5. 4».
Mos. 9, 3. and einer Stelle bei Josephns ') ableitete, dafa
das Pascbalaipm nicht am Abend vomHten auf den 15ten^x
aondern an dem Tom 13ten auf den l4tenNisan gegessen,
mithin k wischen die Pascharoahlseit und den ersten Fest-
tag,, den 15. Nlsan, noch ein Werktag, der 14te, hfneln|ret,
fallen sei. Mit Recht werde hienaeh der auf die letsr«
Paschamahleeit folgende Tag Job. 19, 14. na^fxaxevi^ ra
naaya genannt, weil er wirklich Rfisttag auf den Festtag
/gewesen ; und ebenso mit Recht heifse der folgende Sabbat
19, 31. /if^'aAi;, weit mit ihm der erste Festtsg «nsamroeu*
getroffen sei ^). Aber die gröfste Schwierigkeit, welcher
In Job. IS, 28. liegt , bleibt ungelöst ; da| iVa q^dyotoß, to
Tiua^ct nSmIlch mofs, da die Paschamabizeit schon vornbei^
gewesen sein soll^ von den ungesäuerten Broten verstan-
den werden, welche auch wfihrend der folgenden Fe^ttago
noch genossen wurden: was gegen allen Sprachgebrauoli
ist. Nimmt man daeu, dafs die Voranssetenng eines swi*
sehen das Pascharoahl und den ersten Festtag einfullendea
Werktages im Pentateuch und Josephus keine Grundlage
hnt^, dem spfiteren Gebrauche entschieden widerspricht,
und an sich höchst unwahrscheinlich i*t: so wird mptt
nii^ht umhin können, diese Auskunft wieder anfr«ugeken ^>«
Im GefQbi der Unmöglichkeit, die Vereinigung der
WuTTt, z. d. Abtch. ; bei Sibffbiit, über den Urtpr. S. 127 fr.
und WiNBR, bibl Bealwörterb. 2, S. 25S ff.
7) Antiq.' ', 14^ 16.
8) Fm^f.H , Tom OsterTfimm ; neueiti^nK B^rea, in den tbeoft>^.'
8ttidien und Kritiken^ 1852, .^, S. 557 ff. ,
9) Vgl. n% Wbttr, theol. Studien und Hrit. 1834, 4, S. 939 ff. *,
TnouDCv^ Comm. x. Joh. S. 245 C. ; Wi»Ba« a. s* O.^
L
43<t Dritter Absohnitt.
SyDoptiker mit. John nnea in dieser einfachen Weise cii
Stande cu« bringen, haben andere Ausleger eine kOnstli-
obere Auskunft ergriffen. Der Schein, als ob die Evange-
listen das letzte Mahl Jesu auf verschiedene Tage verleg*
ten, soll darin seine Wahrheit haben, dafs wirklich damAii
Entweder die Juden oder Jesus das Paschamahl auf einen
Andern Tag verlegt hatten. Die Juden, sagen die ^ineo,
um der Unbequemlichkeit auszuweichen, welche darin lag,
dafs in jenem Jahre der erste Paschatag auf den Freitag
fiel, also zwei Tage hintereinander als Sabbate hütten ge-
feiert werden müssen, haben das Paschamahl auf den Frei-
tag Abend verlegt, wefs wegen sie am Tage der Kreozigong
sich noch vor Verunreinigung in Acht zu nehmen hatten;
Jesus aber, streng am Gesetze haltend, habe es zor ge-
hörigen Zeit, am Donnerstag Abend, gefeiert: so dafs so-
wohl die Synoptiker recht haben, wenn sie das letzte Mahl
Jesu als ein wirkliches Paschaessen beschreiben , als auch
Johannes, wenn er die Juden erst Tags darauf dem Olte^
lamm entgegensehen lasse ^^. In diesem Fall hätte ako
Markus mit seiner Angabe, dafs an dem Tag, me t6 ndaxo
f^vov (y . 12.), anoh Jesus es habe zurichten lassen, on-
i*echt; was aber die Hauptsache ist, so ging es zwar io
gewissen Fällen an, das Pascha einen Monat später, dann
aber auch am 15 ten desselben, zu feiern : von einer Ve^
legung auf einen späteren Tag desselben Monats hingegen
findet sich nirgends eine Spur. — Lieber wandte man sich
daher auf die andere Seite, und nahm an, Jesus habe das
Pascha auf einen früheren Tag verlegt. Aus rein persoo-
liebem BedOrfnifs, meinten Einige, in der Voraussicht, dafs
er um die eigentliche Zeit des Paschamahls schon im Grabe
ruhen werde, oder doch seines Lebens bis dahin nicht
mehr sicher sei, habe er in äbnlloher Weise, wie von Jeher
diejenigen Juden, welche an der Festreise gehindert wareOf
10) Ciivivr, XU Matth. 26, 17.
Zweites EapiteL yU9. 4SI
■od wie die jelsigen Juden alle, ohne ein geopfertes Lanini|
mit blofion Surrogaten dettelben, ein naaxa ^iVf]inayevTu6v
gefeiert ")• Allein erstlleh hätte so Jesos nicht, wie Ln-
kae sagt, das Pascha an deai*Tag, iv ^ ^ei ^v&J^ai. %o
nuaia^ auch gefeiert; dann aber hält, wer die blofse Ge-
dichtnif«feier begeht , nit Aufgebung .der für das Pasch^
bestimoiten Oertliehkeit CJemsaiem) doch die Zeit dessel-
ben (Abend yoai 14ten auf den I5ten Ifisi^n) imyerhrflcb«
lieb fest; wogegen Jesus dasselbe, gerade umgekehrt, swar
SD dem gewöhnlichen Ort , aber an ongewffhnlioher Zeit|
gefeiert haben nttfste, was ohne Beispiel ist« Gegen 4i^
len Vorwurf des Unerhörten und Kigenmöchtigen hat man
die ?on Jesu angeblich vorgenommene Verlegung dadurch
SU achötaen gesucht, dafs man ihn mit einer ganaen Partei
leiiier Voii&sgenossen das Pascha frßher ala diei fibrigen
feiern üefs. Wie nfimlich von der jfidiechen Partei der
Ksrfier oder Scripturarier bekannt i«(^ dafs sie von den
Rsbbaoiten oder Traditionariefn namentlich auch in der
Bestimmnog des Meumonds abweichen, indem sie behaop-
teo, die Art der letateren, den Neumond nach dem astro;
nomiicheo Calcnl festausetsen, sei eine Neuerung, wogegen
sie , der niien , gesetslichen Sitte getreu , denselben nach
der empiriisehen Beobachtung der Phase des Neulichts be*
stimmen : so sollen schon an Jeso Zeit die Sadducäer, von
welchen die Karäer abstammen sollen, den Neumoad und
siit ihm d#A yon demselli^ea abhängige. Osterfest anders
sls die Piiarisäer liestimmt, und Jesus, als Gegner der
Tradition nnd Freund der Schrift, sich hierin an sie ange-
schlossen haben ^^. Allein abgesehen davon, dafs der Zu*
Bsmmenhaog der KarAer mit den alten Saddocäern eine
blobe Vermuthung ist, so ist es ja eben der gegründete
Vorwarf der Karäer, dab die Bestimmung des Neumonds
11) Grotiuk, 7.U M«ttli. 26) 18.
12; Ijcaa, Piu. philol. tkeol. Vol. 2, p. 416 9«
43S ' IXritter Absohnitt.
durch den Calbul erst nAch der Zerstörung des Tempeli
durch die Römer aufgekomnien sei : so dafs also Ror Zeit
Jesu einö solche Abweichung noch* gar nicht stattgefondea
1 n^en kann ; ohnehin vom Faschnfeste findet aus jener Zett
sich keine Spur, dafs es von verschiedenen Parteien aa
verschiefdenen Tag^n- gefeiert vrdrdeit wäre ^^). Angenom-
men Jedoch , jene Differenz in der Bestimmung des Neu*
libonds ' hifbe ^dhoii dinmais obgewaltet, so würde die Fe«t*
BetzUng de^^selVeh nach der Phake, welcher Jesus gefolgt
kein* soll , ötier ein späteres als ein frttheres Paseha sor
Folge gehabt haben ; wefswegen denn wirklich Einige ve^
mutheten, Jesus kiiöge vielnrehi* dem astronomischen Csical
gefolgt sein ^^.
Aufser dem , vras sich auf diese Weise gegen jeden
einzelnen der Versuche, die Angabto der Evangeliiten
Über die Zeit des letzten Mahles Jesu gütlich zu vereiniges,
s'agen läist, entscheidtet gegen alte zusammen em tJmstsnii,
welchen erst die neueste Kritik gehörig hervorgehoben bat.
£s verhält srch Afimlich mit diesem Widerstreite nicht so,
dafs unter gröfstentheils harmonfrenden Stellen uor etwa
Kine Aeufserung von scheinbai^ etitgegengesetstem Sinoe
vorkäme, wobei man dann sag^h könnte, der Verfasser
habe sich hier ^ines nngenalieri Ausdrucke bedient, Her
aus den übrigen Stelleo' zn erkiKren s^: sondern alle
Zeitbestimmungen der Synoptiker sind von de^'Art, difa
nach* ihnen Jesus dasPcis^hä noch mitgefeiert httbeo müfits,
alle Johanneischen dagegen so, daf^ er es ni<sht tbhgefeiert
haben kann '^). Ua sich auf diese Weise ewtSr Unter sieb
differirende Gesammtheifen evangelischer Stellen gegen*
Überstehen, die auf zwei verschiedene Grondansichteii der
nariwru <J i ■»•■^•^yM
13) s. Faulu8, exeg. Handb., 3, a^ S. 486 ff.
14) MiciiAsuti Änm. zu Job. 13.
15) SiarrBRT, a. a. 0.; Hase, L. J. §. ]24> vb Wsm, exeg.
Haadb» 1, S, S. 149 iF, ; Thbils, zur Biographie Jesu, §. 31-
Zweite« Kapitel, f. 119*
4M
ReferMiten über die Seehe hin weiten : so kenn es /wie'
SiErrERT bemerkt, nloht mehr als wissentebaftiicbe Aoe^
legong, sondern nur als nA wissenschaftliche Wiilkftr'iind
fiigeosinn betrachtet werden, wenn man anf Niehtanerken-^
oang der Differens s wischen den synoptischen Evangelien-
enrf dem vierten bestehen will.
So hat sich denn die neuere Kritik dacii vei^kteben^
müssen, auf einer oder der andern S^ite eitlen Irrthum*
ansonebmen, and cwar war es, anfser dei» gangbateü Vov«<
ortheilen für das johanneische Gvangelinfn , ein bedeuten^
der timnd , welcher su nöthigen schien, den^IrMldfn. auf
die Seite der Synoptiker au verlegen. Schon j^nes alte^
sngeblieh ApoUinariscbe Fragment wendet gegen' die Mei-
nong, dsfa Jesus tf^ ^^/o^lrj fjiiiQoi riov a^v^U'jif ina^ev, ein,
dsf» sie aaiuq^üvog rr;T ropm sei, und so ist auch neteerlieb'-
wieder bemerkt worden, der auf das letate Mahl Jean fei*
gende Tag werde von alle« Seiten so werktSglieh behan-^
deit, dafs "sieh nicht denken laste, er sei der ttete Pascha-
tsv, und Mglich das Mahl am Aliend vorher das Paficba-
mshl gewesen. Jesus feire ihn nicht, indem er, was in
derPaschanacht verboten war, sich aus der Stadt entferne;
seioe Freunde nicht, indem sie seine Bes tetinng noch au
besorgen anfangen , und dieselbe nur wegen Anbruchs des
olehsten Tages, des Sabbats, unvollendet fassen; noch we*
niger die Mitglieder des Synedrinms, indem ^fe nicht nur
ihre Diener aus der Stadt sur Verhaftung Jesu senden,
sondern auch persönlich Oertehtssitenng , Verhör, ürtheil
and Klage bei dem Proeurater vornehmen; Oberhaupt aeige
lieh dorchaoa nur die Furcht, den folgenden Tag, der am
Abend nach der Krenssigang anbrach, au entheiligen, nir-
gends eine Sorge fdr den laufenden : lauter Zeichen , dafs
die synoptische Darstellung jenes Mahls als eines Pascha
•in späterer Irrtbum sei, da in der übrigen firaühlung die«
«er Evangelisten selbst das Riehtige , dafs Jesus den Tag
vor dem Pascha gekreuaigt worden, ooeh unverkennbar
\
440 . Dritter Abtcbiiitt.
dorchfobeioe ^'). Die«e Beoierkuogeii ^iod aUerdisgs fön
Gawiobt« Zwar die erst« könnte man durcb den Wider-
streit der jQditcben Beftimmungen über Jen^n Punkt viel-
leicht entkräften ^'3; der letzten and stärksten die That«
Sache entgegenhalten , dafs Verhören und Rioliten an Sab-
baten und Festen bei den Juden nicht nur erlaubt, sendera
£Ur solche Tage wegen des Volksandrangs selbst ein grofse-
res Gerichtslocal vorhanden gewesen sei^ wie denn auch
nach de« N. T. selbst die Juden an der r^uiQcc fnyaia} det
Laubböttenfests Diener ausschickten, um Jesum su greifen
CJoh.7, 44flr), und amFeate der Tempel weihe ihn steioigea
wollten (Job. 10, 31 ), Herodes aber wfihrend der };/i£^ai tcji
u^Vfuov den Petma gefangen setsen liefs; aber freilich die
öffentliche Verurtfaeilnng und Hinrichtung desselben bis
nach dem Pascha verschieben wollte (A* G. 12, 2 £>
Dafs Jesu Hinrichtung am Paschafest habe vorgenomoen
werden dürfen , dafür beruft man sich theils darauf, difi
die Ex€tcuiion darch römische Soldaten geschehen, fibri-
gens auch nach jödiacher Sitte üblich gewesen sei, die
Hinrichtung bedeutender Verbrecher auf eine Festseit so
versparen, um durch dieselbe auf eine desto gröfsera
M^nge Eindruck en maohen ^^). Allein nur so viel ist e^
weislich , dafs w&hrend der Festaeit , also bei'm Pascha so
den fflnf mittleren, weniger feierlichen Tagen, Verbrecher
16) Tmbilb, in WinsR^a krit. Journal, 2y S. 157 ff. ; Simwwekt uod
LUckb a. a. O.
17) Peaacbin f. 65, 2, bei Lisairoor, p. 654: Ptuckete prim§
tenetur guitpiam ad pemoeiaticnenu Gloti,: PasehaHzaM
tenetur ad pemoctandum in Hiero$ofyma nocte primae Dt-
gcgen Toaaphotb ad tr. Fesachin 8 : in Paschate Aegtfpttaco
dicitur: nemo exeat — usgue ad mane. 8ed sie nm fvU
in sequentibus generaticnibua , — quibus comedebatur id uno
hco et pemoctabani in alio. Vgl. Schksckskbur&sr , Beiträ-
ge, S. 9.
18) Tract. Sanhedr. f. ^89, 1. bei Scatfrrstiv, 1, p. 2i^y ^g^- P^<'
tvty s. s. O. S. 492.
Zw«il«s Kapitel* i. 119. 444
fefurtbaik ond hiogerichtec werdea konnten, nieht aberi
dftCs diefs aaob am ersten ucid Jetsten Paaehatege, welche
SabbAt«raog hatten, sutfisaig geweten «ei ^®); ^wie denn
auch nach dem Tal^ad Jeaaa am nOD STlVi d. |^. am Vor^
abende dea Paacfaa , gekrensigt worden iat ^)* ILln Andeh
re$ wAtfe es, wenn, wie Dr« Baue naclixQ.weiaen aocht , io
dem Wesen and der jfedeotpng dea Pascha ala eii^a Sab»»,
feites die Hinrichtung von Verbrechern, ata. blntige Sühne
für daa Yalk, gelegen hiitte , i^nd die von den Ei^angeltste^
angemerkte Sitte, awf das Fest einen Gefaiigeneff losaulaap
•en, EQ der Uioriobtnng einea andern nor als die Kebr-
leiCe, wie die beiden Böcke and Sperlinge jft^iscl^r Sphn-
ond Reinigungsopfer, sich verbleite -0«
Leicht konnte freil ch die nrchristliche U^berlieferung
such auf ungesobicbtlicbem Wege dlaankommen, JIcsi) letatea
Mahl mit dem Osterlam'm , nnd seinen TodesU^ ■ mit dem
Paschafest sn combiniren. Da nimlicb das jfbristUebe
AkendmabI ebenso von der einen Seite, durcb seine Formi
das Pascha 9 wie von der andern, durch aeine Beden tnngi
den Tod Jean berfihrte: so lag es nahe genug, diese bei;
den Punkte ausammensurlicken, und die Uinriobtnng Jesi|.
auf den ersten Paschatag eu verlegen , saline ietste Mahi)
seit aber, bei welcher er das Abeodmabt gestiftet haben
lullte, ala das Paacbamabi su betracbteii* Freilich, weni^
der Vc^rfüisser des .ersten Evangeliums als «Apostel i|nd|
Seibsttbeilneboier an dem ietsten Mahle JeaujrorausgesctsS
wird , bleibt es schwer su erklfiren , wie er au einem sol-
chen Irrtbom kommen konnte« Wenigateps reicht es nicht
bin, sieh mit Theilk darauf bu berufen, je mehr daa letate
mit ihrem Meister gehaltene Mahl den Jüngern fiber alle
19) Famsciul, in Makth. p. 763 f* vgl. 755. bücas, 2, S. 614.
20) Sanbedr. f. 43, i. bei Scmöttsb;^, 2» S. 70<).
21) lieber die iirspriingliefie Bedeutung des FassahfeAte« u. s. w.
Tübinger Zeitschrift 1. Theo!. ie32> i, S. 90 ff.
411 Dritter Abfohnitt
Pasohamahle 'gegangen sei, desto weniger sei ihnen Aof
die Zeit dessdben/ob es am Paschaabend sellnt, oder ei-
nen Tag frtftier ' gehalten worden war, angeliommen '^.
Denn der ersi'e Evangelist fSfst diefs nicht etwa nnr un-
bestimmt, sondern er spricht ausdrOcklich ron einen Ps-
schamahl, iiad ^o konnte sich ein wirklicher Tbeilnehner
desselbert , wenn er auch noch so lange Zeit nach jenem
Abend 'schrieb, unmöglich tSuschen» Die Aogenaeagen-
schaft des ersten Evangelisfen also wird man bei dieser
Ansicht anfgeben , und Ihn santmt den beiden mittleren
aus der Tradition schöpfen lassen mfissen -^). Der Ao-
itofs daran, dafs sXmmtliche Synoptiker, also alle diejeni-
gen, welche uns die vulgtfre GTangeiientradition der ersten
Zeit aufblehalt'en haben, in einem solchen Irrthum fiberein-
itimmen sollen ^'), liefst sieh vielleicht durch die Bemerkung
aus dem Wege rfiumen, dafs, so allgemein fn den Jädenchriit-
liehen Gemeinden, in welchen doch die evangelische lieber-
lieferung sich ursprünglich gebildet iiat, das Jüdische Pa-
scha noch mifgefeierf wurde, so allgemein sich auch der
Versuch darbieten mufste, demselben durch die Besiebung
äiif den Tod und das letste Mahl Jesu eine christliche Be-
deutung Ca geben.
Ebensowohl aber liefse sich , die Richtigkeit der syn-
optischen Zeitbestimmung vorausgesetst , denken , wie Jo-
hannes Irrig dazukommen konnte, den Tod Jesu auf den
Nachmittag des 14ten Nisan, und seine lotete Mahlseit
auf den Aberid vorher su verlegen. Wenn hämlloh dieser
Evangelist in dem Umstände, dafs dem gekreasigi.en Cbri-
22) a. a. O. S. 167 ff.
23) SiBFFBRT, a. a. O. S. 144 ff. ; Lückk, S. 628 ff.; Thkilb, lur
Biogr. Jesu, ^\ 31.; di^Wittb, exeg. Handb., 1,3, S« 149 ff«;
vgl. NsAKDsn, L. J. Chr., S. 580 ff. Anm.
J4) FaiTXscaa , in Mattli. p. 763 ; Kaaii« über den Ursprung d-
fivsng. Mattk. Ih der Tüb. Zeitichr. 1834, :!} S. 98.
Zweites Kapitel. §. 120. 443
•tus die Beiöe oieht sersehla^en , worden , eioe ErfOllunfJ
de« o::öv ^ o 111 ()ifir^aeTai avfo) (2 Mo«. 12, 4^.) fand: av
konnte ihn di#ae Bexlehung dea Todea J«;»u anf Abb 0<ter»
Ihoihi ifitt dar Veratalliing veraniasaen, dafa utt dia«al(»e
Zeit, in weleher die PaaclmllSiwner ge«ehiaohtet wurden,
am Nachmittag dea 14 ten Nlsan, Jetua am Kreaice gelitten
und den Geiat aufgegeben habe ^)y al«o die am Abend Tor-»
her gefeierte Mahlaeit noch nicht daa Pa^chamahl gewe«
sen sei **). -
lit auf diese Welae eine mSgliefae Veranlaasong som
Irrthum anf beiden Selten ?o^handeO| und findet die innere
Sehwierigkele der aynoptischen Zeitbeatimmnng , die viel«
fache Verletaung dt9 eraten Pascbataga , theils in den au«
geführten Bemericungen einigermaftfen ihre Kriedigungi
thetls In der Zusammenstimmang dreier Kvangelisteu ein
Gegengewicht: so iat vor der Hand nur der unaoflösliche
Widerstreit ^der beideraeittgen Uaratellungen anzuerkennen,
eine Kntsoheidung aber, welche die richtige aei^ noch niebt
au wagen.
$• 120.
Abweichungen in Betreff der Vorgange beim letzten Mahle Jesu.
•
Doch nicht allein in Beieog auf die Zeit des letstea
AlatUe« tieau, aondern auch auf dasjenige^i.waa bei demtel»
ben vorgegangen aeiia aell, geben die Evangelisten von ein«
ander ab« Ole Hauptditferen« findet swischen den.aynop-
tiHchen und dem vierten Evan|[elium statt: u&iier aber.rcr*
hiiit ea aioh so, dafa nur Mattbfiua und Markus genau su-
sammenatunmen, Lukaa achon ziemlich abweicht, doch Im
25) vgl« jSoicaH, thetaur. 2y S. 613.
26) £ine andere Ansicht über die Veranlassung des Irrtbums im
4teA Evangelium geben die Probabilien, S. 100 ff. ; Vgl,
Waiftsai die tvang. Geschicbte^ ii S. 446 f. Aam.
4Vw
Orilter Abtibnitl.
Ouisen mit seineo b€|d«ii Vorgäag^ra immer noeh eimtiB-
■liger ist, «U. mit Minem Nachfolger.
Semeinaam ist sftmmtlicben Eve^geltsteo , «iifser dem
Hable aelbati ilafii Ober demaelben von dem beForttehenden
Verrath des Jodaa geepreehen wird, ond da£i wäbreod
oder nach demselben Jesus dem Petras seine Verlftugnuog
vorberTerliüodigt. Aber abgesehen davon, dafs beiJoban-
nes die Beseilshnang des Verr&tbers eine andere nnd gs«
naoere, auch von einem Erfolge begleitet ist, won weichem
die übrigen nichts wissen.; dafs ferner bei demselben nach
dem Mahle gedehnte Absohiedsreden ^; sich finden, wei*
che den andern fefaliin: so ist der Hauptnnterschied der,
dafs, während den Synoptikern nufolge Jesus bei dieser
letaten MahUeit das Abendmahl eingesetst bat, er bei
Jobannes vielmehr eine Fufswasohnng mit den Jfingeni
vornimmt«
Die drei Synoptiker anter sich haben die Stiftung des
Abendmahls sammt der Verkündigung des Verratbs ond
der Verlfiognung geüiein; aber Abweichung findet nwisobea
den beiden ersten und dem dritten schon in der Anordnong
dieser Stücke statt, indem bei jenen die VerkOodigung des
Verraths, bei diesem die Stiftung des Abendmahls voran-
steht; die Vorhersagung der Verleugnung des Petrus aber
nach Lukas, wie es scheint, noch im Speisesaal^ nach den
beiden andern abep erst auf dem Hinweg aum Oeiberge
vor sieh geht« Uann aber bringt Lukas auch einige Stfl-
eke bef, welche die beiden ersten Evangelisten entweder
gar nicht, oder nicht in diesem Znsammenhang haben: in
, 1) Nach Hirn (Uaupitbats.y TUb. Zeittchr. 1836, 3, S. 9.) loU
ich hier ,, nicht ohne bittere Ironie" ron „gedehnten De-
in u t h ft reden'' sprechen ; wie man sieht spreche ich iher
von dergleichen Abschieds reden , wobei jeder Anltss, ao
Ironie zu denken , wegfällt. Man sollte den Gegner doch
wenigstens genau lesen , ehe man sich solche VerdSchti^uo*
geu seines Sinnes erlaubt*
Zweites Kapitel. {. 12tt 44ft
Ifimi anderem Zaaammenfaang ateht bei ihnen ikr Rang«
streit and die Verheifsang des Sltsena aof Thronen ; wo-
gegen die Rede ron den Sehwertero Tergeblieh bei ibnoa
gelocht wird.
In seiner Abweiehnng von den beiden ersten Evango«
listen hat d^r dritte einige Annfiberung an den alerten.
OemeinsatB nfimlich ist dem Lnlcas and Johannes, dafsi
wie dieser in der Fafswaschong eine aof Rangstreit sieh
besiehende symbolische Handlung nebst apgehängten De-
nathareden ' hat : so Lokas wirklieh eintm Rangstrelt nnd
dflrsuf besflgliche Reden meldet, welche nicht ganz ohn«
Verwandtschaft adt den johanneisohen sind,; dafs ferner
auch bei ihm wie bei Johannes die Reden ?om Verrfither
dsa Mahl nicht eröffnen, sondern erst nach einer symbo-
liacben Handlung eintreten'; endlich dafs auch er die Ver«
Ifiagnung des Petrus noch im Locale der Mahlzeit Torktfo«
digt werden Ififat.
Am meisten Schwierigkalt macht hier natflrlioh die
Abweichung, dafs bei Johanncis die Ton den Synoptikern
einstimmig berichtete Einsetipang des Abendmahls fehlt,
und an ihrer Statt eine gana andere Handlung Jesu, eine
Fufswaschnng, gemeldet wird. Freilich, wenn man isioh
durch den ganzen bisherigen' Verlauf der evangelischen
Geachiehfe mit der Annahme bindurcbgeholfen bat, Jo-
hannes habe den Zweck gehabt, die übrigen Evangelien au
ergXneen , so kommt man auch über diese Schwierigkeit
10 gut oder so schiecht wie Aber die andern alle hinweg«
Die Fiinsetzang des Abendmahls, beifst es, fand Johannes
bei den drei ersten Brangeiisten auf eine Weise erzKhlt
schon vor, weiche mit seiner eigenen Erinnerung völlig
fibereinstimmte; wefs wegen er sich denn nicht bewogen
fand , sie zu wiederholen *), Allein , wenn wirklich der
vierte Evangelist von den schon in don drei ersten Evmip
3) PAOtva, S> b, S. 499; Olmausbii, 2, S. IM.
.V I
446 ^ • Dritter A bMohnitt.^
.r
geil«^ iiaflfeseichneten Gatchicbten nur diejenigen ntioH
einmiil erslhlen wollte, an deren DArstellnn« er etwa« m
berichtigen oder rq ergffnsen fand: warum erslhlt er dunn
die Speisangugetchichte, an der er niclit« irgend Krhebli-
ehes so bessern weifs, noch einmal, die Sfiftong lin
' Abendmahls dagegen nicht , l»el welcher ihn doch schon
die Abweichungen der Synoptiker in Anordnung der So<>-
ne unil Fasfung der Worte Jena, haoptsJScblich aber Her
Umstand, dafs sie, nach seiner Darstellung irrig, jen«
Eiosetftong am Paschaabend vorgehen lassen, sur Mitthri*
Inng eines authentischen Berichts hlitte veranlassen nifi«-
sen ? Mit ROci&sicht auf diese Schwierigkeit gibt man nn«
wohl die Behauptung auf, der Verfasser des vierte» l*>jifi«
geliums habe eine Kenntnifs von den drei ernten , und die
Absicht, sie zu ergffnsen und ssn berichtigen, gehabt: dofh
aber soll er die vulgare mOndiiche Evangelientraditton e«*
kannt und bei seinen Lesern vorausgesetzt, und in die«<>r
Rücksicht die Stiftung des Abendmahls, als allgemein b^
kannte Beschichte, übergangen habeii ^. Allein dieser
Zweck einer evsngelischen Schrift, nur das minder Bf-
-kanntet bu erzJIhlen, das Bekannte aber zu fihergeben, lifft
sich eigentlich gar nicht denken. Die schriftliche Auf-
leeichnnng s^eht |a ans von Mifstrauen gegen die mCfndliche
Ueberliefernng ; sie will diese nicht blofs ergKncen, fon-
dern alich befestigen, und daher kann sie gerade die Ilnnpt«
punkte, welche, wie sie als die meist besprochenen der
Entstellung am meisten ausgesetst sind, so die genaue«^««
Aufbewahrung wAnschenswerth machen , am wenigs^<*t
Ohergehen : ebenso demnach auch Johannes die Stifranf
deü Abendmahls nicht, an dessen Ginsettunirtworten, wenn
wir die verschiedenen N. T. liehen Berichte vergleif hf n ,
frfihcei'ig entweder ZusKtze oder Weglassungen niO^^'n
gemacht worden sein» Aber, sagt man weiter, die Stif-
S) LOcMBy 2, S. 484 f. ; NaAnotiit L. J. Chr. S. 38S. Aam.
Zweites Kiipitel. % Tili. 44T
tang des Abendmahlg kd ereühlen , war für den Zweck
des johsnneischen ETengelians von keiner Hedenrang *).
Wie? für den allgemeinen Zweck desselben,, seine Leser
KQ Oberseogea, ön ^Ir^a5^ iciv 6 XQtgoSy 6 rioc; lü ihn
(20, SIOj «olUe die Mittbeilung einer Scene nic^t von Be-
|«ng gewesen sein, in welcher er als Stifter einer xiarrj
Mcci^rxr^ erscheint? nnd für den besonderen Zweck def
betreffenden Abschnitts, Jesn bis an's Knde sich gleich
gebliebene Liebe ins Licht ca setaen (13, l.)» sollte es
nichts aoügetragen haben, an erwähnen, wie er seinen
Leib ond sein Blut den Seinen als Speise ond Trank dsr-
geboten, ond damit .seinen Worten Joh. 6. Wirklichkeit
gegeben habe? Doch, dem Johannes soll es hier wie Ober-
•II voraugsweise nnr nm die tieferen Reden Jesu au thon
gewesen sein, und defivwegen soll er die Einsetzung des
Abendmahls übergangen, und erst mit den auf die Furi.
Waschung beattglichen Reden seine Ersfthlung begonnen
hsben 0« Allein diese Demnthsreden kann nur ein ver-
wertetes Vorortheli für das vierte Evangelinm für tiefer
sQSgeben,, als dasjenige, was Jesus bei i^in^setzung de»
Abendmahls von dem Genüsse seines Leibes und Blutes
im Brot und Weine sagt.
Uie Hauptsache ist nnn aber, dafs uns dieHArmonisf^^n
nsebweisen, wo denn Johannes, wenn er doch seihst vor-
SBSsetzen soll, Jesus habe bei dieser letieten M-^lilzeit das
Abendmahl gestiftet, dieses überitprupgen hsbe; dafs sie
uns in der johanneischen Darstellung dieses letzten Abends
die Pug9 aeigen , in weiche sich jener Vorgang einpassen
läfst. Sehen wir uns in den Commentaren um, so scheint
■ehr als Kine Stelle sich zu solcher Einschiebong vor-
trefflich sa eignen. Olshauskn meint, am Ende des I3ten
Kapitels, nach der Verkündigung der Verleugnung des Fsk.
4) Olsnausbk, s. a. O.
i) SitrrBRT, über den Urtpr. 8. 152.
Dritter Ahiobnitt.
trafiy «ei die Stiftang des Abenilmiihls hinefncudenken : mit
dieser habe aich die Mahlseit gf schlössen , ond die folgen-
den Reden von 14, l. an habe Jesus nach dem Anfbroch
vom Tische gehend im Saale noch gesprochen. Allpin
hier scheint sich OlS hausen, um cwischen 13, 38. and 14,1.
einen Ruhepunkt zu bekommen, der Tfiuschang bincoge-
ben, als ob das f'jWfjeij^e, aycoijev ivT€v*hfv, bei welchem
er Jeünm vom Tische sich erheben nod das Folgende noeh
stehend sprechen lärst, schon hier, am Ende des ISteo
Kapitels, stünde, da es doch erst am Ende des 14ten sich
findet. An unserer Stelle ist kein Raum, um eine Seen«
wie das Abendmahl einsuschalren. Jbsus hatte von seinem
Hingang, wohin ihm die Seinigen nicht folgen könnten,
gesprochen, and das verm^essene Erbieten des Petras, das
Leben fOr ihn za lassen, durch die Voraussage seiner Ve^
Iffagnung suriickgewiesen: nan, 14, 1 ff. ,- beruhigt er die
hiedarch erschütterten Oemdther wieder, indem er sie
auf den Glauben und die segensreichen Wirkangen seines
Hingangs verweist. — Durch den festen Zusammenhalt
dieser Redetheile surückgewiesen, rücken andere Ausleger,
wie Paulus, weiter hinauf, und glauben nach dem Abgang
des Verrfithers , 13 , 30. , die schicklichste Sielie cur Eis-
Schiebung des Abendmahls isu linden, indem der Hingang
des Judas, um seinen Verrath su vollenden, leicht die To-
desgedanken in Jesu rege machen konnte, welche derStif-
tung des Abendmahls sum Grunde liegen^). Allein nicht
nur wenn man mit Lücke n. A. das me i^ijl&e so den
folgenden Uyn 6 Jfjnüi; zieht, sondern auch ohne diefs hat
das vvv hdo^aaxhj 6 viog tS avd'QOjriö x. t, L (V. 31.) ""^
was Jesus weiterhin (V. 33.) von seinem baldigen Hingaof
spi^icht, seine nächste Beeiehung nnvei^kennbar aaf den
Weggang des Judas. Dehn wenit das do^d^fiv im vier^««
EvMgelinm immer die Verherrliohung Jesu bedeutet, wel-
tf) Paulus, exeg. Handb., S, b, S. 497.
i
Zw0ite« Kapitel. $. 120. * 4411
«her ihn sein Leiden entgegei|fBhrt, so war eben mit dem
Gang des verlorenen Jüngers -an denen, welche Leiden nnd
Tod aber Jesnm. brachten , seine Verherrlichung und sein
baldiger Hingang entschieden. — Hängen auf diese Weise
die Verse 31 -- 33. untrennbar mit V. 30. ausammen : so
kann man sich bewogen linden, mit dem Abendmahl wie-
der etwas herabeurflcken , und es dabin zu stellen , wo
dieser Zasammenhang ein Ende en haben soheinen kann :
und so läfst denn LOcke die Einsetsnng desselben swischen
V. 33. ond 34. in der Art fallen, dafs, nachdem Jesna
V. 31—33. die durch das Hinausgehen des VerrÜthers ' ser-
streoten nnd erschrockenen GemOther beruhigt und auf
das Abendmahl vorbereitet habe, er nun V. 34. f. an die
Anstbeilung desselben das neue Gebot der Liebe knüpfe»
Aliein, wie sonst schon bemerkt worden ist '), wenn V. 36«
Petrus mit Besiehung auf V. 33. Jesum fragt, wo er denn
hingehe? %o kann unmöglich nach jenem Ausspruch Jesa
V. 33. das Abendmahl eingesetzt worden sein , weil sonst
Petros daf tinayio durch das öupia dido^ierov nnd ai/ia ix-
yvrouevfn' erklärt, jedenfalls aber sich eher zu einer Frage
8ber die Bedeutung dieser letzteren Ausdrücke veranlafst
finden mufate. — Diefs anerkennend geht Nbander um ei-
nen Vers zurück, und schiebt das Abendmahl zwischen
V. 32. und 33. ein ^) ; wobei der o£Fenbare Zusammenhang
zwischen dem evdri; do^daei avtov des ersteren und .dem
eri fiücQov //6v>^ v^üiv dfii des letzteren Verses gewaltsam
zerrissen iat. — Alan mufs daher abermals aufwärts gehen,
nur noch weiter als Neamder und selbst Paulus gethan hat ;
hier aber bietet sieh, da von V. 30. bis hinauf zu V. 18.* in Ei-
nem Zuge vom Verrftther die Rede ist, das Gespräch über
diesen "aber sich wiederum untrennbar an die Fufswaschung
und die Deutung derselben sehlielst, bis zum Anfang des
7) Maraa, Comm. Über dea Job. s. d. Sl.
'S) L. J. Chr., S. 587. Anm.
Das Leben Jesu Ite Auü. U. Band. 29
4§0 Dritter Abschnitt.
Kapitels keine Stelle dar, an welcher die AbendmnhlMtif.
tung eingefügt werden könnte. Hier jedoch f)oil. sie wh
nach einem der neaesten Kritiker auf eine Weise einreiheo
lassen , welche den Verfasser des Kvangeliums von dem
Vorwarf gans befreie, durch eine scheinbar conttnuirlirh
fortschreitende, und doch das Abendnahl öberspringende
Darstellung den Leser irre gemacht zu haben. Denn gleich
von Anfang mache sich Johannes gar nicht anheischig,
?om Mahle selbst und was dabei vorgefallen, etwas zu er-
Bfihlen, sondern nur was nach dem Mahle sich begeben,
wolle er berichten; wie denn das deiTtvB yevofiivQ nach
seiner natOriiohsten Bedeutung heifse: nachdem die Mflhl-
seit vorfiber war, das iyetQexai ix z5 delrcvs aber deotticb
seige, dafs die Fufswaschung etwas erst nach dem Essen
Vorgenommenes gewesen sei ^)» Allein, wenn es von Jesa
nach vollbrachter Fufswaschung heifst: on^amaijiv' naijx .
(V. I2.)9 80 war folglich die Mahlzeit noch nicht vorfiher,
als er sich zur Fufswaschung erhob , und das iyaiQevai ix
%B delnvs will sagen, dafs ^r aus dem Mahle heraus, das
Essen, oder wenigstens das vorläufige zu Tische Sitsen
unterbrechend^ zu jenem Geschäfte aufgestanden sei. Dsi
SsIttvö yevofidvs aber heifst so wenig : nachdem ein MM
gehalten war, als ra jT. ysvofiiva iv Br^d-avitf (Matih. 26^ 6.)
sagen will: nachdem Jesus in Bethanien gewesen wir,
sondern , indem uns durch Jene Wendung Johannes den
Verlauf der Mahlzeit selbst '^J, wie Matthäus durch diese
^die Dauer des Bethanischen Aufenthalts JesU| vorfahrt,
so macht er ,sich damit anheischig, uns alles, was während
jener Mahlzeit Merkwürdiges vorfiel, zu berichten, ond
wenn er nun die bei derselben vorgefallane Stiftung des
Abendmahls nicht meidet, so bleibt diefs ein Sprung, der
ihm den Vorwurf zuzieht, lückenhaft erzählt, ond gerade
9) SUVFBRT, S. 152 ff.
10) Vgl. LücKs, S. 468.
/
Zweites Kapitel. $. 120. 451
dat Wichtigste ilbergiingen su haben« — Von" diesem ober-
$ten Ende de» johanneischen Berichts vom letcten Mahle
JesQ springt neoestens Kern eum untersten herab , und
denlit sich nach den Worten 14, ^1 : fyeiQf.ad^s ityiotiev iv-
nvd-evy die Einsetsong dea Abendmahls ^^)," wodurch dieselbe
die onwahraoheiniiehe «nd in der That anwflrdige Stel«
lang einer Handlung bekommt , die Jesu erst Während der
Anstalten snm Aufbruch eingefallen.
Wie aich also im Allgemeinen kein Grund denken
liefs, wamm Johannea, wenn er einmal von diesem lets*
ten Abend sprach, die Stiftung des Abendmahls fibergan-
gen haben aoUte: so findet aich auch im Eincelnen keine
Stelle, wo sie in den Verlauf teifier Darstellung eingescho-
ben werden könnte, und es bleibt somit nichts übrig , als
die Annahme, er erfühle i^ie nicht, weil er nichts von der*
selben gewofiit habe. Dagegen steifen sich nun aber die
Theologen 9 selbst diejenigen, welche sich unfähig beken-
nen, die Auslassung des Abendmahls «u erklären, auf die
Bemerkung: ein so allgemein in der ersten Kirche verbrei-
teter Gebrauch , wie das Abendmahl I habe dem vierten
fivsn^elisten^ wer er auch immer gewesen sein möge, un-
möglich unbekannt sein können ^^. Gewifs , von dem
Abendmahle als christlichem Ritus wufste er, wie sein
6res Kapitel seigt, und mufste davon wissen; das aber
kann ihm unbekannt gewesen sein unter welchen Umstän-
den Jesus das Abendmahl förmlich eingesetat haben sollte.
Einen so hochgehaltenen Gebrauch auf die Auctoritfit Jesn
selbst Burficksuführen, lag zwar auch ihm nahe ; nur that
er diefs aus Unbekanntschaft mit jener synoptischen Stif«
tongsscene, so wie ans Vorliebe für das Geheimnlfs-
rolle, vermöge welcher er Jesu gerne Anasprfiche in den
II) Hauptthstsacheo, a. a. O. S. 12.
12} Hasb, L. J. §. 133.; HsRK) Hauptthatsachen, S. tl ; Thkils,
xiir Biographie Jesu, ^. ^1.
29*
452 Uritte^r Absobnitt.
A^rtd legte, die, für den Aafrenbliek anverstSndlich , erst
au0 dem spfiteren Erfolge Liebt bekonimen haben sollten,
nichc 80, dafs er Jesum wirklieh schon den Ritas einsetsen,
sondern nur so, dafs er ihn donkie Worte von der Noth«
wendigkeit , pein Fleisch za essen und sein ßlat zu trin-
ken, sprechen liefs, welche, nor ans dem nach seinem
Tode in der Gemeinde aufgekommenen Abendmahls- Ritai
verstfindlich , als indireote Stiftung von diesem angesehen
werden konnten.
Dafs, Bo wenig als Johannes von der Einsetsnng dei
Al>endmahls, die Synoptiker von der Fufitwaschang etwas
gewufst haben können, weil sie derselben keine Erv»ahnong
thnn, diefs kann Shells wegen der minderen Wichtigkeit
der Siiche und der hier mehr fragmentarischen Darstel-
lung dieser Evangelisten nicht so bestimmt behauptet wer«
den; theils hat, wie oben bemerkt, Lukas in dem Rang-
streit V. 24 ff. etwas, das mit jener Fufswaschung, all
Anlafs derselben, zusammenzuhfingen , manchen Erklärem
geschienen hat ^^). Isk nun aber in Bezug auf dieien
Rangstreif bereits oben dargelegt, wie er, in den Zusaai-
menhang der vorliegenden Seene nicht passend , nur einer
Bufälligen Ideenassociation des Erzfihlers seine Stelle ve^
danke ^'^) : so könnte die Fofswaschungsscene bei Johannes
nur die sagenhafte Ausführung einer synoptischen Denoths-
rede zu sein scheinen. Wenn nfimlich bei Matthäus (20,
26 ff.) Jesus seine Jfinger ermahnt, wer unter ihnen grofs
sein wolle , der solle der andern didxovog sein , gleichwie
er nicht gekommen sei, diootovf^fpfai^ akla diaxavijoai, ond
wenn er diefs hier bei Lukas (22 , 27.) in der Frage aos-
drOckt: rig yao ftei^wv; 6 avaxeijtisvog, ij 6 diaxamv; "^^
mit der Hinweisung verbindet : iyvi de eifu iv fiio<p vtuif
liS) Sismar, S. 153; Paulus und Oishaussh, s. d. St. Dagegea
vgl. Dl Witts, 1, 1, S. 222, 1, 2, S. 107.
14) i. Band, §. 8$:
Zweites Kapitel. S« 120. 453
ijjg 6 duacoiydiv : so könnte swar sehr wohl Jesus selbst für
gnt gefunden haben, diesen Aussprach durch ein wirkliches
ducxortiv inmitten seiner, die Rolle der ai'axei/uBVOi spielen-
den Jflnger au^ veranscbaolicben ; ebensogut aber könnte
Dsoi sofern die Synoptiker von eineui solchen Vornehiaen
schweigen, die Vtfrmuthnng fassen, es möge, sei es die
Ssge, wie sie dem vierten Evangelisten su Ohren kam,
oder er selbst, ans jenem Dictum dieses Factum herausge*
spönnen haben ^^). Dnd ohne dafs ihm gerade, der ßar^
Stellung des Lukas gemäfs. Jener Ausspruch Jesu als wäh«
rend der letzten Mahlaeit gethan augekommen au seia
brsuchte, ergab es sich aus dem ai'cac€ia&ai und ditoiwah
von selbst*, dafs die Versinnlichnng dieses Verhültnisses an
ein Mahl geknöpft wurde, welches dann aus leicht deäkba-
ren Grflnden am schicklichsten das letzte gewesen zu sein
scheinen konnte.
Dsfs hierauf nach der Darstellung bei Lukas Jesus
die Jfinger als solche anredet, welche bei ihm in seinen
Bedrängnissen behärrt haben , und ihnen dafür verheifst,
daCs sie mit ihm in seinem Reich zu Tische sitzen , und
auf Thronen die 12 Stämme Israels richten sollen (V. 28
- 30 ) , das scheint in den Zusammenhang einer Scene.
nicht zu passen, in welcher er unmittelbar vorher einem
der Zwölfe den Verrath, unmittelbar nachher eirera an-
dern die Verläugnnng vorhergesag^t haben fioU , und in ei-,
nen Zeitpunkt, in welchem die eigentlichen TieiQceafAol erst
bevorstanden. So wie nach einer früheren Betrachtung
die Scene bei Lukas von vorne herein angelegt ist, dürfen
wir den eirund /der Einschaltung dieses Redestücks schwer-
lich in etwas Anderem, als in einer zufälligen Ideenasso-
ciation , suchen , vermöge welcher etwa der Rangstreit der
Jfinger den Referenten an den ihnen von Jesu verheifse-
15) Zu weit hergeholt ist, was die Probabiiien , S. 70 f., nber
die Entstehung dieser Anelidote vcrmutlien.
454 Dritter Abschnitt.
nen Rang, und die Rede vom Aufwartenden and so Tisch«
Sitzenden an das ihnen versprochene 2u Tische Sltoen im
messianischen Reiche erinnern mochte ^®J.
In Bezug auf das folgende Gesprfich, wo Jesus seinen
Jttngem hiidlich sagt, von nun an würde esNoth thun, sie
kauften sich Schwerter^» so feindlich werde man ihnen ?oa
allen Seiten entgegentreten , sie aber ihn eigentlich ?er-
atehen, und auf swei in der tieselUchaftvorräthige Schwer-
ter verweisen 9 möchte ich am liebsten ScHLKiERBiACHKRa
beistimmen , weicher der Meinung ist , um das in der fol-
genden Ersfthlong vorkommende Hauen des Petrus mit
€lem Schwerte bu bevor werten , habe der Referent dieses
Redestfick hiehergestellt ^0«
Die übrigen Abweichungen in Bezug auf das letste
Mahl . wefden im Verlauf der folgenden Untersucboogen
zur Sprache kommen.
§. 121.
^Verkündigung des Verraths und der Verläugnung.
Wenn mit der Angabe, dafs «lesus von jeher seinen
Verräther gekannt und dureh.schaut habe, der vierte i<>an'
gelist allein steht: so stimmen darin alle viere zusammen,
dafs er bei seinem letzten Mahle vorhergesagt habe, einer
seiner Jünger werde ihn verrat hen.
Doch findet zuerst schon darin eine Abweichung statt,
dafs, wShrend den beiden ersten Evangelisten zufolge die
Reden vom Verräther die Scene eröffnen,- und namentlich
der Stiftung des Abendmahls vorangehen (Matth. 26, 21 ff*
Marc. 14, 18 ff.): Lukas erst nach eingenommenem Mahl
und gestifteter Gedächtnifsfeier (22, 21 ff.) Jesum von den
bevorstehenden Verrathe sprechen läfst; bei Johannes geht
das auf den Verräther sieh Beziehende während und nach
der Fufs Waschung vor (13, 10—30.). Die an sich uobedea-
16) Vgl. Dl Witts , s. d. St.
17) Ueber den Lukas, S. 275.
Zweites Kapitel. $. 12i: 45S
tsnde Fmge, welcher Evangelist hier Recht habe, ist den
Theologen aas dem Gmnd flberaus wichtig, weil je nach
der Entscheidang derselben sich die andere Frage sa be-
antworten scheint, ob auch der Verrfither das Abendmahl
noch mitgenossen habe? Weder mit der Idee des Abend-«
mahls, als des Mahls der Innigsten Liebe und Vereinigangi
schien sieh die Theilnahme eines so fremdartigen Glieds
an demselben ca vertragen, noch anoh mit der Liebe and
Barmhersigkeit des Herrn das, dafs er sollte einen Un<
wflrdigen aar Erhtfhnng seiner Schuld das Abendmahl lia«
ben Bitgeniefien lassen ')• Diesem gefttrrhteten Umstand
glaubte maif dadurch eu entgehen, dafs man, der Anord*
nang des Matthfins und Markus folgend, die Bejeeichnupg
des Verrftthers der Stiftung des Abendmahls vorangehen
Jiefs; und da man nun ans Johannes wnfste, dafs, naeiH
dem er sich entdeckt und bezeichnet sah, Judas aus der
Gesellschaft gegangen sei: so glaubte man annehmen nu
dttrfeo, dafs erst nach dieser Entfernung des Verrlithers
Jesus die Ginsetsung des Abendmahls vorgenommen habe ^).
Aliein diese Abhülfe kommt nur durch unerlaubte Vermi-
schung des Johannes mit den Synoptikern nu Stande.
Uenn von einer Entfernung des Judas aus der Gesellschaft
weifs eben nur der vierte Evangelist , und er allein hat
auch diese Annahme nöthig, weil nach ihm Judas erst Jetat
seine Unterhandlungen mit den Feinden Jesu anknüpft,
aUo, um mit ihnen einig au werden, und Bedeckung von
ihnen eu erhalten, eine etwas Ifingere Zeit brauchte: bei
den Synoptikern dagegen ist keine Spur, dafs der VerrX*
(her die Gesellschaft verlassen hätte; es ist Alles so er-
Kählt, wie wenn er erst bei dem allgemeinen Aufbruch,
statt unmittelbar in den Garten, au den flohenpriestern
gegangen wXre, von welchen er dann, da die Unterhand-
1) Olbm«vkk\, 2« S. !>80.
2) So Li'UKK, Paulus^ Olsmacsbk.
45A *^ Dritter Abichaitc.
lungen echon vorher angeknOpft waren, unversfiglich die
nüthige Mannschaft snr Verhaftang Jesa erhalten konnte.
Mag alflo in Anordnung der Scene Lukas oder Matthias
recht haben : naeh sMmmtlichen Synoptikern hat Judat^
der ihnen eufoige sich gar nicht vor der Zeit aus der Ge-
sellschaft entfernte, idad Abendmahl mitgenossen ^).
Aber auch in der Art und Weise, wie Jesus feines
Verräther beseichnet haben soll, weichen die Evangeliitea
nicht unbedeutend von einander ab. Bei Lukas gibtJesoi
nur knris die Versicherung, dafs die Hand seines VerrI«
thers mit ihm über Tische sei , worauf die Jfinger unter
sich fragen, wer es wohl sein möge, der so etwas sutbun
im Stande wäre? fiel Matthäus und Markus sagt er suerst,
einer der Anwesenden werde ihn verrathen, und als von
den Jüngern ihn jeder einzeln fragte ob er es sei? erwie-
dert er: der mit ihm in die Schfissel tauche; bis endlich
nach einem fiber den Verräther ausgesprochenen Wehe
dem Matthäus eufolge auch Judas jene Frage thut, worauf
ihm Jesus eine bejahende Antwort gibt. Bei Johannei
deutet Jesus Euerst während und naeh der Fufswaschung
an, dafs nicht alle anwesenden Jönger rein seien, dafs
vielmehr die Schrift erfüllt werden müsse: der mit mir
das Brot ifst, erhebt die Ferse gegen mich« Dann sagt er
geradezu, einer von ihnen werde ihn verrathen^ und als
die Jünger forschend einander anbllokeii, wen er wohl
meine, läfst Petrus durch den zunächst au Jesu liegenden
Johannes fragen, w^ es sei? worauf Jesus erwiedert, der,
welchem er den Bissen eintauche und gebe, was er sofort
dem Judas thut, mit beigefügter Erinnerung, die Ausffih-
rung seines Vorhabens zu beschleunigen; worauf dleeer
die Gesellschaft verläfst
Die Harmonisten sind auch hier schnell damit fertig
S) Vgl. OS Witts, exeg. Handb., 1, 1, S. 219; Wsiassy.ciie
cvang. Gesch., 1, S. 605.
Zweites Kapitel. §.121. 457
gefresen^ die Terschiedeaen Sceoen ineinander einaosebie-
ben und miteinander vertrfiglieh zu machen. Da soll Je-
sus auf die Frage der einzelnen Jfinger, ob sie es seien,
soerst mit lauter Stimme erklärt haben, eine» seiner Tisch-
genossen werde ihn verratben CMattb«); hierauf soll Jo-
hannes leise gefragt haben, wer es näher sei, und Jesus
ihm ebenso leise die Antwort ertheilt: der, dem er den
Bissen gebe (Job ) ; dann soll auch Judas, ^gleichfalls leise,
gefragt haben, ob er es sei, und Jesus, ebenso seine Frage
bejaht habeu (Matth.) ; endlich aber soll auf eine antrei-
bende Mahnung Jesu der Verrärher aus der tieseilschaft
gegangen sein (Job.) ^)* Allein dafs die swischen Jesus
und Judas gewechselte Frage und Antwort, welche Mat-
thäus mittheilt, leise gesprochen worden sei, davon bemerkt
der Evangelist nichts; auch läfst es sich nicht wohl den-
ken, wenn vian nicht das Unwahrscheinliche voraussetzen
will, dafs Judas auf der andern Seite wie Johannes auf
der eineo neben Jesus gelegen habe; war aber die^ Ver-
handlung laut, so konnten die Jfinger nicht, wie Johannes
ersählt, das o nouig noifjoav zd/jov auf so seltsame Weise
mirsverstehen, — und .mit einer stotternden Frage von Sei-
ten des Judas und leichthin gesprochenen Antwort Jesu
wird man sich nicht im Ernst beruhigen können ^)* Auch
das ist nicht wahrscheinlich, dafs Jesus, nachdem er schon
disKrklärang gegeben: der mit mir in dteSchOssel taucht,
wird mich verrathen , zur bestimmteren Bezeichnung des»
Verrfithers nun noch selbst ihm einen Bissen eingetaucht
haben sollte; sondern beides ist wohl dasselbe, nur ver-
ftchieden dargestellte Erkennt man aber diefs-mit Paulos
Qod Olshaus£N an, so hat man bereits dem einen oder an-
dern Berichte so viel vergeben, dafs man sich auch fiber
die Schwierigkeit, welche in derausdrackliehen Antwort
4) KvintfL, in Matth. p. 707.
5) 'Wie Omiuvisit, 2> S. 402. S. dagegen SisvfsaT, S. 148^^.
4ÖS Dritter Abaohiiitt.
liegt, die Mntthlias Jesam dem Verrftther geben Ififtt, niebt
mit Zwang hinöberhelfen, sondern eingestehen sollte, hier
swei abweichende Berichte vor sich su haben, deren einer
nicht darauf berechnet ist, durch den andern erglinst sa
werden.
»
Ist man mit Sieffert und Fritzschb bq dieser Einsicht
gefrommt n: so fragt sich nur noch, welehem von beides
Berichten als dem arsprflnglichen der Vorsug su geben
sei? Sieffert hat diese Frage mit grofser Entsohiedeoheit
an Gunsten des Johannes beantwortet; nicht blofs, wie er
behauptet, vermöge des Vornrtheils für die angebliche Ao-
geuEeugenschaft dieses Evangelisten , sondern auch , w«l
sich seine Erefihlung in diesem Abschnitte durch innere
Wahrheit und malerische Anschaulicbbeit auf s Dnverkenn-
barste vor der des Matthfins ausEcichne, welcher letstern
die Sporen der Autopsie auch hier durchaus fehlen. Wih*
rend nämlich Johannes das Genaueste über die Art zu sa-
gen wisse, wie Jesus den Verräther bezeichnet habe:
lilinge die Erzählung des ersten Evangeliums so ,^ als ob
seinem Verfasser nur die allgemeine Motiz, dafs Jesus sei-
nen Verräther auch persönlich bezeichnet habe, zugekom-
men gewesen wäre. Wenn in dieser Hinsicht slie^
dings von der runden Antwort, die Jesus bei MatthSo«
(V. 25.) dem Judas gibt, nieht geläugnet werden kann,
dafs sie ganz darnach aussieht, nach jener FTotiz auf ziem-
< lieh trockene Weise gemacht zu sein , und in sofern der
verblümteren, also doch immer wahrscheinlicheren Art, wie
Johannes diese Bezeichnung wendet, nachsteht: so ist dt*
gegen zwischen dem o tftfidihag oder i/ußccTtroftevog fifif
tfiö bei den zwei ersten Evangelisten, und dem johsn-
neischen qi iyco ßa^ag tu ifßütfUov imdiiaia, das Verhältnifi
ein ganz anderes; hier nämlich ist offenbar die gröbere
Bestimmtheit der Bezeichnung, mithin die geringere Wahr-
scheinlichkeit des Berichts , auf Seiten des vierten Kvsn-
geliaas. Bei LuLas beieiehnet Jesus den Verräther aar
Zureites Kapitel* S- 12K 459
ftls einen der mit ihm bei Tische Sitzenden, and euch von
dem o if.ißak}jag ;f. t. A. bei Mntth^as und Markus ist die
Deutung , welche Kcinöl und H£n:;;sbrrg ^) von demselben
geben : einer von meinen Tischgenossen , unbestimmt wel*
eher, — so irreleitend nicht, nie Olshauskn sie dafür
aasgibt. Denn auch auf die Frage der einzelneii Jünger:
bin ich*s? konnte ja Jesus theiis immer noch eine auswei-
chende Antwort su geben für gnt finden, theiis verhielt
sich £o dem frflheren: ^ig £| vf.iuiv Tiagadciau fi€ (V. Sl.)»
nach KuinÖl's richtiger Bemerkung jene Antwort auch in
diesem Sinne als angemessene Steigerung, indem sie das
die Schuld desVerraths noch besonders erschwerende Mo«
ment der Tiscbgenossenschaft hervorhob. Wenn auch die
Verfasser der beiden Evangelien den fraglichen Aufdruck
bereits so verstanden, als ob gerade Judas mit Jesu die
Hand In die Schttssel getaucht, und somit jene Aeufderung
ihn persönlich beseichnet hMfte : so seigt doch die Parallele
bei Lukas, und bei Markus das dem o ^ußaTnoiie^v^ vor«
gesetste u^; ix tüv dcJdexor, dafs ursprünglich jenes nur
Epexegese von diesem war; wenn es gleich vermöge des
Wonsches ^ eine recht bestimmte Vorher kezeichnung des
Verräthers von Seiten Jesu su haben, frühzeitig in jenem
andern Sinne genommen wurde. Haben wir aber so ein*
mal eine aagenhafte Steigerung der Besrimmtheit jener Be*
eeichnang : so ist auch die Art, wie das vierte Evangelium
den Verräther beeeichnet werden läfst, in, diese Reihe cu
sieben , und ^ swar müfste sie nach Sieffert die ursprüng-
liche gewesen sein, von welcher alle übrigen ausgegangen
wären. Nun aber ist sie, wenn iwir das av tinag des Mat*
thäas cum Voraas preisgegeben, die bestimmteste Beeeich-
nongsweise, bu welcher sich der Ausdruck: meiner Tisch«
genossen einer, nur als gante unbestimmt verhält ; und auch
6) Comment. Über die Geschichte des Leidens und Todes Jesu,
z. d. St.
4CI0 Dritter Abtebnitt.
der Wink : derjenige, welcher jetst eben mit mir in dit
Schüssel taacht, war noch weniger direct| alt wenn Jesai
selbst ihm den Bissen eintauchte nnd reichte. Ist es deon
nun im Geist der alten Sage, die bestimmteste BeEeichnuog,
wenn Jesus eine solche gegeben hatte, fallen ea lassen,
und auf unbestimmtere zu redodren, also das Wunder des
Vorherwissens Jesu au verringern? Und^kann man es im
Geiste Jesu finden, dafs er auf so'sweoklose Weise die
persönliche Entlarvung des Verrfithers vorgenommen beben
sollte, wenn er doch weder hoffte, ihn dadurch von sei-
nem Vorhaben abzubringen, wie ans dem o TiOieJg, noir^ccn^
Tuyjov (V. 27.) erhellt, noch auch die Absicht hatte, sei-
nerseits dem Verrathe* zuvorzukommen ? Endlich, wenn
Jesus den Verrfither auch nur dem Johannes persönlich
bezeichnete: wöcde dieser Uonnersohn sich so ganz rabig
SU halten vermocht haben? geschweige denn die Obrigen,
wenn er ihn nach dem ersten Evangelium vor sämmtlichen
Jfingern kenntlich gemacht hfitte ')•
Finden wir somit die persönliche Bezeichnung des Ve^
rXthers von Seiten Jesu , unwahrscheinlich: so fragt sich
weiter, ob ihn Jesus Oberhaupt nicht als solchen vorher
erkannt^ sondern nur im Allgemeinen von dem im Krei»e
seiner Jfinger brütenden Verrath gewvfst habe, oder ob
selbst auch diese unbestimmte Ahnung des Verraths iha
erst nach dem Erfolge beigelegt worden sei? Die Psaim-
stelle, welche Je^as V^ IS. als eine an ihm zu erfOllende
Weissagung anführt: o z(i(t'r/ofv //5t f/^ö rov äfrrov i:if,oeif
in b(.d TT^v nriQvav amö CP«« 41, 10), gab ihm nur unbe-
stimmt einen seiner Tischgenossen als künftigen Wide^
sacher an die Hand. Aber freilich kann, diese Schriftstelle
nicht ^die ein/Jge ttuelle gewesen sein , aus welcher er die
Kunde des ihm bevorstehenden Verrathes schöpfte: m^
dorn nach der orthodoien Ansicht half ihm das göttliche
7) WsiMK, a. a. O. S. 604 f.
Zweitat Kapitel. S- l^l- 461
Princip in ihm die Schrift aaslegen, and dieses kann nicht
blofs bis fiur anbestimmten Ahnung des Verraths gereicht,
sondern es mCrste ihm den Verrfither sugleich persönlich
kennbar gemacht haben. Nor tritt in dieser Hinsicht hier
die gleiche Schwierigkeit ein , die wir schon sonst bei
A. T. liehen Weissagungen, die Jesus auf sich becogen
hsben soll, gefunden haben. Ihrem ursprfinglichen Sinne
nftch besieht sich die angefahrte Psalmstelle so oü^enbar
nicht auf den Messias, dafs selbst Tholcck und Olshadsen
diefs anerkennen ; sondern sie geht entweder auf einen der
bekannten treulosen Freunde Davids , Ahitophel oder Me-
phiboseth, oder, wenn der Psalm nicht Davidisch ist, auf
einen Unbekannten, der mit dem Dichter desselben in Xhn-
Hchem Verhffltnifs stand®). Dafs nun eine so falsche Auf-
fassung des Psalms Jetiu aas seiner göttlichen Matur ge-
flossen sein sollte, läJTst sich nicht denken; er mufs viel-
mehr hierin seinem menschlichen ^ irrthumsfKhigen Denk*
TermÖ^en flberlassen gewesen sein. Mittelst dessen aber
schöpfte er die erste Vermuthung des Verraths gewifs nicht
lus diesem Psalm, von welchem wir keine Spur haben,
dafs er vor dem Vorfall mit Judas messianisch gedeutet
worden wSre; sondern, wenn nicht gar erst nach dem.
wirklichen Erfolg ihm die Berufung auf die Psalmstelle
nngeschichtlich in den Mund gelegt worden ist, so kann
er dieselbe jedenfalls erst dann auf sich besogen haben,
iüs der bevorstehende Verrath eines seinj^r Jünger sonst her
CQ seiner Kenntnifs gekommen war. Dafs diefs auf natfir-
liebem Wege möglich gewesen, läfst sich nicht geradeaa
verneinen; und swar ist es dann weit wahrs>3heinlieher,
<lsfs er bestimmt von Judas, als dafs er nur überhaupt
▼on einem seiner Jünger eine solche Unthat vorhergesehen.
Zwar wenn man dieses Vorhersehen einsig von Mitthei-
Inngen Anderer ableiten wollte, so llefse sich einen Aagen-
8) I. Dl Warn «. d. Pt.
46^ Dritter Abicrtmitr.
blick denken 9 dafs ein Wohlv?oIlender aber AengAtlioher
von der Art des Nikodemud Jesom nur unbestiaiint und
andeutend auf den im vertrauten Kreise derSeinigen brö-
tenden Verrafh anfmerksaiu gemacht hfitte; aber wenn
nun Jesus auf diesen Wink bin seine Jünger achfirfer be-
obachtete: so mflfste er kein Menschenkenner gewesen
sein, wenn ihm nicht die Befangenheit in dem Benehmen
des Judas im Unterschiede von der Arglosigkeit der übri-
gen aufgefallen wäre.
Wie dem Judas den Verrath, so soll Jesus dem Petroi
die Verläugnung vorherger:;)gt haben, und ewar niitder
besonders genauen Zeitbestimmung, dafs, ehe am nüchsten
Frfihmorgen der Hahn (nach Markus fiweima!) krfibe,
Petrus ihn dreimal verläognet haben werde CMatth S6,
33 ff« parall.) ; was den Evangelien sufolge aufs (lenane^te
eingetroffen ist« Hier hat man von rationalistischer Seite
die Erstreckung der Sehergabe auf solche Nebensdge, wie
der Hahnenschrei) befremdlieh gefunden; ebenso, dafs Je-
sus, statt EU warnen, vielmehr den Erfolg wie unvermeid-
lich vorhersage ^), was allerdings ganz nach der Art dei
tragischen Fatums der Griechen lautet, wo der Menseh
in das ihm vom Orakel Vorherverkündigte, indem er. es
vermeiden will, dennoch hineingeräth. Wollte man indefs
nm dieser Schwierigkeiten willen die ganze Vorher^Rgung
als vaticiiiittm post ecentum aufgeben, so wäre diefs ieu weit
gegangen. War ««esus, was die sonst in manchen SfArUn
abweichenden Evangelien mit merkwürdiger Uebereinstim-
mnng voraussetzen, durch Andere oder durch eigene Beob-
achtung davon unterrichtet, dafs für die bevorstehende
Nacht von Seiten seiner Feinde etwas gegen ihn im Werke
sei ; wies er darauf und auf die schwere ProbeJ, die ihre
Treue dabei zu bestehen haben würde , seine Jünger hin
9) Pavlui, exeg. Handb., 5, b, S. 538. L. J. 1, b, S. 192. HiS»>
I^. J. f 137.
.. *
Zweites Kapitel. $. Vit. 4li:i
(Hatth. 26, 31 parall ) , und TerDiafa sich hierauf Petrus
ganz in seiner Weise, als ob seine Treue und sein Moth
durch nichts au erschüttern wäre (Matth. 26, 33 paralL):
•0 bedurfte es nur Jesu natfirlicher Kenntnifs von dem
schnell ausfallenden , aber ebenso schnell wieder BurQclK-
weichenden, übrigens im Grunde treuen und reinen, mithin
keines wirklichen Abfalls fähigen Charakter des Petrus,
nm ihm vorhersagen en liöonen, dafs er die PrOfungen
dieser Nacht nicht fiberstehen wflrde ohne bu fallen, aber
in seiner Weise auch schnell wieder aufsustehen. Die ge-
naue Bestimmung freilich nach Art, Zeit und Zahl, wel«
che Jesus dieser Vorhersagung in den Worten gibt: nQiv
aUxTOQu ifMvfaaiy tq)^ anafry/^p^ fie (Matth. 26, 34 parallOf
and dafs sie Zng fQr Zug eingetroffen sein soll, bleibt im*
mer noch befremdlich genug. Indefs das 7CQiv dkexioga
fuiijaai ist in der That nichts weiter als ein andrer Aus-
druck für das vorangegangene iv ravii] ti; vvxtI , da die
aikxtoffotfiavLa die letzte Nachtwache vor der Frühe war
(vgl. Marc. 13,35.) ^®) ; das dnanvi^ar^ könnte ein nach dem
£rfolge gebildeter bestimmterer Ausdruck für ijyMvdakiad^rdt]
oder einen fthnlichen sein (vgl. Luc. 22, 31 f), und et-
was der Art liefie sich auch in B«*treff des t()/s' vermuthen^
Allein von diesem letateren werden wir unten, bei Krör?
terung der VerlfingnungAgeschichte, finden, dafs es eher
darnach aussieht, aus der Voraoasagung in den Erfolg hin-
eingetragen £u sein, als umgekehrt; sofern von den Evan-
gelisten jeder sich auf eigene Weise bemüht, die gegebene
Dreiaahl ausaufüllen. Scheint demnach JesuF die Dreizahl
wiiklich selbst an die Hand gegeben zu haben: so meinte
er damit doch wahrscheinlich nur, wie in der Rede vom
Aufbau des Tempels ^ eine runde Zahl , die aber von den
Jüngern entweder sogleich oder später in bestimmtem
Sinne verstanden wurde. In el>en dem unbestimmteren
10) t. Li«HTrooT, Tavlv und db Wkttk s. d. St. des Matth.
^
•' -s.
464 Dritter Abschnitt.
Sinne, wie etwa Luc, 12, 9., mag Jesus auch von Verlüag-
nung gesprochen haben ; wenigstens sind wir nieht berech-
tigt) das blofse liTiaQvrjai] /ae der drei übrigen Evangelisten
seinem ursprdnglichen Sinne nach in eben der BestioiiDt-
heit aafeufassen, welche ihm Lukas darch den Beitats:
jjij eidl-ica //e» ertheilt, und welche es ohne Zweifel anch
schon im Sinne der übrigen Evangelisten hat«
Dal's im Znsammenhange dieser Voraussagen Jesus auch
den übrigen Jüngern vorherver kündigt haben soll, sie wfir-
den in der bevorstehenden verhängnifs vollen Nacht alle an
ihm irre werden, ihn verlassen und sich serstreuen (Mnttb.
26, äl parkll. vgl. Job. 16, SO-)? hat nach dem Bisherigen
nichts Entscheidendes gegen sich; obwohl es mit einer
Verkündigung der Auferstehung (V. 32.), Busammenhfingt,
welche wir nach früheren Untersuchungen nicht als ge-
schichtlich anzuerkennen vermögen , wenn auch die damit
verbundene Hinweisung auf Galiläa als den Ort, wo die
Seinigeu sich wieder sammeln würden , Beachtung ver-
dient ^0-
§. 122.
Die Einsetzung des Abendmahls.
Bei dem leteten Mahle war es, nach dem Berichte der
drei ersten Evangelisten, mit welchem auch der Apostel
Paulos (1 Kor. 11, 23 ff.) fiusammeostimmt, dafs Jesos
dem nngesfioerten Brot und dem Weine, was nach der
Sitte des Paschafestes ^) er als Familienhaupt unter seine
Schüler su vertheilen hatte, eine BeEiehung auf seinen
nahe bevorstehenden Tod gegeben hat. Während des Es-
sens nämlich soll dr einen Brotkuohen genommen, nach
gesprochenem Uankgebet ihn gebroohen und' seinen Jüngern
11) Vgl. WiissB, a. a. O. S. 609 f.
1) Vgl. Über diese vornehmlich Lishtvoot, horse, p. 474 ff*) vod
Paulus, exeg. Handb., 3, b, S. $11 ff.
Zweites Kapitel. $« 122. 4^5
gereicht haben, mit der ErklXrang: t&to igt ro üHfiu fiHy
vrosa Paulus und Lukas noch setzen: t8 vnkQ vfaov dido^
fiivor oder xAci^^vO)', — und ebenso hierauf, bei Paulus und
Lukas nach dem Essen, soll er ihnen einen Becher Weins
mit den Worten hingegeben haben: täro igt tö alfid fia,
ro Tjjg xaiv^s SiaO-ijxr^i; y oder, nach Paulus und Lukas: ij
xaiYT^ iuxd^xi] iv zflji aifiini fiUj ro txbqi TioikXuiv^ oder, vtiIq
vftviyy exxwofisvcvy woen Matthäus noch setet: £/«; äg:€aiv
afiafjTidiVy 'Paulus aber, was er und LiAas auch schon oben
beim Brote hatten: töto Ttoieizs (Paulus bei'm Wein oau-
xtg av Tcivrj^t) €ig itjv i(.o^v avuinr^oiv.
Der Streit der Confessionen über die Bedeutung die-
ser Worte, ob sie eine Verwandlung von Brot und Wein
in den Leib und das Blut Christi, oder ein Vorhanden-
sein .von Leib und Blut Christi mit und unter jenen
Elementen, oder endlich diefs ausdrücken, dals Brot und
Wein Christi Leib und Blut bedeuten sollen, ist als obso-
let zu beceichnen, und sollte wenigstens exegetisch defs-
wegen nicht ;nehr nachgeführt werden, weil er auf einer
unrichtigen Plsjunction beruht. Nur in der Uebertragung
in das abstraotere Bewnfstsein des Abendlandes und der
neuem Zeit zerfällt dasjenige, was der alte Orientale sich
Q^ter seinem tüto igt dachte, in jene verschiedenen Mög-
lichkeiten der Bedeutung, welche wir, wenn wir den ur-
sprOnglichen Gedanken in uns nachbiVlen wollen, gar niobt
auf diese Weise trennen dürfen. Erklärt man die frag-
lichen Worte von Verwandlung: so ist das zu viel und
zu bestimmt; nimmt man sie von einer Existenz cum £t
sub specie etc, : so ist diefs zu künstlich ; übersetzt man
aber: diefs bedentet: so hat man zu wenig und zu nüch-
tern gedacht. Den Schreibern unsrer Evangelien war das
Brot im Abendmahl der Leib Christi; aber hätte man sie
gefragt , ob also das Brot verwandelt sei ? so würden sie
es verneint; hätte man ihnen von einem Genufs des Leibes
mit und untdr der Gestalt des. Brots gesprochen: so wür-
Ihff Leben Jesu iteAufl, ii. Band. 30
466 Dritter Abschnitt.
den sie diefs «nicht verstanden ; hätte man geschlossen, daf«
mithin das Brot den Leib blofs bedeute: so wfirden sie
^ sich dadurch nicht befriedigt gefanden haben.
Hierüber also verlohnt es sich nicht, weiter ca strei-
ten: eher können einige andere Fragen interessiren , wel-
che mit Abweichongen der Berichte im Zusammenhange
stehen. Nach sfimmtlichen Relationen stellt Jetos sein
Blut als das Blut des neuen Bundes, welches Bum Besten
der Seinigen CVieler") vergossen werde, dar, mithin seinen
gewaltsamen Tod als Bundesopfer, als ein höheres Gegen-
bild der blutigen Thieropfer , durch welche einst der alte
mosaische Bund Jehova*s mit dem israelitischen Volke be-
stätigt worden war (2. Mos. 24 , 6 ff.*)- Zu dieser Be*
seichnung fügt Matthäus noch die Worte: Fig a(peaiv d/naQ-
*ticjv, wodurch also in Betreff des Todes Jesu sn der Vor-
stellung des Bundesopfers noch der weitere Gesichtspunkt
des Sühnopfers hinzugefügt wird. Die Verschiedenartig-
keit beider Vorstellungen, sowie dafs das erste Evangelium
mit gedachtem Zusätze allein steht, hat kritische Zweifel
gegen denselben erregt ^. Da Jedoch beide Vorstellungen
nicht unverträglich sind, wie sie denn auch im Hebräer-
briefe neben einander hergehen (9, 15.)* so lliTst sich
^ ein entschiedenes Urtheil nicht wohl aussprechen ^j.
,Eine vpeitere Frage ist, ob Jesus jene eigen tbfimlich
bedeutsame Brot- und W^inaustheilong nur als einen Act
des Abschieds von seinen Jüngern, oder ob er dieselbe in
der Absicht vorgenommen habe, dafs sie auch nach seinem
Hingang von seinen Anhängern cum Andenken an ihn ge-
feiert werden sollte? Hä^tten wir blofs die Berichte "der
beiden ersten Evangelisten ^- diefs geben hier selbst or-
2) Schulz > die christliche Lehre vom Abendmahl, S. 271 ff.,
CRSD^SR, Einl. 1, S. 199.
3) S. oben, §. HO, S. 343. Vgl4 db Wxttb, exeg. Handb., 1,1,
S. 222 f. ; Nbakdbr, L. J. Chr. S. 589 f. Anm.
Zweites Kaiiirei. {. 122. 467
thodoxe Theologen sa ^) •— so vrlre kein entscheidender
Grond eu der letsteren Annahme vorhanden ; allein ent*
scheidend scheint bei Paulas ond Lukas der Zusats: %Qiu
ftouhs eig ttjv ifnjv avaprr^tVj welchem Eofolge Jesus of-
fenbar die Absicht hatte, ein Gedäohtnifsmahl su stiften,
das nach Paulus die Christen feiern sollten, axQiQ h op
di&r. Allein eben von diesen Znsätaen hat man neuerlich
vermutbet, sie möchten nicht ursprfinglich Worte Jesu ge-
wesen sein, sondern bei der Abendmahlafeier in der ersten
Gemeinde möge der anstheilende Vorsteher die Gemeinde-
glieder aufgefordert haben , dieses Mahl auch ferner Eum
Andenken Christi su wiederholen, und aus diesem ur-
ehristlichen Ritual seien dann die Worte eu der Rede
Jesu gesehlagen worden *). Gegen diese Vermathuog sollte
man nicht mit Olshausen die AuctoritXt des Apostels Pau-
lus in der Ueberspannung geltend machen, ^afs laut seiner
Versicherung: naffikaßav ano rö KvqIö^ er hier aus einfer
unmittelbaren Offenbarung Christi, ja dafs Christus selbst
hier aus ihm spreche: da doch, wie selbst Süskihd Euge-
geben, und neuerlich Schulz aufs Bündigste bewiesen
bat *), nafmla/ußaveiv ano Tivog nicht ein unmittelbares Be-
kommen von einem ^ sondern nur ein mittelbares Ueber-
koramen von einem her, also durch Ueberlteferung, bedeu-
ten kann. Hat aber Paulus jenen ZusatE nicht von Jesu
selbst gehabt: so glaubt Ewar SOskind beweisen eu kön*
neu, er mflsse ihm von einem Apostel mitgetheilt oder min-
destens bestätigt worden sein, und meint in der Weise
seiner Schule durch eine Reihe abstracter Disjunctlonen
sichere Mauthlinien Eichen eu können, welche das Ein-
dringen einer un historischen Sage in diesem Stöcke ver-
hindern sollen: allein die strenge Urkundlichkeit unserer
4) SUsKiKD, in der Abhandlung : hat Jesus das Abendmahl als einen
mnemonischen Ritus angeordnet? in s. Magasin, ll, S. 1 ff.
5) Paulos, cxeg Hahdb., y b, S. 527.
6) Die Lehre vom Abendmahl, S. 217 ff.
30*
46B Dritter Abschnitt. ^
»
Tage darf tod einer werdenden ReligionngeseUachaft nieht
erwartet werden, deren an Verschiedenen Orten befiadUoho
Theile noch keinen geordneten Zosammenhang and mei-
stens nar mündlichen Verliehr hatten. Ebensowenig aber
darf man dun, das töro nonlie x. r.A. für einen späteren
Zusate.sn den Worten Jesu bu halten, durch falsche
(jrfinde, wie dafs es gegen die Demath Jesa verstofiea
haben wfirde, sich selbst eineGedfichtnlfsfeier sa stiften 0
D. dg|., sich bewegen lassen | oder das . Stillschweigen der
beiden ersten Evangelisten, dem Zeugnifs des Aposteii
Paulus' gegenüber, allzuhoch anschlagen.
Vielleicht entscheidet sich dieser Punkt mit der andern
Frage: wie überhaupt Jesus daau gekommen sei, diese ei-
genthümiich bedeutsame Brot- und Weinailsthcilung mit
seinen Jüngern vorannehmen ? Wie die orthodoxe Ansiebt
von der Person Jesu aus dieser, als einer göttlichen, das
Werden und namentlich ein alimllhliges' oder plütcliobef
Entstehen von früh^ nicht dagewesenen Planen und Vor*
sfttsen möglichst su entfernen sucht: so lag ihr snfolge
sammt dem Vorherwissen um sein Schicksal und seinem
gauEen Plane auch der Vorsats, das Abendmahl, und awsr
als Gedfichtnifsfeier für seine Kirche, su stiften, von jeher
in Jesu, und diese Ansicht kann < sich wenigstens dsffir,
dafs Jesus schon ein Jahr vorher das Abendmahl im Sinne
gehabt habe, auf die dahin sielenden Anspielungen bem-
f«fn, welche das vierte Evangelium im sechslen Kapitel
Jesu in den Mund legt.
Freilich Uf diefs eine unsichere Stütse, da nach einer
früheren Untersuchung jene vor der Stiftung des AbendmaUi
schlechterdings nnverstfindlichen Anspielungen nicht von
Jesu selbst, sondern nur vom Evangelisten herrühren ktfa-
7) Kaissr, bibl. Theologie, 2, a, S. 39. Snnkni, das h. Abcad-
mahi, S. 6J.
Zureite« KapiteL $. 122. 4419
nen *> Und da es ferner überhaupt die Wahrheit der
menechlicben Natnr in Jesa aafsaheben schien, ip ihm
Ton |eher/ oder wenigstens vom Anfange des reifen Alters
an, Alles schon fertig «nd vorgesehen sich eq denlEen: so
hat der Rationalismus im Gegentheil behauptet, nicht frd*
her, als eben an Jenem Abende, sei der Oedanlie Jener
sinnbildlichen Handlung und Rede in Jesu i^ufgestlegen.
Demnach soll nun beim Anblick des gebrochenen Brotes
and ausgegossenen Weines Jesnm eine Ahnung seines na*
hen gevraltsamen Todes angewandelt, er soll in Jenem ein
Bild seines hinaurichtenden Leibes, in diesem seines au
vergiefsenden Blutes erblickt, und diesen augenblicklichen
Eindruck gegen seine Jünger ausgesprochen haben ')• Ei-
nen solchen tragischen Eindruck aber konnte Jesus nur
bekommen, wenn er seinen gewaltsamen Tod in der Nähe
sah« üafs diefs bei Jenem Mahle mit gröfster Bestimmt-
heit der Fall gewesen, scheint die Versicherung zu iiewei*
sen, weiche er nach slmmtlichen synoptischen Berichten
seinen Jflngern gab, dafs er von dem Gewächs des Wein-
stocks nicht mehr trinken werde, bis er es neu geniefsen
werde. im Reiche seines Vaters; wornach er also, da an
ein Enthaltungtgelöbde zu denken kein Grund ist, f(lr die
Dächstea Tage sein Ende volrausgesehen haben mflfste«
Sehen wir Jedoch , wie bei Lukas dieser Versicherung in
Bezog anf den Wein die Erklärung Jesu vorangeht, das
Pascha werde er nicht mehr geniefsen, bis anr ErfSUnng im
Gottesreiche: so könnte man auf die Vermnthung kommeni
es möchte wohl ursprünglich auch unter dem yewrjia rijs
aiiTtilSj zumal da Matthäus thtu hinzusetzt, nicht Wein
überhaupt, sondern speciell der Pasobatrunk verstanden
gewesen sein. Von Mahlzeiten im messianisohen Reiche
sprach Jesus, anknfipftod an die Vorstellungen seiner Zeit,
8) f. Band, $. 80.
9) VxMLVy a. a. O. S. 519 ff, ] HaiskRj s. a. 0. S. S7 ff.
V
I
X
470 Dritter Abschnitt. •
* öfters: und so könnte er auch von einem Paschafest and
Paschatrank, obwohl in dem geistigen Sinne von Lac. 20,
36., gesprochen haben. Wenn er nun versichert, dieses
Mahl nicht mehr in diesem, sondern erst in jenem Äon
wieder zu geniefsen : so Ifige darin nicht , wie , wenn er
von Essen und Trinken überhaupt spräche, dafs schon ia
» den nächsten Tagen , sondern nur , dafs vor Ablauf eioes
Jahres das Verweilen in dieser vormessianiscben Weltord-
nung für ihn ein Ende haben werde.
Indessen, wenn Jesus vorhersah, dafs eben indernfich-
aten Macht seihe Feinde mit Hölfe des Judas sich seiner
2U bemächtigen buchen worden,, und wenn er entschlossen
war , diesem Angriife weder mit gewaltsamer Gegenwehr
entgegenzutreten, noch durch die Flucht sich demselben
KU entziehen : so konnte ihn, wie er die Personen und die
Verhältnisse kannte, die Ahnung überfallen ,' dafs in den
nächsten Tagen sich Schlag auf Schlag Alles erfällen
würde, was er als sein unvermeidliches Ende längst ans
der Ferne vorhergesehen hatte. Von hier aus erscheint
dann Beides als gleich möglich, sowohl dafs er vermöge
einer Eingebung des bedeutungsvollen Angenblieks bei
«dem letzten Pascha, das er mit seinen Jüngern feierte,
Brot und Wein zu Symbolen seines zu tödtenden Leibes
und zu vergiefsenden Blutes gemacht hätte, als dafs er
achon einige Zeit zuvor auf den Gedanken gekommen
wäre , seinen Anhängern ein solches Gedächtnifsmahl sn
hinterlassen, wobei er dann gar wohl auch jene ron
Paulus und Lukas aufbehaltenen Worte gesprochen habea
könnte.
DrittesKapitel.
Gin^ nacb dem Oelbergf, Gefangeimeli-
miDg^, Verhör, Verortheiliing und Krea-
zigwkg Jesu.
§. 123.
Jesu Seelenkampf ixn Garten.
Dtti synoptischen Beriobten sofolge ging Jesus sogleich
nach Btendigung des Mahles und Absingang des Hallel^
wie er iberhsupt während dieser FesUeit aofserhalb Je*
rttsalems su flbernaohten pflegte (Mattb. 21 , 17. Lac. 22|
39.)» hinais an den Oelberg, in ein xtDQiaif (bei Job. xjy
.T0(;), Getbiemane genannt CMattb. 26, 30« 36 parall.)) wo-
hin ibo Johannes, mit der ausdracfclieben Erw&hnnng, da(s
es fii>er den Bach Kidron gegangen sei, erst nach einer
langen Reihe von Abächiedsreden (Kap. 14 17.)) ^^^ wel«
che wir spatei zu reden kommen werden, aufbrechen läfst.
Wfihrend an üe Ankunft Jesu im Garten Johannes uo«
mittelbar die Gifangennehmung knflpft: schieben die 8yn«
optiker noch ditfenige Scene dazwischen y weiche man
als den Seeleukau^f J esu zu bezeichnen pflegt.
Ihre Berichte iierllber si;id nicht gleichlautend. Nach
Matthitos und Markis nimmt Jesus, indem er die Qbrigen
Jünger surOckbleibcL beifst, seine drei Vertrautesten, den
Petrus und die Zebediiden, mit sich, wird von Bangigkeit
und Zagen überfallen, erklärt den Direien, bis zum Tode
betrübt zu sein, und reiet sich auch von ihnen, indem er
sie wach zu bleiben ermihnt, los, um für sich ein Gebet
verrichten zu können , in welchem er , das Angesicht auf
liif blrde gebeogc, um Abweidnng des Leideoskelclis flehf^
47i Dritter Abschnitt.
fibrigeiis Alles dem Willen seines Vaters anheimstellt.
Wie er wieder su den JOngern kommt, findet er sie scbia*
fend, ermahnt sie abermals £ur Wachsamkeit, entfernt
sieh _dann noch einmal und wiederholt das vorige Gtbet,
worauf er seine Jünger wieder schlafend antrifft. Zorn
drittenmal entfernt er sich nun, um das Gebet so wieder«
holen, und wiederkommend findet er cum drittenmsl die
Jühger schlafend, erweckt sie aber jetat, um dem niben-
den Verrather entgegen augeben. Von den beiden Drei-
zahlen, welche In dieser Eraühlung der beiden ersten fivsn-
gellsten eine Rolle spielen, hatXukas nichts, sondern nach
ihm entfernt sich Jesus von sfimmtiichen Jfingern, naob-
dem er sie sur Wachsamkeit ermahht, ungefähr auf eines
Steinwurfs Weite, und betet kniend, nur Einmal, aber fast
mit denselben Worten, wie ihn die beiden andern betea
lassen , kehrt dann zu den Jüngern zurfick nnl erweckt
sie, well Judas mit der Schaar sich nShert. Daffir bat
nun aber Lukas isi der einzigen (jchefsscene, >on welcher
er welfs, zwei Dmstände, die den fibrigen Beriiliters tattern
fremd sind, dafs nämlich während des Crebets, anmittelbar
^he der heftigste Seelen kämpf eintrat, ein En^el erschienen
sei, Jesum zu stärken, während der darauf g^foJgten aymia
aber Jesus Schweifs, wie zur Erde faliense^BlatstropfeOj
vergosseil habe.
Von jeher ist an diesem Vorgang U Getbseroane An-
stofs genommen wordeb, weik in denselben Jesus eine
Schwäche und Todesfurcht zu zeigen soheint, welche man
ihm unangemessen gUuben könnte.* £n Celsns ondJoliao
haben, in Rücksicht ohne Zweifel aif die grofsen Muster
eines sterbenden Sokrates und anderer heidnischen Wei-
sen, das Zagen Jesu vor dem Tbde geschmäht 0) ^^
1) Orlg. fi. Cela. 2, 24 : Xt'yft (o Xi'^og)' rC ür natrmrat, wt oSv-
pcrm, xu'i rov r« oktS'QB tfoßov »?;|fC7crt na(>aS^/u€tr , JU'ytay-ic* r. /•'•
— Julian in einem Fragment Theodor* s von Mopsvestia , bei
Drittes KupiteL §. 123. 47S
Vanini sein eigenes Qenebmen bei bevorstehender Hinrich-
fong kühn Über das von Jesu gestellt ^},' und im Ecanr
gelium Kicodemi sebliefst derSutan aus dieser Scene, dafs
Ctkrintus ein blofser Menseh gewesen '}. Die Autflueht
des Apokryphums^ die Betrübnifs Jesu sei nur Verstellung
gewesen, um dem Teufel cum Kampfe mit ihm Muth eo
machen *) , ist nur das fiingestfindnifs , dafs es eine wirk-
liehe BetrAbnifs jener Art bei Jesu nicht sn denken weifs.
Daher berief man sich auf den Unterschied der beiden
Naturen in Christo, und schrieb die Betrübnifs und die
Bitte um Abnahme des .ctnr^Quw der menschlichen, die Kr-
gebung in das Oikr^^a des Vaters aber der göttlichen Na-
tur EU ^). Da Jedoch diefs theils eine uncutfifsige Tren*
nnng im Wesen Jesu bu setzen , theils das Zagen auch
nur seiner menschlichen Natur vor bevorstehenden körper-
lichen Leiden ihm nicht wohl ansustehen schien : so gab
man seiner Bangigkeit einen geistigen Beeug , und maohte
sie SU einer' sympathetischen, indem es nun die Riichlosig->
keit des Judas, die Gefahr, welche seinen J fingern drohte,
und das Schicksal, welches seinem Volke bevorstand, ge-
Ml-KTift, Fragm. Patr. graec. Fase. 1, p. 121 : aXXa xai toukv^
2) Gramond. bist. Call, ab exe. Henr. IV. L. 3, p. 211: Mm-
cilius Vanini — dvm in patiMum trahiiur — Christo iHu- • •
dtt in haee eadem verba: HU in extremis prae timare im-'
MUs sudar: ego imperterritus moriar,
3) Evang. Nicod. c. 20 , bei Thilo , 1 9 S^ 702 fit. : tyti y^^ ^^^y
fttt Stas SaraTBrn
4) Ebendas., 8. 706 y erwiedert Hades dem Satan: tl Se Ityttf^
OTi r^xsaai aurS tfoßHja^vtt rov S&rarov, naCt^ ae «m yd^ fft
riiro, &tltoy, %ya at ü^aaif rr %Htk SvrarJi,
5) So Kilon Origcnes, c. Geis. 2, 25«
V
I
474 Dritter Absohnitt.
wesen «ein soll} BAft ihm solche Tranriglteit Terorsachte *).
Seine Spitee erreichte dieses Streben , den Schmers Jesn
von alier sinnlichen Beimischong und Besiehang auf leipe
eigene Person zu reinigen, in d^r kirchlichen Ansicht, dali
Jesus in das Mitgefühl der Sfindenschnld der gsnteo
Menschheit versetst gewesen sei} und Gottes Zorn über
dieselbe stellvertretend empfunden habe ^); wobei nach
der Ansicht von Einigen^ sogar der Teufel selbst mit Jess
gerungen haben soll ^).
Doch von einem solchen Grun^de der Bangigkeit Jmb
steht nichts im Texte; vielmehr, wie sonst (Matth. 20, 22{.
parall.), so mjifs auch hier das rrtri;()«ai', um dessen Ab-
nahme Jesus bittet, von seinem eigenen Leiden und Tode
verstanden werden. Zugleich liegt jener kirchlichen Ao-
sieht eine nnbiblische Vorstellung von der Stellvertretoog
cum Grande. Jesu Leiden ist allerdings auch ^cbon in
der Vorstellung der Synoptiker ein stellvertretendes far
die Sünden Vieler; allein die Stellvertretung besteht nach
ihnen nicht darin, dafs Jesus nicht unmittelbar diese SOs-
den und das ihretwegen der Menschheit gebührende Lei-
den SU empfinden bekäme; sondern für jene Sünden, und
um ihre Strafe aufzuheben, wird ihm ein persönliches Lei-
6) Hieron. Oomm. in Matth. z. d. St. : Cwitristabatvr tum ti-
more patiendi, gut ad hoc venerat, ut pateretur, sed pmptfr
infelidünimutn Judam, et ncandalum omnium tqn^toiantm,
et rejectionem populi Judaeorum, et ecersionem miur»
Hierusalem.
7) Calvin, Comm. in härm, evangg. zu Mattb. 26, 57: Tfon -
mortem harruit MtmpUdtery quatenus transitus est e numi^
sed quia formidabile Bei tribunal Uli erat ante ocuht , ji-
deae ipse incomprehensibili trindicta armatus, peccala ven
nostra , guorum onus Uli erat impositum , sua iiigenti nuk
eum premebant, VgL Lcthsk's Uauspostille , die erste P<$
siou^predigt.
8) LiiGiiTroor; p. 884 f.
Drittes Kapitel. S« 123. 475
den aufjgelegt. Wie ihn aldo am Kreuze nicht direet die
Sänden der Welt and der aof diese sich beziehende Zorn
(iottes , sondern die ihm beigebrachten Wanden , sammt
sein^ ganzen tjammervollen Lage, in welche er freilich
um der Sünden der Menschheit willen versetzt war,
schmertfteu: so war es der Vorstellung der Evangelisten
zufolge auch .in Gethsemane nicht unmittelbar das Gefäfal
des Elends der Menschheit, sondern das Vorgefühl seines
eigenen, allerdings an der Stelle der Menschheit zu Über«
nehmenden Leidens, was ihn in jene Bangigkeit versetzte.
Von der unhaltbar befundenen kirchlichen Ansieht des
Seelenkampfs Jesu ist man in neuerer Zeit einerseits in
rohenJ^Materialismus zurückgefallen, indem man die Stim»
mung, welche man ethisch rechtfertigen zu l^önnen ver-
zweifelte, zu einer rein physischen macl^te, und Jesu in
Gethsemane eine (Jebelbeit zustofsen liefs ') ; eine Ansicht,
weiche Paulus mit einer Strenge, die er nur fleifsiger auch
gegen seine eigenen Erklärungen hfitte kehren sollen, für
eine unschickliche, textwidrige Umdeutung erklärt, dabei
flber dennoch die^ Il£OMANN*sche Hypothese nicht unwahr-
scheinlich findet, dafs zu dem Innern Schmerz eine leib«
liehe Erkältung in dem vom Kidron durchschnittenen
Thalgrund wenigstens hinzugekommen sei ^^). Von der
andern- Seite hat man der Scene mit moderner Empfind-
samkeit aofzuhelfen gesucht, und das Freundschaftsgefühl,
den Trennungsschmerz, die Abschiedsgedanken, als dasje-
nige betrachtet , was Jesu Inneres so zerrissen ha|>e ^0 )
oder ein trübes Gemisch von dem Allem, von selbstischem
und theilnehmendem , sinnlichem und geistigem Schmerz
9) Thikss, krit. Comm. S. 418 ff.
10) a. a. O. S. 549. 554 f. Anm.
U) SciiusTSR, zur.firtöuterang des N. T., in EicuHoith's BibHoth.
9> S. I0J2 ff.
476 Dritter Abschnitt.
\
Toraosgetetst ^'>. Paulus deutet das ei dvvatov igiy Tianu-
%^iTio TO natTjQiov als rein moralische Aengstliobkeit Jeia,
ob es wirlilich Gottes Wille sei , dafs er sieh dem nicbtt-
bevorstehenden Angriff hingebe, ob es nicht Tieloiehr gotU
gefftiliger wftre, dieser Gefahr noch aussowelcheD : er
macht cur blofsen Anfrage an Gott, was offenbar die dris-
gendste Bitte ist.
Wfthrend Olshauskn sich in die kirchliclie Ansicht so«
rflclLivirflt, and den Machtsproch that, die Meioang, tit
hätte das Sufserliche, l&örperliche Leiden den Kampf in
Jesu bervorgerofen , mttsse als eine das Wesen seiner Er^
scheinang Terniohtende entfernt werden: haiien Andere
richtiger anerliannt , dafs hier allendings der sam Affecte
gewordene Wnnscb , des bevorstehenden farchtliaren Lei-
dens ttberhoben en sein, die Schaoer der sinnlichen Natur
▼or ihrer Vernichtong, sich seigen ^'), Mit Recht ist flbri-
gens gegen den Tadel, der hieraus Jesu erw«chsen sollte^ be-
merkt worden, dafs Ja die schleunige Ueberwindong der
widerstreiienden Sinnlichkeit feden Schein des SOndbsfteo
wieder entferne ^^ ; dafs- flbrigens das Beben der sinnli-
chen Natur Tor ihrer Vernichtung au ihren wesentiicheo
Lebensftufsemngen gehöre ^^;; ja dafs, Je reiner die meneeh«
liebe Natur in einem sei, desto empfindliclfer sie geg»
Schmers und Vernichtung sich verhalte ^^); dafs dsi
Durchempfinden und Ceberwinden des Schmeraens gr6fser
sei als eine stoische' oder auch sokratische Unempfindlich-
keit gegen denselben ^0.
12) Umis, Geschichte Jesu, 2, S. 322 fF. ; Kuinöl, in Matth. p. 719.
13) Ullmank, über die Untiindiichkeit Jesu, in s. Studien, 1,3.61*
Uaskrt, ebend. 3, 1, S. 66 ff.
14) Ullmamk, a. a. O»
15) UASERTy^a. a. O*
16) LvTNiR, in der Predigt vom Leiden Christi im Garten.
17) Ambfosius in Luc. Tom. 10, S6.
i
t
Drittes Kapitel. S* 12S. 477
Mit mehr Grond liat sicii die Kritiii aof die eigen«
thfimliclie DarfttelliMig des dritten ETangelinras geworfen.
Der stärkende Engel liat, wie ans dogmatiselien Gründen
der alten Kirehe, ap der neueren Aoslegung ans brititoben
Gründen, sa schaffen gemacht. Ein altes Scholioa) in
Betracht, ini liji; ioxvog zs ayyeks öx iTsedtero 6 vtio na-
orfi ijiSQovia Swafiaiog q:6ßqf xai TQOfitf^ nQosxwH^'o$ xal
So^ai^6fi€vog 0 fafst das dem Engel sogesehriebene inax^fir
alt ein fflr stark Erklfiren , d. h. als Oarbriognng einer
Doxologie '^; wogegen andere lieber, als Jesnm einer
Stärkung dur^Hi einen Engel bedürftig jsein bq lassen, den
ttyyiX(K: iviaxvun* Bom bösen Engel mschen, welcher gegen
Jesom Gewalt brauchen wollte *'). Wenn nan auch die
Orthodoxen durch die Unterscheidung des Standes der Er-
niedrigung und Entfinfnerung bei Christo von dem Stande
seiner Erhöhung, oder auf ähnliche Weise, den Stachel
der dogmatischen Bedenklichkeit längst abgestumpft ha-
ben: so hat sich an deren Stelle nur um so entschiedener
ein kritisches Bedenken ausgebildet. In Erwägung des
Verdachts 9 welchen nach früheren Bemerkungen angebli-
che Angelophänien jederseit gegen sich haben, bat man
SQch in dem hier erscheinenden Engel bald einen Men-
schen ^) , bald ein Bild für die von Jesu wiedergewon-
nene Ruhe '0 9 finden wollen. Doch der eigentliche Ort
ffir den kritischen Angriff auf die Engelerscheinung war
dorch den Umstand angeaeigt, dafs Lukas der einaige ist,
von welcbem wir dieselbe erfahren '^. Sind laut der ge-
wöhnlichen Voraassetsung das erste und vierte Evangelium
18) In Matthaii*8 N. T. p. 447.
19) LlSHTFOOT, a. s. O.
20) ViKTURuii) 3,677. und vermuthungsweise auch Pavlvs, S. 561.
21) EiCHRORif, allg. Bibl. 1, S. 628 y Thiiss, z. d. St.
22) Vgl. hierüber und über das Folgende Gablsr, im neuesten
Ibeol. Journal, 1^ 2, S. 109 ff. 3, S. 217 ff.
478
Dritter Absehnitt^
I
i^postolischen Ursprangs: wararo schweigt dann Matthias,
der doch im Garten war, von dem Engel, waram beson«
ders Johannes, der anter den Dreien in der Nabe Jeto
sich befand? Sagt man: weit sie, scblaftranken, wiesle
waren, and immerhin in 'einiger Entfernung, noch data
bei Nacht, ihn nicht bemerliten: so fragt sich, woher La«
kas die Notie behommen haben soll^^)? Dafs , sofern die
Jflnger die Erscheinang nicht selbst beobachtet hatten,
Jesus ihnen noch in jener Nacht von derselben sollte er
sMhit haben , ist wegen der gespannten Stimmong jener
Stunden, und der unmittelbar nach der Zurfickkurtft Jesn
zu seinen Jüngern erfolgten AnnUherung des Judas wenig
wahrscheinlich; ebenso, dafs er in den Tagen der Aofer
stohnng es Ihnen sollte mitgetheilt , und diese Kunde nun
nur dem dritten Evangelisten, aii welchen sie doch blofs
mittelbar gelangte, der Aufieeichnang werth geschienen
haben» Da auf diese Weise Alles gegen den historiscben
Charakter der l^ngelerschelnung sich vereinigt: warum
sollten wir nicht auch sie, wie alle, namentlieh in der
Kindheitsgeschichte Jesu uns vorgekommenen Eracheinan*
gen dieser Art, mythisch fassen? Schon Gabler hat die
Ansicht vorgetragen, dafs man in der ältesten Gemeindd
den schnellen Uebergang von der heftigsten Gemüth^bewe-
gung zu der ruhigsten Ergebung, welcher in jener Nftcht
an Jesu bemerklich war, sich der jüdischen Denkweise g^
rofifs durch die Dazwischenknnft eines stärkenden Engeli
erklart, und diese Erklärung sich In die Ereäblong ge-
mischt haben möge, und ScHLfiiBRMACHER findet sls'dai
Wahrscheinlichste, dafs man diese, von Jesu selbst sIs
schwer bezeichneten Augenblicke zeitig durch Engelerschei-
nungen hymnisch verherrlicht, und der Referent im drit-
23) Vgl. Julian bei Theod. v. Mopsv. in Müxtbk's Fragm Pttr
1, p. J2i f.
Drittes Kapitel. $. 123. 47tt
I
ten Evaogelium dieses ursprangliob biof« politisch Gemeinte
gescbiobtiieh genommen habe '^.
Mieht minder anstöfsig als die StXrkung darch den
Engel ist schon frfihseitig der andere dem Lukas eigen«
thamliebe Zug, der blutige Schweifs, gefunden worden.
Wenigstens seheint es dieser vor Allem gewesen eu sein,
welcher die Weglassung der gansen Einschaltung bei Lu-
kas V. 43. und 44. aus mehreren alten Evaogelienexempla-
ren veranlafst bat. Denn wie die Orthodoxen, welche nach
EpipbaAius ^) die Stelle ansmersten, bauptsftcblich den
tiefsten Grad der Bangigkeit, der sich in dem Blutschweifs
ausdrflckt, gescheut cu haben scheinen: so können beson-
ders die doketisch Gesinnten unter denen, welche die Stelle
nicht lasen '^, nur jenen Schweifs perhoiresclrt haben.
Erhob man auf diese Weise früher aus dogmatischen Rfick«
sichten gegen die Scbickliohkelt des Blutschweifses Jesu
Zweifel: so hat man diefs In neuerer Zeit aus physiolo«
gischen Grflnden gegen die Möglichkeit desselben gethsn.
Zwar werden für das Vorkommen von blutigem Schweifs
von Aristoteles 2') bis auf die neueren Naturforscher her-
unter '^) Auctorititen aufgeführt : aber man findet eine
solche Erscheinung immer nur als höchste Seltenheit ond
als Symptom bestimmter Krankheiten erwfthnt« Dfiher macht
Paulos auf das tigti aufmerksam, welchem zufolge hier
nicht geradezu von einem Blutschweifs, sondern nur von
einem mit Blut vergleichbaren Schweifs die Rede sei : die*
24) Uebcr den Lukas, S. 288. Vgl. di ^•Virrs, z. d. St., und
Tmsili, zur Biographie Jesu, ^. 32. Auch NKA^DBa scheint
diesen und den folgenden Zug stillschweigend preisgeben zu
wollen.
25) Ancoratus, 31.
26) s. bei Wirsniir, S. 807.
27) De part. animal. 3, 15.
38) s. bei Michailis, Anm. z. d. St. und Kuoi'öi, in Luc. p. 69t f.
480 Dritter Abschnitt.
$e Vergleichung aber besieht er nur mif die dichte Tro-
pfenbildaog, ond aueh Olshacsen sdinnir iRm so weit bei,
dar« die rothe Farbe des Schvieifies nicht nothwendig in
der Vergleichung enthalten sei. Allein im ZusamioenliAng
einer Ercählnog, welche ein Vorspiel des blutigen Todei
Jesu geben will, wird es doch immer das Natfiriichite
bleiben, die Vergleichung des Schweifses mit Blutstropfen
in ihrem vollen Sinne su nehmen. Ferner kehrt nnn
aber hier noch gewichtiger als bei der Engelerscbeinnng
die Frage snrüoli , wie Lukas eu dieser Notis gekoakmen
Ist, oder, um alle Fragen, die sich hie^^ans wie oben
gestalten, su übergehen, wie die JOnger ans der Entfe^
nung und in der Nacht das Herabfallen blutiger Tropfen
▼om Leilie Jesu bemerken konnten ? Zwar soll qach Pao*
LUS nicht gesagt sein , daCi der Schweifs herabgefaileo sei,
sondern , indem das xaraßuitovreg statt auf idQoig vielmehr
auf die nur sur Vergleichung herbeigesogenen O'Qo^tßoi J
ficaos sich beaiehe, so sei nur gemeint, dafs ein Sehweif«,
so dicht und schwer wie fallende Blutstropfen , aof Je»
Stirne gestanden habe. Allein ob es heifst; der Schweib
fiel wie Blutstropfen auf die Erde, oder: er war wie anf
die Erde fallende Blutstropfen, wird wohl Biemlich auf
Eines hinauüiaufen ; wenigstens wfire die Verglelchong ei-
nes auf der Stirne stehenden Schweifses mit sur Erde
frfiufelndem Blute ungeschickt, vollends wenn mit den
Fallen auch die Farbe des Bluts aips der Vergleichung weg*
bleiben, find von dem logei i^QOfißot aifiarog xcctaßmoni;
HS t^v yijv eigentlich nur das (ogel O^Qo^ußoi einen bestimm-
ten Sinn haben soll. Nehmen wir also, da wir den Dm-
atand weder begreifen, noch uns denken können, woher
der Referent eine historische Kunde von demselben hsben
sollte, lieber auch diesen Zug mit Schleiermachkr sii ei-
nen poetischen, welchen der Evangelist geschichtlich ge-
nommen, oder besser als einen mythischen, dessen Ent-
stehung sich leicht aus dem Trieb erkifiren läfst, das Vor
Uritte« Kapitel. $. 123. 4SI
spiel des Leidens Jesa am Kreose , was dieser Kampf im
Garten war, dadorcb mu vervoltst£ndfgen, dab nicht blofs
das psychische Moment jenes Leidens in der Bekfimmer-
nirs, sondern aocb das physische in dem Blutochweifs sollte
vorgebildet gewesen sein.
Dieser Eigenthftnilichkeit des Lnkas gegenttber ist sei*
nen beiden VorgSngern, wie gesagt, die doppelte DreicAhl,
der Jünger, and der Entfernungen und Gebete Jesu, ei*
gen. Kennen wir hier an der ersteren keinen besonde-
ren Änstofs nehmen, so hat doch die sweite etwas Befrem.
deodes. Man hat zwar ein so anstetes Hinnndhergehen,
ein so schnell wechselndes Siebentfernen und Wiederkom-
men, gann der Stimmung angemessen gefunden, in welcher
Jeaus damals war -O9 nnd ebenso in der Wiederholung
dea Gebets eine sachgemlfse Steigerung, eine immer voll*
stindigere Ergebung in den Willen des Vaters richtig
michgewiesen ^^. Allein dafs die beiden Referenten die
Günge Jesu nfthlen, von ix detriQa nnd ix iqits sprechen,
neigt schon, dals ihnen gerade an der Dreleahl besonders viel
gelegen war; wenn dann Matthftns swar dem nweitea
Gebet einen von dem des ersten etwas verschiedenen Ans-
dmok £u geben weifs, beim dritten aber Jesnm nur Toy
avtov Xayov wiederholen läfst, was Markus schon bei*m
sweiten Male thut: so wird vollends deutlich, dafs sie in
Verlegenheit waren , die beliebte Dreisahl der Gebete mit
gehörigem lohalt ausanftllien. Nach Olshausek soll Mat-
thäus mit seinen drei Acten dieses Kampfs schon defshalb
gegen Lukas recht haben , weil diese drei auf Jesum mit*
telst jder Furcht gemachten Angriffe den drei Angriffen
mittelst der Lust in der Versuchungsgeschicbte gegen Ober
stehen« Diese Parallele ist gegrQndet; nur fahrt sie auf
29) Paulus, a. tu O. S. 549.
30) Thsils, in Winir^s und EKSSLiuRiyr's krit. Joarnsl, 2, 8.353;
Nkabdiii, L. J. Chr. S. 616 f.
Ar« Leben Jem Ue Aufl. ii. Band. 3 t
/
\
482 Dritier Abschnitt.
das entgegengesetzte Ergebnlfs von ftemjenigen , welche«
Olsha.usen aus' ihr sieben will. Denn was ist nnn wahr-
scbeinlicher: dafs in beiden Ffillen die dreimalige Wiede^
holang des Angriffs ihren objectiyen Grond in einer ver-
borgenen Gesefsmfirsigkeit des ^jeisterreichs gehfibt hube,
mithin als wirklich historisch anzasehen sei ; oder dHfs ihr
blofs snbjectiver Grund in der Manier der Sage liege, und
demnach das Voriiommen dieser Zahl nns hier so sicher
wie oben bei der Versuchungsgeschichte aaf etwas Mythi-
sches hinweise '0 ^
Rechnen wir also £ngel, Blotschweift und die gerade
dreimalige Wiederholong der Entfemang and des Gebets
Jesa als mythische Zathaten ab: so bliebe vorlfiafig alt
geschichtlicher Kern die Thatsache , dafs Jesos an jenem
Abend im Garten in ein heftiges Zagen hineingeratben
sei, und Gott am Abwendung seines Leidens , mit Vorbe«
halt Jedoch der Unterwerfung unter seinen Willen , gebe-
ten habe : wobei es indefs unter Voransseteun|^ der ge-
wöhnlichen Ansieht vom Verhüitnifs unserer Erangelien
sieht wenig befremden mufs, dafs dem johannefscheoBirsn-
geilum selbst diese Gründcüge der in Rede stehenden Ge-
schichte fehlen.
is 124.
Verhältnis« des vierten Gvangeliiuni zu den Vorgängen in Geili-
semanc. Die jubanneischcu Abschiedsreden und die Scene
^ , " bei Anmeldung der Hellenen.
Das Verbleiten des Johannes bu den bisher erwogenen
Ersfihiungen aer Sypoptiker hat näher die ewei Seiten,
dafs er erstlich von dem| was diese geben, nichts hat, und
ftweitens statt dessen ätwas hat, was mit dem von
Synoptiliern firsUhlten schwer vereinbar ist.
51) Vgl. Wrissi, die evang. Geschichte, 1, S. 611.
DriCles Kapitel. §• 124. 4S:i
Was die erste, negatirc^ Seite betrifft, so ist) bei der
gewöhnlichen Voraossetzang über den Verfasser des vier-
ten Evangelioms ond die Richtiglieit des synoptischen Be-
richtes, SU ericlfiren, \vie es kommt, dafs Johannes, der
doch den beiden ersten Evangelien zufolge einer der drei
gewesen ist, welche Jesus als die nSheren Zeugen seines
Kampfes mit sich nahm, den ganzen Vorgang mit Stiil-
scbweigen übergebt? Auf seine Sehläfrigkeit wfihrend des-
selben darf man sieh nicht berufen ; da , wenn diese ein
Hindernifs war, sSmmtliche Evangelisten, nicht Johannes
allein , von der Sache schweigen mOrsten* Daher zieht
man auch hier das GewShnliohe heran, er übergehe die
Scene, weil er sie schon bei den Synoptikern sorgffiltig
genug dargestellt gefunden habe ^). Allein zwischen den
beiden ersten Synoptikern und dem dritten findet ja hier
eine so bedeutende Abweichung statt, dafs sie den Johan«
nes, wenn er auf Ihre Darstellungen Rücksicht nahm, aufs
Dringendste auffordern mufste, in diesem Streit ein ver-
mittelndes \yort zu sprechen. Vl^enn aber auch nicht an^
den vor ihm liegenden Arbeiten seiner Vorgfinger : so soll
Johannes doch haben voraussetzen können, dafs aus der
evangelischen Tradition Jene Geschichte seinen Lesern hin-
Ifinglich bekannt sein werde ^). Doch, da aus dieser üeber-
lieferung die so sehr abweichenden Darstellungen der Syn-
optiker hervorgegangen sind, so mufs in ihr selbst schon
frühzeitig ein Schwanken gewesen , und die Sache bald
so bald anders erzählt worden, folglich auch voi* hier aus
an den Verfasser des vierten Evangeliums die Aufforderung
ergangen sein, diese schwankenden Erzählungen durch
seine AnctoritäC zu berichtigen. Daher hat man neuestens
auf etwas ganz Besonderes gerathen: dafs nämlich Johan«
nes die Vorgänge in Gethsemane defswegen übergehe, um
1) OLtHAUtiir, 2y S. 429.
2) I.tCKR, 2, S. 591.
31
484 Dritter Abschnitt.
nieht darch Grwühnang .des stiirkenden Engels der ebioni-
tischen Meinung Vorschub eu tbun, das Höhere in Christo
sei ein Engel gewesen , der sich mit ihm bei der Taufe
verbunden habe, und damals, vor. dem Antritt des Leidem,
wie man glauben konnte, wieder von ihm geschieden sei ^).
Allein , auch abgesehen davon , dafs wir diese Hypothese
schon sonst als unsurefchend gefunden haben, die Aus-
lassungen im Johanneischen Evangelium su erklXren, so
mufste Johannes, wenn er eine engere Resiehufig Jesu auf
Engel vermeiden wollte, auch noch andere Stellen aas sei-
nem Evangelium weglassen : vor allen , worauf LtJcKE aof-
merksam macht*), 1, 52. den Ausspruch von den fiberihn
auf- und absteigenden Engeln; dann aber auch das, cwtr
nur als Vermuihung etlicher Umstehenden gegebene, ayyt-
los avtip ?€)LdXr^x€v 12, 29. .Nahm er aber aus irgend ei-
nem Grunde an dem Engel im Garten gdne .befondern
Anstofs : so konnte doch hierin nur ein Grund liegeiji , mit
Matthäus und Markus, die. Daswischenkunft des Engels,
nicht aber die gan^e, von der Angelophanie wohl trenn-
bare Geschichte wegaulassen«
Will sich nun schon das Fehlen der Begebenheit bei
Johannes nicht erklären lassen: so wächst die Schwierig-
keit, wenn wjr dasjenige erwägen, was derselbe statt die-
ser Scene im Garten über die Stimmung Jesu in den leis-
ten Stunden vor. setner G^fangennehmung mittheilt. Nfim-
lich an der gleichen Steile swar, welche d^e Synoptilier
dem Seelcnkampf anweisen, hat Johannes nichts, indem er
nach Jesu Ankunft im Garten sogleich die Verhaftung er-
folgen läfst : aber unmittelbar vorher, bei 4ind nach dem
letfften Miihle, hat er Reden,. von einjdr Stimmung beseelt,
auf welche dergleichen Scenen , wie sie laut der synopti-
schen Berichte im Garten vorgegangen sisin sollen j nicht
3) ScHNiCKiNBURUR, Beitrage, S. 65 f.
4) Conun. 1, S. 177 f.
Drittes Kapitel. §. 124. 485
wohl gefolgt sein können. In den Abschiedsreden bei Jo-
hannes nfimlichy Kap. 14 17, spricht Jesas gans wie ei-
ner , der das bevorstehende Leiden ini^rlfch schon völlig
aberwunden hat; von einem Standpunkt', welchem der'Tod
in den Strahlen der auf ihn folgenden Herrlichkeit ver-'
schwimmt; mit einer göttlichen Ruhe, die in der Gewifs-
heit ihrer Unerschfitterlichkeit heiter ist : wie konnte ihm
unmittelbar darauf diese Ruhe in der heftigsten Gemtiths*
bewegnng, diese Heiterkeit in TodesbetrObnifs untergehen,
und er aus dem schon gewonnenen Sieg wieder Eum
schwankenden Kampf, in welchem er der Stfirkung durch
einen Engel bedurfte, Eurficksinken ? In jenen Abschieds-
reden ist er es dui'chaus, welcher aus derFttlie seiner in-
neren Klarheit und 'Sicherheit die cagändeu' ÜWunde be-
ruhigt: und nun soll er bei den schlaftrunkenen Schfilern
geistigen Beistand gesucht haben-, indem er sie mit ihm
eu wachen bat ; dort ist er der heilsamen Wirkungen sei*
nes bevorstehenden Todes so gewifs, dafs er versichert, es
sei gut, dafs er hingehe, sonst kXme der TuxQamkrjiog nicht
3BU ihnen: nun soll er hier wieder geeweifelt haben, ob
sein Tod auch wirklich des Vaters Wille sei; dort eeigt
er ein Bewufstsein, welches in der Noth wendigkeit des
Todes dadurch, dafs es diese begreift, die Freiheit wieder-
findet, so dafs sein Sterbenwollen mit dem göttlichen Wil«
len, dafs er sterben solle, eins ist: hier gehen diese beiden
Willen so auseinander, dafs sich der subjective unter den
absoluten swar freiwillig, aber doch nur sehmerEhaft^
beugt. Und diese beiden so entgegengesetzten Stimmungen
sind nicht etwa durch eine Ewischeneingetretene sehre*
ekende Begebenheit, sondern nur durch den geringen Zeit-
raum getrennt, welcher während ^es Gangs ans Jerusalem
Ober den Kidron nach demOelberg verlief: gans als wKre
Jesu in Jenem Bache , wie den Seelen in der Lethe , alle
Erfnnemng an die vorangegangenen Reden und Stimmungen
versunken.
48(» Dritter Absdhnitt.
Mao beruft sieh zwar auf den Wechsel der Stirn-
mungen, welcher natürlich, je näher dem entscl^eidenden
Momente, desto schneller werde ^); auf die Thatsache,
dafs nicht selten im Leben gläubiger Personen eine piots-
liehe Entziehung der höheren Lebenskräfte, eine GottTe^
lassenheit. eintrete, welche den doch erfolgenden Sieg erst
wahrhaft grofs und bewundernswerth mache ^). Äileia
diese letztere Ansicht verräth ihren nngeistigen Ursprung
ans einem imaginirenden Denl&en (welchem die Seele etwa
wie ein See erscheinen kann, der, je nachdem die zufah-
renden Kanäle verschlossen, oder deren Schleusen geöffnet
werden, ebbt oder fluthet) sogleich durch die Widerspräche,
in welche sie nach allen Seiten sich verwickeU. Der Sieg
Christi Über die Todesfurcht soll erst dadui'cb seine rechte
Bedeutung gewinnen, dafs, während ein Sokrates nur sie-
gen konnte^ indem er im vollen Besitz seiner geistigen
Kraftfülle blieb, Christus über die ganze Macht der Fio-
aternifs auch in der Verlassenheit von Gott und der Ftille
seines Geistes, durch seine blofse menschliche ilfvyj]^ zo
siegen im Stande war — : ist dlefs nicht der roheste Pe-
ingianismus , der grellste Widerspruch gegen Kirchenlehre
wie gegen gesunde Philosophie, welche gleicherweise dar-
auf bestehen, dafs ohne Gott der Mensch nichts Gat<*i
thun, nur durch seinen Harnisch die Pfeile des Bösewichts
zurückschlagen könne! Um diesem Widerspruch gegen die
Ergebnisse eines wirklichen Denkens zu entgehen, mafs
jenes phantasirende Denken einen Widerspruch mit sich
selbst hinzufügen, sofern nun in dem stärkenden Engel
Cwelcher beiläufig auch gegen allen Wortverstand der
Stelle zu einer blofs innerlichen Erscheinung, die Jesus
hatte, umgedeutet wird) dem in der höchsten Verlasses-
beit ringenden Jesu ein Zaflufs geistiger Kräfte zu Theil
5) LücKB, 2, S. 5P2 ff.
6) Olshavisk, 2; S. 429 f.
I
Drittes KapiteL $. 124. 487
geif Orden seiu soll, eo dab er also doch nicht^wie vort|er
gerfibiBt worden war, ohoe, aondern mit Hülfe göttlicher
Krfifte gesiegt h&tte: wenn nSDilieh iiaeb I^hImw 4^ Engel
vor den letsteo y heftigsten Momente des Kampls ,, um Je-
«om für denselben co stXrken, erschienen ^mu- soll. Obcb
ehe man so offenbar sieb sellMt widerspricht, vriiderspricht
man lieber Forsteekt dem Text , and . so Terdf^bt nun
Olshauskn die Stellang der Momente, indem er oboye Wei-
teres annimmt, die Stirkang sei nach dem dipeimaiigen
Gebete, also nach bereits errungenem Siegf,, eingetreten,
sa welchem Behaf dann das nach Erwähnung des Jingeis
«lebende xai yevo^ievos iv ayeüvlt^t imevigeQOn T^Qogj^i'xeto
mit höchster Willkür als Plosqnamperfectam g^0|it^l| wird.
Doch aach abgesehen von dieser sinnlichen Ausmalung
des Grandes, weicher den sehneilen Wechsel iar Jesi| Stirn*
mung herbeigeführt haben soll, ist die Annahme eines sol*
eben auch an sich von vielen Schwierigkeiten gedrückt.
N&her nämlich wäre, was hier bei Jesa stattfände, nicht
ein blofser Wechsel, sondern ein Rückfall der bedenklich-
sten Art. Mamentlich in dem sogenannten hohenpriester*
liehen Gebete, Job. 17, hatte Jesus seine Kechnong mit
dem Vater völlig abgeschlossen ; jedes Zagen in Beeug auf
das , was ihm' bevorstand , lag hier berelu so wmt hinter
ihm, dafs er über sein eigenes Leiden kein Wort verlor,
und nur de^ Drangsale gedachte, welche seinen Freonden
drohten; den I^aaptinhalt seiner Unterhaltung mit dem
Vater bildete die Herrlichkeit , in welche er sofort einen-
gehen, ond die Seligkeit, welche er den Seinigen erworben
Bu haben hoffte: so dab sein Hingang cum Schaoplata der
Gefangennehmung gans den Charakter hat, dem innerlich
und wesentlich bereits Vellsogenen nor noch die äufsere Ver-
wirklicbnng als accidentelle Beigabe hinsusufdgen. Wenn
non Jesus nach diesem Abschlüsse die Kechnong mit Gott
noch einmal eröffnete, wenn -er, nachdem er sich schon
Sieger gemeint, noch einmal in ängstlich^a Kampf /.urttck-
488 Dritter Abschnitt.
sank : mttfste er da nicht sich fragen lassen : waram bist
du, statt in eiteln Hoffnungen der Herrlichkeit so schwel*
gen, dich nicht lieber bei Zeit mit dem ernsten Gedanken
des bevorstehenden Leidens beschfiftiirt, nm dir durch sol-
che Vorbertitong die gefAhrliohe L'eberraschong durch
das Hef*annahen desselben 2u ersparen ? warum hast da
Triumph gerufen , ehe du gekfimpft hattest , nm dann bei
Annä'bernng des Kampfs mit Beschämung um HOlfe rofen
sn mAssen? In der That, nach der in jenen Abschiedt-
reden, und ' besonders im Schlufsgebet, ausgesprochenen
Gewifsheit des bereits errungenen Siegs wäre das Herab-
sinken in eine Kimmung, wie sie die Synoptiker schildernj
ein sehr demilthigender Rückfall gewesen, welchen Jesot
flicht voraulBgesehen haben könnte, sonst würde er sich
vorher nicht so selbstgewifs ausgesprochen haben ; welcher
demnach beweisen würde, daft er sich über sich selbst
getäuscht, dafs er sich flQr stärker genommen hätte, als er
sich wirklich fand, und dafs er Jene eu hohe Meinung von
sich nicht ohne einige Vermessenheit ausgesprochen hätte«
Wer nun diefs dem sonstigen, ebenso besonnenen als be*
scheidenen Wesen Jesu nicht angemessen findet, 'der wird
sich SU dem Dilemma gedrungen fühlen, dafs entweder die jo-
hanneischen Abschiedsreden, wenigstens das Schlnfsgebet,
oder aber die Vorgänge in Gethsemane, nicht historiieh
sein können. .
Schade, dafs bei der Entscheidung hierüber die Thes-
logen mehr von dogmatischen Vorurtheilen , als von krid-
sehen Gründen ausgegangen sind. Dsteri*s Behauptosg
wenigstens, dafs nur die Johanneische Darstellung der
Stimmung Jesu in seinen loteten Stunden die richtige, die
der Synoptiker aber onhistorisch sei '), wird man nur asi
der damaligen Anhänglichkeit ihres Urhebers an die Part-
7) Commenlatio critica, qna Evangelium Joannis gcnuiniim
^ ostenditur, .p. $7 ff*
ess«
Dritte« Kapitel. {.124. 48Ü
graplien der ScBLBiBRMACHBR'aeben Dogmatik erklärlich
finden, in welofaer der Begriff der tJnsflndliehkeit Christi
auf eine Weise gespannt wird, die selbst das Kleinste von
Kampf aQssebliefst ; denn dal's, abgesehen von solchen Vor»
anasetznngen , die jobanneische Darstellong der lotsten
Standen Jesu eine natürlichere und sachgemAfsere wäre,
nScbte schwer naohanweisen sein. £her könnte umgekehrt
BRBTSCHNfiiDsa rocht so haben scheinen, wenn er fflr die
Synoptiker die grdfsere Natfirlichkeit und innere Wahr»
beit der Schildemng in. Ansprach nimmt ®) : wenn nur
nicht die Art, wie ihm an den von Jobannes in diesen
Zeitpunkt gestellten Reden haäptslehlieh das Dogmatische
and Metaphysische sa wider ist, an den Ursprung seiner
gancen Polemik gegen den Johannes aus dem Widerwillen
seiner kritischen Reflexionsphilosophie gegen den specola«
tiFen Gehalt des vierten Evangeliums erinnerte.
Gans abrigens hat, wie auch die Probabilien bemer«
ken, Johannes die Be&ngstigung Jesu in BcEug auf seinen
bevorstehenden Tod nicht übergangen, nur dafs er sie
schon an einer früheren Stelle, Job. 12, 27 ff. , eingefügt
bat. Bei aller Verschiedenheit der Verhältnisse (da die
von Johannes beschriebene Scene unmittelbar nach dem
Kinaug Jesu in Jerusalem vorgeht, als ihn mitten unter
der Menge einige aum Fest gekommene Bellenen, ohne
Zweifel Proselyten des Thors, an sprechen wfinschten)
and des Hergangs selbst, .findet doch awischen diesem
Vorfall und deip , welchen die Synoptiker in den letaten
Abend des Lebens Jesu und in die Einsamk^t des Gaf-
tena versetsen, eine auffallende Debereinstimmung statt.
8) Frobab. p. 33ff. In der dritten Ausgabe seines b. Comm. mtfge
doch Olshaussiv endlich den Verf. der Probabilien aus der
Reibe derer wegstreichen, weiche die synoptische Krzahlung
vom Kampf in Gethsemane mit Rücksicht auf d.is Stilischwti-
gen des Augenzeugen Johannes für irrig halten (2, S. 428.)'
490 Drilter Abschnitt
Wie Jeans hier seinen Jflngern erlillrt : neQÜivTiog izif if
t/ßvx'^ (iH twi; D-avacH CMatth. 26 , 38.) : so sagt er dort:
vvv 7} ^ffirif] (XH TevdQcocrai (Job. I2| 27.); v^ie er hier be>
let, iVa, ei dvvatov igi^ naQtl^j] an avtö rj äifa (Mtre.
14} 35.) : 80 bittet er dort : ndre^ , aoiaov f.ie ex ri]^ m^
'luvif^ (Job. ebd«.)! ^^^ ^1^ aber hier eich darob die Re-
atriction : diX ii iL iyw xkihü^ ukld ri avy tiernbigt, cMare.
14, 36.) : 80 dort dareh die Reflexion : dXld did täio ^l
•O-ov eis '^^ wQiXP Tainrpf CJoh. ebendaa.); endlich^ wie hier
ein äyyeXoQ evtO'ivvjv Jean erscheint (Lue. 22 , 43.) : lo e^
eignet sich auch dort etvras^ daa einige der UmstehendeD
an der Aearserung ?eianlafst : ayyelog avr(} lehUrpct» (Joh.
V. 29.)* Durch diese Äehniichkeit bewo|;en, haben neoefe
Theologen den Vorgang Joh. 12, 27 ff. nit dem in Gethse-
mane für identisch erliifirt ; wobei es nur darauf ankao,
auf weiche von beiden Seiten der . Vorwurf ungenauer l^r-
•älilnng und namentlich unrichtiger Stellung fallen sollte.
Uer Richtung der neueren Kvangelienkricik gemifs ist
sunächst den Synoptikern aufgebürdet worden, in dieser
Sache sich geirrt an haben. Die wahre Veranlassung des
Seelen kämpfe Jesu sollte nur bei Johannes bo finden sein,
in der Annäherung jener Hellenen nfimlich, welche ihm
durch Philippua und Andreas den Wunsch au erkennen
gaben, ihn au sehen. Diese haben ihm ohne Zweifel An-
träge machen wollen, Palästina au verlassen und unter
den auswärtigen Juden fortaawirken ; ein solcher Antrag
habe einen Reia^ fär ihn enthalten , sich der drohenden
tiefahr au entaiehen, und diels ihn auf einige Augenblicke
in einen Zustand von Zweifel und innerem Kampf gesetit»
welcher jedoch damit geendigt habe, dab er die Hellenen
nicht vor sich liers '). Das beifst nun nichts Anderes, als
9) GoLOHORfi, über das Schweifen des Joh. Eran^eÜums iibnr
drn Seelenkampf Jesu in Oelhsemane, in TtSGHtRKih's Ma-
gaxin f. Christi Prediger, 1^ 2, S. 1 ff.
Drittes Ka|iitel. $. 124* 491
«
mit einem f dorch doppeltes, kritisches wie dogmatisches
Vorurtheii gescharfteu Gesichte vsvischeo den Zeilen des
Tezttfs gelesen; denn von einem »olchen Antrag, den die
Hellenen beabsichtigt hätten, ist bei Johannes keine Spur:
da es doch, gesetzt auch, der l£vangelist habe von dem
Plan der Hellenen durch diese selber nichts gewufst^ den
Reden Jesu aneumerken sein müfüte, dafs sich seine Ge-'
mflthsbewegung auf einen ^ solchen Antrag beeog. Nach
dem Zusammenhang der johan fleischen Darstellung hatte
das Begebren der. Hellenen keinen andern Grund, als dab
lie durch den feierlichen Einzog und das viele Reden der
Leute von J^sa begierig geworden waren, den gefeierten
Mann tsa sehen^und kennen zu lernen , und di^ Gemüths*
bewegung, iu welche Jesus bei diesem Anlafs hineingerieth,
hing mit ihrpm Begehren nur so zusammen , dafs Jesus
dadurch veranlafst wurde, an die baldige Verbreitung sei-
nes Reichs in der Heiden weit, und an die unerlfifsliche
Bedingung von dieser, an seinen Tod, zu denken. Je ver«
mittelter und entfernter aber bierftach die Vorstellung sei-
nes bevorstehenden Todes Jesu vor die Seele trat: desto
wenigisr ist zu begreifen, wie sie ihn so stark ersehttttern
konnte, dafs er sich gedrungen fühlte, den Vater um Ret-
tung ans dieser Stunde anzuflehen , und wenn er einmal
im Vorgefühl des Todes im innersten erbebt haben soll^
80 scheinen die Synoptiker dieses Zagen an eine richtigere
Stelle, in die' nninittelbarste N 8 he« des beginnenden Lei*
dens, zu verlegen. Auch das fällt bei der johanneischen
Darstellung weg, was die Synoptiker zur Rechtfertigung
der Bangigkeit Jesu an die Hand geben : dafs in der Ein-
samkeit des Gartens und der Macht, deren Schauer ihn
fiberfielen, sich eine solche Gemüt hsbevvegnng eher scheint
begreifen 9 und ihre unverhohlene Aeufserung im Kreise
▼on lauter Vertrauten und Würdigen sich wohl rechtferti-
gen zu lassen. Denn nach Johannes befiel Jene Er^ohOt-
teruDg Jesum am bellen Tage, mitten uliter dem zttströ-
492 Critter Abschnitt.
Aenden Volke , wo man« sonst leichter die Fassang behüt,
oder vor welchem man doch, des möglichen MirsFerstind-
nisses wegen , stärkere^ Gemtithsbewegungen in sich ve^
schliefst.
Weit eher wird man daher der Ansicht Tbrile*» eb-
stimmen können, dafs der Verfasser des vierten Evange-
liums die von den Synoptikern richtig eingefügte Begeben-
heit an einen falschen Ort gestellt habe ^^)« Da Jesoi
zur Einleitung einer Antwort an die Hellenen, welche den
durch den Eineug Verherrlichten sprechen wollten, geiagt
hatte: ja, die Stunde meiner Verherrlichung ist da, aber
der Verherrlichung durch den Tod (12 , 23 f.) : so habe
diefs den Enefihler verleitet, statt die wirkliche Antwort
Jesu an fiie Hellenen sammt dem weiteren Verfolg anzo*
gebep, vielmehr Jesum sich ausffihrlich über die innere
JNoth wendigkeit seines Todes verbreiten bu lassen , wo er
dann fast onbewurst auch die Schilderung des ionereo
Kampfs, den Jesus rficksichtlich seiner freiwilligen Aof-
opferung eu bestehen hiitte, eingeflochten habe, welchen
er defswegen später, an seiner eigentlichen Stelle, über-
gehe. Eigen ist hiebe! nor , dafs Theilb der Meinung ist,
eine solche Umstellung habe dem Apostel Johannes selbst
begegnen können. Dafs sich ihm der Vorgang in tiecbse-
mane, da er während desselben schlaftrunken gewesen,
nicht tief eingeprägt habe, und dafs derselbe Oberdem
durch den schnell darauf erfolgten Kreueestod in den Hin-
tergrund seines Bewufstseins gerückt worden sei, dadorch
könnte man etwa erklärt finden, wenn er ihn gans flbe^
gangen, oder nur summarisch dargestellt hätte, keines-
wegs aber, dafs er ihn an unrechter Stelle eingeffigt hat.
So viel mafste er doch , wenn er unerachtet seiner dsoa-
ligen Schläfrigkeit von dem Vorgang Motis genommen hat-
iO) s. die Recens. von üstbri's Comment. crit., in Wikiä'j und
^seBLKAiivr't n. krit. Journal, 2, S. 5$9 ff.
Drittes Kapitel. §. 124 493
te, behalten, dafa jene eigeDthllfflliche Stfotanng Jesum
hart vor dem Anfang seines Leidens, und in Naebt und
Einsamkeit befallen habe: wie konnte er jemals seine Er«
innernng so weit verlfingnen, dafs er die Scene in weit
früherer Zeit, ,am hellen Tag und unter vielem Volke vor-
gehen liefsf Um nicht auf diese Weise die Aechtheit des
jobsnoeischen Evangeliums su gefkhrden, bleiben Andere
dabei , mit Berufung darauf, dafs ' eine solche Stimmung
im lotsten Abschnitte des Lebens Jesu mehrmals habe
vorkommen können, die Identitfit d^r beiden Soenen an
liognen '0.
Allerdings find^ Ewischen der synoptischen Darstel-
lung des Seelenkampfs Jesu und der jobanneiscben , auch
snfter der rerschiedenen ftufseren Stellung, im Inhalt bei-
der Vorgfinge noch bedeutende Abweichungen statt, indem *
namentlich die johanneische Erefihlung Zfige enthält, wel-
che in den Berichten der drei ersten Evangelisten Ober
den Vorfall in Gethsemane keine Analogie findpn. Wenn
nümlich 2w;Ar das Flehen des johanneischen Jesus um Ret-
tong aps dieser Stunde bei den Synoptikern vollkommen
anklingt : so fehlt es doch ffir die bei Johannes hinnoge-
ffigte Bitte: iiiatq^ do^aaov au t6 ovofia (12, 28.)» an ei-
ner Parallele ; ferner, wenn swar in beiden Darstellungen
von einem Engel die Rede ist, so ist doch von einer Him-
raelsatimme, welche im vierten Evangeliom die Meinung,
es sei ein Engel im Spiel gewesen , veranlafst , bei den
Synoptikern keine Spur. Sondern solche Himmelsstimmen
linden wir in diesen Evangelien nur bei der Taufe und
wieder in der Verkifirungsgeschichte , an welche letctere
aaeh die Bitte des johanneischen Jesus: nont(f, do^düov
OH t6 ovofiOy erinnern kann. In der synoptischen Beschrei-
bung der Verklfirung swar findet sich der Ausdruck : doSa
Qnd öo^ai^eiv nicht ; dagegen Itf fst der sweite Brief Petri
11) Ha», L. J. $. 154 ; Lvcki, 2, S. 591 f. Anm.
494 Dritter Ahschnitt.
Je^u bei der Verklärung nfir^v xal do^av zo Theil werden,
und 'die Rimmelsstiniine aus der (A€ya).o:i{ii7ii]^ öo^u. er-
schallen (1| 17 f.)* So bietet gich denn eu den beiden
bisdaher betrachteten Erzählungen noch eine ' dritte als
Parallele dar, indem die Scene Joh. 12, 27 ff., wie einer*
seits durch die Bekümmern ifs und den Engel mit dem
Vorgang in Gethaemane, so andrerseits durch die Bitte
um Verklarung und die gewährende Himmelsstimflie mit
der Verklfrungsgeschichte xusammenhängt. Und nun sind
ewei Fälle möglich : entweder ist die johanneische Enib-
iung die einfache Wnrsel , aus welcher auf traditionelleBi
Wege durch Scheidung der in ihr enthaltenen Elemente
die beiden synoptischen Anekdoten von der Verklärung ond
dem Seelenkampf bervorgewachsen sind: oder sind diese
letzteren die ursprünglichen Gestaltungen, aus deren Auf«
lösung und Verschwemmung in der Sage die johanneische
Erzählung als gemischtes Product zusammengeflossen ist;
worfiber nur die Beschaffenheit der drei Anekdoten ent-
scheiden kann. Dafs nun die synoptischen Erzählungen
von der Verklärung und dem Seelenkampf klare GemSlde
mit bestiL«mt ausgebildeten Zögen sind, kann fflr sich
nichts bevir.^en, da, wie wir zur Genüge gefunden hi-
ben , eine «lus sagenhaftem Boden erwachsene Erslihiong
ebensogut, als eine rein historische, jene Eigenschaften
besitzen k^inn. Wäre also die johanneische Darstellung
jenes Auftritts nur minder klar und bestimmt gehalten, ^o
könnte sie defswegen doch für den ursprßnglichen , einfa-
chen Bericht gehalten werden ^ aus welchem sicli durch
die ausschmückende und malende Arbeit der Ceberliefe-
rung jene farbigeren Gebilde herausentwickelt hätten. Nun
aber fehlt es der johanneischen Erzählung nicht blofs an
Bestimmtheit, sontlern an Uebereinstimmung mit den um-
gebenden Verhältnissen und mit sich selbst. Wo Je^u
Antwort auf das Gesuch der Hellenen bleibt, und wo
diese selber hinkommen, weifs Niemand; die piucJiche
Drittes Kapifel. §• 124. 405
Beklenmang Jesa and die Bitte am eine EhrenerklXrang
von Seiten Gottes sind nieht gehörig iDoti?lrt. «Ein solches
Gemisch nnEasammengehdriger Theile ist «her immer da«
Kenneeichen eines secondfiren Products , eines sosammen-
geschwemmten Congloraerats : and so scheint denn der
Schlofs gerechtfertigt, dafs in der johanneischen Ersihlang
die beiden synoptischen Anekdoten von der Verklärung
ond vom Seelen kämpf Eusammengeflossen seien« Hatte dem
Verfasser des vierten Evangeliauis die Sage, wie es scheint,
lehon ziemlieh verwaschen ^-) and nur in unbestimmten
Umrissen , von jeneti beiden VorfKllen Kunde Eogefilhrt :
80 konnten ihm leicht, wie sein Begriff von do^a^nv die%B
Ztveiseitigkeit von Leiden and Herrlichkeit hat , beide
sieb vermengen ; was er in der Erefihlung des Seelenkampfs
von einer Anrede Jesa an den Vater vernommen hatte,
konnte er onit der göttlichen Stimme aas der Verkllirangs-
geschichte als Antwort darauf verbinden ; dieser Stimme,
deren näherer Inhalt, wie die Synoptiker ihn geben, ihm
nicht berichtet war, gab er aus der allgemeinen Vorstel-
lung von dieser Begebenheit, als eitler Jesu ea Tbeii ge«
ivordenen do|cr, den Inhalt: xal ido^aaa, xai nakiv do^uaußy
ond am auf diese göttliche Erwiederung an passen, mufste
der Anrede Jean aufiser der Bitte um Rettung noch die
om Verkiftrong hinEogefOgt werden ; der stärkende Engel,
von welchem der vierte Evangelist vielleicht auch etwas
vernommen hatte , wurde als Ansicht der Leate von dem
Drsprang der Himmelsstimme mit aufgenommen ;» in Betreff
des Zeitpunkts worde swisohen dem der Verklärung und
dem des Seelenkampfs die angeflihre Mitte gehalten , wo-
bei die Wahl der Verhältnisse ans Unkenntnifs der ur-
spranglichen dbel ausfieL
12) Gegen den Anttoss y welchen an diesem Ausdrucke Tholücx
hat nehmen wollen (Glaubwürdigkeit, S. 410» ▼$!- die Apho-
rismen sur Apologie des Dr. Strauss und seines Werkes,
S. 69 f.
41H> Dritter Abschnitt.'
Sehen wir von hier aof die Frage corück , von wel-
cher wir ausgegangen sind, ob wir eher die johanneischen
Abschiedsreden Jesn als darohaas historisch festhalteo,
ncid dagegen die synoptische Darstellung der Scene in
Gethsemane aufgeben wollen, oder nngekehrt: so werden
wir vermöge des Ergebnisses unserer eben gefflhrten Un-
tersuchung BU der letsteren Annahme geneigter sein. Die
Schwierigkeit y welche fohon darin liegt, dafs man kaom
begreift, wie Johannes diese langen Reden Jesu gennu be-
halten konnte, hat Paulus durch die Vermuthnog cn ioten
geglaubt^ dafs der Apostel wohl schon am nächsten Sabbat,
während Jesus im Grabe lag, die Gespräche des vorigen
Abends sich in die Erinnerung Eurückgerufen , und sie
vielleicht auch niedergeschrieben habe ^'). Allein in jener
Zeit der' Niedergeschlagenheit, welche auch Johannei
theilte, wäre er wohl nicht im Stande gewesen, diese Re-
den wiederaugeben , ohne ihr eigentbfimliches Colone der
ruhigsten Heiterkeit au verwischen; sondern, wie derWol-
fenböttler sagt, wenn die Evangelisten in den paar Tagen
nach Jesu Tode die Ersäblung von seinen Reden undTha-
Cen hätten ssu Papier bringen sollen, so würden, da sie
selber keine Hoffnung mehr hatten, auch alle verheifsenden
Re*len aus ihren Evangelien weggeblieben sein.**). Uaber
hat auch Lückr^ in Betracht der eigen thiimlich johan-
neischen Ausdrucksweise, welche sich namentlich in dem
Schlofsgebet findet, die Behauptung, dafs Jesus mit densel-
ben Worten gesprochen habe, welche ihm Johannes in
den Mund legt , oder ' die Behauptung der Anthentie die-
ser Reden im engsten Sinn ^ aufgegeben ; ab^r nur um ihre
Anthentie im Weiteren Sinne, die Aechtheit des Gedanken-
Inhalts, desto fester bu halten *^). Doch auch gegen diesen
13) L. J. 1, b, S. 165 t
14) Vom Zweck Jesu und seiner Jünger, S. 124.
15) 2, S. 588 f.
Drittes Kapitel. $. 124. A\Y7
hat der VerfaMer der Probabilien seinen Angrgifle wendet,
indem er namentlich in BeBag aaf Käp. 17. fragt , ob es
denkbar sei, dafs Jesus in der firwartimg des gewaltsamen
Todes nichts Angelegeneres eh thnn gehabt habe, als mit
Gott von seirter Person, seinen bisherigen Leistungen, and
der ED erwartenden Herrlichkeit sieh so nnterhalten? ond
ob es defswegen nicht vielmehr alle Wahrscheinlichkeit
habe, dafs dieses Gebet nnr ans dem Sinne des Schrift-
stellers geflossen sei, welcher durch dasselbe theils seine
Lehre von Jesus als dem fleischgewordenen 3iiyf}g bestäti-
gen, theils das Ansehen der Anestel befestigen wollte ^^>?
In dieser Ausstellung liegt das Richtige, dafs das fragliche
Scblursgebet nicht als ein unmittelbarer firgufs, sondern
als Product der Reflexion, eher als eine Rede über Jesom,
denn -als eine Rede von ihm erscheint* Ueberall neigt sich
in demselben das Denken eines solchen, der schon weit
vorwirts im Erfolge steht, und defswegen die Gestalt Jesu
bereits in fernem, verklärendem Däft erblickt; ein Zauber^
weichen er dadurch vermehrt, dafs er seine, auf der Höhe
einer fortgeschrittenen Entwicklung der christlichen 6e»
meinde entsprungenen Gedanken von dem Grilndmr dersel-
ben schon vor ihrer eigentlichen Entstehung ausgesprochen
seintlfifst» Aber auch in den vorhergehenden Abschieds*
reden erseheint Manches ans dem Erfolge heraus gespro-
chen« Der ganse Ton derselben erklärt sich doch am na*
tttrlichsten , wenn die Reden Werk eines solchen sind,
welchem der Tod Jesu bereits ein Vergangenes war, des-
sen Schreckliohkeit in den segensreichen Folgen und der
andächtigen Betrachtungsweise der Gemeinde sich gelind
anfgeldst hatte» ■' Im Einseinen ist , abgesehen von dem
fiber die Wiederkunft Gesagten, anch diejenige Wendung
der christlichen Sache, welche man als Sendung des heili-
gen Geistes SU beseichnen pflegt, in den Aeufserungen über
16) s. a. O.
408 Dritter Abschnitt.
den Paraklet und dessen über die Welt ca haltendei Ge-
richt (14, 16 ff. 25 f. 15, 26. 16, 7 ff. 13 ff.) mit dner Be-
stioinptheit vorausgesagt, welche auf die Zeit nach dem E^
folge hineilweisen scheint. Damit sind jedoch ächte (irund-
bestandtheile dieser Keden nicht aosgeschlossen ; ein sol-
ches StficiL ist jedenfalls die Rede 17, 12: ag didwxu^ fm
&pvhx^a X. T. hy weicher der Evangelist weiter unten, 18,
% eine irrige Deutung gibt ^'3.
Indem aber auch von dem nfichstbevorstehenden Kr-
foige^ dem Leiden und Tod Jesu, das bestimmte Voniiu-
wissen in diesen Abschiedsreden liegt (13 , 18 ff 33 3S.
14, 30 f. 16, 5 ff. 16, 32 f.), tritt die johanneische Darstel-
lung mit der synoptischen auf Einen Boden, da auch diese
auf der Voraussetasung der genauesten Voraussicht der
Stunde und des Augenblicks, wann das Leiden eintreten
werde, ruht. Nicht allein bei*m lotsten Mahle und h»\m
Hinausgehen an den Oelberg eeigte sich dieses Vorberwis-
sen nach den drei ersten Evangelien, indem, wie im ▼le^
ten, dem Petrus eine VerIXngnung, ehe der Hahn krihea
werde, vorhergesagt wird; nicht nur beruht der ganse
Seelenkampf im Garten auf der Voraussicht des in den
nächsten Augenblicken bevorstehenden Leidens : sondern
am Ende dieses Kampfes weifs Jesus sogar auf die JHios-
te hin su sagen, dafs jetet der Verrftther heranrflcke
(Matth. 26, 45 f.). Und swar ist nach der fibereinstimmeo-
den Darstellung sämmtlicher Evangelisten dieses Vorhe^
wissen Ausflofs von Jesu höherer, göttlicher Natur. Noa
aber kann dem Obigen aufolge das Vorauswissen der Ka-
tastrophe Oberhaupt und ihrer einaelnen Momente aus den
fjöttlichen in Jesu nicht geflossen sein, weil es sieh dana
nicht an irrig ausgelegte Weissagungen liuüpfen wOrde;
anzunehmen aber, das vori&ufige Wissen swar, dafs ond
wie er au leiden habe, sei in ihm natfirliehen, die Kunde
^17) s. Dl Warni, exeg. Handb., 1, 3, S. 179.
Dritte« Kapitel, i. 125. 499
davon hingegen^ wann diese« Leiden eintreten würde» llber-
natflrlicben ürsprangs geweaen, wäre doeli allen nnge»
reioit. Hieiait i«t jedenfalls die Daretellnng der Evange-
listen von diesem Vorherwissen anfgegeben; damit jedoeh
noch nicht dieses selbst , welohes möglioherweise seine
gana oatfirüehe Quelle gehabt , nur aber von den Bvange>
listen, ond vielleicht schon von den jQngern selbst, ffir
flbernstfirlich gebalten worden sein könnte. Die natflrli»
ehe Erklirang dieses Vorberwissena ist selbst wieder mdg^
licherweise eine gedoppelte: sofern sie entweder von
infserer Wahrnehmung und verständiger Bereohnung, oder
Fon innerer, nomittelbarer Ahnong Jesu ausgeben kann»
In dem ersteren Sinne läfsC Paulos Jesum die mit Fackeln
ans der Stadt heranrfiekende Hflsehertruppe schon von
ferne bemerken, von welcher er, da er die Umtriebe des
Jodss in der ietsten Zeit durchschaut hatte, wohl vermu«
theo konnte, dafs sie gegen ihn gesendet sei ; Wsissi sieht
die Annahnae einer nnmitteUwren Ahnung, eines nnwider«
stehlieh sieh aufdringenden Vorgeffihls vor, welches Je«
sam an Jenem lotsten Abend ergriffen, und ebendefswegen
so gewaltig ersohattert habe ^^J. Beide Annahmen sind
Beglich, and eine oder die andere nothwendig, wenn in
der evangelischen Schilderung dieses AbendiT irgend etwas
Historisches bleiben soll; die Wahl swischen beiden aber
wird, da die Evangelisten einen gans andern Weg snr Br^
klirung jenes Vorherwissens einschlagen, immer sehvderig
und sweifelhafik bleiben.
S* 125.
Gefangennehmung Jesu.
Genau susammentreffend mit der Erkllmng Jesu an
die schlafenden Jünger, dafs eben jetst der Verrftther na-
18) Die evang. Geschichte, 1, S. 612.
32
II
Me Dritter Abschnitt.
be, soll, wShrend er noch redete , Judas mit einerb«-
wafFneten Maclit herangerfickt sein (Matth. 26, 47. parall.
TgL Job« 18, 3.). Diese Scbaar l&am den Synoptikern la«
folge Ton den Hohenpriestern nnd Aeltesten, nnd war nach
Lukas von den (^Qoetr/ydis ^& uqö angefahrt, also wahr
acheinlich eine Abtheilong Tempelsoldaten, an welehe sich
übrigens , aus der Beseichnnng als o^^o^ und ihrer thetl-
weisen Bewaffnung mit ^rAoit; cu schliefden^ noch anderes
Gesindel tumultnarisch angeschlossen su haben scheint;
der Darstellung bei Johannes sufolge, welcher neben den
vTir^Qhaig raiv dQxieqiny» xal OaQiaaiwv von der anelna und
dem XÜdaQxogy ohne Erwähnung ^nmultunrischer Bewaff-
nung, spricht, scheint es, als bitten sich die jfidlsehen
Obern auch eine Abtheilung römischen Militärs cor Uo-
tersttttsung ausgebeten gehabt ^3.
W&hrend sofort nach den drei ersten Evangelisten Ja«
das vortritt und Jesum kflfst, um ihn durch dieses verab-
redete Zeichen der anrOckenden Scbaar als denjeni|[en
kenntlich su machen, welchen sie zu greifen hfitte: geht
laut des vierten Evangeliums umgekehrt Jesus ihnen vor den
Garten, oder das Gartenhaus hinaus O^eldtiv) entgegen, nnd
beeeichnet sich selbst als denjenigen , welchen sie snehen.
Diese abweichenden Darstellungen su vereinigen ^ bsbea
Einige den Hergang sieh so gedacht, dafs, um eine Ve^
haftung seiner Jünger an verhüten, Jesus gleich zuerst dem
Haufen entgegengegangen sei, und sich zu erkennen gege-
ben habe; hierauf erst sei Judas hervorgetreten, sind habe
ihn durch den Kufs bezeichnet ^. Allein , hatte sich Je-
sus bereits selbst zu erkennen gegeben , so konnte Jodas
den Kufs ersparen; denn dafs die Lrcute der Angabe Je-
su, er sei es, den sie suchen, nicht geglaubt, und noch
auf die Bekräftigung, derselbeo durch den Kufs des beste-
1) 8. LücKS, E. d. St. ; Hasb, L. J. §. 135.
2) Paulus, exeg. Handb., 3, b, S. 567.
Drittes Kapitel. $. 125. Ml
«henen Jansen gewartet hAben, kann nicht gesagt werden,
wenn nach der Angabe des vierten Evangeikims jenes iyui
ti^a so starken Eindrnck auf sie machte, dafs sie eq Boden
fsnkeo. üefswegen haben Andere die Ordnung der Scenen
in der Art omgekehrt, dafs soerst Judas, vorantretend, Je-
lom durch den Kufs beseichnet, dann aber, noch ehe der
Hanfe in den Garten oder das Hans eindringen konnte, Je-
sus SU Ihnen hinaustretend sich su erkennen gegeben ha-
be '). Allein, wenn ihn Judas bereits durch den Kufs be*
seichnet, und er den Zweck des Kusses so gut verstanden
hatte , wie es sich in seiner Erwiederung auf denselben
Lac. V. 4S. ausspricht; so brauchte er sich nicht noch
besonders sn erkennen bu geben, da er schon kenntlieh
gemacht war; dafs aber Judas der Schaar so weit vor-
sosgeeilt gewesen sei, dafs diese den lediglich fflr sie be-
itimmten Kufs nicht bemerken konnte, ist nicht nur an
sicji angereimt, sondern auch geradeau gegen V. 5, wor»
nach Judas bei der Schaar seiner Begleiter war *); über*
hanpt kommt dadurch, dafs Jesus swischen den Judas-
kofs und 'das gewifs unmittelbar darauf erfolgte Eindringen
der Schaar hinein dieser noch mit Fragen und Anreden
entgegengetreten sein soll, in sein Benehmen eine Hast
nnd fillfertlgkeit , welche ihm unter diesen ümsttfnden so
fibei ansteht, dafs die Evangelisten schwerlich beabsichti-
gen, Ihm eine solche Bususchreiben. Man sollte demnach
anerkennen, dafs von den beiden Darstellungen keine dar-
auf berechnet ist, durch die andere erginzt eu werden ^),
5) LticKi % S. 599; Tmolvck, S. S98; Hass, a. a. O.; Ouuiu-
8i?i, 2y S. 435 ; NiAKiiiR, S. 618.
4) Tholcck meint, das tigr^xn ftfr aurtay „nicbt argiren^^ ctt 'mils-
aen , d. h. es ungcfa'hr in sein Gegontheil verkehren au dür-
~fen , indem er den Judas getrennt von den übrigen umher-
gehen, und nachdem er Jeaum gefunden, (mit diesem) auf
sie zukommen iässt.
5) Vgl. Ds Warra, exeg. Handb., 1,1, S. 226. 1,5,8.187 f. Wie
50Ü Dritter Abscb'nUt.
lodem jede die Art, wie Jesus erkannt wurde , und wie
Jndas dabei thätig war, auf andere Weise fabi. Usft
Judas odijyog vcHg avlXaßöai %oif ^lijaSv gewesen (A. li. 1,
18.), darin stimmen alle Evangelien susammen. Nun aber,
wAhrend naeh der synoptischen Darstellung snm Gescbfiftt
des Judas aufser der Ortsbeseiehnung auch noch die Ite-
selchnung der Person gehört, welche dnroh den Kufs ge*
schiebt : Iftfst Johannes die Thfttigkelt des Verrltbers nie
der Beaeichnung des Orts ihr Ende erreichen , und ihn
nach der Ankunft an Ort und Stelle mfifsig bei den Oebri-
gen stehen (ßiglp€Bi dk xal ^ladag — fier cevräiv, V. 5.)»
Warum die Johanneische Darstello^ng dem Judas das Ge-
schuft der persönlichen Beaeichnung Jesu nicht ertbeilt,
ist leicht so sehen: damit nfimlioh Jesus nicht als üeber-
lirferter, sondern als ein sich selbst üeberliefernder, so-
mit sein Leiden in höherem Grad als frei übernommenes
erscheinen möchte. Man darf sich nur erinnern , wie von
Jeher die Gegner des Chrlstenthnms Jesu seinen Weggang
fios der Stadt in den abgelegenen Garten als schimpfliche
Flucht vor seinen Feinden aufrechneten ^), um es begreif-
lich SU finden, dafs frühaeltig unter den Christen eine
Neigung entstand, die Art, wie er sich bei seiner Verhaf-
tung benahm, noch in höherem Grade, als diefs in der ge-
snag LvcKB die Auslassung des Judaskusses Im johsnnei-
sehen Evangelium daraus erklären, dass er gar su hekanat
gewesen sei, und wie hiezu als Analogie das anführen, dass
Johannes auch die Verhandlung des Verräthers mit dem Syn-
edrium übergehe? da zwar diese Verhandlung als etwas hin-
ter der Scene Vorgegangenes wohl übergangen werden konn*
te, keineswegs aber etwas, das, wie jener Huss , so ganz im
Vordergrund. und Mittelpunkt der Handlung geschehen war.
6) So sagt der Jude des Gelsus bei Orig. c» Cels. 2,9: inft*'^^
voq fiiky xal Siüt9t9(*iifjxujv Inöi'ftSi^oTara ealta.
Drittes Kapital. S. 125. 50ft
wöbniioheo Evaiii^elieiitniditlon der Fall war, im Liclit ei-
ner freivrilligeii Hingabe erseheineu su lassen.
Reiht sich nun bei den Synoptikern an den Jadasknfs
eine einschneidende Frage Jesu an den Verrätber : so schliefst
sich bei Johannes an das von Jesu gesprochene ^cJ €lfi&
die Erwfihnnng, daCs vor diesem Machtworte die en seiner
Verhaftoog gekommene Schaar surückgewicben und sn
Boden gefallen sei, $o dais Jesus seine Erklfirong wieder-
liolen, und die Leute gleichsam ermutbigen raufste, ihn wa
greifen. Hierin will man neuerdings kein Wunder mehr
erblicken, sondern psyebologisch soll der Eindruck Jesu
aof diejenigen unter der Schaar, welche ihn schon sonst
öfters gesehen und gehört hatten, so gewirkt haben ; wobei
n&an sich auf die Beispiele aus dem Leben eines Marius,
eines. Coligny o. A. Iieruft ^J. Aliein weder nach der syn«
optisehen Darstellung, laut deren es der BeEeichoung Jesu
durch den Kofs, noch auch nach der johanneischen , nach
welcher es der Erkliiruog Jesu, daft er es sei, bedurfte,
war Jesus dem Haufen genauer, am wenigsten auf eine
Weise, bekannt; jene Beispiele aber beweisen nur,
7) LvcKi, 2, S. 597 f. ; Olshaussn, 2, S. 435. ; Tholucr, S. 299.
Die Berufung auf denM'drder Coligny *s ist übrigens unstatt-
haft y wie jeder finden wird , der das von Tboluck ungenau
citirte Buch : Serrani commentariorum de statu religionis et
reip. in regno Galliae L. 10^ p. 529 b, nachschlägt. Der Mör-
der liest sich durch die Standhafligkeit des edeln Greises
nicht im Mindesten in der Durchführung seines Vorhabens
aufhalten. Vgl. such Schdabr, Werke, 16. Bd. S. 382 f.
3S4; Erscr und Grubrr's Encyclopädie , 7. Band. S. 452 f.
Dergleichen Ungenauigkeiten im Felde der neueren Ge-
schichte h'önnen übrigens nicht Wunder nehmen an einem
Manne 9 der anderswo (Glaubwürdigkeit, S. 437.) den Her.
Rog von Orleans , Louis Philipp^s Vater , zu einem Bruder
Louis XVI. macht. Wer so vielerlei weiss, wie Dr. Tmo-
&UCK, wie könnte der. immer AUes so ^cnsu wissen?
504 , Dritter Abschnitt.
dafs bisfreilen der gewaltige Eindrack einea Mannet m5r*
derlsche HUnde Einzelner oder Weniger gelfibmt hat, nicht
aber, dafs eine ganze Scbaar von Gerichtsdlenem und Sol*
daten nioht blofa cnrückgewichen , aondern zu Boden ge-
fallen wäre. Was soll es nützen , wenn Lücks zuerst Ei-
nige, dann den ganzen Haufen, niederstürzen IXfst, wo-
durch es vollends unmöglich wird, sich die Sache auf ernit-
hafte Weise vorzustellen? oder wenn Tholück, um in dem
engen Räume des Gartenhause>i nur Wenige vortreten las-
sen zu können, 7. iSeldwv durch : Jesua trat hinein, fiber-
setzt? Wir kehrefi daher zu den Alten zurück, welche
hier allgemein ein Wunder anerkannten. Der Christus,
welcher durch ein Wort seines Mundes die feindlichen
Schaaren niederwirft, ist kein anderer, als derjenige, wel-
cher nach 2. Thess. 2, 8- den Antichrist m'ahoaei riTi Ttvfv-
^ioXL %5 coinctTog avrSy d. h. aber nicht der historische,
sondern der Christus der jOdiitchen und. urchristlicheo
Phantasie. Der Verfasser des vierten Evangeliums insbe-
sondere, der so oft bemerbt hatte, wie die Feinde Jesu
und ihre Schergen aufser Stands gewesen seien, Hand an
ihn zu legen, weil seine Stunde noch nicht gekommen ge-
wesen sei (7, 30. 32. 44 ff. 8, 20.)) war veranlafst, noo,
als die Stunde erschienen war , den wirklich gemschtea
Versuch zunfichst noch einmal auf recht auffallende Welse
mlfsilngen zu lassen; zumal diefs ganz mit dem Interesie
zusammenstimmte, welches in der Beschreibung dieser
ganzen Scene ihn beherrscht: die Verhaftung Jesu reia
als Act ieines freien Willens darzustellen. Indem Jesai
die Soldaten durch die Macht seines Wortes niederwirft,
gibt er ihnen eine Probe, was er vermöchte, wenn es ihm
um Befreiung zu thun wfire; und wenn er sich nun on-
mittelbar darauf greifen iä'fst, eo erscheint diefs als die
freiwilligste Hingabe. So gibt Jesus im vierten Evange-
lium eine factische Probe jener Macht, welche er im er-
sten nur mit Worten ansdrfickt, wenn er zu einem seiner
ürittea Kapitel. $• 125. 505
JOng«r sagt; domg^ Sri h dvvauai ä(rvi naqaxaHaat roy
naiiQa //ö, xal noQagijaei fioi 7i?Mög ij dtodexa hyecSvas
ayyilojv; (V. 5S.)
Nachdea hieraaf der Verfaif er des fierten BFangelions
einen früher richtiger aaf die geistige Bewahrung seiner
Schfikr besogenen Aassprooh Jesu (17, 12.)) dafs er iiei-
aen der iba von Gott Anrertrauten yerloren habe, sehr
anpassend in der Sorgfalt erfoUe gefunden, welche Jesus
angewendet habe, dafs seine Jänger nicht mit ihm verbaf*
Ist wfirden, stimmen nun sftmmtliche Evangelisten darin
Botammen, dafs, als die Soldaten Hand an Jesnm sn legen
snfingen, einer seiner Anhänger das Schwert gesogen, und
de« Hohenpriesters Knechte ein Ohr abgehauen habe, was
von Jesu mirsbilligt worden sei. Doch haben Lokas und
Johannes jeder einen eigentbOmlichen Zog. Ahuesehen
davon, dafs beide das von den Vormlonern unbestimmt
gelassene Ohr als das. rechte näher bestimmen , nennt der
letatere nicht blofs den verwundeten Knecht mit Namen,
sondern bemeriLt auch, dafs der bauende Jfinger Petrus
gewesen sei; eine Bestimmung, über welche, wie oben
fiber die demselben Evangelisten eigenthfimliche Hervorhe-
bung des Judas bei'm Bethaoischen Mahle, ein doppeltes
Urtbeil möglich ist^).* — Lolias hat bei dieser Sehwert-
scene das Eigentbli milche, dafs nach ihm Jesus das Ohr
des Knechts, wie es scheint dorch ein Wunder, wieder
geheilt hnt. Wfthrend Olshausen die sufriedene Anmer-
kung macht, dieser Umstand erklfire am besten, wie Pe-
trus sich an verletzt surOcb eichen iLonnte - das Erstaunen
fiber die Heilung werde die allgemeine Aufmerksamkeit in
Anspruch genommen haben: wollte nach Paulus Jesus
das verwundete Ohr durch die Befilblung Ca^fd^tevog) "H'
ootersuchen, und gab sofort an , was som Behuf der Hei-
laog an thun sei ii^oavo aikov^ ] hätte er ibn durcb ein
8) s. 1. Band, S. 784 ff. j Lucas, Tholvck und Olshivssn z. d. St.
506 Dritter Abaobnitl.
Wunder geheile , ao mfifste doeh auch eio Ersfcaiinen der
Aowesendeu gemeldet seih. Solche ttaälerei ist dietsail
besonders onnöthig, da das Alleinsteben des Lukas mit
dem fraglichen Zog und der ganae Zusammenhang der
Seene uns deutlieh genug sagt, was wir von der Sache so
halten haben. Jesus, der so vieles Leiden, an welchem er nn-
sohuldig war, durch seine Wunderkraft gehoben hatte,
der sollte ein Leiden, welches einer von seinen Jfingern
aus AnhXnglichkeit an ihn, also mittelbar er selbst, verur-
sacht hatte, ungeheilt gelassen haben? Oiefs maCste man
bald undenkbar finden, und so dem Schwertstreich des
Petrus eine Wunderheilung von Seiten Jesu — die letsta
in der evangelischen Geschichte — sich anschliefsen ')•
Hieher, unmittelbar vor seine Abführung, stellen die
Synoptiker den Vorwurf, welchen Jesus den su seiner
ttefangennehmung Gekommenen machte, dafs sie ihn, der
ihnen durcH sein tAgliches öffentliches Auftreten im Tem-
pel die beste Gelegenheit gegeben habe, sich seiner «nf
die einfachste Welse eu bemfiohtigen, — * ein schlimmei
Anaeichen für die Reinheit ihrer Sache .— mit so vielen
ümstfinden, wie einen Rfiober, hier aufsen aufsuchen. Das
vierte Evangelium läfst ihn etwa» Aehnliohes spfiter sum
Hohenpriester sagen, dessen Erkundigung nach seinen
Schülern und seiner Lehre er auf dieOeffentlichbeit seinei
ganaen Wirkens, anf sein Lehren in Tempel und Syna-
goge, verweist (18, 20 f.). Wie wenn er von Beidem ver«
nommen hätte, sowohl dafs Jesus so etwas dem Hohen-
priester, als dafs er es bei seiner Gefangennehmung gesagt
bab^, Iftist Lukas die Hohenpriester und Aeltesten selbst
bei der Verhaftung gegenwärtig sein, und Jesum hier
9) Vgl. DB Wstn, exeg. Hsndb., 1, 2, S. 111 ; TmiLS^ zur Bio.
graphie Jesu , $. 34. Anm. 3 ; Niaroir , L. J. Chr. , S. 619-
AtUKk',
OrlUes Kapitel* $. kiß. ft07
«q/ fene Weiso aa ibuen tpreoheo; was gewifs nur Iri^
Ihnm iat ^^).
JNach dea swei ersten Evangeliseen fliehen nnn alle
jQnger; wobei Markna den speciellen Zug bat, dsr« ein
JfiDgling, der eine Leinwand um den blofaen JLelb gewor«
fen hatte, als man Ihn greifen wollte, mit Znrficklastung
der Leinwand naekt davongeflohen sei. Abgesehen von
den mfifsigen VermnChungeo älterer und selbst neuerer
firblftrer, wer dieser Jfingiing gewesen sein möge, hat
inaD mit Unrecht ans dieser Notla auf nahe Gleiebseitig-
keit des Markus •fivangeltnms gesohlossen, weil eine sol-
che kleine, namenlose Anekdote nur in der Mfthe der
Personen und Begebenfarften habe interessiren können *^):
ds dooh dieser Zug selbst uns, in der weitesten Zeitferne,
Doch eine lebendige Anschauung ?on dem panischen Schre-
cken und der schnellen Fluoht der Anhänger Jesu gibt,
nod also dem Markus, woher er ihn auch bekommen,
and wie spät auch geschrieben haben mag, willkommen
lein mnlste«
§. 126.
Jesu VerhSr vor dem Hohenpriester.
Von dem Orte der Gefangennehmnng lassen die Syn-
optiker Jesnm com HohenpriesteiC? dessen Namen, KLalphas,
jedoch hier nur Hatthäns nennt, Johannes aber so Annas,
dem Schi^iegerrater des damaligen Hohenpriesters, und
Ton diesem erst zn Kaiphas , geföhrt werden (Matth. 26,
57 ff. parall. Joh. 18, 12 ff.); was bei dem Ansehen des
Annas eben so denkbar ist, als sich das Stillschweigen der
Synoptiker daraus erklärt, dafs der gewesene Hoheprie«
<ter keine Entscheidung in dieser Sache herbeiftthren
10) Schlbiirmachbh , über den Lukas^ S. 290.
il) Pavlvs, exeg. üandb., 3; b, S. 576.
.J^
S06
Dritter Abschaitt.
konnte. Um so aufiallender ist es aber, dafs, wie mut
dem ersten Anbiiok nach glauben mufs, der vierte E?an«
geiiat umgekehrt nur aus der Verhandlung mit Annas ei-
niges Nfiliere mitEutheilen , das entseheidende Verhör doi
wirklichen Hohenpriesters dagegen, aofser dafs er ttgt,
Jesus sei dahin abgeführt, worden, gans bu QlMrgeheQ
scheint. Nichts lag daher der Uarmooistik nliher, als die
Annahme , wie sie sich s. B. schon bei £utbymius fiodeti
Johannes habe vermöge seines Ergänsungsswecbes dai
von den Synoptikern abergangene Verhör vor Annas naoh-
geholt, das vor Kaiphas aber fibergangen, weil es von sei»
nen Vorgängern ausföhrlich genug beschrieben war *).
Diese Antsicht , dafs die Synoptiker von gane^ verschiede*
nen Verhören reden , findet darin eine Bestütigong, dafs
der Inhalt des Verhörs auf beiden Seiten ein gans ve^
schiedener ist. Während nnmlich bei dem , welohes die
Synoptiker beschreiben, nach Matthäus und Markus coerst
die falschen Zeugen gegen Jesum auftreten, hierauf der
Hohepriester ihn fragt, ob er sich wir I& Höh forden Messias
ausgebe , und auf die Bejahung davon ihn der Blasphemie
und des Todes schuldig erklärt, woran sich MifshaudlttO-
gen sohliefsen: ae wird in dem von Johannes gesehilder*
ten Verhöre Jesus nur naeh seinen J fingern und nach sei-
ner Lehre gefragt , worauf er sich auf die Oeftenrlichkeit
seines Wirkens beruft, und nachdem er hierüber von ei-
nem Diener mifshandelt worden war, wird er, ohne dsfs
ein Urtheil gefällt wäre, weiter geschickt. Dafs nun aber
hienach der« vierte Evangelist von dem Verhöre vor Ksi-
phas nichts Näheres angibt, ist um so auffallender, da in
dem vor Annas, wenn es dieses ist, von dem er ereählt,
seiner eigenen Darstellung Eufolge nichts entschieden wor-
den ist, mithin die Gründe und der Act^der Verurtheilung
Jesu durch das jfidische Gericht in seinem Evangelion
1} ?xvixs^ a. a. 0. S. 577 ^ Ojlsjuvss!«, 2, S. 244»
Dtitt%B Kapilei. $• 126. 509
dorchsM fehloD, üieb aas dem ErgänsangaBweck erkli«
ren, heifst dem Johannes ein gar so verkehrtes Verfahren
ear Last legen; da, wenn er das überging, was die An*
dera schön hatten, ohne anaadeaten, dafs er es nur dels-
wegen weglasse, er berechnen konnte, dadurch nor Ver-
wirrung, und gegen sich den Schein eines faisehen Be-
richts, euwege an bringen. Die Meinung, dafs das Ver-
hör vor Annas das Hauptverhör gewesen sei , und delswe*
gen das andere Abergangen werden dürfe , kann er auch
nicht wohl gehabt haben, da er ja keinen Beschlufs, der in
jenem gefafst worden wflre, ansngeben Mcifs; wufste er
aber endlich das Verhör vor Kaiphas als das Hanptverhör,
and gab doch keine nähere Auskunft darflber, so ist anoh
diefs ein höchst sonderbares Verfahren.
Von selbst ergibt sich daher der Versuch, in der Dar-
stellung des vierten Evangeliums ISpuren davon au ent-
decken, dafii auch sein Berieht von einem Veriidre i>ei Kai-
phas SU verstehen sei. Die auffallendste Spur einer möf-
lichen Identitfit beider Verbtfre ist die Identität einer ne-
benher^pielenden Begebenheit, indem auch Johannes, wie
die Synoptiker, während des von ihm beschriebenen Ver-
hörs Jesum von Petrus verlKugnet werden lif»t. Ferner
kann es aufFallen, dafs, nachdem V. 13. von Annas, als
dem TUv&eQog th KaYccfa, die Rede gewesen, nun eine nä-
here Beseichnung des letsteren, als Urhebers von jenem
verbängnif 8 vollen Rathe, Job. 11, 50., folgt, wenn doch
sofort nicht ein von ihm, sondern v.on dem ersteren vor-
genommenes^ Verhör eraählt werden soll« Dann Ist auch
in der Beschreibung des Verhörs selbst durchaus vom Pa-
läste und von Fragen t3 aQXiCQioJS die Rede, wie doch
Johannes sonst nirgends den Annas, sondern nur den Kai-
phas nennt* Dafs aber nun auf diese Weise schon von
V. 15. an von etwas bei Kaiphas Vorgegangenem die Rede
sein sollte, scheint freilich wegen V. 24. unmöglich, weil
M hier erst helfet, Annas habe Jesum sn Kaiphas ge-
510 Dritter Abschnitt.
sehickt , so dafs er also Ms dahin bd Annas gewesen sein
müfste. Schnell besonnen setste man daher saerst des
24 ten Vers dahin , wo nan ihn brauchte , nftmlich hinter
V. 13. j und schob die Schaid, dafs er jetet weit spiter
gelesen wird, auf die Naehlfissigkeit der Abschreiber^
Da jedoch diese Umstelhing , In ihrer Verlassenlieit tob
kritischen Anctoritäten , als wiUhfirliche OewaithfiKe er
scheinen mnfsie : so bat man sofort versacht, ob sieh nicht
d«*r Nc^tla V. 24, ohne sie wirklich ans ihrem Orte n
rücken, doch eine solche Deutung geben liefse, dafs de
dem Sinne nach hinter V. 13. bu stehen käme, d. h. man
nahm das aTtigeikev in der Bedeutung eines Plusquamper
fects, und dachte sich, Johannes w6lle hier nRchbolen,
was er bei V. 13. bu bemerken vergessen, dafs nfinlieh
Annas Jesum alsbald bu Kaiphas geschickt habe, folglich
das beschriebene Verhör von diesem vorgenommen worden
sei ^). Da die aligemeine Möglichkeit einer solchen enai-
läge temporum Buaugeben ist, so fragt sich nur, ob sie ss
der Eigenthflmliohkeit des gegenwärtigen Sobrifbtellen
pafst, und im Znsammenhange angedeutet isti In letaterer
Binsicht konnte nun allerdings der Evangelist, wenn vor
Annas nichts Bedeutendes vorgefallen war, sich durch die
an die Angabe seines Verhältnisses bu Raiphas geknfipfte
nähere Beaeichnung dieses Letatern verfahren laasen, so-
fort ohne Weiteres au dem Verhöre des Kaiphas übersn«
gehen, und diesen Uebergang etwa nachträglich, bei irgeod
einem ftubepnnkte, wie hier nach dem Schlüsse der Ve^
handiorigen des Hohenpriesters mit Jesu , bemerklieb ss
machen. Bin genau griechisch Schreibender freilich wür-
de in diesem Falle, wenn nicht das Plusquamperfectan
gebraucht, doch an dem AorUt dnreb ein yaQ die eriäs-
2) So z. B. EiusKus, t, d. St.
3) So WiHsn y N. T. Gramm. 4* ^^ » ^ > Troluck luid Lücn
s. d. St.
Drittes Kapitel. {• 12d. 511
ternde BcBlehiing aaf das Vorhergehende sichtbar gemacht
hüben. Unser Evangelist hingegen, bei weichem die Eigf>n-
beit der hellenistischen Schriftsteller, dem li^lst der hebrii-
sehen Sprache gemäfs dfb Sfttse nor lose sn verbinden,
besonders ausgeprSgt sich ceigt, kann Jene Nachholnng
Hohl anoh entweder ohne Partiiiel, oder der gewfthnlichen
Lesart sofolge durch av^ das nicht blofii fortfahrend, ton«
dern anch wiederanfnehmend ist 0, eingefDgt haben. Ki^
Bühit hienach anch er das Verhör vor Kaiphas: so erhellt
freilich theils schon ans der Ansicht seiner Darstellang
fiir sich, theils ans ihrer oben angestellten Vergleichnng
mit der synoptischen, data seine Ereählnng nicht vollstän-
dig sein kann.
Sind wir hierait an den Bericht der Synoptiker ge-
wiesen, so finden anch unter ihnen, awischen den beiden
ersten nlmlich und dem dritten, mehrfache Abweichungen
statt Wshrend nach jenen beiden, als man Jesnm in den
hoheitpriesterlichen Palast brachte, die Schriftgelehrtcn
nnd Aeltesten bereits versammelt waren, und nun noch in
der Nacht Aber ihn Gericht hielten , wobei anerüt Zeugrn
anftraten, dann der Hohepriester ihm die entscheidende
Frsge vorlegte, auf deren Beantwortung hin die Versamm-
lung ihn des Todes schuldig erklfirte (auch bei Johannes
geht das Verhör in der Nacht vor sich, ohne dnfs Jedoch
von der Anwesenheit des hohen Raths die Rede wäre):
wird nach der Darstellung im dritten Evangelium Jesus
die Nacht ober im Palaste des Hohenpriesters nur einst-
weilen verwahrt nnd von der Dienerschaft mifshandelt,
bis erst mit Tagesanbruch das Synedrium sich versammelt,
ond nun , ohne dafs vorher Zeugen auftreten , der Hohe-
priester durch Jene entscheidende Frage die Verurtheilung
beschleunigt. Dafs nun die Mitglieder des hohen Raths
schon in der Nacht, während Judas mit der Wache aus-
4) Wikbh, Grsmm. ^. 57 , 4.
512 Dritter Abschnitt.
gerückt war, cor Empfangnahme Jetn ttich versammelt ht-
ben , könnte man nnwahrecheinlich finden , ond insofern
die Därstellnng des dritten Uvangelioms vorsiehen wollen,
welches sie erst bei Tagesanbruch ansammen kommen ififst^):
wenn sich Lnkas nur nicht diesen Vortheil dadurch lelbtt
wieder entzöge , dafs er die Hohenpriester and Aeitesten
bei der Gefangennehmang im Garten sugegen sein ififst;
ein Eifer, der sie wohl auch getrieben haben wCrde^ sich
alsbald aar schleunigen Beschlofsnahme eusammensothun.
Jndefs auch bei Mattbftus und Markus ist das seltsam^ dafi,
nachdem sie uns das ganee Verhür sammt der Bescblttft>
nähme ersfihlt haben ^ sie doch noch (27) 1. nnd 15, 1.)
sagen : nQidiag di ye^ofiivr^g avjußakioy ekaßw , so dsfs ei
acheioty die Synedristen haben, wo nicht gar sich amMo^
gen wieder versammelt, da sie schon die ganse Nacht bei-
sammen gewesen waren, doch jetat erst einen Beschlof«
gegen desum gefafst, der auch nach ihnen bereits in der
näehtlichen Versammlung gefafst worden war ^); wenn
man nicht sagen will, zu dem bereits geffiUten Todesurtbeii
sei am Morgen noch der Beschlnfs der Abiieferong an Pi-
latus gekommen; oder Oberhaupt: nachdem sie das Todei-
nrtheil geffillt hatten, berathschlagten sie über die Art der
Vollziehunrg. Uafs Lukas und Johannes die Vorbandluog
mit den tpevdofiaQvvQeg fibergehen , ist als eine Lficke to
ihrer Darstellung an betrachten. Denn dafs Jesus den
Ausspruch vom Abbruch und Aufbau des Tempels geffaan,
hat bei dem Znsammentreffen von Job. 2, 19. und A. U*
6, 14. mit MatthAus und Markus alle Wahrscheinlichkeit;
dafs man dann aber vor Gericht Jene Aeufsemng sli
Anklagepunkt gegen ihn benfitzte , ergab sich von sellwt*
Das Fehlen dieses wichtigen Punktes bei Lukas erklirr
ScHLSiBRMACHfiR aus dem Umstände 9 dafa der Verfswer
5) So ScRLBi^RMACHKa, über den Lakss, S. 295«
6) Ders. a. a. O. ; vgl. FatTzscHi, x. d. St. des Matth.
I
Drittes Kapitel. $.126. 5ia
»
dieses Stflcks im dritten ETangeliam zwar Tom Uarten her«
ein dem Zuge, der Jesam geleitete, gefolgt, vom h'ohen-
priesterliohen Phiast aber mit den meisten Uebrigen aas-
geschlossen worden sei, mithin das in diesem Vorgefallene
Dor Tom Hörensagen ersfihle« Allein ein so nahes Ver-
hfiltojfs des Berichterstatters in diesem Abschnitte des La-
ksseTangeliams sor Thatsaohe kann, am aas dem Folgen-
den nichts vorwegsanehmen, aach nar um des Kinen Zogt
willen von der Heilung des verwundeten Knechts nicht
wohl angenommen werden« Vielmehr scheint dem dritten
Evangelisten dieser Aussprach nar als Klagartikel gegen
StephanuSy nicht gegen Jesus, dem vierten aber nar als
Aosspruch Jesu, nicht auch als Klagartikel gegen ihn, so-
gekommen su sein« Weiter ist Ober denselben, da er schon
frfiher erläatert werden mufste 0> ^^'^^ nichts mehr en be-
merken abrig.
Wie Jesus auf die Aussage der Zeugen nichts erwi^
der^e, frpgte ihn den beiden ersten Evangelisten snfolge
der Hohepriester, im dritten Evangelium ohne Jene Veran-
lassung das Synedrium, ob er wirklich der Messias (der
Sohn Gottes) bu sein behaupte? was er nach jenen beiden
ohne Weiteres dhrcb gv üuag und tyia dfu bejaht, und
hinsusetct, dafs sie von jetst an, oder demnächst (aV
aW)} des Menschen Sohn sur Rechton der göttlichen
Macht sitsen, und in den Wolken des Himmels kommen
sehen würden; nach Lukas hingegen erkllirt er zuerst,
dafs ihn aeine Antwort doch nichts nlitsen werde, ffigt
fibrigens hinzu, von Jetzt an werde des Menschen Sohn
aar Rechten der göttlichen Macht sitzen, worauf ihn Alle
gespannt fragen, ob er demnach der Sohn Gottes sei ? was
er bejaht. Hier spricht also Jesus die Erwartung aus,
durch seinen Tod nunmehr zu der Herrlichkeit des mes-
lianischen Sitzens zur Rechten Gottes, nach Ps. 110, 1.,
7) Band 2^ ^. 112.
Dom Leben Jesu ^te Aufl. ii.Bfmd. 33
514 Dritter Abschnitt.
den er schon Matth, 22, 44. auf den Messiae g(>dMt«t
hatte, einsDgehen. Wenn den ewei ersten Erangelisten
Bofolge Jesus zu dem xad-rjfieyov ix de^ioHv rijg dnufitoig
noch xai tQxofnvov inl riov veq^ehov t5 eQarö setzt, so ssfrt
er, wie schon früher, zugleich seine baldige Parnsie, ond
Bwar bestimmt als Wiederkunft, voraus. Nach Olsbaussk
soll das ccTc a^t des Matthä'ns nur auf xad'rjttvfw x. t. h
bezogen werden, weil es zu iQyof.tBvw x. r. iL nicht pas-
sen würde, indem sich nicht denken la^se, wie Jesus sich
damals schon als dei^nfichst Kommenden habe darstellen
können; In Ahnlicher Absicht fibersetzt Neandkr das ^'^-
XOf(e%'(iv im rolv veg^eXiov durch: ein herziehend Aber den
Wolken ^; beides o£Fenbare Verfüischongen des Wort-
sinns, aus dogmatischen Bedenklicbkeiten hervorgegangen.
Auf die gedachte Erklärung Jesu zerreifst nach Marthäna
und Markus der Hohepriester seine Kleider, erklfirt Jesun
der Blasphemie für fiberwjesen, und die Versammlung er-
kennt ihn des Todes schuldig; wie auch nach Lukas die
Vorsammelten bemerken , nun brauche es kein weiteres
Zeugnifs mehr, da die verbrecherische Aussage von Jesu
selbst vor ihren Ohren gethan worden sei.
An die Verortheilang schliefst sich dann i>ei den bei-
den ersten Evangelisten die Mifshandlung Jesu, welche
Johannes, der hier keiner Verurtheilung erwähnt, nach
der Berufung Jesu auf die Oeffentlicbkeit seines Wirkeos
erfolgen läfst, Lukas aber schon vpr das Verhör verlegt;
wahrscheinlicher, weil man nicht mehr genau wufste,
wann diese Mifshandlungen vorgefallen waren , als weil
sie zu verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Ver-
bfiltnisspn wiederholt worden wären. Die Verfibong die«
ser Mifshandlungen wird bei Johannes und Lukas aus-
drücklich dort einem vui^Qen^g^ hier den avÖQeg owixofyrEg
Tov */. zugeschrieben; dagegen müssen bei Markus , wenn
8) L. j. Chr. s. eaj.
Drittes Kapitel. $.' ltB6. 515
er im Folgenden die v7€t;Qirag von ihnen nnterecheidet, die
tivig iftTCTvoyreg einige von den navreg sein , welche ihn
eben vorher vernrcbeilt hatten, ond auch bei MatthJins,
der, ohne ein nenee Subject so eetaen, nnr doreh rcxre
ijO^avTO fortfährt, soheinen die Synedristen selbst es an
•ein, welche sich Jene unwürdigen Handlungen erlauben;
was ScBLKifiaiiACHaR mit Recht unwahrsoheinÜeb gefunden^
uad insofern die Darstellung des Lukas der des Matthlus
vorgesogen hat ')• Die Mifsbandlung besteht bei Johan-
nes in einem BaclKenstreich QaTCiafia') ^ welchen ein Die-
ner, wegen einer vermeintlich unbescheidenen Rede gegen
den Hohenpriester, Jesu gibt; bei Matthäus und Markus
ist es Verspeiung des Angesichts CivinTvacv eig to jcQoata-
nov avtQ')^ Schläge auf den Kopf und Baekeostreiehe, wo-
Bo, auch nach Lukas, das k|im, dafs er Chei verhfiUtem
Haupte ^®J) geschlagen und höhnend aufgefordert wurde,
leinen messianischen Seherbliok durch Angabe des Thäters
so benrknnden. Nach Olshacsbn hat der Geist der Weis*-
saguog es nicht unter seiner Würde gehalten, diese Roh-
heiten im Einseltien vorhersuverkflndigen, und augleich die
GemfithsFerfassung su aeichnen , welche der Heilige Got-
tes der anheiligen Menge entgegensrellte. Richtig wird
hiesu Je«. 50, 6 f« angeführt (LXX.): tov vakov /ns di-
diüKu dg ftdgiyag^ rag di aiayovag /i« Hg QCcniafiaTay ro de
nQoaitmay fts «x anigoeipa dno alaxvvtjg i^7Viva(iav(av x. r. A,,
vgl. Mich. 4, 14 , und fdr die Art, wie Jesus das Alles er-
trug, die bekannte Stelle Jos. 53, 7., wo vom Knecht Got-
tes AtA Schweigen untei^ den Mirshandlnngen hervorgeho-
ben wird. Allein, dafs Jes. 50, 4 £F. eine Weissagung auf
9) a. a. O.
10) Matthäus, welcher der Verhüllung nicht gedenkt, scheint
lieh die Jesu gestellte Aufgabe 90 zu denken, er solle die
ihn misshandelttden Personen, die er zwar sah, aber nicht
näher kannte, hei N^men nennen. Vgl. na Warn, z. d. St.
S3*
516 Dritter Absöhnitt.
den Messias sei , ist ebenso gegen den Zusammenhang dct
Abschnitts 9 wie bei Jes. 5:i. ^0^ folglieh mttlste das Z«-
>wmmentre£Fen des Erfolgs mit diesen Stellen entweder
mensohlich beabsichtigt, oder rein sufKllig gewesen sein.
So wenig nun die Diener nifd Soldaten bei ihren Hifa-
handlnngen die Absicht gehabt haben werden, Weissa|aii-
gen an Jesu in Erfüllung gehen sn la»sen : so wenig wird
man diesem selbst das Affectirte Bosehreiben wollen, «os
dieser Absicht geschwiegen su haben ; sondern der Natnr
der Dmstfinde, Personen und Vorstell nogen gemflfs kann
hier ein safKlliges Znsammentreffen stattfinden. Doch , to
waRrseheinlich es auch der rohen Sitte Jener Zeit infolge
ist, dafs der gefangene Jesns mifshandelt, und unter An*
drem auch so milshandelt worden ist, wie die EvangeUtten
es besehreii>en : so Iftfst sieh doch kanm Torkennen, dafi
ihre Sohildernngen nach Weissagungen gemacht sind, wel-
che man, da Jesus einmal als Leidender nnd Mifshandeltsr
gegeben war, auf ihn besog; ebenso, wie angemessen ei
auch ^ dem Character Jesu ist, diese Miffhandlnngen gedal*
dig ertragen, nnd unbefugte Fragen mit edlem Sohweigsn
-surflckgewiesen su haben: so hätten doch sehwerlioh die
Evangelisten dieis so oft nnd angelegentlich hervorgeho-
ben ^^, wenn es ihnen nicht darum su tbnn gewesen wAre,
dadurch A. T. liehe Orakel als erfbUt nn neigen.
§. 12T.
Die Verla ugnung det Fetrui.
Bei der Abfnhrnng Jesu aus dem Garten lassen die
Ewei ersten Evangelisten im Augenblick swar alle Jünger
11) s# GssBKiut, X. d. Abich.
12) Matth. 26, 63. vgl. Markui 14, 61 : i Sh V. iauina.
flllatth. 27 j 12 : ttSfy antx^tiyaro,
IMatkh. 27, 14* vgl. Marc. 15, 5 : xak «« oTTtK^raro wr^ n^
nSt )by ^/ittj äqe y^auftaltir ror r/ytftora JUav.
Luc. 23) 9 J auTOi St H^hr antte^retro ovtm,
Jon. 19, 9l o Sk */. unox^toiy •« KStMir avrtZ.
Drittel Kapital. $. 127. 517
ilie Flocht argreafen; doch folgt aooh bai ibnen, wia bei
den abrigen, Petras von ferne, und weifs sich mit dem
Zuge Eingang in den Hof des bohenpriesterliehen Palasta
so verschaflFan« Wfthrend den Synoptikern snfolge Petras
aliein es ist, der diese Probe von Math und Anbfinglioh-
keit an Jesnm , die ihm aber bald genag sar tiefsten De«
nflthigong ausschlagen sollte, ablegt : gesellt ihm das vierte
Evangelium den Johannes bei, und swar so, dafs es dieser
ist, welcher dnroh seine Bekanntschaft mit dem Hobenprio»
tter dem Petrus Zutritt jbu dessen Palast verschafft; eine
Abweichung, die mit dem ganaen eigenthllmlichem Verhllt-
^ils, in welches dieses Evangelium den Petrus nu Johan*
oes setst, schon früher erwogen worden ist '). .
Simnatlicheo Evangelisten nufoige war es In .dieser
arAj^, dafä Petrus, eingesehaohtert durch die bedenkliche
Wendung der Sache Jean und die hohenpriesferiiche Die«
oerschafty die ihn umgab, den entstandenen und wiederholt
geSofserten Verdacht , daüs er su den Anhingern des ver-
hafteten UalUfters gehtfre, durch wiederholte Versicherun*
gen, ihn nicht nu kennen, niedersuschlagen suchte. Doch,
wie bereits angedeutet , in Beaog auf den Inhaber dieses
Locals kfinn awischen dem vierten Evangelium und den
fibrigen eine Abweichung stattsnfinden scheinen. Dem er«
sten Anblick seiner Ersihlung nach su urtheilen, erfolgt
olodieh bei Johannes die erste Verlingnung (18, 17.)
während des Verhörs vor Annas, da sie nach der Notia,
dals Jeaas an Annas (V. IS.), und vor der^ da£s er su
Kaiphas gefilhrt worden sei (V. 24.) steht; und nur die
awei weiteren Acte der Verlingnung, sofern sie auf die
Erwähnung der Abfilhrung su Kaiphas erst folgen {y.
tt^37.) , und unmittelbar nach ihnen die Ablieferung an
den Pilatus erafihlt wird CV. SS.), scheinen auch nach Jo-
hannes w&hrend des Verhörs vor Kaiphas, in dessen Pa«
1) i. Band, §. 73.
518 Dritter Abschnitt.
laste , vorgegangen sn sein. Allein dieae Annahme einer
Verschiedenheit der Oertllchl&eit f&r die erste Verlfiagnnng
nnd die beiden folgenden hat in der Johanneischen Dar-
stellnng selbst ein Hindernirs* Nachdem die erste, schon
an der Pforte des Palastes, wie es scheint, von Annas,
vorgefallene Verlfiugnnng gemeldet ist, heifst es, die Die-
nerschaft habe sich der Kälte wegen ein Kolilenfeuer an-
gemacht, jjv de xal fier avtwv 6 JJiTQog tcojs xai O^eQfiaivo-
fievog CV. IS.). Wenn nun später dle^rsählung von der
«weiten and dritten Yerläugnung fast mit den nänüichen
Worten : ijv da ^ifitov UerQog hgtjg xal d-SQftaivofieyos (V.
25.), sich eröffnet: so kann man nicht anders deniien, ab
durch Jene erste Erwähnung des Kohlenfenera , and dab
Petras so demselben getreten, solle der Umstand eingelei-
tet werden , dafs die aweite und dritte Verläognang an
diesem Feuer, also nach obiger Ansicht gleichfalls noch
im Uaase des Annas, vorgefallen sei. Zwar sprechen die
Synoptiker (Marc. V. 54. Luc. V. 55.) auch im Hofe des
Kalphas von einem Feuer , an welchem Petras (nur hier
sitEend, wie bei Johannes stehend) sich gewärmt habe:
doch daraus folgt nicht, dafs auch Johannes im Hofe des
regierenden Hohenpriesters ein ähnliches Feuer sich ge-
dacht habe , wie er der bisherigen Voraussetzung enfolge
nur bei Annas eines solchen gedenkt. Wer daher die
Vermnthnng des £uthymius su künstlich findet, dafs die
Wohnungen des Annas and Kalphas vielleicht einen ge-
meinschaftlichen Hofraum gehabt, and folglich Petras nach
der Abfährang Jesu vom ersteren cum letzteren an dem-
selben Feuer habe stehen bleiben können, der nimmt lieber
an, die «weite und dritte Yerläugnung sei dem Johannei
snfolge nicht nach, sondern eben während der Abfflhroog
Jesa von Annas zu Kalphas geschehen ^). Bleibt somit
2) So ScHLBiiRMAciiiR , Über den Lukas , S. 289 ; Olshavs»« ; 2«
S. 445.
DritteB Kapitel. §. 127. 519
bei der Voranssetsnng, daf« Johannes ein Verhör vor An«
oaa berichte y die Differens der Evangelien in Besag auf
die Oertlichkeit der Verlfingnang eine totale, so haben die
Einen so Gunsten des Johannes sich dahin entschieden,
dafd die versprengten Jfinger über diese Scenen nur frag-
mentarische Nachrichten gehabt , und der in Jernsalea
nicht einheimische Petras selbst nicht gewafst habe, in
welchen Palast er so seinem Unglück hineingekommen
war; sondern er, and nach ihm die ersten Evangelisten,
haben gemeint, die Verltagnungen seien im Hofe des Kai-
phas vorgefallen , was jedoch der in der Stadt and dem
bohenpriesterlichen Palaste bekanntere Johannes berieh-
tige ')• Allein, auch das Cnglanbliche sogegeben, dafs Pe-
tras irrig gemeint haben sollte, im Paläste des Kaiphas
gelfiugnet so haben: so hfttte doch gewifs Johannes, der
in diesen Tagen am den Petras war, seine Aussage gleieh
damals berichtigt, so dals jene irrige Meinung sich gar
nicht haue fixiren können« Man könnte daher den umge-
kehrten Versuch machen, und auf Rosten des vierten Evan-
geliums den Synoptikern Recht geben wollen: wenn nicht
in der Bemerkung des vorigen §., wonach Johannes,
nachdem er die Abführung Jesu su Annas biofs erwähnt
hat, sehon von V« 15« an von den Vorgängen im Paläste
des Kaiphas spricht, die Lösung auch dieses scheinbaren
Widerspruches läge.
In Besag auf die einselnen Acte der Verlängnung stim-
men sämmtliche Evangelisten darin snsammen, dals es de-
ren, gemiCi der Vorhersage Jesu, drei gewesen seien; aber
in der Beschreibung derselben weJMshen sie von einander
ab. — Zuerst Orte und Personen betreffend, geschieht
nach Johannes die erste Verlängnung bereits bei'm Eintritt
des Petrus gegen eine naidiato] &vQiü()6g (V. 17.): bei den
Synoptikern erst im innern Hofraum, wo Petrus am Feuer
3) So Taulvs, a. s. 0. S. 577 f.
5^0 DrUter Abschnitt.
•afa , gegen eine naidiüxr^ (Matth. V* 69 f. parall.). Die
ft weite geschieht nach Johannes (W» 25.) and anch nach
Lukas, der wenigstens keine Verfindernng des Standpunkts
anmerkt (\. 58.>9 em Feaer: bei Matthäus (V. 71.) «nd
Markus (V. 68 ff.) , nachdem Petrus in den Vorderen Hof
iTtvltav, TiQoavlujv) hinausgegangen war; ferner nach Jo-
bannes gegen mehrere , nach Lukas gegen Einen Mano;
nach Matthäus gegen eine andere, nach Markus gegen die-
selbe Magd, vor welcher er das erstemal geläugnet hatte.
Die dritte Verläugnung geschah nach Matthäus und Ma^
kus, die keine Ortsveränderung gegen die b weite beale^
ken, gleichfalls im vorderen Hof: nach Lukas und Johan-
nes, sofern sie gleichfalls keines Localwechsels gedenken,
ohne Zweifel noch im inneren, am Feuer; ferner oaoh
Matthäus und Markus gegen mehrere Umstehende: nach
Lukas gegen Einen: nach Johannes bestimmt gegen einen
Anverwandten des im Garten verwundeten Knechts. -
Was ffir*s Andere die Reden betrifft, welche bei dieser
Gelegenheit gewechselt werden, so sind die Anreden der
Leute bald an Petrus selbst, bald an die Umstehenden ge-
richtet, um sie auf ihn aufmerksam bu mf eben, und lauten
die beiden ersten Male ciemlich gleich dahin, dafs anch
er einer von den Anhängern des eben Verhafteten so sein
seheine; nur bei'm drittenmal, wo die Leute ihren Ve^
dacht gegen Petrus motiviren wallen, gehrauchen sie nach
den Synoptikern als Beweisgrund seinen galiläisohen Dia-
lekt: bei Johannes beruft sich der Verwandte desMalchoi
darauf, ihn im Garten bei Jesu gesehen cu haben; wo
die erstere Motivirung . ebenso natürlich , als die zweite,
sammt der Bezeichnung dessen, der sie vorbrachte, als ei-
nes Verwandten Jenes Malchus, künstlich und gemacht
klingt, um die Beziehung jenes Schwertstreichs auf Petrus
recht fest in die Erzählung zu verweben ^). In den Ant-
4) Vgl. WsissK; die craog. Geschichte^ ], S. 609.
Prittea Kajiitel. §• 127. , 5*11
*
worCan des Petrus findet die Ahvreichnng statt, dafs er
nach Matthias sehen die aeweite, naeh Markus erst die
dritte, hei den« beiden andern gar keine seiner VerlXagnun-
gen durch einen Schwur bekrifHgt; bei Matthäus ist dann
an der dritten Verllugnnng die Steigerung dadurch her-
vorgebracht, dafs SU dem ofjvvetv noch das xarcnfaS'eficeti^etv
gefügt ist , was den andern gegenfiber allerdings als Ober«
treibende Darstellung erscheinen kann.
Diese so verschieden eraählten Verllugnungen derge-
stalt in einander einsuschieben , dafs kein Evangelist einer
anrichtigeni Ja auch nur ungenauen Darstellung beschul-
digt werden mfllste, war nun gann ein Geschfift fttr die
Harmenisten. Mieht nur die ftlteren, supranaturalistiscben
Ausleger, wie Bsmoxl, haben sich diesem Gesohftfc unter-
Eogen, sondern auch neuestensv noch hat sich Paulus viel»
Mfihe giegeben , die verschiedenen , von den Evangelisten
ersfihlten Verliugnungsacte in schickliche Ordnung und
pragmatischen Znsammenhang bu bringen. Nach ihm ver-
Iftngnet Petrus den Herrn
1) vor der Partnerin (Ite Verifiugnung liei Johannes);
2) vor mehreren am Feuer Stehenden (2te bei Job.) ;
3) vor einer Magd am Feuer (Ite bei den Synoptikern) ;
4) vor einem, der nicht näher beaeiclinet wird (2te.l>el
Lnkas) ;
5) bei'm ' Hinansgehen in den vordern Hof vor einer
Magd (2te bei Matthäus und Markus. Aus dieser
Verläugnung mfirste Paolus conseqnenterweise swei
mnchen, da die Magd, welche die Umstehenden
auf den Petrus aufmerksam macht, nach Markus
dieselbe mit No. 3«, nach Matthäus aber eine andere
war);
6) vor dem Verwandten des Malchus (dritte bei Job.);
' 7) vor einem, der ihn am galiläischen Dialekt erkennen
will (dritte bei Lukas), welchem sofort
8) mehrere Andere beistimmen , g^^n welche sich Pe-
5a4 Dritter Äbsohnitt.
den beiden ersten BTangeiisfen Petrae nicht in deoudbeo
Local mit Jesa, sondern e^co Cl^^^^^b« V. 69.) oder xmn
CMsre. V. 66.) iv rfj avXfj^ elso Jesus innen oder oben in
Palaste war: so mufs man fragen, wie denn Jesns die Yer
Iftugnnngen des Petrns habe mit anhören, und hieraof iha
ansehen liönnen ? Auf das Letztere beliommt man gewohs-
lieh die Antwort, Jesus sei Jetst elien aus dem Palaste da
Annas in den des Kaiphas abgeführt worden, und habe in
Vorübergehen den sebwaohen Jünger bedeutend eng«*
sehen ^. Allein von einem solchen Abführen weifs Lokai
nichts; anch lautet sein gQaq:>€ig 6 Kv(fiog iviftJietpe li}
nirQffi nicht sowohl, wie wenn Jesus im Gehen, als wie
wenn er, abgewendet stehend,, sieh nach Petrus umgesehes
hätte; endlich aber ist durch Jene Voninssetsnng nodi
nicht erliUrt, wie Jesus snr Kenntnils yon den Verläog-
Jinngen des Jüngers geliommen war, da er bei dem Ge-
tümmel dieses Abends doch nicht wohl, wie Paulus meiot,
im Zimmer den anf dem Hofe lancredenden Petrus hörai
konnte. Freilich findet sich Jene ausdrückliche Dnterschei-
dnng des Ortes, wo Jesus, von dem, wo Petrus war, b«i
Lukas nicht, sondern nach ihm könnte auch Jesus einige
Zeit im Höfe sieh haben aufhalten müssen ; allein tbeili
ist hier die Darstellung der «ndem an sich wahrscheioii-
cher; theils macht auch clie eigene Ersühlnng des Lokis
von den Verllngnungen von vorne herein nicht den Ein*
druck, als ob Jesus in unmittelbarer Nfihe gewesen wire.
Man hätte sich übrigens die Hypothesen nur Erkllrnog
jenes Blickes ersparen können, wenn man auf den D^
sprnng dieses Zuges einen kritischen Blick gerichtet bWei
Schon die Unklarheit, mit welcher der in dergsneenfrOh^
ren Verhandlung hinter die Scene gerüciite Jesos hier
anf einmal einen Blick in dieselbe wirft, hätte, Busammstt-
3) Paulus and Olsiuusbn , z. d. St. ; Schlbibsmacbbr y a. a 0.
S. 289 'f NsASDfiR; S. ij22* Anm.
Dritlea KapiteL (., 128. ft^
gBuemmmn mit dem SHHsehwsigen dtr abrlgen EvjiogeU*
gten , ein Fiagerseig sein tollen , wie es mit dieser Notin
steht. Dann 9 wenn tiinsogesetst wird, als Jwub den Pe-
tras anblickte« habe sieh lUes^r des Wortes erinnert , wel«
ehes Jesus firllher Ober seine herorstehende Verlingnnng
■a ihm gesprochen hatte: so hätte man bemerken kennen,
wie der Blick Jesn nichts Anderes ist, als die nur finlsern
Anschauung gemachte Brinnemng des Petms an die Worte
•eines Meisters. Zeigt die hierin einfachste Johanneische
ErzShlnng nur objectiv das Eintreffen der Verheifsnng
Jeso durch das Krfthen des Hahnes an ; fllgen die nwei er-
sten Evangelisten hiestt anoh den subjectiren Eindmck,
welchen dieses ^nsammentreffen auf den Petras machte:
so wendet Lukas diefs wieder objectiv, und Ififst die
8€itmerniiafte Erinnerung an die Worte des Meisters als
einen dnrohbobrenden Blick von diesem in das Innere des
Jüngers .dringen 0«
$.• 1».
/
Der Tod des VerrKthcrs.
Auf die Nachricht , daTs Jesus cum Tode verartheilt
sei, läfat das erste Evangelium (27, 3 ff.) den Judas, von
Rene ergriffen, su den Hohenpriestern und Aeitesten eilen,
ujB die 30 Silberlinge , mit der Erklirnng , dafii er einen
Unschuldigen verrathen habe, ihnen zurflcknugeben. Als
aber diese höhnisch alle Verantwortlichkeit ffirjene That
snf ihn allein schieben: geht Judas, nachdem er das Geld
im Tempel hingeworfen, von Versweiflung getrieben, weg,
Qnd erhiogt sich. Die Synedristen hierauf kaufen um das
von Judas. Burflckgegebene Geld, welches sie als Blufgeld
nieht in den Tempelschat« legen an dfirfen glauben, einen
Töpfersacker, nnm Begräbnils fttr Fremde. Hiesu bemerkt
9) Vgl. OB Wsnst «. d. St. des Lukas.
SM Dritter Abschnitt.
der EvAngeliit Ewei«rlei: erstlich, daf« eben dieser Art der
Erwerbong wegen das Grandstfick bis auf seine Zeit Blat»
acker genannt worden sei, und zweitens, dafs darch itie*
sen Gang der Sache eine alte Weissagung sich erf&llt hs<
he. — Während die fibrigen Evangelisten Ober das Ende
des Jodas schweigen , finden wir. dagegen in der Apostel"
geschichte (1, 16 ff.) einen Bericht über dasselbe, welcher
von dem des Matthäus in mehreren Stocken abweicht
Petrus, wo er die Ergfinieang der apostolischen Zwölfsahi
durch die Wahl eines neuen Mitgliedes in Antrag bringt,
findet angemessen, sovor an die Art, wie die Lücke Im
Apostelkreise entstanden war, d. h. an den Verrath niul
das Ende des Judas, su erinnern, und sagt in leCsterer
Beaiehnng, der VerrXcher habe ffir den Lohn aeiner
Schandthat ein GrundstfSck sich erworben, sei aber jäh-
lings herabgestürat, und mitten entzweigeborsten, ao dsfi
alle Eingeweide herausgetreten seien ; das Grundstficii aber
habe man, weil die Sache in gans Jerusalem bekannt ge*
worden, axekdafna, d. h. Blutltfnd, geheifsen. Wobq dann
der Erafthler den Petrus bemerken läfst, dafs dadurch
cwei Psalmstellen in Erffillong gegangen seien.
Zwischen diesen be'den Berichten findet eine doppelte
Abweichung statt: die eine Ober die Todesart des Judas,
die andere darüber, wann und von wem das Grundstock
erworben worden sei. W^as das firsfere betrifft, so ist es
nach Matthäus Judas selbst, welcher aus Reue und \ei^
cweiflnng 'Hand an sich' legt: wogegen in der A. G. von
keiner Reue des Verräthers die Rede Ist, und sein Tod
nicht als Selbstmord, sondern als sufälliger, oder näher
vom Himmel zur Strafe verhängter Unglücksfall ersclieint;
ferner ist es bei Matthäus der Strick, durch welchen er
sich den. Tod gibt: nach der Darstellung des Petrus ist
es ein Sturs, der durch ein gräfsliches Bersten dea Lei-
bes seinem Leben ein Ende macht.
Wie thätig von jeher die Harmonisten gewesen sind.
Drittes KapiteL f. 128. »27
\
dlete Abwelchongen aussogleichen, mag maa. bei Soicbr ')
ond KdinÖl nachlesen: liier sollen nnr kurz die Haopt-
versoche aofgefBhrt werden. Da die tteceichnete Absvel«
chong ihren Haoptsits in den Worten an)ry^ceTO bei Mat-
tbCns , nnd TtQfpnljg yeroiaevog bei Loltas hat : so lag es an
nichsten , Bnsusohen, ob nicht der eioe dieser Ansdrüclie
•of die 9eite des andern sa sieben wäre. Diefs bat man
mit a7trff^€XT0 anf verschiedene Weise versoeht, indem die-
ses Wort bald nur die BeSngstignngen des bdsen Gewis-
sens ^,*bald eine Kranliheit in Folge derselben *), bald
jeden aus Schwermuth und Versweiflong gewählten Tod
bedeuten sollte ^; wosu dann erst das nitt^vr^g yevofievos
X. r. A. der Apostelgesehichte das Genaoere nachbringe,
iah die Todesart, 2u welcher den Judas das böse Gewis-
sen und die Versweiflnng trieb, derSturu von steiler Höhe
beranter gewesen sei« Andere haben umgekehrt das ngr^n^s
ftviftevog dem dnrjy^ato ansupassen gesucht , in der Art,
dsrs es nichts Anderes ausdrfteken sollte, als dasjenige als
Znstaad, was das am^'^tno als Handlung: wenn dieses
doroh se suspendit, so sollte Jenes durch snspensus flber-
setst werden ^). — Der oflfenbaren Gewaltsamkeit dieser
Versuche gegenflber haben Andere mit Schonung der na«
tfirlichen Bedeutung der beiderseitigen Ausdrficke die ab*
wsiebenden Berichte durch die Annahme vereinigt , dafs
Msttbftus einen froheren , die A. G. einen spfiteren Mo-
ment in dem Hergang ' bei dem £nde des Judas berichte»
Und zwar hielten einige der älteren Erblfirer beide Mo-
mente so weit auseinander y -dafs sie in dem dnr^y^oao nur
1) Thesaurus, s. r. anuyx^'
2) Grotius.]
3) Hbiksxvs.
4) FiKizoinus.
5) So die Vttigata und Eraskus« S. gegen sUe diese Deutungen
KuiNai, in Matth. p. 743 ff. >
528
Dritter Abschnitt.
einen uiir«lun|[enen Versuch sam Selbstmord sahen, vrel-
eben Jndas, Indem der Baomast, an den er sich hingen
wollte, sich bog, oder aus sonst einer Ursache^ fiberlebte,
bis sp£ter die Strafe des Himmels durch das TiQr^vi^i; y^vo-
fifvo^ ihn ereilte^}. Allein, da Matthfius -sein oTi^^cao
offenbar In der Meinung «ind Absieht setst, von dem Ver^
rtfther das Letste eu berichten: so ^hat man in neuerer
Zeit die beiden Momente, in deren Bericht sich das erste
£?angelinm und die A. ü. theilen sollen, nfiher zusammen-
gesogen, und angenommen, Judas habe sich auf einer Hdhe
an einem Baume aufhingen wollen , da al>er der^ Strick
rifs, oder der Baumast brach, sei er über schroffe Klippen
und spitse Gestrfinche , die seinen iiolb serfleischten , bis
in*s Thal heruntergestfirut ^). Doch schon der Verfasser
einer Abhandlung Ober die letzten Schicksale des Judss
in Schmidt's Bibliothek ^ hat es auffallend gefunden , wie
getreulich sich nach dieser Annahme die beiden Erslhler
in die Nachricht getheilt haben mfilsten, indem nicht etwa
der eine das Unbestimmte, der andere das Bestimmtere he-
0
richte, sondern beide erefiblen bestimmt, nur der eine dea
ersten Theil der Begebenheit ohne den zweiten, der andere
den zweiten, ohne den ersten zu berOhren , und Hasb be>
hauptet mit Recht , beide Berichterstatter haben jeder nar
6) Oekuincnius z. A. G. 1 : o^Mas ü* han^&ctye r? a^xor*!, aju
tnfßita , Mar&rfix*^*** ^Ü9 t**» uTroTtviytjym, Vgl. Theophylallt KU
Matth. 27, und ein Schol. \4noLva^H bei Mattmabi.
7) So, nach Casaubokus, Paulus, 3, h, S* 457 ; Kuiü'öl, in MattL
747 f. ; WiKBR, b. Realw. d. A. Judas, und mit halber Bei-
Stimmung Olshausbn, 2, S. 455 f. Selbst Fmtzschb ist durch
den langen Weg bis zu diesen ietcten Kapiteln des Matthäus
so matt gemacht^ dass er sich he\ dieser Ausgleichung he*
rufaigti und unter Voraussetzung derselben behauptet, dass
die beiden Berichte amicissime conspiriren.
8) 2. Bandy 2. Stück, S. 248 f.
Drittes Kapitel. S- 12S. 5t!9
den Ton ihm AvfgenommeneD Thntbestand gekannt, da sie
sonst die andere Hfiifte nicht hfitten auslassen können ')•
Nacbdem wir so an der ersten Differens die Vereinl-
gongs?ersache haben scheitern sehen, fragt sich nnn, ob die
andere^ die Erwerbung des Grundstocks betreflPende, sich
leichter beilegen Ififst. Sie besteht darin, dars bei Mat«
thius erst nach des Judas Entleibnng die Synedristen ffir
das von ihm surflckgelassene Geld einen Acker (und zwar
Ton einem Töpfer — eine Bestimmung, die in der A. 6.
fehlt) erkaufen: wogegen nach der A. 6. Judas selbst
noch das Grundstock ffir sich erwirbt, und auf demselben
Tom jlben Tode ereilt wird ; so dafs nach diesem Bericht
das Grundstück von dem darauf vergossenen Blute des
Verrlthera, nach jenem von dem am Kaufpreis desselben
klebenden Blute Jesu, dyQog oder xiaqlov aXficczog genannt
worden sa sein scheint. Hier ist nun die Ausdrucksweise
des MatthXua so bestimmt, dafs an ihr nicht wohl eu Gun-
sten der andern Nachricht gedeutelt werden kann : wohl
aber hat das ixti^aaro in der A. G. eingeladen, es nach
Matthäus umEudeuten. Durch den Verrfitherlohn, soll die
Stelle der A. G. sagen wollen, erwarb er einen Acker:
nieht unmittelbar, sondern mittelbar, indem er durch die
Zarfickgabe des Geldes Veranlassung eum Ankauf eines
tirondsttfcks gab; nicht ffir sich, sondern fifir das Syne-
driom oder das allgemeine Beste ^^. Doch so viele Stel-
len man auch aufführen mag, in welchen das xtaad'ai in
der Bedeutung : ffir einen Andern erwerben, vorkommt, so
mofs doch in diesem Falle notbwendig die andere Person,
flir welehe einer erwirbt, angegeben oder angedeutet sein,
und wenn diefs, wie in der Stelle der A« G. , nicht der
Fall ist, so bleibt es bei der Bedeutung: ffir sich selbst
erwerben ^0* Diefs hat Paulus geftthlt, und daher der
9) L. J. §. 132. Vgl. Thbili, zur Biographie Jesu, §. 33.
10) t. Kuxn'ÖL, in Matth. p. 748.
11) 8. ScHmoT^s Bibliokh. a. a. O. S. 251 f.
i)a.t L^öen Jem $te Aufl. //. Band. ^4
530 Dritter Abschnitt.
Suche die Wendung gegeben, von Jadas, der durrh den
sohaoderbaften Stnrs auf eine Loimengrabe der Ankb
geworden sei, dala dieses Grondstllck den Synedristen Ye^
kanft werde, habe Petrus wohl ironisch sagen können^ er
habe noch im Tode durch den Fall seines Leichnams ein
schönes Besitsthum sich angeeignet **J. Ooeh diese Des-
tung ist theiis an sich geschraubt, theils seigt das yeirj^^-
TO) rj BTtavXig avrS tQr^/tiog, welches der Petrus der A. 6*
Im Fo^genden aus den Psalmen anfdhrt, dars er sich dai
Grundstock als wirklfphes Eigenthum des Judas gedacht
bat, welehes cur Strafe durch seinen Tod verödet wo^
den sei.
Da sich bienaob vreder die eine noch die andere Dif<
ferens auf götlichem Wege ausgleichen Ififst, so hat schon
Salmasius eine wirkliche Abweichung det* beiden Beriehte
Bugestanden, und Base glaubt diese Erscheinung, ohne den
apostolischen Ursprung der beiden Angaben su gefthrdeo,
aus der gewaltigen Bewegung jener Tage erkUren su k5o-
nen , in welcher nur die Thatsache des Selbstmords ?on
Judas bekannt geworden , ober den näheren Hergang des-
selben aber verschiedene Gerflohte geglaubt worden seien.
Allein in der A. 6. ist von einem Selbstmorde gar nicht
die Rede, und dals nun Bwei Apostel, wie Matthäus uod
Petrus, wenn das erste Evangelium von Jenem, die Rede
in der A. 6. aber von diesem heYrflbren soll, über den in
ihrer nächsten Nähe erfolgten Tod ihres ehemaligen Mit-
apostels so sehr im Dunkeln geblieben wären, dafs der eine
ihn eines sufäUigen , der andere eines selbstgewählten To-
des sterben llefs, ist schwer bu glauben. Uafs daher oor
einer der beiden Berichte als apostolisch festgehalten wer
den' könne, hat der Verfasser der schon erwähnten AIh
handlung in Schmidt s Bibliothek richtig eingesehen. Und
Ewar ist er bei der Wahl cwischen beiden von dem Grund-
12) Paulus, 3, b, S. 457 f. ; Fritzscrb, p. 799.
Drittes Kapitel. $.128. 531
satfe. AUigegAiigen , dar« die minder aof Verherrliebang
eingerichtete Ersfihlong die glaobwflrdigere ael; wefawegen
er denn der Daratellang der A. 6. , welche den verherrli-
chenden Zug der Rene dea Jadas and aeinea Bekenntniaaea
von Jeaa Dnachnld nicht hat, vor der dea eraten Evange-
Uooia den Vorsog glot« Doch wie ea immer iat bei swei
sich wideraprecLenden Berichten, dafa der eine den an»
dern nicht nur durch aein Stehen anaacbliefat, aondern auch
durch aein Fallen miterachfittert : ao haben wir auch hier,
wenn ^ejenige Daratellnng der Sache, weiche daa Anaehen
dea Apoatela Matthfioa fttr aich geltend macht, aufgegeben
ist, keine Bllrgachaft mehr ffir die andere, welche aich
dem Apostel Petrua in den Mund legt.
Dfirfen wir aomit beide Berichte auf Einen Fufa behan«
dein, nfimlich ala Sagen, von welchen erat aoasumachen
ist, wie weit ihr geachichtlicher Kern, und wie weit das
traditionell Aufgetragene geht: ao mflisen wir, um hier»
Aber in*a Klare su kommen, die Anhaitapunkte betrachten,
an welche die Ersiblungen aich knüpfen. Hier neigt aich
aini beiden gemeinsamer, neben ewei andern, deren einen
jede für sich eigen hat. Gemeinschaftlich ist beiden Re-
lationen das Datum, dafs es in oder bei Jemaalem ein
QrandatBck gegeben habe, daa ayQog oder xiaQiov aificttog^
in der Ursprache nach der Angabe der A« 6« axeXdaficcy
hieb. Da in dieaer Notis swei sonat ao gans anaeinander-
gehende Berichte suaammentreffen, und llberdiefa der Ver-
fasser dea eraten Evangeiiuma aich darauf (»eruft, dafa noch
SU aeiner Zeit jener Name dea Ackere vorhanden geWeaen
aei : ao darf die Exiatens einea ao benannten Grnndatacka
wohl nicht besweifelt werden. Dafa ea eine wirkliche Be-
siehung anf den Verräther Jean gehabt habe , iat achon
weniger gewifa, da nnaere beiden Ersähinngen dieae Be-
eiehung verachieden angeben: die eine den Jndaa aelbat
daa Gnt erwerben, die andere ea erat nach aeinem Tod nm
die 30 Silberlinge gekauft werden lälst. Wir kennen da-
34*
532 Dritter Abschnitt.
her nar so viel sagen , dafs die nrohristliche Sage Jenen
Biotacker frühzeitig eine Besiehang aaf den Verrfither
gegeben haben mnfs. Warum aber in. verschiedener Weise,
davon ist der Grnnd in dem andern Anhaltspunkt unserer
£reählungen sn suchen , in den A. T. liehen Steilen nfia-
liqh , welche die Berichterftatter ^ jeder öbrigens andere,
als erfüllt durch das Schicksal des Judas anführen«
In der Stelle der A. 6. wird Ps. 69, 26. und Ps. 109, S.
in dieser Weise angeführt. Der . letatere ist ein Psalm,
welchen die ersten Christen aus den Juden gar nicht um-
bin konnten , auf das Verhältnifs des Judas bu Jesu an
liesiehen« Denn nicht nur spricht der Verfasser, angeblich
David , ohne Zweifel aber ein weit späterer ^') von vorne
herein von solchen, die falsch und giftig wider ihn re-
den, und ihm für seine Liebe Hais eurückgeben; sondern
von V. 6. an, wo die' Verwünschungen angehen, wendet
er sich gegen eine einzelne Person , so dafs die jüdischen
Ausleger an Do§g, Davids Verläumder bei Saul, dachten,
und ebenso natürlich die Christen an den Judas» Ana die-
sem Psalm ist hier derjenige Vers herausgelesen, welcher^
von der Uebertragnng des Amts an einen Andern handelnd,
gsnz auf den Fall des Judas zu passen schien. Der andre
Psalm redet zwar unbestimmter von solchen, die den Ver-
fasser ohne Ursache hassen und verfolgen: doch ist er,
ebenfalls angeblich Davidisch, dem andern an Inhalt and
Manier so ähnlich , dafs er als Parallele zu jenem gelten,
nnd wenn aus jenem, dann auch aus diesem Verwünachnn«
gen auf den Verräther angewendet werden konnten '*>
Hatte nun Judas wirklich um seinen Verräthersold ein
Gut gekauft, welches hernach wegen seines auf demaelben
13) s. DB Wim, z. d. Ps.
14) Auch sonst im N. T. sind Stellen dieses Psalms messianiscli
angewendet : wie V. 5. Job. 15, 25. ; V. 10. Joh. 2, 17., und
Joh. 19, 2S f. wahrscheinlich V. 22.
Drittes Kapitel. $. 128.
53d
erfolgten grXfeilchen Endes öde liegen blieb: so ergab es
sich von selbst, ans diesem Psalm gerade diejenige Stelle,
welche den Feinden Verödung ihrer mavlig anwfinscbt,
sof ihn EO besiehen. Wie es jedoch, bei der Abweichung
des Matthfins , sweifelhaft ist , ob Judas selbst sich jenes
Grnndstflck erkauft habe und auf demselben vernngiflckt
sei: so war auch schwerlich den Juden das Stfiek Land,
aaf welchem der Verrlther Jesu geendet hatte, so ab-
scheulich, um es als Blutland öde liegen en lassen; sondern
diese Benennung hatte wohl einen andern nicht mehr zu
eraiittelnden, Ursprung gehabt, und die Christen haben sie
in ihrem Sinne umgedeutet; so dafs wir nicht ans tfnem
wirkliehen Besitsthum des Judas die Anwendung der Psalm-
steile und die Benennung jenes öden Platzes, sondern aus
diesen beiden Momenten die Sage von einem Besitze des
Jodas ableiten mflssen« Waren nfimlich die genannten bei-
den Psalmen einmal auf den Verräther Jesu besogen, und
in deren einem ihm Verödung seiner mccvXig (LXX.') ge-
wfinschi: so mnüste er vorher im Besitz einer solchen ge-
wesen sein, und diese, dachte man sich, wird er wohl um
den Lohn seines Verraths erkauft haben. Oder vielmehr,
dsfs man ans jenen Psalmen gerade die Verödung der
mavlis besonders hervorhob, scheint in der nahe liegenden
VoraussetJBung seinen Qrund gehabt zu haben, dafs eben
an etwas, das er sich um sein Sdndengeld erworben , der
Fluch* sich geänfsert haben werde: der Mittelpunkt des
£rwerblicljen aber unter dem, was die gedachten Psalmen
anfffihren, ist die *&iavJiig. Dieser Wendung der Sache
kam nun auf erwünschte Weise das in der Mähe Jernsa-
lems gelegene axeldafia entgegen, welches, je weniger man
den wahren Ursprung seiner Benennung und des an ihm
haftenden Abschens kannte, desto leichter sich dazu her-
gab, von der nrchristlichen Sage för sich verwendet, und
als die inavlig i]Qf;/4W/4ivtf des Verräthers betrachtet zu
werden.
534 Dritter Absohnitt.
Statt dieser Pflalinstellen f&brt das eryCe Evangelioa
ala erffiUt dareh das endliche Benehmen des Judas eise
Stelle angeblich ans Jeremies an^ für welche sich aber
nnr bei Zacharias, 11, 12 f., etwas Entsprechendes findet,
wefswegen man jetst eiemlioh allgemein eine Verwechslirog
der Namen von Seiten des Evangelisten voranssetst ^').
Wie Matthins durch den Grundgedanken dieser Stelle —
einen unbillig geringen Preis ffir den im Orakel Redeih
den — SU einer Anwendung auf den Verrath des Jndai|
der um ein scbndiles Geld seinen Meister gleichsam ver-
kauft hatte, sich veranlafst finden konnte, ist schon oben
anseinandergesetet ^^>. Nun war in der Prophetenstelk
dem Urheber des Orakels von Jehova befohleui das aehlechte
Geld, womit er abgelohnt worden war, in das GottesbaU)
und swar "ttSViTTM, zu werfen, nnd er bemerkt, dals er
diefs gethan habe. Der Hinwerfende ist im Orakel dieselbe
Person mit dem Sprechenden, also mit dem des geringes
Preises werth Geachteten, weil hier das Geld nicht Kaof-
preis sondern Lohn ist, folglich eben von dem so niedrig
Angeschlagenen eingenommen wird, und nnr von diesen
wiener hingeworfen werden kann : in der Anwenddog des
Evangelisten dagegen, wo das Geld ein Kaulpreis Ut, war
ein anderer als der so gering Angeschlagene als derjenige
cu denken, welcher das Geld eingenommen and wieder
liingeworfen habe. War der um so geringen Preis Verluinfte
Jesus: so konnte der, welcher das Geld eingesogen hatte
nnd wieder hinwarf, nur sein Verräther sein. Daher heiCit
es nun von diesem, er habe die aQyvQia iv %<fi vai^ hinge,
werfen, entsprechend dem rt\iV PS^ \nk "IfSsEfMI in der Pre-
phetenstelle , obwohl gerade diese Worte in der hScbft
entstellenden AnfShmng des Matthäus fehlen. Nnn aber
15) Doch s. andere Vermuthangen bei Huihöl, x. d. St.
16) %, 117.
Drittes KapiteJ. S* i2&
535
stand neben den rhSV rV^f wohin das Geld geworfen wor-
den war. nock der Beiaata: "ttS^^rrSM- Die LXX. Ober-
setat: eig ro x^ii^^^Q^^^f ^° ^^'^ Schmelcofen ; Jetet ver-
nnthet man mit Grand, "es sei ")lS^^rr7M, in den Scliats, an
panetiren ^'); der Verfaaaer nnsres Evangeliums blieb bei
der wörtlichen Deberseteang durch xeQafievg* Was aber
der Töpfer hier thun, warum ihm das Geld gegeben wer-
den sollte, mn&te ihm cunSchst ebenso nnverstfindlich
sein, wie ans, wenn wir bei der gewöhnliche^ Lesart blei-
ben. Nan fiel ihm aber der Blutacker ein, welchem, wie
wir ana der A. 6. sehen, die christliche Sage eine Be«
^ Ziehung auf den Jadas gegeben hatte, und so ergab sich
' die willkon«mene Combinatioh, jener Acker sei es wohl ge-
^ wesen , ffir welchen dem xeQafievg die 30 Silberlinge erlegt
^ werden mofsten. Da aber der Töpfer nicht im Tempel aa
b denken war, und doch laut der Prophetenstelle dieSilber-
' linge In den Tempel geworfen worden waren: so wurde
; das Hinwerfen in den Tempel von dem Abgeben an den
: Töpfer getrennt. Mufste jenes dem Judas angeschrieben
i: werden, hatte er also einmal das Geld ans der Hand ge-
ifii geben : so konnte nicht mehr er selbst das Grundstück
von dem Töpfer kaqfen , sondern diefs mufsten mit dem
hiogeworfenen Gelde Andere thun. Wer diese gewesen
« sein mufsten, ergab sich von selbst : warf Judas das Geld
hin, so wird er es denen hingeworfen haben, von welchen
er es erhalten hatte; warf er es in den Tempel, so fiel es
dessen Vorstehern in die Bände : auf beide Weise also den
:,i Sjnedristen« Der Zweck, welchen diese bei dem Ankaufe
lii; des Grundstocks gehabt haben mufsten, ergab sich vielleicht
,^^ aus der wirklichen Benfiteung, jenes öden Platzes. Sollte
fei
Itr
Su ^
17) Emi9y in Ullmanj^'s und Umbrbit's Stadien, 1830, 1« S. S5.|
GstBNius y im Wörterbuch ; vgl. Rosbkmüllir's Scholia in
t V. T. 7, 4, S. 320 ff.
536 . Dritter Absohuitt.
endlich Jodas den Lohn seines Verraths von sich gewor-
fen haben : so konnte diefsi mufste man schliefsen, nur tos
Rene geschehen sein* Den Judas Reue eeigen sa lassen,
und so dem Verr,äther selbst ein Zeugnifs für die Unscbald
Jesu abzugewinnen, lag ohnehin der Vorstellung der älte-
sten Christengemeinde ebenso nahe, oder vielmehr noch
näher, als es ihr lag, den Pilatus sich bekehren, und selbst
den Tiberius im römischen Senat auf Vergötterung Jesu
antragen zu lassen ^0» Wie wird sich nun aber die Rene
d^s Judas ferner gefiufsert haben? Dafs er sich snm tio*
te^ eurfickgewendet hätte, davon wnfste man nicht nor
nichts, sondern es war auch für den Verräther viel £a
gut: folglich wird die Reue in ihm enr Verzweiflung ge-
worden sein, und er das Ende des aus Davids Geschichte
bekannten Verräthers Ahitopbel genommen haben, von
welchem es 2. Sam. 17 , 23. heifst : avapj xai ait^kO-ev -^
xai anrff^ino^ wie von Judas hier: dvex^Qt^oa fcal a7U/,^tav
Eine auf den Papias zurOckgeffihrte Ceberliefernng
scheint sich mehr nur an die Erzählung der Apostelge-
schichte anzuschliefsen, Oekumenius führt aus dem ge-
nannten Traditionensammler an, Judas sei zum abschre-
ckenden Beispiele der Gottlosigkeit dermafsen am Leibe
aufgeschwollen, dafs er, wo ein Wagen durchfahren konnte,
nicht mehr durchkam, und endlich, von einem Wagen ge-
18) Tertull. Apologet, c. 21 : Ea crnnia super Christo Piialut,
et tpse Jam pro sua conscientta Christianus, Caesari tum
Tiberio nuncioüit. c. 5 : Tiberius ergo, cujus tempore nomen
Christianum in secuhim introiit, annunciatum sihi ex Syria
Palaestina, quod illic veritatem iUius Divinitatis revelavenä,
detuiit ad Senatum cum praerogativa suffragii suL Senatus,
guia non ipae probaoerat, respuit. Weiteres hierüber findet
man ge«ainmclt bei Fabriciü«, Cod. Apocr. N. T. 1, p. 214 ff.
298 ff. ; vg). 2, p. 505.
Drittes Kapitel. S* 128. 537
qaetseht, serbont und alle Eingeweide aueaehilttete ''),
Die letEte Angabe ist ohne Zweifel ein Mifsventand der
alten Sage; denn der dorohfahrende Wagen war arspriing-
lieb in keine nnmittelbare Berflhrnng mit dem Leibe des
Jadas gebracht, sondern nnr als Mafs ffir dessen Dicke
gebrancht, nnd diefs wurde später irrig so anfgefafst, als
ob ein vorflberfahrender Wagen den aufgeschwollenen Ju-
das zerquetscht hfitte. Wirklich finden wir daher nicht
sllein bei Theopbylakt nnd in einem alten Scholion ^®)
ohne bestimmte ZurfickfUhrung auf den Papias, sondern
such in einer Catene mit genauer Anffihrung seiner e^jj^
yrjüeis , die Sache ohne jenen Znsats erefiblt -^). Das un-
geheure Anschwellen des Judas, von welchem in diesen
Stellen die Rede ist, sollte wohl nrsprdnglich nur eine
ErUfirung für das Zerplataen nnd Ausschütten der Ein-
geweide sein , und ebenso könnte- man die Wnssersucht,
in welche Theophylakt ihn' verfallen Ififst, wiederum nnr
als eine Erklärung dieses Ansohwellens betrachten: in-
19) Oecmneil. ad Act« ].: rffro rTt aa«ptgf^ l^o^X UanCag, o 'ifoayra
rS ano^ht /ia&tfri^q ft^yoi aafßf(aq inoSny/ua ir rartp tw xoofito'
Ttt^ttnarijoey Iiidag. JjQt^^ttg yaq inl roaSroy r^ aoQxa^ tagt fttj
a^tj , (Ss« Ta Pyuaera tn/rS ixxevta^ijvcu.
20) t. oben Anm. 6.
%\) In MUirriK't Fragm. Patr. I, p. 17 ff. Die Stelle lautet tibri-
gens sehr ähnlich der des Oekumeniat, und überhietet sie
zum Tbeil noch ! tbto Sh catp^'qt^ l^oqtl IIan(ai , o ^lioarva fta-
'9tfr^i, 2tytav «rro»; er tw Ttra^to r^i f^^ijattag top xu^xtav Xoytay'
fttya Se acf/StCas vnoSeiyjua tv rarfo tiZ xoa/ttn} m^tnarrfity o InSaf
n^tja^ttg Inl roaSrov t^ aa^tta, tO^e /utjSk onoSer a/jta^ QaSiwg
Sif^^trai, httivQV ^vraa^tn 9al&tüf^ alla /ojSt auror /uoroy rov oyxor
T^( xtfpaVji avTM ra fov ya^ ßlkifa^ xw oip^aX/Mv avrS ( CoCL
Venet«: ^al roaSroy iiOtStjaatj mq ovror ßitv xa96ls ro tpoSf fx^ ßli^
nttrj jufjSh vno iotqS SioTrrfHtq o^^tjrai Swaa9ai x. r. Z. Altra rroi^
Zai dt ßaowsg «at Ti/uwntaf iy Idoo^ tpaa), X*'^? rtievnjaayrpi k. r. i.
538 Dritter Absobnitt.
dessen, wenn man in dem, A. O. i, 20. auf den Jadas an-
gewendeten Ps. 109. unter andern Vorwfirfen ancb den
liest: ^a■^p9 d:53 <^^^i?> **^1 *^^^- «^^«y (7 xma^a)
fjigel vd(OQ elg %oi ayxccza avrä (V. 18.): so liSnnte doch
möglicberweise die voaog vdeQixi^ auch aus dieser Stelle
geholt sein; wie der Zug der monströsen Bescbreibnnj[,
welohe der angebliche Papias yon dem Znstande des Jo*
das macht, dafs er nämlich wegen ungeheuren Ansah wel-
lens.der Angenlieder das Tageslicht nicht mehr habe sehea
können, an V. 24. des andern Jndaspsalms erinnern durf-
te, wo unter den Verwfinschnngen namentlich auch die
vorkommt ; axortiadTjroyaav ol 6(pd'aXnol avnSv rS f£i^ ßlimuf,
eine Verhinderung am Sehen , welche^ einmal den g^
schwollenen Leib des Judas vorausgesetzt, als Zusehwellen
der Augenlieder sich gestalten mufste. Hat so die aa
A* 6. 1. sieh ansehliersende Ueberlieferung ihre Ansiebt
von dem Ende des Judas hanptsicblich nach Ausdrfleken
der beeeichneten beiden Psalmen weitergebildet, und ist in
jener Stelle der A. 6. selbst die Angabe von dem Ver-
hältnifs des Judas an dem Landgut ebendaher entnommen:
so liegt die Vermnthung nicht ausufern, dafs auch schon,
was die A* O. Aber das Ende des Verrfithers sagt, auf
derselben Quelle geflossen sein möge. Dafs er eines frflb-
eeitigen Todes gestorben, kann geschichtlich sein : aberanch
wenn nicht, so war ein frflher Tod schon Ps* 109, in demsel-
ben 8ten Verse, welcher die Verleihung der iTtiGKOJi^ an ei-
nen andern enthielt, in den Worten : ys^f^Oi^cjaccv cel ^fiiftu
avtä oUyaiy Ihm verkQndigt, und fast möchte man glauben,
dafs auch der Tod durch einen jfihen Fall aus Ps. 69, 2^,
wo es heifst: yetTjd'ijno jy TQccne^a avzfSv — dg axavdalv
(tt^iZD?), entstanden sei.
Schwerlich also wissen wir von Judas auch nur soviel
gewifs, dafs er auf gewaltsame Weise vor der Zeit nm*5
Leben gekommen : sondern wenn er, wie nach seinem Aus-
Drittes Kapitel. S* 129. 539
v
tritt «tt9 der Getellsehaft Jean oatOrlleh wer, filr diese in
die Dnnkelbeit snrflcktrat, io welcher die liietorisehe Ran-
de von seinem weiteren Sotiicksal erlosch: so konnte die
christliche Sage ungehindert alles das an ihm in ErfiQllong
gehen lassen, was die Weissagongen und Vorbilder des
A. T. dem falschen Frennde des Oavidssohnes drohten,
Dod konnte selbst an eine bekannte nnheilige Stätte
in der Nfihe flemsalems das Andenken seines' Verbrechens
kofipfen ^),
*
S. 129.
Jesnt vor FilstiiB und Herodei.
Nach sXmmtlichen Evangelisten war es Morgens, als
die Jfldiscben Obern Jesnm, nachdem sie ihn des Todes
•chuidig erkannt hätten ^), (fesseln — nach Joh. 18, U.
wsr er schon im Garten bei der Gefangennehmnng gefea-
•elt worden ; Lukas erwähnt des Bindens gar nicht — an4)
Bu dem römischen Procurator Pontius Pilatus fOhren
iiersen (Matth. 27, 1 ff. parsll. Joh. 18, 28.). Hieeu ntf-
thigte sie nach Joh. 18, 31. der Umstand, dafs dem Syn*
edrinm die Befngnifs, Todesstrafen (ohne römische Ge-
nehmigung) eu vothdehen, abgenommen war'): jedenfalls
23) Vgl. DS WnTB, exeg. Handb., !, 1, S. 231 f 1, 4, S. 10 f.
1) Nach Babyl. Sanhedrin, bei Liohtfoot, p. 486 ^ wo es heisat:
Judieia de capiiaHäui /Munt eodem die, si tint ad absolut
tionetnf si vero sint ad damnaiionem, fMuntur die segnete
te — wäre diesa Verfahren ungesetzlich gewesen. *
2) Ausser dem johanneischen : r,ftiv ix fit^tv anorreirai mSfra^
spricht für diesen Stand der Dinge nur noch eine dunkle
und schwankend auagelegte Tradition , Avoda Zara f. Sy 2.
<Li«HTrooT, p. 1123 f.^ : JRäbh Cahua didt, cum aegroiaret
R* innaii bar Jose, miseruni ad cum, dieer^es: die nMs,
o Domtne, duo a»U tria, guae aliquando dixisti nobit no^
mine patris tut Didt iis quadraginta anuia ante ex-^
cidium tempH migradt Synedrium et sedit in tabemig.
540 Dritter Abschnitt.
indefs mufste diefsmal die JQdisehe Regierang wfinscben,
die R(^iner in die Sache ca eieben , weil nor deren M«cbt
ihr gegen einen d'OQvßog iv nf) kaai, den sie von einer Hin-
richtung Jesu während der Festzeit befflrchtete CMaCth«
269 5. parall.)» Sicherheit gewähren konnte.
Bei'm Prätorinm angekommen, blieben, nach der Dai^
stellong des vierten Evangeliams 9 ^e Juden aus Scheue
vor levitischer Verunreinigung anfsen, Jesus aber wurde
in das Innere des Gebäudes geführt, so dafs Pilatus ab-
wecbslnngsweise, wenn er mit den Juden verhandeln woll-
te, herauskommen, wenn er aber Jesum inqnirirte, hinein-
gehen mufste (18, 28 fF.)« Die Synoptiker stellen im Ver-
folg Jesnm mit Pilatus und den Juden in Einem und dem-
selben Locale vor, da hei ihnen Jesus die Anklagen dar
Juden unmittelbar hört, und vor Pilatus beantwortet. Dt
sie, wie Johannes, die Verurtheilung unter freiem Himmel
vorgehen lassen Cn*oh derselben lassen sie ja Jesom 10
das Prätorinm hineingeffihrt werden, Matth. 27, 27», und
Matthäus V» 19., wie Jobannes 10, 13., läfst den Pilatus dss
ß^/iicc besteigen, welches nach Josephns ') unter freiem
Himmel stand), ohne im VerhältniCi cum Verhör einer
Quid Hbi vuU haec tradiHof , Rabh Isaac, bar Abdimi di-
eit: tum Judicäruni judicia nuilctaüva. IHxit R. Nackma»
bar isaac: ne dicat , guod nan judicdrunt judida muieia-
Hva, »ed guod non Judicdrunt Judida capitaÜa — womit
noch die Notiz bei Jotepfaua, Antiq. 20, 9, Uj verglichen wer-
den kann, data et «r #$ov »/r Idrart^j (dem Hohenprietter), ^^m-
f/tf T^f fxfCvH (det Frocuratort) ynajutj^ xa&£am aw49^o¥. Dage-
gen könnte zwar die ohne Zuziehung der Römer erfolgte
Hinrichtung det Stephanut , A. G. 7, zu tprechen tcheinea:
allein diett war ein tumultuaritcher Act, unternommen viel-
leicht im Vertrauen «uf die Abwesenheit det Pilatus. Vgl.
über dieten Funkt LtjCKS, 2, S. 631 ff«; Tbolvck, Glaubwür-
digkeit, S. 360 f.
3) De bell. jud. 2) 9; 3.
Drittes Kapitel. S* 129. 541
OrtsFerfinderang cn gedenken: ao haben sie sieh wahr-
aobeinlich die ganse Verhandlung, aber, abweichend von
Johannes, anch Jesnm selbst, auf jenem Vorplätze gedacht
Die erste Frage des Pilatus an Jesnm ist nach allen
Evangelien: av el 6 ßaütlevg rtjy ^I&daujVj d. h. der Mes-
sias? Bei den swei ersten Evangelisten ist diese Frage
ohne Einleitung durch eine Klage der Juden (Matth. V.
II. Marc. V. 2.); bei Jobannes fragt Pilatus, ans dem
Prfitorinm heraustretend, die Juden, was sie gegen Jesum
so klagen hfitten (18, 19.)? worauf sie ihm trotsig er-
wiedern : ei ^ ötos ^ xaxojtoiogj hx av aoi TtaQedcixafiev
avTOVf wodurch sie übrigens sich nicht vertpreohen konn-
ten , dem Römer die Bestfitignog auf die schnellste Weise
sbsndringen *), sondern nur ihn eu erbittern. Nachdem
ihnen Pilatus hierauf cor Antwort gegeben: so mögen sie
ihn nehmen and nach ihrem Gesetze nebten — indem er
entweder an ein todeswilrdiges Verbrechen nicht dachte,
oder die Jaden verhöhnen wollte — , und sie ihm ihre
locompeteuB sor Vollziehung von Todesstrafen entgegen-
gehalten haben : geht der Proeurator hinein, und legt Je-
ia gleich die bestimmte Frage vor, ob er der König der
' Joden sei ? welche somit hier gleichfalls nicht gehörig ein-
geleitet ist. Nur bei Lukas ist diefs der Fall, welcher
saerst die Anklagen der Synedristen gegen Jesnm aufführt,
dafi er das Volk aufwiegle und enr Verweigerung der
Steuer an den Cfisar reize, indem er sich fittr XQigov ßa-
QiUa ausgebe (23, 2.).
Begriffe man auf diese Weise aus der Darstellung des
Lakas, wia Pilatus ^ sofort die Frage an Jesum richten
konnte, ob er der König der Juden sei ? so ist bei ihm um
so dunkler, wie auf die bejahende Antwort Jesu hin Pila-
tes ohne Weiteres den AnkllSgern erklfiren konnte, an dem
Beklagten keine Schuld zu finden. Er mufste doch erst
\
4) Wie Ucn annimmt , S. 631.
542 Dritter Abschnitt.
den Grond oder Ungrond der Anklage auf Volkt•1lf«lieg^ i
long untersuchen , und auch Aber den Sinn , in welch»
sich Jesus ffir den ßaatXsvg twv ^iBÖodiov ausgab, sich ah |
ihm verständigen , eh9 er sein adh evQiaxta amc» iv w |
avS-(H07t(p TöTip aussprechen konnte. Bei Matthias onl |
Markus folgt zwar auf die Bejahung Jesu , der König der
Juden SU sein, noch sein den Pilatus befremdendes Schwei* '
gen gegenfiber den gehliuften Anklagen der Synedritten;
auch wird hierauf nicht eine bestimmte Erklffrong , iäk
an Jesu keine Schuld sn finden sei. sondern blofa derVer
such des Procurators gemeidet, Jesum durch die Zasaa-
menstellung^nit Barabbas in Freiheit au seteen : doch aoeb
nur, was ihn an diesem Versuche beweg, geht aas da
genannten Erangelien nicht hervor. Hinllnglich klar da-
gegen wird dieser Punkt im vierten Evangelium* Nach
der Frage des Pilatus, ob er wirklich der Judenköaig lei,
befremdet swar die, Gegenfrage Jesu, ob er diefs von sieb
selbst, oder auf Eingebung Anderer rede? Man kann ei-
nen Beklagten, möge er immer sich unschuldig wlueO)
Btt einer solchen Frage nicht befugt finden, wefswegeoB^aa
denn auch auf allerlei Arten versucht hat, derselben eioca
ertrfiglicheren Sinn au geben : allein , um blofs eine Zi*
rfickweisung der Beschuldigung als einer widersinnigen
an sein ^), ist die Frage Jesu au bestimmt; als Erkoodh
gung aber, ob der procurator das ßaaiXevg TiSv %3au^
im römischen Caq>^ tavrä) oder im jüdischen Sinne iaÜ»
001 dhtoif) meipe^), au unbestimmt. Auch fafst es Piiatitf
nicht so, sondern als unbefugte Frage» auf welche es noeb
aehr milde ist, dafs er aunfichstawarungeduldig'die aweit«
Gegenfrage macht, ob er denn ein Jude sei, um dsrch
sich selbst von einem so specifiscb Jüdischen Verbrechen
tVotia haben au können ? hierauf aber gutwillig erklirt, die
5) CALvncy c. d. St
6) Li?cKi|Und TttOLVCK, i. d. St.
Drittes Kapitel. S- 129. 54S
Joden und deren Obere seien es Ja , dureli welche er ihm
fiberliefert worden, er möge also Aber das ihm yon diesen
Bor Last gelegte Vergeben sich näher aasspreehen. Auf
dieses nun aber gibt ihm Jesus eine Antwort, welche, so«
sammengenommen mit dem Eindruck seiner g^nsen Er-
icheinang, dem Procnrator allerdings die Ueberceognng
▼OD seiner Onsohold beibringen konnte. Er erwiedert
nümlich, seine ßaailela sei nioht ex tS xoofia totBj und
föhrt den Beweis hieffir ans dem ruhigen, passiven Ver-
halten seiner Anhänger bei seiner Gefangennehmang (V.
3(>.)« Auf die weitere Frage des Pilatus , da Jesus sich
hiemit eine ßaaüLeiaj wenn gleich keine irdische, suge*
schrieben hatte, ob er also doch für einen König sich aus-
gebe? erwiedert er, allerdings sei er das, doch nur inso-
fern er cum Zengnits der Wahrheit geboren sei; worauf
Ton Seiten des Pilatus das bekannte: tI igiv dXrjS'Bux; er-
folgt« Ob nun gleich an dieser letsteren Wendung das
eigenthfimiich johanneische Colorit im Gebrauch des Be«
griffs von al^siOj wie weiter oben das Ongeftlgfge in der
Gegenfrage Jesu, auifällt: so begreift man doch nach die«
aar Darstellung, wie Pilatus sofort hinaustreten, und den
Joden erklären konnte, keine Schuld an ihm an finden.
Doch könnte leicht ein andrer Punkt gegen diesen Bericht
des Johannes wieder bedenklich machen. Wenn ihm eu*
folge das Verhör Jesu im Innern des Prätorioms vor sich
ging , welches kein Jude betreten mochte : wer soll dann
das Gespräch des Procnrators mit Jesu gehört, und als
Gewährsmann dem- Verfasser des vierten Evangeliums an-
gebracht haben? Die Ansicht älterer Erklärer, dafs Jesna
selbst nach der Auferstehung den Jdngern diese Verband«
langen ersäblt habe, ist als abenteuerlich aufgegeben;
die neuere, dafs vielleicht Pilatus selbst die Quelle der
Nachrichten aber das Verhör gewesen sei, ist kaum min-
der unwahrscheinlich, und ehe ich mir, wie Lückk, damit
helfe, dafs Jesus am Eingänge des Prätoriunu stehen ge*
» I
544 Dritter Abschnitt.
blieben sei, and somit die aoften Znnlicbststehenden bei
einiger Anfmerlisamkeit und Stille C^) die Unterredung ha-
ben hören können , würde ich mich noch lieber auf die
Umgebongen des ProcnratorS) der schwerlich mit Jesa al-
lein war,, berafen. Leicht könnten wir indefs hier eis
Gesprfich haben, das nnr der eignen Combination des
Kvangelisten seinen Ursprung verdankt.
Vor der Diversion mit Barabbas, welche nun bei den
fibrigen folgt, hat Lukas ein eigenthiimliohes Zwischenspiel.
Auf die Erklärung des Pilatus nfimlich, an dem Beklagten
keine Schuld eu finden, bleiben hier die Hohenpriester
sammt ihrem Anhang unter der Menge dabei, Jesus rege
^' das Volk auf durch seine Wirksamkeit als Lehrer von
GalilSa bis Jerusalem; Pilatus farsttialillia in'sObr, fragt,
ob der Beklagte ein Galilfier sei? und wie diefs beatiitigt
wird, ergreift er es als \Bine willkommene Gelegenbeir, sich
des unwillkommenen Handels bu entledigen, schickt al^o
dem Tetrarchen von Galilfia, dem cur Festseit in Jerasalem
anwesenden Herodes Antipas , Jesum eu , mit der Neben*
absieht vielleicht, was wenigstens der Erfolg war, den klei-
nen Fürsten durch solchen Respect vor seinem Forum sieh
zu verbinden. Herodes, heifst es, sei darüber erfreut ge-
wesen, weil er nach dem Vielen, was er schon von Jesa
gehört hatte, Ifingst wflnschte, ihn zu sehen, in der Hoff-
nung, er würde vielleicht ein Wunder zum Besten geben.
Der Tetrarch habe nnn verschiedene Fragen an ihn ge-
richtet, auch die Synedristen harte Klagen gegen ihn er-
hoben , Jesus aber keine Antwort gegeben ; worauf dann
Herodes mit seinen Soldaten sich zum Spotte gewendet,
und endlich Jesum in einem Prachtgewande zu Pilatus
zurückgeschickt habe (23, 4 ff*.). Diese Erzfihlung des
Lukas hat, sowohl in ihr selbst, als in ihrem Verbfiltnifs
zu den übrigen Evangelien, mehreres Befremdliche. Ge-
hörte wirklich Jesus als Galiläer unter die Gerichtsbarkeit
des Herodes, wie Pilatus durch die Uebergabe des Beklag-
Drittes Kapitel. S- 129. 545
ten an iho anEoerkenoen scheint : wie kam es , dafs Jesas,
nicht nnr der sdndlose des orthodoxen Systems, sondern
anch der gegen die bestehende Obrigkeit nnterwfirfige der
Geschichte vom Zinsgroschen, ihm die schaldige Antwort
versagte ? wie , dafs ihn Herodes ohne Weiteres wieder
▼00 seinem Forum carflckschickte ? Mit Olshausen su sa-
gen, es habe sich im Verhör bei Herodes ergeben, dafs
Jesas nicht in Nazaret nnd Oaliliia, sondern in Qethlefaem,
also in JodiSa, geboren war, ist theils eine nnerlaabte Be-
aognahme auf die Gebnrtsgeschichte ,* von deren Angaiiea
sich im gansen seitherigen Verlauf des Lnkasevangeliums
keine Spur mehr gefunden hat ; theils wQrde wohl eine so
gsna KufftUige Geburt in Judfia, wie sie Lnkas darstellt,
während die Eltern Jesu vor* und nachher, und auch Je-
sas selber, in Galiläa ansässig blieben, Jesum su keinem
Judäer gemacht haben; hauptsächlich aber mnfs man fra-
gen, durch wen denn die Jndälsche Abkunft Jesu an den
Tag gekommen sein soll, da es von Jesu heifst, er habe
keine Antwort gegeben, den Juden aber jene Abkunft nach
siiem, was wir wissen, unbekannt war? £her mag maa
das Stillschweigen Jesu aus der unwürdigen, nicht den
Ernst des Richters, sondern blofse Neugier verrathenden
Art der Fragen des Herodes , und die Znrücksendung an
Pilatus daraus erklären, dafs doch nicht allein die Ver-
haftung, sondern auch ein Tbeil der Wirksamkeit Jesu in
das Gebiet des Pilatus gefallen war. Warum aber berich-
ten, die übrigen Evangelisten von dieser ganzen Zwischen-
scene nichts? Namentlich wenn man den Verfasser des
vierten Evangeliums als den Apostel Johannes Ach denkt,
ist schwer einsusehen, wie man diese Auslassung erklärea
will. Die gewöhnliche Hülfe, er habe die Abfahrnng sn
Herodes aus den Synoptikern und fiberhaupt als bekannt
voransgesetat , schlägt hier nicht an, da ja nnr der Eine
Lukas die Geschichte meldet, sie also nicht sehr verbrei-
tet gewesen au sein scheint; die Vermuthnng, sie möge
Ihn U&em Jtim ^fe Auf!. U. Band. SÄ
546 Dritter Absehnitt.
*
ihm iwohl en anerheblich gewesen sein ^, Ferliert d*-
durch ihren Boden , daHi Johannes nuoh der Hlnführong
EU Annas 9 welche doch ebenso wenig entscheidend wsr,
KU gedenken nicht verschmäht; fiberhaopt ist, wie aneh
ScHLBiERMACHER Bogcsteht, die Johanneische Ersfthiung die-
ser Vorgänge so eusammenhängend , dafs sich iiirgendi
eine Fuge zeigen will, um eine solche Zwischenscene ein-
BQscbieben* Flachtet sich daher auch Schl£iermacher so-
letzt zu der Vermuthnng, es möge wohl dem Johannes dis
ÄbfAhrong Jesu za Herodes entgangen sein, weil sie aaf
einer entgegengesetzten Seite, als wo der Jfinger stand,
tlurch eine Ilinterthfire , geschehen sei, dem Lukas aber
eine Kunde von derselben zugekommen, weil sein Ge-
währsmann ebenso eine Bekanntschaft im flsuse des Be-
rodes gehabt habe, wie Johannes in dem des Annas: so
ist jene erstere Vermuthung eben nur eine Hintertbüre, die
letztere aber eine verzweifelte Fiction. Setzen wir frelUeh
den Verfasser des vierten Evangeliums nicht als Apostel
voraus: so verlieren wir die Unterlage, um gf'gen die Er-
sählung des Lukas den Hfbel anzusetzen, welche jeden-
falls , da schon Justin von der Abführung zu Herldei
weifs *J, von sehr frtthem Ursprung ist« Immerhin indes-
sen bleibt theils das Stillschweigen der übrigen Evang^
listen in einem Abschnitt, wo sonst über die Hanptstadien
der Entwicklung von Jesu Sache Uebereinstimmong za
herrschen' pflegt, theils die innere Schwierigkeit der Er-
sählung so bedenklich, dafs die Vermuthung ofifen bleiben
mufs, die Anekdote sei aus dem Bestreben entstanden. Je-
som vor alle möglicherweise in Jerusalem zusammenzubrin-
gende Richterstühle zu stellen, von allen nicht hierarchi-
schen Behörden ihn zwar verächtlich behandelt^ aber doch
seine Unschuld laut oder stillschweigend anerkannt wer*
7) ScuLBiiRMACHKit, Ubcr den Lukas, S. 291.
8) Disl. e. Tryph. i03.
llrittet Kapitel. §. 1:29. ft47
den, ihn selbst aber Tor allen «eine gleichmafaige Haltung
and Wfirde behaopten so lassen ^). Wäre ditfs von der
vsrliegenden Erzählung, mit welcher der dritte Evangelist
allein steht, anzunehmen: so würde eine ähnliche Verma*
thong yon der Hinffihrang zn Annas, mit welcher wir den
vierten Evangelisten alleinstehend gefunden haben , nar
durch den Umstand abgewehrt werden, dafs diese Scena
nicht näher beschrieben ist, mithin auch keine inneren
Schwierigkeiten darbietet.
Nachdem er Jesum von Herodes zurückgesandt bekom-
men hatte^ berief nun dem Lukas zufolge Pilatus die Syn*
edristen und das Volk wieder zu sieh, und erklärte, auf
das mit dem seinigen übereinstimmende Urthefl des Hero-
des gestützt, Jesum mit einer Züchtigung loslassen zu wol-
len; wozu er die Sitte, am Pasohafest einen Gefangenen
frei zu lassen '®), benützen konnte. Dieser bei Lukas et»
was verkürzte Umstand tritt bei den übrigen , namentlich
bei Matthäus, deutlicher heraus. Da nämlich die Befng-
nifs, sich einen Gefangenen loszubitten, dem ox^og zukam:
so suchte Pilatus, wohl wissend, dafs nur der Meid der
Grofsen Jesum verfolgte, die bessere Stimmung des Volks
fär ihn zu benützen, und um dasselbe zur Befreiung Jesu
eigentlich sa nöthigen, stellte er ihn, den er, zum Theii
zwar aus Spott gegen die Juden, zum Theil aber um sie
von seiner Hinrichtung, als für sie selbst schimpflich, ab-
zubringen, Messias oder Judenkönig nannte, zur Auswahl
mit einem diofiiog imatjfiogy Barabbas ^0) soaammen, wel-
9) S. i>B >yiTTi, exeg. Handb. , 1, 2, S. 114; Taxits, zur Bio-
graphie Jesu, §. 35* '
10) Man zweifelt, ob diese Sitte, von welcher, wir ohne das N.T.
nichts wissen würden , rbmischen oder jüdischen Ursprungs
war ; vgl. Frxtzscub und Paulus z. d. St. , und Baur , über
die ursprüngliche Bedeutung des Fassahfestes u. s. f. Tüb.
Zeitschr. f. Theo). 1SS2, 1, S. 94.
11) Einer Lesart nach hiess dieser Mensch mit seinem yoUen
S5*
548 Dritter Absohnitt.
eben Jobannes all krjgfjsf Markus and Lukas aber als ei-
nen solchen , der wegen Aufruhrs und Mords verhaftet
war, bezeichnen. Der Plan schlug aber fehl, da das Volk,
anfgestiftet, wie die Ewei ersten Evangelisten anmerken,
von seinen Oberen 9 mit grofser Einstimmigkeit die Frei*
gebung des Barabbas , und für Jesum die Kreocigung
verlangte«
Als ein besonderes Gewicht, das bei Pilatus noch in
die Wagschale Jesu fiel, und ihn bewog, den Versuch mit
Barabbas aufs NachdrOcklichste geltend eu machen , wird
von Matthäus das angefflhrt, dafs, wie der Procurafor auf
dem Richterstuhle safs, seine Gemahlin ^') ihn in Folge
eines Ängstigenden Traumes warnen liefs, sich ja nichts
gegen jenen Gerechten eu Schulden kommen zu lassen
(27, 19.)* Nicht allein Paulus, sondern auch Olshauseh
erklärt diesen Traum als natOrliches Ergebnifs aus dea-
jenigen, was die Frau des Pilatus von Jesu und seiner am
vorigen Abend erfolgten Gefangennehmung gehört hal>en
mochte ; wozu man noch die Notiz des Evang. Nicodend
als erklärende Vermuthung ziehen kann, dafs dieselbe eine
d'foaeßijg und isdäi^aoa gewesen sei ^'). Indessen, wie im-
mer im N. T., namentlich im Matthäusevangelium, Triiume
als habere Schickung betrachtet werden: so ist in derAn-
Namen "fi^iwg liaoafißa;. was hier nur desswegen bemcrKt wird,
weil Olsmausen es „merkwürdig'^ gefunden hat. Indem näm*
lieh Bar Ahha Sohn des Vaters bedeutet, so ruft Olsmacsb»
aus: Alles, was an dem Erlöser Wesen war, erschien bei
dem M'örder als Carricatur ! und findet den Vers anwend-
bar : ludit in humanis ditina patentia rebus. Wir können
in dieser OLSHAUSsw^schcn Betrachtung nur einen hisus hu-
manae intpotentiae finden.
12) Im Evang. Nicodemi und bei späteren Kirchengeschichtschrei-
bern heisst sie Procuiay ir^öxlt,. Vgl. hierüber Thilo, Cod.
Apocr. N. T., p. 522; Paulus, ezeg. Handb.^ 3, b, S. 640 f.
li) Cap. i, S. 520. bei Thilo, '
Drittes Kapitel. §• 129. U9
lieht dei Erzfihlers gewifs aoch dieser non sine numine
gewesen I und es mufs sich daher eio Grnnd and Zweck
seiner Zasebickung denken lassen« Sollte derTraam wirk-
lich den Tod Jesa hintertreiben, so müfste man Tom or-
thodoxen Standponkt ans, auf welchem dieser Tod aar
Seligkeit der Menschen nothwendig war, auf die Vermo«
tboog einiger Alten kommen, der Teufel möge es gewesen
sein, welcher der Fraa des Procurators jenen Txaum ein-
gab, um den Versöhnongstod 'an Terhindern ^^); sollte der
Tod Jesu nicht verhindert werden, so kftonte der Zweck
des Traumes nur auf Pilatus oder, seine Gattin gehen. Al-
lein dem Pilatus konnte eine so sp£t kommende Warnung
wohl nur die Schuld vermehren, ohne ihn von dem bereits
halb gethanen Schritte surOckbringen au kennen; dafs
aber seine Gattin durch den Traum bekehrt worden wäre,
wie Manche angenommen haben ^^')j ist theils nirgendsher
bekannt, theils spricht sich in der Erafihlung nicht dieser
Zweck aus. Sondern, wie schon die Figor des Pilatus in
der evangelischen ErsfibluDg so gehalten ist, dals dem blin-
den Hasse der Volksgenossen Jesu das anparteiische ür-
theil eines Beiden gegen 6 bersteben soll: so wird nun auch
seiner Gattin ein Zeugnifs fQr Jesum abgewonnen , um,
wie nach Matth. 21 , 16« ans dem Munde der vr^mwv xcd
^la^ovTwVy so nunmehr aus dem Munde meines schwachen
Weibes, ihm ein Lob au bereiten, welches, aur Mehrung
seines Gewichts, aus einem bedeutungsvollen Traume ab-
geleitet wird. Je mehr man, um diesen wahrscheinlich au
Bachen , aach ans der Profangeschichte dergleichen TrSn».
14) Ignat. ad Fhilippens. 4: tpoßtl Sk (der Teufel) to yvyft.w, «^
ortLooig avTO xacraToe^rtay x<n netvtir ntioarm ra Mora rov ^vqov.
Vgl. Thilo, p. 523. Die Juden im Evang. Nicod., c. 2. p. 524»
erklären den Traum für ein Zauberstück von Jesu: yw^ U\
ISh oyfi^oTTtftmra Jhttijntff n^i^Tijv ywmxa ob.
15) z. B. Tlieüpb)ltkt, s. Thilo, p, 525.
550^ Dritter Absebnitt.
me anführt, welche einer blutigen Katestropbe befingttt-
gend aud warnend vorangeschritten sind ^^ : desto mehr
vi'ird der Verdacht angeregt, dafs, wie die meisten tob
diesen, so auch der Traum in unsrer Stelle nach dem Kr-
folge gemacht sein möge, am dessen tragische Wirkung au
erhöhen.
Wie nun die Juden auf wiederholtes Befragen des
Pilatus die Loslassung fOr Barabbas, fflr Jesum aber die
Kreusigung, stürmisch und beharrlich verlangen: lassen
die beiden mittleren Evangelisten ihn in ihr Begehren so-
fort willigen, Matthäus aber schiebt noch eine Ceremonio
und eine Wechselrede dazwischen (27, 24 ff.)- Nach ihm
nfimlich läfst sich Pilatus Wasser geben, wascht sich damit
die Bfinde vor dem Volk, und erklärt sich für nnacholdig
am Blute dieses Gerechten. Die Handwaschnng als Reto-
erklfirung von einer Blutschuld war specifisch jüdische
Sitte, nach 5* Mos. 21, 6 f. ^^> Man hat nnwahrscbein-
li^h gefunden, dafs der Römer diese jüdische Gewohnheit
hier nachgeahmt habe, und defswegen sich darauf bemfeD,
wie jedem, der seine Unschuld feierlich erklären will,
nichts leichter, als eine solche Handwaschnng, einfalleo
könne ^^). Allein , . um ohne Anhalt an einer gewohnten
Sitte eine symbolische Handlung gleichsam im Augenblick
SU erfinden , oder auch nur in einen fremden Volksge-
brauch sich hineincu werfen , dazu gehört, dafs dem, wel«
eher eine solche Handlung vornimmt, an demjenigen, was
er durch dieselbe bezeichnen will, ungemein viel gelegea
aei. So ungemein viel aber konnte doch nicht sowohl dem
Pilatus daran gelegen seiq, seine Unschuld an der Hio-
16) Wie Paulus und Kuin'öI, z. d. $t., welche aamcnklich an des
Traam von Gäsar's Gemahlin in der Nacht vor seiner Ermor-
dung erinnern.
17) Vgl. Sota, 8, 6.
18) Fkitzschb, in Mattli. p. 808.
DritCds KapiteL $. 129. ^1
richfung Jeso r.a b^seugeo, al« rlelmehr den Christen dar-
im, aaf diese Weise die Unschald llires Messias beaeugt
werden an lassen ; woraus der Verdacht erwächst y dafs
vielleioht erst ihnen die Handwaschang des Pilatus ihre
Entstehung verdanken möge. Diese Vermnthnng bestätigt
lieh, wenn wir den Ausspruch erwägen, mit welchem Pi-
Isttts Jene symbolische Handlung begleitet haben soll:
a^hSog ei fit ano rä aificaoi; %3 dixais la/ö. Denn, dals
der Richter öffentlich und emphatisch den , welchen er '
doch der härtesten Bestrafung hingab, einen öixaiog ge«
osiint haben sollte, findet auch Paulus so in sich' wider-
sprechend, dafs er hier, gegen die sonstige Weise seiner
Auslegung, annimmt, der Erzähler interpretire selbst, was
Pilatus seiner Meinung nach bei der Handwaschung ge- x
dacht haben' mfisse. Zu verwundern ist, dafs ihm das
ebenso Unwahrscheinliche nicht auffällt, was den Juden
bei dieser Gelegenheit in den Mund gelegt ist« Nachdem
uffmlich Pilatus sich ffir unschuldig an dem Blute Jesu
erklärt, und durch das hinsugefDgte : vfieig oiffead'B, die
Verantwortung auf die Joden fibergewälat hatte, soll nach
Matthäus cjag 6 Xaog gerufen haben: to cipia avxö i(p
T^^iäg utal im za tixva 7;//cJv. Allein diefs ist doch äugen- *
•cheinlich nur vom Standpunkte der Christen aus gespro"
eben , die in dem UnglQck , welches bald nach Jesu Tode
io immer verstärkten Schlägen fiber die Jädische Nation
hereinbrach, nichts Andres, als die Blutschuld von der
Hinrichtung Jesu her erblickten : so dafs also diese ganae
dem ersten ETangelium eigenthamliohe Episode im höeh-
<ten Grade verdächtig ist ^').
Nach Matthäus und Markus liefe nun Pilatus Jesum
geifseln, um ihn sofort cur Kreuaiguog abführen au las-
sen. Die Geilselung erscheint hier gana so, wie nach rtf-
ndscher Sitte das virgis caedei'e dem secnri perctitei'ef
. \
19) Vgl Bi Waits^ exeg. Hsndb., i, i, S. 2S4.
551 Dritter Abschnitt.
and bei Scluven die Geifseiang der Kreozigang, Tonnin-
gehen pflegte ''^^). Bei Lukas erscheint sie gane ändert.
Während es dort heifst : ray dt Y. (pQoyeUxoaag Tia^dosea
ira gavQco&fj: erbietet sich hier Pilatus wiederholt, V, 16
und 22: natdevaag axriov anokvoiüj d. h. wie dort du
Geifseln als einleitendes Äccidens der Hinrichtung er-
scheint: so hier als ableitendes Surrogat -derselben ;^Pilatai
will durch diese Züchtigung den Hafs der Feinde Jesa
befriedigen, und sie bewegen , von dem Verlangen seiner
Hinrichtung abeiistehen. Während es aber bei Lukas cor
wirklichen Geifselnng nicht kommt, weil auf den wiederhol-
ten Vorschlag des Pilatus die Juden in keiner Weise eingehen
wollen : so läfst dieser bei Johannes Je^nm wirklich gei-
fseln, stellt ihn sofort mit dem Pnrpurkleid und Domen*
krane dem Volke vor, und versucht, ob nicht sein klSgii-
cher Anblick, mit der wiederholten Erklärung seiner Un-
schuld verbunden, einen Eindruck auf die erbitterten Ge-
m^ther machen möchte ; aber auch diefs ist vergebens (19,
1 ff.)* ^ besteht somit zwischen den Evangelisten in Be-
treff der Geifselnng Jesu ein Widerspruch, welchen msn
nicht mit Paulus dadurch ausgleichen darf, dafs man du
%av jf. q^QayeUjciaag naQidcDxev Hva cavQCOxhf] bei Matthini
und Markus so umschreibt: Jesus, den er schon vorher
hatte geifseln lassen, um ihn eu retten, hatte diefs vergeb-
lich erduldet, indem er nun doch zur Kreuzigung hinge-
geben wurde. Sondern, die Differenz der Berichte ane^
kennend , mufs man nur fragen , welcher von beiden die
gröfsere historische Wahrscheinlichkeit fflr sich habe?
Wiewohl sich nun :freilich nicht nachweisen läfst, defi
Geifselnng vor der Kreuzigung ausnahmslose römische Sitte
gewesen sei : so ist es doch andrerseits auch einzig ans
faarmonistischem Bestreben, wenn behauptet wird, nor,
20) Vgl. besonders die von Wststiih iu Mittfa» 27, 26. »ge-
fttihrten Stellen.
Drittes KapiteL {• 129. ftU
wenn einte besonders hart gestraft werden sollte, sei vor
der KreoBigaog noob die Gelfselan^ verhXngt worden ^Ot
nnd folglich könne Pilatus, der gegen Jesom nicht gran«
sam sein wollte, ihn nur in der besondern Absicht, welche
Lnkas nod Johannes melden , nnd welche anch bei ihren
beiden Vormännern hinanaadenlLen sei, haben geifseln
lassen. Weit wahrscheinlicher ist es vielosehr, dafs in der
ÜVirkliohlieit awar die GelTseiang nor so, wie die swei
erster Evangelisten berichten, als Verspiel snr flinrich-
tnng, vorgenommen worden ist, die christliche Sage aber,
wie ihr num Zengnifs gegen die Joden am Charakter des
Pilatus diejenige Seite besonders willkooimen war, ver-
möge welcher er Jesom an retten sich auf verschiedene
Weise bestrebt haben soll, so nun auch die Notic von der
Geifselung benütat habe, um an ihr einen neuen Befreiongs-
versueh des Pilatus an gewinnen. Diese Beniltaung er«
scheint im dritten Evangelium nur erst als eine hegen«
neue, indem hier das Geirselnlassen blofse Erbietung des
Pilatus ist: wogegen Im vierten die Geifselung wirklich
vollzogen, und an eiqem weiteren Acte des Drama verwen«
det wird.
An die Geifselung sehliefst sich bei den zwei ersten
Evangelisten und dem vierten die Mifshandlung und Ver-
spottung Jesu durch die Soldaten, welche ihm ein Purpur*
kield umlegten, einen Krana von DorngestriSoch ihm auf
das Haupt setsten ^, nach Matthlias ihm auch einen
Rohrstab in die Hand gaben, und in dieser Vermum«
21) Paulus, a. a. O. S. 647.
22) Durch die Aaseinandemetzung von Paulus, S. 649 f., gewinnt
es alle Wabrscbeinlicbkeit , dass der ^t'q>avo9 f^ uxav^tav nicht
ein Kranz aus spitzen Dornen war, sondern von dem näch-
sten besten HeckengesfrXuch genommen, um durch die vilit^
9ima Corona y spineola (Plin. H. N. 21, tO.) Jesmn zu ver-
höhnen ^
s
S54 Dritter Abschnitt.
oinng tba theils als Judenkönig begrfifsten, theils schlugen
NBod flsirsbandelten ^^. Lukas weifs hier von keiner Ver-
höhnung durch die Soldaten ; wohl aber hat er Ip seiner
Erzählung von der Abfilhrnng Jesu sn Herodes etwai
Aehnliches, indem er hier den Herodes avv rdig gqaiivfta-
Civ avcH Jesom verspotten, und ihn i^ einer ia&ijg IccfmQa
Btt Pilatus Eurflicksenden läfst. Manche nehmen an, diefi
sei dasselbe Purporgewand, welches nachher die Soldaten
des Pilatus Jesu Bum EV^itenmal angesogen haben; aber
Tielmehr dreimal mflfste, wenn wir den Johannes data-
nehmen, und zugleich keinen der Synoptiker des Irrtbans
beschuldigen wollen, mit Jesu diese Vermnmmufag vorg«^
Dommen worden sein: euerst bei Herodes (Lukas); hie^
auf ehe Pilatus Jesum den Juden vorffib^te, um dorch
das: tde o avd'Qionog y ihr Mitleid rege au machen (Job.);
endlich noch einmal, nachdem er den Soldaten cur Kren-
signng fiberlassen war (Matth. und Markus). Diefs ist nun
ebenso unwahrscheinlich, als es wahrscheinlich ist, dsfs
die Evangelisten eine und dieselbe Vermummnng , von der
sie gehört, an verschiedene Orte und Zeiten verlegt, and
verschiedenen Personen sugeschrieben haben.
Während iiei den swei ersten Evangelisten vor der
Geifseluog Jesu die Gerichtsverhandlung bereits geschios*
sen ist, beim dritten auf die Nichtannahme des naidei'üag
amov anokvaio von Seiten der Juden Pilatus Jesum tur
Kreuzigung hingibt: spinnt sich im vierten Evangelinm
die tierichtsscene folgendermafsen noch weiter» Als noch
die Vorstellung ''des gegeilselten und vermummten Jesus
nichts, fruchtet , sondern beharrlich seine Kreuzigung ve^
langt wird, ruft der Procurator entrostet den Juden eu:
so mögen sie selbst ihn hinnehmen und kreuzigen , denn
23} Eine ähnliche Vermiunmung eines Menschen, um einen Drit-
ten zu verhöhnen , fuhrt aus Fhilq , in lilaccum , WsTSTt»
an, p. 535 f. 3 vgl, auch Tholuck, GIaubwürdigheit> S.-36<)>
üritles Kapitel. $.130. 555
er fiode keine Sobald an Ihm. Die Joden erwiedero,
naeh ihrem Gesetse müsse er sterben, da er sieh selbst
cum viog x^eä gemacht habe; eine Bemerkung, weiche dem
Pilatus abergläubische Fureht einjagt, wefswegen er Jesum
nochmala in das Prfttorinm hineinfahrt, und nach seiner
(ob wirklich himmlischen?) Abkunft fragt, worauf ihm
aber Jeans keine Antwort gibt, und, als ihn der Procura«
tor mit der Ihm sustehenden Gewalt über sein Leben
schrecken will , ihn auf die höhere Macht , die Ihm ,diesd
Gewalt gegeben habcy verweist. Zwar strebte in Folge
dieser Reden Pilatus (noch angelegentlicher als bisher),
Jesnm BQ befreien: endlich aber fanden nun die Juden
das rechte Mittel, Ihn nach Ihrem Willen au stimmen, in-
dem sie die Bemerkung hinwarfen , wenn er Jesum los«
lasse y der sich dem Cfisar als Usurpator gegenüber-ütelie,
sei er kein ffilog tä Kaiaaoog* So, durch eine mögliche
AnschwSrzuog bei Tiberius eingetcbflchtert ^ besteigt er
den Riohterstnhl , ,und greift, da er seinen Willen nicht
durchsetssen kann, zum Hohn gegen die Juden, In der
Frage, ob sie denn wollen, dafs er ihren König kreuaigen
solle ? worauf sie aber , die euletat mit so sichtbarem Er-
folg angenommene Stellung behauptend, erklfiren, Ton kei-
nem Köniff, als Ton dem Cäsar, wissen au wollen. Jetzt
willigt der Procurator darein, Jesnm cur Kreuzigung füh-
ren zu Inssen, zu welchem Behufe man ihm, wie die zwei
ersten Evangelisten bemerken, den Pnrpurmantel auszog,
vnd seine eigenen Kleider wieder anlegte.
S. 130.
Die Kreuzigung.
Scb&n über den Hingang Je&u cum Orte der Kreuzi-
gung weichen die Synoptiker und Johannes von einander
ftb , indem dem letzteren zufolge Jesus das Kreuz selber
dahin trug (19, 17«), während die ersteren melden, man
habe es an seiner statt einem Simon von Cyrene aufgelegt
S56 Dritter Abschnitt.
(Matth. 27, 32 parall.)« Die Commentatoren swar, wie
weni^ es sich von selbst verstflnde, vereinigen diese An*
gaben dahin : zuerst habe Jesas selbst das Kreac en tra-
gen versacht, hierauf aber, als es sich seigte, dafs er ta
erschöpft war, habe man es dem Simon aufgeladen ^). Al>
lein wenn Johannes sagt: xai ßaga^ojv zov gavQOv avti
i^ijlO^ev €ig — Folyad'ä' onn avrov igavQ(oaay : so setat er
offenbar nicht voraus , dafs auf dem Weg dahin Jesu das
Kreuz abgenommen worden wfire ')• Es scheint aber die
von den Synoptikern so einstimmig gegebene Notie von
dem untergeschobenen Simon um so weniger abgewiesen
werden zu können , je weniger sich ein Anlafs , ans dem
sie erdichtet worden sein könnte, auffinden Ififst« Wohl
hingegen könnte dieser individuelle Zug im Kreise der
Entstehung des vierten Evangeliums unbekannt geblieben
sein, und der Verfasser desselben sich gedacht haben, dafs
der allgemeinen Sitte zufolge Jesus selbst das Kreuz we^
de haben tragen mftssen. Sämmtliche Synoptiker bezeich-
nen Jenen Simon als einen KvQfpfoiog^ d. h. wahrscheinlich
einen , aus der libyschen Stadt Cyrene , wo viele >Jaden
wohnten ^, zum Feste nach Jerusalem Gekommenen. Nach
allen wurde er auf gewaltsame Weise zum Tragen des
Kreuzes gebracht, was aber ebensowenig f&r, als gegen
die Annahme, dafs er Jesu gOnstig gewesen, benützt wer-
den kann ^). Nach Lukas und Markus kam *der Mann
gerade drt dyQÖj und wie er am Kreuzigungszuge vorüber-
gehen wollte, verwendete man ihn zur Unterstützung Je80.
Markus bezeichnet ihn noch bestimmter als nazrjq y£ilf|-
1) So Paulus, Kuin^L) Tholuck und Olshauiih in den Comin.;
Nra>dbr, L. J. Chr. S. 634.
2) FbiiTzscui, in Marc. 684: Significat Joannes, Jesum suam
crucem poriaHMset dcnec ad cahariae locum pervenisset,
5) Jo&cph. Antiq. l^^ 7, 2.
4) "Dafür benützt es z, B. GaoTa8 3 dagegen Olsujluii a, 3; S.451.
Drittes Kapitel. §. 190. S57
avdQ8 xttl ^PBg>&s welche in der ersten Gemeinde bekennte
Hinner gewesen mw sein scheinen C^gl« Rom. 10, 13.
A. 6. 19, 33. (?) L Tim. 1, 20. (7) 2. Tim. 4, 14. (?))&>.
Anf dem Hinweg cum Riehtplatse, meldet LaJcas, sei
eine grobe Volksmasse, namentlich auch Weiber, webkla-
gend Jesu nachgefolgt, deren Klagen er aller aaf sie selbst
und ihre Kinder verwiesen hal>e, mit Hinsicht auf die
schrecklichen Zeiten , welche bald Ober sie hereinbrechen
würden (23, 27 ff.). Die ZOge sind theils aus der Rede
Ober die Parusie, Lnc. 21, 23«, da, wie\dort den Schwan-
geren und Sfiugenden in jener Zeit Wehe gerufen war,
80 hier gesagt wird, es kommen f^fteQai, in welchen ai gtZ-
(Kti, xal xoi^ai dl öx iyewjyjovj xal fiagoi ^ öx i^TjXaaooß^
werden glücklich gepriesen werden; theils ist ans Hosea
10, 6. geborgt, denn das xove uQ^ovrai kiyeiv TÖig oQf-ai x,
r. L ist beinahe wörtlich die alexandrinisohe Uehersetaung
jener Stelle.
Den Platz der Hinrichtung nennen sSmmtItohe £?an-
gelisten Golgatha, -das chaldäische HnS|73, und erklären
diese Beaeichnung durch xqovIb TOitog oder xqaviav (Matth.
V. 33. parall.). Der letsteren Beaeichnung nach könnte es
scheinen, der Ort sei* von seiner schädelformigen Figur so
gensnnt gewesen ; wogegen die erstere Erklärung und
wohl auch die Nstur der Sa^he wahrscheinlicher macht,
dafs er seiner Bestimmung als Richtplata und den daselbst
verscharrten Gerippen und Schädeln der Hingerichteten
seine Benennung verdankte. Wo dieser Plata gelegen
war, ist nicht bekannt, doch ohne Zweifel aufserhaib der
Stadt; anch dafs er ein Hflgel gewesen, wird nur ver-
machet ^).
Den Hergang nach der Ankunft Jesu auf dem Rieht-
5) Vgl. Faülüs, FamscKB und db Wbitb, s. d. St.
6) t. Pavlus und Fkitischs s. d. Abschn. Wihik, bibl. Realw.
d. A. Golgatha.
558 Dritter Abschnitt.
plftts erEählt Matthäoi (V. 34 ff.) in etwas sond^rbiirfr
Folge. Zuerst erwfthnt er des Jesa angebotenen Tr^nk»;
dann, dafs, nachdem sie .ihn an das Kreae gescbUgen, die
Soldaten seine Kleider vertheilt haben ; hierauf, wie lie
•ich niedergesetzt, um ihn zu bew4ichen; nach diesem di«
dem Kreuze gegebene Ueberschrift , und nun erst wird,
und zwar nicht als Nachboinng, sondern durch eine Pa^
ttkel der Zeitfolge (ror6), die Notiz angefcnfipft, dafs mtn
mit ihm zwei Käober gekreuzigt habe. Während Markoi
dem Matthäus folgt, nur dafs er statt der Angabe der Be-
wachung des Kreuzes eine Zeitbestimmung hat, berichtet
Lukas richtiger zuerst die Kreuzigung der beiden Verbre-
cher mit Jesu, dann erst die Kleiderrerloosung, und in
ähnlicher Abfolge auch Johannes. Defs wegen aber die
Verse bei Alatthftns bmzusteilen (34. 37. 38. 35. 36), wie
vorgeschlagen wurde '), ist unerlaubt, und man mufs viel*
mehr auf dem Verfasser des ersten Evangeliums die Be-
schuldigung liegen lassen, dafs er Über dem Bestreben,
von den Hanptvorgängen bei *der> Kreuzigung Jesu nor
keinen zu übergehen ^ die natttrliohe Zeitfolge vernach-
lässigt habe 8>
Was die Art der Kreuzigung ' betrifft , ist Jetzt kson
mehr etwas streitig, als nur die Frage, ob dem Gekreu-
zigten aufcer den Hunden auch die Ffifse angenagelt wo^
den seien? Die Bejahung dieser Frage liegt ebenso iui In-
teresse der orthodoxen, wie die Verneinung in dem der
rationalistischen Ansicht. Von Justin dem Märtyrer an ';
bis auf Hengsx£MB£Ro ^^ und Ox^shausen finden die Or*
7) voa Wassikbbrsm, in der Diss. de trajectionibus N. T.zuVjl-
ckcnaer's scholae in lt. quosd. N; T. 2, p. 31.
8) Vgl. ScHLBiBRMACHBR, Über den Lukas, S.'295; Wikbk, N. T.
Gramm. S. 226., und Fritzschb, in Matth p. 814.
9) Apol. 1, 35. Dial. c. Trypb. 97.
10) Christologie des A. T. f, a. S. 182 ff.
Drittes Kapitel. (. 130. 56»^
thodoxen in fi^ii angenagelten Ffiften Jesa eind Erftillang
der Weiesagang Pa, 2^, 17* , wo die LXX. iaqv^ap x&iQa^
fiH xal nodag flbersetst ; allein im Grundfext ist aehwerlieh-
von Dorchbobren, in^ keinem Fall Fon einer Kreoslgnng
die Rede; auch wird die Stelle im N, T. nirgends aof
Chriatum angewendet. Den Rationalisten hingegen wird
es theila leichter, den Tod Jesu fflr blofsen Scheintod bq
erklSren , theils nur dann möglich, su begreifen, wie er
nach der Auferstehung sogleich wieder gehen konnte^ wenn
an den Fflfsen keine Verwundung stattgefunden hatte:
allein rielmehr, wenn es sich geschichtlich ergäbe, dafs
wirklich auch die Fiifse Jesu angenagelt waren, mfifste
gefolgert werden , dafs die Wiederbelebung und das bal-
dige Wandeln nach derselben entweder auf- fibernatflriiche
Weise, oder gar nicht, geschehen sei. Meuestens stehen sich
besondere awei gelehrte und grQndliche Untersuchungen
dieses Punktes, von Paulos und von Bahr, jene gegen,
diese ffir die Annagelung der Füfse, gegenüber ^^). Ans
der evangelischen firsftblung kann die festere Ansicht vor
Allem das für sich geltend machen, dafs weder Jene Psalm-
steile, die doch unter Voraussetsung einer Fufsannagelung
dem Pragmatismus der Evangelisten so nahe lag, irgendwo
benOtat, ooch in der Auferstehungsgeschichte neben den
Nigelmajblen in den Hfinden und der Seitenwunde einer
Wunde in den Fofsen gedacht ist (Joh. 20, 20. 25. 27.):
urogegen die andere Ansicht sich nicht ohne Grund darauf
beruft, dafs Luc. 24, 39. Jesus die Jünger auffordert: eJere
^^? t^^Q^S H^ ^ccl Tsg nodag fiSy wo zwar, dafs die Fflfse
durchbohrt gewesen, nicht gesagt, aber auch schwer bu
begreifen ist, wie, blofs um von der Realität seines Kör-
pers Oberhaupt bu OberBCugen, Jesus gerade die Füfse vor^
ii) Paulus, im exeg. Handbuch 3, b, S. 669— 754; Bahr, in Tac
luck's liter. Anzeiger für christl. Theol. 1835, No. 1—6« Vgl.
such NsASEOiR, I.. J: Chr. , S. 636. Anni.
500 Dritter Abschnitt.
geseigt hüben loll« DaTs unter den Kirchen?ätern «och
solche, welche, vor Constanlin lebend, die Kreosigiinf
noch aas eigener Anschanang kennen konnten, wie Justia
und TertuUian , die Füfse Jpsa angenngelt werden lassen,
ist von Gewi<?ht, und wenn man auch ans der Bemerkong
des leteteren : gut (Christus) solus a papulo tarn insiffni-
ier crucifixus est ^^) , schlielsen köonte , der Psalmsteile
sulieb haben diese V fiter angenommen, Christus sei «oi-
nabmsweise mit Durchbohrung auch der Fafse gekreueigt
worden: so wird doch, wenn vorher die Durch bohrang der
Hfinde und Fafse die propria atrocia crucis genannt war,
deutlich, dafs jene Worte nicht eine ausgeaeichnete Art der
Kreuzigung, sondern die im A« T, nicht vorkommende,
Jesnm vor allen Andern ausaeiohnende Todesart der Kreo*
Bigung bedeuten. Unter den Stellen der Profaoscribenten
ist die wichtigste die Piautinische, wo, allerdings als aos-
nahmsweise verschärfte Kreuzigung, offigantur bis pedeSf
bis brarkia vorkommt ^'). Hier firagt es sich: soll das IV
gewöhnliche in dem bis bestehen, so dafs als das auch
sonst Uebliche die einfache Anheftung sowohl von FfifMo
als Händen vorausgesetat wird; oder soll das bis offigen
der Hände, d.*h. dafs beide Hände angenagelt wurden,
das Gewöhnliche gewesen, das Annageln beider Füise aber
als aufserördentliche Verschärfang hinzugekommen aem?
wovon Jeder das Erstere den Worten angemessener finden
wird, Hienach scheint sich mir dermalenr das Ueberge-
wicht der historischen Grfinde auf Seiten derer an neigen,
welche behaupten, dafs Jesu am Kreuz beides, Hände and
Fflfse, angenagelt worden seien.
Noch vor der Kreuaigung war es laut der beiden e^
sten fivangelisten, dafs Jesu ein Getränk angeboten worden
welches Matthäus (V, 34.) als o|o^ fieud x^^S fue^ayfiirofy
12) Adv. Marcion. 3> 19.
13) Motteliana 2, 1.
Urittes Kapitel. $.130. Ml
Markos CV» 2X) als ia^ivQViafiivop olvov beseiohnet, das
aber beiden zufolge Jesus ^ bei Matthäas naehdem er
es vorher gekostet, nicht ca sich nehmen mochte. Oa
man nicht begreift, £u welchem Zwecke man anter den
Essig Galle gemischt haben möge, so erklärt man ge*
wohnlich die xo^} ^o* M^tthfius , aus dem iafa'ovia^i^
Yov des Markus, von bittern vegetabilischen Ingredien«
ftien, wie namentlich Myrrhe, und liest dann auch statt
oloQ entweder geradeza oei^or, oder versteht doch Jenes von
•aurem Wein '^), um so das betäubende Getränk aus Wein
nod starken Specereien herausau bringen , welches nach
jüdischer Sitte den Hinzurichtenden zur Abstumpfung des
Scbmersgeflihls gereicht zu werden pflegte '^). Allein wenn
auch der Text diese Lesart, und die Worte diese £rkllC-
itongen znliefsen, so würde doch wohl Matthäus gegen die
Hioaosdeotung der wirklichen Galle und des Essigs aus
seiner Erzählung sehr protestiren, weil ihm dadurch die
Erffiliung der Worte des auch sonst messianisch gebrauch*
ten Unglfickspsaims 69, V. 22. (LXX) : xai iduxav eig zo
ß(xof(d fis Xoi?;V, xal eig %rpf ditpav fis ijtotuJavfiEo^og, ver-
loren ginge. Diesem Orakel gemäfs meint Matthäus un-
streitig wirkliche Galle mit Essig, und aus der Verglei-
chiing des Markus darf nur die Frage genommen werxlen,
ob es wahrscheinlicher sei, dafs der Vorgang, wie ihn
Markus darstellt, das ürsprflngiiche gewesen, was erst
Matthäus zu genauerer Aehnliohkeit mit der Weissagung
amgeformt, oder ob Matthäus ursprünglich den Zug aus
der Psalauteüe geschöpft, Markus aber ihn hinterher
14) t. Kuik'öl, Faclvs, z. d. St.
15) Sanhedrin , f. 43, 1, bei Wiisniif, p. 635 : JMa;it R. Chafa^
/*. R, Ascher, dixitte R, Chasdam : exeuiUi, vi capite plecta^
tur, dani bibendum granum turit in pocuio vini, ui aiiene-
iur mens tffus, sec. d, Prov, 31, 6 : daie stceram pereumii ei
vinum amaris anima*
Das Lebern Jesu ZieAufl. 11. Band.
Mi Dritter Ahtohnitl.
BD gröfserer geschichtlicher Wahrscheinlichkeit ODgebil-
det hübe?
Cm hierüber entgcheiden cn können, müssen wir siidi
die beiden andern Evangelisten mit in die Betrachtnnjv
stehen. Von einer Trfinkung Jesn mit Essig nJimlich mel-
den alle viere, and auch jene beiden, welche den nitGall«
vermischten Essig, oder den Myrrhenwein , als den enten
Trank , der Jesu geboten worde , haben , wissen «piter
noch von einer Tränkung mit blofrtem Essig ca sagen.
Nach Lnkas war das o^og TtQogq^iQeiv eine Verhöhnung,
welche die Soldaten gegen Jesum , wie es scheint, nicht
sehr lange nach der Kreasigong, noch vor der Finstemib,
vornähmen (V. 36 f.) ; nach Markna reichte kurs vor den
Ende, drei Stunden nach Entstehi^ng der Pinstemib , ei-
ner der Umstehenden auf den Ruf Jesu: mein Gott a. s.w.,
ihm , gleichfalls in «(jöttischer Absicht, mittelst eines asf
ein Rohr gesteckten Schwamroes Essig dar (V. S6.); nsch
Matthfius bot ihm einer der Umstehenden auf eben jeneo
Ruf hin und auf dieselbe Weise den Essig , aber in gater
Absicht, wie man daraus sieht, dafs die Spötter ihn dsToa
abhalten wollten (V. 48 f.) ^^); wogegen es bei Joksnnei
auf den aa»drückllc).en Ruf: dnpotj ist, dafs einige eines
Schwamm in ein nahe stehendes Geffifs mit Essig tsneb-
ten, und auf einem Ysopstengel cum Munde Jesu brscb-
tpn (V. 29.)- Man hat daher drei verschiedene Versuebe,
Jesnm au tränken, angenommen; den ersten vorderKreo-
Bigung, mit dem betäubenden Tranke (Matth. und Ma^
kus); den eweiten nach der Krencigung, wo ihm die Sol-
daten Eum Hohne von ihrem gewöhnlichen Getränk, einer
Mischung aus Essig und Wasser, posca genannt ^'), boies
(Lukas), und endlich die dritte Tränkung, welche auf des
16) t. FniTSSCHi, f. d. SU
17) Vgl. Paulü«, s. d. St.
Drittes Kapitel. $. 13(K
MS
klagenden tluf Jesu erfolgte (Matth. Mark, und Job.) ^").
Allein, "will man einmal Ungieichlaatendes auseinander*
halten, so mnfs man aueii folgerecht verfahren: soll die
Ton Lniias berichtete Trfinliong von der des Matthfios unil
Markos wegen einer Zeitdifferene verschieden sein , so ist
die des Matth&as von der des Markus dorch eine üifie»
renss der Absicht verschieden, und wiederum ist das, was
Johannes berichtet, nicht dasselbe mit dem was die beiden
ersten Synoptiker, da es ja auf einen ganu andern Ruf
Jesu erfolgt. So bekSmen wir im Ganaen ffinf Trffnkun«
gen, und könnten wenigstens nicht wohl begreifen, warum
Jesus, nachdem ihm schon dreimal Essig snm Munde ge*
fährt war y nocbgum viertenmal £n trinken verlangt bfitfe.
Mfissen wir demnach auf Vereinfachung bedacht sein: so
ist aber keineswegs nur die Trfinkung bei den awei ersten
E?angelisten und dem vierten wegen des Zusammentreffens
der Zeit ond der Art der Darreichung fffr Eine su erklfi«
reo, sondern ebenso die des Markus (und mittelst dieser
die fibrigen) mit der des Lukas wegen Gleichheit de^
höhoischen Absicht. So bleiben uns uwei Trunk ungen,
die eine ror der Kreucigung, die andere nach derselben,
ond beide haben , die erstere an der jfidiseben Sitte mit
dem betättbenden Trank ffir HinEurichtende, die andere
an der römischen, vermöge welcher die Soldaten cu Ex-
peditionen, dergleichen auch die Vollziehung der Hinrieh-
tong eine war, ihre posca mit sich eu führen pflegten, ei-
nen historischen, an der Weissagung Ps. 69. aber einen
prophetischen Haltpunkt. Beide Haltpunkte wirken ent«
gegengesetzt: der prophetische erregt Verdacht, ob auch
wirklieh der Erz£hlung etwas Geschichtliches zum Grunde
liege; der historische macht es zweifelhaft, dafs die ganze
Sache nur aus Weissagungen sollte herausgesponnen sein.
Uelierblicken wir noch einmal die verschiedenen Be«
18) So Kanv'ÖL, in Luc. p. 710 f. 1ruoLVCK> p. S10w
' 86'
564 Dritter Abschnitt.
richte 9* so sind wenigstens ihre Abwoichnngen giinc top
der Art, wie sie ans verschiedener Anwendung derPsaln-
steile entstehen l&onnten. Da in derselben von Gslleessen
und Essigtrinken die Rede war, so scheint man EQofichst
das Erstere, ^Is undenl&bar, bei Seite gelassen, and die
Erffiliung jeuer IVeissagnng darin gefunden au haben,
dafs, was wohl historisch sein liann, wie es von alieo
vier Evangelisten gemeldet Hird, Jesus am Kreuae mit Es-
sig getränkt worden sei. Diefs konnte man entweder all
Handlung des Mitleids, wie Matthfins und Johannes, oder
des Spottes, mit Markus und Lukas , betrachten. Da auf
diese Weise awar das irtovioav /^eo^os, noch nicht aberaach
daB^ig Tijy Slipccv fis des Orakels wörtlich erfüllt war,
so hielt es der Verfasser^ des vierten Evangeliums ffir
wahrscheinlich, dafs Jesus. auch wirklich die Empfindung
des Durstes gefinfsert, d. h. diifui gerufen habe; ein Rof,
den er ausdrücklich als Erfüllung der yQaqr^j worooter
ohne Zweifel die genannte Psalmstelle (vgl. Ps. 22, 16.)
verstanden ist, bezeichnet, und cwar, indem er das iW
zaMia^&i] 7} yQce(f?j durch ddoig 6 ^Ir^oäg^ aii Ttavza rfir} «-
riX^gai einleitet, so scheint er fast sagen aa wollen, die
Erfüllung der Weissagung sei die eigene Absiebt Jesu bei
jenem Ausruf gewesen: allein mit solchem typologitfchea
Spiel wird kein am Rreua im Todesliampf begriffener lieh
abgeben, sondern nur sein in ruhiger Lage befindlicher
Biograph« Indefs, auch hiedurch war immer nur die eine
Hälfte Jenes messianischen Verses, die auf den Essig be-
zügliche, erfüllt : die von der Galle handelnde, welche ab
Inbegriff aller Bitterkeit au einer Beaiehung auf den lei-
denden Messias gana besonders geeignet schien, W4ir noch
übrig. Zwar, dafs xoh^ als ßqui^a gegeben worden sei}
was die Psalmstelle strenggenommen verlangte, blieb sii
undenkbar hei Seite gestellt: wohl aber schien ea den er
sten Evangelisten, oder wem er hier folgt, thunlich, die
Galle als Ingrediens unter den Essig eu mischen, eineHi'
Drittes Kapitel. $• 130. ft6£^
ichüngj ifvelcbe dünn freilich Jesus, des Abeln Geschmacks
wegen, nicht trinken konnte. Der s weite E?angelist, mehr
«af den pragmatischen als aof den prophetischen Znsam«*
menhang bedacht , machte dann , mit Beaiehaag auf eine
JSdische Sitte, und ?ielleicht cnsammentreflfend mit der
geschiehtlichen Wirklichkeit, aas dem Essig mit Galle bit-<
tern Myrrhenwein , nnd liefs Jesnm diesen , ohne Zweifel
aus Sebeae wor BetXnbong, ausschlagen. Da aber diesen
beiden Evangelisten neben der Ersählong von dem mit
Galle gemischten Essig auch noch die nrsprangliche , ?on
blofsem Essig « sogekommen war: so wollten sie diese
durch jene nicht yerdrXngen lassen, und stellten daher
beide nebeneinander. Hiemitsoll aber, wie schon bemerkt,
keineswegs gelingnet werden, dafs Jesu vor der Krenni*
gong ein solcher Mischtrank, und nachher noch Essig
möge gereicht worden sein, da Jenes, wie es scheint, ge»
wohnlich, ond dieses bei dem Durst, welcher die Gekreu*
sigten plagt, natfirlich war: nur so viel soll gesagt sein,
dafs die Evangelisten diesen Umstand, und cwar in so
verschiedenen Wendungen, nicht defswegen ereählen, weil
sie historisch wufsten , er sei auf diese oder Jene Weise
wirklich vorgekommen, sondern weil sie dogmatis^fi tfber-
seugt ivaren , er mflsse jener Weissagung cufolge , die sie
aber verschiedentlich anwandten, sieh ereignet hallen ^').
Während oder nomittelbar nach der Kreuzigung Ififst
Lukas Jesum sprechen: nat€Qj äg^sg avtolg^ u yd(} didaai
Ti noiSöt (V. 34.); eine Fürbitte, die man bald anf die
Soldaten , die ihn krensigten , beschränkt ^^ , bald anf die
eigentliehen Urheber seines Todes, die Synedristen und
Pilatus, ausdehnt 2^). So angemessen eine solche Bitte den
19) Vgl. auch Bliik, Comm. zum Hebräerbrief, 2, S. 312. Anm.^
DB Wktts, exeg. Handb. I, 3, S. 198.
20) KüiTveL, in Luc. p. 710.
21) 01.SUAIISA, S. 484 > NiiAosji, S. 637«
ftM
Dritter Absohuitt.
$oogtigeQ Grundafiteen Jesu fiber Feindealiebe {«t (Matth.
S, 44.) > und so viele innere üiaubwfirdigkeit von dieier
Seite die Motis des Luka& hat: so ist doch, EaiDsl^r mit
derseiben allein steht, darauf aufmerksam cu machen, dJi
möglicherweise dieser Zug ans dem fftr messianitch gehal-
tenen Abschnitte Jes, 5u. genommen sein könnte, wo et
im letzten Vers, in demselben, ans M^elchem auch das fitia
avofiufv iloylaO-f] entlehnt ist, helfet: yjsr Wyvf^j wai
swar die LXX. unrichtig durch dta rcrv; avofiias avim
na(f€d6')'r; (aber bereits das Targum Jonathanidorch jiro pec*
eatiSj\Bolltehelt»enpeccat<n'ibus') deprecatus e«£ wiedergibt
Üafs mit Jesu zugleich Juo xaxüQyoi^ welche Mattbaoi
ond Markus als Ifigag beceichnen , in der Art gekreusigc
worden seien, dafs sein Krens in der Mitte stand, darin
stimmen die Evangelisten zusammen, nnd Markos, wenn
sein 2Ster Vers acht ist, sieht darin eine wörtliche Erfül-
lung des Jesaianischen : //ara aioftwP iXtrylaOi]^ welcliei
nach Lukas 22, 'XI. Jesus schon am Abend vorher aU eine
demnfichst an ihm su erfbllende Weissagung angefilbrt
hatte. Von dem weiteren Verhalten dieser Mitgekreuiig'
ten berichtet uns Johannes nichts; die beiden ersten Syn-
optiker lassen sie Schmähungen gegen Jesnm ansatoben
CMatth. 27, 44. Marc. 15, 321): wogegen Lukas ersXlilt,
nur der eine von ihnen habe sich dieses erlaubt, sei aber
von dem andern surechtgewiesrn worden (23, 39 ff.)* ^*
diese DifFerenn ansaugleichen , haben die Erklfrer dta
Voranssetcung gemacht, zuerst mögen wohl beide Verbre-
cher Jesum geschmäht haben, dann aber durch die ao^le^
ordentliche Finaternifs der eine nmgeatimmt worden sein ^];
neuere haben sich auf eine enßUage numeri bemfeo ^
gewlfs aber nur diejenigen recht gesehen, welche eine
wirkliche Differenz zwischen Lukas und seinen VorvlA*
22) So Chrysbstomus u. A.
33) Bizi Had (jnaxit*!«
Driltef Kapitel. $• 130. »67
■ern ««gaben >,*)• Offenbar haben von deoi Genaaeren,
was Jener über das Verb&itnils der bekleo Mitgekrenaig-
ten sa Jesu sa beriehten weifs^, die swei ersten £yange>
listen nichts gewulst« Nfih^r eraiihit nämlich Lukas , als
der eine der beiden Verbrecher Jesam durch die Auffor-
derung höhnte, wenn er wirklich der Messias sei, sich
und sie su befreien , habe ihm der andere solehen Hohn
gegen einen, mit dem er doch das gleiche Schicksal , und
Ewar als Schuldiger mit dem Unschuldigen, theile, ernst«
lieh yerwiesen, Jesam aber gebeten, wenn er In seiner
ßaaiksia kom.men werde, seiner an gedenken ; worauf ihm
Jesus das Versprechen gegeben habe, noch heute werde
er mit ihm er t(p naQadeiaij) sein. An dieser Soene ist
vorn herein nichts Anstöfsiges, bis au der Anrede des
Bweilen Mirgekreuaigten an Jesnm, Denn um von einem
aoi Krens Hängenden ein einstiges Koramen aur Errich-
tung des Messiasreichs au erwarten , daan gehörte das
ganae System von einem sterbenden Messias, welches die
Apostel vor der Auferstehung nicht begriffen, und welches
somit ein Ai^gi;«» vor ihnen gefafnt haben mfifste. Diefs ist
10 unwahrscheinlich, dafs es kein Wunder ist, wenn Man*
rhe in der Bekehrung des Käubers am Kreua ein Wunder
haben sehen wollen '^^) , und es wird durch die Annahme,
welche die Erklärer au flfilfe rufen, der Mensch werde
wohl kein gemeiner, sondern ein politischer Verbrecher,^
vielleieht einer der avgcanagaiv des Barabbas, gewesen
•ein >*), nur noeh undenkbarer. Denn war er ein aum
24) Pauli78, S. 763; Wiksr, N. T. Graxun. S. 149; Fritzscbi,
in Matth. p. 817.
25) &• Thilo, Cod. apocr. 1. S. 143* Weitere apokrypbische Nach-
richten von den beiden Mitgekreuzigten finden sich im erang.
Infant, arab. c. 23, bei Thilo , p. 92 f.; vgl. die Anm. p. 143;
im ev. Nicod. c. 9. 10, Thilo, p. 581 ff« c. 26, p. 766 ff»
2^) PAVLti und iiuiA'öL, I. d. St.
5ftS
Dritter Abschnitt.
Aufruhr geneigter Israelit, der auf Befreiung seines Volks
vom römischen Joehe hiharbeiten wollte : so war gewifi
auch seine Idee vom Messias am weitesten davon entfernt,
einen politisch so gans Vernichteten, wie Jesus damsU vrar,
als solchen ansnerkennen. Man ist daher an der Frage
veranlafst, ob man hier wirkliche Geschichte, und nieht
vielmehr eine sagenhafte Bildung vor sich habe? Zwei
UebelthXter waren mit Jesu gekrenaigt, so viel hatte ohne
Zweifel die Geschichte (oder auch diefs schon die Weit«
sagung Jes. 53, 12.?) an die Hand gegeben. Sie hingen
sunüchst als stumme Personen da , wie wir sie im vierten
Evangelium finden, in dessen Entstehungsgebiet nor die
einfache Nachricht, dafs sie mit Jesu gekreosigt worden,
gedrungen war. So unbentttet aber konnte sie die Sage
in die Liinge unmöglich lassen : sie öffnete ihnen den
Mund, und da sie ffbrigens nur von Schmühungen der
Umgebenden su berichten hatte, so liefs sie in den Allg^
meinen Hohn gegen Jesnm auch die beiden Uebelthfiteri
ffunfichst ohne nähere Angabe ihrer Beden, einstimmen
(Matth. und Markus^. Doch die Mitgekreusigten liefwo
sich noch besser benützen. Hatte ein Pilatus ZeugniCs ßr
Jesum abgelegt, zeugte bald darauf ein römischer Cen-
torio, ja die ganze wunderbar aufgeregte Natur ffir ihn:
so werden auch seine beiden Leidensgenossen, wiewohl
Verbrecher, gegen den Eindruck seiner Gröfse nicht gans
verschlossen geblieben sein, sondern, wenn zwar der eine,
der ursprihigifchen Gestaltung der Sage gemäfs, lästerte, lo
mufste wohl der andere sich in entgegengesetztem Sinn ge-
lufsert, und Glauben an Jesus als den Messias bewiesen haben
(Lukas). Ganz im Geist der jQdischen Denk- und Rede-
weise ist dann seine Anrede an Jesnm und dessen Ant*
wort; denn das Paradies war nach damaliger Vorstellon;
derjenige Theil der Unterwelt, welcher die Seelen der
Frommen in der' ZwischcQzeit zwischen ihrem Tod nni
der Auferstehung beherbergen sollte; um eine Stell« in
Drittef Kapitel, f. 130. 569
P«riiiiet und ein goldiges Andenken im kOnMgeo Äon
bittet dtor Hraellte 6ott| und so hier den Messias '') , ond
?on einem ansgeseiehnet frommen Manne glaubte man,
dals er den -in seiner Sterl»estande Anwesenden mit sieb
in das Paradies einfahren könne ^^).
Dem Kreoce Jesn wurde naoh rdmischer Sitte ^') »eine
hti'/qaqy^ (Mare. Luc.) 9 «in tlrXog (Job.), angebeftet, der
rrjV aiTicey avts (Matth. Marc.) enthielt, welche nach
simmtlichen Evangelisten durch die Worte: o ßaaiXevg
t(üv Vndaltov beeeichneC war. Lukas und Johannes mel«
den^ dafs diese Aufschrift in drei Sprachen bu lesen ge-
wesen sei I und der letstere gibt noch die Notie , dafs die
jBdischen Obern den Spott, der in dieser Fassung der
Deberschrift gegen ihre Nation lag, wohl gefthlt, und
defshalb den Pilatus, jedoch vergeblich, um Abänderung
derselben gebeten haben (Y. 21 f ).
Von den .Soldaten , welche Jesum gekreualgt hatten,
deren Zahl Johannes auf vier angibt , berichten die Evan*
gellsten einstimmig, dafs sie die Kleider Jesu mit Anwen-
dung des Looses unter sich yertheilt haben. Mach dem
römischen Gesetce de bonis damnatorum ^) fielen die
Kleidungsstücke der Hingerichteten als spotia den Voll-
streckern des Drthells su , und insofern hat jene Angabe
der Evangelisten einen historischen Anhaltspunkt. Doch,
27) Confcssio Judaei aegroti, Bei Wetstsim, p. 820: ^ da por-
tionent fneam in horto Edenis, et memento tnet in sectdo
futuro, qtiod absecnditum est justU. Andere Stellen t» bei
ebendems., p. 819*
28) Cetubath f. 103, bei Wbtstiik, p. 819 : Quo die RaM mo^
riiurus erat, venit vox de eoelo, dixitgue: gut praesens ade-
rit nwrienti Rabbi, Ule intraJbit in paradisum*
29) t. Wbtstbin, z. d. St. des Matthäus.
30) Angeführt bei Wststbin, p. 536 , womit übrigens die Text-
berichtigung Ton Favlvs, exeg. Handb. 3» b, S. 751 9 zu ver-
gleichen ist.
S70 Orittar AbfohniiU
wie die neisten Zöge dieser lotsten Seene im LelieeJen,
bat sie auch einen prophetiMshen. Bei Matthäus awsr Ut
die Aaffihmng der Stelle Ps« 32, 19. ohne Zweifel einge.
fehoben; sicher £cht dagegen daMeibe Citat bei Johann«
(19, 24.):lVa ^yqaq^rjnXr^Qiod'ilfj Uynacr C^örtlieh naeb def
LXX.) d^eiiBQlaayto %a Ifmua [xh eavzoiSj xal ini %6y l^a-
tujfiop fiü SßcJiov xk^QOV, Auch hier hat nach der Verii-
cberung der orthodoxen Ausleger der Verfasser des Psalmi,
üa?id, nach einer höheren Leitung, im Znstande der Be-
geisterung solehe bildliche Ausdrficke gewählt, welche bei
Christo im eigentlichen Sinne angetroffen sind ^^). Viel-
mehr aber gab David, oder wer sonst der Urheber dei
Psalms ist, als ein Mann von dichterischem Geiste jene
Ansdrflcke nur bildlich , im Sinne von gänaliohem ÜbUt-
liegen; aber die kleinlichte, prosaisohe AoslegnngsweiN
der Jnden , welche die Evangelisten ohne ihre Schuld
theilten , und von welcher sich die orthodoxen Theologen,
aber durch eigene Schuld, nach 18 Jahrhunderten notk
immer nicht frei gemacht haben , glaubte jene Wort« ci*
gentlich nehmen, und in diesem Sinn als am Messias e^
fällt nachweisen au mfisseu« — Ob nun die Kvangeiiiten
die Kleiderverloosung mehr aus historischen Nachrichten,
die ihnen cu Gebote standen, oder ans der prophetiicbei
Stelle, welche sie verschiedentlich auslegten, gesejiupft
haben , mnfs aus der Vergleichung ihrer Berichte sich e^
geben. Diese weichen darin von einander ab, dafs, wih-
rend den Synoptikern zufolge sfimmtlicbe Kleider dorcb
das Loos vertheilt wurden, was schon aus dem dufiefdamto
ta ifiOTia avTÖ^ ßaXkorreg xXiJQov bei Matthäus (V. 35.)
und der ähnlichen Wendung des Lukas (V. 34.)) am est
sehiedensten aber aus dem Zusata des Markus: r/V u
aQfj (V. 24.) 9 erheilt: bei Johannes die übrigen Stfleke
ohne Loos vertheilt , und nur um das Unterkleid gelooit
il) Tmolvgk, z. d. S.t.
Drittes Kapital« $. 130. S71
(V. 2S f.). Uiete Abweichaag wiird gewöholioh ?i^l
tn leicht genommen, und ttilUchweigend so behandele, ale
ob die Darstellung der Synoptiker eur johanneiscben sieh
oor wie die on bestimmtere nur bestimmteren verhielte.
KuiNÖL Oberaetzt mit Rfloksicht auf den Johannes das Mat*
thSitche dtmBQi^ovzo ßollof^ieg geradesn dnreh: pariim dt-
videlnmt , partim in sortem conjidebant \ allein so läTst
sich nicht thellen^ sondern das dufjeQi^no gibt an, was,
^M ^iuHmTcg xir-QoVf wie sie es gethan haben; ohnehin
fiber das lig zL Sqt] schweigt Kdinöl still, weil hierin nn-
ferkennbar liegt, dafs sie um mehrere Stacke geluo^t ha-
ben : während sich nach Johannes das Loos nur auf Ein
KleidungsstOck beaog« Fragt es sich nun, welche von bei-
den widersprechenden Angaben die richtige sei, so lautet
saf dem jetsigen Ständpunkte der vergleichenden Evange-
lienkritik die Antwort dahin, dafs der Aogenseuge Johan«
nes das Richtige gebe, den Synoptikern aber sei nur das
Dobestimmte so Ohren gekommen, dafs bei de^ Verthei«
Inng der Kleider Jesu die Soldaten das Loos in Anwen-
dnng gebracht haben, ond diefs haben sie aus Unkenntnifs
der nfiheren Verhältnisse so verstanden, als obObersImmt«
liehe KleidnngsstQcke Jesu das Loos geworfen worden
wSre '^« Allein, wenn schon der Umstand, dab gerade
Johannes allein es ist, der die Psalmstelle ausdrücklich
snfiihrf, eine vorzOgliche Berflcksichfigung derselben von
seiner Seite beweist: so ist überhaupt diese Abweichung
der Evangelisten eine solche, welche einer verschiedenen
Auslegung, jener Stelle anfs Genaoeste entspricht. Wenn
der Psalm von einem Vertheilen der Kleider nnd Verloo-
sen des Gewandes redet: so ist Im Sinne des hebräischen
Psrailelismos das aweite . nnr nähere Bestimmung des er-
sten, und In richtigem Verstflndnifs hievon setzen die Syn-
optiker das eine der beiden Verba in's Participium. Wer
^2} X. B. bei TasiLB^ cur fiio^sphie Jesu, $. 36. Anili. ih
.-•
572 Dritter Abtohnitt.
aber entweder diese Eigenheit des hebrfiischen Sprachge-
braacbs nicht berücksichtigte, oder ein Interesse hstte, je-
den einselnen Zag der Weissagung als besonders erfüll-
ten heransBuheben , der itonnte jenes näher bestimmende
Und als hincofOgend fassen, und so in dem Verloosen ei-
nen von dem Vertheilen verschiedenen Act finden. Dann
Bofste auch der i^iariüfxog (tt^S), welcher arsprfinglich
ein synonymum von Ifidriu (D'^TQ) war, ein von diesen ▼e^
schiedenes Kieidongsstttck werden, dessen nähere Bestin-
ninng, weil sie im Wort anf keine Weise lag, dem Belie-
ben überlassen blieb. Der vierte Evangelist bestimmte ei
als xiTcJy, and weil er seinen Lesern auch einen Grnod
achnldig bu sein glaubte, warum auf dieses Stück eio ?oii
der Vertheilung der übrigen so verschiedenes Verfahren
angewendet worden sei, brachte er heraua, der Grond,
warum man das Unterkleid lieber verloosen als Bertheilen
wollte , werde wohl gewesen sein , dafs es keine das Ze^
trennen begünstigenden Mähte gehabt (juQ(}aq>os) y am B'
oem Stück gewoben ivq^avtog di olu) gewesen sei ^^}. Di
hätten wir also bei dem vierten Evangelisten gans dasselbe
Verfahren, wie wir es in der Geschichte des Einzugs auf
Seiten des ersten gefunden haben : beidemale die Verdop-
pelung eines ursprünglich einfachen Zugs aus falscher Fas-
sung des 1 im hebräischen Parallelismus; nur ist der ercte
Evangelist an Jener Stelle darin noch weniger willkürlich,
als hier der vierte , dafs er uns wenigstens mit der Anf-
spfirung des Grundes verschont , warum damals für Einen
Reiter swei Esel haben reqnirirt werden müssen. Js
mehr sich auf diese Weise die Darstellung dea bezeich-
33) Die Ausleger merken hiezu an , dass auch das Kleid dei jü-
dischen Hohenpriesters von dieser BeschifTenheit wir. Jo-
seph. Antiq. 3,7,4. — Dieselbe Ansicht von obiger Diffe-
renz ist bereits in den Frobabilien aufgcbtclit, p. 80 f.
Drittes Kapitel, f. ISO.
»TS
neten Ponlits bei den Evangeligten abhängig seigt roa der
Art, wie Jeder Jene yermeintUch propbetisehe Psalmstelle
Terstand: desto wc^niger scheint eine sichere historische
Kunde an ihrer Darstellung Theil gehabt cu haben , uni|
wir wissen demnach nicht, ob bei der Vertheiinng der
Kleider Jeso das Leos angewendet, ja ob fiberhanpt onter
dem Kreoae Jesu eine Kleidervertheilung vorgenommen
worden ist; so sarersichtlieh sich Jostin gerade auch fflr
diesen Zag auf die Acten des Pilatus bernft, welche er
nie gesehen hatte '*>
Von dem Benehmen der bei*m Krenae Jesu anwesen-
den Joden meldet uns Johannes nichts; Lukas läCst das
Volk sDSchauend dastehen , ^ und nur die ä()xovT€g nnd die
Soldaten Jesom durch die Auflforderang, sich eu retten,
wenn er der Messias sei, wozu von Seiten der letsteren
noch das Anbieten des Essigs kommt, verhtthnen (V.
35 ff.); Matthäus und Markus haben von einem Spotte
der Soldaten hier nichts, dafflr aber lassen sie anfser den
^QX^Q^^S9 yQafifiateig nnd nQeaßvteqoi noch die naQccTio
(^^i'O/ievoi 'Lästerungen gegen .Jesnm ansstofsen (V. 39 ff*
29 ff.). Die Aeufsernngen dieser Leute beciehen sich
theils auf frühere Reden und Thaten Jesu, wie der Spott:
0 xcrralvtjv %6v vaoy xoi iv %Qialv iq^iqaig otxodofiwv^ awaov
aeavToy CMatth. Mark.)» ecf die gleichlautende Rede, die
man Jesa anschrieb, der Vorwurf aber: älkas &f(aotVj
kavTov ^ dvvaTui aaiaai oder oataatü} kai/icv (bei allen
dreien), auf seine Heilungen sich beaieht. Theils aber ist
das Benehmen der Juden gegen den Gekrenaigten nach
demselben Psalm geceichnet, von welchem TertuUian mit
Recht sagt , dafs er totam Christi passianem in sich ent-
halte ^^). Wenn wir nimlich bei Mstthäns und Markus
lesen: oi ds TiaQonoiievofi&foi iß?Mag>]jfiüif CL«ukas von den
54) Apol. 1, 35.
35) Adr. Marcion. a. a, O.
574 Dritter Abschnitt.
^QXQ^l^S ' i^ffitncTr'iQi^ov) avvov , xivBVteg tag xicpcliag aniit
xal Xtyovteg' «o ist diefs doch gewifii nlclits Anderes, aii
was Ps. 22, 8. (LX-X,") steht: navTBg ol O-swQÖnig //f iä-
fivxTi^Qiadv f.i€, h).(xh^öuv iv /fc/Afcwy, ixtiTjaccv xfffc[).i^', und
hierauf bei Mattbftus die den Sjnedristen geliehenen
Worte: mTvoiS-ev im tov S-eov, (twdadto vvv aJrov, il^ih\
avroVy sind ganz dieselben mit den Worten des folgendea
Verses in jenem Psalm : rjXniaev im Kvgioy, ^iHJaa%) mior
ocoacrcü) ccvTov^ vti d'iXei avrov. Kann nun swar jeoei
Spotten nnd Kopfschfltteln der Feinde Jean, nnersebtec
die Zeichnung desselben nach einer A. T«|lirhen Stelle ab
geschattet ist, dennoch gar wohl wirklich so Tor sich g^
gangen sein : so verhält es sich dagegen mit dieser den
Spöttern geliehenen Rede anders. Worte, die, wie die
Afigegebeneii , im A. T. den Feinden des Frommen in den
Mond gelegt sind, konnten die Synedristen nicht adoptireOf
ohne damit sich selbst als Gottlose hinaustellen; wovor »ie
sich wohl gehtitet haben werden. Nnr die cbristliche
Sage, wenn sie einmal den Psalm anf das Leiden Jes«,
and namentlich auf seine letzten Stunden, anwandte» konnte
auch diese Worte den JQdischen Obern in den Mond le-
gen, und darin die ErfQllung einer Weissagung finden.
Dafs yon den Zwölfen einer bei der Kreuzigung Jeto
zugegen gewesen wäre, davon melden die ewei vorderrn
Evangelisten nichts; sie erwiihnen blofs mehrerer gnIiUi*
sehen Frauen, von welchen sie drei namhaft müchen: n«*
lieh Maria Magdalena; Maria, die Mutter des kleinen «I«-
kobus und des Joses ; die dritte bezeichnet Matthfiui ab
Mutter der Zebedaiden, Markus nennt sie Salone, was
nach der gewöhnlichen Ansicht Eine und dieselbe Persoa
ist (Matth, V. 55 f. Marc. V. 40 f.): die Zwölfe seheinen
sich nach ihnen von Ihrer Flucht hei Jesu Gefangen nehrnon;
noch nicht wieder gesammelt gehabt zu haben ^ Bei
36) Justin , Apol. 1 , 50. und sonst , spricht gar von Abfall und
Vcri'iugnung aller Junger nach der Hreuiigung Jeto.
Drittes Kapitel. %. i:lo. 575
»
Lukas dagegen sifid nnter den navreg 61 yrtogci ccvrSj wel-
che er der KrenEigong ansehen lüt^t (V. 49.) > wohl anch
die Zwölfe mitBu begreifen : das vierte Evangelinm »her
nennt von den Jfingern aasdraolKÜch denjenigen, or jjyarca
6 y. , d. h. den Jobannes , als anwesend , niid anter den
Franen , neben Maria Magdalena und der von Kiopas be-
nannten, statt der Mutter der Zebedaiden die eigene Mut«
ter Jeso* Und swar, während nach allen übrigen Berioh-
fen die Bekannten Jesu ^axQoOev stehen, mfifsCen dem
vierten Kvangflium cnfolge Johannes und die Matter Jesu
in der nifebsten Nfihe des Kreuzes gestanden haben, da
nach dessen Bericht Jesus . vom Krense her anter den Jo«
hannes etim Stellvertreter in dem kindlichen Verbal tnifs
zu seiner Mutter beruft (V. 25 (F.)» Wenn ,Olsh ausbin den
Widersprach, welcher c wischen der synoptischen Angabe
und der johanneischen Voranssetsung von der Stellong
der Bekannten Jesa an seinem Krense stattfindet, durch
die Vermatiinng co beben meint, dafs dieselben Anfang«
swar ferne gestanden , spfiterhin aber einige nahe an das
Kreoe herangetreten seien : so ist hiegegen bu bemerken,
M% die Synoptiker gerade am Schlosse der KreoEOS- and
Todesscene, unmittelbar vor der Kreosabnahme, Jener Stel-
long der Angehörigen Jeso gedenken, also voraassetzeu,
dsb sie dieselbe bis cum Ende der Scene eingenommen
haben; was wir der furchtsamen Stimmung der Jfinger
in jenen Tagen, and namentlich der weiblichen Sehtteh*
ternheit, gane angemessen finden mfissen. Könnte man
awar von der mötterlichen Zärtlichkeit vielleicht den Ue-
roismas eines näheren Hinsotretens erwarten: so macht
dagegen das völlige Schweigen der Synoptiker, als der In-
terpreten der gewöhnlichen evang4lischen Tradition, die
historische Realität jenes Zuges sweifelhaft. Die Synopti-
ker können weder von der Anwesenheit der Matter Jeso
bei*m Krens etwas gewofst haben: sonst worden sie vor
wIen andern Frauen sie als die Hauptperson namhaft ma-
576 U'rilter Abl^chnilt.
chen ; noch scheint von einem engeren Verhlltnils dend-
ben eu Johannes etwas bekannt gewesen so sein: wenig*
stons läfst die Apostelgeschichte (1, 12 f.) die Motter Jen
mit denJKwölfen überhaupt, seinen Brfldernnnd den Fnme«
EOsammensein« Wie abe^r die Kunde von jener rGkrendeii
Gegenwart und diesem merkwürdigen Verh^iltnifs ?erl«rcn
ge^en konnte, begreift sich wenigstens niebt 9o leicht, ab
wie sie in dem Kreise, ans welchem das vierte EvaDgeÜom
hervorgegangen ist, hat entstehen können. Wenn wir uds
diesen Kreis als ^einen solchen denken, In welchem der
Apostel Johannes besondere Verehrung genofs, wefswegen
ihn denn unser Kvangelium aus der Dreizahi der gen«o^
ren Verti^^uten Jesu heraushebt, und allein zum Lieblingi-
jünger macht: so konnte eur Besiegelung dieses Verbilt-
nisses nichts Schlagenderes gefunden werden , als die An-
gabe, dafs Jesus die theuerste Hinterlassenschaft, seine
Mutter (in Beziehung auf welche, wie auf den angeblichen
Liebliugsjünger , ohnehin die Frage nahe lag , w b sie denn
in dieser letzten Noth von der Seite Jesu gewichen seien?),
dem Johannes gleichsam letztwillig fibergdben, diesen m*
mit an seine Stelle gesetzt , ihn zum vicarius Christi ge
macht habe.
Ist die Anrede Jesu an die Mutter ond den Jfioger
dem vierten Evangelium eigenthflmlich : so findet eich
umgekehrt der Aufruf: a^Ai, i^ii, Xa^ta aaßccx^ori; onr
in den zwei ersten £vangelien (Matth. V. 36. Msrc V.
34.)* Dieser Ausruf und der innere Zustand, aus wel
ohem er hervorgegangen , wird , wie der Seelenkaapf
in Gethsemane, von der kirchlichen Ansicht als ein
Theil des stellvertretenden Leidens Jesu'^ gefafst. Oi
man sich Jedoch auch hier das Auffallende nicht nr-
bergen konnte, welches darin .liegt, wenii der blofs
körperliche Schmerz verbunden mit dem finfserlichcn
Unterliegen seiner Sache den auf einen solchen An**
gang nach der evangelischen Darstellung längst g^hh-
Drittel Kapitel. $. 130. 9T7
len >') Jesos bis snm tiefllbie der Gottverlasteohelt «ie.
dergcdrilekt haben follte, wlhrend es vor und nach ihm
solche gegeben hat, welehe unter eben so grofsen Leiden
doch die Fassung und Stärke des Geistes beibehalten ha-
ben: so bat die kirchliche Ansicht auch hier sn dem na-
tfiriichen körperlichen und Seelenschmera als den eigent-
lichen Grund jener Stimmung Jesu ein Zurflckweiohen
Gottes von seinem Inneren, eine Empfindung des göttli-
chen Zorns, hinzngefögt, was, statt über die Men-
schen, die es eigentlich als Strafe verdient bitten,
fiber ihn verbaingt worden sei ^y Wie aber bei den
kirchlichen Voranssetsnngen fiber die Person Christi ein
Zarfickwelchen Gottes von seinem Innern gedacht werden
kann, mögen die Vertheidiger dieser Ansicht selbst an«
sehen. Soll es die menschliche Natur in ihm gewesen
•ein, die sich so verlassen ffihlte : so wfire ihre Einheit
mit der göttlichen unterbrochen, also die Grundlage der
Persönlichkeit Christi naeh jenem System aufgehoben ge-
wesen ; oder die göttliche: so hfitte sich die s weite Person
in der Gottheit von der ersten losgerissen ; der aus beiden
Naturen bestehende Gottmensch aber kann es ebensowenig
gewesen aein, was sich gottverlassen ffihlte, da dieser ja
eben die Einheit und Unzertrennlichkeit des Göttlichen
und Menachlichen bt. So durch den Widerspruch dieser
supranaturalistischen Erklfirung sn der natfirlichen Ablei-
tung jenes Ausrufs aus dem Geffihl des finfseren Leidens
S7) Wetswegen der W^lfenbüttler eben diesen Ausraf als einen
Beweis gebraucht, dass Jesus durch die unglückliche Wen-
dung seines Schicksals sich in früher gehegten Erwartungen
getäuscht gefunden y und dcsswegen in Durchfuhrung seines
Fianes sich von Gott verlassen geglaubt habe. Vom Zweck
Jesu und seiner Jünger, S. 153.
38) «• Calvin , Comm. in härm. evv. au Matth. 27 , 46 ; Olsbaü-
SEK, z. d. St.
DaM Leben Jesu S/« Afifl. /I. Rand. ^7
KH Dritter Abschnitt.
Borflckg«worfen, and doch von der Annahme | daU doreh
diesee Jesos »o tief sollte gebeugt gewesen sein, abg^^tos-
sen, hat man dem Aa»ruf einen mildern Sinn unterzulegen
versucht. Da es die Anfangsworte des ffir diesen letzten
Abschnitt im Leben Jesu ciiissischen Ps. 22. sind, dieser
Psalm aber mit klagender Schilderung tiefsten Leidest
Bwar beginnt, doch im Verlaufe eu froher Hoffnung der
Rettung sich aufschwingt: so hat man angenommen, Je«os
gebe jene Worte nicht um ihrer selbst willen, als Be-
schreibung seines eigenen unseligen Zustandes, sondern
mit den Anfangsworten citire er den ganzen Psalm, und
Bwar sei es ihm in demselben um seinen freudigen Schlsb
cu thnn ^^). Allein , that Jesus jenen Ausruf in Besag
auf die Umstehenden, um sie der bsildig^n Wendung lei-
nes Schicksals sn versichern: so hätte er es auf die zweck-
widrigste Weise angegriffen, wenn er gerade diejenigen
Worte des Psalms ausgesprochen hätte, welche vom tief-
sten Elend handeln, und er hätte statt des ersten Verses
eher einen der Verse vom lOten bis 12teo, oder vom SOteo
bis cum Ende, anführen müssen ; wollte er aber durch jV
nen Ruf nur seiner eigenen Empfindung Luft machen : so
würde er nicht diesen Vers gewählt haben , wenn nicht
ebdn das in diesem, sondern das in dem folgenden ausge-
sprochene Gefühl sein eigenes in diesem Augenblicke ge-
wesen wäre. Man mufs daher eugestehen, dafs jene Worte
Ausdruck der eigenen Empfindung Jesu in jeneai Au-
genblicke gewesen seien; wobei man aber das volle Recht
behält, mit Rücksicht auf den Zusammenhang, aus den
•ie genommen sind, zu behaupten, dafs in Jesu wie In
diesem Psalme das augenblickliche tiefühl jener Verlassen-
heit als untergeordnetes und fliefsendes Moment alsbald
wieder in Vertrauen und Hoffnung übergegangen sei ^
39) ScHLKiKAMACHSR, Gitubcnslehre, 2, S. 154. Anm. '
40) Nba%]>sr, L. J. Chr. S. 639 S os Wbttb, exeg Handb., 1, U
S. 238.
Drittes Kapitel. {• 130«
579
Doch ebeo das Verhfiltnila der Worte Jesu Bom 22ten
PmIoi k^nn gegen die geschichtliche Wirlilichkeit dieses
Zog« Verdacht erregen *0* ^*^ nloilich der Messias ein-
mal als leidender aafgefafst, und wurde Jener Psalm gieich-
•sm als ein Programm seines Leidens benätct^ woen es
keineswegs das Anlasses bedarfte, dafs Jesus am Krens
eine Stelle desselben wirklich angeffihrt hatte: so mufsten
die Anfangsworte des Psalms, welche das tiefahl des tief«
sten Leidens aussprechen, sich glins besonders eigneni 'dem
gekreoEigten Messias in den Mond gelegt su werden. In
diesem Falle könnte dann anch die aof jenen Ausruf Jesu
sich besiehende Spottrede ^*) der Umstehenden, Sri ^HUctr
q'vwH irog a. s. w. , nnr so entstanden sein: dafs dem
Wunsche, fiBr diese Scene dem Psalm gemifs verschiedene
Spottreden sa l>ekommen , der Gleichlilang des r^Xt In dem
41) Das Stillschweigen des Lulcas nnd Johannes würde uns nicht
so sehr anfechten, dass wir zu Erklärungen desselben unsre
Zuflucht nähmen , wie die : Johannes habe den Ausruf ver.
schwiegen, um nicht der gnostischea Ansicht Vorschub zi«
thun, als hätte der leidensunfähige Aon Jesum damals schon
▼erlassen gehabt. Schrbckbuburoir, Beiträge, S. 66 f.
42) Nach Olshaüsbh , S. 495 , ist ein solcher Sinn der Rede mit
keiner Sylbe angedeutet , vielmehr soll schon jetzt sich ein
heimlicher Schauder über die Gemüther ausgebreitet , und
die Sp'ötter bei dem Gedanken gebebt haben , Elias möchte
im Wetter erscheinen. Allein wenn sofort unter dem Vor-
wande, zusehen zu wollen, d ?^/f rm 'Ält'a; , mo^fioy aurar, ei-
ner, der Jesu zu trinken geben will, davon abgemahnt wird,
so ist doch hiedurcb jener Vor wand deutlich genug als ein
höhnischer bezeichnet , und gehört also der Schauder und
das Beben nur der unwissenschaftlichen Stimmung des bibl.
Commentators an, in welcher er sich namentlich der Lei-
densgeschichte , als einem mysterium tremendum, gegenüber
befindet, und die ihn auch schon in Pilatus eine Tiefe finden
iiessy welche die Evangelisten diesem BVmcr nirgends geben.
37*
580 Dritter Abschnitt
JesD gelieheDen Ausrufe mit dem auf den MeMias beEO-
genen Elias entgegengekommen wfire.
lieber den letsten Lauf , weicher von dem starbenden
Jesns vernommen wurde, differiren die Evangelisten. Nach
den beiden ersten war es blofs eine qKM'f^ fteyai^j mit wel-
cher er verschied (V. 50. 37); nach Lnkaa daa Gebet:
nareQy elg yeiQcig as 7taQa(}i;aofiai z6 nvev^iu fta (}/• 46.);
nach Johannes das kurze lerikecaty worauf er daa Haupt
neigte und verschied (V. 30). Hier lassen sich die swei
ersten Evangelisten mit je einem oder dem andern der fol-
genden durch die Annahme vereinigen : was jene unbe-
stimmt als lauten Schrei beceichnen, und was man nach
ihrer Darstellung ffir einen unarticnlirten Schmerzenslaot
halten könnte, davon geben diese n£her die Worte an.
Sohwerer hingegen fällt die Vereinigung der Kwei letsten
Evangelien miteinander. Denn soll nun Jesus euerst seine
Seele Gott befohlen, und hierauf noch: es Ist vollbracht!
gerufen haben, oder umgekehrt: so ist beides gleichsehr
gegen die Absicht der beiden Evangelisten, da des Lukas
xal Tccvra eiTtcov i^BTtveDOet', nicht mit Paulus durch: bald
nachdem er dieses gesprochen , verschied er, wiedergege-
ben werden kann, und Johannes schon dem Worte nach
einen loteten , abschliefsenden Ausruf geben will , ilrelchea
aber der eine so, der andere anders dachte. Dem Lukas
scheint die für das Sterben Jesu gewöhnliche Formel:
naQtdcjxe z6 uvtifia^ en einer ' ausdrücklichen Uebergabe
des Geistes an Gott von Seiten Jesu geworden su sein,
und mitROcksicht auf die Stelle Ps. 31, 0. (LXX): (jtvgit)
€ig x^^Q^S (Jo TtaQa^aofiac t6 nvev/itcc ^s — eine Stelle, die
sich weg^n der genauen Aebnlichkeit dieses Psalma mit
dem 22ten leicht darbot ~ sich su jenem Ruf ausgebildet au
haben *^). Wogegen der Verfasser des vierten Evange*
liums mehr aus der Situation Jesu heraus ihm einen Aus-
43) Vgl. Grbdkbr, Einleitung ia das N. T. 1, S. 198.
Drittes Kapitel, f. 130. 581
ruf gelieben so haben seheint | indem er ihn durch das
inihgai die Vollendung seines Werkes, oder die Erffil-
long sIiDmtUcher Weissagangeoi (mit Ausnahme natiirlioh
dessen, was sich erst noch in der Auferstehung vollenden
nad erfflllen sollte) aussprechen IXfst.
Doch nicht blofs diese loteten, sondern auch schon
die froheren Reden Jesu am Kreuse lassen sich nieht ao,
wie man gemeiniglich glaubt, ineinanderschieben. Man
aihlt gewöhnlich sieben Worte Jesu am Krenae: allein so
fiele hat kein einaelner Evangelist; sondern die beiden
ersten haben nur Eines: den Ruf j^At, i^U x. r. A. ; Lukas
bst drei : die Bitte für die Feinde, die Verbeifsung an den
Mitgekreusigten , und die Uebergabe des Geistes in des
Vaters HSnde; Johannes hat gleiohfalls drei, aber andere:
Hie Anrede an Mutter und Jünger, das iiifftH, und das re-
illegal. Hier liefsen sich die Förbitte, die Verbeifsung
ond die Anempfehlung der Mutter wohl in solcher Auf-
einanderfolge denken; aber das önj-nJi und das rjXi verwi-
ckeln sich bereits, indem nach beiden Ausrufungen das
Gleiche , die Trfinkung mit Essig durch einen auf ein
Rohr gesteckten Schwamm, erfolgt sein soll. Nimmt man
hiesu die Verwicklung des rerslegai und des ndreQ x. t, L :
so sollte man wohl einsehen und augestehen , dafs keiner
der Evangelisten bei den Worten, welche er Jesu am
Kreua in den Mund legt , auf diejenigen , welche der an-
dere ihm leiht, gerechnet, und von denselben etwas ge«
wafst habe; vielmehr malt diese Scene jeder auf seine
Weise, je nachdem er oder die ihm su Gebot stehende
Sage nach dieser oder jener Weissagung oder sonstigen
ROck sieht die Vorstellung von derselben ausgebildet hatte.
Eigentbamliche Schwierigkeit macht hier noch die
Stundenaäblung. Nach simmtlichen Synoptikern fand utio
rXTf^^ wQag i'iog aiQag iiyaiT^g (nach unserer Rechnung von
Mittags 12 bis Nachmittags .3 Uhr) die Finsternifs statt;
nach NaUhäus und Markus war es um die letztere Ston-
S82 Dritter Abfehnitt.
de, daffl Jesus über Gottrerlassenheit klagte, nnd bald dar-
auf den Geist aufgab; naoh Markus war es oiQa TQiJr^
CVormittags 9 Uhr) gewesen, als sie Jesum kreu£i|^n
CV* 25.). Dagegen hat nach^ Johannes (19, 14.) um die
sechste Stande, wo nach Markus Jesus bereits drei Stan-
den am Krense hing, Pilatus erst Aber ihn su Gericht ge-
sessen. Diefs ist, wenn nicht, wie su Hiskias Zeiten , der
Sonnenseiger rfickwfirts gegangen sein soll, ein Wider-
spruch, der sich weder durch gewaltsame Aenderung der
Lesart, noch durch Berufung auf das oigsl bei Johannes,
oder auf die Dnfähigkelt der Jfinger, unter so schmerz«
vollen Eindrficken die Stunde genau an beobachten, heben
läfst ; höchstens vielleicht dadurch , wenn sich bewies
liefse, dafs das vierte Evangelium durchaus von einer ao-
dern Stundenaählung als die fibrigen ausgehe ^^>.
44) So BsTTXG, exegetische Analekten, in Ullmäkm's und Umsuini
Studien, 1830, 1, S. 106 ff.; Tholuck , GUubwiivdiglicit,
S. 307 ff. Vgl. über die verschiedenen Ausgleichungsvertuche
LvcKB und Ds WsTTB z. d. St des Job.
▼ {•rtes Kapital.
Tod und Auferstehung Jesu.
S. 131.
Die Naturerscheinungen bei'm Tode Jesu.
Der Tod Jeso war nach den evangelischeo Beriebtem
fon anrterordentlichen Erseheinangeo begleitet Seboa
drei Stunden vorher ioll eine Finaternifa sich verbreitet|
Diid bia Bu aeinem Veraebeiden gedauert haben (Muttb.
27, 45. parall.) ; im Augenblicke dea Todea aei der Vor-
h-ing im Tempel von oben an bis unten aus serriasen, die
Krde habe gebeiH , die Felsen sieh gespalten y die Grfiber
sich anfgethan, und viele Leiber beiliger Veratorbenen
seien anferatanden ^ in die Stadt gelcommeni und Vielen
erschienen (Matth. V. 51 ff. parail.). In diese Nachrich-
ten theilen »icH übrigens die Evangelisten sehr ungleich:
nur das erste enthält sie alle ; das cweite und dritte blofa
dieFinsternifs und das Zerreifsen dea Vorhangs; daa vierte
aber weifs von allen diesen Zeichen nichta.
Nehmen wir aie einzeln nach der Reihe vor: so kann
aaerst daa axorog^ welcbea, während Jesus am Krense
hing, entstanden aein soll, keine gewöhnliche, durch Oa-
Bwischenknnft dea Mondea vermittelte Sonnenfinsternila
gewesen aein *), da ea Ja am Pascha, alao um die Zeit dea
VoUmonda, war. Doch indem nun auch die Evangelien
1) Das Evang. Nicodemi lässt die Juden sehr unverständig be-
haupten: MftU'u: ijXh ytyoit xard ro el'h}6q. C. 11, p. 592. bei
Thuo.
384 Dritter Absclinitt.
nicht bestimmt von einer ex?.e$^ig rö r}XlH «prechen, ton-
dem die beiden ersten nnr Oberhaupt von' cnrarog, fioxo
das dritte ewar etwas genauer: xa2 iaxorla&fj 6 ^'l/<v,
setat, was aber gleichfalls von Jeder Art der Verdnniceking
des Sonnenlichts gesagt werden liann: so lag es nahe, statt
einer astronomischen eine atroosphSrische Ursache dieser
Finsternifs eo denicen, and sfe von verdnnlielnden Dfim-
pfen in der Luft, wie sie Eumal vor Erdbeben hersogehea
pflegen, absnleiten ^, Dafs solche Verdankelongen der
Lnft über ganze LSnder sich aasbreiten können, ist rich-
tig; aber nicht nur ist die Angabe, dafs die damalige ^^71
näoav oder olr^v zr^v yijVj d. h. der natürlichsten Erkilmng
sofoige Ober den gansen Erdkreis, sich erstreckt habe, als
Uebertreihung der Berichterstatter in Absog so bringen *) ;
sondern aach die im Zasammenhang ihrer Darstellung deot-
liehe Voranssetaung eines fibernatfirlicben Ursprungs der
Finsternifs erscheint in Ermangelung eines genügendea
Zweckes eines solchen Wunders als eine nnbegrOndete.
Fragt man nach der mit diesen NebenaOgen noch nicht
von selbst schon fallenden GlaobwOrdigkeit des Ereignis-
ses: so beriefen sich fOr diese die Kirchen vftter aaf Zeug-
nisse heidnischer Schriftsteller, von welchen namentlich
Phlegon in seinen xqavwoig jene Finsternifs angemerkt ha-
ben sollte *) : allein wenn mfin die l>ei Eusebius wahr-
scheinlich aufbewahrte Stelle des Phlegon vergfeiebt, so
ist in dieser nur die Olympiade , schwerlich das Jahr , in
keinem Falle die Jahrseeit und der Tag dieser Finatemifs
bestimmt ^), Neuere berufen sich auf fihnliohe Fälle aas
der alten Geschichte, von welchen namentlich Wststkis
2) So Paulus und KuikÖl, z. d. St. ; Hasi, L. J. §. 145 ; Nkah-
DiR, L. J. Chr. S. 639 f.
3) Vgl. Fritzschi und db Wbttb, b. d. St. des Mstth.
4) TertuU. Apologet, c. 21; Orig. c. CeU. 2, 33. 59.
5) Euseb. CSD. ehren, ad Ol. 202. ann. 4. Vgl. Paulus, S. 765 fr.
Viertes KapiteL $.131. WS
eine reiche Sammiang engelegt hat Er bringt ana grie*
chlscben und rfimtochen Schriftstellern die Notisen Ton
den Sonnenfinsternissen bei, welche bei der Wegnahme
des Romolus, bei'm Tode Cisar's ®) nnd fthnlichen Ereig«
nissen, stattgefunden ; er ffihrt Anssprttche an, welche die
Yorstellnng enthalten, dafs Sonnenfinsternisse den Seors
von Reichen , den Tod von Konigen bedeuten ; endlich
weist er A. T. liehe (Jea. 50, 3. Jo^l 3, 20. Arnos 8, 9.
?jl. Jer. 15, 0.) und rabbinische Stellen nach, in welchen
thells die Verfinsterung des Tageslichts als das göttliche
Trauercostfim beschrieben^), theils der Tod grofser Lehrer
mit dem plötciichen Untergang der Sonne am Mittag Ter-
glichen^, theils die Ansicht vorgetragta wird, dafs bei
dem Tode hoher hierarchischen Beamten, wenn ihnen die
letste Ehre nicht erwiesen werde, die Sonne sich su ver-
finstern pflege ')• Aber statt Stfitaen der Glaubwürdigkeit
der evang-eliscben Ereählong au sein, sind diese Parallelen
ebenso viele Pr&miasen su dem Schlosse, dafs wir auch
hier nur eine ana verbreiteten Vorstellungen entsprungene
christliche Sage haben, welche den tragischen Tod des
Messias von der ganzen Natur durch ihr solennes Trauer-
costfim mitfeiern lassen wollte *®).
Daa Bweite Prodiginm ist das Zerreifsen dea Tempel-
6) Serv. ad Virgil. Georg. 1,466 ff. : Conitat, oectfo Caeiore in
Senaiu pridie Idus Martias , soHs fuUse defeUttm ab hara
texta utque ad nodem.
7) Echa B. 3, 28.
8) R. Bechai Cod. Hakkema : Cum insignis RaMnus fato con-
cederet, dixit quidam: iste dies gravis est Israeli, ut cum
soi occidii ipso meridie,
9) Succa , f. 29 , 1 : Dixervnt doctores : quatuor de causis soi
deficit : prima, ob patrem domus judidi mortuum, cui exe-
quiae non fluni nt decet etc.
10) t. FiimtCNK, z. d. St. Vgl. auch di Wbttb, cxeg. üandb.,
I> 1, S. 238 y THaua, zur Biogr. Jesu, %, 36.
MS Dritter Abichnitc.
Torhang8 , ohne Zweifel des inneren , vor dem
•ten, indem das diesen bezeichnende POflQ von da*.LXX.
darch x<na7ihaa/ia wiedergegeben sa werden pflegt. Aoch
dieses Zerreifsen des Vorhangs glaubte man als natfiriiches
fireignifs deuten su l&önnen , indem man es als Wirkong
der ErderscbOtterung ansah. Allein von dieser ist , wie
schon LiGHTFOOT richtig bemeri&t, eher begreiflich, vrie sie
feste Körper, dergleichen die nachher erwähnten tcItqoi
Biodj als wie sie einen dehnbaren, freihSngenden Vorbang
SU eerreifsen im Stande war. Daher soll nnn nach Paulus
Annahme der Vorhang im Tempel ausgespannt, unten und
auf den Seiten befestigt gewesen sein. Allein tbells ist
diefs blofse Vermnthung; theilS| wenn das Erdbeben die
Wände des Tempeljs so stark erschütterte, dafs ein, ob
auch ausgespannter, doch immer noch dehnbarer Vorhang
Bcrrifs : so wäre von solcher Erschütterung wohl eher et-
was am Gebäude eingefallen, wie nach dem HebrfiereTan-
gelium geschehen sein soll ^0 • wenn man nicht mit Kginöl
die weitere Vermnthung hinaufügen will, der Vorhang
sei vor Alter mürbe, nnd daher auch durch eine kleine Er-
aehätterung su s^rreifsen gewesen, Dafs in keinem Fall
unsere Berichterstatter an einen solchen Caosalsusammen-
hang gedacht haben, beweist des «weiten nnd dritten Evan-
gelisten Schweigen von dem Erdsfofs, nnd bei dem ersten
das, dafs er desselben erst nach dem Zerreifsen des Vor-
hangs gedenkt. Müssen wir demnach dieses Ereignif«,
wenn es sich wirklich augetragen haben soll, als wander-
bares festhalten: so könnte der göttliche Zweck bei dessen
Hervorbringang nur dieser gewesen sein, auf die jüdischen
Zeitgenossen einen starken Eindruck von der BedeotsanH
IJ) Hieron. ad Hedib. ep 149, 8. (v^l. Comm. z. d. St.)' '"
evangelio auiem, quod hebraicis iiteris scriptum est, legi-
mtis, non velum templi scissum, sed snperHminare tempH
mirme magnUudinis corruuse.
Viertes Kapitel. $. 131. MT
keit de« Todee Jeta hervorsabringen^ und den ersten Ver«
kfindigern des Erangeliams etwas an die Usnd so geben,
worauf sie sich in ihren BeM-eisfährongen stütsen könn*
ten. Allein, wie aneh Schlsikrmachsr herausgehoben hat,
nirgends sonst Im N. T., weder in den apostolischen Brie-
fen, noch in der A* 6., noch im Brief an die Hebrfteri
auf dessen Wege es fast nicht umgangen werden konnte,
geschieht dieses Ereignisses Erwfihnong: sondern bis auf
diese trockene synoptische Motiz Ist jede Spur dessellien
Ferloren; was schwerlich der Fall sein könnte, wenn es
wirklich einen Stiitspunkt apostolischer Beweisführung
gebildet hfitte. Es mfifste also die göttliche Absicht bei
Veranstaltung dieses Wunders durchaus verfehlt worden
sein; oder, da diefs undenkbar ist, so kann es nicht um
dieses Zweckes willen, d. h. aber, da sich weder ein an-
drer Zweck des Wunders, noch ein nstfirlicher Hergang
der Sache denken llfst, gar nicht geschehen sein. — In
anderer Weise kommt freilich ein eigen thOmliches Ver-
hiltnils Jesu Eum jQdischen Tempelvorhang im Hebrler-
brief snr Sprache. Während vor Christo nur die Priester
in das Heilige, In das Allerhell igste aber nur der Hohe-
priester Einmal des Jahrs mit dem Söhnungsbinte Zutritt
gehabt habe, sei Christus als ewiger Hoherpriester mittelst
seines eigenen Blutes eig to iavneQov zu xavaTteraauaTogj
in das Allerheiligste des Himmels, eingegangen, womit er
der nQoÖQOfios der Christen geworden sei, und auch Ihnen
den Zugang dahin eröffnet , eine aiaiviov kvTQioaiv gestiftet
habe (6, 19 f. 9, 6-12. 10, 19 f.)* Diese Metaphern fin-
det auch Padlus* unserer Ersählnng so verwandt, dafs er
es mögKeh findet, diese su den Fabeln eu rechnen, welche
nach dem HKNKK'schen Programm e figurata genere dicendi
absoleiten sind ^^; wenigstens sei die Sache, wenn auch
la) Dieselbe Möglichkeit räumt auch Niakdir, doch unter Vor«
aussetzuBg irgend einer thatiächlichen Cirundlagf, eio(S. 640f')-
58S Dritter Absehnitt.
wirklieh vorgefallen , doeh den Gbriften TorBiiglich wegen
Jener, den Bildern des HebrSerbriefs rerwandlen tymboti-
sehen Bedeatsemkeit wichtig gewesen: dab nfimlioh doreh
Chri$ti Tod der Vorhang des jfidischen Gultos serrissen,
der Zutritt snGott ohne Priester durch TiQogxtrmv ir nfii-
fioti Jedem eröffnet sei. Ist aber, wie geseigt, die ge>
sehichtliehe Wahrscheinliehkeit des fraglichen Ereignisses
so sehwaeh, dagegen die AolSsse, aus welchen die Bruib-
lung ohne historischen Grund sich bilden konnte^ so be-
deutend: so ist es folgerichtiger, mit Schlsikrmachbr den
Vorgang als geschichtlichen gana anfaugeben, in Erwi-
gung, dab, „sobald man anfing, das Verdienst Christi unter
den im Brief an die Hebriier berrschenden Bildern darun
atellen. Ja schon bei den ersten, letoesten Uebergfingen sn
dieser Lehrweise, bei der ersten Aufnahme der fleiden,
die mau cum Jüdischen Cultus nicht verpflichtete, und die
also auch ohne Antheil au den JOdischen Sfibnongen blls*
ben, solche Darstellungen in die christlichen Hymnen [und
die evangelischen Erslhlnngen] kommen mofsten'* *').
Ueber das folgende: ij yfj iaeiaihjj xal ai TtirQai iaxio-
&f]aavj kann nur im Zusammenbang mit dem Vorbergeheo-
den geurtheilt werden. Ein Erdbeben, welches Felsen ser-
reilst, ist als natflrlicbe Erscheinung nicht unerhört: nicht
selten aber kommt es auch als poetisehe oder mythische
Autscbmflckung eines groTsen Todesfalles vor, wie Virgil
bei Gftsar's Tode nicht allein die Sonne sich verfinstern,
sondern auch von ungewohnter Erschütterung die Alpen
ersittern Ififst ^^). Da wir nun die vorhergemeldeten Pro-
digien nur aus diesem leteteren Gesichtspunkte haben faa-
sen können, und da überdiefs gegen die historische Be-
gründung der Jetzt vorliegenden Züge ihr alleinigea Vor-
13) Ueber den Lukas, S. 293. Vgl. pi Wetti, exeg. Handb., I, 1,
S. 240.
U) Georg. J, 465 ff
Viertes Kapitel. $. 131. 5S0
kommen bei Matthfioe spricht: so werden wir aneh sie
nur so ansehen, wie Fritzschk sagt : Messiae obUum atro*
cibns ostentis, quibus, quantus vir quummaximeexspirässet,
orbi terrarum indicarettir , illustrem esse apcrtebat '^).
Das letste, gleichfalls dem ersten Evangelium eigen«
thfimlicbe Wnndersäicben bei'm Tode Jesu ist die Eröff-
nung der Grlber, das Hervorgehen vieler Todten ans den-
aelben, nnd deren Erseheioang in Jernsalem* Diesen Vor^
gang sich denlibar sn machen, fällt besonders schwer«
An sich schon ist weder klar, wie es diesen althebrlisehen
ayiotg*^^ nach dieser Aoferstehong ergangen sein sollte '');
noch auch ist fiber den mdg lieben Zweck einer so aniser»
ordentlichen Veranstaltung etwas Genfigendes anssomit»
teln '^). Rein in den Anferweckten selbst scheint der
Zweck nicht gelegen su haben , da sich sonst kein Grund
denken liefse, warum sie alle eben im Augenblicke des
Todes Jesu anferweckt wurden, und nicht Jeder in dem
15) Wenn Hass, §. 143, tcbreibt: „(es) erbebte die Erde, mit-
trauernd um ihren gr'össtcn Sohn'* : $o sieht man , wie der
Historiker, indem er jenen Zug als geschichtlichen festhal-
ten will, dabei unwilUiürlich zum Foeten wird, und wenn
der Verf. in der zweiten Auflage die Phrase durch ein ein-
gesetztes 9, gleichsam*' mildert : so zeigt sich weiter , dass
sein historisches Gewissen ihn darüber zu schlagen nachträg-
lieh nicht unterlassen hat.
16) Nur an solche , nicht an sectatores Christi y wie KvmÖL will»
ist zu denken. Im Evang. Nicodemi, c. 17, sind es allerdings
auch Verehrer Jesu, welche bei dieser Gelegenheit auferste-
hen, nämlich Simeon (aus Luc. 2.) und seine beiden Söhne ^
die Mehrzahl aber bilden auch nach diesem Apocryphiun,
wie nach der aratpo^ ITiXaTtt (Thilo , p. 810.) , nach Epipha-
nius, erat, in sepulcrum Chr. 275, Ignat« ad Magnes. 9. u. A.
(vgl. TaxLO, p. 780 ff.), A. T. liehe Personen , wie Adam und
Eva, die Patriarchen und Propheten.
17) Vgl. die verschiedenen Meinungen bei Thilo, p. 783 f.
18) Vgl besonders Eichhorh, Einl. in d. N. T. 1, S. 446 ff.
590 Dritter Abschnitt.
durch den Gang seiner eigenen Entwioklang bedingten
Zeitpunkte* Wer aber die UelierseDgiing Anderer der
Zweck: so w8re dieser noch weniger erreicht worden als
bei dem Wander des eerrissenen Vorhangs, da auf die Kr>
scheinnng der Heiligen nicht nur in den apostolischen Bri»*
fen und Reden jede Berufung fehlt, sondern auch onter
den Evangelisten Matthfius mit seiner Erwähnung dersek
iien allein steht. Eine besondere Schwierigkeit erwfichtt
aus der seltsamen Stellang, welche e wischen den schein-
bar ansammengehörigen Momenten der Begebenheit die
Zeitbestimmung: ^era rrpf ¥yt()Giv am 5, einnimmt. Denn
wenn man diese Worte cum Vorhergehenden eieht, al«o
die verstorbenen Frommen im Augenblicke des Todes Jese
nur wiederbelebt werdeui aus den Gräbern aber erst nuch
seiner Auferstehung gehen läCst, so wire diefs eine Quai
för Verdammte, nicht ein Lohn für Heilige gewesen; ver-
bindet man dagegen jene Zeitbestimmung mit dem Folgen*
den, so dafs die Anferweckten zwar gleich nach ihrer
bei'm Tode Jesu erfolgten Wiederbelebung auch ans dea
Grfibern hervorgegangen sein , aber erst nach seiner Auf-
erstehung sollen In die Stadt haben gehen dürfen : so aocht
man von dem Letzteren vergeblich irgend einen Grand.
Diese Schwierigkeiten so vermeiden, ist es eine grobe Ge-
walthülfe gewesen, die ganae Stelle ohne kritische Gründe
für eingeschoben au erklären ^'); feiner ist die Art, wie
die rationalistischen Erklärer durch Beseitigung des Wun-
derbaren in dem Ereignifs auch die fibrigen Schwierigkei-
ten wegsuräumen suchen. Wie beim Zerreifsen dea Vor>
bangs wird auch hier meistens an das Erdbeben ange-
19) Stroth, von Interpolationen im Evang. Matth. In Eichhor^*i
Repertorium, 9, S. 139. Nicht viel besser ist die KBHü'scbe
Auskunft, die Stelle als Einschiebsel des griechischen Ueber-
setzers zu betrachten. Ueber den UrtTprung des Ev. Mallh
S 25. und 100.
Viertes Kapitel. S. 13t. 591
koflpft: durch dieses sollen mehrere CJrabmfilery nftment-
lioh smßh Tou Propheten, geöfiFoet worden sein, in welchen
man, sei es, dafs sie verschfittet, oder verwest, oder von
wilden Thieren geraubt worden waren, keine Leichen
mehr gefanden habe: Als nun nach Jesu Auferstehung
die ihm Geneigten unter den Bewohnern Jerusalems voll
?on Auferstehongsgedanken gewesen , so haben diese Ge-
danken, Bosammen mit den leergefundenen Grfibern, Trln-
me und Visionen in ihnen erregt, in welchen sie die in
jenen Gräbern beigesetst gewesenen frommen Vorfahren
zu sehen geglaubt haben -^. Aüein die leergefundenen
GrSber hfitten auch mit der Kunde von Jesu Auferstehung
susammen schwerlich solche Träume hervorgebracht, wenn
nieht schon vorher unter den Juden die Erwartung ge«
herrscht hätte, der Messias werde die verstorbenen firom«
men Israeliten auferwecken. War aber diese tirwartung
vorhanden, so konnte aus derselben, eher als Träume,
fielmehr die Sage von einer bei*m Tode Jesu geschehenen
Auferstehung der Helligen hervorgehen; wefswegen Uasb
mit Recht die Voraussefsnng von Träumen fallen läfsc,
und allein mit den leergefundenen Gräbern auf der einen
ond jener jOdisehen Erwartung auf der andern Seite isus«
Eorelchen sucht ^*). Mäher angesehen indefs, wenn ein-
mal diese Vorstellung vorhanden war, so bedurfte es kei-
ner wirklichen Eröffnung der Gräber, um einem solchen
Mythus Entstehung zu geben : und so hat ScuNBCKKNBORGBa
die leergefondenen Gräber aus seiner Rechnung wegge-
lassen^^. Wenn nun aber er statt dessen von visionären
Erscheinungen spricht, welche, durch Jesu Auferstehung
angeregt, seine Anhänger in Jerusalem gehabt haben: so
20) So Paulus und Kvinöl, s. d. St. , welcber ietstere diese Er-
klärung eine mythische nennt.
21) L. J. §. 148.
22) Ueber den Ursprung) S. 67.
/
592 Dritter Absohnitt. *
ist diefs ebenBO einseitig, wie wenn Hasb, die Trlome
weglassend, an der Graböffnung festblit ; da, wenn. einoAal
das eine, dann auoh das andere dieser engverbandenea
Momente als gesohichtlioh aufgegeben werden mofs.
Freilieh ist hiegegen niebt ohne Scbein bemerict wor-
den, dafs cur Erklfirnng des Entstehens eines solchen My«
tbns die angeführte jadische Erwartung nicht ausreiche >').
Die Erwartung war niher diese. Vom Apostel Paoloi
(1 Thess. 4, 16. vgl. 1 Kor. 15, 22 f) und bestimmter ant
der Apokalypse (20, 4 f.) wissen wir, dafs die erstes
Christen bei der Wiederkunft Christi einer Auferatehong
der Frommen entgegensahen, weiche sofort mit Christo
1000 Jahre regleren sollten ; erst nach dieser Z^eat soUtes
dann auch die übrigen auferstehen, und ron dieser siweitsa
Auferstehung wurde jene als rj dvagaaig i^ nquTjj , oder
loJy öixalcav (Luc. 14, 14?), wofür Justin jy uyia avagccot^
bat ^^')y unterschieden. Doch diefs ist schon die cbristiani-
airte Form der jüdischen Vorstellung; diese beeog aick
Dicht auf die Wiederkunft, sondern auf die erste Aniionft
des Messias, und erwartete bei dieser nur die Auferstehung
der Israeliten '^). In die Zeit der ersten Paruaie des Mes-
siaa Tcriegt nnn awar auch" die Macbricht bei Mattbioi
jene Auferweckung ; aber warum sie dieselbe gerade aa
seinen Tod knüpft, dafür liegt allerdings in der jOdisebea
Erwartung an und für sich kein Grund, und in der Mo-
dification, welche die Anhänger Jesu an dieser Erwartung
anbrachten, hfitte, wie es scheint, eher ein Aniafs gelegen,
die Auferweckung der Frommen mit aeiner Auferatebung
BU Terbinden; sumal die Anknüpfung an seinen Tod mit
der sonstigen urcbristliehen Vorstellung in Widcursprucb
23) Paulus, exeg. Haadb., 3, b, S. 798.
24) Dial. c. Tryph. 113.
25) s. die Sammlung hiehcrgehVriger Stellen bei ScR»TTeBx y 2.
p. 570 iF. 9 und in Bbrtholdt's Chritlologia, §. 35.
Viertes Kapitel. $. ISl. 59S
Bu liommen scheint, welcher eafolge Jesus nQiOTOtoxog ix
T(5v wexQiov (Kol. 1, 18. Oifenb. 1, 5.)> anaQxrj tiov Ttexoifdtj-
ftevury (1 Kor« 15| 20 ) ist. Doch wir wissen Ja nicht, ob
diese Vorstellung die allgemeine war, und wenn die Einen
der messianischen Würde Jesu schuldig zu sein glaubten,
ihn als den ersten der Auferstandenen su betrachten, so
bieten sich doch auch Grfinde dar, weiche Andere bewe-
gen konnten, schon bei seinem Tod einige Fromme aofeiv
stehen eu lassen. Einmal der äufsere: da unter den Pro-
digien bei Jesu Tod auch ein Erdbeben henrorgehoben
ist, und in der Beschreibung seiner Heftigkeit dem nhQai
ia/Jaxh^ccv sich leicht das auch sonst bei Schilderung hef-
tiger Erdheben Torltommende ^^) fivr^fttia avsqixSTjaav bei-
geselleu konnte: so war hier ein einladender An knttpfnnga-
paokt fflr die Auferstehung der Frommen gegeben. Aber
auch aus dem Innern der Vorstellung vom Tode Jesu her-
aas, wie sie sich frühzeitig in der christlichen Gemeinde
ausbildete : dafs ..nlimlich derselbe das eigentlich erläsende
Moment seiner Wirksamkeit ausmache, und namentlich*
durch den daran geknüpften Hinabgang sum Hades (iPetr.
3, 19 f.) die früher Verstorbenen aus demselben befreit
worden seien '^, konnte sich ein Anlafs ergeben, gerade
durch den Tod Jesu die Bande des Grabe«- fflr die alten
Frommen gesprengt werden su lassen. Ohnehin wurde
durch dieae Stellung noch entschiedener als durch eine
Verbindung mit Jesu Wiederbelebung die Auferwecknng
der Gerechten nach jüdischer Vorstellung in die erste Pa*
rusie dea Messias gesetzt; eine Vorstellung, welche in jn*
daisirenden Kreisen der ersten Christenheit gar wohl noch
in einer solchen Erzfihlung nachklingen konnte: während
ein Paniua und eboASo der Verfasser der Apokalypse be-
26) s. die toh Witstiih gesammelten Stellen.
27) s. diese Vorstellung weiter ausgeführt im Eysngel. Nicod.
cap. 18 ff.
Dax LeSen Jetiu Me Aufl. //. Bmid. ^S
5M Dritter Abschnitt.
reits anch die avdgaaig ^ nfKOTtj in die siveite, erst sa er-
wartende AnlLonft des Messias verlegten. Mit Rficksicbl
auf diese Vorstellung scheint es dann, dafs, wahrsobeiniich
▼om Verfasser des ersten Evangelittois selbst, das ^ercr m
iycQOtv aoiä als Restriotlon angebracht wurde.
Ihre Beschreibung der Vorgfinge bei dem Tode Jeii
acbiiefsen die Synoptiker mit einer Angabe des Eiodracki,
welchen dieselben , aunfichst auf den wachhabenden roni-
sehen Centurio, gemacht haben. Mach Lukas (V« 47«)
war dieser Eindruck durch to yey'Ofiei'Ov y d. h., da er die
Finsternifs schon früher, snletzt aber nur das Verscheideo
Jesu mit lautem Gebete gemeldet hat, durch eben dieses
letBtere hervorgebracht; viie denn Markus, den Lokai
gleichsam auslegend^ den Hauptmann dadurch, dafa Jeiui
ww xQa^ag i^tTtrsvoev , an dem Ausruf: 6 ävd^iHon^og iios
viog rj» O^eäy TeraDlafst werden lüfst (V. 39.)- ^^ Lokai
nun, der als die lotsten Laute Jesu ein Gebet gibt, itt
wohl etwa zu begreifen, wie durch dieses erbauliche £iide
der Hauptmann au einer vortheilhsften Ansicht von Jess
gebracht werden mocht^: wie hingegen aus dem Versehet*
den mit lautem Geschrei auf die Würde eines Gotteasohn«
geschlossen werden konnte, will auf keine Weise einleuch-
ten. Die pasäv^.kdste Beeiehung aber gibt dem Aasrof des
Centttrio Matthäus, welcher denselben durch dasErdbebea
und die Übrigen Vorfiele beim Tode Jesu veranlafst seio
Iftfst: wenn nur nicht die historische Realität dieser Keda
des Hauptmanns mit der ihrer angeblichen Veranlaasongea
stünde und fiele. Derselbe spricht bei Matthäus and Mar-
kus die Deberaeugung aus, dafs Jesus in der That lio;
&€öy bei Lukas, dafs er äv^QioTCog dixaiog gewesen. Erste-
res wird augenscheinlich in dem Sinne gemeldet, dafs hier
ein Heide für die Messianitüt Jesu gezeugt haben soll; in die-
sem specifisch jüdischen Sinne kann aber der rdmi^die
Krieger seine W^orte nicht wohl verstanden haben; eher
mochte er in Jesu einen Giittersohn im heidnischen Sliine^
Viertes Kapitel. |. 13t. 595
oder doeh einen unschnldig Getödteten erblicken: wenn,
nor nicht mit der gansen synojitischen Darstelinng der
Vorfalle beim Tode Jesu auch dieser Schlofsstein derselben
ferdächtig wfirde — cnnial be^ Lukas , der sn dem Ein-
drock auf den Haoptmann noch den auf die übrige Volks«
menge fOgt, und diese mit Zeichen der Rene und Traner
in die Stadt surOckkehren IfiCit; ein Zug, welcher nicht
sowohl ansngeben scheint, was die Juden wirklich em-
pfunden und gethan, als wa« sie nach christliche^ Ansieht
bitten thun und empfinden sollen*
S. 132.
Der Lanzenstich in die Seite Jesu.
Während die Synoptiker Jesnm von der üßQa iwdiif}^
d. h. Machmittags 3 Uhr, wo er verschied,^ bis eu der
oipia, d. h. wohl bis gegen 6 Ohr Abends, äuß Kreuae
i bangen lassen, ohne dafs weiter etwas mit ihm vorginge:
ichiebt dcrr vierte Evangelist eine merkwürdige Zwischen-
I aeeoe ein. JNach ihm baten ufimlich die Juden ^ um zu
f ?erhaten, dafs nicht durch das Hfingenbleiben der Geiireu-
^ aigten der bevorstehende besonders heilige Sabbat entweiht
I wfirde, den Procurator, es möchten ihnen die Beine
■erschlagen und sie sofort abgenommen werden. Die
■ biesn beaoftragten Soldaten vollsogen diefs an den beiden
neben Jesu gekrensigten Verbrechern : wie sie aber an Je-
su die Zeichen des bereits eingetretenen Todes bemerkten ,
hielten sie bei ihm ein solches Vornehmen fflr fiberflfls«
sig, und begnflgten sich, in seine Seite einen Speer«
stich Bo machen, worauf Blut und Wasser herausflob
(19, 31-37.).
Diese Thatsaehe wird gewöhnlich als Hauptbeleg für
die Wirklichheit des Todes Jesu angesehen, und im Ver-
hfiltnifs Bu ihr der aus den Synoptikern su fahrende Be-
weis ffir unsulinglich gehalten. Nach derjenigen Rechnung
nimlich, welche den längsten Zeitraum gibt, der des Mar-
38*
5M Dritter AbBchnitt.
kos, hing Jesos von der dritten bis nennten ^ also 6 Stan-
den, am Krense, ehe er starb ; wenn, wie Manchen wahr-
scheinlich gewesen ist, bei den beiden andern Synoptikern
die mit der sechsten Stunde eingetretene Finsternifs ao-
gleich den Anfang der Kreuzigung beseichnet, so hing
nach ihnen Jesus nur drei Stunden lebend am Kreose,
nnd wenn wir bei Johannes die Jüdische StondenaShiung
Toraussetzen, und ihm die gleiche Ansicht vom Zeitpunkt«
des Todes Jesu zuschreiben: so mOfste, da er um die
sechste Stunde den Pilatus erst das Urtheil sprechen Ififst,
Jesus nach nicht viel über zwei Stunden Kreuzigung be-
reits gestorben sein. So schnell aber tödtet die Kreusi«
gung sonst nicht : was theiln ans der Natur dieser Strafe,
welche nicht durch starke Verwundung ein schnelles Ver-
bluten, senden mehr nur durch Ausspannung der Glieder
ein allmähliges Erstarren hervorbringt, sich ergibt; cbeils
aus den eigenen Angaben der Kvangeiisten erhellt , nach
welchen Jesus unmittelbar vor dem Augenblicke , den sie
für den letzten hielten, noch Kraft zum lauten Rafea
hatte, auch die beiden Mitgekrenzigten nach jener Zeit
noch am Lehen waren; theils endlich durch Beiftpiele von
solchen zu belegen ist , welche mehrere Tage lebend am
Kreuze zugebracht haben, nnd erst durch Hunger u. dgL
allmfihlig getödtet worden sind ^)« Daher haben Kirchen-
väter nnd ältere Theologen die Ansicht aufgestellt, Jesu
Tod, der auf natürlichem Wege noch nicht so bald erfolgt
aein würde, sei auf übernatürliche Weise, entweder durch
ihn selber, oder durch Gott, beschleunigt worden ^j;
Aerzte nnd neuere Theologen haben sich auf die gebävf-
ten körperlichen und Seelenleiden berufen, welche Jesus
1) Das Hiehergehörige findet sich zusammengestellt bei Paclos,
exeg. Handb., 3» b, S. 781 ff.; Wikbh, bibl. Realwörterb. 1,
S. 672 ff. ; und Hasb, §. 144.
3) Jenes TertuUian, dieses Gnorios, s. bei Paulus, S. 784, Anas.
Vierles Kapitel. $.132. . 597
den Abend und die Naoht vor seiner Kreusigung eu dul-
den hmte ^) ; doch auch sie lassen gröfsCentheils noch die
Möglichkeit offen, dafs, was den Evangelisten der Eintritt
des Todes sohlen, nur eine durch Stockung des Blutum«
Isufs herbeigefdhrte Ohnmacht gewesen sei, und erst der
Speerstich in die Seite den Tod Jesu entschieden habe.
Doch eben über diesen Speerstich, Über den Ort, an
welchem, dat Instrument, durch welches, und die Art und
Weise, wie er «beigebracht worden, über seinen Zweck
und seine Wirkung, waren von Jeher die Meinongen sehr
verschieden. Das Instrument boEeichnet der Evangelist als
eine h\yyj]^ was ebensogut den leichteren Wurfspiefs, als
die schwere Lanse l>edeuten kann: 9o dafs wir über den
Umfang der Wunde im Ungewissen bleiben. Die Art, wie
die Wunde beigebracht wurde, beschreibt er durch vvaoetvt
dlefs bedeutet aber bald eine tödtliche Verwundung, bald
ein leichtes Ritsen , ja einen Stols , der nicht einmal Blut
gibt; wir wissen also nicht, wie tief die Wunde ging:
wiewohl, wenn Jesus nach der Auferstehung den Thomas
in die MSgelmahle Ewar den Finger, in, oder anoh nur
sn die Seitenwnnde aber die Hand legen läfst (Job. 20, 27. )y
der Stich eine bedeutende Wunde gemacht zu haben scheint.
Doch dabei kommt es vor Allem noch auf die Stelle der
Verwundung an. Diese bestimmt Johannes als die nXevQd^
wo freilich, wenn der Stich an der linken Seite Ewischen
den Rippen bis in das Herz drang, der Tod unausbleiblich
erfolgen mufste: allein jener Ausdruck kann ebensowohl
die rechte Seite als die linke, und an beiden jeden Ort
von der Schulter bis zur Hüfte bedeuten. Die meisten
dieser Punkte würden sich freilich von selbst bestimmen,
wenn die Absicht des Kriegers mit dem Lanzenstich gewe-
sen wfire, Jesum, sofern er noch nicht gestorben wfire, zu
3) so Grukia u. A. bei Paulus , S. 784t iF. ^ Hasb , «. «• 0. }
NiA5i>BR^ L. J. Chr. S. 647.
•
598 Dritter Abschnitt,
tödten; in diesem Falle nSmltch wfirde er ohne Zweifel
am tödtlichsten Plats ond so tief wie mSglich gestoeheo,
oder vielmehr Jeso, wie den beiden Andern, die Beine ge-
brochen haben : da er mit Jesu anders als mit diesen ver-
fahr 9- so wird wahrscheinlich, dafs er in Becug aof ihn
eine andere Absicht hatte, nifmiich dnrch den Stich vor-
erst nar bu erforschen, ob der Tod wirklich schon einge-
treten sei, was er ans dem Hervorfliefseri vbn Blot ond
Wasser aas der Wonde sicher abnehmen so kSnnea
glaobte.
Abor freilich Ober diese Folge des Speerstichs ist man
am allerwenigsten einig. Die Kirchenvfiter haben , in Be-
tracht, dafs aus Leichen l&ein Blot mehr fliefse, in deoi
ans Jeso Leichnam hervorgequollenen af//or xai vdo}Q ein
Wunder, ein Zeichen seiner höheren Natnr, gefunden ^).
Nenere, von der gleichen Erfahrung ausgehend, haben in
dem AusdruclK eine Hendiadys gesehen, und denselben von
noch flüssigem Blute, einem Zeichen des noch nicht, oder
doch eben erst erfolgten Todes, verstanden ^). Da jedoch
das Blot fBr sich schon ein Flüssiges ist, so iiann das so
alijcc gesetEte vöcf)Q nicht blofs den flössigen Znstand von
jenem bedeuten, sondern mufs eine besondere Beimischoag
beeeichnen, welche das aus der Wände Jesu fliefeende
Blut enthielt. Um sich diese sn erklären, und sogleich
die möglichst sichere Todesprobe eu bekommen , ainrf An-
dere aof den Einfall gerathen, das dem Blute beigemischte
Wasser sei wohl aus dem von der Lanse getroffenen
4) Orig. C. Celt* 2y ößl T<dy juty nv uklbw vtxtmy OfOuanor ro mua
TT^yrurai , xai vtftoo xnx^aoor hx nnonon r» ^f xara ror Iqdnr rfjrfi
OiafiftTog TO naQa^otov ^ xai TifQi ro %'txoov autua t^v aiua xut v'}i»
OTTO TÜr nitv^v TTQo/uO-f'v. V§^» Euthymius 1. d. Sl. ! ?« »-«roJ
yuQ ay9^^o:Tti^ xar /iv^dxti >'vir] rtg. »x ^i;fifv<f(rai mua. V7ttit^*>-:
tSto to nQayua^ xai T^itu; StSaoxor , on vTtep m'9onmo¥ o »i-*.^
I) ScNUtTBR, in EiCHiioiui*s Bibl. 9, S. 1036 %
Viertes Kapital« (. 13S. 599
gekommen 9 in welehem sieh, namentUeh bei
•olche», die onter starker BeSngsti^unj^ sterben, eineQitan«
titXt Flüssigkeit sjimmein soll ^J. Allein aufserdem ^ dafs
das Eindringen der Lance in das Perieardinm blofse Vor-
ansseteong ist, so ist thetls , wo keine Wassersucht statt-
findet, das Quantum jener Flüssigkeit so gering, dals ihr
AoHflufs nieht in die Augen fiele; thells ist es nur ein
einsiger iiieiner Fleck vorn an der Brust, wo das Peri-
eardlom so getroffen werden kann , dafs eine Kntleernng
nach aaTsen möglich ist: in allen andern Ffillen würde,
was ausfliefst, in das Innere der Brnsth5hle sieh ergia*
fsen ^J. Ohne Zweifel geht vielmehr der Evangelist von
der bei Jeder Aderlässe sa machenden Erfahrung ans, dals
das Blnt, sobald es aufgehört hat, im Lebensprocesse be-
griffen sa sein, sieh in Blutkuchen, placentae und Blul-
wasser, servMy an sersetsen auffingt, und will nun daraus,
dafa am Blute Jesu sich bereits diese Scheidung geaeigt
habe, dessen wirklich erfolgten Tod beweisen ®). Ob nun
aber dieses Ausfliefsen von Blnt und Wasser in bemerk-
bsrer Sonderung eine mögliche Todesprobe ist, ob Hasb
and WiNBR recht haben, wenn s<e behaupten, bei tiefereil
Einschnitten in Leichen quelle bisweilen das so aersetate
Blut heraus, oder die Kirchenvater, wenn sie diefs für so
on erhört bielten, dafs sie es bei Jesu als ein Wander an-
sehen SQ müssen glaubten, ist noch eine andere Frage*
Mir hat ein ausgezeichneter Anatom den Stand der Sachs
folgendermalsen angegebeo ^* Für gewöhnlich pflegt bin«
6) Gruxsh , Comm. de morte J, Cbr, yer« , p. 47. , TuoiiOca)
Comm, z. Job. S. 318.
7) Vgl. Hasb, «. a, O.
8) WmxR, a. a. O.
9) Vgl. die gleiche Angabe eines Anatomen bei dk Witts s« d. St«
und Tholvck, a, a. 0,
tm Dritter Abschnitt.
nen einer Stande nach dem Tode das Blut in den Gef&>
f'sen KU gerinnen, und sofort bei Einschnitten nichts mehr
auseufliefsen ; nur ausnahmsweise, bei gewissen Todesar-
ien, wie Nervenfieber, Erstickung, behSlt das Blut im
Leichnam seine FlOssigkeit. Wollte man nun den Tod am
Krens etwa unter die Kategorie der Erstickung stellen, —
was jedoch wegen der langen Zeit, welche die Gekreasig-
fen oft nech am Leben blieben, und bei Jesu insbesondere,
weil er ja bis euletzt gesprochen haben soll, unthanlich
acheint ; oder wollte man annehmen , so bald schon nach
dem Augenblicke des Todes sei der Stich in die Seife er-
folgt, dafs er das Blut noch flössig fflnd, — was den Be-
richten unangemessen ist, welchen Bufolge Jesus neben
Nachmittags drei Uhr gestorben war, die Leichen aber
erst Abends 6 Uhr abgenommen sein mnfsten: so w£re,
wenn der Stich ein gröfseres Blutgefftls traf, Blut, aber
ohne Wasser, ausgeflossen ; war aber der Tod Jeso vor
etwa einer Stunde erfolgt, und sein Leichnam im gewöhn*
liehen Zustande: so flofs gar nichts aus. Also entweder
Blut, oder nichts; Wasser und Blut in keinem Falle, weil
«Ich semm und placenta in den Geffifsen des Leichnams
gar nicht %o sondert, wie im Geschirre nach der Adei^
ifisse. Schwerlich also hat der Urheber dieses Zugs im
viereen Evangelium das alfta xal vdioQ selbst aus der Seite
Jesu als Zeichen des erfolgten Todes kommen sehen: son*
dern weil er bei BlutlSssen schon jene Scheidung im er-
sterbenden Blute gesehen hatte, und ihm anlag, eine sichere
Probe für den Tod Jesu eu bekommen^ liefs er aus dessen
verwundetem Leichnam jene geschiedenen Bestandtheila
fliefsen.
Dafs sich diefs mit Jesu wirklich cugetragen h*.le,
und sein Bericht davon , als auf Autopsie gegründet, sn*
verlAssig sei, versichert übrigens der Evangelist aufs An-
gelegentlichste (V. 35.) Nach Einigen defswegen, um do-
kefisohe Gnostiker, welche die wahre Leibliehkeit Jesu
Viertes Kapitel. {. 132. 001
liogneten, su widerlegen *^: allein wosii dann die Er«
wfihiiang des vSiOQi Maeh Andern wegen der merkwürdi-
gen Krfilllang sweier Weissagangen doreh Jenes Vorneh-
men mit der Lelehe Jesu ^0 • <(her, wie Lücke selber sagt,
wenn allerdings auch sonst Johannes selbst in Nebenpunk«
ten eine Erfüllung der Schrift sucht, so legt er doch nir-
gends ein so anfserordentliehes Gewicht darauf , wie er
hier naeh dieser Auffassung thnn wOrde. Daher scheint
es Immer noch die natfirlichste Annahme su sein, dafsder
Evangelist durch Jene Versicherungen die Wahrheit des
Todes Jesu hekrfiftigen wolle ^^ , die Hin Weisung auf die
SchrifterfOllung aber nur als weiteren « erläuternden Zn-
satz beifüge. Der Mangel einer geschichtlichen Spur^
daf« schon sur Zeit der Abfassung des Johanneischen Evan-
geliums der Verdacht eines Scheintodes Jesu rege gewesen,
beweist bei der Mangelhaftigkeit der Nachrichten, die uns
fiber Jene Zeit an Gebote stehen , nicht , dafs ein so nahe
liegender Verdacht nicht wirklich in dem Kreise, in wel-
chem das genannte ETangeliam entstand, su bekämpfen
gewesen ist, und dafs dasselbe nicht, wie snr Mittbeiinng
Ton Anferstehnngsproben, so auch eine Todesprobe mitsu*
theilen Teranlafst gewesen sein kann '^). Ist doch auch
schon Im Erangelium des Markos ein ähnliches Bestreben
slfhtbar. Wenn dieser von Pilatus, als Joseph sich den
Leichnam Jesu ausbat, sagt: ixha'uc:afv, h 7]()r^ rid^'i^xa
(V. 44.): eo lautet diefs ganz, ala wollte er dem Pilutus
10) WrrSTSiif und Olshavsbk, z. d. St. 'y ygl. Hisi^ a. a. O,
11) LUcKB, z. d. St.
12) so Lbbs, Aufersteboiigsgeschichte, S. 95 f. ; Tholuck, z. d. St.
Nach Wbissb (die evang. Gesch. 1, 8. 102. 2, S. 237 ff.) wie-
se der ETangelist auf eine von ihm missTerstaodene Stelle
des apostolischen Briefs hin, nämlich auf 1. Joh. 5, 6: nroi
l^iv o ilihoy Sr v^aroi x<u a'ifitarog , V. 6 X^. ' ix *r r'Ji vdfcn
H) Vgl. Kaisbr, bihl. Thcol. J, S. 253.
a04 Dritter Abschnitt.
Jesu noch das crurifragium yorgenomnien haben. So bleibe
diese Jobanneisohe Ersfihlung ansicher, und wenn eie aaeb
nicht gerade gans erdichtet ist, so beroht doch das, wor>
auf der Berichterstatter am meisten NaohdmclK legt, aaf
einer Tfinschnngt
$. 133.
BegräbnisB Jesu.
Während der Leichnam Jeso nach römischer Sitte
am Kreus bitte hfingen bleiben müssen, bis Wittemog,
Vögel und Verwesung ihn Versehrten '); nach jadischer
aber vor Abend abgenommen, auf dem unehrlichen Begrfib-
nifsplatee der Hingerichteten verscharrt worden wfire ^:
erbat sich den evangelischen Nachrichten sufolge ein an-
gesehener Anhfinger des Oetödteten vom Procurator aeineo
Leichnam , der ihm nach römischem tiesetse *) nicht ver-
wetgert, sondern alsbald verabfolgt wurde (Matth. 27, 57
parall.). Dieser Mann , welchen alle Evangelien Joseph
nennen, und von Arimathäa stammen lassen, war nach
Matthäus ein reicher Mann und Schöler Jesu, doch diefs,
wie Johannes hineofOgt, blofs heimlich , gewesen ; die bei-
den mittleren Evangelisten beeeichnen ihn als ein ehreo-
werthes Mitglied des hohen Rathes, als welches er fibri-
gens, wie Lukas bemerkt, su der Verurthellung Jesu seine
Stimme nicht gegeben hafte, und lassen ihn messianiscben
Erwartungen sngethan sein. Wfihreod die Synoptiker dis
Bestattung Jesu durch Joseph allein verrichten, und nur noch
die Franen ansehen lassen, fahrt Johannes als Geholfen da-
bei den Nihodemus auf, einen Mann, der, wie schon frfiher
bemerkt wurde ^), seine EinfOhrung in die evangelische Ge-
schichte einzig dem vierten Evangelium verdankt.
Letsterer bringt aum Behufe der Einbalsamirnng Jesu
1) Vgl. WiMiR, 1, S. 802.
2) Sanhedrin, bei LiearrooT, p. 499.
3) ülpian. 48, 24, 1 flF.
4) I. Band, ^. 79.
Vierte« Kapitel, f. I3S. im
SpeeMreieDy nlmlieh eine Mieebang Ton Myrrhen und
Aloe, in der Qaantitit von ongeftlir IM Pfänden, herbeL
Vergeblicli hat man eich bemüht, dem Ton Jelumnee hier
gebraoohten XitQa die Bedeutung des latelnleehen libra so
entsiehen, und die eines lileineren 6ewiehtes unfersnsehie«
ben *) : indefs mag fDr Jene auffallend grofse Quantitit die
Bemerkung Olsbauskii's genügen, dafs das Uebermafs na-
tiirlieher AusdruclL der Verehrung Jener Männer für Je*
som gewesen sei. Im vierten fiFangelinm ▼olisielien nun
gleich nach der Kreusabnahme die beiden Minner die
Einbalsamirung nach jüdischer Sitte, indem sie den Leich«
Dam mit den Specereien in Leintücher wiclceln ; bei Lul&as
sorgen die Frauen nach ihrer Helmiiehr Tom Grabe Jesu
ffir Specereien und Salben, um nach demSabbat die Ein-
balssmirung Torsunehmen (23, 56. i4, 1.); bei Marlms
kaufen sie die doti/acna erst nach Verflnfs des Sabbats (Iß,
1.) ; bei Matthäus aber ist tou einer Einbaisamirnng des
Leichnams Jesu gar nicht, sondern nur von Einwickelnng
in reine Leinwand die Rede (37, 59).
Hier bitt man snerst die Differens swischen Markos
and Lnkaa in Beeng auf die Zeit des Einkaufe der Spece-
reien dadurch ausgleichen su können gemeint, dafs man
den einen von beiden Referenten auf die Seite des andern
berttbersog« Am leichtesten schien Markus nach Lukas
umgedeutet werden sn können , durch die Annahme einer
enallage temporumj Indem sein vom Tage nach dem SalH
bat gesagtes jjyoQaacev^ als Plnsquamperfeotum genommen,
dssselbe sagen sollte, wie des Lukas Angabe, dafs die
Frauen schon vom Begräbnifsabend her die Speeereien in
Bereitschaft gehabt haben ^). Allein gegen diese Ausglei-
chung ist bereits vom Wolfen bfittler Fragmentisten mit
siegreichem Unwillen bemerkt worden, dafs der swischen
eine Zeitl>estimmung und die Angabe eines Zwecks hinein«
5) MicHABLity Begräbniss - und AufcrstehungsgeBcbichte, S. 68 ffl
6) So GAonve; Lsss, Aufcrttehungtgescbichte, S. 165«
6U6 Dritter Abschnitt.
gestellte Aorist Dtimögiioh etwas Anderes, als das hbs Jene
Zeit tu diesem Zweclie Gesehebene, also liier das Bwisehea
dtayerofüh^s tö oaßßdrs nnd Vi'or ikd-naai aleltf/oHiiv mior
gestellte jjyoQoaav aQüjjtiaza nur einen nach Verflnfa des
Sabbats vorgenommeneu fiinliauf bedeuten li5nne V ^^
her bat Michaelis, vielcber die Widersprncbslosigbeit der
Begräbnifs und Auferstehnngsgesohiehte gegen dieAngrifb
des Fragmentisten su retten unternahm, sich auf die an-
dere Seite geschlagen , nnd den Lni&as dem Mariine ii
conformiren gesucht. Wenn Luicas schreibt: vnogqeiftctaax
dt i^oi/itaaccv a^na^tara aal ftvQai so soll er damit nicht sä'
gen wollen, dafs sie unmittelbar nach der ROckkehr, ako
noch am Begrfibntfsabend, diese Einkäufe gemacht hfitteo:
▼ielmehr durch den Zusate : xai to juiv adßßaroy rflvxaßia
xuid ti]v bVLoXi]v y gebe er selbst su yerstehen , dafa ea erst
nach Verflofs des Sabbats geschehen sei, da swiacben ih-
rer Rückkehr vom Grab nnd dem Anbruch dea Sabbsti
mit 6 Uhr Abends keine Zeit Eum Einkaufen mehr übrig
gewesen war ®). Allein, wenn Lukas swischen vnocgeU'a-
üai und i^avxccdop sein fjrolfiixaav stellt : so &juiü diefa eben-
sowenig etwas erst nach der Sabbatrnhe Vorgefallenes be-
deuten, als bei Markus das auf ähnliche Art in die Mitte
gestellte tjyoQaavcv etwas, das vor dem Sabbat wäre ge-
schehen gewesen; Man hat daher neuerlich «war ein/be-
sehen , dafs man Jedem dieser beiden Evangelisten in Be-
treflf des Ankaufs der Speoereien seinen eigenen Sinn las-
sen müsse: doch glaubte man den Schein deslrrthnma auf
der einen oder andern Seite durch die Annahme entferneo
sn können, die noch vor dem Sabbat bereiteten Speeereieo
haben nicht sugereioht, und die Frauen dem Markus au-
folge wirklich nach dem Sabbat noch Weitere dasvge-
H) 6i das flinfte Frsgment, in LKSSine^t viertem Beitrag zur Ge-
schichte und Literatur^ S. 467 f. VgL über diese DüTercfi-
zen auch Lbssik^'s Duplik.
8) MxcMABus, a* a. 0< S^ 102 ff«
Viertes Kapitel. $. ISS. 007
kenft *)- ^^^ miirste aber doch ein ungeheurer Speoerel-
verbranch gewesen sein^ wenn snerat der von Niltodemna
herbeigebrachte Centner nicht gereicht, und defswegen die
Frauen noch Abends vor dem Sabbat weitere Specereien
bereit gelegt hätten, dann aber wfiro auch dieis als eu
wenig befunden worden, und sie h&tten am Morgen nach
dem Sabbat noch etwas Weiteres dasugekauft.
So nämlich mfifste man doch consequenterweise auch
den sweiten Widerspruch lösen, weicher swischen den
Bwei mittleren Efangelisten susammen und dem Irierten
stattfindet, dafs nümfich nach diesem Jesus hei seiner
Grablegung mit 100 Pfund Salben einbalsamirt worden,
nach Jenen dagegen die £inbalsamirnng bis nach dem
Sabbat rorbehalten war« Nun waren aber der Materie
nach die 100 Pfund Myrrhen und Alo^ mehr als genug:
was fehlte, und nach dem Sabbat nachgeholt werden sollte,
könnte nnr etwa die Form gewesen sein, d. b. dais die
Specereien noch nicht auf die rechte Weise an dem Leich-
nam angebracht waren, weil bierin der Anbruch des Sab-
bats unterbrochen hatte ^®). Allein, wenn wir den Johan-
nes hören , so war die Beisetanng Jesu am Abend seines
Todes xaxhig e^og egl toJg ^Isdaioig iviatfiaCeiv, d. h. rite,
in aller Forin, vorgenommen worden, indem der Leichnam
fisia tiov aQLOftuTityv in od^ovia gebuhden wurde (V. 40.)j
was eben das üanse der jüdischen EInbalsamirnng war,
welcher somit nach Johannes auch in Betreff der Form
nichts mehr fehlte ^^3; abgesehen davon, dafs, wenn doch
die Weiber nach Markus und Lukas neue Specereien kau-
fen und in Bereitschaft stellen, die Einbalaamirungdes Ni-
kodemus auch materiell unvollständig gewesen sein mfiAiie.
Da somit an der Bestattung Jesu, wie sie Johannes ersäblt,
9) tiuintft, in Luc. p. 721.
iO) So T HOLUCK, X. d. Sti
11) 8. den Fragmcntistcii, ä. a. O., S. 469 ff.
6<I8 Dritter Abschnitt.
objectiv nichts i^efebit haben liann : so soii sie doch aab-
jeetiF für die Weiber eine nioht vorgenooinene gewesei
■ein, d. h* sie sollen nicht gewofst haben, dals Jesss be>
reits durch Nikodemns und Joseph einbalsamirt war ^.
Man erstaunt über eine solche Behauptung, da man doch
bei den Synoptikern ansdrttcklich liest, dafs die Fraaea
bei der Bestattung Jesu Bogegen gewesen seien, und nicht
blofs den Ort (jiä il^evaty Markus), sondern auch die Art,
wie er beigesetst wurde (jig tzExh]^ Lukas), mit angesehes
haben»
Die dritte diesen Punkt betreffende Abweichung, wel-
che Ewischen Matthfius und den Obrlgen insofern stattfin-
det, als jener Oberhaupt von keiner Einbalsamirnng, we
der vor noch nach dem Sabbat, weifs, hat man, vreil fi«
blofs im Schweigen eines Berichterstatters besteht, bisher
wenig berficksicbtigt, und selbst der Wolfenbat tler gab aa,
dafs in der von Matthäus gemeldeten £inwiekelung In reine
Leinwand die jfldische Einbalsamirnng bereits mitenthaltei
sei. Allein diefsmal möchte doch wohl ex sileniio einA^
gnment sich ziehen lassen. Wenn man in der ErellhlaDg
von der Bethanischen Salbung das Wort Jesu liest, durck
ihre That habe die Frau die Salbung seines Leibea avn
Begräbnifs vorweggenommen (Matth. 26, 12 paralL): ^
hat diefs cwar alleniings in allen Berichten seinen Sinn,
einen gans besonders treffenden aber doch bei Matt hin«,
nach dessen weiterer Eraäblnng bei*m Begräbnila Jest
keine Salbung stattfand ^^), und nur hieraus scheint ficb
auch das besondere Gewicht, welches die evangelische Tra*
dition auf jene Handlung der Frau legte, genfigend sa e^
klären» War dem als Messias Verehrten bei seinen Be-
gräbnifs im Drang der ungfinstigen Umstände die gebiln
12) MiCHAKus, a. a. O., S. 99 f. ; KvikVi. nnd Lvckb lassen iwi-
sehen dieser Auskunft und der vorigen die Wahl.
13) Vgl. DB Wkttb, c. d. Stv des Mattli,
^ I
Viertel Kapitel, f. 1S3. HIHI
rende Ehre der Einbaleaniirong nicht geworden : so nrnfste
freilich der BÜcIl seiner AnhiUiger mit besonderem Wohl-
gefallen anf einer Begebenheit ans den lotsten Abschnitte
seines Lebens ruhen, wo eine demnthsirolle Verehrerin, wie
wenn sie geahnet hfitte, dafs dem Todten diese Ehre versagt
sein werde, sie dem Lebenden erwiesen hatte. Von hier
ans wfirde sich dann anch i|ie Terschiedene Darstellung
der lotsten Salbnng hei den fibrigen Evangelisten in das
Licht einer stufenweisen EntwiciLelung der Saga stellen.
Bei Markus und Lnlias steht es noch, wie bei Matthfius,
fest, dafs der Leiehnam Jesu nicht wirklich eiDbslsamirt
worden ist: so war ihm aber doch, sagte man Ober das
erste Evangelium hinaussohreitend, die Einbalsamirung sn«
gedacht, dem Hingang der Frauen su seinem Grab sm
Morgen naeh dem Sabbat lag diese Absicht sum tirunde,
deren Auafahrung nur seine Auferstehung suvorkam« Im
vierten Evangelium dagegen flofs jene bei dem Lebenden
tnticipirte und diese dem Todten augedaehte Salbung in
eine mit dem Todten vorgenommene zusammen, neben wel*
eher ilbrigens, nach der Art der Sagenbildong, die Be-
siehnng aueh der frilheren Salbung anf das Begrabnifi
Jesu stehen blieb«
Der Leichnam Jesu wurde sofort nach sfimmtlichen
Referenten in einer Felsengrnft beigesetet, welche mit ei-
sern grofsen Stein verschlossen wurde. Matthäus bezeich*
oet dieses Grabmal als xaivoVy was Lukas und Johannes
genauer dahin bestimmen, dafs noch Niemand in demsel-
ben beigesetst gewesen sei. Beil&ufig gesagt, bat man ge«
gen diese Neuheit des Grabes ebenso Ursache, mifstrauisch
>n sein, wie bei der Geschichte des Einsugs Jesu gegen
den ungerittenen Esel, da hier auf ähnliche Weise wie
dort die Versuchung unwiderstehlich nahe lag, auch ohne
geschichtlichen Grund das heilige Behfiltnifs des Leiber
Jesu als ein noch durch keine Leiche verunreinigtes vor-
Kostellan. Aueh in Bezug auf dieses Grabmal indefs seigt
J>aM Leben Jem "hU Aufl. iL ßanri. 39
010 Dritter Abichnill.
flieh eine Abweichnng der Evangelisten. Nach Matthioi
war es das Bigenthum des Joseph, welches er selbst bitte
in Felsen bauen lassen , and aach die beiden andern
Synoptiker, indem sie den Joseph ohne Weiteres fiber du
GrMb verfCigen lassen, scheinen von der gleichen Vomos-
Setzung ausEogehfen. Nach Johannes hingegen war nicht
das Eigenthumsrecht des Joseph auf das Grab der Urond,
warum man Jesum in dasselbe legte , sondern weil die
Zeit drängte, 'legte man Ihn in die frische Gruft, welch«
in einem benachbarten Garten sieh befand« Auch hier
hat die Harmonistik auf beiden Seiten ihre Kffnste ve^
sucht« MntthSus sollte Eur Uebereinstimraung mit Johan-
nes gebracht werden durch die Observation , AbU eine
Handschrift seines Evangeliums das eu ^rjmi^ geietite
avis weglasse, eine alte Uebersetsung aber statt o tfsai^-
fiT^aev — 0 ?;v laXarofdJjjittvov gelesen habe **) : als ob niebt
diese Aenderangen wahrscheinlich selbst schon dem ba^
monistischen Bestreben ihr Dasein eu verdanken hütten.
Daher hat man , auf die andere Seite sich wendend , be
merkt, die johanneischen Worte schliefsen gar nicht aui,
dafs nicht Joseph könnte der Elgenthfimer der Gruft ge*
wesen sein, da ja beide Gründe, die N&he, und daf« d^
Grab dem Joseph gehörte, Eusammengewirkt haben kön-
nen ^^). Vielmehr aber schliefst die Nfihe, wenn sie alt
Beweggrund herausgehoben wird, das Eigentbums?erbiit*
nifs aus: ein Haus, in welches ich bei bei einfallendea
Regen der Nähe wegen trete, ist nicht mein eigenes; ich
müfste denn BesitEcr mehrerer Hfinser, eines nahen onii
eines entfernteren, sein, von welchen das letEtere meine
eigentliche Wohnung wfire: und ebenso ein Grab, in wel-
ches einer einen Verwandten oder Freund, der für ach
14) MicuABtia, a. a. O., S. 45 ff.
15)'Rüixbt, in Matth. p. 786; HaS«, $. 145; TaotüCM, Comm ,
S. 320.
Viertel Kapitel« $. 13S. 011
kein tirabmal bat, der Nähe wegen legt, kann nicht aeln
eigene« sein, er mOfate denn mehrere Gräber besitsen, und
den Todten bei besserer Mufse in ein anderes bringen
wollen; was aber in unserm Falle, da das* nahe Grab darch
«eine Neuheit sur Beisetsang Jesa in demselben vor allen
andern siob eignete, nicht wohl denkbar ist. Bleibt so
auch hier der Widersprach , so scheint im Innern beider
entgegengesetsten Angaben kein Grand £ar Entsobeidung
für die eine oder andere bu liegen ^0«
|. 134.
Die Wache am Grabe Jesu.
Am folgenden Tag, als an Sabbat ^), sollen nnn nach
Matthäns (27, 62 K) die Hohenpriester ond Pharisäer bei
Pllatoa BQsammengekommen sein, ond ihn, mit Rücksicht
auf die Voranssage Jesa, er werde nach dreien Tagen auf«
erstehen, gebeten haben, eine Wache an sein Grab sa
stellen, damit nicht seine Anhänger von der durch jene
Voranssage erregten Erwartung Gelegenheit nähmen, sei-
nen Leichnam eo stehlen, und ihn sofort für auferstanden
auszugeben. Pilatus gewährt ihre Bitte, und so gehen sie
hin , versiegeln den Stein , ond stellen die Wache vor das
16) Aus einer Verwechslung det dem Richtplatze benachbarten
xr7io;j WO Jesus, nach Johannes, begraben wurde, und det
Gartens Gethsemane , wo er gefangen worden war , scheint
die Angabe des evang. Nicodemi geflossen zu sein, Jesus sei
gelireuzigt worden iv rw r/;7TM, onm tTiiao&tj, C. 9. p. 580. bei
Thilo.
1) J5 iTTavotoTi ijrtf egi fttra rrpf na^axtv^y ist freilich eine son-
derbare Umschreibung des Sabbats, da es eine Verkehrung
ist, einen feierlichen Tag als den Tag nach dem Vortage zu
bezeichnen: doch muss man bei dieser Deutung bleiben, so
lange man derselben nicht auf natürlichere Weise, als
ScHKBCKii^BUR&sK In Seiner Chronologie der Leidenswoche,
Beiträge S* 3 ff»> auszuweichen weiss»
01) Dritter Abschnitt.
Grab. Als nnn CAleh mafs hier anticipirt werden) dit
Auferstehung Jesu erfolgte , setzte die mit derselben Te^
bondene fingelerscheinnng die Wftchter so in Fureht, dsb
sie cigti vex(foi wurden, übrigens doch sofort in die Sudt
eilten, und den Hohenpriestern die Anseige von dem Vor
fall machten« Diese , nachdem sie sich in einer Fersann-
lung darttlMr berathen , bestachen die Soldaten , dafs na
vorgeben sollten ^ die Jttnger haben bei Nacht den Leieb-
nam gestohlen; woher sich, wie der Referent hineusetti,
dieses G erficht Ter breitete, und bis auf seine Zeit erhielt
(2S, 4. 11 ff.)-
Bei dieser, dem ersten Evangelium eigenthtimlichn
ErnShIung hat man allerlei Bedenken gefunden, weicht
der W olfenbOttier Fragmentist und nach ihm Paulus an
scharfsinnigsten in*s Licht gestellt haben 0- ^1« Schwi^
rigkeiten liegen suFörderst darin, dafs weder die erf«^
derlichen Bedingungen dieses Vorgangs, noch seine ned-
wendigen Folgen in der fibrigen N. T. liehen GeecbiekiB
gegeben sind. In ersterer Hinsicht ist es nicht bh iiegrei-
fen , wie die 8ynedristen sn der Motiz kommen konnte^
dafs drei Tage nach seinem Tode Jesus wieder io das Le-
ben surtfck kehren solle : da selbst bei seinen Jflngern roi
einer solchen Kunde keine Spur sich findet. Sie sagea:
i/nv/^oO-i^fitv ofii ixHVOQi 6 uldi'og tlnev iii ^aiv x, r. i. Soll
diefs heilsen, sie erinnern sich, ihn selber daron redes
gehört EU haben: so sprach laut der evangelischen Macb-
richten Jesus seinen Feinden gegenüber nie bestimmt roa
seiner Auferstehung; die bildlichen Reden aber, welcfie
seinen vertrauten Schülern nnverstfindlich blieben, kooa-
ten die an seine Denk- und AusHrucksweise weniger ge-
wöhnten jüdischen Hicrarchen gewifs noch weniger rer-
stehen. Wollen aber die Synedristen blofs sagen , sie htf
uy Ersterer a. a. O. S. 437 ff. ; letzterer im exeg. Handhack S.
h, S. 637 ff. Vgl. KAiftsm, bibl. Thvol. J, S. 253.
viertes KapiteL $. 134. 6n
ben Ton Andern gehört, dafs Jesaa jene« Vertpreehen ge-
geben habe: 00 könnte diese Nachrieht nur von den Jöu«
gern ausgegangen sein ; aber diese, weiche weder vor noch
nach dem Tode Jesu eine Ahnung von bevorstehender
Wiederbelebung hatten , l&onnten auch in Andern diese
Vorstellung nicht erregen — abgesehen davon, dafs wir
die Jesu geliehenen VorherverlLÖndignngen seiner Aufer-
itebong s&mmtlich als unhistorisch haben von der Hand
weilen mOssen. Wie aber bei den Feinden Jesu diese
Kenntnifs : so ist 'bei seinen Freunden , den Aposteln und
fibrigen Evangelisten aufser Matthäus, ihr Schweigen von
einem ihrer Sache so günstigen Umstände nicht zu begrei*
fpn. Zwar das ist au modern, was der Wolfenbüttler den
jQngern anmuthet, sie hätten sieb darüber, dafs eine Be*
WRchong des Grabes angeordnet worden, alsbald Brief und
Siegel von Pilatus erbitten müssen: doch so viel bleibt,
dafs es aufifallen roufs, in der apostolischen Verkfindigung
nirgends eine Berufung auf eine so schlagende Thatsache
so finden, und auch in den Evangelien, aufser dem ersten,
jede Spur davon su vermissen. Man hat diefs Stillschwei-
gen daraus zu erklären versucht, dafs ja durch die Beste*
chang der Wache von Seiten des Synedrioms die Berufung
auf sie eine fruchtlose geworden sei ^) : allein um solcher
offenbaren Lüge willen gibt man die Wahrheit nicht so*
gleich aaf 9 -und Jedenfalls in der Verantwortung der An«
hänger Jesu vor dem Synedrium mnfste die Erwähnung
jener Thatsache eine schlagende Waffe sein» Halb verlo*
ven gibt man schon, wenn man sich nur dahin surilok»
sieht, die Jünger haben wohl von dem wahren Hergange
nicht sogleich, sondern erst spät, als die Wächter anfingen,
demselben aussnschwatsen , Kenntnifs hekommen ^)* Uenn
3) MiCMABuSf Begräbnits - und Auferstebungsgeschichtc, S. 206t
OLtHAVSSN, 2, S. 506.
4) MtciiABtin, a. 4. O,
C14 Dritter Abschnitt»
brachten die Wfichter im Augenblick auch blobda8M8h^
chen von deni Diebstahl vor, und gaben also zu, dafs sie
bei*ni Grabe aufgestellt gewesen : so konnten die Anhänger
Jesu sich den wahren Thatbestand schon construiren, vaA
sich dreist auf die Wächter berufen 9 welche von etwu
ganz Anderem , als einem Leichendiebstabl , mOCsten Zei-
gen gewesen sein. Doch damit man nicht etwa die Un«
gültlgkeit des Arguments aus der blofs negativen Tbit-
Sache des Stillschweigens anrufe, so wird von einem Tbell
der Anhängerschaft Jesu, nämlich von den Frauen, etwas
positiv erzählt, was sich*^mit der Wache am Grabe nicht
verträgt. Nicht blofs wollen nämlich die Frauen, welche
am Morgen nach dem Sabbat zum Grabe gingen, die Sal«
buDg vollenden, was sie nicht hoffen konnten, than m
dürfen, wenn sie wnfsten, dafs eine Wache vor das Gnb
gestellt , .und dieses noch dazu versiegelt war ^) : sondern
nach Markus besteht ihre ganze Bedenklichkeit wfihreo'
des Hinausgehens darin, wer ihnen wohl den Stein tob
Grabe wälzen werde? zum deutlichen Beweise, dafs sie
von den Wächtern nichts wufsten, welche entweder eioen
auch noch so leichten Stein wegzunehmen ihnen nicht ge-
stattet, oder, wenn diefs, dann wohl auch den schwereren
ihnen hOlfreich weggewälzt , in jedem Fall also die Be-
denklichkeit wegen der Schwere des Steins überflüssig ge-
macht haben würden. Dafs aber die Aufstellong der
Wache den Weibern sollte unbekannt geblieben seis,
ist bei dem Aufsehen , welches alles das Ende Jesu Be-
treffende in Jerusalem machte Cl^nc. 24, 18.)} ^^^^ ^''
wahrscheinlich.
Doch auch innerhalb der Erzählung ist Alles voll roi
Schwierigkeiten, indem nach dem Ausdrucke von Paulos
5) Den letzteren Funkt übersieht Olshausbn , wenn er a. «- ^•
sagt, die Wache habe ja nicht den Befehl gehabt, die vail-
standige Bestattung Jesu zu hindern.
Viertes Kapitel. $. 134. 615
keine eincige der in derselben aoftretenden Personen Ibreoi
Chürakter gemfifs handelt. Schon dufs Pilatus den jttdi«
sehen Obern ihr Gesoch um eine Wache ^ loh will nicht
ssgen, ohne Weigerung, aber so gana ohne Spott, gewährt
haben soll, mufs naeh seinem bisherigen Benehmen gegen
sie auffallen ^) ; obwohl diefs toIi Matthäus in seiner sum-
marische o Darstellung auch nur übergangen sein könnte.
Befremdender ist, dafs die Wächter zu der i>ei der Strenge
römischer Kriegszucht sehr gefährlichen Lüge, sie haben
ihren Dienst durch Schlafen versäumt, sich so leicht her-
gaben; svmal sie bei dem gespannten Verhältnifs desSyn-
edrinms unm Procnraior nicht wissen konnten, wie Fiel
ihnen die Fon dem ersteren zugesagte Vermittlung niltzeo
wörde. Am undenkbarsten aber ist das angebliche Be-
nehmen der Synedristen« Zwar die Schwierigkeit, welche
darin liegt, dafs sie am Sabbat zu dem heidoischen Pro-
curator gingen, sich am Grabe verunreinigten, und eine
Wache aasrflcken liefsen, hat der WolfenbOttler auf die
Spitze gestellt; aber ihr Benehmen, als die voiti Grab zu-
räckgekehrte Wache die Auferstehung Jesu meldete, ist
in der That ein unmögliches. Sie glauben der Aussage
der SoldHten, dafs Jesus auf wundervolle Weise aus sei-
nem Grabe auferstanden sei. Wie konnte diefs der hohe
Rsth, der eines guten Theiis ans Sadducäern bestand,
glaublich finden? Nicht einmal die Pharisäer in demselben,
welche m tkesi die Möglichkeit der Auferstehung behanp^
teten, konnten bei der geringen Meinung, die sie von Jesu
hatten, an die seinige zu glauben geneigt sein; zumal die
Aussage im Munde der weggelaufenen Wächter ganz wie
eine zur Entschuldigung eines Dienstfehlevs ersonnene
6) Olshausbn freilich ist es auch hier noch immer so schauer,
lieh XU Muthe, dsss er den Pilatus bei dieser Mittheiliing
der Synedristen von unbeschreiblichen Gefühlsji durchschau*
trt werden I'ässt , S. 505-
616 i)ritl;ei* Abickiiitt.
LOge lautete. Statt dafs somit die wirlilieben Synedriitea
bei einer solchen Aassage der Soldaten erbittert gesagt In*
ben würden: ihr lögt! ihr habt geschlafen and ihn stehlen
lassen ; aber das werdet ihr tbeuer beaablen müssen, weni
es erst vom Procarator antersucht werden wird — stiU
dessen bitten sie dieselben noch schön : lügt doch, ihr habet
geschlafen und ihn stehlen lassen; besahlen sie fiberdteb
theaer ffir diese Lüge, und versprechen, sie bei'm Prooi-
rator so entschuldigen. Man sieht, diefs ist gans ans der
christlichen Vorausseteung von der Realltfit der Aofenti-
hung Jesu gesprochen , eine Voranssetenng , welche aber
gafiz mit Unrecht auf die Mitglieder des Synedriaras fibe^
getragen wird. Auch darin liegt eine, nicht bloGi ?oa
Fragmentisten anfgesnohte, sondern selbst von orthodoxei
Auslegern^) anerkannte Schwierigkeit, dafs dasSynedrini
in einer ordentlichen Versammlung und nach fÖrfflÜGher
Berathung sich entschlossen haben soll, die Soldaten h
bestechen, und ihnen eine LOge in den Mond au gebea.
Dafs auf diese Weise ein Colleginm von 70 Mfinnern eil
Falsnm 20 begehen amtlich beschlossen iyiben sollte, ist}
wie Olshausem richtig sagt , so sehr gegen das Deeoroa,
das natttrlicha^AnstandsgefOhl, einer solchen Verssmoiinnf*
Die Auskunft, er sei eine blofse Privatversamralnng gewe>
aen, da ja nur von den aQxifQdg und nQ€üßvre(HHj nicbc
auch von den yQajuiuareig gesagt sei ,- sie haben die Soldt*
ten EU bestechen den Beschlois gefabt *), liefe auf dai
Wonderliche binaos, dafs liei dieser Zosamnenkonft die
yOCftfÄcezsTg y bei dem kurs vorher io derselben Angeleget-
heit gemachten Gange snm Ptrocurator aber, wo die
Scliriftgelehrten durch die ihre Mehrheit bildenden Pbi-
risSer vertreten sind y die TCQeaßvteQOi gefehlt haben nitfi"
ten: woraus aber vielmehr erbcUt, dals dtiß Synedrisa,
7) OL8H4U8BNy S. $06.
$) MicMAStiS; a« a. 0. S. 198 f*
Viertel Kapitel. $. IM. Ö17
weil, es Jedesmal dorob irollttfindige Aafsfthliing eeioer
BesUndtheile sv beaeiehneo, oobeqaea war, nicht selten
durch Erwftbnong nar einiger oder Eines Fon denselben
angeseigt wurde. Bleibt es somit dabei, daCs nach Mat-
thSns 4«r hohe Rath in formlicher Sitsong die Beste»
chnng der Wfiehter beschlossen haben mttfste: so konnte
sine solche NiedertrfiohtigiLeit doch wolil nur die Erbitte»
rung der ersten Christen, unter denen unsre Anekdote
eirttUnden ist, dem Collegium als solchem antrauen.
Diese SchwierigiLeiten der vorliegenden Erafihlung des
ersten Evangeliums hat man schon so drfickend gefunden,
dafs man sie durch die Annahme einer Interpolation an
entfernen suchte ') ; was neuerlich dahin gemildert worden
ist, dafs die Anekdote awar nicht vom Apostel MatthSua
selbst, doch auch nicht von einer unserem Evangelium
sonst fremden Hand herrtthren , sondern von dem griechi-
schen Oebersetaer des hebrfiischen Matthfius eingeschoben
sein sollte ^^. Gegen das Erstere ist der Mangel Jeder
kritischen Begründung entscheidend ; die Berufung der an-
dern Ansicht auf den unapostolischen Charakter der Anek-
dote würde eine Ausscheidung derselben aus demContexte
der übrigen Eraählung nur dann begründen, wenn der
spestolbche Ursprung des Uebrigen schon bewiesen wftre;
Mangel an Zusammenhang mit dem Uebrigen aber findet
so wenig statt, dafs vielmehr Padlds Recht hat mit der
Bemerkung, ein Interpolator (oder einschiebender Ueber-
setaer) würde sich schwerlich die Mühe gegeben haben,
sein Einschiebsel an drei Orte (27, 62 66. 28, 4. 11-15.)
so vertheilen, sondern er hätte es an Einer, höchstens
awei Stellen nnsammengedrängt. Auch so leichten Kaufs
9) SraoTH, in Eicuhohm^s Repertoriiim, 9^ S. 141.
10) KcRw , über den Ursprung des £▼. Mattb. TUb. Zeitschrift
1834, 2, S. 100 f. vgl. 123. Vergl. meine Recens., Jahrbüchfr
f. Witt. Hrtlili, Nov. 1854, am Schluii«.
618 Uritter Abtfhniit.
lifst alch die Sache nicht abmachen, wie OLaBAUSin will,
dafs nämlich die ganse Erzühlung apostolisch und in
Uebrigen richtig sein soll, nur darin habe der Evangelist
geirrt, dafs er die Bestechung im vollen Ratbe beschloiiei
werden lasse, da die Sache wahrscheinlich von Kaiphai
allein nnter der Hand abgemacht worden sei : als ob dieie
Rathsversammlong die einzige Schwierigkeit derErafibloDg
w&re, und als ob, wenn in Beaug auf sie, dann nicht auch
in andern Beaiebongen Irrthilmer sich eingesohlicheo b«-
ben könnten ^0*
Mit Recht macht Paulus darauf aufmerksam, wie
Matthäus selbst durch seine Notis : xcu öuifTjfiiad'tj 6 iJr/<ii
Stos TtaQa ^ladaloig fti^Q^ ^'J^* ai^fieQOP, auf ein verlfianuie»
risches jüdisches Gerächt als die ttnelle seiner Ercflblong
hinweise. Wenn nun aber Paulus der Meinung ist, die
Juden selbst haben ausgesprengt, sie hätten eine Wsebe
an Jesu Grab gestellt, diese aber seinen Leichnam stehlea
lassen : so ist diefs ebenso verkehrt , wie wenn Hase ftf-
mnthety das beaelchnete Gerächt sei zuerst von den Freoa-
den Jesu ausgegangen, und hernach von seinen Feindes
modificirt worden. Denn was die erstere Annahme b^
trifft, so hat schon Kuinöl richtig darauf hingewiesen, dtb
Matthäus blofs die Aussage vom Leichendiebstahl, ntcbt
die ganee Erzählung von Aufutellong einer Wache, «b
jttdisches Gerächt bezeichne; auch läfst sich kein Grao^
denken, warum die Juden sollten ausgesprengt habeo, ei
sei am Grabe Jesu eine Wache aufgestellt gewesen. Wens
Paulus sagt, man habe dadurch die Behauptung, der Leib
Jesu sei von seinen Jängern gestohlen worden, den Leicbt-
gläiibigen um so glaublicher machen wollen: so mäfstes
das allerdings sehr Leichtgläubige gewesen sein, die nicht
b^'merkt härten, dafs eben durch die aufgestellte Wache
die Entfernung des Leichnams Jesu mittelst eines OiA'
11) Ha»«, L. J. §. 145.
Viertes Kapitel. $. 134. 619
•tAlib unwahrscheinlich werde. Paulus scheint sich die
Sache etwa so vorzastellen : die Joden haben für die Ba»
hauptang eines Diebstahls gleichsam Zeugen stellen ge*
wollt, und liieao die aufgestellten Wächter fingirt. Aber
dsftf die Wächter mit offenen Augen ruhig sogesehen hät-
ten, wie die Anhänger Jesu dessen Leichnam wegnahmen,
konnte doch den Joden Niemand glauben; sahen sie aber
nichts davon, weil sie schliefen, so gaben sie auch keine
Zeogen ab, indem sie dann nur durch einen Schlafs zu
dem Resultat kommen konnten , der Leichnam möge ge-
stohlen worden sein: das aber konnte man ohne sie eben-
sogut. Keineswegs also kann die Wache schon sum JA-
diächen Grundstock der vorliegenden Sage gehört haben,
sondern das unter den Juden verbreitete Gerücht bestand,
wie auch der Text sagt, nur darin, dafs die Jünger den
Leichnam gestohlen haben sollten. Indem die Christen
diese Verläumdung au widerlegen wünschten, bildete sich
onter ihnen die Sage von einer am Grabe Jesu aufgestell-
ten Wache, und onn konnten sie Jener Verläumdung dreist
durch die Frage entgegentreten: wie kann der Leichnam
entwendet worden sein , da ihr Ja eine Wache am Grab
aufgestellt, und den Stein versiegelt hattet? und weil, wie
wir im Verlauf der Untersuchung es selbst erprobt haben,
einer Sage erst dann ihre Grundlosigkeit völlig nachge-
wiesen ist, wenn es gelingt, su zeigen, wie sie auch ohne
historischen Grund sich bilden konnte: so versuchte man
von christlicher Seite, neben der Aufstellung des vermeint-
lich wahren Thatbestandes , Eugleich die Genesis der fal-
schen Sage nachsuweisen , indem man die verbreitete jü-
dische Lüge aus einer Anstiftung des Synedriums und sei-
ner mit der Wache vorgenommenen Bestechung herleitete.
Gerade das Umgekehrte von dem ist also wahr, was Base
sagt, die Sage sei wohl unter den Freunden Jesu entstan-
den, und von seinen Feinden modificirt worden: die
Freunde hatten nur dann erst Veranlassung , eine Wache
6*i0 Urittdr Absobnitt.
ma erdiohteo, wenn die Feinde vorher ron ebiettDiehiuU
gesprooben hatten ^^«
S. 133.
Erste Kunde der Auferstehung.
Oafs die erste Kunde von dem eröffneten und leerai
Grabe Jesu am Eweiten Morgen nach «einem Begribnili
dnreh Frauenmund an die Jflnger gekommen, darin stim-
men die vier Evangelisten ilberein : aber in allen nihens
Umstanden weichen sie auf eine Weise von einander sk,
welche der Polemik eines WolfenbfittlerFragmentisten des
reichsten Stoff geboten, und dagegen den Uarmonisteo nnd
Apologeten vollauf zu thun gegeben hat, ohne, dsfs bü
jetat eine befriedigende Vermittlung zwischen beiden Ps^
teien an Stande gekommen wftre ^).
Sehen wir von der an die Abweichungen der Begrfib-
nifsgeschichte sich anschliefsenden Differena in Angabe
des Zweckes ab, welchen die Frauen bei ihrem Gang us
Grabe hatten , indem sie nach den beiden mittleren Em*
gellsten eine Salbung mit dem Leichnam Jesu vorEonehnei
gedachten , nach den beiden andern nur einen Besuch aa
Grabe machen wollten , — so findet uuerst in Besag aaf
die Zahl der Frauen, welche diesen Gang machen, dii
mannicbfachste Abweichung statt. Nach Lukas sind h
unbestimmt viele, nämlich nicht allein diejenigen, welcbi
er 23, 55. als awekr^kvdviai tqt i ex %jjg rakdaiag b^
selchnet, und von welchen er 24, 10. Maria Magdsleoi,
Johanna und Maria Jakobi namhaft macht, sondern anck
no4^h Tivig ovv amdtg (jLAy l.)« Bei Markus sind es blofi
drei Frauen, nimlich swei von denen, die auch Lukas
nennt, die dritte aber, statt der Johanna, Salome (16, 1>
12) Vgl. Thiils, zur Biographie Jesu, §. 37. ; Weisse, die eraa{.
Gesch. 2, S. 343 f.
J) Vgl. TaaiLi, «. «. 0,
Viertes Kapitel. %. lU. 621
JHatthfioa hat diese dritte , fibei* welehe die Bwel oiittlereii
Evangelisten difiFeriren, gar nicht, sondern bloCs die beiden
Marien, Aber welche sie einig sind (S8, !.)• Johannes
endlich hat nnr die Eine von diesen, die Magdaleneri»
(20, 10- — Ole Zeit, in weleher die Fraaen Bon Grftlie
gehen, wird gleichfalls nieht ganz gleicbförniig bestimat;
denn wenn anch des Mattbfins oipe uaßßaviüWy %fj in^^püHf-
xödrj €ig filav aaßßarwv keftie DifiFerena macht *> ^ so ist
doch der Znsata des Markos: tnartlhxnos tä ijUa mit
dem Johanneischen axaiiat; tu sar^ und dem oq&qö ßa&loi;
des Lukas im Widerspruche. — Heber den Znstand, in
welchem die Frauen aoerst das Grab erblickten, kann we-
nigstens zwischen Matth&os und den drei übrigen eine
Abweichung stattanfinden seheinen, flach diesen seheu
sie, wie sie niher kommen und nach dem Grabe hin-
blicken, den Stein bereits dnrch nnbekannte Hand von
demselben abgewSlct: wogegen die Emfthlnng des ersten
Evangelisten Manchen so au lauten geschienen hat, als
hfltten die Weiber selbst noch dieAbwXlzong durch einen
Engel mitangesehen. — Manchfaltiger werden die Abwet-
chongen in Bezug auf dasjenige , was idie Frauen welter
am Grabe sahen und erfuhren. Mach Lukas gehen si«
in das Grab hinein, finden den Leib Jesu nicht, und
indem sie hieröber betroffen sind, stehen zwei MSnner in
strahlenden Gewindern bei ihnen, weiche ihnen seine Auf-
erstehung verkOndigen. Bei Markos, der sie gleichfalls
in die Gruft hineingehen lifst, sehen sie nur Einen Jfing*
iing in weifsem 'Kleide auf der rechten Seite nicht stehen,
sondern sitzen, der ihnen dieselbe Kunde ertheilt. Bei
Matthfius bekommen sie diese Nachricht ehe sie in das
Grab hineingehen von dem Engel, der nach Abwfilznng
des Steins sich auf denselben gesetzt hatte. Nach Johan-
2) Vgl. Fritzschb , I. ^. St. , und Kkrk, Tüb. Zeitscbr. 1854, 2,
S. 102 f.
LtiK^
^^ Dritter Abiehnitt«
net endlidi Iftuft Maria Magdnieoa, sobald aie den Stein
abgenommen siebt, ohne eine. Eogelersoheinung gehabt n
liaben , in die Stadt surttolu — Aoeb das VerbSltnift, in
welcbes die Jünger Jesn su der ersten Kande von seioer
Anferstebung gesetst werden , ist in den verschiedenen
Evangelien ein verschiedenes* Naeh Markos sagen dii
Frauen aus Furcht Niemand etwas von der gebabtea En-
geierscbeinnng ; nach Johannes weifs Maria Magdaieni
dem Johannes und Petrus, eu welchen sie vom Grabe hin-
weg eilt, nichts su sagen, als dafs Jesus daraus wegge-
nommen sei ; nach Lukas berichten die Frauen den Jün-
gern ttberhaopt, nicht blofs zweien derselben, die gehabte
Erscheinung ; nach Matthftus aber kam ihnen , wie sie lo
den Jüngerp eilen wollten, Jesus selbst noch in den Weg,
und sie konnten auch diefs schon den Jttngern mittheilec.
Dafs einer von diesen auf die JNaohricht der Frauen selbst
com Grabe gegangen wllre , davon sagen die swei entei
Evangelien nichts; nach Lukas ging Petrus hinaus, hni
es leer, und kehrte verwundert wieder um , and ans Luc.
24, 24. ist EU ersehen, dafs noch andere Jflnger aurser iba
in ähnlicher Weise dahin gegangen waren; nach de■l^e^
ten Evangelium war Petrus von Johannes begleitet, wel-
cher sich hiebei von der Auferstehung Jesu Qberceogte.
Diesen Gang machte dem Lukas sufolge Petrus, nschdea
er bereits durch die. Weiber von der Engelerscheinong be
nachrichtigt war; laut des vierten Evangeliums aber fingen
die beiden Jünger t&nm Grabe, ehe ihnen Maria Migd«-
lena von einer solchen hatte sagen können ; dann erst, nU
diese mit denselben Beiden den aweiten Gang Eom Grube
gemacht hatte, und die Apostel wieder umgekehrt w«ref>,
sah sie nach dem vierten Evangelium, sich in das Gr»b-
mal bückend , awei Engel in weifsen Kleidern , oben und
unten an der Stelle, wo Jesus gelegen hatte, siteen,w4
che sie fragten, warum sie weine? und als »le sich um-
wendete, erblickte sie gar Jesum selbst, wovon sacfa bei
Viertes Kapitel. %. 135. ffiU
MarliiM, V. 0., eine abgerissene Notts sich findet, mit dem
Beisatce , dafs sie diese Naobricht .seiAeli ehemaligen Be-
gleitern gebraelit habe.
Die meidten von diesen Eoantiopbonlen glaubte man
soch hier durch Anteinanderhahnng des verschieden Lau«
tendf n su lösen , indem man statt Einer manchfaltig dar«
gestellten, eine Manchfaltigkeit verschie.dener Seenen her-
ausbrachte; wosu* dann noch die gewöhnlichen gramraati-
•cben u. a.- Kunststficke der Harmonistik kamen. Damit
Markus dem ancriag eri hot^ bei Johannes nicht wider-
sprfiche, entblödete man sich nicht, sein uj'ccraii^rvros tjj
fjkia durch orituro sole an ttbersetaen ^}; eher ginge es
noch an, den Widerspruch uwischen Hatth&us und den
fibrigen, wenn Jener au sagen scheint, die Weiber haben
die Abwälsung des Steins durch den Engel mitangesehen,
dadurch eu heben, dafs man ewar nicht mit Michablis ^
xal lös alsNachbolung von etwas früherem, und aTt&wktae
in der Bedeutung eines PlusquamperfectnoM nimmt, was
gegen Lessimg, der es noch gestatten wollte, die neuere
Kritik mit Recht ver%vehrt '), wohl aber etwa dadurch,
dffft man dai i^k&e V. 1. von noch nicht vollendetem Gange
der Weiber versteht, wo sodann das xal ida und was
folgt, seiner eigentlichen Bedeutung gemäfs, etwas ansei-
gen kann , das erst nach dem Weggange der Frauen von
Hause, doch aber vor ihrer Ankunft am Grabe, erfolgte*),
in Beaag auf die Zahl und den Gang der Frauen wurde
sunächst geltend gemacht , dafs auch nach Johannes , ob
S) Kuin'öl, in Marc. p. 194 f.
4) MicHAKus, a. a. O. S. 112.
5) ScHK■CKs^BunMll y über den Urspr. des ersten kanon. Evang.
S. 62 f« Vgl. den Wolfenbüttler Fragmentisten in LBSsnc«*8
Tiertem Beitrag, S. 472 ff. Dagegen LBSSiKft's Duplilt, Wer«
ke , Dooauttscb. Aus^. F. Thl. S. .^94 f.
6) DB Wbttb, s. d St.
0i4 Dritter Abtchnttt.
er gleich die Magdalena allein namhaft ttache , mit dieier
noch meh^re Fraaea Eom Grabe gegangen sein nQuei,
da er sie ja nach ihrer Rflckltehr von demselben zu im
beiden Jflogern sagen IXfst: dx MaftePi TYtfedipeixyatw');
ein Plnral ^ der allerdings auf ?erschwtegene weiten P»
sonen deutet , mit welchen Magdalena, sei es am finbi
selbst, oder auf .dem Rfickweg, ehe sie su den Aposteln
kam, über den Gegenstand ?erhandelt hatte. So ging also,
sagt man, Magdalena mit andern Weibern, ?on denen dk
flbrigen E?angelisten, dieser mehrere. Jener wenigere, na»'
haft machen, cum Grabet da sie aber suriickkommt, ohaa
dafs sie, wie die flbrigen Frauen, einen Engel geiebci
hatte, so wird nun angenommen , sie sei , sobald sie du
Stein weggewXist sah , allein surfickgelanfen ; was mu
ans ihrer heftigen Gemfithsart, als einer ehedem Dlooii-
sehen, erklXrt ^> Wfihrend sie sur Stadt aurfickeil^
hatten nun die flbrigen Frauen die Erscheinungen, m
welchen die Synoptiker sprechen. — Allen, wird behaop
tet, erschienen die Engel innerhalb des Graiies; denn M
einer aufsen auf dem Stein gesessen, sei bei MatthXos sor
Plnsquamperfectum : als die Frauen kamen, habe er tiä
bereits in das Grab curttckgcEOgen gehabt, da Ja nach ib*
rer Unterhaltung mit ihm die Frauen als i^eXx^öaai » f-
/tiVrfteis beeeichnet werden ^ : wobei nur flberseh^n itf,
dafs Bwischen der ersten Anrede des Engeis ond d«i
i^el&äaac seine Aufforderung an die Frauen steht, mit ihs
(in das Grab) su kommen, und den Ort su betrachter.
wo Jesus gelegen hatte« — Wenn nach den beiden ersten
fiyangelidten die Frauen nur Einen, nach dem dritten aber
swei Engel sehen; so behilfc sieh selbst Calvin mit der
firmlichen Auskunft der Synekdoche, so dafs »war simo'-
7) MicKiiLis, S. 150 ff«
g) Paulos, exeg, Handb«, 5^ b, S. 825«
9) MiclfAiLiS; S. 117.
Viertes Kapitel. $• 135. 625
liehe Evangelisten von swei Engeln wissen, MatthXus und
Markns aber nur desjenigen von ihnen, der das Wort
f&brte, Erwähnung thnn sollen. Andere lassen Terscbie-
dene Frauen hier Verschiedenes sehen: die einen ^ von
welchen Matthäus und Markus sprechen, sahen nur Einen
Engel, die andern, von welchen Lukas ersählt, und wel*
che frflher oder auch später als die vorgenannten kamen,
sahen swei ^®) ; allein Lukas läfst dieselben beiden Marlefi,
weiche nach seinen Vormännern nur Einen Engel gesehen
hatten, den Aposteln von einer Erscheinung sweier Engel
ereählen. — Auch den ROokweg sollen die Frauen in ge-
trennten Gruppen gemacht haben, so dafs denen, von wel-
chen Matthäus spricht, Jesus begegnen konnte, ohne von
denen des Lukas gesehen su werden, und die des Markus
vor Schrecken Anfangs Niemand etwas sagen, die ttbrigen
aber, und auch jene selbst später, die Jünger in'Kenntoifs
seteen konnten ^0. — Auf die durch mehrere Frauen er-
haltene Nachricht hin geht dem Lukas cufolge Petrus cum
Grabe, findet es leer, und kehrt verwundert wieder um.
Aber schon geraume Zeit vor den Obrigen Weibern war
nach dieser Hypothese Magdalena suriickgelaufen , und
hatte den Petrus und Johannes mit herausgeführt. Es
mOfste aleo Petrus zuerst auf die unvollständige Kunde
der Magdalena vom leeren Grabe hin mit Johannes hin-
ansgegangen sein, hernach auf die Nachricht der Frauen
von der Kngelerscheinung noch einmal allein: wobei be-
sonders auffallend wäre, dafs, während sein Begleiter gleich"
10) M1CHASLXS9 S* 146. — Schon Celsas stiess sich an dieser die
Zahl der Engel betreffenden Differenz, und Origenes verwies
ihn darauf, dass die Evangelisten verschiedene Engel mei-
nen : Matthäus und Markus den , der den Stein abgewälzt
hatte, Lukas und Johannes diejenigen, welche als Berichter-
statter für die Frauen aufgestellt waren, c. Geis« 5, 56.
11) Paulus, z. d. St. des Matth.
DaM Leben Je»u Me Aufl. iL B/md. 40
02li Dritter AbsohnItW
hfiim ersten Gange cum Glanben nn Jesu Wiederbelebung
gelangte , er selbst durch den zweiten Geng nicht «reifer
als bis cur Verwunderung es gebracht haben sollte, l]ebe^
diefs sind, wie der WolfenbOttler Fragmentist schon ^
herausgehoben hat, die Erzählungen des dritten Kvani^e-
Hnnis von dem Gange des Petrus allein, und des vierten
von dem des Petrus und Johannes, so anffallend seibic bis
auf die Worte einander Ähnlich '^), dafsdie meisten Ao»-
ieger hier blofs Einen Gang , nur bei Lulias den Begleiter
des Petras verschwiegen , linden , wofür sie sieh aof Lac
24, 24. berufen liönnen. Ist aber der durch Magdaieoss
Znrfickkunft veranlafste Gang dpr beiden Apostel mit des
durch d^e Rfickkehr der Weiber veranlafsten des Petnu
ein ond derselbe: dann ist auch die ROokkehr der Fr&nea
keine doppelte; sind sie aber miteinander umgekehrt: m
ist diefs* ein Widerspruch, — Nachdem nun die beides
Apostel umgekehrt sind, ohne einen Engel gesehen su bi-
ben, erblickt die zurOckgebliebene Mnria, wie sie in Au
Grab hineinsieht, auf Einmal deren zwei. Welch vvande^
liebes Versteckspielen der Engel nach der harmonis tischen
12) Ich setze die vom Wolfenbüttler (a. a. O. S. 477 f.) entwor-
fene Tabelle hieher :
„1) Luc. 24, 12: Petrus lief zum Grabe, l^S^uf^.
Joh. 20 9 4: Petrus und Johannes liefen, fro^j^or.
2) Luc. V. 12: Petrus kuckte hinein, na^xvif^^.
Joh. V. 5 : Johannes kuckte hinein , Tra^Mrxt'Cfr;.
3) Luc. V. 12: Petrus sähe die Tücher allein liegea,
ßlfTiH ra o^m'ta xilufVa uora,
Joh. V. 6. 7 : Petrus sähe die Tücher liegen , und du
Schweisstuch nicht mit den Tüchern Ue>
gen : ^ftOQfl ra o!t6yta xfiufra , Mok to r»-
Sdoiot^ M ftira tmv o^orüar xfC^tfyor.
4) Luc. V. 12: Petrus ging heim, an^ia^ no6s ftrvrtr.
Joh. V. 10: Petrus und Johannes gingen wieder heia
Viertes Kai^itel. §.135. 027
Zosemmenfflgung dieser Ersählongen ! Zaerst seigt sieh
dem einen Trepp der Weiber nnr £iner; denn einem
andern deren swei; vor den Jüngern hierauf verbergen
sich beide ; nach deren Abgang aber kommen beide wieder
Bum Vorschein. Um diefs unterbrechende Verschwinden
EU entfernen, hat Paulus die der Magdalena su Theil ge*
wordene Erscheinung vor die Anitunft der beiden Jfinger
gestellt : aber durch diese gewaltsame Umstellung der vom
Berichterstatter gewählten Ordnung nnr ein Beltenntnirs
der Uomögltchkeit abgelegt, die Ersählnngen der verschie-
denen Evangelisten auf diese Weise ineinander einsuschie-
ben. •— Hierauf, wie sieh Magdalena vom Hineinsehen in
das Grab aufrichtet und umschaut, sieht sie Jesnm hinter
sich stehen. Nach Matthfius erschien Jesus der Magda-
lena und der andern Maria, als diese bereits auf dem
Räckweg in die Stadt begriffen, mithin vom Grabe ent-
fernt waren. So wäre also Jesus zuerst der Maria Mag-
dalena allein hart am Grabe, hierauf ihr in Gesellschaft
einer andern Frau auf dem Wege erschienen. Um das
Zwecklose dieser in so kurser Frist wiederholten Erschei-
Dong Jesu vor derselben Person zu vermeiden, hat man
die obige Behauptung benfltzt, von den Frauen, von wel-
chen Matthäus spreche, habe sich Magdalena schon früher
getrennt gehabt ^^): allein dann wäre es, da Matthäus an-
fser der Magdalena nur noch die andere Maria hat, nur
eine einzige Frau gewesen, welcher auf dem Rückwege
Jesus erschien: während doch Matthäus durchaus von'
mehreren spricht (^anrprtrflBV avtwg u. s. f.).
Um diesem unsteten Hinundherrennen der Jflnger und
Frauen, dem phantasmagorischen Erscheinen, Verschwin-
den und Wiedererscheinen der Engel, und der zwecklosen
Hfinfung der Erscheinungen Jesu vor derselben Person,
wie sie bei dieser harmonistischen Methode herauskommt.
13) KciTv'di., in Matth. p. 80Ö f.
40
02S Dritter Abtohnitt*
BD entgeheo , mfissen wir jeden Evangelisten fttr iich b»-
treohten, dann bekommen wir von jedem ein rahiget BiM
mit einfachen, würdigen Zögen : Einen Gang der Fraun,
oder nach Johannes ewei ; Eine Engelerscheioung : Eise
Erscheinung Jesa nach Johannes und Matth&os , und Ei-
nen Gang Eines oder eweier Jünger nach Lukas mi
Johannes«
Doch EU jenen materiellen Schwierigkeiten der hu»
monistischen Einschiebnngsmethode gesellt sich noch die
formeile Frage, wie es denn unter den Voranssetsongei
jener Ansicht komme, dafs ans der Fülle des GeschebeD»
jeder Referent ein andres Stück für sich heraaügesehirkttco,
von den vielen Gfingen und Erscheinungen keiner alle,
und fast keiner dieselben wie sein Nachbar, sondern od-
stens nur jeder Eine, und jeder wieder eine andere, lor
Darstellung ausgewählt habe? Die plausibelste Antwort
auf diese Frage hat Griesbach in einem eigenen Pro-
gramm Über diesen Gegenstand gegeben ^*), indem er
annahm, jeder Evangelist gebe die Art und Weise wieder,
wie ihm gerade suerst die Auferstehung Jesu bekunnt ^
worden war. Jobannes habe die erste Macbricht dordi
Maria Magdalena erhalten , und so ersfihle er auch oor,
was er von dieser erfahren habe; dem Mattbfius (deni
die Jünger haben, als festbespchende Fremde, ohne Zw»
fei in verschiedenen Quartieren der Stadt gewohnt) sei die
erste Kunde durch diejenigen Weiber sugekommen, wel*
eben auf dem Rückweg vom Grabe Jesus selbst erschienai
war, und so theile er denn nur das von diesen Erlebtt
mit. Doch hier scheitert diese Erklärung bereits dariD)
dafs theils bei Matthäus unter den Frauen, welche aaf
dem Rückwege die Cbristophanie haben, auch Msgdakai
14) Progr. de fontibus, undc Evangelistae auas de reaurrecUoae
Domini narralioncs hauserint. Opuac. acad. ed. Giaui>
V«l. 2y p. 24 1 ff'.
Tiertes KapiteL $. 135. tl9
ist, tbeiU bei Johannes Magdalena nach ihrem awelten
Gun^y auf welchem ihr Jesus erschienen war, nicht mehr
EU Johannes ond Petras allein/ sondern an den ^aO'tp^ou^
fiberhaopt ging , and ihnen die gehabte Erscheinung und
den erhaltenen Auftrag mittheilte: so dafs also Matthfius
in jedem Fall aaoh von der Krscheinong Jesu vor Mag-
dalena wissen mufste ^^). Wenn dann ferner nach dieser
Hypothese Markos die Anfers tehungsgeschiohte so, wie er
sie im Hause seiner so Jerusalem lebenden Matter (A. 6*
12, 12.)j Lukas, wie er sie von der bei ihm allein genann-
ten Jobanna erfahren hatte, eraihlen soll: so mofs man
sich Ober die Zfibigkeit verwundern, mit welcher hienach
jeder an der snfällig saerst vernommenen ErzShInng hfin«
gen geblieben wäre, da doch gerade fiber die Auferstehung
Jesu der Austausch der Erzlihlungen unter seinen Anhän-
gern der lebhafteste sein, und so die Vorstellungen über
das erste Bekanntwerden derselben sich ausgleichen mufs-
ten. Diese Sehwierigkeiten au heben, hat Griesbacb wei-
ter angenommen, die jQnger haben wohl im Sinne gehabt,
die uncusammenstimmenden Berichte der Frauen au ver-
gleichen und in Ordnung su bringen, als aber der wie-
derbelebte Jesus selbst fn Ihre Mitte getreten sei, haben
sie diefs unterlassen, wuil sie nun nicht mehr auf die Aus-
sagen der Weiber, sondern auf die selbstgehabten Ersehet-
nongen ihren Glauben gegründet haben: allein eben, je
mehr auf diese Weise die Machrichten der Weiber in den
Hintergrand traten, desto weniger ist su begreifen, wie
fernerliin jeder so starr an demjenigen hängen bleiben
konnte, was ihm zufällig aoerst diese oder jene Frau be-
richtet hatte.
Fährt hienach das einschiebende Verfuhren nicht zum
Ziele ^') : so ist das auswählende zu versuchen, and zu se-
15) Vgl. ScHivsCKBivBuaesR, a. a. 0. S. 64 f. Anm.
16) Vgl. hierüber di Wsttb, exeg Uandb. 1, i, S. 245. | Am-
630 Dritter Ahflchnitt.
hen, ob wir nicht etwa iin Einen der vier Berichte, als vor-
ssttgsweise apoiitolisehen, ans cu lialten, und nach ihm dk
fibrigeri sa berichtigen haben; wol>ei wie tonst, so aoeh
hier, am der wesentlichen Gleichheit der Cofseren Beglsi-
higang willen, aar die innere Beschaffenheit der einselnea
Relationen entscheiden kann.
Aus der Zahl derjenigen Berichte Aber das erste
Kundwerden der Auferstehung Jesu, welche auf den Raog
autoptischer Urkunden Anspruch haben, ist der des erstes
Evangeliums durch die neuere Kritik weggerfiamt wer-
den ^^). ohne dafs wir uns über diese Ungunst, wie in so-
dorn Fiillen , als Ober eine ungerechte , beklagen ifcdnnten.
Denn in mehrerlei Beziehungen zeigt sich diefsmal die
ErsShIung des ersten Evangeliums um eine Stelle weiter
vorwürts in der Ausbildung der TrAdition, als die der
übrigen Evangelien. Einmal, dafs die wunderbare Eröff-
nung des Grabes von den Frauen noch mitangesehen win-
den, woFern diefs Matthlius sagen will , dlefs konnte siek,
wenn es wirklich der Fall gewesen war, schwerlich s«,
wie bei den übrigen Evangelisten , wieder verlieren, wohl
aber sich nach und nach frei in der Ueberliefernng bildeo:
ferner, dafs die Abwülenng des Steins durch den Engel ge-
schehen sei, beruht offenbar nur auf der Combination ei-
nes solchen, welcher die Frage, wie denn wohl der grofa
Stein vom Grabe gekommen, und die Wächter bei Seite
geschafft worden seien, nicht besser beantworten sa kos*
nen glaubte, als wenn er su Beidem den Engel benfitxte.
welchen ihm die umlaufenden Ersählungen von der des
Frauen su Theil gewordenen Erscheinung boten; wosu er
femer das Erdbeben, als weitere Verherrlichung der Seea^
MOH, Fortbildung des Christenthumt zur Weltreligion, 2, 1«
S. 6.; l'iutLi, zur Biogr. Jesu, §. 57.
17) Schulz, über das Abendmahl, S. 321 f. ; ScasriCKimicaftsm, t.
s. O. S. 61 ff.
Viertes Kapitel. $.135. 631
setzte. Aber auch anrserdem ist in der Erzählung des
Matfhliiis noch ein Zog, der nichts weniger als liistorisch
klingen will. Maciidem den Fraaen bereits der Kngel die
Aoferstehang Jesu verkündigt, und sie mit dem Auftrag
RH die Jünger 'gesendet hatte, dafs sie nach Galiläa gehen
sollen, dort Mferde ihnen der Auferstandene erscheinen:
begegnet ihnen dieser selbst, und wiederholt den Auftrag
an die Jfinger. Oiefs ist ein sonderbarer Ueberflufs« Zum
Inhalte des Auftrags, den die Engel den Frauen gegeben,
hatte Jesus nichts mehr hinaozufligen ; mithin müfste er
denselben nur noch haben bekräftigen und glaubhafter ma-
chen wollen. Allein bei den Frauen bedurfte es weiterer
Beglaubigung nicht, denn sie waren ja schon durch die
Nachricht des Engels x^Q^S f^^yci^^iS T^ü) also gl&ubig;
bei den Jtingern aber reichte auch jene Bekrüftigong nioht
hin , denn sie blieben selbst auf den Bericht derjenigen,
welche Jesnm gesehen au haben versicherten, bis sie ihn
selbst sa sehen bekamen, nnglfinbig. Es scheinen sich al.
so hier sweierlei Relationen über die erste Kunde der Auf-
erstehung in einander verwickelt zu haben , von welchen
die eine die Weiber durch Engel, die andre durch Jesum
selbst von seiner Wiederbelebung in Kenntnifs gesetzt und
an die Jüngst* abgeschickt werden Hefa — die letztere of-
fenbar die spätere.
Der dem Berichte des Matthäus entzogene Vorrang
der ürsprünglichkeit wird auch hier wie sonst dem joban-
neischen zugewendet. So charakteristische Züge, sagt
Lücke, wie, dafs beim Gang zum Grabe der äU.(h; (nad-ijrfjg
schneller als Petrus gegangen, und vor ihm an Ort und
Stelle gekommen sei, beurkunden die Aechtheit des Evan*
gelinms aach dem Zweifel^iücbtigsten. Allein, die Sache
hat doch auch noch eine andere Seite. Schon früher ist
bemerkt worden, wie dieser Zug zu denjenigen gehöre,
durch welche das vierte Evangelium auf eigenthümliche
Weise bemüht sieh zeigt , den Johannes dem Petrus wo
(I3i Dritter Abaolinitt.
nicht vorzosetsen, doch an die Seite su steUen ^. DieTs
ist nun genauer su erörtern, indem wir die sebon erwähnte
Notiz des Lul&as über den Gang des Petrus zum tirabe
Jesu mit dem Berichte des vierten Evangeliums ober deo
Gang der beiden Jfinger vergieiohen. Mach Lukas (24, 12)
Ifinft Petrus zum Grabe: nach Johannes (20, 3 fF.> Pefruf
und der Lieblingsjünger zusammen, doch su, dafs der iets-
tere schneller läuft, und zuerst zum Grabe kommt. !■
dritten Evangelium bückt sieh Petrus in das Grab hinein,
und sieht die leeren Tücher: im vierten thut Johanne*
diefs, und sieht dasselbe. Mun von einem Hineingehen la
die Gruft hat der dritte Evangelist gar nichts: der vierte
aber Ififst zuerst den Petrus hineingehen und die Tücher
genauer besichtige'n, dann auch den Johannes, und diesen
mit dem Erfolge, dafs er an die Wiederbelebung Jean sa
glauben anfängt ^^}. Uafs hier von einem und demselks
Vorfalle die Rede sei, ist oben durch die genaue Analogie
selbst des Auedrucks wahrscheinlich gimiaoht worden. Ei
fragt sich also nur, welches wohl die ursprüngliche^ der
Thatsache nähere Erzählung gewesen sei? Wenn die des
Johannes: dann müfste sich also dessen Name allmSkiij
aus der Ueberlieferong verloren haben, und der Gang den
Einen Petrus zugeschrieben worden sein; was aich bd
dem alle Andern verdunkelnden Ansehen des Petros gsr
wohl denken liefse. Hiehei würde man, diese beiden pi-
rallelen Erzählungen für sich betrachtet, sich berohigea
können: allein im Zusammenhange mit der Absichtlich keit,
mit welcher das vierte Evangelium auch sonst daa Ver-
hältnifs des Petrus und Johannes behandelt, kann der an-
gekehrte Verdacht entstehen. Zwar beruft man aich^ wie
18) Band 1, §. 73. S. 623 t
$9) Ueber diesen Sinn des hikevoev » und dsss ihm das ^.to» y^^
S^eiaar ir^v yQnrpfjy x. r. i. nicht widerspricht, s. das nichtj^
J»c} l#vcKi z. d. St.
Viertes Kapitel. $. 1S5. C>33
bereits bemerkt, cor Beglaubigong der jobanneitchen Er«
sEälilung auf den gleichiam anwillkfirliehen Anklang an
dieselbe bei Lukas, ftelcher, nnerachtet er suvor nur
von einem Gang des Petras snm leeren Grabe berichtet
Latte, nachher doch die £mmaantischen Jünger sagen IfifAt:
uTiij/^O^av Tiveg tiJiv aw r^f/tv im to fni^fielov C24, 24.)» Al-
lein diefa kann, wenn man nicht eine Zusammensetaang
widersprechender Berichte ans verschiedenen Quellen in
jenem Abschnitte des dritten Evangeliums annehmen will '^i
nur von sp&teren Grabgängen auch anderer Jfinger ver-
standen werden , da Petrus bei dem seinigen bu augen-
scheinlich als' unbegleitet vorausgesetat war, Uoch diese
Notiz von «»inem Gange auch nur des Petrus aum leeren
Grabe wird selbst verdächtig, wenn man bemerkt, dafs sie
in den swei ersten Evangelien fehlt f woroHch sich der
Klimax herstellt, dafs für die Entfernung des L«eichnams
Jesu aas der Gruft cuerst awar das Zeugnifs der Frauen
genügte, bald aber das der Jünger, namentlich des Petrus,
an Hülfe gerufen, und diesem suletzt Johannes beigesellt
wurde mit der Bemerkung, dafs er suerst — ^ und nicht,
wie nach der gewühnlichen Erafibinng, die Weiber — sum
Glauben an die Wiederbelebung Jesu gelangt sei '0* —
Nun erst, nachdem die beiden Jünger bei'm Grabe gevie-
»en waren, und sein Johannes Glauben gewonnen hatte,
konnte der Verfasser des vierten Evangeliums die Erschei-
nung der Engel und Jesu selbst einfügen , welche den
Weibern zu Theil geworden sein sollte. Dafs er statt
dieser nor die Maria Magdalena nennt — obwohl er, wie
früher bemerkt, 20, 2. wenigstens ein nachträgliches Zn-
sammentreffen derselben mit noch andern Frauen voraus-
setBt — , diefs könnte freilich unter andern Umständen als
das Ursprüngliche angesehen werden, woraus die synopti«
20) Vgl. Dl Witts z. d. St.
21) Vgl. WsifSB, die evang. Getchichte, 2, S. 356 f.
634 Dritter Ab«chiiitt.
sehe Darstellung durch Verallgemeinerunjrentstaoden w&re :
ebensogut Jedoch können die übrigen Fmuen als minder
bekannt hinter Magdalena sarückgetreten sein. Die Aas-
mainng der Scene swischen ihr nnd Jeso, mit dem aa-
fünglichen Nichterkennen n. s. f. , macht svrar der geist-
reichen und gefähivoUen Manier des Verfassers Ehre ^]
indefs findet sich auch hier ein ähnlieher nnhistoriscber
Ueberfluis, nie bei Matthäus. Denn hier haben die Engel
der Magdalena nicht, wie bei den flbrigen Evangelistea
den Frauen , die Auferstehung Jesu zu verkflndigen , und
ihr einen A nfschlufs zu geben, sondern sie fragen sie nur:
rl xlalet^; worauf sie ihnen das Verschwinden dea Leich-
nams Jesu klagt, aber, ohne weitern Anfschlufs abzowar
ten, wendet sie sieh sofort um, und sieht Jesum steliea.
Wie also bei Matthäus die Erscheinung Jesu, weiche doch
noch nicht die eigentlic le un.l rech e sein soll, eioe flbef«
flttssige Zugabe zu der EngelerscV einung ist: so hier die
Engelerschelnur g eine möCsig prunkende fiinleitujig aar
Erscheinung Jefu.
Sehen wir hierauf den dritten Bericht, den des Markus,
darauf an, ob nicht er vielleicht der dem Factum nächste sela
möchte : so ist er auf eine Weisein sich zerrissen und aus na-
gefOgigen Bestandtheilen zusammengesetzt, daf^ an ein sol-
ches Verhältnifs nicht zu denken ist. Nachdem Dämlich
bereits erzählt war, dafs am Frühmorgen des Tugs nacb
dem Sabbat die Frauen zum Grabe Jesu gekommeD , und
durch einen Engel von seiner Auferstehung benachrichtigt
worden seien, aus Furcht aber Niemand etwas von der
gehabten Erscheinung gesagt haben (10, 1-8.)^ wird naa
CV. 9.) 9 eis ob weder von der Auferstehung, noch voi
der Zeit derselben, die Rede gewesen wäre, fortgefahren:
avagdg di nocoi nnulrrj aaßßdrtov iqccvf] TiQdncv JMaQin rij
Maydakfjvfi. Dieser Zug pafst auch defshalb zu der vor-
22) Anders urtlicill Wiisss, a. a. 0. S. 355. Anm,^
' f
Vi«rt«t Kapitel, f. 135. M5
angegangenen Erafthlang nicht, weil diese gar nicht auf
eine der Magdalena besonders sagedaohte Ericheinung ein«
gerichtet ist; sondern, da sie mW sirei andern Frauen
durch einen Engel von Jean Anferstehang benachrichtigt
wird, so konnte ihr vorher Jesus noch nicht erschienea
sein; nachher aber, auf dem Wege cor Stadt, unr sie
mit den übrigen Frauen sasammen, wo sie dann wirklich
nach Martbäns miteinander die Christophanie hatten. Ob
man defswegen dfis Ende des Markusavangelinms , von
V. 9. an , als einen späteren Zusats ansehen darf ^^) , ist
swar wegen des Mangels an entscheidenden kritischen
Grfinden, und noch mehr wegen des abgebrochenen Schlus-
ses mit iifoßöno yccQy der sich dann ergibt, rweifelbaft;
in jedem Fall aber haben wir hier einen Bericht, welchen
dfr Verfasser ans Tcrschiedenartigen Elementen der. um-
gehenden Sage, welche er nicht eq beherrschen wunite9
ohne klare Anschauung von dem Hergang der Sache und
der Aufeinanderfolge der Momente, eilfertig susammenge-
setst hat.
In der Ercfihlnng des Lukas wSre swar fibrigens kein
besonderer Anstofs: doch aber hat sie ein verdfichtiges
Element, die Engelerscheinung, und swar in der Zweiaahl,
mit den Übrigen gemein. Was sollten die Engel bei die-
ser Scene? Matthfius sagt uns: den Stein von der Gruft
wSlaen; wogegen schon Celsus bemerkt hat, dafs nach der
orthodoxen Voraussetsung der Gottessohn hiesu keiner sol-
chen Hülfe benörhigt sein konnte '*): nur etwa schicklich
mochte er sie finden. Bei Markus und Lukas erscheinen
die Engel mehr nur als diejenigen, welche den Weibern
23) Wie Paulus, Fritzsche, Criorir, Einleitung, 1, §. 49. Da-
gegen vgl. Dl Wem , exeg. Handb. , 1 , 2 , S. 19^ f. Eine
vermittelnde' Ansicht bei Hu6, Einl. in d. N. T. 2, §. 69.
24) Bei Orig. C. Celt. 5, 52: o ytio tu &iS nali, w^ hwxty . »« idua
ymio iyolim rov r^tpor , ttiX' idf^K^ii ttXXm aTiomrijawTOi Tifv nir^i»
6M Dritter Abschnitt.
Nachricht und AaftrSge ertheilen sollten: allein da naeh
Matthäns ond Johannes ODmitteibar darauf Jesus selber
erschien, und Jene Auftrüge wiederholte, so war die B^
Stellung durch Engel ÜberflQssig. Es bleibt daher nichts
fibrig, als su lagen: die Engel gehörten cur Verherrli-
chung der grofsen Scene, als himmiisehe Dienerschaft,
welche dem Messias die Thflr aufauthun hatte, dnreh
welche er ausgehen wollte ; als Ehrenwache an der Stelle,
welche der Getödtete so eben lebendig verlaasen hatte.
Hier ist nun aber eben die Frage: gibt es einen aolchea
Prunk in dem wirklichen Bausbalte Gottes, oder nur in
der kindlichen Vorstellung, welche sich die Vorceit tob
demselben machte?
Man hat sich daher verschiedentlich Mühe gegeben,
die Engel der Auferstehungsgeschichte in natörliebe Er-
scheinungen SU yerwandeln. Ging man hiebei von dem
Berichte des ersten Evangeliums aus, und erwog, dafs den
Engel eine idia dg ag^foni^y als Wirkung die Abwfilcanf
des Steins und die Betäubung der HOter sugeschrieiieB,
auch mit 'seiner Erscheinung eine Erderschütterang in
Verbindung gesetEt wird: so lag es nicht mehr fern, ent*
weder an einen Blits au denken, welcher mit erschfittem>
dem Schlage den das Grabmal schliefsenden Stein auf die
Seite geschmettert 9 und die Hfiter au Boden geworfen
habe; oder an ein Erdbeben, welches, begleitet von aas
der Erde schlagenden Flammen, dieselben Wirkungen her*
vorgebracht habe; wobei dann das Feurige und lieber
mächtige der Erscheinung von den wachhabenden Soldaten
ffir einen Engel gehalten worden sei -0« Allein theils der
Umstand, dafs der Engel sich auf den abgewilsten Steta
gesetat, theils und noch mehr die Notiz, dafs er mit den
Weibern geredet haben soll, macht diese Hypothese onau-
2B) ScHUSTSR, in EicHaoim's tilg. Bibliotb. 9, S. 1034 ff. ; Kvixoi,
in Matth p. 799.
Vierte« Kapitel, f. 135. . 087
reicfaeniL Man hat sie defswegen doroh die Annahme mm
ergänsen gesocht, der hohe Gedanke , Jeane aet anfersten«
deo, welcher aas Veranlassung des leergefnndenen Grabes
in den Franen entstand, und allmihlig der anftngliohen
Zweifel Meister wurde , sei yon den Franen naeh orienta*
lischer Denk- nnd Redeweise einem Etogel sageschrieben
worden '^). Wie aber, dafs in sämmtliehen Evangelien
die Engel als gekleidet in weifse, strahlende Gewinder
dargestellt werden? soll auch das orientalische Bilderrede
sein? Der Orientale kann wohl etwa einen guten Gedan-
ken, der ihm kommt, als einen bezeichnen, den ihhi ein
Engel so^^eflüstert habe: aber nun noch die Kleidung und
das Aussehen dieses Engels cn beschreiben, das geht fiber
das Maafs des blofsen Bildes auch im Orient hinaus. Bei
der Beschreibung im ersten Evangelium könnte man etwa
den angeblichen Blite zn Hülfe nehmen, nnd yermnthen,
was den Franen bei'm Anblick desselben durch den Sinn
fahr, das haben sie einem Engel zugeschrieben, welchen
sie mit Rfi.cksicht auf jenen Blitz als einen glänzend ge-
kleideten schilderten. Allein nach den fibrigen Evange-
listen sahen die Weiber die Abwälzung des Steins ex
hypothesi durch den Blitz nicht mehr mit an, sondern,
wie sie in das Grab gingen oder schauten , erschienen ih-
nen ganz ruhig die werTnen Gestalten. Uienach mnfs es
etwas im Grabe gewesen sein, was in ihnen den Gedanken
an weifsgekleidete Engel erregte; im Grabe aber lagen
nach Lukas und Johannes die weifsen Leintacber, in wel-
che der Leichnam Jesu gewiekelt gewesen war: diese,
welche von den rahigeren und beherzteren Männern ein-
fach als solche erkannt wurden, konnten, sagt man, von
forchtsamen und aufgeregten Weibern in der dunkeln
Gruft bei täuschender Morgendämmerung gar wohl fflr
26) FaiioRica, über die Engel in der Auferstchungsgeschichte.
In Eicaaoaii's allg. Bibl. 6, 3. 700 ff. KuinVl, s, a. 0.
\
ft:i8 Dritter Abschnitt.
Engel gehalten vverden '^* Doeh wie sollten die Franen,
welebe doch erwarten mnftteny einen weifseingewickrltea
Todten in der Graft cn finden, durch den Anblick Jener
Tflcher anf so gana besondere Gedanken gekommen sein,
und Bwar gerade darauf , was ihnen damals am fernsten
tag, diefs mögen wohl Engel sein, welche die Anferste-
hong ihres hingerichteten Lehrers ihnen anküodigen wol-
len? Wie sonderbar aber, muftte man Fon anderer
Seite her denken, hier so viele kfinstliche Vermuthangen
aufsostellen , was wohl die Engel gewesen sein mögen,
da doch anter den vier Berichten awei uns anadrfick-
lich sagen, was sie gewesen sind, nSmIich natürliche
Menschen, wenn ja Markus seinen Engel als veccviaxoi,
Lukas die seinigen als av(Joag dvo beaeichnet ^). Wer
sollen nun aber diese Mfinner gewesen sein? Hier ist wie-
der Thär und Thor geöffnet für die Annahme von gehei-
men Verbflndeten Jesu, welche selbst den Jüngern anbe-
kannt gewesen sein mfifsten: es werden dieselben gevresei
sein , welche bei der sogenannten Verklärungsgeachichte
mit ihm Eusammenkamen , vielleicht Essener, welche sich
weifs zu kleiden pflegten und was dergleichen aus der
Mode gekoniinene Vermuthungen eines BAURDTisch-YENTti-
RiNi'schen Pragmatismus mehr sind. Oder will man lieber
ein rein euffilliges Zusammentreffen postuliren; oder end-
lich mit Paulus die Sache in einem Uunkel lassen , sm
welchem, sobald man es durch bestimmte Gedanken aof-
eubcllen versucht, doch immer wieder die Gestalten der
geheimen Verbündeten hervortreten? Der richtige Sino
wird auch hier vielmehr die Gestalten der jüdischen Volks»
27) So eine Abhandlung in EiCHitOR.V8 allg. Bibl. S« S. 629 ff., und
in ScHikUDT^s Bibl. 2^ S. 545 f. ; auch Badbii, hebr. MytLuI.
2, S. 259.
28) Pavlus, exeg. Handb. S, b, S. 829. 55. 60. 62.
Viertes Kapitel. {. 136. 639
Tontellong erkennen, darch welche die nrchmtliobe Tm-
dition die Auferstehong ihres Messias Terherrlicben sn
mflssen glaubte; eine Ansicht, dorch welche sich eagleieh
die Differeneen in Zahl nnd Erscheinungsweise Jener Ober-
Irdischen Wesen von selbst auf die iLunstloseste Weise
lösen 29j.
Eben hiemit ist aber auch anerltannt, dafs wir so we-
nig mit dem auswfihlenden , als mit dem einschiebenden
Verfahren ausreichen, Tielmehr bekennen mflssen, in sfimmt-
liehen evangelischen Darstelinngen dieser ersten Kunde
der Auferstehung nur traditionelle Berichte vor uns au
haben ^y
§. 136.
Galiläische und judälschc, paulmische und apokryphische
Frscheinungen des Auferstandenen.
Wohl die bedeutendste von allen in der Anferste* nngs-
geschichte vorkommenden Differenzen betrifft die Frage,
welches der von Jesn beabsieheigte Hauptschauplata seiner
Erscheinungen nach der Auferstehung gewesen sei? Die
beiden ersten Evangelien lassen Jesom noch vor seinem
Tode bei^m Hinausgang an den Oelberg den Jüngern die
Zusage machen: fterd to iysQ&f^rai fie nwa^o) vfxag eh;
x^v lalüMiav (Mafth. 26, 32. Marc. 14, 28.); dieselbe
Versicbernng gibt am Auferstehungsmorgen der Engel den
29) FaiTzsciiB, in Marc. z. d. St. : Nemo — quixpiam. primt tem-
poris ChristianU tarn dignu» videri poterat , gui de MesHa
in vitam re»er$o nuntium ad komines perferret, quam ange^
his, Dei minister, divinorumque cnnsilifirum interpres et ad~
jutor. — Dann über die Differenzen in Bezug auf die Anzahl
der KnjjTcl u. g. f . : Nimirum insperato Jesu Mcssiae in H-^
tarn reditui miracula adjecere alii alia, quae EvangeHstae
religiöse, quemadmodum ab suis auctorilms acceperani, ii-
teris manddrunt.
50) «AiiBR, bibl. Thcol. 1, S. 254 ff.
MO Dritter Abschnitt«
Weibern mit dem Zosate : ixtl avtov oipiad-e CMiitth. ^8, 7.
Marc. 16, 7.) > nnd bei Matthftas ertheilt fiber alles dies«
Jesn» in eigener Person den Weibern den Aoftriig, den
J fingern au sagen: %va dneld-oaiv eig %r]V rakiXaiceVy xaza
fie oiffonai (2S, 100« Bei Matthäus wird sofort wiriilich
die Abreise derJönger nach Galilfta, und die Erscheiniing,
weiche sie dort von Jesu hatten (die einzige den J fingern
EU Theil gewordefie, deren Matthlins gedenkt), gemeldet);
Markus bricht, nachdem er die Bestfiranng beschrieben,
in welche die fingelerseheinnng die Frauen veraetst habs)
auf die schon erwähnte räthselhafte Art ab, und hänirt
einige Erscheinungen Jesu an, welche, da e wischen An
ersten, die, als unmittelbar nach der Auferstehang erfolgt,
notbvrendig in Jerusalem äu denken ist, und den folgen-
den keine Ortsverändernng bemerkt, und der Znaarnrnfn-
hang mit der früheren Weisung nach Galiläa aufgehoben
ist, sämmtlich als Erscheinungen in und um Jerusalem be-
trachtet werden müssen. Johannes weifs von einer Wei-
sung der Jünger nach Galiläa nichts, und läfst Jeaam na
Abende des Auferstehungstages und acht Tage spfiter des
Jüngern in Jerusalem sich eeigen; doch wird in dem ta-
gehängten Schlnfslinpitel eine Erscheinung am gnliiäisehefl
See beschrieben. Bei Lukas dagegen ist nicht biofa von
einer galiläischen Erscheinung keine Spur, und Jerusale«
mit der Umgegend eum alleinigen Schaoplatze der Chrt-
stophanien, welche dieses Evangelium hat, gemacht; son
dern es wird auch Jesu, wie er am Abend nach der Aof«
erstehung den versammelten Jüngern in Jerusalem er-
scheint, die Weisung in den Mond gelegt: i\uug de xa^
ütetE iv rfj nohi (was die A. G. 1 , 4. bestimmter negacir
durch an;6 %:Qoaoh\uo)v jurj yoßoiCsalhccL ausdrückt) , I'uk: a
hfdvarpd^B dinafjLV i^ vtl'sg (24, 49.)- Hier mufs eweieriei
gefragt werden: 1) Wie kann Jesus die Jünger su einer
Reise nach Galiläa angewiesen, und ihnen doch eugleich
geboten haben, bis Pfingsten in Jerusalem au bleiben?
Viertes Kapitel. $. 130. 641
and 2) wie konnte er sie daraaf rerweisen , in Galiläa
sieh ihnen sa selgen, wenn er doch im Sinne hatte, noch
am oäniliohen Tag ihnen in nnd bei Jeroaalem sa er-
tcheinen ?
Den ersteren Wideraprooh, welcher Bunfiehst swischen
Matthäas and Lukas stattfindet, hat Niemand schärfer
hingestellt, als der Wolfenhattler Fragmentist. Ist es
wahr, schreibt er, waa Lokas sagt, dafs Jesns gleich am
ersten Tage seiner Auferstehung seinen Jängern in Jeru-
salem ersdiienen ist, und befohlen hat, da an bleiben, nnd
nicht Ton da wegaugehen bis Pfingsten: so ist es falsch,
dafs er ihnen befohlen habe, in derselben Zeit nach dem
fiofäersten Galiläa sn wandern, um ihnen da zu ersehe!"'
neo, und umgekehrt 0- Die Harmonisten gaben sich swar
die Miene, als wäre dieser Einwurf unbedentend, und be-
merkten nur kurs, die Anweisung, in einer Stadt an blei-
ben, sei kein Stadtarrest , und schliefse also Spaziergänge
und Nebenreisen nicht aus; sondern nur die Verlegurg
des Wohnsitzes von Jerusalem weg und das Ausgehen in
alle Welt aar Predigt des Evangeliums habe Jesus den
Jfingern bis zu Jenem Termin verbieten wollen *> Allein
ein Spaziergang ist die Reise von Jerusalem nach Galiläa
doch wohl nicht, sondern der weiteste Zug, den der Jude
im Inland machen konnte; ebenso wenig war es fttr die
Apostel eine Nebenreise, vielmehr eine- Rflck reise in ihre
Heimath ; waa aber Jesus dorch Jene Weisung den JOn-
gern untersagen wollte, kann weder das Ausgehen in alle
Welt zur Verkündigung des Kvangeiloms gewesen sein,
wozu sie vor der Autgiefsung des Geistes gar keinen
Trieb in sich ver«pfirten; noch die Verlegung des Wohn-
sitzes von Jerusalem weg, wo sie nur als festbesuchende *
Fremde sieh aufhielten: sondern eben von der Reise mjfs
j) In LatsiKS*» Beiträgen, a. a. O. S. 485.
2) Michaelis, S. 259 f. ; -KuiaiiL, in Luc. p. 743.
Dum Leiern Jesu ütj Aufl. IL Bamd. 41
/.'
Mt Dritter Abtchnitt.
sie JesQ« baben Borfickhalten wollen, welche so mmchei
ihnen am hüchsten lag, d. h. von der Rflekkehr in ihre
Heimath Galillia nach Verflub der FesUage. Ueberdieb —
worüber auch Michaelis gesteht, sich wundern eo müi-
sen — wenn Lokas dnrch jenes Verbot Jeso die Reiie
nach Galiläa nicht ansschliersen will , warom erwfihnt er
derselben mit keinem Wort? nnd ebenso, wenn M^ttbiot
sich bewufst war, dafs seine Hinweisnng nach Galilfia sich
mit dem Befehl , in der Hauptstadt co bleiben , vertrag
warum hat er diesen, sammt den Jerusalemischen Erschei-
nungen, fibergangen SF gewifs ein deutlicher Beweis, dtb
jeder von beiden einer andern Grundansicht vom Scbaii"
platse der firsoheinupgen des auferstandenen Jeans p-
folgt ist.
In diesem 6edr£nge, swei an demselben Tag;e gege-
bene eDtgegengesetr.te Befehle ausammensureimen, bot dit
Vergleicbung der Apostelgeschichte eine erwünschte Hfilfe
durch Unterscheidung der Zeiten dar. Hier findet sick
nämlich der Befehl Jesu, Jerusalem nicht au verlaaaen, ii
seine letate Erscheinung, 40 Tage nach der Auferste-
hung, unmittelbar vor der Himmelfahrt, verlegt; an
Schlüsse des Lnkasevangelinms ist es gleichfalls die letste
mit der Himmelfahrt schliefsende Zusammenkunft, in wet
oher Jener Befehl ertbeilt wird ; und wenn man nun gleichi
die gedrängte Darstellung des Evangeliums ffir aich g^
nommen, glauben mfifste, das Alles sei noch am Tage der
Auferstehung selbst vorgegangen: so ersehe man doch,
heafst es, aus der A. 6. desselben Verfassers, dafs swi-
schen V. 43 und 44 im letaten Kapitel seines Evangelioai
die 40 Tage von der Auferstehung bis sur Himmelfabrt
igitten inne liegen» Hiemit aber verschwinde auch der
scheinbare Widerspruch jener beiden Weisungen: deaa
gar wohl könne, wer auerst swar an einer Reise nach
Galiläa angewiesen hatte, 40 Tage später, nachdem diese
Reise gemacht, und man in die Hauptstadt surfichgekehit
Viertes Kapitel. $. 136. . 643
war, nanmehr jede weitere Entfernang von da verboten
haben ^J. Allein so wenig der au befahrende Widerspruch
verschiedener M. T. liehen Schriftsteller ein Grnnd sein
darf, von der natarlichen Deotuog ihrer AossprOche ab-
angeben : so wenig kann man hiean durch die Furcht be«
rechtigt sein, es möchte sonst ein und derselbe Autor in
verschiedenen Schriften sich widersprechen ; da, wenn* die
eine etwas spfiter als die andere geschrieben ist, der
Schriftsteller in der Zwischenaeit Qber Manches anders
berichtet worden sein kann, als er es bei Abfassung der
ersten Schrift war. Dafs diefs in Beeng auf den Lebens-
abschnitt Jesu nach der Auferstehung bei Lukas wirklich
der Fall war, davon werden wir uns bei Gelegenheit der
Himmelfabrtsgesobichte Qberseugen: womit dann jeder
Grund verschwindet, swischen das eq^ayer V. 43. und eitis
dt V. 44. gegen den Augenschein eines unmittelbaren Zn-
sammenhangs beinahe 5 Wochen Zwischeneeit einznschie-
b«n ; ebenso aber auch die Möglichkeit, die entgegengeseta-
ten Befehle Jesu bei Matthins und Lukas durch Dnter-
, Scheidung der Zeiten su vereinigen.
indefs , gesetst auch , dieser Widerspruch liefse sich
, auf irgend eine Weise heben , so würden dennoch , selbst
ohne jenen ausdrOcklichen Befehl, welchen Lukas meldet,
auch die blofsen Thatsachen, wie sie bei ihm und seinem
. Vormann und Nachfolger erzählt sind, mit der Weisung,
welche Jesus bei Matthfius den Jüngern ertheilt, unver-
einbar bleiben. Denß haben ihn, fragt der VVolfonbOttler,
I die sSmmtiichen Jünger su sweien Malen in Jernsalem
, gesehen , gesprochen , betastet und mit ihm gespeiset : wie
, kann es sein, dafs sie, um ihn au sehen, die weite Reise
nach Galiläa haben thun müssen *) ? Die Harmonisten er-
wiedern swar dreist, damit, dafs Jesus den Jüngern sagen
o) ScHLiiERMAcaBR, Über den Lukas, S. 299 f. , Paulus^ S. 910.
^) a. a. O. S. 486.
41*
644 Dritter Abtehnitt.
lasse, in Galiläa werden aie ihn s^hen, sei keineswegs ge-
sagt, dafs sie ihn 'sonst nirgends, namentlich nicht in J^
rusalem, sehen würden ')• Allein, Jiönnte ihnen der Wol-
fen büuler In seiner Weise entgegnen, so wenig, wer ti
mir sagt: geh* nach Rom, dort wirst da den Pabst Mheo,
meinen kann, der Pabst werde swar so vor noch dordi
meinen jetsigen Aufenthaltsort kommen, und da lon niif
gesehen werden können , hernach aber soll ich auch noch
nach Rom geben, -om ihn dort wieder bu sehen : so weoig
würde der £ngel bei Macthäns and Markus, wenn er ron
der jerusalemisohen Erscheinung noch am nämlichen Tage
etwas geahnt hätte, den Jüngern gesagt haben: gehet nxeh
Galiläa, dort wird sich euch Jesus eelgen; sondern: uÜ
nur getrost , hierselbst in Jerusalem werdet ihr ihn m
Abend noch sa sehen bekommen. Wozu die Verweisang
auf das £niferntere , wenn ein gleichartiges Näheret di-
a wischenlag? und wo£Q eine Bestellung der Jünger niek
Galiläa dnreh die Weiber, wenn Jesus vorhersah, am ni»
lieben Tage noch die Jünger persönlich sa sprechen? Mit
Recht beharrt die neuere Kritik auf dem, was sfehon Lks-
81NG geltend gemacht hat ^, dafs kein Vernünftiger seioei
Freunden durch eine dritte Person eine spätere Zotta*
menkunft aii fireudigem Widersehen an einem entferoteo
Ort anberaumen lasse, wenn er noch an demselben Tc{
unii Öfters am gegenwärtigen Orte sie su sehen gewüi
sei '). Kann mithin der Engel und Jesus selbst, als ne
am Morgen durch die Frauen die Jffhger nach Galiläa be-
schieden, noch nichts davon gewjufst haben, dals er la
5) C>AisaBACH, Vorlesungen über Hermeneutik des N. T., ^
Anwendung auf die Leidens- und AuferstehungsgefcJiichle
Christi, herausgegeben von Stbixsr, S. 314.
6) Duplik, Werke, 6. Bd. S. 352.
7) ScHKBcxBKBVRCBR, Über den Urapr. de! ersten kanon. Etis{m
S. 17 L
Viertes RapIteL % 136. 64ft
Abende denelben Tages bei nnd io Jeratalem sich ihnen
K<»igen werde: so mafs er also am Morgen noch Im Sinne
guthabt haben, sogleich oaeh Gaiilka an geben, im Verlanfe
des Tags aber aof andere Gedanken gekommen sein. Von
jenem anftnglichen Vorsatse findet sich naeh Paulus *)
auch liei Lukas eine Spnr, in der Wanderung Jesn nach
dem in der Richtung gegen Galilfia hin gelegenen Emmans ;
als Grand der Abänderong des Plans al>er yermutbet der-
selbe Aasleger, welchem hierin Olsbauskv beistimmt 0)
den Unglauben der Jflnger, wie er sich Jesu nameaclieh
bei Gelegenheit des Gangs naeh Emmaus su erkennen ge-
geben hatte. Wie sich eine solche irrige Berechnung von
Seiten Jesu mit der orthodoxen Ansicht von seiner Person
vertrage, mtfge bteliei Olshaussm zusehen ; aber auch rein
menschlich betrachtet, liegt kein genügender Grund Jener
Umstiramung vor* Namentlich seit Jesus von den beiden
Enmauotischen Jflngern erkannt worden war, durfte er
gewifs sein, dafs das Zeugnlfs der Männer die Aussage
der Weiber so beglaubigen würde, um die Jünger wenig-
stens mit glimmenden Funken des Glaubens nnd der Höfl^
nnng räch Gsliläa zu führen, üeberhaupt aber, wenn
eine Dmstimmong nnd eine Verschiedenheit des Plans Jesa
vor nnd nach derselben stattfand: warum gibt dann kein
Evangelist von einem solchen Wendepunkte Nacbrichtt
sondern spricht Lukas so, wie wenn er von dem nr-
sprflnglichen Plane; Rfatthlius, wie wenn er von einer spi«
teren Ablndernng desselben nichts wüfste; Jobannes, als
ob der Hauptschauplata der Erscheinungen des Auferstan-
denen Jerusalem gewesen, nnd er nur nachträglich auch
einaal nach Guliläa gekommen wäre; endlich Markus so,
dafs man wohl sieht, er hat die anftngliche Weisung naeh
Galiläa, welche er ans Matthäus | nnd die folgenden Kv^
8} Exeg. Haiidb. 3« b, S. 835.
9) Bibl.^ Comm. S, S. 5U.
fi
046 Dritter Abftohnitt.
«cbeinungen in Jerusalem und der Umgegend, welche er
aus Lukas, und woher sonst noch, schöpfte, auf k«ae
Weise EU vereinigen gewnfst oder auch nur gesucht, son-
dern sie roh und widersprechend, wie er sie fand, so-
sammengestellt ?
Mufs man demnach mit der neuesten Kritik des Hat-
thSuscTangeliums den Widerspruch swischen diesem und
den übrigen ' in Besug auf die Oertlichkeit der Erschei-
nungen Jesu nach der Auferstehung anerkennen : so fragt
es sich, ob man derselben auch darin beistimmen kann,
dafs sie ohne Weiteres die Darstellung des ersten ErsD-
geliams gegen die der tthrigen aufgibt ? ^^) Stellen wir,
abgesehen von vorausgesetetem apostolischen Drsprang det
einen oder andern Evangeliums, die Frage: welche der
beiden abweichenden Darstellungen eignet sich mehr dasii,
als traditionelle Cm- und Weiterbildung der andern ange-
sehen EU werden? so können wir hier, anfser der all^
meinen Beschaffenheit der Er2fihlungen , noch aof eioei
einseinen Punkt sehen , an welchem beide sich aof cht-
rakteristische Weise berOhren. Diefs ist die Anrede der
Engel an die Frauen , in welcher nach sfimmtlichen Syo-
Optikern Galilfia's gedächt wird , aber auf verschiedeoe
Weise. Bei Matthäus sagt der Engel, wie schon erwfihnt,
von Jesu : nqoayu v^ag eig trpf raXiXaiccv — Idö eiTtov vith
C2S, 7.)« Bei Markus sagt er dasselbe, nur dafs er ststt
des letsteren Zusatzes, durch welchen bei Matthäus der
Engel seine eignen Worte den Frauen einprägen ^11, des
Zusats hat : xad^wg eiTiev vfdvy mit welchem er sie auf die
frühere Vorherssge Jesu über diesen Gegenstand surllck-
weist. Vergleichen wir zunächst diese beiden Darstellan-
gen : so könnte leicht das bekräftigende elicov vfilv fiber-
10) Wie Schulz^ über das Abendmahl, S. 32i > Scu]VRCKK>Büii6im,
a. «. O.
J
Viertes Kapitel. $. 136. 647
flüssig and nichtssagend erscheinen, dagegen die Zurücli-
weisung anf Jesu frflhere Vorhersagnng durch ern^y pas-
sender, und darauf Itännte man die Vermothnng begrfin-
den, dafs hier vielleicht Harlios das Richtige und Ur-
sprfingliche, Matthfios aber ein nicht ohne MiCsverstfind-
nifs Abgeleitetes halle ")• Ziehen wir nun aber auch den
Bericht des Lukas in die Vergieichung herein : so wird
auch hier, wie bei Markus, durch ein ^tinja^tej cog ikalt^-
aty vfuv IVt wv iv rfj FaltXaii^ey leyiov x, r. L auf eine frfl-
here Vorhersage Jesu surfickgewiesen, aber nicht auf eine
nach GaliiSa weisende, sondern auf eine in Galiläa gege-
bene. Hier fragt sich: ist es wahrscheinlicher, dafs das
nrsprflnglioh sur Bestimmung des Locals , in welohem die
Weissagong der Auferstehung gegeben wurde, hlnsuge«
setfete Galillia später irrig als Bestimmung desjenigen Lo-
cals, wo der Auferstandene erscheinet wollte, umgedeutet
worden iat, oder umgekehrt? Diefs mufs sich darnach ent«
scheiden, in welcher von beiden Stellungen die Erwähnung
6alilSa*s inniger in den Znsammenhang pafst. Dafs nun
bei VerkOndIgung der Auferstehung Alles darauf ankam,
ob und wo der Auferstandene sn sehen sei, erhellt von
selbst ; weniger lag , wenn auf eine frflhere Weissagung
snrfick gewiesen werden sollte, daran, wo diese gegeben
worden war. Hienach könnte man schon yon dieser Ver-
gieichung der Stellen aus es wahrscheinlicher finden, dafs
es ursprfinglich geheifsen haben m5ge, d,er Engel habe die
Jünger nach Galiläa gewiesen , um dort den Auferstande-
nen EU sehen (Matth.) ; hierauf aber, als die Erzählungen
von Judäischen Erscheinungen Jesu die galiläiscben ver-
dränge hatten, habe man das Galiläa in der Engelrede da*
11) Wess wegen Micrablis, S. 118 f. , such bei Matth'aiis nn^v
fUr die ursprüngliche Lesart hält. Vgl. Wsissi, die cvang.
Geschichte, 3, S. 347 f.
648 Dritter Absehnitt.
aIo oiDgeatellty dafs es nan hieft, tehon in Galiiln habe
Jesaa «eine Auferstehung vorhergeaagt (Liubaa); worAof
dann Markus Termittelnd eingetreten sn sein seheint , in*
dem er mit Lukas das eiTtary in bItuv verwandelt , auf Ja-
sum beeog, Galiiäa aber mit Mattblina ais SebanpIatK nicht
der frfiheren Vorbersagung^ sondern der berorstebendes
Erscheinung Jesu beibehielt«
Ziehen wir hierauf die allgemeine Beschaffenheit der
beiden Erslihlungen und die Natur der Sache in Betracht,
so stehen der Annahme, dafs Jesus nach seiner Aofersts-
hung den Jüngern wirklich mehreremale in and bei Je-
rusalem ersohienen sei, die Kunde hievon aber aas der
Ueberiieferung, wie sie dem ersten Evangelium sum Grunde
lag, sich verloren habe, dieselben Schwierigkeiten entge-
gen, und die entgegengesetste hat eben so viel fUr sich,
wie wir diefs bei einer früheren Untersuchung in Betag
auf die mehreren Festreisen und Judiiischen Aufentbalte
Jesu gefunden haben ''). Dafs die jerusalemischen Er
scheinungen des Auferstandenen in Galilla, wo dieser
Voranssetsung nach die Matfh&ustradition sich bildete, no-
absiohtlich, also durch völliges Verschwinden der Kunde
von denselben, in Vergessenheit gekommen wllren, lllit
sich bei der Wichtigkeit gerade dieser * Erscbeinanges,
welche, wie die vor den versammelten Eilfen nnd vsr
Thomas, die sichersten Zeugnisse für die RealitXt der Anf-
erstehung enthielten, and bei dem organisirenden Einflofi
der Gemeinde in Jerusalem, nicht wohl denken; dafa mao
aber in GaliUa von den Judiiischen Erscheinungen Jesn
«war gewufst, der Verfasser des ersten Evaogeliama aber
aie absichtlich verschwiegen haben sollte, um seiner Pro*
vina allein die Ehre derselben au erhalten , diefs aetst ei*
Den galilliischen Particularismus, eine Opposition der dor-
tigen Christen gegen die Gemeinde sn Jerusalem voraus.
12) 1. Bandy $. 56.
Viertes Kapitel. S* 1S6. 649
woyon uns Jede geschichtliche Spor abgeht. Das andere
Mögliche hingegen, dafs vieUeiohr, nachdem nrs|frllnglich
blofs galilXische Erseheinnngen des Anf erstandenen bekannt
gewesen waren, in der Deberlieferung allmfihlig immer
mehr jnd&isehe und Jerosaiemische hinsugefügt, nnd durch
diese endlieh jene gans Terdrfingt worden sein mögen,
läfst sich durch mancherlei Grfinde cur Wahrscheinlichkeit
erheben* Schon der Zeil nach war die Kunde von der
Auferstehung Jesu um so schlagender, je unmittelbarer
seine Erscheinungen auf Begrfibnifs und Wiederbelebung
gefolgt waren': sollte er aber erst in Galilfia erschienen
sein, so fand eine solche unmittelbare Aufeinanderfolge
nicht statt; femer war es eine nstOrliche Vorstellung, dals
sich die Auferstehung Jesu an Ort und Stelle seines To-
des durch Erscheinungen documentirt haben müsse; end-
lich aber der Vorwurf, dafs Jesus nach seiner angeblichen
Wiederbelebung nur den Seinigeu, und awar in einem
Winkel von GalilSa^ erschienen sei, war dadurch einiger-
mafsen surOckgewiesen , wenn man sich darauf berufen
konnte, dafs er vielmehr in der Hauptstadt, mitten unter
seinen ergrimmten Feinden, aber freilich von diesen weder
ABU sehen noch su greifen, als Auferstandener gewandelt
habe. Hatte man aber einmal mehrere Erscheinungen Jesu
nach Judfta und Jerusalem verlegt: so verloren die gali-
Jfiischen ihre Wichtigkeit, und konnten hinfort entweder'
in der nntergeordneten Weise, wie im vierten Evangelium,
nachgetragen werden, oder auch, wie im dritten, gauB
ausfallen. Da diesem^ vom Standpunkte möglicher Sagen«
bildnng aus sich ergelienden Resultate hier nicht wie oben
In der Untersuchung Über den Schanplata der Wirksam-
keit des lebenden Jesus vom Gesichtspunkt der VerhSlt-
nisse und Absichten Jesu aus ein umgekehrtes sieh ent-
gegensetst : so dörfen wir im Widerspruch gegen die je-
tsige Kritik bu Gunsten des ersten Evangeliums entsohei-
ilen, dessen Berieht Aber das Erseheinen des Anferstande-
650 Dritter Abschnitt.
nen ohnehin als der einfachere nnd minder schwierige sieh
empfehlen wird *').
Was non die Erscheinungen des auferstandenen Jesu
im Elnselnen betrifft, so hat deren das erste EvangeliuB
Bwei: eine am Auferstehupgsmorgen For den Freuen
(29, 9 f.) 9 nnd eine, unbestimmt wann, vor den EUfen in
Galiläa (28, 16 ff.)- Markus hat, in übrigens blofs sna-
marischer Angabe, drei: die erste, welche am Horgen der
Auferstehung der Maria Magdalena (16, 9. f*)» eine an-
dere, welche swei aufs Land gehenden Jüngern (16, ]2.)|
und eine dritte, welche den su Tische sitzenden Eilfes,
ohne Zweifel in Jerusalem, eu Theil geworden ist (16, 14.)*
Lukas ersühlt ewar nur swei Erscheinungen : die vor den
Emmauntischen Jüngern am Auferstehungstag (24, 13 ff.)
und die letzte, vor den Eilfen und andern Jüngern sa Je-
rusalem, nach 24, 30 ff. am Abende desselben Tags, nach
A. G. 1, 4 ff. vierzig Tage später; aber wenn den Esh
mauntischen Wanderern bei ihrem £intritte zu den Apo-
steln diese, noch ehe Jesus in ihre Mitte getreten ist, eot-
gegenrufen: rffkQS^tj o KvQiog oyiiog xal wqr^ JSift(an
(24, 34.): so wird hier eine dritte Erscheinung vorausge-
setzt , welche dem Petrus allein zu Theil geworden war.
Johannes hat vier dergleichen Erscheinungen: die erttc^
welche der Maria Magdalena am Grabe zu Theil wurde
(20, 14 ff.); die zweite, welche die Jünger zu Jerusalea
bei verschlossenen Thüren hatten (20, 19 ff.); die dritte,
acht Tage später, ebenfalls in Jerusalem, bei welcher Tbs-
roas sich überzeugte (20, 26 ff.); die vierte, unbestimmt
wann, am galilliischen See (21.)« Hier ist nun aber aiieb
IS) Dasf die wahre Localität fUr die Erscheimingen des Aafer-
ftandenen vor den Jüngern Galiläa sei, damit stimmt auch
WsissB , 2 , S. 358 ff. 9 überein ; nur dass er , seiner synop«
tischen Grund ansieht zufolge , dem Berichte des Markos ^t>r
dem des Matthäus den Vorzug zuerkennt.
Viertes Kapitel. % 136. Ii51
eine Nachricht des Apostels Paolus so berflcksicbtigeD,
welcher 1 Kor. 15 , 5« ff., wenn man die ihm selbst
EU Theil gewordene Christophanie abrechnet , fttnf Kr-
scheinungen des Anferstandenea ersählt, ohne sie je-
doch nfiher so beschreiben: suerst eine dem Kephas ge*
wordene; dann eine vor den Zwdlfen ; hierauf eine vor
mehr als fflnfhondert Brfidem auf einmal; weiter eine
vor Jaliobos, und endlich eine vor sämmtliehen Aposteln.
Wie fflgen wir nun diese verschiedenen Erscheinnngen
in einander ein? Den Anspruch darauf, die erste su sein,
macht bei Johannes, und aosdrOckliober noch bei Markos,
die der Maria Magdalena eu Theil gewordene. — Die
Eweite mQfste das Zusammentreffen Jesu mit den vom
Grabe zurQckkehrenden Weibern, bei Hatthfios, gewesen
sein ; da aber unter diesen Magdalena gleichfalls war, und
keine Spar vorbanden ist, dafs sie schon vorher den Auf-
erstandenen hitte gesehen gehabt: so k(Ninen, wie bereits
bemerkt, diese beiden Erscheinungen nicht aoseinanderge-
halten werden, sondern wir haben über Eine und diesell>e
einen schwankenden Bericht. Dafs Paulos, welcher in der
angefahrten Stelle spricht, als wollte er alle Krseheinnn-
gen des wiederbelebten Christus aufsählen, von denen er
v^nfste, die beseichnete Übergeht, kann man daraus erldi-
ren, dafs er Weiber nicht als Zeogen anffiDbren wollte.
Da die Ordnung, in welcher er seine Christophanien wie-
dergibt, der Reihe von elra und msita und dem Sohlofs
mit toxonov nach eu urtheilen , die Zeitfolge eu sein
scheint ^*) : so wlire nach ihm d{e Erscheinnng vor Kephas
die erste einem Manne eu Theil gewordene gewesen. Diefs
würde sich mit der Darstellung des Lukas gut vertragen,
bei welchem den Emmauntischen Wanderern bei ihrem
Eintritte die Jünger eo Jerusalem mit der Nachricht ent-
gegenkommen, dafs Jesus wirklich auferstanden und dem
14) f. Billroth '• Commentar z. d. St.
052 Dritter Absehnitt.
Simon erschienen «ei^ wa« mSglicherweiee noob vor de«
ZusammeDtreffen mit jenen beiden der Fall gewesen sein
iLJfnnte. — Als die näebste Erscheinung mObte aber hier-
auf nach Lukss die suletat genannte genählt werden, wel-
<Ae Paulus nicht erw&hnen wOrde, etwa weil er nor die
Aposteln auTheil gewordenen, und von den Obrigen biob
solche, welche ? or grtffseren Massen erfolgt waren, aofso-
fahren gediiebtei oder wahrscheinlicher, weil er von der-
selben nichts wufste. Markus 16, 12 f. meint offenbar
dieselbe Erscheiaung; der Widerspruch, daft, wMirend bei
Lukas die Tersammelten Jttnger den von Eromaaa Kosi-
menden mit dem gl&obigen Ruf: ijyi(>07j 6 KvQiog x. t. L
entgegentreten, bei Markus die JGnger auch auf die Nach-
richt jener beiden hin noch nicht geglaubt haben solieni
rfthrt wohl nur von einer Uebertreibung des Markus Imti
welcher den Contrast der fibersengendsten Eracheinangen
Jesu mit dem fortdauernden Dnglauben der Jfinger Dicht
aus den Händen lassen will. — An die Emmanntisebe
schliefst sieh bei Lukas unmittelbar die Ersehelnang Jen
in der Versammlung der hvdexa und anderer an» Diess
hilt man gemeiniglich ffir identisch mit der pauliniseheo
Erscheinung vor den doidexa^ und mit dem, was Johannes
berichtet, dafs agi Abend nach der Auferstehung Jesas bei
verschlossenen Thfiren su den Jüngern, in deren Vers^ima-
lung fibrigens Thomas fehlte, eingetreten sei. Uiegegeo
darf man awar das h'vdexa des Lukas, da doch nach Jo-
hannes nor sehn Apostel dabei gewesen sind, ebenso vre-
ntg pressen, als bei Paulus das dtidexa^ wo doch in Jedem
Falle Judas abge»eehnet werden mnfs; auch scheint die
bei den beiden Evangelisten gans gleiche Beschreibung des
flerbeikommens Jesu durch ep] iv fiiaip ccvzaiv und e^ dg
%6 fiiaovy und die Anffihrnng des Grufses: äqtpnj vfuy, auf
IdentitKt beider Erscheinungen hinsuweisen; indefa, wenn
man bedenkt , wie das Betasten des Leibes Jesu , welches
bei Johannes erst in die acht Tage spStere firsobeinung
Viertes Kapitel, i. 136. 6U
ffiUt, ond das Essen vom Bratfiseb, welehes Johannes erst
bei der noch spftteren galliiiscben Erseheinong bat, ron
Lukas in jene Jemsalemisebe am Tage der Aoferstebong
▼erlegt wird : so erhellt, dafs — wie man non sagen will —
entweder der dritte Evangelist hier mehrere Vorgänge in
Einen ensammengesogeni oder der vierte Einen in mehrere
aoseinander geschlagen bat» Diese Jerosalemisehe Ersehei-
nong vor den Aposteln lidnnte aber, wie oben bemerkt,
nach Matthftos gar nicht stattgehabt hal»en, da dieser
Evangelist die h'vSexa^ nm Jesnm an sehen, nach Galiläa
wandern l&rst. Markus nnd Lnkas im Evangelium knOpfen
an dieselbe die Himmelfahrt an, sehliefsen also alle späte-
ren Erscheinungen aus. — Der Apostel Paulus hat als
die nächste Erscheinung die vor 500 Brfidem, welche man
gewöhnlich für dieselbe mit derjenigen hält, die Matthäus
auf einen Berg in Galiläa verlegt ^') : allein bei dieser sind
nur die evdtxa als gegenwärtig angegeben, und aueh die
Gespräche, welche Jesus mit ihnen fährt, seheinen, als
vorwiegend amtliche Instructionen , mehr fttr diesen enge-
ren Kreis EU passen. — Demnächst fährt Paulus eine dem
Jakobus au Theil gewordene Erscheinung auf, von der
auch im Hebräerevangellom des Hieronymus sich **inc apo-
kryphisohe Nachricht findet, nach welcher sie aber die
erste von allen gewes^en sein mOfste '0 — Bierauf wäre
15) Pavlvs, exeg. Handb. 3, b, S. 897 ; Olsmausbn, 2, S. 541.
16) Hieron. de viris illustr. 2: Evangelium guogue, guod appeU
latur secundnm Hebraeoty — post resurredianem SahatarU
refert: Dominus tmtem, poHgumm dedisMt Hndanem tervo
sacerdoti» (wahrscheinlich in Bezug auf die Wacbe am Grabe,
weiche hier aaa einer rttmischen xu einer priesterlichen ge-
ma(;|it w'ire ; s. CREoifm, Beitrage xur Einleit. in das N. T.
S. 406 f.) , Mt ad Jacubum et appahät et. Juraeerai enhn
Jacoäus, se non comesturum panem ab itta tutra, qua hihe-^
rat eaUcem Domini, donec viderei eum resurgentem a dar-
mieniibus (wie undenhbar ein solches Gelübde bei der UoQ-
654 Dritter Abschnitt.
fflr Jene Ersobeinnng Ranm, Ml weloher dem vierten Evan-
geliam enfolge eeht Tage naeh der Aoferstebong «lesB
Tboma« fiberseogt worden sein soll; womit Paulus gen««
fibereinstimnien wdrde , wenn wirklieb sein taii; aTtogoi.oi:
naaiv (V. 7.)» vor weleben er seine fünfte Erscbeinnng
vorgehen ittfst, von einer Plenarversammlung der Kilftf, m
Dntersehied von der früheren ^ bei welcher Thomas ge-
fehlt hatte, so verstehen wfire: was aber, weil Panlos,
nach der hier besprochenen Voraussetaung, auch diese sk
eine Erscheinung vor jmg dcidfxa bezeichnet hatte , oa-
mtfglioh angebt, sondern der Apostel versteht sowolil unter
iddexa als unter ol anogokoi ndweg die sfimmtlichen, da-
mals übrigens um Einen Mann unvollzfihligen Apostel ia
Gegensatz gegen die einzelnen Individoen C^^pbas oimI
Jakobus)} von welchen er beidemale unmittelbar vorher als
von solchen gesprochen hatte, denen eine Christophanie
zu Theil geworden. Soll aber dennoch die fünfte paoli-
nische Erscheinung Jesu, mit der dritten johannelsches
^ identisch sein: so würde nur um so* deutlicher erhellei^
dafs die vierte paulinische, vor den 500 Brüdern, nicht dia
galiläische des Matthfius sein kann« Da nämlich bei J#*
hannes die dritte in Jerusalem statt fand, die vierte ab«
in Galllfin: so müfsten also Jesus und die Zwölfe nsck
den ersten jernsalemischen Erscheinungen nach Galiiii
gegangen, und aof dem Berge Bosammengekommeu seia;
hierauf hfitten sie sich wieder naeh Jerusalem begeben,
wo Jesus sich dem Thomas zeigte; dann wieder nach Ga-
liläa, wo die Erscheinung am See erfolgte; endlieh aar
Bimmelfahrt wieder nach Jerusalem. Um diefs swecklose
nungslosigkeit der Jünger, darüber vgl. Micrablis , S. 123)
Eursusgue post pauluium: Afferte, ait Dominus, memstm
et panem. SiaHmgue additur: TuHt panem et benedixii ar
fregit, et dedit Jacahojusto et dixit ei: fraler mi, cmnedr
panem tuum , guia resurrexit fiUut hominis a dormieniibms.
Viertes Kapitel. §. 136. 635
Hinondherwandem eu vermeiden, and doch Jene beiden
£rtcheinangen combiniren zn liönnen , verlegt Olshausen
die Eracheinoog vor Thomas nach Galilfia : ein unerlaubter
Gewaltstreioh, da nicht nur awlsehen dieser und der vor-
hergehenden , eingestandnermafsen jerusalemischen , Er-
scheinoog kefaier Ortsverfinderung gedacht, sondern der
Versammlungsort gana auf dieselbe Weise beschrieben
ist, ja der Zusatis : rutv dvQcJv x&cleiafimov^ nur an die
Hauptstadt denked Ixfst, weil in dem von priesterlichem
Hasse gegen Jesum weniger aufgeregten Galiläa sich der
Grund jenes Verschliefsens , der q^oßog rcSv YadaiW, nicht
ebenso denken liifst* — Erst da also, wo mit der acht
Tage nach der Auferstehung erfolgten die frühem judäi-
schen Erscheinungen au Ende sind, bekfimen wir Kfaum,
die galiiäischen des Matthäus und Johannes einzufügen.
Mit diesen hat es nun aber die eigene Bewandtnifs, dafs
jede von beiden die erste, und die des Matthäus noch
aufserdem sugieieh die letzte zu sein den Anspruch
macht '0- Dorch seine ganze Darstellung nicht nur, son*
dem aoadrOcklich durch den Zusatz : a ird^aro avxdis 6 Y.
zu dem galiiäischen o^y auf welches die Eilfe gingen,
bezeichnet Matthäus diese Erscheinung als diejenige, auf
welche Jesus am Auferstehungsmorgen , zuerst durch den
Engel, dann persönlich, verwiesen hatte; nun aber verab-
redet man nicht eine zweite Zusammenkunft in einer Ge-
gend, indem man die erste unbestimmt läfst: folglich mufs,
da ein unvorhergesehenes frfiheres Zusammentreffen bei
der evangelischen Vorstellung von Jesu sich nicht denken
lätst *^ , jene Zusammenkunft, weil die veraln^udete, auch
die erste galiläische gewesen sein. Kami somit die Er-
scheinung .am See Tiberias bei Johannes unmöglich vor
17) Lbssiks, Dapiik» S. 449 ff.
i8) Wie auch Kamii zugibt , Hsuptthattscken , Tüb. ZeiUchrift,
1836, 3, S. 57.
(i56 Dritter Abicbnitt.
die anf dem Berge bei Hatthloi gesetst werden : lo v^ill
die let£tere Jene ebeneowenig nacb sich dnlden , da lie d
nen förmlioben Abschied Jesa von seinen Jfingeni enthfilt;
auch wüfste man gar nicht, wie man die johanneiiche
.Krscbciiturig nach der eigenen Angabe des £?angelUteB
als die dritte (fixiequioig des auferstandenen Cbrittni vir
seinen ftud-r^Tois i^h ^^O heraosbringen wollte, wennaodi
noeb die des ersten KFangelioms ihr TorangegangeD leii
sollte, indefs, auch wenn man jene voranstellt, bleibt dii
Verlegenheit mit dieser johanneischen Zählung grofs g^
nag« Zwar die Erscheinungen vor den Weibern dürfen
wir abrechnen, weil Johannes selbst die der Magdalena
2D Theil gewordene wohl erslhlt, aber nkht alhh; oan
aber, wenn wir die dem Kephas gewordene als die erste
Eählen, nnd die Emmanntische als die Ewcire: so wfirde
Bwischen diese und die vor den Eilfen am Abend des Auf*
erstehnngstags in Jerusalem diese galilfiische als die dritte
fallen, was eine gane unmöglich aohnelle Ortsverlndertii|
Foraoesetsen würde; Ja, w^nn Jene Erscheinung vor dei
versammelten Eilfen diejenige ist, bei welcher nach Jo>
hannes Thomas fehlte: so fiele die dritte Erscheinonf bei
Johannes vor seine erste. Vielleicht aber, wenn wir tlei
Ausdruck : ifavfQo'tih^ %dig fua&r^TaTg amä betrachten, d8^
feil wir nur solche Erscheinungen von Johannes geti>\ik
uns denlien , welche vor mehreren JOngern eogleich iiA
ereigneten , so dafd also die Erscheinungen vor dem eto-
aigen Petrus undJakobos abanrechnen wären. Uennwlre
als die erste au suhlen die den beiden EmmanneiKhen
Jflngern gewordene, als die aweite die vor den vrr»a»
melten Eilfen am Abend des Anferstehungstags: so dafs
nunmehr in die acht Tage swischen dieser nnd der rar
Thomas die Reise nach Galilfia awar etwas bequemer Mf^
aber auch so die dritte Erscheinung bei Johannes went^
stens vor seine aweite. Es erschienen also wohl deai Ver
faaser des vierten Evangeliums awei Jünger, wie dir, de-
Viertes Kapitel. %. 13G. ^7
nen Jesos «af dem Weg nach Emmaas begegnete, als eine
an geringe Zahl, um eine nnr so Helen sn Tbeil gewor-
dene Chriatophanie als ein q>ay^q5ad-ai zdig ^adrfldig £a
suhlen. Dann wäre also der Eintritt in die JOngerver>'
sammlong am Abend die erste Erscheinung ; hierauf wären
die 500 Brüder, welchen sich Jesus auf Einmal ceigte^ ge*
wifs sahireich genug, um in Anschlag gebracht bu wer«
den: so dafs also nach dieser, dann aber immer wieder
vor der dem Thomas und den anogoloig naai gewordenen,
welche Johannes als die Eweite slhlt, seine dritte, die ga«
lilfiisehe, eingeschoben werden müfste. Vielleicht aber ist
jene Erscheinung Jesu vor den Ffinfhonderten später sn
ietsen , so dafs nach jenem Eintritt Jes0 in d^e Jünger»
Versammlung sunächst die Scene mit Thomas, nach dieser
die am galiläischen See, und hierauf erst der den Fünf-
honderten gewährte Anblick folgen würde. Dann aber
mufflte , wenn doch die Erscheinung vor Thomas diesellie
lein soll mit der fünften bei'm Apostel Paulos, dieser die
beiden letzten Erscheinungen, welche er aofsählt, umge-
Btellt haben, wobu doch Itein Grund vorhanden war: viel«
mehr lag ea näher, die Erscheinung vor 500 Brüdern, als
iie gewichtigste, suletEt sn stellen. Es bliebe also nichts
übrig , als au sagen , Johannes habe unter den ^tad^aJg
mmer nnr eine grüfsere oder kleinere Versammlung von
Aposteln yerstanden: unter den Fünfhunderten aber seien
(eine Apostel gewesen; defswegen habe er auch (diese über-
langen, und so mit Recht die Erscheinung am See Tiberias als
lie dritte gesfihlt : wenn diese nämlioh vor der auf dem
aliläisehen Berge stattgefunden haben könnte , was naeh
lem Obigen undenkbar ist. Sind schon die bisher anbe-
nemungaweise versncliten Auskünfte zumTheil lächerlich
enug: so hat dieselben neuerdings Kkrn noch überboten
nrch den mit grofser Zuversicht vorgetragenen Einfall,
ohannea wolle hier nicht die Erscheinungen, sondern die
Rge zkhlen, an welchem Erscheinungen des Anferstande-
Da* Leben Jesu Zte Aufl. ii. Band. 42
058 Dritter Abschnitt.
nen «tattgefanden , so dafs rSro ijdtj T^/rov iqiCtt*eQia&ij 6 */.
T<H$ fiaih/cals heifsen soll: |et£t war Jesos deo Seinigen
bereits an drei verschiedenen Tagen erschienen: n&mlich
film Anferstehnngstage viermal ; dann acht Tage daraof ein-
inal ; jetzt, einige Tage spfiter, wieder ^'). Vielmehr bleibt
nichts übrig, als sn bekennen, der vierte Evangelist sihle
nur diejenigen Erscheinungen -Jesu vor seinen Jfingen,
welche er selbst ercfihlt hatte ; und davon wird der Grund
schwerlich gewesen seini dafs ihm die übrigen aos ii^end
welchen Ursachen minder bedeutend schienen, sondern,
dafs er nichts von denselben wuPste ^^. Wie denn auch
wiederum Matthttus mit seiner letuten galilfiischen Ersehet-
nung nichts von den jerasalemischen des Johannes gewolst
haben kann; denn wenn sich in der ersten von dieses
beiden sehn Apostel, in der sweiten aber selbst Thoasi
von der Realität der Aufersrehung Jesu überseugt faattea:
so konnten nicht bei jener späteren Erscheinung aof den
galilfiischen Berge noch einige von den Eilfen (denn nir
diese Ififst Matthäus dorthin kommen) Zweifel haben («t
de idlgacixv V« 17.)* Endlich aber; wenn Jesus hier sei-
nen Jüngern schon die leteten Befehle, lehrend und tso-
fend in alle Welt an gehen , und die Zusage , alle Tsg»
bis cum Ende des gegenwArtigen Äon bei ihnen an aeiB,
was gana Worte eines Scheidenden sind, gegeben hatte:
so kann er nicht später noch einmal, wie die Apostelge*
schiebte im Eingang meldet, bei Jerusalem ihnen die leli'
ten Aufträge ertheilt, und Abschied von ihnen genomawn
haben. Nach dem Schlüsse des Lukasevangeituma ftilt
dieser Abschnitt im Gegentheil viel früher, ala er nach
Matthäus au denken wäre, und der Schlufs des Markas-
evangeliums legt dem noch am Tage der Auferslebnog aa
19) Hauptthatsachen, a. a. O. S. 47.
20) Vgl. DB Wrrrs, exeg. -Handb. 1, 3, S. 205.. 210; Weit», die
evang. Gesch. 2, S. 409.
Viertes Kapitel. $. 136. 65(1
tlerasalem von seinen Jfingern Scheidenden «am Theil
dieselben Worte In den Mand, welche nach Matthlfos in
GalilXa, and jedenfalls spXter als am Anferstehnngstage,
gesprochen sind. Darauf, dafs die zwei Bücher des Einen
Lakas in Bezog auf den Zeitraum^ wfibrend dessen Jesaa
nach seiner Aaferstehong noch erschien , so weit von ein-
ander abgehen, dafs das eine diesen Zeitraum als etntffgig,
das andere als vierzigtffgig bestimmt, kann erst tiefer un-
ten nfihere Rücksicht genommen werden.
Wenn so die verschiedenen eTangeliscben Berichter»
statter der Erscheinongen Jesa nach seiner Anferstehnng
nor in wenigen derselben zusammenstimmen ; wenn die
Ortsbezeichnung des einen die von den fibrlgcn berichte*
ten Erscheinungen aasschliefst ; die Zeitbestimmung eines
andern fdr die Erzfihlongen der übrigen keine Frist Ififst;
die Zilhlang eines dritten ohne alle Rflcksicht auf die an-
dern angelegt ist; endlich unter mehreren von verschiede-
nen Referenten berichteten Erscheinungen Jede die letzte
sein will, und doch mit den fibrigen nichts gemein hat:
80 mflfste man absichtlich blind sein wollen , wenn man
Dicht anerkennen würde, daCs keinier der Berichterstatter
das, was der andere berichtet, kannte und voraussetzte;
dafs jeder die Sache wieder anders gehört hatte ; dafs so-
mit aber die Erscheinungen des auferstandenen Jesus frOh-
eeitig nur schwankende und vielfach variirte Gerüchte im
Umlsnf weren ^')-
Dadurch wird übrigens die Stelle aus dem ersten Ko-
rintherbriefe nicht erschüttert, welcher^ unzweifelhaft ficht,'
etwa um das Jahr 59 nach Christo, mithin^ noch keine
30 Jahre nach seiner Auferstehung, geschrieben ist. Die-
ser Nachrieht <nüssen wir das glauben, dafs viele zur
20) Vgl. Kaisbr, bibl. Thcol. 1, S. 254 ff. ; db Wbtt«, s. s. O. ;
Ammoh , Fortbildung, 2, i, Hap. 1 ; Waissa , die cvang, Ge^
schichte^ 2, 7te8 Buch.
42*
660 Dritter AbsohiiitU
Zeit der Al>fa88ang des Briefs noch lebende Mitglieder
der ersten Gemeinde, namentlich die Apostel, fiberzeugt
waren, Erscheinungen des aoferstan denen Christas gehabt
2u haben. Ob faiemit auch das schon gegeben ist, dafs
diesen Erscheinungen etwas objectiF Wirkliches zum
Grunde lag, wird später zur Untersuchung kommen; fiber
den gegenwärtigen Punkt, die Abweichung der Evange>
listen, namentlich in Hinsicht der Oertlichkeit, ist aus der
Stelle des Paulus keine Entscheidung zu entnehmen, so-
fern er keine jener Erscheinungen näher beschrieben hat.
. S* 137.
«
Die QualitSft des Leibes und Wandels Jesu nach der
Auferstehung.
Wie haben wir uns nun aber diese Fortsetzung des
Lebens Jesu nach der Auferstehung, und namentlich die
Beschaffenheit seines Leibes in dieser Periode voreostel-
len? Zu dem Ende müssen wir die einzelnen Erzfihluogea
von den Erscheinungen des Auferstandenen noch einmal
durchsehen.
Mach Matthäus begegnet CdmjiTf^ev) Jesus am Auf-
erstehungsmorgen den vomGrabe zurückeilenden Weibern;
sie erkennen ihn , umfassen verehrungsvoll seine Filfse,
worauf er zu ihnen spricht« Bei der zweiten ZusammeB«
kunft auf dem galiläischen Berge sehen ihn die Jünger
Cido^Tfc), doch zweifeln einige noch, und auch hier spricht
Jesus zu ihnen« Von der Art, wie er kam und ging, wird
hier nichts Näheres gesagt.
Bei Lukas gesellt sich Jesus zu zwei Jfingem, die
auf dem Wege von Jerusalem in das benaehbarte Dorf
Emmaus waren (Jyylaag aw&toqeveco avTdii;}^ diese erken-
nen ihn unterwegs nicht, was Lukas einem durch hShere
Einwirkung in ihnen hervorgebrachten subjectiven Hinder-
nifs Col SifO-alficl avzwv exQcctSvTo^ tS fnij imyvbk'ai cnVoi)}
und erst Markus, der dieses Ereignifs in wenige Worte
Viertes Kapitel. $. 137. 661
zosammendrfingt, einer objectireo. Veränderang seiner Ge-
stalt Boschreibt (ev krigif fMQq>fi)* Auf dem Weg unter*
hfilt sich Jesus mit den beiden , begleitet sie nach der An*
iKunft ins Dorf auf ihre Einladung in ihr Quartier^ setst
sich mit ihnen an Tisehe, und flbernimmt nach seiner Ge-
wohnheit das Brechen und Vertheilen des Brotes, in die-
sem Angenblicke weicht yon den Augen der Jünger der
wunderbare Bann, und sie erkennen ihn ^): aber in dem-
selben Momente wird er ihnen unsichtbar (joiqxxmog iyivezo
aji ccvTcSy)- Ebenso plötalich, wie er hier verschwand,
scheint er sich unmittelbar ^nachher in der Versammlung
der J Anger geseigt au hallen, wenn es heilst, er hal>e mit
Einem Male in ihrer Mitte gestanden (Ig^ iv fdof crt^cJv),
und sie, hierüber erschrocken, haben geglaubt, einen Geist
cn sehen. Um ihnen diese ängstigende Meinung an be-
nehmen, aeigte ihnen Jesus seine Hfinde und Ffilse, und
forderte sie sum Betasten anf, damit sie durch die Wahr-
nehmung seines * (Fcx^or xal dgia . enthaltenden Leibes sich
fiberseugen könnten, dafs er kein Gespenst sei; auch lieb
er sich ein Stück Bratfisch and etwas von einem Honigku-
chen gelten, und Versehrte es vor ihren Augen. Die dem
Simon au Theil gewordene Erscheinung lälst Lukas durch
äq>ih^ beseiohnen, was. auch Paulus im ersten Korintber-
briefe für alle dort aufgeslhlten Christophanien gebraucht,
und sfimmtliche Erscheinungen des Auferstandenen wäh-
rend der Tieraig Tage fafst Lukas A. G. 1, 3. in dem Aus-
druck arvTceyo/nevog f A. G. IB, 40. durch ifig}av^ yevia%^ai^
aasammen ; ähnlich wie Markus die Erscheinung to^ Mag-
dalena durch ifpdvrjy die ror den wandernden Jüngern
und vor den Eilfen durch eq'ta'BQci&Tj, Johannes aber die
1) Dass et die bei'm Brotbrechen sich enthüllenden Nägelmale
in den Händen gewesen seien, an welchen hier Jesus erkannt
wurde (Paulus, excg. Handh. 3, b, S. 882; KvinDl, in Luc.
P- 7340.1 ist ohne alle Andeutung im Text.
662 ^ Dritter Abschnitt.
Erscheinung am See Tiberias durch iq^avsQwüfv ictvcoi' be-
Eelchoety and sämmtiiche Christophauien , die er ersfihlt
hat, anter den Aasdrack iq:aveq(a%h} fafit. Bei Markos
und Lakat kouihit hierauf als Schlafs des irdischer. Wan-
dels des Auferstandenen diefs hincu , dafs er vor den Äo-
gen der Jünger weggenommen , und (durch eine Wolke^
nach A. G. 1, 9.) anm Himmel emporgetragen wurde.
Im vierten Evangeliam steht Jesus suerst, als Harn
Magdalena sich vom Grabe umwendet, hinter ihr, doch
erkennt sie ihn auch auf eine Anrede hin nicht, sondern
hfilt ihn für den GjErtnev, bis 6r sie (mit dem ihr so wohl
bekannten Tone) bei Namen nendt. Wie sie ihm hieraiif
ilire Verehrung beceigen will, hält sie Jesus durch die
Worte fxf^ fiö aitcH ab, und sendet sie mit Botschaft
so den J fingern. Die Eweite johanneische Erscheinoag
Jesu fiel unter besonders merkwürdigen Umständen vor.
Die Jünger waren ans Furcht vor den feindlich gesinotea
Juden bei verschlossenen Thfiren versammelt: da kan auf
einmal Jesus, steilte sich in ihre Mitte, begrüfste sie, anil
seigte ihnen — wahrscheinlich blofs dem Gesichte — seine
Hände und seine Seite, um sich als den Gefcreoeigten
kenntlich zu machen. Ais Thomas , der damals nicht bo-
gegen gewesen war, durch den Bericht seiner HitjQoger
von der Realität dieser Erscheinung sich nicht fiberseogen
liefe I and zu dem Eiide die Wundenmale Jesu selbst n
sehen und zu betasten verlangte : gewährte ihm Jesns bd
einer acht Tage darauf anter denselben Cmstfindeo wis"
derholten Erscheinung auch diefs, indem er ihn die NS*
gelmale in seinen Händen und die Stichwandp in seiner
Seite befühlen liefe. Endlich bei der Erscheinung am ga-
liiäischen See stand Jesns in der Morgendämmerung , un-
erkannt von den im Schiffe befindlichen Jüngern, am
Ufer, fragte sie um ein Gericht Fische, und wurde hie^
auf an dem reichen Fischzuge, den er ihnen gewährte,
von Johannes. erkannt; doch so, dafs die an's Land ge-
Viertes KapiteL §. 137. M3
stiegenen Jttnger Dkbt fragten ^ ihn sa frageo, ob er et
wirklich sei. Hieranf Tertheilto er Brot und Fitehe un-
ter sie, wovon ler ohne Zweifel telbtt auch mitgenob,
und liatte hernaeb mit Joliannet nnd Petent eine Unter-
redung' ^*
Sind nun die beiden Hauptvorttellnngen, die man von
dem Lel»en Jetn naeh teiner Anferttebung iiaben liann,
2) Von demjenigen Theile dieser Unterredung, welcher den Jo-
hannes betrifft*, ist schon oben (§. 114.) die Rede gewesen.
Den Petrus anlangend bezieht sich die dreimal wiederholte
Frage Jesu : ayanug oder tpiifti ftt ; der gewtthniichen Ansicht
nach auf seine ebenso oft wiederholte Verläugnong; dem
ore ^g vMTf^og , i^tiyrvfg cfouroy nai nf^nnarftg ' otkm ^&f2eg' orar
Sk Y>i^ac^j ixTCrttg ras X^^^^ ^** ^ fiXXoi .a« t^toatt xtu, ot^fi on» a
iHltt<: (V. 18 ip) aber wird vom Evangelisten seihst die Deu-
tung gegeben, Jesus habe es zu Petrus gesprochen, aij^uatyü>y,
Ttoito ^avaru) So-aiH Tor dfov. Diess müsste auf die Kreuzigung
geh^n, was der kirchlichen Sage zufolge (Tcrtull. depraescr.
haer. 36. Euseb. H. B. 2, 25.) die Todesart des Petrus war^
und auf welche im Sinne des Evangelisten auch dat axolit^i
fioi V. 30 und 22. (d. h. folge mir in der gleichen Todeaart)
hinzuweisen scheint. Allein gerade der Hauptzug bei dieser
Deutung, das mkvn% Tai /^'e^S} ^st hier so gestellt, dass die
Beziehung auf die Kreuzigung unmöglich wird, nämlich vor
die Abführung, wohin man nicht will^ umgekehrt das Gür-
ten, was doch nur das Binden zum Behuf der Abführung
bedeuten kann, sollte vor dem Ausstrecken der Hände am
Kreuze stehen. Sieht man von der Deutung ab, welche der
Referent, wie auch L6ckb (S. 703.) zugesteht, ew ^wntu,
den Worten Jesu gibt: so scheinen diese nichts als den Ge-
meinplatz von der Hülflosigkeit des Alters im Gegensatze zu
der Rüstigkeit der Jugend zu enthalten , worüber auch .das
oiofi Jan» H d-^Xfii nicht hinausgeht. Der Verfasser von Job. 21.
aber, dem die Worte, sei es als Ausspruch Jesu, oder wie
sonst, bekannt waren, glaubte sie in der Weise des vierten
Evangeliums als verdeckte Weissagung auf den Kreuzestod
des Petrus verwenden zu k'tfnnen.
6G6 Dritter AbschnitL
iiang im fi*arigen Bosch, 2 Mos. 3, 2« LXX; oTrrovo/iei*«.
wie die Erscheinung des Engels, Tob. 12, 19« ; iq^uvr^ wi»
die Engeleritcheinongen Mafth. 1. und 2. , beoeiebnet sind,
auf etwas Uebermenscbliches fainsoweisen scheinen. Kt-
stimnokter aber aber steht dem natürlichen Gehen und Koa-
men, welches bei einigen Soenen Foransgesetst iirerden
kann, in andern ein piötsliches Erseheinen und Verschwia-
den ; der Annafalme eines gewöhniieben menschliolieii Kör^
pers das öftere Nichterlianntwerden , ja die ausdrficJilicbs
ErwMhnong einer hiQa f^OQfi^, entgegen; liaaptefichliefa
aber scheint der Betastbarkeit des Leibes Jesu die Flb^^
keit SU widerstreben, welche iiim Johannes, den erst««
Eindruclie seiner Worte snfolge, leiht: durch Terscbloasens
Tbilren einsogeben. Allein, dafs Maria Magdalena Jesoa
Anfangs ffir den Kr/asqog hielt, davon glauben seibat aolcbe
Ausleger, welche sich sonst vor dem Wunderbaren iLeiDes-
wegs scheuen, den Grund darin suchen au dfirfen, daf<
Jesus von dem Gfirtner, der wohl in der Nfthe der Gruft
seine Wohnung gehabt haben möge, sich einen Ansug habe
geben lassen; wosu sowohl hier als bei dem Gange nacb
fimmaus die Entsteilung des Angesichts Jesu dureh die
Qualen der Kreuzigung beigetragen haben möge^ und elMa
nur dieses beides soll auch durch die niqa ffiO(xpj} bsi
Markus ansgedrficbt werden^). Denselben Emmauntischea
Jüngern habe sich* Jesus sofort in der freudigen Bestlir-
sung, welche djis plötellche Wiedererkennen des Todtge-
glaubten verursachte, leicht auf die natfirlicbste Weise aa-
bemerkt entziehen können; was dann von ihnen, denen
die ganze Sache mit Jesu WiederbebAung ein Wunder
war, ffir ein oberirdisches Verschwinden gebalten wordea
sei ^). Auch in dem egtj iv fieatfi avziSv oder dg t6 fdaat
4) Tholuck, z. d. St., vgl. Paulus, cxeg. Handb. 3, b, S. S66.
8S1. Eine ähnliche naturliche Erklärung hat neucstens I^-
CKi von Hu« angenommen.
5) Taulus, a. a. O. S. 8S2.
Viertes Kapitel. $.137. 067
lege, boihaI bei Johannes, ifvo das ordentliche ^l&sv und
^Xerai dabeistehe, nichts DebernatfirJiebes , sondern nur
lie fiberrascbende Ankunft eines Solehen , von dem man
;erade gesprochen bat, ohne ihn su erwartenj und ffir ein
zyevfia haben ihn die Versammelten gebalten, nicht weil
sr auf ivunderbare Weise eingetreten war, sondern weil
lie an die wirkliche Wiederbelebung des Gestorbenen nicht
;lanben konnten ^). Selbst der Zog endlich, von welchem
man meinen sollte, er sei gegen die Ansicht von dem Le-
ben des Auferstandenem als einem natfirlich menschlichen
sntscheidend , das li^€a<^at dvQtay x&deiafiivanf bei Johan-
nes, ist l&ngst sogar von or#>*odoxen Theologen so geden-
tet worden, dafs es jener Ansicht nicht mehr entgegen
ist. Abgesehen von Erklärungen, wie die HauMAKN'sche,
die OiüQai seien nicht die des Versammlungshauses der
Jfinger, aondern Oberhaupt die Thttren in Jerusalem, und
die Angabe, dafs sie verschlossen gewesen, "^sei eine Be*
seichnang[ derjenigen Stunde in der Macht, in welcher
man die 'IbjOren su schliefsen gepflegt habe, der ffoßa^
titiv *£adaiwv aber gebe nicht den Grund des TbOrschliersens,
sondern des Zusammenseins der Jttnger an, — so bezeich-
net selbst Calvin die Meinung , dafs der Leib des Aufer-
standenen per medium ferrum et asseres hindurchgedrun-
gen sei , als pueriles argutiae, wosu der Text keine Vers
aniassnng gebe, welcher nicht sage, Jesus sei per janiUM
clausas eingedrungen, sondern nur, er sei plötslich ^nter
seine Jflnger getreten, cum clausae essent jamtae 0* Den-
noch hAlt Calvin den Eintritt Jesu, von welchem hier Jo-
hannes spricht, als ein Wunder fest, welches dann näher
dahin su bestimmen wäre, Jesus sei eingetreten, cumfores
clausae fuissenty sed quae Domino veniente subito patuei'unt
€id nutum divinae majestatis ejus 0« Während neuere Or-
6) Paulus, a. a. O. S. 883. 93 ; Luckb, 2, S. 684 f.
7) CALvni) Comm. in Job. z. d. St. p. 363 f. ed. TnoLtCK.
8) So SviCBB; Thes. s. v. ^t;^a. Vgl. Michablis, S. 265.
60S Dritter Abtchoitt.
thoiloxe nur das Unbestimmte retten, dafs bei diesem
tritt Jesu etwas Wunderbares — qnaasgemaeht , welcber
Art — »tatfgefanden habe ^: hat der Rationalismiit au
demselben das Wonrierbare vollends gans so verluinnci
gewufst. Die versehlossenen Thflren seieo Jesu von Meo-
schenbfinden geöffnet worden; was Johannes nardefswegcs
2u berichten unterlasse, weil es sich Ton selbst versteh«,
Ja abgeschmackt gewesen wffre, wenn er gesagt hfitte: «e
machten ihm die Thüreo anf, und er ging hinein ^^.
AUein bei dieser Deutung des BQXitai %uiv S^^hhUv «
xlnaidiuor sind die Theologen lieineswegs nnliefangen |>»>
wenten. Am wenigsten Calvin;' denn wenn er sagt, dk
Papisten behaupten ein wirkliches Durebdringen des Lei-
bes Jesu durch geschlossene Thflren defswegen, ut corpu
Ckristi immensum esse, nuUoqne loco cantmeri obiineta^:
so sträubt er sich mithin gegen jene Auslegung der johaa-
neischen Worte nur defswegen so, um der ihm anatöfsigeB
Lehre von der Dbiquitfit des Leibes Jesu keine Stfitee n
geben. Die neueren Ausleger dagegen hatten das Inte^
esse, dem Widerspruch aussuweiehen , welcher naeh aa-
sern Einsichten darin liegt, dafs ein Körper sagieieh ass
fester Materie besteben, and doeh durch andre feste Mt-
terie ungehindert sollte hindurchgehen können; allein, da
wir nicht wissen , ob diefs auch auf dem Standpunkte der
N» T* liehen Schriftsteller ein Widerspruch war, ao gSbc
ans die Scheue vor einem solchen kein Recht, Jener Dea-
tung, sofern sie als die textgemäfse sieh seigen sollte, vai
SU entaieben. Hier könnte man nun allerdings das rr^
ihvQoiv iCBxlsiaitievüJV annfichst lediglich als Beseicfannng das
ängstlichen Zustandes fassen, in welchen dieJfinger dareh
9) TuoLUCK und OLsaAUiair, z. d. St.
10) Oribsbacb^ Vorlesangen Über Hermeneutik , S. S05 > Facus
S. 855. Vgl. UcKs, 2, S. 683 ff.
Viertes KapiteL §. 137. 669
lie Hinricblong Jesa versetst waren. D«eh| schon ilafa
liese MotiB bei der Erscheionng Jean vor Thoaiaa wieder-
iolt ist, erregt Bedenken ; da, wenn doreh dieselbe weiter
richts, als das Angegebene, gesagt sein 8oll| es sich kaum
erlohnte, sie za wiederholen ^^). Wenn non bei diesem
;weiten Falle jener timnd, warum die ThQren verschlos«
en waren, weggelassen , dagegen mit dem twv d^v(HJiv xe-
'Xiia^hunß das tQxazai unmittelbar rerbanden ist: so wird
ler Sehein cor Wahrscheinliehkeit, dafs durch jeneNotis
:aglmcb die Art des Kommens Jesa näher bestimmt wer-
len solle ^^. Ist femer mit der wiederholten Angabe, Je-
ins sei bei Forsohlossenen Thfiren gekommen, wiederholt
las'r^j^ US to fiioov verbunden, was, auch in Verbindung
nit 7}>U>ey, wozu es sich als nähere Bestimmung verhalt,
immer ein plötzliches Dastehen Jesu, ohne dafs man ihn hatte
lommen sehen, ausdrfickt: so erhellt ans diesen ZOgen zu-
lammen anläugbar wenigstens so viel, dafs hier von einen^
Kommen ohne die gewöhnlichen Vermittlungen, mithin von
nnem wunderbaren, die Rede ist. Dafs aber dieses Wun-
ler nicht in einem Dringen durch die Dielen der TfaOren
bestanden habe, daffir berufen sich aucb die Wunder^
Ereonde anter den Auslegern sehr zuversichtlicli darauf,
lab es Ja nirgends heifse, er sei dia zah dvqviv xfxkaiafd^
vofv hereingekommen ''). Allein das will der Evaiigelisl
loch gar siicht bestimmen, dafs Jesus, wie Michaeus sicii
lusdrfickt, gerade durch die Poren des Holzes an der Thüre
in das Zimmer gedrungen sei, sondern seine Meinung ist
lor, die Thfiren seien verschlossen gewesen und geblieben^
snd doch habe Jesus auf Einmal im Zimmer gestanden^
vrelcbem also Wände, Tbdren , kurz alle materiellen Zwi-
il) 8. TaoLVCx und ob Wbttb s. d. St,
i2) Vgl. Olshausb») 2, S. 531. Anm.
13) So, ausser GALria, LOckb, a. a. O.; Olsbaoibii, 530 f.
1^0 Dritter Absehoitt.
schenlagen, kein Hinderniri gewesen seien, bereincukon-
men. Statt ihrer unbilligen Forderung an uns also, ihacf
im Texte des Johannes eine Bestimmung nachzaweiMt
welche dieser gar nicht geben will , mfissen wir Tieinelr
Ton ihnen verlangen, uns zu erUSren, wamui er dma(wn-
derbare) Aufgehen der Thttren , wenn er ein solches tw-
ausaetstte, nicht hervorgehoben hat ? In /dieser Hinsicbt i«
es sehr unglücklich, dafs Calvin sich auf A. G. 12, 6 f
beruft, wo von Petrus ersfihlt werde, er sei aas dem ta-
schlossenen Kerker entkommen, ohne dafs Jemand dsns
denke , die Thfiren seien versclüossen geblietMn , and er
durch Bretter und £isen hindurchgedrungen. Natfirlkt
nicht ; weil hier von der eisernen GefXngnlfspforte, wetek
Eur Stadt fOhrte, ausdrücklich gesagt wird: ijng cnkoiicv^
i^olx^ avTOig (V. 10.)> «ine Bemerkung, welche, well w
eine schSne Anschauung des Wunders gibt, ge^ils aacL
uns^r Evangelist nicht beidemale weggelassen haben wfink.
wenn er an ein wunderbares Aufspringen der Thflre ge-
dacht hätte.
So wenig aber in dieser Johanneischen EneShlong du
CebernatOrlirhe sich beseitigen oder vermindern Ififst: m
wenig will die natlirliche Erklfirung der Ausdrücke geni-
gen, mit welchen Lukas das Kommen und Gehen Jesu be-
zeichnet. Denn wenn nach diesem Evangelisten sein Koa-
men ein g^xxi iv ftiüif tiov fta&r/i^fov, sein Gehen ein atfcr,-
Tog yivsad'ai an axrtviv war: so Ififst das Zusammentreffen
dieser Züge, mUeingerechnet noch den Schrecken der Jfia-
ger und ihren Wnbn, er sei ein Gespenst, sehweriicb sa
i>twas Anderes, als an ein wunderbares Erscheinen denkeo.
Ohnehin, wenn man sich das swar etwa noch vorsteilf»
könnte, wie Jesus in ein von Menschen erffliltes Zianer
auf natürliche Weise unbemerkt hineinkommen konnte:
so Ififst sich doch das auf keine Weise anschaulich machen«
wie es ihm sollte möglich gewesen sein, den swei Enni*
nntischen Jflogern, mit welchen er, wie es scheint, allein
Viertes Kapitel. $. 1^7. 671
Bu Tische safs , anbemerltt y und , oiine dafs sie ihm nach-
gehen lionnten, sich eu entsiehen ^^).
Dafs Marlios unter der trtQa fnoQff^ eine wunderbar
reränderte Gestalt yerstehe, hätte man niemals längnen sol-
len '^) ; doch hat diefs weniger Gewicht, weil es nur des
Referenten eigene Erklärung des Umstandes ist, welchen
Lukas, aber anders erlilärt, i|n die Hand, gab: dafs die
beiden Wanderer Jesum nicht erkannt haben. Dafs Maria
Magdalena Jesum für den Gärtner hielt, war nach der
(Vnsicht des Evangelisten schwerlich Folge entlehnter Gärt-
fierkleider: sondern, dafs sie ihn nicht kannte, wird man
lioh dem Geiste der Erzählung gemäfs entweder dnrch ein
toatflad-ai der Augen Magdalena's , oder ans einer hiqa
uoQifT] Jesu erklären mlissen; dafs sie ihn aber für den
Sfirtner ansah, kam dann einfach daher, dafs sie den un-
bekannten Mann im Garten traf. Auch eine Entstellung
Jesu dnrch die Qualen der Rreusigung, und ^in «llmähli-
ges Heilen seiner Wunden ansunehmen, sind wir 4nrch
die evangelischen Nachrichten nicht berechtigt. Das jo-
hanneische /^t/ fia ama^ wenn es Abwehr einer schmere-
lichen Berflhrung sein sollte, stfinde im Widerspruche nicht
blofs mit Matthäus, nach welchem Jesus an demselben Auf-
3rstehnngsmorgen dnrch die Frauen seine Pfifso umfassen
liefs, sondern auch mit Lulias, welchem zufolge er noch
im nämlichen Tage die Jünger auffordert, ihn su betasten,
■nd es fröge sich alsdann, welche Darstellung die richti-
gere wäre? Al>er es liegt Ja im Zusammenhange gar nichts,
^as darauf hinwiese , ' dafs Jesus sich das aTrveaO^ai eben
ils etwas Schmershaftes verbitte; sondern diefs kann ans
rerschiedenen Gründen geschehen sein: ans welchen, ist
>ei der Dunkelheit der Stelle bis jetat nicht zur Entschei-
iung gebracht ^^).
14) OLSnivssif, a. a. O. S. 530*
15) vgl. Fkitzschb , in Marc. , p. 725*
16) Die verschiedenen ErKlärungen s. bei Tholuck und Lücna,
e72 Dritter Absohnitc.
Die wunderlichste Verkebrong aber ist ei, wenn p-
sagt wird , die seltenen und knrsen Zusammenkflofte Jeu
mit/ seinen Jüngern nach der Auferstehong beweiten, dab
er für längere nnd häufigere Anstrengungen noch u
schwach, also ein naIOrlich Genesender^ gewesen seL Ebe»
wenn er auf diese Weise körperlicher Pflege bedfirfüg
war : so sollte er nicht telten , sondern immer bei seinn
Jüngern gewesen sein, welche die nächsten waren, tob
denen er eine solche Pflege zu erwarten hatte« Denn «•
aoU er nun in> den langen Zwischenseiten nwischen seina
Erscheinungen sich aufgehalten haben? in der Kinstmkeit?
im Freien ? in der Wüste und auf Bergen ? Das war keifl
Aufenthalt für einen Kranken, und es bleibt nichts fibri|,
als er müfste bei geheimen Verbündeten, von welchen selbit
seine Jünger nichts wufsten, verborgen gewesen sein. Eii
solches Geheimhalten seines eigentlichen Anfenthalti aber
selbst vor seinen Schülern , denen er nur selten , ond alt
Absicht plötalich sich einstellend und wieder entfernen^
sich i^eigte, wäre ein Spielen unter der Decke, ein fslscher
Schein des üebernatürliohen gewesen, welchen er ihnu
vorgemacht hätte , der uns Jesum und seine^anze Sacbe
in einem Lichte erscheinen liebe, welches dem Gegensun^
selbst, wie er übrigens in den Quellen vor uns liegt, frenil,
nur durch die Blendlaterne moderner, übrigens bereio
wieder verschollener, Vorstellungen auf denselben gevo^
fen ist. Die Ansicht der Evangelisten ist keine sndei«,
als dafs der Anferstandeoe' nach jenen kursen ErscheinoB-
gen unter den Seinigen sich wie ein höheres Wesen in die
Cnsichtbarkeit aurückgezogen habe , und aus dieser nie-
welcher letztere eine Acndorungder Lesart n'dthig findet. Ai'.^i>
die WiiftftR^sche Deutung der Worte (2, S. 395 ff.) musi ich,
obwohl mit der übrigen Ausßihrung, in deren Zusamme"-
hange sie vorkommt, einverstanden, als misslungeo i>^
trachten.
Viertes Kapitel $.137. tf^
der^ wo rniil wenn ei* es sweekmäfsig fand, herroi^kre-'*
ten sei •»)* ' ' l . »
SndKeh; wie ^wlli mun deh, bei der VoraasseCvung,
dsfs Jesus dorch die Anferstehong in ein reib nafüHlKlies
Leben sttrilebgebehrt sei, das Ende desselben' deiilien?
Conseqnenterweise mofs man ihn, sei es lSngei4 ^ oder
kllrsere Zeit nacli seiner Wiederbelebung eines nültfiriiohen
Todes sterilen lassen ; wie anch Paulus aadentet, daß der
slteu heftig affieirte Leib Jesu, unerachtet er sieh von iler
todfthnliehett Erstarrung am Kreuze wieder erliött hatt^
doeh dnreh natürÜehes KrSnkeln und versehrendes Flober
vollends aufgerieben worden sei ^^. Dafs diefs wenigstitris'
die Ansieilt der Evangelisten vom Ende Ihres Christus nleht
sei, iat offenbar, da ihn die einen von ibneii wie einen
Unsterbliehen von den Jüngern Abschied n^bmeh, die an-
dorn ihn alchtbar In den Himmel sieb erbeben lassen. Vor
der Himmelfahrt also spfitestens mfifste, wenn liis*diihin
Jesus einen natttrliehen mensehlichen Leib beibehalten
iHitte, eine Veränderung mit demselben vorgegangen sein*,*
ivelche ihn supi Aufenthalt in den himmiisehen Regiofnen
bellbigte; es mOfste die Sehlaeke der groben LeiUiehkeit
niedergefallen, und nur etwa der feinste Extraot derselben
nitemporgestiegen sein. Davon aber , dafs von dem siim
Himmel sich erhebenden Jesus irgend'ein materieller Geber-'
rest Eurfiekgeblieben, melden die Evangelisten nicfits, und
la es die ausehauenden Jfinger doch bemerkt haben mflfs-
*en, so bleibt für diese Ansicht am Ende nichts, als diä
luskunft Jenes Theologen aus der TllBinger Schule, das
lesidoom von Jesu Leibliehkeit sei jene Wolke gewesen.
i7) Vgl. hiefUr betondert Wkissi, a. a. O. S. 339 ff«
18} Brbkivbckb, biblischer Beweift, dass Jesus nach seiner Aufef-
stebong noch 27 Jahre leibhaftig auf P>den gelobt , und zum
Wohle der Menschheit in dor Stille forl^ewirlit habe. 'lS19.
19) a. a. O. S. 795. 925.
Df/x Leden Jexu Ue Aufl. El. Band 43
074 Dritter AbiehDltl.
dl0 ihn bei der Hloiiiielf ehrt mnhaUte, In welche deh, mu
materiell an ihm war , aafgelöit habe and gleiehiam nt-
pufft aei ^. Oa aomit die BTangelisten daa Ende dm i^
disohen Wandele Jesu nach der Anferstehnng weder «li
einen natürlichen Tod sich vorstellen , noch bei der Hin*
melfahrt irgend* einer mit seinem Kdrper VorgegaageiM
Verfindemng gedenken, fiberdieia ans der Zeit swUdM
der Anferstehnng und Himmelfahrt Dinge von Jesu berieb-
ten, welche von einem natfirlichen Leib nndenkbar nad;
so können sie sich sein Leben seit der Änferstehnng siebt
als ein natfirliches , sondern nur als ein flbematQrUeh«^
und seinen Leib nicht als einen organisoh-materielleo, k»
dem nur sis einen Fcrkllrten rdrgestellt haben.
Dieser Vorstellung widersprechen auf dem Standpanlte
der Evangelisten auch diejenigen Zage nicht , welche <>
Freunde der rein uatttrlichen Ansicht vom Leben des Alf*
erstandenen fflr sich geltend nu machen pflegen. DafiJ»
aus afs und trank, das setate in dem beaeichneten Vortttl*
lungskreise so wenig ein wirkliches' BedOrfnUs bei ün
voraus, als das Mahl, welches Jehova mit nwm Engeio ba
Abraham einnahm : Essenkönnen bt hier kein Beweii 6r
Essenmttssen. Dafs er sich betasten liefe, war der «sai
mögliche Beweis gegen die Vermnthung, ein körperloni
Gespenst möge den Jüngern erschienen sein; auch G5U«^
wesen erschienen in alterthümllcher, nicht bIo(s grieebi-
scher, sondern (nach der oben angeführten Stelle, !• Hot»
32, 24.) ench hebräischer Vorstellung, bisweilen, betsstbar,
im Unterscliiede von wesenlosen Schatten,' nneracbtet at
sonst an die Oesetae der Materialität so wenig gebanda
sich neigten, als der betastbare Jesus, wenn er doch piöte-
90) Noch etwas über die Frage : warum haben die Apostel W-
• th'aut und Johannes nicht ebenso wie die swei Evangeütlefi
Markus und Lukas die Himmelfahrt ausfjlrttcklich eniblt'.
In SUsKiND^a Magazin, 17> S« 165 ff.
<:f -
Viertes Kapitel. (• 137. 67S
lieh Tertehwinden, und io TerteliloMene Zimnier ohne Htn-
derai£B*rindringen iionnte *')•
Eine ganz andere Frage iit , ob aoeh auf unserem,
dorch genauere Natorkenntnifs gebildeten Standpunkte jene
beiderlei Züge sich vertragen? Und da werden wir freilich
ssgen mfissen : ein Leib, der sichtbare Speise geniefst^ mnfs
aoeh selbst ein sichtbarer sein; der G/enofs der Speise
ietst einen Organismus voraus, der Orgaaismos aber ist
organisirte Materie, und diese hat die üigenschaft nicht,
in beliebigem Wechsel verschwinden und wieder sichtbar
werden bu können 2^. Gans besonders aber, wenn
der Leib Jesu sich betasten liefs, und Fleisch und Knochen
20 fahlen gab, so neigte er damit die Widerstandskraft
der Materie, und cwar wie sie ihr als fester eigenthamlich
ist: wenn er dagegen in verschlossene Hinser und Zimmer,
angellindert dnrcb daawischenliegende.Wfinde undThfiren,
einaugehen im Stande wer, so bewies er hiedorch, dafs
eben dif»e Widerstandskraft der festen Materie ihm nicht
ankam; indeipi er. also qach den evangelischen Berichten
dieselbe Eigenschafit um dieselbe Z^it gehabt und nicht ge»
babt haben mfifste : so aeigt sich die evangelische Darstel-
21) Das Schwebende der hier zom Grande Hegenden Vorstellung
drückt Origenes gut aus ^ wenn er , c. Gels. 2^ 62. von Jesu
sagt : xai rpf yt f^xa xrpr tcya^aotv avrü wKif^\ Iv ^«i^o^uo nvi rtj^
Tra^rrTO^ rii noo tm nai^Hg aofjuatog , xai th yvfxvrpf tounH Oiafiorog
22) Daher gesteht auch Kbiü» , ' dass er jen^ Zog bei Lukas mit
dem Uebrigcn nicht zu reimen wisse y und denselben für
etwas fspätercs Traditionelles halte (Hauptthats.., a. a. O.
S. 50.> Allein was hilft ihn diess , da ihm immer noch aus
Johannes die Betastharkeit hleibt, welche doch so gut wie
das Essen zu den „Bedin^ngen des irdischen Lehens, den
Verhältnissen der materiellen Welt" gehört , welchen der
LeiUb des Aulerstandenen nach Kküm's eigener Voraussetzung
9,nicht mehr unterwerfen" gewesen sein soll ?
4H'
076 Dritter Abschnitt.
lang der Leibliohkeit Jesu nach der Aoferstehiin^ aU eine
in sich widersprechende. Und swar ist dieser Widerspruch
nicht etwa von der Art, dafs er sich anter die verschie>
denen Berichterstatter vertheilte; sondern der Bericlit Ei>
nes and desselben Evangelisten schliefst jene widerspre-
chenden Zfige in sich. Der karse Bericht des MaCthSes
Kwar enthalt in dem ixQatTTüav mrS reg Tiodag CV. 90
nur das Moment der Betastbarkeit , ohne dafs ebenso eis
entgegengesetstes hervorgehoben wfire: bei Markas umge-
kehrt spricht sein iv hiQ(f ^iOQtffi (V. 12i) fSr etwas Uei;er-
natBrliches, ohne dafs andrerseits auch wieder das Gegn-
theil bestimmt vorausgesetzt wSrde: dagej;en spriebt bei
Lukas das Sichbetastenlassen and Essen* ebenso bestimmt
ffir organische Materialität, als das piStsliche Erseheines
und Verschwinden gegen eine solche; gans besonders hart
aber stofsen die Glieder dieses Widerspruchs im viertea
Evangelium leasammen, wo Jesus, unmittelbar naehdeis er
in das verschlossene Gemach unberfihrt darefa W finde 'imd
«
ThOren eingedrungen ist ^') , sich von dem sweiftliMlei
Thomas berfihreri läfst.
Die Debatte über die BealitÄt des Todes und der Aufer-
stehung Jesu. ^
Der Sats: einTodter ist wiederbelebt worden, ist am
Ewei so widersprechenden Bestandtheilen susammengesetst,
dafs immer, wenn man den einen festhalten will, der an-
23) Mit der Fähigkeit Jesu, durch verschlossene Tbiircn zo dria-
gen , fanden manche Kirchenväter uAd c/rthodoxe Thcologea
das nicht recht vereinbar, dasa zumBehufe der Auferstebusg
Jesu vorher der Stein vom €rabe gewälzt worden sein solle,
und behaupteten daher: 'r^üurrexit Christus dausö sepmia^
slve nondtim ah ostio sepulcri revduto per an^eftum It^ide.
yuBASifiDT, fhcol. didact. polcm. 5, p. 5*2.
viertes Kapitel. % tSS. (177
dere an «enebwioden droht Ist er ^irklkii wie«ler sum
Leben gekonmeDy eo liegt ee nahe, £o denken, er %rerde
nicht gen» todt gewesen sein; war er aber wirklich todt»
so hlit es schwer^ so glanbeo» daTs et wirkKck lebendig
geworden seL
Bd einer richtigen Ansidbt Aber das Verhäitnifs von
Seele ond Leib, welche diese beiden nieht alMtraet aosein-
anderbült, sondern sie sngleieb in ibrer.Ideetitft, die Seele
als die Innerlichkeit des Leü»es, den Leib ab die AenCier-
lichkeit der Seele begreift, weits man sehen gar nicht, wie
man sich die Widerlielebnng eines Todten nur vorstellen^
geschweige denn sie verstehen solle. Haben dieKrftfte nnd
ThitigkeiteB des Leibes einmal aufgehört, in denjenigeo
regierenden Mittelpunkt Ensammenaulanfen , welchen wie
die Seele nennen, deren Tbätigkeit, oder vielmehr sie eelfael,
in der nnnnterbrochenen Miederbaltung all^ andueo im
Körper möglichen Processe unter der höhereii Kinbeit des
organisehen Lebensprocesses, welche bei'm Mensohen ann
gleich die Basis des Geistigen i#t, bestellt: so treten Jn den
verschiedenen Theiien des Körpers jene andern, niedrigen
Prinoipien als herrschend auf, deren 6esebäft in seiner
Fortsetnnng die Verwesung ist* Haben diese einmal die
Herrscliaft angetreten: so werden sie nieht geneigt' sein,
sie an den vori|[en Herrn, die Seel^, aurflcknngeben ; oder
ridmehr ist diefs defswegen unmöglich , weil f gans abgon
sehen von der Fn^e über die ..Unsterblichkeit des mensch*
iicben Geistes, ndt Ihrer Herrschaft und Thitlgkeit, welche:
ihre ExiBtenm isti^tdie Seele als solche nn sein aufhört, mit-
ün bei einer Wjederbelebpng, selbst wenn man sich auf
im Wunder berufen wollte, diefs geradesn. in der £rschaf*
ong einer neuen , Seele bestehen mOfete.
Nur der popnlfirgewordene Dualismus in Beeng auf
las Verbfiltnifs ^von Leib und Seele begünstigt die Mei-
inug von der Möglichkeit einer eigentlichen Wiederbele-
luog. Da wird die Seele in ihrem Verhältnils num Kör-
*
678 Dritter Abschnitt.
per wie der. Vogel i^i^gestellt ^ welcher, wenn auch ebe
Weile ana dem Käfig entflogen , doch wieder eiogefaDgeo,
nnd in deofelben zarflct^girbraeht werden kann, and u
dergieioke* Bttder biUt sieh ein inuginirendea Denken, db
die Voratellnng.der Wiederbelebung featsnhalten. Doek
aelbst auf dem Standpttnkte' dieaea Dnaliamna versteckt «ick
die Dndenkbarkeit eines aoleben Voigangs mehr, ab lili
aie sich eigentlieh- yerringerte« Denn so gleichgllltig qhI
nnlebendig, wie bbi einer Sehaebtei nnd deren Inhalt, dirf
man sich doch daa Zusammensein des Leibs nnd der Seele
auch bei der abatractesCen Trennung nicht denken; sm*
dern die Gegenwart der Seele bringt im Körper Wirksif
gen hervor 9 welche hinwiederum die 8l5gliehkeit jener
ffegenwart der S^ele in ihm bedingen. Sobald also die
Seele den Körper verlassen hat, werden In diesem diejen*
gen Thltfgkelteii atiUe stehen , welche nach der dmlitti-
aoben Vorstellnngswelse die nnndttelbarsten AenlseningM
des KInflttssea der Seele waren ; ebendamit werden (b
Organe dieser ThKtigkeiten , Gehirn , Blut n. a. f., an sto-
cken und stKrr en werden beginnen, und swar wird dlea
Veränderung mit dem Aagenblioke des wirklichen Todei
Ihren Anfang nehmen. Könnte ea also auch dar entflob6
nen Stele einfallen, oder ate dnrch einen Andern dato ge-
nöthlgt werden, ihten -vorigen Wohnaits, den Korper, «i^
der aofisnsnchen: ao würde aie Ihn doch nach den erstes
Augenbiieken schon In seinen edelsten Theiien unbewohn-
bar und för Ihren Dienst untauglich finden. Wiederker
ateilen aber, wie ein krankea Glied, könnte sie die vo-
brauchbar gewordenen unmittelbarsten Organe Ihrer Wirt
aamkeit auf keine Weise, da sie, um Irgend etwaa im K5r
per an wirken, des Dienstes eben dieser Organe bedarf:
aie mfifste also, ob auch wieder In den Leib suriickgebaoDt,
denselben doch geradeau vermodern lassen, weil sie keioeo
Blnflnlä auf ihn anaaufiben im Stande wäre; oderesaififite
au dem Wander ihrer Zurfickfübrung in den Körper dii
Viertel Kapitel, f. 118. «•
sweite elderfteftaurtning ilmr elifettorbeiMii liSrperliehen
Organe liineiikeBMwn — ein nnMittelberes Bingreilin'Oet«
tm in den gesetsliehen Verfenf des Nntnrlebent, wie es
gelinterten Antiebten Ten dem Veriilltnift Gettea ■»
Welt widersprieht.
Sehr iMClMiBt liet datier die nevere BÜdnng In Be-
sag anf iesnm das DUeaini^ anfgesiellt , daTs er entii»
der nicht wilrklich gestoriben , oder oiieht wiriilieb anCor-
itsnden seL
Der Itationalisnivs hat sieh vorwiegend der ersteren
AnnaboM «ngewendeC Die linrae Zeit, welelie Jeans am
Kreaee hing) nnsammengenommen mit der sonst lieliannten
LsngBsmhett des Krennestodes ; die Ungewisse Besebaflen*
heit md Wirlinng des Lancenstiehs (welcher Tielleiebt
nicht einmal historisch Ist), schienen die WirkUehheit des
Todes cwMfelhaft nn machen. Dafs die VoUstreeker dar
Kreorignng, wie die Jflnger selbst, keinem selehen Zwei*
fei Raum geben, wfirde sieh anfser der allgemeinen Schwie-
rigkeit tMe Ohnmächten und synkoptiscbe Erstarmngen
▼om wirldiehen Tode an nnterscheiden, ans dem niedrigen
Stande der medicinischen Kenntntsse in Jener Zeit erldl-
ren ; wogegen wenigstens Sin Beispiel, dafs ein vom Krens
Abgenommener wieder genas, ein erielgtes Wiederanfleben
aoch bei Jesn denkbar nn auiehen schien« Dieses Beispiel
iodet sieh liei Josephns, welcher berichtet, da(s von drei
gekrenctgten Bekannten, die er von Titos losgebeten liabe,
nach der Abnahme TomKrense swei gestorlmn, einer aiwv
mit dem Leben davongekommen sei 0* Wie lange diese
i) Joseph* Tita, 75 : n9fif9tU ^ vni Tita Kataa^ 9w Kä^alUp neu
r9iy r,ifq&a Tijr V^Jf^r, and ftna SoMtM n^oatiSmt Tlr^ flnor. *0
.__ ' ^
«83 Dritter Ahsohnitt.
gen das Grabmal Jean eröffnet habe *)• Hiegegen haben
|edoch Andere darauf aufmerksam gemnehti wie die kihi
Luft in einer Höhle am wenigsten etwas Beleihendes habei
konnte; wie starke Aroroe in einem verschlossenen Ran«
vielmehr betitubend und erstickend wirken ^ ; die gleidM
Wirkung mflfste ein in die Gruft schlagender BlitestnU
gehabt haben , wenn dieser nicht blofse Erdichtung ratw-
naiisttsoher Ausleger wäre.
Dnerach'tei aller dieser Dnwabrschelnlichk^ten jedsek,
welche die Ansicht gegen sich hat, dafs Jesus ans eines
blofsen Scheintode durch natitriiche Ursachen wieder tis
Leben gekommen sei , bleibt sie doch Insoweit mSglieb,
dafs 9 wenn'tfns die Wiederbelebung Jesu -sicher verblirp
wäre, wir ads dbr EntschiediBnhei^ des ErfoFgs die Lfickei
der Berichte über den Hergang der Sache ergfincen , ood
der bisher vorgetragenen Ansicht , mit Abweisung Jedoek
aller bestimmteren Yermnthungen, beitreten könnten. Vcf
bflrgt wXre uns die Auferstehung Jesu , wenn sie von m-
parteiischen Zeugen auf bestimmte und snsammenstininieo-
de Weise beurkundet wäre. Aber eben die Dnparteilicfi-
keit der angeblichen Zeugen ftir die Auferstehung Jeen ha-
ben die Gegner des Christenthums von Celsas bis auf den
Wolfenbfittler Fragmentisten herab in Anspruch genoa-
dien. Nur seinen Anhängern habe sich Jesus geseilt:
warum nicht auch seinen Feinden, um auch sie sa flbe^
sengen, und durch ihr Zeugnifs der Nachwelt Jede Vc^
mnthung einer absichtlichen Täuschung von' Sdten teioer
Jfinger tn benehmen ? ^ So wenig Ich nun auch von dai
6) ScHUSTia, in £xcaMOBa*a allg. BibL 9» S. 1053.
7) Wxxaa, bibh Reslw. J, 8. 674.
8) Orig. C. Cele« ty 63 • Afrro retvra o KHoo^ t*M evxarenpfoiir^ <'
yfY^fifiira KaxoXof^i if^tVy Sn ?/^, «&rff(> oma$ &9{ar Syrafnr w-
jtpfgym il&eltr o *l. , auroU Tots Inij^aaaai m tu KaraSanöarri »
oUfi yrainy oip9ljr€a. — 67 5 » yo^ — Inl rSr en^/tf^ »fr ♦!?•
Viartea Kapitel. $. 138.
WS
BrwMmrmngem der Apologeten auf diesen Einwand halten
kann, tob dem Origeneiteben igfeldero yccg xal rS xcnad^
ycaaavTog itai vdSv imiQeaaarvwv 6 XQigog^ iVor fiij nata%9w'
oty aoqaalif *) Bn^ \A» anf die Meinungen der Neueren^
welche dnreh das Sehwanken swisehenr der Behauptung,
doroh eine solehe Brsoheinnng wXren die Feinde Jean cum
Glauben geuwongen worden, und der andern^ aie würden
aoch auf eine aolehe hin nloht geglaubt haben , aieh selbst
widerlegen ^^: so kann doch Jenem Bin wuHb das enfge*
gengehalten werden, dala die AnhXnger Jesu durch ihre
Hoffnnngsioaigkelt, welche, *wie aie aus der ZälMimmenstioH
mong der Berichte erhellt, ^*so der Natur dte* Baehe voll*
kommen ungemessen ist, kbk »um 'Ra0ge'-*mi)(arteiiscber
Zeugen sieh erbeben. Hfilten sie eine Aufni^tehung Jesu
erwartet, und sollten Wir diese nun allein uirf ihr Zeug^
niCi hin glauben: so wfire allerdings die Mflgtiohkeit, und
TieUeicht WahrsehelnUebkeit , wenn nicht eines absichtli*
eben Betrugs, doch onwillkffrlioher SellAttäuscbnDg ron
ihrer Seite Torhanden; diese rerschwindet aber in dem
Grade, als die Jünger Jesu nach seinem Tode alle Hoff*
neng verloren hatten. Da nun, wenn auch von den Evan-
gelien keines unmittelbar von einem Jünger Jesu herrüh-
ren seUte, di»oh aus den paultniseheu Briefen und def Apo-
stelgeschichte gewifs ist, dafs die Apostel selbst die Ueber-
seegung hatten, den Auferstandenen gesehen jbu haben : so
könnten wir uns an den N. T. liehen Zeugnissen für die
Anferstehnng Immerbin genügen lassen; wenn nar diese
'ira la»n. Vgl. dco Wolfenbüttler > bei LBiti^e, S. 450. 60.
92 ff. WooLSTOif^ Disc. 6. SnHOZA, ep. 23* ad Oldenburg,
p* 558 f. ed GvaöiisR. ,
^) «. a. O. 67. *'
10) Vgl. MosHXiM , in seiner Üeberaetzung der Schrift des Ort-
genet gegen den Celtus, s. d. angef. St. ; Michablis , Anni.
zum fönften Fragment , S. 407.
IK84 Dritter Abschnitt.
Zengnigse tiiell« bestimoil gen«g wMren , theil« rniter ein-
Ander, und jedes mit sioh selbst, Eusammenstiaifliteii. Nan
aber ist das in sich einstimmige nnd auch sotist gewidi*
tigste Zeagnifs des Paulus so allgemein und nnbestiiDiiit,
dafs es für* sich uns ifber die snbjective Th*tsaehe, di»
Jünger seien Ton der Auferstehung Jesu fiberseugt geu«>
sen, nicht hinausführt ; die besiimmteren Ermihlnngen der
Evangelien dagegen, in welcbcn die Auferstehung Jeso ab
objectiye Thutsache erscheint, sind ihrer anfgeeetgteo Wh
dersprfiche wegen nicht als Zeugnisse eu gebraacben,
llberbauptt2i«t ihr Bericht ff her den Wandel Jesu mA
seiner AnftrstebuBg^ i^ein in ticb BusammeBfaüngeadery ia
uns eine J^liure historische Atiißbaiiftng der Sache gibe,
sondern eint^lüignientafischer t\)^ der uns mehr eine Reik
von Visionepi., Als eine fortlaufisude Geschiehte aar in-
sohauung bringt»
Vergleicht man mit diesem Bericht ttber die Wiedo>
belebnng Jesu de« bestimmten in sich einstimmigen fibcr
seinen Tod: so m.ufs man in dem oben gestellten DÜHuit
auf die andre Seite sich neigen,- und eher die Realität der
Auferstehung, als die des Todes in Anspruch au nehoei
sich ver^nUfst finden. Auf diese Seite ist daher Mhoi
Celsus getreten, indem er die angebiiclien firacheinnogfi
Jesu nach der Auferstehung^ entvreder ans Selbstt&useboii;
seiner Airiifinger, namentUcb der Weiber, im Traum odar
Wachen, oder was ihm noch wahrscheinlicher war, «la*
absichtlichem Betrug ableitete f^j ^^^ Neuere > wie u-
> >
|1) Habe, L. J. §. 149; Diss. : Hbrorüm sacroram de J. Cbr. i
mortuis tevocato atquc in coelum sublato narrationem colb-
tit valgaribus iila aetate Judaeorum de mortc opioionibus iß*
terpretari conatus est C. A. Frb«b, p. 12 t, Wfiuse, ^
evang. Geschichte, 2, S. 368 iF.
12) Bei Orig. c. CeU. 2, 55: Wg r«ro elfh; (die durchbohrloi
Hände Jesu ; und überhaupt «piat lj)rachcinungen nach dc^
Viertes Kapitel. S- 138. 6a5
mentitoh der WdfenbOliler Fragmentist, haben sieh an die
JOdiscbe Be«chnldigan|[ bei Mattblns angeschlossen-, dnrs ,
die Jfinger den Leiebnan Jesn gestohlen, und hernach die
ErsShlangen Ton seiner Adferstehnng und den Erschei-
nungen nach derselben anf übel Ensammenstlmoiende Weise
erdichtet haben ^)« Dieser Verdacht ist sehon dorch die
Bemerlinng des Origenes niedergeschlagen, dafs eine selbst-
erfandene Lffge die Jünger nnmögtich so einer so stand*
haften Verliflindignng der Auferstehung Jesn unter den
gröfsten Gefahren hätte begeistern können ^*) , und mit
Recht bestehen noch jetst die Apologeten darauf, dafs der
angebeore Omschwnng von der tiefen Niedergeschlagenheit
und ginslichen Hoffnungalosigkeit der Jünger be} dem
Tode Jesn eo der tilaubenskraft und Begeisterung, mit
welcher aieam folgenden Pfingstfest ihn als Messias verkün-
digten, aicb nicht erUflren liefse, wenn nicht in der Zwi-
schensek etwas gann aufserordentlieh Ermuthlgendes vor-
gefallen wäre, und «war näher etwas, das sie von der
Wiederbelebung dea gekrevaigten Jesns überseugte '^.
Dafs aber dieses üeberzeugende gerade eine wirkliche i£r-
scheinnng des Auferstandenen, dafs es überhaupt einäurse-
rer Vorgang gewesen sein müsse, ist damit noch keines-
wegs beiviesen. Man könnte, wenn man anf sopraniitura«
Auf dr stehung) yin^ nd^ot^iiog, eaf tpen^f, xat d rtf aXlof rw/ ex r^f
avT^9 yotjTeCag^ tjroi ararra nva SiaS'fOiv ovniKo'la;^ v xata rtjr qvtm /9m-
h^tv ffo^tj Tifnlart^juivjj (payrctaua^etg , oTTfQ SiJ fiVQCoii avftßißtjxfv' ?,
onfQ fidtXXoy » »arTri^^at rif$ lonniq TJ( TffKtrtia ravrjn ^tJi^as , aral Sta
13) Das 5te Fragment, in LsttzKS^s 4tcm Beitrag. Woolstox,
Disc. 8.
14) a. a« O. 56.
15) Ullmaki«, was setzt die Stiftung der christlichen Kirche durch
einen Gekreuzigten voraus? In s. Studien, 1852> 3, S. 589f.;
(ROhr) Briefe über den Rationalismus , S. 28. 236. Paulus,
exeg. Handb. 5, b, S. 826 f. \ Hasb j %. 146.
06tt Dritter Abtobnilt.
leai Bddeo bleiben wollte , etwa mit Sfikoza eine in U-
nem der Jünger eaf wanderbere Weite bewirkte VlaiM
ennebmen, welehe den Zweelc gehabt bätte^ .ihneD ntek
ihrer Faf aongskraft and der VoreteUangaweiae ihrer Zdt
anschanlieh sn machen, dab Jeans durch «ein ta||endbaf*
tee Leben vom geistigen Tode auferstanden sei, und denn,
welche seinem Beispiel folgen, eine ähnliche Auferstehoig
verleihe ^^])^ Mit Einefai Fnfse wenigstens auf deniidbei
Boden steht die Annahme von Wsisss, dafs der abgetcliie-
dene Geist Jesu auf die aurfickgebliebenen Jüngern wiik-
lieh eingewirkt habe; wobei an die Ueistererscheimnig«
erinnert wird, deren Dndenbbarkeit noch immer niek
nachgewiesen sei^O« ^^ ^Q* dem Zanberkreise desUeh«^
natürlichen heransaukommen , haben Andere nach ostflrE*
eben fiufseren Veranlasiinngen gesucht, weiche die Meinnf
erregen Itonnten, Jesus sei auferstanden and als Anbh
standener gesehen worden. Den ersten Anatefs, venu-
thete man , habe das gegeben , dafs am aweiten Morga
nach dem Begräbnils sein Grab leer gefunden wnidsi dei*
16) Spinoza , a. a. 0. : Apostolos omnes omnino credidtsse, pd
Christus a morte resurrexerit , et ad coelum reoera ascfnäe-
Ht '— ego noit nego, Nam ipse etiant Abrahamus credidU
quod Deus apud ipsum pransus ftierit — cum tarnen h»r
et phira aÜa h^ju9modi apparitiones seu reveiattones ftierlii,
captui et opinionibus eorum homiman accomtnodtUae, qvüv
Deus mentetn suam iisdem revelare volutt. Concludo Üoff»
^Christi a martuis resurrectionem revera sptritualem, d stSt
fidetihus ad eorum captum revelatam fitisse, nempe fu^
Christus aetemitate donatus^ fuit, et a marU^s {wurtuot Üf
inteUigo eo sensu» ^fuo Christus dixits sMte martuot seff-
Üre mortuos suos) surresit, Hmsiiatgue vita et morte HMf»r
laris sancHtatis eaemplum dedit, et eaienus disdpml^s m*
a mortuis suscitat^ quatenus tpH hoc vttae ^jus et m^
exemplum sequuntur.
17) Die evang. Geschichtei 2, S. 426 CT.
VUrUs KapIteL f. tS8. 667
860 LeintAofaer snertt fiOr Engel, .dann ffir eine Ertehel-
nnng des Anffurstendenen selbst gebalten worden seien ^:
alleini wenn der Leib Jesn nicht neabelebt aas dem Grabe
hervorgegangen ist, wie soll er denn heransgelioninien
sein ? Da mafste man ja wieder an Diebstahl denken : wenn
man nicht ans der Ändentong bei Johannes, daCs Jesus
der Eile wegen in ein fremdea Grab gelegt worden, die
Versntfaang herleiten will, dafs Tielleieht der Eigenthff mer
der Graft den Leichnam habe entfernen lassen; was aber
die Jfinger nachtriglioh hfltten erfahren mttsseii, nnd was
in Jedem Fall an der Tcreincelten Angabe des rierten £?an*
geliams eine an schwache Grundlage hat.
Ungleich fraohtbarer ist die Hinweisang anf die pau-
linlsche Stelle 1. Kor. 15, 5 £, als den geeignetsten Äus-
gsngsponlit in dieser Sache, nnd den Schldssel sur Ver-
st&odigang Ober alle Erscheinongen Jesu nach seiner Aof-
erstehnng *')• Wenn nfimlich Panlas dort die ihm an Theil
gewordene Christophanie mit den Ersoheinnngen Jesu in
den Tagen nach seiner Anferstehang in Eine Reihe stellt:
so berechtigt die(s, sofern sonst nichts im Wege steht, au
dem Schiasse, dals, so Tiel der Apostel woiste, jene frühe«
ren Erscheinungen von derselben Art, wie die ihm gewor-
dene, gewesen seien. Von dieser letateren nnn aber, wie
sie ons die Apostelgeschichte (9, 1 ff. 22, S ff. 26, 12 ff.)
erzfthlt, ist es nach den Analysen von Eiobhorn ^^ and
Ammom '^3 nicht wohl mehr mdglich , sie als Anfsere, ob«
18) Versuch Über die Auf^stehung Jesu, in ScuoDt^s Biblio-
thek, i, 4, S. 645 £
19) S^ die sngefiUurte AUandluBg in Schmidt'^ Bü^. , S. 537. ;
KAitSRy hibL Tbeal. i, S. 258 f. ; Fum, a. a. O. p. 13.
20) In seiner tilg. Bibliothek, 6, 1» S. 1 ff.
21) Comm. exeg. de repentina Sauli — conversione. In s. oputc.
theoL; Fortbildung del Cbristenth. 2, 1, Kap. 3. Vgl. auch
meine Streitacbriften, 2tes Heft, S. 52 ff.
688 Dritter Abschnitt.
Jeotive Ersoheinnng des wirklichen Ghristoa festenhalten;
selbst Nkander ^ getraut sich blofs, eine innere Eiavli^
kong Christi anf das Gemßth des Paotaa sicher bo be>
hanpten , die Annahme einer änfseren Erscheinung aber
hängt er nur sehr bitt^eise hinten an, und aneh jeoeifr
nere Einwirkung macht er dadaroh seibat llberflössig, dtb
er die Momente namhaft macht, welche anf natfirlielii
Weise eine solche Revolution in der Gesinnung des Mu.
nes hervorbringen konnten : die gfiostigen Eindrücke, wel-
che er da und dort vom Christenthum, von der Lehre, dea
Leben und Benehmen seiner Anh£nger, namentlich sni
durch den Mfirtyrertod des Stephanus, bekommen lifttta,
und welche sein GemQth in eine Spannung und in eine«
Innern Kampf verseteten, den er wohl einige Zeit ge^di*
sam, und vielleicht selbst durch verdop|>elte8 Eifern gegei
die- neue Secte, unterdrficken konnte, der sich aber suiett
in einer entscheidenden geistigen Krisls entladen mofsto,
von welcher es uns bei einem Orientalen nur gar sidt
wundern darf, dafs sie die Gestalt einer Chrlstophanie u*
nahm. Haben wir hiemit an dem Apostel Paulas ein Bei>
spiel, Attti starke Eindrficke von der jungen Christenge-
meinde ein feuriges Gemfith , das ihr Iffngere Zeit en^
gegengestrebt hatte, bis aur Christophanie and TöUig«
Sinnesfinderung steigern konnten : so wird wohl aoch d<r
gewaltige Eindruok der grofsartigen Persönlichkeit Jesu ia
Stande gewesen sein, seine nnndttelbaren Schfiler ia
Kampfe mit den Zweifeln an seiner Messianitfit, welche
sein Tod in ihnen erregt hatte, va Xbnlichen Gcsicbtei
eu begeistern. Wer aur Erklärung der paal(iiischeo Chri-
stophanie noeh ein äutsereS' NatorphänMicn ^ wie Wti
and Donnerschlag, an Hülfe nehmen an mttssen uiid ■>
dflrfen glaubt, der mag auch die Erkllron^ der Erscheh
22) Geschichte der Pflanzung und Leitung der cliristl. BircBf
durch die Apostel, 1, S% 75^ff. ^
i
Viertes Kapitel. §. 138. «89
nungen, welche früher die unmitleibareD Schaler Jesn von
dem Änferstaodenen zu haben glaobten, durch Voraoa«
seteuDg ähnlicher Creigniase eich so erleichtern, suchen ^).
Nur, wie die fiiCHHORM'sche Erklärung des Vorgangs mit
Paulus daran scheiterte, dafs sie alle und jede Züge der
N. T. liehen Ercfthlung, ^ie die Blindheit des Paulus und
deren Heilung, die Vision des Ananias u. s« f., als histo«
rische festhielt , und diese begreiflich nur sehr gezwungen
in natürliche Erfolge umdeuten konnte: so würde freilich
derjenige die psychologische Erklfirung der Erscheinungen
des auferstandenen Jesus selbst sich unmtfglieh machen,
welcher alle evangelischen Erefiblungen Fon denselben, na*
mentlich von den Proben, welche Thomas durch Betastung
angestellt, und der Auferstandene selbst durch Genulä von
Nahrung abgelegt haben soll, als historisch anerkennen
wollte ; worauf aber diese Erzählungen ihrer aufgezeigten
Widersprüche wegen nicht den mindesten Anspruc/h ha-
ben. Die zwei ersten Evangelien, und der Hauptgewährs*
mann in dieser Sache, der Apostel Paulus, erzählen uns
von dergleichen Proben nichts, und es ist ganz natürlich,
dafs die Cbristophanien , welche, so wie sie den Frauen
and Aposteln wirklich vorgeschwebt hatten, mehr das vi-
sionäre Gepräge derjenigen gehabt haben mügen, welche
Paulos auf dem Wege nach Damaskus hatte, einmal in die
Tradition aufgenommen, sich vermöge des apologetischen
Bestrebens, alle Zweifel an der Realität derselben abzu-
schneiden , immer mehr consolidirten , ?on stummen Er-
scheinungen zu redenden , von geisterhaften za essenden,
von sichebaren zu handgreiflichen wurden.
Hier kehrt sich jedoch ein Unterschied heraus, wel-
cher den Vorgang mit Paulus zur Erklärung jener frühe«
reu Erscheinungen mit Einem Male unbrauchbar zu
23) So die Ablisndiuiig in Schkiot's Bibliothek , bnd Haisiz ,
a. a. O.
Iku Leimt Jesu Ue Aufl. IL Band. 44
um Dritter Absehnttt.
Awk «ebeint. Dem Apostel Paalm nSnlieh war die Vo^
atellang, dafe Jeans anferttandoD nnd nehrereu Penooci
erschienen sei, als Glaube der Secte, die er verfolgte , ge*
geben; er hatte sie nur noch in seine Uebernengang anf-
annehmen y nnd dnreh die Phantasie bis nor eigenen Er
fabrong sn beleben: die ilteren Jfinger hingegen hattea
lediglich den Tod ihres Messias als Factnm yor sich, die
Ansicht eider Auferstehung desselben konnten sie nlrgeodi-
ber nehmen y sondern mnfsten dieselbe, nach unserer Vo^
Stellung Von der Sache , erst prodnciren ; eine Aofgibc^
welche ttl»er alle Vergleichung hinaus schwieriger so seU
seheint, als die, welche sieh spiter dem Apostel Paol«
stellte. Um bierflber richtig urtheilen nu hdnnen^ mfittei
wir uns noch genauer in die^Lage und Stimmung der Jfin-
ger Jesu nach seinem Tode hineindenken^ fir hatte wlk-
rend seines mehrjährigen Zusammenseins m|t ihnen imner
mehr und entschiedener den Eindruck des Messias auf«
gemacht : sein Tod aber, den sie mit ihren Messiasbegrifia
nicht reimen konnten , hatte diesen Eindruck filr deo ii-
genbliok wieder Ternichtet« Wie sich nun , nachdem dir
erste Schrecken vorOber war, der frfihere Eindruck mV
der en regen begann : entatand in ihnen von aelbst du
paycbologische Bedarf nifs, den Widerspruch der letst«
Schicksale Jesu mit ihrer Arflheren Ansicht yon ihai nt
Bulösen , in ihren Begriff vom Messias das Merkmal des
Leidena und Todea mltaufaunehmen. Da aber Degreifo
bei den Juden Jener Zeit eben nur hiefa, etwaa aus dei
heiligen Schriften ableiten : ao waren aie an diese gewi^
aen, ob nicht in ihnen rielleichtAnden)ungen eines leiden-
den nnd sterbenden Messias sich fänden. Dergleiebea Ab«
deutungen mufsten sich den Jüngern Jesu , welche sie n
finden wünschten , so fremd auch die Idee eines lolciiei
Messias dem A* T. ist, dennoch in allen denjenigeo poeti*
sehen und prophetischen Stellen darbieten, welche, wie
Jes. 53, Ps. 22 , die Männer Gottes als geplagt und g«-
Viertes Kapitel. % 1.18. 691
beugt bie sam Tode derstellteD« Des ist es eoeb) was
Lnkas als das Haaptgesebift des ao&rstandenen Jesus bei
seinen Zosammenkflnften mit den Jfli^era beransbebt, dafii
er uQ^afierog ano Mioaiiog xal dno navttav nov nqoq^tpidv
dir^QiiTjveve» avtdiQ iv naaaig Tcug yQaijpaig rd 71€qI avröf
dafs nXmlieh zavra üdn nal>flv ror Xgtcov (34> 86 f. 44 ff.>
Hatten aie aof diese Weise Sehmaeb ^ Leiden nad Ted In
ibre JMeaaiasidee aafgenommen : se war ihnen der sebmach«
Toll getödtete Jesns nicht verloren ^ sondern geblieben: er
war durch den Tod nor in eelne messianisehe do^a einge*
gangen (Lue. 24^ 26.) | in weieher er nnsiohtbar mit Ih»
nen war ndaag Tag i^fieQag , i'tjg riyff avnelalcs j5 aidhog
(Matth. 28, 20 )• Aas dieser Herrlichkeit aber, in welohur
er lebte^ wie konnte er es unterlassen, ilen Seinigen Kun-
de Ton sich Bu geben? und wie konnten sle^ wenn ihnen
der Sinn fflr die bisher verborgene Lehre der Schrifi; Tom
sterbenden Messias aufging, und in ungewohnter Begeiste^
rang ihre xaftdia xaiofth'jj war (Luc* 24, 32«), umhin, dieCi
als Einwirkung ihres verherrlichten Christus auf sie, 4iU
ein von ihm ausgebendes diavoiyeiv €6v vöv (V. 43), ja als
ein Reden mit ihnen aufaufassen? -^) wie denkbar endiich
ist es, dafs diese Empfindungen bisweilen bei eiBselnen^
namentlich Frauen, rein subjectiv cur wirklichen Vision
sich steigerten; auf Andere dagegen, auch auf ganae Ver-
sammlungen, irgend etwas Objectives, Sichtbares oder Hör-
bares, bisweilen vielleicht i der Anblick einer unbekannten
Person, den Eindruck einer Offenbarung oder Erscheinung
Jesu machte: eine Höhe des frommen Enthusiasmus, wel-
che auch sonst hei religiösen Gesellschaften, besonders ge-
drackten und verfolgten, vorankommen pflegt. Sollte aber
der gekreuzigte Messias wahrhaft in die höchste Form
des seligen Lebens eingegangen sein: bo durfte er seinen
Leib nicht im Grabe gelassen haben, und wenn nun ge*
24) Vgl. Waista, s. s. O. S. S98 ff.
44
Mü Dritter Abtchnitt.
rada In solchen A. T. liehen Stellen , welche eine TorbHd-
llche Beeiebung auf das Leiden des Messias solieiaeo, bo>
gleich die Hoffnung sich ausgesprochen fand: ini ax i^va-
Takilip€is Ttjv '^vyrfpf fiH efg ^SOf edk dtiaeig zov oaiav aa
idfiv duxfpO^OQov (Ps. ,16, 10. A« 6. 2, 270; wenn Jet.
ftS. 10. dem sur Schlaohthank Gefährten, Getddteten end
Begrahenen naehher 4iooh ein langes Leben Tcrheifaen wsr:
was lag den Jüngern oiher, als ihre frflbere jOdische
Vorstellung, ort oXQicog ftevei sig tov aitiva (Job. 12,34),
die ihnen im Tode Jesu untergegangen war, durch Ver-
mittlung des Gedankens einer wirklichen Wierierbefebnag
des Getddteten wiederhersustellen , und zwar, da es raei-
llanisches Attribut war, einst die Todten leiblich bu er-
wecken , ihn gleichfalls in Form der dvdgaatg in das Le-
ben Eurfickkehren au lassen?
Indefs, wenn doch der Leichnam Jesu an einem be*
kannten Platse beigesetet war, und an diesem C^ofern wir
weder einen Diebstahl, noch eine aufallige Entfernung dei-
aelben postuliren mögen) aufgesucht und nachgewiesei
werden konnte: ist es schwer eu begreifen, wie die Jfin-
ger in Jerusalem selbst, und nicht volle £wei Tage amtk
der Beerdigung, meinen und aussagen konnten, Jeaoa sei
auferstanden, ohne durch den Augenschein am Grabe aick
selbst EU widerlegen, und von ihren Widersachern (denes
sie freilich erst an Pfingsten etwas Von der Anferstehuag
ihres Messias eröffnet bu haben seheineo) widerlegt ca
werden ^^). Hier ist es nun, wo der mit Unrechi snrfick-
gesetEte Bericht des ersten Evangeliums lösend und befrie-
digend eintritt. Auch nach diesem Evangelium eracheiat
Bwar der Auferstandene einmal noch in Jerusalem , aber
nur den Weibern, und so sehr blofs auf eine. folgende
Zusammenkunft, lind awar auf überflüssige Weise, vorb^
reitend, dafs schon oben diese Erseheinung besweifelt, und
25) Vgl. FRiBDJiiGa, in EiCHiioa»'« Bibliothek, 7> S. 223.
Ylertet KapiuL $. 138. OM
Dor affs «Ine tpltere Ungettaltaiig der Sage van der En*
geleneheinong, welche Matthias neben ihr noch aufnahm,
bingeitellt worde '^). Die £ine Haopterseheinnng Jean
nach der Auferstehung fällt bei MatthSns nach GaUlfiai
«rohin ein Engel und Jesus seihst am letston Abend. seines
Lfcbens und am Auferstehungsmorgen aufs Angelegentlioh-
•te Tcrweisen , * und wohin auch das vierte Eyangelium in
Nachtrag eine fccvifHoatg des Wiederbelebten verlegt. Dafs
eich die durch den Schrecken über die Hinrichtung ihres
Messias versprengten Jünger in ihre Heimath Galiläa su-
rficknogen , wo sie nicht , wie in der Hauptstadt Jodäa's,
dem Sitse der Feinde ihres geiLreucigten Christus, ndthig
hatten I dui rov ipoßw fdiv ^IsdccUav die Thflren an vei^-
achliefsen, war natürlich; hier war der Ort, wo sie all-
mählig wieder freier anfatbraenj und ihr darniedergeschla-
gener Glaube an Jesum sich wieder in den ersten Regun-
gen erheben konnte; hier aber auch, wo kein im Grabe
nachzuweisender Leichnam die kühnen Voranssetsungen
widerlegte, konnte sich allmählig die Vorstellung von der
Auferstehung Jesu bilden; und bis diese Ueberseugung den
Muth und die Begeisterung seiner Anhänger so- weit g^
gehoben hatte, dafs sie es wagten, in der Hauptstadt mit
derselben anfeutreten, war es nicht mehr möglich, durch
den Leichnam Jesu sich selbst an überführen, oder von
Andern überführt an werden.
Nach der Apostelgeschichte swar sind '-die Jünger
schon am nächsten Pfiogstfeste , slelien Wochen naoh- dem
Tode Jesu , mit der Verkündigung seiner Anfemttehung in
Jerusalem hervorgetreten, und auf die eigene Ueberaen-
gung von derselben bereits am zweiten Morgen nach seiner
Grablegung, durch Erscheinungen, die sie hatten, gekom-
men. Allein wie lange wird es noch anstehen , bis die
Art, wie die A. 6. den ersten Hervortritt der Jünger
26) Vgl. auch Scrhidt's Bibl. 2, S. 548.
694 Dritter Abschnitt.
Jetu mit Verkfindigong der * neuen Lehre gerade enf des
Fest der Verkündigang des alten tiesetEes verlegt, als eine
solche 'erkannt wird , welche lediglich auf dogmatisebee
Grande mht, mithin historisch werthlos, ons aaf keiM
Weise bindet, jene Zeit der stillen Vorbereitang inGaiilit
so kurs sa setsen? Was aber das Andere betrifft, m
mochte ee awer einiger Zeit bedürfen , bis sieh die 8ti»
mang der Jünger su der Höbe erhob, weiche dasso ge*
hSrte, dafs dieser oder Jener Einaelne «ein aas seinem Is-
nern heraas den erstandenen Christas sich aof TiaioniR
Weise vergegenwftrtigte, and ganee begeisterte VereasiB-
Inngen ihn in Jedem auffallenden Ton oder AnbKclL, der
sich ihnen darbot, eu hören and ea sehen glaubten: si
mafste man sich doch denken, da(s er, xa^ori dx ^ Sinr-
rov xQCtrela&ai avrov vtco tö &otvatH (A. G. % , 24.) , nar
knrse Zeit im Grabe augebracht habe. Zur nfiheren Be-
atimqiang dieses Zeitranms , . wenn man sich nicht dank
begnügen will, dafs die solenne Ureisahl Ton Tagen an
nftchsten lag, mochte sich, mag es nun historisch aeln oder
nicht, dafs Jesus am Abend vor einem Sabbat begrabet
worden, die Vorstellung bieten, dafs er im Grabe nur eint
Sabbatnihe gehalten habe, also n^Hot nQtaTr] aaßßdrorr aaf-
erstanden sei, was mit der runden Zahl tou drei Tages
durch 'die bekannte Zfihlung vereinigt werden kannte ^^
Hatte sich auf diese Weise 'die Vorstellung einer Auf-
erstehung 'Jesu gebildet, so^ltonnte diese nicht so einfach
▼or sich gegangen sein, sondern mufste mit allem Geprfinge,
welches die Jüdische Voretellnngsweise bot, umgeben und
27) Itt etwa .auch der dreitägige Aufenthalt des Jonas im Wall-
fisch von Einflutt auf diese Zeitbestimmung j^ewesen, wel-
cher freilich nur in Einem> Evangelium in Besiehung mit der-
selben gesetzt wird? und die, oben, ^. 111. Anm. 3«, ange-
führte Stelle aus Hosea, welche übrigens im N. T. nirgeadi
benutzt ist?
Viertes KapiCeL $.138. 605
verberrlleht werden. i)er Haoplsierretb , welcher so cUe-
sem Behof su Gebote stand , waren Engel x diese mofsten
daher das Grab Jesa eröffnet, nachdem er hervorgestiegen
'war, an der leeren Stätte Wache gehalteni nnd den Wei-
bern, welche, weil ohne Zweifel Weiber die ersten Visio»
nen gehabt hatten , aaerst com Grabe gehen mnfsten , von
deoi Vorgefallenen Nachricht gegeben haben. Da es Ga-
liläa war, wo ihnen später Jenas erschien, ao wurda
die Reise der Jflnger dalün, welche nichts Anderes, als
ihre durch Forcht lieschlennigte Rficlikehr in die Heimatb
war, von der Weianng eines Engels abgeleitet^ Ja Jeans
selbst mofste schon vor seinem Tode, nnd, wie Matthias
gar an eifrig hinaufflgt, anch nach der Anferstehnng noch
einmal, die Jflnger dahin gewiesen haben. Je weiter sieb
aber diese Eraftblnngen in der Deberlieferung fortpflana-
ten, desto mehr mnlste die Verschiedenheit der LocalitXt
der Anferstehnng selbst nnd der Erscheinnngen deii Aof-
erstandonen als onl>eqaem verschwinden, nnd, da dieOert-
lichkeit dea Todes und der Anferstehnng feststand, die Er-
scheinungen allmählig in dieselbe LocalitXt mit der Aufer-
stehung, nach Jerusalem, verlegt werden, welches als der
glinaendere SchaapJnts nnd als Sita der ersten
Gemeinde besonders daan geeignet war ^t
28) Vgl. mit dieser Ansftihrong die von Waissi) im 7ten Hsp.
leiner angef. Schrift. £r trifft mit der obigen Darstellung
darin zusammen , dass auch er den Tod Jesu als wirklichen,
und die Erzählungen von dem leergefundenen Grabe als spH-
tere Erdichtungen fasst; den Funkt -der Abweichung bildet
das schon Erwähnte, dass ihm die Erscheinungen des Aufer-
standenen nicht blos subjektiv psychologische, sondern ob-
jektiv magische Thatsachen sind.
Pflnftes Kapitck
Die Himmelfahrt«
§. 139.
Die letzten Anordnungen und Verheissungen Jesu.
Bei der letsten ZmammenkDoft mit seinen JOngen,
welche nacli Markos und Lukas mit der Himaielfsiirc
•cbloüs, lassen die drei ersten Evangelisten Cder vierte hst
etwas Aehnllches schon bei der ersten ZnsammenkQofi)
Jesum letstwiilige Verordnangen nnd Verhelf sangen gebes,
welche sieh anf die Stiftung und Verbreitung des messisB^
sehen Reichs auf £rden besogen.
%Vm die Verordnungen betrifft, so ernennt bei Lukts
CUy 47 f. A. G, 1, 8.) Jesus scheidend seine Jünger u
Zeugen seiner MessianitKt , und beauftragt sie, von Jen-
salem an bis an die Enden der Erde id seinem Kanes
fieravoiav teal oi(peaiv d/na(rtuov su verkündigen. Bei H«^
kus (16, 15 f.) weist er sie an, in alle Welt aussogebes,
und die frohe Botschaft des durch ihn gestifteten Messiss-
reichs aller Creatur au bringen ; wer glaube nnd sich tas-
fen lasse , werde gerettet , wer aber nicht glanbei Clni be-
vorstehenden messianischen Gerichte) verurtheilt werdes*
Bei Matthfius (2S, 19 f.) werden die Jünger ebenfalls be-
auftragt, TtdvTCc tüitihrj au Schfilern Jesu au machen, and
dabei wird die Taufe nicht blofs beiläufig, wie bei Msr-
kns, erwiihnt, sondern als ausdrAckliche Verordnung Jess
hervorgehoben , und noch dazu als Taufe eig xo orotfa ri
n^xTQO^ xai iQ viG xixi rä dyiü Ttrevfiaxiog näher bestimmt.
Ffloftes Kapitel. {• tM- W7
Bine lolebe ZvsftmBeniteliang tod Vater ^ Sohb und
Geist non kommt «onst nor in apostoliseheo' Sehriften ab
Grufsforrael Tor (8. Kor. 13, 13 : 3^ x^Q^ ^^ Kvffia '/• X.
y. i. ü,}; als nShere Bexeicbnung der Tuufe aber im gan-
sen N. T^ ist sie einaig in der angefahrten Stelle des ei^*
stenEyangeliomsanautreifen: wogegen in den apostolifehen
Briefen und ancb In der A. 6. die Taufe nnr als ßoTVcL
^eiv dg XQigov ^ItjoöVj oder dg ro ovopia ra KvqIh ^Irjas nnd
auf ähnliebe Weise bezeichnet wird (Rom. 0,3. 6al.3,27.
A. 6. % 38. 8, 16. 10, 48. 19, 5.) , nnd erst bei Kiroben-
sohrifcstellern, wie Justin 0> diesellie dreifache Beziehnng
auf Gott, Jesnm und den Geist sieb findet. Anoh lautet
die Formel bei Mattbins schon so gans wie ans dem kirch-
lichen Ritual, adafs es nicht wenig Wahrscheinlichkeit hat^
sie ans diesem \ in Jesu Mnnd übergetragen sn denken*
Defswegen aber diese Stelle als Interpolation aus dem
Teite eu werfen^, Ist man nicht berechtigt, da, wenn
man Allea dasjenige in den Evangelien , was Jesu nicht
begegnet, von ihm nicht so gethan nnd gesprochen sein
kann, für eingeschoben erklAren wollte, der Interpolatio*
nen leicht £U viele werden dOrfren. Insofern Ist mit Recht
ron Anderen dleAeehtheit der Taufformel vertheidigt wor*
den ^) ; aber indem ihre Grttnde für die Behauptung, die«
selbe sei schon von Jesu selbst auf diese Weise vorgetra-
gen worden , nicht ansreichen : vereinigen sich beide An«
lichten In der dritten, dafs diese nihere Bestimmung der
Taufe swar dem ursprünglichen Contexte des ersten Evan-
^[elinms angehöre, ohne jedoch schon von Jesu so vorge«
tragen worden an sein *)• Derselbe hatte die Ausbreitung
1) Apol. 1, 6f.
2) Wie Tblua , im excura. 2. ad Bumeti 1. de fide et offic.
Christ, p. 262.
3) Die Schrift yon Bbckkavs, Über die Aechtheit der sog. Tauf-
formel, 1794, fand allgemeine Zustimmung.
4) Vgl. na Wbtts, eaeg. Haadb. I, 1, S,246.
«IS Dritter Abaoboitt.
•eines Reiches aber die GrSnsen des JttdisebeA ?olkee hin-
aus während seines Lebens schon Terschiedenllicb vor^
liergesagti vielleicht auch die Einf&hrnng der Taufe sb
seinen Willen ao erliennen gegeben ; und, sei es non, dsfi
lant des vierten ETangeliums die Jflnger schon so Leb-
aeiten Jesa getauft hatten, oder dafs sie erst nach aeiofs
Tode diesen Ritos anm Zeichen der Aofnahme in die ncai
Buessianische Gesellschaft machten: Jedenfalls war ea gast
in der Art der Sage, die Anweisung daso, wie bdib Aa»-
gang in alle Welt, dem scheidenden Christos ala letsti
WillenserlilArung in den Mund so legen.
Die VerheiTsungen, welche Jesus scheidend den Seiiu-
gen gibt, beschränken sich bei Mstthfins, wo sie auaacblieb-
'lieh an die fiilfe gerichtet sind, einfach darauf, dafs er,
'dem als erhöhten Messias alle Gewalt Im Himmel ond ssf
Erden Übertragen worden, auch wfthrend des gegeoivarti-
gen aiwv immer unsichtbar bei ihnen sei , bis er nait iet
avneleux desselben in bestfindige sichtbare 6enii^inacha&
jnit ihnen treten werde: gana der Ausdruck des Bewaü^
Seins, wie es sich nach Ausgleichung der Schwankiin|Ci^
welche der Tod Jesu erregt hatte, in der ersten Geaeimb
bildete. — Bei Markus erscheinen die lotsten Verheibon-
gen Jesu aus der Volksmeiiinng genommen, wie sie nr
Zeit der Abfassung dieses Evangeliums Über die wnnde^
baren Gaben der Christen gangbar war* Von den a/jt&ot;,
welche den Glfinbigen Oberhaupt hier yerheÜsen aind, tsc
das kaXeXv yXijiaaaig CxaivaJg) im Sinne von 1. Kor. 14,
nur nicht in dem bereits mythischen von A. 6. 2. *), 0
der ersten Gemeinde wirklich vorgekommen ; ebenso dsi
daitiovia ixßdkleiVj und auoh dab Kranke durch deo Glaa-
ben an die Kraft der inid-eais %BiQfjiv eines Chriaten gaas-
sen, ^&fst sich auf natttrliche Weise denken: dagegen bst
5) Vgl. Bauk, in der Tübinger Zeitschrift für Theologie > Jakr-
gaog 1830, 2, S. 75 ff.
: Ffloftes KapiteL S* 139. 6W
das oq^eig aiQeiv (rgi. Lnc« 10, 19.) vnd der gefahrlote
Gennfa t5dllicher Setrinke wohl innier nur in der abei^
glilttbisehen Voikameioang eine Stelle gehabt, und am we»
nigsten hätte Jeane aof dergleichen Dinge, ala Zeichen
seiner Jflngersehaft, einen Werth gelegt. — Bei Lnkaa
ist der Gegenstand der lotsten Verheifaung Jean die duva-
^ag i^ vipsg^ welche er, gemftrs der enayyella th nctrgogi
den Apoateln aehicken, und deren Mlttheilung ale in Je»
rosalem abwarten acuten (24, 49.), und A. 6. 1, 5 ffl lie-
stimmt Jeaoa dieae Kraftmittheilnng nfiher ala eine Taufe
mit dem nver^a ayiovy welche nach wenigen Tagen den
JOngern sn Theil werden, and sie cnr Verkllndigong dea*
Evangelinma befähigen werde. — Mit diesen Stellen dea
Lukas, welche die Mittheilong des helligen Geistes in die
Tage nach der Himmelfahrt aetsen, acheint die Nachricht
des vierten Bvangelioms im Widerapmche sn stehen, dafa
Jesas schon in den Tagen aeiner Auferstehung, und awar
bei der. e raten Eraebeinung im Kreise der Eilfe, ihnen den
heiligen Geist mitgetheilt habe« Job. 20, 22 f. lesen wir
nämlich, dafa Jeaus, bei Ferschlossenen Thilren ef scheinend,
die JOnger angeblasen und gesprochen habe: laßere m'€vficc
Syim', womit er die Befngnifs, Sfinden sn erlassen und zu
behalten, verbunden habe.
Hfttt« man fiber die Mittheilung dea Ttvevfia blofa dieae
Stelle, 84> würde jedermann glauben, die JUnger haben ea
schon damals von dem persönlich gegenwärtigen Jesus,
ond nicht erst später nach seiner Erhebung cum Himmel,
mitgetheilt bekommen« Aber in harmonistischem Interesse
bat schon Theodor von Mopsvestia , wie Jetzt Tholock ^),
geschlossen, das Xaßeik bei Johannea mflsse in der Be«
dentnng von ki^ipead-e genommen werden, weil Ja nach
''okaa der heilige Geist den Jüngern erst später, am
Pfingstfeste, mitgetheilt worden sei. Allein, wie wenn er
6) Comm. z. Joli. , S. 332.
7ü0 Dritter Abschnitt«
•ioer iiolcben Verdrehang vorbeugen wdlCe, fügt der je
hanneiflcbe Jetna seinen Worten die sinnUldliebe Band-
Inng des Anhanohens hinsoi weiche enf s UnrerkennlMirsce
das laußayHv des nvevfia als ein gegenwSrtiges darstellt *).
Die Ausleger freilieh wissen auch dieses Anblasen en da-
diren , indem sie ihm den Sinn unterlegen : so gewifs tii
Jesus Jetet anhauche, so gewifs sollen sie kfinftig den hei-
ligen Geist bekommen *)• Allein das Anblasen Ist eben m
entschieden Symbol einer gegenwSrtlgen Hittheilang , ab
die Handauflegung, und wie also diejenigen, anf welelit
die Apostel die Hlnde legten, anf der Stelle vom nveruc
'erriiUt wurden (A, G. 8, 17. 19, 6.): so mnfs aioh jener
Eretthlung cnfolge der Verfasser des vierten Evangeliow
gedacht haben, die Apostel haben eben damals von Jeii
den Geist mitgetheilt bekommen. Om nun weder gegen des
klaren Sinn des Johannes IXngnen eu mfissen, dafs wirk-
lich schon nach der Auferstehung eine Geistesmittheilui;
atattgefnnden, noch auch mit Lukas in Widerspruch sa
kommen, welcher die Ausgiefsung des Geistes spfiter settt,
nehmen jetst die Ausleger gewöhnlich Beides an, dafs s^
wohl damals als spiter den Aposteln Tivevfia verlielien, sa
Pfingstfeste die frilhere Mittheilung nur vermehrt und voll-
endet worden sei ')• Oder nfiher, indem schon Mattb. 10, SS
von dem nvevfia t3 ntxTQog die Rede ist, welches die Apostd
bei ihrer ersten Missioosreise unterstötaen sollte : so wird so-
genommen, einige höhere Kraft haben sie schon vor jener Reise,
bei Lebzeiten Jesu, bekommen ; hier, nach der Auferatehnai,
habe er ihnen diese Kraft erhöht; dieganseFfille de« Geistes
aber sei erst am Pfingstfest Ober sie ausgegossen worden *0*
7) LüGKs, Comm. z, Job. 2, S. 686; db Wettb, S. 204.
8) Liss, Auferskehungsgeschichte^ S. 281 ; Kuijvöl, z. d. St
9) LvcHE , S. 687.
10) s. bei MtcHABLis , Begrübniss- und AuferstehangsgescIiicbU,
S. 268; OLSiiAUiiy, 2, S. 533.
Fflnftes Kapitel. S. 139. »1
Aber waa iiiiii die Dateraehiede dieaer SibIbo geweaeö
aeien, and worin namentlleh die diefamalige VeriDeliroii||'
der Oeiatesgalien beataoden haben aelle, tat, wie achon
MiCHABLia bemerkt hat, nicht abaoaeben« War den Apo*
ateln daa ^ratomai die Wnnderkraft (Matth. 10, 1. 8.) nebitt
der Gabe der Parrheaie ror Goridbt (V. 20.) mitgetheilt
werden: ao kSnnte ea nur etwa noch die rieh tigere Ein.
aioht in die Geiatigkeit aeinea Reichea. gewesen sein, waa
ihnen Jeana doreh daaAnblaaen Terliah; allein diese hatten
nie ja nnmittelbar Tor der Himmelfahrt noch nioht, wo sie
Dach A. 6. 1, 6. fragten^ ob mit der Geistesmittheilnng in
den nächaten Tagen die Wiaderherstellnng dea Reichea
Israöl verbnnden sein werde? Nimmt man aber an, nicht
neae Vermögen seien den Jiingern bei jeder folgenden
Geistesmittheilnng verlieben, sondern daa mit allen Vermö*
g[en achon in Ihnen Vorhandene nur erhöht worden ^*):
lo mnfa ea tioeh auffallen , dafa kein Evangeliat neben ei-
ner froheren Afittheiiung noch einer spfiteren Vermehrung
gedenkt; sondern, anfser einer beilfiufigen Erwihnung dea
ipologetischen nvevfia bei Lukas (1^9 l^O? welche, weil sie
bier nicht, wie bei Matthäoa, mit einer Anssendong sn-
laramenhSngt, nur als Hin Weisung auf die Zeit nach der
ipfiteren Anagiefsung des Geistes erscheinen kann, gedenkt
[oder blofs Einer aolohen, und Ififst diese die erste und
letate sein: cum deutlichen Beweise, data jene Zutammen-
itellung dreier derselben, ala verachiedener Stufen, nur
lurch daa harmonistiache Beatreben in die Urkunden hin«
eingetragen ist.
Drei Terschiedene Ansichten also fiber die Mitthel«
ang dea jtvevpia an die Jfinger Jesu finden aich im N. T»^
welche in sweifacher Hinsicht einen Klimax bilden. 0er
^eit nach nämlich aetat Matthfina die Mittheilnng am früh«
iCen: noch in die Periode dea natflrlichen Lebena Jean;
11) Wie TaoiUGx a. a. O.
7M Dritter Abaohnitt.
aebiediroilen Jeao Dtmlloh konnte der Streit nicht getehlick-
tet werden, ob daa^'Wae Jesna dort von aeiner Wiede^
kanft aagt, auf die Tage aeiner Auferateliang, oder aaf dii
Anagiefaong dea Geiatea so besieheD aei, weil für dai t^r
atere die Beacbreibang jener Wiederkunft ala einei W»
deraeiiena^ für daa.LetEtere die Bemerkang, dafs sie in je-
ner Zeit ihn nichta melur frjigen, ihn gans veratehen wiir
den , gleich entacheidend ßu aprechen aobien : ein Ziri»>
apait, der auf a Erwttnachteate geachlichtet ist, wenn ntck
der Ansicht dea Ei:«alilers die Geiateamittheilang in d»
Tage der Auferatehoag £el ^^. Znnfichat nwar aoiite mn
freilieh denken, dieae Mittbeilang, somal mit derselben bei
Johannea die förmliche Ernennung der Jflnger so seioa
Abgesandten und die Ertheiinng der Vollmacht cor Ver|^
bang und Behaltung der Sünden verbanden iat C^gLUattli.
18, 18.) , möge aich eher an den Schlofa, ala f&r den An-
fang der Erscheinungen de^i Auferstandenen , und io eiu
Pienarveraammluog der Apostel eher, ala in eine, m
Thomas fehlte, geeignet liaben ; allein defs wegen mit Ol»-
HAUSBN anaanehmen , der Evangelist hinge nur der Kfine
wegen die Geisfesmittheilung gleich der ersten Erscheioofl;
an, wKhrend sie eigentlich in eine apfitere ZusammenkoBÜ
gehöre, bleibt immer eine unerlaubte Willkflr; statt dem
man vielmehr anerkennen mufa, dafa der Verfas»er ^
vierten Evangeiiuma diese erste Ersoheinong Jesu als ^
Haapterscheinang , die nach acht Tagen nur als eiu
Mach holung au Gunsten dea Thomaa angeaehen hat. Die
Eracheinong Kap. 21. ist ohnebin ein Nachtrag, der (ka
Verfaaser, Als er das Evangelium achrieb, entweder B«d)
nicht bekannt^ oder doch nicht gegenwfirtig war.
12) Vgl. Waiiti die evsng. Geschichte 2, S. 4ie.
Fünftel Kapitel. §. 140. 705
$. 140.
Die sogenannte Himmelfahrt alt übernatürliches und als
natürliches Ereigmss.
Ueber die Himmelfahrt Jesu haben wir im N. T. drei
Berichte, welehe in Hinsicht der Ausführlichkeit and An-
schaulichkeit eine Stufenreihe bilden. Markus, in seinem
letEten Abschnitt überhaupt sehr kurz und abgebrochen,
sffgt nor, nachdem Jesus sum ietetenmale mit seinen Jün-
gern gesprochen hatte, sei er In den Himmel aufgehoben
worden f^cn'eXriq^^ und habe sich cur Rechten Gottes ge*
setzt (16^ 10.). Kaum anschaulicher helfst es Im Lukas*
evAngeiioni : Jesus habe seine Jünger l^w tv}g eig Br^d^ccviav
hiniiuHgefährt , und wShrend er hier mit aufgehobenen
Händen Ihnen den Segen ertheilte, habe er sich von ihnen
entfernt (ßd^^r^, und sei sum Himmel erhoben forden
(u)'€g^e^£Tc;) \ worauf die Jünger anbetend niedergefallen,
und sofort mit Freuden nach Jerusalem umgekehrt seien
(24, 50 ff.). Im Eingang der Apostelgeschichte führt diefs
Lukas welter aus. Auf dem Oelberge, wo Jesus seinen
Jüngern die letzten Befehle und Verbeifsungen gab, wur-
de er For Ihren Augen aufgehoben i.e7vrjQ&rl) y und eine
Wolke nahm Ihn auf, die ihn ihren Blioken entzog- Die
Jünger schauten ihm nach, wieder auf der Wolke in den
Himmel hinein aich entfernte: da standen plötzlich 2wei
Männer in weifsen Gewfindern bei ihnen, und brachten
sie von ihrem Nachsehen durch die Versicherung ab, dafs
der ihnen entnommene Jesus auf dieselbe Weise, wie er
so eben in den Himmel sieh erhoben, wieder vom Himmel
kommen werde; worauf sie befriedigt nach Jerusalem um-
kehrten Cl» 1—120*
Der erste Eindruck dieser Erzählung ist offenbar, dafs
sie einen wunderbaren Vorgang, eine wirkiiehe Erhebung
Jesu in den Himmel , als den Wohnsitz Gottes , und eine
BestStigung desselben durch Engel berichten wolle; wie
Das Leben Jesu UeAufl, iL Band. 45 ^
706 Dritter Abtchnttf.
ältere and neuere Orthodoxe mit Recht behaupten. Kf
fraftt «ich nur, ob aie ans aooh Über die Schwieriglieit^a
binfiberheifen liönnen, weiche es hat, einen aoicben Vo^
gang sich denkbar eu machen. Die eine Hauptachwierig»
Leit ist, wie ein tastbarer Leib, welcher noch aaoxa m
ogict hat, und materielle Nahrung geniefst, für einen Sbef^
Irdischen Aufenthalt tauge ? wie er sich auch nnr dem Ge-
setz der Schwere so weit eu ent sieben vermöge, um eioei
Aufsteigens durch die Lüfte fähig zu sein? und yifle iioit
eine so widernatiirliche Fähigkeit dem Leibe Jeso durch
ein Wunder habe geben mögen 0? Das Einzige, was
man hier etwa noch sagen kann, ist y^ die gröberen Tbeile,
welche der Leib Jesu auch nach der Auferstehung nocl
hatte, seien vor der Himmelfahrt noch entfernt wordea,
und nur der feinste Ex(ract seiner Körperlichkeit als Halle
der Seele mit gen Himmel gefahren ^). Allein da die Jua-
ger, welche bei der Himmelfahrt Jesu zug^en wareo,
nichts davon bemerkten, dafs von seinem Leib ein Residoosi
surfickgeblieben wäre, so führt diefs entweder auf die
oben erwähnte Absurdität einer Verdunstung des Leib«
Jesu in Form der Wolke, oder anf den OLSBAUSEM^schea
Läuterungsprocefs , welcher auch nach dei' Anferst ehuog
noch nicht, sondern erst im Augenblicke der Himmelfahrt
vollei^det gewesen sei ; ein Procefs , welcher nur wunder-
lich schnell in dieser letzten Zeit mit retrograden Bewe-
gungen gewechselt haben mUfste, wenn doch Jeans bei*ai
Eindringen in das verschlossene Versammlungszimmer der
Jünger einen immateriellen , unmittelbar hierauf, als Tho-
mas ihn. befühlte, einen materiellen, endlich bei der Bioi-
melfahrt wieder einen immateriellen Leib gehabt habeo
1) Gablbk, im neuesten theol. Journal, 3, S. 417., und in der
Vorrede zu Ghiisbach^s opusc. acad. p. XCVI. Vgl. Kvuitt,
in Maic. p. 222*
2) SKiLhh, bei Ku»bL, a. a. 0., S. 223.
r FOnftet Kapit)bl. $. 140. 707
sollte. — Die andere Schwierigkeit liegt dario, dafa nach
richtiger Weitforatellung der Site Gottea nnd der Seligen,
SU welcbem Jesoa aich erhoben haben soll, lieiiieawega Im
oberen Loftraom, überhaupt an Icelneoi beatimoiten Orte
SU suchen ist, sondern dleC« gehört nur cur kindlich l»e-
schraokten Vorstellonga weise der alten Welt. Wer jbq
Gott und in den Beairk der Seligen kommen will, der,
das wissen wir, macht einen tiberflfissigen Umweg, wenn
er za diesem Bebof in die höheren Loftschichten sieh em*
porscb wiegen su müssen meiut, und diesen wird Jesus, je
vertrauter er mit Gott nnd göttlichen Dingen war, gewib
nieht gemacht haben, noch Gott ihn denselben haben ma*
chen iMssen '). Man mUfste also nur etwa eine göttliche
Äccommodation ' an die damalige WeltForstelinng anneh-
men, und sagen: um die Jfinger von dem Znrfiekgang
Jesu in die höhere Welt an fiberBeojgen, habe Gott, 'qI]n
gleich diese Welt der Wirklichkeit nach keineswegs im
oberen Luftraum eu suchen sei, doch das Spectakel einer
solchen Erhebung veranstaltet ^ ; was aber Gott zum tän-
schenden Schauspieler machen heifst.
Als einen Versuch, solchen Schwierigkeiten nnd Un«
gereimtheiten uns nn entheben, mfissen wir die natflrlicbe
£rklärang dieser Ersählnng willkommen beilsen 0« Sie
unterscheidet in den evangelischen ErsSblnngen von der
Himmelfahrt das Angeschaute von dem durch Raisonne-
ment Erschlossenen. Freilich, Indem es in der A. 6. heifst :
3) Vgl. pAULUSy exeg. Handb. 3, b, S. 921 ; os Witts, Religion
und Theologie, S. 16 f.
4) KjtRN, Uauptthatsacfaen , TUb. Zeittchr. f836, 3} S. 58. Vgl.
Stbudbl, Glaubenslebre, S. 323 ^ welcher die Himmelfahrt zu
einem von Gott in den Jüngern gewirkten Gesichte macht.
Wogegen zu vergl. meine Streitichriften, 1, S. 152 ff.
5) Wie sie namentlich Vavu39 gibt, a. a. O. S. 910 ff. L. J. i,
b, S. 318 ff.
45 ♦
74)6 Dritter Abschnitt.
ßjLsmovTOJiP avTwv inr/Qd'rz so scheint hier eben die Erhe-
bung in den Himmel aU angeschautes Factum dargestellt
sa werden. Hier soll nun aber i7v]{}lh^ nicht eine Erhe-
bung Über den Boden , sondern nur diefs bedeuten , daft
Jesus 9 um die Jünger zu segnen, sich hoch aufgerichtet
habe, und ihnen dadi^rch erhabener erschienen sei. Sofort
wird ans dem Schlüsse des Luktfeevangelinms das ddp
berfibergeholt, in der Bedeutung, dafs Jesus, indeoi er sieh
von seinen Jüngern verabschiedete, sich entfernter von i^
oen gestellt habe. Hierauf sei in fibniicher Weise, wie
auf dem Verklfirungsberge, ein Oe wölke e wischen Jeson
und die Jünger getreten, und habe ihn, in Verbindiiii|
mit den Kahlreichen Oelbfiumen des Berges, ihren Blickei
entsogen ; was sie dann auf die Versicherung eweier na-
bekannten Männer hin für eine Aufnahme Jesu in des
Himmel gehalten haben. Allein, wenn Lukas in der A. G.
das im^^O^rj unmittelbar mit der Angabe verbindet : xccl n
(pÜjfj vnikaßev amovi so so|l doch wohl jen^ Erhebung die
Einleitung zu dem Aufgenommenwerden durch die Wölb
sein ; was sie nicht ist , wenn sie ein blolses Sichaufrieh-
ten, sondern nur, wenn sie eine Erhebung Jesu Ober des
Boden war, da nur in diesem Falle eine Wolke sich iha
tragend und verhüllend unterschieben konnte, waa in v^ä-
Xaßev enthalten ist Ebenso, wenn im Lukasevangeliaa
das diigr] an cnnuiv als etwas iv rq7 ev?^oyaTv avzov airs^
Vorgegangenes dargestellt wird, so wird doch Niemand,
während er einem Andern den Segen ertheilt, von ihn
weggehen: wogegen es sehr passend erscheint, dafs Jesus
während der Ertheilung des Segens an die Jünger in die
Höhe gehoben wurde, und so noch von oben herab die
segnenden Hände über sie breitete. Die natürliche ErUi-
rung des Verschwindens in der Wolke fällt hiemit fon
selbst hinweg; in der Voraussetsung aber, dafs die swei
Weifsgekleideten natürliche Menschen gewesen seien ^ tritt
schlicfslich noch einmal besonders stark die BAHanTiseh-
Fünftes Kapitel. $. 141. 709
VBMTmiiifitcbey von Padlub nnr verdeckte, Ansicht hervor,
dafs mehrere Hauptepocben Im Leben Jesu, besonders seil
seiner Kreuaigang, durch geheime Verbfindete bewirkt ge-
weaen seien. Und Jesns selbst, wie soll es ihm denn die«
aer Voratellnng geafifs nach jener letalen Entfernung von
seinen J fingern weiter ergangen sein? Wollen wir mit
Baurdt eine Essenerloge träumen, in welche er sich nach
vollbrachtem Werke enrfickgeaogen habe? und mit.Baia-
KECKB dafür, dafs Jesos noch längere Zeit im Stillen snm
Besten der Menschheit fortgewirkt habe, auf seine Er>
scheinung cum Behuf der Bekehrung des Paulus uns be*
rufen, welche doch, die Eraählnng der A. O. geschichtlich
genontnen, mit Umständen und Wirkungen verbunden war,
die kein natfirlicher Mensch, wenn auch Mitglied eines 'ge*
heimen Ordens, hervorbringen konnte. Oder will man mit
Paulus annehmen, bald nach dieser letzten Zusammenkunft
sei der angegriffene Leib Jesu den erhaltenen Verietaungen
erlegen : so kann diefs doch nicht wohl in den nächsten
Augenblicken , nachdem er so eben noch rfistig mit seinen
Jüngern susammen gewesen war, geschehen sein, so daft
die awei hinantretenden Männer Zeugen seines Versehe!«
dens gewesen wä^en, welche fibrigens auch in diesem Falle
gar. nicht der Wahrheit gemfifs gesprochen hätten; lebte
er aber noch längere Zeit, so mfifste er die Absicht ge*
habt haben, von jenem Zeitpunkt an bis au seinem Ende
in der Verborgenheit einer geheimen Gesellschaft au blei«
ben, der dann wohl auch die awei Weifsgekleidäten ange-
hörten, welche den Jfingern, (^ne Zweifel mit seinem Vor-
wiesen , seine Erhebung aum Himmel einredeten , — eine
Vorstelluiig , von welcher sich auch hier, wie immer, der
gesunde Sinn mit Widerwillen abwendet.
S» 141.
Das Ungenügende der Nachrichten über Jesu Himmelfahrt.
Deren mythische AufFassiing.
Am wenigsten unter allen N. T. lieben W^nnderge«
710 Dritter Abschnitt*
scbiohten war bei der Himmelfahrt ein tololier Anfwand
unnatnrjichen Seharfsinn« nöthig, da die histonsclie fiel«
tong dieser Ereählong nicht allein für uns, die wir keine«
wirklieb Auferstandenen, mithin auch keinen haben, der
gen Himmel gefahren sein könnte, sondern an sich ond
anf jedem Standpunkte ^ S'*"^ besonders se^weeb verbüift
ist. Matthias and Jobannes, der gewiibnUchen Vorstel-
lang nach die beiden Angenaengen unter den BvaDgelisteoi
erwähnen ihrer nieht; nur Markus und Lukas i^eriehteo
dieselbe; während auch ia den fibrigen N. T. liehen Schri^
ten bestimmte Hin Weisungen anf sie fehlen. Uoeh eben
dieses fehlen der Himmelfahrt im Obrigen N. T. läognen
die orthodoxen Ausleger. Wenn Jesus bei Matthfios C^
64.) For Gericht rersicher^, von jetst an werde man des
Menschen Sohn sur Rechten der Kraft Gottes sitzen sehen;
so sei hiebei doch wohl auch eine Erhebung dahin, mithin
eine Himmelfahrt, voransgesetet ; wenn er bei Johannes
C3, 13.) sage, keiner sei in den Himmel gestiegen, nafser
dem vom Himmel gekommenen Menschensohne , usd ein
andermal (6, 62.) die Jünger darauf verweise, dafs sie iha
einst dahin würden aufsteigen sehen, wo er vorher gewe-
sen sei; ferner, wenn er am Morgen nach der Anferste»
hang erkläre, noch nicht ea seinem Vater aufgestiegen so
sein , aber demnächst sich dahin eu erheben (20, ]7.> : so
könne es deutlichere Hinweisungen auf die Himmelfahrt
nicht wohl geben ; ebenso, wenn die Apostel in den Acten
ao oft von Erhöhung Jesu sur Rechten Gottes aprechea
(2, St'i. 5) 31. vgl. 7, 56.) I und Paulus ihn als araßag
vn€Qcc%'(o ndvTWv iwv sqccvwv (Epb'. 4, «10), Petma als
noQevS-Bis dg sqovov darstelle (1. Petr. 3, 22.): so könne
kein Zweifel sein, dafs sie nicht alle von seiner Himmel-
fahrt gewufst haben *)• Alle diese Stellen jedoch, mitAus-
1) SsxLSii , bei KüiNÖL , s. a. O: S. 221 ; Olshavskk , S. 591 i-
Vgl. GsiiSBACii , iocorum N. T. ad ssceasianem Christi ia
Fttofte« KaptteL f. 141.
TU
mibiiie et^vA der einsigen Joh, 0^ C% ^ welab^ ▼on einen
O'eioQaiP av€ißaivona %0¥ vaw %ö avd'Qiami spricht, ent*
halten nnr fiberheupt seine Erhebung in den Uimmely obn«
Andetttnng , dals sie ein äufseres , sichtbares ^ ma4 • war
von den Jangem mitangesobantes Faet^ni geweseiit .^Vielr
nsebr, wenn wir 1. Kor* 15, 5 ff« finde« ^ wte-Panlns di«
ihm eu Theil gewordene Erscheinung JesUi wflqbe 4silga
nach der voraossetalioben Himmelfahrt stattfai^ly ndt^^e^
CJbristepbanien vor dieser Epoche so ohne al|# Gnterbfea
ebnog oder Andeutung irgend eines Unter^^biiSi^ pnsi^
senste|iC;: ao mufs man sweifeln, nioht bioTs, ob/i^le .ä^
sc^ieinttngen , die er anfser der aeinigen ai^äbit.|.. ^pt| 4i^
Uimmelfahrt fallen ^, sondern, ob der Apostel ö|ierbalii^4
von einer Himmelfahrt als finfserem, den irdischen Wandet
des Auferstandenen beschliefsenden Factum ^waf^gi^fm^nCife
haben könne? In Beang auf den Verfassen des vierten
Evangeliums aber swingt uns bei seiner Bildersprache. das
O'swQ^e so wenig als das oijjea&e in Besog auf die Über
Ihm auf* nnd absteigenden Engel, 1) S2, ihm ein AVissen
um die sichtbare Himmelfahrt Jesu aueuschreiben, voi|
welcher er am Schlosse seines Etangelioms nichts, e|r^4Übll&
Die Ausleger freilich habea s|ch alie erdefikliche Mühe
gegeben, das Fehlen einer Eraäblnng von der Himmelfahrt
im- ersten und vierten Evangelium auf eine, der Anctoritflt
dieser Schriften, wie der geschichtlichen Geltung Janer
Thatsache, unsohädiiche Weise an erklären. Die Himmel*
fahrt Jesu au eraäblen , soll den Evangelisten , %^elche sie
versohweigeii, theils als unnöthig , tbeils als unmöglich er^
achienen sein. Als unnöthig entweder an nnd für sieh,
wegen der mindä^n Wichtigkeit des Ereignisses ^) ; oder
coeliuB spectsntium syllage. Ia s. opusc. acad. ed. Gablbr,
Vol. 2> S. 484 ff.
2) ScHivicKaNBUMrajiy über den Urspr. u. s« f. S. 19.
3) Olsiuosbii y S. 593 f* '
712 Dritler Abtohoitt.
mit Rtickslcbt müf die evan^üflcb« Ueberlieferang, dnrdi
welche sie allgeaein bekannt war ^>; Johannes inbesondere
toll sie ans Markos omi Lukas Toraossetsen *); oder end-
lich sollen aie dieselbe , als nicht mehr snm irdiscben hk>
ben Jesu gehörig, in ihren Schriften, die nar derBeschrei*
bnng dieses Lebens gewidmet waren, fibergangen habest
Allein nnih Leben Jesn , ond ewar namentlioh so dca
rithselhaftte, wie er es nach derROckkehr ansdenGrake
gefllihrt haben soll , gehörte die Himmelfahrt so nothwei-
d^f al* St^klnfiponkt, dafs dieselbe, gleichviel, ob allg^
mein'' ii^kannt" oder nicht, ob wichtig oder onwiehtig, seb«
iiä dtoa Aalbetie^en Interesses willen , das auch de^ nnp-
bildete' lliBhriftsteller hat., seiner Krcählung einen Scblofi
so gei»en, Von Jedem Evangelienschreiber, der von denet-
ben wolste, am Ende seines Berichts, wenn auch nocbn
anm^tavirisch, erwähnt werden mnfste, am den sonderbarea
Eindruck su vermeiden, welchen das erste, ond noch neb
das vierte Evangeliam, als in*8 Unbestimmte anslaofende
Ersäblnngen , machen. Daher sollen nnn der erste wi
der vierte Evangelist einen Bericht fiber die Himmslfahrt
Jeao aoch gar nicht ffir möglich gehalten haben , indea
die Augenneogen, so lange sie ihm aoch naelisaheo, doch
oor sein Bmporaohweben auf ^er Wolke, nicht aber seinei
Eingang In den Himmel ond sein Platsnehmeo snr Reeh-
len Gottes haben mit ansehen können ^» Allein in der
Vorstellongsweise der alten Welt, welcher der flioiBei
4) Selbst FBiTXSCNty'.esoiattet am Scfaluaae seines Geicbifts,
schreibt in Matth. p, 835 : Matihaeus Jepk in coeUun Mm
tum commemoravit, guippe nemini ignaium^
5) MiCHAiLit, a. a. O. S. 352.
6) Die Abhandlung : warum haben nicht alle Evangelisten die
Himmelfahrt Jesu auadrticklich miterzäblt ? in Flatt's Ma|i*
zin, 8, S. 67.
7) Die zulctat angeführte Abb. des FtArr'sckea Magazias.
Fflnfte« Kapitel. S^ 141. 71.^
nfiher war ala oha, .galt ein Aofifalireo io die Wolken aobon
fflr eine wirkliohe Hluiaelfahrt ^ wie wir an den Ersib-
iungen roD Romnlaa und Elia« sehen«
üas bienach nnläagbare Nichtwissen der genannteii
Efaogellen nm die Himmelfahrt nun aber mit der neueren
Kritiii des ersten ETangelinms diese^ als Zeleiien niebt-
apostoliseben Ursprungs cum Vorwarf au machen ^j, ist
hier am so weniger am Ort, da das fragliche Ereignifa
nicht blofs durch das Stillsebweigen nweier Evangelisteui
sondern aocb durch die Nichtübereinstimmang derer, die
es berichten, verdächtig wird, Markus stimmt nicht mit
Lukas, Ja dieser nicht mit sich selbst fiberein« Nach dem
Berichte des ersterenhat es den Anschein, als hiitte Je«
SQs unmittelbar von dem Mahle, bei welchem er den Eil-
fen erschien, also von einem Hause in Jerusalem aus, sieh
in den Hiwmel erhoben ; denn das dyaxeifiivoig — iffava-
^ih/ xal ioveldva^-^ xai elnsv •— . Ö fdv «v KvQiogy /ict«
%6 XaiSjaui avTcHSj aveXi^q^ij x, t« X. h£ngt unmittelbar so-
sammen , und es IXlst sich hier nur mit Gewalt eine Orts»
Veränderung und Zwischenseit einschieben ^. Freilich ist
eine Himmelfahrt vom Zimmer aos nicht gut sich voren« ^
stellen, daher läfst sie Lukas im Freien vor sich gehen«
Die üifferena in der Ortsangabe, dafs er im Evangelium
Jesum mit den Jfingern t(os tig Bti&avlav hinausgehen
läfst , in den Acten aber die Seene auf das oqoq fo xalB-
^€voy iXuiuiva verlegt, kann dem Lukas nicht als Wider^ •*
Spruch angerechnet werden, da Bethanien am Oelberge
lag '^); wohl aber die bedeutende Abweichung in der Zeit-
angabe, dafs in seinem Evangelium, wie bei Markus, es
den Anschein bat, als wäre die Himmelfahrt noch am näm-
lichen Tage mit der Auferstehung erfolgt: wogegen in der
8) SmncKBnBVRfsa, a. a. O. S« 19 f.
9) Wie X. B. Huiii»t thut, p. 208 f. 217.
10) Doch vergl. ob WsWs zu A. G. 1, 12*
714
Dritter Absohnitt.
A. O« nosdrtfokllch bemerkt ist, dafi beide Erfolge dvreh
eine Frint von 40 Tagen getrennt geweaeti. Ke let scboii
angemeriit worden , dafa die letztere Zeitbeatimmang dea
Lukas in der Zwischenseit swischen der Abfasaong d«s
Evangelioms u^d der A. G. sagekomnien Sein mufa. Von
Je mehreren lürscheioangen des Auferstandenen man sieb
ersfihlte, und an Je yersohiedenere Orte man sie verlegte:
desto weniger reichte fernerbin die kurse Frist eines Ta>
ges fiBr den Wandel des Auferstandenen auf der Erde sv;
data aber die nothwendig gewordisne längere Zeit gerade
auf 40 Tage festgesetzt wurde, hatte in der Rolle seinen
Grund, weiche bekanntlich diese Zahl in der Jüdische«
und bereits aoch in der christlichen Sage splelteu Wie
das Volk Israel 40 Jahre in der Wüste, Moses 40 Tags
auf dem Sinai gewesen war, er und Elias 40 Tage ge-
fastet, und Jesus selbst vor der Versuchung so lange ia
der Wüste ohne Nahrung sich aufgehalten hatte; wie alle
diese geheimnifsvollen Mittelsustände and Durcbg^angs-
perioden durch die Zahl 40 bestimmt waren: ao bot sie
sich gatiz besouders auch zur Bestimmung der mysteriö-
sen Zwischenzeit zwischen Jesu Auferstehung und Uim-
melfahrt dar *0.
Was die Schilderung des Vorgangs selber betrifft, ss
könnte man das Schweigen des Markus und Lukas im
Evangelium ?on Wolke und Engeln lediglich der Kurse
ihrer Erzählungen zuschreiben wollen; doch da Lukas am
Schlüsse seines EFangeliums das Verbalten der Jünger,
wie sie dem in den Himmel entrückten Jesus fbfsfallige
Verehrung gebracht, und mit grofser Freude sich nach der
Stadt zurückbegeben haben, umstSndiich genug ercühlt;
so würde er ohne Zweifel die ihnen durch Engel su Tbeii
11) S. Band 1» $. 55, und die dort; S. 483, Anm. 8» angeführtes
Schriftsteller. Die Rücksicht auf eine Danielische Rechnmi^
bei Paolvs, ca. Haadh. ^, b, S. 925* scheint jnir zu künstHcli.
Ffiofl«« Kapilel. {• Ul. 715
gewordene &nnde ab ikichcrtpn Vrond ihrer Freud« be*
(iierklich gemaeht haben, wenn, er schon bei Abfasaang sei-
ner ersten Sckrifl etwas von derselben gewufet b&fte; es
icheint sieh hiemach vielmehr dieser Zug alloiählig in der
üeberlieferfing aasgebildet sn haben, am anch diesem ieta»
ten Punkte des Lebens Jesar seine Ehre ansatbun, vnd das
n neu längliche menschliche Zeagnifs fiber seine Erhebang
in den Himmel durch sweier himmlischen Zeugen Mund
bekrfiftigt werden au lassen.
Wie hienach diejenigen, welche von einer Himmelfahrt
Jean wofsteti, diese in Besag auf die näheren Umstände
sich keineswegs auf dieselbe Weise Torstcllten: mo mala
88 fiberhaopt vom letaten Scfalqsse des Lebens Jesu aweier»
lei Vorstellongsweisen gegeben haben, indem die Einen
diesen Schlufs als eine siohtbare Himmelfahrt dachten, die
Andern nicht ^^. Wenn Matthäos Jesnm vor Gericht seine
Erhebang aar Rechten der göttlichen Kraft vorhersagen
C26^ M.^j und nach seiner Aoferstehung ihn versichern
Ififst, dafs ihm nun naaa i^scia iv öQavw xai im yijg ge*
geben sei (28, 18.); dennoch aber von einer sichtbaren
Himmelfahrt nichts hat, vielmehr Jesa die Versicherang
in den Mund legt: iyai fied^ vfuSv el^i ndaag ras i^fieQag
Vütg T/Jff* ainrei^iag tö cumog C V. 20.) • •<> Wögt Wer offen-
bar die Vorstellung aum Grande, dafs Jesus, ohne Zwei-
fel schon bei der Auferstehung, nnsichtbar cum Vater auf-
gestiegen, EUgletch ansichtbar immer um die Seinigen sei,
und aus dieser Verborgenheit heraus sich, so oft er es nö-
thig finde, in Christophanien offenbare; dieselbe Anschan-
ongsweise gibt sich beim Apostel Paulus aa erkennen,
12) Hierüber vgL betondertAMHOii , Ascensas J. C. in coelam
bistoria biblica. In s. opusc nov. p. 43 IT. Fortbildung des
Christenth. 2, 1« S. IS ff.; auch Kaisia, bibl. Theol. i, S.
83 ff.; DS Wina, «xeg. Haadb. 1, 1, S. 247; Wams, die
•vaag. Geicli. 2, S. 375 ff.
/
716 Dritter AbsohnitU
wenn er 1 Kor. 15. die llini sa Tbeil gewordene Krschei-
nung des bereits in den Himmel erhobenen Ghrieto» mit
den froheren ohne Weiteres in Kine Reihe stellt; anek
der Verfasser des vierten EvangeUnms und die ObrigM
H. T.lieben Schriftsteller setaea nar das voraas, waa naek
dem nlessianisohen : xa^a ix de^uSv fifi, Ps« 110, 1. ▼onm-
*gesetat werden mobte: dafs Jesns sieh aar Rechten Gsc-
tes erhoben habe, ohne tiber das Wie etwas sa besti»
men , oder sich die Adffahrt dahin als eine sichtbare vor
Bostelien. Doch mufste es der nrchristiicben Pbantasif
sehr nahe liegen, diese Erbebang auch aom gülnsendes
Scbaaspiele aasziimalen. Liefs man den Messias Jeans aa
einem so erhabenen Ziele angekommen sein : so wollte mai
ihm aach auf dem Wege dahin gleichsam nachsehen. Er-
wartete man seine einstige Wiederknnflb vom Himmel nach
Daniel als sichtbares Herabliommen in den Wolken: &•
ergab es sieb von selbst, seinen Hingang aam Himmel ais
sichtbares Aafsteigen aaf einer Wolke vorsostellen, wd
wenn Lukas die beiden Weifsgekieideteü , welche nacft
der Wegnahme Jesu au den Jüngern traten, sagen l£lk;
STog 6 ^Irflsg^ 6 avakr^q>x>s}g ag>^ vftaiv eig %w nqcevovy mit^
ilevae^ai , ov tqouov eO'edaaad'e avrov noQevofdercv elg im
SQoi'ov (A. 6. 1, II.): so darf man diefs nur nmkehrec;
um die Genesis der Vorstellnng von der Himmelfahrc
Jesu au haben; indem nämlich geschlossen wurde: wie
Jesns dereinst vom Himmel wiederkommen wird^ so
er wohl aoch dabin gegangen sein *3).
Neben diesem Haoptmolnente treten die A. T.li«
Vorgänge, welche die Himmelfahrt Jesu an der Hinwff>
nähme des Henoch (l.Mos. 5, 24. vgl/ Sir« 44, 16. 49, Ifc
Hebr. II, 5.) nnd besonders an der Himmelfahrt des Elk
(2. Kön. 2, II. vgl. Sir. 48, 9 I. Macc.2, 58.) hat, samist
den griechischen und römischen Apotheosen eines Herakks
13) So such Uasb, L. J. §, 150.
I
Fanft«s Kapitel, f. 141. 71T
Hnd Romulus, in den Hintergrund sorilolK. Ob ron den
leteteren die Verfasser des aweiten und dritten Evange-
üoms Kunde liatten, steht dahin; die Notis von Henoch
ist KU unbestimmt; bei Elia al>er eignete sich der Flam-
mcnwageA mit den Fenerrossen fOr den milderen Geist
Christi nicht; statt dessen die bergende Wolke und das
die Abschiedsonterhaltnng unterbrechende Entrfiektwerden
AUS der späteren Darstella ng der Wegnahme des Moses
genommen eu sein scheinen kann , welche Übrigens in itn-
dern Stfleken wieder bedeutend abweicht *^). Auch aus
der Geschichte des Elia erklärt sich doch Tielleicht Ein
Zug in der Ersählang der A. G« Als nämlich Elias vor
seiner Hinwegnahme von seinem Diener Elisa gebeten
wurde y ihm sein 7WEV(.ia in verdoppeltem Maafse surfick-
suiassen: knfipfte der Prophet die Gewähriirtg dieses Wun-
sches an die Bedingung: icof idjjg fte dvaXafißavofdevaif am
aa, xal egai aoi UtidS" xal iav /nfjjö/njj yhr/cai (V. 9 f.
LXX.); woraus erhellen könnte, warum Lukas (A. 6. 1, 9.)
anf das ßXenomav cnkiSv imjQQr^ Gewicht legt : weil näm-
lich gemäfs dem Vorgange mit Elia diefs erfordert eu wer*
den schien, wenn die Schaler den Geist des Meisters be-
kommen sollten«
14) Joseph. Antiq« 4| 8^ 48. heittt es von Moset : ^Aane^oftivB St
ahpv^tor vntq aurS gayroq atparC^trai Mccra nvog q^^Mtyyo^j CT habe
aber absichtlich geschrieben , er sei gestorben , damit man
nicht seiner Trefflichkeit wegen behaupten mbfhte^ er habe
sich 7T^; t6 &ttoy begeben« Philo aber, de Vita Mosis, ^PP*
ed. Mange]r, Vol. 2j"p. 179 9 lättt bloss die Seele des Moses
_ sich «in den Himmel erheben.
mm
Schlussaliluuidlung.
Die dognuitisclie Bedeatung des Lebens Jesi.
S« 142.
Nothwendiger Uebergang der Kxitüi in das Dogma.
Durch die firgebnbse der bisherigen Unteraochnng Int
ouD, wie es scheint ^ der gröfste und wichtigste Theii foa
demjenigen, wus der Christ von seinem Jesus glaubt, fer-
nichtet , alle Ermantemngen , die er ans diesem manben
schöpft, sind ihm entasogen, alle Tröstungen geranlit;. Der
nnendlicho Schatz von Wahrheit und Leiien, aif welcbfa
seit achteehn Jahrhunderten diß Menschheit sich groisge-
hfihrt, sciieirit hiemit verwüstet, das £rhaben&#e io des
Staub gestüreti Gott seine Gnade, dem Menschen seiae
Würde genommen, das Band swischen Himmel ond ilrde
Berriü^en au sein. Alit Abscheu wendet sich von so ud*
geheurem Frevel die Fröinmiglieit ab, und aus der uiteod
liehen Selbatgewifaheit ihres Glaubens heraus that sie den
Machtspru^h; eine freche Kritik möge versuchen 9 was sie
wolle, dennoch bleibe Alles, was von Christo die Schrift
aussage und die Kirche glaube, ewig wahr, und dorfa
liein Jota davon fallen gelassen werden. 80 ergibt sieh
am Schlüsse der Kritik von Jesu Lebensgeschichte die
Aufgabe, das kritisch Vernichtete dogmatisch wiederfaer-
BUfttellen.
Diese Aufgabe scheint Bunächft nnr eine Fordema|
SehlorsabbRodlang. $. US. 719
de« GliubSgeo an den Kritiker sa miii, Jedem dieser bei*
den för sieh aber sich nicht an stellen : der GiSabige als
solcher, scheint es, bedarf keiner Wiederherstellong tie»
(ilaubcns, weil dieser in ihm durch keine Kritik vernich*
tet worden ist; der Kritiker als solcher nicht, weil er diese
Vernichtung ertragen kann. So gewinnt es das Ansehen,
ala ob der Kritiker, wenn er ans dem Brande, den seine
Kritik angerichtet, doch das Dogma noch retten will, für
•einen Standpunkt etwas Onwabres ontemähme, sofern er,
was ihm selbst kein Kleinod ist, aua Accommodation an
den Glauben als solches behandelt; in Becug auf den
Standpunkt de» Gläubigen aber etwas Deberflüssiges , in-
dem er sich mit der Rettung von etwas bemüht, was für
den, welchem es angehört, gar nicht gefkhrdet ist.
Dennoch verhält es sich bei näherer Betrachtong an-
ders» Wenn gleich nicht entwickelt , so ist doch an sich
in jedem Glanben, der noch nicht Wissen ist, der Zweifel
mitgesetet; der gläubigste Christ hat doch die Kritik ah
verborgenen Rest des Unglaubens , oder besser als negati*
Ten Keim des Wissens , in sich , und nur aus dessen' be-
atäodiger Niederhaltung gehf ihm der Glaube hervor, der
also auch in ihm wesentlich ein wiederhergü«tellter ist.
Ebenso aber, wie der Gläubige an sich Zweifler oder Kri-
tiker, ist auch nmgekelirt der Kritiker an sich der uläu-
bige. Sofern, er sich nämlich vom -Natorrlisten und Frei-
geint unterscheidet, sofern seine Kritik im Geiste des neun-
sehnten Jahrhunderts wuraelt , und nicht in früheren : ist
er mit Achtung vor jeder Religion erfüllt, und namentlich
des Inhalts der höchsten Religion, der christlichen, als
identisch mit der höchsten philosophischen Wahrheit sich
bewofst, und wird also, nachdem er im Verlaufe der Kri*
Cik durehaos nur die Seite des Unterschieds jieiner lieber-
Bseugnng vom christlichen Geschichtsglanben hervorgekehrt
bat, das BedMrfnUs fühlen, nun ebenso auch die Seite der
Identität an ihrem Rechte an bringen.
120
SchlufcabhaiidluDg. $. 142.
Zonficbst, lodern. DRsere Kritik surar io aller AuRlhr
llchkeit vollcogen worden, aber nanmehr an demBewur»!-
sein vorttbergegangen ist, fAllt ile demselben wieder av
Einfachheit des nnentwickelten Zweifels cnsaaiiDen, gegei
weichen sich das glanbige Bewafstseln mit einem ebm»
einfachen Veto kehrt, and nach ZarOckweisong desaelbo
das Geglaubte in unverkammerter FfiUe wieder auabreit«.
Indem aber hiemit die Kritik nur beseitigt, nicht fiberwsi-
den ist, wird das Geglaubte nicht wahrhaft Fermittelt, ssn-
dern bleibt in seiner Dn mittel barkeit. Scheint so, indes
gegen diese Unmittelbarkeit abermals die Kritik sieh keb-
ren muPs, der eben vollendete Procefs sich zu wiederto-
len, und wir com Anfang der Untersoehong ^nrflekgewor
fen au sein : so thut sich doch augleich ein Unterschied
hervor, welcher die Sache welter fOhrt. Bisher war Ge^
genstand der Kritik der christliche Inhalt, wie er in da
evangelisoHen Urkunden als Geschichte Jesu vorliegt: obd
dieser durch den Zweifel in Anspruch genommen ist, re*
flectirt er sich In sich, sucht eine Freistitte im Inoem der
Gläubigen, wo er aber nicht als blofse Geschichte, aonden
als in sich refleetirte Geschichte, d. h« als Bekeontnifs und
'Dogma, vorhanden ist. Erwacht daher allerdings aaeh g^
gen das in seiner Unmittelbarkeit auftretende Dogma, wii
gegen Jede Unmittelbarkeit, die Kritik als Negativltfit und
Streben nach Vermittlung : so ist diese doch nicht m^.
wie bisher, historiicbe, sondern dogmatische Kritik, ns^
erst durch beide hiodurchgegangeo , ist der Glaube wahr
haft vermittelt, oder cum Wissen geworden.
Dieses sweite Stadium, welches der Glaube sa doKii-
laufen hat , müfste eigentlich ebenso , wie daa erstf,
Gegenstand eines eigenen Werkes aein: hier soll ea asr
In seinen Grundsilgen veraeichnet werden, um die faüto-
risohe Kritik nicht ohne Aussicht auf Ihr letatea Ziel ab-
cnbrechen, welches erat Jenseits der dogmaUaehen li^t.
SchlufiabhaBdlong. % 143. 7'U
S. 14S.
Die Christologie des orthodoxen Sjstems.
Der dogmatiiohe Gehalt des Lebens Jeaa In teiirar
Uamittelbarkeit featgehalteo, ond aof dleaem Bodeo anfge* .
kiidet, ist die orthodoxe Lehre ?oa Christo.
Ihren (irnndsflgen naeh findet sie sieh sehen im N. T.
Die Wnrsel des Glanbena an Jesnm war die UeberEengnng
iron seiner Aoferstehnng. Der Getödtete, schien es, wenn
loch noch so grofs einst im Lehen , könne der Messiaa
nicht gewesen srin: die wvndenrolle Wiederibelehnng he-
mes um so atlrkeri dafs er es war. Durch die Anferwe- '
ßkang ans dem Schattenreich befreit, und engleich fiher
die Sphäre irdischer Menschheit hinausgelioben , war er
Don in die himmlischen Regionen Torsetct, hatte seinen
nessianiseben Sit^ nur Rechten Gottes eingenommen (A. G.
Ij 91 ff. 3, 15 ff, 5, 30 ff. und sonst).* Non evsehien sein
Fod als Haopttheil seiner messianischen Bestimmnng; nach
Jes. 53. hatte er ihn filr die Sfinden des Volks und der
Menschheit erlitten (A. 6. S, 32 ffi. vgl. Matth. 20, 28.
Joh. 1, 29, 36. 1. Job. 2, 2.)s sein «m Krenae vergosse-
nes BInt wirkte wie dasjenige, welohes am Versdhnnnga-
Feste der Hohepriester gegen den Dediel der Bnndeslade
iprengte CR^in« ^y 25.); er 'war das reine Lamm, durch
lessen Blut dieGlänbigen losgekauft sind (1 Petr. 1, 18 f.);
ier ewige^ sfindlose Hohepriester, der durch Darbringung
leines mgenen Leibes mit Kinemmale bewirkt hat, was die
jüdiscben Priester durch unendlich wiederholte Thieropfer
nicht anssnriehten im Stande waren (Hebr* 10, 10 ff. n. s.).
Aber auch von jeher schon konnte der Jetst nur Rechten
Gottes erhöhte Messias kein gewöhnlicher Mensch gewe-
sen sein : nicht blofs war er mit dem göttlichen Geiste in
höherem MaaCs , als Je ein Prophet , gesalbt (A. G< 4, 27.
10, 38w), und hatte durch Wunder und Zeichen sich als
göttliehen Gesandten erwiesen (A. G. 2, 22.) : sondern, wie
DaaLebtm Jesu Ue Aufl. iL Band, 46
7ii Sehiufaabbsndlung. Si 14S.
man ei sich nnn voritellen mochte, war er entweder Qbe^
lUitlirlich durch den heiligen tieist eraeogt (Mattb. a.
Lue. 1.)) oder alt Gotres Wei^^beit and Wort in einen i^
disehen Leib berabgekommen (Job* l.)* Da ^ schon fw
aeinem* nentchiichen Auftreten im Scboofae dea Vatert, ia
göttlicher Majestät, gewesen war (Job* 17| 5.): »o war
sein Herabkommen in die Menscbenwelt und beaondsn
seine Hingabe in den sehmaebvoUen Tod eine Erntedri-
gnngy die er aus freiem Triebe anm Besten der Menscbm
auf sich nahm (Phil* 2, 5flf). Der Auferstandene und aan
Himmel fiefabrene, wie er einst zur Auferweekung dsr
Todten und anm Geriebte wiederkehren wird (A. 6. 1, IL
17. 31*): 00 nimmt er auch jetzt schon irls Theilhaber ai
der Weitregierung CMatth. 28, 180 der Gemeinde sieh tat
(Rdm. 8, 34. 1. Job. 2, 1.) , und wie jetst an der Web-
regiernngy so bat er auch schon an der Weltschopfaag
Tbeil genommen (Job. 1, 3, 10. KoL 1, 15 fO* Aufser
dem wurden nnn noch alle mfiglicben einselnen ZOge da
in der Volkserwartung entworfenen Messiasbildes mit a»-
thigen oder beliebigen Abiinderungen auf Jesnm Ober]^
tragen; auch von der einmal angeregten Phantaaie neue
ErsKblnngen binaugedlchtet.
Welebe Fülle ?on beseligenden und erhabenen, ermun-
ternden nnd tröstlichen Gedanken flofs der ersten Gemeinde
ans diesen Vorstellungen über ihren Christus! Ooreh ib
Sendung des Sohnes Gottes, in die Welt, durch seine Hia-
gäbe ffir die Welt in den Tod, sind Himmel und Er^
Teraöbnt (2 Kor. 5, 18 tt. Eph. I, 10. Kol. 1, 20.); dordi
diese höchste Aufopferung ist den Menschen die Liebs
Gottes sieher verbargt (Rom. 5, 8 ff. 8, 31 ff. 1 Job« 4, 9.),
nnd die freudigste Hoffnung ihnen, eröffnet. Ist der Sski
Gottes Mensch geworden : so sind die Menschen seias
Brfider, als solche gleichfalls Kinder Gottes^ und Miterbea
Christi an dem Sohatae göttlicber Seligkeit CRöm. S, 16 t
99 ). Das knechtische Verhültnifs der Menschen an Gott,
Schiufsiibbandlttng. $• US. 7*iS
uie es unter Aem tietetee lUttfaod, hat ao^ebfirt; an die
Stelle der FurohC vor den Strafen, mit welchen dat Gesets
drohtei ist Liebe getreten (Rom. 8, ;15. GaL 4, 1 ff.) Vom
Flache des Gesetses tind die Glfinbigen dadurch loage*
kauft, dafs Christut sich fiir sie demselben hingab, indem
er eine Tode^art erduldete, auf welche das Geseta den
Flach gelegt hat CGal. 3, 13.)* Nun haben wir nicht mehr
das Unmdgliche sn leisten, däfs wir alle Forderungen des
Gesetzes erffillen müfsten (Gal. 3, 10 f.) — «ine Aufgabe,
welche der Erfahrung aufolge Lein ^ensch löst (Rom. 1,
IS— 3, 20.)* seiner sandigen Natur nach keiiver lösen kann
(Köin. 5, 12 £), und welche deo^ der sie su lösen strebt,
tiur immer tiefer in den unseligsten Kampf mit sich selbst
verwickelt (Rom. 7, 7 ff.)« sondern wer an Christum
glaubt, der versöhnenden Kraft seines Todes vertraut, der
ist von Gott begnadigt; nicht durch Werke und eigene
Leistungen, sondern umsonst durch die freie Gnade Gottes
wird der Mensch, der sich ihr hingibt, vor Gott gerecht,
wodurch nugleich alle Selbsterhebung ausgeschlossen ist
(llöra. ;S, 31 ff.). Indenw Jas mosaische Gesets, dem er mit
ChrUto gestorben ist, den Gläubigen nicht mehr verbinden
ksnn CR^ra« 7,^ 1 ff.), indem namentlich durch das ewige
und vellgttitige Opfer Christi der Jüdische Opfer und Prie-
sterdienst aufgehoben ist (Hehr.)) ist die Scheidewand ge-
fallen, welche Juden und Heiden trennte: diese, sonst fern
und fremd der Theok ratio, gottverlassen und boffhnngslos
in der Welt, sind aur Theilnahme an dem neuen GotCiss-
bände herbeigerufen, und ihnen freier Zutritt snm vftter-
liphen Gott verschafft worden; so dafs nunmehr die bei-
den, sonst feindlich getrennten Thelle der Menschhitt In
Frieden mit einander Glieder am Leibe Christi, am geisti-
gen Bau aeiner Gemeinde sind (Eph. 2, 11 ff). Jener
rechtfertigende Glaube an den Tod Christi aber ist wo-
sentlich sngleich ein geistiges mit ihm Sterben, nft^lleh
ein Absterben der Sttnde, uud wie Cbristua aas dem Tode
4«*
724 Sohlafsabhandlong. S* 14S#
ca neaem aiwterblicheiii Leben aaferstiindeii Itt: eo soll
auch der an ihn ütäabige aoa dem Tod der Sfinde m,n d-
nem neuen Leben der Gerechtigkeit und Heiligkeit anfe^
stehen, den alten Menschen abthun, und einen neuen an*
Eiehen (Rom. 6, 1 ff.)« Dazu steht ihm Christus sellist wk
seinem Geiste bei, welcher diejenigen, die er beseelt, mk
geistigem Streben erfüllt, und immer mehr Fon der Knecht-
schaft der Sfinde frei macht (Rom. 8, 1 ff.). Ja nieb
blf^fs geistig Jetct, sondern einst auch leiblich, werden dit-
Jenigen, in welchen der Geist Christi wolnt, dnreh ihs
belebt, indem Gott durch Christum am Ende dieses Web-
lanfs ihre Leiber auferwecken wird, wie er den Leik
Gliristi anferweckt hat (Rom. 8, 11 )• Christus, den die
Bande det Todes und der Unterwelt nicht halten^ koantce
(A. 6. 2, 24.)} hat beide auch fDr uns besiegt, und dea
GlXubigen die Furcht vor diesen, höchsten Mächten der
Endlichkeit benommen (Rom. 8 , 38 f. 1 Kor. 15 , 55 ft
Hehr. 2, 14 f.). Seine Auferweckung, wie sie seinen Toi
erst die versöhnende Kraft verleiht (Rom. 4, 25.) 9 m ist
sie zugleich die Bflrgschaft unserer eigenen künftigen Aufer-
stehung, unseres Antheils an Christo in einem künftigen Le-
ben, in seinem messlanischen Reiche, sn dessen Seligkeit
er bei seiner Wiederkunft alle die Seinigen einffihren wird
(1 Kor. 15.). inawischen aber dfirfen wir uns getrdateni
an ihm einen Ffirsprecher bei Gott e» haben, der ans eige-
ner Erfahrung von der SchwAohe und Gebrechlichkeit der
Blenschennatur, die er selbst angesoget hatte, und in der
er in allen Stocken versucht wurde, doch ohne SOnde»
weifs, wie vieler Nachsicht und NachhöllSs wir bedfirfea
(Hebr. 2, 17 f. 4, 15 f.>
Den Reiehthum dessen, was der Glaulie an Christs
hatte, in bestimmte Formeln Eusammensufasseu , war sei-
nen Anhängern schon frfihe BedttrfnUs. Sie priesen iha
als XQigog 6 dnoi^aytov^ nGlkw dh 9tal iye^etg^ og xoc S^a^
iv de^ig t3 O-eöi os xal ivnr/xuvu vniQ tjijuav (Rom. 8, 34);
SchlafaabhaDdlnng. $• 143. 725
oder genauer hlefs er )l X. 6 KvQiog^ yevofdivog ix aTtiofia-
tog Juvid fcara auQxa^ OQUJd-elg tiog ^sS iv dwa^et uaxa
7iYiv(.ia ayiwüvnjQ i^ avagaoeios vexQ(Sv C^öm« 1, 3 £.)} und
ab dag ofiolofyofdviog fifya r^g evcpßdag fivgijQiaif wurden
die Wahrheiten hingestellt: &edg iq>avBqia^ iv aa(m^ idi- ^
xaitidjjMv nvevfÄOtfif wq^d-tj ayyikoig^ ixrjQvx&ij iv adveat^y
intgev^f] iv xocftq^^ dvtXijg>9'i] iv do^f] (!• Tim. 3j 16 )•
Anschliefsend an die Tanfformel (Mattb. 28, 19.)}
welehe dvrch die Znsammenstellnng ?on Vater, Sohn und
Geist gleiohiam ein Fachwerk darbot, um den nenen Glau-
ben in dasselbe einsnordnen, bildete sich in der Kirche
der ersten Jahrhunderte die sogenannte regula fidei ans,
welche in verschiedenen Formen, bald summarisoheri bald
aosf fihrlicher , popnlXrer oder subtiler, sich liei den ?er*
schiedenen VAtern findet 0 9 und nach ihrer popolSren
Form endlich Im sogenannten apostolischen Symbol nur
Rahe kam, welches, in der Gestalt, in welcher es auch
▼on der «vangeUschen Kirche aufgenommen worden ist'
in aweiten, ausführlichsten, Artikel rem Sohn folgende
Glanbensmomente hervorhebt: et (credo) in JeswM Chri-
stum, fitium ejus (Deipatris) unicum, Domimm nostrum;
qui canceptus est de spiritu sancto , natus ex Maria vir-
gine; passus 9ub Pontio Pilato, crucifixus, mortuus et
sepultns, descendit ad iafema; tertia die resurr exit a
mortuis, ascenMt ad coelos, sedet ad- deztram Dei patris
onnUpotentis ; inde veuturus est, judicare vivos et mortuos.
Neben dieser volksmftfsigen Form des Glaubensbekennt-
nifses in Besng auf Christum ging aber sogleich die Aus-
bildung einer schArferen theologischen Fassnpg desselben
her, veranlafst durch die Oifferensen und Streitigkeiten,
welche sieh frfihseitig Ober einzelne Punkte deiselben her-
vorthaten. Das Gmndthema des cliristlichen Glaubens^ dai :
1) Iren. adv. hier. 1, 10. Tertull. de praescr. hacr, i3, adv.
Frax, 2y de veland« virg, 1. Orig* de principp. proocm, 4*
726 Sobluraabhandlung. $. 14S.
o l(y/0(i accQ^ fcV^wo, oder: i^eog iq^ave^^ iv caQjäy
von allen Seifen gefährdet , indem bald die Gottheit , bald
die Menschheit, bald die wahre Vereinigung beider in An*
«prnch genommen würd«-.
Diejenigen cwar, welehei wie die Ebroniten, die Gott-
heit, oder, wie die doketischen Gnostifcer, die Mensohb^
€hri8ti dorohaua aufhoben , schlössen sich sn entaehieden
von der christlichen Gemeinschaft aus^ weiche ihtarseiti
den Grundsatz festhielt : ' dafs edei top (aböIttiv &e5 re »s
dv^QWTiwv diu idlas nQog exanQug obaiair^rog £ig.q>üJar
xal ofiovoiap Kfp afiq>oieQös away^ytlv^ xcd &etf ^h nagc-
g^aai tov avd-Qixmov , dv&QcmoiS de ywaQiaai rar ^£or *>
Aber wenn etwa blofs die VolUtfindigkeit der einen oder
der andern Natur gelffugnet wurde; wenn Arius wohl eia
göttliches, aber geschaffenes und dem höchsten Gott onter-
geordnetes Wesen in Christo Mensch geworden aein lieCs,
wenn derselbe Christo swar einen menschlichen Leib «^
achrieb , in welchem aber die Stelle der Seele eben jenes
höhere Wesen eitigienommen habe, und Apollinaris anfscr
dem Leib auch noch die Seele Jesu wahrhaft menacbüch
sein , %ind nur an die Stelle des dritten Princips im Meii-
achen, des vag, das göttliche Wesen treten liefs: so konnte
aolchen Ansichten schon eher ein Schein des Christlichen ge>
geben werden. Dennoch wies das Bewufstsein der Kirefa«
sowohl die arianische Vorstellung von einem in Jesa
Mensch gewordnen Untergott neben andern minder we-
aentlichen Gründen auch defswegen snrficiL, weil auf diese
Weise in Christo nicht das anschaubare Ebenbild 'der Gott-
heit erschienen wXre'); als die arianisch-apollinaristisdis
von einer der menschlichen xfjvxv ^^^^ ^^ menachlicheo
v5g ermangelnden Menschennatur Christi unter Anderen
aus dem Grunde, weil nur durch die Vereinigung mit ei*
2) Iren. adv. haer. 3, 18, 7.
3) Atkanas. contra Arianes erat« 2, 33*
Soblaraabbaiiillang. $. 14S. 7«r
ocr gansen und ?ollsUlndIgen MeDSohennator diese naefa
allen Tbellea habe erlöst werden können 0*
Doeh es kennte nieht blofs die eine oder andere Seite
Im Wesen Christi znrfickgestellt , sondern auoh in Besag
auf ihre Vereinignng mit ihm , nnd svf ar wieder auf ent»
gegeiigesetate Weise, gefehlt werden. Die ahdfiohtige Be*
geisternng Vieler glanbte, das neogeschiangene Band swi*
sehen Hioiniel und Erde nicht eng genug ansamiüenaiebei^
sn iLönnen, in Christo wollten sie Gottheit mnd Mensch-
heit nicht mehr nnterscheideni und erkannten In llmi>' wie
er als Eine Person erschienen war, anch nor Eine Matdr,-
die des fleischgewordenen Gottessohnes, an. ^Oer ßeson«'
nenheit Anderer war eine solche Vermischnng die Göttli-
chen nnd Menschlichen anstöfsig, es schien ihnen frevel-
haft, sn sagen, dafs eine menschliche Motter Gott geboren
habe: nur den Menschen liabe sie geboren, .welchen. sich
der Sohn Gottes sum Tempel anserwähtt hatte, und es
seien in Christo zwei Natitren zwar der Verehrong nach
verknüpft, aber dem Wesen nach noch immer verschieden.
Der Kirche schien auf beide Weise das Mysterium der
Menschwerdung gef&hrdet : -worden beide Naturen bleibend
getrennt gehalten, so war die Vereinigung des Götjtli^en
und Menschlichen, der innerste Lebenspnnkt des Christen-
tbums, serstört; wurde eine Vermisehong angenommen, so
war keine. von .beiden Naturen als solche einer Vereinigung
mit der andern fähig, somit gleichfalls keine wahre Ein-
heit beider erreicht. Beide Meinungen wurden daher, die
letztere in Eutyches, für die erstere nicht ebenso mit Recht
NodtorinSi verdammt, nnd nachdem schon im nicfinischen
Symbol die wahre Gottheit Christi festgesetat worden war,
nunmehr im chalcedonensischen auch seine wahre und voll-
stfiodjge Menschheit, nnd die Vereinignng beider Naturen
4) Gregor. Nax. Or, 51. p* 740« B. : rö ya^ an^iXrjniw i9fQa:%guiov
9 Sk ijrtatctt r*a Setp^ tSto uat uw^ercu»
N
\
Sfihlarsabbalidlang« $. Itf.
in Einer ansertrennten Person, festgestellt ')• Und als sieb
später ttber den Willen in Christo eine ähnliche Differeas
hervorstellfee, wie ttber seine Natur : so wurde anf dieaeibs
Weise entschieden |dsfs in Christo als den Gottmeneehes
Bwei unterschiedene Willen , aber nicht aneins , sond^ra
der menschliche dem götlliehen sich unterordnend , anaa«
nehmen sAien 0«.
Den Smitigkeiten über das Sein und Wesen Christi
gegenfiber ging die Entwicklung der andern Seite , der
Lehre von seinem Thnn und Wirken, Terhältnifamfifäg
a^iU und friedlieh vor sich. Die umfassendste Ansebauiy
davon wer ^ie, dafs der Sohn Gottes durch Annahme der
Menschettoatnr diese, geheiligt und v^göttlicht habe Ot
mm-mm
ä) — ira jwrl tcw tgurov oftoloyetv vtoy rov xv^u» ^ftäv V. X.
onarrti htdManofter ^ riXttßv tot avror er ^amfti^ «ol T»2e»or rar
tmtw ly w^^miortjri y &sor uhf&ag aml ar&^mnoy ahj&*Sf rar orror
9ta\ o/toiatior %w auroy ^/tur xara r^r ar^gtanoTtpra^ Mora Twarra o^aa
^fHV x^i afiafTÜxi* 7t^ auürtufr /itr rx tS 7rorr^( yfmjS-irra xan
T^jy S'fOTf^ay in ht^artar 9h rwv ^fit^Sv rw ovror S^* i/iSg Km At
TTT ^/uer^^ar atart^ftay ex JMaQiaq r^g na^^rs r^g ^turoxa xarra r^
^S^MmoTt^Oy $ya xai rov owtov Xfi^or, tHOVy tci(Hory fawfjytwJi^ ^^ ^
fuctur aovyx^^f* ar^Tmag, aSutt^ttg^ axfo^^ag yru^o/seroir' üafo
r^g IStonprog ixar^^g fuaiwg^ «a« tlg $r n^offenrar «ol /ttanr mogaem
xal tw ctvToy war »a\ /ioroytv^y S'Sor loyor , ttv^ioy ^Z X.
6) Die 6te SKomenische Synode zu Confetantinopel setste fest:
Svo ipvauea StXijjuaTa »x vnerarrCay ^^ aÜ' sno/itrop to arS'^Jttfer
airS S'iltjfda -~ »ak vnoraaaoftfvw rf &eCu avrS xcä navtt^trt» 99»
X^ftari.
7) AthanaS. de incarn. 54: airog Irtp^^^ont^ey y Tra ^u^Tg ^iporroDf-
Sta/4ty. Hilar« Fictav. de trin. 2» 24: humtmi generU comm
Det fiUus natus ex virgine e$t r- ut hwno fadu» ex virgiat
naiuram in se eamis acdperet, perque hujnt adnäxiiemU
societaiem sanctificalum fn eo univeni generis humutni ecr^
Sohlufsabbandlung. $. 143. 729
wobei nameniliob die Ertbeilang der UneterbllchkelC her- .
vorgeiioben worde ^ : and in geqiathlicher WeUe fafste
man diefe VerbXltnifii auch so, Uotc babe durch den an«
▼orLommenden Liebeebewei« | der in der Sendung «eines
Sohnes liege, die Hensoben aufs krSftigste cur Gegeniiebe
erwecitt *}• An dieser Einen grofsen Wiritung des Er»
scbeinens Christi wurden aber auch einselne Seiten her»
rorgehoben: auf seine heilsaaie Lehre, sein erhabenes Bei«
spiel anfmerksam gemacht ^^) > besonders aber auf den ge«
waltsamen Tod,, den er erduldet hatte. Gewicht gelegt.
Der Regtitt der Stallvertretung, der schon im N. T. gege*
l>en war, wurde welter ausgeführt: der Tod Jesu bald als
ein LSsegeld betrachtet, welches er dem Teufel für die
durch die Sflnde seiner Gewalt verfallene Menschheit ge-
geben habe, bald sollte Gott dadurch die Schuld abgetra«
gen, und er in den Stand gesetst worden sein, un besehe*
det seiner Wahrhaftigkeit die der Sflnde gedrohten Stra-
fen der Menschheit au erlassen, well Christus $ie auf sich
genommen hatte ^0* Diese letatere Vorstellung wurde
durch Ansslm in seinmr Schrift: Cur Dens komo, an der
bekannten Satisfactionstheorie ausgebildet, durch welche
Bugleich die Lehre von dem Erlösungsgeschaft Christi mit
der von seiner Person in die engste Verbindung gesetst
wurde. Der Mensch ist Gott vollstXndigen Gehorsam
icbuldig; der Sfinder aber — und diefs sind alte Men-
ichen - entsiebt Gott die schuldige Leistung und Ehre«
Da nun Gott eine Beleidigung seiner Ehre vermöge seiner.
3erechtigkeit nicht dulden kann : so muls entweder der
pus ewisteret. Andere 'Aeusserungen der Art •. bei Musschbr,
Dogmengetch», hertusgegeben von C'öixn > 1 > $• 97. Amn. 10.
8) s. bei MihiscMSR, %. 96, Ann. 5. S. 423 t
9) Augustio. de catechiz. mdib. 7.
10) s. MUksciusi $. 96.
11) Ders \. 97.
734» Sohlursabbandliiiig. $• 143«
Mensch freiwIlHg Gott wiedergeben, was Gottes Ist^ Ja aar
GenuglbDuiig ihm noch mehr leisten | als er ihm enteogea
hHt; oder mufs Gott dem Menschen mit Gewalt nehmen)
was des Menschen ist, d* h. die Gifickseligkeit , so der er
geschaflfen ist, ihm Eur Strafe entsiehen. J^nes so tban
ist der Mensch nicht im Stande; denn da er alles Gate,
was er thun kann, Gott schuldig ist, am nicht in Sonde
an verfallen, so kann er nichts Gutes fibrig halben, usi
durch diesen Ueberschufs die begangene Sttnde so de-
cken. Dafs andrerseits Gott durch ewige Strafen sich
Genngtlftinng verschaiFe, dagegen ist seine nnverfinderlich«
Gfite, kraft welcher er den zur Seligkeit bestimmten Men-
schen anch wirklich cn dieser fahren will. Diefs kana
aber vermöge der göttlichen Gerechtigkeit nicht gesebefaeo,
wenn nicht Genugthuung ffir den Menschen geleistet, und
nach Maafsgabe dessen, was Gott entsogen worden ist,
ihm etwas gegeben wird , das gröfser ist , als Alles aofser
Gott. Diefs aber ist nur Gott selbst, and da andrerseits
für den Menschen nur der Mensch genagthun kann: so
mufs es eip Gotfmensch sein, der die Genugthuung leistet
Diese kann niber nicht in thfitigem Gehorsam, in sfindio*
sem Leben bestehen, weil diefs jedes vernflnftige Wesea
Gott fär sich selbst schon schuldig ist ; aber den Tod, der
Sünden Sold , auf sich zu nehmen , ist der Sttndloae oicht
schuldig, und besteht also die Geougthunng flBr dieSfinde
der Menschen im Tode des Gottmenschen, dessen Beloh-
nung, weil er als Eins mit Gott nicht selbst belofint wer-
den kann, der Menschheit eu Gute kommt«
Dieses altkirchlicho Lehrsystem über die Person and
Thfitigkeit Christi ging auch in die BekenntnifssclirifteB
der Intheriechen Kirche über, und wurde von den Theo*
logen derselben noch künstlicher ausgebildet ^^« Die Per-
12) Vgl. Form. Concord., Epit. und Sol. decl. VIII. p. 605 iL uui
76l 0^. cd. Hask. Cubmmz.) de duabus naturU in Christo li-
I
0
Btshlnfsabhaifdiun^. $. 143. 7S1
in Christi betreffend, warde an der Vereinigung derf5t.t-
jhen und menschiielien Matur in Einer Person f«8tgehal-
n : Im Acte derselben, der vnitio persanaliSß welche mit
sr EinpfiKagnifs sasammenfieii war es die göttliche Nator
98 Solines tiotteSy welche die menschliche zor Einheit ih-
»r^PersSnlichlieit aufnahm; der Zustand dea Vereinigt*
»ins, die unio personalis y sollte weder eine wesentlicbe^
oob auch biofs eine accidentelle , auch keine mystische,
1er moralische , am wenigsten eine nur verbale , Sondern
ine reale und llbernatflriiche, ihrer Dauer nach aber eine,
vrige Vereinigung sein. Vermdge dieser Verbindung mit
er göttlichen kommen der menschlichen Natur in Christo
ewisse elge^tbfl milche VorsOge sii : namentlich , was an*
fichst als Mangel erscheint, fittr sich unpersönlich au sein,
nd nur in der Vereinigung mit der göttlichen Natur Pei^
Snlichkeit an haben; femer Sfindlosigkeit , nnd die Mög«
chkeit, nicht au sterben. Doch anfser diesen eigenthöm*
leben, bat die menschlfcbe Natur Christi in ihrer Vereini*
ung mit der göttlichen auch gewisse von dieser geliehene
^orcOge. Das Verhtfltnifs der beiden Naturen ist nffmlich
icht ein todtes und finfserllches, sondern eine gegenseitige
lurebdringung, neQixuoqrioig; nicht die Verbindung cweier
usammengeleimten Bretter, sondern wie von Feuer und
letaU im glOhenden Eisen, oder wie im Menschen von
ielb nnd Seele. Diese contanaiio naturamm fintsert sich
Is communicatio idiomatum^ kraft welcher die mensch-
lebe Natur an den Voraflgen der göttlichen , die göttliche
n den die Erlösung betreffenden ThStigkeiten der mensch-
ichen Theil nimmt. Dieses Verbfiltnifs spricht sich in den
iropositionibtis personalibus und idiomaticis aus; Jenes
lätse, in welchen das Concretum der einen Natur, d. h.
■
bcllus , und loci thcol. , loc. 2 , de filio ; GiRHAaD y II. th. 1 ,
p. 640 AT. (ed. i615.) > Quinstidt y theol. didsct. polexr. F. 3*
c. 3. Vgl. DM Wsm, btbl. Dogm. %. 64 ff.
s
m fichlafsabhaodliiDg. t- l^
die eine Natoi«, «ofem lie in der Person Christi l^egriffes
ist, Ton dem der andern prfidleirt wird, wie 1. Kor. 15,47.:
4er Ewelte Adam ist der Sohn des Höebsten ; dieses Sstce,
in welchen theiis Bestimmnngen der einen oder anden
Matur auf die ganse Person (genus idiamaiicum} , theih
Thfitigkeitender gansen Person auf die eine oder anden
Matur (genua apotelesmaticumj , theiis endlich Auribate
der einen Natur auf die andere fibergetragen werden, was
aber nur yon der göttlichen auf die mensohliohey sieht um-
gelMbrt, möglich ist (genus avchematicum)*
In der Bewegung seiner Person mit ihren swei Nata-
ren durch die versehiedeneo Momente des Krldsangawerfci
hat Christus nach dem an Phil. 1, 6 ff* anschiiefaeDdoi
Ansdrnoii der Dogmatilier einen cweifachen Znstand , ste-
(ffm eximmitianis und exaUatUmü, durolilanfen. Sofera
seine mMsehliche Natur In ihrer Vereinigung mit der got^
liehen gleich bei der Empfingnifs In den Mitbesitu gott»
lieber Eigenschaften kam, aber yon diesen während aeinsi
Evdenlebens keinen susammenhAngenden Gebrauch machte^
so wird dieses irdische Lebefi Jesu bis cum Tod and Bs-
grAbnifs als ein Stand der Erniedrigung mit ?erschiedeneii
Stationen betrachtet, wogegen mit der Auferstebunfr, oder
schon mit der Höllenfahrt, der Stand der Erhöhung ein-
trat, welcher mit der Messio ad dextram patris seine Voll-
endung erreichte.
Was das Werk Christi betrifft, so schreibt ihm dis
Dogmatik unserer Kirche ein dreifaches Amt su. Als Prt-
phet hat er die höchste Wahrheit, den göttlichen Erlä-
sungsratbschlnfs, unter BekrAftigung durch Wunder, der
ttenschheit geoffenbart, nnd ist ffir deren Verkfindiguog
noch immer besorgt; als Boherpriester hat er theiis in sei»
nem unsträflichen Wandel das Gesetz an unserer Statt er-
füllt (obedientia activajy theiis in seinem Leiden und Toi
die Strafe getragen, die uns gebohrte {obedientigr passm),
nnd vertritt uns nun fortwährend bei dem Vater; ah
Sohlufsabhandlnng. {• 144. 733
KOnig Mdlich regiert er die Welt ond Itiibeeondere die
Kirehe, wetehe er ans den Klaipfcn der Brde sar Herr«
lirhkeit des Himmels führen, und durch Auferstehang und
Weltgericht rollenden wird.
§. 144.
Bestreitung der kirohlicben Lehre ron Christo.
In der Lehre Fon der Person Christi gingen schon die
Reformirten nicht so weit wie die Lutheraner mit , Indem
sie deren lotste, kühnste Folgerung aus der Vereinigung
des Göttlichen und IMenschllehen in Ihr, die communicatio
idiomatum, nicht sugaben. Die lutherischen Dogmatiker
leihst liefsen die Eigenschaften der menschlichen^ Hatur
sieh nicht an die göttliche, und von dieser wenigstens
nicht alle Kigensehaften, wie s. B. nicht die Ewigkeit, an
die menschliche sich mlttheUeu ^) ; was die Reformirten
■n der Einwendung yeranlafste ; die Mittheilung der Eigen-
tehaften mflsse eine gegenseitige und ToUstlndlge sein,
oder sei sie gar keine 3 übrigens werde auch schon durch
die blofs einseitige liltthellung von Eigenschaften einer
unendliehen Natur an eine endliche diese nicht minder In
ihrem Wesen aufgehoben, als Jene, wenn sie von dieser
Eigensebaften annehmen müfste *)^ Wenn sich hiegegen
die lutherischen Dogmatiker dadurch sn decken suchten,
dafs sie die eine Natur die Eigenschaften der andern nur
10 weit mitbesitaen liefsen, uti per suam indolempotest*}:
10 war bledurch die commiaiicalto idiomatum In der That
1) i« die dem locus de pers. et offic. Chr. angehXngte Oratio
bei Gsiuumo, a. s. O« p. 719 iP.
2) s. GsattAED, U. tb. i , p. 685 ff»; Mikwii»»ks , Instit symb.
i. 71 f.
3) RaiMUJio , Vorles. Über die Dogm., S. 354« Gemäss dem von
den Reformirten gegen die Lutheraner geltend gemachten
Grundsstxe : NuUä natura in se tpsam recipit contradtctorta
Plaxck, Gescb. des protest, Lehrbegriffb^ Bd. B, S. 782.
1
734 Scfalur«abh«ndlang. ' $. I44.
aafgehbben j wie sie denn aoeh selbst von den orthodovn
Dogmatikem nach Reinhard fast durchaus anfgegi>b»n
worden ist. \
Aher auch die einfache Wnrael dieses verwiekekn
Idlomentaascbes, die Vereinigung der göltlichen und mensel»-
licbeii Natur au Kiner Person, traf der Widersproci.
Schon die Socinianer llogdeten sie, weil swei Natorro,
deren jede fttr sich schon eine Person anstpache, sob«I
wenn ihnen so entgegengesetate Eigenschaften Bukomoieiu
wie hier die eine unsterblich, die andere steriilich, die eise
aqfangslos, die lindere entstanden sein solle, sich nicht n
einer Person vereinigen können ^) ; und ihnen stimnien die
Rationalisten bei| indem sie noch besonders hervorbebca^
theils dafs die kirchlichen Formeln, durch welche jene
Vereinigung bestimmt' werden solle, fast durchaos asr
verneinend seien, und die Sache nicht anschaulich »•>
eben , theils dafs an einem Christus , der mit Hälfe «-
ner inwobnenden göttlichen Matur dem Bösen widentsa-
den und sich ^hne Sfinde erhalten bitte, der von aolcbef
Ilfilfe verlassene Mensch kein wahrhaftes Vorbild hakcs
könnte ^). ,
Das Wesentliche und Haltbare der rationaliatischn
Einwürfe gegen diese Lehre hat am schfirfsten ScblbieI'
4) Fsusti SociiM de Christi natura dixputatio. Opp. BibL h
Fol« 1 , p. 784 ; Catech. Racoir. Q. 96 ff. Vgl. MAmaBnua.
iostit. symb. ^. 96. Auch Spikosa^ ep. 2f. ad Oldenburg. Of|}.
ed. Gfköabr, p. 55G, tagt : Quod guaedam ecelexiae kis addaaif
quod Deus naiuram humanam assumpserit, mtomui ejcpmtL
me, quid dicani, nescire; Uno, ut vemni fa(ear, mtm mtasi
abstirde mihi logui videntur; quam si qvismihidicerei, qßtd
etradus naturant guadrati induerit.
6) (RöHK) Briefe über dön Rationaliamus, S. 378 ff. \ Waescni-
ti%^y Intt. tbeol. f. 128; BuBTScuKSiDia , Handb. der Dogr.
2. §. 137 ff.; auch Hakt, Relig« innerhalb der Gränzen der blosse«
Vernunft, 2te8 Stücke 2ter Abtchn. b.)*
»
f
Schlufsabhandiung. §.144.^ 7S$
MACHER SQsamaieDgesfdlt y ond auch bierin, ^ie io Fielen
Sttioked, die negative Kritik >des kirchlichen Dogma can
Ab^chlafs geffibrt *> Vor Aiiem findet er bedenklich, dab
durcb den Ausdruck : göttliche und menschliche Natur,
Göttlichen und Menschliches unter eine^ Kategorie gestellt
vrerde, und nwar unter die Kategorie Ton Natur , was
doch wesentlich nur ein beschrinktos, hn Gegensats be-
griffenes Sein bedeute« Dann aber, statt dafs sonst Eine
Matur vielen Eioselnwesen oder Personen gemeinsam sei,
solle hier umgekehrt Eine Person an swei verschiedenen
Maturen Theil haben« Sei nun Person eine stetige Lebens-
einheit, Natur aber der Inbegriff von Gesetaen, nach wel-
chen die LebensBustande sich verlaufen: so sei nicht zu
begreifen , wie zwei durchaus verschiedene. Systeme von
Liebensznständen in Einen Mittelpunkt ausaiuraeniaufen
können. Besondere klar wird nach Schlbiermachkr diese
Undenkbarkeit in der Behisuptung eines nweifacben Wil-
leos in Christo, welchem man folgerichtig auch einen dop-
pelten Verstand zur SeitiB stellen mjfiCsto, wobei dann, wie
Verstand und Wille die Persönlichkeit s^smachen, die
Zerspaltnng Christi in nwei Personen entschieden würe.
Zwar sollen die beiden Willen immer dasselbe wollen:
allein theils gibt diefs nur moralische, liicht persönliche
Einheit , theils ist es von göttlichem und* menschlichem
6) GUubenslcbre , 2^ §^. 9€~98. — Indem ich diese Scuuiir-
MACHaii'sche Kritik aU vollkommen berechtigt anerkenne,
stelle ich mich in directen Widerspruch mit dem Urtheil von
RosBKKRARZ , welchcT ( Jshrb. für wiss« Hrit^ , 183l. Dec«
S. 935—410 y,seinen Unwillen nicht zurückhalten kann über
die theologisch seichte und philologisch kleinlichte Manier,
mit welcher Schlbikrmachbr in diesem Lehrstück das Haupt-
dogma des christlichen Glaubens yon der Menschwerdung
Gottes zu untergraben sucht.^* Die Verwechslung , auf wel-
cher 'dieses Urtheil beruht, wird sich weiter unten von selbst
suldecken.
796 Sohlnrsabhandlung. t* 144.
Willen nichl einmal in5fflich, indea ein mensehlieher Wil-
le, der wesentlloh nnr EinceJnes nnd Eines am des Andm
willen will) mit e^nem göUlicben, dessen Gegenstand im
tianse in seiner Entwicklung ist, so wenig das Glekli^
wollen kann, als ein discurslTer mensehlioher Verstand mk
dem intuitiven göttlieben dasselbe denken; woraus Bogioek
von selbst hervorgeht, dafs eine Hittliellang der Eigrs-
schaften awischen den beiden Naturen sieb nicht sinneb-
men Iftfst.
Einer ähnlichen Kritik entging auch die Lehre tm
der Thätigkeit Christi nicht. Abgesehen von dem, was ia
formeller Hinsieht gegen die Eintbeilung derselben in ik
drei Aemter eingewendet wurde, waren es im prophotiaekes
hauptsächlich die Begriffe von Ofienbarong und Wunder,
die man In Anspruch nahm, weil sie weder obJeeUv mit
richtigen Vorstellungen von Clott und Welt in ihrem gegeo-
seitigen Verhähnirs, noch subjectiv mit den Gesetseo dei
menschlichen Erkenntnifsvermögens sich su vertragen aehis-
nen. Unmöglich könne der vollkommene Gott eine Natur
geschaffen haben, die von Zeit au Zeit einer anfserordentlh
eben Nachhflife des Schöpfers bedfirfte, noch insbeeonden
eine menschliche Natur, die nicht durch Entfaltung^ ib
niitgegelkenen Anlagen ihre Bestimmung su erreichen
möchte; unmöglich könne der Unveränderliche beld auf
diese» bald auf Jene Weise, das einemal mittelbar, das as-
dremal unmittelbar, auf die Welt einwirken, sondern im-
mer nur auf die gleiche, nämlich an sich nnd auf das Game
anmittelbar, ffir uns aber und auf das EiuEelne aüCtelbar.
Eine Unterbrechung des Naturansammenhangs nnd der
Entwicklung der Menschheit durch unmittelbares Kingreh
fen Gottes anennehmen, hiefse allem vernünftigen DenlEea
entsagen ; im einselnen Fall aber sei eine Offenbarung and
Wunder als solche nicht einmal auverläfsig bu erkeonea,
weil, um sicher au sein, dafs gewisse Ersoheinuagen aidic
aus den Kräften der Natur und den Anlagen des mensch-
Schliirsiibhaiidlnng. $. 144. 7S7
liehen Ueisteft banrorgegangeo seieOi eine ?oUetAndige Kennt«
ni£i Ton diesen, ond wie weit sie reiehen, erfordert wfir^
de, deren der Mensch sich nicht rfihmen liann ')•
Doch der Uanptanstofs wurde Ton dem hohenprlester^
Uclien Amte Jesu, an der Lehre Ton der Versöhnung, ge«>
nommen. Zunächst w^ es die anthropopatbische Pfirbung,
welclie de^n Verhiltntis' Gottes snr SOnde der Menschen
im Anselmisehen System gegeben war, was Einwurfe her*
Forrufen mofste. Wie 'es dem Menschen wobl anstehe«
Beleidigungen ohne Rache an Ferseihen: so, meinte Socik^
könne auch Oott ohne Oenngthnnng die Beleidigungen ^
welche ihm die Mensöhen durch ihre Sauden uufKgen,
rergeben ^). Dieser Einwurf wurde von Hugo GrotiuS
durch die Wendung ^beseitigt, dafs nicht gleichsam in Pol*
ge persihilicher Beleidigung, sondern um die Ordnung der
moralischen Welt unrerletst su erbalten , oder vermöge
seiner jusiitia recttnia, Gott die Sfinden nicht ohne iie*
nogthunng vergeben könne ^', Indefs, die Nothwendigkeit
einer Oenogthuung auch sugegeben, schien doch der Tod
Jesu eine solche nicht sein eu können« Während Anselm^
and noch entschiedener Thomas von Aquino *^ , von cfiner
iatisf actio superabnndans sprachen ,^ läugnete Socim, dafs
Christas auch nur gleichviel Strafe getragen habe, als die
Menschen verdient hätten; denn die Menschen hätten, fe*
der einseluQ, den ewigen Tod verdient, folglich hättto
ebensoviele Stellvertreter als Sünder den ewigen Tod er*
7) SrnioxA, tract« theo]« polit c« 6« p« 133* ^d* GtHSstJi, und
ep. 23« sd Oldenburg« p; 558 f* Briefe über den Rat, 4ter^
5ter, 6tcr, 12ter4 WietCHciöBm, §§« H, 12« Schisibiuucmbr,
W- ^^* *7. *
8) Frselect. theoh c* 15«
9) In dem Werk : defentio fidei catb« de satlsfsctione Cbr« sdv.
. F« SoCtHVM«
10) Summa, P« 3« Q« 48« A. ?«
Dum Lehen Jeni Ue Aufi. //. Band* ^'^
738 Sohlofsabbandlang. $. 144.
leiden mttMen : wogegen nnn der einsige Cbristat \U
den seiUieben Tod, tiberdiefs eis Eingaiig ser höebei
Herrlichkeit, erduldet babe, und swar niebt nit koi
gtfttlichen Natur, dafa man sagen kdnnte, dieses Lais
bebe nnendlicben Werth, sondern mit seiner menscbiidM
Wenn hiegegen aobon frflher dem Tkomas gegenSber Iki
ScoToa ^^)j und nun wieder nwisohen den Ortbodoxes ul
den Socinianem Grotios und die Arminianer den Aaiscf
ergriflfen, an sich nwar sei Christi Verdienst endlieh f
wesen, wie das Snbjeot desselben, seine nenscbliche Si*
tnr, und daher cur Genugthnnng f&r die Sttnden der Wik
nnsureiehend, aber Gott habe es ans freier Gnade Ar »
•reichend aeceptirt: so folgte aus der Einräumung , difc
Gott mit nnnnlinglicher Genugthnnng sich begnfigan, ala
einen Theil der Schuld ohne Genngthnung vergeben i»
ne, nothwendig, dafs er auch die ganse so au f ergebe
im Stande sein. mOsse. Doch auch abgesehen von lUa
diesen näheren Bestimmungen wurde die Gmndvortteiliiil
selbst, dafs Jemand fiSr Andere SOndenstrafen auf vA
nehmen könne, als eine rohe Uebertragung niedrigerer Vcr
hältnisse auf höhere angegriflfen. Jäittliche VerschiiMaspi
seien keine transmissibeln Verbindlichkeiten, es vertnb
sich mit ihnen nicht , wie mit Geldschulden , wo es <ki
Gläubiger gleichgflltig ist, wer sie besahlt, wenn lies«
überhaupt beaahlt werden ; der SOndenatrafe aei ai ni^
mehr wesentlieh, eben nur Aber den ferhängt au wenki)
der sich ihrer schuldig gemacht hat '^. Kann bit^nssb ^
sogenannte leidende Gehorsam Christi kein stellvertrecei-
der gewesen sein : so noch weniger der thätige, da er ^
aen als Mensch für sich selbst schon sn leisten sehiUJI
war **).
11) Conun. in Sentt. L. 3* Dist. i9.
11) s. ausser Socw besonders Kaut, Relig. innerhalb der Grii«
ccn der blossen Vernunft, 2tes Stück, Jter Abscbn., c>
W TttuAssy der thätige Gehör ssm Christi untersucht. 1761»
■^
SchiarsabhaDdlong. $• 145. 'YW
In Betreff des königlichen Amtes Chijetl t#ftt die BeS-
lung aaf «eine einstige Wiederkanft enm^Qerieht im Bü-
vnfatgein der Gemeinde in dem MeaCse nnrflelt, als die IkUt
Icht von einer gleich na^h dem Tode jedes Einzelnen toü»
tAndig eintretenden Vergeltung erstarkte, wifdureb Jener
Jigemeine Gerlobtsact als ttberflassig eracheiiieo mnfstn ^)»
$. 145.
Die Christologie des l^stieasUtmus.
An die Stelle des kirchlichen Dogma von Christus,
einer Person and seinel» Wirksamkeit, welches sie als in
loh widersprechendes, nntEloses, ja der Fähren morali-
lehen Religiositfit schfidliohes verwarfen, setsten nun die
Istionalisten eine Lehre, welche, mit Vermeidiing jener
kVidersprflche , Jesnm doch noch als eine in gewissem
}inne göttliehe Erscheinung festliaiten, ja, recht erwogen,
hn weit erhabener hinstellen, und dabei die krfifdgsteii
lntriel»e su praktischer Frömmigkeit enthalten sollte ^).
Ein ^tlHcher Gesandter, ein besonderer Liebling nrtd
Pflegling der Gottheit, sollte Jesus bleiben, sofern er
lorch die Veranstaltung der Vorsehung mit einem ausge*
seiehneten Maafse • geistiger Vorsfige anägerflstet, unter ein
i^olk und in ein Zeitalter' versetst, und sein Lebensgang so
geleitet wurde, wie es seiner Entwicklung eu dem, was
iv werden sollte, am gttnstigsten war; sofern namentlich
(erade diejenige Todesart ober ihn berbeigeffihrt wurde,
welche die Wiederbelebung, von der das Gedeihen seines
raneen Werkes abhing, möglich, und CmstXnde, welche
iieselbe wirklich machten. Glaubt hiemit, auf seine na^
lörliche K^^iriibüng und seine ffofseren Schicksale gesehen,
lie rationalistisehe Vorstellung von Christo hinter der or»
l4) WsetCHtiDBRy $• |99«
1) Vgl. cum Felgcnden besonders die Briefe über den Ration«,
lismus, S. S71 ff.; WessciisiDsn, §<. 128. 13^. 140.
47 •
9411 SohlursabbaiidioDg. |. 145.
ikodoxen aklhl weaentUcb surfickBobleiben, indem er aieii
4br dar erbab^nece Mensch ist, der Je aof Krdte waodelii,
-•Id Uero«) In dessen Sohicbsalen sieh die Vorsehoog ii
höchsten Grade verherriiebl hat: so glaubt sie, wenn »il
ilie Innere Kntwieklang ond freie Thätigkeit Jesu geaebei
Wird^ die hireiittebe Lehre wesentlich eu fiberbieten. Witt-
rend der kirchliche Christus ein unfreies Automat sei, da«
sen Menschheit als todtes Organ des Göttlichen sieh rtf-
halte, sittlich. FoUkommen handle, weil sie nicht sttmiiga
könne I und ebendefswegen weder sittliches Verdienst habei,
noch, Gegenstand der Achtung und Verehrung sein koaoe:
habe nach ;ri|tionalisti8cher Ansicht die Gottheit in Jeiu
jiur die natürlichen Bedingungen dessen, was er irerda
sollte^ g^^gt) da(s er es aber wirklich wurde, sei d«
/Kesnltat seine)? freien Selhstthfttlgkeit gewesen. Sei»
bewundernswürdige Weisheit habe er sieb durch sweek-
mäfsige Anwendung seiner Verstandeskräfte und gecriuea*
hafte Benfitauttg der ihm eu Gebot stehenden Hfilfsmittel,
affine sittliche Gröfse durch eifrige Ansbilduog seiner m«-
ralischen Anlagen , Beaähmung seiner slnnlifshen ^eigiu-
gen und Leidenschaften , und aarte Folgsamkeit gegen die
Stimme seines Gewissens ^ erwarben, und eben nur hie*
auf beruhe dias Erhabene seiner Persönlicbkait , das &
mnnternde seines Vorbildes*
Die Thätigkeit Jesu anlangend, hat er aieh asi die
Menschheit ror Allem dadurch verdient gemaeht, dabtf
ihr eine Religionslehre mittheilte,. welcher um ihrer Reti*
beit und TreSliehkeit willeip mit Recht eine gewisse gfitf*
liehe Kraft und Wfirde Bugeschriebea wird , und dafi tf
diese durch das gläaaende Beispiel seines eigenen Waoddf
auf die wirksamste Weise erläuterte und bekräftigte. 0^
ses prophetische Amt Christi ist bei Soeinianern uad ib-
tionalisten der Mittelpunkt seiner Thätigkeit, auf welch«
sie alles Andere , namentlich was die Kircbenlehre wrt^
dem hohenpriesterlicheu Amte begreift, immer wieder ff*
SobUrsabbiodJttng. $• HS« 741
fiokftthreB. Der sogenannte tbaende .Oeboreem bei hier
hnebin nor als Beispiel Wertb{ aber aiieb der Tod Jesn
olhe die Silndenvergebang nor durah Vermhtlnng der^Bee«
erung bewirken^ entweder so, da(s er als Beslqgelmig «et»
er Lehre , und Vorbild anf opfernder PfliohtnrfiÜlnng , i den
'ogendeifer belebe, oder so^ dab er als SeWelet.derCiiebe
lottes an den Meniehen, seiner Geneigtheit^- dMi Qtrfies*
BrCen an Tergeben, den sitelichBn Miith eeh^be ^ - ' :
Wenn Christas nieht mehr geweeen ist. nnd g^ap batj
Is diese rationalistisebe Lehre Ihn. sein nnd thwe.llifilt: aoi
ieht man nieht, wie die FrdmmIgiMit dann k^mmiy ibyq
II ihrem besondem Gegenstände an machen^ ifnd^dll^'Deg)
latik, eigene Sfitae Ober ihn ai|ftn#telleiv WirUieh.bM
en daher conseqnente Ratioaalisten nngesta)Nianc^:Wfas|4ia
rthodoxe Dogmatik Christologie nenne y trtite- iln jTatiena'*
ifttitohen System gar nieht als ein integrirender Theil deer
elben auf, da dieses System swar ana #iner JR^digieni be*
tehe^ die Christas gelehrt baboi nieht aber ans einer^ 4ß*
en Objeet er selbst wäre. Heifse Christologie Messias-
)hre : so sei diese nnr eine Hfllfslehre für die Joden gp^
'e«en ; aber auch im edleren Sinn , als Lehne vfOQ deas
eben, den Thaten nnd Schicksalen Jesn als göttlichen
esandten , gehöre sie nieht snm Glanbenssystem , da all-
emeine religiöse Wahrheiten mit den Vorstellnngen über
ie Person dessen, der sie anerst ausgesprochen, ebenso-
wenig Busammenhlngen , als man in dem System der
BiBNiz - WoLrisehen , oder KANTisehen , oder FiCBTa^eeben
udScHaLUKo'sohen Philosophie als philosophische Sfttae daa^
^nige anfiitcdie, was man ron der Persönlichkeit ihrer Ur»
eher au halten habe. Nor aar Religionsgesehichte, nicht
Br Religion könne das die Person nnd Wirluamkeit Jes»
etreifende gehören, und der Religionslehre nnr entweder
2) s. die, rerschiedenen Ansichten bei Bsstschnsioiii, Dogai, 2)
S. 353. i syttematiiehe Entwicklung, ^. 107.
742 »olilaCftiibbandlang. §• 146.
als gesohiehdiobe Einleitang vomngetoblokt, oder aU e^
lioterndar Nachtvag beigegeben werden ^ Hienaeb baut
aeboD' BwKS in aeinen Lineamentan die Chriatologie tk
aeUbstotiiidigen Haiipttheil der Uogmatik anfgehoben, aai
ale der AnCbreplilogie ats Unterabibeiiang beigegeben.
flleflurbb tritt nan aber der RationaUsmua in ofiTeaea
Wideratreit mit dem ehristliehen Olaalieny indem er dai>
Jenige, Uraa dt^m der Mittelponlit nnd EclLstein iat, dit
Lebi^ TM Cbriitnai in* dta Hintergrond eh rfleken, ja
afna der*D6gmatik' tfa irerbannen foehtt Ebendanit aiicr
lalf aoob die CnKolängiiebkelt des rationalistischen Systemi
entS^Medett',* weil es das nicht leistet, was Jede Glanben*-
M»e^ leli^enr soUt dem Glauben, der ihr Gegenstand ist,
«Mlkfr'dM'Miqaateti Ansdirack au geben, nnd ihn awei-
tenalnit dei^*Wlsseni0ebaft in ein — sei es positlrea, oder
Hflgatvres — ferbiltniTs s« setaen. Hier nnn ist Aber desi
BeatrebMi ,' d«n Olanben mit der Wissenschaft in Einklang
sH'brtngen, der Ansdi^ck desselben verkammeH: denn
ein Christus, nnr als ansgeaelchneter Mensch, macht swar
dem Begreifen keine Sohwierigkeit, aber ist nicht der-
jenige, tfn'Weleben die Kirche glaubt,
f 14«.
Eioe «klektitche Christologie. SciujiuikMAcaBm,
Beide Uelielstinde nu vermelden, und die Lehre toi
Christo ohne BeeintrKebtigung des Glaubens so sa fasseo^
dafs die Wissenschaft ihr niobt den Krieg so erfdirea
branobt ^j, ist nun daa Bestreben desjenigen Theolegea
geweaen , welober einerseita die negative Kritik des Ratia-
naliamus gegen die Kirchenlehre vollstSndig in aich aaf-
S) R»UR, Briefe, S. 36. 405 ff.
■
t) ScRLSiBEBKAGiim , Über seine GUubenslehre , an Dr. L2an.
Zweites Sendschreiben» Studien 2, 3, S. 48| IT.
Beiilafsakhandlang. $• 146.
74S
genommoDi Ja noch geiohirft| andrerteiti aber doob iiooh
das We»entliabe des positiv ehristiiohen OehalteSy der den
Rationalismas Tarieren gegangen war, festsahalten rer«
sueht haly nnd daher Vielen in der letaten Zeit der Retter
aus der Knge des Supranataralismos und der Leere des
Rationaliamos geworden ist. Jene Vereinfaobong des Glau-
bens bringt ScHLKtSRUACHBa dadnreh an Stande , dars er
weder protestantisch von der Sehriftiehre , noch auch ka«
tholiaoh von den Restimnnngen der Kirche ausgeht, &m
er aof beide Weise einen bestimnit entwickelten Inhalt
bekommen würde, der, in frfiheren Jahrhunderten ent*
standen, mit der heutigen Wissenschaft ^ch nothwendig
verwiokeln mlirste: sondern er geht vom christlichen Be«
wulstaein , von der inneren Erfahrung aus, die Jeder Aber
das, was er am Christenthum hat, in sich selber macht,
nnd bekommt so einen Sto£F, der als Gefühltes ein minder
KestimiDtes ist, dem daher durch dialektische Entwicklung
leichter eine Form gegeben werden kann, welche den
Forderongen der Wissensobaft genngthut.
Als Glied der christlichen Gemeinde *- diefs ist dei^
Ausgangspunkt der ScBLEiERMACHSR'sohen Christologie*) —
bin ich mir der Aufhebung meiner Sllndhafkigkeit und der
Mltthetlung schlechthiniger Vollkommenheit bewufst, d. h.
ich faliie in dieser Gemeinschaft die fiinfldsso eines sfind-
losen und vollkommenen Priacips auf mich. Diese Kin-
flOsso können von der christlichen Gemeinschafc nicht in
der Art ausgelien, dafs die Wechselwirkung ihrer Mit-
glieder sie hervorbrSchte ; denn in Jedem einseinen von
diesen ist Sflnde und Unrollkommenheit gesetst, und das
Ziisammenwiriien von Unreinen hat nie etwas Reines cum
Resultate. Sondern der Eiiiflufs eines Solchen mufs es
sein, der einestlieils Jene Saadlosigkeit und Vollkommen«
heit als persönliche Eigenschaften besafsj^ und anderntheils
\^
2) GUubenUelire , 2y %$. 92— 105<
. ♦
744
SSeblarsubliiipillmig. $. 149.
mit der chrisUiöheo Gemeinschaft in einem VerhiltBib
steht, vermöge dessen diese Eigenschaften von ihm sieb
ihr mittheileu können : d. h. , da Tor dieser Mittheiiii|
die christliche Gemeinschaft als solche nicht vorhandM
gewesen sein liann, ihr Stifter war* Waa wir in ans ab
Christen bewirkt finden, daraas scbliefsen wir, wie immr
von der Wirkung auf die Ursache geschlossen wird, aif
die Wirksamkeit Christi yorOcfc, and ans aetner Wirk*
aamkeit auf seine Person , welche die FChIgkeit gebik
haben mufs, solches aa bewirken,
Nüher ist nan, was wir in der christlichen Gesieiii-
sohaft in ons finden, eine KrXftignng des Gottesbewsh»
aeius in seinem VerhSltnifs snm ainnlioben, d, h. wir
finden ea vns erleichtert, di^ Uebermacht der SionlieUdt
in ans an brechen, alle Eipdrficke, die wir empfaogai,
aaf das religiöse Gefühl ao beeiehen, nnd hinwiedena
alle Th&tigkeiten aas demselben hervorgebea *Bn Issses.
Nach dem Obigen ist die(a die Wirkung Christi aaf vm^
welcher die Kriftigbeit seines Gottesbewolstseins ans mh*
theilt, von der Knechtschaft der Sinnlichkeit and Sfinde
uns. befreit , und hiemit der Erlöser ist. In dem GefoU
des gekräftigten Gottesbewnfstseins, welches der Christ ii
der Gemeinschaft mit seinem Erlöser hat, werden die Bea-
mungen seines natürlichen und geselligen Lebens niciit
sogleich als Hemmangen des Gottesbowuftflaeins eBpfta*
den; sie anterbrechep nicht die Seligkeit, welche er is
aeinem innersten religiösen Leben geniefst; was man sont
Uebel and göttliche Strafen nennt, ist es fttr ihn nkk,
und insofern es Christus ist, der ihn durch Aufoabne ii
die Gemeinschaft seiner Seligkeit hievon befreit, könnt
diesem neben der erlösenden auch die versöhnende Tbitig-
keit au. — Hienach allein ist denn auch die kirohlida
Lehre von dem dreifachen Amte Christi Jiu versteheo*
Prophet ist er, sofern er nllsht anders, als riorch dsi
Wort; durch S^Ib^tdarstellmig ttberhaiipt, 4ie Meaü^t^Nt
Schlursabbandlang, $. UC« 745
n «ieh sieben konnte i so dfifs 4or Hkuptgegenstand sol-
ar Lehre eben seine Person war; Hoberpriester nnd nu*
letch Opfer Ut er, sofern er, der Sändlose, ans dessen
dasein sich daher auch kein Uebei entwickeln konnte, in
te Gemeinschaft des aindlicben Lebens der Menschheit
[ntrat, nnd die in .demselben eraengten Uebel auf sich
alnii^ iini aofort uns in die Gemeinschaft seines sQndlo-
Bu and seftgoa Lebens anfannebmen, d. b. , SOnde and
febel aach in nnd Ar uns aufacheben, und ans vor Gott
ein darsnstelien; KSnig endlich ist er, sofernv er diese
«gnongen eben . in Form '^kiM% Gemeinwesens, dessen
lanpt er ist, an die Menschheit bringt
Ana diesem nun, was Cbristua wirkt, ergibt sich^
ras er gewesen ist. Verdanken wir ihm die immer stel*
ende Kräftigung unseres Gottesbewnfstseins: so mofs diefs
n ihm in absoluter Ki*fiftigkeit gewesen sein, jo dafs ee,
der Got't in Form des Bewofstseins, das aliein Wirksame
n ihm war; nnd dieb ist der Sinn des kirchlichen Ana»
irucks, dafs Gott in Christo Mensch geworden ist. Wirlift
srner Christus in uns die immer vollständigere Ueber*
vindung der Sinnlichkeit: so mufs diese in ihm schlechthin,
iberwunden gewesen sein, in keinem Augenblick seinea
icbens kann das sinnliche Bewurstsein dem Gottesbewnf st-
ein den Sieg streitig gemacht, nie ein Schwanken und
kämpf in ihm stattgefunden haben , d* b, die menschliche
*iatur in ihm war unsttnc^lich, und ewar in dem strenge^
an Sinn, dafs er, vermöge dea wesentlichen Debergewichta
ler höheren Kräfte in ihm über die niederen, unmöglich
ündigen konnte. Ist «er durch diese Eigenthümlichkeit
eines Wesens das Urbild, welchem seine Gemeinde sich
mmer nur annähern, .nie Aber dasselbe hinauskommen
Lann : so mufs er doch — sonst könnte Ewbchen ihm nnd
ins keine wahrhafte Gemeinschaft stattfinden — unter den
[ewöhnliohen Bedingungen des menschlichen Lebens itich
•ntwickelt haben, das Urbildliche Auls in ihm voUkom-
746 ttoblDftabhandluQg, S« IM'
meu gesolitchclioh geworden sein. Jeder leiner getehlehi-
liehen Momente sogleloh das Drbtidlicbe in eleb getragen
haben f und dieb ist der elgeneiiohe Sinn der kirctüiebea
Formel, daf« die gttttiiehe und menscbliehe Natur io iba
nn Biner Person rereinigt gewesen seien.
Nur so weit llfst sich die Lehre von Christo ans der
Inneren Erfahrung des Christen ableiten, nnd so weit
widerstreitet sie, nach Schl^ikemachkr, aneb der Wtsseo-
aehaft nicht: was im kirchlichen Dogma darüber hinans-
gebt, — nnd gerade das ist es, was die Wissenschsift an-
fechten mofs — wie namentlich die fibernatürliche Emen*
gnng Jesu und seine Wunder, auch die Thatsaclien der
Anferstehung und Himmelfahrt, so wie die Vorhersagmi.
gen von seiner Wiederknnft eom Gerichte, können nickt
als eigentliche Bestandtheile der Lehre von Christo auf«
gestellt werden. Denn derjenige, von dessen Einwirkong
nns alle Kräftigung unseres Gottesliewnistseins komast,
kann Christus gewesen sein, anch wenn er nicht leibfieb
attferstand nnd in den Himmel sieh erhob n. s« f.: ao deb
wir diese Tbatsachen nicht defswegen glauben, weil sie
In unserer Inneren Erfahrung mitgesetat wfiren, aondem
nur weil sie in der Schrift stehen ; also nicht sowohl nf
fttligiSse und dogmatische, als vielmehr nur auf hbto-
rische Weise.
Gewifs ist diese Christelogie eine sehr schdiie Ea^
Wicklung, und in ihr, wie wir später sehen werden, dss
Möglichste geleistet, um die Vereinigung des Gdttliebea
und Menschlichen in Christo als einem Individnun anaebsa-
llch SU machen ^; allein wenn dieselbe Beides, aowehi
den Glauben nnverkfirst, als die Wissenschaft nnverletit
1) Auch hier befinde ich mich im Gegenssts gegen RotsKuiss,
welcher a. a. O. die ScHLBiBHMACusa^tche Ghrittologie eine
gequXlte Entwicklung nennt.
Schlnfsabhandlang. f. 146. 747
so erhalten «eliit: 00 mufs gesagt werden, dafs sie sich
in Beidem tXasebt ^.
Der Widerstreit mit der Wissensehaft knfipft sieh
snnXehat an die Fermel, In <}hri8tiis sei das Drbildliebe
sngleieh geschichtiteb gewesen. Oafs diefs ein gefkhril-
eher Ponkt sei, ist ScHLKiBRBfACHaa'n selbst niebt entgan-
gen* Kaum hat er den beseiehneten Sats aufgestellt, so
sagt ar sieb aoeh «eben, wie sebwer es an denken Ist,
dala das Drbildliebe in einem gescbichtlieben Kidaelwesen
YoUständlg aar Wirkliehkelt gekommen sein sollte, da wir
das Urbild sonst nie In einer einseinen Erscbeinnng, son-
dern, nnr in einem gansen Kreise von soleben, die sieb
gegenseitig ergftnsen , verwirklicht finden. Zwar soll nun
die UrbildÜcbkeit Christi keineswegs auf die tausenderlei
Besiebongen des menschlich- n Lebens sich erstrecken, so
dafs er auch filr alles Wissen, oder alle Kunst und Ge-
sckiekliehkelt, die sich In der menschlichen Gesellscbafit
entwickelt, urbildiicb sein mfifste, sondern nur fttr das
Gebiet des^ Gottesbewufstseins : allein diefs Indert , wie
ScBMiD mit Recht bemerkt, nichts, da auch das Gottes«
bewttfstneln In seiner Entwicklung und Erscheinung den
Bedingungen der Endlichkeit und UnTollkommenheit unter»
worfen Ist, und wenn auch nur In diesem Gebiete das
Ideal In einer eineeinen historisohen Person als wirklich
anerkannt werden soll, diefs nicht geschehen kann, ohne
die Gesetse der Matnr durch Annahme eines Wunders eu
dufchbrechen. Doch diefs schreckt ScHLEiBRMAcHER*n kei-
neswegs Eurllck, sondern eben hier, meint er, sei der
elnslge Ort, wo die cbristlicbe Glanbenslebre dem Wun-
4) IHest ist such Jbereits in' ien hamhsflesten Beurtkeiiangen
des ScMLannMAcaaa'schen Systems sum Bewusstsein gekom-
men ; vgl. Bjumss^ Über SciasixRaucuBii^s Glaubenslehre ', H.
ScHMio , über Scia. Glaubensl. S. 263 ff. f Baur, die christl.
Gaosis, S. 626 ff. > und die angcf. Recens. von Rosskkaaaz.
749 Sohlurtabhandlung« %• IM»
der In sich Raom gaben milssey indeat die Bntstehoii
der Person Christi nar als Ergebnifs eines sehöpferiseiici
gdtüiehen Aotes begriffen werden kSnne. Zwar soll du
das Wonderbare opr auf deo ersten Eintritt Christi in dk
Reihe des Daseienden besohrl^nlKt werden, nnd seine gUM
weitere Entwicklung allen Bedingangen des endlichen 0^
aeina unterworfen gewesen sein: aber diefs Ziigestlndni&
kann den Rits, der dureh Jene Behauptung in die pn«
wissenschaftliche Weltansicht gemaeht ist, nioht beilei,
und am wenigsten können vage Analogien etwas helfen,
wie die: so gut es nooh Jetat möglich sei, da(s Msterii
sieh balle und im unendlichen Raum au rotiren beginne^
mtfsse die Wissenschaft auch eInrXomen, es gebe eine E^
aoheinnng im tiebiet des geistigen Lebens, die wir sbm
so nur als reinen Anfang einer höheren, geistigen Lebeoi*
entwicklong erkiftren können %
Zumal man durch di^se Vergleichuttg an das erinnert
wird, was Braniss besonders geltend gemacht hat, d»fs
es den Gesetaen aller Entwicklung auwider würe, des
Anfangspunkt einer Reihe als ein Gröfstes su denken, sn'
also hier in Christo, dem Stifter des Gesammtlebens, dat
die Kräftigung des Gottesbewufsteeins cum Zwecke bat,
die Krfiftigfceit desselben als schlech(;hinige vorsostellen,
was doph nur das unendliche Ziel der Entfaltong da
von ihm gestifteten Gesammtlebens Ist. Zwar gibt ancti
ScBLSiaaitfACHBR in gewissem Sinn eine Perfectibilitfit dei
Christenthums au: aber nicht Ober daa Wesen Christi hin-
aus, sondern nur Aber seine Erscheinung. O. h», die Be-
dingtheit nnd UnroUkommenheit der VerhiÜtnisse Chrifd,
der Sprache, in welcher ef sich ausdrfickte, der Natio-
nalität, innerhalb deren er stand, habe auch aein Deokes
und Thuq af&cirt, aber nur *dl9 Aufsenseito: der innere
Kern desselben sei dennoch wahrhaft nrbildlich geimea;
5) Im 2ten Sendschreiben.
Sehluraabhandlong. S« IM. 749
and wenn nun die Cbristeabelt in ihrer FovCenCwickluog
in Lehre und Leben Ismer mehr Jene temporellen und na-
tionalen Sehranken niederwerfO| in welchen Jean Thnn und
Reden sieh bewegte : so sei dlefa kein Hiuansgehen fiber
Cbristnoi, aondem nnr eine um so follatlndigere Darie-
l^ng aeinee inneren Weaena* Allein, wie Scbmio grilnd-
iieh naohgewiesen bat, ein gesebiebtlicbea IndiTidnum ist
eben nnr das, was von ibm ersobeint, sein innere« Wesen
^wird in seinen Reden und Handlongen erkannt, an seiner
l£igentbOniliebkeit gehört die Bedingtheit doreb Zeit- und
\olksTerhIltniase mit, und was hinter dieser Erscheinung
als An sich snriiokliegt , ist nicht das Wesen dieses In-
dividuums, sondern die allgemeine menschliche Natur Ober-
haupt,'welche in den £inaelnen durch Individoalicfit, Zeit
nnd Umstände beschränkt, enr Wirklichkeit kommt. Uvber
die geschichtliche Erscheinung Christi hinausgehen, hei&t
also nicht uum Wesen Christi sich erheben, sondern aur
Idee der Menschheit (Iberbaopt, und wenn es Christus
noch sein soll, dessen Wesen sich darstellt, 'wenn mit
Wegwerfung des Temporeüen und Nationalen das Wesent-
liche aas seiner Lehre nnd seinem Leben fortgebildet %%ird:
so könnte es nicht schwer falten, durch ähnliche Abstrac-
tion auch einen Socrates ab denjenigen darsnstellen, Ober
welchen in dieser Weise nicht hinausgegangen werden
lidnne.
Wie aber weder Oberhaupt ein Individuum, noch Ins-
besondere ein geschichtlicher Anfangspunkt Euglelch urbild-
lieh sein liann: so will auch, Christum bestimmt als'Men-
8chei| gefafst, die urbudl^he Entwicklang und Beschaf-
fenheit, wdehe ihm ScuLBiiRMAcnBR suschreibt, mit den
Gesetsen des BMuscbllchen Daseins sich nicht vertragen.
Die Unsflndlichkrit , als DnmdgUehkeit des BOndlgens ge-
fafst, wie sie in Christo gewesen sein soll, ist eine mit
der mensclilicben 'Natur gans unvereinbare Eigenschaft ,
da dem Menschen vermöge sein^ von sinnlichen wie ver-
750 SohlnTiiAbhandlong. S* 14II.
Dfinftigen Antrieben bewegten Fretbeit die Mdgllehkcit 4ei
SOndigene wesentlich iah Und wftnn Cbrbtae eoger tm
«Uem innern Kampf, von jeder Sohwanhang des geistigtt
Lebens awiachen tiat ond Böae, frei gewesen «ein aell:
so könnte er vollends keta Menseh wie wir gewesen aeia«
da die Wechsel wirkang, in welcher berm Menaehca
sowohl die innere Geisteskraft flberhaopt mit der aef sis
einwirkenden .Aaraenwelt, als insbesondere die hdliere, re-
ligiössittliche Kraft mit der sinnliehen Oeiateatbfitigksh
steht, noth wendig als Kampf enr Krscheinang kommt *>
So wenig aber auf dieaer Seite der Wisseaaehafit , st
wenig thnt die in Rede stehende Christologie anf der an-
dern Seite dem Glanben genug. Dm von denjenigen Panktts
abausehen, wo sie für die kirchlichen Bestimmongen wenij^
stens annehmliche Surrogate eu bieten weifa, Ober weleb«
sich jedoch gleichfalls streiten liefse, ob sie völligen Er
aate gewähren ') , tritt diefs am schreiendsten in der Be-
hauptung hervor, die^ Thatsachen der Auferatebung md
Himmelfahrt gehören nicht wesentlich aum ehriatUehes
Glauben. Wllhrend doch der Glaube an die Anferatehvag
Christi der Grundstein ist, ohne welchen die ehriadidM
Gemeinde sich nicht hätte aufbauen können ; aaeh Jetit
noch der christliche Festcyclus, die ftufsere Oaratellaag
des christlichen Bewuf«tseins , keine tödtlichere VeratA»
melung erleiden könnte, ala wenn ans demselben daa Oste^
fest ausgebrochen würde ; überhaupt im Glauben der Ge-
meinde der gestorbene Christus nicht sein könnte, wsi
er ist, venn er nicht augleich der Wiedererstaadaas
wire.
Zeigt Mch an der SGHLSiBRMACHaa'schen Lehre von iet
Person und den Zuständen Christi besonders ihre doppda
UnaniängÜchkeit, in Beang auf Kirchenglanben nnd Wii-
€) ScHMiOy a. A. O«
7) Vgl. RotaRKRAss, a. a. Q. S. 9S5 tf^
SoblufaabbandlBng« §. 146. ' 751
•enschaft : lo wirdani der Lehre von der WirkaamkellCbri*
ati erfaelieiii daCii did dem enteren nur co weil ^enog an
tliun, al« hier geaehieht^ Mo'aoleher Widerapmeh g^geo
die Grandaütae der letaleren gar nieht nötblg, aondern ein
leichteres Verfahren BifSglich war. Nfimlich blofs auf den
RQckachluCi von der innern Erfahmng dea Christen, ala der
WirlLnng, anf die Peraon Christi, als die Ursaehe, gegrfln-
flet, steht die ScuLKiKRMACHER*sche Chrtstologie anf schwa-
chen Fafsen, indem nicht bewiesen werden liann, dafs
{ene innere Erfahrung nur dann sich erklären lasse, wenn
ein solcher Christus wirklich gelebt hat». ScHLBnaMACHsa
seihst hat den Ans weg bemerkt, dars man Ja sagen kdnn«
te, nnr veranlarst durch Jesu ralatire Vortreffliehkelt habe
die Gemeinde ein Ideal absointer Vollkommenheit entwor-
fen und anf den historischen Christus fibei^etr^gen, ans
welchem sie nun fortwährend ihr Gottesbewnrstsein stärke
und neu belebe: doch diesen Ausweg soll die Bemerkung
abschneiden, die sündhafte Menschheit halw veraidge des
Zusammenhangs von Willen nnd Verstand ^gar nicht das
Vermögen, ein fleciienloses Urbild au eraengen. Aliein,
i^ie treffend bemerkt worden ist, wenn Schlsiermachbr
für die Entstebnng seines wirklichen Christus ein Wunder
postulirt: so könnten }a wir für die Cntstehnng des Ideab
von einem Christus in der menschlichen Seele dasselbe
'Reoht in Anspruch nehmen "> Indefs, es ist gar nicht
einmal wahr, dafs die sündhafte menschliehe Natur cur
Ersengung eines sündlosen Urbilds unfähig ist. Wird un-
ter diesem Ideal nnr die allgemeine Vorstellung verstau*
den : so ist vielmehr mit dem Bewofstsein der Unvollkom-
menheit nnd Sündhaftigkeit die Vorstellung des Vollkom-
menen nnd Sündlosen ebenso nothwendig gegeben, wie
mit dem der Endlichkeit die dw Unendlichen, indem beide
8) BAua, s. a. O. S. 653.
T52 Schlnr^abhandlong. $. 146.
Vorstelloifgen tiob gegenseitig bedingen, die eine ohne dit
andere gar nicht möglieh ^bt* lat aber die conerete A»
fflhrnng des Bildes mit den einaelnen Zögen gemeint: m
kahn man zugeben, dafs einem sündhaften Individanm ud
Zeitalter diese Ansmainng nicht fleciienlos gelingen lians;
allein dessen ist ein solclies Zeitalter, weil es selbst niek
darfiber hinaus istj sich nicht bewnfst, und «renn in
Bild nur, sUsaenhaft ansgeffihrt ist, nnd der Belenchta««
noch viel Spielranm Iftfst t so kann es leicht aneli von ei-
ner spftterenj scharfsichtiger gewordenen 2^it, so langt
sie den guten Willen der gflnstigsten Beleacbtang hat, neel
als fleckenlos betrachtet werden«
Biemit sehen wir, was an dem Vorwarf ist, der
SCBLEiERMACHER^n sd angehalten machte, dafs aein Chii-
atas kein historischer, sondern ein idealer sei: er lat aa-
gerecht, wenn auf die Meinung Schlpiermachxr*« geeekes
wird, denn er glaubte steif nnd fest, der Christas, wie
er ihn construirte , habe wirklich so gelebt ; aber gercebt
ist er einerseits in Besag auf den geschichtliebeo Thatbe-
stand, weil ein solcher Christus Immer nur in der Idee
vorhanden gewesen ist, in welchem Sinne freilich den
kirchlichen System derselbe Vorwarf noch stärker gemaebc
werden mOlste, weil sein Christus noch viel weniger en-
stirt haben kann; gerecht endlich rflcksiohtlich der Cor«
sequena des Systems, indem, am ^as aa bewirken, vns
ScRLEiBRMACHER ihn bewirken läfst, kein anderer Christae
ndthig, und nach den ScHLBiERMACHBR*schen Grnndaltsca
aber das Verhftltnirs Gottes nur Welt, des UebernatOrliclKB
aum Natürlichen, auch kein andrer möglieh ist, als eis
idealer — und* in diesem Sinne trifft der Vorwarf die
ScHLEiERMACHBR'sche Glaubenslehre specifisch, ds nach des
Prämissen der Kirchenlehrer allerdings ein historiaeker
Christas sowohl mffglich als nothwendig war«
Sohlar<abhAndiong. .$. 147« 75)
I
§. 147.
Die Ghri8tologie , tymbolitch gewendet. Haky. di W«m.
Iflt hiemlt der Versooh gescheitert, das Urbildliehe
in Christo mit dem Oeschiohtllchen Easammenso halten :' 90
seheiden sieh diese beiden Elemente, das letEtere fAllt alA
DatOrliches Resldanm za Boden, das erstere aber steigt als
reines Snblimat in den Aether der Ideenwelt empor. Ge«
scbiofatiioh kann Jesus nichts Anderes gewesen sein, als
eine Bvrar sehr ansgeeeichnete , aber darum doch der Be«
schrXnktheit alles Endlieben unterworfene Persönlichkeit:
vermöge dieser ausgeseichneten Persönlichkeit aber regte
er das religiöse Gefühl so mfichtig an, dafs dieses in ihm
ein Ideal der Frömmigkeit anerkannte; wie denn Ober«
hanpt eine historische Thatsaohe oder Person nur dadurch
Grundlage einer positiven Religion werden kann , dafs sie
in die Sphfire des Idealen erhoben wird ^).
Schon Spinoza, hat diese Unterscheidung gemacht in
der Behauptung, den historischen Christus zu kenneu, sei
cur Seligkeit nicht nothwendig, wohl aber den idealen ^
die ewige Weisheit Gottes nfimlich, welche sich in allen
Uingen, im Besondern im menschlichen Gemüth, und al«
lerdings in ausgezeichnetem Grad in Jefu Christo geoffen«
hart habe, und welche allein den Menschen belehi^e, was
wahr und falsch, gut und böse sei ^).
Auch nach Kant darf es nicht zur Bedingung der
1) So ScHnnD, a. a, 0. S. 367.
2) Ep. 21. ad Oldenburg. Opp. cd. Gförik, p. 556: _ ^ico,
ad aalutem non esse omnino neeesse, Christum secundum car^
nem nosceres sed de aeterno tiio filio Dei, A. e, Det aetema
saptentia, guae sese in omnibus rebus , et maxtme in mente
hunuma, et omnium ma^cime in Christo Jesu manifestavit,
ionge aliter sentiendum* Natn nemo absgue hoc ad statum
beatitudinis potest pervenire, utpote quae sola docet, quid
verum et falsunty bonum et malum sit*
IhiH Leben Jesu Ue Aufl. U, Band. 48
754 Sohlnfs^bhandlnng. §• 147.
Seligkeit gemacht werden , dafs man glaube, es habe elt>
mal einen Menschen gegeben, der durch seine Heiligkeii
ond sdn Verdienst sowohl fflr sich als auch für alle »
dem gennggethan habe; denn davon sage nns die \tf-
nnaft nichts; wohl aber sei es allgemeine Menscbenpflieht,
an dem Ideal der moralischen Vollkommenheit, welches n
der Vernunft liege, sich eu erheben, und durch desm
Vorhaltung sich sittlich krfiftigen eu lassen : nur sn die-
sem moralischen, nicht sii jenem hiaterischen Glaoben sei
der Mensch Terpfllchtet ^).
Auf dieses Ideal sucht nun Kant die einzelnen Zfige
der biblischen und kirchlichen Lehre von Christo usus-
deuten« Uie Menschheit oder das vernfinftige Weltweses
überhaupt in seiner ganzen sittlichen Vollkommenheit ist
es allein, was eine Welt zum Gegenstande des göttltcheB
Rathschlusses und zum Zweck der Schöpfung machen kam:
diese Idee der gottwohlgefälligen Menschheit ist in Gott
Ton Ewigkeit her, sie geht von seinem Wesen aas, oad
ist insofern kein erschaffenes IMng, sondern sein eingebof-
ner Sohn, das Wort, durch welches, d. h« um dessen «ed-
len. Alles gemacht ist, in welchem Gott die Welt geliek
hat. Sofern von dieser Idee der moralischen Vollkoeiflien-
heit der Mensch nicht selbst der Urheber ist, sondern sie
in ihm Platz «genommen hat, ohne dafs man' begriffe, wis
seine JNatnr für sie habe empffinglich sein können : ao UTst
sich sagen, dals Jenes Urbild vom Himmel zu uns heralb>
gekommen sei, dafs es die Menschheit angenommen hsW,
und diese Vereinigung mit nns kann als ein Stand der
Erniedrigung des Sohnes Gottes angesehen werden. Die-
ses Ideal der moralischen Vollkommenheit, wie sie in ei-
nem von Bedürfnissen und Neigungen abhängigen Welt-
wesen möglich ist, können wir uns nicht anders verstal-
3) Religion innerhalb der Granxen der blossen Vernunft , drit-
tes Stüch, Ite Abthl. VII. ^
SchlorsabbftDdlaDg. {• 147. 755
#
leoy als in t'orm eines Menseben, und swsr, weil wir uns
von der Starke eineir Kraft , nnd se anch der. sittlicbea
Gesinirang,. keinen Begriff naehen können, als wenn wir
sie mit Hindernissen ringend, nnd anier den gröfseen An«
fechtungeH dennooh aberwindend uns verstellen, eines sei«
eben Menschen, der nicht allein alle Menscbenpflicht selbst
ansauOben, nnd dnreh Lehre and Beispiel das Gute in
grofstoiögliebeni Dmfai^ um sich her ansanbreiten, sondern
auch , obgleich dareh die st&rksten Anlockungen versueht,
dennoch alle Leiden bis sum schmfiblichsten Tode noi des
Weltbesten wiUen nn fibernebmen bereitwillig wXre.
Diese Idee hat ihre ReaÜt£t in praküscher Besiehnng
voUstftndig in sich selbst, nnd es bedarf keines Beispiels
in der Erfahmng, am dieselbe nnm Terbindenden Vorbild
far ans sn machen, da sie als solches schon in unserer
Vernunft liegt. Auch bleibt dieses Urbild wesentlich nur
in der Vernunft, weil ihm kein Beispiel in der fiufseren
Erfahrung adfiquat sein kann, als welche das Innere der
Gesinnung nicht aufdeckt, sondern darauf nur mit schwan.
keiider Gewilsbeit scbliefsen Iftfst. Da jedoch diesem ür-
bilde alle Menschen gemXTs sein sollten, und folglich es
auch können mfissen: so bleibt immer möglich, dafs in
der Erfahrung ein Mensch rorkomme, der durch Lehre
Lebenswandel und Leiden das Beispiel eines gottwohlge'
fälligen Menschen gebe; doch anch in dieser iLrscheinung
des Gottmenschen wäre nicht eigentlich das, was von Ihm
in die Sinne fällt, oder durch Erfahrung erkannt werden
kann, Object des seligmachenden Glaubens, sondern das
in unserer Vernunft liegende Urbild, welches wir Jener K^^
srheinung iintei^legten, weil wir sie demselben gemäfs Dm.
den , aber freilich immer nur in soweit, als diefs in äus-
serer Erfahrung erbannt werden kann. WeH wir alle
obwohl natfirlich ereengte Menschen, uns verbunden un*
daher im Stande ffihlen, selbst solche Beispiele absugeben :
«o haben wir keine Ursache, in jenem musterhaften JMen-
48*
r^'
7M SebiarsabbandloBg. f. 147.
sehen einen fibernatllrlicb emeugten so erblleken; eben*
eowenig hat er an seiner Beglaabignng Wunder nötfaig,
sondern neben dem moraiisehen Glauben an die idee ist
nur noeh die historisehe Wabrnehuinng erforderlieh, dab
sein Lebenswandel ihr gemäfs sei, am ihn als Beispid
derselben an beglaubigen»
Derjenige nun, weleher sieh einer solchen aormliscilai
Gesinnnng bewnfst ist, dafs er gegrflndetes Vertrauen saf
sich setsen kann, er wfirde anter Ibnlioben Versachangen
and Leiden , wie sie an dem Urbilde der Henscliheit ab
Probierstein seiner moraiisehen Gesinnnng vorgesfellt wer>
den, diesem unwandelbar anhängig und in trener Nachfol*
ge ähnlich bleiben, ein solcher Mensch allein ist befogti
sieh für einen Gegenstand des göttlichen Wohlgefalleas
SB halten. Dm au solcher Gesinnung sieh za erheben,
mufs der Mensch vom Bösen ausgehen , den alten Alenscbci
aussieben, sein Fleisch kreuaigen; eine Umänderung, wsl*
che wesentlich mit einer Reihe von Schmersen und Lei-
den verbanden ist. Diese hat der alte Mensch ala Strafe«
verdient: sie treffen aber den neuen, indem der Wiederge*
borene, der sie auf sich nimmt, nur noch physisch, seinem
empirischen Charakter nach, als Sionenwesen, der ahe
bleibt) moralisch aber, als intelligibles Wesen, in seiner
veränderten Gesinnung, ein neaer Mensch geworden ist
Sofern er nun in der Sinnesänderung die Gesinnung d«
Sohnes Gottes in sich aufgenommen hat, so kann, was ei>
gentlich ein Stellvertreten des alten Menschen für den neoes
Xst^f als Stellvertretung des Sohnes Gottes » wenn man die
Idee personifiolrt, vorgestellt, und gesagt werden, dieser
, selbst trage ffir den Menschen, für alle, die an ihn prak-
tisch glauben, als Stellvertreter die Stfndenschald, tbse
durch Leiden und Tod der hdchsten Gerechtigkeit als Ei^
.loser genug, und mache als Sach Verwalter, dals sie lioffBS
können, vor dem Richter als, gerechtfertigt au erMhaincO}
indem das Leiden, welches der neue Mensch, Indem sr
Sehlaraabhandlong. f. 147. ^ 757
item alten abtdrbt, In Laben fortwlhrend llbernehaien mofij
an den ReprieeNtanten dei^ Menschheit ab ein für allemal
erlittener Tod yergestellt wird ^.
Auch Kant, wie ScnLBiBRMACHXE, deeedn Chrietelogie
fiberhanpt in manehen Besiebnngen an die KANTitehe er-
ianert/)^ kommt in der Aneignung der kirchlichen Cbri-
8tologie nni^ bis «um Tode Christi : von seiner Anferstehnng
und Himmelfahrt aber sagt er, sie können nnr Religion
innerhalb der Grinsen der blofsen Vemnnfik nicht benlltat
werden , weil sie auf Materialitit aller Weltwesen ftthren
wQrden« Wie er Indefs auf der andern. Seite diese Tha^
sschen doch wieder als Symbole von Vemnnftideen , als
Bilder des fingangs in den Sita der Seligkeit, d. h. in die
Gemeinschaft mit allen Guten , gelten Itfst: so hat noch
bestimmter Tuftruhk erklärt, ohne die Aofemtebung wflr*
de die Geschichte Jesu sich in ein widriges £nde verlie»
ren, das Auge sich mit Wehmuth und Widerwillen von
einer Begebenheit abwenden, in welcher das Muster der
Menschheit als Opfer unheiliger Wuth fiele, nnd die
Scene sich mit einem eben so unschlildigen, als schmersii«
ehen Tod beschlörse ; es mfisse der Ausgang dieser Geschich-
te mit der ErfOilung der Erwartung gekrönt sein, nu wel*
eher sich die moralische Betrachtung eines jeden nnwidei^
Stehlich hingeaogen fohle: mit dem Debergang in eine ver-
geltende Unsterblichkeit ^)«
Auf ftbnliche Weise schrieb db Wbttb, wie Jeder
Geschichte, und insbesendttre der. Religionsgeschichte, so
auch der evangelisehen , einen symbolischen, idealen Cha-
rakter SU, vermöge dessen sie Ausdruck und Abbild des
menschlichen Geistes und seiner Thitigkeiten sei. Die Ge-
schichte von der wunderbaren Eraengung Jesu stelle den
4) a. a. O. Stea Stttck, Iter Abachn. 3tea StUck^ ite Abtblg. ^
5) Wie dicaa ßiUR nacbweiat, chriatl. Gnoaia, S. 660 ff.
6) Cenaur des cbriatl. protcstaotiscben Lehrbegriffa, 5; S. 180*
758 Soblttfaftbbandlanf. §. 147*
götdiohen Prspning der ReJigioB dar; die Ersiblanga
¥on seinen Wahdertbaten die selbatstiDdige Kraft d«
Menschengeistes and die erhabene Lebre des geistipi
Selbstrertraaens ; seine Auferstehnng sei das Bild in
Siegtf der Wabrbeit, das Vorzeicben des kfinftig so Toi-
endenden Triumphs des Guten fiber das Bdse; seine Hia-
melfahrt das Symbol der ewigen Herrlicbeit der Religkii
Uie religiösen Ghnindideen , welche Jesus in seiner Lehn
ausgesprochen , drflcken sich ebenso klar in seiner G»-
sohichte aus« Sie ist Ausdruck der Begeisterung, iaim
muthyollen Wirken Jesu und der siegreichen Gewalt so-
nor Erscheinung; der Eesignation, in sdnem Kampf nit
der Bosheit der Menschen, der Wehmuth seiner wamet-
den Reden, und ?or Allem in seinem Tode; Cbristiua
Krens ist das Bild der durch Aufopferung gelfinterta
Menschheit: wir sollen uns alle mit ihm kreuEigen, aa
mit ihm bu neuem Leben aufeustehen. Endlich die Idee
der Andacht ist der Grundton der Geschichte Jesu , inum
jeder Moment seines Lebens dem Gedanken an seinen hin»
lischen Vater gewidmet ist ')•
Besonders klar hatte schon Irfiber HoasT diese syaibt-
lische Ansicht von der Geschiobte Jesu ausgesproeiMai
Ob Alles, was von Christo ernfihlt wird, sagt er, geota
so als Geschichte vorgefallen ist, das iLann uns jetat sien*
lieh gleichgfiltig sein, auch können wir ea nicht mehr ans*
mftteln* Ja, wenn wir es uns gestehen wollen, so ist dca
gebildeten Theil der Zeitgenossen dasjenige, was den alt-
gläubigen Christen heilige Geschichte war, nur noch Fabd:
die Erzählungen von Christi übernatdrllcher Geburt, vm
seinen Wundern, seiner Auferstehung und Himmelfahrt,
mQssen, als den Gesetzen unseres ErkenntnU8verai$ge«
widersprechend , verworfen werden. Aber man fasse ae
nur nicht mehr blofs verständig , als Geschichte , sooderi
7) Religion und Theologie , 2ter Abschnitt, Hap. 3. Vgl. bibl
Dogmatik; §. 255', Kirchliche, $. 64 ff.
Soblufsabliandlong. {. 147« 759
mit fJellihl «nd PhantMie, als Oichtnng/aof: $o wird
mao finden, dafs niehto in diesen EnäUungen willkQ^
lieh geniaebt ist, sondern Alles seine Anknflpfangspankta
in den TieCiten and Oettrerwandten des menschlichen 6e*
mOthes hat. Von diesem Standpnnkt ans betrachtet, Ufst
sich an die Oeschichte Christi Alles anknüpfen, was für
das reltgtöse Vertranen wichtig, fflr den reinen Sinn he«
lebend , Ar das aarte Gefdhl ansiahend ist Es jst Jene
Iweschichte eine heilig schöne Dichtung des allgemeinen
Menschengeschlechts , in der sich alle Bedttrfnisse unseres
reiigiSsen Triebs vereinigen, und diefs ist eben die höchste
Khre nnd der stftrkste Beweis fttr die allgemeine GOltig»
keit des Christenthuma. Die Gesehlchto des EFangeUums
ut im Grunde die Geseliichte der idealisch gedachten all-
gemeinen Menschennatar, 'und aeigt uns in dem Leben des
Ki'naigen, was dar Mensch sein soll, nnd mit ihm yerhnn^
den dnroh Befolgung sdner Lehre und seinea Beispiels
wirklich werden kann. Dabei wird nicht gelfiugnet, dafs
dem Paulas, Johannes, Matthftns and Lnlus das That«
Bliebe nnd gewisse Geschichte war, was uns jetat nur noch
als beilige Dichtung erscheinen kann. Aber es war ihnen
auf ihrem Standpunkt ans eben dem Innern Grunde heili«
ge Thatsache und Geschichte, aus welchem es uns jetat auf
unserem Standpunkt heilige .Mythe und Dichtung ist. Nur
die Ansichten sind verschieden: die menschliche Natur,
nnd in ihr der religiöse Trieb, bleibt immer derselbe.
Jene Mfinner bedurften in ihrer Welt, anr Belebung der
religiösen und moralischen Anlagen, in den Menschen ihrer
Zeit, Geschichten und Thatsa^hen ,'^ deren innersten Kern
aber Ideen bildeten: uns sind die Thatsacben veraltet und
Bweifelhaift geworden, und nur noch um der snm Grande
liegenden Ideen willen die Ersiblungen davon ein Gegen-
stend der Verehrung 0*
8) idcen über Mythologie u. s. w. in Hbhki's neuem Magazin^
6, S. ^h^ IT. Vgl. Usnxa^s Museum, 3) S. 455*
760 SohlarsabbandUng. f. 147.
Diese Ansieht traf sanäehst von Seiten «les kirohlicheB
Bewofetseins der Vdrvmrf , dafs sie statt des Reidithoni
gtfttlieiler Realitfit, wie sie der Glaube in der Geeehidile
CHrlsti findet, eine Sammlung ieerer Ideen und Ideale qs»
terschlebe, statt ein trestreiehes Sein za gewähren, «
bei'm drüekenden Sollen bewenden lasse. Für die tiewifi-
beit, dafs Gott sieh einmal wirkiioh mit der menaeliliekcs
'Hatnr yfereinigt hat, bietet die Anmahnang schlechten b-
aatB, dafs der Mensch gSitlicben Sinnes werden aolle; Ar
die Serohignng, welche dem Glfinbigen die dardi Clvi-
stum vollbrachte Erlösung gewfihrt, ist ihm die Versa»
schanlichnng der PQicht l&ein Aequivalent, sieh selbst tob
4er Sfinde losaumadien. Ans der versöhnten Welt, ts
welche ihn das <}hristenthum versetst , wird der Mensek
durch diese Ansicht in^eine unversöhnt^ sarttekgeworfes,
ans einer seligen in eine unselige; denn wo die Versob>
Dung erst en vollbringen, die Seligkeit erst an erringn
ist, da ist vor der Hand noch Feindschaft und DnseJig
keit« Und swar ist die Hoffnung, aus dieser je gans her-
aussukommen, nach den Principlen dieser Ansicht, welek
nur Idee nnr eine unendliche Ann£bcrnng kennt , eiof
ttfuschende; denn das nur im endlosen Progrefs so £rret-
chende ist in der That ein DnerreiohSAres.
Doch nicht allein der Glaube, sondern auch die Wis-
aenschaft in ihrer neuesten Entwicklung iiat diesen Staad-
punkt unzureichend befunden. Sie hat erliiinnt, dala, dit
Ideen aum blofsen Sollen mächen, dem kein Sein entspre-
che, sie aufbeben hmfse: wie das Dnendllebe als UeiiieB-
des Jenseits des Endlichen festhalten , es v^srendlicben ; sts
hat begriffen , dafs das unendliche im Stkcen und Wis-
deranf heben des Endlichen sich selbst erhfih, die Idee is
der Gesammtheit ihrer Erscheinungen sich verwirklieht,
dafs nichts werden kann, waf nicht an sich schon ist:
also auch vom Menschen sich nicht verlangen lüfst, sitH
mit Gott an versöhuen und göttlichen Sinnes su werden.
8chlar«abhiindJong. f. 148. 7«1
wenn diese Venfthoniig nad Vereioigiing nieht an dch
"chon Tollbraeht iel*
f. 148.
Die apeculative Ghrittologie.
Schon Kant hatte gesagt 9 das gute Prinoip sei nicht
blofe SD einer gewifsen Zeit,, sondern Tom Ursprung des
menschlichen Geschlechts an onsichtjbarerweise vom Bim-
mel in die Menschheit herabgekommen, und Schellino
stellte den Sats auf: die Menschwerdung Gottes ist eine
Menaofawerdang von Ewigkeit '3. Aber während der e^-
stere onter jenem Aosdrocii nur die moralische Anlage
▼erstanden hatte, welche mit ihrem Ideal nnd ihrem Sollen
von jeher dem Menschen eingepflanzt gewesen sei : verstand
der letztere unter dem menschgewordenen Sohn tiottes das
Endliche selbst, wie es im Menschen anm Bewufstsein
iLommt , und in seinem Unterschied von dem Unendlichen^
mit dem es doch Eins ist, als ein leidender *nnd den Ver-
hältnlssen der Zeit unterworfener Gott erscheint.
In der neuesten Philosophie ist diefs welter so aus-
geführt worden^. Wenn Gott als Geist ausgesprochen
wird, so liegt darin, da auch der Mensch Geist ist, bereits,
dafs beide an sich nicht verschieden sind. Itäher ist in
der Erkenntnifs Gottes als Geistes, da der Geist wesentlich
diefs ist, in der Unterscheidung seiner von sich identisch
mit sich su bleiben, im Andern seiner sich selbst au haben,
diefs enthalten, daCs Gott nicht als sprödes Unendliche
1) Vorlesungen über die Methode des academiscfaen Studiums,
S. 192.
2) Hisbl's Phänomenologie des Geistes , S. 561 ff. *, desselben
Vorlesungen über die Fhilos. der Relig. 2, S. 234 ff. Mar-
HKjKRKB, Grundlehren der cLristl. Dogmatik, 8. 174 ff. Bo<»
siifXRANZ, Encyklopädie der theol. Wissenschaften, 8. 38 ff,
148 ff. Vgl. meine Streitschriften, 3tes Heft, 8 76 ff. »
TM Sehlorsabhandlang. $. 14».
dar We^ 2ani ffimraei sii finden tein; dai Steriben da
JLebensfCiPBtBti bt da« Leben de« Sterbliehen« Schon dnrt
aein Kingehen in die Welt ala Gottmenaeh neigte rteh G«
mit der Welt rersolint: nSber aber. Indem er atariiMi
aeine Matärlichkeit abatr^fte, aeigte er den Weg, wie »
die Veraöhnong ewig sn Stande bringt: nSmlieh darefc
Entftufgerong snr NatfirHobkeit und Wiederanfhebong iler
aelben ideiitiaeh mit sieh sn bleiben, Insefem der Td
des Goltmentcben nur Anfbebung «einer EntlnCsemng ni
i«t er in der Tbat Erhöhung und RffcUebr sn Gott, whl
ao folgt auf den Tod wesentlieb die Anferatehong ao^
flUmmelfjihrt.
indem der Gettmenseh, imieber wfthrend seine« U
bens den mit ihm Lebenden «Innliob als ein Anderer g^
genüberstaiid, durch den Tod ihren Sinnen entnomwi
wird, geht er in ihre VorsteUnng und Erinnerung cii,
wird somit die in ihm gesetate Einheit dea Göttlichen lad
Menschliehen allgemeines Bewnfstsein, und die Gemeindr
mnfe die Momente seine« Lebens, welche er Xofserfiel
durchlief, in «ich auf geistige Weise wiederholen. la
HatOrlichen sich schon vorfindend, mnfs der Glaabige,
wie Christus, dem Matfirlichen — aber nur innerlieh, vni
er liurserlich *-- sterben, gebtig, wie Christus leibliefa,
sich l(reusigen und begratien lassen, um durch AnfhelNnif
der Natürlichkeit mit sich als Geist identisch sn seb,
und an Christi Seligkeit und Herrlichkeit Anthell nht
kommen.
§. 149.
i
Letztes Dilemms.
Hiemit scheint auf hQhere Weise, ana dem Begrift
Gottes und des Menschen in ihrem gegenseitigen Verfallt-
nifs heraus, die Wahrheit der kirchlichen VorsteUnng fis
Christus bestlligty und so aum orthodoxen Standpuaktt,
wiewohl auf umgekehrtem Wege^ suriickgelenkt au seii^
SohUraabhaD^lung. %. 149* 7C5
le nlnlifoh dort aas der Richtigkeit der evangeUeehen
Bschichte die Wahrheit der kirchlichen Begriffe von
firiatas dedncirt wnrde: eo hier ans der Wahrheit der
Bgrltle die Richtigkeit der Historie. Das Vernünftige ist
loh wirklich, die Idee nieht ein KANTisches Sollen blols,
mdern ehenso ein Sein; als Vernanftidee nachgewiesen
Iso mofs die Idee der Einheit der göttlichen and mensch-
oben Natar anch ein geschkhtliches Dasein haben. Die
linheit Gottes mit dem Menschen, sagt daher Marhsinb-
E *), ist in der Person Jean Cliristi offenbar und wirk-
ch als ein Oeschehensein ; in ihm war, nach Rosenkranz^
lie göttliche Macht Aber die Nator coneentrirt, er konnte
licht anders wirken, als wunderbar, ond das Wunder^
hlin, was ans befremdet, war ihm natttrlieh; seine Auf-
iratehung, sagt Conradi ^j, ist die nothwendige Folge der
i^ollendnng seiner Persönlichkeit, und darf so wenig be-
remden, dafs es vielmehr befremden mfifste, wenn sie
sieht erfolgt wäre«
Allein sind denn durch diese Dednction die Wider-
iprttohe gelöst, welche an der kirchlichen Lehre von der
Person und Wirksamkeit Christi sich herausgestellt hnhen?
Man darf nur mit dem Tadel, welchen gegen iia Schlrisr-
iiAci]SR*scbe Kritik der kirchlichen ,ChristoIogie Rosenkranz
In seiner Recension ausgesprochen hat, dasjenige vt*rglei-
chen, was der letstere in seiner Encyhlop&die an die
Stelle setEt: so wird man finden, dals durch die allgemei**
nen Sstze von Einheit der göttlichen und menschlichen
Matur die Erscheinitng einer Person, in welcher diese
Einheit auf ausschliefseade Weise individuell vorhanden
1) Dogmakik, $. 326.
2} Encyklopädie, S. 160.
3) SelbatbewuMtaein uod Offenbarung, S. 293 f. Vgl. BAoni,
in den Receat. des L. J., Jahrbücher f. wiss. Kritik, ISST),
Mai, S. 6d9 ff.
766 SchlufsabbaDdlung. $. 149.
geweMD wäre, nicht ImMlRdedton denkbarer winL Vk^^
ich nur denken kann^ daf» der gSttliehe Gelit in 9tmr
Entänfaemiig nnd Erniedrigung der menachlicbe , und 4n
menschliche in teiner Einkehr in sich und Brh^mng ibs
sich der göttliche ist: so kann ich mir defswegen neeb
nicht vorstellen I wie göttliche nnd menschlielie Natnr dk
versehiedenen nnd doch ▼erbnndenen Bestandtbeile &buh
geschichtlichen Person ansgemaeht haben können; wesii
ich den Geist der Menschheit in seiner Einlidt mi^ da
göttlichen im Verlauf der Wel^sehichte Immer Tollftia
diger als die Macht Aber die Matur sich bethfttigen sehe
so ist dies etwas gann Anderes, als einen einseinen Me»
sehen für einseine willkAi4iche Handlungen nsit soldici
Macht ansgeritstet sn denken; vollends ans der Wahrbert
dals die aufgehobene 'NatOrlichkeit dos Auferstehen ^
Geistes sei| v^lrd die^ leibliche Auferstehung rtoes la&t
dnnms niemals folgen*
Hiemit wären wir also wieder auf den KAKTiscbn
Standpunkt suHtckgesunken , den wir selbst nngenfkged
befunden hsben; denn wenn der Idee keine Wirkliebkek
Bukommt, so ist sie leeres Sollen und Ideal. Aller hekei
wir denn alle Wirklichkeit der Idee auf? Keinesw^;
sondern nur diejenige, welche ans den Primissen skb
folgt 0. Wenn der Idee der Einbeit von gottlicher m^
menschlicher Natur Realität sugesehrieben wird, hef^
diefs soviel , dafs sie einmal in einem Individanm , vie
vorher nnd hernach nicht melu^^ wirklich geworden seil
mfisse? Das ist Ja gar nicht die Art, wie die Idee üA
realisirt, in Ein Exemplar ihre ganse Falle anscnschortrsi
und gegen alle andern zu geläen ^); in jenem Einen M
vollständig, in allen fibrigen sber immer nur nnvoliscän^
4) Vgl. hiecn meine Streittchrificn, }. Heft, S. 68 ff. f2S.
5) Hieinit ist die Erläuterung im angeführten Hefte der Strci*
Schriften, S. 119. su vergleichen.
dchlorsabhandlaDg. §. Utf. 767
»sndrllckeii : sondern in einer JUanchfalUgkeit von Exem*
jiren, die eich gegenteilig ergSnsen, im Wechsel sich
(teender nnd wiederanfhebender Individuen, liebt sie ih*
in Reiehthum aussnbreiten« Und das soll keine wahre
Wirklichkeit der Idee sein ? die Idee der Kinbeit von gfftt-
oher nnd mensehlioher Natnr wäre nicht vielmehr in on-
ndlioh höherem Sinn eine reale , wenn ich die ganse
[enschfaeit als ihre Verwirkliehnng begreife, als wenn ich
inen einEclnen Menschen als solche aassondere? Eine
lensehwerdung Gottes von Ewigkeit nicht eine wahrere^
In eine in einem abgeschlossenen Punkte der Zeit?
Das ist der Schlüssel der ganeeo Christologie, dafs
Is Snbject der Prädicate, welche die Kirche Christo bel-
ogt, statt eines Individonms eine Idee, aber eine reale,
licht KANTisch unwirkliche, gesetnt wird. In einem In-
lividunra, einem Gottmenschen, gedacht, widersprechen
ich die Eigenschaften und Functionen, welche die Kir«
henlehre Christo suscbreibt: in der Idee der Gattung
timmen sie susammem Oie Menschheit ist die Vereini-
;ang der beiden Naturen, der mensohgewordene Gott: der
;ar Endlichkeit entäulserte unendliche, und der seiner
Jnendlichkeit sich erinnernde endliche Geist; sie ist das
(.ind der sichtbaren Mutter nnd des nnsichrbaren Vaters:
len Geistes nnd der Natnr; sie ist der Wnnderthfirer: so-
*Bm im Verlauf der Menschengeschichte der Geist sieh
immer vollstfindiger der Natnr, im Menschen wie anfser
lemselben, bemichtigt, diese ihm gegenüber num macht-
onen Material seiner Thätigkeit heruntergesetat wird O9
lie ist der Unsfindliehe: sofern der Gang ihrer Entwick-
ung ein tadelloser ist, die. Verunreinigung immer nnr am
[ndividoom klebt, in der Gattung aber und ihrer Geschichte
lafgehoben ist; sie ist der Sterbende, Auferstehende und
6) Auch bieia ist eiae ErUuterung in den StreiUchriflen , 3,
S. 166 f*9 nschiusehen.
768 Schlufaabhandiung. § 149.^
geo Himmel Fahrendet sofern Ihr aas der Negation ihrrr
Natflrlichkeit immer höheres geistiges Leben, ans der Ar.^
hebi^ng ihrer Endlichkeit als persönlichen, nationalen v4
weltlichen Geistes ihre Einiglieit mit dem mieDdiidn
Geiste des Himmels hervorgeht. Daroh den Glanlmi m
diesen Christus, namentlich an s^en Tod und aeine Aa(-
erstehang, wird der Mensch vor Gott gerecht: d« b. dorck
die Belebung der Idee der Menschheit In sich , namenilkli
nach dem Momente, dsfs die Negation d«p NatOrlichkfli
nud Sinnlichkeit, welche selbst schon Negation des Geist»
ist, also die Negation der Negation, der einclge W«<
cum wahren geistigen Leben fffr den Menschen aei, via
auch der Einaelne des gottmensehlichen Lebens der Gi^
tong theilhaftig 0* ^
Diefs allein ist der absolute Inhalt der Cbristolog«:
dafs dieser an die Person und Geschichte eines Eintekei
geknüpft erscheint, gehört nur aor geschichtlichen Fora
derselben* Schleiermachkr hat gana Recht gehabt, wen
er ssgte, es ahne ihm, dafs bei der speculativen Ansi^
fOr die geschichtliche Person des Erlösers nicht viel neb
als bei der ebionitischen , Obrlg bleibe ^. Die atnniidtt
Geschichte des Individuums , sagt Hboel, ist nur der A»
gang»pnnkt filr den Geist. Indem der Glaube von der
sinnliehen Weise anfiSngt, * hat er eine seitliche Geaehieffe
vor sich; was er fflr wahr hllit, ist Xofsere, gewdhnlkl«
Begebenheit, und die Bejglaubigimg ist die hiatoriseiw,
7) Hierin liegt schon die Widerlegnag des Vorwurfs, welcki
ScHALLKR (der liistorischc Christus und die Philosoplite, &
64 ff.) der oben dsrgelegten Ansicht gemacht hat, alt Ithzi;
sie nur eine substanxielle ^ nicht auch eine penöniiche £]>
heit des Menschen mit Gott. Die in der Anlage drr Gattü.-^
tn sich vorhandene Einheit ist von jeher in den £iDze*Bfc,
nach dem verschiedenen Masse ihrer religiösen Eotwicklcui.
fUr sich mithin die substanziolle Einheit in verscbicden^
Graden zur persönlichen Vereinigung geworden.
Sehiofsabbftiidlutig. J. 149. 769
Jurlstbche Welse , eltt Faetliift diireh slnnUehe 6«vr!fsbelt
and moralisobe ZaTerltfrt^kelt der Zengen mn constatiren.
Indem non aber der Geist von diesem Aeofseren Veran«
iassang nimmt , die Idee der mit Gott einigen Menscbheit
sich snm Be^ufstsein so bringen, ond nnn in Jener Ge»
schiebte die Bewegong dieser Idee anscfaaat: bat sich der
Gegenstand vollkommen verwandelt, ist ans einem sinnlich
empirischen an einem geistigen nnd göttlichen geworden,
der nicht mehr in der Geschichte, sondern in der Philo«
Sophie seine Beglaubigong hat. Durch dieses Hlnausgeben
ober die sinnliche Geschichte aar absolnten wird Jene als
das Wesentliche anfgehoben, cnm Untergeordneten herab'
gesetzt, über welchem die geistige Wahrheit aof eigenem
Boden steht, com fernen Traumbilde, das nnr noch in
der Vergangenheit, ond nicht, wie die Idee, in dem sich
schlechthin gegenwftrtigen Geiste vorhanden ist®). Schon
Luther hat, die leiblichen W ander gegen die geistlichen,
als die rechten hoben Miraiiel, herabgesetat: ond wir. soll-
ten uns für einige Kranlienbeilnngen in Galllfta aof h&here
Weise interessiren können, als f&r die Wunder des Ge*
mQthslebens nnd der Weltgeschichte, fflr die in's Unglaub-
liche ateigende Gewalt des Menschen Aber die Matnr, fOr
die uDwiderstehlicbe Macht der Idee, welcher noch so
grofse Massen des Ideenlosen keinen dauernden Wider-
stand entgegenaasetaen vermögen? uns sollten vereinaelte,
ihrer Materie nach unbedeutende Begebnisse mehr sein,
als das universellste Geschehen , einzig delswegen , weil
wir bei diesem die Natflrlichkeit des Hergangs^ wenfi nicht
begreifen, doch voraussetaen , bei Jenen aber das Gegen*
tbeil? Das wire dem bessereg Bewufstsein unserer Zeit
ins Angesicht widersprochen | welches ScBLSisRMAcBBa
richtig und abscbliefsend so ansgedrfiekt bat: aus dem
Interesse der Frimaiigkeit könne nie mehr das Bedlirfnifs
8) Zweites Sendschreiben.
Das Lebern Jesu Ite Aufl. iL Band. 49
no Sobluftabhandlong« {« 150.
entstehen^ e{ne Thatsacbe so aufsnfassen , da(k durch i
Abhängigkeit von Gott ihr Bedingtsein durch den Mata-
susammenbang aufgehoben würde, da wir fiber die Mei-
nung binausaeien, als ob die göttliche Ailmaciit eich gro-
£ser seigte in der Unterbrechung des MatnrftU8ammenhao|i,
als in den geordneten Verlauf desselben ^)« Ebenso, weoa
wir das Menschwerden, Sterben und Wiederanferstehes^
das: duplex negatio affirmaty als den ewigen Kreislaof.
den endlos sich widerholenden Puisschiag des gottlichei
Lebens wissen, was kann an einem einzelnen Factnoi)
welches diesen Procefs dazu blofs sinnlich darstellt, noch
basondera gelegen sein? Zur Idee im Factum, snr GattaD|
im Individuum, will unsere Zeit in der Chriatologie g^
fnbrt sein: eine Dogmatik, welche im Locus von Christ»
bei ihm als Individuum stehen bleibt, ist keine Dogmatil,
sondern eine Predigt.
S. 150.
Vermittlungsversuche. Schluss.
Allein, wenn aw'ar allerdings die wissenschafcUcb
Christologie Über Jesus als Person hinaosaugehen hat: »
wird sie doch in einer Hinsicht immer auch wieder n
hm snrÜckkjebren müssen. An der Spitze aller Handlan-
gen, somit auch der welthistorischen, stehen Individaeo
al^die das Substantielle verwirklichenden SnbjectiFitfiten ^),
überhaupt sind alle die verschiedenen Richtungen^ In irei-
che der Reichthum des göttlichen Lebens m der Mensch-
heit sich auseinandersetzt, wie Kunst, Wissenschaft u.s.f. ,
durch grofse Individuen vertreten ^ ; insbesondere auf den
9) Vorlesungen über die Fhilosophie der Religion 2, S. 263 1
Vergl. die Zusammehstellung d^r verscliiedenea Aosiprücb
Hb«il8 über die Person ^ Christi und die evsngeUscbe Ge-
schichte uk meinen Streltschriflen, 5. Heft,, von S. 76
1) Haeai^ Rechtsphilosophie, %. 348. S. 443.
2) Vgl. meine Streitschriften, 3, S. 70.
Sohläfsabhandlnng. S^ ISO« 771
Felde d^ Religion sind, wenigstens Innerhalb des monoi*
thelsHschen Gebietes, sonst alle nenen Epoehen und eigen«
tbflnillchen Gestaltvngen an henronragende PersSnIIehkelten
geknfipft: — nnr das Christenthnm sollte eine' Ausnahme
von diesem Typus maehen ? die gewaltigste geis^ge Sch5-
pfnng ohne nachweisbaren Drbeber nur das ErgrtMilfs des
Znsammenstorsee serstrenter Krfifte ond Ursachen sein? ^
' Diese rön ihr niemals gelfingnete Seite 'der Sache ans«
drOekHeh henrorsnkefaren, ist die Kritik auf willkommene
Weise durch yersehiedene Stimmen reranlafst worden 'j.
In Folge dieser Reflexion tritt Jesus in die Kategorie der
hochbegabten Individuen , welche auf den ' verschiedenen
Lebens • Gebieten die Entwicklung des Geistes in der
Menschheit eu höheren Stufen an erheben berufen sind;
Individuen, welche wir auf den aufserreligiösen Feldern^
iiamenelich auf denen der Kunst und Wissenschaft, alsCto^'
rtie*8 an beaeichnen pflegen. Freilich ist hiemit' Christuri
loeh nicht wieder in das eigentlich christliche fleiligtfinm,
tondern nur erst in die Kapelle des Alexander Severus ein-
refdhrC:, wo er neben Orpheus und Homer, neliM Moses
licht nur, sondern auch neben Muhämmed, zu stehen
Lommt, fa wo er die Gesellschaft von Alexander und Ci-
lar, von Rapbael und Moeart nicht verschmflhen darf.
Swar wird nun diese beunruhigende Zusammenstellnng
heiiweise wieder aufgehoben durch die doppelte Ceber«
ßgang, dafs erstlich unter den ^verschiedenen Gebieten,
D welchen die ^ttverwandte Schöpferkraft des Genie's
ich entfalten kann , das der Religion nicht blofs nnbe-
3) Ui.utAiiH, in seiner Reccns. des L. J. , in den theoL Studien
u. Kritiken, I956, S. 813iF., n. imAntwortschreiJben. S. 26ff.;
SciiwaizBR, das Leben Jesu ^on Strauss, im Verhältuiss zur
ScMLBiBRMACHKR^schen Dignität des .Religionsstifters , theol.
Stud. u. Kr. iSS?, S. 465; Sciullku , der historische Chri-
stus u. die Philosophie , S. 96 ff. Womit zu vergl. meine
Streitschriften, a. a. 0. u. S. 149 ff.
49*
979 Stcbluf8«bban4lfiiig. §. 150,
«tlniQil «Ib lUt rornebinsta aiMnaa^teht , •ohAbm genwr
•icb i|i« dfin Jibrig^Q wie der Mittelpunkt fiom Omkreiee Ttf»
bXlt» iofer^ ^1 der Beligion allein der gdtrlicbB GeUt iki
ilien«ob|i«^eo, Ubl niHaittelliaren Selbstbewofttsein, «nf aUci
en^erU: j&ebieteo darob irgi^nd eine Vermlttiaiig — ?«
Gediiafc^n , Bildern , Farbeq , Tönen n. a. f. nahe tritt,
weftifegen vom ReÜgienagtlfter in gans andaraaa Sime,
als ^ofl^ l)|cbier| Pbiioeopben n. dgl» gesagt werden ksiifi,
dafs Gott sieb in ibm offenbare; wosn aU Zweirea bmI
daa kommt, dafa aaeb innerhalb dea religiöaeo Gekiec«
Cbriatoa, als Urheber der hdobgten Religion , die Obrig«
Religionsatifter überragt.
Allein I wenn auch In dem obersten Gebtete geiat]^
Lebeoa» Im Felde der innigsten Vereinigung göttUcbeii tsA
iiven«q}ilfobe9 Wesens, Cbristoa onter Allen, welebe suf
demselbea genialisch- sehöpferiseh anfgetreten aind^ «la der
Gröfiite dasteht: ao gilt diefa nur von dem bisberigeo Ve^
laaf der Dtng^ ; fftr die. Zukonfit , scbeiot ea , liaiien wir
keine BOrgaebaft, ob nicht, wenn gleich die Cluriateiüick
kelnea Andern wartet, doch noch ein Anderer komaei
werde ^ der 4ch an Christo als Gleicher, oder gar als \St
barer ?erhielte« Wie auf Thaies und Parmenidea, Sokn-
tea and Piato, und innerhalb dea religiösen Gelnetea selbe
auf Moses. Christus folgte; wie die Möglichkeit, dafs d<s
bisher aufgetretenen Genien die Zukunft ebenbürtige, jt
selbst flberlegene, cur Seite oder voranstellen möge, ii
allen andern Fischern Torauageaetat wird: so iat diesetts
Möglichkeit, scheint es, aach auf dem Felde der Reiigids
nicht absuläugnen. Zwar, wie jedes Volk ttberbaupt ssias
gesetaten Zeitrünma des 8teigens, der Bliithe und das Ver»
fallea hftt: ao gibt es einen Zeitpunkt, von wo ab aoch ia
den verschiedenen Gebieten seines geistigen Lebens kdae
böheren Offenbarungen mehr au erwarten sind, soadn«
auf das goldene Zeitalter das silberne, eherne u* s. w. fei*
gen; allein der Typus des LebensverlauCs einer einaelaes
Schlarsfibhandlang. %. 150. Ttt
INntioii kann nfcht entgegengehalten werden 9 wo ei ilob
mim die Religiooi des Geraeintame Fieler Vdlker, handelt Da«
«her ist allerdings wahr, dafs weder innerhalb der Sohrao«
l^e der Volkseinheit, noeh aneh abgesehen von derselben,
die folgenden Genien eines Gebietes «a den früheren notb»
ivendig immer als die höheren sieh verhalten ^ ihr Untere
schied oft nur ein qualitativer, nicht immer sagleich ein
quantitativer ist; wie denn sohwerlieh Jemand sagen wird,
Sophokles sei ein grösserer Dichter als Bomer, Cftsar oder
üapoleon ein grösserer Feldherr als Alezander gewesent
indefs ist hier doch das Genaaere dieses, dafs diese 8pä*
teren «war niohl vermöge des Mafses ihrer Begabung oder
persönlichen Leistung über den Frfiheren stehen, wohl
aber insofern, als ihnen das Vermichtnifa nicht nur dey
früheren Heroen ihres Faches , sondern überhaupt die gei-
stige Errungenschaft der Zeitrüume, welche zwischen ihnen
«od ,den Früheren innelagen, nur Benütaung und Verar-
beitnng au Gebote stand. So ist Napoleon freifieh wohl
liein grösseres miiitfirisches Genie su nennen, als CiUar!
aber er hat doch höhere strategische Probleme gelöst, wel-
che au Cüsar's Zeiten theils noch nicht gestellt, theils aua
Hangel an Mitteln unlösbar waren; ebenso ivenig wird
.man von Shakespeare behaupten wollen, weder dafs er ein
grösseres DIehtergenie als Homer oder Sophokles gewesen,
noch dass seine Werke an künstlerischer Vollendung ülier
denen der beiden Griechen stehen: dennoch aber, sofern
es ein entwickelteres Bewnfstsein der Menschheit war, wel-
ches der Brite poetisch verarbeitete, tiefere oder doch
verschluDgenere Probleme, welehe er so lösen hatte, steht
er inaofern höher, — wie wiedernm in eben dieser Rück-
aicht Göthe über Shakespeare; und jedenfalls stünde ein
seleher spftterer Genius den später lebenden Geschlechtem
nfiher, würe ihrer geistigen Entwicklungsstufe viarwandter,
mithin com Vorbild und Anschliefsnogspunkt geeigneter ^
als der frühere: folglich auch ein voranaaetalich ap&ter noeh
;
774 SohlafaabhftndlQDg. S* 150*
kommender, wenn gleich an sieh nicht höher begabter r-
ligiöser Genins den spiter Lebenden Frommen nCher uä
verwandter als Christus;
Allerdings indefs gibt es Gebiete, auf welchen wir &
kfinftige Hervorbringung eines Höheren oder aneh narGld-
chen mit dem bereits Herrorgebraehten nicht blos ini^
halb eines gewifsen Volkes, sondern in der Henschhdt
Oberhaupt, für alle Zeiten unbedenklich in Abrede steilen.
Ein solches Gebiet ist im Bereiche der Kunst in der Bild-
hauerei vorhanden. Hier kann selbst der begabteste Kflost-
1er yernOnftigerweise nicht hoffen, die Antike eu übertref-
fen, oder auch nur sn erreichen. Freilich liegt diefs ebeo
nicht sowohl an der Begabung, als vielmehr an den lufte-
ren Verhftltnissen, welche in ^Griechenland die Anscbsaung
des schönen menschlichen Körpers auf eine Weise bejfin-
Stigmen, deren Wie<{erkelir undenkbar ist. Sollen wir nun
aetsen , ebenso machen die Verhältnisse der Jetzigen o«f
könftigen Menschheit, das ZnrQcktreten des GefBbIs- «od
Phantasie-Lebens, dieser unstreitigen Geburtsstitte der R^
ligion, hinter dem reflectirenden Verstände, eine feroere
Productivltüt auf dem religiösen Gebiete undenkbar? Diefs
w&re bedenklich, sofern wenigstens bei dem gewählten Bei-
spiele dem Erlöschen der Prodnctivitfit auch ein Zarfick-
treten des Interesse's an einer Kunst zur Seite geht, wei-
che^ wie sie an Reich thum des geistigen Gehaltes e. B. nit
der Poesie nicht sn wetteifern vermag, so auch der fort'
schreitenden Menschheit nicht mehr dieselbe höchste Be-
friedigung, wie den Griechen, gewähren kann.
Um daher die beunruhigende Möglichkeit , von wel-
cher wir reden, mit der Wurzel ausaureifsen, wäre aa der
£igenthfimlichkeit der religiösen Persönlichkeit und Seh^
pfung Jesu selbst nachzuweisen , dafs etwas Höheres rieh
nicht denken lasse, und ebenso aus der Natur der Saebe
selbst wäre hernach die Undenkharkeit eines kfinftigeo aoch
nur Gleichen daraathud.
\
Schlafsabbandlnog. S- ISa 77S
»
In ersterer Hinsieht nun war der Gegenaatc dee Menseli«.
liohen und Göttliehen, wie er in Jedem nenscbiiehea "Amf
wurstoein gesetet ist, am sthfirfaten aber im Bev^ufstsein
des israelitischen Volkes vorhanden war, im Selbstbewnfst-
aein Jesu nach den drei ersten Evangelien dahin aufgelöst,
dafa er Gott als seinen Vater, Gottes Sache als die seinige
wnbte, den Vater vollkommen zu erkennen sich bewubt
i^ar, and seinen Willen in dem göttlichen anfgehen iiels;
nacli Johannes sprach er ansdröcklioh seine Einheit mi(
dem Vater aus, nnd stellte sich als die sichtbare Oflfenba«
ruDg desselben dar; nach beiden Darsiellungen war dleC»
ohnehin nicht blofses Vorgel>en, aber anch nicht blos eib
yorflbergehender Aufschwang des Gemilthes Jesu in ein*
seinen erhöhten Angenblicken, sondern sein ganaes Lebea
und alle seine Reden und Handlungen waren von diesev
Bewufstsein als von ihrer Seele durchdrungen. Ist nun
die Religion das im menschlichen Geiste lebendig geworde«
ne VerhSltnlfs awischen Gott und dem Menschen : so stei«
gen die Stufen des religiösen JLebens von der dumpfen Be*
wnfstlosigkeit Ober diesen Unterschied durch die immer
mehv sich entwickelnde Entzweiung und die unvollkommen
nen Versuche, sie ansang leichen , in den Naturreligioneu
und der Gesetzesreligion, zur voUkommenen-Ueberwindung,
des Zwiespalts in der selbstbewafäten geistigen Einheit auf,
welche demnach das Ziel der religiösen Entwicklung, die
unllberstelgbare höchste Stufe ist. War also diese Einheit
in Christo vorhanden: so ist in religiö<er Beziehung för
alle Zeiten nicht Ober ihn hinaus zu gelangen ; sc sehr auch
auf andern Gebieten des geistigen Lebens , z. B. im phiU^
sophischen Denken,^ in Erfbrschung Und Beherrschung des
Natur u« s. w., ttber den Standpunkt seiner Zeit, dessen
Schranken in diesen Beziehungen anch er theilte, indessen
schon hinausgeschritten worden sein und kfinfitg noch hin»
ansgesehritten warden mag. i.
i
n< Sohluftabhaiidlaog. $. 150.
Allein Ist dann (Im GirflBhl qnd anailteelbare Selke-
{Mwwfstselni welches allerdings der nffebste Site nnd Hai
dar Religion Ist» wirklich 89 follkomiDen anabhfingig tm
den fibrigen geistigen Tbitigkeiten nnd deren jewali^
Entwicklungsstufe I namentlich von der Aasbildnnif des rs-
flaetirenden Denkens and der doreh dasselbe bedingtiefl
Weltansehannng? Schwerlich wird Jemand bebaopten wol-
len, das Höchste in der Religfon, jene Einh^l des GoCfÜ-
eben nnd Menschlichen im anmittelbaren Selbstbevrafstsein,
wire auch an erreichen gewesen innerhalb des Poljrbeis»
mus: and doch ist der Fortschritt ?on diesem cum Mona-
theismas nicht durch eine Krhdhung des GefAhls, aondem
darch Schirfung des J)enkens und Erweiterung der Welt-
anschaanng herbeigeffihrt. Ebenso können innerhalb dei
monotheistischen Gebietes die Vorstellungen yon rermlttelff-
den Engeln, von einem den göttlichen Planen widerstre-
lienden Tenfei, von einer mit seinem ordentlichen, natUHi-
eben Wirben nicht susammenfallenden, dieses nicht aeitea
durebkitonsenden, ausserordentlichen Wirksamkeit Gottes,
von einem seitliehen Anfang und einstigen Abschlolä des
Weltverlanfs, — dergleichen dem objectiven Ucmken enge-
liörige Vorstellungen können unmöglich ohne trübende Rftek*
Wirkung auf das Otfilbl sein, innerhalb dessen sich die re-
ligiöse Einheit des Göttlichen und Menschlichen votlsiebea
soll: nnd von Zeiten nnd Bildungsstufen mithin, welche
jene Schlacken aus sich ausgeschieden, muft sieb aoeb ei-
ne reinere Gestaltung {euer Einheit erwarten lasaen. Da
Jedoch diese Einheit der von Christus errungene wesendi-
die Boden ist, ober welchen die Frömmigkeit ihrer Natar
nach sieb unmöglich auf einen höheren erbeben Imnn, ds
alle ferneren WeiterbildungiBn der Religion sich mehr nur
formell verbalten mflssen: so können die religiösen Fort«
aebritte kfinfUg wie schon bisher nicht von ferne mehr in
dem Grade als Epochen auftreten, wie der Riesenaebritt,
Sohlnfiabhaadlaag. f. IM. 717
nai wtkliea Jatas Aa Meatehhctt avf der Baha ihrer re»
lifUtaeo EnCwieklang irorwirts gebracht hat Auab ist seit-
her die Einheit Gottes and des Mensehea in iceinem menseli«
lieben Selbstbewafstsein mehr mit solcher scböpferischea
Drilriftigkeit «ofgetreten, dals es, wie bei ihm, sein gan«
aes Leben gleichmifsig und ohne l>emerkbare Trfibnng
dnrohdrangen and Terldflrt bitte; and io weit batderSata
seine Richtigkdt, dafs der Anfangsponkt einer Reibe in den
(iebietaa des geistigen Lebens wohl anch als Urdfstes aa
denken sei; nimllob nicht als absolut Oröfstes, dessen Lei-
stung in keiner Hinsicht mehr einer Verrollkomninang ft-
big wtfre; wohl aber in dem Sinne, dals eine Idee bei ih-
rem ersten Hervortreten am kräftigsten so sein pflegt, ond
am hXofigsten Ihre ersten Trfiger mit der Allgewalt durch-
dringt, welche diesellien an dem macht, was man neuer*
lieh plastische Figuren genannt hat
Aber warum, wenn auch kein Höherer nach Christo
zu erwarten steht, warum sollte sich nicht denken lassen,
dafs Einer, Ja dafs Viele nach ihm und durch ihn dieselbe
absolute Stufe des religiösen Lebens erreichen könnten?
Man wende nicht ein, wenn sie durch ihn diese Stufe er-
reichen, so stehen sie schon insofern unter ihm. Denn im
Reiche des Religiösen, wie des Sittlichen kann Keiner fflr
den Andern etwas vollbringen , sondern der Zweite, Dritte,'
Zehnte, der eine Oemflthsverfessung oderThat in sich sur
Wirklichkeit bringt, hat dieselbe geistige Arbelt co voll-
bringen, wie der Erste. Noch lurserlicher und in der
That gar keiner Widerlegung werth ist die Beruhigung,
es sei aur Stiftung des Reiches Gottes auf Erden nur Ein
Gottmenseh erforderlich, Ja eine Hehrheit derselben w8re
sogar aweckwidrig, da der Eine nothwendig den Eindruck
des Andern schwichen, denselben von einem absoluten und
nnvergleichlichen aum blos relativen heruntersetcen , über-
dem die Eiabeit der OlFenbarnng und die Bestimmang der
au Einem Gottesreiebe dadarch ans den Augen
ns Behlarsabbattdlan«. S. 190.
gerftoki wetden mttfste ^. Maoh elMr madtn WoDdaif
ist in dem SOndeofaU and dem MlfBTerhfiltnlaaey woria ii
Folge desselben die Menaebheit ea ibrer Idee stobt , de
Grand bu soehea, wefsbelb 4as mensehUobe Geschteclit j»-
nes sein Urbild, die ToUeadele Darstellang.der Persdniiek-
iieit des gttttUcbea koyo^ in der GesUit creatfirUcber Pe^
aönÜcbkeit, nar Einmal, noi; iif einem äinaigen. seiner la-
dividaen erreichen konnte *}; allein die weitere AasfSlh
rang dieses Gedankens l&lst. die Saobe so dunkel wiedk*
aer Anfang, und daa Ganae hfingt dnreh die Anknfipfonf
an einen Sündenfaii als selbs^verschaldete Tbat des menieh-
lichen Gescblechts, welche d^nl]laGh möglioherweise tneh
m&fste m vermeiden gewesen sein, in der Luft. Oflbnbtf
also hat es mit diesem Beweise seine eigenthOmiiehe Schwi»-
rigkelt: in der That jedoch ängstigt man sich hier mit Trio-
men ab und schlägt sich mit Schatten hemm , sofern ji
.fiberali yon keiner wirklich gegebenen firfahrnng, sondern
nur von abstraoten Möglichkeiten dje Rede ist. Aof der-
gleichen Grübeleij^n des Verstandes braucht die Religion
sich so wenig einzulassen, als ein vernOnftiger Mann dorth
die Berechnungen der Möglichkeit eines ZasammenstofMiis
der Erde mit einem vorüberwandelnden Kometen sich schre-
cken läfst; die geschäftige Reflexion ist in so lange schlecht-
weg cur Ruhe su verweisen , als «ie nicht im Stande ist,
in der Wirldichkeit eine Person aufeuseigen, welche in
reljgiöjBer Hinsicht neben Jesum sich su etelleo den Mntb
und das Recht hätte«
_ Mit Beiseitestellung also der Begriffe von Unsfindlieh-
keit und schlechthinlger Vollkommenheit als unvollsieUMt*
rer, fassen wir Christum als denjenigen, in dessen Seibit-
bewufstsein die Einheit des Göttlichen und Mensohliehen
ffuerst und mit einer Energie aufgetreten ist, welche in
4) Hbrh, Hsuptthatsachen, TUb. Zeitschr. 1836, 3, S. 33 f.
5) WsissB, die evang. Oescbiphte, 2y 8. 536.
N
Schlaffubhan'dlv-iig. %. 150.
T79
dem ganseo Umfange aelnes Gemfitbes nnd Lebens alle Rem«
mongen dieser Einheit bis sum verschwindenden Minimum
sorOckdrXngte; der Insofern eiosig i^ad nnerreicbt in der
Weltgesehichte steht; ohne dafs jedoch das von ihm an-
erat errungene and aosgesprocbene religiöse Bewnfstsein
sieh im Einseinen der Läuterung und Weiterbildung durch
die fortschreitende Entwicklung des menschlichen Geistes
entziehen dürfte 0*
6) Vergleiche zu diesem SchlMSsparagraphen meine Abhandlifng :
Vergängliches und Bleibendes im Cbristenthum, im 3tcn Hefte
des Freihafens für 1838.
Das Leben Jesu Zfe AvfI. ff. Bavti.
&0
R e g^ i s t e i|^
der erilntorten evaogellsohen Absobnltte.
(Die rVmische Ziffer bedeutet den Band, ^e ara}>iBclie dieSeitenzikM
1, I— 17
22 f.
25
2, 1-25
22. 25
5, 1
2-*l2
13—17
4, I— il
12
13-17
18-22
25
24
5-7
5, 17
6, 1-18
8, 1-4
. 5-13
14. 15
16
• 19. 20
21. 22
18. 23
28-54
9, 1-8
9-13
a t t h H o t.
li 156-180.211-222
I> 181—211. 222—235
I, 197—205
I; 235-246
I, 279—521
I» 314 ff* 327 ff.
I, 571 f.
ly 582-394. 416-424
I, 431-^451
I, 456-489
ly 415 f.
I, 490. 507-525
Ij 585-596
h 491 ff-
I, 745. II, 10. 59
h 654-653
I, 560 ff.
1,557
^ II, 71-76
II, 113-129
11,55
II, 10
I, 358
. I, 590 f.
II, 187-194
II, 31-47
II, 59-66
I, 606-6t2
-27
9, 14-17 I, 4Ä 6üt
15 II>^
18. 19. 23-26 II, 145-^51
166 f. 184-1«
U, 103-llJ
11,85-«
I, 751 ff. H, n
1, 6i5
' I, 614-Ö1
I, 567-575. 5lÖf.
I, €53-657
1,513
1,653 f. 743
1,395-402
1,420 ff'
I, 657 f.
I, 6Mf.
12, 1-8 I, 525. 557. 565. 7li
9-13 1,557.711. II, l3a-»
20-22
27—51
52-34
55
56-38
10, 1-4
5. 6
7-42
23
11> t
2-6
7-19
20-24
25-30
14
15—21
22-45
58. 89
39. 40
43-45
46-50
13, 1-53
11,399
I, swff.
I, 751-75:
II, 3C
n, 555-3S7
U, 13 f
I, 757-7Ö
I, 659-60
54-58 I, 236 ff. 507-515
R o g i • t e r.
4, 1. a
3— la
15— af
22-33
34. 35
36
15, 1— ao
21—28
29-39
16, 1-4
5—13
13-17
la— ao
21-03
24^26
27. 28
17, 1-15
1
14—21
21
82. 25
24—27
18, 1—20
al-55
19i 1
a— la
13-15
16—26
27-30
20, 1~I6
17—19
20-28
29-34
21, 1-11
12.^ 13
14-17
18-22
25-27
28-32
II, 17
, I, 425-429
II, 212-235
II, 194-205
1,523
II, 102
I, 561 f. 695
I, 568 ff. 11,54.129
II, 212-218
I, 751-7^
II, 213. 229
I, 531
If 595. 620
n, 550 ff.
I, 723
I, 528. II, 373
U, 268—292
I, 515. 620 ff.
n, 47-55
II, 12
Ilt 521 ff.
II, 208-212
I, 666. 679-684. 762
— 767
I, 665
II, 293 f.
I, 68>f.
I, 766 f.
I, 672
I, 551. 554 ff.
I, 665
II, 321 ff.
I, 762-766
II, 86-88
II, 299-518
I, 767—773
II, 515 f. 599
II, 252-268
I, 419. 686
I, 665
961
I, 672ff
n, 399 f.
I, 676-670
I, 686-692
I, 692-697
I, 605 f.
25, 1-13. 31-46.
^ II, 562-591
1^ 672-676
I» 321 ff:
11,400
I, 775-787
II, 405-422
II, 425-429
II, 429-4'70
II, 454-464
II, 471-499
II, «10-507
II, 507-516
U, 516-525
U, 512
II, 539
II» 625-639
II, 639-555
55. 56.II, 555-582
II, 583-595
II, 574 f.
II, 604-^11
28, 4. II - «5- "t
611—620
I, 620-659
U, 639-660
U, 696ff.
a r k u •.'
1, 2-8 1» 5Ö2fl^ 417 ff. 450 ff.
9_,t 1,435-451
12. 13 1» 456-482
14. 15 I> 376. 4ld. 490
16-20 I> 585-596
21, 33-44
45.46
22, 1—14
15-46
23, 1—36
37
24, 1-51.
25, 14-30
26, 1. 2
5-5
6—15
14—16
17-19
20-29
30-55
36-46
47-56
57-68
69-75
27, 1
2
5-10
11-31
32-50.
50-54
55. 56
57-61
62-66
«
28, t-10
16. 17
13-JO
7m
Regiater«
29-52
3X 33
34
40-43
3-ia
5
13—17 .
f6-A
23-^26
St 1-5
6
13-19
20
Sl. 31-56
M^50
4^1-34
55-41 .
5) 1-50
U, 27-31
n, 55
1,747
h 547. II, 10. 29
II, 71T-76
I, 747
II, 59r-66
II, 66-71
I, 686-612
I, 42X 612 f«
I, 526. 557. 711
Ily 133-14Q
II, 399
I» 614-631
I, 748
I, 757-759
I, 754 ff.
I, 659-663
II, 187-194
II, 31-47
31-^23. 35-43 II, 145-153.
165 ff.
II, 103-112
I, 236 ff. 507-515
I, 653-657
S4-r54
6, 1-6
7-13
14-15
. 17-2»
45-53
54-56
7, 1-23
II, 17
I, 425-429
II, 212-235
II, 194*205
II, 102
I, 561 f. 695
24-30 I, 568 ff. II, 54. 129
II, 88-95
II, 212-235
I, 751 ff. II, 3 f.
11, 213. 229
II, 68-95
I, 531. 545 ff.
U, 321 ff.
II, 373
31-37
8, 1—9
10—13
14*-21
22-26
27-e
31 ff.
9« 1
■*■
9, 2-13
14—29
30-33
33-50
10, 1
2—12
13—16
17-27
28-31
32-34
35-45
46-51
11, 1—11
12—14.
15—17
18. 19
27-33
12> 1-12
13-40
13, 1-57
14| 1. 2
3-0
10. H
12-16
17-21
22-25
26-31
52—42
43—52
55-65
66-72
15, 1-20
21-37.
38. 59
42-47
16, 1-8
9-14
i5-i6
19. 20
U, 265-9R
U, 47-53
1, 6)3ff. 679fi^762i
U, 193f
l,7tti
1, 551. 554
U,33ll
^ 1, 763-7M
U,8(M3
11, 306-516
20^26 U, 253-2»
1, 767-7:3
11,399^
1, 419. 6tt
l,6l£
I, W-fffi
. U, 362-S9t
11,4011
1, 773-:»
U, 405-43:
U, 423-4»
U, 454-4^
U, 46^-470
U, 423--429
U, 471-4«
11,499-507
U, 507-511
11, 516-52S
U, 539-55$
40. 4l U, 555-681
U, 55S-595
ir, 604-611
U, 620-63» i
U, 639-6» I
II, 696-7i>l
II, 7o»-:i'
Register.
763
L u k a t.
*, 5— aS 1, 127—155
26—38 1, 181-211. 222-235
39—56 1» 047—055
57— fiip 1, 127-155
3, 1—5 I, 254-266. 328 ff.
6—20 1, 235 ft 266-279
81
aa— sa 4o
a4
99
41—52
3, 1
l, 277 ff.
li 514-327
li 358
I, 327—541
1, 545-354
I, 571-382
a**l8 I, 382—394« 416-404
19. 20 1, 425—429
21. 23 1^ 435-456
aS 1, 571 ff.
a4— 38 !• 156—160. 211-222
1-13
14. 13
16—30
31—37
38. 59
1—12
12—14
18—26
20
27—32
33—39
I, 456-489
1»490
l, fip7-5l5
U| 27-51
11, 55
h 596-606
U, 71-76
il, 54-66
U, 66-71
1, 606-612
I9 432. 612 f.
6, 1—5 1, 525. 557. 565. 711
Uy 133-140
11,399
1, 614-631
1, 634-655
11> U5— 129
6—10
11
12—16
20-49
7, 1—10
11-17 U, 152-154. 167-169.
175^178. 184—199
18-23 I, 395-408
24-35 1, 420 ff.
36-50 I, 773-787
8, 1-i
4-15
16-18
19-21
22-25
36-39
40-42. 49-
43-48
9i 1—6
7-9
10-17
18-21
22
27
28-56 .
37-43
44.45
46-48
48. 50
51-5»
57. 58
•9-62
10, 1. 17
2-12
13-15
22-24
25-29
30-37
38-43
11, 1-4
6-8
9—13
14-32
24-26
27. 28
29. 30
33-36
37—52
53. 54
1» 618
If 663
I, 643ff.
I, 757-762
11, 187-194
11, 51-47
-56 U, 145-152.
166 f. 184-I86
II, 103—112
1, 653—657
U, 17. vgl. 544
U, 212-235
1, 531. 620s
U, 321 ff.
11, 573
U, 268-292
W. 47-53
U«321ffl.
h 762-766
1, 681 C
I, 673 ff.
1,358
1, S90f.
1, 631 -633
1, 655-656
1, 657 f.
I, 658f.
1, 689-692
1, 665
1, 787
1, 647-649
1, 666
1, 651
1, 751-757
U, f3f.
11, 759-7^2
U, 355-357
1, 6«4f. £50
1, 693-696
II, 399
784
Register.
IS, 1
»-34
55-46
49-59
13, i-5
6-9
10-17
18-al
a3-a7
78, 29
31—53
34*35
lAi 1-6
7-11
16-34
15, 1—32
16, 1-13
14-31
17, 6
11
ia-19
JO-37
i8, 1-8
9-14
15-17
18-27
51-54
S5-43
19, 1-iO
11-37
28-40
42-^44
45-48
20> 1-8
9—16
17-19
20-44
45-47
21, 5-36
1,748
1, 665
1, 650
U, 565
1, 6(6. 756
U, 66 f.
U, 366-268
U, 158
1, 663f.
I, 651
1, 567
U, 399
1, 505
11, 157 f..
1, 693-696
1, 676-679
1,666
l, 666-670
l, 670-672
11, 267 f.
11, 394
U, 76-79
U, 563 ff.
1, 666
1, 666
I, 766f.
1, 673
U, 521 ff.
11, 80-88
I, 613 f.
I, 673-676
II, 399-3i8
U, 363. 384 ff.
1, 767-773
, 1, 419
1, 672
II, 399 f.
1, 686-689
1, 692
n, 363-391
33, 1
5-
7-
14-
21-
34-
39-
47-
54-
63-
33, 1-
36-
44.
50-
24, 1-
15-
16.
35-
47-
50-
3 11,«
6 11, M)5i
15 U, 423-4»
20 U, 429 f. 445 ff. Ml
-35 11, 4S4-46»
-58 1, 769 f- U,^2
-46 11, 470-499
-55 11, 499-W?
-63 U, 516-513
-71 II, 507-516
35 U, 539- 5S
-49 U, 555-5»
45 U,583-S9>
-56 lli 604-611
12 11, 6J0-ÖJ
-43 U,639-«e
51. 59—42 11, 660-77«
-37. 33.45 f* VL,mi
-49 U, 6%-%
-53 Uf 704-"^
Johannes.
1, 14
15. 19-50
51. 55
33-54
57-52
3-11
13
13-17
18-22
23—35
5, 1-31'
33-56
4, 1-5
4-42
26
43-45
46-54
1, 309. 4S}
1,3W«^
l, 588-394
I, 435-«6
1,584-596
1, 457i.
U, 235-252
I, 492. S07
I, 767-77J
U, 546-355
1,699
I, 699-7«
1,405-4«
1, 491. 499
1,575-5«
1,531.545
I, 733-726
U, 115-12^
Register.
5, I
16. l8
17—47
6, 1—13
14. 15
16-35
06-71
6a
64. 70. 71
68. 69
7, 1
10—13
14. 15
16-38
20
31
33-36
40-46
^ 41. 4a
47—53
Ö, t-ll
ia-59
28
48 f.
57
58
59
9, 1-3
4—41
10, l-a9
17 f.
50-59
40-4a
1, 516
' 11, 140^145
U, 399 f.
1, 710-714
II, 2ia-235
1, 548
U, 194-005
I, 714-717
1, 558
U, 405-422
1, 544- 620
I, 493. 499
1, a4a. 493
1, 750
1, 360
I, 7l7f.
U, 400
U, 2
1, 712
1, 750
1, 337
h 699
I, 787
I, 717 f.
11,308
U, 10
1, 519
1, 538
U, 400
11, 66-71
II, 95—102
i, 718-721
11, 329
1, 536 f. 11, 400 I
i, 493J 499 i
fO, 41
11, 1—44
45-53
54
55-57
12, 1-8
9-19
00-30
3t '36
44-50
13, 1. 2
3-20
785
11,5
U, 154-186
11,401-405
1, 493. 499
U«401
I, 775-787
u» 299-318
U, 488 ff.
11» 328
1, 721 f.
u, 429 ff*
n, 443—454
10. 18. 21-38 II, 454—464
20
23-26
14-17
14, 18 ff. 1(^6 ff.
31
15, 1-5
17, 5
18, 1-11
12—27
. 28-40
19, 1-16
• 17—30
31-37
38-42
20» 1-18
19—29
21-23
1, 726 f.
U. 456 ff.
11,443 ff.
11, 358 f.
I. 727 -729
1, 719
1,538
n» 499-506
11, 507-529
II, 539- 54A
H, 552-555
11, 555-582
11, 595-604
II, 604-6U
11, 620—639
11,639-660
11. 699-704
21, 1-14 I, 664. 11. 205-207
7 1, 623f.
15-19 11, 663 f.
20-23 1, 625. U, 393 f.
D r a c k f e h 1 e r«
Im erttcn Bande.
Seite 549. ^cilc 7. Ut nich „dtrüber** ciniascliiebeii : „begreif
lieh machl^^
Im iwelten Bande.
Beile 675. 2cilc 5. der Anm. statt mVwjpJi-" «« '«»«« »>V»/'»
. — - J^ «t. „ihn*« t. L „ihm«*
4. at. „wirklich*« i. l. „wieder««
. 18. 8t „geben«« a. l. „gäben««
r
677.
679.
68S.
717.
766.
f77»
5, ▼. u. 8t. ,,«»-«« a, i. „«-"
5. der Amnerfc. war nvo^ nicht darchscbossen f
drucken.
7. st. „Illla8se«f a. 1. „Maase««
8. tat pach für sich ein Gomma so setxea
5. statt y^s«« tp h ft»i9^**
R^f>^ »cix «Hny