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Das morgenländische Mönchtum.
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Das
morgenländische Mönchtum
von
Dr. Stephan Schiwietz.
Erster Band
Das Ascetentum der drei ersten christl. Jahrhunderte
und das egyptische Mönchtum im vierten Jahrhundert.
Mainz 1904
Verlag von Kirchheim & Co.
G« m* b. H«
Digiti
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x.\
Imprimi permittitur
Moguntiae, die 23. Febr. 1904.
Dr. J. M. Raich,
Consil. eoel., Decan. eccl. cathedr.< MogHot.
Drack Ton Job. Falk III. Söhne, Mainz.
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Vorwort.
Die beideQ ersten Teile des vorliegenden Bandes sind der
fast wörtliche Abdruck einiger im Archiv für kath. Eirchenrecht in
den Jahren 1898 — 1903 erschienenen Abhandlungen. Der dritte Teil
ist, abgesehen von dem Artikel ȟber die Achtlasterlehre des Evagrius
Pontikns und die griechische Philosophiec , der im Katholik 1903
Heft IIL veröffentlicht worden ist, nen hinzugekommen. Einige
notwendig gewordene Verbesserungen und Ergänzungen finden sich
in den Nachträgen.
Ratibor, im Dezember 1903.
Der Verfesser,
223513
/Google
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Inhaltsverzeichnis.
Erster Teil.
Vorgeschichte des Mönchtums oder das Ascetentum der drei ersten
christlichen Jahrhunderte,
Seite
Vorwort V
§ 1. Einleitung. Erklärung des Wortes »Mönch«, Verhältnis des christ-
lichen MÖnchtnms zq den ausser- und vorchristlichen mönchischen
Erscheinungen . . 1
§ 2. Die Mönchsidee in den Evangelien 7
§ 3. Die Existenz von Asceten und gottgeweihten Jungfrauen in den
drei ersten christlichen Jahrhunderten 12
§ 4. Privilegierte Stellung des Ascetentums sowie das Gelübde der
Keuschheit in den drei ersten christlichen Jahrhunderten - . 16
§ 5. Die Lehensweise der Asceten und der gottgeweihten Jungfrauen . 21
§ 6. Die Ehelosigkeit im Dienste des Reiches Gottes .... 25
§ 7. Die Besitzlosigkeit im Dienste des Reiches Gottes ... 41
§ 8. Vergleich des christlichen Ascetentums mit den gleichzeitigen heid-
nischen Erscheinungsformen der Ascese sowie mit dem späteren
christlichen Ordensstande 43
Zweiter Teil.
Das egyptische Mönchtum im vierten Jahrhundert.
§ 1. Die ersten Ansätze des Eremitenlehens. Der Ureremit Paul v. Theben 48
§ 2« Die Existenz und Entfaltung des egyptischen Mönchtums in den
ersten Dezennien des vierten Jahrhunderts auf Grund der Vita
Antonii und anderer zeitgenössischer Zeugnisse .... 52
§ 3. Der hl. Antonius als Begründer und Beförderer der Mönchskolonieen
in der thebaischen Wüste 68
§ 4. Würdigung der Thätigkeit des hl. Antonius als Eremiten vaters . 75
§ 5. Über die Historia Lausiaca und Historia monachorum als Haupt-
quellen des Mönchtums in der nitrischen und sketischen Wüste . 80
§ 6. Lage und Einrichtung der Mönchskolonieen und Monasterien im
nitrischen Gebirge, in den Kellien und der sketischen Wüste. 90
§ 7. Die bekanntesten Mönche im nitrischen Gebirge. Amun, der
Gründer der nitrischen Mönchskolonieen 94
§ 8. Die hervorragendsten Mönche der sketischen Wüste. Makarins der
Egypter , 97
§ 9. Makarius der Alexandriner, Presbyter in den Kellien . 104
§ lO.'Evagrius Pontikus, Schüler der beiden Makarier .... 106
§ 11. Das Mönchtum in der Thebais und im Nildelta .... 109
§ 12. Quellen zur Geschichte der pachomianischen Klöster . . .119
§ 13. Pachomius und die ersten Cönobitenklöster in der Oberthebais . 148
§ 14. Die Klöster des hL Pachomius unter seinen drei ersten Nachfolgern 160
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Seiie
§ 15. Vorbemerkungen zur pachomianischen Elosterregel .167
§ 16. Die Satzangen des pachomianischen Klosterverbandes 176
a. Die Einrichtung der Klöster ..... 176
b. Die Organisation der Klöster 178
c. Befolgung der evangelischen Bäte 183
d. Anfhahme in den Klosterverband 187
e. Das gemeinschaftliche Gebet 192
f. Religiös -sittliche Aasbildnng 204
g. Arbeit 206
h. Speise- und Fastenvorschriften 209
i. Schlafvorschriften 213
k. Ritus des Begräbnisses 214
1. Kleiderordnung 216
ra. Veij^ältnis der Mönche zur Aussenwelt .... 217
n. Die klösterlichen Disziplinarmittel 219
DritterTeil.
Rückblick auf das egpptische Mönchtum des vierten Jahrhunderts.
§ 1. Ein Sittenspiegel fQr Mönche ans dem vierten Jahrhundert . . 225
§ 2. Verfall des egyptischen Ascetentums gegen Ende des vierten Jahr-
hunderts 234
§ 3. Die Sittlichkeit der pachomianischen Mönche 240
§ 4. Die Ascetik und die Sittlichkeit der Mönche in Unteregypten . 256
§ 5. Das christliche Vollkommenheitsideal der Mönche und Laien auf
Grund der egyptischen Mönchsviten 281
§ 6. Missionsarbeit und charitative Thätigkeit der egyptischen Mönche 286
§ 7. Das Verhältnis der Anachoreten zu den Cönobiten . 298
§ 8. Das Verhältnis des Mönchtums zum Klerus 303
§ 9. Eucharistischer Gottesdienst, Kommunionempfang und Bussdisciplin 316
§ 10. Das Mönchtum und die Glaubensstreitigkeiten. Die dogmatischen
Anschauungen der koptischen Mönche 330
§ 11. Das Verhältnis des Mönchtums zum Staat 343
Nachträge 348
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Erster TeiL
Torgesehiehte des Mönehtams oder das Aseetentum der ftrei
ersten christlichen Jahrhunderte.
§. 1, Einleitung.
ErUärung des Wortes >Mönch€^ Verhältnis des christlichen Monch-^
iums ssu den ausser- amd vorchristlichen mönchischen Erscheinungen.
Das Wort »Möoch« (jxovaxög) wird verschieÖto erklärt and
gedeutet.
Nach Hieronymiis liegt in dem Worte »Mönch« die Idee der
Abgeschlossenheit and Absonderang von der Welt. An Heliodor
schreibt er nämlich : »Verdolmetsche doch das Wort »Mönch« ; das
ist ja dein Name. Was thust du doch im Weltgetömmel, der du
einsam bist^)?« Und in seinem Briefe an Panlinas heisst es:
»Willst du das sein, was da heissest, d. h. ein einsam Lebender^
was thust du dann in den Städten, die doch jedenfalls nicht die
Wohnstätten für die einzeln Lebenden, sondern für die Menge sind^)?«
Nach dieser Deutung wäre »Mönch« identisch mit Einsiedler oder
Anachoret.
Dem hl. Augustinus dagegen scheint bei der Deutung des
Namens »Mönch« das Wort [xovag (die Einheit) vorgeschwebt zu
haben; bei der Erklärung des Psalmes 132 macht er nämlich zu
dem Verse ^Ecce quam bonum et iucundum est habitare fratres in
unum' folgende geistreiche Bemerkung: »Ista verba Psalmi, iste
dulcis sonus, ista suavis melodia tam in cantico quam in intellectu
etiam monasteria peperit. Ad hunc sonum excitati sunt, qui in
unum habitare concupierunt. Iste versus fuit luba ipsorum. Sonuit
per orbem terrarum, et qui dispersi erant, congregati sunt in unum
.... Qua re non appellemus monachos, cum dicat psalmus: ^Ecce
quam bonum et iucundum est habitare fratres in unum,^ {aövoc enim
unus dicitur ; et non unus quomodocunque, nam et in turba est unus^
sed una cum multis dici potest. Movoc non potest, i. e. solus ; fAtivo;
enim unus solus est. Qui ergo sie vivunt in unum, ut unum homi-
1) Ep. 14 (nach Vallarsi) cap. 6 ad Heliodorum : Jnterpretare yocabalam
monachi, hoc est tnum ; quid facis in tnrba, qni solas es ?^
2) Ep. 58 cap. S ad Paalinam: ,Si capis esse, qnod diceris, id est, solus.
qaid facis in urbibas, quae utiqae noa sunt solorum habitacnla, sed maltomitt ?*
SchiwietZ) Mönohtam. 1
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2 * *Da8 Aacetentum dar drei ersten christh Jdhrh.
:* 1 1 < :*• •■•**• I • •'• :
nem YaciabtV et sit *illis* yefe ,*. qaomodo scriptum est , una anima et
unam cor; malta corpora, sed non maltae animae; multa corpora,
sed non multa corda; recte dicitur t^ovoc, i. e., unus solus ...>).
Hiemach kommt den Mönchen deshalb ihr Name zu, weil sie so
zusammenleben, dass sie nur einerrMenschen ausmachen und wahr-
haft, wie es in der Apostelgeschichte (c. 4) von den ersten Christen
heisst, ein Herz und eine Seele sind. Allerdings würde alsdann der
Name »Mönche besser für die in Gemeinschaft lebenden Mönche
oder Cönobiten als für die Einsiedler passen.
Endlich verdient noch eine Deutung erwähnt zu werden, welche
sowohl den Eremiten, als auch den Cönobiten gerecht wird. Nach
einem Ausspruch des Abtes Piamon, den uns Cassian in seinen Col-
lationes überliefert hat, führen nämlich die Mönche oder (jiovaCovTec
ihren Namen daher, weil sie auf die Ehe verzichten und sich von
der Gemeinschaft der Eltern und dem Contakt mit der Welt ab-
sondern^). Ein ähnlicher Gedanke findet sich in der angeblich von
Dionysius dem Areopagiten verfassten Schrift über die kirchliche
Hierarchie ausgedrückt; es heisst nämlich darin (cap. 6): Daher
sind sie (die Mönche) von unseren göttlichen Führern eines heiligen
Namens gewürdigt worden, indem sie von den einen Therapeuten,
von den anderen Mönche genannt wurden. Diese Namen stammen
von dem reinen Dienste und Culte Gottes und von dem ungeteilten
einheitlichen Leben, da dieses sie durch die heilige Concentration
der geteilten Kräfte zur gottgestaltigen Alleinheit und zur gottge-
liebten Vollkommenheit führt.
Anlangend das Alter des Mönchtums, so wird diese Frage sehr
verschieden beantwortet, je nachdem man den Begriff Mönch enger
oder weiter fasst. Versteht man unter Mönchtum weiter nichts als
das Sichzurückziehen von der menschlichen Gesellschaft behufs Re-
alisierung irgend eines sittlichen Ideals, so kann man allerdings
schon in der vorchristlichen Zeit Erscheinungen finden, welche an
das christliche Mönchtum erinnern; ja in diesem Sinne ist der
Mönchsidee ein sehr hohes Alter zu vindicieren, und Anklänge an
das christliche Mönchtum sind in allen tiefsinnigeren Beligionen des
Altertums zu finden. Eine Art Mönchtum finden wir bei den Pro-
pheten des Alten Testamentes, welche von Gott dazu berufen waren.
3) Angnstin. in ps. 132.
4) Cassiani Collation. 18,5 : Quod a coaiag^is abstinerent et a parentam
se consortio mandiqae istios conyersatione secemerent, m'onachi vel mona-
zontes . . . nominati sunt. (Mi^e, a. lat. t. 49, col. 1096—1098). — Vgl. die
ihnliche Dentang bei Eosebius im Oommentar zam Ps. 67 v. 7 a. Ps. 83 v. 4, wo
ans das Wort {lova^^; das erste Mal in dem spezifisch ascetischen Sinne begegnet.
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Das Aacetentum der drei ersten chriaU.Jahrh. 3
das Volk in der Treae gegen Gott za befestigen. Bei vollkommener
Hingabe an ihren heiligen Bernf fahrten sie ein abgetötetes Leben;
nach Art der Trauernden trugen sie einen härenen Mantel oder Buss-
sack mit ledernem Gürtel^); sie lebten einzeln oder auch gemeinsam
mit ihren Schülern. Elias und Elisäus hatten solche Gemeinschaften
am Earmel, in Qalgala, Bethel und Jericho ^). »Sie gingen amher,€
wie der hl. Paulus in ergreifender Weise erzählt, »in Schafpelzen
and Ziegenfellen, Mangel leidend, gedrängt, gemisshandelt; ihrer
war die Welt nicht wert; sie sind umhergeirrt in Wästen und Ge-
birgen , in Höhlen und Kluften der Erde ^).< Wegen dieser Be-
rührungspunkte in der Lebensweise galten auch den Kirchenvätern
Elias, Elisäus und besonders Jobannes der Täufer als Führer und
Vorbilder der christlichen Mönche^).
Dem Ernste und der Enthaltsamkeit des christlichen Mönch-
tums verwandt erscheint auch die Lebensweise der Becbabiten, eines
kenitischen Wanderstammes. Neunhundert Jahre v. Chr. hatte näm-
lich Jonadab, Bechabs Sohn, seinen Nachkommen das Gelübde auf-
erlegt , sich des Weines zu enthalten und als Hirtenvolk in Zelten
zu wohnen^). Noch drei Jahrhunderte später zur Zeit des Jeremias
verschmähten sie alle feinen Lebensgenüsse und hingen treu an den
Satzungen ihres Stammherrn ^<>).
In späterer Zeit, etwa um die Mitte des zweiten Jahrhunderts,
erhielt bei den Juden das ascetische Element im Essenismus eine
bestimmtere Gestaltung ^^). Die religiösen Grundanschauungen der
Essener waren eine Mischung von jüdischen mit fremdartigen, nach
DöUinger pythagoreisch-orphischen Elementen ^^). Sie hielten fest an
5) 4 Eon. 1, 8. Jes. 20, 2. Zach. 13, 4.
6) 4 Kon. 2, 1—25; 4, 25; 4, 38 ff.; 6, 1 ff
7) Hebr. 11, 37-38.
8) Basilii ep. ad Ghilonera (XLII); Gregorii Nazianzeni oratio ad patrem
et Basilium, post reditam e faga, Chrysostomi hom. 68 in Matthaeam, Caasiani
Oollat. 18, 5 ; Hieronymi ep. ad Panlinum (LVIID. Cf. Sozomeni bist. eccl. I, 12.
9) Loch und ReiscM, Die hl. Schriften des A. T., III, S. 221 Anmerk.
10) Jerem. 35, 1-10.
11) Plin. Hist. n. 5, 15; Joseph. De hello Jud. 2, 8; Antiqq. 13, 5; 18, 1.
Philo quod omnis prohns sit liber. — Sauer, De Essenis et Therapentis,
Vratisl. 1829; Harniackmacher, De Essenomm apad Judaeos societate, Bonn
1866; Lauer f Die Esaäer und ihr Verhältnis zur Synagoge und Kirche, Wien
1869. Vgl. dazu das Bonner theol. Lit.-Bl. 1870. S. 47 ff. Wetzer und Wel-
te'a Kirchenlez. IV, 912 ff. (1886). Lucius, Der Essenismus in seinem Ver-
haltnisse zum Judentum, Strassburg, 1881.
12) üöUinger, Heidentum und Judentum, 755 £ Andere, wie Ewald
(Gesch. des Volkes Israel IV, 483 f.), RitscM (Altkath. Kirche 179 ff.), Qrätz
(Gesch. der Juden III, 657) betrachten wiederum den Essenismus als eine atls
dem Judentum selbst hervorgegangene ei^eatümliche Erscheinung. Uähne
(Geschichtl. Darstellung der jad.-alez. Beligionsphilosophie, Halle 1834, I. 439)
endlich betrachtet ihn als Produkt der alez. Beligionsphik
iligionsphilosophie.
1*
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4 DaB Aacetentum der drei ersten chriatl, Jahrh.
einem höchsten Wesen, welches sie als reinstes Lichtwesen anffassten
und als dessen Symbol sie die Sonne betrachteten. Nur die Schriften
des Moses, dem sie nach Gott die höchste Verehrung zollten, galten
ihnen als Offenbarang. Wie den Pythagoreern , galt ihnen der
Leib als eine Fessel der aus dem feinsten Aether hervorgegangenen
Seele. Den Sabbath hielten sie noch strenger als die übrigen
Jnden, verwarfen aber die Tieropfer und hielten sich vom Tempel-
kultüs fern.
Das Hauptgewicht legten sie auf das sittlich-praktische Leben,,
welches sich in der Liebe zu Gott, zur Tugend und zu den Menschen
äussern sollte. Die Gottesliebe bewiesen sie durch Enthaltung von
gewissen unreinen Dingen, durch Vermeidung des Schwörens und dea
Lügens. Die Liebe zur Tugend zeigte sich in der Verachtung des
Reichtums, der Ehre und sinnlicher Freuden einerseits und in Ge-
nügsamkeit und Enthaltsamkeit in Bezug auf Nahrung und Kleidung
andererseits; eine Klasse der Essener enthielt sich auch der Ehe
und erzog fremde Kinder für die Zwecke der Sekte. Die Menschen-
liebe bethätigten sie endlich durch Gütergemeinschaft und Hilfe-
leistung gegen ihre Mitglieder, wie auch gegen Fremde.
Sie wohnten anfänglich in den öden Gegenden am toten Meere^
später auch in Dörfern und Städten, trieben verschiedene Gewerbe
und beschäftigten sich auch zum Zwecke der Krankenpflege mit Na-
turwissenschaften. Zur Zeit Christi betrug die Zahl der Essener
noch 4000; doch scheinen sie die Stürme, denen Palästina im
zweiten und dritten Jahrhundert ausgesetzt war, nicht überlebt zu
haben.
Auch bei den Heiden finden wir gewisse ascetische Erschein-
ungen, welche an das christliche Mönchthum erinnern. Schon in den
zwei indischen Heldengedichten Mahabharata und Bamajana werden
Einsiedler (Vanaprastha) erwähnt, welche, um nach diesem Leben in
der göttlichen Substanz (Brahma) aufzugehen, sich von der Materie
dadurch zu läutern suchten, dass sie sich von der Welt absonderten,
den härtesten Bussübungen sich unterzogen und dem Studium der
Vedas und der Betrachtung des höchsten Wesens sich hingaben;
sie lebten in der Einsamkeit des Waldes teils einzeln, teils zu Hun-
derten zusammen. Auch Buddhas Lehre trug ein ascetisches Ge-
präge; das höchste Gut war nach ihm Befreiung von dem Elend
dieses Daseins, das Nirvana, und als Mittel zu diesem Ziele galt ihm
die möglichste Welt- und Selbstvernichtung. Diejenigen seiner Schüler,
welche nach dem Beispiele Buddhas sich gänzlich von der Welt los-
znschälen suchten, hiessen Bhikshu (Bettler) und Sramana (Zähmer
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DcB Aacetentum der drei ersten christL Jahrh. 6
<ler Sinne) ; sie bildeten ascetische Vereinigangen, aas denen sich die
baddhistiscfaen Klöster herausbildeten^*).
Im heidnischen klassischen Altertum gab es sowohl Lobredner
4er Einsamkeit zam Zwecke der religiösen Gontemplation, als auch
Vertreter dieser Lebensrichtung. Bekannt sind die Pythagoreer,
welche ein Gönobitenleben mit sittlich-religiöser Lebensordnnng
fahrten. Als Lobredner der Einsamkeit zum Zwecke der religiösen
Betrachtung tritt Plato im Phädon auf; desgleichen verlangt der
Neuplatoniker Philo, dass der Mensch, um zu inniger Verbindung
mit der Gottheit zu gelangen, sich möglichst von der Materie los*
fichäle und in der Einsamkeit dem betrachtenden Gebet sich hin-
gebe. Aehnliche Gedanken finden sich bei Marc Äurei (E!c lautöv,
lib. IV), Piain (Plot. Opp. III, 140. 276) und Plinius (Hist. n. V)^*).
Aus diesen Thatsachen, welche ons in allen Epochen der
menschlichen Geschichte, in allen tiefsinnigeren Religionen begegnen,
muss man den Schluss ziehen, dass im tiefsten Grande der mensch-
iichen Seele ein instinktartiger, geheimnisvoller Zug nach Einsam-
keit verborgen liegt i^). Doch wäre es verfehlt, das christliche Mönch*
tum einzig und allein aas diesem natürlichen Zuge der Seele er-
klären za wollen. Während nämlich die Mönchsidee in der vor-
^christlichen Zeit nur sporadisch auftritt, nahm dieselbe im Bereiche
13) Wetzer und Weite's Eirchenlex. II. Bd. , Art. Brahmanismu«
8, 1180 ff., Art. Baddhistnus S. 1403 ff. Lassen, Indische Altertumskande,
Bonn 1847^1861. Jai, Mayer, Die christliche Ascese, Freibarg 1894, S. 39 ff.
Vgl. anch die folg. Note.
14) Eckstein, Geschichtliches aber die Ascesis der alten heidnischen und
der alten jüdischen Welt, Freibnrg 1862. Zöckler, Askese nnd Mönchtnm,
Frankfart 1897, S. 97—113. JuL Maper 1. c. S. 2 n. 26 ff.
15) Montalemberty Die Mönche des Abendlandes, I. Bd. S. 41 f.: »Dieses
Leben der Einsamkeit nnd Entbehrnngen, dem Anscheine nach allen Neicrangen
des Menschen so darchaos widersprechend, hat nichtsdestoweniger seine Wnrzeln
in der menschlichen Natur. Ein Jeder hat wohl in einem bestimmten Momente
seines Lebens diesen geheimnisvollen und mächtigen Zag der Seele nach Ein-
samkeit in sich gefühlt. In der That haben ihn auch alle Völker anerkannt
und ihn in Ehren gehalten; alle Religionen haben ihn in ihren Bereich ge-
zogen nnd geheiligt. Die Philosophen, die Moralisten des Heidentams haben
diesen tief innerlichen Drang der Natar um die Wette erhoben und verherr-
licht Das Morgenland hat sich demselben leidenschaftlich hingegeben : Indien
hat seit dreitaasend Jahren seine Asceten, welche die Abtötang nnd die üebang
freiwilliger Basswerke bis zam Deliriam treiben. Noch jetzt findet man sie, im
Lande amherirrend oder in grossartigen Gemeinwesen zusammenlebend, unter
allen Völkern, welche das Gesetz Buddhas anerkennen. Diese haben nichts her-
vorgebracht, nichts eerettet. Hochmut des Irrtums und Verderbnis, wie sie
4er Massiggang in seinem Gefolge hat, haben sie für das geistige Wesen des
Menschen und fQr die Gesellschaft gleicherweise unnütz gemacnt. Aber sie
geben noch mitten in ihrer Entwürdigung ein unverjfangliches Zeugnis von
dem tiefen Bedürfnis der Seele, welches einzig nur die wahre Religion recht
befriedigen und zu einer unversiegbaren Quelle von Tugenden und Wohlthatea
umbilden kann.c
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6 Das A$cetentum der drei ersten chriatl. Jdhrh,
des Christentums von Anfang an ungeahnte Dimensionen an. Schon
diese Thatsacbe zwingt uns zu der Annahme, dass der M(}nehsidee
durch die christliche Beligion eine höhere, wirksamere Kraft mitge-
teilt worden ist. Dazu kommt noch ein zweites Moment; man kann
nämlich nur dem christlichen Mönchtum nachreden, dass es den
ewigen Zug der Seele nach dem einsamen Leben geregelt und
der menschlichen Oesellschaft vorzugliche Dienste erwiesen hat; es
muss also zu den natürlichen mitwirkenden Ursachen noch ein
spezifisch christliches Motiv hinzugekommen sein, welches das In-
stitut des Mönchtums zu einem so hohen Machtfaktor ge-
staltet hat.
Trotzalledem hat die negative Kritik in den letzten Decennien
£(ich die grösste Muhe gegeben, das christliche Mönchtum ausschliess-
lich aus vor- und ausserchristlichen Motiven zu erklären und als eine
fremdartige und erst in das Christentum hineingetragene Erscheinung
zu erklären. So sollte nach Weingarten ^^) das christliche Mönch-
tum als eine Nachahmung des egyptischen Serapiskultes anzusehen
sein ; Keim ^7) dagegen betrachtet den Neuplatonismus als Quelle
desselben, und endlich nach der Hypothese Hilgenfelds ^^) sollte die
Ausbildung des christlichen Klosterwesens aus dem buddhistischen
Mönchtum zu erklären sein. Das Nichtbefriedigende dieser Er-
klärungsversuche gebt schon daraus hervor, dass sich dieselben gegen-
seitig ausschliessen und dass selbst die Urheber dieser Hypothesen
der eine die Beweismomente des anderen als ausreichend nicht gelten
lassen wollen. Allerdings bestehen gewisse allgemeine Berührungs-
punkte zwischen den genannten ausser- und vorchristlichen asceti-
schen Erscheinungen und dem christlichen Mönchtum; die Ascese
erstreckt sich nämlich überall, wo sie vorkommt, im Heidentum wie
im Judentum und Christentum naturgemäss auf dieselben Gegen-
stände und erscheint demnach überall in ziemlich übereinstimmen-
den Formen ; Ehelosigkeit, Enthaltung von Fleisch und Wein, Tren-
nung von der Welt, Wohnung in der Einöde, gemeinsame Be-
trachtung und Gebet finden sich einzeln oder ins^esammt, in einem
höheren oder geringeren Grade in allen ascetischen Vereinigungen.
Es beruht aber auf einer Verwechslung des Heidnischen mit den^
16) Weingarten^ Der Ursprang des Mönchtums in dem vorkonstantini-
sehen Zeitalter, Gotha 1877, S. 30 iL Gaas dagegen leitet das Mönchsideal ana
dem Zusammenwirken des Einflusses des Serapisdienstes mit dem Geiste der
Entsagung, der Weltflucht und des Martyriums her (Zeitschriffc für Kirchen-
geschichte 1877, S. 255).
17) Keim, Aus dem Urchristentum, Zarich 1878, S. 215 ff.
18) Uilgenfeld, Zeitschrift für wissensch. Theol. 1878 S. 148.
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Das ABcetentum der drei ersten ehrUtl. Jahrh. 7.
allgemein Menschlichen, wenn man anf Grand solcher Berährangs-
pnnkte oder Analogieen das christliche Mönchtnm einzig und allein
aas dem Neuplatonismns bezw. Serapiskaltus oder Buddhismus ab-
leiten wollte. Die genannten allgemeinen und in der Natur der
Sache liegenden Berührnngspunkte erklären sich hinlänglich aus dem
natürlichen Zug der Seele, welcher bei der Stetigkeit der psycho-
logischen Gesetze allenthalben mehr oder weniger gleiche ascetische
Anschauungen hervorbrachte. Wollte man doch noch die verschiedenen
Erscheinungsformen des Mönchtums im Bereich des Christentums wie
Heidentums als Glieder eines Stammes betrachten und die eine Er-
scheinung aus der andern ableiten, so müsste man eben ausser diesen
allgemeinen noch besondere Berührungspunkte eruieren, welche den
historischen Znsammenhang des christlichen Mönchtums mit den
heidnischen Analogieen zur Gewissheit machten. Ein solcher strin-
genter Nachweis ist aber von den Vertretern der negativen Kritik
nicht erbracht worden. Endlich darf bei einem Vergleich des christ-
lichen Mönchtums mit den heidnischen analogen Erscheinungen der
Grandsatz; ^cum duo faciunt idem, non est idem' nicht vergessen
werden ; so auffallend auch die üebereinstimmung in gewissen Dingen
ist, so zeigen sich doch bei eingehender Betrachtung der diesen
üebungen zu Grunde liegenden Motive tiefgehende Goutraste. Die
Motive, aus welchen die Ascese des echten christlichen Mönchtums
hervorging, sind durchaus nicht identisch mit den Motiven der heid-
nischen Ascetik.
Das christliche Mönchtnm ist, wie jedes andere historische
Phänomen, die Frucht einer Idee; es ist, wie wir im folgenden §.
zeigen werden , die Frucht einer urchristlichen , biblischen Idee ; es
ist die Realisierung des von Jesus Christus in den Evangelien dar-
gestellten Ideals, während die heidnischen mönchischen Erscheinungen
aus der Vorstellung von einem Dualismus des absolut Guten im un-
sichtbaren und des an sich Bösen in der sinnlich erscheinenden ma-
teriellen Welt hervorgegangen sind, und die christliche Ascese der
drei ersten Jahrhunderte, diese Vorfracht des später sich daraus ent-
wickelnden Mönchtums , hat auch unter der Obhut der Kirche die
gnostisch-manichäischen Anschauungen perhorresciert, wie in den
weiteren Darlegungen gezeigt werden wird.
§. 2. Die Mönchsidee in den Evangdien.
Bei Matthäus^) heisst es: Und siehe, da trat einer hinzu und
sprach zu Jesus: »Guter Meister, was muss ich Gutes thun, dass ich
1) Matth. 19, 16-21; vgl. Lue. 18, 18-23, Marc. 10, 17-22.
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8 Das Aacelentum der "ärei ersten chriaü. Jahrfu
das ewige Leben erlange ?c Da sprach er zu ihm: »Was fragst du
mich über das Onte? Einer ist gat, nftmlich Gott. Willst du aber
zum Leben eingehen, so halte die Gebotene Er sprach zu ihmt
»Welche ?< Jesus aber sprach: »Du sollst nicht töten, du sollst
nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen, du sollst kein falsches
Zeugnis geben I Ehre deinen Vater und deine Mutter und liebe deinen
Nächsten wie dich selbst U Der Jüngling sprach zu ihm : »Dies alles
habe ich von meiner Jugend an beobachtet, was fehlt mir noch?c
Jesus antwortete ihm: »Willst du vollkommen sein, so geh hin,
verkaufe alles, was du hast, und gieb es den Armen, so wirst du
einen Schatz im Himmel haben ; und komm und folge mir nach Ic
In diesen Worten werden zwei verschiedene Lebenswege ge-
kennzeichnet. Der pflichtmässige Lebensweg besteht in der Haltung
der Gebote, und als Lohn dafür vnrd das Eingehen in das ewige
Leben versprochen. Auf die darauf folgende Frage des Jünglings,
was ihm noch abgehe, gieht Christus den zweiten Lebensweg an;
dieser besteht in dem Verzicht auf Hab und Gut und in der engeren
Nachfolge Christi; er ist nicht geboten, sondern geraten für den
Fall, dass man begehre, vollkommen zu sein, und weil die üeber^
nähme dieses Standes einen höheren Grad von Grossmut erheischt,
wird auch dafür unter dem Bilde eines Schatzes eine ausgezeichnete
Stellung im Himmel in Aussicht gestellt.
Dass in dieser Stelle eine Unterscheidung zwischen einem ge^
botenen oder pflichtmässigen Lebenswege und einem blos geratenen
gemacht wird, kann vom exegetischen Standpunkte aus nicht be-
stritten werden*); indes hat man versucht, die Beweiskraft dieser
Stelle abzuschwächen. Nach Keil') hätte Christus dem Jüngling
blös nahelegen wollen, seinen Geist vom Reichtum loszuschälen und
durch die Worte »Willst du vollkommen seine sei nur diese Gesinnung
als eine notwendige Bedingung zur Erlangung des Heiles hingestellt.
Allein diese Deutung ist willkürlich; denn Christus unterscheidet
ausdrücklich das Eingehen zum ewigen Leben, wozu die Beobachtung
der Gebote notwendig ist, und das »VoUkommenseinc, wozu der Ver-
kauf der Güter und die engere Nachfolge erforderlich ist. Die Worte
»verkaufe alles, was du hast, und gieb es den Armenc sind auch
durchaus nicht identisch mit dem Satze: Schäle den Geist von den
irdischen Dingen los; das wäre eine ungerechtfertigte Verflüchtigung
der Worte Christi. Endlich stehen einer Verflachung unserer Stelle
2) Selbst De Wette »nerkennt diese ünteraoheidang in seinem Com-
mentar zu Matth. 19, 16 ff.
8) Keil, Gomtnentar über das Ev. Matth. (Leipzig 1877) S. 895.
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DaB ÄBceientum der drei ersten chrietL JahrfL 9
im Sinne Keils die Worte »du wirst einen Schatz im Himmel habend
im Wege; denn die letzteren Worte stehen offenbar in Antithese
zu dem blossen »Eingehen in das ewige Lebenc und weisen auf eine
besondere Auszeichnung im Himmel als Entgelt für die hinzuopfern-
den zeitliehen Guter hin^).
Weiss ^) hingegen giebt zu, dass Christus den Jüngling zum
thats&chlicben Verzicht auf seine irdischen Guter eingeladen habe;
aus diesem besonderen Falle dürfe jedoch nicht gefolgert werden,
dass Christus die freiwillige Armut allgemein als Bat empfohlen und
derselben einen besonderen Vorzug zugesprochen habe; nur bei dem
Jüngling habe eine ganz besondere Naturanlage vorgelegen, so dass
für ihn der Verzicht auf Hab und Gut eine unumgängliche Not-
wendigkeit gewesen w&re. Allein nach den ausdrücklichen Worten
Christi: »Willst du zum Leben eingehen, so halte die Gebote!« war
auch für den Jüngling die Haltung der Gebote die notwendige Be-
dingung zur Erlangung des Heiles, üebrigens zugegeben, dass für
den Jüngling wegen seiner Eigenart die Entäusserung des Vermögens
eine Notwendigkeit gewesen wäre, so wäre es doch wunderbar, wenn
er der einzige sein sollte, auf den die Worte Christi gepasst hätten,
und wenn sonst im Eleiche Christi auf Erden eine solche Anlage
oder Disposition sich nie mehr finden sollte^). Die bald nach der
Unterredung mit dem Jüngling an die Apostel gerichtete Belehrung
Christi zeigt auch, dass er den thatsächlichen Verzicht auf die irdi-
schen Güter von denen verlangte, welche er zu seiner Jüngerschaft
im speciellen Sinne berufen hatte.
Nachdem nämlich Christus nach dem Weggange des Jüng-
lings eine ernste Belehrung über die Gefahren des Reichtums ge-
geben hatte, fragte der hl. Petrus, was denn sie, die alles verlassen
und ihm nachgefolgt seien 7), zu erwarten hätten. Der Heiland stellt
in seiner Antwort den Aposteln und allen, die ähnlich handeln
würden, eine höhere Belohnung in Aussicht^), um aber dieses
Lohnes teilhaftig zu werden, genügt nicht das blosse Verlassen
4) Knabenhauer^ Comment. in Ev. sec. Matth. II. pag. 158 (Paris 1893).
5) Mey^r, Krit.-eze^. Commentar etc. Et. des Mattb., 7. Aafl., herausg.
Toii B. Weiss (GöttingeQ 1883).
6) Knabenbnuer, 1. c. pap. 159.
7) Matth. 19, 27; Luc. 18. 28; Marc. 18, 28.
8) Matth. 19, 28—29: Wahrlich sage ich euch, die ihr mir nachgefolgt
seid, werdet bei der Wiedergebart, wenn der Meoschensohn aaf dem Throne
seiner Herrlichkeit sitzen wird, aach auf zwölf Thronen sitzen nnd die zwölf
ätamme Israels richten. Und wer immer sein Hans, oder Brüder oder Schwestern,
oder Vater oder Matter, oder Weib oder Kinder, oder Aecker am meines Namens
willen verlfisst, der wird Handertfältiges dafür erhalten and das ewige Leben
beätaen. VgL Marc. 10» 29—30; Lac. 18, 29—80.
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10 Das Ascetfnium der drei ersten chriatl. Jahrh.
Yon Haus, Gütern and Familie, sondern dieser Verzicht mnss ge-*
schehen Christi wegen ^), seines Namens wegen ^<>), um des Reiches
Oottes willen ^^), um Christi oder des Evangeliums willen^*); durch
gänzliche Losschälnng vom Irdischen und rückhaltlose Hingabe soll-
ten sich die Jünger zu der Arbeit für das Beich Gottes und das
Evangelium geeignet machen.
Schon der eben behandelte Evangelientext enthält eine Em-
pfehlung der Ehelosigkeit; denn durch den Verzicht auf Hab und
Gut ist die Gründung des Familienstandes ausgeschlossen, sowie auch
die Nachfolge und Hausgenossenschaft Christi die Ehelosigkeit mit
sich bringt; indes besitzen wir noch in den Evangelien eine aus-*
führlichere Belehrung über diesen Gegenstand. Eine ernste Aus*
einandersetzung Christi über die Unauflöslichkeit des Ehebandes ^*)
hatte nämlich den Aposteln die Worte entlockt: »Wenn die Sache
des Mannes mit seinem Weibe sich so verhält, so ist nicht gut zu
heiraten ^^).€ An diese Bemerkung knüpft Christus eine besondere
Aufklärung über das Wesen und die Bedeutung der Ehelosigkeit in
seinem Reiche. Erstlich erklärt er, dass zu diesem Stande eine ganz
besondere Gnade Gottes notwendig sei, wie dies seine Worte ^^) : »Es
giebt Verschnittene, die sich um des Reiches Gottes willen selbst
verschneiden. Wer es fassen kann, der fasse esU hinlänglich an-
deuten. Zweitens mnss der ehelose Stand freiwillig erwählt sein;
die Eunuchie aus Naturnotwendigkeit oder äusserem Zwange genügt
nicht. Endlich muss das Himmelreich, d. h., das Interesse des
Evangeliums das Motiv zu der freiwillig erwählten Ehelosigkeit ab-
geben *•).
Aus dem bisher Gesagten ergeben sich folgende Resultate:
Neben dem Stande der Gebote oder der nackten Pflichterfüllung soll
im Reiche Christi auf Erden durch ein geheimnisvolles Gonkurrieren
von Gnade und Freiheit ein Stand der Vollkommenheit bestehen.
Als Mittel, welche zu dieser Vollkommenheit, d. h. zu einer in-
nigeren Vereinigung mit Gott und zum besonderen Dienste Gottes^
führen, bezeichnet Christus die Entäusserung des Vermögens und den
Verzicht auf die Ehe. Das Ziel der dadurch bewirkten Losschälung
vom Irdischen und rückhaltlosen Hingabe an Gott ist aber die Mit-
arbeit für das Reich Gottes und das Evangelium.
9) Marc. 10. 29. — 10) Matth. 19, 29. — 11) Luc. 18, 29. - 12) Marc
10, 29. — 13) Matth. 19, 1 ff.; Marc. 10. 1 ff. - 14) Mattb. 19, 10.
15) Matth. 19, 12: Denn es giebt Verschnittene, die vom Mutterleibe so
Seboren sind ; und es giebt Verschnittene, die von Menschen dazu gemacht wur-
en; und es eiebt Verschnittene, die sich um des Himmelreiches wiUen selbst
verschnitten haben.
16) Vgl. die Yorhergeh. Note.
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Das Ascetenium der drei ersten chriatL JährK 11
Zum Schlass wäre noch die Frage am Platze, wie sich zu
den drei evangelischen Räten der freiwilligen Armut, der steten
jungfräulichen Keuschheit und des freiwilligen Qehorsams unter einem
geistlichen Obern, welche die Grundlage des christlichen Mönchs-
und Ordenswesens bilden, die obigen aus den Evangelien geschöpften
Principien verhalten. Die zwei ersten evangelischen Räte ergeben
sich allerdings unmittelbar aus den eben behandelten evangelischen
Texten; dagegen findet der dritte evangelische Rat, nämlich der
Gehorsam unter einem geistlichen Obern, in den Evangelien keine
direkte Erwähnung; er trat eben erst bei fortschreitender Entwick-
lung und Organisation des Mönchwesens in die Erscheinung; doch
lässt sich die Berechtigung desselben in der christlichen Heilsord-
nung auf mittelbarem Wege erweisen. Christus bezeichnet nämlich
selbst den Verzicht auf Besitz und Ehe als Mittel zur Ausübung
des Missionswerkes und die apostolische Arbeit als Ziel dieser ge-
nannten zwei Räte. Da nun aber die Kirche krafk der ihr von
Christus verliehenen Gewalt das apostolische Missionswerk fortführen
soll, so ergiebt sich daraus, dass diejenigen, welche sich durch Ver-
zicht auf Besitz und Ehe in den Dienst des Evangeliums stellen
wollen, zum Gehorsam und zur Unterwürfigkeit gegen die Stellver-
treterin Christi verpfiichtet sind und der Jurisdiktionsgewalt der
Kirche unterstellt sind. Als nun im Laufe der Zeit, nicht zum ge-
ringsten Teil durch die Bemühungen der bedeutendsten Eirchenväter^
die Befolgung der evangelischen Räte in dem organisierten Mönch-
tum sich realisierte, fand die stillschweigende oder ausdrückliche
Uebertragung der geistlichen Gerichtsbarkeit an die Vorgesetzten der
mönchischen Genossenschaften statt; es entwickelte sich also der re-
ligiöse Gehorsam auf geschichtlichem Wege aus zwei Momenten:
aus der von Christus den evangelischen Ratschlägen gegebenen Be-
ziehung oder Hinordnung zu der Aufgabe seines Reiches auf Erden
einerseits und der Uebertragung der geistlichen Gerichtsbarkeit an
die geistlichen Oberen im Interesse des Apostolats seitens der Kirche
andererseits.
Wie schon eben angedeutet, konnte in den ersten drei Christ-»
liehen Jahrhunderten bei dem Mangel an organisierten Mönchsge^
meinden von dem religiösen Gehorsam unter einem geistlichen Obern
nicht die Rede sein. In welchen Formen nun aber die von Christus
proklamierten Räte in dieser dem Mönchtum vorausgehenden Zeit in
die Erscheinung traten, werden wir in den folgenden §§. zeigen.
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12 Das Aaeetentum der drei ersten Christi. Jakrh.
§, 3. Die Existent! von Aseeten und gottgeweihten Jungfrauen in
den drei ersten christlichen Jahrhunderten.
Schon im apostolischen Zeitalter finden wir die Ansätze zur
Yerwirklichnng der von Christus in den Evangelien proklamierten
Räte.
So rühmt Lukas die Jungfräulichkeit der vier Töchter des
Diakons Philippus^). Und auf eine Anfrage von Korinth in Betreff
desselben Gegenstandes >) findet der hl. Paulus es för nötig, eine
ausführliche Belehrung darüber zu erteilen. Nachdem er zunächst
hervorgehoben, dass er nicht blos seine Privatansicht aussprechen,
sondern auf Grund der ihm von dem Herrn zuteilgewordenen Unter-
weisung und Erleuchtung*) einen Rat geben wolle, erklärt er zwar
die Ehe für gut und erlaubt^); besser sei aber die stete Jungfräu-
lichkeit b), zu der allerdings eine besondere Begnadigung von Seiten
Gottes^) erforderlich sei. Als nächstes Motiv zur Empfehlung der
Jungfräulichkeit giebt der Apostel die bevorstehenden Bedrängnisse^)
an; damit meint er, wie sich aus den folgenden Versen d) ergiebt,
die bald zu erwartenden Schrecken des Weltendes und des Gerichtes.
Dem Ehelosen werde es leichter sein, sich auf das kommende Ge-
richt vorzubereiten, weil er an die Sorgen und Genüsse dieser Welt
minder gebunden sei, während die Ehe in harter Zeit die Last der
Trübsal noch erhöht. Doch bleibt der Apostel bei diesem Entpfehl-
ungsgrunde, der in analoger Weise allerdings für alle Zeit Geltung
hat, nicht stehen, sondern hebt noch für die Vorzüglichkeit der Jung-
fräulichkeit einen höheren Grund hervor mit den Worten ^) : »Der ün-
vermählte sorgt, was des Herrn ist, wie er Gott gefallen 'möge ; wer
aber vermählt ist, sorgt was der Welt ist, wie er gefallen möge der
Frau, und ist geteilt.« Auch der Apostel Johannes hat die Hoch-
Bchätzung der Virginität ausgesprochen in dem apokalyptischen Ge-
sichte von der auserwählten Begleitung des Lammes, die aus den
jungfräulichen Seelen erwählt ist ^o).
Im Zeitalter der Apostelschüler genossen die Vertreter des
jungfräulichen Standes ein so hohes Ansehen, dass einzelne sogar der
üeberhebung sich schuldig machten. Nach Ignatius steht das jung-
fräuliche Leben in innigster Beziehung zum Geheimnis der Mensch-
werdung; da der Sohn Gottes aus einer Jungfrau Fleisch angenom«-
men, und es jungfräulich bewahrt hat, so sind infolgedessen die
1) Act. ap. 21, 9. — 2) 1 Cor. 7, 1 und 25 ff. — 3) 1 Cor, 7, 25. -.
4) Bbendas. v. 28, 36, 38. — 5) Ebendas. v. 38, 40. — 6) Ebendas. v. 1, 7, 8.
— 7) Ebendas. v. 26. — 8) Bbendas. v. 28—31. — 9) Ebendas. v. 32, 33. —
10) Offenb. 14, 4.
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Das Aiiceientum der drei ersten chrisü. Jahrfu \^
jungfräulicben Glieder der Kirche, seines mystischen Leibes, auch die
vorzüglichsten; im Briefe an Polykarp schreibt nämlich Ignatios^^):
»Wenn jemand imstande ist, zur Ehre des Fleisches des Herrn in
jangfräulicher Reinheit (d^veta) zu verbleiben, so bleibe er ohne
ptahlerischen Dünkel. Wenn er damit gross thnt, ist er verloren^
und wenn er sich für mehr hält als den Bischof, so ist er verfahrt.«
Da Ignatius im folgenden Satze solchen Christen, welche in den Ehe-
stand treten wollen, eine Belehrung giebt, so folgt daraas, dass in
den eben angegebenen Worten anter äyveta die Jangfräulichkeit za
verstehen ist und dass er damit von s(dchen spricht, welche in der
Ehelosigkeit zu Ehren des Fleisches des Herrn verbleiben wollen^
Auch ist zu beachten, dass hier die Vertreter des jungfräulichen
Standes dem männlichen Geschlechte angehörten; denn nur solche
konnten in die Versachung kommen, sich über den Bischof zu stellen.
Aehnlich warnt auch Clemens von Rom die Ehelosen vor Ueber-
hebung, da sie ja die Gnadengabe der Enthaltsamkeit Gott zu ver-
danken haben ^>). Hermas, welcher auf der Grenzscheide des ersten
Jahrhunderts seinen »Hirten« schrieb, vergleicht die Jungfrauen mit
unschuldigen Kindern und' kennt auch Ehelose männlichen Ge«
schlechtes **).
Deber die weitere Entfaltung der ascetischen Bestrebungen im
zweiten Jahrhunderte finden wir Aufschlass in den Schriften der
Apologeten; dieso Zeugnisse sind insofern von grosser Wichtigkeit,
als sie an die Adresse der heidnischen Zeitgenossen gerichtet sind
und auf die Ausbreitung der Virginität in allen Schichten der christ-
lichen Gesellschaft als auf eine auch den Heiden offenkundige That-
Sache hinweisen. Justinus zitiert im 15. Cap. seiner ersten Apo-
logie drei Evangelientexte, Matth. Y, 8, V, 32 und XIX, 11, 12,
am zu zeigen, welche Vorschriften Christus über die Keuschheit
giebt; alsdann macht er seine Bemerkungen über diese Texte; be-»
züglich der zwei ersteren Texte bemerkt er, dass Christus nicht blos
den Ehebruch, sondern auch die Begierde nach einer solchen That
seinen Anhängern verbiete; in Bezug auf den dritten Text, welcher
die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen empfiehlt, hebt er
rühmend hervor: »und gar viele, sowohl männlichen als weiblichen
Geschlechtes, die von Kindheit auf in der Lehre Christi unterwiesen
worden, verbleiben mit ihren 60, 70 Jahren noch unversehrt, und
rühmend gelobe ich in jedem Stande solche aufzuweisen. Was
erwähnen wir aber auch die zahllose Menge derjenigen, die nach
11) Ad Polyc. c 5. — 12) Clem. ad Cor. c. 38. — 13) Herrn, «imil. 9 c. 80..
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14 DtM Aaceientum der drei ersten chrML Jahrh.
einem zügelloseo Leben sich umgewandelt und keasch sein gelernt
haben ^^)?c Die Kritik hat zwar trotz der Beziehung auf Matth.
XIX, 11, 12 die Kraft dieser Stelle abzuschwächen gesucht, indem
sid unter den S^&opot solche verstehen wollte, welche die eheliche
Treue bewahrten. Allein mit Recht bemerkt Probst, dass sich ja
Jnstinus anheischig mache, solche (Sfdopot) aufzuweisen; auf Oöli-
batäre könne man nur mit den Fingern weisen, nicht aber auf solche,
welche die Ehe treu halten ; derartiges könne man glauben , aber
ansehen könne man es keinem Ehegatten ^^). Jnstinus unterscheidet
übrigens in der obigen Stelle zwei Klassen von Christen; im zweiten
Satze weist er auf solche hin, welche nach ihrer Bekehrung zur
christlichen Religion keusch leben; im ersten Satze dagegen rühmt
er solche Christen, welche von Kindheit an bis in das 60. und 70.
Lebensjahr in der Unversehrtheit verbleiben ; bei dieser Angabe des
terminus a quo und terminus ad quem w&re es absurd diese letz-
teren Worte auf die eheliche Treue zu beziehen, üebrigens bestä-
tigt auch Athenagoras in seiner Schutzschrift für die Christen, welche
höchstens vier Decennien nach der Apologie des Jnstinus verfasst
sein kann, dass unter den Christen viele, männlichen und weiblichen
Geschlechts, sich fänden, welche in der Hoffnung auf eine innigere
Vereinigung mit Gott im Jenseits ihr Leben lang unverheiratet
(ijaVoüc) bleiben *«). Endlich bezeugt Minucius Felix in der zweiten
Hälfte desselben Jahrhunderts, dass eine grosse Anzahl Christen die
immerwährende Yirginität bewahren ^7).
Im dritten Jahrhundert finden wir bei Clemens Alexandrinns,
Origines, Tertullian und Cyprian noch mehr Einzelheiten und Be-
merkungen über die in Frage kommenden Erscheinungen des Chri-
stentums. Clemens ist der erste, welcher die durch Enthaltsamkeit
nach innigerer Verbindung mit Gott strebenden Christen Asceten ^^)
nannte. Er kennt Asceten, welche nicht blos der Ehe entsagten,
sondern sich auch des Fleisch- und Weingenusses enthielten^').
14) Ka\ 7CoXXo{ xivs? xa\ «oXXal l5T)xovToÖTai xa\ lß8o[xy)xovroOTat ol Ix Äa{Sei)v
l(ia&Y}T6Ü&7)(7av TCO XP^^^) a^&opoi 3ia(i^vouai, xa\ eu/^OH^ ^^"^^ ^^^ "^ho^ avdp(i>;ccüv
Toioutou^ S^^ai.
15) Probst, Kirchliche Disciplin in den drei ersten christlichen Jahrh.,
Tftbing. 1873, S. 180.
16) Le^at. pro Christian, c. 83.
17) ünins matrimonii vincnlo libenter inbaeremos , cnpiditate procreandi
aut nnam scimns aat nullam .... Plerique inviolati corporis virginitate per-
petna frunntar quam gloriantur (Octav. c. 31).
18) Paedag. 1,7: ''Opa äw< jikv hzvcon tö Stxaiw h TcaiSa^wYÖ?, &itw« te
xoi aXümn xov aoxijTiJv, irrepvil^eiv BiS^axcov xov ovxonrwviaTTJv.
19) Strom. VII, 12 §. 69 p. 814, III. 1 §. 4 p. 183; Paed. II, 2 §. 20
p. 66, n, 1 §. 11 p. 63. Strom. VH, 6 §. 83 p. 305.
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Das ÄBceientum der drei ersten chrUtl, Jahrh. 15
Nach Origenes sind Ehelosigkeit, Verzicht aaf Vermögen,
Enthaltung von Fleisch und Wein, Fasten die Hanptformen der
Ascese^®). Er lobt die christlichen Asceten und Jungfrauen, welche
ehelos bleiben, um Oott dadurch besser dienen zu können ^^); die
Enthaltsamkeit, wenn sie überhaupt zuweilen bei den Heiden ge-
funden werde, stehe keinen Vergleich mit der christlichen aus; die
Hierophanten der Athener seien zwar zu steter Enthaltsamkeit ver-
bunden gewesen ; doch habe man im Heidentume überhaupt dem
Menschen die sittliche Kraft hierzu nicht zugetraut und deshalb die
Hierophanten durch Anwendung des Schirlingssaftes zeugungsunfähig
gemacht Bei den Christen aber könne man Männer finden, welche
die Anwendung solcher Mittel nicht nötig hätten, um Gott in Rein-
heit dienen zu können; bei ihnen genüge da» göttliche Wort, alle
bösen Begierden aus dem Herzen zu entfernen. Bei den Heiden
gäbe es einige wenige Jungfrauen, von denen man annähme, dass
sie zu Ehren der Gottheit, welcher sie dienen, beständige Reinheit
bewahrten. Die Christinnen aber, welche in vollkommener Jungfräu-
lichkeit lebten, thäten dies nicht um menschlicher Ehre willen oder
für Geld und gegen Bezahlung, auch nicht eitlen Ruhmes wegen,
sondern da sie Gott in ihrer Erkenntnis festhalten wollten, so wür-
den sie von Gott in dem Geiste bewahrt, der ihm wohlgefällig sei.
Ausser den genannten Schriftstellern wären noch im dritten
Jahrhundert TertuUian, Cyprian und Methodius als Zeugen für die
eifrige Pflege der christlichen Ascese und als Lobredner der Virginität
zu erwähnen. In seinem Apologeticus cap. 9 rühmt TertuUian
Christen, welche bis ins Grab keusch geblieben, Greise an Alter,
aber Kinder an Keuschheit**); in der Schrift de virg. vel. c. 10,
sowie de cultu fem. II, 9 kennt er gleich den früher genannten
Apologeten zahlreiche Vertreter der Virginität in der christlichen
Gesellschaft. Cyprian verfasste die Schrift de habitu virginum zur
Verherrlichung der Jungfräulichkeit; die gottgeweihten Jungfrauen
sind ihm die Blüte der christlichen Pflanzung, die Freude und die
Zierde der Kirche, der erlauchtere Teil der Herde Christi**).
Gleiche Hochschätzung und Verherrlichung der Virginität finden wir
bei Methodius in seinem Symposium der zehn Jungfrauen. Wie
20) In Jerem. XIX, 4, 7. — 21) Contra Geis. I. 26, V, 49, VII, 48. —
22) Contra Cela. VII, 48. — 23) Qoidam multo securiores totam vim huius er-
roris virffine continentia depellnnt, senea pueri. — 24) Lib. de habitn virg.:
Nanc noois ad virgines sermo est, c^naram quo sublimior gloria est, maior et
cara est. Hae sunt ecdesiastici germmis flores, decus atqae ornamentum gratiae
spiritalis. . • . Dei imago respondens ad sanctiraoniam Domini, illastrior porlio
gfregis Christi. (Migne, s. lat t. 4 col. 455).
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16 Das Aacetentum der drei ersten chrisiL Jahrh.
schon Clemens die Verschiedenheit der christlichen Ascese von eini-
gen schwachen heidnischen Analogieen scharf betont hat nnd wie
die Apologeten des zweiten Jahrhunderts überhaupt die in allen
Schichten der christlichen Oemeinschaft vorfindliche Ascese des ge*
schlechtlichen Lebens als eine besondere Eigentümlichkeit des Ghri*
stentums rühmend hervorgehoben haben, so leitet anch Methodins
die Pflege der Virginität ans dem Wesen der christlichen Religion
ab. Nach ihm ist die Jungfräulichkeit die Lilie unter den Blumen^
eine Pflanze vom Himmel; die Propheten und Heiligen des alten
Bundes kannten sie nicht; erst Christus, der Fürst der Jungfrauen,
ist der Lehrer der Virginität geworden; er, der Logos Gottes, hat
sie vom Himmel gebracht ><^).
Fassen wir das Gesägte zusammen, so ergiebt sich daraus
folgendes Resultat : Die christliche Ascese ist erstlich kein Produkt
des dritten oder gar erst vierten Jahrhunderts, sondern die ersten
Ansätze dazu finden sich schon an der Wiege des Christentums; ja
schon im zweiten Jahrhundert gab es in allen Schichten der christ-
lichen Gesellschaft Asceteu, welche ihr ganzes Leben in Ehelosigkeit
nnd Enthaltsamkeit verbrachten. Mit Stolz weisen die christlichen
Schriftsteller auf diese Thatsache hin und betonen die Unfähigkeit
des Heidentums derartige Erscheinungen im gleichen Umfange au»
sich hervorzubringen *«).
§. d. Privilegierte Stellung des Ascetentums sowie das Gelübde der
Keuschheit in den drei ersten christlichen Jahrhunderten,
Im Hinblick auf die theoretische Verherrlichung, welche der
Ascese des geschlechtlichen Lebens in den drei ersten Jahrhunderten
von den christlichen Schriftstellern zu teil vnirde, lässt sich von vorn-
herein annehmen, dass diese ascetische Lebensweise auch in der Kirche
praktisch vollauf gewürdigt wurde und sich einer besonderen Für«
sorge erfreute.
Bei der Feier des Gottesdienstes nahmen die gottgeweihten
Jungfrauen die ersten, dem Presbyterium zunächst gelegenen Plätze
ein. Tertullian erwähnt nämlich beiläufig, dass der Priester das
Opfer darbringe, umgeben von den Jungfrauen und den einmal ver-
ehelichten Witwen^); da nun auch die übrigen Gläubigen dem
25) Galland. tom. III. p. 703, 709, 675, 677.
26) Justin. Apol. I, 60, 14; Tertull. de monog. c. 2, Tatian. c. 82, Clem.
Alex. Strom. IV, 8 §. 59.
1) Lib. de exhort. cast. XI: Stabis ergo ad Dominum onm tot nzoribus^
quot in orationo commemoras? et offeres pro daabas? et comraeodabis ilkis
daas per sacerdotem de monogamia ordinatam aat etiam de virg^nitate sanei-^
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Das Ascetenium der drei ersten chrUth Jahrh, 17
Opfer beiwohnten, so folgt daraas , dass die gottgeweihten Jnng-
fraumi die vordersten Plätze im Schiff der Kirche innehatten. Be-
stfttigt wird dies auch dnrch die apostolischen Constitutionen, denen
gemäss die Jungfrauen mit den Witwen und Presbytiden zuerst vor
allen anderen, d. h. den Gläubigen, stehen oder sitzen sollten*).
Dass ^ich die Asceten einen gewissen Vorrang hatten, ist daraus
ecsichüich, dass sie nach den apost. Constitutionen (VIII, 13) un-
mittelbar nach dem Klerus die Kommunion empfingen. Auch Ehren-
titel werden ihnen beigelegt. Während die Gläubigen überhaupt die
Auserwählten (SxXexToQ hiessen, bezeichnet Clemens von Alexandrien
die Asceten als die Auserwählten unter den Auserwählten ^) (to>v
SkXsxtcov exXexTOTepot). In den Stromaten^) giebt er wiederum den
christlichen Asceten den Ehrennamen »Gnostiker«, weil sie den vom
Logos geoffenbarten Glauben immer tiefer erfassend und ihr Leben nach
dem Logos immer vollkommener ordnend, immer mehr im Denken und
Wirken, Wissen und Leben Gott ähnlich zu werden trachten *). Schon
aus diesen Angaben geht hervor, dass die Asceten und gottgeweihten
Jungfrauen eine Mittelstellung zwischen E[lerus und Laien einnahmen;
ja zu Anfang des dritten Jahrhunderts bildeten sie sicherlich einen
eigenen Stand in der kirchlichen Gemeinschaft; Hippolyt zählt nämlich
die Asceten neben den Bischöfen und Martjrrem als eine der Säulen der
Kirche auf ^), und Origenes führt in der zweiten Homilie zum dritten
Buche Mosis, wo er auf die verschiedenen Ordnungen oder Stände in
der Kirche zu sprechen kommt, als solche den Episkopat, Presbyterat,
Diakonat und unmittelbar darauf die Jungfrauen und Asceten an 7).
tum; drcnmdatam yirginibus ac nniviris, et ascendet sacrificinm tnum libera
fronte ? (Migne, s. lat. t. II, col. 975),
2) Constit. Apost. 1. II, c. 57.
3) Qais dives salv. c. 36. #
4) Vgl. das ganze 6. and 7. Bach der Stromata, sowie Strom. II, 17.
5) Paed. I, 6, ed. Pott. I, 116; Strom. II, 17 p. 468; UI. 5 p. 561;
VI, 1 p. 736, VI, 8 p. 774 and bes. VII, 10 p. 864-866.
6) Fragmenta m Proverbia : Alii septem colamnas dicant esse septem di^
▼inos ordines (t3c Itctoc ^üa. xitr^^oLxv)^ qoibas per sanotam atqae inspiratam di-
vinitas eins doetrinara oreatara sastentatar, hoc est prophetas , apostolos , mar-
tjres, hierarchas sive sacerdotes, ascetas, sanctos iostosqae. (Migne, s. gr., t. 10,
col. 627).
7) In Namer. hom. 2 n. 1 : Et nnde est, qaod saepe aadimas blasphemare
homines et dicere, ecce qaalis episcopas, aat qaalis presbyter, vel qaalis dia-
conos? Nonne haec dicantar, abi vel sacerdos vel minister Dei aasas fa^rit in
ali<][ao contra ordinem saam venire, et aliqaid contra sacerdotalem vel leviticam
ordinem gerere? Quid aatem et de vir^inibas dicam, aat de continentibas vel
omnibas, qai in professione religionis yidentar? Nonne si qaid inTerecandam,.
vel petalans, si qaid protervam gesserint, argait eos continao Moyses et dicit:
homo secandam ordinem saam incedat ? Agnoscat igitar aniascaiasqae ordinem
saam . . . . et Ita libret actas saos, ita etiam sermonem, incessam qaoqae et
habitam moderetar, at cam ordinis sai professione conveniat. (Migne, s. gr..
t. 12 col. 591).
Schiwietz, Mönchtum. 2
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18 D(M Aacetentum der drei ersten christl. Jahrh,
Wenn nun die Asceten und die gottgeweihten Jungfrauen einen
eigenen Stand bildeten, so müssen sie auch die Ehelosigkeit, welche
ja das Charakteristikum ihres Standes war, zur beständigen Lebens-
norm gewählt haben. Dies geschah auch thatsächlich durch die Ab-
legung des Oelübdes der Jungfräulichkeit oder Enthaltsamkeit. Der
erste Zeuge dieses Gelübdes ist Clemens Alexandrinus. Er nennt näm-
lich die Euthaltsamkeit und Jungfräulichkeit eine Verachtung des
Körpers zufolge eines Gott gemachten Versprechens^) und erklärt
auch : »Wer mit dem Vorsatze, nicht zu ehelichen, die Jungfräulich-
keit gelobt hat, bleibe unverheiratet«^). Auch Origines bezeugt es,
dass dieses Gelübde der Keuschheit die Natur eines Eides habe ^^).
Da er an dieser Stelle in der ersten Person Pluralis redet, so er-
giebt sich daraus, dass er nicht blos von den gottgeweihten Jung-
frauen, sondern auch von den Asceten redet. Dass von den gottge-
weihten Jungfrauen ein wirkliches Keuschheitsgelübde abgelegt
wurde, beweisen die darauf bezüglichen Termini bei Cyprian:
»Christo se dicare, tam carne quam mente se Deo vovere^^), in
aeternum continentiae se devovere« ^*) und bei Tertullian : »Christo
spondere maturitatem suam« ^^). Ja in Anspielung auf 2 Cor. 11, 21
galt schon den beiden genannten Schriftstellern die Gott gelobte
Jungfräulichkeit als eine geistige Vermählung und Ehe mit Christus;
darum bezeichnet auch Tertullian das Keuschheitsgelübde mit nubere
Christo, die gottgeweihte Jungfrau nennt er sponsa Christi. Aus
demselben Grunde ist nach Cyprian eine gottgeweihte Jungfrau,
falls sie das Gelübde gebrochen hat, adultera Christi i*).
8) Strom. III, 1: ^'E^xpixeta to{vuv aa)[jLaTo; (tKt^o^ia xai« t^v tcoo? deov
öfjLoXoYiav. (Migne, 8. gr., t. 8 col. 1103).
9) Strom. III, 16: '0 xaxoc Tupö^eatv £uvoü)(^ia{ SjjLoXoYTjaa; {jltj y%*' aYaH"-©^
8ia|xev^Tü). (Migne, 1. c, coL 1197).
10) In Leyitic. hom. 3 n. 4 : Et nos ergo cum venimus ad Denm et vo-
yemns ei nos in castitate servire, pronantiamus labiis nostris et inramas nos
castigare camem nostram, vel male ei facere atqne in servitatem redigere, nt
spiritam saivam facere possimus. (Migne, s. gr., t. 12, col. 428).
11) De habitn Tirg, c. 4: Neque enim inanis haec cantio est et vana
formidoque ad salntis yiam consniit, qnae Dominica et yitalia praecepta cn-
stodit, ut qoae se Christo dicaverint et a camali concupiscentia recedentes tam
carne quam mente se Deo voYerint, consnmment opus snnra magno praemio
•destinatam. (Migne, s. lat. t. 4 col. 455, 456).
12) Ep. 60: Pro ^nibus (sc. Tirginibas a barbaris captis) non tantum
libertatis, sed et pndoris iactnra plangenda est, nee tam Tincnla barbarorum
quam lenonam et lupunarium stnpra deflenda sunt, ne membra Christo dioata
et in aeternum continentiae honore pudica ?irtate devota insultantinm libidine
et contagione foedentar (Migne, 1. c. col. 871).
18) De vel. virg. c. 16. (Mi^ne, s. lat. t. 2, col. 911).
^ 14) Ep. 62 : Si autem de eis aliq^ua corm^ta fuent deprehensa , a^^at
poenitentiam plenam, qnia qaae hoc crimen admisit, non mariti, sed Christi
adultera est, et ideo aestimato iusto tempore postea, exomologesi facta, ad ec-
clesiam redeat . . . (Migne, s. lat. t. 4 col. 381).
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Das Aacetentum der drei ersten christL Jahrh. Id
Eine andere Frage ist aber die, ob in den drei ersten Jahr-
hunderten schon die öffentlichen Eeuschheitsgelübde üblich waren.
Was zunächst die Asceten anlangt, so bezeugt Basilius, dass noch
zu seiner Zeit öffentliche Keuschheitsgelübde seitens der Männer
nicht bestanden hätten; selbst die zu seiner Zeit schon in Gemein-
schaft lebenden Asceten oder Mönche hätten sich blos stillschweigend
(xaTtt aiQ)ic(ü^8vov) zur Uebernahroe des Cölibats verpflichtet ; er hält
«s nun für zweckdienlich, dass man auch von den Kandidaten des
Mönchsstandes eine ausdrückliche Kundgebung des Keuschheitsge-
lübdes entgegennehme^'^). Da diesem Zeugnis des mit den Verhält-
nissen seiner Zeit wohlvertrauten Basilius keine anderen zeitgenössi-
schen Berichte entgegenstehen, so ist wohl der Kückschluss erlaubt,
dass in den drei ersten Jahrhunderten öffentliche Keuschheitsgelübde
der Asceten nicht üblich waren.
Anders gestaltete sich die Sache bezüglich der gottgeweihten
Jungfrauen. TertuUian ist der erste Eirchenschriftsteller, welcher
gelegentlich berichtet, dass zu seiner Zeit die Jungfrauen das Ge-
lübde öffentlich in der Kirche vor der versammelten Gemeinde ab-
legten ^^); doch erfahren wir aus den Quellen der ersten drei Jahr-
hunderte über die Form, das Ceremoniell der Gelübdeablegung und
über das dazu erforderliche Alter nichts Bestimmtes.
Es bliebe noch zu untersuchen, ob schon in dieser Zeit die
nach Ablegung des Gelübdes geschlossene Ehe nichtig wurde ^7).
Obwohl schon Cyprian das Gelübde mit der Ehe verglich und darum
eine Jungfrau, welche ihr Gelübde gebrechen, als eine non mariti,
sed Christi adultera bezeichnete^^), so galt ihm doch nicht ein
solches Gelübde als absolut unauflöslich nach Analogie der Ehe; in
Beantwortung einer diesbezüglichen Anfrage seitens eines gewissen
Pomponius steht er nicht an, folgenden Bescheid zu geben : »Quodsi
ex fide se Christo dicaverunt, pudicae et castae sine uUa fabula
perseverent, et ita fortes et stabiles praemium virginitatis exspectent.
Si autem perseverare nolunt vel non possunt, melius est, ut nubant
15) Ep. 199 (canonica 2): 'AvöpüSv 8^ ©{xoXoYta? oux ^Y^ü)|xev, tcX^v e? [jLTf[
Tive^ lauTOu? xco TaY|i.oiTt twv fJLovaCövTwv lyxaTiipidjjLTjjav • ot xaia xb ai(07c<i>(xevov
Soxooat «opaSeS^vftai t^v oyaiitav. IIX^v xa\ Ijc' exeivwv Ix^vo ii'>(o\J\LOn npori-^CKj^ai
7cpo(nJxEtv, lpü)Ta<TWi auTöu?, xa\ Xa{xßav£ad>at x^v noi^ «ötoSv 6|xoAoYiav IvapYTj . , ,
(BasiUi opera omn., edit. Manrin. t. III pars altera pag. 423, 424).
16) De virg. veL c. 14: Prolatae (sc. virgines) enim in medium et
pubiicato bono sno elatae et a fratribus omni honore et charitatis operatione
cnmalatae . . . (Migne, s. 1. t. 2 coi. 657, 658).
17) Vgl. dazn Preisen, Gesch. des kanon. Ehereohts, Tübingen 1888,
S. 677 ff.
18) Vgl. Note 14.
2*
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20 Das Aacetentum der drei ersten chrUtl. Jahrh,
quam in igneip delictis suis cadant«^^). Peters^) sucht zwar die
Beweiskraft dieser Worte Cyprians abzuschwächen, indem er an-
nimmt, Gyprian mache an dieser Stelle eine Distinktion zwischen
öffentlichem und geheimem Eeuschheitsgelübde und gestatte blos
den Jungfrauen, welche geheime Gelübde abgelegt, unter gewissen
Bedingungen die Ehe. Indes die Worte: quae ex fide Christo se
dicaverunt, welche er für seine Interpretation zu fruktificieren suchte
bedeuten nicht etwa Jungfrauen, welche geheime Keuschheitsgelübde
abgelegt haben, sondern solche, welche aufrichtig (ex fide) und nicht
aus einem unedlen Motive das Gelübde überhaupt gemacht haben.
Mithin fehlt jede Handhabe in den genannten Brief Cyprians die
Unterscheidung ?on zweierlei Gelübden hineinzutragen.
Es fllUt damit auch die Annahme, als sei nach Cyprian zwar
den Jungfrauen, die blos geheime Eeuschheitsgelübde gemacht^
unter gewissen umständen die Ehe erlaubt, dagegen nach Ablegung:
des öffentlichen Keuschheitsgelubdes die Möglichkeit einer Ehe ab*
geschnitten gewesen. Auch die Beschlüsse der Concilien von Elvira.
und Ancyra, welche allerdings schon dem Anfang des vierten Jahr-
hunderts angehören, aber doch gewiss noch die Anschauungen des
dritten Jahrhunderts wiederspiegeln, kennen nicht die Distinktion
von öffentlichem und geheimem Keuschheitsgelübde. Indes beurteilea
8i6 strenger als Cyprian den Treubruch der gottgeweihten Jungfrauen.
Der 13. Canon des Concils von Elvira (306 oder nach Duchesne schon um
300) spricht über gottgeweihte Jungfrauen, welche ein Gelübde brechen^
lebenslängliche Exkommunikation aus ; sühnen sie jedoch ihr Vergehen
durch Busse , so sollen sie an ihrem Lebensende in die Kirche auf-
genommen werden**); der 19. Canon des Concils von Ancyra (314) be-
stimmte dagegen für einen derartigen Treubruch blos die Busse der
bigami**), welche nach Basilius*«) ein Jahr betrug. Erst in einem
Briefe des Papstes Innocenz I. an Victricius, welcher aus dem Jahre
19) Ep. 62 (Migne, s. lat. t. 4 col. 377, 378).
20) Vgl. Kraus, Real-Bncykl. der christl. Altert. Art. »Jungfrauen« 11^
80; Wilpert, Die gottgeweihten Jungfrauen in den ersten Jahrh. der Kirche^
Freiburg 1892, S. 9 (Note 6).
21) Virffines, quae se Deo dicaverunt, si pactum perdiderint virginitatia
atque eidem libidini (sc. carnis, de qua supra) servierint, non intelligentes quid
admiserint, placuit nee in finem eis dandum esse communionem. Quodsi semel
persuasae aut infirmi corporis lapsu vitiatae omni tempore vitae suae huiusmodi
foeminae egerint poenitentiam , ut abstineant se a coitu , eo quod lapsae potius
videantur, placuit eas in finem communionem accipere debere (Hefele, Concilien-
geschichte, Freiburg 1873, I S. 161).
22) ^'Oaoi 7cap9«£v(av Iwa^Ye^^öji-svot a^exoOai x^v i7za,f(e\ia^^^ xbv twv SiyÄH-wv
Bpov ^x7cX7)poÜT(oaav • xa? jjl^vtoi ouvepvofA^va^ Tcap^^vou? itolv u)? aSeX^poc? lx(oXüaafAe>
(Hefele, 1. c. S. 338).
23) Basil. oper. ed. Maurin. t. III pars alt. p. 422,
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Das Ascetentum der drei ersten chrUtl, Jahrh, 21
404 datiert ist, wird eine deutliche und ausdrückliche Unterscheidung
gemacht zwischen feierlichen und unfeierlichen Gelübden, zwischen
solchen Jungfrauen, welche sich mit Christo geistig vermählt und
Yom Priester mit dem Schleier bekleidet zu werden verdient haben,
und solchen, welche noch nicht den Schleier erhalten, die aber im
Stande der Jungfräulichkeit zu bleiben versprochen haben. Nach
diesem Briefe sollen die ersteren, die virgines velatae, für den Fall,
dass sie das Gelübde brechen und eine Ehe eingehen, strenger ge-
straft werden, als die letzteren, die virgines non velatae ^^); aber
von einer Ungiltigkeit der Ehe ist hierbei keine Bede, vielmehr wird
durch den ganzen Tenor des Briefes die Giltigkeit derselben in-
sinuiert oder vorausgesetzt.
Indes ist die Existenz beider Arten von Gelübden, des öffent-
lichen und geheimen (privaten), an sich nicht erst im fünften Jahr-
hundert nachweisbar. Schon bei TertuUian waren beide Klassen von
Jungfrauen unterschieden; ja nach seiner Privatansicht verdienen
die privaten Gelübde den Vorzug und die Jungtrauen sollten damit
zufrieden sein, Gott allein bekannt zu sein ^^).
Anlaugend die ursprüngliche Organisation des Jungfrauenstandes,
^0 erfahren wir von Cyprian, dass die Jungfrauen unter der besonderen
Obhut der Bischöfe standen ; zugleich sollten die älteren unter ihnen
4ie Lehrmeisterinnen der jüngeren sein.
^. 5. Die Lehensweise der Äsceten und der goUgewdfUen Jungfrauen^
Es liegt in der Natur der Sache, dass die Ehelosigkeit ein
Sichzurückziehen von der Welt mit sich bringen musste. Clemens
von Alex. 1) verlangt, dass der Ascet sich von der sündhaften Welt
fernhalten solle, da das Böse ansteckend wirke, und lobt die Aus-
erwählten unter den Auserwählten, welche aus den Stürmen der Welt
ihr Lebensschiffiein aufs Trockene gezogen und in Sicherheit gebracht
haben «). Und Origenes antwortet auf die Frage: »Wer ist heilig?« mit
24) Item quae Christo spiritaaliter nupserant et velari a sacerdote me-
raerunt, si postea ve\ publice napserint vel se clanculo corruperint , non eas
admittendas esse ad agendam poenitentiam, nisi is, cni se innxerant, de saecalo
recesserit . . . Hae vero, quae necdum sacro velamine tectae, tarnen in proposito
virginali se promiserant permanere, licet velatae non sint, si forte nupserint,
his agenda aliquante tempore poenitentia est ; quia sponsio eins a Deo teneba-
tnr (Migne, s. lat. t. 20, col. 478 seq.). Vgl. auch die canones 1 und 2 der
Tömischen Synode unter Innocenz 1. im Jahre 402 (Hefele, Conciliengesch. 1875
Bd. II S. 87).
25) (Virgo sanctior) gaudehit sibi et soli Deo nota (De veland. virg, c. 15
Migne, s. lat. t. 2 col. 959).
1) Strom. VII, 7 §. 49 p. 309. — 2) Quis dives salv. c. 86. Es ist
durchaus kein Widerspruch, wenn Clemens an einem anderen Orte (Strom. III, 7)
-die Allgemeinheit der Christen gegen den Vorwurf extremer Weltflucht nach
Art der indischen Büsser verteidigt.
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22 Das Ascetentum der drei ersten Christi. Jahrh.
den Worten: »Wer sich von der Welt zurückzieht, um sich ganz dem
Herrn zu weihen« •), Gleiche Forderungen stellte man an die gott-
geweihten Jungfrauen. Tertullian*) meint, dass die Jungfrau nicht
nur keusch leben, sondern auch in der Zurückgezogenheit ihr Da-
sein zubringen solle. Ebenso verlangt Cyprlan Absonderung der Jung-
frauen von dem gewöhnlichen Leben *) und warnt vor der Beteiligung^
an Hochzeitsgelagen und dem Besuch der öffentlichen Bäder ^). Die
Absonderung von der Welt hatte zur Folge, dass sich gleichgesinnt^
Asceten zu einem gemeinsamen Leben verbanden. Schon Glemens^
von Alex, rühmt den Segen des Zusammenlebens gleichgesinnter
Gnostiker^). Allerdings hemmten die Verfolgungen und Bedräng-
nisse der Kirche eine solche Entwicklung des Ascetentums; doch
sind schon gegen Ende des dritten Jahrhunderts Ascetenvereino
nachweisbar. Gründer eines solchen Ascetenvereins war laut dem
Berichte des Epiphanius der Egyptier Hierakas um die Wende des
dritten Jahrhunderts. Epiphanius «) wirft ihm zwar verschiedene
Irrlehren vor, rühmt aber seine ascetischen Bestrebungen und be-
richtet, dass in seinem Ascetenverein blos Jungfrauen, Asceten und
Witwen Aufnahme fanden^). Obwohl uns nähere Angaben über
diese Ascetenvereinigung fehlen, so bildet doch diese Thatsache an
sich einen Anhaltspunkt für die beginnende Entwicklung des Asceten-
tums zum gemeinsamen Leben. Immerhin ist nach den vorhandenen
Quellen dieses Zusammenleben der Hierakiten eine im dritten Jahr-
hundert einzig dastehende Erscheinung. Nach Athanasius kann von
einer weiteren Ausdehnung solcher Ascetenvereine in Egypten zu
jener Zeit nicht die Rede sein; vielmehr berichtet er, dass die
Asceten damals einzeln nicht weit von ihren heimatlichen Dörfern
in der Einsamkeit der Ascese oblagen ; dagegen kennt er schon Tcap-
^evcovec »Jungfrauenhäuser« am Ausgang des dritten Jahrhunderts ^^) ;.
der Jungfrauenstand war also in dieser Beziehung den männlichen
Asceten vorausgeeilt.
Im dritten Jahrhundert machte sich auch eine bedenkliche
Extravaganz auf dem Gebiete des ascetischen Lebens geltend; sie
bestand im Zusammen wohnen von Jungfrauen mit Männern behufs
gegenseitiger geistiger Förderung ; man wollte dadurch seine Tugend
3) In Levitic hom. 11 n. 1. — 4) De virg. vel. c. 3, et 7. - 5) Ep. 62. ~
■- 6) De hab. virg. c. 18 und 19. — 7) Strom. VH. 7 §. 49 p. 309. — 8) Epiphan.
haer. 67 ^Migne, t. 42 col. 171 seq.). — 9) Haer. 67 §.2: OöSeI? [irc' aOtwv^
ouvÄYSTai oXXa e? elfij «ap^^vo^ 5) fjLovotjftov 5) lyxpax^? ^ X'ip*- (Mig^e, 1. c. col. 175).
10) Atbanasins, vita s. Antonii c. 3. Die Argumente für die Echtheit
und Glaubwürdigkeit dieser vita Antonii finden sich bei Mayer im »Katholik«
(Mainz 1866) 55, 495 ff., 619 ff.; 56, 173 ff.
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Das Ascettntum der drei ersten chriatl. Jahrh» 23
bewähren; in der Nähe eines Menschen des anderen Geschlechtes za
leben und doch keine unlanteren Begangen zu empfinden sollte eine
besondere Heiligkeit sein. Diese extravagante Sitte scheint ihren
Ursprung den Qnostikern zn yerdanken; wenigstens ist Irenäns^^)
der erste, welcher diese bedenkliche Unsitte gegen Ende des zweiten
Jahrhunderts den gnostischen Valentinianern zuschreibt und zugleich
berichtet, dass schliesslich das, was im Geiste anfing, im Fleische
endigte. Der Verfasser des wahrscheinlich erst dem dritten Jahrhundert
angehörenden pseudoklementinischen BrieQ)aares erklärt dagegen im
Namen aller echt christlichen Asceten : »Mit Jungfrauen wohnen wir
nicht unter einem Dache ; adch besteht nicht zwischen uns und ihnen
irgendwelche Gemeinschaft. Wir essen und trinken nicht mit ihnen.
Wo eine heiratsfähige oder gottgeweihte Jungfrau schläft, da schlafen
und übernachten wir nicht. Weiber waschen nicht unsere Füsse, noch
salben sie uns.« (II, 1 Migne, s. gr. 1. 1 col. 418). Cyprian ") schritt
gegen das auch in Nordafrika sich ausbreitende Uebel des Syn-
eisaktentums energisch ein und forderte von den kirchlichen Vor-
gesetzten, dass sie dieses Zusammenleben von Männern mit
Jungfrauen verhinderten. Gegen Ende des dritten Jahrhunderts trat
diese Extravaganz auch anderwärts in die Erscheinung; denn die
Synode von Ancyra (314) sah sich in ihrem 19. Canon veranlasst
streng zu verbieten, dass gottgeweihte Jungfrauen wie Schwestern
bei Männern wohnen ^^).
Anlangend die Eleidang der gottgeweihten Jungfrauen, so ver-
bietet Cyprian i*) blos die Putzsucht und den Kleiderprunk ; von
einer besonderen Kleidung der gottgeweihten Jungfrauen weiss er
aber nichts; indes war in einigen Gegenden Nordafrikas der Schleier als
Tracht der Jungfrauen üblich. Manche Bischöfe waren gegen diese Ver-
schleierung ; daram schrieb Tertullian als Montanist ein eigenes Buch
de velandis virginibus und verfocht die Notwendigkeit des Schleier-
tragens. Die Unverschleierten nennt er mit einer gewissen Ironie
virgines malae, virgines hominam, capita nundinatitia; diejenigen,
welche den Schleier tragen, virgines bonae, virgines Dei i*). Gegen
11) Ady. haer. I, 6 §. 3. - 12) Ep. 62.
13) Siehe oben S. 20 Note 22. — 14) De hab. virg. c. 5.
15) De yel. virg. c. 3: »Ambiunt virgines hominum adversus virgines Dei,
nnda plane fronte in temerariam aadaciam ezcitatae .... Scandalizamnr, in-
quinnt , qnia aliter aliae incedunt : et malunt scandalizari quam provocari.
SGandalnm, nisi fallor, non bonae rei, sed malae exemplum est, aedificans ad
delictnm. Bonae res neminem scandalizant, nisi malam mentem . . . Cur non
magis hae qnerantur scandalo sibi esse petalantiam, impudentiam ostentatitiae
virginitatis? Propter eiusmodi igitar capita nundinatitia, trahantur virgines
sanctae in Ecclesiam, ernbescentes qaod cognoscantur in medio, paventes quod
detegantnr ... sacrilegae manos, qnae dicatnm Deo babitnm detrahere po-
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24 Das Aacetentum der drei ersten Christi. Jahrh,
Ende der genannten Schrift fordert er die Jungfrauen zam Tragen
des Schleiers emphatisch auf ^^): »Ich bitte dich, Jungfrau, verhülle
mit dem Schleier das Haupt. Ergreife die Waffe der keuschen Zucht,
umgieb dich mit dem Walle der Schamhaftigkeit, baue deinem Qe-
schlechte eine Mauer, welche weder deine eigenen Blicke noch die
der Vorübergehenden hindurchlässt. Trage das Gewand der Frau,
damit du den Stand der Jungfrau bewahrst. Oieb dir den Schein,
als wärest du das, was du in Wirklichkeit nicht bist, und sei zu-
frieden, dass Gott allein dich kennt, üebrigens bist du ja wirklich
verheiratet , denn du hast dich mit Christo vermählt ; ihm hast du
deinen Leib übergeben, ihm dich verlobt. Kleide dich nun auch so,
wie dein Bräutigam es will. Christus verlangt aber, dass die welt-
lichen Bräute und Frauen den Schleier tragen; um wie viel mehr
sollen dies erst seine Bräute thuen !< Aus diesen Worten geht zu-
gleich hervor, dass der Schleier der Jungfrauen sich durch nichts
von dem der verheirateten Frauen unterschied. Auch das Abschnei-
den der Haare war damals noch nicht üblich ; vielmehr verbarg man
das Haar unter dem Schleier i^).
Auch lässt sich nicht aus dem liber de veland. virg. der Nach-
weis führen, dass etwa zur Zeit TertuUians schon die Gelubde-
ablegung mit der üeberreichung des Schleiers verbunden war. Die
Redensarten tegere, volare,, claudere, abscondere, operire (sc. faciem
velo) kommen zwar bei ihm vor, aber noch nicht in dem technischen
Sinne von Einkleidung oder Schleiernehmen ^^) , wie dies aus dem
Contezt ersichtlich ist. Erst um die Mitte des vierten Jahrhunderts
wurde die Ablegung des Gelübdes der Jungfräulichkeit durch Aeu-
derung der Gewänder besiegelt, wie dies Ambrosius in seiner Schrift
taerunt ! Quid peius aliqnis persecntor fecisset^ si hoc a virgine electum cogno-
visset? Denadasti pnellam a capite, et fcota iam virgo sibi non est: alia est
facta. Exsnrge igitar, veritas, ezsnrge, et quasi de patientia erampe: nullam
volo consuetudinem defendas .... Te esse demonstra, quae virgines tegis.«
(Mig^iie, s. lat., t. 2 col. 892). Im Gegensatz zu den Verschleierten, d. i. den
virgines Dei, virgines sanctae, nennt Tertnliian hier die ün verschleierten vir^
gines hominnm, capita nundinatitia ; diese Ansdrncksweise ist mit einer ge-
wissen Ironie gewählt und bietet darum kein ernstes Fundament, um daraus
deducieren zu können, dass Tertullian mit diesen beiden Termini »virgines Dei
und virgines hominum« die gottgeweihten Jungfrauen von denen, welche noch
nicht öffentliche Gelübde abgelegt hätten, unterscheiden wollte, wie dies Mar-
tene (De antiq. eccl. ritibus t. 2 l 2 c. 6 ed. Bassani p. 186), Peters (vergl.
Kraus, R.-E., Art. »Jungfrauen« II, 80 ff.) und Probst (Kirchliche Disciplin etc.
S. 138) angenommen haben. Tertullian verlangt, wie auch aus seiner Schrift
de orat. c. 22 ersichtlich ist, die Verschleierung aller Jungfrauen, nicht Mos
der gottgeweihten.
16) De vel. virg. c. 16 (Migne, s. L, t. 2 col. 911).
17) Tertall. de orat. c. 22.
18) Das Letztere scheint Wilpert (Die gottgeweihten Jungfrauen S. 15)
anzunehmen.
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Das Aacetentum der drei ersten christl, Jahrh. 25
De institutiöoe virginis (l. Sei Migne, s. L t. 16 col. 219) bezeugt.
Die Geremonie der Einkleidung bestand aber in der Ueberreichung des
Schleiers und der Standestunica (Ambros. de virginib. 1. 1. c. 11
<M^e L c. col. 206 seq.) i«).
Die Asceten männlichen Oescblechts hatten im dritten Jahr-
hundert noch kein eigentümliches Kleidungsstück ; TertuUian *<^) hält
es ihnen nämlich als einen Mangel vor, dass sie es noch nicht, wie
die Jungfrauen , zu einer besonderen , ihren Stand kennzeichnenden
Kleidung gebracht hätten. ^
§. 6. Die Ehelosigkeit im Dienste des Eeiches Qottes,
Christus hat der Ehelosigkeit die Hinordnung auf das aposto-
lische Missionswerk gegeben. Es liegt eben im Wesen des Cölibats,
dass er Baum und Freiheit gewährt, die Summe der verliehenen
Kräfte der Ausbreitung des Beiches öottes dienstbar zu machen.
Aus diesem Grunde giebt Paulus dem ehelosen Stande den Vorzug
vor der Ehe, welche wegen der mannigfachen mit ihr verbundenen
irdischen Sorgen und Verwicklungen einer ungeteilten Hingabe an
das Missionswerk Hindernisse bereitet.
Fragen wir nun, in welcher Weise sich das von Christus dem
ehelosen Stande gesteckte Ziel im kirchlichen Leben der drei ersten
Jahrhunderte realisierte, so geschah dies in doppelter Weise.
Zunächst förderten die Asceten beiderlei Geschlechts schon an
und für sich durch ihr gottinniges Leben das Wohl der ganzen
christlichen Gemeinschaft. Sie heiligten die Welt durch ihr Gebet,
ihr Opferleben und durch das Beispiel. Die Apologeten unterliessen
es nicht, auf das strahlende Beispiel des ehelosen Standes hinzu-
weisen. Clemens von Alexandrien preist die Asceten als Bekämpfer
und Besieger des Teufels. Und in Anspielung auf die Paulinisehe ^
Lehre von dem mystischen Leibe Christi, dessen stärkere Glieder
den schwächeren helfend zur Seite stehen, spricht Origenes*) die
Bedeutung der Asceten für die gesammte Christenheit und ihr Ver-
hältnis zu dem gläubigen Volke folgendermassen aus: »unter dem
Volke Gottes sind gewisse, die für Gott streiten, jene, welche sich
nicht mit zeitlichen Geschäften abgeben. Sie sind es, welche in
Krieg ziehen gegen feindliche Völker (gentes) und gegen die bösen
Geister und für das übrige Volk wie für die wegen des Alters oder Ge-
echlechtes oder des Vorsatzes Schwächeren streiten. Sie streiten aber
19) Vgl. auch Wilpert, Die gottgeweihten Jungfrauen S. 15 ff.
20) De vel. virg. c. 10.
1) I. Cor. 12, 25 seq. — 2) Orig. in Num. hom. 25 n. 4.
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26 Das Aacetentum der drei ersten christl, Jahrh,
durch Gebet und Fasten, Gerechtigkeit und Frömmigkeit, Sanftmutf
Keuschheit und jede Art Enthaltsamkeit als ihren Eriegswafifen»
Und wenn sie als Sieger zum Lager zurückgekehrt sind, nehmen an
ihren Mühen auch die Unkriegerischen teil, wie die, welche nicht
zum Kampfe gerufen wurden oder nicht ausziehen konnten.«
Ausser dieser allgemeinen Bedeutung für die christliche Ge-
meinschaft fand der ehelose Stand noch eine besondere Verwendung
im Dienste der Kirche. Bezüglich der Asceten weiblichen Geschlechts
geschah dies in dem Institute der Diakonissen. In der apostolischen
Zeit, wo der Stand der gottgeweihten Jungfrauen erst im Entstehen
begriffen war, rekrutierte sich dies Institut aus Witwen. Die ersten
Spuren der Existenz desselben finden wir in 1 Tim. 5, 9 — 10. Nach-
dem nämlich Paulus den Timotbeus gemahnt, die Witwen, welche
wahrhaft Witwen sind, zu ehren und nötigenfalls auch zu unter-
stützen, fährt er fort: (v. 9) »Als Witwe werde eingezeichnet (xaxaXe-
yIg^o)), die nicht unter 60 Jahren ist, eines Mannes Frau gewesen;
(v. 10) in guten Werken bezeugt wird, wenn sie Kinder auferzogen,
wenn sie Fremde beherbergt, wenn sie Heiligen die Füsse gewaschen,
wenn sie Bedrängten beigestanden, wenn sie jedem guten Werke sich
angeschlossen hat.« In diesen beiden letzten Versen redet Paulus
nicht mehr, wie in den vorhergehenden Versen, von den armen (ver-
einsamten) Witwen überhaupt, sondern von solchen Witwen, die für
gewisse kirchliche Dienste bestimmt sind oder in das Verzeichnis der
kirchlichen Personen (Diakonissen) eingetragen werden sollen. In
diesem Sinne verstanden auch die Worte Pauli die ältesten Kirchen-
schriftsteller, wie Origenes^) und TertuUian *). Man kann durchaus
nicht mit Neander (apost. Kirche I, 265) annehmen, dass hier blos
vom Eintragen in das Verzeichnis der zu unterstützenden Witwen
die Rede sei. Die Fixierung ^es Lebensalters auf 60 Jahre und die
Eigenschaft nur einmaliger Ehe konnte doch nicht bei der Unter-
stützung der Witwen massgebend sein; jüngere Witwen und solche,
die zweimal verheiratet gewesen waren, mochten oft mindestens ebenso
unterstützungsbedürftig gewesen sein. Wenn aber Herzog (Real-
encyklopädie für prot. Theol (1855) III, 368) die Worte Pauli des-
halb nicht auf die Diakonissen beziehen will , weil der Apostel ge-
wiss nicht das 60. Lebensjahr festgesetzt hätte für einen Dienst, der
manche beschwerliche Seiten hatte, so ist dies kein stichhaltiger
Grund; Paulus hatte eben, wie er es (v. 11 ff.) andeutet, üble Er-
fahrungen mit jüngeren Witwen gemacht, die zur Welt zurückkehren
3) Orig. in Joanii. hom. 32 n. 7. — 4) Tert. ad uxor. 1. 1 c. 7.
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Das Ascetentum der drei ersten christL Jahrh, 27
und mit Brach ihrer gelobten Treue eine zweite Heirat schliessen
wollten. Es ist darum 1. Tim. 5, 9 — 10 nicht von einer Eintragung
in die Liste der unterstützungsbedürftigen Witwen die Bede, sondern
von der Eintragung in das Verzeichnis der mit gewissen kirchlichen
Diensten, welche der Apostel (v* 10) andeutet, betrauten Witwen.
Ob schon zur Zeit der Apostel auch gottgeweihte Jungfrauen für
kirchliche Dienste verwendet wurden, ist nicht erweisbar. Zwar wird
von Paulus Rom. 16, 1 — 2 eine gewisse Phöbe genannt, welche Dia-
konisse (diaxovoc) der Eirche in Kenchreä war und dem Apostel
sowie anderen Handreichung leistete; auch die Rom. 16, 2 ge-
nannten Frauen mögen im Geiste der Phöbe für den Glauben und
die Ehre Gottes gewirkt haben; es ist aber nicht ersichtlich, ob
sie Witwen oder Jungfrauen waren. Indes bei der steten Zu-
nahme des Jungfrauenstandes und dem Wachstum der christ-
lichen Gemeinden wurden bald die rüstigeren Kräfte der Jung-
frauen in Anspruch genommen; dies geschah nachweislich schon im
Zeitalter der Apostelschüler. Ignatius grüsst nämlich im Briefe an
die Smyrnäer (c. 12) »die Jungfrauen, welche Witwen genannt wer-
den.« Weil in der apostolischen Zeit vorherrschend Witwen das
Diakonissenamt versahen, so ist es erklärlich, dass zur Zeit des
hl. Ignatius auch die mit diesem Ehrenamte betrauten Jungfrauen
Witwen genannt wurden. Während Paulus junge Witwen von diesem
Ehrenamte ausgeschlossen wissen wollte, waren die Bischöfe später
bei der Auswahl der Jungfrauen für dieses Amt bezüglich des Alters
weniger ängstlich; TertuUian (de virg. vel. c. 9) spricht nämlich
seine Verwunderung darüber aus, dass an einem Orte eine noch nicht
zwanzigjährige Jungfrau in das Viduat aufgenommen worden sei*
Allmählich rekrutierte sich der Stand der Diakonissen , wie die
apostolischen Constitutionen^) bezeugen, ebenso aus Jungfrauen wie
aus Witwen, und die mit kirchlicher Bedienstung betrauten Personen
wurden bald mit Rücksicht auf die historische Entwicklung Witwen,
bald im Hinblick auf Rom. 16, 1 Diakonissen genannt.
Anlangend die Obliegenheiten der Diakonissen, so wirkten sie
zunächst im gewissen Sinne als Glaubensboten. Wegen ihrer gesell-
schaftlichen Verbindungen kamen sie oft in die Lage auf den christ-
lichen Glauben vorzubereiten; sie durften in allen Fragen, die sich
auf Glauben, Gerechtigkeit und Hoffnung auf Gott beziehen, Ant-
wort geben; doch sollten sie sich darauf beschränken, die Heiden
vom Irrtum der Vielgötterei abzuwenden und auf die Lehre von der
5) Apost. Const 1. 6. c. 17.
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28 Das Ascetentum der drei ersten chriatl. Jahrh,
Einheit G-ottes hinzuweisen. Auf die Darlegung der spezifisch Christ'*
liehen Wahrheiten sollten sie sich nicht einlassen, um nicht durch
«ine unpassende oder mangelhafte Antwort die christlichen Geheim-
nisse dem Spotte der Ungläubigen auszusetzen ^) und auch wohl aus
dem Grunde, weil es dem Weibe nicht gestattet war, den Mann zu
belehren und zu beherrschen 7). Wollte darum jemand in der ße-
ligionslehre selbst unterrichtet werden, so sollten sie ihn an die Vor-
steher weisen 8). Ein grösserer Spielraum wurde indes den Dia-
konissen bezüglich des Unterrichtes der Frauen gewährt. Bei der
dem Morgenlande eigentümlichen Abgeschlossenheit der Frauen waren
sie die geeignetsten Personen, um, ohne Verdacht zu erregen, auch
in die Frauengemächer die Lehre Christi zu bringen^). Ferner ver-
mittelten sie den Verkehr der christlichen Frauen mit den Bischöfen
und Diakonen ^^), Wie die Diakonen waren sie verpflichtet im Dienste
des Evangeliums Botschaften zu übermitteln. Reisen zu machen, Bei-
stand zu leisten und zu dienen ^^). Arme Witwen standen unter ihrer
Leitung ^^). Endlich befassten sich die Diakonissen mit Kranken-
pflege und unterrichteten junge Frauen in den Pflichten des Ehe-
standes, der Eindererziehung und des Hauswesens^'). Die Verwend-
ung der Diakonissen während des Gottesdienstes beschränkte sich auf
die äussere Disciplin. Sie überwachten die Eingänge zu der Ab-
teilung der Frauen in der Kirche und wiesen diesen die Plätze an ^^).
Auch waren sie dem Bischof behilflich bei der Taufe und der mit
der Taufe verbundenen Salbung der Katechumenen weiblichen Ge-
schlechtes 1*).
Mit Rücksicht auf diese mannigfachen Dienste im Interesse des
Evangeliums standen die Diakonissen im hohen Ansehen. Von Po-
lykarpi«), desgleichen in den apostolischen Constitutionen^^) werde»
sie Altar Gottes genannt. Der 7. Canon Hippolyts befiehlt sie wegen
ihrer vielen Gebete, ihrer Sorge für die Kranken, ihres häufigen
Fastens besonders zu ehren. Origenes hält sie kirchlicher Ehren
wert, weil sie sich mit der Unterweisung des weiblichen Geschlechtes
in der christlichen Lehre abmühen, und rechnet sie auch zu den
kirchlichen Dignitäten ^^). Die kirchliche Ehre bestand gemäss den
apostolischen Constitutionen darin, dass sie mit den Jungfrauen und
6) Apost. Const. 1. 3. c. 5. — 7) Orig. in Isai. hom. 6, n. 8. — 8) Vgl.
Note 6. — 9) Clem. Alex, sttom. 1. 3. c. 6. — 10) Apost. Const. 1. 2. c. 26. —
11) Ibid. l. 3. c. 19. — 12) Ibid. 1. 3. c. 7. — 13) Hippol. can. 9; Orig. ad
Rom. 1. 10. n. 17 n. 20.
14) Apost. Const. 1. 8. c. 28; 1. 2. c. 58. — 15) Apost. Const. 1. 3.
c. 15 u. 16. — 16) Polyc. ad Philadelph. c. 9. — 17) Apost. Const. 1. 2. c. 6. —
18) Orig. in Isai. hom. 6. n. 3.
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Das Ascetentum der drei ersten christL Jahrh, 29
Presbytiden die ersten Plätze im Schiffe der Kirche einnahmen i^) ;
auch die Commanion empfingen sie nach dem Klerus und den
Asceten als die ersten unter den Frauen ^^). Endlich erhielten sie,
falls sie kein eigenes Vermögen besassen, ihren Unterhalt aus den
Einkünften der Kirche gleich den niederen Klerikern'^).
Trotz alledem war es den Diakonissen, wie überhaupt den Frauen^
in üebereinstimmung mit der Vorschrift des hl. Paulus verboten, öf-
fentlich zu predigen und andere priesterliche Funktionen zu ver-
richten "). Wegen ihrer hohen Bedeutung für die Kirche bildete sich
aber allmählich eine feierliche Einführung derselben in ihr Amt aus.
Das Gebet, weiches hierbei der Bischof in Gegenwart des Presby-
teriums, der Diakonen und Diakonissen sprach, lautete folgender-
massen: >Ewiger Gott, Vater unseres Herrn Jesu Christi, der du
Mann und Weib erschaffen, Maria, Debora, Anna und Holda mit
dem Geiste erfüllt und dich gewürdigt hast, dass dein Eingeborener
aus einem Weibe geboren wurde, der du am Zelte des Zeugnisses
und im Tempel Frauen als Hüterinnen deiner heiligen Thüren ein-
gesetzt hast, sieh nun auf diese deine Dienerin herab, erwählt zur
Diakonin, und gieb ihr den hl. Geist, reinige sie von aller Be-
fleckung des Leibes und des Geistes, um das ihr übertragene Amt
würdig zu vollziehen, zu deiner Ehre und zum Lobe deines Christus,
mit dem dir Ehre und Anbetung und dem hl. Geiste in Ewigkeit.
Amen« ^). Zwar findet sich dieses Gebet im 8. Buche der apostoli-
schen Constitutionen, welches der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts
zugeschrieben wird; doch lässt es sich nachweisen, dass dieses Ge-
bet über die Diakonissen vor der Mitte des 3. Jahrhunderts schon
vorhanden war und von dem Herausgeber des 8. Buches als ein
altes Formular in seine Sammlung aufgenommen wurde ^). Mit
diesem Weihegebet der Diakonissen war auch nach dem Zeugnis der
apost. Constitutionen (1. 8 c. 19) eine Handauflegung seitens des
Bischofs verbunden. Da jedoch nach dem ausdrücklichen Zeugnisse
derselben apost. Constitutionen den Diakonissen der priesterliche
Charakter fehlte und die letzteren nach dem 19. Canon des ersten
Concils von Nicäa zu den Laien gezählt wurden, so ist diese Hand-
le) Apost. Const. 1. 2. c. 57. — 20) Ibid. 1. 8. c. 13. — 21) Ibid. 1. 8.
c. 31; 1. 2. c. 25. - 22) Ibid. L 3. c. 6.
28) Ibid.l. 8, 20. — 24) Prohat, Kirchl. Disciplin in den 3 ersten christl.
Jahrb., Tübingen 1873 S. 119 Not. 3: »Von dem Ordinationsgebet der Dia-
konissen l&sst sich nachweisen, dass der Herausgeber des 8. Baches es als ein
altes Formular in seine Sammlung aufiiahm. In demselben wird nämlich den
Diakonissen die Thürwache bei den Frauen übertragen. Im 11. Gapitel lasst
er aber die Subdiakonen die Th&re bei der Abteilung der Frauen überwachen,
ein Versehen, das zeigt, dass die Bemerkung c. 11 später eingeschaltet wurde.«
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30 Das Ascetentum der drei ersten christL Jahrh.
auflegung nicht sensu strictiori, sondern als blosse Benediktion za
fassen.
Es bliebe noch zu zeigen , in wie weit im Verlauf der drei
ersten Jahrhunderte der Stand der Gölibatäre männlichen Geschlechts
im Dienste des Reiches Oottes und Evangeliums verwendet wurde.
Schon die Apostel haben, wie die hl. Schrift mehrfach andeutet und
die Kirchenväter einstimmig bezeugen, als Cölibatäre gelebt ^<^); indes
war die Kirche anfänglich noch nicht in der Lage, ihre Diener aus-
schliesslich aus der Zahl der Unvermählten zu wählen; denn die
Juden, aus denen sich die ersten Diener der Kirche rekrutierten,
verwarfen die Virginität, und unter den Heiden waren die ün ver-
mählten fast nur solche, welche die Ehe aus Zügellosigkeit ver-
schmähten und darum für den klerikalen Stand durchaus nicht tauglich
waren. Diesen Verhältnissen trug der hl. Paulus Rechnung, indem er
I. Tim. 3, 2 im abwehrenden (negativen) Sinne statuierte : AeT ouv t6v
iicioxoicov . . . ^läc Yuvaixic Svdpa. Undenkbar ist es, dass hiermit
Paulus, wie die Vigilantianer und manche protestantische Exegeten an-
nehmen, die Vorschrift gegeben habe, dass der Bischof verheiratet sein
müsse. Eine solche Deutung widerspricht der Anschauung Pauli, der
selbst ehelos war, dessen getreueste Schüler Titus und Timotheus ohne
alle Spur von Frau und Kindern erscheinen und der noch wenige Jahre
früher I. Gor. 8, 7 den jungfräulichen Stand so hoch erhoben hat.
Auch die ganz analoge Stelle I. Tim* 5, 9 ; x^P^ xaTaXe^lodo) . . .
Ivöc ivJpic TüVT^, wonach nur einmal verheiratete Witwen für den
kirchlichen Dienst verwendet werden sollen, spricht für die tradi-
tionelle ' und auch von mehreren protestantischen Exegeten zuge-
standene Auslegung, dass nämlich nur die, welche einmalige, nicht
aber solche, welche eine zwei- oder mehrmalige Ehe eingegangen,
zum Bischofsamte zugelassen werden sollten. Der Grund, weshalb ein
solcher Bigamist zu einer kirchlichen Würde als ungeeignet erscheint,
liegt nicht nur in der Unenthaltsamkeit , die sich in der zweiten
Verehelichung offenbart, sondern vielmehr in der Symbolik der christ-
lichen Ehe, welche gemäss dem Apostel (Ephes. 5, 32) ein Bild der
Vereinigung Christi mit der Kirche ist, eine Wahrheit, welche nur
in der Monogamie zum völligen Ausdruck kommt und welche darum
die kirchlichen Vorsteher durch ihre Monogamie den Gläubigen sym-
bolisieren sollen. Uebrigens hielten auch Heiden die einmalige Ehe
25) I. Cor. 9, 5 ist nicht von Ehefrauen die ßede ; dagegen spricht das
a86X(p^ TuvtJ und die jüdische Sitte der dem Lehrer nach ihrem Vermögen dienen-
den Frauen (Matth. 27, 55; vgl. Hieronvm. c. Jovin. I, 26). Zudem hatte Petrus,
der hier von Paulus genannt wird, sicher alles, auch seine Frau, verlassen
(vgl. Matth. 19, 27).
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Das Aacetentum der drei ersten christL Jahrh. 31
hoch, wie dies Tacitus (Germ. 19) bezeugt und wie deon auch der
pontifex maximus und die fiamines der Römer nur einmal heiraten
durften **).
Indes war die Aufnahme Verheirateter in den Klerus nur ein
Notbehelf, und es lässt sich der Nachweis führen, dass den Ehelosen
bei der Auswahl der Kleriker der Vorzug gegeben wurde und dass
diese Praxis als ein apostolisches Vermächtnis betrachtet wurde/
Wir beginnen mit einigen lichtvollen Beweisstellen aus den Werken
des hl. Epiphanius , welche zwar der Mitte des 4. Jahrhunderts an-
gehören, aber wegen der von diesem Bischof gebrauchten Aus-
drucksweise einen Bückschluss auf die Disciplin und die gesetz-
liche Geltung des Cölibats in den drei ersten Jahrhunderten ge-
statten. Im 21. Kap. der »Auseinandersetzung des katholischen
Glaubens« erklärt Epiphanius ^7) : »Das hl. Priestertum wird aus den
Jungfräulichen ergänzt : wenn nicht aus Jungfräulichen, so doch aus
ünvermählten ; wenn aber unter den Unvermählten nicht genug zu
diesem Amte geeignete sind, so werden solche gewählt, welche Ent-
haltung von ihren eigenen Frauen gelobt haben oder doch nach
einmaliger Ehe verwitwet sind.« Und in seiner Schrift Adversus
haereses 48 c. 9 spricht er sich folgendermassen aus: »Christus,
das göttliche Wort, ehrt die Monogamie, obgleich er die Gnadengaben
des Priestertums vorzugsweise (fjtaXiaTa) durch solche zierte, welche
sich nach einmaliger Ehe zur Enthaltsamkeit entschlossen oder stets
die Jungfräulichkeit bewahrt hatten und so von vornherein eine Be-
stimmung traf, dergemäss dann auch seine Apostel den kirchlichen
Kanon (xov §xxXi)aiaaTtx6v xavöva) des Priestertums in angemessener
und heiliger Weise festgestellt haben *»).« Aus diesen Aussprüchen des
Epiphanius geht also hervor, dass zu seiner Zeit sich der Klerus aus ün-
26) Bisping, Erklärung der Pastoralbriefe, 2. Aufl. S. 170. — Zöchler,
Askese und Möncbtum (1897) I S. 101—102.
27) Migne, s. gr. t. 42 col. 824.
28) Ibid. t. 41 col. 868. Der Sinn dieses Satzes ist offenbar folgender:
»Christus ehrte wohl die Monogamie, aber bei der Auswahl der Apostel bevor-
zugte er die Ehelosigkeit und nahm dazu Jungfräuliche oder solche, welche
nach einmaliger Ehe sich zur Enthaltsamkeit entschlossen hatten, c Das Wort
{jL&Xi<Tra ist nach dem Context mit »vorzugsweise« oder mit »gar sehr«, wie es
G. Bickell (Zeitschr. f. kath. Theol. III S. 795) thut, zu übersetzen. Würde
man es mit Funk (Elrchengesch. Abhandl. u. Untersuch., Paderborn I, S. 132)
durch »meist« wiedergeben, so würde dem Epiphanius imputiert werden, dass
nach seiner Anschauung es noch eine dritte Apostelgruppe gab, nämlich von
solchen, welche verheiratet waren und sich zur Continenz nicht hatten ent-
schliessen können; was wohl Funk selbst nicht annehmen möchte. Auch würde
alsdann der in dem ganzen Satzgefüge liegenden Antithese völlig die Spitze
abgebrochen werden. — üebrigens würde, die Richtigkeit der Funkschen üeber-
setzun^ vorausgesetzt, damit nur die Auswahl der Apostel durch Christus, nicht
aber die von Epiphanius an unserer Stelle sowie adv. haer. 59 c. 4 angegebene
kirchliche Anordnung tangiert.
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32 Das Asceientum der drei ersten christL Jährh.
vermählten oder im Notfalle aus Witwern (nach einmaliger Ehe) oder
ans Vermählten, die sich zur Gontinenz verpflichteten, rekrutierte,
und dass dieser kirchliche Kanon ^) des Priestertums die vorbildliche
Handlungsweise Christi sowie die apostol. üeberlieferung zur Grund-
lage hatte. Im gleichen Sinne verurteilt er an einer anderen Stelle
(adv. haer. 59 c. 4 ^^) die Ausserachtlassung dieses kirchlichen Kanons
* als unverträglich mit der durch den kirchlichen Dienst geforderten
ungeteilten Hingabe an Gott und schreibt die Schuld dafür, dass in
gewissen Gegenden vom kirchlichen Kanon abgewichen werde, der
Lässigkeit der Kirchenvorsteher zu.
Diese Aussprüche als rein subjektive üebertreibungen dieses
strengascetischen Kirchenvaters aufzufassen ist schon deshalb
nicht angängig, weil er selbst auf die Kanones der Kirche und
die Anordnung der Apostel hinweist ^^); zudem steht er auch
nicht mit seinen Anschauungen als passer solitarius unter seinen
Zeitgenossen da, indem Eusebius am Anfang des 4. Jahrhunderts in
der Demonstratio evangelica I, 9 ^') die Continenz der Kleriker wegen
der ihnen obliegenden höheren Aufgaben als notwendig erachtet^
desgleichen betrachtet der Papst Siricius in seinem Schreiben an die
afrikanischen Bischöfe und das Goncil von Karthago ^3) vom Jahre
390 die Continenz der höheren Kleriker als Verordnung der Apostel
und Väter. Es fragt sich nun, ob die Behauptung des hl. EpiphaniuSt
dass die Continenz aller Kleriker der höheren Weihen angeordnet
und von jeher auch in der Kirche beobachtet worden sei, durch
Zeugnisse aus früherer Zeit bestätigt wird. Leider existieren au»
der Zeit vor 300 bez. 306 gar keine Canones, welche doch der Natur
29) Fank (a. a. 0.) übersetzt IxxXYjdiavrtxb^ xavo^v mit »Idee, Biohtschnur
(des Priestertums) €; dies entspricht aber nicht dem Context der Stelle adv.
haer. 48 c. 9; denn darnach ist die Massnahme Christi bei der Apostel wähl als
das Ideal, dagegen der von den Aposteln festgestellte Kanon des Priestertum»
als eine daraas resultierende Anordnung aufzufassen.
30) Migne, s. gr. t. 41 col. 1024.
31) Bickeü, Ztschr. f. kathoL Theol. Innsbruck II (1878) S. 47 ff., m
(1879) S. 795 f.
32) Mignet s. gr. t. 22 col. 81. — Die eine Stelle lautet: »Jedoch
für die Geweihten (tspco^ji^vou^) und dem Dienste Gottes Obliegenden geziemt
es sich (7cpo9i!xei) hinfort des ehelichen Umgangs sich zu enthalten.c
Punk (a. a. 0. S. 128) bemerkt hierzu: »Indem er (Eusebius) den Verzicht auf
denselben (den ehelichen Umgang seitens der Geistlichen) mit dem Worte
3cpo<77ixei blos als etwas Geziemendes erklärt, bezeugt er yielmehr die da und
dort stattfindende gesetzlich nicht unzulässige Fortsetzunff desselben. »Indea
das Wort ^cpoorvixei bezeichnet hier nicht etwa ein blos freigestelltes Geziemen-
des, sondern eine Notwendigkeit; dies ergiebt sich aus einer im selbigen Kapitel
vorfindlichen Parallelstelle, welche lautet: »Ganz besonders ist es daher für
diese (die Geistlichen) jetzt (in der neutestamentlichen Ordnung) notwendig
(&vaYxa(cu() auf Enthaltung von der Ehe bedacht zu sein.«
33) Bichell, a. a. 0. II (1878) S. 41.
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Das Äscetentum der drei ersten chrUtL Jahrh. 33
der Sache nach das bestö Beweismaterial wären. Ein Ersatz dafür
bietet sich uns aber erstlich in den Bestimmungen der apostoli-
schen Eirchenordnung, welche zwar nicht den Ansprach auf apostoli-
schen Ursprung machen kann , aber doch schon dem dritten Jahr-
hundert angehört. In dieser Eirchenordnung, welche die ursprüng-
liche Disciplin der morgenländischen Eirche in Sachen des Cölibates
wiederspiegelt, verlangen die Apostel nicht nur vom Bischöfe, er
solle jungfräulich sein, auf jeden Fall aber mit seiner einzigen Gattin
in Enthaltsamkeit leben**), sondern auch von den Priestern völlige
Enthaltung vom Verkehr mit dem anderen Qeschlechte »5). Auch in der
Eirche zu Edessa erscheint die Verpflichtung des Elerus zur Gon-
tinenz als ein apostolisches Gebot gemäss der syrischen Doctrina
84) Die Stelle lautet : »xaXbv \kh eTvai ayiivaio;, sl §k (Jlv|, oazb aia; yuvatxd^
fl. h. Es ist gut, wenn er (der Bischof) unbeweibt ist, wo nicht, ninweg von
einem Weihe.« Die Uehersetzung der Worte oazo fita? Yuvaixös durch »eines
Weihes Mann«, wie es Funk (a. a. 0. S. 124) annimmt, ist wegen der dis-
junktiven Bedeutung der Präposition olk6 (von — weg) ganz unstatthaft. Einen
beleg für die Richtigkeit der ersteren uehersetzung hietet auch eine ganz
analoge Stelle in dem ersten syrischen Buche des klementinischen Oktateuchs:
»Ein Diakon werde ordiniert, indem er, wie wir vorher gesagt haben, erwählt
werden soll, wenn er gut gesittet ist, wenn er rein ist, wenn er wegen seiner
Beinheit und Entferntheit von den Lüsten erwählt ist, wenn aber nicht, auch
wenn er ist hinweg von der Ehe mit einem Weihe« (Eeliquiae iuris eccles. an-
tiquissimae syriace, ed. de Lagarde S. 10; vgl. G. Bickeil a. a. 0. II. S. 79S
Note 1). Auch ist an unserer Stelle, wie Funk im äussersten Falle zugeben
will, die Enthaltung von der Ehe mit einem Weihe nicht als blosser Bat hin-
gestellt, sondern die durch die Partikeln {xb — d 81 {jl7{ ausgedrückte Alternative
hat den Sinn: »das Ünheweibtsein ist für den Episkopat ein Wunsch, dagegen
die Enthaltsamkeit nach einmaliger Ehe eine Forderung.« — Die äthiopische
Version der Eirchenordnung ist an dieser Stelle sowie anderwärts ganz unzu-
verlässig. Vgl. das diesbezügliche Gitat aus Pitra (Juris ecclesiastici Graecorum
historia etc.) bei Hilgenfeld, Novum Testam. extra Canonem IV ed. n S. 120).
35) Die Stelle lautet: A^ o3v eTvai tob; jcpeaßoT^pous tJötj xsxpovixö-ca« in\
xß) xöofLb) TpÖTccp Tiv\ dbcsYO[jL^vouc x^? Tcpo; Yuvotxa; cuveXeüdSü)? . . . Funk, der hier-
bei (a. a. 0. S. 124 f.) dem Prof. G. Bickeil den Vorwurf macht, dass er durch
Nichtherücksichtigung der Worte »Tpörcco tivU den Sinn des Ganzen alteriert habe,
fasst die Stelle so auf, dass die Eirchenordnung nicht völlige, sondern eine ge-
wisse (tpÖTcci) Tivl^ Enthaltsamkeit verlange; allerdings giebt er dann zu, dass diese
uehersetzung nicht unhestritten ist und von Harnack mit Bücksicht auf das
»tpÖTcc^ tivU in den apost. Gonstit. II, 1; III, 1 durch »wie gehührend, natur-
gemäss« wiedergegeben wird. Doch wenn auch »xpÖTcco Ttv\« mit ouodam modo
ühersetzt wird , so spricht diese Uehersetzung nicht zu Gunsten Funks. Zer-
gliedern wir nämlich die ohige Stelle, so heisst es darin zunächst, dass die
Preshyter solche sein löüssen , die schon eine geraume Zeit in der Welt ver-
weilt hahen (alt geworden sind); die Eirchenordnung macht nun zu dem
»x£x.povtx<$Tas in TO) x(5(7[jL(^« eine Einschränkung durch die Hinzufü^ng von
»xpöwo) Tiv\«; also nicht das hlosse Altgewordensein in der Welt ist eine Quali-
fikation für Priester, sondern dieses Altgewordensein in der Welt muss mit
einem gewissen xpörco;, mit einer p;ewissen Lehenseinhaltung verhunden sein;
man muss, um so zu sagen, in gewissen Ehren in der Welt geleht haben. Wie
nun dieses xpÖTcco xtv\ zu verstehen ist, darüher gieht das folgende »a.my(p}j.i^o\ii
XYJ( npb{ Yuvatxa; ouveXeiSoEco;« näheren Aufschluss; kurzum das »xpÖTcc^ xtvt« ist
eine Bestriktion des vorhergehenden »xsYpovtxöxas iizi xa> xövp-co«, und das fol-
gende »a7CEx^o[jL^vou; . . . .« ist dann die Erklärung hierzu.
Sohiwietz, Mönchtum. 3
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34 Das Aacetentum der drei ersten christL Jahrh.
Addaei, welche von einigen Gelehrten, wie Gareton, Phillips, Bickell,
abgesehen von einigen Interpolationen als ein Erzeugnis des ersten
Jahrhnnderts für wahrscheinlich gehalten wird, sicher aber spätestens
im 3. Jahrhundert entstanden sein muss, da sie schon von Ensebius
in seiner Kirchengeschichte excerpiert wird ^). In dieser ermahnt
der angebliche Jünger Christi Addäus die Kleriker: »Enre Leiber
seien rein und eure Körper heilig , wie es • sich für diejenigen ge-
ziemt, welche vor dem Altare Gottes stehen, c Und weiterhin wird
die Continenz der Kleriker sowie der Diakonissen und gottgeweihten
Jungfrauen von Edessa mit folgenden unzweideutigen Worten ge-
rühmt: »Alle Männer und Frauen, die dem Kirchendienste ange-
hörten, waren keusch, vorsichtig, heilig und rein, indem sie einzeln
(ichidaith) und keusch ohne Befleckung lebten.€
Von den Kirchenschriftstellern der 3 ersten Jahrhunderte hat
zwar keiner ex professo über den Cölibat des Klerus geschrieben;
doch finden sich bei Origenes und TertuUian gelegentliche Aeusser-
ungen über diese Sache. Der erstere findet in seiner 6. Homilie
über den Levitikus^^) darin, dass im Exod. 28, 42 bei der Be-
schreibung der alttestamentlichen Priesterkleidung linnene Femoralien
erwähnt, dagegen im Levit. 8 solche nicht genannt werden, eine
Symbolik und erklärt, die alttestamentlichen Priester hätten solche
abgelegt oder angelegt, je nachdem sie sich des ehelichen Umgangs
zur Zeit ihres heiligen Dienstes enthielten oder ihn pflegen durften.
Von einer solchen Bedeutung der Femoralien wolle er bezüglich der
Priester der Kirche nichts wissen. Bei diesen letzteren könne die
Erwähnung der Femoralien nur von der geistlichen, nicht aber leib-
lichen Vaterschaft verstanden werden ; die Nichterwähnung derselben
bedeute dagegen, dass die christlichen Priester unter Umständen den
Samen des göttlichen Wortes nicht ausstreuen dürfen, um das Hei-
lige nicht den Hunden vorzuwerfen. Den neutestamentlichen Priestern
spricht also Origenes das Recht ab, leibliche Kinder zu erhalten,
und verlangt von ihnen nicht blos temporäre, sondern stete Continenz.
Auch contra Cels. VII, 48 setzt er die Existenz der Priestercölibates
zu seiner Zeit voraus, da er darauf hinweist, dass die Christen sich
nicht damit begnügen, alle Unlauterkeit abzulegen, sondern dass
manche von ihnen gleich wahren Priestern, welche den Freuden ir-
discher Liebe entsagen, der sinnlichen Verbindung sich enthalten und
gänzlich sich rein bewahren. Der gleiche Schluss lässt sich aus
86) Phillips, The Doctrine of Addai, the Apostle recens. von Bickell in
der Ztschr. f. k. Theol. I (1877) S. 296 ff., bes. S. 304 Not. 1.
37) Migne, s. gr. t. 12 col. 473.
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Das Ascetentum der drei ersten Christi. Jahrh, 35
TertuUians Schrift de exhortatione castitatis *») ziehen ; er will näm-
lich einen Witwer von der zweiten Ehe dadurch abhalten, dass er
ihn auf die Kleriker, gottgeweihten Jangirauen und Diakonissen hin-
weist, welche ebenfalls, um sich ganz Gott zu weihen, ein enthalt-
sames Leben führten. Die Stelle lautet (c. 13) : ^Quanti igitur et
quantae in ecclesiasticis ordinibus de continentia censentur, qui Deo
nubere maluerunt, qui carnis suae honorem restituerunt quique se
iam illius aevi filios dicaverunt, occidentes in se concupiscentiam libi-
dinis et totum illud, quod intra paradisum non potuit admitti/ Wäre
der Gölibat nicht allgemein unter den Klerikern gewesen, so hätte
der Hinweis TertuUians auf die Kleriker seine Wirkung völlig verfehlt.
Von nicht geringer Bedeutung für unsere Frage ist auch das schon
früher (S. 23) erwähnte pseudoklementinische Briefpaar ad virgines
(Enthaltsame beider Geschlechter), in welchem die Prediger des
Evangeliums als dem jungfräulichen oder ascetischen Stande ange-
hörig erscheinen und (I, 10; II, 1 — 6) Verhaltungsmassregeln er-
halten, wie sie insbesondere auf ihren Missionsreisen im Verkehr nrit
der Welt die Keuschheit bewahren können. Merkwürdig sind auch
folgende Worte der uralten Doctrina Apostolorum über die Wander-
propheten und Lehrer: »Aber jeglicher Prophet, erprobt und wahr-
haftig, der da handelt in Hinsicht auf das Geheimnis der Kirche
hienieden, dabei aber (die anderen) nicht lehrt zu thun, was er
selbst thut (tcoicuv sie t^ooTi^piov xoafiixov IxxXifoiaCi fiT) Stdaoxcov 6h
^oteTv Soa «oxoc icoteT), der soll bei euch nicht gerichtet wordene
(c. 11). Diese Stelle ist schwierig; doch meint Harnack (Theol. Li-
teraturzeitung 1884, S. 54 Note 2) mit Bücksicht auf Ignat. ad
Polyc. 5 und Tertull. de monog. 11, dass hier namentlich die Ent-
haltung der genannten Lehrer vom geschlechtlichen Umgänge ange-
deutet ist.
Das Besultat, welches aus den gelegentlichen Zeugnissen der
8 ersten Jahrhunderte gewonnen wird, findet auch seine volle Be-
stätigung in den Beschlüssen des ältesten Concils, dessen Canones
uns erhalten sind. Der 33. Canon des im Jahre 306 oder nach
Duchesne schon um 300 abgehaltenen Concils von Elvira bedroht
nämlich alle Bischöfe, Priester und Diakonen, welche auf den ehe-
lichen Umgang nicht verzichten wollen, mit Deposition •*). Wäre
88) Migne, s. lat. t. 2 col. 630.
39) Hefele, Conciliengesch. I. Bd. (1873) S. 168 f. — Der 1. Canon der
Sjrnode von Neocaesarea (im J. 314), welcher einen sich verheiratenden Priester
mit Absetzung bedroht, berührt nicht die Frage nach der Continenz der
Priester, welche etwa vor der Weihe verheiratet waren, nnd lässt sich dämm
weder für noch gegen unsere These verwenden. Der 10. Canon der Synode
3*
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36 Das Aacetentum der drei ersten christL Jahrh,
dieser Canon nicht als eine Einschärfang der altkirchlichen Disciplin^
sondern als eine Neuerung betrachtet worden, so hätten gewiss
widerstrebende Elemente unter dem Klerus nicht verfehlt, auf die
entgegengesetzte Praxis der Vorzeit hinzuweisen; dafür giebt es aber
in den Geschichtsquellen keinen Anhalt. Vielmehr wagten einige
Decennien später unenthaltsame spanische Kleriker, wie aus einem
Briefe des Papstes Siricius an Himerius hervorgeht, nur auf das^
alte Testament zu exemplificieren , in welchem den Priestern und
Leviten die Erzeugung von Kindern gestattet worden sei^<^). Dieser
Rekurs auf das alte Testament ist somit eine indirekte Bestätigung^
des klerikalen Cölibates als eines Vermächtnisses der Apostel und
Väter, wie dies um dieselbe Zeit von Epiphanius im Orient und
dem ebengenannten Papste Siricius im Occident mit Nachdruck be-
tont wird.
Aber lassen sich denn nicht aus den Geschichtsquellen der 3-
ersten Jahrhunderte auch solche Thatsachen eruieren, welche da»
Bestehen des Cölibates und der völligen Continenz der höheren
Kleriker zu jener Zeit irgendwie in Frage stellen? Von nicht ge-
ringer Bedeutung für unsere These ist es nun, dass in den Geschichts-
quellen der 3 ersten Jahrhunderte keine positiven, unzweideutige Be-
lege dafür vorkommen, dass verheiratete Kleriker auch nach Empfang
der höheren Weihen den ehelichen Umgang weiter gepflogen hätten.
Die von Punk (a. a. 0. S. 146—149) besonders ausführlich be-
handelte Stelle Strom. III, 12: cval fii^v, xat töv t^c /itac -r^vaKxoQ
äv8pa iictvü (iKodix^xai (nämlich die Kirche), xSv «peoßoxepoc i xSv
dictxovoc xav Xatxoc aveiuXi^iiTax: TotfiO) xP^f^svoc, oco^T^oexat 3^ Sti
T^g TsxvoYovtacc ist ein höchst zweifelhafter Beweis für die Fort-
setzung der Ehe seitens der Kleriker. (Um diese Interpretation der
Stelle zu ermöglichen, bezieht Funk das Participium xp^J^l^svoc nicht
blos auf das zunächst stehende Xatxöc, sondern auch auf npeoßütepoc
und dtaxovoc; allein er fühlt selbst heraus, dass in diesem Falle der
Pluralis xP<J^^t8voi besser am Platze wäre. Wollte Clemens den Singu-
laris T^xP^P^^^^^^ ^.uf alle drei Glieder beziehen, so hätte er logisch und
von Ancyra (im J. 314) entscheidet, dass Diakonen, welche sich nach der Or-
dination verheiratet, nicht abgesetzt werden sollen, sofern sie vor der Ordina-
tion sich dies ansbedungen haben. Dieser Canon setzt das Verbot der Ehe-
schliessunff nach Empfang einer höheren Weihe (mit Ausnahme des obigen
Specialf alles) voraus, herührt aber ebenso wenig, wie der 33. Canon des Concils
von Elvira, die Frage nach der Continenz der höheren Kleriker.
40) Bickell, a. a. 0. II (1878) S. 34, wo nachgewiesen wird, dass Hase
sich im Irrtum hefand, wenn er m seiner »protestantischen Polemik« behauptete,
die spanischen Kleriker hätten sich zu Gunsten der Fortsetzung ihrer Ehen auf
ein altkirchliches Gesetz herufen.
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Das Ascetentum der drei ersten Christi. Jahrh. 37
sprachlich richtiger einen Äccasativ xP^l^^^^^ gleich hinter tov t^c
jjitac K^vaixbc: Svdpa setzen müssen). Clemens will nämlich durch die
obigen Worte eine Illustration dazu geben, dass die monogamische Ehe
etwas Erlaubtes ist, während er die zweite Ehe im Geiste der Kirche
missbilligt; der Sinn ist folgender: »die Kirche ehrt die mono-
gamische Ehe dadurch , dass sie t6v t^c fitäg Yovatx^c avfipa als
Presbyter, Diakon oder Laienmitglied zulässt.« Warum erscheint
aber in dieser offenbaren Klimax der Xatxöc an letzter Stelle? Weil
«r nicht blos, wie der Presbyter und Diakon, ein fitac Yovatxöc Ävi^p
sein darf, sondern auch von der Ehe — allerdings in tadelloser
Weise — Gebrauch machen kann. Und damit ist indirekt die Con-
tinenz der Presbyter und Diakonen nach einmaliger Ehe ausge*
sprochen. Auch die sonst etwa geltend gemachten Gegenargumente sind
so vager und verdächtiger Natur, dass sie durchaus nicht eine Instanz
gegen das gewonnene Besultat bilden können. Man beruft sich näm-
lich erstens auf eine Stelle der apostolischen Constitutionen (VI, 17),
wonach den verheirateten höheren Klerikern auch nach der Weihe
4er eheliche Umgang erlaubt war. Allein gerade diese Stelle gehört
zu den Interpolationen eines späteren, wahrscheinlich arianischen Zeit-
alters; in einer älteren Becension der 6 ersten Bücher der apost. Con-
stitutionen, die uns in der von Lagarde im Jahre 1854 herausgegebenen
syrischen üebersetzung vorliegt, fehlt gerade diese Stelle, welche als
Gegenargument dienen solH^). Auch der 6. apost. Canon, welcher
den höheren Klerikern verbietet, ihre Frauen unter dem Verwände
der Behutsamkeit zu Verstössen, spricht nicht gegen unsere These.
Dieser Kanon verbietet ja nur die Frauen hilflos zu lassen ; von der
Erlaubniss des ehelichen Umgangs ist hierbei keine Rede^*). üebri-
gens vermutet Drey, dass dieser Canon aus der Mitte des 4. Jahr-
hunderts stammt und durch Eustathius von Sebaste veranlasst wor-
den sei^^). Endlich soll ein Argument gegen unsere These die
Episode sein, welche sich nach Sokrates auf dem Concil zu Nicäa
{325) in Sachen des klerikalen Cölibates zugetragen haben soll. Das
Concil habe nämlich, wie Sokrates**) berichtet, den vor der Weihe
verheirateten Bischöfen, Priestern und Diakonen verbieten wollen,
4en ehelichen Umgang nach der Weihe fortzusetzen; aber Paph-
41) Bickell, a. a. 0. S. 52 N. 1.
42) 'Etcioxotco^ ^ TCpeaBÜTEpo^ 9j Si&xovo; x^v Iocutou f^vaixa [x^ IxßaXX^Ko
jcpo^&aei siXaße(a?* lav Bl gxßaXXy), a^opil^^ddü) • Imfx^vwv S^, xa^aipeid^co.
43) Prey, Neue untersuch, über die Constitutionen and Canones der
Apost., Tübingen 1832 S. 341. Vgl. can. 4 der Synode von Gangra.
44) Sokr. hist. ecol. I, 11; Sozomenua, der in seiner bist. I, 23 dasselbe
berichtet, ist kein selbstfindiger Zeage, sondern abhängig von Sokrates. Vgl.
Bichell, Ztscbr. f. k. Theol. II, S. 57 Not. 1.
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38 Das Ascetentum der drei ersten christL Jahrh.
natius, Bischof einer Stadt in der ägyptischen Oberthebais and selbst
ein makelloser Cölibatär, habe gegen einen solchen Beschlass seine
Stimme erhoben, und so habe das Concil die Beobachtung der Gon-
tinenz dem freien Willen jedes einzelnen Geistlichen überlassen.
Diese Erzählung würde allerdings einen gewissen Schatten auf unsere
bisherige Erörterung werfen; allein über diese Paphnutiusrede schwebt
noch ein Dunkel, und die Historiker sind über die Zuverlässigkeit
des Sokrates in dieser Angelegenheit geteilter Ansicht ^^). Sokrates war
nämlich, wie dies BickelH^) des längeren nachweist, ein verbissener
Novatianer; wegen dieser häretischen Gesinnung war er auch bei
Verwertung etwaiger Mitteilungen von novatianischer Seite her in seinem
kritischen urteil befangen. Das Letztere gilt auch nach dem BoUan-
disten Stilting und Bickell von seiner Erzählung über das Eintreten des
Paphnutius zu Gunsten der Klerogamie. Im selben Abschnitte nämlich,
in welchem er die Paphnutiusepisode erzählt, tischt er noch zwei andere
Geschichten auf; die eine handelt von einem novatianischen Bischof
Akesius, der Teilnehmer des Concils von Nicäa gewesen sein soU^
die andere von einem novatianischen, »wunderthätigen« Mönche Eu-
tychianus. Da nun Sokrates diese beiden Geschichten aus dem
Munde eines novatianischen Priesters Auxanon, welcher als Jüng-
ling Begleiter des Akesius auf dem nicänischen Concil gewesen
sei und ein sehr hohes Alter erreicht habe, erfahren haben will^
so ist es nun wahrscheinlich, dass auch die dazwischen erzählte
Paphnutiusepisode derselben trüben Quelle entstammt. Aber
selbst wenn wir diesem Wahrscheinlichkeitsbeweise gar keinen Wert
beilegen, so ist jedenfalls der Bericht des Sokrates verdächtig, da
sowohl andere Kirchenhistoriker von dieser Paphnutiusepisode nichts
wissen, als auch alle zuverlässigen Zeugnisse der 3 ersten Jahrhunderte
mit den der Paphnutiusepisode zu Grunde liegenden Anschauungen
im direkten Widerspruch stehen, und wir pflichten BickelH^) bei^
wenn er sein Urteil über den Wert der fraglichen Geschichte von
Paphnutius mit folgenden Worten abschliesst: »Ein schwerer, ob-
gleich keineswegs entscheidender Verdachtsgrund liegt nun schon darin,
dass erst Sokrates, 115 Jahre nach dem nicänischen Concil, etwas
von diesem Ereignis weiss, während weder Ruflnus, welchem er die
Notiz über das ausgestossene Auge des Paphnutius entnommen hat,
noch Theodoret von dessen Eintreten für die Klerogamie Meldung thut.
45) Befeie, Conciliengesch. I. Bd. (1873) S. 433 ff., Probat, Kirchliche
Disciplin in den 3 ersten Jahrh., Tübingen 1873 S. 79.
46) Bickell, a. a. 0. S. 58—60. — Vgl. auch Linsenmayr, Entwicklung
der kirchl. Fastendisciplin bis zum Conc. v. Nicäa, München 1877 S. 62.
47; Ibid. S. 57 f.
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Da8 Aacetentum der drei ersten christL Jahrh. 89
Weit bedenklicher ist es, dass seine Erzählung im schroffsten Wider-
spruche mit allen sicheren Nachrichten steht, welche wir über die
Cölibatsdisciplin der orientalischen Kirche zur Zeit des nicänischen
Concils besitzen. Wenn der hl. Bischof Epiphanius 50 Jahre nach
dem Goncil von Nicäa so bestimmt versichert, das Continenzgebot
für Bischöfe , Priester , Diakonen und Subdiakonen sei ein apostoli-
scher und kirchlicher Canon, so verdient er gewiss mehr Glauben,
als der Advokat Sokrates, welcher 115 Jahre später behauptet, das
Goncil habe jenes Gebot als eine unberechtigte und gefährliche
Neuerung verworfen. Eusebius, ein Zeitgenosse und Mitglied des
nicänischen Concils, lehrt, wie wir gesehen haben, dass die »Ge-
weihtenc (i8p(Ofilvot) zur Continenz verpflichtet seien, und Sokrates
behauptet, auf diesem Concil habe man den missglückten Versuch
gemacht, den »Geweihtenc das »neue Gesetz« der Enthaltsamkeit
aufzulegen.«
Das Ergebnis dieser Erörterungen über den klerikalen Stand
in den 3 ersten Jahrhunderten können wir also dahin zusammen-
fassen, dass schon in dieser Zeit der Stand der Gölibatäre gemäss
der von Christus gegebenen Maximen seine Verwendung im Dienste
des Beiches Gottes auf Erden gefunden hat. Man nahm vorzugsweise
ünvermählte in die Reihen der höheren Kleriker auf, und wenn im
Notfalle Vermählte zu Diakonen, Priestern und Bischöfen geweiht
wurden, so mussten sie völlige Continenz beobachten, um sich ganz
ihrem heiligen Berufe hingeben zu können. Dabei wird nicht be-
stritten, dass, wie zur Zeit des Epiphanius, so auch früher wegen
der Lässigkeit einzelner Bischöfe Ausnahmen unter Presbytern und
Diakonen vorkommen konnten. Der Arianismus und die christologi-
schen Streitigkeiten schlugen im Orient vollends eine Bresche in
diese apostolische und altkirchliche Ordnung. Schon Epiphanius
klagt, wie wir oben gesehen haben, darüber, und aus einer Notiz des
hl. Hieronymus ^^) lässt sich schliessen, dass zu seiner Zeit die kirch-
lichen Vorschriften über den Cölibat besonders in den drei Beichs-
Diözesen Thracien, Eleinasien und Pontus nebst Armenien vernach-
lässigt wurden. Und dies waren gerade die am meisten vom Arianis-
mus inficierten Gegenden. Dass aber bei den Arianern nicht nur die
Diakonen und Priester, sondern auch die Bischöfe den ehelichen Um-
gang pflegen durften, ergiebt sich, wenn nicht schon aus dem oben er-
wähnten Einschiebsel in den apostol. Constitutionen (VI, 17), so doch
aus dem 5. Canon des im Jahre 589 nach der Bekehrung der West-
48) Ad Vigilantiam 2 (Migne t. 23 col. 341) ; vgl. dazu Bickell, a. a. 0.
S. 49 f.
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40 Das Ascetentum der drei ersten christl. Jahrh.
gothen gehaltenen toletanischen Goncils^^). Aehnliche Concessionen
machten die Nestorianer den Klerikern. In Persien setzte Barsumas,
Bischof von Nisibis, mit gleichgesinnten Bischöfen auf einer im
Jahre 485 abgehaltenen Synode zu Adri einen Canon durch, in wel-
chem den Bischöfen aufgetragen wurde, ihre Priester und Diakonen
heiraten zu lassen <^<)), und zwang auch auf seinen Beisen, welche er
im persischen Beiche behufs gewaltsamer Einführung des Nestorianis-
mus unternahm, die Geistlichen zu diesem Schritt ^^i). Auch das im
Jahre 499 unter dem Vorsitze des Patriarchen Babäus abgehaltene
Plenarkoncil der Nestorianer in Persien wiederholte die Erlaubnis, dass
alle Geistlichen, auch Bischöfe, in einmaliger Ehe leben dürften ^^). Die
Monophysiten, welche am Ende des 5. Jahrhunderts den Orient be-
herrschten, hielten zwar am Cölibat der Bischöfe sowie am Verbot
des Heiratens nach Empfang der höheren Weihen fest, und der mo-
nophysitische Bischof Philopenus von Mabug in Syrien schrieb eine
Widerlegung der oben erwähnten Synodalbescblüsse im nestoriani-
schen Persien i^^); doch gab der Monophysitismus die Continenz der
Priester und Diakonen preis. In den bei den monophysitischen
Eopten im hohen Ansehen stehenden Canonen Hippolyts wird näm-
lich die Enthaltsamkeit der ehelosen Kleriker geradezu verdächtigt
(Can. 7); auch bestimmt ein Zusatz des 8. Canons, dass ein Priester,
dessen Frau geboren habe, nicht ausgeschlossen werden solle. Diese
beiden Bestimmungen sind gewiss als monophysitische Interpolationen
zu Gunsten der preisgegebenen Continenz der Priester und Diakonen zu
betrachten, da sie sowohl mit der altkirchlichen Disciplin als auch
mit den sonst aus der Kirchengeschichte bekannten strengen An-
schauungen Hippolyts in Widerspruch stehen. Ja die obigen Sätze
des 7. und 8. Canons erscheinen um so verdächtiger, als im 30. Canon
Hippolyt der Ehelosigkeit den Vorzug vor dem Ehestande giebt und
erklärt, dass ein Christ, der zur himmlischen Vollkommenheit strebe,
sich von den Weibern ganz und gar fern halten, sie nicht ansehen
und mit ihnen essen solle ^^). Das Beispiel dieser mächtigen Sekten
übte auch auf die Katholiken des Orients einen unheilvollen Einfluss
aus, und auf der trullanischen Synode vom Jahre 692 wurde schliess-
lich der eingerissenen Klerogamie gesetzliche Sanktion erteilt, in-
49) Hefele, Conciliengescb. III. Bd. (1877) S. 50.
50) Ibid. II. Bd. (1875) S. 611.
51) Wetzer und Weite, Kirchenlex. I. Bd. (1886) Art Barsumas S. 2048.
52) Hefele, a. a. 0. S. 618.
53) Barhebraei Chronicon, ed. Abbeloos et Lamv, III, S. 64, 72. Vgl.
Bickell, a. a. 0. S. 55 Not. 2.
54) Vgl. Canones Hippolyti etc. ed. Haneberg, Monach. 1870.
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Das Ascetentum der drei ersten Christ!, Jahrh. 41
dem den Sabdiakonen, Diakonen und Priestern der eheliche Verkehr
mit ihren vor dem Empfang des Sabdiakonats geheirateten Frauen
gestattet und nur den Bischöfen die völlige Continenz auferlegt
wurde.
§. 7. Die BesUdosigkeit im Dienste des Reiches GoUes.
Wie wir im §. 2 gezeigt haben, hat Christus ausser der Ehe-
losigkeit auch den Verzicht auf Hab und Gut apostolischer Zwecke
wegen anempfohlen. Die Worte Petri Matth. 19, 27 setzen voraus,
dass die Apostel thatsächlich diesen Batschlag befolgten. Auch in
der ersten christlichen Gemeinde zu Jerusalem verzichteten viele im
Interesse des Evangeliums auf ihre Habe. Die Bereitwilligkeit der
dortigen Christen, den Aposteln zu Gunsten der bedürftigen oder von
jüdischen Anverwandten enterbten Mitbrüder Hab und Gut zur Ver-
fügung zu stellen, drückt die Apostelgeschichte folgendermassen aus:
»Die Menge der Gläubigen war ein Herz und eine Seele, und keiner
von denen, die etwas besassen, sagte, dass es sein eigen sei, sondern
sie hatten alles gemein; und es war kein Bedürftiger unter ihnen.
Denn so viele unter ihnen Aecker oder Häuser besassen, verkauften
sie und brachten den Preis von dem, was sie verkauften, und legten
ihn zu den Füssen der Apostel. Es wurde aber jedem zugeteilt, so
viel er bedurfte ^).€ Da unmittelbar nach diesem allgemeinen Bericht
Barnabas als einer dieser edelmütigen Christen beispielsweise ange-
führt wird>), femer nach Ausweis derselben Apostelgeschichte eine
hervorragende Christin Maria, Mutter des Markus, in Jerusalem
Privateigentum besass^) und endlich Petrus dem Ananias gegenüber
ausdrücklich hervorhebt^), dass es in dessen Belieben gestanden
habe, sein Hab und Gut zu behalten oder nach Verkauf der Habe
den Erlös in seiner Gewalt zu behalten, so ist man nicht berechtigt
aus dem obigen Texte der Apostelgeschichte den Schluss zu ziehen,
dass alle Christen in Jerusalem auf ihr Privateigentum verzichten
mussten. Auch in der nachapostolischen Zeit finden wir Empfehl-
ungen der freigewählten Armut im Interesse des Beiches Gottes auf
Erden. Origenes ^) erklärt ausdrücklich, dass diejenigen, welche voll-
kommen werden wollen, den Ausspruch Christi : »Geh, verkaufe, was
du hast, und gieb es den Armen !« befolgen sollen, und Clemens von
Alexandria ^) tadelt zwar einige, welche den eben citierten Ausspruch
Christi oberflächlich dahin verstehen, als habe Christus geboten, die
1) Apostelg. 4, 82, 84 n. 35. Vgl. ebendas. 2, 44 a. 45. — 2) Ebendas. 4,
36 n. 37. — 3) Ebendas. 12. 12. — 4) Ebendas. 5, 1—4. - 5) Orig. in Matth.
15 n. 15 (Migne, s. gr. t. 13 col. 1295 seq.). — 6) Qais diyes salv. c. 11.
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42 Da8 Aacetentum der drei ersten chriatL Jahrh,
vorhandene Habe wegzuwerfen in dem Sinne, wie es die heidnischen
Philosophen Anaxagoras, Demokrit und Erates gethan hätten; doch
will er den Verzicht auf Hab und Gut aus Bücksicht auf das (ewige)
Leben von seinem Verdikt nicht getroffen wissen.
Im Zeitalter der Verfolgungen empfahl man besonders die Hin-
gabe des Vermögens zu Gunsten der Märtyrer, d. h. jener Christen,
welche um des Glaubens willen in den Gefängnissen, Bergwerken oder
in der Verbannung lebten. In den apost. Constitutionen (VI, 1) heisst
es nämlich: »Wenn jemand üeberfluss hat, so möge er auch nach
dem Verhältnis seines Vermögens ihnen (den Märtyrern) mehr spen-
den ; wenn er aber mit Dahingabe all' seines Vermögens sie aus dem
Gefängnisse befreien kann, so wird er glücklich sein und zur Freund-
schaft Christi gelangen; denn wenn derjenige, welcher im richtigen
Verständnis der Lehre des Herrn seine Güter den Armen giebt, voll-
kommen ist, um wie viel mehr der, welcher sie für die Märtyrer
hingiebt!« Die Eirchengeschichte kennt auch solche Beispiele des
Verzichtes auf Hab und Gut um Christi willen. Cyprian verschenkte
vor der Taufe seine Güter den Armen ^), wie er denn auch später
in seiner Schrift de lapsis c. 11 zur Nachahmung der Apostel und
anderer Christen auffordert, die ihre Habe und ihre Eltern ver-
liessen und in unzertrennlicher Verbindung Christo anhingen. Auch
Marcion hatte als Neophyt sein Vermögen der Eirche geschenkt,
doch wurde ihm dasselbe bei seinem Abfall wieder erstattet ^). Nach
dem Berichte des Eusebius^) fühlte sich Origenes besonders durch
die evangelischen Aussprüche des Erlösers über die Losschälung von
irdischen Gütern angezogen und brachte es bis zum höchsten Gipfel
der Armut; um keine Unterstützung von anderen zu bedürfen, ver-
kaufte er seine Bibliothek und begnügte sich täglich mit 4 Obolen,
die ihm der Eäufer derselben verabfolgte. Aehnlichen Verzicht auf
Hab und Gut leistete sein begeisterter Schüler Gregor Thauma-
turgus^o). Die freiwilige Armut verstand man also damals, wie aus
dem Berichte des Eusebius über Origenes hervorgeht, dahin, dass
man auf den üeberfluss verzichtete und sich mit dem Notwendigsten
begnügte. Die im Dienste der Eirche befindlichen Diakonissen und
gottgeweihten Jungfrauen erhielten wohl auch den nöthigen Le-
bensunterhalt aus dem Eirchenvermögen , falls sie auf ihr Privat-
eigentum verzichtet hatten. Das Gelübde der Jungfräulichkeit in-
7) Vita s. Cypriani a Pontio diacono conscripta (Migne, s. lat. t. 3
col. 1542 seq.).
8) TertuU. adv. Marcion. 1. 4 c. 4 (Migne, s. lat. t. 2 col. 394);, de
praescr. c. 30 (Migne, 1. c. col. 49). — 9) Euseb. h. e. VI, 3. — 10) Gregor.
Nyss. vita Greg. c. 28.
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Das Ascetentum der drei ersten christL Jahrh. 43
Tolvierte nämlich in den 3 ersten Jahrhunderten nicht zugleich den
Verzicht auf irdischen Besitz ; zur Zeit Cyprians gehörten auch Wohl-
habende und Begüterte dem Stande der Jungfrauen an i^). Dasselbe
bezeugt auch Hermas ; er vergleicht nämlich (SimiL 9 c. 30) einige
von den Ehelosen mit runden Steinen, die erst behauen werden
sollten, um für den Bau des Turmes geeignet zu sein; zu diesem
Zwecke sollte ihnen ihr Reichtum zugeschnitten, nicht aber gänzlich
weggenommen werden, damit sie von dem, was ihnen übrig geblieben
wäre, noch etwas Gutes thun könnten.
Nach Eusebius verzichteten zur Zeit Trajans besonders viele
aus dem Klerus auf ihre Habe , um sich ganz der Ausbreitung des
Evangeliums widmen zu können. »Sehr viele von den damaligen
Jüngern, deren Herz das göttliche Wort zu einer brennenden Liebe
für die Philosophie hingerissen hatte, erfüllten zuerst das heil-
bringende Gebot des Herrn und verteilten ihre Habe unter die
Dürftigen. Dann aber begaben sie sich auf Reisen und ver-
richteten das Amt der Evangelisten, indem sie sich eifrigst be-
strebten, denjenigen, welche noch gar nichts vom Worte des Glau-
bens vernommen hatten, Christum zu predigen^').«
Damit stimmt Origenes überein, wenn er erklärt, dass die
Bischöfe durch Befolgung der Worte Christi (Matth. 19, 21) mit
gutem Beispiele vorangehen und auf diese Weise auch andere zur
Losschälung vom irdischen Besitz anleiten sollen ^>). und an einem
anderen Orte^^) sagt er, die Priester und Diener Gottes hätten
kein irdisches Erbteil, sondern ihr Erbe sei der Herr. Doch gab es
auch Kleriker, welche ihr Privateigentum behielten, wie dies aus
dem 40. und 41. apostolischen Kanon hervorgeht.
§, 8. Vergleich des christlichen Ascetentums mit den gleichzeitigen
heidnischen Erscheinungsformen der Ascese sowie mit dem späteren
christlichen Ordensstande.
Enthaltung von Fleisch und Wein, Fasten, Ehelosigkeit, Be-
sitzlosigkeit waren die Hauptformen der christlichen Ascese^). Die
Ascese des geschlechtlichen Lebens war gleichsam die Krone und
das Centrum aller dieser Bestrebungen; die übrigen waren mehr
oder minder helfende und befördernde Faktoren derselben. Der Ver-
11) Cypr. de habit. virg. c. 7.
12) Euseb. bist. ecci. III, 38. Vgl. auch die sog. Apostel und Propheteo
der Dootrina Apostol. c. 11.
13) Orig. in Matth. 15 n. 15 (Migne, s. gr., t. 13 col. 1299—1300).
14) Orig. in Nura. hom. 21 n. 2 (Migne, l. c. col. 739).
1) Orig., in Jerem. XIX, 4, 7.
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44 Das Asceienfum der drei ersten christL Jährh,
sieht auf die Ehe brachte es mit sich, dass sich diese Asceten von
der übrigen Welt zurückgezogen^); diese Weltflucht durfte aber
nicht erfolgen ans misanthropiscfaen Anschauungen, welche keine
Billigung fanden, sondern um sich ganz Gott weihen zu können >).
Auch grosser Besitz konnte der Ascese, wie Cyprian betont, leicht
Eintrag thun ; darum tadelt er einige gottgeweihte Jungfrauen wegen
ihres zu grossen Reichtums ; viele Asceten erscheinen jedoch in dieser
Periode besitzlos und der Welt ganz abgestorben^). Endlich galt
auch die Enthaltung von anderen Genüssen, besonders vom Fieisch-
und Weingenuss, als Mittel, um die Jungfräulichkeit in ihrer Bein-
heit zu bewahren 5).
Indes sind diese ascetischen Bestrebungen durchaus nicht
identisch mit gleichzeitigen analogen Erscheinungen heidnischer
Ascese; noch viel weniger darf die christliche Ascese als eine Ent-
lehnung aus heidnischen Vorbildern betrachtet werden. Wäre letz-
teres wirklich der Fall, so hätten unmöglich die christlichen Schrift-
steller des 2. und 3. Jahrhunderts in ihren Apologieen auf die christ-
lichen Asceten und Jungfrauen als eine einzig in ihrer Art da-
stehende, von der heidnischen Weltweisheit unerreichte Erscheinung
hinweisen können^). Methodins steht nicht allein da, wenn er die
Jungfräulichkeit, wie sie im Christentum gepflegt wurde, als eine
besondere Pflanzung des vom Himmel herabgestiegenen Logos be-
zeichnete 7). Auch Justin, Athenagoras und andere heben mit Nach-
druck und mit einem gewissen Stolze die weite Ausbreitung der
Ascese in allen Schichten der christlichen Gesellschaft hervor^),
während die heidnischen Philosophen der damaligen Zeit daran
zweifelten, dass ihre ascetischen Principien je bei der Masse der
Menschen Eingang finden könnten*).
Noch deutlicher springt der Unterschied der christlichen und
der heidnischen Ascese in die Augen, wenn wir die diesen beiden
zu Grunde liegenden Motive betrachten. Das Evangelium Jesu
Christi lehrt zwei verschiedene Heilswege; der Heiland hat einer-
seits die Ehe gesegnet und ihre Heiligkeit und ünauflöslichkeit aus-
gesprochen, andererseits hat er aber auch an einzelne das Ver-
langen gestellt, auf Ehe und Besitz zu verzichten und ihm nachzu-
folgen, nicht nur weil dies der vollkommenere und sicherere Weg
zum Heile ist, sondern auch weil er Helfer, Apostel zur Ausbreitung
2) Vgl. oben §. 5. — 3) Clem. Alex., Strom. III. 9. — 4) Vgl. oben §. 7
— 5) Vgl. oben Note 1. — 6) Vgl. oben §. 8.
7) Vgl. oben §. 3. — 8) Ebendas. (Schlass). — 9) Porphyr. , De abstin.
I, 27; II, 3; IV, 18.
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Das Ascetentum der drei ersten christl, Jahrh, 45
seines Reiches brauchte and weil es eben in der Idee des Apostolats
lag, ein Leben der Entsagung, des Opfers und der gänzlichen Hin-
gabe an Gott zu führen ^o). Im gleichen Sinne giebt Paulus der
Jungfräulichkeit den Vorzug, weil sie mit Gott besser verbindet und
für das Missionswerk geeigneter macht ^^) ; aber er vertritt auch die
Rechte und die Heiligkeit des Ehestandes und warnt vor den Irr-
lehrern, welche die Ehe als etwas Verwerfliches missachten**). Er
dringt in Uebereinstimmuug mit dem Evangelium*^) auf Weltent-
sagung, Selbstüberwindung, Unterordnung des Fleisches unter den
Geist *^); aber diese Ascese ist ihm nur eine Beschränkung der an
sich guten und erlaubten Dinge und darum kämpft er gegen die
Irrlehrer , welche aus pharisäischem Stolze oder gnostischer Miss-
achtung der materiellen Dinge oder aus übertriebener Wertschätzung
der jüdischen Speisegesetze gewisse Dinge als böse oder gar satanisch
betrachteten ^^). Auch in der nachapostolischen Zeit blieb die Kirche
massvoll in der Empfehlung der Ascese. Als Bischof Pinytus auf
Creta in seinem Streben, die Gläubigen auf die höchste Stufe der
Vollkommenheit zu bringen, übertriebene Anforderungen bezüglich
der Keuschheit stellte, mahnte der Bischof Dionysius von Korinth,
keine zu grossen Lasten betreffs der Enthaltsamkeit den Christen
mit Gewalt aufzulegen *«). Die Kirche sah in der Ascese nur eine Be-
schränkung der an sich guten Dinge zu höheren Zwecken und stellte
sich in Gegensatz zum Gnosticismus, welcher dem extremsten Dualismus
huldigte, die Materie für satanisch erklärte und eine bodenlose Ascese
vertrat. Sie perhorrescierte die hyperascetischen Forderungen Marcions,
welcher den Cölibat allen seinen Anhängern zur Pflicht machte, ferner die
der Enkratiten, welche nicht nur die Ehe, sondern auch noch den Genuss
von Fleisch und Wein als etwas Unreines verabscheuten ^''), desgleichen
die der Apostoliker oder Apotaktiker, welche sich von den eben ge-
nannten nur dadurch unterschieden, dass sie auch noch in einseitiger
Auffassung des Evangeliums Privateigentum zu besitzen verboten ^^).
Der 51. apostolische Canon, welcher aus dem 2. oder 3. Jahrhundert
stammt und gegen die Gnostiker und Manichäer gerichtet ist, ana-
thematisiert alle jene, welche die Ehe, den Fleisch- und Weingenuss
nicht zum Zwecke der Ascese oder Abtötung, sondern aus Ver-
10) Vgl. oben §. 2. — 11) Ebendas. - 12) I. Tim. 4, 3. — 13) Matth.
10, 37—38, Luc. 9, 23. — 14) I. Cor. 9, 27 I. Tim. 4, 3, Col. 2. — 15) Rom. 6, 6;
8, 13, Col. 3, 5 f., Gal. 5, 16 ff. - 16) Euseb., bist. eccl. IV, 31. — 17) Irenaeus,
ady. haer. 1, 28, 1; Clem. Alex., Paedag. 2, 2, 33; Hippolyti Philosoph. 8, 20. —
In betreff der Mardoniten vgl Tertull. adv. Marc. 5, 7; 1, 29; 4, 11; Epiph.
Haer. 42, 3.
18) EpiphaniuSf Haer. 61.
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46 Das Ascetentum der drei ersten christL Jahrh,
achtung der Materie verabscheuten ^®), wie denn auch später die
Synode von Oangra'^) (Mitte des 4. Jahrh.) gegenüber den Eusta-
thianern, welche gleich den Apotaktikern behaupteten, dass die Reichen,
welche nicht alles verlassen, keine Hoffnnng haben, im 21. Canon
erklärte: »Wir billigen die Enthaltung von weltlichen Geschäften,
wenn Demut dabei ist, ... . und verachten den Reichtum nicht,
wenn er mit Gerechtigkeit und Wohlthätigkeit verbunden ist . . . .c
Origenes'^) betont gleichfalls, dass die Enthaltung von Fleisch bei
den christlichen Asceten ans anderen Motiven geschehe als bei den
Pythagoreern; die letzteren vermieden es deshalb, von einem leben-
den Wesen etwas zu essen, weil die Fabel von einer Wanderung von
einem Leibe in einen anderen rede. »Wenn wir aber solche Enthalt-
samkeit thuen,€ erklärt Origenes, »so thuen wir es, weil wir unseren
Leib züchtigen und in Dienstbarkeit bringen wollen (L Gor. 9, 27),
und wir ertöten die Glieder, die da irdisch sind, Hurerei, Unreinig-
keit, Unzucht, böse Begierde (Col. 3, 5), und bieten alles auf,
um die Werke des Leibes (Rom. 8, 13) zu ertöten, c So sehr sich
also auch auf dem Boden des praktisch-sittlichen Lebens die
gnostisch-manichäische und pythagoreisch-plotinische Richtung einer-
seits und das Christentum andererseits zu berühren scheinen,
so ist doch die Grundlage, auf der sie ruhen, verschieden.
Die Kirche paarte mit Begeisterung Masshaltung und hielt aufrecht
die Reinheit der Principien. Die scheinbar widersprechenden Aeus-
serungen der hl. Schrift, auf welche sich die Häretiker einer gegen
den anderen beriefen, vereinigte sie zur Einheit eines Begriffs, ohne
darum die Kraft und die Wahrheit, die der göttliche Geist in diese
Form des Vortrags gelegt hatte, zu vernichtend^). Der vornehmste
Stimmführer der christlichen Gnosis war Clemens Alexandrinus, wel-
cher in seinen Stromata (besonders in seinem IlL und IV. Buch) ein
Spiegelbild des wahren christlichen Gnostikers auf Grund des Evan-
geliums entwarf und die falsche Gnosis, welche den Boden des Glau-
bens verliess und aus der heidnischen Philosophie oder den verschie-
denen Volksreligionen antichrislliche Sätze aufnahm, bekämpfte.
Ausser ihm fand die christliche Gnosis gegenüber den gnostischen
Tendenzen kraftvolle Verteidiger an Irenäus (adversus haereses), Ter-
tuUian (ad versus Valentinianos, contra Marcionem) und Origenes
(an verschiedenen Stellen seiner Werke).
Die Geschichte der 3 ersten christlichen Jahrhunderte zeigt
19) Drey, Neue üntersach. über die apost. Constitntionea und Ganones,
S. 281 u. 404. vgl. auch Gan. 14 der Synode von Ancm vom Jahre 314 (Hefele,
Conc-Gescb. (1873) I S. 233). — 20) Hefele, Conc.-Qesch. (1873) I S. 789. —
21) Ck)ntra Gels. Y, 49. — 22) Möhler, Qes. Schriften II.
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Das Aacetentum der drei ersten christL Jahrh* 47
UDS ferner, dass schon damals zwei verschiedene Stände in der Kirche
bestanden, der Stand der Oebote und der Stand der evangelischen Bäte.
Die göttliche Vorsehung trag dafür Sorge, dass es in der Kirche in
ihren ersten Anfängen nicht an solchen fehlte, welche auf Ehe und
Besitz um Christi und des Evangeliums willen verzichteten. Doch
wenn auch die Asceten und die gottgeweihten Jungfrauen in dieser
Periode einen eigenen kirchlichen Stand bildeten, dessen Mitglieder
sich die Kirche für ihre Missionszwecke dienstbar machte, so dürfen
wir doch diesen Stand weder in jeder Beziehung mit dem späteren
Ordensstande identificieren noch an ihn den Massstab des späteren
Ordensrechts anlegen. Wir vermissen in dem Ascetentum verschiedene
konstitutive Momente des späteren Ordensstandes. Erstlich war Ehe-
osigkeit und Besitzlosigkeit nicht immer vereinigt in einer Person >3);
sodann deckt sich die Auffassung über die evangelische Armut nicht
vollständig mit dem kirchenrechtlichen Begriffe der Armut '^). Die
Asceten männlichen Geschlechts hatten noch keine öffentlichen Ge-
lübde der Keuschheit; dagegen bestand schon das öffentliche Ge-
lübde der Yirginität bei den gottgeweihten Jungfrauen, wenn auch
noch nicht mit den Bechtswirkungen späterer Zeit*^). Endlich gab
es noch kein Zusammenleben von Asceten '^). Doch die dem Asceten-
tum wie dem späteren Ordensstande gemeinsame Grundlage besteht
darin, dass sie den Stand der evangelischen Bäte darstellen, den
Christus in seinem Beiche auf Erden gewollt und dem er eine
spezielle Bestimmung in demselben gegeben hat. Hiernach lässt sich
auch die Frage beantworten, in wie weit der Ordensstand göttlicher
Einsetzung, in wie weit dagegen kirchlichen, also menschlichen Ur-
sprungs ist").
23) Vgl. oben §. 7. — 24) Vgl. die vorherg. Note. — 25) Vgl. oben §. 4.
26) Vgl. oben §. 5. — 27) Vgl. L. v. Hammerstein S. J., Das katholische
Ordenswesen (Ergänzungsheffc zu den Stimmen aus Maria-Laach 65, S. 11—32)
wo der Verfasser Ton dem Begriffe des Ordensstandes (im engeren Sinne) aas-
gehend dieselbe These in Anlehnung an Suarez za beweisen sncht.
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48
Zweiter Teil.
Das egyptische Mönchtiim Im yierten Jatarlmndert.
§. L Die ersten Ansätze des Eremitenlehens. Der Ureremit Paul
von Theben.
Das vierte Jahrhundert ist als eine neue Phase in der Ent-
wicklung des Ascetentums zu betrachten. So sehr das Sichzurück-
ziehen von der Welt nach der Ansicht eines Clemens Alexandrinus,
Origenes und Cyprian im Wesen der Ascese liegt ^), so treffen wir
doch die Asceten wie die gottgeweihten Jungfrauen in den drei ersten
christlichen Jahrhunderten nicht in völliger Absonderung von den
übrigen Mitchristen ; erst auf der Neige des dritten und zu Beginn
des vierten Jahrhunderts zeigen sich in dem Leben der Eremiten
oder Anachoreten die ersten Ansätze zu einer völligen Weltflucht.
Auch die Coalitionsbestrebungen der Asceten gehören erst dem vier-
ten Jahrhundert an. Allerdings lag nichts näher, als dass gleich-
gesinnte Asceten behufs gegenseitiger Förderung Genossenschaften
unter sich gebildet hätten ; aber der äussere Druck, welcher auf der
Christenheit lastete, erklärt es hinlänglich, warum Ascetenvereinig-
ungen im dritten Jahrhunderte nur sporadische Erscheinungen waren.
Erst in den ersten Decennien des vierten Jahrhunderts bildeten sich
unter den christlichen Eremiten die ersten Mönchskolonieen oder
Genossenschaften. Egypten war der erste Schauplatz dieser beiden
neuen Erscheinungsformen des ascetischen Lebens und blieb auch
durch mehr als hundert Jahre das klassische Land der christlichen
Ascese.
Das Motiv dieser Weltflucht unter den Christen waren zunächst
die Greuel der Verfolgungen. Auf Grund eines Briefes des Bischofs
Diönysius von Alexandria berichtet Eusebius, dass schon in der De-
cischen Verfolgung (um das Jahr 250) viele egyptische Christen
sich in Einöden und auf Berge flüchteten und in diesen Schlupf-
winkeln durch Hunger und Durst, durch Kälte und Krankheit,
durch Eäuber und wilde Tiere umkamen ^). Auch die Diokletianische
Verfolgung mag dieser Weltflucht Vorschub geleistet haben; er-
streckte sie sich doch nach Eusebius bis in die Thebais hinein und
1) S. oben S. 21—22.
2) Euseb. h. e. VI, 42.
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Das egypt Mönchtum im 4. JahrH, 43
forderte dort viele Opfer»). Als sodann unter Licinius (im Jahre 315
oder 319) im Orient die Verfolgung von neuem losbrach, suchten
wiederum nach dem ausdrucklichen Zeugnisse desselben Kirchen-
historikers viele Christen ihre Bettung in Wäldern und Einöden,
auf Bergen und in Höhlen*). Wenn auch auf diese Weise die
Schrecken der Verfolgung den ersten Anstoss zu solcher Weltflucht
gaben, so verschaffte doch die Angewöhnung an die Einsamkeit der
Wüste zahlreiche Bewohner auch nach Aufhören der Verfolgung,
und manche weltflüchtige Christen verwandelten diese Notwendigkeit
zu einem freien Entschlüsse.
Einer der ersten, der solches that und dessen Name und An-
denken auch der Nachwelt bewahrt worden ist, war der reichbe-
güterte und feingebildete Paulus von Theben. Zur Zeit der Decischen
Verfolgung (um 250) verliess der sechzehnjährige Jüngling aus
Furcht vor einer Denunciation des eigenen Schwagers seine schon
am Saume der thebaischen Wüste gelegene Villa und flüchtete sich
in die Einsamkeit der Berge; er drang immer tiefer ins Oebirge
ein, bis er endlich an ein Felsengebirge kam und an dessen Fusse
eine nicht allzu grosse Höhle fand, deren rostiges Inventar auf ihre
frühere Verwendung als Falschmünzerwerkstätte schliessen Hess.
Diese Felsenzelle gewann er so lieb, dass er darin trotz der Eon-
stantinischen Friedensära verblieb und über 90 Jahre ein der Be-
trachtung der göttlichen Wahrheit und der Ascese gewidmetes Leben
führte, ohne je einen Menschen zu sehen ; eine Quelle, welche den
sicheren Ort bewässerte, gewährte ihm den labenden Trank, und
ein prächtiger Palmbaum lieferte Nahrung und Kleidung. Dieses
so erhabene Beispiel der Entsagung und Heiligkeit wäre der Nach-
welt unbekannt geblieben, wenn nicht Antonius, der einige Tage-
reisen von Paulus entfernt in derselben Wüste lebte, auf göttlichen
Antrieb diesen Ureremiten noch vor dessen Tode aufgesucht und
die mit ihm ausgetauschten Gespräche und Erfahrungen seinen
Schülern mitgeteilt hätte ^).
3) Ibid. Wm, 6, 9, 10, 13; Mart. Palaest. c. 8; vgl. auch Sokr. I, 11,
Sozom. 1, 10 — Die Behauptung Weingartens (»Der ür sprang des Mönch tnms«
Zdtschr. für Kircheugesch. I, 1877, S. 546): »Ist doch auch m die eigentliche
Heimat der ersten Mönche, nach Ohere^n^pten , die Diokletianische Verfolgung
zweifellos nicht Torgedrungen« ist also irrig.
4t) Euseb. Tit. Const. II, 2.
5) In Betreff der Chronologie der Yita Pauli ist Folgendes zu bemerken :
Da Paulus im 16. Lebensjahre aus Anlass der Decischen Verfolgung (250) sein
Anachoretenleben begann, so ist sein Geburtsjahr um das Jahr 234 und sein
Todesjahr um 347 anzusetzen. Antonius, dessen Geburt sicher in das Jahr 251
fallt, muss also bei der Begegnung mit dem 113jährigen Paulus 96 Jahre ge-
zählt haben. Die Angabe des 90. Lebensjahres des Antonius (Vita PauH c. 7)
Sohiwietz, Mönchtum. 4
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50 DcL$ egypt Mönchtam im 4. Jdhrh»
Hieronymus, dem wir die Vita s. Pauli verdanten«), bemerkt
zu Beginn derselben, dass schon zu seiner Zeit die Persönlichkeit
dieses Ureremiten von märchenhaften Sagen umgeben war; darnach
hätte Paulus, abgesehen von anderen Abgeschmacktheiten, in einer
unterirdischen Höhle gewohnt und wäre vom Kopfe bis zu den Fersen
mit langen Haaren bewachsen gewesen. Hieronymus wollte nun auf
Grund der Mitteilungen zweier Schüler des Antonius, Amathas und
Makarius, in seiner Vita s. Pauli eine kritische Sichtung der im
Umlauf befindlichen Erzählungen vornehmen'); doch ist ihm dabei
manches Bomanhafte mituntergelaufen. Mögen wir nun auch nicht
mehr imstande sein, aus dem mitgeteilten Material das Geschicht-
liche von dem Minderstichhaltigen auszuscheiden, so darf man doch
nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und die Geschichtlichkeit
des Ureremiten in Zweifel ziehen. Allerdings hat man schon zur
Zeit des hl. Hieronymus aus der beständigen Verborgenheit des
Ureremiten seine Existenz überhaupt bestritten») und neuere Historiker,
wie z. B. Weingarten % haben diesen Versuch erneuert ; doch abge-
sehen von dem Legendenhaften, das zu diesem Behufe behaglich
breitgetreten wird, haben sie nichts vorbringen können, das geeignet
wäre, der anmutigen Legende die historische Basis zu entziehen.
Zunächst ist der historische Hintergrund dieser Vita, nämlich die
Weltflucht egyptischer Christen zur Zeit der Decischen Verfolgung,
wie schon oben (S. 48 f.) gezeigt worden ist, eine unbestreitbare
ist darum im Sinne einer abgerundeten Zahl zu fassen. Eine strenge ürgierung
dieses letzteren Datums würde einen offenkundig falschen terminus a quo f&r
das Anachoretenleben des Paulus ergeben.
6) Eine griechische und ziemlich freie üeberarbeitung der lateinischen
und von Hieronymus verfassten Vita Pauli findet sich in den Analecta Bolland.
II, 561 — 563. Eine koptische Vita Pauli ist von Amelineau in seiner histoire
des monast^res de la nasse SSgypte (Annales du musöe Guimet, tome XXV«,
Paris 1894) und eine syrische von Bedjan in seinen Acta martyrum et sancto-
rum (Tom. V. (1895) p. 561—572) herausgegeben worden. Der in der Vita Pauli
des Hieronymus vorfindliche Schlusssatz : »Freundlicher Leser, ich bitte um ein
frommes Angedenken für den Sünder Hieronymus, der, wenn ihm Gott seinen
Wunsch erfüllt, bei weitem der Tunika des Paulus mit seinen Verdiensten den
Vorzug giebt vor dem Purpur der Mächtigen mit ihren Strafen c lautet ähnlich
bei den Kopten und Syrer und lässt somit auf Abhängigkeit von Hieronymus
scbliessen ; doch hat wohl beiden Versionen die griechische Vita Pauli als Vor-
lage gedient, mit der sie beide mehr Berührungspunkte haben als mit der la-
teinischen Vita Pauli des Hieronymus (Vgl. E. Preuschen, Deutsche Litteraturztg.
1896 Nr. 12), Die ganz singulare Ansicht Amölineaus, dass die koptische Vita
dem Hieronymus als Vorlage gedient habe, setzt voraus, dass dieser Kirchen-
lehrer des Koptischen mächtig war, was unbeweisbar ist; auch ist kein Grund vor-
handen , der Erklärung des Hieronymus , dass er sich in seiner Vita Pauli auf
mündliche Berichte zweier Mönche stütze, keinen Glauben zu schenken.
7) Vita Pauli c. 1.
8) Vgl. den Prolog der Vita Hilarionis des Hieronymus.
9) Weingarten^ Der Ursprung^ des Mönchtums im nachkonstantinischen
Zeitalter (Zeitschrift für Eirchengesch. I (1877) S. 1 ff*.
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Das egypt Mönchtum-im 4. Jahrh, &1
Thatsache, und damit ist schon der Ausgangspunkt der Weingarten-
schen Kritik gegen die historische Grundlage dieses Eremitenlebens
entkräftet*®). Sodann ist Hieronymus nicht der einzige Kirchen-
schriftsteller, dem die Person dieses Paulus bekannt war. Cassian
und Sulpicius Severus, Zeitgenossen des Hieronymus, kennen diesen
üreremiten auch. Da der erstere") sich mehrere Jahre bei den
Mönchen Egyptens, insbesondere auch der Thebais, aufgehalten hat,
so wird ihm doch nicht alle Glaubwürdigkeit in dieser Sache abge-
sprochen und seine Notiz über Paulus rein auf Eechnung des Hiero-
nymus gesetzt werden können. Sulpicius Severus*^) stützt sich
wieder in seinen Dialogen auf die Berichte seines Freundes und
Orientreisenden Postnmianus, dem auf seiner Beise durch Egypten
ausser zwei Antonius-Klöstern auch jeni Stätte gezeigt wurde, wo
Paulus gelebt hatte. Dieses Zeugnis steht jedenfalls unabhängig
von Hieronymus da und stützt sich in letzter Linie auf die noch
frische Tradition der Mönche in der Thebais. Nach alledem geht
es nicht an, eine reine Fiktion der eigenartigen Persönlichkeit des
üreremiten Paulus anzunehmen*^). Eine andere Frage ist nun die,
welcher Gedanke den hl. Hieronymus bei der Abfassung und Dar-^
bietung dieser Vita geleitet haben mag. Aus dem Epilog ist er-
sichtlich, dass diese Vita s. Pauli ein Spiegelbild der entarteten
römischen Welt abgeben sollte. So seltsam auch das Leben dieses
üreremiten erscheinen mag, so liegt doch eine hohe Idee »in dieser
tiefen Einsamkeit eines halben Jahrhunderts allein vor dem Ange-
sichte Gottes, ohne von Menschen genannt zu wordene i*).
Zu einer Organisation der in der Wüste zerstreut lebenden
Einsiedler hat dieser üreremit nicht beigetragen; das that erst der
schon erwähnte Antonius, der einige Decennien später Bewohner der
Wüstenei in der Thebais inferior und allmählich auch Stifter von
Mönchskolonieen wurde. Dieses gemeinschaftliche Leben förderte
dann noch mehr der gleichzeitige Einsiedler Pachomius, welcher im
Bezirk der Thebais superior eine noch straffere Organisation des
Möüchslebens schuf. Schüler oder Nacheiferer dieser beiden Männer
bildeten endlich ähnliche Mönchskolonieen oder Genossenschaften im
nitrischen Gebirge, in der sketischen Wüste und, über die Grenzen
Egyptens hinaus, im Palästina und Syrien.
10) Weingarten, a. a. 0. S. 546. — 11) Coli. XVIII. — 12) Dial. I, 11.
18) Zöchler, Askese and Mönohtam 1897 Bd. L S. 184; Keim, Aus dem
Urchristentum, Zürich 1878, S. 208—209.
14) Hase, Das Leben des hl. Antonius (Jahrb. für protest Theol. 1880
S. 425).
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Sz Dom tgypU MöndUum im 4^ Jahrh,
§. 2, Die Existem und Entfaltung des egyptischen Mönchtums in
den ersten Deeennien des vierten Jahrhunderts oMf Grund der Vita
Antonii und anderer zeitgenössischer Zeugnisse,
Um über die genetische Entwicklung der egyptischen Mönchs-
kolonieen und Klöster aus dem Anachoretentum ein anschauliches Bild
zu gewinnen und zugleich die Zeit, in der sich dieser Uebergang voll-
zog, fixieren zu können, kommt in erster Linie die vom hl. Athanasius
yerfasste Vita Antonii in Betracht. Allerdings hat sich die negative
Kritik grosse Mühe gegeben, dieses für die Mönchsgeschichte wichtige
Quellenwerk in Misskredit zu bringen ; doch die dadurch veranlasste
wissenschaftliche Eirörterung hat ein für die Echtheit und Glaubwür-
digkeit der Antoniusbiographie günstiges Resultat zu Tage gefördert.
Gegenüber den ersten Verdächtigungen seitens der Magdeburger
Centuriatoren ^) führten die Bollandisten (Acta SS. 17. Jan.) den
Nachweis, dass bei der Menge von gleichzeitigen oder kurz nach
Athanasius lebenden Zeugen für die Echtheit der Vita Antonii ein
Zweifel an dem Athanasianisehen Ursprung derselben unberechtigt
sei*). In neuerer Zeit hat jedoch Weingarten^) unter Heranziehung
teilweise neuer Momente die Vita Antonii dem hl. Athanasius ab-
gesprochen und dieselbe als eine Tendenzschrift des entwickelten
Mönchtums aus der Mitte der sechziger Jahre des vierten Jahrhun-
derts darzuthun gesucht. Diese Schrift gab Anlass zu neuen Unter-
suchungen der Vita Antonii durch Qass ^), Hilgenfeld ^) und Keim %
welche übereinstimmend sich dahin erklärten, dass die von Wein-
garten vorgebrachten Unechtheitsindicien weder stichhaltig noch
überzeugend s^en, während Hase^) nicht nur die Schwächen der
Weingartenschen Beweisführung aufdeckte, sondern sich auch offen
für die Echtheit und Glaubwürdigkeit der Vita Antonii aussprach.
Nach Hase, dessen Beweisführung einen mehr abwehrenden Charakter
hatte, ergänzten später noch Mayer ^) und Eichhorn^) das Beweis-
1} Magd. Cent. IV. c. 10 p. 1306.
2) Vgl. aach In Antonii vitam monitam der Benediktiner (Migne, s. gr.
t. 26» p. 823 seq.).
3) Weingarten^ Der Ursprung des Mönchtums im nachkonstantinischen
Zeitalter (Zeitschr. f. Kirchengesch. I (1877) S. 6 flP. Vgl. auch desselben Ver-
fusexs Artik. >Mönchtum« in der Beal-Encjklopädie, 2. Aufl. Bd. X, S. 769 ff.
4) Qa99, Zur Frage vom Ursprung des Mönchtums (^eitschr. f. Eirchen-
geschichte U, 254 iL). — 5) Zeitschr. f. wissenschaftl. Theol. 1878 S. 145 iL
6) Keim, Aus dem Urchristentum, Zürich 1878, S. 204 ff.
7) Jahrbücher f. protest. Theol. 1880 S. 418 ff. Vgl. auch Beatmann,
Die theol. Wissenschaft und die Bitschlsche Schule 1881 S. 14 ff.
8) X Mayer, Die Echtheit und Glaubwürdigkeit der dem hl. Athanasius
d. Gr. zugeschriebenen Vita Antonii ira »Katholik« (1886) LY, 495 ff., 619 ff.,
LVI, 178 ff. — 9) Albert Eichhorn, Athanasii de yita ascetica testimonia col-
lecta, Halle 1886. Vgl. auch Berlikre, Les origines du monachisme et la cri-
tique moderne (Revue B^n^dictine T. VIII (1891) p. 1—19, 49—69.
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Das egypt MöndUum im 4* Jahrh. 53^
material zu Gongten der Echtheit der Vita Antonii und wiesen die
üebereinstimmuDg derselben mit anderen echten Schriften des hl.
Athanasins in Bezug auf Inhalt und Form nach.
Wenn wir jedoch in eine Besprechung der von Weingarten
gegen die Antoniusbiographie vorgebrachten Einwürfe eingehen, so
geschieht es deshalb, weil sich auf diese Weise am besten darthun
lässt, dass die Genesis und Entfaltung des Mönchtums schon in die
ersten Decennien des vierten Jahrhunderts hinaufreicht und dass die
aus der Antoniusbiographie gewonnenen chronologischen Daten mit
anderen gleichzeitigen historischen Zeugnissen vdUig übereinstimmen.
Weingarten betont zunächst, dass im dritten Jahrhundert noch
gar keine Spuren des Mönchtums sich finden: »Jene Asketen des
zweiten und dritten Jahrhunderts mit ihrem Fasten, ihrer Ehelosig-
keit, ihrem Eunuchantum, mit ihrem montanistischen Bigorismus oder
ihren stoisch-christlichen Idealen lebten mitten in der Gemeinde und
in der Welt; und der erste Versuch, der wohl gegen Ende des dritten
Jahrhunderts in diesen Kreisen gemacht wurde, sich vor der Welt
zu verbergen, erfuhr, wie wir aus einer nachcyprianischen Schrift*®)
ersehen, eine strenge Zurechtweisung seitens der Kirchet ").
Weingarten giebt also zu, dass das Ascetentum mit seinem
Fasten, Eunuchentum und allerlei Strengheiten in der Lebensweise
im zweiten und dritten Jahrhundert schon existierte. Aber auch das,
was er in Abrede stellt, nämlich die Weltflucht und Absonderung
Ton der menschlichen Gesellschaft, wurde schon von Clemens Alexan-
drinus, Origenes und Cyprian als ein selbstverständliches Erfor-
dernis der Ascese bezeichnet*^). Auch hat Weingarten übersehen^
dass die von Epiphanius erwähnten Asketenvereine des Hierakas*^)
und das Asketerion, in welchem nach Sokrates der Bekenner-Bischof
Paphnutius, Teilnehmer des Concils von Nicaea, in seiner Jugend er-
zogen worden war *^), bis ins dritte Jahrhundert hineinreichen, sowie
dass die ersten Ansätze des Einsiedlerlebens sich schon zur Zeit der
Decischen Verfolgung vorfinden *^). Auch seine Ansicht^ es habe die
Kirche gemäss der oben erwähnten pseudocyprianischen Schrift »ch
10) Paeudocyprian t De singularitate clerioorum e. 81: »Adhac habeo
q^aid mirari: cum videam de Christianis plerosqae maritos et nxores continen-
tiam destinantes domicilia singalaria magis eligere . . . Dicat nunc eannchorum
Caritas, dicat ne forte in hac secessione magis coniugalis Caritas peccftt (Migne,
t. 4 col. 937).
11) Weingarten, I>er Ursprang des Mönchtams (Zeitschr. fi Kireheng.
I S. 6).
12) S. oben S. 21 f. — 13) S. oben S. 22.
14) Sokr. h. e. I, 11 : »'Ex Kai8>)(; iv awTjxi^pCtjj «veW^pfl»CTo.€
15) Siehe oben S. 48.
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54 Das egypt. Mönchtum im 4. Jahrh,
solchea Absonderungsgelüsten skeptisch verhalten, ist aus diesem
Text nicht beweisbar ; es wird vielmehr darin blos gerügt, dass sich
Eheleute unter dem Vorwande der Ascese und des enthaltsamen
Lebens trennen und domicilia singularia wählen; daraus folgt aber
nicht, dass Pseudocyprian die Absonderung der Asceten von der
Welt überhaupt missbilligte.
Um die Entstehung des Mönchtums im Zeitalter der Verfolgung
der Kirche negieren zu können, beruft sich Weingarten weiter auf
Eusebius: »Wenn Eusebius von Cäsarea, der Kirchenhistoriker, in
den Therapeuten Philos die Asketen seiner Zeit wiederfindet, so ist
jetzt allgemein zugestanden, was schon Valesius anerkannt hat, dass
hier nur jene Asketen gemeint sind, die wir aus Athenagoras,
Clemens von Alexandrien» TertuUian kennen. Dass aber Eusebius,
als er die ersten Bücher seiner Kirchengeschichte schrieb, nicht
lange vor dem Jahre 324, noch von einem Mönchtum nichts wusste,
geht zweifellos grade aus der Art hervor, wie er den christlichen
Charakter von Philos Schrift »Ilepl ßtou OecDpYjTtxoö« zu verteidigen
versucht; gegen solche, die in dieser essenischen Zurückgezogenheit
einen Gegensatz zur christlichen Lehre fanden, beruft er sich nur
auf die Schilderung der apostolischen Gemeinde in der Apostelge-
schichte, ihrer Armut und Gütergemeinschaft, nicht auf gleichzeitige
Erscheinungen in der Christenheit selber; vom christlichen Anacho-
retentum redet die Kirchengeschichte des Eusebius mit keinem Worte.
Ebenso ist den anderen und späteren Schriften, allen seinen ausführ-
lichen Beschreibungen des christlichen Egyptens, der Biographie
Constantins und dem Panegyricus auf ihn (verfasst zwischen 337
und 340, dem Todesjahr des Eusebius) das Mönchtum noch völlig
unbekannt: eine Thatsache, die überaus befremden muss gegenüber
der gewöhnlichen Darstellung, welche dem Mönchtum und vor allem
dem hl. Antonius eine grosse Rolle schon in den Tagen Constantins
zuweist« *ö).
»Ueberhaupt müsse es befremden, erklärt Weingarten weiter,
dass Eusebius nichts von dem zweimaligen Auftreten des Antonius
in Alexandria wisse, wovon das erste nach der Vita Antonii in die
Christenverfolgung Maximins (311), das andere (zur Bekämpfung des
Arianismus) nach 325 falle ; ja nicht einmal der Name des Antonius
ßlnde sich bei Eusebius ^^). Aus alledem schliesst Weingarten, dass
die Zeitgenossen Constantins und des Eusebius ein christliches Mönch-
i?
16) Weingarten a. a. 0. S. 6-
Ebend&8. S. 7—8.
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Das egypt* Mönchtum im 4, Jahrh. 55
tum noch nicht kennen, und damit allein fiele schön die Sage von
dem Ursprung des Mönchtums in den Verfolgungszeiten der Kirche i*).
Eine genauere Prüfung dieser Weingartenschen Ausstellungen
führt aber zu einem. entgegengesetzten Resultate. Es ist zunächst
unbestreitbar, dass zur Zeit des Eusebius das Ascetentum im Be*
reiche der christlichen Gesellschaft ein mächtiger Faktor war. In
der Demonstratio Evangelica lib. I c. 8 schreibt er nämlich: »Da-
her (d. h. gemäss den von Christus den Jüngern mitgeteilten An-
ordnungen, welche diese teils mündlich, teils schriftlich überliefert
hätten) sind in der Kirche Qottes auch zwei Lebensstände einge-
setzt; der eine geht über unsere Natur und die allgemeine Lebens-
weise der Menschen hinaus, indem er keine Ehe, keine Nachkom-
menschaft, keinen Besitz, keine Keichtümer anstrebt, sondern gänz-
lich die allgemeine und gewohnte Lebensweise aller Menschen ver-
schmäht und einzig der Verehrung Gottes aus übergrosser Liebe zu
den himmlischen Dingen sich hingiebt. Jene, welche diesen Stand
ergriffen haben , sind wie losgetrennt von diesem sterblichen Leben ;
sie befinden sich mit dem Körper auf der Erde, sind aber mit ihren
Gedanken und mit dem Herzen im Himmel selbst und blicken wie
Himmelsbewohner auf das Leben der übrigen Menschen herab ; denn
sie sind für das ganze Geschlecht dem höchsten Gotte aller ge-
weiht . . . und ziehen durch ihr Priestertum dessen Erbarmen auf
sich uud ihre Geschlechtsgenossen herab. Ein derartiger vollkom-
mener Lebensstand besteht also im Christentum. Der andere aber
ist weniger streng . . .« Da somit Eusebius nicht ansteht, die ganze
christliche Gesellschaft in diese zwei Kategorieen zu scheiden, so
darf die Zahl der Asceten zu seiner Zeit nicht als gering ange-
schlagen, werden. Zudem erscheinen diese Asceten, von denen Eu-
sebius auch in seiner Vita Constantini 4, 26, in dem Büchlein von
den Märtyrern Palästinas (15, 3; 10, 2; 11, 12) redet, mit ihrer
»Lostrennung von diesem sterblichen Leben« äusserst ähnlich den
sogenannten Mönchen. Ja, Eusebius ist der erste christliche Schrift-
steller, welcher das Wort fxovaxot gleichbedeutend mit Asceten ge-
braucht, und zwar giebt ihm in seinem Psalmenkommentar der
Psalm 67 v. 7, wo Symmachus das hebräische iechidim mit fiovaxot
übersetzt, den Anlass zu dieser Namengebung. Auch einen Anacho-
reteu des zweiten Jahrhundertes kennt der Bischof von Caesarea;
in seiner Kirchengeschichte (6, 9) ist nämlich die Eede von dem
Bischof Narcissus aus Jerusalem, der ein Liebhaber der philosophi-
18) Weingarten a. a. 0. S. 10.
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56 Das egypt. Mönchium im 4. Jahrh.
sehen Lebensweise (töv fiX6oo(pov ßtov aoiraCofievoc) viele Jahre ver-
borgen in Wüsten und abgelegenen Gregenden (Iv Ip7]fitat<: xat Ä<paveat
aypolg) gelebt hat nnd von seinen Zeitgenossen wegen dieser ein-
siedlerischen Lebensweise (t^c dvaxcopi^oeüx: ?vsxa) verehrt worden
ist. Schon der in seine Kirchengeschichte (2, 17) eingeflochtene Ex-
kurs auf die Fhilonischen Therapeuten beweist zur Qenüge, dass dem
Eusebius die neue Erscheinungsform des Ascetentums, nämlich das
Mönchtum nebst den beginnenden Coalitionsbestrebungen , nicht un-
bekannt war. Er bespricht nämlich an diesem Orte die Schrift »icepl
ßtoo ^e<i)pT)Ttxoü€, welche er dem Philo zuschreibt und in der die Le-
bensweise gewisser ascetischer Therapeuten und Therapeutriden ge-
schildert wird. Er citiert dabei aus dieser Schrift besonders jene
Stellen, welche mehr die äussere Lebensweise der Therapeuten zum
Ausdruck bringen, während er die philosophisch-religiösen Ansichten
derselben von der Besprechung ausschliesst , und betont wiederholt»
dass diese Lebensweise der Philonischen Therapeuten identisch sei
mit der der christlichen Asceten seiner (des «Eusebius) Zeit und dass
darum in der obigen Schrift sicherlich christliche Asceten gemeint
seien. Mag nun die Schrift »Tcepi ßtoo 6ea>pif]Tixoü€ von Philo ver-
fasst sein oder nicht, mag sich Eusebius getäuscht haben, wenn er
so zuversichtlich behauptet, dass in dieser Schrift das Leben christ-
licher Asceten erörtert wird ^% das ist für unseren Zweck irrelevant;
uns interessiert nur die wiederholte Versicherung des Eusebius : »Philo
beschreibt das Leben unserer Asceten so genau als möglich (töv ßiov
Tü>v Tcap' TJfxTv doxKjtcüv (oc Svt iidkioxa äxptßeaxaxa ioxopöv), die
Schrift »icept ßtou Osa)pif]Ttxouc enthält offenbar die noch jetzt bei
uns geltenden Kirchenregeln (oa^ög toix; etg Sti vüv xal eig ij^uag
ic8f uXayfiivooc t^c 'ExxXTjaiac icepi^x®^ xavovac)« und am Schluss
dieses Exkurses: »dies alles hat jener Mann (Philo) ganz genau auf
eben die Art beschrieben, als es noch bis jetzt bei uns allein ge-
halten wird (£ic8p äxpiß&c töv auTÖv 8v xai etg deupo T&Ti^pif]Tat icapa
fiovoic ^|aTv Tp67cov)€. Und worin bestand denn die Lebensweise dieser
Therapeuten ? Nach Verzicht auf ihr Vermögen , erklärt Eusebius,
zogen sie ausserhalb der Stadt und nahmen ihren Aufenthalt an ein-
samen Orten und in Gärten, da ihnen der Verkehr mit Leuten an-
19) Nach Lucius (Die Therapenten nnd ihre Stellung in der Geschichte
der Ascese, Strassbnrg 1880) ist die Schrift »7cep\ ßiou decopTjTixouc als eine etwa
am Ende des 3. Jahrhunderts unter dem Namen Philos zur VerherrUchune des
christlichen Monchtums verfasste Apologie zu betrachten, während neuerdings
F. C. Conybeare (Philo about the contemplative life, Oxford, Clarendon Press,
1895) und Paul Wendland (Die Therapeuten und die nhilonische Schrift Yom
beschaulichen Leben, 22. Supplement band der Jahrb. f. klass. Philologie S. 697
—772) für die Echtheit dieser Schrift eingetreten sind.
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Das egypU MönchtfAtn im 4. Jahrh, 57
derer Orundsätze als schädlich erschien. Von aller Welt abgeschlossen,
fährten sie ein der Betrachtung und Lesung heiliger Schriften ge-
weihtes Leben unter Verzicht auf Fleisch- und Weingenuss; ja in
einzelnen Gegenden thaten sie sich sogar zum gemeinsamen Leben
zusammen. Da nun Eusebius, dem die Kenntnis seiner eigenen Zeit
nicht abgesprochen werden darf, diese therapeutische Lebensweise so
zu sagen als eine Photographie der christlichen Asceten seiner Zeit
bezeichnet, so folgt daraus, dass zu der Zeit, als er seine Eorchen-
geschichte schrieb, also ?or 324, die christlichen Asceten schon ein
einsiedlerisches Leben fahrten und sogar teilweise Vereinigungen
bildeten ; es fällt auch damit die Behauptung Weingartens, Eusebius
hätte sich bei seinem Beweise der Identität der Philonischen Thera-
peuten mit den christlichen Asceten nicht auf gleichzeitige Erschein-
ungen in der Christenheit, sondern nur auf die christliche ürgemeinde
von Jerusalem mit ihrer Grütergemeinschaft berufen*^). Um noch
schliesslich auf das Weingartensche argumentum e silentio zu kom-
men, so hat schon Hase (Das .Leben des hl. Antonius in den Jahr-
büchern für Protest. Theologie, Leipzig 1880, S. 437) treffend ge-
antwortet: »Das Schweigen über Antonius in der Eirchengeschichte
des Eusebius darf uns nicht befremden, sie schweigt auch über
Athanasius und reicht nicht über das Jahr 324. In spätem Schriften,
auch in beiden über Constantin, war kein besonderer Anlass, des An-
tonius zu gedenken, und ein frommer Brief des Kaisers an einen
egyptischen Einsiedler enthält eine solche Nötigung nicht. Ob der
Name dieses Einsiedlers schon früh über die Wüste und über
Alexandrien hinausgedrungen sei, wir wissen es nicht, sein welt-
historischer Buhm mag erst durch die Vita und durch den Namen
des Athanasius selbst getragen worden sein; und hat ein so nahes
Verhältnis zu Athanasius bestanden, wie es diese Vita anzeigt, so
konnte schon das für Easebius, der kein Bewunderer des Athanasiani-
schea Dogma war, ein Grund sein, in seinen späteren Schriften von
dem ganzen neuen Haushalte Gottes in der Wüste, der ganz Atha-
nasianisch gesinnt war, zu schweigen, c
Endlich sollen nach Weingarten die echten Schriften des
Athanasius eine Instanz gegen die chronologischen und anderweitigen
Angaben der Antoniusbiographie bezüglich des Mönchtums abgeben :
20) Die beiläufige Bernfun^ auf die ürgemeinde von Jerusalem und ihre
Güterpfemeinschaft hat bei Eusebius nur den Zweck, seiner Erörterung durch die
Autorität der Apostelgeschichte einen gewissen Nachdmck zu verleihen, ist aber,
ine wir oben gesehen haben, durchaus nicht das einzige Argument, auf welches
er seinen Beweis ftkr die Identität der Philonischen Therapeuten mit den christ-
lichen Asceten aufbaut.
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58 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh.
»KöüDte man es auch, abstrakt genommen, als zufällig betrachten,
dass uns in ihnen der Name des Antonius nicht ein einziges Mal
begegnet, trotzdem die Biographie ihren Verfasser zum vertrautesten
Freund und Begleiter des letzteren macht, dem jener oft das Wasser
über die Hände gegossen, aufiBLUig genug freilich bei der dem An-
tonius nachgerühmten Wasserscheu ^i), an einer Stelle musste Athana-
sius den Antonius nennen, wenn er diesen Patriarchen des Mönch-
tums so gekannt oder beschrieben hätte, wie die Legende behauptet.
In demselben Jahre, in welches Hieronymus den Tod des An-
tonius verlegt, hat Athanasius einen Brief an einen Mönch geschrieben,
der sich sträubte, ein kleines ihm angebotenes Bistum Hermopolis
zu übernehmen, aus Furcht, an Heiligkeit zu verlieren und sich mit
einer Würde zu beflecken, die nur Anlass zur Sünde sei. Diesen
Glauben des Dfakontius an eine höhere Würde des Anachoretentums
über dem Episkopat .... sucht Athanasius zu widerlegen, durch
Beispiele von Mönchen, die sich den kirchlichen Aemtern nicht ent-
zogen ; . . . . den Antonius nennt er nicht, wo doch vor einem Worte
desselben alle Bedenken des Dracontins hätten schwinden müssen.
Denn Antonius, wie seih Biograph es darstellt, hat vor der kirch-
lichen Hierarchie »die äusserste Ehrfurcht« empfunden und sich stets
geringer geachtet als jeden Kleriker (Vita Ant. c. 67). Warum be-
ruft sich Athanasius nicht auf diese Stellung des Antonius zum
Klerus , . . . ? Der Grund liegt darin, dass diese in der Vita dem
ersten Mönche zugeschriebene Unterordnung erst der Wunsch der
Generation nach Athanasius war, das ursprüngliche Anachoretentum
dachte anders"). — In den echten Schriften des Athanasius, in
seinen Briefen und Streitreden filnden sich keine Anhaltspunkte für
die Genesis der neuen mönchischen Entwicklung. Wenn auch Athana-
sius unzweifelhaft nachweisbar erst nach seiner Rückkehr aus seinem
zweiten römischen und abendsändischen Exil (Äthan. Apol. ad imper.
Const. c. 4 am Schluss) dem Mönchtum nahe gestanden hätte und
fände sich auch bei ihm die Erwähnung von jxovaCovxsg xat aoxTjxat
(z. B. Apol. ad imper. Const. c. 28), so sei doch in das innere Wesen
des Mönchtums uns ein geringer Einblick gewährt. Kaum ein Unter-
schied von den älteren Asketen ist zu erkennen ; wird doch sogar
21) Die Worte des Athanasius im Prolog der Vita Antonii ; ȟoXXaxi?
aOtbv (den Antonius) Iwpaxa xol Im/^ewv QStop xaia yßpoLi auiou« sind eine An-
spielung auf die nach der Mahlzeit übliche Händewascliung , welcher sich auch
Antonius als Gast anbequemte. Dies ist durchaus nichts Auffalliges und kein
Widerspruch zu dem Berichte der Vita Antonii c. 47, wonach Antonius ans
ascetischen Rücksichten auf den Gebrauch von Bädern verzichtete.
22) Weingarten a. a. 0. S. 18—20.
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Das egypt MOnchtum im 4, Jahrh. 59
noch die Ehe und Eindererzeugong unter den Mönchen voraosge-
setzt *')... Anch der Brief des Pinnes, eines Presbyters des Klosters
Ptemenkyrkis im anteopolitischen Nomos, ein Brief , der noch vor
der Synode von Tyrus, also vor 335 gesehrieben sein muss, sei kein
Beweis für das Vorhandensein eines organisierten Klosterwesens**).
Es ist zunächst nicht richtig; wenn Weingarten behauptet, der
Name des Antonius käme in den echten Schriften des Athanasius
gar nicht vor. Im 14. Kapitel seiner Historia Arian. ad monachos ^)
wird Antonius ausdrücklich erwähnt. Es wird darin erstlich erzählt,
dass Antonius Briefe warnenden Inhalts an den an Stelle des Athana-
sius im Jahre 340 eingesetzten arianischen Bischof Gregorius ge-
schickt und dass der letztere dieselben höchst despektierlich behan-
delt habe; ferner wird ein anderer Brief des Antonius erwähnt und
in Beziehung gebracht zu einem Unfall des kaiserlichen Feldherrn
Balacius, der dem Intrusus Gregor zur Anerkennung in seinem Me-
tropolitansprengel verhelfen und in Verfolgung der kathol. Bischöfe
beigestanden hat. Diese Balaciusepisode findet sich auch in der
Vita Antonii , allerdings in einer etwas divergierenden Form. Da
nun Weingarten die Divergenz dieser beiden Berichte behufs Dis-
kreditierung der Vita Antonii benutzt hat, so wird es notwendig
23) Weingarten a. a. 0. S. 22—23. — W. schliesst (vgl. seine obigen
Worte geeen Schluss) aus der ep. Athanasii ad Dracontium c. 9 mit Unrecht,
dass die Mönche damals noch nach Ergreifung der ascetischen Lebensweise
Kinder zeugten. Die Stelle lautet: »0\'£(jiev yap xa\ ^::iaxÖ7cou( v7)aTEi>ovia^ xai
[Loway(ohq iamo^a^ • OTSa[jL£v xal Itckjxötcou? p.^ Ttivovxa? oTvov , [iova)(^ou? 8k TrtvovTa?.
noXXo\ Se Twv emaxÖTCwv ouSI f ST^H^^**^^^ (xovay o\ ^l izaxipe^ t^xvwv ye^dvaaiv • ÄoTrep
xa\ iTziaii6izo\iq naxi^a^ xix.'^bi^^ xa\ |j.ovayou(; i^ oXbxXr[pou y^vou; 'cuY)(^avovTa?.« Aus
diesen Worten folgt ebenso wenig, dass die Mönche als solctie noch Kinder
zeugten, als dass die Bischöfe noch zur Zeit ihres Amtes ehelichen Verkehr
pflegten; es ist an dieser Stelle weder von schlechten Mönchen noch von
schlechten Bischöfen die Bede, sondern Athanasius erklärt dem sich gegen die
Annahme eines Bistums sträubenden Draeontins, dass manche Bischöfe in ihrem
Leben mehr das ascetische Ideal darstellen als Mönche und umgekehrt, und dass
der Mönchsstand ebenso wie der Bischofsstand nicht blos aus Jungfräulichen, son-
dern auch aus solchen bestehe, welche einmal verheiratet waren. MitBecht bemerkt
zu unserer Stelle Eichkorn: »Monachos matrimonio inito liberos proer easse vis
credibile. Nam quamquam non solum caelibes sed etiam mariti propter con-
tinentiam [jiova^ol appellabantur, c[uo modo, si continentiae voto obiecto liberos
procreassent, nomen (xovaycovretinuissent? Athanasius non continentiam incontinen-
tiae, sed monachos, qui liberos habuerint, episcopis opponit, qui ne matrimonium
quidem (oädl) iuierint. Itaque haec verba ad eos referenda sunt, qui primum
uxore ducta liberos procreaverunt , moz vitam asceticam amplezi sunt. Tales
monachi iis episcopis non pares esse videbantur, qui ne uxorem quidem duxerant.
Epistola ad Dracontium docet liberum et genus et gradum continentiae fuisse,
monachos sive ascetas certam disciplinae regulam non habuisse, ^ro suo quemque
ingenio ascesim sibi decrevissec (Athanasii de vita ascetica testimonia coUecta,
Halle 1886 S. 14).
24) Weingarten, Artik. »Mönchtum« (Real-Encyklopädie, 2. Aufl. S. 775).
25) Üeber'die Echtheit der Historia Arian. ad monachos vgl. Eichhorn
a. a. 0. S. 57—62.
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60 Das egypt Mönehtum im 4. Jahrh.
sein» den Sach?erhalt näher zu prfifen. Nach der Vita Ä^ntonii c. 86
erhielt Balacius, der aus Parteinahme für die Arianer die Katholiken
verfolgte, Mönche entkleiden und geissein und Jungfrauen mit Stöcken
schlagen liess, von Antonius einen Brief, worin ihm ein baldiges
Strafgericht Gottes angedroht wurde. »Balacius jedoch lachte darüber,
warf den Brief auf den Boden und spie darauf; die üeberbringer
aber behandelte er schimpflich und trug ihnen auf, dem Antonius
Folgendes zu melden: »Weil du dich um die Mönche kümmerst, so
komme ich nun auch über dich.c Aber — es vergingen nicht fünf
Tage und die Rache ereilte ihn. Balacius begab sich nämlich mit
dem Statthalter von Egypten Nestorius nach Chereu, der ersten
Station von Alexandrien hinaus; beide ritten auf Pferden, die dem
Balacius gehörten und die sanftesten von allen, die er sich hielt,
waren. Aber sie hatten noch nicht den Ort erreicht, da fingen die
Pferde, wie sie es oft thuen, mit einander zu scherzen an — und
plötzlich riss das sanftere, auf dem Nestorius ritt, den Balacius mit
einem Bisse zu Boden, fiel über ihn her und zerfleischte ihm derge-
stalt mit den Zähnen die Höfte, dass er schnell in die Stadt zu-
rückgebracht werden musste. In drei Tagen aber starb er; und alle
staunten, dass die Voraussagung des Antonius so schnell in Erfüllung
gegangen.« In der Historia Arian. ad monach. c. 14 wird im An-
schluss an den Bericht über die Verhöhnung der Briefe des Antonius
und anderer Mönche seitens des Intrusus Gregorius die Balacius-
episode folgendermassen geschildert: »'Avtcdvioü di note ypatj/avToc,
TceTcotTjxe (nämlich Gregorius) töv äoüxa BaXofxiov xaxaTcxüoai t^<:
SfcioToX^g xal TaüTijv SLizopp^i^ai. 'AXX' oü TcapeTdev i} ^sTa Ötxif] ' ^ast'
ob icoXü yäp xöv Xeyo/tsvov Soüxa eictxa^i^fievov inizm xal aicspxöfievov
SIC TTjv iipa)Tif]v fiovTjv eittaxpa^elc 6 Ttcicoc xal öaxobv stc töv fiigpov
xax&ßaXs xal xpicov ^/jiepwv iiceOavav.« Nach Weingarten soll nun
zwischen beiden Berichten über diesen Vorfall eine solche Divergenz
vorhanden sein, dass unmöglich beide Berichte von demselben Verfasser
herrühren können und zwar soll der Bericht in der Vita Antonii die
legendarische spätere Ausbildung an der Stirn tragen. Wie subjektiv
die Auffassung Weingartens hierin ist, geht schon daraus hervor, dass
ein englischer Kritiker Gwatkin (Studios of Arianism 1882 p. 99), der
durchaus kein Verfechter der Echtheit der Antoniusbiographie ist, ge-
rade dem Berichte in der Vita Antonii den Vorzug der Priorität giebt.
Jedenfalls ist der Bericht der Vita Antonii ausführlicher, der in
der Historia Arian. ad monach. gedrängter. Die Verschiedenheit der
Stilisierung erklärt sich aus der Verschiedenheit der Tendenz; die
Vita Antonii will den Unfall als etwas Wunderbares, als ein Straf •
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Das egppt Mönchtum im 4» Jährk. 61
gericht Gottes ins rechte Licht stellen; die Historia Arian. ad mon.
dagegen bringt den Bericht, nm den Fanatismus des kaiserlichen
Feldherrn Balacius, eines intimen Frenndes des Staatsbischofs Gregor,
ZQ charakterisieren. Die Benediktiner *^) geben behnfs Lösung der
Verschiedenheit in den beiden Berichterstattungen die Möglichkeit
zu, dass die Historia Arian. ad monach. , wenn auch sicherlich ein
Werk des Athanasius, doch wahrscheinlich nicht von ihm selbst
stilisiert worden sei. Indes lässt sich die Divergenz auch ohne dies
Hilfsmittel beseitigen. Zunächst fordert der Text der Historia Arian«
ad monach. nicht, dass der in Frage stehende Brief — im Gegen-
satz zum Berichte der Vita Antonii — an Gregor gerichtet war, wie
es Weingarten annimmt. Es heisst ja nur, dass Antonius wieder ein-
mal einen Brief geschrieben habe ('Avtcovioü di note ypa^pavtoc) ; ob
er wirklich an dieselbe Adresse, wie ein paar Zeilen vorher, nämlich
an Gregor gerichtet war, ist nicht gesagt ; vielmehr lässt der Text die
Interpretation zu, dass der Brief an Balacius gerichtet war, dass
sich aber Gregor durch denselben getroffen fflhlte und den Balacius
zur Versöhnung desselben reizte. Auch vollzog sich sowohl nach der
Vita Antonii als auch nach der Historia Arian. ad monach. das Straf-
gericht an Balacius durch sein eigenes Pferd ; nur geschah dies nach
dem ausführlicheren Berichte der ersteren Schrift durch jenes Pferd
des Balacius, auf dem sein Begleiter Nestorius ritt, während die
letztere Schrift diese Begleitung, weil nebensächlich, übergeht
Eine von Athanasius in seiner contra Arianes c. 67 veröffent-
lichte Urkunde setzt sogar ein organisiertes Elosterwesen in die Zeit
vor 335. Es ist dies der Brief des Priesters Pinnes aus dem Kloster
Ptemenkyrkis*^), ein Brief, der noch vor der Synode von Tyrus, also
vor 335, geschrieben sein muss. Weingarten, dem dieser Brief in
seiner Argumentation im Wege steht, wollte am liebsten denselben
als ein späteres Einschiebsel in die Apologia contr. Arian. erklären;
indes wies Eichhorn mit Recht darauf hin, dass dieser Brief nicht
ohne Störung des Zusammenhanges aus der Mitte der übrigen Ur-
kunden herausgerissen werden kann, welche Athanasius in seine
Apologia autgenommen, um das arianische Intriguenspiel gegen seine
Person ins rechte Licht zu stellen, und dass auch die im selbigen
Briefe enthaltenen Daten bezüglich der Arseniusaffaire durchaus nicht,
wie Weingarten annimmt, mit den diesbezüglichen Angaben des So-
zomenus und Theodoret in Widerspruch stehen ^^). Ebenso hinfällig
26) In Antonii vitam monitum (Migne, s. gr. 26 p. 8dl~-8d2).
27) Tb) pcfOiicrixt^ adsXcpt^ 'Ib>&w^ IKwt)^ npevßuTspoc |aov^ UxsfjiaYxJpxsco^ i^<
'AvieoÄoXtToü vojxoü /.«p^v (Apoi. c. Arian. c. 67 Migne, s. gr. t. 25 p. 868),
28) Eichhorn a. a. 0. S. 83—34,
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62 Das egypi. Mönchtv/fh im 4. Jahrh.
ist die andere Annahme Weingartens , dieser Brief könne anch für
den Fall der Echtheit durchaus nicht für die Existenz von Klöstern
vor 335 herangezogen werden, da das Wort ixovq im Zeitalter des
Athanasius nicht das Kloster, sondern die Stationen und öffentlichen
Herbergen der Strassen Egyptens (cf. hist. Arian. ad monach c. 14,
Vita Ant. c. 86) bezeichne und fast nur in der byzantinischen Zeit,
seit dem 7. Jahrhundert, gleichbedeutend mit fxovaoti^piov vorkomme.
So wahr es nun ist, dass fiovi^ auch die erstere Bedeutung haben
könne, so haben doch schon die Benedictiner *^) darauf hingewiesen,
dass »fiovi^c, welches in der Ueberschrift des Briefes steht, wegen
der im Texte befindlichen Worte »üatpvoüTt&g ^iovaxög t^c aux^g
fiovijg« notwendig in der Bedeutung von iiovaoxripiov (Kloster) ge-
nommen werden müsse. Dieser Sprachgebrauch war auch dem Kir-
chenhistoriker Sozomenus, also doch nicht einem Schriftsteller des
7. Jahrhunderts, geläufig, da er in seiner Historia eccL 2, 23, wo
er die Arseniusafiaire aus Athanasius geschöpft zu haben scheint,
das Wort fxovig mit novaozripiov wiedergiebt. Endlich ist die That-
sache, dass nämlich nach dem fraglichen Briefe die Mönche eines
Klosters im anteopolitischen Nomos der Thebais , also in unmittel-
barster Nähe des hl. Antonius, sich dazu hergegeben hätten, die
Anklage gegen Athanasius als Mörder des Arsenius den Meletianern
dadurch zu ermöglichen, dass sie den letzteren bei sich beherbergten,
dann ihn wieder heimlich fortschafften und ihn so vor jeder Ent-
deckung sicherten, durchaus nicht im Widerspruch mit der in der
Vita Antonii bezeugten Subordination des Mönchtums gegen den
Klerus; denn diese Mönche waren Meletianer '<^) , der im Briefe er-
wähnte Ort y^riX-ij^ der Wohnort des Mönches Paulus, war ja der
Sitz des arianischen Bischofs Arsenius ^^), und Johannes, der Adressat
des Briefes, war laut Apol contr. Arianes c. 71 meletianischer Bischof 3^).
Da nun sowohl die Echtheit des Briefes nicht bestritten werden kann,
als auch das Wort iiovri in demselben die Bedeutung von fxovaoxigpwv
fordert^ so ist dieser Brief ein Beweis dafür, dass schon vor 335 or-
ganisierte Klöster existierten, ja sogar schon Priester (z. B. Pinnes
icpsoßuTspog) im Kloster vorhanden waren und dass somit auch die
andere Behauptung Weingartens , Priester wären erst gegen Ende
des 4. Jahrhunderts in Klöstern vorhanden gewesen, unrecht hat^'),
29) Migne, s. gr. t. 25 col. 368 not. 3.
30) Die Existenz meletianischer Mönche zu Lebzeiten des Antonius be*
weist eine Unterredung desselben mit seinen Schülern (Vgl. Mingarelli, Codicum
copticorum reliqniae p. GLXXXIV).
31) Apol. contr. Arian. c. 69. (Migne, s. gr. 25, col. 372).
32) Migne, l c. col. 877.
33) Weingarten, Art. »Möchtumc (ßeal-Encykl. S. 773).
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Das egypt Mönehtum im 4. Jahrh, 63
wie denn auch der bald zu erwähnende Brief des Athanasias an
Dracontius aus dem Jahre 354 das Vorhandensein von Priestern in
den damaligen Klöstern voraussetzt'^).
Der im Jahre 354 an Dracontius, Vorsteher eines Klosters, ge-
schriebene und unbestritten echte Brief des Athanasius bestätigt die
Angaben der eben besprochenen Urkunde über die Chronologie des
Mönchtnms. Doch da Weingarten diesen Brief noch dazu benutzt,
um einen Widerspruch zwischen dem Inhalt desselben und den An-
gaben der Vita Antonii zu konstruieren und die Echtheit der Vita
in Frage zu stellen, so schicken wir eine Erörterung dieses Punktes
voraus. Athanasius dringt in diesem Briefe in Dracontius, das
erledigte Bistum von Klein-Hermopolis anzunehmen. Weingarten
glaubt nun aus dem Inhalt desselben herauszulesen, dass Dracontius
sich gegen die Annahme der bischöflichen Würde gesträubt habe,
aus Furcht an Heiligkeit zu verlieren und sich mit einer Würde zu
beflecken, die nur Anlass zur Sünde sei, und folgert daraus, dass sich
zur Zeit des Athanasius das Mönehtum für besser gehalten habe als
den Klerus und dass darum die in der Vita Antonii dem ersten
Mönche zugeschriebene Ehrfurcht und Unterordnung unter den Klerus
nachathanasianischer Zeit angehöre. Indes ist das von Weingarten
hervorgehobene Motiv für die Ablehnung der bischöflichen Würde
seitens des Dracontius aus dem fraglichen Briefe nirgends heraus-
zulesen; vielmehr giebt Athanasius gleich zu Anfang seines Briefes
den für Dracontius massgebenden Grund zur Flucht mit den Worten
an : /Apa yap aig Tiapaixoü^svov fisp.({/o^at ae, ^ cog töv xatp6v opÄVTa
xat xpüiCTOfisvov dia töv qjoßov täv 'louSatcov; . . . . Oo yap %%peizB
Xaßovxa os ttjv x^^ptv xp6itTeo^at oi>8k q>p6vt|uiov ovta SiÄovai TOig äX-
Xotg upoq>aosic: cpay^c« üoXXot yap dxoüoavxeg oxavSaXtCovrat • oüx
(ig aicXcoc toöto ooü icotoüvrog, dXXa oüvopÄVTog xöv xatpöv xat xag
Imxstiilvac ^XitJ^etc xg 'ExxXnjota« (c. 1) und dann weiter: »Et [ih
oüv TÖV xaipöv l(poßi^^>jc xat xaxaTCTT^^ac toöto Sicotifjoa«:, oux äväpixöv
TÖ <pp6vT;fxa (c. 3).« Und in der That standen damals den katho-
lischen Bischöfen die grössten Stürme bevor; nachdem Gonstantius
im Jahre 853 Alleinherrscher geworden war, musste Athanasius
Alexandrien verlassen, und die ihm ergebenen egyptischen Bischöfe
wurden mit Verbannung, Einziehung der Güter und Gefängnis be-
droht. In diese Zeit traf gerade die Erledigung des Bistums Klein-
Hermopolis, und in Anbetracht der schwierigen Verhältnisse ver-
langte Athanasius mehr Starkmut (^povig^xa ävdpixov) von dem furcht-
34) Epist. ad Drac. c. 10 (Migne, s. gr. 25 col. 583).
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64 Da8 sgypU Möncktum im 4, Jahrh.
Samen Elostervorsteher Dracontius, der sich gegen die Annahme des
Bistums sträubte. Wohl fürchtete dieser, durch die weltlichen Ge-
schäfte, welche das bischöfliche Amt mit sich bringt, sich in Sun-
dengefahr zu verwickeln, wie denn auch aus ähnlichen Bedenken ein
Oregor Thaumaturgus die Flucht ergriff und ein Ammonius sich ver-
stömmelte; dass er aber das Mönchlum für besser hielt als den
Klerus, davon ist in dem Briefe nicht die Bede; höchstens meinte
er, es würde ihm als Bischof nicht möglich sein, seine ascetische
Lebensweise fortzusetzen, und dieses Bedenken widerlegt Athanasius
durch die Erklärung, dass ja unter sothanen Verhältnissen ein Bischof
reichlich Gelegenheit habe, gleich dem hl. Paulus zu hungern und
zu dürsten. Dass Athanasius den Antonius, der nach der Vita die
äusserste Ehrfurcht gegen den Klerus bewiesen habe, als kräftigsten
Trumpf gegen den sich sträubenden Dracontius ausspielen musste,
ist eine rein subjektive Auffassung Weingartens, zumal da Antonius
nie in die Lage kam, ein Bistum angeboten zu erbalten. Dieser Atha-
nasianische Brief ist auch insofern von Bedeutung, als er die Existenz
vieler Mönche und Klöster um das Jahr 354 voraussetzt Athanasius
hält nämlich dem Drakontius im Verlauf des Briefes (c. 7) Folgendes
vor: »Du bist ja doch nicht der einzige Mönch, der Bischof geworden
ist. Du bist ja doch nicht der einzige Vorsteher eines Klosters ; auch
Serapion, den du kennst, war Mönch und Klostervorsteher von sol-
chen Mönchen. Desgleichen war Apollos Vater und Leiter von Mön-
chen.« Er erinnert weiter den Dracontius an Agathen, Ariston,
Ammonius; in der oberen Thebais an Muitos und Paulus, welche
doch Bischöfe geworden sind. Gemäss diesen Daten und Thatsachen
muss also die Entwicklung und Entfaltung des Mönchtums in die
ersten Decennien des vierten Jahrhunderts zurückdatiert werden.
Wir haben bis dahin die Schriften des hl. Athanasius heran-
gezogen, welche Weingarten in seiner Polemik gegen das Alter des
Mönchtums verwertet hatte. Fassen wir nun die übrigen Athana-
sianischen Schriften sowie andere zeitgenössische Zeugnisse ins Auge,
so ergiebt sich das gleiche für Weingartens Hypothese ungünstige
Besultat. Athanasius erscheint seit dem Beginn seines Episkopats
in inniger Verbindung mit Mönchen. Hieronymus berichtet nämlich
in seinem um das Jahr 412 verfassten Briefe ad Principiam ^<^), dass
die römische Patrizierin Marcella von Athanasius in der Zeit seines
römischen Exils (im Jahre 341) über das Leben des Antonius, die
85) (Ifarcella) ab Alexandrinis sacerdotibns papaqne Athanasio et postea
Petro, qni persecationem Arianae haeresos declinantes Komara confugerant, yi-
tam beati Anionii adhuc tanc yiveniis monasteriorumque in Thebaide, Paehomii
ac yirginnm ac viduaram didicit dii^ciplinam (ep. 127 (Vallarsi).
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Das egypU Mönchtum im 4, Jdhrh. 65
thebaischen Klöster und über die Pachomianischen Elosterstiftungen
unterrichtet worden sei. Dieser Bericht des Hieronymus ist nicht,
wie Weingarten ^<') glaubt, ungeschichtlich, sondern vielmehr im
Einklang mit anderen glaubwürdigen Qaellen. Nach dem Indei der
Festbriefe ^^) unternahm Athaiiasius im Jahre 830 eine Rundreise iu
der Thebais, und die Vita Pachomii (Vgl. die arab. Vita Fach,
herausgegeb. von Am^lineau, Annales Quimet XVII, Paris 1889,
p. 384 — 385) erzählt in üebereinstimmung hiermit, dass Athanasius
auf dieser Reise von Pachomias und seinen Mönchen begrüsst und
vom Bischof Serapion von Tentera auf die Pachomianischen Eloster-
stiftungen aufmerksam gemacht wurde. Nach demselben Indei der
Festbriefe >») weilte Antonios kurze Zeit vor dem 27. Juli des Jahres
837 besuchsweise in Aleiandria, mithin konnte Athanasius, der am
23. November desselben Jahres ans Trier nach seinem Patriarchal-
sitz zurückkehrte, zum mindesten damals die erste Kunde von dem
einsiedlerischen Leben des Antonius erhalten haben. Es ist also durch-
aus probabel, dass Athanasius schon vor seinem römischen Exil (341)
mit dem Mönchtum seines Metropolitansprengeis im Gonnei gestan-
den habe, und die mannigfachen Belästigungen, welche die egypti-
sehen Mönche bald darauf wegen ihrer Anhänglichkeit an Athanasius
und das nicänische Glaubensbekenntnis erfuhren, setzen die obige
Thatsache voraus. Die Historia Arian. ad monach. c. 12 erzählt
nämlich von der Verwüstung der Kirchen durch den arianischen
Staatsbischof Gregor, sowie von der Geisselnng vieler Bischöfe und
Mönche (fiovaCovxec) im alexandrinischen Metropolitansprengel durch
den kaiserlichen Feldherrn Balacius (im Jahre 342). Wie dieser
Staatsbischof warnernde Briefe des Antonius und anderer Mönche
verächtlich behandelte, ist schon oben (S. 59 ff.) erzählt worden.
Als sodann Athanasius nach sechsjähriger Verbannung im Jahre 346
die Leitung der alexandrinischen Kirche wieder übernahm, zeigte
sich ein solcher ascetischer Wetteifer in der alexandrinischen Ge-
meinde, dass viele junge Leute, durch das Beispiel anderer ange-
regt, zum einsamen Leben (fiGvigpiQ ßtov) sich entschlossen^^). Doch
nicht lange konnte Athanasius in Ruhe auf seinem Bischofssitz ver-
86) Ursprung des Mönchtums (Zeitschr. f. Eirchengesch. I S. 16—17).
87) Laraow, Die Festbriefe des hl. Athanasius aus dem Syrischen über-
setit, Leipzig 1852, S. 27.
38) Laraow a. a. 0. S. 29—30. Dieser Notiz zufolge muss Antonius ausser
den beiden ersten Reisen — der einen in der Christenverfolgung Maximins (311)
und der anderen zur Bekämfung des Arianismus nach 825 — noch eine dritte
nach Aiexandria unternommen haben, wenn nicht angenommen wird, dass der
YerfEisser an dieser Stelle den zweiten Aufenthalt des Antonius in Alexandria
im Anee gehabt, aber in Betreff des Datums desselben sich geirrt hat.
ö9) Histi Arian. ad monach. c. 25.
SohiwietSy MÖnohtum. 5
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66 Das egypt Mönchtttm im 4, JahrK
bleiben, da Gonstantius, der 350 Alleinherrscher wurde, seine Ge-
sinnung gegen ihn änderte.
Im Jahre 856 stürmte während eines nächtlichen Gottes-
dienstes der kaiserliche Dui Syrianus in die Kirche, in welcher
Athanasins von seiner Gemeinde umgeben war; der Patriarch, auf
dessen Verhaftung es bei diesem Gewaltakt abgesehen war, wurde
von Mönchen und Klerikern in die Mitte genommen und fort-
gebracht^^). Während der Usurpator Georgius in Aleiandria ein-
geführt wurde und viele Bischöfe, die früher Asceten und Mönche
gewesen und noch von dem Patriarchen Alexander konsekrirt
worden waren , in die Verbannung geschickt wurden ^^) , begab
sich Athanasins in die Wüste ^*) und weilte dort bis zum Jahre
362 bei den Mönchen. Die kaiserlichen Beamten konnten jedoch
daselbst den Aufenthaltsort des Patriarchen von Alexandria nicht
ausfindig machen und rächten sich auf allerlei Weise für die Er-
folglosigkeit ihrer Becherchen. So durchsuchte der Dux Artemius
im Auftrage des Kaisers egyptische Klöster und misshandelte die
Mönche^). In einem an Lncifer von Gagliari gerichteten Briefe vom
Jahre 360 erzählt darüber Athanasins: »In tantum enim rabiem
suam per milites (Ariani) extendere ausi sunt, ut non solnm civi-
tatis clericos effugarent , sed etiam ad eremitas exirent et funestas
suas manus adversus fiovaCovxac immitterent« ; um denen , die ihn
aufgenommen, Ungelegenheiten zu ersparen, habe er sich darum
noch tiefer in die Wüste geflüchtet**). In gleicher Weise erzählt
die Historia Arian. ad monach. c. 72, dass damals die Arianer
Klöster zerstörten und Mönche verbrannten*^). Als endlich im
Jahre 362 der Kaiser Julian den katholischen Bischöfen die Er-
laubnis zur Bückkehr auf ihre Bischofssitze gab, machte auch
Athanasins davon Gebrauch und berief noch im selben Jahre eine
Synode nach Alexandria, auf welcher nicht nur die Beschlüsse des
Nicaennm rehabilitiert, sondern auch durch eine sich daran schlies-
sende Gonferenz der egyptischen Bischöfe verschiedene Disciplinar-
vorschriften erlassen wurden; diese letzteren sind erst neuerdings
durch Bevillout *<') nach koptischen Manuskripten veröffentlicht wor-
40) Apol. de faga sna c 24 (Migne 25 col. 678—^76).
41) Apol. ad Consiantiam c. 28 (Migne 1. c. col. 682).
42) Ibid. c. 27. 82, 34.
43) Vgl. die arabische Vita Pachomii (Amälineau, Aanales da Mus^e
Guimet, Tome XVII, Paris 1889, p. 679—682); Laraou) a. a. 0. S. 87.
44) Ep. IL ad Lucifemm (Migne 26 col. 1183).
45) Kot Y^P '^ piovavivjpia xa-c^oxpe^av xa\ e{( tcuo IfißaX^v (iovax,ob^ ^nefpaaocv.
46) Journal Asiatique VlI (1875), 5, 6. (3f. Eapport sur une mission en
Italic par Eugene Bevillout (Archives des missions scieutifiques et litt^raires,
Paris 1877, p. 447 et suiv.).
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Das egypL Mönchtum im 4. Jahrh. 67
den nnd decken sich im grossen und ganzen mit dem Syntagma
doctrinae, einer Schrift, welche bis dahin von manchen mit Unrecht
unter die opera spuria s. Athanasii gezählt wurde ^7). Diese Disciplinar-
Vorschriften sind von grosser Wichtigkeit für das egyptische Mönch-
tum , weshalb wir noch später auf dieselben zurückkommen werden ;
hier erwähnen wir sie blos deshalb, weil sie für die Echtheit der Vita
Antonii in die Wagschale fallen, indem sie das Mönchtum gerade
in solchem Zustande voraussetzen, wie es uns eben in der obigen
Vita geschildert wird.
Es erscheint somit das egyptische Mönchtum in den ersten De-
cennien des 4. Jahrhunderts als eine nicht unbedeutende Macht. Die
gleiche Voraussetzung hat auch das im Jahre 365 vom arianischen
Kaiser Valens erlassene Gesetz : »Quidam ignaviae sectatores desertis
civitatum muneribus captant solitudines ac secreta, et specie reli-
gionis cum coetibus monazonton congregantur. Hos igitur atque
huiusmodi, intra Aegyptum deprehensos, per comitem Orientis erui
e latebris consulta praeceptione mandavimusc (Cod. Theodos. XII,
1, 63). Dieses mönchsfeindliche Qesetz sollte die besonders in
Egypten immer mehr wachsende Bewegung zum einsiedlerischen
und mönchischen Leben eindämmen. Merkwürdigerweise glaubt
Weingarten^®) aus diesem Texte herauslesen zu können, dass die
Zahl der Mönche damals noch verhältnismässig gering war; dem
widerspricht aber schon die andere Thatsache, dass nämlich der
Kaiser im Jahre 375 aus der nitrischen Wüste 5000 Mönche zu
Soldaten ausheben Hess, wobei diejenigen, die sich dem Kriegsleben
entzogen, mit Knütteln totgeschlagen wurden (Hieron. chron. ad
ann. XII Valentis).
Aus alledem geht hervor, dass die von Weingarten in seiner
Schrift »Der Ursprung des Mönchtums im nachkonstantinischen Zeit-
alterc vorgebrachten Beweismomente die Probe nicht bestehen ; bei
genauerer Prüfung derselben und unter Berücksichtigung anderer
einwandfreier Zeugnisse erscheint vielmehr seine Behauptung, als ob
um 340 es noch keine Eremiten gegeben habe ^^) und als ob erst in
den letzten Decennien des 4. Jahrhunderts organisierte Gönobien und
Monasterien hervorgetreten seien ^<^), als durchaus nicht stichhaltig.
In den folgenden Erörterungen soll nun ausführlicher dargestellt
werden, wie sich das egyptische Einsiedlertum schon vor der Mitte
des 4. Jahrhunderts zu Mönchskolonieen und Klöstern entwickelte.
47) In syntagma doctrinae admonitio (Migne, t. 28 ool. 831 seq.). VgL
auch Eichhorn a. a. 0. S« 15 ff.
48) Ursprung des Mönchtnms (Zeitschrift f. Eirchengesch. I S. 558).
49) Weingarten a. a. 0. S. 554.
50) Ebendas. S. 556. 5*
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68 Da8 egypt. MOnchtum im 4. Jahrh.
§, 3. Der M. Antonius als Begründer und Beförderer der Mönchs--
kolonieen in der thebaischen Wüste.
Antonius, im Jahre 251 ^) zu Koma bei Gross-Heraklea *) in
Mittelegypten geboren, stammte von begüterten christlichen Eltern ab.
Beim Tode derselben ungefähr 18 — 20 Jahre alt, übernahm er die Sorge
für sein Haus und seine Schwester ; indes schon 6 Monate darauf regte
sich in ihm der Wunsch nach ascetischer Lebensweise; bei einem
Kirchgang drängten sich ihm diese Gedanken noch mehr als je auf; er
überdachte bei sich selbst, wie die Apostel alles verlassen, wie auch
die ersten Christen in Jerusalem den Erlös ihrer Habe zur Ver-
teilung unter die Armen hingegeben hätten und welche Hoffnung
ihnen dafür hinterlegt sei, und hörte in der Kirche bei der Lesung
des Evangeliums die Worte des Herrn: »Willst du vollkommen sein,
so gehe hin, verkaufe alle deine Habe und gieb sie den Armen; und
dann komm, folge mir nach, und du wirst einen Schatz im Himmel
haben. € Im Glauben, dass sich diese Worte auch auf ihn bezögen,
schenkte (lx<zpioaxo) er 300 Morgen (Spoupai) guten Landes seinen
Landsleuten; das bewegliche Eigentum verkaufte er und gab den
Erlös den Armen ; seine Schwester aber übergab er einem Jungfrauen-
heim •) zur Erziehung *).
1) Von Athanasius erfahren wir, dass Antonias ein Alter von 105 Jahren
erreicht hat (Vita Ant. c. 89, 91). Das Jahr 356 als Todesjahr und infolge-
dessen das Jahr 251 als Geburtsjahr des Antonius ergiebt sich aus der von
Hieron^us in seinem Chronicon zur 284. Olympiade gemachten Bemerkung:
»Antonias monachus CV aetatis anno in eremo moiitur solitus multis ad se
venientibus de Paulo quodam Thebaeo mirae beatitudinis yiro referre, cuius
exitum brevi libello explicuimus.« Dass diese Datierung nicht, wie Weingarten
(a. a. 0. S. 9) glaubt, auf einem unerschrockenen Hineingreifen des Hierbnymus
in die geduldige Welt der Zahlen beruht, dafür giebt es zwei historische An-
haltspunkte. Erstlich zeugt der griechische Brief des Bischofs Ammon an den
Patriarchen Theophilus (ep. Ammonis c. 20 sq. Act. S. S. Maii tora. III. Ap-
pendix p. 60 * ; über die Authentie dieses Briefes vgl. P. Ladeuze, £tude sur le
c^nobitisme Pakhomien etc., Paris (Fontemoing 1898) p. 108 s.), der von einer
Correspondenz des Theodorus, des Nachfolgers des Pachomius, mit Antonius
redet, dafür, dass Antonius in den Jahren 859 — 854 noch gelebt hat (Vgl. Grütz-
macher, Pachomius und das älteste Elosterleben 1896 S. 83 und 51 und dazu
Theol. Litteraturztg. 1896 S. 244). Dazu kommt, dass Athanasius im 82. Kapitel
der Vita Antonii von den Greueln der arianischen Verfolgung wie von der Gegen-
wart redet und hierbei seinen Aufenthalt bei den Mönchen in der Wüste an-
deutet. Nach den Benediktinern soll sich diese Verfolgung auf das Jahr 339
beziehen; indes war ja damals Athanasius gleich zu Beginn der Verfolgung
nach Rom geflohen; eher passt die Erzählung auf die Jahre 356 und 357, wo
sich Athanasius in der Wüste bei den Mönchen verborgen hielt, so dass die
Worte »4 vuv Efo$o^ T(5v 'Apsiavcovc, »oe vuv ot 'Apeiavol np£rcou9tvc in Verbindung
mit »TÖTE K&rcgi ^piiic i7c^^u)jjL€vc sich sehr gut erklären lassen (Vgl. Eichhorn
a. a. 0. S. 53—56). Da nun Athanasius die Vita nach dem Tode des hl. Antonius
schrieb, so muss der letztere in den Jahren 856 und 357 schon gestorben sein.
2) Sozom. h. e. 1, 13.
3) Dass »}cap&evu>vc nicht mit »Verein frommer Jungfrauen c (So Nean-
der, Eirchengesch. 8. Bd. S. 450), sondern mit Jungfrauenheim zu übersetzen
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Das egypt. Mönchtum im 4. Jahrh. 69
Er für seine Person widmete sich fortan aasserhalb des elterlichen
Hanses der Äscese. »Damals gab es nämlich in Egypten noch nicht
dicht an einander liegende Mönchs wohnangen (auve^^ fAovaoxi^pia)^);
aach kannte überhaupt kein Mönch die tiefe Wüste, sondern jeder
von denen, welche sich selber leben wollten, übte die Äscese nnr
eine geringe Strecke von seinem Heimatsort für sich allein, c Ange-
lockt darch den Baf eines greisen Äsceten (Ix ve^xn^Tot: t6v fxovigpiQ
ßtov ioxigoac) im Nachbarorte nahm nun Antonius seinen Aufenthalts-
ort in dessen Nähe vor dieser Ortschaft. Sein Tagewerk bestand in
anhaltendem Gebet und in der Handarbeit, deren Erlös er teils für
sein tägliches Brot, teils für die Armen verwendete; dabei gab er
in der Kirche auf die Lesung (iva^vcuoei) der hl. Schriften so acht,
dass ihm in der Folge das Gedächtnis statt der Bücher diente <^).
Auch besuchte er von Zeit zu Zeit hervorragende Asceten und suchte
die den einzelnen charakteristischen Tugenden und ascetischen Ueb-
nngen, sowie den ihnen allen gemeinsamen frommen Glauben an
Christus und ihre Nächstenliebe in seinem Leben darzustellen. Darum
liebten ihn nicht nur die Leute des Dorfes, sondern auch die Asceten
selbst wie einen Bruder und nannten ihn Gottesfreund (^eo^iXi^c) ^).
um der fleischlichen und teuflischen Versuchungen Herr zu werden,
führte er eine ganz strenge Lebensweise; manche Nacht brachte er
ohne Schlaf zu ; er ass nur einmal des Tages nach Sonnenuntergang,
manchmal erst nach zwei, oft sogar erst nach vier Tagen. Dabei
bestand seine Speise nur in Brot und Wasser; Fleisch und Wein ver-
schmähte er, wie die anderen Asceten. Als Lager diente ihm eine
Binsenmatte, meist aber der blosse Boden. Auch das Salben des
Körpers mit Oel hielt er für überflüssig »).
Voll Sehnsucht nach einer grösseren Einsamkeit zog er sich in
eine weit vom Dorfe abgelegene Grabhöhle (jiv^fAa) zurück, und be-
freundete Asceten brachten ihm dahin von Zeit zu Zeit Brotrationen ^).
Nachdem er daselbst viele Kämpfe mit dem bösen Geiste bestanden
hatte, fasste er den Entschluss mit der bisher üblichen Lebensweise
der Asceten zu brechen, begab sich — er war damals nahe an 35
Jahre alt — zu jenem greisen Asceten, seinem ersten Lehrer in der
ist, ergiebt sich aus den Worten : »T^v hl aSeXf V ?cap«^K>evo( YV(op{fioi( xa\ 7naxai(
icocp^voi; 8oii; XE aö'djv e^; icapftevcova avaTp^oEv^oei x . x . X.« (Vita Ant. C. 3).
4) Vita Ant. c. 1-3.
5) Evagriua, der eine zwar nicht immer wortliche, aber doch sinnge-
treue Uebersetzunff der Vita Antonii schon vor dem Jahre 874 (Vgl. Eichhorn
a. a. 0. S. 38. 40) angifertigt hat, übersetzt xtuve^tj {lovaanlpiac mit »crebra
monasteria« (Migne, s. gr. t. 26 col. 843 — 844).<
6) Vita Ant. c a
7) Ibid. c. 4. — 8) Ibid. c. 5—7. — 9) Ibid. c. 8.
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70 Da8 egypt, Mönchtum im 4. Jahrh,
Ascese, und bat ihn mit ihm tiefer in die Wüste zu ziehen. Da
aber dieser es ablehnte, teils wegen seines hohen Alters und teils
weil eine solche Lebensweise noch nirgendwo üblich war, so eilte
Antonius allein in die Bergwüste am rechten Nilufer und nahm seine
Wohnung in einer alten zerfallenen Burg (icapefißoX'Jjv Spijfiov) ^^).
Dort lebte er Oott allein, ohne dass er selbst herausging oder einen
von denen, die ihn alle halben Jahre mit Brot versorgten, zu Qe-
sichte bekam. Allein nach zwanzigjähriger Verborgenheit ^^) zwangen
ihn seine Bekannten, die ihn wieder einmal besuchten, aus dem ver*
borgenen Heiligtum herauszutreten und sich den Mitmenschen nütz-
lich zu machen. Die einsame Burg wurde nun der Zielpunkt zahU
reicher Pilger aus dem Stande der Asceten und Weltleute der Um-
gegend; unglückliche. Betrübte, Kranke kamen zu ihm und er*
langten Trost und Heilung von ihren Qebrechen. Da auch viele
durch seine gottbegeisterten Reden zum einsiedlerischen Leben sich
entschlossen, wurde die Wüste mit Mönchen bevölkert (^ ^piQ{ioc
iicoXio&7) (yizb fxovaxcov) ; es entstanden eine Menge von Mönchswohn-
ungen im Qebirge, und allen diesen stand Antonius als Vater vor
(icXelaxa Y^jove fiovacTi^pia xai icavTtov a&Tc&v (&<; uaxijp xa^tj^eTTo) i*).
Ueber den Zustand dieser Mönchskolonie und die Beschäftigung^
ihrer Bewohner sagt die Vita Antonii c. 44: »Es waren in jenem
Qebirge die Mönchswohnungen gleichsam wie Qezelte voll himm-»
lischer Chöre, die Oott lobsangen, heiliger Lesung oblagen, fasteten,
beteten, sich der Hoffnung zukünftiger Güter erfreuten, arbeiteten,
um Almosen geben zu können, und Liebe und Eintracht unter sich
pflegten.c Als aber die Verfolgung Maximins (gest. 313) über die
Kirche hereinbrach, unternahm Antonius aus Verlangen nach der
Martyrerkrone eine Reise nach Alexandria; da er jedoch sich selbst
nicht ausliefern wollte, so ermutigte er die Bekenner vor dem Ge-
richtshofe, diente ihnen in den Gefängnissen und Metallgruben und
erleichterte ihnen die schweren Frondienste **).
10) Ibid. c. 11—13.
11) Zöckler (a. a. 0. S. 187) meint, es Hesse sich nicht ein bestimmter
Zeitpunkt für den Uebergang des Antonius Tom Wirken eines blossen Einsiedlers
zu dem eines Einsiedlervaters angeben, da es ungewiss sei, ob die Zeitangabe
»nach zwanzig Jahren einsamen Lebens (c. 14) c von seiner ersten Zuwendung zum
Einsiedlerleben oder blos Ton seinem Aufenthalt in der alten Burg ab zu
rechnen sei; indes bei genauerer Erwägung des griechischen Textes: »Eixoat xofvuv
E^YTfy? ETI] Ste-rAeaev, oötw xa^'lauibv aoxoüfxevo?, oute TCpoYcov oute ratpa Ttvwv ouvex^?
e?cö(ievoc« ergiebt sich , dass Athanasius hiermit einen zwanzigjährigen (ver-
rgenen) Aufenthalt des Antonius in der alten Burg bezeichnen will. Da nun
Antonius als Fünfunddreissigjähriger diese Stätte bezog, so ist Antonius als
Fünfundfünfzigjähriger, also um das Jahr 806, Vater der Einsiedler geworden.
12) Vita Ant. c. 14—15.
13) Ibid. c. 46.
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Das egypt Mönchtum im 4. Jährh. 71
Nachdem die Verfolgung aufgebort ^^) , zog er sich wieder in
seine Mönchs wohnung (fiovaoTi^pioy) zurück und legte sich »als Mär-
tyrer vor dem Ricbterstuhle seines Innemc noch strengere ascetische
üebungen auf; er fastete fortwährend, trug ein härenes Eleid auf
seinem Leibe und darüber ein Qewand von Schaffell und gestattete
sich niemals die Annehmlichkeit eines Bades ^^).
Da er aber sah, dass er von vielen belästigt wurde und zu-
gleich die Besorgnis hegte, er könnte wegen des Charisma der
Erankenheilungen und der Unterscheidung der Geister für mehr ge-
halten werden, als er eben sei, so wollte er sich in die obere Thebais
zurückziehen. Während er nun am Nilufer auf eine Barke wartete,
mit der er mithinaufsegeln könnte, hörte er eine Stimme von oben:
»Du magst in die Thebais hinaufziehen oder dich in den Moorgrün-
den Unteregyptens verbergen, so hast du mehr, ja die doppelte Be-
schwerde auszustehen. Willst du aber in Einsamkeit leben (IpiQfxeTv),
so zieh dich in das Innere der benachbarten Wüste (sie ttjv Ivdoxipav
(and. Lesart lacuTipav) Ipn^fiov) zurück. Sarazenen, die eben im Be-
griff sind in diese Wüste zu ziehen, werden dir den Weg zeigen. €
Er gehorchte und gelangte nach einer Reise von 3 Tagen und 8
Nächten an einen gewaltig hohen Berg; am Fusse desselben ent-
sprang eine klare Quelle, und rings um den Berg l)reitete sich eine
Ebene aus mit etlichen wilden Palmbäumen ^«). Antonius bewohnte
nun eine Zelle in diesem Berge, ohne irgendwen bei sich zu haben.
Anfangs versorgten* ihn seine Mönche von Zeit zu Zeit mit Brot;
um ihnen aber nicht lästig zu fallen, ersuchte er sie, ihm eine Haue,
eine Axt und ein wenig Eorn zu bringen. Einen kleinen tauglichen
14) Im Jahre 311 d. i. nach dem Martyrertode des Patriarchen Petrus
von Alexaodrien (cf. c. 47).
15) c. 47.
16) c. 49. Während wir aas der Vita nur so viel erfahren, dass Antonius
auf der rechten Nilseite im inneren Gebirge Mittelegyptens (der Heptanomis)
seine Einsiedelei bezog und von dort seine Mönche, die im äusseren Gebirge
nicht weit vom Nil (ygl. c. 54, 61, 63, 89) wohnten, leitete, finden wir bei
Palladius (Hist. Lausiaca c. 25) nähere Angaben darüber. Darnach wurde zu
seiner Zeit der Berg, in dem einst Antonius seine Einsiedlerzelle hatte, mons
Antonii genannt ; er lag zwischen Babylon, einem festen Kastell Unteregyptens»
und der in Mittelegypten gelegenen Stadt Heraklea (magna) nach dem roten
Meere zu und war Tom Nil selbst 30 Milliarien (xpiaxovxa otiuieicüv) entfernt.
Der Ort aber, wo die AntonianiFche Mönchskolonie — von Palladius (jiova<rnlpiov
bezeichnet — nicht weit vom Nil sich befand, hiess Pispir. (üeber die Glaub-
würdigkeit der Historia Lausiaca als Quelle für die Urgeschichte des Monch-
tums vgl. Krwin Hreuarhen^ Palladius und Rufinua, ein Beitrag zur Quel-
lenkunde des ältesten Mönchtums, Giessen (Kicker) 1897, bes. S. 211 £F.). —
In Uebereinstimmune damit berichtet Hieronymus (Vita Hilarionis c. 30), dass
man von der südlich von Babylon gelegenen Stadt Aphroditen (in Unter-
eeypten) den Antoniusberg nach einer dreitägigen Eeise durch eine schauerliche
Wildnis erreichen konnte.
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72 Das egypL Mönchtum im 4, Jahrh,
Grund in der Nähe des Berges richtete er in einen Oarten ein and
baute Qetreide an, später auch etwas Gemüse, um den besuchenden
Mönchen ein wenig Labung nach den Strapazen der Reise gewähren
zu können; denn trotz der schauerlichen Wildnis, in der Antonius
lebte, hielten seine Mönche den Contakt mit ihrem geliebten Vater
aufrecht 17). Auch pflegte Antonius, wie die Vita des öfteren be-
richtet, seine Mönche, die im äusseren Gebirge wohnten, trotz seines
hohen Alters und der Beschwerden der Beise zu besuchen und freute
sich über ihren geistlichen Fortschritt i®). Dort erwarteten ihn auch
viele Weltleute, auch Standespersonen, und keinen entliess er ohne
Trost 1^) ; manchmal drangen die Besucher bis in das innere Gebirge
ein, um ihn sprechen zu können *<'). So gross war sein Ruf, dass
selbst griechische Philosophen aus Neugierde bei ihm erschienen;
er unterhielt sich mit ihnen mit Hilfe eines Dolmetschers, da er nur
der koptischen Landessprache mächtig war; und obwohl er keine
Schulbildung genossen hatte, so war er doch schlagfertig in der Rede
und widerlegte geistreich ihre Einwürfe gegen den christlichen Glau-*
ben^i). Auch der Kaiser Constantin und seine Söhne erfuhren von
dem wunderbaren Wirken des Antonius, ehrten ihn durch einen Brief
und baten sich ein Bückschreiben ans^*). Als die Arianer das Ge-
17) Vita Ant. c. 50. — Nach Hieronymus (Yita Hilarionis c. 81) hatte
diese Zelle am Fass des Berges nicht mehr Quadratmass, als dass ein Mensch
zum Schlafen sich aasstrecken konnte. Ausserdem waren auf der Höbe des
Berges zwei ebenso kleine nnd schwer zu ersteigende Zellen, in welche sich
Antonius zurückzuziehen pflegte, wenn er den vielen Besuchen der Fremden
ausweichen wollte. Sie waren im natürlichen Felsen ansgehanen und hatten
yerborgene Eingänge.
18) c. 54, 61, 63, 89. — Vgl. auch Pallad. Bist. Lausiac. c. 25.
19) c. 56, 57, 61, 64. — Nach Hieronymus (Vita Hilarionis c. 30) pflegte
der Diakon Baisanes aus Aphroditen Dromedare wegen des in der Wüste herr-
schenden Wassermangels den Besuchern des hl. Antonius zu vermieten und
letztere zu ihm zu begleiten.
20) c. 55.
21) c. 72—80. Dass Antonius des Griechischen nicht mächtig war, er-
fiebt sich daraus, dass er sich bei seiner Unterredung mit den griechischen
hilosophen eines Dolmetschers hediente (c. 72; vgl. auch Hist. Laus. c. 26;
in der Vita Hilarionis wird von Hieronymus der Mönch Isaak als ehemaliger
Dolmetscher des hl. Antonius genannt). Antonius konnte aber auch in seiner
koptischen Muttersprache weder lesen noch schreiben ; wird doch von Athana-
sins berichtet, dass Antonius wunderbarerweise geistig gewandt war, obgleich
er keine Schulbildung genossen hatte (xol xo daupÄatov, öti, -^piL^k^Laxa \l^ (lÄdwv,
ay^ivou^ ^v xa\ ouve^o« av^coTco; (c. 72). Dazu kommt, dass nirgends in der Vita
erwähnt wird, dass er die hl. Schriften selbst gelesen habe; vielmehr wird
eigens hervorgehoben, dass er auf die Vorlesung der hl. Schrift ganz besonders
acht gab und dass ihm in der Folge das Gedächtnis statt der Bücher diente
(vgl. c. 3). Die gegenteilige Ansicht Con(zen.t (Die Begel des hl. Antonius,
Gyranasialprogr. von Metten 1896 S. 4) unter Berufung auf Boll. Jan. 2, 119,
Tillemont Memoires etc. 7, 1179, Rohrbucher, Gesch. der kath. K., Münster
1873, 6, 114 ist daher wohl nicht haltbar.
22) c. 81. Wie dieser Brief, den Antonius sich vorlesen Hess {{in^^insxo
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Das egypU Mönehtum im 4» Jahrh, 73
rücht ausstreuten, als sei Antonius gleicher Meinung mit ihnen, reiste
er auf Ersuchen der Bischöfe und der Mönche nach Alexandria, legte
ö£Fentlich Zeugnis von seinem Glauben an die Gottheit Christi ab und
kehrte wieder in seine Einsiedelei zurück ^'). Als das Greisenalter sich
bei ihm bemerkbar machte, ersuchten ihn seine Mönche, ihm monat-
lich Oliven, Hülsenfrüchte und Oel bringen zu dürfen^); in den
letzten fünfzehn Jahren seines Lebens wohnten auch zwei Mönche an
seiner Seite, um ihn in seinem hohen Alter pflegen zu können'^).
In Voraussicht seines nahen Todes besuchte er noch einmal in Be-
gleitung derselben die Mönche im äusseren Gebirge und bat sie,
sich rein von Irrlehren zu halten und vor allem den frommen Glau-
ben an unseren Herrn Jesus Christus zu bewahren, kehrte dann in
seine Einsiedelei zurück und starb wenige Monate darauf, 105 Jahre
alt. Vor seinem Tode trug er den beiden Mönchen, die bei ihm
waren, auf, seine Kleider in der Weise zu verteilen, dass Athanasius
das eine Gewand von Schaffell und den Mantel, der Bischof Serapion
das andere Gewand von Schaffell erhalten sollte, während sie selbst
sich sein härenes Kleid behalten durften ; aufs nachdrücklichste aber
gebot er ihnen seinen Leichnam im Gebirge zu begraben und diese
Stätte geheim zu halten, weil seine Landsleute die Leiber der ver-
storbenen Frommen in ihren Privathäusern als Reliquien aufzube-
wahren pflegten*«).
Zur Vervollständigung des Lebensbildes dieses Eremitenvaters
ayaYiYvu>axe<7äai) griechisch geschrieben war, so bediente er sich natürlich auch
eines Mönches bei der Abfassang des Rückschreibens. — Hieronymua (De viris
iliastr. c. 88) berichtet, dass Antonius aach an verschiedene egyptische Klöster
in koptischer Sprache sieben Briefe geschrieben habe, welche in griechischer
Version zu seiner Zeit vorhanden waren. Ob nun die 7 dem Hieronymns vor-
liegenden Briefe identisch sind mit den von Valerins Sarasins (im 16. Jahrh.)
in lateinischer Version herausgegebenen 7 Briefen, steht nicht fest. Ein Separat-
abdruck dieser 7 lat. Briefe nebst dem Versuch des Echtheitsnachweises findet
sich in dem Schriftchen Erdingera >Septem Epistolae quae sub nomine s. An-
tonii Abb. circumfernntur, praemissa bio£n:ai)hia divi Eremitae et brevi de ge-
nuitate harum epistolarum dissertatione, Oenip. 1871.« Der maronitische Mönch
Abraham EcchellensU gab im Jahre 1641 ausser den 7 schon bekannten
noch 13 andere Briefe des hl. Antonius in einer arabischen Version heraus
(abgedruckt bei Migne, s. gr. 40, 999—1066) ; ihre Echtheit lässt sich aber
ebenso wenig strikt nachweisen. Näheres hierüber siehe bei Contzen (0. S. B.)
a. a. 0. S. 39 ff.
23) c. 67—68. Athanasius erscheint unter dem Geleit des aus Alexandria
scheidenden Antonius und zwar als Autoritatsperson unter den Katholiken dieser
Stadt, worauf das »Wir« im 71. Kapitel hinweist.
24) c. 51.
25) c. 91. Nach Hieronymua (Vita s. Pauli c. 1) und Palladiua (Hist.
Laus. c. 25) hiessen die beiden Mönche Makarius und Amathas.
26) c. 89—92. — Nach Hieronymua (Vita Hilarionis c. 26) wollte näm-
lich Pergamiu^ , ein reicher Christ jener Gegend und grosser Verehrer des
bL Antonius, dessen Leib nach seiner Villa bringen und eine Kapelle über
seinem Grabe bauen lassen und ha^te diese Gedanken schon zu Lebzeiten des
hl Antonius verraten.
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74 Das egypt, MOnchtum im 4, Jahrh*
wird es wohl nötig sein, aaf die mystischen Erscheinungen einzu-
gehen, welche in der Vita Antonii und in anderen Quellen der
Mönchsgeschichte eine nicht unbedeutende Bolle spielen. Zun&chst
benützt Weingarten (Ursprung des Mönchtums in der Zeitschr. für
Eircheng. I. S. 20) die in der Vita geschilderten Kämpfe des An-
tonius mit den bösen Geistern als Beweis gegen die Echtheit der
Vita, indem er behauptet, diese Dämonologie fönde in den echten
Schriften des Athanasius keine Analogie. Indes hat Eichhorn (a. a,
0. S. 41—45) den Nachweis geführt, dass die in der Vita Antonii
ausgesprochenen Anschauungen über das Beich und Treiben des
bösen Geistes auch in den übrigen Schriften des Athanasius sich
fänden, wenn auch die letzteren wegen ihres dogmatisch- polemischen
Inhalts zu solchen Exkursen weniger Anlass böten. Man vergesse
nicht, dass auch in den Evangelien (z. B. Matth. 8, 28 ff., Luc. 8»
26 ff., Marc. 5, 1 ff, Matth. 12, 22—45, Luc. 11, 14—26) das Beich
des Bösen nicht als blosser Schein und Schaum, sondern als Bealität
erscheint; das ruhe- und heimatlose Wesen der bösen Geister, ihre
Vorliebe für das physisch Wilde, Grauenhafte, ihr Spähen und ihre
verbündeten Angriffe auf die Seelen und das Beich Christi sind mehr
als blosser Bedeschmuck. Wer mithin die Evangelien als Gottes Wort
gelten lassen, aber die mystischen Erscheinungen in dem Mönchsleben
samt und sonders leugnen will, gerät dadurch mit sich selbst in Wi-
derspruch. Uebrigens mahnt Antonius in seiner Bede an die Mönche
(c« 20 seq.) bezüglich solcher Erscheinungen zur Vorsicht und erklärt,
sie seien der Widerschein unserer Gedanken, und die bösen Geister
kämen und nähmen die Gestalt an, in der sich eben unser geistiges
Leben befönde.
Man hat auch von rationalistischer Seite der Vita Antonii und
ähnlichen litterarischen Erscheinungen wegen der in ihnen berichteten
Wundergeschichten die Glaubwürdigkeit abzusprechen versucht, und
Weingarten (a. a. 0. S. 23 ff.) hat behufs Diskreditierung dieser
Quellen für die Mönchsgeschichte mit Spott und Hohn nicht gekargt.
Mit Becht hat Mayer (die Echtheit und Glaubwürdigkeit der dem
big. Athanasius zugeschr. Vita Antonii, Katholik (Mainz) LVI S. 185)
darauf hingewiesen, dass es doch niemandem einfalle, die Glaubwür-
digkeit eines Livius oder Herodot deshalb in Zweifel zu ziehen, weil
sie allerlei Prodigien berichteten. Damit soll aber nicht gesagt sein,
dass wir die in der Vita Antonii und anderswo erzählten wunderbaren
Ereignisse samt und sonders auf gleiche Stufe mit den Prodigien der
genannten antiken Schrifbsteller stellen wollten. Manche darunter
mögen als poetische Ausschmückungen natürlicher VorßUe gelten;
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Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh, 75
auch lassen sich für manche aussergewöhnliche Erscheinungen der
Mönchsgeschichte natürliche Erklärungsgründe finden. Konnte doch
besonders bei solchen Mönchen, die von Hause aus körperlich ver-
zärtelt und an feine Qenüsse gewöhnt waren, das Brechen mit dieser
Lebensweise, die Einsamkeit in enger, feuchter Zelle masslose, nervöse
Aufregungen und Sinnestäuschungen mannigfachster Art zur Folge
haben, worauf schon Hieronymus in der ep. 130 c. 17 ad Demetriadem
und in der ep. 125 c. 16 ad Busticum hingewiesen hat. Auch Görres (Die
Christi Mystik, Regensburg 1836, 1. Bd. S. 188) steht nicht an, manche
legendarischen Erzählungen als Erzeugnisse eines poetischen Bildungs«
triebes, in religiöser Weise gefasst, hinzustellen. Katholische Kritiker^
wie Bollandus, Papebrocbe, Kuinart u. a. haben denn auch in ihren
monumentalen Werken bei Bearbeitung und Beurteilung solcher Stoffe
das kritische Messer anzuwenden sich nicht gescheut. Wir fügen noch
zum Schluss die Worte bei, welche Hase (Jahrbücher f. prot. TheoL
1880 S. 446 f.) den Hyperkritikern der Vita Antonii vorhält: »Gregor
der Grosse hat im Leben des hl. Benedikt, Gaufridus im Leben des
hl. Bernhard, Bonaventura im Leben des hl. Franziskus des Wunder-
baren weit mehr erzählt, was von gläubigen Zeitgenossen ihnen er-
zählt worden war: ihre Erzählungen galten doch keineswegs für
blosse Phantasien eines Mönchsideals , obwohl sie im einzelnen der
historischen Kritik unterliegen. Nirgends ist die zweifelnde Frage
aufgeworfen worden, wie wir sie jetzt über den hl. Antonius ver-
nehmen: Hat es einen Benedikt von Nursia, einen Bernhard von
Clairvaux, einen Franz von Assisi gegeben? oder wenn doch, so seien
sie dem Bilde wenig ähnlich gewesen, welches die absichtlich dich-
tende Doktrin von ihnen gezeichnet habe. Wir sind ihrer als histori-
scher Personen sicher sowohl durch jene Schriften als durch die
wohlverbürgten Spuren ihrer Wirksamkeit, c
§. 4, Würdigung der Thätiglceit des hl. Antonius als Eremitenvaters.
Nach der Darstellung des hl. Athanasins erscheint Antonius
als ein Werkzeug Gottes , um die für die weitere Entwicklung und
Entfaltung des Mönchtums so notwendige Organisation anzubahnen»
Er strebte nicht darnach, jene Asceten, welche ihm in die Wüste
nachgefolgt waren, an sich zu ziehen ; vielmehr fühlten sich die letz-
teren selbst zu ihm wegen seiner gottinnigen Frömmigkeit und seiner
aussergewöhnlichen Charismen hingezogen. Ja es scheint, als ob An-
tonius selbst das Ziel, das die Vorsehung durch ihn verwirklichen
wollte, von vornherein nicht klar erkannte; denn er verliess, wie
in der Vita c. 49 berichtet wird, seine erste Einsiedelei in der alten
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76 Das egypt, Mönchtum im 4. Jahrh.
Barg, weil er von sehr vielen belästigt wurde. Eine höhere Stimme
hiess ihn zwar eine noch einsamere Wohnung im inneren Oebirge
wählen ; doch wurde ihm gleich bedeutet, dass auch diese neue Ein-
siedelei, obwohl tief in der Wüste gelegen, der Anziehungspunkt der
Einsiedler und anderer hilfsbedürftiger Menschen werden würde. Und
so geschah es auch wirklich ; Antonius blieb auch von dieser neuen
Einsiedelei aus der Leiter und Vater der Mönche im äusseren Gebirge.
Die von Antonius nicht gesuchte, aber durch seine ausserge-
wöhnliche Persönlichkeit bewirkte Sammlung der Einsiedler hatte un-
gefähr um das Jahr 306 ihren Anfang genommen ^). Antonius war dem-
nach der erste, welcher die Asceten in der Wüste zu einer einigermassen
gesellschaftlichen Lebensart vereinigte. Diese Vereinigung war aller-
dings eine ganz lose und freiwillige. Von einem Gelübde des Ge-
horsams ist nirgends die Bede; seine Stelle vertrat der blosse Vor-
satz. Wie die Mönche sich freiwillig in der Nähe des Antonius an-
gesiedelt und ihn zu ihrem geistlichen Vater erwählt hatten, so war
auch dieser gute, freie Wille das einzige Motiv ihres Beharrens. Die
Antonianischen Mönche wohnten auch nicht, wie die Vita deutlich
lehrt, in einem einzigen Klostergebäude; die von Antonius geschaffene
Gründung ist vielmehr als eine Mönchskolonie zu bezeichnen. Die
Mönche wohnten einzeln, vielleicht auch zu zweien oder dreien gleich den
Einsiedlern im nitrischen Gebirge, in zerstreut liegenden Einsiedeleien,
welche Monasterien genannt und mit Zelten verglichen werden *). Ihr
geistiges Band bestand darin, dass sie nach der Weisung ihres geist-
lichen Vaters sich in der Ascese an die älteren erprobten Mitbrüder halten
sollten ; nur wenn Antonius von seiner Einsiedelei ins äussere Gebirge
herabkam, scharten sie sich um ihn, um geistliche Nahrung za
empfangen. Anlangend die Frage, ob Antonius seiner Einsiedlerge-
nossenschaft eine schriftliche Kegel gegeben habe, so ist zunächst zu
beachten, dass seinem Biographen von der Existenz einer solchen
1) Vgl. oben S. 70.
2) Mova<mIptov bedeutet in der dem Philo zugeschriebenen Vita Con-
templativa jenes Gemach einer Therapeuten wohnung, in welches man sich zu-
rückzog, um sich ganz der Gontemplation hinzugeben. In der Vita Antonii be-
zeichnet es die Einsiedelei dieses Einsiedlervaters (c. 15, 45, 47, 48), desgleichen
die im Gebirge zerstreut liegenden Mönchswohnungea (c 14, 15, 54, 63). Dass
die Wohnungen der Antonianischen Mönche nicht als Zellen eines Klosterge-
bäudes zu denken sind, geht besonders deutlich aus c. 44 hervor, wo dieselben
mit Zelten verglichen werden CHv o3v Iv tot? opeai xa jj-ovaanlpta co; oxiQval
7ceirX7)pw[jL^vat ö-eiwv yopöv J/aXXövxwv, ^iXoXoyoüvtcov, viij<jt6ü6vt(ov x. t. X.). Erst Pa-
chomius hat, wie die araoische Vita Pachomii (Am^ineau a. a. 0. S. 658) den
hl* Antonius erklären lässt, die Mönche in einem Räume (oder Kloster) gesam-
melt. -— In dem schon früher erwähnten Briefe des hl. Athanasius an Dracon-
tius (c. 7) bezeichnet allerdings der Singularis tiovaoxrjpiov schon die ganze
Mönchsniederlassung (OuSk au |jl<5vo( 7cpo^7T7)( piovaaiTipiou). Auch bezeichnet Hai'
ladiua (Hist Laus. 25) die gesamte Niederlassung der Antonianischen Mönche
im Gebirge als (xovaarvipiov.
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Da8 egypt Mönchtum im 4, Jahrh. 77
Begel nichts bekannt ist ; vielmehr bemerkt Athanasins am Ende der
Vita (c. 93), dass Antonius weder durch Schriften noch durch welt-
liche Weisheit, sondern durch seine Gottseligkeit allein berühmt ge-
worden sei. Auch erwähnt der letztere in seiner Ansprache an seine
Mönche (c. 16) nur die hl. Schriften und die gegenseitigen geist-
lichen Unterredungen als Fördenmgsmittel der Ascese. Allerdings
besitzen wir zwei Becensionen einer Begel des hl. Antonius unter
dem Titel: »Begulae ac praecepta S. F. N. Antonii ad filios suos
monachos potentes hoc ipsum ab eo in monasterio Nacalon.c Die
eine findet sich in dem von Lucas Holstenius veranstalteten, aber
erst nach seinem Tode im Jahre 1661 abgeschlossenen Sammelwerk :
»Codex Begularum monasticarum ac canonicarum, quas ss. Patres
monachis . . . praescripserunt, collectus olim a s. Benedicto Anianense
abbate etc.c s). Die andere mit der ersteren inhaltlich ziemlich über-
einstimmende Becension ist im Jahre 1646 von dem Maroniten
Abraham Ecchellensis nach einer arabischen Handschrift veröffentlicht
worden^). Indes fehlen jegliche historische Zeugnisse für die unmit-
telbare Abfassung dieser Begel durch Antonius, und wenn auch die
Vorschriften derselben zum grossen Teil Verwandtschaft zeigen mit
der Athanasianischen Vita Antonii, so will dies nicht viel sagen, da
auch die Biographie eines jeden anderen braven Eremiten als Quelle
für diese allgemeinen Lebensregeln betrachtet werden könnte. Im-
merhin weist diese Begel durch die wiederholte Erwähnung des be-
schwerlichen Wasserholens und des Verbotes, die Toten in der Kirche
zu begraben, auf Egypten als Heimatsland hin; auch ist ihr ein
durchaus hohes Alter zu vindicieren, indem in ihr noch nicht eine
straff organisierte Mönchsgemeinde nach Art der Pachomianer, son-
dern Mönche, die nach Art der Antonianer nur lose mit einander
verbunden waren, vorausgesetzt werden.
Anlangend die weiteren Verdienste des Antonius um das Mönch-
tum, so kann es dem aufmerksamen Leser der Vita Antonii nicht
entgehen, dass in derselben auf gewisse unter den Asceten vorhandene
Schäden und Gebrechen angespielt wird. Man denke nur an die so
ausführlichen Beden des Antonius (c. 16—43), deren Stilisierung
wohl sicher das Werk des hl. Athanasius ist, deren Stoff und Qe-
danken aber ihm durch die Mitteilung der Mönche oder aus eigener
Anhörung bekannt waren; versichert er doch selbst in seiner Vor-
rede, dass er bei seiner Arbeit allezeit auf Wahrheit gesehen habe.
Bei der Lektüre dieser Beden fühlt man heraus, dass dieselben nicht
8) Abgedruckt bei Migne, 8. gr. t. 40 col. 1065—1074.
4) Ebendaselbst.
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78 Da8 egypt Mönchtum im 4. Jahrh.
rein theoretischer Natur waren, sondern deutlich genug auf wirklich
vorhandene schiefe Auffassungen des ascetischen Lebens, auf verkehrte
und nachlässige Lebensweise mancher Asceten, auf einen schlechten
Geist und unwürdigen Wandel schliessen lassen. Die ascetischen Be-
strebungen, die wir schon an der Wiege des Christentums wahrnehmen,
hatten gegen Ende der Christenverfolgung und noch weiter nach
Eintritt der Friedensära einen höheren Schwung genommen und die
Wüsten Egyptens mit weltflüchtigen Christen bevölkert; doch nicht
alle, welche die Verachtung des irdischen Besitzes und der vergäng-
lichen Qüter sowie die Sehnsucht nach der Freiheit von den Banden
der endlichen Welt in die Einsamkeit getrieben hatte, konnten in
der Vereinzelung und ohne jegliche Leitung das Ziel der Ascese,
nämlich die innigste Lebensgemeinschaft in Qott, erreichen. »Unter
diesen gab es manche, die eine Anlage für das Mönchsleben hatten,
die aber sich selbst unklar der Bildung und Gestaltung bedurfte.
Bei solchen war der innere Reichtum an Kraft nicht so gross, dass
sie durch sich selbst die wahre Weise des Mönchs gefunden hätten;
wurde ihnen aber eine Richtung gegeben, so bewegten sie sich sicher
und mit gutem Erfolg. Bei ihnen war die Ascese nicht so fast die
Folge eines schon vorhandenen Innern, aber sie entwickelte es doch.
Andere aber hatten blos das Aeussere der grossen Mönch4 im Auge ;
an Fasten und körperliche Entbehrungen, glaubten solche, habe sich
notwendig als Folge ihre Grösse angeschlossen, und wussten nicht,
dass ein innerer Beruf gefordert werde. Sie setzten die Mönchsgrösse
in Wundermacht, deren Erreichung sofort ihr Ziel war, und wenn sie
dieselbe nicht erlangten, waren sie niedergeschlagen. Die Erhabenheit
der grossen Mönche über das Irdische setzten manche blos in feindselige
Abstossung alles Menschlichen, und der Verbildung in den Städten
setzten sie gern Rohheit und Ungeschliffenheit entgegen, die sich als
pöbelhafte Affektation in Kleidung und Sitten offenbartet &). Diese
Schäden suchte Antonius dadurch zu heilen, dass er die Asceten zu
einer Gemeinschaft vereinigte und unter seine Leitung nahm. Er be-
tonte in seinen Ansprachen an die Mönche, dass die Vollkommen-
heit noch nicht durch die Weltflucht und das Sichzurückziehen in
die Wüste erreicht sei; vielmehr seien die Einsamkeit und die Ent-
sagung nur Mittel, um zur inneren Heiligkeit zu gelangen. Wie er
selbst sich nicht traute, sondern von jedermann sich das Gute anzu-
eignen trachtete, so ermahnte er auch seine Mönche misstrauisch
gegen sich selbst zu sein ; keiner solle sagen, die hl. Schriften seien
schon allein zur Belehrung genügend ; vielmehr sei es gut, dass die
5) Mäkler j Athanasias der Grosse und die Kirche seiner Zeit, Maini
1844. S. 380-881.
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Das egypt, Mönchtum im 4. JdhrK 79
Mönche das gemeinschaftliche Leben pflegen and sich so gegenseitig
im Olauben ermuntern und mittels Unterredungen zum geistigen
Kampfe gleichsam salben^). Auch seien Wunderkraft und Prophezie
keine Kennzeichen der inneren Tugend, noch Zweck der Ascese, son-
dern darüber werde ein jeder sein Gericht zu bestehen haben, ob er
den Glauben bewahrt und die Gebote redlich gehalten habe 7). Ferner
stellt Athanasius den hl. Antonius insofern als Spiegelbild für die
der Welt abgestorbenen Mönche hin, als dieser, wenngleich in der
Wüste alt geworden , keineswegs ein rauhes Wesen an sich hatte,
sondern freundlich, ja von städtisch höflichen Manieren war^); bei
seinem Aufenthalt in Alexandria erschien der Vater der Mönche in
einem reinlich gewaschenen Oberkleide ^) und trug Rechnung den
Ansprüchen der Weltstadt, während er in der Wüste nur ein härenes
Unterkleid und ein Pell darüber trug^^).
Wie das Wesen des Mönchslebens, so brachte Antonius auch
den Zweck desselben in Wort und Leben zum Ausdruck. Das Mönchs-
leben sollte nicht ein phantastisches, müssiges Leben sein; vielmehr
sollten die Mönche, obwohl ausserhalb der menschlichen Gesellschaft
lebend, für dieselbe wohlthätig sein. Dieser Gesichtspunkt zieht sich
wie ein roter Faden durch die ganze Vita Antonii. Athanasius weist
nicht nur darauf hin, wie Gott den Antonius trotz seiner Weltflucht
der menschlichen Gesellschaft dienstbar machte, sondern sie hebt auch
hervor, wie dieser selbst für die Ausbreitung des Reiches Gottes durch
Unterredungen mit heidnischen Philosophen und christlichen Welt-
leuten in Alexandria und in der Wüste thätig war, wie er für das
nicänische Glaubensbekenntnis Zeugnis ablegte und in seiner Zelle
Handarbeit verrichtete, um den Mitmenschen Almosen spenden zu
können.
Endlich lag die Gefahr nahe, dass manche Mönche, in dem
Glauben, sie seien vollkommen und genügten in allem sich selbst,
sich dem Einfluss der kirchlichen Hierarchie entfremdeten. Antonius
lehrte nun durch sein Beispiel Unterordnung unter die kirchlichen
Vorsteher. Demütig wie er war, ehrte er die kirchliche Ordnung
überaus hoch und wollte, dass jeder Kleriker ihm an Ehre voranging.
Er beugte sein Haupt vor Bischöfen und Priestern, um ihren Segen
zu empfangen, und räumte selbst den Diakonen, die mit einem An-
liegen zu ihm kamen, den Vorrang im Gebete ein ^^). Innigste Freund-
schaft verband ihn auch mit Athanasius, dem Patriarchen von Alexan-
drien, sowie mit Serapion, dem Bischof von Thmuis^^).
6) Vita Ant. c. 16 seq. - 7) c. 33, 34, 38. — 8) c. 78. — 9) c 46. —
10) c. 47. - 11) c. 67. - 12) c. 82, 91.
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80 Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh.
§. 5, Ueber die Historia Latmaca und Histaria monachorum ah
Hauptquellen des Mönchtums in der nürischen und sJeetischen Wüste.
Die beiden Hauptquellen für die Kenntnis des egyptischen Mönch-
tums des vierten Jahrhunderts, zumal in der nitrischen und sketischen
Wüste, sind Bufins historia monachorum und die historia Lausiaca des
Falladius. Die Hyperkritik, welche Weingarten ^) an diesen beiden
Quellenwerken geübt hatte, ist in ihrer Haltlosigkeit erkannt wor-
den, und auf Grund der neuesten Untersuchungen sind die beiden
Schriften wieder als Geschichtsquellen ersten Ranges zu Ehren ge-
kommen ^). Nicht blos die Authentie derselben erscheint durch
voUgiltige äussere und innere Gründe sichergestellt'), sondern den
beiden Autoren kann man auch füglich wegen ihres langjährigen
Verkehrs mit den egyptischen Mönchen die Gompetenz, ein getreues
Bild der Zustände jenes Mönchslebens darzustellen, nicht ohne Wei-
teres abstreiten.
Was zunächst Bufin anlangt, so hatte dieser hinreichend Ge-
legenheit, sich mit dem egyptischen Mönchsleben bekannt zu machen ;
war er doch nach seiner Angabe in der Apologie (II, 12) zweimal
1) Weingarten, Die Entstehung des Mönchtums, Gotha 1877, S. 24 f.
2) S. Erwin Preuschen, Palladius und Rnfinus, ein Beitrag zur Quel-
lenkunde des ältesten Mönchtums, Giessen (Bicker*sche Buchh.) 1897.
3) Die Historia monachorum wird als ein Werk Bufins hinlänglich durch
die Tradition beglaubigt. Erstlich bezeichnet sich der Verfasser derselben (c. 29)
als identisch mit dem Verfasser der (Bufinschen) Eirchengeschichte (vgl. dazu
die Notiz in der Kirchengeschichte II, 4 auf eine besondere noch zu schreibende
Mönchsgeschicbte), zweitens nennt Hieronymus (ep. ad Ctesiphontem 43) in einer
kritisierenden Bemerkung den Bufin als Verfasser der Historia monachorum und
endlich trägt ein Teil der Handschriften der Historia mon. den Namen des
Bufinus (Vgl. Schoennemanns Bibliotheca Patrum Latin, historico-litteraria bei
Migne s. 1. t. 21 col. 25 seq. und Preuschen a. a. 0. S. 162). Andere lateinische
und griechische (die griechische Version der lat. Hist. mon. enthaltende) Hand-
schriften nennen allerdings Hieronymus als Verfasser, und diese Substitution
des Namens Hieronymus muss schon sehr frühzeitig geschehen sein, da die aus
einer griechischen Quelle geflossene syrische Uebersetzung vom Jahre 582.
(Mus. Brit. syr. add. 17176) die Historia monachorum dem Hieronymus zu-
schreibt; allein dagegen spricht die ausdruckliche Erklärung des genannten
Kirchenlehrers, dass die Historia monachorum ein Bufinsches Werk ist. Zur
Erklärung dieser Namenssubstitution sagt Schoennemann (Migne 1. c. col. 26) :.
»Causam porro ob quam Hieronymi nomen libro praefigi consueverit, minima a
yero profecto abludentem Fontaninus docet, Vitas Patrum aliquas ab Hieronymo-
conscriptas cum hisce Bufinianis nuUum nomen praeferentibus ob argumenti
similitudinem compactas effecisse dicens, ut omnia ad Hieronymum tenquam
unicum auctorem referrentur. Atque iam opportunum erit, ut lectorem mo-
neamus. Vitas Patrum a Bufino scriptas nunquam seorsum esse vul^atas, sed.
in codicibus mss. omnibus aeque ac impressis libris . . . cum aliis diversorum^
auctorum esse coniunctas . . . .« Vgl. auch Preuschen a. a. 0. 170 ff. — Die
Autorschaft des Palladius an der Historia Lausiaca ist bezeuet durch
Socrates IV, 23, ferner durch die noch im 5. Jahrh. entstandene syriscne Hand-
schrift und die erdrückende Mehrzahl der griechischen Handschriften. Üeber
die alte latein. Uebersetzung, welche das Werk dem Heraclides beilegt,^
s. Preuschen a. a. 0. S. 233 l
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Das egypt Mönehtum im 4, Jahrh. 81
in Egypten, das erste Mal 6 Jahre (374—380) und dann noch
später (vor dem Jahre 385) zwei andere Jahre ^). Während des
ersten Aufenthaltes, der in jene Zeit fiel, wo die Arianer nach dem
Tode des hl. Atbanasius sich des alexandrinischen Bischofssitzes be-
mächtigt hatten und die Katholiken verfolgten, befand er sich auch
in der nitrischen Wüste und zählt in seiner Eirchengeschichte (II, 4)
die Mönche Macarius, Isidor, einen anderen Makarius, Heraclides
und Paulus, den Schüler des hl. Antonius unter seine damaligen
Leidensgenossen. Dass der ihm damals bekannt gewordene Mönchs-
kreis sich nicht auf die eben Genannten beschränkte, ergiebt sich
aus dem folgenden 8. Kapitel derselben Kirchengeschichte, wo es
heisst: »Ex quibus (monachis) Interim quos ipsi vidimus et quorum
benedici manibus meruimus, hi sunt, Macarius de superiori eremo,
alius Macarius de inferiori , Isidorus in Scyti , Pambus in Gellulis,
Moyses et Beniamin in Nitria, Scyrion (al. Quirtori) et Hellas et
Paulus in Apeliote, alius Paulus in Focis, Poemen et Joseph in
Pispiri, qui appellabatur mons Antoniic^), und Bufinus fügt noch
dann hinzu, dass er noch von vielen anderen Mönchen zuverlässige
Nachrichten erhalten habe. Nach alledem wäre es gewagt, die Mönche
der Historia monachorum mit ihren individuellen Zügen als reine
Phantasieschöpfungen Bufins zu bezeichnen, zumal wenn man die pa-
rallel laufenden Berichte der Historia Lausiaca, des Gassian und
Sulpicius sowie die reiche Apophthegmenliteratur in Betracht zieht.
Uebrigens deutet Bufin an der schon erwähnten Stelle (Kirchengesch.
II, 4) an, dass er das egyptische Mönehtum in einer eigenen Schrift
verherrlichen wollte. Diesen Plan führte er auch, wie aus dem Prolog
der Historia monach. hervorgeht, auf Wunsch der von ihm gegrün-
deten und aus Lateinern bestehenden Mönchsgenossenschaft aus^).
4^ V^l. die von YallarBi mit Hilfe des Codex Gaannerianns hergestellte
Lesart des m Frage stehenden Citats ans Bufins Apol. II , 12 bei Migne, s. 1.
t. 21 col. 594 nota k.
5) S. Preuachen a. a. 0. S. 179, wo für die im lateinischen Text^ ent-
steUten Namen Scyrion, Apeliote und Focis substituiert wird Pityrion, Anti-
noite und Pherme.
6) Dass die Mönche des Oelber^es Lateiner waren, dafür spricht besonders
Bufios Apol. II, 8^^ (Migne t. 21 col. 591). Dieser Umstand legt nahe, dass
die für sie bestimmte Historia mon. in lateinischer Sprache geschrieben war,
wie denn auch jene Ebindschriften, welche die Historia monach. dem Hierony-
mus zuschreiben, indirekt auf den lateinischen Ursprung dieser Schrift hin-
weisen. Zudem ist noch lu beachten, dass die in dieser Sdirift fingierten Reise-
gesellschafter als Lateiner erscheinen {c. 9) ; die diesbezügliche Stelle ist auch in
einem Teile der griechischen und syrischen Uebersetznngen konserviert. Vgl.
darüber Preuschen a. a. 0. S. 194—196. Andere Beweismomente dafür, dass die
allerdings schon frühzeitig angefertigte griech* Uebertragung der Bufinschen
Historia monach. sekundär ist, finden sich bei Preuachen a. a. 0. S. 180—203;
eine kritische Ausgabe dieser griech. Version ebendas. S. 1—97.
Sohiwietz, Mönobtum. 6
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82 Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh.
Der Zweck derselben war ein rein erbaulicher; die Schilderang der
Oeisteskämpfe der egyptischen Mönche sollte die Leser lar Nacheiferong
anspornen. Damm dürfen wir auch in Bnfins Historia monach. nicht
eine Entwicklungsgeschichte des egyptischen MGnchtums oder etwa
eine erschöpfende Darstellung dieser Mönchskolonieen erwarten; im-
merhin ist die Bufinsche Schrift bei seiner Vertrautheit mit den Ver-
hältnissen geeignet genug, uns in das Denken und Fühlen, Leben
und Treiben jener Mönchskreise einen zuverlässigen Einblick zu ge-
währen.
Anlangend die Darstellung, so kleidete Rufin entsprechend dem
Geschmack seiner Zeit seine Historia monach. in die Form einer
Reisenovelle; er lässt eine Reisegesellschaft von 7 Mönchen die
Reise an der Grenze der Thebais in Lycopolis bei dem Einsiedler
Johannes beginnen und bei Diolcus am Meere beschliessen ^ ; hie-
bei laufen auch geographische Fehler mitunter^), was nicht be-
fremden darf, da er einerseits diese Mönchsgeschichte erst 20 Jahre
nach seinem Aufenthalte in Egypten schrieb und andererseits selbst
im Epilog eingesteht, dass er die obere Thebais wegen Reisegefahren
nicht besucht habe. In dem Rahmen dieses Reiseplanes werden uns
33 Mönchsbiographien vorgefahrt, welche jedoch nicht mit Geschick
mit einander verknüpft sind, sondern vielmehr durch die wieder-
kehrende Formel ^»venimus, vidimusc mechanisch an einander ge-
reiht sind.
Während Rufins Historia monach. sich blos auf das egyptische
Mönchtum beschränkt, ist die Historia Lausiaca des Palladius uni-
verseller; sie behandelt nicht nur eingehender die egyptischen Mönchs-
7) Die Worte des Bafin am Anfang des Prologs >qai etiam nostnim iter
direxit ad Aegyptnmc beziehen sich auf seinen früheren Aufenthalt in Eeypten,
können aber nicht als strikter Beweis dafür gelten, dass er sich damit als Mit-
glied der in der Historia mon. fingierten Beisegesellschaft vom Jahre 394 be-
zeichnen wollte. Da das Letztere von Tillemont angenommen wurde, und es
andererseits feststeht, dass Bufin im Jahre 394 sich in Egjrpten nicht aufhielt, so
hat der genannte Kritiker den Widerstreit damit zu heben gesucht, dass er Bufin
zum blossen Bedaktor der egyptischen Beiseerlebnisse eines gewissen Petronius,
späteren Bischofs von Bologna (f 450) , machte. Die Notiz des Literaturhisto-
rikers Oennadiua (de scriptorib. eocl. c. 41) über das angebliche Werk des
Petronius ist aber so allgemein und unbestimmt, dass Preuschen (a. a. 0.
8. 175) mit Becht behauptet, man könnte auf Grund dieser Notiz die mönchs-
geschichtlichen Werke eines Cassian, Sulpidus, Palladius als blosse Bedaktionen
der sonst unbekannten Schrift des Petronius ansehen. In neuerer Zeit hat diese
Hypothese noch Zöckier (Askese und Mönchtum 1897 S. 213 f.) yerfochten.
Lucius (Quellen der ältesten Gesch: des e^ypt. Mönchtums in der Zeitschr. t
Kirchengesch. VII 1885 8. 163 f.) ging nodi weiter und machte den Bufinus
zu einem blossen üebersetzer einer griechischen Schrift, eine Hynothese, die,
wie wir später zeigen werden, auf eben so schwachen Füssen stent, wie die
Tillemontsche.
8) Pteuschen a. a. 0. S. 207—209.
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Das egypt Mönchfum im 4, Jahrh. 83
kreise , sondern auch das Mönchsleben auf palästinensischem , syri-
schem, kleinasiatischem, ja sogar auf europäischem Boden ^). Palladius
verfasste sein Werk zunächst für einen konstantinopolitanischen Hof-
mann Lausus, dessen Lebensemst die Hofluft in der Hauptstadt nicht
2u behagen schien und darum von Palladius behufs eigener Lebens-
einrichtung die Darstellung des damals allgemein bewunderten Mönch-
tums verlangte, welches den ernsten Männern jener Zeit als Vorbild
eines vollkommenen Lebens und Strebens nach Heiligkeit galt. Der
Autor beteuert in seiner Dedikationsepistel an Lausus, nur das zu
berichten, was er selbst gesehen oder aus lebendiger Erzählung ken-
nen gelernt habe; seine Darstellung solle die Vertreter der mönchi-
schen Lebensweise beiderlei Geschlechts umfassen und sich auf die
ägyptische Wüste, Libyen, die Thebais, Mesopotamien, Palästina und
Syrien, Bom und Campanien erstrecken. Die Gompetenz zu einer so
umfassenden Arbeit wird wohl dem Palladius nicht abgestritten wer-
den können; er erscheint der Dedikationsepistel an Lausus und den
in die Historia Lausiaca eingestreuten chronologischen Notizen zu-
folge noch mehr in die Mönchsverhältnisse seiner Zeit eingeweiht als
Bufinus. Bis zu seiner Ordination zum Bischof in Helenopolis (Bi-
thynien), welche in seinem 33. Lebensjahre (etwa um 396) erfolgte,
hatte er 13 Jahre ein Asketenleben geführt.
Nachdem er um 383 in Begleitung einer gewissen Silvia ^^)
von Jerusalem nach Egypten gekommen, wurde er zunächst von dem
alexandrinischen Spitalverwalter Isidorus an dem aus der Thebais ge-
bürtigen Mönch Dorotheus gewiesen, der in der Nähe der Hauptstadt
seine Wohnung hatte und bei dem er länger als zwei Jahre ver-
weilte; alsdann wohnte er bei den Mönchen der zum Bereiche der
nitrischen Wüste gehörenden Eellia neun Jahre lang (bis zum Jahre
393 oder 394); darauf folgt sein Aufenthalt in Palästina und um
396 seine Bischofsweihe ^^). Die weiterhin in der Historia Lausiaca
erwähnten chronologischen Daten , nämlich drei Jahre auf dem Oel-
9) S. die Dedikationsepistel an Lausas (Bligne, s. gr. t. 34 col. 1001 seq.).
10) S. mst. Lans. c. 142 (Migne t. 84 col. 1244). — Behufs Lösung des
Widerspruches, der zwischen dem Datum der Reise des Palladius nach Egypten
(Hist. Laus. c. 1 im Jahre des zweiten Consulates des Tbeodosius = im Jahre
888) und dem von Gamurrini im Jahre 1887 fragmentarisch entdeckten Pilger-
buch der Silvia zu bestehen scheint, macht Preuschen (a. a. 0. S. 235 f.)
darauf aufmerksam, dass das in der Hist. Laus. c. 1 sich findende Datum
(«Iv T^ SeuT^pa 6;caT£{a 6eo8oa{ou toö (ley&Xou ßaaiX^w?, %^ vuv Iv a-pf^oi; undoyei 8ia
rfi)f 6pbii^ aüToü 7u(<jt!v t^v sh tbv Xpi<rc6v" == im Jahre 888) im Codex Paris. 1628
und m der 2. alten Uebersetzung fehlt; dabei wird die Identität der Silvia in
der Historia Lausiaca mit der des genannten Pilgerbuches vorausgesetzt, was
nicht sicher ist.
11) Preuachen a. a. 0. S. 241—244.
6*
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84 Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh.
berg, ein Jahr in Bethlehem und vier Jahre in Antinoe mit Einschlns»
seines Besuches in den Klöstern der Thebais werden von Preuschen ^>>
auf Qrund einiger historischer Wahrscheinlichkeitsindicien in die
spätere Lebenszeit des Palladius während seines Episkopates verwiesen
und fallen in jene Zeit, wo er wegen Beteiligung am Streite des
Chrysostomus mit dem Bischof Theophilus von Alexandrien als An-
hänger des ersteren Gefängnisstrafen und Verbannung zu erleiden
hatte und sich auch an einer Deputation nach Rom zu Gunsten des
Chrysostomus beteiligte.
Was die Tendenz seines Werkes anlangt, so verfolgte er der
Dedikationsepistel zufolge gleich Bufin einen erbaulichen Zweck.
Zwar hat ihm schon Epiphanius ^') den Vorwurf der Parteinahme
für die Origenisten gemacht, und es zeigen sich auch in der Historia
Lausiaca Spuren dieser origenesfreundlichen Gesinnung bei der Be-
handlung seiner Mönchsbiographieu ^^) ; doch wäre es gewagt be-
haupten zu wollen, dass Palladius rein vom Standpunkt dieses Par-
teiinteresses seine Historia Lausiaca geschrieben hätte. Für die Wahr-
heitsliebe bei der Darstellung des Mönchtums spricht in nicht ge-
ringem Masse die Art und Weise, wie er trotz der Verherrlichung
des Mönchsideals die Verirrungen einzelner Glieder dieses Standes
mit Offenherzigkeit bespricht. Die Mönche erscheinen nicht in
idealisierter Gestalt, sondern im Kampfe gegen das Tierische im
Menschen; ja es werden auch von Palladius einige Mönchsgestalten
mit ihrem Abfall vom Glauben und Versinken ins Laster als warnende
Beispiele gegen Hochmut und falsches Selbstvertrauen dargeboten ^^\
Es wäre hier noch der Ort auf die in der Historia Lausiaca und
ähnlichen Mönchsurkunden vielfach berichteten Wundererzählungen
einzugehen, welche besonders dem Rationalismus ein Stein des An-
stosses sind, wie denn auch Weingarten durch drastische Aus-
malung dieser wunderbar klingenden Episoden des damaligen Mönchs-
lebens die ganze Mönchsliteratur mit Spott behandelt und ihr jeg-
lichen historischen Wert abspricht, obgleich ihn doch eine Unmenge
von Thatsachen, die wir schon oben berührt haben, die Augenzeugen-
schafb so vieler hochgebildeter Gewährsmänner für so viele Fakta
des Mönchslebens zu einem vorsichtigeren [Jrteil hätten bestimmen
können. Wir verweisen auf unsere früheren Ausführungen über diesen
12) S. 244 f.
13) In der von Hieron/mns übersetzten Epistola 51 (Migne, t. 22, p. 527)»
14) Preuschen a. a. 0. S. ^9—260.
15) Hist. Lans. c. 30, 31, 32, 33, 35 (nach der Dacaeas-Hervetschen
Ausgabe).
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DcL9 egypt Mönchtum im 4, Jahrh. 85
Pankt^^) und fügen nur noch hinzu, was der besonnene Kritiker
H. J. Floss seiner Zeit in seinem kritischen Apparat zu den Viten
^er beiden Makarier bemerkt hat ^^) : »Signa vero et prodigia ab bis
senibus facta, qnamvis a scriptoribus illins temporis saepennmero
praeter verisimilitudinera narrentar, viz tamen semper psychologice,
ut nonnulli fecernnt, aut alio quodam natnrali modo interpreter.
i^aisqais Christiane nomine non indignus est, magnis temporibas
mannm Dei in hominibns magna fecisse profiteri paratas est. Idqae
ipsnm cor hie non stataatar, quum idem in apostolis et Patribas
ficclesiae minime infitiemur, non intelligo. In fabulosa autem nar-
rationam forma si saepennmero offenderis, scito et cam gentis
Aegyptiae indole et cum singnlari senum vivendi genere temporumqne
insnper natnra eam intime cohaerere ; qnocirca illis libris de patribns
eremi scriptis poesin qnandam contineri dizerim a factis ac prodigiis
sennm profectam, sed fama et poetica gentis atque aetatis indole
mire excnltam et exornatam.c Die Erscheinung und das Leben der
damaligen Mönche hatte nach dem übereinstimmenden Zeugnisse der
Serichterstatter und Autopten manches an sich, was über das alltäg-
liche Leben hinausging; der Heroismus, mit welchem sie in ihrer
Einsamkeit an der Ertiötung des alten Adams arbeiteten, brachte
auch eigenartige Thatsachen in ihrem Leben zum Vorschein. Daraus
erklären sich die Besuche so vieler hochgebildeter und vornehmer
Persönlichkeiten aus weiter Ferne bei diesen Mönchen trotz der
mannigfachen Entbehrungen der Beise; die gewonnenen Eindrücke
waren manchmal so überwältigend, dass manche dieser Besucher
ihre hohen weltlichen Stellungen aufgaben, um sich den Vertretern
dieses heroisch- christlichen Lebens anzuschliessen.
Zum Schluss noch einige Bemerkungen über den ursprüng-
lichen Text der Historia Lausiaca sowie über die damit in Zusam*
menhang stehende Frage betreffend das Abhängigkeitsverhältnis des
Palladius und Bufinus. Zunächst sind drei lateinische Versionen des
griechischen Palladiustextes im Drucke erschienen. Die erste aus
h8 Kapiteln bestehende Version wurde zu Paris im Jahre 1504 von
Jacob Faber Stapulensis veröffentlicht^^); sie heisst die Heraclides-
übersetzung, weil sie aus einer spätestens dem 9. Jahrhundert an-
gehörenden Handschrift geflossen ist, in welcher die Historia Lau-
siaca als »Heraclidis paradisusc bezeichnet ist; doch ist in anderen
16) S. oben S. 74 f.
17) Vffl. bei H. J, Floss, Marcarii Aegyptii epistolae, homiliae etc.,
Ooloniae 1850 die quaestiones criticae et historioae de bs. Macarioram Aegyptii
«t Alexandrini (Migne, s. gr. t. 34 col. 12).
18) Abgedr. bei Rosweyd, Vitae Patrum p. 939 sqq.
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86 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh,
Handschriften, welche denselben lateinischen Text darbieten, Fal-
ladins als der Verfasser des Werkes genannt ^% In einer zweiten
lateinischen Version erscheint der Palladiustext auf 20 Kapitel re-
duciert^o). Die dritte and umfangreichste (151 Kapitel enthaltende)
lateinische Version fertigte im Jahre 1555 der Kanonikus Qentianu»
Heryet aus Bheims nach einer nicht näher bezeichneten Handschrift
des griechischen Palladiustextes an. Den der Hervetschen üebersetzung^
zu Grunde liegenden griechischen Grundtext gab im Jahre 1624
Ducaeus heraus ^^), nachdem schon früher im Jahre 1616 Johannes^
Meursius nach einer Heidelberger Handschrift^^) den griechischen
Text der Historia Lausiaca in 103 Kapiteln yeröffenüicht hatte.
Die Thatsache, dass in den oben genannten Texten der Historia
Lausiaca etwas über 30 Mönchsviten sich vorfinden, die ungefähr mit
dem Inhalt der Bufinschen Historia monachorum sich decken, gab
die Veranlassung dazu, dass man nun verschiedene Hypothesen über
das Verhältnis des Palladius zu Bufinus aufstellte. Man setzte vor-
aus, dass diese über 80 Mönchsviten (c. 43—76 bei Hervet und
Ducaeus) zum eisernen Bestände des Palladiustextes gehören und er-
klärte die Thatsache damit, dass man annahm, Palladius hätte zwar
nicht die lateinische Historia monachorum des Bufinus, aber doch
eine ältere griechische Quellschrift benutzt, die auch Bufinus ver-
wertet oder vielmehr ins Lateinische übertragen hat. Die Hypothese,,
welche im Jahre 1850 von Ploss*«) und neuestens von Zöckler^)
verfochten wurde, kann schon deshalb nicht befriedigen, weil diese
angebliche griechische Grundschrift uns völlig unbekannt und darum
auch unkontrollierbar ist, ganz abgesehen davon, dass die Historia.
monachorum von dem damals mit Bufin auf gespannten Fusse stehen-
den Hieronymus als selbständige Arbeit des ersteren benutzt wird ^^).
Noch weniger plausibel erscheint die Hypothese, welche Lucius*^}
in der Abhandlung »Die Quellen der älteren Geschichte des egypti-
sehen Mönchtumsc über Bufinus, Palladius, Sozomenus und Socrates,
diese 4 Berichterstatter über das egyptische Mönchtum des 4. Jahr-
hunderts aufstellt. Da nämlich die Kirchengeschichte des Sozomenua
19^ S. Flosa a. a. 0. (Migne, l. c. col. 14 not. 8 n. 9), Preuschen a. a.
0. S. 233.
20) Bei Roaweyd l. c. p. 984 sqq.
21) Der griechische Text des Dacaeas nebst der üöbersetzung des Hervet
abgedr. bei Migrier s. gr. t. 34 col. 999 sqq.
22) Ueber diese Handschrift vgl. Preuschen S. 187.
23) Bei Migne s. gr. t. 34 col. 15 sqq.
24) Zöckler, Askese und Mönchtam Bd. 1. S. 213.
25) S. oben S. 80 not. 3.
26) Zeitschrift f. Kirchengesch. VH (1885) S. 163 ff.
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Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh. 87
in ihren Exkarsen auf das ägyptische Mönchtum Berührungspunkte
mit Palladius und Rnfinus aufweist ^^) und andererseits Sozomenus
für seine egyptischen Mönchsgeschichten den alexandrinischen Bischof
Timotheus '^) als seinen Gewährsmann bezeichnet, so hat eben Lucius
angenommen, dass eine angebliche griechische Qrundschrift der Rufin-
sehen Historia monachorum für Palladius und Sozomenus supponiert
werden müsse, und diese Grundschrift soll nach ihm ein gewisser Mönch
Timotheus, den Sozomenus irrtümlich mit dem schon 385 gestorbenen
gleichnamigen Bischof von Alexandria identificierte, um das Jahr 895
verfasst haben. Wenn wir nun auch einerseits der Behauptung des
Sozomenus, dass er seine mönchsgeschichtlichen Nachrichten aus einem
gewissen Timotheus geschöpft hat, den Glauben nicht versagen kön-
nen und anderseits dem Lucius Recht geben, dass dieser Timotheus
nicht identisch sein kann mit dem gleichnamigen Bischof von
Alexandria ^^), so leidet doch die Hypothese des Lucius an derselben
Schwäche wie die vorausgehende. Auch sie setzt sich über die durch
die Tradition hinlänglich bezeugte Selbständigkeit des Rufinus und
Palladius hinweg und statuiert dafür als Quellschrift für diese beiden
ein unbekanntes X; ja das Werk dieses Timotheus ist nicht ein-
mal dem Titel nach von Sozomenus gekennzeichnet ; man weiss nichts
von den Beziehungen dieses Timotheus zu den Mönchen des Oel-
berges, während dies von Rufin historisch feststeht, und doch soll
diese unbekannte griechische Mönchsgeschichte des Timotheus die
Grundlage für die Historia monachorum des Rufinus sein. Die That-
sache, dass sich die Nachrichten des Sozomenus über die Mönche
Egyptens mit der lateinischen Historia monachorum Rufins vielfach
decken, lässt sich hinlänglich dadurch erklären, dass das von So-
zomenus über das Mönchtum grösstenteils benutzte Geschichtswerk
des Timotheus sich auf die Historia monachorum Rufins als Quelle
stützte. Wie aus dem Gesagten sich ergiebt, operieren die beiden
Hypothesen mit so viel unbekannten Grössen, ihr Beweismaterial
ist so vager Natur, dass sie unmöglich befriedigen können.
Darum hat Erwin Preuschen in seinem »Palladius und Rufinusc
einen anderen Weg eingeschlagen, um zu einem positiven Resultate
zu gelangen. Er trägt nicht blos der hinlänglich verbürgten Selb-
ständigkeit der Rufinschen Historia monachorum und der Historia
Lausiaca des Palladius Rechnung, sondern er sucht auch durch die
27) Vgl. den Nachweis hierfür bei Freuachen a. a. 0. S. 180 ff. und
226 ff.
28) Soz. VI, 29.
29) S. Preuschen a. a. 0. S. 188 and 189—191.
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88 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh,
Prfifang der handschriftliehen üeberlieferung das Problem über das
Verhältnis des Rafinus zu Palladius zu lösen. Es wQrde zu weit
führen, den ganzen textkritischen Apparat an dieser Stelle za be-
sprechen; wir beschränken uns auf die Mitteilung der Resultate
dieser teztkritischen Studien. Nach dem von Preuscben angestellten
Vergleich der Ueberlieferungsgeschichte der Historia Lausiaca existiert
die letztere in zweifacher Gestalt. Die eine Gruppe der Handschriften
enthält die Historia Lausiaca ohne die der Rufinschen Historia mo-
nachorum entsprechenden MGnchsviten. Die andere Gruppe bietet die
Historia Lansiaca in einer interpolierten Form, und zwar erscheint in
einigen Handschriften die Historia monachorum eingearbeitet, in an-
deren rein mechanisch angehängt und endlich in anderen teils ein-
gearbeitet, teils angehängt ^^). Da nun aber gerade die ältesten
Handschriften fast ausnahmslos nur die nichtinterpolierte Form der
Historia Lausiaca enthalten und daneben die Historia monachorum
mit Prolog und Epilog als selbständige Schrift darbieten — und
diese üeberlieferung lässt sich bis ins Jahr 532 verfolgen ^^) — , so
ist der Schluss berechtigt, dass die in den späteren Handschriften,
sowie bei Ducaeus und Hervet uns begegnende, der Historia Lausiaca
einverleibte Historia monachorum Rufins nicht als eine von Palladius
selbst bewerkstelligte Zuthat, sondern vielmehr als eine Einschaltung
späterer Interpolatoren und Abschreiber anzusehen ist.
Anlangend die Herstellung des ursprünglichen Textes der Hi-
storia Lausiaca, so kommt Preuschen zu dem Resultat, dass sich
das Ursprüngliche des stark überarbeiteten Palladiustextes am
besten aus dem Codex Parisinus gr. 1628 sc. XIV. chart., der alten
lateinischen Heraklidesübersetzung und der syrischen, zum Teil in
sehr alten Handschriften vorliegenden Uebersetzung herstellen lässt.
Dabei rühmt Preuschen besonders den so eben genannten Codex Pa-
risinus als den relativ besten Repräsentanten nicht blos des ursprüng-
lichen Textes, sondern auch der ursprünglichen Disposition der Hi-
storia Lausiaca ^^) und schliesst den textkritischen Abschnitt mit den
Worten SS): »So dürfen wir wohl annehmen, dass wir im wesent-
lichen die Historia Lausiaca noch ebenso besitzen, wie sie aus der
Hand des Verfassers hervorging. Palladius hat in ihr, wie er in
seiner Vorrede es versprach, Asketen und Asketinnen sowohl des
Morgenlandes wie des Abendlandes behandelt. Er ging dabei nach
30) Preuschen a. a. 0. 8. 137 ff., 8. 211 f.
31) Preuschen a. a. 0. 8. 163.
32) Ebendas. 8. 211 ff., 247 ff.
33) Ebendas. 8. 254-255.
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Das egypU Mönchium im 4, Jahrh. 89
der geographischen Ordnung vor , wenn er auch die Erzählung nicht
wie Bufin in die Form eines Reiseberichtes kleidete; und er teilte
den Stoff so, dass er zunächst von den Männern und dann von den
Frauen redete. Die Schrift ist dann — zu welcher Zeit, lässt sich
nicht mehr ausmachen, aber jedenfalls bereits ziemlich frühe — um-
gearbeitet worden und zwar so, dass der zweite, von den Frauen
handelnde Teil zerschnitten und die einzelnen Stücke in der geographi-
schen Ordnung jeweils hinter die die Männer besprechenden Ab-
schnitte geruckt wurde. Dabei sind verschiedene Kapitel von ihrem
Platze geraten und an einer der geographischen Anlage des Werkes
zuwiderlaufenden Stelle eingesetzt worden. Diese Becension liegt in
der Bec. M {= Meursius) vor. Eine abermalige Umarbeitung ver-
mehrte die Historia Lausiaca beträchtlich durch die Einschaltung der
griechischen üebersetzung der Historia monachorum des Bufin und
suchte ausserdem wieder eine sachgemässere Disposition durch
strengere Durchführung der geographischen Ordnung und abermalige
Scheidung der beiden Teile durchzuführen. Da dieser Versuch, wie
es scheint, ohne Eenntniss von der ursprünglichen Gestalt unternom-
men wurde, sind einzelne Versehen dabei passiert. Diese Form liegt
in der Bec, H (= Hervet) vor. Starke Verkürzungen haben dann
die Schrift auf einen ziemlich geringen Umfang gebracht. Solche
Auszüge liegen in der zweiten alten lateinischen Üebersetzung (bei
Bosweyd, Vitae patrum II App. p. 984 seq.) und in der Gruppe von
Handschriften vor, die oben durch V^ und V» (Cod. Vindob. bist
gr. 84 und 9) repräsentiert ist.€
Aus dem Gesagten ergiebt sich auch, dass Sozomenus und So-
krates für die Geschichte des Mönchtums (bes. des egyptischen) nur
als sekundäre Quellen in Betracht kommen. Sozomenus entnahm,
wie er selbst erklärt, zum grossen Teil aus einem Geschichtswerk
eines gewissen Timotheus , der sich wiederum auf die Historia mon.
des Bufin stützte ^^). Auch finden wir in den mönchsgeschichtlichen
Nachrichten des Sozomenus sogar in Bezug auf Wortlaut und Wahl
der Ausdrücke Uebereinstimmung mit Palladius >^) ; doch will
Freuschen nicht entscheiden, ob Sozomenus den Palladius direkt be-
nutzte oder eine Quelle reproducierte, welche ihrerseits aus Palladius
geschöpft hatte. Socrates bezeichnet in seiner Eirchengesch. IV, 23
eine Schrift (fAovoßißXog) des Palladius als Mönchsgeschichtsquelle ;
doch hat er die Historia Lausiaca spärlich benutzt ; möglich ist, dass
ihm eine Sammlung der Thaten und Beden von Mönchen vorlag,
84) S. oben S. 87.
35) Freuschen a. a. 0. S. 180 f. und S. 224 f.
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90 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh,
die nach Art der Apophthegmensammlungen eiogerichtet war and
den Namen des Palladius trug, wie dies auch in manchen vorhan-
denen Handschriften der Fall ist.
Eine wertvolle Ausbeute zumal für das innere Mönchsleben
bieten auch die reichen Apophthegmensammlungen; da diese Lite-
ratur zu den vielgelesenen Volks- und Elosterbüchern gehörte, so
sind auch viele mehr oder weniger von einander abweichende Hand-
schriften derselben auf uns gekommen. Ihr Orundstock beruht auf
den in den Klöstern des 4. und 5. Jahrh. angefertigten Mönchsviten
und lag schon zum Teil dem Rufinus und Palladius vor. Auch
Johannes Moschus (gest. 619 od. 620) kannte eine solche Sammlung
unter dem Titel BtßXtov yepovtixov (c. 55 u. 56) und 'AitofpHyiia'ca töv
dytiov TCttTlpiov (c. 112). Der Frage nach der Abfassungszeit und dem
Quellenverhältnis derselben ist man noch nicht näher getreten b^).
Zu dieser Literatur gehören auch die Yerba seniorum, welche
Bosweyd 1615 zu Antwerpen in lateinischer Uebersetzung veröffent-
lichte 3^). Die kürzere Becension derselben soll nach ihm von Bufin
herrühren; die längere ist von den römischen Diakonen Pelagius
und Johannes aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt. Sie
enthalten verschiedene aus dem Leben der alten Mönche gezogene
und nach den Gegenständen geordnete Lehrsprüche. Ein ähnlicher
Stoff ist in den Apophthegmata Patnim , welche von Cotelerius im
III. Bande seiner Monumenta Bcclesiae graecae 1685 griechisch und
lateinisch herausgegeben wurden '^), behandelt und in alphabetischer
Beihenfolge der besprochenen Mönche geordnet. Die jüngste Publi-
kation Amelineaus in seinem Werke »Monuments pour servir ä
rhistoire de TEgypte chr^tienne. Histoire des monast&res de la Basse-
Egypte. Vies des Saints Paul, Antoine, Macaire etc. Texte copte
et traduction iTan9aise (Annales du Mus^e Guimet, T. XXV Paris
1894)« unterscheidet sich nicht wesentlich von den eben erwähnten
Apophthegmensammlungen.
§. 6. Lage und Einrichtung der MönchsJcoIonieen und Monasterien
im nitrischen Oebirge, in den Kdlien und der shetischen Wüste,
Der südlich von Alexandrien an der Westseite des Nildeltas
sich hinziehende Wüstensaum war ein salzhaltiges Steppenland, in
86) Einige kritische Bemerkungen finden sich bei Flosa in der schon
oben citierten Schrift (bei Migne, s. gr. t. 34 col. 15 sqq.)>
37) Bei Miqne, s. 1. t. 73.
38) Bei Migne, s. gr. t. 65 als Appendix ad Palladiam.
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Das egypt Mönchium im 4. Jahrh, 91
welchem wasserarme Felder mit Felsgestein abwechselten^). Der
nördliche bergige Teil dieser Wüste hiess nitrisches Gebirge (mens
Nitriae), weil in der Nähe ein Dorf lag, in welchem Nitren gesam-
melt wurde. Dieser Name war nach Bufiu*) providenziell, indem in
jenen Gegenden die Sünden der Menschen, wie durch das Nitren der
Schmutz, getilgt und abgewaschen werden sollten. Hier lagen die
nitrischen Mönchskolonieen , von Alexandrien 40 römische Meilen
entfernt ^) und vom Mareotissee in anderthalb Tagen zu erreichen ^).
Sie galten in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts als die be-
rühmtesten Monasterien Egyptens und erfreuten sich zahlreicher Be-
suche nicht blos egyptischer, sondern auch ausländischer Christen
jeden Standes. Wir besitzen von den Autopten Bufinus^) und Pal-
ladius ^) eine eingehende Schilderung dieser Mönchskolonieen und
gewinnen daraus ein anschauliches Bild über die Lage und Ein-
richtung derselben in den letzten Decennien des 4. Jahrhunderts.
Nach Bufin befanden sich im nitrischen Gebirge etwa 50 dicht an
einander gebaute Mönchswohnungen oder Hütten (tabernacula , bei
Sozom. VI, 36 {iovoeaxi^pia) ; dieselben waren aus gebrannten Ziegel-
steinen gebaut, hatten manchmal einen Brunnen neben sich und
waren mit einer Mauer umgeben 7); in ihnen wohnten die Mönche
teils in grösserer, teils in geringerer Zahl zusammen, einige auch
allein ^). Ob die Zahl der Mönche im nitrischen Gebirge, wie Pal-
ladius berichtet, insgesamt fünftausend betrug, wollen wir dahin-
gestellt sein lassen. Möglich ist, dass in dieser Zahl auch die
Mönche der angrenzenden, nach Süden liegenden, inneren Wüste mit-
einbegriffen waren. Immerhin bleibt zu bedenken, dass nach Hiero-
nymus im Jahre 375 an 5000 nitrische Mönche zu Soldaten zwangs-
weise ausgehoben wurden^). Auch die folgenden aus Palladius ent-
nommenen Daten setzen sehr umfangreiche Mönchsansiedlungen vor-
1) Makrizi (arab. Schriftsteller des 15. Jahrb.), Gesch. der Kopten,
übers, von Wüstenfeld. Goetting. 1845 S. 109 f. ; »Ad Wadi Habib quod at-
tinet, id quod et Wadi-1-Natrün vel planities Schihät vel planities Asquit vel
Mizän-el-Colüb vocatar, olim centum ibi monasteria erecta erant, ex c^nibas
postea Septem Occidentem versns ad latus planitiei regionibus el-Buheira et
el-Fejjum interiacentis sita, ubi campi arenosi solum sale plenum, agri aquae
egeni praerupta saxa excipiunt, remanserunt. (Migne, s. gr. t. 34 col. 169).
2) Hist. monach. c. 21; vgl. Sozom. VI, m.
3) Ebendas.
4) Hist. Laus. c. 7 (Migne, 1. c. col. 1019).
5) Hist. monach. c. 21.
6) Hist. Laus. c. 7 (Migne, 1. c. col. 1019—1020).
7) Hist. mon. c. 23.
8) Vgl. auch Hist. Laus. c. 7 : >'Ev cS op£i o?xouaiv avSps? w; TcsvtaxKr/^CXioi,
otttvec Biaf6poM^ iy(pM<si icoXitsfa^, Ixaoro; (o^ biivaToii xa\ u>; ßoüXetai * d>{ l^etvat xol
ftdvov uivEiv, xai Seüteoov, xa\ tcoXXotcöv.c
9) S. oben S. 67.
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92 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh.
aus. So waren in Nitria zur Herstellung des Brotes sieben Back-
stuben vorhanden. Auch eine sehr geräumige Kirche lag in diesem
Gebirge; von den acht Priestern, welche derselben vorstanden,
brachte der älteste das Opfer dar, hielt die Homilie und übte
die Jurisdiktion aus, während die übrigen ihm nur Assistenz
leisteten. Wegen der zahlreichen Besuche von auswärts war an die
Kirche ein Fremdenhaus angebaut. Unter den Mönchen fanden sich
auch Aerzte, welche von frühem Morgen bis zur neunten Stunde die
Kranken in den Zellen besuchten. Zur Labung der Kranken ver-
wendeten sie Wein*®), der in Nitria angebaut wurde; auch wurde
derselbe verkauft; denn, wie wir noch später zeigen werden, ge-'
nossen die Mönche gewöhnlich keinen Wein. — Müssiggang war ver-
pönt ; jeder Mönch musste sich das zum Lebensunterhalt Notwendige
durch eigene Thätigkeit verschaffen, selbst die linnene Kleidung. Die
Arbeit dauerte bis zur neunten Tagesstunde ; alsdann hörte man in
den einzelnen Mönchshütten Hymnen und Psalmen zur Ehre Christi
singen und Gebete zum Himmel emporsteigen, so dass man nicht
mehr auf der Erde, sondern im Paradiese zu sein vermeinte. Ge-
meinsamer Gottesdienst und gemeinsames Gebet fand nur an den
Sonn- und Samstagen statt. Im Bereiche dieser Möncbskolonieen
herrschte eine strenge Disciplin, der auch die im Fremdenhaus be-
herbergten Gäste unterworfen waren. Diese durften wohl 2—3 Jahre
in der Mönchsgemeinde verweilen; jedoch nur eine Woche lang ohne
Beschäftigung. Alsdann wurden sie zur Arbeit im Garten oder im
Backhaus oder in der Küche des Hauses angehalten; wissenschaft-
lich gebildeten Gästen gab man auch Bacher zum Studium ; doch
mussten sie bis zur sechsten Stunde Stillschweigen beobachten. In
der Kirche, die ohne Dachstuhl war, standen drei Palmen, an deren
jeder eine Geissei aufgehängt war, nämlich die eine zur Züchtigung
der fehlenden Mönche, die andere zur Bestrafung der Räuber, welche
die Gegend unsicher machten und eine dritte für die Fremden,
welche sich etwas zu Schulden kommen Hessen. Der abgeurteilte
Delinquent musste die Palme umfassen und erhielt die bestimmte
Zahl Geisseihiebe.
Zehn Meilen südlich vom nitrischen Gebirge ^^) lag in der
tieferen Wüste, in der Richtung nach Libyen **) zu, der Ort Cellia
10) Hist. Laus. c. 7: »'£v toütco x& opst xa\ ?aipo\ Si&y^^^^ ""-^ TcXaxouvt^ptot.
K^XpTjVtai h\ xol oTvfj), xa\ TriTcpaaxsTai otvo? (Migne, 1. c. col. 1020).
11) Buf. Hist. moD. c. 22.
12) Hist. Laus. c. 19 n. 20 (Migne 1. c. col. 1059: »(x(av £?$ Aißüv)v eU xa
XsYÖfxsva KAXia.« Vgl. auch Migne, 1. c. col. 189. Die Hervetsche Uebersetzung
dieser Stelle (Migne, 1. c. col. 1061) ist falsch.
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D<is egypt MOnchtum im 4. Jahrh» 93
{KiXkio); dort Hessen sich die Mönche aus Nitria nieder, welche in
der Ascese hinlänglich erprobt waren und das Verlangen hatten, ein
ganz verborgenes Leben zu führen. Die Zellen (xiXXta), in welchen
diese Einsiedler lebten, waren soweit von einander entfernt, dass
man sich gegenseitig weder sehen noch hören konnte. In dieser
Zellenwüste herrschte ein ständiges Stillschweigen; gegenseitige
Besuche waren verpönt, ausser wenn ein Mitbruder der Belehrung
oder Tröstung bedurfte. Samstags und Sonntags kamen alle diese
Einsiedler in ihrer Kirche zusammen, zu deren Erreichung manche
einen Weg von 3 — 4 Meilen zurückzulegen hatten. Fehlte einer bei
der gottesdienstlichen Feier, so erkannte man, dass er erkrankt sei;
die Mitbrüder besuchten ihn alsdann zu verschiedenen Zeiten und
brachten ihm die notwendige Erquickung. Ueberhaupt waren diese
Mönche von solcher Dienstfertigkeit und Nächstenliebe erfüllt, dass
sie neu ankommenden Mönchen ihre eigenen Zellen überliessen und
sich selbst neue bauten. Die Zellenwüste ist als ein Teil jener
furchtbaren Wildnis zu betrachten, welche sich im Süden des nitri-
scben Gebirges bis an Aethiopien, das Mazikenland und Mauretanien
erstreckte ^^) und den Namen sketische Wüste ^^) (Hxi^xtc, 2xia&tc, bei
Ptolemaeus Sxia^txT) x^P^) führte. Auch in dem nach Memphis zu
gelegenen Teile derselben befanden sich Mönchszellen. Um an einen
Ort derselben, Scithium genannt, zu gelangen, brauchte man von
Nitria aus einen Tag und eine Nacht Man musste die Reise nach
dem Laufe der Oestirne einrichten, da nicht die geringste Spur von
Weg vorhanden war. Das Leben der Mönche in dieser Wildnis
war mit grossen Entbehrungen verbunden, da Wasser daselbst nur
selten zu finden war und das vorhandene einen üblen, pechartigen
Geschmack hatte ^^). Bei Klimax in dieser Wüste Scete fristete
der Mönch Ptolemaeus, dessen späteres Leben einen tragischen Aus-
gang nahm, durch 15 Jahre dadurch sein Leben, dass er den im
December und Januar reichlicher fallenden Tau mit Schwämmen
aufsammelte und in irdenen Gemsen aufbewahrte^^). Die Zellen in
dieser Wüste waren zum Teil ganz primitiver Art; sie waren in
Felsen gehauen und mit einem Holzdache versehen ^'').
13) Hist. Laus. c. 7: »''Qi opsi Tcapoxeitai ^ 7cav^p7)[jioc Tcapaxefvouaa Eco^
A?d(07c{a; xol Tü)v Mal^{xü>v xa\ ttj; Maupixav^a;.
14) Hist. Laus. c. 19 (Migne, 1. c. col. 1043) : »e?c t9)v EpY)(i.ov t^v lv8ot<SsT(o,
-ri^v xaXoüjii^vTiv SxTJTiv.c
15) Buf. Hist. mon. c. 29 (Bligne, s. lat. t. 21 col. 453).
16) Hist. Laus. c. 83 (Migne, s. er. t. 34 col. 1092).
17) Verba Seniorum, Rosweydi VV. PP. üb. HI c 195 p. 528 sq.
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94 Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh.
§, 7. Die bekanntesten Mönche im nitrischen Gebirge. Amun der
Gründer der nitrischen Mönchskolonieen.
Der Gründer der Mönchskolonieen im nitrischen Gebirge war
Amon^) ('Afxfxouv). Seine reichen Angehörigen widersetzten sich
seiner Neigung zur ascetischen Lebensweise und zwangen ihn in
seinem 22. Lebensalter zur Eingehung der Ehe; doch gelang es
ihm noch am Hochzeitstage, seine Frau zum enthaltsamen Leben za
bestimmen. Nach achtzehnjährigem Zusammenleben^) trennten sich
die beiden Eheleute mit gegenseitigem Einverständnis. Während
die Frau ihr Haus in ein Juiigfrauenheim verwandelte, zog Amon
in das nitrische Gebirge und führte dort noch ein zweiundz wanzig-
jähriges Büsserleben. Seine Persönlichkeit ward der Anziehungs-
punkt vieler Mönche, welche sich in Nitria in dicht neben einander
liegenden Zellen niederliessen. Er war zwar kein unmittelbarer
Schüler des hl. Antonius, doch stand er mit diesem in inniger Be-
ziehung. Die Vita Antonii (c. 60) erwähnt seine Besuche bei
Antonius, der den Nitrioten sehr hochschätzte. Nach derselben Vita
erhielt der noch lebende Antonius eine innere Offenbarung über das
Hinscheiden des von ihm 13 Tagereisen entfernt wohnenden Nitrioten
Amon 8); der Tod des letzteren ftUt also vor das Jahr 356.
Aus dem Gesagten erklärt es sich, dass manche Schüler des
Antonius sich unter die Leitung des Amon stellten. Als Palladius
etwa um das Jahr 385 nach Nitria kam *), fand er daselbst die hoch-
betagten Mönchsväter Arsisius, Putubastus, Chronios, Asien ^) und
Serapion; sie waren noch Zeitgenossen des hl. Antonius. Arsesius,
der hervorragendste unter ihnen, rühmte sich nicht Aur Amon son-
dern auch Pachomius gekannt zu haben. Der eben genannte Chro-
nios wird wohl mit dem von Palladius im 25. Kapitel«) er-
wähnten nitrischen Presbyter und Antoniusschüler Chronios identisch
sein. Derselben Mönchsgruppe gehörten nach Bufinus^ Didymus
1) Eist. mon. c. 30, Hist. Laus. c. 8, Sozom. I, 14, Socrat. IV, 23.
2) Diese bestimmte Zeitfrist findet sich bei Palladius und Sozomenus,
bei Kufinus heisst es blos plniimo tempore, während die griechische Version
der Bufinschen Hist. mon. c. 29 (Preuschen a. a. 0. S. 90) den Amon sich schon
nach einigen Tagen ({xex'oö tcoXXoc? V^P*0 ^^^ seiner Frau trennen lasst.
3) Bei Palladius (Migne, s. gr. t. 34 col. 1026) erscheint der Bericht
des Athanasius (Vita Ant. c. 60) über das Hinscheiden des Amon und die
Schamhaftigkeit desselben konfundiert, während Sozomenus in üebereinstim-
mung mit Athanasius die beiden Episoden auseinander hält.
4) Hist. Laus. c. 7 (Migne, 1. c. col. 1020).
5) So lautet der Name nach Cod. Parisinus gr. 1628 sc. XIV chart.;
andere Handschriften, sowie die Hervetsche Uebersetzung haben 'Ayiwv, Sozo-
menus VI, 30 'Apaitov.
6) Migne, 1. c. col. 1068. Vgl. Rufin. Hist. mon. c. 25.
7) Hist. mon. c. 24 u. 26. Vgl. Sozom. VI, 30.
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Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh. 96
(nicht identisch mit dem berühmten blinden Didymus von Alexan-
drien) und der Antoniusschaler Origenes an. Während Palladius
die oben erwähnten Mönchsväter von Nitria nur dem Namen nach
nennt, widmet er dem hochangesehenen Mönchsvater Pambo einen
besonderen Abschnitt^). Auch dieser Nitriot gehörte zu den unmit-
telbaren Schülern des hl. Antonius, wie dies Bufinus^) bezeugt. Es
wird ihm von Palladius eine grosse Verachtung der irdischen Güter
nachgerühmt. Als die fromme Bömerin Melania nach Nitria kam
{etwa nach 371) und ihm 300 Pfund Silber schenkte, gab er einem
seiner Mönche sofort den Auftrag» diese Gabe an die bedürftigen
Brüder Libyens und der Inseln zu verteilen, ohne dieselbe auch
nur eines Blickes zu würdigen. Der Spenderin, welche ein beifälliges
Wort von ihm erwartete und ihn auf den hohen Wert des Geschen-
kes aufmerksam machen zu müssen glaubte, erwiderte er: »Meine
Tochter, derjenige, dem du dies gegeben hast, bedarf nicht erst,
dass man ihm das Gewicht vorrechne; denn er, der die Berge und
Hügel mit der Wage abwog, weiss um so mehr, wie viel dein Silber
betrug. Würdest du dasselbe mir schenken, so thätest du recht,
mir das Gewicht anzugeben; da du es aber Gott gewidmet hast,
welcher nicht einmal die beiden Heller der Witwe übersah, sondern
sie höher schätzte, als alle andere Opfer, so schweige.« Wie Pambo
zu Lebzeiten des hl. Athanasius auf dessen Bitten in Alexandria
für die Gottheit Christi Zeugnis ablegte ^<'), so erlitt er auch als
treuer Anhänger des nicänischen Glaubensbekenntnisses die Verban-
nung, als nach dem Tode dieses Patriarchen (373) der arianische
Bischof Lucius mit Hilfe der Staatsgewalt die Mönche der nitrischen
Mönchskolonieen zersprengte; doch durfte Pambo samt den übrigen
Mönchen nach einiger Zeit in die Wüste zurückkehren. So erzählt
Bufinus, der als zeitweiliger Bewohner der nitrischen Wüste Leidens-
genosse dieser Mönche war und sich zur Ehre anrechnete, von Pambo
den Segen empfangen zu habendi). Der Tod des 60 Jahre alt ge-
wordenen Pambo fällt in die Jahre 371—374, als die oben erwähnte
Melania noch in Nitria weilte ^'). Zur Charakteristik dieses Mönchs-
vaters mögen noch die Worte dienen, die er in seiner Todesstunde
an seine Schüler richtete: »Seit ich in diese Wüste kam und hier
8) Bist. Laas. c. 10 (Migne, 1. c. col. 1028 sq.).
9) mst. eccl. n, 4.
10) Socrat. IV, 23.
11) Bafin. bist. eccl. II, 8 n. 4; vgl. auch Sozom. VI, 20. Dass auch der
Kaiser Valens dieser Verfolgung dnrch ein Gesetz Nachdruck verlieh, berichtet
:Socrates (IV, 24 zu Anfang). Der Wortlaut dieses Gesetzes findet sich oben S. 67.
12) Preuachen a. a. 0. S. 238.
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96 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh,
meine Zelle erbaute, verging kein Tag, an dem ich nicht mit meinen
Händen eine Arbeit verrichtet hätte, noch erinnere ich mich, von
irgendjemandem ein Stacklein Brod angenommen zu haben, noch
reat mich in dieser Stunde ein Wort, das ich gesprochen ; und doch
gehe ich jetzt zu Gott, ohne dass ich angefangen habe, gottes-
fQrchtig zu sein.€ Palladius, der erst im Jahre 385 nach Nitria
kam, traf den Pambo nicht mehr am Leben; dagegen sah er noch
den achzigjährigen und durch das Charisma der Erankenheilung be-
rühmten Mönch Benjamin ^>), der acht Monate vor seinem Hin-
scheiden an Wassersucht erkrankte. Mit welchem Gleichmut der
todkranke Benjamin sein schweres Leiden ertrug, beweisen die de-
mütigen und gottergebenen Worte, welche er an Palladius und dessen
Begleiter Dioskur, den nitrischen Presbyter und späteren Bischof von
Hermopolis, richtete: »Betet für mich, meine Söhne, damit nicht auch
mein innerer Mensch wassersüchtig werde; denn was diesen Leib be-
trifiR; , habe ich mich nicht gefreut , wenn er gesund war, und nicht
betrübt, wenn er krank war.c Ein Zeitgenosse der genannten Mönche
und Mitbewohner des nitrischen Gebirges war endlich der Mönch
ApoUonius ^^). Er war ursprünglich Kaufmann; da er erst im vor-
gerückten Alter der Welt entsagte und deshalb weder ein Handwerk
noch die Wissenschaften erlernen konnte, so suchte er sich durch
Ausübung der Arzneikunde auf Nitria nützlich zu machen. Er hatte
Arzneien aus Alexandria sowie andere den Kranken zuträgliche
Nahrungsmittel und besuchte durch 20 Jahre täglich vom frühesten
Morgen bis zur Non die Kranken in den nitrischen Monasterien;
vor seinem Tode übergab er einem gleich erfahrenen Mönche seine
Apotheke.
Einer jüngeren Mönchsgruppe gehörten die vier Brüder, Am-
monius, Dioskurus, Eusebius und Euthymius an^^). Sie erbauten
sich auf Nitria ein Monasterium und stellten sich unter die Leitung
des Mönchsvaters Pambo, während ihre beiden Schwestern in einiger
Entfernung ein eigenes Monasterium bewohnten. Sie hiessen wegen
ihrer ungewöhnlichen Körperlänge die langen Brüder und zeichneten
sich durch Wissenschaft und ascetischen Wandel aus. Der hervor-
ragendste unter ihnen war aber Ammonius, der die hl. Schrift aus-
wendig wusste und als der beste Kenner des Origenes, Didymus,
Pierius und Stephanus galt. Ihr Tod fällt schon in den Anfang dea
13) Eist. Laus. c. 18 (Migne, 1. c. col. 1084), Sozom. VI, 30.
14) ffist. Laus. c. 14 (Migne, 1. c. col. 1085), Sozom. VI, 29.
15) ffist. Laus. c. 10 (Anfang), c. 12 (Migne 1. c. col. 1028 seq.) Sozom^
VI. 30.
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Das egypt Mönchtum im 4, JcLhrh* 97
5. Jahrhunderts; über ihre letzten Lebensschicksale sowie über ihre
Anteilnahme an dem ersten origenistischen Streite (394—404) wer-
den wir in einem der folgenden §§ sprechen.
§. 8. Die hervorragendsten Mönche der sketischen Wüste. Mäkarius
der Egypter,
Makarias der Egypter^), war nach Cassian (coli. 15, 3) der
erste, welcher die sketische Wüste als Mönch bewohnte. Jedenfalls
aber wurde durch ihn diese südlich von Nitria gelegene Wüstenei
zu einem bedeutenden Sammelpunkte von Mönchen erhoben, weshalb
ihm auch Palladius (Eist. Laus. c. 19) den Beinamen des Grossen
beilegt. Der genannte Mönchsgeschichtsschreiber sowie Rufinus
beginnen die Gesten des Mäkarius mit seiner Ankunft in die sketische
Wüste ; aus der Apophthegmenlitteratur ^) erfahren wir dagegen, dass
Mäkarius schon von früher Jugend an als Ascet in einem egyp-
tischen Dorfe lebte, wo man ihn zur Annahme der Priesterweihe
zwang; darnach verliess er heimlich diese Gegend und wählte einen
anderen Ort zur Fortführung der ascetischen Lebensweise. Doch
wurde hier seine Ruhe bald gestört, indem ein schwanger gewor-
denes Mädchen des Nachbardorfes ihn als Entebrer anklagte. Man
schalt ihn als einen Heuchler, der seine Sittenlosigkeit unter dem
Kleide eines Asceten verberge, und schleifte ihn unter Misshand-
lungen durchs Dorf; er ertrug aber nicht Mos diese Vorwürfe still-
schweigend, sondern sorgte auch für den Lebensunterhalt der falschen
Anklägerin, bis diese, bei der Entbindung von fürchterlichen Schmer-
zen geplagt, seine Unschuld offenbarte. Da die Dorfbewohner ihm
jetzt öffentlich Beweise der Verehrung und Bewunderung erweisen
wollten, floh er in die sketische Wüste. Nach Palladius (Hist.
Laus. c. 19) geschah diese Wüstenflucht im dreissigsten Lebensjahre
des Mäkarius. Es müssen schon damals in diesem Wüstenteil
Mönche vereinzelt gewohnt haben; denn es wird uns berichtet, dass
er, der jüngere, nach zehnjährigem Aufenthalte daselbst wegen seiner
Strenge von den älteren Mitbrüdern den Beinamen Jugendgreis
1) ffist. Laus. c. 19 (Migne, 1. c. col. 1043 seq.). Sozom. VI, 29,
Socrat. IV, 18.
2) CoteleriuSf Eccl. Graec. Monnm. Tom. I p. 524 seq. (Migne, s. gr.
34 col. 236 seq.); cf. Vitae Patrum Rosweydi lib. III c. 99; Hb. V libell. 15, 25.
— Bei Palladius (hist. Laus. c. 19) heisst es: »Teaaapaxovxagt^j yap Y6vöp.6vo{
xata «vsujjLÄTcüV IXaßev IfouaiaaiixV 5ü'vap.iv )ca\ x^apiafia Ioul&twv xa\ TTveojAa Tcpo^f ijastav.
KaxTiSieodt) 81 xa\ t^; IvtCulou Upw(ji>v7j5.« Der zweite Satz ist parenthetisch auf-
zufassen, und man ist durchaus nicht berechtigt, die vorausgehende Zeitbestim-
mung auch auf die Annahme des Priestertums auszudehnen, wie es Sozomenus
III, 14 gethan hat.
Sohiwietz, Mönohtum. 7
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98 Das egypL Mönchtum im 4. Jahrh,
(icatdapioT^piov) erhielt. Auch wurde ihm in seinem vierzigsten
Lebensjahre das Charisma der Heilungen und der Geist der Weis-
sagungen zu teil. Nicht blos Mönche, sondern auch andere Leute
kamen zu ihm aus weiter Ferne, um in ihren leiblichen und geist-
lichen Anliegen getröstet zu werden. Die Mönche, die sich unter
seine Leitung stellten, wohnten, gleich den Schülern des hl. Antonius,
zerstreut in der Wüste ; dass die Zahl der Mönche in der sketischen
Wüste nicht gering war, geht daraus hervori dass Makarius für dieselben
einen eigenen Gottesdienst hielt. Nur zwei Schüler blieben in seiner
nächsten Nähe ; der eine stand dem Makarius wegen der zahlreichen
Besuche zur Seite und teilte mit ihm dieselbe Zelle, während der
andere in einer besonderen Zelle wohnte, unter seiner Zelle hatte
sich Makarius einen unterirdischen , eine halbe Stadie langen Gang
gegraben , der in eine Höhle mündete ; wenn ihm der Andrang der
Leute zu lästig wurde, pflegte er sich dorthin zurückzuziehen und
je 24 Gebete auf dem Hin- und Rückwege zu verrichten. Es ist
sehr fraglich, ob Makarius ein Schüler des hl. Antonius war; zwar
bezeugt dies Rufinus') ausdrücklich; doch Sokrates^), der den Rufin-
schen Bericht über Makarius ziemlich wörtlich ausschreibt, lässt
gerade diesen Passus aus, der den Makarius als Junger und Erben
der Gnaden und Tugenden des hl. Antonius bezeichnet. Dazu kommt,
dass den Apophthegmen zufolge der als Ascet in der Nähe eines
ägyptischen Dorfes wohnende Makarius sich direkt nach der Wüste
Sketis begab. So viel ist aber laut derselben Quelle sicher, dass
unser Makarius den ungeßlhr 13 Tagereisen entfernt weilenden An-
tonius zu besuchen pflegte^). In Bezug auf Speise und Trank übte
Makarius die strengste Ascese bis ins hohe Alter hinein. Zwar ver-
suchten die Mönche dieselbe zu mildern, indem sie dem greisen Vater
manchmal anlässlich eines Besuches Wein zur Erquickung vorsetzten ;
aber er pflegte alsdann für jedes getrunkene Glas Wein einen ganzen
Tag keinen Tropfen Wasser zu sich zu nehmen. Ein Schüler , der
um dies Geheimnis wusste, sprach darum zu den Brüdern: >Ich
bitte euch um Gottes willen, gebt ihm doch keinen Wein mehr;
denn er dient ihm nur später zur Pein in seiner Zelle.c Als die
Brüder dies erfuhren, gaben sie ihm fernerhin keinen Wein zu
trinken«). Von seiner Arbeitsamkeit zeugt folgende Episode^):
3) Hist. monach. c. 28.
4) Hist. eccl. IV, 23.
5) Vitae Patr. Rosweydi lib. V. libell. 7, 9; Cotelerius, Eccl. Graec
Monnm. Tom. I (Migne, s. gr. 34 col. 211, 252).
6) Vitae Patr. Rosw. lib. IH, c. 58, lib. V libell. 4, 26, Cotelerü Apoph.
thegmata sennm bei Migne, 1. c. col. 245.
7) Vgl. oben Note 5.
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Das egypt Mönchfum im 4, Jahrh, 99
»Makarius kam einst zum Abte Antonius auf den Berg. Als er
angeklopft hatte, ging Antonius zu ihm hinaus und sagte: »Wer
bist dtt?€ Jener antwortete: »Ich bin Makarius.€ Antonius ging
in seine Zelle, schloss die Thür zu und liess ihn draussen stehen.
Da er nun seine Geduld erkannte, machte er ihm auf, empfing ihn
mit aller Freude und sagte : »Seit langer Zeit hätte ich das sehn-
lichste Verlangen, dich zu sehen, als ich von dir hörte.c Er erwies
ihm alle Gastfreundschaft und erquickte ihn mit Speise und Trank;
denn er war von der Beise sehr müde. Am Abende weichte An-
tonius einige Palmblätter ein, um einen Strick zu flechten, und
Makarius sprach zu ihm : »Gieb mir auch Blätter zum Einweichen,
um etwas zum Arbeiten zu haben.« Antonius erlaubte es, und Ma-
karius machte sich ein grosses Bündel zurecht und begoss es mit
Wasser. Sie setzten sich nun abends zusammen, sprachen vom
Heile der Seelen und flochten einen langen Strick, der durchs
Fenster bis in die Höhle hinabhing. Als Antonius in der Frühe
hinausging und den sehr langen Strick des Makarius sah, sprach er:
»Eine grosse Kraft geht von diesen Händen aus.« Makarius war
auch ein grosser Liebhaber von kurzen herzinnigen Stossgebeten oder
Bibelsprüchen und äusserte sich seinen Schülern gegenüber folgen-
dermassen ^) : »Beim Gebet braucht ihr nicht viele Worte zu sprechen.
Es ist genug, wenn ihr mit ausgestreckten Händen die Worte wie-
derholet: »Herr, erbarme dich meiner, wie du willst und weisst!«
Denn Gott weiss es selbst, was uns frommt.« Dabei war Makarius
von einseitiger üeberschätzung des Mönchslebens weit entfernt und war
sich wohl bewusst, dass Weltleute , die ihre Standespflichten aus
Liebe zu Gott gewissenhaft erfüllen, vor Gott höher stehen als
manche Mönche. Als ihm darum eine Offenbarung zu teil wurde,
dass er es in der Vollkommenheit noch nicht soweit gebracht habe
als zwei in der nächsten Stadt wohnende Frauen, begab er sich so-
fort zu ihnen und bat sie um Auskunft über ihre Lebensweise. Auf
sein Drängen erklärten dieselben: »Wir haben uns mit zwei leib-
lichen Brüdern verehelicht; mit diesen leben wir schon 15 Jahre
lang in ein und demselben Hause, und noch hat keine der anderen
ein böses Wort gesagt, noch haben wir jemals einen Streit gehabt,
sondern bisher im Frieden gelebt; auch baten wir beide unsere
Männer um die Erlaubnis, in ein Haus von gottgeweihten Jungfrauen
einzutreten. Da wir aber die Zustimmung derselben nicht erhielten,
so schlössen wir zwischen uns und Gott das Bündnis, dass keine
8) Vitae Patr. Rosw. IIb. m, 207, IIb. V libell. 12. 10, Cotelerii
Apophihegm. bei Migne, 1. c. col. 249.
7»
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100 Da$ egypt, Mönchtwn im 4. JährK
von UDS bis zum Tode jemals ein unnützes Gespräch fahren wolle.c
In Folge dieses Bescheides that Makarins den Aussprach: »Es ist
in Wahrheit weder eine Jungfrau noch ein Eheweib, weder ein
Mönch noch ein Weltmensch, sondern Gott sieht nur auf den Vor-
satz und teilt allen den Geist des Lebens mit*).€ Für seine zahl-
reiche Mönchsgemeinde der sketischen Wüste verrichtete Makarins
bis an sein Lebensende die priesterlichen Funktionen. Ja der
gottbegeisterte Redner wurde oft von Pambo und dessen Schülern
eingeladen, um auf Nitria beim Gottesdienste geistliche Vor-
träge zu halten ^0). So ist denn höchst wahrscheinlich, dass die
50 geistlichen Homilien (ofiiXiai icveufiaTixai) « welche in mehreren
Handschriften unseren Makarins als Verfasser bezeichnen ^^) , wirk-
lich echt sind, wenn auch die altchristlichen Schriftsteller davon
schweigen und Gennadius (De vir. ill. c. 10) nur ein Lehrschreiben
des berühmten egyptischen Makarins an jüngere Mönche erwähnt
Der Verfasser erweist sich in denselben als einen durchaus prakti-
schen Vertreter der altkirchlichen Mystik. Der Benediktiner Dom
Geiller fand zwar in ihnen Anklänge an den Pelagianismus ; doch
lassen sich die dunkleren Stellen derselben durch andere klarere in
meliorem partem interpretieren. In die letzten Lebensjahre des Ma-
karius fiel noch die Verfolgung der sketischen und thebaischen
Mönche durch den nach dem Tode des hl. Athanasius (373) auf den
alexandrinischen Patriarchenstuhl erhobenen Arianer Lucius ^').
Der letztere glaubte sich in seiner Stellung nur durch die Ver-
nichtung des dem nicänischen Glaubensbekenntnisse ergebenen
Mönchtums behaupten zu können. Auf Grund eines Ediktes des
Kaisers Valens wurden die Mönche in der sketischen Wüste zer-
sprengt, und Makarins der Egypter nebst dem gleichnamigen
Alexandriner sowie Pambo und Isidor auf eine kleine von Sumpfen
umgebene Insel Egyptens verbannt. Unser Makarins und seine Ge-
nossen predigten den heidnischen Bewohnern dieser Insel die Lehre
des Heiles und bewirkten eine völlige Umwandlung der Insulaner. Das
gläubige Volk von Alexandria, das von dieser gottgefälligen und ge-
segneten Wirksamkeit der Mönche erfuhr, klagte Lucius der Unge-
rechtigkeit und Gottlosigkeit an und brachte es dahin, dass dieser
9) Vitae Patr. Rosw. üb. 3 c. 97; IIb. 6 libell. 3 c. 17.
10) Vitae Patr. Bosw. lib. 6 libell. 3 c. 4, lib. 5 libell. 3 c. 9; Cotelerii
Apophthegm. bei Migne, 1. c. col. 237 und 257*
11) Andreae Gallandi Prolegomena in vitas et scripta ss. Macarionim
(Bibl. veter. Patr. antiquorumque script. eccl. T. VII p. III seq.) ab&redr. bei
Migne, 1. c. col. 369 seq. ^ *- *- i/ s
12) S. oben S. 95 t
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2><M egffpt Mönehtwn ifn -L JtUurk. " 101
aus Furcht vor einem Aufruhr den yerbannten Möncheti die Rück-
kehr in die Wüste gestattete. Nicht lange darauf starb Makarius in
der sketischen Wüste in einem Alter von 90 Jahren, wovon 60 Jahre
auf den Aufenthalt in der Wüste fielen. Als Falladius in diese
Wüste um das Jahr 386 (385) kam, war Makarius bereits ein Jahr
tot ; daraus ergiebt sich, dass das Jahr 385 ungefähr als Todesjahr,
das Jahr 324 als Zeitpunkt der Wüstenflucht uDd das Jahr 294 als
Geburtsjahr des Makarius zu gelten hat.
Ausser diesem Makarius lebten nach Palladius noch folgende
hervorragende Mönche in der sketischen Wüste. Erstens gehörte
hierher Marcus ^^), der in seiner Jugendzeit das Auswendiglernen
der hl. Schrift als ascetische üebung pflegte, so dass er das Alte
und Neue Testament hersagen konnte. Er lebte höchst massig und
gestattete sich erst im hohen Alter den Genuss von Wein und Gel
Er stand im hohen Ansehen bei Makarius Alexandrinus, dem be-
rühmten Presbyter der Zellenwüste (KeXXia) ; behufs geistlicher Be-
lehrung besuchte ihn auch Palladius während seines Aufenthaltes in der
sketischen Wüste. Charakteristisch für diesen hundertjährigen Mönch
Markus ist das naive Gespräch, welches er einmal mit sich selbst
in seiner Zelle führte, während ihn Palladius dabei vor der Thür
der Zelle sitzend belauschte: »Markus sprach (zu sich): »Was
willst du weiter, du böser Alter (xaxörigpe) P Sieh, schon hast du
Wein getrunken und Gel berührt. Was willst du mehr, du ergrauter
Vielfrass {%oho<pd^e) und Bauchdiener (xotXiöteuXe), der du dich
selber mit Schmach und Schande überhäufst Pc und zum Teufel
sprach er: »Weich von mir Satan! Du bist mit mir in Streit und
Zank alt geworden, hast mich schwach am Körper gemacht, zum
Genuss des Weines und Geles gebracht und zum weichlichen Leben
verleitet. Was bin ich dir noch weiter schuldig? Weich also von
dannen, du Feind der Menschen! Bei mir findest du nichts mehr
zu nehmen. € Hierauf sprach er zu sich selbst folgende Worte der
Aufmunterung und Aneiferung: »Komm her, du alter Possenreisser,
du ergrauter Fresser und Trunkenbold ! Wie lange werde ich noch
bei dir bleiben müssen Pc
Makarius der Junge ^^) (6 vioc) hatte in seiner Jugendzeit beim
Viehhüten am Mareotissee einen Altersgenossen wider Willen er-
schlagen und floh, wie einst Moses, aus Furcht vor Gott und den
Menschen in die Wüste Scetis. Hier lebte er zunächst drei Jahre
13) Hist. Laus. c. 20 (gegen Schlass), 21 (Migne, s. gr. 34 col. 1065).
1. VI, ""
Sozom. Vi, 29.
1-^ Ibid.^c. 17 (Migne, 1. c. col. 1041).
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102 ' * * baa eavot. Mönehium im 4, JahrK
lang unter If wem Himmel ohne Obdach (afOptogi«); nachher erbaute
er sich daselbst eine kleine Zelle. So ward ihm der unvorsätzliche
Todschlag Veranlassung zur Tugend, und er sagte dafür zeitlebens
Qott Dank, wie er es dem Palladius gegenüber versicherte.
Der aethiopische Mohr Moses ^^) war Sklave eines Staatsbeamten,
wurde aber wegen seiner schlechten Führung von diesem ans dem
Dienste gejagt. Nun führte er ein unstätes Leben als Hauptmann einer
Räuberbande, bis er durch einen Zufall, der ihm begegnete, sich
bekehrte und als Büsser sich in der Scetis niederliess. Es kostete ihm
einen gewaltigen Kampf, um seiner durch ein langjähriges Sünden-
leben tief eingewurzelten Fleischesgelüste Herr zu werden. Zu diesem
Zwecke genoss er täglich nur 12 Unzen trockenen Brotes, arbeitete
sehr angestrengt und verrichtete dabei täglich 50 Gebete. Da er
aber trotzdem des Nachts von bösen Träumen belästigt wurde,
brachte er 6 Jahre hindurch ganze Nächte stehend im eifrigsten
Gebete zu. Schliesslich nahm er sich noch eine strengere Lebens-
weise vor. Er ging nämlich zur Nachtzeit in die Zellen der Mönche,
welche wegen Alter oder infolge der Anstrengungen erschöpft sich
nicht mehr selbst das Wasser holen konnten und füllte ihre Krüge mit
Wasser, das von mancher Mönchszelle aus zwei bis fünf Meilen
weit geholt werden musste. Doch erst das Gebet des sketischen
Priesters Isidorus und der öftere Empfang der hl. Communion brachte
ihm die erwünschte Herzensruhe. Er starb, 75 Jahre alt, in der sketi-
schen Wüste, wo er auch Priester war und 75 Schüler zählte.
unter den sketischen Mönchen weilte auch der siebenzigjährige
Pachon *''). Palladius weilte damals als Schüler des Evagrius Pon-
tikus in Nitria oder in den Julien, hatte aber ein besonderes Ver-
trauen zu dem altbewährten Tachon und besuchte denselben in der
sketischen Wüste, um ihm seinen Gewissenszustand zu offenbaren
und sich geistlichen Trost spenden zu lassen.
Der Bgypter Pior*») verliess als Jüngling das Elternhaus,
stellte sich zunächst unter die Leitung des hl. Antonius und zog
mit dessen Zustimmung im fünfundzwanzigsten Lebensjahre in die
Wüste Scetis, von wo aus er auch den Nitrier Pambo zu besuchen
pflegte. Seine tägliche ganz minimale Nahrung, bestehend aus
einem halben Pfund Brot und einigen Oliven, genoss er während
des Gehens. Als Grund dieser ascetischen üebung gab er an: »Ich
15) Sozom. VI, 29.
16) Bist. Laus. c. 22 (Migne, 1. o. col. 1065 seq.), Sozom. ibid., Theo-
doretus, IIb. IV Bist. c. 2L
17) Bist. Laus. c. 29 (Migne, 1. c. col. 1085 seq.), Sozom. ibid.
18) Bist. Laus. c. 11 (Migne, 1. c. 1033), c. 87 (col. 1195), Sozom. ibid.
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2>a« egypt MöncMum im 4. JahrK 108
thue dies, weil das Essen keine Handlang ist, welcher man sich mit
Ernst hingeben soll; deshalb verrichte ich sie auch wie eine vor-
übergehende Sache. Ebensowenig will ich auch, dass meine Seele
während des Essens ein sinnliches Wohlbehagen finden soU.c Als
er sein Elternhaas verliess, hatte er in seinem ascetischen Ueber-
eifer den Entschlass gefasst , seine Angehörigen hier aaf Erden nie
wieder za sehen, ungefähr 50 Jahre später wünschte seine verwitwete
and des geistlichen Trostes bedürftige Schwester seinen Besuch. Erst
aaf Geheiss des Bischofs jenes Distriktes, den die Schwester am In-
tervention bat, willfahrte Pior ihrer Bitte, kehrte aber nicht in ihrem
Hause ein, sondern redete mit ihr von der Thürsch welle aas mit
verschlossenen Aagen and kehrte nach Spendung des Trostes und
Verrichtung eines Gebetes in die Wüste zurück. Der Ort aber, den
er in der Scetis bewohnte, war einer der grauenvollsten Egyptens;
in dem von ihm gegrabenen Brunnen fand sich nur bitteres Wasser,
sodass seine Besucher genötigt waren, das notwendige Wasser mit
sich zu bringen.
In einiger Entfernung von Pior wohnte der Libyer Moses "),
der durch sein liebenswürdiges Wesen es verstand, schwermütige und
betrübte Brüder zu trösten. Am Anfang der sketischen Wüste wohnten
^uf dem Berge Pherme etwa 500 Mönche; unter ihnen führte Paulus ^)^
ein Zeitgenosse des alexandrinischen Makarius, ein ganz beschau-
liches Leben, indem er von spärlichem Almosen lebte und tagsüber
300 bestimmte Gebete verrichtete, zu deren Abzahlung er 300
Steinchen gebrauchte.
Trotzdem diese Mönche kein eigentliches Gönobitenleben führten,
sondern vielmehr ein jeder für sich in der Wüste zerstreut wohnten,
so hielten sie doch unverbrüchlich daran fest, dass man bei bewährten
Mönchen geistliche Unterweisung suchen, ihnen behufs richtiger Seelen-
führung den Gewissenszustand offenbaren und sich durch häufigen
Empfang der hl. Kommunion zum Kampfe gegen die geistlichen
und fleischlichen Anfechtungen stärken müsse. Von dieser Regel
wich ab ein gewisser Ptolemäus, von dem wir oben (S. 275) erzählt
haben, in welch schwierigen Verhältnissen er in Klimax, einem Orte
der sketischen Wüste, 15 Jahre lang sein Leben fristete; er hielt
sich für weiser und klüger als alle Väter der Wüste und mied ihren
Umgang sowie den Empfang der hl. Kommunion. Seinen schliess-
lichen Abfall vom Glauben charakterisieren seine materialistischen
Aeusserungen , alles geschehe durch Zufall und es gebe keine gött-
19) Hist. Laus. c. 88 (col. 1195), Sozom. ibid.
^0) ffis " "
20) Hist. Laos. c. 23 (col. 1068).
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1D4 Dm egypf. Mönchium im 4* JfMhrK
liehe Weltregierong noch jenseitige Vergeltung. Der vom Hoch-
mntsteufel bethörte Ptolemaeus yerliess in der Folge die Wüste und
ergab sich der Völlerei und Trunkenheit, ein beweinenswertes Schau-
spiel für die Christen, den Heiden aber zum Gespötte^^).
§, 9. Mdkarius der Alexandriner^ Presbyter in den Kdlien.
Makarius ^), Presbyter der Zellenwüste, war aus Alexandria ge-
bürtig und wird daher von Palladius zum Unterschied von dem
gleichnamigen Egypter 6 'AXe^avdpsuc; genannt ; aus demselben Grund
nennt ihn die griechische Version der Historia monachorum') und
nach ihr Sozoraenus (in, 14) den Städter (6 iroXtTtxog). Beide Ma-
karier waren miteinander innig befreundet. Nach dem Texte der
Historia Lausiaca bei Ducaeus-Hervet und bei Meursius war der
Alexandriner jünger an Jahren und betrieb vor seinem Eintritt in die
Wüste einen Handel mit Zuckerbackwaren, während in anderen
alten Handschriften, z. B. in dem Cod. Vindobonensis bist. gr. 84
(ol. 29) und Cod. Vindob. bist. gr. 9 (ol. 42) gerade der diesbezüg-
liche Passus fehlt •). Nach Empfang der Taufe im vierzigsten Lebens-
jahre ging er in die Wüste und lebte daselbst noch 60 Jahre. Er
war von kleiner Statur, und es wuchs ihm am Einn kein Bart, da
seine Haut infolge seiner strengen Ascese vertrocknet war. Pal-
ladius, der 9 Jahre und davon 3 Jahre in Gesellschaft unseres Ma-
karius in den Kellien weilte, berichtet, dass dieser Heilige drei ver-
schiedene Zellen hatte, nämlich eine in der sketischen Wüste, die
andere in den nach Libyen zu gelegenen Eellien, wo er auch die
priesterlichen Funktionen versah, und eine dritte auf dem nitrischen
Gebirge. Die erstere hatte keine Thür und war ganz finster und
zum Aufenthalt in der Fastenzeit bestimmt, die zweite so eng, dass
man die Füsse darin nicht ausstrecken konnte; die dritte war grösser,
wo Makarius die Gäste, die ihn etwa besuchten, aufzunehmen pflegte.
In Bezug auf die Strenge der Ascese stand der Alexandriner dem
ägyptischen Makarius nicht nach. Nach dem Beispiele der Pacho-
mianischen Mönche, von denen er hörte, dass sie in der Fastenzeit
nichts Gekochtes assen, genoss er sieben Jahre lang nur Kräuter
und eingeweichtes Gemüse; drei Jahre lang bestand seine tägliche
Nahrung nur aus 4—5 Unzen Brot und wenigem Wasser; Gel
brauchte er im Jahre nur ein Sechstel (SlaTtjc). An noch grössere
21) Eist. Laas. c. 88 (Migne, 1. c. coL 1092 seq.).
1) Ibid. c. 20 (Migne, 1. c. col. 1050 seq.).
2) Preuschen a^a. 0. S. 92.
8) S. Migne, 1. c. col. 1048 and col. 177.
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Das egipt Mönehium im 4. Jahrh. 105
Enthaltsamkeit konnte er aber seinen Leib, den bösen Zöllner, nicht
gewöhnen. Einmal brachte er zar Bekämpfung des Schlafes 20 Tage
und Nächte stehend ausserhalb der Zelle zu , während er bei Tage
vor Hitze verbrannte und bei Nacht vor Frost erstarrte. Ein anderes
Mal blieb er zur Abbfissung seiner Ungeduld 6 Monate in einer
sumpfigen Wüstengegend, sodass er in Folge der vielen Mückenstiche
das Aussehen eines Aussätzigen bekam. So vorbereitet begab er
sich in das 15 Tagereisen entfernte Kloster des hl. Pachomius in
der Thebais, bat diesen um Aufnahme und setzte die Mönche durch
seine ausserordentliche Ascese so in Erstaunen, dass sie die Ent-
fernung dieses ihnen unbekannten Virtuosen in der Ascese verlangten.
Als Liebhaber des beschaulichen Gebetes fasste Makarius einmal den
Entschluss, 5 Tage in seiner Zelle eingeschlossen nur an Gott zu
denken; doch musste er schon am dritten Tage wegen schrecklicher
Gemütsbewegungen von seinem Vorhaben abstehen. Am Ende seines
Lebens ertrug der Alexandriner nebst dem egyptischen Makarius,
Pambo, Isidorus und anderen Mönchen wegen des nicänischen Glau-
bensbekenntnisses eine Verbannungsstrafe ^) und starb nach der Rück-
kehr in die Wüste im hundertsten Lebensjahre^). Auf Grund der
Ausgabe der Historia Lausiaca des Ducaeus-Hervet und Meursius
hat man unseren Makarius zu einem Schüler des hl. Antonius ge-
stempelt. In den genannten Ausgaben sind nämlich der Vita des
Alexandriners zwei Erzählungen einverleibt, in welchen dieser als
Schüler und Erbe der Tugenden des hl. Antonius bezeichnet wird^').
Da sich jedoch diese beiden Berichte in älteren Handschriften'') nicht
vorfinden und auch die Apophthegmenlitteratur von solchen innigen
Beziehungen des Alexandriners zu Antonius schweigt , so sind die-
selben als Interpolationen zu betrachten^). Sie beziehen sich höchst
wahrscheinlich auf den gleichnamigen Antoniusschüler, der nach
Palladius (bist. Laus. c. 25) nach dem Tode seines Meisters im
4) 8. oben S. 100.
5) Ans der Notiz des Palladias, dass er 9 Jahre, davon 3 Jahre mit
Makarins dem Alexandriner (Iv o!; xpta Itv) [xoi inH^riat 6'fjiax&poc oSxoc xadeCöfisvoc
ht ^<Tuy6x) in den Kellien gelebt habe, sachte Tillemont (M^moires, ed. Bruxelles
T. YIIl P. III p. 1078) ein genaues Datnm für das Todesjahr dieses MÖnchsvaters
zu bestimmen; doch eeht ans dem Palladiastext nicht anbedingt hervor, dass
Makarias nach Ablaoi des dreijährigen Zosammenlebens gestorben sei.
6) Migne, 1. c. col. 1050.
7) Z. 6. in den schon oben (S. 285) erwähnten Wiener Handschriften.
Vgl. Migne, 1. c. col. 184 seq. Yg\, auch die kritischen Bemerkungen des Floss
hier&ber Migne, 1. c. col. 104, 107, 125 seq., 172 seq.
8) Ein Beweis ftlr die Yerderbtheit der handschriftlichen Ueberlieferang
ist die griechische Historia monachorum, in welcher die zwei Makariusapoph-
thegmen der Vita des egyptischen Makarias einverleibt erscheinen (Preaschen
a. a. 0. S. 87).
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106 Das egypt. M(h%chium im 4. JahrK
Kloster Pispir lebte und nach der von einem unbekannten Verfasser
herrührenden Vita Posthumü ®) auch daselbst starb. Die zwei Begeln,
die eine nnter dem Titel S. Macarii Alexandrini abbatis Nitriensis
Begula ad monachos ^^) und die andere S. Serapionis, Macarii, Faphnutii
et alterius Macarii regula ad monachos ^^) tragen das Zeichen der
ünechtheit an sich, indem sie ein Kloster mit cönobitischer Lebens-
weise voraussetzen, die den nitrischen und sketischen Mönchen durch-
aus fremd war.
§, 10, Evagrius Pantikas, Schüler der beiden Maharier,
Aus den vorhergehenden §§ erhellt, dass die nitrische Wüste
im vierten Jahrhundert eine grosse Anzahl hervorragender, wissen-
schaftlich gebildeter Mönche in sich barg. Einer der bedeutendsten
nnter ihnen war Evagrius Pontikus^). Nach der Historia Lausiaca
(c. 86) war er vom hl. Basilius, dem Erzbischofe von Caesarea, zum
Lektor und nach dessen Tode von seinem Bruder Oregor von Nyssa
(etwa um 380) zum Diakon geweiht^). Mit letzterem kam er nach
Gonstantinopel, blieb daselbst nach Beendigung des zweiten allge-
meinen Goncils (381) und spielte in der Hauptstadt unter dem
Patriarchen Nektarius wegen seiner tüchtigen theologischen Schulung
und Bedegabe eine hervorragende Bolle. Wegen grosser Gefahr für
seine Sittenreinheit, die ihm aus der sinnlichen Zuneigung der Ge-
mahlin eines angesehenen Stadtbeamten erwuchs, verliess er jedoch
bald die Hauptstadt und begab sich im Zwiespalt mit sich selbst
9) Roaweydt Vitae Patr. lib. I o. 7 p. 285 seq.
10) Abgedr. bei Migne, 1. c. col. 967 seq.
11) Bei Migne, 1. c. col. 971 seq.
1) Hist. Laus. c. 86 (Migne, 1. c. col. 1188 seq.). Es ist schwer zu ent-
scheiden, ob die Evagriasvita arsprunglich zar Historia Lansiaca gehörte. Sie
fehlt in einigen älteren Handschriften; aach ist es auffallend, dass sie, wie
keine andere Vita, mit einer besonderen Einleitung und Schluss versehen ist
und dass in dem feierlichen Eingang der Verfasser sich nicht an einen Leser,
den Lausns, sondern an Leser wendet, und endlich, dass in dieser Vita nur drei
Eva^rianische Schriften erwähnt werden, da doch Evagrius viel mehr ge-
schneben hat und Palladius als intimer Schüler desselben (vgl. Hist. Laus. c. 18,
Migne, 1. c. col. 1035, c. 29 col. 1084, c. 80 col. 1089, c. 82 col. 1091, c. 43 col. 1113,
c. 91 col. 1196) davon wissen musste. unter Berücksichtippng der Thatsache,
dass eine ausführlichere koptische üebersetzung der Evagriusvita vorhanden ist
und ein Stück derselben Vita, der Bericht über die Disputation des Evagrius
mit drei Häretikern, separat und ausführlicher in griechischer Sprache über-
liefert ist, meint Preuschen (a. a. 0. S. 255 ff.), Ptuladius habe seinem Lehrer
Evagrius eine ausführliche Vita gewidmet, die separat verbreitet wurde, aber
auch bald in gekürzter Gestalt in die Historia Lausiaca eingeschaltet oder, wie
in einigen Handschriften, derselben angehängt wurde. — vgl. auch die Mono-
graphie Zöcklers »Evagrius Pontikus«, seine Stellung in der altchristlichen
Literatur- und Dogmeugeschichte, München 1898.
2) Sokrates IV, 28 und Sozomenus VI, 80 stimmen mit der Hist. Lau-
siaca in diesen Einzelheiten nicht überein. Vgl. darüber Zöckier a. a. 0. S. 8 £
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t>a$ egypt MOnchtum im 4. Jahrh. 107
nach Palästina (etwa im Jahre 883). Infolge einer schweren Ge-
mütskrankheit nnd Ueberredung der schon früher erwähnten from-
men Römerin Melania entschloss er sich nach Egypten zn gehen,
um in der Wüste durch ein Büsserleben sein Seelenheil zn sichern.
Diesem Entschluss blieb er treu bis an sein Lebensende. Zunächst
wohnte er zwei Jahre (zwischen 383 — 385) bei den Nitriern, dann
in den Eellien, wo er nach fünfzehnjähriger Einsamkeit im 54. Lebens-
jahre (um das Jahr 400) starb, nachdem er noch am Epiphaniefeste
in der Kirche kommuniziert hatte'). Dass er Schüler der beiden
Makarier war, bezeugt ausdrücklich Sokrates (IV, 23). Der Verkehr
mit dem egyptischen Makarius findet auch in dem Evagrianischen
Schriftennachlass^) eine Bestätigung; doch war diese Bekanntschaft
nur von kurzer Dauer, da dieser Makarius schon 885 in der ske-
tischen Wüste starb. Dagegen verkehrte Evagrius als Bewohner
der Eellienwüste länger mit dem dortigen Presbyter Makarius
Alexandrinus, der nach dem Jahre 386 noch mindestens 3 Jahre
lebte. Nach dem Bericht der Historia Lausiaca war er in der Ascese
durchaus ebenbürtig den beiden Makariern und so der Welt abge-
storben, dass er die irdischen Verwandtschaftsbeziehungen missach-
tete und das ihm von dem Patriarchen Theophilus von Alexandria
dargebotene Bistum^) ausschlug. Den Lebensunterhalt verdiente er
sich durch litterarische Thätigkeit; da er sich bemühte kalligraphisch
zu schreiben, so reichte eben sein Verdienst gerade für seine Person
hin. Doch beschränkte er sich dabei nicht etwa auf das Abschrei-
ben fremder Geistesprodukte, vielmehr war er selbst ein sehr frucht-
barer Schriftsteller. Auffallend ist es immerhin, dass die Historia
Lausiaca nur von einer Dreizahl Evagrianischer Schriften be-
richtet; vielleicht erklärt sich dies durch den erbaulichen Charakter
der Historia Lausiaca, wie denn auch wohl aus demselbsn Grunde
£ufinus in seiner Historia monachorum^) die litterarische Thätig-
keit seines verehrten Lehrers Evagrius mit Stillschweigen übergeht,
obgleich wir aus dem Briefe des Hieronymus ad Ctesiphontem er-
fahren, dass Rufinus die Evagrianischen Schriften ins Lateinische
8) Hist. Laus. 86 (Migne, 1. c. col. 1194): »'Ev toütoi^ teXeotS xb a(5(jLa h
rcÄpto? -rijv 4»u)(^^v J^cDOTCoiTiaag rö kyitj^ IIvEt5(xoeTi xoivtüVTJja^ x^ lopTfj -zdv 'Ewi^avCcDV
T^ *£xxXY)aia.€ Den Sinn dieser Worte yöUig missyerstehencl, erklärt Zöckler
(a. a. 0. S. 14): »Nur einmal jährlich, am Epiphaniefest, habe er (Evagrius) an
der Kommunion in der Kirche teilgenommen, sonst stets sich einsiedlerisch
kasteiend. €
4) Evagrii Pontici Capita practica ad Anatolium n. 66 (Migne, s. gr. 40
col. 1239), n. 98 und 94 (col. 1249).
5) Vgl. auch die koptische Vita Evagrii bei Preuschen a. a. 0. S. 117.
6) C. 27.
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1^08 j)aB egypt, Mönchium im 4, Jahrh.
übersetzt und für deren Verbreitang im Abendlande gesorgt habe.
Dagegen nennt Socrates (IV, 23) eine Sechszahl Evagrianischer
Schriften und erweist sich als genauen Kenner derselben, und Qen-
nadius (De scripi eccl c. 11) sowie der eben erwähnte Kirchen-
lehrer Hieronymas bezeugen gleichfalls die Fruchtbarkeit des Eva-
grins in literarischer Beziehung. Leider ist der schriftstellerische
Nachlass dieses Evagrius bisher nur fragmentarisch an die Oefient-
lichkeit getreten ^). Bei Beurteilung dieser Geistesprodukte muss vor
Augen gehalten werden, dass Evagrius ein Verehrer der Origenisti-
schen Werke war; doch war er als Bewohner der Kellien in den
origenistischen Streit (394) nicht, wie die Mönche von Nitria, direkt
verwickelt. In trinitarischer Beziehung sind wohl seine Schriften
als intakt zu bezeichnen; dagegen berühren sich seine Ansichten
über das Wesen und die Folgen der Sünde mit der stoischen Ethik
und damit auch der pelagianischen Irrlehre^), indem er in seiner
Apathielehre, deren Spuren sich auch bei seinem Schüler Palladius
finden, die hyperascetische Ansicht vertrat, dass der Mensch durch
Reinigung von den Leidenschaften hier auf Erden zu einer absoluten,
ungestörten Sündenlosigkeit und Vollkommenheit nicht nur gelangen
könne, sondern auch müsse. Deshalb beschuldigt ihn Hieronymus ®),
durch diese Lehre dem Pelagianismus Vorschub geleistet zu haben;
doch blieb Evagrius vor einer namentlichen Gensurierung dieserhalb
verschont; dagegen wurde er nach seinem Tode wegen seiner origeni-
stischen Lehre von der Fräexistenz der Seelen und der Apokatastasis
nach einigen schon auf dem fünften, jedenfalls aber auf dem
sechsten und siebenten ökumenischen Goncil als Origenist ver-
uriieilt 10).
7) Die erste Sammlnng der vorhandenen Fragmente von Gallandi findet
sich bei Migne s. gr. t. 40. — Die fragmentarisch erhaltene Evagrianische
Schrift von den acht Lastergodanken hat Fr. Baethqen ans dem Syrischen
ins Deutsche übersetzt. Vgl. Zeitschrift f. Kirchengesch. XI (1890, S. 442 ff.;
der deutsche Text findet sich auch bei ZOckler a. a. 0. S. 104 ff.
8) Wörter, Der Pelagianismus etc., Freiburg 1866 S. 13.
9) Praef. in lib. IV super Jeremiam: ». . . . haeresis Pythagorae et
Zenonis oTca&eCa^ xa\ avafjLapTTjaiat i. e. impassibilitatis et impeccantiae, qnae olim
in Origene et dudum in discipnlis eins Bufino, Evagrioque Pontico et Joviniano
iugulata est, coepit revivescere.« Epist. 133 ad Ctesiphontem : »Evagrius Pon-
ticus Hyperborita, qui scribit ad yirgines, scribit ad monachos, scribit ad eam,
cuius nomen nigredinis testatur perfidiae tenebras (sc. Melaniam), edidit librum
et sententias nep\ obca&eia;, quam nos impassibilitatem vel imperturbationem
possumns dieere, quando nunquam animus uUo perturbationis yitio commovetur
et, ut simpliciter dicam, vel saxum vel Deus est.c Vgl. auch PraefSfttio zum
Dialog, contra Pelag.
10) 8. Hefele, Conciliengesch. (II. Aufl.) Bd. H, 862 f., III, S. 269 und
471. Vgl. auch ZOckler a. a. 0. S. 85 ff.
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Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh, 109
§. 11. Das Monchkm in der Thdms und im Nüdelia.
Bufias Historia monachorum erscheint, wie schon oben^) er-
wähnt worden ist, in der Form einer Reisenovelle, die allerdings
nicht ganz gelangen ist nnd schliesslich in eine einfache Aufzählung
der von dem Verfasser selbst besuchten oder ihm durch Hörensagen
bekannt gewordener Mönchskolonieen ausläuft. Im Anschluss an die
in diesem Werke vorgezeichnete Beiseroute wollen wir mit den
Mönchen beginnen, welche in der oberen Thebais bei Lycopolis ihre
Wohnsitze hatten, und dann weiterhin die Mönchskreise den Nil ab-
wärts bis zum Deltagebiet behandeln.
Hierbei scheiden wir von vornherein die südlich von Lycopolis
gelegenen Pachomianischen Mönchsniederlassungen von Tabenna
(Tabennesus) aus, weil wir diesen später ein besonderes Kapitel
widmen wollen. Aus dem gleichen Grunde übergehen wir den in der
Hist. mon. c. 3 erwähnten Ammon'), »den Leiter von fast 3000
Mönchen, welche Tabennesioten genannt wurden.c
Westlich von der auf der linken Kilseite gelegenen Stadt
Lycopolis >), dem heutigen Siut, erhebt sich das libysche Kalkge-
birge, in dessen schroffen Abhängen noch heute viele Grotten und
Felshöhlen zu sehen sind ; dieselben dienten einst als Grabkammern ;
doch im 4. Jahrhundert wohnten in manchen derselben christliche
Mönche, unter diesen genoss Johannes von Lycopolis^) einen nicht
unbedeutenden Buf. Die von ihm bewohnte Grotte, die sich jetzt
allerdings nicht mehr bestimmen lässt, war nach Bufin eine schwer
zugängliche Felsenklause. Hier lebte Johannes 50 Jahre lang Gott
allein, fem von menschlichem Verkehr und irdischen Sorgen, und
verschn^hte bis in sein hohes Alter jede gekochte Speise. Weibern
zeigte er sich niemals, Männern nur selten und zu gewissen Zeiten.
Die letzteren durften in einer nahen , eigens zu diesem Zwecke (für
Gäste) erbauten Zelle warten, bis am folgenden Samstag und Sonn-
tag der Zugang zu s^er Klause von den Mitmönchen geöffiiet
wurde. Doch auch dann blieb Johannes in seiner Zelle eingeschlossen
Ji
Archiv 79, 70.
Rufln verlegt dieses Ammonsche Kloster nördlich von Lycopolis;
PreuMChen (a. a. 0. S. 207) hfilt dies für einen geographischen Schnitzer, da
es nördlich yon Lycopolis keine Pachoraiomischen Möncnsniederlassnngen ge-
geben habe. Allein Ladeuze (£tnde sur le c^nohitisme pakhomien pendant le
TVo sikle etc., Loayain 1898 S. 199) weist die Existenz mehrerer Pachomiani-
schen Klöster nördlich von Lycopolis aas anderweitigen Quellen nach.
8) Baedeker, Aegypten 1897, S. 208.
4) Bnflni Hist mon. c. 1 (in Thebaidis partibas in eremo, quae adiacet
ciTitati Lyco); griech. Version c 1 (Iv xol^ op{ot« Au»o vf^ 6v)6a(SoO Sozom. h. e.
VI, 23.
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110 Das egypL MOnchtum im 4, Jahrh.
und sprach nur darcb die Oeffnung derselben Worte der Erbauung
und des Trostes.
Sein Ruf als Heiliger und sogar Prophet reichte weit fiber die
Grenzen der Thebais hinaus. Der Kaiser Theodosius der Grosse
schickte vor dem Feldzuge gegen Maximus und einige Jahre später
vor dem Kriege gegen Eugenius eine Gesandtschaft an den hl. Seher
von Lycopolis, um nach dem Ausgang des Bürgerkrieges zu forschen.
Ermutigt durch den Bescheid des Heiligen zog er in den Krieg,
dessen Ausgang der glückverheissenden Prophezeiung entsprach^).
Indes war Johannes nicht der einzige Mönch in der libyschen
Bergwüste bei Lycopolis. Aus der Historia mon, c. 1 ergiebt sich,
dass noch andere Mönche in den dortigen Felshöhlen hausten*). In
der Historia Laus. c. 43 wird auch noch berichtet, dass Johannes in
seinen Jugendjahren das Zimmermannshandwerk gelernt, vom fünf-
undzwanzigsten Lebensjahre ab in einem Kloster gelebt, fünf Jahre
später sich in die oben erwähnte Felsenklause eingeschlossen und
nach weiteren dreissig Jahren in dieser Eremitage die Gabe der
Prophetie erhalten habe ^). In üebereinstimmnng mit diesen Daten
weiss Cassian^) von einigen Gehorsamsproben zu erzählen, welche der
junge Mönch Johannes unter der Leitung eines hochbetagten Kloster-
vorstehers ablegte.
Die Wohnsitze der Mönchsväter Hör und Ben werden von
Bufin nicht näher bezeichnet ; doch ist ihre Lage, mit Bücksicht auf
die Bichtung der Beiseroute in der Historia monachorum, nördlich
von Lycopolis zu suchen. Der neunzigjährige Hör®) mit schnee-
weissem Haupthaar und patriarchalischem Barte war eine ehrfurcht-
gebietende und engelgleiche Erscheinung. Anfänglich hatte er tief
in einer Wüstenei seinen Wohnsitz aufgeschlagen; später baute er
5) Vgl. auch Augustinus, De civitate Del V, 26; CaasianuSt De coenob.
institatis IV, 23.
6) Migne, s. 1. 21 col. S99--401; cf. Migne, s. gr. 34 eol. 1109.
7) Migne, 8. gr. 34 col. 1109.
8) De coenob. mstitait. IV, 24—26.
9) Bist, mon« c. 2; griech. Version e. 2 (bei Prenschen a. a. 0. S. 24 f.);
Sozom. h. e. VI, 28. — Mit diesem Mönchsvater Or, der in der Thebais wohnte,
ist nicht zn verwechseln der Yon Palladias (Hist. Laus. c. 9) erwähnte gleich-
namige nitrische Mönch, den Melania noch gesehen, Palladias dagegen nicht
mehr in Nitria am Leben getroffen hat. Der Interpolator, der die Historia ino-
nachoram in die Historia Lausiaca hineinarbeitete, nahm allerdings fälschlich
die Identität der beiden Mönche an and fügte das 2. Kapitel der Historia mon.
in das 9. Kapitel der Hist. Lans. ein. Dass aber thatsfichlich ein Nitrier
Or existirte, wissen wir auch von Hieronymus, der in seinem Briefe ad Ctesi-
phontem einen Nitrier Or als Origenisten bezeichnete. — Der im koptischen
Kalender am 2. August erwähnte Horus abbas (s. Nilles, Ealendarium Manuale
utr. eccL 1897 (Oeniponte) tom. IL S. 712) ist daher wohl identisch mit dem
obigen Mdnchsvater der Thebais,
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D(M egypt Mönehtum im 4, Jahrh. 111
sich auf einen höheren Wink hin am Rande der Wüste in der Nähe
der Stadt eine Zelle and pflanzte rings am dieselbe allerlei Bäame
an. So wurden den Mönchen, die sich in der Folgezeit in seiner
Nähe ansiedelten, in der sonst waldlosen Qegend das mühsame Holz-
suchen erspart. Wollte sich jemand unter die Leitung des Hör stellen,
so schleppten seine Mönche bereitwilligst Lehm, Ziegeln, Wasser und
Holz herbei, erbauten an einem Tage für den neuen Mitbruder die
Zelle und versahen sie mit den nötigen Einrichtungen. Der gemein-
same Gottesdienst dieser Mönche bestand aus Schriftlesung , einem
erbaulichen Vortrag des Hör und Gebeten. Bemerkt wird auch
noch von diesem Mönchsvater, dass er vor jeder leiblichen Speise die
hl. Communion zu empfangen pflegte«
Ueber den Mönchsvater IBenus (Ben) werden in der Historia
mon. keine individuellen Züge berichtet. Auf Grund der Aussagen
seiner Mitbruder wird nur erwähnt, dsusis nie ein Schwur oder
eine Lüge aus seinem Munde gekommen und dass ihn auch nie ein
Mensch zornig gesehen noch eine müssige Rede von ihm gehört
habe. Sein Leben war ein lauteres Stillschweigen, sein Betragen
war voll Ruhe ; er schien in allem die Natur eines Engels zu haben.
(Hist. mon. c. 4, Preuschen S. 28 ; Sozom. V, 28).
Etwa 100 km nördlich von Lycopolis, IVa km westlich von
dem heutigen Röda liegen die Trümmer der einst berühmten
Stadt Aschmunen oder Hermopolis magna ^o). In der Nähe dieser
Stadt am Bergesabhang schlug zur Zeit des Kaisers Julian ein ge-
wisser Apollonius^^), der seit seinem fünfzehnten Lebensjahre 40 Jahre
hindurch in der inneren Wüste gelebt hatte, seinen Wohnsitz auf.
Er verrichtete unter Eniebeugungen 100 Gebete am Tage und eben-
soviele bei Nacht. Als Speise genügte ihm Brot und ungekochtes
Gemüse. Seine Kleidung war ein grober leinener Rock ohne Aermel
(Lebetes, lebiton = colobium; cf. Sozom. III, 13: x^^'^^^^^ ^X^i~
podoTouc) nebst einem den Kopf und den Hals bedeckenden Leinen-
tuche. Angezogen von seiner Heiligkeit und Gelehrsamkeit, siedelten
sich nach und nach 500 Mönche, darunter auch Aethiopier, in seiner
Nähe im Gebirge an und führten unter seiner Leitung ein gemein-
sames Leben. Sonntags speisten sie zusammen mit ihrem Vorsteher;
an den übrigen Tagen durften sie sich nach Belieben in der Fasten-
ascese üben. ApoUonius hielt auch darauf, dass seine Mönche täg-
lich die hl. Communion empfingen ; sie nahmen nicht eher Speise zu
sich, als bis sie um die neunte Stunde des Tages die hl. Communion
10) Baedeker Ägypten 1897 S. 191.
11) Hist. mon» c. 7; Preuichen a. a< 0. S. 82 f.; Sozom. h. e. III, 14.
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112 Dom egypt Mönehtum im 4. Jahrh.
empGuigen. Nacfiher blieben sie zaweilen bis zum Abend beisammen,
hörten das Wort Gottes an und wurden in den Geboten Gottes anter-
richtet. Alsdann nahmen sie Speise zu sich und gingen teils in die
Wüste und betrachteten die ganze Nacht die hl. Schrift oder lernten
sie auswendig, teils blieben sie am Orte der Zusammenkunft und ver-
harrten im Psalmengesang bis zum Morgen. Einige von ihnen stiegen
aber gleich um die neunte Stunde nach Empfang der hl. Communion
in ihre Zellen hinab und begnügten sich mit der geistlichen Speise,
und dies thaten sie viele Tage hindurch. In seinen Ermahnungen
hob ApoUonius besonders die Pflicht der Gastfreundschaft hervor;
die Mönche sollten die fremden Brüder wie den Heiland empfangen.
Desgleichen ermahnte er seine Mönche die hl. Communion, wenn
möglich, täglich zu empfangen, damit nicht der, welcher sich weit
von ihr absondere, auch weit von Gott abgesondert werde. Das ge-
setzliche Fasten am Mittwoch und Freitag musste von allen Mönchen
streng innegehalten werden ; doch durfte an diesen Fasttagen durch-
reisenden Brüdern auf Wunsch noch vor der neunten Stunde der
Tisch bereitet werden. Endlich duldete Appollonius bei seinen Mön-
chen keine schlechten oder schmutzigen Kleider; er tadelte auch
diejenigen, welche ihr Haupthaar lang wachsen Hessen oder Eisen
am Halse trugen oder sonst etwas Auffälliges thaten, das den An-
schein hatte, als geschehe es aus Ruhmsucht« Das gottselige Wirken
des ApoUonius beschränkte sich aber nicht auf die Mönche; es ge-
lang ihm auch die Bewohner von zehn benachbarten Dörfern zu
christianisiren ; einige der Neophyten wurden sogar Mönche. Zur
Zeit der Hungersnot kamen die Bewohner der umliegenden Dörfer
scharenweise in die Mönchskolonie des ApoUonius und empfingen die
nötige Nahrung.
Südlich von der Grotte des ApoUonius fand die Bufinsche Reise-
gesellschaft die Ginsiedelei eines Mönches, der ein Schüler eines schon
gestorbenen berühmten Einsiedlers, mit Namen Ammon, war^>). In
derselben Wüste lebte auch der neunzigjährige Priester und Mönch
Eopres^') mit 50 Genossen. Der Urheber der mönchischen Lebens-
weise in jener Gegend war nach der Aussage des Eopres ein ge-
wisser Patermutius 1*) , der als Heide ein berüchtigter Räuber ge-
wesen war, aber nach seiner Bekehrung ein strenges Büsserleben in
dieser Wüste führte. Seine Schüler hatten drei Kleidungsstücke,
einen Rock, eine Kapuze und ein ZiegenfeU; durch Belehrung und
12) Hist mon. c. 8; Preuachen a. a. 0. 8i 60.
13) Bist. mon. c. 9; Preuachen S. 53: Sozom. h. e. VI,
14) Hiat. man. c. 9; Preuichen 8. $4 t
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Daa egypt Mönchtum im 4. Jahrh. 113
Werke der Nächstenliebe gelang es ihnen, die heidnischen Bewohner
der Umgegend fär das Ghristentam zu gewinnen.
Nach dem Berichte des Kopres^^) gehörten der ersten Mönchs-
generation noch die Mönche Syrus (Snrus), Isaias, Paulus, Anuph *^)
nnd Helenus^^) an; ihre Wohnsitze waren jedenfalls nicht weit von
dem Kloster des Patermutius.
Schräg gegenüber von Röda liegt am Ostufer des Nils das
Dorf Schach 'Abäde mit den Trümmern von Antinoe^^). In der
dieser Stadt benachbarten Wüste traf die Reisegesellschaft des Ru-
finus dem 110-jährigen Mönch Elias, dessen Höhle nur mittels eines
einzigen, steilen Fusssteiges zu erreichen und deshalb schwer zu
finden war. Die Nahrung dieses Mönches bestand bis zum höchsten
Greisenalter nur aus wenig Brot und einigen Oliven. (Bist. mon. c. 12).
Die Lage des steilen Berges, in dessen Höhlen der Mönchs-
vater Pithyrion^®) mit vielen Oenossen lebte, ist in der Historia
monachorum nicht näher angegeben ; doch ist diese Mönchsansiedlung
wohl nördlich von Antinoe zu suchen. Pithyrion war ein Schüler
des hl. Antonius und nach dessen Tode wohnte er beim hl. Ammon,
bis er zuletzt auf dem erwähnten steilen Berge seinen Wohnsitz auf-
schlug. Er ass wöchentlich zweimal und zwar nur einen Mehlbrei.
Gleich nach Pithyrion nennt die Historia monach. den Mönch
Eulogius ^% der zugleich Priester war und mit aller Strenge darüber
wachte, dass die Mönche, gereinigt durch Werke der Busse und
Thränen, zum Tische des Herrn hinzutraten.
Etwas über 60 km nördlich von Antinoö lag am selben Ufer
des Nils im kynopolitanischen Nomos die Stadt Akoris **) (""Axwpic).
In der Nähe dieser Stadt wohnte der Mönch Apelles. Zwar heisst
es bei Rufin (Historia mon. c. 15) blos: »Yidimus et alium presby-
terum in vicina regione nomine Apellen, virum iustumc, so dass man
nach dem Zusammenhange (Vgl. c. 12) den Wohnort des Apelles
nicht weit von Antinoe suchen müsste ; indes die griechische Version
der Historia monach. >^) enthält in Uebereinstimmung mit Sozomenus
(bist, eccles. VI, 28) die bestimmte Angabe, dass Apelles bei Akoris
(iv ToTc fA^peai x^c 'Ax(ope(i>c) gewohnt habe. Ist es jetzt auch un-
15) Eist. mon. c. 10 u. 11; Preuschen S. 63—68.
16) Sozom. h. 6. III. 14.
17) Ibid. VI, 28.
18) Baedeker a. a. 0. S. 191.
19) Tust mon. c. 13; Preuschen S. 77.
20) Ibid. c 14.
21) Die Schntthfigel bei Tehne et-Tahtna hält mB,^ fQr die Ueberreste der
sonst nur Yon Ftolomaeus erwähnten Stadt Akoris (S. Baedeker a. a. 0. S. 185).
22) Preuschen a. a. 0. S. 68, Note 20.
Schiwietz, MÖnohtum. 8
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114 Das egypU Mönchtum im 4, Jahrh,
möglich zu eruiereo, auf welche Weise der Grieche zu dieser be-
stimmten Ortsangabe gelangt ist, so ist dieselbe doch nicht so leicht
von der Hand zu weisen, zumal sie sich in alten Handschriften findet
und sehr gut in den Reiseplan der Rufinschen Reisegesellschaft
hineinpasst.
Apelles, der Priester war und daneben das Schmiedehandwerk
betrieb, machte der Rufinschen Reisegesellschaft einige Mitteilungen
über einen hochbetagten Mönch der benachbarten Wüste, Namens
Johannes >'). Darnach soll Johannes zu Anfang seines Wüstenlebens
drei Jahre unter einem Felsen gestanden und immer gebetet haben.
In Folge dieser hyperascetischen Uebung brachen ihm die Füsse auf
und Eiter kam aus den Wunden. Auf einen höheren Wink hin fing
er nun an, in der Wüste umherzuwandern und Mönche und Klöster
der Nachbarschaft durch das Wort Gottes zu erbauen. Sonntags
kehrte er in seinen Wohnort zurück und empfing durch einen Priester,
der das hl. Messopfer für ihn darbrachte, die hl. Communion; an
den übrigen Tagen beschäftigte er sich mit Anfertigung von Stricken
aus Palmblättern. Die Bemerkung der Historia monach. , dass
Johannes keinen Hunger nach irdischer Speise fühlte, ergänzt die
griechische Version**) dahin, dass er sich nur von Kräutern nährte.
Ein gutes Stück nördlich von Akoris, jedoch auf der linken
Nilseite, lag die volkreiche Stadt Oxyrynchus, an deren Stelle
sich jetzt das 20 km westlich von Abu Girge am Bar Tusuf ge-
legene Behnesa befindet **). Diese Stadt hatte in der zweiten Hälfte
des 4. Jahrhunderts lauter christliche Einwohner. In der Stadt wie
ausserhalb derselben wohnten sehr viele Mönche. Es gab in ihr kein
Thor, keinen Turm, noch auch nur einen Winkel, wo kein Mönch
wohnte. Auch ehemalige öffentliche Gebäude und heidnische Tempel
dienten den Mönchen als Wohnstätten. So kam es, dass man dort
Tag und Nacht nichts hörte wie Mönchsgesänge. Zwölf Kirchen
dienten in der Stadt dem öffentlichen Gottesdienste, die vielen Bet-
häuser der Stadtklöster nicht mitgerechnet. Nach Aussage des
Örtsbischofs gehörten 20,000 Jungfrauen und 10,000 Mönche zu
seinem Sprengel; doch darf man sich wohl gegenüber diesen hohen
Zahlen bei den Schriftstellern des byzantinischen Zeitalters etwas
skeptisch verhalten; immerhin verdiente Oxyrynchus wegen dieser
seiner Eigenart den Namen einer Mönchsstadt *^).
23)
24)
Preuschen S. 70.
Baedeker S. 178.
Hist. mon. c. 5; Hreuschen S. 29 f.
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Das fgypl. Mönchtum im 4. Jahrh* H^
Nicht weit von dieser Stadt wohnte der Mönch Theon. Dreissig
Jahre übte er, in seiner Klause eingeschlossen, beständiges Still-
schweigen. Viele Kranke fanden bei ihm Trost und Heilung, indem
er durch das Fenster seiner Klause seine Hand über sie ausstreckte
und sie segnete. Selbst die wilden Tiere der Wüste waren anhäng-
lich und zutraulich gegen ihn").
Das nächste Kloster ^% welches die Kufinsche Reisegesellschaft
nördlich von Oxyrynchus besuchte, lag in der Wüste bei Heracleopolis
magna ^% Der Gründer desselben , Namens Paphnutius , war nicht
mehr am Leben; doch erzählten die Mönche aus dem Leben ihres
Mönch vaters folgende interessante Legende: Paphnutius bat einmal
Gott, er möchte ihm anzeigen, welchem Heiligen er gleich gehalten
werden dürfte. Es erschien ein Engel und sagte Jhm, dass er seinen
Verdiensten nach einem Musiker gleiche, der im nächsten Dorfe mit
Singen und Aufspielen sich seinen Unterhalt suchte. Die Nach-
forschung ergab, dass dieser Musiker dadurch bei Gott Gnade fand,
dass er als ehemaliger Räuber eine von seinen Genossen gefangene
Jungtrau vor Entehrung schützte und einem armen Weibe zur Los-
kaufung ihres Schuldenhalber eingekerkerten Mannes 300 Gulden
schenkte. Nachdem Paphnutius noch eifriger Gott gedient hatte,
wurde ihm geoffenbart, dass er von Gott einem reichen Manne des
nächsten Dorfes gleich gehalten werde, der ein keuscher Ehegatte,
Wohlthäter und Beschützer der Armen war und sich allezeit als
eifrigen Friedensstifter und unparteiischen Richter im Dorfe erwiesen
hatte. Als nun Paphnutius noch vollkommener zu werden trachtete,
wurde ihm die Offenbarung zu teil, dass noch ein dritter Weltmann
bei Gott nicht weniger Verdienst habe als er; es war dies ein reicher
alexandrinischer Kaufmann, der ebenso eifrig in seinem Geschäft,
wie rührig im Wohlthuen war, und der auch den Mönchen des
Paphnutius zehn Säcke Gemüse schenkte, als er eben gerade aus
der Thebais um 20,000 Gulden Waaren heimführte. Mit Rücksicht
auf diese Offenbarungen erklärte Paphnutius vor seinem Tode seinen
Mönchen: »Man darf niemanden in der Welt verachten, er sei ein
Räuber oder ein Gaukler, er sei Land mann oder Kaufmann oder
Ehemann; denn in jedem Stande giebt es gottgefällige Menschen,
die im Stillen solche Handlungen vollbringen, durch welche Gott
27) Ibid. c. 6; Fr tuschen S. 30 f.; Sozom. h. e. VI, 28.
28j Ibid. c. 16; Preuschen S. 71 f.; Sozom. h. e. III, 14.
29) Als Trümmer der alten Heracleopolis sind anzasehen die grossen
Schntthügel bei Ahnas el-Medine, welche in westlicher Richtung Yon Benisu^f
16 km landeinwärts liegen. Baedeker S. 182.
8*
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116 Das egypL Mönchtum im 4, Jahrh.
erfreut wird; daraus ergiebt sich auch, dass nicht so sehr der äussere
Stand oder das Kleid Gott Wohlgefallen, als vielmehr ein aufrichtiges
und gutes Herz und rechtschaffene Werke, c Diese Mahnungen des
Paphnutius sind insofern interessant, als sie darthun, dass nach An-
sicht hervorragender Vertreter der damaligen Mönchsascese das
Mönchsleben nicht als die einzige mögliche Form des christ-
lichen Lebens anzusehen sei, sondern auch Weltleute bei guter und
aufrichtiger Gesinnung durch Ausübung guter Werke sich ebenso
gut wie die Mönche das Seelenheil sichern könnten.
Weiter nördlich fand die Bufinsche Reisegesellschaft das Kloster
des Abtes Isidorus^^^), dessen Mönche ganz nach Cönobitenart lebten und
von der Aussenwelt gänzlich abgeschlossen waren. Das Kloster hatte
einen weiten Umfang ; die zahlreichen Mönchswohnungen umschloss
eine Mauer. Innerhalb dieses Geheges befanden sich mehrere Brunnen
und Gärten mit allerlei Feldfrüchten und Bäumen, so dass die Mönche
der Nahrung wegen die Klostermauern nicht zu verlassen brauchten.
Nur zwei älteren Mönchen war es gestattet, das Kloster zu verlassen,
um die Handarbeiten der Mönche zu verkaufen. Am Eingang des
Klosters übte ein bewährter Mönch das Amt des Pförtners. Wer
ins Kloster hineingehen wollte, musste sich verpflichten in demselben
zu verbleiben. Gäste wurden in einer Zelle am Klosterthor be-
herbergt.
Weiter nordwestlich vom Kloster des hl. Paphnutius lagen in
der Gegend von Arsinoe (Krokodile polis) viele Mönchsansiedlungen,
an deren Spitze der Priester-Mönch Serapion**) stand; es ist wohl
eine Uebertreibung , wenn Bufin die Zahl der Mönche auf 10,000
schätzte« Wie bei den übrigen egyptischen Mönchen, so war es
auch bei diesen Brauch, zur Erntezeit sich als Schnitter zu verdingen ;
hierbei verdiente sich jeder Mönch jährlich ungefähr 60 Sester Ge-
treide. Den grössten Teil dieses Verdienstes teilte der Abt als Al-
mosen aus. Nicht bloss die Armen der Umgegend wurden damit be-
dacht, sondern es gingen auch ganze Schiffsladungen nach Alexandria
30) Hist. mon. c. 17; Preuschen S. 78 f.; Sozoni. h. e. VI, 28. — Dieser
Isidorus ist nicht identisch mit dem alexandrinischen Spitalpriester gleichen
Namens, der zuerst Mönch in Nitria war (Hist. Laus. c. 1) und später als Pres-
bjrter von Alezandria in die origenistischen Streitigkeiten der nitrischen Mönche
mitverwickelt wurde (Sozora. h. e. VIII, 12 u. 13; Socrat. h. e. VI, 9). Hiero-
nymus hat sich jedenfalls versehen, wenn er in seinem Briefe ad Ctesiphontem
behauptet, dass Rufinus den Origenisten Isidorus in seiner Mönchsgeschichte
behandelt habe. Auf Grund dieser Notiz nahm Rosweyd (Migne, s. 1. 21
col. 439 not. a) ffilschlich an, dass der in der Hist. mon. c. 17 behandelte
Mdnchsvater Isidorus in der Thebais mit dem origenistisch gesinnten ehemaligen
Mönche von Nitria gleichen Namens identisch wäre.
31) Hist. mon. c. 18; Preuschen S. 79; Sozom. h. e. VI, 28.
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Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh, 117
ab and warden daselbst unter die Gefangenen und Dürftigen
verteilt.
Der Bericht über die Mönche von Arsinoe schliesst mit der
Bemerkung, dass auch bei Memphis und Babylon viele Mönchs-
ansiedlungen von der Bufinschen Reisegesellschaft gefunden wurden.
Dann wird auf Grund der Mitteilungen älterer Mönche aus dem
Zeitalter der Christenverfolgungen ein Mönch der Thebais, Namens
Apollonius'^), erwähnt, der wegen seines gottseligen Wandels die
Diakonatsweihe erhalten hatte und mit einigen Neubekehrten auf
Befehl eines Statthalters von Alexandria im Meere ertränkt wurde.
Die Bufinsche Reisegesellschaft besuchte die durch Gebetserhörungen
berühmte Kapelle dieser Märtyrer.
Am Schluss der Reiseroute in der Tbebais wurde noch der
Priester-Mönch Dioskuros besucht; er hatte ein Kloster mit etwa
100 Mönchen. Rufin rühmt die Hirtensorgfalt, mit welcher Dioskuros
jeden Mönch, der mit einer Sünde befleckt war, von der hl. Com-
munion fernhielt 5*).
Im äussersten Westen des Nildeltas, in der Umgegend von
Aleiandria, wohnten im 4. Jahrhundert etwa 2000 Mönche^);
die Zellen derselben lagen am Mareotissee bis in die libysche
Wüste hinein. Der bedeutendste unter diesen Mönchen war der
Thebäer Dorotheus, der seit den ersten Decennien des 4. Jahr-
hunderts eine 5 Meilen von Alexandria gelegene Höhle bewohnte,
während seine Schüler in seiner Nähe in Zellen wohnten. Seine
tägliche Nahrung bestand nur aus 6 Unzen Brot und einigen Kräutern
mit wenig Wasser. Während des ganzen Tages, selbst in der grössten
Mittagshitze, sammelte er am Meeresstrande Steine und baute mit
diesem Material Zellen für zukünftige Schüler. In der Nacht aber
flocht er Stricke aus Palmblättern und blieb auch in dieser sitzen-
den, unbequemen Stellung, wenn ihn bei dieser Arbeit der Schlat
übermannte ; auf einen regelrechten Schlaf mit ausgestreckten Glie-
dern verzichtete er. Diese Notizen besitzen wir von Palladius **),
der auf Empfehlung des alexandrinischen Spitalverwalters Isidorus
bei Dorotheus das Noviziat in der Mönchsascese durchmachen sollte,
jedoch noch vor Ablauf des dritten Jahres aus Gesundheitsrück-
sichten diese Wüstenei verlassen musste.
Um dieselbe Zeit lebten viele und bedeutende Mönche in der
32) Bist roon. c. 19; Preuschen S. 80 f.
33) Hist. moD. c. 20; Preuschen S. 82 f ; Sozom. h. e. VI, 28.
34) Sozora. h. e. VI, 29.
35) Hist. Laus. c. 2. Vgl. anch Soz. 1. c.
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118 Das egypt MOnchtum im 4. Jahrh.
Wüste des mittleren Deltagebietes bei der Stadt Diolkas. Nach
Cassian (Instit. coenob. V, 36), der diese Wüstenei selbst besacbt
hatte, gab es daselbst sowohl Mönche, die in Gemeinschaft lebten,
als auch Änachoreten, welche nach hinlänglicher Erprobung im
Kloster sich zuletzt in die Verborgenheit der Wüste zurückzogen.
Bufin nennt als hervorragende Mönche von Diolkus den Priester
Piammon, der im Besitze des Charismas der Qeisterunterscheidung
den Gewissenszustand der Mönche streng überwachte und Johannes,
der die Heilungskraft besass und besonders in geistige Traurigkeit
verfallene Mönche mit der Heiterkeit des Herzens zu erfüllen ver-
stand. Nach Sozomenus (VI, 29) waren sie beide Vorsteher von
Mönchen »«).
In derselben Wüste, etwa 4 Stunden von Diolkus entfernt,
lebte der Mönch Archebios, der einer edlen Familie entstammte und
schon im Knabenalter ins Kloster gegangen war. Während der
fünfzig Jahre, die er daselbst zubrachte, versagte er sich jeglichen
Besuch der Angehörigen in der nahen Heimat; doch war er nicht
pietätslos gegen seine Mutter; denn als diese nach dem plötzlichen
Tode ihres Gatten wegen einer Schuld von 100 Silberlingen hart
bedrängt wurde, bezahlte er mit seiner Hände Arbeit, die er mit
Gutheissung seiner Obern verdreifachte, die ganze Schuld. Später
verliess er gleich anderen Mönchen das Kloster und lebte als Ein-
siedler am Meeresstrande. Aus dieser Einsamkeit wurde er zuletzt
herausgerissen und als Bischof der weiter östlich von Diolkus ge-
legenen Stadt Panephysis vorgesetzt«'').
Cassianus, der den Archebius sowohl in der Mönchszelle wie
auch später in der bischöflichen Besidenz besuchte, erwähnt auch
drei in der Nähe von Panephysis lebende Einsiedler, den hundert-
jährigen Chaeremon, den Nesteros und den Josephus, der einer an-
gesehenen Familie der Stadt Thmuis angehörte und der egyptischen
und griechischen Sprache mächtig war*»).
36) Von Piammon redet Cassian in seiner CoUatio XVIII ; der in der
XIX. CoUatio erwähnte Johannes, welcher als einfacher Mönch eines ortlich
nicht näher fixierten Klosters unter der Leitung eines Abtes Paulus erscheint,
ist wohl aber schwerlich identisch mit dem obigen Johannes, wie dies Zöckler
(Ascese und Mönchtum (1897) I S. 227) annimmt.
87) Cassian, Instit. coen. V, 36—38; Coli. 11, 2 f.
38) Cassian, Coli. 11, 3—17.
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Das egypt, Mönchtum im 4. Jahrh, 119
§ 12, Quellen zur Geschichte der Pachomianischen Klöster.
Für die Kenntnis der Pachomianischen Cönobitenklöster in def
Thebais sind wir nicht einzig auf die mageren Notizen des Palladius
angewiesen, sondern es steht ans darüber ein reichhaltigeres Quellen-
material zur Yerfägung. Dazu gehören in erster Linie die Bio-
graphien des Pachomias und seiner Schüler; dieselben sind in ver-
schiedenen Recensionen auf uns gekommen.
1) Die von Dionysius Exiguas zu Anfang des 6. Jahrhunderts
nach einer griechischen Vorlage angefertigte lateinische Vita
Pachomii i). (A).
2) Eine von Aloysius Lipomanius aufgefundene, dem griechi-
schen Hagiographen Simeon Metaphrastes zugeschriebene Vita; die
lateinische üebersetzang derselben ist von Surius in seine Samm-
lung von Heiligenleben aufgenommen worden^). Der griechische
Text findet sich in zwei Handschriften der Pariser Nationalbiblio-
thek (cf. Cod Hag. graec. bib. nation. Paris., n. 881, 5 et
n. 1453, 2). (B).
3) In derselben Bibliothek ist noch eine andere bisher unedierte
griechische Vita Pachomii vorhanden (Ibid. n. 881, 4).
4) Die von den BoUandisten auf Grund einer vatikanischen,
Florentiner und Mailänder Handschrift herausgegebene griechische
Recension *) ist umfangreicher als die obigen und enthält ausser der
Vita des hl. Pachomius noch die Lebensbilder seiner Schüler, be-
sonders des Theodorus. (C).
5) Aus denselben Handschriften sind von den BoUandisten die
Paralipomena de S. Pachomio et Theodore geschöpft*); eine wört-
liche üebersetzung dieser griechischen Paralipomena ist die syrische
Pachomiusvita*). (P).
Neuerdings sind noch von dem Pariser Professor Am^lineau
folgende koptische und arabische Recensionen einer Vita Pachomii
und Theodori nebst französischer üebersetzung veröffentlicht worden :
1) Migne, s. lat. t. 67 col. 227 seq.
2) De probatis Sanctorum Vitis, Colon. Agripp. 1579 p. 307—339.
3) Act. Sanct. Maii 1866 t. III pag. 22*— 43* (griechischer Text), p. 295
bis 383 (lat. üebersetzung).
4) Ibid. pag. 44*— 53* (griech.), pag. 333—345 (lat. üebera.).
5) P, Bedjan, Act. martyr. et sanctor. t. V p. 121—176.
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120 Das egypt, MOnchtum im 4. Jahrh.
1) Fragmente einer Vita Pachoraii 'et Theodori ina koptisch-
sahidischen Dialekt ^). (T).
2) Eine bis auf Anfang und Schluss vollständige Vita Pachomii
et Theodori im koptisch-boheirischen Dialekt >). (M).
3) Die jüngste, nach Ansicht des Herausgebers etwa aus dem
13. Jahrhundert stammende arabische Vita Pachomii et Theo-
dori»). (A').
Diese verschiedenen Recensionen enthalten trotz mannigfacher
Differenzen so viele auffallende Berührungspunkte in inhaltlicher wie
formeller Hinsicht, dass eine gegenseitige Abhängigkeit irgendwelcher
Art von allen Kritikern angenommen wird. Der Streit dreht sich
nur darum, ob der griechischen oder der koptisch-arabischen Quellen-
gruppe die Priorität und der Vorzug zugestanden werden soll. Die
Bollandisten, denen die koptisch-arabische Gruppe unbekannt war,
halten die von ihnen heransgegebene griechische Becension der Vita
Pachomii et Theodori für die ursprünglichste; dieser seien von den-
selben Pachomianischen Mönchen und Redaktoren die Paralipomena
hinzugefügt worden ; aus diesen beiden Vorlagen seien dann die Re-
censionen A und B geflossen, von denen die letztere im Verhältnis
zur ersteren aliquante verbis arctior, rebus amplior sei^). Am^lineau^)
dagegen glaubt, dass von Pachomianischen Mönchen, die des Griechi-
schen und Koptischen mächtig waren, unter den Augen des Abtes
Theodorus zu gleicher Zeit eine koptisch-sahidische und griechische
Vita Pachomii herausgegeben worden sei; letztere sei ganz verloren
gegangen; aus der ersteren, die wir nur fragmentarisch besitzen,
seien die koptisch- boheirische, die arabische, sowie die uns bekannten
griechischen Recensionen, jedoch ohne Abhängigkeit unter einander,
hervorgegangen. Die treueste Wiedergabe des Originals soll die
arabische Recension sein, während die Autoren der griechischen
Recensionen das Original nach ihrem Geschmack umgemodelt und
so den griechischen Mönchen mundgerecht gemacht hätten. Grütz-
macher hat sich in seiner Schrift über »Pachomius und das älteste
Klosterlebenc die Ansicht des Am^lineau zu eigen gemacht und den
koptisch-arabischen Quellen den Vorzug gegeben^); doch erklärten
1) Annales da Musöe Guimet, Paris, Leroux 1889 Tome XVII p. 295—334;
Mömoires de ia mission archöologique francaise au Caire, Paris, Leroax IV, 2 f.,
p. 521-608.
2) Annales da Mas^e etc. p. 1—294.
3) Ibid. p. 335-711.
4) A. S. S. 1. c. p. 287.
5) Annales da Mas6e etc., Introdaction p. IX seq.
6) Orützmacher^ Pachomius und das älteste Klosterleben, Freibar/r i. B.
(Mohr) X896, S. 5 ff.
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Das egypt MOnehtum im 4. Jahrh. 121
Achelis ^) und Preuscheri *) bei der Besprechung dieses Werkes, dass
die kritischen Bemerkungen des Am^lineau und Grützmacher über
den Wert dieser verschiedenen Recensionen noch nicht als ab-
schliessend gelten könnten. In der That leidet die Beweisführung
Am^lineaus an verschiedenen Mängeln, und selbst Grützmacher
muss dessen Arbeitsmethode der Flüchtigkeit zeihen '). Hat doch
Am^lineau in seinem kritischen Expose die Vita B ganz übersehen
und das urteil der BoUandisten über das Verhältnis von A zu B
irrtümlich auf das von A zu C übertragen. Ferner supponiert er,
a priori eingenommen für seine Funde, die koptische Vorlage ein-
fach als die ursprüngliche Becension und beschränkt sich alsdann
darauf, zu zeigen, in welcher Weise die Autoren von A und C mit
der koptischen Vorlage verfahren oder sie umgemodelt hätten; es
fehlt aber ein solider Beweis dafür, dass C nicht das Original sein
könne. Der einzige Weg, auf dem man in dieser Sache zu einem
probablen Resultate gelangen kann, ist eine genaue Prüfung und
Vergleichung der einzelnen Pachomiusviten ; diese Arbeit hat Ladeuze
in seiner umfangreichen Dissertationsschrift ^) geleistet und ist auf
diesem Wege zu einem den Ausführungen des Amölineau und Grütz-
roacher entgegengesetzten Resultate gelangt; darnach ist die grie-
chische Recension C als die ursprünglichste und erste Vita Pachomü
et Theodori anzusehen; das Urteil der BoUandisten über A und B
präcisiert er dahin, dass B unter Beschränkung auf die Biographie
des Pachomius aus G und P geflossen sei, während die Vita A als
direkte üebersetzung von B erscheint. Die koptisch-arabische Quel-
lengruppe ist alsdann aus einer teils direkten , teils indirekten Be-
nutzung der griechischen Recension C hervorgegangen , jedoch nicht
frei von Willkürlichkeiten und Extravaganzen, die vom koptischen
Geschmack diktiert sind.
Gewiss sind die von Ladeuze herangezogenen und von ver-
schiedenen Gesichtspunkten hergenommenen Beweismomente nicht
samt und sonders von gleicher Kraft ; doch in ihrer Gesamtheit ver-
leihen sie dem Hauptresultate eine grosse moralische Gewissheit.
Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Thatsache, dass die in
den verschiedenen Recensionen sich vorfindenden Notizen und Quellen-
angaben mit dem Resultate in Einklang stehen, welches Ladeuze aus
dem Vergleiche der Einzelberichte dieser Quellen gewonnen hat.
1) Theol. Litteratnrzeitung 1896, S. 241.
2) Deutsche LitteraturzeituDg 1896, S. 709.
3) Grützmacher a. a. 0. S. 7 Anm. 1.
4) ißtnde sur le c^nobitisme pakkömien pendant le IV« si^cle et la
premiere moitiö da Ve, Loarain et Paris 1898.
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122 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh,
Wir können nicht umhin auf den Qaellenwert dieser verschie-
denen Pachomiusviten näher einzugehen, weil dadurch einige für die
Behandlung der Pachomianischen Mönchskreise wichtige Momente
besser im voraus erledigt werden.
I. Die lateinische Vita A ist von Dionysius Exiguus zu Anfang
des 6. Jahrhunderts nach einer griechischen Vorlage bearbeitet wor-
den. Es fragt sich nun, ob diese griechische Vorlage eine von den
uns bekannten griechischen Recensionen, B oder C und P*), sei.
Allen drei Recensionen sind nun folgende Eigentümlichkeiten
gemeinsam :
Erstens findet sich an der Spitze von B wie C ein Eingang mit
denselben Gedanken und derselben Gedankenfolge ^). Der Vita A ist
nur der zweite Teil des Einganges von B und C vorausgeschickt, deckt
sich mit diesen inhaltlich, enthält gleich diesen der Reihe nach die
Namen Antonius, Elias, Elisaeus, Joannes Baptista, Athanasius,
Ammon und Theodorus sowie einen Schrifttext (Ps. 64) und eine
Anspielung auf den Brief an die Römer (11, 25) und erscheint als
eine ziemlich wörtliche üebersetzung von B. Am Schluss des Ein-
ganges findet sich beim üebergang zur Biographie des hl. Pachomius
in allen drei Recensionen eine fast gleichlautende Phrase: A: 'Idcirco
autem pro gloria Christi, qui nos de tenebris vocavit ad lucem et
pro utilitate eorum qui ista lectari sunt, strictim conversationem
eins (sc. Pachomii) quae fecerit a parvulo, refero, quia a tanta per-
tectioue eius initia quoque ipsa non discrepant*, B: 'Necesse est ad
gloriam Dei, qui nos vocavit ex tenebris ad lucem suara admirabilem
et ad utilitatem eorum qui legunt hanc narrationem a puero singu-
latim enarrare eius vitam; fine enim digna sunt eius prooeraia in
ipsa gentilitate' und C: »'Avayxatov äs xai toütov töv ßtov Sx
7:ai<?6^sv ötnjyi^oaoftat etc 865av 8eoü, toü uavxoxöftsv uavtac xa-
XoüVTOc etc TÖ ^aofiaoTÖv a&xoü ^öc«.
2) Auch die Conclusio am Ende der Biographie des Pachomius
ist in den beiden Viten A und B dieselbe: A: 'Haec igitur nos ex
multis eorum meritis descripsimus pauca, et ex magnis parva diges-
simus etc.*, B: 'Haec vero nos ex pluribus pauca scripsimus et pro
maximis eius factis et operibus minima, non ut laudem demus sanctis
patribus, (nostrum enim honorem aut gloriam non appetunt; sufficit
1) Die Vita A enthält auch einige nur P eigentümliche Erzählungsstoffe.
2) Die boheirische und arabische Vita weisen in ihrem Eingange den-
selben Ideengang auf; doch bleiben sie ausser Betracht , da hier nur festge-
stellt werden soll, welche griechische Vorlage Dionysius benutzt hat. Der Ein-
gang der sahidischen Vita ist unter den veröffentlichten Fragmenten nicht
vorhanden.
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Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh, 123
enim eis aeterna laus, qua afficiuntur a Domino et angelis, et erit
perfectior. Fulgebunt enim sicut sol, Christi lumine perfusi, qui
semper eos glorificat, qui eum glorificant) sed ut nos quoque eos
imitemur pro viribus, ex auditione inducti ad eorum imitationero,
precibus et intercessionibus sanctorura prophetarum , apostolorum et
martyrum, propter quos Dominus noster Christus glorificatur: Cui
gloria et potentia in saecula saeculorum, Amen.' Die Vita C behandelt
ausser der Biographie des hl. Pachomius noch die des Abtes Theo-
dorus und gedenkt alsdann noch in wenigen Zeilen des Orsisius;
darum ist das Fehlen der Conclusio erklärlich.
3) Endlich finden wir in allen drei Recensionen eine ziemlich
übereinstimmmende Angabe fiber die bei der Abfassung der Vita
Pachomii benutzte Quelle. In der Vita A heisst es *) : *Haec autem
aliaque eins plurima a sanctis hominibus Dei, qui simul cum eo
multo tempore sunt morati; quibus etiam vitae spiritualis exempla
contulerat, post lectionem divinae legis ea quae ad aedificationem
animarum pertinent diligenter exponens. Quae quia multa sunt et
vires nostrae parvitatis excedunt, non omnia praesenti stilo per-
scripsimus. Non enim sumus idonei tanti viri merita eloquio pari
depromere', in der VitaB*): *Haec autem et multa alia nos cogno-
vimus ; ut qui ab antiquis patribus, qui longo tempore sunt cum eis
versati, audierimus. Saepe enim quaedam eis exponebat post divinas
lectiones ad aedificationem et eorum utilitatem. Quae quidem cum
sint multa, non potuimus mandare litteris propter nostram imbecil-
litatem. Neque enim sumus idonei narrandis tot tantisque rebus
praeclare gestis' und in der Vita C ^) : »Taüxa 8h lYvwfisv icapa täv
apxaicuv icaTpcuv oovavaoTpa^lvxcuv abxiS xpovov txavöv • SStjysIto yap
fltüToTc xai TttüTa itoXXctxtc fiexa xa eipK^fxeva töv Oetcov Ypa(pa>v, o&x
äv ik dovrinB^a &v Tjxoüoafisv t6 TcXeToxov Ypa<j/at, 4XX' iizo (ilpoüc.c
Dieser Passus, der in allen drei Recensionen an einer und derselben
Stelle zwischen zwei identische Berichte eingeschaltet ist, wäre bei-
selbständiger Arbeit der Autoren ohne gegenseitige Benutzung un-
erklärlich, und selbstverständlich können nicht alle drei Viten auf
einer unmittelbaren Benutzung der von den Zeitgenossen des
Pachomius übermittelten Tradition beruhen ; aber jeder, der die Ge-
pflogenheiten jenes Zeitalters über das geistige Eigentumsrecht kennt,
wird sich auch hüten anzunehmen, dass bei demjenigen der drei
Autoren, welcher die Urquelle benützte, die Absicht bestanden hätte.
1) Migne s. lat. t. 67 col. 286.
2) 8\
2) Surius 1. c. p. 810.
3) A. S. S. 1. c. p. 23»
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124 Das egypt, Mönchtum im 4. JahrK
durch die Aufnahme dieser Quellennotiz seine Mittelbarkeit zu ver-
decken.
Schon diese Berühungspunkte weisen auf eine gewisse Ab-
hängigkeit der drei Recensionen unter einander hin. Hat nun dem
Dionysius bei der Abfassung der Vita A die griechische Recension
B oder G und P als Vorlage gedient? A enthält ganz dieselben
Erzählungsstoffe aus dem Leben des hl. Pachomius wie B. Ein
Vergleich der Vita A und B ergibt folgendes Schema:
A 1—37 entspricht B 1—40,
A 38—46 , B 59—72,
A 47—51 , B 79—84,
A 52—54 , B 87-89.
Die übrigen Kapitel von B, nämlich 40—58, 73—78, 85—86, 90, fehlen
in der Vita A, ein Beweis, dass wohl A aus B geflossen sein kann,
nicht umgekehrt. Die Aneinanderreihung der Einzelberichte ist in
beiden Viten auch da dieselbe, wo keine chronologische Folge vor-
liegt; auch die üebereinstimmung im Ausdruck und Wortlaut ist
so häufig, dass die Abhängigkeit der Vita A von B unverkennbar
ist. Vergleichen wir dagegen die Vita A mit C und P, so ist aller-
dings wahr, dass die erstere keinen Bericht enthält, der nicht ent-
weder in C oder in P zu finden wäre; es ist aber undenkbar, dass
Dionysius bei diesem eklektischen Verfahren die Einzelberichte in der-
selben Reihenfolge wie B geordnet hätte. Die Erzählung der Vita
A 52 über einen Mönch Zachaeus kann nur aus B 87 geschöpft sein,
wo der Mönch den gleichen Namen trägt, während in P 36 derselbe
Bericht auf einen Mönch Athenodorus bezogen wird i).
Aus alledem ergibt sich, dass die Vita A als eine kürzere Re-
daktion der Vita B zu betrachten ist; es bleibt nur noch übrig,
einen Stein des Anstosses wegzuschaffen. A 21—22 teilt uns näm-
lich eine Mönchsregel mit, welche ein Engel dem hl. Pachomius auf
einer Tafel übergeben haben soll, während die Vita B 12 nur die
üebermittelung der Tafel seitens des Engels an Pachomius erwähnt,
ohne den Inhalt der darauf geschriebenen Regel anzugeben. Das ist
das einzige Moment, welches Grützmacher gegen die Entlehnung der
Vita A aus B vorbringen konnte*).
Woher hat nun A den Inhalt dieser Mönchsregel entnommen?
Aus der Art und Weise, wie der Autor im Cap. 21—22 diese Regel
mitteilt, ergibt sich, dass dieselbe ein aus einer anderen Quelle ent-
1) Vgl. den ausführlichen Nachweis für die Verwandtschaft zwischen A
und B nebst Belegstellen bei Ladeuze a. a. 0. S. 7 ff.
2) Qrützmacher a. a. 0. S. 8. ^
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Das egypL Mönchtum im 4, Jahrh, 125
nommenes Einschiebsel ist. Er teilt sie nämlich nicht im 12. Kapitel
mit, wo man sie erwarten sollte, sondern als hätte er den richtigen
Zeitpunkt verpasst, schaltet er sie an einer späteren Stell« (cap. 21—22)
mit den Worten ein: 'Äcceperat enim dudum tabulam in qua erant
haec annotata etc.^ Woher stammt nun dieses Einschiebsel? Schon
die Bollandisten ^) haben bemerkt, dass der Inhalt der Regel in der
Vita A sich fast vollständig mit dem 88. Kapitel der Historia
Lausiaca des Palladius deckt. Uebrigens ist diese Mönchsregel nicht
die einzige Entlehnung aus Palladius. A 28 heisst es über die
Identität der Regel für die Männer- und Frauenklöster: 'Exceptis
enim melotis, quas feminae non habent, omnis instiiutionis earum
forma monachis probabatur esse consimilis*^). Diese Stelle findet
sich auch nicht in der Vita B, wohl aber fast wörtlich in der Hi-
storia Lausiaca'). Im selbigen Kapitel der Vita A steht ferner
über das Begräbnis von Klosterfrauen eine Notiz, welche sich gleich-
falls mehr an das 89. Kapitel der Historia Lausiaca, als an die
Vita B 29 anlehnt.
Anlangend den Wert der Mönchsregel selbst, so ist jedenfalls
auffallend, dass sich in den Recensionen C, P, T und M keine Spur
davon findet. Wohl erzählen uns dieselben, dass Pachomius auf
einen himmlischen Wink hin das Cönobitenleben inauguriert und
seinen Mönchen gewisse Satzungen vorgeschrieben und dieselben bei
grösserer Ausdehnung seines Klosterverbandes vervollständigt habe,
aber die Thatsache, dass ein Engel dem Pachomius eine fertige
Regel überreicht habe, ist ihnen völlig unbekannt. Die Engelsregel,
von der die zeitgenössischen Pachomianer nichts wussten, ist also
ein Produkt späterer Legendenbildung. Dagegen spricht nicht der
Umstand, dass sich diese Engelsregel in der arabischen Vita
(S. 366—369) findet; denn diese Vita, welche erst nach der arabi-
schen Invasion in Egypten entstanden sein kann, hat die Engelsregel
gleichfalls aus dem 38. Capitel der Historia Lausiaca entlehnt, wie
sie auch das 39. und 4Q. Capitel derselben Mönchsgeschichte ziem-
lich getreu übersetzt hat*), und hat sich dadurch in Widerspruch
gesetzt mit ihren anderweitigen Angaben, denen gemäss der hl. Pa-
chomius die Regel für die Mönche auf Grund seiner Erfahrungen
1) A. S. S. 1. c. p. 302.
2) Einige Zeilen weiter wiederholt der Autor der Vita A denselben Ge-
danken: 'Una vero re^ala tarn yirorum qaara feminaram hodieque perdarat,
nisi qnod feminae, ut diximus, melotis minime utantar'.
3) Cap. 39.
4) Ar 377, 383-384.
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126 Das egypL Mönchtum im 4. Jahrh.
und der hl. Schrift geschrieben und mit der Zeit noch vervoll-
ständigt hat.
Die in der Vita A mitgeteilte Engelsvision und Engelsregel geht
also auf Palladius oder auf eine andere uns unbekannte Quelle zu-
rück, aus welcher Palladius geschöpft hat. Jedenfalls ist sie jüngeren,
legendarischen Ursprungs; denn die von allen Kritikern als ältere
Quellen anerkannten Becensionen G, P, T und M wissen noch nichts
davon.
Trotz der unbestreitbaren Abhängigkeit der Vita A von B
schwebt aber immer noch ein Dunkel darüber, dass sich in der
ersteren eine beträchtliche Anzahl von Gapiteln der letzteren nicht
finden^). Sollte etwa dem Autor der Vita A ein mangelhaftes
Exemplar der Vita B als Vorlage gedient haben? Aber noch eine
andere Erklärung ist möglich. Dionysius giebt am Schluss seiner
Vita an, dass er aus einem umfangreicheren Material eine Aus-
wahl getroffen habe. Dass der Autor der Vita A aber bei dieser
Auswahl irgend eine greifbare Tendenz verfolgt habe, ist nicht er-
sichtlich; ist doch dabei auch die Gründung des Pachomianischen
Hauptklosters Pheböou übergangen worden, wozu doch eher eine ge-
wisse Oberflächlichkeit als Absicht den Grund abgeben konnte.
Indes Grützmacher stempelt die Vita A aus anderen Gründen
zu einer ausgesprochenen Tendenzschrift'). Er macht dem Dionysius
den Vorwurf, dass er »die von Pachomius berichteten Wunder weiter
ausgemalt und ins Ungeheure gesteigert habe«. Als Beweis führt
er nur eine Stelle an, in der es heisst, dass dem Pachomius beim
Ueberschreiten des Nils sich stets ein Krokodil zur Verfügung gestellt
und ihn mit der grössten Unterwürfigkeit hinübergetragen habe *).
Dieses Faktum findet sich nun allerdings nicht in der Vita G; aber
der dem Dionysius gemachte Vorwurf würde doch nur dem Autor
der Vita B gelten; denn dort findet sich die fragliche Stelle^), und
Dionysius hat seinen Bericht einfach daraus entlehnt. Uebrigens wird
weiter unten (S. 130 Anm. 4) gezeigt werden, dass diese Stelle in der
Vita B wahrscheinlich auf einer falschen Deutung eines schwierigen
1) Siehe oben S. 124.
2) Grüizmacher a. a. 0. S. 10 ff.
3) A 19: 'Nee non crocodili, si qnando necessitas fluviam transire com-
pelleret, eum summa cam sabiectione portabant, exponentes eum ad locam,
quocunque praecepisset.'
4) B 20: Crocodilis quoque saepe utebatur ad fluviam transmittendum,
qui transrebebant eum quam celerrime. — Diese Erzählung soll sich nach
Grützmacher (S. 11 Anm. 1) auch in der arabischen Vita (S. 363) finden;
doch hat die in der letzteren angeführte Episode mit dem obigen Bericht gar
nichts zu schaffen.
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Das egypU Mönchtum im 4. Jahrh. 127
Textes der Vita C beruht. Weiter wird in der Vita A erzählt, dass
eine Frau durch Berührung der CucuIIa des Pachomius vom Blutfluss
geheilt worden sei ; der nun folgende Zusatz, ein Presbyter Dionysius
habe die Frau nach der Heilung gesegnet, findet sich allerdings nicht
in der Vita C; aber die Sucht nach einer Tendenz, als habe der
Autor der Vita A durch diesen Zusatz »im Sinne seiner Zeit die
Heilung durch einen Kleriker offiziell anerkennen und beglaubigen
lassen«, ist hier nicht am Platz. In der lateinischen Debersetzung
der Vita B 86 lautet nämlich die analoge Stelle so: Ipse (Pachomius)
autem intellecta arte Dionysii benedixit mulieri et rursus rediit in
suum monasterium*. Offenbar hat nun der Autor der Vita A in der
griechischen Vorlage aus Flüchtigkeit Aiovuaioc statt Aiovuaiou ge-
lesen und dann fälschlich übersetzt: 'Tunc sanctus vir Dionysius
factum sentiens benedixit mulieri et protinus ad sua repedavit'.
»Charakteristisch«, erklärt ferner Grützmacher, »ist auch die Aus-
lassung einer Erzählung der Vita, in der Pachomius einem kranken
Mönch entgegen der Sitte Fleisch zu geben befiehlt^). Da man zur
Zeit des Dionysius in den Klöstern den Fleischgenuss verpönte oder
doch möglichst einzuschränken sachte, wagte Dionysius nicht, seinen
Mönchen von dem freimütigen Handeln des sich kühn über seine
eigene Regel hinwegsetzenden Klosterstifters zu berichten. Von dem
engherzigen Standpunkt seiner Zeit erschien das Handeln des Pa-
chomius als frevelhafte Latitude.« Die Auslassung ist aber leicht
erklärlich, da dieser Bericht auch in der griechischen Vita B fehlt,
nach welcher Dionysius seine lateinische Uebersetzung des Lebens
des hl. Pachomius angefertigt hat. üebrigens fehlt zu der Annahme,
dass bei der Auslassung dieses Passus eine Tendenz vorgelegen habe,
jeder reale Hintergrund , da zur Zeit des Dionysius im Abendlande
die Kegeln des Pachomius und Basilius, welche den Fleischgenuss
nicht im strengsten Sinne verbieten, weit verbreitet waren. Endlich
soll Dionysius nach Grützmacher aus dogmatischen Gründen sogar
Namen geändert haben. »Einen Bischof, der mit Pachomius zu-
sammenkommt und in der ursprünglichen Vita den Namen Arius
führt, nennt er Varus, weil es ihm anstössig erschien, dass der be-
rühmte Klostergründer mit einem Bischof, der den Namen des be-
rüchtigten Ketzers trug, verkehrt haben sollte.« Ja sogar die Epitheta,
welche in der Vita A sowie in den der Zeit nach früheren Viten B,
C, T dem betreffenden Bischof beigelegt werden, sollen »in cha-
rakteristischer Weise die zunehmende Aengstlichkeit der Kirche im
Verhalten zu den Häretikern wiederspiegeln.« Bei einem Vergleich
1) Diese Erzählung findet sich in der Vita C no. 34 (A. S. S. 1. c p. 29*).
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128 Das egypt. Mönchtum im 4, Jahrh,
der betreffenden Texte unter einander ist aber schwer herauszufinden,
dass der eine von ihnen prononcierter oder orthodoxer klingen soll
als der andere i).
Was die Namensänderung in der Vita A betrifft, so ist sie
ganz unschuldiger Natur, wie es Ladeuze durch folgende Conjektur
plausibel macht «): »Tous les documents (C 51, B 62, T 536, k' 569)
relövent en effet en termes exprös Torthodoxie de cet öveque. D'ail-
leurs , apres ce qu' 11 en a dit au n. 27, l'auteur de A n'avait plus
ä. craindre qu'on prit le saint pour un ami d'Arius. Pourquoi donc
A a-t-il fait de changement qu'on lui reproche? On ne saurait
l'explication que par sa d^pendance vis-ä-vis de B. C 51 porte:
'Etcioxotcoc TIC 8h xrj<: uoXeax; Ilavoc, 'ApeToc; fxlv Xe^öfisvoc;. Notez
la juxtaposition de Ilavoc; et de 'ApeTog. B a certainement mis
llavoc au gönitif, en apposition avec icöXswc et a öcrit d'un trait
IlavooapeToc:. La preuve palpable s'en trouve dans la traduction de
Hervet: »civitatis episcopus, nomine Panuarius«. L*auteur de A
(ou peut-ötre Denys lui-m§me) aura lu, comme Hervet, Ilavoüapetoc;
en un seul mot. Ne reconnaissant pas ce nom et remarquant d'autre
part que la ville de F^veque en question n'^tait plus d^signäe, il
aura cru retrouver dans Ilav le nom grec bien connu de la ville
d'Akhmtm. Restait ainsi ouapetoc que Denys a traduit par un nom
latin egalement bien connu, Varus. L'objection de M. Grfitzmacher
devient une nouvelle preuve de la these defendne plus haut sur la
däpendance de A vis-ä-vis de B«.
Die Gründe, welche dafür vorgebracht werden, dass der Autor
der Vita A aus dogmatischen und ähnlichen Rücksichten den Stoff
der griechischen Vorlage umgeändert habe, sind also nicht stichhaltig.
Wohl aber bleibt es wahr, dass derselbe nicht sehr geschickt den
Auszug angefertigt hat, so dass sich daraus ein erschöpfendes Ge-
samtbild der Pachomianischen Elosterstiftungen nicht gewinnen lässt.
IL Welches Verhältnis besteht zwischen B und C oder viel-
mehr C + P? Im Anschluss daran soll der Quellenwert der
Vita C erörtert werden. Eine schon oben S. 123 erwähnte, den
beiden Viten B und C gemeinsame Notiz geht dahin, dass die von
1) A 89: 'Eodem tempore Panos civitatis episcopas, Varas nomine, per
omnia yenerabills ac Deo deditus, rectaeqae fidei ferrentissimas amator existens'.
B 62: ^Sed cam hanc pulchram in Christo vivendi rationem intellexisset etiam
civitatis episcopus, noraine Panuarius, in omnibus alioqui vir bonus et rectae
fidei amator veheraens'. C. 51 (A. S. S. p. 33*): »'Etcioxotcö; xt5 8k t% jcöXeco?
Ar p. 569 : 'Un evdque d^vot, orthodoxe, de la ville Eschmin, nomm^ Airios'.
2) Ladeuze a. a. 0. S. 107 Note 1.
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DcL8 egypt. Mönchtum im 4. Jahrh. 129
ihnen dargebotene Biographie des hl. Pachomius sich auf Mitteil-
ungen von Mönchen stützt, die den Elosterstifter selbst gekannt und
mit ihm zusammengelebt haben. In beiden Viten findet sich noch
eine andere Notiz, in welcher Mönche und Zeitgenossen des hl. Pa-
chomius als Gewährsmänner bezeichnet werden. C 31 fugt nämlich
einem Bericht über das innere Gebetsleben des Heiligen folgendes hinzu :
»Ectv 8i Tic; ävayiYvcioxcDV tooc; fixaaxöxe Xöyooc; t^<: icpooeox^c aoTOü
äxouov sfTcij, Tco^ev -qfiTv ToTg ooYypa^filvotc toütwv ^ yvoiotc; uept-
^Xfte; fiVTjfioveuag TcpcuTOV (liv, Sxi e?pTjfilvov Soxtv, Sxi itapa naxlpcDv
ipXOLiiüv Tjxoüoafiev xaöxa (lexa axptßetac; iSexaootvxec • Kai auxög 6
"'Aytoc, xafti^f^evoc ISTjyigoaoftat xt xöv avT)x6vxa)v loxl ö*5xt xal ?«>(;
xoü XoYtOfiOü aöxoü ä^avepoo «OxoTc xal xö icöc Äst eSSaoftat icepl
Ixaoxou atxi^fiaxoc, äcpdopwc didaaxcov.c In der Yijba B steht eine
fast gleiche Bemerkung, doch nicht im Auschluss an den Bericht
über das Gebet im Kapitel 40, sondern erst am Ende der ganzen
Biographie, so dass der Verfasser gezwungen war, dieser Einschaltung
eine zweite Gonclusio anzufügen. Diese Qaellennotiz in B 40 lautet :
""Bogo autem eos, qui haec legunt, ut fidem habeant huic narrationi.
Si quis vero ex iis, qui legent, de eins quae dicuntur eins precibus,
accurate interroget dicens: Undenam vobis scriptoribus fuit harum
rerum cognitio? recordetur eorum, quae a nobis dicta sunt superius,
quod ea ei sanctis patribus cognovimus, cum accurate examinavis-
semus. Ipse enim beatus Pachomius saepe narrans fratribus ea,
quae pertinent ad eorum utilitatem, eis quoque suas aperuit cogita-
tiones et abunde docuit, quemadmodum pro unaquaque petitione
orare oporteat'. Die üebereinstimmung der beiden Notizen ist auf-
fallend. Haben nun die Autoren der beide.n Viten eine gemeinsame
Quelle benutzt oder welche von beiden Viten hat der anderen als
Vorlage gedient? Es ist schon a priori nicht wahrscheinlich, dass
die Vita aus B geflossen sei, da die letztere sich nur auf die Bio-
graphie des hl. Pachomius beschränkt, während die erstere die Ge-
schichte der Pachomianischen Klöster bis zum Tode Theodors fort-
führt. Was die Reihenfolge der Thatsachen anlangt, so entspricht
B 1—43 den Capiteln 1—35 (Anfang und Mitte) der Vita C; als-
dann schaltet B den Bericht der Recension P 28—31 ein; der Rest
der Recension B besteht teils aus C, teils aus P, jedoch so, dass
die der Recension P eigentümlichen Erzählungsstoffe gewöhnlich in
die Vita B aufgenommen sind ^). Diese üebereinstimmung dadurch
zu erklären, dass die beiden Viten B und G |- P aus den uns be-
1) Ladeuze a. a. 0. S. 16 Note 2.
Johiwietz, MÖnohtam.
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130 Da8 egypt. Mönchtum im 4 Jahrh,
kannten koptischen Quellen geschöpft haben, ist nicht angängig;
denn B enthält keinen Erzählungsstofi , der bloss den koptischen
Yiten eigentümlich ist; sodann bestehen gewisse Differenzen in den
Erzählangsstoffen der Viten C und P einerseits und den koptisch-
arabischen Becensionen andererseits; bei dergleichen Berichten steht
B stets auf Seiten der Becensionen und P^). Nicht bloss inhalt-
lich deckt sich B mit den entsprechenden Berichten von C und P;
sondern die Uebereinstimmung geht sogar häufig bis auf den Wort-
laut'). Eine von Ladeuze angestellte Vergleichung ergiebt, dass in
der Vita B f^st kein Erzählungsstoff vorhanden ist, der sich nicht
auch in den Becensionen C und P finden Hesse. Bezüglich einiger
nur der Vita B eigentümlichen kleineren Berichte glaubt Ladeuze ^),
dass sich dieselben als subjektive Zuthaten des Autors erklären
Hessen. Anders ist dagegen zu urteilen über B 12: 'Protinus ergo
illi (Pachoroio) apparet Angelus et dat ei tabulam, in qua scripta
erat tota vitae constitutio eorum, qui erant ad ipsum venturi' und
B 24: 'Et unusquisque convenienter regulae, quae sibi data fuerat.
Non eadem autem hora cibum sumebant; sed unusquisque se exer-
cebat congruenter operi et abstinentiae'.
Diese beiden Bemerkungen sind den Becensionen C und P
durchaus fremd und sind entweder aus der Historia Lausiaca (c. 38)
oder einer ähnlichen QueHe entlehnt. Damit charakterisiert sich die
Vita B als eine erst in späterer Zeit entstandene üeberarbeitung der
Pachomiusbiographie. Zwischen der Abfassung der Vita B und dem
Tode des Pachomius muss überhaupt ein beträchtHcher Zeitraum
liegen; die beiläufigen Bemerkungen B 12: ""Ex qua ab eo accepta
in hodiernum diem vitam instituunt Tabennesiotae' und B. 29:
'Quando autem consnmmatur soror, usqtie ad hodiernum diem congre*
gantur fratres etc.' weisen darauf hin^).
Ladeuze a. a. 0. S. 21.
Ebendas. S. 16—20.
8) B 16 (Schluss), 20 (Anfang). 33 (Schluss), 34 (Anfang und Schluss).
Vgl. Ladeuze a. a. 0. S. 16 Note 1.
4) Der Bericht der Vita B. 20 : 'Crocodilis qnoque saepe utebatnr ad
flavium transmittendara , qai transvehebant eum quam celerrime' findet sich
nicht in der Vita C; doch findet sich an einer entsprechenden Stelle der letz-
teren Vita (Cap. 14) folgender Text: »Koi Tcpb xou autov -rijv xeXeiav p/watv iyfßvf
Tcapa Kuptou ToiauTTjv ^Ö6x£i xeXsiav tciotiv sj^eiv to Tcaieiv eTcivw o©6wv xa\ axopÄiwv
»avepto? xa\ öiafieivai tov NeiXov Iv SSaaiv xa\ ^Tjpta a9(5ßw? xot ToXpirjpco? xot u,^
ßX(5;7rcea&ai öjc'auxwvc. Dieser Text ist verderbt und dunkel; statt xb ::ax£tv ist
wohl (S<TTe Tcaxstv zu lesen; auch ötajjistvai gibt an dieser Stelle keinen richtigen
Sinn; vielleicht ist dafür StaßTjvat zu substituieren. Der Sinn ist also
etwa folgender: Bevor Pachomius eine vollkommene Erkenntnis hatte, schien es
ihm, als ob er einen solchen Glauben hätte, dass er über Schlangen und Skor-
pionen schreiten könnte u. s. w., d. h.: Als Anfänger in der Ascese glaubte er, das
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Das epypt Mönchtum im 4. Jahrh, 131
B muss mithin als eine spätere Redaktion der Pachomiusvita
angesehen und wegen der frappanten Verwandtschaft mit C und P
aus diesen entlehnt sein. Die Vita C ist aber nachweislich die erste
Biographie des hl. Pachomius. G 62 heisst es nämlich: »Tauxa ih
Ypct^I^afiev ^fieTg, oü (isv ys, aic; TcpoetpTjTat , xaxeXaßo^ev aütöv Iv
TO) ocu^axi, äXXa tooc; fisx' autov ef&fiev xpo^ov toioütooc ovxac,
oTxtvec; xö xaxa fiepoc xoüxcdv ÄtnjYi^oavxo ^^Tv stÄcöxec aoxa axpißcuc;,
'Eav dk eXniQ xic * Aia xl oux ?ypa<I;av IxeTvot xöv ßtov auxoü ; AlycDfiev
xal ^fisTc; oxt oöx '^xotScafiev auxcuv Xeyovxcov uoXXaxtg Tcept xoD ypct^j^at,
xatxot ys xoioüxcdv oovexÄv ovxcov, coc 6 Tcaxrjp auxcuv • aXXa xax«
oüno) xatp6(: rjv • oxe dh TÄofiev oxt xp^t« ioxtv, fva (li) x^Xeov liciXa&(o-
(is^a ü)v -^xoüoafiev icepl xoo xeXetou fxovaCovxog Tcaxpöc 'qfiöv, jiexa
xoüg ÄYtoüc; Tcavxac lypa^^afxev oXtya Ix tcoXXwv • oüx ^va inatv^ocofiev
aötöv • 00 yap ßouXsxat xöv &vdp(j[>7ca>v luaivov • exel yap Ioxtv ^exa
xöv icaxpÄv aoxoü, otcoü 6 ?Tcatvo<; 6 ÄXijfttvög.c Die Mönche oder die
Redaktoren der Vita C erklären also, sie hätten zwar den hl. Pachomius
nicht selbst gekannt, aber Mönche, welche ihn kannten und ihn über-
lebten, hätten ihnen seinen Lebenslauf mitgeteilt. Auf die Frage,
warum jene Mönche nicht selbst das Leben des Heiligen aufge-
zeichnet hätten, antworten sie, sie hätten dieselben nicht oft darüber
reden hören, obwohl sie recht verständige Leute waren wie ihr geist-
licher Vater. »Es war wohl eben nicht an der Zeit, an ein solches
Werk heranzugehen«, erklären sie zu deren Entschuldigung; doch
sie hätten gesehen, dass eine solche Aufzeichnung nötig sei, und sie
hätten weniges von dem Vielen aufgeschrieben, nicht um Pachomius
zu loben, sondern damit seine Thaten der Vergessenheit entrissen
würden. — üebrigens waren die Verfasser der Vita C nicht einzig
und allein auf diese mündlichen Aussagen angewiesen; sie erklären
nämlich in dem folgenden Capitel 63, sie hätten Aufzeichnungen
der Reden, die Pachomius an seine Mönche zu halten pflegte, be-
nutzen können; desgleichen hätten sie die Mönchsregeln des Pachomius
und dessen Briefe an verschiedene Klöster zur Verfügung gehabt
und nach dem Vorgang des hl. Athanasius, der die Vita des
hl. Antonius angefertigt, eine gleiche Arbeit über den hl. Pachomius
geliefert.
Wesen der Heiligkeit bestehe in Wunderthaten. Der Verfasser der Vita 6 hat wohl
diese dankle Stelle missverstanden, bei deu Worten Iv ijSajiv xa\ &7]p{a an Kro-
kodile gedacht und die obige üebersetzang geliefert. Aach die Üebersetzung des
Textes von G 14 bei den Bollandisten : 'Anteqaam autem perfectam divinarum
rernm notitiani acqaireret, tantam a Deo fidem aäeptua est Pachomius, ut pa-
lam serpentes calcaret et scorpiones, ut exadantem Nilam ferasque siue metu
et fidenter expectaret, nihil nocnmenti ab illis accipiens' ist nicht als richtig
anzusehen.
9*
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132 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh.
Allerdings könnte man auf die Bemerkung dieser Mönche,
welche ihre Vita als die erste Biographie des hl. Pachomius er-
klären, nicht viel Gewicht legen; eine solche Quellennotiz hätte in
jenem Zeitalter sehr leicht aus einer anderen Vorlage herüberge-
nommen sein können; aber dieser Passus über die Entstehungsge-
schichte der Vita ist nur der Recension G eigentümlich und findet
sich weder in den arabischen noch in den koptischen Viten. Der
Autor der Vita B hat wohl die Notiz ans G herübergenommen, dass
die von ihm dargebotene Vita des hl. Pachomius auf Mitteilungen
von Mönchen und Zeitgenossen desselben beruhe, aber die Notiz,
dergemäss sich die Vita G als die Originalbiographie ausgiebt, hat
er sich gescheut abzuschreiben.
Zwar sind nachweislich die ersten Werke über das egyptische
Mönchtum nicht im koptischen Idiom erschienen ; die Vita Antonii des
hl. Athanasius und die Vita s. Pauli eremitae des hl. Uieronymus^)
waren nicht nach koptischen Vorlagen verfasst ; immerhin könnte es
aber auffallend erscheinen, dass die Vita Pachomii zuerst in griechi-
scher Sprache geschrieben wurde, da sie doch Erbauungszwecken
diente und die meisten Mönche des Pachomianischen Elosterver-
bandes nur des Koptischen mächtig waren. Allein die beiden kopti-
schen Viten enthalten eine Notiz, welche die Thatsache einer grie-
chischen Originalbiographie des hl. Pachomius bestätigen'). Darnach
hat Theodor, der Schüler des hl. Pachomius und Goadjutor dessen
zweiten Nachfolgers Orsisius, öfters den Mönchen das Leben des
lil. Elosterstifters in seinen Vorträgen dargelegt und wiederholt zur
Abfassung seiner Biographie gemahnt; doch die Zuhörer meinten, den
Heiligen auf diese Weise zu ehren hiesse das Fleisch verherrlichen, und
sie blieben bei ihrer Auffassung, trotzdem Theodor sie mit allerlei
Argumenten aus der hl. Schrift zu widerlegen suchte. Auf diese
Notiz folgt in der boheirischen Vita ein längerer Bericht über die
vielen Sorgen, welche sich Theodor um die Zucht und Organisation
des Elosterverbandes machte, und hierauf heisst es weiter^): »Et
quand les freres qui lui servaient d'interpr&tes pour traduire ses pa-
roles en grec ä ceux qui ne savaient pas T^gyptien, parceque c*6taient
1) Die von Am^lineau (Histoire des monast^res de la basse fSgypte,
Annales du musle Guimet, Tome XX V«, Paris (Leroux) 1894) herausgegebene
koptische Vita des üreremiten Paulus verrät sich deutlich als üebersetzung der
gleichen Vita des hl. Hieronjmus. Vgl. Deutsche Litteraturzeitung 1896 S. 354 f.
2) AmMneau, Annales du mus^e Guimet, Tome XVII p. 299—308 ent-
hält den nur unvollständig erhaltenen Bericht der si^hidischen Vita hierüber;
vollständig ist dagegen der entsprechende Text der boheirischen Vita
(Am^lineau 1. c. p. 249—259).
3) Ammneau 1. c. p. 258-259.
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Das egypt, Mönchtum im 4, Jahrh. 133
des ^trangers ou des hommes de Rakoti, l'earent entenda parier ane
foule de fois des pratiques de notre pere Pakhdme, ils s^adonnerent
de tout lear coenr ä ce qa'il avait dit ä son sajet avec certitade:
ils r^crivirent, parceqa' apr^s avoir fini de lear en parier et de le glo-
rifier en tontes ses souffrances, notre p^re Theodore avait dit am
frdres en soupirant: Reinarquez bien les paroles que je vons dis:
car certes il viendra un temps oü tous ne troaverez personne pour
vous les direc. Die wiederholten Mahnungen des Theodorus an die
koptischen Mönche behufs Abfassung einer Vita Pachomii waren
also vergeblich; denn er ruft schliesslich seufzend aus: »Achtet wohl
auf das, was ich euch sagte ; denn es wird sicherlich eine Zeit kom-
men, wo ihr niemanden finden werdet, der es euch sagen kann.c
Erst die Mönche, welche den nur griechisch sprechenden Mitbrüdern
als Dolmetscher dienten, nahmen sich die Mahnung Theodors zu
Herzen und schrieben eine Vita Pachomii. Wer waren nun diese
Dolmetscher? Ein Dolmetscher wird uns G 60, M 147, 150,
A' 473 — 476 mit Namen genannt; es war dies ein gewisser Theodor
aus Alexandria (Bakoti), der eine höhere Bildung besass, das
Koptische erlernte und unter Pachomius und dessen Nachfolgern als
Dolmetscher der Vorträge der Klosteroberen fungierte; ihm wurde
auch das Vorsteheramt über das Haus übertragen, in welchem
Griechen (Männer von Bakoti (d. i. Alexandriner) und andere Ausländer
sich befanden, von denen in dem obigen Texte die Bede ist. Nichts
ist natürlicher , als dass ausser diesem Theodor auch andere ihm
unterstellte Mönche die auch zum Teil eine höhere Bildung hatten %
die koptische Sprache erlernten, um den Verkehr mit den koptisch
redenden Oberen des Pachomianischen Klosterverbandes zu vermitteln.
Da nun nach Angabe der koptischen Viten die erste Vita Pachomii
aus diesem Mönchskreise hervorging, so ist die Abfassung dieser
Vita in griechischer Sprache sehr wahrscheinlich. Bei diesen Mönchen
lagen nicht die gleichen Bedenken vor wie bei den koptischen Mit-
brüdern. Den Anfang einer solchen Hagiographie hat ja Athanasius
gemacht und damit ein Beispiel zur Nachahmung gegeben.
Amölineau *) will allerdings aus dem obigen Text der koptischen
Vita herauslesen, dass jene Dolmetscher zu gleicher Zeit eine koptische
und eine griechische Vita verfasst kätten; die koptische Vita sei
identisch mit der uns fragmentarisch bekannten sahidischen Vita.
Da aber die griechische Vita C in Vergleich zu der sahidischen be-
1) Ammneau 1. c. p. 628.
2) L. c. p. XXV seq.
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134 Das egypt, MOnchtum im 4. Jahrh*
deutende Divergenzen aufweist, so hält er dafür, dass jene erste
griechische Vita verloren gegangen sei und dass die Vita C eine
spätere ümmodlung der ursprunglichen koptisch- griechischen Viten
sei. Dieser Auffassung gegenüber muss nun betont werden , dass
die Redaktoren der sahidischen sowie der boheirischen Vita wohl die
Dolmetscher als die ersten Biographen des hl. Pachomius bezeichnen,
aber sich mit ihnen durchaus nicht für identisch erklären; sie
sprechen von jenen Dolmetschern in der dritten Person Pluralis wie
von fremden Schriftstellern i) , während sie doch an einer anderen
Steile, wo sie von sich selbst reden, sich nicht scheuen, die erste
Person Pluralis anzuwenden ^). Also bietet der obige Text der kopti-
schen Vita keine sichere Handhabe für die Auffassung des Amälineau.
Sodann stellt sich der Pariser Gelehrte in schroffen Widerspruch zu
der Angabe der Verfasser der Vita C, der gemäss ihre Vita die
erste Pachomiusbiographie sein soll; er sucht darum den Text von
C 63 durch folgende Interpretation abzuschwächen 3): »Que devint
alors Faffirmation de Tauteur grec disant que les meines n'avaient
pas encore ^crit la vie de Pakhöme? II est Evident (?) qu'il faut la
rejeter compl^tement. Mais corome ce traitement serait un manque
d'^gards complet pour un si saint auteur, il roe semble qu'il y a
une autre maniere d'expliquer les paroles que j*ai cit6es. Je considere
ses paroles comme un ächo des objections faites ä Theodore par ses
meines et j'y vois , non pas une röflexion propre ä un auteur indi-
viduel, mais une analyse et un Souvenir de toutes les discussions
qui eurent Heu ä Phböou sur se sujet. Quoiqu^il en soit, ä moins
d'admettre qu'un moine grec, voyageur en son loisir, ait le premier
ecrit la vie de Pakhöme moins quinze ans apr^s sa mort, il faut
s*en tenir ä la conclusion que je viens d*öraettre, ä savoir que la
vie de Pakhöme fut äcrite tout abord ä Phböou, et que sans aucun
doute eile servit aux auteurs grecs pour leurs ouvrages respectifs.«
Es mag nun Am^lineau damit Recht haben, dass der Text von
C 63 die Opposition der koptischen Mönche gegen die Abfassung
einer Biographie des hl. Pachomius wiederspiegeln soll, aber damit
lässt sich doch die Thatsache nicht vertuschen, dass sich die Vita C
an dieser Stelle als die erste Pachomiusbiographie ausgiebt. Ent-
spräche diese Angabe nicht der Wahrheit, so hätten sich die Ver-
fasser der Vita C einer offenbaren Lüge schuldig gemacht. Hätten
1) *Et quand les fr^res interpretes Teurent entendu ... IIa ecrivirent etc.'
(Amelineau 1. c. p. 258 seq., 302 seq.
2) Amilintau 1. c. p. 2.
3) Amilineau 1. c. p. XXV.
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Das egypt Mönchtum im 4, Jdhrh, 135
sie aber in einer fär Pachoroianische Mönchskreise geschriebenen
Vita eine solche wahrheitswidrige Angabe mit Aussicht auf Erfolg
zu schreiben wagen können? Dass sie alsbald als Lügner entlarvt
worden wären, leuchtet ein *).
Es sind also keine stichhaltigen Grunde vorhanden, die Autoren
der Vita C der ünwahrhaftigkeit zu beschuldigen, wenn sie sich als
die ersten Biographen der Vita Pachomii bezeichnen ; doch existierte
bereits vor ihrer Arbeit eine koptische Apophthegmenlitteratur über
Pachomius, welche ihnen zur Benutzung vorlag.
Wann die Vita C verfasst worden ist, lässt sich aus den bei-
läufigen Daten in derselben bestimmen. Sie erzählt den Tod des
Abtes Theodor und berührt noch das Wiedereintreten des Orsisius
in die Leitung des Pachomianischen Elosterverbandes mit einigen
Zeilen. Da der Tod des Abtes Theodor nach einigen*) in das
Jahr 368, nach anderen ^) in das Jahr 363 fällt, so wäre damit der
terminus a quo ungefähr angedeutet; doch muss man zu diesem
Datum mindestens 5 bez. 10 Jahre hinzufügen, da in dem Text
C 60 der — im Jahre 373 erfolgte — Tod des hl. Athanasius,
des Patriarchen von Alexandria, supponiert wird*). Da nun Pacho-
mius im 5. Decennium des 4. Jahrhunderts gestorben ist^), so ist
die Vita C ungefähr 20—30 Jahre nach seinem Tode geschrieben
worden.
1) Butler 0. S. B. hat in seiner kritischen Abhandlung »The Laasiac
history of Palladias« (s. Textes and stadies. Contribations to biblical and pa-
tristic litterature, ed. by J. Arniitage Bobinson VI, n. L London, G. J. Clay
and Sons, 1898) gleichfalls den Beweis erbracht, dass die Hypothese Amelineaus
von der koptischen Quelle für die Geschichte des oberegyptischen Mönchturas
nichtig ist.
2) Nach den BoUandisten , nach Am^lineau^ Qrützmachtr, Ladeuze,
3) Nach Krüger (Theol. Litteraturzeitung 1890, Sp. 622) und Achelis
(Ebendas. 1896, Sp. '242 f.).
4) An dieser Stelle wird ein gewisser Lektor Theodor aus Alexandria,
der bei den Pachoraianern Mönch wurde, mit folgenden Worten gerühmt:
a?t6viov, TcoTil^öfievo? £(5 xap7co©optav , X^yo(jlsv hl xbv ap)(^iS7c{(jxo7:ov, ou (xövov xbv xote
ocYnoTaTov 'A^avaaiov (aXV ou xa^nfpievos ael iizi tou apx,ispaTixoü ^pövou, oüx auxbq
xa^Tjxat) oXX* 6 \i'^u}f^ Itci Süo xal ItcI xpitov auvT)Y(Jt.^vwv iv tö ovöjjiaTt auTou , Iv
uL^oü) aÜTwv eTvai, b y^piorb? 'It)(joü? toü öeou tou ^wvxo?, h ttJs 'ExxXT)aia?
W[jL^io{ X. T. X.€ Die BoUandisten (A. S. S. p. 287) haben aus den Worten
Tov TÖxe ap7t67ct(jxo7cov mit Recht gefolgert, dass zu der Zeit der Abfassung der
Vita der hl. Athanasius schon gestorben sein musste, denn im anderen Falle
würde der griechische Sprachgebrauch xbv auxtxa oder vuv ap/^te7ci(jxo7cov erfordern.
Man kann darum Ladeuze (a. a. 0. S. 75 f.) nicht beistimmen, wenn er auf
Grund dieser Stelle die Vita C noch zu Lebzeiten des hl. Athanasius rerfasst
sein lässt. Die Antithese »oXX'oöx xa&TJjievo? a£\ IkI xou apy^teoaxixoö 9'pdvou, oüx
aöxb? xa^xat« spricht nicht zu Gunsten seiner Ansicht, da hierin nicht bloss vom
hl. Athanasius, sondern allgemein von jedem zeitweiligen Bischof im Gegensatz
zu dem immerwährenden Fels der Kirche, d. i. Christus, die Rede ist.
5) Nach Acheiis im Jahre 340, nach Orützmacher und Krüger 345,
nach Ladeuze 346, nach AmMneau 348 und nach den BoUandisten 349.
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136 Das egypt Mönehtum im 4, Jahrh.
m. Auf die Vita folgen in den Handschriften die Paralipomena
de SS. Pachomio et Theodore.
Die Quelle der Paralipomena giebt uns die ambrosianische Hand-
schrift durch die üeberschrift »vita ex Asceticis de iisdem capita XI Vc
an^); damit stimmt auch die fast wörtliche syrische üebersetzung
der Paralipomena, welche die Unterschrift trägt'): »Zu Ende ist
die Oeschichte des Pachomianischen Klosters, welche griechisch
Ascetion ^) genannt ist.c Die Paralipomena sind also aus einem
Asceticum Pachomii, das der Apophthegmenlitteratur entspricht, ge-
flossen, d. h. ein Mönch, der die Vita G vorfand oder abschrieb,
fugte noch am Schluss einige Erzählungsstoffe über Pachomius und
Theodorus aus den Ascetica hinzu. Seine Absicht war die Vita C
zu ergänzen^); doch ging er dabei sehr flüchtig zu Werke. Von
den 41 Nummern der Paralipomena finden sich nämlich zehn^) be-
reits in der Vita C; einige Erzählungsstoffe der ersteren Schrift
stimmen mit den Parallelberichten der letzteren Vita in Bezug auf
Inhalt und Detail nicht überein ^). Ein Vergleich der beiden Schriften
ergiebt auch, dass die Vita C eine nüchternere und präcisere Dar-
stellungsweise aufweist "*) ; dazu sind die Einzelberichte der Paralipo-
mena meist ohne logische oder chronologische Verbindung anein-
andergereiht. Das Asceticon, welches den Paralipomena als Vor-
lage diente, ist also nicht identisch mit den Apophthegmen , welche
die Redaktoren der Vita C benutzten, sondern verrät vielmehr in
Bezug auf Inhalt und Darstellungsweise eine gewisse Verwandtschaft
mit den koptischen Viten. Nach alledem kann man auch nicht der
Ansicht der BoUandisten^) beipflichten, welche die Autoren der
Vita C mit denen der Paralipomena für identisch halten^).
IV. Von der sahidischen Vita sind nur Bruchstücke vorhanden.
1) A. S. S. 1. c. p. 333.
2) P. Bedjan, Acta martyr. T. V p. 176.
3) In einer Handschrift findet sich die richtige Lesart Asceticon (Bedjan
1. c. p. 122 Note 1).
4) A. S. S. 1. C. 44*: »Aötapxw; \jh ta Ypa<P^VTa tcsdI tou ayiou, oTfjiat, 7:005
a>^A£iav Süvatat au{xßaXX£(j^at, Iv^/^sa^ai h\ ttov aOxwv oü pXaßepbv 2frev
lÄavaSpaiJLwvxe? xto Xöyw auY-fgvfj iwv TcpoT^pwv ^Xtva Ix^wae^a«,
5)No. 1-3, 5-6,8-11, 14.
6) Vgl. P 1, C 49, P 8-11, C 54, P 14, C 12.
7) Ladeuze 1. c. p. 70 seq.
8l A. S. S. 1. c. p. 287.
9) Was die noch nicht edierte Pariser Pachomiusvita (s. oheu S 119)
anlangt, so hat sich Ladeuze von dem ersten, einem mittleren und dem
Schlnsshlatt dieser Handschrift photographische Abdrücke herstellen lassen
und konstatiert, dass der Anfang dieser Vita eine ziemlich wörtliche Wieder-
fabe des 38« Cap. der Historia Lansiaca ist, während der Text der beiden an-
eren Blätter fast wörtlich mit den Parallelberichten der Vita B übereinstimmt.
Vgl. Ladeuze S. 13 f.
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Das egypt MOnchtum im 4. Jahrh. 137
die teils von Mingarelli, teils von Zo^ga veröffentlicht nnd schliesslich
von Am^lineau darch neue Fände vermehrt und herausgegeben wor-
den sind^). Die Fragmente gehören verschiedenen Handschriften
an. Jedes Kloster wollte eben im Besitze der Pachomiusvita sein;
so entstand das Bedürfnis, die Vita abzuschreiben; doch haben die
Abschreiber sich nicht genau an das Original gehalten, vielmehr sich
viele Willkflrlichkeiten erlaubt»).
Es ist schon a priori anzunehmen , dass diese sahidische Vita
älter ist als die boheirische. Die Pachomianischen Klöster lagen ja
meist in Oberegypten, wo der sahidische Dialekt gesprochen wurde.
Nachdem die Dolmetscher, die höchst wahrscheinlich in dem Haupt-
kloster Pheböou wohnten, die griechische Pachomiusvita G verfasst
hatten, wollten auch die anfangs der Hagiographie abholden kopti-
schen Mönche nicht zurfickbleiben. Doch ist die sahidische Vita
nicht eine einfache üebersetzung der Vita C; manche Stücke der
beiden Viten sind wohl in Bezug auf Inhalt, Ausdruck und Anord-
nung identisch^), aber es giebt auch Divergenzen zwischen ihnen,
ein Beweis, dass der Kopte ausser der Vita G noch anderes Tradi-
tionsmaterial benutzt hat. Das älteste uns bekannte Manuskript der
sahidischen Vita enthält bereits die Biographieen des Pachomius,
Petronius, Theodorus und Orsisius zu einem Ganzen vereinigt*).
Dieselbe muss bereits gegen Ende des vierten Jahrhunderts ent-
standen sein^).
Da nachweislich zwischen den Pachomianischen und den
unteregyptischen sowie nitrischen Mönchen Beziehungen be-
standen, so ist nicht zu verwundern, dass auf die sahidische Vita
auch eine boheirische folgte. Die Abhängigkeit der letzteren von
der ersteren ist von den Kritikern allgemein zugestanden. Von der
boheirischen Vita fehlt der letzte Teil der Lebensgeschichte des
Pachomius sowie der Anfang der Theodors. Da nun gerade Frag-
mente der sahidischen Vita sich meist auf die in der boheirischen
Vita fehlenden Erzählungsstofie erstrecken, so lässt sich schwer ent-
scheiden, ob die letztere nur ein Auszug der ersteren sei, wie es
Amälineau<^) annimmt. Jedenfalls sind aber die von dem Pariser
Professor aufgestellten Principien, nach denen der Autor der bohei-
rischen Vita verfahren sein soll, aus der Luft gegriffen. Nach
1) Sie
2) Lo
Siehe S. 120. Vgl. auch Ladeuze p. 46.
Ladeuze S. 49.
3) Ebendas. 8. 28—32.
4) Ebendas. S. 48.
5) Ebendas. S. 46.
6) A. a. 0. S. XLIX.
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138 Das egypt MOnchtum im 4. Jahrh.
Am^lineau soll der Autor, welcher für die nitrischen uud sketischen
Mönche schrieb, alles aus der sabidischen Vorlage ausgelassen haben,
was mit ihrer mehr anachoretischen als cönobitischen Lebensweise
im Widerspruch stand. Allein wir finden gerade in der boheirischen
Vita genaue Schilderungen der cönobitischen Einrichtungen in den
Pachomianischen Klöstern^); ja es wird sogar in derselben eine
Rede mitgeteilt, in welcher JPachomius dem Cönobitenleben den Vor-
zug vor dem Anachoretenleben giebt'). Sodann erklärt Amelineau, der
Autor der boheirischen Vita hätte die unter den Pachomianischen
Mönchen vorgekommenen sittlichen Exzesse verschwiegen, um nicht die
Mönche der nitrischen und sketischen Wüste, welche ein sehr keusches
Leben führten, zu skandalisieren. Allein wäre wohl der Autor über-
haupt an die Abfassung der Biographie des hl. Pachomius und da-
mit an die Schilderang seiner Elosterstiftungen herangetreten, wenn
er nicht von der Sittlichkeit des Pachomianischen Mönchtums über-
zeugt gewesen wäre? Hätte ein Antagonismus zwischen den Mönchen
von Unter- und Oberegypten bestanden, so wäre ja die Aufdeckung
der sittlichen Gebrechen im Bereiche des Pachomianischen Kloster-
verbandes ein vortreffliches Mittel gewesen, die Inferiorität des
Cönobitenlebens gegenüber dem Anachoretentum ins rechte Licht zu
stellen.
Uebrigens berichtet die boheirische Vita von zwei sittlichen
Vergehen unter den Pachomianern ; das eine betrifft den Mönch
Apollonios ») , das andere einen aus Alexandria*) stammenden Neu-
ling im Kloster. Wenn nicht mehr Fälle erzählt werden, so dürfen
wir uns darüber nicht wundern; denn in der — allerdings nur
fragmentarisch erhaltenen — sabidischen Vita ist auch nur der
erste Fall berichtet, und die griechische Vita C weiss überhaupt
nichts von groben sittlichen Vergehen unter den Pachomianern.
Das Verdikt Am^Iineaus über diese Mönche beruht aber auf der
sehr zweifelhaften Autorität der erst einige Jahrhunderte später
verfassten arabischen Vita, welche gegenüber den älteren Viten
überhaupt sich durch allerlei Singularitäten hervorthut, wovon gleich
die Rede sein wird.
V. Was nun die soeben erwähnte arabische Vita anlangt, so ist
dieselbe nach Amälineau^) etwa im 13. oder 14. Jahrhundert,
wahrscheinlich aber schon bedeutend früher entstanden, da das
1) M 34 seq. und 102.
2) M 189, 191 seq.
8) M 207 seq.
4) M 194 seq.
5) A. a. 0. S. LVIL
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Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh, 189
Koptische nachweislich schon im 10. Jahrhundert durch das Arabische
verdrängt war^) und somit schon damals das Bedürfnis nach einer
arabischen Version der Pachomiusvita bestehen konnte. Araölineau *)
nimmt auf Orund der Stelle A' 599 an, dass der Autor dieser ara-
bischen Vita mehrere koptische Quellen benutzt habe, und Ladeuze ')
hat den Nachweis geliefert, dass derselbe nicht blos die sahidische
und boheirische, sondern auch die griechische Vita G und P und die
Historia Lausiaca (c. 38—40) ausgebeutet hat. Ja, mit Rücksicht
auf die mannigfachen , nur der arabischen Vita eigentümlichen Er-
zählungsstoffe muss noch ausserdem eine besondere uns unbekannte
Apophthegmensammlung jüngeren Ursprungs als Quelle über Pa-
chomius mitbenutzt worden sein. Die Benutzung der griechischen
Vita C und P durch den Autor der arabischen Vita ist übrigens nicht
verwunderlich , da nach dem Zeugnis des arabischen Schriftstellers
Makrizi aus dem 15. Jahrhundert noch zu dessen Zeit das Griechische
wie das Koptische in Oberegypten, besonders unter den Mönchen,
bekannt war*).
Die arabische Vita charakterisiert sich als reine Compilations-
arbeit. Der Autor ist hierbei nicht sehr geschickt zu Werke ge-
gangen und gesteht selbst am Schluss , dass er bei seiner Arbeit
viel Mühe gehabt habe^). Da er die Quellen durch einander und
ohne Plan benutzte, so sind die Doppelberichte dieser Vita erklärlich %
Auch das Vorhandensein von einander widersprechenden Angaben*^)
beweist die Oberflächlichkeit seiner Arbeitsmethode. Schon daraus
erhellt, was von dem Urteil Am^Iineau's^) zu halten ist, demgemäss
in der arabischen Vita die Tradition über Pachomius und seine
Schüler treuer als in den griechischen Viten überliefert sein soll.
Was die Glaubwürdigkeit der einzelnen Pachomiusviten an-
langt, so verdient nach den bisherigen Erörterungen der Verfasser
der Vita C den Vorzug. Die im letzten Teil seines Werkes be-
richteten Ereignisse hat er als Mitglied des Pachomianischen Kloster-
verbandes ^) miterlebt. Für das Leben des hl. Pachomius selbst
1) Ladeuze S. 69.
2) A. a. 0. S. LXVII; vgl. Ladeuze S. 52.
3) S. 53-68.
4) Ladeuze S. 69.
5) Ar p. 708: »Yoici ce que nous avons decouvert de Thistoire du pere
Pakh6me de Thistoire de ses disciples, et cela aprös beaucoup de re-
cbercbe8.€
6) Vgl. Ar p. 378 seq. und p. 567 seq.; 372 seq. und 376 seq.
7) Ladeuze S. 57 f.
8) A. a. 0. S. LXVII.
9) Vgl. C 62 und 63, wo sich der Verfasser als Pachomianer bezeichnet ;
auch wird Pachomius in der Vita 6 Tcairip fj[ji(ov genannt.
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140 Das egypt Mönchium im 4, Jahrh.
waren seine Mitmönche, welche den Heiligen noch gekannt und mit
ihm zusammengelebt hatten, Oewährsmänner ^). Allerdings war es
möglich, dass ihm, dem Fremdling, manche Einzelheiten biographi-
scher oder topographischer Art entgingen, so dass in dieser Be-
ziehung oft die Ergänzungen der späteren koptisch-arabischen Viten
nicht ganz von der Hand zu weisen sind. Wahrheitsliebe lässt sich
dem Autor der Vita C auch nicht abstreiten; trotz der panegyri-
schen Tendenz seines Werkes scheut er sich nicht, auch solche Fakta
mitzuteilen, welche für Pachomius und seine Genossenschaft minder
ehrenvoll waren >). Ausser den Mitteilungen seiner Gewährsmänner
benutzte er auch schriftliches Material >) ; dazu gehörten nach seiner
eigenen Angabe die Briefe und die Mönchsregel des Pachomius so-
wie dessen Beden und Visionen, welche bereits nach Art der
Apophthegmensammlungen schriftlich vorlagen. Allerdings erschien
ihm das letztgenannte Material nicht ganz einwandfrei; er erklärt,
den koptischen Mönchen, so ehrenwerth sie auch sonst seien, sei in
dieser Beziehung nicht ganz zu trauen^); waren doch schon über
Pachomius zu dessen Lebzeiten viele übertreibende Anekdoten im
Umlauf«).
Dies alles beweist, dass der Autor sich bemüht hat, das Sagen-
hafte und Phantastische in dem Leben des Pachomius von dem Hi-
storischen auszuscheiden. In der Tbat erscheint die Vita G bezüg-
lich der Wunder- und Visionsberichte karger und nüchterner als die
späteren Viten. Schon die Paralipomena bekunden ein grösseres
Wohlgefallen am Uebernatürlichen und Wunderbaren^), und die
koptisch-arabischen Recensionen weisen noch eine bedeutende Mehr-
ung solcher Episoden aus dem Leben des Pachomius und seiner
Schüler auf^). Bis zu welchem Grade die Wundersucht der kopti-
schen Mönche gediehen ist, beweist besonders die arabische Vita,
in welcher nach Analogie gewisser aussergewöhnlicher Vorkomm-
nisse aus dem Leben des Pachomius ähnliche Zuge seinem be-
1) S. oben S. 123, 129, 181.
2) C 35, 41-43, 47, 49, 57, 61, 64, 68, 81.
3) S. oben S: 131.
4) C 63: 'H[Ji&i? 8k [xaWvxe? xaxa xbv xaipov oxi ou Tcavxwv Itciv xo TCHJTeüeiv
[xaXioxa [xov^ovxi, xatxoiYe xwv ayiwv xtjv 68bv iTtopeiJexo, . . . 5ia xouxo auvexepdaajxEV
xauxa Ypi^ovxet.
5) C 71 (Schlass) und 72.
6) S. unten S. 141 f.
7) Vgl. den Erzählungssioff von T 314, 328, 547, 590, 599, M 112—114,
119-129, 130-132. 135, Ar 366, 404, 414, 432, 434, 436, 454, 467, 642, 545,
547, 553, 568, 608, 613, 625, 628. Parallelberichte hierzu finden sich nicht in
der Vita C.
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Das egypt. Mönchtum im 4. Jahrh. 141
rflhmtesten Schüler Theodorus angedichtet werden*). Schon der
Autor der Vita C hat diesen Hang der koptischen Mönche, wie oben
(S. 140) bemerkt worden ist, getadelt, und AmäUneau bezeichnet in der
Einleitung (§ 4) zu den Contes et Bomans des Coptes (Paris 1888)
die Sucht nach aussergewöhnlichen Bekundungen des üebernatür-
lichen und den Hang zu phantasievoUen Ausgestaltungen ungewöhn-
licher Vorkommnisse als eine Eigentümlichkeit der koptischen Schrift-
stellerei. Dieselbe erscheint nun in den koptisch-arabischen Pa-
chomiusviten durch die mehr nüchterne griechische Vorlage noch
einigermassen eingedämmt ; aber in den späteren Produkten, z. B. in
der Vita des Abtes Schenoudi*), ist sie bis zur Ungeheuerlichkeit
ausgeartet.
Hiermit ist auch der Massstab gegeben, nach welchem wir die
Divergenzen zwischen der griechischen Vita G und den späteren
koptisch-arabischen Becensionen zu beurteilen haben; denn fast aus-
schliesslich auf dem Gebiete des üebernatürlichen und Wunderbaren
zeigt sich ein unterschied zwischen der älteren und jüngeren Tra-
dition über Pachomius und seine Schüler.
Ein grosser Teil der Divergenzen erklärt sich aus dem Be-
streben der koptischen Mönche, ihren Klosterstifter mit einem höheren
Nimbus von Glorie zu umgeben. Sie konnten darin nicht Mass halten
und modificierten nach ihrem Geschmack die in der griechischen
Vita C niedergelegte ältere Tradition. So war z. B. Pachomius
nach G 60 nur der koptischen Sprache mächtig, lernte aber später
das Griechische, um die zahlreichen nur griechisch sprechenden
Mönche in der hl. Schrift und der Ascese unterweisen zu können^).
Hiermit stimmt auch die boheirische Vita*) überein; doch die spätere
koptische Mönchstradition substituierte einen übernatürlichen Er-
klärungsgrund für die späteren griechischen Sprachkenntnisse des
Pachomius ; behufs grösserer Verherrlichung des Elosterstifters wird
in den Paralipomena (c. 27) sowie in der arabischen Vita (p. 628 s.)
eine magische Schrift erwähnt, welche der Heilige vom Himmel er-
hielt und welche ihn sogar in den Stand setzte,' in allen Sprachen
zu reden. — Einen besonders erwünschten Anlass zur Tendenzmalerei
boten den koptischen Mönchen die Vorgänge auf dem Concil von
Latopolis oder Ksneh; nach der Vita G 72 wurde Pachomius dahin
1) 3. M 8, A« 344 — M 51. Ar 40i; A«* 396—397 - T 603; C 61,
T 552, M 103.
2) Amilineau, Les meines ^gyptiens. Vie de Schnoudi, Paris 1889.^
3) Kol ItmoJSaaev 'EXXvjvKrrijv (iia^Etv x^pitt 6£ou, tva eSp t] to 7ct5; Tcopapd^vat
autov roAX&xi^.
i) Bl 147.
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142 Das egypf, Mönchtum im 4. Jahrh.
gegen Ende seines Lebens vor eine V^ersammlung von Bischöfen und
Mönchen geladen ; er sollte sich darüber verantworten, dass er Dinge
ZU' kennen vorgäbe , die der Kenntnis der übrigen Menschen ver-
schlossen seien. Er erscheint n)it einigen älteren Mönchen vor der
Versammlung und leugnet nicht, dass Gott ihm diese Gabe zur
besseren Gewissensleitung seiner Mönche verliehen habe ; es sei auch
nicht zu verwundern, erklärt er weiter, dass sich die von dem
Glauben erleuchtete Vernunft eines solchen Vorzuges zuweilen er-
freue; man finde ja selbst bei manchen Weltleuten eine tiefere,
durchdringendere Menschenkenntnis. Zwei Bischöfe, die früher zu
seinen Mönchen gehörten, bestätigen, dass die über ihn ausge-
streuten Gerüchte, als ob er sich alle Geheimnisse Gottes zu kennen
anmasse, übertrieben seien. Doch während die Versammelten noch
die ebenso freimütige wie demütige Verteidigung des Pachomius be-
wundern, stürzt sich auf diesen ein vom bösen Geist Besessener, um
ihn zu töten. Die Anwesenden verhindern das Attentat, können
aber über die Visionen des Pachomius zu keinem einheitlichen Ur-
teil gelangen, und Pachomius zieht sich ungehindert mit seinen
Mönchen in sein Kloster zurück, ohne dass ein Verdammungsurteil
über ihn ausgesprochen wird.
In der arabischen Vita p. 591 — 595 erscheint der ganze Vor-
gang phantastisch ausgeschmückt, um Pachomius mit der Glorie
des Martyriums zu umgeben und seine Gegner als wütende Fana-
tiker hinzustellen. Die Tendenz der Versammlung ist eine andere;
die Bischöfe wollen die Pachomianischen Mönche, die sich in ihren
Diöcesen befinden, vertreiben. Die Kirche von Esneh ist voll von
Bischöfen, Soldaten und Volk ; aber auch Pachomius erscheint in der
Stadt, begleitet von einer gewaltigen Schar von Mönchen und Laien
aus den umliegenden Ortschaften. Aus Furcht vor diesem grossen
Anhang verlangt man, dass Pachomius allein in die Kirche komme.
Doch da dieser krank ist, gestattet man ihm, sich auf einem Bette
von einigen Mönchen in die Kirche tragen zu lassen. Hier ist alles
bereit, ihn zu töten. Während er sich vor der Versammlung wegen
seiner Visionen verteidigt, entsteht eine furchtbare Erregung; die
Menge schreit, man solle nur an Pachomius Hand anlegen. Doch
merkwürdiger Weise gelingt es einem einzigeu Mönche, den Pacho-
mius auf seine Schultern zu nehmen und zu retten, ohne dass man
dessen gewahr wird. Man wirft nun von den Terrassen der Häuser
auf Pachomius mit Steinen ; ein Stadtbeamter gebietet aber Einhalt.
Pachomius kommt mit heiler Haut davon, während die meisten
Mönche verwundet und mit Blut befleckt ins Kloster heimkehren.
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Vas egypt Mönchtum im 4, Jahrh. 14-3
Damit schliesst die ganze Tragödie; von einer Vertreibung der
Mönche aus den Diöcesen der dem Heiligen feindlichen Bischöfe ist
aber keine Bede mehr, obwohl man nach der Aufbauschung der Vor-
gänge auf der Synode einen solchen Ausgang erwarten müsste.
Aus den Reden, die Theodor als Coadjutor des Abtes Orsisius
an die Mönche zu halten pflegte^ ergiebt sich, dass in denselben
Episoden aus dem Leben des hl. Pachomius zur Illustration dogma-
tischer und moralischer Wahrheiten verwendet wurden*). Dass ein
solches Verfahren im Laufe der Zeit zu willkürlicher Legenden-
bildung führen konnte, liegt auf der Hand. Deshalb drang auch
Theodor wiederholt auf schriftliche Fixierung der Vita des heim-
gegangenen Klosterstifters. Doch wurde trotz der darauf folgenden
Abfassung der griechischen Vita C die weitere legendarische Ent-
wicklung nicht vollständig zurückgehalten. Ein Vergleich der Vita C
mit den späteren Paralipomena und den koptisch-arabischen Recen-
sionen zeigt, dass zum Zwecke religiös- sittlicher Belehrung der Er-
zählungsstoff der ersteren Vita im Verlauf der Zelt mannigfache Er-
weiterungen und Modifikationen erhielt. So findet sich am Schluss
der Paralipomena (No. 37 — 42) eine lange apologetische Rede, in
welcher Pachomius sowohl auf das Heidentum wie den Arianismus
Bezug nimmt. Dieses Stück ist nur den Paralipomena eigentümlich
und findet sich weder in der Vita B, welcher diese Schrift neben
der Vita C als Vorlage gedient hat, noch in der syrischen Pachomius-
vita, die sonst sich fast vollständig mit den Paralipomena deckt. Die
ganze Rede erweist sich also wohl als ein aus dogmatischem In-
teresse gemachter Zusatz und passt auf die Zeit des Kaisers Julian,
wo solche apologetische Gesichtspunkte am Platze waren. — Die
Vita C 65 erzählt, dass Pachomius einmal das feierliche Begräbnis
eines Mönches verbot und dessen Kleider verbrennen liess. Der
Fehltritt, um dessentwillen der Verstorbene auf diese Weise gestraft
wurde, war nicht bekannt ; doch waren die Mönche überzeugt, dass
diese Strenge des Pachomius, der jedenfalls eine vollkommenere
Kenntnis von dem Gewissenszustande des Verstorbenen besass,
völlig gerechtfertigt war. Dieser Bericht deckt sich mit dem der
boheirischen Vita (p. 151 s.); dagegen findet sich in den Paralipo-
mena (no. 5 — 6) und in der arabischen Vita (p. 605 — 608) eine
aufgebauschte Schilderung dieses Leichenbegängnisses. Der Trauer^
zug, an dem ausser den Mönchen noch gegen alle Wahrscheinlich-
keit die Anverwandten des verstorbenen Mönches teilnehmen, setzt
1) M 249-259.
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144 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh.
sich eben in Bewegung, als plötzlich Pachomius erscheint und
trotz aller Bitten der Leidtragenden die Fortsetzung der Exequien
inhibiert. Schliesslich hält er noch eine längere Kede, in welcher
er seine auffallende Handlungsweise als heilsam für die Seele des
Verstorbenen hinstellt und sich über die Strafen der nachlässi-
gen Mönche im Jenseits auslässt. Dieser oratorische Erguss ver-
hallt nicht wirkungslos unter den Mönchen. Diese spätere drama-
tische Ausmalung des einfachen Vorganges sollte also Erbauungs-
zwecken dienen. — In der Vita C 59 wird von dem Hinscheiden
eines Mönches in Gegenwart des Pachomius und seines Lieblings-
schülers Theodor erzählt. Die beiden Zuschauer wurden von dem
Herrn gewürdigt die Art und V^Teise des Scheidens der Seele vom
Leibe zu schauen, sprachen aber davon nicht, so lange sie lebten.
Eine solche eschatologischen Exkursen abholde Darstellung war nicht
nach dem Geschmack der koptischen Mönche; in der sahidischen
(p. 547 s.), boheirischen (p. 119 s.) und arabischen Vita (p. 460 s.)
wird dagegen eine Vision mitgeteilt, welche Pachomins aus Anlass
eines Todesfalles über die jenseitige Welt zuteil geworden ist. Der
Hergang ist phantastisch ausgeschmückt. Pachomius und Theodor
erscheinen im Kloster Tmouschons am Sterbebette eines Eatechu-
menen, der von einem Engel getauft wird. Gleich nach dem Hin-
scheiden des Getauften wird Pachomius der Erde entrückt und
schaut in einer Vision den Tod und das Schicksal der Gerechten
wie der Sünder in der jenseitigen Welt. Dieser eschatologische Exkurs,
welcher in der griechischen Vita G fehlt, ist wohl aus erbaulichen
Rücksichten in die späteren Viten eingefügt. Die in demselben
entwickelten Anschauungen und Bilder berühren sich mit den escha-
tologischen Apokryphen, welche nachweislich zu jener Zeit in Egypten
im Umlauf waren, so dass sie wohl aus dieser Quelle entlehnt sein
mögen i).
Noch mehr als zur dogmatischen Belehrung sollte die Pacho-
miusvita zur üebung der mönchischen Standestugenden Belege und
Beispiele liefern. Besonderen Nachdruck legte Pachomius auf die
Keuschheit und gab behufs Sicherstellung dieser Tugend unter
seinen Mönchen bis ins kleinste gehende Vorsichtsmassregeln. In
Ermangelung von kräftigen und abschreckenden Beispielen wurde
die Vita zu diesem Zwecke vielfach durch die jüngere Tradition
modificiert. So erzählt die boheirische Vita (p. 193—194), wie
Pachomius darüber wachte, dass seine Mönche ihre Herzen von
1) Ladeuze p. 86 Note 1 ; vgl. auch Grützmacher & 85 ff.
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D(u egypt Mönchtum im 4. Jahrh, 145
bösen Begierden frei hielten. Der Parallelbericbt in der arabischen
Vita (p. 509—510) ist offenbar abhängig von dem boheirischen
Texte, aber in tendenziöser Weise auf die Abschreckung vor U|2*
keuschheitssünden zugeschnitten. — In der griechischen wie in den
beiden koptischen Viten^) heisst es, dass ein bejahrter und frommer
Mönch, Namens MauÖ, darüber ungehalten war, dass Pachomius in
einer Unterweisung auch die ergrauten Mönche eindringlichst er-
mahnte, sich über keine, auch nicht die geringste Elostersatzung
hinwegzusetzen, da eine solche Handlungsweise leicht die schlimm-
sten Folgen nach sich ziehen könnte. Da erscheint ein fremder
Mönch, der sich des Diebstahls schuldig gemacht hat, auf Qe-
heiss seines Bischofes im Kloster des Pachomius, damit dieser ihm
die Strafe diktiere. MauÖ sieht den Fremdling und hält ihn für
einen Heiligen, doch bald erfährt er zu seiner Beschämung, wie ihn
sein Augenschein getrügt hat, und kommt durch diesen Vorfall und
die Art und Weise, wie Pachomius den Sünder zurechtwies, zu der
heilsamen üeberzeugung , dass die strengen und wiederholten Er-
mahnungen des Elostervorstehers zur Wachsamkeit und gewissen-
haften Befolgung aller Satzungen durchaus am Platze seien. In der
arabischen Vita (p. 426 s.) erscheint nun dieselbe Episode in einer be-
stimmten Tendenz umgemodelt. Darnach kann es der Mönch Maoü nicht
begreifen, warum Pachomius so minutiöse Vorschriften behufs Be-
wahrung der Keuschheit gegeben habe, und ruft deshalb aus: »Es gibt
doch unter uns keine Weiber, dass wir den Gefahren der Unkeuschheit
ausgesetzt wären.c Nach einer solchen Aenderung des Motivs in der
älteren Tradition konnte natürlich der fremde Mönch nicht mehr
als des Diebstahls schuldig figurieren ; sein Verbrechen ist in der
arabischen Vita ein Versuch zur Päderastie. — Nach der Vita C 58
hatte ein Mönch, der als Krankenwärter fungierte, bei der Zube-
reitung der Speisen starke Anwandlungen zur Gaumenlust, welchen
er aber mit der Gnade Gottes standhaft Widerstand leistete. In der
arabischen Vita p. 435 heisst es dagegen, dass der Mönch Douidouna
als Krankenwärter eine sinnliche Zuneigung zu einem kranken Knaben
empfand, jedoch durch Gebet und Fasten die Sinnlichkeit nieder-
kämpfte. Da die auf diese Episode folgende Erzählung der arabi-
schen Vita mit der in der Vita G identisch ist, so ist dies ein Be-
weis, dass es sich in den beiden Viten um einen und denselben
Mönch handelt, nur dass die arabische Vita in ihrem Bericht ein
anderes Motiv untergeschoben hat.
1) C 48, T 322—824, M 96—99.
Sehiwietz, Mönohtum. XO
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146 Das egypt MOnchtum im 4. Jahrh,
Wie die Ummodlang eines Berichtes der älteren Tradition vor
sich ging, zeigen die den koptisch-arabischen Yiten eigentümlichen
Doppelberichte, die nur in irgend einem Nebenumstande von ein-
ander abweichen. Manche Episode wird in derselben Vita von dem
Verfasser mit einer kleinen Aendening oder in einer anderen
Färbung wiedererzählt, um als Beleg für irgend eine andere
mönchische Tugend zu dienen. So findet sich in der boheirischea
Vita (p. 151) folgende Erzählung: >Es gab zu Phböou zehn ältere
Mönche, welche eine Menge Andachtsübungen hielten und dem
Körper nach rein waren; allein sie murrten oft gegen die geist-
lichen Unterweisungen des Pachomius; aber dieser betete und
fastete lange Zeit, bis er endlich die Heilung ihrer Seelen er-
reichte, c Einige Seiten später (p. 178) liest man dieselbe
Episode in folgender Fassung : »Zu Phböou waren zehn Mönche,
welche in ihrem Herzen unreinen Gedanken Raum gaben und
deshalb gegen die Unterweisungen des Pachomius sich ungläubig
verhielten; doch der Heilige erhoffte ihre Bekehrung, da sie ihre
Leiber noch nicht befleckt hatten, und betete für sie, bis sie ihre
Handlungsweise bereuten und Busse thaten. Einer von diesen
Mönchen verharrte bis zu seinem Tode im Unglauben gegen Pacho*
mius.c Der umstand, dass in der älteren Tradition die Mönche
dem Körper nach rein genannt werden, hat wohl den Anlass dazu
gegeben, den Bericht in eine neue Form zu kleiden. — Nach der-
selben boheiriscben Vita (p. 109) hatte Pachomius, der in Phböou
residierte, in Erfahrung gebracht, dass in Tabennisi die in der
Bäckerei beschäftigten Mönche das Stillschweigen nicht beobachteten.
Er sendet den Theodor, der die Leitung des Klosters Tabennisi hatte,
dahin , um die Angelegenheit zu untersuchen. Theodor findet zwei
Schuldige und berichtet darüber dem Pachomius, worauf dieser
seinen Lieblingsschüler ermahnt darauf zu achten, dass auch die
kleinsten Vorschriften von den Mönchen pünktlich beobachtet wür*
den^). Alsdann schliesst der Bericht mit den Worten: »Noch viele
Male schickte er den Theodor in die anderen Klöster, um dieselben
zu revidierenc. Einige Zeilen weiter (p. 114) findet sich der obige
Bericht in einer anderen Färbung. Darnach kommt Pachomius
selbst nach Tabennisi und bemerkt, dass dort die Mönche beim
Brotbacken das Stillschweigen nicht hielten. Statt aber selbst der
Sache auf den Grund zu gehen, beauftragt er damit Theodor; dieser
findet 18 unfolgsame Mönche, wird aber bei der Berichterstattung.
1) Dieser Bericht deckt sich mit G 57.
tizedby Google
Digitiz
Daä egppti MOnchtum'im 4,'Jakrh: 147
erregt and macht eine Handbewegong gegen Pachomins, der nichts
erwidert, sondern nur voll Zorn in Lachen ausbricht^). Theodor
leistet hieranf eine dreiwöchige Busse wegen des Deliktes seiner
Mönche, verliert aber durchaus nicht die ZuneigUQg seines Meisters,
der ihm nur die Mahnung giebt, bei der Aufsicht über die Bffider
nicht nachlässig zu werden >). Analog dem Schluss des ersten Be-
richts wird nämlich zuletzt bemerkt, dass Pachomius den Theodor
nach PhebAou zur Hilfeleistung berief, gleichwie Josue dem Moses
zur Seite stand. Es ist unschwer zu erkennen, dass der zweite Be-
richt eine ungeschickte Modifikation des ersten ist und den Stempel
der UnWahrscheinlichkeit an siöh trägt').
Ausser den besprochenen Hauptquellen kommt für die Ge-
schichte des Pachomianischen Mönchtums ein Brief des Bischofiä
Ammon in Betracht. Aus diesem Briefe erfahren wir, dass Ammon
6 Jahre nach dem Tode des Pachomius ins Kloster Pheböou unter
dem Abte Theodor eintrat und daselbst 3 Jahre lebte, worauf er
sich nach Nitria begab und schliesslich Bischof wurde. Veran-
lassung zu diesem Briefe gab Theophilus, der bekannte Patriarch
von Alexandria, der ihn um einen Bericht über seinen Aufenthalt
in PhebOou und den Abt Theodor gebeten hatte ^). Obgleich dieser
Brief eigentlich nur die Geschichte des genannten Abtes und be-
rühmtesten Schülers des Pachomius ist, so enthält er doch auch
einige wichtige Daten, welche teils zur Ergänzung, teils zur Be-
stätigung der Pachomiusbiographie dienen. Die Abfassung dem-
selben muss zwischen 385 und 401 erfolgt sein ^).
1) II (Theodore) remna la main contre lai comme depais ici jusqae la.
Lorsqae notre p^re Pakhdme Yit que Th^o^ore avait remue la main contre lai,
II rit d^nn rire plein de col^re grandement.
2) Nach den ansdrückliclien Worten des Textes bezog sich sowohl die
Bosse des Theodor wie die darauf folgende Ermahnung des Pachomins auf
die Nachlässigkeit der dem Theodor unterstellten Mönche, ein Beweis, dass die
Handbewegung des Theodor vor Pachomius nur ein Qestus der Erregung war. ,
3) Diesen letzten Bericht der boheirischen Vita enthält auch die arabische
Version (p. 447 s.). Hier lautet die markante Stelle in der üebeisetzung des
Am^lineau folgendermassen : Theodore revint tont inquiet pr^s de notre p^re
Pakhdme et il le frappa (?) de la main. .... Pakh6me haissa la tdte en bas,
rit d'un rire plein de ool^re et ne parla pas. Damach hatte Theodor den
Pachomins mit seiner Hand geschlagen.. AUein die in Frage stehende Stelle
heisst wöriilich fthersetzt: »Theodor Kehrte ganz verwirri; zu unserem Vater
Paehonnus lurack , seine Hand in die H9he (hewegend) gegen ihn hin« (fauk
iadahu ilaihD. Das ergieht sich ührigens auch aus dem Gontext; denn auch
hier macht Pachomius dem Theodor nur Vorhaltungen wegen der Nachlfissig-
keit seiner Mönche (»Httte dich, künftig nachlässig zu sein; denn du wirst für
die Sünden der Brüder vor Gott verantwortlich sein«).
4) Der Brief Ammons nebst dem Dankschreiben des Theophilus findet
sieh bei den bolkudisten (A. S. S. Mail tom. III p. 63* s., lateinisch p. 847 s.).
5) Hierüber sowie über die Echtheit und Glaubwürdigkeit dieses Briefes
%. Ladeuze S. lOÖ f. :■■ i'-
10*^
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L^oogle
148 Das egypt. Mänehtum im 4* JahrK
Die von Cassian um das Jahr 420 verfassten Werke De in-
gtitutis coenobiomm und GoUationes patrum sind ffir die Oeschichte
der Pächomianer von untergeordneter Bedeutung. Gassian hat zwar
gegen Ende des 4. Jahrhunderts 10 Jahre in Egypten gelebt, aber
die Tabennesioten wohl gar nicht besucht. Zudem b&It er bei der
Beschreibung der egjptischen KlOster die Einrichtungen und Ge-
bräuche der Tabennesioten und die der übrigen egjptischen Mönche
nicht streng auseinander und gesteht in seiner Vorrede an dea
Bischof Castor selbst ein, dass sein Bericht, der ja ungef&hr
20 Jahre nach seinem Aufenthalt in Egypten verfasst wurde , nicht
ganz frei von üngenauigkeiten und Verwechslungen sein durfte^).
§. 13. Pachomius und die ersten OönobUenklöster in der OberOiebais.
üngeAhr seit dem Jahre 306 begannen sich die in der Wüste
zerstreut lebenden Einsiedler in der Nähe der Behausung des
hl. Antonius anzusiedeln und sich seiner geistlichen Leitung zu
unterstellen >). Das Beispiel dieser Antonianischen Mönche fand
auch anderwärts Nachahmung. So bildeten sich im Verlaufe des
4. Jahrhunderts in der nitrischen und liketischen Wüste sowie in
dem Oebirgsgelände zu beiden Seiten des Nils bis ins Delta hinein
Mönchsniederlassungen. Die Anfänge waren recht klein; zwei, fünf
oder höchstens zehn Mönche bildeten Eolonieen in der Wüste und
unterstfitzten sich gegenseitig im geistlichen Leben. Gegen Ende
des 4. Jahrhunderts wiesen schon einzelne dieser Mönchskolonieen
eine stattliche Zahl von Mönchen auf, wenn wir auch die darauf
bezüglichen Zahlenangaben bei Bufinus und Palladius um ein be-
deutendes reducieren müssen. Ja, an einzelnen Orten finden wir
schon ummauerte Elosterniederlassungen , deren Insassen wohl or-
ganisierte Genossenschaften bildeten*).
Es fragt sich nun, wo und von wem das erste Oönobium im
strengen Sinne des Wortes gegründet wurde. Das erste Kloster,
in welchem eine grössere Anzahl von Mönchen unter einem Oberen
nach einer gemeinsamen Regel lebte, lag in der Oberthebais und
zwar zu Tabennisi, welches südlich von Lycopolis (Siüt) und
nördlich von Theben zu suchen ist. In dieser Gegend bildeten sich
schon im ersten Decennium des 4. Jahrhunderts Mönchsnieder-
lassungen nach Art der Antonianischen. um diese Zeit war bei
Schenesit (griechisch x>)voaßo9xtQ>v) der greise Palaemon Leiter der
in seiner Nähe zerstreut lebenden Einsiedler^); auch ein gewisser Pe-
tronius führte auf seinem Landgute Thebion mit einigen Anachoreten
1) Ladeuze S. 278 f. — 2) S. oben S. 70, 75 f. — 3) S. oben S. 116. —
4) C 4, M 11, A' 346.
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Das egypt MOnchtum im 4. JiU^rh, 149
eine ascetiscbe Lebensweise^). Hier in dieser Gegend fasste der
hl. Pachomius, der bei dem greisen Palämon seine ascetiscbe Aqs-
bilduDg erlangt hatte, den Plan, eine grossere Zahl von Mönchen
zn einer streng cönobitischen Lebensweise za vereinigen. Die Darch-
führang einer solchen Lebensweise war aber schwer möglich, ürenn
die Mönche, wie es bis dahin äblich war, nur Golonieeu mit zer-
streut liegenden Wohnungen bildeten.
Es war vor allem notwendig, dass die Mönche unter einem
Dache wohnten; darum sammelte Pachomius die Mönche in einem
Baume oder Kloster. Ebenso musste das Tagewerk, die Gebetsübung
und das Verhältnis der Mönche zu einander und zu ihrem Oberen
streng geregelt werden. Alles dies gelang dem hl. Pachomius, und
bereits vor dem Jahre 328 war sein Elosterverband zu einer impo-
santen Macht herangewachsen ; denn um diese Zeit war die Kunde von
dieser Klosterstiftung nach Alexandria zu den Ohren des hl. Atha-
nasius gelangt >). Diese Art von Gönobitenleben war etwas ganz
Neues, Unerhörtes. Zwar hat es schon frflher nicht an Versuchen
gefehlt, eine gewisse Ordnung in die bisher lose und willkärliche
Lebensweise der Eremitenvereine zu bringen; ein gewisser Aotas,
über dessen Persönlichkeit und Wohnort allerdings nichts Näheres
bekannt ist, hat den Anfang dazu gemacht; aber sein Plan
schlug völlig fehl, da es ihm an der nothwendigen Energie fehlte.
Dies bezeugt der hl. Antonius gegenüber einer Pachomianischen
Mönchsdeputation, welche im Jahre 346 auf einer Reise nach
Alexandria ihn besuchte, und bezeichnet auch den kurz vorher ver-
storbenen Pachomius als den ersten, der eine so grosse Anzahl von
Mönchen zu leiten und ein Gönobium zu grfinden verstanden hat').
Dies steht auch in Einklang mit einer Erklärung des hl. Pachomius
auf der Synode zu Latopolis, wo er kurz vor seinem Tode den ver-
sammelten Bischöfen gegenüber es als eine besondere Gnade des
Himmels bezeichnete, dass es ihm gelungen sei, eine so stattliche
Anzahl von Mönchen in neun Klöstern unter seiner Oberleitung zu
vereinigen, während doch bis dahin zwei oder fünf oder höchstens
zehn Mönche mit Mühe und Not sich gegenseitig zu leiten ver-
mochten^).
Man hat wohl dem hl. Pachomius dieses Verdienst durch Hin-
weis auf die stattliche Mönchsniederlassung auf Nitria, das Kloster
des Abtes Isidorus und ähnliche Erscheinungen streitig machen
wollen; allein man übersieht hierbei, dass die uns von Palladius
1) M 76 8.» A' 578 s., C 50. — 2) M 39 s., A' 372 s., C. 20. — 3) C 77,
T 297 B., A' 65a s. — 4) C 72, A' 591 i.
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150 DcCb egypt Mönekttnn im 4» Jahrfu
nud Kafinus mitgeteilten Notizen Aber jene grösseren Mönchsverbände
den Thatbestand der letzten Decennien des 4. Jahrhunderts dar-
stellen, während die Pachomianischen Klosterstiftungen, die zudenci
sich durch eine straffere Disciplin und eine geschriebejne Ordensregel
vor den übrigen auszeichnen, nachweislich schon vor dem Jahre
328 zur höchsten Blute gelangt waren. Im folgenden soll nun ge-
zeigt werden, wie sich der Pachomianische Elosterverband aus dea
Eremitenvereinigungen herausentwickelt hat.
Die Daten der griechischen Vita über die Heimat, den Ueber-
tritt zum Christentum und die Anfänge der Ascese des Pachomius sind
dürftig. Genaueres erfahren wir hierüber in den koptisch-arabischen
Viten , und wir haben keinen Qrund an der Wahrheit dieser er-
gänzenden Angaben zu zweifeln. Die koptischen Mönche mochten
mit diesen Einzelheiten mehr Vertrautheit oder grösseres Interesse
dafür gehabt haben als die im Pachomianischen Elosterverband
lebenden Griechen, welche die griechische Vita verfassten. Nach
dem Griechen ^) lag die Heimat des Pachomius in der Thebais und
zwar im Süden von Esneh (Latopolis) , einer Stadt der Oberthebais,
wie es der Eopte und der Araber angeben'). In seiner Jugendzeit
scheint er sich keine höhere Bildung angeeignet zu haben; wenig-
stens ging ihm die Eenntnis 4er griechischen Sprache vollends ab:
diese erlernte er erst als Elostervorsteher, um seine ausländischen
Mönche besser in die Ascese einführen zu können'). Seine Eltern
waren Heiden; dasselbe gilt auch von den Bewohnern seiner Heimat;
wenigstens erhielt er in dieser engeren Heimat keine Eunde von der
Existenz des Christentums.
Die erste Berührung mit Christen geschah erst in seinem
zwanzigsten Lebensjahre^) (im Jahre 314), da er, zu einem Feld-
1) C 1 : Ka\ aÜTOs IXX»ivu)V Yov^töv öjrapywv iv ttj 0»)ßat8u
2) M 2, 55, T 316 s., A' 329, 342 s.
3) S. oben S. 141.
4J Die griechische Vita (c. 2) erzählt, dass der Kaiser Gonstantin, 4er
gegen einen Tyrannen Krieg führte, in Egypten eine Aushebung von Truppen
veranstaltet hahe, unter denen auch der ^Ojährige Pachomius gewesen sei.
Der Name des Tyrannen wird in dieser Vita ebensowenig wie in der
sahidischen (T 316) angegeben« Da nun Constantin erst seit der Besiegung
des Licinius im Jahre 323 Herr von Egypten wurde, so hätte der 20jährige
Pachomius erst nach diesem Jahre zu irgend einem Feldzug ausgehoben wer-
den können. Diese Annahme stände aber im Widerspruch mit and<^ren sicheren
Daten. So z.B. erklärt Athanasius auf seiner Rundreise durch die Thebais (330)^
dass er schon vor seiner Konsekration, also vor 328, von der grossartigen Ent-
faltung der Pachomianischen Klosterstiftung in Alexandria Kunde erhalten
hätte (S. oben S. 149). Wäre nun Pachomius nach 323 zu einem Feldzuge
ausgehoben worden, so bliebe kein hinreichender Zeitraum für die darauf fol-
genden Ereignisse — nämlich für seine Bekehrung zum Christentum, sein Anacho-
retenleben und die Gründung und Entfaltung seiner ersten Klosteistiftung -~ die
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Das egypL Mönchtttm im 4. Jahrh. 151
zage ausgehoben, mit anderen Rekruten den Nil abwärts die St&dte
Esneh und Antinoe in der Oberthebais berührte^). In der ersteren
ja alle schon vor dem Jahre 328 vollendete Thatsacheu sein mfissten.
Das Datum der griech. Vita ist also wegen seiner Dunkelheit für die Berech-
nung des Geburtsjahres des Pachomius unbrauchbar. Dasselbe gilt von dem
entsprechenden Datum in den späteren Recensionen der Pachominsvita, obwohl
dasselbe auf den ersten ßlick concreter erscheint. Nach der boheirischen (S. 5)
und der arabischen Vita (S. 342) soll* Pachomius von Constantin zu einem Feld-
20ge gegen einen Perserkönig, nach der Vita des Dionjsius gegen Maxentius
ausgehoben worden sein. Allein von einem Feldzug des Constantin gegen die
Perser in den Jahren 323 bis 328 weiss die Geschichte nichts, und ein Feldzug
gegen Maxentius in diesem Zeiträume ist ja ein Anachronismus.
Es sind indes noch andere Anhaltspunkte zur Fixierung des Geburts-
jahres des Pachomius vorhanden. 1) Alle Pachomiusviten stimmen darin über-
ein, dass der eben erwähnte Feldzug kurze Zeit nach der letzten Christenver-
folgung stattfand. [Vita G 2: Kol ixsxa tov SiwYfAov IßadiXsuaev o [x^ya^ Kwv-
oravitvo?, mzolo-^^ twv Ypicrciavtov ßaatXetov *Pe)0[xaYxwv xal JCp6? Tiva TÜpawov icoXEfjLcov
IxAeuaev Xoitcov tcoXXou^ Tiptova; auvavaXaß^v. T 816: Et peu de temps apres
que la persecution eut cess6 et que le grand Constantin fut devenu roi, . . . .
comme il n'y avait pas encore longtemps qu'il regnait, un tyran lui fit la
guerre. Cf. M 5, A' 342]. Nun aber wütete noch im Jahre 311 die Christen-
verfolgung in Egypten; am 25. Nov. dieses Jahres wurde Petrus, Bischof von
Alexandria, gemartert (C 1, A" 388) und erst Constantin veranlasste nach seinem
Siege über Maxentius (28. Oct. 312) den Maximin, den Beherrscher Egyptens,
die Verfolgung der Christen einzustellen. Vgl. Ladeuze S. 236. Hiernach muss
Pachomius kurze Zeit nach 312 oder 313 zum Kriegsdienst ausgehoben worden
sein. 2) Bekanntlich wurde Pachomius gleich nach Entlassung aus dem Kriegs-
dienste, der von kurzer Dauer war, Katechumen zu Schenesit. Nach dem Briefe
Amraons (c. 6) wollten nun die Marcioniten und Meletianer den Pachomius nach
seiner Taufe auf ihre Seite ziehen ; allein dieser wurde durch eine Vision ange-
wiesen , sich an den Bischof Alexander von Alexandria zu halten , der ja von
812 — 326 diese Würde inne hatte. Von Arianem war also damals noch keine
Bede; diese Häresie trat erst seit 320 hervor. Folglich muss Pachomius in
den Jahren 312—320 Christ geworden sein, und da sein Klosterverband schon
vor 328 in Blüte stand, so muss seine Aushebung zum Kriegsdienst, sowie die
bald darauf erfolgte Taufe näher dem Jahre 312 liegen.
Der Feldzug, dessentwegen der 20jährige Pachomius eingezogen wurde,
muss also zwischen 312—820 liegen. Da nun aber Constantin in dieser Zeit
nicht Herr von Egypten war und daselbst keine Truppenaushebungen ver-
anstalten konnte, so bleiben nur zwei Annahmen übrig. Entweder hat der da-
malige Beherrscher Egyptens zu Gunsten Constantins eine solche Aushebang
unternommen oder der Verfasser der Vita C hat sich in Betreff der EiQzel-
heiteu dieses Feldzuges geirrt. Das erstere ist nicht wahrscheinlich, da die Ge-
schichte keinen Anhalt dafür hat, dass Licinius, der nach der Bewältigung des
Maximin von 313 — 323 Egypten beherrschte, dem Kaiser Constantin seine Hilfs-
truppen aus dem Orient bez. Egypten geschickt hätte. Es bleibt also nur die
zweite Annahme übrig ; nämlich die Vita C hat zwar damit Recht, dass
Pachomius zur Zeit, als Kaiser Constantin Kaiser war und Krieg gegen einen
Tyrannen führte, ausgehoben wurde, aber sie irrt sich darin, dass diese Aus-
hebung auf Befehl Constantins veranstaltet wurde. Es fragt sich nun, ob die
Geschichte einen solchen Feldzng in den Jahren 312(313)— 320 kennt.
Seck erzählt in seiner »Geschichte des Untergangs der antiken Weite
(II. Aufl. Bd. I. S. 158 f.), dass Licinius, der im Jahre 314 mit Constantin um
die Alleinherrschaft kämpfte, von letzterem am 8. Oct. dieses Jahres bei Cibalae
(in lUyrien) besiegt wurde. Er versuchte ein neues Hilfsheer zusammenzuziehen;
aus dem Orient rückten auch Truppenmassen heran, deren Marsch durch den
beginnenden Winter freilich sehr gehemmt war. Ehe noch diese Hilfstruppen
herankommen konnten , fand im November desselben Jahres bei Castra Jarba
eine neue Schlacht statt, wonach Iiidnius mit Constantin Frieden sohloss. Es
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1S2 DetB egypt Mönchtum im 4, Jahrh.
Stadt sachten Christen sein und seiner Genossen Elend zu lindern;
die Mitteilung, dass dies Christen seien und dass sie aus Liebe za
Christus Barmherzigkeit übten, machte einen mächtigen Eindruck
auf seine sittenreine Seele und weckte in ihm das Verlangen, sein
Leben ihrem Ootte und den Werken der Barmherzigkeit zu weihen.
Die Verwirklichung seiner Wunsche und Pläne konnte bald erfolgen ;
denn schon in Antinoe wurde er auf die Nachricht von der Be-
endigung des Feldzuges, für den das Aufgebot der Truppen bestimmt
war, samt seinen Genossen entlassen. Pachomius zog wieder nach
dem Süden zurück, doch nicht in seine Heimat zu seinen heidnischen
Landsleuten, sondern er liess sich bei Schenesit (x>]vooßoaxctt>v), in einer
spärlich bewohnten Gegend, nieder. Hier stand er gleich im Contakt
mit den christlichen Bewohnern, durch die er mit dem Christentum
näher bekannt wurde. Als Wohnstätte diente ihm ein kleiner Tempel,
der von den Alten Tempel des Serapis genannt worden war. Von
einem Kultus dieses Gottes war aber keine Spur mehr; denn das
Heiligtum war, wie der Text') andeutet, so verlassen, dass man
seine frühere Bestimmung nur aus der Tradition kannte. Es ist
also rein willkürlich, wenn Grützmacher >) auf Grund dieser Stelle
den Pachomius zu einem Serapispriester stempelt. Die Lebensweise
des Pachomius, welche in der Uebung von Liebeswerken bestand,
hat auch mit der Beschäftigung der Serapispriester nichts gemein;
er legte nämlich einen Garten in der Nähe seines Wohnortes an, um
mit dem Ertrage desselben seine Lebensbedürfnisse zu bestreiten und
ist nun sehr wahrscheinlich, dass za den Hilfstrappen, welche aus dem Orient
erwartet wurden, auch egyptische gehörten, nnd dass auch Pachomius sich
unter diesen befand. Damach wäre der 20jahrige Pachomius um das Jahr 814
ausgehoben worden; sein Geburtsjahr ist also 294. Nach den BoUandisten
(A. 8. S. Mail Tom. III p« 287 f.) soll dies 276, nach Achelis (Theol. Litteratur-
zeitung 1896 Sp. 242 f.) 280 , nach Am^lineau (Annales du Mus^e Quimet,
Tome XVII S. LXIX f.) 288, nach Krüger (Theol. Litteratnrzeitnng 1890
Sp. 622) und Qrützmacher (a. a. 0. S. 28 f.) 285 sein.
1) Esneh liegt südlich, Antinoö nördlich von Theben. Vgl. Baedeker ,
Aegypten S. 818 und 191.
2) M 7 s. : Te jeune Pakhöme touma son visage vers le sud, jusqu*a ce
qu'il arrivat a un viUage d^sert nomm^ Sch^n^tt, hrtlS par les chaleurs ex-
cessiTes: il 8*7 arrdta, vojant qu'il n'j avait pas en ce Heu une multitude
d*hommes, mais seulement qnelques-uns. II alla sur les bords du fleuve, dans
un petit temple nomm^ par les anciens, Temple de S^rapis, et lorsquUl füt
arrSt^, il pria. Kesprit de Dieu le mut, disant: Combats et roste en ce lieu.
Et lui, la chose lui plut; il resta dans ce lieu, cultivant quelques lägumes et
quelques palmiers pour les besoins de sa nourriture, ou pour les pauvres, qui
etaient dans le village, ou pour T^tranger qui passerait dans une barque ou
sur le che min.' Cf. A' 844. — Dieser Bericht fehlt in den griechischen Re*
censionen, welche, wie oben (S. 682) gesagt wurde, über den ersten Teil der
Pachomiusbiographie nicht so detaillierte Angaben enthalten wie die koptisch-
arabischen.
8) A. a. 0. S. 89 f.
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Das epypt Mönchtum im 4. Jährh. 153
zugleich den Armen von Schenesit sowie den Durchreisenden Wohl-
fhaten zu spenden. Bald erhielt er auch auf Betreiben der christ-
lichen Bewohner in einer benachbarten Kirche die hl. Taufe ; in der
Taufnacht wurde ihm seine künftige Bestimmung in einer Vision
offenbart. Er blieb noch einige Zeit an diesem Orte und nahm sich
während einer Epidemie der Kranken kräftig an ; doch da seine Ein-
samkeit durch den Zulauf von Menschen Schaden litt, beschloss er,
den Ort zu verlassen, um Einsiedler zu werden. Gewiss hat es
solche Eremiten in der Umgegend gegeben , und Pachomius muss *
mit ihrer Lebensweise bekannt geworden sein. Der Greis, dem
er bei seinem Weggange seinen Wohnort nebst dem Garten über-
liess, war ein solcher Eremit^). Einen besonderen Ruf genoss aber
in einer von Schenesit weiter gelegenen Eindde ein greiser Mönch
Palaemon, den Pachomius aufsuchte und unter dessen Obhut sich
stellte. Die Zahl der Einsiedler, welche in dieser Einöde in der
Nähe des Palaemon zerstreut lebten, war nicht gering ^). Sie führten
nach der Weisung ihres Meisters eine sehr strenge Lebensweise. Im
Sommer fasteten sie täglich und nahmen nur abends Speise zu sich ;
im Winter fasteten sie alle zwei Tage. Als Nahrung diente ihnen
Brot mit Salz, zuweilen auch Gemüse. Der Gebrauch von Oel und
Wein war nicht üblich. Den Ueberschuss des Erlöses für ihre täg-
lichen Handarbeiten verwendeten sie für die Armen. Dem Gebete
und der Betrachtung widmeten sie die halbe, oft auch die ganze
Nacht. Allen diesen Strengheiten unterwarf sich Pachomius*) und
hatte vor den übrigen Einsiedlern noch den Vorzug, dass er mit
Palaemon dieselbe Zelle teilen und sich somit eines ganz innigen
Verkehrs mit diesem Altmeister in der Ascese erfreuen durfte^).
Nachdem er so längere Zeit der Ascese obgelegen hatte, trennte
er sich von seinem Altmeister mit dessen Zustimmung, um in dem
ein wenig südlich gelegenen, einsamen Ort Tabennisi^) ein Kloster
1) M 9, A' 846.
2) C 4. 5, 8; M 18, 21, 23; A' 356 s.
8) C 6 8., M 22 8. ViTenn Pachomius einmal am Osterfeste den Speisen
etwas Oel beimischte (G 4, A' 351 sOi so beruhte das nicht, wie Ch'ützmacher
(S. 47 Note 4) meint, auf seinem Widerwillen gegen die strenge Ascese, son-
dern auf einem Missyerstandnis des Befehles seines Meisters.
4) Dass Pachomius bei Palaemon zunächst ein Noviziat von 3 Monaten
durchmachen musste, ist eine Fiktion der arabischen Vita. Vgl. Ladeuze
p. 165 not. 2.
5) Tabennisi (abgekürzt Tabenna) lag am Ostufer des Nils und gehörte
zum Sprengel des Bischofs von Denderah (Teutyra). Vgl. G. 7. 20; M 25, 39*
Dieser Ort war ein Dorf, wie von allen Viten übereinstimmend berichtet wird,
und keine Insel, wie es noch in neuester Zeit von Weingarten (Ursprung des
Mönchtums S. 1), Bardenhewer (Patrologie 1894 S. 244);iund Heimbucher
(Die Orden und Gongregationen der kathol. Kirche 1896, I. Bd. S. 37) ange-
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154 Das egypt. Mönchtum im 4, JahrK
ZU gründen. Die harte Ascese der Anachoreten war aber nicht, wie
Am^lineau^) vermutet, der Orund, weshalb sich Pachomias von
Palaemon trennte. Allerdings milderte er in seinem Klosterverbande
die Fastenascese ; dies geschah aber aus Herablassung gegen die
Schwachen, da in einer grösseren Mönchsgemeinschaft aussergewöhn-
liche Leistungen in der Faste nicht zur Regel gemacht, sondern
mehr in das Belieben der einzelnen gestellt werden können').
Pachomius selbst machte bis zu seinem Tode keinen Gebrauch von
' den Milderungen seiner Mönchsregel *). Ebensowenig war etwa
eine gewisse Antipathie gegen seine Mitbrüder der Beweggrund der
Trennung*); vielmehr berichten die Viten*) von der innigen Freund-
schaft, die ihn mit allen Genossen der Einsamkeit verband. Sein
neuer Entschluss wird in allen Viten übereinstimmend auf eine höhere
Eingebung zurückgeführt. Als er sich nämlich einmal an einen fast
unbewohnten Ort, Tabennisi genannt, begab und dort im Gebete ver-
weilte, sprach eine Stimme vom Himmel zu ihm: »Bleibe hier und
gründe ein Kloster; denn es werden sehr viele kommen, um unter
deiner Leitung das monastische Leben zu führen. c Indes ist hier-
mit durchaus nicht ausgeschlossen, dass auch seine eigene Erfahrung
ihn auf den Gedanken brachte, dem Mönchsleben eine festere Ge-
staltung zu geben. Der erste Schritt zur Sammlung der Einsiedler
in der Wüste geschah ja durch Antonius, Amon, Makarius sowie
auch durch Palaemon. Indes entging der scharfen Beobachtungsgabe,
die dem Pachomius nachweislich durchs ganze Leben eigen war,
nicht, dass diese ganz lose Vereinigung der Mönche in den Eremiten-
kolonieen zu einer nachhaltigen und sicheren Leitung nicht aus-
reichte. Erlebte doch Pachomius selbst, wie ein in der Nähe des
Palaemon wohnender Einsiedler in die Fallstricke des Teufels fiel,
weil er sich den Mahnungen des Meisters unzugänglich zeigte <^).
Nichts lag näher als einen Schritt noch weiter zu gehen und dem
Mönchtum durch Einführung eines wahren cönobitischen Lebens
noch grössere Sicherheit und Festigkeit zu verleihen. Sein inniger
Verkehr und das Zusammenwohnen mit Palaemon wies den Pachomius
geben wird. Dieser Irrtam beraht auf einer falschen Lesart von Sozomenus,
h. e. III, 14 (Iv Taß^vvr) W^atü x^s Qri^odhoc); doch findet sich in einer Hand-
schrift die richtige Lesart h Taßevvrjaw t^? erjßaifSos, wie es schon Valesius in
seinen Annotätiones za Sozomenus festgestellt hat. VgL aach Baedeker
a. a. 0. S. 219.
1) ßtude historique sur s. Pakhdme, Le Caire, Barbier, 1887 S. 27.
2) P 16, M 52, A' 394 s., 611.
8) C 9. 11, 33-36, 60-51.
4) Am^lineau 1. c. 18 s.
5) M 23, A' 356.
6) C 5, M 18, A' 363.
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Das egypt Mönehtum im 4. Jahrh. 15&
auf die Bahn, auf welcher aach der minder Gefestigte gefahrloser
dem Mönchsideal nahekommen konnte. Dass ihn diese Gedanken
wirklich bei der Qründnng des Klosters leiteten, ergiebt sich aus
den Viten, welche den Pachomins die Ideen von den Vorteilen des
Gönobitenlebens vor dem Anachoretentum entwickeln lassen. Pachomins
weist darauf hin, dass in einem Elosterverbande der einzelne Mönch
durch die feste Hausordnung nicht blos sicherer vor Fehltritten be-*
wahrt wird, sondern auch bei dem steten Verkehr mit den Mit-
brüdern reichlichere Gelegenheit zur Uebung der Tugend und Näch-
stenliebe erhält^). Diese Ideen leiteten ihn bei seiner neuen Stift-
ung und führten zu einer neuen Epoche in der Entwicklung des
Mönchtums.
Zunächst baute Pachomins nur für sich eine Zelle in Tabennisi
und unterhielt einen regen Verkehr nicht nur mit Palaemon bis zu
dessen Tode sondern auch mit den Mönchen der Nachbarschaft,
welche zwar noch nicht auf seinen eigentlichen Plan eingingen, doch
immerhin nach Art der Mönche des Antonius sich leiten liessidn*).
Der erste, der sich mit ihm zu einem gemeinsamen Leben vereinigte,
war sein älterer Bruder Johannes; doch auch dieser war anfänglich
dem Plane des Pachomins abhold'), der nun daran ging, ein ge-
räumigeres Haus zu bauen, welches mehrere Mönche unter einem
Dache vereinigen sollte. Johannes blieb nicht lange als Genosse
seines Bruders am Leben; vielleicht noch zu seinen Lebzeiten mel-
deten sich drei Männer, Psentaesis (Peschentaisi), Surus und Psois
(Peschoi) zu dieser cönobitischen Lebensweise. Nach ihnen kamen
Pecnsius (Piethosch), Cornelius, Paulus, ein gewisser Pachomins und
Johannes, welche mit Pachomins nach einer von ihm zusammenge-
stellten Regel zusammenlebten. Meditation und Lesung der hl. Schrift
1) Vel. die Bede des hl. Pachomias über das Verhältnis des Anachoreten-
tnms zum Gönobitentum. M 189 s, A' 607 s.
2) C. 15, AnUlineaUy Memoires de la Mission archeologiqne fran^aise
au CSaire, Paris, Leronx, IV, 2 f., p. 540. Dieser letzte Text findet sieb bei
Ladeu%e p. 171 s.
8) Pachomiuft geriet wegen der Erweiterung des Klosters in einen
Conflikt mit seinem Bruder-, der mit ihm allein leben wollte. Die Berichte,
welche sich hierüber in C 10 und A' 361 finden, sind ganz gleich, nar dass
nach G Johannes im Zorn seinen Brader mit den Worteü Ilauaat Tc^pnepo« S>v
anfährt, während nach dem Araber sich Pachomias zu den Worten »Genng der
Thorheitc hinreissen lässt. Ein von Am^lineau (1. c. p. 539) veröffSentlichtes
thebanisches Fragment legt ebenfalls die incriminierten Worte dem Johannes
in den Mnnd. Der Araber hat also sich eine Textänderung zu schulden kom-
men lassen. Es ist darum ganz grundlos, wenn Qrützmacher (a. a. 0. S. 48
Note 1) zu dieser Episode bemerkt: »Die griech. Becension hat sich wiederum
gescheut zu berichten, dass ihr Heiliger ein so unheiliges Wort zu seinem
Bruder sprach und nachher Abbitte leistete, sie berichtet nichts (?) von einem
Gonflikt der Brüder, sondern nur wie diese fein einträchtig bei einander wohnen, c
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156 Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh.
war ihre Beschäftigning, während Pacfaomias selbst die Sorge f&r ihre
irdischen Bedfirfnisse auf sich nahm. Als die Zahl der Mönche auf
hundert anwuchs, baute Pachomias im Bereiche des mit einer Mauer
umgebenen Klosters eine Kirche — bis dahin besachten sie Samstag^
and Sonntags ein von ihm selbst im Orte Tabennisi erbautes Oottes-
haus mit den übrigen Dorfbewohnern — und ergänzte die ursprüng-
liche Regel durch neue Satzungen, welche die Arbeitsteilung und
Organisation betrafen. Die Zeit der Gründung dieses Pachomiani-
schen ürklosters lässt sich zwar nicht genau bestimmen; doch war
dasselbe bereits vor dem Jahre 328 zu einer Berühmtheit gelangt.
Als nämlich der hl. Athanasius im Jahre 330 seine erste Visita-
tionsreise in die Thebais unternahm, erklärte er dem Bischof tod
Tentyra, in dessen Sprengel jenes Kloster gehörte, dass der Buf des
Pachomias und seiner Stiftung ihm schon vor der Ordination zu
Ohren gekommen wäre.
Schliesslich konnte das schon mehrfach vergrösserte Kloster
von Tabennisi neae Ankömmlinge nicht fassen. Pachomias gründete
deshalb etwas nördlich davon zu Pheböou ^) ein zweites Kloster, wel*
ches in seinen Manern mehrere Häuser und eine kleine, mit Ge-
nehmigung des Bischofs von Diospolis parva ^) erbaute Kirche fasste.
Er gab den Insassen dieses neuen Klosters dieselben Regeln wie in
Tabennisi und leitete mit inniger Hingabe beide Stiftungen.
Das Gelingen und Wachsen dieser beiden cönobitischen Schöpf-
ungen blieb nicht ohne Eindruck auf die Mönche der Umgegend.
Drei Mönchsgenossenschaften schlössen sich nach einander dem
Pachomianischen Klosterverbande an. Zunächst that dies Eboneh
('EiccovufAOc; G 35, Ounagh A' 567) mit seiner ganzen Gommunität;
das ziemlich geräumige Kloster, welches bei Schenesit, der Tauf-
stätte des hl. Pachomius, lag und nur wenige Insassen zählte, wurde
mit Mönchen aus den beiden ersten Klöstern bevölkert nnd nach
dem Muster oder der Regel des ürklosters eingerichtet'). Orsiisi,
ein Schüler des hl. Pachomius, erscheint später als Abt dieses dritten
Klosters*). Auch die Mönchsgenossenschaft von Temouschons ^) bat
durch ihren Vorsteher Jonas den hl. Pachomius um Einführung der
cönobitischen Lebensweise in ihrem Kloster. Wir besitzen noch in
1) Ohne den kopt. Artikel Bau (ep. Amm. 1) oder Baum (ep. Fach.), in
der griech. Vita np(Sou (c. 35), llaßau (c. 52, 56).
2) Die Ruinen des alten Diospolis parva sind in der Nahe des Felläh-
fleckens U6q. Vgl. Baedeker S. 218.
1) C 35. M 71, A' 567.
2) C 76. A' 652.
8) C 35, A' 568; M 72; Temouscbons = Monchösis (ohne Artikel).
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D€U egypU MihkdUum im 4. Jahrh. 157
lateinischer üebersetzung einen Brief, den der Heilige an Cornelias,
den Vorsteher dieses Klosters, in geheimnisvoller Schrift gerichtet
hat. Endlich liess Petronins, der in Thebion^), einem Landgate
seines Vaters, mit einigen Mönchen der Ascese oblag, darch Pacho-
miu8 sein Kloster organisieren und verblieb noch einige Zeit als
Leiter desselben. Sein Vater, der gleichfalls die mönchische Lebens-
weise annahm, schenkte diesem Kloster alle seine reichen Besitznngen.
Alle diese 5 Klöster waren nicht weit von einander entfernt.
Tabennisi , welches znr Diözese des Bischofs von Denderah gehörte,
sowie die weiter nördlich gelegenen Klöster Pheböou^) (zar Diözese
Diospolis parva (Hdu) gehörig) und Schenesit^) lagen am Ostnfer
des Nils. Das nicht weit von Schenesit, jedoch schon am West-
ufer gelegene Kloster Temooschons war von Pheböoa aas in einer
halben Nacht erreichbar^), während Tbebioa zwischen den beiden
letztgenannten Klöstern zu suchen ist^).
Ueber 100 km. nördlich von Pheböoa entstanden in der Diö-
zese des Bischofs von Akhmim^) drei neue Klöster. Das erste hiess
koptisch Tst (arabisch Schedsinä, griechisch Tase) und erhielt einen
gewissen Pessö zum Vorsteher^). Hierauf bat der ascetisch ange-
legte Bischof Arius von Akhmim den hl. Pachomius um die Gründ-
ung eines zweiten Klosters in der nächsten Nähe der Stadt; auf dem
ihm geschenkten Terrain baute Pachomius mit seinen Brüdern das
Kloster, wiewohl böswillige Menschen die Bauarbeiten zu stören
suchten, besetzte es mit Rücksicht auf die Nähe der Stadt mit
tüchtigen Mönchen und stellte es unter die Obhut des Abtes
Samuel^). Nahe von Tsi entstand schliesslich das Kloster Tesmine.
Der schon früher erwähnte Petronius erhielt die Leitung dieses so-
wie eines anderen benachbarten — wahrscheinlich des von Tsi —
Klosters*), während in Thebiou an seine Stelle ein gewisser Apol-
lonios trat*®).
Das neunte und letzte Mannskloster » welches Pachomius noch
1) M 76 8., OvißEu (C 50); beim Araber (p. 573) erscheint Thebtou transskri-
biert ip Etouaont (b^^s oa).
2) Jetit Flu. Vgl. Baedeker S. 219.
3) Jetzt Kasr-es-Saiyäd. Vgl. Baedeker S. 218.
4) M 120. 129. 160,
5) tf 79-82. Vgl. Ladeuze S. 174 note 2.
6) Arabisch Schmin, griechisch X^(jL{i.i;, n&vo(, IlavdnoXi; (C. 51). Vgl.
Baedeker 8. 208.
7) C 52, T 585. A' 568 s.
8) C 51, A' 573.
C 52, M 77, A' 574.
M 77; in der arab. Version (p. 574) heisst der Abt Ainas.
A
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158 Das egypt Mönchtum im 4. JdhrfL
gründete, lag sfidlich von Theben in der Nähe der Stadt Esneh
(Latopolis) und hiess Phenoom^).
Ausser diesen Mannsklöstern verdankten noch 2 Frauenklöster
ihre Gründung dem hl. Pachomius. Als nämlich sein ürkloster
Tabennisi einen bedeutenden Ruf erlangt hatte, kam dahin seine
Schwester Maria zum Besuch; Pachomius Hess ihr durch den
Pförtner erklären: »Wisse, dass ich noch am Leben bin, betrübe
dich aber nicht darüber, dass du mich nicht sehen kannst. (Jeber-
lege es jedoch, ob du nicht auch den Lebenswandel, den ich er-
wählte, einschlagen willst; alsdann sollen dir meine Brüder eine
entsprechende Wohnung bauen.c Maria nahm die Einladung des
Bruders an, und dieser beauftragte einige auserlesene Mönche, ihr
im Dorfe Tabennisi in einiger Entfernung des Mannsklosters ein
kleines Asketerium zu bauen. Oleichgesinnte Jungfrauen schlössen
sich ihr an und lebten unter ihrer Leitung nach einer Ton Pacho-
mius verfassten Regel. Gin hochbetagter und erprobter Mönch be-
suchte von Zeit zu Zeit dieses Kloster behufs ascetischer Unter-
weisung der Ordensfrauen ^). Die griechische Vita C 86 erwähnt bei-
läufig, dass Pachomius, auf einer Rundreise begriffen, noch ein
zweites Frauenkloster bei Tesmine gründete ^). Zu Anfang des 5. Jahr-
hunderts beherbergte das erste Kloster nach Palladiua (bist. laus,
c. 89) ungeßlhr 400 Ordensfrauen.
Im Verlauf dieser Klostergründungen verlegte Pachomius seinen
Wohnsitz von Tabennisi nach Pheböou; von hier aus leitete er den
ganzen Klosterverband als Generaloberer. Unermüdlich visitierte er
die Klöster, um den guten Geist in denselben aufrechtzuerhalten;
Daneben unterhielt er noch einen lebhaften schriftlichen Verkehr
mit den Vorstehern der einzelnen Klöster, wie seine auf uns gekom-^
menen Briefe^) es beweisen.
Endlich hatte er, um die Einheit des ganzen Klosterverbandes
zu wahren, die Anordnung getroffen, dasss zweimal im Jahre, zu
Ostern und in der Mitte des August, zu Pheböou eine Generalver-
sammlung aller Mönche stattfinden sollte. Bei dieser Gelegenheit
hatten die Oekonomen der Klöster dem Oberökonom von Pheböou
über die Arbeitserzeugnisse Rechenschaft Ubzulegen , und wenn ein-
1) M 77 8.; G 52 nix.vou{ii, C 72 naxvoi^fx, A' 575 Ebnomm, A' 659 Batinoun.
2) C 22. M 36 s., A' 380 s.
3) Ka\ 6\s To M»ivk aXXrjv iwoiTjdev 6 'Aßßa llax^oi^toc «epttov. — » Tb Mijvf
(Miiv) = Tia{i.7jva{ = Aschmini cf. C 52, 74, A' 646. Vgl. Ladeuse S. 177.
4) Die Ton Hieronymas ins Lateinische übersetzten Briefe des U. Pacho-
mius finden sich bei Migne, s. lat. tom. 23 col. 91 s. üe>>er ihre Echtheit siehe
hadeuze S. 111 f.
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Das egffpt, Mönchtum im 4. Jahrh, 159
zelue Mönche etwas im Herzen gegen jemand hatten , so fand hier
eine Versöhnung statt.
Beschränkten sich auch alle diese Klostergründungen auf die
Thebais, so rekrutierte sich doch die Bewohnerschaft derselben nicht
aus Kopten allein. Theodor, ein Lektor der alexandrinischen Kirche,
— nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Lieblingsschüler
des Pachomius — sowie noch viele andere Alexandriner (G]:iechen)
und Ausländer traten in den Pachomianischen Klosterverband ein.
Pachomius liess für diese im Kloster Pheböou ein eigenes Haus
bauen und machte Theodor zum Vorsteher desselben ^). Dieser letztere
versah mit einigen anderen alexandrinischen Mönchen unter Pacho-
mius und dessen Nachfolgern Dolmetscherdienste für die des Kopti-
schen unkundigen Mönche*). Der bekannte Bischof Ammon, der
fünf Jahre nach dem Tode des Pachomius in dem Hause der Orie-
chen Aufnahme fand, traf den Theodor noch am Leben und erzählt,
dass nach dessen Tode ein gewisser Ausonius sein Nachfolger wurde. *)
Nach demselben Gewährsmann fand sich im selben Hause ein
Lycier, namens IlaTptxtoc und ein Libyer mit Namen 'Qptoc;*). Die
boheirische Vita erwähnt auch einen Pachomianischen Mönch Domnios,
der von Geburt Armenier war 5). In Uebereinstimmung mit diesen
Daten berichtet C 60, dass in dem Kloster Pheböou viele Alexan-
driner und Bhomäer wohnten; unter den letzteren sind wohl Byzan-
tiner zu verstehen; indes erwähnen die Paralipomena (c. 27) auch
einen lateinischen Mönch, der zu den Pachomianern gehörte.
Das Verhältnis des Pachomius zum Anachoretentum , seine
Stellung zur kirchlichen Hierarchie, sein Charakter und die Sitt-
lichkeit seiner Mönche wird später besprochen werden ; hier soll nur
noch über sein Lebensende^) berichtet werden. Pachomius hatte noch
zu Ostern 346 eine Generalversammlung zu Pheböu abgehalten, als
kurze Zeit darauf in seinen Klöstern eine pestartige Krankheit aus-
brach. Hundert Brüder fielen ihr zum Opfer; auch Pachomius er-
lag derselben nach vierzigtägigem. Leiden '^). Auf Bitten der Mönche
1) C 60, M Hl 8.. A' 47a s.
2) S. oben S. 133.
3) Ep. Amm. c. 4.
4) Ebend. c. 19 and 2.
5) M 225.
6) C 75, A' 643 8.
7) Der Todestag des hl* Pachomins ist nach C 75 und A/ 648 der
14. Pachons oder der 9. Mai. Als Todesjahr wird von den Bollandisten das
Jahr 349, von Achelis 340, von Amelineau 348, von KrGiger i]ind Grützmacber
345 and. endlich von Ladenze TS. 229 f.) das Jahr 346 bezeichnet. Wenn die
Angaben der Viten richtig sind, dass nämlich Pachomius gleich nach Ostern
erkrankte and angefähr nach 40tägiger Krankheit am 9. Mai starb, so passt
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160 Das egypt M&nchtum im 4, Jahrh.
bestimmte er 2 Tage vor seinem Tode Petronius, den Abt von Tesmine,
zu seinem Nachfolger.
§ 14, Die Kloster des hl. Pachomius unter seinen drei ersten
Nachfolgern.
Petronius, den Pachomias vor seinem Tode zu seinem Nach-
folger bestimmt hatte, entstammte einer hochangesehenen Familie
dies alles auf das Jahr 846; denn in diesem Jahre warde das Osterfest am
30. März eefeiert. Vgl. den Festbrief des hl. Athanasins von Jahre 346: 'Nemo
de die arabigat neqne contendat dicendo, Pascha fieri debere die XXVII mensis
Phamenoth (23. März). Etenim in sancta s^nodo qnaestio ventilata fhit cnnctiqne
definiernnt festnm esse agendnm III Kai. Aprilis (30. März), Tidelicet die
IV mensis Pharmnthi'. S. Migne, s. gr. t. 26 col. 1423. Allerdings traf auch
im Jahre 340 das Osterfest am 30. März, and somit würde auch diesesfJahr
den Zeitbestimmnnflren über die Krankheit des Pachomias genügen. Allein eine
andere historische Notiz (G 77, A' 656 s.) steht dem im Wege. Karze Zeit nach
dem Tode des Pachomias hegaben sich nämlich einige M5nche von Pheböon nach
Alexandria zur Begrüssnng des hl. Athanasins. Unterwegs besaohten sie den
hl. Antonias and erzählten ihm anter Thränen von dem eben erfolgten Hin-
scheiden ihres Elosterstifters. Üeber den Zeitpankt dieser Reise heisst es nnn
in C 77: Kol Iy^veto 8x6 6 'Ap)^i63Ciaxo7co5 6 81^10? 'AMvaato« him\i^v* (xeta döfirj;
Kupiou aoio TOü Ro{i.iTaTOu TcapepvöjJLevo? ol a86X9o\ Iv xcjp TcXotto £?? 'AXe^avSpEiav xtX.
A' 656 8. : II arriva plas tarcl qae le p^re Athanase, patriarche d* Alexandrie,
etant de retoar de Constantinople (?), recoavra son siege et la plapart des
hommes aUaient le salner et recevoir sa b^nediction. 11 arriva qae des fr^res,
meines da monastere de Phebdoa . , . Dieser feierliche Einzag des hl. Athana-
Sias erfolgte aber am 31. October 346. Vgl. den Index der Festbriefe znm
Jahre 346 (Migne 1. c. col. 1355): Hoc anno Dominica Paschatis erat die
lY Pharmathi ... III Kai. Aprilis (30. März), . . . consalibas Constantio et
Gonstante III Aagastis , gabemante eodem Nestorio Gazaeo Aegypti praefecto.
Camqae obiisset (rregorias die II Epihi, reversos est Boma ex Italia (Athana-
sins) et in civitatem ecclesiamque ingressas. Mirabili antem occarsa dignas
fait; etenim die XXIV Paophi (31. Octob.) popnlas canctiqne magistratas ei
obviam invernnt asque ad centesimam lapidem. Mit dieser historischen Notiz
ist also die Ansetzang des Todes des Pachomias aaf das Jahr 340 nicht in
Einklang zn bringen; die übrigen Datierangen des Todesjahres mit Aasnahme
des Jahres 346 harmonieren aach nicht mit den Zeitbestimmangen übet die
Krankheit des Pachomins. — Am^lineau, Grützmacher and Achelis haben
aaf Grand einer Notiz der arab. Vita f p. 649 s.) : »La somme des joars oü il
resta dans le monde, est de 60 ans; il se fit meine a l*äge de 21 ans, et de-
menra alors dans la vie monacale 39 ans« angenommen, aass Pachomias wirk-
lich 60 Jahre alt geworden sei. Allein diese Angabe der arab. Vita ist sehr
zweifelhafter Natar; heisst es doch bald daraaf, dass Pachomias noch verhält-
nismässig jang gestorben sei (Comme le Seignear Tavait va cracifier son corps
en tonte chose, poar cette raison, il Tappela vers Ini promptement, et il ne le
laissa pas vivre an long äge de jpenr qiril ne 8*affaibltt beancoap). üebrigens
steht diese Notiz über das Lebensalter des Pachomins im Widersprach mit
anderen Lebensdaten derselben Vita. Vgl. Ladeuze S. 234: >D*apres eile
(Ar 342) Pakhdme ne fnt enr61^ et, par cons^qnent, ne se fit meine qa*apres
qae la persScation fnt finie, donc an plas t6t, en 312, pnisqne le demier d*entre
les martyrs, poar cette recension (p. 338), est le patriarche Pierre, tn^ en no-
vembre 811. Mais d'antre part, nons Tavons vn, d apr^s les donn^es qae fonrnit
A' loi-mdme, notre saint monrnt an commencement de 346 (S. oben). Or, de
312 a 346, 11 7 a, tont an plas, poar sa vie monacale, 34 et non 39 ans.« unter
Zngrandeleganff dieser Begrenznngsdaten in der arab. Vita wäre Pachomius
höchstens M ^hre alt geworden.
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.D(M egypU Mönchtum im 4, Jahrh. 161
und besass nach dem ürtheile des Elosterstifters die ffir die Leitung
der ganzen Communität notwendige Bildung and Befähigung. Als
ihm die Brüder die Nachricht von seiner Ernennungf zum Qeneralabt
brachten, lag er schwer krank darnieder, siedelte noch yon Tesmiue
nach Pheböou über, doch schon nach ungdähr zwei Monaten folgte
er dem hl. Pachomius ins Grab nach^).
Als Petronius dem Tode nahe war, bezeichnete er Orsitsi, den Vor^
Steher des Klosters Schenesit, zu seinem Nachfolger. Unter diesem
Generalabte dehnte sich die Pachomianische Communität immer weiter
aus; doch mit der Zunahme des irdischen Besitzes schwand auch der
gute Geist in den einzelnen Eidstern*)« Schon vier Jahre >) nach dem
Tode des hl. Pachomius bedrohte ein Schisma den Bestand des ganzen
Elosterverbandes. Der Elosterstifter hatte nämlich angeordnet, dass
die einzelnen Klöster die Erzeugnisse der Mönchsarbeit an das Haupt-^
kloster Phebdou abliefern sollten; von hier aus sollte der Verschleiss
derselben und die Verteilung des Erlöses an die einzelnen Klöster je
nach Bedarf besorgt werden. Dieser Satzung entgegen wollte nun
Apollonias, der Abt des Klosters Temouschons, welches grosse Län-
dereien besass, die Erträge derselben für die Bedürfnisse seines
eigenen Klosters behalten und sein Eloster von dem Generalabt un-
abhängig haben. Da der Geist des Aufruhrs auch auf andere Elöster
überzugehen schien und Orsitsi sich ausser stände sah, die Ordnung
wiederherzustellen, so ernannte er Theodor, den Lieblingsschüler des
hL Pachomius, zu seinem Goadjutor.
Es wird am Platze sein, hier den bisherigen Lebenslauf des
Theodor ausfährlicher darzustellen, zumal dem Andenken dieses
Mannes durch Am^lineau^) und Grützmacher ^) nicht volle Gerechtig-
keit widerfahren ist. Theodor % ein Sohn reicher, christlicher Eltern,
entschloss sich in noch jugendlichem Alter, dem Reichtum und dem
Weltleben zu entsagen und zog sich in eine Einsiedelei bei Esneh
zurück. Die dortigen Einsiedler erzählten vieles von der neuen
Elosterstiftung des Pachomius, und als ein Pachomianischer Mönch
auf einer Reise diese Einsiedelei besuchte, schloss sich ihm der erst
vierzehnjährige Theodor an und wurde zu Tabennisi wegen der Fort-
1) Nach der sahidischen Vita starb Petronius am 25. Epiphi = 19. Juli.
C 75 ix&kt6rriavt iiii ^ixou (soll wohl der Monatsname Epiphi sein») aoxou (/ltjvoc
ißSoLLT] xat elxadij. Die Differenz zwischen den beiden Daten ist unbedeutend.
Nacn A' 651 leitete Petronius den Elosterverband einige Tage.
2) C 81. A' 666 f.
8) Ladeuze S. 227 f.
4) Annales du Mns^e Guimet, Tome XVII, p. XOIV s.
5) A. a. 0. S. 104 f.
6) C 23 f.. M 46 f., A' 368 f.
Sohiwietz, Mönchtum. 11
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162 Das egypt. Mönchtum im 4. Jahrh»
schritte in der Ascese bald ein Liebling des Pachomins. Dieser be-
diente sich bald des jugendlichen Mönches zu wichtigen Missionen»
Hess ihn oft an seiner Statt die Katechesen vor der Gommanit&t
halten und glaubte in ihm den Mann gefunden zu haben, den er vor
seinem Tode zu seinem Nachfolger bestimmen könnte^). Indes ein
Vorfall soll nach Qrätzmacher die furchtbare Leidenschaftlichkeit
Theodors beweisen. Der letztere hatte, wie G 26 berichtet, schon
zehn Jahre in Tabenntsi zugebracht, als seine Mutter daselbst mit
einem Briefe des Bischofs von Esneh erschien, demgemäss ihr der
Sohn zurfickgegeben werden sollte. Sie kehrte im Frauenkloster ein
und schickte an Pachomius das bischöfliche Schreiben mit der Bitte,
er möge ihr wenigstens erlauben, ihren Sohn sehen zu dürfen.
Pachomius wollte nun dieser Bitte mit Bücksicht auf das bischöf-
liche Schreiben willfahren; doch Theodor erklärte: »Thäte ich dies,
wurde Oott mich, da ich nun einmal zum Mönchsleben berufen bin,
am Tage des Gerichtes tadeln, und meine Handlungsweise würde der
Gommunität der Brüder zum Aergernis gereichen. Die Leviten haben
einst kein Bedenken getragen, auch ihre eigenen Angehörigen zu
töten, um Gott mehr zu gefallen und den Zorn Gottes nicht auf
sich zu laden. Auch ich habe hier auf der Welt keine Mutter,
noch irgend ein Eigentum.« Pachomius billigte diesen Entschluss
Theodors und meinte, auch die Bischöfe würden diese Entsagung
wohl zu würdigen wissen. Die Mutter Theodors aber entschloss sich,
in das Frauenkloster einzutreten, indem sie bei sich dachte, dass sie
auf diese Weise nicht bloss ihren Sohn einmal unter den übrigen
Mönchen sehen, sondern auch für das Heil ihrer eigenen Seele Sorge
tragen könnte. Die boheirische und arabische Vita erzählen dasselbe
Vorkommnis, jedoch, wie sonst, in drastischerer Färbung. Nach der
ersteren (M 54) erklärte Theodor dem hl. Pachomius: »Ich fürchte eine
Vorschrift des Evangeliums zu verletzen, wenn ich die Mutter aufsuche.
Ist das nicht der Fall, so will ich zu ihr gehen. Wäre dies aber
ein Beweis meiner Schwäche, so will ich sie nicht nur nicht sehen,
sondern ich würde sie, wenn ich sie töten müsste, nicht schonen, wie
es einst die Leviten auf Geheiss Gottes gethan haben*).« Diese aller-
dings uns befremdende Erklärung fehlt in der ältesten griechischen Be-
cension (cf. G 26) und ist wohl mehr auf das Konto der überhaupt
drastischer schreibenden Kopten zu setzen. Aber zugegeben, dass
Theodor wirklich so gesprochen hätte, so läge doch kein hinreichen-
C 25, M 48.
Aehnlich lauten die Worte in A' 405.
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D(M egypt Mönchtum im 4, Jahrh. 168
der Grund vor, diese aus dem Munde eines jungen koptischen
Mönches kommenden Worte so streng zu beurteilen und daraus
einen Beweis für seinen gewaltthätigen Charakter herzuleiten, zumal
diese hypothetisch ausgesprochene Erklärung nur eine drastische
Anspielung auf eine Schriftstelle (Exod. 82, 27 f.) ist. Am^lineau
sagt ja selbst, dass die Uebertreibung eine besondere Eigentümlich-
keit der koptischen Schreibweise sei^). Wie wenig übrigens die
Mutter Theodors durch seine Handlungsweise irritiert war, ergiebt
sich daraus, dass sie nach G 26 in das Frauenkloster eintrat,
während nach der koptischen Becension (M. 56) ihr jüngerer Sohn
Pachomianer wurde.
indes Theodor »muss doch ein gewaltthätiger Mensch gewesen
seine ; dafür bringt Am^lineau und Grützmacher noch einen zweiten
und letzten Beweis. Pachoraius hatte bekanntlich später seinen
Wohnsitz nach Phebdou verlegt und die Aufsicht über das Kloster
Tabenntsi seinem Lieblingsschüler übertragen^). Als er nun einmal
wegen der Vernachlässigung der Elostersatzungen seitens einiger
Mönche von Tabennisi dem Theodor Vorwürfe machte, soll dieser
den Heiligen im Zorn mit seiner Hand geschlagen haben. Ganz
abgesehen davon, dass der ganze Bericht der koptisch- arabischen
Becension wenig Vertrauen erweckt, so beruht doch der dem Theodor
hierbei gemachte Vorwurf, wie oben schon gezeigt worden ist, auf einer
falschen (Jebersetzung eines arabischen Ausdrucks durch Amälineau ^).
Es handelt sich in dem Texte bloss um einen Gestus der Un-
geduld, wie denn auch Pachoraius dem Theodor nicht wegen dieses
Gestus, sondern wegen der Nachlässigkeit der Mönche einen Vor-
wurf macht. Uebrigens waren die Pachomianischen Mönche weit
entfernt, Theodor einer heftigen Leidenschaft zu zeihen. Nicht nur
nach Angabe von C 58 , sondern auch von A' 449 hat sogar der
Schüler den Meister in der Sanftmut übertroffen.
Endlich soll Theodor nach Am^lineau und Grützmacher auch
ein durchaus ehrgeiziger und schlauer Mönch gewesen sein, der
durch Verstellung und Heuchelei die Würde eines Generalabtes an-
strebte. Wo ist nun der Beweis dafür? Als Pachoraius einmal
schwer erkrankte, drangen in Theodor die Mönche, die Würde des
Generalabtes anzunehmen, wenn der Heilige sterben sollte. Theodor
gab nach langem Widerstreben dem Wunsche der Mitbrüder nach.
1) A. a. 0. p. XCVI.
2) C 50. M 101, A' 440.
8) S. oben S. 146 f.
11*
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164 Das egypt. Mönchtum im 4. Jahrh,
Pachomius, der dies nachträglich erfuhr und die Bestimmang seines
Nachfolgers sich selbst vorbehalten wollte, war darüber sehr betrübt,
dass Theodor sich habe schliesslich überreden lassen. Betrachten wir
diesen ganzen Vorgang, so haben hierbei sich eher die Mönche als
Theodor selbst verschaldet, wie das auch die Quellen nachdrücklich
betonen^). In sämtlichen Viten wird auch berichtet, dass Theodor
während der 7 Jahre, wo er den Pachomius bei der Visitation der
Klöster unterstützte , nie in sich den Qedanken aufkommen Hess,
dessen Nachfolger zu werden'). Jedenfalls folgt aus diesem Vorfall
auch, dass Theodor keinen gewaltthätigen Charakter besass, wenn
er sich die Liebe seiner Mitbrüder in so hohem Masse erworben
hattet). Auch beweist dieser Bericht gleich den vorher mitge-
teilten, dass den Autoren der griechischen und der koptisch-arabischen
Vita durchaus fern lag, dem Theodor zu schmeicheln und ihn auch
auf Kosten der Wahrheit mit dem Nimbus der Heiligkeit zu um-
geben, wie es Amälineau annimmt, was schon deshalb ausgeschlossen
erscheint, weil die Viten samt und sonders erst nach dem Tode
Theodors verfasst worden sind.
Zu Gunsten Theodors spricht auch der Umstand , dass er sich
wegen des oben erwähnten Vorfalles der von Pachomius ihm auf-
erlegten Busse willig unterwarf und nach Entbindung von seinem
Amte ein zurückgezogenes Leben führte. C 69 berichtet, dass Pa-
chomius ihm damit eine Lektion in der Demut geben wollte, und es
ist kein Anzeichen dafür, dass Theodors Busse etwa nur Heuchelei
und Verstellung war; wird doch bezeugt, dass sein Schmerz über
das Vorgefallene so gross war, dass seine Mitbrüder glaubten, er
würde das Kloster verlassen ; er that es nicht, ebensowenig verlor er
aber die Liebe und Zuneigung des hl. Pachomius, der von diesem seinem
Lieblingsschüler gelegentlich erklärte, dass er siebenmal vollkom-
mener als vorher geworden sei ^). Zwar wurde später nicht Theodor,
sondern Petronius von dem sterbenden Klosterstifter als sein Nach-
folger bestimmt. Dies geschah aus einem prinzipiellen Gesichts-
punkte ; Pachomius hielt es für den Bestand seines Klosterverbandes
als nothwendig, seinen Nachfolger aus eigener Initiative zu wählen.
Aber er that es nicht etwa aus einer noch zurückgebliebenen Anti-
pathie gegen Theodor. Vielmehr hat sich der sterbende Pachomius
nach Ausweis aller Quellen von seinem Lieblingsschüler Theodor in
1) C 69, M 166, A' 578.
2) C 68. M 158, A' 492.
3) Vgl. auch C 78-79, M 49, A' 449.
4) C 70, A' 663.
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Das egypU M&nchtum im 4, Jahrh. 165
der herzlichsten Weise verabschiedet, ihn beauftragt, seinen Leib an
einem geheimen Orte zu begraben und ihm ans Herz gelegt, sich
^uch weiterhin der fehlenden Brüder anzunehmen^).
Wie bis zum Tode des Pachomius der Wandel Theodors ver-
dächtigt wird, so wird auch dieseni von Am^lineau und Grützmacher
mit unrecht die Spaltung der Pachomianischen Mönche unter OrsÜsi
in die Schuhe geschoben. Um sich unentbehrlich zu machen, hätte
Theodor im geheimen den Aufruhr geschürt.
Es ist von vornherein unwahrscheinlich, dass er mit den auf-
ruhrerischen Mönchen unter einer Decke gesteckt hätte. Es verriete
ja ein hohes Mass von Unklugheit bei Orsiisi, wenn dieser in jenem
kritischen Augenblick den Theodor in der Absicht zum Coadjutor
erwählte, um den Qeist des Aufruhrs zu bannen. Die unbotmässigen
Mönche wünschten ja nicht einen anderen Generalabt, sondern sie
gingen darauf aus, diese Würde überhaupt zu beseitigen. Der Be-
richt über die Thätigkeit Theodors als Coadjutor spricht auch
nicht zu Gunsten derjenigen, welche seinen Charakter verdächtigen
möchten. Zunächst wird in den Quellen ausdrücklich betont, dass
Theodor vor seiner Erwählung zum Coadjutor sich nichts herausnehmen
wollte, das irgendwie über ihn missliebig gedeutet werden konnte.
Aus diesem Grunde wies er die Mönche ab, welche in ihn drangen,
die Katechesen im Kloster, wie zu Lebzeiten des Pachomius, zu
halten'). Als Coadjutor unternahm er nichts, ohne den Bat des
Orsiisi eingeholt zu habend); ja, er unterwarf sich den Anordnungen
des letzteren, selbst wenn dieselben seinen Anschauungen nicht
entsprachen ^). Wie der hl. Athanasius in einem Briefe ihn als Mit-
arbeiter des Orsitsi bezeichnet^), so hält er sich selbst nur als dessen
Stellvertreter«).
Im Jahre 350 zum Coadjutor berufen, beschwichtigte nun
Theodor den Geist des Aufruhrs und führte ApoUonios, den Abt von
Temouschons, zur Unterwerfung unter die Oberleitung zurück.
Nördlich von den durch Pachomius gestifteten Klöstern gründete
Theodor bei Schmoun^) zwei neue Niederlassungen. Nach M 271
hiessen diese Nouoi (cf . A' 676) und Kahior , nach C 86 Obi und
1) G 75; A' 648, Tgl. dazu Ladeuze S. 196 Note 1.
2) C 79. T. 309, A' 662.
3) C 86.
4) M 259 f.
5) C 92.
6) C 83, 93. 94; M 276, 284; A' 670, 697, 702.
7) Die Trümmer Ton Schmoun (Hermopolis) liegen P/s km weatlich land-
einwärts von Bdda zwischen dem Josephskapal und dem Nil bei dem Dorfe
Aschronndn (Baedeker S. 191).
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166 Da$ egypt. Mönchtum im 4. Jahrh.
Eaios^). Ein drittes Kloster entstand in der Umgegend von Her-
mothis (Armoutim). Nach dem Briefe Ammons (c. 17) muss Theodor
noch ein Mannskloster bei Ptolemais*) (koptisch Psoi) gebaut haben.
Zu den von Pachorains gegründeten Frauenklöstern von Tabennisi
und Tesmine kam auch noch unter Theodor ein drittes zu Beehre
(Pakhna A' 676) hinzu, welches eine Meile von Phebdou ent-
fernt lag.
Nach ISjähriger Leitung des Verbandes starb Theodor«). Der
hl. Athanasius, der aus diesem Anlass den Pachomianern ein Bei-
leidsschreiben sandte, ist voll des Lobes über den dahingeschiedenen
Generalabt und fordert Orsiisi auf, die Leitung wieder zu übernehmen.
Wie lange nun der letztere noch nach dem Tode Theodors an der
Spitze der Pachomianer stand, ist unbekannt. Die Pachomiusviten
schliessen nämlich mit dem Tode Theodors ab und erwähnen nur mit
einigen Zeilen die Thatsache, dass Orsitsi wieder das Regime über-
nahm. Wenn die Verfasser der Vita C hier abbrachen, so geschah
dies nicht aus Voreingenommenheit gegen den letzteren ; spricht doch
die Vita an anderen Stellen (C 75—88) mit der grössten Anerken-
nung von Orsitsi. Der Grund ist vielmehr der, dass diese Vita gleich
nach dem Tode Theodors ans Licht kam.
In den Katechesen, die Orsiisi seinen Mönchen hielt, pflegte er
ebenso fleissig die hl. Schrift heranzuziehen, als die Mahnungen des
hl. Pachomius zu wiederholen^). Denselben Charakter haben auch
die 56 Unterweisungen, die er am Ende seines Lebens den Mönchen
als Vermächtnis übergab und die unter dem Titel ,Doctrina de
institutione monachorum^ in lateinischer üebersetzung auf uns ge-
kommen sind ^). Gennadins, der in der zweiten Hälfte des 5. Jahrb.
lebte, kennt diese Schrift und äussert sich über dieselbe folgender-
massen^): 'Oriesiesis monachus, amborum 1. e. Pachumii et Theodori
collega, vir in sanctis scripturis ad perfectum instructus, composuit
librum divino conditum sale, totiusque monasticae disciplinae instru-
mentis constrnctum et ut simpliciter dicam, in quo totum pene vetus
1) A' 680 nennt dies Kloster Eäbour.
2) PtolemaXs (das heutige el-Menschiye) lag 15 km südlich von Akhintm.
3) Kurz vor seinem Tode sprach Theodor (M 265): 'Voici que je suis
avec V0Q8 depuis 18 ans, d*aprös rordre de Dieu et de notre p^re apa Horsitsi'.
Vgl. dazu Ladeuze S. 229—230. — Theodor starb am 2. Paschons d. i. den
27. April (7 Tage nach Ostern) im Jahre 368. Die Annahme des Achelisund
Krüger, dass Theodor schon am 27. April 363 gestorben sei. ist nicht haltbar;
denn nach dem Briefe des Ammon (c. 23) erlebte dieser Lieblingsschüler des
hl. Pachomius noch den im Juni 363 erfolgten Tod des Kaisers Julian.
4) Vgl. die beiden in der Vita 76 und 95 mitgeteilten Reden des Orsiisi.
5) Abgedruckt bei Migne^ s. lat. GUI col. 453 s. und s. gr. XL col. 870 s.
6) De vir. illustr. c. 9.
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Da8 egypU Mönchtum im 4, Jahrh, 167
et QOYum testamentum compendiosis dissertationibua iuxta monacho-
rum damtazat necessitatem , invenitur expositam, quem tarnen vice
testamenti prope diem obitus sui fratribus obtalit'. Das Spiegelbild,
welches in dieser Schrift von den Einrichtungen und Sitten der Pa-
chomianer entworfen wird, steht vollständig im Einklang mit den
Nachrichten, die hierüber in den anderweitigen Quellen vorhanden
sind 1).
§ 15. Vorbemerkungen zur Pachomianischen Klosterregel.
Es muss schon von vornherein angenommen werden, dass
Pachomins seinen Klöstern bestimmte Segeln gegeben hat. Eine in
einem Kloster wohnende Mönchsgesellschaft konnte auf die Länge
der Zeit ohne Feststellung einer Tages- und Hausordnung und ohne
Regelung der gegenseitigen Beziehungen der Mitglieder nicht be-
stehen. In der That dachte Pachomins schon daran bei dem Bau
seines Klosters in Tabennisi^). Mit seinen ersten Schälern führte
er sofort ein gemeinsames Leben ein und gab ihnen Vorschriften,
die das religiöse Leben, die Kleidung, die Speise und den Schlaf
nach der Anweisung der hl. Schrift regelten <). Als das Kloster
hundert Insassen zählte, schuf er eine neue Organisation, teilte die
Mönche in mehrere Gruppen mit besonderen Vorständen und sorgte,
f&r eine rationelle Arbeitsteilung unter denselben^). Nach demseU
ben Muster wurden auch die später gegründeten Klöster eingerichtet
(s. oben S. 156), und um Einheitlichkeit in der Leitung der ein-
zelnen Klöster zu erzielen, schrieb Pachomins die darauf bezüglichen
Satzungen in einem eigenen Buche für die Vorsteher auf^). Auch
dem in der Nähe von Tabennisi errichteten Frauenkloster schickte
er ein Exemplar seiner Mönchsregel zu und gab zugleich neue
Satzungen, welche die Mönche beim etwaigen Besuch verwandter
Klosterfrauen sowie bei Verrichtung notwendiger Dienstleistungen im
Frauenkloster beobachten sollten^). In der boheirischen Vita wird
noch bemerkt, dass Pachomins seine Regeln teils mündlich lehrte,
1) Ueber die Echtheit der Doctrina etc. siehe Tillemont, Meraoires pour
serrlr a Thist. eccl. Brnxelles» 1715, tome 7 p. 1386 und Ladeuze S. 114 f.
2) C 10: Ka\ tcoj; 8t§&^u), xüpis, oO; xaXEi^ auv l{xo\ louiov §X^a&at xov ßiov,
[i9| TcptoTov aötb; vixTJaa;.
3) C 17 : Koivößtov yap ^v abtöte * xoi oStco; IxavövtaEv aOxo1;, xUnov aTCpdaxonov
xa\ }coipa8(oa£t( w^sXtJijlous twv <J/u)(^ü3V auviofag olizo twv dsiwv Ypa^wv, to evöüjxa aüitov
eOp.^ipü>;, Tf|V Tpo^^v Iv JaÖTTiTt, xot TO xoifiyj^^vai auitov sia/^7]ji.(5vw;. Cf.M 31—32,
A' 370-371.
4) C 19, M 34 f., A' 372 f.
5) C38.
6) C 22, M 37-38, A' 381-382.
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168 Das egypt Mfhichtum im 4. Jahrfu
teils schriftlich und zwar jedenfalls in der koptischen Sprache auf-
zeichnete^). Eine solche schriftliche Mönchsregel dieses Kloster-
gränders lag thatsächlich den Verfassern der ältesten Pachomias-
vita vor«).
Es steht also fest, dass Pachomins eine Regel für seine Mönche
geschrieben hat; es fragt sich nun, welche von den unter seinem
Namen überlieferten Regeln auf Echtheit Ansprach machen kann.
Nach einigen soll die von PaUadius in der Historia Lausiaca
(c. 38) mitgeteilte Mönchsregel des Pachomins die ursprünglichste
sein oder wenigstens dem Kern nach von diesem Elosterstifter her-
rühren'). Verdächtig indes erscheint schon die dieser Elosterregel
vorausgeschickte Bemerkung des PaUadius, dass diese Satzungen dem
Pachoroius gleich zu Beginn seines Aufenthaltes in Tabennisi von
einem Engel auf einer ehernen Tafel überbracht worden seien. Die
griechische Vita G, welche die frischeste Tradition über Pachomins
enthält, weiss nämlich nichts von diesem übernatürlichen Ursprung
seiner Klosterregel; vielmehr wird in derselben, wie schon oben dar-
gethan ist, berichtet, dass Pachomins die Mönchsregel nach Mass-
gabe der hl. Schrift zusammengestellt und dieselbe später aus Zweck-
mässigkeitsgründen ergänzt hat. Diese Angaben der Vita G werden
auch von den koptisch-arabischen Pachomiusviten bestätigt^). Dazu
kommt noch, dass sich Pachomins in seinen Reden und Ermahnungen
nirgends auf einen übernatürlichen Ursprung seiner Mönchsregel be-
ruft, um derselben den gehörigen Nachdruck zu verleihen. So hatte
z. B. Pachomins in seiner Regel den Mönchen strengstes Still*
schweigen während der Arbeit vorgeschrieben. Als nun einmal diese
Vorschrift im Kloster Tabennisi von den in der Bäckerei beschäf-
tigten Mönchen übertreten worden war, erklärte er seinem Schüler
Theodor, die Mönche sollten sich nicht damit entschuldigen, dass
die Regeln menschlichen Ursprungs seien; in denselben seien zwar
oft geringfügige Dinge vorgeschrieben, aber sie seien doch von der
grössten Bedeutung; er hätte sie sicherlich nicht geboten, wenn sie
nicht nützlich wären ^). Ein anderes Mal wird Pachomins von seinem
I) M 104, A*" 502. — üeberhaapt ergänzte Pachomins nach Massgabe
des Bedürfnisses seine ursprünglichen Regeln durch neue Satzungen, wie ans
C 52, 57. M 101—102, 186-187, A' 426—427. 502-504 hervorgeht.
3) Grüizmacher a. a. 0. S. 117 ff., ZOckler a. a. 0. S. 200 f., Erwin
Preuachen, Deutsche Litteraturzeitung 1896 S. 710.
4) Siehe oben S. 167 u. 168 (Anfang).
5) C 57 : Ka\ eTtcsv b aßßa( Uay(o6\Lioi * ''Oxt voail^ouatv ^xstvot av9pa>T;tva eTvai
xauitt xa Tcaparf A(jiaxa xSv 7cep\ ikay(iaxw 8o&^ (t^^a IvxCv E{ (i^ dk ^v u>9Aii(j.o<
<|>x>X^v ^ IvtoXtj lxe{vi), oux Sv icopii'ffdXapLEV Tcepl aux^c Ct M 110.
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Das egypt Mönehtum im 4. Jdhrh, 169
Freunde Dionysius, dem Oekonomen der Kirche von Tentyra, ge-^
tadelt, dass er fremden Mönchen den Eintritt in sein Kloster ver*
wehre und dieselben in einem besonderen Baume beherberge. Pacho«
mius erwidert, er gestatte wohl fremden Mönchen die Teilnahme am
Gottesdienste im Kloster, doch in Bezug auf Tisch und Schlaf blieben
diese getrennt, und diese Anordnung hätte er deshalb getroffen,
damit Fremde nicht irgendeine üngehörigkeit bei seinen jüngeren,
noch unerfahrenen Mönchen bemerkten und daran Anstoss nähmen ^).
Auf diese Weise verteidigt Pachomius die Satzungen seines Klosters ;
nirgends beruft er sich auf den äbernatürlichen Ursprung seiner
Regel; höchstens wird noch darauf hingewiesen, dass seine Satzun-
gen mit den Grundsätzen der hl. Schrift in Einklang stehen*).
Kurzum, seine Regeln erscheinen bloss als Frucht seiner Klugheit
oder des Studiums der hl. Schrift. Weder die Briefe des hl. Pacho-
mius und seines Schülers Theodor, noch die Doctrina Orsiesii geben
einen Anhalt, aus dem man schliessen könnte, dass Pachomius seine
Klosterregel von einem Engel erhalten habe. Wenn in der letzteren
Schrift darauf hingewiesen wird, dass die Satzungen des hl. Pacho-
mius von Gott kämen'), so hat das nicht viel zu bedeuten; denn
eine so allgemeine Redensart passt schliesslich auf alle Hegeln heili-
ger Ordensstifter. Was endlich Hieronymus anlangt, der eine
Pachomianische Regel aus dem Griechischen ins Lateinische über-
tragen hat, so erwähnt er zwar, dass Pachomius sein Kloster auf
eine Weisung Gottes und eines Engels gegründet und ein geheim-
nisvolles Alphabet von einem Engel erlernt habe^), aber davon
weiss er nichts, dass die Pachomianische Regel von einem Engel
herrühre.
Allerdings enthalten auch die Viten A und B, sowie die un-
edierte Pariser und die arabische Vita die Notiz, dass Pachomius
eine fertige Regel durch einen Engel, und zwar auf einer Tafel
geschrieben, erhalten habe. Indes wird dadurch das bisher gewon-
nene Resultat nicht umgestossen, da diese Notiz in den genannten
Viten, wie schon früher dargethan wurde, aus der Historia Lausiaca
des Palladius entlehnt ist. Der Anfang der unedierten Pariser Vita,
wo die in Frage stehende Episode erzählt wird, stellt sich als reine
Gopie der Historia Lausiaca dar^). Die Vita B, die nachweislich
aus G geflossen ist, entlehnt aus Palladius einige auf die Pachomianer
C 28, M 58 f., A' 557 f.
C 17, 26, 42; M 53 f., 87. 101; A' 870. 405, 408 f.
Doctrina 8. Orsiesii c. 28, 46.
Praefatio s. Hieronymi in Begnlam ä. Pachomii n. 1 n. 9.
\ oben S. 186.
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170 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh.
bezügliche Notizen , worunter auch die von der üeberbringang der
Pachomianischen Regel dnrch einen Engel ^) — den Inhalt der Begel
selbst teilt sie nicht mit — gehört, vergisst aber später dieses
fremde Einschiebsel und berichtet im 22. Capitel in üebereinstim-
mnng mit ihrer Vorlage, der Vita C, dass Pachomias die Begel für
seine Mönche selbst verfasst habe >). Die Vita A dagegen, der sonst
die Vita B als Vorlage gedient hat, schiebt im 21. nnd 22. Kapitel
als Nachtrag eine Inhaltsangabe der Elosterregel nach Palladias,
wenn auch in abgekürzter Form, ein, ändert aber die Worte ihrer
Vorlage, der Vita B (c. 22), folgend ermassen um: 'Regulas igitur
eis, quas acceperat, tradidit, scilicet ut haberent moderatum cibum,
vilissimum vestitum, somnum etiam competentem.' Was endlich die
arabische Version, die sich als eine ungeschickte Compilation aus
C, M, T und Palladius darstellt (s. oben S. 138 f.), anlangt, so teilt
dieselbe die angeblich von einem Engel übergebene Elosterregel auch
nach Palladius, wenn auch mit einigen unbedeutenden Differenzen,
mit^), fällt aber im weiteren Verlauf aus dem Context, berichtet an
mehreren Stellen in Uebereinstimmung mit der Vita C und M, dass
Pachomius selbst die Klosterregel verfasst und allmählich ergänzt
hat^), und setzt sich dadurch in Widerspruch mit sich selbst, indem
die aus den letzteren Quellen geschöpften Notizen über die Sitten
und Oebräüche der Pachomianer mit dem Inhalt der aus Palladius
entlehnten Regel nicht im Einklang stehen^).
Die zwei ältesten Viten C und M, deren Verfasser doch am
besten über ihren Klosterstifter unterrichtet sein mussten, wissen
nichts von der Ueberbringung der Klosterregel durch einen Engel
Die Notiz hierüber bei Palladius, aus dem die Viten A, B und A'
1) B c. 12: Cnmque ali(]^aando processisset (sc. Pachomias) e cella satis
magnam spatinm pervenit in vicamf qni dicitur Tabenise. Gamqae, ut solebat,
longo tempore perseverasset in oratione, aadiyit vocem ei dicentem : Mane hie,
Pacbomi, et fac monasterinm. Ad te enim venient malti, volentes salvi fieri,
änos deduces convenienter formae, qnae tibi a me data faerit. Protinas er^o
li apparet angelos et dat ei tabnlam, in qua scripta erat tota vitae constitatio
eorum, qni erant ad ipsnm ventnri. Ex qna ab eo accepta in hodiernnm nsqne
diem vitam institnaut Tabennesiotae , enndem habitam gestantes et eandem
habentes conversationem.
2) B c. 22: Describit itaqae eis tanquam regulas quasdam formas et
utiles animae traditiones, vile iodamentam, victum moderatum decoramque in
somno quietem. S. oben S. 124 ff.
3) Ar p. 366-369. — 4) S. oben S. 167, S 168 Note 1.
5) So steht die auf die Wohnungen der Mönche bezügliche Satzung der
Engelsregel (A^^ 366) im ViTidersprnch mit den in A*" 468 und 628 berichteten
Thatsachen, desgleichen die auf den Schlaf bezugliche Satzung (A' 866) mit
den späteren Berichten (A*" 482 — 483,605), die Satzung über die Mdnchs-
kleidung (A' 366) mit A' 396 und 680. — Auch die aus Palladius (Hist. Laus,
c. 38) entlehnte Tischregel (A' 377) widerspricht den in A' 420, 524, 613 mit-
geteilten Thatsachen.
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Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh, 171
anmittelbar oder mittelbar geschöpft haben, ist also als Legende
des 5. Jahrhunderts zu betrachten ^). Immerhin mnss man sich aber
fragen, wie Palladins za dieser Notiz gekommen ist. In der ältesten
griechischen, sowie aach in der boheirischen Vita wird berichtet,
dass ein Engel den Pachomins, als er bereits in Tabenna wohnte,
aufgefordert habe, ein Kloster zu gränden^). Es ist nun nicht un-^
wahrscheinlich, dass man schliesslich auch die Regel, die Pachomins
für seine Mönche verfasst hatte, diesem Engel zuschrieb, oder dass
Palladius, der von der Engelvision im Pachoroianischen Kloster von
Panopolis (Hist. Laus. c. 39) Kunde erhalten haben mag, irrtümlich
die Engelvision auch auf die Ueberbringung der Regel ausdehnte.
Später mag der darauf bezügliche Palladiustezt am Rande einer
Handschrift der griechischen Pachomiusvita vermerkt und schliess-
lich durch einen Abschreiber eingeschaltet worden sein. Aber nicht
allein die Notiz von dem übernatürlichen Ursprung der Pachomiani-
schen Regel bei Palladius erscheint verdächtig ; dasselbe gilt auch von
dem Inhalt der von ihm mitgeteilten Regel. Viele Satzungen dieser
Elosterregel bei Palladius, z. B. das Zusammen wob neu von je drei
Mönchen in einer Zelle, das Schlafen auf Sitzen mit Rücklehnen,
die absolute Ausschliessung fremder Mönche vom Kloster, die Klei-
derordnung, die Qebetszeiten, das dreijährige Noviziat, die Teilung
der Mönche in 24 Gruppen nach dem griechischen Alphabet, wurden
laut der Vita G und M, ja selbst der arabischen Vita (abgesehen
von dem auf S. 866—369 eingeschalteten Palladiustexte) weder zu
Lebzeiten des Pachomius, noch unter seinen drei ersten Nachfolgern
beobachtet, wie dies noch bei Besprechung der. einzelnen Gebräuche
und Sitten in den Pachomianischen Klöstern im folgenden § gezeigt
werden wird. Aus alledem ergiebt sich, dass die von Palladins
mitgeteilte Pachomianische Klosterregel durchaus nicht als die
älteste Form der bei den Pachomianern beobachteten Satzungen
anzusehen ist; vielmehr giebt Palladins in dieser Klosterregel den
Status quo der Satzungen des von ihm besuchten Pachomianischen
Klosters wieder, wobei noch Qedächtnisfehler oder Miss Verständnisse
bezüglich des dort Wahrgenommenen eine Rolle spielten.
Es bleibt nun zu untersuchen, ob und inwieweit die vom hl.
1) Sozomenus (h. eccl. III, 14) hat gleichfalls die Engelsregel aas Pal-
ladius entlehnt, aber besser geordnet. S. Mreuschenf Palladius a. Ruflnus,
1897 S. 227 f. — Dillmann (Chrestom. aethiop. 1866, S. 67 flF., deutsch von
König, Studien und Kritiken 1878 S. 323 ft,) hat drei verschiedene Pachomia-
nische Regeln in äthiopischer Üebersetznng herausgegeben. Die erste äthiopische
Becension verrät eine griechische Vorlage und deckt sich im wesentlichen mit
dem Berichte des Palladius. Vgl. Ladeuze S. 261 f.
2) G 15, M 30.
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172 Das egypt, Mönchtum im 4, JahrK
Hierouymus ins Lateinische übersetzte Pachomiusregel auf Aothentie
Ansprach machen kann. Dieselbe ist uns in zwei der Hauptsache
nach übereinstimmenden Recensionen überliefert. Die erste Recension
besteht aus 128 Artikeln und ist zuerst im Jahre 1575 von
A. Stratius in Rom yerö£Fentlicht worden^). Die zweite Recension,
ans 194 Artikeln bestehend, erschien gleichfalls in Rom im Jahre
1661 in dem Codex regularum, quas ss. patres monachis et vir-
ginibus sanctimonialibus servandas praescripsere, coUectus olim a s.
Benedicto Anianensi abbate, dessen Veröffentlichung der Verfasser
Lucas Holsten nicht mehr erlebte >). In diesem letzteren Werke
folgt auf die praefatio s. Hieronymi presbyteri in regulam s. Pacho-
mii 1) die Regel des Pachomius (praecepta patris nostri Pachomii
hominis Dei, qui fundavit conversationem coenobiorum a principio
per mandatum Dei), 2) monita s. Pachomii, 3) epistola patris nostri
Pachomii ad sanctum virum Cornelium, qui pater fuit monasterii
Mochanseos, in qua loquitur linguam, quae ambobus ab angelo tra»
dita est et cuius nos sonum audivimus, ceterum vires et sensum
intellegere non possumus, 4) epistola etc. ad patrem monasterii Sy-
ram, qui et ipse gratiam cum Pachomio et C!ornelio angelicae linguae
acceperat, 5) epistola etc. ad patrem monasterii Comelium, quod
vocatur Mochanseos, 6) epistola etc. ad Syrum patrem monasterii
Ghuum et Joannem praepositum domus eiusdem monasterii, 7) epi-
stola etc. ad universa monasteria, ut cuncti fratres congregentur in
monasterium malus, quod vocatur Baum, in diebus Paschae, et sit
omnium una solemnitas, 8) epistola etc. ad Syrum patrem monasterii,
quod vocatur Ghnum, et Joannem praepositum in eodem monasterio
unius domus, 9) epistola etc. ad universa monasteria, ut congregen-
tur omnes monasteriorum principes et domorum praepositi in mona^
sterium quod vocatur Baum, vicesimo die mensis qui apud Aegyptios
(ini
Co]
1) Diese Recension findet sich auch bei Oazaeus, Cassiani opera omnia
im Anhang), Atrebati 1628, ferner bei De La Bigne, Bibliotheca Patmm,
iol. Agripp. 1618, IV, 31 s., bei StellartiuSf Fundamina et Regulae, Douay
1626, p. 115 8.
2) Auf die erste römische Aasgabe dieser zweiten Recension folgte eine
zweite von L. Billaine im Jahre 1663 und eine dritte zu Auffsbnrg im Jahre
1759. Vgl. auch Migne, s. l. tom. 23 col. 65 s. — Der Holsten'sche Codex
ist identisch mit dem Liber regnlarum diversaram patmm Benedikts von Aniane
and war eine Abschrift eines im Besitze der regulierten Chorherrn domus B. Vir-
ginis zu Köln befindlichen Manuskripts, das wiederum aas einer alten Trierer
Handschrift von St. Maximin abgeschrieben war. (Cf. Holsten^Brockie, Codex
regnlarum etc. Augsburg 1759 tom. I praef. S. XVII.) Diese letztere Hand-
schrift ist noch nicht aufgefunden, doch hat Otto Seebaaa (Zeitschrift für
Kirchenfesch. 1895 S. 244 ff.) den Nachweis geführt, dass der Codex 231 des
Kölner Stadtarchivs, welcher das Re^elsammelbuch Benedikts von Aniane ent-
hält, als Kopie der Trierer Handschrift zu gelten hat.
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Das egypU Mönchtum im 4. Jahrh, 178
appellatar Mesore, üt rite omniaro peceatoram atqae operam remisaio
compleatnr, 10) epistola etc. ad fratres qni tondebant in deaerto
capras, de quaram filis texantar cilicia, 11) verba per litteras patris
nostri Pachomii in lingaa abscondita, de bis quae fatara sant,
12) verba quae locntas est pater noster Pachomios in visione,
enidiens fratres in monasterio Mochansi de bis, quae eis eventara
essent, et illo dicente et loqaente in spiritu excepta sunt a fratribns;
qaae ?el factari essent principes monasteriorum vel passari, 13) verba
patris nostri Pachomii lingaa abscondita, de bis quae fatura sunt,
14) epistola patris nostri Theodori ad omnia monasteria de Pascha,
15) S. Orsiesii abbatis Tabennensis doctrina de institutione monacho-
rnm. Alle diese Stacke, welche Holsten ans dem Über regularam
diversoram patrum Benedikts von Aniane geschöpft hat, stammea
von Hieronymns. Ein gewisser Presbyter Sylvanns hatte nämlich,
wie Hieronyrans in der praefatio erklärt, aus Alexandria Bücher er-
halten, welche eine griechische Uebersetzung der koptischen Satzungen
des Pachomias, Theodoras und Orsiesius enthielten, und dem Hiero-
nymus zugeschickt mit der Bitte, dieselben ins Lateinische zu über-
tragen, da in den Pachomianischen Klöstern der Thebais sowie in
Ganopus viele Lateiner wären, die weder das Koptische noch das
Qriechische verständen. Qennadius (De vir. ill. c. 7 — 8) bezeugt, dass
zu seiner Zeit die Regel des Pachomius, je ein Brief an Cornelius
und Syrus, ein Brief anlässlich des bevorstehenden Osterfestes, ein auf
die im Monat August stattfindende Generalconferenz bezuglicher und
ein an ausserhalb des Klosters beschäftigte Mönche gerichteter Brief
desselben, sowie drei Briefe des Theodor und die doctrina des Orsiesius
bei den Lateinern in Umlauf wären; nennt er auch hierbei nicht aus«^
drücklich den Hieronymus als üebersetzer dieser Schriften, so ist doch
immerhin diese Notiz als ein indirekter Beweis dafür anzusehen. Und
wenn Cassian in seiner Vorrede zu dem Werke De coenobiorum in-
stitutis an Castor schreibt, dass Hieronymus über die Einrichtungen
der egyptischen Klöster teils Original-, teils üebersetzungsarbeiten
geliefert hätte, so können unter den letzteren nur die soeben her
sprochenen Pachomianischeq Schriften gemeint sein, da es nicht be^
kannt ist, dass Hieronymus noch anderweitige Schriften über das
ägyptische Mönchtum übersetzt hat
US wird auch in neuerer Zeit nicht mehr bestritten, dass
Hieronymus die lateinische Uebersetzung der Pachomiusregel ange-
fertigt bat. Dagegen bezweifelt Qrfitzmacher die Behauptung des
hl. Hieronymus, dass zu Anfang des 5. Jahrhunderts ein Pachomiani-
sches Kloster zu Canopus (bei Alexandria) existiert habe« Indes aus
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174 Das egypt, Mönchttim im 4, Jahrh»
«inem auf die Geschichte Alexandrias bezüglichen koptischen Frag-
ment^) erfahren wir, dass der Patriarch Theophilus (gest. 884) in
Ganopus eine Niederlassung Pachomianischer Mönche aus der Ober-
Thebais gegründet hat.
Da Hieronymus die Pachoraiusregel bald nach dem Tode der
faL Paula, also gleich nach 404, übersetzt hat'), so ergiebt sich
daraus, dass das ihm als Vorlage dienende Exemplar die Sitten und
Gebräuche der Pachomianer am Ende des 4. und Anfang des 5. Jahr-
hunderts wiederspiegelt. Eine einfache Durchsicht der einzelnen
Satzungen beweist auch, dass wir hier nicht die ursprüngliche, son-
dern die schon ein entwickeltes Klosterleben voraussetzende Pachomius-
regel vor uns haben. Es fragt sich nun, ob sich diese von Hierony-
mus übersetzte Regel mit den von Pachomius festgesetzten und im
Laufe der Zeit ergänzten Satzungen deckt oder vielmehr durch Mo-
difikationen seitens der Nachfolger des Elostergründers alteriert
worden ist. Es scheint fast so, als ob die zweite Alternative die
richtige sei , da Hieronymns in der praefatio zur regula Pachomii
erklärt, dass die ihm zugeschickten und von ihm übersetzten Bücher
die Satzungen des Pachomius, Theodorus und Orsiesius enthielten;
indes bezieht sich diese Notiz wohl auf das Ensemble der auf das
Pachomianische Mönchtum bezüglichen Schriften, wie dies auch die
handschriftliche üeberlieferung in dem Regelbuch Benedikts von Aniane
nahelegt (S. oben S. 172 f.). Bemerkt doch Hieronymus in derselben prae-
fatio, dass er auch den von Pachomius mit Cornelius und Syrus in
geheimnisvoller Sprache geführten Briefwechsel, der doch nicht einen
Bestandteil der Regel bildet, ins Lateinische übersetzt habe. In der
That wird auch in den Viten des Theodorus und Orsiesius nirgends
angegeben, dass diese Nachfolger des Pachomius die Regel ihres
Meisters geändert hätten, vielmehr wird in diesen Viten, sowie auch
in der Doctrina Orsiesii auf die Regel des Pachomius wie auf ein
heiliges Vermächtnis hingewiesen. Ja die in den Viten G, T, A' bei-
läufig erwähnten Angaben über die sich allmählich entwickelnde
Regel des Pachomius stimmen im grossen und ganzen mit der von
Sieronymus übersetzten Regel überein. Einige Zusätze und Modi-
fikationen nebensächlicher Art in der Regula Pachomii bei Hierony-
mus mögen wohl von den Nachfolgern des Klostergründers herrühren
und zum Teil aus der mündlichen Tradition sich erklären. Eine ge-
nauere Darlegung der Beziehungen zwischen der Regula Pachomii
1) S. Ladeuze S. 202.
2) Vgl. die praefatio s. Hieronymi presbyteri in regulam s. Pachomii.
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Das egypt, Mönchtum im 4. Jahrh. 175
bei Hieronymtts und den Angaben der in Betracht kommenden Viten
soll in dem folgenden § geboten werden.
Auch die Form, in welcher die Pachomiusregel bei Hieronymns
erscheint, passt ganz gut zn den Angaben der Pacfaominsviten.
Letztere betonen, dass die Regel des Pachomins sich zunächst anf
einige wenige Punkte beschränkt und später bei gr(^erer Ausdehn-
ung des Elosterverbandes allerlei Zusätze erhalten habe. Ja, Pacho-
mins milderte sogar manche strengere Gepflogenheiten seiner Mönche
mit der Zeit und gestattete z. B. eine grössere Freiheit bezüglich
des Verkehrs mit der Aussen weit, besonders mit den Blutsver-
wandten. Denselben Eindruck gewinnt man bei der Durclisicht
der von Hieronymus übersetzten Pachomiusregel. Sie ist nicht
aus einem Quss und lässt eine logische Anordnung vermissen. Ein
Beweis für die später erfolgten Zusätze und Nachträge sind die
vielen identischen Satzungen im Bereich der RegeP). Schon nach
der bandschriftlichen üeberlieferung zerfällt die Regula Pachomii in
vier Teile, von denen der erste praecepta, der zweite praecepta et
instituta, der dritte praecepta atque iudicia, der vierte praecepta ac
leges patris nostri Pachomii genannt wird, und im Bereich des ersten
Teiles finden sich wieder einige einen gewissen Abschluss andeutende
Phrasen^), ein Beweis, dass die Regula Pachomii nicht ein einheit-
liches Werk ist, sondern mit der Zeit allerlei Erweiterungen und
Ergänzungen erfahren hat.
Um jedoch ein vollständiges Bild von der Einrichtung und
dem Leben in den Pachomianischen Klöstern zu gewinnen, müssen auch
die Viten G, M, A' herangezogen werden. Die Regula Pachomii
enthält nämlich über manche Punkte des Mönchslebens minutiöse
Vorschriften, aber manche wichtigere Dinge, wie z. B. die Qottes-
dienstordnung, die Art und Weise des Psallierens, die Elosterämter,
sind in derselben nicht ex professo behandelt, sondern nur beiläufig
erwähnt oder vielmehr als bekannt vorausgesetzt. Es gab eben
neben der schriftlichen Regel noch eine üeberlieferung, welche sich
in den Klöstern mündlich fortpflanzte und die in den Viten gelegent-
lich berührt wird.
Was die übrigen überlieferten Pachomiusregeln anlangt, so
haben dieselben nur secundären Wert. Die von Pitra (Analecta
Sacra et classica, 1888, P. I S. 113 f.) herausgegebene griechische
Pachomiusregel ist, wie schon die üeberschrift Toü ootoo icaxpöc
1) EoUten-BrockUj n. 155 and 186; n. 8—9 und 121: n. 23 and 188;
n. 20 and 188.
2) Beg. Fach. art. 48, 103.
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176 BüB egupU MOnchium im 4, Jahrh.
'^fidv naxtt>)Atot) ix mv ivToXcov xs^dtXata dia^opa ixXeXeyfiiva (oc
iv oüVTÖfitt) zeigt, nach einer umfangreicheren Vorlage gearbeitet«
Fast sämtliche vierzig Satzungen dieser eklektischen Arbeit finden
sich in dem ersten Teile ('Regula Patris nostri Pachomü') der
hieronymianischen PachomiusregeP). Auch die von den BoUan-
disten (Acta SS., Maii, T. III S. 58* f.) verö£Fentlichte griechische
Pachomiusregel ist durch den Titel 'Ex Tfi>v ivxoXä>v toü i-fioo
Ilaxoufiiou als ein Auszug gekennzeichnet und bietet mit üeber-
gehung der kleinlicheren Vorschriften eine geordnete Darstellung
der wichtigsten Satzungen des ersten Teiles der hieronymianischen
Pachomiusregel. Als eine Debersetzung dieser von den Bollandisten
herausgegebenen Pachomianischen Elostersatzungen ist nach Ladeuze
(S. 270 f.) die zweite äthiopische BegeP) zu betrachten. Die
in koptischer Sprache vorhandenen Fragmente einer Pachomius-
regel, deren Herausgabe Am^Iineau (Annales du Musäe Quimet,
XVn S. CXI) angekündigt hat und die noch mehr Detail als die
hieronymianische Pachomiusregel enthalten, sind noch nicht ver-
öffentlicht worden.
§ 16. Die Satzungen des Pachomianischen Klosterverbandes.
A. Die Einrichtung der Klöster.
Das von einer Mauer ') umschlossene Mutterkloster von Tabenna
enthielt einen Gomplez von Gebäuden. Nahe der Klosterpforte
wohnten in einem besonderen Hause die Mönche, welche den Pförtner-
dienst versahen. Zu diesem Amte wurden die tüchtigsten Mönche
erwählt, da sie nicht nur mit den Qästen zu verkehren, sondern
auch den Candidaten des Mönchslebens die ersten Unterweisungen in
der Ascese zu erteilen hatten. An das Pförtnerhaus stiess das Xeno-
dochium, das Haus für Qäste, mit einem besonderen Baum für
solche Frauen, welche wegen hereinbrechender Nacht die Qastfreuud«
Schaft des Klosters in Anspruch zu nehmen gezwungen waren. Ein
weiteres Haus, otxia to>v fiixpc&v otxovöficov genannt, war für die
Mönche bestimmt, welche den Küchen- und Tischdienst zu besorgen
1) Pitra 1. c. sagt: 'Nostra en <swn6\ua capitula XL archetypa adambraat
qaae Hieronymns prae ocalis habnit et primam seriem regalae quam in quadra-
ginta dno et centnm scholia distribait.
2) S. oben S. 171 Note 1. — Die dritte äthiopische Regel, die den Namen
des Pachomius nicht trägt, die man aber dennoch diesem Ordensstifter zage-
schrieben hat, ist ein Strafkodex, dessen Inhalt sich durch seine exorbitanten
Strafbestimmungen mit denen der hieronymianischen Pachomiusregel in Wider-
spruch stellt.
3) C 29, M 62, A' 555, Hier. Reg. Pach. (Holsten'sche Ausgabe) 84;
vgl. auch A' 361 (Note 2) und C 10.
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bas egyipt. MÖnchlum im 4. Jahrk, 1/7
hatten. In einem besonderen Hanse wohnten die Mönche, welche
die Erzeugnisse der Mönchsarbeit zu veräussern und die für das
Kloster nötigen Lebensmittel einzukaufen hatten. Auch die übrigen
Mönche waren, soweit es möglich war, nach Art ihrer Beschäftigung
in besonderen Häusern untergebracht; so gab es Häuser für Eorb-
und Mattenflechter sowie für andere Handwerker. Endlich gab es
noch ein Haus, in dem die Krankenwärter wohnten und die schwer-
kranken Brüder pflegten^).
Die Zahl der Mönche jedes einzelnen Hauses geben weder
die Viten noch die von Hieronymus übersetzte Pachomiusregel an.
Amnion, der um die Mitte des 4 Jahrhunderts im Kloster von Phe-
böou 3 Jahre als Mönch lebte, berichtet, dass er daselbst in dem
Hause der Griechen ausser dem Vorsteher und dessen Stellvertreter
20 Genossen hatte, und an einer anderen Stelle erwähnt er Silvanus
als Vorsteher eines Hauses mit 22 Mönchen^). Da die Angabe
des Hieronymus im Prologus der Pachomiusregel über die Zahl
der Mönche im Pachomianischen Klosterverbande, wie noch im sei«
bigen § gezeigt werden wird, stark übertrieben ist, so ist wohl die
ebendaselbst sich findende Notiz , nach der etwa 40 Mönche in
einem Hause gewohnt hätten, nicht ganz zuverlässig.
Jedes Hans hatte eine grössere Anzahl von Zellen'), in wel-
chen die Mönche einzeln wohnten. Zwar wird das Einzelwohnen der
Mönche weder in den Viten noch in der von Hieronymus übersezten
Pachomiusregel ausdrücklich angegeben ; doch die Bemerkung in der
Vita G 88, wonach kein Mönch die Zelle seines Mitbruders ohne
Erlaubnis der Oberen betreten durfte*), sowie die Stellen T 307,
M 24, P 27, A' 468, 628, Reg. Pach. art. 89 setzen dies voraus.
Wenn also Palladius in der angeblichen Engelsregel mitteilt, dass die
Mönche zu dreien in einer Zelle wohnen sollten ^), so entspricht dies
durchaus nicht der ursprünglichen Einrichtung der Pachomianischen
Klöster. Ausser den Wohnhäusern waren im Bereich der Kloster-
mauern zur Pflege der verschiedenen irdischen Lebensbedürfnisse
allerlei Werkstätten, eine Küche, ein Speisesaal, eine Kleiderkammer
und ein Bibliothekzimmer sowie zur üebung des religiösen Lebens
1) C 19, M 34 f., A' 372 f. Vgl. auch Reg. Pach. art. 1, 49-53, C 26;
art. 35, 41, 44, 76; Pallad. Hist. laus. c. 39, Prolog, in Reg. Pach. n. 6;
art. 41-43, C 53 A' 645.
2) Ep. Amm. n. 4 und 11.
3) C 92.
4) Kai oüSel; ouökv Ijuoiei Iv t^ ohict x*«>pH "^^^ i/övitov lajJtijv ttJv ^povtiSa ' oiSfe
fco; eI( xeXX^ov E?acX&e'iv npb; ckSeX^öv.
5) Dotijaov 6k xAXa; Sia^öpov? ev ifj aur?! (Pitra liest aüX^) xa\ tpEt« xaTot
xAXotv [lev/xbjaav.
Schiwietz^ Mönohtum. 12
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If 8 baa egypt ÜOnchium im 4, Jahrh.
eine Kirche und ein Gebetssaal vorhandeu. In dem freien Hofraum
war ein Qarten angelegt (P. 28, 29, Reg. Pacb. art. 73).
Die von dem Mntterkloster aus gestifteten Filialklöster erhiel-
ten laut den Angaben der Pachomiusviten eine ähnliche Einrichtung 0.
Doch konnte in den Klöstern, die nicht so viele Insassen zählten,
die Verteilung der Mönche auf die einzelnen Häuser nicht so streng
nach der Art ihrer Beschäftigung durchgeführt werden. Auch mögen
nicht in allen Klöstern alle Handwerkerarten vertreten gewesen sein.
Nach der Historia Lausiaca (c. 39) gab es unter den Mönchen des
Klosters von Panopolis (Akhmin) Feldarbeiter, Qärtner, Bäcker,
Schmiede, Bauleute^ Walker, Gerber, Schuhmacher, Korbflechter und
Schönschreiber. In dem Kloster von Pheböou bestand auch ein
Haus, in welchem die Griechen (Alexandriner) und Ausländer wohn-
ten, die des Koptischen nicht mächtig waren (C 60; M. 147, 150;
A' 473 f.).
B, Die Organisation der Klöster,
Das Amt eines Generalabtes (naxi^p, ißßoec) bekleidete Pacho-
mius bis zu seinem Tode. Anfänglich residierte er im Mutterkloster
Tabenna, später verlegte er aber seinen Wohnsitz nach dem Kloster
zu Pheböou, welches sich durch seine centrale Lage für die Leitung
des ganzen Klosterverbandes besser eignete und wenigstens von den
drei nächsten Nachfolgern als Residenz beibehalten wurde.
Der Generalabt erscheint als absoluter Leiter des ganzen Ver-
bandes, ohne dass er etwa durch einen Beirat anderer Mönche ein-
geschränkt wäre. Aeusserlich betrachtet, hat die Handhabung der
Klosterdisciplin durch ihn einen militärischen Charakter, was sich
vielleicht durch die anfängliche militärische Laufbahn des Kloster-
stifters erklären lässt. Der Generalabt verlangt unbedingten Ge-
horsam von den Mitgliedern der Kommunität. Er ernennt die Vor-
steher der einzelnen Klöster nach eigenem Ermessen, setzt sie ab
oder versetzt sie in andere Klöster, um jedes Unabhängigkeitsgelüste
oder die zu grosse Anhänglichkeit an ein bestimmtes Kloster zu
unterdrücken (M. 257 f.). Nicht bloss brieflich verkehrt er mit den
Vorständen der Klöster sondern durch öftere Visitationen, die er
selbst oder durch Vertrauensmänner abhält, überzeugt er sich von
der Zucht und Ordnung in den einzelnen Kommunitäten, schafft
Missbräuche ab und trifft Anordnungen, wie er es für gut findet.
1) C 35, 50, M 71, 77, 78, Ar 378 f.
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bas egypt, Mönchium im 4. Jahrh. u9
Sogar seinen Nachfolger ernennt Pachomias selbst auf dem Sterbe-
bette; das gleiche thaten die beiden nächsten Qeneraläbte ^).
Während der Generalabt auf die geistliche Leitung der Mönche
sein Hauptaugenmerk richtete, überliess er dem Oberverwalter
(jiiKac: otxov6|xo<;) , der gleichfalls in Pheböou wohnte, die Sorge
für^die materiellen Interessen des ganzen Klosterverbandes. Auch in
dieser Hinsicht bestand eine Art Centralisation, Die einzelnen Klöster
hatten von Zeit zu Zeit die Erzeugnisse ihres Fleisses an den Ober-
verwalter abzuliefern^), der dann für die Yeräusserung derselben
Sorge trug und für den Erlös neue Rohstoffe sowie Lebensmittel an-
kaufte und unter die einzelnen Klöster verteilte. In diesen Ge-
schäften standen ihm einige Mönche zur Seite, die in einem beson-
deren Hause des Hauptklosters Pheböou untergebracht waren.
An der Spitze jedes einzelnen Klosters stand ein Abt, der ^ifsficiv
oder otxov6|xo(; t^c (jiov^c genannt wird. Abgesehen vom Qeneralabt
war er die höchste Autorität im Kloster, ordnete alles nach seinem
Gutdünken an, und ohne seinen Willen durfte im Kloster nichts
geschehen (C 19, Reg. Pach. art. 158).
Wie schon oben bemerkt worden ist, bestand jedes Kloster aus
einer Anzahl von Häusern, in denen die Mönche nach Art ihrer Be-
schäftigung untergebracht und besonderen Aufsehern (oixtaxot) unter-
stellt waren. Wie der Abt, so hatte auch jeder olxiaxög seinen
Zweiten oder Stellvertreter, der ihn in seinem Amte zu unterstützen
und nötigen Falls auch zu vertreten hatte (C 19, M 71, Ä' 376;
Prolog, in Reg. Pach. n. 6, art. 181, 182).
Je drei oder vier Häuser bildeten eine Tribus und hatten je
eine Woche die für die Gesamtheit notwendigen Arbeiten zu be-
sorgen (C 19, A' 373, Prolog, in Reg. Pach. n. 2, art. 16). Der
Aufseher jenes Hauses, das gerade den Wochendienst versah,
Hebdomadar genannt, hatte eine gewisse Aufsicht über die ganze
Tribus; er nahm täglich früh die Weisungen des Abtes entgegen
und kontrollierte und notierte abends die geleisteten Arbeitspensa
(Prolog, in Reg. Pach. num. 2, art. 16 u. 27). Beim gemeinschaft-
lichen Gottesdienst hatten die Hebdomadare des ganzen Klosters mit
den ihnen unterstellten Mönchen den Psalmengesang auszuführen
(Reg. Pach. art. 13-18).
(Jeberhaupt bestand sowohl unter den Mönchen jedes einzelnen
Hauses wie auch zwischen den einzelnen Häusern eine gewisse
1) C 35, 62, 58, 76-85, 93; P 5 (Anfang); M 22 f., 75, 79, 101 f., 152 f.,
186 f.";U' 872 f.,i567, 652 f.
2) Eeg. Pach.^art. 27.
12*
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180 Das egypt Mönehtuni im 4. jakrk,
Bangordnnng , so dass beim gemeinsamen Auftreten der ganzen
Eommanität jedes Haus und jeder Mönch einen bestimmten Platz
einzunehmen hatte. Aus diesem Grunde trug jeder Mönch auf seiner
Eukulle das Zeichen seines Klosters und seines Hauses ^). Im üebri-
gen waren die Mönche unter einander gleich; selbst die Priester
anter ihnen hatten abgesehen von ihrer geistlichen Würde vor dem
Laienelement keinen Vortritt zu beanspruchen (C 18, M 34, A' 372).
Ein Beweis für das organisatorische Talent des Pachomius ist
die Institution der Generalkonvente*). Zweimal im Jahre, zu Ostern
und am 20. Mesore (d. i. am 13. August), hatten nicht bloss die
Vorsteher, sondern auch die übrigen Mönche des ganzen Kloster-
Verbandes, so weit dies möglich war, in Pheboou zu erscheinen. Bei
dieser Gelegenheit wurden vom Generalabt die Vorsteher der Klöster
ernannt und anderweitige Anordnungen und Entscheidungen getroffen.
Der erste Generalkonvent hatte einen mehr religiösen Charakter; es
wurde das Osterfest gemeinschaftlich gefeiert, und etwaige Kate-
chumenen empfingen die Taufe. Auf dem zweiten Konvent hatten
die Aeble dem Oberverwalter von Phebön über die Arbeiten ihrer
Klöster Bechenschaft abzulegen. Nach einem Briefe des Pachomius^)
diente der letztere Konvent auch noch der Wiederherstellung des
Friedens unter den Mönchen, indem auf demselben etwaige Differenzen
unter ihnen ausgeglichen wurden.
Die bisherige Darstellung der Organisation des Pachomiani-
schen Klosterwesens stützte sich auf die Angaben der Pachomius-
viten und der von Hieronymus überlieferten Pacliomiusregel. Nach
Palladius (bist. Laus. 38) soll jedoch eine andere Einteilung der
Mönche in den einzelnen Pachomianischen Klöstern bestanden haben.
Der betreffende Passus der sog. Engelsregel lautet: »Aus je 24 Ab-
teilungen von Brüdern sollen sie bestehen nach der Zahl der 24 Buch-
staben. Jeder Abteilung gieb den Namen eines griechischen Buch-
stabens von Alpha, Beta bis Omega, so dass, wenn der Abt nach
einem in der grossen Menge sich erkundigt, er nur den zweiten
nächst sich zu fragen braucht: Wie steht es mit Alpha? oder: Wie
mit Beta? und wiederum: Grüsse mir das Rho u. s. w. Ein jeder
in der Reihe soll nach seinen Buchstabenzeichen bezeichnet werden.
1) Für diese Bangordnang war der Eintritt ins Kloster massgebend.
Vgl. Prolog, in Reg. Fach. num. 3: Quicunque autem monasterium priraus in-
greditnr, primns sedet, primas ambulat, primas psalmnm dicit, primas in mensa
mannm extendit, prior in ecclesia commanicat; nee aetas inter eos quaeritur,
sed professio. Vgl. auch art. 1, 21, 29, 59, 130.
2) C. 52, 78, M 102, 248, 278, A' 639, 661, Prolog, in Reg. Pach. n. 7 u. 8.
3) Holateu'brockie 1. c. pag. 44. Vgl; auch Reg. Pach. art. 27.
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baa egypt, Mönchlum im 4. Jahrh. 181
Den Einfältigeren und Einfacheren lege den Namen Iota (t) bei, die
Schwierigeren und Verschmitzteren heisse Xy (S). So passe gemäss
eines jeden Gesinnung, Sitte und Gemütsart ihnen die Buchstabennamen
an, wie denn nur die Eingeweihten (Pneumatiker) das Bezeichnete ver-
stehen werden.« Darnach soll nicht nur jede Klostergemeinde nach
Massgabe des griechischen Alphabets in 24 Klassen eingeteilt, sondern
auch jeder einzelne Mönch nach seiner Gemütsart und seinem Cha-
rakter mit einem entsprechenden griechischen Buchstaben bezeichnet
worden sein. Diese Angabe des Palladius erscheint sehr verdächtig;
denn die Pachomiusviten kennen diese Art der Einteilung der Mönche
gar nicht; vielmehr wird in denselben ausdrücklich bezeugt, dass
die Mönche nach der Art ihrer Beschäftigung in besonderen Häusern
wohnten. Oft ist in denselben die Rede von Visitationen der Klöster
durch Pachomius; doch nirgends wird angedeutet, dass dieser General-
abt nach dem Schema der angeblichen Engelsregel die Klöster re-
vidiert hätte. Auch der von Hieronymus übersetzten Pachomius-
regel ist die Einteilung der Mönche nach dem griechischen Alphabet
fremd ; sie stimmt vielmehr bezüglich der Klassificierung der Mönche
mit den Angaben der Viten völlig überein. Ja, es ist schon a priori
unwahrscheinlich, dass der Kopte Pachomius, der des Griechischen
gar nicht mächtig war, seine Mönche nach dem griechischen Alphabet
bezeichnet hätte. Grützmacher (a. a. 0. S. 124 f.) und Krüger
(Theol. Litteraturzeitung 1890, S. 620 f.), welche die von Palladius
mitgeteilte Engelsregel als die ursprüngliche Regel des Pachomius
ausgeben möchten, weisen zwar darauf hin, dass die 24 griechischen
Buchstaben auch in der koptischen Schrift vorhanden seien; doch
haben sie nicht beachtet, dass das koptische Alphabet aus 31 Buch-
staben besteht, indem zur Wiedergabe einiger eigentümlichen Laute
zu den 24 griechischen Buchstaben noch 7 besondere Zeichen hinzu-
gefügt sind. Bei einem des Griechischen unkundigen Kopten kann
man aber nicht voraussetzen, dass er die spezifisch griechischen
Buchstaben von den aus dem demotischen Alphabet entnommenen
Zeichen unterscheiden konnte und die ersteren bei der Klassificierung
seiner Mönche zu Grunde legte.
Immerhin muss man fragen, wie Palladius zu dieser sonder-
baren Ansicht gekommen sei, da nach dem Zeugnis der Pachomius-
viten und der von Hieronymus übersetzten Regula Pachomii die
Einteilung der Mönche nach dem griechischen Alphabet bis ins
5. Jahrhundert nicht bestanden hat. Wahrscheinlich beruht die
Notiz bei Palladius auf einem Missverständnis. Die Vita C 63
erwähnt nämlich, das3 sich Pachomius iu seinen Briefen eines
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182 Das egypt Mönchtum im 4. JahrK
mystischen Alphabets bediente, indem er den Buchstaben des Alpha-
bets einen den eingeweihten Mönchen bekannten symbolischen Sinn
unterlegte. Auch Hieronymus schreibt im Prologus zur Regel des
Pachoroius (num. 9), dass dieser Ordensstifter und seine Schüler in
ihren Briefen das Alphabet zu symbolischen Zeichen verwendeten.
Ein Blick in diese Briefe beweist, dass mit den Buchstaben des
Alphabets gewisse geistige Eigenschaften und Temperamente der
Mönche gekennzeichnet wurden , wenn wir auch jetzt diese Symbolik
nicht vollständig verstehen können. Palladius mag nun infolge eines
Missverständnisses die sonderbare Einteilung der Pachomianischen
Mönche selbst kombiniert haben ^).
Anlangend die Zahl der Mönche in jedem einzelnen Kloster
oder im ganzen Elosterverbande, so geben uns die griechisch -kop-
tischen Yiten darüber keinen Aufschluss ; wir erfahren nur, dass kurz
vor dem Tode des Pachomius neun Klöster vorhanden waren (C, 72),
und dass nachher unter der Leitung Theodors drei neue hinzukom-
men^). Nach Ammon (ep. c. 1), der um das Jahr 352 im Kloster
Pheböou lebte, gab es damals in diesem bedeutendsten Pachomiani-
schen Kloster gegen 600 Mönche. Nach Palladius (bist. Laus,
c. 38, 39), der ungefähr fünf Decennien später schrieb, hätte das
Hauptkloster in Pheböou 1300 (1400), die übrigen Klöster 200 bis
300 Insassen gehabt. Diese auf die Filialklöster bezüglichen Zahlen
mögen richtig sein; dagegen steht die auf das Hauptkloster bezüg-
liche Angabe des Palladius im Widerspruch mit der des gewiss
besser unterrichteten ehemaligen Pachomianers Ammon ; es ist höchst
unwahrscheinlich, dass die Zahl der Mönche in dem Hauptkloster
nach etwa fünf Decennien mehr als das Doppelte betragen habe.
Die Notiz desselben Ammon (ep. c. 13), dergemäss 2000 Mönche
zur Feier des Osterfestes in Pheböou erschienen, bietet eine gewisse
Handhabe zur Feststellung der Gesamtzahl der Pachomianer.
Gewiss konnten nicht alle Mönche zum Generalkonvent erscheinen;
eine beträchtliche Anzahl musste in jedem Kloster zurückbleiben 3).
Mit Rücksicht hierauf kann man annehmen, dass die Angabe Cassians
(De instit. coenob. IV,1), der zu Beginn des 5. Jahrhunderts die
1) Der ans Palladius entlehnte Abschnitt der arabischen Vita (p. 366—369)
enthält gleichfalls die Klasseneinteilung der Mönche nach dem Alphabet; da-
gegen berichtet der Araber an einer anderen Stelle (p. 367 f.) über denselben
Gegenstand in üebereinstimmang mit den übrigen Viten.
2) S. oben S. 165 f.
3) Prolog, in Reg. Pach. num. 7 ; 'Omnium monasteriorum princeps unum
habetur caput, qui habitat in monasterio ; diebus Paschae exceptis bis , qni in
monasterio necessarii sunt, ad illum omnes congregantur, ut quinquaginta roillia
fere^hominum passionis dominicae simul celebrent festivitatem.'
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Das egypt MOnchtum im 4. Jahrh. 188
Pachomianer auf 5000 schätzt, sich von der Wahrheit nicht so weit
entfernt, wie die des Palladius, demgemäss sich zu seiner Zeit die
Zahl der Mönche des ganzen Elosterverbandes auf 7000 belaufen
habe^). Sicher ist es aber eine Uebertreibung , wenn Hieronymus
im Prolog zur Pachomius-Regel von 50,000 Pachomianern schreibt.
Diese hohe Ziffer steht nicht einmal im Einklang mit den übrigen
Daten, welche er ebendaselbst über die Grösse und Bewohnerzahl
eines Pachomianischen Klosters angiebt. Ladeuze (a. a. 0. S. 205)
spricht darum die Vermutung aus, dass die hohe Ziffer bei Hierony-
mus auf einer Verwechslung mit der Zahl 5000 beruht, die, wie
soeben gezeigt wurde, auch anderweitig bezeugt ist.
C. Befolgung der evangelischen Räte.
Im vierten Jahrhundert entwickelte sich das ascetische Leben
in der Form des Mönchtums, das den Zeitgenossen als schönste
Blüte des christlichen Lebens erschien und allenthalben Bewunderung
erregte. Die Mönche lebten nicht, wie Weingarten behauptet hat,
ausserhalb des Schattens der Kirche, sondern standen überall im
Kontakt mit der kirchlichen Hierarchie. Was insbesondere Pachomius
anlangt, so lesen wir in seiner Vita, dass er mit dem Klerus, zu
dessen Jurisdiktionsbezirk sein Mutterkloster gehörte, kirchliche Ge-
meinschaft hielt und an verschiedenen Orten mit Gutheissung der
Bischöfe neue Niederlassungen gründete. Sein neues Institut wurde
von dem Patriarchen Athanasius von Alexandria besucht und gutge-
heissen'). Aber von einer Gelübdeablegung findet sich bei den
Pachomianern, ebensowenig wie bei den anderen egyptischen Mönchen
jener Zeit, eine Spur.
Die ausdrückliche Ablegung der Ordensgelübde gehört einer
späteren Zeit an. Der hl. Basilius war der erste, der es für gut
fand, dass die Mönche das ausdrückliche Gelübde der ehelosen Keusch-
heit ablegten'). Der hl. Benedict verlangte von seinen Mönchenein
dreifaches Gelübde, das der stabilitas loci, der conversio morum und
des Gehorsams, worin auch die Gelübde der Keuschheit und der
Armut inbegriffen waren. Der erste Orden, in dessen Regel die drei
Gelübde der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams unter einem
geistlichen Oberen ausdrücklich hervorgehoben werden, war der
Franziskanerorden. Bei den Pachomianern fand nun bei dem Ein-
1) Nach einer frenndlichen Mitteilung des mit der Herausgabe eines
kritischen Palladinstextes beschäftigten Benediktinerpaters Butler finden sich
alle hier benutzten Zahlangaben der Historia Lausiaca in den hosten Hand-
fchriffcen.
2) Siehe S. 156 f.; Tgl. C 92, N 267 U A' 694 t
8) Siehe S, 19.
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184 Da8 egypt Mönchtum im 4, JahrK
tritt ins Kloster gar keine Gelübdeablegung statt; aber indem sie
in den Klosterverband aufgenommen warden, verpflichteten sie sich
stillschweigend alles das zu halten, was in den drei späteren Ordens-
gelübden enthalten war.
Was zunächst die Armut anlangt, so wurden die Kandidaten
des Mönchslebens darüber unterrichtet, dass sie durch den Eintritt
ins Kloster auf Hab und Gut verzichten und sich von den Banden
des irdischen Besitzes loslösen mässten. Diese Verzichtleistung kam
dadurch zum Ausdruck, dass der Neuaufgenoramene sein weltliches
Kleid, das von dem Vorsteher des Kleidermagazins in Verwahrung
genommen wurde, ablegte und das Mönchskleid empfingt). Dem-
entsprechend heisst es auch in der Vita C 16, 17, dass kein Mönch
Privateigentum besass, sondern dass alles den Mönchen im Kloster
gemeinsam war. Wohl wird berichtet, dass Petronius mit seinem
ganzen Besitztum in den Pachomianischen Klosterverband eintrat;
aber das Eingebrachte wurde Gemeingut der ganzen Kommunität
(C 50). Die Gesinnung, welche in dieser Beziehung die Mönche
beseelen sollte, drückt der Generalabt Theodor in folgenden Worten
aus (M 218 f): »Wir haben die Güter unserer Eltern, die uns ge-
hörten, um des Namens Jesu Christi willen verlassen . . . Alles, was
der Kommunität gehört, gehört weder uns noch den leiblichen Eltern,
die in der Welt sind, sondern dies gehört unserem Herrn Jesus
Christus«. Daraus erklärt es sich auch, dass die Mönche das Eigen*
tum des Klosters als eine heilige Sache betrachten und damit nicht
leichtfertig umgehen sollten. Aus demselben Grunde durfte kein
Mönch von einem Mitbruder ein Geschenk annehmen noch einen
fremden Gegenstand in Verwahrung nehmen oder in etwas Anderes
umtauschen^). In Uebereinstimmung hiermit heisst es auch in der
Vita C 38, A' 505, 601 (vgl. auch Reg. Pach. art. 81), dass kein
Mönch im Kloster Geld haben durfte. Ja manche Mönche^ die im
frühen Lebensalter ins Kloster traten, hatten überhaupt keine Kennt-
nis der landläufigen Münzen. Nur diejenigen, welche mit dem Ver-
kauf der Erzeugnisse des Klosters oder mit dem Kauf der Lebens-
mittel betraut wurden, erhielten Geld in die Hände, mussten es aber
bei der Rückkehr ins Kloster sofort dem Oekonomen des Klosters abgeben.
Zur Wahrung der Keuschheit und zur Pernhaltung jeglichen
Verdachtes in dieser Beziehung ordnete Pachomius eine Art Klausur
in seinen Klöstern an. Wohl durften die Mönche mit Erlaubnis
ihres Oberen ausgehen, und fremde Mönche und Kleriker durften
als Gäste auch an den gottesdienstlichen Uebungen innerhalb der
1) Reg. Fach. art. 49. - 2) Reg. Pach. art. 66, 97, 106, 131,
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Das epypt Mönchtum im 4, Jahrh. 185
Klostermaaern teilnehmen^ aber Frauen durften im Kloster weder
ein- noch ausgehen, sondern wurden in einem an der Elosterpforte
für Gäste eingerichteten Hause aufgenommen, wo sie auch, falls in
der Nähe kein Frauenkloster vorhanden war, und die Abenddäm-
merung eine Weiterreise unmöglich machte, in einem abgeschlossenen
Räume die Nacht zubringen durften. Um jeglichem Verdacht vor-
zubeugen, durften die Mönche nur mit Erlaubnis des Obern ihre
Verwandten in einem Frauenkloster besuchen; die Zusammenkunft
fand aber daselbst in Gegenwart mehrerer erprobter Ordensfrauen
statt. Hatten Mönche in einem Frauenkloster eine Dienstleistung
zu verrichten, so wurde dies so eingerichtet, dass sie die Kloster-
frauen gar nicht zu Gesicht bekamen. Diese Vorsichtsmassregel
wurde auch bei Bestattung der Klosterfrauen beobachtet^).
Die Pachomiusregel bei Hieronymus giebt auch gewisse
Regeln an, welche die Mönche zur Verhütung der Sinnlich-
keit und Weichlichkeit zu beobachten hatten. Zunächst war jede
zu grosse Zärtlichkeit in der Pflege des Leibes verpönt. Darum
musste die Lagerstätte hart sein^), und niemand durfte sich baden
oder mit Oel salben, ausser wenn es die Krankheit oder eine andere
Notwendigkeit erheischte*). Ferner war zu grosse Vertraulichkeit
unter den Mönchen verboten; keiner durfte den andern waschen
oder mit Oel salben oder ihm einen Dorn aus dem Fusse heraus-
ziehen, ausser wenn er den Auftrag dazu hatte. Das vertrauliche
Händehalten war verboten; beim Gehen wie beim Stehen sollte ein
kleiner Zwischenraum zwischen den Mönchen bleiben*). Desgleichen
durfte niemand die Zelle seines Mitbruders ohne die Erlaubnis des
Oberen betreten^). Die Mönche durften nicht im Dunkeln mit
einander eine Unterhaltung führen, noch sich derselben Lagerstätte
bedienen <^). Die älteren Mitglieder des Klosterverbandes sollten
durch ein würdevolles und ernstes Betragen den jüngeren ein gutes
Beispiel geben und sich in Gegenwart der letzteren aller unpassen-
den Scherze enthalten 7).
Aus den minutiösen Vorschriften, die zur Wahrung der Keusch-
heit und des guten Rufes der Mönche im Pachomianischen Kloster-
verband bestanden, glaubt Grützmacher (S. 187) schliessen zu dürfen,
dass in dieser Beziehung arge Extravaganzen vorgekommen sein
müssen. Dieser Schluss wäre aber nur dann berechtigt, wenn diese
1) Vgl. die Citate in dem folgeaden Abschnitt über den Verkehr der
Mönche mit der Aussenwelt.
2) Reg. Fach. art. 88.
3) Art. 92. — 4) Art. 93-95. — 5) Art. 112, C 38. - 6) Art. 94. -
7) Art. 166.
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186 Da8 egypt Mönchtum im 4. Jahrh.
Vorschriften von Pachomius oder seinen Nachfolgern auf Grund übler
Erfahrung gegeben worden wRren; doch gerade bezüglich der wich-
tigsten Satzungen, die den Verkehr mit der Aussenwelt betrafen,
steht es fest, dass Pachomius dieselben gleich zu Beginn seiner
Elostergründung, also aus prophylaktischen Gründen, aufgestellt hat.
Verwunderlich ist übrigens diese Gesetzgebung überhaupt nicht,
wenn man bedenkt, dass nicht nur Vollkommene, sondern auch solche,
die es werden wollten und somit erst erzogen werden mussten, in
dem Klosterverbande Aufnahme fanden, üebrigens geht aus den
Pachomiusviten, trotzdem deren Verfasser sich nicht scheuen von
den Fehltritten einiger Mönche zu berichten, doch hinlänglich her-
vor, dass der Geist der Mönche in den Pachomianischen Klöstern
kein schlechter war ; erzählt doch die Vita M 200, A ' 514, dass
Pachomius sich wohl hütete, das Vorleben manches Mönches in der
Welt den Brüdern bekannt zu machen ; er war überzeugt, dass die-
selben aus Abscheu vor diesem Makel mit einem solchen kein ge-
meinschaftliches Leben hätten führen wollen. Schliesslich wird in
der Vita P 24 f., A«* 625 f. sowohl die Intaktheit der Pachomianer
in sittlicher Beziehung vorausgesetzt, als auch die Thatsache auf die
Trefflichkeit der prophylaktischen Vorschriften des Klostergründers
zurückgeführt.
Die dritte Verpflichtung der Pachomianischen Mönche war der
Gehorsam gegen die Oberen. Der Bestand einer so umfangreichen
Genossenschaft, wie der Pachomianische Klosterverband, war ohne
strenge Zucht und Ordnung unmöglich. Sollte zudem das Ziel, das
dem Pachomius bei der Gründung des Cönobitenlebens vorschwebte,
erreicht werden, und sollten seine Mönche vor der Gefahr des Sub-
jektivismus, denen die Eremiten in ihrer Isoliertheit ausgesetzt
waren, sichergestellt werden, dann musste von den Mitgliedern des
Verbandes eine strenge Unterordnung unter die Leitung der Oberen
verlangt werden. In der That wurde auch von den Pachomianern
das Opfer des Gehorsams gefordert; als wahrhaft gross und voll-
kommen galt nur dann ein Mönch, wenn er durch demütigen Ge-
horsam hervorragte^). Der Gehorsam war nicht nur die oberste
und wichtigste Standestugend dieser Mönche, sondern auch das Merk-
mal, durch das sich die Pachomianer vor allen übrigen egyptischen
Mönchen auszeichneten, und um dessentwillen sie noch im 5. Jahr-
hundert als Vorbilder für die Mönche des Abendlandes von üassian
(De instit. coen. IV, 1) hingestellt wurden.
Wie die Vorgesetzten der Klöster sich an die Regeln, die in
1) C 19. 78, 80.
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Das egypt MOnchtum im 4, Jahrh. 187
dem liber oecoDomorum niedergelegt waren, streng halten raussten,
so durften auch die untergebenen Mönche nichts ohne Weisung der
Oberen unternehmen i) ; jegliche Uebertretung der Satzungen wurde
aufs strengste geahndet^). Als ein Mönch, um desto mehr arbeiten
zu können, in einem Kloster die Besorgung der Küche vernachlässigte,
wurden die von ihm angefertigten Matten auf Befehl des Pachomius
verbrannt; es sollte durch dieses Exempel gezeigt werden, dass
Gehorsam besser ist als Opfer, üebrigens ging Pachomius selbst
mit gutem Beispiel in der Befolgung der Klostersatzungen voran
und unterwarf sich allen Vorschriften des olxiaxog (C 71, A' 399, 597).
Der Gehorsam erstreckte sich aber nicht bloss auf die äussere
Lebenshaltung, auf die Tages- und Hausordnung; die Oberen waren
auch nach dem Vorbilde des Pachomius angewiesen, auf den Geist
der Untergebenen zu achten und durch Ermahnungen und Katechesen
sich die Heiligung derselben angelegen sein zu lassen.
Indes so sehr Pachomius auch auf den Gehorsam drang und
jede Auflehnung streng ahndete, so liess er doch hierbei eine gewisse
Diskretion und Masshaltung nicht ausser Acht. Er setzte darum
in seinen Satzungen die unter den damaligen egyptischen Mönchen
üblichen ascetischen Uebungen auf ein geringes Mass herab und
schärfte den Vorgesetzten wohl ein, in der Leitung der Untergebenen
nicht nach der Schablone zu handeln, sondern in diskreter Weise
mit den Anfängern des ascetischen Lebens Nachsicht zu üben^).
D. Aufnahme in den Klosterverband.
Es ist Thatsache, dass Pachomius nicht nur diejenigen in
seinen Klosterverband aufnahm, die aus innerem Drange nach einem
vollkommenen Leben die Welt verliessen, sondern auch solche, die
für ein vergangenes Sündenleben Busse thun wollten^). Allerdings
1) C 38, Reg. Pach. art. 157. 158.
2) Vgl. den folgenden Abschnitt &ber den Strafkodex bei den Pachomianern.
3) C 16, 27, 40, M 81, 56, P 16, Ar 611, Reg. Pach. art. 159.
4) C 66, P 2, M 194, A^ 518. Trotz dieser Zeugnisse behauptet Orütz-
macher (S. 49) : »Das Eremitenlebeu ist nach Pachomius nicht für die Vollkom-
menen, sondern für die Gefallenen. Solche, die geschlechtliche Sünden begangen
haben, nimmt er nicht in das Kloster auf, er fürchtet, dass sie die übrigen an-
stecken würden, sie verweist er auf das Büsserleben der Anachoretenc und citiert
zum Beweise folgende Stelle aus A' 515 : 'Si tu as commis ce pech^ sans connais-
sance, tu peuz faire p^nitence, mais tu ne peux faire ton salut dans la vie ceno-
bitique; va donc en Heu solitaire, vis retire dans la patience.' Im Zusammenhang
ergiebt aber diese Stelle einen anderen Sinn. Man lese nur den vorausgehenden Text
A'514 f.: 'üne partie des hommes sont .... de Tivraie ; pour ceux-la il est difficile
de faire leur salut dans la vie c^nobitique ; ä cause des souffrances du pechö qui
regne en eux, personne ne peut leur venir en aide, ci ce n*est un seul homme
avec qui soit le Seigneur .... C'est pour cela que je les re^ois un a un et que je
mie donne de grandes peines pour eux, afin de les sauver du m^chant; car 11
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188 t)a8 egypt MOnchtum im 4, Jdhrh,
wurden die Postalanten letzterer Art nach der Aufnahme ins Kloster
besonders überwacht und der Aufsicht eines erfahrenen Mönches
übergeben; falls aber ihre Willenskraft nicht standhielt, wurden sie
entlassen; es wurde solchen von Pachomius der Rat erteilt, das
Einstedlerleben zu ergreifen ; auf diese Weise konnten sie nach seiner
Meinung die Besserung des Lebens versuchen, ohne anderen zu
schaden. Iro Einklang mit diesen Grundsätzen des Pachomius steht
die hieronymianische Regula Pachomii (art. 49), welche darauf zu
achten befiehlt, dass niemand aufgenommen werde, der nur einer
augenblicklichen Stimmung folgend Einlass ins Kloster begehre.
Nach Ausweis der Viten nahm Pachomius auch solche auf, die
bis dahin eine andere mönchische Lebensweise gefuhrt hatten. So war
sein Lieblingsschüler Theodor vor seinem Eintritt in das Kloster
Tabennisi Eremit bei Esneh (S. oben S. 161). Ja, das rasche Wachs-
tum seines cönobitischen Institutes erklärt sich zum Teil daraus,
dass er ganze Mönchsgemeinden seinem Klosterverband einverleibte
(S. oben S. 156 f.). Das Gegenteil des Gesagten behauptet
Qrützmacher (S. 122) auf Grund folgender Satzung der angeblichen
Engelsregel (Hist. Laus. c. 38): "Oi^k Sevoc äXXoo fAovaoTijptoü eav
SXftij, SXXov fx^VTog TüTcov, toütok; |iyj oüfi^ayij, jxyj oufiictg, \ii\
oüveioeXOg et<; tyjv juiov^v, Ixtoc äv et \i.y\ stg oÄöv eüpe^g • Töv fxsvxoi
s?osXft6vTa eioaiiaS oüfxfjieTvai aötoTc, äirl xpiSTtav stg dyoiva aduTO)v
oü ÄeSij • aXX* ipyaxtxtoTepa IpYaTcoti^oac: , oütox; e?c xö gxöt&ov
Ifißaivsxo) fxexa X7]v xpiextav. Allein in dem ersten Satze ist doch
nicht von der Aufnahme in den Klosterverband, sondern von der
Gastfreundschaft die Rede^); der Sinn ist jedenfalls der, dass man
Gastfreundschaft nur gegen solche fremde Mönche üben solle, die
faut qne j'aille les trouver souventes fois, la nait et le jour, jusqu'a ce qu'ils
soient sanves de la mort .... C'est ainsi que je discerae ceux que je chasse, de
peur de resserobier a an laboureur qni vent rendre propre ua champ oü poussent
tes chardons et qai laisse un champ toat propre devenir inculte, car il n*aura
pas le temps de s'occuper des deux a la fois. CT est ainsi que je fais, je me dis
en nioi-radme qne je ne dois pas m'adonner tont entier a ces hommes m^chants
et laisser les bons sans les visiter, car ils sont libres de se rendre impnrs;
mais avec la gräce de Dien je travaille d*abord ainsi ponr cenx qni sont pieux,
afin de sauver lenrs äines; pais tous ceux des autres que je peux sauver, je le
g^arde, afin de changer la mauvaise condnite et (les emp§cherj de p^cher contre
le Seigneur. Quant a cenx que je ne fais pas entrer chez moi, je dis a chacan
d*eux: Si tu a commls ce peche etc.' Vgl. auch M 199 f. Demnach hat
Pachomius S&nder aufgenommen, die Buckfälligon jedoch weggeschickt. Aach
ist in dieser Handlungsweise des Pachomius durchaus nicht eine Geringschätzung
des Eremitenlebens ausgesprochen, als ob das letztere ausschliesslich für die Ge-
fallenen bestimmt wäre.
1) Das beweist auch die Fassung dieser Satzung bei Sozomtnus (UI, 14) :
>5^vov h\ (jl9) (jüveaS-ieiv auiot;, (xdvov g? p.^ TrapoSoüwv ItciIevcoö-sit) • tov h\ auvoix^v au-
Tolg ßouXöfxevov Äpötepov iizi xpieTiotv la ^aXe7C(i>X6pa twv sp^wv 7;ov§iv, xa\ oüJtu) (xeis)(^£tv
Kov auicoy auvotxiacc.
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bas egypt Monehtum im 4. Jahrh. 189
auf einer Reise sich befänden, nicht aber gegen zwecklos hemm-
wandernde Mönche, da durch letztere die Zucht und Ordnung des
Klosters Schaden leiden würde. Wer aber, heisst es dann im zweiten
Satze ganz allgemein, ins Kloster käme, um darin zu verbleiben,
der sollte zunächst eine gewisse Prüfungszeit ^) durchmachen. Es
ist also an dieser Stelle gar nicht gesagt, dass Pachomius solchen
MOnchen, die eine andere Lebensweise bis dahin geführt hatten, den
Eintritt in seinen Elosterverband verwehrte. Wollte man jedoch
die obige Satzung der Engelsregel anders interpretieren, so käme man
in Widerspruch mit den authentischen Angaben der Pachomiusviten.
Es ist ferner Thatsache, dass Pachomius den Mönchen seiner
Kommunität Priester zu werden nicht gestattete; seine Absicht hier-
bei war, ehrgeizige Gesinnungen von seinem Elosterverbande fern zu
halten. Nichtsdestoweniger durften auch Priester in seine Klöster
eintreten, vorausgesetzt, dass dieselben nicht besondere Vorrechte
vor den übrigen beanspruchten (C 18, M 34, A"" 872).
Ein bestimmtes Alter für die Aufnahme in den Pachomianischen
Klosterverband war nicht vorgeschrieben. Theodor, der Lieblings-
schüler des Pachomius, trat im 14. Lebensjahre in das Kloster
Tabennisi ein ^), und er war nicht der einzige jugendliche Mönch in
dieser Genossenschaft, wie dies aus den Pachomiusviten^) und der
Begula Pachomii bei Hieronymus hervorgebt. Denselben Quellen zu-
folge wurden die jugendlichen Mönche gleich den älteren Mitbrüdern
zu allen religiösen Uebungen und Arbeiten zugezogen^).
Was nun den Modus der Aufnahme selbst anlangt, so prüfte
Pachomius selbst die ersten Postulanten über ihre persönlichen Ver-
hältnisse und ihren Beruf und unterrichtete sie in den Obliegen-
heiten eines Mönches, worauf die Aufnahme durch die Anlegung
des Mönchskloides erfolgte^). Als die Zahl seiner Mönche grösser
ward, wurden erprobte Mönche an der Klosterpforte mit der Prüfung
und Instruktion der Kandidaten betraut^). Wie lange die Prüfung
gedauert hat, wissen wir nicht. Jedenfalls richtete sich dies nach
der Beschaffenheit und dem Charakter der Postulanten. Ja, wenn
1) üeber die Dauer dieser Prafanj^ s. weiter unten S. 191.
2) 23; nach dem Araber (p. 3^—393) warde Theodor im zwölften
Lebensjahre Mitglied einer Eremitenkolonie und kam zwei Jahre später nach
Tabenntsi zn Pachomius. Die koptische Vita (M 46 — 48) steht also isoliert da,
wenn sie behaaptet, dass Theodor im vierzehnten Lehensjahre Eremit und im
zwanzigsten erst Pachomianer wurde.
3) Z. B. C 19.
4) C 55, P 15 f., Ar 609 f., Epist. Amm. c. 12. Vgl. auch Seidl, Die
Gott-Verlohnng von Kindern in Mönchs- und Nonnenklöstern, München 1872, S. 6.
5) C 16. M 30, kt 369 f.
6) C 19, M 35, Ar 373.
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IdÖ Das egypt. MOnchtum im 4 Jahrh.
Pachomius über die Würdigkeit des Postulanten hinlängliche Oaran-
tieen hatte, so erfolgte die Aufnahme ohne vorausgehende Prüfung.
So wurde der vierzehnjährige Eremit Theodor aus Bsneh sowie der
gleichnamige Lektor der alexandrinischen Kirche auf Grund der
Empfehlung des Patriarchen Athanasius sofort in die Kommunität
aufgenommen i).
Mit der Zeit mag die Prüfung und Aufnahme eine bestimmte,
feste Form angenommen haben. Eine solche bietet uns die hieronymi-
anische Regula Pachomii (art. 49). Meldete sich nämlich jemand
an der Pforte zur Aufnahme ins Kloster, so wurde der Abt davon
benachrichtigt. Der Postulant musste alsdann einige Tage in einem
ausserhalb des Klosters befindlichen Räume nahe der Pforte ver-
weilen. Hier empfing er von den Pförtnern die erste Unterweisung,
die sich auf das Auswendiglernen des Gebetes des Herrn und einiger
Psalmen erstreckte. Wie man sich übrigens in den Pachomianischen
Klöstern die Ausbildung der Mönche angelegen sein Hess, ergiebt
sich aus der 130. und 140. Satzung der Regula Pachomii. Darnach
mussten auch Ungebildete sich wenigstens 20 Psalmen und zwei
Apostelbriefe oder irgend einen anderen Teil der hl. Schrift an-
eignen. Analphabeten lernten lesen und schreiben und mussten sich
zum mindesten mit dem Neuen Testament und dem Psalterium ver-
traut machen. Uebrigens geht aus dem Tenor der beiden letzt-
genannten Satzungen nicht hervor, dass dieser weitläufigere Unter-
richt während der Prüfungszeit geschah, wie es Grützmacher (S. 128 f.)
annimmt. Ferner prüfte man die Postulanten bezüglich ihres guten
Willens und ihrer Privatverhältnisse ; man überzeugte sich, dass die-
selben imstande waren , ihren Eltern zu entsagen und auf ihr Ver-
mögen zu verzichten. Alsdann fand die Einführung in die Kommuni-
tät in der Weise statt, dass der Postulant nach Ablegung seiner
Civilkleider , die in der Kleiderkammer aufbewahrt wurden, das
Mönchsgewand empfing und in die Gebetsversammlung der Brüder
geführt wurde, wo ihm der Vorsteher des Hauses, dem er zugeteilt
wurde, einen bestimmten Platz zuwies (Art. 1). Durch diese Auf-
nahme wurde er vollberechtigtes Mitglied des Klosterverbandes.
Nach der Engelsregel in der arabischen Vita (p. 368) war bei
der Aufnahme auch das Abscheren des Haupthaares üblich. Diese
Zeremonie wird indes weder in dem griechischen (bei Palladius uud
Sozomenus) noch in dem äthiopischen Texte erwähnt. Aus der
hieronymianischen Pachoraiusregel (art, 96: Nullus attondeat caput
absque maioris imperio) ergiebt sich nur, dass die Pachomianer
1) S. 0. S. 15^ u. 16i:
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Das egypt MOnchtum im 4. Jährhi 191
keine lang herabwallenden Haare trugen, sondern dieselben von Zeit
zu Zeit scheren. Der Grund hierfür war sehr prosaischer Natur;
Hieronymus (ep. 147 ad Sabinianum) erklärt nämlich die zu seiner
Zeit bei den egyptischen und syrischen Nonnen herrschende Sitte
des Haarschneidens auf folgende Weise: 'Moris est in Aegypti et
Syriae monasteriis, ut tarn virgo quam vidua quae se Deo voverint
et saeculo renuntiantes omnes delicias saeculi conculcarint, crinem
monasteriorum matribus offerant desecandum, non intecto postea
contra Apostoli voluntatem incessurae capite, sed ligato pariter ac
yelato . . . Hoc autem duplicem ob causam de consuetudine versura
est in naturam, vel quia lavacrura non adeunt, vel quia oleum nee
capite nee ore norunt, ne a parvis animalibus quae inter cutem et
crinem gigni solent, et concretis sordibus, opprimantur (al. obruantur)'.
Zwar meinen Weingarten und Grützmacher (S. 122), dass Pachomius,
der ursprünglich Serapispriester gewesen sein soll, diesen Brauch
vom Serapiskult entlehnte. Allein es ist schon oben (Siehe Seite 152)
gezeigt worden, dass die Ansicht, Pachomius sei vor Annahme des
Christentums Serapispriester gewesen, eine Fiktion ist, und, was den
Brauch selbst anlangt, so lässt sich aus den beiden Texten (A** 368, Pach.
Reg. art. 96) durchaus nicht folgern, dass das Haarscheren bei den
Pachomiauern mit dem bei den Serapispriestern üblichen vollständigen
Kahlscheren des Hauptes (Rasur) bis auf die Haut identisch war^).
Ein Noviziat nach Brauch der späteren religiösen Orden folgte
auf die Anlegung des Mönchskleides nicht. Davon ist weder in
den Pachomiusviten noch in der Regula Pachomii irgendeine Spur
zu finden. Auch ist in diesen massgebenden Quellen von einem
dreijährigen Noviziat, wie solches nach der sog. Engelsregel *) schon
unter Pachomius bestanden haben soll, keine Rede. Endlich ist es
eine Fabel, wenn die Engelsregel die körperlichen Arbeiten als
Hauptsache bei der Prüfung der Postulanten bezeichnet; vielmehr
hat Pachomius, wie soeben gezeigt worden ist, während des Scru-
tiniums der Neulinge das Hauptgewicht auf die geistlichen Uebungen
gelegt^). Uebrigens beschreibt auch Ammon in seinem schon mehr-
1) Hieronymus, Comment. in Ezech. 44 : 'Nee rasis capitibas sicut sacer-
dotes cultoresqae Isidis et Serapidis nos esse debere\ Vgl. aach Ambrosiua
ep. 58 ad Sabinum.
2) In dem betreffenden Text (s. oben S. 188) will Pilra statt des danklen
aSÜTwv lesen: ik aywva Suvatov oux (!) ffei. P. Stujlmayr S. J. (Siehe Byzant.
Zeitschrift (1900) S. 196 f.) schlägt Tor: d^ aycova aHY]tcüv xtX. Ob nach dieser
Emendation der Text im Sinne eines eigentlichen Noviziates nicht mehr inter-
pretiert werden braucht, bleibt wohl zweifelhaft.
3) V^l. auch C 16, M 30 f., A' 369 f.; dazu Tillemont, Memoires pour
servir a Thistoire eccl^siastique, t. 7 p. 682—688.
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192 bas egypt. MöncMum im 4, Jahrh.
fach erwähnten Briefe (c. 1, 4) seine Aufnahme in das Kloster von
Pheböou, und dieser Modus deckt sich vollständig mit den Vor-
schriften der hieronymianischen Pachomiusregel. Mithin steht die
sog. Engelsregel in diesem Punkte mit ihren widersprechenden An-
gaben ganz isoliert da.
E. Das gemeinschaftliche Gebet
Das Tagewerk der Pachomianischen Mönche bestand aus Arbeit
und Gebet. Das Gebet, zu dem die Mönche verpflichtet waren, war
teils ein privates, teils ein gemeinschaftliches. Dasselbe vollzog sich
nach Pleithner (älteste Gesch. des Breviergebetes, Kempten 1887,
S. 162 f.) in der Weise, »dass alle Mönche täglich zweimal zu einer
Gebetsversammlung sich vereinigten, am Abende, um die Vespern
zu feiern, und bei Nacht, d. h. wohl nach Mitternacht erst, zum
nächtlichen Gebet. Das Morgen-Officium wurde unmittelbar hernach
in den einzelnen Häusern gemeinsam verrichtet. (Von den Panny-
chien ist hier noch nichts erwähnt ; wir werden sie aber später aus-
drücklich bezeugt finden.) Ausserdem hielten die Mönche vielleicht
noch durch besondere Gebete, die sie aber privatim persol vierten,
die drei apostolischen Stunden ein. Endlich versammelten sie sich
in den einzelnen Häusern auch noch unmittelbar vor der Zeit des
Schlafengehens, um wieder in kleinerer Versammlung ihre Abend-
andacht zu halten. Im übrigen aber brachten sie eigentlich den
ganzen Tag mit innerlichem Gebete und heiligen Erwägungen zu;
und die angegebenen Zeiten waren nur insofern besondere Gebets-
zeiten, als sie vorzüglich das mündliche Gebet veranlassen konnten.«
Diese Gebetsordnung konstruirte Pleithner — nach dem Vorgange
des Liturgikers Martene (De antiqu. Eccies. rit. tom IV) auf Grund
einer zum Teil eigenartigen Deutung der sog. Engelsregel sowie der
hieronymianischen Regula Pachomii. Ladeuze (a. a. 0. S. 288 f.),
dem nur die letztere Quelle und die Pachomiusviten massgebend
sind, meint dagegen, dass sich alle Mönche eines Pachomianischen
Klosters zur Zeit der Morgendämmerung, mittags, abends vor Tisch
und um Mitternacht zum gemeinschaftlichen Gebete vereinigten,
während unmittelbar vor dem Schlafengehen nur noch in den ein-
zelnen Häusern des Klosters kleinere Gebetsversammlungen abge-
halten wurden. Im Gegensatz zu Pleithner und Ladeuze sind
Duchesne (Origines du culte chrötien, Paris 1889 S. 433) und
Battifol (Histoire du Bröviaire romain, Paris 1893, S. 4 f., 33 f.) der
Ansicht, dass die egyptischen Mönche noch im 5. Jahrhundert nur
die zwei ursprünglichen christlichen Gebetszeiten, nämlich zur Zeit
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Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh. 193
des Lichteranzünders (lucernare) und zur Zeit des Hahnenrufes (galii-
cinium) eingehalten hätten ; sie stützen sich hierbei auf den Bericht
Cassians (De coenob. instit. III, 2), demzufolge bei den egyptischen
Mönchen, abgesehen vom abendlichen und nächtlichen Gebete, des
Tages über keine öffentliche Feierlichkeit stattfand. Im folgenden
soll nun gezeigt werden, dass die Behaaptung Duchesnes und Batti-
fols bez. die Notiz bei Cassian auch bezüglich der Pachomianer des
4. Jahrhunderts ihre Berechtigung hat; eine strikte Interpretation
der in Betracht kommenden Beweisstellen führt zu diesem Ergebnis.
Zwar geschieht in den Pachomiusviten der täglichen Gebets-
versammlungen nur gelegentlich Erwähnung, doch in der Weise,
dass daraus vollgültige Schlüsse über die Zahl derselben gezogen
werden können. Betrachten wir zunächst den Text der Viten C 38,
M 79 f. und A' 575 f.! Hiernach fragte Pachomius die zwei Brü-
der, mit denen er sich auf einem Nachen befand, ob sie gewillt
seien, mit ihm die Nacht im Gebete zu durchwachen; nach dem
Beispiel des Eremiten Palaemon, seines Lehrers, erklärte er ihnen,
würden die Nachtwachen auf dreifache Art gehalten; entweder werde
der erste Teil der Nacht durchwacht und der zweite der Buhe ge-
widmet oder umgekehrt, oder es werde in der Nacht abwechselnd
gewacht und geruht. Die beiden Mönche wählten die letztere Art
der Nachtwache; der eine von ihnen wurde müde und legte sich
zur Ruhe ; der andere dagegen vollendete mit Pachomius die Nacht-
wache »bis zur Morgendämmerung, wo die Synaxis oder Gebetsver-
sammluug gehalten zu werden pflegte. < Der bis dahin schlafende
Mönch wurde nun geweckt, und nach Abhaltung der Synaxis gönnte
sich jener Mönch, der mit Pachomius gewacht hatte, einige Ruhe,
während der andere mit Pachomius dem Kloster Themouschons zu
weiter ruderte. Diesem dreifachen Bericht zufolge fand die Synaxis
erst am frühen Morgen statt ; das Gebet in der Nacht war dagegen
privater Natur, und die Art der Nachtwachen wurde in das Belieben
der einzelnen Mönche gestellt.
Man könnte indes einwenden, Pachomius sei damals auf einer
Reise begriffen gewesen und habe deshalb eine Ausnahme von der
Regel gemacht; doch zum Glück wird gleich darauf (G 39, M 81 f.,
A' 576 f.) berichtet, dass Pachomius im Kloster Themouschons ein-
kehrte und daselbst abends den Abt Cornelius — ihn allein — auffor-
derte, mit ihm die Nacht im Gebete zuzubringen. Cornelius
erklärte sich bereit; das Nachtgebet dieser beiden dauerte bis zur
Synaxis am frühen Morgen (^ oüvaStc «p<ot C. 89) oder, wie es in
der Yita A' 577 heisst, »bis zum frühen Morgen (arab. ilai wakti
Schiwietzy Mönohtnm. 13
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194 Das egypt. Mönchtum im 4. Jahrh,
'ggabächi), wo das Zeichen zum geroeiDSchaftlichen Morgengebete
gegeben wurde, c Man sieht also, dass auch in dem Kloster nicht
etwa um Mitternacht, sondern erst gegen Ende der Nacht, zur Zeit
der Morgendämmerung eine Synaxis stattfand.
Anderweitige Notizen in den Pachomiusviten bestätigen das
bisherige Ergebnis. In der arabischen Vita (p. 482) heisst es, dass
Pachomius gewöhnlich die erste Hälfte der Nacht in seiner Zelle
stehend dem Gebete oblag und alsdann sitzend und an die Wand
gelehnt sich etwas Buhe gönnte. Daraus folgt, dass eine gemein-
schaftliche Gebetsfeier nicht um Mitternacht oder gleich nach
Mitternacht stattfand. Weiter lesen wir in derselben Vita (p. 484),
dass Pachomius zuweilen vom Abend bis zum nächsten Morgen
stehend oder knieend in seiner Zelle betete; wenn er aber
dazwischen seine Füsse ausstreckte, um auszuruhen, so geschah dies
nur für kurze Zeit; dann stand er wieder auf und setzte sein Privat-
gebet fort, »bis der Morgen anbrach, und die Brüder zur Synaxis
gerufen wurdenc. Von Theodor, dem dritten Generalabt der Pa-
chomianer, bezeugt die Vita M 261, dass er zu wiederholten Malen
die ganze Nacht im Privatgebete zubrachte, und an einer Stelle
(p. 264) heisst es genauer, dass er »das nächtliche Privatgebet bis
zur Synaxis, die morgens stattfand, ausdehntec i). Aus alledem er-
giebt sich, dass auch noch unter dem dritten Generalabt in der Nacht
nur ein privates Gebet üblich war, und dass die Synaxis erst gegen
Morgen abgehalten wurde*).
Es wird allerdings von Ladeuze (p. 289 not. 3) der Bericht
der Vita P 17 f. als Beweis dafür angeführt, dass die Pachomianer
auch um Mitternacht eine gemeinschaftliche Gebetsfeier abhielten;
indes mit unrecht. Der betreffende Passus lautet: Kai siosXOovtcdv
TÄv adeXopcov stg Tag euxac oüvax*sl(; xal aüxög (sc, Pachomius)
fjiST* aüTÄv, iTcXi^pwoev xag süxaCi xat ISsXdövTcav Im to YSüoaodat,
Ifistvsv ^6vo<; h T(f ofxa), Iv w xac sixac oüvt5&(0(; liceTlXet t^<;
oüvrfSeox; [xal xXetoag tt)v Oüpav upooTjö^axo tw öscp, &Siü)v yvcooft^vat
aüTCü Tcspt T^c .asxa xaöxa a8eX9(ov xaxaoxaoeox;] xal xt Iv xoTg ^8-
xaysvsoxipotg xa oüfJißif]o6|isva auxoTc; * xal icapaxetvavxocga&xou xtjv
1) Ebenso deutlich heisst es Krl 589 : Als man abends aas dem Schiffe
aasstieg, entfernte sich Theodor ein wenig vom Landangsplatze, am za beten,
and häafig verharrte er im Gebete bis zar Morgenstande, d. i. bis za der
Stande, in der die Br&der mit einander Gott priesen«.
2) Nach M 91 f. hatte ein nea anj^ekommener Mönch , der über die
schwere Arbeit beim Brannengraben an willig gewesen war, nachts einen Traam
über den Wert des Gehorsams; als die Morgenrote anbrach, begab er sich mit
den Brüdern zar Synaxis and erzählte ihnen das Vorkommnis der Nacht.
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Das egypU Mönchtum im 4. Jahrh, 195
3üx>]v 4icö cüpac 8exaT73(; fax; ofJ xpoüooüoiv tolg ädeXqjoTc: tt]v vüx-
TsptvTjv XeiToupytav, icspt xo fieoovüxxtov a^vco auT(i) IS oüpavoü ouTaota
YvcDpt'Coüoa aÖTO) tö tiXofz t^c fisxa xaüxa xaiaoTCcosox; tü)v i^sX^cov
öaufiaCovTOC 81 lid ToTg XaXirjfteTotv «üt«) to5 MsyaXoü, söftoc:
xpoüoüotv ToTc dSeXqjoTc: stg ttjv voxxeptvTjv o6va$iv» xai xsXeüOetoYjc
x^C Xetxoüpytac x^g vuxxeptv^c, Sxafttoav §!(; äxpoaotv xoü Xoyoo
auxoü Ol adeXtpot. Aus diesem Bericht ergiebt sich ein Zweifaches.
Erstens fand vor dem Abendessen eine gemeinschaftliche Gebets-
feier statt. iSodann heisst es, dass Pachomius von der zehnten
Stunde ab, wo die Mönche zu Tische gingen, sein Privatgebet
in dem abgeschlossenen Betsaal so lange ausdehnte, »bis das
Zeichen zur nächtlichen Liturgie gegeben wurdec. Während dieser
Zeit, etwa um Mitternacht, hatte er eine Vision über das künftige
Schicksal seiner Klöster. Als aber die Mönche, zur nächtlichen Li-
turgie gerufen, ihre Gebete vollendet hatten, oflFenbarte er ihnen
sein Gesicht und verband damit eine heilsame Ermahnung. Es fragt
sich nun, wann diese vuxxeptvT} XeixoupYta stattfand. Jedenfalls nicht
gleich um Mitternacht; denn um diese Zeit begann die Vision, die
längere Zeit dauerte. Der Parallelbericht der arabischen Vita (p. 613 f.),
den Ladeuze allerdings nicht berücksichtigt hat, giebt nun genauer
an, was unter der voxxepivT^ Xetxoopyta zu verstehen sei; der Schluss
•dieses Berichtes (p. 617 f.) lautet nämlich : »Unser Vater Pachomius
•war sehr erstaunt (über die Vision); seine Seele war voller Freude
und Genugthuung .... Und als das Zeichen zum Gebete am frühen
Morgen (arab. bäkiran) gegeben wurde und die Brüder sich in
der Kirche versammelten, ging er nicht mit ihnen hinein, sondern
blieb in seiner Zelle, um bis zum Morgen (arab. ilai '§§abächi) au beten ;
alsdann begab er sich in die Kirche und vollendete mit den Mönchen
das Gebet. Hierauf setzten sich diese, um die übliche Belehrung
anzuhören.« Demnach begann die gemeinschaftliche Gebetsfeier,
die in der Vita P 17 als voxxeptvij Xeixoopyta bezeichnet wurde,
nicht um Mitternacht, sondern erst in aller Frühe und endete am
hellen Tage.
Nach Ladeuze sollen noch die Kapitel 29 und 35 der Vita P
«in Beweis für eine mitternächtliche Gebetsfeier bei den Pachomianern
sein ; in diesen beiden Texten ist allerdings auch von einer voxxeptvf]
ouva^K; die Rede ; indes zeigen die von ihm citierten Parallelberichte
der arabischen Vita (p. 6'31 und 637), dass es sich hierbei um eine
spätere Gebetsfeier handelt. P 29 heisst es von dem Mönche Jonas,
dass er tagsüber den Garten pflegte, abends Speise zu sich nahm
und hierauf in der Zelle die Nacht hindurch Handarbeit verrichtete;
13*
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196 Das egypt Mönchtum ifn 4. Jahrh,
weno ihn dabei der Schlaf übermannte , so gönnte er sich nur bei
dieser Arbeit in sitzender Stellung Ruhe bis zur nächtlichen Synaxis.
Wann aber diese Gebetsfeier stattfand, erfahren wir aus dem Parallel-
bericht A' 631; hier wird erzählt, dass Jonas in seiner Zelle die
Nacht mit Gebet und Handarbeit zubrachte, »bis das Zeichen der
Mitternacht gegeben wurdec ^) ; alsdann ruhte er kurze Zeit und er-
hob sich wieder zum Gebet und zur Arbeit. P 35 ist die Rede
von einem aussätzigen Mönche, der wegen seiner Krankheit abge-
sondert von den übrigen Mönchen wohnte , jedoch fleissig Flecht-
arbeit verrichtete und keine Synaxis versäumte ; nachts meditierte er
über Stellen der hl. Schrift, die er auswendig wusste; dann schlief
er, »bis das Zeichen zur nächtlichen Synaxis gegeben wurde«. Der
Parallelbericht A' 687 lautet: »(Der aussätzige Mönch) lernte einiges
aus der hl. Schrift auswendig und beschäftigte sich damit vor dem
Schlafengehen; alsdann schlief er, bis um Mitternacht das Zeichen
zum Gebet gegeben wurde. Da erhob er sich und nahm mit den
Brüdern an der Gebetsfeier gegen Morgen (arab. fi'g§aläti ilaj'g§abächi)
teil.« So viel ist wenigstens aus den beiden arabischen Texten ersicht-
lich, dass die vüxxeptvY] Xsixoüpyta oder oüvaStg *), die allerdings nur der
1) Das Zeichen der Mittemacht ist also nicht identisch mit dem später
erfolgenden Zeichen zur auvaji? vuxieptvii (vgl. auch P 17). Ebenso ist in der
Regula Pachomii das Zeichen in der Nacht (art. 5) wohl zu unterscheiden von
dem Zeichen zum gemeinschaftlichen Gebet (art. 3). Nach der ersteren Satzung
(art. 5: 'Sin autem nocte Signum insonuerit, ne steterit ad focum quem propter
calefacienda et repellendnm frigus ex more snccenditur: nee otiose in coUecta
sedehit, sed funiculos in mattarum stramina manu celeri praeparahit; absque
iniirmitate duntaxat corpusculi, cui cessandi trihuitur venia*) durften die Mdnche
beim Zeichen in der Nacht nicht gleich in die Gebetsversammlung gehen und
daselbst mussig dasitzen, sondern sollten die Stoffe für die Flechtarbeit prä*
pariren.
2) Dass die in aUer Frühe abgehaltene Gebetsversammlnng in der obigen
Quelle vuxTEpiv^ a;>vaS^ genannt wird, darf nicht auffallen; denn noch um die
Mitte des 5. Jahrhunderts rechnet Caaaian (De instit. coenob. III, 1, 8) sowohl
das abendliche als auch das gegen Neige der Nacht verrichtete Gebet zu den
nachtlichen Gebeten und Psalmeugesängen, während nur die Terz, Seit und Non
als Tagesofficium bezeichnet werden. Das Abend- und das Morgengebet waren
die ursprünglichen Gebetszeiten der christlichen Kirche und entstanden da-
durch, dass man nach dem Vorbilde der Ostervigil nicht nur an den Sonntagen,
sondern auch an den Werktagen wenigstens den Anfang und das Ende der
Nacht durch Gebetsversammlungen marlSerte. Vgl. Battifoit Histoire du Br^-
viaire romain, Paris 1893, S. 4: 'En principe la vigile dominicale, comme celle
de Päques, aurait du durer toute la nuit, et de la lui venait son vieux nom
grec de nawu/i^ Mais en r^gie generale, la vigile dominicale commen^ait
seulement au chant du coq, heure variable seien ies Saisons, mais toujours
post^rieure au milieu de la nuit. Pour rester fid^le a la pens^e primitive, on
consacra a la pri^re le commencement de la nuit, Theure oü le soleil vient de
se coucher et oü s'allument Ies premieres lampes: cette heure s*appelait en
grec Xu^vtxöv, en latin lucemare . . . . Oe que nous appelons vdpres fut ainsi,
ä Torigine, le commencement de la vigile nocturne. II est vrai que cette peneee
d*unite originelle se perdit de bonne heure. Methodius (f 311) s*en souvenait
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Das egypt Mönchium im 4. Jahrh, 197
Yita P eigentümlich ist, von der in den anderen Yiten erwähnten »Synaxis
am frühen Morgenc nicht verschieden ist. Dass bei den Pachoroianern
nachts nur das Privatgebet üblich war und erst gegen Morgen eine
Gebetsfeier stattfand^ steht übrigens auf Qrnnd der oben erwähnten
Notizen aus dem Leben des Pachomius und Theodorus ausser Zweifel.
Wie am frühen Morgen, so versammelten sich die Pachomianer
auch gegen Abend zum gemeinschaftlichen Gebet. Aus der schon
oben (S. 194) citierten Vita P. 17 geht nämlich hervor, dass die
Mönche eine Synaxis abhielten, nach deren Schluss, um die zehnte
Stunde, das Abendessen eingenommen wurde. Unter dieser Synaxis,
die nach dem Parallelbericht der arabischen Vita (s. oben S. 195) um die
neunte Stunde stattfand, kann nur das gemeinschaftliche Abendgebet
verstanden werden; denn nachher kamen die Mönche, wie aus dem
Zusammenhang der beiden Texte sich ergiebt, erst zum gemein-
schaftlichen Gebet bei Anbruch des nächsten Tages zusammen.
Allerdings berichten die Pachomiusviten des öfteren, dass die Mönche
sich noch nach Tische versammelten, doch nicht zur Gebetsfeier,
sondern zu einer Katechese, nach der die Brüder vom Klostervor-
steher durch ein Gebet verabschiedet wurden und sich zur Ruhe
begaben 1). Ob übrigens das gemeinschaftliche Abendgebet immer
um die neunte Stunde stattfand, steht nicht fest. In der Vita C. 45
heisst es nur, dieselbe sei abends (ä^j/s) vor Tische abgehalten wor-
den; ebenso lesen wir im Briefe Ammons (c. 14), dass die Mönche
abends (xö loneptvöv) die üblichen Gebete (xac; ouvT^ftetg s&xac;) ge-
meinschaftlich verrichteten und bei dem zwölften Gebete sich auf
die Kniee warfen. Die Zeit des Abendgebetes mag also verschieden
gewesen sein. Vielleicht geschah dies um die neunte Stunde nur
an den Mittwochen und Freitagen, an denen im christlichen Alter-
tum mit dem Schluss des Gottesdienstes um die angegebene Zeit
das ieiuniura aufgehoben wurde*), sonst aber später.
Nach Ausweis der Viten hatten also die Pachomianer an den
gewöhnlichen Tagen ausser dem gemeinschaftlichen Morgen- und
Abendgebet keine andere Gebetsfeier mehr. Es darf uns dies nicht
wunder nehmen; war doch nach Cassian (De coenob. institut. III, 2)
poartant qoand il compare la yie des vierges a ane vigile, qai, comme toate
yigile, aurait trois moments: la vespertina vigilia, la secanda Vigilia et la
tertia vigilia, fignres de la jeanesse, de Tä^e inür et de la vieillesse (Sympos.
V, 2). Jean Cassian, aa müiea da V« siecle» etait dans la m6me traditioD»
qaand il comprend Toffice de vdpres et Toffice da cbant da coq soas le m6me
titre d'office noctarne (De instit. coen. III, 8)\
1) S. anten S. 204 f.
2) Linsenmayr, Entwicklung der kirchlichen Fastend isciplin bis zum
Concil von Nicäa, München 1877, S. 80 f.
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198 Das egypt, Mönchtum im 4, Jahrh,
noch im 5. Jahrhundert bei den egyptischen Mönchen nur die Ge-
betsfeier zur Zeit des Lichteranzundens und zur Zeit des Hahnen-
rnfes, das lucernare und das galliciDium, üblich. Desgleichen kennen
die Apostolischen Konstitutionen (II, 59) nur das gemeinschaftliche
Gebet am Morgen und am Abend, und an einer späteren Stelle
(VIII, 34—39) werden nur die Formulare für diese beiden Gebets-
zeiten mitgeteilt, während das Gebet der dritten, sechsten und heunteD
Stunde nur gleichsam empfohlen wird. Damit stimmt Clemen»
Alexandrinus (Strom. VI) überein, wenn er sagt, dass nur einige
Christen auch die Terz, Seit und Non als Gebetsstunden ein-
halten.
Abgesehen von diesem täglichen Abend- und Morgengebet, da»
in einem Betsaal ^) abgehalten wurde, nahmen die Pachomianer jeden
Samstag und Sonntag an dem liturgischen (eucharistischen) Gottes-
dienste in der Kirche teil. Nach C 18 lud Pachomius, als die Zahl
der Mönche auf hundert angewachsen war, zur Feier des eucharistischen
Opfers (7cpoa9opa) Priester der benachbarten Kirchen ins Kloster
ein. Da später auch Priester in den Klosterverband aufgenommen
wurden, mögen wohl diese selbst den Gottesdienst besorgt haben.
Im 20, Kapitel derselben Vita lesen wir, dass Pachomius im Dorfe
Tabenna eine Kirche baute, um den armen Christen der Umgegend
Samstags und Sonntags die Teilnahme am eucharistischen Gottes -
dienst zu ermöglichen ; auch er besuchte an diesen Tagen diese Kirche,
versah dabei das Amt eines Lektors und trug überhaupt Sorge für
Abhaltung des Gottesdienstes, bis ein eigener Priester an dieser
Kirche augestellt wurde. Genaueres über den Gottesdienst erfahren
wir aus M 33 f. und A'^ 372 f. Darnach pflegte er Samstag
abends^) mit den Mönchen in die Dorfkirche zu geben, um dem
eucharistischen Opfer beizuwohnen 8); Sonntags fand dagegen der
eucharistische Gottesdienst früh morgens in der Klosterkirche statt.
Es wäre noch zu untersuchen, in wie weit die hieronymianische
Pachomiusregel mit dem aus den Viten gewonnenen Resultate in
Einklang steht. Die Lösung der Frage ist aus den schon oben
1) P 17, M 104, 105, 108, 109, 113, 129, A' 480.
2) Vgl. auch C 94, Ammon. ep. c. 14,
3) Duchesne, Origines du culte chrötien, Paris 1889, S. 220 f.: 'Le sa-
medi, eliminö d*abord, finit par obtenir aussi une Situation speciale. En Orient,
an qnatri^me siecle, c^^tait nn jonr de synaxe (Conc. Laödic. c. 16, Constit.
Ap. II, 59; V, 27, VIII, 33, Epiph. Expos, fid. 24, 13) et möme de synaxe
liturgique . . . . A Alexandrie, cependant , la synaxe n'etait pas liturgique.
Cette absence de liturgie etait particuliere a la ville m§n)e d* Alexandrie : dans
rint^rieur de TEgypte, la liturfi^ie avait lieu sur le soir et on la faisait pr^cMer
d'une agape'. Vgl. Socrates, bist. eccl. V, 22.
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Das egypt MOnchtum im 4. Jahrh, 199
(S. oben S. 175) angegebenen Gründen schwierig; immerbin lässt
sich im grossen und ganzen eine gewisse üebereinstimmung mit dem
bisherigen Ergebnis nachweisen.
Zunächst ergiebt sich aas der 181. Satzung der hieronymianischen
PachomiusregeH), dass in den Pachomianischen Klöstern zu Beginn
des 5. Jahrhunderts zwei Arten von Gebetsversammlungen stattfanden.
Die Gebetsversammlung sämmtlicher Mönche des Klosters hiess collecta
maier, hoc est omnium fratrum, die der Mönche eines einzelnen
Hauses im Kloster collecta domus. Die Satzungen 14 — 19 setzen
voraus, dass »am Sonntag sowie an dem Tage, an dem das eucharistische
Opfer dargebracht wurdec, die collecta maior h. e. omnium fratrum
üblich war^), und aus den Pachomiusviten (S. oben S. 198) wissen
wir, dass ausser dem Sonntag der Samstag durch einen liturgischen
Gottesdienst ausgezeichnet wurde. Inhaltlich betrachtet sind die
obigen Satzungen Anweisungen für die Mönche, die den Hebdomadar-
dienst in diesen Gebetsversammlungen zu verrichten hatten.
An den übrigen Tagen der Woche fanden dagegen morgens und
abends nur Gebetsversammlungen in den einzelnen Häusern (col-
lectae domus) statt. Bezüglich des Morgengebets heisst es nämlich
in der 20. Satzung der Pacboraiusregel: 'Mane per singulas domus
finitis orationibus non statim ad suas cellulas revertentur: sed con-
ferent inter se, quae praepositos audierint disputantes et sie intrabunt
cubilia sua\ Hier wird also vorausgesetzt, dass die preces matutinae
in den einzelnen Häusern (per singulas domus) des Klosters gemein-
schaftlich verrichtet wurden, worauf die Hausvorsteher (praefecti
domus) für die ihnen unterstellten Mönche Katechesen hielten. Diese
Satzung kann sich nicht auf den Sonn- oder Samstag beziehen ; denn
an diesen Tagen fand laut den Pachomiusviten und der Pachomiusregel
(art. 14 — 19) eine collecta maior h. e. omnium fratrum, statt, in der
zum Schluss natürlich der Vorsteher des Klosters (pater monasterii)
die Katechese hielt ^). Mithin wurden die coUectae minores, in denen
1) Art. 181: Traepositas aatem domus et qai Aecandas ab eo est, hoc
tantam habebit iuris, nt compellat fratres in collecta domas, sive in collecta
maiore, hoc est omniam fratram, sabiacere poenitentiae'.
2) Art. 14: In die dominica vel oblationis tempore nallas deerit de
hebdomadariis, sedens in loco Ebiymii, psallentique respondens, ex ana dantaxat
domo, qnae in maiori servit hebdomade. Altera est etiam minor hebdomas,
qoae per singnlas domos a pancioribas exhibetur'. Art 15: 'At si maior est
nameras necessarias, de eadem triba alii vocabantar a praeposito domas, qai
ministrat hebdoraadae; et absqae eias iossione nallas de altera domo eiusdera
tribas ad psaüendam yeniet et penitas non licebit in alterias hebdomade et de
alia venire domo, nisi forte eiusdem tribas sit'. Art. 17: 'In die dominica et
collecta (Gazaeas, in die dominica, in collecta, io qaa offereada est oblatio)'.
3) S. anten S. 204.
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200 Dcu egypt Mönchtum im 4. Jakrh,
laat der obigen 20. Satzung die preces matutinae verrichtet wurden,
an den übrigen Tagen der Woche abgehalten. Und in der That
lesen wir sowohl in den Pachomiusviten als auch in der Paehomius-
regel (s. unten S. 204), dass die Vorsteher der einzelnen Häuser
wenigstens Mittwoch und Freitag eine Katechese zu halten hatten.
Abends fand gleichfalls, abgesehen vom Sonn- und Samstag,
nur eine collecta domus statt. Art. 155: Ter domos singulas
vespere sex orationes psalmosque complebunt, iuxta ordinem maioris
coUectae, qnae a cunctis fratribns in communione celebratur/ Art. 186 :
'Sex orationes vespertinas iuxta exemplum maioris collectae, in qua
omnes fratres pariter congregantur, summae delectationis est, et ita
facile finnt, ut nuUnm onus habeant, et ex onere nascatur taedium.'
Also nach dem Vorbilde der an Sonn- und Samstagen üblichen col*
lectae maiores sollten an den übrigen Wochentagen die abendlichen
eollectae domus abgehalten werden. Zugleich ergiebt sich aus den
eben citierten Satzungen, dass bei den abendlichen collectae domus
ein kürzeres Gebet, nämlich sechs Psalmen und Oebete, üblich waren,
während in den collectae maiores an Sonn- und Samstagen zwölf
Psalmen und Gebete verrichtet wurden (s. unten S. 202 f.).
Aus alledem folgt, dass die Pachomianer noch zu Beginn des
5. Jahrhunderts, wie einst zu Lebzeiten des Pachomius, sich nur
zweimal, nämlich früh morgens und abends, zum gemeinschaftlichen
Gebete vereinigten^), nur mit dem Unterschiede, dass früher laut
den Angaben der Pachomiusviten an allen Tagen der Woche sowohl
morgens als abends eine collecta maior, h. e. omnium fratrum statt-
fand, während später an den Werktagen nur collectae domus üblich
wurden. Diese Aenderung erklärt sich wohl daraus, dass mit der
Zeit in den einzelnen Klöstern die Zahl der Mönche so gross wurde,
dass der Betsaal die Gesamtheit derselben nicht fassen konnte.
Im übrigen blieb auch späterhin an den Sonn- und Festtagen die
collecta maior bestehen, da an diesen Tagen der Gottesdienst in der
geräumigen Kirche stattfand.
1) Ladeuze (S. 288) nimmt auch eine collecta meridiana bei den
Pachomianern aaf Grand folgender Satzung der Pachomiusregel an. Art. 2i:
'Qui hebdomadarins est . . . nisi ille (sc. princeps monasterii) insserit, Signum
dare non poterit, ut ad collectam meridianam vel ad vespertinam sex orationum
congrei^entür'. Vermutlich liegt hier ein Uebersetzungs fehler des Hieronymus
oder ein Abschreibefehler vor; denn eine collecta meridiana kommt weder in
den Pachomiusviten noch sonst in der Pachominsregel vor. Es muss auch auf-
fallen, dass in dieser Satzung die collecta matntina (vel nocturna), zu der doch
auch der Hebdomadar das Zeichen zu geben hatte, nicht erwähnt ist. Da kun
vorher (art. 20) von der collecta matutina (vel nocturna) die Bede ist, so ist
in der 24. Satzung statt collecta meridiana jedenfalls collecta matutina (vel
nocturna) zu lesen.
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Das egypt, Mönchium im 4. Jahrh. 201
Dass zwischen der collecta maior, die an den Sonn- und Fest-
tagen abgehalten wurde, and den collectae domus, die an den Werk-
tagen fiblich waren, wohl zu unterscheiden ist, ergiebt sich aus dem
Vergleiche und der Gegen aberstellung der Satzungen 14 — 19, 21
einerseits und 20, 25, 125, 126, 155, 186, 138, 156 anderer-
seits. Durch Nichtbeachtung dieses Unterschiedes kam Pleithner^)
(a. a. 0. S. 158 f., 162) zu der sonderbaren Ansicht, dass in den
Pachomianischen Klöstern täglich sowohl morgens wie abends eine
collecta maior h. e. omnium fratrum mit sich daran schliessenden Ver-
sammlungen in kleineren Kreisen (collectae domuß) stattfand. Auf
diese Weise fand er schon bei den Pachomianern eine Ait Prim,
die doch nach dem Zeugnisse Gassians (De instit. coenob. III, 4)
in jener Zeit nur bei den Mönchen von Bethlehem üblich war, und
eine Art Completorium^ das uns bekanntlich erst in der Benediktiner-
regel entgegentritt.
Ueber den Ritus, der von den Mönchen in »Egypten und in
der Thebais€ beim gemeinschaftlichen Gebet an der Neige des vierten
Jahrhunderts beobachtet wurde, finden wir bei Cassian (De coenob.
instit. lib. II) folgende Angaben. Sowohl bei der abendlichen als
auch bei der nächtlichen Gebetsfeier wurden zwölf Psalmen recitiert
und nach jedem Psalm eine Oration eingeschoben. Den Schluss der
Gebetsfeier bildeten zwei Lesungen, die eine aus dem alten, die
andere aus dem neuen Testament. Samstags und Sonntags sowie
in der Zeit zwischen Ostern und Pfingsten wurden beide Lesungen
aus dem neuen Testament genommen, die eine aus den apostolischen
Briefen oder der Apostelgeschichte, die andere aus den Evangelien.
Bei dem Psalmengebet gestatteten die Mönche ihrem Körper eine
kleine Erleichterung in der Art, dass nur der Vorbetende in der
Mitte stand, während alle übrigen auf ganz niedrigen Stühlen der
Stimme des Vorbeters mit aller Andacht folgten *). Der Vorsteher
schlug am Ende eines jeden Psalmes mit der Hand auf seinen Stuhl,
1) Eine doppelte Gebetsversammlang in der Abendzeit behauptete zuerst
Martine, de antiqu. Eccl. rit., t. IV p. 94: 'Quid eoim haec sibi volunt: Juzta
ordinem maioris collectae vel luxta ezemplum maioris collectae? Forte con-
gregabantiir quotidie in unum omnes domus sub vespere et simul adunatae sex
psalmos cum orationibus totidem decurrebant, idenique separatim singulae per
se faciebant eodem ordine quo in maiore collecta vel post generalera dimissae
collectam, sex orationes cum psalmis persolvebant eodem ritu et ordine quo
plureSy hoc est duodecim, in maiore collecta decantaverant'. Derselben Ansicht
ist bezüglich des Abendgebetes Ladeuze (S. 289).
2) Nach Pleiihner (S. 295) sollen die egyptischen Mönche in der Ge-^
betsversammlung bei der Absingung der Psalmen Handarbeit verrichtet haben.
Diese an sich schon unwahrscheinliche Ansicht beruht auf einem Missverständ-
nis einer Stelle bei Caaaian (De instit. coenob. II, 12).
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202 Das egypt. Mönchtum im 4. JahrK
worauf sich alle zur Verrichtung der Oration erhoben; vor der
Oration, die der Vorbeter laut vorbetete, fand ein kurzes Sich-
niederwerfen statt. - Sowohl beim Psalmengebet als auch bei der
Oration wurde von den Mönchen, abgesehen vom Vorbeter, tiefes
Stillschweigen beobachtet, sodass kein Bäuspern oder Husten za
hören war. In Betreff des Vorbeteramtes erklärt Cassian (1. c. c. 11):
»Die zwölf Psalmen verteilen die Mönche so unter sich, dass, wena
nur zwei Brüder da sind, jeder sechs, wenn drei, jeder vier, und
wenn vier, jeder drei singt. VITeniger als drei singt keiner in der
Versammlung vor, und wenn darum eine noch so grosse Menge
versammelt ist, so übernehmen doch niemals mehr als vier Bruder
das Amt eines Vorbeters beim heiligen Dienste, c
Im grossen und ganzen scheint der Modus der Gebetsfeier, wie
er von Cassian überliefert wird, auch von den Pachomianern ein-
gehalten worden zu sein ^). Erstlich geht aus der hieronymianischen
Pachomiusregel (art. 141, 142, 8, 13—18, 155) hervor, dass die
Gebetsfeier aus Psalmen, Orationen und Schriftlesung bestand. In
jeder Gebetsversammlung war eine bestimmte Anzahl von Mönchen
mit dem Psalmengesang betraut. In der collecta maior versahen
diesen Hebdoroadardienst abwechselnd die Mönche eines Hauses; in
der collecta domus war die Zahl der Hebdomadare geringer. Der
Psalmengesang selbst geschah in der Weise, dass ein Hebdomadar
den Psalm, ein anderer hierauf das dazu gehörige Besponsorium
recitierte (art. 14 — 16). Die Schriftlesung war jedoch nicht Sache
der Hebdomadare, sondern dazu wurden die Mönche der Beihe nach
herangezogen (art. 6, 13).
In betreff der Psalmenzahl erhalten wir in der Pachomiusregel
keinen Aufschluss. Der Wortlaut der epist. Ammon. c. 14 legt
nahe, dass ursprünglich auch an den Werktagen in der abendlichen
Gebetsversammlung zwölf Psalmen und Orationen gebetet wurden;
an dieser Stelle wird zugleich in üebereinstimmung mit Cassian
(1. c. II, 7) das bei den Orationen übliche Sichniederwerfen erwähnt.
In späterer Zeit wurde jedoch die Zahl der Psalmen und Orationen
bei der abendlichen collecta domus auf sechs herabgesetzt (art. 155);
1) Was das Signal zam gemeioschaftlichen Gebet anlangt, so warden
nach der Regula Pachomii (art. 3, 8) die Mönche darch Posaunenschall zasam-
mengerufen. Die Verba xpoiieiv in der Vita C 39, P 17 und Kolh in der Vita
M 81 , 89 sowie das Substantivurn näküs in der arabischen Vita (p. 681 , 637)
lassen darauf schliessen, dass man Schallbretter oder Metaliplatten gebrauchte,
um damit ein klopfendes Geräusch zu erzielen. Nach Cassian (De instit. coen.
IV, 12) dagegen wurden die Mönche in Egypten durch Klopfen an die Zellen-
thüren zum Gebete gerufen.
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Das egypt. Mönchtum im 4. Jahrh, 203
die Müdigkeit der Mönche infolge der körperlichen Arbeit des Tages
scheint hierbei massgebend gewesen zu sein (art. 186).
Es bliebe nur noch zu untersuchen, was von der auf das Gebet
bezüglichen Satzung der sog. Engelsregel bei Palladius zu halten
sei^). Da schon in manchem anderen Punkte die angebliche Engels-
regel, wie früher gezeigt wurde, sich als unzuverlässig erwiesen hat
und mit den authentischen Angaben der Pachomiusviten in Wider-
spruch steht, so kann man natürlich auch dieser Satzung über das
Gebet nur mit Misstrauen begegnen. Zunächst ist es klar, dass der
Anfang der Engelsregel sich nicht auf das gemeinschaftliche Gebet
bezieht; es heisst ja, dass die Mönche im Verlauf des Tages (dta
iiao7]c T^c ^fiipag) zwölf Gebete zu verrichten hätten. Bezüglich
der übrigen Bestimmungen meint Qrützmacher (a. a. 0. S. 123),
dass dieselben das gemeinschaftliche Gebet zum Gegenstande hätten.
Wäre dies wirklich der Fall, dann sind die Bestimmungen der
Engelsregel in vielfacher Beziehung in Widerspruch mit den Angaben
der Pachomiusviten, denengemäss die Pachomianer nur ein gemein-
schaftliches Abend- und Morgengebet, in der Nacht dagegen nur
Privatgebet hatten. Indes die arabische Vita (p. 368 f.), welche
den Palladiustext allerdings in einer etwas alterierten Form enthält,
bezeichnet alle Bestimmungen der Engelsregel als privates Gebet der
Mönche; sie sagt>usdrücklich, »dass jeder Mönch (kullu vähidim min
1) Hist. Laus. c. 38: 'ETÜTCtoae 5^ Sia 7ca<j7); t^? V^pa? Tcoielv autoü; eüx,««
du)Ssxa, xa\ ev Xuyvtxw owSexa, xat Iv xcui na.vw)(i<ji öwSexa, xa\ IvvaXTjv (Spav Tp^;.
*'OxB 8s 8ox^ TO TCA^^o; ia^teiv, Ixä<jtü) Ta-jffxaTi xa^' lxa<JT7)V su/tjv ^aXu))V npodhtabai
Ix^iTccoaev. Nach einer brieflichen Mitteilang des Benediktinerpaters Butler an den
Verfasser ist in dem obigen Texte auf Grund der besten Handschriften Ix^oro)
xa-jfH^aTi zu streichen; indes ergiebt auch dann der Schlusssatz keinen rechten Sinn.
Denn es wird in dieser Regel kein bestimmtes Gebetspensum vor Tische verordnet,
und doch heisst es: »Wenn die Menge zu Tisch gehen soll, so soll vor jedem
Gebete ein Psalm gesungen werden«. Darum erklärt auch Tülemont, M^moires
{>our serrir a Thistoire eccl. t. VII, p. 683 f.: Je n'entends point cette fin. Car
e sens simple qui serait que lorsqu^on mangeait, chaque ordre devait chanter
un psaume avant chaque priere; ce sens, dis-je, que Sozomene a suivi IIb. III.
c 14» suppose que TAnge avait ordonne plusieurs priores pour le repas: et il
n*en avait ordonn^ aucune. G'est peut-Stre ce qui a fait que Denys le Petit
a omis toute cette fin et möme les trois priores de Nene, qui forment en effet
nne difficulte particuliere , comme Mr. Valois Fa remarque. Je ne sais s*il ne
faudrait point lire: ^ ote ^ööxei to tcX^So^ lo^ietv, xol xa^'exaonrjv z^yr\>4 xtX; ce qui
ferait ce sens : Qu^a Theure de None ou a teile autre, que chaque famille aurait
prise pour le repas , eile ferait trois prieres. Nach einer einzigen , allerdings
iuten Handschrift (Paris gr. 1628) ist in dem obigen Texte hinter xpet^ statt
des Punktes ein Komma zu setzen (xa\ ivvaTTjv wpav xpei?, 8x6 [Se] öoxet xxX).
Diese Interpunktion macht den Text verständlich, doch ist damit noch nicht
volle Klarheit erreicht, üeberhaupt ist das Kapitel über Pachomius in der
Historia Lausiaca nach Butler für die Textkritik das schwierigste. Am ver-
standlichsten erscheint der obige Text entweder unter Zugrundelegung der
Konjektur Tillemonts oder in der Lesart der arabischen Vita (S. B68 f.).
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204 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh,
elachavati) zwölf Gebete im Verlauf des Tages verrichten solle ; und
abends, wo sich alle zu Tische begeben, solle ein jeder von ihnen drei
Gebete vor Tische und sechs vor dem Schlafengehen verrichten; die
erste Hälfte der Nacht sollten sie schlafen und in der zweiten Hälfte
wachen und beten.c Auffallend ist es jedenfalls, dass in der Engels-
regel ein bestimmtes Pensum für das Privatgebet verordnet wird,
während in der hieronymianischen Pachomiusregel nur das innerliche,
betrachtende Gebet bei der Arbeit wie bei Tische, beim Verlassen
der Zelle wie auf dem Bückwege in dieselbe zur Pflicht gemacht
wird (art. 3, 28, 37, 59, 60, 87, 116, 122).
F. Religiöa-ftittlicfie Ausbildung.
Für die religiös - sittliche Ausbildung der Mönche war in den
Pachomianischen Klöstern hinlänglich gesorgt. Wie sich aus den
Pachomiusviten und der hieronymianischen Pachomiusregel ergibt,
hatte der Vorsteher eines jeden Klosters wöchentlich drei Katechesen,
eine am Samstag und zwei am Sonntag, zu halten, während jeder
Praepositus domus die ihm unterstellten Mönche an den beiden
wöchentlichen Fasttagen, d. i. am Mittwoch und Freitag, zu be-
lehren hatte ^). Nach Ausweis der Viten scheint jedoch Pachomius
1) C 19 : KaT7JX,^aei; 8k tpsl? tva 6 o?xovö{Jto; i^; [xov^; Tcotf) • xata (jiißßatov
{jL{av, xoi TT] xuptax^ Süo xa\ ol otxtaxoV toc; 8üo v72TC8ia{. Jedenfalls ist hier von
den Katechesen die Rede und vor xas B6o vrjdTsia; die Präposition xaxa zu er-
gänzen. Der Vorsteher des Klosters sollte drei Katechesen, eine am Samstag
nnd zwei am Sonntag, halten, während die Vorsteher der einzelnen Häuser an
den beiden Fasttagen ihren Mönchen die Unterweisang za erteilen hatten. Ebenso
lautet der Parallelbericht M 35 f.: »Er verordnete aach drei Katechesen in der
Woche, die eine Samstags nnd zwei Sonntags, nnd die Hansvorsteher (hielten
die Katechese) an den beiden Fasttagen«. Noch za Beginn des 5. Jahrhunderts
bestanden die von Pachomius eingeführten Katechesen. Aus den Satzungen 20,
156, 138 der Pachomiusregel ergibt sich nämlich, dass jeder Hansvorsteher zweimal
in der Woche und zwar an den beiden Fasttagen in der collecta domus Katechesen
zu halten hatte. In der Satzung 21 : 'Disputatio autem a praepositis domorum
per singulas hebdomadas tertio fiet; et in ipsa disputatione sedentes sive
stantes fratres suum ordinem non mutabunt, luzta domorum ordinem et ho-
minum singulorum' ist dagegen die Rede von der Katechese, die dreimal in
der Woche vor der Korona der Mönche des ganzen Klosters (collecta maior)
stattfand; natürlich wurde dieselbe von dem Vorsteher des Klosters abge-
halten; offenbar ist also in dieser Satzung statt a praepositis domorum zu
lesen a principe monasterii.
Die obige schwierige Stelle C 19 haben die Bollandisten (Acta SS. Mali
t. III a. 803) übersetzt: Statutum fuit, ut monasterii oeconomus tribus per
hebdomadam vicibus mysteria fidei ezponeret, sabbato semel ac bis in quavis
dominica; necnon ut duo ieiunia observarent conturberniorum praefecti. Unter
dem Eindruck dieser falschen Übersetzung hat Ladeuze (S. 300) die Be-
hauptung aufgestellt, dass Pachomius bloss die Vorsteher der Häuser zur Faste
am Mittwoch und Freitag angehalten hätte, eine Meinung, die schon deshalb
unwahrscheinlich ist, weil diese beiden wöchentlichen Fasttage auch für die in
der Welt lebenden Christen verbindlich waren. Was die arabische Vita an-
langt, so enthält sie den Passus über die Katechese doppelt. Der erste Passus
(S. 373): »Er verordnete drei Katechesen in der Woche, eine Samstags und
zwei Sonntags; die Vorsteher der Häuser hatten Mittwochs und Freitags die
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Das egypL Mönchtum im 4. Jahrh. 205
selbst seine Mönche fast täglich unterwiesen za haben. Die eine
Katechese schloss sich an das gemeinschaftliche Morgengebet ^) an,
während die andere Unterweisung nach dem Abendbrot stattfand*).
Was den Inhalt der Katechesen anlangt, so belehrte Pachomius
in denselben die Mönche über das Gebet und die Meditation oder
erklärte die hl. Schriften oder sprach über verschiedene Geheimnisse
des Glaubens, wie über die Menschwerdung und das Leiden Christi
und die Auferstehung der Toten. In der Kegel blieben die Mönche
nach der Katechese noch beisammen und unterhielten sich über das
Gehörte ^). Am Schluss der Katechese sprach Pachomius ein Segens-
gebet, worauf die Mönche in ihren Zellen über die vernommene
Unterweisung zu meditieren hatten^).
Theodor, der schon als junger Mönch manchmal im Auftrage
des Pachomius vor der Korona der Mönche Katechesen gehalten
hatte (C 49), blieb als Generalabt dieser Tradition seines Meisters
treu. Er hielt die Katechese stehend oder sitzend; nach derselben
fand eine Art Diskussion statt , indem die Mönche ihn über Nicht-
verstandenes interpellierten oder ihre Schwierigkeiten vorbrachten.
Am Schluss der Katechese warfen sich die einen Mönche auf ihr
Angesicht nieder, während die anderen beteten. Endlich entliess
Theodor die Versammlung mit einem Segensspruch ^). Interessant
ist auch das, was uns Ammon in seinem Briefe (c. 2—4) über eine
Katechese berichtet, der er gleich nach seinem Eintritt ins Kloster
Pheböou beiwohnte. Der Generalabt Theodor hielt dieselbe unter
einem Palmenbaum ab. Zunächst fand eine Art Schuldkapitel statt,
eine Übung, die wir in der Ordensregel des hl. Benedikt wiederfinden.
Die Mönche erhoben sich einer nach dem anderen, klagten sich
über ihre Fehler an und erhielten von Theodor eine 'angemessene
Zurechtweisung. Hierauf sprach dieser über die Verfolgung der
Unterweisang zu erteilen c ist aus der Vita M 35 geschöpft. Der zweite Passus
(A' 376 »Er ordnete an, dass der Vorsteher des Klosters Samstags eine und Sonn-
tags zwei Katechesen in der Gebetsversammlung halte; den Vorstehern der Häuser
trug er auf, Mittwochs und Freitags nach der Anordnung der Apostel zu
fasten c). der nach C 19 (vgl. Ladeuze S. 58 f.) gearbeitet ist, zeigt, dass auch
der Araber die sehwierie;e griechische Vorlage gleich den Bollandisten miss-
verstanden hat. Indes kam es dem Araber selbst etwas sonderbar vor, dass
nur die Vorsteher der Häuser zu der Faste am Mittwoch und Freitag ver-
pflichtet sein sollten; darum fügt er noch die Bemerkung hinzu: »Was die
übrigen Mönche anlangt, so überliess er die Sache (das Fasten) ihrer freien
Wahl,€
1) P 19, A' 618, Reg. Fach. art. 20.
2) C 35, 45, 48, 49, 56. 79, M 41, 104, 171 ; A' 386, 663; ep. Ammon. c. 17.
3) C 86-37, Reg. Fach. art. 20, 188.
4) M 101, 172, 241, C 37.
5) M 236—241.
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206 Das egypL Mönchtum im 4, Jahrh,
Kirche durch die Arianer und gab zum Schluss den Mönchen Be-
scheid auf die an ihn gestellten Fragen. Da Theodor selbst nur
koptisch sprechen konnte, so wurden seine Worte den nur des
Griechischen mächtigen Brüdern durch einen gleichnamigen Mönch,
der eine hohe Bildung besass und Lektor der Kirche von Alexandria
gewesen war, verdolmetscht.
Aus der hieronymianischen Pachomiusregel erfahren wir noch,
dass die Mönche bei der Katechese des Abtes nach der Ordnung
ihrer Häuser und ihres persönlichen Ranges Platz zu nehmen hatten
(Reg. Fach. art. 21, M. 237). Sobald das Zeichen dazu gegeben
wurde , hatten sie sich sofort einzufinden. Wer bei der Katechese
ohne Grund fehlte, erhielt eine Strafe (Art. 23, 188). Wer während
der Unterweisung einschlief, wurde sofort geweckt und musste so-
lange stehen, als es der Obere für gut fand (Art. 22). Wenn der
Vorsteher eines Hauses abwesend war, hatte der Vorsteher des be-
nachbarten Hauses die eine von den beiden wöchentlichen Katechesen
in dem Hause des abwesenden Vorstehers zu halten (Art. 115).
Waren auch die Mönche täglich zur Handarbeit angehalten,
so blieb ihnen doch Zeit zur Lektüre ; dieselbe erstreckte sich haupt-
sächlich auf die heilige Schrift^). Der Vorsteher des Hauses versah
die ihm unterstellten Mönche mit den notwendigen Büchern oder
Rollen'). Abends mussten die Mönche die von ihnen benützten
Schriften zusammenrollen und an einem bestimmten Orte des Hauses,
d. i. an einem Fenster, niederlegen, worauf der zweite Vorsteher des
Hauses die Bücher zählte und einschloss (Reg. Fach. art. 100). Am
Ende der Woche mussten aber alle entlehnten Bücher dem Hebdo-
madarius, der die Bibliothek unter sich hatte, abgeliefert werden,
damit dieser seinem Nachfolger den ganzen Bücherbestand übergeben
konnte (art. 25). Welcher Wert übrigens auf die Ausbildung der
Mönche in den Fachomianischen Klöstern gelegt wurde, ergibt sich
daraus, dass jeder das Lesen erlernen musste. Die Analphabeten
mussten sich in der ersten, dritten und sechsten Stunde des Tages
zum Unterrichte bei dem damit betrauten Mönche einstellen (Art. 139;
s. oben S. 190).
ö. Arbeit
Die Mönche führten in den Fachomianischen Klöstern kein
Faulenzerleben. Nur zwei gemeinschaftliche Gebetsübungen waren vor-
geschrieben ; die übrige Zeit des Tages gehörte der Arbeit, wie dies
1) Vgl. Art. 49. 139, 140.
2) C 38.
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Das egypL Mönchtum im 4, Jahrh. 207
aus unzähligen Stellen der Pachomiusviten ersichtlich ist. Die Arbeit
begann gleich nach dem gemeinschaftlichen Morgengebet ^) und
dauerte, abgesehen von der Zeit des Mittagsmahles, bis zur abend-
lichen Oebetsfeier >). Hierauf nahmen die Mönche das Abendbrot
ein, hörten die Katechese an und zogen sich in ihre Zellen zurück.
Manche von ihnen gönnten sich aber nach den Anstrengungen des
Tages keine völlige Ruhe, sondern arbeiteten auch während der
Nacht und räumten nur in Zwischenpausen, und zwar in sitzender
Stellung, dem Schlafe sein Recht ein ').
Zur Erzeugung der Lebensbedürfnisse waren allerlei Arbeiten und
Handwerke nötig. In der ersten Zeit, wo die Gemeinschaft noch winzig
war, beschäftigten sich die Mönche allerdings vorwiegend mit der An-
fertigung von Matten und Körben ^). Es wurden Gärten angelegt und
Ton einzelnen Mönchen mit Sorgfalt gepflegt (S. oben S. 178).
Auch ausserhalb des Klosters finden wir Abteilungen von Mönchen,
bald beim Sammeln von Schilfrohr aus dem Nilflusse (0 33, M 67,
92, P 9, Ep. Anm. 11), bald beim Holzfällen im nahen Gebirge
(C 45, Ep. Amm. 14, 19), bald beim Graben von Brunnen (C 44,
M 91), bald bei der Kräuterlese (Ep. Amm. 16, Reg. Pach. art. 77 f.).
Als die Gemeinschaft grösser geworden war, wurde der Ackerbau
gepflegt*), und in jedem Kloster wurden für allerlei häusliche Be-
dürfnisse Werkstätten eingerichtet«). Bei allen diesen Arbeiten
herrschte Zucht und Ordnung; so waren die Mönche je nach ihrer
Beschäftigung in besonderen Häusern des Klosters untergebracht;
selbst der Gang der Mönche zur Arbeitsstätte sowie die Rückkehr
ins Kloster musste ordnungsmässig vor sich gehen 7). Die Mönche,
welche nach einem wöchentlichen Turnus für die Verteilung der
Arbeitsstofife und Geräte zu sorgen hatten und bei der Arbeit die
Aufsicht führten, hiessen Hebdomadarii. Sowohl von diesen wie
auch von den übrigen Mönchen fordert die Pachomiusregel Gewissen-
haftigkeit und Treue bis ins Kleinste. Ein Beweis dafür sind die
minutiösen Vorschriften, die sich auf die Aufbewahrung und den
Gebrauch der Ärbeitsutensilien beziehen®).
1) Reg.. Pach. art. 5, 25.
2) C 45, Epp. Amm. c. 14.
Q\ p og Ar 631
4) C 55,* 67. P 15, 29, 85 f., M 50, 102. Reg. Pach. art. 5, 12, 26.
5) C 50, 68, 81, Reg. Pach. art. 58-66.
6) Siehe oben S. 177 f.
7) Reg. Pach. art. 58, 65, 68, 130.
8) Art. 66, 25, 26, 27, 125. 181, 146, 147, 152, vgl. auch C 55, A' 441.
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208 Das egypL Mönchtum im 4. Jahrh.
Bei alledem waren die Klöster keine Fabriken oder Werk-
stätten. Die Arbeit wurde nicht bloss verrichtet, um damit den
Bedarf des Lebens zu decken , sondern war eine Art Gottesdienst*
Deshalb war eitles Geschwätz und Gelächter bei der Arbeit ver-
pönt; vielmehr sollten die MOnche bei ihrer Beschäftigung beten,
meditieren oder Psalmen singen und, falls es notwendig war, sich
nur durch Zeichen oder Winke gegenseitig verständlich machen^).
Dieses Stillschweigen bei der Arbeit finden wir bei allen späteren
monastischen Instituten als unverbrüchliches Gesetz wieder.
Noch in einer anderen Beziehung sollte die Arbeit eine Tugend-
schule sein; die Mönche sollten nicht ans Neigung, Ehrgeiz oder
Gewinnsucht, sondern aus Gehorsam ihr Tagewerk verrichten. Als
ein Mönch eines Tages zwei statt der einen aufgegebenen Matte
geflochten hatte und dieselben am Fenster der Zelle zur Schau
stellte, erklärte ihm Pachomins, alle seine Mühe und Arbeit sei ver-
loren und für den Teufel verrichtet, legte ihm eine schwere Busse
auf und forderte die Brüder auf, für den zu beten, der auf zwei
schlechte Matten mehr als auf den Himmel gehalten habe. Ein
anderes Mal bemerkte Pachomius in einem Kloster, dass die für die
Küche bestimmten Mönche ihr Amt vernachlässigten und dafür sich
einer Beschäftigung hingaben, die nach ihrer Meinung dem Kloster
mehr Nutzen brachte; er Hess sofort die fünfhundert von ihnen an-
gefertigten Matten verbrennen zum Zeichen, dass nicht das Utilitäts-
princip, sondern der Gehorsam für die Mönche massgebend sein
solle«).
Dem Gehorsam auf Seiten der Untergebenen entsprach auf
selten der Vorgesetzten Liebe und Masshaltung. Die Mönche wur-
den nicht als Knechte und Arbeiter des Klosters, sondern als Bruder
betrachtet. Darum beteiligte sich Pachomius selbst bei den be-
schwerlichsten Arbeiten'); auch die übrigen Vorgesetzten des
Klosters sollten hierin mit gutem Beispiel vorangehen ; ihre Arbeits-
leistung sollte vorbildlich sein für das den Untergebenen aufzuer-
legende Pensum^). Eine Überladung der Mönche mit Arbeit war
verpönt^). Eine Bücksichtnahme auf die menschliche Schwäche be-
1) Reg. Fach. art. 59, 60, 68, C 57, M 109, M 114, Ar 447, dazu noch
C 43, M 90, A' 505, Art. 116.
2) S. oben S. 187; vgl. auch P 15 f., A' 609 - P. 84, A' 635 f.
3) C 33, 45, M 67, 92.
4) Reg. Fach. art. 177: 'Viffinti qainqae orgyas praepositus dornns ac
secandas debebant de palmartim foliis tezere, at ad ezemplam eoram operentnr
et caeteri.'
5) Art. 179.
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Das egypU Möntkium im 4. JahrK 209
weist auch die Verordnung, dass Mönche, die an heissen Tagen bei
der Arbeit ausserhalb des Klosters zu müde geworden waren, nach
ihrer Heimkehr nicht zum gemeinschaftlichen Abendgebet gezwungen
werden sollten (Art. 189).
Den Verkauf der .Erzeugnisse der Klöster besorgte ^ wie oben
(S. oben S. 179) gezeigt worden ist, der Ober?erwalter des Haupt-
klosters Pheböou mit einigen ihm unterstellten Mönchen, und zwar
teils in den Nachbarortschaften (P 21—23, A' 621—623), teils in
Alexandria (C 73, A' 510, 642). Schon zu Lebzeiten des Pachoroius besass
der Klosteryerband für diese Geschäftsreisen zwei SchiSe (G 73, A' 642,
vgl. auch M 245, Reg. Pach. art. 118 und 119). Bei alledem hatte
es Pachomius bei Gründung seiner Klöster nicht aufs Schätzesam-
meln abgesehen. Als einmal ein Mönch Sandalen zu einem verhält-
nismässig hohen Preise verkaufte und seine Handlungsweise damit
entschuldigte, dass er sonst für einen Dieb angesehen worden wäre,
Hess Pachomius diese Entschuldigung nicht gelten ; der Mönch musste
den Überschuss zurückerstatten und wurde seines Amtes enthoben
(P 23, A' 623). Als ein anderer Mönch zur Zeit einer Haogersnot
von dem befreundeten Obersten der Stadt Hermouthis Getreide zu
einem billigeren Preise erstand, massregelte Pachomius denselben und
bestand darauf, dass der tagesübliche Preis bezahlt wurde (P 22,
A' 620). Dieser Gesinnung entsprach auch der Grundsatz des Pa-
chomius, dass überflüssige Elostervorräte unter die Armen verteilt
wurden. Auch zur Zeit der Hungersnot, wo die Armut sich auch
im Kloster fühlbar machte, Hess Pachomius die Fürsorge für die
Armen nicht ausser Acht (C 9, M 9, 27).
H. Speist" und Faatenvoraehriften.
Die Historia Lausiaca enthält drei ascetische Speisevorschriften.
An der Spitze der sog. Engelsregel heisst es (Hist. Laus. c. 38):
»Lass jeden nach Bedarf essen und trinken und nach Verhältnis des
Essens arbeiten und hindere sie weder am Fasten noch am Essen.
Demnach gib den Starken schwere Arbeit; denen aber, die
schwächer sind und strenger leben, gib leichtere Beschäftigung.c
Gegen Ende derselben Engelsregel: »Bei Tisch sollen sie ihr Haupt
mit der Kapuze verhüllen, damit keiner den anderen kauen sehe;
auch darf niemand beim Essen reden noch über den Tisch oder
seine Schüssel hinausschauenc. Im 39. Kapitel der Historia Lausiaca
findet sich noch folgende Tischsatzung: »Die minder Starken kom-
men zur siebenten Stunde nnd essen, da sie schwächlicher sind;
andere essen zur neunten oder zehnten Stunde oder am Abende . . .
Schiwiets, Mönohtum. 14
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210 Das egypt. MOnchtum im 4. Jahrh.
Der erste Text besagt nur, dass es dem individuellen Ermessen
der Mönche anheimgestellt war, in welchem Masse sie Enthaltsam-
keit in Speise und Trank üben wollten. Der zweite Text, der sich
inhaltlich mit dem Berichte Gassians (De instit. coenob. IV, 17)
nnd der hieronymianischen Pachomiusregel (art. 29; vgl. auch art. 8,
86, 37, 90) deckt, setzt voraas, dass bei den Pachomianern ge-
meinschaftliche Mahlzeiten üblich waren. Unter Berücksichtignng
dieser Thatsache ist der dritte Text wohl dahin zu verstehen, dass in
den Pachomianischen Klöstern zwei gemeinschaftliche Mahlzeiten,
die eine um die siebente Stande oder nach der Mitte des Tages, die
zweite am die neunte oder zehnte Stunde oder abends, abgehalten
wurden, und dass das Fernbleiben von der ersten Mahlzeit aus asceti-
schen Gründen gestattet war. Bei solcher Interpretation liesse sich
der Inhalt dieses Palladiustextes mit den Angaben der Pachomius-
viten vereinigen. Es ist nämlich, wie noch im selben § gezeigt wer-
den wird, sehr wahrscheinlich, dass die zweite Mahlzeit je nach der
Jahreszeit zu einer verschiedenen Stunde stattfand, und dass an den
beiden Fasttagen der Woche, an denen das Mittagsmahl wegfiel,
das Abendessen schon sehr zeitig, etwa nach der neunten Stunde,
üblich war.
Diese Deutung des Palladiustextes wird allerdings in Frage
gestellt durch die arabische Pachomiusvita , welche diesen Text
folgendermassen paraphrasiert (S. 377): »Jeder Bruder ging zu
Tisch, wann er wollte, und nahm seine Portion; aber nur einmal
am Tage; einige unter ihnen assen um die sechste, andere um die
siebente, andere um die achte, andere um die neunte, andere um
die zehnte, andere um die elfte Stande, andere am Abend, wenn die
Sterne am Himmel sichtbar wurdenc Demnach hätten die Pa-
chomianer keine gemeinschaftliche Mahlzeiten gehabt, sondern ein-
zeln zu verschiedenen Zeiten je nach Bedarf gespeist. Allein die
arabische Version desavouiert sich selbst, indem sie, abgesehen
von diesem aus Palladius geschöpften Text, an verschiedenen
Stellen*) in Übereinstimmung mit den übrigen griechisch-kopti-
schen Viten*) von zwei gemeinschaftlichen Mahlzeiten zu Mittag
und am Abend berichtet. In den drei Parallelberichten C 43, M 89,
A' 420 wird erzählt, dass Pachomius keine Sonderlichkeiten unter
seinen Mönchen duldete; als er daher einmal wahrnahm, dass ein
Mönch aus eitler Selbstgefälligkeit nur abends mit den Brüdern zu
1) Ar 420, 524.
2) C 43, M 89; vgl. auch Prolog, ad Beg. Fach. n. 5; C 49, M99, P 17.
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Das egypt Mönchium im 4. Jahrh, 211
Tisch zu gehen pflegte, gab er ihm einen Verweis und befahl ihm,
sich auch zur Mittagszeit zur gemeinschaftlichen Tafel zu begeben
und mit den Brüdern Brot nebst der dazu gehörigen Zukost zu ge-
messen ; da er eine starke Constitution habe , so brauche er sich ja
nicht völlig zu sättigen. Hieraus ergibt sich, dass es zwei gemein-
schaftliche Mahlzeiten gab; zu Mittag wurde nur wenig gegessen,
während bei der Abendmahlzeit, die reichlicher war, völlige Sättigung
gestattet war. Die Zeit des Abendessens wird in den Viten nur all-
gemein durch ö<|/^ (arab. fiwakti'lmasäi) angegeben. Indes wird ein-
mal (P 17, A"^ 613) berichtet, dass die Mönche schon um die zehnte
Stunde zu Tisch gingen ; solches geschah jedenfalls nur an den Mitt-
wochen und Freitagen, den beiden Fasttagen der Woche, wo die
Mönche, gleich den übrigen Christen des 4. Jahrhunderts^), das
sog. semiieiunium beobachteten und nur eine einzige Mahlzeit hielten.
Diese aus den Viten geschöpften Notizen über die Mahlzeiten in den
Pachomianischen Klöstern stimmen auch mit den Speise Vorschriften
der hieronymianischen Pachomiusregel überein ^).
Die Nahrung der Mönche war Brot, Käse, Gemüse, ein Brei
aus Getreide oder Linsen, Oliven, Feigen und Datteln*). Nach dem
Zeugnis des Pachomius war es unter den damaligen Asceten üblich,
Samstags und Sonntags gekochtes Gemüse zu geniessen ; er selbst
verlangt, dass solches öfters serviert wurde; dies sei notwendig
wegen der jüngeren und schwächeren Brüder, die einer besseren
Nahrung bedurften; die übrigen hätten auf diese Weise auch Ge-
legenheit, sich durch Verzicht auf gekochte Speisen in der Enthalt-
samkeit zu üben. In der Tat assen viele Mönche nur rohe Kräuter,
die mit öl und Essig angemacht wurden*).
Den schwerkranken Mönchen liess Pachomius in einem be-
sonderen Krankenhause die liebevollste Pflege angedeihen; sie durften
Wein, Fleisch und ein liquamen ex piscibus geniessen »). Ein Kranken-
1) S. unten S. 212 f.
2) Prolog, in Reg. Pach. nam. 5: Aegrotantes ministrorum sastentantur
obseqaiis et ad omnem copiam praeparatis cibis. Sani maiore pollent absti-
nentia. Bis in hebdomada, qaarta et sexta Sabbati ab omnibas ieianatar,
«zeepto tempore Paschae et Pentecostes. Aliis diebus comedant, qai volant
post meridiem : et in coena similiter mensa ponitur propter laborantes, senes et
pneros aestasque grayissimos. Sunt qui secundo param comedant; alü qm
prandii sive coenae nno tantum cibo contenti sunt. NonnulU gustato pauluium
pane egrediaotar. Omnes pariter comedant. Qai ad mensam ire noluerit, in
•cellala saa panem tantam et aqnam ac salem accipit , sive in uno die yolaerit,
mIyq post bidaam. Vgl. aach art. 90, 102, 112.
8) C 34, 85, 43, P 15-16, 29, M 79, 117, 133, A' 877, 396, 458, 536,
552, 630.
4) P 15, 16, Ar 609-611.
5) C 34, 50, P. 29, A' 377, 630, Reg. Pach. art. 40—46, 52, 54.
14*
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212 Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh,
Wärter, der einem leidenden Mitbruder ein Fleischgericht verweigerte^
erhielt von Pachomins einen strengen Verweis, weil er die Satzungen
des Klosters über das Qebot der Nächstenliebe stellte (C 34, M 69).
Die Sitte der Tischlektüre bestand bei den Pachomianern nicht ;
doch wurde während der Mahlzeit ein strenges Stillschweigen be-
obachtet. Wenn eine Speise auf- oder abgetragen werden sollte^
machte der Vorsteher darauf durch ein Zeichen aufmerksam (Reg.
Pach. art. 30, 31, 33, 34; Cassian, De instit. coen. IV, 17). Damit
niemand sehen konnte, wie und wie viel der Nachbar ass, musste
jeder Mönch bei Tische sein Haupt mit der Kapuze verhüllen
(Art. 29, 30).
Unter den tragematia (TpayT^fiaxa) , die den Brüdern beim
Hinausgehen aus dem Speisesaal in Portionen für drei Tage gereicht
und in der Zelle verzehrt wurden, sind wohl Nüsse oder ähnliches
-als Nachtisch geeignetes Knabberwerk zu verstehen (Art. 37, 38).
Sonst durften keine essbaren Gegenstände in der Zelle aufbewahrt
werden (art. 79, 114; C 61, M 103). Überhaupt war es nicht ge-
stattet, ausserhalb der Mahlzeit etwas zu geniessen; nur die Mönche,
die beim Obstpflücken beschäftigt waren, erhielten einige Früchte
während der Arbeit von ihren Vorgesetzten (art. 78).
Die Paste am Mittwoch und Freitag^) erscheint schon in der
Doctrina Apost. (c. 8) als förmliche Verordnung. Diese Faste dauerte
nach Tertullian (De ieiunio c. 13) und nach Epiphanius (Expos, fid.
c. 22) bis zur neunten Stunde, d. h. bis zur Mitte des Nachmittags,
und unterblieb in der Pestzeit zwischen Ostern und Pfingsten (Ter-
tull. de coron. c. 3; Epiphanius, Expos, fid. c. 22). Es ist darum
nicht zu verwundern, wenn es in der hieronymianischen Regula
Pachomii (prolog. n. 5) heisst: 'Bis in hebdomada, quarta et sexta
Sabbati ab omnibus ieiunatur, excepto tempore Paschae et Pentecostes'
(Vgl. auch art. 115, 138). Die Verordnung, die sich in den Viten
(C 19, M 36, A' 373, 376) über die im Laufe der Woche abzu-
haltenden Katechesen findet, setzt gleichfalls die Beobachtung dieser
beiden Fasttage bei den Pachomianern voraus, und vielleicht sind
die zwei Parallelberichte (P 17, A' 612 f.) ein Beleg dafür, dass die
1) Den apost. Konstitationen (V, 15) infolge hatten diese beiden Fast-
tage als Motiv den Verrat and den Tod Cfhristi. Da Hippolyt (im 4. Bache
des Danielkommentars) den Gebartstag Christi aaf den Mittwoch ansetzt, so
hält es Qrülzmacher (Die Bedeatnng Benedikts von Narsia and seiner Be-
fel n. s. w., Berlin 1892, S. 24) für wahrscheinlich , dass der Mittwocbsfaste
ieser Gedenktag za Grande liege; diese Annahme beraht indes aaf einer
Verkennang der Idee des Fastens.
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Das egypU Mönchtum im 4. Jahrh, 213
Mönche, gleich den übrigen Christen der damaligen Zeit ^), schon nach
der Mitte des Nachmittags dieses Fasten aufhoben.
Aus den Festbriefen des hl. Athanasius geht hervor, dass im
Patriarchat von Alexandrien von allen Christen eine vierzigtägige
Faste vor Ostern beobachtet wurde. Der Bischof Ammon, der dem
Patriarchen Theophilus von Alexandria über seine Erlebnisse in dem
Pachomianischen Kloster Pheböou Bericht erstattete, erwähnt dieses
Quadrageslmalfasten >). Aus derselben Stelle^ ergibt sich, dass die
Mönche in dieser Zeit nur abends Speise zu sich nahmen. Der
Generalabt Theodor empfiehlt nämlich in einer Katechese, die er
am Dienstag der Karwoche in Plieböou vor dem gesamten Mönchs-
verbände hielt, jeden Abend, mit Ausnahme des Freitags (d. i. des
Karfreitags), zu Tische zu gehen und warnt mit Rücksicht auf die
menschliche Schwäche die Faste auf zwei Tage auszudehnen.
Indes verwehrte Pachomius seinen Mönchen durchaus nicht, auch
ausser diesen offiziellen Fastenzeiten privatim Enthaltsamkeit zu üben,
sondern respektierte es, wenn ein Mönch sich durch ein Qelübde eine
grössere Strenge auferlegte >). So pflegte der Gärtner Jonas (P 29,
A' 630) nur an der Abendmahlzeit teilzunehmen und sich dabei
noch aller gekochten Speisen zu enthalten. Wenn ein Mönch grössere
Enthaltsamkeit üben und darum von der gemeinschaftlichen Mahl-
zeit fern bleiben wollte, so erhielt er von dem Praepositus seines
Hauses Brot, Salz und Wasser in seine Zelle (Prolog, in Beg. Pach.
num. 5, art. 80). Es wird ausserdem (Prolog, in Reg. Pachomii
n. 5, Eist. Laus. c. 39) erwähnt, dass manche Mönche das Fasten
nicht an einem Tage abschlössen, sondern auf zwei und mehrere
Tage ausdehnten. Doch verbot Pachomius seinem Schüler Theodor
länger als zwei Tage zu fasten; man müsse es, erklärte er, ver-
meiden, sich durch übermässiges Fasten zur Erfüllung der Berufs-
pflichten untauglich zu machen (M 52, A' 394 f.).
Endlich ist zu bemerken, dass sich die Mönche an den Fast-
tagen, abgesehen von der einmaligen Mahlzeit, auch den Genuss des
Wassers versagten (Hier. Reg. Pach. art. 87).
/. Schlaf' Vorschriften.
In der sog. Engelsregel lautet die auf den Schlaf bezügliche
Satzung folgendermassen : »Schlafen sollen die Mönche nicht liegend.
1) Vgl. Linsenmayr, Eatwicklang der kirchlichen Fastendisciplin,
München 1877, S. 71 f.
2) Ep. Amm. c 18; vgl. auch M 121, A' 461.
3) C 19, M 35, C 53, A' 586.
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214 Das egypL Mönchtum im 4. Jahrh.
sondern aaf selbstgemachten Sitzen mit Rücklehnen ; und nachdem
sie daselbst ihre Decken ausgebreitet, sollen sie sitzend schlafen . . »
Joder von ihnen soll ein Schaffell (melote) tragen ; ohne dieses sollen
sie weder essen noch schlafenc.
Diese angebliche Regel entspricht in vielfacher Beziehung nicht
den thatsächlichen Verhältnissen, wie dies aus den authentischen
Angaben der Pachomiusviten ersichtlich ist. Nach dem Bericht
von C 9 und A'^ 482—484 schlief Pachomius fünfzehn Jahre lang
in sitzender Stellung auf der Erde, und zwar in der Mitte der
Zelle, sodass er sich nicht an die Wand anlehnen konnte. Viele
Mönche versuchten sich in derselben Ascese; doch machten sie sich
später Sitzbänke zum Schlafen. Auch Pachomius pflegte in den
späteren Lebensjahren an die Wand gelehnt auf einer Sitzbank za
ruhen; das Gleiche wird von dem Gärtner Jonas berichtet (A' 631),
und an einer Stelle (A' 605) heisst es, dass die bedeutendsten
Schüler des Pachomius entweder auf blosser Erde oder auf Matten
schliefen, und dass der strenge Ascet Bontonis sogar in seiner Krank-
heit das Bett verschmähte.
Die Mönche schliefen nur im Untergewande; das Tragen des
Schaffelles während der Nachtruhe verstiess gegen die Regel, wie aus
A' 366 hervorgeht. (Vgl. auch Ammonis ep. c. 9, Hier. Reg. Pach.
art. 88.)
Jeder Mönch schlief in seiner Zelle (Ep. Amm. c. 16), deren
Thür offen blieb, damit der Vorsteher auch zu dieser Zeit die Mönche
revidieren konnte (M 130, A' 366). Auf Reisen schliefen sie ge-
meinsam, desgleichen daheim, während der heissen Nächte in ge-
meinsamen kühleren Räumen; doch musste dabei jeder Mönch eine
besondere Lagerstätte haben. Auch durfte zur Zeit der Nachtruhe
nicht gesprochen werden; wer wach wurde, musste im stillen beten
(Hier. Reg. Pach. art. 107, 87, 94; A' 866).
Durch diese Vorschriften sollte der ernste Sinn unter den
Mönchen gefördert und jegliche Sinnlichkeit und Bequemlichkeit
von ihnen fern gehalten werden.
K. Ritus des .Begräbnisses.
Wenn ein Mönch starb*), wurde bei seiner Leiche von den
Mitbrüdern die Totenwache unter Lesung der hl. Schrift und Ge-
bet gehalten. Am folgenden Tage wurde der Leichnam in Leinen-
tücher gehüllt und im Gebirge*) beerdigt. Der auf dem Gange
1) C 75, 95, A' 605, 649, 652, 703.
2) -' ■ -■ '- ~
2) Die darauf bezügliche Satzung der zweiten äthiopischen Begel lautet :
»Keiner werde von Seiten der Brüder verlassen, zur Zeit wann ein Bruder stirbt»
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Das egypU MOnchtum im 4. Jahrh. 215
4
nach der Begräbnisstätte übliche Psalmengesang war in ähnlicher
Weise, wie der bei den gemeinschaftlichen Gebetsversammlungen,
geregelt. Nur die vom Abte des Klosters dispensierten Mönche
durften bei dem Leichenbegängnis fehlen (Reg. Fach. art. 27, 28).
Wer kränklich war, aber an diesem Akte der Pietät gegen den Ver-
storbenen teilnehmen wollte, erhielt einen Mitbruder als Begleiter^
der ihm auf diesem Gange behilflich sein musste (Art. 129). Dass
für den verstorbenen Mönch auch das eucharistische Opfer darge-
bracht wurde, ergibt sich aus C 65 und M 151.
L. Kleiderordnung,
Nach der sog. Engelsregel soll bei den Pachomianern schon
seit der Gründung des ersten Klosters folgende Kleiderordmmg be-
standen haben: »Während der Nacht sollen die Mönche leinene
Unterkleider tragen und gegürtet sein. Jeder von ihnen soll eine
aus Ziegenfell gearbeitete ([itjXcdt'Jiv aiYSiav etpyaofxeviQV Xsüxiqv)
Melote tragen; ohne diese sollen sie weder essen noch schlafen.
Gehen sie aber zur hl. Kommunion, am Samstage und Sonntage, so
sollen sie den Gürtel um die Melote ablegen und blos mit der
Kukulla hinzutreten. Er verordnete ihnen aber KukuUen ohne
Zotten, wie sie die Knaben tragen, und Hess an denselben ein pur-
purfarbiges Kreuz anbringen«.
In den Pachomiusviten werden jedoch nur zwei Kleidungs-
stücke, das üntergewand (XeüTxcbv) und der Mantel (fn^XoDTi^), er-
wähnt. In der Vita C 9 wird berichtet , dass Pachomius nur zwei
üntergewänder besass, sodass er wenigstens wechseln konnte, um
das gebrauchte Kleidungsstück waschen zu können. Dass er der
Landessitte gemäss ausser dem üntergewand noch einen mantel-
artigen Überwurf trug, bezeugt die arabische Vita (p. 396); doch
wird an dieser Stelle bemerkt, dass er sich dieses Überwurfes nur
an kalten Abenden bediente; am Tage benutzte er ihn nur dann,
wenn er zum Empfang eines Priesters oder eines Mönches aus seiner
Zelle hinausging. Häufig trug er auch unter dem ünterkleide ein
härenes Busshemd i). Der Gärtner Jonas, sein Schüler, trug ge-
wöhnlich ein aus drei Schaffellen zusammengenähtes Kleid und an
Kommuniontagen einen Lebiton aus grobem Wollstoff (P 29, A' 630).
damit sie ihn bis zum Berge geleiten €. Dass hierin nicht der Berg Nitria, wie
König (Stadien und Kritiken 1878 S. 830 Anm. 1) behauptet, sondern das in
der Nfihe des Klosters gelegene Gebirge gemeint ist, ist wohl selbstver-
ständlich.
1) C 69; das Gleiche wird von Theodor berichtet (C 93).
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216 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh,
Nach der Angabe der Doctrina s. Orsiesii (nain. 22) and der
hieroDymianischen Pachomiusregel (Prolog, num. 4, art. 81) wareu
folgende Kleidungsstücke yorgeschrieben : auf dem blossen Leibe
hatten die Mönche ein leinenes üntergewand (leviton), das nach
Hieronyraus ohne Ärmel war, nach Gassian (De instit. coen. I, 5)
aber mit ganz kurzen Ärmeln versehen war, und einen leinenen
Gürtel (zona, zona linea, balteolus lineus) um die Lenden. Über
dem Unterkleide trugen sie ein Schaf- oder Ziegenfell (pellicula quae
pendet ex latere, pellicula quam meloten vocant), das den Bücken
und die Schultern bedeckte. Eine ganz kleine bis zum Nacken
reichende Kapuze (cucullus) diente als Kopfbedeckung (vgl. Cassian
1. c. I, 4), an der das Zeichen des Klosters und des Hauses, dem
der Mönch angehörte, angebracht war^). Diese Kopfhülle trugen
die Mönche bei Tische, um ungesehen Enthaltsamkeit üben zu
können, desgleichen beim Gottesdienste, um ungestörter die Andacht
pflegen zu können ^). Ausser dem aus Schaffellen gearbeiteten Mantel
oder der Melote hatten die Mönche noch ein leinenes Obergewand
(palliolum lineum, amictus lineus), das jedoch nur selten, wie im
Krankheitsfalle, benutzt wurde (Art. 42, 61, 101, 105, 128).
Gewöhnlich gingen die Mönche barfuss; nur wenn Krankheit,
die Winterkälte am Morgen oder die Sommerhitze zu Mittag es
notwendig machte, bekleideten sie ihre Füsse mit Sandalen. Auf
Reisen hatten sie einen Stab (Art. 82, 95, 66, 101, 81; Cassian
1. c. I, 9, 10).
Was den Kleider Vorrat anlangt, so durfte jeder Mönch zwei
Kapuzen sowie drei Unterkleider, darunter ein abgenutztes für die
Nachtruhe und die Arbeit, in seiner Zelle haben; die übrigen
Kleidungsstücke, die er zeitweilig entbehren konnte, wurden von
dem zweiten Vorsteher des Hauses in einem besonderen Kleider-
zimmer verwahrt. Jeder Mönch musste seine Kleider selbst waschen
und trocknen (Art. 81 ; 67—72, 102, C 38). Die Anfertigung der-
selben aber wurde in den Frauenklöstern besorgt (C 86).
Wenn wir die Tracht der egyptischen Mönche bei Cassian mit
jener der Pachomianer vergleichen , so bestand darin kein nennens-
werter Unterschied. Überhaupt unterschied sich die Kleidung der
Mönche von der der Weltleute weniger im Schnitt als durch die
Einfachheit des Stoffes. Es ist darum nicht angebracht, in der
Kleidung der Pachomianer eine Nachahmung der heidnischen
1) Reg. Fach. art. 99: 'Caculli singalonim habebnnt monasterii signa et
domus.'
2) Cassian. 1. c. IV, 17, Reg. Fach. art. 29-
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Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh, -217
Priester Egyptens zu wittern. Am^lineau, der auch diese Mut-
inassang ausspricht^), findet nur, dass nur der lebiton ohne Ärmel
beiden eigentümlich ist, ein Umstand, der doch keine hinreichende
Handhabe für solche weitgehende Conklusionen bietet. Die Kleidung
der Mönche diente nur zur Bedeckung des Leibes und zum Schutze
gegen die Kälte ; die Grobheit des Stoffes sollte aber jede Weich-
lichkeit verhüten. Die Kapaze war notwendig gegen die sengende
Sonnenhitze. Die Melote diente als Überwurf, aber auch als Sack
(Reg. Fach. art. 38). Von Revillout*) ist den Mönchen auf Grund
der ältesten Mönchsregeln zum Vorwurf gemacht worden, dass sie
auf die Reinigung der Kleider zu grosse Stücke hielten; das sei
gegen die Armut; allein Armut und ünsauberkeit sind doch keine
identischen Begriffe. Übrigens ist es einleuchtend, dass das leinene
Zeug und die Schaf- oder Ziegenfelle das billigste und einfachste
Material zur Bekleidung eines Orientalen gewesen sind.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Landessitte oder viel-
mehr das Utilitätsprinzip bei den Mönchen in der Wahl der Ge-
wandstücke massgebend war. Nichtsdestoweniger haben in der Folge-
zeit ascetische Schriftsteller den einzelnen Kleidungsstücken eine my-
stische Bedeutung beigelegt und dies in eigenen Schriften behufs
ascetischer Unterweisung erörtert*).
M. Verhältnis der Mönche zur Aussenwelt,
Schon früher (S. oben S. 167 f.) ist erwähnt worden, dass
Pachomius seine Regeln nicht auf einmal verfasst hat. Manche Regeln
wurden modificiert, als der Klosterverband grössere Dimensionen an-
nahm oder andere Gründe eine Änderung notwendig machten. Eine
solche Änderung erfuhr die ursprüngliche Praxis bezüglich der Besuche
der Anverwandten. AnßLnglich sah es nämlich Pachomius nicht gern,
dass die Mönche Besuche ihrer Angehörigen empfingen^); sie sollten
eben von den Banden der Blutsverwandtschaft ganz losgelöst sein;
auch die Furcht vor der Gefahr des Abfalles von ihrem früheren
Vorhaben mag Pachomius dabei geleitet haben. Als aber die Be-
suche der Angehörigen immer häufiger wurden, konnte er den Bitten
derselben nicht widerstehen und milderte die ursprüngliche Satzung
dahin, dass er einen gewissen Verkehr der Mönche mit ihren An-
1) J^tade historique aar St. Pachdme, Le Gaire, Barbier, 1887, S. 32.
2) Reme de Thistoire des reli^ons t. VIII, 423.
8) Evayrius PonticuSt Capita practica ad Anatoliam, Cassian (De
instit. coen. I).
4) C 22, 26, M 36 f., 53 f., A' 405.
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218 Das egypt, Mönchtum im 4. Jahrh.
verwandten gestattete^). Dieser Milderung der ursprünglichen Kloster-
disciplin entsprechen die Vorschriften, die sich in der hieronymia-
nischen Pachomiusregel finden.
Meldete sich ein Verwandter an der Elosterpforte zum Besuch
eines Mönches, so durfte dieser mit Genehmigung des Abtes und
des Hausvorstehers von einem älteren Mitbruder in das Xenodochium
geleitet werden. Wenn ihm die Verwandten bei dieser Gelegenheit
Obst oder andere Früchte mitbrachten, so musste er dies alles dem
Pförtner übergeben, der ihm dann einiges davon zuteilte, das übrige
aber ins Krankenhaus trug. Wurden aber einem Mönche andere
Speisen gebracht, so wurden dieselben, falls sie überhaupt nach der
Klosterregel zulässig waren, sofort vom Pförtner ins Krankenhaus
getragen, wo der Mönch einmal davon gemessen durfte (Reg. Pach.
art. 52). Ebenso durften die Mönche mit Erlaubnis der Oberen und
in Begleitung eines erprobten Mitbruders ihre kranken Anverwandten
besuchen und an ihrem Begräbnis teilnehmen (Art. 53, 55). So
wurde dem Mönche Ammou sogar eine weite Reise zu seinen Ange-
hörigen in Begleitung zweier Mitbrüder gestattet (ep. Amm. c. 21).
War das Ziel der Reise vom Kloster weit entfernt, so durften sie
in der Regel nur bei Klerikern oder Mönchen die Mahlzeit einnehmen.
Nur im Notfall durften sie bei ihren Verwandten speisen; doch
mussten sie sich mit solchen Speisen, die auch im Kloster üblich
waren, begnügen (C 42, Art. 54).
Übrigens übte Pachomius Gastfreundschaft gegen alle Fremden,
die an der Klosterpforte anklopften. Zu diesem Zwecke war an der
Pforte das Xenodochium erbaut, wo die Gäste bewirtet und beherbergt
wurden. Ein besonderer Raum war für Frauen bestimmt; diese
durften auch darin übernachten, falls in der Nähe kein Frauenkloster
bestand. Mit besonderen Ehren nahm man Priester und Mönche
auf; man wusch ihnen die Füsse nach Anweisung des Evangeliums
und gestattete ihnen auf ihren Wunsch und mit Genehmigung des
Abtes, an den Gebetsversammlungen sowie am Gottesdienst in der
Klosterkirche teilzunehmen (Art. 51). Es wird wohl einmal (P. 7)
berichtet, dass Pachomius fremden Mönchen das Innere des
Klosters, selbst die Zellen, zeigte. In der Regel aber gestattete
er weder die Besichtigung des Klosters noch den uneinge-
schränkten Verkehr mit den Klosterinsassen; durch diese Massregel
sollte, wie Pachomius einem befreundeten Kleriker aus Tentyra gegen-
1) A' 406: »Jede Sache ist ^at za ihrer Zeit«, sagte Pachomius, »denn
wir befolgen einen strengen und schwierigen Weg. Wir thuen mehr, als in den
Schriften vorgeschrieben ist- Jetzt werde ich euch lehren, was mir thaen
müssen; wir müssen ein wenig Verkehr mit den Leuten ausserhalb (des Klosters)
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Das egypt. Mönchtum im 4, Jahrh. 219
über erklärte, verhütet werden, dass fremde Mönche an dem Be-
nehmen jugendlicher Mitglieder seiner Klöster Ärgernis nähmen^).
Tillemont (Mömoires pour servir ä Thistoire ecclesiastique, tom. VII»
Paris 1706, p. 188) nimmt an, dass anch Laien und Frauen erlaubt
wurde, an dem Gottesdienst im Kloster teilzunehmen; indes lässt sich
dies wohl aus dem Wortlaut der von ihm citierten Satzung der hierony-
mianischen Pachomiusregel (art. 51) nicht mit Sicherheit schliessen.
Überhaupt drang Pachomius darauf, dass seine Mönche nach
Möglichkeit für die Welt abgestorben wären. Darum verbot er
ihnen, im Kloster wie auch ausserhalb desselben weltliche Gespräche
zu führen (A' 503 f.. Reg. Fach. art. 60, 122). Aus demselben
Grunde durften sie sich weder an der Klosterpforte noch auf dem
Gange zur Arbeit ausserhalb des Klosters mit Fremden in Gespräche
einlassen ; etwaige Auskunft hatte diesen einer der Vorgesetzten oder
der Pförtner zu geben (Art. 57, 59). Wollte eine Frauensperson
die Mönche unterwegs anreden, so hatte ihr der Bejahrteste unter
ihnen mit niedergeschlagenen Augen zu antworten (A' 504). Wenn
die Mönche etwas auf Reisen erlebten oder erfuhren, so hatten sie
darüber im Kloster zu schweigen; höchstens erzählten sie es den
Vorgesetzten, die dann davon, falls sie es für erspriesslich hielten,
der Kommunität Mitteilung machten. Ebenso hatten die Pförtner
Briefe oder mündliche Nachrichten der Verwandten an einen Mönch
dem Abte des Klosters zu übermitteln; der letztere entschied, ob
die Kunde hiervon dem Mönche zukommen sollte (A' 503, Reg.
Pach. art. 57, 59).
Endlich sollten die Mönche nach der Weisung des Pachomius
Achtung gegen die weltliche Obrigkeit bezeugen; wenn sie unter-
wegs einem Gemeinde- oder Staatsbeamten') begegneten, so hatten
sie demselben in aller Bescheidenheit Platz zu machen (A' 505).
JV. Die klösterlichen DisziplinarmitteL
Da auch in den Klöstern die allgemeine menschliche Schwäche
zu Tage trat und manche Mönche ihren anfänglichen Eifer verloren,
so ergab sich daraus die Notwendigkeit, gewisse Strafen auf die
Übertretung der klösterlichen Vorschriften zu setzen. Die Über-
nahme der verhängten Strafen war insofern eine freiwillige, als jeder
beim Eintritt ins Kloster mit den schweren Verpflichtungen des
1) G 28. M 58 f.
2) AmMneau (A^ 505) übersetzt ra'tsnn aw dschnndijjan mit »un chef ou
xm Soldat«. Indes, nach dem Zusammenhang zu urteilen, bedeutet hier das
arabische dschund^jun nicht einen einfachen Soldaten, sondern einen kaiser-
lichen Beamten. Vgl. das Lexlcon totius latinitatis von Forcellini über den
Gebrauch von miles im byzantinischen Zeitalter.
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220 Das egypt. Mönchtum im 4. Jahrh.
Mönchslebens bekannt gemacht wurde und sich verpflichten musste,
alle klösterlichen Satzungen unverbrüchlich zu halten. Zudem wur-
den renitente Mönche im Kloster nicht zurückgehalten, auch nicht
zur Abbüssung der verdienten Strafen mit Gewalt gezwungen. Be-
weise dafür finden sich mehrfach in den Pachömiusviten.
Über den Zweck der klösterlichen Strafen spricht sich Pacho-
mius folgendermassen aus^): »Er verordnete, dass jeder, der sich
gegen eine Klostersatzung verging, für seinen Ungehorsam eine ent-
sprechende Strafe erhalten sollte, damit er Verzeihung vom Herrn
erlange und die anderen erschreckt würden und sich nicht
auflehnen gegen die Klostersatzungen, auf dass die Communität
einen festen und unerschütterlichen Bestand hätte«. Der Zweck der
Strafen war also zunächst Besserung des Fehlenden, Verhütung
grösserer Delikte und Abschreckung der anderen. Die Straf bestim-
mungen bezogen sich nicht bloss auf die Aufrechterhaltnng der
äusseren Zucht und Ordnung im Kloster, sondern hatten auch die
Erneuerung und Wiedererweckung des erschlafften ascetischen
Geistes im Auge. Ganz entsprechend der Gesinnung des Pachomius,
der von den Vorstehern der Klöster bei der Leitung der Unter-
gebenen eine gewisse Herablassung und Rücksichtnahme auf die
Individualität forderte, finden wir in dem Strafkodex der Pacho-
mianischen Klöster auch Bestimmungen zum Schutze gegen eine
etwaige Willkür der Vorgesetzten.
Für gewisse Nachlässigkeiten beim Gottesdienst oder bei Tisch
sowie für leichtfertige Behandlung des Klostergutes bestand als
Strafe die öffentliche Zurechtweisung seitens des Abtes. Wenn ein
Mönch beim Zeichen der Tuba nicht sofort sich in die Gebetsver-
sammlung begab und auf diese Weise bei Tage ein Gebet oder
Nachts drei Gebete versäumte, musste er vor den Altar treten und
mit gebeugtem Nacken die Büge des Abtes entgegennehmen, eine
Strafe, die sich nachher noch bei Tisch wiederholte (Reg. Pach.
art. 9, 10, 121). Wer zur Katechese zu spät kam oder bei der-
selben einschlief, erhielt einen Strafplatz und musste so lange stehen,
als es der Vorsteher für gut fand (Art. 22, 23). Ebenso musste
derjenige, der ohne Grund zu spät zu Tische kam, sich an einen
Strafplatz hinstellen oder ohne Speise in seine Zelle gehen. Gleichen
öffentlichen Verweis erhielt ein Mönch , der während des Gottes-
dienstes schwätzte oder lachte oder sich gegen die Anstandsregeln
bei Tische verging (Art. 31, 32, 131, 48). Wer etwas aus Un-
achtsamkeit verlor , wurde gleichfalls öffentlich zurechtgewiesen.
1) A' 502 f., vgl. auch M 186.
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Das egypU Mönchtum im 4. Jahrh. 221
War der verlorene Gegenstand ein Kleidungsstück, so musste er es
drei Wochen zur Busse entbehren (Art. 131). Wer frerade Sachen
sich aneignete, musste, das Gestohlene auf den Schultern tragend,
öffentlich Busse thun und beim Essen stehen (Art. 149).
Äm^lineau^) behauptet, die egyptischen Mönche seien in ihrer
Mehrzahl um kein Haar besser gewesen als ihre heidnischen
Vorfahren, und die christliche Beligion sei bei ihnen etwas rein
Äusserliches geblieben. Sie wären ganz irdisch gesinnt gewesen,
hätten gut gegessen und getrunken und auch dem Laster gefröhnt.
Das hätte sie aber nicht gehindert, Psalmen zu singen und zeitweise
stark zu fasten. Mit diesen Äusserlichkeiten hätten sie sich be-
gnügt und keine Mühe gegeben , die Leidenschaften und Roheiten,
die sie ins Kloster mitbrachten, abzulegen, sondern hätten fest ge-
glaubt, dass das Mönchskleid an und für sich schon ihnen die An-
wartschaft auf die ewige Seligkeit verleihe. Diese Vorwürfe er-
scheinen jedoch selbst unter Berücksichtigung der von Am^lineau
herausgegebenen koptisch-arabischen Pachomiusviten durchaus nicht
berechtigt. Fast täglich, bei allen möglichen Gelegenheiten, erteilte
Pachomius gleich seinen Nachfolgern den Mönchen Unterweisungen
und ermahnte* zum ernsten, sittlichen Streben. Inhaltlich betrachtet
waren die Katechesen weit entfernt einer gewissen Selbstgenügsam-
keit Vorschub zu leisten, vielmehr waren sie geeignet den Mönchen
einen heilsamen Schreck einzuflössen. Die eschatologischen Glaubens-
lehren waren das Lieblingsthema der Katechesen des Pachomius, die
Grützmacher (S. 94 f.) folgendermassen charakterisiert: »Trotzdem
Pachomius vielfach seine Farben, mit denen er seine Hölle und sein
Paradies ausmalt, der egyptischen Religion entlehnt hat, trotzdem
seine Vorstellungswelt ausserordentlich naiv und sinnlich ist, so ist
es doch der ernste, strenge, sittliche Geist der christlichen Religion,
der diese Bilder beherrscht. Pachomius fordert von denen, die ins
Paradies eingehen wollen, eine ethische Gesinnung, den Unreinen,
besonders den geschlechtlichen Sündern , droht er die furchtbarsten
Höllenstrafen an. In der egyptischen Religion legt der, welcher die
Gefilde des Aalu nach seinem Tode bewohnen soll, ein rein nega-
tives Sündenbekenntnis vor dem Throne des Osiris ab; kultische,
nicht ethische Reinheit wird von ihm gefordert. Pachomius versetzt
auch. die in die Hölle, welche auf Erden ihre Pflicht nicht getan
haben; auch die Verleumder müssen ewig für ihre Zungensünden
büssen. Aber selig wird nur der, der mit seinem Pfunde auf Erden
1) Annales da Mas^e Qaimet, Paris (Leroax). t. XVII, Einleitung, bes
8. IV— V.
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222 Das egypt. Mönchtum in^ 4, Jahrh,
gewuchert, der im Gesetze Gottes gelebt, der Gott von Herzen ge-
liebt batc. Aach die AaschaauDg, dass das MöDchskleid allein die
ewige Seligkeit garantiere, finden wir bei den Pachomianern nicht
vertreten. Pachomius verbietet einmal den Psalmengesang und das
eucharistische Opfer für einen verstorbenen Mönch, dessen Fehler
übrigens den Mitbrüdern verborgen geblieben waren*); diese exem-
plarische Strafe sollte heilsame Furcht den überlebenden Mönchen
einflössen. Er schildert ihnen bei einer anderen Gelegenheit nach
der Weisung des Herrn die Strafen der Hölle, damit sie sich fürchteten
und denselben zu entgehen trachteten '). Ja in seinen Visionen sieht
er auch Mönche in den Flammen des höllischen Feuers >). Ähn-
liche Anschauungen spricht sein Lieblingsschüler Theodor aus^):
»Seien wir nicht nachlässig, vergessen wir nicht die Satzungen, die
uns Pachomius, als er noch unter uns weilte, gegeben hat! Was
haben wir denn vor den anderen Menschen voraus? Etwa, dass wir
ein anderes Kleid tragen, unsere Lenden umgürtet sind und wir zu
einer Communität vereinigt sind. An vielen Orten trägt man die-
selben Kleider wie wir u. s. w.«
Ja, Am^lineau^) versteigt sich sogar zu der Behauptung, die
ägyptischen Mönche hätten ihr Augenmerk nur darauf gerichtet,
ihre Schlechtigkeiten und Übertretungen der Klostersatzungen zu
verbergen, um nicht aus dem Kloster vertrieben zu werden. Diesen
schweren Vorwurf haben die Pachomianer nicht verdient. Wir haben
oben (S. 205) gesehen , wie diese Mönche bei der Katechese ihre
Fehler dem Abte öffentlich bekannten, wie sie (S. oben S. 220 f.) selbst
bei Tische, wo gewöhnlich die Welt nicht gestört oder an Fehler
nicht erinnert werden will, demütig ihre Nachlässigkeiten abbüssen
mussten. In Übereinstimmung mit der Thatsache, dass die Oberen
sich nicht mit äusserer Werkgerechtigkeit begnügten, sondern auf die
Reformation des inneren Menschen drangen, stehen auch die Satzungen
der ursprünglich in koptischer Sprache verfassten Pachomiusregel, die
für verschiedene Nachlässigl^eiten in der Bekämpfung der Leiden-
schaften entsprechende Bussen als geistliche Arznei verordnen und
die Ablegung der^ Fehler bezwecken.
In der Regel erhielt ein Mönch, der irgend eine böse Gewohn-
heit nicht ablegte, mehrmals einen Verweis und im Wiederholungs-
falle folgte darauf eine strengere Strafe, die einen nachhaltigen Ein-
druck in der Seele des Fehlenden zu hinterlassen geeignet war. Wer
ohne jeden Grund zornig wurde, sollte sechsmal ermahnt, beim
1) S. oben S. 143 f. — 2) T 553, M 140. — 3) M 136, A' 519. —
4) T 602. — 5) A. a. 0. S. V und CX.
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Das egypt. Mönchlum im 4. Jahrh, 223
siebenten Male von seinem Platze entfernt und unter die letzten ge-
setzt werden. Versprach er vor drei Zeugen Besserung, so erhielt
er seinen alten Platz wieder, wo nicht, sollte er für immer denselben
verlieren und stets den letzten Platz einnehmen (Reg. Pach. art. 161).
Wer trotz zehnmaliger Verwarnung streitsüchtig, lügnerisch, unge-
horsam blieb oder den Hang zum Widerspruch oder Hass oder zu
Witzeleien, barschen Antworten oder zum Ehrabschneiden nicht auf-
gab, erhielt vom Abte eine entsprechende Strafe auferlegt (Art. 150,
151, 165). Wer mit Knaben scherzte oder mit ihnen zu vertraulich
war, erhielt einen dreimaligen Verweis und wurde im Wiederholungs-
falle aufs schärfste zurechtgewiesen (Art. 166). Wer die Gewohnheit
hatte zu murren oder über jedes ihm aufgetragene Oeschäfb sich zu
beklagen, wurde fünfmal ermahnt. Nützte dies nichts, so wurde er
ins Krankenhaus verwiesen und dort wie ein Kranker mit der nötigen
Nahrung versehen ; war jedoch diese Klage begründet, so wurde der
Ärgernisgeber mit dieser Strafe belegt (Art. 164). Wer Krankheit
als Entschuldigungsgrund für die Nachlässigkeit in der Beobachtung
der Klostersatzungen vorschützte, erhielt dieselbe demütigende Strafe
und blieb solange im Krankenhause, bis er Besserung versprach.
(Art. 171). Teilnehmer an der Sünde eines Mitbruders wurden
gleichfalls streng bestraft; doch wer aus Unwissenheit gefehlt hat,
dem sollte gern verziehen werden (Art. 176). Wenn ein Mönch den
Hang zur Verleumdung halte, so erhielt er zunächst zweimal einen
Verweis; besserte er sich darauf nicht, so musste er, abgesondert
von den übrigen Brüdern, sieben Tage bei Brot und Wasser fasten.
Über denjenigen, der sich über alle im Kloster vorkommenden Ver-
gehen gern zum Richter aufwarf, wurde von zwanzig, zehn oder fünf
Mönchen, die im Kloster ein gutes Zeugnis hatten, ein peinliches
Gericht gehalten; der als schuldig befundene Übeltäter erhielt bis
zur Besserung den letzten Platz im Kloster. Wie übrigens mit
Strenge Milde gepaart war, beweist die Anordnung, dass fahnen-
flüchtige Mönche wieder aufgenommen werden sollten, wenn sie
reuigen Sinnes ins Kloster zurückkehrten und eine Busse auf sich
nahmen ; ergab die von einigen erprobten Mönchen angestellte Unter-
suchung, dass ein Mönch durch sein Benehmen zu dieser Fahnen-
flucht die Veranlassung gab, so wurde derselbe den Klostersatzungen
gemäss bestraft (Art. 136, 175).
Der Generalabt war niemandem ausser Gott verantwortlich.
Die Zurechtweisung oder Absetzung eines Klosterabtes hing von dem
freien Ermessen des Generalabtes ab (S. oben S. 178). Dagegen
enthält die Pachomiusregel einige Disciplinarmittel, welche der
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224 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh.
kbt eines Klosters gegen die ihm unterstellten Praepositi domorum and
Dispensatores anwenden konnte. Wenn ein Gerät verloren ging, so wurde
der Minister zurechtgewiesen ; nur mit Erlaubnis des Abtes durfte dann
der Minister dem schuldigen Mönch einen Verweis erteilen (Art. 136).
An einer anderen Stelle heisst es wieder: Wenn der Praepositus
domus den Verlust einer Sache dem Abte binnen drei Tagen nicht
meldete, so musste er die übliche öffentliche Busse leisten. War
ihm ein Mönch davongegangen, so hatte er davon dem Abte in den
nächsten drei Stunden Mitteilung zu machen, widrigenfalls er diese
Versäumnis mit einer dreitägigen Busse sühnen musste (Art. 152,
153). Gleicher Strafe verfiel er, wenn er einen säumigen Mönch nicht
sogleich zurechtwies noch dem Abte dies meldete (Art. 154). Wenn
ein Praepositus domus oder ein Dispensator die Nacht ausserhalb des
Klosters zubrachte, musste er Busse thun und durfte seine frühere
Stellung nur mit Genehmigung des Abtes einnehmen (Art. 137).
Endlich war zum Schutze der Untergebenen bestimmt, dass eine An-
zeige an den Abt erfolgen sollte, wenn die Gesamtheit der Brüder
wahrnahm, dass der Praepositus domus sehr nachlässig war oder die
Satzungen des Klosters übertrat (Art. 158). Über einen Haus Vor-
steher, der nicht nach Wahrheit und Gerechtigkeit, sondern nach Gunst
und Laune seine Untergebenen zurechtwies, wurde von einigen erprobten
Mönchen ein peinliches Gericht gehalten; er verlor sein Amt, bis er
sich vom Schmutze der Ungerechtigkeit gereinigt hatte (Art. 170).
An sich war dem Pachomius, wie er selbst erklärte (P 2),
die körperliche Züchtigung als Strafmittel nicht sympathisch. Indes
wandte er dieses Strafmittel gegen einen ganz jugendlichen
Mönch an, der trotz aller Versprechungen in seinen alten Fehler
zurückfiel und sein früheres Metier als Komiker auch in den
Klostermauern nicht vergessen konnte. Die Notiz über diese körper-s
liehe Züchtigung findet sich zwar in den beiden Parallelberichten
66 f. und A' 518 f. nicht; indes scheint sie doch auf Wahrheit
zu beruhen ; denn in der Regula Pachomii (art. 173) heisst es, dass
wenigstens alle Knaben, denen weder die beschämende Zurecht-
weisung noch der Gedanke an das Gericht Gottes Furcht einzu-
fiössen vermögen und mit Worten nicht gebessert werden könnten,
mit Schlägen zu bestrafen seien. Auch in der Vita T 307 wird er-
wähnt, dass der Generalabt Theodor die körperliche Züchtigung als
äusserste Strafe anwandte.
Halfen diese Disciplinarmittel nichts, so erfolgte die Aus-
stossung aus dem Kloster (G 66, P 2, M 193, 196, A' 510).
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225
Dritter Teü.
Bfickblick anf das egyptische Mönchtnm des yierten Jahr>
handerts.
§. 1. Ein Sütenspiegel für Mönche aus dem vierten Jahrhundert.
Im Jahre 1685 veröffentlichte Arnold auf Qrand einer aas
dem 11. Jahrhundert stammenden griechischen Handschrift einen
Sittonspiegel für Mönche, Kleriker und Laien, der den Namen
»ZüVTayfia didaaxaXia<; (Syntagma doctrinae)€ fährt und als ein
Werk des hl. Athanasias bezeichnet wird^). Montfaucon^) hat er-
kannt, dass der Stil des Syntagma nicht athanasianisch sei; doch
geht er zu weit, wenn er das Werk aus lexikographischen Gründen
in eine spätere Zeit verlegt').
Eine zweite griechische Reccnsion des Syntagma doctrinae ist
im Jahre 1784 von Mingarelli gefunden und herausgegeben worden*).
Im Jahre 1881 veröffentlichte Revillout^) nach einer bor-
gianischen Handschrift (aus dem 10. bis 11. Jahrh.) und nach
einem Turiner Papyrus (ans dem 10. Jahrh.) ein koptisches cano-
nistisches Sammelwerk, welches 1) das Symbolum, die Namen der
318 Väter und die disciplinären Canones des nicänischen Goncils,
2) das Syntagma doctrinae und 3) je einen Brief des Paulinus von
Antiochia, des hl. Epiphanius und eines Erzbischofs Rufinus ent-
hält. Das in dieser Sammlung vorhandene koptische Syntagma hat
in textlicher Hinsicht mit dem Mingarellischen die meisten Be-
rührungspunkte^). Diese beiden letzteren Recensionen haben auch
als Einleitung eine identische Bxpositio fidei, und schliesslich er-
scheint in beiden nicht Athanasius, sondern die 318 Väter des
Concils von Nicäa als Urheber des Syntagma.
1) Abgedruckt bei Migne, s. gr., tom. 28, coL 835—845. Siehe auch
Hyvernat, Le Syntagma doctrinae dit de s. Athanase in Hatiffols Studia
Patristica, 2. fasc. Paris (1890) S. 121 ff., wo neben dem Arnoldsehen noch
ein kürzerer Text des Syntagma nach einer vatikanischen Handschrift mitge-
teilt ist. ';.,
2) Migne, 1. c. col. 835—836.
8) Hu'vernat a. a. 0. S. 129 f.
4) Abgedr. bei Migne, 1. c. col. 1638 ff.
5) HeviUoutf Le concile de Nicee d'apres les textes coptes (1881). Vgl.
dazu Journal Asiatique, septierae serie, t. I p. 284 ■., t. V. p. 5 s. und t. VI
p. 473 8.
6) Uyvernat a. a. 0. S. 181 ff.
Schiwietz^ Mönclitum. 15
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226 Rückblick auf das egypt MOnchtum des 4. Jahrh.
Bevilloat glaabte, dass die ganze koptische Collektiou die
Akten der im Jahre 362 zu Alexandria abgehaltenen Synode dar-
stelle. Indes das Dokument gibt sich selbst als solches nicht aus;
es enthält weder die Namen der Teilnehmer an dieser Synode noch
das wichtige Synodalschreiben an die Antiochener. Die einzige
Reminiscenz in diesem koptischen Sammelwerk an die alexandrinische
Synode ist der Brief des Paulinus von Antiochia, der in den
Handschriften dem ebengenannten Synodalschreiben beigeffigt er-
scheint. Gegen die Hypothese des Bevillout spricht auch noch
folgendes Moment: Bekanntlich verhandelte die Synode von Alexan-
drien über die Aufnahme der Arianer in die Kirche, Aber die
pneumatomonhischen Irrtümer, über die Termini ouata und 6ic6aTaai<;
und über die Menschheit Christi; davon findet sich aber in dem
koptischen Sammelwerk keine Spur ^). Ebensowenig kann behauptet
werden, dass die Bischöfe zu Alexandria besondere Vorschriften für
das christliche Leben gegeben hätten. Revillout*) beruft sich zwar auf
die Notiz des Synodalschreibens an die Antiochener 3), dass nämlich
nach der Abreise der ausländischen Bischöfe die egyptischen noch in
Alexandria zurückgeblieben wären. Aber es fehlt der Beweis, dass
die Zurückgebliebenen über christliche Zucht und Sitte verhandelt
hätten. Wenn endlich Bevillout^) daraufhinweist, dass Athanasius,
die Hauptperson der alexandrinischen Synode, von Gregor von
Nazianz wegen des Syntagma doctrinae als »Gesetzgeber des Mönch-
thumsc bezeichnet wird, so irrt er sich, da als Grund hierfür von
Gregor die von Athanasius verfasste vita Antonii ausdrücklich an-
gegeben wird*).
Wenn nun auch das Syntagma nicht ein Werk des Athanasius
ist, so lässt sich doch erweisen, dass dasselbe seinem Zeitalter an-
gehört Epiphanius nämlich, der in seiner Jugendzeit das egyp-
tische Mönchswesen persönlich kennen gelernt hat, beschliesst sein
aus verschiedenen Quellen kompilirtes Panarion mit einem 2uvTOfio<;
aXifjÄTjc: Xdyoc: «epl irtOTeax; xaftoXix^<; xal iirooxoXix^c: exxXiQOtac:.
1) Vgl. Dacheant^s Kritik über das obengenannte Werk des Revitlout
im Bulletin critiqae, Paris 1881, S. 330 ff.
2) Journal Asiatiqne, YII serie, t. Y, p. 16.
3) Tomus ad Antiochenos, Cap. 2 und 9 (Migne, s. gr. t. 26 col. 797).
4) Journal Asiatique, VII s^rie, t. V, p. 17.
5) Gregor, Na%. orat. 21 cap. 5: Xlavta [ilv Stj xa ixcivou yi^wi te xa\
daufi^i^eiv fiaxpöxepov 3cv eTi) xu/ov, ^ xaxa xtjv ^apouaav opfjL^v xoO Xöyou, xoi laropia;
IpYov, oux £Uf mitt; ' \ xol föia icapaSouvai Ypa^^ naihvi^k xe xal ?iSua(jitt xot; e?^
ö(TXEpov, eÖY% epyov Ijxo^, woTCEp Sv Ix^vo? 'Avxtoviou xoO ^£(oü ßiov auv^YP^?^^ "^^^
(AovaSixou ßlou vo[jLodEa(av, ^v icXaa[Aaxi S(7)Y^a£(0(. (Migne, s. gr. t. 35 col. 1085 f.)
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Rückblick auf das egypt Mönchlutn des 4, Jahrh. 227
In diesem Epilog ^) rekapitulirt er den Inhalt des Panarion,^ zählt
sodann die verschiedenen Stände der Kirche, einschliesslich der
Mönche aaf, und am Ende teilt er einen Sittenspiegel fär das
christliche Leben mit, der sich wesentlich mit dem Inhalt des Syn-
tagma doctrinae deckt. Es muss mithin die letztgenannte Schrift
vor der Abfassung des Panarion, d. i. vor 374—377, existirt haben.
Einen gleichen terminas ad qnem für die Abfassungszeit des
Syntagma erhält man bei Berücksichtigung der dieser Schrift vor-
ausgeschickten Expositio fidei'). Dieses Qlaubensbekenntnis enthält
zunächst das Symbolum Nicaenum ohne die Zusätze des Gon-
stantinopolitanum. Der weitere Artikel vom hl. Qeist, über den ja
schon 362 zu Alexandria verhandelt worden ist, lässt gleichfalls die
genaue Terminologie des Goncils von Constantinopel vom Jahre 381
vermissen. Der Artikel von der Menschheit Christi spielt noch nicht
auf die Theologie des Nestorins, wohl aber auf den Appollinarismus
an, gegen den schon die eben genannte Synode von Alexandria
Stellung nahm. Die kurze Bemerkung über den Anthropomorphis-
mus braucht auch nicht ein Hinweis auf das Zeitalter des hl. Üyrillus
von Alexandria zu sein; denn schon Epiphanius spricht in seinem
Panarion (haer. 70) von den anthropomorphitischen Audianern.
Die der Mingarellischen und koptischen Recension des Syntagma
vorausgeschickte Expositio fidei weist also gleichfalls auf die Ab-
fassungszeit vor 381 , bez. vor 374—377 hin. Immerhin wäre es
denkbar, dass die Expositio fidei und das eigentliche Syntagma nicht
zu gleicher Zeit entstanden seien; doch muss die Vereinigung dieser
beiden Stücke jedenfalls vor 381 erfolgt sein, da es in den orthodoxen
Kreisen jener Zeit nicht üblich war, neuere, prägnantere Glaubens-
bekenntnisse zu ignorieren und dafür den älteren den Vorzug zu
geben.
Auch ein terminus a quo lässt sich für die Abfassungszeit des
Syntagma gewinnen. In der Mingarellischen Becension des Syntagma
findet sich nämlich folgende Apostrophe an die Mönche: Kai ^v
fiexaSt) &de\(p(üv 01x5 c, xal %XV^ Tovtxöv X^P^'^^7 iixatcüc oovaycüv
xapTCoix:, xal [xy] U äSixiac xal TtXeoveStac * icpÄTOv xac aicapxac ooü
Tolc lepsüotv Iv Tig ixxX7]oia 7rp6o98ps ' SicstTa X^]p^^ "^^^ öp^avoüc
avdnauB , xal toix; Xoitioüc aSüva'toüc, 4icö ocuv iixatwv tcovwv • fjiT]
4ic6 Toxoü xai TtXeovovsStac. Et 8e xal fxovoc xafteCu, P-^ ^ßpiClJC xy]v
Saxi]aiv xijc ^oüxtac'e? ^v fjtovaaTTjpto) ^aü^aCeid ^«1 xtt^otj x^P^^^
xal 7tpayfiaT8üOü xal ^aüxa'C^c * aXX' JfiTcat'Cstg xal IfiicatCeoai. Kadi^-
1) Migne s. gr. t. 42 col. 773 ff.
2) Hyvernat a. a. 0. S. 137 f.
15*
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228 Rückblick nvf das egypU Mönchtum des 4, Jahrh,
fievoc Iv fiovaoTTf]puo , liiq ftIXe Äp^oc; elvai, xat ütcö aXXcov xps^eo-
OafTva TY]v l(p%epov 1x13^ xpo^igvi). Der erste Satz enthält also
eine Weisung an die in der Welt (fiSTOtSü a3eX(pa)v, in der Arnold-
sehen Recension des Syntagma : fiSTa^u tu>v ivftpwiccuv) lebenden
Äsceten. Im Gegensatz zu diesen in der Welt lebenden Asceten
werden alsdann zweierlei Hesychasten oder abgesondert von der Welt
lebende Asceten erwähnt, und zwar wird zuerst der »fxovog xaftsCö-
fxevoc« d. i. der für sich allein in einer Zelle lebende Anachoret und
zuletzt der in einem Monasterium mit Genossen lebende Mönch (iv
fiovaoTTjpto) ^oüxaCcov oder xa^igfievoc, firj OeXe ütcö aXXuiv Tps^eodai)
apostrophiert. Mithin werden in dem Syntagma drei Klassen von
Mönchen unterschieden '). Da aber die Entstehung des Anachoreten-
1) Migne s. gr. t. 28 col. 1642. — In der ArjiotdBchen Recension des
Syntagma heisst es ähnlich: Kai e? (xlv [xexafu xwv av&pwxwv oJxel;, xa\ eysi?
•/^wpiov, ^xoi yetopyiov IpYaJ^e^Oat ' Sixatw? ouv&y^v xapjcou; El öe e?? (jiov7)v
oux ave)(^('
e^^at apY . .,-, , . -,^ .^,
(Migne 1. c. col. 841). Auch hier werden drei Klassen von Asketen erwähnt.
Der »s?? [jLovV xa&s^o(jLsvo;€ wird unterschieden von dem »Iv (jiovaaTT]p{o) avaywp^v
oder xa^e^öpLEvo;« und ist somit identisch mit dem »(xövo; xa^e^msvo^c in der
Mingarellischen Recension des Syntagma. Dass aber das Wort (xovtJ im 4, Jahrh.
auch für die Zelle eines Anachoreten gebraucht wurde, ergibt sich aus der
griechischen Pachomiusvita C 5 (Acta Sanctorum, 1866, Maii, t. 3, p. 23 *).
— Den entsprechenden Text des koptischen Syntagma übersetzt Rr.viUout
f olgendermassen : Si tu habites au milieu des hommes et que tu aies un champ
de tes peres, tu le travailles, tu en recueilles les fruits en toute honnStete,
Sans faire tort a personne. Et d'abord tu en donnes les premices a r%lise;
ensuite tu as pitie des veuves, des orphelins et des autres, en leur donnant le
fruit de ton travail et non celui de Tusure, de Tavarice ou d'un sordide negoce.
Si tu habites dans une fiow! (sorte de village monastique) et que tu y possedes
un champ, tu es seul et tu ne Tes pas, et si tu te moqnes, d*autres se moque-
ront de toi. Si tu habites dans une [xovrj, ne sois pas paresseux, de sorte que
les autres soient obliges de te nourrir du fruit de leur travail; raais travaille
de tes mains, afin de trouver chaque jour la nourriture que tu dois manger
(Rapport etc. p. 485 s.). In diesem koptischen Text des Syntagma fehlt der
auf die Anachoreten bezügliche Passus »et l\ xat piövo; xa^^T) xtXc Die von Re-
villout in Paranthese beigefügte Erklärung von {xov?! als »sorte de village mo-
nastique« ist rein willkürlich. Er gibt keinen Beweis dafür, dass unter (xovt!
nur ein Mönchsdorf, wie es solche in Nitria, Pispir und anderswo gab, zu ver-
stehen wäre. In der griechischen und koptischen Pachomiusvita werden die
streng cönobitisch eingerichteten Pachomianischen Klöster nicht nur (xovaToipia,
sondern auch [xovat genannt. Vgl. Vita C 22, 25, 28, 35, 38, 39, 42, 50; Vita
M 41, 48, 61, 71 etc. Damit fällt auch die Behauptung Hf.viUouts (Rapport etc.
p. 475 SS.), der Verfasser des Syntagma hätte nur die Mönchsdörfer oder
Mönchskolonien berücksichtigt, während,, ihm die Pachomianischen Cöuobiten-
klöster unbekannt gewesen wären. Übrigens wird die folgende Darstellung
zeigen, dass die Disciplinarvorschriften des Syntagma mit den Satzungen der
Regula Pschomii in Einklang stehen.
2) Die Richtigkeit der Interpretation des obigen Syntagma-Textes be-
stätigt Epiphanius ; am Schlüsse seines Panarion, wo er einen mit dem Syntagma
sich inhaltlich deckenden Sittenspiegel mitteilt, heisst es : Ttvl; 81 xcov (lova^övitov
auxT)? (der Kirche) xatatxouat xa? TcöXeic (=: 5j itexafu a8eX<pwv o?x^§ des Syntagma),
xiv^S hl Iv ^ovaaxT)ptot; xa^^ovxat (= xaO-iJjxsvo? ev [/.ovaaxrjpfw des Syntagma) xa\ ajco
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Bückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh. 229
tums und die Eotwicklung der Monasterien in das Zeitalter des
Antonius und des Pachomius gehört, so kann das Syntagma erst
nach der Mitte des 4. Jahrhunderts verfasst sein.
Allerdings ist das Syntagma kein originelles Werk, sondern
eine erweiternde Bearbeitung der sog. Zwölfapostellehre, indem
dieser für Priester und Laien verfasste Sittenspiegel noch einige auf
das Mönchtum bezügliche Zusätze erhielt, worauf Harris, Warfield
und Hyvernati) hingewiesen haben. Ja, die textlichen Berührungs-
punkte des Syntagma mit der vermutlich in Egypten entstandenen,
jedenfalls aber in der egyptischen Kirche als Bechtsbuch anerkannten
»apostolischen Eirchenordnungc lassen darauf schliessen, dass diesen
beiden Schriften ein besonderer , in Egypten im Umlauf befindlicher
Typus der Zwölfapostellehre zu Grunde lag'). Dies alles spricht
dafür, dass Egypten auch für das Syntagma als Heimat angesehen
werden dürfte. Diese Vermutung wird noch dadurch bestärkt, dass
das Syntagma nicht nur in einigen Handschriften dem hl. Athanasius
zugeschrieben, sondern auch in koptischer Übersetzung überliefert
erscheint. Es ist darum wohl angebracht, dass bei der Besprechung
des egyptischen Mönchtums auch die ascetischen Principien des
Syntagma zur Erörterung gelangen.
Eine Durchsicht dieser Disciplinarvorschriften zeigt, dass die-
selben nicht bloss für die Mönche, sondern auch für die Kleriker
und Laien berechnet waren ^). Im folgenden soll nun hieraus das
auf das Mönchtum Bezügliche besprochen werden.
(XTjxo^ev ava/^ojpouaiv (= el 8k xa\ (xövo^ xa^T) des Syntagma). S. Expositio fidei
c. 23 bei Migne s. gr. t. 42 col. 829.
1) Hyvernat a. a. 0. S. 148 f.
2) Ebendas. S. 158 f.
3) Revillout, Rapport sar nne mission en Italie, in den Archives des
missions scient. et litt., lll s^rie, t. IV (1877) S. 471: >Nos dem versions de
Naples et de Tarin (d. i. das koptische Syntagma) disent avec de legeres va-
riantes a propos da haat commerce et des Operations de banqae : >Ne te livre
pas da tont an neg^oce. II y a de pays oa Ton ne pent ni labonrer ni travailler
a la terre. Les habitants n*ayant pas de mutier sont Obligos de faire da negoce.
Ce n'est pas ane bonne chose. Mais c'est par necessite qu'ils agissent ainsi.c
Cette interdiction du negoce regardait donc tous les chretiens, saaf le
cas d*absolae necessite. Aassi saint flpiphane (am Schiasse des Panarion)
ravait-il resumee dans sa forme plas generale en ce pea de mots: »TupaYfJLaTeuxa?
oux ajcoÖ^x.£xai, aXXa uxoSeear^pou; Tcavtwv ^Yst'c*^*« »L*Eglise ne re^oit pas ceax qai
fönt da negoce, mais eile les jage les plus miserables et les derniers de tous.c
L'editear anonyme (d. i. die Arnoldsche Recension des Syntagma) transcrit an
contraire: »"OXw^ (jltj jrpaYfJLateüou. IIoXXol yjapai s?aiv ul^ oTcspacjai, xol ol oZxouvxes,
socv T^/^va; [xf) e/tooiv, avaYxaJ^ovxai 7:paY|j.ax£Ü£a&ai, xav [lt] t^ai [xova^ovxe?, xai Tcpaypia-
xeüovxat, xaxw; |i^v, tcX^v avaYXT) Tuoiet.« L'introduction des mots xav |j.7] wai
[jLovdl^ovxE? , »bien qu'ils ne soient pas moines,€ denatare ici toate la pens^e de
notre texte. 11 est trop evident que les moiues ne sont pas en qaestion.«
Es ist allerdings richtig, dass diese Satzang direkt nur die Laienchristen an-
geht. £)s ist aber nicht ersichtlich, wie B. zu der Meinung kommt, dass die
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230 Rückblick auf das egypt Mönchium des 4. Jdhrh.
Zunächst wird im Syntagma den Asceten und Mönchen zur
strengen Pflicht gemacht, getrennt von Weibern zu wohnen und
den Verkehr mit ihnen zu meiden, damit auch das Herz von ehe-
brecherischen Gedanken frei bleibe i). Hiermit wird der dritte, gegen
das Syneisaktentum gerichtete Kanon des nicänischen Konzils einge-
schärft. — unter den Anachoreten galt diese Vorsichtsmassregel als
strenge Verpflichtung. Bezüglich der Anachoreten in der sketischen
Wüste beisst es in den Apophthegmata patrum (Migne s. gr. t. 65,
col. 252): »Süvig&eta ih xoiauTi] ^v Iv Sxi^xei, ?va %\bi\ ^uvt] XaX^aat
hitk(fm auT^c 1^ £XX(p dia^lpovti auxig, aicö fxaxpoftev xaOeCofxIvoov
auTcuv &ic' &XXi]X(i)v ofiiXwatv &XXi]Xot(;€. Aus demselben Grunde
baute man in den nitrischen Mönchskolonieen eigene Xenodochien.
Die von Pachomius getroffenen Massnahmen (S. oben S. 218 f.)
sollten auch den leisesten Verdacht in dieser Beziehung von seinem
Klosterverband fern halten.
Femer werden die älteren Asceten und Mönche angewiesen,
sich der jugendlichen Mitbrüder anzunehmen und ihnen in aller
Demut ascetische Unterweisungen zu erteilen. Die jungen Mönche
sollen besonders dahin instruiert werden, dass sie einerseits keine
unnützen Besuche bei ihren Nachbarn machen, die Einsamkeit
lieben und das betrachtende Gebet in ihren Zellen pflegen, an-
dererseits auch am Tisch des Herrn und an der liturgischen
Synaxis in der Kirche teilnehmen ^). Bezüglich des ersteren
Punktes wissen wir, dass die Koryphäen des Mönchtums, An-
tonius, Makarius und Pachomius, sich zu Beginn ihrer asceti-
schen Laufbahn alten und bewährten Asceten anschlössen. Dieser
Grundsatz war auch in den Anachoretenkolonieen massgebend; der
junge Mönch betrachtete seinen Lehrmeister in der Ascese als
seinen geistlichen Vater '). In dem Pachomianischen Klosterverbande
Worte »xSv tx^ toai fxov(S:2^ovTE^« den Sinn des Satzes entstellen. Der Sinn ist
doch der: Christen, welche in einer unfruchtbaren Gegend wohnen und kein
Handwerk hetreiben können, werden durch diese Verhältnisse gezwungen Handel
zu treiben; und wenn sie auch nicht Mönche sind, und doch Handel treiben,
so ist das vom Übel, ausser wenn die Not dazu treibt.
Tüiv dydaX^wv opaaew?. Syntagma n. 2 : M)) v^tvi Yuvaixa ouveiaaxtov. (Migne s.
gr. t. 28, col. 837.)
2) Ebendas« n. 6.
3) Eine interessante Studie über den ascetischen Unterricht in den ersten
orientalischen Monasterien findet sich bei D. J, M* Besse, Les meines d*Orient,
Paris (Oudin), 1900, p. 211 ff.
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f Bückblick auf das egypt JUOnchium des 4, Jahrh, 231
war für die religiös-sittliche Aasbildung der Neulinge hinlänglich
(S. oben S. 204 ff.) gesorgt.
Bezüglich des Privatbesitzes statuiert das Syntagma ^) einen Unter-
schied zwischen den in der Welt lebenden Asceten einerseits und
den Anachoreten und Gönobiten andererseits. Die ersteren därfen
ihren Privatbesitz behalten ; sie sollen ihren Acker behalten und be-
bauen. Die Erstlinge sollten der Kirche geopfert werden , das
übrige sollte teils zum eigenen Lebensunterhalte dienen, teils unter
die Armen, Witwen und Waisen verteilt werden. Der von der
Welt abgesondert lebende Anachoret dagegen soll »die Ascese der
Buhe nicht verletzenc. Damit ist jedenfalls gemeint, dass er sich
des Rechtes auf Privatbesitz begeben soll; diesen Sinn legt der
Gontext nahe ; denn sowohl in dem vorhergehenden als auch in dem
folgenden Satze ist die Bede von der Stellung des Mönchtums zum
Privatbesitz. Die Absonderung von der Welt erfordert nämlich auch
die Losschälung von Hab und Gut; das Gegenteil wäre ein Hohn
auf die zur Schau getragene Soxijatc ^aux^'^c Seit den Tagen des
hl Antonius war es daher Regel, dass die sich in die Wüste
zurückziehenden Asceten sich aller Habe entledigten (vita Antonii
c. 2, 5, 17; Apophthegmata Patrum, Migne s. gr. t. 65 col. 82,
col. 328; Verba Seniorum, Migne s. 1. t. 78 col. 772, col. 920).
Schliesslich wird ausdrücklich erklärt, dass auch der Mönch, der
sich in ein Monasterium zurückzieht und daselbst mit anderen
Brüdern zusammenlebt, auf Privateigentum verzichten müsse; denn
das Sichzurückziehen von der Welt reimt sich mit dem Behalten
der irdischen Güter nicht.
Als erste ascetische üebung wird die Arbeit*) betont. Der
Ascet soll fleissig seinen Acker bebauen bez. irgend ein Handwerk
betreiben, um Werke der Barmherzigkeit üben zu können. Niemand
soll sich auf seine Mitbrüder verlassen, sondern sich selbst das täg-
liche Brot erwerben. Gewinnsucht oder Uebervorteilung sollte beim
Verkauf der Erzeugnisse ausgeschlossen sein. — Die Notwendigkeit
der Arbeit und die Meidung des Müssigganges wird in der Vita
Antonii nachdrücklich betont. In den Mönchskolonieen auf Nitria
sowie in den Pachomianischen Cönobien finden wir alle möglichen
Handwerke vertreten. Die Koryphäen unter den/Mönchen geben als
fleissige Arbeiter den Mitbrüdern das beste Beispiel. Der üeberschuss
der Arbeit gehörte den Armen. Dieselben Anschauungen über die
1) Der Text findet sich oben S. 227 f.
9) SyntfigmÄ ». 6.
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232 Rückblick auf das egypt MOnchtum des 4. Jahrh.
Arbeit finden wir in der Fachomianischen Gesetzgebung. (S. oben
S. 206 ff.)
Als zweite ascetische üebong wird das Fasten i) bezeichnet.
Das Syntagma unterscheidet zwischen den kirchlichen und den frei-
willigen Fasttagen. Als kirchliche Fasttage werden der Mittwoch
und der Freitag der Woche genannt ; diese Faste sollte bis drei Uhr
nachmittags dauern und in der Zeit von Ostern bis Pfingsten, am
Epiphaniefeste und im Krankheitsfalle wegfallen. Als kirchliche
Fastenzeit sollte auch die Quadragesima und die Karwoche beobachtet
werden. Freiwillige Fasttage sollten der Montag, Dienstag und
Donnerstag sein; am Samstag (mit Ausnahme des Karsamstags)
und Sonntag war das Fasten verboten. An den freiwilligen Fast-
tagen sollten jedoch die Asceten das Fasten unterlassen, falls es
die Pfiicht der Gastfreundschaft erheischte. Das verlängerte Fasten,
die sog. uicepftecK:, will das Syntagma den Mönchen nicht verbieten ;
doch wird das prahlerische Fasten als ein Fallstrick des Teufels
bezeichnet.
Des Fleischgenusses sollten sich die Mönche ganz enthalten,
nicht aus irgend einem unchristlichen Motive, sondern um die Gelüste
des Fleisches leichter zu unterjochen. Desgleichen sollten sie keinen
Wein trinken, höchstens davon kosten und den Schöpfer loben (^ t^ovov
ysoeoOai xal e&XoysTv xöv XTtoavta). Wer jedoch , wie Timotheus,
infolge strenger Ascese (dta TcoXXijv icoXixeiav) krank wird, darf
Wein trinken, doch nur einen oder zwei Becher, mehr nicht*).
Manche Anachoreten gingen noch weiter, enthielten sich aller ge-
kochten Speisen und assen nur trockenes Brot und rohes Ge-
müse. Das Syntagma tadelt diese strengere Lebensweise nicht, aber
es gebietet gekochtes Gemfise zu geniessen, falls ihnen solches auf
Beisen, beim Besuch anderer Brüder vorgesetzt würde. Endlich
wird erklärt, dass der Genuss von Eiern und selbst von Fleisch in
der Krankheit für die Mönche ohne Sünde sei^). — Dass das
1) Syntagma n. 2.
2) Syntagma doctr. 5 : Olfvou SXw; pir) Xajjißavs, ?) (xövov Ye^isa^ai xal soXo^etv
xbv xT{90(vta. Die letzten Worte sind eine Anspielung anf eine mönchische Sitte.
Die egyptischen Anachoreten pflegten an den Sonn- und Festtagen nach dem
Gottesdienst gemeinschaffclich zu speisen (Hist. monach. c. 7, Yerba Seniornm
Migne, s. 1. 1. 73 col. 909). Bei dieser Gelegenheit kam es vor, dass den Brüdern
ein Becher Wasser (Verba Seniorum, 1. c. col. 917). manchmal auch Wein (Yerba
Seniornm, 1. c. col. 768) dargereicht wurde. Bei einem solchen Anlass weigerte
sich der greise Sisoes mehr als zwei kleine Becher Wein zu trinken, indem er
bemerkte: üau^oci, aSsX^k, ^ oux oT^a^ Sn sori Zaxava;; (Apophtheg. Patr., Migne,
s. gr. t. 66 col. 893).
8) Syntagma n. 5: Tot; napouaiv apxou. Ka\ lav nspiaaox^pcüv xpsioy xa\
oKviüV iy(7iq 7CoXixe{av, xa\ aazik^i im, E^vtj?, (jl9) ^eXrloT); lauxbv xo(X7caJ^£iv, aXX* ?aos
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Üückblick auf das egypf. Mönchtum des 4, Jahrh. 233
Fasten mit Diskretion geübt werden müsse, lesen wir in der egyptischen
Mönchslitteratur an verschiedenen Stellen. So lautet ein Ausspruch
des hl Antonius (Verba Seniorum, 1. c. col. 912): »Es giebt einige,
die ihren Leib durchs Fasten schwächen; sie sind aber von Gott
fern, weil sie keine Diskretion beobachten.« Der Abt Lucius giebt
einem Mönche, der zwei Tage ununterbrochen fasten wollte, einen
ähnlichen Bescheid (Verba Seniorum, 1. c. col. 918): »Wenn du
auch deinen Nacken bis zur Erde beugst, so wird doch dein Fasten
Qott nicht angenehm sein, wofern du nicht deinen Geist von bösen
Gedanken freihältst.« Der Abt Pambo (Verba Seniorum, 1. c.
col. 923) giebt auf die Frage eipes Mönches : »Vater, ich faste zwei
Tage nach einander und esse dann zwei Laib Brot; meinst du, dass
ich selig werde oder bin ich auf einer falschen Bahn?« folgenden
Bescheid: »Pambo fastet zwei Tage nach einander und isst hierauf
zwei Laiblein Brot; ist er darum schon ein Mönch?« Der Abt
Pastor (Verba Seniorum, 1. c col. 920) erklärt, es sei nach dem Ur-
teil grosser Einsiedler besser, täglich etwas zu essen und sich einen
Abbruch zu thun, als zwei Tage hinter einander zu fasten. —
Palladius (S. oben S. 92) erzählt, dass in der nitrischen Anacho-
retenkolonie zur Labung der Kranken Wein angebaut wurde. Es
sei endlich noch bemerkt, dass zwischen der Fastenordnung des Syn-
tagma und den von Pachomius hierüber aufgestellten Principien eine
auffallende Aehnlichkeit besteht (S. oben S. 209 AT.).
Als dritte ascetische üebung wird die Privatandacht und die
Teilnahme am gemeinschaftlichen Gottesdienste bezeichnet. Be-
züglich des ersteren Punktes heisst es, dass Nachtwachen nur mit
Mass gehalten werden sollen; dagegen soll untertags öfters gebetet
werden. Schreiendes, battologisches oder durch die zu lange Dauer
ermüdendes Gebet wird von dem Syntagraa verurteilt. Hiermit wurde
vor der Nachahmung hyperascetischer, das geistige und leibliche
Wohl geföhrdender Gebetsubungen gewarnt (S. oben S. 105). Mit
der Privatandacht sollten sich jedoch die Mönche nicht begnügen;
darum werden sie ermahnt, an dem liturgischen Gottesdienste teil-
zunehmen und sich aufs sorgfältigste auf die hl. Gommunion vorzu-
fivou Tot? dcSeX^ol? xiX. (Migne, s. gr. t. 28 col. 841). Statt »Tceptfjcjox^pwv« ist
wohl in diesem Text »jcepi^^oxepavc zu lesen, wie Hyvernat (a. a. 0. S. 125 u. 129)
vorschlägt. IToXiT£(a ist aber gleich Ascese oder strenge .Lebenshaitang, wie das
einige Zeilen vorherstehende »8ia7coXX7iV3üoXtT£{av« beweist. Übersetzt man nan den
Anfang des etwas schwierigen Satzgefüges mit den Worten: »Wenn da eine
strengere Lebensweise als die Ascese in Bezug aaf Feisch and Wein übst a. s. w.,«
so erscheint der ganze Text durchaus nicht als widersinnig, wie Revillout
(Archives des missions scient. et litt. etc. p. 471 s.) behauptet.
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234 Rückblick auf das egypt, Mfinchtum des 4, Jahrh.
bereiten. Hierbei wird an den alten kircblichen Brauch erinnert,
dass an den Sonntagen sowie in der Zeit von Ostern bis Pfingsten
beim öffentlichen Gottesdienst stehend gebetet werden soll ^). — In
Uebereinstimmung mit dieser Verordnung des Synta^ma wird in den
Quellen der egyptischen Mönchsgeschichte berichtet, dass die Mönche
an Sonn* und Festtagen am gemeinschaftlichen Gottesdienste teil-
nahmen und die hl. Gommunion empfingen. Indes kamen Abweich-
ungen von dieser Regel vor, worüber noch in einem weiteren § die
Rede sein wird.
Ausserdem enthält das Syntagma doctrinae (n. 4 u. 6) einige
ascetische Vorschriften geringerer Art. Das Syntagma erinnert an
die Vorschrift des Apostels Paulus, keine lang herabwallenden Haare
zu tragen, verbietet aber das völlige Abrasieren der Bart- und Kopf-
haare, wie dies bei den Isis- und Serapispriestern üblich war'). —
Das Schlafen auf dem nackten Boden (xa^ieuvta), das nach Eusebius
(bist. eccl. VI, 2) schon Origenes beobachtet hat, wird nur den ge-
sunden Mönchen gestattet, — Bezüglich der Körperpflege wird ver-
ordnet, dass kranke Mönche ein oder zwei Bäder nehmen sollten.
Diese Indulgenz wurde auch in den Pachomianischen Klöstern
gewährt (S. oben S. 185). — Das Kleid der Mönche soll bescheiden
sein; das Syntagma verurteilt ebenso die schmutzige wie weichliche
Kleidung. Falls ein Busskleid getragen wird, so darf es äusserlich
nicht sichtbar sein (S. oben S. 215—217).
Damit endlich die Mönche auf Reisen nicht den ascetischen
Geist einbüssten, verbot ihnen das Syntagma (n. 6) das Absteigen in
öffentlichen Gasthäusern; sie sollten in den an die Kirchen angebauten
Fremdenhäusern Speise zu sich nehmen ; falls aber eine Kirche oder
ein orthodoxes Haus nicht in der Nähe wäre, sollten sie ein Fremden-
haus aufsuchen, in dem sich keine Weiber befanden, und den ge-
bührenden Ernst nicht ausser Acht lassen. Aehnliche Vorschriften
finden sich in der Regula Pachomii. (S. oben S. 208.)
§ 2. Verfall des egyptischen Äscetentums gegen Ende des vierten
Jahrhunderts*
Wie sich das Ascetentum in der nachapostolischen Zeit inner-
halb der christlichen Gemeinschaft immer mehr ausbreitete, und wie
die Vertreter dieses Standes zwar eine Mittelstellung zwischen Klerus
1) Syntagma doctr. n. 6.
2) S. oben S. 191.
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Hückhlick auf das egypt, Mönchtum des 4, Jahrh. 235
und Volk eiDnahmeD, doch mitten unter den Weltleuten lebten, ist
schon früher gezeigt worden *).
Was insbesondere Alezandria anlangt, so mass daselbst das
Ascetentum eine hervorragende Bolle gespielt haben. Der Umstand,
dass Origenes in seinen Schriften auf den Stand der Enthaltsamen
(irxpateTg) wiederholt znruckkommt, beweist, dass im zweiten und
dritten Jahrhundert die alexandrinische Katechetenschule sich vor-
nehmlich aus Asceten rekrutierte^).
Auch in den Schriften des hl. Athanasius geschieht wiederholt
der in Alexandria lebenden Asceten Erwähnung. In einer Predigt
(sermo de patientia c. 7) dieses Erzbischofs werden ausser den Priestern,
Diakonen und Lektoren die während des Gottesdienstes anwesenden
gottgeweihten Jungfrauen und Möüche apostrophiert. Das Wort
»Mönch« war nach dem Sprachgebrauch des vierten Jahrhunderts
identisch mit Cölibatär; deshalb kam jene Bezeichnung auch den
ursprünglichen Asceten zu. Als im Jahre 329 der arianische Bischof
Gregorius die Kirchen in Alexandria okkupierte, wurden daselbst
viele gottgeweihte Jungfrauen und Asceten (fxovaCovxeg, lyxpaTsTc)
gemisshandelt und getötet. In der historia monachorum konstatiert
Athanasius mit Genugthuung, dass nach seiner Rückkehr in seine
Bischofsstadt im Jahre 346 viele junge Männer sich dem ascetischen
Leben zuwandten, und als im Jahre 356 der dux Syriacus während
des Gottesdienstes in eine alexandrinische Kirche eindrang, nahmen
sich die anwesenden Kleriker und Mönche des Erzbischofs kräftig an^).
Asceten gab es aber nicht bloss in Alexandria, sondern auch
in anderen Ortschaften Egyptens. Um die Wende des dritten Jahr-
hunderts hatte der des Griechischen und Koptischen mächtige und
litterarisch thätige Hieracas in seiner Vaterstadt Leontopolis durch ,
seine Vorträge eine Menge Asceten beiderlei Geschlechts an sich
gezogen und begeistert. Indes ist diese Schöpfung des Hieracas
nicht als ein Kloster, sondern als ein Ascetenverein zu betrachten.
Um dieselbe Zeit gab es nach der Vita Antonii auch anderwärts in
Egypten Asceten, die nicht weit von ihrem Heimatsorte, ein jeder
für sich allein, der Ascese oblagen. Selbst in der Thebais war das
Ascetentum nicht unbekannt. Den Pachomiusviten zufolge gab es
Asceten bei der Stadt Esneh, und Petronius führte auf seinem
Landgute Thebiou mit einigen Gesinnungsgenossen die gleiche
Lebensweise.
1) oben S. 12 ff.
2) Bornemann ^ In investiganda monachatus origine qaibus de causis
ratio habenda sit Origenis (1884).
3} S. oben S. 65 f.
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236 Rückblick auf das egypL MOnrhtutn des 4, Jahrh,
Neben diesem ursprünglichen Ascetentnm entwickelten sich seit
der Wöstenflucht des hl. Antonius im Jahre 306 in den, wenn auch
nicht ganz unfruchtbaren, aber vom Weltverkehr ganz abgeschlossenen
Gegendep Egyptens die sogenannten Anachoreten- oder Mönchs-
kolonieen. So entstand bei Pispir die erste Mönchskolonie, deren
Bewohner Antonius von seinem Versteck aus zu besuchen und in der
Ascese zu unterrichten pflegte. Nach dem Vorbilde dieses ersten
Anachoretendorfes bildeten sich ähnliche Gemeinden in der nitrischen
Wüste. Gegen das Ende des vierten Jahrhunderts gab es solche
lose Vereinigungen von Mönchen , die in ihren mehr oder weniger
weit von einander entfernten Zellen , teils einzeln , teils mit einigen
Genossen, lebten, im Nildelta sowie im Gebirge längs der Ufer des
Nils bis in die Thebais hinein. An Sonn- und Festtagen besuchten
sie den Gottesdienst in einer nahen Kirche; sonst lebten sie ge-
sondert von einander, mit Gebet und Arbeit beschäftigt. Das vor-
bildliche Wirken des hl. Antonius hatte aber die Gewohnheit ge-
schaffen, dass diese Mönche behufs Vervollkommnung im geistlichen
Leben gegenseitigen Verkehr pflegten und in ihren Zweifeln sich bei
älteren Mitgliedern Rats erholten und sich ihrer Leitung anvertrauten.
Nur in der Ascese mehr fortgeschrittene Mönche wagten sich noch
tiefer in die Wüste hinein und lebten dort noch mehr für sich allein.
Solche Eremiten im strengen Sinne des Wortes gab es in den
Eellien, in der sketischen Wüste und auch anderwärts. Ausserdem
hatte Pachomius in den Jahren 325—346 in der Oberthebais neue
Klöster gestiftet, in denen die Mönche eine strenge cönobitische
Lebensweise führten.
Gegenüber diesen neuen monastischen Schöpfungen hielt das
alte Ascetentum nicht lange stand. Die neue Ordnung trug all-
mählich über die alte den Sieg davon. Dieser Umschwung ist er-
klärlich. Die Asceten lebten zerstreut unter den Weltleuten und
konnten bei der Zunahme der christlichen Bevölkerung und bei dem
Mangel an Organisation leicht verweltlichen, während die Mönchs-
kolonieen und Klöster abseits vom Weltverkehr und unter der Leitung
hervorragender Führer sich kräftiger entwickeln konnten und selbst
zur Zeit der arianischen Wirren weniger zu leiden hatten als das
Ascetentum in den Städten und Flecken. Dazu kam noch, dass
die neuen Institutionen mit ihrer strengen Lebensführung viele ernste
und ideal gesinnte Geister aus dem Weltgetümmel in die Wüste
lockten, zumal Athanasius und viele andere Bischöfe die neuen
Pflanzstätten der Ascese begünstigten.
Es wäre nun zu untersuchen, wann ungefähr der Zerfall des
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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh, 237
ägyptischen Ascetenstandes den Anfang nahm. Hyvernat*) meint,
dass Athanasius schon in seinem Briefe an Drakontius vom Jahre
354 auf die Ärgernisse, die unter den Vertretern des Ascetenstandes
vorkamen, eine Anspielung mache. Allein an dieser Stelle ist von
schlechten Mönchen ebensowenig die Rede wie von schlechten
Bischöfen, ganz abgesehen davon, dass unter den Mönchen, wie es
sich aus anderen Stellen des Briefes ergiebt, durchaus nicht die
Asceten allein verstanden werden können. Mit mehr Recht könnte
man auf die etwa im Jahre 356 oder 357 verfasste vita Antonii
hinweisen , in der Athanasius deutlich genug auf gewisse Schäden
und Gebrechen anspielt, die Antonius durch die Übernahme der
geistlichen Leitung der Asceten in der von ihm gegründeten
Anachoretenkolonie zu verhüten suchte. Wird doch schon in der
Pachomiusvita (M 144 f., A' 476) ausdrücklich bezeugt, dass
Theodor, der jugendliche Lektor der alexandrinischen Kirche sich
deshalb dem Pachomianischen Klosterverband anschloss, weil er sich
durch das Wohlleben der Asceten in Alexandria abgestossen fühlte.
Gegen das Ende des vierten Jahrhunderts war der Verfall des
ägyptischen Ascetentums eine vollendete Thatsache. Hieronymus
und Gassianus bezeugen dies und sprechen sich übereinstimmend
über die Ursachen dieser Erscheinung aus. Der erstere erzählt in
einem um das Jahr 384 geschriebenen Briefe (ep. ad Eustochium,
XXII (Vallarsi) c. 34—36), dass es damals in Egypten dreierlei
Arten von Mönchen gab. Die erste Art bilden die Gönobiten, die
in der koptischen Sprache sauses ^) genannt wurden. Gemeinschaft-
liche Lebensweise (in commune habitant) und völlige Unterordnung
unter die Oberen (prima apud eos confoederatio est, obedire maiori-
bus, et quidquid iusserint, facere) war ihnen charakteristisch. Sie
wohnten getrennt, aber ihre Zellen waren mit einander verbunden*).
Die zweite Art von Mönchen waren die Anachoreten, die davon
ihren Namen hatten, weil sie sich weit von den Menschen zurück-
zogen (procul ab hominibus recesserint) und für sich allein in der
Wüste lebten (soli habitant per deserta). Zu dieser Anachorese ge-
hörte vollständige Losschälung vom irdischen Besitz. Auch wenn
einer aus einem Gönobium in die Wüste kam, brachte er nichts mit
1) Hyvernal S. 145.
2) Sowhs = congregatio. coetus.
3) Statt »tnanent separat!, seianctis cellalis« ist die Lesart »raanent se-
parat!, sed ianctis cellulisc vorzuziehen. ' Denn es handelt sich hier am ein
Gönobium. Der Commentator der Briefe des Hieronymus empfiehlt zwar die
erstere Lesart durch den Hinweis auf »divisis cellulisc im Cap. 33 desselben
Briefes, doch verkennt er, dass dort von den Anachoreten in Nitna die Bede ist.
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^SB Rückblick auf das egypt MÖnchtum des 4, JahrK
sich aasser Brot und Salz (qui et coenobüs exeantes, excepto pane
et aale, ad deserta nihil perferont amplius). Die dritte Art von
Mönchen, die Hieronymns als eine sehr schlechte und vernach-
lässigte bezeichnet, hiessen Remoboth^). 9Sie wohnen zu zweien
oder dreien, aber nicht in grösserer Anzahl, nach ihrem eigenen
Gutdfinken beisammen und bestreiten von dem Ertrage ihrer Arbeit,
von dem sie einen Teil zusammenlegen, ihren gemeinschaftlichen
Lebensunterhalt. Sie wohnen grösstenteils in Städten und Flecken
(habitant autem quamplurimum in urbibus et castellis), und als ob
ihre Kunstfertigkeit, aber nicht ihr Leben heilig wäre, ist alles,
was sie verkaufen , eines höheren Preises wert, unter ihnen giebt
es viel Zank, weil sie, von ihrem Eigentum lebend, niemandem
unterworfen sein wollen. Sie wetteifern im Fasten und machen das,
was man nur im Verborgenen üben sollte, zum Gegenstande einer
Wette. Alles ist bei ihnen affektiert: die weiten Ärmel, die weiten,
schlorfenden Schuhe, das grobe Kleid, die häufigen Seufzer, der Be-
such der Jungfrauen, die Herabsetzung der Geistlichen, und wenn
ein Festtag kommt, essen sie sich bis zum Erbrechen voll.c Unter
dieser dritten Art von Mönchen, über die Hieronymus ein so hartes
Urteil ftllt, können nur die Asceten verstanden werden, die ja, wie
oben gezeigt wurde, ohne jegliche Leitung in geringer Zahl in den
Städten und Flecken oder nicht weit davon wohnten. Jedenfalls
sind die Gönobiten, welche damals in Egypten die Mehrheit bildeten
(qui plures sunt) sowie die Anachoreten in den Wüsteneien von
diesem Tadel nicht getroffen.
Hieronymus hatte allerdings damals, als er diesen Brief schrieb,
das egyptische Mönchtum noch nicht persönlich kennen gelernt. In-
des werden seine Angaben durch Oassian bestätigt, der zehn Jahre
(385—395) in Egypten gelebt hat, und dem darum eine genaue
Kenntnis des Mönchtums in jenem Lande nicht abgesprochen werden
kann, wenn man auch seinen Ansichten über die Entstehung der
verschiedenen Mönchsgattungen vom historischen Standpunkte nicht
völlig beipflichten kann. Auch dieser letztere Gewährsmann spricht
von drei Arten von Mönchen in Egypten (coUatio XVIH, c. 4—8).
Die erste Art ist die der Gönobiten, die als Gemeinde zusammen-
leben und durch das Urteil eines älteren geleitet werden (qui scilicet
in congregatione pariter consistentes unius senioris iudicio gubernan-
tur). Sie verlassen ihre Heimat (discedentes ä civitatibus suis, se-
1) Das koptische Wort »remc ist die verkarzte tonlose Form von
»römec = Mensch; remaboth ist also gleich Mann des Klosters.
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"^ Rüchblick auf das egypt. Mönchlum des 4, Jahrh. ^39
gregati a credentium turmis) und wohnen auf dem Lande und in
verborgenen Gegenden (in locis saburbanis ac secretioribas com-
manere). Sie heissen fxovaCovTsc , weil sie sich von der Ehe und
dem Verkehr mit der Welt lossagen, Cönobiten dagegen wegen ihres
Zusammenlebens. Zu dieser Gattung gehört der grösste Teil der
ägyptischen Mönche (cuius generis maximus numerus monachorum
per universam commoratur Egyptum). Die zweite Art ist die der
Anachoreten, »die zuerst in Cönobien unterrichtet wurden, und nach-
dem sie im thätigen Leben vollkommen geworden, die Verborgen-
heit in der Wüste wählten«. Diese zwei Arten, meint Gassian, sind
sehr gut; die dritte Art aber, die er Sarabaiten^) nennt, ist tadelns-
wert. Diese letzteren wollen weder von der Klosterzucht etwas wis>*en
noch sich der Leitung der Altväter unterwerfen (coenobiorum nul-
latenus ezpetunt disciplinam nee seniorum subiciuntur arbitrio). Sie
entsagen nur nach aussen, d. i. vor den Augen der Menschen, ver-
bleiben aber in ihren Wohnungen (in suis domiciliis) bei den alten
Beschäftigungen oder bauen sich Zellen, in denen sie zu zweien oder
dreien wohnen, nennen dieselben Monasterien und leben darin nach
eigenem Hecht und Gutdünken ohne Verzicht auf die Güter dieser
Welt. Sie verlegen sich aufs Sparen, teils um Gutes thun zu können,
teils zur Befriedigung der Gaumenlust und führen überhaupt ein
vagabundierendes Leben.
Hieraus ergiebt sich, dass die Sarabaiten Cassians mit den
Remoboth des Hieronymus identisch sind*), und dass der jeglicher
Organisation entbehrende und mitten in der Welt lebende Asceten-
stand in den letzten Decennien des vierten Jahrhunderts nicht nur
in numerischer, sondern noch mehr in sittlicher Beziehung dem Ver-
fall entgegenging, während das Cönobitentum durch seine neue Or-
ganisation und das Anachoretentum durch die demselben inne-
wohnende grössere Kraft des Opfergeistes über jenes ältere Institut
den Sieg davontrugen.
1) Nach RevUlout (Archives des MiBsions scient. et litt., III serie, t, IV,
1877) ist »Barabaitae« gleich »Bewohner des Klosters«. Indes das koptische
8cheere-ab6t kann wohl nur »Söhne des Klosters« heissen. »Die Söhne des
Klosters« ist aher soviel als »die ans dem Kloster Hervorgegangenen oder
Klosterleute«, ähnlich wie in der arabischen Pachomiusvita (S. 387) die Ge-
tauften oder Christen »banü *l-ma'müdiiati d. h. die Söhne der Taufe genannt
werden.
2) RevUlout (a. a. 0. S. 486 fif.) hält die Charakteristik der Remoboth
oder Sarabaiten durch Cassian und Hieronymus fdr ungerechtfertigt, indem er
alle egyptischen Mönche, die Pachomianer ausgenommen, durch diesen Tadel
getroffen glaubt. Diese Unterstellung ist aber, wie aus dem Obigen ersicht-
lich ist, falsch.
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240 Rückblick auf das egypU Mönchtum des 4. Jahrh,
§ 3. Die SittlichJceit der pachomianischen Mönche.
Hieronymos war ein grosser Lobredner des Mönchtoms; doch
machte ihn diese seine Vorliebe keineswegs blind gegen die Aus-
wüchse in den Mönchskreisen. Man lese nur seine Briefe^), und
man wird sehen, mit welcher Offenheit er alle Erscheinungen des
Aftermönchtums rügte und brandmarkte. Desgleichen ist in den
bisherigen Erörterungen über das egyptische Mönchtum des vierten
Jahrhunderts darauf hingewiesen worden, dass die griechischen
Schriftsteller, von denen wir über diese Mönchskreise Aufzeich-
nungen haben, bei aller Bewunderung des Mönchsideals dennoch
nicht anstanden, schlechte Mönche an den Pranger zu stellen.
Nichtsdestoweniger behauptet Amölineau*), jene Schriftsteller,
besonders aber Hieronymus, hätten es verschuldet, dass sich im
Abendlande gar zu optimistische Anschauungen über die Sittlichkeit
der Gesamtheit obiger Mönchskröise gebildet hätten. In Wirklich-
keit seien jene Mönche ihrer grossen Mehrheit nach den gewöhn-
lichen Sterblichen nicht weit über gewesen, sie hätten viel gegessen
und getrunken, sie seien genusssüchtig und durchaus keine Weiber-
feinde gewesen und seien selbst vor solchen Verbrechen nicht zu-
rückgeschreckt, derentwegen sie heutzutage jeden Augenblick vor
das Schwurgericht genommen wären, und eine solche Lebensweise
hätten sie durchaus nicht für unvereinbar gehalten mit Psalmen-
beten und zeitweiser strenger Faste. Man dürfe sich, meint Amdlineau,
darüber auch gar nicht wundern. Denn jene Mönche rekrutierten
sich aus den untersten Gesellschaftsklassen und brachten beim Ein-
tritt ins Kloster alle ihre Leidenschaften und Roheiten mit.
Zudem bewirkt ein heisses Klima »hitziges Blut, welches
durch das Taufwasser nicht ausgelöscht werden konnte«. Darum
hätten sich in jenen Kreisen die zu sehr niedergehaltenen Leiden-
schaften von Zeit zu Zeit mit Gewalt Luft gemacht. Auch die
rohen Ideen, welche in jenen Kreisen gang und gäbe gewesen
wären, seien nicht dazu angethan gewesen, den inneren Menschen
zu läutern. Man trat eben ins Kloster ein in dem Wahne, dass
das Sterben im Mönchsgewande an und für sich schon die Seligkeit
garantiere. Die Führer jeuer Mönchsgenossenschaften hätten ihre
liebe Not gehabt, gegen diese rohen Auffassungen vom Mönchsleben
anzukämpfen; aber sie hätten diese Spezifika der egyptischen Natur
nicht auszurotten vermocht. Man hielt nach wie vor das Sterben
1) Ep. 22, (nach Vallarsi) ad Eustochium (n. 34), ep. 56 ad Nepotiauura
(n. 6), ep. 125 ad Rusticam.
2) Annales da masee Gairaet, Tome dix-septieme, Introdaction p. IV s.
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Rückblick auf das egypt, Mönchium des 4. Jahrh, 241
im IMönchskleide fär ein Ideal und begnügte sich damit, nicht zu
offenkundig die Elostersatzungen zu übertreten, um nicht aus den
Elodtermauern vermesen zu werden.
Ob dieses vernichtende Verdikt über die Gesamtheit der
ägyptischen Mönche des vierten Jahrhunderts berechtigt sei, soll im
Folgenden erörtert werden. Zunächst soll nun von den pachomiani-
schen Mönchskreisen die Rede sein. Hierbei wird die. von Am^Iineau
entdeckte arabische Pachomiusvita zugrunde gelegt werden, nicht als
ob diese zugestandenermassen jüngste Vita die zuverlässigste Qe-
schichte über den pachomianischen Elosterverband darböte, sondern
deshalb, weil Am^lineau so kategorisch behauptet hat, dass sich auf
Grund derselben eine Umwälzung in den bisherigen Anschauungen
über die Moralität der Fachomianer mit Notwendigkeit ergebe.
Am^lineau ^) behauptet, Pachomius sei zwar selbst in sexueller
Hinsicht intakt gewesen*), doch liesse sich dies nicht von seinen
Mönchen sagen. Zur Erhärtung dieser These zieht er eine Episode
aus dem pachomianischen Frauenkloster Tabennisi heran. Der That-
bestand war laut der Vita A' 383—384 folgender. Eine jüngere
Elosterschwester , welche ausserhalb des Elosters einen Auftrag zu
besorgen hatte, traf zufällig einen Schneider, der Arbeit suchte. Sie
fertigte ihn kurz ab mit den Worten: »Wir haben unsere eigenen
Schneidere. Anlässlich eines Zwistes im Eloster machte ihr nun
eine Mitschwester, die jenen Vorgang von ferne beobachtet hatte, bos-
hafter Weise Vorwürfe wegen der Unterredung mit dem fremden
Schneider. Die Angeschuldigte härmte sich sehr ab über die ihr
in Gegenwart der Mitschwestern zugefügte Schmach, und unfähig,
diese Verleumdung zu ertragen, stürzte sie sich in den Fluss und
1) IntroductioD p. VII.
2) In der arabischen und griechischen Vita wird berichtet, dass Pachomius
am Anfang seiner ascetischen Laafbahn von sinnlichen Phantasiebildern be-
lästigt wurde. A' 865: »Öfters, wenn er sich setzte, am sein Brot zn
essen, kamen sie (die Dämonen) za ihm in Gestalt nackter Weiber, am mit
ihm za essen (arah; likaj iäkila ma'aha) : er aber schloss seine Angen and sein
Herz, bis sie verschwanden warenc. Vgl. C 13. Ist es nan bloss ein Druck-
fehler, wenn man in der Introduction (p. CV) Amelineaus liest: »Que vojait
Pakhöme aux heures de souffrance ? des femmes toutes nues qui venaient a lui
pour partager son repos (!) et qui Taga^aient. — Auch üher Theodor, den
Liehlingsschüler und Nachfolger des Pachomius bemerkt Amdlineau (Intro-
duction p. CX): »Theodore lui-mdme etait accessible a la volupte: la fille de
Satan en personne le lui dit un jour en presence de son pere Pakh6me«. Diese
Verdächtigung muss zurückgewiesen werden. Denn an jener Stelle (A' 625 ff.),
die Amelineau im Auge hat, ist von der Empfänglichkeit Theodors für fleisch-
liche Gelüste keine Bede; vielmehr erklärt die Tochter des Satans dem
Pachomius und dessen Lieblingsschüler den Krieg, weil beide dank der Gnade
des Herrn die zahlreiche Gemeinschaft der Mönche so erfolgreich gegen die
dämonischen Mächte zu schützen verständen.
Schiwietz, Mönohtam. 16
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242 Rückblick auf das egypL Mönchtum des 4. Jahrh.
ertrank. Die Verleamderin aber, über den bösen Ausgang der Sache
tief ergriffen, erhenkte sich heimlich. Den beiden Selbstmörderinnen
wurde von dem mit der Seelsorge des Klosters betrauten Priester
das christliche Begräbnis verwehrt; die übrigen Schwestern aber,
welche um die Verleumdung gewusst hatten, wurden auf sieben Jahre
von der hl. Kommunion ausgeschlossen. Diese Episode findet sich in
keiner der älteren Pachomiusviten und ist vom Araber aus der Historia
Lausiaca (c. 40) des Palladius entlehnt. Wie unzuverlässig aber
der letztere in seinen Angaben über den pachomianischen Kloster-
verband ist, wurde schon früher nachgewiesen. Indes, was beweist
das ganze Vorkommnis? Am^lineau^) erklärt, dieses Faktum sei,
wenn er sich nicht täusche, ein Beweis dafür, dass solche sexuelle
Excesse in dem Frauenkloster nicht als unmöglich erscheinen.
Nimmt man jedoch den Bericht so, wie er ist, so ergiebt sich
daraus eher das Gegenteil.
Die Hochschätzung der Sittenreinheit seitens der Schwestern
des Klosters kann jedenfalls nicht als eine geringe bemessen wer-
den, wenn selbst der öffentlich ausgesprochene Verdacht von der
angeschuldigten Schwester als die grösste Kränkung empfunden
wurde. Die Episode ist für doQ, der zwischen den Zeilen liest,
höchstens ein Beweis dafür, dass in dem Frauenkloster sich eine
Schwester befand, welche die Evasnatur noch nicht abgelegt hatte
und infolgedessen grosses Unheil anrichtete.
Wie stand es aber mit der Sittlichkeit in den Pachomianischen
Männerklöstern? Nach der obigen Charakteristik zu urteilen, möchte
man glauben, dass die von Am^Iineau bevorzugte arabische Pachomius-
vita von Berichten über sittliche Verirrungen in jenen Kreisen wim-
mele. Am^lineau^) citiert allerdings nur ein einziges konkretes
Faktum (A' 477 ff.). Ladeuze (a. a. 0. S. 338 ff.), der sich die
Muhe gegeben hat, alle irgendwie hier in Betracht kommenden Be-
richte zu sammeln, hat deren acht^) herausgefunden.
1) Introduction p. CVIII s.
2) Introdaction p. CIX. — Siehe unteo S. 24S.
3) Ausserdem ist noch an drei Stellen der Vita A' von sittlichen Ver-
gehen die Bede; indes kommen diese hier nicht in Betracht, da sie nicht
Pachomianer« sondern fremde Mönche betreflfen. Der historische Unwert des
ersten Berichtes (A' 427 ff.) ist schon oben S. 145 beleuchtet worden. Der
Araber hat eben hier im Gegensatz zu den drei ältesten Quellen C 48,
T 822 ff., M 96 ff , wo von Diebstahl die Rede ist, ein sexuelles Verbrechen
substituiert. Der zweite Bericht (A' 429 f.) betrifft ebenfalls fremde Mönche
und ist wohl gleich dem vorausgehenden Berichte in der Absicht fingiert, um
an Exempeln die Zweckmässigkeit der in den Pachomianischen Klöstern gelten-
den Keuschheitsregeln darzuthuen. Der dritte Bericht betrifft alexandrinische
Mönche. Der eben aus Alexandria angekommene Lektor Theodor, von
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Rückblick auf das egypt Mönchtuvn des 4. Jahrh. 243
Zunächst wird in der Vita A' 435 von dem Mönche Doaidonna,
der im Kloster Erankenwärterdienste verrichtete, erzählt, dass er
sich angetrieben fühlte, einen Knaben von angenehmem Äussern be-
sonders zärtlich zu bedienen. Er merkte jedoch, dass der Qedanke,
dem kranken Knaben vor den übrigen den Vorzug zu geben, nicht
in der Ordnung sei. Er enthielt sich darum der Speise und nahm
seine Zuflucht zum Qebete. Da erschien der Unzuchtsteufel und er-
klärte dem Mönche, dass derselbe allmählich in Sünden gefallen
wäre, wenn er der sinnlichen Neignng nachgegeben hätte.
Demnach handelt es sich hier nicht um irgend eine vollbrachte
Sünde, sondern um eine im Keime erstickte Anwandlung zur Sinn-
lichkeit. Übrigens ist schon früher darauf hingewiesen worden, dass
der arabische Bericht weiter nichts als eine Umdichtung einer in der
ältesten Vita C 53 erzählten Begebenheit ist. Nur heiäst es in diesem
Originalbericht, dass der Mönch in sich das Verlangen nach der
besseren Krankenkost verspürte, aber energisch unterdrückte. Der
Araber hat in seiner bekannten Sucht nach Exempeln für die Be-
wahrung der Keuschheit den Bericht der Vita C umgemodelt.
In derselben Vita A' 472 heisst es, dass ein junger, starker
Mönch des Klosters Tabennisi, Namens Badola, Versuchungen aus-
gesetzt war, wie sie dem jugendlichen Alter eigentümlich seien. Er
versagte sich jedoch nicht den Genuss einer kräftigeren Speise, die
den Mönchen wegen schwerer Arbeit geboten wurde, obwohl ihn
das Gewissen zu grösserer Enthaltsamkeit antrieb. Als nun bei der
abendlichen Unterweisung der Mönche der Abt Theodor die Be-
merkung fallen Hess, dass einer von ihnen seine Hoffnung auf eine
volle Schüssel setze, fühlte er sich getroffen und bekannte, dass er
bei Tische der Eingebung seines Gewissens nicht Folge geleistet
hätte. Auch dieser Bericht, den der Araber der boheirischen Vita
<M 133) entnommen hat, ist nicht geeignet, zu Ungunsten der
Pachomianer ausgebeutet zu werden.
Gravierender erscheint aber folgender Bericht des Arabers
{S. 477 ff.). Als einmal Pachomius in das Kloster von Schenesit
Pachomius über das Leben der dortigen Mönche befragt, erklärt, in sittlicher
Beziehung seien dieselben einwandfrei, doch lieasen sie sich nichts in Speise
nnd Trank abgeben. Pachomius äussert seine Bedenken, da die Genusssucht
mit der Bewahrnng der Keuschheit unvereinbar sei. Einige Zeit darauf erfahrt
Theodor, dass alle Mönche in Alezandria sich böser Handlangen schuldig ge-
macht hätten, und es wird ihm klar, dass Pachomius recht hatte, wenn er
sAßte: »Wer seinen Leib zu sehr pflegt, kann denselben nicht rein bewahren«.
Dieser jedenfalls stark ühertriehene Bericht des Arabers findet sich nicht in
der älteren griechischen Pachomiusyita.
16»
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244 Rückblick auf das egypL Mönchtum des 4, Jahrh.
kam, nahm er einen abscheulichen Geruch wahr; er meinte, dass
der Satan einen seiner Brüder verfuhrt oder, wie es wörtlich heisst,
einen Mord an ihm begangen hätte, aber er kannte den Schuldi-
gen nicht. Während des Oebetes in der folgenden Nacht erhielt
Pachomins eine Offenbarung über den Sachverhalt. Er Hess den
Knaben kommen, dessen sich der Satan zur Verführung jenes
Mönches bedient hatte, forschte ihn ans, Hess dann den Schuldigen^
nämlich ApoUonius, den Vorsteher des Klosters, rufen und sprach
zu ihm von dem begangenen Fehltritt i). ApoUonius verlangte eine
Busse hierfür, erklärte aber: »Wenn ich gesündigt und etwas Sa-
krilegisches gethan habe, so habe ich doch nicht das Sakrilegische
dieses Gedankens ausgeführt, sondern nur damit begonnene. Er
unterwarf sich einer schweren Busse und wurde darnach aus dem
Kloster entlassen.
Es handelt sich also hier nur um den Anfang der Ausführung
böser Begierden ; sagt doch Pachomins selbst zu ApoUonius (A' 478) :
»Du hast nicht ausgeführt, was der Satan dir eingegeben hat«.
Immerhin könnte der ganze Vorgang eine Erfindung des Arabers
sein. Weder die älteste griechische Vita C weiss etwas davon,
noch auch die koptische Vita M'), an die sich gerade der Araber
bei den dem obigen Bericht vorausgehenden und nachfolgenden Er-
zählungen hält.
Etwas weiter (S. 495) findet sich in der arabischen Vita fol-
gender Bericht: »Es waren unter den älteren Brüdern zehn Männer,
welche nachlässig waren in ihrem Wandel, unrein in ihren Herzen,
mit Gedanken der Unzucht; sie waren ungläubig gegen unseren
Vater Pachomins und widersprachen ihm in vielen Dingen«.
Pachomins betete viel für sie, »besonders weil sie ihre Leiber mit
nieipandem befleckten«, und erreichte schliesslich ihre Bekehrung.
Nach dieser ausdrücklichen Erklärung des Arabers kann bei
den in Frage kommenden Mönchen von äusseren ünzuchtssünden nicht
die Bede sein. Indes auch die diesen Mönchen imputierte Zulassung
von unzüchtigen Gedanken ist eine Erfindung des Arabers. In der
ältesten Vita C 64 lautet nämlich der Bericht folgendermassen : »Es
waren in Pabau unter den älteren Mönchen zehn Männer, welche
zwar dem Leibe nach tadellos und fromm, aber zum Murren geneigt
1) Am6lineau (Introdaction p. CIX) ignoriert alle diese Nebennmstande
des Berichtes und behaaptet, Pachomins hatte den Vorsteher beider That selbst
ertappt.
2) Vielleicht hat der allgemein gehaltene Bericht der Vita M. 207 f. den
Araber zur Fiktion eines besonderen Falles veranlasst.
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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4, Jahrh,
245
waren und die Ermahnungen des Pachomius nicht mit dem geziemen-
den Vertrauen aufnabmenc Diesen letzteren Bericht hat der Ver-
fasser der boheirischen Vita (M 151) ziemlich wörtlich aufgenommen.
Doch die Bemerkung der Vita G 64, dass die zehn Mönche dem
Leibe nach rein waren, veranlasste den Verfasser, denselben Bericht
noch zu einem anderen Zwecke umzumodeln, um daran eine Warnung
vor unkeuschen Gedanken zu knüpfen. Dieser alterierte Bericht
findet sich in der boheirischen Vita S. 178. Der Araber hat nun
bei der Benützung der boheirischen Vita den ursprünglichen Bericht
übergangen, dagegen den modifizierten und nach seiner Meinung für
Erbauungszwecke geeigneteren in seine Pachomiusvita (A' 495) auf-
genommen.
Auch der Bericht A' 509 — 510 scheint ein ungünstiges Licht
auf die Pachomianer zu werfen, besonders wenn man die französische
Obersetzung des betreffenden Textes durch Am^lineau zugrunde
legt. Zur Klarstellung des wirklichen Thatbestandes mag zunächst
dieser Bericht nebst dem Parallelbericht der boheirischen Vita in
der Übersetzung des Am^lineau folgen:
A' 509—510.
Et Dieu d^couvrait ä notre p^re
Pakhome ceux dont le coeur in-
clinait vers la fornication, comme
il est ^crit dans TEvangile: Les
fornicateurs sont les enfants du
m^chant qui souillent la res-
semblance de Dieu. II ne les
n^gligeait point, mais il les ötait
du milieu de la bonne culture;
car il savait que ceux qui mar-
chent droit seraient en repos,
söparös d'eux. Et s'il trouvait un
jeune gar9on 6gar^ par les enfants
du mechant, si personne ne sa-
vait ce qui ötait arrivö au garfon,
il soignait son äme en secret. Si
qnelqu'un tombait dans le p^ch^
et que Pakhöme vit la possibilitc
de le soigner, il s'effor9ait de le
gnider contre Iblis, pensant ä
Tordre de l'ApÖtre qui dit: mes
fr^res, si la main d'un homme est
^tendue vers un pech^, vous qui
etes spirituels, redressez-le en
esprit de douceur; pour toi, exa-
M 193-194.
11 arriva un jour , que
notre pöre Pakhöme eut la r4v6-
lation d^une vision au sujet de
ceux qui d^clineront d'eux-memes
dans le d^sir de leur coeur, et
qui sont de Fivraie, selon ce qui
est äcrit dans TEvangile: L'ivraie,
ce sont les enfants du mechant
c'est-ä-dire ceux qui ont souill^
rimage de Dieu; Ton ne per-
mettra pas (lis.: on n'oubliait
pas) de les arracher du milieu
de la bonne semence, sachant
qu'il y aura dilatation de coeur
pour les justes dans la perte de
ceux de cette sorte. Mais si
quelqu'un, ayant ^t^ tromp^ par
Tun des enfants du mechant,
sentait son inf^riorit^ et avait un
peu de connaissance , Pakhöme
soignait son äme et la gu^rissait.
De meme, ceux qu'il voyait fils
du mechant, il les d^pouillait de
rhabit monacal, les rev^tait des
habits mondains, et les chassait
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246
Rückblick auf das egypU Mönchtum des 4. Jakrh,
mine-toi toi-mgme et täche de ne
pas etre tent^. Et an grand nombre
de ceax qai incÜDaient ä com-
mettre le p^ch^, il les connaissait
par l'esprit de Dieu qui ötait en
lai, il les questionnait jusqu'ä ce
qu'ils eussent avou^ ce qa'ils
avaient pens^ et il les chassait
de meroe. Dn jour, il trouva an
jeune gar9on dans un ^tat maa-
yais dMmparetä, comme il est öcrit
au sujet d'antres gens: »II est
mauvais de dire ce qa'ils fönt en
secret«. 11 prit les vetements de
ce jeune homme, sa natte, sa
calotte, ses sandales, son cilice,
les fit consumer par le feu au
milieu des fr^res, en fit jeter la
cendre loin du monastäre et le
de parmi les fräres. Avant qu'un
grand nombre n'eussent mis ä
ex^cution le d^sir qui ^tait en
leur coeur, il les connaissait par
l'esprit de Dieu qui ^tait en lui»
il les questionnait jusqu'ä ce
quMls lui avouassent de leur
bouche ce que pensaient faire
leurs Coeurs ; alors, il les chassait
d'entre les frferes. Si quelqu^an
allait le trouver apr^s etre tomb6
dans une faute et sMl (savait) que
le p^cheur ferait p^nitence, il se
hätait avec mis6ricorde de le
sauver des mains du diable, se
rappelant l'ordre de l'ApÖtre qui
dit: Mes freres, si quelqu'un
d'entre nous, tombe dans une
faute, vous, pneumatiques , in-
struisez-le en esprit de soUicitude,
et toi, prends garde aussi de
n'@tre pas 6prouv^.
Dieser arabische Bericht erscheint schon durch die inkorrekte
Übersetzung des ersten Satzes auf eine spezielle Sünde zugespitzt.
In dem arabischen Texte finden sich erstens nicht die Worte »yers
la fomicationc; dieselben sind eine Zuthat des Am^lineau. Zu den
gleich darauf folgenden Worten »Comme il est 6cv'\t en Evangile:
Les fornicateurs sont les enfants du m^chant qui souillent la res-
semblance de Dieuc erklärt Am^lineau in einer Anmerkung , diese
Stelle ßlnde sich nicht im Evangelium. Das liegt aber an der ün-
genauigkeit seiner Übersetzung. Das in Frage kommende arabische
Wort e§-givänu heisst nicht »die Hurerc , sondern das Unkraut.
Wörtlich übersetzt lautet der erste Satz f olgendermassen : »Und
Gott entdeckte unserem Vater Pachomius diejenigen, welche eine
Neigung hatten in ihren Herzen, d. h. Unkraut waren, wie ge-
schrieben steht im Evangelium (Matth. 13, 38): Das Unkraut sind
die Kinder des Bösen, d. h. die das Bild Gottes beschmutztenc. —
Die Abhängigkeit des arabischen Berichtes i) von dem der älteren
1)oheirischen Vita ist augenscheinlich. In beiden Berichten wird
dem Pachomius eine aussergewöhnliche Kenntnis der geheimen Ge-
danken der Mönche zugeschrieben; zugleich wird gezeigt, wie Pa-
1) Der arab. Text lautet : Wakäna'llahu iakschiwu liabÜDä Bächüm allaztna
iamila fi kulübihim izä käna zavranan kama hawa maktübun fi*lindschili an
6z-zawäna harn banu 'sch-schartri allazina hnm andachasü sürata 'llähi.
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Rückblick auf das egypi. Mönchtum des 4, Jahrh, 247
chomias auf Grund dieser Eardiognosie seine Mönche dazu anleitete,
die bösen Neigungen zu unterdrücken und Thatsünden zu verhindern.
In dem boheirischen Bericht ist aber nur von der Sünde und den
bösen Neigungen des Herzens im allgemeinen die Bede. Der Araber
aber hat sich mit diesem allgemein gehaltenen Berichte seiner Vor-
lage nicht begnügt, sondern zum Schluss einen konkreten Fall be-
züglich des Knaben, der sich in dem bösen Zustande der Unlau-
terkeit befand, erdichtet. In den älteren Pachomiusviten findet
sich diese Episode nicht. Selbst wenn dieselbe historisch wäre, so
wäre sie durchaus kein Beweis dafür , dass der Knabe sich bereits
anzüchtiger Handlungen schuldig gemacht hätte; denn, wie aus-
drücklich hervorgehoben wird, will ja der Araber an diesem kon-
kreten Beispiel zeigen, wie Pachomius die bösen Neigungen der ihm
unterstellten Mönche erkannte und die Nachlässigen, ehe sie zur
Ausführung des Bösen schritten, aus dem Kloster wegjagte.
Zur Illustration der ausserordentlichen Menschenkenntnis des
Pachomius erzählt die arabische Vita (S. 510 ff.) noch folgende Be-
gebenheit. Pachomianische Mönche, welche aus Alexandria heim-
kehrten, brachten drei Männer mit, die um Aufnahme ins Kloster
baten. Pachomius erkannte sogleich, dass der eine von ihnen Un-
kraut war von Kindheit an^), und trug Bedenken ihn aufzunehmen,
da das tief eingewurzelte Böse schwer auszurotten wäre. Indes, um
die zwei anderen Ankömmlinge nicht abzuschrecken, nahm er ihn
auf und Hess ihn durch einen bewährten Mönch überwachen. Die
Mitmönche, denen Pachomius das Vorleben des Neulings verschwieg,
staunten über dessen Ascese. Indes am Ende des neunten Jahres
neigte sich sein Herz zu dem Entschlüsse, eine Seele zu verderben
und zu töten. Pachomius erkannte dies im Geiste und forschte ihn
ans. Der Unglückliche gestand ein, dass er in seinem Herzen an der
Ausführung seines bösen Gedankens Gefallen gehabt hätte, und
Pachomius entliess ihn aus dem Kloster.
1) A' 510 f.: Kala laha haza*r-raclschala huwa siratau zavänun min
sagaratin = (Pachomins) sprach zu ihm (dem ältesten Mönche) : Dieser Mensch
ist in dem Betragen nach Unkraut von klein auf. Die Übersetzung Am^lineaus:
»Cet horome est un fomicateur des son enfance« ist unrichtig; denn zavänun
heisst nicht Hurer, sondern Unkraut. Möglich wäre allerdings eine andere
Punktation der Konsonanten des fraglichen Wortes, nämlich zavänin (Plural
von zänijatan) = Ehebrecherinnen, doch an^ dieser Stelle widersinnig. — Zwei
Zeilen vorher lässt Am^lineau in seiner Übersetzung den Pachomins sagen :
Pourquoi as-tu amene cet homme de fornication? Allein der arabische Text
»Limäzä dschibta ilaina häzä'z-zawäna« lautet wörtlich übersetzt: »Warum hast
du gebracht zu uns dieses Unkraut?« Die Unrichtigkeit der Übersetzung
Am^lineaus ergiebt sich übrigens aus dem Vergleich des Parallel teztcs der
vita M 194 f., der doch dem Araber als Vorlage gedient hat.
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248 Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4. Jahrh.
Der Bericht ist kein Beweis far den UDmoralischen Geist in
dem Pachomianischen Elosterverband , eher für das Gegenteil.
Fachomius hat den Verdächtigen nnter eine strenge Aufsicht ge-
stellt und dessen Vorleben den übrigen Mönchen deshalb verheim-
licht, weil diese sonst an seinem Aufenthalte im Kloster Anstoss
genommen und ihn verabscheut hätten. Der Bericht ist übrigens
aus der koptischen Vita M 194 ff. geschöpft und findet sich nicht
in der ältesten Vita C.
Ähnlich dem vorigen ist der Bericht der arabischen Vita
(S. 518 ff.) über die Bekehrung des Silyanus. Zwei junge Leute
nämlich wollen Mönche werden. Fachomius sieht, dass der eine
von ihnen, Silvanus, in Unlauterkeiten gelebt hat, und giebt ihm
darum ganz besondere Verhaltungsmassregeln. Bald bemerkt er je-
doch, dass der böse Geist, dem der junge Mann früher Folge ge-
leistet, wieder in ihm Flatz gefunden hat, und will ihn entlassen.
Silvanus bittet um weitere Nachsicht, wird von Fachomius unter
die Aufsicht eines bejahrten und erprobten Mönches gestellt und
macht nun solche Fortschritte in der Tugend, dass Fachomius ihn
in einer öffentlichen Versammlung als Vorbild für die übrigen
Mönche hinstellen konnte.
Der arabische Bericht ist so allgemein gehalten, dass man
daraus das eigentliche Crimen des Silvanus nicht eruieren kann.
Indes diese Episode findet sich auch in den ältesten Pachomius-
viten. Während der Araber ganz allgemein erklärt, dass Silvanus
dem bösen Geiste wieder Einlass in sein Herz gewährt habe, bestand
nach der griechischen Originalvita (C 66) das Crimen darin, dass
der junge Mann die Vorschriften des Fachomius bald ausser acht
Hess und Fossen trieb, und die Vita F giebt uns noch genaueren
Aufschluss ȟber die Unlauterkeiten, in denen Silvanus vor dem
Eintritt ins Kloster gelebt hatc Es heisst darin (F 2), dass der
junge Mann von Hause aus Schauspieler war und nach einiger Zeit
in der Elostergemeinde Frohen seines früheren Gewerbes zum Besten
zu geben versuchte.
Schliesslich kommt hier noch dec Bericht A' 538 in Betracht.
Es heisst darin, dass in einem der Fachomianischen Klöster ein
Mönch Aufnahme fand, der äusserlich als fromm erschien und seinC'
Mitbrüder durch sein Betragen erbaute. Fachomius erkannte jedoch
vermöge der ihm eigenen Kardiognosie , dass der Mönch in den
Unlauterkeiten, in denen er früher gelebt hatte, noch geblieben
sei, und entliess ihn sofort.
Was unter der Unlauterkeit aus früherer Zeit zu verstehen sei
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Rückblick auf das egypt, Mönchtum des 4. Jahrh. 249
gibt der Araber nicht an. Man muss sich aber wohl hüten, an Un-
zucht oder Hurerei zu denken, wenn in den koptisch-arabischen
Quellen tqu Unlauterkeit (nadschasun, nadschäsatun) die Rede ist.
Unzucht wird in der arabischen Vita mit zinä'un bezeichnet,
z, B. A' 493 : damlru'z-zinäi = der unzüchtige Gedanke. Vgl. auch
A' 513. Dagegen hat das Wort nadschasun, nadschäsatun einen viel
weiteren Begriff und ist gleichbedeutend roit Sünde überhaupt. Ein
Beweis dafür ist A'402; Pachomius sagte nämlich zu Theodor:
»Beobachte, so gut du kannst, das Gebot des Evangeliums: Selig
sind, die rein sind; denn sie werden Gott schauen. Wenn ein un-
lauterer Gedanke (damirun nadschasun), sei es Hass oder Unzucht
(zinä'un) oder Eifersucht^) oder Geringschätzung der Brüder oder
Ruhmsucht, in dein Herz kommt, so denke und sprich zu dir in
diesem Augenblick: Gewähre ich einem diesen Gedanken Einlass in
mein Herz, so werde ich Gott nicht schauenc. Ein anderes Mal
(A' 493) bittet Pachomius den Herrn, ihn von dem eitlen Gedanken
zu bewahren, dass er sich nie etwas darauf einbilde, Vorsteher von
Mönchen zu sein, und auch diese Eitelkeit wird Unlauterkeit (en-nadschasu)
genannt. Wie man selbst dann, wenn in den koptisch-arabischen Viten
von Unzucht (zinä'un) die Rede ist, nicht immer an eine sexuelle Sünde
denken darf, beweist A' 506 (M 187); hier wird nämlich ein von
einem Mönche zu Knaben gesprochenes Scherzwort »Jetzt ist die
Zeit der Weintraubenc als »Unzucht (zinä'un) für die fleischlich ge-
sinnte Seele bezeichnet, obwohl dasselbe nur auf Weckung der
Gaumenlust hinzielen konnte. Bei Nichtbeachtung dieses Sprach-
gebrauchs erscheint mancher harmlose Bericht der koptisch-arabi-
schen Viten schlimmer, als er es in Wirklichkeit ist.
Zieht man nun das Facit aus den eben besprochenen Berichten
der arabischen Pachomiusvita, so handelt es sich nur in zwei Fällen
um eine unsittliche Handlung, die schon im Herzen beschlossen war,
aber nicht ausgeführt wurde; in den übrigen sechs Fällen ist nur
die Rede von unreinen Gedanken und Begierden, von denen es zum
Teil nicht teststeht, ob sie wirklich sexueller Natur waren. Selbst
wenn alle diese Erzählungen auf historische Wahrheit Anspruch
machen könnten, so wäre man durchaus nicht berechtigt, ein so un-
günstiges Urteil über den sittlichen Stand in den Pachomianischen
Klöstern zu fällen, wie es Am^lineau gethan hat, zumal da die be-
richteten Vorfälle sich auf einen Zeitraum von fast fünfzig Jahren
1) Am^lineau übersetzt : ou autre chose semblablc ; allein im arabischen
Text steht gairatan = Eifersacht, nicht gairnn = etwas anderes.
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250 Rückblich auf das egypt. Mönchtum des 4, Jahrh.
erstrecken und eine GeDOssenschaft von fast fünftausend Mönchen
betreffen ^).
Dabei könnte man immerhin zugeben, dass in einer so zahl-
reichen Gemeinschaft und in einem so langen Zeitraum mehr De-
likte vorgekommen sind, als in den Quellen berichtet wird. Aber
Am^lineau geht zuweit, wenn er in Ermangelung eines ausgiebigen
historischen Quellenmaterials för seine These zu aprioristischen Be-
weismomenten seine Zuflucht nimmt und sich zu der Behauptung
versteigt, diese Mönche hätten überhaupt nicht keusch leben können,
da schon ihre Rasse und das heisse Klima sie für sexuelle Excesse
empfänglich gemacht hätte *). Die koptischen Mönche waren darüber
anderer Ansicht. Pachomius nahm bekanntlich in seinen Eloster-
verbaud auch solche auf, deren Vorleben nicht ohne Makel war,
unterstellte sie aber einer besonderen Leitung und einer strengeren
Überwachung, ohne die übrigen Mönche über das bisherige Leben
des Aufgenommenen aufzuklären. Dies that er nicht etwa bloss^
um die schwächeren seiner Mönche vor etwaiger Verführung zu be-
wahren, sondern er erklärt auch ausdrücklich: »Wenn ich einigen
der Brüder das Betragen dieser Menschen offenbaren würde, damit
sie denselben im ascetischen Leben behilflich wären, so würden sie
dieselben verabscheuen und sich darüber so aufhalten, dass sie mit
1) Amilineau erlaubt sich in s. Introduction p. CIX noch folgende
Verdächtignng der Pachomianer : »D'ailleurs, si Ton ne r^assissait pas a la
maison, on r^ussissait d^aillenrs, et les tombeaux de la montagne servaient de
refage«. Indes weder in der von ihm beTorzufften arabischen Vita noch in den
älteren Quellen ist von sexuellen Vergehen der Pachomianer in abgelegenen
Schlupfwinkeln des Gebirges die Rede. Vermutlich hat Araelineau auf einen
Bericht im Briefe Ammons (c. 14—15) angespielt ; in diesem Falle hat ^r aber
den Text in ganz willkürlicher Weise gedeutet. Laut diesem Bericht erhielt
Theodor die Offenbarung, dass vier Mönche, die von Kindheit an sich gut
führten, gefehlt hätten (i<J9($cX7)aav). In einer bald darauf gehaltenen Anrede
äussert er sich genauer: »Einige der Unsrigen, die bisher eifrige Asceten
waren, sind ausgeglitten, aber nicht gefallen (iJXtadTjaav [x^v, ou icsKTwxaaiv 8^.
Vier von ihnen, welche auf Befehl im Gebirge Holz sammelten, fingen, da sie
sich von den übrigen abgesondert dünkten, an Spässe zu reden und zu
scherzen c (euxpaTcsXa X^yeiv tcoo; aXXTJXou; xa\ Y^Xoi^^Etv xol Xa^al^etv). Dass kein
anderes Delikt vorlag, beweisen auch die in der Rede citierten Schriftstellen
(Job. 31. 5; Eccl. 7, 34; Jac. 4, 9; Luc. 6, 25). Zum Schluss wird der Fehl-
tritt als unbedeutend bezeichnet. Jene Mönche, heisst es nämlich, nahmen sich
die Worte Theodors zu Herzen und besserten sich so, dass sie den übrigen im
Kloster als Vorbild dienen konnten, wie auch ihr Leben vor dem kleinen Fehl-
tritt (xot jcpb Tou IXa^poü toiJtoü jrraiajxaro?) mnstergiltig war.
2) Neuestens hat sich Prof. Dr. Friedrich Plehn in seiner 1902 in Jena
(Fischer) erschienenen Schrift: »Tropenhjgiene« S. 37 sehr skeptisch darüber
geäussert, als ob unter dem Einfiuss des Tropenklimas (» Tropenkoller c) sitt-
liche Ezcessse eine Naturnotwendigkeit seien und wegen Beschränkung der
Zurechnungsfähigkeit einen gewissen Milderangsgrund für sich beanspruchen
dürften.
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Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4, Jahrh, 251
denselben nicht einmal essen oder trinken wollten ^)€. So berichtet
der Araber über den Absehen der Pachomianer gegen jegliches un-
züchtige Wesen, Überhaupt betont Pachomius, dass selbst den
Menschen , die tief eingewurzelte böse Neigungen hätten , die Frei-
heit der Selbstbestimmung und die Möglichkeit der Sinnesänderung
durchaus nicht fehle: »Alien Menschen, die Gott von Adam an ge-
schaffen hat, gab er die Selbstbestimmung, auf dass sie wählen
können, was sie wollen, sei es das Gute oder das Böse. Wenn je*
mand von Kindheit an eine böse Natur hat und dieselbe von seinen
Eltern ererbt hat, so ist dennoch Gott deshalb nicht zu tadeln, da der
Mensch die Freiheit besitzt und allem Bösen, das ihm in den Weg
kommt, widerstehen kann. Viele Frauen, die doch nicht eine (so starke)
Natur haben wie der Mann, üben grosse Ascese und erreichen ihr
Ziel, wenn sie ihre Jungfräulichkeit bewahren wollen ; wie viel mehr
kann es der Mann thun, den Gott nach seinem Bilde und Gleich-
nisse geschaffen und dem er eine männliche Natur gegeben hati
Und wenn der Satan ihm entgegentreten will, so kann er ihn jedes-
mal mit der Macht seines Willens bewältigen .... Wenn der Mensch
in der Furcht Gottes bleibt, so wird er in der Reinheit der Ehe
leben und weder eine Ausschweifung noch eine Hurerei begehen.
Und wenn er das Verlangen hat nach einer höheren Vollkommenheit,
so wird er die Beinheit der Engel erreichen und ein Tempel Christi
werden im Mönchsleben *)€. Das sind die Anschauungen eingeborener
Kopten über die Möglichkeit eines christlichen Lebenswandels in
ihrem »feurigen, heisses Blut erzeugenden Klimac.
Berechtigt wäre der Verdacht des Amälineau, wenn diese
Mönche eine Lebensweise geführt hätten, die den Gelüsten des
Fleisches Vorschub geleistet hätte. Man braucht aber bloss das
obige Kapitel (S. 209 ff.) über die Speiseordnung zu lesen , um zu
erkennen, dass bei den Pachomianern von Genusssucht keine Bede
sein konnte. Grützmacher (a. a. 0. S. 129) meint zwar, das Kloster
hätte so viel geboten, dass so ein armer Fellah sehr zufrieden sein
konnte, aber er bezeichnet doch die Mahlzeiten in den Pachomiani-
schen Klöstern als äusserst frugal. Fleisch- und Weingenuss war
nur in Krankheitsfällen gestattet.
Auch der Müssiggang, der Anfang aller Laster, hatte keine
1) A' 514; Tgl. M 200; s. oben S. 186. — Dass alle diejenigen, deren
Vorleben nicht makellos war, bei der Aufnahme ins Kloster schon Christen
waren, ist nicht anzunehmen; wurden doch jedes Jahr zu Ostern in Phebdou
anlässlich des Generalkonvents die dem Xlosterverbande angehörigen Katechu-
menen getauft. S. oben S. 180.
2) A' 512 f.; Tgl. M 197 f.
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252 Rückblich auf das egypt. Mönchtum des 4. Jahrh,
Stätte in jenen Klöstern, wie man sich aus den schon früher
(S. 206 ff.) behandelten, strengen Vorschriften über das Tagewerk
der Pachomianischen Mönche überzeugen kann.
Dazu kommen die peinlichen Vorschriften der Pachomiusregel
über das Verhalten der Mönche in und ausserhalb des Hauses, bei
Besuchen und auf Reisen. Am^lineau (S. CVIII) erklärt selbst:
»Dans ces monastdres de c^nobites pakhdmiens, il ne parait pas
qu'il 7 a eu de grands d^sordres d'hommes ä femmes: le nombre
des femmes ^tait r^lativement petit, et le roonast^re feminin bäti
pr^s de Tabenntsi contenait seulement quatre cents femmes. Sans
doute, la clotüre ^tait plus severe, les rdgles mieux observ4es, car il
n*7 a pas vestige de fr^quentation entre meines et religieuses. Doch
merkwürdigerweise behauptet der Pariser Professor einige Zeilen
später: Si, dans les documents relatifs aux c^nobites pakhömiens,
nous ne trouvons aucun exeraple de rapports sexuels entre meines et
religieuses ce n'est pas une preuve quMl n'y en eut pas ; ce n'est mSme
une preuve qu'ils ne furent pas fr^quentsc, und zum Beweise für die
Wahrscheinlichkeit seiner Behauptung weiss er nichts anderes vor-
zubringen als den durchaus nichts beweisenden Bericht A' 383 f.,
der schon oben (S. 241) zur Sprache gekommen ist.
Diese letztere Verdächtigung wäre nur dann angebracht, wenn
Amelineau beweisen könnte, dass die klösterlichen Satzungen von
den Pachomianern schlecht beobachtet wurden. Nun aber lesen wir
in allen Pachomiusviten , auch in den koptisch-arabischen, dass in
diesen Klöstern eine sehr strenge Überwachung der Mönche seitens
der Oberen üblich war, und auch anderwärts (Gassian. de instit.
coen. IV, 1) wird bezeugt, dass die Pachomianer wegen ihres pünkt-
lichen Gehorsams gegen die Klosterregeln in ganz Egypten berühmt
waren. Aber werfen denn nicht die vielen minutiösen und pro-
phylaktischen Vorschriften der Pachomiusregel ein schlechtes Licht
auf das ganze Institut ? Allerdings, wenn Pachomius infolge schlechter
Erfahrung dieselben getroffen hätte. Indes erscheint nach Ausweis
aller Viten die ganze Gesetzgebung des Ordensstifters als Frucht
weiser Vorsicht und nicht als Ergebnis schlechter Erfahrungen und
Ärgernisse. Ja, die anfänglichen Verbote bezüglich des Verkehrs
mit der Aussenwelt sind von Pachomius später gemildert worden.
Die peinlichen Vorschriften der Pachomiusregel erklären sich übri-
gens schon daraus, dass die menschliche Natur durch den Eintritt
ins Kloster nicht unterdrückt war, und dass infolgedessen die
Mönche zur Erreichung der hohen sittlichen Ziele sich unausgesetzt
besonderer Vorsicht und Wachsamkeit befleissigen mussten. Aus
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JRückblick auf das egypt Mönchtum des 4, Jahrh, 253
diesem Gesetzeskodex aber auf die wirklichen sittlichen Zustände in
den pachomianischen Klöstern zu schliessen und auf Grund einzelner^
zum Teil sehr zweifelhafter Fälle ein Sittengemälde des ganzen
Klosterverbandes zu entwerfen, wie dies Grützmacher (S. 136 ff.)
thut, das ist eine gewagte Sache.
Immerhin hätten die minutiösen Satzungen wenig genützt,
wenn nicht für die Erhaltung eines religiös- sittlichen Ernstes unter
den Mönchen gesorgt worden wäre. Aber diese Fürsorge fehlte nicht,
wovon schon früher in dem Kapitel über die Kloster-Katechesen
die Bede war. Alle Pachomiusviten stimmen darin überein, dass
die Oberen nichts ausser acht Hessen, um das religiös- sittliche Leben
der Untergebenen auf der Höhe zu erhalten. Muten uns auch ein-
zelne der auf uns gekommenen Katechesen aus jenen Kreisen wegen
ihrer spezifisch koptischen Dekoration ganz eigentümlich an, so atmen
sie doch alle einen hohen sittlichen Ernst und verraten ein tiefes
Eindringen in den Geist der hl. Schrift. Mannigfaltig sind die
Themata, die in denselben zur Behandlung kommen ; aber in keiner
ist ex profesLSO von der ünkeuschheit die Bede, ein Beweis, dass
dieses Laster in jenen Kreisen nicht grassierte.
Wenn schliesslich Am^lineau erklärt, dass schon wegen des
niedrigen Bildungsgrades unter den Pachomianem keine höhere Sitt-
lichkeit erwartet f^erden könne, so ist die diesem Vorwurf zugrunde
liegende Voraussetzung etwas sonderbar. Wir besitzen allerdings keine
Statistik. Das Gros der Mönche mag sich aus dem einfachen
Pellachenvolk rekrutiert haben. Hat doch Pachomius auch Sklaven
unter gewissen Bedingungen die Aufnahme in seine Klöster gewährt
Indes wir lesen auch, dass Theodor, der Lieblingsschüler des Ordens-
stifters, einer vornehmen Familie aus Esneh entstammte; auch sein
Bruder trat später in den Klosterverband ein. Ein anderer Theodor,
der Dolmetscher für die vielen griechischen Mönche in Pheboou, war
früher Lector der Kirche von Alexandria. Petronius, der Nachfolger
des Pachomius, gehörte einer begüterten Familie aus Thebiou an.
Was aber die ohne Bildung Eintretenden anlangt, so steht es fest,
dass man sie nicht als blosse Arbeiter behandelte; sondern jeder-
mann war gehalten, lesen und schreiben zu lernen, um die Lektüre
der hl. Schrift betreiben zu können, und für die weitere religiös-
sittliche Ausbildung war durch die häufigen Katechesen hinlänglich
gesorgt.
Aus alledem ergiebt sich, dass die Mönche bei einer derartigen
Fürsorge und unter einer so gewissenhaften Leitung ein moralisches
Leben zu führen wohl im stände waren, und es kann dem Pachomius
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254 Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4, Jahrh,
nicht hoch genug angerechnet werden, dass er in einem Klima, wo
die Erschlaffung des Leibes notwendig auch die Erschlaffung des
Qeistes mit sich führt, und inmitten einer in heidnische Laster tief
gesunkenen Bevölkerung tausende von Landsleuten an sich zu ziehen
und durch seine weisen Institutionen auf eine hohe sittliche Stufe
zu heben verstand, wie dies von den Zeitgenossen übereinstimmend
anerkannt wurde. Es muss daher bedauert werden, dass Am^lineau
teils durch Überschätzung der arabischen Pachomiusvita, teils durch
inkorrekte Obersetzung derselben, teils durch Nichtbeachtung des
Sprachgebrauchs der koptischen Mönche sowie durch die Sucht zu
Verallgemeinerungen einzelner Fehltritte ein solches Zerrbild des
Pachomianischen Elosterverbandes geliefert hat, indem er, wie
Gustav Krüger^) in einer Recension des Am^lineau'schen Werkes
bemerkt, in der Charakteristik jener koptischen Mönche »sehr ins
Schwarze gemalt und manchen unschuldigen Zug und allerhand
Harmlosigkeit gleich schlimm gedeutet hatc. Es ist jedenfalls un-
gerecht, bloss aus den hie und da vorgekommenen Fehltritten das
sittliche Niveau der Pachomianischen Klöster zu bestimmen und
dabei die Beurteilung, die etwaige sittliche Verirrungen bei den
Mönchen und ihren Leitern gefunden haben, ganz ausser acht zu
lassen*).
Zum Schluss muss noch erwähnt werden, dass Am^lineau (In-
troduction p. XC) durch Aufbauschung eines harmlosen Berichtes
1) Theolog. Literaturzeitung 1890, Sp. 624.
2) Wie Am€lineau die Beweise für die Ünsittlicbkeit der egyptischen
Mönche des 4. Jahrhunderts an den Haaren herbeizieht, beweist besonders sein
Hinweis auf die von ihm heraus^^egebenen Contes et Romans de V E^ypte
<;hr4tienne (Paris, Leroux, 1888), die den Geschmack jener Mönche an schlüpf-
rigen Erzählungen zur Genüge dartun sollen (s. Amölineau, Annales du mus^e
Ouimet, Tome XVII, S.'CIII, Contes etc. S. LXXl). Einige dieser Contes et
Komans sind aus arabischen, andere aus koptischen Quellen geschöpft.^ In-
des, wenn es auch wahrscheinlich ist, dass auch die arabischen Stücke nur Über-
setzungen koptischer Vorlagen sind (Contes etc. S. XIII), so ist doch damit
noch lange nicht bewiesen, dass die ganze Romansammlung ihren Ursprung
den koptischen Mönchskreisen des 4. Jahrb. verdankt. Noch zu Anfang des
15. Jahrb. wurde das Koptische in Oberegypten gesprochen (s. Ladeuze S. 69).
Auch die Verehrung der beiden Erzengel Michael und Gabriel, die in den
Contes et Romans eine grosse Rolle spielt, weist auf ein späteres Zeitalter hin ;
wenigstens findet sich in den koptischen Mönchsquellen des 4. Jahrh. keine
Spur davon. Nach den Ausführungen Amelineaus zu urteilen« musste man
übrigens annehmen, dass diese Romansammlung voll schlüpfriger Episoden Rei.
Bei einer Dnrcbiicht derselben findet man darin höchstens einige Episoden
<8. Contes et Romans I S. 149, 153 f., 176; II S. 202 f.). die uns wegen der
nnver hüllten Aussprache sexueller Dinge abstossend erscheinen, aber Kenner
der orientalischen Literatur nicht überraschen. Übrigens verlegt Amelineau
(Contes etc. S. XLII) selbst die Abfassung dieser koptisch-arabischen Roman-
literatur in eine spätere Zeit, so dass dieselbe als Beweis für den unmorali-
schen Charakter des egyptischen Mönchtums im 4. Jabrh. gar nicht in Be«
tracht kommen kann.
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Rückblich auf das egypt Mönchtum des 4, Jahrh. 255
die PachomiaDer sogar des Apiskultus bezichtigt hat. Auf Grund
der Vita M 217 f. behauptet er, dass so vollkommene Christen und
so tugendhafte Mönche, wie die Pachomianer, sogar bereit waren,
den Stier Apis anzubeten , und dass Theodor einen prächtigen Stier
aus Furcht, seine Gönobiten könnten denselben anbeten, töten Hess«
Der Bericht lautet: »Eines Tages sah Theodor beim Vorbeigehen
am Vieh (des Klosters) einen Stier von schöner Gestalt, der ein
Gegenstand der Eitelkeit war für einige, welche fleischlich waren,
bevor die Furcht des Herrn in ihnen geherrscht hatte, und welche
keine Einsicht hatten. Er erinnerte sich, wie der Apostel diejeni-
gen, welche dem Herrn dienten, ermahnte, das Böse wegzuschaffen
und freimütig die Widersprechenden zu unterweisen, auf dass der
Herr sie bekehre zur Erkenntnis der Wahrheit und dass sie acht
geben auf die Schlingen des Teufels und seiner Dämonen, unser
Vater Theodor war langmütig gegen jene; er wies sie nicht zurück
nach seiner Macht, um das wegzuschaffen, was ihnen Ärgernis be-
^ reitete. Aber er betete : Mein Herr Jesus , Du wirkst in allem das
Heil unserer Seelen ; schlage jetzt dieses Tier , auf dass es sterbe,
und auf dass man nicht finde, dass diese Unglücklichen Götzen-
diener sind, nachdem sie sich von der Welt und ihren bösen Ge-
lüsten zurückgezogen haben. Und am folgenden Tage fiel der Stier
plötzlich und starb«. Theodor hat also den Stier nicht selbst töten
lassen. Das ganze Delikt jener Mönche bestand also darin, dass
sie nach Art der Weltleute an jenem schönen Tiere ein eitles Wohl-
gefallen hatten, was sich für Mönche, die von der Welt losgeschält
sein sollen, nach der Ansicht des Abtes nicht geziemte, uns mag
es befremden, dass Pachomius bei einem solchen Delikt die Mönche
gleich mit Götzendienern in Parallele gestellt hat. Allein das war
der Eopten Art. Man denke nur an den Bericht der Vita M 246 f.,
wo erzählt wird, wie einige Mönche beim Herablassen eines Kahnes
in den Nilfluss um die Wette schrieen und keiner dem anderen das
Vergnügen, das erste Seil loszumachen, gönnen wollte. Da aber die
Mönche der Mahnung Theodors zur Mässigung, zumal in Gegenwart
von Weltleuten, kein rechtes Gehör schenkten, apostrophierte sie der
Abt hernach mit den Worten: »Wo ist jetzt die Furcht des Herrn ?
Sie hat aufgehört bei denen von euch zu sein, die mir nicht ge-
horcht haben, als ich (euch) zurief .... Wodurch unterscheiden wir
uns denn von denen , die sich am Noreb vor dem goldenen Kalbe
belustigten, die da assen und tranken und dasselbe anbetetenc. Mit
Recht bemerkt Ladeuze (S. 105): »Theodor ist schnell dabei, Mönche,
die ein wenig zu laut geschrieen haben, Götzendiener zu nennenc.
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256 Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4, Jahrh,
§ 4. Die AscetiJc und die SitÜichkeU der Mönche in Unieregypten.
Hat auch Am^lineau die Gesamtheit der egyptischen Mönche
im 4« Jahrhandert eines anmoralischen Lebenswandels bezichtigt, so
hat er sich doch im Verlaufe seiner Abhandlung fast ausschliesslich
auf die Diskreditierung der Mönche in der Thebais, insbesondere der
Pachoroianer, beschränkt. Wie er dabei zu Werke gegangen ist,
zeigte die bisherige Erörterung. Am^lineau (Introduction p. Cni)
hat indes auch eine Untersuchung der Sitten der Mönche in Unter-
egypten, speziell der nitrischen und sketischen Mönche, in Aussicht
gestellt. Diese Arbeit ist bisher nicht erschienen. Nichtsdesto-
weniger wird wohl zur Vervollständigung des Gesamtbildes eine
Prüfung jener Mönchskreise in Bezug auf ihre Moralität nicht zu
umgehen sein. Hierbei werden nicht bloss die etwaigen sittlichen
Exzesse zur Sprache kommen, sondern, da Amälineau dem egyp-
tischen Mönchtum im 4. Jahrhundert die innerliche Erfassung des
Christentums in so genereller Weise abgesprochen hat, so sollen
auch die sittlichen Grundsätze, welche bei den Mönchen ünter-
egyptens, insbesondere den nitrischen und sketischen Mönchen,
massgebend waren, zur Darstellung gelangen.
In erster Linie kommt hier die vom hl. Athanasius verfasste
vita Antonii in Betracht. In derselben wird das Mönchsideal einer-
seits durch die Vorffihrung des vorbildlichen Lebens des hl. An-
tonius^) und andererseits durch die Unterweisungen dieses Mönchs-
vaters an seine Schüler gezeichnet. Worin besteht nun das Mönchs-
ideal? Antonius glaubte nicht schon durch den Verzicht auf Hab
und Gut ein vollkommener Mönch zu sein, sondern führte nach der
äusseren Losschälung von der Welt ein strenges Leben, gab immer
1) Die Worte Am^lineaua (Introduction p. CV): »A quoi rdvait saint
Antoine dans sa caveme prds de la mer Bonge? aux femmes« beweisen, wie
derselbe mit den benutzten Quellen umgeht. Man müsste hiernach annehmen,
dass Antonius noch als bejahrter Mann , als er in der Wüste auf dem sog.
Antoniusberge wohnte, von solchen Dingen träumte. Davon ist aber in der
Vita Antonii keine Bede; vielmehr beisst es dort (c. 5), dass Antonius als
junger Mann , nicht weit von seinem Heimatsort wohnend , also am Anfang
seiner ascetischen Laufbahn, allerlei Versuchungen zu bestehen hatte. Zunächst
suchte der neidische Teufel ihn von der Ascese abzubringen durch Erinnerung
an seine Besitzungen und an die Sorge für seine Schwester, an die Liebe zum
Gelde und an die anderen Ergotzlichkeiten eines freieren Lebens. Als dies
nicht gelang, »setzte er sein Vertrauen auf jene Waffen, die er im Nabel des
Bauches hat (Job. 40, 11), und pochte auf diese; denn das sind immer seine
ersten Nachstellungen gegen die jungen Leute. Er gab dem Antonius schmutzige
Gedanken ein ; dieser aber machte sie durch das Gebet zu nichte. Der elende
Teufel verstand sich sogar dazu, bei Nacht die Gestalt eines Weibsbildes an-
zunehmen und ein solches in allem nachzuahmen, nur um Antonius zu bethören.
Dieser aber stellte sich in Gedanken Christum vor Augen . . . und löschte so
die Kohle der Arglist desselben aus.c
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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh. 257
mehr aaf sich acht und sachte alle Tagenden, besonders aber den
tilauben an Christas and die Nächstenliebe, in seinem Leben aas-
zaprägen (c. 3—4). In gleichem Sinne unterwies er die Mönche:
»Lasset uns, wenn wir auf die Welt hiablicken, ja nicht etwa
glauben, wir hätten grossen Dingen entsagt. Wenn jemand auch
auf ein Haus oder viel Qeld verzichtet hätte, so dürfte er sich doch
nicht rühmen, sein Heil nicht schon gesichert wähnen und deshalb
sorglos werden. Wir können ohnedies nicht diese Oüter ins ewige
Leben nehmen. Was wir aber mitnehmen können, ist Klngheit,
Gerechtigkeit, Massigkeit, Starkmut, Liebe, Wohlwollen gegen die
Armen, den Olauben an Christus, Sanftmut, Gastfreundlichkeit«
Besitzen wir diese bienieden, so werden wir durch sie dort gast-
freundliche Aufnahme bereitet finden, im Lande der Sanftmütigen«
(c. 17). Der Verzicht auf die irdischen Güter ist also nur der erste
Schritt auf dem Wege znr Vollkommenheit; der Mönch entsagt
diesen Dingen um der Tugend willen (dt' ipexTjv xataXtiiicavofisv).
An einer anderen Stelle sagt er: »Fürchtet euch nicht, wenn ihr
das Wort Tugend höret; denn sie ist nicht weit von uns and nicht
ausser uns; in uns ist sie und leicht zu erwerben, wenn wir wollen.
Die Griechen durchschiffen Meere, um Wissenschaften za erwerben.
Wir aber haben nicht nötig, wegen des Reiches Gottes and wegen
der Tugend aus der Heimat zu ziehen. Der Herr sagte: das Reich
Gottes ist inwendig in euch. Die Tugend bedarf also unser, und
aus uns besteht sie« (c. 20).
Das Wesen der Ascese besteht nicht etwa in dem Besitz der
Gabe der Frophetie. Zwar ist Antonius der Meinung, dass einer
reinen Seele Gott Dinge eröffne, die ein gewöhnliches Auge nicht
schaue. Aber Tugend kann dies doch nicht erzeugen, noch ist es
ein Merkmal eines guten Charakters. Es hat nämlich niemand von
uns darüber Rechenschaft zu geben, warum er das nj^ht gewusst
hat, und niemand wird deswegen selig, weil er das nicht gelernt
hat and nicht weiss, sondern darüber ergeht das Gericht, ob einer
den Glauben bewahrt und die Gebote reinen Sinnes erfüllt hat.
Darnm soll man nicht deshalb der Ascese sich hingeben, um das
Charisma der Prophetie zu erlangen, sondern um durch einen edlen
Wandel Gott zu gefallen. Auch beten soll man, nicht dass man
die Zukunft vorauserfahre, noch soll man dies als Lohn der Ascese
anstreben, sondern damit der Herr uns znm Siege über den Teufel
verhelfe (c. 33—34). An einer anderen Stelle erklärt Antonius
(c. 88): »Man soll sich nicht dessen rühmen, dass man Dämonen
austreiben könne, noch sich wegen der Kraft der Heilungen über-
S c h i w i e t z , Mönchtum. \ 7
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258 Rückblick auf das egypL Mönchtum des 4. Jahrh,
heben. Man soll den, der Dämonen austreibt, ebenso wenig bewun-
dern als den, der das nicht thut, verachten. Wohl aber lerne man
von jedem seine besondere Tugend kennen und wetteifern, sie nach-
zuahmen oder es noch besser zu machen. Denn Zeichen zu thun ist
nicht unsere Sache; das ist des Erlösers Werk. Deswegen sagte er
zu seinen Jüngern: »Freuet euch nicht, dass die Dämonen euch
unterworfen sind, sondern dass eure Namen im Himmel aufgezeich-
net sind.« Denn dass die Namen im Himmel aufgezeichnet sind,
ist ein Zeugnis unserer Tugend und unseres Wandels. Daher wird
jenen, die sich nicht der Tugend, sondern der Wunderzeichen rühmen
und sagen: »Herr, haben wir nicht in Deinem Namen Teufel aus-
getrieben und viele Wunder gethan?« geantwortet werden: »Ich
kenne euch nicht.« Lasset uns also beten um die Onadengabe der
Qeisterunterscheidung , damit wir nicht jeglichem Geiste glauben,
wie geschrieben steht (I Job. 4, 1). Also weder in dem Charisma
der Dämonenaustreibung und der Erankenheilungen , noch in dem
der Prophetie, sondern im heiligen Wandel und der Übung jeglicher
Tugend ist die Mönchsgrösse zu suchen.
Doch welchen Wert haben die ascetischen Übungen, welche
Antonius durch Wort und Beispiel empfohlen hat? Das Fasten, die
Nachtwachen und alle übrigen Abtötungen sind nicht das Ziel, son-
dern Mittel zur Erlangung der Vollkommenheit. Antonius empfahl
diese Übungen, weil er der Überzeugung war, dass dann die Kraft
der Seele am schönsten hervortrete, wenn die Lüste des Körpers
zurücktreten. Das sei aber, erklärte er, nicht das Werk eines Tages ;
täglich solle sich der Mönch befleissigen, sich als solchen zu er-
weisen, wie man vor Gott erscheinen müsse, reinen Herzens zu sein
und bereit, Gottes Willen zu gehorchen und keinem anderen (c. 7.)
Unter Hinweis auf das Wort Pauli (Ephes. 6, 12): »Wir haben
nicht den Kampf wider Fleisch und Blut zu führen, sondern wider
die Mächte und Gewalten, wider die Weltbeherrscher dieser Finster-
nis, wider die Geister der Bosheit unter dem Himmel« bezeichnet
Antonius den Kampf gegen die Sinnlichkeit zugleich als einen Kampf
gegen die bösen Geister (c. 21). Ja, die gesamte Ascese erscheint
in den Augen dieses Mönchsvaters als ein Kampf gegen die Mächte
der Finsternis. Indes werden nicht alle Versuchungen und bösen
Gedanken auf die Dämonen als unmittelbare Urheber zurückgeführt.
Sagt doch Antonius von diesen Feinden des Heiles: Sie kommen
und nehmen die Gestalt an, in der sich unser geistiges Leben be>
findet. Sie sind der Widerschein unserer Gedanken. Nur die zag-
haften Seelen werden ihre Beute. Finden sie aber, dass wir fröhlich
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Rückblick auf das egypt Mönchium des 4. Jahrh. 269
im Herrn sind and die Gedanken bei den ewigen Gütern haben und
uns noiit dem beschäftigen, was des Herrn ist, so vermögen sie nichts
(c. 42). An einer anderen Stelle (c. 41) wird der Satan redend ein-
geführt mit den Worten: »Nicht ich bin es, der die Mönche be-
lästigt, sondern sie beunruhigen sich selber; ich bin ja kraftlos ge-
worden. Überall sind Christen; zuguterletzt hat sich sogar auch
die Wüste mit Mönchen bevölkert. Sie sollen auf sich selber acht
geben und nicht unverdienter Weise mich verflnchen.t Da bewun-
derte Antonius die Gnade des Herrn und sagte zum Satan: »Du
bist zwar immer ein Lügner und redest niemals die Wahrheit; doch
das hast du jetzf gegen deinen Willen wahr gesprochen.! Wenn
endlich Antonius wiederholt (c. 19, 21, 55) den auf Reinheit des
Herzens bedachten Mönch zur Wachsamkeit mahnt, so ist das auch
ein Beweis, dass er nicht für alle Versuchungen den bösen Feind
verantwortlich gemacht wissen wollte.
Nichtsdestoweniger bringt er die Lehre von den Dämonen in
innigste Beziehung zu dem christlichen Leben des Äsceten. Indem
er auf die Mahnung des Apostels , nicht jedem Geiste zu glauben
(I Joh. 4, 1) hinweist, warnt er davor, jedes urteil des Verstandes
und jede Regung des Willens für gut anzusehen (c. 39). Es gibt
eben gute und böse Gedanken, heilsame und gefährliche Regungen
der Einbildungskraft und des Begehrungsvermögens, kurz, gute und
böse Geister, und in plastischer Schilderung gibt Antonius gewisse
Verhaltnngsmassregeln für diesen Geisteskampf an. Behufs Einsicht
in das innere Geistesleben des Mönchtums mag hier einiges aus
dieser Däraonenlehre folgen. »Wenn (darum) auch die Dämonen
mit Prophezeiung kommen, so achtet ihrer nicht; denn sie lügen.
Wenn sie euch wegen eurer Ascese loben und selig preisen, so
horchet nicht auf sie. Machet das Zeichen des Kreuzes. Ver-
schliesset euch ihnen und betet. Das sind keine guten Geisten
Wenn die guten Geister sich euch nahen, so kündigt sich ihre Gegen-
wart in euch durch Sanftmut und Buhe an; Freude, Wonne und
Mut wird der Seele mitgeteilt, denn der Herr ist mit ihnen, der
unsere Freude und die Macht Gottes des Vaters ist. unsere Seele
wird heiter und mit dem Lichte der Engel überstrahlt, eine Sehn-
sucht nach den göttlichen und künftigen Dingen findet sich ein,
ganz und gar möchte man mit ihnen vereinigt werden und von hinnen
gehen. ■— Lernet also die Geister unterscheiden. Die Gegenwart
böser Geister kündigt sich durch Furcht der Seele, Verwirrung und
Unordnung der Gedanken, Niedergeschlagenheit, Hass der Asceten,
Sorglosigkeit, trauriges Wesen, ungeordnetes Sehnen nach den
17*
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260 Rückblick auf das egypt Mönchlum des 4. Jahrh,
Seinigen und durch Furcht vor dem Tode an, ausserdem durch böse
Begierden, Geringachtuug der Tugend und Wanken des sittlichen
Charakters. Werdet ihr durch eine von diesen Erscheinungen in
Furcht gesetzt, und entfernt sich diese und tritt an ihre Stelle un-
aussprechliche Freude, Heiterkeit, Mut, Erneuerung des Geistes,
Sicherheit und Bestimmtheit der Gedanken, Tapferkeit und Liebe
gegen Gott, so vertrauet und betet, denn die Freude und die Festig-
keit des Geistes zeigen die Gegenwart eines heiligen Engels an.c
Von dieser Gabe der Geisterunterscheidung erklärt Antonius,
dass dieselbe — im Gegensatz zu dem Charisma der Prophetie, der
Krankenheilungen und Dämonenaustreibung — zur Reinigung und
Heiligung des Herzens, dem eigentlichen Ziele der Ascese, für den
Mönch unentbehrlich sei (c. 34, 38), und gibt im Anschluss an die
Dämonenlehre für die Geisteskämpfe ausser den schon oben erwähn-
ten physischen Kraftanstrengungen noch einige Kampfmittel geistiger
Art an. Erstens bedarf es vielen Gebetes und Asceseübens, damit
man durch den Geist die Gnadengabe der Geisterunterscheidung er-
lange, um zu wissen, welche von ihnen weniger böse, welche hin-
gegen schlimmer seien, ferner, wohin das listige Sinnen und Trachten
eines jeden von ihnen besonders gehe, und wie ein jeder von ihnen
darniedergeworfen und ausgetrieben werden könnte« (c. 22). Weiter
heisst es: »Eine grosse Waffe wider die bösen Geister ist ein recht-
schaffenes Leben und der Glaube an Gott. Denn gewiss fürchten
sie an den Frommen das Fasten, das Wachen, das Gebet, die Sanft-
mut, das Stillschweigen, die Verachtung des Geldes, die Demut, die
Liebe zu den Armen, das milde Wesen und vorzüglich die ver-
ehrungsvolle Liebe zu Christus« (c. 30). Sodann empfiehlt Antonius
die Lesung der hl. Schrift; »die Mönche sollten sich die Aussprüche
derselben recht geläufig machen und in ihre Brust niederlegen und
des Lebens der Heiligen sich erinnern, damit die Seele sich darnach
bilde« (c. 55). Und wenn auch die hl. Schrift schon allein zur Be-
lehrung genüge, so hält es Antonius doch noch für gut, dass sich
die Mönche auch gegenseitig im Glauben ermuntern und mittels
Unterredungen zum geistlichen Kampf gleichsam salben (c. 16).
Ganz besonders legte er den Mönchen unter Hinweis auf die Mah-
nung des Apostels: »Richtet und prüfet euch selbst« (2. Cor. 13, 5)
die tägliche Gewissenserforschung ans Herz, damit weder die Sonne
wegen eines untertags begangenen Fehlers, noch der Mond wegen
einer Sünde bei Nacht, sei es auch nur in Gedanken, den Mönch
anklage. »Täglich fordere jeder von sich selber Rechenschaft über
alle seine Handlungen bei Tag und bei Nacht. Habe er gesündigt,
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Rückblick auf das egypt. MOnchtum des 4, Jahrh. 261
SO sündige er nicht mehr; habe er nicht gesündigt, so rühme er
sich nicht, sondern beharre im Guten, werde nicht sorglos und ver-
urteile auch nicht den Nächsten. Allein, um gegen das Sündigen
gesicherter zu sein, möge ein jeder seine Handlungen und Be-
wegungen der Seele aufzeichnen und niederschreiben. Oanz gewiss
werden wir vor Scham, erkannt zu werden, aufhören zu sündigen
oder nach etwas Bösem zu sinnen. Denn wer will auf einer Sünde
betroffen werden? Oder lügt einer nicht lieber, wenn er gesündigt
hat, um nur verborgen zu bleiben? Wie nun niemand vor anderen
Menschen etwas unzüchtiges thuen möchte, so werden wir aus
Scham, erkannt zu werden, auch vor schmutzigen Gedanken uns
bewahren, wenn wir sie notieren, als hätten wir sie dann anderen
mitzuteilen. Diese Aufzeichnung diene uns anstatt der Augen der
Mitbrüder. Das Schreiben wird uns ebenso erröten machen wie das
Gesehenwerden, und so werden wir gar nichts Schlechtes denken.
Wenn wir auf solche Weise uns selber bilden, werden wir den Leib
unter die Botmässigkeit des Geistes bringen, dem Herrn gefallen
und die Tücke des Feindes überwindenc (c. 55).
Die Antoniusbiographie war. nach ihrer Vorrede zu urteilen,
zunächst für ausländische Mönche bestimmt. Doch blieb sie in der
eigenen Heimat nicht unbekannt. Selbst die Mönche in Oberegypten
kannten dieselbe. Die Pachomianer, welche bald nach dem Jahre
373 die Pachomiusvita verfassten, erklären, dass sie durch die An-
toniusbiographie zur Abfassung der Vita ihres Klosterstifters veran-
lasst worden seien. Die in die Pachomiusvita hineingeflochtenen
Belehrungen über das Wesen und das Ziel der Ascese decken sich
mit dem Inhalt der Antoniusbiographie, wenn auch, wie ein Ver-
gleich der beiden Werke ergibt, von einer sklavischen Benutzung
nicht die Rede sein kann.
Indes handelt es sich an dieser Stelle darum, ob in den Mönchs-
kreisen, auf welche die Persönlichkeit des hl. Antonius einen un-
mittelbaren Einflnss ausgeübt hat, das Mönchsideal in dem Sinne
der Vita Antonii aufgefasst wurde. Die ältere Generation der ni-
trischen Mönche, sowie Makarius der Egypter^), durch dessen Ein-
1) Über diesen Makarius bemerkt Am^lineau (Introduction p. CV):
»Macaire avait failli perdre la vie sons raccasation calomniease d'avoir renda
m6re ane jeane fille, alora qa*il avait latt^ contre lui-mäme et contre les sag-
gestions de la chair avec toute Tardenr dont il ätait capable.« Hiermit spielt
er auf einen Bericht der Apophtbegmenliteratar an , der schon früher (S. 97)
behandelt worden ist. Die Anschuldigang erwies sich aber als pure Verleum-
dung einer Frauensperson, die dem damals in der Nähe eines Dorfes als Ascet
lebenden Makarins unbekannt war. Ebensowenig ist in jenem Bericht von
irgendwelchen fleischlichen Versuchungen des Makarius die Bede. Der Text
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262 Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4, Jakrh,
flass die sketische Wüste mit Eremiten bevölkert wurde, rühmten
sich ja, Schüler des hl. Antonias gewesen zu sein oder mit ihm im
innigen Verkehr gestanden zu haben. In der That finden wir in
den von dem letztgenannten Makarius verfassten und als echt aner-
kannten Homilien die gleichen Lehren und Grundsätze der Ascese
wie in der Antoniusbiographie.
Über das Ziel und die Aufgabe des ascetischen Lebens äussert
sich Makarius f olgendermassen : »Es meinen einige, weil sie vom
Weibe und von allem Sichtbaren sich enthalten , darum seien sie
schon heilig; dem ist aber nicht so. Denn das Böse ist im Geiste,
es lebt im Herzen, und da erhebt es sich. Nur der ist wahrhaft
heilig, der gereinigt und geheiligt am inneren Menschen istc (Hom.
17, 13). »Wie kann jemand sagen: Ich faste, ich wohne in der
Einsamkeit, ich habe das Meinige verteilt, also bin ich heilig? Die
Enthaltung vom Bösen ist noch nicht die Vollkommenheit, sondern
wenn du hineingegangen bist in deinen verwüsteten Geist und er-
tötet hast die Schlange, die im Innersten deines Geistes und tief
unter deinen Gedanken, in den sog. Gemächern und Kammern der
Seele mordet und nistet, wenn du diese getötet und alles unreine
aus dir hinausgeschafft hast, dann erst bist du vollkommene (Hom.
17, 15). »Wenn du nur äusserlich deinen Leib vor Schändung und
Hurerei bewahrst, aber innerlich in deinen Gedanken Ehebruch und
Unzucht treibst, so bist du vor Gott ein Ehebrecher« (Hora. 26, 18).
»Wenn aber einer entgegnet: Ich bin kein Hurer, kein Ehebrecher,
kein Geizhals, und das genügt mir, so mag er wohl gegen diese
drei Laster gekämpft haben, aber gegen die anderen zwanzig Nei-
gungen, welche die Sünde in der Seele festhält, hat er nicht ge-
kämpft, sondern er Hess sich überwinden« (Hom. 3, 5).
Die Mittel zur Erlangung der Vollkommenheit, der Heiligung
und Vereinigung mit Gott sind teils negative, teils positive. Die
negativen beziehen sich auf die Entfernung der Hindernisse auf dem
Wege zur Vollkommenheit. »Wer Gott in Wahrheit gefallen will,
der hat zwei Kämpfe durchzufechten.« Er hat sich zunächst loszu-
machen von dem irdischen Besitz, von den irdischen Verwicklungen
und von den sündigen Leidenschaften. Alsdann beginnt ein innerer
krieg und Streit gegen die Gedanken der Geister der Bosheit, wo/u
die Gnade und die Kraft Gottes notwendig ist (Hom. 21). Hierzu ist
die Gabe der Geisterunterscheidung nötig. »Die das christliche Leben
^ibt also dem Am^lineau keine Berechtigang , einen Zosammenhang zwischen
jener Anschuldigung und den angeblichen Seelenkämpfen des Asceten zu
statuieren.
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Hückblick auf das egypL Mönchtum des 4, Jahrh* 263
mit grosser Oenauigkeit ordnen wollen, müssen vor allem für den
erkennenden und unterscheidenden Teil der Seele mit aller Kraft
besorgt sein, damit sie die Unterscheidung des Guten und Bösen
genau erlangen und, was widernatürlich in die reine Natur einge-
schwärzt wurde, vollständig ausscheiden und auf dem rechten Wege
und ohne Anstoss wandeln. Der Gabe der Unterscheidung wie eines
Auges uns bedienend, können wir uns von allem aufstossenden Bösen
frei und unversehrt bewahren und so, der göttlichen Gnade gewür-
digt, Lieblinge des Herrn werdent (Hom. 4, 1). Die Kennzeichen
der guten und bösen Geister ergeben sich aus den verschiedenen
psychologischen Wirkungen im Herzen des Menschen. »Frage: da
die Sünde sich in einen Engel des Lichtes verwandelt und der Gnade
sehr ähnlich ist, wie kann der Mensch die Tücke des Teufels er-
kennen, und wie soll er die Wirkungsweisen der Gnade aufnehmen
und unterscheiden? Antwort: die Wirkungen der Gnade haben
Freude, haben Frieden, haben Liebe, haben Wahrheit. Diese Wahr-
heit nötigt den Menschen, Wahrheit zu suchen. Die Erscheinungen
des Bösen aber sind voll Verwirrung und haben weder Liebe zu Gott
noch Freude an ihm« (Hom. 7, 3).
Aber damit der Mensch von der Sünde befreit und mit dem
heiligen Geiste erfüllt werde, muss er auch positive Mittel anwen-
den. »Er muss im Gebete unansgesetzt verharren und sich Gewalt
anthun zu jedem guten Werke und zu allen Geboten des Herrn. Er
muss sich demütigen und weder Ehre noch Ruhm vor den Menschen
suchen. Er muss sich aus allen Kräften gewöhnen, barmherzig,
freundlich und gütig zu sein nach dem Vorbilde Jesu Christi«
(Hom. 19).
Der Anwendung aller dieser Tugendmittel ist aber der Mönch
auch dann nicht enthoben, wenn er bis zur höchsten Stufe der Voll-
kommenheit, bis zur innigsten Vereinigung mit Gott, gelangt ist.
Zwar preist Makarias wiederholt (vgl. z. B. flom. 4, 9, 10, 15, 18)
in schwungvoller Weise die mystische Vereinigung der Seele mit
Gott als Vorgeschmack der ewigen Seligkeit. »Wenn die Seele zur
Vollkommenheit des Geistes gelangt, von allen Leidenschaften voll-
kommen gereinigt und mit dem Tröster, dem hl. Geiste, in unaus-
sprechlicher Gemeinschaft vereinigt ist, dann wird sie auch gewür-
digt, Geist zu werden, innigst vereinigt mit dem Geiste, dann wird
sie ganz Licht, ganz Auge, ganz Geist, ganz Freude und Wonne
und Jubel, ganz Liebe und Erbarmung, ganz Güte und Freundlich-
keit« (Hom. 18, 10). »Wie ein Mensch, der von Fieberhitze brennt
und sehr leidet, jede Speise und den süssesten Trank, den du ihm
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264 Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4, Jakrh.
bringst, yerabscheat und von sich stosst, weil er in Fieberhitze
brennt und von derselben sehr gepeinigt wird, ebenso halten auch
diejenigen , die entflammt sind von freudiger Liebe Gottes und von
dem göttlichen und himmlischen Feuer, das der Herr auf die Erde
zu bringen gekommen ist, und von dem er wollte, dass es bald
brenne, die entflammt sind von der himmlischen Sehnsucht nach
Christus, alle Ehre und Auszeichnung dieser Welt für unnütz und
verwerflich, weil das Feuer der Liebe Christi sie ergriffen hat, in
ihnen brennt und' sie entflammt mit Liebesverlangen nach Qott, mit
den himmlischen Gütern der Liebet (Honi. 9, 9).
»Solche Seelen werden auch der Befreiung von den Leiden-
schaften gewürdigt und erlangen vollkommene Erleuchtung und Inne-
wohnung der unaussprechlichen und geheimnisvollen Gemeinschaft
des hl. Geistes in Fülle der Gnade« (Hom. 10, 2). Aber diese
Leidenschaftslosigkeit und Buhe ist nur eine zeitweilige^ relative.
»Bisweilen ruht die Seele in grosser Buhe, in Stille und Frieden,
in rein geistiger Wonne und in anaussprechlicher Buhe und Glück-
seligkeit lebend. Dann wird sie wieder in unaussprechlicher Einsicht
und Weisheit und in unerforschlicher geistiger Erkenntnis von der
Gnade unterwiesen, was keine Zange auszusprechen vermag. Dann
ist sie wieder wie ein anderer gewöhnlicher Mensch« (Hom. 18, 9).
»Ich habe noch keinen vollkommenen Christenmenschen oder Freien
gesehen, sondern, wenn auch einer in der Gnade Buhe findet und
eindringt in die Geheimnisse und Offenbarungen und in die reich-
liche Süssigkeit der Gnade, so ist die Sünde doch auch noch in
seinem Innern. Solche halten sich wegen der ihnen reichlich zuteil
gewordenen Gnade und wegen des Lichtes, das in ihnen ist, für frei
und vollkommen, weil sie aus Dnerfahrenheit sich täuschen, wenn
sie eben die Wirkung der Gnade haben« (Hom. 8, 5). Darum mahnt
Makarius auch die in der Contemplation und Mystik Fortgeschrit-
tenen zur immerwährenden Wachsamkeit, Ascese und vor allem zur
Demut. »Wenn der Mensch auch schon verbunden ist mit dem hl.
Geiste und erfüllt wurde mit dem Himmlischen, so kann er sich
doch noch zum Bösen wenden« (Hom. 15, 36); »denn die Feinde
ruhen nie und hören nie auf , den Menschen zu bekriegen ; um so
viel weniger darfst du also in deinem Streben zu Gott nachlassen.
Grosser Nachteil entspringt dir aus der Nachlässigkeit, wenn du
auch glaubst, in dem Geheimnisse Gottes festgegründet zu sein«
(Hom. 15, 16). »Wer reich ist an Gottes Gnade, muss recht de-
mütig und zerknirschten Herzens sein und sich immer für einen
Bettler halten, der nichts hat; es ist ja Eigentum eines anderen.
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Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4. Jahrk, 265
und ein anderer hat es ihm gegeben und nimmt es wieder, wann er
will. Wie auserwählt er auch vor Gott sein mag, so soll er sich
dennoch für unwürdig halten; denn solche Seelen gefallen Gott und
werden zum Leben gebracht in Christoc (Hom. 41, 3).
So hat Makarius originell und geistreich, aber in völliger Über-
einstimmung mit dem Mönchsideal der vita Antonii die Prinzipien
der Ascetik dargestellt.
Eine Bestätigung der egyptischen Mönchsethik des vierten
Jahrhunderts, zum Teil aber auch eine Bereicherung derselben,
bieten die ascetischen Schriften des Bvagrius Pontikus^), der in den
zur sketischen Wüste gehörigen Eellien um das Jahr 400 sein Leben
beschloss und durch seine Schriftstellerei in der Folgezeit weit über
die egyptischen Mönchskreise berühmt geworden ist. Nach der Mei-
nung dieses Kellioten besteht das Christentum oder die Gesamtheit
der Lehre Jesu Christi aus einem praktischen, theoretischen und
theologischen Teile 2). Der praktische Teil besteht in der Reinigung
des mit Leidenschaften behafteten Teiles der Seele. Das Ziel der
Praxis ist aber die Gottesliebe, die in der Haltung der Gebote und
der Übung der Tugend zum Ausdruck kommt. Die ^ootx^ ^ewpta
lehrt den Asceten das rechte Verhältnis der geschaffenen Dinge und
des Menschen zu Gott. Unter der Theologie versteht Evagrius das
dem Mönche durch Vermittlung eines besonderen Gnadenlichtes zu
teil gewordene Erkennen und Schauen Gottes oder die Contemplation ^).
Was das Verhältnis dieser drei Gebiete des christlichen Lebens zu
einander anlangt, so ist der theoretische Teil als eine Mittelstufe
zwischen dem praktischen und dem theologischen Teile anzusehen;
er lehrt eben den Weg, auf dem der Mönch zur Gottesliebe und
zum beschaulichen Leben gelangen soll. Die Hauptsache ist aber
dem Kellioten der praktische Teil; denn wenn auch die Theologie
als der Kulminationspunkt des gesamten christlichen Lebens hinge-
stellt wird, so wird sie doch nur auf dem Dornenwege der Ertötung
der Leidenschaften zuteil. Zudem betont Evagrius, dass die Theo-
logie oder die Contemplation nur ein vorübergehender Zustand der Seele
ist und meist nur zur Zeit des Gebetes dem von den Schlacken der
Leidenschaften gereinigten Asceten zuteil wird (Practica cap. 71).
Ist abch in diesen Auseinandersetzungen die Anwendung der
Terminologie aus der stoischen Philosophie eine Eigentümlichkeit
1) Zöcklery Evagrius Pontikus (ßibl. n. historische Studien, IV. Heft,
München 1893).
2) Kvagriua, Practica cap. 1, 50, 53, 56, 71,
3) Practica cap. 71.
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266 Rückblick auf das egypL MOnchtum des 4. Jahrh.
des Evagrias, so sind doch die Prinzipien der Ascetik dieselben wie
bei seinem Lehrer Makarias deni Egypter. Indes, während der
letztere nur von einer relativen und temporären Leidenschaftslosig-
keit redet, behauptet Evagrias, dass der Mensch im Kampfe gegen
die Leidenschaften hienieden zu einer vollständigen Apathie gelangen
könne ^). Dieserhalb warde er anch von Hieronymus stark ange-
feindet. Hier interessieren uns jedoch nur die methodischen Be-
lehrungen des Evagrius zur Bewältigung der Leidenschaften. Wie
nämlich der Eelliote schon zu Lebzeiten unter den Mitmenschen
wegen der Gabe der Geisterunterscheidung geschätzt wurde'), so
erlangte auch seine Schrift über die acht Logismen oder Lasterge-
danken"), Antirrhetikos genannt, eine besondere Berühmtheit. Hierin
schildert er die inneren Kämpfe und Leiden, die der Mönch in dem
Streben nach der Vereinigung mit Gott zu bestehen hat, und führt
die Gesamtheit der sündhaften Leidenschaften auf eine Achtzahl
zurück. Ob er die Achtlasterlehre selbst erfunden hat, ist wohl sehr
fraglich. Gennadius (de viris ill. c. 11) lässt es dahingestellt, ob
Evagrius dieses Schema »selbst erfunden oder unter den ersten kennen
gelernt habec. Cassian, der in seinem Werke De coenobiorum in-
stitutis lib. V — XH die Lehre von den acht Hauptsünden ausführ-
lich entwickelt*), nennt in der collatio V, 1 als seinen Gewährs-
mann hierfür einen greisen Mönch der sketischen Wüste, Namens
Serapion^), der die Achtzahl der Hauptsünden als eine feststehende
Lehre in seinen Mönchskreisen bezeichnet ^). Immerhin ist Evagrius
der erste, der dieses Lehrsystem schriftlich fixirt hat. Leider ist
1) Practica cap. 52, 57, 60, 63, 64.
2) Sozomenus, hist. eccl. VI, 30; Ruflnua, bist, monach. c. 27.
8) Zöckler, Das Lehrstück von den sieben Hanptsünden (Bibl. u. hiator.
Studien, München 1893, IV. Heft, S. 15 ff.).
4) Die Reihenfolge der acht Lastergedanken lautet bei Evagrius: ifaoipi-
[jLapYia, Tcopveio, ^dapY^pia, Xüict), 6py^, axri^ia. xevoSoSioi, 6;c£pii^av{a, bei Cüasian
(Collatio V und De institutis coenobiorum lib. V— XII) mit Umstellung der
beiden mittleren Glieder: gastrimarffia, luxuria, avaritia, ira, tristitia, acedia,
cenodozia, superbia. Die letztere Reihenfolge findet sich auch bei dem Sinaiten
Nilua in dem Werke »Tcepi tüjv oxtcj jweujiaTOiv it]? TcovTjpia;« (Migne, s. gr., tom. 79,
col. 1140 ff.). Bei Oregor dem Grossen (Moralia 31, 31) dagegen, der die
superbia als Königin und gemeinsame Wurzel aller übrigen Laster nicht mit-
zählt, die tristitia und acedia zu. einem Laster vereinigt und dafür die invidia
einfügt, erscheinen die Haupt- oder Wurzelsünden als eine Siebenzahl in folgen-
der Reihenfolge: inanis gloria, invidia, ira, tristitia, avaritia, ventris ingluvies,
luxuria.
5) Dieser Serapion gehört nach Cassian (collatio V, 1, vgl. IV, 1 n«
III, 1) zu den Anachoreten der sketischen Wüste, ist also nicht, wie es Zöckler
(Das Lehrstück von den sieben Hauptsünden, a. a. 0. S. 23 f.) annehmen möchte,
identisch mit dem von Rufinus (hist. monach. c. 18) erwähnten Presbyter
Serapion, der in der Landschaft Arsinoö viele Mönche leitete.
6) Collatio V, 18: »Octo esse prineipalia vitia quae impugnant monachum
cunctorum absoluta sententia est«.
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Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4. Jahrh, 267
der Antirrhetikos, der aas acht Teilen bestand und durch eine
Menge passender Schriftworte zur Abwehr der acht Lastergedanken
illostriert war, weder im Original noch in der lateinischen Über-
setzung des Qennadius auf uns gekommen. Wir besitzen nur einen
griechischen und lateinischen Auszug und eine syrische Übersetzung
der Schriftcitate zu den Achtlastergedanken in fragmentarischer
Form.
Die acht Laster erscheinen bei Evagrius personificiert , indem
jedes Laster in Abhängigkeit von einem besonderen Dämon ge-
stellt wird.
Zunächst warnt Evagrius vor dem Dämon der Esssucht, der
dem Mönche Furcht vor dem Verfall der körperlichen Kräfte ein-
flösst oder ihn an solche Mitbrüder erinnert, die sich durch über-
mässige Easteiungen geschadet haben. Dass jedoch Evagrius dabei
den Bogen nicht überspannte, ergibt sich aus seinem Ausspruche,
der Mönch solle in der Regel nur einmal des Tages essen; doch im
Falle der Krankheit oder Schwäche möge er zwei- bis dreimal täg-
lich essen. Man solle sich nicht durch Fasten elend machen, son-
dern so leben, dass man die nötige Kraft und Gesundheit habe,
sich weiter kasteien zu können !)•
Der Dämon der Unkeuschheit zaubert dem Mönche lebhafte
Phantasiebilder vor, um die böse Lust zu wecken. Der Dämon des
Geizes weckt in dem Mönche das Verlangen nach Schätzen, um die
Armen reichlicher beschenken zu können oder flösst Furcht vor
Armut und Hilflosigkeit des Alters ein, um den Mönch zur Samm-
lung von Vorräten zu verführen. Der Dämon der Traurigkeit malt
dem Asceten die Annehmlichkeiten des früheren Weltlebens vor oder
weckt die Sehnsucht nach der Heimat und Verwandtschaft; manch-
mal stellt sich auch die Traurigkeit ein, wenn~ man der Leiden-
schaft des Zornes freien Lauf gelassen hat. Diese vier Lasterge-
danken zielen mehr auf die Erregung der Sinnlichkeit und sind nach
Evagrius leichter zu besiegen, während die folgenden vier mehr
geistigen Lastergedanken dem Mönche das Leben bis zum Tode ver-
bittern >). Hiernach ist die Behauptung des Evagrius, dass der Mensch
hienieden zu einer absoluten Apathie gelangen könne, einigermassen
abgeschwächt. Der Dämon des Zornes, der als eine sehr heftige
Leidenschaft bezeichnet wird, stört den Mönch besonders zur Zeit
des Gebetes, malt die Person des Beleidigers lebhaft vor und ver-
1) Evagrius, Beram monacbalinm rationes c. 10. Vgl. Zöckler, Eyagria»
Pontikus a. a.' 0. S. 61 f.
2) Practica cap. 23—25.
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268 Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4, Jahrh,
führt zum Hinbrüten in rachgierigen Gedanken. Der Dämon der
Trägheit (axTjdta) wird auch unter Hinweis auf Psalm 90 (91), 6 der
Mittagsdämon genannt, weil derselbe besonders am die Mittagszeit
den Mönch plagt und das Verlangen nach Speise jsur Unzeit weckt.
Bald äussert sich dieser Oeist dadurch, dass er Ekel gegen die Ein-
samkeit der Zelle verursacht oder die Arbeitsfreudigkeit raubt oder
auch den vermeintlichen Nutzen einer Ortsveränderung vorgaukelt
und schliesslich zum Aufgeben des Mönchslebens verleitet. Der Dämon
der Eitelkeit (xsvodogia) bewirkt, dass der Mönch sich zu viel auf
seine Ascese und die charismatischen Gaben einbildet, und weckt
die Sehnsucht nach der Priesterwürde. Die Folge dieses Lasters
ist unbändiger Stolz, masslose Traurigkeit oder gar Wollust. Der
Dämon der Hoflfart (uTtepTjcpavta) aber ist der unmittelbare Vorläufer
des Abfalls von Gott und der Tugend. Wer sich von diesem Dämon
einnehmen lässt, glaubt, dass er der Hilfe Gottes nicht bedürfe,
sondern alles aus sich selbst wirke; er wird stolz und anmassend
gegen seine Mitbrüder und wird zuletzt Beute aller möglichen
Leidenschaften.
Das sind die acht Laster, die Evagrius als erster unter den
christlich- ascetischen Schriftstellern fixiert und entwickelt hat. Da-
mit ist allerdings die Frage nach dem eigentlichen Ursprung der
Achtlasterlehre noch nicht beantwortet. Im Neuen Testament finden
sich allerdings an verschiedenen Stellen^) Aufzählungen von sünd-
haften Gedanken und Lastern, aber die evagrianische Achtzahl
findet sich darin nicht, noch lässt sie sich aus diesen Texten ab-
leiten. Ebensowenig ist in der ältesten christlichen Literatur die
Kenntnis des evagrianischen Schemas nachweisbar. Im Pastor
Hermae (sim. 9, 15) werden allerdings vier Hauptlaster (ÄüvaTWTepai)
»amaxfa, axpaaia, aicetOeta, dTcaxTjf und als ihre Begleiterinnen
(axöXoüdot) »XüTCT], TcovTjpta, aaeXyeia, oSoxoXta, <}/8u8o<;, acppooüVT],
xaxaXaXia, fiTaoc« genannt, aber dieselben konnten offenbar nicht
dem Evagrius als Voibild für seinen Lehrtropus gedient haben. Die
Septem maculae capitalium delictorum bei TertuUian (adv. Marc. IV, 9)
»idolatria, blasphemia, homicidium, adulterium, stuprum, falsum
testimonium, fraus« bieten, wie die biblischen Lasteraufzählungen
mehr Anklänge an den Dekalog als an die Achtlasterlehre.
Clemens Alexandrinus unterscheidet unter ausdrücklicher Be-
zugnahme auf den Stoiker Aristo von Chios eine Vierzahl von Haupt-
leidenschaften , nämlich Schmerz, Furcht, Begierde, Lust, und er-
1) Matth. 15, 19: 8iaXoYt<j{JLo\ 7cov7)po\, ^övoi, (xot/etai, Kopvelai, J^suSofiapTuptat,
ßXa(j(p7)}jLiai. Vgl. auch Marc. 7, 2 f.; Ephes. 5, 3 f. *
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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh, 269
klärt, dass die Bekämpfung derselben viel Ascese erfordere^). Sind
nun auch die vier itaOig des Alexandriners mit den acht Lasterge-
danken des Evagrius nicht identisch, so ist doch wenigstens inter-
essant, dass dieser christliche Ethiker sich nicht scheute, jenes
Schema der heidnischen Philosophie sich zu eigen zu machen. Noch
interessanter ist die Siebenzahl der Leidenschaften (avaritia miserque
cupido, laudis amor, invidus, iracundus, iners, vinosus, amator), die
Horaz ep. I, 1, 33 -40 erwähnt, und für deren Heilung er die phi-
losophische Lektüre empfiehlt. Hier finden wir eine überraschende
Ähnlichkeit mit dem evagrianischen Achtlasterschema und noch mehr
mit den sieben Haupt- oder Wurzelsünden, wie sie seit Gregor dem
Grossen im Abendlande gezählt werden, und es ist merkwürdig, dass
keiner der Commentatoren des Horaz auf diese Beziehung zwischen
Heidentum und Christentum aufmerksam gemacht hat, geschweige
denn der Frage näher getreten ist. Von einem direkten Einfluss
des lateinischen Dichters auf die egyptischen Mönchskreise kann
natürlich nicht die Rede sein; wohl aber weist die horazische Weis-
heitsregel auf die Tradition der stoischen Ethik hin, aus der egyp-
tische Mönche mit griechischer Bildung die Schematisierung der
Hauptlaster, vielleicht mit Modifikationen und Auslegungen vom
christlichen Standpunkte aus, hinübernahmen. Befremdend wäre
diese Entlehnung nicht. Wie die christliche Spekulation im pa-
tristischen Zeitalter überhaupt sich nicht ohne allen Zusammenhang
mit der griechischen Philosophie entwickelte, so wissen wir auch
von Evagrius, dass er sich in seiner Mönchsethik die Terminologie
der griechischen Weisheit aneignete. Man denke nur an seine Lehre
von der Apathie, an seine Lehre von den drei Grundfunktionen der
Seele (vouc, iictftüfxta, ftü^ioc:) und an die wissenschaftliche Form, in
die er seine Ascetik gekleidet hat (s. oben S. 265 f.).
Um die Beziehung der Achtlasterlehre des Evagrius zur heid-
nisch-griechischen Ethik aufzudecken, sucht nun Zöckler*) die vier
Hauptleidenschaften (uaOr]) „Xütct]^ ^ößog, Suiftofjita, iidoyff' und die
den vier Kardinaltugenden (9p6vY]ot(;, dvdpeta, oü)9pooüVTf], dtxatooüVY])
entgegengesetzten vier Kardinallaster, nämlich Unwissenheit (i9poauvig),
Feigheit (SstXta), Zuchtlosigkeit (ÄxoXaofa) und Ungerechtigkeit
(idiTtia) aus der stoischen Ethik heranzuziehen. Indes lässt sich
höchstens die Übereinstimmung der vier stoischen Hauptleidenschaften
»Gier, Lust, Furcht, Schmerzt mit den vier evagrianischen Lastern
1) Strom. II, 20: ITpo^ 8Xov xb tsipa^^öpSov, i^8ovV) Xu'tctjv, <pößov, l7ct^ü[Jiiav,
2) Bibl. ü. bist. Studien III, 18.
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270 Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4. Jahrh.
»Essgier, ünkeuschheit , Habsucht (als Farcbt vor den kommenden
Nöten des Alters) und Traurigkeit herstellen i). Dagegen decken
sich die vier übrigen evagrianischen Laster »Zorn, Trägheit, Ruhm-
sucht und Hochmntc nur teilweise mit den vier stoischen Kardinal-
lastern »Unwissenheit oder Mangel an Einsicht (als Folgeerscheinung
des Zornes nach Zöckler), Feigheit, Zuchtlosigkeit und Ungerechtig-
keit«, wie dies Zöckler selbst eingestehen rouss.
Befriedigender würde vielleicht die Lösung dieser Frage aus-
fallen, wenn wir die Originalquellen für die stoische Ethik besässen
und hierbei nicht bloss auf sekundäre Quellen angewiesen wären.
Indes kann meines Erachtens der Zusammenhang zwischen der
evagrianischen Achtlastertheorie und der griechischen Philosophie auf
einem anderen Wege besser nachgewiesen werden. Cassian legt
nämlich im 15. Cap. der XXIV Collatio einem sketischen Mönche,
Namens Abraham, folgende Worte über die dreifache Bewegung der
Seele (de tripartito aniraae motu) in den Mund: »Omnium vitiorum
unus fons atque principium est; secundum qualitatem vero partis
illius, et (ut ita dixerim) membri quod in animo fuerit vitiatum.
diversa vocabula passionum corruptionumque sortitur. Quod nonnun-
•quam etiam morborum corporalium probatur exemplo, quorum cum
una Sit causa, in diversa tamen aegritudinum genera pro qualitate
membrorum quae fuerint occupata, distinguitur. Etenim cum arcem
■corporis, id est, caput, vis noxii humoris obsederit, cephalalgiae pro-
ereat passionem ; totque vocabulis una atque eadem noxii
humoris origo distinguitur, quod membrorum ceperit portiones.
Eodem modo de visibilibus ad invisibilia transeuntes, anlmae nostrae
partibus, atque (ut ita dixerim) membris vim cuiusque vitii inesso
credamus. Quam cum sapientissimi quique tripartitae definiant esse
virtutis, necesse est ut aut Xoyixov, id est, rationabile, aut ^u^iixov,
id est, irascibile, aut Sict&üfxYjTtxov, id est, concupiscibile eins, aliquo
corrumpatur incursu. Cum ergo aliquem ex his affectibus vis noxiae
obsederit passionis, pro illius causis etiam vitio nomen imponitur.
Nain si rationabilem eins partem vitiorum pestis infecerit, cenodoxiae,
elationis, invidiae, superbiae, praesuroptionis, contentionis, haereseos
vitia procreabit. Si irascibilem vulneraverit sensum, furorem, im-
patientiam, tristitiam, acediam, pusillanimitatem, crudelitatem par-
turiet. Si concupiscibilem corruperit portionem, gastrimargiam, for-
1) Die Habsucht wird allerdings von Evagrius als Furcht vor den
kommenden Nöten des Alters aufgefasst; allein da auch die Essgier bei
Evaqriua als yößo? (Furcht vor den körperlichen Leiden) erscheint , so kann
der Zöcklersche Parallelismus nirht als ganz gelungen bezeichnet werden.
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Rückblick auf das egypt Mönchium des 4. Jahrh, 271
nicationem, phylargyriam , avaritiam et desideria noxia terrenaque
germinabit.f
Alle Laster haben also eine und dieselbe Quelle und Grund-
lage. Aber wie bei den körperlichen Leiden der seinem Ursprünge
nach gleiche schädliche Stoff durch so viele Namen unterschieden
wird, als er Teile von Gliedern befallen hat, so erhält auch die
Seele je nach der Beschaffenheit des Teiles, der verderbt worden
ist, verschiedene Namen von Leidenschaften. Indem nun nach dem
Vorgang der griechischen Philosophie drei Grundfunktionen der
Seele (Xoytxov, dofiixöv, Im&ufiTixöv) angenommen werden, ergeben
sich drei Klassen von Lastern, durch welche die eine Seele moralisch
verwundet wird.
Allerdings umfasst dieses dreiklassige System, wie aus dem
obigen Text ersichtlich ist, achtzehn Laster; doch sind einige der-
selben als Synonyma, Gradationen oder Folgeerscheinungen der übri-
gen, z. B. der Neid als Folgeerscheinung der Überhebung, die Hä-
resie als Gradation des Hochmuts, in das evagrianische Achtlaster-
schema nicht aufgenommen worden. Möglich ist auch, dass einige
Denominationen der drei Lastergruppen deshalb aus dem evagriani-
sehen Schema ausgeschieden erscheinen, weil sie für das Leben der
Cönobiten und Anachoreten weniger in Betracht kommen«
Noch von einem anderen Gesichtspunkte aus lässt sich der
Zusammenhang der Achtlasterlehre mit der griechischen Philosophie
beleuchten. Die acht Laster des Evagrius sind nämlich nicht bloss
als Verheerungen der drei Grundkräfte (voüg, Oufjioc, iTciftofita) der
Seele aufzufassen, sondern sie erscheinen auch als Gegensätze zu
den vier Kardinaltugenden, die Evagrius gleich Plato auf jener Ein-
teilung der Seelenkräfte aufbaut und psychologisch entwickelt. In-
dem nämlich Evagrius (Practica cap. 61) sich zu der Dreiheit der
Seelenkräfte bekennt, fügt er hinzu : ''Otav fASv iv t«J XoytoTixd) fxlpst
yivijTat TJ &P6T19, xaXsTxai 9p6vTf]at(; xat oüvsok; xal ooqjta * otav di Sv
xiS iTcidufiYjTixo), oa)9pooüVTf] xal dyaicig xat iyxpaxeta * oxav ik Iv tü>
»ü(itx(!>, avSpeta xal üico^jiovi^ • Iv oXig ik x% ^^xi ÄixaioauvY], Die
Weisheit ist also die Tugend des vernünftigen Teiles der Seele,
die Massigkeit die Tugend des begehrlichen Teiles und die Tapfer-
keit die Tugend des muterfüllten Teiles der Seele. Die Gerechtig-
keit dagegen ist gleichsam die Grundlage und Vollendung der übri-
gen Tugenden und besteht in dem geordneten Zustand des gesamten
Seelenlebens. »Sie istt, wie Ziegler ^) sagt, »die harmonisierende.
1) Ethik der Griechen nnd Römer, Bonn 1881, S. 89.
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272 Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4. Jahrh.
alles in Einklang setzende, höchste und allgemeine Tugend, welche
in positivster Weise dafür sorgt, dass jeder Teil seiner Aufgabe in
sich und den anderen gegenüber gerecht wirdc Wenn aber die Ge-
rechtigkeit nicht noehr die Ordnerin der Seele und ihrer Kräfte ist,
so entstehen Defekte und Excesse des XoYtattxov, lictOüfiTjTixöv und
Oufiixov, und die acht evagrianischen Laster erscheinen beim Fehlen
der alles ordnenden dtxatooüVT] als Gegensätze zu den drei übrigen
Kardinaltugenden (^povTjat«;, ow^poauvT] und ävdpeia). Die christliche
Weisheit, welche nach Bvagrius durch die «pucixt} dewpia gewonnen
wird, besteht darin, dass der Mensch sich und die geschaffenen Dinge
richtig wertet oder in das richtige Verhältnis zu Gott setzt. Der
erste Gegensatz zu dieser Tugend ist die Ruhmsucht (xevodo^ta), in-
dem der Mensch wegen fleischlicher und sichtbarer Dinge sich über-
hebt oder auch wegen geistiger und geheimer Gaben von Begierde
nach eitlem Lob entbrennt (Cassian, coli. V, 11). Die überwuchernde
Ruhmsucht erzeugt den Stolz (üTcept^cpavta), der den äussersten Gegen-
satz zur 9p6vt]ot(; bildet. Er besteht in der sündhaften Auflehnung
gegen die Menschen und gegen Gott selbst. Die erste Gattung des
Stolzes umstrickt besonders die Anfönger in der Ascese und äussert
sich darin, dass der Mönch die Gleichheit und Gemeinschaft mit
den Brüdern verachtet, mürrisch und ungehorsam wird und sich über
die Gebote Gottes und die Klosterregeln hinwegsetzt. Die zweite
Gattung des Stolzes, von der die mehr fortgeschrittenen und voll-
kommenen Männer geplagt werden, besteht darin, dass der Mönch
seine natürlichen Fähigkeiten überschätzt und ohne die Gnade und
Erbarmung Gottes auszukommen vermeint (Cassian, de instit.
coenob. XV). Der christliche Starkmut (avöpeta) ist die richtige
Mitte zwischen dem Zorne einerseits und der Traurigkeit und der
Trägheit andererseits. Der Zorn ist das »Zuviel«, macht geneigt zu
Zänkereien und unversöhnlich gegen wirkliche und vermeintliche
Beleidiger. Das »Zuwenig« ist die Traurigkeit; sie ist zuweilen
eine Folgeerscheinung des Zornes, oder sie tritt dann ein, wenn man
sich in der Hoffnung, die man auf diese oder jene Dinge gesetzt
hat, getäuscht sieht. Der äusserste Gegensatz zu der Tugend des
Starkmuts ist die Trägheit (axigSia), worunter die Entmutigung und
Erschlaffung des Menschen in der Übung der Tugend zu verstehen
ist (De instit. coenob. VIII — X). Die Massigkeit hat ihren Sitz im
ImOufxigTixov. Die Excesse der ünmässigkeit können sich auf ein
dreifaches Objekt beziehen, und so unterscheidet man ein ungeord-
netes Begehren nach dem niederen Gut der Leibesnahrung (yaoTpi-
fiapyta), ein ungeordnetes Begehren nach dem niederen Gut des
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Rückblick auf das egypU Mönchtum des 4. Jahrh. 273
Geschlechtsgenusses (icopveta) und ein angeordnetes Begehren nach
äusseren Gütern («piXapyopta) ^).
Was die Reihenfolge der acht Laster in dem Schema anlangt,
so beginnt Evagrius mit den fleischlichen Leidenschaften, steigt zu
den mehr geistigen hinauf und beschliesst die Gruppe mit dem
Stolze, der den tiefsten Fall des Mönches bedeutet.
Jedenfalls ist die evagrianische Achtlasterlehre ein Beweis,
dass man in den egyptischen Mönchskreisen das YoUkommenheits-
ideal nicht rein äusserlich auffasste, sondern hierbei den im Innern
des menschlichen Herzens schlummernden Leidenschaften volle Be-^
achtung schenkte. Die christlichen Ethiker der Wüste haben wohl
die äussere Form dieses Gewissensspiegels der griechischen Philo-
sophie entlehnt, aber mit christlichen Ideen ausgelegt und dem
Ganzen ein durchaus christliches Gepräge gegeben. Das zeigen, ab-
gesehen von den Cassianschen Erörterungen über die octo vitia ca-
pitalia in den Institutis coenobiorum lib. V — XII, der Antirrhetikos
und die Capita practica ad Anatolium des Evagrius. In der aller-
dings nur fragmentarisch überlieferten syrischen Übersetzung der
Achtlasterlehre ^) finden wir eine Unzahl alt- und neutestamentlicher
Citate, durch deren Lektüre die Mönche von der Notwendigkeit des
Kampfes gegen die Lastergedanken überzeugt und zur energischen
Abwehr der Versuchungen ermuntert werden sollen. In den Capita
pract. ad Anatolium (n. 6) gibt Evagrius eine Neunzahl von Gegen-
mitteln gegen die Gebrechen der Seele an. Das hierbei angewandte
Schema erinnert wieder an die griechische Einteilung der Seelen-
kräfte; die Tugendmittel selbst sind aber aus dem Bereich des
christlichen Glaubens geschöpft. Die Verirrungen des voög, heisst
1) Auch bei Gregor von Nyssa (ep. can. ad Letoinm, abgedr. bei Bhalli
u. Potli, SüVTaYfia tGv dstüiv xa\ Upwv xavövwv, Athen 1854, Bd. IV S. 295 ff.)
findet sich eine psychologische Entwiokelang von Sünden auf Grund der drei
Grundfanktionen der Seele, nur mit dem Unterschiede, dass aus diesen nicht
die Wurzeln aller Sünden, sondern gewisse schwere Vergebungen im Interesse
der Bussdisziplin abgeleitet werden. Die Verheerungen des Xo^iartKÖv sind die
Yerschiedenen Arten der Glaubensverleugnung und die Zaubereien, die Ver-
heerungen des l7ci^u{j.7iTtx(Sv die verschiedenen Arten von Unzucht und die Ver-
heerungen des (jL^pos ^ü{j.oeiö^? der Seele Todschlag, Mord u. drgl. Von der vierten
Gruppe von Sündern »ÄXeoveSia nebst y-XoTn), UpocjuXia und tu(j,ßü)püx_ia« erklärt
Gregor, dass bei diesen alle drei Grundkräfte der Seele beteiligt sind. Hier-
nach scheinen auch diesem Schema die vier Eardinaltugenden zu gründe zu
liegen. Die Sünden der ersten Gruppe bilden den Gegensatz zur ao<p{a oder
©pövTiai?, die der zweiten Gruppe den.. Gegensatz zur awcpoaüvr), die der dritten
Gruppe den Gegensatz zur avSp&ia als Übermass derselben). Vgl. Rhalti u. Potli,
8. 297 f. Die verschiedenen Arten von Diebstahl und Betrug erscheinen end-
lich als Gegensatz der SixatoouvT]. Vgl. Rhalli u. Potlif S. 320 f.
2) Die deutsche Übersetzung dieser Fragmente durch Fr. Baethgen
findet sich in Zöcklera bibl. n. bist. Studien IV, 104 ff.
Schiwietz, Mönchtum. 18
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274 Rückblick auf das egypU Mönchtum des 4. Jahrh,
es, sollen durch Lektüre der hl. Schrift, Nachtwachen, Gebet und
durch die Betrachtung der eigenen Sündhaftigkeit sowie der letzten
Dinge des Menschen geheilt werden, die Yerirrungen der gictOufita
durch Fasten, Handarbeit und Einsamkeit, die Yerirrungen des Oufiöc
endlich durch Psalmengesang, Geduld und Übung der Barmherzig-
keitswerke ^). Auffallend ist daher die Kritik, die Zöckler') diesem
evagrianischen Lehrtropus angedeihen lässt, den er als ein halbheid-
nisches Fabrikat bezeichnet, aus dem Christenleute keinen besonderen
Gewinn ziehen konnten. »Die Anwendung dieses Schemas der sieben
oder acht Laster als Mittel zur Gewissensprüfung ,€ sagt er weiter,
»ist eins von den vielerlei Symptomen jener auf möglichst ausser^
liehe Gestaltung der Religiosität ausgehenden Richtung, die während
der 1200jährigen Entwickelung seit Constantins Zeitalter die Christen-
heit beherrscht hat. Im Gegenteil, der es Gebrauchende lief Gefahr,
noch tiefer verstrickt zu werden, c Diese scharfe Kritik der Acht-
lasterlehre mutet merkwürdig an, besonders wenn man einerseits
bedenkt, dass Zöckler^) selbst zugibt, dass diesem Schema immerhin
einiger biblischer Wahrheitsgehalt zuerkannt werden darf, und an-
dererseits nicht vergisst, dass seine Erklärung des evagrianischen
Lehrtropus aus stoisch-ethischer Spekulation nach eigenem Geständ-
nis nicht als vollständig befriedigend betrachtet werden kann^).
1) S. Bibl. u. bist. Stadien IV, 62 f. — In dem nur lateinisch erhaltenen
Anhang zum Antirrhetikos erscheinen diese Tugendmittel zu einer Fünfzahl
zusammengefasst (Bihl. n. hist. Stadien III, 27).
2) Ebend. III, 111.
3) Ehend. III, 116.
4) Nach dieser unfreundlichen Kritik empfleht Zöckler (III, 115 f.) einen
anderen, einfacheren Lehrtropus mit den Worten : »Als eine Art von Ersatz für
den fallen gelassenen Lehrtropus von den sieben Hauptlastern kommt in der
protestantischen Moraltheologie seit dem 17. Jahrh. mehrfach die Dreizahl
Hoffart, Aagenlast, Fleischeslust (1. Joh. 2, 16) oder der damit annähernd ver-
wandte Ternar Herrschgier, Habgier, sinnliche Gier (gemäss Matth. 4, 1—11
n. Par.) zur Anwendung. Es wird damit auf jene einfachere Gestalt der Laster-
reihe zurückgegriffen, die ans, bald so, bald so modificirt, schon bei Philo und
mehreren patristischen Zeugen (Cyprian , Pacian , Augustin , Lactanz , Gregor
von Nyssa) begegnete, die auch der ernster und tiefer denkenden Scholastik
nicht fremd ist ... . Vertreter dieses vereinfachendoren Lehrtropas, der dem
phantastisch-künstelnden Gebilde der Siebenzahl die schlichtere Dreizahl sab*
stituiert, sind seit Dannhauer und Buddeus nicht wenige in der neueren
evangelischen Moraltradition vorhanden. Sofern in dieser Lehrweise von drei
Haupt-Sündenkreisen laut 1. Joh. 2 ein Zurückgehen auf die besseren Träger
der älteren kirchlichen Überlieferung, vor allen auf Augustin, sich voll-
ziehet und zugleich, was noch wichtiger, auf klaren und unantastbaren Schrift-
grand zurückgegriffen wird, mag die genannte Trias als der echte, bleibend
wertvolle Eemgehalt der älteren Heptas festzuhalten sein. Statt einer schroffen
und unbedingten Verwerfung dieser letzteren, der ja immerhin einiger biblischer
Wahrheitsgehalt zaerkannt werden darf, ergibt sich sonach ein besonnenes Re-
duktionsverfahren als die dem evangelischen Sittlicbkeits- and Frömmigkeits-
interesse entsprechende Art der Kritik, welche auf dem in Bede stehenden
Punkte auszuüben ist«. Indem wir dazu nur bemerken , dass nach Philo (de
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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4, Jahrh, 275
Die allgemeine Geltung der soeben besprochenen ascetischen
Grundsätze in den egyptischen Möncbskreisen des vierten Jabrbun-
derts wird durch die Historia Lausiaca des Palladius und die Rufin-
sche Historia monachorum bestätigt. Rufin lässt Johannes von Ly-
copolis, den ersten Mönch, den er in seiner Mönchsgeschichte be-
handelt, die Principien der Mönchsethik entwickeln ^). »Es ist nicht
genüge, heisst es, »dass jenoand mit dem Munde der Welt und den
Werken des Teufels entsagt und seine Güter und die Geschäfte der
Welt verlassen habe; er muss auch seinen Sünden und allen un-
nützen und eitlen Vergnügungen entsagen. c »Einige scheinen der
Welt entsagt zu haben, aber sie sorgen nicht, ihr Herz zu reinigen,
alle Sünden und Leidenschaften daraus zu verbannen, ihre Sitten zu
ordnen. Sie suchen nur, einen aus den heiligen Vätern zu sehen
und einige Worte zu hören, die sie dann anderen erzählen und sich
rühmen, dass sie es von diesem oder jenem erlernt haben ; und wenn
sie sich so auch nur wenige Kenntnisse erworben haben, wollen sie
gleich Lehrer sein und anderen vortragen, nicht was sie selbst ge-
übt, sondern nur was sie gehört haben, und dabei verachten sie
andere. Sie streben nach dem Priestertume und suchen sich in den
geistlichen Stand einzudrängen; und doch hat der, welcher Tugen-
den besitzt, sich aber nicht getraut, andere zu lehren, weniger die
Verdammnis zu fürchten als derjenige, welcher selbst den Leiden-
schaften und Lastern ergeben ist und dabei doch andere lehren will.
Wir müssen den geistlichen Stand nicht zu sehr fürchten, aber auch
decalogo) die Sauden nicht aus drei, sondern aus vier Quellen (1^ l7ct&u(i{a; ^
X^p7](jL(£i(üv ?) 8(5^T]( ^ ^$ov^;) entspringen, und dass auch die Berufung auf mehrere
patristische Zeugen, abgesehen von Augustin, nicht vollständig dem Thatbe-
stand entspricht — das ergibt sich aus den Ausführungen Zöcklers (Ifl, 11 f.)
^ber die Sündenzählungen bei Cyprian, Pacian und Lactanz und dem oben
S. 273 Note 1 über Gregor von Nyssa Gesagten — , fngen wir noch die treffen-
den Bemerkungen hinzu, die P, A, Kirsch (Zur Geschichte der kath. Beichte,
1902, S. 87 f.) zu jener tendenziös gefärbten Kritik der Acht- oder Sieben-
lasterlehre macht: »Also die Lehre von den drei Haupt «Sündenkreisen ist ge-
eignet zur Förderung des evangelischen Sittlichkeits- und Frömmigkeits-
interesses; der Lehrtropus aber, welcher denselben Sündenkreis : Augenlust,
Fleischeslust und Hoffart des Lebens (eine Einteilung, welche nicht selten
auch jetzt noch in der kath. Kirche Verwendung findet) in sieben statt drei
Segmente teilt, veräusserlicht, zieht von Christo ab und verstrickt noch tiefer
ins Sündenleben. Wir müssen zu unserem Bedauern gestehen, dass wir in die
»Tiefe« solcher Darlegungen nicht zu folgen vermögen. Dennoch müsste der
Dekalog, welcher seit dem späteren Mittelalter nicht bloss auf katholischer,
sondern auch auf lutherischer Seite den »Probierspiegel« oder »das Mittel zur
Gewissensprüfung« bildete, auch veräusserlichen, — denn er setzt die Zweizahl
des Gebotes der Gottes- und Nächstenliebe in die Zehnzahl der näheren Be-
-Stimmungen um. So hat die Siebenzahl der Wurzelsünden offenbar keine
andere Bestimmung, als eine nähere Entfaltung der dreifach bösen Lust dar-
sustellen«.
1) Rufin. bist, monach. c. 1 (Migne, s. lat., tom. 21 col. 396 seq.).
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276 Rückblick auf das egypL MOnchtum des 4. Jahrh.
Dicht darnach verlangen, sondern wir müssen uns Mähe geben, die
Sünden aas unserer Seele zu verbannen und die Tugenden uns za
erwerben.« — »Wenn wir mit reinem Herzen und frei von allen
diesen Sünden und Leidenschaften vor Qott stehen, so können wir
auch, so weit das für Menschen möglich ist, Qott sehen, nicht mit
dem Auge des Leibes, sondern mit dem des Qemütes. Je reiner
unser Herz ist, desto mehr wird uns Qott offenbaren und seine Qe-
heimnisse enthüllen.« Wir begegnen also hier denselben Ideen, wie
bei Athanasius, Makarius und Evagrius. und wenn auch naturge-
mäss in den beiden Werken des Rufinus und Palladius die äussere
Seite des Mönchslebens in den Vordergrund tritt, so erscheint doch
nirgends die Ascese der behandelten Mönche als blosse äussere
Selbstkasteiung oder als Selbstzweck; vielmehr erscheint die Reini-
gung der Seele durch ununterbrochenen Kampf des Qeistes gegen
die Knechtschaft; des Fleisches, das beharrliche Streben des Willens
nach der Erwerbung und Bewahrung der christlichen Tugenden als
letzter Zweck und Grund der mönchischen Übungen.
Eine Bestätigung des Gesagten bieten endlich die Apophtheg-
mata Patrum und die Verba Seniorum^), die man als Mönchsmoral
in Beispielen bezeichnen kann. Sie bestehen aus Tugendbeispielen,
Aussprüchen der Mönche über die Ascese und aus kasuistischen
Entscheidungen aus dem Leben der Mönchskreise. An kürzeren oder
längeren Anekdoten wird gezeigt, wie die hervorragendsten Väter
der Wüste die einzelnen Tugenden in ihrem Leben ausgeprägt haben,
oder wie Mönche durch Vernachlässigung der Regeln des ascetischen
Lebens auf Abwege geraten sind. Allerdings sind die beiden Sam-
melwerke späteren Datums, jedoch aus älteren kürzeren Sammlungen
zusammengestellt. Zudem stellen das grösste Contingent zu diesen
Beispielsammlungen die egyptischen Mönche des 4. Jahrhunderts,
insbesondere die der sketischen und der nitrischen Wüste. Manche
Apophthegmen tragen soviel individuelle Züge, so viele Charakte-
ristika historischer und geographischer Art, dass man nicht das
ganze Material als apokryph bezeichnen kann. Aber selbst wenn
viele Episoden zu Erbauungszwecken hinzugedichtet worden wären,
so gewähren uns doch diese Sammlungen einen Einblick in das
innere Leben jener Mönchskreise. Aus dem sittlichen Ernst, der
aus diesen Apophthegmen und Sentenzen spricht, muss man auf
einen guten Geist in jenen Mönchskreisen schliessen. Eine Durch-
sicht dieser Beispielsammlungen zeigt, dass das Mönchsideal in der
1) S. oben S. 90.
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Rückblick auf das egypt.^Mönchtum des 4, Jahrh, 277
sittlichen Vervollkommung des Menschen auf Grund der christlichen
Religion bestand; alle Ratschläge, die in diesen Apophthegmen-
sammlungen erteilt werden, zielen in erster Linie auf die Selbster-
Ziehung des Willens, auf die Durchbildung des Charakters auf
Grund der in den hl. Schriften enthaltenen ethischen Vorschriften.
Allerdings spielt in dem Leben dieser Mönche die äussere Ascese
eine grosse Rolle. Ja, das Übermass mancher körperlicher Buss-
übungen mutet uns seltsam an. Aber auch die geistige Ascese
wurde nicht vernachlässigt. Der psychologischen Thatsache, dass
Geist und Körper aufs innigste zusammenhängen und sich gegen-
seitig beeinflussen, wurde hinlänglich Rechnung getragen, indem die
Mittel zur Erziehung des Willens aus dem Bereiche beider Wesens-
teile des Menschen hergenommen wurden. So lesen wir denn auch,
dass von den Altvätern der egyptischen Wüste neben der körper-
lichen Ascese in verschiedenen Formen und dem Sichzurückziehen
in die Einsamkeit die Geistessammlung, das betrachtende Gebet, die
tägliche Erforschung des Gewissens, die Erinnerung an den Tod,
der Wandel in der Gegenwart Gottes, und Selbstverleugnung em-
pfohlen und geübt wurden.
Es bliebe noch zu erörtern, ob die Ascetik, welche in der eben
besprochenen Literatur teils theoretisch, teils kasuistisch behandelt
erscheint, wirklich Gemeingut jener Mönchskreise war. Abgesehen
von dem nachhaltigen Einflnss, den die Koryphäen unter ihnen auf
ihre Mitgenossen ausübten, wird in den Quellen der Mönchsgeschichte^)
wiederholt berichtet, mit welchem Eifer sich die Vorsteher der ein-
zelnen Mönchskolonieen die religiös- sittliche Erziehung der Mönche
angelegen sein Hessen. Ja, nicht wenige Altväter werden wegen der
Gabe der Unterweisung und Trostspendung geradezu gerühmt').
Die ascetischen Grundsätze über die Bekämpfung der Wurzelsünden
oder Lastergedanken standen nicht bloss auf dem Papiere; es war
vielmehr üblich, behufs Aufklärung und Tröstung erfahreneren
Mönchs Vätern die Gewissenszweifel und inneren Versuchungen zu
offenbaren, wie dies von Palladius, Rufinus, Cassian und in den
Apophthegmensammlungen bezeugt wird>).
Während in den Mönchskolonieen in der Regel um die neunte
Stunde des Tages geistliche Gonferenzen stattfanden^), war dies da-
1) Z. B. Rufin, bist. mon. c. 2, 14, 15, 20, 23; Palladiua, hist. Laus. c. 9.
2) Hist. mon. 7, 13, 23, 27 ; hist. Laus. c. 12.
3) Vgl. die Yorige Note; dazu Cassian, de instit. coen. IV, 9; coli. II,
10 und 12.
4) Hist. mon. c. 7; Hieronymi ep. 22 (Vallarsi).
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278 Rückblick auf das egypt. Möncktum des 4. Jahrk.
gegen in der Sketis und' in den Kellien, wo die schon in der Ascese
erprobten Mönche, weit von einander entfernt, in ihren Zellen ^bteii,
unmöglich. Doch war eine absolute Absonderung verpönt. Jeden
Sonntag und Samstag gingen die Eremiten in die nächstgelegene
Kirche zum Gottesdienst, mit dem in der Regel eine geistliche Con-»
ferenz verbunden war^). Aber auch im Verlaufe der Woche be-^
suchte man einen Mitbruder behufs Belehrung und Tröstung. Auf
Orund einer Überlieferung, die in den Apophthegmen auf Antonius
und seinen Schüler Ammon zurückgeführt wird, betrug die Entfernung
der Eremitenzellen von einander etwa zwölf Milien (oigfieTa), damit man
im Falle eines geistigen Bedürfnisses nach der um die neunte Stunde
des Tages üblichen Mahlzeit seinen Nachbar besuchen und nach
gegenseitigem Meinungsaustausch bis zum Sonnenuntergang seine
Zelle wieder erreichen konnte^). Die geistlichen Unterweisungen^
die bei diesen Zusammenkünften gepflogen wurden, gingen von Mund
zu Mund und waren die Quelle der auf uns gekommenen Apo-
phthegmensammlungen. Die Mannigfaltigkeit der in derselben be-
sprochenen Gegenstände beweist, dass der Gedankenaustausch in den
Mönchskolonieen und Einsiedeleien sehr rege war, und dass die
Kreise, aus denen diese Art Literatur hervorging, in der hl Schrift
wohl bewandert und vom christlichen Geiste tief durchdrungen
waren.
Indes kamen trotz der Sorgfalt, mit welcher die Mönchsväter
über ihre Mitbrüder wachten, in diesen Mönchsgenossenschaften
wegen der menschlichen Gebrechlichkeit und Wandelbarkeit des
Willens auch sittliche Verirrungen vor. Wir haben Kenntnis von
diesen Fehlern der Mönche durch Schriftsteller aus ihren eigenen
Kreisen, durch ihre offenen und aufrichtigen Klagen und Erzählungen.
Der Zweck hierbei war, die Mitgenossen vor ähnlichen Fehltritten
zu bewahren. Antonius (s. oben S. 77 ff.) und Makarius (s. oben
S. 262) klagen über die verkehrten ascetischen Ansichten mancher
Mönchskandidaten sowie über die Unbeständigkeit mancher Mit-
brüder in dem Streben nach Vollkommenheit. In der Historia mo-
nachorum (c. 1) erzählt der Mönchsvater Johannes von Lycopolis,
wie zwei Mönche infolge ihres Hochmuts und ihrer Trägheit der
Sinnlichkeit zum Opfer fielen. Auch die von Palladius berichteten
Sündenßllle erscheinen als Strafen geistlicher Überhebung. Valens
(Hist. Laus. c. 31) bildete sich ein, sich des Umgangs und Dienstes
1) S. oben S. 93 und 108.
2) Apophthegm. Patr., Migne s. gr. 65 col. 85 f.
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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh, 279
der Engel zu erfreuen, beschimpfte den Überbringer der gesegneten
Brote, die ihm von dem Eellienpriester Makarius zugeschickt wurden,
mit den Worten: »Geh hin und sage dem Makarius, ich sei so gut
wie er und bedürfe nicht seines Segens,€ weigerte sich zum Tische
des Herrn hinzutreten in der Meinung, er habe die Kommunion nicht
nötig, da ihm Christus selbst erschienen sei, und verfiel zuletzt in
einen Zustand geistiger Baserei. Der feingebildete und tüchtige
Bibelkenner Ero aus Alexandria (Ibid. c. 33) lebte in der Qesell-
schaft des Evagrius in den KoUien, wurde aber stolz und anroassend
gegen die Väter, beschimpfte den Evagrius, und da ihm die Zelle
zu eng wurde, begab er sich wieder in seine Heimat, wo er Theater,
Rennbahn und Schenken und zuletzt ein Bordell besuchte, bis er
sich eine ekelhafte Krankheit zuzog. Nach seiner Genesung bekehrte
er sich allerdings zu Gott, kehrte in die Wüste zurück und bekannte
den Vätern seine Sünden; jedoch konnte er seine guten Vorsätze
nicht mehr ausführen, da er schon nach wenigen Tagen starb.
Ptolomaeus (c. 33) führte fünfzehn Jahre lang ein streng ascetisches
Leben in der schauerlichsten Gegend der sketischen Wüste, Klimax
genannt, sonderte sich dann ab von dem Verkehr und der Lehre
der heiligen Männer, hielt sich für weiser und gelehrter als die
übrigen, verfiel in Skepticismus und Pessimismus und trieb sich in
ganz Egypten als Trunkenbold herum. Dass die genannten Fälle
nicht die einzigen waren, ergibt sich aus folgender Bemerkung des
Palladius (c. 34): »Deswegen beschrieben wir sowohl das Leben der-
jenigen, welche sich recht und tugendhaft betragen, als auch derer,
die nach vielen Bemühungen durch Müssiggang und Sorglosigkeit
von der höchsten Stufe des vollkommenen Lebens herabfielen und
in die Schlingen des Teufels gerieten, damit ein jeder in seinem
Stande die verborgenen Netze des Feindes alles Guten erkennen und
fliehen möge. Da es also viele Männer und Frauen gibt, welche
vom Anbeginn sich im geistlichen Wandel recht übten, endlich aber
vom Widersacher gänzlich überwunden wurden, so will ich aus ihrer
grossen Anzahl nur wenige erwähnen und die übrigen mit Still-
schweigen übergehen , da es weder ihnen zur Besserung noch mir
zum Heile dienen würde, wenn ich mich bei solchen Unglücklichen
lange aufhielte und die ausgezeichneten Kämpfer Christi vernach-
lässigte, indem ich ihre herrlichen Tugenden zu erzählen unter-
Somit entspricht die Behauptung Am61ineaus, die griechisch-
lateinischen Schriftsteller hätten bei der Darstellung des egyptischen
Mönchtums die Schattenseiten desselben verschwiegen, durchaus nicht
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280 Rückblick auf das egypU Mönchtum des 4. Jahrh.
den Thatsachen i). Durch sie erfahren wir vielmehr, dass sich auch
unlautere Elemente ohne inneren Beruf in jene Kreise, einschlichen,
indem sie bloss das Äussere der grossen Mönche im Auge hatten,
oder dass manche zwar gut anfingen, aber in der Folge durch Nicht-
beachtung der durch Wort und Beispiel empfohlenen Grundsätze
unterlagen, Man scheute sich nicht, davon Mitteilung zu machen,
weil man überzeugt war, dass die. sittlichen Ausschreitungen, von
denen man der Nachwelt Kenntnis gab, nicht aus der ascetischen
Lebensweise naturgemäss hervorgingen, sondern im direktesten Wider-
spruche zu derselben standen. Es wäre darum ungerecht, die Ex-
zesse einzelner den anderen Mitgliedern jener Genossenschaften oder
gar ihrer Gesamtheit zuzuschreiben, zumal da die übrigen die sitt-
lichen Verirrungen ihrer Mitbrüder perhorrescierten und sich durch
sittlichen Ernst und Lauterkeit des Charakters auszeichneten.
Dazu kommt noch, dass die innigen Beziehungen, welche
zwischen dem Mönchtum und dem hl. Athanasius sowie den übrigen
egyptischen Bischöfen bestanden, und von denen noch in einem
späteren § die Rede sein wird, unerklärlich wären, wenn die von
Am^lineau gegen die Mehrheit der egyptischen Mönche jener Zeit
geschleuderten Vorwürfe auf Wahrheit beruhten. Endlich wäre es
bei Annahme eines sittlichen Tiefstandes bei dem Gros des egyp-
tischen Mönchtums ein psychologisches Rätsel, dass diese Erschei-
nung im Verlauf des vierten Jahrhunderts eine solche Anziehungs-
kraft auf hochgebildete und sittlich ernste Männer und Frauen des
Morgen- und Abendlandes ausgeübt hat. Basilius^), der spätere
Erzbischof von Caesarea, besuchte nach Vollendung der klassischen
Studien und Empfang der Taufe im Jahre 357 die egyptischen
Mönchsgenossenschaften und staunte über die Enthaltsamkeit der
Mönche in Speise und Trank, über ihre Ausdauer in der Arbeit,
über ihre Beständigkeit im Gebete und über die Kraft in Bewäl-
tigung des Schlafes. In Anbetracht dieser strengen Ascese schienen
ihm die Mönche gleichsam in einem fremden Körper zu wohnen,
und durch ihr Beispiel begriff er es, was es heisse, ein Pilger auf
der Welt zu sein, die Heimat aber im Himmel zu haben. Hiero-
nymus, der strenge Censor falscher Mönche, unterscheidet in Egyp-
ten zwischen den herumziehenden Remoboth und den wahren Mönchen,
1) Auch in den Verba Seniorum (Migne, s. 1., t. 78, col. 879 ff.) wird
berichtet, wie einzelne Mönclie in sexueller .Hinsicht sich vergingen, aber ihren
Fehltritt und das dadurch entstandene Ärgernis durch Busse zu sQhnen sich
bemühten. Indes ist nicht ersichtlich, ob diese Vorkommnisse in den Kreisen
des egyptischen Mönchtums des 4. Jahrh. geschehen sind.
2) Ep. 223 (Migne. s. gr. t. 82 col. 823).
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Rückblick auf das egypt» Mönchtum des 4. Jahrh. 281
lobt das Gros der egyptischen Eremiten und Cönobiten und bleibt
auch nach Besuch der nitrischen Mönchskolonieen ein Lobredner der-
selben. Cassian, der in den egyptischen Mönchskreisen zehn Jahre
zugebracht hat, berichtet wohl von dem Verfalle des in der Nähe
der Städte und Dörfer hausenden Ascetentums, stellt aber die Ere-
miten und Cönobiten in seinen Werken »De institutis coenobiorum
und Collationesf als nachahmungswürdige Vorbilder für das abend-
ländische Mönchtum hin, ohne für die sittlichen Verfehlungen ein-
zelner, von denen er selbst Kunde gibt, die Gesamtheit verantwort-
lich zu machen. Epiphanius (haer. 80), der gleichfalls durch Au-
topsie von dem sittlichen Stande des egyp tischen Mönch tnms sich
überzeugen konnte, stellt der Sekte der Massilianer, welche die As-
cese affektierten , aber wegen ihres Betteins und ihrer Unsittlichkeit
anrüchig waren, die egyptischen Klöster als Stätten der Zucht und
Ordnung, der Arbeit und des Gebetes gegenüber.
§. 5. Das christliche Vollkommenheitsideal der Mönche und Laien
auf Grund der egyptischen Mönchsviten.
Die Apokryphen- Literatur des zweiten und dritten Jahrhunderts
ist offenbar ein Beweis für die Überspannung der Ascese in gewissen
christlichen Kreisen jener Zeit. In dem Evangelium secundum
Aegyptios, das aus der Mitte des zweiten Jahrhunderts stammt, heisst
es^): »Salome fragte: Wie lange wird noch der Tod herrschen?
Der Herr antwortete : Er wird herrschen, solange ihr Frauen Kinder
gebäret. Ich bin gekommen, die Werke des Fleisches zu unter-
drücken. Es wird eine Zeit kommen, wo das Kleid der Scham,
d. i. der Leib, mit Füssen getreten und es weder Weib noch Mann
geben wird«. Ebenso wird in den Acta Petri, Acta Thomae und
Acta Pauli et Theclae die absolute Continenz oder Virginität als
Pflicht eines jeden Getauften und Bedingung der ewigen Seligkeit
hingestellt^). Nicht bloss Häretiker, sondern auch die sog. Enkra-
titen, die sonst über Gott und Christus den Glauben der Kirche be-
kannten s), huldigten diesen Anschauungen. Wir haben schon früher
(s. S. 43 f.) darauf hingewiesen, dass die offiziellen Vertreter der
Kirche dagegen auftraten.
Was nun die Literatur des egyptischen Mönchtums im vierten
Jahrhundert anlangt, so ist derselben jener Hyperascetismus völlig
1) Hilqenfeld, Evangeliorum sec. Hebraeos etc. quae sapersunt, Leipzig
(1884), S. 44:
2) Batiffol, fitudes d'histoire et de thöologie positive, Paris (LecoflFre
1902, S. 50 ff.
3) Ebendas S. 53.
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282 Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh.
fremd. Nirgendwo wird in derselben die absolute Continenz und
die Übung der in jenen Mönchskreisen ablieben ascetischen Kraft-
leistungen als notwendige Bedingung des Seelenheils für die Gesamt-
heit der Christen hingestellt. Wenn Holl^) nach Zeichnung des
Mönchsideals auf Grund der vita Antonii erklärt: »Bei dieser
Fassung des sittlichen Ideals, dem das Mönchtum nachstrebte, ergab
sich allerdings eine grosse Schwierigkeit in der Beurteilung derer,
die in der Welt zurückblieben. Wenn wirklich um des Himmel-
reichs willen solche Ascese als unbedingt notwendig erschien, so
musste folgerichtig den Weltleuten der Christenname abgesprochen
wordene, so verkennt er, dass die vita Antonii gleich den übrigen
Mönchsascetiken nur für die Mönchskreise bestimmt war und sich
durchaus nicht als Sittenspiegel für die Gesamtheit der Christen
ausgeben wollte. Übrigens ist der Verfasser dieser vita durchaus
nicht der Ansicht, als »käme das eigentliche christliche Leben nur
in der Form des Mönchtums zum Ausdruck« : erklärt er doch ge-
legentlich (c. 23): »Wenn demnach diese (Dämonen) sehen, dass
Christen überhaupt, insbesondere aber Mönche es sich Anstrengung
und Mühe kosten lassen und vorwärts kommen, so machen sie einen
ersten Angriff und versuchen sie, indem sie (ihnen) Fallen an den
Weg legen«. Also nicht bloss die Mönche, die besonders eine Ziel-
scheibe der Dämonen sind, sondern überhaupt alle Christen, die es
mit der Nachfolge ernst nehmen und sich abmühen, müssen sich auf
Anfechtungen gefasst machen. Hiermit wird »ein niederes Christen-
tum ohne Ascese« für die Weltleute durchaus nicht als ausreichend
erachtet.
In der Rufinschen Historia monachorum (c. 1) wird dem
Mönchtum im Bereich der christlichen Gesellschaft insofern der
Vorzug gegeben, als dasselbe den Dienst Gottes und die Pflege der
geistlichen Güter ausschliesslich zum Inhalt hat; doch wie ausdrück-
lich betont wird, »thuen die Weltleute ein gutes Werk und haben
ein reines Gewissen, wenn sie sich in guten Werken üben und mit
religiösen und heiligen Handlungen beschäftigen, indem sie gastfrei
sind oder Werke der Liebe thuen oder Barmherzigkeit erzeigen,
Kranke besuchen und andere dergleichen Werke ausüben. Solche
(Weltleute) sind allerdings gut, ja sehr gut und gefallen Gott in
ihren guten Werken und sind bewährte Vollbringer der Gebote
Gottes«. Die Hervorhebung des ascetischen Standes involviert also
noch nicht eine Geringschätzung des weltlichen Berufslebens.
1) Enthusiasmus und Bussgewalt beim griech. Mönchtum, Leipzig (1898),
S. 147.
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Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4. Jahrh, 283
Auch in der vita Pachomii (M. 194 ff., A' 513 ff.) erscheint
der Ehestand als eine ebenso berechtigte Erscheinungsform des
christlichen Lebens wie der Mönchsstand ^). Aber ohne irgend-
welche Ascese kann kein Christ, in welchem Stande er auch immer
sei, auskommen. Die Ascese, heisst es, ist nicht bloss denen nötig,
welche angeborene böse Neigungen haben; auch diejenigen, bei
denen dies nicht der Fall ist , müssen sich von der Furcht Gottes
leiten lassen ; sonst fallen auch sie in viele Sünden. Die Ascese der
Eheleute bezieht sich auf die Fernhaltung alles dessen, was die
Heiligkeit des Ehebandes verletzen könnte. Wer dagegen nach
einem höheren Grad der Vollkommenheit Verlangen hat, der möge
Mönch werden und dem Herrn in aller Reinheit und Wahrheit
dienen.
Grützmacher (S. 44 u. 54) statuiert auf Grand einer Stello
der koptisch-arabischen Pachomiusviten (A' 345 f. , M 9 f.) einen
Gegensatz zwischen »dem in der dienenden Liebe sich bethätigenden
Gbristentumc und »dem alle sittliche Bethätigung negierenden, im
Dienste Gottes sich erschöpfenden Eremitentum«. Pachomius soll
nämlich, nachdem er drei Jahre lang bei Schenesit sich in Liebes-
diensten an Armen und Kranken bethätigt hatte, »plötzlich, durch-
drungen davon, Mönch zu werden, die christliche Liebesthätigkeit
als etwas Minderwertiges empfunden« haben. Der fragliche Text
besagt aber, genauer betrachtet, etwas wesentlich anderes. Pachomius
übte, kaum Christ geworden und für sich allein lebend, allerlei Liebes-
werke gegen die arme Bevölkerung von Schenesit. Es kam ihm
aber der Gedanke: »dieses Werk, d. i. der Liebesdienst gegen viele
Leute im Dorfe, ist uicht Sache eines Mönches (rähibin), sondern die
der Priester und treuer Greise (schujuhin muvminina); von dieser
Stunde an will ich nicht mehr zurückkehren zu diesem Werke, da-
mit nicht jemand mir nachahme und deswegen eifersüchtig werde;
dann würde das geschriebene Wort über mich kommen: »Seele um
Seele«. Es ist auch geschrieben: »Ein Gottesdienst, rein und makel-
los vor Gott, ist dies: die Waisen und Witwen in ihrer Trübsal be-
suchen und sich unbefleckt bewahren durch Abwendung von dieser
Welt.« Pachomius übergab nun seinen Garten einem anderen bereits^
bejahrten Mönche (lischajhin aharin rähibin), der an seiner Statt für
die Armen Sorge tragen sollte ; er selbst aber unterstellte sich jetzt
der Leitung eines greisen Anachoreten, namens Palaemon, um ge-
mäss dem Worte des Apostels auch das zweite Stück der Frömmig-*
1) Vgl. auch Cassian, coli. XXI, 10.
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284 Rückblick auf das egypL Mönchtum des 4, Jahrh,
keit, die BeinhaltaDg 3einer selbst von der Befleckung der sündigen
Welt, zu erfüllen. Es ist hier also gar nicht die Bede davon, dass
die christliche Liebesthätigkeit etwas Minderwertiges sei. Hat doch
Pachomius selbst den greisen Mönch gebeten, die Liebesthätigkeit in
Schenesit fortzusetzen, und auch in seinem neuen Aufenthaltsorte
mit seinem Lehrmeister in der Ascese fleissig Handarbeit verrichtet,
um Arme unterstützen zu können, wie die Vit^n (C 4, M 12, A' 347)
übereinstimmend berichten. Nicht »das Lebensideal der Kleriker,
die die Pflicht haben, die christliche Liebesthätigkeit zu treibenc,
wird hier etwa dem Mönchsideal gegenübergestellt, wie Grützmacher
(S. 54) meint; sondern sowohl die Kleriker und älteren Mönche als
auch die jungen Mönche sollen sich in Liebeswerken bethätigen,
nur dass den letzteren ans Herz gelegt wird, über der Liebesthätig-
keit die ascetische Schulung nicht zu vergessen.
Indes, wenn auch der Mönchsstand in der christlichen Gesell-
schaft als ein höherer Stand hingestellt wird, so ist doch die Ergreifung
desselben noch nicht identisch mit dem Zustand der Vollkommen-
heit. Vielmehr wird nachdrücklich betont (s. oben S. 256 f., 262), dass
der Verzicht auf Hab und Gut, die äussere Losschälung von der
Welt nur als erste Stufe auf dem Wege der Vollkommenheit zu be-
trachten ist. Die Vollkommenheit kann erst durch fortgesetzte Ascese
errungen werden. Ja, ein Christ, der in der Welt lebt, kann sogar
einen Mönch überflügeln, wenn er in seinem Berufe in reinerer Ge-
sinnung Gottes Willen erfüllt als der letztere in seiner Zelle. In
diesem Sinne erklärt Evagrius Pontikus^): »Besser ein seinem Mit-
bruder dienender Laie als ein Anachoret, der sich seines Nächsten
nicht erbarmt; besser ein sanftmütiger Laie als ein heftiger und
jähzorniger Mönch«. Zum Beweise dafür, dass solche Anschauungen
unter den egyptischen Mönchen des vierten Jahrhunderts vertreten
waren, dienen auch einige auf uns gekommene Legenden aus jenen
Kreisen. Als Antonius einmal in seiner Zelle betete, berichten die
Verba Seniorum, hörte er eine Stimme, die zu ihm sprach:
»Antonius, du hast noch nicht die Vollkommenheit eines Gerbers
in Alexandria erlangt.« Der Heilige begab sich darauf nach jener
Stadt und fragte den Gerber: »Erzähle mir deine Werke; denn
deswegen bin ich aus der Wüste hierher gekommen«. Der Gerber
erwiderte: »Ich weiss nicht, ob ich etwas Gutes gethan habe. Des-
wegen spreche ich bei Beginn jedes Tagewerkes, wie doch die ganze
Stadt vom Kleinsten bis zum Qrössten ins Reich Gottes eingehen
1) Evagrii monachi sententiae etc., Migne s. gr. t. 40 col. 1280, 1279
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Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4. Jahrh. 285
werde wegen der Qerechtigkeit, die sie aasüben, während ich allein
wegen meiner Sünden die ewige Strafe erleiden werde. Das nämliche
Wort wiederhole ich auch am Abend, ehe ich mich zur Rahe lege,
aus aufrichtiger Gesinnung meines Herzensc. Da rief Antonius aus:
»Wahrlich, mein Sohn, wie ein guter Goldschmied hast du, ruhig
in deinem Hause sitzend, dich des Reiches Gottes bemächtigt; ich
aber, der ich alle meine Zeit in der Wüste zugebracht habe, habe
noch nicht die Vollendung deines Wortes erreichen können«. Ahn-
liche Erzählungen von Mönchen, denen Gott zur Demütigung offen-
barte, dass verachtete Spielleute und andere Weltleute ihnen an
Vollkommenheit gleich oder überlegen seien, sind schon früher (s. oben
S. 115) erwähnt worden. Diese überraschenden Legenden stellen,
man beachte es wohl, nicht etwa eine Reaktion des Volksgeistes
gegen eine etwa zu Tage tretende Oberschätzung des Mönchslebens
dar. Dieselben sind ja mönchischer Provenienz und zu Erbauungs-
zwecken für Mönchskreise geschrieben. Die Wahrheit, welche in
jenen Legenden veranschaulicht wird, ist eben die, dass es in Be-
zug auf die Verpflichtung und das Ziel der Vollkommenheit keinen
unterschied zwischen Mönchen und Laienchristen gibt. Es gibt
nur eine einzige Vollkommenheit des christlichen Lebens, die in der
Hingabe an Gott und seinen heiligen Willen, oder concreter ge-
sprochen, in der Nachfolge Christi besteht. Die vornehmsten Pflichten,
welche die Vollkommenheit des Mönches ausmachen, die Gottes- und
Nächstenliebe, der Gebetseifer, Sanftmut, Geduld, Demut, sind an
und für sich dieselben wie bei Weltleuten, Das einzige, was dem
Mönchtum eigentümlich ist, sind die besonderen ascetischen Mittel,
durch welche die Erreichung des Zieles energischer in Angriff ge-
nommen und erleichtert werden soll. Ist aber auch die Vollkommen-
heit nur eine, so hat dieselbe doch verschiedene Abstufungen. Es
gibt Anfänger, Fortschreitende und Vollendete. In jenen Legenden
wird plastisch zum Ausdruck gebracht, dass mancher Mönch auf dem
Wege zur Vollkommenheit erst ein Anßlnger ist, während mancher
Laie zu den Vollendeten gehört. Nicht die äussere Strenge ist ent-
scheidend über das Mass der Vollkommenheit, sondern der Grad der
Liebe, die Lauterkeit der inneren Gesinnung, ganz gleich ob man
Mönch oder Laie ist. Und wenn auch dem ascetischen Stande als
solchem insofern der Vorzug zuerkannt wird, weil er den ausschliess-
lichen Dienst Gottes zum Inhalt hat und unmittelbar auf Gott und
sein Reich gerichtet ist, so wird doch andererseits betont, dass durch
Übernahme dieses Standes die Vollkommenheit noch nicht verwirk-
licht ist; vielmehr werden in jenen Mönchslegenden die Vertreter
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286 Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh.
des ascetischen Standes zur Beschämung und Nacheiferung auf das
Beispiel ganz schlichter Weltleute hingewiesen, die den Kern des
christlichen Lebens, die Verinnerlichnng des ganzen Menschen, rich-
tig erfasst und in ihren) Leben zum Ausdruck gebracht haben.
^ 6. Missionsarbeit und charitative Thätigkeit der egyptischen
Mönche.
Die Mönche flohen die Welt nicht aus Stolz oder Verachtung
der Menschen, auch nicht deshalb, weil sie die Welt für das Böse
selbst oder den Umgang mit ihr für Verunreinigung hielten. Solche
stoische, bez. buddhistische Tendenzen lagen dem egyptischen Mönch-
tum durchaus fern. Ja, wie aus dem vorigen § ersichtlich ist,
finden wir in den aus jenen Kreisen hervorgegangenen Schriften
eine durchaus gerechte Würdigung der weltlichen Berufsarbeit. Die
Weltflucht samt den übrigen ascetischen Übungen betrachtete man
nur als Mittel, um den »Kampf gegen das Niedere im Menschen,
den Mammon, die Sorge und die Selbstsucht«, einen Kampf, der ja
auch nach Harnack zum Wesen des Evangeliums gehört, besser
führen zu können. Dass dieses Ziel nicht von allen in gleichem
Masse erreicht wurde, dass sogar manche ihrem Berufe untreu wur-
den, das haben, wie oben gezeigt worden ist, selbst Vertreter des
Mönchtums nicht abgeleugnet. Andererseits geht aus den zeitge-
nössischen Quellen zur Genüge hervor, dass das Gros der egyptischen
Mönche durch unausgesetzte Benutzung der ascetischen Mittel sich
innerlich zu erneuern und zu kräftigen bemühte.
Indem aber die Mönche an der Beform des inneren Menschen
arbeiteten, wirkte der dabei bewiesene Heroismus mächtig auf das
Oemüt der in der Welt verbliebenen Mitbrüder und trug nicht
wenig bei zur Hebung des himmlischen Sinnes, der doch gewiss zum
Wesen des Christentuips gehört. Dies trat allerdings bei den Ver-
tretern des ascetischen Standes nicht in gleicher Weise hervor; aber
je grösser ihr Opfersinn war, desto mächtiger wirkte ihr Wort auf
die Geister und ihr Beispiel auf die Herzen der Mitmenschen. Diesen
letzteren Zweck haben die Mönche wohl nicht von vornherein im
Auge gehabt. Wir lesen, wie die bedeutendsten unter ihnen, An-
tonius, die beiden Makarier, Johannes von Lycopolis, aus Furcht vor
Selbstüberhebung dem Contakt mit der Welt möglichst aus dem
Wege gingen. Indes die Vorsehung sorgte dafür, dass ihr Licht
nicht unter dem Scheffel blieb.
Antonius verliess wegen der vielen Besuche seine ursprüngliche
Einsiedelei in einer verlassenen Burg, wo er zwanzig Jahre gelebt
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Rückblick auf das egypt Mönchium des 4. Jahrh, 287
hatte; doch auch sein neuer Aufenthaltsort, der zwischen Heraclea
nnd Aphroditen nach dem roten Meere zu in einer schauerlichen
Wildnis lag, schreckte die Fremden niciit ab (Vita Ant. c. 55).
Der Diakon Baisan von Aphroditen (Hieron. vita Hilarionis c. 25)
pflegte denjenigen, die zu Antonius reisen wollten, wegen des grossen
Wassermangels in der Wüste Dromedare zu stellen und ihnen bis
an Ort und Stelle das Geleit zu geben. Für gewöhnlich begaben
«ich aber die Fremden nach der am rechten Nilufer gelegenen
Mönchskolonie Pispir und warteten daselbst, bis Antonius aas seiner
drei Tage- und drei Nachtreisen entfernten Klause zu seinen Schülern
kam. Dies geschah in der Regel alle zehn oder zwanzig Tage ; bis-
weilen aber kam Antonius auch nach fünf Tagen, wenn es das Be-
dürfnis der Fremden erheischte (Hist. Laus. c. 25 ; vita Ant. c. 49).
Bischöfe, hohe Civil- und Militärbeamte ^) zählten zu den Besuchern.
Es erschienen sogar Friedensrichter mit den rechtenden Parteien,
und vielen gereichte die Vermittlung des Antonius zum Nutzen und
zur Wohlthat. Er redete ihnen so zu Herzen, dass sie darüber das
Rechten vergassen und jene glücklich priesen, die sich von dem
Treiben der Welt zurückzögen. Die aber, welche ein Unrecht er-
litten hatten, nahm er so in Schutz, dass man meinen mochte, nicht
andere, sondern er selber sei der Verletzte. Den Richtern aber war
er dadurch förderlich, dass er ihnen den Rat erteilte, beim Sprechen
des Urteils die Gerechtigkeit hochzuhalten, Gott zu fürchten und
sich vor Augen zu halten, dass sie mit dem nämlichen Gerichte,
mit dem sie richteten, wieder gerichtet werden würden. Die Schil-
derung der segensreichen Wirksamkeit des Antonius lässt Athanasius
in folgenden Panegyrikus ausklingen: Antonius war wie ein Arzt
Egypten gegeben. Denn wer näherte sich ihm trauernd und ging
nicht in Freuden davon? Wer kam weinend über den Tod der Seinen
und legte nicht die Trauer ab? Wer kam in Hass zu ihm und
wurde nicht zur Freandlichkeit umgestimmt? Welcher Arme, mut-
los zu ihm kommend, verachtete nicht den Reichtum, sobald er ihn
hörte und sah, und ging getröstet von dannen? Welcher nachlässige
Mönch ging nicht gestärkt von ihm ? Welcher junge Mann kam zu
Antonius ins Gebirge und verschmähte nicht die Lüste und gewann
die Enthaltsamkeit lieb? Wer kam, von den Dämonen gequält, zu
ihm und fand nicht Ruhe? Wer kam ferner, von seinen Gedanken
geplagt, zu ihm und wurde nicht heiteren Sinnes^)? Allerdings suchten
1) Mingarelli, Aegyptiornm codicam reliqaiae etc. fasc. I, BonoDiae
1785, p. 179; Vita Ant. c. 57, 61. 64, 82, 84, 85.
2) Vita Ant. c. 84, 87. Mingarelli, 1. c. p. 176 u. 178.
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288 Rückblick auf das egypt MOnchtum des 4, Jahrh,
manche Weltleute, mehr von Neugier getrieben, Antonios anf.
Darum kam er mit seinem Schüler Makarius wegen eines Zeichens^
überein, um diejenigen, welche ein wahres Verlangen nach Erbauung*
hatten, von den aus blosser Neugier gekommenen zu unterscheiden.
Er hatte nämlich dem Makarius aufgetragen: »Wenn Du merkst^
dass Leute Anliegen von geringerer Wichtigkeit haben, so sage:
»Es sind E^ygter dat. Wenn dir aber manche als vollkommener
und in sich gekehrter erscheinen, so sage: »Es sind Jerusalemiteni.
Wenn von beiden Gattungen welche da waren, sagte Makarius:
»Es ist ein Oemengec. Wenn nun Makarius meldete: »Es sind
Egypter«, dann sagte ihm Antonius : »Bereite einen Linsenbrei und
gib ihnen etwas zu essen U und er hielt ihnen bloss eine Ansprache,
betete über sie und entliess sie. Sagte aber Makarius: »Es sind
Jerusalemitenc , dann blieb Antonius die ganze Nacht dort und er-
teilte ihnen Lehren des Heils (Hist. Laus. c. 26). Auch die Väter
der nitrischen Mönchskolonie übten eine grosse Anziehungskraft auf
die Christenheit aus; darum baute man für die Gäste ein eigenes
Fremdenhaos, und denen, die ernstliche christliche Gesinnung in die
Wüste geführt hatte, gestattete man auch längeren Aufenthalt und
erwies ihnen aufrichtige Gastfreundschaft (s. oben S. 92). Über»
haupt zeigt die Historia Lausiaca, die Gollationes Cassians,
die Historia monachorum Ruffins sowie die Apophthegmenliteratur
zur Genüge, wie viele reiche und angesehene Christen beiderlei Ge-
schlechts, selbst aus dem Abendlande, die weite Beise in die Wüste
nicht scheuten, um bei den Anachoreten und Cönobiten in ihren
Zweifeln Aufklärung, und in ihren Anliegen geistlicher und mate-
rieller Art Trost und Erbauung zu erhalten. Niemand schien sich
mehr von der Welt zurückgezogen zu haben als Johannes von Ly-
copolis in seiner Klause in der Thebais. Aber er blieb nicht ver-
borgen, und die Weltflucht, die nicht etwa aus Misanthropie , son-
dern inniger Gottesliebe hervorgegangen war*), machte ihn weder
gefühllos gegenüber den verschiedenen Leiden der Menschen noch
überhaupt gleichgiltig gegen die Christen in der Welt. Er verliess
allerdings nie seine Zelle; aber durch ein Fenster sprach er Worte
der Erbauung und sprach denen, die dessen bedurften, Trost zu.
Er Hess für die Gäste, unter denen, wie Rufin bezeugt, auch die
1) »Er blieb allein in seiner Zelle und diente Gott allein, indem er Tag
und Nacht sich mit Gott unterhielt und ohne ünterlass betete. So strebte er
mit ganzer Reinheit der Seele nach dem Göttlichen , das alle Vernunft über-
trifft. Denn je mehr er sich von allen menschlichen Unterredungen und Sorgen
entfernte, desto mehr näherte si<;h ihm Gott«.
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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh. 289
höheren Stände vertreten waren, in der Nähe seiner Wohnung eine
Zelle bauen (Hist. raon. c. 1). Wie endlich Makarius der Egypter
sich vor dem Andrang der Besucher, die den weiten und beschwer-
lichen Weg in die sketische Wüste nicht scheuten, zu schützen
suchte, ist schon früher (S. 98) mitgeteilt worden.
Das egyptische Mönchtum entwickelte sich angesichts der heid-
nischen Philosophenschulen. Eine so ausserordentliche Erscheinung,
wie es die christlichen Klöster waren, eine so grosse Zahl von her-
vorragenden Anachoreten in den Wüsteneien, konnte auf die heid-
nischen Philosophen, deren Lehren gerade in jener Zeit einen stark
religiös-sittlichen Zug bekundeten^ nicht ohne Eindruck bleiben.
Weder die Sonnenglut noch die Beschwerlichkeit der Wege hielt sie
ab in die Wüste zu eilen, um sich mit eigenen Augen zu über-
zeugen, wie daselbst die christlichen Mönche die ascetischen Grund-
sätze des Evangeliums in Thaten umzusetzen sich bemühten. Solche
griechische Weltweise fanden sich auch einmal in der Mönchs-
kolonie Pispir ein. Antonius, der zwar nicht wissenschaftlich ge-
bildet, aber doch geistreich und schlagfertig war, legte ihnen mit
Hilfe eines Dolmetschers dar, wie vorteilhaft sich die christlichen
Mysterien von den zum Teil unsittlichen Mythologien abheben, und
zeigte an praktischen Beispielen, wie sich die sittlich erneuernde
und heiligende Kraft des christlichen Qlaubens an seinen aufrichtigen
Bekennern und Anhängern dokumentiere (vita Ant. c. 72—80). Ge-
legentlich eines anderen Besuches drückte ein Philosoph seine Ver-
wunderung darüber aus, dass Antonius es so lange in der Wüste
aushalte, da er daselbst des Trostes und des Vergnügens, das die
Bücher gewähren, beraubt sei, worauf der letztere erwiderte: »Mein
Buch ist die Natur, und die steht mir zu Gebote, so oft ich lesen
mag, was Gott sprichtf (Sozom. h. e. IV, 23). Diese Unterredungen
führten, wie die vita Antonii bemerkt, zwar nicht zur Bekehrung der
Philosophen, aber doch zu einer gerechteren Würdigung des Christen-
tums^). Auch der sketische Mönch Serapion erzählte dem Cassian
(coli. V, 21), wie ein greiser Anachoret einen Philosophen, der ihn
anfangs^ für unwissend und bäuerisch erachtet hatte, durch eine
lichtvolle Darstellung der christlichen Ethik in Erstaunen setzte.
1) Die in dem pachomianischen Kloster bei Panopolis erschienenen Philo-
sophen waren keine Heiden, da sie die Pachomianer auf die Kenntnis der
hl. Schrift prüfen wollten. Es waren dies jedenfalls Manichäer, deren Zusam-
mentreffen mit Mönchen auch anderweitig bezeugt wird (Hist. mon. c. 9). (yrütZ'
macher (S. 75 Anm. 2) glauht auf Grund der Stelle M 72: »Ihr rühmt euch
grosse Mönche zu sein«, dass die Philosophen Mönche waren, indem er irrtüm-
lich die Philosophen die Worte sprechen lässt.
S h i w i 6 1 z , Mönchtum. 19
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290 Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4. Jahrh.
Der gelehrte Eellienmönch Evagrius Pontikus ergriff sogar die
Offensive, reiste öfters nach Alexandria und disputierte daselbst mit
den griechischen Philosophen über die christliche Lehre*).
Wie Christus den sog. evangelischen Räten eine Hinordnung auf
das Reich Gottes gegeben hat, so verwendeten auch die egyptischen
Mönche die durch die Losschälung vom Irdischen gewonnene Frei-
heit und Energie im Dienste der Ausbreitung des Evangeliums.
Während Sozomenus (h. e. IT, 5) im allgemeinen erklärt, dass ab-
gesehen von anderen Faktoren das gute Beispiel und der apostolische
Eifer der Mönche im Zeitalter Constantins und seiner Nachfolger
viel zur weiteren Ausbreitung^ des christlichen Glaubens beigetragen
habe, finden wir in den Quellen des egyptischen Mönchtums hier-
über noch genauere Einzelheiten. Als Antonius nach Alezandria
kam, um für den nicänischen Glauben Zeugnis abzulegen, verlangten
auch Heiden, ja selbst ihre Priester, diesen Mann Gottes zu sehen,
und gewiss sind, wie der Verfasser der vita Antonii c. 70 bemerkt,
in jenen Tagen so viele von ihnen Christen geworden, als man sonst
etwa in einem Jahre es werden sah. Grosses Aufsehen erregte auch
in Alexandria die Kunde von der evangelisatorischen Thätigkeit des
berühmten Makarius des Egypters, der mit mehreren Genossen unter
Kaiser Valens aus der Wüste auf eine Insel des Nildeltas verbannt
worden war und die dortigen heidnischen Bewohner zum Christen-
tum bekehrte (Rufin. h. e. II, 4). Als ApoUonius zur Zeit des
Kaisers Julian nicht weit von Hermopolis magna (Aschmunen) eine
Mönchsgemeinde gründete, gab es in der Umgegend noch zehn heid-
nische Dörfer. Anlässlicb eines Götzenfestes gelang es ihm, die
Festgenossen dem Christentum zuzuführen. Diesem Beispiele folgten
später noch viele andere, so dass in der ganzen Gegend fast gar
kein Heide mehr anzutreffen war (s. oben S. 112 f.). Südlich von
der eben genannten Stadt wohnte im Gebirge der Priester Kopres
mit vielen Mönchen, durch deren Predigt und Liebeswerke die arme
heidnische Landbevölkerung in jener Gegend für die Lehre Christi
gewonnen wurde (Rufin. bist. mon. c. 7). Pachoraius, dessen aposto-
lischer Eifer in den Viten ausdrücklich gerühmt wird, erbaute gleich
nach der Errichtung seines ersten Klosters in dem nächsten Dorfe
Tabenntsi eine Kirche, in der er Samstags und Sonntags das arme
Hirtenvolk der Umgegend versammelte und durch seine liebevolle
Lehrweise zum Empfang der Taufe brachte (vita C 20). Wie er
selbst schon als Katechumen zu Scbenesit ein ascetisches Leben
1) Paradisas monach., Migne b. gr. t. 65 col. 448 ; die griech. Recensi'on
der hist. mon. c. 27 (bei Preuschen S. 86).
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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. JahrK 291
geführt hatte, so nahm er auch später, Jahr für Jahr, in seine
Klöster Eatechumenen als Mönche anf, die anlässlich des jährlichen
Generalkonventes zu Pheboou getauft zu werden pflegten (s. oben
S, 152, 180).
Aus den Berichten über diese Missionsthätigkeit ergibt sich,
dass die Mönche mehr durch Erweise der Nächstenliebe als durch
die Predigt Erfolge erzielten. Die in der Vollkommenheit fortge-
schrittenen Mönche waren sich dessen bewusst, dass nur die Liebe
den richtigen Weg zu den Herzen der Menschen finde; darum er-
klärte einmal Makarius der Egypter: »Eine hoffärtige und böse Bede
macht auch gute Menschen böse, eine demütige und gute Rede aber
macht auch die Bösen besser«. Voran lasaung zu diesem Ausspruch bot
ein Vorfall, der zugleich beweist, dass mancher Mönch aus Mangel an
dem richtigen Takte für das Missionswerk wenig geeignet war.
Makarius reiste nämlich einmal aus der sketischen Wüste nach
Nitria und befahl dem ihn begleitenden Jünger, ein wenig voraus-
zugehen. Als nun der letztere einen bedeutenden Vorsprung hatte,
begegnete er einem Götzenpriester, der hurtig des Weges lief und
ein grosses Stück Holz trug, und rief demselben zu: »Wo gehst du
hin, Dämon?« Der Priester geriet in Zorn, misshandelte den Mönch
und Hess ihn halbtot liegen. Dann lief er seines Weges weiter und
begegnete dem Makarius. Dieser sprach zu ihm: »Sei gegrüsst, eine
mühsame Arbeit hast du auf dich genommen«. Der Götzenpriester
sprach voll Verwunderung: »Was hast du an mir Gutes gesehen,
dass du mich so freundlich grüssest?« Makarius erwiderte ihm:
»Weil ich sah, dass du von der Arbeit ermattet bist und liefest,
ohne das Ziel zu kennen«. Der Priester entgegnete ihm: »Dein
Gruss hat mich gerührt und überzeugt, dass du ein grosser Diener
Gottes bist, unterwegs begegnete mir ein ganz erbärmlicher Mönch
und beschimpfte mich; aber ich habe es ihm heimgezahlt«. Alsdann
ergrifi er die Füsse des Makarius und fügte hinzu: »Ich verlasse
dich nicht, bis du mich zum Mönch gemacht hast«. Hierauf gingen
sie miteinander an den Ort, wo der misshandelte Mönch lag, hoben
ihn auf und trugen ihn in die Kirche von Nitria. Die dortigen
Mönche waren nicht wenig erstaunt, als sie Makarius in Begleitung
des Götzenpriesters sahen; der letztere wurde in die Mönchsgemein-
schaft aufgenommen, und, seinem Beispiele folgend, bekehrten sich
viele Heiden zum Christentum^).
Wie noch heute, so waren auch damals die Grenzen des frucht-
1) Roaweyd, de vitis Patr. lib. III n. 127.
19*
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292 Rückblick auf das egypt MOnchtum des 4, Jahrh.
baren Nilthaies von wilden Volksstämraen bewohnt. Dieselben konn-
ten trotz der gegen sie unternommenen Feldzüge weder erreicht noch
gänzlich unterworfen werden. Die Mönche, die sich meist im Ge-
birge oder in der Wüste niedergelassen hatten, wurden von ihnen
häufig belästigt und ihrer geringen Habseligkeiten beraubt. So
wurde nicht weit von einem pachomianischen Kloster ein Mönch
durch die Blemmyer gefangen genommen ^). Gegen Ende des vierten
Jahrhunderts wurden von den räuberischen Maziken vier Kirchen
in der sketischen Wüste zerstört und einige Mönche ermordet*)
Indes gelang es auch den Mönchen, Angehörige dieser wilden No-
roadenstämme zu bekehren und sogar für das Mönchsleben zu ge-
winnen. Der Kameltreiber Makarius aus dem wilden Volksstamm
der Bukolier, die zwischen Alexandria und den Natronseen wohnten,
machte sich bei dem Transport des Natrons nach Egypten öfters des
Diebstahls schuldig, wofür er von seinen Herren hart gezüchtigt
wurde. Eines Tages erschlug er an den Ufern des Mörissees beim
Spiel einen Genossen, floh aus Furcht in die sketische Wüste, blieb
unter den dortigen Mönchen als Süsser und ertrug demütig die An-
spielungen derselben auf seine Vergangenheit »). Noch gewaltthätiger
erscheint der Beduine (TtoifxTjv äypotxöc) Apollo*). Sein wildes Tem-
perament reizte ihn einmal beim Anblick einer schwangeren Frau
zur Ermordung derselben und Öffnung ihres Leibes. Von Reue er-
griffen, kam er in die sketische Wüste und bekannte den Mönchen
seine ünthat. Als er hierauf beim Psalmengebet die Worte hörte:
»Die Zeit unserer Jahre ist siebzig Jahre und aufs höchste achtzig
Jahre, und was darüber hinaus ist, ist Mühsal und Schmerz,« ent-
schloss er sich zur Busse mit den Worten; »Ich bin schon vierzig
Jahre alt, und habe noch kein einziges Gebet zu Gott gesprochen;
nun will ich, wenn ich vierzig weitere Jahre lebe, nicht aufhören,
Gott um Verzeihung meiner Missethaten zu bitten.« Tag und Nacht
betete er in seiner Zelle: »Herr, als Mensch habe ich gesündigt,
als Gott sei mir gnädig.« Ein Mönch, der bei ihm blieb, hörte ihn
auch beten: »Herr, ich bin dir lästig gewesen, aber verzeih mir,
damit ich ein wenig Ruhe finde,« und der reuige Büsser erhielt die
Gewissheit, dass ihm Gott alle seine Missethaten, auch die an dem
Weibe begangene, vergeben habe; wegen des Frevels an dem Kinde
aber blieb er in Ungewissheit. Indes tröstete ihn ein greiser Mönch
1) Vita C 54, P 9 f.
2) Rosweyd, de vitis Patr., lib. V libell. 18 n. 14; lib. III n. 199.
3) S. oben S. 101, daza Apophthegm. Patr., Migne, 8. gr., t. 45, col. 273
4) Apophth. Patr. 1. c. col. 133.
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Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4, Jahrh, 293
mit den Worten: »Auch das an dem Einde begangene Verbrechen
hat dir der Herr verziehen ; doch überlässt er dich der Unruhe, weil
dies deiner Seele zuträglich istc Auch der Äthiopier Moyses (s. oben
S. 102), einer der bedeutendsten Mönche in der Sketis, war bis zu
seiner Bekehrung Hauptmann einer Räuberbande und gefürchtet
wegen seiner herkulischen Stärke. Von seiner tiefen Einsicht in die
ascetische Mystik legen sowohl die Collationen Gassians (I und II)
als auch die Apophthegmensammlungen Zeugnis ab. Von seiner her-
kulischen Stärke machte er einmal noch als Mönch Gebrauch, indem
er vier Räuber, die in seine Zelle eindringen wollten, band und vor
die Thür der Kirche brachte. Als die Übelthäter erfuhren, dass der
Mönch, der sie bewältigt hatte, der ehemalige Räuberhauptmann
Moyses wäre, empfanden sie Beue aber ihr bisheriges Snndenleben
und führten als Mönche ein erbauliches Leben. Auch durch die
Mönche in der Thebais geschahen Bekehrungen einzelner Räuber.
Der in der Nähe von Oxyrrhynchos (Behnesa) wohnende Klausner
Theon ^) bekehrte einige Räuber, die seine Zelle des Nachts plündern
wollten. In einem benachbarten Kloster aufgenommen, besserten
dieselben ihr Leben. Gleichen Erfolg erzielte der etwas mehr süd-
lich an einem abgelegenen Orte wohnende Ammon, als er eines
Tages einige Räuber, die ihm öfters Brot aus seiner Zelle stahlen,
bei einer ähnlichen That ertappte, ihnen trotzdem gleich einen
Liebesdienst erwies und dabei sie in aller Freundlichkeit zur Um-
kehr mahnte*). Durch die Bemühungen des schon oben erwähnten
Apollonius, der eine Mönchskolonie bei Hermopolis (Aschmun§n)
leitete, wurde ein Beduine, der zwischen zwei Nachbardörfern be-
ständig Unfrieden säte, umgewandelt und in die Mönchsgemeinde
aufgenommen. Viertausend Schritt von Antinoupolis entfernt, lebte
der ehemalige Räuber Capiton^) in einer Höhle; aus Furcht, seiner
Leidenschaften noch nicht ganz Herr geworden zu sein, wagte er es
nicht, ins Nilthal unter die Menschen zu gehen. Der Begründer
einer Mönchskolonie in der Oberthebais, an deren Spitze Rufin den
Priester Kopres fand, war ein gewisser Pater mutius*), der als Räuber
und Grabschänder in jener Gegend berüchtigt war, aber bei der
Ausübung seines unsauberen Handwerks in dem Hause einer gottge-
weihten Jungfrau in sich ging und, nachdem er durch ein drei-
jähriges Katechumenat in der Wüste Beweise seiner Sinnesänderung
1) Bafin. bist. mon. c. VI.
2) Ebend. c. VIII.
3) Eist. Laus. c. XCIX.
4) Eist. mon. c. IX; Paradisns Patr., Migne, s. gr. t. 65 col. 449.
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294 Rückblick auf das egypL Mönchtum des 4, Jahrh,
geliefert hatte, schliesslich getauft wurde. So brachten diese Mönche
ihre Überzeugung von der Möglichkeit der Sinnesänderung der rohen
Beduinen durch die That zum Ausdruck und standen selbst nicht
an, die Bekehrten in ihre Reihen aufzunehroen ^).
Die Losschälung von der Welt, die nicht aus Menschenhass,
sondern aus christlicher Gottesliebe hervorgegangen war, erstickte
auch nicht in den Herzen der Mönche das Zartgefühl für das ma-
terielle Elend ihrer Mitmenschen. Vielmehr lesen wir, dass ihre
Entsagung und ihr Opferleben auch der notleidenden Menschheit zu
gute kam. Wie Antonius Handarbeit verrichtete und einen Teil des
Erlöses seiner Arbeit für seinen Lebensunterhalt, das übrige aber für
die Armen verwendete, so arbeiteten auch seine Mönche, um Almosen
geben zu können *). Über die charitative Thätigkeit, die Pachomius
als Ascet in Schenesit und dann als Anachoret in Gemeinschaft mit
seinem ascetischen Lehrer Palaemon übte, ist schon oben (S. 283 f.) ge-
sprochen worden. Alles Überflüssige unter die Armen auszuteilen, galt
1) Hier wäre noch zu uutersncben, in wieweit die egyptischen Mönche
des 4. Jahrh. an dem Zerstörungswerk der heidnischen Tempel beteiligt ge-
wesen sind. AmMneau (s. den Artikel »Le christianisme chez les anciens
coptes« in der Bevue de Phistoire des Reiigions, 14 (1886) S. 335 ff.) behauptet
zwar, dass die Lektüre der alttestamentlichen Schriften den Mönchen den Im-
puls zur Tempelstürmerei gegeben hätte; indes fehlt in diesem Artikel jegliche
Begründung dieser Vermutung. In der Mönchsliteratur des 4. Jahrh. findet
man bis zum Jahre 389, wo der Patriarch Theophil us von Alexandria auf Grund
kaiserlicher Edikte heidnische Tempel in christliche Lokale zu verwandeln oder
zu zerstören anfing, keinen einzigen Anhalt dafür, dass die egyptischen Mönche
in fanatischer Weise gegen die heidnischen Heiligtümer gewütet hätten. Viel-
mehr liest man, dass die Mönche sich auf der Reise nicht genierten, in ver-
lassenen Tempel Unterkunft für die Nacht zu suchen (Rosweyd, de vitis Patr.
lib. V. libell. 5 n. 24). Pachomius lebte anfangs als Ascet in einem alten
Serapistempel bei Schenesit, ohne dass die dortigen Christen daran Anstoss
nahmen, und in Oxyrrhynchos machten die Mönche die Tempel zu Klöstern
(s. oben S. 115). Die erste und einzige Notiz, welche die Tempelstürmerei des
Theophilus mit dem Mönchtum in Verbindung bringt, findet sich in den
Apophthegmata Patrum (Migne s. gr. t. 65 col. 200): ^HXÖ-öv ttots Tcat^pe? eU
'AXefavSpsiav xXijÖ-^vTe? Otto 6£09(Xoü tou «pvieTCiaxÖTcoü, tva TCOitJaT) eü/^riv xol xad'Ay]
ta Upa€. Damit ist aber noch nicht bewiesen, dass die Mönche einen hervor-?
ragenden Anteil an der Zerstörung des Serapeum in Canopus und der alexan-
drinischen Tempel genommen hätten, und andere das egyptische Mönchtum,
des 4. Jahrh. mehr belastende Angaben findet man weder bei dem heidnischen
Historiker Zosimus noch bei dem Sophisten Eunapius. Der letztere berichtet
nur, dass in Canopus, dem bisherigen Rendez- vous dor heidnischen Lebewelt,
nach der Zerstörung des Serapeum Mönche — und zwar, wie wir anderweitig
(s. oben S. 173 f.) wissen, Pachomianer — sich niedergelassen hätten, wobei
er sich nicht enthalten konnte, seinem Fanatismus gegen das christliche Mönch-
tum überhaupt Luft zu machen (Eunapius, ed. Boissonade, Amsterdam, 1822,
S. 44 f.). Am^lineau selbst will die Frage nach der Beteiligung der egypti-
schen Mönche bei der Zerstörung der heidnischen Tempel unentschieden lassen,
da hierbei, wie er sagt, noch andere Faktoren, wie die muselmännische In-
vasion und das türkische Regime, in Betracht zu ziehen wären.
2) Vita Ant. c. 3 u. 44.
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Rüchblick auf das egypt Mönchtum des 4, Jahrh. 295
als heiliges Gesetz in den Kreisen der egyptischen Einsiedler, und da
die Mönche sich ihrer kranken und altersschwachen Mitbrüder an-
nahmen, so war es auch verpönt, für die Bedürfnisse des Alters
oder der Krankheit einen Sparpfennig zurückzulegen. Ein Verstoss
eines nitrischen Mönches gegen diese traditionelle Satzung erregte
darum ein grosses Aufsehen unter seinen Genossen. Dieselben hielten
unter sich Rat, was mit den hundert Solidi, die der verstorbene
Mitbruder sich durch Leinweberei verdient hatte, zu thun sei. Die
einen meinten, man solle sie unter die Armen verteilen; andere,
man solle sie der Kirche schenken ; einige wieder, man solle sie den
Verwandten schicken. Makarius aber und Pambo, Isidor und die
anderen, die man als Väter betrachtete, bestimmten, das Geld samt
seinem Besitzer zu begraben, indem sie sagten : »Dein Geld soll bei
dir zu deinem Verderben seine. Das braucht niemand, fugt Hierony-
mus^) hinzu, für grausam zu halten; denn es ergriff alle Mönche
durch ganz Egypten ein solcher Schrecken, dass sie es von nun an
für ein Verbrechen hielten, auch nur einen Solidus zu hinterlassen.
Die vielen Mönche, die in der fruchtbaren Landschaft Arsinoe unter
der Leitung des Priesters Serapion standen, lebten von dem Ertrage
der Arbeit ihrer Hände. Zur Zeit der Ernte arbeiteten sie um Lohn.
Jeder verdiente etwa achtzig Malter Getreide. Den grössten Teil
dieses Erwerbes boten sie dem Vorsteher zur Austeilung unter die
Armen, und damit wurden nicht bloss die Armen jener Gegend be-
dacht, sondern ganze Schiffe, mit Getreide beladen, wurden nach
Alexandria geschickt und die Vorräte unter die Gefangenen oder
andere Notleidende ausserhalb Alexandrias verteilt'). Die Wohl-
tätigkeit der egyptischen Mönche beschränkte sich auch nicht auf
die engere Heimat. Zur Zeit der schweren Verfolgung unter Valens
sandten sie den verbannten und zu den härtesten Arbeiten in den
Bergwerken verurteilten Katholiken bis nach Armenien und Pontus
Geld und Lebensmittel^). Von Pachomius lesen wir, dass er seit
seiner ersten Klostergründung allen Überfluss unter die Armen aus-
zuteilen pflegte und während eines Notstandes alle Klostervorräte
hingab, so dass es den Seinigen an Brot gebrach *). Überhaupt ent-
1) Ep. ad Eastochium XXII (Vallarsi) c. 33.
2) Eist. mon. c. 18. An dieser Stelle bemerkt noch Rufin, dass fast
alle egyptischen Mönche zur Erntezeit als Schnitter arbeiteten. Bestätigt wird
dies durch die Verba Seniorum, wonach selbst angesehene Mönche, wie Sisoes,
der Schüler des Antonius, Makarius der Egypter, zur Erntezeit die Wüste ver-
liessen und als Feldarbeiter sich verdangen. S. Roaweydj de vitis Patr. lib. VI
libelL 2 n. 8; lib. V libell. U n. 14, libell. 17 n. 20. Vgl. Cassian, coli. XV, 4
3) Cassian, coli. XVIII, 7.
4) S. oben S. 209.
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296 Rückblick auf das egypL Mönchtum des 4. Jahrh,
halten die Apophthegroensammlangen viele Berichte, in denen eine
aber das gewöhnliche Mass hinausgehende Opferfrendigkeit und
Entäusserung einzelner Mönche zu Gunsten der Armen zum Aus-
druck kommt ^).
Während die egyptischen Mönche meist durch Handarbeit sich
das tägliche Brot und die Mittel zur Bethätigung der Nächstenliebe
zu verschaffen suchten , besuchte Apollonius (s. ob. S. 96) Tag für
Tag unverdrossen die Kranken der nitrischen Mönchskolonie, verab-
reichte ihnen die nötigen Arzneien und Erfrischungsmittel und sorgte
noch auf dem Sterbebette für einen Nachfolger in diesem Liebes-
werk. Der Priester Isidorus *) , der seine Jugendzeit unter den
Nitriern zugebra^.ht hatte, leitete in Alexandria ein Haus für Arme
und Obdachlose und erfreute sich wegen seiner charitativen Thätig-
keit auch bei den Heiden eines hohen Ansehens. Der Juwelier
Makarius gab sein Geschäft in Alexandria auf, widmete sich als
Priester und Ascet dem Krankendienste und machte sein Haus zu
einem Spital für Sieche und Krüppel beiderlei Geschlechts. Palladius *)
zeigt an einer Episode, wie seine Liebe zu den Kranken, die er seine
Hyacinthen und Smaragde nannte, ihn bei der Beschaffung der
Subsistenzmittel erfinderisch machte.
Besonders berühmt waren die egyptischen Mönche durch die
Übung der Gastfreundschaft. Jedes Kloster und jede Mönchskolonie
hatte ein Xenodochium, die Zufluchtsstätte für Fremde und Durch-
reisende. Sowohl die pachomianischen als auch die übrigen Mönchs-
regeln, welche den Namen des Antonius, Isaias sowie anderer Mönchs-
väter des vierten Jahrhunderts tragen, enthalten Vorschriften über
die Gastfreundschaft. Voll Begeisterung schildert Rufinus (bist,
mon. c. 21) die liebevolle Aufnahme, die ihm und seinen Genossen
von den nitrischen Mönchen zu teil geworden ist. »Als wir uns«,
sagt er, »dem Orte näherten, und die Mönche bemerkten, dass
Fremdlinge ankämen , strömten sie wie ein Bienenschwarm ein jeder
aus seiner Zelle hervor. Heiter und hurtig kamen sie uns entgegen
und brachten Brot und Wasser zu unserer Erquickung. Dann führten
sie uns unter Psalmengesang zur Kirche und wuschen uns die Füsse.
Was soll ich erst von ihrer Menschenfreundlichkeit sagen, mit der
sie uns allerlei Gefälligkeiten utid Liebesdienste erwiesen? Sie be-
mühten sich nicht nur, uns in ihre Zellen zu führen und sich gast-
1) Vgl. Apophthegm. Patr., Migne, s. gr. t. 65 col. 191, 307; Rosweyd^
de vitis Patr. lib. III n. 70.
2) Bist. Laus. c. 1.
3) Ebend. c. 6.
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Rückblick auf daa egypi, Mönchtum des 4. Jahrh, 29/
freundlich zu erweisen, sondern gaben auch durch ihr Beispiel die
besten Belehrungen in der Tugend. Nirgends sahen wir die Liebe
in solcher Blüte; nirgends bemerkten wir solchen Eifer in der Aus-
übung der Werke der Barmherzigkeit ; nirgends eine so vollkommene
Gastfreundschaf tf. Ähnlich befiehlt der Abt Jesaias*) den Einsiedlern,
wenn jemand an der Thür der Zelle anklopfe, sofort von der Arbeit
abzulassen und ihm Erfrischungen zu reichen. Heiter sollten sie dem
Fremdling entgegengehen und ihn grüssen. Nach Verrichtung des Ge-
betes sollten sie sich zum Gaste setzen und ihn nach seinem Befinden
fragen. Sie sollten ihm ein Buch zum Lesen geben oder dem Ermüdeten
Ruhe gewähren uud dessen Füsse waschen. Sein zerrissenes Kleid
sollten sie zusammennähen oder, wenn es schmutzig ist, reinigen.
Wenn der Fremdling arm sei , sollten sie ihn nicht im Elend ent-
lassen, sondern ihm geben, was Gott ihnen selbst geschenkt habe.
Überhaupt setzten die Einsiedler das Beste, was sie hatten, ihren
Gästen vor. Ja, um der Gäste willen, sagt Cassian'), wurde von
den egyptischeu Mönchen mit Ausnahme der durch die Eirchenge-
setze angeordneten Fasten am Mittwoch und Freitag überall, wohin
wir kamen, das tägliche Fasten unterbrochen. Als ich darüber
einem Vorsteher gegenüber meine Verwunderung aussprach, erhielt
ich zur Antwort: »Das Fasten ist immerdar bei mir; dich aber, den
ich wieder entlassen muss, kann ich nicht bei mir behalten. Das
Fasten, so nützlich und notwendig es auch immer ist, ist doch nur
die Darbringung eines freiwilligen Geschenkes; aber das Werk der
Liebe zu erfüllen, fordert das Gebot« Deshalb muss ich in dir
Christum aufnehmen und speisen. Habe ich dich aber entlassen, so
kann ich die Nächstenliebe, die ich um seinetwillen dir erzeigt habe,
durch ein strengeres Fasten an mir ersetzen.c
Aus diesen Erörterungen ergibt sich, dass das Mönchtum den
übrigen Menschen, insbesondere den Christen, nicht als eine ganz
abgeschlossene Welt gegenüberstand. »Die Mönche flohen nicht die
Welt in jedem Sinne dieses Wortes.« Theodoret (h. eccl. IV, 27)
macht im Hinblick auf Antonius und andere Anachoreten, die die
Wüste verliessen und in Alexandria für den nicänischen Glauben
Zeugnis ablegten, die Bemerkung: »So wussten jene Gottesmänner
das Zuträgliche je nach der Zeit zu bemessen, sowohl wann man
die Ruhe lieben, als auch wann man die Städte der Wüste vor-
ziehen müsse«. Was aber die Mönche unter Menschenflucht ver-
standen, lehrt ein hervorragender Vertreter der sketischen Wüste
1) Oratio III u. V. Migne s. gr. t. 40 col. 1110 u. 1121 f.
2) De coenob. inatit. V, 24.
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298 Rückblick auf das egypt MOnchtum des 4. Jdhrh,
Makarins der Egypter, der darüber befragt, den Bescheid gab:
»Menschen fliehen heisst, in seiner Zelle bleiben, seine Sünden be-
weinen, die bei den Menschen vorkommende Neigung zur Geschwätzig-
keit hassen und, was über alle Tugenden geht, seine Zunge be-
zähmen und den Bauch beherrschen.! Beachtet man überhaupt,
wieviel das egyptische Mönchtum zur Förderung des Reiches Gottes,
zur Hebung des himmlischen Sinnes in der Christenheit beigetragen,
und wie es die Gottes- und Nächstenliebe zu bethätigen gesuch]t hat,
so ist es jedenfalls nicht angebracht, in so pointierter Weise von der
Weltflucht jener Mönche zu reden. Es mag sein, dass ein Vergleich
zwischen dem morgen- und abendländischen Mönchtum einen solchen
Eindruck erwecken könnte. Aber man vergesse nicht die Verschie-
denheit der Eulturverhältnisse, unter denen die beiden Erscheinungen
hervorgetreten sind. Die Eigenart des morgenländischen Wesens
und Eulturstandes hat notwendigerweise auch der äuseren Wirksam-
keit des egyptischen Mönchtums ein ganz anderes Gepräge gegeben.
§ 7. Das Verhältnis der Anachoreten zu den Cönobiten,
Die Meinung Am61ineaus, als hätte Pachomius aus Apathie
gegen die Anachoreten das Cönobitentum ins Leben gerufen, und die
Grützmachers, als hätte Pachomius die Geringschätzung der ana-
choretischen Lebensweise auch dadurch bekundet, dass er Sünder von
den Toren seiner Klöster abgewiesen und sie den Anachoreten zu-
gewiesen hätte, ist schon früher (s. ob. S. 154 f, 187 f.) richtig
gestellt worden.
Auch Revillout ^) glaubt auf Grund zweier Apophthegmen eine
gewisse Animosität der Cönobiten gegen die Anachoreten konstatieren
zu müssen. Brüder aus einem Kloster (de monasterio fratres), heisst
es in der Verba Seniorum *), besuchten einmal die Väter in der
Wüste (eos qui in eremo commorabantur patres). Ein alter Eremit,
zu dem sie zuerst kamen, nahm sie sehr freundlich auf, liess sie,
weil sie von der Beise ermüdet waren, schon vor der neunten Stunde
essen, indem er ihnen alles, was er in der Zelle hatte, vorsetzte,
und legte ihnen dann nahe auszuruhen. Abends beteten sie die
Psalmen in herkömmlicher Weise, desgleichen des Nachts. Der
Einsiedler, der sich an einem abgesonderten Orte zur Ruhe begab,
hörte, wie die Klosterbrüder zu einander sagten: »Diese Einsiedler
essen mehr und besser, als wir im Kloster«, schwieg aber dazu.
1) Archives des missions scient. et litt., III s^rie, t. IV p. 490— 49S
Vgl. auch oben S. 239 Anm. 2.
2) Rosweydf de vitis Patr. lib. III n. 5 (Migne, s. 1. t. 73 col. 741).
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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh, 299
Da es Tag geworden war, machten sich die beiden Gäste auf den
Weg, um einen anderen Einsiedler in der Nähe zu besuchen. Beim
Abschied sprach der Greis zu ihnen : »Grüsst ihn von mir und sagt
ihm: Gieb acht und begiess die Eräuteri. Als sie nun zu dem
anderen Einsiedler kamen, richteten sie die Worte des Auftraggebers
aus. Der neue Gastgeber verstand den Wink ; er nahm sie auf,
lud sie aber ein, ihm bei der Korbflechterei zu helfen. Abends
verrichtete er mit ihnen ausser dem gewöhnlichen Gebete noch
andere Psalmen, und nach dem Gebete sprach er zu ihnen: »Wir
pflegen zwar nicht täglich zu essen, aber euretwegen werde ich mit-
essen«. Er setzte ihnen nun trockenes Brot und Salz vor, erklärte:
»Euretwegen werden wir heute etwas mehr gemessen«, und brachte
etwas Essig, Salz und öl nach. Nach Tische fing er wieder an
mit ihnen Psalmen zu beten, beinahe bis zum Anbruch des Tages.
Dann sprach er zu ihnen: »Ich kann heute euretwegen den ganzen
Psalmenkanon nicht beten; ruhet ein wenig aus, da ihr von der
Reise noch müde seid«. Als nun die erste Morgenstunde heran-
brach, wollten die Klosterbrüder von ihm fortgehen. Der Einsiedler
aber erlaubte es ihnen nicht und sagte: »Bleibet doch noch einige
Tage bei mir; ich entlasse euch heute nicht, sondern möchte, euch
aus Liebe noch wenigstens drei Tage bei mir behalten«. Als sie
dies hörten, standen sie des Nachts auf und entfernten sich heim-
lich, ehe es Tag geworden war. So weit der erste Bericht. Selbst
wenn angenommen wird, dass die fratres de monasterio Pachomianer
des vierten Jahrhunderts waren, so beweist doch dieses Faktum
höchstens, dass jene reisenden Klosterbrüder beschränkte Geister waren
und deshalb die aussergewöhnlichen Erweise der Gastfreundschaft nicht
zu würdigen verstanden. Der zweite Bericht % den Revillout heran-
zieht, lautet folgendermassen : Als einmal Antonius anlässlich eines
Besuches pachomianischer Mönche die cönobitische Lebensweise der-
selben lobend hervorhob, erklärten ihm seine Schüler: »Wenn diese
Cönobiten aller Ehre würdig sind, wie kommt es denn, dass sie,
wenn wir in eines ihrer Klöster kommen, uns lange ausforschen, ob
wir nicht Meletianer seien, bis wir ärgerlich bekennen, dass wir
Schüler des Abbas Antonius sind? Sie entschuldigen sich dann mit
den Worten: »Viele kommen hierher, geben sich als Antonianer aus
und werden deshalb nach der Vorschrift des Evangeliums gastfreund-
lich aufgenommen; aber nachher erfahren wir, dass sie Meletianer
gewesen sind«. So wenig Glauben schenken sie uns«. Es ist
1) Mingar ein, Aegyptiomm codicam reliqaiae etc. fasc. I, Bononiae
1795, p. 184 s.
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300 Rückblick auf das egypL Mönchtum des 4, Jahrh»
nicht richtig, wenn Bevillout behauptet; dass Antonius Mühe hatte,
diese Frage seiner Schüler in befriedigender Weise zu lösen. Er
antwortete ihnen nämlich: »0 ihr Einfältigen, die ihr alles (jeden)
ohne Prüfung aufnehmet! Wollt ihr etwa, dass die Cönobiten sich
so benehmen wie ihr? Diese befolgen das Wort des Herrn: Hütet
euch vor den falschen Propheten, welche in Schafskleidern zu euch
kommen, inwendig aber reissende Wölfe sind (Matth. 7,15); und an
einer anderen Stelle heisst es: Prüfet alles und behaltet das beste
(I. Thess. 5, 21), weil mancher Weg dem Menschen der rechte
dünkt, aber das Ende davon zum Tode führt (Prov. 14, 12; 16, 25)€.
und die Schüler, heisst es weiter, erkannten, dass das Urteil ihres
Lehrmeisters über die Cönobiten das richtige sei. Auch in diesem
zweiten Berichte ist keine Rede davon, dass die Cönobiten das Ere-
mitentum als »eine minderwertige Form des Mönchsidealsf be-
trachtet haben.
Übrigens gibt es Thatsachen genug, welche darthuen, dass die
beiden Mönchsgattungen friedlich neben einander bestanden haben.
Wir lesen, dass Pachomius nach Gründung des ersten Cönobiums
zn Tabennisi mit den Anachoreten gute Beziehungen unterhielt, und
dass sogar drei Anachoretengruppen sich in seinen Klosterverband
aufnehmen liessen (s. oben S. 154, 1»^6). Fremden Mönchen, die
als Gäste erschienen, wurde besondere Aufmerksamkeit geschenkt,
und die Einschränkung des Verkehrs der Gäste mit den Kloster-
insassen geschah nur aus disciplinären und pädagogischen Bück-
sichten (s. oben S. 218). In einer Anachoretenkolonie bei Esneh
(Latopolis) war man voll des Lobes über das neue Klosterinstitut
des Pachomius, und dies war für den jugendlichen Theodor, der
unter diesen Einsiedlern weilte, die Veranlassung, sich den Pacho-
mianern anzuschliessen (S. 161). Allerdings erscheinen später auf
dem Concil zu Esneh Anachoreten aus jener Gegend als Wider-
sacher des Pachomius ; doch der Stein des Anstosses waren nicht die
cönobitischen Bestrebungen, sondern die Visionen des Pachomius,
über die dorthin ganz eigentümliche Gerüchte gedrungen waren
(S. 141 ff.).
Pachomius war kein Schüler des Antonius; aber beide Männer
hatten Kunde von einander. Wie Pachomius die Wirksamkeit des
Antonius gewürdigt hat, ergibt sich aus seinem Diktum, das der
Generalabt Theodor unter Berufung auf das Zeugnis der älteren
Mitbrüder gelegentlich berichtet^): »Drei Dinge sehe ich zu unserer
1) C 87, A' 678; Mingar elli, 1. c. p. 206.
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Rückblick auf das egypt Mönchtum dea 4. Jdhrh. 301
Zeit an Wohlgefälligkeit vor Gott und den Menschen zunehmen.
Es ist dies Athanasius, der unerschrockene Verteidiger des Glaubens,
und Antonius, das vollendete Muster des Anachoreten. An dritter
Stelle setze ich das cönobitische Institut, das eine Norm ist für
alle jene, die Menschen zur Förderung in der Vollkommenheit ver-
einigen wollen«. Wieviel wiederum den Pachomianern an dem Urteil
des Antonius über das Werk ihres geistlichen Vaters gelegen war,
beweist der ausführliche Bericht hierüber in dem sahidischen Frag-
ment de vita Pachomii et Theodori i). Gleich nach dem Tode des
Pachomius (9. Mai 346) wurden von dem neuen, aber schwer er-
krankten Generalabt Petronius Mönche, darunter Theodor und
Zachaeus, nach Alexandria gesandt, um den daselbst erwarteten
Patriarchen Athanasius zu begrüssen und zugleich verschiedene Ge-
schäfte zu besorgen. In der Mönchskolonie Pispis trafen sie Antonius,
der sie aufs freundlichste empfing und also tröstete: »Weinet nicht
über den Verlust eures Abtes ; denn ihr habt seinen Geist empfangen.
Wie gern hätte ich ihn bei Lebzeiten gesehen; aber ich bin dessen
nicht würdig gewesen. Er hat Seelen um sich geschart, um sie dem
Herrn heilig darzustellen und mich durch die Begründung der cöno-
bitischen Lebensweise, die wahrhaft apostolisch ist, übertroffen«. Als
nun die Mönche, erstaunt über dieses Lob, Antonius fragten, warum
er nicht selbst die cönobitische Lebensweise ergriffen hätte, ant-
wortete dieser: »Als ich Mönch wurde, gab es noch nirgends
Cönobien; jeder Ascet lebte für sich in der Nähe eines Dorfes oder
einer Stadt und ich als Einsiedler in der Wüste. Erst euer Vater
Pachomius hat das Cönobitentum eingeführt und damit eine sichere
Zufluchtsstätte für alle, die gegen den Erzbösewicht kämpfen wollen,
geschaffen. Ich bin aber zu alt geworden, um noch ein solches Werk
auf mich nehmen zu können. Doch komme ich wenigstens von^eit zu
Zeit aus meiner Klause zu den Brüdern herab, um sie in dem Worte
Gottes zu festigen und ihre Seelen zu retten«. Beim Abschied über-
gab ihnen Antonius einen Brief an Athanasius. Während ihres
Aufenthaltes in Alexaiidria starb Petronius, und Orsiisi wurde sein
1) MinqarelU 1. c. p. 152—211. An einer Stelle (p. 196) hat der Text
eine Lücke; doch ist das Fehlende aus dem Nächstfolgenden ernierbar. — In
dem bedeutend abgekürzten Bericht der vita C 77, wo auch die beiden nach
einander nach Alexandria abgesandten Mönchsdeputationen in eine einzige ver-
schmolzen erscheinen, wird noch ein genauerer Termin für die Abreise der
Mönche angegeben: »Sre h apyieTCio^toJcos 6 ayios 'A^avaaio; av^xa[x<I/sv (xsia ööStj?
xupioü cLTzo Toü xo[xiT&TOü 7capep/^OfjL6vos€. Dic feierliche Rückkehr des Athanasius
nach Alexandria erfolgte aber am 21. Oktober 346. Vgl. den Index der^Pest-
briefe Migne s gr. t. 26 col. 1355, Ghronicon acephalum Migne 1. c. col. 1443.
Der Araber, der sich bei diesem Reisebericht (p. 656) an die vita C hält, lässt
Athanasius falschlich aus Constantinopel zurückkehren. Vgl. dazu Ladeuze p. 231.
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302 Rückblich auf das egypt MOnchtfim des 4, Jahrh,
Nachfolger. Die Nachricht hiervon erhielten sie durch Mitbrüder
aus ihrem Heimatskloster. Diese neu angekommenen Pachomianer
brachten zugleich von Antonius, dem auch sie einen Besuch abge-
stattet hatten, zwei Briefe. In dem einen, der an Theodor gerichtet
war, kondolierte Antonius zum Tode des Petronius und lobte den
neuen Generalabt wegen der himmlischen Visionen als einen zweiten
Israel. In dem zweiten Schreiben, das für Athanasius bestimmt war,
empfahl er die Pachomianer und ihr in so kurzer Zeit doppelt heim-
gesuchtes Institut dem Qebete des Patriarchen. Beide Schriftstücke
finden sich nur in dem von Mingarelli veröffentlichten sahidischen
Fragment und gind zugleich die einzigen in koptischer Sprache auf
uns gekommenen Briefe des Antonius. Nach einem herzlichen Em-
pfange beim Patriarchen Athanasius kehrten die Pachomianer in die
Thebais zurück und freuten sich, dem neuen Generalabt Orsiisi einen
Brief des Patriarchen sowie das Kondolenzschreiben des Antonius
einhändigen zu können. Die guten Beziehungen zwischen Antonius
und den Pachomiern dauerten auch weiter fort. Der Generalabt
Theodor, der auf der eben erwähnten Reise nach Alexandria Antonius
persönlich kennen gelernt hatte, erhielt von diesem ein interessantes
Schreiben über die Busse, das uns noch in dem zweitnächsten § be-
schäftigen wird. Mitgeteilt ist dasselbe in einem Briefe, in dem der
Bischof Ammon dem Patriarchen Theophilus von Alexandria über
seine Erlebnisse in dem pachomianischen Kloster Pheböou Bericht
erstattet hat (ep. Ammonis c. 20). Dieser letztere Brief ist zu-
gleich ein Beweis dafür, dass die Pachomianer die anacho-
retische Lebensweise der nitrischen Mönche durchaus nicht als
eine »minderwertige Form des Mönchsidealsc ansahen. Ammon
hatte nämlich in Pheböou drei Jahre (352—355) als Mönch zuge-
bracht, als er zuföllig die Nachricht erhielt, dass sein Vater in den
ägyptischen Klöstern vergeblich nach ihm geforscht hätte und seine
Mutter ihn nunmehr als einen Verschollenen beweine. Der General-
abt Theodor, den er bloss um die Erlaubnis bat^ seine Mutter in
Begleitung zweier Mitbrüder besuchen zu dürfen^ machte ihm den
Vorschlag, zum Tröste der Mutter seinen Wohnsitz bei den >heiligen
und gottgefälligen« Männern in Nitria aufzuschlagen. Er blieb
auch dem nunmehrigen Nitrier Ammon zugethan und schickte dem-
selben zur Zeit des Kaisers Julian einen Brief, in dem er den Sieg
der Kirche über den Arianismus prophezeite. Man las diesen Brief
in dem nitrischen Gotteshause den Mönchen vor und schickte ihn
dem verbannten Bischof von Hermopolis parva, Namens Drakontius,
zu dessen Sprengel Nitria gehörte. Ammon bemerkt zum Schluss,
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Rückblick auf das egypt. MOnchtum des 4. Jdhrh. 303
dass sich dieser Brief wohl noch im Besitz des Bischofs Diosküros,
des zweiten Nachfolgers des Drakontius, befinde (ep. Amm. c. 21
u. 22).
Nach alledem kann wohl von einem principiellen Antagonismus
zwischen den Anachoreten und Cönobiten nicht die Bede sein.
§ 8. Das Verhältnis des MöncMums zum Klerus.
Nach Grützmacher (S. 57) war das Mönchtum »eine freie Be-
wegung, die sich der Kirche entzogen hatte, indem man nicht mehr
im Schatten der verweltlichten Kirche leben oder sterben wolltec
Ähnlich sagt Harnack^): >Man floh nicht nur die Welt in jedem
Sinne dieses Wortes, man floh auch die Weltkirche«. Was sagen
aber die egyptischen Mönchsviten über das Verhältnis des Mönch-
tums zum Klerus? Beginnen wir mit den Pachomianern.
Pachomius steht seit der Gründung seines ersten Klosters, das
zum Sprengel des Bischofs Serapion von Tentyra (Denderah) gehörte,
in Verbindung mit diesem Oberhirten. Mit Zustimmung desselben
baute er im Dorfe Tabennisi eine Kirche, um die arme Hirten-
bevölkerung der Umgegend für das Christentum zu gewinnen (C 20;
M. 39, A' 384 f.). Auch mit dem niederen Klerus stand er in
Eontakt. Zur Abhaltung des sonntäglichen Gottesdienstes im Kloster
erbat er sich irgend einen Priester der nächstgelegeneu Kirchen
(C 20. M 33, A' 372). Bin besonders inniges Verhältnis bestand
zwischen ihm und dem Priester Dionysius, der als Konfessor in
hohem Ansehen stand und Verwalter der Kirche von Tentyra war*).
Das zweite Kloster Pheböou gehörte zur Diözese des Bischofs von
Diospolis (H5u), mit dessen Gutheissung Pachomius eine kleine
Kirche im Bereich der Klostermauern baute (M 71). Ein dritter
Bischof, Arius von Panopolis (Akhmin) , der über die neue cöno-
bitische Lebensweise viel Gutes gehört hatte, bat um die Errichtung
eines Klosters in der nächsten Umgebung seiner Bischofsstadt (C 51,
A' 569). Nur bei der Gründung eines einzigen Klosters, nämlich
des zu Phenoura bei Latopolis (Esneh), stiess Pachomius auf Schwie-
1) Das Monchtam, seine Ideale und seine Geschichte, Giessen 1901, S. 23.
2) C 28, M 58, A' 557. — Alle drei Viten berichten bei dieser Gelegen-
heit, dass Dionysius seinem intimen Freunde einmal darüber Vorhaltungen
machte, dass er fremde Mönche, die sein Kloster besuchten, in dem Fremden-
hause unterbringe und deren Verkehr mit seinen eigenen Leuten einschränke.
Grützmacher erklärt dazu , dass Pachomius diesen Eingriff in die innere Ein-
richtung seines Institutes kurz abgewiesen hätte (S. 57). Allein alle drei Qaellen
geben eine längere Bede an, in der Pachomius seine Handlungsweise begründete,
und bezeugen ausdrücklich , dass Dionjsius hierauf seinem Freunde vollständig
Beeht gab.
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304 Rückblick auf das egypt, MOnchtum de» 4. Jahrh.
rigkeiten. Erklärlich ist diese Misshelligkeit dadurch, dass das
pachomianische Klosterinstitut eine Neuerang war und in jener mehr
als 100 km südlich von den übrigen Klöstern entfernten Qegend
noch völlig unbekannt war. Indes gelang es Pachomius, die Geister
zu beschwichtigen, und es kam daselbst sogar zum Bau eines grossen
Klosters. So berichtet die boheirische Vita M 78. Der Araber (S. 575)
aber bauscht den Thatbestand in bekannter Manier zur Olorie des
Klosterstifters auf; er lässt nicht bloss den Ortsbischof, sondern, was
nicht sehr wahrscheinlich ist, »Bischöfe jener Gegenden« als Wider-
sacher des Pachomius auftreten. Doch kommt auch nach diesem
arabischen Bericht das grosse Kloster zustande. Jedenfalls aber ist
es nicht angebracht, wenn Grützmacher (S. 58) unter Berufung auf
diese Stelle der arabischen Vita generalisierend erklärt, dass »die
Bischöfe seine Klostergründungen hinderten, wie sie konnten, und
ihn und seine Mönche verfolgten«. Auf Grund eines Berichtes der
arabischen Vita (S. 591) behauptet sogar Grützmacher (S. 58 f.), dass
dem Pachomius die Majorität der Bischöfe feindlich gegenüberge-
standen und dass gegen Ende seines Lebens die feindselige Stimmung
des Episkopats gegen den pachomianischen Klosterverband auf einer
Synode zu Esneh einen scharfen Ausdruck gefunden hätte. Was von diesem
Bericht des Arabers zu halten sei, ist schon früher (s. ob. S. 141 f.)
gesagt worden. Indes handelte es sich auch nach dem Araber auf
jenem Conciliabulum, auf dem übrigens bloss Bischöfe und Ana-
choreten aus der Gegend von Esneh erschienen, nicht darum, das
pachomianische Mönchtum durch einen gemeinsam zu führenden
Schlag für immer unschädlich zu machen, sondern um die Visionen
und die Kardiognosie des Pachomius, über die unheimliche Gerüchte
dahin gedrungen waren. Um dieser Sache willen allein wurde
Pachomius von jenen Bischöfen vor ihr Forum zitiert, und er er-
kannte ihre Autorität an, weigerte sich durchaus nicht vor den
Schranken zu erscheinen und klärte den Sachverhalt auf. Allerdings
hatte dieser Vorfall sein Herz sehr betrübt, wie er es bald darauf
einigen aus Alexandria zurückgekehrten Klosterbrüdern gegenüber
aussprach. Doch gereichte ihm diese Prüfung zum Besten, wenn
auch, wie er sagte, »der böse Feind einige der ünsrigen, die sich
ausserhalb der Klostermauern d. i. der Klosterzucht befanden^ ein
wenig irre geführt hätte« (G 73). Hiernach scheint es, dass einige
seiner Mönche durch die Unvorsichtigkeit, mit der sie ihren geist-
lichen Vater wegen seiner aussergewöhnlichen Gaben zu glorifizieren
suchten, jene Fama raitverschuldet hatten, weshalb auch der General-
abt Theodor nach dem Tode des Pachomius die Mönche in dieser
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Rückblick auf das egypt, Mönchtum des 4. Jahrh, 305
Beziehung zur Vorsicht mahnte, damit nicht das gute Einvernehmen
mit den Bischöfen und die Ehrfurcht gegen dieselben als Nachfolger
der Apostel irgendwie Schaden leide*). Doch muss betont werden,
dass auch nach dem Berichte des Arabers der obige Vorfall weder
zu Lebzeiten des Pachomius noch nach dessen Tode irgend welche
nachteiligen Folgen für den Klosterverband hatte. Es kam sogar
noch zu weiteren Klostergrundungen, und Athanasius, der Metropolit
der egyptischen Eirchenprovinz, bewahrte den Pachoiäianern nach
wie vor seine volle Sympathie. Im Hinblick auf die erwähnten
Thatsachen kann man wohl sagen, dass in jener Gegend, wo sich
fast alle pachomianischen Klöster befanden, von Anfang an ein gutes
Einvernehmen zwischen den Bischöfen und Pachomius herrschte, und
auch das üonciliabulum zu Bsneh, das ja gegen den iVisionärc und
nicht gegen dessen Mönche und Klöster gerichtet war, tbat keine
Schritte gegen das in jener Gegend gelegene pachomianische Kloster
Phenom, wie denn auch die Bischöfe jenes Distrikts kein Bedenken
getragen hatten, zwei Pachomianer, Philo und Mobe, die auf jener
Versammlung als Bischöfe erscheinen, zu dieser kirchlichen Würde
zu erheben. Trotzalledem statuiert Grützmacher (S. 54) prinzipiell
einen Konflikt zwischen dem aggressiven Mönchtum und dem Klerus,
und erklärt, Pachomius hätte den Konflikt dadurch zu vermeiden
gesucht, dass er seinen Klosterinsassen alle Beziehungen zum Klerus
völlig abschnitt und deshalb aufs strengste die Annahme klerikaler
Weihen verbot. Diese Massnahme ging doch aber nicht aus Anti-
pathie gegen den Klerus hervor, sondern, wie alle drei Pachomius-
viten hervorheben, aus dem Bestreben, dadurch Stolz, Neid und
Eifersucht von seinen Klöstern fernzuhalten. Die Behauptung Grütz-
machers wird noch unbegreiflicher, wenn man bedenkt, dass Pacho-
mius durch dieses prinzipielle Verbot sich vom Weltklerus abhängiger
gemacht hat, indem er auf die Dienstleistung des letzteren behufs
Abhaltung des regelmässigen Gottesdienstes angewiesen war. Ja,
Pachomius lebte der Hoffnung, dass gerade durch diese Massregel
der Kontakt seiner Mönche mit dem Weltklerus gewahrt bleiben
würde. »Es istt, sagte er wiederholt zu den Seinigen, >das Beste,
dass, zumal in den Cönobien, keine Würde noch Vorrang erstrebt
werde, damit nicht dadurch Abneigung, Streit, Eifersucht oder
Parteiungen unter den Mönchen entstehen. Gleichwie nämlich ein
winziger Peuerfunke, wenn er nicht sogleich ausgelöscht wird, oft
die Ernte eines ganzen Jahres vernichtet, so ist die geistliche Weihe
1) C 87, A' 676.
S c h i w i e t z , Mönchtum. 20
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306 Rückblick auf das egypt Mönchtwn des 4. Jahrh.
(bei einem Mönche) Anlass zum Streben nach Vorrang, uns aber
geziemt es, sagte er, ganz besonders der Kirche gehorsam zu sein
und jeden von den Bischöfen, unseren Vätern, geweihten Priester
gebührend zu ehrenc Aus diesem Gründe hat auch Pachomius selbst
die Priesterweihe nicht empfangen wollen, obgleich der ihm be-
freundete Bischof Serapion von Tentyra ihn zum Priester für die
Mönche seiner Diözese zu weihen wünschte, und als er bemerkte,
dass der Bischof die Autorität des Patriarchen Athanasius, der an-
lässlich der oben erwähnten Visitationsreise in Tabennisi weilte, zur
Durchsetzung seines lang gehegten Planes geltend machen wollte,
verbarg er sich unter das Volk, und die koptisch-arabischen Quellen
fügen hinzu, dass der Patriarch die Auffassung des Cönobitenabtes
wohl zu würdigen wusste (C 18 M 33f, A' 372).
Ebensowenig zutreffend ist die Behauptung Orützmachers
(S. 55): »Solchen Leuten, die früher Priester gewesen waren, aber
ihren priester lieben Funktionen entsagten, konnte Pachomius unmög-
lich die Aufnahme ins Kloster versagen. Er nahm sie auf, forderte
aber, dass sie sich in jeder Beziehung der Klosterordnung fugten;
die kleriscbe Tracht müssen sie mit der Mönchskutte vertauschen.
Eine auszeichnende Stellung der Priester im Kloster, wie sie ihnen
später Benedikt zubilligte, perhorresziert Pachomius aufs entschie-
denste«. Die griechische Pachomiusvita sagt das Gegenteil. Wenn
nämlich irgend ein Kleriker ins Kloster eintreten wollte, so masste
sich Pachomius keine Gewalt über ihn an bezüglich des Ordo (^TaSic);
sondern hierin hatte sich der Priestermönch, wie es recht und billig
ist, nur nach dem Gesetze Gottes zu richten, im übrigen aber gleich
den anderen Mönchen nach den Satzungen des Konvents zu leben ^).
Grützmacher zitiert allerdings zum Beweise des Gegenteils die fran-
zösische Übersetzung der arabischen Vita (S. 372) : »Et si un pr^tre
venait pour se faire meine, il le recevait s'il lui voyait un coeur
droit: quant au costume, le prgtre devait se soumettre. II faisait
suivre les canons de la vie des pdres avec douceur de coeur, comme
pour la nourriture«. Indes die Obersetzung des arabischen Textes
ist nicht einwandfrei. Die genaue Übersetzung der betreffen-
den Stelle lautet also: »Wenn zu ihm (Pachomius) ein Priester
kam, um Mönch. zu werden, und wenn er (Pachomius) ihn geraden
Herzens fand, so liess er ihn Mönch werden, und was den Ordo
1) C 18 : »Tt? xXT^ptxb; j:pb? aütbv ßouXöaevo; Y£v^al>ai [j.ova/^<5; , i^ {i-kv raSsi
vo{iifi.a)s GjcoTaaaeTO xw völlo) toü Oeou • xoi xata tou; xavövai; t% auataaew; twv
«SeX^tov lyiveTO Ixouaiws ro{ Tcavie? xaxElvo^«.
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' Rückblick auf das egypt. MOnchtum des 4. Jahrh, 307
(et-taksu = tcc^ic) anlangt, gehorchte er ihm, aber was die Ganones
der mönchischen Lebensweise betrifft, so sollte jener (der Priester)
nach denselben mit gutem Herzen wandeln, wie auch bezüglich der
Speiseordnungf. Der arabische Text besagt also das Gegenteil von
dem, was Orutzmacher behauptet, und die Priestermönche hatten
demnach in den pachomianischen Klöstern dieselbe Stellung, die
ihnen später auch die BenediktinerregeH) einräumte.
Grutzmacher (S. 54) erklärt weiter: »Auch an dem Leben der
Kleriker scheut sich Pachomius nicht, eine scharfe Kritik zu übenc.
Indes die Pachomiusregel (s. ob. S. 218) und die arabische Vita
(S. 396) bezeugen ausdrücklich, dass Pachomius Priester, die seine
Klöster besuchten, in besonderer Weise ehrte, und die griechische
Vita C 18 sagt, dass er sich kein Urteil über einen schlechten
Kleriker anmasste, indem er sich dessen bewusst war, dass dies vor
das Forum der Bischöfe gehöre. Einmal wird allerdings in der
arabischen Vita (S. 475) berichtet, dass Pachomius, als ihm der
alexandrinische Lektor Theodor die Mitteilung machte, dass die
dortigen Kleriker und Asceten zwar tadellos seien, aber in Speise
und Trank sich nichts abgehen Hessen, die Bemerkung machte, das
Wohlleben vertrage sich nicht auf die Dauer mit der Sittenreinheit.
Und in der That, so heisst es dann weiter, überzeugte sich Theodor
auf Grund späterer Nachrichten aus Alexandria, dass das, was
Pachomius befürchtet hatte, wirklich eingetroffen sei. Dieser Be-
richt der arabischen Vita ist verdächtig ; denn die älteste griechische
Pachomiusvita berichtet nichts davon, und die koptische Vita M 146,
die doch hierin dem jüngeren Araber als Quelle gedient hat, spricht
nicht von Priestern, sondern von Asceten aus Alexandria. Selbst
wenn wir von der Unzuverlässigkeit des arabischen Berichtes ab-
sehen, so ist doch nicht zu vergessen, dass die Kritik sich nicht auf
den Klerus im allgemeinen, auch nicht auf ihr Amt, sondern auf
bestimmte Kleriker, die weit entfernt von den pachomianischen
Klöstern lebten, sich bezog.
Alle Viten bezeugen, dass Pachomius die Bischöfe als Väter
der Christenheit, Stellvertreter Gottes und Nachfolger der Apostel
betrachtete'). Deshalb betete er auch für alle Priester der Kirche,
1) Grützmacher f Die Bedentang Benedikts von Narsia n. seiner Regel
n. 8. w., Berlin 1892, S. 33: »Auch Kleriker, die ins Kloster eintreten, erhalten
ihren Rang wie die übrigen nach ihrem Eintritt ins Kloster. Nur bei gottes-
dienstlichen Handlangen haben sie den Vortritt, das priyilegiam praecedentiae
et honoris €.
2) C 18, M 34, A' 491.
20*
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308 Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh.
WO sie auch immer waren, damit der Herr ihnen die Gnade gebe,
in jeder Beziehung ein reines Leben za führen, damit sie Söhne der
Apostel seien, deren Nachfolger sie in dieser und jener Welt wären,
damit sie wandelten in aller Gerechtigkeit Gottes, geschmückt mit
reicher Erkenntnis der Wahrheit und des festen und apostolischen
Glaubens, in aller Reinheit und Gottesfurcht, und erklärte auch:
> Wenngleich sie unsere Väter sind und über uns stehen, so muss
man doch für sie beten; denn ich weiss, dass der Apostel Paulus
(II ep. ad Thess. 3, 1) uns auf diese Pflicht aufmerksam gemacht
hatf (A' 491). Indes behauptet Grützmacher (S. 53): »Die Bischöfe
sind dem Pachomius keine infalliblen Autoritäten ; er fügt sich ihren
Anordnungen nicht unbedingt, sondern prüft die Richtigkeit der-
selben an der heiligen Schrift« , und beruft sich hierbei auf einen
Vorfall, der uns in allen Pachomiusviten berichtet wird. Bekannt-
lich hatte Pachomius (s. oben S. 217) anfänglich jeden Verkehr
seiner Mönche mit der Aussenwelt, auch mit den Anverwandten,
verboten. Als jedoch einmal die Mutter seines Lieblingsschülers
Theodor an der Elosterpforte erschien, um ihren Sohn zu sehen,
und einen darauf bezüglichen Brief des Bischofs von Esneh dem
Pachomius überreichen Hess, sagte dieser zu Theodor: »Geh zu ihr,
zumal uns der Bischof geschrieben hat«. Wie schon oben (S. 162f.)
mitgeteilt worden ist» sträubte sich Theodor, dies zu thun und zwar
unter Berufung auf das Evangelium (Matth. 10, 37), und Pachomius
stand davon ab, ihn zu zwingen, indem er erklärte^): »Wenn du
dem Gebot des Evangeliums folgen willst» so will ich dich weiter
nicht zwingen, es zu übertreten. Aber ich habe dir es nabegelegt,
die Mutter zu sehen, weil man mir geschrieben hat, dass sie in der
Traurigkeit ihres Herzens weine, und ich habe gefürchtet, dass sich
dein Herz darüber betrüben würde. Ich, für meinen Teil, freue mich,
dass du die Gebote befolgst. Was aber den Bischof, der uns den
Brief geschrieben hat, anlangt, so wird er, wenn er erfährt, dass du
sie nicht gesehen hast, voll Freude sein; denn die Bischöfe lehren
uns ja das, was sich in den heiligen Schriften findet.« Die Hand-
lungsweise des Kopten mag uns befremden. Aber in dem Bericht
ist doch nicht gesagt, dass Pachomius den Inhalt des bischöflichen
Schreibens kritisiert oder die Richtigkeit desselben erst an der
heiligen Schrift geprüft hätte.
Besonders innige Beziehungen bestanden zwischen dem Pa-
triarchen Athanasius von Alexandria und dem pachomianischen
1) A' 405, M 54, C 26.
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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh. 309
Klosterverbande. Wiederholt wird hervorgehoben, wie Pachomius
den Patriarchen als. den Vater und unerschrockenen Verteidiger des
rechten Glaubens an Christas, als einen echten Diener Gottes und
Christophorus bezeichnet hat^). Das erste Zusammentreffen der
beiden Männer geschah im Jahre 330 (s. oben S. 65). Athanasius
besuchte nämlich gleich nach seiner Bischofsweihe die egyptischen
Kirchen und kam, von Klerus und Volk begleitet, auch in die
Thebais. Pachomius zog ihm mit seinen Mönchen entgegen und Hess
Psalmen singen, um der Freude über die Anwesenheit des Oberhirten
Ausdruck zu geben. Nach den Viten M 40 und A' 885 kehrte so-
gar Athanasius bei dieser Gelegenheit im Kloster Tabennisi ein und
erklärte dem Bischof von Tentyra gegenüber, dass er schon vor
seiner Weihe in der Heimat Kunde von dem Werke des Pachomius
gehabt hätte. Später bot sich keine Gelegenheit mehr zu einer Be-
gegnung. Doch kurz vor seinem Tode, etwa im Jahre 845, erhielt
Pachomius von einigen seiner Mönche, die geschäftshalber in Alexan-
dria gewesen waren, Nachrichten über die Verwüstung der alexan-
drinischen Kirche durch den Staatsbischof Gregor und war aufs
tiefste betrübt über die Leiden des verbannten Athanasius '). Die An-
hänglichkeit der Pachomianer an den letzteren blieb auch den Arianern
nicht unbekannt. Als Athanasius, zum zweiten Male (356 — 362)
verbannt, in der egyptischen Wüste seine Zuflucht suchte, forschte
man auch in dem pachomianischen Kloster Pheböou nach ihm. Dem
dux Artemios, der zu diesem Zwecke das Kloster mit grossem
Truppenaufgebot umzingelt hatte, erklärte hierbei Psarphius, der
Vertreter des abwesenden Generalabtes Theodor : »Der Erzbischof ist
zwar unser Vater nächst Gott ; aber wir bezeugen Dir vor Gott, dass
er nicht bloss bei uns nicht versteckt ist, sondern dass wir ihn
nicht einmal gesehen haben ')€. Als später Athanasius auf Grund
eines Ediktes des Kaisers Julian nicht bloss Alexandria, sondern
auch ganz Egypten verlassen sollte, konnte er sich zu letzterem nicht
entschliessen und reiste in den Süden seines Metropolitansprengeis.
Der Generalabt Orsiisi, der mit Theodor die Pachomianer leitete
und erfuhr, dass Athanasius nach der Thebais käme, sandte seinen
Goadjutor zur Bewillkommnung des Oberhirten. Theodor reiste auf
1) C 20, 73, 87, A' 642, 678, Bp. AmmoDis n, 6.
2) C 70 u. 73; A' 642. Vgl. dazu Ladeuze S. 180 Note 1. — Im
Jahre 346 nach dem Tode des Pachomius wurde eine pachoraianische Mönchs-
depntation von dem aus der Verbannung zurückgekehrten Athanasius empfangen
(8. ohen S. 301).
3) C 88. M 224 f., A' 679 f. — Vgl. auch den Index der Pestbriefe des
hl. Athanasius, Migm s. gr. t. 26 col. 1857 u. Ladeuze S. 223 Note 1.
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310 Rückblick auf das egypL MOnchtum des 4, Jdhrh,
einer kleinen Barke mit zehn Mönchen und kam bis Hermopolis magna
(Aschmanen), wo die zwei pachomianischen Klöster Nouoi und
Kahior lagen. Vor dem Osterfeste des Jahres 363 fand im Norden
des hermopolitanischen Nomos die Begrüssung des Athanasius durch
Theodor und die Mönche der beiden genannten Klöster statt. Der
Erzbischof unterhielt sich aufs freundlichste mit Theodor, besachte
die beiden Klöster, besichtigte alle Räume derselben und spendete
dem pachomianischen Institut grosses Lob. Alsdann entliess er
Theodor zur Feier des österlichen Generalkonventes nach Pheböou,
während er selbst für den Augenblick die Weiterreise in die Thebais
aufgab^). Der Brief, den er bei dieser Gelegenheit an Orsiisi schrieb,
ist in allen drei Viten mitgeteilt. Der Kontakt der Pachomianer
mit dem gefeierten Patriarchen dauerte fort. Wir lesen in der
Vita M 238 f., dass der Generalabt Theodor den Paschalbrief des
Athanasius vom Jahre 363, der über den Kanon der hl. Schrift
handelte ^), zum Gegenstande einer Klosterkatechese machte, ihn als
einen Beweis der Hirtensorgfalt des Erzbiscbofs hinstellte und zur
Beachtung für die Mönche ins Koptische übersetzen Hess. Als aber
Theodor im Jahre 368 starb, schickte Athanasius aus diesem Anlass
ein herzliches Beileidsschreiben an den Generalabt Orsitsi und dessen
Mönche"). Auch Theophilus, der dritte Nachfolger des Athanasius,
bezeugte den Pachomianern seine Anerkennung, indem er nach Zer-
störung des Serapeum in Ganopus Mönche ihres Klosterverbandes
zur Ansiedlung an jenem Orte veranlasste (s. oben S. 173 f.).
Über das Verhältnis des Antonius zum Klerus schreibt
Athanasius: >Tnfolge seiner Demut ehrte Antonius die hierarchische
Ordnung überaus hoch und wollte, dass jeder Kleriker ihm an Ehre
vorangehe. Vor den Bischöfen und Priestern überhaupt trug er kein
Bedenken, sein Haupt zu beugen. Kam aber je ein Diakon um
irgend eine Hilfeleistung zu ihm, so setzte er ihm zwar das aus-
einander, wodurch er ihn fördern konnte ; aber das Gebet anlangend,
räumte er ihm den Vorgang ein« (vita Ant. c. 67). Wie der ge-
nannte Erzbiscbof schon im Jahre 341 die Kunde von Antonius nach
Rom brachte und dadurch die vornehme Dame Marcella für das
ascetische Leben begeisterte^), so setzte er auch dem Eremitenvater
1) C 92, M 267 f., A' 693 f.; Ep. Ammonis n. 23, Chronicon acephalum,
Migne 1, c. col. 1446. Vgl. auch Ladeuze 223 f.
2) Vgl. den Index der Festbriefe des hl. Athanasius, Migne 1. c. col. 1859.
Fragmente des Paschalbriefes vom Jahre 368 finden sich bei Migne 1. c. col.
1435 ff.
3) C 96, T 810, M 293, A' 704. Vgl. dazu Ladeuze S. 225 f. Note 3.
^\ Ep. ad Principiam 127 (Vallarsi) c. 5.
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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh, 311
nach dessen Tode noch ein Denkmal durch die Abfassung seiner vita.
Verschiedene Bischöfe erwiesen dem Antonias in seiner Klause die
Ehre ihres Besuches (s. oben S. 287). Der Bischof Serapion, der
allgemein mit dem gleichnamigen Bischof von Thmuis identifiziert
wird, war ein intimer Freund des Ereroitenvaters (vita Ant. c. 82),
der noch anf seinem Sterbelager seine Verehrung gegen die beiden be-
deutendsten egyptischen Bischöfe bekundete, indem er seinen Mönchen
den Auftrag erteilte: >Teilet meine Kleider! Eine Melote und das
Oberkleid, das mir der Bischof Athanasius gegeben hat, bringet ihm
wieder, die andere Melote gebet dem Serapionc (vita Ant. c. 91).
Während die Pachomianer, deren Klöster nicht weit von be-
wohnten Ortschaften entfernt waren, in irgend einem Nachbardorfe
dem Gottesdienste beiwohnten oder einen Weltgeistlichen aus der
Nachbarschaft um die Abhaltang des Gottesdienstes in ihren Häusern
angingen, war solches in der vom Weltverkehr abgelegenen nitrischen
und sketischen Wüste nicht möglich. Nach der Historia Lausiaca
(c. 7) besorgten in der Kirche von Nitria acht Mönchspriester den
Gottesdienst, und die Römerin Melania fand bei ihrem Besuche
dieser Mönchskolonie (um das Jahr 371) viele Priester und Diakonen
unter den dortigen Mönchen^). Indes hatten diese keinen eigenen
Bischof, sondern waren dem Bischof von Klein-Hermopolis ') unter-
stellt. Gegen Ende des vierten Jahrhunderts war nach Palladius^)
ein gewisser Dioskorus, der früher in Nitria als Mönch gelebt hatte
und später, wie Sozomenus (h. eccl. VIII, 12) bemerkt, vom Pa-
triarchen Theophilus von Alexandria zum Bischof von Klein-Hermo-
polis bestellt wurde, zugleich Bischof des nitrischen Gebirges. Sein
Vorgänger war der Bischof Isidorus % den die ebengenannte Melania
bei den Nitriern als Gast traf. Vor diesem Isidorus war Drakontius
Bischof von Klein- Hermopolis ; auch mit ihm standen die nitrischen
Mönche im Contakt und schickten ihm an seinen Verbannungsort
(ams Jahr 356) einen Brief, den der pachomianische Generalabt
Theodor dem Ammon und den übrigen Mönchen, Priestern und Dia-
konen von Nitria über das zu erwartende Ende der arianischen Ver-
folgung geschrieben hatte*). — In der sketischen Wüste gab es vier
Kirchen mit eigenen Priester-Mönchen >). Brauchten die Mönche
einen neuen Priester, so schickten sie den geeignetsten aus ihrer
1) Hieronymuu ep. ad Enstoch. 108 (Migne s. 1. t. 22 col. 890).
2) Jetit Damanhür (Baedekers Aegypten, Leipzig 1897, S. 20).
3) Dialogus de Yita Chrysost. a 7 (Migne s. gr. t. 47 col. 24).
4) Ep. Ammonis c. 22.
5) Cassian, coli. X c. 2; Apophthegm. Patr. (Migne s. gr. t. 65 col. 225)
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312 Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh,
Mitte zu ihrem Bischof behufs Erteilung der Weihe ^). Auch ihnen
wurden von dem alexandrinischen Patriarchen die Osterbriefe zuge-
sandt, die alsdann beim Gottesdienst von ihren Priestern vorge-
lesen wurden '). — Auch in der Thebais und im Nildelta gab es
nach Bufin (s. oben S. 112—118) Mönche bezw. Vorsteher derselben,
die zugleich Priester waren.
In den Apophthegmensammlungen werden viele Episoden be-
richtet, aus denen hervorgeht, dass auch die alexandrinischen Pa-
triarchen mit den nitrischen und sketischen Mönchen Beziehungen
unterhielten. Der berühmte Nitrier Pambo wurde von Atbanasius
nach Alexandria eingeladen, um daselbst für den nicänischen Glauben
Zeugnis abzulegen ^). Wir lesen, dass der Patriarch Theophilus so-
wohl den ebengenannten Pambo in der Wüste besuchte, als auch
mit dem Mönche Arsenius, der ehedem Beamter am Hofe Theodosius
des Grossen war und später einige Zeit in der sketischen Wüste
sich aufhielt, besonders zugethan war ^). Die vier Brüder Ammonius,
Dioskorus, Euthymius und Eusebius, Schüler des Pambo in Nitria,
die wegen ihrer ungewöhnlichen Körperlänge die langen Brüder ge-
nannt wurden und sich durch Wissenschaft und Frömmigkeit aus-
zeichneten, erfreuten sich gleichfalls einer hohen Wertschätzung
seitens der alexandrinischen Patriarchen. Den Ammonius, der das
ganze alte und neue Testament auswendig wusste und auch in den
Schriften des Origenes, Didymus, Pierius und Stepbanus wohl be-
wandert war, wollte der Patriarch Theophilus auf Verlangen der
Bürger einer benachbarten Stadt zum Bischof weihen. Als aber
dieser Mönch sich das rechte Ohr abschnitt und, um dem Episkopat
aus dem Wege zu gehen, Miene machte, eine weitere Verstümmelung
seines Körpers vorzunehmen, standen die Bürger von ihrem Drängen
ab (Eist. Laus. c. 12). Dagegen liess sich der schon oben genannte
Dioskorus von Theophilus zum Bischof von Klein-fiermopolis weihen,
und die beiden anderen Brüder Euthymius und Eusebius wurden von
demselben Patriarchen zu Priestern ordiniert und zu Verwaltern der
Einkünfte der alexandrinischen Kirche bestellt. Dieses intime Ver-
hältnis des Theophilus zu den langen Brüdern sowie den nitrischen
Mönchen überhaupt schlug allerdings später wegen deren Partei-
nahme für Origenes ins Gegenteil um ^). Theophilus ordinierte viele
1) Apophth. Patr. (Migne 1. c. col. 224).
2) Caasian, coli. X c. 2.
3) Apophthegm. Patr., Migne 1. c. col. 369: Socratea, h. eccl. IV, 23.
4) Ebendas., Migne 1. c. col. 197, 201 ; 105, 89, 96.
5) Socrates, h. eccl. VI, 7; SozomenuSj h. eccl. VIII, 12, FaliadiuSt
dialogas de vita Chrjsostomi c. 7.
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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4, Jahrh, 313
Mönche der sketischen und Kellien- Wüste, deren Vorsteher den
gleichen Namen Isaak führten, zu Bischöfen i). Die Sitte, die
Bischöfe aus dem Mönchsstande zu entnehmen , war übrigens nicht
erst unter diesem Patriarchen aufgekommen. Wie schon der Pa-
triarch Alexander Asceten (fjiovaCovTsg xal &ox7]TaO zur bischöflichen
Würde erhob*), so weihte auch sein Nachfolger Athanasias viele
aus den Reihen der unter ihm aufblühenden Mönchsgenossenschaften
zu Bischöfen. Der letztere fahrte dem Mönchsvorsteher Drakontius,
der sich nach Empfang der Bischofsweihe die Einsamkeit der Wüste
zu verlassen sträubte, folgende Thatsachen vor Augen: »Du bist
nicht unter den Mönchen der einzige, der ordiniert worden ist. Du
bist auch nicht allein Vorsteher eines Monasteriums, noch allein bei
den Mönchen beliebt. Du weisst, dass auch Serapion Mönch ist und
Vorsteher vieler Mönche war. Es ist dir nicht entgangen, wie vieler
Mönche Vater Apollos war. Du kennst Agathen sowie Ariston. Du
erinnerst dich des Ammonius, der mit Serapion eben ins Ausland
gereist ist. Vielleicht hast du auch gehört von Muitus in der Ober-
Thebais und kannst dich erkundigen über Paulus in Latopolis und
über viele andere, und dennoch haben diese, nachdem sie einmal
ordiniert waren, sich nicht geweigert, sondern das Hirtenamt über-
nommen««). Unter den Mönchen, die in die Reihen des Weltklerus
aufgenommen wurden, sind noch zu erwähnen der Nitrier Isidor*),
der Athanasius nach Rom begleitete, und, von diesem zum Priester
ordiniert, bis in sein hohes Alter in Alexandria ein Hospital leitete,
sowie der Nitrier Isaak 0), der Diakon an der Kirche von Klein-
Hermopolis wurde.
Die ascetisch geschulten Mönche erschienen somit den egypti-
schen Bischöfen, die damals noch keine Erziehungshäuser für den
Klerus besassen, als besonders geeignete Kandidaten für die Bischofs-
und Priesterweihe. Im Einklang hiermit sagt Epiphanius in seiner
Expositio fidei cath. c. 21, das heilige Priestertum, worunter die
Bischöfe, Priester, Diakonen und Subdiakonen verstanden werden,
bilde sich meistens aus Jungfräulichen, wofern nicht aus diesen, so aus
Mönchen {Ix fxovaCövTwv), wenn sich aber unter diesen zum Kirchen-
dienste Taugliche nicht finden, so aus denen, die sich ihrer Frauen
enthalten oder nach der ersten Ehe Witwer geblieben seien. Ein-
1) Palladius, dialo|;us de vita Chrysostomi c. 17. Vgl. auch Tillemont,
Menioires pour servir ä Thistoire eccl., Paris 1711, t. XI p. 648 et 623.
2) Athanasii apol. ad Gonstantium imp. c. 28 (Migne s. gr. t. 25 col. 632).
3) Ep. ad Dracontinm c. 7 (Migne 1. c. col. 632).
4) Hist. Laus. c. 1. Vgl. Tillemont 1. c. p. 443 s.
5) £p. Ammonis c. 22.
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314 Rückblick auf daa egypt Mönchtum des 4. Jahrh.
zelne Mönche haben allerdings, wie wir gesehen haben, sich ge-*
sträabt, die Wüste za verlassen. Aber dies geschah nicht aus Ab-
neigung gegen den Weltklerus ; von einem solchen Motiv ist in den
Quellen nirgends zu lesen. Wohl aber thaten sie es, wie Drakontius,
deshalb, weil sie die Buhe der Wüste nicht mit dem verantwortungs-
vollen bischöflichen Amte vertauschen wollten, zumal bis ins achte
Decennium des vierten Jahrhunderts hinein die Bischöfe wegen der
arianischen Wirren so oft in die Verbannung wandern mussten. Die
Abschliessung gegen den Weltklerus kann schon deshalb nicht das
Motiv für die Flucht vor den Weihen gewesen sein, weil die Quellen
uns auch von solchen Mönchen Kunde geben, die sich vor der
Priesterweihe sträubten, obwohl sie die geistlichen Punktionen nur
im Bereiche ihrer Mönchsgenossenschaft und zwar auf Wunsch ihrer
Vorsteher besorgen sollten. So lesen wir, dass der sketische Mönch
Isaak, der nach einstimmigem Beschlüsse seiner Mitbrüder zum
Priester für ihre Kirche in der Wüste geweiht werden sollte, ge-
flohen sei, und erst als die ihm nachgesandten Mönche ihn in seinem
Versteck fanden, willigte er ein, indem er sagte: »Ich kann nun
euch nicht mehr widersprechen; vielleicht ist es doch der Wille
Gottes, dass ich, wiewohl unwürdig, die Priesterweihe empfanget i).
Der Diakon Daniel, gleichfalls Mönch der sketitchen Wüste, wurde
auf Veranlassung seines Lehrmeisters, des Priestermönches Paphnu-
tius, zum Priester geweiht; doch wegen seiner Demut, sagt Cassian
(coli. IV c. 1), erlaubte er sich nie in Gegenwart seines Lehrers die
Bethätigung dieser neuen hohen Würde.
Den egyptischen Mönchen galt überhaupt die geistliche Würde
nicht als etwas Minderwertiges, sondern als eine hohe Ehre. Nur so ist
es erklärlich, wenn Evagrius in seiner Ascetik (s. ob. S. 268) sagt, dass
sich die Ruhmsucht bei einem Mönche in der Sehnsucht nach dem
Priestertume äussere. Ähnlich schreibt Cassian (De coenob. insti-
tutis, XI, 14): »Zuweilen fiösst die Ruhmsucht dem Mönche das
Verlangen nach der geistlichen Würde und den Wunsch nach der
Priester- oder der Diakonatsweihe ein. Wenn er dieselbe sogar
gegen seinen Willen erhalten hat, so entwirft er ein solches Bild
von der Heiligkeit und Strenge, womit er dieses Amt ausüben will,
dass er auch deii übrigen Priestern Beispiele der Heiligkeit geben
könne. Dann glaubt er viele nicht nur durch das Vorbild seines Wan-
dels, sondern auch durch seine Lehre und Predigt zu gewinnen«
Er besucht, während er in der Einöde oder Zelle weilt, im Geiste
1) Rosweydf vitae Patr. lifo. UI n. 22.
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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4, Jahrh. 315
die Wohnungen verschiedener Brüder und verschiedener Klöster und
stellt sich vor, wie viele Leute er durch seine eingebildeten Er-
mahnungsreden bekehren werde. So ist es nun um den Unglück-
lichen geschehen, der durch eine solche Eitelkeit gleichsam in den
tiefsten Schlaf gesunken ist und gewöhnlich durch den Reiz der-
artiger Einbildungen verlockt und mit solchen Bildern erfüllt nicht
einmal auf sein gegenwärtiges Thun und seine Mitbrüder sein Auge
zu richten vermag, während er seine Jreude darin findet, sich in
die Gedanken, von denen er in seiner Zerstreuung mit offenen
Augen träumt, wie in wirkliche und wahre zu vertiefen c und erzählt
noch im folgenden Kapitel: »Von meinem Aufenthalte in der sketi-
schen Wüste erinnere ich mich noch eines Greises, der einmal zu der
Zelle eines Mitbruders kam, um ihn zu besuchen. Als er sich nun der
Thür näherte und den Mönch drinnen etwas murmeln hörte, blieb
er stehen. Er merkte, dass der eitle Mönch in der Zelle eine Er-
mahnungsrede hielt, als wenn er in der Kirche sich befände^ dann
die Rolle wechselte und, wie ein Diakon am Ende der Katechumenen-
messe, das versammelte Volk entliess. Erst jetzt klopfte er an die
Thür ; der Mitbruder trat heraus und, sichtlich verlegen wegen seiner
eitlen Gedanken, fragte er ihn, wie lange er schon vor der Thür
warte, worauf der Greis scherzend ihm eine Zurechtweisung gab mit
den Worten: >Eben bin ich gekommen, als du die Katechumenen-
messe feiertest *).« Joviale Mönchsväter thaten auch, wie Cassian
(De coenob. inst. XI, 17) schreibt, den Ausspruch, der Mönch müsse
nicht bloss Weiber, sondern auch Bischöfe fiiehen, wenn er die Ruhe
der Zelle sein Leben lang geniessen wolle. Dass aber auch die Flucht
vor der Priesterweihe vom Übel sein könne, erklärte ausdrücklich
der sketische Mönch Daniel (coli. IV, 20): »Die eine Gattung äes
Hochmuts trachtet, um sich zu erheben, nach dem Amte des Klerus,
die andere verschmäht es in der Meinung, dass es entweder der
früheren Würde oder dem Werte ihrer Lebensweise nicht ange-
messen oder gar nicht ebenbürtig sei. Möge jeder für sich prüfen
und erwägen, welche von diesen beiden als die schlechtere zu er-
klären sei«, und der Klausner Johannes von Lycopolis meinte, man
solle das geistliche Amt weder zu sehr ausschlagen, noch zu heftig
darnach begehren, sondern sich alle Mühe geben zur Ausrottung der
Laster und Aneignung der Tugenden. Man solle es aber dem Ur-
teile Gottes überlassen, ob, wann und wen Gott zu seinem Dienste
oder zur Priesterwürde erwählen wolle; denn nicht der sei bewährt.
1) Vgl. auch coli. I, 20.
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316 Rückblick auf das egypt MOnchtum des 4. Jahrh,
der sich selbst aufdränge, sondern jener, den Oott erwähle (Bufin.
hist. mon. c. 1).
Nach alledem lässt sich aus der egyptischen Möncbsliteratur
des vierten Jahrhunderts der Beweis nicht erbringen, dass zwischen
Mönchtum und Weltklerus ein principieller Antagonismus bestand.
Nicht nur die Koryphäen unter den Mönchen standen in innigster
Verbindung mit den höchsten geistlichen Autoritäten, sondern auch
die Bntwickelung des Mönchtums vollzog sich unter den Augen der
Bischöfe. Auch ist nirgendwo zu lesen, dass die letzteren anfäng-
lich dem neuen Phänomen feindlich gegenüberstanden und sich erst
allmählich, sich ins Unvermeidliche fügend, mit demselben aus-
söhnten. Ebensowenig lässt sich aus den Quellen herauslesen, dass
einerseits der Klerus die Überzeugung hatte, dass ihm die freie
mönchische Bewegung von der grössten Gefahr werden könnte, und
dass andererseits die Mönche sich von der verweltlichten Kirche in
die Wüste zurückzogen und im Schatten der verweltlichten Kirche
nicht mehr leben und sterben wollten, wobei noch zu bestreiten ist,
dass die besonders in Egypten durch den Arianismus Jahrzehnte
lang hart verfolgte Kirche das Merkmal der Verweltlichung verdiene.
§ 9. Liturgischer Gottesdienst^ Kommunionempfang und BussdiscipUn.
Kufin 1) berichtet über den Abt Apollonius und seine Mönche,
die im Gebirge bei der Stadt Hermopolis magna (Aschmungn) zer-
streut wohnten: »Es bestand bei ihm die Gewohnheit, dass die
Brüder, die bei ihm waren, nicht eher Speise nahmen, als bis sie
um die neunte Stunde des Tages die hl. Kommunion empfangen
hatten.« Hierauf bemerkt er, dass die Mönche in der Regel nach
der Kommunion irdische Speise zu sich nähmen, und fügt hinzu:
> Einige unter ihnen stiegen zwar um die neunte Stunde vom Ge-
birge herab, zogen sich aber nach der Kommunion sofort zurück,
indem sie sich mit dieser geistlichen Speise allein begnügten, und
dies thaten sie sehr viele Tage hindurch.« über die Bedeutung der
1) Historia monach. c. 7: »Consuetudo autem erat apud eum, ut fratres,
qui cum ipso erant, non prias cibam sumerent, quam comraunionem dominicam
perciperent circa horam diei nonam .... Aliquant! yero ex ipsis circa horam
Donara, cum descendissent de monte, percepta ^atia domini statim discedebant,
solo hoc spiritali cibo contenti : et hoc faciebant per plnrimos dies.« Vgl. die
j?riech. Recension der Historia mon. (bei Preuschen S. 47) : »Ol yop obv aöiw
aöeX^oil ou jcpöxspov t^s xpo^^? (xsTeXa[j.ßavoVf 7cp\v 5) t^$ eu5(_apiaTt'a? tou /^ptcrrou xoi-
vwvTJawaiv • iouto hl Itcoiouv xatoc t))v evaTTjv (Spav fjiJL^ptov IIoXXol youv auTwv
xaia TTjv IvaxTjv wpav [{j.6vov] xa'njp5(^ovTo Ix toü opou? xa\ t^{ eü)(^apt<JT{as uL6TeX&pißavov
xal jcaXiv avTJeaav apxoü|i.evoi xi] TCVguejLaTixfj pt^vov t p o 9 fj a/^pt? aXXr]? evaTT)? . toüto
8e Iäoiouv jcoXXoi ef auxaiv im TCoXXa^ ^\Upcti,€
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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4, Jahrh, 3t7
hl. EomtnunioD für das ascetische Leben sprach sieb aber ApoUonias
folgendermassen aas: »Die Mönche sollen, wenn es sein kann, täg-
lich die Mysterien Christi empfangen, damit nicht der, welcher sich
weit von denselben absondert, auch weit von Gott abgesondert werde.
Wer aber dieselben öfters empfängt, der empAngt auch öfters den
Erlöser selbst, der auch sagt: »Wer mein Fleisch isst und mein
Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihmc Zudem ist das
Gedächtnis des Leidens des Herrn, wenn es beständig von den
Mönchen geschieht, sehr nützlich zur Erlangung der Geduld. Man
wird aber aochdadurch gemahnt, sich zu befleissigen, so zu leben,
dass man der My^erien des Herrn nicht unwürdig befunden werde.
Diesem fügte er noch bei, dass die Nachlassang der Sünden dadurch
den Gläubigen gewährt werde. c Ober den Besuch eines anderen
Mönches der Thebais, Namens Hör, berichtet Rufin (bist. mon. 2):
»Als wir mit sehr vielen Mönchen zu ihm kamen und er uns er-
blickte, wurde er sehr fröhlich. Nachdem er uns begrüsst und die
üblichen Gebete verrichtet hatte, wusch er uns Gästen die Füsse
und begann Stellen aus der hl. Schrift zu unserer Erbauung zu er-
klären. Als er sehr viele Kapitel der hl. Schrift mit Weisheit er-
örtert hatte, wandte er sich wieder zum Gebete (rursus ad orationem
convertebatur, Im xäc söxac TcposxplTceTo). Er hatte aber die Ge-
wohnheit, keine leibliche Speise zu nehmen, bevor er nicht die geist-
liche Kommunion Christi genossen hatte. Nach dem Empfang der-
selben sowie der Danksagung fing er an uns auch zur leiblichen
Erfrischung einzuladen ^)€. Hiernach erscheint auch bei dieser Mönchs-
genossenschaft die tägliche Kommunion üblich gewesen zu sein, und
es werden hier die bei der Privatkommunion üblichen Vorbereitungs-
und Danksagungsgebete erwähnt.
Indes war der tägliche Empfang der hl. Kommunion nicht bei
allen egyptischen Mönchen Kegel. Cassian (de coenob. instit. HI, 2)
schreibt, dass bei denselben, abgesehen von dem nächtlichen und
abendlichen Gebete, des Tages über keine öffentliche Feierlichkeit
gehalten worden sei ; nur am Samstag und Sonntag seien sie um die
dritte Stande zusammengekommen, um die hl. Kommunion zu em-
pfangen. Dies steht auch mit anderweitigen Nachrichten im Ein-
1) Hist. mon. c. 2: »Gonsnetado autera erat ei non prias corporalem
dbum siimere, qaam spiritalem Christi commanionem acciperet. Quo accepto,
post gratiarnm actionem adhortari nos etiam ad reficiendnm coepit«. Vgl. die
griecb. Reeension (bei Preuschen S. 26): »"Edo? ^ao töi? [jlsy&Xoi?, [jl^ Tupöxspov
Tpoflp^v ÄpoatEa^ai t^ aapx\ Tuplv ?) t^v nveupiaxtxyjv Tpo^ijv t^ 'l'^xS ^*P«-
doüvat . TOUTO h\ loTiv ^ Tou ^piOTOU xoivcDvia * pLExaXaßövxa^ o3v xa(5x7)c xol 8u)(^0(ptaTvJ-
aavxa; Int x^v xp^nE^av nposxpEicsxoc.
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31 ö Rückblick auf das egypt. MOnchtum des 4, Jahrh,
klang. Wie die Pachomiasviten (M 38 f., A' 371 f. und C 20) be-
richten, beteiligten sich die Pachomianer Samstags und Sonntags an
den) encharistischen Gottesdienste. Von den Nitriern sagt die Historia
Lausiaca (c. 7), dass sie das tägliche Gebet in ihren Zellen ver-
richtet hätten und nur am Samstag und Sonntag in der Eirche zu-
sammengekommen seien ; der erste von den acht Priestern hätte das
eucharistische Opfer dargebracht (npoo^lpet), das Richteramt ausgeübt
(dtxaCet) und die Homilie gehalten, während die übrigen ihm nur
stillschweigend assistiert hätten. Auch in den zur sketischen Wüste
gehörigen Kellien versammelten sich die Mönche nur an den beiden
genannten Tagen in der Eirche, und viele von ihnen hatten von
ihrer Wohnung bis zur Kirche drei bis vier Milien zurückzulegen
(Rufin., bist. mon. c. 22). Als Makarius der Egypter sich in die
sketische Wüste zurückzog, gab es allerdings dort noch keinen litur-
gischen Gottesdienst, und er beklagte sich darüber gelegentlich eines
Besuches des hl. Antonius ((og oux Sx^l^®^ irpoofopav Iv x(S TÖTcm
iium)^). Aber später wurden daselbst vier Kirchen gebaut (siehe
oben S. 311). Selbst die ganz zurückgezogen in dieser Wüste leben-
den Mönche sonderten sich nicht von der hl. Kommunion ab. Dies
ergibt sich aus einer Bemerkung Makarius' des Egypters über zwei
junge Mönche, die Söhne reicher Leute waren und in der sketischen
Wüste ihren Wohnsitz aufgeschlagen hatten. »Andere Mönche, die
ganz weit wohnenc, sagte Makarius, »kommen zu mir, und diese, ob-
gleich sie ganz in der Nähe wohnen, sind noch niemals bei mir ge-
wesen, ausser dass sie schweigend in die Kirche kommen, um die
Kommunion zu empfangene (et fi'i) fiovov s!c ty)v IxxXifjatav oicoTcoivTec
Xaße tv TTjv ocpoo^opav) ^). Die Mitteilungen über zwei abtrünnige
Mönche der Kellienwüste, Namens Valens und Ero, zeigen, welchen
grossen Wert die dortigen Mönche auf den Empfang der hl. Kom-
munion legten. Der Hochmut des ersteren, heisst es in der Historia
Lausiaca c. 31, ging so weit, dass er selbst die Mysterien Christi
verschmähte und einmal in der Kirche vor den versammelten Brüdern,
erklärte: »Ich brauche nicht die Kommunion; ich. habe heute Christus
gesehene. Der grosse Bibelkenner Ero (Hist. Laus. c. 32) führte
nach der Versicherung seiner Mitbrüder in seiner guten Zeit ein so
strenges Leben, dass er oft drei Monate lang ausser der hl. Kom-
munion nur wilde Kräuter genoss (apxoujüisvoc fjiovig x^ xoivcovta tm
(iüonjptcov, xat et itoü 5v 7:apa(pavet7j äypta Xaxava); später aber
wurde sein Geist infolge seines Dünkels so umnachtet, dass man ihm
1) Apophthegm. Patr., Migne s. gr. t. 65 col. 273.
2) Apophthegm. Patr., Migne L c. col. 276.
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fiückhlick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh, 31d
Ketten anlegen musste, weil er nicht zur hl. Kommunion gehen
wollte. Der schwere Sündenfall des Ptolomaeus (s. oben S. 279),
der in einem abgelegenen Orte der sketiscben Wüste lebte, wird
unter anderem auch auf die Vernachlässigung der häufigen Kom-
munion (iiroSevcofrelc Oüvexoöc xotvcovtac xcov fiüoxTjptcov toü Xptoxoö)
zurückgeführt.
Auch in Fällen, wo der Kommunionempfang der Anacboreten
fast als unmöglich erscheineo möchte, finden wir das Gegenteil be-
richtet. Der thebaische Mönch Johannes lebte am Anfang seines
ascetischen Lebens drei Jahre lang in einem Versteck. Sonntags
aber kam ein Priester zu ihm, brachte für ihn das eucharistische
Opfer dar und reichte ihm das Sakrament. Und als dieser Mönch
in seinem späteren Leben in der Wüste uroherwandelte. um die
Brüder jener Gegend durch das Wort Gottes zu erbauen, kehrte er
am Sonntag immer wieder der Sakramente wegen an denselben Ort
zurück^). Marcus der Egypter') blieb dreissig Jahre in seine Zelle
eingeschlossen, ohne sie zu verlassen. Aber ein Priester pflegte zu
ihm zu kommen, um das eucharistische Opfer für ihn darzubringen
(icotelv auToT x^y dytav irpoafopav). Was Antonius anlangt, so lesen
wir zwar nicht, dass in seiner Klause, die drei Tage- und Nacht-
märsche vom Kloster Pispir entfernt war (s. oben S. 287), das
hl. Opfer zu seinen Lebzeiten dargebracht wurde; wohl aber ge-
schah dies später, als nach seinem Tode sein Schüler Sisoes daselbst
wohnte >). Immerhin bestand für Antonius die Möglichkeit, am
eucharistischen Opfer teilzunehmen, da er das Kloster Pispir in
Zwischenräumen ?on einigen Tagen regelmässig zu besuchen pflegte
und mit Bischöfen und Priestern zusammenkam (s. oben S. 287).
Allerdings ist dies bloss ein indirekter Beweis. Indes kann wohl
noch auf Grund der vita Antonii ein direkter Beweis geführt werden.
Die betreffende Stelle (c. 45) lautet: »Er (Antonius) zog sich in sein
Monasterium zurück, steigerte die Ascese und seufzte Tag für Tag,
indem er an die himmlischen Wobnungen dachte, sich nach den-
selben sehnte und die Vergänglichkeit des Lebens der Menschen be-
1) In der griech. Recension der Historia mon. c XV (bei Preaschen S. 69)
heisst es Ton Johannes: »ttj xupiax^ (jlövov ttj; Eu)(^aptaiia; (jLexaXafjißavcov xoO
TcpeaßuT^pou auTo) dbco^^povTo^ gcaXo ou§b 8i7)TaTo.c Also am Sonntag, wo er die
Kommnnion empfing, genoss er keine andere Speise. Etwas weiter heisst es,
(Prenschen S. 70), dass seine gewöhnliche Nahrung nur Kräuter waren (lodiwv
ßoxava;). In dem entsprechenden Rufinschen Text »Gibum vero nunquam sum-
serat nisi die dominica. Presbyter enim tunc yeniebat ad eum et offerebat pro-
eo sacrificium, idque ei solum sacramentum erat et Tictus« ist wohl die Lesart
des ersten Satzes verderbt und »nisi« zu streichen.
2) Apophthegm. Patr., Mignt 1. c. col. 393.
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320 Rückblick auf das egypt, Möncktum des 4. Jakrh,
trachtete, und auch, wenn er essen, schlafen und den übrigen Be-
dürfnissen des Leibes Rechnung tragen musste, schämte ersieh, in-
dem er das geistige Wesen der Seele erwog. Oft wenigstens, wenn
er mit vielen anderen Mönchen essen sollte, entschuldigte er sich,
der empfangenen geistlichen Nahrung eingedenk, und ging weit
von ihnen (TcoXXaxtc T^^^ H^'^^ tcoXXcov SXXcuv fiovaxöv ^IXXcov
ioftteiv, ivafiVTjofrslc t^c irvsufiaxtx^c xpocp^g, Tca-
pigTigoaxo xat fiaxpav aTc'auxcov aic^XOe), indem er meinte en'öten zu
müssen, wenn er von anderen essend gesehen würde. Er ass indes,
da der Körper es doch einmal nötig hatte, für sich allein, oft aber
auch mit den Brüdern . . . .c Wenn also Antonius in Pispir mit
den anderen Mönchen zu Tisch gehen sollte, so entfernte er sich,
indem er noch in Gedanken mit der (vorausgegangenen) geistlichen
Nahrung beschäftigt war und sich mit der letzteren begnügte. Er
nahm also, wie der eben erwähnte Mönch Johannes, am Kommunion-
tage keine irdische Nahrung zu sich. Diese Interpretation des Textes
hängt von der Bedeutung der Worte »t^<; irvsüfiaTtx^c; Tpo<p^<;« ab.
Dass aber Athanasius, der Verfasser der vita Antonii, darunter den
Genuss des Leibes und Blutes Christi verstand, ergibt sich aus
seinem vierten Briefe an Serapion^), wo es heisst: »Als Christus
von dem Essen seines Leibes sprach und sah, dass sich viele darüber
ärgerten, erklärte er: »Das ärgert euch? Wenn ihr aber den Menschen-
sohn werdet hinaufsteigen sehen, wo er zuvor war? Der Geist macht
lebendig, das Fleisch aber nützt nichts. Die Worte, die ich zu
euch geredet habe, sind Geist und Leben«. Auch hier sprach er
beides von sich aus, das Fleisch und den Geist. Den Geist unter-
scheidet er vom Leibe, damit sie nicht allein das Erscheinende,
sondern auch das Unsichtbare von ihm glauben und lernen möchten,
dass das, was er sage, nicht fleischlich, sondern geistig (Tcvsujütaxtxa)
sei. Denn für wie viele reichte der Körper zur Speise hin, so dass
er die Nahrung für die ganze Welt werden könnte? Deswegen er-
wähnte er die Himmelfahrt des Menschensohnes, damit er sie von
fleischlichen Gedanken losmache, und sie lernen möchten, dass das
erwähnte Fleisch eine himmlische Speise von oben herab sei, und
eine geistige Speise von ihm gegeben werde« (xal Xoitcov ttjv eipijfjisvTjv
aapxa ävcofrsv oüpavtov xal irvsüfiaxtx'ijv Tpo97^v Tcap' aüxoü ätdofxivifjv
fiaO(ootv). Ebenso deutlich wird in der griechischen Recension der
Historia monachorum (s. oben S. 316 Note 1 u, S. 317 Note 1) und
in dem Danksagungsgebet nach der Privatkommunion, wie es Rieh
1) Migne s. gr. t. 26 col. 665 f.
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Rückblick auf das egypU MöncMum des 4. Jahrh. 321
in der Zwölfapostellehre (c. X) findet, der Genoss des Leibes and
Blutes Christi als geistliche Nahrang (icveufiaxtxT) xpo^ig) bezeichnet ^).
Immerhin kam es ?or, dass hie and da ein Mönch seltener, ja
sogar nur einmal im Jahre zur hl. Kommunion ging. Der egyptisehe
Mönch Theonas tadelt solche Handlungsweise, selbst wenn dieselbe
nicht aus Geringschätzung, sondern aus dem Gefühle der Qnwürdig*
keit hervorginge. Er erklärt (Gassian, coli XXIII, 21): »Wir dürfen
uns nicht deshalb, weil wir uns als Sünder erkennen, vom Tische
des Herrn verbannen, sondern müssen zu demselben mehr und mehr
wegen der Heilung der Seele und der Reinigung des Geistes mit
Sehnsucht hineilen, aber mit solcher Demut des Geistes und solchem
Glauben, dass wir uns des Empfanges einer so grossen Gnade für
unwürdig halten und mehr nur die Heilmittel für unsere Wunden
suchen. Sonst dürfte man sich nicht einmal die jährliche Kom-
munion herausnehmen, wie einige Klosterleute thuen, welche die den
himmlischen Geheimnissen entsprechende Würdigkeit, Heiligkeit und
Yerdientheit so bemessen, dass sie glauben, dieselben seien nur
Heiligen and unbefleckten gestattet, statt dass sie uns vielmehr
durch ihren Empfang heilig und rein machen. Wahrhaftig, diese
fallen in eine viel grössere Keckheit der Anmassung, als sie zu ver-
meiden wähnen, weil sie dann, wenn sie dieselben gemessen, sich
dieses Genusses sogar für würdig halten. Denn es ist viel gerechter,
dass wir uns an den einzelnen Sonntagen diese hochheiligen Ge-
heimnisse zur Abhilfe in unseren Krankheiten gestatten, mit jener
Demut des Herzens, in der wir glauben und bekennen, dieselben nie
durch unser Verdienst erlangen zu können, als in eitler Oberhebung
und Aufgeblasenheit des Herzens sich , wenn auch erst nach einem
Jahre, dieser Gemeinschaft für würdig zu erachten.c
In der neuesten Literatur über die Bussdisciplin im christ-
lichen Altertum >) sind die Angaben , welche sich hierüber in den
1) In einem anf Grand der Tradition orientalischer Kldster dem Antonius
zngeschriebenen Briefe (ep. 17 bei Galland, Vetenim Patmm bibl. IV, 686) heisst
es, dass die, welche ihre Seele vernnreinieen, das Brot des Lebens nicht
emp&ngen könnten ; Jesaias hätte Gott erst dann sehen nnd weissagen können»
nachdem ihn ein Engel mit gltthenden Kohlen gereinigt hätte. Probst (Li-
turgie des 4. Jahrh., Münster 1898, S. 122) bemerkt hierzu, dass nach Origenes
in der alezandrinischen Liturgie der Kommunion ein Gebet Torausging, Gott
möge die Gläubigen reinigen, wie ein Seraph den Propheten Jesaias mit einer
glünenden Kohle reinigte.
2) Funk, Kirchengeschichtliche Abhandlungen und Untersuchungen,
L Bd. 1897, S. 155 fEl; Batiffol, Etudes d*histoire et de th^ologie positiTC,
Paris (Lecoffre) 1902, S. 45 ff. ; Moll, Enthusiasmus und Bussgewalt beim
S riech. M9nchtum, Leipzig 1898, S. 138 ff. Vgl. dazu Ermoni^ La penitence
ans Thistoire, ä propos d*un livre r^nt (Beyue des questions historiques,
1900, p. 5-55).
Schiwietz, Mönohtnm. 21
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822 Rückblick auf das egypt. MOnchtum des 4. Jahrfu
Quellen des egyptiscben Mönchtams finden, noch nicht zur Erörterung
gelangt. Im Folgenden soll nun der Versuch dazu gemacht werden.
Im zweiten Jahrhundert sprachen gewisse enkratitisch gesinnte
Eteise innerhalb der christlichen Gemeinschaft denjenigen, die nach
der Taufe sich der Idololatrie, der Unzucht und des Mordes, d. h. einer
der sog. drei Eapitalsünden schuldig machten, das Heil ab und er-
klärten, es gäbe für die fraglichen Sünder keine Busse (Exomologese)
mit Aussicht auf Vergebung. Die katholische Kirche erkannte auch
diesen Sündern gegenüber die Wirksamkeit der Busse an. Aller-
dings machte sie aus pädagogischen und disciplinären Bücksichten
hierbei einen doppelten Vorbehalt. Es wurde von der Kirche erstens
diesen Kapitalsündern nur eine einmalige Busse nach der Taufe ge-
stattet. Der zweite Vorbehalt war folgender. Die Kirche gewährte
diesen reuigen Sündern, welche sich der öffentlichen Busse (Exo-
mologese) unterwarfen, zeitlebens keine Bekouciliation , aber sie er-
klärte, dass diese dauernde Bussleistung in foro ecclesiae die Ver-
gebung der Sünde bei Gott sicher erwirke. Tertullian bezeugt in
seiner aus der katholischen Periode stammenden Schrift de poeni-
tentia diese öffentliche Busse in der Kirche und lehrt ausdrücklich,
dass die Kapitalsünder, die sich der erwähnten Busse unterwerfen,
sicher der Vergebung ihrer Sünde bei Gott teilhaftig würden, da
durch das diesen Sündern von der Kirche bekundete Mitleid Christus,
der Fürsprecher bei Gott dem Vater, sicher sich erweichen lasse,
während er später als Montanist (vgl. die Schrift de pndicitia) die
Kapitalsünden als unvergebbar und die Fürsprache Christi zu
Gunsten solcher Büsser als fraglich bezeichnet. Zu Anfang des
dritten Jahrhunderts Hess die Kirche von ihrer früheren Strenge
nach und hob das von ihr statuierte Reservat den veränderten Zeit-
verhältnissen entsprechend auf. Zuerst wurde das Reservat bezüglich
der ünzuchtssünden vom Papste Callistus aufgehoben und den frag-
lichen Sündern nach Leistung einer proportionierten öffentlichen Busse
die Rekonciliation oder die Aufnahme in die christliche Gemeinschaft
gewährt. Diese Milderung wurde dreissig Jahre später vom Papste
Cornelius und bald darauf vom Bischof Cyprian in Karthago auf die
Idololatren und im vierten Jahrhundert auch auf die Mörder unter
ähnlichen Bedingungen ausgedehnt. Der Bericht des Eusebius (bist,
eccl. VI, 44) über den Büsser Serapion, der zu der Kategorie der
Lapsi gehörte, zeigt, dass der alexandrinische Bischof Dionjsius
(248 — 264) die Anordnung traf, den sterbenden lapsi, wenn sie
darum bäten, und besonders wenn sie schon früher darum gefleht
hätten, die Lossprechung zu erteilen, damit sie in guter Hoffnung
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Rückblick auf das egypt. Mönchium des 4. Jahrlu 323
aus dem Leben scheiden könnten, und Origenes, der allerdings
strenger darüber arteilte, bezeugt in seiner Schrift De oratione e. 28,
^ass einige Bischöfe den Idololatren, Ehebrechern und unzüchtigen
die Lossprechung gewährten. Immerhin ist zu beachten, dass auch
im dritten Jahrhundert eine völlige Einheitlichkeit in der Behand-
lung der Kapitalsünder noch nicht bestand , und dass besonders die
Afrikaner ihrem Charakter entsprechend in der Bussdisciplin sich
durch Rigorismus hervorthaten.
In den Kreisen der egyptischen Mönche, bei denen der christ-
liche Idealismus so grosse Triumphe feierte und die sich als frei-
willige Süsser in heroischen Bussakten erschöpften, herrschten noch
im vierten Jahrhundert die strengen und dem Oeiste des zweiten
christlichen Jahrhunderts entsprechenden Ansichten über die Buss-
disciplin vor. Ja , manche unter ihnen schienen in ihrem übel ver-
standenen Konservativismus zu glauben, dass es für die fraglichen
Sünder kein Heil mehr gäbe» Wenigstens wird berichtet (s. oben
S. 250 f.), dass Pachomius, der auch reuigen Sündern mit einer be-
fleckten Vergangenheit Aufnahme in seine Klöster gewährte, das
Vorleben derselben der Allgemeinheit seiner Mönche nicht mitzu-
teilen pflegte, weil sich die letzteren schwerlich dazu verstanden
hätten, mit jenen ein gemeinschaftliches Leben zu führen. Gar
mancher, der ein bewegtes Leben hinter sich hatte, suchte bei
den Mönchen seine Zuflucht. Die einen von diesen waren aller-
dings noch Heiden und wurden nach Absolvierung des Katechumenats
durch das Bad der Wiedergeburt gereinigt. Aber es gab auch
Christen, die nach einem schweren Sündenfall in den Mönchsge-
genossenschaften ein Büsserleben führen wollten. Verschiedene
Episoden aus den egyptischen Mönchsgeschichtsquellen legen einer-
seits nahe, dass die Frage nach dem Schicksale der unglücklichen
Mitbrüder in jenen Kreisen viel besprochen wurde, anderseits zeigen
sie, dass die Koryphäen unter ihnen dem Rigorismus einzelner, der
an Montanismus und Novatianismus streifte, Einhalt thaten.
Das interessanteste Dokument in dieser Beziehung findet
sich in dem schon oft erwähnten Briefe, in welchem der Bischof
Ammon dem Patriarchen Theophilus von Alexandrien über seinen
ehemaligen Aufenthalt im pachomianischen Kloster Pheböu Bericht
erstattet hat. Der Bischof erzählt (c. 19 u. 20), dass er sich einst
als pachomianischer Mönch mit dem damaligen Oeneralabt Theodor
auf einer Nilinsel befand, und dass der Generalabt um die achte
Stunde des 22. Novembers des Jahres 353 (354) die dort beim
Holzsammeln beschäftigten Mönche, hundert an der Zahl, um sich
21*
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324 Rückblich auf das egypt Mönchtum des 4» Jahrh.
versammelte and Folgendes sprach : »Schon lange habe ich euch mit--
zuteilen, was Oott mir geoffenbart hat, and er hat mir aufgetragen,
nicht länger darüber zu schweigen. Es ist aber Folgendes. Viele
von denen, die nach der Taufe gesündigt haben, — fast au allen'
Orten, wo der Name Christi verkündigt wird — haben den aposto-
lischen Glauben bewahrend geweint über ihre Sünde, und der Herr
hat ihre aufrichtige Busse angenommen und ihre Sünde getilgt. Ihr
also, die ihr bis heute über die Fehltritte nach dem Taufbunde auf-
richtig geweint habt, wisset, dass ihr Verzeihung erlangt habt..
Möge darum jeder von euch die Barmherzigkeit Gottes preisen, in-
dem er spricht: Du hast meine Klage in Freude verwandelt, meiO'
Trauerkleid gelöst und mich mit Freude umgürtet (Ps. 29, 12)«^
Bald darauf schickte Theodor einige Mönche , um nach ihren Mit-
brüdern auszuschauen, die aus Alexandria erwartet wurden und an^
der Insel vorbeisegeln mussten. Diese brachten dem Generalabte^
einen Brief des Antonius , den sie unterwegs besucht hatten. Auch
dieses Schreiben behandelte das obige Thema, und es ist möglich,,
dass Theodor seine Mönche beauftragt hatte, über die Streitfrage
die Ansicht des Vaters der Eremiten einzuholen. Der nun vor der
versammelten Korona verlesene Brief lautete: »Ich wusste, dass^
Gott schwerlich eine Sache thut, ohne die Belehrung hierüber seinen
Dienern, den Propheten, zu enthüllen. Ich glaubte, es nicht mit-
teilen zu dürfen, was der Herr mir vor langem geoffenbart hat. Da
ich nun deine Brüder sah, befahl er mir zu schreiben, indem er
kundthut, dass viele von denen, die Christus in Wahrheit anbeten,,
nach der Taufe gesündigt, fast in der ganzen Welt, und geweint
und bereut haben, und dass Gott ihr Weinen und ihre Busse ange-
nommen und die Sünden aller derjenigen getilgt hat, die so bis zu
jenem Tage, an dem dieser Brief dir übergeben wird, gehandelt
haben. Lies diesen Brief den Brüdern vor, damit auch sie sich darüber
freuen.c Hierauf warfen sich alle Anwesenden auf ihr Angesicht
nieder, und wir weinten so, schreibt Ammon zum Schluss, vor dem
Angesichte Gottes ^ bis der anwesende Priester das Gebet beschloss,.
worauf Theodor noch erklärte: »Glaubet mir, dass sich der ganze
Himmel über dieses euer Seufzen gefreut hat. Gott hat eure Bitte-
gehört, und die Sünden einiger von uns Mönchen, die hier so bitter
geweint haben, getilgt; er hat uns zu Gunsten dieser Mönche, die
er vorausgekannt hat, so gesprochen, wie ich es euch sagte, und
wie unser Vater Antonius es schrieb.c Die Entscheidung über die^
Kraft der Busse ist hier, ähnlich wie in dem Pastor Hermae, in
eine apokalyptische Form gekleidet. Die Glaubwürdigkeit der Privat-
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Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4, Jahrh. 325
Offenbarung des Generalabtes Theodor wird den Mönchen bestätigt
durch das prophetische Votum des grossen Antonius. Die beiden
Mönche, deren charismatische Oaben in der egyptischen Mönchs-
literatur gerühmt werden, erscheinen nicht als Vergeber der
Sünden; sie erklären vielmehr nur, sie seien in Betreff einiger,
die nach der Taufe ihre Seele befleckt hatten und nun in
der Einsamkeit der Klosterzelle Busse thaten, der Offenbarung ge-
würdigt worden, dass ihre Busse von Gott angenommen sei. Die
zum Schluss geschilderte Scene, das Sichniederwerfen aller Mönche,
von denen die einen ihre Sünden beweinen, die anderen als Für-
sprecher derselben erscheinen, das Auftreten des Priesters, der durch
oin Gebet diesen Bussakt beschliesst, erinnert lebhaft an die Exomo-
logese, wie sie zu Zeiten TertuUians bei den gottesdienstlichen Ver-
sammlungen gebräuchlich war: »Presbyteris advolvi, et caris Dei
adgeniculari , omnibns fratribus legationes deprecationis suae iniun-
gere : haec omnia exomologesisc (De paenitentia IX, 3 f.). Vgl. auch
Eusebius, h. eccl. V, 32.
So sehr aber die Kraft der Busse betont wurde, so blieb doch
in den egytischen Mönchskreisen jene Bussdisciplin , wie sie im
zweiten Jahrhundert üblich war, noch bestehen. Ein Mönch, der
wegen seines Hochmuts von Pachomius oft zurechtgewiesen worden
war, geriet anlässlich einer Arbeit ausserhalb des Klosters in die
Gewalt der heidnischen Blemmyer. Durch deren handgreifliche
Drohungen eingeschüchtert, nahm er mit ihnen teil an einem Götzen-
opfer. Voll Verzweiflung kehrte er zu Pachomius zurück. Dieser
gab ihm eine scharfe Zurechtweisung, erklärte aber schliesslich:
»Du hast dich von Gott zu trennen nicht gescheut; aber wir haben
einen gütigen Herrn, der seinen Groll nicht ewig den Sündern
zeigen will, sondern barmherzig ist und alle unsere Sünden in den
Abgrund des Meeres versenken kann. Wenn du wenigstens jetzt
auf mich hörst, so hast du noch Hoffnung auf Vergebung.c Pacho-
mius befahl ihm, sich an einen abgelegenen Ort zurückzuziehen,
keinen Verkehr mit Menschen zu unterhalten» sondern streng zu
fasten, harte Handarbeit zu verrichten und sich im Gebet und in Nacht-
wachen zu üben. Der Sünder befolgte dies alles, erhielt nur von
Zeit zu Zeit in seiner Klause Besuche seitens einiger bejahrter
Mönche, die ihn in seinem Vorsatz bestärkten, und starb nach einem
zehnjährigen Bussleben. ^) Einen ähnlichen Fall berichten die Apoph-
thegmata Patrum >). Ein Mönch, der in eine Sünde gefallen war,
li
Paralipomena de s. Pachomio etc. c. 8—11, G. 54.
Migne 8. gr. t. 65 col. 256, 253.
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326 Rückblick auf das egypt. Mönchtwm des 4, Jahrh.
kam ganz verwirrt zam Abte Lot, der im arsinoitischen Gau lebte«.
Lot sagte zu ihm: »Was ist dir, Bruder ?€ Jener erwiderte: »Ich
habe eine grosse Sande begangen und vermag nicht, sie den Vätern
zu offenbaren.c Lot spirach ihm Mat zu: »Bekenne sie mir, und
ich werde sie tragenc (xi^o) ßaoTofCo) a&TTjv). Da erklärte jener:
»Ich bin in, Unzucht gefallen und habe an einem Oötzenopfer teil-
genommen, um die Gelegenheit daza zu erlangen c (sl<; icopvetav
iireoov xal Iduoa to5 Tü^elv xoo irpayjuiaTOc). Lot erklärte nun
dem Sdnder: »Habe Mut; denn es gibt eine Bnsse (fiSTctvota). Oeh^
zieh dich zurück in die Höhle, faste je zwei Tage, und ich werde
die Hälfte der Sunde tragen.« Nach Verlauf von drei Wochen er-
hielt Lot die Oewissheit (l7cX7]po<popi]07]) , dass Gott die Busse de»
Bruders angenommen hatte. Und der Büsser verblieb dem Lot
unterstellt bis zu seinem Tode. In beiden Fällen handelt es sieb
also um die schwersten Vergehen, d. i. um die sog. Eapitalsündeu.
Wie im zweiten Jahrhundert die öffentliche Busse, so erscheint hier
die lebenslängliche Busse des Sünders in der Höhle als wirksam,
bei Gott Vergebung zu erlangen. Von einer schliesslichen Bekon-
ciliation ist keine Rede^). Was aber das Suffragium (ßaatceCci)) und
die Erkenntnis des göttlichen Willens bezüglich der Büsser anlangt,
80 hat es damit dieselbe Bewandtnis, wie mit den analogen Erschei-
nungen zur Zeit der Märtyrer*),
Es ist in den Apophthegmen öfters die Bede davon, dass die
Mönche Bussen für ihre Fehltritte verrichteten. Doch ist die Be-
urteilung dieser Bussen schwierig, da die Sünden meist nicht speziali-
siert sind. Jedenfalls darf man auch bei schweren und lang dauern-
den Busswerken nicht gleich annehmen, dass es sich hierbei um
ganz schwere Sündenfälle handelte. Der Pachomianer Theodor, der
auf Zureden der Mitbrüder der eitlen Begierde nach der Abtwürde
nachgab, büsste diesen Fehltritt zwei Jahre lang in einer abgeson-
derten Zelle (C 68 f.). Ein Mönch sah einmal jemanden an einem
Freitage schon am frühen Morgen essen und sprach zu demselben:
»Wie kannst du heute am Freitage um diese Stunde essen ?€ Für dieses
freventliche Urteil that der Mönch zwei Wochen lang Busse und bat
noch einen Mitbruder um Unterstützung durch sein Suffragium (labora
mecum duas hebdomadas et rogemus deum, ut mihi indulgeat) ')•
1) Vgl. die Busse der von dem Häresiarchen Markus entführten FhiUt
die nach ihrer Bekehrung die eanze übrige Lebenszeit in der Exomologese zu*
brachte (tbv aTcav-ua /pövov ISo[jLoXoY'ou(jL^vr| $istA£<ts) trauernd und weinend über
die ihr angethane Schändung (Iren. ady. haer. I, 13).
2) Vgl. Schanz f »Absolutionsgewalt in der alten Kirche« in der TheoL
Quartalschrift 1897 S. 27 ff.; ßatiffol a. a. 0. S. 88 f., 100 f., 116 ff.
3) Rosweyd, vitae Patr., Migne s. 1. t. 78 col. 911 ff.
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Rückblick auf das egypt. Mönchtutn des 4. Jahrh. 327
In den ersten christlichen Jahrhunderten war es nicht üblich,
die lässlichen Sünden dem kirchlichen Bnssgericbte za unterwerfen,
und es werden von den zeitgenössischen Schriftstellern ^) verschiedene
Mittel zur Sühnung derselben angegeben. Indes bestand bei' den
ägyptischen Mönchen eine Art ascetische Beicht, die man auch vor
Laienmönchen ablegte. Man eröffnete seinen Gewissenszustand be-
währten Mönchsvätern und teilte ihnen die innersten Herzensregungen
und Versuchungen mit, denen man ausgesetzt war, um durch sie
eine Anleitung zur Bekämpfung der Leidenschaften zu erlangen.
Dies bezeugt Bufinus, Palladius und Cassianus (s. ob. S. 277 Note 2
u. 3). Der pachomianische Generalabt Theodor erfreute sich in dieser
Beziehung eines ganz besonderen Vertrauens seitens der ihm unter-
stellten Mönche. Keiner unter den Brüdern unterliess es, ihm seinen
Seelenzustand im geheimen zu offenbaren, und der Generalabt lehrte
die Mönche, wie ein erfahrener Arzt, den fremdartigen Logismen zu
widerstehen. Er verbot zwar das öffentliche Bekenntnis solcher Ver-
gehungen vor der ganzen Gommunität, empfahl aber es vor bewährten
Mitbrüdern zu thuen').
In der sketischen Wüste bestand die Sitte, über etwaige Fehl-
tritte eines Mönches ein Synedrium abzuhalten. In den Apoph-
thegmen^) heisst es: »Einst wurde in der sketischen Wüste wegen
eines Bruders, der gesündigt hatte, ein Synedrium abgehalten. Die
Väter sprachen liin und her, der Abt Pior aber schwieg. Dann
ging er hinaus, füllte einen Sack mit Sand und lud ihn auf seine
Schultern. Hierauf schüttete er etwas Sand in ein Körbchen und
trug es vor sich her. Auf die Frage der Väter, was dies bedeute,
antwortete er: »Der Sack, in dem der viele Sand ist, sind meine
Sünden, weil es so viele sind, und ich trage sie hinter mir, um sie
nicht abbüssen und zu beweinen zu brauchen, und siehe, die
Kleinigkeiten meines Bruders sind vor mir, und ich schaue darauf
und urteile über ihn. Das soll nicht sein; ich soll vielmehr meine
eigenen Sünden vor mir haben, darauf acht geben und Gott um Ver-
zeihung bitten.€ Da erhoben sich die Väter und sprachen: »Ja, das
ist der Weg des Heiles.c Pior billigt es also nicht, dass im Namen
der Gommunität einem Mönche eine öffentliche Busse auferlegt werde,
das Synedrium sei nicht der Richter des Gewissens. Ahnlich tadelte
Makarius der Egypter den gleichnamigen Alexandriner, der zwei
1) Cassiafif coli. XX, 8. Vgl. aach Origenes, In Lenticam hom. II, 4
(Migne s. j^r. I. 12 col. 418).
2) C 85. Ar 678; ep. Ammon. c. 12.
3) Migne s. gr. t. 65 col. 373 f. Vgl. aach col. 281 f.
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d28 Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4, Jahrh,
Mönche wegen eines Fehltrittes auf Orund einer falschen Anklage
aas der Mönchsgemeinschaft ausgeschlossen hatte <). Auch Mönchs-
priester scheinen in solchen Fällen zu weit gegangen zu sein. Als ein
Mönch, der gesündigt hatte, von einem Priester aas der Kirche aus-
gewiesen wurde, erhob sich der Abbas Besarion, ging mit ihm hin-
aus und sprach: »Auch ich bin ein Sfinderc^)
Der letzterwähnte Fall zeigt, dass die Priester, welche den
Gottesdienst in der Wüste besorgten, als Richter über die Sünden
der Mönche auftraten. An einer anderen Stelle*) wird ?on dem
Mönch Poemen der Priester als die letzte Instanz bei der brüder-
lichen Zurechtweisung bezeichnet. In der Historia Lausiaca c. 7
wird berichtet, dass in der nitrischen Kirche ein Priester unter
Assistenz von sieben anderen Amtsgenossen das eucharistische Opfer
darzubringen, das Urteil zu sprechen (dixaCet) und die Homilie za
halten pflegte. Allerdings könnte man auf den Gedanken kommen,
dass das »dtxofCstvc sich auf die im selben Kapitel einige Zeilen vor-
her erwähnte Geisseistrafe bezieht, die in Nitria gegen allerlei Delin-
quenten, Mönche, Fremde und etwaige Räuber verhängt wurde. In-
des ist ein Zusammenhang zwischen den beiden Thatsachen durch
den Text nicht nahegelegt. Ausserdem kommt das Wort »dixaCetv«
im kirchlichen Sinne in den Apostolischen Constitutionen (II, 33,
vgl. auch II, 13) vor, wo das vom Bischof in der christlichen Ge-
meinde ausgeübte Bassgericht als »dixaCetv xov)C ijiüiaptT^xoTac« be-
zeichnet wird. Dje Priestermönche wachten auch über den würdigen
Empfang der hl. Communion seitens der Mönche und drangen auf
vorausgehende Reinigung der Seele durch die Busse. Rufin (bist,
mon. c. 20) schreibt von dem Priester Dioskorus in der Thebais:
»Dieser hatte in seinem Kloster etwa hundert Mönche und wandte,
so viel wir sahen , zur Zeit , wo man zur hl. Communion ging, den
grössten Fleiss an, auf dass keiner von denen, die hinzutraten, irgend-
eine Sündenmakel in seinem Gewissen mitbrächte. Seine Sorge war
so gross, dass er sie sogar an das erinnerte, was den Menschen im
Traume zu begegnen pflegt. c Besonders wird die charismatische
Gabe des Priestermönches Eulogius gerühmt, »der bei der Dar-
bringung der Sakramente eine so grosse Gnade von dem Herrn em-
pfangen hatte, dass er die Verdienste und Sündenschulden eines
jeden, der zum Altare Gottes hinzutrat, erkannte. Er hielt einige
von den Mönchen, die zur Communion gehen wollten, zurück mit
1) Apophth. Patr., Migne 1. c. col. 269 f.
2) Ebend. col. 141. '
3) Ebend. col. 359.
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. Rückblick auf das egypU Mönchtum des 4. Jahrh. 329
den Worten: »Wie wagt ihr zu den hl. Sakramenten hinzuzutreten,
da euer Geist und Vorhaben böse ist?« Ferner sagte er: »Du hast
heute Nacht unkeusche Gedanken gehabt. Du aber hast in deinem
Herzen gesprochen: »Es ist kein Unterschied, ob jemand als ge-
recht oder als Sünder zu den Sakramenten hinzutretet Ein an-
derer aber hatte einen Zweifel im Herzen und sagte: »Wie kann
mich denn die Communion heiligen?« Alle diese hielt er von der
hl. Communion zurück und sagte ihnen: »Bleibet einige Zeit zurück
und thuet Busse, damit ihr, gereinigt durch Genugthuung und
Tbränen, der Communion Christi würdig gehalten werdet^).« Da in
dem Bericht die ganz besondere Sorgfalt des Eulogius in der Seelen-
leitung henrorgehoben wird, so handelte es sich wohl nicht um schwere
Vergehungen gegen den Glauben und die Keuschheit, sondern um
geringere Verfehlungen, voü denen auch Cassian (coli. XXH, 13: »ad
punctum in fidei theoria aliquid haesitare« und coli. XXI, 11 : »aut
enim per ignorantiam aut per oblivionem aut per cogitationem aut
per sermonem aut per obreptionem aut per necessitatem aut per fragi*
litatem carnis, singulis diebus vel in?iti vel volentes, frequenter incurri-
mus«) redet. Sozomenus (hist. eccl. VI, 28) endlich erzählt, dass die
beiden Priester Johannes und Piammoo, welche Leiter von Monasterien
bei Diolkos waren, mit sehr grosser Sorgfalt ihres priesterlichen Amtes
walteten, und fügt folgende Legende hinzu: »Es wird erzählt, dass
Piammon einmal, als er seinen heiligen Dienst versah, beim Altare einen
Engel sah, der die anwesenden Mönche in ein Buch aufschrieb, die
abwesenden dagegen daraus strich.« Die griechische Becension der
Historia monachorum stimmt hierin mit Sozomenus überein, nur fügt
sie noch hinzu, dass die Absenten nach dreizehn Tagen starben^).
Dagegen lautet in der Bufinschen Historia monachorum (c. 32) die
Legende anders. Als Piammon einmal, heisst es, dem Herrn das
Opfer darbrachte, erblickte er an der Seite des Altares einen Engel,
der die Namen der Mönche, die sich dem Altare näherten, in ein
Buch aufschrieb , während er die Namen einiger nicht aufschrieb.
Nach Beendigung der Mysterien rief er alle jene Mönche zu sich,
deren Namen von dem Engel nicht aufgezeichnet worden waren,
forschte nach, welcher Sünde sie sich im Geheimen schuldig ge-
macht hätten, und fand, dass sie alle eine Todsünde auf dem Herzen
hatten. Dann ermahnte er sie, Busse zu thun, warf sich mit ihnen
vor dem Herrn nieder und weinte mit ihnen Tag und Nacht, als
1) HuflUy hist. iQon. c. 14, griech. Becension, bei Preuschen S. 77 f.,
Sozomenus, hist. eccl. VI, 28.
2) Preuschen S. d4 f.
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330 Rückblick auf das egypt, Mönchtum des 4, Jahrh.
wenn er selbst schuldig wäre, und verblieb mit ihnen so lange in
der Uusse, bis er sah, dass derselbe Engel erschien, die Namen aller
aufschrieb und nachher auch jene mit Namen rief und zum Tische
des Herrn einlud. Als der Oreis dies bemerkte, erkannte er, dass
ihre Busse angenommen worden sei und so Hess er sie voller Freude
wieder zum Tische des Herrn zu. Die Divergenzen zwischen der
lateinischen Historia monachorum einerseits und der griechischen
Becension (und der syrischen Übersetzung und dem Berichte des Sozo-
menus) anderseits ist ein bisher ungelöstes Rätsel. Sieht man jedoch
davon ab, welcher Form der Piammon-Legende die Priorität zukomnoie,
und entkleidet man den Bufinschen Bericht des legendarischen Bei-
werks, so ergeben sich aus dem letzteren drei Phasen des Bussgerichts:
1) unumquemque eorum seorsum vocans percontatur, quid eis in oc-
culto peccati fuisset admissum, et invenit ex confessione unumquem-
que eorum mortalis peccati obnoxium, 2) hortatur eos agere poeni-
tentiam, et semetipsum cum eis ante Dominum prosternens, die ac
nocte tamquam ipse in eorum peccatis esset obnoxius, flebat, 3) eos
altari tota cum gratulatione restituit. Die Voraussetzung des Bufin-
schen Berichtes ist aber die, dass den betreffenden Mönchen, sei es
mit oder ohne ihre Schuld, die subjektive Erkenntnis der nicht näher
bezeichneten Todsünde abging. Ein Bericht üassians (coli. XVIII, 15)
zeigt aber, dass die sketischen Mönche auch für solche Sünden, die
zwar nicht zu den Kapitalsünden gehörten, aber doch ein öffentliches
Ärgernis erregten, unter der Aufsicht des an der Kirche fungieren-
den Mönchspriesters eine öffentliche Busse, bestehend in verstärktem
Fasten, Entziehung der am Samstag und Sonntag üblichen Kom-
munion, im Sichniederwerfen am Eingang der Kirche angesichts der
zum Gottesdienste erscheinenden Mitbrüder und in der demütigen
Bitte um Vergebung, leisteten. Wie schliesslich die in Gemein-
schaft lebenden Mönche die Übertretung der Klostersatzungen durch
eine Busse vor dem Konvent sühnten, ist schon früher (siehe oben
S. 219 ff.) besprochen worden. Vgl. auch Gassian, De coenobiorum
institutis II, 15—16, IV, 20.
§ 10. Das Mönchtum und die GlaubensstreitigJceiten. Die dog^
malischen Anschauungen der koptischen Mönche.
Die Entfaltung des egyptischen Mönchtums iUllt gerade in jene
Zeit, wo man mit Hilfe der Staatsgewalt dem Arianismus in der
Christenheit Geltung zu verschaffen suchte. Die Gesamtheit der
Mönche hielt jedoch zähe an den Beschlüssen des nicänischen Con-
cils fest, und hervorragende Vertreter derselben, wie Antonius und
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Rückblick auf das egypt, Mönchtum des 4, Jahrh, 331
Pambo, legten für diesen Glauben in Alexandria Zeugnis ab i). Diese
Thatsachen konnten naturlich den Arianern nicht unbekannt bleiben.
Während der Regierung des Kaisers Constantius wird eine zweimalige
Verfolgung berichtet. In der ersten, die mit der Einfuhrung des
Staatsbischofs Gregorius in Alexandria (i. J. 339) begann, wurden
allerdings nur die Asceten und gottgeweihten Jungtrauen dieser
Stadt misshandelt und getötet«). Dagegen erstreckte sich die
zweite Verfolgung (seit dem Jahre 356) auch auf die Mönche in der
Wüste. Da nämlich die kaiserlichen Befehlshaber Athanasius da-
selbst nicht auffinden konnten, so mussten die Mönche dafftr büssen').
Der Kaiser Valens, ein fanatischer Arianer, wurde in den ersten
Regierungsjahren durch Valentinian ü. (gest. 17. Nov. 375) einiger-
massen zurückgebalten, seine feindselige Gesinnung gegen die Katho-
liken zu offenbaren. Indes erliess er im Jahre 373 ein Gesetz, das
unter dem Scheine des Rechts die Mönche zu ihrem früheren welt-
lichen Berufsleben zwingen sollte*). Dieses Gesetz gelangte jedoch
erst drei Jahre später unter Anwendung von Gewalt zur Ausführung.
In demselben Jahre, in dem dieses mönchsfeindliche Gesetz erlassen
wurde, starb Athanasius. Petrus, der Genosse seiner Arbeiten, wurde
von den benachbarten Bischöfen auf Verlangen der Mönche, die
dieserhalb nach Alexandria gekommen waren ^), zu seinem Nach-
folger gewählt, jedoch bald von dem arianischen Bischof Lucius ver-
drängt«). Dieser Pseudobischof fand in Alexandria grossen Wider-
stand, wütete gegen Klerus und Volk und erhielt auf seinen Antrag hin
ein kaiserliches Dekret, demgemäss die Anhänger des nicänischen Con-
cils auf seinen Antrag hin aus Alexandria und ganz Egypten verbannt
werden sollten. Er sah jedoch ein, dass der Sieg des Arianismus
nur durch die Gewinnung der Mönche möglich sei. Denn das Volk,
das über die Dogmen weder disputieren wollte noch konnte, giaubtev
dass die Wahrheit bei den Mönchen sei, welche die Tugend auch
durch Thaten bekannten. Als alle Überredungskünste gegenüber den
Mönchen misslangen, unternahm Lucius mit dem dux Aegypti und
grossem Truppenaufgebot eine Expedition gegen sie in die nitrisch-
sketische Wüste. Trotz aller Grausamkeiten jedoch blieben die
1) Sozomenus III, 13; vgl. auch ob. S. 73.
2) Athanasii Apol. contra Arianos c. 30, Historia Arian. a 12, Epist.
encjclica c. 3.
8) S. ob. S. 66 u. 309.
4) Ueber dieses Gesetz vgl. den folg. §.
5) Theodoret, h. eccl. IV, 17.
6) Für das Folgende vgl. Sozom. VI. 20, Socrates IV, 24, Rufin. h.
eccl. II, 3 u. 4. — Tillemont, Mömoires pour servir ä Thist. eccl., Paris
1702, t. VIII p. 606 s.
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332 Rückblick auf das egypt, Mönchium des 4* Jahrh,
Mönche standhaft. Diese Oewaltthätigkeiten , denen gleichfalls das
«ben erwähnte mönchsfeindliche Gesetz als Basis diente, geschahen
im Jahre 876. Die vornehmsten Mönche jener Wüste, die beiden
Makarii, Isidorus, Heraclides und Parabo, worden nach einer egyp-
tischen Insel verbannt, doch erhielten sie später von Lucius, der
wegen dieser Gewaltthat einen Aufstand der Alexandriner be-
fürchtete, die Erlaubnis, in die Wüste zurückzukehren. Die ge-
nannten fünf Mönche waren indes nicht die einzigen, welche ver-
bannt wurden. Der Mönch Piammon aus Diolkus erzählt (Cassian,
«oll. 18, 7), dass unter Valens verschiedene Mitbrüder aus Egypten
und der Thebais nach den Bergwerken von Pontus und Armenien
verbannt wurden, und Palladius^) berichtet, dass damals, wie die
ganze Stadt Alexandria wisse, die sog. vier langen Brüder Ammonius,
Eathymius, Eusebius und Dioskorus in Nitria in Ketten gelegt und
nach Diocaesarea in Palaestina deportiert wurden.
Die tief im Süden der Thebais wohnenden Pachoroianer, deren
Anhänglichkeit an Athanasius und den nicänischen Glauben in den
Vitae Pachomii et Theodori wiederholt zum Ausdruck kommt, blieben
unter Kaiser Valens unbehelligt, wogegen im Jahre 356 das Haupt-
kloster Pheböou seitens des dux Artemius, der nach Athanasius
forschte, Plackereien ausgesetzt war. (s. ob. S. 309.)
So treu auch die Gesamtheit der Mönche zum nicänischen
Glauben hielt, so scheint es doch unter ihnen meletianisch gesinnte
Mönche, wenn auch in geringer Zahl, gegeben zu haben, und wie
Antonius, so warnte auch Pachomius die Mönche vor diesen Schisma-
tikern *).
Gegen Ende des vierten Jahrhunderts s) wurde in den Kreisen
der nitrisch-sketischen Mönche viel über die Frage gestritten, ob
Gott ein körperliches Wesen sei und menschliche Gestalt habe oder
unkörperlich sei und weder eine menschliche noch überhaupt eine
körperliche Gestalt besitze. Der anthropomorphitischen Anschauung
huldigten viele Mönche der sketischen Wüste, indem sie aus Einfalt
und Unverstand die Stellen der hl. Schrift, wo von den Augen,
Händen Gottes und dergleichen die Rede ist, in buchstäblichem
Sinne nahmen. Die Mehrzahl der Mönche, namentlich die Nitrier,
unter denen die sog. drei langen Brüder Ammonius, Ensebius und
1) Dialogas de vita s. Joannis Chrysostomi c. 17; v^l. auch llist-
Laus. c. 117.
2) Vita AntoDÜ c. 89, Pachomiusvita C 21; Tgl. auch oben S. 62 n. 299 f.
3) Socrates VI. 7, 9—15, 17; SoKom. VIII, 11—17; PaUädiua, dia-
logas de Tita s. Joannis Chrysostomi c. 6 ff. — Vgl. dazu Tillemontf M^-»
moires etc. t. XI p. 443 s.
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Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4. Jahrh, 333^
Bythymius ^) durch Gelehrsamkeit und Tugend hervorragten, betonte»
dagegen, dass diese Ausdrucksweise der hl. Schrift in metaphorischem
Sinne zu nehmen sei, und beriefen sich hierbei auf die Schriftaus-
legung des Origenes. Dadurch wurde die Gegenpartei gegen den
literarischen Nachlass des letzteren überhaupt eingenommen. Cassian,.
der sich gerade damals in der sketischen Wüste aufhielt, erzählt
(coli. X, 2 u. 3), dass der Osterbrief des alexandrinischen Erzbischofs
Theophilus vom Jahre 399, in welchem der Anthropomorphismu^
bekämpft wurde, eine grosse Erregung unter den dortigen Mönchea
hervorgerufen habe. Man hielt den Erzbischof für einen Häretiker,
da er leugne, dass Adam nach dem Bilde Gottes geschaffen sei. Der
greise Mönch Serapion glaubte nicht mehr zu Gott beten zu können,,
wenn ihm das anthropomorphitische Bild der Gottheit, das er^iclv
beim Beten gewöhnlich vorgestellt hatte, genommen sei. Nur in
einer der vier sketischen Kirchen wurde jener Osterbrief vorgelesen,
und Paphnutius, der Priester jener Kirche, bemühte sich, die Mönche^
aufzuklären und wurde hierin von dem gelehrten Diakon Photinus,.
der zufällig aus Kappadocien dahin gekommen war, unterstützt.
Socrates und Sozomenus berichten noch mehr. Die anthropomorphi*
tischen Mönche wären nun nach Alexandria gekommen, hätten das
Volk gegen den Bischof als einen Gottlosen aufgehetzt und ihn mit
dem Tode bedroht. Theophilus sei ihnen entgegengegangen und
habe sie mit den Worten: »Ich sehe in euch das Angesicht Gottest
zu beschwichtigen gesucht^ was die Mönche als in ihrem Sinne ge-
sprochen auffassten. Ihr Zorn hätte sich aber erst gelegt, als der
Bischof ihnen das Versprechen gab, die Schriften des Origenes, aus
denen ihre Gegenpartei die Widerlegungsgründe gegen ihre Meiuung^
entnommen hätte, zu anathematisieren. Ob die Unruhen in dem Masse^
stattgefunden haben, wie es nach dem Berichte der beiden Kirchen-
historiker scheinen möchte, muss dahingestellt bleiben, da weder
Cassian noch ein anderer Schriftsteller derselben Erwähnung thuen.
Theophilus war jedenfalls seinem Charakter nach nicht der Mann,
der sich so schnell hätte ins Bockshorn jagen lassen, und es wäre
ihm ein Leichtes gewesen, gegen die Tumultuanten den weltlichea
Arm in Anspruch zu nehmen, wie er es schon früher anlässlich
seines Vorgehens gegen die heidnischen Tempel und auch später^,
wovon noch die Rede sein wird, gethan hat. Socrates und Sozomenus
bemerken am Schluss der Darstellung jener Vorgänge, dass der ganze
Streit vielleicht bald von der Bildfläche geschwunden wäre, wenn
1) Der vierte Bruder Dioskoras war bereits Bischof der benachbartem
Stadt Klein-Hermopolis.
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334 Rückblieh auf das egypL Mönchtum des 4, Jakrh.
nicht Theophilus denselben mehr aas persönlichen und auf einem
anderen Gebiete liegenden Gründen als aas dogmatischem Interesse
von neaem angefacht hätte.
Die Beweggründe des Theophilus zu weiteren Feindseligkeiten
gegen die Nitrier und insbesondere gegen die sog. vier langen Brüder
waren aber folgende. Der alexandrinische Hospitalpriester Isidoras,
den Theophilus im Jahre 397 — allerdings vergeblich — zum Pa-
triarchen von Constantinopel zu machen sich bemüht und den er im
folgenden Jahre mit einem wichtigen Auftrage nach Rom geschickt
hatte, weigerte sich, dem Erzbischof zu Gunsten der Armen anver-
traute Gelder zu übergeben, da er und die Spenderin befürchteten,
dass dies Geld für unnötige Kirchenbauten verwendet werden würde.
Aus diesem und noch anderen Gründen von Theophilus vertrieben,
begab sich Isidorus nach Nitria, wo ihn die langen Brüder, die
Gegner der Anthropomorphiten und Verehrer der Schriften des
Origenes, freundlich aufnahmen und sich auch beim Erzbischof für
ihn verwendeten. Das war jedoch, wie Socrates erzählt, nicht der
einzige Grund, weshalb die Genannten beim Theophilus in Ungnade
gefallen waren. Um dieselbe Zeit war es nämlich zweien von diesen
vier Brüdern, Euthymius und Eusebius, die von Theophilus als
Ökonomen der alexandrinischen Kirche angestellt worden waren, in
der Nähe des Erzbischofs, der auf Geld grossen Wert legte, unheim-
lich gworden, und sie hatten sich daher in die nitrische Wüste zu-
rückgezogen. Theophilus, der anfangs glaubte, dass sie nur aus
Sehnsucht nach ihrer früheren Klostereinsamkeit die Stadt zu ver-
lassen wünschten, später aber den wahren Grund erfuhr, entliess sie
nicht ohne Drohungen. Dioskorus, der Bischof von Klein-Hermopolis,
war zwar bei den bisher erwähnten Händeln nicht direkt beteiligt,
teilte aber als leiblicher Bruder der in Ungnade Gefallenen und als
hochgeschätzter Bischof der nitrischen Mönche dasselbe Schicksal.
Theophilus, der bis dahin den Schriften des Origenes zugethan
war, eiferte nun in Wort und Schrift gegen die Verehrer der orige-
nistischen Schriften auf Nitria und vergrösserte dadurch den Riss
zwischen diesen und den anthropomorphitischen Mönchen der sketischen
Wüste. Ja, er schickte an die benachbarten Bischöfe Briefe, worin
er ohne Angabe eines Grundes befahl, die vornehmsten Mönche,
d. i. die langen Brüder, vom nitrischen Gebirge zu verjagen. In-
folgedessen erschienen einige Nitrier mit ihren Priestern in Alexandria
und fragten Theophilus, warum sie verjagt und verurteilt werden
sollten. Sie wurden hart behandelt, ja, Theophilus schlug sogar
einen von ihnen, den Ammonius, ins Gesicht, wobei er zu ihm sagte:
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Rückblick auf das egypL Mönchium des 4. Jahr tu 335
»Häretiker, anathematisiere den Origenes.t So kehrten sie denn in
ihre Einsamkeit zurück. Dies alles geschah in den Jahren 399 und 400.
Im folgenden Jahre berief Theophilus die Nacbbarbischöfe nach
Alexandria za einer Synode, auf der Ammonius nebst seinen Brüdern
Eusebius und Euthymius ohne Verhör als der Häresie verdächtig ex-
kommuniziert wurden, und begab sich mit bewaffneter Macht zur
Vertreibung der Mönche in die nitrische Wüste. Nachdem er unter-
wegs den Bischof Dioskorus von Klein-Hermopolis, den Bruder der
Verurteilten, abgesetzt hatte, drang er ins nitrische Gebirge vor, über-
liess die Monasterien seiner Horde zur Plünderung, und da er der
langen Brüder, die sich in einem Brunnen versteckt hatten ^ nicht
habhaft werden konnte, Hess er ihre Zellen nebst ihrer Bibliothek
verbrennen. Nach der Abreise des Theophilus begaben sich die
langen Brüder nach Palästina und mit ihnen dreihundert der besten
Mönche; die übrigen zerstreuten sich in andere Gegenden. Da die
langen Brüder auch in Palästina keine Buhe fanden, flohen sie mit
etwa fünfzig Genossen nach Constantinopel (401), wo Chrysostomus
sie freundlich aufnahm und bei Theophilus für sie Fürbitte einlegte,
ohne sie jedoch in die Eirchengemeinschaft aufzunehmen. Theo-
philus, der jede Versöhnung ablehnte, schickte Ankläger gegen die
Mönche an den kaiserlichen Hof, worauf diese beim Kaiser Arkadius
eine Klageschrift gegen Theophilus einreichten, was Chrysostomus
nicht verhindern konnte. Theophilus, der nun vom Kaiser zur Ver-
antwortung vor eine Synode geladen wurde, deren Vorsitz Chrysosto-
mus führen sollte, verzögerte sein Erscheinen zwei Jahre lang und
veranlasste den hochbetagten Bischof Epiphanius von Salamis, nach
Constantinopel zu reisen und den Feldzug gegen die Origenisten vor-
zubereiten. Hier erkannte Epiphanius, der sich anfänglich gegen
Chrysostomus sehr voreingenommen zeigte, auf Grund einer Unter-
redung mit den langen Brüdern, dass er als Werkzeug fremder
Leidenschaft missbraucht werde, verliess die Residenz und starb auf
der Heimreise (403). Bald darauf erschien Theophilus mit mehreren
ägyptischen Bischöfen in Constantinopel, verband sich mit den per-
sönlichen Feinden des Chrysostomus, zu denen auch die von letzterem
beleidigte Kaiserin Eudoxia gehörte, und erhielt vom Kaiser die Ge-
nehmigung zur Abhaltung einer Synode, auf der er nicht die Rolle
eines Augeklagten, sondern die eines Richters über Chrysostomus
übernehmen sollte. Auf der . zu diesem Zwecke bei Chalcedon (ad
qnercum) berufenen Synode wurde über den Origenismus nicht mehr
verhandelt. Ja, Theophilus söhnte sich sogar mit den nitrischen
Mönchen aus, nachdem dieselben ihn um Verzeihung gebeten hatten.
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336 Rückblick auf das egypt, Mönchtum des 4. Jahrh.
Sozomenus meint, dass dies wohl nicht geschehen wäre, wenn
Dioskoras und Ammonius noch am Leben gewesen wären. Dioskorua
war nämlich schon früher gestorben, und Ammonius, der in einem
Kloster zu Chalcedon schwer erkrankt war, starb noch während der
Synode und erhielt wenigstens nach seinem Tode Beweise der Hoch-
schätzung seitens des ihm bis dahin zürnenden Patriarchen vod
Alexandria.
Der gallische Mönch Postumianus, der gerade während jener
Wirren nach Alexandria kam, beurteilt den ganzen Streit folgender-
massen^): »Hier (in Alexandria) gab es abscheuliche Kämpfe zwi-
schen den Bischöfen und Mönchen. Als Anlass dazu oder vielmehr
als Ursache davon erschienen mehrere Synodalbeschlüsse der Bischöfe,
nach denen niemand die Werke des Origenes, der für den tüchtigsten
Schriftausleger gehalten wurde, lesen oder besitzen sollte. Die
Bischöfe bezeichneten einige Stellen in jenen Werken als ganz un-
geheuerlich. Seine Anhänger dagegen wagten zwar nicht, die
Richtigkeit der Anklage in Abrede zu stellen, aber behaupteten, jene
Stellen seien in betrügerischer Absicht von Häretikern eingeschoben
worden. Deshalb dürfe man wegen der mit Recht als anstössig be-
zeichneten Stellen doch nicht auch die anderen Schriften verwerfen.
Der Glaube der Leser könne ja leicht eine Sichtung vornehmen, um
das Oeßllschte zurückzuweisen und das Katholische in den Schriften
zu behalten. Es dürfe nicht auffallen, wenn in den neueren und
neuesten Schriften die Häresie ihr betrügerisches Spiel getrieben
hätte; habe sie ja an einigen Stellen sogar ohne Scheu die evan-
gelische Wahrheit bestritten. Demgegenüber hielten die Bischöfe
um so hartnäckiger an ihren Anschauungen fest und zwangen durch
ihre Autorität, dass man auch alles Rechte samt dem Schlechten
und dem Verfasser verdamme. Es sei an Werken, die die Kirche
gebilligt habe, kein Mangel ; die entschiedenste Verwerfung verdiene
eine Lektüre, welche mehr geeignet sei, einfllltigen Leuten zu schaden
als einsichtigen zu nützen . . . Aus der Hitze der Parteiung erhob
sich die Auflehnung. Als diese durch die bischöfliche Autorität
nicht gedämpft werden konnte, nahm man zu einem traurigen
Exempel zur Herstellung der Kirchenzucht den weltlichen Arm des
Präfekten in Anspruch. Dieser zerstreute mit seinen Gewaltmitteln
die Brüder und verjagte sie in verschiedene Gegenden, ohne dass
sie irgendwo Ruhe finden konnten In diesem Kampfgewirre
nun wogte alles hin und her, als ich nach Alexandria kam. Mich
1) Sulpicius Severus, dialog. I, 6 n. 7.
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Rüchblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh, 337
nahm der Bischof dieser Stadt sehr freundlich auf nnd besser, als
ich ahnte, ja er suchte mich bei sich festzuhalten. Ich hatte aber
keine Lust, an einem Orte zu bleiben, wo die Qewaltmassreglung
der Brüder neues Feuer der Erbitterung schürte. Kann man näm-
lich vielleicht auch sagen, es wäre ihre Pflicht gewesen, sich den
Bischöfen zu unterwerfen, so hätte doch deshalb nicht eine solche
Menge im Bekenntnisse Christi vereinigt lebender Brüder, am
wenigsten von Bischöfen, ins Unglück gebracht werden sollen. c
In den pachomianischen Klöstern konnten die origenistischen
Schriften schon deshalb keinen Eingang finden, weil die meisten
Mönche nur der koptischen Sprache mächtig waren. Pachomius, dem
diese Literatur gewiss nur vom Hörensagen bekannt war, war ein
abgesagter Oegner des Origenes, der, wie es in der griechischen und
arabischen Vita (C 21, A' 599 f.) heisst, schon zu Lebzeiten aus
der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen worden sei und in die Er-
klärung der hl. Schriften zur Verwirrung mancher Leser verderb-
liche Lehren eingeflochten habe*). Zwei origenistisch gesinnten
Mönchen, die sein Kloster besuchten, gab er wegen ihrer Lektüre
einen strengen Verweis und befahl ihnen die Schriften des Origenes
ins Wasser zu werfen (P 7, A' 611 f.). Daraus erklärt sich wohl
der Bericht der vita C 21, wo es heisst, Pachomius solle ein-
mal ein Werk des Origenes, das er bei einem seiner Mönche fand,
ins Wasser geworfen und dabei geäussert haben, er hätte es ins
Feuer geworfen, wenn nicht darin der Name Oottes vorkäme. Die
Antipathie der Pachomianer gegen die Schriften des Origines er-
hielt sich noch unter dem öeneralabte Theodor. Wenigstens em-
pfiehlt der Bischof Ammon in seinem Briefe an den alexandrinischen
Bischof Theophilus diese Mönche wegen ihrer Orthodoxie und be-
richtet (c. 18), wohl auch aus demselben Grunde, dass der genannte
Oeneralabt den Mönch Patchelphius , der die Auferstehung des
Fleisches, das an sich böse sei, geleugnet und sich in diesem Sinne
einem jungen Mitbruder gegenüber geäussert habe, durch die hl. Schrift
des Irrtums überführt hätte.
Was die sonstigen dogmatischen Anschauungen der koptischen
Mönche des vierten Jahrhunderts anlangt, so hat Am^lineau in seiner
Abhandlung »Le christianisme chez les anciens coptesc >) auf Qrund
der koptisch-arabischen Pachomius- und Theodorusviten verschiedene
1) Ob dieser Bericht, wie Orütxmacher S. 74 meint, in der vita M
absichtlich fortgelassen sei, l&sst sich nicht entscheiden, da diese Vita lücken-
haft überliefert ist.
3) Bevae de rhistoire des religions, T. 14 n. 15.
Sthiwiets, Mönohtum. 22
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338 Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh.
Behauptungen aufgestellt, die der Berichtigung bedürfen. Er meint
zwar, die Kopten hätten keine Schwierigkeit bei der Annahme des
christlichen Trinitätsglaubens gehabt, da in den heidnischen Tempeln
eine Dreizahl von Gottheiten verehrt worden sei. Aber einige Zeilen
weiter erkl&rt er, die Kopten hätten die Person Gottes des Vaters
ganz vernachlässigt, man begegne fast nie in den Viten dieser Mönche
einem Gebete zu derselben, man hätte immer zu Gott dem Sohne
gebetet, und des hl. Geistes geschähe nur Erwähnung in der Formel
des Kreuzzeichens und der Taufe. Grützmacher (S. 79) dagegen hat
aus denselben Quellen folgendes Resultat gezogen: »Christus ist ein
Objekt der Dogmatik geworden ^ seine geschichtliche Persönlichkeit,
sein Leben und seine Lehre ist in der christlichen Frömmigkeit der
damaligen Zeit von keiner oder untergeordneter Bedeutung. Auch
in seinen Gebeten ist es Gott, selten Christus, an den sich Pachomius
wendet.« Wer von beiden hat nun Recht? Christus, seine Lehre
und seine Gebote erscheinen in den Viten als Vorbild, Richtschnur
und Triebfeder des Denkens, Fühlens und Handelns der Mönche;
der Glaube an Christus, die Hoffnung auf ihn, die Arbeit für ihn,
kurz die Übung der guten Werke in seinem Namen und aus Liebe
zu ihm ist der Inbegriff ihres aacetischen Lebens^). Was die in den
Viten erwähnten, kürzeren oder längeren Gebete anlangt, so gibt es
sowohl solche, die an Gott ohne Nennung einer der drei göttlichen
Personen, als auch solche, die nur an Christus gerichtet sind. Ausser-
dem finden sich Gebete zu Gott dem Vater mit Erwähnung des
Gottessohnes Jesus Christus (M 262 f., A' 287 f., 700) und mit Er-
wähnung des Sohnes Gottes und des hl. Geistes (M 207 f., A' 488),
desgleichen Anrufungen Christi mit Erwähnung Gottes des Vaters
(A' 592) und mit Erwähnung des Vaters und des hl Geistes (M 212).
Dem hl. Geist aber wird, abgesehen von seiner Nennung in einigen
der eben angegebenen Gebete» insbesondere die Gnadenspendung und
Inspiration der hl. Schriften zugeschrieben ^). So sehr die koptischen
Mönche am nicänischen Glauben festhielten, so lagen ihnen doch
spekulative Betrachtungen über das Trinitäts-Dogma fern. Aus
gleichem Grunde darf man auch nicht in den Mönchsviten präcise
Erörterungen über die christliche Anthropologie suchen. Einige Ge-
danken hierüber enthält die vita P 37 — 41. Die Sünde, heisst es
1) Vgl. Vita M 2, 6, 13, 16, 22, 24, 28, 30, 42 f., 46, 62, 57, 59, 76, 78,
107, 116, 124, 143, 170, 184, 191 f., 194, 204, 211, 218 f., 220, 240, 242, 249,
257, 261, 262 f., 265, 269, desgl. A' an verschiedenen Stellen.
aVgl. A' 396, 403, 412, 425, 454, 462, 487, 529, 530, 532, 588 f., 600,
f., 673, 685, 689, 695, M 106, 149, 175.
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Rückblich auf das egypU MöncMum des 4. Jahrk. 339
darin, hat im Paradiese durch das Yerführangswerk des bösen
Feindes ihren Anfang genommen. Dadurch war das übernatürliche
Leben geschwunden und der Tod der Seele eingetreten (fii) icapoooTjc
7Äp T^c C«>^<: »avatoc laxtv). Folge der Sünde waren Abwendung
von Gott und mannigfache Äusserungen der Ooncupiscenz. Die Mög-
lichkeit der Erlösung beruht nun einerseits auf der Barmherzigkeit
Gottes, der die nach seinem Ebenbilde in Heiligkeit und Gerechtig-
keit geschaflfenen Menschen liebt (^tXsT yap tö icXaofia t6 fdiov xal
sixdva aÖTOü iv dYtooüVTj xal aXrjfteta), andererseits auf der That-
sache, dass dem Menschen die Freiheit nicht bloss zum Bösen, son-
dern auch zum Guten geblieben ist. Die Menschwerdung des Qottes-
:sohnes erfolgte aber, damit Juden und Heiden durch ihn das ewige
Leben erlangen. Präcisere Äusserungen über die Erbsünde finden
sich auch in den koptisch-arabischen Pachomiusviten nicht. Das er-
klärt sich aus den Zeitverhäitnissen. Wie Athanasius bei seinen
Erörterungen über den Ursprung des Bösen sich hauptsächlich gegen
den gDOstisch-manichäischen Dualismus wendet, so wird in den ge-
nannten Viten (M 197 f., A"" 512 f.) vor allem betont, dass Gott
durchaus nicht als mitschuldig der Sünde des Menschen bezeichnet
werden könne, da der letztere von Natur aus keine Anlage zum
Sündigen erhalten habe. Unter Hinweis auf Eccl. VH, 30 wird er-
klärt, dass der Mensch von Gott recht geschaffen worden sei, aber
im Gegensatz zu diesem ursprünglichen Zustand durch seinen eigenen
Willen sein Herz zu den bösen Gedanken geneigt habe. Ja, heisst
«s weiter, selbst wenn ein Mensch von seinen eigenen Eltern eine
böse Natur geerbt haben sollte, so könne er doch dieselbe wegen
meiner Willensfreiheit ändern. Die Betonung der Willensfreiheit
läuft aber nicht auf einen nackten Naturalismus oder Rationalismus
hinaus. Grützmacher (S. 81) meint zwar, dass man bei Pachomius
»eine sehr geringe Schätzung der heilspendenden göttlichen Gnade«
fände; dieselbe werde sehr selten und nur beiläufig erwähnt. Er
verweist nur auf einen Ausspruch des Pachomius (A*^ 504). Indes
der Inhalt der Gebete des Pachomius für die verschiedenen Stände der
Menschen (M 174 f., A' 488 f.)^ sowie die schon oben citierten Ge-
bete bringen die Notwendigkeit der Gnade Christi deutlich und
häufig genug zum Ausdruck.
Die Angelo- und Dämonologie der koptischen Mönche leitet
Am^Iineau hauptsächlich aus der alten egyptischen Religion her
und sieht dabei vollständig von den nächstliegenden Quellen ab.
Es liegt doch jedenfalls viel näher, an die hl. Schrift, in der die
Mönche sehr bewandert waren, sowie an die. christliche Apokrjphen-
22*
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340 Rückblick auf das egypt, Mönchtum des 4. Jahrh,
literatur, die in jenea Kreisen ebenfalls bekannt war, als Quelle für
die Entwicklung dieser religiösen Ideen zu denken. Grützmacher
(S. 92) weist auch unter Berufung auf Professor Erman in Berlia
darauf hin, dass wir von der Religion ^ die im römischen Egypten
herrschte, sehr wenig wissen, und dass die religiösen Anschauungen
jener Zeit sich von denen der Pharaonenzeit bedeutend unterscheiden
konnten. Was insbesondere die Dämonologie in den koptischen Mönchs-
viten anlangt, so muss dieselbe aus dem Qeiste jener Zeit betrachtet
werden. Am^lineau behandelt in der Einleitung zu den von ihm
herausgegebenen Pachomiusviten die sichtbaren Erscheinungen und
mannigfaltigen Vermummungen des bösen Feindes mehr in jokoser
Weise. Ob er aber damit den Kern der Sache und die Auffassung^
jener Schrifteteller über diese Dinge getroffen hat, ist eine andere-
Frage. Er übersieht, dass diese Art von Literatur zu Erbauungs-
zwecken diente und die Lehren der christlichen Ascetik in einer an-
schaulichen Form zum Ausdruck brachte. Die christliche Lehre von
der Herrschaft des Satans über die Welt seit dem Sündenfall und
von der Notwendigkeit des Kampfes gegen die teuflischen Einflüsse^
mit den Waffen des christlichen Glaubens erscheint verkörpert in
jenen zahlreichen Apophthegmen , in denen die Dämonen bald in
lichter, bald in hässlicher Gestalt als Versucher oder Verführer der
Mönche auftreten. Der griechisch gebildete Eelliote Evagrius Ponti-
kus schrieb zwar auch eine christliche Ascetik, aber dieselbe war,,
soweit wir aus den vorhandenen Fragmenten schliessen können, syste*
matisch und mehr spekulativ gehalten und fand darum weniger An-
klang. Dagegen entsprachen die Mönchsviten und Apophthegmen,.
in denen die christliche Moral Fleisch und Blut angenommen hat,
dem Geschmacke jener Zeit und erfreuten sich auch bald grosser
Beliebtheit im Abendlande.
Eine ähnliche Bewandtnis, wie mit der Dämonologie, hat e»
auch mit den eschatologischen Schilderungen in den koptisch-arabischen
Viten. Die griechische Vita C 59 erwähnt wohl, das Pachomius und
Theodorus manchmal auf intuitivem Wege das Hinscheiden einer
Seele und den Zustand der Seligen, sowie der Verdammten in denv
Jenseits schauten; aber sie bemerkt^ dass die beiden trotz des^
Drängens der Mönche darüber gar nicht oder nur wenig sprachen.
Die Verfasser der koptisch-arabischen Viten dagegen Hessen sich
diese Gelegenheit nicht entgehen und gaben zum Teil recht drastische
Schilderungen über die Schicksale der Abgeschiedenen im Jenseits ^)»
1) Vgl. M 119 f., 127 f., 135 f., A' 541 f., 547 f., 460 f.
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Rückblich auf das egypL Mönchtum des 4. Jahrh. 341
Ladeaze (S. 86 Anm. 1) zeigt an verschiedenen Beispielen, dass die
Bildersprache des neuen Testamentes für die Schilderangen der jen-
seitigen Welt recht wohl den Stoff bieten konnte. Aber damit soll
nicht gesagt sein, dass die eschatologischen Anschauungen der
koptisch-arabischen Pachomiusviten direkt aus der hl. Schrift ge-
flossen seien. Wenn auch dieselben im wesentlichen auf dem neuen
Testament beruhen, so enthalten sie doch auch verschiedenes Bei-
werk, das jedenfalls dem Volksglauben jener Zeit seinen Ursprung
verdankt. Am^lineau bezeichnet die altegyptische Religion als Quelle
für diese exotischen Bestandteile. Indes hebt er mehr die Ähnlich-
keiten zwischen den altegypti sehen und christlichen Anschauungen
hervor und sieht seltsamer Weise sogar in der Beibehaltung des
altegyptischen Wortes Amenti als Bezeichnung des jenseitigen
Strafortes einen evidenten Beweis dafür, dass der unterschied zwi-
schen heidnischer und christlicher Auffassung nicht sehr gross ge-
wesen sein könne. Differenzen sind aber doch vorhanden. Während
in der altegyptischen Religion von der Einbalsamierung und Conser-
vierung der Leichen die zu erwartende Vereinigung der Seele mit
dem Leibe abhängig gemacht wurde, findet sich von dieser Anschau-
ung in den koptisch -arabischen Viten keine Spur. Die Leichen der
Mönche werden nur in Leinentücher gehüllt und noch am Todestage
begraben. Der Totenkultus, wie er in der altegyptischen Religion
zu Tage tritt, wird von den koptischen Mönchen perhorresciert.
Auch die himmlische Seligkeit erscheint bei den koptischen Mönchen
nicht als grobsinnlich. Während nach der Auffassung der alten
Egypter die Seligen die Beschäftigung des irdischen Lebens fort-
setzen, wird in den koptischen Quellen die Anschauung und Lob-
preisung Gottes als Ziel der ewigen Seligkeit bezeichnet. Viel eher
als aus den altegyptischen eschatologischen Anschauungen, von denen
wir nicht einmal gewiss wissen, ob sie im christlichen Zeitalter noch
bestanden haben, haben wohl die koptischen Mönche in den Ex-
kursen über die jenseitige Welt aus den apokalyptischen Apokryphen
geschöpft, die zum Teil in Egypten entstanden oder doch in kop-
tischen Übersetzungen vorhanden waren. Berührungspunkte mit
den eschatologischen Anschauungen der koptisch-arabischen Pacho-
miusviten finden sich auch thatsächlich in der Visio Pauli, in der
Historia Josephi fabri lignarii und in der Elias- und Sophonias-
Apokalypse. Zum Beweise dafür, dass die koptischen Mönche die
eschatologischen Visionen nicht rein sinnlich auffassten, weist Ladeuze
(S. 86) auf die vita T 602 hin.' Ein gleiches Resultat ergibt sich
aus M 181. Der hier mitgeteilten Vision wird sogleich (M 184)
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342 Rückblick auf das egypL Mönchtum des 4. Jahrh.
eine geistige Erklärung gegeben, and in der arabischen Vita (A' 543)
wird ausdrücklich gesagt, dass die folgende Vision über den Him-
mel zur Veranscbanlichung eines Evangelientextes (Luc. 19, 17 f.)
dienen soll.
Bezüglich der hl. Sakramente erklären Am^lineau und Grütz-
macher (S. 82), dass Pachomius nur drei Sakramente, Taufe, Abend-
mahl und Priesterweihe kenne. Man kann wohl nicht von koptischen
Schriftstellern jener Zeit eine scholastische Formulierung der Sieben-
zahl der Sakramente verlangen. Bemerkt muss aber werden, dass
die genannten drei hl. Handlungen weder durch eine dem Worte
Sakrament analoge Bezeichnung noch als eine Dreizahl filiert wer-
den. Es wird beiläufig die Taufe, die hl. Geheimnisse, d. i. der
Leib und das Blut unseres Herrn Jesus Christus (M 279, 8, A' 395)»
und die Ordination zum Priester, bez. Bischof (M 34, 40, A' 384)
erwähnt. In der Vita M 175, wo auf die Besiegelung durch den
hl. Geist hingewiesen wird, ist wohl die Firmung angedeutet. Von
der Bussdisciplin der koptischen Mönche ist schon im vorigen § die
Bede gewesen. Was die in der koptisch-arabischen Vita (M 121^
A' 461) erwähnte Legende anlangt, wonach im Kloster Temouschons
einem sterbenden Katechumenen ein Engel in Ermangelung eines
Priesters die Taufe spendete , so ist dies wohl als eine symbolische
Einkleidung der Lehre von der Begierdetaufe zu erklären. Um den
Mönchen eine recht grosse Ehrfurcht vor den hl. Geheimnissen des
Leibes und Blutes Christi einzuflössen, erzählte man sich in den
ägyptischen Klöstern allerlei Legenden ^). Das Gemeinsame derselben
ist, dass ein Engel den Priester bei der Ausspendung der Kommunion
unterstutzte, falls der Empfänger würdig war. Eine solche Legende
findet sich auch in der koptisch-arabischen Vita des Pachomius.
»Der Herr«, heisst es (A' 468), »öffnete auch öfters ihre (des
Pachomius und Theodorus) Augen. Sie sahen den Engel des Herrn
in der Höhe, im Heiligtum, an dem hl. Tische, wie er die hl. Ge-
heimnisse denen, die es verdienten, durch die Hand des ausspenden-
den Priesters oder Bischofs austeilte. Wenn jemand unwürdig war
und sich näherte, um sie zu empfangen, schloss der Engel die Hand,
und der Priester gab sie ihm (allein)«. Vgl. auch M 130. Es ent-
spricht wohl nicht genau dem Wortlaute, wenn Grützmacher (S. 83)
in Bezug auf diese Legende erklärt, dass die Unreinen nur aus der
Hand des Priesters die irdischen (!) Elemente empfingen.
Schliesslich wird noch an mehreren Stellen (M 285, 290, A'
1) Vgl Rufln. bist. mon. c. 29 u. 82.
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Rückblick aiif das egypt. Mönchtum des 4, Jahrh. 343
359, 649) bezeugt, dass in den pachomianischen Klöstern för die
verstorbenen Mitbrüder das eacbaris tische Opfer dargebracht wurde ^).
§ 11, Das Verhältnis des MöncMums zum Staat
Da die Asceten, Anachoreten und Cönobiten meist dem Laien-
element angehörten, so genossen sie nicht die seit Constantin dem
Grossen dem Klerus erteilten Privilegien. Es ist auch im Laufe
des vierten Jahrhunderts kein einziges weltliches Gesetz erlassen
wordeii, auf Grund dessen das Mönchtum im Staate irgend eine
Sonderstellung eingenommen hätte. Andererseits stand der Bildung
der Cönobien die damalige weltliche Gesetzgebung nicht im Wege.
Die noch aus heidnischer Zeit bestehenden Bestimmungen, denenge-
mäss sich Corporationen zu religiösen und socialen Zwecken bilden
durften, falls sie nicht unter die coUegia illicita gerechnet wurden,
kamen auch den analogen christlichen Klostergründungen zugute^).
Im Verlaufe des vierten Jahrhunderts erscheinen in Bgypten
nur die iugera terrena (d. i. der unbewegliche Besitz), nicht aber
die capita (Menschen und Vieh) als Steuerobjekte des Staates >). Dem-
nach waren die Asceten, die in ihrer Heimat lebten und den er-
erbten Grundbesitz beibehielten (s. ob. S. 231, 227), steuerpflichtig.
Dagegen verzichteten diejenigen, die sich in die Wüste zurückzogen
oder in ein Monasterium eintraten , auf ihren Privatbesitz und wur-
den steuerfrei. Allerdings ging die Verzichtleistung auf den Grund-
besitz wegen der mit demselben verbundenen Lasten und bürger-
lichen Pflichten nicht so leicht von statten. Bemerkenswert ist,
was uns in dieser Hinsicht die vita Antonii c. 2 berichtet. Als
nämlich Antonius sich zur ascetischen Lebensweise entschloss, ver-
kaufte er zwar die bewegliche Habe und verteilte den nicht unbe-
deutenden Erlös mit Zurückbehaltung einer kleinen Summe für seine
Schwester unter die Annen, dagegen überliess er seinen Grundbe-
sitz, der aus dreihundert Morgen fruchtbaren Ackerlandes bestand,
den Bewohnern seiner Heimat, damit dieselben weder ihm noch
seiner Schwester irgendwie Schwierigkeiten in den Weg legten.
Seinen Grundbesitz konnte er jedenfalls nicht versilbern, da seine
1) Amdlineau übersetzt die Stelle A' 649: »rafa'a 'alaihi el-karbäna«
mit »il8 firent poar lai i'offrande«. Dagegen gibt er die Stelle Ar 859:
»wahakadza sana n 'alaihi U-kadasac wieder darch »ils c^lebrirent alors la messe
an sa pr^sence and bemerkt hierza: 'alaihi = sar lai, mais on ne peat entendre
poar lai, selon le sens chr^tien ordinaire. Indes die rein lokale Bedeatan^ der
PräDosition 'al& ist hier ebensowenig am Platze wie in A' 487 (Zeile 8) and 489
(Zeile 2), wo »salä aläc gleich »beten far jem.« ist.
2) Löning, Gesch. des deatschen Kirchenrechts, 1878 I S. 202 f.
8) Pauly-Wiasoway Bealencyclopaedie (1899), Bd. III S. 1519.
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344 Rückblick auf das egypt, Mönchtum des 4. Jahrk*
Mitbürger, um ihre Gemeinde steaerkräftig za erhalten , solches
nicht zugelassen hätten. Ähnliches wird in der Pachomiusvita (M 76«
A' 375, C 50) berichtet. Petronius, ein reicher Gutsbesitzersohn,
errichtete aaf dem Landgate seines Vaters ein Kloster und richtete
es nach pachomianischem Master ein. Als später sein Vater mit
einem zweiten Sohne ins Kloster trat, schenkte er der pachomiani-
schen Kommunität einen bedeutenden Viehbestand and einige Barken.
Von einer Überlassang des Grundbesitzes aber ist keine Bede; der-
selbe blieb jedenfalls im Besitze der in der Welt gebliebenen
Familienmitglieder. Die vielen reichen Besitzer, die aaf das Bei-
spiel des Antonias hin die Last ihres bisherigen Welilebens von
sich warfen und Mönche wurden, haben wohl auch nicht anders als
Antonias selbst verfahren können (vita Ant. c. 87). Die Regula
Pachomii (art. 49) schreibt ausdrücklich vor die Kandidaten zu er-
forschen, ob sie in der Lage seien, den Verzicht auf ihren Besitz zu
leisten. Schwierigkeiten mochten allerdings entstehen, wenn jemand
zu Lebzeiten seiner Eltern in die Wüste ging und später nach dem
Tode derselben als alleiniger Bechtsnachfolger das £rbe und das
oft damit verbundene Gemeindeamt antreten sollte. Einer solchen
Flucht in die Wüste sollte ein vom arianischen Kaiser Valens in
dem Jahre 373 erlassenes Gesetz steuern ^). Dasselbe stammte
zwar im Wesentlichen aus einer früheren Zeit, erhielt aber eine
neue Fassung mit einer Spitze gegen das egyptische Mönchtum. Es
lautete : »Quidam ignaviae sectatores, desertis civitatum muneribus,
captant solitudines ac secreta, et specie religionis cum coetibus mo-
nazontum congregantur. Hos igitur atque huinsmodi intra Aegyp-
tum deprehensos per Comitem orientis erui e latebris consulta prae-
ceptione m^ndavimus atque ad munia patriarum subeunda revocaric
(c. 63 Cod. Theod. XII, 1). Die gehässige Form dieses Gesetzes
lässt darauf schliessen, dass das Motiv zu demselben nicht so sehr
auf wirtschaftlichem, als vielmehr auf einem anderen Gebiete lag.
Thatsächlich fällt auch die Exekutierung dieses Gesetzes mit der
Verfolgung der egyptischen Mönche wegen ihres Festhaltens am
nicänischen Glauben zusammen, woran auch der damalige arianiscbe
Staatsbischof Lucius aus Alexandria regen Anteil nahm. Von einem
Gesetz des Kaisers Valens gegen die Mönche gleich nach dem Tode
Valentinians n. (gest. 17. November 375) und von einer sich daran
schliessenden Verfolgung der egyptischen Mönche spricht auch Orosios
(Hist. VII, 33), und Hieronymus (chron. ad ann. XII Valentis, 376)
1) Vgl. Tillemont, M^moires poar serrir a Thistoire eecl. etc. T. VIII
p. 358, Gothofreduß, Codex Theodos. IV, 488 iL
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Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4. Jahrh. 345
schreibt »Malti monachoram Nitriae per tribunos et milites caesi.
Valens, lege data ut monachi militarent, nolentes fustibus interfici
iussit«. Indem man das hieronymianische »militaret als Kriegsdienst
deutete, nahm man an, dass hi0r von einem neuen Gesetze gegen
die Mönche die Bede sei^). Da aber ein solches Gesetz aus dem
Jahre 375 (376) anderweitig nicht bekannt ist, so haben andere ge-
glaubt, dass dasselbe von Orosins und Hieronymus aus Feindselig-
keit gegen den arianiBchen Kaiser Valens erdichtet worden sei. In-
des Hieronymus sagt nicht ausdrücklich, dass das von ihm genannte
Oesetz im Jahre 376 erlassen, sondern nur, dass 6s in diesem Jahre
exekutiert wurde. Da ferner der Ausdruck »militaret in jenem
Zeitalter jedes Gemeinde- oder Staatsamt bedeutete'), so spricht
eben Hieronymus an dieser Stelle nur von der Ausführung des
obigen Gesetzes vom Jahre 373^). Gelegentlich der Besprechung
des Gesetzes des Kaisers Valens pflegt man gewöhnlieh daranf hin-
zuweisen, dass in jener Zeit die wenigen noch wohlhabenden Bürger
der Städte sich in einer gedrückten Lage befanden, indem sie durch
die Gesetzgebung des Kaiserreiches gezwungen waren, als Kurialen
und Dekurionen die Gemeindeverwaltungen zu versehen, und dabei
für alle Vorkommnisse gegen den kaiserlichen Fiskus haftbar blieben.
In diesem Zeitalter der Bedrückung hätte diese Art der Knechtung
als die allerhärteste gegolten, und viele hätten deshalb diese Fesseln
dadurch zu zerbrechen gesucht, dass sie sich aus dieser gezwungenen
Knechtschaft in die freiwillige Dienstbarkeit des Klosterstandes be-
geben hätten^). Indes, so richtig auch die Schilderung der Lage
der Kurialen in jener Zeit sein mag, so darf man doch nicht ver-
gessen, dass diese rein weltlichen Rücksichten allein einen wohl-
habenden Bürger kaum veranlasst hätten, seine Freiheit in der Welt
dahinzugehen und dafür das durchaas nicht bequeme Mönchsleben
in der Wüste oder in einem abgelegenen Kloster mit seinen Ent-
behrungen und mühsamer Arbeit, wie es damals in Bgypten üblich
war, zu wählen.
Ein weltliches Gesetz, das den Eintritt der Sklaven in den
Mönchsstand verboten hätte, gab es im Orient im Verlauf des vierten
Jahrhunderts noch nicht. Die Pachomianer nahmen aber niemanden
auf, der in irgend einem Hörigkeits Verhältnisse stand ^). In der
1) Tillemont a. a. 0. p. 358.
2) S. ob. S. 219 Anm. 2.
3) Vgl. ßroglie, L*%lise et F Empire romain aa IV« siecle, Paris 1868,
t. V p. 303, Löning a. a. 0. S. 353.
4) Montalembert , Die Mönche des Abendlandes, übers, von Brandes,
1880, I. Bd. S. 114.
5) Regula Pachomii art. 49.
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346 Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4, Jahrh,
sketischen Waste lebte als Einsiedler ein ehemaliger Sklave. Alle
Jahre reiste er nach Alexandria, um seiner Herrschaft den Zins
seiner Dienstbarkeit zu entrichten. Als die reichen Leute das Geld
nicht annehmen wollten, erklärte er ihnen: »Ich bin euer Knecht;
denn der allmächtige Gott hat ench mir als Herren gegeben, and
ich danke euch, dass ihr mir gnädigst gestattet habt, dem Herrn
des Himmels and der Erde zu dienen. Wenn ihr aber den Zins
nicht annehmen wollt, so bin ich entschlossen, nicht mehr in die
Wüste znrückzukehren , sondern ich bleibe hier, am euch weiter zu
dienen *).€
Ackerbau im grösseren Massstabe trieben die Mönche nicht.
Antonius fand in der Nähe seiner Klause nur ein kleines Stück
Land, das bewässert und mit Korn und Gemüse besäet werden
konnte (vit. Ant. c. 5G). Die Oasen der libyschen Wüste, wo sieh
die nitrischen und sketischen Mönche ansiedelten, waren wenig
fruchtbar. Mit Hilfe der Brunnen, die die Mönche anlegten, konnten
sie wenigstens kleine Gärten bewässern. Das zum Brot notwendige
Getreide erhielten sie als Lohn für die Aushilfe bei den Erntearbeiten
in den Nilniederungen. Auch die in dem fruchtbaren Nomos Arsi-
noites wohnenden Mönche hatten kein Ackerland, sondern waren nar
als Erntearbeiter thätig. Die Mönchsansiedlungen zu beiden Seiten
des Nilflusses lagen meist schon in Öden Gegenden, die jedenfalls
von der Überschwemmung nicht mehr erreicht wurden. Das erste
pachomianische Kloster wurde in einer verlassenen Gegend angelegt.
Der zum Bereiche des Klosters gehörige Garten wurde durch einen
Brunnen gespeist und von einem einzigen Mönche gepflegt. Korn
müssten die Pachomianer zu Lebzeiten ihres Ordensstifters in den
umliegenden Ortschaften kaufen (P. 21, A' 620). Der Erlös der
Handarbeiten reichte zum Unterhalt der Kommunität nicht aus.
Darum klagte einmal Pachoraius, dass er die geistliche Leitung der
Bruder nicht in dem Umfange, wie er es wünschte, wahrnehmen
könne, weil er auswärts Feldarbeit verrichten müsse (G 68). Nach
dem Tode desselben fingen die Mönche, da ihre Zahl sehr zunahm,
wegen der Schwierigkeiten, die die Ernährung einer so grossen
Menschenmenge mit sich brachte, sich über viele Felder und Wälder
zu zerstreuen, wodurch die Klosterdisziplin Schaden litt. So lautet
der Bericht der vita C*). Diese Ausdrucksweise legt nahe, dass es
1) Roftweydj vit. Patr. lib. III n. 17.
2) C 81 : »Tüjv aSeX^tov «Xrj^uv^^vxwv a^öSpa xa\ Ivexev -rijs xpo^rj« xoö äXt[^ü;
i^p5avT0 TcXaxvivEadai Iv a^pol? xol SXai; tcoXXoi? 3ta\ Ix&^ttt) (jiovJ) ifpfato ^Xi^ov apig-
X^v, xa^'Sxi l:cXT}&üv9>T}aav at oXXai ^povriSes«.
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Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4, Jahrh, 347
sich hier nicht um eigenen Grandbesitz, sondern nm Lohnarbeit
handelte, wie ja auch nach Rufin (s. ob. S. 295) die egyptischen
Mönche im allgemeinen zur Erntezeit als Schnitter sich verdangen.
Indes sagt der Paralleltext der allerdings viel jüngeren arabischen
Vita (A' 666), dass die Pachomianer, als die Congregation neun
Klöster zählte, sich Ackerland erwarben, um Getreide anzubauen.
Ist diese Version richtig, dann mögen die Pachomianer auch zur
Grundsteuer herangezogen worden sein, wie dies im selben Jahr-
hundert auch anderswo geschah ^). Ganz steuerfrei blieben die egyp-
tischen Mönche nicht, auch wenn sie keinen Grund und Boden be-
sassen. Da sie sich nämlich hauptsächlich mit Anfertigung von
Körben, Matten, Sandalen und drgL beschäftigten, so mussten sie
wohl, wie die Weltleute, beim Verkauf der Handarbeiten die übliche
Marktsteuer entrichten.
Wie die Mönche im vierten Jahrhundert dem allgemeinen
Rechte unterstanden, so blieben auch ihre Familienrechte unange-
tastet. Dies beweist folgende Begebenheit. Der Abt Daniel erzählte
von dem Mönche Arsenius, es sei einst ein Beamter zu ihm gekom-
men, der ihm das Testament eines Senators brachte, der sein Vetter
gewesen war und ihm eine bedeutende Erbschaft vermacht hatte.
Arsenius nahm das Testament in die Hände und wollte es zerreissen.
Der Beamte warf sich ihm zu Füssen und sprach: »Ich bitte dich,
zerreisse es nicht, sonst werde ich den Kopf verlieren.c Arsenius
aber erwiderte: »Ich bin früher gestorben als jener. Wie kann
also er, der eben starb, mich als Erben einsetzen ?€ Er gab das
Testament zurück, ohne etwas anzunehmen').
1) Basilii reg. brev. 94 (S. Basilii opera ed. Bened. t. IL pars II. p. 632 s.).
2) Roaweyd, vit. Patr. üb. V. libell. VI. n. 2.
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Nachträge.
Zu S. 30—39:
Za meinem Artikel ȟber die Ehelosigkeit im Dienste des
Reiches Gottesc, der im Jahre 1898 im Archiv für kath. Kirchen-
recht (S. 306—324) erschienen ist und in dem vorliegenden Werke
(S. 25—41) sich wörtlich wiederfindet, hat sich Funk in der Theol.
Quartalschrift (1900) S. 157 ff. geäussert und mich zum neuesten
Vertreter der Bickellschen Antithese über den Cölibat gestempelt.
Mir lag es aber, wie schon die Überschrift des betreffenden Artikels
zeigt, nur daran, festzustellen, »in wieweit im Verlauf der drei ersten
Jahrhunderte der Stand der Gölibatäre männlichen Geschlechts im
Dienste des Reiches Gottes und Evangeliums verwendet wurdet (s.
Archiv S. 313, im vorliegenden Werke S. 30). Demgemäss habe
ich am Schluss dieser Erörterung weder mit Bickell behauptet^ dass
der Cölibat eine apostolische Anordnung im strengen Sinne des Wortes
sei, noch mit Funk, dass dies nicht der Fall sei, sondern mein Facit
lautet: »Das Ergebnis dieser Erörterungen über den klerikalen
Stand in den drei ersten Jahrhunderten können wir also dahin zu-
sammenfassen, dass schon in dieser Zeit der Stand der Gölibatäre
gemäss der von Christus gegebenen Maximen seine Verwendung
im Dienste des Reiches Gottes auf Erden gefunden hat. Man nahm
vorzugsweisse Unvermählte in die Reihen der höheren Kleriker auf,
und wenn im Notfalle Vermählte zu Diakonen, Priestern und Bischöfen
geweiht wurden, so mussten sie völlige Continenz beobachten, um
sich ganz ihrem heiligen Berufe hingeben zu können. Dabei wird
nicht bestritten, dass, wie zur Zeit des Epiphanius, so auch früher
wegen der Lässigkeit einzelner Bischöfe Ausnahmen unter Presbytern
und Diakonen vorkommen konntenc (s. Archiv S. 322 f. bez. S. 39).
In Anbetracht der Aufgabe, die ich hier gestellt hatte, musste ich
natürlich dieselben literarischen Beweisquellen zur Sprache bringen,
die auch bei der Behandlung der Funkschen These, bez. der Bickell-
schen Antithese in Frage kommen, und da ich bei der Interpretation
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Nachträge. 349
dieser Beweisstellen mich auf Seite Bickells gestellt habe, so mochte
Funk den Eindruck gewonnen haben, dass ich ganz auf dem Stand-
punkte Bickells stände.
Was die Epiphaniusstelle (adv. haer. 48) betrifft, die bei Bickell
die Hauptrolle spielt, so bin ich allerdings auch der Ansicht, dass dieser
Kircheovater den Cölibat, bez. die Continenz der höheren Kleriker
als »einen durch die Apostel festgestellten kirchlichen Kanone be-
zeichnet, wie ich dies im Archiv (S. 29 Anm. 29 bez. S. 32 Anra.
29) zum Ausdruck gebracht habe, und Epiphanius steht hierin nicht
allein da. Der Papst Siricius und die beiden karthagischen Syno-
den vom Jahre 390 und 419 sprechen sich in gleichem Sinne aus.
Weil uns jedoch aus früherer Zeit Beweisquellen fehlen, die ebenso
bestimmt eine eigentliche apostolische Gesetzgebung in dieser Be-^
Ziehung betonen, so habe ich aus den Aussprüchen des Epiphaniu»
nur den Schluss gezogen, »dass seiner Zeit sich der Klerus aus Un-
vermählten oder im Notfalle aus Witwern (nach einmaliger Ehe)
oder aus Vermählten, die sich zur Continenz verpflichteten, rekrutierte,
und dass dieser kirchliche Kanon des Priestertums die vorbildliche
Handlungsweise Christi, sowie die apostolische Überlieferung zur
Grundlage hattec (Archiv S. 315 bez. 31 f.; vgl. auch Archiv S,
314 Zeile 22—25 bez. S. 31 Z. 4—7). Meine Ansicht in der Cöli-
batsfrage ist nun folgende:
1) Der Cölibat, bez. die Continenz der höheren Kleriker ist
seit dem 4. Jahrh. in den verschiedenen Teilkirchen eine gesetzliche
Einrichtung geworden.
2) Die Quelle für diese förmliche Gesetzgebung war die bereit?
bestehende Übung des Cölibats, bez. der Continenz seitens der höheren
Kleriker. Es wird dabei zugestanden, dass, wie Siricius und Epi-
phanius bemerken, es immerhin Gegenden gab, wo wegen der Lässig*
keit einzelner Divergenzen in dieser Beziehung vorkamen. Aber mit
Mittermüller — der in einer Abhandlung »zum Verständnisse einiger
alten, den Cölibat und die Priesterehe betreffenden Kirchengesetzec
(Archiv f. kath. Kirchenrecht, Bd. 16 (1866) S. 210 ff.) insbesondere
den dritten nicänischen Kanon, den fünften (sechsten) apostolischen
Kanon und den vierten Kanon der Synode von Gangra auf ihre
Tragweite prüft und dabei hervorhebt, »bei allen dogmatischen
Synodalbeschlüssen dürfe nur der beabsichtigte Hauptzweck ala
entschieden betrachtet werden, nicht aber die damit verbundenen
Nebenfragenc — behaupte ich, »dass bisher noch immer kein Kanon^
kein kirchlicher Ausspruch, kein traditionelles Zeugnis entdeckt und
vorgezeigt worden ist, woraus klar und zweifellos hervorginge, das»
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350 Nachträge.
eine derartige Erlaubnis (an ordinierte Ehemänner zam Fortgebraach
des Ehestandes) je förmlich erteilt oder ausdrücklich anerkannt wor-
den seif.
3) Ich finde zwischen den traditionellen Zeugnissen über das
Bestehen des Cölibats, bez. der Continenz in den drei ersten Jahr-
hunderten und dem Hinweise auf die Apostel seitens des Siricias,
Epiphanius und der Väter der beiden karthagischen Synoden yom
Jahre S90 und 419 einen inneren Znsammenhang und sehe darin
ein aus der apostolischen Zeit stammendes Herkommen oder Ge-
wohnheitsrecht zum Ausdruck gebracht. Der Gedanke, den Säg-
müUer (Lehrbuch des kathol. Eirchenrechts (1902) II, 202) allge-
mein ausspricht: »Der Cölibat oder die Ehelosigkeit der Kleriker
der höheren Weihen beruht auf der durch Christi und der Apostel Wort
und Beispiel gelehrten Wahrheit, dass der jungfräuliche Stand ver-
dienstlicher ist als der eheliche, und dass der Unverehelichte Gk>tt
besser dienen kann als der Verehelichtec ist m. E. nicht erst den
kirchlichen Kreisen des 4. Jahrh. zum Bewusstsein gekommen.
Behufs Ergänzung des im vorliegenden Werke S. 30—39 (vgl.
auch Archiv S. 313—323) Gesagten bemerke ich noch Folgendes.
1) Zur Stütze der Interpretation von »iiro fztag xuvaixogc
(Archiv S. 316 Anm. 34 bez. S. 33 Anm. 34) verweise ich auf das
4. Kapitel der Vita des Caius Gracchus bei Plutarch (ed. Sintenis
III, 492), wo die analoge Phrase »&7c' ävdpöc slvatc »sich vom
Manne enthaltene bedeutet.
2) Die Erörterung über die Stelle Strom. HI, 12 (Archiv S.
320 bez. S. 36 f.) bedarf noch einer Korrektur. Ich bedaure bei
der Interpretation dieser Stelle Funk (Kirchengeschichtl. Abhandlun-
gen und Untersuchungen (1897) I, S. 146 f.) insofern gefolgt zu
sein, als ich gleich ihm als Subjekt dieses Satzes »die Kirchec an-
nahm. Die betreffende Stelle lautet im Zusammenhange: »'^Odev
xal 6 'AicoatoXog, ßouXofiai o5v, ^ifjol, vsootlpac ya/üisTv, texvoyovelv,
otxodeoTCOTsTv , |üiiQde|üiiav a^opiüiTjv didövai zw &vTix8i/Jilv(p Xoidopiac
Xaptv. ^HäiQ yfltp xtvec; iSetpöiTcifjoav oiciaco toü Satava (I Tim. IV,
14 u. 15). Nal fiTjv xal xöv x^g /yita«; yovaixöc äväpa tcävü diioJI-
Xsxat, xäv icpeoßöxepoc ißt *S^ dtaxovot;» xZtv Xaixöct äveiciXi^ictoDC
yafjic!) xP<*>f*8^oc* ocD^i^oexat de Äw x^g xexvoyovtag.c Das Subjekt
zu anodix^xai ist also der Apostel Paulus. (»Fürwahr, auch den
Mann einer Frau lässt der Apostel wohl gelten, mag er Priester
sein u. s. w.c) Wie ist nun die ganze Stelle zu interpretieren? Der
Zweck, den Clemens Alexandrinus hier verfolgt, ist aus dem vorher-
gehenden Satze »et dh icopvetav xöv yafiov xoX|üia xtc Xiyetvf ersicht-
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Nachträge. 361
lieh. Zum Beweise dafür, dass die Ehe keine Hurerei sei, beruft
er sich (zunächst) auf I Tim. IV, 14 u. 15. Welche paulinische
Stellen hat er aber in dem folgenden umstrittenen Satze »val fiY]v
xal TÖv T^c fxtag ifüvaixöc xtX.€ im Auge ? Es kommt hier erstens in
Betracht Tit. 1, 5 n. 6: »fva xaxaoTigaigc 'MLxa icöXiv icpeoßuT^poug
. . . . ef Ttc SoTiv ivlyxXTjTog, /itag Yovatxöc avigp, x^xva fx^^ ictoxa
fiT} Iv xatifjiropta iooDTtac ^ ivuicoTaxxaf und zweitens I Tim. 3, 12:
»diaxovoi foTODoav /üiiac Tovaixoc Svdpec, t^xvcov xaXcog icpoVotauevot
xai Tcov idttt)v ofxoDvc. Wenn ferner Clemens sagt, dass Paulus auch
den Laienchristen als fxtäc ruvatxog Svdpa gelten lasse,, so beruht
dies darauf, dass er nicht bloss selbst der Meinung ist, dass auch
der Laienchrist nicht so leicht zu einer zweiten Ehe schreiten dürfe,
sondern weil er auch diese seine Auffassung im selbigen Kapitel auf
den Apostel Paulus stutzt (icpoc ivtpoicijv Ük icat avaxoici^v touv
eueiw^opcDV eic tov öeotepov yctfiov dp|üiodi(0(; 6 änooToXoc üitlptovov
^^lyifSTai xal a&xixa ^ipv »Ilav a|üiaptif]|üia Sxtog xotS oa>|üiax6c Soxtv
6 öfe TropveucDv etc; xö fdtov oöfxa dfxapxaveic (I Cor. VI, 18). Nun
bleibt noch festzustellen, auf wen sich in den paulinischen Briefen
das »ooD^i^aexai Sk dta x^g xexvoToviagc und das »dveiciXi^icxaig Ta/io)
XpcofAevocf als Voraussetzung der xexvoyovta bezieht. Das ocD^i^oexai
dtd x^c xexvoyoviac findet sich nicht in den Weisungen, die der Apostel
für die Auswahl der Presbyter und Diakonen gibt; es findet sich
überhaupt nur einmal in den paulinischen Briefen und zwar I Tim.
2, 8—15, wo der Apostel über das Verhältnis des Ehemannes zm
seiner Ehefrau spricht und schliesslich (v. 15) Ton der letzteren er-
klärt: »oco^i^^exat Sk 3ia x^c xexvoyovtag, Jav fxstvcoaiv Iv utaxet xal
äyaicf xal driao|üi<p |i6xa acD^poouvifjcc. Nach der Auffassung des
Clemens bezieht sich das über die Ehefrau Gesagte schliesslich auch
auf den Ehemann, und darum lässt er in dem in Frage stehenden
Texte seiner Stromata den Apostel vom Xatxog im allgemeinen
sprechen. Das »aoo^aexai ik 5td x^g xexvoyoviac« mit dem die
Voraussetzung dazu bildenden »äventXijicxwc T«I^S* xP^M^voc« gehört
also in dem Stromata-Texte, wie es auch schon durch die Stellung
im Satze nahegelegt wird, nur zu Xat'x6c, zumal da in den auf die
Presbyter und Diakonen bezüglichen paulinischen Texten von Einder-
zeugung nicht die Rede ist.
Der Sinn des Stromata-Textes ist nun folgender: Der sitt-
liche Charakter der Ehe ergibt sich nach Clemens aus der von dem
Apostel den Eheleuten gegebenen Erlaubnis zur xexvorovia. Wäre
die Ehe überhaupt eine Hurerei, so hätte Paulus auch nicht gestattet,
dass die Presbyter und Diakonen aus den Reihen der |üiiäc t^^^^^^c;
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352 Nachträge,
ävöper ausgewählt werden dürfen. Mithin ist in dem fraglichen
Texte von dem Verhalten der Kirche bezüglich des Cölibats im
Clementinischen Zeitalter überhaupt nicht die Bede.
Schliesslich sei noch zu dem Kapitel über die Paphnutiusepisode
auf dem nicänischen Concil (Archiv S. 321 f. bez. S. 37 f.) Folgen-
des hinzugefügt. Socrates (bist. eccl. I, 11) entwirft die Charak-
teristik des Bischofs Paphnutius nach Bufin (vgl. Socr. I, 12). um
aber seinem Bericht über das Auftreten des Paphnutius gegen das
projektierte Cölibatsgesetz eine grössere Kraft zu geben, hebt er
hervor, dass dieser Bischof in seiner Jugendzeit in einem Asceterium
erzogen worden sei (Ix Tiatäöc yap Iv äaxTjxifjpta) avetl^paiiTo). Diese
Bemerkung ist aber ein Anachronismus, da Paphnutius in der letzten
Christenverfolgung als Confessor ein Auge verloren hatte und als
Teilnehmer am Concil schon ein gereifter Mann war und in jener Zeit,
in die seine Jugendjahre fallen müssen, Asceterien geschichtlich
nicht nachweisbar sind. Socrates hat wohl diese Bemerkung über
die Erziehung des Paphnutius aus einer ebenso trüben Quelle ge-
schöpft wie die andere ihm eigentümliche Nachricht über das Auf-
treten desselben gegen das projektierte Cölibatsgesetz. Die einzige
sichere Nachricht, die wir aus den Verhandlungen jenes Concils den
Cölibat betreffend haben, ist der bekannte dritte Kanon, in dessen
Beurteilung ich mich Mittermüller (a. a. 0. S. 209 ff.) bez. Löuing
(Oesch. d. deutsch. Kirchenrechts I S. 178 Anm. 3) anschliesse.
Zu S. 65 Anm. 38: Der mit den Worten »Dieser Notiz zu-
folgec beginnende Satz ist zu streichen.
Zu S. 66 Z. 26: Die Sätze von S. 66 Z. 26 bis S. 67 Z. 9
nebst den dazu gehörigen Anmerkungen 46 u. 47 sind zu streichen.
Zu S. 67 Z. 12: Statt 365 lies: 373 (s. unten S. 344).
Zu S. 67 Z. 23 ff:: Statt »dass nämlich der Kaiser u. s. w.c
lies: dass im Jahre 376 auf Grund des eben erwähnten Gesetzes
viele nitrische Mönche den Tod erlitten. (Hieron. chron. ad ann.
XII Valentis; s. auch unten S. 344 f.).
Zu S. 72 Anm. 19: Statt c. 30 lies: c. 25.
Zu S. 174 Z. 2: Statt 384 lies: 412.
Zu S. 274 f. Anm. 4 (letzte Zeile): Die Worte »dass nach
Philo .... entspringen undc sind zu streichen.
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