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Full text of "Das Morgenländische mönchtum"

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Das morgenländische Mönchtum. 



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Das 

morgenländische Mönchtum 



von 



Dr. Stephan Schiwietz. 



Erster Band 



Das Ascetentum der drei ersten christl. Jahrhunderte 
und das egyptische Mönchtum im vierten Jahrhundert. 



Mainz 1904 

Verlag von Kirchheim & Co. 

G« m* b. H« 



Digiti 



zedby Google 



x.\ 



Imprimi permittitur 



Moguntiae, die 23. Febr. 1904. 



Dr. J. M. Raich, 

Consil. eoel., Decan. eccl. cathedr.< MogHot. 



Drack Ton Job. Falk III. Söhne, Mainz. 

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Vorwort. 



Die beideQ ersten Teile des vorliegenden Bandes sind der 
fast wörtliche Abdruck einiger im Archiv für kath. Eirchenrecht in 
den Jahren 1898 — 1903 erschienenen Abhandlungen. Der dritte Teil 
ist, abgesehen von dem Artikel ȟber die Achtlasterlehre des Evagrius 
Pontikns und die griechische Philosophiec , der im Katholik 1903 
Heft IIL veröffentlicht worden ist, nen hinzugekommen. Einige 
notwendig gewordene Verbesserungen und Ergänzungen finden sich 
in den Nachträgen. 

Ratibor, im Dezember 1903. 

Der Verfesser, 



223513 

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Inhaltsverzeichnis. 



Erster Teil. 

Vorgeschichte des Mönchtums oder das Ascetentum der drei ersten 
christlichen Jahrhunderte, 

Seite 

Vorwort V 

§ 1. Einleitung. Erklärung des Wortes »Mönch«, Verhältnis des christ- 
lichen MÖnchtnms zq den ausser- und vorchristlichen mönchischen 

Erscheinungen . . 1 

§ 2. Die Mönchsidee in den Evangelien 7 

§ 3. Die Existenz von Asceten und gottgeweihten Jungfrauen in den 

drei ersten christlichen Jahrhunderten 12 

§ 4. Privilegierte Stellung des Ascetentums sowie das Gelübde der 

Keuschheit in den drei ersten christlichen Jahrhunderten - . 16 
§ 5. Die Lehensweise der Asceten und der gottgeweihten Jungfrauen . 21 
§ 6. Die Ehelosigkeit im Dienste des Reiches Gottes .... 25 
§ 7. Die Besitzlosigkeit im Dienste des Reiches Gottes ... 41 
§ 8. Vergleich des christlichen Ascetentums mit den gleichzeitigen heid- 
nischen Erscheinungsformen der Ascese sowie mit dem späteren 
christlichen Ordensstande 43 

Zweiter Teil. 

Das egyptische Mönchtum im vierten Jahrhundert. 

§ 1. Die ersten Ansätze des Eremitenlehens. Der Ureremit Paul v. Theben 48 
§ 2« Die Existenz und Entfaltung des egyptischen Mönchtums in den 
ersten Dezennien des vierten Jahrhunderts auf Grund der Vita 

Antonii und anderer zeitgenössischer Zeugnisse .... 52 
§ 3. Der hl. Antonius als Begründer und Beförderer der Mönchskolonieen 

in der thebaischen Wüste 68 

§ 4. Würdigung der Thätigkeit des hl. Antonius als Eremiten vaters . 75 
§ 5. Über die Historia Lausiaca und Historia monachorum als Haupt- 
quellen des Mönchtums in der nitrischen und sketischen Wüste . 80 
§ 6. Lage und Einrichtung der Mönchskolonieen und Monasterien im 

nitrischen Gebirge, in den Kellien und der sketischen Wüste. 90 
§ 7. Die bekanntesten Mönche im nitrischen Gebirge. Amun, der 

Gründer der nitrischen Mönchskolonieen 94 

§ 8. Die hervorragendsten Mönche der sketischen Wüste. Makarins der 

Egypter , 97 

§ 9. Makarius der Alexandriner, Presbyter in den Kellien . 104 

§ lO.'Evagrius Pontikus, Schüler der beiden Makarier .... 106 

§ 11. Das Mönchtum in der Thebais und im Nildelta .... 109 
§ 12. Quellen zur Geschichte der pachomianischen Klöster . . .119 

§ 13. Pachomius und die ersten Cönobitenklöster in der Oberthebais . 148 

§ 14. Die Klöster des hL Pachomius unter seinen drei ersten Nachfolgern 160 



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Seiie 
§ 15. Vorbemerkungen zur pachomianischen Elosterregel .167 

§ 16. Die Satzangen des pachomianischen Klosterverbandes 176 

a. Die Einrichtung der Klöster ..... 176 

b. Die Organisation der Klöster 178 

c. Befolgung der evangelischen Bäte 183 

d. Anfhahme in den Klosterverband 187 

e. Das gemeinschaftliche Gebet 192 

f. Religiös -sittliche Aasbildnng 204 

g. Arbeit 206 

h. Speise- und Fastenvorschriften 209 

i. Schlafvorschriften 213 

k. Ritus des Begräbnisses 214 

1. Kleiderordnung 216 

ra. Veij^ältnis der Mönche zur Aussenwelt .... 217 

n. Die klösterlichen Disziplinarmittel 219 

DritterTeil. 

Rückblick auf das egpptische Mönchtum des vierten Jahrhunderts. 

§ 1. Ein Sittenspiegel fQr Mönche ans dem vierten Jahrhundert . . 225 
§ 2. Verfall des egyptischen Ascetentums gegen Ende des vierten Jahr- 
hunderts 234 

§ 3. Die Sittlichkeit der pachomianischen Mönche 240 

§ 4. Die Ascetik und die Sittlichkeit der Mönche in Unteregypten . 256 
§ 5. Das christliche Vollkommenheitsideal der Mönche und Laien auf 

Grund der egyptischen Mönchsviten 281 

§ 6. Missionsarbeit und charitative Thätigkeit der egyptischen Mönche 286 

§ 7. Das Verhältnis der Anachoreten zu den Cönobiten . 298 

§ 8. Das Verhältnis des Mönchtums zum Klerus 303 

§ 9. Eucharistischer Gottesdienst, Kommunionempfang und Bussdisciplin 316 
§ 10. Das Mönchtum und die Glaubensstreitigkeiten. Die dogmatischen 

Anschauungen der koptischen Mönche 330 

§ 11. Das Verhältnis des Mönchtums zum Staat 343 

Nachträge 348 



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Erster TeiL 



Torgesehiehte des Mönehtams oder das Aseetentum der ftrei 
ersten christlichen Jahrhunderte. 

§. 1, Einleitung. 
ErUärung des Wortes >Mönch€^ Verhältnis des christlichen Monch-^ 
iums ssu den ausser- amd vorchristlichen mönchischen Erscheinungen. 

Das Wort »Möoch« (jxovaxög) wird verschieÖto erklärt and 
gedeutet. 

Nach Hieronymiis liegt in dem Worte »Mönch« die Idee der 
Abgeschlossenheit and Absonderang von der Welt. An Heliodor 
schreibt er nämlich : »Verdolmetsche doch das Wort »Mönch« ; das 
ist ja dein Name. Was thust du doch im Weltgetömmel, der du 
einsam bist^)?« Und in seinem Briefe an Panlinas heisst es: 
»Willst du das sein, was da heissest, d. h. ein einsam Lebender^ 
was thust du dann in den Städten, die doch jedenfalls nicht die 
Wohnstätten für die einzeln Lebenden, sondern für die Menge sind^)?« 
Nach dieser Deutung wäre »Mönch« identisch mit Einsiedler oder 
Anachoret. 

Dem hl. Augustinus dagegen scheint bei der Deutung des 
Namens »Mönch« das Wort [xovag (die Einheit) vorgeschwebt zu 
haben; bei der Erklärung des Psalmes 132 macht er nämlich zu 
dem Verse ^Ecce quam bonum et iucundum est habitare fratres in 
unum' folgende geistreiche Bemerkung: »Ista verba Psalmi, iste 
dulcis sonus, ista suavis melodia tam in cantico quam in intellectu 
etiam monasteria peperit. Ad hunc sonum excitati sunt, qui in 
unum habitare concupierunt. Iste versus fuit luba ipsorum. Sonuit 
per orbem terrarum, et qui dispersi erant, congregati sunt in unum 
.... Qua re non appellemus monachos, cum dicat psalmus: ^Ecce 
quam bonum et iucundum est habitare fratres in unum,^ {aövoc enim 
unus dicitur ; et non unus quomodocunque, nam et in turba est unus^ 
sed una cum multis dici potest. Movoc non potest, i. e. solus ; fAtivo; 
enim unus solus est. Qui ergo sie vivunt in unum, ut unum homi- 

1) Ep. 14 (nach Vallarsi) cap. 6 ad Heliodorum : Jnterpretare yocabalam 
monachi, hoc est tnum ; quid facis in tnrba, qni solas es ?^ 

2) Ep. 58 cap. S ad Paalinam: ,Si capis esse, qnod diceris, id est, solus. 
qaid facis in urbibas, quae utiqae noa sunt solorum habitacnla, sed maltomitt ?* 

SchiwietZ) Mönohtam. 1 



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2 * *Da8 Aacetentum dar drei ersten christh Jdhrh. 

:* 1 1 < :*• •■•**• I • •'• : 

nem YaciabtV et sit *illis* yefe ,*. qaomodo scriptum est , una anima et 
unam cor; malta corpora, sed non maltae animae; multa corpora, 
sed non multa corda; recte dicitur t^ovoc, i. e., unus solus ...>). 
Hiemach kommt den Mönchen deshalb ihr Name zu, weil sie so 
zusammenleben, dass sie nur einerrMenschen ausmachen und wahr- 
haft, wie es in der Apostelgeschichte (c. 4) von den ersten Christen 
heisst, ein Herz und eine Seele sind. Allerdings würde alsdann der 
Name »Mönche besser für die in Gemeinschaft lebenden Mönche 
oder Cönobiten als für die Einsiedler passen. 

Endlich verdient noch eine Deutung erwähnt zu werden, welche 
sowohl den Eremiten, als auch den Cönobiten gerecht wird. Nach 
einem Ausspruch des Abtes Piamon, den uns Cassian in seinen Col- 
lationes überliefert hat, führen nämlich die Mönche oder (jiovaCovTec 
ihren Namen daher, weil sie auf die Ehe verzichten und sich von 
der Gemeinschaft der Eltern und dem Contakt mit der Welt ab- 
sondern^). Ein ähnlicher Gedanke findet sich in der angeblich von 
Dionysius dem Areopagiten verfassten Schrift über die kirchliche 
Hierarchie ausgedrückt; es heisst nämlich darin (cap. 6): Daher 
sind sie (die Mönche) von unseren göttlichen Führern eines heiligen 
Namens gewürdigt worden, indem sie von den einen Therapeuten, 
von den anderen Mönche genannt wurden. Diese Namen stammen 
von dem reinen Dienste und Culte Gottes und von dem ungeteilten 
einheitlichen Leben, da dieses sie durch die heilige Concentration 
der geteilten Kräfte zur gottgestaltigen Alleinheit und zur gottge- 
liebten Vollkommenheit führt. 

Anlangend das Alter des Mönchtums, so wird diese Frage sehr 
verschieden beantwortet, je nachdem man den Begriff Mönch enger 
oder weiter fasst. Versteht man unter Mönchtum weiter nichts als 
das Sichzurückziehen von der menschlichen Gesellschaft behufs Re- 
alisierung irgend eines sittlichen Ideals, so kann man allerdings 
schon in der vorchristlichen Zeit Erscheinungen finden, welche an 
das christliche Mönchtum erinnern; ja in diesem Sinne ist der 
Mönchsidee ein sehr hohes Alter zu vindicieren, und Anklänge an 
das christliche Mönchtum sind in allen tiefsinnigeren Beligionen des 
Altertums zu finden. Eine Art Mönchtum finden wir bei den Pro- 
pheten des Alten Testamentes, welche von Gott dazu berufen waren. 



3) Angnstin. in ps. 132. 

4) Cassiani Collation. 18,5 : Quod a coaiag^is abstinerent et a parentam 
se consortio mandiqae istios conyersatione secemerent, m'onachi vel mona- 
zontes . . . nominati sunt. (Mi^e, a. lat. t. 49, col. 1096—1098). — Vgl. die 
ihnliche Dentang bei Eosebius im Oommentar zam Ps. 67 v. 7 a. Ps. 83 v. 4, wo 
ans das Wort {lova^^; das erste Mal in dem spezifisch ascetischen Sinne begegnet. 



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Das Aacetentum der drei ersten chriaU.Jahrh. 3 

das Volk in der Treae gegen Gott za befestigen. Bei vollkommener 
Hingabe an ihren heiligen Bernf fahrten sie ein abgetötetes Leben; 
nach Art der Trauernden trugen sie einen härenen Mantel oder Buss- 
sack mit ledernem Gürtel^); sie lebten einzeln oder auch gemeinsam 
mit ihren Schülern. Elias und Elisäus hatten solche Gemeinschaften 
am Earmel, in Qalgala, Bethel und Jericho ^). »Sie gingen amher,€ 
wie der hl. Paulus in ergreifender Weise erzählt, »in Schafpelzen 
and Ziegenfellen, Mangel leidend, gedrängt, gemisshandelt; ihrer 
war die Welt nicht wert; sie sind umhergeirrt in Wästen und Ge- 
birgen , in Höhlen und Kluften der Erde ^).< Wegen dieser Be- 
rührungspunkte in der Lebensweise galten auch den Kirchenvätern 
Elias, Elisäus und besonders Jobannes der Täufer als Führer und 
Vorbilder der christlichen Mönche^). 

Dem Ernste und der Enthaltsamkeit des christlichen Mönch- 
tums verwandt erscheint auch die Lebensweise der Becbabiten, eines 
kenitischen Wanderstammes. Neunhundert Jahre v. Chr. hatte näm- 
lich Jonadab, Bechabs Sohn, seinen Nachkommen das Gelübde auf- 
erlegt , sich des Weines zu enthalten und als Hirtenvolk in Zelten 
zu wohnen^). Noch drei Jahrhunderte später zur Zeit des Jeremias 
verschmähten sie alle feinen Lebensgenüsse und hingen treu an den 
Satzungen ihres Stammherrn ^<>). 

In späterer Zeit, etwa um die Mitte des zweiten Jahrhunderts, 
erhielt bei den Juden das ascetische Element im Essenismus eine 
bestimmtere Gestaltung ^^). Die religiösen Grundanschauungen der 
Essener waren eine Mischung von jüdischen mit fremdartigen, nach 
DöUinger pythagoreisch-orphischen Elementen ^^). Sie hielten fest an 



5) 4 Eon. 1, 8. Jes. 20, 2. Zach. 13, 4. 

6) 4 Kon. 2, 1—25; 4, 25; 4, 38 ff.; 6, 1 ff 

7) Hebr. 11, 37-38. 

8) Basilii ep. ad Ghilonera (XLII); Gregorii Nazianzeni oratio ad patrem 
et Basilium, post reditam e faga, Chrysostomi hom. 68 in Matthaeam, Caasiani 
Oollat. 18, 5 ; Hieronymi ep. ad Panlinum (LVIID. Cf. Sozomeni bist. eccl. I, 12. 

9) Loch und ReiscM, Die hl. Schriften des A. T., III, S. 221 Anmerk. 

10) Jerem. 35, 1-10. 

11) Plin. Hist. n. 5, 15; Joseph. De hello Jud. 2, 8; Antiqq. 13, 5; 18, 1. 
Philo quod omnis prohns sit liber. — Sauer, De Essenis et Therapentis, 
Vratisl. 1829; Harniackmacher, De Essenomm apad Judaeos societate, Bonn 
1866; Lauer f Die Esaäer und ihr Verhältnis zur Synagoge und Kirche, Wien 
1869. Vgl. dazu das Bonner theol. Lit.-Bl. 1870. S. 47 ff. Wetzer und Wel- 
te'a Kirchenlez. IV, 912 ff. (1886). Lucius, Der Essenismus in seinem Ver- 
haltnisse zum Judentum, Strassburg, 1881. 

12) üöUinger, Heidentum und Judentum, 755 £ Andere, wie Ewald 
(Gesch. des Volkes Israel IV, 483 f.), RitscM (Altkath. Kirche 179 ff.), Qrätz 
(Gesch. der Juden III, 657) betrachten wiederum den Essenismus als eine atls 
dem Judentum selbst hervorgegangene ei^eatümliche Erscheinung. Uähne 
(Geschichtl. Darstellung der jad.-alez. Beligionsphilosophie, Halle 1834, I. 439) 
endlich betrachtet ihn als Produkt der alez. Beligionsphik 



iligionsphilosophie. 

1* 



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4 DaB Aacetentum der drei ersten chriatl, Jahrh. 

einem höchsten Wesen, welches sie als reinstes Lichtwesen anffassten 
und als dessen Symbol sie die Sonne betrachteten. Nur die Schriften 
des Moses, dem sie nach Gott die höchste Verehrung zollten, galten 
ihnen als Offenbarang. Wie den Pythagoreern , galt ihnen der 
Leib als eine Fessel der aus dem feinsten Aether hervorgegangenen 
Seele. Den Sabbath hielten sie noch strenger als die übrigen 
Jnden, verwarfen aber die Tieropfer und hielten sich vom Tempel- 
kultüs fern. 

Das Hauptgewicht legten sie auf das sittlich-praktische Leben,, 
welches sich in der Liebe zu Gott, zur Tugend und zu den Menschen 
äussern sollte. Die Gottesliebe bewiesen sie durch Enthaltung von 
gewissen unreinen Dingen, durch Vermeidung des Schwörens und dea 
Lügens. Die Liebe zur Tugend zeigte sich in der Verachtung des 
Reichtums, der Ehre und sinnlicher Freuden einerseits und in Ge- 
nügsamkeit und Enthaltsamkeit in Bezug auf Nahrung und Kleidung 
andererseits; eine Klasse der Essener enthielt sich auch der Ehe 
und erzog fremde Kinder für die Zwecke der Sekte. Die Menschen- 
liebe bethätigten sie endlich durch Gütergemeinschaft und Hilfe- 
leistung gegen ihre Mitglieder, wie auch gegen Fremde. 

Sie wohnten anfänglich in den öden Gegenden am toten Meere^ 
später auch in Dörfern und Städten, trieben verschiedene Gewerbe 
und beschäftigten sich auch zum Zwecke der Krankenpflege mit Na- 
turwissenschaften. Zur Zeit Christi betrug die Zahl der Essener 
noch 4000; doch scheinen sie die Stürme, denen Palästina im 
zweiten und dritten Jahrhundert ausgesetzt war, nicht überlebt zu 
haben. 

Auch bei den Heiden finden wir gewisse ascetische Erschein- 
ungen, welche an das christliche Mönchthum erinnern. Schon in den 
zwei indischen Heldengedichten Mahabharata und Bamajana werden 
Einsiedler (Vanaprastha) erwähnt, welche, um nach diesem Leben in 
der göttlichen Substanz (Brahma) aufzugehen, sich von der Materie 
dadurch zu läutern suchten, dass sie sich von der Welt absonderten, 
den härtesten Bussübungen sich unterzogen und dem Studium der 
Vedas und der Betrachtung des höchsten Wesens sich hingaben; 
sie lebten in der Einsamkeit des Waldes teils einzeln, teils zu Hun- 
derten zusammen. Auch Buddhas Lehre trug ein ascetisches Ge- 
präge; das höchste Gut war nach ihm Befreiung von dem Elend 
dieses Daseins, das Nirvana, und als Mittel zu diesem Ziele galt ihm 
die möglichste Welt- und Selbstvernichtung. Diejenigen seiner Schüler, 
welche nach dem Beispiele Buddhas sich gänzlich von der Welt los- 
znschälen suchten, hiessen Bhikshu (Bettler) und Sramana (Zähmer 



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DcB Aacetentum der drei ersten christL Jahrh. 6 

<ler Sinne) ; sie bildeten ascetische Vereinigangen, aas denen sich die 
baddhistiscfaen Klöster herausbildeten^*). 

Im heidnischen klassischen Altertum gab es sowohl Lobredner 
4er Einsamkeit zam Zwecke der religiösen Gontemplation, als auch 
Vertreter dieser Lebensrichtung. Bekannt sind die Pythagoreer, 
welche ein Gönobitenleben mit sittlich-religiöser Lebensordnnng 
fahrten. Als Lobredner der Einsamkeit zum Zwecke der religiösen 
Betrachtung tritt Plato im Phädon auf; desgleichen verlangt der 
Neuplatoniker Philo, dass der Mensch, um zu inniger Verbindung 
mit der Gottheit zu gelangen, sich möglichst von der Materie los* 
fichäle und in der Einsamkeit dem betrachtenden Gebet sich hin- 
gebe. Aehnliche Gedanken finden sich bei Marc Äurei (E!c lautöv, 
lib. IV), Piain (Plot. Opp. III, 140. 276) und Plinius (Hist. n. V)^*). 

Aus diesen Thatsachen, welche ons in allen Epochen der 
menschlichen Geschichte, in allen tiefsinnigeren Religionen begegnen, 
muss man den Schluss ziehen, dass im tiefsten Grande der mensch- 
iichen Seele ein instinktartiger, geheimnisvoller Zug nach Einsam- 
keit verborgen liegt i^). Doch wäre es verfehlt, das christliche Mönch* 
tum einzig und allein aas diesem natürlichen Zuge der Seele er- 
klären za wollen. Während nämlich die Mönchsidee in der vor- 
^christlichen Zeit nur sporadisch auftritt, nahm dieselbe im Bereiche 



13) Wetzer und Weite's Eirchenlex. II. Bd. , Art. Brahmanismu« 
8, 1180 ff., Art. Baddhistnus S. 1403 ff. Lassen, Indische Altertumskande, 
Bonn 1847^1861. Jai, Mayer, Die christliche Ascese, Freibarg 1894, S. 39 ff. 
Vgl. anch die folg. Note. 

14) Eckstein, Geschichtliches aber die Ascesis der alten heidnischen und 
der alten jüdischen Welt, Freibnrg 1862. Zöckler, Askese nnd Mönchtnm, 
Frankfart 1897, S. 97—113. JuL Maper 1. c. S. 2 n. 26 ff. 

15) Montalemberty Die Mönche des Abendlandes, I. Bd. S. 41 f.: »Dieses 
Leben der Einsamkeit nnd Entbehrnngen, dem Anscheine nach allen Neicrangen 
des Menschen so darchaos widersprechend, hat nichtsdestoweniger seine Wnrzeln 
in der menschlichen Natur. Ein Jeder hat wohl in einem bestimmten Momente 
seines Lebens diesen geheimnisvollen und mächtigen Zag der Seele nach Ein- 
samkeit in sich gefühlt. In der That haben ihn auch alle Völker anerkannt 
und ihn in Ehren gehalten; alle Religionen haben ihn in ihren Bereich ge- 
zogen nnd geheiligt. Die Philosophen, die Moralisten des Heidentams haben 
diesen tief innerlichen Drang der Natar um die Wette erhoben und verherr- 
licht Das Morgenland hat sich demselben leidenschaftlich hingegeben : Indien 
hat seit dreitaasend Jahren seine Asceten, welche die Abtötang nnd die üebang 
freiwilliger Basswerke bis zam Deliriam treiben. Noch jetzt findet man sie, im 
Lande amherirrend oder in grossartigen Gemeinwesen zusammenlebend, unter 
allen Völkern, welche das Gesetz Buddhas anerkennen. Diese haben nichts her- 
vorgebracht, nichts eerettet. Hochmut des Irrtums und Verderbnis, wie sie 
4er Massiggang in seinem Gefolge hat, haben sie für das geistige Wesen des 
Menschen und fQr die Gesellschaft gleicherweise unnütz gemacnt. Aber sie 
geben noch mitten in ihrer Entwürdigung ein unverjfangliches Zeugnis von 
dem tiefen Bedürfnis der Seele, welches einzig nur die wahre Religion recht 
befriedigen und zu einer unversiegbaren Quelle von Tugenden und Wohlthatea 
umbilden kann.c 



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6 Das A$cetentum der drei ersten chriatl. Jdhrh, 

des Christentums von Anfang an ungeahnte Dimensionen an. Schon 
diese Thatsacbe zwingt uns zu der Annahme, dass der M(}nehsidee 
durch die christliche Beligion eine höhere, wirksamere Kraft mitge- 
teilt worden ist. Dazu kommt noch ein zweites Moment; man kann 
nämlich nur dem christlichen Mönchtum nachreden, dass es den 
ewigen Zug der Seele nach dem einsamen Leben geregelt und 
der menschlichen Oesellschaft vorzugliche Dienste erwiesen hat; es 
muss also zu den natürlichen mitwirkenden Ursachen noch ein 
spezifisch christliches Motiv hinzugekommen sein, welches das In- 
stitut des Mönchtums zu einem so hohen Machtfaktor ge- 
staltet hat. 

Trotzalledem hat die negative Kritik in den letzten Decennien 
£(ich die grösste Muhe gegeben, das christliche Mönchtum ausschliess- 
lich aus vor- und ausserchristlichen Motiven zu erklären und als eine 
fremdartige und erst in das Christentum hineingetragene Erscheinung 
zu erklären. So sollte nach Weingarten ^^) das christliche Mönch- 
tum als eine Nachahmung des egyptischen Serapiskultes anzusehen 
sein ; Keim ^7) dagegen betrachtet den Neuplatonismus als Quelle 
desselben, und endlich nach der Hypothese Hilgenfelds ^^) sollte die 
Ausbildung des christlichen Klosterwesens aus dem buddhistischen 
Mönchtum zu erklären sein. Das Nichtbefriedigende dieser Er- 
klärungsversuche gebt schon daraus hervor, dass sich dieselben gegen- 
seitig ausschliessen und dass selbst die Urheber dieser Hypothesen 
der eine die Beweismomente des anderen als ausreichend nicht gelten 
lassen wollen. Allerdings bestehen gewisse allgemeine Berührungs- 
punkte zwischen den genannten ausser- und vorchristlichen asceti- 
schen Erscheinungen und dem christlichen Mönchtum; die Ascese 
erstreckt sich nämlich überall, wo sie vorkommt, im Heidentum wie 
im Judentum und Christentum naturgemäss auf dieselben Gegen- 
stände und erscheint demnach überall in ziemlich übereinstimmen- 
den Formen ; Ehelosigkeit, Enthaltung von Fleisch und Wein, Tren- 
nung von der Welt, Wohnung in der Einöde, gemeinsame Be- 
trachtung und Gebet finden sich einzeln oder ins^esammt, in einem 
höheren oder geringeren Grade in allen ascetischen Vereinigungen. 
Es beruht aber auf einer Verwechslung des Heidnischen mit den^ 



16) Weingarten^ Der Ursprang des Mönchtums in dem vorkonstantini- 
sehen Zeitalter, Gotha 1877, S. 30 iL Gaas dagegen leitet das Mönchsideal ana 
dem Zusammenwirken des Einflusses des Serapisdienstes mit dem Geiste der 
Entsagung, der Weltflucht und des Martyriums her (Zeitschriffc für Kirchen- 
geschichte 1877, S. 255). 

17) Keim, Aus dem Urchristentum, Zarich 1878, S. 215 ff. 

18) Uilgenfeld, Zeitschrift für wissensch. Theol. 1878 S. 148. 



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Das ABcetentum der drei ersten ehrUtl. Jahrh. 7. 

allgemein Menschlichen, wenn man anf Grand solcher Berährangs- 
pnnkte oder Analogieen das christliche Mönchtnm einzig und allein 
aas dem Neuplatonismns bezw. Serapiskaltus oder Buddhismus ab- 
leiten wollte. Die genannten allgemeinen und in der Natur der 
Sache liegenden Berührnngspunkte erklären sich hinlänglich aus dem 
natürlichen Zug der Seele, welcher bei der Stetigkeit der psycho- 
logischen Gesetze allenthalben mehr oder weniger gleiche ascetische 
Anschauungen hervorbrachte. Wollte man doch noch die verschiedenen 
Erscheinungsformen des Mönchtums im Bereich des Christentums wie 
Heidentums als Glieder eines Stammes betrachten und die eine Er- 
scheinung aus der andern ableiten, so müsste man eben ausser diesen 
allgemeinen noch besondere Berührungspunkte eruieren, welche den 
historischen Znsammenhang des christlichen Mönchtums mit den 
heidnischen Analogieen zur Gewissheit machten. Ein solcher strin- 
genter Nachweis ist aber von den Vertretern der negativen Kritik 
nicht erbracht worden. Endlich darf bei einem Vergleich des christ- 
lichen Mönchtums mit den heidnischen analogen Erscheinungen der 
Grandsatz; ^cum duo faciunt idem, non est idem' nicht vergessen 
werden ; so auffallend auch die üebereinstimmung in gewissen Dingen 
ist, so zeigen sich doch bei eingehender Betrachtung der diesen 
üebungen zu Grunde liegenden Motive tiefgehende Goutraste. Die 
Motive, aus welchen die Ascese des echten christlichen Mönchtums 
hervorging, sind durchaus nicht identisch mit den Motiven der heid- 
nischen Ascetik. 

Das christliche Mönchtnm ist, wie jedes andere historische 
Phänomen, die Frucht einer Idee; es ist, wie wir im folgenden §. 
zeigen werden , die Frucht einer urchristlichen , biblischen Idee ; es 
ist die Realisierung des von Jesus Christus in den Evangelien dar- 
gestellten Ideals, während die heidnischen mönchischen Erscheinungen 
aus der Vorstellung von einem Dualismus des absolut Guten im un- 
sichtbaren und des an sich Bösen in der sinnlich erscheinenden ma- 
teriellen Welt hervorgegangen sind, und die christliche Ascese der 
drei ersten Jahrhunderte, diese Vorfracht des später sich daraus ent- 
wickelnden Mönchtums , hat auch unter der Obhut der Kirche die 
gnostisch-manichäischen Anschauungen perhorresciert, wie in den 
weiteren Darlegungen gezeigt werden wird. 

§. 2. Die Mönchsidee in den Evangdien. 

Bei Matthäus^) heisst es: Und siehe, da trat einer hinzu und 
sprach zu Jesus: »Guter Meister, was muss ich Gutes thun, dass ich 

1) Matth. 19, 16-21; vgl. Lue. 18, 18-23, Marc. 10, 17-22. 

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8 Das Aacelentum der "ärei ersten chriaü. Jahrfu 

das ewige Leben erlange ?c Da sprach er zu ihm: »Was fragst du 
mich über das Onte? Einer ist gat, nftmlich Gott. Willst du aber 
zum Leben eingehen, so halte die Gebotene Er sprach zu ihmt 
»Welche ?< Jesus aber sprach: »Du sollst nicht töten, du sollst 
nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen, du sollst kein falsches 
Zeugnis geben I Ehre deinen Vater und deine Mutter und liebe deinen 
Nächsten wie dich selbst U Der Jüngling sprach zu ihm : »Dies alles 
habe ich von meiner Jugend an beobachtet, was fehlt mir noch?c 
Jesus antwortete ihm: »Willst du vollkommen sein, so geh hin, 
verkaufe alles, was du hast, und gieb es den Armen, so wirst du 
einen Schatz im Himmel haben ; und komm und folge mir nach Ic 

In diesen Worten werden zwei verschiedene Lebenswege ge- 
kennzeichnet. Der pflichtmässige Lebensweg besteht in der Haltung 
der Gebote, und als Lohn dafür vnrd das Eingehen in das ewige 
Leben versprochen. Auf die darauf folgende Frage des Jünglings, 
was ihm noch abgehe, gieht Christus den zweiten Lebensweg an; 
dieser besteht in dem Verzicht auf Hab und Gut und in der engeren 
Nachfolge Christi; er ist nicht geboten, sondern geraten für den 
Fall, dass man begehre, vollkommen zu sein, und weil die üeber^ 
nähme dieses Standes einen höheren Grad von Grossmut erheischt, 
wird auch dafür unter dem Bilde eines Schatzes eine ausgezeichnete 
Stellung im Himmel in Aussicht gestellt. 

Dass in dieser Stelle eine Unterscheidung zwischen einem ge^ 
botenen oder pflichtmässigen Lebenswege und einem blos geratenen 
gemacht wird, kann vom exegetischen Standpunkte aus nicht be- 
stritten werden*); indes hat man versucht, die Beweiskraft dieser 
Stelle abzuschwächen. Nach Keil') hätte Christus dem Jüngling 
blös nahelegen wollen, seinen Geist vom Reichtum loszuschälen und 
durch die Worte »Willst du vollkommen seine sei nur diese Gesinnung 
als eine notwendige Bedingung zur Erlangung des Heiles hingestellt. 
Allein diese Deutung ist willkürlich; denn Christus unterscheidet 
ausdrücklich das Eingehen zum ewigen Leben, wozu die Beobachtung 
der Gebote notwendig ist, und das »VoUkommenseinc, wozu der Ver- 
kauf der Güter und die engere Nachfolge erforderlich ist. Die Worte 
»verkaufe alles, was du hast, und gieb es den Armenc sind auch 
durchaus nicht identisch mit dem Satze: Schäle den Geist von den 
irdischen Dingen los; das wäre eine ungerechtfertigte Verflüchtigung 
der Worte Christi. Endlich stehen einer Verflachung unserer Stelle 



2) Selbst De Wette »nerkennt diese ünteraoheidang in seinem Com- 
mentar zu Matth. 19, 16 ff. 

8) Keil, Gomtnentar über das Ev. Matth. (Leipzig 1877) S. 895. 



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DaB ÄBceientum der drei ersten chrietL JahrfL 9 

im Sinne Keils die Worte »du wirst einen Schatz im Himmel habend 
im Wege; denn die letzteren Worte stehen offenbar in Antithese 
zu dem blossen »Eingehen in das ewige Lebenc und weisen auf eine 
besondere Auszeichnung im Himmel als Entgelt für die hinzuopfern- 
den zeitliehen Guter hin^). 

Weiss ^) hingegen giebt zu, dass Christus den Jüngling zum 
thats&chlicben Verzicht auf seine irdischen Guter eingeladen habe; 
aus diesem besonderen Falle dürfe jedoch nicht gefolgert werden, 
dass Christus die freiwillige Armut allgemein als Bat empfohlen und 
derselben einen besonderen Vorzug zugesprochen habe; nur bei dem 
Jüngling habe eine ganz besondere Naturanlage vorgelegen, so dass 
für ihn der Verzicht auf Hab und Gut eine unumgängliche Not- 
wendigkeit gewesen w&re. Allein nach den ausdrücklichen Worten 
Christi: »Willst du zum Leben eingehen, so halte die Gebote!« war 
auch für den Jüngling die Haltung der Gebote die notwendige Be- 
dingung zur Erlangung des Heiles, üebrigens zugegeben, dass für 
den Jüngling wegen seiner Eigenart die Entäusserung des Vermögens 
eine Notwendigkeit gewesen wäre, so wäre es doch wunderbar, wenn 
er der einzige sein sollte, auf den die Worte Christi gepasst hätten, 
und wenn sonst im Eleiche Christi auf Erden eine solche Anlage 
oder Disposition sich nie mehr finden sollte^). Die bald nach der 
Unterredung mit dem Jüngling an die Apostel gerichtete Belehrung 
Christi zeigt auch, dass er den thatsächlichen Verzicht auf die irdi- 
schen Güter von denen verlangte, welche er zu seiner Jüngerschaft 
im speciellen Sinne berufen hatte. 

Nachdem nämlich Christus nach dem Weggange des Jüng- 
lings eine ernste Belehrung über die Gefahren des Reichtums ge- 
geben hatte, fragte der hl. Petrus, was denn sie, die alles verlassen 
und ihm nachgefolgt seien 7), zu erwarten hätten. Der Heiland stellt 
in seiner Antwort den Aposteln und allen, die ähnlich handeln 
würden, eine höhere Belohnung in Aussicht^), um aber dieses 
Lohnes teilhaftig zu werden, genügt nicht das blosse Verlassen 



4) Knabenhauer^ Comment. in Ev. sec. Matth. II. pag. 158 (Paris 1893). 

5) Mey^r, Krit.-eze^. Commentar etc. Et. des Mattb., 7. Aafl., herausg. 
Toii B. Weiss (GöttingeQ 1883). 

6) Knabenbnuer, 1. c. pap. 159. 

7) Matth. 19, 27; Luc. 18. 28; Marc. 18, 28. 

8) Matth. 19, 28—29: Wahrlich sage ich euch, die ihr mir nachgefolgt 
seid, werdet bei der Wiedergebart, wenn der Meoschensohn aaf dem Throne 
seiner Herrlichkeit sitzen wird, aach auf zwölf Thronen sitzen nnd die zwölf 
ätamme Israels richten. Und wer immer sein Hans, oder Brüder oder Schwestern, 
oder Vater oder Matter, oder Weib oder Kinder, oder Aecker am meines Namens 
willen verlfisst, der wird Handertfältiges dafür erhalten and das ewige Leben 
beätaen. VgL Marc. 10» 29—30; Lac. 18, 29—80. 



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10 Das Ascetfnium der drei ersten chriatl. Jahrh. 

Yon Haus, Gütern and Familie, sondern dieser Verzicht mnss ge-* 
schehen Christi wegen ^), seines Namens wegen ^<>), um des Reiches 
Oottes willen ^^), um Christi oder des Evangeliums willen^*); durch 
gänzliche Losschälnng vom Irdischen und rückhaltlose Hingabe soll- 
ten sich die Jünger zu der Arbeit für das Beich Gottes und das 
Evangelium geeignet machen. 

Schon der eben behandelte Evangelientext enthält eine Em- 
pfehlung der Ehelosigkeit; denn durch den Verzicht auf Hab und 
Gut ist die Gründung des Familienstandes ausgeschlossen, sowie auch 
die Nachfolge und Hausgenossenschaft Christi die Ehelosigkeit mit 
sich bringt; indes besitzen wir noch in den Evangelien eine aus-* 
führlichere Belehrung über diesen Gegenstand. Eine ernste Aus* 
einandersetzung Christi über die Unauflöslichkeit des Ehebandes ^*) 
hatte nämlich den Aposteln die Worte entlockt: »Wenn die Sache 
des Mannes mit seinem Weibe sich so verhält, so ist nicht gut zu 
heiraten ^^).€ An diese Bemerkung knüpft Christus eine besondere 
Aufklärung über das Wesen und die Bedeutung der Ehelosigkeit in 
seinem Reiche. Erstlich erklärt er, dass zu diesem Stande eine ganz 
besondere Gnade Gottes notwendig sei, wie dies seine Worte ^^) : »Es 
giebt Verschnittene, die sich um des Reiches Gottes willen selbst 
verschneiden. Wer es fassen kann, der fasse esU hinlänglich an- 
deuten. Zweitens mnss der ehelose Stand freiwillig erwählt sein; 
die Eunuchie aus Naturnotwendigkeit oder äusserem Zwange genügt 
nicht. Endlich muss das Himmelreich, d. h., das Interesse des 
Evangeliums das Motiv zu der freiwillig erwählten Ehelosigkeit ab- 
geben *•). 

Aus dem bisher Gesagten ergeben sich folgende Resultate: 
Neben dem Stande der Gebote oder der nackten Pflichterfüllung soll 
im Reiche Christi auf Erden durch ein geheimnisvolles Gonkurrieren 
von Gnade und Freiheit ein Stand der Vollkommenheit bestehen. 
Als Mittel, welche zu dieser Vollkommenheit, d. h. zu einer in- 
nigeren Vereinigung mit Gott und zum besonderen Dienste Gottes^ 
führen, bezeichnet Christus die Entäusserung des Vermögens und den 
Verzicht auf die Ehe. Das Ziel der dadurch bewirkten Losschälung 
vom Irdischen und rückhaltlosen Hingabe an Gott ist aber die Mit- 
arbeit für das Reich Gottes und das Evangelium. 

9) Marc. 10. 29. — 10) Matth. 19, 29. — 11) Luc. 18, 29. - 12) Marc 
10, 29. — 13) Matth. 19, 1 ff.; Marc. 10. 1 ff. - 14) Mattb. 19, 10. 

15) Matth. 19, 12: Denn es giebt Verschnittene, die vom Mutterleibe so 

Seboren sind ; und es giebt Verschnittene, die von Menschen dazu gemacht wur- 
en; und es eiebt Verschnittene, die sich um des Himmelreiches wiUen selbst 
verschnitten haben. 

16) Vgl. die Yorhergeh. Note. 



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Das Ascetenium der drei ersten chriatL JährK 11 

Zum Schlass wäre noch die Frage am Platze, wie sich zu 
den drei evangelischen Räten der freiwilligen Armut, der steten 
jungfräulichen Keuschheit und des freiwilligen Qehorsams unter einem 
geistlichen Obern, welche die Grundlage des christlichen Mönchs- 
und Ordenswesens bilden, die obigen aus den Evangelien geschöpften 
Principien verhalten. Die zwei ersten evangelischen Räte ergeben 
sich allerdings unmittelbar aus den eben behandelten evangelischen 
Texten; dagegen findet der dritte evangelische Rat, nämlich der 
Gehorsam unter einem geistlichen Obern, in den Evangelien keine 
direkte Erwähnung; er trat eben erst bei fortschreitender Entwick- 
lung und Organisation des Mönchwesens in die Erscheinung; doch 
lässt sich die Berechtigung desselben in der christlichen Heilsord- 
nung auf mittelbarem Wege erweisen. Christus bezeichnet nämlich 
selbst den Verzicht auf Besitz und Ehe als Mittel zur Ausübung 
des Missionswerkes und die apostolische Arbeit als Ziel dieser ge- 
nannten zwei Räte. Da nun aber die Kirche krafk der ihr von 
Christus verliehenen Gewalt das apostolische Missionswerk fortführen 
soll, so ergiebt sich daraus, dass diejenigen, welche sich durch Ver- 
zicht auf Besitz und Ehe in den Dienst des Evangeliums stellen 
wollen, zum Gehorsam und zur Unterwürfigkeit gegen die Stellver- 
treterin Christi verpfiichtet sind und der Jurisdiktionsgewalt der 
Kirche unterstellt sind. Als nun im Laufe der Zeit, nicht zum ge- 
ringsten Teil durch die Bemühungen der bedeutendsten Eirchenväter^ 
die Befolgung der evangelischen Räte in dem organisierten Mönch- 
tum sich realisierte, fand die stillschweigende oder ausdrückliche 
Uebertragung der geistlichen Gerichtsbarkeit an die Vorgesetzten der 
mönchischen Genossenschaften statt; es entwickelte sich also der re- 
ligiöse Gehorsam auf geschichtlichem Wege aus zwei Momenten: 
aus der von Christus den evangelischen Ratschlägen gegebenen Be- 
ziehung oder Hinordnung zu der Aufgabe seines Reiches auf Erden 
einerseits und der Uebertragung der geistlichen Gerichtsbarkeit an 
die geistlichen Oberen im Interesse des Apostolats seitens der Kirche 
andererseits. 

Wie schon eben angedeutet, konnte in den ersten drei Christ-» 
liehen Jahrhunderten bei dem Mangel an organisierten Mönchsge^ 
meinden von dem religiösen Gehorsam unter einem geistlichen Obern 
nicht die Rede sein. In welchen Formen nun aber die von Christus 
proklamierten Räte in dieser dem Mönchtum vorausgehenden Zeit in 
die Erscheinung traten, werden wir in den folgenden §§. zeigen. 



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12 Das Aaeetentum der drei ersten Christi. Jakrh. 

§, 3. Die Existent! von Aseeten und gottgeweihten Jungfrauen in 
den drei ersten christlichen Jahrhunderten. 

Schon im apostolischen Zeitalter finden wir die Ansätze zur 
Yerwirklichnng der von Christus in den Evangelien proklamierten 
Räte. 

So rühmt Lukas die Jungfräulichkeit der vier Töchter des 
Diakons Philippus^). Und auf eine Anfrage von Korinth in Betreff 
desselben Gegenstandes >) findet der hl. Paulus es för nötig, eine 
ausführliche Belehrung darüber zu erteilen. Nachdem er zunächst 
hervorgehoben, dass er nicht blos seine Privatansicht aussprechen, 
sondern auf Grund der ihm von dem Herrn zuteilgewordenen Unter- 
weisung und Erleuchtung*) einen Rat geben wolle, erklärt er zwar 
die Ehe für gut und erlaubt^); besser sei aber die stete Jungfräu- 
lichkeit b), zu der allerdings eine besondere Begnadigung von Seiten 
Gottes^) erforderlich sei. Als nächstes Motiv zur Empfehlung der 
Jungfräulichkeit giebt der Apostel die bevorstehenden Bedrängnisse^) 
an; damit meint er, wie sich aus den folgenden Versen d) ergiebt, 
die bald zu erwartenden Schrecken des Weltendes und des Gerichtes. 
Dem Ehelosen werde es leichter sein, sich auf das kommende Ge- 
richt vorzubereiten, weil er an die Sorgen und Genüsse dieser Welt 
minder gebunden sei, während die Ehe in harter Zeit die Last der 
Trübsal noch erhöht. Doch bleibt der Apostel bei diesem Entpfehl- 
ungsgrunde, der in analoger Weise allerdings für alle Zeit Geltung 
hat, nicht stehen, sondern hebt noch für die Vorzüglichkeit der Jung- 
fräulichkeit einen höheren Grund hervor mit den Worten ^) : »Der ün- 
vermählte sorgt, was des Herrn ist, wie er Gott gefallen 'möge ; wer 
aber vermählt ist, sorgt was der Welt ist, wie er gefallen möge der 
Frau, und ist geteilt.« Auch der Apostel Johannes hat die Hoch- 
Bchätzung der Virginität ausgesprochen in dem apokalyptischen Ge- 
sichte von der auserwählten Begleitung des Lammes, die aus den 
jungfräulichen Seelen erwählt ist ^o). 

Im Zeitalter der Apostelschüler genossen die Vertreter des 
jungfräulichen Standes ein so hohes Ansehen, dass einzelne sogar der 
üeberhebung sich schuldig machten. Nach Ignatius steht das jung- 
fräuliche Leben in innigster Beziehung zum Geheimnis der Mensch- 
werdung; da der Sohn Gottes aus einer Jungfrau Fleisch angenom«- 
men, und es jungfräulich bewahrt hat, so sind infolgedessen die 



1) Act. ap. 21, 9. — 2) 1 Cor. 7, 1 und 25 ff. — 3) 1 Cor, 7, 25. -. 
4) Bbendas. v. 28, 36, 38. — 5) Ebendas. v. 38, 40. — 6) Ebendas. v. 1, 7, 8. 
— 7) Ebendas. v. 26. — 8) Bbendas. v. 28—31. — 9) Ebendas. v. 32, 33. — 
10) Offenb. 14, 4. 



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Das Aiiceientum der drei ersten chrisü. Jahrfu \^ 

jungfräulicben Glieder der Kirche, seines mystischen Leibes, auch die 
vorzüglichsten; im Briefe an Polykarp schreibt nämlich Ignatios^^): 
»Wenn jemand imstande ist, zur Ehre des Fleisches des Herrn in 
jangfräulicher Reinheit (d^veta) zu verbleiben, so bleibe er ohne 
ptahlerischen Dünkel. Wenn er damit gross thnt, ist er verloren^ 
und wenn er sich für mehr hält als den Bischof, so ist er verfahrt.« 
Da Ignatius im folgenden Satze solchen Christen, welche in den Ehe- 
stand treten wollen, eine Belehrung giebt, so folgt daraas, dass in 
den eben angegebenen Worten anter äyveta die Jangfräulichkeit za 
verstehen ist und dass er damit von s(dchen spricht, welche in der 
Ehelosigkeit zu Ehren des Fleisches des Herrn verbleiben wollen^ 
Auch ist zu beachten, dass hier die Vertreter des jungfräulichen 
Standes dem männlichen Geschlechte angehörten; denn nur solche 
konnten in die Versachung kommen, sich über den Bischof zu stellen. 
Aehnlich warnt auch Clemens von Rom die Ehelosen vor Ueber- 
hebung, da sie ja die Gnadengabe der Enthaltsamkeit Gott zu ver- 
danken haben ^>). Hermas, welcher auf der Grenzscheide des ersten 
Jahrhunderts seinen »Hirten« schrieb, vergleicht die Jungfrauen mit 
unschuldigen Kindern und' kennt auch Ehelose männlichen Ge« 
schlechtes **). 

Deber die weitere Entfaltung der ascetischen Bestrebungen im 
zweiten Jahrhunderte finden wir Aufschlass in den Schriften der 
Apologeten; dieso Zeugnisse sind insofern von grosser Wichtigkeit, 
als sie an die Adresse der heidnischen Zeitgenossen gerichtet sind 
und auf die Ausbreitung der Virginität in allen Schichten der christ- 
lichen Gesellschaft als auf eine auch den Heiden offenkundige That- 
Sache hinweisen. Justinus zitiert im 15. Cap. seiner ersten Apo- 
logie drei Evangelientexte, Matth. Y, 8, V, 32 und XIX, 11, 12, 
am zu zeigen, welche Vorschriften Christus über die Keuschheit 
giebt; alsdann macht er seine Bemerkungen über diese Texte; be-» 
züglich der zwei ersteren Texte bemerkt er, dass Christus nicht blos 
den Ehebruch, sondern auch die Begierde nach einer solchen That 
seinen Anhängern verbiete; in Bezug auf den dritten Text, welcher 
die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen empfiehlt, hebt er 
rühmend hervor: »und gar viele, sowohl männlichen als weiblichen 
Geschlechtes, die von Kindheit auf in der Lehre Christi unterwiesen 
worden, verbleiben mit ihren 60, 70 Jahren noch unversehrt, und 
rühmend gelobe ich in jedem Stande solche aufzuweisen. Was 
erwähnen wir aber auch die zahllose Menge derjenigen, die nach 



11) Ad Polyc. c 5. — 12) Clem. ad Cor. c. 38. — 13) Herrn, «imil. 9 c. 80.. 

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14 DtM Aaceientum der drei ersten chrML Jahrh. 

einem zügelloseo Leben sich umgewandelt und keasch sein gelernt 
haben ^^)?c Die Kritik hat zwar trotz der Beziehung auf Matth. 
XIX, 11, 12 die Kraft dieser Stelle abzuschwächen gesucht, indem 
sid unter den S^&opot solche verstehen wollte, welche die eheliche 
Treue bewahrten. Allein mit Recht bemerkt Probst, dass sich ja 
Jnstinus anheischig mache, solche (Sfdopot) aufzuweisen; auf Oöli- 
batäre könne man nur mit den Fingern weisen, nicht aber auf solche, 
welche die Ehe treu halten ; derartiges könne man glauben , aber 
ansehen könne man es keinem Ehegatten ^^). Jnstinus unterscheidet 
übrigens in der obigen Stelle zwei Klassen von Christen; im zweiten 
Satze weist er auf solche hin, welche nach ihrer Bekehrung zur 
christlichen Religion keusch leben; im ersten Satze dagegen rühmt 
er solche Christen, welche von Kindheit an bis in das 60. und 70. 
Lebensjahr in der Unversehrtheit verbleiben ; bei dieser Angabe des 
terminus a quo und terminus ad quem w&re es absurd diese letz- 
teren Worte auf die eheliche Treue zu beziehen, üebrigens bestä- 
tigt auch Athenagoras in seiner Schutzschrift für die Christen, welche 
höchstens vier Decennien nach der Apologie des Jnstinus verfasst 
sein kann, dass unter den Christen viele, männlichen und weiblichen 
Geschlechts, sich fänden, welche in der Hoffnung auf eine innigere 
Vereinigung mit Gott im Jenseits ihr Leben lang unverheiratet 
(ijaVoüc) bleiben *«). Endlich bezeugt Minucius Felix in der zweiten 
Hälfte desselben Jahrhunderts, dass eine grosse Anzahl Christen die 
immerwährende Yirginität bewahren ^7). 

Im dritten Jahrhundert finden wir bei Clemens Alexandrinns, 
Origines, Tertullian und Cyprian noch mehr Einzelheiten und Be- 
merkungen über die in Frage kommenden Erscheinungen des Chri- 
stentums. Clemens ist der erste, welcher die durch Enthaltsamkeit 
nach innigerer Verbindung mit Gott strebenden Christen Asceten ^^) 
nannte. Er kennt Asceten, welche nicht blos der Ehe entsagten, 
sondern sich auch des Fleisch- und Weingenusses enthielten^'). 



14) Ka\ 7CoXXo{ xivs? xa\ «oXXal l5T)xovToÖTai xa\ lß8o[xy)xovroOTat ol Ix Äa{Sei)v 
l(ia&Y}T6Ü&7)(7av TCO XP^^^) a^&opoi 3ia(i^vouai, xa\ eu/^OH^ ^^"^^ ^^^ "^ho^ avdp(i>;ccüv 
Toioutou^ S^^ai. 

15) Probst, Kirchliche Disciplin in den drei ersten christlichen Jahrh., 
Tftbing. 1873, S. 180. 

16) Le^at. pro Christian, c. 83. 

17) ünins matrimonii vincnlo libenter inbaeremos , cnpiditate procreandi 
aut nnam scimns aat nullam .... Plerique inviolati corporis virginitate per- 
petna frunntar quam gloriantur (Octav. c. 31). 

18) Paedag. 1,7: ''Opa äw< jikv hzvcon tö Stxaiw h TcaiSa^wYÖ?, &itw« te 
xoi aXümn xov aoxijTiJv, irrepvil^eiv BiS^axcov xov ovxonrwviaTTJv. 

19) Strom. VII, 12 §. 69 p. 814, III. 1 §. 4 p. 183; Paed. II, 2 §. 20 
p. 66, n, 1 §. 11 p. 63. Strom. VH, 6 §. 83 p. 305. 



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Das ÄBceientum der drei ersten chrUtl, Jahrh. 15 

Nach Origenes sind Ehelosigkeit, Verzicht aaf Vermögen, 
Enthaltung von Fleisch und Wein, Fasten die Hanptformen der 
Ascese^®). Er lobt die christlichen Asceten und Jungfrauen, welche 
ehelos bleiben, um Oott dadurch besser dienen zu können ^^); die 
Enthaltsamkeit, wenn sie überhaupt zuweilen bei den Heiden ge- 
funden werde, stehe keinen Vergleich mit der christlichen aus; die 
Hierophanten der Athener seien zwar zu steter Enthaltsamkeit ver- 
bunden gewesen ; doch habe man im Heidentume überhaupt dem 
Menschen die sittliche Kraft hierzu nicht zugetraut und deshalb die 
Hierophanten durch Anwendung des Schirlingssaftes zeugungsunfähig 
gemacht Bei den Christen aber könne man Männer finden, welche 
die Anwendung solcher Mittel nicht nötig hätten, um Gott in Rein- 
heit dienen zu können; bei ihnen genüge da» göttliche Wort, alle 
bösen Begierden aus dem Herzen zu entfernen. Bei den Heiden 
gäbe es einige wenige Jungfrauen, von denen man annähme, dass 
sie zu Ehren der Gottheit, welcher sie dienen, beständige Reinheit 
bewahrten. Die Christinnen aber, welche in vollkommener Jungfräu- 
lichkeit lebten, thäten dies nicht um menschlicher Ehre willen oder 
für Geld und gegen Bezahlung, auch nicht eitlen Ruhmes wegen, 
sondern da sie Gott in ihrer Erkenntnis festhalten wollten, so wür- 
den sie von Gott in dem Geiste bewahrt, der ihm wohlgefällig sei. 

Ausser den genannten Schriftstellern wären noch im dritten 
Jahrhundert TertuUian, Cyprian und Methodius als Zeugen für die 
eifrige Pflege der christlichen Ascese und als Lobredner der Virginität 
zu erwähnen. In seinem Apologeticus cap. 9 rühmt TertuUian 
Christen, welche bis ins Grab keusch geblieben, Greise an Alter, 
aber Kinder an Keuschheit**); in der Schrift de virg. vel. c. 10, 
sowie de cultu fem. II, 9 kennt er gleich den früher genannten 
Apologeten zahlreiche Vertreter der Virginität in der christlichen 
Gesellschaft. Cyprian verfasste die Schrift de habitu virginum zur 
Verherrlichung der Jungfräulichkeit; die gottgeweihten Jungfrauen 
sind ihm die Blüte der christlichen Pflanzung, die Freude und die 
Zierde der Kirche, der erlauchtere Teil der Herde Christi**). 
Gleiche Hochschätzung und Verherrlichung der Virginität finden wir 
bei Methodius in seinem Symposium der zehn Jungfrauen. Wie 



20) In Jerem. XIX, 4, 7. — 21) Contra Geis. I. 26, V, 49, VII, 48. — 
22) Contra Cela. VII, 48. — 23) Qoidam multo securiores totam vim huius er- 
roris virffine continentia depellnnt, senea pueri. — 24) Lib. de habitn virg.: 
Nanc noois ad virgines sermo est, c^naram quo sublimior gloria est, maior et 
cara est. Hae sunt ecdesiastici germmis flores, decus atqae ornamentum gratiae 
spiritalis. . • . Dei imago respondens ad sanctiraoniam Domini, illastrior porlio 
gfregis Christi. (Migne, s. lat t. 4 col. 455). 



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16 Das Aacetentum der drei ersten chrisiL Jahrh. 

schon Clemens die Verschiedenheit der christlichen Ascese von eini- 
gen schwachen heidnischen Analogieen scharf betont hat nnd wie 
die Apologeten des zweiten Jahrhunderts überhaupt die in allen 
Schichten der christlichen Oemeinschaft vorfindliche Ascese des ge* 
schlechtlichen Lebens als eine besondere Eigentümlichkeit des Ghri* 
stentums rühmend hervorgehoben haben, so leitet anch Methodins 
die Pflege der Virginität ans dem Wesen der christlichen Religion 
ab. Nach ihm ist die Jungfräulichkeit die Lilie unter den Blumen^ 
eine Pflanze vom Himmel; die Propheten und Heiligen des alten 
Bundes kannten sie nicht; erst Christus, der Fürst der Jungfrauen, 
ist der Lehrer der Virginität geworden; er, der Logos Gottes, hat 
sie vom Himmel gebracht ><^). 

Fassen wir das Gesägte zusammen, so ergiebt sich daraus 
folgendes Resultat : Die christliche Ascese ist erstlich kein Produkt 
des dritten oder gar erst vierten Jahrhunderts, sondern die ersten 
Ansätze dazu finden sich schon an der Wiege des Christentums; ja 
schon im zweiten Jahrhundert gab es in allen Schichten der christ- 
lichen Gesellschaft Asceteu, welche ihr ganzes Leben in Ehelosigkeit 
nnd Enthaltsamkeit verbrachten. Mit Stolz weisen die christlichen 
Schriftsteller auf diese Thatsache hin und betonen die Unfähigkeit 
des Heidentums derartige Erscheinungen im gleichen Umfange au» 
sich hervorzubringen *«). 

§. d. Privilegierte Stellung des Ascetentums sowie das Gelübde der 
Keuschheit in den drei ersten christlichen Jahrhunderten, 

Im Hinblick auf die theoretische Verherrlichung, welche der 
Ascese des geschlechtlichen Lebens in den drei ersten Jahrhunderten 
von den christlichen Schriftstellern zu teil vnirde, lässt sich von vorn- 
herein annehmen, dass diese ascetische Lebensweise auch in der Kirche 
praktisch vollauf gewürdigt wurde und sich einer besonderen Für« 
sorge erfreute. 

Bei der Feier des Gottesdienstes nahmen die gottgeweihten 
Jungfrauen die ersten, dem Presbyterium zunächst gelegenen Plätze 
ein. Tertullian erwähnt nämlich beiläufig, dass der Priester das 
Opfer darbringe, umgeben von den Jungfrauen und den einmal ver- 
ehelichten Witwen^); da nun auch die übrigen Gläubigen dem 



25) Galland. tom. III. p. 703, 709, 675, 677. 

26) Justin. Apol. I, 60, 14; Tertull. de monog. c. 2, Tatian. c. 82, Clem. 
Alex. Strom. IV, 8 §. 59. 

1) Lib. de exhort. cast. XI: Stabis ergo ad Dominum onm tot nzoribus^ 
quot in orationo commemoras? et offeres pro daabas? et comraeodabis ilkis 
daas per sacerdotem de monogamia ordinatam aat etiam de virg^nitate sanei-^ 



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Das Ascetenium der drei ersten chrUth Jahrh, 17 

Opfer beiwohnten, so folgt daraas , dass die gottgeweihten Jnng- 
fraumi die vordersten Plätze im Schiff der Kirche innehatten. Be- 
stfttigt wird dies auch dnrch die apostolischen Constitutionen, denen 
gemäss die Jungfrauen mit den Witwen und Presbytiden zuerst vor 
allen anderen, d. h. den Gläubigen, stehen oder sitzen sollten*). 
Dass ^ich die Asceten einen gewissen Vorrang hatten, ist daraus 
ecsichüich, dass sie nach den apost. Constitutionen (VIII, 13) un- 
mittelbar nach dem Klerus die Kommunion empfingen. Auch Ehren- 
titel werden ihnen beigelegt. Während die Gläubigen überhaupt die 
Auserwählten (SxXexToQ hiessen, bezeichnet Clemens von Alexandrien 
die Asceten als die Auserwählten unter den Auserwählten ^) (to>v 
SkXsxtcov exXexTOTepot). In den Stromaten^) giebt er wiederum den 
christlichen Asceten den Ehrennamen »Gnostiker«, weil sie den vom 
Logos geoffenbarten Glauben immer tiefer erfassend und ihr Leben nach 
dem Logos immer vollkommener ordnend, immer mehr im Denken und 
Wirken, Wissen und Leben Gott ähnlich zu werden trachten *). Schon 
aus diesen Angaben geht hervor, dass die Asceten und gottgeweihten 
Jungfrauen eine Mittelstellung zwischen E[lerus und Laien einnahmen; 
ja zu Anfang des dritten Jahrhunderts bildeten sie sicherlich einen 
eigenen Stand in der kirchlichen Gemeinschaft; Hippolyt zählt nämlich 
die Asceten neben den Bischöfen und Martjrrem als eine der Säulen der 
Kirche auf ^), und Origenes führt in der zweiten Homilie zum dritten 
Buche Mosis, wo er auf die verschiedenen Ordnungen oder Stände in 
der Kirche zu sprechen kommt, als solche den Episkopat, Presbyterat, 
Diakonat und unmittelbar darauf die Jungfrauen und Asceten an 7). 

tum; drcnmdatam yirginibus ac nniviris, et ascendet sacrificinm tnum libera 
fronte ? (Migne, s. lat. t. II, col. 975), 

2) Constit. Apost. 1. II, c. 57. 

3) Qais dives salv. c. 36. # 

4) Vgl. das ganze 6. and 7. Bach der Stromata, sowie Strom. II, 17. 

5) Paed. I, 6, ed. Pott. I, 116; Strom. II, 17 p. 468; UI. 5 p. 561; 
VI, 1 p. 736, VI, 8 p. 774 and bes. VII, 10 p. 864-866. 

6) Fragmenta m Proverbia : Alii septem colamnas dicant esse septem di^ 
▼inos ordines (t3c Itctoc ^üa. xitr^^oLxv)^ qoibas per sanotam atqae inspiratam di- 
vinitas eins doetrinara oreatara sastentatar, hoc est prophetas , apostolos , mar- 
tjres, hierarchas sive sacerdotes, ascetas, sanctos iostosqae. (Migne, s. gr., t. 10, 
col. 627). 

7) In Namer. hom. 2 n. 1 : Et nnde est, qaod saepe aadimas blasphemare 
homines et dicere, ecce qaalis episcopas, aat qaalis presbyter, vel qaalis dia- 
conos? Nonne haec dicantar, abi vel sacerdos vel minister Dei aasas fa^rit in 
ali<][ao contra ordinem saam venire, et aliqaid contra sacerdotalem vel leviticam 
ordinem gerere? Quid aatem et de vir^inibas dicam, aat de continentibas vel 
omnibas, qai in professione religionis yidentar? Nonne si qaid inTerecandam,. 
vel petalans, si qaid protervam gesserint, argait eos continao Moyses et dicit: 
homo secandam ordinem saam incedat ? Agnoscat igitar aniascaiasqae ordinem 
saam . . . . et Ita libret actas saos, ita etiam sermonem, incessam qaoqae et 
habitam moderetar, at cam ordinis sai professione conveniat. (Migne, s. gr.. 
t. 12 col. 591). 

Schiwietz, Mönchtum. 2 



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18 D(M Aacetentum der drei ersten christl. Jahrh, 

Wenn nun die Asceten und die gottgeweihten Jungfrauen einen 
eigenen Stand bildeten, so müssen sie auch die Ehelosigkeit, welche 
ja das Charakteristikum ihres Standes war, zur beständigen Lebens- 
norm gewählt haben. Dies geschah auch thatsächlich durch die Ab- 
legung des Oelübdes der Jungfräulichkeit oder Enthaltsamkeit. Der 
erste Zeuge dieses Gelübdes ist Clemens Alexandrinus. Er nennt näm- 
lich die Euthaltsamkeit und Jungfräulichkeit eine Verachtung des 
Körpers zufolge eines Gott gemachten Versprechens^) und erklärt 
auch : »Wer mit dem Vorsatze, nicht zu ehelichen, die Jungfräulich- 
keit gelobt hat, bleibe unverheiratet«^). Auch Origines bezeugt es, 
dass dieses Gelübde der Keuschheit die Natur eines Eides habe ^^). 
Da er an dieser Stelle in der ersten Person Pluralis redet, so er- 
giebt sich daraus, dass er nicht blos von den gottgeweihten Jung- 
frauen, sondern auch von den Asceten redet. Dass von den gottge- 
weihten Jungfrauen ein wirkliches Keuschheitsgelübde abgelegt 
wurde, beweisen die darauf bezüglichen Termini bei Cyprian: 
»Christo se dicare, tam carne quam mente se Deo vovere^^), in 
aeternum continentiae se devovere« ^*) und bei Tertullian : »Christo 
spondere maturitatem suam« ^^). Ja in Anspielung auf 2 Cor. 11, 21 
galt schon den beiden genannten Schriftstellern die Gott gelobte 
Jungfräulichkeit als eine geistige Vermählung und Ehe mit Christus; 
darum bezeichnet auch Tertullian das Keuschheitsgelübde mit nubere 
Christo, die gottgeweihte Jungfrau nennt er sponsa Christi. Aus 
demselben Grunde ist nach Cyprian eine gottgeweihte Jungfrau, 
falls sie das Gelübde gebrochen hat, adultera Christi i*). 

8) Strom. III, 1: ^'E^xpixeta to{vuv aa)[jLaTo; (tKt^o^ia xai« t^v tcoo? deov 
öfjLoXoYiav. (Migne, 8. gr., t. 8 col. 1103). 

9) Strom. III, 16: '0 xaxoc Tupö^eatv £uvoü)(^ia{ SjjLoXoYTjaa; {jltj y%*' aYaH"-©^ 
8ia|xev^Tü). (Migne, 1. c, coL 1197). 

10) In Leyitic. hom. 3 n. 4 : Et nos ergo cum venimus ad Denm et vo- 
yemns ei nos in castitate servire, pronantiamus labiis nostris et inramas nos 
castigare camem nostram, vel male ei facere atqne in servitatem redigere, nt 
spiritam saivam facere possimus. (Migne, s. gr., t. 12, col. 428). 

11) De habitn Tirg, c. 4: Neque enim inanis haec cantio est et vana 
formidoque ad salntis yiam consniit, qnae Dominica et yitalia praecepta cn- 
stodit, ut qoae se Christo dicaverint et a camali concupiscentia recedentes tam 
carne quam mente se Deo voYerint, consnmment opus snnra magno praemio 
•destinatam. (Migne, s. lat. t. 4 col. 455, 456). 

12) Ep. 60: Pro ^nibus (sc. Tirginibas a barbaris captis) non tantum 
libertatis, sed et pndoris iactnra plangenda est, nee tam Tincnla barbarorum 
quam lenonam et lupunarium stnpra deflenda sunt, ne membra Christo dioata 
et in aeternum continentiae honore pudica ?irtate devota insultantinm libidine 
et contagione foedentar (Migne, 1. c. col. 871). 

18) De vel. virg. c. 16. (Mi^ne, s. lat. t. 2, col. 911). 
^ 14) Ep. 62 : Si autem de eis aliq^ua corm^ta fuent deprehensa , a^^at 
poenitentiam plenam, qnia qaae hoc crimen admisit, non mariti, sed Christi 
adultera est, et ideo aestimato iusto tempore postea, exomologesi facta, ad ec- 
clesiam redeat . . . (Migne, s. lat. t. 4 col. 381). 



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Das Aacetentum der drei ersten christL Jahrh. Id 

Eine andere Frage ist aber die, ob in den drei ersten Jahr- 
hunderten schon die öffentlichen Eeuschheitsgelübde üblich waren. 
Was zunächst die Asceten anlangt, so bezeugt Basilius, dass noch 
zu seiner Zeit öffentliche Keuschheitsgelübde seitens der Männer 
nicht bestanden hätten; selbst die zu seiner Zeit schon in Gemein- 
schaft lebenden Asceten oder Mönche hätten sich blos stillschweigend 
(xaTtt aiQ)ic(ü^8vov) zur Uebernahroe des Cölibats verpflichtet ; er hält 
«s nun für zweckdienlich, dass man auch von den Kandidaten des 
Mönchsstandes eine ausdrückliche Kundgebung des Keuschheitsge- 
lübdes entgegennehme^'^). Da diesem Zeugnis des mit den Verhält- 
nissen seiner Zeit wohlvertrauten Basilius keine anderen zeitgenössi- 
schen Berichte entgegenstehen, so ist wohl der Kückschluss erlaubt, 
dass in den drei ersten Jahrhunderten öffentliche Keuschheitsgelübde 
der Asceten nicht üblich waren. 

Anders gestaltete sich die Sache bezüglich der gottgeweihten 
Jungfrauen. TertuUian ist der erste Eirchenschriftsteller, welcher 
gelegentlich berichtet, dass zu seiner Zeit die Jungfrauen das Ge- 
lübde öffentlich in der Kirche vor der versammelten Gemeinde ab- 
legten ^^); doch erfahren wir aus den Quellen der ersten drei Jahr- 
hunderte über die Form, das Ceremoniell der Gelübdeablegung und 
über das dazu erforderliche Alter nichts Bestimmtes. 

Es bliebe noch zu untersuchen, ob schon in dieser Zeit die 
nach Ablegung des Gelübdes geschlossene Ehe nichtig wurde ^7). 
Obwohl schon Cyprian das Gelübde mit der Ehe verglich und darum 
eine Jungfrau, welche ihr Gelübde gebrechen, als eine non mariti, 
sed Christi adultera bezeichnete^^), so galt ihm doch nicht ein 
solches Gelübde als absolut unauflöslich nach Analogie der Ehe; in 
Beantwortung einer diesbezüglichen Anfrage seitens eines gewissen 
Pomponius steht er nicht an, folgenden Bescheid zu geben : »Quodsi 
ex fide se Christo dicaverunt, pudicae et castae sine uUa fabula 
perseverent, et ita fortes et stabiles praemium virginitatis exspectent. 
Si autem perseverare nolunt vel non possunt, melius est, ut nubant 



15) Ep. 199 (canonica 2): 'AvöpüSv 8^ ©{xoXoYta? oux ^Y^ü)|xev, tcX^v e? [jLTf[ 
Tive^ lauTOu? xco TaY|i.oiTt twv fJLovaCövTwv lyxaTiipidjjLTjjav • ot xaia xb ai(07c<i>(xevov 
Soxooat «opaSeS^vftai t^v oyaiitav. IIX^v xa\ Ijc' exeivwv Ix^vo ii'>(o\J\LOn npori-^CKj^ai 
7cpo(nJxEtv, lpü)Ta<TWi auTöu?, xa\ Xa{xßav£ad>at x^v noi^ «ötoSv 6|xoAoYiav IvapYTj . , , 
(BasiUi opera omn., edit. Manrin. t. III pars altera pag. 423, 424). 

16) De virg. veL c. 14: Prolatae (sc. virgines) enim in medium et 
pubiicato bono sno elatae et a fratribus omni honore et charitatis operatione 
cnmalatae . . . (Migne, s. 1. t. 2 coi. 657, 658). 

17) Vgl. dazn Preisen, Gesch. des kanon. Ehereohts, Tübingen 1888, 
S. 677 ff. 

18) Vgl. Note 14. 

2* 



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20 Das Aacetentum der drei ersten chrUtl. Jahrh, 

quam in igneip delictis suis cadant«^^). Peters^) sucht zwar die 
Beweiskraft dieser Worte Cyprians abzuschwächen, indem er an- 
nimmt, Gyprian mache an dieser Stelle eine Distinktion zwischen 
öffentlichem und geheimem Eeuschheitsgelübde und gestatte blos 
den Jungfrauen, welche geheime Gelübde abgelegt, unter gewissen 
Bedingungen die Ehe. Indes die Worte: quae ex fide Christo se 
dicaverunt, welche er für seine Interpretation zu fruktificieren suchte 
bedeuten nicht etwa Jungfrauen, welche geheime Keuschheitsgelübde 
abgelegt haben, sondern solche, welche aufrichtig (ex fide) und nicht 
aus einem unedlen Motive das Gelübde überhaupt gemacht haben. 
Mithin fehlt jede Handhabe in den genannten Brief Cyprians die 
Unterscheidung ?on zweierlei Gelübden hineinzutragen. 

Es fllUt damit auch die Annahme, als sei nach Cyprian zwar 
den Jungfrauen, die blos geheime Eeuschheitsgelübde gemacht^ 
unter gewissen umständen die Ehe erlaubt, dagegen nach Ablegung: 
des öffentlichen Keuschheitsgelubdes die Möglichkeit einer Ehe ab* 
geschnitten gewesen. Auch die Beschlüsse der Concilien von Elvira. 
und Ancyra, welche allerdings schon dem Anfang des vierten Jahr- 
hunderts angehören, aber doch gewiss noch die Anschauungen des 
dritten Jahrhunderts wiederspiegeln, kennen nicht die Distinktion 
von öffentlichem und geheimem Keuschheitsgelübde. Indes beurteilea 
8i6 strenger als Cyprian den Treubruch der gottgeweihten Jungfrauen. 
Der 13. Canon des Concils von Elvira (306 oder nach Duchesne schon um 
300) spricht über gottgeweihte Jungfrauen, welche ein Gelübde brechen^ 
lebenslängliche Exkommunikation aus ; sühnen sie jedoch ihr Vergehen 
durch Busse , so sollen sie an ihrem Lebensende in die Kirche auf- 
genommen werden**); der 19. Canon des Concils von Ancyra (314) be- 
stimmte dagegen für einen derartigen Treubruch blos die Busse der 
bigami**), welche nach Basilius*«) ein Jahr betrug. Erst in einem 
Briefe des Papstes Innocenz I. an Victricius, welcher aus dem Jahre 

19) Ep. 62 (Migne, s. lat. t. 4 col. 377, 378). 

20) Vgl. Kraus, Real-Bncykl. der christl. Altert. Art. »Jungfrauen« 11^ 
80; Wilpert, Die gottgeweihten Jungfrauen in den ersten Jahrh. der Kirche^ 
Freiburg 1892, S. 9 (Note 6). 

21) Virffines, quae se Deo dicaverunt, si pactum perdiderint virginitatia 
atque eidem libidini (sc. carnis, de qua supra) servierint, non intelligentes quid 
admiserint, placuit nee in finem eis dandum esse communionem. Quodsi semel 
persuasae aut infirmi corporis lapsu vitiatae omni tempore vitae suae huiusmodi 
foeminae egerint poenitentiam , ut abstineant se a coitu , eo quod lapsae potius 
videantur, placuit eas in finem communionem accipere debere (Hefele, Concilien- 
geschichte, Freiburg 1873, I S. 161). 

22) ^'Oaoi 7cap9«£v(av Iwa^Ye^^öji-svot a^exoOai x^v i7za,f(e\ia^^^ xbv twv SiyÄH-wv 
Bpov ^x7cX7)poÜT(oaav • xa? jjl^vtoi ouvepvofA^va^ Tcap^^vou? itolv u)? aSeX^poc? lx(oXüaafAe> 
(Hefele, 1. c. S. 338). 

23) Basil. oper. ed. Maurin. t. III pars alt. p. 422, 



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Das Ascetentum der drei ersten chrUtl, Jahrh, 21 

404 datiert ist, wird eine deutliche und ausdrückliche Unterscheidung 
gemacht zwischen feierlichen und unfeierlichen Gelübden, zwischen 
solchen Jungfrauen, welche sich mit Christo geistig vermählt und 
Yom Priester mit dem Schleier bekleidet zu werden verdient haben, 
und solchen, welche noch nicht den Schleier erhalten, die aber im 
Stande der Jungfräulichkeit zu bleiben versprochen haben. Nach 
diesem Briefe sollen die ersteren, die virgines velatae, für den Fall, 
dass sie das Gelübde brechen und eine Ehe eingehen, strenger ge- 
straft werden, als die letzteren, die virgines non velatae ^^); aber 
von einer Ungiltigkeit der Ehe ist hierbei keine Bede, vielmehr wird 
durch den ganzen Tenor des Briefes die Giltigkeit derselben in- 
sinuiert oder vorausgesetzt. 

Indes ist die Existenz beider Arten von Gelübden, des öffent- 
lichen und geheimen (privaten), an sich nicht erst im fünften Jahr- 
hundert nachweisbar. Schon bei TertuUian waren beide Klassen von 
Jungfrauen unterschieden; ja nach seiner Privatansicht verdienen 
die privaten Gelübde den Vorzug und die Jungtrauen sollten damit 
zufrieden sein, Gott allein bekannt zu sein ^^). 

Anlaugend die ursprüngliche Organisation des Jungfrauenstandes, 
^0 erfahren wir von Cyprian, dass die Jungfrauen unter der besonderen 
Obhut der Bischöfe standen ; zugleich sollten die älteren unter ihnen 
4ie Lehrmeisterinnen der jüngeren sein. 

^. 5. Die Lehensweise der Äsceten und der goUgewdfUen Jungfrauen^ 

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Ehelosigkeit ein 
Sichzurückziehen von der Welt mit sich bringen musste. Clemens 
von Alex. 1) verlangt, dass der Ascet sich von der sündhaften Welt 
fernhalten solle, da das Böse ansteckend wirke, und lobt die Aus- 
erwählten unter den Auserwählten, welche aus den Stürmen der Welt 
ihr Lebensschiffiein aufs Trockene gezogen und in Sicherheit gebracht 
haben «). Und Origenes antwortet auf die Frage: »Wer ist heilig?« mit 

24) Item quae Christo spiritaaliter nupserant et velari a sacerdote me- 
raerunt, si postea ve\ publice napserint vel se clanculo corruperint , non eas 
admittendas esse ad agendam poenitentiam, nisi is, cni se innxerant, de saecalo 
recesserit . . . Hae vero, quae necdum sacro velamine tectae, tarnen in proposito 
virginali se promiserant permanere, licet velatae non sint, si forte nupserint, 
his agenda aliquante tempore poenitentia est ; quia sponsio eins a Deo teneba- 
tnr (Migne, s. lat. t. 20, col. 478 seq.). Vgl. auch die canones 1 und 2 der 
Tömischen Synode unter Innocenz 1. im Jahre 402 (Hefele, Conciliengesch. 1875 
Bd. II S. 87). 

25) (Virgo sanctior) gaudehit sibi et soli Deo nota (De veland. virg, c. 15 
Migne, s. lat. t. 2 col. 959). 

1) Strom. VII, 7 §. 49 p. 309. — 2) Quis dives salv. c. 86. Es ist 
durchaus kein Widerspruch, wenn Clemens an einem anderen Orte (Strom. III, 7) 
-die Allgemeinheit der Christen gegen den Vorwurf extremer Weltflucht nach 
Art der indischen Büsser verteidigt. 



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22 Das Ascetentum der drei ersten Christi. Jahrh. 

den Worten: »Wer sich von der Welt zurückzieht, um sich ganz dem 
Herrn zu weihen« •), Gleiche Forderungen stellte man an die gott- 
geweihten Jungfrauen. Tertullian*) meint, dass die Jungfrau nicht 
nur keusch leben, sondern auch in der Zurückgezogenheit ihr Da- 
sein zubringen solle. Ebenso verlangt Cyprlan Absonderung der Jung- 
frauen von dem gewöhnlichen Leben *) und warnt vor der Beteiligung^ 
an Hochzeitsgelagen und dem Besuch der öffentlichen Bäder ^). Die 
Absonderung von der Welt hatte zur Folge, dass sich gleichgesinnt^ 
Asceten zu einem gemeinsamen Leben verbanden. Schon Glemens^ 
von Alex, rühmt den Segen des Zusammenlebens gleichgesinnter 
Gnostiker^). Allerdings hemmten die Verfolgungen und Bedräng- 
nisse der Kirche eine solche Entwicklung des Ascetentums; doch 
sind schon gegen Ende des dritten Jahrhunderts Ascetenvereino 
nachweisbar. Gründer eines solchen Ascetenvereins war laut dem 
Berichte des Epiphanius der Egyptier Hierakas um die Wende des 
dritten Jahrhunderts. Epiphanius «) wirft ihm zwar verschiedene 
Irrlehren vor, rühmt aber seine ascetischen Bestrebungen und be- 
richtet, dass in seinem Ascetenverein blos Jungfrauen, Asceten und 
Witwen Aufnahme fanden^). Obwohl uns nähere Angaben über 
diese Ascetenvereinigung fehlen, so bildet doch diese Thatsache an 
sich einen Anhaltspunkt für die beginnende Entwicklung des Asceten- 
tums zum gemeinsamen Leben. Immerhin ist nach den vorhandenen 
Quellen dieses Zusammenleben der Hierakiten eine im dritten Jahr- 
hundert einzig dastehende Erscheinung. Nach Athanasius kann von 
einer weiteren Ausdehnung solcher Ascetenvereine in Egypten zu 
jener Zeit nicht die Rede sein; vielmehr berichtet er, dass die 
Asceten damals einzeln nicht weit von ihren heimatlichen Dörfern 
in der Einsamkeit der Ascese oblagen ; dagegen kennt er schon Tcap- 
^evcovec »Jungfrauenhäuser« am Ausgang des dritten Jahrhunderts ^^) ;. 
der Jungfrauenstand war also in dieser Beziehung den männlichen 
Asceten vorausgeeilt. 

Im dritten Jahrhundert machte sich auch eine bedenkliche 
Extravaganz auf dem Gebiete des ascetischen Lebens geltend; sie 
bestand im Zusammen wohnen von Jungfrauen mit Männern behufs 
gegenseitiger geistiger Förderung ; man wollte dadurch seine Tugend 



3) In Levitic hom. 11 n. 1. — 4) De virg. vel. c. 3, et 7. - 5) Ep. 62. ~ 
■- 6) De hab. virg. c. 18 und 19. — 7) Strom. VH. 7 §. 49 p. 309. — 8) Epiphan. 
haer. 67 ^Migne, t. 42 col. 171 seq.). — 9) Haer. 67 §.2: OöSeI? [irc' aOtwv^ 
ouvÄYSTai oXXa e? elfij «ap^^vo^ 5) fjLovotjftov 5) lyxpax^? ^ X'ip*- (Mig^e, 1. c. col. 175). 

10) Atbanasins, vita s. Antonii c. 3. Die Argumente für die Echtheit 
und Glaubwürdigkeit dieser vita Antonii finden sich bei Mayer im »Katholik« 
(Mainz 1866) 55, 495 ff., 619 ff.; 56, 173 ff. 



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Das Ascettntum der drei ersten chriatl. Jahrh» 23 

bewähren; in der Nähe eines Menschen des anderen Geschlechtes za 
leben und doch keine unlanteren Begangen zu empfinden sollte eine 
besondere Heiligkeit sein. Diese extravagante Sitte scheint ihren 
Ursprung den Qnostikern zn yerdanken; wenigstens ist Irenäns^^) 
der erste, welcher diese bedenkliche Unsitte gegen Ende des zweiten 
Jahrhunderts den gnostischen Valentinianern zuschreibt und zugleich 
berichtet, dass schliesslich das, was im Geiste anfing, im Fleische 
endigte. Der Verfasser des wahrscheinlich erst dem dritten Jahrhundert 
angehörenden pseudoklementinischen BrieQ)aares erklärt dagegen im 
Namen aller echt christlichen Asceten : »Mit Jungfrauen wohnen wir 
nicht unter einem Dache ; adch besteht nicht zwischen uns und ihnen 
irgendwelche Gemeinschaft. Wir essen und trinken nicht mit ihnen. 
Wo eine heiratsfähige oder gottgeweihte Jungfrau schläft, da schlafen 
und übernachten wir nicht. Weiber waschen nicht unsere Füsse, noch 
salben sie uns.« (II, 1 Migne, s. gr. 1. 1 col. 418). Cyprian ") schritt 
gegen das auch in Nordafrika sich ausbreitende Uebel des Syn- 
eisaktentums energisch ein und forderte von den kirchlichen Vor- 
gesetzten, dass sie dieses Zusammenleben von Männern mit 
Jungfrauen verhinderten. Gegen Ende des dritten Jahrhunderts trat 
diese Extravaganz auch anderwärts in die Erscheinung; denn die 
Synode von Ancyra (314) sah sich in ihrem 19. Canon veranlasst 
streng zu verbieten, dass gottgeweihte Jungfrauen wie Schwestern 
bei Männern wohnen ^^). 

Anlangend die Eleidang der gottgeweihten Jungfrauen, so ver- 
bietet Cyprian i*) blos die Putzsucht und den Kleiderprunk ; von 
einer besonderen Kleidung der gottgeweihten Jungfrauen weiss er 
aber nichts; indes war in einigen Gegenden Nordafrikas der Schleier als 
Tracht der Jungfrauen üblich. Manche Bischöfe waren gegen diese Ver- 
schleierung ; daram schrieb Tertullian als Montanist ein eigenes Buch 
de velandis virginibus und verfocht die Notwendigkeit des Schleier- 
tragens. Die Unverschleierten nennt er mit einer gewissen Ironie 
virgines malae, virgines hominam, capita nundinatitia; diejenigen, 
welche den Schleier tragen, virgines bonae, virgines Dei i*). Gegen 

11) Ady. haer. I, 6 §. 3. - 12) Ep. 62. 

13) Siehe oben S. 20 Note 22. — 14) De hab. virg. c. 5. 

15) De yel. virg. c. 3: »Ambiunt virgines hominum adversus virgines Dei, 
nnda plane fronte in temerariam aadaciam ezcitatae .... Scandalizamnr, in- 
quinnt , qnia aliter aliae incedunt : et malunt scandalizari quam provocari. 
SGandalnm, nisi fallor, non bonae rei, sed malae exemplum est, aedificans ad 
delictnm. Bonae res neminem scandalizant, nisi malam mentem . . . Cur non 
magis hae qnerantur scandalo sibi esse petalantiam, impudentiam ostentatitiae 
virginitatis? Propter eiusmodi igitar capita nundinatitia, trahantur virgines 
sanctae in Ecclesiam, ernbescentes qaod cognoscantur in medio, paventes quod 
detegantnr ... sacrilegae manos, qnae dicatnm Deo babitnm detrahere po- 



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24 Das Aacetentum der drei ersten Christi. Jahrh, 

Ende der genannten Schrift fordert er die Jungfrauen zam Tragen 
des Schleiers emphatisch auf ^^): »Ich bitte dich, Jungfrau, verhülle 
mit dem Schleier das Haupt. Ergreife die Waffe der keuschen Zucht, 
umgieb dich mit dem Walle der Schamhaftigkeit, baue deinem Qe- 
schlechte eine Mauer, welche weder deine eigenen Blicke noch die 
der Vorübergehenden hindurchlässt. Trage das Gewand der Frau, 
damit du den Stand der Jungfrau bewahrst. Oieb dir den Schein, 
als wärest du das, was du in Wirklichkeit nicht bist, und sei zu- 
frieden, dass Gott allein dich kennt, üebrigens bist du ja wirklich 
verheiratet , denn du hast dich mit Christo vermählt ; ihm hast du 
deinen Leib übergeben, ihm dich verlobt. Kleide dich nun auch so, 
wie dein Bräutigam es will. Christus verlangt aber, dass die welt- 
lichen Bräute und Frauen den Schleier tragen; um wie viel mehr 
sollen dies erst seine Bräute thuen !< Aus diesen Worten geht zu- 
gleich hervor, dass der Schleier der Jungfrauen sich durch nichts 
von dem der verheirateten Frauen unterschied. Auch das Abschnei- 
den der Haare war damals noch nicht üblich ; vielmehr verbarg man 
das Haar unter dem Schleier i^). 

Auch lässt sich nicht aus dem liber de veland. virg. der Nach- 
weis führen, dass etwa zur Zeit TertuUians schon die Gelubde- 
ablegung mit der üeberreichung des Schleiers verbunden war. Die 
Redensarten tegere, volare,, claudere, abscondere, operire (sc. faciem 
velo) kommen zwar bei ihm vor, aber noch nicht in dem technischen 
Sinne von Einkleidung oder Schleiernehmen ^^) , wie dies aus dem 
Contezt ersichtlich ist. Erst um die Mitte des vierten Jahrhunderts 
wurde die Ablegung des Gelübdes der Jungfräulichkeit durch Aeu- 
derung der Gewänder besiegelt, wie dies Ambrosius in seiner Schrift 

taerunt ! Quid peius aliqnis persecntor fecisset^ si hoc a virgine electum cogno- 
visset? Denadasti pnellam a capite, et fcota iam virgo sibi non est: alia est 
facta. Exsnrge igitar, veritas, ezsnrge, et quasi de patientia erampe: nullam 
volo consuetudinem defendas .... Te esse demonstra, quae virgines tegis.« 
(Mig^iie, s. lat., t. 2 col. 892). Im Gegensatz zu den Verschleierten, d. i. den 
virgines Dei, virgines sanctae, nennt Tertnliian hier die ün verschleierten vir^ 
gines hominnm, capita nundinatitia ; diese Ansdrncksweise ist mit einer ge- 
wissen Ironie gewählt und bietet darum kein ernstes Fundament, um daraus 
deducieren zu können, dass Tertullian mit diesen beiden Termini »virgines Dei 
und virgines hominum« die gottgeweihten Jungfrauen von denen, welche noch 
nicht öffentliche Gelübde abgelegt hätten, unterscheiden wollte, wie dies Mar- 
tene (De antiq. eccl. ritibus t. 2 l 2 c. 6 ed. Bassani p. 186), Peters (vergl. 
Kraus, R.-E., Art. »Jungfrauen« II, 80 ff.) und Probst (Kirchliche Disciplin etc. 
S. 138) angenommen haben. Tertullian verlangt, wie auch aus seiner Schrift 
de orat. c. 22 ersichtlich ist, die Verschleierung aller Jungfrauen, nicht Mos 
der gottgeweihten. 

16) De vel. virg. c. 16 (Migne, s. L, t. 2 col. 911). 

17) Tertall. de orat. c. 22. 

18) Das Letztere scheint Wilpert (Die gottgeweihten Jungfrauen S. 15) 
anzunehmen. 



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Das Aacetentum der drei ersten christl, Jahrh. 25 

De institutiöoe virginis (l. Sei Migne, s. L t. 16 col. 219) bezeugt. 
Die Geremonie der Einkleidung bestand aber in der Ueberreichung des 
Schleiers und der Standestunica (Ambros. de virginib. 1. 1. c. 11 
<M^e L c. col. 206 seq.) i«). 

Die Asceten männlichen Oescblechts hatten im dritten Jahr- 
hundert noch kein eigentümliches Kleidungsstück ; TertuUian *<^) hält 
es ihnen nämlich als einen Mangel vor, dass sie es noch nicht, wie 
die Jungfrauen , zu einer besonderen , ihren Stand kennzeichnenden 
Kleidung gebracht hätten. ^ 

§. 6. Die Ehelosigkeit im Dienste des Eeiches Qottes, 

Christus hat der Ehelosigkeit die Hinordnung auf das aposto- 
lische Missionswerk gegeben. Es liegt eben im Wesen des Cölibats, 
dass er Baum und Freiheit gewährt, die Summe der verliehenen 
Kräfte der Ausbreitung des Beiches öottes dienstbar zu machen. 
Aus diesem Grunde giebt Paulus dem ehelosen Stande den Vorzug 
vor der Ehe, welche wegen der mannigfachen mit ihr verbundenen 
irdischen Sorgen und Verwicklungen einer ungeteilten Hingabe an 
das Missionswerk Hindernisse bereitet. 

Fragen wir nun, in welcher Weise sich das von Christus dem 
ehelosen Stande gesteckte Ziel im kirchlichen Leben der drei ersten 
Jahrhunderte realisierte, so geschah dies in doppelter Weise. 

Zunächst förderten die Asceten beiderlei Geschlechts schon an 
und für sich durch ihr gottinniges Leben das Wohl der ganzen 
christlichen Gemeinschaft. Sie heiligten die Welt durch ihr Gebet, 
ihr Opferleben und durch das Beispiel. Die Apologeten unterliessen 
es nicht, auf das strahlende Beispiel des ehelosen Standes hinzu- 
weisen. Clemens von Alexandrien preist die Asceten als Bekämpfer 
und Besieger des Teufels. Und in Anspielung auf die Paulinisehe ^ 
Lehre von dem mystischen Leibe Christi, dessen stärkere Glieder 
den schwächeren helfend zur Seite stehen, spricht Origenes*) die 
Bedeutung der Asceten für die gesammte Christenheit und ihr Ver- 
hältnis zu dem gläubigen Volke folgendermassen aus: »unter dem 
Volke Gottes sind gewisse, die für Gott streiten, jene, welche sich 
nicht mit zeitlichen Geschäften abgeben. Sie sind es, welche in 
Krieg ziehen gegen feindliche Völker (gentes) und gegen die bösen 
Geister und für das übrige Volk wie für die wegen des Alters oder Ge- 
echlechtes oder des Vorsatzes Schwächeren streiten. Sie streiten aber 



19) Vgl. auch Wilpert, Die gottgeweihten Jungfrauen S. 15 ff. 

20) De vel. virg. c. 10. 

1) I. Cor. 12, 25 seq. — 2) Orig. in Num. hom. 25 n. 4. 



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26 Das Aacetentum der drei ersten christl, Jahrh, 

durch Gebet und Fasten, Gerechtigkeit und Frömmigkeit, Sanftmutf 
Keuschheit und jede Art Enthaltsamkeit als ihren Eriegswafifen» 
Und wenn sie als Sieger zum Lager zurückgekehrt sind, nehmen an 
ihren Mühen auch die Unkriegerischen teil, wie die, welche nicht 
zum Kampfe gerufen wurden oder nicht ausziehen konnten.« 

Ausser dieser allgemeinen Bedeutung für die christliche Ge- 
meinschaft fand der ehelose Stand noch eine besondere Verwendung 
im Dienste der Kirche. Bezüglich der Asceten weiblichen Geschlechts 
geschah dies in dem Institute der Diakonissen. In der apostolischen 
Zeit, wo der Stand der gottgeweihten Jungfrauen erst im Entstehen 
begriffen war, rekrutierte sich dies Institut aus Witwen. Die ersten 
Spuren der Existenz desselben finden wir in 1 Tim. 5, 9 — 10. Nach- 
dem nämlich Paulus den Timotbeus gemahnt, die Witwen, welche 
wahrhaft Witwen sind, zu ehren und nötigenfalls auch zu unter- 
stützen, fährt er fort: (v. 9) »Als Witwe werde eingezeichnet (xaxaXe- 
yIg^o)), die nicht unter 60 Jahren ist, eines Mannes Frau gewesen; 
(v. 10) in guten Werken bezeugt wird, wenn sie Kinder auferzogen, 
wenn sie Fremde beherbergt, wenn sie Heiligen die Füsse gewaschen, 
wenn sie Bedrängten beigestanden, wenn sie jedem guten Werke sich 
angeschlossen hat.« In diesen beiden letzten Versen redet Paulus 
nicht mehr, wie in den vorhergehenden Versen, von den armen (ver- 
einsamten) Witwen überhaupt, sondern von solchen Witwen, die für 
gewisse kirchliche Dienste bestimmt sind oder in das Verzeichnis der 
kirchlichen Personen (Diakonissen) eingetragen werden sollen. In 
diesem Sinne verstanden auch die Worte Pauli die ältesten Kirchen- 
schriftsteller, wie Origenes^) und TertuUian *). Man kann durchaus 
nicht mit Neander (apost. Kirche I, 265) annehmen, dass hier blos 
vom Eintragen in das Verzeichnis der zu unterstützenden Witwen 
die Rede sei. Die Fixierung ^es Lebensalters auf 60 Jahre und die 
Eigenschaft nur einmaliger Ehe konnte doch nicht bei der Unter- 
stützung der Witwen massgebend sein; jüngere Witwen und solche, 
die zweimal verheiratet gewesen waren, mochten oft mindestens ebenso 
unterstützungsbedürftig gewesen sein. Wenn aber Herzog (Real- 
encyklopädie für prot. Theol (1855) III, 368) die Worte Pauli des- 
halb nicht auf die Diakonissen beziehen will , weil der Apostel ge- 
wiss nicht das 60. Lebensjahr festgesetzt hätte für einen Dienst, der 
manche beschwerliche Seiten hatte, so ist dies kein stichhaltiger 
Grund; Paulus hatte eben, wie er es (v. 11 ff.) andeutet, üble Er- 
fahrungen mit jüngeren Witwen gemacht, die zur Welt zurückkehren 



3) Orig. in Joanii. hom. 32 n. 7. — 4) Tert. ad uxor. 1. 1 c. 7. 

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Das Ascetentum der drei ersten christL Jahrh, 27 

und mit Brach ihrer gelobten Treue eine zweite Heirat schliessen 
wollten. Es ist darum 1. Tim. 5, 9 — 10 nicht von einer Eintragung 
in die Liste der unterstützungsbedürftigen Witwen die Bede, sondern 
von der Eintragung in das Verzeichnis der mit gewissen kirchlichen 
Diensten, welche der Apostel (v* 10) andeutet, betrauten Witwen. 
Ob schon zur Zeit der Apostel auch gottgeweihte Jungfrauen für 
kirchliche Dienste verwendet wurden, ist nicht erweisbar. Zwar wird 
von Paulus Rom. 16, 1 — 2 eine gewisse Phöbe genannt, welche Dia- 
konisse (diaxovoc) der Eirche in Kenchreä war und dem Apostel 
sowie anderen Handreichung leistete; auch die Rom. 16, 2 ge- 
nannten Frauen mögen im Geiste der Phöbe für den Glauben und 
die Ehre Gottes gewirkt haben; es ist aber nicht ersichtlich, ob 
sie Witwen oder Jungfrauen waren. Indes bei der steten Zu- 
nahme des Jungfrauenstandes und dem Wachstum der christ- 
lichen Gemeinden wurden bald die rüstigeren Kräfte der Jung- 
frauen in Anspruch genommen; dies geschah nachweislich schon im 
Zeitalter der Apostelschüler. Ignatius grüsst nämlich im Briefe an 
die Smyrnäer (c. 12) »die Jungfrauen, welche Witwen genannt wer- 
den.« Weil in der apostolischen Zeit vorherrschend Witwen das 
Diakonissenamt versahen, so ist es erklärlich, dass zur Zeit des 
hl. Ignatius auch die mit diesem Ehrenamte betrauten Jungfrauen 
Witwen genannt wurden. Während Paulus junge Witwen von diesem 
Ehrenamte ausgeschlossen wissen wollte, waren die Bischöfe später 
bei der Auswahl der Jungfrauen für dieses Amt bezüglich des Alters 
weniger ängstlich; TertuUian (de virg. vel. c. 9) spricht nämlich 
seine Verwunderung darüber aus, dass an einem Orte eine noch nicht 
zwanzigjährige Jungfrau in das Viduat aufgenommen worden sei* 
Allmählich rekrutierte sich der Stand der Diakonissen , wie die 
apostolischen Constitutionen^) bezeugen, ebenso aus Jungfrauen wie 
aus Witwen, und die mit kirchlicher Bedienstung betrauten Personen 
wurden bald mit Rücksicht auf die historische Entwicklung Witwen, 
bald im Hinblick auf Rom. 16, 1 Diakonissen genannt. 

Anlangend die Obliegenheiten der Diakonissen, so wirkten sie 
zunächst im gewissen Sinne als Glaubensboten. Wegen ihrer gesell- 
schaftlichen Verbindungen kamen sie oft in die Lage auf den christ- 
lichen Glauben vorzubereiten; sie durften in allen Fragen, die sich 
auf Glauben, Gerechtigkeit und Hoffnung auf Gott beziehen, Ant- 
wort geben; doch sollten sie sich darauf beschränken, die Heiden 
vom Irrtum der Vielgötterei abzuwenden und auf die Lehre von der 



5) Apost. Const 1. 6. c. 17. 



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28 Das Ascetentum der drei ersten chriatl. Jahrh, 

Einheit G-ottes hinzuweisen. Auf die Darlegung der spezifisch Christ'* 
liehen Wahrheiten sollten sie sich nicht einlassen, um nicht durch 
«ine unpassende oder mangelhafte Antwort die christlichen Geheim- 
nisse dem Spotte der Ungläubigen auszusetzen ^) und auch wohl aus 
dem Grunde, weil es dem Weibe nicht gestattet war, den Mann zu 
belehren und zu beherrschen 7). Wollte darum jemand in der ße- 
ligionslehre selbst unterrichtet werden, so sollten sie ihn an die Vor- 
steher weisen 8). Ein grösserer Spielraum wurde indes den Dia- 
konissen bezüglich des Unterrichtes der Frauen gewährt. Bei der 
dem Morgenlande eigentümlichen Abgeschlossenheit der Frauen waren 
sie die geeignetsten Personen, um, ohne Verdacht zu erregen, auch 
in die Frauengemächer die Lehre Christi zu bringen^). Ferner ver- 
mittelten sie den Verkehr der christlichen Frauen mit den Bischöfen 
und Diakonen ^^), Wie die Diakonen waren sie verpflichtet im Dienste 
des Evangeliums Botschaften zu übermitteln. Reisen zu machen, Bei- 
stand zu leisten und zu dienen ^^). Arme Witwen standen unter ihrer 
Leitung ^^). Endlich befassten sich die Diakonissen mit Kranken- 
pflege und unterrichteten junge Frauen in den Pflichten des Ehe- 
standes, der Eindererziehung und des Hauswesens^'). Die Verwend- 
ung der Diakonissen während des Gottesdienstes beschränkte sich auf 
die äussere Disciplin. Sie überwachten die Eingänge zu der Ab- 
teilung der Frauen in der Kirche und wiesen diesen die Plätze an ^^). 
Auch waren sie dem Bischof behilflich bei der Taufe und der mit 
der Taufe verbundenen Salbung der Katechumenen weiblichen Ge- 
schlechtes 1*). 

Mit Rücksicht auf diese mannigfachen Dienste im Interesse des 
Evangeliums standen die Diakonissen im hohen Ansehen. Von Po- 
lykarpi«), desgleichen in den apostolischen Constitutionen^^) werde» 
sie Altar Gottes genannt. Der 7. Canon Hippolyts befiehlt sie wegen 
ihrer vielen Gebete, ihrer Sorge für die Kranken, ihres häufigen 
Fastens besonders zu ehren. Origenes hält sie kirchlicher Ehren 
wert, weil sie sich mit der Unterweisung des weiblichen Geschlechtes 
in der christlichen Lehre abmühen, und rechnet sie auch zu den 
kirchlichen Dignitäten ^^). Die kirchliche Ehre bestand gemäss den 
apostolischen Constitutionen darin, dass sie mit den Jungfrauen und 



6) Apost. Const. 1. 3. c. 5. — 7) Orig. in Isai. hom. 6, n. 8. — 8) Vgl. 
Note 6. — 9) Clem. Alex, sttom. 1. 3. c. 6. — 10) Apost. Const. 1. 2. c. 26. — 
11) Ibid. l. 3. c. 19. — 12) Ibid. 1. 3. c. 7. — 13) Hippol. can. 9; Orig. ad 
Rom. 1. 10. n. 17 n. 20. 

14) Apost. Const. 1. 8. c. 28; 1. 2. c. 58. — 15) Apost. Const. 1. 3. 
c. 15 u. 16. — 16) Polyc. ad Philadelph. c. 9. — 17) Apost. Const. 1. 2. c. 6. — 
18) Orig. in Isai. hom. 6. n. 3. 



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Das Ascetentum der drei ersten christL Jahrh, 29 

Presbytiden die ersten Plätze im Schiffe der Kirche einnahmen i^) ; 
auch die Commanion empfingen sie nach dem Klerus und den 
Asceten als die ersten unter den Frauen ^^). Endlich erhielten sie, 
falls sie kein eigenes Vermögen besassen, ihren Unterhalt aus den 
Einkünften der Kirche gleich den niederen Klerikern'^). 

Trotz alledem war es den Diakonissen, wie überhaupt den Frauen^ 
in üebereinstimmung mit der Vorschrift des hl. Paulus verboten, öf- 
fentlich zu predigen und andere priesterliche Funktionen zu ver- 
richten "). Wegen ihrer hohen Bedeutung für die Kirche bildete sich 
aber allmählich eine feierliche Einführung derselben in ihr Amt aus. 
Das Gebet, weiches hierbei der Bischof in Gegenwart des Presby- 
teriums, der Diakonen und Diakonissen sprach, lautete folgender- 
massen: >Ewiger Gott, Vater unseres Herrn Jesu Christi, der du 
Mann und Weib erschaffen, Maria, Debora, Anna und Holda mit 
dem Geiste erfüllt und dich gewürdigt hast, dass dein Eingeborener 
aus einem Weibe geboren wurde, der du am Zelte des Zeugnisses 
und im Tempel Frauen als Hüterinnen deiner heiligen Thüren ein- 
gesetzt hast, sieh nun auf diese deine Dienerin herab, erwählt zur 
Diakonin, und gieb ihr den hl. Geist, reinige sie von aller Be- 
fleckung des Leibes und des Geistes, um das ihr übertragene Amt 
würdig zu vollziehen, zu deiner Ehre und zum Lobe deines Christus, 
mit dem dir Ehre und Anbetung und dem hl. Geiste in Ewigkeit. 
Amen« ^). Zwar findet sich dieses Gebet im 8. Buche der apostoli- 
schen Constitutionen, welches der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts 
zugeschrieben wird; doch lässt es sich nachweisen, dass dieses Ge- 
bet über die Diakonissen vor der Mitte des 3. Jahrhunderts schon 
vorhanden war und von dem Herausgeber des 8. Buches als ein 
altes Formular in seine Sammlung aufgenommen wurde ^). Mit 
diesem Weihegebet der Diakonissen war auch nach dem Zeugnis der 
apost. Constitutionen (1. 8 c. 19) eine Handauflegung seitens des 
Bischofs verbunden. Da jedoch nach dem ausdrücklichen Zeugnisse 
derselben apost. Constitutionen den Diakonissen der priesterliche 
Charakter fehlte und die letzteren nach dem 19. Canon des ersten 
Concils von Nicäa zu den Laien gezählt wurden, so ist diese Hand- 



le) Apost. Const. 1. 2. c. 57. — 20) Ibid. 1. 8. c. 13. — 21) Ibid. 1. 8. 
c. 31; 1. 2. c. 25. - 22) Ibid. L 3. c. 6. 

28) Ibid.l. 8, 20. — 24) Prohat, Kirchl. Disciplin in den 3 ersten christl. 
Jahrb., Tübingen 1873 S. 119 Not. 3: »Von dem Ordinationsgebet der Dia- 
konissen l&sst sich nachweisen, dass der Herausgeber des 8. Baches es als ein 
altes Formular in seine Sammlung aufiiahm. In demselben wird nämlich den 
Diakonissen die Thürwache bei den Frauen übertragen. Im 11. Gapitel lasst 
er aber die Subdiakonen die Th&re bei der Abteilung der Frauen überwachen, 
ein Versehen, das zeigt, dass die Bemerkung c. 11 später eingeschaltet wurde.« 



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30 Das Ascetentum der drei ersten christL Jahrh. 

auflegung nicht sensu strictiori, sondern als blosse Benediktion za 
fassen. 

Es bliebe noch zu zeigen , in wie weit im Verlauf der drei 
ersten Jahrhunderte der Stand der Gölibatäre männlichen Geschlechts 
im Dienste des Reiches Oottes und Evangeliums verwendet wurde. 
Schon die Apostel haben, wie die hl. Schrift mehrfach andeutet und 
die Kirchenväter einstimmig bezeugen, als Cölibatäre gelebt ^<^); indes 
war die Kirche anfänglich noch nicht in der Lage, ihre Diener aus- 
schliesslich aus der Zahl der Unvermählten zu wählen; denn die 
Juden, aus denen sich die ersten Diener der Kirche rekrutierten, 
verwarfen die Virginität, und unter den Heiden waren die ün ver- 
mählten fast nur solche, welche die Ehe aus Zügellosigkeit ver- 
schmähten und darum für den klerikalen Stand durchaus nicht tauglich 
waren. Diesen Verhältnissen trug der hl. Paulus Rechnung, indem er 
I. Tim. 3, 2 im abwehrenden (negativen) Sinne statuierte : AeT ouv t6v 
iicioxoicov . . . ^läc Yuvaixic Svdpa. Undenkbar ist es, dass hiermit 
Paulus, wie die Vigilantianer und manche protestantische Exegeten an- 
nehmen, die Vorschrift gegeben habe, dass der Bischof verheiratet sein 
müsse. Eine solche Deutung widerspricht der Anschauung Pauli, der 
selbst ehelos war, dessen getreueste Schüler Titus und Timotheus ohne 
alle Spur von Frau und Kindern erscheinen und der noch wenige Jahre 
früher I. Gor. 8, 7 den jungfräulichen Stand so hoch erhoben hat. 
Auch die ganz analoge Stelle I. Tim* 5, 9 ; x^P^ xaTaXe^lodo) . . . 
Ivöc ivJpic TüVT^, wonach nur einmal verheiratete Witwen für den 
kirchlichen Dienst verwendet werden sollen, spricht für die tradi- 
tionelle ' und auch von mehreren protestantischen Exegeten zuge- 
standene Auslegung, dass nämlich nur die, welche einmalige, nicht 
aber solche, welche eine zwei- oder mehrmalige Ehe eingegangen, 
zum Bischofsamte zugelassen werden sollten. Der Grund, weshalb ein 
solcher Bigamist zu einer kirchlichen Würde als ungeeignet erscheint, 
liegt nicht nur in der Unenthaltsamkeit , die sich in der zweiten 
Verehelichung offenbart, sondern vielmehr in der Symbolik der christ- 
lichen Ehe, welche gemäss dem Apostel (Ephes. 5, 32) ein Bild der 
Vereinigung Christi mit der Kirche ist, eine Wahrheit, welche nur 
in der Monogamie zum völligen Ausdruck kommt und welche darum 
die kirchlichen Vorsteher durch ihre Monogamie den Gläubigen sym- 
bolisieren sollen. Uebrigens hielten auch Heiden die einmalige Ehe 

25) I. Cor. 9, 5 ist nicht von Ehefrauen die ßede ; dagegen spricht das 
a86X(p^ TuvtJ und die jüdische Sitte der dem Lehrer nach ihrem Vermögen dienen- 
den Frauen (Matth. 27, 55; vgl. Hieronvm. c. Jovin. I, 26). Zudem hatte Petrus, 
der hier von Paulus genannt wird, sicher alles, auch seine Frau, verlassen 
(vgl. Matth. 19, 27). 



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Das Aacetentum der drei ersten christL Jahrh. 31 

hoch, wie dies Tacitus (Germ. 19) bezeugt und wie deon auch der 
pontifex maximus und die fiamines der Römer nur einmal heiraten 
durften **). 

Indes war die Aufnahme Verheirateter in den Klerus nur ein 
Notbehelf, und es lässt sich der Nachweis führen, dass den Ehelosen 
bei der Auswahl der Kleriker der Vorzug gegeben wurde und dass 
diese Praxis als ein apostolisches Vermächtnis betrachtet wurde/ 
Wir beginnen mit einigen lichtvollen Beweisstellen aus den Werken 
des hl. Epiphanius , welche zwar der Mitte des 4. Jahrhunderts an- 
gehören, aber wegen der von diesem Bischof gebrauchten Aus- 
drucksweise einen Bückschluss auf die Disciplin und die gesetz- 
liche Geltung des Cölibats in den drei ersten Jahrhunderten ge- 
statten. Im 21. Kap. der »Auseinandersetzung des katholischen 
Glaubens« erklärt Epiphanius ^7) : »Das hl. Priestertum wird aus den 
Jungfräulichen ergänzt : wenn nicht aus Jungfräulichen, so doch aus 
ünvermählten ; wenn aber unter den Unvermählten nicht genug zu 
diesem Amte geeignete sind, so werden solche gewählt, welche Ent- 
haltung von ihren eigenen Frauen gelobt haben oder doch nach 
einmaliger Ehe verwitwet sind.« Und in seiner Schrift Adversus 
haereses 48 c. 9 spricht er sich folgendermassen aus: »Christus, 
das göttliche Wort, ehrt die Monogamie, obgleich er die Gnadengaben 
des Priestertums vorzugsweise (fjtaXiaTa) durch solche zierte, welche 
sich nach einmaliger Ehe zur Enthaltsamkeit entschlossen oder stets 
die Jungfräulichkeit bewahrt hatten und so von vornherein eine Be- 
stimmung traf, dergemäss dann auch seine Apostel den kirchlichen 
Kanon (xov §xxXi)aiaaTtx6v xavöva) des Priestertums in angemessener 
und heiliger Weise festgestellt haben *»).« Aus diesen Aussprüchen des 
Epiphanius geht also hervor, dass zu seiner Zeit sich der Klerus aus ün- 

26) Bisping, Erklärung der Pastoralbriefe, 2. Aufl. S. 170. — Zöchler, 
Askese und Möncbtum (1897) I S. 101—102. 

27) Migne, s. gr. t. 42 col. 824. 

28) Ibid. t. 41 col. 868. Der Sinn dieses Satzes ist offenbar folgender: 
»Christus ehrte wohl die Monogamie, aber bei der Auswahl der Apostel bevor- 
zugte er die Ehelosigkeit und nahm dazu Jungfräuliche oder solche, welche 
nach einmaliger Ehe sich zur Enthaltsamkeit entschlossen hatten, c Das Wort 
{jL&Xi<Tra ist nach dem Context mit »vorzugsweise« oder mit »gar sehr«, wie es 
G. Bickell (Zeitschr. f. kath. Theol. III S. 795) thut, zu übersetzen. Würde 
man es mit Funk (Elrchengesch. Abhandl. u. Untersuch., Paderborn I, S. 132) 
durch »meist« wiedergeben, so würde dem Epiphanius imputiert werden, dass 
nach seiner Anschauung es noch eine dritte Apostelgruppe gab, nämlich von 
solchen, welche verheiratet waren und sich zur Continenz nicht hatten ent- 
schliessen können; was wohl Funk selbst nicht annehmen möchte. Auch würde 
alsdann der in dem ganzen Satzgefüge liegenden Antithese völlig die Spitze 
abgebrochen werden. — üebrigens würde, die Richtigkeit der Funkschen üeber- 
setzun^ vorausgesetzt, damit nur die Auswahl der Apostel durch Christus, nicht 
aber die von Epiphanius an unserer Stelle sowie adv. haer. 59 c. 4 angegebene 
kirchliche Anordnung tangiert. 



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32 Das Asceientum der drei ersten christL Jährh. 

vermählten oder im Notfalle aus Witwern (nach einmaliger Ehe) oder 
ans Vermählten, die sich zur Gontinenz verpflichteten, rekrutierte, 
und dass dieser kirchliche Kanon ^) des Priestertums die vorbildliche 
Handlungsweise Christi sowie die apostol. üeberlieferung zur Grund- 
lage hatte. Im gleichen Sinne verurteilt er an einer anderen Stelle 
(adv. haer. 59 c. 4 ^^) die Ausserachtlassung dieses kirchlichen Kanons 
* als unverträglich mit der durch den kirchlichen Dienst geforderten 
ungeteilten Hingabe an Gott und schreibt die Schuld dafür, dass in 
gewissen Gegenden vom kirchlichen Kanon abgewichen werde, der 
Lässigkeit der Kirchenvorsteher zu. 

Diese Aussprüche als rein subjektive üebertreibungen dieses 
strengascetischen Kirchenvaters aufzufassen ist schon deshalb 
nicht angängig, weil er selbst auf die Kanones der Kirche und 
die Anordnung der Apostel hinweist ^^); zudem steht er auch 
nicht mit seinen Anschauungen als passer solitarius unter seinen 
Zeitgenossen da, indem Eusebius am Anfang des 4. Jahrhunderts in 
der Demonstratio evangelica I, 9 ^') die Continenz der Kleriker wegen 
der ihnen obliegenden höheren Aufgaben als notwendig erachtet^ 
desgleichen betrachtet der Papst Siricius in seinem Schreiben an die 
afrikanischen Bischöfe und das Goncil von Karthago ^3) vom Jahre 
390 die Continenz der höheren Kleriker als Verordnung der Apostel 
und Väter. Es fragt sich nun, ob die Behauptung des hl. EpiphaniuSt 
dass die Continenz aller Kleriker der höheren Weihen angeordnet 
und von jeher auch in der Kirche beobachtet worden sei, durch 
Zeugnisse aus früherer Zeit bestätigt wird. Leider existieren au» 
der Zeit vor 300 bez. 306 gar keine Canones, welche doch der Natur 



29) Fank (a. a. 0.) übersetzt IxxXYjdiavrtxb^ xavo^v mit »Idee, Biohtschnur 
(des Priestertums) €; dies entspricht aber nicht dem Context der Stelle adv. 
haer. 48 c. 9; denn darnach ist die Massnahme Christi bei der Apostel wähl als 
das Ideal, dagegen der von den Aposteln festgestellte Kanon des Priestertum» 
als eine daraas resultierende Anordnung aufzufassen. 

30) Migne, s. gr. t. 41 col. 1024. 

31) Bickeü, Ztschr. f. kathoL Theol. Innsbruck II (1878) S. 47 ff., m 
(1879) S. 795 f. 

32) Mignet s. gr. t. 22 col. 81. — Die eine Stelle lautet: »Jedoch 
für die Geweihten (tspco^ji^vou^) und dem Dienste Gottes Obliegenden geziemt 
es sich (7cpo9i!xei) hinfort des ehelichen Umgangs sich zu enthalten.c 
Punk (a. a. 0. S. 128) bemerkt hierzu: »Indem er (Eusebius) den Verzicht auf 
denselben (den ehelichen Umgang seitens der Geistlichen) mit dem Worte 
3cpo<77ixei blos als etwas Geziemendes erklärt, bezeugt er yielmehr die da und 
dort stattfindende gesetzlich nicht unzulässige Fortsetzunff desselben. »Indea 
das Wort ^cpoorvixei bezeichnet hier nicht etwa ein blos freigestelltes Geziemen- 
des, sondern eine Notwendigkeit; dies ergiebt sich aus einer im selbigen Kapitel 
vorfindlichen Parallelstelle, welche lautet: »Ganz besonders ist es daher für 
diese (die Geistlichen) jetzt (in der neutestamentlichen Ordnung) notwendig 
(&vaYxa(cu() auf Enthaltung von der Ehe bedacht zu sein.« 

33) Bichell, a. a. 0. II (1878) S. 41. 



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Das Äscetentum der drei ersten chrUtL Jahrh. 33 

der Sache nach das bestö Beweismaterial wären. Ein Ersatz dafür 
bietet sich uns aber erstlich in den Bestimmungen der apostoli- 
schen Eirchenordnung, welche zwar nicht den Ansprach auf apostoli- 
schen Ursprung machen kann , aber doch schon dem dritten Jahr- 
hundert angehört. In dieser Eirchenordnung, welche die ursprüng- 
liche Disciplin der morgenländischen Eirche in Sachen des Cölibates 
wiederspiegelt, verlangen die Apostel nicht nur vom Bischöfe, er 
solle jungfräulich sein, auf jeden Fall aber mit seiner einzigen Gattin 
in Enthaltsamkeit leben**), sondern auch von den Priestern völlige 
Enthaltung vom Verkehr mit dem anderen Qeschlechte »5). Auch in der 
Eirche zu Edessa erscheint die Verpflichtung des Elerus zur Gon- 
tinenz als ein apostolisches Gebot gemäss der syrischen Doctrina 



84) Die Stelle lautet : »xaXbv \kh eTvai ayiivaio;, sl §k (Jlv|, oazb aia; yuvatxd^ 
fl. h. Es ist gut, wenn er (der Bischof) unbeweibt ist, wo nicht, ninweg von 
einem Weihe.« Die Uehersetzung der Worte oazo fita? Yuvaixös durch »eines 
Weihes Mann«, wie es Funk (a. a. 0. S. 124) annimmt, ist wegen der dis- 
junktiven Bedeutung der Präposition olk6 (von — weg) ganz unstatthaft. Einen 
beleg für die Richtigkeit der ersteren uehersetzung hietet auch eine ganz 
analoge Stelle in dem ersten syrischen Buche des klementinischen Oktateuchs: 
»Ein Diakon werde ordiniert, indem er, wie wir vorher gesagt haben, erwählt 
werden soll, wenn er gut gesittet ist, wenn er rein ist, wenn er wegen seiner 
Beinheit und Entferntheit von den Lüsten erwählt ist, wenn aber nicht, auch 
wenn er ist hinweg von der Ehe mit einem Weihe« (Eeliquiae iuris eccles. an- 
tiquissimae syriace, ed. de Lagarde S. 10; vgl. G. Bickeil a. a. 0. II. S. 79S 
Note 1). Auch ist an unserer Stelle, wie Funk im äussersten Falle zugeben 
will, die Enthaltung von der Ehe mit einem Weihe nicht als blosser Bat hin- 
gestellt, sondern die durch die Partikeln {xb — d 81 {jl7{ ausgedrückte Alternative 
hat den Sinn: »das Ünheweibtsein ist für den Episkopat ein Wunsch, dagegen 
die Enthaltsamkeit nach einmaliger Ehe eine Forderung.« — Die äthiopische 
Version der Eirchenordnung ist an dieser Stelle sowie anderwärts ganz unzu- 
verlässig. Vgl. das diesbezügliche Gitat aus Pitra (Juris ecclesiastici Graecorum 
historia etc.) bei Hilgenfeld, Novum Testam. extra Canonem IV ed. n S. 120). 
35) Die Stelle lautet: A^ o3v eTvai tob; jcpeaßoT^pous tJötj xsxpovixö-ca« in\ 
xß) xöofLb) TpÖTccp Tiv\ dbcsYO[jL^vouc x^? Tcpo; Yuvotxa; cuveXeüdSü)? . . . Funk, der hier- 
bei (a. a. 0. S. 124 f.) dem Prof. G. Bickeil den Vorwurf macht, dass er durch 
Nichtherücksichtigung der Worte »Tpörcco tivU den Sinn des Ganzen alteriert habe, 
fasst die Stelle so auf, dass die Eirchenordnung nicht völlige, sondern eine ge- 
wisse (tpÖTcci) Tivl^ Enthaltsamkeit verlange; allerdings giebt er dann zu, dass diese 
uehersetzung nicht unhestritten ist und von Harnack mit Bücksicht auf das 
»tpÖTcc^ tivU in den apost. Gonstit. II, 1; III, 1 durch »wie gehührend, natur- 
gemäss« wiedergegeben wird. Doch wenn auch »xpÖTcco Ttv\« mit ouodam modo 
ühersetzt wird , so spricht diese Uehersetzung nicht zu Gunsten Funks. Zer- 
gliedern wir nämlich die ohige Stelle, so heisst es darin zunächst, dass die 
Preshyter solche sein löüssen , die schon eine geraume Zeit in der Welt ver- 
weilt hahen (alt geworden sind); die Eirchenordnung macht nun zu dem 
»x£x.povtx<$Tas in TO) x(5(7[jL(^« eine Einschränkung durch die Hinzufü^ng von 
»xpöwo) Tiv\«; also nicht das hlosse Altgewordensein in der Welt ist eine Quali- 
fikation für Priester, sondern dieses Altgewordensein in der Welt muss mit 
einem gewissen xpörco;, mit einer p;ewissen Lehenseinhaltung verhunden sein; 
man muss, um so zu sagen, in gewissen Ehren in der Welt geleht haben. Wie 
nun dieses xpÖTcco xtv\ zu verstehen ist, darüher gieht das folgende »a.my(p}j.i^o\ii 
XYJ( npb{ Yuvatxa; ouveXeiSoEco;« näheren Aufschluss; kurzum das »xpÖTcc^ xtvt« ist 
eine Bestriktion des vorhergehenden »xsYpovtxöxas iizi xa> xövp-co«, und das fol- 
gende »a7CEx^o[jL^vou; . . . .« ist dann die Erklärung hierzu. 

Sohiwietz, Mönchtum. 3 



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34 Das Aacetentum der drei ersten christL Jahrh. 

Addaei, welche von einigen Gelehrten, wie Gareton, Phillips, Bickell, 
abgesehen von einigen Interpolationen als ein Erzeugnis des ersten 
Jahrhnnderts für wahrscheinlich gehalten wird, sicher aber spätestens 
im 3. Jahrhundert entstanden sein muss, da sie schon von Ensebius 
in seiner Kirchengeschichte excerpiert wird ^). In dieser ermahnt 
der angebliche Jünger Christi Addäus die Kleriker: »Enre Leiber 
seien rein und eure Körper heilig , wie es • sich für diejenigen ge- 
ziemt, welche vor dem Altare Gottes stehen, c Und weiterhin wird 
die Continenz der Kleriker sowie der Diakonissen und gottgeweihten 
Jungfrauen von Edessa mit folgenden unzweideutigen Worten ge- 
rühmt: »Alle Männer und Frauen, die dem Kirchendienste ange- 
hörten, waren keusch, vorsichtig, heilig und rein, indem sie einzeln 
(ichidaith) und keusch ohne Befleckung lebten.€ 

Von den Kirchenschriftstellern der 3 ersten Jahrhunderte hat 
zwar keiner ex professo über den Cölibat des Klerus geschrieben; 
doch finden sich bei Origenes und TertuUian gelegentliche Aeusser- 
ungen über diese Sache. Der erstere findet in seiner 6. Homilie 
über den Levitikus^^) darin, dass im Exod. 28, 42 bei der Be- 
schreibung der alttestamentlichen Priesterkleidung linnene Femoralien 
erwähnt, dagegen im Levit. 8 solche nicht genannt werden, eine 
Symbolik und erklärt, die alttestamentlichen Priester hätten solche 
abgelegt oder angelegt, je nachdem sie sich des ehelichen Umgangs 
zur Zeit ihres heiligen Dienstes enthielten oder ihn pflegen durften. 
Von einer solchen Bedeutung der Femoralien wolle er bezüglich der 
Priester der Kirche nichts wissen. Bei diesen letzteren könne die 
Erwähnung der Femoralien nur von der geistlichen, nicht aber leib- 
lichen Vaterschaft verstanden werden ; die Nichterwähnung derselben 
bedeute dagegen, dass die christlichen Priester unter Umständen den 
Samen des göttlichen Wortes nicht ausstreuen dürfen, um das Hei- 
lige nicht den Hunden vorzuwerfen. Den neutestamentlichen Priestern 
spricht also Origenes das Recht ab, leibliche Kinder zu erhalten, 
und verlangt von ihnen nicht blos temporäre, sondern stete Continenz. 
Auch contra Cels. VII, 48 setzt er die Existenz der Priestercölibates 
zu seiner Zeit voraus, da er darauf hinweist, dass die Christen sich 
nicht damit begnügen, alle Unlauterkeit abzulegen, sondern dass 
manche von ihnen gleich wahren Priestern, welche den Freuden ir- 
discher Liebe entsagen, der sinnlichen Verbindung sich enthalten und 
gänzlich sich rein bewahren. Der gleiche Schluss lässt sich aus 

86) Phillips, The Doctrine of Addai, the Apostle recens. von Bickell in 
der Ztschr. f. k. Theol. I (1877) S. 296 ff., bes. S. 304 Not. 1. 
37) Migne, s. gr. t. 12 col. 473. 



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Das Ascetentum der drei ersten Christi. Jahrh, 35 

TertuUians Schrift de exhortatione castitatis *») ziehen ; er will näm- 
lich einen Witwer von der zweiten Ehe dadurch abhalten, dass er 
ihn auf die Kleriker, gottgeweihten Jangirauen und Diakonissen hin- 
weist, welche ebenfalls, um sich ganz Gott zu weihen, ein enthalt- 
sames Leben führten. Die Stelle lautet (c. 13) : ^Quanti igitur et 
quantae in ecclesiasticis ordinibus de continentia censentur, qui Deo 
nubere maluerunt, qui carnis suae honorem restituerunt quique se 
iam illius aevi filios dicaverunt, occidentes in se concupiscentiam libi- 
dinis et totum illud, quod intra paradisum non potuit admitti/ Wäre 
der Gölibat nicht allgemein unter den Klerikern gewesen, so hätte 
der Hinweis TertuUians auf die Kleriker seine Wirkung völlig verfehlt. 

Von nicht geringer Bedeutung für unsere Frage ist auch das schon 
früher (S. 23) erwähnte pseudoklementinische Briefpaar ad virgines 
(Enthaltsame beider Geschlechter), in welchem die Prediger des 
Evangeliums als dem jungfräulichen oder ascetischen Stande ange- 
hörig erscheinen und (I, 10; II, 1 — 6) Verhaltungsmassregeln er- 
halten, wie sie insbesondere auf ihren Missionsreisen im Verkehr nrit 
der Welt die Keuschheit bewahren können. Merkwürdig sind auch 
folgende Worte der uralten Doctrina Apostolorum über die Wander- 
propheten und Lehrer: »Aber jeglicher Prophet, erprobt und wahr- 
haftig, der da handelt in Hinsicht auf das Geheimnis der Kirche 
hienieden, dabei aber (die anderen) nicht lehrt zu thun, was er 
selbst thut (tcoicuv sie t^ooTi^piov xoafiixov IxxXifoiaCi fiT) Stdaoxcov 6h 
^oteTv Soa «oxoc icoteT), der soll bei euch nicht gerichtet wordene 
(c. 11). Diese Stelle ist schwierig; doch meint Harnack (Theol. Li- 
teraturzeitung 1884, S. 54 Note 2) mit Bücksicht auf Ignat. ad 
Polyc. 5 und Tertull. de monog. 11, dass hier namentlich die Ent- 
haltung der genannten Lehrer vom geschlechtlichen Umgänge ange- 
deutet ist. 

Das Besultat, welches aus den gelegentlichen Zeugnissen der 
8 ersten Jahrhunderte gewonnen wird, findet auch seine volle Be- 
stätigung in den Beschlüssen des ältesten Concils, dessen Canones 
uns erhalten sind. Der 33. Canon des im Jahre 306 oder nach 
Duchesne schon um 300 abgehaltenen Concils von Elvira bedroht 
nämlich alle Bischöfe, Priester und Diakonen, welche auf den ehe- 
lichen Umgang nicht verzichten wollen, mit Deposition •*). Wäre 



88) Migne, s. lat. t. 2 col. 630. 

39) Hefele, Conciliengesch. I. Bd. (1873) S. 168 f. — Der 1. Canon der 
Sjrnode von Neocaesarea (im J. 314), welcher einen sich verheiratenden Priester 
mit Absetzung bedroht, berührt nicht die Frage nach der Continenz der 
Priester, welche etwa vor der Weihe verheiratet waren, nnd lässt sich dämm 
weder für noch gegen unsere These verwenden. Der 10. Canon der Synode 

3* 



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36 Das Aacetentum der drei ersten christL Jahrh, 

dieser Canon nicht als eine Einschärfang der altkirchlichen Disciplin^ 
sondern als eine Neuerung betrachtet worden, so hätten gewiss 
widerstrebende Elemente unter dem Klerus nicht verfehlt, auf die 
entgegengesetzte Praxis der Vorzeit hinzuweisen; dafür giebt es aber 
in den Geschichtsquellen keinen Anhalt. Vielmehr wagten einige 
Decennien später unenthaltsame spanische Kleriker, wie aus einem 
Briefe des Papstes Siricius an Himerius hervorgeht, nur auf das^ 
alte Testament zu exemplificieren , in welchem den Priestern und 
Leviten die Erzeugung von Kindern gestattet worden sei^<^). Dieser 
Rekurs auf das alte Testament ist somit eine indirekte Bestätigung^ 
des klerikalen Cölibates als eines Vermächtnisses der Apostel und 
Väter, wie dies um dieselbe Zeit von Epiphanius im Orient und 
dem ebengenannten Papste Siricius im Occident mit Nachdruck be- 
tont wird. 

Aber lassen sich denn nicht aus den Geschichtsquellen der 3- 
ersten Jahrhunderte auch solche Thatsachen eruieren, welche da» 
Bestehen des Cölibates und der völligen Continenz der höheren 
Kleriker zu jener Zeit irgendwie in Frage stellen? Von nicht ge- 
ringer Bedeutung für unsere These ist es nun, dass in den Geschichts- 
quellen der 3 ersten Jahrhunderte keine positiven, unzweideutige Be- 
lege dafür vorkommen, dass verheiratete Kleriker auch nach Empfang 
der höheren Weihen den ehelichen Umgang weiter gepflogen hätten. 
Die von Punk (a. a. 0. S. 146—149) besonders ausführlich be- 
handelte Stelle Strom. III, 12: cval fii^v, xat töv t^c /itac -r^vaKxoQ 
äv8pa iictvü (iKodix^xai (nämlich die Kirche), xSv «peoßoxepoc i xSv 
dictxovoc xav Xatxoc aveiuXi^iiTax: TotfiO) xP^f^svoc, oco^T^oexat 3^ Sti 
T^g TsxvoYovtacc ist ein höchst zweifelhafter Beweis für die Fort- 
setzung der Ehe seitens der Kleriker. (Um diese Interpretation der 
Stelle zu ermöglichen, bezieht Funk das Participium xp^J^l^svoc nicht 
blos auf das zunächst stehende Xatxöc, sondern auch auf npeoßütepoc 
und dtaxovoc; allein er fühlt selbst heraus, dass in diesem Falle der 
Pluralis xP<J^^t8voi besser am Platze wäre. Wollte Clemens den Singu- 
laris T^xP^P^^^^^^ ^.uf alle drei Glieder beziehen, so hätte er logisch und 



von Ancyra (im J. 314) entscheidet, dass Diakonen, welche sich nach der Or- 
dination verheiratet, nicht abgesetzt werden sollen, sofern sie vor der Ordina- 
tion sich dies ansbedungen haben. Dieser Canon setzt das Verbot der Ehe- 
schliessunff nach Empfang einer höheren Weihe (mit Ausnahme des obigen 
Specialf alles) voraus, herührt aber ebenso wenig, wie der 33. Canon des Concils 
von Elvira, die Frage nach der Continenz der höheren Kleriker. 

40) Bickell, a. a. 0. II (1878) S. 34, wo nachgewiesen wird, dass Hase 
sich im Irrtum hefand, wenn er m seiner »protestantischen Polemik« behauptete, 
die spanischen Kleriker hätten sich zu Gunsten der Fortsetzung ihrer Ehen auf 
ein altkirchliches Gesetz herufen. 



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Das Ascetentum der drei ersten Christi. Jahrh. 37 

sprachlich richtiger einen Äccasativ xP^l^^^^^ gleich hinter tov t^c 
jjitac K^vaixbc: Svdpa setzen müssen). Clemens will nämlich durch die 
obigen Worte eine Illustration dazu geben, dass die monogamische Ehe 
etwas Erlaubtes ist, während er die zweite Ehe im Geiste der Kirche 
missbilligt; der Sinn ist folgender: »die Kirche ehrt die mono- 
gamische Ehe dadurch , dass sie t6v t^c fitäg Yovatx^c avfipa als 
Presbyter, Diakon oder Laienmitglied zulässt.« Warum erscheint 
aber in dieser offenbaren Klimax der Xatxöc an letzter Stelle? Weil 
«r nicht blos, wie der Presbyter und Diakon, ein fitac Yovatxöc Ävi^p 
sein darf, sondern auch von der Ehe — allerdings in tadelloser 
Weise — Gebrauch machen kann. Und damit ist indirekt die Con- 
tinenz der Presbyter und Diakonen nach einmaliger Ehe ausge* 
sprochen. Auch die sonst etwa geltend gemachten Gegenargumente sind 
so vager und verdächtiger Natur, dass sie durchaus nicht eine Instanz 
gegen das gewonnene Besultat bilden können. Man beruft sich näm- 
lich erstens auf eine Stelle der apostolischen Constitutionen (VI, 17), 
wonach den verheirateten höheren Klerikern auch nach der Weihe 
4er eheliche Umgang erlaubt war. Allein gerade diese Stelle gehört 
zu den Interpolationen eines späteren, wahrscheinlich arianischen Zeit- 
alters; in einer älteren Becension der 6 ersten Bücher der apost. Con- 
stitutionen, die uns in der von Lagarde im Jahre 1854 herausgegebenen 
syrischen üebersetzung vorliegt, fehlt gerade diese Stelle, welche als 
Gegenargument dienen solH^). Auch der 6. apost. Canon, welcher 
den höheren Klerikern verbietet, ihre Frauen unter dem Verwände 
der Behutsamkeit zu Verstössen, spricht nicht gegen unsere These. 
Dieser Kanon verbietet ja nur die Frauen hilflos zu lassen ; von der 
Erlaubniss des ehelichen Umgangs ist hierbei keine Rede^*). üebri- 
gens vermutet Drey, dass dieser Canon aus der Mitte des 4. Jahr- 
hunderts stammt und durch Eustathius von Sebaste veranlasst wor- 
den sei^^). Endlich soll ein Argument gegen unsere These die 
Episode sein, welche sich nach Sokrates auf dem Concil zu Nicäa 
{325) in Sachen des klerikalen Cölibates zugetragen haben soll. Das 
Concil habe nämlich, wie Sokrates**) berichtet, den vor der Weihe 
verheirateten Bischöfen, Priestern und Diakonen verbieten wollen, 
4en ehelichen Umgang nach der Weihe fortzusetzen; aber Paph- 

41) Bickell, a. a. 0. S. 52 N. 1. 

42) 'Etcioxotco^ ^ TCpeaBÜTEpo^ 9j Si&xovo; x^v Iocutou f^vaixa [x^ IxßaXX^Ko 
jcpo^&aei siXaße(a?* lav Bl gxßaXXy), a^opil^^ddü) • Imfx^vwv S^, xa^aipeid^co. 

43) Prey, Neue untersuch, über die Constitutionen and Canones der 
Apost., Tübingen 1832 S. 341. Vgl. can. 4 der Synode von Gangra. 

44) Sokr. hist. ecol. I, 11; Sozomenua, der in seiner bist. I, 23 dasselbe 
berichtet, ist kein selbstfindiger Zeage, sondern abhängig von Sokrates. Vgl. 
Bichell, Ztscbr. f. k. Theol. II, S. 57 Not. 1. 



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38 Das Ascetentum der drei ersten christL Jahrh. 

natius, Bischof einer Stadt in der ägyptischen Oberthebais and selbst 
ein makelloser Cölibatär, habe gegen einen solchen Beschlass seine 
Stimme erhoben, und so habe das Concil die Beobachtung der Gon- 
tinenz dem freien Willen jedes einzelnen Geistlichen überlassen. 
Diese Erzählung würde allerdings einen gewissen Schatten auf unsere 
bisherige Erörterung werfen; allein über diese Paphnutiusrede schwebt 
noch ein Dunkel, und die Historiker sind über die Zuverlässigkeit 
des Sokrates in dieser Angelegenheit geteilter Ansicht ^^). Sokrates war 
nämlich, wie dies BickelH^) des längeren nachweist, ein verbissener 
Novatianer; wegen dieser häretischen Gesinnung war er auch bei 
Verwertung etwaiger Mitteilungen von novatianischer Seite her in seinem 
kritischen urteil befangen. Das Letztere gilt auch nach dem BoUan- 
disten Stilting und Bickell von seiner Erzählung über das Eintreten des 
Paphnutius zu Gunsten der Klerogamie. Im selben Abschnitte nämlich, 
in welchem er die Paphnutiusepisode erzählt, tischt er noch zwei andere 
Geschichten auf; die eine handelt von einem novatianischen Bischof 
Akesius, der Teilnehmer des Concils von Nicäa gewesen sein soU^ 
die andere von einem novatianischen, »wunderthätigen« Mönche Eu- 
tychianus. Da nun Sokrates diese beiden Geschichten aus dem 
Munde eines novatianischen Priesters Auxanon, welcher als Jüng- 
ling Begleiter des Akesius auf dem nicänischen Concil gewesen 
sei und ein sehr hohes Alter erreicht habe, erfahren haben will^ 
so ist es nun wahrscheinlich, dass auch die dazwischen erzählte 
Paphnutiusepisode derselben trüben Quelle entstammt. Aber 
selbst wenn wir diesem Wahrscheinlichkeitsbeweise gar keinen Wert 
beilegen, so ist jedenfalls der Bericht des Sokrates verdächtig, da 
sowohl andere Kirchenhistoriker von dieser Paphnutiusepisode nichts 
wissen, als auch alle zuverlässigen Zeugnisse der 3 ersten Jahrhunderte 
mit den der Paphnutiusepisode zu Grunde liegenden Anschauungen 
im direkten Widerspruch stehen, und wir pflichten BickelH^) bei^ 
wenn er sein Urteil über den Wert der fraglichen Geschichte von 
Paphnutius mit folgenden Worten abschliesst: »Ein schwerer, ob- 
gleich keineswegs entscheidender Verdachtsgrund liegt nun schon darin, 
dass erst Sokrates, 115 Jahre nach dem nicänischen Concil, etwas 
von diesem Ereignis weiss, während weder Ruflnus, welchem er die 
Notiz über das ausgestossene Auge des Paphnutius entnommen hat, 
noch Theodoret von dessen Eintreten für die Klerogamie Meldung thut. 

45) Befeie, Conciliengesch. I. Bd. (1873) S. 433 ff., Probat, Kirchliche 
Disciplin in den 3 ersten Jahrh., Tübingen 1873 S. 79. 

46) Bickell, a. a. 0. S. 58—60. — Vgl. auch Linsenmayr, Entwicklung 
der kirchl. Fastendisciplin bis zum Conc. v. Nicäa, München 1877 S. 62. 

47; Ibid. S. 57 f. 



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Da8 Aacetentum der drei ersten christL Jahrh. 89 

Weit bedenklicher ist es, dass seine Erzählung im schroffsten Wider- 
spruche mit allen sicheren Nachrichten steht, welche wir über die 
Cölibatsdisciplin der orientalischen Kirche zur Zeit des nicänischen 
Concils besitzen. Wenn der hl. Bischof Epiphanius 50 Jahre nach 
dem Goncil von Nicäa so bestimmt versichert, das Continenzgebot 
für Bischöfe , Priester , Diakonen und Subdiakonen sei ein apostoli- 
scher und kirchlicher Canon, so verdient er gewiss mehr Glauben, 
als der Advokat Sokrates, welcher 115 Jahre später behauptet, das 
Goncil habe jenes Gebot als eine unberechtigte und gefährliche 
Neuerung verworfen. Eusebius, ein Zeitgenosse und Mitglied des 
nicänischen Concils, lehrt, wie wir gesehen haben, dass die »Ge- 
weihtenc (i8p(Ofilvot) zur Continenz verpflichtet seien, und Sokrates 
behauptet, auf diesem Concil habe man den missglückten Versuch 
gemacht, den »Geweihtenc das »neue Gesetz« der Enthaltsamkeit 
aufzulegen.« 

Das Ergebnis dieser Erörterungen über den klerikalen Stand 
in den 3 ersten Jahrhunderten können wir also dahin zusammen- 
fassen, dass schon in dieser Zeit der Stand der Gölibatäre gemäss 
der von Christus gegebenen Maximen seine Verwendung im Dienste 
des Beiches Gottes auf Erden gefunden hat. Man nahm vorzugsweise 
ünvermählte in die Reihen der höheren Kleriker auf, und wenn im 
Notfalle Vermählte zu Diakonen, Priestern und Bischöfen geweiht 
wurden, so mussten sie völlige Continenz beobachten, um sich ganz 
ihrem heiligen Berufe hingeben zu können. Dabei wird nicht be- 
stritten, dass, wie zur Zeit des Epiphanius, so auch früher wegen 
der Lässigkeit einzelner Bischöfe Ausnahmen unter Presbytern und 
Diakonen vorkommen konnten. Der Arianismus und die christologi- 
schen Streitigkeiten schlugen im Orient vollends eine Bresche in 
diese apostolische und altkirchliche Ordnung. Schon Epiphanius 
klagt, wie wir oben gesehen haben, darüber, und aus einer Notiz des 
hl. Hieronymus ^^) lässt sich schliessen, dass zu seiner Zeit die kirch- 
lichen Vorschriften über den Cölibat besonders in den drei Beichs- 
Diözesen Thracien, Eleinasien und Pontus nebst Armenien vernach- 
lässigt wurden. Und dies waren gerade die am meisten vom Arianis- 
mus inficierten Gegenden. Dass aber bei den Arianern nicht nur die 
Diakonen und Priester, sondern auch die Bischöfe den ehelichen Um- 
gang pflegen durften, ergiebt sich, wenn nicht schon aus dem oben er- 
wähnten Einschiebsel in den apostol. Constitutionen (VI, 17), so doch 
aus dem 5. Canon des im Jahre 589 nach der Bekehrung der West- 

48) Ad Vigilantiam 2 (Migne t. 23 col. 341) ; vgl. dazu Bickell, a. a. 0. 
S. 49 f. 



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40 Das Ascetentum der drei ersten christl. Jahrh. 

gothen gehaltenen toletanischen Goncils^^). Aehnliche Concessionen 
machten die Nestorianer den Klerikern. In Persien setzte Barsumas, 
Bischof von Nisibis, mit gleichgesinnten Bischöfen auf einer im 
Jahre 485 abgehaltenen Synode zu Adri einen Canon durch, in wel- 
chem den Bischöfen aufgetragen wurde, ihre Priester und Diakonen 
heiraten zu lassen <^<)), und zwang auch auf seinen Beisen, welche er 
im persischen Beiche behufs gewaltsamer Einführung des Nestorianis- 
mus unternahm, die Geistlichen zu diesem Schritt ^^i). Auch das im 
Jahre 499 unter dem Vorsitze des Patriarchen Babäus abgehaltene 
Plenarkoncil der Nestorianer in Persien wiederholte die Erlaubnis, dass 
alle Geistlichen, auch Bischöfe, in einmaliger Ehe leben dürften ^^). Die 
Monophysiten, welche am Ende des 5. Jahrhunderts den Orient be- 
herrschten, hielten zwar am Cölibat der Bischöfe sowie am Verbot 
des Heiratens nach Empfang der höheren Weihen fest, und der mo- 
nophysitische Bischof Philopenus von Mabug in Syrien schrieb eine 
Widerlegung der oben erwähnten Synodalbescblüsse im nestoriani- 
schen Persien i^^); doch gab der Monophysitismus die Continenz der 
Priester und Diakonen preis. In den bei den monophysitischen 
Eopten im hohen Ansehen stehenden Canonen Hippolyts wird näm- 
lich die Enthaltsamkeit der ehelosen Kleriker geradezu verdächtigt 
(Can. 7); auch bestimmt ein Zusatz des 8. Canons, dass ein Priester, 
dessen Frau geboren habe, nicht ausgeschlossen werden solle. Diese 
beiden Bestimmungen sind gewiss als monophysitische Interpolationen 
zu Gunsten der preisgegebenen Continenz der Priester und Diakonen zu 
betrachten, da sie sowohl mit der altkirchlichen Disciplin als auch 
mit den sonst aus der Kirchengeschichte bekannten strengen An- 
schauungen Hippolyts in Widerspruch stehen. Ja die obigen Sätze 
des 7. und 8. Canons erscheinen um so verdächtiger, als im 30. Canon 
Hippolyt der Ehelosigkeit den Vorzug vor dem Ehestande giebt und 
erklärt, dass ein Christ, der zur himmlischen Vollkommenheit strebe, 
sich von den Weibern ganz und gar fern halten, sie nicht ansehen 
und mit ihnen essen solle ^^). Das Beispiel dieser mächtigen Sekten 
übte auch auf die Katholiken des Orients einen unheilvollen Einfluss 
aus, und auf der trullanischen Synode vom Jahre 692 wurde schliess- 
lich der eingerissenen Klerogamie gesetzliche Sanktion erteilt, in- 



49) Hefele, Conciliengescb. III. Bd. (1877) S. 50. 

50) Ibid. II. Bd. (1875) S. 611. 

51) Wetzer und Weite, Kirchenlex. I. Bd. (1886) Art Barsumas S. 2048. 

52) Hefele, a. a. 0. S. 618. 

53) Barhebraei Chronicon, ed. Abbeloos et Lamv, III, S. 64, 72. Vgl. 
Bickell, a. a. 0. S. 55 Not. 2. 

54) Vgl. Canones Hippolyti etc. ed. Haneberg, Monach. 1870. 



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Das Ascetentum der drei ersten Christ!, Jahrh. 41 

dem den Sabdiakonen, Diakonen und Priestern der eheliche Verkehr 
mit ihren vor dem Empfang des Sabdiakonats geheirateten Frauen 
gestattet und nur den Bischöfen die völlige Continenz auferlegt 
wurde. 

§. 7. Die BesUdosigkeit im Dienste des Reiches GoUes. 

Wie wir im §. 2 gezeigt haben, hat Christus ausser der Ehe- 
losigkeit auch den Verzicht auf Hab und Gut apostolischer Zwecke 
wegen anempfohlen. Die Worte Petri Matth. 19, 27 setzen voraus, 
dass die Apostel thatsächlich diesen Batschlag befolgten. Auch in 
der ersten christlichen Gemeinde zu Jerusalem verzichteten viele im 
Interesse des Evangeliums auf ihre Habe. Die Bereitwilligkeit der 
dortigen Christen, den Aposteln zu Gunsten der bedürftigen oder von 
jüdischen Anverwandten enterbten Mitbrüder Hab und Gut zur Ver- 
fügung zu stellen, drückt die Apostelgeschichte folgendermassen aus: 
»Die Menge der Gläubigen war ein Herz und eine Seele, und keiner 
von denen, die etwas besassen, sagte, dass es sein eigen sei, sondern 
sie hatten alles gemein; und es war kein Bedürftiger unter ihnen. 
Denn so viele unter ihnen Aecker oder Häuser besassen, verkauften 
sie und brachten den Preis von dem, was sie verkauften, und legten 
ihn zu den Füssen der Apostel. Es wurde aber jedem zugeteilt, so 
viel er bedurfte ^).€ Da unmittelbar nach diesem allgemeinen Bericht 
Barnabas als einer dieser edelmütigen Christen beispielsweise ange- 
führt wird>), femer nach Ausweis derselben Apostelgeschichte eine 
hervorragende Christin Maria, Mutter des Markus, in Jerusalem 
Privateigentum besass^) und endlich Petrus dem Ananias gegenüber 
ausdrücklich hervorhebt^), dass es in dessen Belieben gestanden 
habe, sein Hab und Gut zu behalten oder nach Verkauf der Habe 
den Erlös in seiner Gewalt zu behalten, so ist man nicht berechtigt 
aus dem obigen Texte der Apostelgeschichte den Schluss zu ziehen, 
dass alle Christen in Jerusalem auf ihr Privateigentum verzichten 
mussten. Auch in der nachapostolischen Zeit finden wir Empfehl- 
ungen der freigewählten Armut im Interesse des Beiches Gottes auf 
Erden. Origenes ^) erklärt ausdrücklich, dass diejenigen, welche voll- 
kommen werden wollen, den Ausspruch Christi : »Geh, verkaufe, was 
du hast, und gieb es den Armen !« befolgen sollen, und Clemens von 
Alexandria ^) tadelt zwar einige, welche den eben citierten Ausspruch 
Christi oberflächlich dahin verstehen, als habe Christus geboten, die 

1) Apostelg. 4, 82, 84 n. 35. Vgl. ebendas. 2, 44 a. 45. — 2) Ebendas. 4, 
36 n. 37. — 3) Ebendas. 12. 12. — 4) Ebendas. 5, 1—4. - 5) Orig. in Matth. 
15 n. 15 (Migne, s. gr. t. 13 col. 1295 seq.). — 6) Qais diyes salv. c. 11. 



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42 Da8 Aacetentum der drei ersten chriatL Jahrh, 

vorhandene Habe wegzuwerfen in dem Sinne, wie es die heidnischen 
Philosophen Anaxagoras, Demokrit und Erates gethan hätten; doch 
will er den Verzicht auf Hab und Gut aus Bücksicht auf das (ewige) 
Leben von seinem Verdikt nicht getroffen wissen. 

Im Zeitalter der Verfolgungen empfahl man besonders die Hin- 
gabe des Vermögens zu Gunsten der Märtyrer, d. h. jener Christen, 
welche um des Glaubens willen in den Gefängnissen, Bergwerken oder 
in der Verbannung lebten. In den apost. Constitutionen (VI, 1) heisst 
es nämlich: »Wenn jemand üeberfluss hat, so möge er auch nach 
dem Verhältnis seines Vermögens ihnen (den Märtyrern) mehr spen- 
den ; wenn er aber mit Dahingabe all' seines Vermögens sie aus dem 
Gefängnisse befreien kann, so wird er glücklich sein und zur Freund- 
schaft Christi gelangen; denn wenn derjenige, welcher im richtigen 
Verständnis der Lehre des Herrn seine Güter den Armen giebt, voll- 
kommen ist, um wie viel mehr der, welcher sie für die Märtyrer 
hingiebt!« Die Eirchengeschichte kennt auch solche Beispiele des 
Verzichtes auf Hab und Gut um Christi willen. Cyprian verschenkte 
vor der Taufe seine Güter den Armen ^), wie er denn auch später 
in seiner Schrift de lapsis c. 11 zur Nachahmung der Apostel und 
anderer Christen auffordert, die ihre Habe und ihre Eltern ver- 
liessen und in unzertrennlicher Verbindung Christo anhingen. Auch 
Marcion hatte als Neophyt sein Vermögen der Eirche geschenkt, 
doch wurde ihm dasselbe bei seinem Abfall wieder erstattet ^). Nach 
dem Berichte des Eusebius^) fühlte sich Origenes besonders durch 
die evangelischen Aussprüche des Erlösers über die Losschälung von 
irdischen Gütern angezogen und brachte es bis zum höchsten Gipfel 
der Armut; um keine Unterstützung von anderen zu bedürfen, ver- 
kaufte er seine Bibliothek und begnügte sich täglich mit 4 Obolen, 
die ihm der Eäufer derselben verabfolgte. Aehnlichen Verzicht auf 
Hab und Gut leistete sein begeisterter Schüler Gregor Thauma- 
turgus^o). Die freiwilige Armut verstand man also damals, wie aus 
dem Berichte des Eusebius über Origenes hervorgeht, dahin, dass 
man auf den üeberfluss verzichtete und sich mit dem Notwendigsten 
begnügte. Die im Dienste der Eirche befindlichen Diakonissen und 
gottgeweihten Jungfrauen erhielten wohl auch den nöthigen Le- 
bensunterhalt aus dem Eirchenvermögen , falls sie auf ihr Privat- 
eigentum verzichtet hatten. Das Gelübde der Jungfräulichkeit in- 

7) Vita s. Cypriani a Pontio diacono conscripta (Migne, s. lat. t. 3 
col. 1542 seq.). 

8) TertuU. adv. Marcion. 1. 4 c. 4 (Migne, s. lat. t. 2 col. 394);, de 
praescr. c. 30 (Migne, 1. c. col. 49). — 9) Euseb. h. e. VI, 3. — 10) Gregor. 
Nyss. vita Greg. c. 28. 



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Das Ascetentum der drei ersten christL Jahrh. 43 

Tolvierte nämlich in den 3 ersten Jahrhunderten nicht zugleich den 
Verzicht auf irdischen Besitz ; zur Zeit Cyprians gehörten auch Wohl- 
habende und Begüterte dem Stande der Jungfrauen an i^). Dasselbe 
bezeugt auch Hermas ; er vergleicht nämlich (SimiL 9 c. 30) einige 
von den Ehelosen mit runden Steinen, die erst behauen werden 
sollten, um für den Bau des Turmes geeignet zu sein; zu diesem 
Zwecke sollte ihnen ihr Reichtum zugeschnitten, nicht aber gänzlich 
weggenommen werden, damit sie von dem, was ihnen übrig geblieben 
wäre, noch etwas Gutes thun könnten. 

Nach Eusebius verzichteten zur Zeit Trajans besonders viele 
aus dem Klerus auf ihre Habe , um sich ganz der Ausbreitung des 
Evangeliums widmen zu können. »Sehr viele von den damaligen 
Jüngern, deren Herz das göttliche Wort zu einer brennenden Liebe 
für die Philosophie hingerissen hatte, erfüllten zuerst das heil- 
bringende Gebot des Herrn und verteilten ihre Habe unter die 
Dürftigen. Dann aber begaben sie sich auf Reisen und ver- 
richteten das Amt der Evangelisten, indem sie sich eifrigst be- 
strebten, denjenigen, welche noch gar nichts vom Worte des Glau- 
bens vernommen hatten, Christum zu predigen^').« 

Damit stimmt Origenes überein, wenn er erklärt, dass die 
Bischöfe durch Befolgung der Worte Christi (Matth. 19, 21) mit 
gutem Beispiele vorangehen und auf diese Weise auch andere zur 
Losschälung vom irdischen Besitz anleiten sollen ^>). und an einem 
anderen Orte^^) sagt er, die Priester und Diener Gottes hätten 
kein irdisches Erbteil, sondern ihr Erbe sei der Herr. Doch gab es 
auch Kleriker, welche ihr Privateigentum behielten, wie dies aus 
dem 40. und 41. apostolischen Kanon hervorgeht. 

§, 8. Vergleich des christlichen Ascetentums mit den gleichzeitigen 

heidnischen Erscheinungsformen der Ascese sowie mit dem späteren 

christlichen Ordensstande. 

Enthaltung von Fleisch und Wein, Fasten, Ehelosigkeit, Be- 
sitzlosigkeit waren die Hauptformen der christlichen Ascese^). Die 
Ascese des geschlechtlichen Lebens war gleichsam die Krone und 
das Centrum aller dieser Bestrebungen; die übrigen waren mehr 
oder minder helfende und befördernde Faktoren derselben. Der Ver- 



11) Cypr. de habit. virg. c. 7. 

12) Euseb. bist. ecci. III, 38. Vgl. auch die sog. Apostel und Propheteo 
der Dootrina Apostol. c. 11. 

13) Orig. in Matth. 15 n. 15 (Migne, s. gr., t. 13 col. 1299—1300). 

14) Orig. in Nura. hom. 21 n. 2 (Migne, l. c. col. 739). 
1) Orig., in Jerem. XIX, 4, 7. 



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44 Das Asceienfum der drei ersten christL Jährh, 

sieht auf die Ehe brachte es mit sich, dass sich diese Asceten von 
der übrigen Welt zurückgezogen^); diese Weltflucht durfte aber 
nicht erfolgen ans misanthropiscfaen Anschauungen, welche keine 
Billigung fanden, sondern um sich ganz Gott weihen zu können >). 
Auch grosser Besitz konnte der Ascese, wie Cyprian betont, leicht 
Eintrag thun ; darum tadelt er einige gottgeweihte Jungfrauen wegen 
ihres zu grossen Reichtums ; viele Asceten erscheinen jedoch in dieser 
Periode besitzlos und der Welt ganz abgestorben^). Endlich galt 
auch die Enthaltung von anderen Genüssen, besonders vom Fieisch- 
und Weingenuss, als Mittel, um die Jungfräulichkeit in ihrer Bein- 
heit zu bewahren 5). 

Indes sind diese ascetischen Bestrebungen durchaus nicht 
identisch mit gleichzeitigen analogen Erscheinungen heidnischer 
Ascese; noch viel weniger darf die christliche Ascese als eine Ent- 
lehnung aus heidnischen Vorbildern betrachtet werden. Wäre letz- 
teres wirklich der Fall, so hätten unmöglich die christlichen Schrift- 
steller des 2. und 3. Jahrhunderts in ihren Apologieen auf die christ- 
lichen Asceten und Jungfrauen als eine einzig in ihrer Art da- 
stehende, von der heidnischen Weltweisheit unerreichte Erscheinung 
hinweisen können^). Methodins steht nicht allein da, wenn er die 
Jungfräulichkeit, wie sie im Christentum gepflegt wurde, als eine 
besondere Pflanzung des vom Himmel herabgestiegenen Logos be- 
zeichnete 7). Auch Justin, Athenagoras und andere heben mit Nach- 
druck und mit einem gewissen Stolze die weite Ausbreitung der 
Ascese in allen Schichten der christlichen Gesellschaft hervor^), 
während die heidnischen Philosophen der damaligen Zeit daran 
zweifelten, dass ihre ascetischen Principien je bei der Masse der 
Menschen Eingang finden könnten*). 

Noch deutlicher springt der Unterschied der christlichen und 
der heidnischen Ascese in die Augen, wenn wir die diesen beiden 
zu Grunde liegenden Motive betrachten. Das Evangelium Jesu 
Christi lehrt zwei verschiedene Heilswege; der Heiland hat einer- 
seits die Ehe gesegnet und ihre Heiligkeit und ünauflöslichkeit aus- 
gesprochen, andererseits hat er aber auch an einzelne das Ver- 
langen gestellt, auf Ehe und Besitz zu verzichten und ihm nachzu- 
folgen, nicht nur weil dies der vollkommenere und sicherere Weg 
zum Heile ist, sondern auch weil er Helfer, Apostel zur Ausbreitung 



2) Vgl. oben §. 5. — 3) Clem. Alex., Strom. III. 9. — 4) Vgl. oben §. 7 
— 5) Vgl. oben Note 1. — 6) Vgl. oben §. 8. 

7) Vgl. oben §. 3. — 8) Ebendas. (Schlass). — 9) Porphyr. , De abstin. 
I, 27; II, 3; IV, 18. 



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Das Ascetentum der drei ersten christl, Jahrh, 45 

seines Reiches brauchte and weil es eben in der Idee des Apostolats 
lag, ein Leben der Entsagung, des Opfers und der gänzlichen Hin- 
gabe an Gott zu führen ^o). Im gleichen Sinne giebt Paulus der 
Jungfräulichkeit den Vorzug, weil sie mit Gott besser verbindet und 
für das Missionswerk geeigneter macht ^^) ; aber er vertritt auch die 
Rechte und die Heiligkeit des Ehestandes und warnt vor den Irr- 
lehrern, welche die Ehe als etwas Verwerfliches missachten**). Er 
dringt in Uebereinstimmuug mit dem Evangelium*^) auf Weltent- 
sagung, Selbstüberwindung, Unterordnung des Fleisches unter den 
Geist *^); aber diese Ascese ist ihm nur eine Beschränkung der an 
sich guten und erlaubten Dinge und darum kämpft er gegen die 
Irrlehrer , welche aus pharisäischem Stolze oder gnostischer Miss- 
achtung der materiellen Dinge oder aus übertriebener Wertschätzung 
der jüdischen Speisegesetze gewisse Dinge als böse oder gar satanisch 
betrachteten ^^). Auch in der nachapostolischen Zeit blieb die Kirche 
massvoll in der Empfehlung der Ascese. Als Bischof Pinytus auf 
Creta in seinem Streben, die Gläubigen auf die höchste Stufe der 
Vollkommenheit zu bringen, übertriebene Anforderungen bezüglich 
der Keuschheit stellte, mahnte der Bischof Dionysius von Korinth, 
keine zu grossen Lasten betreffs der Enthaltsamkeit den Christen 
mit Gewalt aufzulegen *«). Die Kirche sah in der Ascese nur eine Be- 
schränkung der an sich guten Dinge zu höheren Zwecken und stellte 
sich in Gegensatz zum Gnosticismus, welcher dem extremsten Dualismus 
huldigte, die Materie für satanisch erklärte und eine bodenlose Ascese 
vertrat. Sie perhorrescierte die hyperascetischen Forderungen Marcions, 
welcher den Cölibat allen seinen Anhängern zur Pflicht machte, ferner die 
der Enkratiten, welche nicht nur die Ehe, sondern auch noch den Genuss 
von Fleisch und Wein als etwas Unreines verabscheuten ^''), desgleichen 
die der Apostoliker oder Apotaktiker, welche sich von den eben ge- 
nannten nur dadurch unterschieden, dass sie auch noch in einseitiger 
Auffassung des Evangeliums Privateigentum zu besitzen verboten ^^). 
Der 51. apostolische Canon, welcher aus dem 2. oder 3. Jahrhundert 
stammt und gegen die Gnostiker und Manichäer gerichtet ist, ana- 
thematisiert alle jene, welche die Ehe, den Fleisch- und Weingenuss 
nicht zum Zwecke der Ascese oder Abtötung, sondern aus Ver- 



10) Vgl. oben §. 2. — 11) Ebendas. - 12) I. Tim. 4, 3. — 13) Matth. 
10, 37—38, Luc. 9, 23. — 14) I. Cor. 9, 27 I. Tim. 4, 3, Col. 2. — 15) Rom. 6, 6; 
8, 13, Col. 3, 5 f., Gal. 5, 16 ff. - 16) Euseb., bist. eccl. IV, 31. — 17) Irenaeus, 
ady. haer. 1, 28, 1; Clem. Alex., Paedag. 2, 2, 33; Hippolyti Philosoph. 8, 20. — 
In betreff der Mardoniten vgl Tertull. adv. Marc. 5, 7; 1, 29; 4, 11; Epiph. 
Haer. 42, 3. 

18) EpiphaniuSf Haer. 61. 



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46 Das Ascetentum der drei ersten christL Jahrh, 

achtung der Materie verabscheuten ^®), wie denn auch später die 
Synode von Oangra'^) (Mitte des 4. Jahrh.) gegenüber den Eusta- 
thianern, welche gleich den Apotaktikern behaupteten, dass die Reichen, 
welche nicht alles verlassen, keine Hoffnnng haben, im 21. Canon 
erklärte: »Wir billigen die Enthaltung von weltlichen Geschäften, 
wenn Demut dabei ist, ... . und verachten den Reichtum nicht, 
wenn er mit Gerechtigkeit und Wohlthätigkeit verbunden ist . . . .c 
Origenes'^) betont gleichfalls, dass die Enthaltung von Fleisch bei 
den christlichen Asceten ans anderen Motiven geschehe als bei den 
Pythagoreern; die letzteren vermieden es deshalb, von einem leben- 
den Wesen etwas zu essen, weil die Fabel von einer Wanderung von 
einem Leibe in einen anderen rede. »Wenn wir aber solche Enthalt- 
samkeit thuen,€ erklärt Origenes, »so thuen wir es, weil wir unseren 
Leib züchtigen und in Dienstbarkeit bringen wollen (L Gor. 9, 27), 
und wir ertöten die Glieder, die da irdisch sind, Hurerei, Unreinig- 
keit, Unzucht, böse Begierde (Col. 3, 5), und bieten alles auf, 
um die Werke des Leibes (Rom. 8, 13) zu ertöten, c So sehr sich 
also auch auf dem Boden des praktisch-sittlichen Lebens die 
gnostisch-manichäische und pythagoreisch-plotinische Richtung einer- 
seits und das Christentum andererseits zu berühren scheinen, 
so ist doch die Grundlage, auf der sie ruhen, verschieden. 
Die Kirche paarte mit Begeisterung Masshaltung und hielt aufrecht 
die Reinheit der Principien. Die scheinbar widersprechenden Aeus- 
serungen der hl. Schrift, auf welche sich die Häretiker einer gegen 
den anderen beriefen, vereinigte sie zur Einheit eines Begriffs, ohne 
darum die Kraft und die Wahrheit, die der göttliche Geist in diese 
Form des Vortrags gelegt hatte, zu vernichtend^). Der vornehmste 
Stimmführer der christlichen Gnosis war Clemens Alexandrinus, wel- 
cher in seinen Stromata (besonders in seinem IlL und IV. Buch) ein 
Spiegelbild des wahren christlichen Gnostikers auf Grund des Evan- 
geliums entwarf und die falsche Gnosis, welche den Boden des Glau- 
bens verliess und aus der heidnischen Philosophie oder den verschie- 
denen Volksreligionen antichrislliche Sätze aufnahm, bekämpfte. 
Ausser ihm fand die christliche Gnosis gegenüber den gnostischen 
Tendenzen kraftvolle Verteidiger an Irenäus (adversus haereses), Ter- 
tuUian (ad versus Valentinianos, contra Marcionem) und Origenes 
(an verschiedenen Stellen seiner Werke). 

Die Geschichte der 3 ersten christlichen Jahrhunderte zeigt 

19) Drey, Neue üntersach. über die apost. Constitntionea und Ganones, 
S. 281 u. 404. vgl. auch Gan. 14 der Synode von Ancm vom Jahre 314 (Hefele, 
Conc-Gescb. (1873) I S. 233). — 20) Hefele, Conc.-Qesch. (1873) I S. 789. — 
21) Ck)ntra Gels. Y, 49. — 22) Möhler, Qes. Schriften II. 



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Das Aacetentum der drei ersten christL Jahrh* 47 

UDS ferner, dass schon damals zwei verschiedene Stände in der Kirche 
bestanden, der Stand der Oebote und der Stand der evangelischen Bäte. 
Die göttliche Vorsehung trag dafür Sorge, dass es in der Kirche in 
ihren ersten Anfängen nicht an solchen fehlte, welche auf Ehe und 
Besitz um Christi und des Evangeliums willen verzichteten. Doch 
wenn auch die Asceten und die gottgeweihten Jungfrauen in dieser 
Periode einen eigenen kirchlichen Stand bildeten, dessen Mitglieder 
sich die Kirche für ihre Missionszwecke dienstbar machte, so dürfen 
wir doch diesen Stand weder in jeder Beziehung mit dem späteren 
Ordensstande identificieren noch an ihn den Massstab des späteren 
Ordensrechts anlegen. Wir vermissen in dem Ascetentum verschiedene 
konstitutive Momente des späteren Ordensstandes. Erstlich war Ehe- 
osigkeit und Besitzlosigkeit nicht immer vereinigt in einer Person >3); 
sodann deckt sich die Auffassung über die evangelische Armut nicht 
vollständig mit dem kirchenrechtlichen Begriffe der Armut '^). Die 
Asceten männlichen Geschlechts hatten noch keine öffentlichen Ge- 
lübde der Keuschheit; dagegen bestand schon das öffentliche Ge- 
lübde der Yirginität bei den gottgeweihten Jungfrauen, wenn auch 
noch nicht mit den Bechtswirkungen späterer Zeit*^). Endlich gab 
es noch kein Zusammenleben von Asceten '^). Doch die dem Asceten- 
tum wie dem späteren Ordensstande gemeinsame Grundlage besteht 
darin, dass sie den Stand der evangelischen Bäte darstellen, den 
Christus in seinem Beiche auf Erden gewollt und dem er eine 
spezielle Bestimmung in demselben gegeben hat. Hiernach lässt sich 
auch die Frage beantworten, in wie weit der Ordensstand göttlicher 
Einsetzung, in wie weit dagegen kirchlichen, also menschlichen Ur- 
sprungs ist"). 



23) Vgl. oben §. 7. — 24) Vgl. die vorherg. Note. — 25) Vgl. oben §. 4. 

26) Vgl. oben §. 5. — 27) Vgl. L. v. Hammerstein S. J., Das katholische 
Ordenswesen (Ergänzungsheffc zu den Stimmen aus Maria-Laach 65, S. 11—32) 
wo der Verfasser Ton dem Begriffe des Ordensstandes (im engeren Sinne) aas- 
gehend dieselbe These in Anlehnung an Suarez za beweisen sncht. 



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48 



Zweiter Teil. 



Das egyptische Mönchtiim Im yierten Jatarlmndert. 

§. L Die ersten Ansätze des Eremitenlehens. Der Ureremit Paul 

von Theben. 

Das vierte Jahrhundert ist als eine neue Phase in der Ent- 
wicklung des Ascetentums zu betrachten. So sehr das Sichzurück- 
ziehen von der Welt nach der Ansicht eines Clemens Alexandrinus, 
Origenes und Cyprian im Wesen der Ascese liegt ^), so treffen wir 
doch die Asceten wie die gottgeweihten Jungfrauen in den drei ersten 
christlichen Jahrhunderten nicht in völliger Absonderung von den 
übrigen Mitchristen ; erst auf der Neige des dritten und zu Beginn 
des vierten Jahrhunderts zeigen sich in dem Leben der Eremiten 
oder Anachoreten die ersten Ansätze zu einer völligen Weltflucht. 
Auch die Coalitionsbestrebungen der Asceten gehören erst dem vier- 
ten Jahrhundert an. Allerdings lag nichts näher, als dass gleich- 
gesinnte Asceten behufs gegenseitiger Förderung Genossenschaften 
unter sich gebildet hätten ; aber der äussere Druck, welcher auf der 
Christenheit lastete, erklärt es hinlänglich, warum Ascetenvereinig- 
ungen im dritten Jahrhunderte nur sporadische Erscheinungen waren. 
Erst in den ersten Decennien des vierten Jahrhunderts bildeten sich 
unter den christlichen Eremiten die ersten Mönchskolonieen oder 
Genossenschaften. Egypten war der erste Schauplatz dieser beiden 
neuen Erscheinungsformen des ascetischen Lebens und blieb auch 
durch mehr als hundert Jahre das klassische Land der christlichen 
Ascese. 

Das Motiv dieser Weltflucht unter den Christen waren zunächst 
die Greuel der Verfolgungen. Auf Grund eines Briefes des Bischofs 
Diönysius von Alexandria berichtet Eusebius, dass schon in der De- 
cischen Verfolgung (um das Jahr 250) viele egyptische Christen 
sich in Einöden und auf Berge flüchteten und in diesen Schlupf- 
winkeln durch Hunger und Durst, durch Kälte und Krankheit, 
durch Eäuber und wilde Tiere umkamen ^). Auch die Diokletianische 
Verfolgung mag dieser Weltflucht Vorschub geleistet haben; er- 
streckte sie sich doch nach Eusebius bis in die Thebais hinein und 



1) S. oben S. 21—22. 

2) Euseb. h. e. VI, 42. 



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Das egypt Mönchtum im 4. JahrH, 43 

forderte dort viele Opfer»). Als sodann unter Licinius (im Jahre 315 
oder 319) im Orient die Verfolgung von neuem losbrach, suchten 
wiederum nach dem ausdrucklichen Zeugnisse desselben Kirchen- 
historikers viele Christen ihre Bettung in Wäldern und Einöden, 
auf Bergen und in Höhlen*). Wenn auch auf diese Weise die 
Schrecken der Verfolgung den ersten Anstoss zu solcher Weltflucht 
gaben, so verschaffte doch die Angewöhnung an die Einsamkeit der 
Wüste zahlreiche Bewohner auch nach Aufhören der Verfolgung, 
und manche weltflüchtige Christen verwandelten diese Notwendigkeit 
zu einem freien Entschlüsse. 

Einer der ersten, der solches that und dessen Name und An- 
denken auch der Nachwelt bewahrt worden ist, war der reichbe- 
güterte und feingebildete Paulus von Theben. Zur Zeit der Decischen 
Verfolgung (um 250) verliess der sechzehnjährige Jüngling aus 
Furcht vor einer Denunciation des eigenen Schwagers seine schon 
am Saume der thebaischen Wüste gelegene Villa und flüchtete sich 
in die Einsamkeit der Berge; er drang immer tiefer ins Oebirge 
ein, bis er endlich an ein Felsengebirge kam und an dessen Fusse 
eine nicht allzu grosse Höhle fand, deren rostiges Inventar auf ihre 
frühere Verwendung als Falschmünzerwerkstätte schliessen Hess. 
Diese Felsenzelle gewann er so lieb, dass er darin trotz der Eon- 
stantinischen Friedensära verblieb und über 90 Jahre ein der Be- 
trachtung der göttlichen Wahrheit und der Ascese gewidmetes Leben 
führte, ohne je einen Menschen zu sehen ; eine Quelle, welche den 
sicheren Ort bewässerte, gewährte ihm den labenden Trank, und 
ein prächtiger Palmbaum lieferte Nahrung und Kleidung. Dieses 
so erhabene Beispiel der Entsagung und Heiligkeit wäre der Nach- 
welt unbekannt geblieben, wenn nicht Antonius, der einige Tage- 
reisen von Paulus entfernt in derselben Wüste lebte, auf göttlichen 
Antrieb diesen Ureremiten noch vor dessen Tode aufgesucht und 
die mit ihm ausgetauschten Gespräche und Erfahrungen seinen 
Schülern mitgeteilt hätte ^). 



3) Ibid. Wm, 6, 9, 10, 13; Mart. Palaest. c. 8; vgl. auch Sokr. I, 11, 
Sozom. 1, 10 — Die Behauptung Weingartens (»Der ür sprang des Mönch tnms« 
Zdtschr. für Kircheugesch. I, 1877, S. 546): »Ist doch auch m die eigentliche 
Heimat der ersten Mönche, nach Ohere^n^pten , die Diokletianische Verfolgung 
zweifellos nicht Torgedrungen« ist also irrig. 

4t) Euseb. Tit. Const. II, 2. 

5) In Betreff der Chronologie der Yita Pauli ist Folgendes zu bemerken : 
Da Paulus im 16. Lebensjahre aus Anlass der Decischen Verfolgung (250) sein 
Anachoretenleben begann, so ist sein Geburtsjahr um das Jahr 234 und sein 
Todesjahr um 347 anzusetzen. Antonius, dessen Geburt sicher in das Jahr 251 
fallt, muss also bei der Begegnung mit dem 113jährigen Paulus 96 Jahre ge- 
zählt haben. Die Angabe des 90. Lebensjahres des Antonius (Vita PauH c. 7) 
Sohiwietz, Mönchtum. 4 



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50 DcL$ egypt Mönchtam im 4. Jdhrh» 

Hieronymus, dem wir die Vita s. Pauli verdanten«), bemerkt 
zu Beginn derselben, dass schon zu seiner Zeit die Persönlichkeit 
dieses Ureremiten von märchenhaften Sagen umgeben war; darnach 
hätte Paulus, abgesehen von anderen Abgeschmacktheiten, in einer 
unterirdischen Höhle gewohnt und wäre vom Kopfe bis zu den Fersen 
mit langen Haaren bewachsen gewesen. Hieronymus wollte nun auf 
Grund der Mitteilungen zweier Schüler des Antonius, Amathas und 
Makarius, in seiner Vita s. Pauli eine kritische Sichtung der im 
Umlauf befindlichen Erzählungen vornehmen'); doch ist ihm dabei 
manches Bomanhafte mituntergelaufen. Mögen wir nun auch nicht 
mehr imstande sein, aus dem mitgeteilten Material das Geschicht- 
liche von dem Minderstichhaltigen auszuscheiden, so darf man doch 
nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und die Geschichtlichkeit 
des Ureremiten in Zweifel ziehen. Allerdings hat man schon zur 
Zeit des hl. Hieronymus aus der beständigen Verborgenheit des 
Ureremiten seine Existenz überhaupt bestritten») und neuere Historiker, 
wie z. B. Weingarten % haben diesen Versuch erneuert ; doch abge- 
sehen von dem Legendenhaften, das zu diesem Behufe behaglich 
breitgetreten wird, haben sie nichts vorbringen können, das geeignet 
wäre, der anmutigen Legende die historische Basis zu entziehen. 
Zunächst ist der historische Hintergrund dieser Vita, nämlich die 
Weltflucht egyptischer Christen zur Zeit der Decischen Verfolgung, 
wie schon oben (S. 48 f.) gezeigt worden ist, eine unbestreitbare 

ist darum im Sinne einer abgerundeten Zahl zu fassen. Eine strenge ürgierung 
dieses letzteren Datums würde einen offenkundig falschen terminus a quo f&r 
das Anachoretenleben des Paulus ergeben. 

6) Eine griechische und ziemlich freie üeberarbeitung der lateinischen 
und von Hieronymus verfassten Vita Pauli findet sich in den Analecta Bolland. 
II, 561 — 563. Eine koptische Vita Pauli ist von Amelineau in seiner histoire 
des monast^res de la nasse SSgypte (Annales du musöe Guimet, tome XXV«, 
Paris 1894) und eine syrische von Bedjan in seinen Acta martyrum et sancto- 
rum (Tom. V. (1895) p. 561—572) herausgegeben worden. Der in der Vita Pauli 
des Hieronymus vorfindliche Schlusssatz : »Freundlicher Leser, ich bitte um ein 
frommes Angedenken für den Sünder Hieronymus, der, wenn ihm Gott seinen 
Wunsch erfüllt, bei weitem der Tunika des Paulus mit seinen Verdiensten den 
Vorzug giebt vor dem Purpur der Mächtigen mit ihren Strafen c lautet ähnlich 
bei den Kopten und Syrer und lässt somit auf Abhängigkeit von Hieronymus 
scbliessen ; doch hat wohl beiden Versionen die griechische Vita Pauli als Vor- 
lage gedient, mit der sie beide mehr Berührungspunkte haben als mit der la- 
teinischen Vita Pauli des Hieronymus (Vgl. E. Preuschen, Deutsche Litteraturztg. 
1896 Nr. 12), Die ganz singulare Ansicht Amölineaus, dass die koptische Vita 
dem Hieronymus als Vorlage gedient habe, setzt voraus, dass dieser Kirchen- 
lehrer des Koptischen mächtig war, was unbeweisbar ist; auch ist kein Grund vor- 
handen , der Erklärung des Hieronymus , dass er sich in seiner Vita Pauli auf 
mündliche Berichte zweier Mönche stütze, keinen Glauben zu schenken. 

7) Vita Pauli c. 1. 

8) Vgl. den Prolog der Vita Hilarionis des Hieronymus. 

9) Weingarten^ Der Ursprung^ des Mönchtums im nachkonstantinischen 
Zeitalter (Zeitschrift für Eirchengesch. I (1877) S. 1 ff*. 



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Das egypt Mönchtum-im 4. Jahrh, &1 

Thatsache, und damit ist schon der Ausgangspunkt der Weingarten- 
schen Kritik gegen die historische Grundlage dieses Eremitenlebens 
entkräftet*®). Sodann ist Hieronymus nicht der einzige Kirchen- 
schriftsteller, dem die Person dieses Paulus bekannt war. Cassian 
und Sulpicius Severus, Zeitgenossen des Hieronymus, kennen diesen 
üreremiten auch. Da der erstere") sich mehrere Jahre bei den 
Mönchen Egyptens, insbesondere auch der Thebais, aufgehalten hat, 
so wird ihm doch nicht alle Glaubwürdigkeit in dieser Sache abge- 
sprochen und seine Notiz über Paulus rein auf Eechnung des Hiero- 
nymus gesetzt werden können. Sulpicius Severus*^) stützt sich 
wieder in seinen Dialogen auf die Berichte seines Freundes und 
Orientreisenden Postnmianus, dem auf seiner Beise durch Egypten 
ausser zwei Antonius-Klöstern auch jeni Stätte gezeigt wurde, wo 
Paulus gelebt hatte. Dieses Zeugnis steht jedenfalls unabhängig 
von Hieronymus da und stützt sich in letzter Linie auf die noch 
frische Tradition der Mönche in der Thebais. Nach alledem geht 
es nicht an, eine reine Fiktion der eigenartigen Persönlichkeit des 
üreremiten Paulus anzunehmen*^). Eine andere Frage ist nun die, 
welcher Gedanke den hl. Hieronymus bei der Abfassung und Dar-^ 
bietung dieser Vita geleitet haben mag. Aus dem Epilog ist er- 
sichtlich, dass diese Vita s. Pauli ein Spiegelbild der entarteten 
römischen Welt abgeben sollte. So seltsam auch das Leben dieses 
üreremiten erscheinen mag, so liegt doch eine hohe Idee »in dieser 
tiefen Einsamkeit eines halben Jahrhunderts allein vor dem Ange- 
sichte Gottes, ohne von Menschen genannt zu wordene i*). 

Zu einer Organisation der in der Wüste zerstreut lebenden 
Einsiedler hat dieser üreremit nicht beigetragen; das that erst der 
schon erwähnte Antonius, der einige Decennien später Bewohner der 
Wüstenei in der Thebais inferior und allmählich auch Stifter von 
Mönchskolonieen wurde. Dieses gemeinschaftliche Leben förderte 
dann noch mehr der gleichzeitige Einsiedler Pachomius, welcher im 
Bezirk der Thebais superior eine noch straffere Organisation des 
Möüchslebens schuf. Schüler oder Nacheiferer dieser beiden Männer 
bildeten endlich ähnliche Mönchskolonieen oder Genossenschaften im 
nitrischen Gebirge, in der sketischen Wüste und, über die Grenzen 
Egyptens hinaus, im Palästina und Syrien. 



10) Weingarten, a. a. 0. S. 546. — 11) Coli. XVIII. — 12) Dial. I, 11. 

18) Zöchler, Askese and Mönohtam 1897 Bd. L S. 184; Keim, Aus dem 
Urchristentum, Zürich 1878, S. 208—209. 

14) Hase, Das Leben des hl. Antonius (Jahrb. für protest Theol. 1880 
S. 425). 

4* 

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Sz Dom tgypU MöndUum im 4^ Jahrh, 

§. 2, Die Existem und Entfaltung des egyptischen Mönchtums in 

den ersten Deeennien des vierten Jahrhunderts oMf Grund der Vita 

Antonii und anderer zeitgenössischer Zeugnisse, 

Um über die genetische Entwicklung der egyptischen Mönchs- 
kolonieen und Klöster aus dem Anachoretentum ein anschauliches Bild 
zu gewinnen und zugleich die Zeit, in der sich dieser Uebergang voll- 
zog, fixieren zu können, kommt in erster Linie die vom hl. Athanasius 
yerfasste Vita Antonii in Betracht. Allerdings hat sich die negative 
Kritik grosse Mühe gegeben, dieses für die Mönchsgeschichte wichtige 
Quellenwerk in Misskredit zu bringen ; doch die dadurch veranlasste 
wissenschaftliche Eirörterung hat ein für die Echtheit und Glaubwür- 
digkeit der Antoniusbiographie günstiges Resultat zu Tage gefördert. 

Gegenüber den ersten Verdächtigungen seitens der Magdeburger 
Centuriatoren ^) führten die Bollandisten (Acta SS. 17. Jan.) den 
Nachweis, dass bei der Menge von gleichzeitigen oder kurz nach 
Athanasius lebenden Zeugen für die Echtheit der Vita Antonii ein 
Zweifel an dem Athanasianisehen Ursprung derselben unberechtigt 
sei*). In neuerer Zeit hat jedoch Weingarten^) unter Heranziehung 
teilweise neuer Momente die Vita Antonii dem hl. Athanasius ab- 
gesprochen und dieselbe als eine Tendenzschrift des entwickelten 
Mönchtums aus der Mitte der sechziger Jahre des vierten Jahrhun- 
derts darzuthun gesucht. Diese Schrift gab Anlass zu neuen Unter- 
suchungen der Vita Antonii durch Qass ^), Hilgenfeld ^) und Keim % 
welche übereinstimmend sich dahin erklärten, dass die von Wein- 
garten vorgebrachten Unechtheitsindicien weder stichhaltig noch 
überzeugend s^en, während Hase^) nicht nur die Schwächen der 
Weingartenschen Beweisführung aufdeckte, sondern sich auch offen 
für die Echtheit und Glaubwürdigkeit der Vita Antonii aussprach. 
Nach Hase, dessen Beweisführung einen mehr abwehrenden Charakter 
hatte, ergänzten später noch Mayer ^) und Eichhorn^) das Beweis- 

1} Magd. Cent. IV. c. 10 p. 1306. 

2) Vgl. aach In Antonii vitam monitam der Benediktiner (Migne, s. gr. 
t. 26» p. 823 seq.). 

3) Weingarten^ Der Ursprung des Mönchtums im nachkonstantinischen 
Zeitalter (Zeitschr. f. Kirchengesch. I (1877) S. 6 flP. Vgl. auch desselben Ver- 
fusexs Artik. >Mönchtum« in der Beal-Encjklopädie, 2. Aufl. Bd. X, S. 769 ff. 

4) Qa99, Zur Frage vom Ursprung des Mönchtums (^eitschr. f. Eirchen- 
geschichte U, 254 iL). — 5) Zeitschr. f. wissenschaftl. Theol. 1878 S. 145 iL 

6) Keim, Aus dem Urchristentum, Zürich 1878, S. 204 ff. 

7) Jahrbücher f. protest. Theol. 1880 S. 418 ff. Vgl. auch Beatmann, 
Die theol. Wissenschaft und die Bitschlsche Schule 1881 S. 14 ff. 

8) X Mayer, Die Echtheit und Glaubwürdigkeit der dem hl. Athanasius 
d. Gr. zugeschriebenen Vita Antonii ira »Katholik« (1886) LY, 495 ff., 619 ff., 
LVI, 178 ff. — 9) Albert Eichhorn, Athanasii de yita ascetica testimonia col- 
lecta, Halle 1886. Vgl. auch Berlikre, Les origines du monachisme et la cri- 
tique moderne (Revue B^n^dictine T. VIII (1891) p. 1—19, 49—69. 



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Das egypt MöndUum im 4* Jahrh. 53^ 

material zu Gongten der Echtheit der Vita Antonii und wiesen die 
üebereinstimmuDg derselben mit anderen echten Schriften des hl. 
Athanasins in Bezug auf Inhalt und Form nach. 

Wenn wir jedoch in eine Besprechung der von Weingarten 
gegen die Antoniusbiographie vorgebrachten Einwürfe eingehen, so 
geschieht es deshalb, weil sich auf diese Weise am besten darthun 
lässt, dass die Genesis und Entfaltung des Mönchtums schon in die 
ersten Decennien des vierten Jahrhunderts hinaufreicht und dass die 
aus der Antoniusbiographie gewonnenen chronologischen Daten mit 
anderen gleichzeitigen historischen Zeugnissen vdUig übereinstimmen. 

Weingarten betont zunächst, dass im dritten Jahrhundert noch 
gar keine Spuren des Mönchtums sich finden: »Jene Asketen des 
zweiten und dritten Jahrhunderts mit ihrem Fasten, ihrer Ehelosig- 
keit, ihrem Eunuchantum, mit ihrem montanistischen Bigorismus oder 
ihren stoisch-christlichen Idealen lebten mitten in der Gemeinde und 
in der Welt; und der erste Versuch, der wohl gegen Ende des dritten 
Jahrhunderts in diesen Kreisen gemacht wurde, sich vor der Welt 
zu verbergen, erfuhr, wie wir aus einer nachcyprianischen Schrift*®) 
ersehen, eine strenge Zurechtweisung seitens der Kirchet "). 

Weingarten giebt also zu, dass das Ascetentum mit seinem 
Fasten, Eunuchentum und allerlei Strengheiten in der Lebensweise 
im zweiten und dritten Jahrhundert schon existierte. Aber auch das, 
was er in Abrede stellt, nämlich die Weltflucht und Absonderung 
Ton der menschlichen Gesellschaft, wurde schon von Clemens Alexan- 
drinus, Origenes und Cyprian als ein selbstverständliches Erfor- 
dernis der Ascese bezeichnet*^). Auch hat Weingarten übersehen^ 
dass die von Epiphanius erwähnten Asketenvereine des Hierakas*^) 
und das Asketerion, in welchem nach Sokrates der Bekenner-Bischof 
Paphnutius, Teilnehmer des Concils von Nicaea, in seiner Jugend er- 
zogen worden war *^), bis ins dritte Jahrhundert hineinreichen, sowie 
dass die ersten Ansätze des Einsiedlerlebens sich schon zur Zeit der 
Decischen Verfolgung vorfinden *^). Auch seine Ansicht^ es habe die 
Kirche gemäss der oben erwähnten pseudocyprianischen Schrift »ch 



10) Paeudocyprian t De singularitate clerioorum e. 81: »Adhac habeo 
q^aid mirari: cum videam de Christianis plerosqae maritos et nxores continen- 
tiam destinantes domicilia singalaria magis eligere . . . Dicat nunc eannchorum 
Caritas, dicat ne forte in hac secessione magis coniugalis Caritas peccftt (Migne, 
t. 4 col. 937). 

11) Weingarten, I>er Ursprang des Mönchtams (Zeitschr. fi Kireheng. 
I S. 6). 

12) S. oben S. 21 f. — 13) S. oben S. 22. 

14) Sokr. h. e. I, 11 : »'Ex Kai8>)(; iv awTjxi^pCtjj «veW^pfl»CTo.€ 

15) Siehe oben S. 48. 



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54 Das egypt. Mönchtum im 4. Jahrh, 

solchea Absonderungsgelüsten skeptisch verhalten, ist aus diesem 
Text nicht beweisbar ; es wird vielmehr darin blos gerügt, dass sich 
Eheleute unter dem Vorwande der Ascese und des enthaltsamen 
Lebens trennen und domicilia singularia wählen; daraus folgt aber 
nicht, dass Pseudocyprian die Absonderung der Asceten von der 
Welt überhaupt missbilligte. 

Um die Entstehung des Mönchtums im Zeitalter der Verfolgung 
der Kirche negieren zu können, beruft sich Weingarten weiter auf 
Eusebius: »Wenn Eusebius von Cäsarea, der Kirchenhistoriker, in 
den Therapeuten Philos die Asketen seiner Zeit wiederfindet, so ist 
jetzt allgemein zugestanden, was schon Valesius anerkannt hat, dass 
hier nur jene Asketen gemeint sind, die wir aus Athenagoras, 
Clemens von Alexandrien» TertuUian kennen. Dass aber Eusebius, 
als er die ersten Bücher seiner Kirchengeschichte schrieb, nicht 
lange vor dem Jahre 324, noch von einem Mönchtum nichts wusste, 
geht zweifellos grade aus der Art hervor, wie er den christlichen 
Charakter von Philos Schrift »Ilepl ßtou OecDpYjTtxoö« zu verteidigen 
versucht; gegen solche, die in dieser essenischen Zurückgezogenheit 
einen Gegensatz zur christlichen Lehre fanden, beruft er sich nur 
auf die Schilderung der apostolischen Gemeinde in der Apostelge- 
schichte, ihrer Armut und Gütergemeinschaft, nicht auf gleichzeitige 
Erscheinungen in der Christenheit selber; vom christlichen Anacho- 
retentum redet die Kirchengeschichte des Eusebius mit keinem Worte. 
Ebenso ist den anderen und späteren Schriften, allen seinen ausführ- 
lichen Beschreibungen des christlichen Egyptens, der Biographie 
Constantins und dem Panegyricus auf ihn (verfasst zwischen 337 
und 340, dem Todesjahr des Eusebius) das Mönchtum noch völlig 
unbekannt: eine Thatsache, die überaus befremden muss gegenüber 
der gewöhnlichen Darstellung, welche dem Mönchtum und vor allem 
dem hl. Antonius eine grosse Rolle schon in den Tagen Constantins 
zuweist« *ö). 

»Ueberhaupt müsse es befremden, erklärt Weingarten weiter, 
dass Eusebius nichts von dem zweimaligen Auftreten des Antonius 
in Alexandria wisse, wovon das erste nach der Vita Antonii in die 
Christenverfolgung Maximins (311), das andere (zur Bekämpfung des 
Arianismus) nach 325 falle ; ja nicht einmal der Name des Antonius 
ßlnde sich bei Eusebius ^^). Aus alledem schliesst Weingarten, dass 
die Zeitgenossen Constantins und des Eusebius ein christliches Mönch- 



i? 



16) Weingarten a. a. 0. S. 6- 
Ebend&8. S. 7—8. 



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Das egypt* Mönchtum im 4, Jahrh. 55 

tum noch nicht kennen, und damit allein fiele schön die Sage von 
dem Ursprung des Mönchtums in den Verfolgungszeiten der Kirche i*). 
Eine genauere Prüfung dieser Weingartenschen Ausstellungen 
führt aber zu einem. entgegengesetzten Resultate. Es ist zunächst 
unbestreitbar, dass zur Zeit des Eusebius das Ascetentum im Be* 
reiche der christlichen Gesellschaft ein mächtiger Faktor war. In 
der Demonstratio Evangelica lib. I c. 8 schreibt er nämlich: »Da- 
her (d. h. gemäss den von Christus den Jüngern mitgeteilten An- 
ordnungen, welche diese teils mündlich, teils schriftlich überliefert 
hätten) sind in der Kirche Qottes auch zwei Lebensstände einge- 
setzt; der eine geht über unsere Natur und die allgemeine Lebens- 
weise der Menschen hinaus, indem er keine Ehe, keine Nachkom- 
menschaft, keinen Besitz, keine Keichtümer anstrebt, sondern gänz- 
lich die allgemeine und gewohnte Lebensweise aller Menschen ver- 
schmäht und einzig der Verehrung Gottes aus übergrosser Liebe zu 
den himmlischen Dingen sich hingiebt. Jene, welche diesen Stand 
ergriffen haben , sind wie losgetrennt von diesem sterblichen Leben ; 
sie befinden sich mit dem Körper auf der Erde, sind aber mit ihren 
Gedanken und mit dem Herzen im Himmel selbst und blicken wie 
Himmelsbewohner auf das Leben der übrigen Menschen herab ; denn 
sie sind für das ganze Geschlecht dem höchsten Gotte aller ge- 
weiht . . . und ziehen durch ihr Priestertum dessen Erbarmen auf 
sich uud ihre Geschlechtsgenossen herab. Ein derartiger vollkom- 
mener Lebensstand besteht also im Christentum. Der andere aber 
ist weniger streng . . .« Da somit Eusebius nicht ansteht, die ganze 
christliche Gesellschaft in diese zwei Kategorieen zu scheiden, so 
darf die Zahl der Asceten zu seiner Zeit nicht als gering ange- 
schlagen, werden. Zudem erscheinen diese Asceten, von denen Eu- 
sebius auch in seiner Vita Constantini 4, 26, in dem Büchlein von 
den Märtyrern Palästinas (15, 3; 10, 2; 11, 12) redet, mit ihrer 
»Lostrennung von diesem sterblichen Leben« äusserst ähnlich den 
sogenannten Mönchen. Ja, Eusebius ist der erste christliche Schrift- 
steller, welcher das Wort fxovaxot gleichbedeutend mit Asceten ge- 
braucht, und zwar giebt ihm in seinem Psalmenkommentar der 
Psalm 67 v. 7, wo Symmachus das hebräische iechidim mit fiovaxot 
übersetzt, den Anlass zu dieser Namengebung. Auch einen Anacho- 
reteu des zweiten Jahrhundertes kennt der Bischof von Caesarea; 
in seiner Kirchengeschichte (6, 9) ist nämlich die Eede von dem 
Bischof Narcissus aus Jerusalem, der ein Liebhaber der philosophi- 



18) Weingarten a. a. 0. S. 10. 



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56 Das egypt. Mönchium im 4. Jahrh. 

sehen Lebensweise (töv fiX6oo(pov ßtov aoiraCofievoc) viele Jahre ver- 
borgen in Wüsten und abgelegenen Gregenden (Iv Ip7]fitat<: xat Ä<paveat 
aypolg) gelebt hat nnd von seinen Zeitgenossen wegen dieser ein- 
siedlerischen Lebensweise (t^c dvaxcopi^oeüx: ?vsxa) verehrt worden 
ist. Schon der in seine Kirchengeschichte (2, 17) eingeflochtene Ex- 
kurs auf die Fhilonischen Therapeuten beweist zur Qenüge, dass dem 
Eusebius die neue Erscheinungsform des Ascetentums, nämlich das 
Mönchtum nebst den beginnenden Coalitionsbestrebungen , nicht un- 
bekannt war. Er bespricht nämlich an diesem Orte die Schrift »icepl 
ßtoo ^e<i)pT)Ttxoü€, welche er dem Philo zuschreibt und in der die Le- 
bensweise gewisser ascetischer Therapeuten und Therapeutriden ge- 
schildert wird. Er citiert dabei aus dieser Schrift besonders jene 
Stellen, welche mehr die äussere Lebensweise der Therapeuten zum 
Ausdruck bringen, während er die philosophisch-religiösen Ansichten 
derselben von der Besprechung ausschliesst , und betont wiederholt» 
dass diese Lebensweise der Philonischen Therapeuten identisch sei 
mit der der christlichen Asceten seiner (des «Eusebius) Zeit und dass 
darum in der obigen Schrift sicherlich christliche Asceten gemeint 
seien. Mag nun die Schrift »Tcepi ßtoo 6ea>pif]Tixoü€ von Philo ver- 
fasst sein oder nicht, mag sich Eusebius getäuscht haben, wenn er 
so zuversichtlich behauptet, dass in dieser Schrift das Leben christ- 
licher Asceten erörtert wird ^% das ist für unseren Zweck irrelevant; 
uns interessiert nur die wiederholte Versicherung des Eusebius : »Philo 
beschreibt das Leben unserer Asceten so genau als möglich (töv ßiov 
Tü>v Tcap' TJfxTv doxKjtcüv (oc Svt iidkioxa äxptßeaxaxa ioxopöv), die 
Schrift »icept ßtou Osa)pif]Ttxouc enthält offenbar die noch jetzt bei 
uns geltenden Kirchenregeln (oa^ög toix; etg Sti vüv xal eig ij^uag 
ic8f uXayfiivooc t^c 'ExxXTjaiac icepi^x®^ xavovac)« und am Schluss 
dieses Exkurses: »dies alles hat jener Mann (Philo) ganz genau auf 
eben die Art beschrieben, als es noch bis jetzt bei uns allein ge- 
halten wird (£ic8p äxpiß&c töv auTÖv 8v xai etg deupo T&Ti^pif]Tat icapa 
fiovoic ^|aTv Tp67cov)€. Und worin bestand denn die Lebensweise dieser 
Therapeuten ? Nach Verzicht auf ihr Vermögen , erklärt Eusebius, 
zogen sie ausserhalb der Stadt und nahmen ihren Aufenthalt an ein- 
samen Orten und in Gärten, da ihnen der Verkehr mit Leuten an- 

19) Nach Lucius (Die Therapenten nnd ihre Stellung in der Geschichte 
der Ascese, Strassbnrg 1880) ist die Schrift »7cep\ ßiou decopTjTixouc als eine etwa 
am Ende des 3. Jahrhunderts unter dem Namen Philos zur VerherrUchune des 
christlichen Monchtums verfasste Apologie zu betrachten, während neuerdings 
F. C. Conybeare (Philo about the contemplative life, Oxford, Clarendon Press, 
1895) und Paul Wendland (Die Therapeuten und die nhilonische Schrift Yom 
beschaulichen Leben, 22. Supplement band der Jahrb. f. klass. Philologie S. 697 
—772) für die Echtheit dieser Schrift eingetreten sind. 



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Das egypU MönchtfAtn im 4. Jahrh, 57 

derer Orundsätze als schädlich erschien. Von aller Welt abgeschlossen, 
fährten sie ein der Betrachtung und Lesung heiliger Schriften ge- 
weihtes Leben unter Verzicht auf Fleisch- und Weingenuss; ja in 
einzelnen Gegenden thaten sie sich sogar zum gemeinsamen Leben 
zusammen. Da nun Eusebius, dem die Kenntnis seiner eigenen Zeit 
nicht abgesprochen werden darf, diese therapeutische Lebensweise so 
zu sagen als eine Photographie der christlichen Asceten seiner Zeit 
bezeichnet, so folgt daraus, dass zu der Zeit, als er seine Eorchen- 
geschichte schrieb, also ?or 324, die christlichen Asceten schon ein 
einsiedlerisches Leben fahrten und sogar teilweise Vereinigungen 
bildeten ; es fällt auch damit die Behauptung Weingartens, Eusebius 
hätte sich bei seinem Beweise der Identität der Philonischen Thera- 
peuten mit den christlichen Asceten nicht auf gleichzeitige Erschein- 
ungen in der Christenheit, sondern nur auf die christliche ürgemeinde 
von Jerusalem mit ihrer Grütergemeinschaft berufen*^). Um noch 
schliesslich auf das Weingartensche argumentum e silentio zu kom- 
men, so hat schon Hase (Das .Leben des hl. Antonius in den Jahr- 
büchern für Protest. Theologie, Leipzig 1880, S. 437) treffend ge- 
antwortet: »Das Schweigen über Antonius in der Eirchengeschichte 
des Eusebius darf uns nicht befremden, sie schweigt auch über 
Athanasius und reicht nicht über das Jahr 324. In spätem Schriften, 
auch in beiden über Constantin, war kein besonderer Anlass, des An- 
tonius zu gedenken, und ein frommer Brief des Kaisers an einen 
egyptischen Einsiedler enthält eine solche Nötigung nicht. Ob der 
Name dieses Einsiedlers schon früh über die Wüste und über 
Alexandrien hinausgedrungen sei, wir wissen es nicht, sein welt- 
historischer Buhm mag erst durch die Vita und durch den Namen 
des Athanasius selbst getragen worden sein; und hat ein so nahes 
Verhältnis zu Athanasius bestanden, wie es diese Vita anzeigt, so 
konnte schon das für Easebius, der kein Bewunderer des Athanasiani- 
schea Dogma war, ein Grund sein, in seinen späteren Schriften von 
dem ganzen neuen Haushalte Gottes in der Wüste, der ganz Atha- 
nasianisch gesinnt war, zu schweigen, c 

Endlich sollen nach Weingarten die echten Schriften des 
Athanasius eine Instanz gegen die chronologischen und anderweitigen 
Angaben der Antoniusbiographie bezüglich des Mönchtums abgeben : 

20) Die beiläufige Bernfun^ auf die ürgemeinde von Jerusalem und ihre 
Güterpfemeinschaft hat bei Eusebius nur den Zweck, seiner Erörterung durch die 
Autorität der Apostelgeschichte einen gewissen Nachdmck zu verleihen, ist aber, 
ine wir oben gesehen haben, durchaus nicht das einzige Argument, auf welches 
er seinen Beweis ftkr die Identität der Philonischen Therapeuten mit den christ- 
lichen Asceten aufbaut. 



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58 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh. 

»KöüDte man es auch, abstrakt genommen, als zufällig betrachten, 
dass uns in ihnen der Name des Antonius nicht ein einziges Mal 
begegnet, trotzdem die Biographie ihren Verfasser zum vertrautesten 
Freund und Begleiter des letzteren macht, dem jener oft das Wasser 
über die Hände gegossen, aufiBLUig genug freilich bei der dem An- 
tonius nachgerühmten Wasserscheu ^i), an einer Stelle musste Athana- 
sius den Antonius nennen, wenn er diesen Patriarchen des Mönch- 
tums so gekannt oder beschrieben hätte, wie die Legende behauptet. 
In demselben Jahre, in welches Hieronymus den Tod des An- 
tonius verlegt, hat Athanasius einen Brief an einen Mönch geschrieben, 
der sich sträubte, ein kleines ihm angebotenes Bistum Hermopolis 
zu übernehmen, aus Furcht, an Heiligkeit zu verlieren und sich mit 
einer Würde zu beflecken, die nur Anlass zur Sünde sei. Diesen 
Glauben des Dfakontius an eine höhere Würde des Anachoretentums 
über dem Episkopat .... sucht Athanasius zu widerlegen, durch 
Beispiele von Mönchen, die sich den kirchlichen Aemtern nicht ent- 
zogen ; . . . . den Antonius nennt er nicht, wo doch vor einem Worte 
desselben alle Bedenken des Dracontins hätten schwinden müssen. 
Denn Antonius, wie seih Biograph es darstellt, hat vor der kirch- 
lichen Hierarchie »die äusserste Ehrfurcht« empfunden und sich stets 
geringer geachtet als jeden Kleriker (Vita Ant. c. 67). Warum be- 
ruft sich Athanasius nicht auf diese Stellung des Antonius zum 
Klerus , . . . ? Der Grund liegt darin, dass diese in der Vita dem 
ersten Mönche zugeschriebene Unterordnung erst der Wunsch der 
Generation nach Athanasius war, das ursprüngliche Anachoretentum 
dachte anders"). — In den echten Schriften des Athanasius, in 
seinen Briefen und Streitreden filnden sich keine Anhaltspunkte für 
die Genesis der neuen mönchischen Entwicklung. Wenn auch Athana- 
sius unzweifelhaft nachweisbar erst nach seiner Rückkehr aus seinem 
zweiten römischen und abendsändischen Exil (Äthan. Apol. ad imper. 
Const. c. 4 am Schluss) dem Mönchtum nahe gestanden hätte und 
fände sich auch bei ihm die Erwähnung von jxovaCovxsg xat aoxTjxat 
(z. B. Apol. ad imper. Const. c. 28), so sei doch in das innere Wesen 
des Mönchtums uns ein geringer Einblick gewährt. Kaum ein Unter- 
schied von den älteren Asketen ist zu erkennen ; wird doch sogar 



21) Die Worte des Athanasius im Prolog der Vita Antonii ; ȟoXXaxi? 
aOtbv (den Antonius) Iwpaxa xol Im/^ewv QStop xaia yßpoLi auiou« sind eine An- 
spielung auf die nach der Mahlzeit übliche Händewascliung , welcher sich auch 
Antonius als Gast anbequemte. Dies ist durchaus nichts Auffalliges und kein 
Widerspruch zu dem Berichte der Vita Antonii c. 47, wonach Antonius ans 
ascetischen Rücksichten auf den Gebrauch von Bädern verzichtete. 

22) Weingarten a. a. 0. S. 18—20. 



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Das egypt MOnchtum im 4, Jahrh. 59 

noch die Ehe und Eindererzeugong unter den Mönchen voraosge- 
setzt *')... Anch der Brief des Pinnes, eines Presbyters des Klosters 
Ptemenkyrkis im anteopolitischen Nomos, ein Brief , der noch vor 
der Synode von Tyrus, also vor 335 gesehrieben sein muss, sei kein 
Beweis für das Vorhandensein eines organisierten Klosterwesens**). 

Es ist zunächst nicht richtig; wenn Weingarten behauptet, der 
Name des Antonius käme in den echten Schriften des Athanasius 
gar nicht vor. Im 14. Kapitel seiner Historia Arian. ad monachos ^) 
wird Antonius ausdrücklich erwähnt. Es wird darin erstlich erzählt, 
dass Antonius Briefe warnenden Inhalts an den an Stelle des Athana- 
sius im Jahre 340 eingesetzten arianischen Bischof Gregorius ge- 
schickt und dass der letztere dieselben höchst despektierlich behan- 
delt habe; ferner wird ein anderer Brief des Antonius erwähnt und 
in Beziehung gebracht zu einem Unfall des kaiserlichen Feldherrn 
Balacius, der dem Intrusus Gregor zur Anerkennung in seinem Me- 
tropolitansprengel verhelfen und in Verfolgung der kathol. Bischöfe 
beigestanden hat. Diese Balaciusepisode findet sich auch in der 
Vita Antonii , allerdings in einer etwas divergierenden Form. Da 
nun Weingarten die Divergenz dieser beiden Berichte behufs Dis- 
kreditierung der Vita Antonii benutzt hat, so wird es notwendig 



23) Weingarten a. a. 0. S. 22—23. — W. schliesst (vgl. seine obigen 
Worte geeen Schluss) aus der ep. Athanasii ad Dracontium c. 9 mit Unrecht, 
dass die Mönche damals noch nach Ergreifung der ascetischen Lebensweise 
Kinder zeugten. Die Stelle lautet: »0\'£(jiev yap xa\ ^::iaxÖ7cou( v7)aTEi>ovia^ xai 
[Loway(ohq iamo^a^ • OTSa[jL£v xal Itckjxötcou? p.^ Ttivovxa? oTvov , [iova)(^ou? 8k TrtvovTa?. 
noXXo\ Se Twv emaxÖTCwv ouSI f ST^H^^**^^^ (xovay o\ ^l izaxipe^ t^xvwv ye^dvaaiv • ÄoTrep 
xa\ iTziaii6izo\iq naxi^a^ xix.'^bi^^ xa\ |j.ovayou(; i^ oXbxXr[pou y^vou; 'cuY)(^avovTa?.« Aus 
diesen Worten folgt ebenso wenig, dass die Mönche als solctie noch Kinder 
zeugten, als dass die Bischöfe noch zur Zeit ihres Amtes ehelichen Verkehr 
pflegten; es ist an dieser Stelle weder von schlechten Mönchen noch von 
schlechten Bischöfen die Bede, sondern Athanasius erklärt dem sich gegen die 
Annahme eines Bistums sträubenden Draeontins, dass manche Bischöfe in ihrem 
Leben mehr das ascetische Ideal darstellen als Mönche und umgekehrt, und dass 
der Mönchsstand ebenso wie der Bischofsstand nicht blos aus Jungfräulichen, son- 
dern auch aus solchen bestehe, welche einmal verheiratet waren. MitBecht bemerkt 
zu unserer Stelle Eichkorn: »Monachos matrimonio inito liberos proer easse vis 
credibile. Nam quamquam non solum caelibes sed etiam mariti propter con- 
tinentiam [jiova^ol appellabantur, c[uo modo, si continentiae voto obiecto liberos 
procreassent, nomen (xovaycovretinuissent? Athanasius non continentiam incontinen- 
tiae, sed monachos, qui liberos habuerint, episcopis opponit, qui ne matrimonium 
quidem (oädl) iuierint. Itaque haec verba ad eos referenda sunt, qui primum 
uxore ducta liberos procreaverunt , moz vitam asceticam amplezi sunt. Tales 
monachi iis episcopis non pares esse videbantur, qui ne uxorem quidem duxerant. 
Epistola ad Dracontium docet liberum et genus et gradum continentiae fuisse, 
monachos sive ascetas certam disciplinae regulam non habuisse, ^ro suo quemque 
ingenio ascesim sibi decrevissec (Athanasii de vita ascetica testimonia coUecta, 
Halle 1886 S. 14). 

24) Weingarten, Artik. »Mönchtum« (Real-Encyklopädie, 2. Aufl. S. 775). 

25) Üeber'die Echtheit der Historia Arian. ad monachos vgl. Eichhorn 
a. a. 0. S. 57—62. 



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60 Das egypt Mönehtum im 4. Jahrh. 

sein» den Sach?erhalt näher zu prfifen. Nach der Vita Ä^ntonii c. 86 
erhielt Balacius, der aus Parteinahme für die Arianer die Katholiken 
verfolgte, Mönche entkleiden und geissein und Jungfrauen mit Stöcken 
schlagen liess, von Antonius einen Brief, worin ihm ein baldiges 
Strafgericht Gottes angedroht wurde. »Balacius jedoch lachte darüber, 
warf den Brief auf den Boden und spie darauf; die üeberbringer 
aber behandelte er schimpflich und trug ihnen auf, dem Antonius 
Folgendes zu melden: »Weil du dich um die Mönche kümmerst, so 
komme ich nun auch über dich.c Aber — es vergingen nicht fünf 
Tage und die Rache ereilte ihn. Balacius begab sich nämlich mit 
dem Statthalter von Egypten Nestorius nach Chereu, der ersten 
Station von Alexandrien hinaus; beide ritten auf Pferden, die dem 
Balacius gehörten und die sanftesten von allen, die er sich hielt, 
waren. Aber sie hatten noch nicht den Ort erreicht, da fingen die 
Pferde, wie sie es oft thuen, mit einander zu scherzen an — und 
plötzlich riss das sanftere, auf dem Nestorius ritt, den Balacius mit 
einem Bisse zu Boden, fiel über ihn her und zerfleischte ihm derge- 
stalt mit den Zähnen die Höfte, dass er schnell in die Stadt zu- 
rückgebracht werden musste. In drei Tagen aber starb er; und alle 
staunten, dass die Voraussagung des Antonius so schnell in Erfüllung 
gegangen.« In der Historia Arian. ad monach. c. 14 wird im An- 
schluss an den Bericht über die Verhöhnung der Briefe des Antonius 
und anderer Mönche seitens des Intrusus Gregorius die Balacius- 
episode folgendermassen geschildert: »'Avtcdvioü di note ypatj/avToc, 
TceTcotTjxe (nämlich Gregorius) töv äoüxa BaXofxiov xaxaTcxüoai t^<: 
SfcioToX^g xal TaüTijv SLizopp^i^ai. 'AXX' oü TcapeTdev i} ^sTa Ötxif] ' ^ast' 
ob icoXü yäp xöv Xeyo/tsvov Soüxa eictxa^i^fievov inizm xal aicspxöfievov 
SIC TTjv iipa)Tif]v fiovTjv eittaxpa^elc 6 Ttcicoc xal öaxobv stc töv fiigpov 
xax&ßaXs xal xpicov ^/jiepwv iiceOavav.« Nach Weingarten soll nun 
zwischen beiden Berichten über diesen Vorfall eine solche Divergenz 
vorhanden sein, dass unmöglich beide Berichte von demselben Verfasser 
herrühren können und zwar soll der Bericht in der Vita Antonii die 
legendarische spätere Ausbildung an der Stirn tragen. Wie subjektiv 
die Auffassung Weingartens hierin ist, geht schon daraus hervor, dass 
ein englischer Kritiker Gwatkin (Studios of Arianism 1882 p. 99), der 
durchaus kein Verfechter der Echtheit der Antoniusbiographie ist, ge- 
rade dem Berichte in der Vita Antonii den Vorzug der Priorität giebt. 
Jedenfalls ist der Bericht der Vita Antonii ausführlicher, der in 
der Historia Arian. ad monach. gedrängter. Die Verschiedenheit der 
Stilisierung erklärt sich aus der Verschiedenheit der Tendenz; die 
Vita Antonii will den Unfall als etwas Wunderbares, als ein Straf • 



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Das egppt Mönchtum im 4» Jährk. 61 

gericht Gottes ins rechte Licht stellen; die Historia Arian. ad mon. 
dagegen bringt den Bericht, nm den Fanatismus des kaiserlichen 
Feldherrn Balacius, eines intimen Frenndes des Staatsbischofs Gregor, 
ZQ charakterisieren. Die Benediktiner *^) geben behnfs Lösung der 
Verschiedenheit in den beiden Berichterstattungen die Möglichkeit 
zu, dass die Historia Arian. ad monach. , wenn auch sicherlich ein 
Werk des Athanasius, doch wahrscheinlich nicht von ihm selbst 
stilisiert worden sei. Indes lässt sich die Divergenz auch ohne dies 
Hilfsmittel beseitigen. Zunächst fordert der Text der Historia Arian« 
ad monach. nicht, dass der in Frage stehende Brief — im Gegen- 
satz zum Berichte der Vita Antonii — an Gregor gerichtet war, wie 
es Weingarten annimmt. Es heisst ja nur, dass Antonius wieder ein- 
mal einen Brief geschrieben habe ('Avtcovioü di note ypa^pavtoc) ; ob 
er wirklich an dieselbe Adresse, wie ein paar Zeilen vorher, nämlich 
an Gregor gerichtet war, ist nicht gesagt ; vielmehr lässt der Text die 
Interpretation zu, dass der Brief an Balacius gerichtet war, dass 
sich aber Gregor durch denselben getroffen fflhlte und den Balacius 
zur Versöhnung desselben reizte. Auch vollzog sich sowohl nach der 
Vita Antonii als auch nach der Historia Arian. ad monach. das Straf- 
gericht an Balacius durch sein eigenes Pferd ; nur geschah dies nach 
dem ausführlicheren Berichte der ersteren Schrift durch jenes Pferd 
des Balacius, auf dem sein Begleiter Nestorius ritt, während die 
letztere Schrift diese Begleitung, weil nebensächlich, übergeht 

Eine von Athanasius in seiner contra Arianes c. 67 veröffent- 
lichte Urkunde setzt sogar ein organisiertes Elosterwesen in die Zeit 
vor 335. Es ist dies der Brief des Priesters Pinnes aus dem Kloster 
Ptemenkyrkis*^), ein Brief, der noch vor der Synode von Tyrus, also 
vor 335, geschrieben sein muss. Weingarten, dem dieser Brief in 
seiner Argumentation im Wege steht, wollte am liebsten denselben 
als ein späteres Einschiebsel in die Apologia contr. Arian. erklären; 
indes wies Eichhorn mit Recht darauf hin, dass dieser Brief nicht 
ohne Störung des Zusammenhanges aus der Mitte der übrigen Ur- 
kunden herausgerissen werden kann, welche Athanasius in seine 
Apologia autgenommen, um das arianische Intriguenspiel gegen seine 
Person ins rechte Licht zu stellen, und dass auch die im selbigen 
Briefe enthaltenen Daten bezüglich der Arseniusaffaire durchaus nicht, 
wie Weingarten annimmt, mit den diesbezüglichen Angaben des So- 
zomenus und Theodoret in Widerspruch stehen ^^). Ebenso hinfällig 

26) In Antonii vitam monitum (Migne, s. gr. 26 p. 8dl~-8d2). 

27) Tb) pcfOiicrixt^ adsXcpt^ 'Ib>&w^ IKwt)^ npevßuTspoc |aov^ UxsfjiaYxJpxsco^ i^< 
'AvieoÄoXtToü vojxoü /.«p^v (Apoi. c. Arian. c. 67 Migne, s. gr. t. 25 p. 868), 

28) Eichhorn a. a. 0. S. 83—34, 



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62 Das egypi. Mönchtv/fh im 4. Jahrh. 

ist die andere Annahme Weingartens , dieser Brief könne anch für 
den Fall der Echtheit durchaus nicht für die Existenz von Klöstern 
vor 335 herangezogen werden, da das Wort ixovq im Zeitalter des 
Athanasius nicht das Kloster, sondern die Stationen und öffentlichen 
Herbergen der Strassen Egyptens (cf. hist. Arian. ad monach c. 14, 
Vita Ant. c. 86) bezeichne und fast nur in der byzantinischen Zeit, 
seit dem 7. Jahrhundert, gleichbedeutend mit fxovaoti^piov vorkomme. 
So wahr es nun ist, dass fiovi^ auch die erstere Bedeutung haben 
könne, so haben doch schon die Benedictiner *^) darauf hingewiesen, 
dass »fiovi^c, welches in der Ueberschrift des Briefes steht, wegen 
der im Texte befindlichen Worte »üatpvoüTt&g ^iovaxög t^c aux^g 
fiovijg« notwendig in der Bedeutung von iiovaoxripiov (Kloster) ge- 
nommen werden müsse. Dieser Sprachgebrauch war auch dem Kir- 
chenhistoriker Sozomenus, also doch nicht einem Schriftsteller des 
7. Jahrhunderts, geläufig, da er in seiner Historia eccL 2, 23, wo 
er die Arseniusafiaire aus Athanasius geschöpft zu haben scheint, 
das Wort fxovig mit novaozripiov wiedergiebt. Endlich ist die That- 
sache, dass nämlich nach dem fraglichen Briefe die Mönche eines 
Klosters im anteopolitischen Nomos der Thebais , also in unmittel- 
barster Nähe des hl. Antonius, sich dazu hergegeben hätten, die 
Anklage gegen Athanasius als Mörder des Arsenius den Meletianern 
dadurch zu ermöglichen, dass sie den letzteren bei sich beherbergten, 
dann ihn wieder heimlich fortschafften und ihn so vor jeder Ent- 
deckung sicherten, durchaus nicht im Widerspruch mit der in der 
Vita Antonii bezeugten Subordination des Mönchtums gegen den 
Klerus; denn diese Mönche waren Meletianer '<^) , der im Briefe er- 
wähnte Ort y^riX-ij^ der Wohnort des Mönches Paulus, war ja der 
Sitz des arianischen Bischofs Arsenius ^^), und Johannes, der Adressat 
des Briefes, war laut Apol contr. Arianes c. 71 meletianischer Bischof 3^). 
Da nun sowohl die Echtheit des Briefes nicht bestritten werden kann, 
als auch das Wort iiovri in demselben die Bedeutung von fxovaoxigpwv 
fordert^ so ist dieser Brief ein Beweis dafür, dass schon vor 335 or- 
ganisierte Klöster existierten, ja sogar schon Priester (z. B. Pinnes 
icpsoßuTspog) im Kloster vorhanden waren und dass somit auch die 
andere Behauptung Weingartens , Priester wären erst gegen Ende 
des 4. Jahrhunderts in Klöstern vorhanden gewesen, unrecht hat^'), 

29) Migne, s. gr. t. 25 col. 368 not. 3. 

30) Die Existenz meletianischer Mönche zu Lebzeiten des Antonius be* 
weist eine Unterredung desselben mit seinen Schülern (Vgl. Mingarelli, Codicum 
copticorum reliqniae p. GLXXXIV). 

31) Apol. contr. Arian. c. 69. (Migne, s. gr. 25, col. 372). 

32) Migne, l c. col. 877. 

33) Weingarten, Art. »Möchtumc (ßeal-Encykl. S. 773). 



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Das egypt Mönehtum im 4. Jahrh, 63 

wie denn auch der bald zu erwähnende Brief des Athanasias an 
Dracontius aus dem Jahre 354 das Vorhandensein von Priestern in 
den damaligen Klöstern voraussetzt'^). 

Der im Jahre 354 an Dracontius, Vorsteher eines Klosters, ge- 
schriebene und unbestritten echte Brief des Athanasius bestätigt die 
Angaben der eben besprochenen Urkunde über die Chronologie des 
Mönchtnms. Doch da Weingarten diesen Brief noch dazu benutzt, 
um einen Widerspruch zwischen dem Inhalt desselben und den An- 
gaben der Vita Antonii zu konstruieren und die Echtheit der Vita 
in Frage zu stellen, so schicken wir eine Erörterung dieses Punktes 
voraus. Athanasius dringt in diesem Briefe in Dracontius, das 
erledigte Bistum von Klein-Hermopolis anzunehmen. Weingarten 
glaubt nun aus dem Inhalt desselben herauszulesen, dass Dracontius 
sich gegen die Annahme der bischöflichen Würde gesträubt habe, 
aus Furcht an Heiligkeit zu verlieren und sich mit einer Würde zu 
beflecken, die nur Anlass zur Sünde sei, und folgert daraus, dass sich 
zur Zeit des Athanasius das Mönehtum für besser gehalten habe als 
den Klerus und dass darum die in der Vita Antonii dem ersten 
Mönche zugeschriebene Ehrfurcht und Unterordnung unter den Klerus 
nachathanasianischer Zeit angehöre. Indes ist das von Weingarten 
hervorgehobene Motiv für die Ablehnung der bischöflichen Würde 
seitens des Dracontius aus dem fraglichen Briefe nirgends heraus- 
zulesen; vielmehr giebt Athanasius gleich zu Anfang seines Briefes 
den für Dracontius massgebenden Grund zur Flucht mit den Worten 
an : /Apa yap aig Tiapaixoü^svov fisp.({/o^at ae, ^ cog töv xatp6v opÄVTa 
xat xpüiCTOfisvov dia töv qjoßov täv 'louSatcov; . . . . Oo yap %%peizB 
Xaßovxa os ttjv x^^ptv xp6itTeo^at oi>8k q>p6vt|uiov ovta SiÄovai TOig äX- 
Xotg upoq>aosic: cpay^c« üoXXot yap dxoüoavxeg oxavSaXtCovrat • oüx 
(ig aicXcoc toöto ooü icotoüvrog, dXXa oüvopÄVTog xöv xatpöv xat xag 
Imxstiilvac ^XitJ^etc xg 'ExxXnjota« (c. 1) und dann weiter: »Et [ih 
oüv TÖV xaipöv l(poßi^^>jc xat xaxaTCTT^^ac toöto Sicotifjoa«:, oux äväpixöv 
TÖ <pp6vT;fxa (c. 3).« Und in der That standen damals den katho- 
lischen Bischöfen die grössten Stürme bevor; nachdem Gonstantius 
im Jahre 853 Alleinherrscher geworden war, musste Athanasius 
Alexandrien verlassen, und die ihm ergebenen egyptischen Bischöfe 
wurden mit Verbannung, Einziehung der Güter und Gefängnis be- 
droht. In diese Zeit traf gerade die Erledigung des Bistums Klein- 
Hermopolis, und in Anbetracht der schwierigen Verhältnisse ver- 
langte Athanasius mehr Starkmut (^povig^xa ävdpixov) von dem furcht- 



34) Epist. ad Drac. c. 10 (Migne, s. gr. 25 col. 583). 

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64 Da8 sgypU Möncktum im 4, Jahrh. 

Samen Elostervorsteher Dracontius, der sich gegen die Annahme des 
Bistums sträubte. Wohl fürchtete dieser, durch die weltlichen Ge- 
schäfte, welche das bischöfliche Amt mit sich bringt, sich in Sun- 
dengefahr zu verwickeln, wie denn auch aus ähnlichen Bedenken ein 
Oregor Thaumaturgus die Flucht ergriff und ein Ammonius sich ver- 
stömmelte; dass er aber das Mönchlum für besser hielt als den 
Klerus, davon ist in dem Briefe nicht die Bede; höchstens meinte 
er, es würde ihm als Bischof nicht möglich sein, seine ascetische 
Lebensweise fortzusetzen, und dieses Bedenken widerlegt Athanasius 
durch die Erklärung, dass ja unter sothanen Verhältnissen ein Bischof 
reichlich Gelegenheit habe, gleich dem hl. Paulus zu hungern und 
zu dürsten. Dass Athanasius den Antonius, der nach der Vita die 
äusserste Ehrfurcht gegen den Klerus bewiesen habe, als kräftigsten 
Trumpf gegen den sich sträubenden Dracontius ausspielen musste, 
ist eine rein subjektive Auffassung Weingartens, zumal da Antonius 
nie in die Lage kam, ein Bistum angeboten zu erbalten. Dieser Atha- 
nasianische Brief ist auch insofern von Bedeutung, als er die Existenz 
vieler Mönche und Klöster um das Jahr 354 voraussetzt Athanasius 
hält nämlich dem Drakontius im Verlauf des Briefes (c. 7) Folgendes 
vor: »Du bist ja doch nicht der einzige Mönch, der Bischof geworden 
ist. Du bist ja doch nicht der einzige Vorsteher eines Klosters ; auch 
Serapion, den du kennst, war Mönch und Klostervorsteher von sol- 
chen Mönchen. Desgleichen war Apollos Vater und Leiter von Mön- 
chen.« Er erinnert weiter den Dracontius an Agathen, Ariston, 
Ammonius; in der oberen Thebais an Muitos und Paulus, welche 
doch Bischöfe geworden sind. Gemäss diesen Daten und Thatsachen 
muss also die Entwicklung und Entfaltung des Mönchtums in die 
ersten Decennien des vierten Jahrhunderts zurückdatiert werden. 

Wir haben bis dahin die Schriften des hl. Athanasius heran- 
gezogen, welche Weingarten in seiner Polemik gegen das Alter des 
Mönchtums verwertet hatte. Fassen wir nun die übrigen Athana- 
sianischen Schriften sowie andere zeitgenössische Zeugnisse ins Auge, 
so ergiebt sich das gleiche für Weingartens Hypothese ungünstige 
Besultat. Athanasius erscheint seit dem Beginn seines Episkopats 
in inniger Verbindung mit Mönchen. Hieronymus berichtet nämlich 
in seinem um das Jahr 412 verfassten Briefe ad Principiam ^<^), dass 
die römische Patrizierin Marcella von Athanasius in der Zeit seines 
römischen Exils (im Jahre 341) über das Leben des Antonius, die 

85) (Ifarcella) ab Alexandrinis sacerdotibns papaqne Athanasio et postea 
Petro, qni persecationem Arianae haeresos declinantes Komara confugerant, yi- 
tam beati Anionii adhuc tanc yiveniis monasteriorumque in Thebaide, Paehomii 
ac yirginnm ac viduaram didicit dii^ciplinam (ep. 127 (Vallarsi). 



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Das egypU Mönchtum im 4, Jdhrh. 65 

thebaischen Klöster und über die Pachomianischen Elosterstiftungen 
unterrichtet worden sei. Dieser Bericht des Hieronymus ist nicht, 
wie Weingarten ^<') glaubt, ungeschichtlich, sondern vielmehr im 
Einklang mit anderen glaubwürdigen Qaellen. Nach dem Indei der 
Festbriefe ^^) unternahm Athaiiasius im Jahre 830 eine Rundreise iu 
der Thebais, und die Vita Pachomii (Vgl. die arab. Vita Fach, 
herausgegeb. von Am^lineau, Annales Quimet XVII, Paris 1889, 
p. 384 — 385) erzählt in üebereinstimmung hiermit, dass Athanasius 
auf dieser Reise von Pachomias und seinen Mönchen begrüsst und 
vom Bischof Serapion von Tentera auf die Pachomianischen Eloster- 
stiftungen aufmerksam gemacht wurde. Nach demselben Indei der 
Festbriefe >») weilte Antonios kurze Zeit vor dem 27. Juli des Jahres 
837 besuchsweise in Aleiandria, mithin konnte Athanasius, der am 
23. November desselben Jahres ans Trier nach seinem Patriarchal- 
sitz zurückkehrte, zum mindesten damals die erste Kunde von dem 
einsiedlerischen Leben des Antonius erhalten haben. Es ist also durch- 
aus probabel, dass Athanasius schon vor seinem römischen Exil (341) 
mit dem Mönchtum seines Metropolitansprengeis im Gonnei gestan- 
den habe, und die mannigfachen Belästigungen, welche die egypti- 
sehen Mönche bald darauf wegen ihrer Anhänglichkeit an Athanasius 
und das nicänische Glaubensbekenntnis erfuhren, setzen die obige 
Thatsache voraus. Die Historia Arian. ad monach. c. 12 erzählt 
nämlich von der Verwüstung der Kirchen durch den arianischen 
Staatsbischof Gregor, sowie von der Geisselnng vieler Bischöfe und 
Mönche (fiovaCovxec) im alexandrinischen Metropolitansprengel durch 
den kaiserlichen Feldherrn Balacius (im Jahre 342). Wie dieser 
Staatsbischof warnernde Briefe des Antonius und anderer Mönche 
verächtlich behandelte, ist schon oben (S. 59 ff.) erzählt worden. 
Als sodann Athanasius nach sechsjähriger Verbannung im Jahre 346 
die Leitung der alexandrinischen Kirche wieder übernahm, zeigte 
sich ein solcher ascetischer Wetteifer in der alexandrinischen Ge- 
meinde, dass viele junge Leute, durch das Beispiel anderer ange- 
regt, zum einsamen Leben (fiGvigpiQ ßtov) sich entschlossen^^). Doch 
nicht lange konnte Athanasius in Ruhe auf seinem Bischofssitz ver- 

86) Ursprung des Mönchtums (Zeitschr. f. Eirchengesch. I S. 16—17). 

87) Laraow, Die Festbriefe des hl. Athanasius aus dem Syrischen über- 
setit, Leipzig 1852, S. 27. 

38) Laraow a. a. 0. S. 29—30. Dieser Notiz zufolge muss Antonius ausser 
den beiden ersten Reisen — der einen in der Christenverfolgung Maximins (311) 
und der anderen zur Bekämfung des Arianismus nach 825 — noch eine dritte 
nach Aiexandria unternommen haben, wenn nicht angenommen wird, dass der 
YerfEisser an dieser Stelle den zweiten Aufenthalt des Antonius in Alexandria 
im Anee gehabt, aber in Betreff des Datums desselben sich geirrt hat. 

ö9) Histi Arian. ad monach. c. 25. 
SohiwietSy MÖnohtum. 5 



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66 Das egypt Mönchtttm im 4, JahrK 

bleiben, da Gonstantius, der 350 Alleinherrscher wurde, seine Ge- 
sinnung gegen ihn änderte. 

Im Jahre 856 stürmte während eines nächtlichen Gottes- 
dienstes der kaiserliche Dui Syrianus in die Kirche, in welcher 
Athanasins von seiner Gemeinde umgeben war; der Patriarch, auf 
dessen Verhaftung es bei diesem Gewaltakt abgesehen war, wurde 
von Mönchen und Klerikern in die Mitte genommen und fort- 
gebracht^^). Während der Usurpator Georgius in Aleiandria ein- 
geführt wurde und viele Bischöfe, die früher Asceten und Mönche 
gewesen und noch von dem Patriarchen Alexander konsekrirt 
worden waren , in die Verbannung geschickt wurden ^^) , begab 
sich Athanasins in die Wüste ^*) und weilte dort bis zum Jahre 
362 bei den Mönchen. Die kaiserlichen Beamten konnten jedoch 
daselbst den Aufenthaltsort des Patriarchen von Alexandria nicht 
ausfindig machen und rächten sich auf allerlei Weise für die Er- 
folglosigkeit ihrer Becherchen. So durchsuchte der Dux Artemius 
im Auftrage des Kaisers egyptische Klöster und misshandelte die 
Mönche^). In einem an Lncifer von Gagliari gerichteten Briefe vom 
Jahre 360 erzählt darüber Athanasins: »In tantum enim rabiem 
suam per milites (Ariani) extendere ausi sunt, ut non solnm civi- 
tatis clericos effugarent , sed etiam ad eremitas exirent et funestas 
suas manus adversus fiovaCovxac immitterent« ; um denen , die ihn 
aufgenommen, Ungelegenheiten zu ersparen, habe er sich darum 
noch tiefer in die Wüste geflüchtet**). In gleicher Weise erzählt 
die Historia Arian. ad monach. c. 72, dass damals die Arianer 
Klöster zerstörten und Mönche verbrannten*^). Als endlich im 
Jahre 362 der Kaiser Julian den katholischen Bischöfen die Er- 
laubnis zur Bückkehr auf ihre Bischofssitze gab, machte auch 
Athanasins davon Gebrauch und berief noch im selben Jahre eine 
Synode nach Alexandria, auf welcher nicht nur die Beschlüsse des 
Nicaennm rehabilitiert, sondern auch durch eine sich daran schlies- 
sende Gonferenz der egyptischen Bischöfe verschiedene Disciplinar- 
vorschriften erlassen wurden; diese letzteren sind erst neuerdings 
durch Bevillout *<') nach koptischen Manuskripten veröffentlicht wor- 

40) Apol. de faga sna c 24 (Migne 25 col. 678—^76). 

41) Apol. ad Consiantiam c. 28 (Migne 1. c. col. 682). 

42) Ibid. c. 27. 82, 34. 

43) Vgl. die arabische Vita Pachomii (Amälineau, Aanales da Mus^e 
Guimet, Tome XVII, Paris 1889, p. 679—682); Laraou) a. a. 0. S. 87. 

44) Ep. IL ad Lucifemm (Migne 26 col. 1183). 

45) Kot Y^P '^ piovavivjpia xa-c^oxpe^av xa\ e{( tcuo IfißaX^v (iovax,ob^ ^nefpaaocv. 

46) Journal Asiatique VlI (1875), 5, 6. (3f. Eapport sur une mission en 
Italic par Eugene Bevillout (Archives des missions scieutifiques et litt^raires, 
Paris 1877, p. 447 et suiv.). 



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Das egypL Mönchtum im 4. Jahrh. 67 

den nnd decken sich im grossen und ganzen mit dem Syntagma 
doctrinae, einer Schrift, welche bis dahin von manchen mit Unrecht 
unter die opera spuria s. Athanasii gezählt wurde ^7). Diese Disciplinar- 
Vorschriften sind von grosser Wichtigkeit für das egyptische Mönch- 
tum , weshalb wir noch später auf dieselben zurückkommen werden ; 
hier erwähnen wir sie blos deshalb, weil sie für die Echtheit der Vita 
Antonii in die Wagschale fallen, indem sie das Mönchtum gerade 
in solchem Zustande voraussetzen, wie es uns eben in der obigen 
Vita geschildert wird. 

Es erscheint somit das egyptische Mönchtum in den ersten De- 
cennien des 4. Jahrhunderts als eine nicht unbedeutende Macht. Die 
gleiche Voraussetzung hat auch das im Jahre 365 vom arianischen 
Kaiser Valens erlassene Gesetz : »Quidam ignaviae sectatores desertis 
civitatum muneribus captant solitudines ac secreta, et specie reli- 
gionis cum coetibus monazonton congregantur. Hos igitur atque 
huiusmodi, intra Aegyptum deprehensos, per comitem Orientis erui 
e latebris consulta praeceptione mandavimusc (Cod. Theodos. XII, 
1, 63). Dieses mönchsfeindliche Qesetz sollte die besonders in 
Egypten immer mehr wachsende Bewegung zum einsiedlerischen 
und mönchischen Leben eindämmen. Merkwürdigerweise glaubt 
Weingarten^®) aus diesem Texte herauslesen zu können, dass die 
Zahl der Mönche damals noch verhältnismässig gering war; dem 
widerspricht aber schon die andere Thatsache, dass nämlich der 
Kaiser im Jahre 375 aus der nitrischen Wüste 5000 Mönche zu 
Soldaten ausheben Hess, wobei diejenigen, die sich dem Kriegsleben 
entzogen, mit Knütteln totgeschlagen wurden (Hieron. chron. ad 
ann. XII Valentis). 

Aus alledem geht hervor, dass die von Weingarten in seiner 
Schrift »Der Ursprung des Mönchtums im nachkonstantinischen Zeit- 
alterc vorgebrachten Beweismomente die Probe nicht bestehen ; bei 
genauerer Prüfung derselben und unter Berücksichtigung anderer 
einwandfreier Zeugnisse erscheint vielmehr seine Behauptung, als ob 
um 340 es noch keine Eremiten gegeben habe ^^) und als ob erst in 
den letzten Decennien des 4. Jahrhunderts organisierte Gönobien und 
Monasterien hervorgetreten seien ^<^), als durchaus nicht stichhaltig. 
In den folgenden Erörterungen soll nun ausführlicher dargestellt 
werden, wie sich das egyptische Einsiedlertum schon vor der Mitte 
des 4. Jahrhunderts zu Mönchskolonieen und Klöstern entwickelte. 



47) In syntagma doctrinae admonitio (Migne, t. 28 ool. 831 seq.). VgL 
auch Eichhorn a. a. 0. S« 15 ff. 

48) Ursprung des Mönchtnms (Zeitschrift f. Eirchengesch. I S. 558). 

49) Weingarten a. a. 0. S. 554. 

50) Ebendas. S. 556. 5* 



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68 Da8 egypt. MOnchtum im 4. Jahrh. 

§, 3. Der M. Antonius als Begründer und Beförderer der Mönchs-- 
kolonieen in der thebaischen Wüste. 

Antonius, im Jahre 251 ^) zu Koma bei Gross-Heraklea *) in 
Mittelegypten geboren, stammte von begüterten christlichen Eltern ab. 
Beim Tode derselben ungefähr 18 — 20 Jahre alt, übernahm er die Sorge 
für sein Haus und seine Schwester ; indes schon 6 Monate darauf regte 
sich in ihm der Wunsch nach ascetischer Lebensweise; bei einem 
Kirchgang drängten sich ihm diese Gedanken noch mehr als je auf; er 
überdachte bei sich selbst, wie die Apostel alles verlassen, wie auch 
die ersten Christen in Jerusalem den Erlös ihrer Habe zur Ver- 
teilung unter die Armen hingegeben hätten und welche Hoffnung 
ihnen dafür hinterlegt sei, und hörte in der Kirche bei der Lesung 
des Evangeliums die Worte des Herrn: »Willst du vollkommen sein, 
so gehe hin, verkaufe alle deine Habe und gieb sie den Armen; und 
dann komm, folge mir nach, und du wirst einen Schatz im Himmel 
haben. € Im Glauben, dass sich diese Worte auch auf ihn bezögen, 
schenkte (lx<zpioaxo) er 300 Morgen (Spoupai) guten Landes seinen 
Landsleuten; das bewegliche Eigentum verkaufte er und gab den 
Erlös den Armen ; seine Schwester aber übergab er einem Jungfrauen- 
heim •) zur Erziehung *). 

1) Von Athanasius erfahren wir, dass Antonias ein Alter von 105 Jahren 
erreicht hat (Vita Ant. c. 89, 91). Das Jahr 356 als Todesjahr und infolge- 
dessen das Jahr 251 als Geburtsjahr des Antonius ergiebt sich aus der von 
Hieron^us in seinem Chronicon zur 284. Olympiade gemachten Bemerkung: 
»Antonias monachus CV aetatis anno in eremo moiitur solitus multis ad se 
venientibus de Paulo quodam Thebaeo mirae beatitudinis yiro referre, cuius 
exitum brevi libello explicuimus.« Dass diese Datierung nicht, wie Weingarten 
(a. a. 0. S. 9) glaubt, auf einem unerschrockenen Hineingreifen des Hierbnymus 
in die geduldige Welt der Zahlen beruht, dafür giebt es zwei historische An- 
haltspunkte. Erstlich zeugt der griechische Brief des Bischofs Ammon an den 
Patriarchen Theophilus (ep. Ammonis c. 20 sq. Act. S. S. Maii tora. III. Ap- 
pendix p. 60 * ; über die Authentie dieses Briefes vgl. P. Ladeuze, £tude sur le 
c^nobitisme Pakhomien etc., Paris (Fontemoing 1898) p. 108 s.), der von einer 
Correspondenz des Theodorus, des Nachfolgers des Pachomius, mit Antonius 
redet, dafür, dass Antonius in den Jahren 859 — 854 noch gelebt hat (Vgl. Grütz- 
macher, Pachomius und das älteste Elosterleben 1896 S. 83 und 51 und dazu 
Theol. Litteraturztg. 1896 S. 244). Dazu kommt, dass Athanasius im 82. Kapitel 
der Vita Antonii von den Greueln der arianischen Verfolgung wie von der Gegen- 
wart redet und hierbei seinen Aufenthalt bei den Mönchen in der Wüste an- 
deutet. Nach den Benediktinern soll sich diese Verfolgung auf das Jahr 339 
beziehen; indes war ja damals Athanasius gleich zu Beginn der Verfolgung 
nach Rom geflohen; eher passt die Erzählung auf die Jahre 356 und 357, wo 
sich Athanasius in der Wüste bei den Mönchen verborgen hielt, so dass die 
Worte »4 vuv Efo$o^ T(5v 'Apsiavcovc, »oe vuv ot 'Apeiavol np£rcou9tvc in Verbindung 
mit »TÖTE K&rcgi ^piiic i7c^^u)jjL€vc sich sehr gut erklären lassen (Vgl. Eichhorn 
a. a. 0. S. 53—56). Da nun Athanasius die Vita nach dem Tode des hl. Antonius 
schrieb, so muss der letztere in den Jahren 856 und 357 schon gestorben sein. 

2) Sozom. h. e. 1, 13. 

3) Dass »}cap&evu>vc nicht mit »Verein frommer Jungfrauen c (So Nean- 
der, Eirchengesch. 8. Bd. S. 450), sondern mit Jungfrauenheim zu übersetzen 



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Das egypt. Mönchtum im 4. Jahrh. 69 

Er für seine Person widmete sich fortan aasserhalb des elterlichen 
Hanses der Äscese. »Damals gab es nämlich in Egypten noch nicht 
dicht an einander liegende Mönchs wohnangen (auve^^ fAovaoxi^pia)^); 
aach kannte überhaupt kein Mönch die tiefe Wüste, sondern jeder 
von denen, welche sich selber leben wollten, übte die Äscese nnr 
eine geringe Strecke von seinem Heimatsort für sich allein, c Ange- 
lockt darch den Baf eines greisen Äsceten (Ix ve^xn^Tot: t6v fxovigpiQ 
ßtov ioxigoac) im Nachbarorte nahm nun Antonius seinen Aufenthalts- 
ort in dessen Nähe vor dieser Ortschaft. Sein Tagewerk bestand in 
anhaltendem Gebet und in der Handarbeit, deren Erlös er teils für 
sein tägliches Brot, teils für die Armen verwendete; dabei gab er 
in der Kirche auf die Lesung (iva^vcuoei) der hl. Schriften so acht, 
dass ihm in der Folge das Gedächtnis statt der Bücher diente <^). 
Auch besuchte er von Zeit zu Zeit hervorragende Asceten und suchte 
die den einzelnen charakteristischen Tugenden und ascetischen Ueb- 
nngen, sowie den ihnen allen gemeinsamen frommen Glauben an 
Christus und ihre Nächstenliebe in seinem Leben darzustellen. Darum 
liebten ihn nicht nur die Leute des Dorfes, sondern auch die Asceten 
selbst wie einen Bruder und nannten ihn Gottesfreund (^eo^iXi^c) ^). 
um der fleischlichen und teuflischen Versuchungen Herr zu werden, 
führte er eine ganz strenge Lebensweise; manche Nacht brachte er 
ohne Schlaf zu ; er ass nur einmal des Tages nach Sonnenuntergang, 
manchmal erst nach zwei, oft sogar erst nach vier Tagen. Dabei 
bestand seine Speise nur in Brot und Wasser; Fleisch und Wein ver- 
schmähte er, wie die anderen Asceten. Als Lager diente ihm eine 
Binsenmatte, meist aber der blosse Boden. Auch das Salben des 
Körpers mit Oel hielt er für überflüssig »). 

Voll Sehnsucht nach einer grösseren Einsamkeit zog er sich in 
eine weit vom Dorfe abgelegene Grabhöhle (jiv^fAa) zurück, und be- 
freundete Asceten brachten ihm dahin von Zeit zu Zeit Brotrationen ^). 
Nachdem er daselbst viele Kämpfe mit dem bösen Geiste bestanden 
hatte, fasste er den Entschluss mit der bisher üblichen Lebensweise 
der Asceten zu brechen, begab sich — er war damals nahe an 35 
Jahre alt — zu jenem greisen Asceten, seinem ersten Lehrer in der 



ist, ergiebt sich aus den Worten : »T^v hl aSeXf V ?cap«^K>evo( YV(op{fioi( xa\ 7naxai( 
icocp^voi; 8oii; XE aö'djv e^; icapftevcova avaTp^oEv^oei x . x . X.« (Vita Ant. C. 3). 

4) Vita Ant. c. 1-3. 

5) Evagriua, der eine zwar nicht immer wortliche, aber doch sinnge- 
treue Uebersetzunff der Vita Antonii schon vor dem Jahre 874 (Vgl. Eichhorn 
a. a. 0. S. 38. 40) angifertigt hat, übersetzt xtuve^tj {lovaanlpiac mit »crebra 
monasteria« (Migne, s. gr. t. 26 col. 843 — 844).< 

6) Vita Ant. c a 

7) Ibid. c. 4. — 8) Ibid. c. 5—7. — 9) Ibid. c. 8. 



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70 Da8 egypt, Mönchtum im 4. Jahrh, 

Ascese, und bat ihn mit ihm tiefer in die Wüste zu ziehen. Da 
aber dieser es ablehnte, teils wegen seines hohen Alters und teils 
weil eine solche Lebensweise noch nirgendwo üblich war, so eilte 
Antonius allein in die Bergwüste am rechten Nilufer und nahm seine 
Wohnung in einer alten zerfallenen Burg (icapefißoX'Jjv Spijfiov) ^^). 
Dort lebte er Oott allein, ohne dass er selbst herausging oder einen 
von denen, die ihn alle halben Jahre mit Brot versorgten, zu Qe- 
sichte bekam. Allein nach zwanzigjähriger Verborgenheit ^^) zwangen 
ihn seine Bekannten, die ihn wieder einmal besuchten, aus dem ver* 
borgenen Heiligtum herauszutreten und sich den Mitmenschen nütz- 
lich zu machen. Die einsame Burg wurde nun der Zielpunkt zahU 
reicher Pilger aus dem Stande der Asceten und Weltleute der Um- 
gegend; unglückliche. Betrübte, Kranke kamen zu ihm und er* 
langten Trost und Heilung von ihren Qebrechen. Da auch viele 
durch seine gottbegeisterten Reden zum einsiedlerischen Leben sich 
entschlossen, wurde die Wüste mit Mönchen bevölkert (^ ^piQ{ioc 
iicoXio&7) (yizb fxovaxcov) ; es entstanden eine Menge von Mönchswohn- 
ungen im Qebirge, und allen diesen stand Antonius als Vater vor 
(icXelaxa Y^jove fiovacTi^pia xai icavTtov a&Tc&v (&<; uaxijp xa^tj^eTTo) i*). 
Ueber den Zustand dieser Mönchskolonie und die Beschäftigung^ 
ihrer Bewohner sagt die Vita Antonii c. 44: »Es waren in jenem 
Qebirge die Mönchswohnungen gleichsam wie Qezelte voll himm-» 
lischer Chöre, die Oott lobsangen, heiliger Lesung oblagen, fasteten, 
beteten, sich der Hoffnung zukünftiger Güter erfreuten, arbeiteten, 
um Almosen geben zu können, und Liebe und Eintracht unter sich 
pflegten.c Als aber die Verfolgung Maximins (gest. 313) über die 
Kirche hereinbrach, unternahm Antonius aus Verlangen nach der 
Martyrerkrone eine Reise nach Alexandria; da er jedoch sich selbst 
nicht ausliefern wollte, so ermutigte er die Bekenner vor dem Ge- 
richtshofe, diente ihnen in den Gefängnissen und Metallgruben und 
erleichterte ihnen die schweren Frondienste **). 

10) Ibid. c. 11—13. 

11) Zöckler (a. a. 0. S. 187) meint, es Hesse sich nicht ein bestimmter 
Zeitpunkt für den Uebergang des Antonius Tom Wirken eines blossen Einsiedlers 
zu dem eines Einsiedlervaters angeben, da es ungewiss sei, ob die Zeitangabe 
»nach zwanzig Jahren einsamen Lebens (c. 14) c von seiner ersten Zuwendung zum 
Einsiedlerleben oder blos Ton seinem Aufenthalt in der alten Burg ab zu 
rechnen sei; indes bei genauerer Erwägung des griechischen Textes: »Eixoat xofvuv 

E^YTfy? ETI] Ste-rAeaev, oötw xa^'lauibv aoxoüfxevo?, oute TCpoYcov oute ratpa Ttvwv ouvex^? 
e?cö(ievoc« ergiebt sich , dass Athanasius hiermit einen zwanzigjährigen (ver- 
rgenen) Aufenthalt des Antonius in der alten Burg bezeichnen will. Da nun 
Antonius als Fünfunddreissigjähriger diese Stätte bezog, so ist Antonius als 
Fünfundfünfzigjähriger, also um das Jahr 806, Vater der Einsiedler geworden. 

12) Vita Ant. c. 14—15. 

13) Ibid. c. 46. 



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Das egypt Mönchtum im 4. Jährh. 71 

Nachdem die Verfolgung aufgebort ^^) , zog er sich wieder in 
seine Mönchs wohnung (fiovaoTi^pioy) zurück und legte sich »als Mär- 
tyrer vor dem Ricbterstuhle seines Innemc noch strengere ascetische 
üebungen auf; er fastete fortwährend, trug ein härenes Eleid auf 
seinem Leibe und darüber ein Qewand von Schaffell und gestattete 
sich niemals die Annehmlichkeit eines Bades ^^). 

Da er aber sah, dass er von vielen belästigt wurde und zu- 
gleich die Besorgnis hegte, er könnte wegen des Charisma der 
Erankenheilungen und der Unterscheidung der Geister für mehr ge- 
halten werden, als er eben sei, so wollte er sich in die obere Thebais 
zurückziehen. Während er nun am Nilufer auf eine Barke wartete, 
mit der er mithinaufsegeln könnte, hörte er eine Stimme von oben: 
»Du magst in die Thebais hinaufziehen oder dich in den Moorgrün- 
den Unteregyptens verbergen, so hast du mehr, ja die doppelte Be- 
schwerde auszustehen. Willst du aber in Einsamkeit leben (IpiQfxeTv), 
so zieh dich in das Innere der benachbarten Wüste (sie ttjv Ivdoxipav 
(and. Lesart lacuTipav) Ipn^fiov) zurück. Sarazenen, die eben im Be- 
griff sind in diese Wüste zu ziehen, werden dir den Weg zeigen. € 
Er gehorchte und gelangte nach einer Reise von 3 Tagen und 8 
Nächten an einen gewaltig hohen Berg; am Fusse desselben ent- 
sprang eine klare Quelle, und rings um den Berg l)reitete sich eine 
Ebene aus mit etlichen wilden Palmbäumen ^«). Antonius bewohnte 
nun eine Zelle in diesem Berge, ohne irgendwen bei sich zu haben. 
Anfangs versorgten* ihn seine Mönche von Zeit zu Zeit mit Brot; 
um ihnen aber nicht lästig zu fallen, ersuchte er sie, ihm eine Haue, 
eine Axt und ein wenig Eorn zu bringen. Einen kleinen tauglichen 



14) Im Jahre 311 d. i. nach dem Martyrertode des Patriarchen Petrus 
von Alexaodrien (cf. c. 47). 

15) c. 47. 

16) c. 49. Während wir aas der Vita nur so viel erfahren, dass Antonius 
auf der rechten Nilseite im inneren Gebirge Mittelegyptens (der Heptanomis) 
seine Einsiedelei bezog und von dort seine Mönche, die im äusseren Gebirge 
nicht weit vom Nil (ygl. c. 54, 61, 63, 89) wohnten, leitete, finden wir bei 
Palladius (Hist. Lausiaca c. 25) nähere Angaben darüber. Darnach wurde zu 
seiner Zeit der Berg, in dem einst Antonius seine Einsiedlerzelle hatte, mons 
Antonii genannt ; er lag zwischen Babylon, einem festen Kastell Unteregyptens» 
und der in Mittelegypten gelegenen Stadt Heraklea (magna) nach dem roten 
Meere zu und war Tom Nil selbst 30 Milliarien (xpiaxovxa otiuieicüv) entfernt. 
Der Ort aber, wo die AntonianiFche Mönchskolonie — von Palladius (jiova<rnlpiov 
bezeichnet — nicht weit vom Nil sich befand, hiess Pispir. (üeber die Glaub- 
würdigkeit der Historia Lausiaca als Quelle für die Urgeschichte des Monch- 
tums vgl. Krwin Hreuarhen^ Palladius und Rufinua, ein Beitrag zur Quel- 
lenkunde des ältesten Mönchtums, Giessen (Kicker) 1897, bes. S. 211 £F.). — 
In Uebereinstimmune damit berichtet Hieronymus (Vita Hilarionis c. 30), dass 
man von der südlich von Babylon gelegenen Stadt Aphroditen (in Unter- 
eeypten) den Antoniusberg nach einer dreitägigen Eeise durch eine schauerliche 
Wildnis erreichen konnte. 



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72 Das egypL Mönchtum im 4, Jahrh, 

Grund in der Nähe des Berges richtete er in einen Oarten ein and 
baute Qetreide an, später auch etwas Gemüse, um den besuchenden 
Mönchen ein wenig Labung nach den Strapazen der Reise gewähren 
zu können; denn trotz der schauerlichen Wildnis, in der Antonius 
lebte, hielten seine Mönche den Contakt mit ihrem geliebten Vater 
aufrecht 17). Auch pflegte Antonius, wie die Vita des öfteren be- 
richtet, seine Mönche, die im äusseren Gebirge wohnten, trotz seines 
hohen Alters und der Beschwerden der Beise zu besuchen und freute 
sich über ihren geistlichen Fortschritt i®). Dort erwarteten ihn auch 
viele Weltleute, auch Standespersonen, und keinen entliess er ohne 
Trost 1^) ; manchmal drangen die Besucher bis in das innere Gebirge 
ein, um ihn sprechen zu können *<'). So gross war sein Ruf, dass 
selbst griechische Philosophen aus Neugierde bei ihm erschienen; 
er unterhielt sich mit ihnen mit Hilfe eines Dolmetschers, da er nur 
der koptischen Landessprache mächtig war; und obwohl er keine 
Schulbildung genossen hatte, so war er doch schlagfertig in der Rede 
und widerlegte geistreich ihre Einwürfe gegen den christlichen Glau-* 
ben^i). Auch der Kaiser Constantin und seine Söhne erfuhren von 
dem wunderbaren Wirken des Antonius, ehrten ihn durch einen Brief 
und baten sich ein Bückschreiben ans^*). Als die Arianer das Ge- 



17) Vita Ant. c. 50. — Nach Hieronymus (Yita Hilarionis c. 81) hatte 
diese Zelle am Fass des Berges nicht mehr Quadratmass, als dass ein Mensch 
zum Schlafen sich aasstrecken konnte. Ausserdem waren auf der Höbe des 
Berges zwei ebenso kleine nnd schwer zu ersteigende Zellen, in welche sich 
Antonius zurückzuziehen pflegte, wenn er den vielen Besuchen der Fremden 
ausweichen wollte. Sie waren im natürlichen Felsen ansgehanen und hatten 
yerborgene Eingänge. 

18) c. 54, 61, 63, 89. — Vgl. auch Pallad. Bist. Lausiac. c. 25. 

19) c. 56, 57, 61, 64. — Nach Hieronymus (Vita Hilarionis c. 30) pflegte 
der Diakon Baisanes aus Aphroditen Dromedare wegen des in der Wüste herr- 
schenden Wassermangels den Besuchern des hl. Antonius zu vermieten und 
letztere zu ihm zu begleiten. 

20) c. 55. 

21) c. 72—80. Dass Antonius des Griechischen nicht mächtig war, er- 

fiebt sich daraus, dass er sich bei seiner Unterredung mit den griechischen 
hilosophen eines Dolmetschers hediente (c. 72; vgl. auch Hist. Laus. c. 26; 
in der Vita Hilarionis wird von Hieronymus der Mönch Isaak als ehemaliger 
Dolmetscher des hl. Antonius genannt). Antonius konnte aber auch in seiner 
koptischen Muttersprache weder lesen noch schreiben ; wird doch von Athana- 
sins berichtet, dass Antonius wunderbarerweise geistig gewandt war, obgleich 
er keine Schulbildung genossen hatte (xol xo daupÄatov, öti, -^piL^k^Laxa \l^ (lÄdwv, 
ay^ivou^ ^v xa\ ouve^o« av^coTco; (c. 72). Dazu kommt, dass nirgends in der Vita 
erwähnt wird, dass er die hl. Schriften selbst gelesen habe; vielmehr wird 
eigens hervorgehoben, dass er auf die Vorlesung der hl. Schrift ganz besonders 
acht gab und dass ihm in der Folge das Gedächtnis statt der Bücher diente 
(vgl. c. 3). Die gegenteilige Ansicht Con(zen.t (Die Begel des hl. Antonius, 
Gyranasialprogr. von Metten 1896 S. 4) unter Berufung auf Boll. Jan. 2, 119, 
Tillemont Memoires etc. 7, 1179, Rohrbucher, Gesch. der kath. K., Münster 
1873, 6, 114 ist daher wohl nicht haltbar. 

22) c. 81. Wie dieser Brief, den Antonius sich vorlesen Hess {{in^^insxo 



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Das egypU Mönehtum im 4» Jahrh, 73 

rücht ausstreuten, als sei Antonius gleicher Meinung mit ihnen, reiste 
er auf Ersuchen der Bischöfe und der Mönche nach Alexandria, legte 
ö£Fentlich Zeugnis von seinem Glauben an die Gottheit Christi ab und 
kehrte wieder in seine Einsiedelei zurück ^'). Als das Greisenalter sich 
bei ihm bemerkbar machte, ersuchten ihn seine Mönche, ihm monat- 
lich Oliven, Hülsenfrüchte und Oel bringen zu dürfen^); in den 
letzten fünfzehn Jahren seines Lebens wohnten auch zwei Mönche an 
seiner Seite, um ihn in seinem hohen Alter pflegen zu können'^). 
In Voraussicht seines nahen Todes besuchte er noch einmal in Be- 
gleitung derselben die Mönche im äusseren Gebirge und bat sie, 
sich rein von Irrlehren zu halten und vor allem den frommen Glau- 
ben an unseren Herrn Jesus Christus zu bewahren, kehrte dann in 
seine Einsiedelei zurück und starb wenige Monate darauf, 105 Jahre 
alt. Vor seinem Tode trug er den beiden Mönchen, die bei ihm 
waren, auf, seine Kleider in der Weise zu verteilen, dass Athanasius 
das eine Gewand von Schaffell und den Mantel, der Bischof Serapion 
das andere Gewand von Schaffell erhalten sollte, während sie selbst 
sich sein härenes Kleid behalten durften ; aufs nachdrücklichste aber 
gebot er ihnen seinen Leichnam im Gebirge zu begraben und diese 
Stätte geheim zu halten, weil seine Landsleute die Leiber der ver- 
storbenen Frommen in ihren Privathäusern als Reliquien aufzube- 
wahren pflegten*«). 

Zur Vervollständigung des Lebensbildes dieses Eremitenvaters 

ayaYiYvu>axe<7äai) griechisch geschrieben war, so bediente er sich natürlich auch 
eines Mönches bei der Abfassang des Rückschreibens. — Hieronymua (De viris 
iliastr. c. 88) berichtet, dass Antonius aach an verschiedene egyptische Klöster 
in koptischer Sprache sieben Briefe geschrieben habe, welche in griechischer 
Version zu seiner Zeit vorhanden waren. Ob nun die 7 dem Hieronymns vor- 
liegenden Briefe identisch sind mit den von Valerins Sarasins (im 16. Jahrh.) 
in lateinischer Version herausgegebenen 7 Briefen, steht nicht fest. Ein Separat- 
abdruck dieser 7 lat. Briefe nebst dem Versuch des Echtheitsnachweises findet 
sich in dem Schriftchen Erdingera >Septem Epistolae quae sub nomine s. An- 
tonii Abb. circumfernntur, praemissa bio£n:ai)hia divi Eremitae et brevi de ge- 
nuitate harum epistolarum dissertatione, Oenip. 1871.« Der maronitische Mönch 
Abraham EcchellensU gab im Jahre 1641 ausser den 7 schon bekannten 
noch 13 andere Briefe des hl. Antonius in einer arabischen Version heraus 
(abgedruckt bei Migne, s. gr. 40, 999—1066) ; ihre Echtheit lässt sich aber 
ebenso wenig strikt nachweisen. Näheres hierüber siehe bei Contzen (0. S. B.) 
a. a. 0. S. 39 ff. 

23) c. 67—68. Athanasius erscheint unter dem Geleit des aus Alexandria 
scheidenden Antonius und zwar als Autoritatsperson unter den Katholiken dieser 
Stadt, worauf das »Wir« im 71. Kapitel hinweist. 

24) c. 51. 

25) c. 91. Nach Hieronymua (Vita s. Pauli c. 1) und Palladiua (Hist. 
Laus. c. 25) hiessen die beiden Mönche Makarius und Amathas. 

26) c. 89—92. — Nach Hieronymua (Vita Hilarionis c. 26) wollte näm- 
lich Pergamiu^ , ein reicher Christ jener Gegend und grosser Verehrer des 
bL Antonius, dessen Leib nach seiner Villa bringen und eine Kapelle über 
seinem Grabe bauen lassen und ha^te diese Gedanken schon zu Lebzeiten des 
hl Antonius verraten. 



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74 Das egypt, MOnchtum im 4, Jahrh* 

wird es wohl nötig sein, aaf die mystischen Erscheinungen einzu- 
gehen, welche in der Vita Antonii und in anderen Quellen der 
Mönchsgeschichte eine nicht unbedeutende Bolle spielen. Zun&chst 
benützt Weingarten (Ursprung des Mönchtums in der Zeitschr. für 
Eircheng. I. S. 20) die in der Vita geschilderten Kämpfe des An- 
tonius mit den bösen Geistern als Beweis gegen die Echtheit der 
Vita, indem er behauptet, diese Dämonologie fönde in den echten 
Schriften des Athanasius keine Analogie. Indes hat Eichhorn (a. a, 
0. S. 41—45) den Nachweis geführt, dass die in der Vita Antonii 
ausgesprochenen Anschauungen über das Beich und Treiben des 
bösen Geistes auch in den übrigen Schriften des Athanasius sich 
fänden, wenn auch die letzteren wegen ihres dogmatisch- polemischen 
Inhalts zu solchen Exkursen weniger Anlass böten. Man vergesse 
nicht, dass auch in den Evangelien (z. B. Matth. 8, 28 ff., Luc. 8» 
26 ff., Marc. 5, 1 ff, Matth. 12, 22—45, Luc. 11, 14—26) das Beich 
des Bösen nicht als blosser Schein und Schaum, sondern als Bealität 
erscheint; das ruhe- und heimatlose Wesen der bösen Geister, ihre 
Vorliebe für das physisch Wilde, Grauenhafte, ihr Spähen und ihre 
verbündeten Angriffe auf die Seelen und das Beich Christi sind mehr 
als blosser Bedeschmuck. Wer mithin die Evangelien als Gottes Wort 
gelten lassen, aber die mystischen Erscheinungen in dem Mönchsleben 
samt und sonders leugnen will, gerät dadurch mit sich selbst in Wi- 
derspruch. Uebrigens mahnt Antonius in seiner Bede an die Mönche 
(c« 20 seq.) bezüglich solcher Erscheinungen zur Vorsicht und erklärt, 
sie seien der Widerschein unserer Gedanken, und die bösen Geister 
kämen und nähmen die Gestalt an, in der sich eben unser geistiges 
Leben befönde. 

Man hat auch von rationalistischer Seite der Vita Antonii und 
ähnlichen litterarischen Erscheinungen wegen der in ihnen berichteten 
Wundergeschichten die Glaubwürdigkeit abzusprechen versucht, und 
Weingarten (a. a. 0. S. 23 ff.) hat behufs Diskreditierung dieser 
Quellen für die Mönchsgeschichte mit Spott und Hohn nicht gekargt. 
Mit Becht hat Mayer (die Echtheit und Glaubwürdigkeit der dem 
big. Athanasius zugeschr. Vita Antonii, Katholik (Mainz) LVI S. 185) 
darauf hingewiesen, dass es doch niemandem einfalle, die Glaubwür- 
digkeit eines Livius oder Herodot deshalb in Zweifel zu ziehen, weil 
sie allerlei Prodigien berichteten. Damit soll aber nicht gesagt sein, 
dass wir die in der Vita Antonii und anderswo erzählten wunderbaren 
Ereignisse samt und sonders auf gleiche Stufe mit den Prodigien der 
genannten antiken Schrifbsteller stellen wollten. Manche darunter 
mögen als poetische Ausschmückungen natürlicher VorßUe gelten; 



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Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh, 75 

auch lassen sich für manche aussergewöhnliche Erscheinungen der 
Mönchsgeschichte natürliche Erklärungsgründe finden. Konnte doch 
besonders bei solchen Mönchen, die von Hause aus körperlich ver- 
zärtelt und an feine Qenüsse gewöhnt waren, das Brechen mit dieser 
Lebensweise, die Einsamkeit in enger, feuchter Zelle masslose, nervöse 
Aufregungen und Sinnestäuschungen mannigfachster Art zur Folge 
haben, worauf schon Hieronymus in der ep. 130 c. 17 ad Demetriadem 
und in der ep. 125 c. 16 ad Busticum hingewiesen hat. Auch Görres (Die 
Christi Mystik, Regensburg 1836, 1. Bd. S. 188) steht nicht an, manche 
legendarischen Erzählungen als Erzeugnisse eines poetischen Bildungs« 
triebes, in religiöser Weise gefasst, hinzustellen. Katholische Kritiker^ 
wie Bollandus, Papebrocbe, Kuinart u. a. haben denn auch in ihren 
monumentalen Werken bei Bearbeitung und Beurteilung solcher Stoffe 
das kritische Messer anzuwenden sich nicht gescheut. Wir fügen noch 
zum Schluss die Worte bei, welche Hase (Jahrbücher f. prot. TheoL 
1880 S. 446 f.) den Hyperkritikern der Vita Antonii vorhält: »Gregor 
der Grosse hat im Leben des hl. Benedikt, Gaufridus im Leben des 
hl. Bernhard, Bonaventura im Leben des hl. Franziskus des Wunder- 
baren weit mehr erzählt, was von gläubigen Zeitgenossen ihnen er- 
zählt worden war: ihre Erzählungen galten doch keineswegs für 
blosse Phantasien eines Mönchsideals , obwohl sie im einzelnen der 
historischen Kritik unterliegen. Nirgends ist die zweifelnde Frage 
aufgeworfen worden, wie wir sie jetzt über den hl. Antonius ver- 
nehmen: Hat es einen Benedikt von Nursia, einen Bernhard von 
Clairvaux, einen Franz von Assisi gegeben? oder wenn doch, so seien 
sie dem Bilde wenig ähnlich gewesen, welches die absichtlich dich- 
tende Doktrin von ihnen gezeichnet habe. Wir sind ihrer als histori- 
scher Personen sicher sowohl durch jene Schriften als durch die 
wohlverbürgten Spuren ihrer Wirksamkeit, c 

§. 4, Würdigung der Thätiglceit des hl. Antonius als Eremitenvaters. 

Nach der Darstellung des hl. Athanasins erscheint Antonius 
als ein Werkzeug Gottes , um die für die weitere Entwicklung und 
Entfaltung des Mönchtums so notwendige Organisation anzubahnen» 
Er strebte nicht darnach, jene Asceten, welche ihm in die Wüste 
nachgefolgt waren, an sich zu ziehen ; vielmehr fühlten sich die letz- 
teren selbst zu ihm wegen seiner gottinnigen Frömmigkeit und seiner 
aussergewöhnlichen Charismen hingezogen. Ja es scheint, als ob An- 
tonius selbst das Ziel, das die Vorsehung durch ihn verwirklichen 
wollte, von vornherein nicht klar erkannte; denn er verliess, wie 
in der Vita c. 49 berichtet wird, seine erste Einsiedelei in der alten 



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76 Das egypt, Mönchtum im 4. Jahrh. 

Barg, weil er von sehr vielen belästigt wurde. Eine höhere Stimme 
hiess ihn zwar eine noch einsamere Wohnung im inneren Oebirge 
wählen ; doch wurde ihm gleich bedeutet, dass auch diese neue Ein- 
siedelei, obwohl tief in der Wüste gelegen, der Anziehungspunkt der 
Einsiedler und anderer hilfsbedürftiger Menschen werden würde. Und 
so geschah es auch wirklich ; Antonius blieb auch von dieser neuen 
Einsiedelei aus der Leiter und Vater der Mönche im äusseren Gebirge. 
Die von Antonius nicht gesuchte, aber durch seine ausserge- 
wöhnliche Persönlichkeit bewirkte Sammlung der Einsiedler hatte un- 
gefähr um das Jahr 306 ihren Anfang genommen ^). Antonius war dem- 
nach der erste, welcher die Asceten in der Wüste zu einer einigermassen 
gesellschaftlichen Lebensart vereinigte. Diese Vereinigung war aller- 
dings eine ganz lose und freiwillige. Von einem Gelübde des Ge- 
horsams ist nirgends die Bede; seine Stelle vertrat der blosse Vor- 
satz. Wie die Mönche sich freiwillig in der Nähe des Antonius an- 
gesiedelt und ihn zu ihrem geistlichen Vater erwählt hatten, so war 
auch dieser gute, freie Wille das einzige Motiv ihres Beharrens. Die 
Antonianischen Mönche wohnten auch nicht, wie die Vita deutlich 
lehrt, in einem einzigen Klostergebäude; die von Antonius geschaffene 
Gründung ist vielmehr als eine Mönchskolonie zu bezeichnen. Die 
Mönche wohnten einzeln, vielleicht auch zu zweien oder dreien gleich den 
Einsiedlern im nitrischen Gebirge, in zerstreut liegenden Einsiedeleien, 
welche Monasterien genannt und mit Zelten verglichen werden *). Ihr 
geistiges Band bestand darin, dass sie nach der Weisung ihres geist- 
lichen Vaters sich in der Ascese an die älteren erprobten Mitbrüder halten 
sollten ; nur wenn Antonius von seiner Einsiedelei ins äussere Gebirge 
herabkam, scharten sie sich um ihn, um geistliche Nahrung za 
empfangen. Anlangend die Frage, ob Antonius seiner Einsiedlerge- 
nossenschaft eine schriftliche Kegel gegeben habe, so ist zunächst zu 
beachten, dass seinem Biographen von der Existenz einer solchen 

1) Vgl. oben S. 70. 

2) Mova<mIptov bedeutet in der dem Philo zugeschriebenen Vita Con- 
templativa jenes Gemach einer Therapeuten wohnung, in welches man sich zu- 
rückzog, um sich ganz der Gontemplation hinzugeben. In der Vita Antonii be- 
zeichnet es die Einsiedelei dieses Einsiedlervaters (c. 15, 45, 47, 48), desgleichen 
die im Gebirge zerstreut liegenden Mönchswohnungea (c 14, 15, 54, 63). Dass 
die Wohnungen der Antonianischen Mönche nicht als Zellen eines Klosterge- 
bäudes zu denken sind, geht besonders deutlich aus c. 44 hervor, wo dieselben 
mit Zelten verglichen werden CHv o3v Iv tot? opeai xa jj-ovaanlpta co; oxiQval 
7ceirX7)pw[jL^vat ö-eiwv yopöv J/aXXövxwv, ^iXoXoyoüvtcov, viij<jt6ü6vt(ov x. t. X.). Erst Pa- 
chomius hat, wie die araoische Vita Pachomii (Am^ineau a. a. 0. S. 658) den 
hl* Antonius erklären lässt, die Mönche in einem Räume (oder Kloster) gesam- 
melt. -— In dem schon früher erwähnten Briefe des hl. Athanasius an Dracon- 
tius (c. 7) bezeichnet allerdings der Singularis tiovaoxrjpiov schon die ganze 
Mönchsniederlassung (OuSk au |jl<5vo( 7cpo^7T7)( piovaaiTipiou). Auch bezeichnet Hai' 
ladiua (Hist Laus. 25) die gesamte Niederlassung der Antonianischen Mönche 
im Gebirge als (xovaarvipiov. 



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Da8 egypt Mönchtum im 4, Jahrh. 77 

Begel nichts bekannt ist ; vielmehr bemerkt Athanasins am Ende der 
Vita (c. 93), dass Antonius weder durch Schriften noch durch welt- 
liche Weisheit, sondern durch seine Gottseligkeit allein berühmt ge- 
worden sei. Auch erwähnt der letztere in seiner Ansprache an seine 
Mönche (c. 16) nur die hl. Schriften und die gegenseitigen geist- 
lichen Unterredungen als Fördenmgsmittel der Ascese. Allerdings 
besitzen wir zwei Becensionen einer Begel des hl. Antonius unter 
dem Titel: »Begulae ac praecepta S. F. N. Antonii ad filios suos 
monachos potentes hoc ipsum ab eo in monasterio Nacalon.c Die 
eine findet sich in dem von Lucas Holstenius veranstalteten, aber 
erst nach seinem Tode im Jahre 1661 abgeschlossenen Sammelwerk : 
»Codex Begularum monasticarum ac canonicarum, quas ss. Patres 
monachis . . . praescripserunt, collectus olim a s. Benedicto Anianense 
abbate etc.c s). Die andere mit der ersteren inhaltlich ziemlich über- 
einstimmende Becension ist im Jahre 1646 von dem Maroniten 
Abraham Ecchellensis nach einer arabischen Handschrift veröffentlicht 
worden^). Indes fehlen jegliche historische Zeugnisse für die unmit- 
telbare Abfassung dieser Begel durch Antonius, und wenn auch die 
Vorschriften derselben zum grossen Teil Verwandtschaft zeigen mit 
der Athanasianischen Vita Antonii, so will dies nicht viel sagen, da 
auch die Biographie eines jeden anderen braven Eremiten als Quelle 
für diese allgemeinen Lebensregeln betrachtet werden könnte. Im- 
merhin weist diese Begel durch die wiederholte Erwähnung des be- 
schwerlichen Wasserholens und des Verbotes, die Toten in der Kirche 
zu begraben, auf Egypten als Heimatsland hin; auch ist ihr ein 
durchaus hohes Alter zu vindicieren, indem in ihr noch nicht eine 
straff organisierte Mönchsgemeinde nach Art der Pachomianer, son- 
dern Mönche, die nach Art der Antonianer nur lose mit einander 
verbunden waren, vorausgesetzt werden. 

Anlangend die weiteren Verdienste des Antonius um das Mönch- 
tum, so kann es dem aufmerksamen Leser der Vita Antonii nicht 
entgehen, dass in derselben auf gewisse unter den Asceten vorhandene 
Schäden und Gebrechen angespielt wird. Man denke nur an die so 
ausführlichen Beden des Antonius (c. 16—43), deren Stilisierung 
wohl sicher das Werk des hl. Athanasius ist, deren Stoff und Qe- 
danken aber ihm durch die Mitteilung der Mönche oder aus eigener 
Anhörung bekannt waren; versichert er doch selbst in seiner Vor- 
rede, dass er bei seiner Arbeit allezeit auf Wahrheit gesehen habe. 
Bei der Lektüre dieser Beden fühlt man heraus, dass dieselben nicht 

8) Abgedruckt bei Migne, 8. gr. t. 40 col. 1065—1074. 
4) Ebendaselbst. 



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78 Da8 egypt Mönchtum im 4. Jahrh. 

rein theoretischer Natur waren, sondern deutlich genug auf wirklich 
vorhandene schiefe Auffassungen des ascetischen Lebens, auf verkehrte 
und nachlässige Lebensweise mancher Asceten, auf einen schlechten 
Geist und unwürdigen Wandel schliessen lassen. Die ascetischen Be- 
strebungen, die wir schon an der Wiege des Christentums wahrnehmen, 
hatten gegen Ende der Christenverfolgung und noch weiter nach 
Eintritt der Friedensära einen höheren Schwung genommen und die 
Wüsten Egyptens mit weltflüchtigen Christen bevölkert; doch nicht 
alle, welche die Verachtung des irdischen Besitzes und der vergäng- 
lichen Qüter sowie die Sehnsucht nach der Freiheit von den Banden 
der endlichen Welt in die Einsamkeit getrieben hatte, konnten in 
der Vereinzelung und ohne jegliche Leitung das Ziel der Ascese, 
nämlich die innigste Lebensgemeinschaft in Qott, erreichen. »Unter 
diesen gab es manche, die eine Anlage für das Mönchsleben hatten, 
die aber sich selbst unklar der Bildung und Gestaltung bedurfte. 
Bei solchen war der innere Reichtum an Kraft nicht so gross, dass 
sie durch sich selbst die wahre Weise des Mönchs gefunden hätten; 
wurde ihnen aber eine Richtung gegeben, so bewegten sie sich sicher 
und mit gutem Erfolg. Bei ihnen war die Ascese nicht so fast die 
Folge eines schon vorhandenen Innern, aber sie entwickelte es doch. 
Andere aber hatten blos das Aeussere der grossen Mönch4 im Auge ; 
an Fasten und körperliche Entbehrungen, glaubten solche, habe sich 
notwendig als Folge ihre Grösse angeschlossen, und wussten nicht, 
dass ein innerer Beruf gefordert werde. Sie setzten die Mönchsgrösse 
in Wundermacht, deren Erreichung sofort ihr Ziel war, und wenn sie 
dieselbe nicht erlangten, waren sie niedergeschlagen. Die Erhabenheit 
der grossen Mönche über das Irdische setzten manche blos in feindselige 
Abstossung alles Menschlichen, und der Verbildung in den Städten 
setzten sie gern Rohheit und Ungeschliffenheit entgegen, die sich als 
pöbelhafte Affektation in Kleidung und Sitten offenbartet &). Diese 
Schäden suchte Antonius dadurch zu heilen, dass er die Asceten zu 
einer Gemeinschaft vereinigte und unter seine Leitung nahm. Er be- 
tonte in seinen Ansprachen an die Mönche, dass die Vollkommen- 
heit noch nicht durch die Weltflucht und das Sichzurückziehen in 
die Wüste erreicht sei; vielmehr seien die Einsamkeit und die Ent- 
sagung nur Mittel, um zur inneren Heiligkeit zu gelangen. Wie er 
selbst sich nicht traute, sondern von jedermann sich das Gute anzu- 
eignen trachtete, so ermahnte er auch seine Mönche misstrauisch 
gegen sich selbst zu sein ; keiner solle sagen, die hl. Schriften seien 
schon allein zur Belehrung genügend ; vielmehr sei es gut, dass die 

5) Mäkler j Athanasias der Grosse und die Kirche seiner Zeit, Maini 
1844. S. 380-881. 



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Das egypt, Mönchtum im 4. JdhrK 79 

Mönche das gemeinschaftliche Leben pflegen and sich so gegenseitig 
im Olauben ermuntern und mittels Unterredungen zum geistigen 
Kampfe gleichsam salben^). Auch seien Wunderkraft und Prophezie 
keine Kennzeichen der inneren Tugend, noch Zweck der Ascese, son- 
dern darüber werde ein jeder sein Gericht zu bestehen haben, ob er 
den Glauben bewahrt und die Gebote redlich gehalten habe 7). Ferner 
stellt Athanasius den hl. Antonius insofern als Spiegelbild für die 
der Welt abgestorbenen Mönche hin, als dieser, wenngleich in der 
Wüste alt geworden , keineswegs ein rauhes Wesen an sich hatte, 
sondern freundlich, ja von städtisch höflichen Manieren war^); bei 
seinem Aufenthalt in Alexandria erschien der Vater der Mönche in 
einem reinlich gewaschenen Oberkleide ^) und trug Rechnung den 
Ansprüchen der Weltstadt, während er in der Wüste nur ein härenes 
Unterkleid und ein Pell darüber trug^^). 

Wie das Wesen des Mönchslebens, so brachte Antonius auch 
den Zweck desselben in Wort und Leben zum Ausdruck. Das Mönchs- 
leben sollte nicht ein phantastisches, müssiges Leben sein; vielmehr 
sollten die Mönche, obwohl ausserhalb der menschlichen Gesellschaft 
lebend, für dieselbe wohlthätig sein. Dieser Gesichtspunkt zieht sich 
wie ein roter Faden durch die ganze Vita Antonii. Athanasius weist 
nicht nur darauf hin, wie Gott den Antonius trotz seiner Weltflucht 
der menschlichen Gesellschaft dienstbar machte, sondern sie hebt auch 
hervor, wie dieser selbst für die Ausbreitung des Reiches Gottes durch 
Unterredungen mit heidnischen Philosophen und christlichen Welt- 
leuten in Alexandria und in der Wüste thätig war, wie er für das 
nicänische Glaubensbekenntnis Zeugnis ablegte und in seiner Zelle 
Handarbeit verrichtete, um den Mitmenschen Almosen spenden zu 
können. 

Endlich lag die Gefahr nahe, dass manche Mönche, in dem 
Glauben, sie seien vollkommen und genügten in allem sich selbst, 
sich dem Einfluss der kirchlichen Hierarchie entfremdeten. Antonius 
lehrte nun durch sein Beispiel Unterordnung unter die kirchlichen 
Vorsteher. Demütig wie er war, ehrte er die kirchliche Ordnung 
überaus hoch und wollte, dass jeder Kleriker ihm an Ehre voranging. 
Er beugte sein Haupt vor Bischöfen und Priestern, um ihren Segen 
zu empfangen, und räumte selbst den Diakonen, die mit einem An- 
liegen zu ihm kamen, den Vorrang im Gebete ein ^^). Innigste Freund- 
schaft verband ihn auch mit Athanasius, dem Patriarchen von Alexan- 
drien, sowie mit Serapion, dem Bischof von Thmuis^^). 

6) Vita Ant. c. 16 seq. - 7) c. 33, 34, 38. — 8) c. 78. — 9) c 46. — 
10) c. 47. - 11) c. 67. - 12) c. 82, 91. 



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80 Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh. 

§. 5, Ueber die Historia Latmaca und Histaria monachorum ah 
Hauptquellen des Mönchtums in der nürischen und sJeetischen Wüste. 

Die beiden Hauptquellen für die Kenntnis des egyptischen Mönch- 
tums des vierten Jahrhunderts, zumal in der nitrischen und sketischen 
Wüste, sind Bufins historia monachorum und die historia Lausiaca des 
Falladius. Die Hyperkritik, welche Weingarten ^) an diesen beiden 
Quellenwerken geübt hatte, ist in ihrer Haltlosigkeit erkannt wor- 
den, und auf Grund der neuesten Untersuchungen sind die beiden 
Schriften wieder als Geschichtsquellen ersten Ranges zu Ehren ge- 
kommen ^). Nicht blos die Authentie derselben erscheint durch 
voUgiltige äussere und innere Gründe sichergestellt'), sondern den 
beiden Autoren kann man auch füglich wegen ihres langjährigen 
Verkehrs mit den egyptischen Mönchen die Gompetenz, ein getreues 
Bild der Zustände jenes Mönchslebens darzustellen, nicht ohne Wei- 
teres abstreiten. 

Was zunächst Bufin anlangt, so hatte dieser hinreichend Ge- 
legenheit, sich mit dem egyptischen Mönchsleben bekannt zu machen ; 
war er doch nach seiner Angabe in der Apologie (II, 12) zweimal 

1) Weingarten, Die Entstehung des Mönchtums, Gotha 1877, S. 24 f. 

2) S. Erwin Preuschen, Palladius und Rnfinus, ein Beitrag zur Quel- 
lenkunde des ältesten Mönchtums, Giessen (Bicker*sche Buchh.) 1897. 

3) Die Historia monachorum wird als ein Werk Bufins hinlänglich durch 
die Tradition beglaubigt. Erstlich bezeichnet sich der Verfasser derselben (c. 29) 
als identisch mit dem Verfasser der (Bufinschen) Eirchengeschichte (vgl. dazu 
die Notiz in der Kirchengeschichte II, 4 auf eine besondere noch zu schreibende 
Mönchsgeschicbte), zweitens nennt Hieronymus (ep. ad Ctesiphontem 43) in einer 
kritisierenden Bemerkung den Bufin als Verfasser der Historia monachorum und 
endlich trägt ein Teil der Handschriften der Historia mon. den Namen des 
Bufinus (Vgl. Schoennemanns Bibliotheca Patrum Latin, historico-litteraria bei 
Migne s. 1. t. 21 col. 25 seq. und Preuschen a. a. 0. S. 162). Andere lateinische 
und griechische (die griechische Version der lat. Hist. mon. enthaltende) Hand- 
schriften nennen allerdings Hieronymus als Verfasser, und diese Substitution 
des Namens Hieronymus muss schon sehr frühzeitig geschehen sein, da die aus 
einer griechischen Quelle geflossene syrische Uebersetzung vom Jahre 582. 
(Mus. Brit. syr. add. 17176) die Historia monachorum dem Hieronymus zu- 
schreibt; allein dagegen spricht die ausdruckliche Erklärung des genannten 
Kirchenlehrers, dass die Historia monachorum ein Bufinsches Werk ist. Zur 
Erklärung dieser Namenssubstitution sagt Schoennemann (Migne 1. c. col. 26) :. 
»Causam porro ob quam Hieronymi nomen libro praefigi consueverit, minima a 
yero profecto abludentem Fontaninus docet, Vitas Patrum aliquas ab Hieronymo- 
conscriptas cum hisce Bufinianis nuUum nomen praeferentibus ob argumenti 
similitudinem compactas effecisse dicens, ut omnia ad Hieronymum tenquam 
unicum auctorem referrentur. Atque iam opportunum erit, ut lectorem mo- 
neamus. Vitas Patrum a Bufino scriptas nunquam seorsum esse vul^atas, sed. 
in codicibus mss. omnibus aeque ac impressis libris . . . cum aliis diversorum^ 
auctorum esse coniunctas . . . .« Vgl. auch Preuschen a. a. 0. 170 ff. — Die 
Autorschaft des Palladius an der Historia Lausiaca ist bezeuet durch 
Socrates IV, 23, ferner durch die noch im 5. Jahrh. entstandene syriscne Hand- 
schrift und die erdrückende Mehrzahl der griechischen Handschriften. Üeber 
die alte latein. Uebersetzung, welche das Werk dem Heraclides beilegt,^ 
s. Preuschen a. a. 0. S. 233 l 



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Das egypt Mönehtum im 4, Jahrh. 81 

in Egypten, das erste Mal 6 Jahre (374—380) und dann noch 
später (vor dem Jahre 385) zwei andere Jahre ^). Während des 
ersten Aufenthaltes, der in jene Zeit fiel, wo die Arianer nach dem 
Tode des hl. Atbanasius sich des alexandrinischen Bischofssitzes be- 
mächtigt hatten und die Katholiken verfolgten, befand er sich auch 
in der nitrischen Wüste und zählt in seiner Eirchengeschichte (II, 4) 
die Mönche Macarius, Isidor, einen anderen Makarius, Heraclides 
und Paulus, den Schüler des hl. Antonius unter seine damaligen 
Leidensgenossen. Dass der ihm damals bekannt gewordene Mönchs- 
kreis sich nicht auf die eben Genannten beschränkte, ergiebt sich 
aus dem folgenden 8. Kapitel derselben Kirchengeschichte, wo es 
heisst: »Ex quibus (monachis) Interim quos ipsi vidimus et quorum 
benedici manibus meruimus, hi sunt, Macarius de superiori eremo, 
alius Macarius de inferiori , Isidorus in Scyti , Pambus in Gellulis, 
Moyses et Beniamin in Nitria, Scyrion (al. Quirtori) et Hellas et 
Paulus in Apeliote, alius Paulus in Focis, Poemen et Joseph in 
Pispiri, qui appellabatur mons Antoniic^), und Bufinus fügt noch 
dann hinzu, dass er noch von vielen anderen Mönchen zuverlässige 
Nachrichten erhalten habe. Nach alledem wäre es gewagt, die Mönche 
der Historia monachorum mit ihren individuellen Zügen als reine 
Phantasieschöpfungen Bufins zu bezeichnen, zumal wenn man die pa- 
rallel laufenden Berichte der Historia Lausiaca, des Gassian und 
Sulpicius sowie die reiche Apophthegmenliteratur in Betracht zieht. 
Uebrigens deutet Bufin an der schon erwähnten Stelle (Kirchengesch. 
II, 4) an, dass er das egyptische Mönehtum in einer eigenen Schrift 
verherrlichen wollte. Diesen Plan führte er auch, wie aus dem Prolog 
der Historia monach. hervorgeht, auf Wunsch der von ihm gegrün- 
deten und aus Lateinern bestehenden Mönchsgenossenschaft aus^). 



4^ V^l. die von YallarBi mit Hilfe des Codex Gaannerianns hergestellte 
Lesart des m Frage stehenden Citats ans Bufins Apol. II , 12 bei Migne, s. 1. 
t. 21 col. 594 nota k. 

5) S. Preuachen a. a. 0. S. 179, wo für die im lateinischen Text^ ent- 
steUten Namen Scyrion, Apeliote und Focis substituiert wird Pityrion, Anti- 
noite und Pherme. 

6) Dass die Mönche des Oelber^es Lateiner waren, dafür spricht besonders 
Bufios Apol. II, 8^^ (Migne t. 21 col. 591). Dieser Umstand legt nahe, dass 
die für sie bestimmte Historia mon. in lateinischer Sprache geschrieben war, 
wie denn auch jene Ebindschriften, welche die Historia monach. dem Hierony- 
mus zuschreiben, indirekt auf den lateinischen Ursprung dieser Schrift hin- 
weisen. Zudem ist noch lu beachten, dass die in dieser Sdirift fingierten Reise- 
gesellschafter als Lateiner erscheinen {c. 9) ; die diesbezügliche Stelle ist auch in 
einem Teile der griechischen und syrischen Uebersetznngen konserviert. Vgl. 
darüber Preuschen a. a. 0. S. 194—196. Andere Beweismomente dafür, dass die 
allerdings schon frühzeitig angefertigte griech* Uebertragung der Bufinschen 
Historia monach. sekundär ist, finden sich bei Preuachen a. a. 0. S. 180—203; 
eine kritische Ausgabe dieser griech. Version ebendas. S. 1—97. 

Sohiwietz, Mönobtum. 6 



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82 Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh. 

Der Zweck derselben war ein rein erbaulicher; die Schilderang der 
Oeisteskämpfe der egyptischen Mönche sollte die Leser lar Nacheiferong 
anspornen. Damm dürfen wir auch in Bnfins Historia monach. nicht 
eine Entwicklungsgeschichte des egyptischen MGnchtums oder etwa 
eine erschöpfende Darstellung dieser Mönchskolonieen erwarten; im- 
merhin ist die Bufinsche Schrift bei seiner Vertrautheit mit den Ver- 
hältnissen geeignet genug, uns in das Denken und Fühlen, Leben 
und Treiben jener Mönchskreise einen zuverlässigen Einblick zu ge- 
währen. 

Anlangend die Darstellung, so kleidete Rufin entsprechend dem 
Geschmack seiner Zeit seine Historia monach. in die Form einer 
Reisenovelle; er lässt eine Reisegesellschaft von 7 Mönchen die 
Reise an der Grenze der Thebais in Lycopolis bei dem Einsiedler 
Johannes beginnen und bei Diolcus am Meere beschliessen ^ ; hie- 
bei laufen auch geographische Fehler mitunter^), was nicht be- 
fremden darf, da er einerseits diese Mönchsgeschichte erst 20 Jahre 
nach seinem Aufenthalte in Egypten schrieb und andererseits selbst 
im Epilog eingesteht, dass er die obere Thebais wegen Reisegefahren 
nicht besucht habe. In dem Rahmen dieses Reiseplanes werden uns 
33 Mönchsbiographien vorgefahrt, welche jedoch nicht mit Geschick 
mit einander verknüpft sind, sondern vielmehr durch die wieder- 
kehrende Formel ^»venimus, vidimusc mechanisch an einander ge- 
reiht sind. 

Während Rufins Historia monach. sich blos auf das egyptische 
Mönchtum beschränkt, ist die Historia Lausiaca des Palladius uni- 
verseller; sie behandelt nicht nur eingehender die egyptischen Mönchs- 



7) Die Worte des Bafin am Anfang des Prologs >qai etiam nostnim iter 
direxit ad Aegyptnmc beziehen sich auf seinen früheren Aufenthalt in Eeypten, 
können aber nicht als strikter Beweis dafür gelten, dass er sich damit als Mit- 
glied der in der Historia mon. fingierten Beisegesellschaft vom Jahre 394 be- 
zeichnen wollte. Da das Letztere von Tillemont angenommen wurde, und es 
andererseits feststeht, dass Bufin im Jahre 394 sich in Egjrpten nicht aufhielt, so 
hat der genannte Kritiker den Widerstreit damit zu heben gesucht, dass er Bufin 
zum blossen Bedaktor der egyptischen Beiseerlebnisse eines gewissen Petronius, 
späteren Bischofs von Bologna (f 450) , machte. Die Notiz des Literaturhisto- 
rikers Oennadiua (de scriptorib. eocl. c. 41) über das angebliche Werk des 
Petronius ist aber so allgemein und unbestimmt, dass Preuschen (a. a. 0. 
8. 175) mit Becht behauptet, man könnte auf Grund dieser Notiz die mönchs- 
geschichtlichen Werke eines Cassian, Sulpidus, Palladius als blosse Bedaktionen 
der sonst unbekannten Schrift des Petronius ansehen. In neuerer Zeit hat diese 
Hypothese noch Zöckier (Askese und Mönchtum 1897 S. 213 f.) yerfochten. 
Lucius (Quellen der ältesten Gesch: des e^ypt. Mönchtums in der Zeitschr. t 
Kirchengesch. VII 1885 8. 163 f.) ging nodi weiter und machte den Bufinus 
zu einem blossen üebersetzer einer griechischen Schrift, eine Hynothese, die, 
wie wir später zeigen werden, auf eben so schwachen Füssen stent, wie die 
Tillemontsche. 

8) Pteuschen a. a. 0. S. 207—209. 



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Das egypt Mönchfum im 4, Jahrh. 83 

kreise , sondern auch das Mönchsleben auf palästinensischem , syri- 
schem, kleinasiatischem, ja sogar auf europäischem Boden ^). Palladius 
verfasste sein Werk zunächst für einen konstantinopolitanischen Hof- 
mann Lausus, dessen Lebensemst die Hofluft in der Hauptstadt nicht 
2u behagen schien und darum von Palladius behufs eigener Lebens- 
einrichtung die Darstellung des damals allgemein bewunderten Mönch- 
tums verlangte, welches den ernsten Männern jener Zeit als Vorbild 
eines vollkommenen Lebens und Strebens nach Heiligkeit galt. Der 
Autor beteuert in seiner Dedikationsepistel an Lausus, nur das zu 
berichten, was er selbst gesehen oder aus lebendiger Erzählung ken- 
nen gelernt habe; seine Darstellung solle die Vertreter der mönchi- 
schen Lebensweise beiderlei Geschlechts umfassen und sich auf die 
ägyptische Wüste, Libyen, die Thebais, Mesopotamien, Palästina und 
Syrien, Bom und Campanien erstrecken. Die Gompetenz zu einer so 
umfassenden Arbeit wird wohl dem Palladius nicht abgestritten wer- 
den können; er erscheint der Dedikationsepistel an Lausus und den 
in die Historia Lausiaca eingestreuten chronologischen Notizen zu- 
folge noch mehr in die Mönchsverhältnisse seiner Zeit eingeweiht als 
Bufinus. Bis zu seiner Ordination zum Bischof in Helenopolis (Bi- 
thynien), welche in seinem 33. Lebensjahre (etwa um 396) erfolgte, 
hatte er 13 Jahre ein Asketenleben geführt. 

Nachdem er um 383 in Begleitung einer gewissen Silvia ^^) 
von Jerusalem nach Egypten gekommen, wurde er zunächst von dem 
alexandrinischen Spitalverwalter Isidorus an dem aus der Thebais ge- 
bürtigen Mönch Dorotheus gewiesen, der in der Nähe der Hauptstadt 
seine Wohnung hatte und bei dem er länger als zwei Jahre ver- 
weilte; alsdann wohnte er bei den Mönchen der zum Bereiche der 
nitrischen Wüste gehörenden Eellia neun Jahre lang (bis zum Jahre 
393 oder 394); darauf folgt sein Aufenthalt in Palästina und um 
396 seine Bischofsweihe ^^). Die weiterhin in der Historia Lausiaca 
erwähnten chronologischen Daten , nämlich drei Jahre auf dem Oel- 



9) S. die Dedikationsepistel an Lausas (Bligne, s. gr. t. 34 col. 1001 seq.). 
10) S. mst. Lans. c. 142 (Migne t. 84 col. 1244). — Behufs Lösung des 
Widerspruches, der zwischen dem Datum der Reise des Palladius nach Egypten 
(Hist. Laus. c. 1 im Jahre des zweiten Consulates des Tbeodosius = im Jahre 
888) und dem von Gamurrini im Jahre 1887 fragmentarisch entdeckten Pilger- 
buch der Silvia zu bestehen scheint, macht Preuschen (a. a. 0. S. 235 f.) 
darauf aufmerksam, dass das in der Hist. Laus. c. 1 sich findende Datum 
(«Iv T^ SeuT^pa 6;caT£{a 6eo8oa{ou toö (ley&Xou ßaaiX^w?, %^ vuv Iv a-pf^oi; undoyei 8ia 
rfi)f 6pbii^ aüToü 7u(<jt!v t^v sh tbv Xpi<rc6v" == im Jahre 888) im Codex Paris. 1628 
und m der 2. alten Uebersetzung fehlt; dabei wird die Identität der Silvia in 
der Historia Lausiaca mit der des genannten Pilgerbuches vorausgesetzt, was 
nicht sicher ist. 

11) Preuachen a. a. 0. S. 241—244. 

6* 



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84 Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh. 

berg, ein Jahr in Bethlehem und vier Jahre in Antinoe mit Einschlns» 
seines Besuches in den Klöstern der Thebais werden von Preuschen ^>> 
auf Qrund einiger historischer Wahrscheinlichkeitsindicien in die 
spätere Lebenszeit des Palladius während seines Episkopates verwiesen 
und fallen in jene Zeit, wo er wegen Beteiligung am Streite des 
Chrysostomus mit dem Bischof Theophilus von Alexandrien als An- 
hänger des ersteren Gefängnisstrafen und Verbannung zu erleiden 
hatte und sich auch an einer Deputation nach Rom zu Gunsten des 
Chrysostomus beteiligte. 

Was die Tendenz seines Werkes anlangt, so verfolgte er der 
Dedikationsepistel zufolge gleich Bufin einen erbaulichen Zweck. 
Zwar hat ihm schon Epiphanius ^') den Vorwurf der Parteinahme 
für die Origenisten gemacht, und es zeigen sich auch in der Historia 
Lausiaca Spuren dieser origenesfreundlichen Gesinnung bei der Be- 
handlung seiner Mönchsbiographieu ^^) ; doch wäre es gewagt be- 
haupten zu wollen, dass Palladius rein vom Standpunkt dieses Par- 
teiinteresses seine Historia Lausiaca geschrieben hätte. Für die Wahr- 
heitsliebe bei der Darstellung des Mönchtums spricht in nicht ge- 
ringem Masse die Art und Weise, wie er trotz der Verherrlichung 
des Mönchsideals die Verirrungen einzelner Glieder dieses Standes 
mit Offenherzigkeit bespricht. Die Mönche erscheinen nicht in 
idealisierter Gestalt, sondern im Kampfe gegen das Tierische im 
Menschen; ja es werden auch von Palladius einige Mönchsgestalten 
mit ihrem Abfall vom Glauben und Versinken ins Laster als warnende 
Beispiele gegen Hochmut und falsches Selbstvertrauen dargeboten ^^\ 
Es wäre hier noch der Ort auf die in der Historia Lausiaca und 
ähnlichen Mönchsurkunden vielfach berichteten Wundererzählungen 
einzugehen, welche besonders dem Rationalismus ein Stein des An- 
stosses sind, wie denn auch Weingarten durch drastische Aus- 
malung dieser wunderbar klingenden Episoden des damaligen Mönchs- 
lebens die ganze Mönchsliteratur mit Spott behandelt und ihr jeg- 
lichen historischen Wert abspricht, obgleich ihn doch eine Unmenge 
von Thatsachen, die wir schon oben berührt haben, die Augenzeugen- 
schafb so vieler hochgebildeter Gewährsmänner für so viele Fakta 
des Mönchslebens zu einem vorsichtigeren [Jrteil hätten bestimmen 
können. Wir verweisen auf unsere früheren Ausführungen über diesen 



12) S. 244 f. 



13) In der von Hieron/mns übersetzten Epistola 51 (Migne, t. 22, p. 527)» 

14) Preuschen a. a. 0. S. ^9—260. 

15) Hist. Lans. c. 30, 31, 32, 33, 35 (nach der Dacaeas-Hervetschen 
Ausgabe). 



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DcL9 egypt Mönchtum im 4, Jahrh. 85 

Pankt^^) und fügen nur noch hinzu, was der besonnene Kritiker 
H. J. Floss seiner Zeit in seinem kritischen Apparat zu den Viten 
^er beiden Makarier bemerkt hat ^^) : »Signa vero et prodigia ab bis 
senibus facta, qnamvis a scriptoribus illins temporis saepennmero 
praeter verisimilitudinera narrentar, viz tamen semper psychologice, 
ut nonnulli fecernnt, aut alio quodam natnrali modo interpreter. 
i^aisqais Christiane nomine non indignus est, magnis temporibas 
mannm Dei in hominibns magna fecisse profiteri paratas est. Idqae 
ipsnm cor hie non stataatar, quum idem in apostolis et Patribas 
ficclesiae minime infitiemur, non intelligo. In fabulosa autem nar- 
rationam forma si saepennmero offenderis, scito et cam gentis 
Aegyptiae indole et cum singnlari senum vivendi genere temporumqne 
insnper natnra eam intime cohaerere ; qnocirca illis libris de patribns 
eremi scriptis poesin qnandam contineri dizerim a factis ac prodigiis 
sennm profectam, sed fama et poetica gentis atque aetatis indole 
mire excnltam et exornatam.c Die Erscheinung und das Leben der 
damaligen Mönche hatte nach dem übereinstimmenden Zeugnisse der 
Serichterstatter und Autopten manches an sich, was über das alltäg- 
liche Leben hinausging; der Heroismus, mit welchem sie in ihrer 
Einsamkeit an der Ertiötung des alten Adams arbeiteten, brachte 
auch eigenartige Thatsachen in ihrem Leben zum Vorschein. Daraus 
erklären sich die Besuche so vieler hochgebildeter und vornehmer 
Persönlichkeiten aus weiter Ferne bei diesen Mönchen trotz der 
mannigfachen Entbehrungen der Beise; die gewonnenen Eindrücke 
waren manchmal so überwältigend, dass manche dieser Besucher 
ihre hohen weltlichen Stellungen aufgaben, um sich den Vertretern 
dieses heroisch- christlichen Lebens anzuschliessen. 

Zum Schluss noch einige Bemerkungen über den ursprüng- 
lichen Text der Historia Lausiaca sowie über die damit in Zusam* 
menhang stehende Frage betreffend das Abhängigkeitsverhältnis des 
Palladius und Bufinus. Zunächst sind drei lateinische Versionen des 
griechischen Palladiustextes im Drucke erschienen. Die erste aus 
h8 Kapiteln bestehende Version wurde zu Paris im Jahre 1504 von 
Jacob Faber Stapulensis veröffentlicht^^); sie heisst die Heraclides- 
übersetzung, weil sie aus einer spätestens dem 9. Jahrhundert an- 
gehörenden Handschrift geflossen ist, in welcher die Historia Lau- 
siaca als »Heraclidis paradisusc bezeichnet ist; doch ist in anderen 

16) S. oben S. 74 f. 

17) Vffl. bei H. J, Floss, Marcarii Aegyptii epistolae, homiliae etc., 
Ooloniae 1850 die quaestiones criticae et historioae de bs. Macarioram Aegyptii 
«t Alexandrini (Migne, s. gr. t. 34 col. 12). 

18) Abgedr. bei Rosweyd, Vitae Patrum p. 939 sqq. 



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86 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh, 

Handschriften, welche denselben lateinischen Text darbieten, Fal- 
ladins als der Verfasser des Werkes genannt ^% In einer zweiten 
lateinischen Version erscheint der Palladiustext auf 20 Kapitel re- 
duciert^o). Die dritte and umfangreichste (151 Kapitel enthaltende) 
lateinische Version fertigte im Jahre 1555 der Kanonikus Qentianu» 
Heryet aus Bheims nach einer nicht näher bezeichneten Handschrift 
des griechischen Palladiustextes an. Den der Hervetschen üebersetzung^ 
zu Grunde liegenden griechischen Grundtext gab im Jahre 1624 
Ducaeus heraus ^^), nachdem schon früher im Jahre 1616 Johannes^ 
Meursius nach einer Heidelberger Handschrift^^) den griechischen 
Text der Historia Lausiaca in 103 Kapiteln yeröffenüicht hatte. 

Die Thatsache, dass in den oben genannten Texten der Historia 
Lausiaca etwas über 30 Mönchsviten sich vorfinden, die ungefähr mit 
dem Inhalt der Bufinschen Historia monachorum sich decken, gab 
die Veranlassung dazu, dass man nun verschiedene Hypothesen über 
das Verhältnis des Palladius zu Bufinus aufstellte. Man setzte vor- 
aus, dass diese über 80 Mönchsviten (c. 43—76 bei Hervet und 
Ducaeus) zum eisernen Bestände des Palladiustextes gehören und er- 
klärte die Thatsache damit, dass man annahm, Palladius hätte zwar 
nicht die lateinische Historia monachorum des Bufinus, aber doch 
eine ältere griechische Quellschrift benutzt, die auch Bufinus ver- 
wertet oder vielmehr ins Lateinische übertragen hat. Die Hypothese,, 
welche im Jahre 1850 von Ploss*«) und neuestens von Zöckler^) 
verfochten wurde, kann schon deshalb nicht befriedigen, weil diese 
angebliche griechische Grundschrift uns völlig unbekannt und darum 
auch unkontrollierbar ist, ganz abgesehen davon, dass die Historia. 
monachorum von dem damals mit Bufin auf gespannten Fusse stehen- 
den Hieronymus als selbständige Arbeit des ersteren benutzt wird ^^). 
Noch weniger plausibel erscheint die Hypothese, welche Lucius*^} 
in der Abhandlung »Die Quellen der älteren Geschichte des egypti- 
sehen Mönchtumsc über Bufinus, Palladius, Sozomenus und Socrates, 
diese 4 Berichterstatter über das egyptische Mönchtum des 4. Jahr- 
hunderts aufstellt. Da nämlich die Kirchengeschichte des Sozomenua 



19^ S. Flosa a. a. 0. (Migne, l. c. col. 14 not. 8 n. 9), Preuschen a. a. 
0. S. 233. 

20) Bei Roaweyd l. c. p. 984 sqq. 

21) Der griechische Text des Dacaeas nebst der üöbersetzung des Hervet 
abgedr. bei Migrier s. gr. t. 34 col. 999 sqq. 

22) Ueber diese Handschrift vgl. Preuschen S. 187. 

23) Bei Migne s. gr. t. 34 col. 15 sqq. 

24) Zöckler, Askese und Mönchtam Bd. 1. S. 213. 

25) S. oben S. 80 not. 3. 

26) Zeitschrift f. Kirchengesch. VH (1885) S. 163 ff. 



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Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh. 87 

in ihren Exkarsen auf das ägyptische Mönchtum Berührungspunkte 
mit Palladius und Rnfinus aufweist ^^) und andererseits Sozomenus 
für seine egyptischen Mönchsgeschichten den alexandrinischen Bischof 
Timotheus '^) als seinen Gewährsmann bezeichnet, so hat eben Lucius 
angenommen, dass eine angebliche griechische Qrundschrift der Rufin- 
sehen Historia monachorum für Palladius und Sozomenus supponiert 
werden müsse, und diese Grundschrift soll nach ihm ein gewisser Mönch 
Timotheus, den Sozomenus irrtümlich mit dem schon 385 gestorbenen 
gleichnamigen Bischof von Alexandria identificierte, um das Jahr 895 
verfasst haben. Wenn wir nun auch einerseits der Behauptung des 
Sozomenus, dass er seine mönchsgeschichtlichen Nachrichten aus einem 
gewissen Timotheus geschöpft hat, den Glauben nicht versagen kön- 
nen und anderseits dem Lucius Recht geben, dass dieser Timotheus 
nicht identisch sein kann mit dem gleichnamigen Bischof von 
Alexandria ^^), so leidet doch die Hypothese des Lucius an derselben 
Schwäche wie die vorausgehende. Auch sie setzt sich über die durch 
die Tradition hinlänglich bezeugte Selbständigkeit des Rufinus und 
Palladius hinweg und statuiert dafür als Quellschrift für diese beiden 
ein unbekanntes X; ja das Werk dieses Timotheus ist nicht ein- 
mal dem Titel nach von Sozomenus gekennzeichnet ; man weiss nichts 
von den Beziehungen dieses Timotheus zu den Mönchen des Oel- 
berges, während dies von Rufin historisch feststeht, und doch soll 
diese unbekannte griechische Mönchsgeschichte des Timotheus die 
Grundlage für die Historia monachorum des Rufinus sein. Die That- 
sache, dass sich die Nachrichten des Sozomenus über die Mönche 
Egyptens mit der lateinischen Historia monachorum Rufins vielfach 
decken, lässt sich hinlänglich dadurch erklären, dass das von So- 
zomenus über das Mönchtum grösstenteils benutzte Geschichtswerk 
des Timotheus sich auf die Historia monachorum Rufins als Quelle 
stützte. Wie aus dem Gesagten sich ergiebt, operieren die beiden 
Hypothesen mit so viel unbekannten Grössen, ihr Beweismaterial 
ist so vager Natur, dass sie unmöglich befriedigen können. 

Darum hat Erwin Preuschen in seinem »Palladius und Rufinusc 
einen anderen Weg eingeschlagen, um zu einem positiven Resultate 
zu gelangen. Er trägt nicht blos der hinlänglich verbürgten Selb- 
ständigkeit der Rufinschen Historia monachorum und der Historia 
Lausiaca des Palladius Rechnung, sondern er sucht auch durch die 



27) Vgl. den Nachweis hierfür bei Freuachen a. a. 0. S. 180 ff. und 
226 ff. 

28) Soz. VI, 29. 

29) S. Preuschen a. a. 0. S. 188 and 189—191. 



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88 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh, 

Prfifang der handschriftliehen üeberlieferung das Problem über das 
Verhältnis des Rafinus zu Palladius zu lösen. Es wQrde zu weit 
führen, den ganzen textkritischen Apparat an dieser Stelle za be- 
sprechen; wir beschränken uns auf die Mitteilung der Resultate 
dieser teztkritischen Studien. Nach dem von Preuscben angestellten 
Vergleich der Ueberlieferungsgeschichte der Historia Lausiaca existiert 
die letztere in zweifacher Gestalt. Die eine Gruppe der Handschriften 
enthält die Historia Lausiaca ohne die der Rufinschen Historia mo- 
nachorum entsprechenden MGnchsviten. Die andere Gruppe bietet die 
Historia Lansiaca in einer interpolierten Form, und zwar erscheint in 
einigen Handschriften die Historia monachorum eingearbeitet, in an- 
deren rein mechanisch angehängt und endlich in anderen teils ein- 
gearbeitet, teils angehängt ^^). Da nun aber gerade die ältesten 
Handschriften fast ausnahmslos nur die nichtinterpolierte Form der 
Historia Lausiaca enthalten und daneben die Historia monachorum 
mit Prolog und Epilog als selbständige Schrift darbieten — und 
diese üeberlieferung lässt sich bis ins Jahr 532 verfolgen ^^) — , so 
ist der Schluss berechtigt, dass die in den späteren Handschriften, 
sowie bei Ducaeus und Hervet uns begegnende, der Historia Lausiaca 
einverleibte Historia monachorum Rufins nicht als eine von Palladius 
selbst bewerkstelligte Zuthat, sondern vielmehr als eine Einschaltung 
späterer Interpolatoren und Abschreiber anzusehen ist. 

Anlangend die Herstellung des ursprünglichen Textes der Hi- 
storia Lausiaca, so kommt Preuschen zu dem Resultat, dass sich 
das Ursprüngliche des stark überarbeiteten Palladiustextes am 
besten aus dem Codex Parisinus gr. 1628 sc. XIV. chart., der alten 
lateinischen Heraklidesübersetzung und der syrischen, zum Teil in 
sehr alten Handschriften vorliegenden Uebersetzung herstellen lässt. 
Dabei rühmt Preuschen besonders den so eben genannten Codex Pa- 
risinus als den relativ besten Repräsentanten nicht blos des ursprüng- 
lichen Textes, sondern auch der ursprünglichen Disposition der Hi- 
storia Lausiaca ^^) und schliesst den textkritischen Abschnitt mit den 
Worten SS): »So dürfen wir wohl annehmen, dass wir im wesent- 
lichen die Historia Lausiaca noch ebenso besitzen, wie sie aus der 
Hand des Verfassers hervorging. Palladius hat in ihr, wie er in 
seiner Vorrede es versprach, Asketen und Asketinnen sowohl des 
Morgenlandes wie des Abendlandes behandelt. Er ging dabei nach 



30) Preuschen a. a. 0. 8. 137 ff., 8. 211 f. 

31) Preuschen a. a. 0. 8. 163. 

32) Ebendas. 8. 211 ff., 247 ff. 

33) Ebendas. 8. 254-255. 



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Das egypU Mönchium im 4, Jahrh. 89 

der geographischen Ordnung vor , wenn er auch die Erzählung nicht 
wie Bufin in die Form eines Reiseberichtes kleidete; und er teilte 
den Stoff so, dass er zunächst von den Männern und dann von den 
Frauen redete. Die Schrift ist dann — zu welcher Zeit, lässt sich 
nicht mehr ausmachen, aber jedenfalls bereits ziemlich frühe — um- 
gearbeitet worden und zwar so, dass der zweite, von den Frauen 
handelnde Teil zerschnitten und die einzelnen Stücke in der geographi- 
schen Ordnung jeweils hinter die die Männer besprechenden Ab- 
schnitte geruckt wurde. Dabei sind verschiedene Kapitel von ihrem 
Platze geraten und an einer der geographischen Anlage des Werkes 
zuwiderlaufenden Stelle eingesetzt worden. Diese Becension liegt in 
der Bec. M {= Meursius) vor. Eine abermalige Umarbeitung ver- 
mehrte die Historia Lausiaca beträchtlich durch die Einschaltung der 
griechischen üebersetzung der Historia monachorum des Bufin und 
suchte ausserdem wieder eine sachgemässere Disposition durch 
strengere Durchführung der geographischen Ordnung und abermalige 
Scheidung der beiden Teile durchzuführen. Da dieser Versuch, wie 
es scheint, ohne Eenntniss von der ursprünglichen Gestalt unternom- 
men wurde, sind einzelne Versehen dabei passiert. Diese Form liegt 
in der Bec, H (= Hervet) vor. Starke Verkürzungen haben dann 
die Schrift auf einen ziemlich geringen Umfang gebracht. Solche 
Auszüge liegen in der zweiten alten lateinischen Üebersetzung (bei 
Bosweyd, Vitae patrum II App. p. 984 seq.) und in der Gruppe von 
Handschriften vor, die oben durch V^ und V» (Cod. Vindob. bist 
gr. 84 und 9) repräsentiert ist.€ 

Aus dem Gesagten ergiebt sich auch, dass Sozomenus und So- 
krates für die Geschichte des Mönchtums (bes. des egyptischen) nur 
als sekundäre Quellen in Betracht kommen. Sozomenus entnahm, 
wie er selbst erklärt, zum grossen Teil aus einem Geschichtswerk 
eines gewissen Timotheus , der sich wiederum auf die Historia mon. 
des Bufin stützte ^^). Auch finden wir in den mönchsgeschichtlichen 
Nachrichten des Sozomenus sogar in Bezug auf Wortlaut und Wahl 
der Ausdrücke Uebereinstimmung mit Palladius >^) ; doch will 
Freuschen nicht entscheiden, ob Sozomenus den Palladius direkt be- 
nutzte oder eine Quelle reproducierte, welche ihrerseits aus Palladius 
geschöpft hatte. Socrates bezeichnet in seiner Eirchengesch. IV, 23 
eine Schrift (fAovoßißXog) des Palladius als Mönchsgeschichtsquelle ; 
doch hat er die Historia Lausiaca spärlich benutzt ; möglich ist, dass 
ihm eine Sammlung der Thaten und Beden von Mönchen vorlag, 

84) S. oben S. 87. 

35) Freuschen a. a. 0. S. 180 f. und S. 224 f. 



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90 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh, 

die nach Art der Apophthegmensammlungen eiogerichtet war and 
den Namen des Palladius trug, wie dies auch in manchen vorhan- 
denen Handschriften der Fall ist. 

Eine wertvolle Ausbeute zumal für das innere Mönchsleben 
bieten auch die reichen Apophthegmensammlungen; da diese Lite- 
ratur zu den vielgelesenen Volks- und Elosterbüchern gehörte, so 
sind auch viele mehr oder weniger von einander abweichende Hand- 
schriften derselben auf uns gekommen. Ihr Orundstock beruht auf 
den in den Klöstern des 4. und 5. Jahrh. angefertigten Mönchsviten 
und lag schon zum Teil dem Rufinus und Palladius vor. Auch 
Johannes Moschus (gest. 619 od. 620) kannte eine solche Sammlung 
unter dem Titel BtßXtov yepovtixov (c. 55 u. 56) und 'AitofpHyiia'ca töv 
dytiov TCttTlpiov (c. 112). Der Frage nach der Abfassungszeit und dem 
Quellenverhältnis derselben ist man noch nicht näher getreten b^). 

Zu dieser Literatur gehören auch die Yerba seniorum, welche 
Bosweyd 1615 zu Antwerpen in lateinischer Uebersetzung veröffent- 
lichte 3^). Die kürzere Becension derselben soll nach ihm von Bufin 
herrühren; die längere ist von den römischen Diakonen Pelagius 
und Johannes aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt. Sie 
enthalten verschiedene aus dem Leben der alten Mönche gezogene 
und nach den Gegenständen geordnete Lehrsprüche. Ein ähnlicher 
Stoff ist in den Apophthegmata Patnim , welche von Cotelerius im 
III. Bande seiner Monumenta Bcclesiae graecae 1685 griechisch und 
lateinisch herausgegeben wurden '^), behandelt und in alphabetischer 
Beihenfolge der besprochenen Mönche geordnet. Die jüngste Publi- 
kation Amelineaus in seinem Werke »Monuments pour servir ä 
rhistoire de TEgypte chr^tienne. Histoire des monast&res de la Basse- 
Egypte. Vies des Saints Paul, Antoine, Macaire etc. Texte copte 
et traduction iTan9aise (Annales du Mus^e Guimet, T. XXV Paris 
1894)« unterscheidet sich nicht wesentlich von den eben erwähnten 
Apophthegmensammlungen. 

§. 6. Lage und Einrichtung der MönchsJcoIonieen und Monasterien 
im nitrischen Oebirge, in den Kdlien und der shetischen Wüste, 

Der südlich von Alexandrien an der Westseite des Nildeltas 
sich hinziehende Wüstensaum war ein salzhaltiges Steppenland, in 



86) Einige kritische Bemerkungen finden sich bei Flosa in der schon 
oben citierten Schrift (bei Migne, s. gr. t. 34 col. 15 sqq.)> 

37) Bei Miqne, s. 1. t. 73. 

38) Bei Migne, s. gr. t. 65 als Appendix ad Palladiam. 



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Das egypt Mönchium im 4. Jahrh, 91 

welchem wasserarme Felder mit Felsgestein abwechselten^). Der 
nördliche bergige Teil dieser Wüste hiess nitrisches Gebirge (mens 
Nitriae), weil in der Nähe ein Dorf lag, in welchem Nitren gesam- 
melt wurde. Dieser Name war nach Bufiu*) providenziell, indem in 
jenen Gegenden die Sünden der Menschen, wie durch das Nitren der 
Schmutz, getilgt und abgewaschen werden sollten. Hier lagen die 
nitrischen Mönchskolonieen , von Alexandrien 40 römische Meilen 
entfernt ^) und vom Mareotissee in anderthalb Tagen zu erreichen ^). 
Sie galten in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts als die be- 
rühmtesten Monasterien Egyptens und erfreuten sich zahlreicher Be- 
suche nicht blos egyptischer, sondern auch ausländischer Christen 
jeden Standes. Wir besitzen von den Autopten Bufinus^) und Pal- 
ladius ^) eine eingehende Schilderung dieser Mönchskolonieen und 
gewinnen daraus ein anschauliches Bild über die Lage und Ein- 
richtung derselben in den letzten Decennien des 4. Jahrhunderts. 
Nach Bufin befanden sich im nitrischen Gebirge etwa 50 dicht an 
einander gebaute Mönchswohnungen oder Hütten (tabernacula , bei 
Sozom. VI, 36 {iovoeaxi^pia) ; dieselben waren aus gebrannten Ziegel- 
steinen gebaut, hatten manchmal einen Brunnen neben sich und 
waren mit einer Mauer umgeben 7); in ihnen wohnten die Mönche 
teils in grösserer, teils in geringerer Zahl zusammen, einige auch 
allein ^). Ob die Zahl der Mönche im nitrischen Gebirge, wie Pal- 
ladius berichtet, insgesamt fünftausend betrug, wollen wir dahin- 
gestellt sein lassen. Möglich ist, dass in dieser Zahl auch die 
Mönche der angrenzenden, nach Süden liegenden, inneren Wüste mit- 
einbegriffen waren. Immerhin bleibt zu bedenken, dass nach Hiero- 
nymus im Jahre 375 an 5000 nitrische Mönche zu Soldaten zwangs- 
weise ausgehoben wurden^). Auch die folgenden aus Palladius ent- 
nommenen Daten setzen sehr umfangreiche Mönchsansiedlungen vor- 

1) Makrizi (arab. Schriftsteller des 15. Jahrb.), Gesch. der Kopten, 
übers, von Wüstenfeld. Goetting. 1845 S. 109 f. ; »Ad Wadi Habib quod at- 
tinet, id quod et Wadi-1-Natrün vel planities Schihät vel planities Asquit vel 
Mizän-el-Colüb vocatar, olim centum ibi monasteria erecta erant, ex c^nibas 
postea Septem Occidentem versns ad latus planitiei regionibus el-Buheira et 
el-Fejjum interiacentis sita, ubi campi arenosi solum sale plenum, agri aquae 
egeni praerupta saxa excipiunt, remanserunt. (Migne, s. gr. t. 34 col. 169). 

2) Hist. monach. c. 21; vgl. Sozom. VI, m. 

3) Ebendas. 

4) Hist. Laus. c. 7 (Migne, 1. c. col. 1019). 

5) Hist. monach. c. 21. 

6) Hist. Laus. c. 7 (Migne, 1. c. col. 1019—1020). 

7) Hist. mon. c. 23. 

8) Vgl. auch Hist. Laus. c. 7 : >'Ev cS op£i o?xouaiv avSps? w; TcsvtaxKr/^CXioi, 
otttvec Biaf6poM^ iy(pM<si icoXitsfa^, Ixaoro; (o^ biivaToii xa\ u>; ßoüXetai * d>{ l^etvat xol 
ftdvov uivEiv, xai Seüteoov, xa\ tcoXXotcöv.c 

9) S. oben S. 67. 



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92 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh. 

aus. So waren in Nitria zur Herstellung des Brotes sieben Back- 
stuben vorhanden. Auch eine sehr geräumige Kirche lag in diesem 
Gebirge; von den acht Priestern, welche derselben vorstanden, 
brachte der älteste das Opfer dar, hielt die Homilie und übte 
die Jurisdiktion aus, während die übrigen ihm nur Assistenz 
leisteten. Wegen der zahlreichen Besuche von auswärts war an die 
Kirche ein Fremdenhaus angebaut. Unter den Mönchen fanden sich 
auch Aerzte, welche von frühem Morgen bis zur neunten Stunde die 
Kranken in den Zellen besuchten. Zur Labung der Kranken ver- 
wendeten sie Wein*®), der in Nitria angebaut wurde; auch wurde 
derselbe verkauft; denn, wie wir noch später zeigen werden, ge-' 
nossen die Mönche gewöhnlich keinen Wein. — Müssiggang war ver- 
pönt ; jeder Mönch musste sich das zum Lebensunterhalt Notwendige 
durch eigene Thätigkeit verschaffen, selbst die linnene Kleidung. Die 
Arbeit dauerte bis zur neunten Tagesstunde ; alsdann hörte man in 
den einzelnen Mönchshütten Hymnen und Psalmen zur Ehre Christi 
singen und Gebete zum Himmel emporsteigen, so dass man nicht 
mehr auf der Erde, sondern im Paradiese zu sein vermeinte. Ge- 
meinsamer Gottesdienst und gemeinsames Gebet fand nur an den 
Sonn- und Samstagen statt. Im Bereiche dieser Möncbskolonieen 
herrschte eine strenge Disciplin, der auch die im Fremdenhaus be- 
herbergten Gäste unterworfen waren. Diese durften wohl 2—3 Jahre 
in der Mönchsgemeinde verweilen; jedoch nur eine Woche lang ohne 
Beschäftigung. Alsdann wurden sie zur Arbeit im Garten oder im 
Backhaus oder in der Küche des Hauses angehalten; wissenschaft- 
lich gebildeten Gästen gab man auch Bacher zum Studium ; doch 
mussten sie bis zur sechsten Stunde Stillschweigen beobachten. In 
der Kirche, die ohne Dachstuhl war, standen drei Palmen, an deren 
jeder eine Geissei aufgehängt war, nämlich die eine zur Züchtigung 
der fehlenden Mönche, die andere zur Bestrafung der Räuber, welche 
die Gegend unsicher machten und eine dritte für die Fremden, 
welche sich etwas zu Schulden kommen Hessen. Der abgeurteilte 
Delinquent musste die Palme umfassen und erhielt die bestimmte 
Zahl Geisseihiebe. 

Zehn Meilen südlich vom nitrischen Gebirge ^^) lag in der 
tieferen Wüste, in der Richtung nach Libyen **) zu, der Ort Cellia 

10) Hist. Laus. c. 7: »'£v toütco x& opst xa\ ?aipo\ Si&y^^^^ ""-^ TcXaxouvt^ptot. 
K^XpTjVtai h\ xol oTvfj), xa\ TriTcpaaxsTai otvo? (Migne, 1. c. col. 1020). 

11) Buf. Hist. moD. c. 22. 

12) Hist. Laus. c. 19 n. 20 (Migne 1. c. col. 1059: »(x(av £?$ Aißüv)v eU xa 
XsYÖfxsva KAXia.« Vgl. auch Migne, 1. c. col. 189. Die Hervetsche Uebersetzung 
dieser Stelle (Migne, 1. c. col. 1061) ist falsch. 



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D<is egypt MOnchtum im 4. Jahrh» 93 

{KiXkio); dort Hessen sich die Mönche aus Nitria nieder, welche in 
der Ascese hinlänglich erprobt waren und das Verlangen hatten, ein 
ganz verborgenes Leben zu führen. Die Zellen (xiXXta), in welchen 
diese Einsiedler lebten, waren soweit von einander entfernt, dass 
man sich gegenseitig weder sehen noch hören konnte. In dieser 
Zellenwüste herrschte ein ständiges Stillschweigen; gegenseitige 
Besuche waren verpönt, ausser wenn ein Mitbruder der Belehrung 
oder Tröstung bedurfte. Samstags und Sonntags kamen alle diese 
Einsiedler in ihrer Kirche zusammen, zu deren Erreichung manche 
einen Weg von 3 — 4 Meilen zurückzulegen hatten. Fehlte einer bei 
der gottesdienstlichen Feier, so erkannte man, dass er erkrankt sei; 
die Mitbrüder besuchten ihn alsdann zu verschiedenen Zeiten und 
brachten ihm die notwendige Erquickung. Ueberhaupt waren diese 
Mönche von solcher Dienstfertigkeit und Nächstenliebe erfüllt, dass 
sie neu ankommenden Mönchen ihre eigenen Zellen überliessen und 
sich selbst neue bauten. Die Zellenwüste ist als ein Teil jener 
furchtbaren Wildnis zu betrachten, welche sich im Süden des nitri- 
scben Gebirges bis an Aethiopien, das Mazikenland und Mauretanien 
erstreckte ^^) und den Namen sketische Wüste ^^) (Hxi^xtc, 2xia&tc, bei 
Ptolemaeus Sxia^txT) x^P^) führte. Auch in dem nach Memphis zu 
gelegenen Teile derselben befanden sich Mönchszellen. Um an einen 
Ort derselben, Scithium genannt, zu gelangen, brauchte man von 
Nitria aus einen Tag und eine Nacht Man musste die Reise nach 
dem Laufe der Oestirne einrichten, da nicht die geringste Spur von 
Weg vorhanden war. Das Leben der Mönche in dieser Wildnis 
war mit grossen Entbehrungen verbunden, da Wasser daselbst nur 
selten zu finden war und das vorhandene einen üblen, pechartigen 
Geschmack hatte ^^). Bei Klimax in dieser Wüste Scete fristete 
der Mönch Ptolemaeus, dessen späteres Leben einen tragischen Aus- 
gang nahm, durch 15 Jahre dadurch sein Leben, dass er den im 
December und Januar reichlicher fallenden Tau mit Schwämmen 
aufsammelte und in irdenen Gemsen aufbewahrte^^). Die Zellen in 
dieser Wüste waren zum Teil ganz primitiver Art; sie waren in 
Felsen gehauen und mit einem Holzdache versehen ^''). 



13) Hist. Laus. c. 7: »''Qi opsi Tcapoxeitai ^ 7cav^p7)[jioc Tcapaxefvouaa Eco^ 
A?d(07c{a; xol Tü)v Mal^{xü>v xa\ ttj; Maupixav^a;. 

14) Hist. Laus. c. 19 (Migne, 1. c. col. 1043) : »e?c t9)v EpY)(i.ov t^v lv8ot<SsT(o, 
-ri^v xaXoüjii^vTiv SxTJTiv.c 

15) Buf. Hist. mon. c. 29 (Bligne, s. lat. t. 21 col. 453). 



16) Hist. Laus. c. 83 (Migne, s. er. t. 34 col. 1092). 

17) Verba Seniorum, Rosweydi VV. PP. üb. HI c 195 p. 528 sq. 



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94 Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh. 

§, 7. Die bekanntesten Mönche im nitrischen Gebirge. Amun der 
Gründer der nitrischen Mönchskolonieen. 

Der Gründer der Mönchskolonieen im nitrischen Gebirge war 
Amon^) ('Afxfxouv). Seine reichen Angehörigen widersetzten sich 
seiner Neigung zur ascetischen Lebensweise und zwangen ihn in 
seinem 22. Lebensalter zur Eingehung der Ehe; doch gelang es 
ihm noch am Hochzeitstage, seine Frau zum enthaltsamen Leben za 
bestimmen. Nach achtzehnjährigem Zusammenleben^) trennten sich 
die beiden Eheleute mit gegenseitigem Einverständnis. Während 
die Frau ihr Haus in ein Juiigfrauenheim verwandelte, zog Amon 
in das nitrische Gebirge und führte dort noch ein zweiundz wanzig- 
jähriges Büsserleben. Seine Persönlichkeit ward der Anziehungs- 
punkt vieler Mönche, welche sich in Nitria in dicht neben einander 
liegenden Zellen niederliessen. Er war zwar kein unmittelbarer 
Schüler des hl. Antonius, doch stand er mit diesem in inniger Be- 
ziehung. Die Vita Antonii (c. 60) erwähnt seine Besuche bei 
Antonius, der den Nitrioten sehr hochschätzte. Nach derselben Vita 
erhielt der noch lebende Antonius eine innere Offenbarung über das 
Hinscheiden des von ihm 13 Tagereisen entfernt wohnenden Nitrioten 
Amon 8); der Tod des letzteren ftUt also vor das Jahr 356. 

Aus dem Gesagten erklärt es sich, dass manche Schüler des 
Antonius sich unter die Leitung des Amon stellten. Als Palladius 
etwa um das Jahr 385 nach Nitria kam *), fand er daselbst die hoch- 
betagten Mönchsväter Arsisius, Putubastus, Chronios, Asien ^) und 
Serapion; sie waren noch Zeitgenossen des hl. Antonius. Arsesius, 
der hervorragendste unter ihnen, rühmte sich nicht Aur Amon son- 
dern auch Pachomius gekannt zu haben. Der eben genannte Chro- 
nios wird wohl mit dem von Palladius im 25. Kapitel«) er- 
wähnten nitrischen Presbyter und Antoniusschüler Chronios identisch 
sein. Derselben Mönchsgruppe gehörten nach Bufinus^ Didymus 

1) Eist. mon. c. 30, Hist. Laus. c. 8, Sozom. I, 14, Socrat. IV, 23. 

2) Diese bestimmte Zeitfrist findet sich bei Palladius und Sozomenus, 
bei Kufinus heisst es blos plniimo tempore, während die griechische Version 
der Bufinschen Hist. mon. c. 29 (Preuschen a. a. 0. S. 90) den Amon sich schon 
nach einigen Tagen ({xex'oö tcoXXoc? V^P*0 ^^^ seiner Frau trennen lasst. 

3) Bei Palladius (Migne, s. gr. t. 34 col. 1026) erscheint der Bericht 
des Athanasius (Vita Ant. c. 60) über das Hinscheiden des Amon und die 
Schamhaftigkeit desselben konfundiert, während Sozomenus in üebereinstim- 
mung mit Athanasius die beiden Episoden auseinander hält. 

4) Hist. Laus. c. 7 (Migne, 1. c. col. 1020). 

5) So lautet der Name nach Cod. Parisinus gr. 1628 sc. XIV chart.; 
andere Handschriften, sowie die Hervetsche Uebersetzung haben 'Ayiwv, Sozo- 
menus VI, 30 'Apaitov. 

6) Migne, 1. c. col. 1068. Vgl. Rufin. Hist. mon. c. 25. 

7) Hist. mon. c. 24 u. 26. Vgl. Sozom. VI, 30. 

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Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh. 96 

(nicht identisch mit dem berühmten blinden Didymus von Alexan- 
drien) und der Antoniusschaler Origenes an. Während Palladius 
die oben erwähnten Mönchsväter von Nitria nur dem Namen nach 
nennt, widmet er dem hochangesehenen Mönchsvater Pambo einen 
besonderen Abschnitt^). Auch dieser Nitriot gehörte zu den unmit- 
telbaren Schülern des hl. Antonius, wie dies Bufinus^) bezeugt. Es 
wird ihm von Palladius eine grosse Verachtung der irdischen Güter 
nachgerühmt. Als die fromme Bömerin Melania nach Nitria kam 
{etwa nach 371) und ihm 300 Pfund Silber schenkte, gab er einem 
seiner Mönche sofort den Auftrag» diese Gabe an die bedürftigen 
Brüder Libyens und der Inseln zu verteilen, ohne dieselbe auch 
nur eines Blickes zu würdigen. Der Spenderin, welche ein beifälliges 
Wort von ihm erwartete und ihn auf den hohen Wert des Geschen- 
kes aufmerksam machen zu müssen glaubte, erwiderte er: »Meine 
Tochter, derjenige, dem du dies gegeben hast, bedarf nicht erst, 
dass man ihm das Gewicht vorrechne; denn er, der die Berge und 
Hügel mit der Wage abwog, weiss um so mehr, wie viel dein Silber 
betrug. Würdest du dasselbe mir schenken, so thätest du recht, 
mir das Gewicht anzugeben; da du es aber Gott gewidmet hast, 
welcher nicht einmal die beiden Heller der Witwe übersah, sondern 
sie höher schätzte, als alle andere Opfer, so schweige.« Wie Pambo 
zu Lebzeiten des hl. Athanasius auf dessen Bitten in Alexandria 
für die Gottheit Christi Zeugnis ablegte ^<'), so erlitt er auch als 
treuer Anhänger des nicänischen Glaubensbekenntnisses die Verban- 
nung, als nach dem Tode dieses Patriarchen (373) der arianische 
Bischof Lucius mit Hilfe der Staatsgewalt die Mönche der nitrischen 
Mönchskolonieen zersprengte; doch durfte Pambo samt den übrigen 
Mönchen nach einiger Zeit in die Wüste zurückkehren. So erzählt 
Bufinus, der als zeitweiliger Bewohner der nitrischen Wüste Leidens- 
genosse dieser Mönche war und sich zur Ehre anrechnete, von Pambo 
den Segen empfangen zu habendi). Der Tod des 60 Jahre alt ge- 
wordenen Pambo fällt in die Jahre 371—374, als die oben erwähnte 
Melania noch in Nitria weilte ^'). Zur Charakteristik dieses Mönchs- 
vaters mögen noch die Worte dienen, die er in seiner Todesstunde 
an seine Schüler richtete: »Seit ich in diese Wüste kam und hier 



8) Bist. Laas. c. 10 (Migne, 1. c. col. 1028 sq.). 

9) mst. eccl. n, 4. 

10) Socrat. IV, 23. 

11) Bafin. bist. eccl. II, 8 n. 4; vgl. auch Sozom. VI, 20. Dass auch der 
Kaiser Valens dieser Verfolgung dnrch ein Gesetz Nachdruck verlieh, berichtet 
:Socrates (IV, 24 zu Anfang). Der Wortlaut dieses Gesetzes findet sich oben S. 67. 

12) Preuachen a. a. 0. S. 238. 



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96 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh, 

meine Zelle erbaute, verging kein Tag, an dem ich nicht mit meinen 
Händen eine Arbeit verrichtet hätte, noch erinnere ich mich, von 
irgendjemandem ein Stacklein Brod angenommen zu haben, noch 
reat mich in dieser Stunde ein Wort, das ich gesprochen ; und doch 
gehe ich jetzt zu Gott, ohne dass ich angefangen habe, gottes- 
fQrchtig zu sein.€ Palladius, der erst im Jahre 385 nach Nitria 
kam, traf den Pambo nicht mehr am Leben; dagegen sah er noch 
den achzigjährigen und durch das Charisma der Erankenheilung be- 
rühmten Mönch Benjamin ^>), der acht Monate vor seinem Hin- 
scheiden an Wassersucht erkrankte. Mit welchem Gleichmut der 
todkranke Benjamin sein schweres Leiden ertrug, beweisen die de- 
mütigen und gottergebenen Worte, welche er an Palladius und dessen 
Begleiter Dioskur, den nitrischen Presbyter und späteren Bischof von 
Hermopolis, richtete: »Betet für mich, meine Söhne, damit nicht auch 
mein innerer Mensch wassersüchtig werde; denn was diesen Leib be- 
trifiR; , habe ich mich nicht gefreut , wenn er gesund war, und nicht 
betrübt, wenn er krank war.c Ein Zeitgenosse der genannten Mönche 
und Mitbewohner des nitrischen Gebirges war endlich der Mönch 
ApoUonius ^^). Er war ursprünglich Kaufmann; da er erst im vor- 
gerückten Alter der Welt entsagte und deshalb weder ein Handwerk 
noch die Wissenschaften erlernen konnte, so suchte er sich durch 
Ausübung der Arzneikunde auf Nitria nützlich zu machen. Er hatte 
Arzneien aus Alexandria sowie andere den Kranken zuträgliche 
Nahrungsmittel und besuchte durch 20 Jahre täglich vom frühesten 
Morgen bis zur Non die Kranken in den nitrischen Monasterien; 
vor seinem Tode übergab er einem gleich erfahrenen Mönche seine 
Apotheke. 

Einer jüngeren Mönchsgruppe gehörten die vier Brüder, Am- 
monius, Dioskurus, Eusebius und Euthymius an^^). Sie erbauten 
sich auf Nitria ein Monasterium und stellten sich unter die Leitung 
des Mönchsvaters Pambo, während ihre beiden Schwestern in einiger 
Entfernung ein eigenes Monasterium bewohnten. Sie hiessen wegen 
ihrer ungewöhnlichen Körperlänge die langen Brüder und zeichneten 
sich durch Wissenschaft und ascetischen Wandel aus. Der hervor- 
ragendste unter ihnen war aber Ammonius, der die hl. Schrift aus- 
wendig wusste und als der beste Kenner des Origenes, Didymus, 
Pierius und Stephanus galt. Ihr Tod fällt schon in den Anfang dea 



13) Eist. Laus. c. 18 (Migne, 1. c. col. 1084), Sozom. VI, 30. 

14) ffist. Laus. c. 14 (Migne, 1. c. col. 1085), Sozom. VI, 29. 

15) ffist. Laus. c. 10 (Anfang), c. 12 (Migne 1. c. col. 1028 seq.) Sozom^ 
VI. 30. 



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Das egypt Mönchtum im 4, JcLhrh* 97 

5. Jahrhunderts; über ihre letzten Lebensschicksale sowie über ihre 
Anteilnahme an dem ersten origenistischen Streite (394—404) wer- 
den wir in einem der folgenden §§ sprechen. 

§. 8. Die hervorragendsten Mönche der sketischen Wüste. Mäkarius 

der Egypter, 

Makarias der Egypter^), war nach Cassian (coli. 15, 3) der 
erste, welcher die sketische Wüste als Mönch bewohnte. Jedenfalls 
aber wurde durch ihn diese südlich von Nitria gelegene Wüstenei 
zu einem bedeutenden Sammelpunkte von Mönchen erhoben, weshalb 
ihm auch Palladius (Eist. Laus. c. 19) den Beinamen des Grossen 
beilegt. Der genannte Mönchsgeschichtsschreiber sowie Rufinus 
beginnen die Gesten des Mäkarius mit seiner Ankunft in die sketische 
Wüste ; aus der Apophthegmenlitteratur ^) erfahren wir dagegen, dass 
Mäkarius schon von früher Jugend an als Ascet in einem egyp- 
tischen Dorfe lebte, wo man ihn zur Annahme der Priesterweihe 
zwang; darnach verliess er heimlich diese Gegend und wählte einen 
anderen Ort zur Fortführung der ascetischen Lebensweise. Doch 
wurde hier seine Ruhe bald gestört, indem ein schwanger gewor- 
denes Mädchen des Nachbardorfes ihn als Entebrer anklagte. Man 
schalt ihn als einen Heuchler, der seine Sittenlosigkeit unter dem 
Kleide eines Asceten verberge, und schleifte ihn unter Misshand- 
lungen durchs Dorf; er ertrug aber nicht Mos diese Vorwürfe still- 
schweigend, sondern sorgte auch für den Lebensunterhalt der falschen 
Anklägerin, bis diese, bei der Entbindung von fürchterlichen Schmer- 
zen geplagt, seine Unschuld offenbarte. Da die Dorfbewohner ihm 
jetzt öffentlich Beweise der Verehrung und Bewunderung erweisen 
wollten, floh er in die sketische Wüste. Nach Palladius (Hist. 
Laus. c. 19) geschah diese Wüstenflucht im dreissigsten Lebensjahre 
des Mäkarius. Es müssen schon damals in diesem Wüstenteil 
Mönche vereinzelt gewohnt haben; denn es wird uns berichtet, dass 
er, der jüngere, nach zehnjährigem Aufenthalte daselbst wegen seiner 
Strenge von den älteren Mitbrüdern den Beinamen Jugendgreis 



1) ffist. Laus. c. 19 (Migne, 1. c. col. 1043 seq.). Sozom. VI, 29, 
Socrat. IV, 18. 

2) CoteleriuSf Eccl. Graec. Monnm. Tom. I p. 524 seq. (Migne, s. gr. 
34 col. 236 seq.); cf. Vitae Patrum Rosweydi lib. III c. 99; Hb. V libell. 15, 25. 
— Bei Palladius (hist. Laus. c. 19) heisst es: »Teaaapaxovxagt^j yap Y6vöp.6vo{ 
xata «vsujjLÄTcüV IXaßev IfouaiaaiixV 5ü'vap.iv )ca\ x^apiafia Ioul&twv xa\ TTveojAa Tcpo^f ijastav. 
KaxTiSieodt) 81 xa\ t^; IvtCulou Upw(ji>v7j5.« Der zweite Satz ist parenthetisch auf- 
zufassen, und man ist durchaus nicht berechtigt, die vorausgehende Zeitbestim- 
mung auch auf die Annahme des Priestertums auszudehnen, wie es Sozomenus 
III, 14 gethan hat. 

Sohiwietz, Mönohtum. 7 



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98 Das egypL Mönchtum im 4. Jahrh, 

(icatdapioT^piov) erhielt. Auch wurde ihm in seinem vierzigsten 
Lebensjahre das Charisma der Heilungen und der Geist der Weis- 
sagungen zu teil. Nicht blos Mönche, sondern auch andere Leute 
kamen zu ihm aus weiter Ferne, um in ihren leiblichen und geist- 
lichen Anliegen getröstet zu werden. Die Mönche, die sich unter 
seine Leitung stellten, wohnten, gleich den Schülern des hl. Antonius, 
zerstreut in der Wüste ; dass die Zahl der Mönche in der sketischen 
Wüste nicht gering war, geht daraus hervori dass Makarius für dieselben 
einen eigenen Gottesdienst hielt. Nur zwei Schüler blieben in seiner 
nächsten Nähe ; der eine stand dem Makarius wegen der zahlreichen 
Besuche zur Seite und teilte mit ihm dieselbe Zelle, während der 
andere in einer besonderen Zelle wohnte, unter seiner Zelle hatte 
sich Makarius einen unterirdischen , eine halbe Stadie langen Gang 
gegraben , der in eine Höhle mündete ; wenn ihm der Andrang der 
Leute zu lästig wurde, pflegte er sich dorthin zurückzuziehen und 
je 24 Gebete auf dem Hin- und Rückwege zu verrichten. Es ist 
sehr fraglich, ob Makarius ein Schüler des hl. Antonius war; zwar 
bezeugt dies Rufinus') ausdrücklich; doch Sokrates^), der den Rufin- 
schen Bericht über Makarius ziemlich wörtlich ausschreibt, lässt 
gerade diesen Passus aus, der den Makarius als Junger und Erben 
der Gnaden und Tugenden des hl. Antonius bezeichnet. Dazu kommt, 
dass den Apophthegmen zufolge der als Ascet in der Nähe eines 
ägyptischen Dorfes wohnende Makarius sich direkt nach der Wüste 
Sketis begab. So viel ist aber laut derselben Quelle sicher, dass 
unser Makarius den ungeßlhr 13 Tagereisen entfernt weilenden An- 
tonius zu besuchen pflegte^). In Bezug auf Speise und Trank übte 
Makarius die strengste Ascese bis ins hohe Alter hinein. Zwar ver- 
suchten die Mönche dieselbe zu mildern, indem sie dem greisen Vater 
manchmal anlässlich eines Besuches Wein zur Erquickung vorsetzten ; 
aber er pflegte alsdann für jedes getrunkene Glas Wein einen ganzen 
Tag keinen Tropfen Wasser zu sich zu nehmen. Ein Schüler , der 
um dies Geheimnis wusste, sprach darum zu den Brüdern: >Ich 
bitte euch um Gottes willen, gebt ihm doch keinen Wein mehr; 
denn er dient ihm nur später zur Pein in seiner Zelle.c Als die 
Brüder dies erfuhren, gaben sie ihm fernerhin keinen Wein zu 
trinken«). Von seiner Arbeitsamkeit zeugt folgende Episode^): 

3) Hist. monach. c. 28. 

4) Hist. eccl. IV, 23. 

5) Vitae Patr. Rosweydi lib. V. libell. 7, 9; Cotelerius, Eccl. Graec 
Monnm. Tom. I (Migne, s. gr. 34 col. 211, 252). 

6) Vitae Patr. Rosw. lib. IH, c. 58, lib. V libell. 4, 26, Cotelerü Apoph. 
thegmata sennm bei Migne, 1. c. col. 245. 

7) Vgl. oben Note 5. 



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Das egypt Mönchfum im 4, Jahrh, 99 

»Makarius kam einst zum Abte Antonius auf den Berg. Als er 
angeklopft hatte, ging Antonius zu ihm hinaus und sagte: »Wer 
bist dtt?€ Jener antwortete: »Ich bin Makarius.€ Antonius ging 
in seine Zelle, schloss die Thür zu und liess ihn draussen stehen. 
Da er nun seine Geduld erkannte, machte er ihm auf, empfing ihn 
mit aller Freude und sagte : »Seit langer Zeit hätte ich das sehn- 
lichste Verlangen, dich zu sehen, als ich von dir hörte.c Er erwies 
ihm alle Gastfreundschaft und erquickte ihn mit Speise und Trank; 
denn er war von der Beise sehr müde. Am Abende weichte An- 
tonius einige Palmblätter ein, um einen Strick zu flechten, und 
Makarius sprach zu ihm : »Gieb mir auch Blätter zum Einweichen, 
um etwas zum Arbeiten zu haben.« Antonius erlaubte es, und Ma- 
karius machte sich ein grosses Bündel zurecht und begoss es mit 
Wasser. Sie setzten sich nun abends zusammen, sprachen vom 
Heile der Seelen und flochten einen langen Strick, der durchs 
Fenster bis in die Höhle hinabhing. Als Antonius in der Frühe 
hinausging und den sehr langen Strick des Makarius sah, sprach er: 
»Eine grosse Kraft geht von diesen Händen aus.« Makarius war 
auch ein grosser Liebhaber von kurzen herzinnigen Stossgebeten oder 
Bibelsprüchen und äusserte sich seinen Schülern gegenüber folgen- 
dermassen ^) : »Beim Gebet braucht ihr nicht viele Worte zu sprechen. 
Es ist genug, wenn ihr mit ausgestreckten Händen die Worte wie- 
derholet: »Herr, erbarme dich meiner, wie du willst und weisst!« 
Denn Gott weiss es selbst, was uns frommt.« Dabei war Makarius 
von einseitiger üeberschätzung des Mönchslebens weit entfernt und war 
sich wohl bewusst, dass Weltleute , die ihre Standespflichten aus 
Liebe zu Gott gewissenhaft erfüllen, vor Gott höher stehen als 
manche Mönche. Als ihm darum eine Offenbarung zu teil wurde, 
dass er es in der Vollkommenheit noch nicht soweit gebracht habe 
als zwei in der nächsten Stadt wohnende Frauen, begab er sich so- 
fort zu ihnen und bat sie um Auskunft über ihre Lebensweise. Auf 
sein Drängen erklärten dieselben: »Wir haben uns mit zwei leib- 
lichen Brüdern verehelicht; mit diesen leben wir schon 15 Jahre 
lang in ein und demselben Hause, und noch hat keine der anderen 
ein böses Wort gesagt, noch haben wir jemals einen Streit gehabt, 
sondern bisher im Frieden gelebt; auch baten wir beide unsere 
Männer um die Erlaubnis, in ein Haus von gottgeweihten Jungfrauen 
einzutreten. Da wir aber die Zustimmung derselben nicht erhielten, 
so schlössen wir zwischen uns und Gott das Bündnis, dass keine 

8) Vitae Patr. Rosw. IIb. m, 207, IIb. V libell. 12. 10, Cotelerii 
Apophihegm. bei Migne, 1. c. col. 249. 

7» 



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100 Da$ egypt, Mönchtwn im 4. JährK 

von UDS bis zum Tode jemals ein unnützes Gespräch fahren wolle.c 
In Folge dieses Bescheides that Makarins den Aussprach: »Es ist 
in Wahrheit weder eine Jungfrau noch ein Eheweib, weder ein 
Mönch noch ein Weltmensch, sondern Gott sieht nur auf den Vor- 
satz und teilt allen den Geist des Lebens mit*).€ Für seine zahl- 
reiche Mönchsgemeinde der sketischen Wüste verrichtete Makarins 
bis an sein Lebensende die priesterlichen Funktionen. Ja der 
gottbegeisterte Redner wurde oft von Pambo und dessen Schülern 
eingeladen, um auf Nitria beim Gottesdienste geistliche Vor- 
träge zu halten ^0). So ist denn höchst wahrscheinlich, dass die 
50 geistlichen Homilien (ofiiXiai icveufiaTixai) « welche in mehreren 
Handschriften unseren Makarins als Verfasser bezeichnen ^^) , wirk- 
lich echt sind, wenn auch die altchristlichen Schriftsteller davon 
schweigen und Gennadius (De vir. ill. c. 10) nur ein Lehrschreiben 
des berühmten egyptischen Makarins an jüngere Mönche erwähnt 
Der Verfasser erweist sich in denselben als einen durchaus prakti- 
schen Vertreter der altkirchlichen Mystik. Der Benediktiner Dom 
Geiller fand zwar in ihnen Anklänge an den Pelagianismus ; doch 
lassen sich die dunkleren Stellen derselben durch andere klarere in 
meliorem partem interpretieren. In die letzten Lebensjahre des Ma- 
karius fiel noch die Verfolgung der sketischen und thebaischen 
Mönche durch den nach dem Tode des hl. Athanasius (373) auf den 
alexandrinischen Patriarchenstuhl erhobenen Arianer Lucius ^'). 
Der letztere glaubte sich in seiner Stellung nur durch die Ver- 
nichtung des dem nicänischen Glaubensbekenntnisse ergebenen 
Mönchtums behaupten zu können. Auf Grund eines Ediktes des 
Kaisers Valens wurden die Mönche in der sketischen Wüste zer- 
sprengt, und Makarins der Egypter nebst dem gleichnamigen 
Alexandriner sowie Pambo und Isidor auf eine kleine von Sumpfen 
umgebene Insel Egyptens verbannt. Unser Makarins und seine Ge- 
nossen predigten den heidnischen Bewohnern dieser Insel die Lehre 
des Heiles und bewirkten eine völlige Umwandlung der Insulaner. Das 
gläubige Volk von Alexandria, das von dieser gottgefälligen und ge- 
segneten Wirksamkeit der Mönche erfuhr, klagte Lucius der Unge- 
rechtigkeit und Gottlosigkeit an und brachte es dahin, dass dieser 



9) Vitae Patr. Rosw. üb. 3 c. 97; IIb. 6 libell. 3 c. 17. 

10) Vitae Patr. Bosw. lib. 6 libell. 3 c. 4, lib. 5 libell. 3 c. 9; Cotelerii 
Apophthegm. bei Migne, 1. c. col. 237 und 257* 

11) Andreae Gallandi Prolegomena in vitas et scripta ss. Macarionim 
(Bibl. veter. Patr. antiquorumque script. eccl. T. VII p. III seq.) ab&redr. bei 
Migne, 1. c. col. 369 seq. ^ *- *- i/ s 

12) S. oben S. 95 t 



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2><M egffpt Mönehtwn ifn -L JtUurk. " 101 

aus Furcht vor einem Aufruhr den yerbannten Möncheti die Rück- 
kehr in die Wüste gestattete. Nicht lange darauf starb Makarius in 
der sketischen Wüste in einem Alter von 90 Jahren, wovon 60 Jahre 
auf den Aufenthalt in der Wüste fielen. Als Falladius in diese 
Wüste um das Jahr 386 (385) kam, war Makarius bereits ein Jahr 
tot ; daraus ergiebt sich, dass das Jahr 385 ungefähr als Todesjahr, 
das Jahr 324 als Zeitpunkt der Wüstenflucht uDd das Jahr 294 als 
Geburtsjahr des Makarius zu gelten hat. 

Ausser diesem Makarius lebten nach Palladius noch folgende 
hervorragende Mönche in der sketischen Wüste. Erstens gehörte 
hierher Marcus ^^), der in seiner Jugendzeit das Auswendiglernen 
der hl. Schrift als ascetische üebung pflegte, so dass er das Alte 
und Neue Testament hersagen konnte. Er lebte höchst massig und 
gestattete sich erst im hohen Alter den Genuss von Wein und Gel 
Er stand im hohen Ansehen bei Makarius Alexandrinus, dem be- 
rühmten Presbyter der Zellenwüste (KeXXia) ; behufs geistlicher Be- 
lehrung besuchte ihn auch Palladius während seines Aufenthaltes in der 
sketischen Wüste. Charakteristisch für diesen hundertjährigen Mönch 
Markus ist das naive Gespräch, welches er einmal mit sich selbst 
in seiner Zelle führte, während ihn Palladius dabei vor der Thür 
der Zelle sitzend belauschte: »Markus sprach (zu sich): »Was 
willst du weiter, du böser Alter (xaxörigpe) P Sieh, schon hast du 
Wein getrunken und Gel berührt. Was willst du mehr, du ergrauter 
Vielfrass {%oho<pd^e) und Bauchdiener (xotXiöteuXe), der du dich 
selber mit Schmach und Schande überhäufst Pc und zum Teufel 
sprach er: »Weich von mir Satan! Du bist mit mir in Streit und 
Zank alt geworden, hast mich schwach am Körper gemacht, zum 
Genuss des Weines und Geles gebracht und zum weichlichen Leben 
verleitet. Was bin ich dir noch weiter schuldig? Weich also von 
dannen, du Feind der Menschen! Bei mir findest du nichts mehr 
zu nehmen. € Hierauf sprach er zu sich selbst folgende Worte der 
Aufmunterung und Aneiferung: »Komm her, du alter Possenreisser, 
du ergrauter Fresser und Trunkenbold ! Wie lange werde ich noch 
bei dir bleiben müssen Pc 

Makarius der Junge ^^) (6 vioc) hatte in seiner Jugendzeit beim 
Viehhüten am Mareotissee einen Altersgenossen wider Willen er- 
schlagen und floh, wie einst Moses, aus Furcht vor Gott und den 
Menschen in die Wüste Scetis. Hier lebte er zunächst drei Jahre 



13) Hist. Laus. c. 20 (gegen Schlass), 21 (Migne, s. gr. 34 col. 1065). 
1. VI, "" 



Sozom. Vi, 29. 

1-^ Ibid.^c. 17 (Migne, 1. c. col. 1041). 



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102 ' * * baa eavot. Mönehium im 4, JahrK 

lang unter If wem Himmel ohne Obdach (afOptogi«); nachher erbaute 
er sich daselbst eine kleine Zelle. So ward ihm der unvorsätzliche 
Todschlag Veranlassung zur Tugend, und er sagte dafür zeitlebens 
Qott Dank, wie er es dem Palladius gegenüber versicherte. 

Der aethiopische Mohr Moses ^^) war Sklave eines Staatsbeamten, 
wurde aber wegen seiner schlechten Führung von diesem ans dem 
Dienste gejagt. Nun führte er ein unstätes Leben als Hauptmann einer 
Räuberbande, bis er durch einen Zufall, der ihm begegnete, sich 
bekehrte und als Büsser sich in der Scetis niederliess. Es kostete ihm 
einen gewaltigen Kampf, um seiner durch ein langjähriges Sünden- 
leben tief eingewurzelten Fleischesgelüste Herr zu werden. Zu diesem 
Zwecke genoss er täglich nur 12 Unzen trockenen Brotes, arbeitete 
sehr angestrengt und verrichtete dabei täglich 50 Gebete. Da er 
aber trotzdem des Nachts von bösen Träumen belästigt wurde, 
brachte er 6 Jahre hindurch ganze Nächte stehend im eifrigsten 
Gebete zu. Schliesslich nahm er sich noch eine strengere Lebens- 
weise vor. Er ging nämlich zur Nachtzeit in die Zellen der Mönche, 
welche wegen Alter oder infolge der Anstrengungen erschöpft sich 
nicht mehr selbst das Wasser holen konnten und füllte ihre Krüge mit 
Wasser, das von mancher Mönchszelle aus zwei bis fünf Meilen 
weit geholt werden musste. Doch erst das Gebet des sketischen 
Priesters Isidorus und der öftere Empfang der hl. Communion brachte 
ihm die erwünschte Herzensruhe. Er starb, 75 Jahre alt, in der sketi- 
schen Wüste, wo er auch Priester war und 75 Schüler zählte. 

unter den sketischen Mönchen weilte auch der siebenzigjährige 
Pachon *''). Palladius weilte damals als Schüler des Evagrius Pon- 
tikus in Nitria oder in den Julien, hatte aber ein besonderes Ver- 
trauen zu dem altbewährten Tachon und besuchte denselben in der 
sketischen Wüste, um ihm seinen Gewissenszustand zu offenbaren 
und sich geistlichen Trost spenden zu lassen. 

Der Bgypter Pior*») verliess als Jüngling das Elternhaus, 
stellte sich zunächst unter die Leitung des hl. Antonius und zog 
mit dessen Zustimmung im fünfundzwanzigsten Lebensjahre in die 
Wüste Scetis, von wo aus er auch den Nitrier Pambo zu besuchen 
pflegte. Seine tägliche ganz minimale Nahrung, bestehend aus 
einem halben Pfund Brot und einigen Oliven, genoss er während 
des Gehens. Als Grund dieser ascetischen üebung gab er an: »Ich 

15) Sozom. VI, 29. 

16) Bist. Laus. c. 22 (Migne, 1. o. col. 1065 seq.), Sozom. ibid., Theo- 
doretus, IIb. IV Bist. c. 2L 

17) Bist. Laus. c. 29 (Migne, 1. c. col. 1085 seq.), Sozom. ibid. 

18) Bist. Laus. c. 11 (Migne, 1. c. 1033), c. 87 (col. 1195), Sozom. ibid. 



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2>a« egypt MöncMum im 4. JahrK 108 

thue dies, weil das Essen keine Handlang ist, welcher man sich mit 
Ernst hingeben soll; deshalb verrichte ich sie auch wie eine vor- 
übergehende Sache. Ebensowenig will ich auch, dass meine Seele 
während des Essens ein sinnliches Wohlbehagen finden soU.c Als 
er sein Elternhaas verliess, hatte er in seinem ascetischen Ueber- 
eifer den Entschlass gefasst , seine Angehörigen hier aaf Erden nie 
wieder za sehen, ungefähr 50 Jahre später wünschte seine verwitwete 
and des geistlichen Trostes bedürftige Schwester seinen Besuch. Erst 
aaf Geheiss des Bischofs jenes Distriktes, den die Schwester am In- 
tervention bat, willfahrte Pior ihrer Bitte, kehrte aber nicht in ihrem 
Hause ein, sondern redete mit ihr von der Thürsch welle aas mit 
verschlossenen Aagen and kehrte nach Spendung des Trostes und 
Verrichtung eines Gebetes in die Wüste zurück. Der Ort aber, den 
er in der Scetis bewohnte, war einer der grauenvollsten Egyptens; 
in dem von ihm gegrabenen Brunnen fand sich nur bitteres Wasser, 
sodass seine Besucher genötigt waren, das notwendige Wasser mit 
sich zu bringen. 

In einiger Entfernung von Pior wohnte der Libyer Moses "), 
der durch sein liebenswürdiges Wesen es verstand, schwermütige und 
betrübte Brüder zu trösten. Am Anfang der sketischen Wüste wohnten 
^uf dem Berge Pherme etwa 500 Mönche; unter ihnen führte Paulus ^)^ 
ein Zeitgenosse des alexandrinischen Makarius, ein ganz beschau- 
liches Leben, indem er von spärlichem Almosen lebte und tagsüber 
300 bestimmte Gebete verrichtete, zu deren Abzahlung er 300 
Steinchen gebrauchte. 

Trotzdem diese Mönche kein eigentliches Gönobitenleben führten, 
sondern vielmehr ein jeder für sich in der Wüste zerstreut wohnten, 
so hielten sie doch unverbrüchlich daran fest, dass man bei bewährten 
Mönchen geistliche Unterweisung suchen, ihnen behufs richtiger Seelen- 
führung den Gewissenszustand offenbaren und sich durch häufigen 
Empfang der hl. Kommunion zum Kampfe gegen die geistlichen 
und fleischlichen Anfechtungen stärken müsse. Von dieser Regel 
wich ab ein gewisser Ptolemäus, von dem wir oben (S. 275) erzählt 
haben, in welch schwierigen Verhältnissen er in Klimax, einem Orte 
der sketischen Wüste, 15 Jahre lang sein Leben fristete; er hielt 
sich für weiser und klüger als alle Väter der Wüste und mied ihren 
Umgang sowie den Empfang der hl. Kommunion. Seinen schliess- 
lichen Abfall vom Glauben charakterisieren seine materialistischen 
Aeusserungen , alles geschehe durch Zufall und es gebe keine gött- 

19) Hist. Laus. c. 88 (col. 1195), Sozom. ibid. 
^0) ffis " " 



20) Hist. Laos. c. 23 (col. 1068). 



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1D4 Dm egypf. Mönchium im 4* JfMhrK 

liehe Weltregierong noch jenseitige Vergeltung. Der vom Hoch- 
mntsteufel bethörte Ptolemaeus yerliess in der Folge die Wüste und 
ergab sich der Völlerei und Trunkenheit, ein beweinenswertes Schau- 
spiel für die Christen, den Heiden aber zum Gespötte^^). 

§, 9. Mdkarius der Alexandriner^ Presbyter in den Kdlien. 

Makarius ^), Presbyter der Zellenwüste, war aus Alexandria ge- 
bürtig und wird daher von Palladius zum Unterschied von dem 
gleichnamigen Egypter 6 'AXe^avdpsuc; genannt ; aus demselben Grund 
nennt ihn die griechische Version der Historia monachorum') und 
nach ihr Sozoraenus (in, 14) den Städter (6 iroXtTtxog). Beide Ma- 
karier waren miteinander innig befreundet. Nach dem Texte der 
Historia Lausiaca bei Ducaeus-Hervet und bei Meursius war der 
Alexandriner jünger an Jahren und betrieb vor seinem Eintritt in die 
Wüste einen Handel mit Zuckerbackwaren, während in anderen 
alten Handschriften, z. B. in dem Cod. Vindobonensis bist. gr. 84 
(ol. 29) und Cod. Vindob. bist. gr. 9 (ol. 42) gerade der diesbezüg- 
liche Passus fehlt •). Nach Empfang der Taufe im vierzigsten Lebens- 
jahre ging er in die Wüste und lebte daselbst noch 60 Jahre. Er 
war von kleiner Statur, und es wuchs ihm am Einn kein Bart, da 
seine Haut infolge seiner strengen Ascese vertrocknet war. Pal- 
ladius, der 9 Jahre und davon 3 Jahre in Gesellschaft unseres Ma- 
karius in den Kellien weilte, berichtet, dass dieser Heilige drei ver- 
schiedene Zellen hatte, nämlich eine in der sketischen Wüste, die 
andere in den nach Libyen zu gelegenen Eellien, wo er auch die 
priesterlichen Funktionen versah, und eine dritte auf dem nitrischen 
Gebirge. Die erstere hatte keine Thür und war ganz finster und 
zum Aufenthalt in der Fastenzeit bestimmt, die zweite so eng, dass 
man die Füsse darin nicht ausstrecken konnte; die dritte war grösser, 
wo Makarius die Gäste, die ihn etwa besuchten, aufzunehmen pflegte. 
In Bezug auf die Strenge der Ascese stand der Alexandriner dem 
ägyptischen Makarius nicht nach. Nach dem Beispiele der Pacho- 
mianischen Mönche, von denen er hörte, dass sie in der Fastenzeit 
nichts Gekochtes assen, genoss er sieben Jahre lang nur Kräuter 
und eingeweichtes Gemüse; drei Jahre lang bestand seine tägliche 
Nahrung nur aus 4—5 Unzen Brot und wenigem Wasser; Gel 
brauchte er im Jahre nur ein Sechstel (SlaTtjc). An noch grössere 



21) Eist. Laas. c. 88 (Migne, 1. c. coL 1092 seq.). 

1) Ibid. c. 20 (Migne, 1. c. col. 1050 seq.). 

2) Preuschen a^a. 0. S. 92. 

8) S. Migne, 1. c. col. 1048 and col. 177. 



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Das egipt Mönehium im 4. Jahrh. 105 

Enthaltsamkeit konnte er aber seinen Leib, den bösen Zöllner, nicht 
gewöhnen. Einmal brachte er zar Bekämpfung des Schlafes 20 Tage 
und Nächte stehend ausserhalb der Zelle zu , während er bei Tage 
vor Hitze verbrannte und bei Nacht vor Frost erstarrte. Ein anderes 
Mal blieb er zur Abbfissung seiner Ungeduld 6 Monate in einer 
sumpfigen Wüstengegend, sodass er in Folge der vielen Mückenstiche 
das Aussehen eines Aussätzigen bekam. So vorbereitet begab er 
sich in das 15 Tagereisen entfernte Kloster des hl. Pachomius in 
der Thebais, bat diesen um Aufnahme und setzte die Mönche durch 
seine ausserordentliche Ascese so in Erstaunen, dass sie die Ent- 
fernung dieses ihnen unbekannten Virtuosen in der Ascese verlangten. 
Als Liebhaber des beschaulichen Gebetes fasste Makarius einmal den 
Entschluss, 5 Tage in seiner Zelle eingeschlossen nur an Gott zu 
denken; doch musste er schon am dritten Tage wegen schrecklicher 
Gemütsbewegungen von seinem Vorhaben abstehen. Am Ende seines 
Lebens ertrug der Alexandriner nebst dem egyptischen Makarius, 
Pambo, Isidorus und anderen Mönchen wegen des nicänischen Glau- 
bensbekenntnisses eine Verbannungsstrafe ^) und starb nach der Rück- 
kehr in die Wüste im hundertsten Lebensjahre^). Auf Grund der 
Ausgabe der Historia Lausiaca des Ducaeus-Hervet und Meursius 
hat man unseren Makarius zu einem Schüler des hl. Antonius ge- 
stempelt. In den genannten Ausgaben sind nämlich der Vita des 
Alexandriners zwei Erzählungen einverleibt, in welchen dieser als 
Schüler und Erbe der Tugenden des hl. Antonius bezeichnet wird^'). 
Da sich jedoch diese beiden Berichte in älteren Handschriften'') nicht 
vorfinden und auch die Apophthegmenlitteratur von solchen innigen 
Beziehungen des Alexandriners zu Antonius schweigt , so sind die- 
selben als Interpolationen zu betrachten^). Sie beziehen sich höchst 
wahrscheinlich auf den gleichnamigen Antoniusschüler, der nach 
Palladius (bist. Laus. c. 25) nach dem Tode seines Meisters im 

4) 8. oben S. 100. 

5) Ans der Notiz des Palladias, dass er 9 Jahre, davon 3 Jahre mit 
Makarins dem Alexandriner (Iv o!; xpta Itv) [xoi inH^riat 6'fjiax&poc oSxoc xadeCöfisvoc 
ht ^<Tuy6x) in den Kellien gelebt habe, sachte Tillemont (M^moires, ed. Bruxelles 
T. YIIl P. III p. 1078) ein genaues Datnm für das Todesjahr dieses MÖnchsvaters 
zu bestimmen; doch eeht ans dem Palladiastext nicht anbedingt hervor, dass 
Makarias nach Ablaoi des dreijährigen Zosammenlebens gestorben sei. 

6) Migne, 1. c. col. 1050. 

7) Z. 6. in den schon oben (S. 285) erwähnten Wiener Handschriften. 
Vgl. Migne, 1. c. col. 184 seq. Yg\, auch die kritischen Bemerkungen des Floss 
hier&ber Migne, 1. c. col. 104, 107, 125 seq., 172 seq. 

8) Ein Beweis ftlr die Yerderbtheit der handschriftlichen Ueberlieferang 
ist die griechische Historia monachorum, in welcher die zwei Makariusapoph- 
thegmen der Vita des egyptischen Makarias einverleibt erscheinen (Preaschen 
a. a. 0. S. 87). 



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106 Das egypt. M(h%chium im 4. JahrK 

Kloster Pispir lebte und nach der von einem unbekannten Verfasser 
herrührenden Vita Posthumü ®) auch daselbst starb. Die zwei Begeln, 
die eine nnter dem Titel S. Macarii Alexandrini abbatis Nitriensis 
Begula ad monachos ^^) und die andere S. Serapionis, Macarii, Faphnutii 
et alterius Macarii regula ad monachos ^^) tragen das Zeichen der 
ünechtheit an sich, indem sie ein Kloster mit cönobitischer Lebens- 
weise voraussetzen, die den nitrischen und sketischen Mönchen durch- 
aus fremd war. 

§, 10, Evagrius Pantikas, Schüler der beiden Maharier, 

Aus den vorhergehenden §§ erhellt, dass die nitrische Wüste 
im vierten Jahrhundert eine grosse Anzahl hervorragender, wissen- 
schaftlich gebildeter Mönche in sich barg. Einer der bedeutendsten 
nnter ihnen war Evagrius Pontikus^). Nach der Historia Lausiaca 
(c. 86) war er vom hl. Basilius, dem Erzbischofe von Caesarea, zum 
Lektor und nach dessen Tode von seinem Bruder Oregor von Nyssa 
(etwa um 380) zum Diakon geweiht^). Mit letzterem kam er nach 
Gonstantinopel, blieb daselbst nach Beendigung des zweiten allge- 
meinen Goncils (381) und spielte in der Hauptstadt unter dem 
Patriarchen Nektarius wegen seiner tüchtigen theologischen Schulung 
und Bedegabe eine hervorragende Bolle. Wegen grosser Gefahr für 
seine Sittenreinheit, die ihm aus der sinnlichen Zuneigung der Ge- 
mahlin eines angesehenen Stadtbeamten erwuchs, verliess er jedoch 
bald die Hauptstadt und begab sich im Zwiespalt mit sich selbst 



9) Roaweydt Vitae Patr. lib. I o. 7 p. 285 seq. 

10) Abgedr. bei Migne, 1. c. col. 967 seq. 

11) Bei Migne, 1. c. col. 971 seq. 

1) Hist. Laus. c. 86 (Migne, 1. c. col. 1188 seq.). Es ist schwer zu ent- 
scheiden, ob die Evagriasvita arsprunglich zar Historia Lansiaca gehörte. Sie 
fehlt in einigen älteren Handschriften; aach ist es auffallend, dass sie, wie 
keine andere Vita, mit einer besonderen Einleitung und Schluss versehen ist 
und dass in dem feierlichen Eingang der Verfasser sich nicht an einen Leser, 
den Lausns, sondern an Leser wendet, und endlich, dass in dieser Vita nur drei 
Eva^rianische Schriften erwähnt werden, da doch Evagrius viel mehr ge- 
schneben hat und Palladius als intimer Schüler desselben (vgl. Hist. Laus. c. 18, 
Migne, 1. c. col. 1035, c. 29 col. 1084, c. 80 col. 1089, c. 82 col. 1091, c. 43 col. 1113, 
c. 91 col. 1196) davon wissen musste. unter Berücksichtippng der Thatsache, 
dass eine ausführlichere koptische üebersetzung der Evagriusvita vorhanden ist 
und ein Stück derselben Vita, der Bericht über die Disputation des Evagrius 
mit drei Häretikern, separat und ausführlicher in griechischer Sprache über- 
liefert ist, meint Preuschen (a. a. 0. S. 255 ff.), Ptuladius habe seinem Lehrer 
Evagrius eine ausführliche Vita gewidmet, die separat verbreitet wurde, aber 
auch bald in gekürzter Gestalt in die Historia Lausiaca eingeschaltet oder, wie 
in einigen Handschriften, derselben angehängt wurde. — vgl. auch die Mono- 
graphie Zöcklers »Evagrius Pontikus«, seine Stellung in der altchristlichen 
Literatur- und Dogmeugeschichte, München 1898. 

2) Sokrates IV, 28 und Sozomenus VI, 80 stimmen mit der Hist. Lau- 
siaca in diesen Einzelheiten nicht überein. Vgl. darüber Zöckier a. a. 0. S. 8 £ 



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t>a$ egypt MOnchtum im 4. Jahrh. 107 

nach Palästina (etwa im Jahre 883). Infolge einer schweren Ge- 
mütskrankheit nnd Ueberredung der schon früher erwähnten from- 
men Römerin Melania entschloss er sich nach Egypten zn gehen, 
um in der Wüste durch ein Büsserleben sein Seelenheil zn sichern. 
Diesem Entschluss blieb er treu bis an sein Lebensende. Zunächst 
wohnte er zwei Jahre (zwischen 383 — 385) bei den Nitriern, dann 
in den Eellien, wo er nach fünfzehnjähriger Einsamkeit im 54. Lebens- 
jahre (um das Jahr 400) starb, nachdem er noch am Epiphaniefeste 
in der Kirche kommuniziert hatte'). Dass er Schüler der beiden 
Makarier war, bezeugt ausdrücklich Sokrates (IV, 23). Der Verkehr 
mit dem egyptischen Makarius findet auch in dem Evagrianischen 
Schriftennachlass^) eine Bestätigung; doch war diese Bekanntschaft 
nur von kurzer Dauer, da dieser Makarius schon 885 in der ske- 
tischen Wüste starb. Dagegen verkehrte Evagrius als Bewohner 
der Eellienwüste länger mit dem dortigen Presbyter Makarius 
Alexandrinus, der nach dem Jahre 386 noch mindestens 3 Jahre 
lebte. Nach dem Bericht der Historia Lausiaca war er in der Ascese 
durchaus ebenbürtig den beiden Makariern und so der Welt abge- 
storben, dass er die irdischen Verwandtschaftsbeziehungen missach- 
tete und das ihm von dem Patriarchen Theophilus von Alexandria 
dargebotene Bistum^) ausschlug. Den Lebensunterhalt verdiente er 
sich durch litterarische Thätigkeit; da er sich bemühte kalligraphisch 
zu schreiben, so reichte eben sein Verdienst gerade für seine Person 
hin. Doch beschränkte er sich dabei nicht etwa auf das Abschrei- 
ben fremder Geistesprodukte, vielmehr war er selbst ein sehr frucht- 
barer Schriftsteller. Auffallend ist es immerhin, dass die Historia 
Lausiaca nur von einer Dreizahl Evagrianischer Schriften be- 
richtet; vielleicht erklärt sich dies durch den erbaulichen Charakter 
der Historia Lausiaca, wie denn auch wohl aus demselbsn Grunde 
£ufinus in seiner Historia monachorum^) die litterarische Thätig- 
keit seines verehrten Lehrers Evagrius mit Stillschweigen übergeht, 
obgleich wir aus dem Briefe des Hieronymus ad Ctesiphontem er- 
fahren, dass Rufinus die Evagrianischen Schriften ins Lateinische 



8) Hist. Laus. 86 (Migne, 1. c. col. 1194): »'Ev toütoi^ teXeotS xb a(5(jLa h 

rcÄpto? -rijv 4»u)(^^v J^cDOTCoiTiaag rö kyitj^ IIvEt5(xoeTi xoivtüVTJja^ x^ lopTfj -zdv 'Ewi^avCcDV 
T^ *£xxXY)aia.€ Den Sinn dieser Worte yöUig missyerstehencl, erklärt Zöckler 
(a. a. 0. S. 14): »Nur einmal jährlich, am Epiphaniefest, habe er (Evagrius) an 
der Kommunion in der Kirche teilgenommen, sonst stets sich einsiedlerisch 
kasteiend. € 

4) Evagrii Pontici Capita practica ad Anatolium n. 66 (Migne, s. gr. 40 
col. 1239), n. 98 und 94 (col. 1249). 

5) Vgl. auch die koptische Vita Evagrii bei Preuschen a. a. 0. S. 117. 

6) C. 27. 



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1^08 j)aB egypt, Mönchium im 4, Jahrh. 

übersetzt und für deren Verbreitang im Abendlande gesorgt habe. 
Dagegen nennt Socrates (IV, 23) eine Sechszahl Evagrianischer 
Schriften und erweist sich als genauen Kenner derselben, und Qen- 
nadius (De scripi eccl c. 11) sowie der eben erwähnte Kirchen- 
lehrer Hieronymas bezeugen gleichfalls die Fruchtbarkeit des Eva- 
grins in literarischer Beziehung. Leider ist der schriftstellerische 
Nachlass dieses Evagrius bisher nur fragmentarisch an die Oefient- 
lichkeit getreten ^). Bei Beurteilung dieser Geistesprodukte muss vor 
Augen gehalten werden, dass Evagrius ein Verehrer der Origenisti- 
schen Werke war; doch war er als Bewohner der Kellien in den 
origenistischen Streit (394) nicht, wie die Mönche von Nitria, direkt 
verwickelt. In trinitarischer Beziehung sind wohl seine Schriften 
als intakt zu bezeichnen; dagegen berühren sich seine Ansichten 
über das Wesen und die Folgen der Sünde mit der stoischen Ethik 
und damit auch der pelagianischen Irrlehre^), indem er in seiner 
Apathielehre, deren Spuren sich auch bei seinem Schüler Palladius 
finden, die hyperascetische Ansicht vertrat, dass der Mensch durch 
Reinigung von den Leidenschaften hier auf Erden zu einer absoluten, 
ungestörten Sündenlosigkeit und Vollkommenheit nicht nur gelangen 
könne, sondern auch müsse. Deshalb beschuldigt ihn Hieronymus ®), 
durch diese Lehre dem Pelagianismus Vorschub geleistet zu haben; 
doch blieb Evagrius vor einer namentlichen Gensurierung dieserhalb 
verschont; dagegen wurde er nach seinem Tode wegen seiner origeni- 
stischen Lehre von der Fräexistenz der Seelen und der Apokatastasis 
nach einigen schon auf dem fünften, jedenfalls aber auf dem 
sechsten und siebenten ökumenischen Goncil als Origenist ver- 
uriieilt 10). 



7) Die erste Sammlnng der vorhandenen Fragmente von Gallandi findet 
sich bei Migne s. gr. t. 40. — Die fragmentarisch erhaltene Evagrianische 
Schrift von den acht Lastergodanken hat Fr. Baethqen ans dem Syrischen 
ins Deutsche übersetzt. Vgl. Zeitschrift f. Kirchengesch. XI (1890, S. 442 ff.; 
der deutsche Text findet sich auch bei ZOckler a. a. 0. S. 104 ff. 

8) Wörter, Der Pelagianismus etc., Freiburg 1866 S. 13. 

9) Praef. in lib. IV super Jeremiam: ». . . . haeresis Pythagorae et 
Zenonis oTca&eCa^ xa\ avafjLapTTjaiat i. e. impassibilitatis et impeccantiae, qnae olim 
in Origene et dudum in discipnlis eins Bufino, Evagrioque Pontico et Joviniano 
iugulata est, coepit revivescere.« Epist. 133 ad Ctesiphontem : »Evagrius Pon- 
ticus Hyperborita, qui scribit ad yirgines, scribit ad monachos, scribit ad eam, 
cuius nomen nigredinis testatur perfidiae tenebras (sc. Melaniam), edidit librum 
et sententias nep\ obca&eia;, quam nos impassibilitatem vel imperturbationem 
possumns dieere, quando nunquam animus uUo perturbationis yitio commovetur 
et, ut simpliciter dicam, vel saxum vel Deus est.c Vgl. auch PraefSfttio zum 
Dialog, contra Pelag. 

10) 8. Hefele, Conciliengesch. (II. Aufl.) Bd. H, 862 f., III, S. 269 und 
471. Vgl. auch ZOckler a. a. 0. S. 85 ff. 



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Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh, 109 

§. 11. Das Monchkm in der Thdms und im Nüdelia. 

Bufias Historia monachorum erscheint, wie schon oben^) er- 
wähnt worden ist, in der Form einer Reisenovelle, die allerdings 
nicht ganz gelangen ist nnd schliesslich in eine einfache Aufzählung 
der von dem Verfasser selbst besuchten oder ihm durch Hörensagen 
bekannt gewordener Mönchskolonieen ausläuft. Im Anschluss an die 
in diesem Werke vorgezeichnete Beiseroute wollen wir mit den 
Mönchen beginnen, welche in der oberen Thebais bei Lycopolis ihre 
Wohnsitze hatten, und dann weiterhin die Mönchskreise den Nil ab- 
wärts bis zum Deltagebiet behandeln. 

Hierbei scheiden wir von vornherein die südlich von Lycopolis 
gelegenen Pachomianischen Mönchsniederlassungen von Tabenna 
(Tabennesus) aus, weil wir diesen später ein besonderes Kapitel 
widmen wollen. Aus dem gleichen Grunde übergehen wir den in der 
Hist. mon. c. 3 erwähnten Ammon'), »den Leiter von fast 3000 
Mönchen, welche Tabennesioten genannt wurden.c 

Westlich von der auf der linken Kilseite gelegenen Stadt 
Lycopolis >), dem heutigen Siut, erhebt sich das libysche Kalkge- 
birge, in dessen schroffen Abhängen noch heute viele Grotten und 
Felshöhlen zu sehen sind ; dieselben dienten einst als Grabkammern ; 
doch im 4. Jahrhundert wohnten in manchen derselben christliche 
Mönche, unter diesen genoss Johannes von Lycopolis^) einen nicht 
unbedeutenden Buf. Die von ihm bewohnte Grotte, die sich jetzt 
allerdings nicht mehr bestimmen lässt, war nach Bufin eine schwer 
zugängliche Felsenklause. Hier lebte Johannes 50 Jahre lang Gott 
allein, fem von menschlichem Verkehr und irdischen Sorgen, und 
verschn^hte bis in sein hohes Alter jede gekochte Speise. Weibern 
zeigte er sich niemals, Männern nur selten und zu gewissen Zeiten. 
Die letzteren durften in einer nahen , eigens zu diesem Zwecke (für 
Gäste) erbauten Zelle warten, bis am folgenden Samstag und Sonn- 
tag der Zugang zu s^er Klause von den Mitmönchen geöffiiet 
wurde. Doch auch dann blieb Johannes in seiner Zelle eingeschlossen 



Ji 



Archiv 79, 70. 

Rufln verlegt dieses Ammonsche Kloster nördlich von Lycopolis; 
PreuMChen (a. a. 0. S. 207) hfilt dies für einen geographischen Schnitzer, da 
es nördlich yon Lycopolis keine Pachoraiomischen Möncnsniederlassnngen ge- 
geben habe. Allein Ladeuze (£tnde sur le c^nohitisme pakhomien pendant le 
TVo sikle etc., Loayain 1898 S. 199) weist die Existenz mehrerer Pachomiani- 
schen Klöster nördlich von Lycopolis aas anderweitigen Quellen nach. 

8) Baedeker, Aegypten 1897, S. 208. 

4) Bnflni Hist mon. c. 1 (in Thebaidis partibas in eremo, quae adiacet 
ciTitati Lyco); griech. Version c 1 (Iv xol^ op{ot« Au»o vf^ 6v)6a(SoO Sozom. h. e. 
VI, 23. 



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110 Das egypL MOnchtum im 4, Jahrh. 

und sprach nur darcb die Oeffnung derselben Worte der Erbauung 
und des Trostes. 

Sein Ruf als Heiliger und sogar Prophet reichte weit fiber die 
Grenzen der Thebais hinaus. Der Kaiser Theodosius der Grosse 
schickte vor dem Feldzuge gegen Maximus und einige Jahre später 
vor dem Kriege gegen Eugenius eine Gesandtschaft an den hl. Seher 
von Lycopolis, um nach dem Ausgang des Bürgerkrieges zu forschen. 
Ermutigt durch den Bescheid des Heiligen zog er in den Krieg, 
dessen Ausgang der glückverheissenden Prophezeiung entsprach^). 

Indes war Johannes nicht der einzige Mönch in der libyschen 
Bergwüste bei Lycopolis. Aus der Historia mon, c. 1 ergiebt sich, 
dass noch andere Mönche in den dortigen Felshöhlen hausten*). In 
der Historia Laus. c. 43 wird auch noch berichtet, dass Johannes in 
seinen Jugendjahren das Zimmermannshandwerk gelernt, vom fünf- 
undzwanzigsten Lebensjahre ab in einem Kloster gelebt, fünf Jahre 
später sich in die oben erwähnte Felsenklause eingeschlossen und 
nach weiteren dreissig Jahren in dieser Eremitage die Gabe der 
Prophetie erhalten habe ^). In üebereinstimmnng mit diesen Daten 
weiss Cassian^) von einigen Gehorsamsproben zu erzählen, welche der 
junge Mönch Johannes unter der Leitung eines hochbetagten Kloster- 
vorstehers ablegte. 

Die Wohnsitze der Mönchsväter Hör und Ben werden von 
Bufin nicht näher bezeichnet ; doch ist ihre Lage, mit Bücksicht auf 
die Bichtung der Beiseroute in der Historia monachorum, nördlich 
von Lycopolis zu suchen. Der neunzigjährige Hör®) mit schnee- 
weissem Haupthaar und patriarchalischem Barte war eine ehrfurcht- 
gebietende und engelgleiche Erscheinung. Anfänglich hatte er tief 
in einer Wüstenei seinen Wohnsitz aufgeschlagen; später baute er 



5) Vgl. auch Augustinus, De civitate Del V, 26; CaasianuSt De coenob. 
institatis IV, 23. 

6) Migne, s. 1. 21 col. S99--401; cf. Migne, s. gr. 34 eol. 1109. 

7) Migne, 8. gr. 34 col. 1109. 

8) De coenob. mstitait. IV, 24—26. 

9) Bist, mon« c. 2; griech. Version e. 2 (bei Prenschen a. a. 0. S. 24 f.); 
Sozom. h. e. VI, 28. — Mit diesem Mönchsvater Or, der in der Thebais wohnte, 
ist nicht zn verwechseln der Yon Palladias (Hist. Laus. c. 9) erwähnte gleich- 
namige nitrische Mönch, den Melania noch gesehen, Palladias dagegen nicht 
mehr in Nitria am Leben getroffen hat. Der Interpolator, der die Historia ino- 
nachoram in die Historia Lausiaca hineinarbeitete, nahm allerdings fälschlich 
die Identität der beiden Mönche an and fügte das 2. Kapitel der Historia mon. 
in das 9. Kapitel der Hist. Lans. ein. Dass aber thatsfichlich ein Nitrier 
Or existirte, wissen wir auch von Hieronymus, der in seinem Briefe ad Ctesi- 
phontem einen Nitrier Or als Origenisten bezeichnete. — Der im koptischen 
Kalender am 2. August erwähnte Horus abbas (s. Nilles, Ealendarium Manuale 
utr. eccL 1897 (Oeniponte) tom. IL S. 712) ist daher wohl identisch mit dem 
obigen Mdnchsvater der Thebais, 



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D(M egypt Mönehtum im 4, Jahrh. 111 

sich auf einen höheren Wink hin am Rande der Wüste in der Nähe 
der Stadt eine Zelle and pflanzte rings am dieselbe allerlei Bäame 
an. So wurden den Mönchen, die sich in der Folgezeit in seiner 
Nähe ansiedelten, in der sonst waldlosen Qegend das mühsame Holz- 
suchen erspart. Wollte sich jemand unter die Leitung des Hör stellen, 
so schleppten seine Mönche bereitwilligst Lehm, Ziegeln, Wasser und 
Holz herbei, erbauten an einem Tage für den neuen Mitbruder die 
Zelle und versahen sie mit den nötigen Einrichtungen. Der gemein- 
same Gottesdienst dieser Mönche bestand aus Schriftlesung , einem 
erbaulichen Vortrag des Hör und Gebeten. Bemerkt wird auch 
noch von diesem Mönchsvater, dass er vor jeder leiblichen Speise die 
hl. Communion zu empfangen pflegte« 

Ueber den Mönchsvater IBenus (Ben) werden in der Historia 
mon. keine individuellen Züge berichtet. Auf Grund der Aussagen 
seiner Mitbruder wird nur erwähnt, dsusis nie ein Schwur oder 
eine Lüge aus seinem Munde gekommen und dass ihn auch nie ein 
Mensch zornig gesehen noch eine müssige Rede von ihm gehört 
habe. Sein Leben war ein lauteres Stillschweigen, sein Betragen 
war voll Ruhe ; er schien in allem die Natur eines Engels zu haben. 
(Hist. mon. c. 4, Preuschen S. 28 ; Sozom. V, 28). 

Etwa 100 km nördlich von Lycopolis, IVa km westlich von 
dem heutigen Röda liegen die Trümmer der einst berühmten 
Stadt Aschmunen oder Hermopolis magna ^o). In der Nähe dieser 
Stadt am Bergesabhang schlug zur Zeit des Kaisers Julian ein ge- 
wisser Apollonius^^), der seit seinem fünfzehnten Lebensjahre 40 Jahre 
hindurch in der inneren Wüste gelebt hatte, seinen Wohnsitz auf. 
Er verrichtete unter Eniebeugungen 100 Gebete am Tage und eben- 
soviele bei Nacht. Als Speise genügte ihm Brot und ungekochtes 
Gemüse. Seine Kleidung war ein grober leinener Rock ohne Aermel 
(Lebetes, lebiton = colobium; cf. Sozom. III, 13: x^^'^^^^^ ^X^i~ 
podoTouc) nebst einem den Kopf und den Hals bedeckenden Leinen- 
tuche. Angezogen von seiner Heiligkeit und Gelehrsamkeit, siedelten 
sich nach und nach 500 Mönche, darunter auch Aethiopier, in seiner 
Nähe im Gebirge an und führten unter seiner Leitung ein gemein- 
sames Leben. Sonntags speisten sie zusammen mit ihrem Vorsteher; 
an den übrigen Tagen durften sie sich nach Belieben in der Fasten- 
ascese üben. ApoUonius hielt auch darauf, dass seine Mönche täg- 
lich die hl. Communion empfingen ; sie nahmen nicht eher Speise zu 
sich, als bis sie um die neunte Stunde des Tages die hl. Communion 

10) Baedeker Ägypten 1897 S. 191. 

11) Hist. mon» c. 7; Preuichen a. a< 0. S. 82 f.; Sozom. h. e. III, 14. 



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112 Dom egypt Mönehtum im 4. Jahrh. 

empGuigen. Nacfiher blieben sie zaweilen bis zum Abend beisammen, 
hörten das Wort Gottes an und wurden in den Geboten Gottes anter- 
richtet. Alsdann nahmen sie Speise zu sich und gingen teils in die 
Wüste und betrachteten die ganze Nacht die hl. Schrift oder lernten 
sie auswendig, teils blieben sie am Orte der Zusammenkunft und ver- 
harrten im Psalmengesang bis zum Morgen. Einige von ihnen stiegen 
aber gleich um die neunte Stunde nach Empfang der hl. Communion 
in ihre Zellen hinab und begnügten sich mit der geistlichen Speise, 
und dies thaten sie viele Tage hindurch. In seinen Ermahnungen 
hob ApoUonius besonders die Pflicht der Gastfreundschaft hervor; 
die Mönche sollten die fremden Brüder wie den Heiland empfangen. 
Desgleichen ermahnte er seine Mönche die hl. Communion, wenn 
möglich, täglich zu empfangen, damit nicht der, welcher sich weit 
von ihr absondere, auch weit von Gott abgesondert werde. Das ge- 
setzliche Fasten am Mittwoch und Freitag musste von allen Mönchen 
streng innegehalten werden ; doch durfte an diesen Fasttagen durch- 
reisenden Brüdern auf Wunsch noch vor der neunten Stunde der 
Tisch bereitet werden. Endlich duldete Appollonius bei seinen Mön- 
chen keine schlechten oder schmutzigen Kleider; er tadelte auch 
diejenigen, welche ihr Haupthaar lang wachsen Hessen oder Eisen 
am Halse trugen oder sonst etwas Auffälliges thaten, das den An- 
schein hatte, als geschehe es aus Ruhmsucht« Das gottselige Wirken 
des ApoUonius beschränkte sich aber nicht auf die Mönche; es ge- 
lang ihm auch die Bewohner von zehn benachbarten Dörfern zu 
christianisiren ; einige der Neophyten wurden sogar Mönche. Zur 
Zeit der Hungersnot kamen die Bewohner der umliegenden Dörfer 
scharenweise in die Mönchskolonie des ApoUonius und empfingen die 
nötige Nahrung. 

Südlich von der Grotte des ApoUonius fand die Bufinsche Reise- 
gesellschaft die Ginsiedelei eines Mönches, der ein Schüler eines schon 
gestorbenen berühmten Einsiedlers, mit Namen Ammon, war^>). In 
derselben Wüste lebte auch der neunzigjährige Priester und Mönch 
Eopres^') mit 50 Genossen. Der Urheber der mönchischen Lebens- 
weise in jener Gegend war nach der Aussage des Eopres ein ge- 
wisser Patermutius 1*) , der als Heide ein berüchtigter Räuber ge- 
wesen war, aber nach seiner Bekehrung ein strenges Büsserleben in 
dieser Wüste führte. Seine Schüler hatten drei Kleidungsstücke, 
einen Rock, eine Kapuze und ein ZiegenfeU; durch Belehrung und 



12) Hist mon. c. 8; Preuachen a. a. 0. 8i 60. 

13) Bist. mon. c. 9; Preuachen S. 53: Sozom. h. e. VI, 

14) Hiat. man. c. 9; Preuichen 8. $4 t 



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Daa egypt Mönchtum im 4. Jahrh. 113 

Werke der Nächstenliebe gelang es ihnen, die heidnischen Bewohner 
der Umgegend fär das Ghristentam zu gewinnen. 

Nach dem Berichte des Kopres^^) gehörten der ersten Mönchs- 
generation noch die Mönche Syrus (Snrus), Isaias, Paulus, Anuph *^) 
nnd Helenus^^) an; ihre Wohnsitze waren jedenfalls nicht weit von 
dem Kloster des Patermutius. 

Schräg gegenüber von Röda liegt am Ostufer des Nils das 
Dorf Schach 'Abäde mit den Trümmern von Antinoe^^). In der 
dieser Stadt benachbarten Wüste traf die Reisegesellschaft des Ru- 
finus dem 110-jährigen Mönch Elias, dessen Höhle nur mittels eines 
einzigen, steilen Fusssteiges zu erreichen und deshalb schwer zu 
finden war. Die Nahrung dieses Mönches bestand bis zum höchsten 
Greisenalter nur aus wenig Brot und einigen Oliven. (Bist. mon. c. 12). 

Die Lage des steilen Berges, in dessen Höhlen der Mönchs- 
vater Pithyrion^®) mit vielen Oenossen lebte, ist in der Historia 
monachorum nicht näher angegeben ; doch ist diese Mönchsansiedlung 
wohl nördlich von Antinoe zu suchen. Pithyrion war ein Schüler 
des hl. Antonius und nach dessen Tode wohnte er beim hl. Ammon, 
bis er zuletzt auf dem erwähnten steilen Berge seinen Wohnsitz auf- 
schlug. Er ass wöchentlich zweimal und zwar nur einen Mehlbrei. 

Gleich nach Pithyrion nennt die Historia monach. den Mönch 
Eulogius ^% der zugleich Priester war und mit aller Strenge darüber 
wachte, dass die Mönche, gereinigt durch Werke der Busse und 
Thränen, zum Tische des Herrn hinzutraten. 

Etwas über 60 km nördlich von Antinoö lag am selben Ufer 
des Nils im kynopolitanischen Nomos die Stadt Akoris **) (""Axwpic). 
In der Nähe dieser Stadt wohnte der Mönch Apelles. Zwar heisst 
es bei Rufin (Historia mon. c. 15) blos: »Yidimus et alium presby- 
terum in vicina regione nomine Apellen, virum iustumc, so dass man 
nach dem Zusammenhange (Vgl. c. 12) den Wohnort des Apelles 
nicht weit von Antinoe suchen müsste ; indes die griechische Version 
der Historia monach. >^) enthält in Uebereinstimmung mit Sozomenus 
(bist, eccles. VI, 28) die bestimmte Angabe, dass Apelles bei Akoris 
(iv ToTc fA^peai x^c 'Ax(ope(i>c) gewohnt habe. Ist es jetzt auch un- 



15) Eist. mon. c. 10 u. 11; Preuschen S. 63—68. 

16) Sozom. h. 6. III. 14. 

17) Ibid. VI, 28. 

18) Baedeker a. a. 0. S. 191. 

19) Tust mon. c. 13; Preuschen S. 77. 

20) Ibid. c 14. 

21) Die Schntthfigel bei Tehne et-Tahtna hält mB,^ fQr die Ueberreste der 
sonst nur Yon Ftolomaeus erwähnten Stadt Akoris (S. Baedeker a. a. 0. S. 185). 

22) Preuschen a. a. 0. S. 68, Note 20. 

Schiwietz, MÖnohtum. 8 



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114 Das egypU Mönchtum im 4, Jahrh, 

möglich zu eruiereo, auf welche Weise der Grieche zu dieser be- 
stimmten Ortsangabe gelangt ist, so ist dieselbe doch nicht so leicht 
von der Hand zu weisen, zumal sie sich in alten Handschriften findet 
und sehr gut in den Reiseplan der Rufinschen Reisegesellschaft 
hineinpasst. 

Apelles, der Priester war und daneben das Schmiedehandwerk 
betrieb, machte der Rufinschen Reisegesellschaft einige Mitteilungen 
über einen hochbetagten Mönch der benachbarten Wüste, Namens 
Johannes >'). Darnach soll Johannes zu Anfang seines Wüstenlebens 
drei Jahre unter einem Felsen gestanden und immer gebetet haben. 
In Folge dieser hyperascetischen Uebung brachen ihm die Füsse auf 
und Eiter kam aus den Wunden. Auf einen höheren Wink hin fing 
er nun an, in der Wüste umherzuwandern und Mönche und Klöster 
der Nachbarschaft durch das Wort Gottes zu erbauen. Sonntags 
kehrte er in seinen Wohnort zurück und empfing durch einen Priester, 
der das hl. Messopfer für ihn darbrachte, die hl. Communion; an 
den übrigen Tagen beschäftigte er sich mit Anfertigung von Stricken 
aus Palmblättern. Die Bemerkung der Historia monach. , dass 
Johannes keinen Hunger nach irdischer Speise fühlte, ergänzt die 
griechische Version**) dahin, dass er sich nur von Kräutern nährte. 

Ein gutes Stück nördlich von Akoris, jedoch auf der linken 
Nilseite, lag die volkreiche Stadt Oxyrynchus, an deren Stelle 
sich jetzt das 20 km westlich von Abu Girge am Bar Tusuf ge- 
legene Behnesa befindet **). Diese Stadt hatte in der zweiten Hälfte 
des 4. Jahrhunderts lauter christliche Einwohner. In der Stadt wie 
ausserhalb derselben wohnten sehr viele Mönche. Es gab in ihr kein 
Thor, keinen Turm, noch auch nur einen Winkel, wo kein Mönch 
wohnte. Auch ehemalige öffentliche Gebäude und heidnische Tempel 
dienten den Mönchen als Wohnstätten. So kam es, dass man dort 
Tag und Nacht nichts hörte wie Mönchsgesänge. Zwölf Kirchen 
dienten in der Stadt dem öffentlichen Gottesdienste, die vielen Bet- 
häuser der Stadtklöster nicht mitgerechnet. Nach Aussage des 
Örtsbischofs gehörten 20,000 Jungfrauen und 10,000 Mönche zu 
seinem Sprengel; doch darf man sich wohl gegenüber diesen hohen 
Zahlen bei den Schriftstellern des byzantinischen Zeitalters etwas 
skeptisch verhalten; immerhin verdiente Oxyrynchus wegen dieser 
seiner Eigenart den Namen einer Mönchsstadt *^). 



23) 

24) 



Preuschen S. 70. 
Baedeker S. 178. 
Hist. mon. c. 5; Hreuschen S. 29 f. 



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Das fgypl. Mönchtum im 4. Jahrh* H^ 

Nicht weit von dieser Stadt wohnte der Mönch Theon. Dreissig 
Jahre übte er, in seiner Klause eingeschlossen, beständiges Still- 
schweigen. Viele Kranke fanden bei ihm Trost und Heilung, indem 
er durch das Fenster seiner Klause seine Hand über sie ausstreckte 
und sie segnete. Selbst die wilden Tiere der Wüste waren anhäng- 
lich und zutraulich gegen ihn"). 

Das nächste Kloster ^% welches die Kufinsche Reisegesellschaft 
nördlich von Oxyrynchus besuchte, lag in der Wüste bei Heracleopolis 
magna ^% Der Gründer desselben , Namens Paphnutius , war nicht 
mehr am Leben; doch erzählten die Mönche aus dem Leben ihres 
Mönch vaters folgende interessante Legende: Paphnutius bat einmal 
Gott, er möchte ihm anzeigen, welchem Heiligen er gleich gehalten 
werden dürfte. Es erschien ein Engel und sagte Jhm, dass er seinen 
Verdiensten nach einem Musiker gleiche, der im nächsten Dorfe mit 
Singen und Aufspielen sich seinen Unterhalt suchte. Die Nach- 
forschung ergab, dass dieser Musiker dadurch bei Gott Gnade fand, 
dass er als ehemaliger Räuber eine von seinen Genossen gefangene 
Jungtrau vor Entehrung schützte und einem armen Weibe zur Los- 
kaufung ihres Schuldenhalber eingekerkerten Mannes 300 Gulden 
schenkte. Nachdem Paphnutius noch eifriger Gott gedient hatte, 
wurde ihm geoffenbart, dass er von Gott einem reichen Manne des 
nächsten Dorfes gleich gehalten werde, der ein keuscher Ehegatte, 
Wohlthäter und Beschützer der Armen war und sich allezeit als 
eifrigen Friedensstifter und unparteiischen Richter im Dorfe erwiesen 
hatte. Als nun Paphnutius noch vollkommener zu werden trachtete, 
wurde ihm die Offenbarung zu teil, dass noch ein dritter Weltmann 
bei Gott nicht weniger Verdienst habe als er; es war dies ein reicher 
alexandrinischer Kaufmann, der ebenso eifrig in seinem Geschäft, 
wie rührig im Wohlthuen war, und der auch den Mönchen des 
Paphnutius zehn Säcke Gemüse schenkte, als er eben gerade aus 
der Thebais um 20,000 Gulden Waaren heimführte. Mit Rücksicht 
auf diese Offenbarungen erklärte Paphnutius vor seinem Tode seinen 
Mönchen: »Man darf niemanden in der Welt verachten, er sei ein 
Räuber oder ein Gaukler, er sei Land mann oder Kaufmann oder 
Ehemann; denn in jedem Stande giebt es gottgefällige Menschen, 
die im Stillen solche Handlungen vollbringen, durch welche Gott 



27) Ibid. c. 6; Fr tuschen S. 30 f.; Sozom. h. e. VI, 28. 

28j Ibid. c. 16; Preuschen S. 71 f.; Sozom. h. e. III, 14. 

29) Als Trümmer der alten Heracleopolis sind anzasehen die grossen 
Schntthügel bei Ahnas el-Medine, welche in westlicher Richtung Yon Benisu^f 
16 km landeinwärts liegen. Baedeker S. 182. 

8* 



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116 Das egypL Mönchtum im 4, Jahrh. 

erfreut wird; daraus ergiebt sich auch, dass nicht so sehr der äussere 
Stand oder das Kleid Gott Wohlgefallen, als vielmehr ein aufrichtiges 
und gutes Herz und rechtschaffene Werke, c Diese Mahnungen des 
Paphnutius sind insofern interessant, als sie darthun, dass nach An- 
sicht hervorragender Vertreter der damaligen Mönchsascese das 
Mönchsleben nicht als die einzige mögliche Form des christ- 
lichen Lebens anzusehen sei, sondern auch Weltleute bei guter und 
aufrichtiger Gesinnung durch Ausübung guter Werke sich ebenso 
gut wie die Mönche das Seelenheil sichern könnten. 

Weiter nördlich fand die Bufinsche Reisegesellschaft das Kloster 
des Abtes Isidorus^^^), dessen Mönche ganz nach Cönobitenart lebten und 
von der Aussenwelt gänzlich abgeschlossen waren. Das Kloster hatte 
einen weiten Umfang ; die zahlreichen Mönchswohnungen umschloss 
eine Mauer. Innerhalb dieses Geheges befanden sich mehrere Brunnen 
und Gärten mit allerlei Feldfrüchten und Bäumen, so dass die Mönche 
der Nahrung wegen die Klostermauern nicht zu verlassen brauchten. 
Nur zwei älteren Mönchen war es gestattet, das Kloster zu verlassen, 
um die Handarbeiten der Mönche zu verkaufen. Am Eingang des 
Klosters übte ein bewährter Mönch das Amt des Pförtners. Wer 
ins Kloster hineingehen wollte, musste sich verpflichten in demselben 
zu verbleiben. Gäste wurden in einer Zelle am Klosterthor be- 
herbergt. 

Weiter nordwestlich vom Kloster des hl. Paphnutius lagen in 
der Gegend von Arsinoe (Krokodile polis) viele Mönchsansiedlungen, 
an deren Spitze der Priester-Mönch Serapion**) stand; es ist wohl 
eine Uebertreibung , wenn Bufin die Zahl der Mönche auf 10,000 
schätzte« Wie bei den übrigen egyptischen Mönchen, so war es 
auch bei diesen Brauch, zur Erntezeit sich als Schnitter zu verdingen ; 
hierbei verdiente sich jeder Mönch jährlich ungefähr 60 Sester Ge- 
treide. Den grössten Teil dieses Verdienstes teilte der Abt als Al- 
mosen aus. Nicht bloss die Armen der Umgegend wurden damit be- 
dacht, sondern es gingen auch ganze Schiffsladungen nach Alexandria 



30) Hist. mon. c. 17; Preuschen S. 78 f.; Sozoni. h. e. VI, 28. — Dieser 
Isidorus ist nicht identisch mit dem alexandrinischen Spitalpriester gleichen 
Namens, der zuerst Mönch in Nitria war (Hist. Laus. c. 1) und später als Pres- 
bjrter von Alezandria in die origenistischen Streitigkeiten der nitrischen Mönche 
mitverwickelt wurde (Sozora. h. e. VIII, 12 u. 13; Socrat. h. e. VI, 9). Hiero- 
nymus hat sich jedenfalls versehen, wenn er in seinem Briefe ad Ctesiphontem 
behauptet, dass Rufinus den Origenisten Isidorus in seiner Mönchsgeschichte 
behandelt habe. Auf Grund dieser Notiz nahm Rosweyd (Migne, s. 1. 21 
col. 439 not. a) ffilschlich an, dass der in der Hist. mon. c. 17 behandelte 
Mdnchsvater Isidorus in der Thebais mit dem origenistisch gesinnten ehemaligen 
Mönche von Nitria gleichen Namens identisch wäre. 

31) Hist. mon. c. 18; Preuschen S. 79; Sozom. h. e. VI, 28. 



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Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh, 117 

ab and warden daselbst unter die Gefangenen und Dürftigen 
verteilt. 

Der Bericht über die Mönche von Arsinoe schliesst mit der 
Bemerkung, dass auch bei Memphis und Babylon viele Mönchs- 
ansiedlungen von der Bufinschen Reisegesellschaft gefunden wurden. 
Dann wird auf Grund der Mitteilungen älterer Mönche aus dem 
Zeitalter der Christenverfolgungen ein Mönch der Thebais, Namens 
Apollonius'^), erwähnt, der wegen seines gottseligen Wandels die 
Diakonatsweihe erhalten hatte und mit einigen Neubekehrten auf 
Befehl eines Statthalters von Alexandria im Meere ertränkt wurde. 
Die Bufinsche Reisegesellschaft besuchte die durch Gebetserhörungen 
berühmte Kapelle dieser Märtyrer. 

Am Schluss der Reiseroute in der Tbebais wurde noch der 
Priester-Mönch Dioskuros besucht; er hatte ein Kloster mit etwa 
100 Mönchen. Rufin rühmt die Hirtensorgfalt, mit welcher Dioskuros 
jeden Mönch, der mit einer Sünde befleckt war, von der hl. Com- 
munion fernhielt 5*). 

Im äussersten Westen des Nildeltas, in der Umgegend von 
Aleiandria, wohnten im 4. Jahrhundert etwa 2000 Mönche^); 
die Zellen derselben lagen am Mareotissee bis in die libysche 
Wüste hinein. Der bedeutendste unter diesen Mönchen war der 
Thebäer Dorotheus, der seit den ersten Decennien des 4. Jahr- 
hunderts eine 5 Meilen von Alexandria gelegene Höhle bewohnte, 
während seine Schüler in seiner Nähe in Zellen wohnten. Seine 
tägliche Nahrung bestand nur aus 6 Unzen Brot und einigen Kräutern 
mit wenig Wasser. Während des ganzen Tages, selbst in der grössten 
Mittagshitze, sammelte er am Meeresstrande Steine und baute mit 
diesem Material Zellen für zukünftige Schüler. In der Nacht aber 
flocht er Stricke aus Palmblättern und blieb auch in dieser sitzen- 
den, unbequemen Stellung, wenn ihn bei dieser Arbeit der Schlat 
übermannte ; auf einen regelrechten Schlaf mit ausgestreckten Glie- 
dern verzichtete er. Diese Notizen besitzen wir von Palladius **), 
der auf Empfehlung des alexandrinischen Spitalverwalters Isidorus 
bei Dorotheus das Noviziat in der Mönchsascese durchmachen sollte, 
jedoch noch vor Ablauf des dritten Jahres aus Gesundheitsrück- 
sichten diese Wüstenei verlassen musste. 

Um dieselbe Zeit lebten viele und bedeutende Mönche in der 



32) Bist roon. c. 19; Preuschen S. 80 f. 

33) Hist. moD. c. 20; Preuschen S. 82 f ; Sozom. h. e. VI, 28. 

34) Sozora. h. e. VI, 29. 

35) Hist. Laus. c. 2. Vgl. anch Soz. 1. c. 



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118 Das egypt MOnchtum im 4. Jahrh. 

Wüste des mittleren Deltagebietes bei der Stadt Diolkas. Nach 
Cassian (Instit. coenob. V, 36), der diese Wüstenei selbst besacbt 
hatte, gab es daselbst sowohl Mönche, die in Gemeinschaft lebten, 
als auch Änachoreten, welche nach hinlänglicher Erprobung im 
Kloster sich zuletzt in die Verborgenheit der Wüste zurückzogen. 
Bufin nennt als hervorragende Mönche von Diolkus den Priester 
Piammon, der im Besitze des Charismas der Qeisterunterscheidung 
den Gewissenszustand der Mönche streng überwachte und Johannes, 
der die Heilungskraft besass und besonders in geistige Traurigkeit 
verfallene Mönche mit der Heiterkeit des Herzens zu erfüllen ver- 
stand. Nach Sozomenus (VI, 29) waren sie beide Vorsteher von 
Mönchen »«). 

In derselben Wüste, etwa 4 Stunden von Diolkus entfernt, 
lebte der Mönch Archebios, der einer edlen Familie entstammte und 
schon im Knabenalter ins Kloster gegangen war. Während der 
fünfzig Jahre, die er daselbst zubrachte, versagte er sich jeglichen 
Besuch der Angehörigen in der nahen Heimat; doch war er nicht 
pietätslos gegen seine Mutter; denn als diese nach dem plötzlichen 
Tode ihres Gatten wegen einer Schuld von 100 Silberlingen hart 
bedrängt wurde, bezahlte er mit seiner Hände Arbeit, die er mit 
Gutheissung seiner Obern verdreifachte, die ganze Schuld. Später 
verliess er gleich anderen Mönchen das Kloster und lebte als Ein- 
siedler am Meeresstrande. Aus dieser Einsamkeit wurde er zuletzt 
herausgerissen und als Bischof der weiter östlich von Diolkus ge- 
legenen Stadt Panephysis vorgesetzt«''). 

Cassianus, der den Archebius sowohl in der Mönchszelle wie 
auch später in der bischöflichen Besidenz besuchte, erwähnt auch 
drei in der Nähe von Panephysis lebende Einsiedler, den hundert- 
jährigen Chaeremon, den Nesteros und den Josephus, der einer an- 
gesehenen Familie der Stadt Thmuis angehörte und der egyptischen 
und griechischen Sprache mächtig war*»). 



36) Von Piammon redet Cassian in seiner CoUatio XVIII ; der in der 
XIX. CoUatio erwähnte Johannes, welcher als einfacher Mönch eines ortlich 
nicht näher fixierten Klosters unter der Leitung eines Abtes Paulus erscheint, 
ist wohl aber schwerlich identisch mit dem obigen Johannes, wie dies Zöckler 
(Ascese und Mönchtum (1897) I S. 227) annimmt. 

87) Cassian, Instit. coen. V, 36—38; Coli. 11, 2 f. 

38) Cassian, Coli. 11, 3—17. 



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Das egypt, Mönchtum im 4. Jahrh, 119 



§ 12, Quellen zur Geschichte der Pachomianischen Klöster. 

Für die Kenntnis der Pachomianischen Cönobitenklöster in def 
Thebais sind wir nicht einzig auf die mageren Notizen des Palladius 
angewiesen, sondern es steht ans darüber ein reichhaltigeres Quellen- 
material zur Yerfägung. Dazu gehören in erster Linie die Bio- 
graphien des Pachomias und seiner Schüler; dieselben sind in ver- 
schiedenen Recensionen auf uns gekommen. 

1) Die von Dionysius Exiguas zu Anfang des 6. Jahrhunderts 
nach einer griechischen Vorlage angefertigte lateinische Vita 
Pachomii i). (A). 

2) Eine von Aloysius Lipomanius aufgefundene, dem griechi- 
schen Hagiographen Simeon Metaphrastes zugeschriebene Vita; die 
lateinische üebersetzang derselben ist von Surius in seine Samm- 
lung von Heiligenleben aufgenommen worden^). Der griechische 
Text findet sich in zwei Handschriften der Pariser Nationalbiblio- 
thek (cf. Cod Hag. graec. bib. nation. Paris., n. 881, 5 et 
n. 1453, 2). (B). 

3) In derselben Bibliothek ist noch eine andere bisher unedierte 
griechische Vita Pachomii vorhanden (Ibid. n. 881, 4). 

4) Die von den BoUandisten auf Grund einer vatikanischen, 
Florentiner und Mailänder Handschrift herausgegebene griechische 
Recension *) ist umfangreicher als die obigen und enthält ausser der 
Vita des hl. Pachomius noch die Lebensbilder seiner Schüler, be- 
sonders des Theodorus. (C). 

5) Aus denselben Handschriften sind von den BoUandisten die 
Paralipomena de S. Pachomio et Theodore geschöpft*); eine wört- 
liche üebersetzung dieser griechischen Paralipomena ist die syrische 
Pachomiusvita*). (P). 

Neuerdings sind noch von dem Pariser Professor Am^lineau 
folgende koptische und arabische Recensionen einer Vita Pachomii 
und Theodori nebst französischer üebersetzung veröffentlicht worden : 



1) Migne, s. lat. t. 67 col. 227 seq. 

2) De probatis Sanctorum Vitis, Colon. Agripp. 1579 p. 307—339. 

3) Act. Sanct. Maii 1866 t. III pag. 22*— 43* (griechischer Text), p. 295 



bis 383 (lat. üebersetzung). 

4) Ibid. pag. 44*— 53* (griech.), pag. 333—345 (lat. üebera.). 

5) P, Bedjan, Act. martyr. et sanctor. t. V p. 121—176. 



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120 Das egypt, MOnchtum im 4. Jahrh. 

1) Fragmente einer Vita Pachoraii 'et Theodori ina koptisch- 
sahidischen Dialekt ^). (T). 

2) Eine bis auf Anfang und Schluss vollständige Vita Pachomii 
et Theodori im koptisch-boheirischen Dialekt >). (M). 

3) Die jüngste, nach Ansicht des Herausgebers etwa aus dem 
13. Jahrhundert stammende arabische Vita Pachomii et Theo- 
dori»). (A'). 

Diese verschiedenen Recensionen enthalten trotz mannigfacher 
Differenzen so viele auffallende Berührungspunkte in inhaltlicher wie 
formeller Hinsicht, dass eine gegenseitige Abhängigkeit irgendwelcher 
Art von allen Kritikern angenommen wird. Der Streit dreht sich 
nur darum, ob der griechischen oder der koptisch-arabischen Quellen- 
gruppe die Priorität und der Vorzug zugestanden werden soll. Die 
Bollandisten, denen die koptisch-arabische Gruppe unbekannt war, 
halten die von ihnen heransgegebene griechische Becension der Vita 
Pachomii et Theodori für die ursprünglichste; dieser seien von den- 
selben Pachomianischen Mönchen und Redaktoren die Paralipomena 
hinzugefügt worden ; aus diesen beiden Vorlagen seien dann die Re- 
censionen A und B geflossen, von denen die letztere im Verhältnis 
zur ersteren aliquante verbis arctior, rebus amplior sei^). Am^lineau^) 
dagegen glaubt, dass von Pachomianischen Mönchen, die des Griechi- 
schen und Koptischen mächtig waren, unter den Augen des Abtes 
Theodorus zu gleicher Zeit eine koptisch-sahidische und griechische 
Vita Pachomii herausgegeben worden sei; letztere sei ganz verloren 
gegangen; aus der ersteren, die wir nur fragmentarisch besitzen, 
seien die koptisch- boheirische, die arabische, sowie die uns bekannten 
griechischen Recensionen, jedoch ohne Abhängigkeit unter einander, 
hervorgegangen. Die treueste Wiedergabe des Originals soll die 
arabische Recension sein, während die Autoren der griechischen 
Recensionen das Original nach ihrem Geschmack umgemodelt und 
so den griechischen Mönchen mundgerecht gemacht hätten. Grütz- 
macher hat sich in seiner Schrift über »Pachomius und das älteste 
Klosterlebenc die Ansicht des Am^lineau zu eigen gemacht und den 
koptisch-arabischen Quellen den Vorzug gegeben^); doch erklärten 



1) Annales da Musöe Guimet, Paris, Leroux 1889 Tome XVII p. 295—334; 
Mömoires de ia mission archöologique francaise au Caire, Paris, Leroax IV, 2 f., 
p. 521-608. 

2) Annales da Mas^e etc. p. 1—294. 

3) Ibid. p. 335-711. 

4) A. S. S. 1. c. p. 287. 

5) Annales da Mas6e etc., Introdaction p. IX seq. 

6) Orützmacher^ Pachomius und das älteste Klosterleben, Freibar/r i. B. 
(Mohr) X896, S. 5 ff. 



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Das egypt MOnehtum im 4. Jahrh. 121 

Achelis ^) und Preuscheri *) bei der Besprechung dieses Werkes, dass 
die kritischen Bemerkungen des Am^lineau und Grützmacher über 
den Wert dieser verschiedenen Recensionen noch nicht als ab- 
schliessend gelten könnten. In der That leidet die Beweisführung 
Am^lineaus an verschiedenen Mängeln, und selbst Grützmacher 
muss dessen Arbeitsmethode der Flüchtigkeit zeihen '). Hat doch 
Am^lineau in seinem kritischen Expose die Vita B ganz übersehen 
und das urteil der BoUandisten über das Verhältnis von A zu B 
irrtümlich auf das von A zu C übertragen. Ferner supponiert er, 
a priori eingenommen für seine Funde, die koptische Vorlage ein- 
fach als die ursprüngliche Becension und beschränkt sich alsdann 
darauf, zu zeigen, in welcher Weise die Autoren von A und C mit 
der koptischen Vorlage verfahren oder sie umgemodelt hätten; es 
fehlt aber ein solider Beweis dafür, dass C nicht das Original sein 
könne. Der einzige Weg, auf dem man in dieser Sache zu einem 
probablen Resultate gelangen kann, ist eine genaue Prüfung und 
Vergleichung der einzelnen Pachomiusviten ; diese Arbeit hat Ladeuze 
in seiner umfangreichen Dissertationsschrift ^) geleistet und ist auf 
diesem Wege zu einem den Ausführungen des Amölineau und Grütz- 
roacher entgegengesetzten Resultate gelangt; darnach ist die grie- 
chische Recension C als die ursprünglichste und erste Vita Pachomü 
et Theodori anzusehen; das Urteil der BoUandisten über A und B 
präcisiert er dahin, dass B unter Beschränkung auf die Biographie 
des Pachomius aus G und P geflossen sei, während die Vita A als 
direkte üebersetzung von B erscheint. Die koptisch-arabische Quel- 
lengruppe ist alsdann aus einer teils direkten , teils indirekten Be- 
nutzung der griechischen Recension C hervorgegangen , jedoch nicht 
frei von Willkürlichkeiten und Extravaganzen, die vom koptischen 
Geschmack diktiert sind. 

Gewiss sind die von Ladeuze herangezogenen und von ver- 
schiedenen Gesichtspunkten hergenommenen Beweismomente nicht 
samt und sonders von gleicher Kraft ; doch in ihrer Gesamtheit ver- 
leihen sie dem Hauptresultate eine grosse moralische Gewissheit. 
Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Thatsache, dass die in 
den verschiedenen Recensionen sich vorfindenden Notizen und Quellen- 
angaben mit dem Resultate in Einklang stehen, welches Ladeuze aus 
dem Vergleiche der Einzelberichte dieser Quellen gewonnen hat. 



1) Theol. Litteratnrzeitung 1896, S. 241. 

2) Deutsche LitteraturzeituDg 1896, S. 709. 

3) Grützmacher a. a. 0. S. 7 Anm. 1. 

4) ißtnde sur le c^nobitisme pakkömien pendant le IV« si^cle et la 
premiere moitiö da Ve, Loarain et Paris 1898. 



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122 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh, 

Wir können nicht umhin auf den Qaellenwert dieser verschie- 
denen Pachomiusviten näher einzugehen, weil dadurch einige für die 
Behandlung der Pachomianischen Mönchskreise wichtige Momente 
besser im voraus erledigt werden. 

I. Die lateinische Vita A ist von Dionysius Exiguus zu Anfang 
des 6. Jahrhunderts nach einer griechischen Vorlage bearbeitet wor- 
den. Es fragt sich nun, ob diese griechische Vorlage eine von den 
uns bekannten griechischen Recensionen, B oder C und P*), sei. 

Allen drei Recensionen sind nun folgende Eigentümlichkeiten 
gemeinsam : 

Erstens findet sich an der Spitze von B wie C ein Eingang mit 
denselben Gedanken und derselben Gedankenfolge ^). Der Vita A ist 
nur der zweite Teil des Einganges von B und C vorausgeschickt, deckt 
sich mit diesen inhaltlich, enthält gleich diesen der Reihe nach die 
Namen Antonius, Elias, Elisaeus, Joannes Baptista, Athanasius, 
Ammon und Theodorus sowie einen Schrifttext (Ps. 64) und eine 
Anspielung auf den Brief an die Römer (11, 25) und erscheint als 
eine ziemlich wörtliche üebersetzung von B. Am Schluss des Ein- 
ganges findet sich beim üebergang zur Biographie des hl. Pachomius 
in allen drei Recensionen eine fast gleichlautende Phrase: A: 'Idcirco 
autem pro gloria Christi, qui nos de tenebris vocavit ad lucem et 
pro utilitate eorum qui ista lectari sunt, strictim conversationem 
eins (sc. Pachomii) quae fecerit a parvulo, refero, quia a tanta per- 
tectioue eius initia quoque ipsa non discrepant*, B: 'Necesse est ad 
gloriam Dei, qui nos vocavit ex tenebris ad lucem suara admirabilem 
et ad utilitatem eorum qui legunt hanc narrationem a puero singu- 
latim enarrare eius vitam; fine enim digna sunt eius prooeraia in 
ipsa gentilitate' und C: »'Avayxatov äs xai toütov töv ßtov Sx 
7:ai<?6^sv ötnjyi^oaoftat etc 865av 8eoü, toü uavxoxöftsv uavtac xa- 
XoüVTOc etc TÖ ^aofiaoTÖv a&xoü ^öc«. 

2) Auch die Conclusio am Ende der Biographie des Pachomius 
ist in den beiden Viten A und B dieselbe: A: 'Haec igitur nos ex 
multis eorum meritis descripsimus pauca, et ex magnis parva diges- 
simus etc.*, B: 'Haec vero nos ex pluribus pauca scripsimus et pro 
maximis eius factis et operibus minima, non ut laudem demus sanctis 
patribus, (nostrum enim honorem aut gloriam non appetunt; sufficit 



1) Die Vita A enthält auch einige nur P eigentümliche Erzählungsstoffe. 

2) Die boheirische und arabische Vita weisen in ihrem Eingange den- 
selben Ideengang auf; doch bleiben sie ausser Betracht , da hier nur festge- 
stellt werden soll, welche griechische Vorlage Dionysius benutzt hat. Der Ein- 
gang der sahidischen Vita ist unter den veröffentlichten Fragmenten nicht 
vorhanden. 



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Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh, 123 

enim eis aeterna laus, qua afficiuntur a Domino et angelis, et erit 
perfectior. Fulgebunt enim sicut sol, Christi lumine perfusi, qui 
semper eos glorificat, qui eum glorificant) sed ut nos quoque eos 
imitemur pro viribus, ex auditione inducti ad eorum imitationero, 
precibus et intercessionibus sanctorura prophetarum , apostolorum et 
martyrum, propter quos Dominus noster Christus glorificatur: Cui 
gloria et potentia in saecula saeculorum, Amen.' Die Vita C behandelt 
ausser der Biographie des hl. Pachomius noch die des Abtes Theo- 
dorus und gedenkt alsdann noch in wenigen Zeilen des Orsisius; 
darum ist das Fehlen der Conclusio erklärlich. 

3) Endlich finden wir in allen drei Recensionen eine ziemlich 
übereinstimmmende Angabe fiber die bei der Abfassung der Vita 
Pachomii benutzte Quelle. In der Vita A heisst es *) : *Haec autem 
aliaque eins plurima a sanctis hominibus Dei, qui simul cum eo 
multo tempore sunt morati; quibus etiam vitae spiritualis exempla 
contulerat, post lectionem divinae legis ea quae ad aedificationem 
animarum pertinent diligenter exponens. Quae quia multa sunt et 
vires nostrae parvitatis excedunt, non omnia praesenti stilo per- 
scripsimus. Non enim sumus idonei tanti viri merita eloquio pari 
depromere', in der VitaB*): *Haec autem et multa alia nos cogno- 
vimus ; ut qui ab antiquis patribus, qui longo tempore sunt cum eis 
versati, audierimus. Saepe enim quaedam eis exponebat post divinas 
lectiones ad aedificationem et eorum utilitatem. Quae quidem cum 
sint multa, non potuimus mandare litteris propter nostram imbecil- 
litatem. Neque enim sumus idonei narrandis tot tantisque rebus 
praeclare gestis' und in der Vita C ^) : »Taüxa 8h lYvwfisv icapa täv 
apxaicuv icaTpcuv oovavaoTpa^lvxcuv abxiS xpovov txavöv • SStjysIto yap 
fltüToTc xai TttüTa itoXXctxtc fiexa xa eipK^fxeva töv Oetcov Ypa(pa>v, o&x 
äv ik dovrinB^a &v Tjxoüoafisv t6 TcXeToxov Ypa<j/at, 4XX' iizo (ilpoüc.c 
Dieser Passus, der in allen drei Recensionen an einer und derselben 
Stelle zwischen zwei identische Berichte eingeschaltet ist, wäre bei- 
selbständiger Arbeit der Autoren ohne gegenseitige Benutzung un- 
erklärlich, und selbstverständlich können nicht alle drei Viten auf 
einer unmittelbaren Benutzung der von den Zeitgenossen des 
Pachomius übermittelten Tradition beruhen ; aber jeder, der die Ge- 
pflogenheiten jenes Zeitalters über das geistige Eigentumsrecht kennt, 
wird sich auch hüten anzunehmen, dass bei demjenigen der drei 
Autoren, welcher die Urquelle benützte, die Absicht bestanden hätte. 



1) Migne s. lat. t. 67 col. 286. 

2) 8\ 



2) Surius 1. c. p. 810. 

3) A. S. S. 1. c. p. 23» 



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124 Das egypt, Mönchtum im 4. JahrK 

durch die Aufnahme dieser Quellennotiz seine Mittelbarkeit zu ver- 
decken. 

Schon diese Berühungspunkte weisen auf eine gewisse Ab- 
hängigkeit der drei Recensionen unter einander hin. Hat nun dem 
Dionysius bei der Abfassung der Vita A die griechische Recension 
B oder G und P als Vorlage gedient? A enthält ganz dieselben 
Erzählungsstoffe aus dem Leben des hl. Pachomius wie B. Ein 
Vergleich der Vita A und B ergibt folgendes Schema: 

A 1—37 entspricht B 1—40, 

A 38—46 , B 59—72, 

A 47—51 , B 79—84, 

A 52—54 , B 87-89. 

Die übrigen Kapitel von B, nämlich 40—58, 73—78, 85—86, 90, fehlen 
in der Vita A, ein Beweis, dass wohl A aus B geflossen sein kann, 
nicht umgekehrt. Die Aneinanderreihung der Einzelberichte ist in 
beiden Viten auch da dieselbe, wo keine chronologische Folge vor- 
liegt; auch die üebereinstimmung im Ausdruck und Wortlaut ist 
so häufig, dass die Abhängigkeit der Vita A von B unverkennbar 
ist. Vergleichen wir dagegen die Vita A mit C und P, so ist aller- 
dings wahr, dass die erstere keinen Bericht enthält, der nicht ent- 
weder in C oder in P zu finden wäre; es ist aber undenkbar, dass 
Dionysius bei diesem eklektischen Verfahren die Einzelberichte in der- 
selben Reihenfolge wie B geordnet hätte. Die Erzählung der Vita 
A 52 über einen Mönch Zachaeus kann nur aus B 87 geschöpft sein, 
wo der Mönch den gleichen Namen trägt, während in P 36 derselbe 
Bericht auf einen Mönch Athenodorus bezogen wird i). 

Aus alledem ergibt sich, dass die Vita A als eine kürzere Re- 
daktion der Vita B zu betrachten ist; es bleibt nur noch übrig, 
einen Stein des Anstosses wegzuschaffen. A 21—22 teilt uns näm- 
lich eine Mönchsregel mit, welche ein Engel dem hl. Pachomius auf 
einer Tafel übergeben haben soll, während die Vita B 12 nur die 
üebermittelung der Tafel seitens des Engels an Pachomius erwähnt, 
ohne den Inhalt der darauf geschriebenen Regel anzugeben. Das ist 
das einzige Moment, welches Grützmacher gegen die Entlehnung der 
Vita A aus B vorbringen konnte*). 

Woher hat nun A den Inhalt dieser Mönchsregel entnommen? 
Aus der Art und Weise, wie der Autor im Cap. 21—22 diese Regel 
mitteilt, ergibt sich, dass dieselbe ein aus einer anderen Quelle ent- 



1) Vgl. den ausführlichen Nachweis für die Verwandtschaft zwischen A 
und B nebst Belegstellen bei Ladeuze a. a. 0. S. 7 ff. 

2) Qrützmacher a. a. 0. S. 8. ^ 



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Das egypL Mönchtum im 4, Jahrh, 125 

nommenes Einschiebsel ist. Er teilt sie nämlich nicht im 12. Kapitel 
mit, wo man sie erwarten sollte, sondern als hätte er den richtigen 
Zeitpunkt verpasst, schaltet er sie an einer späteren Stell« (cap. 21—22) 
mit den Worten ein: 'Äcceperat enim dudum tabulam in qua erant 
haec annotata etc.^ Woher stammt nun dieses Einschiebsel? Schon 
die Bollandisten ^) haben bemerkt, dass der Inhalt der Regel in der 
Vita A sich fast vollständig mit dem 88. Kapitel der Historia 
Lausiaca des Palladius deckt. Uebrigens ist diese Mönchsregel nicht 
die einzige Entlehnung aus Palladius. A 28 heisst es über die 
Identität der Regel für die Männer- und Frauenklöster: 'Exceptis 
enim melotis, quas feminae non habent, omnis instiiutionis earum 
forma monachis probabatur esse consimilis*^). Diese Stelle findet 
sich auch nicht in der Vita B, wohl aber fast wörtlich in der Hi- 
storia Lausiaca'). Im selbigen Kapitel der Vita A steht ferner 
über das Begräbnis von Klosterfrauen eine Notiz, welche sich gleich- 
falls mehr an das 89. Kapitel der Historia Lausiaca, als an die 
Vita B 29 anlehnt. 

Anlangend den Wert der Mönchsregel selbst, so ist jedenfalls 
auffallend, dass sich in den Recensionen C, P, T und M keine Spur 
davon findet. Wohl erzählen uns dieselben, dass Pachomius auf 
einen himmlischen Wink hin das Cönobitenleben inauguriert und 
seinen Mönchen gewisse Satzungen vorgeschrieben und dieselben bei 
grösserer Ausdehnung seines Klosterverbandes vervollständigt habe, 
aber die Thatsache, dass ein Engel dem Pachomius eine fertige 
Regel überreicht habe, ist ihnen völlig unbekannt. Die Engelsregel, 
von der die zeitgenössischen Pachomianer nichts wussten, ist also 
ein Produkt späterer Legendenbildung. Dagegen spricht nicht der 
Umstand, dass sich diese Engelsregel in der arabischen Vita 
(S. 366—369) findet; denn diese Vita, welche erst nach der arabi- 
schen Invasion in Egypten entstanden sein kann, hat die Engelsregel 
gleichfalls aus dem 38. Capitel der Historia Lausiaca entlehnt, wie 
sie auch das 39. und 4Q. Capitel derselben Mönchsgeschichte ziem- 
lich getreu übersetzt hat*), und hat sich dadurch in Widerspruch 
gesetzt mit ihren anderweitigen Angaben, denen gemäss der hl. Pa- 
chomius die Regel für die Mönche auf Grund seiner Erfahrungen 



1) A. S. S. 1. c. p. 302. 

2) Einige Zeilen weiter wiederholt der Autor der Vita A denselben Ge- 
danken: 'Una vero re^ala tarn yirorum qaara feminaram hodieque perdarat, 
nisi qnod feminae, ut diximus, melotis minime utantar'. 

3) Cap. 39. 

4) Ar 377, 383-384. 



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126 Das egypL Mönchtum im 4. Jahrh. 

und der hl. Schrift geschrieben und mit der Zeit noch vervoll- 
ständigt hat. 

Die in der Vita A mitgeteilte Engelsvision und Engelsregel geht 
also auf Palladius oder auf eine andere uns unbekannte Quelle zu- 
rück, aus welcher Palladius geschöpft hat. Jedenfalls ist sie jüngeren, 
legendarischen Ursprungs; denn die von allen Kritikern als ältere 
Quellen anerkannten Becensionen G, P, T und M wissen noch nichts 
davon. 

Trotz der unbestreitbaren Abhängigkeit der Vita A von B 
schwebt aber immer noch ein Dunkel darüber, dass sich in der 
ersteren eine beträchtliche Anzahl von Gapiteln der letzteren nicht 
finden^). Sollte etwa dem Autor der Vita A ein mangelhaftes 
Exemplar der Vita B als Vorlage gedient haben? Aber noch eine 
andere Erklärung ist möglich. Dionysius giebt am Schluss seiner 
Vita an, dass er aus einem umfangreicheren Material eine Aus- 
wahl getroffen habe. Dass der Autor der Vita A aber bei dieser 
Auswahl irgend eine greifbare Tendenz verfolgt habe, ist nicht er- 
sichtlich; ist doch dabei auch die Gründung des Pachomianischen 
Hauptklosters Pheböou übergangen worden, wozu doch eher eine ge- 
wisse Oberflächlichkeit als Absicht den Grund abgeben konnte. 

Indes Grützmacher stempelt die Vita A aus anderen Gründen 
zu einer ausgesprochenen Tendenzschrift'). Er macht dem Dionysius 
den Vorwurf, dass er »die von Pachomius berichteten Wunder weiter 
ausgemalt und ins Ungeheure gesteigert habe«. Als Beweis führt 
er nur eine Stelle an, in der es heisst, dass dem Pachomius beim 
Ueberschreiten des Nils sich stets ein Krokodil zur Verfügung gestellt 
und ihn mit der grössten Unterwürfigkeit hinübergetragen habe *). 
Dieses Faktum findet sich nun allerdings nicht in der Vita G; aber 
der dem Dionysius gemachte Vorwurf würde doch nur dem Autor 
der Vita B gelten; denn dort findet sich die fragliche Stelle^), und 
Dionysius hat seinen Bericht einfach daraus entlehnt. Uebrigens wird 
weiter unten (S. 130 Anm. 4) gezeigt werden, dass diese Stelle in der 
Vita B wahrscheinlich auf einer falschen Deutung eines schwierigen 



1) Siehe oben S. 124. 

2) Grüizmacher a. a. 0. S. 10 ff. 

3) A 19: 'Nee non crocodili, si qnando necessitas fluviam transire com- 
pelleret, eum summa cam sabiectione portabant, exponentes eum ad locam, 
quocunque praecepisset.' 

4) B 20: Crocodilis quoque saepe utebatur ad fluviam transmittendum, 
qui transrebebant eum quam celerrime. — Diese Erzählung soll sich nach 
Grützmacher (S. 11 Anm. 1) auch in der arabischen Vita (S. 363) finden; 
doch hat die in der letzteren angeführte Episode mit dem obigen Bericht gar 
nichts zu schaffen. 



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Das egypU Mönchtum im 4. Jahrh. 127 

Textes der Vita C beruht. Weiter wird in der Vita A erzählt, dass 
eine Frau durch Berührung der CucuIIa des Pachomius vom Blutfluss 
geheilt worden sei ; der nun folgende Zusatz, ein Presbyter Dionysius 
habe die Frau nach der Heilung gesegnet, findet sich allerdings nicht 
in der Vita C; aber die Sucht nach einer Tendenz, als habe der 
Autor der Vita A durch diesen Zusatz »im Sinne seiner Zeit die 
Heilung durch einen Kleriker offiziell anerkennen und beglaubigen 
lassen«, ist hier nicht am Platz. In der lateinischen Debersetzung 
der Vita B 86 lautet nämlich die analoge Stelle so: Ipse (Pachomius) 
autem intellecta arte Dionysii benedixit mulieri et rursus rediit in 
suum monasterium*. Offenbar hat nun der Autor der Vita A in der 
griechischen Vorlage aus Flüchtigkeit Aiovuaioc statt Aiovuaiou ge- 
lesen und dann fälschlich übersetzt: 'Tunc sanctus vir Dionysius 
factum sentiens benedixit mulieri et protinus ad sua repedavit'. 
»Charakteristisch«, erklärt ferner Grützmacher, »ist auch die Aus- 
lassung einer Erzählung der Vita, in der Pachomius einem kranken 
Mönch entgegen der Sitte Fleisch zu geben befiehlt^). Da man zur 
Zeit des Dionysius in den Klöstern den Fleischgenuss verpönte oder 
doch möglichst einzuschränken sachte, wagte Dionysius nicht, seinen 
Mönchen von dem freimütigen Handeln des sich kühn über seine 
eigene Regel hinwegsetzenden Klosterstifters zu berichten. Von dem 
engherzigen Standpunkt seiner Zeit erschien das Handeln des Pa- 
chomius als frevelhafte Latitude.« Die Auslassung ist aber leicht 
erklärlich, da dieser Bericht auch in der griechischen Vita B fehlt, 
nach welcher Dionysius seine lateinische Uebersetzung des Lebens 
des hl. Pachomius angefertigt hat. üebrigens fehlt zu der Annahme, 
dass bei der Auslassung dieses Passus eine Tendenz vorgelegen habe, 
jeder reale Hintergrund , da zur Zeit des Dionysius im Abendlande 
die Kegeln des Pachomius und Basilius, welche den Fleischgenuss 
nicht im strengsten Sinne verbieten, weit verbreitet waren. Endlich 
soll Dionysius nach Grützmacher aus dogmatischen Gründen sogar 
Namen geändert haben. »Einen Bischof, der mit Pachomius zu- 
sammenkommt und in der ursprünglichen Vita den Namen Arius 
führt, nennt er Varus, weil es ihm anstössig erschien, dass der be- 
rühmte Klostergründer mit einem Bischof, der den Namen des be- 
rüchtigten Ketzers trug, verkehrt haben sollte.« Ja sogar die Epitheta, 
welche in der Vita A sowie in den der Zeit nach früheren Viten B, 
C, T dem betreffenden Bischof beigelegt werden, sollen »in cha- 
rakteristischer Weise die zunehmende Aengstlichkeit der Kirche im 
Verhalten zu den Häretikern wiederspiegeln.« Bei einem Vergleich 



1) Diese Erzählung findet sich in der Vita C no. 34 (A. S. S. 1. c p. 29*). 

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128 Das egypt. Mönchtum im 4, Jahrh, 

der betreffenden Texte unter einander ist aber schwer herauszufinden, 
dass der eine von ihnen prononcierter oder orthodoxer klingen soll 
als der andere i). 

Was die Namensänderung in der Vita A betrifft, so ist sie 
ganz unschuldiger Natur, wie es Ladeuze durch folgende Conjektur 
plausibel macht «): »Tous les documents (C 51, B 62, T 536, k' 569) 
relövent en effet en termes exprös Torthodoxie de cet öveque. D'ail- 
leurs , apres ce qu' 11 en a dit au n. 27, l'auteur de A n'avait plus 
ä. craindre qu'on prit le saint pour un ami d'Arius. Pourquoi donc 
A a-t-il fait de changement qu'on lui reproche? On ne saurait 
l'explication que par sa d^pendance vis-ä-vis de B. C 51 porte: 
'Etcioxotcoc TIC 8h xrj<: uoXeax; Ilavoc, 'ApeToc; fxlv Xe^öfisvoc;. Notez 
la juxtaposition de Ilavoc; et de 'ApeTog. B a certainement mis 
llavoc au gönitif, en apposition avec icöXswc et a öcrit d'un trait 
IlavooapeToc:. La preuve palpable s'en trouve dans la traduction de 
Hervet: »civitatis episcopus, nomine Panuarius«. L*auteur de A 
(ou peut-ötre Denys lui-m§me) aura lu, comme Hervet, Ilavoüapetoc; 
en un seul mot. Ne reconnaissant pas ce nom et remarquant d'autre 
part que la ville de F^veque en question n'^tait plus d^signäe, il 
aura cru retrouver dans Ilav le nom grec bien connu de la ville 
d'Akhmtm. Restait ainsi ouapetoc que Denys a traduit par un nom 
latin egalement bien connu, Varus. L'objection de M. Grfitzmacher 
devient une nouvelle preuve de la these defendne plus haut sur la 
däpendance de A vis-ä-vis de B«. 

Die Gründe, welche dafür vorgebracht werden, dass der Autor 
der Vita A aus dogmatischen und ähnlichen Rücksichten den Stoff 
der griechischen Vorlage umgeändert habe, sind also nicht stichhaltig. 
Wohl aber bleibt es wahr, dass derselbe nicht sehr geschickt den 
Auszug angefertigt hat, so dass sich daraus ein erschöpfendes Ge- 
samtbild der Pachomianischen Elosterstiftungen nicht gewinnen lässt. 

IL Welches Verhältnis besteht zwischen B und C oder viel- 
mehr C + P? Im Anschluss daran soll der Quellenwert der 
Vita C erörtert werden. Eine schon oben S. 123 erwähnte, den 
beiden Viten B und C gemeinsame Notiz geht dahin, dass die von 



1) A 89: 'Eodem tempore Panos civitatis episcopas, Varas nomine, per 
omnia yenerabills ac Deo deditus, rectaeqae fidei ferrentissimas amator existens'. 
B 62: ^Sed cam hanc pulchram in Christo vivendi rationem intellexisset etiam 
civitatis episcopus, noraine Panuarius, in omnibus alioqui vir bonus et rectae 
fidei amator veheraens'. C. 51 (A. S. S. p. 33*): »'Etcioxotcö; xt5 8k t% jcöXeco? 

Ar p. 569 : 'Un evdque d^vot, orthodoxe, de la ville Eschmin, nomm^ Airios'. 

2) Ladeuze a. a. 0. S. 107 Note 1. 



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DcL8 egypt. Mönchtum im 4. Jahrh. 129 

ihnen dargebotene Biographie des hl. Pachomius sich auf Mitteil- 
ungen von Mönchen stützt, die den Elosterstifter selbst gekannt und 
mit ihm zusammengelebt haben. In beiden Viten findet sich noch 
eine andere Notiz, in welcher Mönche und Zeitgenossen des hl. Pa- 
chomius als Gewährsmänner bezeichnet werden. C 31 fugt nämlich 
einem Bericht über das innere Gebetsleben des Heiligen folgendes hinzu : 
»Ectv 8i Tic; ävayiYvcioxcDV tooc; fixaaxöxe Xöyooc; t^<: icpooeox^c aoTOü 
äxouov sfTcij, Tco^ev -qfiTv ToTg ooYypa^filvotc toütwv ^ yvoiotc; uept- 
^Xfte; fiVTjfioveuag TcpcuTOV (liv, Sxi e?pTjfilvov Soxtv, Sxi itapa naxlpcDv 
ipXOLiiüv Tjxoüoafiev xaöxa (lexa axptßetac; iSexaootvxec • Kai auxög 6 
"'Aytoc, xafti^f^evoc ISTjyigoaoftat xt xöv avT)x6vxa)v loxl ö*5xt xal ?«>(; 
xoü XoYtOfiOü aöxoü ä^avepoo «OxoTc xal xö icöc Äst eSSaoftat icepl 
Ixaoxou atxi^fiaxoc, äcpdopwc didaaxcov.c In der Yijba B steht eine 
fast gleiche Bemerkung, doch nicht im Auschluss an den Bericht 
über das Gebet im Kapitel 40, sondern erst am Ende der ganzen 
Biographie, so dass der Verfasser gezwungen war, dieser Einschaltung 
eine zweite Gonclusio anzufügen. Diese Qaellennotiz in B 40 lautet : 
""Bogo autem eos, qui haec legunt, ut fidem habeant huic narrationi. 
Si quis vero ex iis, qui legent, de eins quae dicuntur eins precibus, 
accurate interroget dicens: Undenam vobis scriptoribus fuit harum 
rerum cognitio? recordetur eorum, quae a nobis dicta sunt superius, 
quod ea ei sanctis patribus cognovimus, cum accurate examinavis- 
semus. Ipse enim beatus Pachomius saepe narrans fratribus ea, 
quae pertinent ad eorum utilitatem, eis quoque suas aperuit cogita- 
tiones et abunde docuit, quemadmodum pro unaquaque petitione 
orare oporteat'. Die üebereinstimmung der beiden Notizen ist auf- 
fallend. Haben nun die Autoren der beide.n Viten eine gemeinsame 
Quelle benutzt oder welche von beiden Viten hat der anderen als 
Vorlage gedient? Es ist schon a priori nicht wahrscheinlich, dass 
die Vita aus B geflossen sei, da die letztere sich nur auf die Bio- 
graphie des hl. Pachomius beschränkt, während die erstere die Ge- 
schichte der Pachomianischen Klöster bis zum Tode Theodors fort- 
führt. Was die Reihenfolge der Thatsachen anlangt, so entspricht 
B 1—43 den Capiteln 1—35 (Anfang und Mitte) der Vita C; als- 
dann schaltet B den Bericht der Recension P 28—31 ein; der Rest 
der Recension B besteht teils aus C, teils aus P, jedoch so, dass 
die der Recension P eigentümlichen Erzählungsstoffe gewöhnlich in 
die Vita B aufgenommen sind ^). Diese üebereinstimmung dadurch 
zu erklären, dass die beiden Viten B und G |- P aus den uns be- 



1) Ladeuze a. a. 0. S. 16 Note 2. 
Johiwietz, MÖnohtam. 



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130 Da8 egypt. Mönchtum im 4 Jahrh, 

kannten koptischen Quellen geschöpft haben, ist nicht angängig; 
denn B enthält keinen Erzählungsstofi , der bloss den koptischen 
Yiten eigentümlich ist; sodann bestehen gewisse Differenzen in den 
Erzählangsstoffen der Viten C und P einerseits und den koptisch- 
arabischen Becensionen andererseits; bei dergleichen Berichten steht 
B stets auf Seiten der Becensionen und P^). Nicht bloss inhalt- 
lich deckt sich B mit den entsprechenden Berichten von C und P; 
sondern die Uebereinstimmung geht sogar häufig bis auf den Wort- 
laut'). Eine von Ladeuze angestellte Vergleichung ergiebt, dass in 
der Vita B f^st kein Erzählungsstoff vorhanden ist, der sich nicht 
auch in den Becensionen C und P finden Hesse. Bezüglich einiger 
nur der Vita B eigentümlichen kleineren Berichte glaubt Ladeuze ^), 
dass sich dieselben als subjektive Zuthaten des Autors erklären 
Hessen. Anders ist dagegen zu urteilen über B 12: 'Protinus ergo 
illi (Pachoroio) apparet Angelus et dat ei tabulam, in qua scripta 
erat tota vitae constitutio eorum, qui erant ad ipsum venturi' und 
B 24: 'Et unusquisque convenienter regulae, quae sibi data fuerat. 
Non eadem autem hora cibum sumebant; sed unusquisque se exer- 
cebat congruenter operi et abstinentiae'. 

Diese beiden Bemerkungen sind den Becensionen C und P 
durchaus fremd und sind entweder aus der Historia Lausiaca (c. 38) 
oder einer ähnlichen QueHe entlehnt. Damit charakterisiert sich die 
Vita B als eine erst in späterer Zeit entstandene üeberarbeitung der 
Pachomiusbiographie. Zwischen der Abfassung der Vita B und dem 
Tode des Pachomius muss überhaupt ein beträchtHcher Zeitraum 
liegen; die beiläufigen Bemerkungen B 12: ""Ex qua ab eo accepta 
in hodiernum diem vitam instituunt Tabennesiotae' und B. 29: 
'Quando autem consnmmatur soror, usqtie ad hodiernum diem congre* 
gantur fratres etc.' weisen darauf hin^). 



Ladeuze a. a. 0. S. 21. 
Ebendas. S. 16—20. 

8) B 16 (Schluss), 20 (Anfang). 33 (Schluss), 34 (Anfang und Schluss). 
Vgl. Ladeuze a. a. 0. S. 16 Note 1. 

4) Der Bericht der Vita B. 20 : 'Crocodilis qnoque saepe utebatnr ad 
flavium transmittendara , qai transvehebant eum quam celerrime' findet sich 
nicht in der Vita C; doch findet sich an einer entsprechenden Stelle der letz- 
teren Vita (Cap. 14) folgender Text: »Koi Tcpb xou autov -rijv xeXeiav p/watv iyfßvf 
Tcapa Kuptou ToiauTTjv ^Ö6x£i xeXsiav tciotiv sj^eiv to Tcaieiv eTcivw o©6wv xa\ axopÄiwv 
»avepto? xa\ öiafieivai tov NeiXov Iv SSaaiv xa\ ^Tjpta a9(5ßw? xot ToXpirjpco? xot u,^ 
ßX(5;7rcea&ai öjc'auxwvc. Dieser Text ist verderbt und dunkel; statt xb ::ax£tv ist 
wohl (S<TTe Tcaxstv zu lesen; auch ötajjistvai gibt an dieser Stelle keinen richtigen 
Sinn; vielleicht ist dafür StaßTjvat zu substituieren. Der Sinn ist also 
etwa folgender: Bevor Pachomius eine vollkommene Erkenntnis hatte, schien es 
ihm, als ob er einen solchen Glauben hätte, dass er über Schlangen und Skor- 
pionen schreiten könnte u. s. w., d. h.: Als Anfänger in der Ascese glaubte er, das 



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Das epypt Mönchtum im 4. Jahrh, 131 

B muss mithin als eine spätere Redaktion der Pachomiusvita 
angesehen und wegen der frappanten Verwandtschaft mit C und P 
aus diesen entlehnt sein. Die Vita C ist aber nachweislich die erste 
Biographie des hl. Pachomius. G 62 heisst es nämlich: »Tauxa ih 
Ypct^I^afiev ^fieTg, oü (isv ys, aic; TcpoetpTjTat , xaxeXaßo^ev aütöv Iv 
TO) ocu^axi, äXXa tooc; fisx' autov ef&fiev xpo^ov toioütooc ovxac, 
oTxtvec; xö xaxa fiepoc xoüxcdv ÄtnjYi^oavxo ^^Tv stÄcöxec aoxa axpißcuc;, 
'Eav dk eXniQ xic * Aia xl oux ?ypa<I;av IxeTvot xöv ßtov auxoü ; AlycDfiev 
xal ^fisTc; oxt oöx '^xotScafiev auxcuv Xeyovxcov uoXXaxtg Tcept xoD ypct^j^at, 
xatxot ys xoioüxcdv oovexÄv ovxcov, coc 6 Tcaxrjp auxcuv • aXXa xax« 
oüno) xatp6(: rjv • oxe dh TÄofiev oxt xp^t« ioxtv, fva (li) x^Xeov liciXa&(o- 
(is^a ü)v -^xoüoafiev icepl xoo xeXetou fxovaCovxog Tcaxpöc 'qfiöv, jiexa 
xoüg ÄYtoüc; Tcavxac lypa^^afxev oXtya Ix tcoXXwv • oüx ^va inatv^ocofiev 
aötöv • 00 yap ßouXsxat xöv &vdp(j[>7ca>v luaivov • exel yap Ioxtv ^exa 
xöv icaxpÄv aoxoü, otcoü 6 ?Tcatvo<; 6 ÄXijfttvög.c Die Mönche oder die 
Redaktoren der Vita C erklären also, sie hätten zwar den hl. Pachomius 
nicht selbst gekannt, aber Mönche, welche ihn kannten und ihn über- 
lebten, hätten ihnen seinen Lebenslauf mitgeteilt. Auf die Frage, 
warum jene Mönche nicht selbst das Leben des Heiligen aufge- 
zeichnet hätten, antworten sie, sie hätten dieselben nicht oft darüber 
reden hören, obwohl sie recht verständige Leute waren wie ihr geist- 
licher Vater. »Es war wohl eben nicht an der Zeit, an ein solches 
Werk heranzugehen«, erklären sie zu deren Entschuldigung; doch 
sie hätten gesehen, dass eine solche Aufzeichnung nötig sei, und sie 
hätten weniges von dem Vielen aufgeschrieben, nicht um Pachomius 
zu loben, sondern damit seine Thaten der Vergessenheit entrissen 
würden. — üebrigens waren die Verfasser der Vita C nicht einzig 
und allein auf diese mündlichen Aussagen angewiesen; sie erklären 
nämlich in dem folgenden Capitel 63, sie hätten Aufzeichnungen 
der Reden, die Pachomius an seine Mönche zu halten pflegte, be- 
nutzen können; desgleichen hätten sie die Mönchsregeln des Pachomius 
und dessen Briefe an verschiedene Klöster zur Verfügung gehabt 
und nach dem Vorgang des hl. Athanasius, der die Vita des 
hl. Antonius angefertigt, eine gleiche Arbeit über den hl. Pachomius 
geliefert. 

Wesen der Heiligkeit bestehe in Wunderthaten. Der Verfasser der Vita 6 hat wohl 
diese dankle Stelle missverstanden, bei deu Worten Iv ijSajiv xa\ &7]p{a an Kro- 
kodile gedacht und die obige üebersetzang geliefert. Aach die Üebersetzung des 
Textes von G 14 bei den Bollandisten : 'Anteqaam autem perfectam divinarum 
rernm notitiani acqaireret, tantam a Deo fidem aäeptua est Pachomius, ut pa- 
lam serpentes calcaret et scorpiones, ut exadantem Nilam ferasque siue metu 
et fidenter expectaret, nihil nocnmenti ab illis accipiens' ist nicht als richtig 
anzusehen. 

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132 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh. 

Allerdings könnte man auf die Bemerkung dieser Mönche, 
welche ihre Vita als die erste Biographie des hl. Pachomius er- 
klären, nicht viel Gewicht legen; eine solche Quellennotiz hätte in 
jenem Zeitalter sehr leicht aus einer anderen Vorlage herüberge- 
nommen sein können; aber dieser Passus über die Entstehungsge- 
schichte der Vita ist nur der Recension G eigentümlich und findet 
sich weder in den arabischen noch in den koptischen Viten. Der 
Autor der Vita B hat wohl die Notiz ans G herübergenommen, dass 
die von ihm dargebotene Vita des hl. Pachomius auf Mitteilungen 
von Mönchen und Zeitgenossen desselben beruhe, aber die Notiz, 
dergemäss sich die Vita G als die Originalbiographie ausgiebt, hat 
er sich gescheut abzuschreiben. 

Zwar sind nachweislich die ersten Werke über das egyptische 
Mönchtum nicht im koptischen Idiom erschienen ; die Vita Antonii des 
hl. Athanasius und die Vita s. Pauli eremitae des hl. Uieronymus^) 
waren nicht nach koptischen Vorlagen verfasst ; immerhin könnte es 
aber auffallend erscheinen, dass die Vita Pachomii zuerst in griechi- 
scher Sprache geschrieben wurde, da sie doch Erbauungszwecken 
diente und die meisten Mönche des Pachomianischen Elosterver- 
bandes nur des Koptischen mächtig waren. Allein die beiden kopti- 
schen Viten enthalten eine Notiz, welche die Thatsache einer grie- 
chischen Originalbiographie des hl. Pachomius bestätigen'). Darnach 
hat Theodor, der Schüler des hl. Pachomius und Goadjutor dessen 
zweiten Nachfolgers Orsisius, öfters den Mönchen das Leben des 
lil. Elosterstifters in seinen Vorträgen dargelegt und wiederholt zur 
Abfassung seiner Biographie gemahnt; doch die Zuhörer meinten, den 
Heiligen auf diese Weise zu ehren hiesse das Fleisch verherrlichen, und 
sie blieben bei ihrer Auffassung, trotzdem Theodor sie mit allerlei 
Argumenten aus der hl. Schrift zu widerlegen suchte. Auf diese 
Notiz folgt in der boheirischen Vita ein längerer Bericht über die 
vielen Sorgen, welche sich Theodor um die Zucht und Organisation 
des Elosterverbandes machte, und hierauf heisst es weiter^): »Et 
quand les freres qui lui servaient d'interpr&tes pour traduire ses pa- 
roles en grec ä ceux qui ne savaient pas T^gyptien, parceque c*6taient 

1) Die von Am^lineau (Histoire des monast^res de la basse fSgypte, 
Annales du musle Guimet, Tome XX V«, Paris (Leroux) 1894) herausgegebene 
koptische Vita des üreremiten Paulus verrät sich deutlich als üebersetzung der 
gleichen Vita des hl. Hieronjmus. Vgl. Deutsche Litteraturzeitung 1896 S. 354 f. 

2) AmMneau, Annales du mus^e Guimet, Tome XVII p. 299—308 ent- 
hält den nur unvollständig erhaltenen Bericht der si^hidischen Vita hierüber; 
vollständig ist dagegen der entsprechende Text der boheirischen Vita 
(Am^lineau 1. c. p. 249—259). 

3) Ammneau 1. c. p. 258-259. 



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Das egypt, Mönchtum im 4, Jahrh. 133 

des ^trangers ou des hommes de Rakoti, l'earent entenda parier ane 
foule de fois des pratiques de notre pere Pakhdme, ils s^adonnerent 
de tout lear coenr ä ce qa'il avait dit ä son sajet avec certitade: 
ils r^crivirent, parceqa' apr^s avoir fini de lear en parier et de le glo- 
rifier en tontes ses souffrances, notre p^re Theodore avait dit am 
frdres en soupirant: Reinarquez bien les paroles que je vons dis: 
car certes il viendra un temps oü tous ne troaverez personne pour 
vous les direc. Die wiederholten Mahnungen des Theodorus an die 
koptischen Mönche behufs Abfassung einer Vita Pachomii waren 
also vergeblich; denn er ruft schliesslich seufzend aus: »Achtet wohl 
auf das, was ich euch sagte ; denn es wird sicherlich eine Zeit kom- 
men, wo ihr niemanden finden werdet, der es euch sagen kann.c 
Erst die Mönche, welche den nur griechisch sprechenden Mitbrüdern 
als Dolmetscher dienten, nahmen sich die Mahnung Theodors zu 
Herzen und schrieben eine Vita Pachomii. Wer waren nun diese 
Dolmetscher? Ein Dolmetscher wird uns G 60, M 147, 150, 
A' 473 — 476 mit Namen genannt; es war dies ein gewisser Theodor 
aus Alexandria (Bakoti), der eine höhere Bildung besass, das 
Koptische erlernte und unter Pachomius und dessen Nachfolgern als 
Dolmetscher der Vorträge der Klosteroberen fungierte; ihm wurde 
auch das Vorsteheramt über das Haus übertragen, in welchem 
Griechen (Männer von Bakoti (d. i. Alexandriner) und andere Ausländer 
sich befanden, von denen in dem obigen Texte die Bede ist. Nichts 
ist natürlicher , als dass ausser diesem Theodor auch andere ihm 
unterstellte Mönche die auch zum Teil eine höhere Bildung hatten % 
die koptische Sprache erlernten, um den Verkehr mit den koptisch 
redenden Oberen des Pachomianischen Klosterverbandes zu vermitteln. 
Da nun nach Angabe der koptischen Viten die erste Vita Pachomii 
aus diesem Mönchskreise hervorging, so ist die Abfassung dieser 
Vita in griechischer Sprache sehr wahrscheinlich. Bei diesen Mönchen 
lagen nicht die gleichen Bedenken vor wie bei den koptischen Mit- 
brüdern. Den Anfang einer solchen Hagiographie hat ja Athanasius 
gemacht und damit ein Beispiel zur Nachahmung gegeben. 

Amölineau *) will allerdings aus dem obigen Text der koptischen 
Vita herauslesen, dass jene Dolmetscher zu gleicher Zeit eine koptische 
und eine griechische Vita verfasst kätten; die koptische Vita sei 
identisch mit der uns fragmentarisch bekannten sahidischen Vita. 
Da aber die griechische Vita C in Vergleich zu der sahidischen be- 



1) Ammneau 1. c. p. 628. 

2) L. c. p. XXV seq. 



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134 Das egypt, MOnchtum im 4. Jahrh* 

deutende Divergenzen aufweist, so hält er dafür, dass jene erste 
griechische Vita verloren gegangen sei und dass die Vita C eine 
spätere ümmodlung der ursprunglichen koptisch- griechischen Viten 
sei. Dieser Auffassung gegenüber muss nun betont werden , dass 
die Redaktoren der sahidischen sowie der boheirischen Vita wohl die 
Dolmetscher als die ersten Biographen des hl. Pachomius bezeichnen, 
aber sich mit ihnen durchaus nicht für identisch erklären; sie 
sprechen von jenen Dolmetschern in der dritten Person Pluralis wie 
von fremden Schriftstellern i) , während sie doch an einer anderen 
Steile, wo sie von sich selbst reden, sich nicht scheuen, die erste 
Person Pluralis anzuwenden ^). Also bietet der obige Text der kopti- 
schen Vita keine sichere Handhabe für die Auffassung des Amälineau. 
Sodann stellt sich der Pariser Gelehrte in schroffen Widerspruch zu 
der Angabe der Verfasser der Vita C, der gemäss ihre Vita die 
erste Pachomiusbiographie sein soll; er sucht darum den Text von 
C 63 durch folgende Interpretation abzuschwächen 3): »Que devint 
alors Faffirmation de Tauteur grec disant que les meines n'avaient 
pas encore ^crit la vie de Pakhöme? II est Evident (?) qu'il faut la 
rejeter compl^tement. Mais corome ce traitement serait un manque 
d'^gards complet pour un si saint auteur, il roe semble qu'il y a 
une autre maniere d'expliquer les paroles que j*ai cit6es. Je considere 
ses paroles comme un ächo des objections faites ä Theodore par ses 
meines et j'y vois , non pas une röflexion propre ä un auteur indi- 
viduel, mais une analyse et un Souvenir de toutes les discussions 
qui eurent Heu ä Phböou sur se sujet. Quoiqu^il en soit, ä moins 
d'admettre qu'un moine grec, voyageur en son loisir, ait le premier 
ecrit la vie de Pakhöme moins quinze ans apr^s sa mort, il faut 
s*en tenir ä la conclusion que je viens d*öraettre, ä savoir que la 
vie de Pakhöme fut äcrite tout abord ä Phböou, et que sans aucun 
doute eile servit aux auteurs grecs pour leurs ouvrages respectifs.« 
Es mag nun Am^lineau damit Recht haben, dass der Text von 
C 63 die Opposition der koptischen Mönche gegen die Abfassung 
einer Biographie des hl. Pachomius wiederspiegeln soll, aber damit 
lässt sich doch die Thatsache nicht vertuschen, dass sich die Vita C 
an dieser Stelle als die erste Pachomiusbiographie ausgiebt. Ent- 
spräche diese Angabe nicht der Wahrheit, so hätten sich die Ver- 
fasser der Vita C einer offenbaren Lüge schuldig gemacht. Hätten 



1) *Et quand les fr^res interpretes Teurent entendu ... IIa ecrivirent etc.' 
(Amelineau 1. c. p. 258 seq., 302 seq. 

2) Amilintau 1. c. p. 2. 

3) Amilineau 1. c. p. XXV. 



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Das egypt Mönchtum im 4, Jdhrh, 135 

sie aber in einer fär Pachoroianische Mönchskreise geschriebenen 
Vita eine solche wahrheitswidrige Angabe mit Aussicht auf Erfolg 
zu schreiben wagen können? Dass sie alsbald als Lügner entlarvt 
worden wären, leuchtet ein *). 

Es sind also keine stichhaltigen Grunde vorhanden, die Autoren 
der Vita C der ünwahrhaftigkeit zu beschuldigen, wenn sie sich als 
die ersten Biographen der Vita Pachomii bezeichnen ; doch existierte 
bereits vor ihrer Arbeit eine koptische Apophthegmenlitteratur über 
Pachomius, welche ihnen zur Benutzung vorlag. 

Wann die Vita C verfasst worden ist, lässt sich aus den bei- 
läufigen Daten in derselben bestimmen. Sie erzählt den Tod des 
Abtes Theodor und berührt noch das Wiedereintreten des Orsisius 
in die Leitung des Pachomianischen Elosterverbandes mit einigen 
Zeilen. Da der Tod des Abtes Theodor nach einigen*) in das 
Jahr 368, nach anderen ^) in das Jahr 363 fällt, so wäre damit der 
terminus a quo ungefähr angedeutet; doch muss man zu diesem 
Datum mindestens 5 bez. 10 Jahre hinzufügen, da in dem Text 
C 60 der — im Jahre 373 erfolgte — Tod des hl. Athanasius, 
des Patriarchen von Alexandria, supponiert wird*). Da nun Pacho- 
mius im 5. Decennium des 4. Jahrhunderts gestorben ist^), so ist 
die Vita C ungefähr 20—30 Jahre nach seinem Tode geschrieben 
worden. 



1) Butler 0. S. B. hat in seiner kritischen Abhandlung »The Laasiac 
history of Palladias« (s. Textes and stadies. Contribations to biblical and pa- 
tristic litterature, ed. by J. Arniitage Bobinson VI, n. L London, G. J. Clay 
and Sons, 1898) gleichfalls den Beweis erbracht, dass die Hypothese Amelineaus 
von der koptischen Quelle für die Geschichte des oberegyptischen Mönchturas 
nichtig ist. 

2) Nach den BoUandisten , nach Am^lineau^ Qrützmachtr, Ladeuze, 

3) Nach Krüger (Theol. Litteraturzeitung 1890, Sp. 622) und Achelis 
(Ebendas. 1896, Sp. '242 f.). 

4) An dieser Stelle wird ein gewisser Lektor Theodor aus Alexandria, 
der bei den Pachoraianern Mönch wurde, mit folgenden Worten gerühmt: 

a?t6viov, TcoTil^öfievo? £(5 xap7co©optav , X^yo(jlsv hl xbv ap)(^iS7c{(jxo7:ov, ou (xövov xbv xote 
ocYnoTaTov 'A^avaaiov (aXV ou xa^nfpievos ael iizi tou apx,ispaTixoü ^pövou, oüx auxbq 
xa^Tjxat) oXX* 6 \i'^u}f^ Itci Süo xal ItcI xpitov auvT)Y(Jt.^vwv iv tö ovöjjiaTt auTou , Iv 
uL^oü) aÜTwv eTvai, b y^piorb? 'It)(joü? toü öeou tou ^wvxo?, h ttJs 'ExxXT)aia? 
W[jL^io{ X. T. X.€ Die BoUandisten (A. S. S. p. 287) haben aus den Worten 
Tov TÖxe ap7t67ct(jxo7cov mit Recht gefolgert, dass zu der Zeit der Abfassung der 
Vita der hl. Athanasius schon gestorben sein musste, denn im anderen Falle 
würde der griechische Sprachgebrauch xbv auxtxa oder vuv ap/^te7ci(jxo7cov erfordern. 
Man kann darum Ladeuze (a. a. 0. S. 75 f.) nicht beistimmen, wenn er auf 
Grund dieser Stelle die Vita C noch zu Lebzeiten des hl. Athanasius rerfasst 
sein lässt. Die Antithese »oXX'oöx xa&TJjievo? a£\ IkI xou apy^teoaxixoö 9'pdvou, oüx 
aöxb? xa^xat« spricht nicht zu Gunsten seiner Ansicht, da hierin nicht bloss vom 
hl. Athanasius, sondern allgemein von jedem zeitweiligen Bischof im Gegensatz 
zu dem immerwährenden Fels der Kirche, d. i. Christus, die Rede ist. 

5) Nach Acheiis im Jahre 340, nach Orützmacher und Krüger 345, 
nach Ladeuze 346, nach AmMneau 348 und nach den BoUandisten 349. 



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136 Das egypt Mönehtum im 4, Jahrh. 

m. Auf die Vita folgen in den Handschriften die Paralipomena 
de SS. Pachomio et Theodore. 

Die Quelle der Paralipomena giebt uns die ambrosianische Hand- 
schrift durch die üeberschrift »vita ex Asceticis de iisdem capita XI Vc 
an^); damit stimmt auch die fast wörtliche syrische üebersetzung 
der Paralipomena, welche die Unterschrift trägt'): »Zu Ende ist 
die Oeschichte des Pachomianischen Klosters, welche griechisch 
Ascetion ^) genannt ist.c Die Paralipomena sind also aus einem 
Asceticum Pachomii, das der Apophthegmenlitteratur entspricht, ge- 
flossen, d. h. ein Mönch, der die Vita G vorfand oder abschrieb, 
fugte noch am Schluss einige Erzählungsstoffe über Pachomius und 
Theodorus aus den Ascetica hinzu. Seine Absicht war die Vita C 
zu ergänzen^); doch ging er dabei sehr flüchtig zu Werke. Von 
den 41 Nummern der Paralipomena finden sich nämlich zehn^) be- 
reits in der Vita C; einige Erzählungsstoffe der ersteren Schrift 
stimmen mit den Parallelberichten der letzteren Vita in Bezug auf 
Inhalt und Detail nicht überein ^). Ein Vergleich der beiden Schriften 
ergiebt auch, dass die Vita C eine nüchternere und präcisere Dar- 
stellungsweise aufweist "*) ; dazu sind die Einzelberichte der Paralipo- 
mena meist ohne logische oder chronologische Verbindung anein- 
andergereiht. Das Asceticon, welches den Paralipomena als Vor- 
lage diente, ist also nicht identisch mit den Apophthegmen , welche 
die Redaktoren der Vita C benutzten, sondern verrät vielmehr in 
Bezug auf Inhalt und Darstellungsweise eine gewisse Verwandtschaft 
mit den koptischen Viten. Nach alledem kann man auch nicht der 
Ansicht der BoUandisten^) beipflichten, welche die Autoren der 
Vita C mit denen der Paralipomena für identisch halten^). 

IV. Von der sahidischen Vita sind nur Bruchstücke vorhanden. 



1) A. S. S. 1. c. p. 333. 



2) P. Bedjan, Acta martyr. T. V p. 176. 

3) In einer Handschrift findet sich die richtige Lesart Asceticon (Bedjan 
1. c. p. 122 Note 1). 

4) A. S. S. 1. C. 44*: »Aötapxw; \jh ta Ypa<P^VTa tcsdI tou ayiou, oTfjiat, 7:005 

a>^A£iav Süvatat au{xßaXX£(j^at, Iv^/^sa^ai h\ ttov aOxwv oü pXaßepbv 2frev 

lÄavaSpaiJLwvxe? xto Xöyw auY-fgvfj iwv TcpoT^pwv ^Xtva Ix^wae^a«, 

5)No. 1-3, 5-6,8-11, 14. 

6) Vgl. P 1, C 49, P 8-11, C 54, P 14, C 12. 

7) Ladeuze 1. c. p. 70 seq. 
8l A. S. S. 1. c. p. 287. 

9) Was die noch nicht edierte Pariser Pachomiusvita (s. oheu S 119) 
anlangt, so hat sich Ladeuze von dem ersten, einem mittleren und dem 
Schlnsshlatt dieser Handschrift photographische Abdrücke herstellen lassen 
und konstatiert, dass der Anfang dieser Vita eine ziemlich wörtliche Wieder- 

fabe des 38« Cap. der Historia Lansiaca ist, während der Text der beiden an- 
eren Blätter fast wörtlich mit den Parallelberichten der Vita B übereinstimmt. 
Vgl. Ladeuze S. 13 f. 



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Das egypt MOnchtum im 4. Jahrh. 137 

die teils von Mingarelli, teils von Zo^ga veröffentlicht nnd schliesslich 
von Am^lineau darch neue Fände vermehrt und herausgegeben wor- 
den sind^). Die Fragmente gehören verschiedenen Handschriften 
an. Jedes Kloster wollte eben im Besitze der Pachomiusvita sein; 
so entstand das Bedürfnis, die Vita abzuschreiben; doch haben die 
Abschreiber sich nicht genau an das Original gehalten, vielmehr sich 
viele Willkflrlichkeiten erlaubt»). 

Es ist schon a priori anzunehmen , dass diese sahidische Vita 
älter ist als die boheirische. Die Pachomianischen Klöster lagen ja 
meist in Oberegypten, wo der sahidische Dialekt gesprochen wurde. 
Nachdem die Dolmetscher, die höchst wahrscheinlich in dem Haupt- 
kloster Pheböou wohnten, die griechische Pachomiusvita G verfasst 
hatten, wollten auch die anfangs der Hagiographie abholden kopti- 
schen Mönche nicht zurfickbleiben. Doch ist die sahidische Vita 
nicht eine einfache üebersetzung der Vita C; manche Stücke der 
beiden Viten sind wohl in Bezug auf Inhalt, Ausdruck und Anord- 
nung identisch^), aber es giebt auch Divergenzen zwischen ihnen, 
ein Beweis, dass der Kopte ausser der Vita G noch anderes Tradi- 
tionsmaterial benutzt hat. Das älteste uns bekannte Manuskript der 
sahidischen Vita enthält bereits die Biographieen des Pachomius, 
Petronius, Theodorus und Orsisius zu einem Ganzen vereinigt*). 
Dieselbe muss bereits gegen Ende des vierten Jahrhunderts ent- 
standen sein^). 

Da nachweislich zwischen den Pachomianischen und den 
unteregyptischen sowie nitrischen Mönchen Beziehungen be- 
standen, so ist nicht zu verwundern, dass auf die sahidische Vita 
auch eine boheirische folgte. Die Abhängigkeit der letzteren von 
der ersteren ist von den Kritikern allgemein zugestanden. Von der 
boheirischen Vita fehlt der letzte Teil der Lebensgeschichte des 
Pachomius sowie der Anfang der Theodors. Da nun gerade Frag- 
mente der sahidischen Vita sich meist auf die in der boheirischen 
Vita fehlenden Erzählungsstofie erstrecken, so lässt sich schwer ent- 
scheiden, ob die letztere nur ein Auszug der ersteren sei, wie es 
Amälineau<^) annimmt. Jedenfalls sind aber die von dem Pariser 
Professor aufgestellten Principien, nach denen der Autor der bohei- 
rischen Vita verfahren sein soll, aus der Luft gegriffen. Nach 



1) Sie 

2) Lo 



Siehe S. 120. Vgl. auch Ladeuze p. 46. 
Ladeuze S. 49. 

3) Ebendas. 8. 28—32. 

4) Ebendas. S. 48. 

5) Ebendas. S. 46. 

6) A. a. 0. S. XLIX. 

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138 Das egypt MOnchtum im 4. Jahrh. 

Am^lineau soll der Autor, welcher für die nitrischen uud sketischen 
Mönche schrieb, alles aus der sabidischen Vorlage ausgelassen haben, 
was mit ihrer mehr anachoretischen als cönobitischen Lebensweise 
im Widerspruch stand. Allein wir finden gerade in der boheirischen 
Vita genaue Schilderungen der cönobitischen Einrichtungen in den 
Pachomianischen Klöstern^); ja es wird sogar in derselben eine 
Rede mitgeteilt, in welcher JPachomius dem Cönobitenleben den Vor- 
zug vor dem Anachoretenleben giebt'). Sodann erklärt Amelineau, der 
Autor der boheirischen Vita hätte die unter den Pachomianischen 
Mönchen vorgekommenen sittlichen Exzesse verschwiegen, um nicht die 
Mönche der nitrischen und sketischen Wüste, welche ein sehr keusches 
Leben führten, zu skandalisieren. Allein wäre wohl der Autor über- 
haupt an die Abfassung der Biographie des hl. Pachomius und da- 
mit an die Schilderang seiner Elosterstiftungen herangetreten, wenn 
er nicht von der Sittlichkeit des Pachomianischen Mönchtums über- 
zeugt gewesen wäre? Hätte ein Antagonismus zwischen den Mönchen 
von Unter- und Oberegypten bestanden, so wäre ja die Aufdeckung 
der sittlichen Gebrechen im Bereiche des Pachomianischen Kloster- 
verbandes ein vortreffliches Mittel gewesen, die Inferiorität des 
Cönobitenlebens gegenüber dem Anachoretentum ins rechte Licht zu 
stellen. 

Uebrigens berichtet die boheirische Vita von zwei sittlichen 
Vergehen unter den Pachomianern ; das eine betrifft den Mönch 
Apollonios ») , das andere einen aus Alexandria*) stammenden Neu- 
ling im Kloster. Wenn nicht mehr Fälle erzählt werden, so dürfen 
wir uns darüber nicht wundern; denn in der — allerdings nur 
fragmentarisch erhaltenen — sabidischen Vita ist auch nur der 
erste Fall berichtet, und die griechische Vita C weiss überhaupt 
nichts von groben sittlichen Vergehen unter den Pachomianern. 
Das Verdikt Am^Iineaus über diese Mönche beruht aber auf der 
sehr zweifelhaften Autorität der erst einige Jahrhunderte später 
verfassten arabischen Vita, welche gegenüber den älteren Viten 
überhaupt sich durch allerlei Singularitäten hervorthut, wovon gleich 
die Rede sein wird. 

V. Was nun die soeben erwähnte arabische Vita anlangt, so ist 
dieselbe nach Amälineau^) etwa im 13. oder 14. Jahrhundert, 
wahrscheinlich aber schon bedeutend früher entstanden, da das 



1) M 34 seq. und 102. 

2) M 189, 191 seq. 
8) M 207 seq. 



4) M 194 seq. 

5) A. a. 0. S. LVIL 

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Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh, 189 

Koptische nachweislich schon im 10. Jahrhundert durch das Arabische 
verdrängt war^) und somit schon damals das Bedürfnis nach einer 
arabischen Version der Pachomiusvita bestehen konnte. Araölineau *) 
nimmt auf Orund der Stelle A' 599 an, dass der Autor dieser ara- 
bischen Vita mehrere koptische Quellen benutzt habe, und Ladeuze ') 
hat den Nachweis geliefert, dass derselbe nicht blos die sahidische 
und boheirische, sondern auch die griechische Vita G und P und die 
Historia Lausiaca (c. 38—40) ausgebeutet hat. Ja, mit Rücksicht 
auf die mannigfachen , nur der arabischen Vita eigentümlichen Er- 
zählungsstoffe muss noch ausserdem eine besondere uns unbekannte 
Apophthegmensammlung jüngeren Ursprungs als Quelle über Pa- 
chomius mitbenutzt worden sein. Die Benutzung der griechischen 
Vita C und P durch den Autor der arabischen Vita ist übrigens nicht 
verwunderlich , da nach dem Zeugnis des arabischen Schriftstellers 
Makrizi aus dem 15. Jahrhundert noch zu dessen Zeit das Griechische 
wie das Koptische in Oberegypten, besonders unter den Mönchen, 
bekannt war*). 

Die arabische Vita charakterisiert sich als reine Compilations- 
arbeit. Der Autor ist hierbei nicht sehr geschickt zu Werke ge- 
gangen und gesteht selbst am Schluss , dass er bei seiner Arbeit 
viel Mühe gehabt habe^). Da er die Quellen durch einander und 
ohne Plan benutzte, so sind die Doppelberichte dieser Vita erklärlich % 
Auch das Vorhandensein von einander widersprechenden Angaben*^) 
beweist die Oberflächlichkeit seiner Arbeitsmethode. Schon daraus 
erhellt, was von dem Urteil Am^Iineau's^) zu halten ist, demgemäss 
in der arabischen Vita die Tradition über Pachomius und seine 
Schüler treuer als in den griechischen Viten überliefert sein soll. 

Was die Glaubwürdigkeit der einzelnen Pachomiusviten an- 
langt, so verdient nach den bisherigen Erörterungen der Verfasser 
der Vita C den Vorzug. Die im letzten Teil seines Werkes be- 
richteten Ereignisse hat er als Mitglied des Pachomianischen Kloster- 
verbandes ^) miterlebt. Für das Leben des hl. Pachomius selbst 



1) Ladeuze S. 69. 

2) A. a. 0. S. LXVII; vgl. Ladeuze S. 52. 

3) S. 53-68. 

4) Ladeuze S. 69. 

5) Ar p. 708: »Yoici ce que nous avons decouvert de Thistoire du pere 

Pakh6me de Thistoire de ses disciples, et cela aprös beaucoup de re- 

cbercbe8.€ 

6) Vgl. Ar p. 378 seq. und p. 567 seq.; 372 seq. und 376 seq. 

7) Ladeuze S. 57 f. 

8) A. a. 0. S. LXVII. 

9) Vgl. C 62 und 63, wo sich der Verfasser als Pachomianer bezeichnet ; 
auch wird Pachomius in der Vita 6 Tcairip fj[ji(ov genannt. 



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140 Das egypt Mönchium im 4, Jahrh. 

waren seine Mitmönche, welche den Heiligen noch gekannt und mit 
ihm zusammengelebt hatten, Oewährsmänner ^). Allerdings war es 
möglich, dass ihm, dem Fremdling, manche Einzelheiten biographi- 
scher oder topographischer Art entgingen, so dass in dieser Be- 
ziehung oft die Ergänzungen der späteren koptisch-arabischen Viten 
nicht ganz von der Hand zu weisen sind. Wahrheitsliebe lässt sich 
dem Autor der Vita C auch nicht abstreiten; trotz der panegyri- 
schen Tendenz seines Werkes scheut er sich nicht, auch solche Fakta 
mitzuteilen, welche für Pachomius und seine Genossenschaft minder 
ehrenvoll waren >). Ausser den Mitteilungen seiner Gewährsmänner 
benutzte er auch schriftliches Material >) ; dazu gehörten nach seiner 
eigenen Angabe die Briefe und die Mönchsregel des Pachomius so- 
wie dessen Beden und Visionen, welche bereits nach Art der 
Apophthegmensammlungen schriftlich vorlagen. Allerdings erschien 
ihm das letztgenannte Material nicht ganz einwandfrei; er erklärt, 
den koptischen Mönchen, so ehrenwerth sie auch sonst seien, sei in 
dieser Beziehung nicht ganz zu trauen^); waren doch schon über 
Pachomius zu dessen Lebzeiten viele übertreibende Anekdoten im 
Umlauf«). 

Dies alles beweist, dass der Autor sich bemüht hat, das Sagen- 
hafte und Phantastische in dem Leben des Pachomius von dem Hi- 
storischen auszuscheiden. In der Tbat erscheint die Vita G bezüg- 
lich der Wunder- und Visionsberichte karger und nüchterner als die 
späteren Viten. Schon die Paralipomena bekunden ein grösseres 
Wohlgefallen am Uebernatürlichen und Wunderbaren^), und die 
koptisch-arabischen Recensionen weisen noch eine bedeutende Mehr- 
ung solcher Episoden aus dem Leben des Pachomius und seiner 
Schüler auf^). Bis zu welchem Grade die Wundersucht der kopti- 
schen Mönche gediehen ist, beweist besonders die arabische Vita, 
in welcher nach Analogie gewisser aussergewöhnlicher Vorkomm- 
nisse aus dem Leben des Pachomius ähnliche Zuge seinem be- 



1) S. oben S. 123, 129, 181. 

2) C 35, 41-43, 47, 49, 57, 61, 64, 68, 81. 

3) S. oben S: 131. 

4) C 63: 'H[Ji&i? 8k [xaWvxe? xaxa xbv xaipov oxi ou Tcavxwv Itciv xo TCHJTeüeiv 
[xaXioxa [xov^ovxi, xatxoiYe xwv ayiwv xtjv 68bv iTtopeiJexo, . . . 5ia xouxo auvexepdaajxEV 
xauxa Ypi^ovxet. 

5) C 71 (Schlass) und 72. 

6) S. unten S. 141 f. 

7) Vgl. den Erzählungssioff von T 314, 328, 547, 590, 599, M 112—114, 
119-129, 130-132. 135, Ar 366, 404, 414, 432, 434, 436, 454, 467, 642, 545, 
547, 553, 568, 608, 613, 625, 628. Parallelberichte hierzu finden sich nicht in 
der Vita C. 



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Das egypt. Mönchtum im 4. Jahrh. 141 

rflhmtesten Schüler Theodorus angedichtet werden*). Schon der 
Autor der Vita C hat diesen Hang der koptischen Mönche, wie oben 
(S. 140) bemerkt worden ist, getadelt, und AmäUneau bezeichnet in der 
Einleitung (§ 4) zu den Contes et Bomans des Coptes (Paris 1888) 
die Sucht nach aussergewöhnlichen Bekundungen des üebernatür- 
lichen und den Hang zu phantasievoUen Ausgestaltungen ungewöhn- 
licher Vorkommnisse als eine Eigentümlichkeit der koptischen Schrift- 
stellerei. Dieselbe erscheint nun in den koptisch-arabischen Pa- 
chomiusviten durch die mehr nüchterne griechische Vorlage noch 
einigermassen eingedämmt ; aber in den späteren Produkten, z. B. in 
der Vita des Abtes Schenoudi*), ist sie bis zur Ungeheuerlichkeit 
ausgeartet. 

Hiermit ist auch der Massstab gegeben, nach welchem wir die 
Divergenzen zwischen der griechischen Vita G und den späteren 
koptisch-arabischen Becensionen zu beurteilen haben; denn fast aus- 
schliesslich auf dem Gebiete des üebernatürlichen und Wunderbaren 
zeigt sich ein unterschied zwischen der älteren und jüngeren Tra- 
dition über Pachomius und seine Schüler. 

Ein grosser Teil der Divergenzen erklärt sich aus dem Be- 
streben der koptischen Mönche, ihren Klosterstifter mit einem höheren 
Nimbus von Glorie zu umgeben. Sie konnten darin nicht Mass halten 
und modificierten nach ihrem Geschmack die in der griechischen 
Vita C niedergelegte ältere Tradition. So war z. B. Pachomius 
nach G 60 nur der koptischen Sprache mächtig, lernte aber später 
das Griechische, um die zahlreichen nur griechisch sprechenden 
Mönche in der hl. Schrift und der Ascese unterweisen zu können^). 
Hiermit stimmt auch die boheirische Vita*) überein; doch die spätere 
koptische Mönchstradition substituierte einen übernatürlichen Er- 
klärungsgrund für die späteren griechischen Sprachkenntnisse des 
Pachomius ; behufs grösserer Verherrlichung des Elosterstifters wird 
in den Paralipomena (c. 27) sowie in der arabischen Vita (p. 628 s.) 
eine magische Schrift erwähnt, welche der Heilige vom Himmel er- 
hielt und welche ihn sogar in den Stand setzte,' in allen Sprachen 
zu reden. — Einen besonders erwünschten Anlass zur Tendenzmalerei 
boten den koptischen Mönchen die Vorgänge auf dem Concil von 
Latopolis oder Ksneh; nach der Vita G 72 wurde Pachomius dahin 



1) 3. M 8, A« 344 — M 51. Ar 40i; A«* 396—397 - T 603; C 61, 
T 552, M 103. 

2) Amilineau, Les meines ^gyptiens. Vie de Schnoudi, Paris 1889.^ 

3) Kol ItmoJSaaev 'EXXvjvKrrijv (iia^Etv x^pitt 6£ou, tva eSp t] to 7ct5; Tcopapd^vat 
autov roAX&xi^. 

i) Bl 147. 



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142 Das egypf, Mönchtum im 4. Jahrh. 

gegen Ende seines Lebens vor eine V^ersammlung von Bischöfen und 
Mönchen geladen ; er sollte sich darüber verantworten, dass er Dinge 
ZU' kennen vorgäbe , die der Kenntnis der übrigen Menschen ver- 
schlossen seien. Er erscheint n)it einigen älteren Mönchen vor der 
Versammlung und leugnet nicht, dass Gott ihm diese Gabe zur 
besseren Gewissensleitung seiner Mönche verliehen habe ; es sei auch 
nicht zu verwundern, erklärt er weiter, dass sich die von dem 
Glauben erleuchtete Vernunft eines solchen Vorzuges zuweilen er- 
freue; man finde ja selbst bei manchen Weltleuten eine tiefere, 
durchdringendere Menschenkenntnis. Zwei Bischöfe, die früher zu 
seinen Mönchen gehörten, bestätigen, dass die über ihn ausge- 
streuten Gerüchte, als ob er sich alle Geheimnisse Gottes zu kennen 
anmasse, übertrieben seien. Doch während die Versammelten noch 
die ebenso freimütige wie demütige Verteidigung des Pachomius be- 
wundern, stürzt sich auf diesen ein vom bösen Geist Besessener, um 
ihn zu töten. Die Anwesenden verhindern das Attentat, können 
aber über die Visionen des Pachomius zu keinem einheitlichen Ur- 
teil gelangen, und Pachomius zieht sich ungehindert mit seinen 
Mönchen in sein Kloster zurück, ohne dass ein Verdammungsurteil 
über ihn ausgesprochen wird. 

In der arabischen Vita p. 591 — 595 erscheint der ganze Vor- 
gang phantastisch ausgeschmückt, um Pachomius mit der Glorie 
des Martyriums zu umgeben und seine Gegner als wütende Fana- 
tiker hinzustellen. Die Tendenz der Versammlung ist eine andere; 
die Bischöfe wollen die Pachomianischen Mönche, die sich in ihren 
Diöcesen befinden, vertreiben. Die Kirche von Esneh ist voll von 
Bischöfen, Soldaten und Volk ; aber auch Pachomius erscheint in der 
Stadt, begleitet von einer gewaltigen Schar von Mönchen und Laien 
aus den umliegenden Ortschaften. Aus Furcht vor diesem grossen 
Anhang verlangt man, dass Pachomius allein in die Kirche komme. 
Doch da dieser krank ist, gestattet man ihm, sich auf einem Bette 
von einigen Mönchen in die Kirche tragen zu lassen. Hier ist alles 
bereit, ihn zu töten. Während er sich vor der Versammlung wegen 
seiner Visionen verteidigt, entsteht eine furchtbare Erregung; die 
Menge schreit, man solle nur an Pachomius Hand anlegen. Doch 
merkwürdiger Weise gelingt es einem einzigeu Mönche, den Pacho- 
mius auf seine Schultern zu nehmen und zu retten, ohne dass man 
dessen gewahr wird. Man wirft nun von den Terrassen der Häuser 
auf Pachomius mit Steinen ; ein Stadtbeamter gebietet aber Einhalt. 
Pachomius kommt mit heiler Haut davon, während die meisten 
Mönche verwundet und mit Blut befleckt ins Kloster heimkehren. 



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Vas egypt Mönchtum im 4, Jahrh. 14-3 

Damit schliesst die ganze Tragödie; von einer Vertreibung der 
Mönche aus den Diöcesen der dem Heiligen feindlichen Bischöfe ist 
aber keine Bede mehr, obwohl man nach der Aufbauschung der Vor- 
gänge auf der Synode einen solchen Ausgang erwarten müsste. 

Aus den Reden, die Theodor als Coadjutor des Abtes Orsisius 
an die Mönche zu halten pflegte^ ergiebt sich, dass in denselben 
Episoden aus dem Leben des hl. Pachomius zur Illustration dogma- 
tischer und moralischer Wahrheiten verwendet wurden*). Dass ein 
solches Verfahren im Laufe der Zeit zu willkürlicher Legenden- 
bildung führen konnte, liegt auf der Hand. Deshalb drang auch 
Theodor wiederholt auf schriftliche Fixierung der Vita des heim- 
gegangenen Klosterstifters. Doch wurde trotz der darauf folgenden 
Abfassung der griechischen Vita C die weitere legendarische Ent- 
wicklung nicht vollständig zurückgehalten. Ein Vergleich der Vita C 
mit den späteren Paralipomena und den koptisch-arabischen Recen- 
sionen zeigt, dass zum Zwecke religiös- sittlicher Belehrung der Er- 
zählungsstoff der ersteren Vita im Verlauf der Zelt mannigfache Er- 
weiterungen und Modifikationen erhielt. So findet sich am Schluss 
der Paralipomena (No. 37 — 42) eine lange apologetische Rede, in 
welcher Pachomius sowohl auf das Heidentum wie den Arianismus 
Bezug nimmt. Dieses Stück ist nur den Paralipomena eigentümlich 
und findet sich weder in der Vita B, welcher diese Schrift neben 
der Vita C als Vorlage gedient hat, noch in der syrischen Pachomius- 
vita, die sonst sich fast vollständig mit den Paralipomena deckt. Die 
ganze Rede erweist sich also wohl als ein aus dogmatischem In- 
teresse gemachter Zusatz und passt auf die Zeit des Kaisers Julian, 
wo solche apologetische Gesichtspunkte am Platze waren. — Die 
Vita C 65 erzählt, dass Pachomius einmal das feierliche Begräbnis 
eines Mönches verbot und dessen Kleider verbrennen liess. Der 
Fehltritt, um dessentwillen der Verstorbene auf diese Weise gestraft 
wurde, war nicht bekannt ; doch waren die Mönche überzeugt, dass 
diese Strenge des Pachomius, der jedenfalls eine vollkommenere 
Kenntnis von dem Gewissenszustande des Verstorbenen besass, 
völlig gerechtfertigt war. Dieser Bericht deckt sich mit dem der 
boheirischen Vita (p. 151 s.); dagegen findet sich in den Paralipo- 
mena (no. 5 — 6) und in der arabischen Vita (p. 605 — 608) eine 
aufgebauschte Schilderung dieses Leichenbegängnisses. Der Trauer^ 
zug, an dem ausser den Mönchen noch gegen alle Wahrscheinlich- 
keit die Anverwandten des verstorbenen Mönches teilnehmen, setzt 



1) M 249-259. 

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144 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh. 

sich eben in Bewegung, als plötzlich Pachomius erscheint und 
trotz aller Bitten der Leidtragenden die Fortsetzung der Exequien 
inhibiert. Schliesslich hält er noch eine längere Kede, in welcher 
er seine auffallende Handlungsweise als heilsam für die Seele des 
Verstorbenen hinstellt und sich über die Strafen der nachlässi- 
gen Mönche im Jenseits auslässt. Dieser oratorische Erguss ver- 
hallt nicht wirkungslos unter den Mönchen. Diese spätere drama- 
tische Ausmalung des einfachen Vorganges sollte also Erbauungs- 
zwecken dienen. — In der Vita C 59 wird von dem Hinscheiden 
eines Mönches in Gegenwart des Pachomius und seines Lieblings- 
schülers Theodor erzählt. Die beiden Zuschauer wurden von dem 
Herrn gewürdigt die Art und V^Teise des Scheidens der Seele vom 
Leibe zu schauen, sprachen aber davon nicht, so lange sie lebten. 
Eine solche eschatologischen Exkursen abholde Darstellung war nicht 
nach dem Geschmack der koptischen Mönche; in der sahidischen 
(p. 547 s.), boheirischen (p. 119 s.) und arabischen Vita (p. 460 s.) 
wird dagegen eine Vision mitgeteilt, welche Pachomins aus Anlass 
eines Todesfalles über die jenseitige Welt zuteil geworden ist. Der 
Hergang ist phantastisch ausgeschmückt. Pachomius und Theodor 
erscheinen im Kloster Tmouschons am Sterbebette eines Eatechu- 
menen, der von einem Engel getauft wird. Gleich nach dem Hin- 
scheiden des Getauften wird Pachomius der Erde entrückt und 
schaut in einer Vision den Tod und das Schicksal der Gerechten 
wie der Sünder in der jenseitigen Welt. Dieser eschatologische Exkurs, 
welcher in der griechischen Vita G fehlt, ist wohl aus erbaulichen 
Rücksichten in die späteren Viten eingefügt. Die in demselben 
entwickelten Anschauungen und Bilder berühren sich mit den escha- 
tologischen Apokryphen, welche nachweislich zu jener Zeit in Egypten 
im Umlauf waren, so dass sie wohl aus dieser Quelle entlehnt sein 
mögen i). 

Noch mehr als zur dogmatischen Belehrung sollte die Pacho- 
miusvita zur üebung der mönchischen Standestugenden Belege und 
Beispiele liefern. Besonderen Nachdruck legte Pachomius auf die 
Keuschheit und gab behufs Sicherstellung dieser Tugend unter 
seinen Mönchen bis ins kleinste gehende Vorsichtsmassregeln. In 
Ermangelung von kräftigen und abschreckenden Beispielen wurde 
die Vita zu diesem Zwecke vielfach durch die jüngere Tradition 
modificiert. So erzählt die boheirische Vita (p. 193—194), wie 
Pachomius darüber wachte, dass seine Mönche ihre Herzen von 



1) Ladeuze p. 86 Note 1 ; vgl. auch Grützmacher & 85 ff. 

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D(u egypt Mönchtum im 4. Jahrh, 145 

bösen Begierden frei hielten. Der Parallelbericbt in der arabischen 
Vita (p. 509—510) ist offenbar abhängig von dem boheirischen 
Texte, aber in tendenziöser Weise auf die Abschreckung vor U|2* 
keuschheitssünden zugeschnitten. — In der griechischen wie in den 
beiden koptischen Viten^) heisst es, dass ein bejahrter und frommer 
Mönch, Namens MauÖ, darüber ungehalten war, dass Pachomius in 
einer Unterweisung auch die ergrauten Mönche eindringlichst er- 
mahnte, sich über keine, auch nicht die geringste Elostersatzung 
hinwegzusetzen, da eine solche Handlungsweise leicht die schlimm- 
sten Folgen nach sich ziehen könnte. Da erscheint ein fremder 
Mönch, der sich des Diebstahls schuldig gemacht hat, auf Qe- 
heiss seines Bischofes im Kloster des Pachomius, damit dieser ihm 
die Strafe diktiere. MauÖ sieht den Fremdling und hält ihn für 
einen Heiligen, doch bald erfährt er zu seiner Beschämung, wie ihn 
sein Augenschein getrügt hat, und kommt durch diesen Vorfall und 
die Art und Weise, wie Pachomius den Sünder zurechtwies, zu der 
heilsamen üeberzeugung , dass die strengen und wiederholten Er- 
mahnungen des Elostervorstehers zur Wachsamkeit und gewissen- 
haften Befolgung aller Satzungen durchaus am Platze seien. In der 
arabischen Vita (p. 426 s.) erscheint nun dieselbe Episode in einer be- 
stimmten Tendenz umgemodelt. Darnach kann es der Mönch Maoü nicht 
begreifen, warum Pachomius so minutiöse Vorschriften behufs Be- 
wahrung der Keuschheit gegeben habe, und ruft deshalb aus: »Es gibt 
doch unter uns keine Weiber, dass wir den Gefahren der Unkeuschheit 
ausgesetzt wären.c Nach einer solchen Aenderung des Motivs in der 
älteren Tradition konnte natürlich der fremde Mönch nicht mehr 
als des Diebstahls schuldig figurieren ; sein Verbrechen ist in der 
arabischen Vita ein Versuch zur Päderastie. — Nach der Vita C 58 
hatte ein Mönch, der als Krankenwärter fungierte, bei der Zube- 
reitung der Speisen starke Anwandlungen zur Gaumenlust, welchen 
er aber mit der Gnade Gottes standhaft Widerstand leistete. In der 
arabischen Vita p. 435 heisst es dagegen, dass der Mönch Douidouna 
als Krankenwärter eine sinnliche Zuneigung zu einem kranken Knaben 
empfand, jedoch durch Gebet und Fasten die Sinnlichkeit nieder- 
kämpfte. Da die auf diese Episode folgende Erzählung der arabi- 
schen Vita mit der in der Vita G identisch ist, so ist dies ein Be- 
weis, dass es sich in den beiden Viten um einen und denselben 
Mönch handelt, nur dass die arabische Vita in ihrem Bericht ein 
anderes Motiv untergeschoben hat. 



1) C 48, T 322—824, M 96—99. 
Sehiwietz, Mönohtum. XO 



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146 Das egypt MOnchtum im 4. Jahrh, 

Wie die Ummodlang eines Berichtes der älteren Tradition vor 
sich ging, zeigen die den koptisch-arabischen Yiten eigentümlichen 
Doppelberichte, die nur in irgend einem Nebenumstande von ein- 
ander abweichen. Manche Episode wird in derselben Vita von dem 
Verfasser mit einer kleinen Aendening oder in einer anderen 
Färbung wiedererzählt, um als Beleg für irgend eine andere 
mönchische Tugend zu dienen. So findet sich in der boheirischea 
Vita (p. 151) folgende Erzählung: >Es gab zu Phböou zehn ältere 
Mönche, welche eine Menge Andachtsübungen hielten und dem 
Körper nach rein waren; allein sie murrten oft gegen die geist- 
lichen Unterweisungen des Pachomius; aber dieser betete und 
fastete lange Zeit, bis er endlich die Heilung ihrer Seelen er- 
reichte, c Einige Seiten später (p. 178) liest man dieselbe 
Episode in folgender Fassung : »Zu Phböou waren zehn Mönche, 
welche in ihrem Herzen unreinen Gedanken Raum gaben und 
deshalb gegen die Unterweisungen des Pachomius sich ungläubig 
verhielten; doch der Heilige erhoffte ihre Bekehrung, da sie ihre 
Leiber noch nicht befleckt hatten, und betete für sie, bis sie ihre 
Handlungsweise bereuten und Busse thaten. Einer von diesen 
Mönchen verharrte bis zu seinem Tode im Unglauben gegen Pacho* 
mius.c Der umstand, dass in der älteren Tradition die Mönche 
dem Körper nach rein genannt werden, hat wohl den Anlass dazu 
gegeben, den Bericht in eine neue Form zu kleiden. — Nach der- 
selben boheiriscben Vita (p. 109) hatte Pachomius, der in Phböou 
residierte, in Erfahrung gebracht, dass in Tabennisi die in der 
Bäckerei beschäftigten Mönche das Stillschweigen nicht beobachteten. 
Er sendet den Theodor, der die Leitung des Klosters Tabennisi hatte, 
dahin , um die Angelegenheit zu untersuchen. Theodor findet zwei 
Schuldige und berichtet darüber dem Pachomius, worauf dieser 
seinen Lieblingsschüler ermahnt darauf zu achten, dass auch die 
kleinsten Vorschriften von den Mönchen pünktlich beobachtet wür* 
den^). Alsdann schliesst der Bericht mit den Worten: »Noch viele 
Male schickte er den Theodor in die anderen Klöster, um dieselben 
zu revidierenc. Einige Zeilen weiter (p. 114) findet sich der obige 
Bericht in einer anderen Färbung. Darnach kommt Pachomius 
selbst nach Tabennisi und bemerkt, dass dort die Mönche beim 
Brotbacken das Stillschweigen nicht hielten. Statt aber selbst der 
Sache auf den Grund zu gehen, beauftragt er damit Theodor; dieser 
findet 18 unfolgsame Mönche, wird aber bei der Berichterstattung. 



1) Dieser Bericht deckt sich mit G 57. 

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Daä egppti MOnchtum'im 4,'Jakrh: 147 

erregt and macht eine Handbewegong gegen Pachomins, der nichts 
erwidert, sondern nur voll Zorn in Lachen ausbricht^). Theodor 
leistet hieranf eine dreiwöchige Busse wegen des Deliktes seiner 
Mönche, verliert aber durchaus nicht die ZuneigUQg seines Meisters, 
der ihm nur die Mahnung giebt, bei der Aufsicht über die Bffider 
nicht nachlässig zu werden >). Analog dem Schluss des ersten Be- 
richts wird nämlich zuletzt bemerkt, dass Pachomius den Theodor 
nach PhebAou zur Hilfeleistung berief, gleichwie Josue dem Moses 
zur Seite stand. Es ist unschwer zu erkennen, dass der zweite Be- 
richt eine ungeschickte Modifikation des ersten ist und den Stempel 
der UnWahrscheinlichkeit an siöh trägt'). 

Ausser den besprochenen Hauptquellen kommt für die Ge- 
schichte des Pachomianischen Mönchtums ein Brief des Bischofiä 
Ammon in Betracht. Aus diesem Briefe erfahren wir, dass Ammon 
6 Jahre nach dem Tode des Pachomius ins Kloster Pheböou unter 
dem Abte Theodor eintrat und daselbst 3 Jahre lebte, worauf er 
sich nach Nitria begab und schliesslich Bischof wurde. Veran- 
lassung zu diesem Briefe gab Theophilus, der bekannte Patriarch 
von Alexandria, der ihn um einen Bericht über seinen Aufenthalt 
in PhebOou und den Abt Theodor gebeten hatte ^). Obgleich dieser 
Brief eigentlich nur die Geschichte des genannten Abtes und be- 
rühmtesten Schülers des Pachomius ist, so enthält er doch auch 
einige wichtige Daten, welche teils zur Ergänzung, teils zur Be- 
stätigung der Pachomiusbiographie dienen. Die Abfassung dem- 
selben muss zwischen 385 und 401 erfolgt sein ^). 



1) II (Theodore) remna la main contre lai comme depais ici jusqae la. 
Lorsqae notre p^re Pakhdme Yit que Th^o^ore avait remue la main contre lai, 
II rit d^nn rire plein de col^re grandement. 

2) Nach den ansdrückliclien Worten des Textes bezog sich sowohl die 
Bosse des Theodor wie die darauf folgende Ermahnung des Pachomins auf 
die Nachlässigkeit der dem Theodor unterstellten Mönche, ein Beweis, dass die 
Handbewegung des Theodor vor Pachomius nur ein Qestus der Erregung war. , 

3) Diesen letzten Bericht der boheirischen Vita enthält auch die arabische 
Version (p. 447 s.). Hier lautet die markante Stelle in der üebeisetzung des 
Am^lineau folgendermassen : Theodore revint tont inquiet pr^s de notre p^re 
Pakhdme et il le frappa (?) de la main. .... Pakh6me haissa la tdte en bas, 
rit d'un rire plein de ool^re et ne parla pas. Damach hatte Theodor den 
Pachomins mit seiner Hand geschlagen.. AUein die in Frage stehende Stelle 
heisst wöriilich fthersetzt: »Theodor Kehrte ganz verwirri; zu unserem Vater 
Paehonnus lurack , seine Hand in die H9he (hewegend) gegen ihn hin« (fauk 
iadahu ilaihD. Das ergieht sich ührigens auch aus dem Gontext; denn auch 
hier macht Pachomius dem Theodor nur Vorhaltungen wegen der Nachlfissig- 
keit seiner Mönche (»Httte dich, künftig nachlässig zu sein; denn du wirst für 
die Sünden der Brüder vor Gott verantwortlich sein«). 

4) Der Brief Ammons nebst dem Dankschreiben des Theophilus findet 
sieh bei den bolkudisten (A. S. S. Mail tom. III p. 63* s., lateinisch p. 847 s.). 

5) Hierüber sowie über die Echtheit und Glaubwürdigkeit dieses Briefes 
%. Ladeuze S. lOÖ f. :■■ i'- 

10*^ 



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148 Das egypt. Mänehtum im 4* JahrK 

Die von Cassian um das Jahr 420 verfassten Werke De in- 
gtitutis coenobiomm und GoUationes patrum sind ffir die Oeschichte 
der Pächomianer von untergeordneter Bedeutung. Gassian hat zwar 
gegen Ende des 4. Jahrhunderts 10 Jahre in Egypten gelebt, aber 
die Tabennesioten wohl gar nicht besucht. Zudem b&It er bei der 
Beschreibung der egjptischen KlOster die Einrichtungen und Ge- 
bräuche der Tabennesioten und die der übrigen egjptischen Mönche 
nicht streng auseinander und gesteht in seiner Vorrede an dea 
Bischof Castor selbst ein, dass sein Bericht, der ja ungef&hr 
20 Jahre nach seinem Aufenthalt in Egypten verfasst wurde , nicht 
ganz frei von üngenauigkeiten und Verwechslungen sein durfte^). 

§. 13. Pachomius und die ersten OönobUenklöster in der OberOiebais. 

üngeAhr seit dem Jahre 306 begannen sich die in der Wüste 
zerstreut lebenden Einsiedler in der Nähe der Behausung des 
hl. Antonius anzusiedeln und sich seiner geistlichen Leitung zu 
unterstellen >). Das Beispiel dieser Antonianischen Mönche fand 
auch anderwärts Nachahmung. So bildeten sich im Verlaufe des 
4. Jahrhunderts in der nitrischen und liketischen Wüste sowie in 
dem Oebirgsgelände zu beiden Seiten des Nils bis ins Delta hinein 
Mönchsniederlassungen. Die Anfänge waren recht klein; zwei, fünf 
oder höchstens zehn Mönche bildeten Eolonieen in der Wüste und 
unterstfitzten sich gegenseitig im geistlichen Leben. Gegen Ende 
des 4. Jahrhunderts wiesen schon einzelne dieser Mönchskolonieen 
eine stattliche Zahl von Mönchen auf, wenn wir auch die darauf 
bezüglichen Zahlenangaben bei Bufinus und Palladius um ein be- 
deutendes reducieren müssen. Ja, an einzelnen Orten finden wir 
schon ummauerte Elosterniederlassungen , deren Insassen wohl or- 
ganisierte Genossenschaften bildeten*). 

Es fragt sich nun, wo und von wem das erste Oönobium im 
strengen Sinne des Wortes gegründet wurde. Das erste Kloster, 
in welchem eine grössere Anzahl von Mönchen unter einem Oberen 
nach einer gemeinsamen Regel lebte, lag in der Oberthebais und 
zwar zu Tabennisi, welches südlich von Lycopolis (Siüt) und 
nördlich von Theben zu suchen ist. In dieser Gegend bildeten sich 
schon im ersten Decennium des 4. Jahrhunderts Mönchsnieder- 
lassungen nach Art der Antonianischen. um diese Zeit war bei 
Schenesit (griechisch x>)voaßo9xtQ>v) der greise Palaemon Leiter der 
in seiner Nähe zerstreut lebenden Einsiedler^); auch ein gewisser Pe- 
tronius führte auf seinem Landgute Thebion mit einigen Anachoreten 

1) Ladeuze S. 278 f. — 2) S. oben S. 70, 75 f. — 3) S. oben S. 116. — 
4) C 4, M 11, A' 346. 



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Das egypt MOnchtum im 4. JiU^rh, 149 

eine ascetiscbe Lebensweise^). Hier in dieser Gegend fasste der 
hl. Pachomius, der bei dem greisen Palämon seine ascetiscbe Aqs- 
bilduDg erlangt hatte, den Plan, eine grossere Zahl von Mönchen 
zn einer streng cönobitischen Lebensweise za vereinigen. Die Darch- 
führang einer solchen Lebensweise war aber schwer möglich, ürenn 
die Mönche, wie es bis dahin äblich war, nur Golonieeu mit zer- 
streut liegenden Wohnungen bildeten. 

Es war vor allem notwendig, dass die Mönche unter einem 
Dache wohnten; darum sammelte Pachomius die Mönche in einem 
Baume oder Kloster. Ebenso musste das Tagewerk, die Gebetsübung 
und das Verhältnis der Mönche zu einander und zu ihrem Oberen 
streng geregelt werden. Alles dies gelang dem hl. Pachomius, und 
bereits vor dem Jahre 328 war sein Elosterverband zu einer impo- 
santen Macht herangewachsen ; denn um diese Zeit war die Kunde von 
dieser Klosterstiftung nach Alexandria zu den Ohren des hl. Atha- 
nasius gelangt >). Diese Art von Gönobitenleben war etwas ganz 
Neues, Unerhörtes. Zwar hat es schon frflher nicht an Versuchen 
gefehlt, eine gewisse Ordnung in die bisher lose und willkärliche 
Lebensweise der Eremitenvereine zu bringen; ein gewisser Aotas, 
über dessen Persönlichkeit und Wohnort allerdings nichts Näheres 
bekannt ist, hat den Anfang dazu gemacht; aber sein Plan 
schlug völlig fehl, da es ihm an der nothwendigen Energie fehlte. 
Dies bezeugt der hl. Antonius gegenüber einer Pachomianischen 
Mönchsdeputation, welche im Jahre 346 auf einer Reise nach 
Alexandria ihn besuchte, und bezeichnet auch den kurz vorher ver- 
storbenen Pachomius als den ersten, der eine so grosse Anzahl von 
Mönchen zu leiten und ein Gönobium zu grfinden verstanden hat'). 
Dies steht auch in Einklang mit einer Erklärung des hl. Pachomius 
auf der Synode zu Latopolis, wo er kurz vor seinem Tode den ver- 
sammelten Bischöfen gegenüber es als eine besondere Gnade des 
Himmels bezeichnete, dass es ihm gelungen sei, eine so stattliche 
Anzahl von Mönchen in neun Klöstern unter seiner Oberleitung zu 
vereinigen, während doch bis dahin zwei oder fünf oder höchstens 
zehn Mönche mit Mühe und Not sich gegenseitig zu leiten ver- 
mochten^). 

Man hat wohl dem hl. Pachomius dieses Verdienst durch Hin- 
weis auf die stattliche Mönchsniederlassung auf Nitria, das Kloster 
des Abtes Isidorus und ähnliche Erscheinungen streitig machen 
wollen; allein man übersieht hierbei, dass die uns von Palladius 

1) M 76 8.» A' 578 s., C 50. — 2) M 39 s., A' 372 s., C. 20. — 3) C 77, 
T 297 B., A' 65a s. — 4) C 72, A' 591 i. 



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150 DcCb egypt Mönekttnn im 4» Jahrfu 

nud Kafinus mitgeteilten Notizen Aber jene grösseren Mönchsverbände 
den Thatbestand der letzten Decennien des 4. Jahrhunderts dar- 
stellen, während die Pachomianischen Klosterstiftungen, die zudenci 
sich durch eine straffere Disciplin und eine geschriebejne Ordensregel 
vor den übrigen auszeichnen, nachweislich schon vor dem Jahre 
328 zur höchsten Blute gelangt waren. Im folgenden soll nun ge- 
zeigt werden, wie sich der Pachomianische Elosterverband aus dea 
Eremitenvereinigungen herausentwickelt hat. 

Die Daten der griechischen Vita über die Heimat, den Ueber- 
tritt zum Christentum und die Anfänge der Ascese des Pachomius sind 
dürftig. Genaueres erfahren wir hierüber in den koptisch-arabischen 
Viten , und wir haben keinen Qrund an der Wahrheit dieser er- 
gänzenden Angaben zu zweifeln. Die koptischen Mönche mochten 
mit diesen Einzelheiten mehr Vertrautheit oder grösseres Interesse 
dafür gehabt haben als die im Pachomianischen Elosterverband 
lebenden Griechen, welche die griechische Vita verfassten. Nach 
dem Griechen ^) lag die Heimat des Pachomius in der Thebais und 
zwar im Süden von Esneh (Latopolis) , einer Stadt der Oberthebais, 
wie es der Eopte und der Araber angeben'). In seiner Jugendzeit 
scheint er sich keine höhere Bildung angeeignet zu haben; wenig- 
stens ging ihm die Eenntnis 4er griechischen Sprache vollends ab: 
diese erlernte er erst als Elostervorsteher, um seine ausländischen 
Mönche besser in die Ascese einführen zu können'). Seine Eltern 
waren Heiden; dasselbe gilt auch von den Bewohnern seiner Heimat; 
wenigstens erhielt er in dieser engeren Heimat keine Eunde von der 
Existenz des Christentums. 

Die erste Berührung mit Christen geschah erst in seinem 
zwanzigsten Lebensjahre^) (im Jahre 314), da er, zu einem Feld- 



1) C 1 : Ka\ aÜTOs IXX»ivu)V Yov^töv öjrapywv iv ttj 0»)ßat8u 

2) M 2, 55, T 316 s., A' 329, 342 s. 

3) S. oben S. 141. 

4J Die griechische Vita (c. 2) erzählt, dass der Kaiser Gonstantin, 4er 
gegen einen Tyrannen Krieg führte, in Egypten eine Aushebung von Truppen 
veranstaltet hahe, unter denen auch der ^Ojährige Pachomius gewesen sei. 
Der Name des Tyrannen wird in dieser Vita ebensowenig wie in der 
sahidischen (T 316) angegeben« Da nun Constantin erst seit der Besiegung 
des Licinius im Jahre 323 Herr von Egypten wurde, so hätte der 20jährige 
Pachomius erst nach diesem Jahre zu irgend einem Feldzug ausgehoben wer- 
den können. Diese Annahme stände aber im Widerspruch mit and<^ren sicheren 
Daten. So z.B. erklärt Athanasius auf seiner Rundreise durch die Thebais (330)^ 
dass er schon vor seiner Konsekration, also vor 328, von der grossartigen Ent- 
faltung der Pachomianischen Klosterstiftung in Alexandria Kunde erhalten 
hätte (S. oben S. 149). Wäre nun Pachomius nach 323 zu einem Feldzuge 
ausgehoben worden, so bliebe kein hinreichender Zeitraum für die darauf fol- 
genden Ereignisse — nämlich für seine Bekehrung zum Christentum, sein Anacho- 
retenleben und die Gründung und Entfaltung seiner ersten Klosteistiftung -~ die 



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Das egypL Mönchtttm im 4. Jahrh. 151 

zage ausgehoben, mit anderen Rekruten den Nil abwärts die St&dte 
Esneh und Antinoe in der Oberthebais berührte^). In der ersteren 



ja alle schon vor dem Jahre 328 vollendete Thatsacheu sein mfissten. 
Das Datum der griech. Vita ist also wegen seiner Dunkelheit für die Berech- 
nung des Geburtsjahres des Pachomius unbrauchbar. Dasselbe gilt von dem 
entsprechenden Datum in den späteren Recensionen der Pachominsvita, obwohl 
dasselbe auf den ersten ßlick concreter erscheint. Nach der boheirischen (S. 5) 
und der arabischen Vita (S. 342) soll* Pachomius von Constantin zu einem Feld- 
20ge gegen einen Perserkönig, nach der Vita des Dionjsius gegen Maxentius 
ausgehoben worden sein. Allein von einem Feldzug des Constantin gegen die 
Perser in den Jahren 323 bis 328 weiss die Geschichte nichts, und ein Feldzug 
gegen Maxentius in diesem Zeiträume ist ja ein Anachronismus. 

Es sind indes noch andere Anhaltspunkte zur Fixierung des Geburts- 
jahres des Pachomius vorhanden. 1) Alle Pachomiusviten stimmen darin über- 
ein, dass der eben erwähnte Feldzug kurze Zeit nach der letzten Christenver- 
folgung stattfand. [Vita G 2: Kol ixsxa tov SiwYfAov IßadiXsuaev o [x^ya^ Kwv- 
oravitvo?, mzolo-^^ twv Ypicrciavtov ßaatXetov *Pe)0[xaYxwv xal JCp6? Tiva TÜpawov icoXEfjLcov 
IxAeuaev Xoitcov tcoXXou^ Tiptova; auvavaXaß^v. T 816: Et peu de temps apres 
que la persecution eut cess6 et que le grand Constantin fut devenu roi, . . . . 
comme il n'y avait pas encore longtemps qu'il regnait, un tyran lui fit la 
guerre. Cf. M 5, A' 342]. Nun aber wütete noch im Jahre 311 die Christen- 
verfolgung in Egypten; am 25. Nov. dieses Jahres wurde Petrus, Bischof von 
Alexandria, gemartert (C 1, A" 388) und erst Constantin veranlasste nach seinem 
Siege über Maxentius (28. Oct. 312) den Maximin, den Beherrscher Egyptens, 
die Verfolgung der Christen einzustellen. Vgl. Ladeuze S. 236. Hiernach muss 
Pachomius kurze Zeit nach 312 oder 313 zum Kriegsdienst ausgehoben worden 
sein. 2) Bekanntlich wurde Pachomius gleich nach Entlassung aus dem Kriegs- 
dienste, der von kurzer Dauer war, Katechumen zu Schenesit. Nach dem Briefe 
Amraons (c. 6) wollten nun die Marcioniten und Meletianer den Pachomius nach 
seiner Taufe auf ihre Seite ziehen ; allein dieser wurde durch eine Vision ange- 
wiesen , sich an den Bischof Alexander von Alexandria zu halten , der ja von 
812 — 326 diese Würde inne hatte. Von Arianem war also damals noch keine 
Bede; diese Häresie trat erst seit 320 hervor. Folglich muss Pachomius in 
den Jahren 312—320 Christ geworden sein, und da sein Klosterverband schon 
vor 328 in Blüte stand, so muss seine Aushebung zum Kriegsdienst, sowie die 
bald darauf erfolgte Taufe näher dem Jahre 312 liegen. 

Der Feldzug, dessentwegen der 20jährige Pachomius eingezogen wurde, 
muss also zwischen 312—820 liegen. Da nun aber Constantin in dieser Zeit 
nicht Herr von Egypten war und daselbst keine Truppenaushebungen ver- 
anstalten konnte, so bleiben nur zwei Annahmen übrig. Entweder hat der da- 
malige Beherrscher Egyptens zu Gunsten Constantins eine solche Aushebang 
unternommen oder der Verfasser der Vita C hat sich in Betreff der EiQzel- 
heiteu dieses Feldzuges geirrt. Das erstere ist nicht wahrscheinlich, da die Ge- 
schichte keinen Anhalt dafür hat, dass Licinius, der nach der Bewältigung des 
Maximin von 313 — 323 Egypten beherrschte, dem Kaiser Constantin seine Hilfs- 
truppen aus dem Orient bez. Egypten geschickt hätte. Es bleibt also nur die 
zweite Annahme übrig ; nämlich die Vita C hat zwar damit Recht, dass 
Pachomius zur Zeit, als Kaiser Constantin Kaiser war und Krieg gegen einen 
Tyrannen führte, ausgehoben wurde, aber sie irrt sich darin, dass diese Aus- 
hebung auf Befehl Constantins veranstaltet wurde. Es fragt sich nun, ob die 
Geschichte einen solchen Feldzng in den Jahren 312(313)— 320 kennt. 

Seck erzählt in seiner »Geschichte des Untergangs der antiken Weite 
(II. Aufl. Bd. I. S. 158 f.), dass Licinius, der im Jahre 314 mit Constantin um 
die Alleinherrschaft kämpfte, von letzterem am 8. Oct. dieses Jahres bei Cibalae 
(in lUyrien) besiegt wurde. Er versuchte ein neues Hilfsheer zusammenzuziehen; 
aus dem Orient rückten auch Truppenmassen heran, deren Marsch durch den 
beginnenden Winter freilich sehr gehemmt war. Ehe noch diese Hilfstruppen 
herankommen konnten , fand im November desselben Jahres bei Castra Jarba 
eine neue Schlacht statt, wonach Iiidnius mit Constantin Frieden sohloss. Es 



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1S2 DetB egypt Mönchtum im 4, Jahrh. 

Stadt sachten Christen sein und seiner Genossen Elend zu lindern; 
die Mitteilung, dass dies Christen seien und dass sie aus Liebe za 
Christus Barmherzigkeit übten, machte einen mächtigen Eindruck 
auf seine sittenreine Seele und weckte in ihm das Verlangen, sein 
Leben ihrem Ootte und den Werken der Barmherzigkeit zu weihen. 
Die Verwirklichung seiner Wunsche und Pläne konnte bald erfolgen ; 
denn schon in Antinoe wurde er auf die Nachricht von der Be- 
endigung des Feldzuges, für den das Aufgebot der Truppen bestimmt 
war, samt seinen Genossen entlassen. Pachomius zog wieder nach 
dem Süden zurück, doch nicht in seine Heimat zu seinen heidnischen 
Landsleuten, sondern er liess sich bei Schenesit (x>]vooßoaxctt>v), in einer 
spärlich bewohnten Gegend, nieder. Hier stand er gleich im Contakt 
mit den christlichen Bewohnern, durch die er mit dem Christentum 
näher bekannt wurde. Als Wohnstätte diente ihm ein kleiner Tempel, 
der von den Alten Tempel des Serapis genannt worden war. Von 
einem Kultus dieses Gottes war aber keine Spur mehr; denn das 
Heiligtum war, wie der Text') andeutet, so verlassen, dass man 
seine frühere Bestimmung nur aus der Tradition kannte. Es ist 
also rein willkürlich, wenn Grützmacher >) auf Grund dieser Stelle 
den Pachomius zu einem Serapispriester stempelt. Die Lebensweise 
des Pachomius, welche in der Uebung von Liebeswerken bestand, 
hat auch mit der Beschäftigung der Serapispriester nichts gemein; 
er legte nämlich einen Garten in der Nähe seines Wohnortes an, um 
mit dem Ertrage desselben seine Lebensbedürfnisse zu bestreiten und 



ist nun sehr wahrscheinlich, dass za den Hilfstrappen, welche aus dem Orient 
erwartet wurden, auch egyptische gehörten, nnd dass auch Pachomius sich 
unter diesen befand. Damach wäre der 20jahrige Pachomius um das Jahr 814 
ausgehoben worden; sein Geburtsjahr ist also 294. Nach den BoUandisten 
(A. 8. S. Mail Tom. III p« 287 f.) soll dies 276, nach Achelis (Theol. Litteratur- 
zeitung 1896 Sp. 242 f.) 280 , nach Am^lineau (Annales du Mus^e Quimet, 
Tome XVII S. LXIX f.) 288, nach Krüger (Theol. Litteratnrzeitnng 1890 
Sp. 622) und Qrützmacher (a. a. 0. S. 28 f.) 285 sein. 

1) Esneh liegt südlich, Antinoö nördlich von Theben. Vgl. Baedeker , 
Aegypten S. 818 und 191. 

2) M 7 s. : Te jeune Pakhöme touma son visage vers le sud, jusqu*a ce 
qu'il arrivat a un viUage d^sert nomm^ Sch^n^tt, hrtlS par les chaleurs ex- 
cessiTes: il 8*7 arrdta, vojant qu'il n'j avait pas en ce Heu une multitude 
d*hommes, mais seulement qnelques-uns. II alla sur les bords du fleuve, dans 
un petit temple nomm^ par les anciens, Temple de S^rapis, et lorsquUl füt 
arrSt^, il pria. Kesprit de Dieu le mut, disant: Combats et roste en ce lieu. 
Et lui, la chose lui plut; il resta dans ce lieu, cultivant quelques lägumes et 
quelques palmiers pour les besoins de sa nourriture, ou pour les pauvres, qui 
etaient dans le village, ou pour T^tranger qui passerait dans une barque ou 
sur le che min.' Cf. A' 844. — Dieser Bericht fehlt in den griechischen Re* 
censionen, welche, wie oben (S. 682) gesagt wurde, über den ersten Teil der 
Pachomiusbiographie nicht so detaillierte Angaben enthalten wie die koptisch- 
arabischen. 

8) A. a. 0. S. 89 f. 



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Das epypt Mönchtum im 4. Jährh. 153 

zugleich den Armen von Schenesit sowie den Durchreisenden Wohl- 
fhaten zu spenden. Bald erhielt er auch auf Betreiben der christ- 
lichen Bewohner in einer benachbarten Kirche die hl. Taufe ; in der 
Taufnacht wurde ihm seine künftige Bestimmung in einer Vision 
offenbart. Er blieb noch einige Zeit an diesem Orte und nahm sich 
während einer Epidemie der Kranken kräftig an ; doch da seine Ein- 
samkeit durch den Zulauf von Menschen Schaden litt, beschloss er, 
den Ort zu verlassen, um Einsiedler zu werden. Gewiss hat es 
solche Eremiten in der Umgegend gegeben , und Pachomius muss * 
mit ihrer Lebensweise bekannt geworden sein. Der Greis, dem 
er bei seinem Weggange seinen Wohnort nebst dem Garten über- 
liess, war ein solcher Eremit^). Einen besonderen Ruf genoss aber 
in einer von Schenesit weiter gelegenen Eindde ein greiser Mönch 
Palaemon, den Pachomius aufsuchte und unter dessen Obhut sich 
stellte. Die Zahl der Einsiedler, welche in dieser Einöde in der 
Nähe des Palaemon zerstreut lebten, war nicht gering ^). Sie führten 
nach der Weisung ihres Meisters eine sehr strenge Lebensweise. Im 
Sommer fasteten sie täglich und nahmen nur abends Speise zu sich ; 
im Winter fasteten sie alle zwei Tage. Als Nahrung diente ihnen 
Brot mit Salz, zuweilen auch Gemüse. Der Gebrauch von Oel und 
Wein war nicht üblich. Den Ueberschuss des Erlöses für ihre täg- 
lichen Handarbeiten verwendeten sie für die Armen. Dem Gebete 
und der Betrachtung widmeten sie die halbe, oft auch die ganze 
Nacht. Allen diesen Strengheiten unterwarf sich Pachomius*) und 
hatte vor den übrigen Einsiedlern noch den Vorzug, dass er mit 
Palaemon dieselbe Zelle teilen und sich somit eines ganz innigen 
Verkehrs mit diesem Altmeister in der Ascese erfreuen durfte^). 

Nachdem er so längere Zeit der Ascese obgelegen hatte, trennte 
er sich von seinem Altmeister mit dessen Zustimmung, um in dem 
ein wenig südlich gelegenen, einsamen Ort Tabennisi^) ein Kloster 



1) M 9, A' 846. 

2) C 4. 5, 8; M 18, 21, 23; A' 356 s. 

8) C 6 8., M 22 8. ViTenn Pachomius einmal am Osterfeste den Speisen 
etwas Oel beimischte (G 4, A' 351 sOi so beruhte das nicht, wie Ch'ützmacher 
(S. 47 Note 4) meint, auf seinem Widerwillen gegen die strenge Ascese, son- 
dern auf einem Missyerstandnis des Befehles seines Meisters. 

4) Dass Pachomius bei Palaemon zunächst ein Noviziat von 3 Monaten 
durchmachen musste, ist eine Fiktion der arabischen Vita. Vgl. Ladeuze 
p. 165 not. 2. 

5) Tabennisi (abgekürzt Tabenna) lag am Ostufer des Nils und gehörte 
zum Sprengel des Bischofs von Denderah (Teutyra). Vgl. G. 7. 20; M 25, 39* 
Dieser Ort war ein Dorf, wie von allen Viten übereinstimmend berichtet wird, 
und keine Insel, wie es noch in neuester Zeit von Weingarten (Ursprung des 
Mönchtums S. 1), Bardenhewer (Patrologie 1894 S. 244);iund Heimbucher 
(Die Orden und Gongregationen der kathol. Kirche 1896, I. Bd. S. 37) ange- 



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154 Das egypt. Mönchtum im 4, JahrK 

ZU gründen. Die harte Ascese der Anachoreten war aber nicht, wie 
Am^lineau^) vermutet, der Orund, weshalb sich Pachomias von 
Palaemon trennte. Allerdings milderte er in seinem Klosterverbande 
die Fastenascese ; dies geschah aber aus Herablassung gegen die 
Schwachen, da in einer grösseren Mönchsgemeinschaft aussergewöhn- 
liche Leistungen in der Faste nicht zur Regel gemacht, sondern 
mehr in das Belieben der einzelnen gestellt werden können'). 
Pachomius selbst machte bis zu seinem Tode keinen Gebrauch von 
' den Milderungen seiner Mönchsregel *). Ebensowenig war etwa 
eine gewisse Antipathie gegen seine Mitbrüder der Beweggrund der 
Trennung*); vielmehr berichten die Viten*) von der innigen Freund- 
schaft, die ihn mit allen Genossen der Einsamkeit verband. Sein 
neuer Entschluss wird in allen Viten übereinstimmend auf eine höhere 
Eingebung zurückgeführt. Als er sich nämlich einmal an einen fast 
unbewohnten Ort, Tabennisi genannt, begab und dort im Gebete ver- 
weilte, sprach eine Stimme vom Himmel zu ihm: »Bleibe hier und 
gründe ein Kloster; denn es werden sehr viele kommen, um unter 
deiner Leitung das monastische Leben zu führen. c Indes ist hier- 
mit durchaus nicht ausgeschlossen, dass auch seine eigene Erfahrung 
ihn auf den Gedanken brachte, dem Mönchsleben eine festere Ge- 
staltung zu geben. Der erste Schritt zur Sammlung der Einsiedler 
in der Wüste geschah ja durch Antonius, Amon, Makarius sowie 
auch durch Palaemon. Indes entging der scharfen Beobachtungsgabe, 
die dem Pachomius nachweislich durchs ganze Leben eigen war, 
nicht, dass diese ganz lose Vereinigung der Mönche in den Eremiten- 
kolonieen zu einer nachhaltigen und sicheren Leitung nicht aus- 
reichte. Erlebte doch Pachomius selbst, wie ein in der Nähe des 
Palaemon wohnender Einsiedler in die Fallstricke des Teufels fiel, 
weil er sich den Mahnungen des Meisters unzugänglich zeigte <^). 
Nichts lag näher als einen Schritt noch weiter zu gehen und dem 
Mönchtum durch Einführung eines wahren cönobitischen Lebens 
noch grössere Sicherheit und Festigkeit zu verleihen. Sein inniger 
Verkehr und das Zusammenwohnen mit Palaemon wies den Pachomius 



geben wird. Dieser Irrtam beraht auf einer falschen Lesart von Sozomenus, 
h. e. III, 14 (Iv Taß^vvr) W^atü x^s Qri^odhoc); doch findet sich in einer Hand- 
schrift die richtige Lesart h Taßevvrjaw t^? erjßaifSos, wie es schon Valesius in 
seinen Annotätiones za Sozomenus festgestellt hat. VgL aach Baedeker 
a. a. 0. S. 219. 

1) ßtude historique sur s. Pakhdme, Le Caire, Barbier, 1887 S. 27. 

2) P 16, M 52, A' 394 s., 611. 
8) C 9. 11, 33-36, 60-51. 

4) Am^lineau 1. c. 18 s. 

5) M 23, A' 356. 

6) C 5, M 18, A' 363. 



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Das egypt Mönehtum im 4. Jahrh. 15& 

auf die Bahn, auf welcher aach der minder Gefestigte gefahrloser 
dem Mönchsideal nahekommen konnte. Dass ihn diese Gedanken 
wirklich bei der Qründnng des Klosters leiteten, ergiebt sich aus 
den Viten, welche den Pachomins die Ideen von den Vorteilen des 
Gönobitenlebens vor dem Anachoretentum entwickeln lassen. Pachomins 
weist darauf hin, dass in einem Elosterverbande der einzelne Mönch 
durch die feste Hausordnung nicht blos sicherer vor Fehltritten be-* 
wahrt wird, sondern auch bei dem steten Verkehr mit den Mit- 
brüdern reichlichere Gelegenheit zur Uebung der Tugend und Näch- 
stenliebe erhält^). Diese Ideen leiteten ihn bei seiner neuen Stift- 
ung und führten zu einer neuen Epoche in der Entwicklung des 
Mönchtums. 

Zunächst baute Pachomins nur für sich eine Zelle in Tabennisi 
und unterhielt einen regen Verkehr nicht nur mit Palaemon bis zu 
dessen Tode sondern auch mit den Mönchen der Nachbarschaft, 
welche zwar noch nicht auf seinen eigentlichen Plan eingingen, doch 
immerhin nach Art der Mönche des Antonius sich leiten liessidn*). 
Der erste, der sich mit ihm zu einem gemeinsamen Leben vereinigte, 
war sein älterer Bruder Johannes; doch auch dieser war anfänglich 
dem Plane des Pachomins abhold'), der nun daran ging, ein ge- 
räumigeres Haus zu bauen, welches mehrere Mönche unter einem 
Dache vereinigen sollte. Johannes blieb nicht lange als Genosse 
seines Bruders am Leben; vielleicht noch zu seinen Lebzeiten mel- 
deten sich drei Männer, Psentaesis (Peschentaisi), Surus und Psois 
(Peschoi) zu dieser cönobitischen Lebensweise. Nach ihnen kamen 
Pecnsius (Piethosch), Cornelius, Paulus, ein gewisser Pachomins und 
Johannes, welche mit Pachomins nach einer von ihm zusammenge- 
stellten Regel zusammenlebten. Meditation und Lesung der hl. Schrift 



1) Vel. die Bede des hl. Pachomias über das Verhältnis des Anachoreten- 
tnms zum Gönobitentum. M 189 s, A' 607 s. 

2) C. 15, AnUlineaUy Memoires de la Mission archeologiqne fran^aise 
au CSaire, Paris, Leronx, IV, 2 f., p. 540. Dieser letzte Text findet sieb bei 
Ladeu%e p. 171 s. 

8) Pachomiuft geriet wegen der Erweiterung des Klosters in einen 
Conflikt mit seinem Bruder-, der mit ihm allein leben wollte. Die Berichte, 
welche sich hierüber in C 10 und A' 361 finden, sind ganz gleich, nar dass 
nach G Johannes im Zorn seinen Brader mit den Worteü Ilauaat Tc^pnepo« S>v 
anfährt, während nach dem Araber sich Pachomias zu den Worten »Genng der 
Thorheitc hinreissen lässt. Ein von Am^lineau (1. c. p. 539) veröffSentlichtes 
thebanisches Fragment legt ebenfalls die incriminierten Worte dem Johannes 
in den Mnnd. Der Araber hat also sich eine Textänderung zu schulden kom- 
men lassen. Es ist darum ganz grundlos, wenn Qrützmacher (a. a. 0. S. 48 
Note 1) zu dieser Episode bemerkt: »Die griech. Becension hat sich wiederum 
gescheut zu berichten, dass ihr Heiliger ein so unheiliges Wort zu seinem 
Bruder sprach und nachher Abbitte leistete, sie berichtet nichts (?) von einem 
Gonflikt der Brüder, sondern nur wie diese fein einträchtig bei einander wohnen, c 



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156 Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh. 

war ihre Beschäftigning, während Pacfaomias selbst die Sorge f&r ihre 
irdischen Bedfirfnisse auf sich nahm. Als die Zahl der Mönche auf 
hundert anwuchs, baute Pachomias im Bereiche des mit einer Mauer 
umgebenen Klosters eine Kirche — bis dahin besachten sie Samstag^ 
and Sonntags ein von ihm selbst im Orte Tabennisi erbautes Oottes- 
haus mit den übrigen Dorfbewohnern — und ergänzte die ursprüng- 
liche Regel durch neue Satzungen, welche die Arbeitsteilung und 
Organisation betrafen. Die Zeit der Gründung dieses Pachomiani- 
schen ürklosters lässt sich zwar nicht genau bestimmen; doch war 
dasselbe bereits vor dem Jahre 328 zu einer Berühmtheit gelangt. 
Als nämlich der hl. Athanasius im Jahre 330 seine erste Visita- 
tionsreise in die Thebais unternahm, erklärte er dem Bischof tod 
Tentyra, in dessen Sprengel jenes Kloster gehörte, dass der Buf des 
Pachomias und seiner Stiftung ihm schon vor der Ordination zu 
Ohren gekommen wäre. 

Schliesslich konnte das schon mehrfach vergrösserte Kloster 
von Tabennisi neae Ankömmlinge nicht fassen. Pachomias gründete 
deshalb etwas nördlich davon zu Pheböou ^) ein zweites Kloster, wel* 
ches in seinen Manern mehrere Häuser und eine kleine, mit Ge- 
nehmigung des Bischofs von Diospolis parva ^) erbaute Kirche fasste. 
Er gab den Insassen dieses neuen Klosters dieselben Regeln wie in 
Tabennisi und leitete mit inniger Hingabe beide Stiftungen. 

Das Gelingen und Wachsen dieser beiden cönobitischen Schöpf- 
ungen blieb nicht ohne Eindruck auf die Mönche der Umgegend. 
Drei Mönchsgenossenschaften schlössen sich nach einander dem 
Pachomianischen Klosterverbande an. Zunächst that dies Eboneh 
('EiccovufAOc; G 35, Ounagh A' 567) mit seiner ganzen Gommunität; 
das ziemlich geräumige Kloster, welches bei Schenesit, der Tauf- 
stätte des hl. Pachomius, lag und nur wenige Insassen zählte, wurde 
mit Mönchen aus den beiden ersten Klöstern bevölkert nnd nach 
dem Muster oder der Regel des ürklosters eingerichtet'). Orsiisi, 
ein Schüler des hl. Pachomius, erscheint später als Abt dieses dritten 
Klosters*). Auch die Mönchsgenossenschaft von Temouschons ^) bat 
durch ihren Vorsteher Jonas den hl. Pachomius um Einführung der 
cönobitischen Lebensweise in ihrem Kloster. Wir besitzen noch in 



1) Ohne den kopt. Artikel Bau (ep. Amm. 1) oder Baum (ep. Fach.), in 
der griech. Vita np(Sou (c. 35), llaßau (c. 52, 56). 

2) Die Ruinen des alten Diospolis parva sind in der Nahe des Felläh- 
fleckens U6q. Vgl. Baedeker S. 218. 

1) C 35. M 71, A' 567. 

2) C 76. A' 652. 

8) C 35, A' 568; M 72; Temouscbons = Monchösis (ohne Artikel). 



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D€U egypU MihkdUum im 4. Jahrh. 157 

lateinischer üebersetzung einen Brief, den der Heilige an Cornelias, 
den Vorsteher dieses Klosters, in geheimnisvoller Schrift gerichtet 
hat. Endlich liess Petronins, der in Thebion^), einem Landgate 
seines Vaters, mit einigen Mönchen der Ascese oblag, darch Pacho- 
miu8 sein Kloster organisieren und verblieb noch einige Zeit als 
Leiter desselben. Sein Vater, der gleichfalls die mönchische Lebens- 
weise annahm, schenkte diesem Kloster alle seine reichen Besitznngen. 

Alle diese 5 Klöster waren nicht weit von einander entfernt. 
Tabennisi , welches znr Diözese des Bischofs von Denderah gehörte, 
sowie die weiter nördlich gelegenen Klöster Pheböou^) (zar Diözese 
Diospolis parva (Hdu) gehörig) und Schenesit^) lagen am Ostnfer 
des Nils. Das nicht weit von Schenesit, jedoch schon am West- 
ufer gelegene Kloster Temooschons war von Pheböoa aas in einer 
halben Nacht erreichbar^), während Tbebioa zwischen den beiden 
letztgenannten Klöstern zu suchen ist^). 

Ueber 100 km. nördlich von Pheböoa entstanden in der Diö- 
zese des Bischofs von Akhmim^) drei neue Klöster. Das erste hiess 
koptisch Tst (arabisch Schedsinä, griechisch Tase) und erhielt einen 
gewissen Pessö zum Vorsteher^). Hierauf bat der ascetisch ange- 
legte Bischof Arius von Akhmim den hl. Pachomius um die Gründ- 
ung eines zweiten Klosters in der nächsten Nähe der Stadt; auf dem 
ihm geschenkten Terrain baute Pachomius mit seinen Brüdern das 
Kloster, wiewohl böswillige Menschen die Bauarbeiten zu stören 
suchten, besetzte es mit Rücksicht auf die Nähe der Stadt mit 
tüchtigen Mönchen und stellte es unter die Obhut des Abtes 
Samuel^). Nahe von Tsi entstand schliesslich das Kloster Tesmine. 
Der schon früher erwähnte Petronius erhielt die Leitung dieses so- 
wie eines anderen benachbarten — wahrscheinlich des von Tsi — 
Klosters*), während in Thebiou an seine Stelle ein gewisser Apol- 
lonios trat*®). 

Das neunte und letzte Mannskloster » welches Pachomius noch 



1) M 76 8., OvißEu (C 50); beim Araber (p. 573) erscheint Thebtou transskri- 
biert ip Etouaont (b^^s oa). 

2) Jetit Flu. Vgl. Baedeker S. 219. 

3) Jetzt Kasr-es-Saiyäd. Vgl. Baedeker S. 218. 

4) M 120. 129. 160, 

5) tf 79-82. Vgl. Ladeuze S. 174 note 2. 

6) Arabisch Schmin, griechisch X^(jL{i.i;, n&vo(, IlavdnoXi; (C. 51). Vgl. 
Baedeker 8. 208. 

7) C 52, T 585. A' 568 s. 

8) C 51, A' 573. 
C 52, M 77, A' 574. 
M 77; in der arab. Version (p. 574) heisst der Abt Ainas. 



A 



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158 Das egypt Mönchtum im 4. JdhrfL 

gründete, lag sfidlich von Theben in der Nähe der Stadt Esneh 
(Latopolis) und hiess Phenoom^). 

Ausser diesen Mannsklöstern verdankten noch 2 Frauenklöster 
ihre Gründung dem hl. Pachomius. Als nämlich sein ürkloster 
Tabennisi einen bedeutenden Ruf erlangt hatte, kam dahin seine 
Schwester Maria zum Besuch; Pachomius Hess ihr durch den 
Pförtner erklären: »Wisse, dass ich noch am Leben bin, betrübe 
dich aber nicht darüber, dass du mich nicht sehen kannst. (Jeber- 
lege es jedoch, ob du nicht auch den Lebenswandel, den ich er- 
wählte, einschlagen willst; alsdann sollen dir meine Brüder eine 
entsprechende Wohnung bauen.c Maria nahm die Einladung des 
Bruders an, und dieser beauftragte einige auserlesene Mönche, ihr 
im Dorfe Tabennisi in einiger Entfernung des Mannsklosters ein 
kleines Asketerium zu bauen. Oleichgesinnte Jungfrauen schlössen 
sich ihr an und lebten unter ihrer Leitung nach einer Ton Pacho- 
mius verfassten Regel. Gin hochbetagter und erprobter Mönch be- 
suchte von Zeit zu Zeit dieses Kloster behufs ascetischer Unter- 
weisung der Ordensfrauen ^). Die griechische Vita C 86 erwähnt bei- 
läufig, dass Pachomius, auf einer Rundreise begriffen, noch ein 
zweites Frauenkloster bei Tesmine gründete ^). Zu Anfang des 5. Jahr- 
hunderts beherbergte das erste Kloster nach Palladiua (bist. laus, 
c. 89) ungeßlhr 400 Ordensfrauen. 

Im Verlauf dieser Klostergründungen verlegte Pachomius seinen 
Wohnsitz von Tabennisi nach Pheböou; von hier aus leitete er den 
ganzen Klosterverband als Generaloberer. Unermüdlich visitierte er 
die Klöster, um den guten Geist in denselben aufrechtzuerhalten; 
Daneben unterhielt er noch einen lebhaften schriftlichen Verkehr 
mit den Vorstehern der einzelnen Klöster, wie seine auf uns gekom-^ 
menen Briefe^) es beweisen. 

Endlich hatte er, um die Einheit des ganzen Klosterverbandes 
zu wahren, die Anordnung getroffen, dasss zweimal im Jahre, zu 
Ostern und in der Mitte des August, zu Pheböou eine Generalver- 
sammlung aller Mönche stattfinden sollte. Bei dieser Gelegenheit 
hatten die Oekonomen der Klöster dem Oberökonom von Pheböou 
über die Arbeitserzeugnisse Rechenschaft Ubzulegen , und wenn ein- 

1) M 77 8.; G 52 nix.vou{ii, C 72 naxvoi^fx, A' 575 Ebnomm, A' 659 Batinoun. 

2) C 22. M 36 s., A' 380 s. 

3) Ka\ 6\s To M»ivk aXXrjv iwoiTjdev 6 'Aßßa llax^oi^toc «epttov. — » Tb Mijvf 
(Miiv) = Tia{i.7jva{ = Aschmini cf. C 52, 74, A' 646. Vgl. Ladeuse S. 177. 

4) Die Ton Hieronymas ins Lateinische übersetzten Briefe des U. Pacho- 
mius finden sich bei Migne, s. lat. tom. 23 col. 91 s. üe>>er ihre Echtheit siehe 
hadeuze S. 111 f. 



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Das egffpt, Mönchtum im 4. Jahrh, 159 

zelue Mönche etwas im Herzen gegen jemand hatten , so fand hier 
eine Versöhnung statt. 

Beschränkten sich auch alle diese Klostergründungen auf die 
Thebais, so rekrutierte sich doch die Bewohnerschaft derselben nicht 
aus Kopten allein. Theodor, ein Lektor der alexandrinischen Kirche, 
— nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Lieblingsschüler 
des Pachomius — sowie noch viele andere Alexandriner (G]:iechen) 
und Ausländer traten in den Pachomianischen Klosterverband ein. 
Pachomius liess für diese im Kloster Pheböou ein eigenes Haus 
bauen und machte Theodor zum Vorsteher desselben ^). Dieser letztere 
versah mit einigen anderen alexandrinischen Mönchen unter Pacho- 
mius und dessen Nachfolgern Dolmetscherdienste für die des Kopti- 
schen unkundigen Mönche*). Der bekannte Bischof Ammon, der 
fünf Jahre nach dem Tode des Pachomius in dem Hause der Orie- 
chen Aufnahme fand, traf den Theodor noch am Leben und erzählt, 
dass nach dessen Tode ein gewisser Ausonius sein Nachfolger wurde. *) 

Nach demselben Gewährsmann fand sich im selben Hause ein 
Lycier, namens IlaTptxtoc und ein Libyer mit Namen 'Qptoc;*). Die 
boheirische Vita erwähnt auch einen Pachomianischen Mönch Domnios, 
der von Geburt Armenier war 5). In Uebereinstimmung mit diesen 
Daten berichtet C 60, dass in dem Kloster Pheböou viele Alexan- 
driner und Bhomäer wohnten; unter den letzteren sind wohl Byzan- 
tiner zu verstehen; indes erwähnen die Paralipomena (c. 27) auch 
einen lateinischen Mönch, der zu den Pachomianern gehörte. 

Das Verhältnis des Pachomius zum Anachoretentum , seine 
Stellung zur kirchlichen Hierarchie, sein Charakter und die Sitt- 
lichkeit seiner Mönche wird später besprochen werden ; hier soll nur 
noch über sein Lebensende^) berichtet werden. Pachomius hatte noch 
zu Ostern 346 eine Generalversammlung zu Pheböu abgehalten, als 
kurze Zeit darauf in seinen Klöstern eine pestartige Krankheit aus- 
brach. Hundert Brüder fielen ihr zum Opfer; auch Pachomius er- 
lag derselben nach vierzigtägigem. Leiden '^). Auf Bitten der Mönche 



1) C 60, M Hl 8.. A' 47a s. 

2) S. oben S. 133. 

3) Ep. Amm. c. 4. 

4) Ebend. c. 19 and 2. 

5) M 225. 

6) C 75, A' 643 8. 

7) Der Todestag des hl* Pachomins ist nach C 75 und A/ 648 der 
14. Pachons oder der 9. Mai. Als Todesjahr wird von den Bollandisten das 
Jahr 349, von Achelis 340, von Amelineau 348, von KrGiger i]ind Grützmacber 
345 and. endlich von Ladenze TS. 229 f.) das Jahr 346 bezeichnet. Wenn die 
Angaben der Viten richtig sind, dass nämlich Pachomius gleich nach Ostern 
erkrankte and angefähr nach 40tägiger Krankheit am 9. Mai starb, so passt 



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160 Das egypt M&nchtum im 4, Jahrh. 

bestimmte er 2 Tage vor seinem Tode Petronius, den Abt von Tesmine, 
zu seinem Nachfolger. 

§ 14, Die Kloster des hl. Pachomius unter seinen drei ersten 

Nachfolgern. 

Petronius, den Pachomias vor seinem Tode zu seinem Nach- 
folger bestimmt hatte, entstammte einer hochangesehenen Familie 



dies alles auf das Jahr 846; denn in diesem Jahre warde das Osterfest am 
30. März eefeiert. Vgl. den Festbrief des hl. Athanasins von Jahre 346: 'Nemo 
de die arabigat neqne contendat dicendo, Pascha fieri debere die XXVII mensis 
Phamenoth (23. März). Etenim in sancta s^nodo qnaestio ventilata fhit cnnctiqne 
definiernnt festnm esse agendnm III Kai. Aprilis (30. März), Tidelicet die 
IV mensis Pharmnthi'. S. Migne, s. gr. t. 26 col. 1423. Allerdings traf auch 
im Jahre 340 das Osterfest am 30. März, and somit würde auch diesesfJahr 
den Zeitbestimmnnflren über die Krankheit des Pachomias genügen. Allein eine 
andere historische Notiz (G 77, A' 656 s.) steht dem im Wege. Karze Zeit nach 
dem Tode des Pachomias hegaben sich nämlich einige M5nche von Pheböon nach 
Alexandria zur Begrüssnng des hl. Athanasins. Unterwegs besaohten sie den 
hl. Antonias and erzählten ihm anter Thränen von dem eben erfolgten Hin- 
scheiden ihres Elosterstifters. Üeber den Zeitpankt dieser Reise heisst es nnn 
in C 77: Kol Iy^veto 8x6 6 'Ap)^i63Ciaxo7co5 6 81^10? 'AMvaato« him\i^v* (xeta döfirj; 
Kupiou aoio TOü Ro{i.iTaTOu TcapepvöjJLevo? ol a86X9o\ Iv xcjp TcXotto £?? 'AXe^avSpEiav xtX. 
A' 656 8. : II arriva plas tarcl qae le p^re Athanase, patriarche d* Alexandrie, 
etant de retoar de Constantinople (?), recoavra son siege et la plapart des 
hommes aUaient le salner et recevoir sa b^nediction. 11 arriva qae des fr^res, 
meines da monastere de Phebdoa . , . Dieser feierliche Einzag des hl. Athana- 
Sias erfolgte aber am 31. October 346. Vgl. den Index der Festbriefe znm 
Jahre 346 (Migne 1. c. col. 1355): Hoc anno Dominica Paschatis erat die 
lY Pharmathi ... III Kai. Aprilis (30. März), . . . consalibas Constantio et 
Gonstante III Aagastis , gabemante eodem Nestorio Gazaeo Aegypti praefecto. 
Camqae obiisset (rregorias die II Epihi, reversos est Boma ex Italia (Athana- 
sins) et in civitatem ecclesiamque ingressas. Mirabili antem occarsa dignas 
fait; etenim die XXIV Paophi (31. Octob.) popnlas canctiqne magistratas ei 
obviam invernnt asque ad centesimam lapidem. Mit dieser historischen Notiz 
ist also die Ansetzang des Todes des Pachomias aaf das Jahr 340 nicht in 
Einklang zn bringen; die übrigen Datierangen des Todesjahres mit Aasnahme 
des Jahres 346 harmonieren aach nicht mit den Zeitbestimmangen übet die 
Krankheit des Pachomins. — Am^lineau, Grützmacher and Achelis haben 
aaf Grand einer Notiz der arab. Vita f p. 649 s.) : »La somme des joars oü il 
resta dans le monde, est de 60 ans; il se fit meine a l*äge de 21 ans, et de- 
menra alors dans la vie monacale 39 ans« angenommen, aass Pachomias wirk- 
lich 60 Jahre alt geworden sei. Allein diese Angabe der arab. Vita ist sehr 
zweifelhafter Natar; heisst es doch bald daraaf, dass Pachomias noch verhält- 
nismässig jang gestorben sei (Comme le Seignear Tavait va cracifier son corps 
en tonte chose, poar cette raison, il Tappela vers Ini promptement, et il ne le 
laissa pas vivre an long äge de jpenr qiril ne 8*affaibltt beancoap). üebrigens 
steht diese Notiz über das Lebensalter des Pachomins im Widersprach mit 
anderen Lebensdaten derselben Vita. Vgl. Ladeuze S. 234: >D*apres eile 
(Ar 342) Pakhdme ne fnt enr61^ et, par cons^qnent, ne se fit meine qa*apres 
qae la persScation fnt finie, donc an plas t6t, en 312, pnisqne le demier d*entre 
les martyrs, poar cette recension (p. 338), est le patriarche Pierre, tn^ en no- 
vembre 811. Mais d'antre part, nons Tavons vn, d apr^s les donn^es qae fonrnit 
A' loi-mdme, notre saint monrnt an commencement de 346 (S. oben). Or, de 
312 a 346, 11 7 a, tont an plas, poar sa vie monacale, 34 et non 39 ans.« unter 
Zngrandeleganff dieser Begrenznngsdaten in der arab. Vita wäre Pachomius 
höchstens M ^hre alt geworden. 



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.D(M egypU Mönchtum im 4, Jahrh. 161 

und besass nach dem ürtheile des Elosterstifters die ffir die Leitung 
der ganzen Communität notwendige Bildung and Befähigung. Als 
ihm die Brüder die Nachricht von seiner Ernennungf zum Qeneralabt 
brachten, lag er schwer krank darnieder, siedelte noch yon Tesmiue 
nach Pheböou über, doch schon nach ungdähr zwei Monaten folgte 
er dem hl. Pachomius ins Grab nach^). 

Als Petronius dem Tode nahe war, bezeichnete er Orsitsi, den Vor^ 
Steher des Klosters Schenesit, zu seinem Nachfolger. Unter diesem 
Generalabte dehnte sich die Pachomianische Communität immer weiter 
aus; doch mit der Zunahme des irdischen Besitzes schwand auch der 
gute Geist in den einzelnen Eidstern*)« Schon vier Jahre >) nach dem 
Tode des hl. Pachomius bedrohte ein Schisma den Bestand des ganzen 
Elosterverbandes. Der Elosterstifter hatte nämlich angeordnet, dass 
die einzelnen Klöster die Erzeugnisse der Mönchsarbeit an das Haupt-^ 
kloster Phebdou abliefern sollten; von hier aus sollte der Verschleiss 
derselben und die Verteilung des Erlöses an die einzelnen Klöster je 
nach Bedarf besorgt werden. Dieser Satzung entgegen wollte nun 
Apollonias, der Abt des Klosters Temouschons, welches grosse Län- 
dereien besass, die Erträge derselben für die Bedürfnisse seines 
eigenen Klosters behalten und sein Eloster von dem Generalabt un- 
abhängig haben. Da der Geist des Aufruhrs auch auf andere Elöster 
überzugehen schien und Orsitsi sich ausser stände sah, die Ordnung 
wiederherzustellen, so ernannte er Theodor, den Lieblingsschüler des 
hL Pachomius, zu seinem Goadjutor. 

Es wird am Platze sein, hier den bisherigen Lebenslauf des 
Theodor ausfährlicher darzustellen, zumal dem Andenken dieses 
Mannes durch Am^lineau^) und Grützmacher ^) nicht volle Gerechtig- 
keit widerfahren ist. Theodor % ein Sohn reicher, christlicher Eltern, 
entschloss sich in noch jugendlichem Alter, dem Reichtum und dem 
Weltleben zu entsagen und zog sich in eine Einsiedelei bei Esneh 
zurück. Die dortigen Einsiedler erzählten vieles von der neuen 
Elosterstiftung des Pachomius, und als ein Pachomianischer Mönch 
auf einer Reise diese Einsiedelei besuchte, schloss sich ihm der erst 
vierzehnjährige Theodor an und wurde zu Tabennisi wegen der Fort- 



1) Nach der sahidischen Vita starb Petronius am 25. Epiphi = 19. Juli. 
C 75 ix&kt6rriavt iiii ^ixou (soll wohl der Monatsname Epiphi sein») aoxou (/ltjvoc 
ißSoLLT] xat elxadij. Die Differenz zwischen den beiden Daten ist unbedeutend. 
Nacn A' 651 leitete Petronius den Elosterverband einige Tage. 

2) C 81. A' 666 f. 

8) Ladeuze S. 227 f. 

4) Annales du Mns^e Guimet, Tome XVII, p. XOIV s. 

5) A. a. 0. S. 104 f. 

6) C 23 f.. M 46 f., A' 368 f. 

Sohiwietz, Mönchtum. 11 



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162 Das egypt. Mönchtum im 4. Jahrh» 

schritte in der Ascese bald ein Liebling des Pachomins. Dieser be- 
diente sich bald des jugendlichen Mönches zu wichtigen Missionen» 
Hess ihn oft an seiner Statt die Katechesen vor der Gommanit&t 
halten und glaubte in ihm den Mann gefunden zu haben, den er vor 
seinem Tode zu seinem Nachfolger bestimmen könnte^). Indes ein 
Vorfall soll nach Qrätzmacher die furchtbare Leidenschaftlichkeit 
Theodors beweisen. Der letztere hatte, wie G 26 berichtet, schon 
zehn Jahre in Tabenntsi zugebracht, als seine Mutter daselbst mit 
einem Briefe des Bischofs von Esneh erschien, demgemäss ihr der 
Sohn zurfickgegeben werden sollte. Sie kehrte im Frauenkloster ein 
und schickte an Pachomius das bischöfliche Schreiben mit der Bitte, 
er möge ihr wenigstens erlauben, ihren Sohn sehen zu dürfen. 
Pachomius wollte nun dieser Bitte mit Bücksicht auf das bischöf- 
liche Schreiben willfahren; doch Theodor erklärte: »Thäte ich dies, 
wurde Oott mich, da ich nun einmal zum Mönchsleben berufen bin, 
am Tage des Gerichtes tadeln, und meine Handlungsweise würde der 
Gommunität der Brüder zum Aergernis gereichen. Die Leviten haben 
einst kein Bedenken getragen, auch ihre eigenen Angehörigen zu 
töten, um Gott mehr zu gefallen und den Zorn Gottes nicht auf 
sich zu laden. Auch ich habe hier auf der Welt keine Mutter, 
noch irgend ein Eigentum.« Pachomius billigte diesen Entschluss 
Theodors und meinte, auch die Bischöfe würden diese Entsagung 
wohl zu würdigen wissen. Die Mutter Theodors aber entschloss sich, 
in das Frauenkloster einzutreten, indem sie bei sich dachte, dass sie 
auf diese Weise nicht bloss ihren Sohn einmal unter den übrigen 
Mönchen sehen, sondern auch für das Heil ihrer eigenen Seele Sorge 
tragen könnte. Die boheirische und arabische Vita erzählen dasselbe 
Vorkommnis, jedoch, wie sonst, in drastischerer Färbung. Nach der 
ersteren (M 54) erklärte Theodor dem hl. Pachomius: »Ich fürchte eine 
Vorschrift des Evangeliums zu verletzen, wenn ich die Mutter aufsuche. 
Ist das nicht der Fall, so will ich zu ihr gehen. Wäre dies aber 
ein Beweis meiner Schwäche, so will ich sie nicht nur nicht sehen, 
sondern ich würde sie, wenn ich sie töten müsste, nicht schonen, wie 
es einst die Leviten auf Geheiss Gottes gethan haben*).« Diese aller- 
dings uns befremdende Erklärung fehlt in der ältesten griechischen Be- 
cension (cf. G 26) und ist wohl mehr auf das Konto der überhaupt 
drastischer schreibenden Kopten zu setzen. Aber zugegeben, dass 
Theodor wirklich so gesprochen hätte, so läge doch kein hinreichen- 



C 25, M 48. 

Aehnlich lauten die Worte in A' 405. 



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D(M egypt Mönchtum im 4, Jahrh. 168 

der Grund vor, diese aus dem Munde eines jungen koptischen 
Mönches kommenden Worte so streng zu beurteilen und daraus 
einen Beweis für seinen gewaltthätigen Charakter herzuleiten, zumal 
diese hypothetisch ausgesprochene Erklärung nur eine drastische 
Anspielung auf eine Schriftstelle (Exod. 82, 27 f.) ist. Am^lineau 
sagt ja selbst, dass die Uebertreibung eine besondere Eigentümlich- 
keit der koptischen Schreibweise sei^). Wie wenig übrigens die 
Mutter Theodors durch seine Handlungsweise irritiert war, ergiebt 
sich daraus, dass sie nach G 26 in das Frauenkloster eintrat, 
während nach der koptischen Becension (M. 56) ihr jüngerer Sohn 
Pachomianer wurde. 

indes Theodor »muss doch ein gewaltthätiger Mensch gewesen 
seine ; dafür bringt Am^lineau und Grützmacher noch einen zweiten 
und letzten Beweis. Pachoraius hatte bekanntlich später seinen 
Wohnsitz nach Phebdou verlegt und die Aufsicht über das Kloster 
Tabenntsi seinem Lieblingsschüler übertragen^). Als er nun einmal 
wegen der Vernachlässigung der Elostersatzungen seitens einiger 
Mönche von Tabennisi dem Theodor Vorwürfe machte, soll dieser 
den Heiligen im Zorn mit seiner Hand geschlagen haben. Ganz 
abgesehen davon, dass der ganze Bericht der koptisch- arabischen 
Becension wenig Vertrauen erweckt, so beruht doch der dem Theodor 
hierbei gemachte Vorwurf, wie oben schon gezeigt worden ist, auf einer 
falschen (Jebersetzung eines arabischen Ausdrucks durch Amälineau ^). 
Es handelt sich in dem Texte bloss um einen Gestus der Un- 
geduld, wie denn auch Pachoraius dem Theodor nicht wegen dieses 
Gestus, sondern wegen der Nachlässigkeit der Mönche einen Vor- 
wurf macht. Uebrigens waren die Pachomianischen Mönche weit 
entfernt, Theodor einer heftigen Leidenschaft zu zeihen. Nicht nur 
nach Angabe von C 58 , sondern auch von A' 449 hat sogar der 
Schüler den Meister in der Sanftmut übertroffen. 

Endlich soll Theodor nach Am^lineau und Grützmacher auch 
ein durchaus ehrgeiziger und schlauer Mönch gewesen sein, der 
durch Verstellung und Heuchelei die Würde eines Generalabtes an- 
strebte. Wo ist nun der Beweis dafür? Als Pachoraius einmal 
schwer erkrankte, drangen in Theodor die Mönche, die Würde des 
Generalabtes anzunehmen, wenn der Heilige sterben sollte. Theodor 
gab nach langem Widerstreben dem Wunsche der Mitbrüder nach. 



1) A. a. 0. p. XCVI. 

2) C 50. M 101, A' 440. 
8) S. oben S. 146 f. 



11* 

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164 Das egypt. Mönchtum im 4. Jahrh, 

Pachomius, der dies nachträglich erfuhr und die Bestimmang seines 
Nachfolgers sich selbst vorbehalten wollte, war darüber sehr betrübt, 
dass Theodor sich habe schliesslich überreden lassen. Betrachten wir 
diesen ganzen Vorgang, so haben hierbei sich eher die Mönche als 
Theodor selbst verschaldet, wie das auch die Quellen nachdrücklich 
betonen^). In sämtlichen Viten wird auch berichtet, dass Theodor 
während der 7 Jahre, wo er den Pachomius bei der Visitation der 
Klöster unterstützte , nie in sich den Qedanken aufkommen Hess, 
dessen Nachfolger zu werden'). Jedenfalls folgt aus diesem Vorfall 
auch, dass Theodor keinen gewaltthätigen Charakter besass, wenn 
er sich die Liebe seiner Mitbrüder in so hohem Masse erworben 
hattet). Auch beweist dieser Bericht gleich den vorher mitge- 
teilten, dass den Autoren der griechischen und der koptisch-arabischen 
Vita durchaus fern lag, dem Theodor zu schmeicheln und ihn auch 
auf Kosten der Wahrheit mit dem Nimbus der Heiligkeit zu um- 
geben, wie es Amälineau annimmt, was schon deshalb ausgeschlossen 
erscheint, weil die Viten samt und sonders erst nach dem Tode 
Theodors verfasst worden sind. 

Zu Gunsten Theodors spricht auch der Umstand , dass er sich 
wegen des oben erwähnten Vorfalles der von Pachomius ihm auf- 
erlegten Busse willig unterwarf und nach Entbindung von seinem 
Amte ein zurückgezogenes Leben führte. C 69 berichtet, dass Pa- 
chomius ihm damit eine Lektion in der Demut geben wollte, und es 
ist kein Anzeichen dafür, dass Theodors Busse etwa nur Heuchelei 
und Verstellung war; wird doch bezeugt, dass sein Schmerz über 
das Vorgefallene so gross war, dass seine Mitbrüder glaubten, er 
würde das Kloster verlassen ; er that es nicht, ebensowenig verlor er 
aber die Liebe und Zuneigung des hl. Pachomius, der von diesem seinem 
Lieblingsschüler gelegentlich erklärte, dass er siebenmal vollkom- 
mener als vorher geworden sei ^). Zwar wurde später nicht Theodor, 
sondern Petronius von dem sterbenden Klosterstifter als sein Nach- 
folger bestimmt. Dies geschah aus einem prinzipiellen Gesichts- 
punkte ; Pachomius hielt es für den Bestand seines Klosterverbandes 
als nothwendig, seinen Nachfolger aus eigener Initiative zu wählen. 
Aber er that es nicht etwa aus einer noch zurückgebliebenen Anti- 
pathie gegen Theodor. Vielmehr hat sich der sterbende Pachomius 
nach Ausweis aller Quellen von seinem Lieblingsschüler Theodor in 



1) C 69, M 166, A' 578. 

2) C 68. M 158, A' 492. 

3) Vgl. auch C 78-79, M 49, A' 449. 

4) C 70, A' 663. 



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Das egypU M&nchtum im 4, Jahrh. 165 

der herzlichsten Weise verabschiedet, ihn beauftragt, seinen Leib an 
einem geheimen Orte zu begraben und ihm ans Herz gelegt, sich 
^uch weiterhin der fehlenden Brüder anzunehmen^). 

Wie bis zum Tode des Pachomius der Wandel Theodors ver- 
dächtigt wird, so wird auch dieseni von Am^lineau und Grützmacher 
mit unrecht die Spaltung der Pachomianischen Mönche unter OrsÜsi 
in die Schuhe geschoben. Um sich unentbehrlich zu machen, hätte 
Theodor im geheimen den Aufruhr geschürt. 

Es ist von vornherein unwahrscheinlich, dass er mit den auf- 
ruhrerischen Mönchen unter einer Decke gesteckt hätte. Es verriete 
ja ein hohes Mass von Unklugheit bei Orsiisi, wenn dieser in jenem 
kritischen Augenblick den Theodor in der Absicht zum Coadjutor 
erwählte, um den Qeist des Aufruhrs zu bannen. Die unbotmässigen 
Mönche wünschten ja nicht einen anderen Generalabt, sondern sie 
gingen darauf aus, diese Würde überhaupt zu beseitigen. Der Be- 
richt über die Thätigkeit Theodors als Coadjutor spricht auch 
nicht zu Gunsten derjenigen, welche seinen Charakter verdächtigen 
möchten. Zunächst wird in den Quellen ausdrücklich betont, dass 
Theodor vor seiner Erwählung zum Coadjutor sich nichts herausnehmen 
wollte, das irgendwie über ihn missliebig gedeutet werden konnte. 
Aus diesem Grunde wies er die Mönche ab, welche in ihn drangen, 
die Katechesen im Kloster, wie zu Lebzeiten des Pachomius, zu 
halten'). Als Coadjutor unternahm er nichts, ohne den Bat des 
Orsiisi eingeholt zu habend); ja, er unterwarf sich den Anordnungen 
des letzteren, selbst wenn dieselben seinen Anschauungen nicht 
entsprachen ^). Wie der hl. Athanasius in einem Briefe ihn als Mit- 
arbeiter des Orsitsi bezeichnet^), so hält er sich selbst nur als dessen 
Stellvertreter«). 

Im Jahre 350 zum Coadjutor berufen, beschwichtigte nun 
Theodor den Geist des Aufruhrs und führte ApoUonios, den Abt von 
Temouschons, zur Unterwerfung unter die Oberleitung zurück. 

Nördlich von den durch Pachomius gestifteten Klöstern gründete 
Theodor bei Schmoun^) zwei neue Niederlassungen. Nach M 271 
hiessen diese Nouoi (cf . A' 676) und Kahior , nach C 86 Obi und 



1) G 75; A' 648, Tgl. dazu Ladeuze S. 196 Note 1. 

2) C 79. T. 309, A' 662. 

3) C 86. 

4) M 259 f. 

5) C 92. 

6) C 83, 93. 94; M 276, 284; A' 670, 697, 702. 

7) Die Trümmer Ton Schmoun (Hermopolis) liegen P/s km weatlich land- 
einwärts von Bdda zwischen dem Josephskapal und dem Nil bei dem Dorfe 
Aschronndn (Baedeker S. 191). 



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166 Da$ egypt. Mönchtum im 4. Jahrh. 

Eaios^). Ein drittes Kloster entstand in der Umgegend von Her- 
mothis (Armoutim). Nach dem Briefe Ammons (c. 17) muss Theodor 
noch ein Mannskloster bei Ptolemais*) (koptisch Psoi) gebaut haben. 
Zu den von Pachorains gegründeten Frauenklöstern von Tabennisi 
und Tesmine kam auch noch unter Theodor ein drittes zu Beehre 
(Pakhna A' 676) hinzu, welches eine Meile von Phebdou ent- 
fernt lag. 

Nach ISjähriger Leitung des Verbandes starb Theodor«). Der 
hl. Athanasius, der aus diesem Anlass den Pachomianern ein Bei- 
leidsschreiben sandte, ist voll des Lobes über den dahingeschiedenen 
Generalabt und fordert Orsiisi auf, die Leitung wieder zu übernehmen. 
Wie lange nun der letztere noch nach dem Tode Theodors an der 
Spitze der Pachomianer stand, ist unbekannt. Die Pachomiusviten 
schliessen nämlich mit dem Tode Theodors ab und erwähnen nur mit 
einigen Zeilen die Thatsache, dass Orsitsi wieder das Regime über- 
nahm. Wenn die Verfasser der Vita C hier abbrachen, so geschah 
dies nicht aus Voreingenommenheit gegen den letzteren ; spricht doch 
die Vita an anderen Stellen (C 75—88) mit der grössten Anerken- 
nung von Orsitsi. Der Grund ist vielmehr der, dass diese Vita gleich 
nach dem Tode Theodors ans Licht kam. 

In den Katechesen, die Orsiisi seinen Mönchen hielt, pflegte er 
ebenso fleissig die hl. Schrift heranzuziehen, als die Mahnungen des 
hl. Pachomius zu wiederholen^). Denselben Charakter haben auch 
die 56 Unterweisungen, die er am Ende seines Lebens den Mönchen 
als Vermächtnis übergab und die unter dem Titel ,Doctrina de 
institutione monachorum^ in lateinischer üebersetzung auf uns ge- 
kommen sind ^). Gennadins, der in der zweiten Hälfte des 5. Jahrb. 
lebte, kennt diese Schrift und äussert sich über dieselbe folgender- 
massen^): 'Oriesiesis monachus, amborum 1. e. Pachumii et Theodori 
collega, vir in sanctis scripturis ad perfectum instructus, composuit 
librum divino conditum sale, totiusque monasticae disciplinae instru- 
mentis constrnctum et ut simpliciter dicam, in quo totum pene vetus 



1) A' 680 nennt dies Kloster Eäbour. 

2) PtolemaXs (das heutige el-Menschiye) lag 15 km südlich von Akhintm. 

3) Kurz vor seinem Tode sprach Theodor (M 265): 'Voici que je suis 
avec V0Q8 depuis 18 ans, d*aprös rordre de Dieu et de notre p^re apa Horsitsi'. 
Vgl. dazu Ladeuze S. 229—230. — Theodor starb am 2. Paschons d. i. den 
27. April (7 Tage nach Ostern) im Jahre 368. Die Annahme des Achelisund 
Krüger, dass Theodor schon am 27. April 363 gestorben sei. ist nicht haltbar; 
denn nach dem Briefe des Ammon (c. 23) erlebte dieser Lieblingsschüler des 
hl. Pachomius noch den im Juni 363 erfolgten Tod des Kaisers Julian. 

4) Vgl. die beiden in der Vita 76 und 95 mitgeteilten Reden des Orsiisi. 

5) Abgedruckt bei Migne^ s. lat. GUI col. 453 s. und s. gr. XL col. 870 s. 

6) De vir. illustr. c. 9. 



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Da8 egypU Mönchtum im 4, Jahrh, 167 

et QOYum testamentum compendiosis dissertationibua iuxta monacho- 
rum damtazat necessitatem , invenitur expositam, quem tarnen vice 
testamenti prope diem obitus sui fratribus obtalit'. Das Spiegelbild, 
welches in dieser Schrift von den Einrichtungen und Sitten der Pa- 
chomianer entworfen wird, steht vollständig im Einklang mit den 
Nachrichten, die hierüber in den anderweitigen Quellen vorhanden 
sind 1). 

§ 15. Vorbemerkungen zur Pachomianischen Klosterregel. 

Es muss schon von vornherein angenommen werden, dass 
Pachomins seinen Klöstern bestimmte Segeln gegeben hat. Eine in 
einem Kloster wohnende Mönchsgesellschaft konnte auf die Länge 
der Zeit ohne Feststellung einer Tages- und Hausordnung und ohne 
Regelung der gegenseitigen Beziehungen der Mitglieder nicht be- 
stehen. In der That dachte Pachomins schon daran bei dem Bau 
seines Klosters in Tabennisi^). Mit seinen ersten Schälern führte 
er sofort ein gemeinsames Leben ein und gab ihnen Vorschriften, 
die das religiöse Leben, die Kleidung, die Speise und den Schlaf 
nach der Anweisung der hl. Schrift regelten <). Als das Kloster 
hundert Insassen zählte, schuf er eine neue Organisation, teilte die 
Mönche in mehrere Gruppen mit besonderen Vorständen und sorgte, 
f&r eine rationelle Arbeitsteilung unter denselben^). Nach demseU 
ben Muster wurden auch die später gegründeten Klöster eingerichtet 
(s. oben S. 156), und um Einheitlichkeit in der Leitung der ein- 
zelnen Klöster zu erzielen, schrieb Pachomins die darauf bezüglichen 
Satzungen in einem eigenen Buche für die Vorsteher auf^). Auch 
dem in der Nähe von Tabennisi errichteten Frauenkloster schickte 
er ein Exemplar seiner Mönchsregel zu und gab zugleich neue 
Satzungen, welche die Mönche beim etwaigen Besuch verwandter 
Klosterfrauen sowie bei Verrichtung notwendiger Dienstleistungen im 
Frauenkloster beobachten sollten^). In der boheirischen Vita wird 
noch bemerkt, dass Pachomins seine Regeln teils mündlich lehrte, 



1) Ueber die Echtheit der Doctrina etc. siehe Tillemont, Meraoires pour 
serrlr a Thist. eccl. Brnxelles» 1715, tome 7 p. 1386 und Ladeuze S. 114 f. 

2) C 10: Ka\ tcoj; 8t§&^u), xüpis, oO; xaXEi^ auv l{xo\ louiov §X^a&at xov ßiov, 
[i9| TcptoTov aötb; vixTJaa;. 

3) C 17 : Koivößtov yap ^v abtöte * xoi oStco; IxavövtaEv aOxo1;, xUnov aTCpdaxonov 
xa\ }coipa8(oa£t( w^sXtJijlous twv <J/u)(^ü3V auviofag olizo twv dsiwv Ypa^wv, to evöüjxa aüitov 
eOp.^ipü>;, Tf|V Tpo^^v Iv JaÖTTiTt, xot TO xoifiyj^^vai auitov sia/^7]ji.(5vw;. Cf.M 31—32, 
A' 370-371. 

4) C 19, M 34 f., A' 372 f. 

5) C38. 

6) C 22, M 37-38, A' 381-382. 



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168 Das egypt Mfhichtum im 4. Jahrfu 

teils schriftlich und zwar jedenfalls in der koptischen Sprache auf- 
zeichnete^). Eine solche schriftliche Mönchsregel dieses Kloster- 
gränders lag thatsächlich den Verfassern der ältesten Pachomias- 
vita vor«). 

Es steht also fest, dass Pachomins eine Regel für seine Mönche 
geschrieben hat; es fragt sich nun, welche von den unter seinem 
Namen überlieferten Regeln auf Echtheit Ansprach machen kann. 

Nach einigen soll die von PaUadius in der Historia Lausiaca 
(c. 38) mitgeteilte Mönchsregel des Pachomins die ursprünglichste 
sein oder wenigstens dem Kern nach von diesem Elosterstifter her- 
rühren'). Verdächtig indes erscheint schon die dieser Elosterregel 
vorausgeschickte Bemerkung des PaUadius, dass diese Satzungen dem 
Pachoroius gleich zu Beginn seines Aufenthaltes in Tabennisi von 
einem Engel auf einer ehernen Tafel überbracht worden seien. Die 
griechische Vita G, welche die frischeste Tradition über Pachomins 
enthält, weiss nämlich nichts von diesem übernatürlichen Ursprung 
seiner Klosterregel; vielmehr wird in derselben, wie schon oben dar- 
gethan ist, berichtet, dass Pachomins die Mönchsregel nach Mass- 
gabe der hl. Schrift zusammengestellt und dieselbe später aus Zweck- 
mässigkeitsgründen ergänzt hat. Diese Angaben der Vita G werden 
auch von den koptisch-arabischen Pachomiusviten bestätigt^). Dazu 
kommt noch, dass sich Pachomins in seinen Reden und Ermahnungen 
nirgends auf einen übernatürlichen Ursprung seiner Mönchsregel be- 
ruft, um derselben den gehörigen Nachdruck zu verleihen. So hatte 
z. B. Pachomins in seiner Regel den Mönchen strengstes Still* 
schweigen während der Arbeit vorgeschrieben. Als nun einmal diese 
Vorschrift im Kloster Tabennisi von den in der Bäckerei beschäf- 
tigten Mönchen übertreten worden war, erklärte er seinem Schüler 
Theodor, die Mönche sollten sich nicht damit entschuldigen, dass 
die Regeln menschlichen Ursprungs seien; in denselben seien zwar 
oft geringfügige Dinge vorgeschrieben, aber sie seien doch von der 
grössten Bedeutung; er hätte sie sicherlich nicht geboten, wenn sie 
nicht nützlich wären ^). Ein anderes Mal wird Pachomins von seinem 



I) M 104, A*" 502. — üeberhaapt ergänzte Pachomins nach Massgabe 
des Bedürfnisses seine ursprünglichen Regeln durch neue Satzungen, wie ans 
C 52, 57. M 101—102, 186-187, A' 426—427. 502-504 hervorgeht. 

3) Grüizmacher a. a. 0. S. 117 ff., ZOckler a. a. 0. S. 200 f., Erwin 
Preuachen, Deutsche Litteraturzeitung 1896 S. 710. 

4) Siehe oben S. 167 u. 168 (Anfang). 

5) C 57 : Ka\ eTtcsv b aßßa( Uay(o6\Lioi * ''Oxt voail^ouatv ^xstvot av9pa>T;tva eTvai 

xauitt xa Tcaparf A(jiaxa xSv 7cep\ ikay(iaxw 8o&^ (t^^a IvxCv E{ (i^ dk ^v u>9Aii(j.o< 

<|>x>X^v ^ IvtoXtj lxe{vi), oux Sv icopii'ffdXapLEV Tcepl aux^c Ct M 110. 



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Das egypt Mönehtum im 4. Jdhrh, 169 

Freunde Dionysius, dem Oekonomen der Kirche von Tentyra, ge-^ 
tadelt, dass er fremden Mönchen den Eintritt in sein Kloster ver* 
wehre und dieselben in einem besonderen Baume beherberge. Pacho« 
mius erwidert, er gestatte wohl fremden Mönchen die Teilnahme am 
Gottesdienste im Kloster, doch in Bezug auf Tisch und Schlaf blieben 
diese getrennt, und diese Anordnung hätte er deshalb getroffen, 
damit Fremde nicht irgendeine üngehörigkeit bei seinen jüngeren, 
noch unerfahrenen Mönchen bemerkten und daran Anstoss nähmen ^). 
Auf diese Weise verteidigt Pachomius die Satzungen seines Klosters ; 
nirgends beruft er sich auf den äbernatürlichen Ursprung seiner 
Regel; höchstens wird noch darauf hingewiesen, dass seine Satzun- 
gen mit den Grundsätzen der hl. Schrift in Einklang stehen*). 
Kurzum, seine Regeln erscheinen bloss als Frucht seiner Klugheit 
oder des Studiums der hl. Schrift. Weder die Briefe des hl. Pacho- 
mius und seines Schülers Theodor, noch die Doctrina Orsiesii geben 
einen Anhalt, aus dem man schliessen könnte, dass Pachomius seine 
Klosterregel von einem Engel erhalten habe. Wenn in der letzteren 
Schrift darauf hingewiesen wird, dass die Satzungen des hl. Pacho- 
mius von Gott kämen'), so hat das nicht viel zu bedeuten; denn 
eine so allgemeine Redensart passt schliesslich auf alle Hegeln heili- 
ger Ordensstifter. Was endlich Hieronymus anlangt, der eine 
Pachomianische Regel aus dem Griechischen ins Lateinische über- 
tragen hat, so erwähnt er zwar, dass Pachomius sein Kloster auf 
eine Weisung Gottes und eines Engels gegründet und ein geheim- 
nisvolles Alphabet von einem Engel erlernt habe^), aber davon 
weiss er nichts, dass die Pachomianische Regel von einem Engel 
herrühre. 

Allerdings enthalten auch die Viten A und B, sowie die un- 
edierte Pariser und die arabische Vita die Notiz, dass Pachomius 
eine fertige Regel durch einen Engel, und zwar auf einer Tafel 
geschrieben, erhalten habe. Indes wird dadurch das bisher gewon- 
nene Resultat nicht umgestossen, da diese Notiz in den genannten 
Viten, wie schon früher dargethan wurde, aus der Historia Lausiaca 
des Palladius entlehnt ist. Der Anfang der unedierten Pariser Vita, 
wo die in Frage stehende Episode erzählt wird, stellt sich als reine 
Gopie der Historia Lausiaca dar^). Die Vita B, die nachweislich 
aus G geflossen ist, entlehnt aus Palladius einige auf die Pachomianer 

C 28, M 58 f., A' 557 f. 

C 17, 26, 42; M 53 f., 87. 101; A' 870. 405, 408 f. 

Doctrina 8. Orsiesii c. 28, 46. 

Praefatio s. Hieronymi in Begnlam ä. Pachomii n. 1 n. 9. 

\ oben S. 186. 



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170 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh. 

bezügliche Notizen , worunter auch die von der üeberbringang der 
Pachomianischen Regel dnrch einen Engel ^) — den Inhalt der Begel 
selbst teilt sie nicht mit — gehört, vergisst aber später dieses 
fremde Einschiebsel und berichtet im 22. Capitel in üebereinstim- 
mnng mit ihrer Vorlage, der Vita C, dass Pachomias die Begel für 
seine Mönche selbst verfasst habe >). Die Vita A dagegen, der sonst 
die Vita B als Vorlage gedient hat, schiebt im 21. nnd 22. Kapitel 
als Nachtrag eine Inhaltsangabe der Elosterregel nach Palladias, 
wenn auch in abgekürzter Form, ein, ändert aber die Worte ihrer 
Vorlage, der Vita B (c. 22), folgend ermassen um: 'Regulas igitur 
eis, quas acceperat, tradidit, scilicet ut haberent moderatum cibum, 
vilissimum vestitum, somnum etiam competentem.' Was endlich die 
arabische Version, die sich als eine ungeschickte Compilation aus 
C, M, T und Palladius darstellt (s. oben S. 138 f.), anlangt, so teilt 
dieselbe die angeblich von einem Engel übergebene Elosterregel auch 
nach Palladius, wenn auch mit einigen unbedeutenden Differenzen, 
mit^), fällt aber im weiteren Verlauf aus dem Context, berichtet an 
mehreren Stellen in Uebereinstimmung mit der Vita C und M, dass 
Pachomius selbst die Klosterregel verfasst und allmählich ergänzt 
hat^), und setzt sich dadurch in Widerspruch mit sich selbst, indem 
die aus den letzteren Quellen geschöpften Notizen über die Sitten 
und Oebräüche der Pachomianer mit dem Inhalt der aus Palladius 
entlehnten Regel nicht im Einklang stehen^). 

Die zwei ältesten Viten C und M, deren Verfasser doch am 
besten über ihren Klosterstifter unterrichtet sein mussten, wissen 
nichts von der Ueberbringung der Klosterregel durch einen Engel 
Die Notiz hierüber bei Palladius, aus dem die Viten A, B und A' 

1) B c. 12: Cnmque ali(]^aando processisset (sc. Pachomias) e cella satis 
magnam spatinm pervenit in vicamf qni dicitur Tabenise. Gamqae, ut solebat, 
longo tempore perseverasset in oratione, aadiyit vocem ei dicentem : Mane hie, 
Pacbomi, et fac monasterinm. Ad te enim venient malti, volentes salvi fieri, 

änos deduces convenienter formae, qnae tibi a me data faerit. Protinas er^o 
li apparet angelos et dat ei tabnlam, in qua scripta erat tota vitae constitatio 
eorum, qni erant ad ipsnm ventnri. Ex qna ab eo accepta in hodiernnm nsqne 
diem vitam institnaut Tabennesiotae , enndem habitam gestantes et eandem 
habentes conversationem. 

2) B c. 22: Describit itaqae eis tanquam regulas quasdam formas et 
utiles animae traditiones, vile iodamentam, victum moderatum decoramque in 
somno quietem. S. oben S. 124 ff. 

3) Ar p. 366-369. — 4) S. oben S. 167, S 168 Note 1. 

5) So steht die auf die Wohnungen der Mönche bezügliche Satzung der 
Engelsregel (A^^ 366) im ViTidersprnch mit den in A*" 468 und 628 berichteten 
Thatsachen, desgleichen die auf den Schlaf bezugliche Satzung (A' 866) mit 
den späteren Berichten (A*" 482 — 483,605), die Satzung über die Mdnchs- 
kleidung (A' 366) mit A' 396 und 680. — Auch die aus Palladius (Hist. Laus, 
c. 38) entlehnte Tischregel (A' 377) widerspricht den in A' 420, 524, 613 mit- 
geteilten Thatsachen. 



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Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh, 171 

anmittelbar oder mittelbar geschöpft haben, ist also als Legende 
des 5. Jahrhunderts zu betrachten ^). Immerhin mnss man sich aber 
fragen, wie Palladins za dieser Notiz gekommen ist. In der ältesten 
griechischen, sowie aach in der boheirischen Vita wird berichtet, 
dass ein Engel den Pachomins, als er bereits in Tabenna wohnte, 
aufgefordert habe, ein Kloster zu gränden^). Es ist nun nicht un-^ 
wahrscheinlich, dass man schliesslich auch die Regel, die Pachomins 
für seine Mönche verfasst hatte, diesem Engel zuschrieb, oder dass 
Palladius, der von der Engelvision im Pachoroianischen Kloster von 
Panopolis (Hist. Laus. c. 39) Kunde erhalten haben mag, irrtümlich 
die Engelvision auch auf die Ueberbringung der Regel ausdehnte. 
Später mag der darauf bezügliche Palladiustezt am Rande einer 
Handschrift der griechischen Pachomiusvita vermerkt und schliess- 
lich durch einen Abschreiber eingeschaltet worden sein. Aber nicht 
allein die Notiz von dem übernatürlichen Ursprung der Pachomiani- 
schen Regel bei Palladius erscheint verdächtig ; dasselbe gilt auch von 
dem Inhalt der von ihm mitgeteilten Regel. Viele Satzungen dieser 
Elosterregel bei Palladius, z. B. das Zusammen wob neu von je drei 
Mönchen in einer Zelle, das Schlafen auf Sitzen mit Rücklehnen, 
die absolute Ausschliessung fremder Mönche vom Kloster, die Klei- 
derordnung, die Qebetszeiten, das dreijährige Noviziat, die Teilung 
der Mönche in 24 Gruppen nach dem griechischen Alphabet, wurden 
laut der Vita G und M, ja selbst der arabischen Vita (abgesehen 
von dem auf S. 866—369 eingeschalteten Palladiustexte) weder zu 
Lebzeiten des Pachomius, noch unter seinen drei ersten Nachfolgern 
beobachtet, wie dies noch bei Besprechung der. einzelnen Gebräuche 
und Sitten in den Pachomianischen Klöstern im folgenden § gezeigt 
werden wird. Aus alledem ergiebt sich, dass die von Palladins 
mitgeteilte Pachomianische Klosterregel durchaus nicht als die 
älteste Form der bei den Pachomianern beobachteten Satzungen 
anzusehen ist; vielmehr giebt Palladins in dieser Klosterregel den 
Status quo der Satzungen des von ihm besuchten Pachomianischen 
Klosters wieder, wobei noch Qedächtnisfehler oder Miss Verständnisse 
bezüglich des dort Wahrgenommenen eine Rolle spielten. 

Es bleibt nun zu untersuchen, ob und inwieweit die vom hl. 

1) Sozomenus (h. eccl. III, 14) hat gleichfalls die Engelsregel aas Pal- 
ladius entlehnt, aber besser geordnet. S. Mreuschenf Palladius a. Ruflnus, 
1897 S. 227 f. — Dillmann (Chrestom. aethiop. 1866, S. 67 flF., deutsch von 
König, Studien und Kritiken 1878 S. 323 ft,) hat drei verschiedene Pachomia- 
nische Regeln in äthiopischer Üebersetznng herausgegeben. Die erste äthiopische 
Becension verrät eine griechische Vorlage und deckt sich im wesentlichen mit 
dem Berichte des Palladius. Vgl. Ladeuze S. 261 f. 

2) G 15, M 30. 



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172 Das egypt, Mönchtum im 4, JahrK 

Hierouymus ins Lateinische übersetzte Pachomiusregel auf Aothentie 
Ansprach machen kann. Dieselbe ist uns in zwei der Hauptsache 
nach übereinstimmenden Recensionen überliefert. Die erste Recension 
besteht aus 128 Artikeln und ist zuerst im Jahre 1575 von 
A. Stratius in Rom yerö£Fentlicht worden^). Die zweite Recension, 
ans 194 Artikeln bestehend, erschien gleichfalls in Rom im Jahre 
1661 in dem Codex regularum, quas ss. patres monachis et vir- 
ginibus sanctimonialibus servandas praescripsere, coUectus olim a s. 
Benedicto Anianensi abbate, dessen Veröffentlichung der Verfasser 
Lucas Holsten nicht mehr erlebte >). In diesem letzteren Werke 
folgt auf die praefatio s. Hieronymi presbyteri in regulam s. Pacho- 
mii 1) die Regel des Pachomius (praecepta patris nostri Pachomii 
hominis Dei, qui fundavit conversationem coenobiorum a principio 
per mandatum Dei), 2) monita s. Pachomii, 3) epistola patris nostri 
Pachomii ad sanctum virum Cornelium, qui pater fuit monasterii 
Mochanseos, in qua loquitur linguam, quae ambobus ab angelo tra» 
dita est et cuius nos sonum audivimus, ceterum vires et sensum 
intellegere non possumus, 4) epistola etc. ad patrem monasterii Sy- 
ram, qui et ipse gratiam cum Pachomio et C!ornelio angelicae linguae 
acceperat, 5) epistola etc. ad patrem monasterii Comelium, quod 
vocatur Mochanseos, 6) epistola etc. ad Syrum patrem monasterii 
Ghuum et Joannem praepositum domus eiusdem monasterii, 7) epi- 
stola etc. ad universa monasteria, ut cuncti fratres congregentur in 
monasterium malus, quod vocatur Baum, in diebus Paschae, et sit 
omnium una solemnitas, 8) epistola etc. ad Syrum patrem monasterii, 
quod vocatur Ghnum, et Joannem praepositum in eodem monasterio 
unius domus, 9) epistola etc. ad universa monasteria, ut congregen- 
tur omnes monasteriorum principes et domorum praepositi in mona^ 
sterium quod vocatur Baum, vicesimo die mensis qui apud Aegyptios 



(ini 
Co] 



1) Diese Recension findet sich auch bei Oazaeus, Cassiani opera omnia 
im Anhang), Atrebati 1628, ferner bei De La Bigne, Bibliotheca Patmm, 
iol. Agripp. 1618, IV, 31 s., bei StellartiuSf Fundamina et Regulae, Douay 
1626, p. 115 8. 

2) Auf die erste römische Aasgabe dieser zweiten Recension folgte eine 
zweite von L. Billaine im Jahre 1663 und eine dritte zu Auffsbnrg im Jahre 
1759. Vgl. auch Migne, s. l. tom. 23 col. 65 s. — Der Holsten'sche Codex 
ist identisch mit dem Liber regnlarum diversaram patmm Benedikts von Aniane 
and war eine Abschrift eines im Besitze der regulierten Chorherrn domus B. Vir- 
ginis zu Köln befindlichen Manuskripts, das wiederum aas einer alten Trierer 
Handschrift von St. Maximin abgeschrieben war. (Cf. Holsten^Brockie, Codex 
regnlarum etc. Augsburg 1759 tom. I praef. S. XVII.) Diese letztere Hand- 
schrift ist noch nicht aufgefunden, doch hat Otto Seebaaa (Zeitschrift für 
Kirchenfesch. 1895 S. 244 ff.) den Nachweis geführt, dass der Codex 231 des 
Kölner Stadtarchivs, welcher das Re^elsammelbuch Benedikts von Aniane ent- 
hält, als Kopie der Trierer Handschrift zu gelten hat. 



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Das egypU Mönchtum im 4. Jahrh, 178 

appellatar Mesore, üt rite omniaro peceatoram atqae operam remisaio 
compleatnr, 10) epistola etc. ad fratres qni tondebant in deaerto 
capras, de quaram filis texantar cilicia, 11) verba per litteras patris 
nostri Pachomii in lingaa abscondita, de bis quae fatara sant, 
12) verba quae locntas est pater noster Pachomios in visione, 
enidiens fratres in monasterio Mochansi de bis, quae eis eventara 
essent, et illo dicente et loqaente in spiritu excepta sunt a fratribns; 
qaae ?el factari essent principes monasteriorum vel passari, 13) verba 
patris nostri Pachomii lingaa abscondita, de bis quae fatura sunt, 

14) epistola patris nostri Theodori ad omnia monasteria de Pascha, 

15) S. Orsiesii abbatis Tabennensis doctrina de institutione monacho- 
rnm. Alle diese Stacke, welche Holsten ans dem Über regularam 
diversoram patrum Benedikts von Aniane geschöpft hat, stammea 
von Hieronymns. Ein gewisser Presbyter Sylvanns hatte nämlich, 
wie Hieronyrans in der praefatio erklärt, aus Alexandria Bücher er- 
halten, welche eine griechische Uebersetzung der koptischen Satzungen 
des Pachomias, Theodoras und Orsiesius enthielten, und dem Hiero- 
nymus zugeschickt mit der Bitte, dieselben ins Lateinische zu über- 
tragen, da in den Pachomianischen Klöstern der Thebais sowie in 
Ganopus viele Lateiner wären, die weder das Koptische noch das 
Qriechische verständen. Qennadius (De vir. ill. c. 7 — 8) bezeugt, dass 
zu seiner Zeit die Regel des Pachomius, je ein Brief an Cornelius 
und Syrus, ein Brief anlässlich des bevorstehenden Osterfestes, ein auf 
die im Monat August stattfindende Generalconferenz bezuglicher und 
ein an ausserhalb des Klosters beschäftigte Mönche gerichteter Brief 
desselben, sowie drei Briefe des Theodor und die doctrina des Orsiesius 
bei den Lateinern in Umlauf wären; nennt er auch hierbei nicht aus«^ 
drücklich den Hieronymus als üebersetzer dieser Schriften, so ist doch 
immerhin diese Notiz als ein indirekter Beweis dafür anzusehen. Und 
wenn Cassian in seiner Vorrede zu dem Werke De coenobiorum in- 
stitutis an Castor schreibt, dass Hieronymus über die Einrichtungen 
der egyptischen Klöster teils Original-, teils üebersetzungsarbeiten 
geliefert hätte, so können unter den letzteren nur die soeben her 
sprochenen Pachomianischeq Schriften gemeint sein, da es nicht be^ 
kannt ist, dass Hieronymus noch anderweitige Schriften über das 
ägyptische Mönchtum übersetzt hat 

US wird auch in neuerer Zeit nicht mehr bestritten, dass 
Hieronymus die lateinische Uebersetzung der Pachomiusregel ange- 
fertigt bat. Dagegen bezweifelt Qrfitzmacher die Behauptung des 
hl. Hieronymus, dass zu Anfang des 5. Jahrhunderts ein Pachomiani- 
sches Kloster zu Canopus (bei Alexandria) existiert habe« Indes aus 



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174 Das egypt, Mönchttim im 4, Jahrh» 

«inem auf die Geschichte Alexandrias bezüglichen koptischen Frag- 
ment^) erfahren wir, dass der Patriarch Theophilus (gest. 884) in 
Ganopus eine Niederlassung Pachomianischer Mönche aus der Ober- 
Thebais gegründet hat. 

Da Hieronymus die Pachoraiusregel bald nach dem Tode der 
faL Paula, also gleich nach 404, übersetzt hat'), so ergiebt sich 
daraus, dass das ihm als Vorlage dienende Exemplar die Sitten und 
Gebräuche der Pachomianer am Ende des 4. und Anfang des 5. Jahr- 
hunderts wiederspiegelt. Eine einfache Durchsicht der einzelnen 
Satzungen beweist auch, dass wir hier nicht die ursprüngliche, son- 
dern die schon ein entwickeltes Klosterleben voraussetzende Pachomius- 
regel vor uns haben. Es fragt sich nun, ob sich diese von Hierony- 
mus übersetzte Regel mit den von Pachomius festgesetzten und im 
Laufe der Zeit ergänzten Satzungen deckt oder vielmehr durch Mo- 
difikationen seitens der Nachfolger des Elostergründers alteriert 
worden ist. Es scheint fast so, als ob die zweite Alternative die 
richtige sei , da Hieronymns in der praefatio zur regula Pachomii 
erklärt, dass die ihm zugeschickten und von ihm übersetzten Bücher 
die Satzungen des Pachomius, Theodorus und Orsiesius enthielten; 
indes bezieht sich diese Notiz wohl auf das Ensemble der auf das 
Pachomianische Mönchtum bezüglichen Schriften, wie dies auch die 
handschriftliche üeberlieferung in dem Regelbuch Benedikts von Aniane 
nahelegt (S. oben S. 172 f.). Bemerkt doch Hieronymus in derselben prae- 
fatio, dass er auch den von Pachomius mit Cornelius und Syrus in 
geheimnisvoller Sprache geführten Briefwechsel, der doch nicht einen 
Bestandteil der Regel bildet, ins Lateinische übersetzt habe. In der 
That wird auch in den Viten des Theodorus und Orsiesius nirgends 
angegeben, dass diese Nachfolger des Pachomius die Regel ihres 
Meisters geändert hätten, vielmehr wird in diesen Viten, sowie auch 
in der Doctrina Orsiesii auf die Regel des Pachomius wie auf ein 
heiliges Vermächtnis hingewiesen. Ja die in den Viten G, T, A' bei- 
läufig erwähnten Angaben über die sich allmählich entwickelnde 
Regel des Pachomius stimmen im grossen und ganzen mit der von 
Sieronymus übersetzten Regel überein. Einige Zusätze und Modi- 
fikationen nebensächlicher Art in der Regula Pachomii bei Hierony- 
mus mögen wohl von den Nachfolgern des Klostergründers herrühren 
und zum Teil aus der mündlichen Tradition sich erklären. Eine ge- 
nauere Darlegung der Beziehungen zwischen der Regula Pachomii 



1) S. Ladeuze S. 202. 

2) Vgl. die praefatio s. Hieronymi presbyteri in regulam s. Pachomii. 



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Das egypt, Mönchtum im 4. Jahrh. 175 

bei Hieronymtts und den Angaben der in Betracht kommenden Viten 
soll in dem folgenden § geboten werden. 

Auch die Form, in welcher die Pachomiusregel bei Hieronymns 
erscheint, passt ganz gut zn den Angaben der Pacfaominsviten. 
Letztere betonen, dass die Regel des Pachomins sich zunächst anf 
einige wenige Punkte beschränkt und später bei gr(^erer Ausdehn- 
ung des Elosterverbandes allerlei Zusätze erhalten habe. Ja, Pacho- 
mins milderte sogar manche strengere Gepflogenheiten seiner Mönche 
mit der Zeit und gestattete z. B. eine grössere Freiheit bezüglich 
des Verkehrs mit der Aussen weit, besonders mit den Blutsver- 
wandten. Denselben Eindruck gewinnt man bei der Durclisicht 
der von Hieronymus übersetzten Pachomiusregel. Sie ist nicht 
aus einem Quss und lässt eine logische Anordnung vermissen. Ein 
Beweis für die später erfolgten Zusätze und Nachträge sind die 
vielen identischen Satzungen im Bereich der RegeP). Schon nach 
der bandschriftlichen üeberlieferung zerfällt die Regula Pachomii in 
vier Teile, von denen der erste praecepta, der zweite praecepta et 
instituta, der dritte praecepta atque iudicia, der vierte praecepta ac 
leges patris nostri Pachomii genannt wird, und im Bereich des ersten 
Teiles finden sich wieder einige einen gewissen Abschluss andeutende 
Phrasen^), ein Beweis, dass die Regula Pachomii nicht ein einheit- 
liches Werk ist, sondern mit der Zeit allerlei Erweiterungen und 
Ergänzungen erfahren hat. 

Um jedoch ein vollständiges Bild von der Einrichtung und 
dem Leben in den Pachomianischen Klöstern zu gewinnen, müssen auch 
die Viten G, M, A' herangezogen werden. Die Regula Pachomii 
enthält nämlich über manche Punkte des Mönchslebens minutiöse 
Vorschriften, aber manche wichtigere Dinge, wie z. B. die Qottes- 
dienstordnung, die Art und Weise des Psallierens, die Elosterämter, 
sind in derselben nicht ex professo behandelt, sondern nur beiläufig 
erwähnt oder vielmehr als bekannt vorausgesetzt. Es gab eben 
neben der schriftlichen Regel noch eine üeberlieferung, welche sich 
in den Klöstern mündlich fortpflanzte und die in den Viten gelegent- 
lich berührt wird. 

Was die übrigen überlieferten Pachomiusregeln anlangt, so 
haben dieselben nur secundären Wert. Die von Pitra (Analecta 
Sacra et classica, 1888, P. I S. 113 f.) herausgegebene griechische 
Pachomiusregel ist, wie schon die üeberschrift Toü ootoo icaxpöc 

1) EoUten-BrockUj n. 155 and 186; n. 8—9 und 121: n. 23 and 188; 
n. 20 and 188. 

2) Beg. Fach. art. 48, 103. 



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176 BüB egupU MOnchium im 4, Jahrh. 

'^fidv naxtt>)Atot) ix mv ivToXcov xs^dtXata dia^opa ixXeXeyfiiva (oc 
iv oüVTÖfitt) zeigt, nach einer umfangreicheren Vorlage gearbeitet« 
Fast sämtliche vierzig Satzungen dieser eklektischen Arbeit finden 
sich in dem ersten Teile ('Regula Patris nostri Pachomü') der 
hieronymianischen PachomiusregeP). Auch die von den BoUan- 
disten (Acta SS., Maii, T. III S. 58* f.) verö£Fentlichte griechische 
Pachomiusregel ist durch den Titel 'Ex Tfi>v ivxoXä>v toü i-fioo 
Ilaxoufiiou als ein Auszug gekennzeichnet und bietet mit üeber- 
gehung der kleinlicheren Vorschriften eine geordnete Darstellung 
der wichtigsten Satzungen des ersten Teiles der hieronymianischen 
Pachomiusregel. Als eine Debersetzung dieser von den Bollandisten 
herausgegebenen Pachomianischen Elostersatzungen ist nach Ladeuze 
(S. 270 f.) die zweite äthiopische BegeP) zu betrachten. Die 
in koptischer Sprache vorhandenen Fragmente einer Pachomius- 
regel, deren Herausgabe Am^Iineau (Annales du Musäe Quimet, 
XVn S. CXI) angekündigt hat und die noch mehr Detail als die 
hieronymianische Pachomiusregel enthalten, sind noch nicht ver- 
öffentlicht worden. 

§ 16. Die Satzungen des Pachomianischen Klosterverbandes. 
A. Die Einrichtung der Klöster. 
Das von einer Mauer ') umschlossene Mutterkloster von Tabenna 
enthielt einen Gomplez von Gebäuden. Nahe der Klosterpforte 
wohnten in einem besonderen Hause die Mönche, welche den Pförtner- 
dienst versahen. Zu diesem Amte wurden die tüchtigsten Mönche 
erwählt, da sie nicht nur mit den Qästen zu verkehren, sondern 
auch den Candidaten des Mönchslebens die ersten Unterweisungen in 
der Ascese zu erteilen hatten. An das Pförtnerhaus stiess das Xeno- 
dochium, das Haus für Qäste, mit einem besonderen Baum für 
solche Frauen, welche wegen hereinbrechender Nacht die Qastfreuud« 
Schaft des Klosters in Anspruch zu nehmen gezwungen waren. Ein 
weiteres Haus, otxia to>v fiixpc&v otxovöficov genannt, war für die 
Mönche bestimmt, welche den Küchen- und Tischdienst zu besorgen 



1) Pitra 1. c. sagt: 'Nostra en <swn6\ua capitula XL archetypa adambraat 
qaae Hieronymns prae ocalis habnit et primam seriem regalae quam in quadra- 
ginta dno et centnm scholia distribait. 

2) S. oben S. 171 Note 1. — Die dritte äthiopische Regel, die den Namen 
des Pachomius nicht trägt, die man aber dennoch diesem Ordensstifter zage- 
schrieben hat, ist ein Strafkodex, dessen Inhalt sich durch seine exorbitanten 
Strafbestimmungen mit denen der hieronymianischen Pachomiusregel in Wider- 
spruch stellt. 

3) C 29, M 62, A' 555, Hier. Reg. Pach. (Holsten'sche Ausgabe) 84; 
vgl. auch A' 361 (Note 2) und C 10. 



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bas egyipt. MÖnchlum im 4. Jahrk, 1/7 

hatten. In einem besonderen Hanse wohnten die Mönche, welche 
die Erzeugnisse der Mönchsarbeit zu veräussern und die für das 
Kloster nötigen Lebensmittel einzukaufen hatten. Auch die übrigen 
Mönche waren, soweit es möglich war, nach Art ihrer Beschäftigung 
in besonderen Häusern untergebracht; so gab es Häuser für Eorb- 
und Mattenflechter sowie für andere Handwerker. Endlich gab es 
noch ein Haus, in dem die Krankenwärter wohnten und die schwer- 
kranken Brüder pflegten^). 

Die Zahl der Mönche jedes einzelnen Hauses geben weder 
die Viten noch die von Hieronymus übersetzte Pachomiusregel an. 
Amnion, der um die Mitte des 4 Jahrhunderts im Kloster von Phe- 
böou 3 Jahre als Mönch lebte, berichtet, dass er daselbst in dem 
Hause der Griechen ausser dem Vorsteher und dessen Stellvertreter 
20 Genossen hatte, und an einer anderen Stelle erwähnt er Silvanus 
als Vorsteher eines Hauses mit 22 Mönchen^). Da die Angabe 
des Hieronymus im Prologus der Pachomiusregel über die Zahl 
der Mönche im Pachomianischen Klosterverbande, wie noch im sei« 
bigen § gezeigt werden wird, stark übertrieben ist, so ist wohl die 
ebendaselbst sich findende Notiz , nach der etwa 40 Mönche in 
einem Hause gewohnt hätten, nicht ganz zuverlässig. 

Jedes Hans hatte eine grössere Anzahl von Zellen'), in wel- 
chen die Mönche einzeln wohnten. Zwar wird das Einzelwohnen der 
Mönche weder in den Viten noch in der von Hieronymus übersezten 
Pachomiusregel ausdrücklich angegeben ; doch die Bemerkung in der 
Vita G 88, wonach kein Mönch die Zelle seines Mitbruders ohne 
Erlaubnis der Oberen betreten durfte*), sowie die Stellen T 307, 
M 24, P 27, A' 468, 628, Reg. Pach. art. 89 setzen dies voraus. 
Wenn also Palladius in der angeblichen Engelsregel mitteilt, dass die 
Mönche zu dreien in einer Zelle wohnen sollten ^), so entspricht dies 
durchaus nicht der ursprünglichen Einrichtung der Pachomianischen 
Klöster. Ausser den Wohnhäusern waren im Bereich der Kloster- 
mauern zur Pflege der verschiedenen irdischen Lebensbedürfnisse 
allerlei Werkstätten, eine Küche, ein Speisesaal, eine Kleiderkammer 
und ein Bibliothekzimmer sowie zur üebung des religiösen Lebens 



1) C 19, M 34 f., A' 372 f. Vgl. auch Reg. Pach. art. 1, 49-53, C 26; 
art. 35, 41, 44, 76; Pallad. Hist. laus. c. 39, Prolog, in Reg. Pach. n. 6; 
art. 41-43, C 53 A' 645. 

2) Ep. Amm. n. 4 und 11. 

3) C 92. 

4) Kai oüSel; ouökv Ijuoiei Iv t^ ohict x*«>pH "^^^ i/övitov lajJtijv ttJv ^povtiSa ' oiSfe 
fco; eI( xeXX^ov E?acX&e'iv npb; ckSeX^öv. 

5) Dotijaov 6k xAXa; Sia^öpov? ev ifj aur?! (Pitra liest aüX^) xa\ tpEt« xaTot 
xAXotv [lev/xbjaav. 

Schiwietz^ Mönohtum. 12 



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If 8 baa egypt ÜOnchium im 4, Jahrh. 

eine Kirche und ein Gebetssaal vorhandeu. In dem freien Hofraum 
war ein Qarten angelegt (P. 28, 29, Reg. Pacb. art. 73). 

Die von dem Mntterkloster aus gestifteten Filialklöster erhiel- 
ten laut den Angaben der Pachomiusviten eine ähnliche Einrichtung 0. 
Doch konnte in den Klöstern, die nicht so viele Insassen zählten, 
die Verteilung der Mönche auf die einzelnen Häuser nicht so streng 
nach der Art ihrer Beschäftigung durchgeführt werden. Auch mögen 
nicht in allen Klöstern alle Handwerkerarten vertreten gewesen sein. 
Nach der Historia Lausiaca (c. 39) gab es unter den Mönchen des 
Klosters von Panopolis (Akhmin) Feldarbeiter, Qärtner, Bäcker, 
Schmiede, Bauleute^ Walker, Gerber, Schuhmacher, Korbflechter und 
Schönschreiber. In dem Kloster von Pheböou bestand auch ein 
Haus, in welchem die Griechen (Alexandriner) und Ausländer wohn- 
ten, die des Koptischen nicht mächtig waren (C 60; M. 147, 150; 
A' 473 f.). 

B, Die Organisation der Klöster, 

Das Amt eines Generalabtes (naxi^p, ißßoec) bekleidete Pacho- 
mius bis zu seinem Tode. Anfänglich residierte er im Mutterkloster 
Tabenna, später verlegte er aber seinen Wohnsitz nach dem Kloster 
zu Pheböou, welches sich durch seine centrale Lage für die Leitung 
des ganzen Klosterverbandes besser eignete und wenigstens von den 
drei nächsten Nachfolgern als Residenz beibehalten wurde. 

Der Generalabt erscheint als absoluter Leiter des ganzen Ver- 
bandes, ohne dass er etwa durch einen Beirat anderer Mönche ein- 
geschränkt wäre. Aeusserlich betrachtet, hat die Handhabung der 
Klosterdisciplin durch ihn einen militärischen Charakter, was sich 
vielleicht durch die anfängliche militärische Laufbahn des Kloster- 
stifters erklären lässt. Der Generalabt verlangt unbedingten Ge- 
horsam von den Mitgliedern der Kommunität. Er ernennt die Vor- 
steher der einzelnen Klöster nach eigenem Ermessen, setzt sie ab 
oder versetzt sie in andere Klöster, um jedes Unabhängigkeitsgelüste 
oder die zu grosse Anhänglichkeit an ein bestimmtes Kloster zu 
unterdrücken (M. 257 f.). Nicht bloss brieflich verkehrt er mit den 
Vorständen der Klöster sondern durch öftere Visitationen, die er 
selbst oder durch Vertrauensmänner abhält, überzeugt er sich von 
der Zucht und Ordnung in den einzelnen Kommunitäten, schafft 
Missbräuche ab und trifft Anordnungen, wie er es für gut findet. 



1) C 35, 50, M 71, 77, 78, Ar 378 f. 

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bas egypt, Mönchium im 4. Jahrh. u9 

Sogar seinen Nachfolger ernennt Pachomias selbst auf dem Sterbe- 
bette; das gleiche thaten die beiden nächsten Qeneraläbte ^). 

Während der Generalabt auf die geistliche Leitung der Mönche 
sein Hauptaugenmerk richtete, überliess er dem Oberverwalter 
(jiiKac: otxov6|xo<;) , der gleichfalls in Pheböou wohnte, die Sorge 
für^die materiellen Interessen des ganzen Klosterverbandes. Auch in 
dieser Hinsicht bestand eine Art Centralisation, Die einzelnen Klöster 
hatten von Zeit zu Zeit die Erzeugnisse ihres Fleisses an den Ober- 
verwalter abzuliefern^), der dann für die Yeräusserung derselben 
Sorge trug und für den Erlös neue Rohstoffe sowie Lebensmittel an- 
kaufte und unter die einzelnen Klöster verteilte. In diesen Ge- 
schäften standen ihm einige Mönche zur Seite, die in einem beson- 
deren Hause des Hauptklosters Pheböou untergebracht waren. 

An der Spitze jedes einzelnen Klosters stand ein Abt, der ^ifsficiv 
oder otxov6|xo(; t^c (jiov^c genannt wird. Abgesehen vom Qeneralabt 
war er die höchste Autorität im Kloster, ordnete alles nach seinem 
Gutdünken an, und ohne seinen Willen durfte im Kloster nichts 
geschehen (C 19, Reg. Pach. art. 158). 

Wie schon oben bemerkt worden ist, bestand jedes Kloster aus 
einer Anzahl von Häusern, in denen die Mönche nach Art ihrer Be- 
schäftigung untergebracht und besonderen Aufsehern (oixtaxot) unter- 
stellt waren. Wie der Abt, so hatte auch jeder olxiaxög seinen 
Zweiten oder Stellvertreter, der ihn in seinem Amte zu unterstützen 
und nötigen Falls auch zu vertreten hatte (C 19, M 71, Ä' 376; 
Prolog, in Reg. Pach. n. 6, art. 181, 182). 

Je drei oder vier Häuser bildeten eine Tribus und hatten je 
eine Woche die für die Gesamtheit notwendigen Arbeiten zu be- 
sorgen (C 19, A' 373, Prolog, in Reg. Pach. n. 2, art. 16). Der 
Aufseher jenes Hauses, das gerade den Wochendienst versah, 
Hebdomadar genannt, hatte eine gewisse Aufsicht über die ganze 
Tribus; er nahm täglich früh die Weisungen des Abtes entgegen 
und kontrollierte und notierte abends die geleisteten Arbeitspensa 
(Prolog, in Reg. Pach. num. 2, art. 16 u. 27). Beim gemeinschaft- 
lichen Gottesdienst hatten die Hebdomadare des ganzen Klosters mit 
den ihnen unterstellten Mönchen den Psalmengesang auszuführen 
(Reg. Pach. art. 13-18). 

(Jeberhaupt bestand sowohl unter den Mönchen jedes einzelnen 
Hauses wie auch zwischen den einzelnen Häusern eine gewisse 



1) C 35, 62, 58, 76-85, 93; P 5 (Anfang); M 22 f., 75, 79, 101 f., 152 f., 
186 f.";U' 872 f.,i567, 652 f. 

2) Eeg. Pach.^art. 27. 

12* 



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180 Das egypt Mönehtuni im 4. jakrk, 

Bangordnnng , so dass beim gemeinsamen Auftreten der ganzen 
Eommanität jedes Haus und jeder Mönch einen bestimmten Platz 
einzunehmen hatte. Aus diesem Grunde trug jeder Mönch auf seiner 
Eukulle das Zeichen seines Klosters und seines Hauses ^). Im üebri- 
gen waren die Mönche unter einander gleich; selbst die Priester 
anter ihnen hatten abgesehen von ihrer geistlichen Würde vor dem 
Laienelement keinen Vortritt zu beanspruchen (C 18, M 34, A' 372). 

Ein Beweis für das organisatorische Talent des Pachomius ist 
die Institution der Generalkonvente*). Zweimal im Jahre, zu Ostern 
und am 20. Mesore (d. i. am 13. August), hatten nicht bloss die 
Vorsteher, sondern auch die übrigen Mönche des ganzen Kloster- 
Verbandes, so weit dies möglich war, in Pheboou zu erscheinen. Bei 
dieser Gelegenheit wurden vom Generalabt die Vorsteher der Klöster 
ernannt und anderweitige Anordnungen und Entscheidungen getroffen. 
Der erste Generalkonvent hatte einen mehr religiösen Charakter; es 
wurde das Osterfest gemeinschaftlich gefeiert, und etwaige Kate- 
chumenen empfingen die Taufe. Auf dem zweiten Konvent hatten 
die Aeble dem Oberverwalter von Phebön über die Arbeiten ihrer 
Klöster Bechenschaft abzulegen. Nach einem Briefe des Pachomius^) 
diente der letztere Konvent auch noch der Wiederherstellung des 
Friedens unter den Mönchen, indem auf demselben etwaige Differenzen 
unter ihnen ausgeglichen wurden. 

Die bisherige Darstellung der Organisation des Pachomiani- 
schen Klosterwesens stützte sich auf die Angaben der Pachomius- 
viten und der von Hieronymus überlieferten Pacliomiusregel. Nach 
Palladius (bist. Laus. 38) soll jedoch eine andere Einteilung der 
Mönche in den einzelnen Pachomianischen Klöstern bestanden haben. 
Der betreffende Passus der sog. Engelsregel lautet: »Aus je 24 Ab- 
teilungen von Brüdern sollen sie bestehen nach der Zahl der 24 Buch- 
staben. Jeder Abteilung gieb den Namen eines griechischen Buch- 
stabens von Alpha, Beta bis Omega, so dass, wenn der Abt nach 
einem in der grossen Menge sich erkundigt, er nur den zweiten 
nächst sich zu fragen braucht: Wie steht es mit Alpha? oder: Wie 
mit Beta? und wiederum: Grüsse mir das Rho u. s. w. Ein jeder 
in der Reihe soll nach seinen Buchstabenzeichen bezeichnet werden. 



1) Für diese Bangordnang war der Eintritt ins Kloster massgebend. 
Vgl. Prolog, in Reg. Fach. num. 3: Quicunque autem monasterium priraus in- 
greditnr, primns sedet, primas ambulat, primas psalmnm dicit, primas in mensa 
mannm extendit, prior in ecclesia commanicat; nee aetas inter eos quaeritur, 
sed professio. Vgl. auch art. 1, 21, 29, 59, 130. 

2) C. 52, 78, M 102, 248, 278, A' 639, 661, Prolog, in Reg. Pach. n. 7 u. 8. 

3) Holateu'brockie 1. c. pag. 44. Vgl; auch Reg. Pach. art. 27. 



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baa egypt, Mönchlum im 4. Jahrh. 181 

Den Einfältigeren und Einfacheren lege den Namen Iota (t) bei, die 
Schwierigeren und Verschmitzteren heisse Xy (S). So passe gemäss 
eines jeden Gesinnung, Sitte und Gemütsart ihnen die Buchstabennamen 
an, wie denn nur die Eingeweihten (Pneumatiker) das Bezeichnete ver- 
stehen werden.« Darnach soll nicht nur jede Klostergemeinde nach 
Massgabe des griechischen Alphabets in 24 Klassen eingeteilt, sondern 
auch jeder einzelne Mönch nach seiner Gemütsart und seinem Cha- 
rakter mit einem entsprechenden griechischen Buchstaben bezeichnet 
worden sein. Diese Angabe des Palladius erscheint sehr verdächtig; 
denn die Pachomiusviten kennen diese Art der Einteilung der Mönche 
gar nicht; vielmehr wird in denselben ausdrücklich bezeugt, dass 
die Mönche nach der Art ihrer Beschäftigung in besonderen Häusern 
wohnten. Oft ist in denselben die Rede von Visitationen der Klöster 
durch Pachomius; doch nirgends wird angedeutet, dass dieser General- 
abt nach dem Schema der angeblichen Engelsregel die Klöster re- 
vidiert hätte. Auch der von Hieronymus übersetzten Pachomius- 
regel ist die Einteilung der Mönche nach dem griechischen Alphabet 
fremd ; sie stimmt vielmehr bezüglich der Klassificierung der Mönche 
mit den Angaben der Viten völlig überein. Ja, es ist schon a priori 
unwahrscheinlich, dass der Kopte Pachomius, der des Griechischen 
gar nicht mächtig war, seine Mönche nach dem griechischen Alphabet 
bezeichnet hätte. Grützmacher (a. a. 0. S. 124 f.) und Krüger 
(Theol. Litteraturzeitung 1890, S. 620 f.), welche die von Palladius 
mitgeteilte Engelsregel als die ursprüngliche Regel des Pachomius 
ausgeben möchten, weisen zwar darauf hin, dass die 24 griechischen 
Buchstaben auch in der koptischen Schrift vorhanden seien; doch 
haben sie nicht beachtet, dass das koptische Alphabet aus 31 Buch- 
staben besteht, indem zur Wiedergabe einiger eigentümlichen Laute 
zu den 24 griechischen Buchstaben noch 7 besondere Zeichen hinzu- 
gefügt sind. Bei einem des Griechischen unkundigen Kopten kann 
man aber nicht voraussetzen, dass er die spezifisch griechischen 
Buchstaben von den aus dem demotischen Alphabet entnommenen 
Zeichen unterscheiden konnte und die ersteren bei der Klassificierung 
seiner Mönche zu Grunde legte. 

Immerhin muss man fragen, wie Palladius zu dieser sonder- 
baren Ansicht gekommen sei, da nach dem Zeugnis der Pachomius- 
viten und der von Hieronymus übersetzten Regula Pachomii die 
Einteilung der Mönche nach dem griechischen Alphabet bis ins 
5. Jahrhundert nicht bestanden hat. Wahrscheinlich beruht die 
Notiz bei Palladius auf einem Missverständnis. Die Vita C 63 
erwähnt nämlich, das3 sich Pachomius iu seinen Briefen eines 



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182 Das egypt Mönchtum im 4. JahrK 

mystischen Alphabets bediente, indem er den Buchstaben des Alpha- 
bets einen den eingeweihten Mönchen bekannten symbolischen Sinn 
unterlegte. Auch Hieronymus schreibt im Prologus zur Regel des 
Pachoroius (num. 9), dass dieser Ordensstifter und seine Schüler in 
ihren Briefen das Alphabet zu symbolischen Zeichen verwendeten. 
Ein Blick in diese Briefe beweist, dass mit den Buchstaben des 
Alphabets gewisse geistige Eigenschaften und Temperamente der 
Mönche gekennzeichnet wurden , wenn wir auch jetzt diese Symbolik 
nicht vollständig verstehen können. Palladius mag nun infolge eines 
Missverständnisses die sonderbare Einteilung der Pachomianischen 
Mönche selbst kombiniert haben ^). 

Anlangend die Zahl der Mönche in jedem einzelnen Kloster 
oder im ganzen Elosterverbande, so geben uns die griechisch -kop- 
tischen Yiten darüber keinen Aufschluss ; wir erfahren nur, dass kurz 
vor dem Tode des Pachomius neun Klöster vorhanden waren (C, 72), 
und dass nachher unter der Leitung Theodors drei neue hinzukom- 
men^). Nach Ammon (ep. c. 1), der um das Jahr 352 im Kloster 
Pheböou lebte, gab es damals in diesem bedeutendsten Pachomiani- 
schen Kloster gegen 600 Mönche. Nach Palladius (bist. Laus, 
c. 38, 39), der ungefähr fünf Decennien später schrieb, hätte das 
Hauptkloster in Pheböou 1300 (1400), die übrigen Klöster 200 bis 
300 Insassen gehabt. Diese auf die Filialklöster bezüglichen Zahlen 
mögen richtig sein; dagegen steht die auf das Hauptkloster bezüg- 
liche Angabe des Palladius im Widerspruch mit der des gewiss 
besser unterrichteten ehemaligen Pachomianers Ammon ; es ist höchst 
unwahrscheinlich, dass die Zahl der Mönche in dem Hauptkloster 
nach etwa fünf Decennien mehr als das Doppelte betragen habe. 

Die Notiz desselben Ammon (ep. c. 13), dergemäss 2000 Mönche 
zur Feier des Osterfestes in Pheböou erschienen, bietet eine gewisse 
Handhabe zur Feststellung der Gesamtzahl der Pachomianer. 
Gewiss konnten nicht alle Mönche zum Generalkonvent erscheinen; 
eine beträchtliche Anzahl musste in jedem Kloster zurückbleiben 3). 
Mit Rücksicht hierauf kann man annehmen, dass die Angabe Cassians 
(De instit. coenob. IV,1), der zu Beginn des 5. Jahrhunderts die 



1) Der ans Palladius entlehnte Abschnitt der arabischen Vita (p. 366—369) 
enthält gleichfalls die Klasseneinteilung der Mönche nach dem Alphabet; da- 
gegen berichtet der Araber an einer anderen Stelle (p. 367 f.) über denselben 
Gegenstand in üebereinstimmang mit den übrigen Viten. 

2) S. oben S. 165 f. 

3) Prolog, in Reg. Pach. num. 7 ; 'Omnium monasteriorum princeps unum 
habetur caput, qui habitat in monasterio ; diebus Paschae exceptis bis , qni in 
monasterio necessarii sunt, ad illum omnes congregantur, ut quinquaginta roillia 
fere^hominum passionis dominicae simul celebrent festivitatem.' 



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Das egypt MOnchtum im 4. Jahrh. 188 

Pachomianer auf 5000 schätzt, sich von der Wahrheit nicht so weit 
entfernt, wie die des Palladius, demgemäss sich zu seiner Zeit die 
Zahl der Mönche des ganzen Elosterverbandes auf 7000 belaufen 
habe^). Sicher ist es aber eine Uebertreibung , wenn Hieronymus 
im Prolog zur Pachomius-Regel von 50,000 Pachomianern schreibt. 
Diese hohe Ziffer steht nicht einmal im Einklang mit den übrigen 
Daten, welche er ebendaselbst über die Grösse und Bewohnerzahl 
eines Pachomianischen Klosters angiebt. Ladeuze (a. a. 0. S. 205) 
spricht darum die Vermutung aus, dass die hohe Ziffer bei Hierony- 
mus auf einer Verwechslung mit der Zahl 5000 beruht, die, wie 
soeben gezeigt wurde, auch anderweitig bezeugt ist. 

C. Befolgung der evangelischen Räte. 

Im vierten Jahrhundert entwickelte sich das ascetische Leben 
in der Form des Mönchtums, das den Zeitgenossen als schönste 
Blüte des christlichen Lebens erschien und allenthalben Bewunderung 
erregte. Die Mönche lebten nicht, wie Weingarten behauptet hat, 
ausserhalb des Schattens der Kirche, sondern standen überall im 
Kontakt mit der kirchlichen Hierarchie. Was insbesondere Pachomius 
anlangt, so lesen wir in seiner Vita, dass er mit dem Klerus, zu 
dessen Jurisdiktionsbezirk sein Mutterkloster gehörte, kirchliche Ge- 
meinschaft hielt und an verschiedenen Orten mit Gutheissung der 
Bischöfe neue Niederlassungen gründete. Sein neues Institut wurde 
von dem Patriarchen Athanasius von Alexandria besucht und gutge- 
heissen'). Aber von einer Gelübdeablegung findet sich bei den 
Pachomianern, ebensowenig wie bei den anderen egyptischen Mönchen 
jener Zeit, eine Spur. 

Die ausdrückliche Ablegung der Ordensgelübde gehört einer 
späteren Zeit an. Der hl. Basilius war der erste, der es für gut 
fand, dass die Mönche das ausdrückliche Gelübde der ehelosen Keusch- 
heit ablegten'). Der hl. Benedict verlangte von seinen Mönchenein 
dreifaches Gelübde, das der stabilitas loci, der conversio morum und 
des Gehorsams, worin auch die Gelübde der Keuschheit und der 
Armut inbegriffen waren. Der erste Orden, in dessen Regel die drei 
Gelübde der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams unter einem 
geistlichen Oberen ausdrücklich hervorgehoben werden, war der 
Franziskanerorden. Bei den Pachomianern fand nun bei dem Ein- 



1) Nach einer frenndlichen Mitteilung des mit der Herausgabe eines 
kritischen Palladinstextes beschäftigten Benediktinerpaters Butler finden sich 
alle hier benutzten Zahlangaben der Historia Lausiaca in den hosten Hand- 
fchriffcen. 

2) Siehe S. 156 f.; Tgl. C 92, N 267 U A' 694 t 
8) Siehe S, 19. 



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184 Da8 egypt Mönchtum im 4, JahrK 

tritt ins Kloster gar keine Gelübdeablegung statt; aber indem sie 
in den Klosterverband aufgenommen warden, verpflichteten sie sich 
stillschweigend alles das zu halten, was in den drei späteren Ordens- 
gelübden enthalten war. 

Was zunächst die Armut anlangt, so wurden die Kandidaten 
des Mönchslebens darüber unterrichtet, dass sie durch den Eintritt 
ins Kloster auf Hab und Gut verzichten und sich von den Banden 
des irdischen Besitzes loslösen mässten. Diese Verzichtleistung kam 
dadurch zum Ausdruck, dass der Neuaufgenoramene sein weltliches 
Kleid, das von dem Vorsteher des Kleidermagazins in Verwahrung 
genommen wurde, ablegte und das Mönchskleid empfingt). Dem- 
entsprechend heisst es auch in der Vita C 16, 17, dass kein Mönch 
Privateigentum besass, sondern dass alles den Mönchen im Kloster 
gemeinsam war. Wohl wird berichtet, dass Petronius mit seinem 
ganzen Besitztum in den Pachomianischen Klosterverband eintrat; 
aber das Eingebrachte wurde Gemeingut der ganzen Kommunität 
(C 50). Die Gesinnung, welche in dieser Beziehung die Mönche 
beseelen sollte, drückt der Generalabt Theodor in folgenden Worten 
aus (M 218 f): »Wir haben die Güter unserer Eltern, die uns ge- 
hörten, um des Namens Jesu Christi willen verlassen . . . Alles, was 
der Kommunität gehört, gehört weder uns noch den leiblichen Eltern, 
die in der Welt sind, sondern dies gehört unserem Herrn Jesus 
Christus«. Daraus erklärt es sich auch, dass die Mönche das Eigen* 
tum des Klosters als eine heilige Sache betrachten und damit nicht 
leichtfertig umgehen sollten. Aus demselben Grunde durfte kein 
Mönch von einem Mitbruder ein Geschenk annehmen noch einen 
fremden Gegenstand in Verwahrung nehmen oder in etwas Anderes 
umtauschen^). In Uebereinstimmung hiermit heisst es auch in der 
Vita C 38, A' 505, 601 (vgl. auch Reg. Pach. art. 81), dass kein 
Mönch im Kloster Geld haben durfte. Ja manche Mönche^ die im 
frühen Lebensalter ins Kloster traten, hatten überhaupt keine Kennt- 
nis der landläufigen Münzen. Nur diejenigen, welche mit dem Ver- 
kauf der Erzeugnisse des Klosters oder mit dem Kauf der Lebens- 
mittel betraut wurden, erhielten Geld in die Hände, mussten es aber 
bei der Rückkehr ins Kloster sofort dem Oekonomen des Klosters abgeben. 

Zur Wahrung der Keuschheit und zur Pernhaltung jeglichen 
Verdachtes in dieser Beziehung ordnete Pachomius eine Art Klausur 
in seinen Klöstern an. Wohl durften die Mönche mit Erlaubnis 
ihres Oberen ausgehen, und fremde Mönche und Kleriker durften 
als Gäste auch an den gottesdienstlichen Uebungen innerhalb der 

1) Reg. Fach. art. 49. - 2) Reg. Pach. art. 66, 97, 106, 131, 

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Das epypt Mönchtum im 4, Jahrh. 185 

Klostermaaern teilnehmen^ aber Frauen durften im Kloster weder 
ein- noch ausgehen, sondern wurden in einem an der Elosterpforte 
für Gäste eingerichteten Hause aufgenommen, wo sie auch, falls in 
der Nähe kein Frauenkloster vorhanden war, und die Abenddäm- 
merung eine Weiterreise unmöglich machte, in einem abgeschlossenen 
Räume die Nacht zubringen durften. Um jeglichem Verdacht vor- 
zubeugen, durften die Mönche nur mit Erlaubnis des Obern ihre 
Verwandten in einem Frauenkloster besuchen; die Zusammenkunft 
fand aber daselbst in Gegenwart mehrerer erprobter Ordensfrauen 
statt. Hatten Mönche in einem Frauenkloster eine Dienstleistung 
zu verrichten, so wurde dies so eingerichtet, dass sie die Kloster- 
frauen gar nicht zu Gesicht bekamen. Diese Vorsichtsmassregel 
wurde auch bei Bestattung der Klosterfrauen beobachtet^). 

Die Pachomiusregel bei Hieronymus giebt auch gewisse 
Regeln an, welche die Mönche zur Verhütung der Sinnlich- 
keit und Weichlichkeit zu beobachten hatten. Zunächst war jede 
zu grosse Zärtlichkeit in der Pflege des Leibes verpönt. Darum 
musste die Lagerstätte hart sein^), und niemand durfte sich baden 
oder mit Oel salben, ausser wenn es die Krankheit oder eine andere 
Notwendigkeit erheischte*). Ferner war zu grosse Vertraulichkeit 
unter den Mönchen verboten; keiner durfte den andern waschen 
oder mit Oel salben oder ihm einen Dorn aus dem Fusse heraus- 
ziehen, ausser wenn er den Auftrag dazu hatte. Das vertrauliche 
Händehalten war verboten; beim Gehen wie beim Stehen sollte ein 
kleiner Zwischenraum zwischen den Mönchen bleiben*). Desgleichen 
durfte niemand die Zelle seines Mitbruders ohne die Erlaubnis des 
Oberen betreten^). Die Mönche durften nicht im Dunkeln mit 
einander eine Unterhaltung führen, noch sich derselben Lagerstätte 
bedienen <^). Die älteren Mitglieder des Klosterverbandes sollten 
durch ein würdevolles und ernstes Betragen den jüngeren ein gutes 
Beispiel geben und sich in Gegenwart der letzteren aller unpassen- 
den Scherze enthalten 7). 

Aus den minutiösen Vorschriften, die zur Wahrung der Keusch- 
heit und des guten Rufes der Mönche im Pachomianischen Kloster- 
verband bestanden, glaubt Grützmacher (S. 187) schliessen zu dürfen, 
dass in dieser Beziehung arge Extravaganzen vorgekommen sein 
müssen. Dieser Schluss wäre aber nur dann berechtigt, wenn diese 

1) Vgl. die Citate in dem folgeaden Abschnitt über den Verkehr der 
Mönche mit der Aussenwelt. 

2) Reg. Fach. art. 88. 

3) Art. 92. — 4) Art. 93-95. — 5) Art. 112, C 38. - 6) Art. 94. - 
7) Art. 166. 



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186 Da8 egypt Mönchtum im 4. Jahrh. 

Vorschriften von Pachomius oder seinen Nachfolgern auf Grund übler 
Erfahrung gegeben worden wRren; doch gerade bezüglich der wich- 
tigsten Satzungen, die den Verkehr mit der Aussenwelt betrafen, 
steht es fest, dass Pachomius dieselben gleich zu Beginn seiner 
Elostergründung, also aus prophylaktischen Gründen, aufgestellt hat. 
Verwunderlich ist übrigens diese Gesetzgebung überhaupt nicht, 
wenn man bedenkt, dass nicht nur Vollkommene, sondern auch solche, 
die es werden wollten und somit erst erzogen werden mussten, in 
dem Klosterverbande Aufnahme fanden, üebrigens geht aus den 
Pachomiusviten, trotzdem deren Verfasser sich nicht scheuen von 
den Fehltritten einiger Mönche zu berichten, doch hinlänglich her- 
vor, dass der Geist der Mönche in den Pachomianischen Klöstern 
kein schlechter war ; erzählt doch die Vita M 200, A ' 514, dass 
Pachomius sich wohl hütete, das Vorleben manches Mönches in der 
Welt den Brüdern bekannt zu machen ; er war überzeugt, dass die- 
selben aus Abscheu vor diesem Makel mit einem solchen kein ge- 
meinschaftliches Leben hätten führen wollen. Schliesslich wird in 
der Vita P 24 f., A«* 625 f. sowohl die Intaktheit der Pachomianer 
in sittlicher Beziehung vorausgesetzt, als auch die Thatsache auf die 
Trefflichkeit der prophylaktischen Vorschriften des Klostergründers 
zurückgeführt. 

Die dritte Verpflichtung der Pachomianischen Mönche war der 
Gehorsam gegen die Oberen. Der Bestand einer so umfangreichen 
Genossenschaft, wie der Pachomianische Klosterverband, war ohne 
strenge Zucht und Ordnung unmöglich. Sollte zudem das Ziel, das 
dem Pachomius bei der Gründung des Cönobitenlebens vorschwebte, 
erreicht werden, und sollten seine Mönche vor der Gefahr des Sub- 
jektivismus, denen die Eremiten in ihrer Isoliertheit ausgesetzt 
waren, sichergestellt werden, dann musste von den Mitgliedern des 
Verbandes eine strenge Unterordnung unter die Leitung der Oberen 
verlangt werden. In der That wurde auch von den Pachomianern 
das Opfer des Gehorsams gefordert; als wahrhaft gross und voll- 
kommen galt nur dann ein Mönch, wenn er durch demütigen Ge- 
horsam hervorragte^). Der Gehorsam war nicht nur die oberste 
und wichtigste Standestugend dieser Mönche, sondern auch das Merk- 
mal, durch das sich die Pachomianer vor allen übrigen egyptischen 
Mönchen auszeichneten, und um dessentwillen sie noch im 5. Jahr- 
hundert als Vorbilder für die Mönche des Abendlandes von üassian 
(De instit. coen. IV, 1) hingestellt wurden. 

Wie die Vorgesetzten der Klöster sich an die Regeln, die in 

1) C 19. 78, 80. 

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Das egypt MOnchtum im 4, Jahrh. 187 

dem liber oecoDomorum niedergelegt waren, streng halten raussten, 
so durften auch die untergebenen Mönche nichts ohne Weisung der 
Oberen unternehmen i) ; jegliche Uebertretung der Satzungen wurde 
aufs strengste geahndet^). Als ein Mönch, um desto mehr arbeiten 
zu können, in einem Kloster die Besorgung der Küche vernachlässigte, 
wurden die von ihm angefertigten Matten auf Befehl des Pachomius 
verbrannt; es sollte durch dieses Exempel gezeigt werden, dass 
Gehorsam besser ist als Opfer, üebrigens ging Pachomius selbst 
mit gutem Beispiel in der Befolgung der Klostersatzungen voran 
und unterwarf sich allen Vorschriften des olxiaxog (C 71, A' 399, 597). 

Der Gehorsam erstreckte sich aber nicht bloss auf die äussere 
Lebenshaltung, auf die Tages- und Hausordnung; die Oberen waren 
auch nach dem Vorbilde des Pachomius angewiesen, auf den Geist 
der Untergebenen zu achten und durch Ermahnungen und Katechesen 
sich die Heiligung derselben angelegen sein zu lassen. 

Indes so sehr Pachomius auch auf den Gehorsam drang und 
jede Auflehnung streng ahndete, so liess er doch hierbei eine gewisse 
Diskretion und Masshaltung nicht ausser Acht. Er setzte darum 
in seinen Satzungen die unter den damaligen egyptischen Mönchen 
üblichen ascetischen Uebungen auf ein geringes Mass herab und 
schärfte den Vorgesetzten wohl ein, in der Leitung der Untergebenen 
nicht nach der Schablone zu handeln, sondern in diskreter Weise 
mit den Anfängern des ascetischen Lebens Nachsicht zu üben^). 

D. Aufnahme in den Klosterverband. 

Es ist Thatsache, dass Pachomius nicht nur diejenigen in 
seinen Klosterverband aufnahm, die aus innerem Drange nach einem 
vollkommenen Leben die Welt verliessen, sondern auch solche, die 
für ein vergangenes Sündenleben Busse thun wollten^). Allerdings 



1) C 38, Reg. Pach. art. 157. 158. 

2) Vgl. den folgenden Abschnitt &ber den Strafkodex bei den Pachomianern. 

3) C 16, 27, 40, M 81, 56, P 16, Ar 611, Reg. Pach. art. 159. 

4) C 66, P 2, M 194, A^ 518. Trotz dieser Zeugnisse behauptet Orütz- 
macher (S. 49) : »Das Eremitenlebeu ist nach Pachomius nicht für die Vollkom- 
menen, sondern für die Gefallenen. Solche, die geschlechtliche Sünden begangen 
haben, nimmt er nicht in das Kloster auf, er fürchtet, dass sie die übrigen an- 
stecken würden, sie verweist er auf das Büsserleben der Anachoretenc und citiert 
zum Beweise folgende Stelle aus A' 515 : 'Si tu as commis ce pech^ sans connais- 
sance, tu peuz faire p^nitence, mais tu ne peux faire ton salut dans la vie ceno- 
bitique; va donc en Heu solitaire, vis retire dans la patience.' Im Zusammenhang 
ergiebt aber diese Stelle einen anderen Sinn. Man lese nur den vorausgehenden Text 
A'514 f.: 'üne partie des hommes sont .... de Tivraie ; pour ceux-la il est difficile 
de faire leur salut dans la vie c^nobitique ; ä cause des souffrances du pechö qui 
regne en eux, personne ne peut leur venir en aide, ci ce n*est un seul homme 
avec qui soit le Seigneur .... C'est pour cela que je les re^ois un a un et que je 
mie donne de grandes peines pour eux, afin de les sauver du m^chant; car 11 

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188 t)a8 egypt MOnchtum im 4, Jdhrh, 

wurden die Postalanten letzterer Art nach der Aufnahme ins Kloster 
besonders überwacht und der Aufsicht eines erfahrenen Mönches 
übergeben; falls aber ihre Willenskraft nicht standhielt, wurden sie 
entlassen; es wurde solchen von Pachomius der Rat erteilt, das 
Einstedlerleben zu ergreifen ; auf diese Weise konnten sie nach seiner 
Meinung die Besserung des Lebens versuchen, ohne anderen zu 
schaden. Iro Einklang mit diesen Grundsätzen des Pachomius steht 
die hieronymianische Regula Pachomii (art. 49), welche darauf zu 
achten befiehlt, dass niemand aufgenommen werde, der nur einer 
augenblicklichen Stimmung folgend Einlass ins Kloster begehre. 

Nach Ausweis der Viten nahm Pachomius auch solche auf, die 
bis dahin eine andere mönchische Lebensweise gefuhrt hatten. So war 
sein Lieblingsschüler Theodor vor seinem Eintritt in das Kloster 
Tabennisi Eremit bei Esneh (S. oben S. 161). Ja, das rasche Wachs- 
tum seines cönobitischen Institutes erklärt sich zum Teil daraus, 
dass er ganze Mönchsgemeinden seinem Klosterverband einverleibte 
(S. oben S. 156 f.). Das Gegenteil des Gesagten behauptet 
Qrützmacher (S. 122) auf Grund folgender Satzung der angeblichen 
Engelsregel (Hist. Laus. c. 38): "Oi^k Sevoc äXXoo fAovaoTijptoü eav 
SXftij, SXXov fx^VTog TüTcov, toütok; |iyj oüfi^ayij, jxyj oufiictg, \ii\ 
oüveioeXOg et<; tyjv juiov^v, Ixtoc äv et \i.y\ stg oÄöv eüpe^g • Töv fxsvxoi 
s?osXft6vTa eioaiiaS oüfxfjieTvai aötoTc, äirl xpiSTtav stg dyoiva aduTO)v 
oü ÄeSij • aXX* ipyaxtxtoTepa IpYaTcoti^oac: , oütox; e?c xö gxöt&ov 
Ifißaivsxo) fxexa X7]v xpiextav. Allein in dem ersten Satze ist doch 
nicht von der Aufnahme in den Klosterverband, sondern von der 
Gastfreundschaft die Rede^); der Sinn ist jedenfalls der, dass man 
Gastfreundschaft nur gegen solche fremde Mönche üben solle, die 

faut qne j'aille les trouver souventes fois, la nait et le jour, jusqu'a ce qu'ils 
soient sanves de la mort .... C'est ainsi que je discerae ceux que je chasse, de 
peur de resserobier a an laboureur qni vent rendre propre ua champ oü poussent 
tes chardons et qai laisse un champ toat propre devenir inculte, car il n*aura 
pas le temps de s'occuper des deux a la fois. CT est ainsi que je fais, je me dis 
en nioi-radme qne je ne dois pas m'adonner tont entier a ces hommes m^chants 
et laisser les bons sans les visiter, car ils sont libres de se rendre impnrs; 
mais avec la gräce de Dien je travaille d*abord ainsi ponr cenx qni sont pieux, 
afin de sauver lenrs äines; pais tous ceux des autres que je peux sauver, je le 
g^arde, afin de changer la mauvaise condnite et (les emp§cherj de p^cher contre 
le Seigneur. Quant a cenx que je ne fais pas entrer chez moi, je dis a chacan 
d*eux: Si tu a commls ce peche etc.' Vgl. auch M 199 f. Demnach hat 
Pachomius S&nder aufgenommen, die Buckfälligon jedoch weggeschickt. Aach 
ist in dieser Handlungsweise des Pachomius durchaus nicht eine Geringschätzung 
des Eremitenlebens ausgesprochen, als ob das letztere ausschliesslich für die Ge- 
fallenen bestimmt wäre. 

1) Das beweist auch die Fassung dieser Satzung bei Sozomtnus (UI, 14) : 
>5^vov h\ (jl9) (jüveaS-ieiv auiot;, (xdvov g? p.^ TrapoSoüwv ItciIevcoö-sit) • tov h\ auvoix^v au- 
Tolg ßouXöfxevov Äpötepov iizi xpieTiotv la ^aXe7C(i>X6pa twv sp^wv 7;ov§iv, xa\ oüJtu) (xeis)(^£tv 
Kov auicoy auvotxiacc. 



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bas egypt Monehtum im 4. Jahrh. 189 

auf einer Reise sich befänden, nicht aber gegen zwecklos hemm- 
wandernde Mönche, da durch letztere die Zucht und Ordnung des 
Klosters Schaden leiden würde. Wer aber, heisst es dann im zweiten 
Satze ganz allgemein, ins Kloster käme, um darin zu verbleiben, 
der sollte zunächst eine gewisse Prüfungszeit ^) durchmachen. Es 
ist also an dieser Stelle gar nicht gesagt, dass Pachomius solchen 
MOnchen, die eine andere Lebensweise bis dahin geführt hatten, den 
Eintritt in seinen Elosterverband verwehrte. Wollte man jedoch 
die obige Satzung der Engelsregel anders interpretieren, so käme man 
in Widerspruch mit den authentischen Angaben der Pachomiusviten. 

Es ist ferner Thatsache, dass Pachomius den Mönchen seiner 
Kommunität Priester zu werden nicht gestattete; seine Absicht hier- 
bei war, ehrgeizige Gesinnungen von seinem Elosterverbande fern zu 
halten. Nichtsdestoweniger durften auch Priester in seine Klöster 
eintreten, vorausgesetzt, dass dieselben nicht besondere Vorrechte 
vor den übrigen beanspruchten (C 18, M 34, A"" 872). 

Ein bestimmtes Alter für die Aufnahme in den Pachomianischen 
Klosterverband war nicht vorgeschrieben. Theodor, der Lieblings- 
schüler des Pachomius, trat im 14. Lebensjahre in das Kloster 
Tabennisi ein ^), und er war nicht der einzige jugendliche Mönch in 
dieser Genossenschaft, wie dies aus den Pachomiusviten^) und der 
Begula Pachomii bei Hieronymus hervorgebt. Denselben Quellen zu- 
folge wurden die jugendlichen Mönche gleich den älteren Mitbrüdern 
zu allen religiösen Uebungen und Arbeiten zugezogen^). 

Was nun den Modus der Aufnahme selbst anlangt, so prüfte 
Pachomius selbst die ersten Postulanten über ihre persönlichen Ver- 
hältnisse und ihren Beruf und unterrichtete sie in den Obliegen- 
heiten eines Mönches, worauf die Aufnahme durch die Anlegung 
des Mönchskloides erfolgte^). Als die Zahl seiner Mönche grösser 
ward, wurden erprobte Mönche an der Klosterpforte mit der Prüfung 
und Instruktion der Kandidaten betraut^). Wie lange die Prüfung 
gedauert hat, wissen wir nicht. Jedenfalls richtete sich dies nach 
der Beschaffenheit und dem Charakter der Postulanten. Ja, wenn 



1) üeber die Dauer dieser Prafanj^ s. weiter unten S. 191. 

2) 23; nach dem Araber (p. 3^—393) warde Theodor im zwölften 
Lebensjahre Mitglied einer Eremitenkolonie und kam zwei Jahre später nach 
Tabenntsi zn Pachomius. Die koptische Vita (M 46 — 48) steht also isoliert da, 
wenn sie behaaptet, dass Theodor im vierzehnten Lehensjahre Eremit und im 
zwanzigsten erst Pachomianer wurde. 

3) Z. B. C 19. 

4) C 55, P 15 f., Ar 609 f., Epist. Amm. c. 12. Vgl. auch Seidl, Die 
Gott-Verlohnng von Kindern in Mönchs- und Nonnenklöstern, München 1872, S. 6. 

5) C 16. M 30, kt 369 f. 

6) C 19, M 35, Ar 373. 



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IdÖ Das egypt. MOnchtum im 4 Jahrh. 

Pachomius über die Würdigkeit des Postulanten hinlängliche Oaran- 
tieen hatte, so erfolgte die Aufnahme ohne vorausgehende Prüfung. 
So wurde der vierzehnjährige Eremit Theodor aus Bsneh sowie der 
gleichnamige Lektor der alexandrinischen Kirche auf Grund der 
Empfehlung des Patriarchen Athanasius sofort in die Kommunität 
aufgenommen i). 

Mit der Zeit mag die Prüfung und Aufnahme eine bestimmte, 
feste Form angenommen haben. Eine solche bietet uns die hieronymi- 
anische Regula Pachomii (art. 49). Meldete sich nämlich jemand 
an der Pforte zur Aufnahme ins Kloster, so wurde der Abt davon 
benachrichtigt. Der Postulant musste alsdann einige Tage in einem 
ausserhalb des Klosters befindlichen Räume nahe der Pforte ver- 
weilen. Hier empfing er von den Pförtnern die erste Unterweisung, 
die sich auf das Auswendiglernen des Gebetes des Herrn und einiger 
Psalmen erstreckte. Wie man sich übrigens in den Pachomianischen 
Klöstern die Ausbildung der Mönche angelegen sein Hess, ergiebt 
sich aus der 130. und 140. Satzung der Regula Pachomii. Darnach 
mussten auch Ungebildete sich wenigstens 20 Psalmen und zwei 
Apostelbriefe oder irgend einen anderen Teil der hl. Schrift an- 
eignen. Analphabeten lernten lesen und schreiben und mussten sich 
zum mindesten mit dem Neuen Testament und dem Psalterium ver- 
traut machen. Uebrigens geht aus dem Tenor der beiden letzt- 
genannten Satzungen nicht hervor, dass dieser weitläufigere Unter- 
richt während der Prüfungszeit geschah, wie es Grützmacher (S. 128 f.) 
annimmt. Ferner prüfte man die Postulanten bezüglich ihres guten 
Willens und ihrer Privatverhältnisse ; man überzeugte sich, dass die- 
selben imstande waren , ihren Eltern zu entsagen und auf ihr Ver- 
mögen zu verzichten. Alsdann fand die Einführung in die Kommuni- 
tät in der Weise statt, dass der Postulant nach Ablegung seiner 
Civilkleider , die in der Kleiderkammer aufbewahrt wurden, das 
Mönchsgewand empfing und in die Gebetsversammlung der Brüder 
geführt wurde, wo ihm der Vorsteher des Hauses, dem er zugeteilt 
wurde, einen bestimmten Platz zuwies (Art. 1). Durch diese Auf- 
nahme wurde er vollberechtigtes Mitglied des Klosterverbandes. 

Nach der Engelsregel in der arabischen Vita (p. 368) war bei 
der Aufnahme auch das Abscheren des Haupthaares üblich. Diese 
Zeremonie wird indes weder in dem griechischen (bei Palladius uud 
Sozomenus) noch in dem äthiopischen Texte erwähnt. Aus der 
hieronymianischen Pachoraiusregel (art, 96: Nullus attondeat caput 
absque maioris imperio) ergiebt sich nur, dass die Pachomianer 

1) S. 0. S. 15^ u. 16i: 

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Das egypt MOnchtum im 4. Jährhi 191 

keine lang herabwallenden Haare trugen, sondern dieselben von Zeit 
zu Zeit scheren. Der Grund hierfür war sehr prosaischer Natur; 
Hieronymus (ep. 147 ad Sabinianum) erklärt nämlich die zu seiner 
Zeit bei den egyptischen und syrischen Nonnen herrschende Sitte 
des Haarschneidens auf folgende Weise: 'Moris est in Aegypti et 
Syriae monasteriis, ut tarn virgo quam vidua quae se Deo voverint 
et saeculo renuntiantes omnes delicias saeculi conculcarint, crinem 
monasteriorum matribus offerant desecandum, non intecto postea 
contra Apostoli voluntatem incessurae capite, sed ligato pariter ac 
yelato . . . Hoc autem duplicem ob causam de consuetudine versura 
est in naturam, vel quia lavacrura non adeunt, vel quia oleum nee 
capite nee ore norunt, ne a parvis animalibus quae inter cutem et 
crinem gigni solent, et concretis sordibus, opprimantur (al. obruantur)'. 
Zwar meinen Weingarten und Grützmacher (S. 122), dass Pachomius, 
der ursprünglich Serapispriester gewesen sein soll, diesen Brauch 
vom Serapiskult entlehnte. Allein es ist schon oben (Siehe Seite 152) 
gezeigt worden, dass die Ansicht, Pachomius sei vor Annahme des 
Christentums Serapispriester gewesen, eine Fiktion ist, und, was den 
Brauch selbst anlangt, so lässt sich aus den beiden Texten (A** 368, Pach. 
Reg. art. 96) durchaus nicht folgern, dass das Haarscheren bei den 
Pachomiauern mit dem bei den Serapispriestern üblichen vollständigen 
Kahlscheren des Hauptes (Rasur) bis auf die Haut identisch war^). 
Ein Noviziat nach Brauch der späteren religiösen Orden folgte 
auf die Anlegung des Mönchskleides nicht. Davon ist weder in 
den Pachomiusviten noch in der Regula Pachomii irgendeine Spur 
zu finden. Auch ist in diesen massgebenden Quellen von einem 
dreijährigen Noviziat, wie solches nach der sog. Engelsregel *) schon 
unter Pachomius bestanden haben soll, keine Rede. Endlich ist es 
eine Fabel, wenn die Engelsregel die körperlichen Arbeiten als 
Hauptsache bei der Prüfung der Postulanten bezeichnet; vielmehr 
hat Pachomius, wie soeben gezeigt worden ist, während des Scru- 
tiniums der Neulinge das Hauptgewicht auf die geistlichen Uebungen 
gelegt^). Uebrigens beschreibt auch Ammon in seinem schon mehr- 



1) Hieronymus, Comment. in Ezech. 44 : 'Nee rasis capitibas sicut sacer- 
dotes cultoresqae Isidis et Serapidis nos esse debere\ Vgl. aach Ambrosiua 
ep. 58 ad Sabinum. 

2) In dem betreffenden Text (s. oben S. 188) will Pilra statt des danklen 
aSÜTwv lesen: ik aywva Suvatov oux (!) ffei. P. Stujlmayr S. J. (Siehe Byzant. 
Zeitschrift (1900) S. 196 f.) schlägt Tor: d^ aycova aHY]tcüv xtX. Ob nach dieser 
Emendation der Text im Sinne eines eigentlichen Noviziates nicht mehr inter- 
pretiert werden braucht, bleibt wohl zweifelhaft. 

3) V^l. auch C 16, M 30 f., A' 369 f.; dazu Tillemont, Memoires pour 
servir a Thistoire eccl^siastique, t. 7 p. 682—688. 



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192 bas egypt. MöncMum im 4, Jahrh. 

fach erwähnten Briefe (c. 1, 4) seine Aufnahme in das Kloster von 
Pheböou, und dieser Modus deckt sich vollständig mit den Vor- 
schriften der hieronymianischen Pachomiusregel. Mithin steht die 
sog. Engelsregel in diesem Punkte mit ihren widersprechenden An- 
gaben ganz isoliert da. 

E. Das gemeinschaftliche Gebet 

Das Tagewerk der Pachomianischen Mönche bestand aus Arbeit 
und Gebet. Das Gebet, zu dem die Mönche verpflichtet waren, war 
teils ein privates, teils ein gemeinschaftliches. Dasselbe vollzog sich 
nach Pleithner (älteste Gesch. des Breviergebetes, Kempten 1887, 
S. 162 f.) in der Weise, »dass alle Mönche täglich zweimal zu einer 
Gebetsversammlung sich vereinigten, am Abende, um die Vespern 
zu feiern, und bei Nacht, d. h. wohl nach Mitternacht erst, zum 
nächtlichen Gebet. Das Morgen-Officium wurde unmittelbar hernach 
in den einzelnen Häusern gemeinsam verrichtet. (Von den Panny- 
chien ist hier noch nichts erwähnt ; wir werden sie aber später aus- 
drücklich bezeugt finden.) Ausserdem hielten die Mönche vielleicht 
noch durch besondere Gebete, die sie aber privatim persol vierten, 
die drei apostolischen Stunden ein. Endlich versammelten sie sich 
in den einzelnen Häusern auch noch unmittelbar vor der Zeit des 
Schlafengehens, um wieder in kleinerer Versammlung ihre Abend- 
andacht zu halten. Im übrigen aber brachten sie eigentlich den 
ganzen Tag mit innerlichem Gebete und heiligen Erwägungen zu; 
und die angegebenen Zeiten waren nur insofern besondere Gebets- 
zeiten, als sie vorzüglich das mündliche Gebet veranlassen konnten.« 
Diese Gebetsordnung konstruirte Pleithner — nach dem Vorgange 
des Liturgikers Martene (De antiqu. Eccies. rit. tom IV) auf Grund 
einer zum Teil eigenartigen Deutung der sog. Engelsregel sowie der 
hieronymianischen Regula Pachomii. Ladeuze (a. a. 0. S. 288 f.), 
dem nur die letztere Quelle und die Pachomiusviten massgebend 
sind, meint dagegen, dass sich alle Mönche eines Pachomianischen 
Klosters zur Zeit der Morgendämmerung, mittags, abends vor Tisch 
und um Mitternacht zum gemeinschaftlichen Gebete vereinigten, 
während unmittelbar vor dem Schlafengehen nur noch in den ein- 
zelnen Häusern des Klosters kleinere Gebetsversammlungen abge- 
halten wurden. Im Gegensatz zu Pleithner und Ladeuze sind 
Duchesne (Origines du culte chrötien, Paris 1889 S. 433) und 
Battifol (Histoire du Bröviaire romain, Paris 1893, S. 4 f., 33 f.) der 
Ansicht, dass die egyptischen Mönche noch im 5. Jahrhundert nur 
die zwei ursprünglichen christlichen Gebetszeiten, nämlich zur Zeit 



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Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh. 193 

des Lichteranzünders (lucernare) und zur Zeit des Hahnenrufes (galii- 
cinium) eingehalten hätten ; sie stützen sich hierbei auf den Bericht 
Cassians (De coenob. instit. III, 2), demzufolge bei den egyptischen 
Mönchen, abgesehen vom abendlichen und nächtlichen Gebete, des 
Tages über keine öffentliche Feierlichkeit stattfand. Im folgenden 
soll nun gezeigt werden, dass die Behaaptung Duchesnes und Batti- 
fols bez. die Notiz bei Cassian auch bezüglich der Pachomianer des 
4. Jahrhunderts ihre Berechtigung hat; eine strikte Interpretation 
der in Betracht kommenden Beweisstellen führt zu diesem Ergebnis. 

Zwar geschieht in den Pachomiusviten der täglichen Gebets- 
versammlungen nur gelegentlich Erwähnung, doch in der Weise, 
dass daraus vollgültige Schlüsse über die Zahl derselben gezogen 
werden können. Betrachten wir zunächst den Text der Viten C 38, 
M 79 f. und A' 575 f.! Hiernach fragte Pachomius die zwei Brü- 
der, mit denen er sich auf einem Nachen befand, ob sie gewillt 
seien, mit ihm die Nacht im Gebete zu durchwachen; nach dem 
Beispiel des Eremiten Palaemon, seines Lehrers, erklärte er ihnen, 
würden die Nachtwachen auf dreifache Art gehalten; entweder werde 
der erste Teil der Nacht durchwacht und der zweite der Buhe ge- 
widmet oder umgekehrt, oder es werde in der Nacht abwechselnd 
gewacht und geruht. Die beiden Mönche wählten die letztere Art 
der Nachtwache; der eine von ihnen wurde müde und legte sich 
zur Ruhe ; der andere dagegen vollendete mit Pachomius die Nacht- 
wache »bis zur Morgendämmerung, wo die Synaxis oder Gebetsver- 
sammluug gehalten zu werden pflegte. < Der bis dahin schlafende 
Mönch wurde nun geweckt, und nach Abhaltung der Synaxis gönnte 
sich jener Mönch, der mit Pachomius gewacht hatte, einige Ruhe, 
während der andere mit Pachomius dem Kloster Themouschons zu 
weiter ruderte. Diesem dreifachen Bericht zufolge fand die Synaxis 
erst am frühen Morgen statt ; das Gebet in der Nacht war dagegen 
privater Natur, und die Art der Nachtwachen wurde in das Belieben 
der einzelnen Mönche gestellt. 

Man könnte indes einwenden, Pachomius sei damals auf einer 
Reise begriffen gewesen und habe deshalb eine Ausnahme von der 
Regel gemacht; doch zum Glück wird gleich darauf (G 39, M 81 f., 
A' 576 f.) berichtet, dass Pachomius im Kloster Themouschons ein- 
kehrte und daselbst abends den Abt Cornelius — ihn allein — auffor- 
derte, mit ihm die Nacht im Gebete zuzubringen. Cornelius 
erklärte sich bereit; das Nachtgebet dieser beiden dauerte bis zur 
Synaxis am frühen Morgen (^ oüvaStc «p<ot C. 89) oder, wie es in 
der Yita A' 577 heisst, »bis zum frühen Morgen (arab. ilai wakti 

Schiwietzy Mönohtnm. 13 



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194 Das egypt. Mönchtum im 4. Jahrh, 

'ggabächi), wo das Zeichen zum geroeiDSchaftlichen Morgengebete 
gegeben wurde, c Man sieht also, dass auch in dem Kloster nicht 
etwa um Mitternacht, sondern erst gegen Ende der Nacht, zur Zeit 
der Morgendämmerung eine Synaxis stattfand. 

Anderweitige Notizen in den Pachomiusviten bestätigen das 
bisherige Ergebnis. In der arabischen Vita (p. 482) heisst es, dass 
Pachomius gewöhnlich die erste Hälfte der Nacht in seiner Zelle 
stehend dem Gebete oblag und alsdann sitzend und an die Wand 
gelehnt sich etwas Buhe gönnte. Daraus folgt, dass eine gemein- 
schaftliche Gebetsfeier nicht um Mitternacht oder gleich nach 
Mitternacht stattfand. Weiter lesen wir in derselben Vita (p. 484), 
dass Pachomius zuweilen vom Abend bis zum nächsten Morgen 
stehend oder knieend in seiner Zelle betete; wenn er aber 
dazwischen seine Füsse ausstreckte, um auszuruhen, so geschah dies 
nur für kurze Zeit; dann stand er wieder auf und setzte sein Privat- 
gebet fort, »bis der Morgen anbrach, und die Brüder zur Synaxis 
gerufen wurdenc. Von Theodor, dem dritten Generalabt der Pa- 
chomianer, bezeugt die Vita M 261, dass er zu wiederholten Malen 
die ganze Nacht im Privatgebete zubrachte, und an einer Stelle 
(p. 264) heisst es genauer, dass er »das nächtliche Privatgebet bis 
zur Synaxis, die morgens stattfand, ausdehntec i). Aus alledem er- 
giebt sich, dass auch noch unter dem dritten Generalabt in der Nacht 
nur ein privates Gebet üblich war, und dass die Synaxis erst gegen 
Morgen abgehalten wurde*). 

Es wird allerdings von Ladeuze (p. 289 not. 3) der Bericht 
der Vita P 17 f. als Beweis dafür angeführt, dass die Pachomianer 
auch um Mitternacht eine gemeinschaftliche Gebetsfeier abhielten; 
indes mit unrecht. Der betreffende Passus lautet: Kai siosXOovtcdv 
TÄv adeXopcov stg Tag euxac oüvax*sl(; xal aüxög (sc, Pachomius) 
fjiST* aüTÄv, iTcXi^pwoev xag süxaCi xat ISsXdövTcav Im to YSüoaodat, 
Ifistvsv ^6vo<; h T(f ofxa), Iv w xac sixac oüvt5&(0(; liceTlXet t^<; 
oüvrfSeox; [xal xXetoag tt)v Oüpav upooTjö^axo tw öscp, &Siü)v yvcooft^vat 
aüTCü Tcspt T^c .asxa xaöxa a8eX9(ov xaxaoxaoeox;] xal xt Iv xoTg ^8- 
xaysvsoxipotg xa oüfJißif]o6|isva auxoTc; * xal icapaxetvavxocga&xou xtjv 



1) Ebenso deutlich heisst es Krl 589 : Als man abends aas dem Schiffe 
aasstieg, entfernte sich Theodor ein wenig vom Landangsplatze, am za beten, 
and häafig verharrte er im Gebete bis zar Morgenstande, d. i. bis za der 
Stande, in der die Br&der mit einander Gott priesen«. 

2) Nach M 91 f. hatte ein nea anj^ekommener Mönch , der über die 
schwere Arbeit beim Brannengraben an willig gewesen war, nachts einen Traam 
über den Wert des Gehorsams; als die Morgenrote anbrach, begab er sich mit 
den Brüdern zar Synaxis and erzählte ihnen das Vorkommnis der Nacht. 



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Das egypU Mönchtum im 4. Jahrh, 195 

3üx>]v 4icö cüpac 8exaT73(; fax; ofJ xpoüooüoiv tolg ädeXqjoTc: tt]v vüx- 
TsptvTjv XeiToupytav, icspt xo fieoovüxxtov a^vco auT(i) IS oüpavoü ouTaota 
YvcDpt'Coüoa aÖTO) tö tiXofz t^c fisxa xaüxa xaiaoTCcosox; tü)v i^sX^cov 

öaufiaCovTOC 81 lid ToTg XaXirjfteTotv «üt«) to5 MsyaXoü, söftoc: 

xpoüoüotv ToTc dSeXqjoTc: stg ttjv voxxeptvTjv o6va$iv» xai xsXeüOetoYjc 
x^C Xetxoüpytac x^g vuxxeptv^c, Sxafttoav §!(; äxpoaotv xoü Xoyoo 
auxoü Ol adeXtpot. Aus diesem Bericht ergiebt sich ein Zweifaches. 
Erstens fand vor dem Abendessen eine gemeinschaftliche Gebets- 
feier statt. iSodann heisst es, dass Pachomius von der zehnten 
Stunde ab, wo die Mönche zu Tische gingen, sein Privatgebet 
in dem abgeschlossenen Betsaal so lange ausdehnte, »bis das 
Zeichen zur nächtlichen Liturgie gegeben wurdec. Während dieser 
Zeit, etwa um Mitternacht, hatte er eine Vision über das künftige 
Schicksal seiner Klöster. Als aber die Mönche, zur nächtlichen Li- 
turgie gerufen, ihre Gebete vollendet hatten, oflFenbarte er ihnen 
sein Gesicht und verband damit eine heilsame Ermahnung. Es fragt 
sich nun, wann diese vuxxeptvT} XeixoupYta stattfand. Jedenfalls nicht 
gleich um Mitternacht; denn um diese Zeit begann die Vision, die 
längere Zeit dauerte. Der Parallelbericht der arabischen Vita (p. 613 f.), 
den Ladeuze allerdings nicht berücksichtigt hat, giebt nun genauer 
an, was unter der voxxepivT^ Xetxoopyta zu verstehen sei; der Schluss 
•dieses Berichtes (p. 617 f.) lautet nämlich : »Unser Vater Pachomius 
•war sehr erstaunt (über die Vision); seine Seele war voller Freude 
und Genugthuung .... Und als das Zeichen zum Gebete am frühen 
Morgen (arab. bäkiran) gegeben wurde und die Brüder sich in 
der Kirche versammelten, ging er nicht mit ihnen hinein, sondern 
blieb in seiner Zelle, um bis zum Morgen (arab. ilai '§§abächi) au beten ; 
alsdann begab er sich in die Kirche und vollendete mit den Mönchen 
das Gebet. Hierauf setzten sich diese, um die übliche Belehrung 
anzuhören.« Demnach begann die gemeinschaftliche Gebetsfeier, 
die in der Vita P 17 als voxxeptvij Xeixoopyta bezeichnet wurde, 
nicht um Mitternacht, sondern erst in aller Frühe und endete am 
hellen Tage. 

Nach Ladeuze sollen noch die Kapitel 29 und 35 der Vita P 
«in Beweis für eine mitternächtliche Gebetsfeier bei den Pachomianern 
sein ; in diesen beiden Texten ist allerdings auch von einer voxxeptvf] 
ouva^K; die Rede ; indes zeigen die von ihm citierten Parallelberichte 
der arabischen Vita (p. 6'31 und 637), dass es sich hierbei um eine 
spätere Gebetsfeier handelt. P 29 heisst es von dem Mönche Jonas, 
dass er tagsüber den Garten pflegte, abends Speise zu sich nahm 
und hierauf in der Zelle die Nacht hindurch Handarbeit verrichtete; 

13* 



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196 Das egypt Mönchtum ifn 4. Jahrh, 

weno ihn dabei der Schlaf übermannte , so gönnte er sich nur bei 
dieser Arbeit in sitzender Stellung Ruhe bis zur nächtlichen Synaxis. 
Wann aber diese Gebetsfeier stattfand, erfahren wir aus dem Parallel- 
bericht A' 631; hier wird erzählt, dass Jonas in seiner Zelle die 
Nacht mit Gebet und Handarbeit zubrachte, »bis das Zeichen der 
Mitternacht gegeben wurdec ^) ; alsdann ruhte er kurze Zeit und er- 
hob sich wieder zum Gebet und zur Arbeit. P 35 ist die Rede 
von einem aussätzigen Mönche, der wegen seiner Krankheit abge- 
sondert von den übrigen Mönchen wohnte , jedoch fleissig Flecht- 
arbeit verrichtete und keine Synaxis versäumte ; nachts meditierte er 
über Stellen der hl. Schrift, die er auswendig wusste; dann schlief 
er, »bis das Zeichen zur nächtlichen Synaxis gegeben wurde«. Der 
Parallelbericht A' 687 lautet: »(Der aussätzige Mönch) lernte einiges 
aus der hl. Schrift auswendig und beschäftigte sich damit vor dem 
Schlafengehen; alsdann schlief er, bis um Mitternacht das Zeichen 
zum Gebet gegeben wurde. Da erhob er sich und nahm mit den 
Brüdern an der Gebetsfeier gegen Morgen (arab. fi'g§aläti ilaj'g§abächi) 
teil.« So viel ist wenigstens aus den beiden arabischen Texten ersicht- 
lich, dass die vüxxeptvY] Xsixoüpyta oder oüvaStg *), die allerdings nur der 



1) Das Zeichen der Mittemacht ist also nicht identisch mit dem später 
erfolgenden Zeichen zur auvaji? vuxieptvii (vgl. auch P 17). Ebenso ist in der 
Regula Pachomii das Zeichen in der Nacht (art. 5) wohl zu unterscheiden von 
dem Zeichen zum gemeinschaftlichen Gebet (art. 3). Nach der ersteren Satzung 
(art. 5: 'Sin autem nocte Signum insonuerit, ne steterit ad focum quem propter 
calefacienda et repellendnm frigus ex more snccenditur: nee otiose in coUecta 
sedehit, sed funiculos in mattarum stramina manu celeri praeparahit; absque 
iniirmitate duntaxat corpusculi, cui cessandi trihuitur venia*) durften die Mdnche 
beim Zeichen in der Nacht nicht gleich in die Gebetsversammlung gehen und 
daselbst mussig dasitzen, sondern sollten die Stoffe für die Flechtarbeit prä* 
pariren. 

2) Dass die in aUer Frühe abgehaltene Gebetsversammlnng in der obigen 
Quelle vuxTEpiv^ a;>vaS^ genannt wird, darf nicht auffallen; denn noch um die 
Mitte des 5. Jahrhunderts rechnet Caaaian (De instit. coenob. III, 1, 8) sowohl 
das abendliche als auch das gegen Neige der Nacht verrichtete Gebet zu den 
nachtlichen Gebeten und Psalmeugesängen, während nur die Terz, Seit und Non 
als Tagesofficium bezeichnet werden. Das Abend- und das Morgengebet waren 
die ursprünglichen Gebetszeiten der christlichen Kirche und entstanden da- 
durch, dass man nach dem Vorbilde der Ostervigil nicht nur an den Sonntagen, 
sondern auch an den Werktagen wenigstens den Anfang und das Ende der 
Nacht durch Gebetsversammlungen marlSerte. Vgl. Battifoit Histoire du Br^- 
viaire romain, Paris 1893, S. 4: 'En principe la vigile dominicale, comme celle 
de Päques, aurait du durer toute la nuit, et de la lui venait son vieux nom 
grec de nawu/i^ Mais en r^gie generale, la vigile dominicale commen^ait 
seulement au chant du coq, heure variable seien ies Saisons, mais toujours 
post^rieure au milieu de la nuit. Pour rester fid^le a la pens^e primitive, on 
consacra a la pri^re le commencement de la nuit, Theure oü le soleil vient de 
se coucher et oü s'allument Ies premieres lampes: cette heure s*appelait en 
grec Xu^vtxöv, en latin lucemare . . . . Oe que nous appelons vdpres fut ainsi, 
ä Torigine, le commencement de la vigile nocturne. II est vrai que cette peneee 
d*unite originelle se perdit de bonne heure. Methodius (f 311) s*en souvenait 



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Das egypt Mönchium im 4. Jahrh, 197 

Yita P eigentümlich ist, von der in den anderen Yiten erwähnten »Synaxis 
am frühen Morgenc nicht verschieden ist. Dass bei den Pachoroianern 
nachts nur das Privatgebet üblich war und erst gegen Morgen eine 
Gebetsfeier stattfand^ steht übrigens auf Qrnnd der oben erwähnten 
Notizen aus dem Leben des Pachomius und Theodorus ausser Zweifel. 

Wie am frühen Morgen, so versammelten sich die Pachomianer 
auch gegen Abend zum gemeinschaftlichen Gebet. Aus der schon 
oben (S. 194) citierten Vita P. 17 geht nämlich hervor, dass die 
Mönche eine Synaxis abhielten, nach deren Schluss, um die zehnte 
Stunde, das Abendessen eingenommen wurde. Unter dieser Synaxis, 
die nach dem Parallelbericht der arabischen Vita (s. oben S. 195) um die 
neunte Stunde stattfand, kann nur das gemeinschaftliche Abendgebet 
verstanden werden; denn nachher kamen die Mönche, wie aus dem 
Zusammenhang der beiden Texte sich ergiebt, erst zum gemein- 
schaftlichen Gebet bei Anbruch des nächsten Tages zusammen. 
Allerdings berichten die Pachomiusviten des öfteren, dass die Mönche 
sich noch nach Tische versammelten, doch nicht zur Gebetsfeier, 
sondern zu einer Katechese, nach der die Brüder vom Klostervor- 
steher durch ein Gebet verabschiedet wurden und sich zur Ruhe 
begaben 1). Ob übrigens das gemeinschaftliche Abendgebet immer 
um die neunte Stunde stattfand, steht nicht fest. In der Vita C. 45 
heisst es nur, dieselbe sei abends (ä^j/s) vor Tische abgehalten wor- 
den; ebenso lesen wir im Briefe Ammons (c. 14), dass die Mönche 
abends (xö loneptvöv) die üblichen Gebete (xac; ouvT^ftetg s&xac;) ge- 
meinschaftlich verrichteten und bei dem zwölften Gebete sich auf 
die Kniee warfen. Die Zeit des Abendgebetes mag also verschieden 
gewesen sein. Vielleicht geschah dies um die neunte Stunde nur 
an den Mittwochen und Freitagen, an denen im christlichen Alter- 
tum mit dem Schluss des Gottesdienstes um die angegebene Zeit 
das ieiuniura aufgehoben wurde*), sonst aber später. 

Nach Ausweis der Viten hatten also die Pachomianer an den 
gewöhnlichen Tagen ausser dem gemeinschaftlichen Morgen- und 
Abendgebet keine andere Gebetsfeier mehr. Es darf uns dies nicht 
wunder nehmen; war doch nach Cassian (De coenob. institut. III, 2) 



poartant qoand il compare la yie des vierges a ane vigile, qai, comme toate 
yigile, aurait trois moments: la vespertina vigilia, la secanda Vigilia et la 
tertia vigilia, fignres de la jeanesse, de Tä^e inür et de la vieillesse (Sympos. 
V, 2). Jean Cassian, aa müiea da V« siecle» etait dans la m6me traditioD» 
qaand il comprend Toffice de vdpres et Toffice da cbant da coq soas le m6me 
titre d'office noctarne (De instit. coen. III, 8)\ 

1) S. anten S. 204 f. 

2) Linsenmayr, Entwicklung der kirchlichen Fastend isciplin bis zum 
Concil von Nicäa, München 1877, S. 80 f. 



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198 Das egypt, Mönchtum im 4, Jahrh, 

noch im 5. Jahrhundert bei den egyptischen Mönchen nur die Ge- 
betsfeier zur Zeit des Lichteranzundens und zur Zeit des Hahnen- 
rnfes, das lucernare und das galliciDium, üblich. Desgleichen kennen 
die Apostolischen Konstitutionen (II, 59) nur das gemeinschaftliche 
Gebet am Morgen und am Abend, und an einer späteren Stelle 
(VIII, 34—39) werden nur die Formulare für diese beiden Gebets- 
zeiten mitgeteilt, während das Gebet der dritten, sechsten und heunteD 
Stunde nur gleichsam empfohlen wird. Damit stimmt Clemen» 
Alexandrinus (Strom. VI) überein, wenn er sagt, dass nur einige 
Christen auch die Terz, Seit und Non als Gebetsstunden ein- 
halten. 

Abgesehen von diesem täglichen Abend- und Morgengebet, da» 
in einem Betsaal ^) abgehalten wurde, nahmen die Pachomianer jeden 
Samstag und Sonntag an dem liturgischen (eucharistischen) Gottes- 
dienste in der Kirche teil. Nach C 18 lud Pachomius, als die Zahl 
der Mönche auf hundert angewachsen war, zur Feier des eucharistischen 
Opfers (7cpoa9opa) Priester der benachbarten Kirchen ins Kloster 
ein. Da später auch Priester in den Klosterverband aufgenommen 
wurden, mögen wohl diese selbst den Gottesdienst besorgt haben. 
Im 20, Kapitel derselben Vita lesen wir, dass Pachomius im Dorfe 
Tabenna eine Kirche baute, um den armen Christen der Umgegend 
Samstags und Sonntags die Teilnahme am eucharistischen Gottes - 
dienst zu ermöglichen ; auch er besuchte an diesen Tagen diese Kirche, 
versah dabei das Amt eines Lektors und trug überhaupt Sorge für 
Abhaltung des Gottesdienstes, bis ein eigener Priester an dieser 
Kirche augestellt wurde. Genaueres über den Gottesdienst erfahren 
wir aus M 33 f. und A'^ 372 f. Darnach pflegte er Samstag 
abends^) mit den Mönchen in die Dorfkirche zu geben, um dem 
eucharistischen Opfer beizuwohnen 8); Sonntags fand dagegen der 
eucharistische Gottesdienst früh morgens in der Klosterkirche statt. 

Es wäre noch zu untersuchen, in wie weit die hieronymianische 
Pachomiusregel mit dem aus den Viten gewonnenen Resultate in 
Einklang steht. Die Lösung der Frage ist aus den schon oben 



1) P 17, M 104, 105, 108, 109, 113, 129, A' 480. 

2) Vgl. auch C 94, Ammon. ep. c. 14, 

3) Duchesne, Origines du culte chrötien, Paris 1889, S. 220 f.: 'Le sa- 
medi, eliminö d*abord, finit par obtenir aussi une Situation speciale. En Orient, 
an qnatri^me siecle, c^^tait nn jonr de synaxe (Conc. Laödic. c. 16, Constit. 
Ap. II, 59; V, 27, VIII, 33, Epiph. Expos, fid. 24, 13) et möme de synaxe 
liturgique . . . . A Alexandrie, cependant , la synaxe n'etait pas liturgique. 
Cette absence de liturgie etait particuliere a la ville m§n)e d* Alexandrie : dans 
rint^rieur de TEgypte, la liturfi^ie avait lieu sur le soir et on la faisait pr^cMer 
d'une agape'. Vgl. Socrates, bist. eccl. V, 22. 

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Das egypt MOnchtum im 4. Jahrh, 199 

(S. oben S. 175) angegebenen Gründen schwierig; immerbin lässt 
sich im grossen und ganzen eine gewisse üebereinstimmung mit dem 
bisherigen Ergebnis nachweisen. 

Zunächst ergiebt sich aas der 181. Satzung der hieronymianischen 
PachomiusregeH), dass in den Pachomianischen Klöstern zu Beginn 
des 5. Jahrhunderts zwei Arten von Gebetsversammlungen stattfanden. 
Die Gebetsversammlung sämmtlicher Mönche des Klosters hiess collecta 
maier, hoc est omnium fratrum, die der Mönche eines einzelnen 
Hauses im Kloster collecta domus. Die Satzungen 14 — 19 setzen 
voraus, dass »am Sonntag sowie an dem Tage, an dem das eucharistische 
Opfer dargebracht wurdec, die collecta maior h. e. omnium fratrum 
üblich war^), und aus den Pachomiusviten (S. oben S. 198) wissen 
wir, dass ausser dem Sonntag der Samstag durch einen liturgischen 
Gottesdienst ausgezeichnet wurde. Inhaltlich betrachtet sind die 
obigen Satzungen Anweisungen für die Mönche, die den Hebdomadar- 
dienst in diesen Gebetsversammlungen zu verrichten hatten. 

An den übrigen Tagen der Woche fanden dagegen morgens und 
abends nur Gebetsversammlungen in den einzelnen Häusern (col- 
lectae domus) statt. Bezüglich des Morgengebets heisst es nämlich 
in der 20. Satzung der Pacboraiusregel: 'Mane per singulas domus 
finitis orationibus non statim ad suas cellulas revertentur: sed con- 
ferent inter se, quae praepositos audierint disputantes et sie intrabunt 
cubilia sua\ Hier wird also vorausgesetzt, dass die preces matutinae 
in den einzelnen Häusern (per singulas domus) des Klosters gemein- 
schaftlich verrichtet wurden, worauf die Hausvorsteher (praefecti 
domus) für die ihnen unterstellten Mönche Katechesen hielten. Diese 
Satzung kann sich nicht auf den Sonn- oder Samstag beziehen ; denn 
an diesen Tagen fand laut den Pachomiusviten und der Pachomiusregel 
(art. 14 — 19) eine collecta maior h. e. omnium fratrum, statt, in der 
zum Schluss natürlich der Vorsteher des Klosters (pater monasterii) 
die Katechese hielt ^). Mithin wurden die coUectae minores, in denen 



1) Art. 181: Traepositas aatem domus et qai Aecandas ab eo est, hoc 
tantam habebit iuris, nt compellat fratres in collecta domas, sive in collecta 
maiore, hoc est omniam fratram, sabiacere poenitentiae'. 

2) Art. 14: In die dominica vel oblationis tempore nallas deerit de 
hebdomadariis, sedens in loco Ebiymii, psallentique respondens, ex ana dantaxat 
domo, qnae in maiori servit hebdomade. Altera est etiam minor hebdomas, 
qoae per singnlas domos a pancioribas exhibetur'. Art 15: 'At si maior est 
nameras necessarias, de eadem triba alii vocabantar a praeposito domas, qai 
ministrat hebdoraadae; et absqae eias iossione nallas de altera domo eiusdera 
tribas ad psaüendam yeniet et penitas non licebit in alterias hebdomade et de 
alia venire domo, nisi forte eiusdem tribas sit'. Art. 17: 'In die dominica et 
collecta (Gazaeas, in die dominica, in collecta, io qaa offereada est oblatio)'. 

3) S. anten S. 204. 



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200 Dcu egypt Mönchtum im 4. Jakrh, 

laat der obigen 20. Satzung die preces matutinae verrichtet wurden, 
an den übrigen Tagen der Woche abgehalten. Und in der That 
lesen wir sowohl in den Pachomiusviten als auch in der Paehomius- 
regel (s. unten S. 204), dass die Vorsteher der einzelnen Häuser 
wenigstens Mittwoch und Freitag eine Katechese zu halten hatten. 

Abends fand gleichfalls, abgesehen vom Sonn- und Samstag, 
nur eine collecta domus statt. Art. 155: Ter domos singulas 
vespere sex orationes psalmosque complebunt, iuxta ordinem maioris 
coUectae, qnae a cunctis fratribns in communione celebratur/ Art. 186 : 
'Sex orationes vespertinas iuxta exemplum maioris collectae, in qua 
omnes fratres pariter congregantur, summae delectationis est, et ita 
facile finnt, ut nuUnm onus habeant, et ex onere nascatur taedium.' 
Also nach dem Vorbilde der an Sonn- und Samstagen üblichen col* 
lectae maiores sollten an den übrigen Wochentagen die abendlichen 
eollectae domus abgehalten werden. Zugleich ergiebt sich aus den 
eben citierten Satzungen, dass bei den abendlichen collectae domus 
ein kürzeres Gebet, nämlich sechs Psalmen und Oebete, üblich waren, 
während in den collectae maiores an Sonn- und Samstagen zwölf 
Psalmen und Gebete verrichtet wurden (s. unten S. 202 f.). 

Aus alledem folgt, dass die Pachomianer noch zu Beginn des 
5. Jahrhunderts, wie einst zu Lebzeiten des Pachomius, sich nur 
zweimal, nämlich früh morgens und abends, zum gemeinschaftlichen 
Gebete vereinigten^), nur mit dem Unterschiede, dass früher laut 
den Angaben der Pachomiusviten an allen Tagen der Woche sowohl 
morgens als abends eine collecta maior, h. e. omnium fratrum statt- 
fand, während später an den Werktagen nur collectae domus üblich 
wurden. Diese Aenderung erklärt sich wohl daraus, dass mit der 
Zeit in den einzelnen Klöstern die Zahl der Mönche so gross wurde, 
dass der Betsaal die Gesamtheit derselben nicht fassen konnte. 
Im übrigen blieb auch späterhin an den Sonn- und Festtagen die 
collecta maior bestehen, da an diesen Tagen der Gottesdienst in der 
geräumigen Kirche stattfand. 



1) Ladeuze (S. 288) nimmt auch eine collecta meridiana bei den 
Pachomianern aaf Grand folgender Satzung der Pachomiusregel an. Art. 2i: 
'Qui hebdomadarins est . . . nisi ille (sc. princeps monasterii) insserit, Signum 
dare non poterit, ut ad collectam meridianam vel ad vespertinam sex orationum 
congrei^entür'. Vermutlich liegt hier ein Uebersetzungs fehler des Hieronymus 
oder ein Abschreibefehler vor; denn eine collecta meridiana kommt weder in 
den Pachomiusviten noch sonst in der Pachominsregel vor. Es muss auch auf- 
fallen, dass in dieser Satzung die collecta matntina (vel nocturna), zu der doch 
auch der Hebdomadar das Zeichen zu geben hatte, nicht erwähnt ist. Da kun 
vorher (art. 20) von der collecta matutina (vel nocturna) die Bede ist, so ist 
in der 24. Satzung statt collecta meridiana jedenfalls collecta matutina (vel 
nocturna) zu lesen. 



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Das egypt, Mönchium im 4. Jahrh. 201 

Dass zwischen der collecta maior, die an den Sonn- und Fest- 
tagen abgehalten wurde, and den collectae domus, die an den Werk- 
tagen fiblich waren, wohl zu unterscheiden ist, ergiebt sich aus dem 
Vergleiche und der Gegen aberstellung der Satzungen 14 — 19, 21 
einerseits und 20, 25, 125, 126, 155, 186, 138, 156 anderer- 
seits. Durch Nichtbeachtung dieses Unterschiedes kam Pleithner^) 
(a. a. 0. S. 158 f., 162) zu der sonderbaren Ansicht, dass in den 
Pachomianischen Klöstern täglich sowohl morgens wie abends eine 
collecta maior h. e. omnium fratrum mit sich daran schliessenden Ver- 
sammlungen in kleineren Kreisen (collectae domuß) stattfand. Auf 
diese Weise fand er schon bei den Pachomianern eine Ait Prim, 
die doch nach dem Zeugnisse Gassians (De instit. coenob. III, 4) 
in jener Zeit nur bei den Mönchen von Bethlehem üblich war, und 
eine Art Completorium^ das uns bekanntlich erst in der Benediktiner- 
regel entgegentritt. 

Ueber den Ritus, der von den Mönchen in »Egypten und in 
der Thebais€ beim gemeinschaftlichen Gebet an der Neige des vierten 
Jahrhunderts beobachtet wurde, finden wir bei Cassian (De coenob. 
instit. lib. II) folgende Angaben. Sowohl bei der abendlichen als 
auch bei der nächtlichen Gebetsfeier wurden zwölf Psalmen recitiert 
und nach jedem Psalm eine Oration eingeschoben. Den Schluss der 
Gebetsfeier bildeten zwei Lesungen, die eine aus dem alten, die 
andere aus dem neuen Testament. Samstags und Sonntags sowie 
in der Zeit zwischen Ostern und Pfingsten wurden beide Lesungen 
aus dem neuen Testament genommen, die eine aus den apostolischen 
Briefen oder der Apostelgeschichte, die andere aus den Evangelien. 
Bei dem Psalmengebet gestatteten die Mönche ihrem Körper eine 
kleine Erleichterung in der Art, dass nur der Vorbetende in der 
Mitte stand, während alle übrigen auf ganz niedrigen Stühlen der 
Stimme des Vorbeters mit aller Andacht folgten *). Der Vorsteher 
schlug am Ende eines jeden Psalmes mit der Hand auf seinen Stuhl, 



1) Eine doppelte Gebetsversammlang in der Abendzeit behauptete zuerst 
Martine, de antiqu. Eccl. rit., t. IV p. 94: 'Quid eoim haec sibi volunt: Juzta 
ordinem maioris collectae vel luxta ezemplum maioris collectae? Forte con- 
gregabantiir quotidie in unum omnes domus sub vespere et simul adunatae sex 
psalmos cum orationibus totidem decurrebant, idenique separatim singulae per 
se faciebant eodem ordine quo in maiore collecta vel post generalera dimissae 
collectam, sex orationes cum psalmis persolvebant eodem ritu et ordine quo 
plureSy hoc est duodecim, in maiore collecta decantaverant'. Derselben Ansicht 
ist bezüglich des Abendgebetes Ladeuze (S. 289). 

2) Nach Pleiihner (S. 295) sollen die egyptischen Mönche in der Ge-^ 
betsversammlung bei der Absingung der Psalmen Handarbeit verrichtet haben. 
Diese an sich schon unwahrscheinliche Ansicht beruht auf einem Missverständ- 
nis einer Stelle bei Caaaian (De instit. coenob. II, 12). 



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202 Das egypt. Mönchtum im 4. JahrK 

worauf sich alle zur Verrichtung der Oration erhoben; vor der 
Oration, die der Vorbeter laut vorbetete, fand ein kurzes Sich- 
niederwerfen statt. - Sowohl beim Psalmengebet als auch bei der 
Oration wurde von den Mönchen, abgesehen vom Vorbeter, tiefes 
Stillschweigen beobachtet, sodass kein Bäuspern oder Husten za 
hören war. In Betreff des Vorbeteramtes erklärt Cassian (1. c. c. 11): 
»Die zwölf Psalmen verteilen die Mönche so unter sich, dass, wena 
nur zwei Brüder da sind, jeder sechs, wenn drei, jeder vier, und 
wenn vier, jeder drei singt. VITeniger als drei singt keiner in der 
Versammlung vor, und wenn darum eine noch so grosse Menge 
versammelt ist, so übernehmen doch niemals mehr als vier Bruder 
das Amt eines Vorbeters beim heiligen Dienste, c 

Im grossen und ganzen scheint der Modus der Gebetsfeier, wie 
er von Cassian überliefert wird, auch von den Pachomianern ein- 
gehalten worden zu sein ^). Erstlich geht aus der hieronymianischen 
Pachomiusregel (art. 141, 142, 8, 13—18, 155) hervor, dass die 
Gebetsfeier aus Psalmen, Orationen und Schriftlesung bestand. In 
jeder Gebetsversammlung war eine bestimmte Anzahl von Mönchen 
mit dem Psalmengesang betraut. In der collecta maior versahen 
diesen Hebdoroadardienst abwechselnd die Mönche eines Hauses; in 
der collecta domus war die Zahl der Hebdomadare geringer. Der 
Psalmengesang selbst geschah in der Weise, dass ein Hebdomadar 
den Psalm, ein anderer hierauf das dazu gehörige Besponsorium 
recitierte (art. 14 — 16). Die Schriftlesung war jedoch nicht Sache 
der Hebdomadare, sondern dazu wurden die Mönche der Beihe nach 
herangezogen (art. 6, 13). 

In betreff der Psalmenzahl erhalten wir in der Pachomiusregel 
keinen Aufschluss. Der Wortlaut der epist. Ammon. c. 14 legt 
nahe, dass ursprünglich auch an den Werktagen in der abendlichen 
Gebetsversammlung zwölf Psalmen und Orationen gebetet wurden; 
an dieser Stelle wird zugleich in üebereinstimmung mit Cassian 
(1. c. II, 7) das bei den Orationen übliche Sichniederwerfen erwähnt. 
In späterer Zeit wurde jedoch die Zahl der Psalmen und Orationen 
bei der abendlichen collecta domus auf sechs herabgesetzt (art. 155); 



1) Was das Signal zam gemeioschaftlichen Gebet anlangt, so warden 
nach der Regula Pachomii (art. 3, 8) die Mönche darch Posaunenschall zasam- 
mengerufen. Die Verba xpoiieiv in der Vita C 39, P 17 und Kolh in der Vita 
M 81 , 89 sowie das Substantivurn näküs in der arabischen Vita (p. 681 , 637) 
lassen darauf schliessen, dass man Schallbretter oder Metaliplatten gebrauchte, 
um damit ein klopfendes Geräusch zu erzielen. Nach Cassian (De instit. coen. 
IV, 12) dagegen wurden die Mönche in Egypten durch Klopfen an die Zellen- 
thüren zum Gebete gerufen. 



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Das egypt. Mönchtum im 4. Jahrh, 203 

die Müdigkeit der Mönche infolge der körperlichen Arbeit des Tages 
scheint hierbei massgebend gewesen zu sein (art. 186). 

Es bliebe nur noch zu untersuchen, was von der auf das Gebet 
bezüglichen Satzung der sog. Engelsregel bei Palladius zu halten 
sei^). Da schon in manchem anderen Punkte die angebliche Engels- 
regel, wie früher gezeigt wurde, sich als unzuverlässig erwiesen hat 
und mit den authentischen Angaben der Pachomiusviten in Wider- 
spruch steht, so kann man natürlich auch dieser Satzung über das 
Gebet nur mit Misstrauen begegnen. Zunächst ist es klar, dass der 
Anfang der Engelsregel sich nicht auf das gemeinschaftliche Gebet 
bezieht; es heisst ja, dass die Mönche im Verlauf des Tages (dta 
iiao7]c T^c ^fiipag) zwölf Gebete zu verrichten hätten. Bezüglich 
der übrigen Bestimmungen meint Qrützmacher (a. a. 0. S. 123), 
dass dieselben das gemeinschaftliche Gebet zum Gegenstande hätten. 
Wäre dies wirklich der Fall, dann sind die Bestimmungen der 
Engelsregel in vielfacher Beziehung in Widerspruch mit den Angaben 
der Pachomiusviten, denengemäss die Pachomianer nur ein gemein- 
schaftliches Abend- und Morgengebet, in der Nacht dagegen nur 
Privatgebet hatten. Indes die arabische Vita (p. 368 f.), welche 
den Palladiustext allerdings in einer etwas alterierten Form enthält, 
bezeichnet alle Bestimmungen der Engelsregel als privates Gebet der 
Mönche; sie sagt>usdrücklich, »dass jeder Mönch (kullu vähidim min 



1) Hist. Laus. c. 38: 'ETÜTCtoae 5^ Sia 7ca<j7); t^? V^pa? Tcoielv autoü; eüx,«« 
du)Ssxa, xa\ ev Xuyvtxw owSexa, xat Iv xcui na.vw)(i<ji öwSexa, xa\ IvvaXTjv (Spav Tp^;. 
*'OxB 8s 8ox^ TO TCA^^o; ia^teiv, Ixä<jtü) Ta-jffxaTi xa^' lxa<JT7)V su/tjv ^aXu))V npodhtabai 
Ix^iTccoaev. Nach einer brieflichen Mitteilang des Benediktinerpaters Butler an den 
Verfasser ist in dem obigen Texte auf Grund der besten Handschriften Ix^oro) 
xa-jfH^aTi zu streichen; indes ergiebt auch dann der Schlusssatz keinen rechten Sinn. 
Denn es wird in dieser Regel kein bestimmtes Gebetspensum vor Tische verordnet, 
und doch heisst es: »Wenn die Menge zu Tisch gehen soll, so soll vor jedem 
Gebete ein Psalm gesungen werden«. Darum erklärt auch Tülemont, M^moires 

{>our serrir a Thistoire eccl. t. VII, p. 683 f.: Je n'entends point cette fin. Car 
e sens simple qui serait que lorsqu^on mangeait, chaque ordre devait chanter 
un psaume avant chaque priere; ce sens, dis-je, que Sozomene a suivi IIb. III. 
c 14» suppose que TAnge avait ordonne plusieurs priores pour le repas: et il 
n*en avait ordonn^ aucune. G'est peut-Stre ce qui a fait que Denys le Petit 
a omis toute cette fin et möme les trois priores de Nene, qui forment en effet 
nne difficulte particuliere , comme Mr. Valois Fa remarque. Je ne sais s*il ne 
faudrait point lire: ^ ote ^ööxei to tcX^So^ lo^ietv, xol xa^'exaonrjv z^yr\>4 xtX; ce qui 
ferait ce sens : Qu^a Theure de None ou a teile autre, que chaque famille aurait 
prise pour le repas , eile ferait trois prieres. Nach einer einzigen , allerdings 
iuten Handschrift (Paris gr. 1628) ist in dem obigen Texte hinter xpet^ statt 
des Punktes ein Komma zu setzen (xa\ ivvaTTjv wpav xpei?, 8x6 [Se] öoxet xxX). 
Diese Interpunktion macht den Text verständlich, doch ist damit noch nicht 
volle Klarheit erreicht, üeberhaupt ist das Kapitel über Pachomius in der 
Historia Lausiaca nach Butler für die Textkritik das schwierigste. Am ver- 
standlichsten erscheint der obige Text entweder unter Zugrundelegung der 
Konjektur Tillemonts oder in der Lesart der arabischen Vita (S. B68 f.). 



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204 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh, 

elachavati) zwölf Gebete im Verlauf des Tages verrichten solle ; und 
abends, wo sich alle zu Tische begeben, solle ein jeder von ihnen drei 
Gebete vor Tische und sechs vor dem Schlafengehen verrichten; die 
erste Hälfte der Nacht sollten sie schlafen und in der zweiten Hälfte 
wachen und beten.c Auffallend ist es jedenfalls, dass in der Engels- 
regel ein bestimmtes Pensum für das Privatgebet verordnet wird, 
während in der hieronymianischen Pachomiusregel nur das innerliche, 
betrachtende Gebet bei der Arbeit wie bei Tische, beim Verlassen 
der Zelle wie auf dem Bückwege in dieselbe zur Pflicht gemacht 
wird (art. 3, 28, 37, 59, 60, 87, 116, 122). 

F. Religiöa-ftittlicfie Ausbildung. 
Für die religiös - sittliche Ausbildung der Mönche war in den 
Pachomianischen Klöstern hinlänglich gesorgt. Wie sich aus den 
Pachomiusviten und der hieronymianischen Pachomiusregel ergibt, 
hatte der Vorsteher eines jeden Klosters wöchentlich drei Katechesen, 
eine am Samstag und zwei am Sonntag, zu halten, während jeder 
Praepositus domus die ihm unterstellten Mönche an den beiden 
wöchentlichen Fasttagen, d. i. am Mittwoch und Freitag, zu be- 
lehren hatte ^). Nach Ausweis der Viten scheint jedoch Pachomius 

1) C 19 : KaT7JX,^aei; 8k tpsl? tva 6 o?xovö{Jto; i^; [xov^; Tcotf) • xata (jiißßatov 
{jL{av, xoi TT] xuptax^ Süo xa\ ol otxtaxoV toc; 8üo v72TC8ia{. Jedenfalls ist hier von 
den Katechesen die Rede und vor xas B6o vrjdTsia; die Präposition xaxa zu er- 
gänzen. Der Vorsteher des Klosters sollte drei Katechesen, eine am Samstag 
nnd zwei am Sonntag, halten, während die Vorsteher der einzelnen Häuser an 
den beiden Fasttagen ihren Mönchen die Unterweisang za erteilen hatten. Ebenso 
lautet der Parallelbericht M 35 f.: »Er verordnete aach drei Katechesen in der 
Woche, die eine Samstags nnd zwei Sonntags, nnd die Hansvorsteher (hielten 
die Katechese) an den beiden Fasttagen«. Noch za Beginn des 5. Jahrhunderts 
bestanden die von Pachomius eingeführten Katechesen. Aus den Satzungen 20, 
156, 138 der Pachomiusregel ergibt sich nämlich, dass jeder Hansvorsteher zweimal 
in der Woche und zwar an den beiden Fasttagen in der collecta domus Katechesen 
zu halten hatte. In der Satzung 21 : 'Disputatio autem a praepositis domorum 
per singulas hebdomadas tertio fiet; et in ipsa disputatione sedentes sive 
stantes fratres suum ordinem non mutabunt, luzta domorum ordinem et ho- 
minum singulorum' ist dagegen die Rede von der Katechese, die dreimal in 
der Woche vor der Korona der Mönche des ganzen Klosters (collecta maior) 
stattfand; natürlich wurde dieselbe von dem Vorsteher des Klosters abge- 
halten; offenbar ist also in dieser Satzung statt a praepositis domorum zu 
lesen a principe monasterii. 

Die obige schwierige Stelle C 19 haben die Bollandisten (Acta SS. Mali 
t. III a. 803) übersetzt: Statutum fuit, ut monasterii oeconomus tribus per 
hebdomadam vicibus mysteria fidei ezponeret, sabbato semel ac bis in quavis 
dominica; necnon ut duo ieiunia observarent conturberniorum praefecti. Unter 
dem Eindruck dieser falschen Übersetzung hat Ladeuze (S. 300) die Be- 
hauptung aufgestellt, dass Pachomius bloss die Vorsteher der Häuser zur Faste 
am Mittwoch und Freitag angehalten hätte, eine Meinung, die schon deshalb 
unwahrscheinlich ist, weil diese beiden wöchentlichen Fasttage auch für die in 
der Welt lebenden Christen verbindlich waren. Was die arabische Vita an- 
langt, so enthält sie den Passus über die Katechese doppelt. Der erste Passus 
(S. 373): »Er verordnete drei Katechesen in der Woche, eine Samstags und 
zwei Sonntags; die Vorsteher der Häuser hatten Mittwochs und Freitags die 



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Das egypL Mönchtum im 4. Jahrh. 205 

selbst seine Mönche fast täglich unterwiesen za haben. Die eine 
Katechese schloss sich an das gemeinschaftliche Morgengebet ^) an, 
während die andere Unterweisung nach dem Abendbrot stattfand*). 

Was den Inhalt der Katechesen anlangt, so belehrte Pachomius 
in denselben die Mönche über das Gebet und die Meditation oder 
erklärte die hl. Schriften oder sprach über verschiedene Geheimnisse 
des Glaubens, wie über die Menschwerdung und das Leiden Christi 
und die Auferstehung der Toten. In der Kegel blieben die Mönche 
nach der Katechese noch beisammen und unterhielten sich über das 
Gehörte ^). Am Schluss der Katechese sprach Pachomius ein Segens- 
gebet, worauf die Mönche in ihren Zellen über die vernommene 
Unterweisung zu meditieren hatten^). 

Theodor, der schon als junger Mönch manchmal im Auftrage 
des Pachomius vor der Korona der Mönche Katechesen gehalten 
hatte (C 49), blieb als Generalabt dieser Tradition seines Meisters 
treu. Er hielt die Katechese stehend oder sitzend; nach derselben 
fand eine Art Diskussion statt , indem die Mönche ihn über Nicht- 
verstandenes interpellierten oder ihre Schwierigkeiten vorbrachten. 
Am Schluss der Katechese warfen sich die einen Mönche auf ihr 
Angesicht nieder, während die anderen beteten. Endlich entliess 
Theodor die Versammlung mit einem Segensspruch ^). Interessant 
ist auch das, was uns Ammon in seinem Briefe (c. 2—4) über eine 
Katechese berichtet, der er gleich nach seinem Eintritt ins Kloster 
Pheböou beiwohnte. Der Generalabt Theodor hielt dieselbe unter 
einem Palmenbaum ab. Zunächst fand eine Art Schuldkapitel statt, 
eine Übung, die wir in der Ordensregel des hl. Benedikt wiederfinden. 
Die Mönche erhoben sich einer nach dem anderen, klagten sich 
über ihre Fehler an und erhielten von Theodor eine 'angemessene 
Zurechtweisung. Hierauf sprach dieser über die Verfolgung der 



Unterweisang zu erteilen c ist aus der Vita M 35 geschöpft. Der zweite Passus 
(A' 376 »Er ordnete an, dass der Vorsteher des Klosters Samstags eine und Sonn- 
tags zwei Katechesen in der Gebetsversammlung halte; den Vorstehern der Häuser 
trug er auf, Mittwochs und Freitags nach der Anordnung der Apostel zu 
fasten c). der nach C 19 (vgl. Ladeuze S. 58 f.) gearbeitet ist, zeigt, dass auch 
der Araber die sehwierie;e griechische Vorlage gleich den Bollandisten miss- 
verstanden hat. Indes kam es dem Araber selbst etwas sonderbar vor, dass 
nur die Vorsteher der Häuser zu der Faste am Mittwoch und Freitag ver- 
pflichtet sein sollten; darum fügt er noch die Bemerkung hinzu: »Was die 
übrigen Mönche anlangt, so überliess er die Sache (das Fasten) ihrer freien 
Wahl,€ 

1) P 19, A' 618, Reg. Fach. art. 20. 

2) C 35, 45, 48, 49, 56. 79, M 41, 104, 171 ; A' 386, 663; ep. Ammon. c. 17. 

3) C 86-37, Reg. Fach. art. 20, 188. 

4) M 101, 172, 241, C 37. 

5) M 236—241. 



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206 Das egypL Mönchtum im 4, Jahrh, 

Kirche durch die Arianer und gab zum Schluss den Mönchen Be- 
scheid auf die an ihn gestellten Fragen. Da Theodor selbst nur 
koptisch sprechen konnte, so wurden seine Worte den nur des 
Griechischen mächtigen Brüdern durch einen gleichnamigen Mönch, 
der eine hohe Bildung besass und Lektor der Kirche von Alexandria 
gewesen war, verdolmetscht. 

Aus der hieronymianischen Pachomiusregel erfahren wir noch, 
dass die Mönche bei der Katechese des Abtes nach der Ordnung 
ihrer Häuser und ihres persönlichen Ranges Platz zu nehmen hatten 
(Reg. Fach. art. 21, M. 237). Sobald das Zeichen dazu gegeben 
wurde , hatten sie sich sofort einzufinden. Wer bei der Katechese 
ohne Grund fehlte, erhielt eine Strafe (Art. 23, 188). Wer während 
der Unterweisung einschlief, wurde sofort geweckt und musste so- 
lange stehen, als es der Obere für gut fand (Art. 22). Wenn der 
Vorsteher eines Hauses abwesend war, hatte der Vorsteher des be- 
nachbarten Hauses die eine von den beiden wöchentlichen Katechesen 
in dem Hause des abwesenden Vorstehers zu halten (Art. 115). 

Waren auch die Mönche täglich zur Handarbeit angehalten, 
so blieb ihnen doch Zeit zur Lektüre ; dieselbe erstreckte sich haupt- 
sächlich auf die heilige Schrift^). Der Vorsteher des Hauses versah 
die ihm unterstellten Mönche mit den notwendigen Büchern oder 
Rollen'). Abends mussten die Mönche die von ihnen benützten 
Schriften zusammenrollen und an einem bestimmten Orte des Hauses, 
d. i. an einem Fenster, niederlegen, worauf der zweite Vorsteher des 
Hauses die Bücher zählte und einschloss (Reg. Fach. art. 100). Am 
Ende der Woche mussten aber alle entlehnten Bücher dem Hebdo- 
madarius, der die Bibliothek unter sich hatte, abgeliefert werden, 
damit dieser seinem Nachfolger den ganzen Bücherbestand übergeben 
konnte (art. 25). Welcher Wert übrigens auf die Ausbildung der 
Mönche in den Fachomianischen Klöstern gelegt wurde, ergibt sich 
daraus, dass jeder das Lesen erlernen musste. Die Analphabeten 
mussten sich in der ersten, dritten und sechsten Stunde des Tages 
zum Unterrichte bei dem damit betrauten Mönche einstellen (Art. 139; 
s. oben S. 190). 

ö. Arbeit 

Die Mönche führten in den Fachomianischen Klöstern kein 
Faulenzerleben. Nur zwei gemeinschaftliche Gebetsübungen waren vor- 
geschrieben ; die übrige Zeit des Tages gehörte der Arbeit, wie dies 



1) Vgl. Art. 49. 139, 140. 

2) C 38. 



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Das egypL Mönchtum im 4, Jahrh. 207 

aus unzähligen Stellen der Pachomiusviten ersichtlich ist. Die Arbeit 
begann gleich nach dem gemeinschaftlichen Morgengebet ^) und 
dauerte, abgesehen von der Zeit des Mittagsmahles, bis zur abend- 
lichen Oebetsfeier >). Hierauf nahmen die Mönche das Abendbrot 
ein, hörten die Katechese an und zogen sich in ihre Zellen zurück. 
Manche von ihnen gönnten sich aber nach den Anstrengungen des 
Tages keine völlige Ruhe, sondern arbeiteten auch während der 
Nacht und räumten nur in Zwischenpausen, und zwar in sitzender 
Stellung, dem Schlafe sein Recht ein '). 

Zur Erzeugung der Lebensbedürfnisse waren allerlei Arbeiten und 
Handwerke nötig. In der ersten Zeit, wo die Gemeinschaft noch winzig 
war, beschäftigten sich die Mönche allerdings vorwiegend mit der An- 
fertigung von Matten und Körben ^). Es wurden Gärten angelegt und 
Ton einzelnen Mönchen mit Sorgfalt gepflegt (S. oben S. 178). 
Auch ausserhalb des Klosters finden wir Abteilungen von Mönchen, 
bald beim Sammeln von Schilfrohr aus dem Nilflusse (0 33, M 67, 
92, P 9, Ep. Anm. 11), bald beim Holzfällen im nahen Gebirge 
(C 45, Ep. Amm. 14, 19), bald beim Graben von Brunnen (C 44, 
M 91), bald bei der Kräuterlese (Ep. Amm. 16, Reg. Pach. art. 77 f.). 
Als die Gemeinschaft grösser geworden war, wurde der Ackerbau 
gepflegt*), und in jedem Kloster wurden für allerlei häusliche Be- 
dürfnisse Werkstätten eingerichtet«). Bei allen diesen Arbeiten 
herrschte Zucht und Ordnung; so waren die Mönche je nach ihrer 
Beschäftigung in besonderen Häusern des Klosters untergebracht; 
selbst der Gang der Mönche zur Arbeitsstätte sowie die Rückkehr 
ins Kloster musste ordnungsmässig vor sich gehen 7). Die Mönche, 
welche nach einem wöchentlichen Turnus für die Verteilung der 
Arbeitsstofife und Geräte zu sorgen hatten und bei der Arbeit die 
Aufsicht führten, hiessen Hebdomadarii. Sowohl von diesen wie 
auch von den übrigen Mönchen fordert die Pachomiusregel Gewissen- 
haftigkeit und Treue bis ins Kleinste. Ein Beweis dafür sind die 
minutiösen Vorschriften, die sich auf die Aufbewahrung und den 
Gebrauch der Ärbeitsutensilien beziehen®). 



1) Reg.. Pach. art. 5, 25. 

2) C 45, Epp. Amm. c. 14. 

Q\ p og Ar 631 

4) C 55,* 67. P 15, 29, 85 f., M 50, 102. Reg. Pach. art. 5, 12, 26. 

5) C 50, 68, 81, Reg. Pach. art. 58-66. 

6) Siehe oben S. 177 f. 

7) Reg. Pach. art. 58, 65, 68, 130. 

8) Art. 66, 25, 26, 27, 125. 181, 146, 147, 152, vgl. auch C 55, A' 441. 



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208 Das egypL Mönchtum im 4. Jahrh. 

Bei alledem waren die Klöster keine Fabriken oder Werk- 
stätten. Die Arbeit wurde nicht bloss verrichtet, um damit den 
Bedarf des Lebens zu decken , sondern war eine Art Gottesdienst* 
Deshalb war eitles Geschwätz und Gelächter bei der Arbeit ver- 
pönt; vielmehr sollten die MOnche bei ihrer Beschäftigung beten, 
meditieren oder Psalmen singen und, falls es notwendig war, sich 
nur durch Zeichen oder Winke gegenseitig verständlich machen^). 
Dieses Stillschweigen bei der Arbeit finden wir bei allen späteren 
monastischen Instituten als unverbrüchliches Gesetz wieder. 

Noch in einer anderen Beziehung sollte die Arbeit eine Tugend- 
schule sein; die Mönche sollten nicht ans Neigung, Ehrgeiz oder 
Gewinnsucht, sondern aus Gehorsam ihr Tagewerk verrichten. Als 
ein Mönch eines Tages zwei statt der einen aufgegebenen Matte 
geflochten hatte und dieselben am Fenster der Zelle zur Schau 
stellte, erklärte ihm Pachomins, alle seine Mühe und Arbeit sei ver- 
loren und für den Teufel verrichtet, legte ihm eine schwere Busse 
auf und forderte die Brüder auf, für den zu beten, der auf zwei 
schlechte Matten mehr als auf den Himmel gehalten habe. Ein 
anderes Mal bemerkte Pachomius in einem Kloster, dass die für die 
Küche bestimmten Mönche ihr Amt vernachlässigten und dafür sich 
einer Beschäftigung hingaben, die nach ihrer Meinung dem Kloster 
mehr Nutzen brachte; er Hess sofort die fünfhundert von ihnen an- 
gefertigten Matten verbrennen zum Zeichen, dass nicht das Utilitäts- 
princip, sondern der Gehorsam für die Mönche massgebend sein 
solle«). 

Dem Gehorsam auf Seiten der Untergebenen entsprach auf 
selten der Vorgesetzten Liebe und Masshaltung. Die Mönche wur- 
den nicht als Knechte und Arbeiter des Klosters, sondern als Bruder 
betrachtet. Darum beteiligte sich Pachomius selbst bei den be- 
schwerlichsten Arbeiten'); auch die übrigen Vorgesetzten des 
Klosters sollten hierin mit gutem Beispiel vorangehen ; ihre Arbeits- 
leistung sollte vorbildlich sein für das den Untergebenen aufzuer- 
legende Pensum^). Eine Überladung der Mönche mit Arbeit war 
verpönt^). Eine Bücksichtnahme auf die menschliche Schwäche be- 



1) Reg. Fach. art. 59, 60, 68, C 57, M 109, M 114, Ar 447, dazu noch 
C 43, M 90, A' 505, Art. 116. 

2) S. oben S. 187; vgl. auch P 15 f., A' 609 - P. 84, A' 635 f. 

3) C 33, 45, M 67, 92. 

4) Reg. Fach. art. 177: 'Viffinti qainqae orgyas praepositus dornns ac 
secandas debebant de palmartim foliis tezere, at ad ezemplam eoram operentnr 
et caeteri.' 

5) Art. 179. 



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Das egypU Möntkium im 4. JahrK 209 

weist auch die Verordnung, dass Mönche, die an heissen Tagen bei 
der Arbeit ausserhalb des Klosters zu müde geworden waren, nach 
ihrer Heimkehr nicht zum gemeinschaftlichen Abendgebet gezwungen 
werden sollten (Art. 189). 

Den Verkauf der .Erzeugnisse der Klöster besorgte ^ wie oben 
(S. oben S. 179) gezeigt worden ist, der Ober?erwalter des Haupt- 
klosters Pheböou mit einigen ihm unterstellten Mönchen, und zwar 
teils in den Nachbarortschaften (P 21—23, A' 621—623), teils in 
Alexandria (C 73, A' 510, 642). Schon zu Lebzeiten des Pachoroius besass 
der Klosteryerband für diese Geschäftsreisen zwei SchiSe (G 73, A' 642, 
vgl. auch M 245, Reg. Pach. art. 118 und 119). Bei alledem hatte 
es Pachomius bei Gründung seiner Klöster nicht aufs Schätzesam- 
meln abgesehen. Als einmal ein Mönch Sandalen zu einem verhält- 
nismässig hohen Preise verkaufte und seine Handlungsweise damit 
entschuldigte, dass er sonst für einen Dieb angesehen worden wäre, 
Hess Pachomius diese Entschuldigung nicht gelten ; der Mönch musste 
den Überschuss zurückerstatten und wurde seines Amtes enthoben 
(P 23, A' 623). Als ein anderer Mönch zur Zeit einer Haogersnot 
von dem befreundeten Obersten der Stadt Hermouthis Getreide zu 
einem billigeren Preise erstand, massregelte Pachomius denselben und 
bestand darauf, dass der tagesübliche Preis bezahlt wurde (P 22, 
A' 620). Dieser Gesinnung entsprach auch der Grundsatz des Pa- 
chomius, dass überflüssige Elostervorräte unter die Armen verteilt 
wurden. Auch zur Zeit der Hungersnot, wo die Armut sich auch 
im Kloster fühlbar machte, Hess Pachomius die Fürsorge für die 
Armen nicht ausser Acht (C 9, M 9, 27). 

H. Speist" und Faatenvoraehriften. 

Die Historia Lausiaca enthält drei ascetische Speisevorschriften. 
An der Spitze der sog. Engelsregel heisst es (Hist. Laus. c. 38): 
»Lass jeden nach Bedarf essen und trinken und nach Verhältnis des 
Essens arbeiten und hindere sie weder am Fasten noch am Essen. 
Demnach gib den Starken schwere Arbeit; denen aber, die 
schwächer sind und strenger leben, gib leichtere Beschäftigung.c 
Gegen Ende derselben Engelsregel: »Bei Tisch sollen sie ihr Haupt 
mit der Kapuze verhüllen, damit keiner den anderen kauen sehe; 
auch darf niemand beim Essen reden noch über den Tisch oder 
seine Schüssel hinausschauenc. Im 39. Kapitel der Historia Lausiaca 
findet sich noch folgende Tischsatzung: »Die minder Starken kom- 
men zur siebenten Stunde nnd essen, da sie schwächlicher sind; 
andere essen zur neunten oder zehnten Stunde oder am Abende . . . 

Schiwiets, Mönohtum. 14 



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210 Das egypt. MOnchtum im 4. Jahrh. 

Der erste Text besagt nur, dass es dem individuellen Ermessen 
der Mönche anheimgestellt war, in welchem Masse sie Enthaltsam- 
keit in Speise und Trank üben wollten. Der zweite Text, der sich 
inhaltlich mit dem Berichte Gassians (De instit. coenob. IV, 17) 
nnd der hieronymianischen Pachomiusregel (art. 29; vgl. auch art. 8, 
86, 37, 90) deckt, setzt voraas, dass bei den Pachomianern ge- 
meinschaftliche Mahlzeiten üblich waren. Unter Berücksichtignng 
dieser Thatsache ist der dritte Text wohl dahin zu verstehen, dass in 
den Pachomianischen Klöstern zwei gemeinschaftliche Mahlzeiten, 
die eine um die siebente Stande oder nach der Mitte des Tages, die 
zweite am die neunte oder zehnte Stunde oder abends, abgehalten 
wurden, und dass das Fernbleiben von der ersten Mahlzeit aus asceti- 
schen Gründen gestattet war. Bei solcher Interpretation liesse sich 
der Inhalt dieses Palladiustextes mit den Angaben der Pachomius- 
viten vereinigen. Es ist nämlich, wie noch im selben § gezeigt wer- 
den wird, sehr wahrscheinlich, dass die zweite Mahlzeit je nach der 
Jahreszeit zu einer verschiedenen Stunde stattfand, und dass an den 
beiden Fasttagen der Woche, an denen das Mittagsmahl wegfiel, 
das Abendessen schon sehr zeitig, etwa nach der neunten Stunde, 
üblich war. 

Diese Deutung des Palladiustextes wird allerdings in Frage 
gestellt durch die arabische Pachomiusvita , welche diesen Text 
folgendermassen paraphrasiert (S. 377): »Jeder Bruder ging zu 
Tisch, wann er wollte, und nahm seine Portion; aber nur einmal 
am Tage; einige unter ihnen assen um die sechste, andere um die 
siebente, andere um die achte, andere um die neunte, andere um 
die zehnte, andere um die elfte Stande, andere am Abend, wenn die 
Sterne am Himmel sichtbar wurdenc Demnach hätten die Pa- 
chomianer keine gemeinschaftliche Mahlzeiten gehabt, sondern ein- 
zeln zu verschiedenen Zeiten je nach Bedarf gespeist. Allein die 
arabische Version desavouiert sich selbst, indem sie, abgesehen 
von diesem aus Palladius geschöpften Text, an verschiedenen 
Stellen*) in Übereinstimmung mit den übrigen griechisch-kopti- 
schen Viten*) von zwei gemeinschaftlichen Mahlzeiten zu Mittag 
und am Abend berichtet. In den drei Parallelberichten C 43, M 89, 
A' 420 wird erzählt, dass Pachomius keine Sonderlichkeiten unter 
seinen Mönchen duldete; als er daher einmal wahrnahm, dass ein 
Mönch aus eitler Selbstgefälligkeit nur abends mit den Brüdern zu 



1) Ar 420, 524. 

2) C 43, M 89; vgl. auch Prolog, ad Beg. Fach. n. 5; C 49, M99, P 17. 



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Das egypt Mönchium im 4. Jahrh, 211 

Tisch zu gehen pflegte, gab er ihm einen Verweis und befahl ihm, 
sich auch zur Mittagszeit zur gemeinschaftlichen Tafel zu begeben 
und mit den Brüdern Brot nebst der dazu gehörigen Zukost zu ge- 
messen ; da er eine starke Constitution habe , so brauche er sich ja 
nicht völlig zu sättigen. Hieraus ergibt sich, dass es zwei gemein- 
schaftliche Mahlzeiten gab; zu Mittag wurde nur wenig gegessen, 
während bei der Abendmahlzeit, die reichlicher war, völlige Sättigung 
gestattet war. Die Zeit des Abendessens wird in den Viten nur all- 
gemein durch ö<|/^ (arab. fiwakti'lmasäi) angegeben. Indes wird ein- 
mal (P 17, A"^ 613) berichtet, dass die Mönche schon um die zehnte 
Stunde zu Tisch gingen ; solches geschah jedenfalls nur an den Mitt- 
wochen und Freitagen, den beiden Fasttagen der Woche, wo die 
Mönche, gleich den übrigen Christen des 4. Jahrhunderts^), das 
sog. semiieiunium beobachteten und nur eine einzige Mahlzeit hielten. 
Diese aus den Viten geschöpften Notizen über die Mahlzeiten in den 
Pachomianischen Klöstern stimmen auch mit den Speise Vorschriften 
der hieronymianischen Pachomiusregel überein ^). 

Die Nahrung der Mönche war Brot, Käse, Gemüse, ein Brei 
aus Getreide oder Linsen, Oliven, Feigen und Datteln*). Nach dem 
Zeugnis des Pachomius war es unter den damaligen Asceten üblich, 
Samstags und Sonntags gekochtes Gemüse zu geniessen ; er selbst 
verlangt, dass solches öfters serviert wurde; dies sei notwendig 
wegen der jüngeren und schwächeren Brüder, die einer besseren 
Nahrung bedurften; die übrigen hätten auf diese Weise auch Ge- 
legenheit, sich durch Verzicht auf gekochte Speisen in der Enthalt- 
samkeit zu üben. In der Tat assen viele Mönche nur rohe Kräuter, 
die mit öl und Essig angemacht wurden*). 

Den schwerkranken Mönchen liess Pachomius in einem be- 
sonderen Krankenhause die liebevollste Pflege angedeihen; sie durften 
Wein, Fleisch und ein liquamen ex piscibus geniessen »). Ein Kranken- 



1) S. unten S. 212 f. 

2) Prolog, in Reg. Pach. nam. 5: Aegrotantes ministrorum sastentantur 
obseqaiis et ad omnem copiam praeparatis cibis. Sani maiore pollent absti- 
nentia. Bis in hebdomada, qaarta et sexta Sabbati ab omnibas ieianatar, 
«zeepto tempore Paschae et Pentecostes. Aliis diebus comedant, qai volant 
post meridiem : et in coena similiter mensa ponitur propter laborantes, senes et 
pneros aestasque grayissimos. Sunt qui secundo param comedant; alü qm 
prandii sive coenae nno tantum cibo contenti sunt. NonnulU gustato pauluium 
pane egrediaotar. Omnes pariter comedant. Qai ad mensam ire noluerit, in 
•cellala saa panem tantam et aqnam ac salem accipit , sive in uno die yolaerit, 
mIyq post bidaam. Vgl. aach art. 90, 102, 112. 

8) C 34, 85, 43, P 15-16, 29, M 79, 117, 133, A' 877, 396, 458, 536, 
552, 630. 

4) P 15, 16, Ar 609-611. 

5) C 34, 50, P. 29, A' 377, 630, Reg. Pach. art. 40—46, 52, 54. 

14* 



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212 Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh, 

Wärter, der einem leidenden Mitbruder ein Fleischgericht verweigerte^ 
erhielt von Pachomins einen strengen Verweis, weil er die Satzungen 
des Klosters über das Qebot der Nächstenliebe stellte (C 34, M 69). 

Die Sitte der Tischlektüre bestand bei den Pachomianern nicht ; 
doch wurde während der Mahlzeit ein strenges Stillschweigen be- 
obachtet. Wenn eine Speise auf- oder abgetragen werden sollte^ 
machte der Vorsteher darauf durch ein Zeichen aufmerksam (Reg. 
Pach. art. 30, 31, 33, 34; Cassian, De instit. coen. IV, 17). Damit 
niemand sehen konnte, wie und wie viel der Nachbar ass, musste 
jeder Mönch bei Tische sein Haupt mit der Kapuze verhüllen 
(Art. 29, 30). 

Unter den tragematia (TpayT^fiaxa) , die den Brüdern beim 
Hinausgehen aus dem Speisesaal in Portionen für drei Tage gereicht 
und in der Zelle verzehrt wurden, sind wohl Nüsse oder ähnliches 
-als Nachtisch geeignetes Knabberwerk zu verstehen (Art. 37, 38). 
Sonst durften keine essbaren Gegenstände in der Zelle aufbewahrt 
werden (art. 79, 114; C 61, M 103). Überhaupt war es nicht ge- 
stattet, ausserhalb der Mahlzeit etwas zu geniessen; nur die Mönche, 
die beim Obstpflücken beschäftigt waren, erhielten einige Früchte 
während der Arbeit von ihren Vorgesetzten (art. 78). 

Die Paste am Mittwoch und Freitag^) erscheint schon in der 
Doctrina Apost. (c. 8) als förmliche Verordnung. Diese Faste dauerte 
nach Tertullian (De ieiunio c. 13) und nach Epiphanius (Expos, fid. 
c. 22) bis zur neunten Stunde, d. h. bis zur Mitte des Nachmittags, 
und unterblieb in der Pestzeit zwischen Ostern und Pfingsten (Ter- 
tull. de coron. c. 3; Epiphanius, Expos, fid. c. 22). Es ist darum 
nicht zu verwundern, wenn es in der hieronymianischen Regula 
Pachomii (prolog. n. 5) heisst: 'Bis in hebdomada, quarta et sexta 
Sabbati ab omnibus ieiunatur, excepto tempore Paschae et Pentecostes' 
(Vgl. auch art. 115, 138). Die Verordnung, die sich in den Viten 
(C 19, M 36, A' 373, 376) über die im Laufe der Woche abzu- 
haltenden Katechesen findet, setzt gleichfalls die Beobachtung dieser 
beiden Fasttage bei den Pachomianern voraus, und vielleicht sind 
die zwei Parallelberichte (P 17, A' 612 f.) ein Beleg dafür, dass die 



1) Den apost. Konstitationen (V, 15) infolge hatten diese beiden Fast- 
tage als Motiv den Verrat and den Tod Cfhristi. Da Hippolyt (im 4. Bache 
des Danielkommentars) den Gebartstag Christi aaf den Mittwoch ansetzt, so 
hält es Qrülzmacher (Die Bedeatnng Benedikts von Narsia and seiner Be- 

fel n. s. w., Berlin 1892, S. 24) für wahrscheinlich , dass der Mittwocbsfaste 
ieser Gedenktag za Grande liege; diese Annahme beraht indes aaf einer 
Verkennang der Idee des Fastens. 



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Das egypU Mönchtum im 4. Jahrh, 213 

Mönche, gleich den übrigen Christen der damaligen Zeit ^), schon nach 
der Mitte des Nachmittags dieses Fasten aufhoben. 

Aus den Festbriefen des hl. Athanasius geht hervor, dass im 
Patriarchat von Alexandrien von allen Christen eine vierzigtägige 
Faste vor Ostern beobachtet wurde. Der Bischof Ammon, der dem 
Patriarchen Theophilus von Alexandria über seine Erlebnisse in dem 
Pachomianischen Kloster Pheböou Bericht erstattete, erwähnt dieses 
Quadrageslmalfasten >). Aus derselben Stelle^ ergibt sich, dass die 
Mönche in dieser Zeit nur abends Speise zu sich nahmen. Der 
Generalabt Theodor empfiehlt nämlich in einer Katechese, die er 
am Dienstag der Karwoche in Plieböou vor dem gesamten Mönchs- 
verbände hielt, jeden Abend, mit Ausnahme des Freitags (d. i. des 
Karfreitags), zu Tische zu gehen und warnt mit Rücksicht auf die 
menschliche Schwäche die Faste auf zwei Tage auszudehnen. 

Indes verwehrte Pachomius seinen Mönchen durchaus nicht, auch 
ausser diesen offiziellen Fastenzeiten privatim Enthaltsamkeit zu üben, 
sondern respektierte es, wenn ein Mönch sich durch ein Qelübde eine 
grössere Strenge auferlegte >). So pflegte der Gärtner Jonas (P 29, 
A' 630) nur an der Abendmahlzeit teilzunehmen und sich dabei 
noch aller gekochten Speisen zu enthalten. Wenn ein Mönch grössere 
Enthaltsamkeit üben und darum von der gemeinschaftlichen Mahl- 
zeit fern bleiben wollte, so erhielt er von dem Praepositus seines 
Hauses Brot, Salz und Wasser in seine Zelle (Prolog, in Beg. Pach. 
num. 5, art. 80). Es wird ausserdem (Prolog, in Reg. Pachomii 
n. 5, Eist. Laus. c. 39) erwähnt, dass manche Mönche das Fasten 
nicht an einem Tage abschlössen, sondern auf zwei und mehrere 
Tage ausdehnten. Doch verbot Pachomius seinem Schüler Theodor 
länger als zwei Tage zu fasten; man müsse es, erklärte er, ver- 
meiden, sich durch übermässiges Fasten zur Erfüllung der Berufs- 
pflichten untauglich zu machen (M 52, A' 394 f.). 

Endlich ist zu bemerken, dass sich die Mönche an den Fast- 
tagen, abgesehen von der einmaligen Mahlzeit, auch den Genuss des 
Wassers versagten (Hier. Reg. Pach. art. 87). 

/. Schlaf' Vorschriften. 

In der sog. Engelsregel lautet die auf den Schlaf bezügliche 
Satzung folgendermassen : »Schlafen sollen die Mönche nicht liegend. 



1) Vgl. Linsenmayr, Eatwicklang der kirchlichen Fastendisciplin, 
München 1877, S. 71 f. 

2) Ep. Amm. c 18; vgl. auch M 121, A' 461. 

3) C 19, M 35, C 53, A' 586. 



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214 Das egypL Mönchtum im 4. Jahrh. 

sondern aaf selbstgemachten Sitzen mit Rücklehnen ; und nachdem 
sie daselbst ihre Decken ausgebreitet, sollen sie sitzend schlafen . . » 
Joder von ihnen soll ein Schaffell (melote) tragen ; ohne dieses sollen 
sie weder essen noch schlafenc. 

Diese angebliche Regel entspricht in vielfacher Beziehung nicht 
den thatsächlichen Verhältnissen, wie dies aus den authentischen 
Angaben der Pachomiusviten ersichtlich ist. Nach dem Bericht 
von C 9 und A'^ 482—484 schlief Pachomius fünfzehn Jahre lang 
in sitzender Stellung auf der Erde, und zwar in der Mitte der 
Zelle, sodass er sich nicht an die Wand anlehnen konnte. Viele 
Mönche versuchten sich in derselben Ascese; doch machten sie sich 
später Sitzbänke zum Schlafen. Auch Pachomius pflegte in den 
späteren Lebensjahren an die Wand gelehnt auf einer Sitzbank za 
ruhen; das Gleiche wird von dem Gärtner Jonas berichtet (A' 631), 
und an einer Stelle (A' 605) heisst es, dass die bedeutendsten 
Schüler des Pachomius entweder auf blosser Erde oder auf Matten 
schliefen, und dass der strenge Ascet Bontonis sogar in seiner Krank- 
heit das Bett verschmähte. 

Die Mönche schliefen nur im Untergewande; das Tragen des 
Schaffelles während der Nachtruhe verstiess gegen die Regel, wie aus 
A' 366 hervorgeht. (Vgl. auch Ammonis ep. c. 9, Hier. Reg. Pach. 
art. 88.) 

Jeder Mönch schlief in seiner Zelle (Ep. Amm. c. 16), deren 
Thür offen blieb, damit der Vorsteher auch zu dieser Zeit die Mönche 
revidieren konnte (M 130, A' 366). Auf Reisen schliefen sie ge- 
meinsam, desgleichen daheim, während der heissen Nächte in ge- 
meinsamen kühleren Räumen; doch musste dabei jeder Mönch eine 
besondere Lagerstätte haben. Auch durfte zur Zeit der Nachtruhe 
nicht gesprochen werden; wer wach wurde, musste im stillen beten 
(Hier. Reg. Pach. art. 107, 87, 94; A' 866). 

Durch diese Vorschriften sollte der ernste Sinn unter den 
Mönchen gefördert und jegliche Sinnlichkeit und Bequemlichkeit 
von ihnen fern gehalten werden. 

K. Ritus des .Begräbnisses. 

Wenn ein Mönch starb*), wurde bei seiner Leiche von den 
Mitbrüdern die Totenwache unter Lesung der hl. Schrift und Ge- 
bet gehalten. Am folgenden Tage wurde der Leichnam in Leinen- 
tücher gehüllt und im Gebirge*) beerdigt. Der auf dem Gange 



1) C 75, 95, A' 605, 649, 652, 703. 

2) -' ■ -■ '- ~ 



2) Die darauf bezügliche Satzung der zweiten äthiopischen Begel lautet : 
»Keiner werde von Seiten der Brüder verlassen, zur Zeit wann ein Bruder stirbt» 



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Das egypU MOnchtum im 4. Jahrh. 215 



4 



nach der Begräbnisstätte übliche Psalmengesang war in ähnlicher 
Weise, wie der bei den gemeinschaftlichen Gebetsversammlungen, 
geregelt. Nur die vom Abte des Klosters dispensierten Mönche 
durften bei dem Leichenbegängnis fehlen (Reg. Fach. art. 27, 28). 
Wer kränklich war, aber an diesem Akte der Pietät gegen den Ver- 
storbenen teilnehmen wollte, erhielt einen Mitbruder als Begleiter^ 
der ihm auf diesem Gange behilflich sein musste (Art. 129). Dass 
für den verstorbenen Mönch auch das eucharistische Opfer darge- 
bracht wurde, ergibt sich aus C 65 und M 151. 

L. Kleiderordnung, 

Nach der sog. Engelsregel soll bei den Pachomianern schon 
seit der Gründung des ersten Klosters folgende Kleiderordmmg be- 
standen haben: »Während der Nacht sollen die Mönche leinene 
Unterkleider tragen und gegürtet sein. Jeder von ihnen soll eine 
aus Ziegenfell gearbeitete ([itjXcdt'Jiv aiYSiav etpyaofxeviQV Xsüxiqv) 
Melote tragen; ohne diese sollen sie weder essen noch schlafen. 
Gehen sie aber zur hl. Kommunion, am Samstage und Sonntage, so 
sollen sie den Gürtel um die Melote ablegen und blos mit der 
Kukulla hinzutreten. Er verordnete ihnen aber KukuUen ohne 
Zotten, wie sie die Knaben tragen, und Hess an denselben ein pur- 
purfarbiges Kreuz anbringen«. 

In den Pachomiusviten werden jedoch nur zwei Kleidungs- 
stücke, das üntergewand (XeüTxcbv) und der Mantel (fn^XoDTi^), er- 
wähnt. In der Vita C 9 wird berichtet , dass Pachomius nur zwei 
üntergewänder besass, sodass er wenigstens wechseln konnte, um 
das gebrauchte Kleidungsstück waschen zu können. Dass er der 
Landessitte gemäss ausser dem üntergewand noch einen mantel- 
artigen Überwurf trug, bezeugt die arabische Vita (p. 396); doch 
wird an dieser Stelle bemerkt, dass er sich dieses Überwurfes nur 
an kalten Abenden bediente; am Tage benutzte er ihn nur dann, 
wenn er zum Empfang eines Priesters oder eines Mönches aus seiner 
Zelle hinausging. Häufig trug er auch unter dem ünterkleide ein 
härenes Busshemd i). Der Gärtner Jonas, sein Schüler, trug ge- 
wöhnlich ein aus drei Schaffellen zusammengenähtes Kleid und an 
Kommuniontagen einen Lebiton aus grobem Wollstoff (P 29, A' 630). 



damit sie ihn bis zum Berge geleiten €. Dass hierin nicht der Berg Nitria, wie 
König (Stadien und Kritiken 1878 S. 830 Anm. 1) behauptet, sondern das in 
der Nfihe des Klosters gelegene Gebirge gemeint ist, ist wohl selbstver- 
ständlich. 



1) C 69; das Gleiche wird von Theodor berichtet (C 93). 



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216 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh, 

Nach der Angabe der Doctrina s. Orsiesii (nain. 22) and der 
hieroDymianischen Pachomiusregel (Prolog, num. 4, art. 81) wareu 
folgende Kleidungsstücke yorgeschrieben : auf dem blossen Leibe 
hatten die Mönche ein leinenes üntergewand (leviton), das nach 
Hieronyraus ohne Ärmel war, nach Gassian (De instit. coen. I, 5) 
aber mit ganz kurzen Ärmeln versehen war, und einen leinenen 
Gürtel (zona, zona linea, balteolus lineus) um die Lenden. Über 
dem Unterkleide trugen sie ein Schaf- oder Ziegenfell (pellicula quae 
pendet ex latere, pellicula quam meloten vocant), das den Bücken 
und die Schultern bedeckte. Eine ganz kleine bis zum Nacken 
reichende Kapuze (cucullus) diente als Kopfbedeckung (vgl. Cassian 
1. c. I, 4), an der das Zeichen des Klosters und des Hauses, dem 
der Mönch angehörte, angebracht war^). Diese Kopfhülle trugen 
die Mönche bei Tische, um ungesehen Enthaltsamkeit üben zu 
können, desgleichen beim Gottesdienste, um ungestörter die Andacht 
pflegen zu können ^). Ausser dem aus Schaffellen gearbeiteten Mantel 
oder der Melote hatten die Mönche noch ein leinenes Obergewand 
(palliolum lineum, amictus lineus), das jedoch nur selten, wie im 
Krankheitsfalle, benutzt wurde (Art. 42, 61, 101, 105, 128). 

Gewöhnlich gingen die Mönche barfuss; nur wenn Krankheit, 
die Winterkälte am Morgen oder die Sommerhitze zu Mittag es 
notwendig machte, bekleideten sie ihre Füsse mit Sandalen. Auf 
Reisen hatten sie einen Stab (Art. 82, 95, 66, 101, 81; Cassian 
1. c. I, 9, 10). 

Was den Kleider Vorrat anlangt, so durfte jeder Mönch zwei 
Kapuzen sowie drei Unterkleider, darunter ein abgenutztes für die 
Nachtruhe und die Arbeit, in seiner Zelle haben; die übrigen 
Kleidungsstücke, die er zeitweilig entbehren konnte, wurden von 
dem zweiten Vorsteher des Hauses in einem besonderen Kleider- 
zimmer verwahrt. Jeder Mönch musste seine Kleider selbst waschen 
und trocknen (Art. 81 ; 67—72, 102, C 38). Die Anfertigung der- 
selben aber wurde in den Frauenklöstern besorgt (C 86). 

Wenn wir die Tracht der egyptischen Mönche bei Cassian mit 
jener der Pachomianer vergleichen , so bestand darin kein nennens- 
werter Unterschied. Überhaupt unterschied sich die Kleidung der 
Mönche von der der Weltleute weniger im Schnitt als durch die 
Einfachheit des Stoffes. Es ist darum nicht angebracht, in der 
Kleidung der Pachomianer eine Nachahmung der heidnischen 



1) Reg. Fach. art. 99: 'Caculli singalonim habebnnt monasterii signa et 
domus.' 

2) Cassian. 1. c. IV, 17, Reg. Fach. art. 29- 

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Das egypt Mönchtum im 4, Jahrh, -217 

Priester Egyptens zu wittern. Am^lineau, der auch diese Mut- 
inassang ausspricht^), findet nur, dass nur der lebiton ohne Ärmel 
beiden eigentümlich ist, ein Umstand, der doch keine hinreichende 
Handhabe für solche weitgehende Conklusionen bietet. Die Kleidung 
der Mönche diente nur zur Bedeckung des Leibes und zum Schutze 
gegen die Kälte ; die Grobheit des Stoffes sollte aber jede Weich- 
lichkeit verhüten. Die Kapaze war notwendig gegen die sengende 
Sonnenhitze. Die Melote diente als Überwurf, aber auch als Sack 
(Reg. Fach. art. 38). Von Revillout*) ist den Mönchen auf Grund 
der ältesten Mönchsregeln zum Vorwurf gemacht worden, dass sie 
auf die Reinigung der Kleider zu grosse Stücke hielten; das sei 
gegen die Armut; allein Armut und ünsauberkeit sind doch keine 
identischen Begriffe. Übrigens ist es einleuchtend, dass das leinene 
Zeug und die Schaf- oder Ziegenfelle das billigste und einfachste 
Material zur Bekleidung eines Orientalen gewesen sind. 

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Landessitte oder viel- 
mehr das Utilitätsprinzip bei den Mönchen in der Wahl der Ge- 
wandstücke massgebend war. Nichtsdestoweniger haben in der Folge- 
zeit ascetische Schriftsteller den einzelnen Kleidungsstücken eine my- 
stische Bedeutung beigelegt und dies in eigenen Schriften behufs 
ascetischer Unterweisung erörtert*). 

M. Verhältnis der Mönche zur Aussenwelt, 

Schon früher (S. oben S. 167 f.) ist erwähnt worden, dass 
Pachomius seine Regeln nicht auf einmal verfasst hat. Manche Regeln 
wurden modificiert, als der Klosterverband grössere Dimensionen an- 
nahm oder andere Gründe eine Änderung notwendig machten. Eine 
solche Änderung erfuhr die ursprüngliche Praxis bezüglich der Besuche 
der Anverwandten. AnßLnglich sah es nämlich Pachomius nicht gern, 
dass die Mönche Besuche ihrer Angehörigen empfingen^); sie sollten 
eben von den Banden der Blutsverwandtschaft ganz losgelöst sein; 
auch die Furcht vor der Gefahr des Abfalles von ihrem früheren 
Vorhaben mag Pachomius dabei geleitet haben. Als aber die Be- 
suche der Angehörigen immer häufiger wurden, konnte er den Bitten 
derselben nicht widerstehen und milderte die ursprüngliche Satzung 
dahin, dass er einen gewissen Verkehr der Mönche mit ihren An- 



1) J^tade historique aar St. Pachdme, Le Gaire, Barbier, 1887, S. 32. 

2) Reme de Thistoire des reli^ons t. VIII, 423. 

8) Evayrius PonticuSt Capita practica ad Anatoliam, Cassian (De 
instit. coen. I). 

4) C 22, 26, M 36 f., 53 f., A' 405. 



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218 Das egypt, Mönchtum im 4. Jahrh. 

verwandten gestattete^). Dieser Milderung der ursprünglichen Kloster- 
disciplin entsprechen die Vorschriften, die sich in der hieronymia- 
nischen Pachomiusregel finden. 

Meldete sich ein Verwandter an der Elosterpforte zum Besuch 
eines Mönches, so durfte dieser mit Genehmigung des Abtes und 
des Hausvorstehers von einem älteren Mitbruder in das Xenodochium 
geleitet werden. Wenn ihm die Verwandten bei dieser Gelegenheit 
Obst oder andere Früchte mitbrachten, so musste er dies alles dem 
Pförtner übergeben, der ihm dann einiges davon zuteilte, das übrige 
aber ins Krankenhaus trug. Wurden aber einem Mönche andere 
Speisen gebracht, so wurden dieselben, falls sie überhaupt nach der 
Klosterregel zulässig waren, sofort vom Pförtner ins Krankenhaus 
getragen, wo der Mönch einmal davon gemessen durfte (Reg. Pach. 
art. 52). Ebenso durften die Mönche mit Erlaubnis der Oberen und 
in Begleitung eines erprobten Mitbruders ihre kranken Anverwandten 
besuchen und an ihrem Begräbnis teilnehmen (Art. 53, 55). So 
wurde dem Mönche Ammou sogar eine weite Reise zu seinen Ange- 
hörigen in Begleitung zweier Mitbrüder gestattet (ep. Amm. c. 21). 
War das Ziel der Reise vom Kloster weit entfernt, so durften sie 
in der Regel nur bei Klerikern oder Mönchen die Mahlzeit einnehmen. 
Nur im Notfall durften sie bei ihren Verwandten speisen; doch 
mussten sie sich mit solchen Speisen, die auch im Kloster üblich 
waren, begnügen (C 42, Art. 54). 

Übrigens übte Pachomius Gastfreundschaft gegen alle Fremden, 
die an der Klosterpforte anklopften. Zu diesem Zwecke war an der 
Pforte das Xenodochium erbaut, wo die Gäste bewirtet und beherbergt 
wurden. Ein besonderer Raum war für Frauen bestimmt; diese 
durften auch darin übernachten, falls in der Nähe kein Frauenkloster 
bestand. Mit besonderen Ehren nahm man Priester und Mönche 
auf; man wusch ihnen die Füsse nach Anweisung des Evangeliums 
und gestattete ihnen auf ihren Wunsch und mit Genehmigung des 
Abtes, an den Gebetsversammlungen sowie am Gottesdienst in der 
Klosterkirche teilzunehmen (Art. 51). Es wird wohl einmal (P. 7) 
berichtet, dass Pachomius fremden Mönchen das Innere des 
Klosters, selbst die Zellen, zeigte. In der Regel aber gestattete 
er weder die Besichtigung des Klosters noch den uneinge- 
schränkten Verkehr mit den Klosterinsassen; durch diese Massregel 
sollte, wie Pachomius einem befreundeten Kleriker aus Tentyra gegen- 

1) A' 406: »Jede Sache ist ^at za ihrer Zeit«, sagte Pachomius, »denn 
wir befolgen einen strengen und schwierigen Weg. Wir thuen mehr, als in den 
Schriften vorgeschrieben ist- Jetzt werde ich euch lehren, was mir thaen 
müssen; wir müssen ein wenig Verkehr mit den Leuten ausserhalb (des Klosters) 



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Das egypt. Mönchtum im 4, Jahrh. 219 

über erklärte, verhütet werden, dass fremde Mönche an dem Be- 
nehmen jugendlicher Mitglieder seiner Klöster Ärgernis nähmen^). 
Tillemont (Mömoires pour servir ä Thistoire ecclesiastique, tom. VII» 
Paris 1706, p. 188) nimmt an, dass anch Laien und Frauen erlaubt 
wurde, an dem Gottesdienst im Kloster teilzunehmen; indes lässt sich 
dies wohl aus dem Wortlaut der von ihm citierten Satzung der hierony- 
mianischen Pachomiusregel (art. 51) nicht mit Sicherheit schliessen. 

Überhaupt drang Pachomius darauf, dass seine Mönche nach 
Möglichkeit für die Welt abgestorben wären. Darum verbot er 
ihnen, im Kloster wie auch ausserhalb desselben weltliche Gespräche 
zu führen (A' 503 f.. Reg. Fach. art. 60, 122). Aus demselben 
Grunde durften sie sich weder an der Klosterpforte noch auf dem 
Gange zur Arbeit ausserhalb des Klosters mit Fremden in Gespräche 
einlassen ; etwaige Auskunft hatte diesen einer der Vorgesetzten oder 
der Pförtner zu geben (Art. 57, 59). Wollte eine Frauensperson 
die Mönche unterwegs anreden, so hatte ihr der Bejahrteste unter 
ihnen mit niedergeschlagenen Augen zu antworten (A' 504). Wenn 
die Mönche etwas auf Reisen erlebten oder erfuhren, so hatten sie 
darüber im Kloster zu schweigen; höchstens erzählten sie es den 
Vorgesetzten, die dann davon, falls sie es für erspriesslich hielten, 
der Kommunität Mitteilung machten. Ebenso hatten die Pförtner 
Briefe oder mündliche Nachrichten der Verwandten an einen Mönch 
dem Abte des Klosters zu übermitteln; der letztere entschied, ob 
die Kunde hiervon dem Mönche zukommen sollte (A' 503, Reg. 
Pach. art. 57, 59). 

Endlich sollten die Mönche nach der Weisung des Pachomius 
Achtung gegen die weltliche Obrigkeit bezeugen; wenn sie unter- 
wegs einem Gemeinde- oder Staatsbeamten') begegneten, so hatten 
sie demselben in aller Bescheidenheit Platz zu machen (A' 505). 

JV. Die klösterlichen DisziplinarmitteL 
Da auch in den Klöstern die allgemeine menschliche Schwäche 
zu Tage trat und manche Mönche ihren anfänglichen Eifer verloren, 
so ergab sich daraus die Notwendigkeit, gewisse Strafen auf die 
Übertretung der klösterlichen Vorschriften zu setzen. Die Über- 
nahme der verhängten Strafen war insofern eine freiwillige, als jeder 
beim Eintritt ins Kloster mit den schweren Verpflichtungen des 

1) G 28. M 58 f. 

2) AmMneau (A^ 505) übersetzt ra'tsnn aw dschnndijjan mit »un chef ou 
xm Soldat«. Indes, nach dem Zusammenhang zu urteilen, bedeutet hier das 
arabische dschund^jun nicht einen einfachen Soldaten, sondern einen kaiser- 
lichen Beamten. Vgl. das Lexlcon totius latinitatis von Forcellini über den 
Gebrauch von miles im byzantinischen Zeitalter. 



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220 Das egypt. Mönchtum im 4. Jahrh. 

Mönchslebens bekannt gemacht wurde und sich verpflichten musste, 
alle klösterlichen Satzungen unverbrüchlich zu halten. Zudem wur- 
den renitente Mönche im Kloster nicht zurückgehalten, auch nicht 
zur Abbüssung der verdienten Strafen mit Gewalt gezwungen. Be- 
weise dafür finden sich mehrfach in den Pachömiusviten. 

Über den Zweck der klösterlichen Strafen spricht sich Pacho- 
mius folgendermassen aus^): »Er verordnete, dass jeder, der sich 
gegen eine Klostersatzung verging, für seinen Ungehorsam eine ent- 
sprechende Strafe erhalten sollte, damit er Verzeihung vom Herrn 
erlange und die anderen erschreckt würden und sich nicht 
auflehnen gegen die Klostersatzungen, auf dass die Communität 
einen festen und unerschütterlichen Bestand hätte«. Der Zweck der 
Strafen war also zunächst Besserung des Fehlenden, Verhütung 
grösserer Delikte und Abschreckung der anderen. Die Straf bestim- 
mungen bezogen sich nicht bloss auf die Aufrechterhaltnng der 
äusseren Zucht und Ordnung im Kloster, sondern hatten auch die 
Erneuerung und Wiedererweckung des erschlafften ascetischen 
Geistes im Auge. Ganz entsprechend der Gesinnung des Pachomius, 
der von den Vorstehern der Klöster bei der Leitung der Unter- 
gebenen eine gewisse Herablassung und Rücksichtnahme auf die 
Individualität forderte, finden wir in dem Strafkodex der Pacho- 
mianischen Klöster auch Bestimmungen zum Schutze gegen eine 
etwaige Willkür der Vorgesetzten. 

Für gewisse Nachlässigkeiten beim Gottesdienst oder bei Tisch 
sowie für leichtfertige Behandlung des Klostergutes bestand als 
Strafe die öffentliche Zurechtweisung seitens des Abtes. Wenn ein 
Mönch beim Zeichen der Tuba nicht sofort sich in die Gebetsver- 
sammlung begab und auf diese Weise bei Tage ein Gebet oder 
Nachts drei Gebete versäumte, musste er vor den Altar treten und 
mit gebeugtem Nacken die Büge des Abtes entgegennehmen, eine 
Strafe, die sich nachher noch bei Tisch wiederholte (Reg. Pach. 
art. 9, 10, 121). Wer zur Katechese zu spät kam oder bei der- 
selben einschlief, erhielt einen Strafplatz und musste so lange stehen, 
als es der Vorsteher für gut fand (Art. 22, 23). Ebenso musste 
derjenige, der ohne Grund zu spät zu Tische kam, sich an einen 
Strafplatz hinstellen oder ohne Speise in seine Zelle gehen. Gleichen 
öffentlichen Verweis erhielt ein Mönch , der während des Gottes- 
dienstes schwätzte oder lachte oder sich gegen die Anstandsregeln 
bei Tische verging (Art. 31, 32, 131, 48). Wer etwas aus Un- 
achtsamkeit verlor , wurde gleichfalls öffentlich zurechtgewiesen. 

1) A' 502 f., vgl. auch M 186. 

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Das egypU Mönchtum im 4. Jahrh. 221 

War der verlorene Gegenstand ein Kleidungsstück, so musste er es 
drei Wochen zur Busse entbehren (Art. 131). Wer frerade Sachen 
sich aneignete, musste, das Gestohlene auf den Schultern tragend, 
öffentlich Busse thun und beim Essen stehen (Art. 149). 

Äm^lineau^) behauptet, die egyptischen Mönche seien in ihrer 
Mehrzahl um kein Haar besser gewesen als ihre heidnischen 
Vorfahren, und die christliche Beligion sei bei ihnen etwas rein 
Äusserliches geblieben. Sie wären ganz irdisch gesinnt gewesen, 
hätten gut gegessen und getrunken und auch dem Laster gefröhnt. 
Das hätte sie aber nicht gehindert, Psalmen zu singen und zeitweise 
stark zu fasten. Mit diesen Äusserlichkeiten hätten sie sich be- 
gnügt und keine Mühe gegeben , die Leidenschaften und Roheiten, 
die sie ins Kloster mitbrachten, abzulegen, sondern hätten fest ge- 
glaubt, dass das Mönchskleid an und für sich schon ihnen die An- 
wartschaft auf die ewige Seligkeit verleihe. Diese Vorwürfe er- 
scheinen jedoch selbst unter Berücksichtigung der von Am^lineau 
herausgegebenen koptisch-arabischen Pachomiusviten durchaus nicht 
berechtigt. Fast täglich, bei allen möglichen Gelegenheiten, erteilte 
Pachomius gleich seinen Nachfolgern den Mönchen Unterweisungen 
und ermahnte* zum ernsten, sittlichen Streben. Inhaltlich betrachtet 
waren die Katechesen weit entfernt einer gewissen Selbstgenügsam- 
keit Vorschub zu leisten, vielmehr waren sie geeignet den Mönchen 
einen heilsamen Schreck einzuflössen. Die eschatologischen Glaubens- 
lehren waren das Lieblingsthema der Katechesen des Pachomius, die 
Grützmacher (S. 94 f.) folgendermassen charakterisiert: »Trotzdem 
Pachomius vielfach seine Farben, mit denen er seine Hölle und sein 
Paradies ausmalt, der egyptischen Religion entlehnt hat, trotzdem 
seine Vorstellungswelt ausserordentlich naiv und sinnlich ist, so ist 
es doch der ernste, strenge, sittliche Geist der christlichen Religion, 
der diese Bilder beherrscht. Pachomius fordert von denen, die ins 
Paradies eingehen wollen, eine ethische Gesinnung, den Unreinen, 
besonders den geschlechtlichen Sündern , droht er die furchtbarsten 
Höllenstrafen an. In der egyptischen Religion legt der, welcher die 
Gefilde des Aalu nach seinem Tode bewohnen soll, ein rein nega- 
tives Sündenbekenntnis vor dem Throne des Osiris ab; kultische, 
nicht ethische Reinheit wird von ihm gefordert. Pachomius versetzt 
auch. die in die Hölle, welche auf Erden ihre Pflicht nicht getan 
haben; auch die Verleumder müssen ewig für ihre Zungensünden 
büssen. Aber selig wird nur der, der mit seinem Pfunde auf Erden 

1) Annales da Mas^e Qaimet, Paris (Leroax). t. XVII, Einleitung, bes 
8. IV— V. 



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222 Das egypt. Mönchtum in^ 4, Jahrh, 

gewuchert, der im Gesetze Gottes gelebt, der Gott von Herzen ge- 
liebt batc. Aach die AaschaauDg, dass das MöDchskleid allein die 
ewige Seligkeit garantiere, finden wir bei den Pachomianern nicht 
vertreten. Pachomius verbietet einmal den Psalmengesang und das 
eucharistische Opfer für einen verstorbenen Mönch, dessen Fehler 
übrigens den Mitbrüdern verborgen geblieben waren*); diese exem- 
plarische Strafe sollte heilsame Furcht den überlebenden Mönchen 
einflössen. Er schildert ihnen bei einer anderen Gelegenheit nach 
der Weisung des Herrn die Strafen der Hölle, damit sie sich fürchteten 
und denselben zu entgehen trachteten '). Ja in seinen Visionen sieht 
er auch Mönche in den Flammen des höllischen Feuers >). Ähn- 
liche Anschauungen spricht sein Lieblingsschüler Theodor aus^): 
»Seien wir nicht nachlässig, vergessen wir nicht die Satzungen, die 
uns Pachomius, als er noch unter uns weilte, gegeben hat! Was 
haben wir denn vor den anderen Menschen voraus? Etwa, dass wir 
ein anderes Kleid tragen, unsere Lenden umgürtet sind und wir zu 
einer Communität vereinigt sind. An vielen Orten trägt man die- 
selben Kleider wie wir u. s. w.« 

Ja, Am^lineau^) versteigt sich sogar zu der Behauptung, die 
ägyptischen Mönche hätten ihr Augenmerk nur darauf gerichtet, 
ihre Schlechtigkeiten und Übertretungen der Klostersatzungen zu 
verbergen, um nicht aus dem Kloster vertrieben zu werden. Diesen 
schweren Vorwurf haben die Pachomianer nicht verdient. Wir haben 
oben (S. 205) gesehen , wie diese Mönche bei der Katechese ihre 
Fehler dem Abte öffentlich bekannten, wie sie (S. oben S. 220 f.) selbst 
bei Tische, wo gewöhnlich die Welt nicht gestört oder an Fehler 
nicht erinnert werden will, demütig ihre Nachlässigkeiten abbüssen 
mussten. In Übereinstimmung mit der Thatsache, dass die Oberen 
sich nicht mit äusserer Werkgerechtigkeit begnügten, sondern auf die 
Reformation des inneren Menschen drangen, stehen auch die Satzungen 
der ursprünglich in koptischer Sprache verfassten Pachomiusregel, die 
für verschiedene Nachlässigl^eiten in der Bekämpfung der Leiden- 
schaften entsprechende Bussen als geistliche Arznei verordnen und 
die Ablegung der^ Fehler bezwecken. 

In der Regel erhielt ein Mönch, der irgend eine böse Gewohn- 
heit nicht ablegte, mehrmals einen Verweis und im Wiederholungs- 
falle folgte darauf eine strengere Strafe, die einen nachhaltigen Ein- 
druck in der Seele des Fehlenden zu hinterlassen geeignet war. Wer 
ohne jeden Grund zornig wurde, sollte sechsmal ermahnt, beim 

1) S. oben S. 143 f. — 2) T 553, M 140. — 3) M 136, A' 519. — 
4) T 602. — 5) A. a. 0. S. V und CX. 



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Das egypt. Mönchlum im 4. Jahrh, 223 

siebenten Male von seinem Platze entfernt und unter die letzten ge- 
setzt werden. Versprach er vor drei Zeugen Besserung, so erhielt 
er seinen alten Platz wieder, wo nicht, sollte er für immer denselben 
verlieren und stets den letzten Platz einnehmen (Reg. Pach. art. 161). 
Wer trotz zehnmaliger Verwarnung streitsüchtig, lügnerisch, unge- 
horsam blieb oder den Hang zum Widerspruch oder Hass oder zu 
Witzeleien, barschen Antworten oder zum Ehrabschneiden nicht auf- 
gab, erhielt vom Abte eine entsprechende Strafe auferlegt (Art. 150, 
151, 165). Wer mit Knaben scherzte oder mit ihnen zu vertraulich 
war, erhielt einen dreimaligen Verweis und wurde im Wiederholungs- 
falle aufs schärfste zurechtgewiesen (Art. 166). Wer die Gewohnheit 
hatte zu murren oder über jedes ihm aufgetragene Oeschäfb sich zu 
beklagen, wurde fünfmal ermahnt. Nützte dies nichts, so wurde er 
ins Krankenhaus verwiesen und dort wie ein Kranker mit der nötigen 
Nahrung versehen ; war jedoch diese Klage begründet, so wurde der 
Ärgernisgeber mit dieser Strafe belegt (Art. 164). Wer Krankheit 
als Entschuldigungsgrund für die Nachlässigkeit in der Beobachtung 
der Klostersatzungen vorschützte, erhielt dieselbe demütigende Strafe 
und blieb solange im Krankenhause, bis er Besserung versprach. 
(Art. 171). Teilnehmer an der Sünde eines Mitbruders wurden 
gleichfalls streng bestraft; doch wer aus Unwissenheit gefehlt hat, 
dem sollte gern verziehen werden (Art. 176). Wenn ein Mönch den 
Hang zur Verleumdung halte, so erhielt er zunächst zweimal einen 
Verweis; besserte er sich darauf nicht, so musste er, abgesondert 
von den übrigen Brüdern, sieben Tage bei Brot und Wasser fasten. 
Über denjenigen, der sich über alle im Kloster vorkommenden Ver- 
gehen gern zum Richter aufwarf, wurde von zwanzig, zehn oder fünf 
Mönchen, die im Kloster ein gutes Zeugnis hatten, ein peinliches 
Gericht gehalten; der als schuldig befundene Übeltäter erhielt bis 
zur Besserung den letzten Platz im Kloster. Wie übrigens mit 
Strenge Milde gepaart war, beweist die Anordnung, dass fahnen- 
flüchtige Mönche wieder aufgenommen werden sollten, wenn sie 
reuigen Sinnes ins Kloster zurückkehrten und eine Busse auf sich 
nahmen ; ergab die von einigen erprobten Mönchen angestellte Unter- 
suchung, dass ein Mönch durch sein Benehmen zu dieser Fahnen- 
flucht die Veranlassung gab, so wurde derselbe den Klostersatzungen 
gemäss bestraft (Art. 136, 175). 

Der Generalabt war niemandem ausser Gott verantwortlich. 
Die Zurechtweisung oder Absetzung eines Klosterabtes hing von dem 
freien Ermessen des Generalabtes ab (S. oben S. 178). Dagegen 
enthält die Pachomiusregel einige Disciplinarmittel, welche der 



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224 Das egypt Mönchtum im 4. Jahrh. 

kbt eines Klosters gegen die ihm unterstellten Praepositi domorum and 
Dispensatores anwenden konnte. Wenn ein Gerät verloren ging, so wurde 
der Minister zurechtgewiesen ; nur mit Erlaubnis des Abtes durfte dann 
der Minister dem schuldigen Mönch einen Verweis erteilen (Art. 136). 
An einer anderen Stelle heisst es wieder: Wenn der Praepositus 
domus den Verlust einer Sache dem Abte binnen drei Tagen nicht 
meldete, so musste er die übliche öffentliche Busse leisten. War 
ihm ein Mönch davongegangen, so hatte er davon dem Abte in den 
nächsten drei Stunden Mitteilung zu machen, widrigenfalls er diese 
Versäumnis mit einer dreitägigen Busse sühnen musste (Art. 152, 
153). Gleicher Strafe verfiel er, wenn er einen säumigen Mönch nicht 
sogleich zurechtwies noch dem Abte dies meldete (Art. 154). Wenn 
ein Praepositus domus oder ein Dispensator die Nacht ausserhalb des 
Klosters zubrachte, musste er Busse thun und durfte seine frühere 
Stellung nur mit Genehmigung des Abtes einnehmen (Art. 137). 
Endlich war zum Schutze der Untergebenen bestimmt, dass eine An- 
zeige an den Abt erfolgen sollte, wenn die Gesamtheit der Brüder 
wahrnahm, dass der Praepositus domus sehr nachlässig war oder die 
Satzungen des Klosters übertrat (Art. 158). Über einen Haus Vor- 
steher, der nicht nach Wahrheit und Gerechtigkeit, sondern nach Gunst 
und Laune seine Untergebenen zurechtwies, wurde von einigen erprobten 
Mönchen ein peinliches Gericht gehalten; er verlor sein Amt, bis er 
sich vom Schmutze der Ungerechtigkeit gereinigt hatte (Art. 170). 

An sich war dem Pachomius, wie er selbst erklärte (P 2), 
die körperliche Züchtigung als Strafmittel nicht sympathisch. Indes 
wandte er dieses Strafmittel gegen einen ganz jugendlichen 
Mönch an, der trotz aller Versprechungen in seinen alten Fehler 
zurückfiel und sein früheres Metier als Komiker auch in den 
Klostermauern nicht vergessen konnte. Die Notiz über diese körper-s 
liehe Züchtigung findet sich zwar in den beiden Parallelberichten 
66 f. und A' 518 f. nicht; indes scheint sie doch auf Wahrheit 
zu beruhen ; denn in der Regula Pachomii (art. 173) heisst es, dass 
wenigstens alle Knaben, denen weder die beschämende Zurecht- 
weisung noch der Gedanke an das Gericht Gottes Furcht einzu- 
fiössen vermögen und mit Worten nicht gebessert werden könnten, 
mit Schlägen zu bestrafen seien. Auch in der Vita T 307 wird er- 
wähnt, dass der Generalabt Theodor die körperliche Züchtigung als 
äusserste Strafe anwandte. 

Halfen diese Disciplinarmittel nichts, so erfolgte die Aus- 
stossung aus dem Kloster (G 66, P 2, M 193, 196, A' 510). 



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225 



Dritter Teü. 



Bfickblick anf das egyptische Mönchtnm des yierten Jahr> 

handerts. 

§. 1. Ein Sütenspiegel für Mönche aus dem vierten Jahrhundert. 

Im Jahre 1685 veröffentlichte Arnold auf Qrand einer aas 
dem 11. Jahrhundert stammenden griechischen Handschrift einen 
Sittonspiegel für Mönche, Kleriker und Laien, der den Namen 
»ZüVTayfia didaaxaXia<; (Syntagma doctrinae)€ fährt und als ein 
Werk des hl. Athanasias bezeichnet wird^). Montfaucon^) hat er- 
kannt, dass der Stil des Syntagma nicht athanasianisch sei; doch 
geht er zu weit, wenn er das Werk aus lexikographischen Gründen 
in eine spätere Zeit verlegt'). 

Eine zweite griechische Reccnsion des Syntagma doctrinae ist 
im Jahre 1784 von Mingarelli gefunden und herausgegeben worden*). 

Im Jahre 1881 veröffentlichte Revillout^) nach einer bor- 
gianischen Handschrift (aus dem 10. bis 11. Jahrh.) und nach 
einem Turiner Papyrus (ans dem 10. Jahrh.) ein koptisches cano- 
nistisches Sammelwerk, welches 1) das Symbolum, die Namen der 
318 Väter und die disciplinären Canones des nicänischen Goncils, 
2) das Syntagma doctrinae und 3) je einen Brief des Paulinus von 
Antiochia, des hl. Epiphanius und eines Erzbischofs Rufinus ent- 
hält. Das in dieser Sammlung vorhandene koptische Syntagma hat 
in textlicher Hinsicht mit dem Mingarellischen die meisten Be- 
rührungspunkte^). Diese beiden letzteren Recensionen haben auch 
als Einleitung eine identische Bxpositio fidei, und schliesslich er- 
scheint in beiden nicht Athanasius, sondern die 318 Väter des 
Concils von Nicäa als Urheber des Syntagma. 



1) Abgedruckt bei Migne, s. gr., tom. 28, coL 835—845. Siehe auch 
Hyvernat, Le Syntagma doctrinae dit de s. Athanase in Hatiffols Studia 
Patristica, 2. fasc. Paris (1890) S. 121 ff., wo neben dem Arnoldsehen noch 
ein kürzerer Text des Syntagma nach einer vatikanischen Handschrift mitge- 
teilt ist. ';., 

2) Migne, 1. c. col. 835—836. 
8) Hu'vernat a. a. 0. S. 129 f. 

4) Abgedr. bei Migne, 1. c. col. 1638 ff. 

5) HeviUoutf Le concile de Nicee d'apres les textes coptes (1881). Vgl. 
dazu Journal Asiatique, septierae serie, t. I p. 284 ■., t. V. p. 5 s. und t. VI 
p. 473 8. 

6) Uyvernat a. a. 0. S. 181 ff. 

Schiwietz^ Mönclitum. 15 



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226 Rückblick auf das egypt MOnchtum des 4. Jahrh. 

Bevilloat glaabte, dass die ganze koptische Collektiou die 
Akten der im Jahre 362 zu Alexandria abgehaltenen Synode dar- 
stelle. Indes das Dokument gibt sich selbst als solches nicht aus; 
es enthält weder die Namen der Teilnehmer an dieser Synode noch 
das wichtige Synodalschreiben an die Antiochener. Die einzige 
Reminiscenz in diesem koptischen Sammelwerk an die alexandrinische 
Synode ist der Brief des Paulinus von Antiochia, der in den 
Handschriften dem ebengenannten Synodalschreiben beigeffigt er- 
scheint. Gegen die Hypothese des Bevillout spricht auch noch 
folgendes Moment: Bekanntlich verhandelte die Synode von Alexan- 
drien über die Aufnahme der Arianer in die Kirche, Aber die 
pneumatomonhischen Irrtümer, über die Termini ouata und 6ic6aTaai<; 
und über die Menschheit Christi; davon findet sich aber in dem 
koptischen Sammelwerk keine Spur ^). Ebensowenig kann behauptet 
werden, dass die Bischöfe zu Alexandria besondere Vorschriften für 
das christliche Leben gegeben hätten. Revillout*) beruft sich zwar auf 
die Notiz des Synodalschreibens an die Antiochener 3), dass nämlich 
nach der Abreise der ausländischen Bischöfe die egyptischen noch in 
Alexandria zurückgeblieben wären. Aber es fehlt der Beweis, dass 
die Zurückgebliebenen über christliche Zucht und Sitte verhandelt 
hätten. Wenn endlich Bevillout^) daraufhinweist, dass Athanasius, 
die Hauptperson der alexandrinischen Synode, von Gregor von 
Nazianz wegen des Syntagma doctrinae als »Gesetzgeber des Mönch- 
thumsc bezeichnet wird, so irrt er sich, da als Grund hierfür von 
Gregor die von Athanasius verfasste vita Antonii ausdrücklich an- 
gegeben wird*). 

Wenn nun auch das Syntagma nicht ein Werk des Athanasius 
ist, so lässt sich doch erweisen, dass dasselbe seinem Zeitalter an- 
gehört Epiphanius nämlich, der in seiner Jugendzeit das egyp- 
tische Mönchswesen persönlich kennen gelernt hat, beschliesst sein 
aus verschiedenen Quellen kompilirtes Panarion mit einem 2uvTOfio<; 
aXifjÄTjc: Xdyoc: «epl irtOTeax; xaftoXix^<; xal iirooxoXix^c: exxXiQOtac:. 



1) Vgl. Dacheant^s Kritik über das obengenannte Werk des Revitlout 
im Bulletin critiqae, Paris 1881, S. 330 ff. 

2) Journal Asiatiqne, YII serie, t. Y, p. 16. 

3) Tomus ad Antiochenos, Cap. 2 und 9 (Migne, s. gr. t. 26 col. 797). 

4) Journal Asiatique, VII s^rie, t. V, p. 17. 

5) Gregor, Na%. orat. 21 cap. 5: Xlavta [ilv Stj xa ixcivou yi^wi te xa\ 
daufi^i^eiv fiaxpöxepov 3cv eTi) xu/ov, ^ xaxa xtjv ^apouaav opfjL^v xoO Xöyou, xoi laropia; 
IpYov, oux £Uf mitt; ' \ xol föia icapaSouvai Ypa^^ naihvi^k xe xal ?iSua(jitt xot; e?^ 
ö(TXEpov, eÖY% epyov Ijxo^, woTCEp Sv Ix^vo? 'Avxtoviou xoO ^£(oü ßiov auv^YP^?^^ "^^^ 
(AovaSixou ßlou vo[jLodEa(av, ^v icXaa[Aaxi S(7)Y^a£(0(. (Migne, s. gr. t. 35 col. 1085 f.) 



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Rückblick auf das egypt Mönchlutn des 4, Jahrh. 227 

In diesem Epilog ^) rekapitulirt er den Inhalt des Panarion,^ zählt 
sodann die verschiedenen Stände der Kirche, einschliesslich der 
Mönche aaf, und am Ende teilt er einen Sittenspiegel fär das 
christliche Leben mit, der sich wesentlich mit dem Inhalt des Syn- 
tagma doctrinae deckt. Es muss mithin die letztgenannte Schrift 
vor der Abfassung des Panarion, d. i. vor 374—377, existirt haben. 

Einen gleichen terminas ad qnem für die Abfassungszeit des 
Syntagma erhält man bei Berücksichtigung der dieser Schrift vor- 
ausgeschickten Expositio fidei'). Dieses Qlaubensbekenntnis enthält 
zunächst das Symbolum Nicaenum ohne die Zusätze des Gon- 
stantinopolitanum. Der weitere Artikel vom hl. Qeist, über den ja 
schon 362 zu Alexandria verhandelt worden ist, lässt gleichfalls die 
genaue Terminologie des Goncils von Constantinopel vom Jahre 381 
vermissen. Der Artikel von der Menschheit Christi spielt noch nicht 
auf die Theologie des Nestorins, wohl aber auf den Appollinarismus 
an, gegen den schon die eben genannte Synode von Alexandria 
Stellung nahm. Die kurze Bemerkung über den Anthropomorphis- 
mus braucht auch nicht ein Hinweis auf das Zeitalter des hl. Üyrillus 
von Alexandria zu sein; denn schon Epiphanius spricht in seinem 
Panarion (haer. 70) von den anthropomorphitischen Audianern. 
Die der Mingarellischen und koptischen Recension des Syntagma 
vorausgeschickte Expositio fidei weist also gleichfalls auf die Ab- 
fassungszeit vor 381 , bez. vor 374—377 hin. Immerhin wäre es 
denkbar, dass die Expositio fidei und das eigentliche Syntagma nicht 
zu gleicher Zeit entstanden seien; doch muss die Vereinigung dieser 
beiden Stücke jedenfalls vor 381 erfolgt sein, da es in den orthodoxen 
Kreisen jener Zeit nicht üblich war, neuere, prägnantere Glaubens- 
bekenntnisse zu ignorieren und dafür den älteren den Vorzug zu 
geben. 

Auch ein terminus a quo lässt sich für die Abfassungszeit des 
Syntagma gewinnen. In der Mingarellischen Becension des Syntagma 
findet sich nämlich folgende Apostrophe an die Mönche: Kai ^v 
fiexaSt) &de\(p(üv 01x5 c, xal %XV^ Tovtxöv X^P^'^^7 iixatcüc oovaycüv 
xapTCoix:, xal [xy] U äSixiac xal TtXeoveStac * icpÄTOv xac aicapxac ooü 
Tolc lepsüotv Iv Tig ixxX7]oia 7rp6o98ps ' SicstTa X^]p^^ "^^^ öp^avoüc 
avdnauB , xal toix; Xoitioüc aSüva'toüc, 4icö ocuv iixatwv tcovwv • fjiT] 
4ic6 Toxoü xai TtXeovovsStac. Et 8e xal fxovoc xafteCu, P-^ ^ßpiClJC xy]v 
Saxi]aiv xijc ^oüxtac'e? ^v fjtovaaTTjpto) ^aü^aCeid ^«1 xtt^otj x^P^^^ 
xal 7tpayfiaT8üOü xal ^aüxa'C^c * aXX' JfiTcat'Cstg xal IfiicatCeoai. Kadi^- 

1) Migne s. gr. t. 42 col. 773 ff. 

2) Hyvernat a. a. 0. S. 137 f. 

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228 Rückblick nvf das egypU Mönchtum des 4, Jahrh, 

fievoc Iv fiovaoTTf]puo , liiq ftIXe Äp^oc; elvai, xat ütcö aXXcov xps^eo- 
OafTva TY]v l(p%epov 1x13^ xpo^igvi). Der erste Satz enthält also 
eine Weisung an die in der Welt (fiSTOtSü a3eX(pa)v, in der Arnold- 
sehen Recension des Syntagma : fiSTa^u tu>v ivftpwiccuv) lebenden 
Äsceten. Im Gegensatz zu diesen in der Welt lebenden Asceten 
werden alsdann zweierlei Hesychasten oder abgesondert von der Welt 
lebende Asceten erwähnt, und zwar wird zuerst der »fxovog xaftsCö- 
fxevoc« d. i. der für sich allein in einer Zelle lebende Anachoret und 
zuletzt der in einem Monasterium mit Genossen lebende Mönch (iv 
fiovaoTTjpto) ^oüxaCcov oder xa^igfievoc, firj OeXe ütcö aXXuiv Tps^eodai) 
apostrophiert. Mithin werden in dem Syntagma drei Klassen von 
Mönchen unterschieden '). Da aber die Entstehung des Anachoreten- 




1) Migne s. gr. t. 28 col. 1642. — In der ArjiotdBchen Recension des 
Syntagma heisst es ähnlich: Kai e? (xlv [xexafu xwv av&pwxwv oJxel;, xa\ eysi? 
•/^wpiov, ^xoi yetopyiov IpYaJ^e^Oat ' Sixatw? ouv&y^v xapjcou; El öe e?? (jiov7)v 

oux ave)(^(' 

e^^at apY . .,-, , . -,^ .^, 

(Migne 1. c. col. 841). Auch hier werden drei Klassen von Asketen erwähnt. 
Der »s?? [jLovV xa&s^o(jLsvo;€ wird unterschieden von dem »Iv (jiovaaTT]p{o) avaywp^v 
oder xa^e^öpLEvo;« und ist somit identisch mit dem »(xövo; xa^e^msvo^c in der 
Mingarellischen Recension des Syntagma. Dass aber das Wort (xovtJ im 4, Jahrh. 
auch für die Zelle eines Anachoreten gebraucht wurde, ergibt sich aus der 
griechischen Pachomiusvita C 5 (Acta Sanctorum, 1866, Maii, t. 3, p. 23 *). 
— Den entsprechenden Text des koptischen Syntagma übersetzt Rr.viUout 
f olgendermassen : Si tu habites au milieu des hommes et que tu aies un champ 
de tes peres, tu le travailles, tu en recueilles les fruits en toute honnStete, 
Sans faire tort a personne. Et d'abord tu en donnes les premices a r%lise; 
ensuite tu as pitie des veuves, des orphelins et des autres, en leur donnant le 
fruit de ton travail et non celui de Tusure, de Tavarice ou d'un sordide negoce. 
Si tu habites dans une fiow! (sorte de village monastique) et que tu y possedes 
un champ, tu es seul et tu ne Tes pas, et si tu te moqnes, d*autres se moque- 
ront de toi. Si tu habites dans une [xovrj, ne sois pas paresseux, de sorte que 
les autres soient obliges de te nourrir du fruit de leur travail; raais travaille 
de tes mains, afin de trouver chaque jour la nourriture que tu dois manger 
(Rapport etc. p. 485 s.). In diesem koptischen Text des Syntagma fehlt der 
auf die Anachoreten bezügliche Passus »et l\ xat piövo; xa^^T) xtXc Die von Re- 
villout in Paranthese beigefügte Erklärung von {xov?! als »sorte de village mo- 
nastique« ist rein willkürlich. Er gibt keinen Beweis dafür, dass unter (xovt! 
nur ein Mönchsdorf, wie es solche in Nitria, Pispir und anderswo gab, zu ver- 
stehen wäre. In der griechischen und koptischen Pachomiusvita werden die 
streng cönobitisch eingerichteten Pachomianischen Klöster nicht nur (xovaToipia, 
sondern auch [xovat genannt. Vgl. Vita C 22, 25, 28, 35, 38, 39, 42, 50; Vita 
M 41, 48, 61, 71 etc. Damit fällt auch die Behauptung Hf.viUouts (Rapport etc. 
p. 475 SS.), der Verfasser des Syntagma hätte nur die Mönchsdörfer oder 
Mönchskolonien berücksichtigt, während,, ihm die Pachomianischen Cöuobiten- 
klöster unbekannt gewesen wären. Übrigens wird die folgende Darstellung 
zeigen, dass die Disciplinarvorschriften des Syntagma mit den Satzungen der 
Regula Pschomii in Einklang stehen. 

2) Die Richtigkeit der Interpretation des obigen Syntagma-Textes be- 
stätigt Epiphanius ; am Schlüsse seines Panarion, wo er einen mit dem Syntagma 
sich inhaltlich deckenden Sittenspiegel mitteilt, heisst es : Ttvl; 81 xcov (lova^övitov 
auxT)? (der Kirche) xatatxouat xa? TcöXeic (=: 5j itexafu a8eX<pwv o?x^§ des Syntagma), 
xiv^S hl Iv ^ovaaxT)ptot; xa^^ovxat (= xaO-iJjxsvo? ev [/.ovaaxrjpfw des Syntagma) xa\ ajco 



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Bückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh. 229 

tums und die Eotwicklung der Monasterien in das Zeitalter des 
Antonius und des Pachomius gehört, so kann das Syntagma erst 
nach der Mitte des 4. Jahrhunderts verfasst sein. 

Allerdings ist das Syntagma kein originelles Werk, sondern 
eine erweiternde Bearbeitung der sog. Zwölfapostellehre, indem 
dieser für Priester und Laien verfasste Sittenspiegel noch einige auf 
das Mönchtum bezügliche Zusätze erhielt, worauf Harris, Warfield 
und Hyvernati) hingewiesen haben. Ja, die textlichen Berührungs- 
punkte des Syntagma mit der vermutlich in Egypten entstandenen, 
jedenfalls aber in der egyptischen Kirche als Bechtsbuch anerkannten 
»apostolischen Eirchenordnungc lassen darauf schliessen, dass diesen 
beiden Schriften ein besonderer , in Egypten im Umlauf befindlicher 
Typus der Zwölfapostellehre zu Grunde lag'). Dies alles spricht 
dafür, dass Egypten auch für das Syntagma als Heimat angesehen 
werden dürfte. Diese Vermutung wird noch dadurch bestärkt, dass 
das Syntagma nicht nur in einigen Handschriften dem hl. Athanasius 
zugeschrieben, sondern auch in koptischer Übersetzung überliefert 
erscheint. Es ist darum wohl angebracht, dass bei der Besprechung 
des egyptischen Mönchtums auch die ascetischen Principien des 
Syntagma zur Erörterung gelangen. 

Eine Durchsicht dieser Disciplinarvorschriften zeigt, dass die- 
selben nicht bloss für die Mönche, sondern auch für die Kleriker 
und Laien berechnet waren ^). Im folgenden soll nun hieraus das 
auf das Mönchtum Bezügliche besprochen werden. 



(XTjxo^ev ava/^ojpouaiv (= el 8k xa\ (xövo^ xa^T) des Syntagma). S. Expositio fidei 
c. 23 bei Migne s. gr. t. 42 col. 829. 

1) Hyvernat a. a. 0. S. 148 f. 

2) Ebendas. S. 158 f. 

3) Revillout, Rapport sar nne mission en Italie, in den Archives des 
missions scient. et litt., lll s^rie, t. IV (1877) S. 471: >Nos dem versions de 
Naples et de Tarin (d. i. das koptische Syntagma) disent avec de legeres va- 
riantes a propos da haat commerce et des Operations de banqae : >Ne te livre 
pas da tont an neg^oce. II y a de pays oa Ton ne pent ni labonrer ni travailler 
a la terre. Les habitants n*ayant pas de mutier sont Obligos de faire da negoce. 
Ce n'est pas ane bonne chose. Mais c'est par necessite qu'ils agissent ainsi.c 
Cette interdiction du negoce regardait donc tous les chretiens, saaf le 
cas d*absolae necessite. Aassi saint flpiphane (am Schiasse des Panarion) 
ravait-il resumee dans sa forme plas generale en ce pea de mots: »TupaYfJLaTeuxa? 
oux ajcoÖ^x.£xai, aXXa uxoSeear^pou; Tcavtwv ^Yst'c*^*« »L*Eglise ne re^oit pas ceax qai 
fönt da negoce, mais eile les jage les plus miserables et les derniers de tous.c 
L'editear anonyme (d. i. die Arnoldsche Recension des Syntagma) transcrit an 
contraire: »"OXw^ (jltj jrpaYfJLateüou. IIoXXol yjapai s?aiv ul^ oTcspacjai, xol ol oZxouvxes, 
socv T^/^va; [xf) e/tooiv, avaYxaJ^ovxai 7:paY|j.ax£Ü£a&ai, xav [lt] t^ai [xova^ovxe?, xai Tcpaypia- 
xeüovxat, xaxw; |i^v, tcX^v avaYXT) Tuoiet.« L'introduction des mots xav |j.7] wai 
[jLovdl^ovxE? , »bien qu'ils ne soient pas moines,€ denatare ici toate la pens^e de 
notre texte. 11 est trop evident que les moiues ne sont pas en qaestion.« 
Es ist allerdings richtig, dass diese Satzang direkt nur die Laienchristen an- 
geht. £)s ist aber nicht ersichtlich, wie B. zu der Meinung kommt, dass die 



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230 Rückblick auf das egypt Mönchium des 4. Jdhrh. 

Zunächst wird im Syntagma den Asceten und Mönchen zur 
strengen Pflicht gemacht, getrennt von Weibern zu wohnen und 
den Verkehr mit ihnen zu meiden, damit auch das Herz von ehe- 
brecherischen Gedanken frei bleibe i). Hiermit wird der dritte, gegen 
das Syneisaktentum gerichtete Kanon des nicänischen Konzils einge- 
schärft. — unter den Anachoreten galt diese Vorsichtsmassregel als 
strenge Verpflichtung. Bezüglich der Anachoreten in der sketischen 
Wüste beisst es in den Apophthegmata patrum (Migne s. gr. t. 65, 
col. 252): »Süvig&eta ih xoiauTi] ^v Iv Sxi^xei, ?va %\bi\ ^uvt] XaX^aat 
hitk(fm auT^c 1^ £XX(p dia^lpovti auxig, aicö fxaxpoftev xaOeCofxIvoov 
auTcuv &ic' &XXi]X(i)v ofiiXwatv &XXi]Xot(;€. Aus demselben Grunde 
baute man in den nitrischen Mönchskolonieen eigene Xenodochien. 
Die von Pachomius getroffenen Massnahmen (S. oben S. 218 f.) 
sollten auch den leisesten Verdacht in dieser Beziehung von seinem 
Klosterverband fern halten. 

Femer werden die älteren Asceten und Mönche angewiesen, 
sich der jugendlichen Mitbrüder anzunehmen und ihnen in aller 
Demut ascetische Unterweisungen zu erteilen. Die jungen Mönche 
sollen besonders dahin instruiert werden, dass sie einerseits keine 
unnützen Besuche bei ihren Nachbarn machen, die Einsamkeit 
lieben und das betrachtende Gebet in ihren Zellen pflegen, an- 
dererseits auch am Tisch des Herrn und an der liturgischen 
Synaxis in der Kirche teilnehmen ^). Bezüglich des ersteren 
Punktes wissen wir, dass die Koryphäen des Mönchtums, An- 
tonius, Makarius und Pachomius, sich zu Beginn ihrer asceti- 
schen Laufbahn alten und bewährten Asceten anschlössen. Dieser 
Grundsatz war auch in den Anachoretenkolonieen massgebend; der 
junge Mönch betrachtete seinen Lehrmeister in der Ascese als 
seinen geistlichen Vater '). In dem Pachomianischen Klosterverbande 



Worte »xSv tx^ toai fxov(S:2^ovTE^« den Sinn des Satzes entstellen. Der Sinn ist 
doch der: Christen, welche in einer unfruchtbaren Gegend wohnen und kein 
Handwerk hetreiben können, werden durch diese Verhältnisse gezwungen Handel 
zu treiben; und wenn sie auch nicht Mönche sind, und doch Handel treiben, 
so ist das vom Übel, ausser wenn die Not dazu treibt. 




Tüiv dydaX^wv opaaew?. Syntagma n. 2 : M)) v^tvi Yuvaixa ouveiaaxtov. (Migne s. 
gr. t. 28, col. 837.) 

2) Ebendas« n. 6. 

3) Eine interessante Studie über den ascetischen Unterricht in den ersten 
orientalischen Monasterien findet sich bei D. J, M* Besse, Les meines d*Orient, 
Paris (Oudin), 1900, p. 211 ff. 



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f Bückblick auf das egypt JUOnchium des 4, Jahrh, 231 

war für die religiös-sittliche Aasbildung der Neulinge hinlänglich 
(S. oben S. 204 ff.) gesorgt. 

Bezüglich des Privatbesitzes statuiert das Syntagma ^) einen Unter- 
schied zwischen den in der Welt lebenden Asceten einerseits und 
den Anachoreten und Gönobiten andererseits. Die ersteren därfen 
ihren Privatbesitz behalten ; sie sollen ihren Acker behalten und be- 
bauen. Die Erstlinge sollten der Kirche geopfert werden , das 
übrige sollte teils zum eigenen Lebensunterhalte dienen, teils unter 
die Armen, Witwen und Waisen verteilt werden. Der von der 
Welt abgesondert lebende Anachoret dagegen soll »die Ascese der 
Buhe nicht verletzenc. Damit ist jedenfalls gemeint, dass er sich 
des Rechtes auf Privatbesitz begeben soll; diesen Sinn legt der 
Gontext nahe ; denn sowohl in dem vorhergehenden als auch in dem 
folgenden Satze ist die Bede von der Stellung des Mönchtums zum 
Privatbesitz. Die Absonderung von der Welt erfordert nämlich auch 
die Losschälung von Hab und Gut; das Gegenteil wäre ein Hohn 
auf die zur Schau getragene Soxijatc ^aux^'^c Seit den Tagen des 
hl Antonius war es daher Regel, dass die sich in die Wüste 
zurückziehenden Asceten sich aller Habe entledigten (vita Antonii 
c. 2, 5, 17; Apophthegmata Patrum, Migne s. gr. t. 65 col. 82, 
col. 328; Verba Seniorum, Migne s. 1. t. 78 col. 772, col. 920). 
Schliesslich wird ausdrücklich erklärt, dass auch der Mönch, der 
sich in ein Monasterium zurückzieht und daselbst mit anderen 
Brüdern zusammenlebt, auf Privateigentum verzichten müsse; denn 
das Sichzurückziehen von der Welt reimt sich mit dem Behalten 
der irdischen Güter nicht. 

Als erste ascetische üebung wird die Arbeit*) betont. Der 
Ascet soll fleissig seinen Acker bebauen bez. irgend ein Handwerk 
betreiben, um Werke der Barmherzigkeit üben zu können. Niemand 
soll sich auf seine Mitbrüder verlassen, sondern sich selbst das täg- 
liche Brot erwerben. Gewinnsucht oder Uebervorteilung sollte beim 
Verkauf der Erzeugnisse ausgeschlossen sein. — Die Notwendigkeit 
der Arbeit und die Meidung des Müssigganges wird in der Vita 
Antonii nachdrücklich betont. In den Mönchskolonieen auf Nitria 
sowie in den Pachomianischen Cönobien finden wir alle möglichen 
Handwerke vertreten. Die Koryphäen unter den/Mönchen geben als 
fleissige Arbeiter den Mitbrüdern das beste Beispiel. Der üeberschuss 
der Arbeit gehörte den Armen. Dieselben Anschauungen über die 



1) Der Text findet sich oben S. 227 f. 
9) SyntfigmÄ ». 6. 



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232 Rückblick auf das egypt MOnchtum des 4. Jahrh. 

Arbeit finden wir in der Fachomianischen Gesetzgebung. (S. oben 
S. 206 ff.) 

Als zweite ascetische üebong wird das Fasten i) bezeichnet. 
Das Syntagma unterscheidet zwischen den kirchlichen und den frei- 
willigen Fasttagen. Als kirchliche Fasttage werden der Mittwoch 
und der Freitag der Woche genannt ; diese Faste sollte bis drei Uhr 
nachmittags dauern und in der Zeit von Ostern bis Pfingsten, am 
Epiphaniefeste und im Krankheitsfalle wegfallen. Als kirchliche 
Fastenzeit sollte auch die Quadragesima und die Karwoche beobachtet 
werden. Freiwillige Fasttage sollten der Montag, Dienstag und 
Donnerstag sein; am Samstag (mit Ausnahme des Karsamstags) 
und Sonntag war das Fasten verboten. An den freiwilligen Fast- 
tagen sollten jedoch die Asceten das Fasten unterlassen, falls es 
die Pfiicht der Gastfreundschaft erheischte. Das verlängerte Fasten, 
die sog. uicepftecK:, will das Syntagma den Mönchen nicht verbieten ; 
doch wird das prahlerische Fasten als ein Fallstrick des Teufels 
bezeichnet. 

Des Fleischgenusses sollten sich die Mönche ganz enthalten, 
nicht aus irgend einem unchristlichen Motive, sondern um die Gelüste 
des Fleisches leichter zu unterjochen. Desgleichen sollten sie keinen 
Wein trinken, höchstens davon kosten und den Schöpfer loben (^ t^ovov 
ysoeoOai xal e&XoysTv xöv XTtoavta). Wer jedoch , wie Timotheus, 
infolge strenger Ascese (dta TcoXXijv icoXixeiav) krank wird, darf 
Wein trinken, doch nur einen oder zwei Becher, mehr nicht*). 
Manche Anachoreten gingen noch weiter, enthielten sich aller ge- 
kochten Speisen und assen nur trockenes Brot und rohes Ge- 
müse. Das Syntagma tadelt diese strengere Lebensweise nicht, aber 
es gebietet gekochtes Gemfise zu geniessen, falls ihnen solches auf 
Beisen, beim Besuch anderer Brüder vorgesetzt würde. Endlich 
wird erklärt, dass der Genuss von Eiern und selbst von Fleisch in 
der Krankheit für die Mönche ohne Sünde sei^). — Dass das 



1) Syntagma n. 2. 

2) Syntagma doctr. 5 : Olfvou SXw; pir) Xajjißavs, ?) (xövov Ye^isa^ai xal soXo^etv 
xbv xT{90(vta. Die letzten Worte sind eine Anspielung anf eine mönchische Sitte. 
Die egyptischen Anachoreten pflegten an den Sonn- und Festtagen nach dem 
Gottesdienst gemeinschaffclich zu speisen (Hist. monach. c. 7, Yerba Seniornm 
Migne, s. 1. 1. 73 col. 909). Bei dieser Gelegenheit kam es vor, dass den Brüdern 
ein Becher Wasser (Verba Seniorum, 1. c. col. 917). manchmal auch Wein (Yerba 
Seniornm, 1. c. col. 768) dargereicht wurde. Bei einem solchen Anlass weigerte 
sich der greise Sisoes mehr als zwei kleine Becher Wein zu trinken, indem er 
bemerkte: üau^oci, aSsX^k, ^ oux oT^a^ Sn sori Zaxava;; (Apophtheg. Patr., Migne, 
s. gr. t. 66 col. 893). 

8) Syntagma n. 5: Tot; napouaiv apxou. Ka\ lav nspiaaox^pcüv xpsioy xa\ 
oKviüV iy(7iq 7CoXixe{av, xa\ aazik^i im, E^vtj?, (jl9) ^eXrloT); lauxbv xo(X7caJ^£iv, aXX* ?aos 



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Üückblick auf das egypf. Mönchtum des 4, Jahrh. 233 

Fasten mit Diskretion geübt werden müsse, lesen wir in der egyptischen 
Mönchslitteratur an verschiedenen Stellen. So lautet ein Ausspruch 
des hl Antonius (Verba Seniorum, 1. c. col. 912): »Es giebt einige, 
die ihren Leib durchs Fasten schwächen; sie sind aber von Gott 
fern, weil sie keine Diskretion beobachten.« Der Abt Lucius giebt 
einem Mönche, der zwei Tage ununterbrochen fasten wollte, einen 
ähnlichen Bescheid (Verba Seniorum, 1. c. col. 918): »Wenn du 
auch deinen Nacken bis zur Erde beugst, so wird doch dein Fasten 
Qott nicht angenehm sein, wofern du nicht deinen Geist von bösen 
Gedanken freihältst.« Der Abt Pambo (Verba Seniorum, 1. c. 
col. 923) giebt auf die Frage eipes Mönches : »Vater, ich faste zwei 
Tage nach einander und esse dann zwei Laib Brot; meinst du, dass 
ich selig werde oder bin ich auf einer falschen Bahn?« folgenden 
Bescheid: »Pambo fastet zwei Tage nach einander und isst hierauf 
zwei Laiblein Brot; ist er darum schon ein Mönch?« Der Abt 
Pastor (Verba Seniorum, 1. c col. 920) erklärt, es sei nach dem Ur- 
teil grosser Einsiedler besser, täglich etwas zu essen und sich einen 
Abbruch zu thun, als zwei Tage hinter einander zu fasten. — 
Palladius (S. oben S. 92) erzählt, dass in der nitrischen Anacho- 
retenkolonie zur Labung der Kranken Wein angebaut wurde. Es 
sei endlich noch bemerkt, dass zwischen der Fastenordnung des Syn- 
tagma und den von Pachomius hierüber aufgestellten Principien eine 
auffallende Aehnlichkeit besteht (S. oben S. 209 AT.). 

Als dritte ascetische üebung wird die Privatandacht und die 
Teilnahme am gemeinschaftlichen Gottesdienste bezeichnet. Be- 
züglich des ersteren Punktes heisst es, dass Nachtwachen nur mit 
Mass gehalten werden sollen; dagegen soll untertags öfters gebetet 
werden. Schreiendes, battologisches oder durch die zu lange Dauer 
ermüdendes Gebet wird von dem Syntagraa verurteilt. Hiermit wurde 
vor der Nachahmung hyperascetischer, das geistige und leibliche 
Wohl geföhrdender Gebetsubungen gewarnt (S. oben S. 105). Mit 
der Privatandacht sollten sich jedoch die Mönche nicht begnügen; 
darum werden sie ermahnt, an dem liturgischen Gottesdienste teil- 
zunehmen und sich aufs sorgfältigste auf die hl. Gommunion vorzu- 



fivou Tot? dcSeX^ol? xiX. (Migne, s. gr. t. 28 col. 841). Statt »Tceptfjcjox^pwv« ist 
wohl in diesem Text »jcepi^^oxepavc zu lesen, wie Hyvernat (a. a. 0. S. 125 u. 129) 
vorschlägt. IToXiT£(a ist aber gleich Ascese oder strenge .Lebenshaitang, wie das 
einige Zeilen vorherstehende »8ia7coXX7iV3üoXtT£{av« beweist. Übersetzt man nan den 
Anfang des etwas schwierigen Satzgefüges mit den Worten: »Wenn da eine 
strengere Lebensweise als die Ascese in Bezug aaf Feisch and Wein übst a. s. w.,« 
so erscheint der ganze Text durchaus nicht als widersinnig, wie Revillout 
(Archives des missions scient. et litt. etc. p. 471 s.) behauptet. 



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234 Rückblick auf das egypt, Mfinchtum des 4, Jahrh. 

bereiten. Hierbei wird an den alten kircblichen Brauch erinnert, 
dass an den Sonntagen sowie in der Zeit von Ostern bis Pfingsten 
beim öffentlichen Gottesdienst stehend gebetet werden soll ^). — In 
Uebereinstimmung mit dieser Verordnung des Synta^ma wird in den 
Quellen der egyptischen Mönchsgeschichte berichtet, dass die Mönche 
an Sonn* und Festtagen am gemeinschaftlichen Gottesdienste teil- 
nahmen und die hl. Gommunion empfingen. Indes kamen Abweich- 
ungen von dieser Regel vor, worüber noch in einem weiteren § die 
Rede sein wird. 

Ausserdem enthält das Syntagma doctrinae (n. 4 u. 6) einige 
ascetische Vorschriften geringerer Art. Das Syntagma erinnert an 
die Vorschrift des Apostels Paulus, keine lang herabwallenden Haare 
zu tragen, verbietet aber das völlige Abrasieren der Bart- und Kopf- 
haare, wie dies bei den Isis- und Serapispriestern üblich war'). — 
Das Schlafen auf dem nackten Boden (xa^ieuvta), das nach Eusebius 
(bist. eccl. VI, 2) schon Origenes beobachtet hat, wird nur den ge- 
sunden Mönchen gestattet, — Bezüglich der Körperpflege wird ver- 
ordnet, dass kranke Mönche ein oder zwei Bäder nehmen sollten. 
Diese Indulgenz wurde auch in den Pachomianischen Klöstern 
gewährt (S. oben S. 185). — Das Kleid der Mönche soll bescheiden 
sein; das Syntagma verurteilt ebenso die schmutzige wie weichliche 
Kleidung. Falls ein Busskleid getragen wird, so darf es äusserlich 
nicht sichtbar sein (S. oben S. 215—217). 

Damit endlich die Mönche auf Reisen nicht den ascetischen 
Geist einbüssten, verbot ihnen das Syntagma (n. 6) das Absteigen in 
öffentlichen Gasthäusern; sie sollten in den an die Kirchen angebauten 
Fremdenhäusern Speise zu sich nehmen ; falls aber eine Kirche oder 
ein orthodoxes Haus nicht in der Nähe wäre, sollten sie ein Fremden- 
haus aufsuchen, in dem sich keine Weiber befanden, und den ge- 
bührenden Ernst nicht ausser Acht lassen. Aehnliche Vorschriften 
finden sich in der Regula Pachomii. (S. oben S. 208.) 

§ 2. Verfall des egyptischen Äscetentums gegen Ende des vierten 

Jahrhunderts* 

Wie sich das Ascetentum in der nachapostolischen Zeit inner- 
halb der christlichen Gemeinschaft immer mehr ausbreitete, und wie 
die Vertreter dieses Standes zwar eine Mittelstellung zwischen Klerus 



1) Syntagma doctr. n. 6. 

2) S. oben S. 191. 



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Hückhlick auf das egypt, Mönchtum des 4, Jahrh. 235 

und Volk eiDnahmeD, doch mitten unter den Weltleuten lebten, ist 
schon früher gezeigt worden *). 

Was insbesondere Alezandria anlangt, so mass daselbst das 
Ascetentum eine hervorragende Bolle gespielt haben. Der Umstand, 
dass Origenes in seinen Schriften auf den Stand der Enthaltsamen 
(irxpateTg) wiederholt znruckkommt, beweist, dass im zweiten und 
dritten Jahrhundert die alexandrinische Katechetenschule sich vor- 
nehmlich aus Asceten rekrutierte^). 

Auch in den Schriften des hl. Athanasius geschieht wiederholt 
der in Alexandria lebenden Asceten Erwähnung. In einer Predigt 
(sermo de patientia c. 7) dieses Erzbischofs werden ausser den Priestern, 
Diakonen und Lektoren die während des Gottesdienstes anwesenden 
gottgeweihten Jungfrauen und Möüche apostrophiert. Das Wort 
»Mönch« war nach dem Sprachgebrauch des vierten Jahrhunderts 
identisch mit Cölibatär; deshalb kam jene Bezeichnung auch den 
ursprünglichen Asceten zu. Als im Jahre 329 der arianische Bischof 
Gregorius die Kirchen in Alexandria okkupierte, wurden daselbst 
viele gottgeweihte Jungfrauen und Asceten (fxovaCovxeg, lyxpaTsTc) 
gemisshandelt und getötet. In der historia monachorum konstatiert 
Athanasius mit Genugthuung, dass nach seiner Rückkehr in seine 
Bischofsstadt im Jahre 346 viele junge Männer sich dem ascetischen 
Leben zuwandten, und als im Jahre 356 der dux Syriacus während 
des Gottesdienstes in eine alexandrinische Kirche eindrang, nahmen 
sich die anwesenden Kleriker und Mönche des Erzbischofs kräftig an^). 

Asceten gab es aber nicht bloss in Alexandria, sondern auch 
in anderen Ortschaften Egyptens. Um die Wende des dritten Jahr- 
hunderts hatte der des Griechischen und Koptischen mächtige und 
litterarisch thätige Hieracas in seiner Vaterstadt Leontopolis durch , 
seine Vorträge eine Menge Asceten beiderlei Geschlechts an sich 
gezogen und begeistert. Indes ist diese Schöpfung des Hieracas 
nicht als ein Kloster, sondern als ein Ascetenverein zu betrachten. 
Um dieselbe Zeit gab es nach der Vita Antonii auch anderwärts in 
Egypten Asceten, die nicht weit von ihrem Heimatsorte, ein jeder 
für sich allein, der Ascese oblagen. Selbst in der Thebais war das 
Ascetentum nicht unbekannt. Den Pachomiusviten zufolge gab es 
Asceten bei der Stadt Esneh, und Petronius führte auf seinem 
Landgute Thebiou mit einigen Gesinnungsgenossen die gleiche 
Lebensweise. 



1) oben S. 12 ff. 

2) Bornemann ^ In investiganda monachatus origine qaibus de causis 
ratio habenda sit Origenis (1884). 

3} S. oben S. 65 f. 



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236 Rückblick auf das egypL MOnrhtutn des 4, Jahrh, 

Neben diesem ursprünglichen Ascetentnm entwickelten sich seit 
der Wöstenflucht des hl. Antonius im Jahre 306 in den, wenn auch 
nicht ganz unfruchtbaren, aber vom Weltverkehr ganz abgeschlossenen 
Gegendep Egyptens die sogenannten Anachoreten- oder Mönchs- 
kolonieen. So entstand bei Pispir die erste Mönchskolonie, deren 
Bewohner Antonius von seinem Versteck aus zu besuchen und in der 
Ascese zu unterrichten pflegte. Nach dem Vorbilde dieses ersten 
Anachoretendorfes bildeten sich ähnliche Gemeinden in der nitrischen 
Wüste. Gegen das Ende des vierten Jahrhunderts gab es solche 
lose Vereinigungen von Mönchen , die in ihren mehr oder weniger 
weit von einander entfernten Zellen , teils einzeln , teils mit einigen 
Genossen, lebten, im Nildelta sowie im Gebirge längs der Ufer des 
Nils bis in die Thebais hinein. An Sonn- und Festtagen besuchten 
sie den Gottesdienst in einer nahen Kirche; sonst lebten sie ge- 
sondert von einander, mit Gebet und Arbeit beschäftigt. Das vor- 
bildliche Wirken des hl. Antonius hatte aber die Gewohnheit ge- 
schaffen, dass diese Mönche behufs Vervollkommnung im geistlichen 
Leben gegenseitigen Verkehr pflegten und in ihren Zweifeln sich bei 
älteren Mitgliedern Rats erholten und sich ihrer Leitung anvertrauten. 
Nur in der Ascese mehr fortgeschrittene Mönche wagten sich noch 
tiefer in die Wüste hinein und lebten dort noch mehr für sich allein. 

Solche Eremiten im strengen Sinne des Wortes gab es in den 
Eellien, in der sketischen Wüste und auch anderwärts. Ausserdem 
hatte Pachomius in den Jahren 325—346 in der Oberthebais neue 
Klöster gestiftet, in denen die Mönche eine strenge cönobitische 
Lebensweise führten. 

Gegenüber diesen neuen monastischen Schöpfungen hielt das 
alte Ascetentum nicht lange stand. Die neue Ordnung trug all- 
mählich über die alte den Sieg davon. Dieser Umschwung ist er- 
klärlich. Die Asceten lebten zerstreut unter den Weltleuten und 
konnten bei der Zunahme der christlichen Bevölkerung und bei dem 
Mangel an Organisation leicht verweltlichen, während die Mönchs- 
kolonieen und Klöster abseits vom Weltverkehr und unter der Leitung 
hervorragender Führer sich kräftiger entwickeln konnten und selbst 
zur Zeit der arianischen Wirren weniger zu leiden hatten als das 
Ascetentum in den Städten und Flecken. Dazu kam noch, dass 
die neuen Institutionen mit ihrer strengen Lebensführung viele ernste 
und ideal gesinnte Geister aus dem Weltgetümmel in die Wüste 
lockten, zumal Athanasius und viele andere Bischöfe die neuen 
Pflanzstätten der Ascese begünstigten. 

Es wäre nun zu untersuchen, wann ungefähr der Zerfall des 



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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh, 237 

ägyptischen Ascetenstandes den Anfang nahm. Hyvernat*) meint, 
dass Athanasius schon in seinem Briefe an Drakontius vom Jahre 
354 auf die Ärgernisse, die unter den Vertretern des Ascetenstandes 
vorkamen, eine Anspielung mache. Allein an dieser Stelle ist von 
schlechten Mönchen ebensowenig die Rede wie von schlechten 
Bischöfen, ganz abgesehen davon, dass unter den Mönchen, wie es 
sich aus anderen Stellen des Briefes ergiebt, durchaus nicht die 
Asceten allein verstanden werden können. Mit mehr Recht könnte 
man auf die etwa im Jahre 356 oder 357 verfasste vita Antonii 
hinweisen , in der Athanasius deutlich genug auf gewisse Schäden 
und Gebrechen anspielt, die Antonius durch die Übernahme der 
geistlichen Leitung der Asceten in der von ihm gegründeten 
Anachoretenkolonie zu verhüten suchte. Wird doch schon in der 
Pachomiusvita (M 144 f., A' 476) ausdrücklich bezeugt, dass 
Theodor, der jugendliche Lektor der alexandrinischen Kirche sich 
deshalb dem Pachomianischen Klosterverband anschloss, weil er sich 
durch das Wohlleben der Asceten in Alexandria abgestossen fühlte. 
Gegen das Ende des vierten Jahrhunderts war der Verfall des 
ägyptischen Ascetentums eine vollendete Thatsache. Hieronymus 
und Gassianus bezeugen dies und sprechen sich übereinstimmend 
über die Ursachen dieser Erscheinung aus. Der erstere erzählt in 
einem um das Jahr 384 geschriebenen Briefe (ep. ad Eustochium, 
XXII (Vallarsi) c. 34—36), dass es damals in Egypten dreierlei 
Arten von Mönchen gab. Die erste Art bilden die Gönobiten, die 
in der koptischen Sprache sauses ^) genannt wurden. Gemeinschaft- 
liche Lebensweise (in commune habitant) und völlige Unterordnung 
unter die Oberen (prima apud eos confoederatio est, obedire maiori- 
bus, et quidquid iusserint, facere) war ihnen charakteristisch. Sie 
wohnten getrennt, aber ihre Zellen waren mit einander verbunden*). 
Die zweite Art von Mönchen waren die Anachoreten, die davon 
ihren Namen hatten, weil sie sich weit von den Menschen zurück- 
zogen (procul ab hominibus recesserint) und für sich allein in der 
Wüste lebten (soli habitant per deserta). Zu dieser Anachorese ge- 
hörte vollständige Losschälung vom irdischen Besitz. Auch wenn 
einer aus einem Gönobium in die Wüste kam, brachte er nichts mit 



1) Hyvernal S. 145. 

2) Sowhs = congregatio. coetus. 

3) Statt »tnanent separat!, seianctis cellalis« ist die Lesart »raanent se- 
parat!, sed ianctis cellulisc vorzuziehen. ' Denn es handelt sich hier am ein 
Gönobium. Der Commentator der Briefe des Hieronymus empfiehlt zwar die 
erstere Lesart durch den Hinweis auf »divisis cellulisc im Cap. 33 desselben 
Briefes, doch verkennt er, dass dort von den Anachoreten in Nitna die Bede ist. 



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^SB Rückblick auf das egypt MÖnchtum des 4, JahrK 

sich aasser Brot und Salz (qui et coenobüs exeantes, excepto pane 
et aale, ad deserta nihil perferont amplius). Die dritte Art von 
Mönchen, die Hieronymns als eine sehr schlechte und vernach- 
lässigte bezeichnet, hiessen Remoboth^). 9Sie wohnen zu zweien 
oder dreien, aber nicht in grösserer Anzahl, nach ihrem eigenen 
Gutdfinken beisammen und bestreiten von dem Ertrage ihrer Arbeit, 
von dem sie einen Teil zusammenlegen, ihren gemeinschaftlichen 
Lebensunterhalt. Sie wohnen grösstenteils in Städten und Flecken 
(habitant autem quamplurimum in urbibus et castellis), und als ob 
ihre Kunstfertigkeit, aber nicht ihr Leben heilig wäre, ist alles, 
was sie verkaufen , eines höheren Preises wert, unter ihnen giebt 
es viel Zank, weil sie, von ihrem Eigentum lebend, niemandem 
unterworfen sein wollen. Sie wetteifern im Fasten und machen das, 
was man nur im Verborgenen üben sollte, zum Gegenstande einer 
Wette. Alles ist bei ihnen affektiert: die weiten Ärmel, die weiten, 
schlorfenden Schuhe, das grobe Kleid, die häufigen Seufzer, der Be- 
such der Jungfrauen, die Herabsetzung der Geistlichen, und wenn 
ein Festtag kommt, essen sie sich bis zum Erbrechen voll.c Unter 
dieser dritten Art von Mönchen, über die Hieronymus ein so hartes 
Urteil ftllt, können nur die Asceten verstanden werden, die ja, wie 
oben gezeigt wurde, ohne jegliche Leitung in geringer Zahl in den 
Städten und Flecken oder nicht weit davon wohnten. Jedenfalls 
sind die Gönobiten, welche damals in Egypten die Mehrheit bildeten 
(qui plures sunt) sowie die Anachoreten in den Wüsteneien von 
diesem Tadel nicht getroffen. 

Hieronymus hatte allerdings damals, als er diesen Brief schrieb, 
das egyptische Mönchtum noch nicht persönlich kennen gelernt. In- 
des werden seine Angaben durch Oassian bestätigt, der zehn Jahre 
(385—395) in Egypten gelebt hat, und dem darum eine genaue 
Kenntnis des Mönchtums in jenem Lande nicht abgesprochen werden 
kann, wenn man auch seinen Ansichten über die Entstehung der 
verschiedenen Mönchsgattungen vom historischen Standpunkte nicht 
völlig beipflichten kann. Auch dieser letztere Gewährsmann spricht 
von drei Arten von Mönchen in Egypten (coUatio XVIH, c. 4—8). 
Die erste Art ist die der Gönobiten, die als Gemeinde zusammen- 
leben und durch das Urteil eines älteren geleitet werden (qui scilicet 
in congregatione pariter consistentes unius senioris iudicio gubernan- 
tur). Sie verlassen ihre Heimat (discedentes ä civitatibus suis, se- 



1) Das koptische Wort »remc ist die verkarzte tonlose Form von 
»römec = Mensch; remaboth ist also gleich Mann des Klosters. 



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"^ Rüchblick auf das egypt. Mönchlum des 4, Jahrh. ^39 

gregati a credentium turmis) und wohnen auf dem Lande und in 
verborgenen Gegenden (in locis saburbanis ac secretioribas com- 
manere). Sie heissen fxovaCovTsc , weil sie sich von der Ehe und 
dem Verkehr mit der Welt lossagen, Cönobiten dagegen wegen ihres 
Zusammenlebens. Zu dieser Gattung gehört der grösste Teil der 
ägyptischen Mönche (cuius generis maximus numerus monachorum 
per universam commoratur Egyptum). Die zweite Art ist die der 
Anachoreten, »die zuerst in Cönobien unterrichtet wurden, und nach- 
dem sie im thätigen Leben vollkommen geworden, die Verborgen- 
heit in der Wüste wählten«. Diese zwei Arten, meint Gassian, sind 
sehr gut; die dritte Art aber, die er Sarabaiten^) nennt, ist tadelns- 
wert. Diese letzteren wollen weder von der Klosterzucht etwas wis>*en 
noch sich der Leitung der Altväter unterwerfen (coenobiorum nul- 
latenus ezpetunt disciplinam nee seniorum subiciuntur arbitrio). Sie 
entsagen nur nach aussen, d. i. vor den Augen der Menschen, ver- 
bleiben aber in ihren Wohnungen (in suis domiciliis) bei den alten 
Beschäftigungen oder bauen sich Zellen, in denen sie zu zweien oder 
dreien wohnen, nennen dieselben Monasterien und leben darin nach 
eigenem Hecht und Gutdünken ohne Verzicht auf die Güter dieser 
Welt. Sie verlegen sich aufs Sparen, teils um Gutes thun zu können, 
teils zur Befriedigung der Gaumenlust und führen überhaupt ein 
vagabundierendes Leben. 

Hieraus ergiebt sich, dass die Sarabaiten Cassians mit den 
Remoboth des Hieronymus identisch sind*), und dass der jeglicher 
Organisation entbehrende und mitten in der Welt lebende Asceten- 
stand in den letzten Decennien des vierten Jahrhunderts nicht nur 
in numerischer, sondern noch mehr in sittlicher Beziehung dem Ver- 
fall entgegenging, während das Cönobitentum durch seine neue Or- 
ganisation und das Anachoretentum durch die demselben inne- 
wohnende grössere Kraft des Opfergeistes über jenes ältere Institut 
den Sieg davontrugen. 



1) Nach RevUlout (Archives des MiBsions scient. et litt., III serie, t, IV, 
1877) ist »Barabaitae« gleich »Bewohner des Klosters«. Indes das koptische 
8cheere-ab6t kann wohl nur »Söhne des Klosters« heissen. »Die Söhne des 
Klosters« ist aher soviel als »die ans dem Kloster Hervorgegangenen oder 
Klosterleute«, ähnlich wie in der arabischen Pachomiusvita (S. 387) die Ge- 
tauften oder Christen »banü *l-ma'müdiiati d. h. die Söhne der Taufe genannt 
werden. 

2) RevUlout (a. a. 0. S. 486 fif.) hält die Charakteristik der Remoboth 
oder Sarabaiten durch Cassian und Hieronymus fdr ungerechtfertigt, indem er 
alle egyptischen Mönche, die Pachomianer ausgenommen, durch diesen Tadel 
getroffen glaubt. Diese Unterstellung ist aber, wie aus dem Obigen ersicht- 
lich ist, falsch. 



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240 Rückblick auf das egypU Mönchtum des 4. Jahrh, 

§ 3. Die SittlichJceit der pachomianischen Mönche. 

Hieronymos war ein grosser Lobredner des Mönchtoms; doch 
machte ihn diese seine Vorliebe keineswegs blind gegen die Aus- 
wüchse in den Mönchskreisen. Man lese nur seine Briefe^), und 
man wird sehen, mit welcher Offenheit er alle Erscheinungen des 
Aftermönchtums rügte und brandmarkte. Desgleichen ist in den 
bisherigen Erörterungen über das egyptische Mönchtum des vierten 
Jahrhunderts darauf hingewiesen worden, dass die griechischen 
Schriftsteller, von denen wir über diese Mönchskreise Aufzeich- 
nungen haben, bei aller Bewunderung des Mönchsideals dennoch 
nicht anstanden, schlechte Mönche an den Pranger zu stellen. 

Nichtsdestoweniger behauptet Amölineau*), jene Schriftsteller, 
besonders aber Hieronymus, hätten es verschuldet, dass sich im 
Abendlande gar zu optimistische Anschauungen über die Sittlichkeit 
der Gesamtheit obiger Mönchskröise gebildet hätten. In Wirklich- 
keit seien jene Mönche ihrer grossen Mehrheit nach den gewöhn- 
lichen Sterblichen nicht weit über gewesen, sie hätten viel gegessen 
und getrunken, sie seien genusssüchtig und durchaus keine Weiber- 
feinde gewesen und seien selbst vor solchen Verbrechen nicht zu- 
rückgeschreckt, derentwegen sie heutzutage jeden Augenblick vor 
das Schwurgericht genommen wären, und eine solche Lebensweise 
hätten sie durchaus nicht für unvereinbar gehalten mit Psalmen- 
beten und zeitweiser strenger Faste. Man dürfe sich, meint Amdlineau, 
darüber auch gar nicht wundern. Denn jene Mönche rekrutierten 
sich aus den untersten Gesellschaftsklassen und brachten beim Ein- 
tritt ins Kloster alle ihre Leidenschaften und Roheiten mit. 

Zudem bewirkt ein heisses Klima »hitziges Blut, welches 
durch das Taufwasser nicht ausgelöscht werden konnte«. Darum 
hätten sich in jenen Kreisen die zu sehr niedergehaltenen Leiden- 
schaften von Zeit zu Zeit mit Gewalt Luft gemacht. Auch die 
rohen Ideen, welche in jenen Kreisen gang und gäbe gewesen 
wären, seien nicht dazu angethan gewesen, den inneren Menschen 
zu läutern. Man trat eben ins Kloster ein in dem Wahne, dass 
das Sterben im Mönchsgewande an und für sich schon die Seligkeit 
garantiere. Die Führer jeuer Mönchsgenossenschaften hätten ihre 
liebe Not gehabt, gegen diese rohen Auffassungen vom Mönchsleben 
anzukämpfen; aber sie hätten diese Spezifika der egyptischen Natur 
nicht auszurotten vermocht. Man hielt nach wie vor das Sterben 



1) Ep. 22, (nach Vallarsi) ad Eustochium (n. 34), ep. 56 ad Nepotiauura 
(n. 6), ep. 125 ad Rusticam. 

2) Annales da masee Gairaet, Tome dix-septieme, Introdaction p. IV s. 



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Rückblick auf das egypt, Mönchium des 4. Jahrh, 241 

im IMönchskleide fär ein Ideal und begnügte sich damit, nicht zu 
offenkundig die Elostersatzungen zu übertreten, um nicht aus den 
Elodtermauern vermesen zu werden. 

Ob dieses vernichtende Verdikt über die Gesamtheit der 
ägyptischen Mönche des vierten Jahrhunderts berechtigt sei, soll im 
Folgenden erörtert werden. Zunächst soll nun von den pachomiani- 
schen Mönchskreisen die Rede sein. Hierbei wird die. von Am^Iineau 
entdeckte arabische Pachomiusvita zugrunde gelegt werden, nicht als 
ob diese zugestandenermassen jüngste Vita die zuverlässigste Qe- 
schichte über den pachomianischen Elosterverband darböte, sondern 
deshalb, weil Am^lineau so kategorisch behauptet hat, dass sich auf 
Grund derselben eine Umwälzung in den bisherigen Anschauungen 
über die Moralität der Fachomianer mit Notwendigkeit ergebe. 

Am^lineau ^) behauptet, Pachomius sei zwar selbst in sexueller 
Hinsicht intakt gewesen*), doch liesse sich dies nicht von seinen 
Mönchen sagen. Zur Erhärtung dieser These zieht er eine Episode 
aus dem pachomianischen Frauenkloster Tabennisi heran. Der That- 
bestand war laut der Vita A' 383—384 folgender. Eine jüngere 
Elosterschwester , welche ausserhalb des Elosters einen Auftrag zu 
besorgen hatte, traf zufällig einen Schneider, der Arbeit suchte. Sie 
fertigte ihn kurz ab mit den Worten: »Wir haben unsere eigenen 
Schneidere. Anlässlich eines Zwistes im Eloster machte ihr nun 
eine Mitschwester, die jenen Vorgang von ferne beobachtet hatte, bos- 
hafter Weise Vorwürfe wegen der Unterredung mit dem fremden 
Schneider. Die Angeschuldigte härmte sich sehr ab über die ihr 
in Gegenwart der Mitschwestern zugefügte Schmach, und unfähig, 
diese Verleumdung zu ertragen, stürzte sie sich in den Fluss und 



1) IntroductioD p. VII. 

2) In der arabischen und griechischen Vita wird berichtet, dass Pachomius 
am Anfang seiner ascetischen Laafbahn von sinnlichen Phantasiebildern be- 
lästigt wurde. A' 865: »Öfters, wenn er sich setzte, am sein Brot zn 
essen, kamen sie (die Dämonen) za ihm in Gestalt nackter Weiber, am mit 
ihm za essen (arah; likaj iäkila ma'aha) : er aber schloss seine Angen and sein 
Herz, bis sie verschwanden warenc. Vgl. C 13. Ist es nan bloss ein Druck- 
fehler, wenn man in der Introduction (p. CV) Amelineaus liest: »Que vojait 
Pakhöme aux heures de souffrance ? des femmes toutes nues qui venaient a lui 
pour partager son repos (!) et qui Taga^aient. — Auch üher Theodor, den 
Liehlingsschüler und Nachfolger des Pachomius bemerkt Amdlineau (Intro- 
duction p. CX): »Theodore lui-mdme etait accessible a la volupte: la fille de 
Satan en personne le lui dit un jour en presence de son pere Pakh6me«. Diese 
Verdächtigung muss zurückgewiesen werden. Denn an jener Stelle (A' 625 ff.), 
die Amelineau im Auge hat, ist von der Empfänglichkeit Theodors für fleisch- 
liche Gelüste keine Bede; vielmehr erklärt die Tochter des Satans dem 
Pachomius und dessen Lieblingsschüler den Krieg, weil beide dank der Gnade 
des Herrn die zahlreiche Gemeinschaft der Mönche so erfolgreich gegen die 
dämonischen Mächte zu schützen verständen. 

Schiwietz, Mönohtam. 16 

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242 Rückblick auf das egypL Mönchtum des 4. Jahrh. 

ertrank. Die Verleamderin aber, über den bösen Ausgang der Sache 
tief ergriffen, erhenkte sich heimlich. Den beiden Selbstmörderinnen 
wurde von dem mit der Seelsorge des Klosters betrauten Priester 
das christliche Begräbnis verwehrt; die übrigen Schwestern aber, 
welche um die Verleumdung gewusst hatten, wurden auf sieben Jahre 
von der hl. Kommunion ausgeschlossen. Diese Episode findet sich in 
keiner der älteren Pachomiusviten und ist vom Araber aus der Historia 
Lausiaca (c. 40) des Palladius entlehnt. Wie unzuverlässig aber 
der letztere in seinen Angaben über den pachomianischen Kloster- 
verband ist, wurde schon früher nachgewiesen. Indes, was beweist 
das ganze Vorkommnis? Am^lineau^) erklärt, dieses Faktum sei, 
wenn er sich nicht täusche, ein Beweis dafür, dass solche sexuelle 
Excesse in dem Frauenkloster nicht als unmöglich erscheinen. 
Nimmt man jedoch den Bericht so, wie er ist, so ergiebt sich 
daraus eher das Gegenteil. 

Die Hochschätzung der Sittenreinheit seitens der Schwestern 
des Klosters kann jedenfalls nicht als eine geringe bemessen wer- 
den, wenn selbst der öffentlich ausgesprochene Verdacht von der 
angeschuldigten Schwester als die grösste Kränkung empfunden 
wurde. Die Episode ist für doQ, der zwischen den Zeilen liest, 
höchstens ein Beweis dafür, dass in dem Frauenkloster sich eine 
Schwester befand, welche die Evasnatur noch nicht abgelegt hatte 
und infolgedessen grosses Unheil anrichtete. 

Wie stand es aber mit der Sittlichkeit in den Pachomianischen 
Männerklöstern? Nach der obigen Charakteristik zu urteilen, möchte 
man glauben, dass die von Am^Iineau bevorzugte arabische Pachomius- 
vita von Berichten über sittliche Verirrungen in jenen Kreisen wim- 
mele. Am^lineau^) citiert allerdings nur ein einziges konkretes 
Faktum (A' 477 ff.). Ladeuze (a. a. 0. S. 338 ff.), der sich die 
Muhe gegeben hat, alle irgendwie hier in Betracht kommenden Be- 
richte zu sammeln, hat deren acht^) herausgefunden. 



1) Introduction p. CVIII s. 

2) Introdaction p. CIX. — Siehe unteo S. 24S. 

3) Ausserdem ist noch an drei Stellen der Vita A' von sittlichen Ver- 
gehen die Bede; indes kommen diese hier nicht in Betracht, da sie nicht 
Pachomianer« sondern fremde Mönche betreflfen. Der historische Unwert des 
ersten Berichtes (A' 427 ff.) ist schon oben S. 145 beleuchtet worden. Der 
Araber hat eben hier im Gegensatz zu den drei ältesten Quellen C 48, 
T 822 ff., M 96 ff , wo von Diebstahl die Rede ist, ein sexuelles Verbrechen 
substituiert. Der zweite Bericht (A' 429 f.) betrifft ebenfalls fremde Mönche 
und ist wohl gleich dem vorausgehenden Berichte in der Absicht fingiert, um 
an Exempeln die Zweckmässigkeit der in den Pachomianischen Klöstern gelten- 
den Keuschheitsregeln darzuthuen. Der dritte Bericht betrifft alexandrinische 
Mönche. Der eben aus Alexandria angekommene Lektor Theodor, von 



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Rückblick auf das egypt Mönchtuvn des 4. Jahrh. 243 

Zunächst wird in der Vita A' 435 von dem Mönche Doaidonna, 
der im Kloster Erankenwärterdienste verrichtete, erzählt, dass er 
sich angetrieben fühlte, einen Knaben von angenehmem Äussern be- 
sonders zärtlich zu bedienen. Er merkte jedoch, dass der Qedanke, 
dem kranken Knaben vor den übrigen den Vorzug zu geben, nicht 
in der Ordnung sei. Er enthielt sich darum der Speise und nahm 
seine Zuflucht zum Qebete. Da erschien der Unzuchtsteufel und er- 
klärte dem Mönche, dass derselbe allmählich in Sünden gefallen 
wäre, wenn er der sinnlichen Neignng nachgegeben hätte. 

Demnach handelt es sich hier nicht um irgend eine vollbrachte 
Sünde, sondern um eine im Keime erstickte Anwandlung zur Sinn- 
lichkeit. Übrigens ist schon früher darauf hingewiesen worden, dass 
der arabische Bericht weiter nichts als eine Umdichtung einer in der 
ältesten Vita C 53 erzählten Begebenheit ist. Nur heiäst es in diesem 
Originalbericht, dass der Mönch in sich das Verlangen nach der 
besseren Krankenkost verspürte, aber energisch unterdrückte. Der 
Araber hat in seiner bekannten Sucht nach Exempeln für die Be- 
wahrung der Keuschheit den Bericht der Vita C umgemodelt. 

In derselben Vita A' 472 heisst es, dass ein junger, starker 
Mönch des Klosters Tabennisi, Namens Badola, Versuchungen aus- 
gesetzt war, wie sie dem jugendlichen Alter eigentümlich seien. Er 
versagte sich jedoch nicht den Genuss einer kräftigeren Speise, die 
den Mönchen wegen schwerer Arbeit geboten wurde, obwohl ihn 
das Gewissen zu grösserer Enthaltsamkeit antrieb. Als nun bei der 
abendlichen Unterweisung der Mönche der Abt Theodor die Be- 
merkung fallen Hess, dass einer von ihnen seine Hoffnung auf eine 
volle Schüssel setze, fühlte er sich getroffen und bekannte, dass er 
bei Tische der Eingebung seines Gewissens nicht Folge geleistet 
hätte. Auch dieser Bericht, den der Araber der boheirischen Vita 
<M 133) entnommen hat, ist nicht geeignet, zu Ungunsten der 
Pachomianer ausgebeutet zu werden. 

Gravierender erscheint aber folgender Bericht des Arabers 
{S. 477 ff.). Als einmal Pachomius in das Kloster von Schenesit 



Pachomius über das Leben der dortigen Mönche befragt, erklärt, in sittlicher 
Beziehung seien dieselben einwandfrei, doch lieasen sie sich nichts in Speise 
nnd Trank abgeben. Pachomius äussert seine Bedenken, da die Genusssucht 
mit der Bewahrnng der Keuschheit unvereinbar sei. Einige Zeit darauf erfahrt 
Theodor, dass alle Mönche in Alezandria sich böser Handlangen schuldig ge- 
macht hätten, und es wird ihm klar, dass Pachomius recht hatte, wenn er 
sAßte: »Wer seinen Leib zu sehr pflegt, kann denselben nicht rein bewahren«. 
Dieser jedenfalls stark ühertriehene Bericht des Arabers findet sich nicht in 
der älteren griechischen Pachomiusyita. 

16» 



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244 Rückblick auf das egypL Mönchtum des 4, Jahrh. 

kam, nahm er einen abscheulichen Geruch wahr; er meinte, dass 
der Satan einen seiner Brüder verfuhrt oder, wie es wörtlich heisst, 
einen Mord an ihm begangen hätte, aber er kannte den Schuldi- 
gen nicht. Während des Oebetes in der folgenden Nacht erhielt 
Pachomins eine Offenbarung über den Sachverhalt. Er Hess den 
Knaben kommen, dessen sich der Satan zur Verführung jenes 
Mönches bedient hatte, forschte ihn ans, Hess dann den Schuldigen^ 
nämlich ApoUonius, den Vorsteher des Klosters, rufen und sprach 
zu ihm von dem begangenen Fehltritt i). ApoUonius verlangte eine 
Busse hierfür, erklärte aber: »Wenn ich gesündigt und etwas Sa- 
krilegisches gethan habe, so habe ich doch nicht das Sakrilegische 
dieses Gedankens ausgeführt, sondern nur damit begonnene. Er 
unterwarf sich einer schweren Busse und wurde darnach aus dem 
Kloster entlassen. 

Es handelt sich also hier nur um den Anfang der Ausführung 
böser Begierden ; sagt doch Pachomins selbst zu ApoUonius (A' 478) : 
»Du hast nicht ausgeführt, was der Satan dir eingegeben hat«. 
Immerhin könnte der ganze Vorgang eine Erfindung des Arabers 
sein. Weder die älteste griechische Vita C weiss etwas davon, 
noch auch die koptische Vita M'), an die sich gerade der Araber 
bei den dem obigen Bericht vorausgehenden und nachfolgenden Er- 
zählungen hält. 

Etwas weiter (S. 495) findet sich in der arabischen Vita fol- 
gender Bericht: »Es waren unter den älteren Brüdern zehn Männer, 
welche nachlässig waren in ihrem Wandel, unrein in ihren Herzen, 
mit Gedanken der Unzucht; sie waren ungläubig gegen unseren 
Vater Pachomins und widersprachen ihm in vielen Dingen«. 
Pachomins betete viel für sie, »besonders weil sie ihre Leiber mit 
nieipandem befleckten«, und erreichte schliesslich ihre Bekehrung. 

Nach dieser ausdrücklichen Erklärung des Arabers kann bei 
den in Frage kommenden Mönchen von äusseren ünzuchtssünden nicht 
die Bede sein. Indes auch die diesen Mönchen imputierte Zulassung 
von unzüchtigen Gedanken ist eine Erfindung des Arabers. In der 
ältesten Vita C 64 lautet nämlich der Bericht folgendermassen : »Es 
waren in Pabau unter den älteren Mönchen zehn Männer, welche 
zwar dem Leibe nach tadellos und fromm, aber zum Murren geneigt 



1) Am6lineau (Introdaction p. CIX) ignoriert alle diese Nebennmstande 
des Berichtes und behaaptet, Pachomins hatte den Vorsteher beider That selbst 
ertappt. 

2) Vielleicht hat der allgemein gehaltene Bericht der Vita M. 207 f. den 
Araber zur Fiktion eines besonderen Falles veranlasst. 



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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4, Jahrh, 



245 



waren und die Ermahnungen des Pachomius nicht mit dem geziemen- 
den Vertrauen aufnabmenc Diesen letzteren Bericht hat der Ver- 
fasser der boheirischen Vita (M 151) ziemlich wörtlich aufgenommen. 
Doch die Bemerkung der Vita G 64, dass die zehn Mönche dem 
Leibe nach rein waren, veranlasste den Verfasser, denselben Bericht 
noch zu einem anderen Zwecke umzumodeln, um daran eine Warnung 
vor unkeuschen Gedanken zu knüpfen. Dieser alterierte Bericht 
findet sich in der boheirischen Vita S. 178. Der Araber hat nun 
bei der Benützung der boheirischen Vita den ursprünglichen Bericht 
übergangen, dagegen den modifizierten und nach seiner Meinung für 
Erbauungszwecke geeigneteren in seine Pachomiusvita (A' 495) auf- 
genommen. 

Auch der Bericht A' 509 — 510 scheint ein ungünstiges Licht 
auf die Pachomianer zu werfen, besonders wenn man die französische 
Obersetzung des betreffenden Textes durch Am^lineau zugrunde 
legt. Zur Klarstellung des wirklichen Thatbestandes mag zunächst 
dieser Bericht nebst dem Parallelbericht der boheirischen Vita in 
der Übersetzung des Am^lineau folgen: 



A' 509—510. 

Et Dieu d^couvrait ä notre p^re 
Pakhome ceux dont le coeur in- 
clinait vers la fornication, comme 
il est ^crit dans TEvangile: Les 
fornicateurs sont les enfants du 
m^chant qui souillent la res- 
semblance de Dieu. II ne les 
n^gligeait point, mais il les ötait 
du milieu de la bonne culture; 
car il savait que ceux qui mar- 
chent droit seraient en repos, 
söparös d'eux. Et s'il trouvait un 
jeune gar9on 6gar^ par les enfants 
du mechant, si personne ne sa- 
vait ce qui ötait arrivö au garfon, 
il soignait son äme en secret. Si 
qnelqu'un tombait dans le p^ch^ 
et que Pakhöme vit la possibilitc 
de le soigner, il s'effor9ait de le 
gnider contre Iblis, pensant ä 
Tordre de l'ApÖtre qui dit: mes 
fr^res, si la main d'un homme est 
^tendue vers un pech^, vous qui 
etes spirituels, redressez-le en 
esprit de douceur; pour toi, exa- 



M 193-194. 

11 arriva un jour , que 

notre pöre Pakhöme eut la r4v6- 
lation d^une vision au sujet de 
ceux qui d^clineront d'eux-memes 
dans le d^sir de leur coeur, et 
qui sont de Fivraie, selon ce qui 
est äcrit dans TEvangile: L'ivraie, 
ce sont les enfants du mechant 
c'est-ä-dire ceux qui ont souill^ 
rimage de Dieu; Ton ne per- 
mettra pas (lis.: on n'oubliait 
pas) de les arracher du milieu 
de la bonne semence, sachant 
qu'il y aura dilatation de coeur 
pour les justes dans la perte de 
ceux de cette sorte. Mais si 
quelqu'un, ayant ^t^ tromp^ par 
Tun des enfants du mechant, 
sentait son inf^riorit^ et avait un 
peu de connaissance , Pakhöme 
soignait son äme et la gu^rissait. 
De meme, ceux qu'il voyait fils 
du mechant, il les d^pouillait de 
rhabit monacal, les rev^tait des 
habits mondains, et les chassait 



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246 



Rückblick auf das egypU Mönchtum des 4. Jakrh, 



mine-toi toi-mgme et täche de ne 
pas etre tent^. Et an grand nombre 
de ceax qai incÜDaient ä com- 
mettre le p^ch^, il les connaissait 
par l'esprit de Dieu qui ötait en 
lai, il les questionnait jusqu'ä ce 
qu'ils eussent avou^ ce qa'ils 
avaient pens^ et il les chassait 
de meroe. Dn jour, il trouva an 
jeune gar9on dans un ^tat maa- 
yais dMmparetä, comme il est öcrit 
au sujet d'antres gens: »II est 
mauvais de dire ce qa'ils fönt en 
secret«. 11 prit les vetements de 
ce jeune homme, sa natte, sa 
calotte, ses sandales, son cilice, 
les fit consumer par le feu au 
milieu des fr^res, en fit jeter la 
cendre loin du monastäre et le 



de parmi les fräres. Avant qu'un 
grand nombre n'eussent mis ä 
ex^cution le d^sir qui ^tait en 
leur coeur, il les connaissait par 
l'esprit de Dieu qui ^tait en lui» 
il les questionnait jusqu'ä ce 
quMls lui avouassent de leur 
bouche ce que pensaient faire 
leurs Coeurs ; alors, il les chassait 
d'entre les frferes. Si quelqu^an 
allait le trouver apr^s etre tomb6 
dans une faute et sMl (savait) que 
le p^cheur ferait p^nitence, il se 
hätait avec mis6ricorde de le 
sauver des mains du diable, se 
rappelant l'ordre de l'ApÖtre qui 
dit: Mes freres, si quelqu'un 
d'entre nous, tombe dans une 
faute, vous, pneumatiques , in- 
struisez-le en esprit de soUicitude, 
et toi, prends garde aussi de 
n'@tre pas 6prouv^. 

Dieser arabische Bericht erscheint schon durch die inkorrekte 
Übersetzung des ersten Satzes auf eine spezielle Sünde zugespitzt. 
In dem arabischen Texte finden sich erstens nicht die Worte »yers 
la fomicationc; dieselben sind eine Zuthat des Am^lineau. Zu den 
gleich darauf folgenden Worten »Comme il est 6cv'\t en Evangile: 
Les fornicateurs sont les enfants du m^chant qui souillent la res- 
semblance de Dieuc erklärt Am^lineau in einer Anmerkung , diese 
Stelle ßlnde sich nicht im Evangelium. Das liegt aber an der ün- 
genauigkeit seiner Übersetzung. Das in Frage kommende arabische 
Wort e§-givänu heisst nicht »die Hurerc , sondern das Unkraut. 
Wörtlich übersetzt lautet der erste Satz f olgendermassen : »Und 
Gott entdeckte unserem Vater Pachomius diejenigen, welche eine 
Neigung hatten in ihren Herzen, d. h. Unkraut waren, wie ge- 
schrieben steht im Evangelium (Matth. 13, 38): Das Unkraut sind 
die Kinder des Bösen, d. h. die das Bild Gottes beschmutztenc. — 
Die Abhängigkeit des arabischen Berichtes i) von dem der älteren 
1)oheirischen Vita ist augenscheinlich. In beiden Berichten wird 
dem Pachomius eine aussergewöhnliche Kenntnis der geheimen Ge- 
danken der Mönche zugeschrieben; zugleich wird gezeigt, wie Pa- 



1) Der arab. Text lautet : Wakäna'llahu iakschiwu liabÜDä Bächüm allaztna 
iamila fi kulübihim izä käna zavranan kama hawa maktübun fi*lindschili an 
6z-zawäna harn banu 'sch-schartri allazina hnm andachasü sürata 'llähi. 



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Rückblick auf das egypi. Mönchtum des 4, Jahrh, 247 

chomias auf Grund dieser Eardiognosie seine Mönche dazu anleitete, 
die bösen Neigungen zu unterdrücken und Thatsünden zu verhindern. 
In dem boheirischen Bericht ist aber nur von der Sünde und den 
bösen Neigungen des Herzens im allgemeinen die Bede. Der Araber 
aber hat sich mit diesem allgemein gehaltenen Berichte seiner Vor- 
lage nicht begnügt, sondern zum Schluss einen konkreten Fall be- 
züglich des Knaben, der sich in dem bösen Zustande der Unlau- 
terkeit befand, erdichtet. In den älteren Pachomiusviten findet 
sich diese Episode nicht. Selbst wenn dieselbe historisch wäre, so 
wäre sie durchaus kein Beweis dafür , dass der Knabe sich bereits 
anzüchtiger Handlungen schuldig gemacht hätte; denn, wie aus- 
drücklich hervorgehoben wird, will ja der Araber an diesem kon- 
kreten Beispiel zeigen, wie Pachomius die bösen Neigungen der ihm 
unterstellten Mönche erkannte und die Nachlässigen, ehe sie zur 
Ausführung des Bösen schritten, aus dem Kloster wegjagte. 

Zur Illustration der ausserordentlichen Menschenkenntnis des 
Pachomius erzählt die arabische Vita (S. 510 ff.) noch folgende Be- 
gebenheit. Pachomianische Mönche, welche aus Alexandria heim- 
kehrten, brachten drei Männer mit, die um Aufnahme ins Kloster 
baten. Pachomius erkannte sogleich, dass der eine von ihnen Un- 
kraut war von Kindheit an^), und trug Bedenken ihn aufzunehmen, 
da das tief eingewurzelte Böse schwer auszurotten wäre. Indes, um 
die zwei anderen Ankömmlinge nicht abzuschrecken, nahm er ihn 
auf und Hess ihn durch einen bewährten Mönch überwachen. Die 
Mitmönche, denen Pachomius das Vorleben des Neulings verschwieg, 
staunten über dessen Ascese. Indes am Ende des neunten Jahres 
neigte sich sein Herz zu dem Entschlüsse, eine Seele zu verderben 
und zu töten. Pachomius erkannte dies im Geiste und forschte ihn 
ans. Der Unglückliche gestand ein, dass er in seinem Herzen an der 
Ausführung seines bösen Gedankens Gefallen gehabt hätte, und 
Pachomius entliess ihn aus dem Kloster. 



1) A' 510 f.: Kala laha haza*r-raclschala huwa siratau zavänun min 
sagaratin = (Pachomins) sprach zu ihm (dem ältesten Mönche) : Dieser Mensch 
ist in dem Betragen nach Unkraut von klein auf. Die Übersetzung Am^lineaus: 
»Cet horome est un fomicateur des son enfance« ist unrichtig; denn zavänun 
heisst nicht Hurer, sondern Unkraut. Möglich wäre allerdings eine andere 
Punktation der Konsonanten des fraglichen Wortes, nämlich zavänin (Plural 
von zänijatan) = Ehebrecherinnen, doch an^ dieser Stelle widersinnig. — Zwei 
Zeilen vorher lässt Am^lineau in seiner Übersetzung den Pachomins sagen : 
Pourquoi as-tu amene cet homme de fornication? Allein der arabische Text 
»Limäzä dschibta ilaina häzä'z-zawäna« lautet wörtlich übersetzt: »Warum hast 
du gebracht zu uns dieses Unkraut?« Die Unrichtigkeit der Übersetzung 
Am^lineaus ergiebt sich übrigens aus dem Vergleich des Parallel teztcs der 
vita M 194 f., der doch dem Araber als Vorlage gedient hat. 



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248 Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4. Jahrh. 

Der Bericht ist kein Beweis far den UDmoralischen Geist in 
dem Pachomianischen Elosterverband , eher für das Gegenteil. 
Fachomius hat den Verdächtigen nnter eine strenge Aufsicht ge- 
stellt und dessen Vorleben den übrigen Mönchen deshalb verheim- 
licht, weil diese sonst an seinem Aufenthalte im Kloster Anstoss 
genommen und ihn verabscheut hätten. Der Bericht ist übrigens 
aus der koptischen Vita M 194 ff. geschöpft und findet sich nicht 
in der ältesten Vita C. 

Ähnlich dem vorigen ist der Bericht der arabischen Vita 
(S. 518 ff.) über die Bekehrung des Silyanus. Zwei junge Leute 
nämlich wollen Mönche werden. Fachomius sieht, dass der eine 
von ihnen, Silvanus, in Unlauterkeiten gelebt hat, und giebt ihm 
darum ganz besondere Verhaltungsmassregeln. Bald bemerkt er je- 
doch, dass der böse Geist, dem der junge Mann früher Folge ge- 
leistet, wieder in ihm Flatz gefunden hat, und will ihn entlassen. 
Silvanus bittet um weitere Nachsicht, wird von Fachomius unter 
die Aufsicht eines bejahrten und erprobten Mönches gestellt und 
macht nun solche Fortschritte in der Tugend, dass Fachomius ihn 
in einer öffentlichen Versammlung als Vorbild für die übrigen 
Mönche hinstellen konnte. 

Der arabische Bericht ist so allgemein gehalten, dass man 
daraus das eigentliche Crimen des Silvanus nicht eruieren kann. 
Indes diese Episode findet sich auch in den ältesten Pachomius- 
viten. Während der Araber ganz allgemein erklärt, dass Silvanus 
dem bösen Geiste wieder Einlass in sein Herz gewährt habe, bestand 
nach der griechischen Originalvita (C 66) das Crimen darin, dass 
der junge Mann die Vorschriften des Fachomius bald ausser acht 
Hess und Fossen trieb, und die Vita F giebt uns noch genaueren 
Aufschluss ȟber die Unlauterkeiten, in denen Silvanus vor dem 
Eintritt ins Kloster gelebt hatc Es heisst darin (F 2), dass der 
junge Mann von Hause aus Schauspieler war und nach einiger Zeit 
in der Elostergemeinde Frohen seines früheren Gewerbes zum Besten 
zu geben versuchte. 

Schliesslich kommt hier noch dec Bericht A' 538 in Betracht. 
Es heisst darin, dass in einem der Fachomianischen Klöster ein 
Mönch Aufnahme fand, der äusserlich als fromm erschien und seinC' 
Mitbrüder durch sein Betragen erbaute. Fachomius erkannte jedoch 
vermöge der ihm eigenen Kardiognosie , dass der Mönch in den 
Unlauterkeiten, in denen er früher gelebt hatte, noch geblieben 
sei, und entliess ihn sofort. 

Was unter der Unlauterkeit aus früherer Zeit zu verstehen sei 



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Rückblick auf das egypt, Mönchtum des 4. Jahrh. 249 

gibt der Araber nicht an. Man muss sich aber wohl hüten, an Un- 
zucht oder Hurerei zu denken, wenn in den koptisch-arabischen 
Quellen tqu Unlauterkeit (nadschasun, nadschäsatun) die Rede ist. 
Unzucht wird in der arabischen Vita mit zinä'un bezeichnet, 
z, B. A' 493 : damlru'z-zinäi = der unzüchtige Gedanke. Vgl. auch 
A' 513. Dagegen hat das Wort nadschasun, nadschäsatun einen viel 
weiteren Begriff und ist gleichbedeutend roit Sünde überhaupt. Ein 
Beweis dafür ist A'402; Pachomius sagte nämlich zu Theodor: 
»Beobachte, so gut du kannst, das Gebot des Evangeliums: Selig 
sind, die rein sind; denn sie werden Gott schauen. Wenn ein un- 
lauterer Gedanke (damirun nadschasun), sei es Hass oder Unzucht 
(zinä'un) oder Eifersucht^) oder Geringschätzung der Brüder oder 
Ruhmsucht, in dein Herz kommt, so denke und sprich zu dir in 
diesem Augenblick: Gewähre ich einem diesen Gedanken Einlass in 
mein Herz, so werde ich Gott nicht schauenc. Ein anderes Mal 
(A' 493) bittet Pachomius den Herrn, ihn von dem eitlen Gedanken 
zu bewahren, dass er sich nie etwas darauf einbilde, Vorsteher von 
Mönchen zu sein, und auch diese Eitelkeit wird Unlauterkeit (en-nadschasu) 
genannt. Wie man selbst dann, wenn in den koptisch-arabischen Viten 
von Unzucht (zinä'un) die Rede ist, nicht immer an eine sexuelle Sünde 
denken darf, beweist A' 506 (M 187); hier wird nämlich ein von 
einem Mönche zu Knaben gesprochenes Scherzwort »Jetzt ist die 
Zeit der Weintraubenc als »Unzucht (zinä'un) für die fleischlich ge- 
sinnte Seele bezeichnet, obwohl dasselbe nur auf Weckung der 
Gaumenlust hinzielen konnte. Bei Nichtbeachtung dieses Sprach- 
gebrauchs erscheint mancher harmlose Bericht der koptisch-arabi- 
schen Viten schlimmer, als er es in Wirklichkeit ist. 

Zieht man nun das Facit aus den eben besprochenen Berichten 
der arabischen Pachomiusvita, so handelt es sich nur in zwei Fällen 
um eine unsittliche Handlung, die schon im Herzen beschlossen war, 
aber nicht ausgeführt wurde; in den übrigen sechs Fällen ist nur 
die Rede von unreinen Gedanken und Begierden, von denen es zum 
Teil nicht teststeht, ob sie wirklich sexueller Natur waren. Selbst 
wenn alle diese Erzählungen auf historische Wahrheit Anspruch 
machen könnten, so wäre man durchaus nicht berechtigt, ein so un- 
günstiges Urteil über den sittlichen Stand in den Pachomianischen 
Klöstern zu fällen, wie es Am^lineau gethan hat, zumal da die be- 
richteten Vorfälle sich auf einen Zeitraum von fast fünfzig Jahren 



1) Am^lineau übersetzt : ou autre chose semblablc ; allein im arabischen 
Text steht gairatan = Eifersacht, nicht gairnn = etwas anderes. 



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250 Rückblich auf das egypt. Mönchtum des 4, Jahrh. 

erstrecken und eine GeDOssenschaft von fast fünftausend Mönchen 
betreffen ^). 

Dabei könnte man immerhin zugeben, dass in einer so zahl- 
reichen Gemeinschaft und in einem so langen Zeitraum mehr De- 
likte vorgekommen sind, als in den Quellen berichtet wird. Aber 
Am^lineau geht zuweit, wenn er in Ermangelung eines ausgiebigen 
historischen Quellenmaterials för seine These zu aprioristischen Be- 
weismomenten seine Zuflucht nimmt und sich zu der Behauptung 
versteigt, diese Mönche hätten überhaupt nicht keusch leben können, 
da schon ihre Rasse und das heisse Klima sie für sexuelle Excesse 
empfänglich gemacht hätte *). Die koptischen Mönche waren darüber 
anderer Ansicht. Pachomius nahm bekanntlich in seinen Eloster- 
verbaud auch solche auf, deren Vorleben nicht ohne Makel war, 
unterstellte sie aber einer besonderen Leitung und einer strengeren 
Überwachung, ohne die übrigen Mönche über das bisherige Leben 
des Aufgenommenen aufzuklären. Dies that er nicht etwa bloss^ 
um die schwächeren seiner Mönche vor etwaiger Verführung zu be- 
wahren, sondern er erklärt auch ausdrücklich: »Wenn ich einigen 
der Brüder das Betragen dieser Menschen offenbaren würde, damit 
sie denselben im ascetischen Leben behilflich wären, so würden sie 
dieselben verabscheuen und sich darüber so aufhalten, dass sie mit 



1) Amilineau erlaubt sich in s. Introduction p. CIX noch folgende 
Verdächtignng der Pachomianer : »D'ailleurs, si Ton ne r^assissait pas a la 
maison, on r^ussissait d^aillenrs, et les tombeaux de la montagne servaient de 
refage«. Indes weder in der von ihm beTorzufften arabischen Vita noch in den 
älteren Quellen ist von sexuellen Vergehen der Pachomianer in abgelegenen 
Schlupfwinkeln des Gebirges die Rede. Vermutlich hat Araelineau auf einen 
Bericht im Briefe Ammons (c. 14—15) angespielt ; in diesem Falle hat ^r aber 
den Text in ganz willkürlicher Weise gedeutet. Laut diesem Bericht erhielt 
Theodor die Offenbarung, dass vier Mönche, die von Kindheit an sich gut 
führten, gefehlt hätten (i<J9($cX7)aav). In einer bald darauf gehaltenen Anrede 
äussert er sich genauer: »Einige der Unsrigen, die bisher eifrige Asceten 
waren, sind ausgeglitten, aber nicht gefallen (iJXtadTjaav [x^v, ou icsKTwxaaiv 8^. 
Vier von ihnen, welche auf Befehl im Gebirge Holz sammelten, fingen, da sie 
sich von den übrigen abgesondert dünkten, an Spässe zu reden und zu 
scherzen c (euxpaTcsXa X^yeiv tcoo; aXXTJXou; xa\ Y^Xoi^^Etv xol Xa^al^etv). Dass kein 
anderes Delikt vorlag, beweisen auch die in der Rede citierten Schriftstellen 
(Job. 31. 5; Eccl. 7, 34; Jac. 4, 9; Luc. 6, 25). Zum Schluss wird der Fehl- 
tritt als unbedeutend bezeichnet. Jene Mönche, heisst es nämlich, nahmen sich 
die Worte Theodors zu Herzen und besserten sich so, dass sie den übrigen im 
Kloster als Vorbild dienen konnten, wie auch ihr Leben vor dem kleinen Fehl- 
tritt (xot jcpb Tou IXa^poü toiJtoü jrraiajxaro?) mnstergiltig war. 

2) Neuestens hat sich Prof. Dr. Friedrich Plehn in seiner 1902 in Jena 
(Fischer) erschienenen Schrift: »Tropenhjgiene« S. 37 sehr skeptisch darüber 
geäussert, als ob unter dem Einfiuss des Tropenklimas (» Tropenkoller c) sitt- 
liche Ezcessse eine Naturnotwendigkeit seien und wegen Beschränkung der 
Zurechnungsfähigkeit einen gewissen Milderangsgrund für sich beanspruchen 
dürften. 



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Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4, Jahrh, 251 

denselben nicht einmal essen oder trinken wollten ^)€. So berichtet 
der Araber über den Absehen der Pachomianer gegen jegliches un- 
züchtige Wesen, Überhaupt betont Pachomius, dass selbst den 
Menschen , die tief eingewurzelte böse Neigungen hätten , die Frei- 
heit der Selbstbestimmung und die Möglichkeit der Sinnesänderung 
durchaus nicht fehle: »Alien Menschen, die Gott von Adam an ge- 
schaffen hat, gab er die Selbstbestimmung, auf dass sie wählen 
können, was sie wollen, sei es das Gute oder das Böse. Wenn je* 
mand von Kindheit an eine böse Natur hat und dieselbe von seinen 
Eltern ererbt hat, so ist dennoch Gott deshalb nicht zu tadeln, da der 
Mensch die Freiheit besitzt und allem Bösen, das ihm in den Weg 
kommt, widerstehen kann. Viele Frauen, die doch nicht eine (so starke) 
Natur haben wie der Mann, üben grosse Ascese und erreichen ihr 
Ziel, wenn sie ihre Jungfräulichkeit bewahren wollen ; wie viel mehr 
kann es der Mann thun, den Gott nach seinem Bilde und Gleich- 
nisse geschaffen und dem er eine männliche Natur gegeben hati 
Und wenn der Satan ihm entgegentreten will, so kann er ihn jedes- 
mal mit der Macht seines Willens bewältigen .... Wenn der Mensch 
in der Furcht Gottes bleibt, so wird er in der Reinheit der Ehe 
leben und weder eine Ausschweifung noch eine Hurerei begehen. 
Und wenn er das Verlangen hat nach einer höheren Vollkommenheit, 
so wird er die Beinheit der Engel erreichen und ein Tempel Christi 
werden im Mönchsleben *)€. Das sind die Anschauungen eingeborener 
Kopten über die Möglichkeit eines christlichen Lebenswandels in 
ihrem »feurigen, heisses Blut erzeugenden Klimac. 

Berechtigt wäre der Verdacht des Amälineau, wenn diese 
Mönche eine Lebensweise geführt hätten, die den Gelüsten des 
Fleisches Vorschub geleistet hätte. Man braucht aber bloss das 
obige Kapitel (S. 209 ff.) über die Speiseordnung zu lesen , um zu 
erkennen, dass bei den Pachomianern von Genusssucht keine Bede 
sein konnte. Grützmacher (a. a. 0. S. 129) meint zwar, das Kloster 
hätte so viel geboten, dass so ein armer Fellah sehr zufrieden sein 
konnte, aber er bezeichnet doch die Mahlzeiten in den Pachomiani- 
schen Klöstern als äusserst frugal. Fleisch- und Weingenuss war 
nur in Krankheitsfällen gestattet. 

Auch der Müssiggang, der Anfang aller Laster, hatte keine 



1) A' 514; Tgl. M 200; s. oben S. 186. — Dass alle diejenigen, deren 
Vorleben nicht makellos war, bei der Aufnahme ins Kloster schon Christen 
waren, ist nicht anzunehmen; wurden doch jedes Jahr zu Ostern in Phebdou 
anlässlich des Generalkonvents die dem Xlosterverbande angehörigen Katechu- 
menen getauft. S. oben S. 180. 

2) A' 512 f.; Tgl. M 197 f. 



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252 Rückblich auf das egypt. Mönchtum des 4. Jahrh, 

Stätte in jenen Klöstern, wie man sich aus den schon früher 
(S. 206 ff.) behandelten, strengen Vorschriften über das Tagewerk 
der Pachomianischen Mönche überzeugen kann. 

Dazu kommen die peinlichen Vorschriften der Pachomiusregel 
über das Verhalten der Mönche in und ausserhalb des Hauses, bei 
Besuchen und auf Reisen. Am^lineau (S. CVIII) erklärt selbst: 
»Dans ces monastdres de c^nobites pakhdmiens, il ne parait pas 
qu'il 7 a eu de grands d^sordres d'hommes ä femmes: le nombre 
des femmes ^tait r^lativement petit, et le roonast^re feminin bäti 
pr^s de Tabenntsi contenait seulement quatre cents femmes. Sans 
doute, la clotüre ^tait plus severe, les rdgles mieux observ4es, car il 
n*7 a pas vestige de fr^quentation entre meines et religieuses. Doch 
merkwürdigerweise behauptet der Pariser Professor einige Zeilen 
später: Si, dans les documents relatifs aux c^nobites pakhömiens, 
nous ne trouvons aucun exeraple de rapports sexuels entre meines et 
religieuses ce n'est pas une preuve quMl n'y en eut pas ; ce n'est mSme 
une preuve qu'ils ne furent pas fr^quentsc, und zum Beweise für die 
Wahrscheinlichkeit seiner Behauptung weiss er nichts anderes vor- 
zubringen als den durchaus nichts beweisenden Bericht A' 383 f., 
der schon oben (S. 241) zur Sprache gekommen ist. 

Diese letztere Verdächtigung wäre nur dann angebracht, wenn 
Amelineau beweisen könnte, dass die klösterlichen Satzungen von 
den Pachomianern schlecht beobachtet wurden. Nun aber lesen wir 
in allen Pachomiusviten , auch in den koptisch-arabischen, dass in 
diesen Klöstern eine sehr strenge Überwachung der Mönche seitens 
der Oberen üblich war, und auch anderwärts (Gassian. de instit. 
coen. IV, 1) wird bezeugt, dass die Pachomianer wegen ihres pünkt- 
lichen Gehorsams gegen die Klosterregeln in ganz Egypten berühmt 
waren. Aber werfen denn nicht die vielen minutiösen und pro- 
phylaktischen Vorschriften der Pachomiusregel ein schlechtes Licht 
auf das ganze Institut ? Allerdings, wenn Pachomius infolge schlechter 
Erfahrung dieselben getroffen hätte. Indes erscheint nach Ausweis 
aller Viten die ganze Gesetzgebung des Ordensstifters als Frucht 
weiser Vorsicht und nicht als Ergebnis schlechter Erfahrungen und 
Ärgernisse. Ja, die anfänglichen Verbote bezüglich des Verkehrs 
mit der Aussenwelt sind von Pachomius später gemildert worden. 
Die peinlichen Vorschriften der Pachomiusregel erklären sich übri- 
gens schon daraus, dass die menschliche Natur durch den Eintritt 
ins Kloster nicht unterdrückt war, und dass infolgedessen die 
Mönche zur Erreichung der hohen sittlichen Ziele sich unausgesetzt 
besonderer Vorsicht und Wachsamkeit befleissigen mussten. Aus 



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JRückblick auf das egypt Mönchtum des 4, Jahrh, 253 

diesem Gesetzeskodex aber auf die wirklichen sittlichen Zustände in 
den pachomianischen Klöstern zu schliessen und auf Grund einzelner^ 
zum Teil sehr zweifelhafter Fälle ein Sittengemälde des ganzen 
Klosterverbandes zu entwerfen, wie dies Grützmacher (S. 136 ff.) 
thut, das ist eine gewagte Sache. 

Immerhin hätten die minutiösen Satzungen wenig genützt, 
wenn nicht für die Erhaltung eines religiös- sittlichen Ernstes unter 
den Mönchen gesorgt worden wäre. Aber diese Fürsorge fehlte nicht, 
wovon schon früher in dem Kapitel über die Kloster-Katechesen 
die Bede war. Alle Pachomiusviten stimmen darin überein, dass 
die Oberen nichts ausser acht Hessen, um das religiös- sittliche Leben 
der Untergebenen auf der Höhe zu erhalten. Muten uns auch ein- 
zelne der auf uns gekommenen Katechesen aus jenen Kreisen wegen 
ihrer spezifisch koptischen Dekoration ganz eigentümlich an, so atmen 
sie doch alle einen hohen sittlichen Ernst und verraten ein tiefes 
Eindringen in den Geist der hl. Schrift. Mannigfaltig sind die 
Themata, die in denselben zur Behandlung kommen ; aber in keiner 
ist ex profesLSO von der ünkeuschheit die Bede, ein Beweis, dass 
dieses Laster in jenen Kreisen nicht grassierte. 

Wenn schliesslich Am^lineau erklärt, dass schon wegen des 
niedrigen Bildungsgrades unter den Pachomianem keine höhere Sitt- 
lichkeit erwartet f^erden könne, so ist die diesem Vorwurf zugrunde 
liegende Voraussetzung etwas sonderbar. Wir besitzen allerdings keine 
Statistik. Das Gros der Mönche mag sich aus dem einfachen 
Pellachenvolk rekrutiert haben. Hat doch Pachomius auch Sklaven 
unter gewissen Bedingungen die Aufnahme in seine Klöster gewährt 
Indes wir lesen auch, dass Theodor, der Lieblingsschüler des Ordens- 
stifters, einer vornehmen Familie aus Esneh entstammte; auch sein 
Bruder trat später in den Klosterverband ein. Ein anderer Theodor, 
der Dolmetscher für die vielen griechischen Mönche in Pheboou, war 
früher Lector der Kirche von Alexandria. Petronius, der Nachfolger 
des Pachomius, gehörte einer begüterten Familie aus Thebiou an. 
Was aber die ohne Bildung Eintretenden anlangt, so steht es fest, 
dass man sie nicht als blosse Arbeiter behandelte; sondern jeder- 
mann war gehalten, lesen und schreiben zu lernen, um die Lektüre 
der hl. Schrift betreiben zu können, und für die weitere religiös- 
sittliche Ausbildung war durch die häufigen Katechesen hinlänglich 
gesorgt. 

Aus alledem ergiebt sich, dass die Mönche bei einer derartigen 
Fürsorge und unter einer so gewissenhaften Leitung ein moralisches 
Leben zu führen wohl im stände waren, und es kann dem Pachomius 



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254 Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4, Jahrh, 

nicht hoch genug angerechnet werden, dass er in einem Klima, wo 
die Erschlaffung des Leibes notwendig auch die Erschlaffung des 
Qeistes mit sich führt, und inmitten einer in heidnische Laster tief 
gesunkenen Bevölkerung tausende von Landsleuten an sich zu ziehen 
und durch seine weisen Institutionen auf eine hohe sittliche Stufe 
zu heben verstand, wie dies von den Zeitgenossen übereinstimmend 
anerkannt wurde. Es muss daher bedauert werden, dass Am^lineau 
teils durch Überschätzung der arabischen Pachomiusvita, teils durch 
inkorrekte Obersetzung derselben, teils durch Nichtbeachtung des 
Sprachgebrauchs der koptischen Mönche sowie durch die Sucht zu 
Verallgemeinerungen einzelner Fehltritte ein solches Zerrbild des 
Pachomianischen Elosterverbandes geliefert hat, indem er, wie 
Gustav Krüger^) in einer Recension des Am^lineau'schen Werkes 
bemerkt, in der Charakteristik jener koptischen Mönche »sehr ins 
Schwarze gemalt und manchen unschuldigen Zug und allerhand 
Harmlosigkeit gleich schlimm gedeutet hatc. Es ist jedenfalls un- 
gerecht, bloss aus den hie und da vorgekommenen Fehltritten das 
sittliche Niveau der Pachomianischen Klöster zu bestimmen und 
dabei die Beurteilung, die etwaige sittliche Verirrungen bei den 
Mönchen und ihren Leitern gefunden haben, ganz ausser acht zu 
lassen*). 

Zum Schluss muss noch erwähnt werden, dass Am^lineau (In- 
troduction p. XC) durch Aufbauschung eines harmlosen Berichtes 



1) Theolog. Literaturzeitung 1890, Sp. 624. 

2) Wie Am€lineau die Beweise für die Ünsittlicbkeit der egyptischen 
Mönche des 4. Jahrhunderts an den Haaren herbeizieht, beweist besonders sein 
Hinweis auf die von ihm heraus^^egebenen Contes et Romans de V E^ypte 
<;hr4tienne (Paris, Leroux, 1888), die den Geschmack jener Mönche an schlüpf- 
rigen Erzählungen zur Genüge dartun sollen (s. Amölineau, Annales du mus^e 
Ouimet, Tome XVII, S.'CIII, Contes etc. S. LXXl). Einige dieser Contes et 
Komans sind aus arabischen, andere aus koptischen Quellen geschöpft.^ In- 
des, wenn es auch wahrscheinlich ist, dass auch die arabischen Stücke nur Über- 
setzungen koptischer Vorlagen sind (Contes etc. S. XIII), so ist doch damit 
noch lange nicht bewiesen, dass die ganze Romansammlung ihren Ursprung 
den koptischen Mönchskreisen des 4. Jahrb. verdankt. Noch zu Anfang des 
15. Jahrb. wurde das Koptische in Oberegypten gesprochen (s. Ladeuze S. 69). 
Auch die Verehrung der beiden Erzengel Michael und Gabriel, die in den 
Contes et Romans eine grosse Rolle spielt, weist auf ein späteres Zeitalter hin ; 
wenigstens findet sich in den koptischen Mönchsquellen des 4. Jahrh. keine 
Spur davon. Nach den Ausführungen Amelineaus zu urteilen« musste man 
übrigens annehmen, dass diese Romansammlung voll schlüpfriger Episoden Rei. 
Bei einer Dnrcbiicht derselben findet man darin höchstens einige Episoden 
<8. Contes et Romans I S. 149, 153 f., 176; II S. 202 f.). die uns wegen der 
nnver hüllten Aussprache sexueller Dinge abstossend erscheinen, aber Kenner 
der orientalischen Literatur nicht überraschen. Übrigens verlegt Amelineau 
(Contes etc. S. XLII) selbst die Abfassung dieser koptisch-arabischen Roman- 
literatur in eine spätere Zeit, so dass dieselbe als Beweis für den unmorali- 
schen Charakter des egyptischen Mönchtums im 4. Jabrh. gar nicht in Be« 
tracht kommen kann. 



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Rückblich auf das egypt Mönchtum des 4, Jahrh. 255 

die PachomiaDer sogar des Apiskultus bezichtigt hat. Auf Grund 
der Vita M 217 f. behauptet er, dass so vollkommene Christen und 
so tugendhafte Mönche, wie die Pachomianer, sogar bereit waren, 
den Stier Apis anzubeten , und dass Theodor einen prächtigen Stier 
aus Furcht, seine Gönobiten könnten denselben anbeten, töten Hess« 
Der Bericht lautet: »Eines Tages sah Theodor beim Vorbeigehen 
am Vieh (des Klosters) einen Stier von schöner Gestalt, der ein 
Gegenstand der Eitelkeit war für einige, welche fleischlich waren, 
bevor die Furcht des Herrn in ihnen geherrscht hatte, und welche 
keine Einsicht hatten. Er erinnerte sich, wie der Apostel diejeni- 
gen, welche dem Herrn dienten, ermahnte, das Böse wegzuschaffen 
und freimütig die Widersprechenden zu unterweisen, auf dass der 
Herr sie bekehre zur Erkenntnis der Wahrheit und dass sie acht 
geben auf die Schlingen des Teufels und seiner Dämonen, unser 
Vater Theodor war langmütig gegen jene; er wies sie nicht zurück 
nach seiner Macht, um das wegzuschaffen, was ihnen Ärgernis be- 
^ reitete. Aber er betete : Mein Herr Jesus , Du wirkst in allem das 
Heil unserer Seelen ; schlage jetzt dieses Tier , auf dass es sterbe, 
und auf dass man nicht finde, dass diese Unglücklichen Götzen- 
diener sind, nachdem sie sich von der Welt und ihren bösen Ge- 
lüsten zurückgezogen haben. Und am folgenden Tage fiel der Stier 
plötzlich und starb«. Theodor hat also den Stier nicht selbst töten 
lassen. Das ganze Delikt jener Mönche bestand also darin, dass 
sie nach Art der Weltleute an jenem schönen Tiere ein eitles Wohl- 
gefallen hatten, was sich für Mönche, die von der Welt losgeschält 
sein sollen, nach der Ansicht des Abtes nicht geziemte, uns mag 
es befremden, dass Pachomius bei einem solchen Delikt die Mönche 
gleich mit Götzendienern in Parallele gestellt hat. Allein das war 
der Eopten Art. Man denke nur an den Bericht der Vita M 246 f., 
wo erzählt wird, wie einige Mönche beim Herablassen eines Kahnes 
in den Nilfluss um die Wette schrieen und keiner dem anderen das 
Vergnügen, das erste Seil loszumachen, gönnen wollte. Da aber die 
Mönche der Mahnung Theodors zur Mässigung, zumal in Gegenwart 
von Weltleuten, kein rechtes Gehör schenkten, apostrophierte sie der 
Abt hernach mit den Worten: »Wo ist jetzt die Furcht des Herrn ? 
Sie hat aufgehört bei denen von euch zu sein, die mir nicht ge- 
horcht haben, als ich (euch) zurief .... Wodurch unterscheiden wir 
uns denn von denen , die sich am Noreb vor dem goldenen Kalbe 
belustigten, die da assen und tranken und dasselbe anbetetenc. Mit 
Recht bemerkt Ladeuze (S. 105): »Theodor ist schnell dabei, Mönche, 
die ein wenig zu laut geschrieen haben, Götzendiener zu nennenc. 



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256 Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4, Jahrh, 

§ 4. Die AscetiJc und die SitÜichkeU der Mönche in Unieregypten. 

Hat auch Am^lineau die Gesamtheit der egyptischen Mönche 
im 4« Jahrhandert eines anmoralischen Lebenswandels bezichtigt, so 
hat er sich doch im Verlaufe seiner Abhandlung fast ausschliesslich 
auf die Diskreditierung der Mönche in der Thebais, insbesondere der 
Pachoroianer, beschränkt. Wie er dabei zu Werke gegangen ist, 
zeigte die bisherige Erörterung. Am^lineau (Introduction p. Cni) 
hat indes auch eine Untersuchung der Sitten der Mönche in Unter- 
egypten, speziell der nitrischen und sketischen Mönche, in Aussicht 
gestellt. Diese Arbeit ist bisher nicht erschienen. Nichtsdesto- 
weniger wird wohl zur Vervollständigung des Gesamtbildes eine 
Prüfung jener Mönchskreise in Bezug auf ihre Moralität nicht zu 
umgehen sein. Hierbei werden nicht bloss die etwaigen sittlichen 
Exzesse zur Sprache kommen, sondern, da Amälineau dem egyp- 
tischen Mönchtum im 4. Jahrhundert die innerliche Erfassung des 
Christentums in so genereller Weise abgesprochen hat, so sollen 
auch die sittlichen Grundsätze, welche bei den Mönchen ünter- 
egyptens, insbesondere den nitrischen und sketischen Mönchen, 
massgebend waren, zur Darstellung gelangen. 

In erster Linie kommt hier die vom hl. Athanasius verfasste 
vita Antonii in Betracht. In derselben wird das Mönchsideal einer- 
seits durch die Vorffihrung des vorbildlichen Lebens des hl. An- 
tonius^) und andererseits durch die Unterweisungen dieses Mönchs- 
vaters an seine Schüler gezeichnet. Worin besteht nun das Mönchs- 
ideal? Antonius glaubte nicht schon durch den Verzicht auf Hab 
und Gut ein vollkommener Mönch zu sein, sondern führte nach der 
äusseren Losschälung von der Welt ein strenges Leben, gab immer 



1) Die Worte Am^lineaua (Introduction p. CV): »A quoi rdvait saint 
Antoine dans sa caveme prds de la mer Bonge? aux femmes« beweisen, wie 
derselbe mit den benutzten Quellen umgeht. Man müsste hiernach annehmen, 
dass Antonius noch als bejahrter Mann , als er in der Wüste auf dem sog. 
Antoniusberge wohnte, von solchen Dingen träumte. Davon ist aber in der 
Vita Antonii keine Bede; vielmehr beisst es dort (c. 5), dass Antonius als 
junger Mann , nicht weit von seinem Heimatsort wohnend , also am Anfang 
seiner ascetischen Laufbahn, allerlei Versuchungen zu bestehen hatte. Zunächst 
suchte der neidische Teufel ihn von der Ascese abzubringen durch Erinnerung 
an seine Besitzungen und an die Sorge für seine Schwester, an die Liebe zum 
Gelde und an die anderen Ergotzlichkeiten eines freieren Lebens. Als dies 
nicht gelang, »setzte er sein Vertrauen auf jene Waffen, die er im Nabel des 
Bauches hat (Job. 40, 11), und pochte auf diese; denn das sind immer seine 
ersten Nachstellungen gegen die jungen Leute. Er gab dem Antonius schmutzige 
Gedanken ein ; dieser aber machte sie durch das Gebet zu nichte. Der elende 
Teufel verstand sich sogar dazu, bei Nacht die Gestalt eines Weibsbildes an- 
zunehmen und ein solches in allem nachzuahmen, nur um Antonius zu bethören. 
Dieser aber stellte sich in Gedanken Christum vor Augen . . . und löschte so 
die Kohle der Arglist desselben aus.c 



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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh. 257 

mehr aaf sich acht und sachte alle Tagenden, besonders aber den 
tilauben an Christas and die Nächstenliebe, in seinem Leben aas- 
zaprägen (c. 3—4). In gleichem Sinne unterwies er die Mönche: 
»Lasset uns, wenn wir auf die Welt hiablicken, ja nicht etwa 
glauben, wir hätten grossen Dingen entsagt. Wenn jemand auch 
auf ein Haus oder viel Qeld verzichtet hätte, so dürfte er sich doch 
nicht rühmen, sein Heil nicht schon gesichert wähnen und deshalb 
sorglos werden. Wir können ohnedies nicht diese Oüter ins ewige 
Leben nehmen. Was wir aber mitnehmen können, ist Klngheit, 
Gerechtigkeit, Massigkeit, Starkmut, Liebe, Wohlwollen gegen die 
Armen, den Olauben an Christus, Sanftmut, Gastfreundlichkeit« 
Besitzen wir diese bienieden, so werden wir durch sie dort gast- 
freundliche Aufnahme bereitet finden, im Lande der Sanftmütigen« 
(c. 17). Der Verzicht auf die irdischen Güter ist also nur der erste 
Schritt auf dem Wege znr Vollkommenheit; der Mönch entsagt 
diesen Dingen um der Tugend willen (dt' ipexTjv xataXtiiicavofisv). 
An einer anderen Stelle sagt er: »Fürchtet euch nicht, wenn ihr 
das Wort Tugend höret; denn sie ist nicht weit von uns and nicht 
ausser uns; in uns ist sie und leicht zu erwerben, wenn wir wollen. 
Die Griechen durchschiffen Meere, um Wissenschaften za erwerben. 
Wir aber haben nicht nötig, wegen des Reiches Gottes and wegen 
der Tugend aus der Heimat zu ziehen. Der Herr sagte: das Reich 
Gottes ist inwendig in euch. Die Tugend bedarf also unser, und 
aus uns besteht sie« (c. 20). 

Das Wesen der Ascese besteht nicht etwa in dem Besitz der 
Gabe der Frophetie. Zwar ist Antonius der Meinung, dass einer 
reinen Seele Gott Dinge eröffne, die ein gewöhnliches Auge nicht 
schaue. Aber Tugend kann dies doch nicht erzeugen, noch ist es 
ein Merkmal eines guten Charakters. Es hat nämlich niemand von 
uns darüber Rechenschaft zu geben, warum er das nj^ht gewusst 
hat, und niemand wird deswegen selig, weil er das nicht gelernt 
hat and nicht weiss, sondern darüber ergeht das Gericht, ob einer 
den Glauben bewahrt und die Gebote reinen Sinnes erfüllt hat. 
Darnm soll man nicht deshalb der Ascese sich hingeben, um das 
Charisma der Prophetie zu erlangen, sondern um durch einen edlen 
Wandel Gott zu gefallen. Auch beten soll man, nicht dass man 
die Zukunft vorauserfahre, noch soll man dies als Lohn der Ascese 
anstreben, sondern damit der Herr uns znm Siege über den Teufel 
verhelfe (c. 33—34). An einer anderen Stelle erklärt Antonius 
(c. 88): »Man soll sich nicht dessen rühmen, dass man Dämonen 
austreiben könne, noch sich wegen der Kraft der Heilungen über- 

S c h i w i e t z , Mönchtum. \ 7 



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258 Rückblick auf das egypL Mönchtum des 4. Jahrh, 

heben. Man soll den, der Dämonen austreibt, ebenso wenig bewun- 
dern als den, der das nicht thut, verachten. Wohl aber lerne man 
von jedem seine besondere Tugend kennen und wetteifern, sie nach- 
zuahmen oder es noch besser zu machen. Denn Zeichen zu thun ist 
nicht unsere Sache; das ist des Erlösers Werk. Deswegen sagte er 
zu seinen Jüngern: »Freuet euch nicht, dass die Dämonen euch 
unterworfen sind, sondern dass eure Namen im Himmel aufgezeich- 
net sind.« Denn dass die Namen im Himmel aufgezeichnet sind, 
ist ein Zeugnis unserer Tugend und unseres Wandels. Daher wird 
jenen, die sich nicht der Tugend, sondern der Wunderzeichen rühmen 
und sagen: »Herr, haben wir nicht in Deinem Namen Teufel aus- 
getrieben und viele Wunder gethan?« geantwortet werden: »Ich 
kenne euch nicht.« Lasset uns also beten um die Onadengabe der 
Qeisterunterscheidung , damit wir nicht jeglichem Geiste glauben, 
wie geschrieben steht (I Job. 4, 1). Also weder in dem Charisma 
der Dämonenaustreibung und der Erankenheilungen , noch in dem 
der Prophetie, sondern im heiligen Wandel und der Übung jeglicher 
Tugend ist die Mönchsgrösse zu suchen. 

Doch welchen Wert haben die ascetischen Übungen, welche 
Antonius durch Wort und Beispiel empfohlen hat? Das Fasten, die 
Nachtwachen und alle übrigen Abtötungen sind nicht das Ziel, son- 
dern Mittel zur Erlangung der Vollkommenheit. Antonius empfahl 
diese Übungen, weil er der Überzeugung war, dass dann die Kraft 
der Seele am schönsten hervortrete, wenn die Lüste des Körpers 
zurücktreten. Das sei aber, erklärte er, nicht das Werk eines Tages ; 
täglich solle sich der Mönch befleissigen, sich als solchen zu er- 
weisen, wie man vor Gott erscheinen müsse, reinen Herzens zu sein 
und bereit, Gottes Willen zu gehorchen und keinem anderen (c. 7.) 

Unter Hinweis auf das Wort Pauli (Ephes. 6, 12): »Wir haben 
nicht den Kampf wider Fleisch und Blut zu führen, sondern wider 
die Mächte und Gewalten, wider die Weltbeherrscher dieser Finster- 
nis, wider die Geister der Bosheit unter dem Himmel« bezeichnet 
Antonius den Kampf gegen die Sinnlichkeit zugleich als einen Kampf 
gegen die bösen Geister (c. 21). Ja, die gesamte Ascese erscheint 
in den Augen dieses Mönchsvaters als ein Kampf gegen die Mächte 
der Finsternis. Indes werden nicht alle Versuchungen und bösen 
Gedanken auf die Dämonen als unmittelbare Urheber zurückgeführt. 
Sagt doch Antonius von diesen Feinden des Heiles: Sie kommen 
und nehmen die Gestalt an, in der sich unser geistiges Leben be> 
findet. Sie sind der Widerschein unserer Gedanken. Nur die zag- 
haften Seelen werden ihre Beute. Finden sie aber, dass wir fröhlich 



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Rückblick auf das egypt Mönchium des 4. Jahrh. 269 

im Herrn sind and die Gedanken bei den ewigen Gütern haben und 
uns noiit dem beschäftigen, was des Herrn ist, so vermögen sie nichts 
(c. 42). An einer anderen Stelle (c. 41) wird der Satan redend ein- 
geführt mit den Worten: »Nicht ich bin es, der die Mönche be- 
lästigt, sondern sie beunruhigen sich selber; ich bin ja kraftlos ge- 
worden. Überall sind Christen; zuguterletzt hat sich sogar auch 
die Wüste mit Mönchen bevölkert. Sie sollen auf sich selber acht 
geben und nicht unverdienter Weise mich verflnchen.t Da bewun- 
derte Antonius die Gnade des Herrn und sagte zum Satan: »Du 
bist zwar immer ein Lügner und redest niemals die Wahrheit; doch 
das hast du jetzf gegen deinen Willen wahr gesprochen.! Wenn 
endlich Antonius wiederholt (c. 19, 21, 55) den auf Reinheit des 
Herzens bedachten Mönch zur Wachsamkeit mahnt, so ist das auch 
ein Beweis, dass er nicht für alle Versuchungen den bösen Feind 
verantwortlich gemacht wissen wollte. 

Nichtsdestoweniger bringt er die Lehre von den Dämonen in 
innigste Beziehung zu dem christlichen Leben des Äsceten. Indem 
er auf die Mahnung des Apostels , nicht jedem Geiste zu glauben 
(I Joh. 4, 1) hinweist, warnt er davor, jedes urteil des Verstandes 
und jede Regung des Willens für gut anzusehen (c. 39). Es gibt 
eben gute und böse Gedanken, heilsame und gefährliche Regungen 
der Einbildungskraft und des Begehrungsvermögens, kurz, gute und 
böse Geister, und in plastischer Schilderung gibt Antonius gewisse 
Verhaltnngsmassregeln für diesen Geisteskampf an. Behufs Einsicht 
in das innere Geistesleben des Mönchtums mag hier einiges aus 
dieser Däraonenlehre folgen. »Wenn (darum) auch die Dämonen 
mit Prophezeiung kommen, so achtet ihrer nicht; denn sie lügen. 
Wenn sie euch wegen eurer Ascese loben und selig preisen, so 
horchet nicht auf sie. Machet das Zeichen des Kreuzes. Ver- 
schliesset euch ihnen und betet. Das sind keine guten Geisten 
Wenn die guten Geister sich euch nahen, so kündigt sich ihre Gegen- 
wart in euch durch Sanftmut und Buhe an; Freude, Wonne und 
Mut wird der Seele mitgeteilt, denn der Herr ist mit ihnen, der 
unsere Freude und die Macht Gottes des Vaters ist. unsere Seele 
wird heiter und mit dem Lichte der Engel überstrahlt, eine Sehn- 
sucht nach den göttlichen und künftigen Dingen findet sich ein, 
ganz und gar möchte man mit ihnen vereinigt werden und von hinnen 
gehen. ■— Lernet also die Geister unterscheiden. Die Gegenwart 
böser Geister kündigt sich durch Furcht der Seele, Verwirrung und 
Unordnung der Gedanken, Niedergeschlagenheit, Hass der Asceten, 
Sorglosigkeit, trauriges Wesen, ungeordnetes Sehnen nach den 

17* 



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260 Rückblick auf das egypt Mönchlum des 4. Jahrh, 

Seinigen und durch Furcht vor dem Tode an, ausserdem durch böse 
Begierden, Geringachtuug der Tugend und Wanken des sittlichen 
Charakters. Werdet ihr durch eine von diesen Erscheinungen in 
Furcht gesetzt, und entfernt sich diese und tritt an ihre Stelle un- 
aussprechliche Freude, Heiterkeit, Mut, Erneuerung des Geistes, 
Sicherheit und Bestimmtheit der Gedanken, Tapferkeit und Liebe 
gegen Gott, so vertrauet und betet, denn die Freude und die Festig- 
keit des Geistes zeigen die Gegenwart eines heiligen Engels an.c 

Von dieser Gabe der Geisterunterscheidung erklärt Antonius, 
dass dieselbe — im Gegensatz zu dem Charisma der Prophetie, der 
Krankenheilungen und Dämonenaustreibung — zur Reinigung und 
Heiligung des Herzens, dem eigentlichen Ziele der Ascese, für den 
Mönch unentbehrlich sei (c. 34, 38), und gibt im Anschluss an die 
Dämonenlehre für die Geisteskämpfe ausser den schon oben erwähn- 
ten physischen Kraftanstrengungen noch einige Kampfmittel geistiger 
Art an. Erstens bedarf es vielen Gebetes und Asceseübens, damit 
man durch den Geist die Gnadengabe der Geisterunterscheidung er- 
lange, um zu wissen, welche von ihnen weniger böse, welche hin- 
gegen schlimmer seien, ferner, wohin das listige Sinnen und Trachten 
eines jeden von ihnen besonders gehe, und wie ein jeder von ihnen 
darniedergeworfen und ausgetrieben werden könnte« (c. 22). Weiter 
heisst es: »Eine grosse Waffe wider die bösen Geister ist ein recht- 
schaffenes Leben und der Glaube an Gott. Denn gewiss fürchten 
sie an den Frommen das Fasten, das Wachen, das Gebet, die Sanft- 
mut, das Stillschweigen, die Verachtung des Geldes, die Demut, die 
Liebe zu den Armen, das milde Wesen und vorzüglich die ver- 
ehrungsvolle Liebe zu Christus« (c. 30). Sodann empfiehlt Antonius 
die Lesung der hl. Schrift; »die Mönche sollten sich die Aussprüche 
derselben recht geläufig machen und in ihre Brust niederlegen und 
des Lebens der Heiligen sich erinnern, damit die Seele sich darnach 
bilde« (c. 55). Und wenn auch die hl. Schrift schon allein zur Be- 
lehrung genüge, so hält es Antonius doch noch für gut, dass sich 
die Mönche auch gegenseitig im Glauben ermuntern und mittels 
Unterredungen zum geistlichen Kampf gleichsam salben (c. 16). 
Ganz besonders legte er den Mönchen unter Hinweis auf die Mah- 
nung des Apostels: »Richtet und prüfet euch selbst« (2. Cor. 13, 5) 
die tägliche Gewissenserforschung ans Herz, damit weder die Sonne 
wegen eines untertags begangenen Fehlers, noch der Mond wegen 
einer Sünde bei Nacht, sei es auch nur in Gedanken, den Mönch 
anklage. »Täglich fordere jeder von sich selber Rechenschaft über 
alle seine Handlungen bei Tag und bei Nacht. Habe er gesündigt, 



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Rückblick auf das egypt. MOnchtum des 4, Jahrh. 261 

SO sündige er nicht mehr; habe er nicht gesündigt, so rühme er 
sich nicht, sondern beharre im Guten, werde nicht sorglos und ver- 
urteile auch nicht den Nächsten. Allein, um gegen das Sündigen 
gesicherter zu sein, möge ein jeder seine Handlungen und Be- 
wegungen der Seele aufzeichnen und niederschreiben. Oanz gewiss 
werden wir vor Scham, erkannt zu werden, aufhören zu sündigen 
oder nach etwas Bösem zu sinnen. Denn wer will auf einer Sünde 
betroffen werden? Oder lügt einer nicht lieber, wenn er gesündigt 
hat, um nur verborgen zu bleiben? Wie nun niemand vor anderen 
Menschen etwas unzüchtiges thuen möchte, so werden wir aus 
Scham, erkannt zu werden, auch vor schmutzigen Gedanken uns 
bewahren, wenn wir sie notieren, als hätten wir sie dann anderen 
mitzuteilen. Diese Aufzeichnung diene uns anstatt der Augen der 
Mitbrüder. Das Schreiben wird uns ebenso erröten machen wie das 
Gesehenwerden, und so werden wir gar nichts Schlechtes denken. 
Wenn wir auf solche Weise uns selber bilden, werden wir den Leib 
unter die Botmässigkeit des Geistes bringen, dem Herrn gefallen 
und die Tücke des Feindes überwindenc (c. 55). 

Die Antoniusbiographie war. nach ihrer Vorrede zu urteilen, 
zunächst für ausländische Mönche bestimmt. Doch blieb sie in der 
eigenen Heimat nicht unbekannt. Selbst die Mönche in Oberegypten 
kannten dieselbe. Die Pachomianer, welche bald nach dem Jahre 
373 die Pachomiusvita verfassten, erklären, dass sie durch die An- 
toniusbiographie zur Abfassung der Vita ihres Klosterstifters veran- 
lasst worden seien. Die in die Pachomiusvita hineingeflochtenen 
Belehrungen über das Wesen und das Ziel der Ascese decken sich 
mit dem Inhalt der Antoniusbiographie, wenn auch, wie ein Ver- 
gleich der beiden Werke ergibt, von einer sklavischen Benutzung 
nicht die Rede sein kann. 

Indes handelt es sich an dieser Stelle darum, ob in den Mönchs- 
kreisen, auf welche die Persönlichkeit des hl. Antonius einen un- 
mittelbaren Einflnss ausgeübt hat, das Mönchsideal in dem Sinne 
der Vita Antonii aufgefasst wurde. Die ältere Generation der ni- 
trischen Mönche, sowie Makarius der Egypter^), durch dessen Ein- 

1) Über diesen Makarius bemerkt Am^lineau (Introduction p. CV): 
»Macaire avait failli perdre la vie sons raccasation calomniease d'avoir renda 
m6re ane jeane fille, alora qa*il avait latt^ contre lui-mäme et contre les sag- 
gestions de la chair avec toute Tardenr dont il ätait capable.« Hiermit spielt 
er auf einen Bericht der Apophtbegmenliteratar an , der schon früher (S. 97) 
behandelt worden ist. Die Anschuldigang erwies sich aber als pure Verleum- 
dung einer Frauensperson, die dem damals in der Nähe eines Dorfes als Ascet 
lebenden Makarins unbekannt war. Ebensowenig ist in jenem Bericht von 
irgendwelchen fleischlichen Versuchungen des Makarius die Bede. Der Text 



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262 Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4, Jakrh, 

flass die sketische Wüste mit Eremiten bevölkert wurde, rühmten 
sich ja, Schüler des hl. Antonias gewesen zu sein oder mit ihm im 
innigen Verkehr gestanden zu haben. In der That finden wir in 
den von dem letztgenannten Makarius verfassten und als echt aner- 
kannten Homilien die gleichen Lehren und Grundsätze der Ascese 
wie in der Antoniusbiographie. 

Über das Ziel und die Aufgabe des ascetischen Lebens äussert 
sich Makarius f olgendermassen : »Es meinen einige, weil sie vom 
Weibe und von allem Sichtbaren sich enthalten , darum seien sie 
schon heilig; dem ist aber nicht so. Denn das Böse ist im Geiste, 
es lebt im Herzen, und da erhebt es sich. Nur der ist wahrhaft 
heilig, der gereinigt und geheiligt am inneren Menschen istc (Hom. 
17, 13). »Wie kann jemand sagen: Ich faste, ich wohne in der 
Einsamkeit, ich habe das Meinige verteilt, also bin ich heilig? Die 
Enthaltung vom Bösen ist noch nicht die Vollkommenheit, sondern 
wenn du hineingegangen bist in deinen verwüsteten Geist und er- 
tötet hast die Schlange, die im Innersten deines Geistes und tief 
unter deinen Gedanken, in den sog. Gemächern und Kammern der 
Seele mordet und nistet, wenn du diese getötet und alles unreine 
aus dir hinausgeschafft hast, dann erst bist du vollkommene (Hom. 
17, 15). »Wenn du nur äusserlich deinen Leib vor Schändung und 
Hurerei bewahrst, aber innerlich in deinen Gedanken Ehebruch und 
Unzucht treibst, so bist du vor Gott ein Ehebrecher« (Hora. 26, 18). 
»Wenn aber einer entgegnet: Ich bin kein Hurer, kein Ehebrecher, 
kein Geizhals, und das genügt mir, so mag er wohl gegen diese 
drei Laster gekämpft haben, aber gegen die anderen zwanzig Nei- 
gungen, welche die Sünde in der Seele festhält, hat er nicht ge- 
kämpft, sondern er Hess sich überwinden« (Hom. 3, 5). 

Die Mittel zur Erlangung der Vollkommenheit, der Heiligung 
und Vereinigung mit Gott sind teils negative, teils positive. Die 
negativen beziehen sich auf die Entfernung der Hindernisse auf dem 
Wege zur Vollkommenheit. »Wer Gott in Wahrheit gefallen will, 
der hat zwei Kämpfe durchzufechten.« Er hat sich zunächst loszu- 
machen von dem irdischen Besitz, von den irdischen Verwicklungen 
und von den sündigen Leidenschaften. Alsdann beginnt ein innerer 
krieg und Streit gegen die Gedanken der Geister der Bosheit, wo/u 
die Gnade und die Kraft Gottes notwendig ist (Hom. 21). Hierzu ist 
die Gabe der Geisterunterscheidung nötig. »Die das christliche Leben 



^ibt also dem Am^lineau keine Berechtigang , einen Zosammenhang zwischen 
jener Anschuldigung und den angeblichen Seelenkämpfen des Asceten zu 
statuieren. 



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Hückblick auf das egypL Mönchtum des 4, Jahrh* 263 

mit grosser Oenauigkeit ordnen wollen, müssen vor allem für den 
erkennenden und unterscheidenden Teil der Seele mit aller Kraft 
besorgt sein, damit sie die Unterscheidung des Guten und Bösen 
genau erlangen und, was widernatürlich in die reine Natur einge- 
schwärzt wurde, vollständig ausscheiden und auf dem rechten Wege 
und ohne Anstoss wandeln. Der Gabe der Unterscheidung wie eines 
Auges uns bedienend, können wir uns von allem aufstossenden Bösen 
frei und unversehrt bewahren und so, der göttlichen Gnade gewür- 
digt, Lieblinge des Herrn werdent (Hom. 4, 1). Die Kennzeichen 
der guten und bösen Geister ergeben sich aus den verschiedenen 
psychologischen Wirkungen im Herzen des Menschen. »Frage: da 
die Sünde sich in einen Engel des Lichtes verwandelt und der Gnade 
sehr ähnlich ist, wie kann der Mensch die Tücke des Teufels er- 
kennen, und wie soll er die Wirkungsweisen der Gnade aufnehmen 
und unterscheiden? Antwort: die Wirkungen der Gnade haben 
Freude, haben Frieden, haben Liebe, haben Wahrheit. Diese Wahr- 
heit nötigt den Menschen, Wahrheit zu suchen. Die Erscheinungen 
des Bösen aber sind voll Verwirrung und haben weder Liebe zu Gott 
noch Freude an ihm« (Hom. 7, 3). 

Aber damit der Mensch von der Sünde befreit und mit dem 
heiligen Geiste erfüllt werde, muss er auch positive Mittel anwen- 
den. »Er muss im Gebete unansgesetzt verharren und sich Gewalt 
anthun zu jedem guten Werke und zu allen Geboten des Herrn. Er 
muss sich demütigen und weder Ehre noch Ruhm vor den Menschen 
suchen. Er muss sich aus allen Kräften gewöhnen, barmherzig, 
freundlich und gütig zu sein nach dem Vorbilde Jesu Christi« 
(Hom. 19). 

Der Anwendung aller dieser Tugendmittel ist aber der Mönch 
auch dann nicht enthoben, wenn er bis zur höchsten Stufe der Voll- 
kommenheit, bis zur innigsten Vereinigung mit Gott, gelangt ist. 
Zwar preist Makarias wiederholt (vgl. z. B. flom. 4, 9, 10, 15, 18) 
in schwungvoller Weise die mystische Vereinigung der Seele mit 
Gott als Vorgeschmack der ewigen Seligkeit. »Wenn die Seele zur 
Vollkommenheit des Geistes gelangt, von allen Leidenschaften voll- 
kommen gereinigt und mit dem Tröster, dem hl. Geiste, in unaus- 
sprechlicher Gemeinschaft vereinigt ist, dann wird sie auch gewür- 
digt, Geist zu werden, innigst vereinigt mit dem Geiste, dann wird 
sie ganz Licht, ganz Auge, ganz Geist, ganz Freude und Wonne 
und Jubel, ganz Liebe und Erbarmung, ganz Güte und Freundlich- 
keit« (Hom. 18, 10). »Wie ein Mensch, der von Fieberhitze brennt 
und sehr leidet, jede Speise und den süssesten Trank, den du ihm 



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264 Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4, Jakrh. 

bringst, yerabscheat und von sich stosst, weil er in Fieberhitze 
brennt und von derselben sehr gepeinigt wird, ebenso halten auch 
diejenigen , die entflammt sind von freudiger Liebe Gottes und von 
dem göttlichen und himmlischen Feuer, das der Herr auf die Erde 
zu bringen gekommen ist, und von dem er wollte, dass es bald 
brenne, die entflammt sind von der himmlischen Sehnsucht nach 
Christus, alle Ehre und Auszeichnung dieser Welt für unnütz und 
verwerflich, weil das Feuer der Liebe Christi sie ergriffen hat, in 
ihnen brennt und' sie entflammt mit Liebesverlangen nach Qott, mit 
den himmlischen Gütern der Liebet (Honi. 9, 9). 

»Solche Seelen werden auch der Befreiung von den Leiden- 
schaften gewürdigt und erlangen vollkommene Erleuchtung und Inne- 
wohnung der unaussprechlichen und geheimnisvollen Gemeinschaft 
des hl. Geistes in Fülle der Gnade« (Hom. 10, 2). Aber diese 
Leidenschaftslosigkeit und Buhe ist nur eine zeitweilige^ relative. 
»Bisweilen ruht die Seele in grosser Buhe, in Stille und Frieden, 
in rein geistiger Wonne und in anaussprechlicher Buhe und Glück- 
seligkeit lebend. Dann wird sie wieder in unaussprechlicher Einsicht 
und Weisheit und in unerforschlicher geistiger Erkenntnis von der 
Gnade unterwiesen, was keine Zange auszusprechen vermag. Dann 
ist sie wieder wie ein anderer gewöhnlicher Mensch« (Hom. 18, 9). 
»Ich habe noch keinen vollkommenen Christenmenschen oder Freien 
gesehen, sondern, wenn auch einer in der Gnade Buhe findet und 
eindringt in die Geheimnisse und Offenbarungen und in die reich- 
liche Süssigkeit der Gnade, so ist die Sünde doch auch noch in 
seinem Innern. Solche halten sich wegen der ihnen reichlich zuteil 
gewordenen Gnade und wegen des Lichtes, das in ihnen ist, für frei 
und vollkommen, weil sie aus Dnerfahrenheit sich täuschen, wenn 
sie eben die Wirkung der Gnade haben« (Hom. 8, 5). Darum mahnt 
Makarius auch die in der Contemplation und Mystik Fortgeschrit- 
tenen zur immerwährenden Wachsamkeit, Ascese und vor allem zur 
Demut. »Wenn der Mensch auch schon verbunden ist mit dem hl. 
Geiste und erfüllt wurde mit dem Himmlischen, so kann er sich 
doch noch zum Bösen wenden« (Hom. 15, 36); »denn die Feinde 
ruhen nie und hören nie auf , den Menschen zu bekriegen ; um so 
viel weniger darfst du also in deinem Streben zu Gott nachlassen. 
Grosser Nachteil entspringt dir aus der Nachlässigkeit, wenn du 
auch glaubst, in dem Geheimnisse Gottes festgegründet zu sein« 
(Hom. 15, 16). »Wer reich ist an Gottes Gnade, muss recht de- 
mütig und zerknirschten Herzens sein und sich immer für einen 
Bettler halten, der nichts hat; es ist ja Eigentum eines anderen. 



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Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4. Jahrk, 265 

und ein anderer hat es ihm gegeben und nimmt es wieder, wann er 
will. Wie auserwählt er auch vor Gott sein mag, so soll er sich 
dennoch für unwürdig halten; denn solche Seelen gefallen Gott und 
werden zum Leben gebracht in Christoc (Hom. 41, 3). 

So hat Makarius originell und geistreich, aber in völliger Über- 
einstimmung mit dem Mönchsideal der vita Antonii die Prinzipien 
der Ascetik dargestellt. 

Eine Bestätigung der egyptischen Mönchsethik des vierten 
Jahrhunderts, zum Teil aber auch eine Bereicherung derselben, 
bieten die ascetischen Schriften des Bvagrius Pontikus^), der in den 
zur sketischen Wüste gehörigen Eellien um das Jahr 400 sein Leben 
beschloss und durch seine Schriftstellerei in der Folgezeit weit über 
die egyptischen Mönchskreise berühmt geworden ist. Nach der Mei- 
nung dieses Kellioten besteht das Christentum oder die Gesamtheit 
der Lehre Jesu Christi aus einem praktischen, theoretischen und 
theologischen Teile 2). Der praktische Teil besteht in der Reinigung 
des mit Leidenschaften behafteten Teiles der Seele. Das Ziel der 
Praxis ist aber die Gottesliebe, die in der Haltung der Gebote und 
der Übung der Tugend zum Ausdruck kommt. Die ^ootx^ ^ewpta 
lehrt den Asceten das rechte Verhältnis der geschaffenen Dinge und 
des Menschen zu Gott. Unter der Theologie versteht Evagrius das 
dem Mönche durch Vermittlung eines besonderen Gnadenlichtes zu 
teil gewordene Erkennen und Schauen Gottes oder die Contemplation ^). 
Was das Verhältnis dieser drei Gebiete des christlichen Lebens zu 
einander anlangt, so ist der theoretische Teil als eine Mittelstufe 
zwischen dem praktischen und dem theologischen Teile anzusehen; 
er lehrt eben den Weg, auf dem der Mönch zur Gottesliebe und 
zum beschaulichen Leben gelangen soll. Die Hauptsache ist aber 
dem Kellioten der praktische Teil; denn wenn auch die Theologie 
als der Kulminationspunkt des gesamten christlichen Lebens hinge- 
stellt wird, so wird sie doch nur auf dem Dornenwege der Ertötung 
der Leidenschaften zuteil. Zudem betont Evagrius, dass die Theo- 
logie oder die Contemplation nur ein vorübergehender Zustand der Seele 
ist und meist nur zur Zeit des Gebetes dem von den Schlacken der 
Leidenschaften gereinigten Asceten zuteil wird (Practica cap. 71). 

Ist abch in diesen Auseinandersetzungen die Anwendung der 
Terminologie aus der stoischen Philosophie eine Eigentümlichkeit 



1) Zöcklery Evagrius Pontikus (ßibl. n. historische Studien, IV. Heft, 
München 1893). 

2) Kvagriua, Practica cap. 1, 50, 53, 56, 71, 

3) Practica cap. 71. 



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266 Rückblick auf das egypL MOnchtum des 4. Jahrh. 

des Evagrias, so sind doch die Prinzipien der Ascetik dieselben wie 
bei seinem Lehrer Makarias deni Egypter. Indes, während der 
letztere nur von einer relativen und temporären Leidenschaftslosig- 
keit redet, behauptet Evagrias, dass der Mensch im Kampfe gegen 
die Leidenschaften hienieden zu einer vollständigen Apathie gelangen 
könne ^). Dieserhalb warde er anch von Hieronymus stark ange- 
feindet. Hier interessieren uns jedoch nur die methodischen Be- 
lehrungen des Evagrius zur Bewältigung der Leidenschaften. Wie 
nämlich der Eelliote schon zu Lebzeiten unter den Mitmenschen 
wegen der Gabe der Geisterunterscheidung geschätzt wurde'), so 
erlangte auch seine Schrift über die acht Logismen oder Lasterge- 
danken"), Antirrhetikos genannt, eine besondere Berühmtheit. Hierin 
schildert er die inneren Kämpfe und Leiden, die der Mönch in dem 
Streben nach der Vereinigung mit Gott zu bestehen hat, und führt 
die Gesamtheit der sündhaften Leidenschaften auf eine Achtzahl 
zurück. Ob er die Achtlasterlehre selbst erfunden hat, ist wohl sehr 
fraglich. Gennadius (de viris ill. c. 11) lässt es dahingestellt, ob 
Evagrius dieses Schema »selbst erfunden oder unter den ersten kennen 
gelernt habec. Cassian, der in seinem Werke De coenobiorum in- 
stitutis lib. V — XH die Lehre von den acht Hauptsünden ausführ- 
lich entwickelt*), nennt in der collatio V, 1 als seinen Gewährs- 
mann hierfür einen greisen Mönch der sketischen Wüste, Namens 
Serapion^), der die Achtzahl der Hauptsünden als eine feststehende 
Lehre in seinen Mönchskreisen bezeichnet ^). Immerhin ist Evagrius 
der erste, der dieses Lehrsystem schriftlich fixirt hat. Leider ist 

1) Practica cap. 52, 57, 60, 63, 64. 

2) Sozomenus, hist. eccl. VI, 30; Ruflnua, bist, monach. c. 27. 

8) Zöckler, Das Lehrstück von den sieben Hanptsünden (Bibl. u. hiator. 
Studien, München 1893, IV. Heft, S. 15 ff.). 

4) Die Reihenfolge der acht Lastergedanken lautet bei Evagrius: ifaoipi- 
[jLapYia, Tcopveio, ^dapY^pia, Xüict), 6py^, axri^ia. xevoSoSioi, 6;c£pii^av{a, bei Cüasian 
(Collatio V und De institutis coenobiorum lib. V— XII) mit Umstellung der 
beiden mittleren Glieder: gastrimarffia, luxuria, avaritia, ira, tristitia, acedia, 
cenodozia, superbia. Die letztere Reihenfolge findet sich auch bei dem Sinaiten 
Nilua in dem Werke »Tcepi tüjv oxtcj jweujiaTOiv it]? TcovTjpia;« (Migne, s. gr., tom. 79, 
col. 1140 ff.). Bei Oregor dem Grossen (Moralia 31, 31) dagegen, der die 
superbia als Königin und gemeinsame Wurzel aller übrigen Laster nicht mit- 
zählt, die tristitia und acedia zu. einem Laster vereinigt und dafür die invidia 
einfügt, erscheinen die Haupt- oder Wurzelsünden als eine Siebenzahl in folgen- 
der Reihenfolge: inanis gloria, invidia, ira, tristitia, avaritia, ventris ingluvies, 
luxuria. 

5) Dieser Serapion gehört nach Cassian (collatio V, 1, vgl. IV, 1 n« 
III, 1) zu den Anachoreten der sketischen Wüste, ist also nicht, wie es Zöckler 
(Das Lehrstück von den sieben Hauptsünden, a. a. 0. S. 23 f.) annehmen möchte, 
identisch mit dem von Rufinus (hist. monach. c. 18) erwähnten Presbyter 
Serapion, der in der Landschaft Arsinoö viele Mönche leitete. 

6) Collatio V, 18: »Octo esse prineipalia vitia quae impugnant monachum 
cunctorum absoluta sententia est«. 



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Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4. Jahrh, 267 

der Antirrhetikos, der aas acht Teilen bestand und durch eine 
Menge passender Schriftworte zur Abwehr der acht Lastergedanken 
illostriert war, weder im Original noch in der lateinischen Über- 
setzung des Qennadius auf uns gekommen. Wir besitzen nur einen 
griechischen und lateinischen Auszug und eine syrische Übersetzung 
der Schriftcitate zu den Achtlastergedanken in fragmentarischer 
Form. 

Die acht Laster erscheinen bei Evagrius personificiert , indem 
jedes Laster in Abhängigkeit von einem besonderen Dämon ge- 
stellt wird. 

Zunächst warnt Evagrius vor dem Dämon der Esssucht, der 
dem Mönche Furcht vor dem Verfall der körperlichen Kräfte ein- 
flösst oder ihn an solche Mitbrüder erinnert, die sich durch über- 
mässige Easteiungen geschadet haben. Dass jedoch Evagrius dabei 
den Bogen nicht überspannte, ergibt sich aus seinem Ausspruche, 
der Mönch solle in der Regel nur einmal des Tages essen; doch im 
Falle der Krankheit oder Schwäche möge er zwei- bis dreimal täg- 
lich essen. Man solle sich nicht durch Fasten elend machen, son- 
dern so leben, dass man die nötige Kraft und Gesundheit habe, 
sich weiter kasteien zu können !)• 

Der Dämon der Unkeuschheit zaubert dem Mönche lebhafte 
Phantasiebilder vor, um die böse Lust zu wecken. Der Dämon des 
Geizes weckt in dem Mönche das Verlangen nach Schätzen, um die 
Armen reichlicher beschenken zu können oder flösst Furcht vor 
Armut und Hilflosigkeit des Alters ein, um den Mönch zur Samm- 
lung von Vorräten zu verführen. Der Dämon der Traurigkeit malt 
dem Asceten die Annehmlichkeiten des früheren Weltlebens vor oder 
weckt die Sehnsucht nach der Heimat und Verwandtschaft; manch- 
mal stellt sich auch die Traurigkeit ein, wenn~ man der Leiden- 
schaft des Zornes freien Lauf gelassen hat. Diese vier Lasterge- 
danken zielen mehr auf die Erregung der Sinnlichkeit und sind nach 
Evagrius leichter zu besiegen, während die folgenden vier mehr 
geistigen Lastergedanken dem Mönche das Leben bis zum Tode ver- 
bittern >). Hiernach ist die Behauptung des Evagrius, dass der Mensch 
hienieden zu einer absoluten Apathie gelangen könne, einigermassen 
abgeschwächt. Der Dämon des Zornes, der als eine sehr heftige 
Leidenschaft bezeichnet wird, stört den Mönch besonders zur Zeit 
des Gebetes, malt die Person des Beleidigers lebhaft vor und ver- 



1) Evagrius, Beram monacbalinm rationes c. 10. Vgl. Zöckler, Eyagria» 
Pontikus a. a.' 0. S. 61 f. 

2) Practica cap. 23—25. 



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268 Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4, Jahrh, 

führt zum Hinbrüten in rachgierigen Gedanken. Der Dämon der 
Trägheit (axTjdta) wird auch unter Hinweis auf Psalm 90 (91), 6 der 
Mittagsdämon genannt, weil derselbe besonders am die Mittagszeit 
den Mönch plagt und das Verlangen nach Speise jsur Unzeit weckt. 
Bald äussert sich dieser Oeist dadurch, dass er Ekel gegen die Ein- 
samkeit der Zelle verursacht oder die Arbeitsfreudigkeit raubt oder 
auch den vermeintlichen Nutzen einer Ortsveränderung vorgaukelt 
und schliesslich zum Aufgeben des Mönchslebens verleitet. Der Dämon 
der Eitelkeit (xsvodogia) bewirkt, dass der Mönch sich zu viel auf 
seine Ascese und die charismatischen Gaben einbildet, und weckt 
die Sehnsucht nach der Priesterwürde. Die Folge dieses Lasters 
ist unbändiger Stolz, masslose Traurigkeit oder gar Wollust. Der 
Dämon der Hoflfart (uTtepTjcpavta) aber ist der unmittelbare Vorläufer 
des Abfalls von Gott und der Tugend. Wer sich von diesem Dämon 
einnehmen lässt, glaubt, dass er der Hilfe Gottes nicht bedürfe, 
sondern alles aus sich selbst wirke; er wird stolz und anmassend 
gegen seine Mitbrüder und wird zuletzt Beute aller möglichen 
Leidenschaften. 

Das sind die acht Laster, die Evagrius als erster unter den 
christlich- ascetischen Schriftstellern fixiert und entwickelt hat. Da- 
mit ist allerdings die Frage nach dem eigentlichen Ursprung der 
Achtlasterlehre noch nicht beantwortet. Im Neuen Testament finden 
sich allerdings an verschiedenen Stellen^) Aufzählungen von sünd- 
haften Gedanken und Lastern, aber die evagrianische Achtzahl 
findet sich darin nicht, noch lässt sie sich aus diesen Texten ab- 
leiten. Ebensowenig ist in der ältesten christlichen Literatur die 
Kenntnis des evagrianischen Schemas nachweisbar. Im Pastor 
Hermae (sim. 9, 15) werden allerdings vier Hauptlaster (ÄüvaTWTepai) 
»amaxfa, axpaaia, aicetOeta, dTcaxTjf und als ihre Begleiterinnen 
(axöXoüdot) »XüTCT], TcovTjpta, aaeXyeia, oSoxoXta, <}/8u8o<;, acppooüVT], 
xaxaXaXia, fiTaoc« genannt, aber dieselben konnten offenbar nicht 
dem Evagrius als Voibild für seinen Lehrtropus gedient haben. Die 
Septem maculae capitalium delictorum bei TertuUian (adv. Marc. IV, 9) 
»idolatria, blasphemia, homicidium, adulterium, stuprum, falsum 
testimonium, fraus« bieten, wie die biblischen Lasteraufzählungen 
mehr Anklänge an den Dekalog als an die Achtlasterlehre. 

Clemens Alexandrinus unterscheidet unter ausdrücklicher Be- 
zugnahme auf den Stoiker Aristo von Chios eine Vierzahl von Haupt- 
leidenschaften , nämlich Schmerz, Furcht, Begierde, Lust, und er- 

1) Matth. 15, 19: 8iaXoYt<j{JLo\ 7cov7)po\, ^övoi, (xot/etai, Kopvelai, J^suSofiapTuptat, 
ßXa(j(p7)}jLiai. Vgl. auch Marc. 7, 2 f.; Ephes. 5, 3 f. * 



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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh, 269 

klärt, dass die Bekämpfung derselben viel Ascese erfordere^). Sind 
nun auch die vier itaOig des Alexandriners mit den acht Lasterge- 
danken des Evagrius nicht identisch, so ist doch wenigstens inter- 
essant, dass dieser christliche Ethiker sich nicht scheute, jenes 
Schema der heidnischen Philosophie sich zu eigen zu machen. Noch 
interessanter ist die Siebenzahl der Leidenschaften (avaritia miserque 
cupido, laudis amor, invidus, iracundus, iners, vinosus, amator), die 
Horaz ep. I, 1, 33 -40 erwähnt, und für deren Heilung er die phi- 
losophische Lektüre empfiehlt. Hier finden wir eine überraschende 
Ähnlichkeit mit dem evagrianischen Achtlasterschema und noch mehr 
mit den sieben Haupt- oder Wurzelsünden, wie sie seit Gregor dem 
Grossen im Abendlande gezählt werden, und es ist merkwürdig, dass 
keiner der Commentatoren des Horaz auf diese Beziehung zwischen 
Heidentum und Christentum aufmerksam gemacht hat, geschweige 
denn der Frage näher getreten ist. Von einem direkten Einfluss 
des lateinischen Dichters auf die egyptischen Mönchskreise kann 
natürlich nicht die Rede sein; wohl aber weist die horazische Weis- 
heitsregel auf die Tradition der stoischen Ethik hin, aus der egyp- 
tische Mönche mit griechischer Bildung die Schematisierung der 
Hauptlaster, vielleicht mit Modifikationen und Auslegungen vom 
christlichen Standpunkte aus, hinübernahmen. Befremdend wäre 
diese Entlehnung nicht. Wie die christliche Spekulation im pa- 
tristischen Zeitalter überhaupt sich nicht ohne allen Zusammenhang 
mit der griechischen Philosophie entwickelte, so wissen wir auch 
von Evagrius, dass er sich in seiner Mönchsethik die Terminologie 
der griechischen Weisheit aneignete. Man denke nur an seine Lehre 
von der Apathie, an seine Lehre von den drei Grundfunktionen der 
Seele (vouc, iictftüfxta, ftü^ioc:) und an die wissenschaftliche Form, in 
die er seine Ascetik gekleidet hat (s. oben S. 265 f.). 

Um die Beziehung der Achtlasterlehre des Evagrius zur heid- 
nisch-griechischen Ethik aufzudecken, sucht nun Zöckler*) die vier 
Hauptleidenschaften (uaOr]) „Xütct]^ ^ößog, Suiftofjita, iidoyff' und die 
den vier Kardinaltugenden (9p6vY]ot(;, dvdpeta, oü)9pooüVTf], dtxatooüVY]) 
entgegengesetzten vier Kardinallaster, nämlich Unwissenheit (i9poauvig), 
Feigheit (SstXta), Zuchtlosigkeit (ÄxoXaofa) und Ungerechtigkeit 
(idiTtia) aus der stoischen Ethik heranzuziehen. Indes lässt sich 
höchstens die Übereinstimmung der vier stoischen Hauptleidenschaften 
»Gier, Lust, Furcht, Schmerzt mit den vier evagrianischen Lastern 



1) Strom. II, 20: ITpo^ 8Xov xb tsipa^^öpSov, i^8ovV) Xu'tctjv, <pößov, l7ct^ü[Jiiav, 

2) Bibl. ü. bist. Studien III, 18. 



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270 Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4. Jahrh. 

»Essgier, ünkeuschheit , Habsucht (als Farcbt vor den kommenden 
Nöten des Alters) und Traurigkeit herstellen i). Dagegen decken 
sich die vier übrigen evagrianischen Laster »Zorn, Trägheit, Ruhm- 
sucht und Hochmntc nur teilweise mit den vier stoischen Kardinal- 
lastern »Unwissenheit oder Mangel an Einsicht (als Folgeerscheinung 
des Zornes nach Zöckler), Feigheit, Zuchtlosigkeit und Ungerechtig- 
keit«, wie dies Zöckler selbst eingestehen rouss. 

Befriedigender würde vielleicht die Lösung dieser Frage aus- 
fallen, wenn wir die Originalquellen für die stoische Ethik besässen 
und hierbei nicht bloss auf sekundäre Quellen angewiesen wären. 
Indes kann meines Erachtens der Zusammenhang zwischen der 
evagrianischen Achtlastertheorie und der griechischen Philosophie auf 
einem anderen Wege besser nachgewiesen werden. Cassian legt 
nämlich im 15. Cap. der XXIV Collatio einem sketischen Mönche, 
Namens Abraham, folgende Worte über die dreifache Bewegung der 
Seele (de tripartito aniraae motu) in den Mund: »Omnium vitiorum 
unus fons atque principium est; secundum qualitatem vero partis 
illius, et (ut ita dixerim) membri quod in animo fuerit vitiatum. 
diversa vocabula passionum corruptionumque sortitur. Quod nonnun- 
•quam etiam morborum corporalium probatur exemplo, quorum cum 
una Sit causa, in diversa tamen aegritudinum genera pro qualitate 
membrorum quae fuerint occupata, distinguitur. Etenim cum arcem 
■corporis, id est, caput, vis noxii humoris obsederit, cephalalgiae pro- 

ereat passionem ; totque vocabulis una atque eadem noxii 

humoris origo distinguitur, quod membrorum ceperit portiones. 
Eodem modo de visibilibus ad invisibilia transeuntes, anlmae nostrae 
partibus, atque (ut ita dixerim) membris vim cuiusque vitii inesso 
credamus. Quam cum sapientissimi quique tripartitae definiant esse 
virtutis, necesse est ut aut Xoyixov, id est, rationabile, aut ^u^iixov, 
id est, irascibile, aut Sict&üfxYjTtxov, id est, concupiscibile eins, aliquo 
corrumpatur incursu. Cum ergo aliquem ex his affectibus vis noxiae 
obsederit passionis, pro illius causis etiam vitio nomen imponitur. 
Nain si rationabilem eins partem vitiorum pestis infecerit, cenodoxiae, 
elationis, invidiae, superbiae, praesuroptionis, contentionis, haereseos 
vitia procreabit. Si irascibilem vulneraverit sensum, furorem, im- 
patientiam, tristitiam, acediam, pusillanimitatem, crudelitatem par- 
turiet. Si concupiscibilem corruperit portionem, gastrimargiam, for- 



1) Die Habsucht wird allerdings von Evagrius als Furcht vor den 
kommenden Nöten des Alters aufgefasst; allein da auch die Essgier bei 
Evaqriua als yößo? (Furcht vor den körperlichen Leiden) erscheint , so kann 
der Zöcklersche Parallelismus nirht als ganz gelungen bezeichnet werden. 



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Rückblick auf das egypt Mönchium des 4. Jahrh, 271 

nicationem, phylargyriam , avaritiam et desideria noxia terrenaque 
germinabit.f 

Alle Laster haben also eine und dieselbe Quelle und Grund- 
lage. Aber wie bei den körperlichen Leiden der seinem Ursprünge 
nach gleiche schädliche Stoff durch so viele Namen unterschieden 
wird, als er Teile von Gliedern befallen hat, so erhält auch die 
Seele je nach der Beschaffenheit des Teiles, der verderbt worden 
ist, verschiedene Namen von Leidenschaften. Indem nun nach dem 
Vorgang der griechischen Philosophie drei Grundfunktionen der 
Seele (Xoytxov, dofiixöv, Im&ufiTixöv) angenommen werden, ergeben 
sich drei Klassen von Lastern, durch welche die eine Seele moralisch 
verwundet wird. 

Allerdings umfasst dieses dreiklassige System, wie aus dem 
obigen Text ersichtlich ist, achtzehn Laster; doch sind einige der- 
selben als Synonyma, Gradationen oder Folgeerscheinungen der übri- 
gen, z. B. der Neid als Folgeerscheinung der Überhebung, die Hä- 
resie als Gradation des Hochmuts, in das evagrianische Achtlaster- 
schema nicht aufgenommen worden. Möglich ist auch, dass einige 
Denominationen der drei Lastergruppen deshalb aus dem evagriani- 
sehen Schema ausgeschieden erscheinen, weil sie für das Leben der 
Cönobiten und Anachoreten weniger in Betracht kommen« 

Noch von einem anderen Gesichtspunkte aus lässt sich der 
Zusammenhang der Achtlasterlehre mit der griechischen Philosophie 
beleuchten. Die acht Laster des Evagrius sind nämlich nicht bloss 
als Verheerungen der drei Grundkräfte (voüg, Oufjioc, iTciftofita) der 
Seele aufzufassen, sondern sie erscheinen auch als Gegensätze zu 
den vier Kardinaltugenden, die Evagrius gleich Plato auf jener Ein- 
teilung der Seelenkräfte aufbaut und psychologisch entwickelt. In- 
dem nämlich Evagrius (Practica cap. 61) sich zu der Dreiheit der 
Seelenkräfte bekennt, fügt er hinzu : ''Otav fASv iv t«J XoytoTixd) fxlpst 
yivijTat TJ &P6T19, xaXsTxai 9p6vTf]at(; xat oüvsok; xal ooqjta * otav di Sv 
xiS iTcidufiYjTixo), oa)9pooüVTf] xal dyaicig xat iyxpaxeta * oxav ik Iv tü> 
»ü(itx(!>, avSpeta xal üico^jiovi^ • Iv oXig ik x% ^^xi ÄixaioauvY], Die 
Weisheit ist also die Tugend des vernünftigen Teiles der Seele, 
die Massigkeit die Tugend des begehrlichen Teiles und die Tapfer- 
keit die Tugend des muterfüllten Teiles der Seele. Die Gerechtig- 
keit dagegen ist gleichsam die Grundlage und Vollendung der übri- 
gen Tugenden und besteht in dem geordneten Zustand des gesamten 
Seelenlebens. »Sie istt, wie Ziegler ^) sagt, »die harmonisierende. 



1) Ethik der Griechen nnd Römer, Bonn 1881, S. 89. 

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272 Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4. Jahrh. 

alles in Einklang setzende, höchste und allgemeine Tugend, welche 
in positivster Weise dafür sorgt, dass jeder Teil seiner Aufgabe in 
sich und den anderen gegenüber gerecht wirdc Wenn aber die Ge- 
rechtigkeit nicht noehr die Ordnerin der Seele und ihrer Kräfte ist, 
so entstehen Defekte und Excesse des XoYtattxov, lictOüfiTjTixöv und 
Oufiixov, und die acht evagrianischen Laster erscheinen beim Fehlen 
der alles ordnenden dtxatooüVT] als Gegensätze zu den drei übrigen 
Kardinaltugenden (^povTjat«;, ow^poauvT] und ävdpeia). Die christliche 
Weisheit, welche nach Bvagrius durch die «pucixt} dewpia gewonnen 
wird, besteht darin, dass der Mensch sich und die geschaffenen Dinge 
richtig wertet oder in das richtige Verhältnis zu Gott setzt. Der 
erste Gegensatz zu dieser Tugend ist die Ruhmsucht (xevodo^ta), in- 
dem der Mensch wegen fleischlicher und sichtbarer Dinge sich über- 
hebt oder auch wegen geistiger und geheimer Gaben von Begierde 
nach eitlem Lob entbrennt (Cassian, coli. V, 11). Die überwuchernde 
Ruhmsucht erzeugt den Stolz (üTcept^cpavta), der den äussersten Gegen- 
satz zur 9p6vt]ot(; bildet. Er besteht in der sündhaften Auflehnung 
gegen die Menschen und gegen Gott selbst. Die erste Gattung des 
Stolzes umstrickt besonders die Anfönger in der Ascese und äussert 
sich darin, dass der Mönch die Gleichheit und Gemeinschaft mit 
den Brüdern verachtet, mürrisch und ungehorsam wird und sich über 
die Gebote Gottes und die Klosterregeln hinwegsetzt. Die zweite 
Gattung des Stolzes, von der die mehr fortgeschrittenen und voll- 
kommenen Männer geplagt werden, besteht darin, dass der Mönch 
seine natürlichen Fähigkeiten überschätzt und ohne die Gnade und 
Erbarmung Gottes auszukommen vermeint (Cassian, de instit. 
coenob. XV). Der christliche Starkmut (avöpeta) ist die richtige 
Mitte zwischen dem Zorne einerseits und der Traurigkeit und der 
Trägheit andererseits. Der Zorn ist das »Zuviel«, macht geneigt zu 
Zänkereien und unversöhnlich gegen wirkliche und vermeintliche 
Beleidiger. Das »Zuwenig« ist die Traurigkeit; sie ist zuweilen 
eine Folgeerscheinung des Zornes, oder sie tritt dann ein, wenn man 
sich in der Hoffnung, die man auf diese oder jene Dinge gesetzt 
hat, getäuscht sieht. Der äusserste Gegensatz zu der Tugend des 
Starkmuts ist die Trägheit (axigSia), worunter die Entmutigung und 
Erschlaffung des Menschen in der Übung der Tugend zu verstehen 
ist (De instit. coenob. VIII — X). Die Massigkeit hat ihren Sitz im 
ImOufxigTixov. Die Excesse der ünmässigkeit können sich auf ein 
dreifaches Objekt beziehen, und so unterscheidet man ein ungeord- 
netes Begehren nach dem niederen Gut der Leibesnahrung (yaoTpi- 
fiapyta), ein ungeordnetes Begehren nach dem niederen Gut des 



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Rückblick auf das egypU Mönchtum des 4. Jahrh. 273 

Geschlechtsgenusses (icopveta) und ein angeordnetes Begehren nach 
äusseren Gütern («piXapyopta) ^). 

Was die Reihenfolge der acht Laster in dem Schema anlangt, 
so beginnt Evagrius mit den fleischlichen Leidenschaften, steigt zu 
den mehr geistigen hinauf und beschliesst die Gruppe mit dem 
Stolze, der den tiefsten Fall des Mönches bedeutet. 

Jedenfalls ist die evagrianische Achtlasterlehre ein Beweis, 
dass man in den egyptischen Mönchskreisen das YoUkommenheits- 
ideal nicht rein äusserlich auffasste, sondern hierbei den im Innern 
des menschlichen Herzens schlummernden Leidenschaften volle Be-^ 
achtung schenkte. Die christlichen Ethiker der Wüste haben wohl 
die äussere Form dieses Gewissensspiegels der griechischen Philo- 
sophie entlehnt, aber mit christlichen Ideen ausgelegt und dem 
Ganzen ein durchaus christliches Gepräge gegeben. Das zeigen, ab- 
gesehen von den Cassianschen Erörterungen über die octo vitia ca- 
pitalia in den Institutis coenobiorum lib. V — XII, der Antirrhetikos 
und die Capita practica ad Anatolium des Evagrius. In der aller- 
dings nur fragmentarisch überlieferten syrischen Übersetzung der 
Achtlasterlehre ^) finden wir eine Unzahl alt- und neutestamentlicher 
Citate, durch deren Lektüre die Mönche von der Notwendigkeit des 
Kampfes gegen die Lastergedanken überzeugt und zur energischen 
Abwehr der Versuchungen ermuntert werden sollen. In den Capita 
pract. ad Anatolium (n. 6) gibt Evagrius eine Neunzahl von Gegen- 
mitteln gegen die Gebrechen der Seele an. Das hierbei angewandte 
Schema erinnert wieder an die griechische Einteilung der Seelen- 
kräfte; die Tugendmittel selbst sind aber aus dem Bereich des 
christlichen Glaubens geschöpft. Die Verirrungen des voög, heisst 



1) Auch bei Gregor von Nyssa (ep. can. ad Letoinm, abgedr. bei Bhalli 
u. Potli, SüVTaYfia tGv dstüiv xa\ Upwv xavövwv, Athen 1854, Bd. IV S. 295 ff.) 
findet sich eine psychologische Entwiokelang von Sünden auf Grund der drei 
Grundfanktionen der Seele, nur mit dem Unterschiede, dass aus diesen nicht 
die Wurzeln aller Sünden, sondern gewisse schwere Vergebungen im Interesse 
der Bussdisziplin abgeleitet werden. Die Verheerungen des Xo^iartKÖv sind die 
Yerschiedenen Arten der Glaubensverleugnung und die Zaubereien, die Ver- 
heerungen des l7ci^u{j.7iTtx(Sv die verschiedenen Arten von Unzucht und die Ver- 
heerungen des (jL^pos ^ü{j.oeiö^? der Seele Todschlag, Mord u. drgl. Von der vierten 
Gruppe von Sündern »ÄXeoveSia nebst y-XoTn), UpocjuXia und tu(j,ßü)püx_ia« erklärt 
Gregor, dass bei diesen alle drei Grundkräfte der Seele beteiligt sind. Hier- 
nach scheinen auch diesem Schema die vier Eardinaltugenden zu gründe zu 
liegen. Die Sünden der ersten Gruppe bilden den Gegensatz zur ao<p{a oder 
©pövTiai?, die der zweiten Gruppe den.. Gegensatz zur awcpoaüvr), die der dritten 
Gruppe den Gegensatz zur avSp&ia als Übermass derselben). Vgl. Rhalti u. Potli, 
8. 297 f. Die verschiedenen Arten von Diebstahl und Betrug erscheinen end- 
lich als Gegensatz der SixatoouvT]. Vgl. Rhalli u. Potlif S. 320 f. 

2) Die deutsche Übersetzung dieser Fragmente durch Fr. Baethgen 
findet sich in Zöcklera bibl. n. bist. Studien IV, 104 ff. 

Schiwietz, Mönchtum. 18 



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274 Rückblick auf das egypU Mönchtum des 4. Jahrh, 

es, sollen durch Lektüre der hl. Schrift, Nachtwachen, Gebet und 
durch die Betrachtung der eigenen Sündhaftigkeit sowie der letzten 
Dinge des Menschen geheilt werden, die Yerirrungen der gictOufita 
durch Fasten, Handarbeit und Einsamkeit, die Yerirrungen des Oufiöc 
endlich durch Psalmengesang, Geduld und Übung der Barmherzig- 
keitswerke ^). Auffallend ist daher die Kritik, die Zöckler') diesem 
evagrianischen Lehrtropus angedeihen lässt, den er als ein halbheid- 
nisches Fabrikat bezeichnet, aus dem Christenleute keinen besonderen 
Gewinn ziehen konnten. »Die Anwendung dieses Schemas der sieben 
oder acht Laster als Mittel zur Gewissensprüfung ,€ sagt er weiter, 
»ist eins von den vielerlei Symptomen jener auf möglichst ausser^ 
liehe Gestaltung der Religiosität ausgehenden Richtung, die während 
der 1200jährigen Entwickelung seit Constantins Zeitalter die Christen- 
heit beherrscht hat. Im Gegenteil, der es Gebrauchende lief Gefahr, 
noch tiefer verstrickt zu werden, c Diese scharfe Kritik der Acht- 
lasterlehre mutet merkwürdig an, besonders wenn man einerseits 
bedenkt, dass Zöckler^) selbst zugibt, dass diesem Schema immerhin 
einiger biblischer Wahrheitsgehalt zuerkannt werden darf, und an- 
dererseits nicht vergisst, dass seine Erklärung des evagrianischen 
Lehrtropus aus stoisch-ethischer Spekulation nach eigenem Geständ- 
nis nicht als vollständig befriedigend betrachtet werden kann^). 

1) S. Bibl. u. bist. Stadien IV, 62 f. — In dem nur lateinisch erhaltenen 
Anhang zum Antirrhetikos erscheinen diese Tugendmittel zu einer Fünfzahl 
zusammengefasst (Bihl. n. hist. Stadien III, 27). 

2) Ebend. III, 111. 

3) Ehend. III, 116. 

4) Nach dieser unfreundlichen Kritik empfleht Zöckler (III, 115 f.) einen 
anderen, einfacheren Lehrtropus mit den Worten : »Als eine Art von Ersatz für 
den fallen gelassenen Lehrtropus von den sieben Hauptlastern kommt in der 
protestantischen Moraltheologie seit dem 17. Jahrh. mehrfach die Dreizahl 
Hoffart, Aagenlast, Fleischeslust (1. Joh. 2, 16) oder der damit annähernd ver- 
wandte Ternar Herrschgier, Habgier, sinnliche Gier (gemäss Matth. 4, 1—11 
n. Par.) zur Anwendung. Es wird damit auf jene einfachere Gestalt der Laster- 
reihe zurückgegriffen, die ans, bald so, bald so modificirt, schon bei Philo und 
mehreren patristischen Zeugen (Cyprian , Pacian , Augustin , Lactanz , Gregor 
von Nyssa) begegnete, die auch der ernster und tiefer denkenden Scholastik 
nicht fremd ist ... . Vertreter dieses vereinfachendoren Lehrtropas, der dem 
phantastisch-künstelnden Gebilde der Siebenzahl die schlichtere Dreizahl sab* 
stituiert, sind seit Dannhauer und Buddeus nicht wenige in der neueren 
evangelischen Moraltradition vorhanden. Sofern in dieser Lehrweise von drei 
Haupt-Sündenkreisen laut 1. Joh. 2 ein Zurückgehen auf die besseren Träger 
der älteren kirchlichen Überlieferung, vor allen auf Augustin, sich voll- 
ziehet und zugleich, was noch wichtiger, auf klaren und unantastbaren Schrift- 
grand zurückgegriffen wird, mag die genannte Trias als der echte, bleibend 
wertvolle Eemgehalt der älteren Heptas festzuhalten sein. Statt einer schroffen 
und unbedingten Verwerfung dieser letzteren, der ja immerhin einiger biblischer 
Wahrheitsgehalt zaerkannt werden darf, ergibt sich sonach ein besonnenes Re- 
duktionsverfahren als die dem evangelischen Sittlicbkeits- and Frömmigkeits- 
interesse entsprechende Art der Kritik, welche auf dem in Bede stehenden 
Punkte auszuüben ist«. Indem wir dazu nur bemerken , dass nach Philo (de 



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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4, Jahrh, 275 

Die allgemeine Geltung der soeben besprochenen ascetischen 
Grundsätze in den egyptischen Möncbskreisen des vierten Jabrbun- 
derts wird durch die Historia Lausiaca des Palladius und die Rufin- 
sche Historia monachorum bestätigt. Rufin lässt Johannes von Ly- 
copolis, den ersten Mönch, den er in seiner Mönchsgeschichte be- 
handelt, die Principien der Mönchsethik entwickeln ^). »Es ist nicht 
genüge, heisst es, »dass jenoand mit dem Munde der Welt und den 
Werken des Teufels entsagt und seine Güter und die Geschäfte der 
Welt verlassen habe; er muss auch seinen Sünden und allen un- 
nützen und eitlen Vergnügungen entsagen. c »Einige scheinen der 
Welt entsagt zu haben, aber sie sorgen nicht, ihr Herz zu reinigen, 
alle Sünden und Leidenschaften daraus zu verbannen, ihre Sitten zu 
ordnen. Sie suchen nur, einen aus den heiligen Vätern zu sehen 
und einige Worte zu hören, die sie dann anderen erzählen und sich 
rühmen, dass sie es von diesem oder jenem erlernt haben ; und wenn 
sie sich so auch nur wenige Kenntnisse erworben haben, wollen sie 
gleich Lehrer sein und anderen vortragen, nicht was sie selbst ge- 
übt, sondern nur was sie gehört haben, und dabei verachten sie 
andere. Sie streben nach dem Priestertume und suchen sich in den 
geistlichen Stand einzudrängen; und doch hat der, welcher Tugen- 
den besitzt, sich aber nicht getraut, andere zu lehren, weniger die 
Verdammnis zu fürchten als derjenige, welcher selbst den Leiden- 
schaften und Lastern ergeben ist und dabei doch andere lehren will. 
Wir müssen den geistlichen Stand nicht zu sehr fürchten, aber auch 



decalogo) die Sauden nicht aus drei, sondern aus vier Quellen (1^ l7ct&u(i{a; ^ 
X^p7](jL(£i(üv ?) 8(5^T]( ^ ^$ov^;) entspringen, und dass auch die Berufung auf mehrere 
patristische Zeugen, abgesehen von Augustin, nicht vollständig dem Thatbe- 
stand entspricht — das ergibt sich aus den Ausführungen Zöcklers (Ifl, 11 f.) 
^ber die Sündenzählungen bei Cyprian, Pacian und Lactanz und dem oben 
S. 273 Note 1 über Gregor von Nyssa Gesagten — , fngen wir noch die treffen- 
den Bemerkungen hinzu, die P, A, Kirsch (Zur Geschichte der kath. Beichte, 
1902, S. 87 f.) zu jener tendenziös gefärbten Kritik der Acht- oder Sieben- 
lasterlehre macht: »Also die Lehre von den drei Haupt «Sündenkreisen ist ge- 
eignet zur Förderung des evangelischen Sittlichkeits- und Frömmigkeits- 
interesses; der Lehrtropus aber, welcher denselben Sündenkreis : Augenlust, 
Fleischeslust und Hoffart des Lebens (eine Einteilung, welche nicht selten 
auch jetzt noch in der kath. Kirche Verwendung findet) in sieben statt drei 
Segmente teilt, veräusserlicht, zieht von Christo ab und verstrickt noch tiefer 
ins Sündenleben. Wir müssen zu unserem Bedauern gestehen, dass wir in die 
»Tiefe« solcher Darlegungen nicht zu folgen vermögen. Dennoch müsste der 
Dekalog, welcher seit dem späteren Mittelalter nicht bloss auf katholischer, 
sondern auch auf lutherischer Seite den »Probierspiegel« oder »das Mittel zur 
Gewissensprüfung« bildete, auch veräusserlichen, — denn er setzt die Zweizahl 
des Gebotes der Gottes- und Nächstenliebe in die Zehnzahl der näheren Be- 
-Stimmungen um. So hat die Siebenzahl der Wurzelsünden offenbar keine 
andere Bestimmung, als eine nähere Entfaltung der dreifach bösen Lust dar- 
sustellen«. 

1) Rufin. bist, monach. c. 1 (Migne, s. lat., tom. 21 col. 396 seq.). 

18* 



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276 Rückblick auf das egypL MOnchtum des 4. Jahrh. 

Dicht darnach verlangen, sondern wir müssen uns Mähe geben, die 
Sünden aas unserer Seele zu verbannen und die Tugenden uns za 
erwerben.« — »Wenn wir mit reinem Herzen und frei von allen 
diesen Sünden und Leidenschaften vor Qott stehen, so können wir 
auch, so weit das für Menschen möglich ist, Qott sehen, nicht mit 
dem Auge des Leibes, sondern mit dem des Qemütes. Je reiner 
unser Herz ist, desto mehr wird uns Qott offenbaren und seine Qe- 
heimnisse enthüllen.« Wir begegnen also hier denselben Ideen, wie 
bei Athanasius, Makarius und Evagrius. und wenn auch naturge- 
mäss in den beiden Werken des Rufinus und Palladius die äussere 
Seite des Mönchslebens in den Vordergrund tritt, so erscheint doch 
nirgends die Ascese der behandelten Mönche als blosse äussere 
Selbstkasteiung oder als Selbstzweck; vielmehr erscheint die Reini- 
gung der Seele durch ununterbrochenen Kampf des Qeistes gegen 
die Knechtschaft; des Fleisches, das beharrliche Streben des Willens 
nach der Erwerbung und Bewahrung der christlichen Tugenden als 
letzter Zweck und Grund der mönchischen Übungen. 

Eine Bestätigung des Gesagten bieten endlich die Apophtheg- 
mata Patrum und die Verba Seniorum^), die man als Mönchsmoral 
in Beispielen bezeichnen kann. Sie bestehen aus Tugendbeispielen, 
Aussprüchen der Mönche über die Ascese und aus kasuistischen 
Entscheidungen aus dem Leben der Mönchskreise. An kürzeren oder 
längeren Anekdoten wird gezeigt, wie die hervorragendsten Väter 
der Wüste die einzelnen Tugenden in ihrem Leben ausgeprägt haben, 
oder wie Mönche durch Vernachlässigung der Regeln des ascetischen 
Lebens auf Abwege geraten sind. Allerdings sind die beiden Sam- 
melwerke späteren Datums, jedoch aus älteren kürzeren Sammlungen 
zusammengestellt. Zudem stellen das grösste Contingent zu diesen 
Beispielsammlungen die egyptischen Mönche des 4. Jahrhunderts, 
insbesondere die der sketischen und der nitrischen Wüste. Manche 
Apophthegmen tragen soviel individuelle Züge, so viele Charakte- 
ristika historischer und geographischer Art, dass man nicht das 
ganze Material als apokryph bezeichnen kann. Aber selbst wenn 
viele Episoden zu Erbauungszwecken hinzugedichtet worden wären, 
so gewähren uns doch diese Sammlungen einen Einblick in das 
innere Leben jener Mönchskreise. Aus dem sittlichen Ernst, der 
aus diesen Apophthegmen und Sentenzen spricht, muss man auf 
einen guten Geist in jenen Mönchskreisen schliessen. Eine Durch- 
sicht dieser Beispielsammlungen zeigt, dass das Mönchsideal in der 



1) S. oben S. 90. 

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Rückblick auf das egypt.^Mönchtum des 4, Jahrh, 277 

sittlichen Vervollkommung des Menschen auf Grund der christlichen 
Religion bestand; alle Ratschläge, die in diesen Apophthegmen- 
sammlungen erteilt werden, zielen in erster Linie auf die Selbster- 
Ziehung des Willens, auf die Durchbildung des Charakters auf 
Grund der in den hl. Schriften enthaltenen ethischen Vorschriften. 
Allerdings spielt in dem Leben dieser Mönche die äussere Ascese 
eine grosse Rolle. Ja, das Übermass mancher körperlicher Buss- 
übungen mutet uns seltsam an. Aber auch die geistige Ascese 
wurde nicht vernachlässigt. Der psychologischen Thatsache, dass 
Geist und Körper aufs innigste zusammenhängen und sich gegen- 
seitig beeinflussen, wurde hinlänglich Rechnung getragen, indem die 
Mittel zur Erziehung des Willens aus dem Bereiche beider Wesens- 
teile des Menschen hergenommen wurden. So lesen wir denn auch, 
dass von den Altvätern der egyptischen Wüste neben der körper- 
lichen Ascese in verschiedenen Formen und dem Sichzurückziehen 
in die Einsamkeit die Geistessammlung, das betrachtende Gebet, die 
tägliche Erforschung des Gewissens, die Erinnerung an den Tod, 
der Wandel in der Gegenwart Gottes, und Selbstverleugnung em- 
pfohlen und geübt wurden. 

Es bliebe noch zu erörtern, ob die Ascetik, welche in der eben 
besprochenen Literatur teils theoretisch, teils kasuistisch behandelt 
erscheint, wirklich Gemeingut jener Mönchskreise war. Abgesehen 
von dem nachhaltigen Einflnss, den die Koryphäen unter ihnen auf 
ihre Mitgenossen ausübten, wird in den Quellen der Mönchsgeschichte^) 
wiederholt berichtet, mit welchem Eifer sich die Vorsteher der ein- 
zelnen Mönchskolonieen die religiös- sittliche Erziehung der Mönche 
angelegen sein Hessen. Ja, nicht wenige Altväter werden wegen der 
Gabe der Unterweisung und Trostspendung geradezu gerühmt'). 
Die ascetischen Grundsätze über die Bekämpfung der Wurzelsünden 
oder Lastergedanken standen nicht bloss auf dem Papiere; es war 
vielmehr üblich, behufs Aufklärung und Tröstung erfahreneren 
Mönchs Vätern die Gewissenszweifel und inneren Versuchungen zu 
offenbaren, wie dies von Palladius, Rufinus, Cassian und in den 
Apophthegmensammlungen bezeugt wird>). 

Während in den Mönchskolonieen in der Regel um die neunte 
Stunde des Tages geistliche Gonferenzen stattfanden^), war dies da- 



1) Z. B. Rufin, bist. mon. c. 2, 14, 15, 20, 23; Palladiua, hist. Laus. c. 9. 

2) Hist. mon. 7, 13, 23, 27 ; hist. Laus. c. 12. 

3) Vgl. die Yorige Note; dazu Cassian, de instit. coen. IV, 9; coli. II, 
10 und 12. 

4) Hist. mon. c. 7; Hieronymi ep. 22 (Vallarsi). 



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278 Rückblick auf das egypt. Möncktum des 4. Jahrk. 

gegen in der Sketis und' in den Kellien, wo die schon in der Ascese 
erprobten Mönche, weit von einander entfernt, in ihren Zellen ^bteii, 
unmöglich. Doch war eine absolute Absonderung verpönt. Jeden 
Sonntag und Samstag gingen die Eremiten in die nächstgelegene 
Kirche zum Gottesdienst, mit dem in der Regel eine geistliche Con-» 
ferenz verbunden war^). Aber auch im Verlaufe der Woche be-^ 
suchte man einen Mitbruder behufs Belehrung und Tröstung. Auf 
Orund einer Überlieferung, die in den Apophthegmen auf Antonius 
und seinen Schüler Ammon zurückgeführt wird, betrug die Entfernung 
der Eremitenzellen von einander etwa zwölf Milien (oigfieTa), damit man 
im Falle eines geistigen Bedürfnisses nach der um die neunte Stunde 
des Tages üblichen Mahlzeit seinen Nachbar besuchen und nach 
gegenseitigem Meinungsaustausch bis zum Sonnenuntergang seine 
Zelle wieder erreichen konnte^). Die geistlichen Unterweisungen^ 
die bei diesen Zusammenkünften gepflogen wurden, gingen von Mund 
zu Mund und waren die Quelle der auf uns gekommenen Apo- 
phthegmensammlungen. Die Mannigfaltigkeit der in derselben be- 
sprochenen Gegenstände beweist, dass der Gedankenaustausch in den 
Mönchskolonieen und Einsiedeleien sehr rege war, und dass die 
Kreise, aus denen diese Art Literatur hervorging, in der hl Schrift 
wohl bewandert und vom christlichen Geiste tief durchdrungen 
waren. 

Indes kamen trotz der Sorgfalt, mit welcher die Mönchsväter 
über ihre Mitbrüder wachten, in diesen Mönchsgenossenschaften 
wegen der menschlichen Gebrechlichkeit und Wandelbarkeit des 
Willens auch sittliche Verirrungen vor. Wir haben Kenntnis von 
diesen Fehlern der Mönche durch Schriftsteller aus ihren eigenen 
Kreisen, durch ihre offenen und aufrichtigen Klagen und Erzählungen. 
Der Zweck hierbei war, die Mitgenossen vor ähnlichen Fehltritten 
zu bewahren. Antonius (s. oben S. 77 ff.) und Makarius (s. oben 
S. 262) klagen über die verkehrten ascetischen Ansichten mancher 
Mönchskandidaten sowie über die Unbeständigkeit mancher Mit- 
brüder in dem Streben nach Vollkommenheit. In der Historia mo- 
nachorum (c. 1) erzählt der Mönchsvater Johannes von Lycopolis, 
wie zwei Mönche infolge ihres Hochmuts und ihrer Trägheit der 
Sinnlichkeit zum Opfer fielen. Auch die von Palladius berichteten 
Sündenßllle erscheinen als Strafen geistlicher Überhebung. Valens 
(Hist. Laus. c. 31) bildete sich ein, sich des Umgangs und Dienstes 



1) S. oben S. 93 und 108. 

2) Apophthegm. Patr., Migne s. gr. 65 col. 85 f. 



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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh, 279 

der Engel zu erfreuen, beschimpfte den Überbringer der gesegneten 
Brote, die ihm von dem Eellienpriester Makarius zugeschickt wurden, 
mit den Worten: »Geh hin und sage dem Makarius, ich sei so gut 
wie er und bedürfe nicht seines Segens,€ weigerte sich zum Tische 
des Herrn hinzutreten in der Meinung, er habe die Kommunion nicht 
nötig, da ihm Christus selbst erschienen sei, und verfiel zuletzt in 
einen Zustand geistiger Baserei. Der feingebildete und tüchtige 
Bibelkenner Ero aus Alexandria (Ibid. c. 33) lebte in der Qesell- 
schaft des Evagrius in den KoUien, wurde aber stolz und anroassend 
gegen die Väter, beschimpfte den Evagrius, und da ihm die Zelle 
zu eng wurde, begab er sich wieder in seine Heimat, wo er Theater, 
Rennbahn und Schenken und zuletzt ein Bordell besuchte, bis er 
sich eine ekelhafte Krankheit zuzog. Nach seiner Genesung bekehrte 
er sich allerdings zu Gott, kehrte in die Wüste zurück und bekannte 
den Vätern seine Sünden; jedoch konnte er seine guten Vorsätze 
nicht mehr ausführen, da er schon nach wenigen Tagen starb. 
Ptolomaeus (c. 33) führte fünfzehn Jahre lang ein streng ascetisches 
Leben in der schauerlichsten Gegend der sketischen Wüste, Klimax 
genannt, sonderte sich dann ab von dem Verkehr und der Lehre 
der heiligen Männer, hielt sich für weiser und gelehrter als die 
übrigen, verfiel in Skepticismus und Pessimismus und trieb sich in 
ganz Egypten als Trunkenbold herum. Dass die genannten Fälle 
nicht die einzigen waren, ergibt sich aus folgender Bemerkung des 
Palladius (c. 34): »Deswegen beschrieben wir sowohl das Leben der- 
jenigen, welche sich recht und tugendhaft betragen, als auch derer, 
die nach vielen Bemühungen durch Müssiggang und Sorglosigkeit 
von der höchsten Stufe des vollkommenen Lebens herabfielen und 
in die Schlingen des Teufels gerieten, damit ein jeder in seinem 
Stande die verborgenen Netze des Feindes alles Guten erkennen und 
fliehen möge. Da es also viele Männer und Frauen gibt, welche 
vom Anbeginn sich im geistlichen Wandel recht übten, endlich aber 
vom Widersacher gänzlich überwunden wurden, so will ich aus ihrer 
grossen Anzahl nur wenige erwähnen und die übrigen mit Still- 
schweigen übergehen , da es weder ihnen zur Besserung noch mir 
zum Heile dienen würde, wenn ich mich bei solchen Unglücklichen 
lange aufhielte und die ausgezeichneten Kämpfer Christi vernach- 
lässigte, indem ich ihre herrlichen Tugenden zu erzählen unter- 



Somit entspricht die Behauptung Am61ineaus, die griechisch- 
lateinischen Schriftsteller hätten bei der Darstellung des egyptischen 
Mönchtums die Schattenseiten desselben verschwiegen, durchaus nicht 



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280 Rückblick auf das egypU Mönchtum des 4. Jahrh. 

den Thatsachen i). Durch sie erfahren wir vielmehr, dass sich auch 
unlautere Elemente ohne inneren Beruf in jene Kreise, einschlichen, 
indem sie bloss das Äussere der grossen Mönche im Auge hatten, 
oder dass manche zwar gut anfingen, aber in der Folge durch Nicht- 
beachtung der durch Wort und Beispiel empfohlenen Grundsätze 
unterlagen, Man scheute sich nicht, davon Mitteilung zu machen, 
weil man überzeugt war, dass die. sittlichen Ausschreitungen, von 
denen man der Nachwelt Kenntnis gab, nicht aus der ascetischen 
Lebensweise naturgemäss hervorgingen, sondern im direktesten Wider- 
spruche zu derselben standen. Es wäre darum ungerecht, die Ex- 
zesse einzelner den anderen Mitgliedern jener Genossenschaften oder 
gar ihrer Gesamtheit zuzuschreiben, zumal da die übrigen die sitt- 
lichen Verirrungen ihrer Mitbrüder perhorrescierten und sich durch 
sittlichen Ernst und Lauterkeit des Charakters auszeichneten. 

Dazu kommt noch, dass die innigen Beziehungen, welche 
zwischen dem Mönchtum und dem hl. Athanasius sowie den übrigen 
egyptischen Bischöfen bestanden, und von denen noch in einem 
späteren § die Rede sein wird, unerklärlich wären, wenn die von 
Am^lineau gegen die Mehrheit der egyptischen Mönche jener Zeit 
geschleuderten Vorwürfe auf Wahrheit beruhten. Endlich wäre es 
bei Annahme eines sittlichen Tiefstandes bei dem Gros des egyp- 
tischen Mönchtums ein psychologisches Rätsel, dass diese Erschei- 
nung im Verlauf des vierten Jahrhunderts eine solche Anziehungs- 
kraft auf hochgebildete und sittlich ernste Männer und Frauen des 
Morgen- und Abendlandes ausgeübt hat. Basilius^), der spätere 
Erzbischof von Caesarea, besuchte nach Vollendung der klassischen 
Studien und Empfang der Taufe im Jahre 357 die egyptischen 
Mönchsgenossenschaften und staunte über die Enthaltsamkeit der 
Mönche in Speise und Trank, über ihre Ausdauer in der Arbeit, 
über ihre Beständigkeit im Gebete und über die Kraft in Bewäl- 
tigung des Schlafes. In Anbetracht dieser strengen Ascese schienen 
ihm die Mönche gleichsam in einem fremden Körper zu wohnen, 
und durch ihr Beispiel begriff er es, was es heisse, ein Pilger auf 
der Welt zu sein, die Heimat aber im Himmel zu haben. Hiero- 
nymus, der strenge Censor falscher Mönche, unterscheidet in Egyp- 
ten zwischen den herumziehenden Remoboth und den wahren Mönchen, 



1) Auch in den Verba Seniorum (Migne, s. 1., t. 78, col. 879 ff.) wird 
berichtet, wie einzelne Mönclie in sexueller .Hinsicht sich vergingen, aber ihren 
Fehltritt und das dadurch entstandene Ärgernis durch Busse zu sQhnen sich 
bemühten. Indes ist nicht ersichtlich, ob diese Vorkommnisse in den Kreisen 
des egyptischen Mönchtums des 4. Jahrh. geschehen sind. 

2) Ep. 223 (Migne. s. gr. t. 82 col. 823). 



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Rückblick auf das egypt» Mönchtum des 4. Jahrh. 281 

lobt das Gros der egyptischen Eremiten und Cönobiten und bleibt 
auch nach Besuch der nitrischen Mönchskolonieen ein Lobredner der- 
selben. Cassian, der in den egyptischen Mönchskreisen zehn Jahre 
zugebracht hat, berichtet wohl von dem Verfalle des in der Nähe 
der Städte und Dörfer hausenden Ascetentums, stellt aber die Ere- 
miten und Cönobiten in seinen Werken »De institutis coenobiorum 
und Collationesf als nachahmungswürdige Vorbilder für das abend- 
ländische Mönchtum hin, ohne für die sittlichen Verfehlungen ein- 
zelner, von denen er selbst Kunde gibt, die Gesamtheit verantwort- 
lich zu machen. Epiphanius (haer. 80), der gleichfalls durch Au- 
topsie von dem sittlichen Stande des egyp tischen Mönch tnms sich 
überzeugen konnte, stellt der Sekte der Massilianer, welche die As- 
cese affektierten , aber wegen ihres Betteins und ihrer Unsittlichkeit 
anrüchig waren, die egyptischen Klöster als Stätten der Zucht und 
Ordnung, der Arbeit und des Gebetes gegenüber. 

§. 5. Das christliche Vollkommenheitsideal der Mönche und Laien 
auf Grund der egyptischen Mönchsviten. 

Die Apokryphen- Literatur des zweiten und dritten Jahrhunderts 
ist offenbar ein Beweis für die Überspannung der Ascese in gewissen 
christlichen Kreisen jener Zeit. In dem Evangelium secundum 
Aegyptios, das aus der Mitte des zweiten Jahrhunderts stammt, heisst 
es^): »Salome fragte: Wie lange wird noch der Tod herrschen? 
Der Herr antwortete : Er wird herrschen, solange ihr Frauen Kinder 
gebäret. Ich bin gekommen, die Werke des Fleisches zu unter- 
drücken. Es wird eine Zeit kommen, wo das Kleid der Scham, 
d. i. der Leib, mit Füssen getreten und es weder Weib noch Mann 
geben wird«. Ebenso wird in den Acta Petri, Acta Thomae und 
Acta Pauli et Theclae die absolute Continenz oder Virginität als 
Pflicht eines jeden Getauften und Bedingung der ewigen Seligkeit 
hingestellt^). Nicht bloss Häretiker, sondern auch die sog. Enkra- 
titen, die sonst über Gott und Christus den Glauben der Kirche be- 
kannten s), huldigten diesen Anschauungen. Wir haben schon früher 
(s. S. 43 f.) darauf hingewiesen, dass die offiziellen Vertreter der 
Kirche dagegen auftraten. 

Was nun die Literatur des egyptischen Mönchtums im vierten 
Jahrhundert anlangt, so ist derselben jener Hyperascetismus völlig 

1) Hilqenfeld, Evangeliorum sec. Hebraeos etc. quae sapersunt, Leipzig 
(1884), S. 44: 

2) Batiffol, fitudes d'histoire et de thöologie positive, Paris (LecoflFre 
1902, S. 50 ff. 

3) Ebendas S. 53. 



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282 Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh. 

fremd. Nirgendwo wird in derselben die absolute Continenz und 
die Übung der in jenen Mönchskreisen ablieben ascetischen Kraft- 
leistungen als notwendige Bedingung des Seelenheils für die Gesamt- 
heit der Christen hingestellt. Wenn Holl^) nach Zeichnung des 
Mönchsideals auf Grund der vita Antonii erklärt: »Bei dieser 
Fassung des sittlichen Ideals, dem das Mönchtum nachstrebte, ergab 
sich allerdings eine grosse Schwierigkeit in der Beurteilung derer, 
die in der Welt zurückblieben. Wenn wirklich um des Himmel- 
reichs willen solche Ascese als unbedingt notwendig erschien, so 
musste folgerichtig den Weltleuten der Christenname abgesprochen 
wordene, so verkennt er, dass die vita Antonii gleich den übrigen 
Mönchsascetiken nur für die Mönchskreise bestimmt war und sich 
durchaus nicht als Sittenspiegel für die Gesamtheit der Christen 
ausgeben wollte. Übrigens ist der Verfasser dieser vita durchaus 
nicht der Ansicht, als »käme das eigentliche christliche Leben nur 
in der Form des Mönchtums zum Ausdruck« : erklärt er doch ge- 
legentlich (c. 23): »Wenn demnach diese (Dämonen) sehen, dass 
Christen überhaupt, insbesondere aber Mönche es sich Anstrengung 
und Mühe kosten lassen und vorwärts kommen, so machen sie einen 
ersten Angriff und versuchen sie, indem sie (ihnen) Fallen an den 
Weg legen«. Also nicht bloss die Mönche, die besonders eine Ziel- 
scheibe der Dämonen sind, sondern überhaupt alle Christen, die es 
mit der Nachfolge ernst nehmen und sich abmühen, müssen sich auf 
Anfechtungen gefasst machen. Hiermit wird »ein niederes Christen- 
tum ohne Ascese« für die Weltleute durchaus nicht als ausreichend 
erachtet. 

In der Rufinschen Historia monachorum (c. 1) wird dem 
Mönchtum im Bereich der christlichen Gesellschaft insofern der 
Vorzug gegeben, als dasselbe den Dienst Gottes und die Pflege der 
geistlichen Güter ausschliesslich zum Inhalt hat; doch wie ausdrück- 
lich betont wird, »thuen die Weltleute ein gutes Werk und haben 
ein reines Gewissen, wenn sie sich in guten Werken üben und mit 
religiösen und heiligen Handlungen beschäftigen, indem sie gastfrei 
sind oder Werke der Liebe thuen oder Barmherzigkeit erzeigen, 
Kranke besuchen und andere dergleichen Werke ausüben. Solche 
(Weltleute) sind allerdings gut, ja sehr gut und gefallen Gott in 
ihren guten Werken und sind bewährte Vollbringer der Gebote 
Gottes«. Die Hervorhebung des ascetischen Standes involviert also 
noch nicht eine Geringschätzung des weltlichen Berufslebens. 

1) Enthusiasmus und Bussgewalt beim griech. Mönchtum, Leipzig (1898), 
S. 147. 



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Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4. Jahrh, 283 

Auch in der vita Pachomii (M. 194 ff., A' 513 ff.) erscheint 
der Ehestand als eine ebenso berechtigte Erscheinungsform des 
christlichen Lebens wie der Mönchsstand ^). Aber ohne irgend- 
welche Ascese kann kein Christ, in welchem Stande er auch immer 
sei, auskommen. Die Ascese, heisst es, ist nicht bloss denen nötig, 
welche angeborene böse Neigungen haben; auch diejenigen, bei 
denen dies nicht der Fall ist , müssen sich von der Furcht Gottes 
leiten lassen ; sonst fallen auch sie in viele Sünden. Die Ascese der 
Eheleute bezieht sich auf die Fernhaltung alles dessen, was die 
Heiligkeit des Ehebandes verletzen könnte. Wer dagegen nach 
einem höheren Grad der Vollkommenheit Verlangen hat, der möge 
Mönch werden und dem Herrn in aller Reinheit und Wahrheit 
dienen. 

Grützmacher (S. 44 u. 54) statuiert auf Grand einer Stello 
der koptisch-arabischen Pachomiusviten (A' 345 f. , M 9 f.) einen 
Gegensatz zwischen »dem in der dienenden Liebe sich bethätigenden 
Gbristentumc und »dem alle sittliche Bethätigung negierenden, im 
Dienste Gottes sich erschöpfenden Eremitentum«. Pachomius soll 
nämlich, nachdem er drei Jahre lang bei Schenesit sich in Liebes- 
diensten an Armen und Kranken bethätigt hatte, »plötzlich, durch- 
drungen davon, Mönch zu werden, die christliche Liebesthätigkeit 
als etwas Minderwertiges empfunden« haben. Der fragliche Text 
besagt aber, genauer betrachtet, etwas wesentlich anderes. Pachomius 
übte, kaum Christ geworden und für sich allein lebend, allerlei Liebes- 
werke gegen die arme Bevölkerung von Schenesit. Es kam ihm 
aber der Gedanke: »dieses Werk, d. i. der Liebesdienst gegen viele 
Leute im Dorfe, ist uicht Sache eines Mönches (rähibin), sondern die 
der Priester und treuer Greise (schujuhin muvminina); von dieser 
Stunde an will ich nicht mehr zurückkehren zu diesem Werke, da- 
mit nicht jemand mir nachahme und deswegen eifersüchtig werde; 
dann würde das geschriebene Wort über mich kommen: »Seele um 
Seele«. Es ist auch geschrieben: »Ein Gottesdienst, rein und makel- 
los vor Gott, ist dies: die Waisen und Witwen in ihrer Trübsal be- 
suchen und sich unbefleckt bewahren durch Abwendung von dieser 
Welt.« Pachomius übergab nun seinen Garten einem anderen bereits^ 
bejahrten Mönche (lischajhin aharin rähibin), der an seiner Statt für 
die Armen Sorge tragen sollte ; er selbst aber unterstellte sich jetzt 
der Leitung eines greisen Anachoreten, namens Palaemon, um ge- 
mäss dem Worte des Apostels auch das zweite Stück der Frömmig-* 



1) Vgl. auch Cassian, coli. XXI, 10. 

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284 Rückblick auf das egypL Mönchtum des 4, Jahrh, 

keit, die BeinhaltaDg 3einer selbst von der Befleckung der sündigen 
Welt, zu erfüllen. Es ist hier also gar nicht die Bede davon, dass 
die christliche Liebesthätigkeit etwas Minderwertiges sei. Hat doch 
Pachomius selbst den greisen Mönch gebeten, die Liebesthätigkeit in 
Schenesit fortzusetzen, und auch in seinem neuen Aufenthaltsorte 
mit seinem Lehrmeister in der Ascese fleissig Handarbeit verrichtet, 
um Arme unterstützen zu können, wie die Vit^n (C 4, M 12, A' 347) 
übereinstimmend berichten. Nicht »das Lebensideal der Kleriker, 
die die Pflicht haben, die christliche Liebesthätigkeit zu treibenc, 
wird hier etwa dem Mönchsideal gegenübergestellt, wie Grützmacher 
(S. 54) meint; sondern sowohl die Kleriker und älteren Mönche als 
auch die jungen Mönche sollen sich in Liebeswerken bethätigen, 
nur dass den letzteren ans Herz gelegt wird, über der Liebesthätig- 
keit die ascetische Schulung nicht zu vergessen. 

Indes, wenn auch der Mönchsstand in der christlichen Gesell- 
schaft als ein höherer Stand hingestellt wird, so ist doch die Ergreifung 
desselben noch nicht identisch mit dem Zustand der Vollkommen- 
heit. Vielmehr wird nachdrücklich betont (s. oben S. 256 f., 262), dass 
der Verzicht auf Hab und Gut, die äussere Losschälung von der 
Welt nur als erste Stufe auf dem Wege der Vollkommenheit zu be- 
trachten ist. Die Vollkommenheit kann erst durch fortgesetzte Ascese 
errungen werden. Ja, ein Christ, der in der Welt lebt, kann sogar 
einen Mönch überflügeln, wenn er in seinem Berufe in reinerer Ge- 
sinnung Gottes Willen erfüllt als der letztere in seiner Zelle. In 
diesem Sinne erklärt Evagrius Pontikus^): »Besser ein seinem Mit- 
bruder dienender Laie als ein Anachoret, der sich seines Nächsten 
nicht erbarmt; besser ein sanftmütiger Laie als ein heftiger und 
jähzorniger Mönch«. Zum Beweise dafür, dass solche Anschauungen 
unter den egyptischen Mönchen des vierten Jahrhunderts vertreten 
waren, dienen auch einige auf uns gekommene Legenden aus jenen 
Kreisen. Als Antonius einmal in seiner Zelle betete, berichten die 
Verba Seniorum, hörte er eine Stimme, die zu ihm sprach: 
»Antonius, du hast noch nicht die Vollkommenheit eines Gerbers 
in Alexandria erlangt.« Der Heilige begab sich darauf nach jener 
Stadt und fragte den Gerber: »Erzähle mir deine Werke; denn 
deswegen bin ich aus der Wüste hierher gekommen«. Der Gerber 
erwiderte: »Ich weiss nicht, ob ich etwas Gutes gethan habe. Des- 
wegen spreche ich bei Beginn jedes Tagewerkes, wie doch die ganze 
Stadt vom Kleinsten bis zum Qrössten ins Reich Gottes eingehen 



1) Evagrii monachi sententiae etc., Migne s. gr. t. 40 col. 1280, 1279 

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Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4. Jahrh. 285 

werde wegen der Qerechtigkeit, die sie aasüben, während ich allein 
wegen meiner Sünden die ewige Strafe erleiden werde. Das nämliche 
Wort wiederhole ich auch am Abend, ehe ich mich zur Rahe lege, 
aus aufrichtiger Gesinnung meines Herzensc. Da rief Antonius aus: 
»Wahrlich, mein Sohn, wie ein guter Goldschmied hast du, ruhig 
in deinem Hause sitzend, dich des Reiches Gottes bemächtigt; ich 
aber, der ich alle meine Zeit in der Wüste zugebracht habe, habe 
noch nicht die Vollendung deines Wortes erreichen können«. Ahn- 
liche Erzählungen von Mönchen, denen Gott zur Demütigung offen- 
barte, dass verachtete Spielleute und andere Weltleute ihnen an 
Vollkommenheit gleich oder überlegen seien, sind schon früher (s. oben 
S. 115) erwähnt worden. Diese überraschenden Legenden stellen, 
man beachte es wohl, nicht etwa eine Reaktion des Volksgeistes 
gegen eine etwa zu Tage tretende Oberschätzung des Mönchslebens 
dar. Dieselben sind ja mönchischer Provenienz und zu Erbauungs- 
zwecken für Mönchskreise geschrieben. Die Wahrheit, welche in 
jenen Legenden veranschaulicht wird, ist eben die, dass es in Be- 
zug auf die Verpflichtung und das Ziel der Vollkommenheit keinen 
unterschied zwischen Mönchen und Laienchristen gibt. Es gibt 
nur eine einzige Vollkommenheit des christlichen Lebens, die in der 
Hingabe an Gott und seinen heiligen Willen, oder concreter ge- 
sprochen, in der Nachfolge Christi besteht. Die vornehmsten Pflichten, 
welche die Vollkommenheit des Mönches ausmachen, die Gottes- und 
Nächstenliebe, der Gebetseifer, Sanftmut, Geduld, Demut, sind an 
und für sich dieselben wie bei Weltleuten, Das einzige, was dem 
Mönchtum eigentümlich ist, sind die besonderen ascetischen Mittel, 
durch welche die Erreichung des Zieles energischer in Angriff ge- 
nommen und erleichtert werden soll. Ist aber auch die Vollkommen- 
heit nur eine, so hat dieselbe doch verschiedene Abstufungen. Es 
gibt Anfänger, Fortschreitende und Vollendete. In jenen Legenden 
wird plastisch zum Ausdruck gebracht, dass mancher Mönch auf dem 
Wege zur Vollkommenheit erst ein Anßlnger ist, während mancher 
Laie zu den Vollendeten gehört. Nicht die äussere Strenge ist ent- 
scheidend über das Mass der Vollkommenheit, sondern der Grad der 
Liebe, die Lauterkeit der inneren Gesinnung, ganz gleich ob man 
Mönch oder Laie ist. Und wenn auch dem ascetischen Stande als 
solchem insofern der Vorzug zuerkannt wird, weil er den ausschliess- 
lichen Dienst Gottes zum Inhalt hat und unmittelbar auf Gott und 
sein Reich gerichtet ist, so wird doch andererseits betont, dass durch 
Übernahme dieses Standes die Vollkommenheit noch nicht verwirk- 
licht ist; vielmehr werden in jenen Mönchslegenden die Vertreter 



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286 Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh. 

des ascetischen Standes zur Beschämung und Nacheiferung auf das 
Beispiel ganz schlichter Weltleute hingewiesen, die den Kern des 
christlichen Lebens, die Verinnerlichnng des ganzen Menschen, rich- 
tig erfasst und in ihren) Leben zum Ausdruck gebracht haben. 

^ 6. Missionsarbeit und charitative Thätigkeit der egyptischen 

Mönche. 

Die Mönche flohen die Welt nicht aus Stolz oder Verachtung 
der Menschen, auch nicht deshalb, weil sie die Welt für das Böse 
selbst oder den Umgang mit ihr für Verunreinigung hielten. Solche 
stoische, bez. buddhistische Tendenzen lagen dem egyptischen Mönch- 
tum durchaus fern. Ja, wie aus dem vorigen § ersichtlich ist, 
finden wir in den aus jenen Kreisen hervorgegangenen Schriften 
eine durchaus gerechte Würdigung der weltlichen Berufsarbeit. Die 
Weltflucht samt den übrigen ascetischen Übungen betrachtete man 
nur als Mittel, um den »Kampf gegen das Niedere im Menschen, 
den Mammon, die Sorge und die Selbstsucht«, einen Kampf, der ja 
auch nach Harnack zum Wesen des Evangeliums gehört, besser 
führen zu können. Dass dieses Ziel nicht von allen in gleichem 
Masse erreicht wurde, dass sogar manche ihrem Berufe untreu wur- 
den, das haben, wie oben gezeigt worden ist, selbst Vertreter des 
Mönchtums nicht abgeleugnet. Andererseits geht aus den zeitge- 
nössischen Quellen zur Genüge hervor, dass das Gros der egyptischen 
Mönche durch unausgesetzte Benutzung der ascetischen Mittel sich 
innerlich zu erneuern und zu kräftigen bemühte. 

Indem aber die Mönche an der Beform des inneren Menschen 
arbeiteten, wirkte der dabei bewiesene Heroismus mächtig auf das 
Oemüt der in der Welt verbliebenen Mitbrüder und trug nicht 
wenig bei zur Hebung des himmlischen Sinnes, der doch gewiss zum 
Wesen des Christentuips gehört. Dies trat allerdings bei den Ver- 
tretern des ascetischen Standes nicht in gleicher Weise hervor; aber 
je grösser ihr Opfersinn war, desto mächtiger wirkte ihr Wort auf 
die Geister und ihr Beispiel auf die Herzen der Mitmenschen. Diesen 
letzteren Zweck haben die Mönche wohl nicht von vornherein im 
Auge gehabt. Wir lesen, wie die bedeutendsten unter ihnen, An- 
tonius, die beiden Makarier, Johannes von Lycopolis, aus Furcht vor 
Selbstüberhebung dem Contakt mit der Welt möglichst aus dem 
Wege gingen. Indes die Vorsehung sorgte dafür, dass ihr Licht 
nicht unter dem Scheffel blieb. 

Antonius verliess wegen der vielen Besuche seine ursprüngliche 
Einsiedelei in einer verlassenen Burg, wo er zwanzig Jahre gelebt 



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Rückblick auf das egypt Mönchium des 4. Jahrh, 287 

hatte; doch auch sein neuer Aufenthaltsort, der zwischen Heraclea 
nnd Aphroditen nach dem roten Meere zu in einer schauerlichen 
Wildnis lag, schreckte die Fremden niciit ab (Vita Ant. c. 55). 
Der Diakon Baisan von Aphroditen (Hieron. vita Hilarionis c. 25) 
pflegte denjenigen, die zu Antonius reisen wollten, wegen des grossen 
Wassermangels in der Wüste Dromedare zu stellen und ihnen bis 
an Ort und Stelle das Geleit zu geben. Für gewöhnlich begaben 
«ich aber die Fremden nach der am rechten Nilufer gelegenen 
Mönchskolonie Pispir und warteten daselbst, bis Antonius aas seiner 
drei Tage- und drei Nachtreisen entfernten Klause zu seinen Schülern 
kam. Dies geschah in der Regel alle zehn oder zwanzig Tage ; bis- 
weilen aber kam Antonius auch nach fünf Tagen, wenn es das Be- 
dürfnis der Fremden erheischte (Hist. Laus. c. 25 ; vita Ant. c. 49). 
Bischöfe, hohe Civil- und Militärbeamte ^) zählten zu den Besuchern. 
Es erschienen sogar Friedensrichter mit den rechtenden Parteien, 
und vielen gereichte die Vermittlung des Antonius zum Nutzen und 
zur Wohlthat. Er redete ihnen so zu Herzen, dass sie darüber das 
Rechten vergassen und jene glücklich priesen, die sich von dem 
Treiben der Welt zurückzögen. Die aber, welche ein Unrecht er- 
litten hatten, nahm er so in Schutz, dass man meinen mochte, nicht 
andere, sondern er selber sei der Verletzte. Den Richtern aber war 
er dadurch förderlich, dass er ihnen den Rat erteilte, beim Sprechen 
des Urteils die Gerechtigkeit hochzuhalten, Gott zu fürchten und 
sich vor Augen zu halten, dass sie mit dem nämlichen Gerichte, 
mit dem sie richteten, wieder gerichtet werden würden. Die Schil- 
derung der segensreichen Wirksamkeit des Antonius lässt Athanasius 
in folgenden Panegyrikus ausklingen: Antonius war wie ein Arzt 
Egypten gegeben. Denn wer näherte sich ihm trauernd und ging 
nicht in Freuden davon? Wer kam weinend über den Tod der Seinen 
und legte nicht die Trauer ab? Wer kam in Hass zu ihm und 
wurde nicht zur Freandlichkeit umgestimmt? Welcher Arme, mut- 
los zu ihm kommend, verachtete nicht den Reichtum, sobald er ihn 
hörte und sah, und ging getröstet von dannen? Welcher nachlässige 
Mönch ging nicht gestärkt von ihm ? Welcher junge Mann kam zu 
Antonius ins Gebirge und verschmähte nicht die Lüste und gewann 
die Enthaltsamkeit lieb? Wer kam, von den Dämonen gequält, zu 
ihm und fand nicht Ruhe? Wer kam ferner, von seinen Gedanken 
geplagt, zu ihm und wurde nicht heiteren Sinnes^)? Allerdings suchten 



1) Mingarelli, Aegyptiornm codicam reliqaiae etc. fasc. I, BonoDiae 
1785, p. 179; Vita Ant. c. 57, 61. 64, 82, 84, 85. 

2) Vita Ant. c. 84, 87. Mingarelli, 1. c. p. 176 u. 178. 



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288 Rückblick auf das egypt MOnchtum des 4, Jahrh, 

manche Weltleute, mehr von Neugier getrieben, Antonios anf. 
Darum kam er mit seinem Schüler Makarius wegen eines Zeichens^ 
überein, um diejenigen, welche ein wahres Verlangen nach Erbauung* 
hatten, von den aus blosser Neugier gekommenen zu unterscheiden. 
Er hatte nämlich dem Makarius aufgetragen: »Wenn Du merkst^ 
dass Leute Anliegen von geringerer Wichtigkeit haben, so sage: 
»Es sind E^ygter dat. Wenn dir aber manche als vollkommener 
und in sich gekehrter erscheinen, so sage: »Es sind Jerusalemiteni. 
Wenn von beiden Gattungen welche da waren, sagte Makarius: 
»Es ist ein Oemengec. Wenn nun Makarius meldete: »Es sind 
Egypter«, dann sagte ihm Antonius : »Bereite einen Linsenbrei und 
gib ihnen etwas zu essen U und er hielt ihnen bloss eine Ansprache, 
betete über sie und entliess sie. Sagte aber Makarius: »Es sind 
Jerusalemitenc , dann blieb Antonius die ganze Nacht dort und er- 
teilte ihnen Lehren des Heils (Hist. Laus. c. 26). Auch die Väter 
der nitrischen Mönchskolonie übten eine grosse Anziehungskraft auf 
die Christenheit aus; darum baute man für die Gäste ein eigenes 
Fremdenhaos, und denen, die ernstliche christliche Gesinnung in die 
Wüste geführt hatte, gestattete man auch längeren Aufenthalt und 
erwies ihnen aufrichtige Gastfreundschaft (s. oben S. 92). Über» 
haupt zeigt die Historia Lausiaca, die Gollationes Cassians, 
die Historia monachorum Ruffins sowie die Apophthegmenliteratur 
zur Genüge, wie viele reiche und angesehene Christen beiderlei Ge- 
schlechts, selbst aus dem Abendlande, die weite Beise in die Wüste 
nicht scheuten, um bei den Anachoreten und Cönobiten in ihren 
Zweifeln Aufklärung, und in ihren Anliegen geistlicher und mate- 
rieller Art Trost und Erbauung zu erhalten. Niemand schien sich 
mehr von der Welt zurückgezogen zu haben als Johannes von Ly- 
copolis in seiner Klause in der Thebais. Aber er blieb nicht ver- 
borgen, und die Weltflucht, die nicht etwa aus Misanthropie , son- 
dern inniger Gottesliebe hervorgegangen war*), machte ihn weder 
gefühllos gegenüber den verschiedenen Leiden der Menschen noch 
überhaupt gleichgiltig gegen die Christen in der Welt. Er verliess 
allerdings nie seine Zelle; aber durch ein Fenster sprach er Worte 
der Erbauung und sprach denen, die dessen bedurften, Trost zu. 
Er Hess für die Gäste, unter denen, wie Rufin bezeugt, auch die 



1) »Er blieb allein in seiner Zelle und diente Gott allein, indem er Tag 
und Nacht sich mit Gott unterhielt und ohne ünterlass betete. So strebte er 
mit ganzer Reinheit der Seele nach dem Göttlichen , das alle Vernunft über- 
trifft. Denn je mehr er sich von allen menschlichen Unterredungen und Sorgen 
entfernte, desto mehr näherte si<;h ihm Gott«. 



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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh. 289 

höheren Stände vertreten waren, in der Nähe seiner Wohnung eine 
Zelle bauen (Hist. raon. c. 1). Wie endlich Makarius der Egypter 
sich vor dem Andrang der Besucher, die den weiten und beschwer- 
lichen Weg in die sketische Wüste nicht scheuten, zu schützen 
suchte, ist schon früher (S. 98) mitgeteilt worden. 

Das egyptische Mönchtum entwickelte sich angesichts der heid- 
nischen Philosophenschulen. Eine so ausserordentliche Erscheinung, 
wie es die christlichen Klöster waren, eine so grosse Zahl von her- 
vorragenden Anachoreten in den Wüsteneien, konnte auf die heid- 
nischen Philosophen, deren Lehren gerade in jener Zeit einen stark 
religiös-sittlichen Zug bekundeten^ nicht ohne Eindruck bleiben. 
Weder die Sonnenglut noch die Beschwerlichkeit der Wege hielt sie 
ab in die Wüste zu eilen, um sich mit eigenen Augen zu über- 
zeugen, wie daselbst die christlichen Mönche die ascetischen Grund- 
sätze des Evangeliums in Thaten umzusetzen sich bemühten. Solche 
griechische Weltweise fanden sich auch einmal in der Mönchs- 
kolonie Pispir ein. Antonius, der zwar nicht wissenschaftlich ge- 
bildet, aber doch geistreich und schlagfertig war, legte ihnen mit 
Hilfe eines Dolmetschers dar, wie vorteilhaft sich die christlichen 
Mysterien von den zum Teil unsittlichen Mythologien abheben, und 
zeigte an praktischen Beispielen, wie sich die sittlich erneuernde 
und heiligende Kraft des christlichen Qlaubens an seinen aufrichtigen 
Bekennern und Anhängern dokumentiere (vita Ant. c. 72—80). Ge- 
legentlich eines anderen Besuches drückte ein Philosoph seine Ver- 
wunderung darüber aus, dass Antonius es so lange in der Wüste 
aushalte, da er daselbst des Trostes und des Vergnügens, das die 
Bücher gewähren, beraubt sei, worauf der letztere erwiderte: »Mein 
Buch ist die Natur, und die steht mir zu Gebote, so oft ich lesen 
mag, was Gott sprichtf (Sozom. h. e. IV, 23). Diese Unterredungen 
führten, wie die vita Antonii bemerkt, zwar nicht zur Bekehrung der 
Philosophen, aber doch zu einer gerechteren Würdigung des Christen- 
tums^). Auch der sketische Mönch Serapion erzählte dem Cassian 
(coli. V, 21), wie ein greiser Anachoret einen Philosophen, der ihn 
anfangs^ für unwissend und bäuerisch erachtet hatte, durch eine 
lichtvolle Darstellung der christlichen Ethik in Erstaunen setzte. 



1) Die in dem pachomianischen Kloster bei Panopolis erschienenen Philo- 
sophen waren keine Heiden, da sie die Pachomianer auf die Kenntnis der 
hl. Schrift prüfen wollten. Es waren dies jedenfalls Manichäer, deren Zusam- 
mentreffen mit Mönchen auch anderweitig bezeugt wird (Hist. mon. c. 9). (yrütZ' 
macher (S. 75 Anm. 2) glauht auf Grund der Stelle M 72: »Ihr rühmt euch 
grosse Mönche zu sein«, dass die Philosophen Mönche waren, indem er irrtüm- 
lich die Philosophen die Worte sprechen lässt. 
S h i w i 6 1 z , Mönchtum. 19 



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290 Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4. Jahrh. 

Der gelehrte Eellienmönch Evagrius Pontikus ergriff sogar die 
Offensive, reiste öfters nach Alexandria und disputierte daselbst mit 
den griechischen Philosophen über die christliche Lehre*). 

Wie Christus den sog. evangelischen Räten eine Hinordnung auf 
das Reich Gottes gegeben hat, so verwendeten auch die egyptischen 
Mönche die durch die Losschälung vom Irdischen gewonnene Frei- 
heit und Energie im Dienste der Ausbreitung des Evangeliums. 
Während Sozomenus (h. e. IT, 5) im allgemeinen erklärt, dass ab- 
gesehen von anderen Faktoren das gute Beispiel und der apostolische 
Eifer der Mönche im Zeitalter Constantins und seiner Nachfolger 
viel zur weiteren Ausbreitung^ des christlichen Glaubens beigetragen 
habe, finden wir in den Quellen des egyptischen Mönchtums hier- 
über noch genauere Einzelheiten. Als Antonius nach Alezandria 
kam, um für den nicänischen Glauben Zeugnis abzulegen, verlangten 
auch Heiden, ja selbst ihre Priester, diesen Mann Gottes zu sehen, 
und gewiss sind, wie der Verfasser der vita Antonii c. 70 bemerkt, 
in jenen Tagen so viele von ihnen Christen geworden, als man sonst 
etwa in einem Jahre es werden sah. Grosses Aufsehen erregte auch 
in Alexandria die Kunde von der evangelisatorischen Thätigkeit des 
berühmten Makarius des Egypters, der mit mehreren Genossen unter 
Kaiser Valens aus der Wüste auf eine Insel des Nildeltas verbannt 
worden war und die dortigen heidnischen Bewohner zum Christen- 
tum bekehrte (Rufin. h. e. II, 4). Als ApoUonius zur Zeit des 
Kaisers Julian nicht weit von Hermopolis magna (Aschmunen) eine 
Mönchsgemeinde gründete, gab es in der Umgegend noch zehn heid- 
nische Dörfer. Anlässlicb eines Götzenfestes gelang es ihm, die 
Festgenossen dem Christentum zuzuführen. Diesem Beispiele folgten 
später noch viele andere, so dass in der ganzen Gegend fast gar 
kein Heide mehr anzutreffen war (s. oben S. 112 f.). Südlich von 
der eben genannten Stadt wohnte im Gebirge der Priester Kopres 
mit vielen Mönchen, durch deren Predigt und Liebeswerke die arme 
heidnische Landbevölkerung in jener Gegend für die Lehre Christi 
gewonnen wurde (Rufin. bist. mon. c. 7). Pachoraius, dessen aposto- 
lischer Eifer in den Viten ausdrücklich gerühmt wird, erbaute gleich 
nach der Errichtung seines ersten Klosters in dem nächsten Dorfe 
Tabenntsi eine Kirche, in der er Samstags und Sonntags das arme 
Hirtenvolk der Umgegend versammelte und durch seine liebevolle 
Lehrweise zum Empfang der Taufe brachte (vita C 20). Wie er 
selbst schon als Katechumen zu Scbenesit ein ascetisches Leben 



1) Paradisas monach., Migne b. gr. t. 65 col. 448 ; die griech. Recensi'on 
der hist. mon. c. 27 (bei Preuschen S. 86). 



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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. JahrK 291 

geführt hatte, so nahm er auch später, Jahr für Jahr, in seine 
Klöster Eatechumenen als Mönche anf, die anlässlich des jährlichen 
Generalkonventes zu Pheboou getauft zu werden pflegten (s. oben 
S, 152, 180). 

Aus den Berichten über diese Missionsthätigkeit ergibt sich, 
dass die Mönche mehr durch Erweise der Nächstenliebe als durch 
die Predigt Erfolge erzielten. Die in der Vollkommenheit fortge- 
schrittenen Mönche waren sich dessen bewusst, dass nur die Liebe 
den richtigen Weg zu den Herzen der Menschen finde; darum er- 
klärte einmal Makarius der Egypter: »Eine hoffärtige und böse Bede 
macht auch gute Menschen böse, eine demütige und gute Rede aber 
macht auch die Bösen besser«. Voran lasaung zu diesem Ausspruch bot 
ein Vorfall, der zugleich beweist, dass mancher Mönch aus Mangel an 
dem richtigen Takte für das Missionswerk wenig geeignet war. 
Makarius reiste nämlich einmal aus der sketischen Wüste nach 
Nitria und befahl dem ihn begleitenden Jünger, ein wenig voraus- 
zugehen. Als nun der letztere einen bedeutenden Vorsprung hatte, 
begegnete er einem Götzenpriester, der hurtig des Weges lief und 
ein grosses Stück Holz trug, und rief demselben zu: »Wo gehst du 
hin, Dämon?« Der Priester geriet in Zorn, misshandelte den Mönch 
und Hess ihn halbtot liegen. Dann lief er seines Weges weiter und 
begegnete dem Makarius. Dieser sprach zu ihm: »Sei gegrüsst, eine 
mühsame Arbeit hast du auf dich genommen«. Der Götzenpriester 
sprach voll Verwunderung: »Was hast du an mir Gutes gesehen, 
dass du mich so freundlich grüssest?« Makarius erwiderte ihm: 
»Weil ich sah, dass du von der Arbeit ermattet bist und liefest, 
ohne das Ziel zu kennen«. Der Priester entgegnete ihm: »Dein 
Gruss hat mich gerührt und überzeugt, dass du ein grosser Diener 
Gottes bist, unterwegs begegnete mir ein ganz erbärmlicher Mönch 
und beschimpfte mich; aber ich habe es ihm heimgezahlt«. Alsdann 
ergrifi er die Füsse des Makarius und fügte hinzu: »Ich verlasse 
dich nicht, bis du mich zum Mönch gemacht hast«. Hierauf gingen 
sie miteinander an den Ort, wo der misshandelte Mönch lag, hoben 
ihn auf und trugen ihn in die Kirche von Nitria. Die dortigen 
Mönche waren nicht wenig erstaunt, als sie Makarius in Begleitung 
des Götzenpriesters sahen; der letztere wurde in die Mönchsgemein- 
schaft aufgenommen, und, seinem Beispiele folgend, bekehrten sich 
viele Heiden zum Christentum^). 

Wie noch heute, so waren auch damals die Grenzen des frucht- 



1) Roaweyd, de vitis Patr. lib. III n. 127. 

19* 



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292 Rückblick auf das egypt MOnchtum des 4, Jahrh. 

baren Nilthaies von wilden Volksstämraen bewohnt. Dieselben konn- 
ten trotz der gegen sie unternommenen Feldzüge weder erreicht noch 
gänzlich unterworfen werden. Die Mönche, die sich meist im Ge- 
birge oder in der Wüste niedergelassen hatten, wurden von ihnen 
häufig belästigt und ihrer geringen Habseligkeiten beraubt. So 
wurde nicht weit von einem pachomianischen Kloster ein Mönch 
durch die Blemmyer gefangen genommen ^). Gegen Ende des vierten 
Jahrhunderts wurden von den räuberischen Maziken vier Kirchen 
in der sketischen Wüste zerstört und einige Mönche ermordet*) 
Indes gelang es auch den Mönchen, Angehörige dieser wilden No- 
roadenstämme zu bekehren und sogar für das Mönchsleben zu ge- 
winnen. Der Kameltreiber Makarius aus dem wilden Volksstamm 
der Bukolier, die zwischen Alexandria und den Natronseen wohnten, 
machte sich bei dem Transport des Natrons nach Egypten öfters des 
Diebstahls schuldig, wofür er von seinen Herren hart gezüchtigt 
wurde. Eines Tages erschlug er an den Ufern des Mörissees beim 
Spiel einen Genossen, floh aus Furcht in die sketische Wüste, blieb 
unter den dortigen Mönchen als Süsser und ertrug demütig die An- 
spielungen derselben auf seine Vergangenheit »). Noch gewaltthätiger 
erscheint der Beduine (TtoifxTjv äypotxöc) Apollo*). Sein wildes Tem- 
perament reizte ihn einmal beim Anblick einer schwangeren Frau 
zur Ermordung derselben und Öffnung ihres Leibes. Von Reue er- 
griffen, kam er in die sketische Wüste und bekannte den Mönchen 
seine ünthat. Als er hierauf beim Psalmengebet die Worte hörte: 
»Die Zeit unserer Jahre ist siebzig Jahre und aufs höchste achtzig 
Jahre, und was darüber hinaus ist, ist Mühsal und Schmerz,« ent- 
schloss er sich zur Busse mit den Worten; »Ich bin schon vierzig 
Jahre alt, und habe noch kein einziges Gebet zu Gott gesprochen; 
nun will ich, wenn ich vierzig weitere Jahre lebe, nicht aufhören, 
Gott um Verzeihung meiner Missethaten zu bitten.« Tag und Nacht 
betete er in seiner Zelle: »Herr, als Mensch habe ich gesündigt, 
als Gott sei mir gnädig.« Ein Mönch, der bei ihm blieb, hörte ihn 
auch beten: »Herr, ich bin dir lästig gewesen, aber verzeih mir, 
damit ich ein wenig Ruhe finde,« und der reuige Büsser erhielt die 
Gewissheit, dass ihm Gott alle seine Missethaten, auch die an dem 
Weibe begangene, vergeben habe; wegen des Frevels an dem Kinde 
aber blieb er in Ungewissheit. Indes tröstete ihn ein greiser Mönch 



1) Vita C 54, P 9 f. 

2) Rosweyd, de vitis Patr., lib. V libell. 18 n. 14; lib. III n. 199. 

3) S. oben S. 101, daza Apophthegm. Patr., Migne, 8. gr., t. 45, col. 273 

4) Apophth. Patr. 1. c. col. 133. 



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Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4, Jahrh, 293 

mit den Worten: »Auch das an dem Einde begangene Verbrechen 
hat dir der Herr verziehen ; doch überlässt er dich der Unruhe, weil 
dies deiner Seele zuträglich istc Auch der Äthiopier Moyses (s. oben 
S. 102), einer der bedeutendsten Mönche in der Sketis, war bis zu 
seiner Bekehrung Hauptmann einer Räuberbande und gefürchtet 
wegen seiner herkulischen Stärke. Von seiner tiefen Einsicht in die 
ascetische Mystik legen sowohl die Collationen Gassians (I und II) 
als auch die Apophthegmensammlungen Zeugnis ab. Von seiner her- 
kulischen Stärke machte er einmal noch als Mönch Gebrauch, indem 
er vier Räuber, die in seine Zelle eindringen wollten, band und vor 
die Thür der Kirche brachte. Als die Übelthäter erfuhren, dass der 
Mönch, der sie bewältigt hatte, der ehemalige Räuberhauptmann 
Moyses wäre, empfanden sie Beue aber ihr bisheriges Snndenleben 
und führten als Mönche ein erbauliches Leben. Auch durch die 
Mönche in der Thebais geschahen Bekehrungen einzelner Räuber. 
Der in der Nähe von Oxyrrhynchos (Behnesa) wohnende Klausner 
Theon ^) bekehrte einige Räuber, die seine Zelle des Nachts plündern 
wollten. In einem benachbarten Kloster aufgenommen, besserten 
dieselben ihr Leben. Gleichen Erfolg erzielte der etwas mehr süd- 
lich an einem abgelegenen Orte wohnende Ammon, als er eines 
Tages einige Räuber, die ihm öfters Brot aus seiner Zelle stahlen, 
bei einer ähnlichen That ertappte, ihnen trotzdem gleich einen 
Liebesdienst erwies und dabei sie in aller Freundlichkeit zur Um- 
kehr mahnte*). Durch die Bemühungen des schon oben erwähnten 
Apollonius, der eine Mönchskolonie bei Hermopolis (Aschmun§n) 
leitete, wurde ein Beduine, der zwischen zwei Nachbardörfern be- 
ständig Unfrieden säte, umgewandelt und in die Mönchsgemeinde 
aufgenommen. Viertausend Schritt von Antinoupolis entfernt, lebte 
der ehemalige Räuber Capiton^) in einer Höhle; aus Furcht, seiner 
Leidenschaften noch nicht ganz Herr geworden zu sein, wagte er es 
nicht, ins Nilthal unter die Menschen zu gehen. Der Begründer 
einer Mönchskolonie in der Oberthebais, an deren Spitze Rufin den 
Priester Kopres fand, war ein gewisser Pater mutius*), der als Räuber 
und Grabschänder in jener Gegend berüchtigt war, aber bei der 
Ausübung seines unsauberen Handwerks in dem Hause einer gottge- 
weihten Jungfrau in sich ging und, nachdem er durch ein drei- 
jähriges Katechumenat in der Wüste Beweise seiner Sinnesänderung 



1) Bafin. bist. mon. c. VI. 

2) Ebend. c. VIII. 

3) Eist. Laus. c. XCIX. 

4) Eist. mon. c. IX; Paradisns Patr., Migne, s. gr. t. 65 col. 449. 



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294 Rückblick auf das egypL Mönchtum des 4, Jahrh, 

geliefert hatte, schliesslich getauft wurde. So brachten diese Mönche 
ihre Überzeugung von der Möglichkeit der Sinnesänderung der rohen 
Beduinen durch die That zum Ausdruck und standen selbst nicht 
an, die Bekehrten in ihre Reihen aufzunehroen ^). 

Die Losschälung von der Welt, die nicht aus Menschenhass, 
sondern aus christlicher Gottesliebe hervorgegangen war, erstickte 
auch nicht in den Herzen der Mönche das Zartgefühl für das ma- 
terielle Elend ihrer Mitmenschen. Vielmehr lesen wir, dass ihre 
Entsagung und ihr Opferleben auch der notleidenden Menschheit zu 
gute kam. Wie Antonius Handarbeit verrichtete und einen Teil des 
Erlöses seiner Arbeit für seinen Lebensunterhalt, das übrige aber für 
die Armen verwendete, so arbeiteten auch seine Mönche, um Almosen 
geben zu können *). Über die charitative Thätigkeit, die Pachomius 
als Ascet in Schenesit und dann als Anachoret in Gemeinschaft mit 
seinem ascetischen Lehrer Palaemon übte, ist schon oben (S. 283 f.) ge- 
sprochen worden. Alles Überflüssige unter die Armen auszuteilen, galt 



1) Hier wäre noch zu uutersncben, in wieweit die egyptischen Mönche 
des 4. Jahrh. an dem Zerstörungswerk der heidnischen Tempel beteiligt ge- 
wesen sind. AmMneau (s. den Artikel »Le christianisme chez les anciens 
coptes« in der Bevue de Phistoire des Reiigions, 14 (1886) S. 335 ff.) behauptet 
zwar, dass die Lektüre der alttestamentlichen Schriften den Mönchen den Im- 
puls zur Tempelstürmerei gegeben hätte; indes fehlt in diesem Artikel jegliche 
Begründung dieser Vermutung. In der Mönchsliteratur des 4. Jahrh. findet 
man bis zum Jahre 389, wo der Patriarch Theophil us von Alexandria auf Grund 
kaiserlicher Edikte heidnische Tempel in christliche Lokale zu verwandeln oder 
zu zerstören anfing, keinen einzigen Anhalt dafür, dass die egyptischen Mönche 
in fanatischer Weise gegen die heidnischen Heiligtümer gewütet hätten. Viel- 
mehr liest man, dass die Mönche sich auf der Reise nicht genierten, in ver- 
lassenen Tempel Unterkunft für die Nacht zu suchen (Rosweyd, de vitis Patr. 
lib. V. libell. 5 n. 24). Pachomius lebte anfangs als Ascet in einem alten 
Serapistempel bei Schenesit, ohne dass die dortigen Christen daran Anstoss 
nahmen, und in Oxyrrhynchos machten die Mönche die Tempel zu Klöstern 
(s. oben S. 115). Die erste und einzige Notiz, welche die Tempelstürmerei des 
Theophilus mit dem Mönchtum in Verbindung bringt, findet sich in den 
Apophthegmata Patrum (Migne s. gr. t. 65 col. 200): ^HXÖ-öv ttots Tcat^pe? eU 
'AXefavSpsiav xXijÖ-^vTe? Otto 6£09(Xoü tou «pvieTCiaxÖTcoü, tva TCOitJaT) eü/^riv xol xad'Ay] 
ta Upa€. Damit ist aber noch nicht bewiesen, dass die Mönche einen hervor-? 
ragenden Anteil an der Zerstörung des Serapeum in Canopus und der alexan- 
drinischen Tempel genommen hätten, und andere das egyptische Mönchtum, 
des 4. Jahrh. mehr belastende Angaben findet man weder bei dem heidnischen 
Historiker Zosimus noch bei dem Sophisten Eunapius. Der letztere berichtet 
nur, dass in Canopus, dem bisherigen Rendez- vous dor heidnischen Lebewelt, 
nach der Zerstörung des Serapeum Mönche — und zwar, wie wir anderweitig 
(s. oben S. 173 f.) wissen, Pachomianer — sich niedergelassen hätten, wobei 
er sich nicht enthalten konnte, seinem Fanatismus gegen das christliche Mönch- 
tum überhaupt Luft zu machen (Eunapius, ed. Boissonade, Amsterdam, 1822, 
S. 44 f.). Am^lineau selbst will die Frage nach der Beteiligung der egypti- 
schen Mönche bei der Zerstörung der heidnischen Tempel unentschieden lassen, 
da hierbei, wie er sagt, noch andere Faktoren, wie die muselmännische In- 
vasion und das türkische Regime, in Betracht zu ziehen wären. 

2) Vita Ant. c. 3 u. 44. 



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Rüchblick auf das egypt Mönchtum des 4, Jahrh. 295 

als heiliges Gesetz in den Kreisen der egyptischen Einsiedler, und da 
die Mönche sich ihrer kranken und altersschwachen Mitbrüder an- 
nahmen, so war es auch verpönt, für die Bedürfnisse des Alters 
oder der Krankheit einen Sparpfennig zurückzulegen. Ein Verstoss 
eines nitrischen Mönches gegen diese traditionelle Satzung erregte 
darum ein grosses Aufsehen unter seinen Genossen. Dieselben hielten 
unter sich Rat, was mit den hundert Solidi, die der verstorbene 
Mitbruder sich durch Leinweberei verdient hatte, zu thun sei. Die 
einen meinten, man solle sie unter die Armen verteilen; andere, 
man solle sie der Kirche schenken ; einige wieder, man solle sie den 
Verwandten schicken. Makarius aber und Pambo, Isidor und die 
anderen, die man als Väter betrachtete, bestimmten, das Geld samt 
seinem Besitzer zu begraben, indem sie sagten : »Dein Geld soll bei 
dir zu deinem Verderben seine. Das braucht niemand, fugt Hierony- 
mus^) hinzu, für grausam zu halten; denn es ergriff alle Mönche 
durch ganz Egypten ein solcher Schrecken, dass sie es von nun an 
für ein Verbrechen hielten, auch nur einen Solidus zu hinterlassen. 
Die vielen Mönche, die in der fruchtbaren Landschaft Arsinoe unter 
der Leitung des Priesters Serapion standen, lebten von dem Ertrage 
der Arbeit ihrer Hände. Zur Zeit der Ernte arbeiteten sie um Lohn. 
Jeder verdiente etwa achtzig Malter Getreide. Den grössten Teil 
dieses Erwerbes boten sie dem Vorsteher zur Austeilung unter die 
Armen, und damit wurden nicht bloss die Armen jener Gegend be- 
dacht, sondern ganze Schiffe, mit Getreide beladen, wurden nach 
Alexandria geschickt und die Vorräte unter die Gefangenen oder 
andere Notleidende ausserhalb Alexandrias verteilt'). Die Wohl- 
tätigkeit der egyptischen Mönche beschränkte sich auch nicht auf 
die engere Heimat. Zur Zeit der schweren Verfolgung unter Valens 
sandten sie den verbannten und zu den härtesten Arbeiten in den 
Bergwerken verurteilten Katholiken bis nach Armenien und Pontus 
Geld und Lebensmittel^). Von Pachomius lesen wir, dass er seit 
seiner ersten Klostergründung allen Überfluss unter die Armen aus- 
zuteilen pflegte und während eines Notstandes alle Klostervorräte 
hingab, so dass es den Seinigen an Brot gebrach *). Überhaupt ent- 



1) Ep. ad Eastochium XXII (Vallarsi) c. 33. 

2) Eist. mon. c. 18. An dieser Stelle bemerkt noch Rufin, dass fast 
alle egyptischen Mönche zur Erntezeit als Schnitter arbeiteten. Bestätigt wird 
dies durch die Verba Seniorum, wonach selbst angesehene Mönche, wie Sisoes, 
der Schüler des Antonius, Makarius der Egypter, zur Erntezeit die Wüste ver- 
liessen und als Feldarbeiter sich verdangen. S. Roaweydj de vitis Patr. lib. VI 
libelL 2 n. 8; lib. V libell. U n. 14, libell. 17 n. 20. Vgl. Cassian, coli. XV, 4 

3) Cassian, coli. XVIII, 7. 

4) S. oben S. 209. 



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296 Rückblick auf das egypL Mönchtum des 4. Jahrh, 

halten die Apophthegroensammlangen viele Berichte, in denen eine 
aber das gewöhnliche Mass hinausgehende Opferfrendigkeit und 
Entäusserung einzelner Mönche zu Gunsten der Armen zum Aus- 
druck kommt ^). 

Während die egyptischen Mönche meist durch Handarbeit sich 
das tägliche Brot und die Mittel zur Bethätigung der Nächstenliebe 
zu verschaffen suchten , besuchte Apollonius (s. ob. S. 96) Tag für 
Tag unverdrossen die Kranken der nitrischen Mönchskolonie, verab- 
reichte ihnen die nötigen Arzneien und Erfrischungsmittel und sorgte 
noch auf dem Sterbebette für einen Nachfolger in diesem Liebes- 
werk. Der Priester Isidorus *) , der seine Jugendzeit unter den 
Nitriern zugebra^.ht hatte, leitete in Alexandria ein Haus für Arme 
und Obdachlose und erfreute sich wegen seiner charitativen Thätig- 
keit auch bei den Heiden eines hohen Ansehens. Der Juwelier 
Makarius gab sein Geschäft in Alexandria auf, widmete sich als 
Priester und Ascet dem Krankendienste und machte sein Haus zu 
einem Spital für Sieche und Krüppel beiderlei Geschlechts. Palladius *) 
zeigt an einer Episode, wie seine Liebe zu den Kranken, die er seine 
Hyacinthen und Smaragde nannte, ihn bei der Beschaffung der 
Subsistenzmittel erfinderisch machte. 

Besonders berühmt waren die egyptischen Mönche durch die 
Übung der Gastfreundschaft. Jedes Kloster und jede Mönchskolonie 
hatte ein Xenodochium, die Zufluchtsstätte für Fremde und Durch- 
reisende. Sowohl die pachomianischen als auch die übrigen Mönchs- 
regeln, welche den Namen des Antonius, Isaias sowie anderer Mönchs- 
väter des vierten Jahrhunderts tragen, enthalten Vorschriften über 
die Gastfreundschaft. Voll Begeisterung schildert Rufinus (bist, 
mon. c. 21) die liebevolle Aufnahme, die ihm und seinen Genossen 
von den nitrischen Mönchen zu teil geworden ist. »Als wir uns«, 
sagt er, »dem Orte näherten, und die Mönche bemerkten, dass 
Fremdlinge ankämen , strömten sie wie ein Bienenschwarm ein jeder 
aus seiner Zelle hervor. Heiter und hurtig kamen sie uns entgegen 
und brachten Brot und Wasser zu unserer Erquickung. Dann führten 
sie uns unter Psalmengesang zur Kirche und wuschen uns die Füsse. 
Was soll ich erst von ihrer Menschenfreundlichkeit sagen, mit der 
sie uns allerlei Gefälligkeiten utid Liebesdienste erwiesen? Sie be- 
mühten sich nicht nur, uns in ihre Zellen zu führen und sich gast- 



1) Vgl. Apophthegm. Patr., Migne, s. gr. t. 65 col. 191, 307; Rosweyd^ 
de vitis Patr. lib. III n. 70. 

2) Bist. Laus. c. 1. 

3) Ebend. c. 6. 



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Rückblick auf daa egypi, Mönchtum des 4. Jahrh, 29/ 

freundlich zu erweisen, sondern gaben auch durch ihr Beispiel die 
besten Belehrungen in der Tugend. Nirgends sahen wir die Liebe 
in solcher Blüte; nirgends bemerkten wir solchen Eifer in der Aus- 
übung der Werke der Barmherzigkeit ; nirgends eine so vollkommene 
Gastfreundschaf tf. Ähnlich befiehlt der Abt Jesaias*) den Einsiedlern, 
wenn jemand an der Thür der Zelle anklopfe, sofort von der Arbeit 
abzulassen und ihm Erfrischungen zu reichen. Heiter sollten sie dem 
Fremdling entgegengehen und ihn grüssen. Nach Verrichtung des Ge- 
betes sollten sie sich zum Gaste setzen und ihn nach seinem Befinden 
fragen. Sie sollten ihm ein Buch zum Lesen geben oder dem Ermüdeten 
Ruhe gewähren uud dessen Füsse waschen. Sein zerrissenes Kleid 
sollten sie zusammennähen oder, wenn es schmutzig ist, reinigen. 
Wenn der Fremdling arm sei , sollten sie ihn nicht im Elend ent- 
lassen, sondern ihm geben, was Gott ihnen selbst geschenkt habe. 
Überhaupt setzten die Einsiedler das Beste, was sie hatten, ihren 
Gästen vor. Ja, um der Gäste willen, sagt Cassian'), wurde von 
den egyptischeu Mönchen mit Ausnahme der durch die Eirchenge- 
setze angeordneten Fasten am Mittwoch und Freitag überall, wohin 
wir kamen, das tägliche Fasten unterbrochen. Als ich darüber 
einem Vorsteher gegenüber meine Verwunderung aussprach, erhielt 
ich zur Antwort: »Das Fasten ist immerdar bei mir; dich aber, den 
ich wieder entlassen muss, kann ich nicht bei mir behalten. Das 
Fasten, so nützlich und notwendig es auch immer ist, ist doch nur 
die Darbringung eines freiwilligen Geschenkes; aber das Werk der 
Liebe zu erfüllen, fordert das Gebot« Deshalb muss ich in dir 
Christum aufnehmen und speisen. Habe ich dich aber entlassen, so 
kann ich die Nächstenliebe, die ich um seinetwillen dir erzeigt habe, 
durch ein strengeres Fasten an mir ersetzen.c 

Aus diesen Erörterungen ergibt sich, dass das Mönchtum den 
übrigen Menschen, insbesondere den Christen, nicht als eine ganz 
abgeschlossene Welt gegenüberstand. »Die Mönche flohen nicht die 
Welt in jedem Sinne dieses Wortes.« Theodoret (h. eccl. IV, 27) 
macht im Hinblick auf Antonius und andere Anachoreten, die die 
Wüste verliessen und in Alexandria für den nicänischen Glauben 
Zeugnis ablegten, die Bemerkung: »So wussten jene Gottesmänner 
das Zuträgliche je nach der Zeit zu bemessen, sowohl wann man 
die Ruhe lieben, als auch wann man die Städte der Wüste vor- 
ziehen müsse«. Was aber die Mönche unter Menschenflucht ver- 
standen, lehrt ein hervorragender Vertreter der sketischen Wüste 

1) Oratio III u. V. Migne s. gr. t. 40 col. 1110 u. 1121 f. 

2) De coenob. inatit. V, 24. 



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298 Rückblick auf das egypt MOnchtum des 4. Jdhrh, 

Makarins der Egypter, der darüber befragt, den Bescheid gab: 
»Menschen fliehen heisst, in seiner Zelle bleiben, seine Sünden be- 
weinen, die bei den Menschen vorkommende Neigung zur Geschwätzig- 
keit hassen und, was über alle Tugenden geht, seine Zunge be- 
zähmen und den Bauch beherrschen.! Beachtet man überhaupt, 
wieviel das egyptische Mönchtum zur Förderung des Reiches Gottes, 
zur Hebung des himmlischen Sinnes in der Christenheit beigetragen, 
und wie es die Gottes- und Nächstenliebe zu bethätigen gesuch]t hat, 
so ist es jedenfalls nicht angebracht, in so pointierter Weise von der 
Weltflucht jener Mönche zu reden. Es mag sein, dass ein Vergleich 
zwischen dem morgen- und abendländischen Mönchtum einen solchen 
Eindruck erwecken könnte. Aber man vergesse nicht die Verschie- 
denheit der Eulturverhältnisse, unter denen die beiden Erscheinungen 
hervorgetreten sind. Die Eigenart des morgenländischen Wesens 
und Eulturstandes hat notwendigerweise auch der äuseren Wirksam- 
keit des egyptischen Mönchtums ein ganz anderes Gepräge gegeben. 

§ 7. Das Verhältnis der Anachoreten zu den Cönobiten, 

Die Meinung Am61ineaus, als hätte Pachomius aus Apathie 
gegen die Anachoreten das Cönobitentum ins Leben gerufen, und die 
Grützmachers, als hätte Pachomius die Geringschätzung der ana- 
choretischen Lebensweise auch dadurch bekundet, dass er Sünder von 
den Toren seiner Klöster abgewiesen und sie den Anachoreten zu- 
gewiesen hätte, ist schon früher (s. ob. S. 154 f, 187 f.) richtig 
gestellt worden. 

Auch Revillout ^) glaubt auf Grund zweier Apophthegmen eine 
gewisse Animosität der Cönobiten gegen die Anachoreten konstatieren 
zu müssen. Brüder aus einem Kloster (de monasterio fratres), heisst 
es in der Verba Seniorum *), besuchten einmal die Väter in der 
Wüste (eos qui in eremo commorabantur patres). Ein alter Eremit, 
zu dem sie zuerst kamen, nahm sie sehr freundlich auf, liess sie, 
weil sie von der Beise ermüdet waren, schon vor der neunten Stunde 
essen, indem er ihnen alles, was er in der Zelle hatte, vorsetzte, 
und legte ihnen dann nahe auszuruhen. Abends beteten sie die 
Psalmen in herkömmlicher Weise, desgleichen des Nachts. Der 
Einsiedler, der sich an einem abgesonderten Orte zur Ruhe begab, 
hörte, wie die Klosterbrüder zu einander sagten: »Diese Einsiedler 
essen mehr und besser, als wir im Kloster«, schwieg aber dazu. 



1) Archives des missions scient. et litt., III s^rie, t. IV p. 490— 49S 
Vgl. auch oben S. 239 Anm. 2. 

2) Rosweydf de vitis Patr. lib. III n. 5 (Migne, s. 1. t. 73 col. 741). 



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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh, 299 

Da es Tag geworden war, machten sich die beiden Gäste auf den 
Weg, um einen anderen Einsiedler in der Nähe zu besuchen. Beim 
Abschied sprach der Greis zu ihnen : »Grüsst ihn von mir und sagt 
ihm: Gieb acht und begiess die Eräuteri. Als sie nun zu dem 
anderen Einsiedler kamen, richteten sie die Worte des Auftraggebers 
aus. Der neue Gastgeber verstand den Wink ; er nahm sie auf, 
lud sie aber ein, ihm bei der Korbflechterei zu helfen. Abends 
verrichtete er mit ihnen ausser dem gewöhnlichen Gebete noch 
andere Psalmen, und nach dem Gebete sprach er zu ihnen: »Wir 
pflegen zwar nicht täglich zu essen, aber euretwegen werde ich mit- 
essen«. Er setzte ihnen nun trockenes Brot und Salz vor, erklärte: 
»Euretwegen werden wir heute etwas mehr gemessen«, und brachte 
etwas Essig, Salz und öl nach. Nach Tische fing er wieder an 
mit ihnen Psalmen zu beten, beinahe bis zum Anbruch des Tages. 
Dann sprach er zu ihnen: »Ich kann heute euretwegen den ganzen 
Psalmenkanon nicht beten; ruhet ein wenig aus, da ihr von der 
Reise noch müde seid«. Als nun die erste Morgenstunde heran- 
brach, wollten die Klosterbrüder von ihm fortgehen. Der Einsiedler 
aber erlaubte es ihnen nicht und sagte: »Bleibet doch noch einige 
Tage bei mir; ich entlasse euch heute nicht, sondern möchte, euch 
aus Liebe noch wenigstens drei Tage bei mir behalten«. Als sie 
dies hörten, standen sie des Nachts auf und entfernten sich heim- 
lich, ehe es Tag geworden war. So weit der erste Bericht. Selbst 
wenn angenommen wird, dass die fratres de monasterio Pachomianer 
des vierten Jahrhunderts waren, so beweist doch dieses Faktum 
höchstens, dass jene reisenden Klosterbrüder beschränkte Geister waren 
und deshalb die aussergewöhnlichen Erweise der Gastfreundschaft nicht 
zu würdigen verstanden. Der zweite Bericht % den Revillout heran- 
zieht, lautet folgendermassen : Als einmal Antonius anlässlich eines 
Besuches pachomianischer Mönche die cönobitische Lebensweise der- 
selben lobend hervorhob, erklärten ihm seine Schüler: »Wenn diese 
Cönobiten aller Ehre würdig sind, wie kommt es denn, dass sie, 
wenn wir in eines ihrer Klöster kommen, uns lange ausforschen, ob 
wir nicht Meletianer seien, bis wir ärgerlich bekennen, dass wir 
Schüler des Abbas Antonius sind? Sie entschuldigen sich dann mit 
den Worten: »Viele kommen hierher, geben sich als Antonianer aus 
und werden deshalb nach der Vorschrift des Evangeliums gastfreund- 
lich aufgenommen; aber nachher erfahren wir, dass sie Meletianer 
gewesen sind«. So wenig Glauben schenken sie uns«. Es ist 

1) Mingar ein, Aegyptiomm codicam reliqaiae etc. fasc. I, Bononiae 
1795, p. 184 s. 



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300 Rückblick auf das egypL Mönchtum des 4, Jahrh» 

nicht richtig, wenn Bevillout behauptet; dass Antonius Mühe hatte, 
diese Frage seiner Schüler in befriedigender Weise zu lösen. Er 
antwortete ihnen nämlich: »0 ihr Einfältigen, die ihr alles (jeden) 
ohne Prüfung aufnehmet! Wollt ihr etwa, dass die Cönobiten sich 
so benehmen wie ihr? Diese befolgen das Wort des Herrn: Hütet 
euch vor den falschen Propheten, welche in Schafskleidern zu euch 
kommen, inwendig aber reissende Wölfe sind (Matth. 7,15); und an 
einer anderen Stelle heisst es: Prüfet alles und behaltet das beste 
(I. Thess. 5, 21), weil mancher Weg dem Menschen der rechte 
dünkt, aber das Ende davon zum Tode führt (Prov. 14, 12; 16, 25)€. 
und die Schüler, heisst es weiter, erkannten, dass das Urteil ihres 
Lehrmeisters über die Cönobiten das richtige sei. Auch in diesem 
zweiten Berichte ist keine Rede davon, dass die Cönobiten das Ere- 
mitentum als »eine minderwertige Form des Mönchsidealsf be- 
trachtet haben. 

Übrigens gibt es Thatsachen genug, welche darthuen, dass die 
beiden Mönchsgattungen friedlich neben einander bestanden haben. 
Wir lesen, dass Pachomius nach Gründung des ersten Cönobiums 
zn Tabennisi mit den Anachoreten gute Beziehungen unterhielt, und 
dass sogar drei Anachoretengruppen sich in seinen Klosterverband 
aufnehmen liessen (s. oben S. 154, 1»^6). Fremden Mönchen, die 
als Gäste erschienen, wurde besondere Aufmerksamkeit geschenkt, 
und die Einschränkung des Verkehrs der Gäste mit den Kloster- 
insassen geschah nur aus disciplinären und pädagogischen Bück- 
sichten (s. oben S. 218). In einer Anachoretenkolonie bei Esneh 
(Latopolis) war man voll des Lobes über das neue Klosterinstitut 
des Pachomius, und dies war für den jugendlichen Theodor, der 
unter diesen Einsiedlern weilte, die Veranlassung, sich den Pacho- 
mianern anzuschliessen (S. 161). Allerdings erscheinen später auf 
dem Concil zu Esneh Anachoreten aus jener Gegend als Wider- 
sacher des Pachomius ; doch der Stein des Anstosses waren nicht die 
cönobitischen Bestrebungen, sondern die Visionen des Pachomius, 
über die dorthin ganz eigentümliche Gerüchte gedrungen waren 
(S. 141 ff.). 

Pachomius war kein Schüler des Antonius; aber beide Männer 
hatten Kunde von einander. Wie Pachomius die Wirksamkeit des 
Antonius gewürdigt hat, ergibt sich aus seinem Diktum, das der 
Generalabt Theodor unter Berufung auf das Zeugnis der älteren 
Mitbrüder gelegentlich berichtet^): »Drei Dinge sehe ich zu unserer 



1) C 87, A' 678; Mingar elli, 1. c. p. 206. 

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Rückblick auf das egypt Mönchtum dea 4. Jdhrh. 301 

Zeit an Wohlgefälligkeit vor Gott und den Menschen zunehmen. 
Es ist dies Athanasius, der unerschrockene Verteidiger des Glaubens, 
und Antonius, das vollendete Muster des Anachoreten. An dritter 
Stelle setze ich das cönobitische Institut, das eine Norm ist für 
alle jene, die Menschen zur Förderung in der Vollkommenheit ver- 
einigen wollen«. Wieviel wiederum den Pachomianern an dem Urteil 
des Antonius über das Werk ihres geistlichen Vaters gelegen war, 
beweist der ausführliche Bericht hierüber in dem sahidischen Frag- 
ment de vita Pachomii et Theodori i). Gleich nach dem Tode des 
Pachomius (9. Mai 346) wurden von dem neuen, aber schwer er- 
krankten Generalabt Petronius Mönche, darunter Theodor und 
Zachaeus, nach Alexandria gesandt, um den daselbst erwarteten 
Patriarchen Athanasius zu begrüssen und zugleich verschiedene Ge- 
schäfte zu besorgen. In der Mönchskolonie Pispis trafen sie Antonius, 
der sie aufs freundlichste empfing und also tröstete: »Weinet nicht 
über den Verlust eures Abtes ; denn ihr habt seinen Geist empfangen. 
Wie gern hätte ich ihn bei Lebzeiten gesehen; aber ich bin dessen 
nicht würdig gewesen. Er hat Seelen um sich geschart, um sie dem 
Herrn heilig darzustellen und mich durch die Begründung der cöno- 
bitischen Lebensweise, die wahrhaft apostolisch ist, übertroffen«. Als 
nun die Mönche, erstaunt über dieses Lob, Antonius fragten, warum 
er nicht selbst die cönobitische Lebensweise ergriffen hätte, ant- 
wortete dieser: »Als ich Mönch wurde, gab es noch nirgends 
Cönobien; jeder Ascet lebte für sich in der Nähe eines Dorfes oder 
einer Stadt und ich als Einsiedler in der Wüste. Erst euer Vater 
Pachomius hat das Cönobitentum eingeführt und damit eine sichere 
Zufluchtsstätte für alle, die gegen den Erzbösewicht kämpfen wollen, 
geschaffen. Ich bin aber zu alt geworden, um noch ein solches Werk 
auf mich nehmen zu können. Doch komme ich wenigstens von^eit zu 
Zeit aus meiner Klause zu den Brüdern herab, um sie in dem Worte 
Gottes zu festigen und ihre Seelen zu retten«. Beim Abschied über- 
gab ihnen Antonius einen Brief an Athanasius. Während ihres 
Aufenthaltes in Alexaiidria starb Petronius, und Orsiisi wurde sein 



1) MinqarelU 1. c. p. 152—211. An einer Stelle (p. 196) hat der Text 
eine Lücke; doch ist das Fehlende aus dem Nächstfolgenden ernierbar. — In 
dem bedeutend abgekürzten Bericht der vita C 77, wo auch die beiden nach 
einander nach Alexandria abgesandten Mönchsdeputationen in eine einzige ver- 
schmolzen erscheinen, wird noch ein genauerer Termin für die Abreise der 
Mönche angegeben: »Sre h apyieTCio^toJcos 6 ayios 'A^avaaio; av^xa[x<I/sv (xsia ööStj? 
xupioü cLTzo Toü xo[xiT&TOü 7capep/^OfjL6vos€. Dic feierliche Rückkehr des Athanasius 
nach Alexandria erfolgte aber am 21. Oktober 346. Vgl. den Index der^Pest- 
briefe Migne s gr. t. 26 col. 1355, Ghronicon acephalum Migne 1. c. col. 1443. 
Der Araber, der sich bei diesem Reisebericht (p. 656) an die vita C hält, lässt 
Athanasius falschlich aus Constantinopel zurückkehren. Vgl. dazu Ladeuze p. 231. 



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302 Rückblich auf das egypt MOnchtfim des 4, Jahrh, 

Nachfolger. Die Nachricht hiervon erhielten sie durch Mitbrüder 
aus ihrem Heimatskloster. Diese neu angekommenen Pachomianer 
brachten zugleich von Antonius, dem auch sie einen Besuch abge- 
stattet hatten, zwei Briefe. In dem einen, der an Theodor gerichtet 
war, kondolierte Antonius zum Tode des Petronius und lobte den 
neuen Generalabt wegen der himmlischen Visionen als einen zweiten 
Israel. In dem zweiten Schreiben, das für Athanasius bestimmt war, 
empfahl er die Pachomianer und ihr in so kurzer Zeit doppelt heim- 
gesuchtes Institut dem Qebete des Patriarchen. Beide Schriftstücke 
finden sich nur in dem von Mingarelli veröffentlichten sahidischen 
Fragment und gind zugleich die einzigen in koptischer Sprache auf 
uns gekommenen Briefe des Antonius. Nach einem herzlichen Em- 
pfange beim Patriarchen Athanasius kehrten die Pachomianer in die 
Thebais zurück und freuten sich, dem neuen Generalabt Orsiisi einen 
Brief des Patriarchen sowie das Kondolenzschreiben des Antonius 
einhändigen zu können. Die guten Beziehungen zwischen Antonius 
und den Pachomiern dauerten auch weiter fort. Der Generalabt 
Theodor, der auf der eben erwähnten Reise nach Alexandria Antonius 
persönlich kennen gelernt hatte, erhielt von diesem ein interessantes 
Schreiben über die Busse, das uns noch in dem zweitnächsten § be- 
schäftigen wird. Mitgeteilt ist dasselbe in einem Briefe, in dem der 
Bischof Ammon dem Patriarchen Theophilus von Alexandria über 
seine Erlebnisse in dem pachomianischen Kloster Pheböou Bericht 
erstattet hat (ep. Ammonis c. 20). Dieser letztere Brief ist zu- 
gleich ein Beweis dafür, dass die Pachomianer die anacho- 
retische Lebensweise der nitrischen Mönche durchaus nicht als 
eine »minderwertige Form des Mönchsidealsc ansahen. Ammon 
hatte nämlich in Pheböou drei Jahre (352—355) als Mönch zuge- 
bracht, als er zuföllig die Nachricht erhielt, dass sein Vater in den 
ägyptischen Klöstern vergeblich nach ihm geforscht hätte und seine 
Mutter ihn nunmehr als einen Verschollenen beweine. Der General- 
abt Theodor, den er bloss um die Erlaubnis bat^ seine Mutter in 
Begleitung zweier Mitbrüder besuchen zu dürfen^ machte ihm den 
Vorschlag, zum Tröste der Mutter seinen Wohnsitz bei den >heiligen 
und gottgefälligen« Männern in Nitria aufzuschlagen. Er blieb 
auch dem nunmehrigen Nitrier Ammon zugethan und schickte dem- 
selben zur Zeit des Kaisers Julian einen Brief, in dem er den Sieg 
der Kirche über den Arianismus prophezeite. Man las diesen Brief 
in dem nitrischen Gotteshause den Mönchen vor und schickte ihn 
dem verbannten Bischof von Hermopolis parva, Namens Drakontius, 
zu dessen Sprengel Nitria gehörte. Ammon bemerkt zum Schluss, 



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Rückblick auf das egypt. MOnchtum des 4. Jdhrh. 303 

dass sich dieser Brief wohl noch im Besitz des Bischofs Diosküros, 
des zweiten Nachfolgers des Drakontius, befinde (ep. Amm. c. 21 
u. 22). 

Nach alledem kann wohl von einem principiellen Antagonismus 
zwischen den Anachoreten und Cönobiten nicht die Bede sein. 

§ 8. Das Verhältnis des MöncMums zum Klerus. 

Nach Grützmacher (S. 57) war das Mönchtum »eine freie Be- 
wegung, die sich der Kirche entzogen hatte, indem man nicht mehr 
im Schatten der verweltlichten Kirche leben oder sterben wolltec 
Ähnlich sagt Harnack^): >Man floh nicht nur die Welt in jedem 
Sinne dieses Wortes, man floh auch die Weltkirche«. Was sagen 
aber die egyptischen Mönchsviten über das Verhältnis des Mönch- 
tums zum Klerus? Beginnen wir mit den Pachomianern. 

Pachomius steht seit der Gründung seines ersten Klosters, das 
zum Sprengel des Bischofs Serapion von Tentyra (Denderah) gehörte, 
in Verbindung mit diesem Oberhirten. Mit Zustimmung desselben 
baute er im Dorfe Tabennisi eine Kirche, um die arme Hirten- 
bevölkerung der Umgegend für das Christentum zu gewinnen (C 20; 
M. 39, A' 384 f.). Auch mit dem niederen Klerus stand er in 
Eontakt. Zur Abhaltung des sonntäglichen Gottesdienstes im Kloster 
erbat er sich irgend einen Priester der nächstgelegeneu Kirchen 
(C 20. M 33, A' 372). Bin besonders inniges Verhältnis bestand 
zwischen ihm und dem Priester Dionysius, der als Konfessor in 
hohem Ansehen stand und Verwalter der Kirche von Tentyra war*). 
Das zweite Kloster Pheböou gehörte zur Diözese des Bischofs von 
Diospolis (H5u), mit dessen Gutheissung Pachomius eine kleine 
Kirche im Bereich der Klostermauern baute (M 71). Ein dritter 
Bischof, Arius von Panopolis (Akhmin) , der über die neue cöno- 
bitische Lebensweise viel Gutes gehört hatte, bat um die Errichtung 
eines Klosters in der nächsten Umgebung seiner Bischofsstadt (C 51, 
A' 569). Nur bei der Gründung eines einzigen Klosters, nämlich 
des zu Phenoura bei Latopolis (Esneh), stiess Pachomius auf Schwie- 



1) Das Monchtam, seine Ideale und seine Geschichte, Giessen 1901, S. 23. 

2) C 28, M 58, A' 557. — Alle drei Viten berichten bei dieser Gelegen- 
heit, dass Dionysius seinem intimen Freunde einmal darüber Vorhaltungen 
machte, dass er fremde Mönche, die sein Kloster besuchten, in dem Fremden- 
hause unterbringe und deren Verkehr mit seinen eigenen Leuten einschränke. 
Grützmacher erklärt dazu , dass Pachomius diesen Eingriff in die innere Ein- 
richtung seines Institutes kurz abgewiesen hätte (S. 57). Allein alle drei Qaellen 
geben eine längere Bede an, in der Pachomius seine Handlungsweise begründete, 
und bezeugen ausdrücklich , dass Dionjsius hierauf seinem Freunde vollständig 
Beeht gab. 



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304 Rückblick auf das egypt, MOnchtum de» 4. Jahrh. 

rigkeiten. Erklärlich ist diese Misshelligkeit dadurch, dass das 
pachomianische Klosterinstitut eine Neuerang war und in jener mehr 
als 100 km südlich von den übrigen Klöstern entfernten Qegend 
noch völlig unbekannt war. Indes gelang es Pachomius, die Geister 
zu beschwichtigen, und es kam daselbst sogar zum Bau eines grossen 
Klosters. So berichtet die boheirische Vita M 78. Der Araber (S. 575) 
aber bauscht den Thatbestand in bekannter Manier zur Olorie des 
Klosterstifters auf; er lässt nicht bloss den Ortsbischof, sondern, was 
nicht sehr wahrscheinlich ist, »Bischöfe jener Gegenden« als Wider- 
sacher des Pachomius auftreten. Doch kommt auch nach diesem 
arabischen Bericht das grosse Kloster zustande. Jedenfalls aber ist 
es nicht angebracht, wenn Grützmacher (S. 58) unter Berufung auf 
diese Stelle der arabischen Vita generalisierend erklärt, dass »die 
Bischöfe seine Klostergründungen hinderten, wie sie konnten, und 
ihn und seine Mönche verfolgten«. Auf Grund eines Berichtes der 
arabischen Vita (S. 591) behauptet sogar Grützmacher (S. 58 f.), dass 
dem Pachomius die Majorität der Bischöfe feindlich gegenüberge- 
standen und dass gegen Ende seines Lebens die feindselige Stimmung 
des Episkopats gegen den pachomianischen Klosterverband auf einer 
Synode zu Esneh einen scharfen Ausdruck gefunden hätte. Was von diesem 
Bericht des Arabers zu halten sei, ist schon früher (s. ob. S. 141 f.) 
gesagt worden. Indes handelte es sich auch nach dem Araber auf 
jenem Conciliabulum, auf dem übrigens bloss Bischöfe und Ana- 
choreten aus der Gegend von Esneh erschienen, nicht darum, das 
pachomianische Mönchtum durch einen gemeinsam zu führenden 
Schlag für immer unschädlich zu machen, sondern um die Visionen 
und die Kardiognosie des Pachomius, über die unheimliche Gerüchte 
dahin gedrungen waren. Um dieser Sache willen allein wurde 
Pachomius von jenen Bischöfen vor ihr Forum zitiert, und er er- 
kannte ihre Autorität an, weigerte sich durchaus nicht vor den 
Schranken zu erscheinen und klärte den Sachverhalt auf. Allerdings 
hatte dieser Vorfall sein Herz sehr betrübt, wie er es bald darauf 
einigen aus Alexandria zurückgekehrten Klosterbrüdern gegenüber 
aussprach. Doch gereichte ihm diese Prüfung zum Besten, wenn 
auch, wie er sagte, »der böse Feind einige der ünsrigen, die sich 
ausserhalb der Klostermauern d. i. der Klosterzucht befanden^ ein 
wenig irre geführt hätte« (G 73). Hiernach scheint es, dass einige 
seiner Mönche durch die Unvorsichtigkeit, mit der sie ihren geist- 
lichen Vater wegen seiner aussergewöhnlichen Gaben zu glorifizieren 
suchten, jene Fama raitverschuldet hatten, weshalb auch der General- 
abt Theodor nach dem Tode des Pachomius die Mönche in dieser 



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Rückblick auf das egypt, Mönchtum des 4. Jahrh, 305 

Beziehung zur Vorsicht mahnte, damit nicht das gute Einvernehmen 
mit den Bischöfen und die Ehrfurcht gegen dieselben als Nachfolger 
der Apostel irgendwie Schaden leide*). Doch muss betont werden, 
dass auch nach dem Berichte des Arabers der obige Vorfall weder 
zu Lebzeiten des Pachomius noch nach dessen Tode irgend welche 
nachteiligen Folgen für den Klosterverband hatte. Es kam sogar 
noch zu weiteren Klostergrundungen, und Athanasius, der Metropolit 
der egyptischen Eirchenprovinz, bewahrte den Pachoiäianern nach 
wie vor seine volle Sympathie. Im Hinblick auf die erwähnten 
Thatsachen kann man wohl sagen, dass in jener Gegend, wo sich 
fast alle pachomianischen Klöster befanden, von Anfang an ein gutes 
Einvernehmen zwischen den Bischöfen und Pachomius herrschte, und 
auch das üonciliabulum zu Bsneh, das ja gegen den iVisionärc und 
nicht gegen dessen Mönche und Klöster gerichtet war, tbat keine 
Schritte gegen das in jener Gegend gelegene pachomianische Kloster 
Phenom, wie denn auch die Bischöfe jenes Distrikts kein Bedenken 
getragen hatten, zwei Pachomianer, Philo und Mobe, die auf jener 
Versammlung als Bischöfe erscheinen, zu dieser kirchlichen Würde 
zu erheben. Trotzalledem statuiert Grützmacher (S. 54) prinzipiell 
einen Konflikt zwischen dem aggressiven Mönchtum und dem Klerus, 
und erklärt, Pachomius hätte den Konflikt dadurch zu vermeiden 
gesucht, dass er seinen Klosterinsassen alle Beziehungen zum Klerus 
völlig abschnitt und deshalb aufs strengste die Annahme klerikaler 
Weihen verbot. Diese Massnahme ging doch aber nicht aus Anti- 
pathie gegen den Klerus hervor, sondern, wie alle drei Pachomius- 
viten hervorheben, aus dem Bestreben, dadurch Stolz, Neid und 
Eifersucht von seinen Klöstern fernzuhalten. Die Behauptung Grütz- 
machers wird noch unbegreiflicher, wenn man bedenkt, dass Pacho- 
mius durch dieses prinzipielle Verbot sich vom Weltklerus abhängiger 
gemacht hat, indem er auf die Dienstleistung des letzteren behufs 
Abhaltung des regelmässigen Gottesdienstes angewiesen war. Ja, 
Pachomius lebte der Hoffnung, dass gerade durch diese Massregel 
der Kontakt seiner Mönche mit dem Weltklerus gewahrt bleiben 
würde. »Es istt, sagte er wiederholt zu den Seinigen, >das Beste, 
dass, zumal in den Cönobien, keine Würde noch Vorrang erstrebt 
werde, damit nicht dadurch Abneigung, Streit, Eifersucht oder 
Parteiungen unter den Mönchen entstehen. Gleichwie nämlich ein 
winziger Peuerfunke, wenn er nicht sogleich ausgelöscht wird, oft 
die Ernte eines ganzen Jahres vernichtet, so ist die geistliche Weihe 



1) C 87, A' 676. 
S c h i w i e t z , Mönchtum. 20 



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306 Rückblick auf das egypt Mönchtwn des 4. Jahrh. 

(bei einem Mönche) Anlass zum Streben nach Vorrang, uns aber 
geziemt es, sagte er, ganz besonders der Kirche gehorsam zu sein 
und jeden von den Bischöfen, unseren Vätern, geweihten Priester 
gebührend zu ehrenc Aus diesem Gründe hat auch Pachomius selbst 
die Priesterweihe nicht empfangen wollen, obgleich der ihm be- 
freundete Bischof Serapion von Tentyra ihn zum Priester für die 
Mönche seiner Diözese zu weihen wünschte, und als er bemerkte, 
dass der Bischof die Autorität des Patriarchen Athanasius, der an- 
lässlich der oben erwähnten Visitationsreise in Tabennisi weilte, zur 
Durchsetzung seines lang gehegten Planes geltend machen wollte, 
verbarg er sich unter das Volk, und die koptisch-arabischen Quellen 
fügen hinzu, dass der Patriarch die Auffassung des Cönobitenabtes 
wohl zu würdigen wusste (C 18 M 33f, A' 372). 

Ebensowenig zutreffend ist die Behauptung Orützmachers 
(S. 55): »Solchen Leuten, die früher Priester gewesen waren, aber 
ihren priester lieben Funktionen entsagten, konnte Pachomius unmög- 
lich die Aufnahme ins Kloster versagen. Er nahm sie auf, forderte 
aber, dass sie sich in jeder Beziehung der Klosterordnung fugten; 
die kleriscbe Tracht müssen sie mit der Mönchskutte vertauschen. 
Eine auszeichnende Stellung der Priester im Kloster, wie sie ihnen 
später Benedikt zubilligte, perhorresziert Pachomius aufs entschie- 
denste«. Die griechische Pachomiusvita sagt das Gegenteil. Wenn 
nämlich irgend ein Kleriker ins Kloster eintreten wollte, so masste 
sich Pachomius keine Gewalt über ihn an bezüglich des Ordo (^TaSic); 
sondern hierin hatte sich der Priestermönch, wie es recht und billig 
ist, nur nach dem Gesetze Gottes zu richten, im übrigen aber gleich 
den anderen Mönchen nach den Satzungen des Konvents zu leben ^). 
Grützmacher zitiert allerdings zum Beweise des Gegenteils die fran- 
zösische Übersetzung der arabischen Vita (S. 372) : »Et si un pr^tre 
venait pour se faire meine, il le recevait s'il lui voyait un coeur 
droit: quant au costume, le prgtre devait se soumettre. II faisait 
suivre les canons de la vie des pdres avec douceur de coeur, comme 
pour la nourriture«. Indes die Obersetzung des arabischen Textes 
ist nicht einwandfrei. Die genaue Übersetzung der betreffen- 
den Stelle lautet also: »Wenn zu ihm (Pachomius) ein Priester 
kam, um Mönch. zu werden, und wenn er (Pachomius) ihn geraden 
Herzens fand, so liess er ihn Mönch werden, und was den Ordo 



1) C 18 : »Tt? xXT^ptxb; j:pb? aütbv ßouXöaevo; Y£v^al>ai [j.ova/^<5; , i^ {i-kv raSsi 
vo{iifi.a)s GjcoTaaaeTO xw völlo) toü Oeou • xoi xata tou; xavövai; t% auataaew; twv 
«SeX^tov lyiveTO Ixouaiws ro{ Tcavie? xaxElvo^«. 



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' Rückblick auf das egypt. MOnchtum des 4. Jahrh, 307 

(et-taksu = tcc^ic) anlangt, gehorchte er ihm, aber was die Ganones 
der mönchischen Lebensweise betrifft, so sollte jener (der Priester) 
nach denselben mit gutem Herzen wandeln, wie auch bezüglich der 
Speiseordnungf. Der arabische Text besagt also das Gegenteil von 
dem, was Orutzmacher behauptet, und die Priestermönche hatten 
demnach in den pachomianischen Klöstern dieselbe Stellung, die 
ihnen später auch die BenediktinerregeH) einräumte. 

Grutzmacher (S. 54) erklärt weiter: »Auch an dem Leben der 
Kleriker scheut sich Pachomius nicht, eine scharfe Kritik zu übenc. 
Indes die Pachomiusregel (s. ob. S. 218) und die arabische Vita 
(S. 396) bezeugen ausdrücklich, dass Pachomius Priester, die seine 
Klöster besuchten, in besonderer Weise ehrte, und die griechische 
Vita C 18 sagt, dass er sich kein Urteil über einen schlechten 
Kleriker anmasste, indem er sich dessen bewusst war, dass dies vor 
das Forum der Bischöfe gehöre. Einmal wird allerdings in der 
arabischen Vita (S. 475) berichtet, dass Pachomius, als ihm der 
alexandrinische Lektor Theodor die Mitteilung machte, dass die 
dortigen Kleriker und Asceten zwar tadellos seien, aber in Speise 
und Trank sich nichts abgehen Hessen, die Bemerkung machte, das 
Wohlleben vertrage sich nicht auf die Dauer mit der Sittenreinheit. 
Und in der That, so heisst es dann weiter, überzeugte sich Theodor 
auf Grund späterer Nachrichten aus Alexandria, dass das, was 
Pachomius befürchtet hatte, wirklich eingetroffen sei. Dieser Be- 
richt der arabischen Vita ist verdächtig ; denn die älteste griechische 
Pachomiusvita berichtet nichts davon, und die koptische Vita M 146, 
die doch hierin dem jüngeren Araber als Quelle gedient hat, spricht 
nicht von Priestern, sondern von Asceten aus Alexandria. Selbst 
wenn wir von der Unzuverlässigkeit des arabischen Berichtes ab- 
sehen, so ist doch nicht zu vergessen, dass die Kritik sich nicht auf 
den Klerus im allgemeinen, auch nicht auf ihr Amt, sondern auf 
bestimmte Kleriker, die weit entfernt von den pachomianischen 
Klöstern lebten, sich bezog. 

Alle Viten bezeugen, dass Pachomius die Bischöfe als Väter 
der Christenheit, Stellvertreter Gottes und Nachfolger der Apostel 
betrachtete'). Deshalb betete er auch für alle Priester der Kirche, 



1) Grützmacher f Die Bedentang Benedikts von Narsia n. seiner Regel 
n. 8. w., Berlin 1892, S. 33: »Auch Kleriker, die ins Kloster eintreten, erhalten 
ihren Rang wie die übrigen nach ihrem Eintritt ins Kloster. Nur bei gottes- 
dienstlichen Handlangen haben sie den Vortritt, das priyilegiam praecedentiae 
et honoris €. 

2) C 18, M 34, A' 491. 

20* 



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308 Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh. 

WO sie auch immer waren, damit der Herr ihnen die Gnade gebe, 
in jeder Beziehung ein reines Leben za führen, damit sie Söhne der 
Apostel seien, deren Nachfolger sie in dieser und jener Welt wären, 
damit sie wandelten in aller Gerechtigkeit Gottes, geschmückt mit 
reicher Erkenntnis der Wahrheit und des festen und apostolischen 
Glaubens, in aller Reinheit und Gottesfurcht, und erklärte auch: 
> Wenngleich sie unsere Väter sind und über uns stehen, so muss 
man doch für sie beten; denn ich weiss, dass der Apostel Paulus 
(II ep. ad Thess. 3, 1) uns auf diese Pflicht aufmerksam gemacht 
hatf (A' 491). Indes behauptet Grützmacher (S. 53): »Die Bischöfe 
sind dem Pachomius keine infalliblen Autoritäten ; er fügt sich ihren 
Anordnungen nicht unbedingt, sondern prüft die Richtigkeit der- 
selben an der heiligen Schrift« , und beruft sich hierbei auf einen 
Vorfall, der uns in allen Pachomiusviten berichtet wird. Bekannt- 
lich hatte Pachomius (s. oben S. 217) anfänglich jeden Verkehr 
seiner Mönche mit der Aussenwelt, auch mit den Anverwandten, 
verboten. Als jedoch einmal die Mutter seines Lieblingsschülers 
Theodor an der Elosterpforte erschien, um ihren Sohn zu sehen, 
und einen darauf bezüglichen Brief des Bischofs von Esneh dem 
Pachomius überreichen Hess, sagte dieser zu Theodor: »Geh zu ihr, 
zumal uns der Bischof geschrieben hat«. Wie schon oben (S. 162f.) 
mitgeteilt worden ist» sträubte sich Theodor, dies zu thun und zwar 
unter Berufung auf das Evangelium (Matth. 10, 37), und Pachomius 
stand davon ab, ihn zu zwingen, indem er erklärte^): »Wenn du 
dem Gebot des Evangeliums folgen willst» so will ich dich weiter 
nicht zwingen, es zu übertreten. Aber ich habe dir es nabegelegt, 
die Mutter zu sehen, weil man mir geschrieben hat, dass sie in der 
Traurigkeit ihres Herzens weine, und ich habe gefürchtet, dass sich 
dein Herz darüber betrüben würde. Ich, für meinen Teil, freue mich, 
dass du die Gebote befolgst. Was aber den Bischof, der uns den 
Brief geschrieben hat, anlangt, so wird er, wenn er erfährt, dass du 
sie nicht gesehen hast, voll Freude sein; denn die Bischöfe lehren 
uns ja das, was sich in den heiligen Schriften findet.« Die Hand- 
lungsweise des Kopten mag uns befremden. Aber in dem Bericht 
ist doch nicht gesagt, dass Pachomius den Inhalt des bischöflichen 
Schreibens kritisiert oder die Richtigkeit desselben erst an der 
heiligen Schrift geprüft hätte. 

Besonders innige Beziehungen bestanden zwischen dem Pa- 
triarchen Athanasius von Alexandria und dem pachomianischen 



1) A' 405, M 54, C 26. 

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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh. 309 

Klosterverbande. Wiederholt wird hervorgehoben, wie Pachomius 
den Patriarchen als. den Vater und unerschrockenen Verteidiger des 
rechten Glaubens an Christas, als einen echten Diener Gottes und 
Christophorus bezeichnet hat^). Das erste Zusammentreffen der 
beiden Männer geschah im Jahre 330 (s. oben S. 65). Athanasius 
besuchte nämlich gleich nach seiner Bischofsweihe die egyptischen 
Kirchen und kam, von Klerus und Volk begleitet, auch in die 
Thebais. Pachomius zog ihm mit seinen Mönchen entgegen und Hess 
Psalmen singen, um der Freude über die Anwesenheit des Oberhirten 
Ausdruck zu geben. Nach den Viten M 40 und A' 885 kehrte so- 
gar Athanasius bei dieser Gelegenheit im Kloster Tabennisi ein und 
erklärte dem Bischof von Tentyra gegenüber, dass er schon vor 
seiner Weihe in der Heimat Kunde von dem Werke des Pachomius 
gehabt hätte. Später bot sich keine Gelegenheit mehr zu einer Be- 
gegnung. Doch kurz vor seinem Tode, etwa im Jahre 845, erhielt 
Pachomius von einigen seiner Mönche, die geschäftshalber in Alexan- 
dria gewesen waren, Nachrichten über die Verwüstung der alexan- 
drinischen Kirche durch den Staatsbischof Gregor und war aufs 
tiefste betrübt über die Leiden des verbannten Athanasius '). Die An- 
hänglichkeit der Pachomianer an den letzteren blieb auch den Arianern 
nicht unbekannt. Als Athanasius, zum zweiten Male (356 — 362) 
verbannt, in der egyptischen Wüste seine Zuflucht suchte, forschte 
man auch in dem pachomianischen Kloster Pheböou nach ihm. Dem 
dux Artemios, der zu diesem Zwecke das Kloster mit grossem 
Truppenaufgebot umzingelt hatte, erklärte hierbei Psarphius, der 
Vertreter des abwesenden Generalabtes Theodor : »Der Erzbischof ist 
zwar unser Vater nächst Gott ; aber wir bezeugen Dir vor Gott, dass 
er nicht bloss bei uns nicht versteckt ist, sondern dass wir ihn 
nicht einmal gesehen haben ')€. Als später Athanasius auf Grund 
eines Ediktes des Kaisers Julian nicht bloss Alexandria, sondern 
auch ganz Egypten verlassen sollte, konnte er sich zu letzterem nicht 
entschliessen und reiste in den Süden seines Metropolitansprengeis. 
Der Generalabt Orsiisi, der mit Theodor die Pachomianer leitete 
und erfuhr, dass Athanasius nach der Thebais käme, sandte seinen 
Goadjutor zur Bewillkommnung des Oberhirten. Theodor reiste auf 



1) C 20, 73, 87, A' 642, 678, Bp. AmmoDis n, 6. 

2) C 70 u. 73; A' 642. Vgl. dazu Ladeuze S. 180 Note 1. — Im 
Jahre 346 nach dem Tode des Pachomius wurde eine pachoraianische Mönchs- 
depntation von dem aus der Verbannung zurückgekehrten Athanasius empfangen 
(8. ohen S. 301). 

3) C 88. M 224 f., A' 679 f. — Vgl. auch den Index der Pestbriefe des 
hl. Athanasius, Migm s. gr. t. 26 col. 1857 u. Ladeuze S. 223 Note 1. 



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310 Rückblick auf das egypL MOnchtum des 4, Jdhrh, 

einer kleinen Barke mit zehn Mönchen und kam bis Hermopolis magna 
(Aschmanen), wo die zwei pachomianischen Klöster Nouoi und 
Kahior lagen. Vor dem Osterfeste des Jahres 363 fand im Norden 
des hermopolitanischen Nomos die Begrüssung des Athanasius durch 
Theodor und die Mönche der beiden genannten Klöster statt. Der 
Erzbischof unterhielt sich aufs freundlichste mit Theodor, besachte 
die beiden Klöster, besichtigte alle Räume derselben und spendete 
dem pachomianischen Institut grosses Lob. Alsdann entliess er 
Theodor zur Feier des österlichen Generalkonventes nach Pheböou, 
während er selbst für den Augenblick die Weiterreise in die Thebais 
aufgab^). Der Brief, den er bei dieser Gelegenheit an Orsiisi schrieb, 
ist in allen drei Viten mitgeteilt. Der Kontakt der Pachomianer 
mit dem gefeierten Patriarchen dauerte fort. Wir lesen in der 
Vita M 238 f., dass der Generalabt Theodor den Paschalbrief des 
Athanasius vom Jahre 363, der über den Kanon der hl. Schrift 
handelte ^), zum Gegenstande einer Klosterkatechese machte, ihn als 
einen Beweis der Hirtensorgfalt des Erzbiscbofs hinstellte und zur 
Beachtung für die Mönche ins Koptische übersetzen Hess. Als aber 
Theodor im Jahre 368 starb, schickte Athanasius aus diesem Anlass 
ein herzliches Beileidsschreiben an den Generalabt Orsitsi und dessen 
Mönche"). Auch Theophilus, der dritte Nachfolger des Athanasius, 
bezeugte den Pachomianern seine Anerkennung, indem er nach Zer- 
störung des Serapeum in Ganopus Mönche ihres Klosterverbandes 
zur Ansiedlung an jenem Orte veranlasste (s. oben S. 173 f.). 

Über das Verhältnis des Antonius zum Klerus schreibt 
Athanasius: >Tnfolge seiner Demut ehrte Antonius die hierarchische 
Ordnung überaus hoch und wollte, dass jeder Kleriker ihm an Ehre 
vorangehe. Vor den Bischöfen und Priestern überhaupt trug er kein 
Bedenken, sein Haupt zu beugen. Kam aber je ein Diakon um 
irgend eine Hilfeleistung zu ihm, so setzte er ihm zwar das aus- 
einander, wodurch er ihn fördern konnte ; aber das Gebet anlangend, 
räumte er ihm den Vorgang ein« (vita Ant. c. 67). Wie der ge- 
nannte Erzbiscbof schon im Jahre 341 die Kunde von Antonius nach 
Rom brachte und dadurch die vornehme Dame Marcella für das 
ascetische Leben begeisterte^), so setzte er auch dem Eremitenvater 



1) C 92, M 267 f., A' 693 f.; Ep. Ammonis n. 23, Chronicon acephalum, 
Migne 1, c. col. 1446. Vgl. auch Ladeuze 223 f. 

2) Vgl. den Index der Festbriefe des hl. Athanasius, Migne 1. c. col. 1859. 
Fragmente des Paschalbriefes vom Jahre 368 finden sich bei Migne 1. c. col. 
1435 ff. 

3) C 96, T 810, M 293, A' 704. Vgl. dazu Ladeuze S. 225 f. Note 3. 
^\ Ep. ad Principiam 127 (Vallarsi) c. 5. 



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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh, 311 

nach dessen Tode noch ein Denkmal durch die Abfassung seiner vita. 
Verschiedene Bischöfe erwiesen dem Antonias in seiner Klause die 
Ehre ihres Besuches (s. oben S. 287). Der Bischof Serapion, der 
allgemein mit dem gleichnamigen Bischof von Thmuis identifiziert 
wird, war ein intimer Freund des Ereroitenvaters (vita Ant. c. 82), 
der noch anf seinem Sterbelager seine Verehrung gegen die beiden be- 
deutendsten egyptischen Bischöfe bekundete, indem er seinen Mönchen 
den Auftrag erteilte: >Teilet meine Kleider! Eine Melote und das 
Oberkleid, das mir der Bischof Athanasius gegeben hat, bringet ihm 
wieder, die andere Melote gebet dem Serapionc (vita Ant. c. 91). 

Während die Pachomianer, deren Klöster nicht weit von be- 
wohnten Ortschaften entfernt waren, in irgend einem Nachbardorfe 
dem Gottesdienste beiwohnten oder einen Weltgeistlichen aus der 
Nachbarschaft um die Abhaltang des Gottesdienstes in ihren Häusern 
angingen, war solches in der vom Weltverkehr abgelegenen nitrischen 
und sketischen Wüste nicht möglich. Nach der Historia Lausiaca 
(c. 7) besorgten in der Kirche von Nitria acht Mönchspriester den 
Gottesdienst, und die Römerin Melania fand bei ihrem Besuche 
dieser Mönchskolonie (um das Jahr 371) viele Priester und Diakonen 
unter den dortigen Mönchen^). Indes hatten diese keinen eigenen 
Bischof, sondern waren dem Bischof von Klein-Hermopolis ') unter- 
stellt. Gegen Ende des vierten Jahrhunderts war nach Palladius^) 
ein gewisser Dioskorus, der früher in Nitria als Mönch gelebt hatte 
und später, wie Sozomenus (h. eccl. VIII, 12) bemerkt, vom Pa- 
triarchen Theophilus von Alexandria zum Bischof von Klein-Hermo- 
polis bestellt wurde, zugleich Bischof des nitrischen Gebirges. Sein 
Vorgänger war der Bischof Isidorus % den die ebengenannte Melania 
bei den Nitriern als Gast traf. Vor diesem Isidorus war Drakontius 
Bischof von Klein- Hermopolis ; auch mit ihm standen die nitrischen 
Mönche im Contakt und schickten ihm an seinen Verbannungsort 
(ams Jahr 356) einen Brief, den der pachomianische Generalabt 
Theodor dem Ammon und den übrigen Mönchen, Priestern und Dia- 
konen von Nitria über das zu erwartende Ende der arianischen Ver- 
folgung geschrieben hatte*). — In der sketischen Wüste gab es vier 
Kirchen mit eigenen Priester-Mönchen >). Brauchten die Mönche 
einen neuen Priester, so schickten sie den geeignetsten aus ihrer 



1) Hieronymuu ep. ad Enstoch. 108 (Migne s. 1. t. 22 col. 890). 

2) Jetit Damanhür (Baedekers Aegypten, Leipzig 1897, S. 20). 

3) Dialogus de Yita Chrysost. a 7 (Migne s. gr. t. 47 col. 24). 

4) Ep. Ammonis c. 22. 

5) Cassian, coli. X c. 2; Apophthegm. Patr. (Migne s. gr. t. 65 col. 225) 



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312 Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh, 

Mitte zu ihrem Bischof behufs Erteilung der Weihe ^). Auch ihnen 
wurden von dem alexandrinischen Patriarchen die Osterbriefe zuge- 
sandt, die alsdann beim Gottesdienst von ihren Priestern vorge- 
lesen wurden '). — Auch in der Thebais und im Nildelta gab es 
nach Bufin (s. oben S. 112—118) Mönche bezw. Vorsteher derselben, 
die zugleich Priester waren. 

In den Apophthegmensammlungen werden viele Episoden be- 
richtet, aus denen hervorgeht, dass auch die alexandrinischen Pa- 
triarchen mit den nitrischen und sketischen Mönchen Beziehungen 
unterhielten. Der berühmte Nitrier Pambo wurde von Atbanasius 
nach Alexandria eingeladen, um daselbst für den nicänischen Glauben 
Zeugnis abzulegen ^). Wir lesen, dass der Patriarch Theophilus so- 
wohl den ebengenannten Pambo in der Wüste besuchte, als auch 
mit dem Mönche Arsenius, der ehedem Beamter am Hofe Theodosius 
des Grossen war und später einige Zeit in der sketischen Wüste 
sich aufhielt, besonders zugethan war ^). Die vier Brüder Ammonius, 
Dioskorus, Euthymius und Eusebius, Schüler des Pambo in Nitria, 
die wegen ihrer ungewöhnlichen Körperlänge die langen Brüder ge- 
nannt wurden und sich durch Wissenschaft und Frömmigkeit aus- 
zeichneten, erfreuten sich gleichfalls einer hohen Wertschätzung 
seitens der alexandrinischen Patriarchen. Den Ammonius, der das 
ganze alte und neue Testament auswendig wusste und auch in den 
Schriften des Origenes, Didymus, Pierius und Stepbanus wohl be- 
wandert war, wollte der Patriarch Theophilus auf Verlangen der 
Bürger einer benachbarten Stadt zum Bischof weihen. Als aber 
dieser Mönch sich das rechte Ohr abschnitt und, um dem Episkopat 
aus dem Wege zu gehen, Miene machte, eine weitere Verstümmelung 
seines Körpers vorzunehmen, standen die Bürger von ihrem Drängen 
ab (Eist. Laus. c. 12). Dagegen liess sich der schon oben genannte 
Dioskorus von Theophilus zum Bischof von Klein-fiermopolis weihen, 
und die beiden anderen Brüder Euthymius und Eusebius wurden von 
demselben Patriarchen zu Priestern ordiniert und zu Verwaltern der 
Einkünfte der alexandrinischen Kirche bestellt. Dieses intime Ver- 
hältnis des Theophilus zu den langen Brüdern sowie den nitrischen 
Mönchen überhaupt schlug allerdings später wegen deren Partei- 
nahme für Origenes ins Gegenteil um ^). Theophilus ordinierte viele 



1) Apophth. Patr. (Migne 1. c. col. 224). 

2) Caasian, coli. X c. 2. 

3) Apophthegm. Patr., Migne 1. c. col. 369: Socratea, h. eccl. IV, 23. 



4) Ebendas., Migne 1. c. col. 197, 201 ; 105, 89, 96. 

5) Socrates, h. eccl. VI, 7; SozomenuSj h. eccl. VIII, 12, FaliadiuSt 
dialogas de vita Chrjsostomi c. 7. 



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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4, Jahrh, 313 

Mönche der sketischen und Kellien- Wüste, deren Vorsteher den 
gleichen Namen Isaak führten, zu Bischöfen i). Die Sitte, die 
Bischöfe aus dem Mönchsstande zu entnehmen , war übrigens nicht 
erst unter diesem Patriarchen aufgekommen. Wie schon der Pa- 
triarch Alexander Asceten (fjiovaCovTsg xal &ox7]TaO zur bischöflichen 
Würde erhob*), so weihte auch sein Nachfolger Athanasias viele 
aus den Reihen der unter ihm aufblühenden Mönchsgenossenschaften 
zu Bischöfen. Der letztere fahrte dem Mönchsvorsteher Drakontius, 
der sich nach Empfang der Bischofsweihe die Einsamkeit der Wüste 
zu verlassen sträubte, folgende Thatsachen vor Augen: »Du bist 
nicht unter den Mönchen der einzige, der ordiniert worden ist. Du 
bist auch nicht allein Vorsteher eines Monasteriums, noch allein bei 
den Mönchen beliebt. Du weisst, dass auch Serapion Mönch ist und 
Vorsteher vieler Mönche war. Es ist dir nicht entgangen, wie vieler 
Mönche Vater Apollos war. Du kennst Agathen sowie Ariston. Du 
erinnerst dich des Ammonius, der mit Serapion eben ins Ausland 
gereist ist. Vielleicht hast du auch gehört von Muitus in der Ober- 
Thebais und kannst dich erkundigen über Paulus in Latopolis und 
über viele andere, und dennoch haben diese, nachdem sie einmal 
ordiniert waren, sich nicht geweigert, sondern das Hirtenamt über- 
nommen««). Unter den Mönchen, die in die Reihen des Weltklerus 
aufgenommen wurden, sind noch zu erwähnen der Nitrier Isidor*), 
der Athanasius nach Rom begleitete, und, von diesem zum Priester 
ordiniert, bis in sein hohes Alter in Alexandria ein Hospital leitete, 
sowie der Nitrier Isaak 0), der Diakon an der Kirche von Klein- 
Hermopolis wurde. 

Die ascetisch geschulten Mönche erschienen somit den egypti- 
schen Bischöfen, die damals noch keine Erziehungshäuser für den 
Klerus besassen, als besonders geeignete Kandidaten für die Bischofs- 
und Priesterweihe. Im Einklang hiermit sagt Epiphanius in seiner 
Expositio fidei cath. c. 21, das heilige Priestertum, worunter die 
Bischöfe, Priester, Diakonen und Subdiakonen verstanden werden, 
bilde sich meistens aus Jungfräulichen, wofern nicht aus diesen, so aus 
Mönchen {Ix fxovaCövTwv), wenn sich aber unter diesen zum Kirchen- 
dienste Taugliche nicht finden, so aus denen, die sich ihrer Frauen 
enthalten oder nach der ersten Ehe Witwer geblieben seien. Ein- 



1) Palladius, dialo|;us de vita Chrysostomi c. 17. Vgl. auch Tillemont, 
Menioires pour servir ä Thistoire eccl., Paris 1711, t. XI p. 648 et 623. 

2) Athanasii apol. ad Gonstantium imp. c. 28 (Migne s. gr. t. 25 col. 632). 

3) Ep. ad Dracontinm c. 7 (Migne 1. c. col. 632). 

4) Hist. Laus. c. 1. Vgl. Tillemont 1. c. p. 443 s. 

5) £p. Ammonis c. 22. 



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314 Rückblick auf daa egypt Mönchtum des 4. Jahrh. 

zelne Mönche haben allerdings, wie wir gesehen haben, sich ge-* 
sträabt, die Wüste za verlassen. Aber dies geschah nicht aus Ab- 
neigung gegen den Weltklerus ; von einem solchen Motiv ist in den 
Quellen nirgends zu lesen. Wohl aber thaten sie es, wie Drakontius, 
deshalb, weil sie die Buhe der Wüste nicht mit dem verantwortungs- 
vollen bischöflichen Amte vertauschen wollten, zumal bis ins achte 
Decennium des vierten Jahrhunderts hinein die Bischöfe wegen der 
arianischen Wirren so oft in die Verbannung wandern mussten. Die 
Abschliessung gegen den Weltklerus kann schon deshalb nicht das 
Motiv für die Flucht vor den Weihen gewesen sein, weil die Quellen 
uns auch von solchen Mönchen Kunde geben, die sich vor der 
Priesterweihe sträubten, obwohl sie die geistlichen Punktionen nur 
im Bereiche ihrer Mönchsgenossenschaft und zwar auf Wunsch ihrer 
Vorsteher besorgen sollten. So lesen wir, dass der sketische Mönch 
Isaak, der nach einstimmigem Beschlüsse seiner Mitbrüder zum 
Priester für ihre Kirche in der Wüste geweiht werden sollte, ge- 
flohen sei, und erst als die ihm nachgesandten Mönche ihn in seinem 
Versteck fanden, willigte er ein, indem er sagte: »Ich kann nun 
euch nicht mehr widersprechen; vielleicht ist es doch der Wille 
Gottes, dass ich, wiewohl unwürdig, die Priesterweihe empfanget i). 
Der Diakon Daniel, gleichfalls Mönch der sketitchen Wüste, wurde 
auf Veranlassung seines Lehrmeisters, des Priestermönches Paphnu- 
tius, zum Priester geweiht; doch wegen seiner Demut, sagt Cassian 
(coli. IV c. 1), erlaubte er sich nie in Gegenwart seines Lehrers die 
Bethätigung dieser neuen hohen Würde. 

Den egyptischen Mönchen galt überhaupt die geistliche Würde 
nicht als etwas Minderwertiges, sondern als eine hohe Ehre. Nur so ist 
es erklärlich, wenn Evagrius in seiner Ascetik (s. ob. S. 268) sagt, dass 
sich die Ruhmsucht bei einem Mönche in der Sehnsucht nach dem 
Priestertume äussere. Ähnlich schreibt Cassian (De coenob. insti- 
tutis, XI, 14): »Zuweilen fiösst die Ruhmsucht dem Mönche das 
Verlangen nach der geistlichen Würde und den Wunsch nach der 
Priester- oder der Diakonatsweihe ein. Wenn er dieselbe sogar 
gegen seinen Willen erhalten hat, so entwirft er ein solches Bild 
von der Heiligkeit und Strenge, womit er dieses Amt ausüben will, 
dass er auch deii übrigen Priestern Beispiele der Heiligkeit geben 
könne. Dann glaubt er viele nicht nur durch das Vorbild seines Wan- 
dels, sondern auch durch seine Lehre und Predigt zu gewinnen« 
Er besucht, während er in der Einöde oder Zelle weilt, im Geiste 



1) Rosweydf vitae Patr. lifo. UI n. 22. 

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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4, Jahrh. 315 

die Wohnungen verschiedener Brüder und verschiedener Klöster und 
stellt sich vor, wie viele Leute er durch seine eingebildeten Er- 
mahnungsreden bekehren werde. So ist es nun um den Unglück- 
lichen geschehen, der durch eine solche Eitelkeit gleichsam in den 
tiefsten Schlaf gesunken ist und gewöhnlich durch den Reiz der- 
artiger Einbildungen verlockt und mit solchen Bildern erfüllt nicht 
einmal auf sein gegenwärtiges Thun und seine Mitbrüder sein Auge 
zu richten vermag, während er seine Jreude darin findet, sich in 
die Gedanken, von denen er in seiner Zerstreuung mit offenen 
Augen träumt, wie in wirkliche und wahre zu vertiefen c und erzählt 
noch im folgenden Kapitel: »Von meinem Aufenthalte in der sketi- 
schen Wüste erinnere ich mich noch eines Greises, der einmal zu der 
Zelle eines Mitbruders kam, um ihn zu besuchen. Als er sich nun der 
Thür näherte und den Mönch drinnen etwas murmeln hörte, blieb 
er stehen. Er merkte, dass der eitle Mönch in der Zelle eine Er- 
mahnungsrede hielt, als wenn er in der Kirche sich befände^ dann 
die Rolle wechselte und, wie ein Diakon am Ende der Katechumenen- 
messe, das versammelte Volk entliess. Erst jetzt klopfte er an die 
Thür ; der Mitbruder trat heraus und, sichtlich verlegen wegen seiner 
eitlen Gedanken, fragte er ihn, wie lange er schon vor der Thür 
warte, worauf der Greis scherzend ihm eine Zurechtweisung gab mit 
den Worten: >Eben bin ich gekommen, als du die Katechumenen- 
messe feiertest *).« Joviale Mönchsväter thaten auch, wie Cassian 
(De coenob. inst. XI, 17) schreibt, den Ausspruch, der Mönch müsse 
nicht bloss Weiber, sondern auch Bischöfe fiiehen, wenn er die Ruhe 
der Zelle sein Leben lang geniessen wolle. Dass aber auch die Flucht 
vor der Priesterweihe vom Übel sein könne, erklärte ausdrücklich 
der sketische Mönch Daniel (coli. IV, 20): »Die eine Gattung äes 
Hochmuts trachtet, um sich zu erheben, nach dem Amte des Klerus, 
die andere verschmäht es in der Meinung, dass es entweder der 
früheren Würde oder dem Werte ihrer Lebensweise nicht ange- 
messen oder gar nicht ebenbürtig sei. Möge jeder für sich prüfen 
und erwägen, welche von diesen beiden als die schlechtere zu er- 
klären sei«, und der Klausner Johannes von Lycopolis meinte, man 
solle das geistliche Amt weder zu sehr ausschlagen, noch zu heftig 
darnach begehren, sondern sich alle Mühe geben zur Ausrottung der 
Laster und Aneignung der Tugenden. Man solle es aber dem Ur- 
teile Gottes überlassen, ob, wann und wen Gott zu seinem Dienste 
oder zur Priesterwürde erwählen wolle; denn nicht der sei bewährt. 



1) Vgl. auch coli. I, 20. 

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316 Rückblick auf das egypt MOnchtum des 4. Jahrh, 

der sich selbst aufdränge, sondern jener, den Oott erwähle (Bufin. 
hist. mon. c. 1). 

Nach alledem lässt sich aus der egyptischen Möncbsliteratur 
des vierten Jahrhunderts der Beweis nicht erbringen, dass zwischen 
Mönchtum und Weltklerus ein principieller Antagonismus bestand. 
Nicht nur die Koryphäen unter den Mönchen standen in innigster 
Verbindung mit den höchsten geistlichen Autoritäten, sondern auch 
die Bntwickelung des Mönchtums vollzog sich unter den Augen der 
Bischöfe. Auch ist nirgendwo zu lesen, dass die letzteren anfäng- 
lich dem neuen Phänomen feindlich gegenüberstanden und sich erst 
allmählich, sich ins Unvermeidliche fügend, mit demselben aus- 
söhnten. Ebensowenig lässt sich aus den Quellen herauslesen, dass 
einerseits der Klerus die Überzeugung hatte, dass ihm die freie 
mönchische Bewegung von der grössten Gefahr werden könnte, und 
dass andererseits die Mönche sich von der verweltlichten Kirche in 
die Wüste zurückzogen und im Schatten der verweltlichten Kirche 
nicht mehr leben und sterben wollten, wobei noch zu bestreiten ist, 
dass die besonders in Egypten durch den Arianismus Jahrzehnte 
lang hart verfolgte Kirche das Merkmal der Verweltlichung verdiene. 

§ 9. Liturgischer Gottesdienst^ Kommunionempfang und BussdiscipUn. 

Kufin 1) berichtet über den Abt Apollonius und seine Mönche, 
die im Gebirge bei der Stadt Hermopolis magna (Aschmungn) zer- 
streut wohnten: »Es bestand bei ihm die Gewohnheit, dass die 
Brüder, die bei ihm waren, nicht eher Speise nahmen, als bis sie 
um die neunte Stunde des Tages die hl. Kommunion empfangen 
hatten.« Hierauf bemerkt er, dass die Mönche in der Regel nach 
der Kommunion irdische Speise zu sich nähmen, und fügt hinzu: 
> Einige unter ihnen stiegen zwar um die neunte Stunde vom Ge- 
birge herab, zogen sich aber nach der Kommunion sofort zurück, 
indem sie sich mit dieser geistlichen Speise allein begnügten, und 
dies thaten sie sehr viele Tage hindurch.« über die Bedeutung der 



1) Historia monach. c. 7: »Consuetudo autem erat apud eum, ut fratres, 
qui cum ipso erant, non prias cibam sumerent, quam comraunionem dominicam 
perciperent circa horam diei nonam .... Aliquant! yero ex ipsis circa horam 
Donara, cum descendissent de monte, percepta ^atia domini statim discedebant, 
solo hoc spiritali cibo contenti : et hoc faciebant per plnrimos dies.« Vgl. die 
j?riech. Recension der Historia mon. (bei Preuschen S. 47) : »Ol yop obv aöiw 
aöeX^oil ou jcpöxspov t^s xpo^^? (xsTeXa[j.ßavoVf 7cp\v 5) t^$ eu5(_apiaTt'a? tou /^ptcrrou xoi- 

vwvTJawaiv • iouto hl Itcoiouv xatoc t))v evaTTjv (Spav fjiJL^ptov IIoXXol youv auTwv 

xaia TTjv IvaxTjv wpav [{j.6vov] xa'njp5(^ovTo Ix toü opou? xa\ t^{ eü)(^apt<JT{as uL6TeX&pißavov 
xal jcaXiv avTJeaav apxoü|i.evoi xi] TCVguejLaTixfj pt^vov t p o 9 fj a/^pt? aXXr]? evaTT)? . toüto 
8e Iäoiouv jcoXXoi ef auxaiv im TCoXXa^ ^\Upcti,€ 

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Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4, Jahrh, 3t7 

hl. EomtnunioD für das ascetische Leben sprach sieb aber ApoUonias 
folgendermassen aas: »Die Mönche sollen, wenn es sein kann, täg- 
lich die Mysterien Christi empfangen, damit nicht der, welcher sich 
weit von denselben absondert, auch weit von Gott abgesondert werde. 
Wer aber dieselben öfters empfängt, der empAngt auch öfters den 
Erlöser selbst, der auch sagt: »Wer mein Fleisch isst und mein 
Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihmc Zudem ist das 
Gedächtnis des Leidens des Herrn, wenn es beständig von den 
Mönchen geschieht, sehr nützlich zur Erlangung der Geduld. Man 
wird aber aochdadurch gemahnt, sich zu befleissigen, so zu leben, 
dass man der My^erien des Herrn nicht unwürdig befunden werde. 
Diesem fügte er noch bei, dass die Nachlassang der Sünden dadurch 
den Gläubigen gewährt werde. c Ober den Besuch eines anderen 
Mönches der Thebais, Namens Hör, berichtet Rufin (bist. mon. 2): 
»Als wir mit sehr vielen Mönchen zu ihm kamen und er uns er- 
blickte, wurde er sehr fröhlich. Nachdem er uns begrüsst und die 
üblichen Gebete verrichtet hatte, wusch er uns Gästen die Füsse 
und begann Stellen aus der hl. Schrift zu unserer Erbauung zu er- 
klären. Als er sehr viele Kapitel der hl. Schrift mit Weisheit er- 
örtert hatte, wandte er sich wieder zum Gebete (rursus ad orationem 
convertebatur, Im xäc söxac TcposxplTceTo). Er hatte aber die Ge- 
wohnheit, keine leibliche Speise zu nehmen, bevor er nicht die geist- 
liche Kommunion Christi genossen hatte. Nach dem Empfang der- 
selben sowie der Danksagung fing er an uns auch zur leiblichen 
Erfrischung einzuladen ^)€. Hiernach erscheint auch bei dieser Mönchs- 
genossenschaft die tägliche Kommunion üblich gewesen zu sein, und 
es werden hier die bei der Privatkommunion üblichen Vorbereitungs- 
und Danksagungsgebete erwähnt. 

Indes war der tägliche Empfang der hl. Kommunion nicht bei 
allen egyptischen Mönchen Kegel. Cassian (de coenob. instit. HI, 2) 
schreibt, dass bei denselben, abgesehen von dem nächtlichen und 
abendlichen Gebete, des Tages über keine öffentliche Feierlichkeit 
gehalten worden sei ; nur am Samstag und Sonntag seien sie um die 
dritte Stande zusammengekommen, um die hl. Kommunion zu em- 
pfangen. Dies steht auch mit anderweitigen Nachrichten im Ein- 



1) Hist. mon. c. 2: »Gonsnetado autera erat ei non prias corporalem 
dbum siimere, qaam spiritalem Christi commanionem acciperet. Quo accepto, 
post gratiarnm actionem adhortari nos etiam ad reficiendnm coepit«. Vgl. die 
griecb. Reeension (bei Preuschen S. 26): »"Edo? ^ao töi? [jlsy&Xoi?, [jl^ Tupöxspov 
Tpoflp^v ÄpoatEa^ai t^ aapx\ Tuplv ?) t^v nveupiaxtxyjv Tpo^ijv t^ 'l'^xS ^*P«- 
doüvat . TOUTO h\ loTiv ^ Tou ^piOTOU xoivcDvia * pLExaXaßövxa^ o3v xa(5x7)c xol 8u)(^0(ptaTvJ- 
aavxa; Int x^v xp^nE^av nposxpEicsxoc. 



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31 ö Rückblick auf das egypt. MOnchtum des 4, Jahrh, 

klang. Wie die Pachomiasviten (M 38 f., A' 371 f. und C 20) be- 
richten, beteiligten sich die Pachomianer Samstags und Sonntags an 
den) encharistischen Gottesdienste. Von den Nitriern sagt die Historia 
Lausiaca (c. 7), dass sie das tägliche Gebet in ihren Zellen ver- 
richtet hätten und nur am Samstag und Sonntag in der Eirche zu- 
sammengekommen seien ; der erste von den acht Priestern hätte das 
eucharistische Opfer dargebracht (npoo^lpet), das Richteramt ausgeübt 
(dtxaCet) und die Homilie gehalten, während die übrigen ihm nur 
stillschweigend assistiert hätten. Auch in den zur sketischen Wüste 
gehörigen Kellien versammelten sich die Mönche nur an den beiden 
genannten Tagen in der Eirche, und viele von ihnen hatten von 
ihrer Wohnung bis zur Kirche drei bis vier Milien zurückzulegen 
(Rufin., bist. mon. c. 22). Als Makarius der Egypter sich in die 
sketische Wüste zurückzog, gab es allerdings dort noch keinen litur- 
gischen Gottesdienst, und er beklagte sich darüber gelegentlich eines 
Besuches des hl. Antonius ((og oux Sx^l^®^ irpoofopav Iv x(S TÖTcm 
iium)^). Aber später wurden daselbst vier Kirchen gebaut (siehe 
oben S. 311). Selbst die ganz zurückgezogen in dieser Wüste leben- 
den Mönche sonderten sich nicht von der hl. Kommunion ab. Dies 
ergibt sich aus einer Bemerkung Makarius' des Egypters über zwei 
junge Mönche, die Söhne reicher Leute waren und in der sketischen 
Wüste ihren Wohnsitz aufgeschlagen hatten. »Andere Mönche, die 
ganz weit wohnenc, sagte Makarius, »kommen zu mir, und diese, ob- 
gleich sie ganz in der Nähe wohnen, sind noch niemals bei mir ge- 
wesen, ausser dass sie schweigend in die Kirche kommen, um die 
Kommunion zu empfangene (et fi'i) fiovov s!c ty)v IxxXifjatav oicoTcoivTec 
Xaße tv TTjv ocpoo^opav) ^). Die Mitteilungen über zwei abtrünnige 
Mönche der Kellienwüste, Namens Valens und Ero, zeigen, welchen 
grossen Wert die dortigen Mönche auf den Empfang der hl. Kom- 
munion legten. Der Hochmut des ersteren, heisst es in der Historia 
Lausiaca c. 31, ging so weit, dass er selbst die Mysterien Christi 
verschmähte und einmal in der Kirche vor den versammelten Brüdern, 
erklärte: »Ich brauche nicht die Kommunion; ich. habe heute Christus 
gesehene. Der grosse Bibelkenner Ero (Hist. Laus. c. 32) führte 
nach der Versicherung seiner Mitbrüder in seiner guten Zeit ein so 
strenges Leben, dass er oft drei Monate lang ausser der hl. Kom- 
munion nur wilde Kräuter genoss (apxoujüisvoc fjiovig x^ xoivcovta tm 
(iüonjptcov, xat et itoü 5v 7:apa(pavet7j äypta Xaxava); später aber 
wurde sein Geist infolge seines Dünkels so umnachtet, dass man ihm 

1) Apophthegm. Patr., Migne s. gr. t. 65 col. 273. 

2) Apophthegm. Patr., Migne L c. col. 276. 



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fiückhlick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh, 31d 

Ketten anlegen musste, weil er nicht zur hl. Kommunion gehen 
wollte. Der schwere Sündenfall des Ptolomaeus (s. oben S. 279), 
der in einem abgelegenen Orte der sketiscben Wüste lebte, wird 
unter anderem auch auf die Vernachlässigung der häufigen Kom- 
munion (iiroSevcofrelc Oüvexoöc xotvcovtac xcov fiüoxTjptcov toü Xptoxoö) 
zurückgeführt. 

Auch in Fällen, wo der Kommunionempfang der Anacboreten 
fast als unmöglich erscheineo möchte, finden wir das Gegenteil be- 
richtet. Der thebaische Mönch Johannes lebte am Anfang seines 
ascetischen Lebens drei Jahre lang in einem Versteck. Sonntags 
aber kam ein Priester zu ihm, brachte für ihn das eucharistische 
Opfer dar und reichte ihm das Sakrament. Und als dieser Mönch 
in seinem späteren Leben in der Wüste uroherwandelte. um die 
Brüder jener Gegend durch das Wort Gottes zu erbauen, kehrte er 
am Sonntag immer wieder der Sakramente wegen an denselben Ort 
zurück^). Marcus der Egypter') blieb dreissig Jahre in seine Zelle 
eingeschlossen, ohne sie zu verlassen. Aber ein Priester pflegte zu 
ihm zu kommen, um das eucharistische Opfer für ihn darzubringen 
(icotelv auToT x^y dytav irpoafopav). Was Antonius anlangt, so lesen 
wir zwar nicht, dass in seiner Klause, die drei Tage- und Nacht- 
märsche vom Kloster Pispir entfernt war (s. oben S. 287), das 
hl. Opfer zu seinen Lebzeiten dargebracht wurde; wohl aber ge- 
schah dies später, als nach seinem Tode sein Schüler Sisoes daselbst 
wohnte >). Immerhin bestand für Antonius die Möglichkeit, am 
eucharistischen Opfer teilzunehmen, da er das Kloster Pispir in 
Zwischenräumen ?on einigen Tagen regelmässig zu besuchen pflegte 
und mit Bischöfen und Priestern zusammenkam (s. oben S. 287). 
Allerdings ist dies bloss ein indirekter Beweis. Indes kann wohl 
noch auf Grund der vita Antonii ein direkter Beweis geführt werden. 
Die betreffende Stelle (c. 45) lautet: »Er (Antonius) zog sich in sein 
Monasterium zurück, steigerte die Ascese und seufzte Tag für Tag, 
indem er an die himmlischen Wobnungen dachte, sich nach den- 
selben sehnte und die Vergänglichkeit des Lebens der Menschen be- 



1) In der griech. Recension der Historia mon. c XV (bei Preaschen S. 69) 
heisst es Ton Johannes: »ttj xupiax^ (jlövov ttj; Eu)(^aptaiia; (jLexaXafjißavcov xoO 
TcpeaßuT^pou auTo) dbco^^povTo^ gcaXo ou§b 8i7)TaTo.c Also am Sonntag, wo er die 
Kommnnion empfing, genoss er keine andere Speise. Etwas weiter heisst es, 
(Prenschen S. 70), dass seine gewöhnliche Nahrung nur Kräuter waren (lodiwv 
ßoxava;). In dem entsprechenden Rufinschen Text »Gibum vero nunquam sum- 
serat nisi die dominica. Presbyter enim tunc yeniebat ad eum et offerebat pro- 
eo sacrificium, idque ei solum sacramentum erat et Tictus« ist wohl die Lesart 
des ersten Satzes verderbt und »nisi« zu streichen. 

2) Apophthegm. Patr., Mignt 1. c. col. 393. 



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320 Rückblick auf das egypt, Möncktum des 4. Jakrh, 

trachtete, und auch, wenn er essen, schlafen und den übrigen Be- 
dürfnissen des Leibes Rechnung tragen musste, schämte ersieh, in- 
dem er das geistige Wesen der Seele erwog. Oft wenigstens, wenn 
er mit vielen anderen Mönchen essen sollte, entschuldigte er sich, 
der empfangenen geistlichen Nahrung eingedenk, und ging weit 
von ihnen (TcoXXaxtc T^^^ H^'^^ tcoXXcov SXXcuv fiovaxöv ^IXXcov 
ioftteiv, ivafiVTjofrslc t^c irvsufiaxtx^c xpocp^g, Tca- 
pigTigoaxo xat fiaxpav aTc'auxcov aic^XOe), indem er meinte en'öten zu 
müssen, wenn er von anderen essend gesehen würde. Er ass indes, 
da der Körper es doch einmal nötig hatte, für sich allein, oft aber 
auch mit den Brüdern . . . .c Wenn also Antonius in Pispir mit 
den anderen Mönchen zu Tisch gehen sollte, so entfernte er sich, 
indem er noch in Gedanken mit der (vorausgegangenen) geistlichen 
Nahrung beschäftigt war und sich mit der letzteren begnügte. Er 
nahm also, wie der eben erwähnte Mönch Johannes, am Kommunion- 
tage keine irdische Nahrung zu sich. Diese Interpretation des Textes 
hängt von der Bedeutung der Worte »t^<; irvsüfiaTtx^c; Tpo<p^<;« ab. 
Dass aber Athanasius, der Verfasser der vita Antonii, darunter den 
Genuss des Leibes und Blutes Christi verstand, ergibt sich aus 
seinem vierten Briefe an Serapion^), wo es heisst: »Als Christus 
von dem Essen seines Leibes sprach und sah, dass sich viele darüber 
ärgerten, erklärte er: »Das ärgert euch? Wenn ihr aber den Menschen- 
sohn werdet hinaufsteigen sehen, wo er zuvor war? Der Geist macht 
lebendig, das Fleisch aber nützt nichts. Die Worte, die ich zu 
euch geredet habe, sind Geist und Leben«. Auch hier sprach er 
beides von sich aus, das Fleisch und den Geist. Den Geist unter- 
scheidet er vom Leibe, damit sie nicht allein das Erscheinende, 
sondern auch das Unsichtbare von ihm glauben und lernen möchten, 
dass das, was er sage, nicht fleischlich, sondern geistig (Tcvsujütaxtxa) 
sei. Denn für wie viele reichte der Körper zur Speise hin, so dass 
er die Nahrung für die ganze Welt werden könnte? Deswegen er- 
wähnte er die Himmelfahrt des Menschensohnes, damit er sie von 
fleischlichen Gedanken losmache, und sie lernen möchten, dass das 
erwähnte Fleisch eine himmlische Speise von oben herab sei, und 
eine geistige Speise von ihm gegeben werde« (xal Xoitcov ttjv eipijfjisvTjv 
aapxa ävcofrsv oüpavtov xal irvsüfiaxtx'ijv Tpo97^v Tcap' aüxoü ätdofxivifjv 
fiaO(ootv). Ebenso deutlich wird in der griechischen Recension der 
Historia monachorum (s. oben S. 316 Note 1 u, S. 317 Note 1) und 
in dem Danksagungsgebet nach der Privatkommunion, wie es Rieh 



1) Migne s. gr. t. 26 col. 665 f. 

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Rückblick auf das egypU MöncMum des 4. Jahrh. 321 

in der Zwölfapostellehre (c. X) findet, der Genoss des Leibes and 
Blutes Christi als geistliche Nahrang (icveufiaxtxT) xpo^ig) bezeichnet ^). 

Immerhin kam es ?or, dass hie and da ein Mönch seltener, ja 
sogar nur einmal im Jahre zur hl. Kommunion ging. Der egyptisehe 
Mönch Theonas tadelt solche Handlungsweise, selbst wenn dieselbe 
nicht aus Geringschätzung, sondern aus dem Gefühle der Qnwürdig* 
keit hervorginge. Er erklärt (Gassian, coli XXIII, 21): »Wir dürfen 
uns nicht deshalb, weil wir uns als Sünder erkennen, vom Tische 
des Herrn verbannen, sondern müssen zu demselben mehr und mehr 
wegen der Heilung der Seele und der Reinigung des Geistes mit 
Sehnsucht hineilen, aber mit solcher Demut des Geistes und solchem 
Glauben, dass wir uns des Empfanges einer so grossen Gnade für 
unwürdig halten und mehr nur die Heilmittel für unsere Wunden 
suchen. Sonst dürfte man sich nicht einmal die jährliche Kom- 
munion herausnehmen, wie einige Klosterleute thuen, welche die den 
himmlischen Geheimnissen entsprechende Würdigkeit, Heiligkeit und 
Yerdientheit so bemessen, dass sie glauben, dieselben seien nur 
Heiligen and unbefleckten gestattet, statt dass sie uns vielmehr 
durch ihren Empfang heilig und rein machen. Wahrhaftig, diese 
fallen in eine viel grössere Keckheit der Anmassung, als sie zu ver- 
meiden wähnen, weil sie dann, wenn sie dieselben gemessen, sich 
dieses Genusses sogar für würdig halten. Denn es ist viel gerechter, 
dass wir uns an den einzelnen Sonntagen diese hochheiligen Ge- 
heimnisse zur Abhilfe in unseren Krankheiten gestatten, mit jener 
Demut des Herzens, in der wir glauben und bekennen, dieselben nie 
durch unser Verdienst erlangen zu können, als in eitler Oberhebung 
und Aufgeblasenheit des Herzens sich , wenn auch erst nach einem 
Jahre, dieser Gemeinschaft für würdig zu erachten.c 

In der neuesten Literatur über die Bussdisciplin im christ- 
lichen Altertum >) sind die Angaben , welche sich hierüber in den 



1) In einem anf Grand der Tradition orientalischer Kldster dem Antonius 
zngeschriebenen Briefe (ep. 17 bei Galland, Vetenim Patmm bibl. IV, 686) heisst 
es, dass die, welche ihre Seele vernnreinieen, das Brot des Lebens nicht 
emp&ngen könnten ; Jesaias hätte Gott erst dann sehen nnd weissagen können» 
nachdem ihn ein Engel mit gltthenden Kohlen gereinigt hätte. Probst (Li- 
turgie des 4. Jahrh., Münster 1898, S. 122) bemerkt hierzu, dass nach Origenes 
in der alezandrinischen Liturgie der Kommunion ein Gebet Torausging, Gott 
möge die Gläubigen reinigen, wie ein Seraph den Propheten Jesaias mit einer 
glünenden Kohle reinigte. 

2) Funk, Kirchengeschichtliche Abhandlungen und Untersuchungen, 
L Bd. 1897, S. 155 fEl; Batiffol, Etudes d*histoire et de th^ologie positiTC, 
Paris (Lecoffre) 1902, S. 45 ff. ; Moll, Enthusiasmus und Bussgewalt beim 

S riech. M9nchtum, Leipzig 1898, S. 138 ff. Vgl. dazu Ermoni^ La penitence 
ans Thistoire, ä propos d*un livre r^nt (Beyue des questions historiques, 
1900, p. 5-55). 
Schiwietz, Mönohtnm. 21 



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822 Rückblick auf das egypt. MOnchtum des 4. Jahrfu 

Quellen des egyptiscben Mönchtams finden, noch nicht zur Erörterung 
gelangt. Im Folgenden soll nun der Versuch dazu gemacht werden. 
Im zweiten Jahrhundert sprachen gewisse enkratitisch gesinnte 
Eteise innerhalb der christlichen Gemeinschaft denjenigen, die nach 
der Taufe sich der Idololatrie, der Unzucht und des Mordes, d. h. einer 
der sog. drei Eapitalsünden schuldig machten, das Heil ab und er- 
klärten, es gäbe für die fraglichen Sünder keine Busse (Exomologese) 
mit Aussicht auf Vergebung. Die katholische Kirche erkannte auch 
diesen Sündern gegenüber die Wirksamkeit der Busse an. Aller- 
dings machte sie aus pädagogischen und disciplinären Bücksichten 
hierbei einen doppelten Vorbehalt. Es wurde von der Kirche erstens 
diesen Kapitalsündern nur eine einmalige Busse nach der Taufe ge- 
stattet. Der zweite Vorbehalt war folgender. Die Kirche gewährte 
diesen reuigen Sündern, welche sich der öffentlichen Busse (Exo- 
mologese) unterwarfen, zeitlebens keine Bekouciliation , aber sie er- 
klärte, dass diese dauernde Bussleistung in foro ecclesiae die Ver- 
gebung der Sünde bei Gott sicher erwirke. Tertullian bezeugt in 
seiner aus der katholischen Periode stammenden Schrift de poeni- 
tentia diese öffentliche Busse in der Kirche und lehrt ausdrücklich, 
dass die Kapitalsünder, die sich der erwähnten Busse unterwerfen, 
sicher der Vergebung ihrer Sünde bei Gott teilhaftig würden, da 
durch das diesen Sündern von der Kirche bekundete Mitleid Christus, 
der Fürsprecher bei Gott dem Vater, sicher sich erweichen lasse, 
während er später als Montanist (vgl. die Schrift de pndicitia) die 
Kapitalsünden als unvergebbar und die Fürsprache Christi zu 
Gunsten solcher Büsser als fraglich bezeichnet. Zu Anfang des 
dritten Jahrhunderts Hess die Kirche von ihrer früheren Strenge 
nach und hob das von ihr statuierte Reservat den veränderten Zeit- 
verhältnissen entsprechend auf. Zuerst wurde das Reservat bezüglich 
der ünzuchtssünden vom Papste Callistus aufgehoben und den frag- 
lichen Sündern nach Leistung einer proportionierten öffentlichen Busse 
die Rekonciliation oder die Aufnahme in die christliche Gemeinschaft 
gewährt. Diese Milderung wurde dreissig Jahre später vom Papste 
Cornelius und bald darauf vom Bischof Cyprian in Karthago auf die 
Idololatren und im vierten Jahrhundert auch auf die Mörder unter 
ähnlichen Bedingungen ausgedehnt. Der Bericht des Eusebius (bist, 
eccl. VI, 44) über den Büsser Serapion, der zu der Kategorie der 
Lapsi gehörte, zeigt, dass der alexandrinische Bischof Dionjsius 
(248 — 264) die Anordnung traf, den sterbenden lapsi, wenn sie 
darum bäten, und besonders wenn sie schon früher darum gefleht 
hätten, die Lossprechung zu erteilen, damit sie in guter Hoffnung 



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Rückblick auf das egypt. Mönchium des 4. Jahrlu 323 

aus dem Leben scheiden könnten, und Origenes, der allerdings 
strenger darüber arteilte, bezeugt in seiner Schrift De oratione e. 28, 
^ass einige Bischöfe den Idololatren, Ehebrechern und unzüchtigen 
die Lossprechung gewährten. Immerhin ist zu beachten, dass auch 
im dritten Jahrhundert eine völlige Einheitlichkeit in der Behand- 
lung der Kapitalsünder noch nicht bestand , und dass besonders die 
Afrikaner ihrem Charakter entsprechend in der Bussdisciplin sich 
durch Rigorismus hervorthaten. 

In den Kreisen der egyptischen Mönche, bei denen der christ- 
liche Idealismus so grosse Triumphe feierte und die sich als frei- 
willige Süsser in heroischen Bussakten erschöpften, herrschten noch 
im vierten Jahrhundert die strengen und dem Oeiste des zweiten 
christlichen Jahrhunderts entsprechenden Ansichten über die Buss- 
disciplin vor. Ja , manche unter ihnen schienen in ihrem übel ver- 
standenen Konservativismus zu glauben, dass es für die fraglichen 
Sünder kein Heil mehr gäbe» Wenigstens wird berichtet (s. oben 
S. 250 f.), dass Pachomius, der auch reuigen Sündern mit einer be- 
fleckten Vergangenheit Aufnahme in seine Klöster gewährte, das 
Vorleben derselben der Allgemeinheit seiner Mönche nicht mitzu- 
teilen pflegte, weil sich die letzteren schwerlich dazu verstanden 
hätten, mit jenen ein gemeinschaftliches Leben zu führen. Gar 
mancher, der ein bewegtes Leben hinter sich hatte, suchte bei 
den Mönchen seine Zuflucht. Die einen von diesen waren aller- 
dings noch Heiden und wurden nach Absolvierung des Katechumenats 
durch das Bad der Wiedergeburt gereinigt. Aber es gab auch 
Christen, die nach einem schweren Sündenfall in den Mönchsge- 
genossenschaften ein Büsserleben führen wollten. Verschiedene 
Episoden aus den egyptischen Mönchsgeschichtsquellen legen einer- 
seits nahe, dass die Frage nach dem Schicksale der unglücklichen 
Mitbrüder in jenen Kreisen viel besprochen wurde, anderseits zeigen 
sie, dass die Koryphäen unter ihnen dem Rigorismus einzelner, der 
an Montanismus und Novatianismus streifte, Einhalt thaten. 

Das interessanteste Dokument in dieser Beziehung findet 
sich in dem schon oft erwähnten Briefe, in welchem der Bischof 
Ammon dem Patriarchen Theophilus von Alexandrien über seinen 
ehemaligen Aufenthalt im pachomianischen Kloster Pheböu Bericht 
erstattet hat. Der Bischof erzählt (c. 19 u. 20), dass er sich einst 
als pachomianischer Mönch mit dem damaligen Oeneralabt Theodor 
auf einer Nilinsel befand, und dass der Generalabt um die achte 
Stunde des 22. Novembers des Jahres 353 (354) die dort beim 
Holzsammeln beschäftigten Mönche, hundert an der Zahl, um sich 

21* 



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324 Rückblich auf das egypt Mönchtum des 4» Jahrh. 

versammelte and Folgendes sprach : »Schon lange habe ich euch mit-- 
zuteilen, was Oott mir geoffenbart hat, and er hat mir aufgetragen, 
nicht länger darüber zu schweigen. Es ist aber Folgendes. Viele 
von denen, die nach der Taufe gesündigt haben, — fast au allen' 
Orten, wo der Name Christi verkündigt wird — haben den aposto- 
lischen Glauben bewahrend geweint über ihre Sünde, und der Herr 
hat ihre aufrichtige Busse angenommen und ihre Sünde getilgt. Ihr 
also, die ihr bis heute über die Fehltritte nach dem Taufbunde auf- 
richtig geweint habt, wisset, dass ihr Verzeihung erlangt habt.. 
Möge darum jeder von euch die Barmherzigkeit Gottes preisen, in- 
dem er spricht: Du hast meine Klage in Freude verwandelt, meiO' 
Trauerkleid gelöst und mich mit Freude umgürtet (Ps. 29, 12)«^ 
Bald darauf schickte Theodor einige Mönche , um nach ihren Mit- 
brüdern auszuschauen, die aus Alexandria erwartet wurden und an^ 
der Insel vorbeisegeln mussten. Diese brachten dem Generalabte^ 
einen Brief des Antonius , den sie unterwegs besucht hatten. Auch 
dieses Schreiben behandelte das obige Thema, und es ist möglich,, 
dass Theodor seine Mönche beauftragt hatte, über die Streitfrage 
die Ansicht des Vaters der Eremiten einzuholen. Der nun vor der 
versammelten Korona verlesene Brief lautete: »Ich wusste, dass^ 
Gott schwerlich eine Sache thut, ohne die Belehrung hierüber seinen 
Dienern, den Propheten, zu enthüllen. Ich glaubte, es nicht mit- 
teilen zu dürfen, was der Herr mir vor langem geoffenbart hat. Da 
ich nun deine Brüder sah, befahl er mir zu schreiben, indem er 
kundthut, dass viele von denen, die Christus in Wahrheit anbeten,, 
nach der Taufe gesündigt, fast in der ganzen Welt, und geweint 
und bereut haben, und dass Gott ihr Weinen und ihre Busse ange- 
nommen und die Sünden aller derjenigen getilgt hat, die so bis zu 
jenem Tage, an dem dieser Brief dir übergeben wird, gehandelt 
haben. Lies diesen Brief den Brüdern vor, damit auch sie sich darüber 
freuen.c Hierauf warfen sich alle Anwesenden auf ihr Angesicht 
nieder, und wir weinten so, schreibt Ammon zum Schluss, vor dem 
Angesichte Gottes ^ bis der anwesende Priester das Gebet beschloss,. 
worauf Theodor noch erklärte: »Glaubet mir, dass sich der ganze 
Himmel über dieses euer Seufzen gefreut hat. Gott hat eure Bitte- 
gehört, und die Sünden einiger von uns Mönchen, die hier so bitter 
geweint haben, getilgt; er hat uns zu Gunsten dieser Mönche, die 
er vorausgekannt hat, so gesprochen, wie ich es euch sagte, und 
wie unser Vater Antonius es schrieb.c Die Entscheidung über die^ 
Kraft der Busse ist hier, ähnlich wie in dem Pastor Hermae, in 
eine apokalyptische Form gekleidet. Die Glaubwürdigkeit der Privat- 



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Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4, Jahrh. 325 

Offenbarung des Generalabtes Theodor wird den Mönchen bestätigt 
durch das prophetische Votum des grossen Antonius. Die beiden 
Mönche, deren charismatische Oaben in der egyptischen Mönchs- 
literatur gerühmt werden, erscheinen nicht als Vergeber der 
Sünden; sie erklären vielmehr nur, sie seien in Betreff einiger, 
die nach der Taufe ihre Seele befleckt hatten und nun in 
der Einsamkeit der Klosterzelle Busse thaten, der Offenbarung ge- 
würdigt worden, dass ihre Busse von Gott angenommen sei. Die 
zum Schluss geschilderte Scene, das Sichniederwerfen aller Mönche, 
von denen die einen ihre Sünden beweinen, die anderen als Für- 
sprecher derselben erscheinen, das Auftreten des Priesters, der durch 
oin Gebet diesen Bussakt beschliesst, erinnert lebhaft an die Exomo- 
logese, wie sie zu Zeiten TertuUians bei den gottesdienstlichen Ver- 
sammlungen gebräuchlich war: »Presbyteris advolvi, et caris Dei 
adgeniculari , omnibns fratribus legationes deprecationis suae iniun- 
gere : haec omnia exomologesisc (De paenitentia IX, 3 f.). Vgl. auch 
Eusebius, h. eccl. V, 32. 

So sehr aber die Kraft der Busse betont wurde, so blieb doch 
in den egytischen Mönchskreisen jene Bussdisciplin , wie sie im 
zweiten Jahrhundert üblich war, noch bestehen. Ein Mönch, der 
wegen seines Hochmuts von Pachomius oft zurechtgewiesen worden 
war, geriet anlässlich einer Arbeit ausserhalb des Klosters in die 
Gewalt der heidnischen Blemmyer. Durch deren handgreifliche 
Drohungen eingeschüchtert, nahm er mit ihnen teil an einem Götzen- 
opfer. Voll Verzweiflung kehrte er zu Pachomius zurück. Dieser 
gab ihm eine scharfe Zurechtweisung, erklärte aber schliesslich: 
»Du hast dich von Gott zu trennen nicht gescheut; aber wir haben 
einen gütigen Herrn, der seinen Groll nicht ewig den Sündern 
zeigen will, sondern barmherzig ist und alle unsere Sünden in den 
Abgrund des Meeres versenken kann. Wenn du wenigstens jetzt 
auf mich hörst, so hast du noch Hoffnung auf Vergebung.c Pacho- 
mius befahl ihm, sich an einen abgelegenen Ort zurückzuziehen, 
keinen Verkehr mit Menschen zu unterhalten» sondern streng zu 
fasten, harte Handarbeit zu verrichten und sich im Gebet und in Nacht- 
wachen zu üben. Der Sünder befolgte dies alles, erhielt nur von 
Zeit zu Zeit in seiner Klause Besuche seitens einiger bejahrter 
Mönche, die ihn in seinem Vorsatz bestärkten, und starb nach einem 
zehnjährigen Bussleben. ^) Einen ähnlichen Fall berichten die Apoph- 
thegmata Patrum >). Ein Mönch, der in eine Sünde gefallen war, 



li 



Paralipomena de s. Pachomio etc. c. 8—11, G. 54. 
Migne 8. gr. t. 65 col. 256, 253. 



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326 Rückblick auf das egypt. Mönchtwm des 4, Jahrh. 

kam ganz verwirrt zam Abte Lot, der im arsinoitischen Gau lebte«. 
Lot sagte zu ihm: »Was ist dir, Bruder ?€ Jener erwiderte: »Ich 
habe eine grosse Sande begangen und vermag nicht, sie den Vätern 
zu offenbaren.c Lot spirach ihm Mat zu: »Bekenne sie mir, und 
ich werde sie tragenc (xi^o) ßaoTofCo) a&TTjv). Da erklärte jener: 
»Ich bin in, Unzucht gefallen und habe an einem Oötzenopfer teil- 
genommen, um die Gelegenheit daza zu erlangen c (sl<; icopvetav 
iireoov xal Iduoa to5 Tü^elv xoo irpayjuiaTOc). Lot erklärte nun 
dem Sdnder: »Habe Mut; denn es gibt eine Bnsse (fiSTctvota). Oeh^ 
zieh dich zurück in die Höhle, faste je zwei Tage, und ich werde 
die Hälfte der Sunde tragen.« Nach Verlauf von drei Wochen er- 
hielt Lot die Oewissheit (l7cX7]po<popi]07]) , dass Gott die Busse de» 
Bruders angenommen hatte. Und der Büsser verblieb dem Lot 
unterstellt bis zu seinem Tode. In beiden Fällen handelt es sieb 
also um die schwersten Vergehen, d. i. um die sog. Eapitalsündeu. 
Wie im zweiten Jahrhundert die öffentliche Busse, so erscheint hier 
die lebenslängliche Busse des Sünders in der Höhle als wirksam, 
bei Gott Vergebung zu erlangen. Von einer schliesslichen Bekon- 
ciliation ist keine Rede^). Was aber das Suffragium (ßaatceCci)) und 
die Erkenntnis des göttlichen Willens bezüglich der Büsser anlangt, 
80 hat es damit dieselbe Bewandtnis, wie mit den analogen Erschei- 
nungen zur Zeit der Märtyrer*), 

Es ist in den Apophthegmen öfters die Bede davon, dass die 
Mönche Bussen für ihre Fehltritte verrichteten. Doch ist die Be- 
urteilung dieser Bussen schwierig, da die Sünden meist nicht speziali- 
siert sind. Jedenfalls darf man auch bei schweren und lang dauern- 
den Busswerken nicht gleich annehmen, dass es sich hierbei um 
ganz schwere Sündenfälle handelte. Der Pachomianer Theodor, der 
auf Zureden der Mitbrüder der eitlen Begierde nach der Abtwürde 
nachgab, büsste diesen Fehltritt zwei Jahre lang in einer abgeson- 
derten Zelle (C 68 f.). Ein Mönch sah einmal jemanden an einem 
Freitage schon am frühen Morgen essen und sprach zu demselben: 
»Wie kannst du heute am Freitage um diese Stunde essen ?€ Für dieses 
freventliche Urteil that der Mönch zwei Wochen lang Busse und bat 
noch einen Mitbruder um Unterstützung durch sein Suffragium (labora 
mecum duas hebdomadas et rogemus deum, ut mihi indulgeat) ')• 

1) Vgl. die Busse der von dem Häresiarchen Markus entführten FhiUt 
die nach ihrer Bekehrung die eanze übrige Lebenszeit in der Exomologese zu* 
brachte (tbv aTcav-ua /pövov ISo[jLoXoY'ou(jL^vr| $istA£<ts) trauernd und weinend über 
die ihr angethane Schändung (Iren. ady. haer. I, 13). 

2) Vgl. Schanz f »Absolutionsgewalt in der alten Kirche« in der TheoL 
Quartalschrift 1897 S. 27 ff.; ßatiffol a. a. 0. S. 88 f., 100 f., 116 ff. 

3) Rosweyd, vitae Patr., Migne s. 1. t. 78 col. 911 ff. 



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Rückblick auf das egypt. Mönchtutn des 4. Jahrh. 327 

In den ersten christlichen Jahrhunderten war es nicht üblich, 
die lässlichen Sünden dem kirchlichen Bnssgericbte za unterwerfen, 
und es werden von den zeitgenössischen Schriftstellern ^) verschiedene 
Mittel zur Sühnung derselben angegeben. Indes bestand bei' den 
ägyptischen Mönchen eine Art ascetische Beicht, die man auch vor 
Laienmönchen ablegte. Man eröffnete seinen Gewissenszustand be- 
währten Mönchsvätern und teilte ihnen die innersten Herzensregungen 
und Versuchungen mit, denen man ausgesetzt war, um durch sie 
eine Anleitung zur Bekämpfung der Leidenschaften zu erlangen. 
Dies bezeugt Bufinus, Palladius und Cassianus (s. ob. S. 277 Note 2 
u. 3). Der pachomianische Generalabt Theodor erfreute sich in dieser 
Beziehung eines ganz besonderen Vertrauens seitens der ihm unter- 
stellten Mönche. Keiner unter den Brüdern unterliess es, ihm seinen 
Seelenzustand im geheimen zu offenbaren, und der Generalabt lehrte 
die Mönche, wie ein erfahrener Arzt, den fremdartigen Logismen zu 
widerstehen. Er verbot zwar das öffentliche Bekenntnis solcher Ver- 
gehungen vor der ganzen Gommunität, empfahl aber es vor bewährten 
Mitbrüdern zu thuen'). 

In der sketischen Wüste bestand die Sitte, über etwaige Fehl- 
tritte eines Mönches ein Synedrium abzuhalten. In den Apoph- 
thegmen^) heisst es: »Einst wurde in der sketischen Wüste wegen 
eines Bruders, der gesündigt hatte, ein Synedrium abgehalten. Die 
Väter sprachen liin und her, der Abt Pior aber schwieg. Dann 
ging er hinaus, füllte einen Sack mit Sand und lud ihn auf seine 
Schultern. Hierauf schüttete er etwas Sand in ein Körbchen und 
trug es vor sich her. Auf die Frage der Väter, was dies bedeute, 
antwortete er: »Der Sack, in dem der viele Sand ist, sind meine 
Sünden, weil es so viele sind, und ich trage sie hinter mir, um sie 
nicht abbüssen und zu beweinen zu brauchen, und siehe, die 
Kleinigkeiten meines Bruders sind vor mir, und ich schaue darauf 
und urteile über ihn. Das soll nicht sein; ich soll vielmehr meine 
eigenen Sünden vor mir haben, darauf acht geben und Gott um Ver- 
zeihung bitten.€ Da erhoben sich die Väter und sprachen: »Ja, das 
ist der Weg des Heiles.c Pior billigt es also nicht, dass im Namen 
der Gommunität einem Mönche eine öffentliche Busse auferlegt werde, 
das Synedrium sei nicht der Richter des Gewissens. Ahnlich tadelte 
Makarius der Egypter den gleichnamigen Alexandriner, der zwei 



1) Cassiafif coli. XX, 8. Vgl. aach Origenes, In Lenticam hom. II, 4 
(Migne s. j^r. I. 12 col. 418). 

2) C 85. Ar 678; ep. Ammon. c. 12. 

3) Migne s. gr. t. 65 col. 373 f. Vgl. aach col. 281 f. 



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d28 Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4, Jahrh, 

Mönche wegen eines Fehltrittes auf Orund einer falschen Anklage 
aas der Mönchsgemeinschaft ausgeschlossen hatte <). Auch Mönchs- 
priester scheinen in solchen Fällen zu weit gegangen zu sein. Als ein 
Mönch, der gesündigt hatte, von einem Priester aas der Kirche aus- 
gewiesen wurde, erhob sich der Abbas Besarion, ging mit ihm hin- 
aus und sprach: »Auch ich bin ein Sfinderc^) 

Der letzterwähnte Fall zeigt, dass die Priester, welche den 
Gottesdienst in der Wüste besorgten, als Richter über die Sünden 
der Mönche auftraten. An einer anderen Stelle*) wird ?on dem 
Mönch Poemen der Priester als die letzte Instanz bei der brüder- 
lichen Zurechtweisung bezeichnet. In der Historia Lausiaca c. 7 
wird berichtet, dass in der nitrischen Kirche ein Priester unter 
Assistenz von sieben anderen Amtsgenossen das eucharistische Opfer 
darzubringen, das Urteil zu sprechen (dixaCet) und die Homilie za 
halten pflegte. Allerdings könnte man auf den Gedanken kommen, 
dass das »dtxofCstvc sich auf die im selben Kapitel einige Zeilen vor- 
her erwähnte Geisseistrafe bezieht, die in Nitria gegen allerlei Delin- 
quenten, Mönche, Fremde und etwaige Räuber verhängt wurde. In- 
des ist ein Zusammenhang zwischen den beiden Thatsachen durch 
den Text nicht nahegelegt. Ausserdem kommt das Wort »dixaCetv« 
im kirchlichen Sinne in den Apostolischen Constitutionen (II, 33, 
vgl. auch II, 13) vor, wo das vom Bischof in der christlichen Ge- 
meinde ausgeübte Bassgericht als »dixaCetv xov)C ijiüiaptT^xoTac« be- 
zeichnet wird. Dje Priestermönche wachten auch über den würdigen 
Empfang der hl. Communion seitens der Mönche und drangen auf 
vorausgehende Reinigung der Seele durch die Busse. Rufin (bist, 
mon. c. 20) schreibt von dem Priester Dioskorus in der Thebais: 
»Dieser hatte in seinem Kloster etwa hundert Mönche und wandte, 
so viel wir sahen , zur Zeit , wo man zur hl. Communion ging, den 
grössten Fleiss an, auf dass keiner von denen, die hinzutraten, irgend- 
eine Sündenmakel in seinem Gewissen mitbrächte. Seine Sorge war 
so gross, dass er sie sogar an das erinnerte, was den Menschen im 
Traume zu begegnen pflegt. c Besonders wird die charismatische 
Gabe des Priestermönches Eulogius gerühmt, »der bei der Dar- 
bringung der Sakramente eine so grosse Gnade von dem Herrn em- 
pfangen hatte, dass er die Verdienste und Sündenschulden eines 
jeden, der zum Altare Gottes hinzutrat, erkannte. Er hielt einige 
von den Mönchen, die zur Communion gehen wollten, zurück mit 



1) Apophth. Patr., Migne 1. c. col. 269 f. 

2) Ebend. col. 141. ' 

3) Ebend. col. 359. 



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. Rückblick auf das egypU Mönchtum des 4. Jahrh. 329 

den Worten: »Wie wagt ihr zu den hl. Sakramenten hinzuzutreten, 
da euer Geist und Vorhaben böse ist?« Ferner sagte er: »Du hast 
heute Nacht unkeusche Gedanken gehabt. Du aber hast in deinem 
Herzen gesprochen: »Es ist kein Unterschied, ob jemand als ge- 
recht oder als Sünder zu den Sakramenten hinzutretet Ein an- 
derer aber hatte einen Zweifel im Herzen und sagte: »Wie kann 
mich denn die Communion heiligen?« Alle diese hielt er von der 
hl. Communion zurück und sagte ihnen: »Bleibet einige Zeit zurück 
und thuet Busse, damit ihr, gereinigt durch Genugthuung und 
Tbränen, der Communion Christi würdig gehalten werdet^).« Da in 
dem Bericht die ganz besondere Sorgfalt des Eulogius in der Seelen- 
leitung henrorgehoben wird, so handelte es sich wohl nicht um schwere 
Vergehungen gegen den Glauben und die Keuschheit, sondern um 
geringere Verfehlungen, voü denen auch Cassian (coli. XXH, 13: »ad 
punctum in fidei theoria aliquid haesitare« und coli. XXI, 11 : »aut 
enim per ignorantiam aut per oblivionem aut per cogitationem aut 
per sermonem aut per obreptionem aut per necessitatem aut per fragi* 
litatem carnis, singulis diebus vel in?iti vel volentes, frequenter incurri- 
mus«) redet. Sozomenus (hist. eccl. VI, 28) endlich erzählt, dass die 
beiden Priester Johannes und Piammoo, welche Leiter von Monasterien 
bei Diolkos waren, mit sehr grosser Sorgfalt ihres priesterlichen Amtes 
walteten, und fügt folgende Legende hinzu: »Es wird erzählt, dass 
Piammon einmal, als er seinen heiligen Dienst versah, beim Altare einen 
Engel sah, der die anwesenden Mönche in ein Buch aufschrieb, die 
abwesenden dagegen daraus strich.« Die griechische Becension der 
Historia monachorum stimmt hierin mit Sozomenus überein, nur fügt 
sie noch hinzu, dass die Absenten nach dreizehn Tagen starben^). 
Dagegen lautet in der Bufinschen Historia monachorum (c. 32) die 
Legende anders. Als Piammon einmal, heisst es, dem Herrn das 
Opfer darbrachte, erblickte er an der Seite des Altares einen Engel, 
der die Namen der Mönche, die sich dem Altare näherten, in ein 
Buch aufschrieb , während er die Namen einiger nicht aufschrieb. 
Nach Beendigung der Mysterien rief er alle jene Mönche zu sich, 
deren Namen von dem Engel nicht aufgezeichnet worden waren, 
forschte nach, welcher Sünde sie sich im Geheimen schuldig ge- 
macht hätten, und fand, dass sie alle eine Todsünde auf dem Herzen 
hatten. Dann ermahnte er sie, Busse zu thun, warf sich mit ihnen 
vor dem Herrn nieder und weinte mit ihnen Tag und Nacht, als 



1) HuflUy hist. iQon. c. 14, griech. Becension, bei Preuschen S. 77 f., 
Sozomenus, hist. eccl. VI, 28. 

2) Preuschen S. d4 f. 



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330 Rückblick auf das egypt, Mönchtum des 4, Jahrh. 

wenn er selbst schuldig wäre, und verblieb mit ihnen so lange in 
der Uusse, bis er sah, dass derselbe Engel erschien, die Namen aller 
aufschrieb und nachher auch jene mit Namen rief und zum Tische 
des Herrn einlud. Als der Oreis dies bemerkte, erkannte er, dass 
ihre Busse angenommen worden sei und so Hess er sie voller Freude 
wieder zum Tische des Herrn zu. Die Divergenzen zwischen der 
lateinischen Historia monachorum einerseits und der griechischen 
Becension (und der syrischen Übersetzung und dem Berichte des Sozo- 
menus) anderseits ist ein bisher ungelöstes Rätsel. Sieht man jedoch 
davon ab, welcher Form der Piammon-Legende die Priorität zukomnoie, 
und entkleidet man den Bufinschen Bericht des legendarischen Bei- 
werks, so ergeben sich aus dem letzteren drei Phasen des Bussgerichts: 
1) unumquemque eorum seorsum vocans percontatur, quid eis in oc- 
culto peccati fuisset admissum, et invenit ex confessione unumquem- 
que eorum mortalis peccati obnoxium, 2) hortatur eos agere poeni- 
tentiam, et semetipsum cum eis ante Dominum prosternens, die ac 
nocte tamquam ipse in eorum peccatis esset obnoxius, flebat, 3) eos 
altari tota cum gratulatione restituit. Die Voraussetzung des Bufin- 
schen Berichtes ist aber die, dass den betreffenden Mönchen, sei es 
mit oder ohne ihre Schuld, die subjektive Erkenntnis der nicht näher 
bezeichneten Todsünde abging. Ein Bericht üassians (coli. XVIII, 15) 
zeigt aber, dass die sketischen Mönche auch für solche Sünden, die 
zwar nicht zu den Kapitalsünden gehörten, aber doch ein öffentliches 
Ärgernis erregten, unter der Aufsicht des an der Kirche fungieren- 
den Mönchspriesters eine öffentliche Busse, bestehend in verstärktem 
Fasten, Entziehung der am Samstag und Sonntag üblichen Kom- 
munion, im Sichniederwerfen am Eingang der Kirche angesichts der 
zum Gottesdienste erscheinenden Mitbrüder und in der demütigen 
Bitte um Vergebung, leisteten. Wie schliesslich die in Gemein- 
schaft lebenden Mönche die Übertretung der Klostersatzungen durch 
eine Busse vor dem Konvent sühnten, ist schon früher (siehe oben 
S. 219 ff.) besprochen worden. Vgl. auch Gassian, De coenobiorum 
institutis II, 15—16, IV, 20. 

§ 10. Das Mönchtum und die GlaubensstreitigJceiten. Die dog^ 
malischen Anschauungen der koptischen Mönche. 

Die Entfaltung des egyptischen Mönchtums iUllt gerade in jene 
Zeit, wo man mit Hilfe der Staatsgewalt dem Arianismus in der 
Christenheit Geltung zu verschaffen suchte. Die Gesamtheit der 
Mönche hielt jedoch zähe an den Beschlüssen des nicänischen Con- 
cils fest, und hervorragende Vertreter derselben, wie Antonius und 



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Rückblick auf das egypt, Mönchtum des 4, Jahrh, 331 

Pambo, legten für diesen Glauben in Alexandria Zeugnis ab i). Diese 
Thatsachen konnten naturlich den Arianern nicht unbekannt bleiben. 
Während der Regierung des Kaisers Constantius wird eine zweimalige 
Verfolgung berichtet. In der ersten, die mit der Einfuhrung des 
Staatsbischofs Gregorius in Alexandria (i. J. 339) begann, wurden 
allerdings nur die Asceten und gottgeweihten Jungtrauen dieser 
Stadt misshandelt und getötet«). Dagegen erstreckte sich die 
zweite Verfolgung (seit dem Jahre 356) auch auf die Mönche in der 
Wüste. Da nämlich die kaiserlichen Befehlshaber Athanasius da- 
selbst nicht auffinden konnten, so mussten die Mönche dafftr büssen'). 
Der Kaiser Valens, ein fanatischer Arianer, wurde in den ersten 
Regierungsjahren durch Valentinian ü. (gest. 17. Nov. 375) einiger- 
massen zurückgebalten, seine feindselige Gesinnung gegen die Katho- 
liken zu offenbaren. Indes erliess er im Jahre 373 ein Gesetz, das 
unter dem Scheine des Rechts die Mönche zu ihrem früheren welt- 
lichen Berufsleben zwingen sollte*). Dieses Gesetz gelangte jedoch 
erst drei Jahre später unter Anwendung von Gewalt zur Ausführung. 
In demselben Jahre, in dem dieses mönchsfeindliche Gesetz erlassen 
wurde, starb Athanasius. Petrus, der Genosse seiner Arbeiten, wurde 
von den benachbarten Bischöfen auf Verlangen der Mönche, die 
dieserhalb nach Alexandria gekommen waren ^), zu seinem Nach- 
folger gewählt, jedoch bald von dem arianischen Bischof Lucius ver- 
drängt«). Dieser Pseudobischof fand in Alexandria grossen Wider- 
stand, wütete gegen Klerus und Volk und erhielt auf seinen Antrag hin 
ein kaiserliches Dekret, demgemäss die Anhänger des nicänischen Con- 
cils auf seinen Antrag hin aus Alexandria und ganz Egypten verbannt 
werden sollten. Er sah jedoch ein, dass der Sieg des Arianismus 
nur durch die Gewinnung der Mönche möglich sei. Denn das Volk, 
das über die Dogmen weder disputieren wollte noch konnte, giaubtev 
dass die Wahrheit bei den Mönchen sei, welche die Tugend auch 
durch Thaten bekannten. Als alle Überredungskünste gegenüber den 
Mönchen misslangen, unternahm Lucius mit dem dux Aegypti und 
grossem Truppenaufgebot eine Expedition gegen sie in die nitrisch- 
sketische Wüste. Trotz aller Grausamkeiten jedoch blieben die 



1) Sozomenus III, 13; vgl. auch ob. S. 73. 

2) Athanasii Apol. contra Arianos c. 30, Historia Arian. a 12, Epist. 
encjclica c. 3. 

8) S. ob. S. 66 u. 309. 

4) Ueber dieses Gesetz vgl. den folg. §. 

5) Theodoret, h. eccl. IV, 17. 

6) Für das Folgende vgl. Sozom. VI. 20, Socrates IV, 24, Rufin. h. 
eccl. II, 3 u. 4. — Tillemont, Mömoires pour servir ä Thist. eccl., Paris 
1702, t. VIII p. 606 s. 



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332 Rückblick auf das egypt, Mönchium des 4* Jahrh, 

Mönche standhaft. Diese Oewaltthätigkeiten , denen gleichfalls das 
«ben erwähnte mönchsfeindliche Gesetz als Basis diente, geschahen 
im Jahre 876. Die vornehmsten Mönche jener Wüste, die beiden 
Makarii, Isidorus, Heraclides und Parabo, worden nach einer egyp- 
tischen Insel verbannt, doch erhielten sie später von Lucius, der 
wegen dieser Gewaltthat einen Aufstand der Alexandriner be- 
fürchtete, die Erlaubnis, in die Wüste zurückzukehren. Die ge- 
nannten fünf Mönche waren indes nicht die einzigen, welche ver- 
bannt wurden. Der Mönch Piammon aus Diolkus erzählt (Cassian, 
«oll. 18, 7), dass unter Valens verschiedene Mitbrüder aus Egypten 
und der Thebais nach den Bergwerken von Pontus und Armenien 
verbannt wurden, und Palladius^) berichtet, dass damals, wie die 
ganze Stadt Alexandria wisse, die sog. vier langen Brüder Ammonius, 
Eathymius, Eusebius und Dioskorus in Nitria in Ketten gelegt und 
nach Diocaesarea in Palaestina deportiert wurden. 

Die tief im Süden der Thebais wohnenden Pachoroianer, deren 
Anhänglichkeit an Athanasius und den nicänischen Glauben in den 
Vitae Pachomii et Theodori wiederholt zum Ausdruck kommt, blieben 
unter Kaiser Valens unbehelligt, wogegen im Jahre 356 das Haupt- 
kloster Pheböou seitens des dux Artemius, der nach Athanasius 
forschte, Plackereien ausgesetzt war. (s. ob. S. 309.) 

So treu auch die Gesamtheit der Mönche zum nicänischen 
Glauben hielt, so scheint es doch unter ihnen meletianisch gesinnte 
Mönche, wenn auch in geringer Zahl, gegeben zu haben, und wie 
Antonius, so warnte auch Pachomius die Mönche vor diesen Schisma- 
tikern *). 

Gegen Ende des vierten Jahrhunderts s) wurde in den Kreisen 
der nitrisch-sketischen Mönche viel über die Frage gestritten, ob 
Gott ein körperliches Wesen sei und menschliche Gestalt habe oder 
unkörperlich sei und weder eine menschliche noch überhaupt eine 
körperliche Gestalt besitze. Der anthropomorphitischen Anschauung 
huldigten viele Mönche der sketischen Wüste, indem sie aus Einfalt 
und Unverstand die Stellen der hl. Schrift, wo von den Augen, 
Händen Gottes und dergleichen die Rede ist, in buchstäblichem 
Sinne nahmen. Die Mehrzahl der Mönche, namentlich die Nitrier, 
unter denen die sog. drei langen Brüder Ammonius, Ensebius und 



1) Dialogas de vita s. Joannis Chrysostomi c. 17; v^l. auch llist- 
Laus. c. 117. 

2) Vita AntoDÜ c. 89, Pachomiusvita C 21; Tgl. auch oben S. 62 n. 299 f. 

3) Socrates VI. 7, 9—15, 17; SoKom. VIII, 11—17; PaUädiua, dia- 
logas de Tita s. Joannis Chrysostomi c. 6 ff. — Vgl. dazu Tillemontf M^-» 
moires etc. t. XI p. 443 s. 



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Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4. Jahrh, 333^ 

Bythymius ^) durch Gelehrsamkeit und Tugend hervorragten, betonte» 
dagegen, dass diese Ausdrucksweise der hl. Schrift in metaphorischem 
Sinne zu nehmen sei, und beriefen sich hierbei auf die Schriftaus- 
legung des Origenes. Dadurch wurde die Gegenpartei gegen den 
literarischen Nachlass des letzteren überhaupt eingenommen. Cassian,. 
der sich gerade damals in der sketischen Wüste aufhielt, erzählt 
(coli. X, 2 u. 3), dass der Osterbrief des alexandrinischen Erzbischofs 
Theophilus vom Jahre 399, in welchem der Anthropomorphismu^ 
bekämpft wurde, eine grosse Erregung unter den dortigen Mönchea 
hervorgerufen habe. Man hielt den Erzbischof für einen Häretiker, 
da er leugne, dass Adam nach dem Bilde Gottes geschaffen sei. Der 
greise Mönch Serapion glaubte nicht mehr zu Gott beten zu können,, 
wenn ihm das anthropomorphitische Bild der Gottheit, das er^iclv 
beim Beten gewöhnlich vorgestellt hatte, genommen sei. Nur in 
einer der vier sketischen Kirchen wurde jener Osterbrief vorgelesen, 
und Paphnutius, der Priester jener Kirche, bemühte sich, die Mönche^ 
aufzuklären und wurde hierin von dem gelehrten Diakon Photinus,. 
der zufällig aus Kappadocien dahin gekommen war, unterstützt. 
Socrates und Sozomenus berichten noch mehr. Die anthropomorphi* 
tischen Mönche wären nun nach Alexandria gekommen, hätten das 
Volk gegen den Bischof als einen Gottlosen aufgehetzt und ihn mit 
dem Tode bedroht. Theophilus sei ihnen entgegengegangen und 
habe sie mit den Worten: »Ich sehe in euch das Angesicht Gottest 
zu beschwichtigen gesucht^ was die Mönche als in ihrem Sinne ge- 
sprochen auffassten. Ihr Zorn hätte sich aber erst gelegt, als der 
Bischof ihnen das Versprechen gab, die Schriften des Origenes, aus 
denen ihre Gegenpartei die Widerlegungsgründe gegen ihre Meiuung^ 
entnommen hätte, zu anathematisieren. Ob die Unruhen in dem Masse^ 
stattgefunden haben, wie es nach dem Berichte der beiden Kirchen- 
historiker scheinen möchte, muss dahingestellt bleiben, da weder 
Cassian noch ein anderer Schriftsteller derselben Erwähnung thuen. 
Theophilus war jedenfalls seinem Charakter nach nicht der Mann, 
der sich so schnell hätte ins Bockshorn jagen lassen, und es wäre 
ihm ein Leichtes gewesen, gegen die Tumultuanten den weltlichea 
Arm in Anspruch zu nehmen, wie er es schon früher anlässlich 
seines Vorgehens gegen die heidnischen Tempel und auch später^, 
wovon noch die Rede sein wird, gethan hat. Socrates und Sozomenus 
bemerken am Schluss der Darstellung jener Vorgänge, dass der ganze 
Streit vielleicht bald von der Bildfläche geschwunden wäre, wenn 

1) Der vierte Bruder Dioskoras war bereits Bischof der benachbartem 
Stadt Klein-Hermopolis. 



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334 Rückblieh auf das egypL Mönchtum des 4, Jakrh. 

nicht Theophilus denselben mehr aas persönlichen und auf einem 
anderen Gebiete liegenden Gründen als aas dogmatischem Interesse 
von neaem angefacht hätte. 

Die Beweggründe des Theophilus zu weiteren Feindseligkeiten 
gegen die Nitrier und insbesondere gegen die sog. vier langen Brüder 
waren aber folgende. Der alexandrinische Hospitalpriester Isidoras, 
den Theophilus im Jahre 397 — allerdings vergeblich — zum Pa- 
triarchen von Constantinopel zu machen sich bemüht und den er im 
folgenden Jahre mit einem wichtigen Auftrage nach Rom geschickt 
hatte, weigerte sich, dem Erzbischof zu Gunsten der Armen anver- 
traute Gelder zu übergeben, da er und die Spenderin befürchteten, 
dass dies Geld für unnötige Kirchenbauten verwendet werden würde. 
Aus diesem und noch anderen Gründen von Theophilus vertrieben, 
begab sich Isidorus nach Nitria, wo ihn die langen Brüder, die 
Gegner der Anthropomorphiten und Verehrer der Schriften des 
Origenes, freundlich aufnahmen und sich auch beim Erzbischof für 
ihn verwendeten. Das war jedoch, wie Socrates erzählt, nicht der 
einzige Grund, weshalb die Genannten beim Theophilus in Ungnade 
gefallen waren. Um dieselbe Zeit war es nämlich zweien von diesen 
vier Brüdern, Euthymius und Eusebius, die von Theophilus als 
Ökonomen der alexandrinischen Kirche angestellt worden waren, in 
der Nähe des Erzbischofs, der auf Geld grossen Wert legte, unheim- 
lich gworden, und sie hatten sich daher in die nitrische Wüste zu- 
rückgezogen. Theophilus, der anfangs glaubte, dass sie nur aus 
Sehnsucht nach ihrer früheren Klostereinsamkeit die Stadt zu ver- 
lassen wünschten, später aber den wahren Grund erfuhr, entliess sie 
nicht ohne Drohungen. Dioskorus, der Bischof von Klein-Hermopolis, 
war zwar bei den bisher erwähnten Händeln nicht direkt beteiligt, 
teilte aber als leiblicher Bruder der in Ungnade Gefallenen und als 
hochgeschätzter Bischof der nitrischen Mönche dasselbe Schicksal. 

Theophilus, der bis dahin den Schriften des Origenes zugethan 
war, eiferte nun in Wort und Schrift gegen die Verehrer der orige- 
nistischen Schriften auf Nitria und vergrösserte dadurch den Riss 
zwischen diesen und den anthropomorphitischen Mönchen der sketischen 
Wüste. Ja, er schickte an die benachbarten Bischöfe Briefe, worin 
er ohne Angabe eines Grundes befahl, die vornehmsten Mönche, 
d. i. die langen Brüder, vom nitrischen Gebirge zu verjagen. In- 
folgedessen erschienen einige Nitrier mit ihren Priestern in Alexandria 
und fragten Theophilus, warum sie verjagt und verurteilt werden 
sollten. Sie wurden hart behandelt, ja, Theophilus schlug sogar 
einen von ihnen, den Ammonius, ins Gesicht, wobei er zu ihm sagte: 



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Rückblick auf das egypL Mönchium des 4. Jahr tu 335 

»Häretiker, anathematisiere den Origenes.t So kehrten sie denn in 
ihre Einsamkeit zurück. Dies alles geschah in den Jahren 399 und 400. 
Im folgenden Jahre berief Theophilus die Nacbbarbischöfe nach 
Alexandria za einer Synode, auf der Ammonius nebst seinen Brüdern 
Eusebius und Euthymius ohne Verhör als der Häresie verdächtig ex- 
kommuniziert wurden, und begab sich mit bewaffneter Macht zur 
Vertreibung der Mönche in die nitrische Wüste. Nachdem er unter- 
wegs den Bischof Dioskorus von Klein-Hermopolis, den Bruder der 
Verurteilten, abgesetzt hatte, drang er ins nitrische Gebirge vor, über- 
liess die Monasterien seiner Horde zur Plünderung, und da er der 
langen Brüder, die sich in einem Brunnen versteckt hatten ^ nicht 
habhaft werden konnte, Hess er ihre Zellen nebst ihrer Bibliothek 
verbrennen. Nach der Abreise des Theophilus begaben sich die 
langen Brüder nach Palästina und mit ihnen dreihundert der besten 
Mönche; die übrigen zerstreuten sich in andere Gegenden. Da die 
langen Brüder auch in Palästina keine Buhe fanden, flohen sie mit 
etwa fünfzig Genossen nach Constantinopel (401), wo Chrysostomus 
sie freundlich aufnahm und bei Theophilus für sie Fürbitte einlegte, 
ohne sie jedoch in die Eirchengemeinschaft aufzunehmen. Theo- 
philus, der jede Versöhnung ablehnte, schickte Ankläger gegen die 
Mönche an den kaiserlichen Hof, worauf diese beim Kaiser Arkadius 
eine Klageschrift gegen Theophilus einreichten, was Chrysostomus 
nicht verhindern konnte. Theophilus, der nun vom Kaiser zur Ver- 
antwortung vor eine Synode geladen wurde, deren Vorsitz Chrysosto- 
mus führen sollte, verzögerte sein Erscheinen zwei Jahre lang und 
veranlasste den hochbetagten Bischof Epiphanius von Salamis, nach 
Constantinopel zu reisen und den Feldzug gegen die Origenisten vor- 
zubereiten. Hier erkannte Epiphanius, der sich anfänglich gegen 
Chrysostomus sehr voreingenommen zeigte, auf Grund einer Unter- 
redung mit den langen Brüdern, dass er als Werkzeug fremder 
Leidenschaft missbraucht werde, verliess die Residenz und starb auf 
der Heimreise (403). Bald darauf erschien Theophilus mit mehreren 
ägyptischen Bischöfen in Constantinopel, verband sich mit den per- 
sönlichen Feinden des Chrysostomus, zu denen auch die von letzterem 
beleidigte Kaiserin Eudoxia gehörte, und erhielt vom Kaiser die Ge- 
nehmigung zur Abhaltung einer Synode, auf der er nicht die Rolle 
eines Augeklagten, sondern die eines Richters über Chrysostomus 
übernehmen sollte. Auf der . zu diesem Zwecke bei Chalcedon (ad 
qnercum) berufenen Synode wurde über den Origenismus nicht mehr 
verhandelt. Ja, Theophilus söhnte sich sogar mit den nitrischen 
Mönchen aus, nachdem dieselben ihn um Verzeihung gebeten hatten. 



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336 Rückblick auf das egypt, Mönchtum des 4. Jahrh. 

Sozomenus meint, dass dies wohl nicht geschehen wäre, wenn 
Dioskoras und Ammonius noch am Leben gewesen wären. Dioskorua 
war nämlich schon früher gestorben, und Ammonius, der in einem 
Kloster zu Chalcedon schwer erkrankt war, starb noch während der 
Synode und erhielt wenigstens nach seinem Tode Beweise der Hoch- 
schätzung seitens des ihm bis dahin zürnenden Patriarchen vod 
Alexandria. 

Der gallische Mönch Postumianus, der gerade während jener 
Wirren nach Alexandria kam, beurteilt den ganzen Streit folgender- 
massen^): »Hier (in Alexandria) gab es abscheuliche Kämpfe zwi- 
schen den Bischöfen und Mönchen. Als Anlass dazu oder vielmehr 
als Ursache davon erschienen mehrere Synodalbeschlüsse der Bischöfe, 
nach denen niemand die Werke des Origenes, der für den tüchtigsten 
Schriftausleger gehalten wurde, lesen oder besitzen sollte. Die 
Bischöfe bezeichneten einige Stellen in jenen Werken als ganz un- 
geheuerlich. Seine Anhänger dagegen wagten zwar nicht, die 
Richtigkeit der Anklage in Abrede zu stellen, aber behaupteten, jene 
Stellen seien in betrügerischer Absicht von Häretikern eingeschoben 
worden. Deshalb dürfe man wegen der mit Recht als anstössig be- 
zeichneten Stellen doch nicht auch die anderen Schriften verwerfen. 
Der Glaube der Leser könne ja leicht eine Sichtung vornehmen, um 
das Oeßllschte zurückzuweisen und das Katholische in den Schriften 
zu behalten. Es dürfe nicht auffallen, wenn in den neueren und 
neuesten Schriften die Häresie ihr betrügerisches Spiel getrieben 
hätte; habe sie ja an einigen Stellen sogar ohne Scheu die evan- 
gelische Wahrheit bestritten. Demgegenüber hielten die Bischöfe 
um so hartnäckiger an ihren Anschauungen fest und zwangen durch 
ihre Autorität, dass man auch alles Rechte samt dem Schlechten 
und dem Verfasser verdamme. Es sei an Werken, die die Kirche 
gebilligt habe, kein Mangel ; die entschiedenste Verwerfung verdiene 
eine Lektüre, welche mehr geeignet sei, einfllltigen Leuten zu schaden 
als einsichtigen zu nützen . . . Aus der Hitze der Parteiung erhob 
sich die Auflehnung. Als diese durch die bischöfliche Autorität 
nicht gedämpft werden konnte, nahm man zu einem traurigen 
Exempel zur Herstellung der Kirchenzucht den weltlichen Arm des 
Präfekten in Anspruch. Dieser zerstreute mit seinen Gewaltmitteln 
die Brüder und verjagte sie in verschiedene Gegenden, ohne dass 

sie irgendwo Ruhe finden konnten In diesem Kampfgewirre 

nun wogte alles hin und her, als ich nach Alexandria kam. Mich 



1) Sulpicius Severus, dialog. I, 6 n. 7. 

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Rüchblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh, 337 

nahm der Bischof dieser Stadt sehr freundlich auf nnd besser, als 
ich ahnte, ja er suchte mich bei sich festzuhalten. Ich hatte aber 
keine Lust, an einem Orte zu bleiben, wo die Qewaltmassreglung 
der Brüder neues Feuer der Erbitterung schürte. Kann man näm- 
lich vielleicht auch sagen, es wäre ihre Pflicht gewesen, sich den 
Bischöfen zu unterwerfen, so hätte doch deshalb nicht eine solche 
Menge im Bekenntnisse Christi vereinigt lebender Brüder, am 
wenigsten von Bischöfen, ins Unglück gebracht werden sollen. c 

In den pachomianischen Klöstern konnten die origenistischen 
Schriften schon deshalb keinen Eingang finden, weil die meisten 
Mönche nur der koptischen Sprache mächtig waren. Pachomius, dem 
diese Literatur gewiss nur vom Hörensagen bekannt war, war ein 
abgesagter Oegner des Origenes, der, wie es in der griechischen und 
arabischen Vita (C 21, A' 599 f.) heisst, schon zu Lebzeiten aus 
der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen worden sei und in die Er- 
klärung der hl. Schriften zur Verwirrung mancher Leser verderb- 
liche Lehren eingeflochten habe*). Zwei origenistisch gesinnten 
Mönchen, die sein Kloster besuchten, gab er wegen ihrer Lektüre 
einen strengen Verweis und befahl ihnen die Schriften des Origenes 
ins Wasser zu werfen (P 7, A' 611 f.). Daraus erklärt sich wohl 
der Bericht der vita C 21, wo es heisst, Pachomius solle ein- 
mal ein Werk des Origenes, das er bei einem seiner Mönche fand, 
ins Wasser geworfen und dabei geäussert haben, er hätte es ins 
Feuer geworfen, wenn nicht darin der Name Oottes vorkäme. Die 
Antipathie der Pachomianer gegen die Schriften des Origines er- 
hielt sich noch unter dem öeneralabte Theodor. Wenigstens em- 
pfiehlt der Bischof Ammon in seinem Briefe an den alexandrinischen 
Bischof Theophilus diese Mönche wegen ihrer Orthodoxie und be- 
richtet (c. 18), wohl auch aus demselben Grunde, dass der genannte 
Oeneralabt den Mönch Patchelphius , der die Auferstehung des 
Fleisches, das an sich böse sei, geleugnet und sich in diesem Sinne 
einem jungen Mitbruder gegenüber geäussert habe, durch die hl. Schrift 
des Irrtums überführt hätte. 

Was die sonstigen dogmatischen Anschauungen der koptischen 
Mönche des vierten Jahrhunderts anlangt, so hat Am^lineau in seiner 
Abhandlung »Le christianisme chez les anciens coptesc >) auf Qrund 
der koptisch-arabischen Pachomius- und Theodorusviten verschiedene 



1) Ob dieser Bericht, wie Orütxmacher S. 74 meint, in der vita M 
absichtlich fortgelassen sei, l&sst sich nicht entscheiden, da diese Vita lücken- 
haft überliefert ist. 

3) Bevae de rhistoire des religions, T. 14 n. 15. 
Sthiwiets, Mönohtum. 22 



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338 Rückblick auf das egypt Mönchtum des 4. Jahrh. 

Behauptungen aufgestellt, die der Berichtigung bedürfen. Er meint 
zwar, die Kopten hätten keine Schwierigkeit bei der Annahme des 
christlichen Trinitätsglaubens gehabt, da in den heidnischen Tempeln 
eine Dreizahl von Gottheiten verehrt worden sei. Aber einige Zeilen 
weiter erkl&rt er, die Kopten hätten die Person Gottes des Vaters 
ganz vernachlässigt, man begegne fast nie in den Viten dieser Mönche 
einem Gebete zu derselben, man hätte immer zu Gott dem Sohne 
gebetet, und des hl. Geistes geschähe nur Erwähnung in der Formel 
des Kreuzzeichens und der Taufe. Grützmacher (S. 79) dagegen hat 
aus denselben Quellen folgendes Resultat gezogen: »Christus ist ein 
Objekt der Dogmatik geworden ^ seine geschichtliche Persönlichkeit, 
sein Leben und seine Lehre ist in der christlichen Frömmigkeit der 
damaligen Zeit von keiner oder untergeordneter Bedeutung. Auch 
in seinen Gebeten ist es Gott, selten Christus, an den sich Pachomius 
wendet.« Wer von beiden hat nun Recht? Christus, seine Lehre 
und seine Gebote erscheinen in den Viten als Vorbild, Richtschnur 
und Triebfeder des Denkens, Fühlens und Handelns der Mönche; 
der Glaube an Christus, die Hoffnung auf ihn, die Arbeit für ihn, 
kurz die Übung der guten Werke in seinem Namen und aus Liebe 
zu ihm ist der Inbegriff ihres aacetischen Lebens^). Was die in den 
Viten erwähnten, kürzeren oder längeren Gebete anlangt, so gibt es 
sowohl solche, die an Gott ohne Nennung einer der drei göttlichen 
Personen, als auch solche, die nur an Christus gerichtet sind. Ausser- 
dem finden sich Gebete zu Gott dem Vater mit Erwähnung des 
Gottessohnes Jesus Christus (M 262 f., A' 287 f., 700) und mit Er- 
wähnung des Sohnes Gottes und des hl. Geistes (M 207 f., A' 488), 
desgleichen Anrufungen Christi mit Erwähnung Gottes des Vaters 
(A' 592) und mit Erwähnung des Vaters und des hl Geistes (M 212). 
Dem hl. Geist aber wird, abgesehen von seiner Nennung in einigen 
der eben angegebenen Gebete» insbesondere die Gnadenspendung und 
Inspiration der hl. Schriften zugeschrieben ^). So sehr die koptischen 
Mönche am nicänischen Glauben festhielten, so lagen ihnen doch 
spekulative Betrachtungen über das Trinitäts-Dogma fern. Aus 
gleichem Grunde darf man auch nicht in den Mönchsviten präcise 
Erörterungen über die christliche Anthropologie suchen. Einige Ge- 
danken hierüber enthält die vita P 37 — 41. Die Sünde, heisst es 



1) Vgl. Vita M 2, 6, 13, 16, 22, 24, 28, 30, 42 f., 46, 62, 57, 59, 76, 78, 
107, 116, 124, 143, 170, 184, 191 f., 194, 204, 211, 218 f., 220, 240, 242, 249, 
257, 261, 262 f., 265, 269, desgl. A' an verschiedenen Stellen. 

aVgl. A' 396, 403, 412, 425, 454, 462, 487, 529, 530, 532, 588 f., 600, 
f., 673, 685, 689, 695, M 106, 149, 175. 



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Rückblich auf das egypU MöncMum des 4. Jahrk. 339 

darin, hat im Paradiese durch das Yerführangswerk des bösen 
Feindes ihren Anfang genommen. Dadurch war das übernatürliche 
Leben geschwunden und der Tod der Seele eingetreten (fii) icapoooTjc 
7Äp T^c C«>^<: »avatoc laxtv). Folge der Sünde waren Abwendung 
von Gott und mannigfache Äusserungen der Ooncupiscenz. Die Mög- 
lichkeit der Erlösung beruht nun einerseits auf der Barmherzigkeit 
Gottes, der die nach seinem Ebenbilde in Heiligkeit und Gerechtig- 
keit geschaflfenen Menschen liebt (^tXsT yap tö icXaofia t6 fdiov xal 
sixdva aÖTOü iv dYtooüVTj xal aXrjfteta), andererseits auf der That- 
sache, dass dem Menschen die Freiheit nicht bloss zum Bösen, son- 
dern auch zum Guten geblieben ist. Die Menschwerdung des Qottes- 
:sohnes erfolgte aber, damit Juden und Heiden durch ihn das ewige 
Leben erlangen. Präcisere Äusserungen über die Erbsünde finden 
sich auch in den koptisch-arabischen Pachomiusviten nicht. Das er- 
klärt sich aus den Zeitverhäitnissen. Wie Athanasius bei seinen 
Erörterungen über den Ursprung des Bösen sich hauptsächlich gegen 
den gDOstisch-manichäischen Dualismus wendet, so wird in den ge- 
nannten Viten (M 197 f., A"" 512 f.) vor allem betont, dass Gott 
durchaus nicht als mitschuldig der Sünde des Menschen bezeichnet 
werden könne, da der letztere von Natur aus keine Anlage zum 
Sündigen erhalten habe. Unter Hinweis auf Eccl. VH, 30 wird er- 
klärt, dass der Mensch von Gott recht geschaffen worden sei, aber 
im Gegensatz zu diesem ursprünglichen Zustand durch seinen eigenen 
Willen sein Herz zu den bösen Gedanken geneigt habe. Ja, heisst 
«s weiter, selbst wenn ein Mensch von seinen eigenen Eltern eine 
böse Natur geerbt haben sollte, so könne er doch dieselbe wegen 
meiner Willensfreiheit ändern. Die Betonung der Willensfreiheit 
läuft aber nicht auf einen nackten Naturalismus oder Rationalismus 
hinaus. Grützmacher (S. 81) meint zwar, dass man bei Pachomius 
»eine sehr geringe Schätzung der heilspendenden göttlichen Gnade« 
fände; dieselbe werde sehr selten und nur beiläufig erwähnt. Er 
verweist nur auf einen Ausspruch des Pachomius (A*^ 504). Indes 
der Inhalt der Gebete des Pachomius für die verschiedenen Stände der 
Menschen (M 174 f., A' 488 f.)^ sowie die schon oben citierten Ge- 
bete bringen die Notwendigkeit der Gnade Christi deutlich und 
häufig genug zum Ausdruck. 

Die Angelo- und Dämonologie der koptischen Mönche leitet 
Am^Iineau hauptsächlich aus der alten egyptischen Religion her 
und sieht dabei vollständig von den nächstliegenden Quellen ab. 
Es liegt doch jedenfalls viel näher, an die hl. Schrift, in der die 
Mönche sehr bewandert waren, sowie an die. christliche Apokrjphen- 

22* 



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340 Rückblick auf das egypt, Mönchtum des 4. Jahrh, 

literatur, die in jenea Kreisen ebenfalls bekannt war, als Quelle für 
die Entwicklung dieser religiösen Ideen zu denken. Grützmacher 
(S. 92) weist auch unter Berufung auf Professor Erman in Berlia 
darauf hin, dass wir von der Religion ^ die im römischen Egypten 
herrschte, sehr wenig wissen, und dass die religiösen Anschauungen 
jener Zeit sich von denen der Pharaonenzeit bedeutend unterscheiden 
konnten. Was insbesondere die Dämonologie in den koptischen Mönchs- 
viten anlangt, so muss dieselbe aus dem Qeiste jener Zeit betrachtet 
werden. Am^lineau behandelt in der Einleitung zu den von ihm 
herausgegebenen Pachomiusviten die sichtbaren Erscheinungen und 
mannigfaltigen Vermummungen des bösen Feindes mehr in jokoser 
Weise. Ob er aber damit den Kern der Sache und die Auffassung^ 
jener Schrifteteller über diese Dinge getroffen hat, ist eine andere- 
Frage. Er übersieht, dass diese Art von Literatur zu Erbauungs- 
zwecken diente und die Lehren der christlichen Ascetik in einer an- 
schaulichen Form zum Ausdruck brachte. Die christliche Lehre von 
der Herrschaft des Satans über die Welt seit dem Sündenfall und 
von der Notwendigkeit des Kampfes gegen die teuflischen Einflüsse^ 
mit den Waffen des christlichen Glaubens erscheint verkörpert in 
jenen zahlreichen Apophthegmen , in denen die Dämonen bald in 
lichter, bald in hässlicher Gestalt als Versucher oder Verführer der 
Mönche auftreten. Der griechisch gebildete Eelliote Evagrius Ponti- 
kus schrieb zwar auch eine christliche Ascetik, aber dieselbe war,, 
soweit wir aus den vorhandenen Fragmenten schliessen können, syste* 
matisch und mehr spekulativ gehalten und fand darum weniger An- 
klang. Dagegen entsprachen die Mönchsviten und Apophthegmen,. 
in denen die christliche Moral Fleisch und Blut angenommen hat, 
dem Geschmacke jener Zeit und erfreuten sich auch bald grosser 
Beliebtheit im Abendlande. 

Eine ähnliche Bewandtnis, wie mit der Dämonologie, hat e» 
auch mit den eschatologischen Schilderungen in den koptisch-arabischen 
Viten. Die griechische Vita C 59 erwähnt wohl, das Pachomius und 
Theodorus manchmal auf intuitivem Wege das Hinscheiden einer 
Seele und den Zustand der Seligen, sowie der Verdammten in denv 
Jenseits schauten; aber sie bemerkt^ dass die beiden trotz des^ 
Drängens der Mönche darüber gar nicht oder nur wenig sprachen. 
Die Verfasser der koptisch-arabischen Viten dagegen Hessen sich 
diese Gelegenheit nicht entgehen und gaben zum Teil recht drastische 
Schilderungen über die Schicksale der Abgeschiedenen im Jenseits ^)» 



1) Vgl. M 119 f., 127 f., 135 f., A' 541 f., 547 f., 460 f. 

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Rückblich auf das egypL Mönchtum des 4. Jahrh. 341 

Ladeaze (S. 86 Anm. 1) zeigt an verschiedenen Beispielen, dass die 
Bildersprache des neuen Testamentes für die Schilderangen der jen- 
seitigen Welt recht wohl den Stoff bieten konnte. Aber damit soll 
nicht gesagt sein, dass die eschatologischen Anschauungen der 
koptisch-arabischen Pachomiusviten direkt aus der hl. Schrift ge- 
flossen seien. Wenn auch dieselben im wesentlichen auf dem neuen 
Testament beruhen, so enthalten sie doch auch verschiedenes Bei- 
werk, das jedenfalls dem Volksglauben jener Zeit seinen Ursprung 
verdankt. Am^lineau bezeichnet die altegyptische Religion als Quelle 
für diese exotischen Bestandteile. Indes hebt er mehr die Ähnlich- 
keiten zwischen den altegypti sehen und christlichen Anschauungen 
hervor und sieht seltsamer Weise sogar in der Beibehaltung des 
altegyptischen Wortes Amenti als Bezeichnung des jenseitigen 
Strafortes einen evidenten Beweis dafür, dass der unterschied zwi- 
schen heidnischer und christlicher Auffassung nicht sehr gross ge- 
wesen sein könne. Differenzen sind aber doch vorhanden. Während 
in der altegyptischen Religion von der Einbalsamierung und Conser- 
vierung der Leichen die zu erwartende Vereinigung der Seele mit 
dem Leibe abhängig gemacht wurde, findet sich von dieser Anschau- 
ung in den koptisch -arabischen Viten keine Spur. Die Leichen der 
Mönche werden nur in Leinentücher gehüllt und noch am Todestage 
begraben. Der Totenkultus, wie er in der altegyptischen Religion 
zu Tage tritt, wird von den koptischen Mönchen perhorresciert. 
Auch die himmlische Seligkeit erscheint bei den koptischen Mönchen 
nicht als grobsinnlich. Während nach der Auffassung der alten 
Egypter die Seligen die Beschäftigung des irdischen Lebens fort- 
setzen, wird in den koptischen Quellen die Anschauung und Lob- 
preisung Gottes als Ziel der ewigen Seligkeit bezeichnet. Viel eher 
als aus den altegyptischen eschatologischen Anschauungen, von denen 
wir nicht einmal gewiss wissen, ob sie im christlichen Zeitalter noch 
bestanden haben, haben wohl die koptischen Mönche in den Ex- 
kursen über die jenseitige Welt aus den apokalyptischen Apokryphen 
geschöpft, die zum Teil in Egypten entstanden oder doch in kop- 
tischen Übersetzungen vorhanden waren. Berührungspunkte mit 
den eschatologischen Anschauungen der koptisch-arabischen Pacho- 
miusviten finden sich auch thatsächlich in der Visio Pauli, in der 
Historia Josephi fabri lignarii und in der Elias- und Sophonias- 
Apokalypse. Zum Beweise dafür, dass die koptischen Mönche die 
eschatologischen Visionen nicht rein sinnlich auffassten, weist Ladeuze 
(S. 86) auf die vita T 602 hin.' Ein gleiches Resultat ergibt sich 
aus M 181. Der hier mitgeteilten Vision wird sogleich (M 184) 



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342 Rückblick auf das egypL Mönchtum des 4. Jahrh. 

eine geistige Erklärung gegeben, and in der arabischen Vita (A' 543) 
wird ausdrücklich gesagt, dass die folgende Vision über den Him- 
mel zur Veranscbanlichung eines Evangelientextes (Luc. 19, 17 f.) 
dienen soll. 

Bezüglich der hl. Sakramente erklären Am^lineau und Grütz- 
macher (S. 82), dass Pachomius nur drei Sakramente, Taufe, Abend- 
mahl und Priesterweihe kenne. Man kann wohl nicht von koptischen 
Schriftstellern jener Zeit eine scholastische Formulierung der Sieben- 
zahl der Sakramente verlangen. Bemerkt muss aber werden, dass 
die genannten drei hl. Handlungen weder durch eine dem Worte 
Sakrament analoge Bezeichnung noch als eine Dreizahl filiert wer- 
den. Es wird beiläufig die Taufe, die hl. Geheimnisse, d. i. der 
Leib und das Blut unseres Herrn Jesus Christus (M 279, 8, A' 395)» 
und die Ordination zum Priester, bez. Bischof (M 34, 40, A' 384) 
erwähnt. In der Vita M 175, wo auf die Besiegelung durch den 
hl. Geist hingewiesen wird, ist wohl die Firmung angedeutet. Von 
der Bussdisciplin der koptischen Mönche ist schon im vorigen § die 
Bede gewesen. Was die in der koptisch-arabischen Vita (M 121^ 
A' 461) erwähnte Legende anlangt, wonach im Kloster Temouschons 
einem sterbenden Katechumenen ein Engel in Ermangelung eines 
Priesters die Taufe spendete , so ist dies wohl als eine symbolische 
Einkleidung der Lehre von der Begierdetaufe zu erklären. Um den 
Mönchen eine recht grosse Ehrfurcht vor den hl. Geheimnissen des 
Leibes und Blutes Christi einzuflössen, erzählte man sich in den 
ägyptischen Klöstern allerlei Legenden ^). Das Gemeinsame derselben 
ist, dass ein Engel den Priester bei der Ausspendung der Kommunion 
unterstutzte, falls der Empfänger würdig war. Eine solche Legende 
findet sich auch in der koptisch-arabischen Vita des Pachomius. 
»Der Herr«, heisst es (A' 468), »öffnete auch öfters ihre (des 
Pachomius und Theodorus) Augen. Sie sahen den Engel des Herrn 
in der Höhe, im Heiligtum, an dem hl. Tische, wie er die hl. Ge- 
heimnisse denen, die es verdienten, durch die Hand des ausspenden- 
den Priesters oder Bischofs austeilte. Wenn jemand unwürdig war 
und sich näherte, um sie zu empfangen, schloss der Engel die Hand, 
und der Priester gab sie ihm (allein)«. Vgl. auch M 130. Es ent- 
spricht wohl nicht genau dem Wortlaute, wenn Grützmacher (S. 83) 
in Bezug auf diese Legende erklärt, dass die Unreinen nur aus der 
Hand des Priesters die irdischen (!) Elemente empfingen. 

Schliesslich wird noch an mehreren Stellen (M 285, 290, A' 



1) Vgl Rufln. bist. mon. c. 29 u. 82. 

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Rückblick aiif das egypt. Mönchtum des 4, Jahrh. 343 

359, 649) bezeugt, dass in den pachomianischen Klöstern för die 
verstorbenen Mitbrüder das eacbaris tische Opfer dargebracht wurde ^). 

§ 11, Das Verhältnis des MöncMums zum Staat 

Da die Asceten, Anachoreten und Cönobiten meist dem Laien- 
element angehörten, so genossen sie nicht die seit Constantin dem 
Grossen dem Klerus erteilten Privilegien. Es ist auch im Laufe 
des vierten Jahrhunderts kein einziges weltliches Gesetz erlassen 
wordeii, auf Grund dessen das Mönchtum im Staate irgend eine 
Sonderstellung eingenommen hätte. Andererseits stand der Bildung 
der Cönobien die damalige weltliche Gesetzgebung nicht im Wege. 
Die noch aus heidnischer Zeit bestehenden Bestimmungen, denenge- 
mäss sich Corporationen zu religiösen und socialen Zwecken bilden 
durften, falls sie nicht unter die coUegia illicita gerechnet wurden, 
kamen auch den analogen christlichen Klostergründungen zugute^). 

Im Verlaufe des vierten Jahrhunderts erscheinen in Bgypten 
nur die iugera terrena (d. i. der unbewegliche Besitz), nicht aber 
die capita (Menschen und Vieh) als Steuerobjekte des Staates >). Dem- 
nach waren die Asceten, die in ihrer Heimat lebten und den er- 
erbten Grundbesitz beibehielten (s. ob. S. 231, 227), steuerpflichtig. 
Dagegen verzichteten diejenigen, die sich in die Wüste zurückzogen 
oder in ein Monasterium eintraten , auf ihren Privatbesitz und wur- 
den steuerfrei. Allerdings ging die Verzichtleistung auf den Grund- 
besitz wegen der mit demselben verbundenen Lasten und bürger- 
lichen Pflichten nicht so leicht von statten. Bemerkenswert ist, 
was uns in dieser Hinsicht die vita Antonii c. 2 berichtet. Als 
nämlich Antonius sich zur ascetischen Lebensweise entschloss, ver- 
kaufte er zwar die bewegliche Habe und verteilte den nicht unbe- 
deutenden Erlös mit Zurückbehaltung einer kleinen Summe für seine 
Schwester unter die Annen, dagegen überliess er seinen Grundbe- 
sitz, der aus dreihundert Morgen fruchtbaren Ackerlandes bestand, 
den Bewohnern seiner Heimat, damit dieselben weder ihm noch 
seiner Schwester irgendwie Schwierigkeiten in den Weg legten. 
Seinen Grundbesitz konnte er jedenfalls nicht versilbern, da seine 

1) Amdlineau übersetzt die Stelle A' 649: »rafa'a 'alaihi el-karbäna« 
mit »il8 firent poar lai i'offrande«. Dagegen gibt er die Stelle Ar 859: 
»wahakadza sana n 'alaihi U-kadasac wieder darch »ils c^lebrirent alors la messe 
an sa pr^sence and bemerkt hierza: 'alaihi = sar lai, mais on ne peat entendre 
poar lai, selon le sens chr^tien ordinaire. Indes die rein lokale Bedeatan^ der 
PräDosition 'al& ist hier ebensowenig am Platze wie in A' 487 (Zeile 8) and 489 
(Zeile 2), wo »salä aläc gleich »beten far jem.« ist. 

2) Löning, Gesch. des deatschen Kirchenrechts, 1878 I S. 202 f. 
8) Pauly-Wiasoway Bealencyclopaedie (1899), Bd. III S. 1519. 



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344 Rückblick auf das egypt, Mönchtum des 4. Jahrk* 

Mitbürger, um ihre Gemeinde steaerkräftig za erhalten , solches 
nicht zugelassen hätten. Ähnliches wird in der Pachomiusvita (M 76« 
A' 375, C 50) berichtet. Petronius, ein reicher Gutsbesitzersohn, 
errichtete aaf dem Landgate seines Vaters ein Kloster und richtete 
es nach pachomianischem Master ein. Als später sein Vater mit 
einem zweiten Sohne ins Kloster trat, schenkte er der pachomiani- 
schen Kommunität einen bedeutenden Viehbestand and einige Barken. 
Von einer Überlassang des Grundbesitzes aber ist keine Bede; der- 
selbe blieb jedenfalls im Besitze der in der Welt gebliebenen 
Familienmitglieder. Die vielen reichen Besitzer, die aaf das Bei- 
spiel des Antonias hin die Last ihres bisherigen Welilebens von 
sich warfen und Mönche wurden, haben wohl auch nicht anders als 
Antonias selbst verfahren können (vita Ant. c. 87). Die Regula 
Pachomii (art. 49) schreibt ausdrücklich vor die Kandidaten zu er- 
forschen, ob sie in der Lage seien, den Verzicht auf ihren Besitz zu 
leisten. Schwierigkeiten mochten allerdings entstehen, wenn jemand 
zu Lebzeiten seiner Eltern in die Wüste ging und später nach dem 
Tode derselben als alleiniger Bechtsnachfolger das £rbe und das 
oft damit verbundene Gemeindeamt antreten sollte. Einer solchen 
Flucht in die Wüste sollte ein vom arianischen Kaiser Valens in 
dem Jahre 373 erlassenes Gesetz steuern ^). Dasselbe stammte 
zwar im Wesentlichen aus einer früheren Zeit, erhielt aber eine 
neue Fassung mit einer Spitze gegen das egyptische Mönchtum. Es 
lautete : »Quidam ignaviae sectatores, desertis civitatum muneribus, 
captant solitudines ac secreta, et specie religionis cum coetibus mo- 
nazontum congregantur. Hos igitur atque huinsmodi intra Aegyp- 
tum deprehensos per Comitem orientis erui e latebris consulta prae- 
ceptione m^ndavimus atque ad munia patriarum subeunda revocaric 
(c. 63 Cod. Theod. XII, 1). Die gehässige Form dieses Gesetzes 
lässt darauf schliessen, dass das Motiv zu demselben nicht so sehr 
auf wirtschaftlichem, als vielmehr auf einem anderen Gebiete lag. 
Thatsächlich fällt auch die Exekutierung dieses Gesetzes mit der 
Verfolgung der egyptischen Mönche wegen ihres Festhaltens am 
nicänischen Glauben zusammen, woran auch der damalige arianiscbe 
Staatsbischof Lucius aus Alexandria regen Anteil nahm. Von einem 
Gesetz des Kaisers Valens gegen die Mönche gleich nach dem Tode 
Valentinians n. (gest. 17. November 375) und von einer sich daran 
schliessenden Verfolgung der egyptischen Mönche spricht auch Orosios 
(Hist. VII, 33), und Hieronymus (chron. ad ann. XII Valentis, 376) 

1) Vgl. Tillemont, M^moires poar serrir a Thistoire eecl. etc. T. VIII 
p. 358, Gothofreduß, Codex Theodos. IV, 488 iL 



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Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4. Jahrh. 345 

schreibt »Malti monachoram Nitriae per tribunos et milites caesi. 
Valens, lege data ut monachi militarent, nolentes fustibus interfici 
iussit«. Indem man das hieronymianische »militaret als Kriegsdienst 
deutete, nahm man an, dass hi0r von einem neuen Gesetze gegen 
die Mönche die Bede sei^). Da aber ein solches Gesetz aus dem 
Jahre 375 (376) anderweitig nicht bekannt ist, so haben andere ge- 
glaubt, dass dasselbe von Orosins und Hieronymus aus Feindselig- 
keit gegen den arianiBchen Kaiser Valens erdichtet worden sei. In- 
des Hieronymus sagt nicht ausdrücklich, dass das von ihm genannte 
Oesetz im Jahre 376 erlassen, sondern nur, dass 6s in diesem Jahre 
exekutiert wurde. Da ferner der Ausdruck »militaret in jenem 
Zeitalter jedes Gemeinde- oder Staatsamt bedeutete'), so spricht 
eben Hieronymus an dieser Stelle nur von der Ausführung des 
obigen Gesetzes vom Jahre 373^). Gelegentlich der Besprechung 
des Gesetzes des Kaisers Valens pflegt man gewöhnlieh daranf hin- 
zuweisen, dass in jener Zeit die wenigen noch wohlhabenden Bürger 
der Städte sich in einer gedrückten Lage befanden, indem sie durch 
die Gesetzgebung des Kaiserreiches gezwungen waren, als Kurialen 
und Dekurionen die Gemeindeverwaltungen zu versehen, und dabei 
für alle Vorkommnisse gegen den kaiserlichen Fiskus haftbar blieben. 
In diesem Zeitalter der Bedrückung hätte diese Art der Knechtung 
als die allerhärteste gegolten, und viele hätten deshalb diese Fesseln 
dadurch zu zerbrechen gesucht, dass sie sich aus dieser gezwungenen 
Knechtschaft in die freiwillige Dienstbarkeit des Klosterstandes be- 
geben hätten^). Indes, so richtig auch die Schilderung der Lage 
der Kurialen in jener Zeit sein mag, so darf man doch nicht ver- 
gessen, dass diese rein weltlichen Rücksichten allein einen wohl- 
habenden Bürger kaum veranlasst hätten, seine Freiheit in der Welt 
dahinzugehen und dafür das durchaas nicht bequeme Mönchsleben 
in der Wüste oder in einem abgelegenen Kloster mit seinen Ent- 
behrungen und mühsamer Arbeit, wie es damals in Bgypten üblich 
war, zu wählen. 

Ein weltliches Gesetz, das den Eintritt der Sklaven in den 
Mönchsstand verboten hätte, gab es im Orient im Verlauf des vierten 
Jahrhunderts noch nicht. Die Pachomianer nahmen aber niemanden 
auf, der in irgend einem Hörigkeits Verhältnisse stand ^). In der 

1) Tillemont a. a. 0. p. 358. 

2) S. ob. S. 219 Anm. 2. 

3) Vgl. ßroglie, L*%lise et F Empire romain aa IV« siecle, Paris 1868, 
t. V p. 303, Löning a. a. 0. S. 353. 

4) Montalembert , Die Mönche des Abendlandes, übers, von Brandes, 
1880, I. Bd. S. 114. 

5) Regula Pachomii art. 49. 



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346 Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4, Jahrh, 

sketischen Waste lebte als Einsiedler ein ehemaliger Sklave. Alle 
Jahre reiste er nach Alexandria, um seiner Herrschaft den Zins 
seiner Dienstbarkeit zu entrichten. Als die reichen Leute das Geld 
nicht annehmen wollten, erklärte er ihnen: »Ich bin euer Knecht; 
denn der allmächtige Gott hat ench mir als Herren gegeben, and 
ich danke euch, dass ihr mir gnädigst gestattet habt, dem Herrn 
des Himmels and der Erde zu dienen. Wenn ihr aber den Zins 
nicht annehmen wollt, so bin ich entschlossen, nicht mehr in die 
Wüste znrückzukehren , sondern ich bleibe hier, am euch weiter zu 
dienen *).€ 

Ackerbau im grösseren Massstabe trieben die Mönche nicht. 
Antonius fand in der Nähe seiner Klause nur ein kleines Stück 
Land, das bewässert und mit Korn und Gemüse besäet werden 
konnte (vit. Ant. c. 5G). Die Oasen der libyschen Wüste, wo sieh 
die nitrischen und sketischen Mönche ansiedelten, waren wenig 
fruchtbar. Mit Hilfe der Brunnen, die die Mönche anlegten, konnten 
sie wenigstens kleine Gärten bewässern. Das zum Brot notwendige 
Getreide erhielten sie als Lohn für die Aushilfe bei den Erntearbeiten 
in den Nilniederungen. Auch die in dem fruchtbaren Nomos Arsi- 
noites wohnenden Mönche hatten kein Ackerland, sondern waren nar 
als Erntearbeiter thätig. Die Mönchsansiedlungen zu beiden Seiten 
des Nilflusses lagen meist schon in Öden Gegenden, die jedenfalls 
von der Überschwemmung nicht mehr erreicht wurden. Das erste 
pachomianische Kloster wurde in einer verlassenen Gegend angelegt. 
Der zum Bereiche des Klosters gehörige Garten wurde durch einen 
Brunnen gespeist und von einem einzigen Mönche gepflegt. Korn 
müssten die Pachomianer zu Lebzeiten ihres Ordensstifters in den 
umliegenden Ortschaften kaufen (P. 21, A' 620). Der Erlös der 
Handarbeiten reichte zum Unterhalt der Kommunität nicht aus. 
Darum klagte einmal Pachoraius, dass er die geistliche Leitung der 
Bruder nicht in dem Umfange, wie er es wünschte, wahrnehmen 
könne, weil er auswärts Feldarbeit verrichten müsse (G 68). Nach 
dem Tode desselben fingen die Mönche, da ihre Zahl sehr zunahm, 
wegen der Schwierigkeiten, die die Ernährung einer so grossen 
Menschenmenge mit sich brachte, sich über viele Felder und Wälder 
zu zerstreuen, wodurch die Klosterdisziplin Schaden litt. So lautet 
der Bericht der vita C*). Diese Ausdrucksweise legt nahe, dass es 



1) Roftweydj vit. Patr. lib. III n. 17. 

2) C 81 : »Tüjv aSeX^tov «Xrj^uv^^vxwv a^öSpa xa\ Ivexev -rijs xpo^rj« xoö äXt[^ü; 
i^p5avT0 TcXaxvivEadai Iv a^pol? xol SXai; tcoXXoi? 3ta\ Ix&^ttt) (jiovJ) ifpfato ^Xi^ov apig- 
X^v, xa^'Sxi l:cXT}&üv9>T}aav at oXXai ^povriSes«. 



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Rückblick auf das egypt. Mönchtum des 4, Jahrh, 347 

sich hier nicht um eigenen Grandbesitz, sondern nm Lohnarbeit 
handelte, wie ja auch nach Rufin (s. ob. S. 295) die egyptischen 
Mönche im allgemeinen zur Erntezeit als Schnitter sich verdangen. 
Indes sagt der Paralleltext der allerdings viel jüngeren arabischen 
Vita (A' 666), dass die Pachomianer, als die Congregation neun 
Klöster zählte, sich Ackerland erwarben, um Getreide anzubauen. 
Ist diese Version richtig, dann mögen die Pachomianer auch zur 
Grundsteuer herangezogen worden sein, wie dies im selben Jahr- 
hundert auch anderswo geschah ^). Ganz steuerfrei blieben die egyp- 
tischen Mönche nicht, auch wenn sie keinen Grund und Boden be- 
sassen. Da sie sich nämlich hauptsächlich mit Anfertigung von 
Körben, Matten, Sandalen und drgL beschäftigten, so mussten sie 
wohl, wie die Weltleute, beim Verkauf der Handarbeiten die übliche 
Marktsteuer entrichten. 

Wie die Mönche im vierten Jahrhundert dem allgemeinen 
Rechte unterstanden, so blieben auch ihre Familienrechte unange- 
tastet. Dies beweist folgende Begebenheit. Der Abt Daniel erzählte 
von dem Mönche Arsenius, es sei einst ein Beamter zu ihm gekom- 
men, der ihm das Testament eines Senators brachte, der sein Vetter 
gewesen war und ihm eine bedeutende Erbschaft vermacht hatte. 
Arsenius nahm das Testament in die Hände und wollte es zerreissen. 
Der Beamte warf sich ihm zu Füssen und sprach: »Ich bitte dich, 
zerreisse es nicht, sonst werde ich den Kopf verlieren.c Arsenius 
aber erwiderte: »Ich bin früher gestorben als jener. Wie kann 
also er, der eben starb, mich als Erben einsetzen ?€ Er gab das 
Testament zurück, ohne etwas anzunehmen'). 



1) Basilii reg. brev. 94 (S. Basilii opera ed. Bened. t. IL pars II. p. 632 s.). 

2) Roaweyd, vit. Patr. üb. V. libell. VI. n. 2. 



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Nachträge. 



Zu S. 30—39: 
Za meinem Artikel ȟber die Ehelosigkeit im Dienste des 
Reiches Gottesc, der im Jahre 1898 im Archiv für kath. Kirchen- 
recht (S. 306—324) erschienen ist und in dem vorliegenden Werke 
(S. 25—41) sich wörtlich wiederfindet, hat sich Funk in der Theol. 
Quartalschrift (1900) S. 157 ff. geäussert und mich zum neuesten 
Vertreter der Bickellschen Antithese über den Cölibat gestempelt. 
Mir lag es aber, wie schon die Überschrift des betreffenden Artikels 
zeigt, nur daran, festzustellen, »in wieweit im Verlauf der drei ersten 
Jahrhunderte der Stand der Gölibatäre männlichen Geschlechts im 
Dienste des Reiches Gottes und Evangeliums verwendet wurdet (s. 
Archiv S. 313, im vorliegenden Werke S. 30). Demgemäss habe 
ich am Schluss dieser Erörterung weder mit Bickell behauptet^ dass 
der Cölibat eine apostolische Anordnung im strengen Sinne des Wortes 
sei, noch mit Funk, dass dies nicht der Fall sei, sondern mein Facit 
lautet: »Das Ergebnis dieser Erörterungen über den klerikalen 
Stand in den drei ersten Jahrhunderten können wir also dahin zu- 
sammenfassen, dass schon in dieser Zeit der Stand der Gölibatäre 
gemäss der von Christus gegebenen Maximen seine Verwendung 
im Dienste des Reiches Gottes auf Erden gefunden hat. Man nahm 
vorzugsweisse Unvermählte in die Reihen der höheren Kleriker auf, 
und wenn im Notfalle Vermählte zu Diakonen, Priestern und Bischöfen 
geweiht wurden, so mussten sie völlige Continenz beobachten, um 
sich ganz ihrem heiligen Berufe hingeben zu können. Dabei wird 
nicht bestritten, dass, wie zur Zeit des Epiphanius, so auch früher 
wegen der Lässigkeit einzelner Bischöfe Ausnahmen unter Presbytern 
und Diakonen vorkommen konntenc (s. Archiv S. 322 f. bez. S. 39). 
In Anbetracht der Aufgabe, die ich hier gestellt hatte, musste ich 
natürlich dieselben literarischen Beweisquellen zur Sprache bringen, 
die auch bei der Behandlung der Funkschen These, bez. der Bickell- 
schen Antithese in Frage kommen, und da ich bei der Interpretation 



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Nachträge. 349 

dieser Beweisstellen mich auf Seite Bickells gestellt habe, so mochte 
Funk den Eindruck gewonnen haben, dass ich ganz auf dem Stand- 
punkte Bickells stände. 

Was die Epiphaniusstelle (adv. haer. 48) betrifft, die bei Bickell 
die Hauptrolle spielt, so bin ich allerdings auch der Ansicht, dass dieser 
Kircheovater den Cölibat, bez. die Continenz der höheren Kleriker 
als »einen durch die Apostel festgestellten kirchlichen Kanone be- 
zeichnet, wie ich dies im Archiv (S. 29 Anm. 29 bez. S. 32 Anra. 
29) zum Ausdruck gebracht habe, und Epiphanius steht hierin nicht 
allein da. Der Papst Siricius und die beiden karthagischen Syno- 
den vom Jahre 390 und 419 sprechen sich in gleichem Sinne aus. 
Weil uns jedoch aus früherer Zeit Beweisquellen fehlen, die ebenso 
bestimmt eine eigentliche apostolische Gesetzgebung in dieser Be-^ 
Ziehung betonen, so habe ich aus den Aussprüchen des Epiphaniu» 
nur den Schluss gezogen, »dass seiner Zeit sich der Klerus aus Un- 
vermählten oder im Notfalle aus Witwern (nach einmaliger Ehe) 
oder aus Vermählten, die sich zur Continenz verpflichteten, rekrutierte, 
und dass dieser kirchliche Kanon des Priestertums die vorbildliche 
Handlungsweise Christi, sowie die apostolische Überlieferung zur 
Grundlage hattec (Archiv S. 315 bez. 31 f.; vgl. auch Archiv S, 
314 Zeile 22—25 bez. S. 31 Z. 4—7). Meine Ansicht in der Cöli- 
batsfrage ist nun folgende: 

1) Der Cölibat, bez. die Continenz der höheren Kleriker ist 
seit dem 4. Jahrh. in den verschiedenen Teilkirchen eine gesetzliche 
Einrichtung geworden. 

2) Die Quelle für diese förmliche Gesetzgebung war die bereit? 
bestehende Übung des Cölibats, bez. der Continenz seitens der höheren 
Kleriker. Es wird dabei zugestanden, dass, wie Siricius und Epi- 
phanius bemerken, es immerhin Gegenden gab, wo wegen der Lässig* 
keit einzelner Divergenzen in dieser Beziehung vorkamen. Aber mit 
Mittermüller — der in einer Abhandlung »zum Verständnisse einiger 
alten, den Cölibat und die Priesterehe betreffenden Kirchengesetzec 
(Archiv f. kath. Kirchenrecht, Bd. 16 (1866) S. 210 ff.) insbesondere 
den dritten nicänischen Kanon, den fünften (sechsten) apostolischen 
Kanon und den vierten Kanon der Synode von Gangra auf ihre 
Tragweite prüft und dabei hervorhebt, »bei allen dogmatischen 
Synodalbeschlüssen dürfe nur der beabsichtigte Hauptzweck ala 
entschieden betrachtet werden, nicht aber die damit verbundenen 
Nebenfragenc — behaupte ich, »dass bisher noch immer kein Kanon^ 
kein kirchlicher Ausspruch, kein traditionelles Zeugnis entdeckt und 
vorgezeigt worden ist, woraus klar und zweifellos hervorginge, das» 



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350 Nachträge. 

eine derartige Erlaubnis (an ordinierte Ehemänner zam Fortgebraach 
des Ehestandes) je förmlich erteilt oder ausdrücklich anerkannt wor- 
den seif. 

3) Ich finde zwischen den traditionellen Zeugnissen über das 
Bestehen des Cölibats, bez. der Continenz in den drei ersten Jahr- 
hunderten und dem Hinweise auf die Apostel seitens des Siricias, 
Epiphanius und der Väter der beiden karthagischen Synoden yom 
Jahre S90 und 419 einen inneren Znsammenhang und sehe darin 
ein aus der apostolischen Zeit stammendes Herkommen oder Ge- 
wohnheitsrecht zum Ausdruck gebracht. Der Gedanke, den Säg- 
müUer (Lehrbuch des kathol. Eirchenrechts (1902) II, 202) allge- 
mein ausspricht: »Der Cölibat oder die Ehelosigkeit der Kleriker 
der höheren Weihen beruht auf der durch Christi und der Apostel Wort 
und Beispiel gelehrten Wahrheit, dass der jungfräuliche Stand ver- 
dienstlicher ist als der eheliche, und dass der Unverehelichte Gk>tt 
besser dienen kann als der Verehelichtec ist m. E. nicht erst den 
kirchlichen Kreisen des 4. Jahrh. zum Bewusstsein gekommen. 

Behufs Ergänzung des im vorliegenden Werke S. 30—39 (vgl. 
auch Archiv S. 313—323) Gesagten bemerke ich noch Folgendes. 

1) Zur Stütze der Interpretation von »iiro fztag xuvaixogc 
(Archiv S. 316 Anm. 34 bez. S. 33 Anm. 34) verweise ich auf das 
4. Kapitel der Vita des Caius Gracchus bei Plutarch (ed. Sintenis 
III, 492), wo die analoge Phrase »&7c' ävdpöc slvatc »sich vom 
Manne enthaltene bedeutet. 

2) Die Erörterung über die Stelle Strom. HI, 12 (Archiv S. 
320 bez. S. 36 f.) bedarf noch einer Korrektur. Ich bedaure bei 
der Interpretation dieser Stelle Funk (Kirchengeschichtl. Abhandlun- 
gen und Untersuchungen (1897) I, S. 146 f.) insofern gefolgt zu 
sein, als ich gleich ihm als Subjekt dieses Satzes »die Kirchec an- 
nahm. Die betreffende Stelle lautet im Zusammenhange: »'^Odev 
xal 6 'AicoatoXog, ßouXofiai o5v, ^ifjol, vsootlpac ya/üisTv, texvoyovelv, 
otxodeoTCOTsTv , |üiiQde|üiiav a^opiüiTjv didövai zw &vTix8i/Jilv(p Xoidopiac 
Xaptv. ^HäiQ yfltp xtvec; iSetpöiTcifjoav oiciaco toü Satava (I Tim. IV, 
14 u. 15). Nal fiTjv xal xöv x^g /yita«; yovaixöc äväpa tcävü diioJI- 
Xsxat, xäv icpeoßöxepoc ißt *S^ dtaxovot;» xZtv Xaixöct äveiciXi^ictoDC 
yafjic!) xP<*>f*8^oc* ocD^i^oexat de Äw x^g xexvoyovtag.c Das Subjekt 
zu anodix^xai ist also der Apostel Paulus. (»Fürwahr, auch den 
Mann einer Frau lässt der Apostel wohl gelten, mag er Priester 
sein u. s. w.c) Wie ist nun die ganze Stelle zu interpretieren? Der 
Zweck, den Clemens Alexandrinus hier verfolgt, ist aus dem vorher- 
gehenden Satze »et dh icopvetav xöv yafiov xoX|üia xtc Xiyetvf ersicht- 



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Nachträge. 361 

lieh. Zum Beweise dafür, dass die Ehe keine Hurerei sei, beruft 
er sich (zunächst) auf I Tim. IV, 14 u. 15. Welche paulinische 
Stellen hat er aber in dem folgenden umstrittenen Satze »val fiY]v 
xal TÖv T^c fxtag ifüvaixöc xtX.€ im Auge ? Es kommt hier erstens in 
Betracht Tit. 1, 5 n. 6: »fva xaxaoTigaigc 'MLxa icöXiv icpeoßuT^poug 
. . . . ef Ttc SoTiv ivlyxXTjTog, /itag Yovatxöc avigp, x^xva fx^^ ictoxa 
fiT} Iv xatifjiropta iooDTtac ^ ivuicoTaxxaf und zweitens I Tim. 3, 12: 
»diaxovoi foTODoav /üiiac Tovaixoc Svdpec, t^xvcov xaXcog icpoVotauevot 
xai Tcov idttt)v ofxoDvc. Wenn ferner Clemens sagt, dass Paulus auch 
den Laienchristen als fxtäc ruvatxog Svdpa gelten lasse,, so beruht 
dies darauf, dass er nicht bloss selbst der Meinung ist, dass auch 
der Laienchrist nicht so leicht zu einer zweiten Ehe schreiten dürfe, 
sondern weil er auch diese seine Auffassung im selbigen Kapitel auf 
den Apostel Paulus stutzt (icpoc ivtpoicijv Ük icat avaxoici^v touv 
eueiw^opcDV eic tov öeotepov yctfiov dp|üiodi(0(; 6 änooToXoc üitlptovov 
^^lyifSTai xal a&xixa ^ipv »Ilav a|üiaptif]|üia Sxtog xotS oa>|üiax6c Soxtv 
6 öfe TropveucDv etc; xö fdtov oöfxa dfxapxaveic (I Cor. VI, 18). Nun 
bleibt noch festzustellen, auf wen sich in den paulinischen Briefen 
das »ooD^i^aexai Sk dta x^g xexvoToviagc und das »dveiciXi^icxaig Ta/io) 
XpcofAevocf als Voraussetzung der xexvoyovta bezieht. Das ocD^i^oexai 
dtd x^c xexvoyoviac findet sich nicht in den Weisungen, die der Apostel 
für die Auswahl der Presbyter und Diakonen gibt; es findet sich 
überhaupt nur einmal in den paulinischen Briefen und zwar I Tim. 
2, 8—15, wo der Apostel über das Verhältnis des Ehemannes zm 
seiner Ehefrau spricht und schliesslich (v. 15) Ton der letzteren er- 
klärt: »oco^i^^exat Sk 3ia x^c xexvoyovtag, Jav fxstvcoaiv Iv utaxet xal 
äyaicf xal driao|üi<p |i6xa acD^poouvifjcc. Nach der Auffassung des 
Clemens bezieht sich das über die Ehefrau Gesagte schliesslich auch 
auf den Ehemann, und darum lässt er in dem in Frage stehenden 
Texte seiner Stromata den Apostel vom Xatxog im allgemeinen 
sprechen. Das »aoo^aexai ik 5td x^g xexvoyoviac« mit dem die 
Voraussetzung dazu bildenden »äventXijicxwc T«I^S* xP^M^voc« gehört 
also in dem Stromata-Texte, wie es auch schon durch die Stellung 
im Satze nahegelegt wird, nur zu Xat'x6c, zumal da in den auf die 
Presbyter und Diakonen bezüglichen paulinischen Texten von Einder- 
zeugung nicht die Rede ist. 

Der Sinn des Stromata-Textes ist nun folgender: Der sitt- 
liche Charakter der Ehe ergibt sich nach Clemens aus der von dem 
Apostel den Eheleuten gegebenen Erlaubnis zur xexvorovia. Wäre 
die Ehe überhaupt eine Hurerei, so hätte Paulus auch nicht gestattet, 
dass die Presbyter und Diakonen aus den Reihen der |üiiäc t^^^^^^c; 



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352 Nachträge, 

ävöper ausgewählt werden dürfen. Mithin ist in dem fraglichen 
Texte von dem Verhalten der Kirche bezüglich des Cölibats im 
Clementinischen Zeitalter überhaupt nicht die Bede. 

Schliesslich sei noch zu dem Kapitel über die Paphnutiusepisode 
auf dem nicänischen Concil (Archiv S. 321 f. bez. S. 37 f.) Folgen- 
des hinzugefügt. Socrates (bist. eccl. I, 11) entwirft die Charak- 
teristik des Bischofs Paphnutius nach Bufin (vgl. Socr. I, 12). um 
aber seinem Bericht über das Auftreten des Paphnutius gegen das 
projektierte Cölibatsgesetz eine grössere Kraft zu geben, hebt er 
hervor, dass dieser Bischof in seiner Jugendzeit in einem Asceterium 
erzogen worden sei (Ix Tiatäöc yap Iv äaxTjxifjpta) avetl^paiiTo). Diese 
Bemerkung ist aber ein Anachronismus, da Paphnutius in der letzten 
Christenverfolgung als Confessor ein Auge verloren hatte und als 
Teilnehmer am Concil schon ein gereifter Mann war und in jener Zeit, 
in die seine Jugendjahre fallen müssen, Asceterien geschichtlich 
nicht nachweisbar sind. Socrates hat wohl diese Bemerkung über 
die Erziehung des Paphnutius aus einer ebenso trüben Quelle ge- 
schöpft wie die andere ihm eigentümliche Nachricht über das Auf- 
treten desselben gegen das projektierte Cölibatsgesetz. Die einzige 
sichere Nachricht, die wir aus den Verhandlungen jenes Concils den 
Cölibat betreffend haben, ist der bekannte dritte Kanon, in dessen 
Beurteilung ich mich Mittermüller (a. a. 0. S. 209 ff.) bez. Löuing 
(Oesch. d. deutsch. Kirchenrechts I S. 178 Anm. 3) anschliesse. 

Zu S. 65 Anm. 38: Der mit den Worten »Dieser Notiz zu- 
folgec beginnende Satz ist zu streichen. 

Zu S. 66 Z. 26: Die Sätze von S. 66 Z. 26 bis S. 67 Z. 9 
nebst den dazu gehörigen Anmerkungen 46 u. 47 sind zu streichen. 

Zu S. 67 Z. 12: Statt 365 lies: 373 (s. unten S. 344). 

Zu S. 67 Z. 23 ff:: Statt »dass nämlich der Kaiser u. s. w.c 
lies: dass im Jahre 376 auf Grund des eben erwähnten Gesetzes 
viele nitrische Mönche den Tod erlitten. (Hieron. chron. ad ann. 
XII Valentis; s. auch unten S. 344 f.). 

Zu S. 72 Anm. 19: Statt c. 30 lies: c. 25. 

Zu S. 174 Z. 2: Statt 384 lies: 412. 

Zu S. 274 f. Anm. 4 (letzte Zeile): Die Worte »dass nach 
Philo .... entspringen undc sind zu streichen. 



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