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DAS PAPSTTUM UND DIE DEUTSCHS
LANDESKIRCHi. ZUR 7,EIT DER
OTTOI^N.
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Das
Papsttum und die deutsche Landeskirche
xwv Zeit <lei* O 1 1 o ii e n.
Historische Abliaiidlaii
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vom
Oberlehrer Dr. Gustav KNOD.
(Beilage zum Programm des Realgymnasiums zo Gebweiler)
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GEBWEILER.
BÜCHDRUC3KEREI VON J. DREYFUS.
1881
5 74-2
Das Papsttum und die deutsche Landeskirche
x: II 1* ^oit clc3i' Ottoiieii.
Di
'io Entwicklung der päpstlichen Primatsansprüche den Landeskirclien gegenüber ist für
die Auffiissung des Verliiiltnisses zwischen Kaiser und Papst von um so hervorragenderer Bedeu-
tung, je mehr der deutsche Episkopat seit der Ottonischen Zeit als die festeste Stütze des
mittelalterlichen Kaisertums ungesehen wird ; denn bei der engen Verbindung und eigen-
tfindiclien Wechselwirkung, in welcher Kirche und Staat in jenen Tagen zu einander standen,
musste mit der allmählich fortschreitenden Umbildung ursprünglicher Rechtsverhältnisse der
Kirche zugleich die Stellung der letztern dem Staate gegenüber eine wesentliche Veränderung
erleiden.
Schon in der zweiten Hälfte des IX. Jahrhunderts hatte die kircliliche Gesetzgebung
unter Nikolaus I. und seinen Nachfolgern, den pscudoisidorischen Spuren folgend, eine streng
papistische Richtung eingeschlagen : auch das X. Jahrhundert zeigt sich im wesentlichen von
demselben Triebe belierrscht, wenngleich derselbe bei dem erdrückenden Uebergewicht der
weltliciien Maclit in weniger charakteristischer Ausprägung erscheint. Jeder faktischen Autorität
entbehrend, ja herausgehoben aus dem Mittelpunkt der kircldichen Bewegung, weiss das Papsttum,
gehegt von der kaiserlichen Politik, nicht nur den alten Boden zu behaupten, sondern selbst neue
Gebiete seiner Jurisdiktion zu erobern; und wenn auch keine einzige kirchliche Bestinnnung
der Ottonischen Zeit in das spätere Kirchenrecht Eingang gefunden i), so wurden doch die
pseudoisidorischon Vorstellungen von den richterlichen, disciplinarischen und exekutiven Befug-
nissen des römisciien Stuhles im Bewusstsein der Völker lebendig erhalten.
Die Ordiiiins: der (leiitsclien Lainleskirclie.
'r^
Der tragisclie Ausgang Konrad's I. war wesentlich in seiner verfehlten kirchlichen Politik
begründet. Darum vcrliess sein Nachfolger Heinrich I. mit Bewusstsein die karolingischen
Traditionen und verzichtete auf eine Bundesgenossenschaft, aus welcher bisher dem Königtum
so wenig Heil entsprossen ; ja, er nahm keinen Anstand auf Kosten des Episkopats mit den
Stannnesgewalten zu paktiren. Auch in den Anfängen Ottos d. Gr. hatte die hohe Geistlich-
keit sich keiner besonderen Begünstigung zu erfreuen ; erst in den fünfziger Jahren lässt sich,
wie Giesebrecht gezeigt, ein Umschwung in Ottos innerer Politik erkennen, indem derselbe
l)Oiosebrecht, die Gcsetzgebung.der römischen Kirche z. Zeit Gregors VII. »^Münchner Histor.
Jahrbuch 18G6, S. U8.)
fortan im hohen Klerus die festeste Stütze seiner königlichen Gewalt suchte. Mochten den
vielgeprüften Herrscher zu diesem Wechsel des Systems zunächst die bittern Früchte seiner
bisherigen Familienpolitik bestimmen, so scheinen doch die gleichzeitig stärker hervortretenden
Bestrebungen, die kaiserliche Obergewalt in Italien wiederherzustellen, mitgewirkt zu haben.
Durch die Erwerbung der römischen Kaiserkrone wurde die Bedeutung des kirchlichen Elements
noch verstärkt. Indem Otto, den beschränkten Standpunkt des deutschen Volivskönigs verlas-
send, sich zum Schirmherrn der abendländischen Christenheit berufen sah, musste er vor allem
darauf denken, seine Beziehungen zum geistlichen Oberhaupte derselben zu regeln und die
moralische Autorität des letztern im Sinne seiner Kaiserpolitik zu leiten. — Es ist bekannt, in
welch souveräner Weise Otto d. Gr. diese Schirmherrschaft geübt. Es lag indess keineswegs
in seinem Interesse, das kirchliche Ansehen des Papstes zu schmälern ; nur als anerkanntes
geistliches Oberhaupt konnte der Papst seinen Zwecken dienen. Dieser rein politische Stand-
punkt ist es, welcher das Verhalten Ottos I. und seiner Nachfolger Papst und Kirche gegen-
über bestimmt. Wenn daher Otto in denjenigen Angelegenheiten der deutschen Kirche, die
von allgemeinerer Bedeutung waren, wie bei der Errichtung neuer Bistümer u. dergl., der
schon von Karl d. Gr. geübten Praxis folgend, die Mitwirkung des Papstes in Anspruch
nahm, so wollte er dadurch zunächst seine eigenen Anordnungen mit dem Schein höherer
Weihe umgeben, dann aber auch dem Stuhle Petri zugleich seine Hochachtung bekunden und
denselben zu Dank verpflichten ; freilich konnte er nicht hindern, dass durch solche Vorgänge
die bisAveilen schon gehörte Ansicht, als ob derartigen Akten ohne die päpstliche Genehmigung
überhaupt jede Rechtsgültigkeit abgehe, mehr und mehr in den kirchlichen Rechtsanschauungen
der Zeit sich festigte.
Dass dieser Begriff von der konstitutiven Gewalt des Papstes selbst in der unserm Zeit-
alter vorangehenden Periode trotz der gewaltigen Machtentwicklung, welche das Papsttum
gerade damals unter Nikolaus I., Pladrian II. und Johann VIII. entfaltet hatte, keineswegs ein.
a;llgeraeiner und unbestrittener war, zeigt jener langwierige Streit der Erzbistümer Köln und
Hamburg, der in seinen Anfängen bis in die Tage Ludwigs d. Deutschen zurückreichend,
erst im zwölften Jahre der Regierung Ottos I. seinen endgültigen Abschluss erhielt i); zugleich
tritt hierbei schon die auch später zu bemerkende Ohnmacht der Kurie, ihren richterlichen
Entscheidungen den nötigen Nachdruck zu verleihen , in eigentümlicher Weise hervor ,
da die in dieser Angelegenlieit wiederholt ergangenen päpstlichen Erlasse meist gar keine
Beachtung fanden, oder doch nur unter lebhaftem Protest der geschädigten Partei, und auch
dann nur zeitweilig, ausgeführt werden konnten. Ja die definitive Beilegung dieses höchst
ärgerlichen Konflikts ist keineswegs der Bulle Agapets II., vom Jahre 948, sondern lediglich
dem versöhnlichen Sinne eines kölnischen Erzbischofs zu verdanken, der „von Adaldags Ansehen
überwunden", allen Anrechten seiner Kirche auf Bremen freiwillig entsagte 2). Immerhin war
dieser im Sinne der päpstlichen Bullen erfolgte Ausgang des Streites für die Kurie von hoher
1) Für die Geschichte des Streites kommt hauptsächlich die Darstellung des Adam von Bremen
(S. S. XVII. 267 sqq.) in Betracht. Die betreffenden päpstlichen Bullen bei Jaffe, reg. pontijj. Roman.
Berl. 1851. N' 2085. 2G66. 2680. 2716. 2792. In der Darstellung D ehio s, '•(Geschichte d. Erzbistums
Hamburg-Bremen Bd.I. S. 70 flg.) werden die einzelnen Phasen der Entwicklung nicht scharf genug cha-
Takterisirt; seine Argumente für die Unechtheit der Bulle Sergius III. (JafFe 2716) sind nicht zulänglich.
(a. a. 0. S. 128. u. kritische Ausführg. X. S. 58).
2) Ad. Brem. II. 5. Dass dieser Erzbischof, Bruno, zugleich des Kaisers Bruder und treueste Stütze
vrar, kann unserer Axiffassung des Sachverhalts nur zu Gute kommen. Auch hier stand die weltliche Gewalt
jm Hintergrunde, was schon aus dem Umstand hervorgeht, dassHadamar es war, der die Bulle Agapets IL
{Jaffe 2792) mitgebracht hatte.
3
Bodoutun^, und zwar um so mehr, als noch die Synode zu Tribur (895), in der gleichen
Angelegenheit befrngt, auf das Nicaenum zurückgreifend, jede Versetzung auf ein andere»
lii.stuin verhüten hatte, gleichviel ob die von Gregor ') und Pseudoisidor geforderte ulilitas
el iii'C('asil<i.s nachgewiesen würde oder nicht 2).
Wie wenig thatsiichliche Bedeutung auch in der Ottonischen Zeit den päpstlichen Ent-
scheidungen zukam, lässt die Geschichte der Errichtung des Magdeburger f]rzbi8tums unschwer
erkennen, die endlich durch ein kaiserliches Machtwort beendet, in ihren Folgen freilich dem
rapsttuni zu Gute kam. Hier galt es den hartnäckigen, rechtlich begründeten Widerstand
zweier einflussreichen Kirchenfürsten zu brechen, die durch die projektirte Errichtung eines
neuen Erzbistums in ilirem kirchlichen Besitzstand geschmälert werden sollton, — eine Auf-
gabe, bei deren Lösung die Mitwirkung des Papstes dem Kaiser ganz besonders erwünscht
sein muste. Aber hier schien auch der gemeinsame Wille von Kaiser u. Papst nicht
auszureichen ; denn auch sie waren bei der Errichtung neuer Bistümer an die kanonischen
Bestimmungen gebunden und hatten, wenn dieselbe nicht ohne Schädigung schon bestehender
Sprengel vor sich gehen konnte, die Zustimmung der betroffenen Bischöfe einzuholen ^j.
Ottos Verfahren in der Magdeburger Angelegenheit war zwar nicht ganz so gewaltsam wie das-
jenige Johanns IX. dem Salzburger Metropolitan gegenüber, aber doch nicht weniger zwingend.
Seine ursprüngliche Absicht ging wol nur dahin, das Halberst;idter Bistum, in dessen Spren-
gel ^[agdeburg lag, unter Erhebung zu einem Erzbistum nach letztcrm Orte zu verlegen.
Möglich, dass schon Abt Hadamar von Fulda, der Ende 947 in diplomatischer Sendung nach
Kom ging, dem Papste die Pläne des Kaisers vorgelegt hatte ; bestimmtes darüber hören
wir jedoch erst seit TIadamars zweiter Romreise im Sommer 955. Diesmal wurde, wie aus
dem Briefe Wilhelms v. Mainz an Agapet Jl.^) iicrvorgeht, direkt mit der Kurie über die Grün-
dung eines F]rzbistum3 zu Magdeburg verjiandelt. Noch im November kehrte Hadamar zurück,
ausser anderen päpstlichen Gnadenbeweisen zugleich die Erlaubniss mit sich führend ajiostolica
majeatale licitinii jore regi episcopia ita ordiiiarf quo aihi placcat (Brief Wilhelms). Ottos Pläne
scheiterten an der Festigkeit des Mainzer Metropolitan Wilhelm, eines leiblichen Sohnes de»
1) Gratian dccr. p. II. caus. VII. quaesl I, C. 34. 35. 42. {ed. Richter p. 496. 498).
2) Mansi, concil. nov. el ampl. collect. Flor. 1759. t. XVIII. 130. C. 28.
3) Freilich wurden diese kanonischen Verordnungen nicht immer beachtet, wie die nur wenige Jahre
früher von Johann IX. unter dem lobhaften Protest des Er/bischofs von Salzl)urg und seiner Suflraganc
vollzogene Loslösung der mährischen Kirche aus dem Metropolitanverband Salzburgs beweist. (Mansi.
XYIII, 205). Theotraar von Salzl>urg beklagt sich biticr bei „dem obersten Priester und allgemeinen Papste
nicht einer Stadt sondern des Erdkreises", dass im Lande der Mähren aus 1 Bistum, 1 Erzbistum und
4 Bistümer gemacht worden seien, ohne seine Zustimmung. „In dem einen Bistum habt Ihr
Dinge vollführt, wie sie noch nie vom Apostolischen Stuhle ausgingen und durch die Satzungen des
Kirchenrechts verboten sind, indem ihr eine Spaltung ziigebef. — Leber den in gleicher Angelegenheit
geschriebenen (unechten) Brief llattos von Mainz vgl. Dümmler, Arch. f. österr. Gcschichtsqucllen X. TS.
Giesebrecht, Gesch. d. d. K. Z. I. 803 flgd. — Auch das, wie es scheint, im Einverständniss mit dem
Papste geschehene (Wilmanns. Otto III S. 113) unkanonische Vorgehen Ottos III. bei Errichtung des
Erzbistums Gnesen, das schon Thietmars Tadel erfuhr, gehört hierher, ^anii. Magdeb. a. O'M. Thietm.
c/iron. IV. 28. fecit ibi arcläepiscopatuin iit spero leriitime sine con sensu tarnen praefaii
praesulis cuiiis dioecesi omnis linec regio suhjecta estK
4) Wilhelm von Mainz an Agapet II. ( Jaffe Bibl. rer. Germ. III. 349 sqg., Giesebrecht I. 880)
tum qnod ininr>ratio^iem trmislationemque Ilalberstadensif: ccclesiue me vivo non con.'ientiain ;
"Vgl. L i n de c k e , die Stellung des Bistums Halbcrstadt zu der Gründung des Erzbistums Magdeburg
(Prog. 1879 des Halberst. Dom-Gymnas.) S. 15. — Will (Regesten z. Gesch. des Mainzer Erzbistums
S. 10S)hat diesen Brief wunderlicher Weise der Bestätigungsbulle für Wilhelm (JaflFe N"28L5) vorgestellt,
obgleich doch in demselben wiederholt auf letztere Bezug genommen wird; auch traf ja Wilhelms Brief
den Papst nicht mehr am Leben. (Joh. XII. an Wilhelm, Jaffe Bibl. III. 350.)
DI;
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. 5
•Kaisers, der die Erhehun«? Ilalberstadts und die Abtretung Brandenbur/^s und llavclbcrg»
unter keiner Bedingung zugestehen wollte. Der Kaiser beschloss daher von dQr geplanten
Verlegung Ilalber.stadtH abzustehen und in Magdeburg ein ganz neues Bistum zu errichten,
geriet dadurch aber jetzjt mit dem in seinen ehrgeizigen Hoffnungen enttäuschten Jlalber-
städter Bischof Bernhard in einen heftigen Konflikt, der die Errichtung des Erzbistums bis nach Bern-
hards Tode verzügerte. Selbst die beiden päpstlichen Bullen i) vom J. 962 und 967 konnten dctt
hartnäckigen Bischof nicht bewegen, Magdeburg aus dem Ilalberstädter Sprengel zu entlassen.
Erst nach Bernhards Tode (968) gelang es Otto von dessen Nachfolger Jlildeward die Einwil-
ligung zu erpressen, doch nnisste er sich zu entsprechender Entschidigung verstehen 2). — So
hatte sich in der Magdeburger Angelegenheit nicht die Zustimmung des Papstes, sondern das
Machtwort des Kaisers als ausschlaggebendes Moment erwiesen ; aber auch diesmal war die
Entscheidung im päpstlichen Sinne gefallen.
Weniger glücklich als in dem Köln-IIamburger Streite war die Kurie bei einer Uebertra-
gung, die unter Ottos II. Auspicien sich vollzog. Bischof Gisilher von Merseburg, berüchtigt
durch Ehrgeiz und Habgier, aber bei Otto II. in grosser Gunst stehend (Thietm. III. 1), hatte
sich durch Bestechung kaiserlicher Ratgeber und durch falsche Angaben vor der Synode über
sein eigenes Bistum in Besitz der Magdeburger Kirche zu setzen gewusst und dann, „ein
Mietling nicht ein Plirte seiner Herde" 3)^ alle Güter seines frühern Bistums veräussert,
„wie eine Familie von Slaven, die angeklagt nach des Richters Spruch, verkauft und zerstreut
wird" 4). Obgleich dieses pietätlose Verfahren in der deutschen Kirche einen Sturm der Entrüs-
tung hervorrief, so wird doch nichts davon berichtet, dass der Papst als cuslos cauouum und
höchster Ordner der Kirche sich veranlasst gefühlt hätte gegen Gisilher cinzusclareiten •"'). Erst
acht Jahre später nahm, nicht der Papst, sondern der inzwischen mündig gewordene Otto HI.
die Sache in die Haud ; doch vergingen noch \veitere zehn Jahre, ehe derselbe daran denken
konnte, den Bischof zur Verantwortung zu ziehen (Thietm. IV, 8, 28). Damals beantragte der
junge Kaiser auf einer römischen Synode, obschon er sonst dem Bischof wohlgewogen war
(IV, 49), die einst^Yeilige Suspendiruhg desselben; auch sollte er Yom Papste nach Rom zur
Verantwortung citirt werden. Doch Gisilher erschien ebenso wenig zu Rom wie auf der vom
Kaiser anberaumten Synode zu Quedlinburg, sondern wusste, Krankheit erheuchelnd, die Sache
in die Länge zu ziehen ; und wenn er sich endlich auch herbeiliess, sich dem in Achen wei-
lenden römischen Archidiakonus als „seinem Richter" zu stellen, so that er es dochaur, um von
diesem sofort an einen höhern Richter zu appelliren : an ein allgemeines Konzil. So blieb
er denn einstweilen, trotz wiederholter Mahnungen des Kaisers, im Besitze und wusste sich
auch in demselben bis zu seinem unter Heinrich II. erfolgten Tode zu behaupten (Thietm. V,
24). — Allerdings ist in Thietniars Darstellung vieles unklar. Wie war es möglich, fragt maa
sich, dass Gisilher jener römischen Synode, die seinen Uebergang auf dis Magdeburger Erz-
bistum sanktionirte, vorspiegeln konnte, „sein Bistum., das er besessen, nicht mehr zu haben,
da er desselben von Hildiward beraubt sei"? Wenn auch Dietrich von Metz für Verhehlung
1) Johanns XII. vom 12. Febr. 962 {Annal. Saxo. 962) u. Johanns XIII. von 967. (Jaffe 2847).
2) vgl. Lindecke a. a. 0. S. 29. —
3) Thietmar III. 9.
4) Fraustadts Abhandlung über die Auflösung des Bistums Morseburg u. dessen Wiederherstellung
(v. Webers Archiv f. d. Sachs, Gresch. N. F. V. 133 flg.) war mir nicht zugänglich.
5) Der Uebergang auf ein anderes Bistum amhilionis causa war von Synoden und Päpsten
aufs schärfste verboten und hatte den Verlust des eignen Bistums zur Folge. (Zeugnisse bei
Gratian decr. p. 11. caus. VII, quaest. 1 seqq. ed. Richter p. 493 sqq.)
lior WaiiHioit 1000 Pfund eiiipfan^on, so wundert man sich doch, dass die Synode den nube-
rischni liischof nix^lit zur Rochenchaft zop. Offenbar sollten Glsllhors Klagen nur einen Vorwand
abgehen, um die vom Kaiser beschlossene Uebertragung vor Papst u. Synode als begründet
zu rechtfertigen. — Der Papst tritt iil)erhaupt in der ganzen Angelegenheit in auftalUmder
Weise zurück. Von Otto II. wird das Bistum Merseburg aufgehoben, durch seine Nachfolger
wird es wieder hergestellt (Tliietm. VI, 1). Zwar hatte Otto llf., der das Rechts verfahren
gegen Gisilher eiii-geleitet, beantragt, dass d(!rselbe nach Rom oitirt werde, da er aber nicht
erschien, wurde beschlossen (von der Synode?), dass der Kaiser die Sache mit den einheimischen
Bischöfen verhandeln solle (IV, 28), als ob es sich hier um eine innere Angelegenheit der
deutschen Landeskirche, nicht um eine qnti'stio major von allgemeiner Bedeutung gehandelt
hätte, deren Aburteilung seit Nikolaus I. und Pseudoisidor der römische Stuhl als ihm allein
zustellend in Anspruch nahm. Auch konnte nach kanonischen' Begriffen, was vom Papst auf
den Rat und mit Zustinmmng des allgemeinen Konzils genehmigt worden, nur durch einen
neuen Spruch derselben Instunzen, nicht durch kaiserliches Machtwort aufgehoben werden
(IV, 28). Vor allem aber muss es auffallen, dass Gisilher, ganz aus dem Ideenkreise Pseudo-
isidors heraustretend, nicht in dem Stuhle l'etri, sondern nur in einem „allgemeinen Konzil**
seinen Richter erkannte.
In gleich gefahrbringender Weise für die Autorität des römischen Stuhles verlief der in
den letzten Jahren Ottos III. ausbrechende berüchtigte Gandersheimer Streit •). Seit der Auf-
hebung Merseburgs durch Otto II. hatte keine Angelegenheit der deutschen Kirche die Auf-
merksamkeit der Parteien und die allgemeine Teilnahme in gleichem (xrade erregt; ja es
drohte diese mit äusserster Heftigkeit zwischen zwei hervorragenden Prälaten der deutschen
Kirche geführte Fehde, in welche die bedeutendsten Männer der Zeit verflochten waren, den
gesammtcn deutschen Klerus in zwei feindliche Lager, in ein nationalgesinntes und ein römi-
sches, zu scheiden. Es handelte sich dabei, nach der Darstellung der Ilildcsheimer Biographen,
um das Recht der bischöflichen Oberaufsicht im Nonnenkloster Gandersheira, das bisher fast
zwei Jahrhundertc hindurch von Ilildesheim unangefochten geübt worden war. Und Ilildesheim
nahm dieses Recht für sich in Anspruch, weil das Kloster auf Veranlassung eines Ilildes-
heimer Bischofs und dabei auf Hildesheimer Grund und Boden erbaut sein sollte. Auf der
andern Seite behauptete aber Willigis von ^lainz, dass nur seinem Stuhl das Recht zur Aus-
übung der geistlichen Funktionen im Kloster zustehe, und hatte auch in der That die Erlaub-
niss zur Mitwirkung bei der Einkleidung Sophias, der Tochter Ottos II., erlangt. — Wenige
Jahre später kam es wegen der bevorstehenden Einweihung der neuerbauten Klosterkirche
zwischen ihm und Bischof Bernward von Ilildesheim zu den heftigsten Auftri.ttei), bis endlich
der letztere auf den Rat seiner Partei boschloss, bei Papst und Kaiser klagbar zu werden,
da auch er der Ueberzeugung w'xr, „dass das eingegossene Gift nicht anders als durch päpst-
liches oder kaiserliches Gegengift beseitigt werden könnte" (Vit. Bernw. C. 19). — Während
aber Bernward, von Papst und Kaiser aufs herzlichste empfangen, in Rom weilte, scheute sich
der Erzbischof nicht, ein Sendgericht in Gandersheim abzuhalten. Auf die Nachricht hiervon
wurde alsbald die römische Geistlichkeit versammelt ; in ihrer Gegenwart erklärte der Papst,
kraft apostolischer Vollmacht, für null und nichtig, was in Bernwards Abwesenheit zu Gan-
dersheim in seiner Diöcese von Willigis und seinen Helfern als Recht erfunden und festgesetzt
worden wäre ; dem Bernward aber wurde durch Ucbeneichung des Hirtenstabes sein Anrecht
1) Hierüber Thangm. Vita Bornwardi (S. S. VI 754-782) und Wolfhore, V. Godohardi (S. S,
XL 167. 190—218), deren Darstellung ich gefolgt hin. Allerdings ist, wie öfter bemerkt worden,
Thangmdrs Berieht durchaus Parteischrift, von einem Mitbeteiligten und Mithandelnden vcrfasst.
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auf Gandersheim erneuert und bekräftigt. Endlich wurde bestimmt, dass denmächst auf einer
deutschen Synode, unter Vorsitz des päpstlichen Legaten Friedrich, die Angelegenheit unter-
sucht worden solle (C. 22). Diese trat denn auch am 22. Juni 1001 zu Pölde zusammen.
Nachdem ein päpstliches Schreiben verlesen worden war, in welchem der Erzbischof mit hefti-
gen Worten zur Eintracht und zum Gehorsam ermahnt wurde, verlies Willigis mit seinen
Anhängern in demonstrironder Weise die Synode; da er auch am 2. Tag nicht wieder zurück-
kehrte, wurde er von dem Legaten so lange von jeder priesterlichen Amtsbefugniss suspendirt,
bis er sich vor dem Papste gestellt hätte ; alle Bischöfe aber wurden aufgefordert, sieh um
Weihnachten zu einer Synode iu Rom einzufinden (C. 29).
Die deutschen Bischöfe traten indess, um dem täglich mehr um sich greifenden Hader in
der Kirche bei Zeiten zu steuern, schon am 15. August desselben Jahres wieder in Frankfurt
zusammen, ohne etwas wesentliches auszurichten. Bernward seinerseits fertigte alsbald dßu
Priester Thangmar, der ihn auch in Frankfurt vertreten hatte, mit Briefen und Aufträgen nach
Rom ab, um seine Sache daselbst vor dem vom Legaten Friedrich angesagten Konzil zu führen.
Obschon derselbe hier, nach kurzem Referat über die Frankfurter Verhandlungen, die schmei-
chelhaftesten Erklärungen unbegrenzter Ergebenheit gegen den Stuhl Petri abgab, musste er
doch ohne Bescheid nach Hause zurückkehren, da die Synode ohne die deutschen Bischöfe,
deren Ankunft sich verzögert hatte, keinen Beschluss fassen wollte (C. 'dß).
Willigis erlebte bald darauf die Freude, Sophia zur Aebtissin weihen zu dürfen. Dennoch
erklärte er endlich, dem eindringliclien Zureden des Königs nachgebend, seine Streitsache dem
Urteile des Königs und der Brüder unterwerfen und deren Wünschen und Befehlen in jeder
Weise nachgeben zu wollen (C.43). So ging denn unter königlicher Autorität die so oft
vereitelte Weihe der Gandersheimer Kirche am 7. Januar 1007 endlich von statten, und zwar
in der W^eise, dass die Besprengung mit dem Weihwasser von beiden Bischöfen gemeinsam,
die geheimnissvolle Weihe in der Kirche selbst von Bernward allein vollzogen wurde. Nach-
dem der Kaiser darauf mit lauten Worten das Eigentumsrecht der Hildesheimer Kirclie
bekräftigt, bekannte der Erzbischof öffentlich sein Unrecht und entsagte, indem er Bernward
seinen Bischofstab überreichte, förmlich für sich und seine Nachfolger allen Rechten und
Ansprüchen auf den Ort (C. 43).
So hatte Bernward zwar gesiegt, aber sein Sieg war eine Niederlage für den Papst, in
dessen Schutz er sich gestellt. Nicht die Drohungen und Massregeln des letztern hatten den
stolzen Erzbischof vermocht, seinen Ansprüchen auf das Kloster zu entsagen; den eindring-
lichen Vorstellungen seines Königs weichend, gab Willigis der Wahrheit die Ehre.
Auch in diesen Streitigkeiten tritt der L^abhängigkeitssinn des deutschen Episkopats und
die Ohnmacht der Kurie in auffallender Weise zu Tage. Zwar wird die höchste Jurisdiktion
des Papstes nicht in Zweifel gezogen, aber eben so wenig finden seine Anordnungen Beach-
tung. Es ist kein Zufall und spricht mehr für das Selbstgefühl der deutschen Bischöfe als für
ihren Gerechtigkeitssinn, dass allein Lievizo von Hamburg, ein Romane, es war, der, nachdem
Bernward die päpstliche Intervention angerufen hatte, die Sache des letztern noch offen ver-
teidigte; denn Lievizo, einst Benedikts Gefährte im Hamburger Exil (Thietm. IV, 12, Ad.
Brem. II, 27) galt als ein Eiferer für Rom. Jene Frankfurter Versammlung, die kaum zwei
Monate nach der vom päpstlichen Legaten präsidirten Polder Synode stattfand, war, wie ea
scheint, lediglich dem Wunsche des deutschen Episkopats entsprungen, in dieser Innern Ange-
legenheit der deutschen Kirche jede fremde Einmischung fern zu halten. Gelang es auf diese
Weise den Streit beizulegen, so war die päpstliche Intervention gegenstandlos gemacht. Dass
dies wirklich der Zweck jener Versammlung gewesen, scheint mir aus den Worten Thang-
mare (C. 33) und Wolflieres (C. 23) unzweifelhaft hervorzugehen. Gewiss hatte Bernward von
seinem Standpunkt Recht, wenn er das Beginnen der Bischöfe „eine Ueberhebung gegen die
päpstliche Synode" nannte, und diigegen protestirte. (V. Godeh. C. 23.) Er konnte in der
Thiit nur schlecht dabei fahren. Denn es war immerhin ein Erfolg für Willigis, wenn die
Bischöfe „gemeinschaftlich" beschlossen, dass weder er noch Bernward bis zu einer zweiten
Synode, die acht Tage nach Pfingsten des folgenden Jahres in Fritzlar zusammentreten sollte,
ein Besitzrecht in Gandersheim auszuüben habe. Was sollte es aber mit dieser angesagten
Fritzlarer Synode, da ja schon vor zwei Monaten der Legat Friedrich die entgültige Entschei-
dung dem nimischen Konzil zugewiesen hatte! Man wird dah(>r annehmen müssen, dass die zu
Frankfurt versammelten Bischöfe stillschweigend übereingekommen waren, die römische Synodo
überhaupt nicht zu besuchen. Auch wird in Wirklichkeit durch das Ausbleiben der deutschen
Bischöfe die endgültige Entscheidung der römischen Synode verhindert. Trotz der wiederholt zuge-
gangenen Aufforderung, die Reise nach Rom zu beschleunigen, trotz des zweimal hinausgescho-
benen Termins, fand sich keiner der erwarteten deutschon Bischöfe zur rechten Zeit in Rom
ein. Wir wissen überhaupt nicht, ob sie später noch gekommen tiind. „Es war nicht zu bewir-
ken, dass sie erschienen." (V. Bernw. C. 36.) Nur drei deutsche Bischöfe, die sich zufällig
in Rom aufhielten, waren auf der Synode zugegen ; und von diesen hatten zwei schon der
frühern römischen Synode beigewohnt, waren also wahrscheinlich seither noch nicht nach Ifause
zurückgekehrt. Dieses geflissentliche Bestreben, die päpstliche Synode zu vereiteln, zeigt ebenso
wie der höchst unfreundliche Empfang, der dem Legaten Friedricli in Deutschland zu Theil
wurde (C. 2^), dass Willigis eine starke Partei im deutschen Episkopat zählte. Wie konnten
aber diese Männer, wenn Bernward, wie es scheint, in offenkundigem Recht war, dem gewalt-
samen Beginnen des Erzbischofs Vorschub leisten ? Sollte man in diesem auffallenden Ver-
halten des deutschen Episkopats nicht einen nationalen Protest gegen Bernwards römische
Tendenzen (C. 18) erblicken dürfen ')?
1) HüfiFcr (Vorrcdo z. Ucbersotzung S. X) hat darauf hingewiesen, dass neben dem Streite über die
Zngohörigkoit des Gandcrsheimer Stiftes ein von diesem ganz verschiedener Streit über die Exemtion dea
Klosrors herlaufe. Es zeigt, wie G. in der That unter päpstlichem Schutz gestanden hübe, wie ihm ausser-
dem wiederholt vom Papste freies Wahlrecht und freie Gütcrverwaltung garantirt worden sei. — Diese
Angaben sind unbestreitbar; woniger leicht ist es den zweiten Streitpunkr in Thangmars Darstellung zu
verfolgen. Nur in C. 18 ist offenbar von solchen päpstlichen und kaiserlichen Privilegien die Rede; die-
.selben beziehen sieh indess nur auf den Güterbesitz. Auch darf man es schon wagen, mit Hüffer (S. 50 a. 4.),
Sophias Bitte, Willigis möge ihre Weihe zur Aebtissin vollziehen, auf den Wunsch zurückzuführen, die
Exemtion ihres Stiftes dadurch bestätigt zu sehen, oder vielmehr, ihre schon erlangten Privilegien durch,
ein wichtiges neues zu vermehren. Dann hätte freilich Thangmar dem Willigis und der Sophia eine
Behauptung in den Mund gelegt, die sie niemals ausgesprochen haben könnten. (C. 13. 14.) Warum sollte
Willigis gegen besseres Wissen darauf bestehen, G. gehöre zu seiner Diöcese , wenn er seine Befugniss
zur Vollziehung der Weihe aus päpstlichen Privilegien ableiten konnte':' Hätte er da nicht den Papst auf
seiner Seite haben müssen ? Eben weil das Gandcrsheimer Kloster das im X. Jahrhundert nur höchst
selten vorkommende Recht (vgl, u. S.17), die Ausübung der kirchlichen Funktionen innerhalb derKloster-
maucrn einem beliebigen Bischof zu übertragen, nicht besass, schlugen die Insassen einen Weg ein, der
wie sie glaubten, leichter zum Ziele führen musste.
8
II.
Die Verwaltiiiifi; der deiitHtlieii Landeskirche.
1. Die päpstliche Jurisdiktion.
Seit Nikolaus I. galt für das kanonische Rechtsverfahren der Satz, dass alle causae majores
— also vor allem das Gericht über die Bischöfe — dem römischen Stuhl allein zuständen. Aber
diesem Satze hatte Nikolaus in dem berüchtigten Lotharischen Ehestreit den Erzbischöfen von
Köln und Trier gegenüber bereits eine Ausdehnung gegeben, die selbst die Bestimmungen
Pseudoisidors überbot, da letzterer den Provinzialkonzilien wenigstens das Recht der Vorunter-
suchung zugestanden hatte i). Zur Ottonischen Zeit wird zwar im allgemeinen der von Pseudo-
isidor vorgeschriebene Rechtsgang befolgt, jedoch mit der Einschränkung, dass auch hier der
weltlichen Macht, von deren Mitwirkung Pseudoisidor nichts weiss, ein überwiegender Einfluss
zukommt. Ja der Kaiser nimmt direkt das Recht der Absetzung für sich in Anspruch, wenn
dieselbe wegen politischer Vergehen des Bischofs erfolgt. Es hat natürlich nur formelle
Bedeutung, wenn die Absetzung dann nachträglich vom Papst oder der Synode genehmigt
oder nochmals ausgesprochen wird. So war Herold von Salzburg durch Herzog Heinrich von
Baiern, den Bruder Ottos I., zur Strafe für seine Teilnahme an einer Verschwörung, geblen-
det und abgesezt worden (955). Um nun dieser Absetzung auch in den Augen des streng-
kirchlichen Klerus, aus dessen Mitte sich bereits Stimmen der Missljilligung erhoben hatten 2)^
einen legalen Anstrich zu geben, liess Otto auf der Ingelheimer Synode vom Jahre 958
nochmals die Absetzung Herolds aussprechen und diesen selbst seine Entfernung als eine
rech tmäs sig erfolgte anerkennen-^). Erst als der abgesezte Erzbischof trotz abgegebener Ver-
zichtleistung fortfuhr, bischöfliche Amtshandlungen zu verrichten, wandte sich der Kaiser an
den Papst. Es bedm-fte indess noch zweier päpstlichen Bullen (J. 2831), nm den fortgesetzten
Widerstand Herolds zu brechen (965).
Von geradezu prinzipieller Bedeutung für die Auffassung der Frage nach der dem Papste
zustehenden oberrichterlichen Befugniss sind zwei Vorfälle der westfränkischen Kirche, die bald
zu politischen Fragen ersten Ranges aufgebauscht auch das Interesse der deuts chen Kirche
in höchstem Grade erregten, ja letztere zu thätiger Teilnahme veranlassten'*). Artold von
Reims, von Hugo von Francien zur Abdankung und eidlichen Verzichtleistung auf seinen
Erzstuhl gezwungen, war von Otto d. Gr. zurückgeführt und durch eine Synode einstweilen
im Wiederbesitz seines Erzbistums bestätigt worden. Da jedoch sein Gegenbischof, der vom
Papst Stephan IV. bereits das Pallium erhalten hatte, erklärte, sich der Entscheidung der
1) discutere namque episcoporum et summoriim ecclesiaslicorum negoliorwn causas Metro-
polllanos una cum Omnibus suis comprovincialibns sed d ef'inir e eorum (ttqueecclesiaslicarutn
summas querelas causarum vel damnare episcopos absque Indus s. sedis aurtoritale minime
licet. Andre Bestimmungen Pseudoisidors wissen freilich von einer der Synode zustehenden Vorunter-
suchung nichts.
2) In dem oben citirten Briefe (S. 3. a. 4) verlangt Wilhelm von Agapet II. ein Konzil, auf welchen».
n. a. über die geblendeten und verjagten Bischöfe verhandelt werden solle de episcopis excaecatis Jät
a sedibiis suis rejectis, de caeco Herolde et de Ratlierio
3) Contin. Regin. 958.
4) Hierüber vor allem Richer hist. libr. IV (S. S. III. 561). '
I
Bischöfe nicht fiigdi zu wollen, hraohtc Aitolcl hcinc Klage vor tlcn päpstlichen Ivichtcj>tiihl,
der, wie es scheint i), schon vorher auch von Konip Otto angerufen worden war. Nun sali sich
ilcr Papst zur Entsendunp eines Legaten veianlasst, der wie einst zu llolienaltheini, nicht nur
die (Jebrechen der Kirche heilen, sondern zugleich auch die Verächter der königlichen Gewalt
mit dem piipstliclien Bannstrahl schrecken sollte. So trat denn am 7. .luni 948 eine neue
Synode unter dem Ehrenvorsitz des Legaten Marinus, jedoch unter eigentlicher Leitung des
Erzhischofs Ilotbert von Trier, zusammen 2), die den Artold, weil er sich miweigerlich vor
jeder Synode gestellt, in seiner erzbiscIiöHichcn Würde bestätigte, Hugo dagegen, „den Räuber
der Reimser Kirche", mit dem Bann bestrafte, — eine Entscheidung, die später von Agapet IL
(Flod. ann. 949) und Johann XII. (Ilich. TIT, 7) bestätigt wurde.
Auch in jenen endlosen Wirren, welche der Erhebung Herzog Hugos auf den west-
fr.-inkischen Thron folgton, nahm der deutsche Episkopat kräftig Stellung. — Erzbischof
Arnulf von Keims, von König Hugo ernannt, dann wegen Verrats abgesetzt, sollte sich vor
einer gallischen Synode, die am 17. Juni 991 im Kloster des h. Basolus bei Heims unter dem
Ehrenvorsitz des Krzbischofs Siguin von Sons tagte, verantworten'*). Zwar wurde schon
vor Beginn der Verhandlungen die Kompetenz der Synode von einigen Älönchen, wie
Johaimes von Auxerre und Abbo von Fleury, aufs heftigste bestritten, doch ging mau, ohne
diese Einsprache zu beachten, zur Tagesordnung über. Dann erhob sich nach einigen einlei-
tenden Worten des A'orsitzenden, in welchen namentlich des bisherigen Stillschweigens der
Kurie mit schärfster Rüge gedacht wurde, der eigentliche Sprecher des Tags, Arnulf von
Orleans, um in eingehender von den bittersten Ausfallen gegen den Römischen Stuhl strotzender
Rede die für das ausschliessliche Jurisdiktionsrecht des Papstes geltend gemachten Gründe
einer vernichtenden Kritik zu unterziehen und die Kompetenz der Synode , in Sachen
Arnulfs rechtskräftig zu entscheiden, als zu Fug und Recht bestehend, darzuthun. — Den
Pseudoisidorischen Dekretalien stellt er, ohne sie übrigens in ihrer Eciitheit anzuzweifeln, die
Beschlüsse des Nicaenunis und der afrikanischen Konzilien gegenüber. Wenn Danmsus behaupte,
dass ohne Genehmigung des römischen Stuhles eine Synode überhaupt nicht rechtskräftig
beschliessen könne, so sei eine solche Verordnung nicht nur zuweilen undurchführbar — z. B.
wenn Rom von den Barbaren besetzt sei — sie widerspreche auch gradezu den J^estinmiungen
des Xicaenums, das jährlich zwei Provinzialkonzilien verlange ; auch sei von einer vorher ein-
zuholenden päpstlichen Genehmigung dort nicht die Rede ^). Ju frappanter Weise stellt er
dann die Herrlichkeit der Kirche zu der Väter Zeiten der kirchlichen Verwahrlosung der
Gegenwart gegenüber und züchtigt die Versunkcnheit des Stuhles Petri mit schneidendem
Hohne''). Wie durch lasterhaften W'andel so hätten sicli seit Jahren die Inhaber des Stuhles
Petri auch durch Unwissenheit ausgezeichnet ; kaum einer sei in Rom zu finden, der hin-
1) vgl. Jafic 27S4, 2702—94. (Uebcr die Echtheit der letztern Dümmlcr, Otto d. Gr. ICl. ;,. 2.). Schon
auf der Synode zu Mouzon liandeUe Rotbert in päpstlichem Auftrag. (Rieh. IJ, 67).
2) Die Akten LL. U. 24 sqq. (cf. Rieh. IL 69—82).
:}) Die Akten (nach Gerherts Aufzeichnungen) S. S. IIL 658—686. — Richers Bericht (IV. 52-73) ist
ungenau und allzu zahm gehalten.
4) Xos quiüern... liomaninn ccclesiam propter heall Petri menwriam aempn' ]ionora)ida)ii
decernimxis, nee decreAi^ Hornanorum pontificiim ohviare decerni)iius , ^alva inmen auctoritate
jSicaeui conc'dii, qvod eadem eccletiia semper veneraUx est nUiilqiie inde ad Romcnii episcopi
ouctoritatem apectare prnescribit.
5) Nam qitidsub hai'ctewpora vidimus ! Vidirnits Joannon lOctavianion] in volvtxdiyo lihidimDn
ver$alnm, etiam contra eum Oltone.nx, qttem Aidiustum creaverat, conjurasse.... succedit Bo}(ift>cius
cunctos inortah's nt'qititia i^uperans. ctiatu prioris pontificis sanguine cruentus.
10
länglich "wissenschaftlich gebildet sei, dass ihm ohne Verstoss gegen die kanonischen Vor-
schriften das Amt eines Thürhüters anvertraut werden könne. Möge Unwissenheit bei jedem
andern entschuldbar erscheinen, bei dem Oberhaupt der Kirche sei sie unertriiglich. Aus Ver-
ehrung gegen den apostolischen Stuhl wollten sie indess auch fernerhin, wie ihre Väter es
gehalten, auf Korns Stimme voll Ehrfurcht hören : richte Ilom gerecht, so werde Friede und
Eintracht in der Kirche bewahrt, andernfalls werde die gallische Kirche auf den Spruch dea
Apostels hören „so jemand euch das Evangelium predigt anders, denn dass ihr empfangen
habt, der sei verflucht, und ob er vorgibt, er sei ein Engel vom Himmel"; wolle endlich Rom
ganz schweigen, so sollten die Gesetze reden (S. S. III, 676). — Alsdann wurde Arnulfs.
Absetzung ausgesprochen und Gerbert, ein Geistlicher der Reimser Kirche, an seiner Stelle
erhoben. Eine zweite Synode zu Chclles (992) bekräftigte die ersten Beschlüsse und erklärte
für ungültig, was der Papst gegen die Satzungen der Väter beginne. Es war daher umsonst,,
dass der Papst die französischen Bischöfe wiederholt aufforderte, sich vor seinem Legaten in
Aachen oder in Rom zu stellen. Nur Gerbert liess sich von der zu Mouzon unter dem Vorsitz.
des päpstlichen Legaten tagenden deutschen Synode bestimmen, sich einstweilen des Messe-
lesens enthalten zu wollen (Rieh. IV, 102 — 105); ein weiteres Resultat wurde auch auf zwei
spatem Synoden nicht erzielt.
Zwei Gründe waren es, wie wir sehen, durch welche Arnulf von Orleans das Vorgehen
der Synode rechtfertigte : Roms Stillschweigen und der Hinweis auf ältere Konzilienbeschlüsse..
Zugleich aber hatte er betont, dass man die nach den letzteren den Provinzialkonzilien
zustehenden Rechte in vorliegendem Fall um so mehr geltend machen müsse, als die völhge-
Entartung des päpstlichen Stuhles und die Abhängigkeit desselben von der Gewalt der „Bar-
baren" ein unparteiisches Urteil nicht erwarten lasse. — Es galt sich gegen etwanige übele-
Folgen des kühnen Schrittes sicher zu stellen. Darum hatten die Bischöfe von dem Verur-
teilten die schriftliche Erklärung verlangt, dass er sich selbst die Synode als seine recht-
mässige Richterin erwählt, dass er sich freiwillig ihrem Urteil unterworfen und auch in
Zukunft keinerlei Widerspruch erheben wolle — mit andern Worten, dass er auf das ihm
rechthch zustehende Appellations recht an den Papst verzichten müsse. So war, was
bisher beispiellos, das auch von der altern Kirche stets anerkannte Recht von Sardika (343)
geflissentlich bei Seite gesetzt worden. Nicht weniger bedenklich mussten die Versuche des
Redners erscheinen, die Kompetenz der Synode aus der persönlichen Integrität ihi-er Mit-
glieder abzuleiten und letztere der Lasterhaftigkeit der Kurie gegenüberzustellen; hiermit war
allerdings dem subjektiven Belieben anheimgestellt, zu entscheiden, was Recht und Gesetz
sein solle i). — Sehen wir nun zu, welche Stellung der deutsche Episkopat in diesem
Kampfe einnahm, so tritt uns zunächst seine feindselige Stimmung gegen die gallischen
Bischöfe höchst bemerkbar entgegen. Wiederholt dringt er in den Papst, Arnulfs Absetzung-
als ungesetzlich zu verdammen ; seinem Einfluss ist es zuzuschreiben, dass Johann XVI. endlich,
mehr unfreiwillig als aus eigenem Antrieb, seinen Legaten nach Deutschland entsendet. Woher
zunächst dieses Eifern für päpstliche Autorität, woher, auf der andern Seite, die unentschlos-
sene Haltung der Kurie selbst ? Sonst war man nicht gewohnt, dass sie mit ihrer Entscheidung
lange gezögert hätte, wenn sie um ihre Meinung angegangen worden war, — und diesmal,
wo ein König ihre A^ermittelung anruft, muss sie sich saumselig schelten lassen! Dass die
1) Arnulf von Orleans (S.S. III. 673) : Involuiiis ergo criminibus sentiat praeesse sihi Romanum
pontificem etqui nuUis atrociorüms factis pergravatur, intelligat parem dignam se ac Romano pon-
iip.ce in quolihetnegotio laiurum sententiam.
u
rechtliche Seite der Frage nicht bedenklich erfichoinen konnte, lehrte d;i3 Beispiel TIoroMs
von Salzburg, dem um geringerer Vergehen willen mit Blendung und Absetzung gelohnt
worden war; Bedenken ganz anderer Art waren es, die den Papst ziigern Hessen Eine Unter-
stützung der französischen P'orderungen hätte ihn, so sehr sie auch in seinen eignen Wünschen
liegen mochte, in einen gef;ihrli(;hen Gegensatz zum Ottonischen Kaisorhause gebracht; »-s war
■daher das klügste einstweilen abzuwarten, bis eine entscheidende Wendung der Yerh;iltnissc,
zeigte, wo man einzusetzen habe. Dass selbst das unerhörte Vorgehen der französischen Synode
keinen Eindruck machte, beweist zur Genüge, dass die Kurie noch immer die Hoffnung nicht
aufgegeben hatte, ihre Beziehungen zum französischen Hof und zur gallischen Landeskirche bald
wieder inniger gestalten zu können. Denn die Beschlüsse jener Versannnlung waren, so sehr
Bie auch den universalen Bestand des Papsttums zu gefährden schienen, weniger aus kii'ch-
lichem als politischem Gegensatz entsprossen und inussten ihre Bedeutung verlieren,
sobald letzterer gehoben war. Unzweifelhaft auch hatte die Kurie die plötzlichen Sympathien
des deutschen Episkopats in ihrem wahren Werth erkannt. Noch Gisilher hatte gezeigt, dass
derselbe nicht weniger unabhängig dachte, als der französische. Darum hatte der Sprecher
der Synode erklärt, sie würden keinen Anstand genommen kaben, die durch Gottesfurcht und
Gelehrsamkeit gleich ausgczeichneien deutschen Bischöfe um ihre Entscheidung anzugehen,
wenn es nicht die Bitterkeit der entzweieten Könige verhindert hätte i).
Was die rechtliche Bedeutung dieser beiden die gallische wie die germanische Kirche gleich
nah berührenden Streitfragen betrifft, so ist zunächst zu bemerken, dass von vornherein von
keiner der beiden Parteien die Befugnis s des Papstes, in letzter Instanz die Jurisdiktion
zu üben, in Zweifel gezogen wurde. In A r t o 1 d s Prozess wird der Papst, wie es scheint,
von beiden Seiten angegangen ; auch die Gegenpartei sucht ihr Recht auf eine angebliche
päpstliche Entscheidung zu gründen und unterwirft sich später dem päpstlichen Machtspruch.
— Ebenso war im zweiten Fall von beiden Parteien die päpstliche Entscheidung angerufen
worden ; ja König Hugo hatte an den Papst appellirt, ehe noch die Provinzialsynode die
Sache in die Hand genommen hatte. Sein Gegner Arnulf konnte selbstverständlich nui* von
Rom Rettung aus seiner Bedrängniss erhoffen. Das Rechtsverfahren selbst nimmt in der Sache
Artolds einen durchaus normalen Verlauf, indem der Papst erst eintritt, nachdem das
Provinzialkonzil seine Mittel erschöpft hat, ganz wie die altern kanonischen Bestimnmngen es
verlangten. Auch entscheidet jetzt der Papst nicht etwa sofort — wie Nikolaus in der Sache
^es Rothad von Soissons — sondern lässt eine neue Untersuchung unter Leitung des Legaten
anstellen : die Synode spricht das Urteil , der Papst bestätigt dasselbe. — Im zweiten Falle
war der Rechtsgang von vornherein dadurch verschoben, dass die Synode, ohne das Urteil
^ies Papstes abzuwarten, an den appellirt worden war, eigenmächtig vorging. Sie krönte ihr
unkanonisches Verfahren dadurch, dass sie sich verstieg, das päpstliche Appellationsrecht über-
haupt zu verneinen, während sie dasselbe von vornherein, wie die Appellation dos Königs an
•den Papst beweisst, durchaus nicht in Frage gestellt hatte. Folgerecht weisen die französischen
Bischöfe dann auch das nachträgliche Urteil des Papstes zurück. Sie heben den Widerspruch
der Dekretalien und der altern kirchlichen Verordnungen hervor; es fällt ihnen aber nicht
ein, eine Lösung dieses Zwiespaltes zu versuchen, vielleicht dadurch dass sie das Dekretalien-
recht des Papstes überhaupt in Frage gestellt oder die Dekretalien in ihrer Echtheit ange-
1) ibid. : certe inBelgica et. Germania, quae vicinae nobis sunt^summisacerdotes Dei relifjioyie
■admodum praestantes inveniri in hoc sacro convt^ntu testen quidam sunt, ■proindesi requtn dissiden-
tiuin animositas non prohiberet, indemagis episcoporum Judicium petendum fore videretur, quam
•06 ea urbe quae nunc emptoribus venalis exposita ad nummorum quantitatem judicia trutinat.
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zwcifolt li;itten. Und doch hätte ihnen die Thatsacho, diiss diese Dekretalien bereits über
hundert Jahre unangefochten in Geltung waren, die Erkenntniss nahe legen müssen, dass die
kirchliclie Gesetzgebung fortwährend im Flusse begriffen sei und dass diese Entwicklung durch
einen neuen Faktor bedingt werde, den lebendigen Willen der Piipste. Schon Nikolaus l. bitte
diese legislative Gewalt in ganz bestimmter Weise für das Papsttum in Anspruch genom-
men und gefordert, dass alle päpstlichen Dekretalien, aucli wenn sie dem Codex der Kirche
nicht einverleibt wären, von der letztern als verbindlich anzuerkennen seien i).
2. Primat n u d G e s a n d t s c h a f t s r e c li t. — Pallium und !M e t r o p o 1 i t a n g e w a 1 1.
Von jeher galt die römische Kirche als die wahre Hüterin des Kanones, die echte Mutter
der Hechtgläubigkeit. Darum pHegte schon die alte Kirche über gewisse Punkte kanonischer
Natur, wo die vorhandenen Bestinmningen nicht auszureichen schienen, sich in Rom Auskunft
zu liülen. Bonifacius hatte auch hierin der germanischen Kirche ein Beispiel gegeben, das in
der Folgezeit häufig Nachahmung fand 2). Diese Anfragen scheinen indcss meist von den Metro-
politen ausgegangen zu sein, während der Bischof sich seinerseits bei letztcrm Auskunft holte 3).
Schon frühzeitig wurde aber auch dem Papste, als dem obersten cnslos cauoiium, eine Art
Oberaufsicht über die Kirche zugestanden, ohne dass damit die Meinung ausgesprochen war,
dass der Papst die Gesamtkirche als den ihm zustehenden bischöflichen Sprengel betrachten
dürfe. Der Papst bedurfte daher, um seinen Willen den Landeskirchen kund zu thun, gewisser
Organe, die in seinem Namen das Oberaufsichtsrecht ausübten. Als solcl-ie ständige und tem-
poräre päpstliche Agenten sind die Primate und Apokrisiarien anzusehen. Für beide kommt;
im zehnten Jahrhundert auch schon die Bezeichnung vicarius apostolici vor **), die sich ursprüng-
lich nicht auf die Icgati im eigentlichen Sinn, d. h. auf die mit vorübergehendem Auftrag
abgeordneten Gesandten, bezog. Diese letztern konkurriren bereits erfolgreich mit den Primaten
in der Ausübung der Jurisdiktion, da ihre Befugnisse, obgleich sie meist nur in ausserordent-
licher Mission erscheinen, doch so allgemein gehalten waren, dass dieselben einer vollständigen
A'isitations- und Korrektionsgewalt gleichkamen •>). Wiederholt wird von ihnen in bischöflichen
1) eil. aduniv. episc. Galliae (Mansi XV. 694, Jaffe 2100): decretaler, episcoporum Romanorum
siott recipieiidfie, etiamsi non sunt canoniim codici cornpuginatne. Auch verpflichtete Nikolaus \. die
Metropoliten bei Erteilung des Palliums gradezu auf die päpstlichen Dekretalion. (vgl. das Privilegium
für Anskar, Hambg. Urk. Buch Nr. 18).
2) So bescheidet Papst Stephan YI. den Erzbischof Liutbert von Mainz auf seine Anfrage über die
Anwendung der Feuer- oder Wasserprobe zur Konstatirung des Kindsmords (Mansi XVIII, 25). Wie über-
flüssig ('e artige Anfragen oft Avaren, zeigt die Antwort des Papstes auf die Anfrage Heriraanns von Köln
(de parricidiis et fratricidth ; weiter was zu tliun si conligerit si dno fratre-i cum naa nefaria polu-
aji<»)' /"tjm/ua etc.), der letztern auf die Kanones verweist, (abgedruckt bei Floss, die Papstwahl unter
den Ottonen. S. 107 vgl. S. 103—110).
3) vgl. Böhmer- Will, Regesten z. Gesch. d. Mainz. Erzbist. S. 64. 76. 82. 85— 87fflg.
4) Bisch. Petrus von Orta, Gesandter auf der Synode von Hohenaltheim 915. (Mansi XVIII, 325) ;
Marinus (Ingelheim 948) LL. II, 25. — für den Primat: Bulle Johanns VIII. für Theoderich von Trier
(Jaffe N" 2864. — Die Bezeichnung ,,apocrisiarius'-'- findet sich nur einmal in unserm Jahrhundert und
zwar wird sie auch dem Bischof von Orta beigelegt (Mansi XVIII, i'2b: prac.senle videlicet Domn.
Joannis Papac Apocrhiarlo, s. ortensis ecdeüae venerahili cpiscopo).
5) vgl. die Vollmacht des Legaten Marinus (LL. IT. 25) : ....tali tenore in Gernianiam directum
fuissej quo in omni ecclesiasticarum legum discussione ipiiun existens vicarius quaecunque ligenda
esseni apostolica auctoritate ligaret et qnue solvenda viderentur varili solveret potestate. —
Luxard 0 (Das päpstliche Vordekretalen-Gesandtschaftsrecht. Innsbr. 1878) hätte 'daher den von ihm
konstatirten ,.Fmschwung in der Ausübung der Gesandtschaftsrechte" (S. 17), wie mich dünkt, statt ins
XL ins X. Jahrhundert verlegen können.
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8trcitif,'keiten entschieden, zeit\veilif:;e Susponrlirung, Absetzung und Restitution der Hischöfo
ausgesproclien; selbst das \vichtip;ste der mit dem Primut verbundenen Rechte '), die Berufung
der Nationalkonzilien und der Vorsitz auf denswlben wird durch die Sendung von Legaten
illusorisch f^^cmacht -'). So war der der fränkischen Kirclie nur mühsam aufgezwungene'') Vika-
riat im Laufe eines Jahrhunderts zu völliger Bedeutungslosigkeit herabgesunken, Hand in
Hand gehend mit dem Verfall der Nationalkonzilien. Ja selbst als gesetzliehe ^littclinstanz im
Verkehr des Papstes mit den Landeskirchen wurden sie geHissentlich übergangen ; wiclitige,
die deutsche Kirche betreffende Beschlüsse werden von Kaiser und Papst ohne Vorwisaen des
Vikars gef'asst. Vergebens wies Wilhelm von Mainz in dem mehrfach erwähnten Briefe auf
das Ungesetzliche dieses Verfahrens hin ; er betonte, dass in der Magdeburger Angelegenheit
seine Zustimmung als päpstlicher Vikar in Gallien und Germanien hätte
eingeholt werden müssen, auch wenn er nicht, wie dies hier zugleich der Fall war, selbst in
erster Linie beteiligt gewesen wäre. Nur die Publikationen der Beschlüsse der unter päpst-
lichem Vorsitz abgehaltenen römischen und italisc!ien Synoden, denen wieder, wie in den
Tagen Nikolaus I., eine stets wachsende über den Bereich der römischen Provinz hinaus-
ziehende allgemeine Bedeutung zukam, wenngleich dieselbe ganz unter kaiserlicher
Beeinflussung standen, scheinen durch Vermittlung der Primate erfolgt zu sein, so das durch
Benedikt VIT. erlassene Synodaldekret, die Aufhebung und "N'crteilung des Bistums Merse-
burg betreffend (Jaffe Reg. pontiff. S. 334), so die Beschlüsse der Synode zu Pavia (J. 2965).
Auch ein gewisser Ehrenvorrang vor den übrigen Metropoliten war dem Vikar noch geblie-
ben. So sichert Benedikt VIL seinem Vikar Willigis zugleich mit der TJebersendung
des Palliums das Recht zu, bei 'allen kirclilic'.ien Amtsverrichtungen, bei der Weihe des
Königs u. s. w. allen übrigen Metropoliten Galliens und Germaniens vorgehen zu dürfen ^).
Auch Willielin nahm dies Recht für sich in Anspruch, wenn gleich in seinem Privilegium
ebenso wenig wie in dem Friedrichs davon die Rede ist ^). Ein solcher Vorrang sciieint dem
Mainzer Stuhl in damaliger Zeit keineswegs eigentümlich gewesen zu sein, wie
die bekannten Vorgänge bei der Weihe und Krönung Ottos I. zeigen. Dimals hatte
llildibcrt von Mainz das ihm von Trier und Köln mit gewichtigen Gründen streitig gemachte
Ehrenrecht der Weihe lediglich „seiner persönlichen Hoheit" zu verdanken (Widuk. II, 1).
1) Privileg für Friedrich von Mainz (J. 2782~) ilu ut ... sinodamfjne constituere i(bi veltt po-
testdleni Apoxtolicarn iKihrnt. An Willielm fJ. 2815) siiindiiin etiani vohis ))rocisoi'i metropolilani
Moriindinae sedis constUueve nbi placent cnn(:ediinu!< .pnrlibufi Gßvnianidc. Galliaeqite sine a/rcf/us
contradictio)ie personae. Auch stand dein Vikarius ein idlgcmcinos Korrcktionsrocht zu. An Friedrich
ut uhicunque «.'p/scopos, pvcsihiilero!^, diaco)ws vcl nwnachos contra ccuionr.^ et cunstitnla fianc-
iorion patnon sive co)dra ecclesiuaticam rarjxdam excessiase reppercrilh anntoritale Aposlolica
ji'xta canones et conslUutn saactonon fnifviirn illos corrif/ere et ad viani vet'itatis veducere non
omiltalis. Fast mit denselben Worten an "WilJiehn. (Jaffe Bibl. III, 340) — Wo die Macht des Vikan*
nicht ausreichend ist, tritt der Papst ein (pfosvero in niali^aclibusperniunerecoijnoscitisct niinime
i'cflecti ju^!<ionibns veslris votuerint, ad ham: nostram tiede)n dirigite.
2) So l)ci den Konzilien von Ilohcnalthcim (916), Ingelheim (948), Mouzon (995), Trier (995),
Polde (lÜOl).
3) Die fränkischen Bischöfe lassen sich den ihnen darch Sorp^ius auf Loth:irs Wunsch gesetzton
Vikar Drogo von Älotz nicht gefallen (J. ]9()4), ebensowenig später den Ansegisiis von Sons, den sie nur
seYiato sinfjulis Mclropoiitanis jure privilrrjü >:ecundum .sacros canones anneiinien zu können erklären.
4) Jaffe 2807 rpio in iola Germania et Gallia post sinnmion culmen ponlifictDu in omnibtt^
eccle^iasticifi iiegotiifii. e. inrerieco)i^ecrandii et si)iod() habenda celeri>< omnlbus 1u)n archiepiscopi^
qnam episcopis Apo><lolica auclorHute sicut judum et rection csse videtiir, praeeniineat.
5) Im Brief an Agapct II: WillteJnnis S. Moguntinae scdia ,i}ini<!er indignua. c/kx dono Gtdliac
pariiumque Germaniae a sc secwidus.
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Mit dem Vikariiit ging daher dieser Vorrang, nichdem er über dreissig Jahre an Mainz
gehaftet, auf Trier (968 — 975) über •), um mit Willigis an Mainz zurückzukehren (J. 2897).
Immerhin war also die Verleihung des Vikafiats in den Händen der Kurie ein wirksames
Mittel den Ehrgeiz der hahen Prälaten in ihr Interesse zu ziehen und sich einen festen Anhalt
in deutschen Landen zu sichern.
Was endHch den Umfang des gallisch-germanischen Vikariats angeht, so scheint sich
derselbe nicht auf die nordische Welt und die an Ungarn angrenzenden Liinder erstreckt zu
haben. Denn wie schon Papst Nikolaus I. den Erzbiscliof Anskar von Hamburg und seine
Kachfolgor zu Legaten und Vikarien des römischen Stuhles unter allen Völkern der Schwe-
den, Norwegen, Dänen und Slaven bestellt hatte, so wurde dasselbe Kecht in unserer Periode
seinem spätem Nachfolger Adaldag bestätigt (Ad. Brem. II, 8). Der Vikariat über Norikum
und das obere und untere Pannonien aber war dem Friedrich von Salzburg übertragen,
zugleich mit dem Rechte in diesen Provinzen erzbiscliufliche Verrichtungen vornehmen zu
dürfen 2) (J. 2888).
Wie aber der Titel eines päpstlichen Vikars, w;eil er seinen Träger über alle andern
Bischöfe zu erhöhen schien, trotz der Bedeutungslosigkeit der damit verbundenen Rechte,
den Ehrgeiz des Episkopats aufs höchste erregte, so warteten seiner noch andre Auszeich-
nungen, wenn er in der Treue und Ergebenheit gegen den römischen Stuhl seinen schönsten
Ruhm suchte. Seit Alters nämlich pflegten die Päpste besondere Verdienste um den Stuhl
*Petri durch Verleihung auszeichnender kirchlicher Gewänder zu ehren. Dalmatika und San-
dalen wurden den Aebten gewährt 3); der Bischof konnte es selbst bis zum Pallium bringen 4),
das rechtsmässig nur dem Metropoliten zustand, ja gradezu als Zeichen der Metropolitangewalt
galt. Schon seit Bonifacius gelangte in der deutschen Kirche die Auffassung zur Geltung, dasa
ohne den Besitz des Palliums niemand zur Ausübung erzbischöflicher Amtsverrichtungeu
befugt sei. In gleichem Sinne bestimmte dann später Nikolaus I., dass vor dem Empfang des
Palliums kein Metropolit eine Bischofsweihe vornehmen oder eine Synode abhalten dürfe 5).
1) Bulle Joh. XIII. für Theoderich von Trier (J. 2864) : similiter post imperatovem sive regem
sedendi, soitentiam edicendi et sinodale Judicium canonice proniulgandi primaUnn liabeat , utpote
in Ulis partibus vicarius sedis Apostolicae constüntus . Papst Benedikt VU. fügte ihm später noch die
Ehrenauszeichnung hinzu ut f<icut Ravennas episcopics cum nacco equitandi crucisque praeferendae
jiotestatem habeat. (Jaffe 2896.)
2) Dass die Bulle Johanns XII. für Adalbert von Magdeburg (J. 2859), durch welche letzterm der
Primat über alle Bischöfe u. Erzbischöfe Germaniens übertragen wurde, unecht sei, ist zuerst von Grosfeld,
de archiepiscop. Magdeburg, p. 48 — 56 gezeigt« worden. — Auch das Privilegium für Piligrim von
Passau (J. 2893) ist gefälscht, (vgl. Dümmler, Piligrim von Passau S. 51 — 56.)
3) Dem Abt von S. Vincent in Metz durch Johann XIII. (S.S. IV, 471) ; bestätigt durch Benedikt VII.
<S.S. IV, 480. J. 2914). — Derselbe an S. Pantaleon z. Köln u. an Korvci (J. 2900. 2913) ; — Johann XV.
an Fulda (J. 2950); bestätigt durch Gregor V. (J. 2963). Der letztere an Rcichenau (J. 2969); andere
Rechte, die damit verbunden zu sein pflegten (J. 2928. 2946). — Johann XVI. für Kloster Selz i. Elsass
{Schcepflin, Alsat. dipl. N" CLXXIV, p. 139). — Auch den Geistlichen der Domkirchen zu Trier und
Halberstadt waren die gleichen Rechte gewährt. Für Trier (J. 2896) : ... eo sacra procurante cardinales
presbyteri Trevirenses dalmaticis, diaconi et presbijteri sandaliis utantur ; liebdomariis quoque
presbijteris sacra facientibus uti dalmaticia liceat. — Für Halberstadt (Sigeb.V.Deoterici. S.S. IV,468)
... in celebratione wissarum solemnibtis diebus utantur logio, i. e. rationali (quod est indicium
doctrinae et veritasj.
4) So erhielt es Richar von Lüttich (J. 2733. S. S. IV, 63). Für Metz dauernd erworben durch Bischof
Dietrich (S. S. IV,469); doch war es schon einigen früheren Bischöfen derselben Kirche (Drogo, Wala,
Rotpert) als besondere persönliche Auszeichnung ob sanclitatis gratiam sive ob nohilitatis gloriam
bewilligt worden. Beide Beispiele sind Hinschius, das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten
Bd. 11 S. 35. a. 5 nachzutragen.
5) MansiXV,426.
15
Die Synode zu Ravenna (877) machte es endlich dem Erzbischof zur Pflicht, binnen drei
Monaten nach seiner Konsekration durch einen Deputirten in Rom seine Orthodoxie erklären
und das J'alliuni in Empfang nehmen zu lassen '). Unsere Quellen fliessen zu spärlich, als
dass wir den Xachweis liefern könnten, inwie weit man in unserer Periode diesen Bedin-
gungen nachgekommen ist ; es ist selbst nicht festzustellen, ob überhaupt alle Metropoliten
das Pallium besessen 2).
Ein wesentliches Gewicht wurde von den Päpsten darauf gelegt, dass das mitgesandte
Glaubensbekenntniss vollständig war^). Daher weigerte sich Johann YIII. dem Wilibert von
Köln das erbetene Pallium zu senden, weil derselbe in dem seinem Gesuche beigefügten
Glaubonsbekenntniss weder der allgemeinen Synoden noch der päpstlichen Dekretalien Erwäh-
nung gethan ; auch habe er sein Gesuch weder eigenhändig unterschrieben noch jemanden
mitgesandt, der es hätte beschwüren können^). So verleiht Johann XII, zwar dem Heinrich
von Trier auf sein von Otto I. unterstütztes Gesuch zum zweitenmal das Pallium, kann aber
nicht ungerügt lassen, dass das mitgesandtc Glaubensbekenntniss eigentlich zu knapp ausge-
fallen sei -'). Endlich pflegten die Päpste noch gewisse persönliche Beschränkungen oder Aus-
zeichnungen an die Verleihung des Palliums zu knüpfen. Denn nich den Bestinnnungen
der Synode von Ravenna war der Gebrauch des Palliums den Metropoliten nur an den her-
vorragenden Festtagen und den vom apostolischen Stuhl bewilligten Zeiten erlaubt und auch
dann nur bei der Celebrirung der Messe 6). Es war daher eine ganz besondere Auszeichimng,
wenn Bruno von Ayapet II. die Vergünstigung erhielt, bei all'en kirchlichen Amts-
handlungen sich des Palliums nach Belieben bedienen zu dürfen '').
Die von Bonifacius den Metropoliten zur Pflicht gemachte Einholung des Palliums
musste die Metropolitangewalt bald als einen Ausfluss der apostolischen Machtvollko.nimen-
heit des Papstes erscheinen lassen •'*). Aus einem ursprünglich lebendigen Glied am Organismus
der Kirche war sie in nnsrer Zeit bereits zu einer blossen Verwaltungsinstanz ohne Bedeu-
1) Mansi XYII,337c.l.
2) "NVio^Mast (die rechtliche Stellung der Erzhischüfe in der Katholischen Kirche. Freihg. 1847)
behauj)toii kaini, Bruno habe sich persönlich in Rom das Pallium geholt, ist nicht zu verstehen, da
Ruotger (Y. Hrunon. C. 25. 2()) ausdrücklich berichtet, Hadainar habe Brunos synodalisdien Brief in Kom
überreicht und das Pallium von dort mitgebracht. Das Buch ist überhaupt bei seinem ausgesprochen
papistischen Stand}iunkte nur mit Vorsicht zu gebrauchen. Dasselbe gilt von Buss, Urkundliche Geschichte
des National- und Territorialkirchentums in der Katholischen Kirche Deutschlands (^zugleich corpus juris
ecciefiioslici Germaniaej Schaffh. 1851, das für unsere Zwecke gar nichts bietet.
3) Um zu zeigen was verlangt wurde, führen wir hier die betreffende Stelle aus dem Privilegium
Anskarv' an (Hanil)g. Urk. B.) : porro (e (.lasc/jur/jn/j) paUio nt'i norntisi itiore scdis concedimus Aposto-
licae, seil, vt succe^^soren lid per semet ipsos vel per legatos suos et scriptum fidem nnblscum tencre,
nc sanctas sex siuodas recipere a t que decreta o m n iu m Rom anae sed is p r aesulu m
et ep i attt I n s qune sihi delatae fueritit, venerubiliter servare atque perficere ornnibus diehus suis^
scripto sc et jura))it'nto profiteuntur.
4) Mansi XVIII, 242.
5) Jaffe 2833 : licet fldeni iu epistulis hreviter ascriptam latius explanare dehuisfet.
()) Mansi XYII, 337 : prnecipuis festiiitalihus et ab Apostolica sede indiciis teuiporibus ad mis^a-
ru)u >ioleinpnia. — Rimhertv. Hamburg (865) hatte es z. B. erhalten mit der Beschränkung, es Ostern. Peter
und Paul, Johannis, Maria Himmelfahrt, Weihnachten, an der Kirchweih und am Jahrestag der Ordination
tragen zu dürfen. (Hanibg. U. B. N" 19). — Den Erzbischof Heriniann von Köln versichert Johann X.
zwar seiner vollen Gewogenheit, bedauert aber ihm den Gebrauch des Palliums oiunibus diehus fe!-tis
nicht gestatten zu können, da derartige Zugeständnisse von seinen Vorgängern nie erteilt worden seien,
(vgl. Floss, a. a. 0. S. 110.)
7) V. Brunon. C. 22. (S. S, IV, 264) : .... pall-o praeter consuitudinem quotieus velit induatur.
8) Annal. Xa«ten. ad. a. 865.
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long liorabgc'sunken. Die siegreichen Kämpfe der Kurie gegen llinkmar von Reims und die
hierbei zum ersten 3fal zur Verwendung kommenden Ijehren Pseudoisidors hatten die Selb-
ständigkeit der Metropoliten für immer gebrochen. In der deutschen Kirche hatte ohnehin die
Wirksamkeit des Erzbischofs von jeher nur besclirünkte Bedeutung gehabt, da die politische
Grenze der weltlichen Territorien mit dem kirchlichen Verband nicht zusammenfiel. Später
erwuchsen durch die Eifersucht der Könige den Metropoliten in ihren Suffraganen Neben-
buhler von gleicher j)olitiscl)cr Bedeutung.
Vor allem tritt die Bedeutungslosigkeit der Metropolitangewalt bei den Bischofswahleii
zu Tage, deren Leitung und Prüfung dem Metropoliten ursprünglich von Rechts wegen
zustand ; auch besass derselbe das Bestätigungs- und Konsekrationsrecht des Neuerwählten i).
Kaiser und Papst machten dem 3Ietropoliteri aber bald .auch diese Reste alter Herrlichkeit
streitig. Zunächst hatte das königliche Besiätigungsrecht, das oft geradezu als Ernennungsrecht 2^
auftrat, die verfassungsmiissige Mitwirkung des Metropoliten bei der Bischofswahl fast ganz besei-
tigt 3) oder doch nur als formalen Akt bestehen lassen; die Ordination des Neuerwählten
aber wird in unserm Zeitalter mehrfach von den Suffraganen ^) , gelegentlich auch bereits
vom Papste vollzogen ■>). Ja Benedikt VII. hatte 988 die Bischöfe gi-adezu aufgefordert,
wenn sie die Weihen nicht erhalten könnten, sich nach Rom zu wenden, ein Verfahren, da»
als ganz korrekt gelten muss, wenn man den Pseudoisidorischen Satz anerkennt, dass die Ordi-
nation des Erwählten von den Mitbischöfen doch nur anlüiilule apostoliai vollzogen werde c).
In den Rechtsbüchern Burkhards von Worms ist dieser Standpunkt bereits durchgeführt, wenn
auch hier betont wird, dass die Wahl eines Bischofs der Zustimnmng des Metropoliten nicht
entbehren könne.
Bei dieser geflissentlichen Missachtung, welche der Metropolit von Kaiser und Papst
gelegentlich erfuhr, musste auch seine Autorität den Suffraganen gegenüber einen gewaltigen
Stoss erleiden. Es schien daher natürlich und dem Verhältniss der Unterordnung, in welchem
der Erzbischof zum Papste stand, analog zu sein, wenn der Metropolit sich vor der Ordination
1) Leo I. (Jaffe N"» 320), vgl. auch den oben wiederholt citirten Brief Theotmars von Salzburg
(Mansi XYIII, 205).
2) Dass auch die Kurie dasselbe ancrkamito, beweisen die Briefe Johanns X. an Herimannvon Köln
(Mansi XYIIT, B20. J.if5e 27:51) und an Karl d. K. (Mansi XVIJJ, 323. Jatte 2732). Xur Paderborn, Ham-
burg, Freising, AVürzburjr, Ilalberstadt hatten zur Ottonenzeit freie Wahl ; Köln erlangte durch Otto II.
das gleioho Recht vgl. Gerdes, die Bi-schofswahlen in Dentscliland unter Otto d. Gr. vom Jahre 953 —
973 (Dissertation. Göttg. 1878), S. 45.
3) Inwieweit Otto d. Gr. die kanonischen Bestimmungen beobachtete, zeigt Gerdes a. a. 0. — Be-
zeichnend für das Yerfahren der Könige ist auch Aribos Brief an den Wormser Klerus (Gicsebrecht I,
697 flg.) Es dünkt ihn unglaublich, dass der König sein, des Erzbischofs und seiner Vorfahren Recht so-
weit missachten könne, dass er den vom Mainzer Metropoliten zu wählenden und zu weihenden Suffragan
selbst ernennen werde. (.... rix auf nvllo modo Icf/ails mit lUferis alterins credere potuissem, domn. nostriim
regem qitue nostri juris avnf et antecessorvm nostrorvm fiterunt, nnhis absentitjvs velle invadere ei a
iiobis eligcndiim et eonseerandiim episcopiith sine nos/ro consiiio ac consensu constittiere).
4) Hier und da vielleicht in Folge der Abwesenheit des Metropoliten, vgl. Gerdes a. a. 0. S. GG.
.5) Die erste Veranlassung zur Au.^üburg dieses Aktes scheint dem Papste durch den Streit Ililduins
und Richers um das Bistum Lüttich geboten worden zu sein. (Flodoard, cmn. 920. 922.) — Am Ende un-
serer Periode crtheilt Gregor Y. dem ErAvählten von Kammerich, Erluin, die Weihen in Rom, die derselbe
in Folge der aus Anlass der Streitigkeiten zwischen Arnulf und Gerbert entstehenden zeitweiligen Sedis-
Takanz von Reims (vgl. 0.) zu Hause nicht erhalten konnte.
6) ordinationes epine.nporvin av clorit a le aposiolica ah omnilns qni in eadem fverint provincia epis-
eopis sunt celelirimdae. (Anadet. ad episc. Ital. 11.)
voiT Feinem künftigen Suffraganen Fidelität und Unterwerfung versprechen Wem '); eine hulche
Forderung war um so mehr am Platze, als bei dem ausgedehnten piipsth'chen Appellations-
recht iiucli die rechtmässige Einwirkung des Metropoliten auf den Suff'ragan illusorisch zu
werden drohte '-). Aber auch dem Jiischofe seinerseits musste das immer weiter um sich grei-
fende ]);ipstliche Appellationsrecht mit der Zeit gefährlich werden, da der Papst bereit«
begonnen hatte, auch die Angelegenheiten der niedern Kleriker und Laien vor seineu Richter-
stiWil zu ziehen ^). Es war nichts Ungewöhnliches mehr, dass der Angeklagte, zur Verant-
wortung vor die Provinzialsynode beschieden, mit päpstlichen Dispensationsschreiben hervor-
rückte, die jede Belangung durch die zustiindigen Instinzen unm(»gli(h machten. Beachtenswert
ist daher, was die Seligenstiidter Synode, vom Jahre 1022, unter Aribos Vorsitz und Initiative
in dieser Beziehung als Grundsatz aufstellte. Es wurde nämlich beschlossen, dass künftighin
niemand mehr nach Rom gehen dürfe, der nicht zuvor die Erlaubniss seines Bischofs einge-
holt habe. \Ver aber verurteilt sei, dürfe erst nach Abbüssung seiner Strafe nach Rom sich
wenden und solle ihm in diesem Falle von seinem Bischof selbst ein Geleitbrief mitgegeben
werden *).
1) "Wenn wir den dorn Erzbischof zu leistenden Fidelitärseid für die Ottonenzeit auch nicht belegen
können, so deuten doch Irühere und spätere Spuren auf sein Torkonmicn hin. Bekannt ist, da.ss Hinkmar
von Reims ähnliehe Forderungen an seine Suffragane stellte. (Hinkni. opp. 55 citjip. c. 5, fi.) — Dann
aber machte unter Konrad 11. Poppo von Trier die Weihe Brunos, des Erwählten von Toul und spätem
Papstes Leo IX. von der Ableistung eines solchen Treuschwurs abhängig ; und zwar lautete diese
IfT siiperüun atqiie impossibilis ...- des Erzbisehofs ut quis(pie xiiffia(iuiieoniiii ab to ordliKindHti priiis mh// i/iriiiae
praesenliae kutimoiiio spondere debcat, quatenus in cnuctia rebus ayendis ciiiii nibi ad coiisiliinii udliibtat,
«ablntnqiie omni ixceptn nihil vsiia suuni praeccp/ntn aiit rcllc aul quasi quidam servtis agere prnesumat
(V. LeonlX.C. 12, bei Watterieh, V. Roman. Pontiff. I, 141, 142.)
2) Noch die Synode von Hohenaltheini v. J. 91(5 hatte den Bestimmungen Pseudoisidors entgofrpn und
ganz im Sinne des Sardieense, ihre alte Befugniss, bischötliche Sachen in erster Instanz abzuurteilen^
aufrecht erhalten, indem sie bestimmte, dass nur wer zuerst von den Provinziall)ischöfen ab<(eurteilt sei,
— aber auch nur dann — an den Papst sich wenden dürfe. (L. L. II. 55G ... et deinaps placiiit nt accusatus
Tel Judicatus a comprovinciatibus in aiiqua causa episcopus licenter appellet et adcat Aposiolicat sedis ponfijicem).
Dementsprechend war ihr Verfahren gegen Richwin v. Strassburg (C. 21).), der sich freilich seinem ^lotro-
politen lieriger nicht stellte, sondern sieh direkt an den Papst wandten, von diesem dann auch in seinem
Bistum bestätigt wurde, (vgl. Grandidier, Histoire de TEglise de Strasbourg, tome II, p. 291.) — Auch
Reichstage und Römische Synoden thaten der Bedeutung der Provinzialkonzilieu Abbruch. So beantragt
"Willigis vor einer Römischen Synode die Rückkehr des aus Prag entwichenen Adalbert. (S. S. IV, 509,591.)
3) Schon Liutbert von Mainz beklagt sich beim Papste bitter darüber, dass selbst das Unrecht in
Rom Schutz finde (Dümmler. das Formelbuch des Bischofs SsilomoIII. von Konstanz, S. 53 flgd.) Immer-
hin galt noch bis ins X. Jahrhundert hinein der Satz ^si Constanziae male judicatum sil. Muyuntiam appel-
la/iir."^ In diesem Falle musste der Bischof sich beeilen, der Appellation au den Metropoliten möglichst
entgegen zu wirken quod si haex facultas improbis iuhibita non fuerit, ut episcopi sui praeceptum conttui-
tiere non audcanl. sicut minores mihi, ita majores tpiique vobis facere iucipient et perivlitabitur apud. Domu.
Apostolicuin noslnun ministeriutn. Communihus ergo viribus communes hostes Chris/i dcbtllare studramus.
(Schreiben eines alemannischen Suftraganen an seinen Metropoliten ibid. S. 39).
4) Ilartzheim, Concil. Germ. 111, 57 — G2, C 16 decrcrit sancta sinodus ut nullus Jiomam rat, nisi
cum licentia siti episcopi uut eins virarii. C. 19; quia multi sancto cisum est convilio poenani sibi datam a
suis saeerdoiibvs adimpleant et tunc Romam iresivelint ab episcopo proprio licentiam et Utteras ad Apostolicuin
ex iisdem rebus referendas accipiant. Hiermit vgl. man die Dekrete Hattos von Basel (Hartzheim II. 19)
et hoc Omnibus ßdelibiis denuniiandum, ut qui ad limina apostolorum pergere cupiunt. domi coujiteantiir peccata
Sita ei iunc proficiscantur, quia a proprio episcopo suo sohendi et ligandi sunt, non ah extraneo. Häufig genug
Tvurden auch gefälschte päpstliche Schreiben produzirt ; daher gab schon die Synode zu Tribur 895 dem
Bischöfe die Vollmacht, denjenigen Presbyter oder Diakonen, der ein verdächtiges Schreiben vorweise, sa
lange in Haft zu hallen, bis man beim Papste Auskunft über ihn geholt. (Mansi XVIII, 130. C. 30.)
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3. Päpstliche Privilegien.
Die mannigfachen Yergowaltigungon, denen die geistlichen Stiftungen, Bistümer und
Klöster, von Seiton der weltlichen Machthaber ausgesetzt waren, machten schon in der Karo-
lingerzeit besondere kaiserliche Schutzbriefo nötig. In denselben wird meistens der Güter-
besitz, oft auch freie Abtwahl garantirt ')• Letztere Bestimmungen scheinen indess weniger
gegen die weltlichen Gewalthaber gerichtet zu sein, als gegen die Unbilden, denen die
Klöster von Seiten ihrer Diücesanbischöfc selbst ausgesetzt waren. Denn der täglich anschwel-
lende Güterbesitz der Klöster und der Avachsende politische Einfluss ihrer Aebte erregten den
Neid und die Eifersucht der Bischöfe aufs höchste und waren die Veranlassung zu mancherlei
Gewaltthätigkeiten 2), Selbst die königlichen Privilegien wurden Avenig geachtet; dies beweist
am Gesetz des Frankfurter Reichstags vom Jalire 952, durch welclics die Unabhängigkeit der
königlichen Klöster von jeder bischöflichen Bevormundung aufs neue eingeschürft wurdet).
Daher tritt in unserer Periode zugleich schon die Neigung hervor, die Klöster auch durch
päpstliche Schutzbriefe gegen die Angriffe der Bischöfe sicher zu stellen. Es ist dies um so bemer-
kenswerter , als man hierin die Anfänge jenes gewaltigen Einflusses erkennen muss, dea
später die Kurie durch das Medium der Klöster auf die deutsche Landeskirche auszuüben
verstand. — Zunächst freilich sind diese päpstlichen Privilegien nur gegen den Missbrauch
der bischöflichen Oberaufsicht gerichtet und beziehen sich daher meistens auf die Freiheit der
Güterverwaltung und der Entscheidung über die Innern Angelegenheiten der Klöster. Bald
aber wurde auch die geistliche Oberaufsicht der Bischöfe über die Klöster beschnitten.
Denn auch die königlichen Klöster waren dem Aufsichts- und Strafrecht ihrer Diöcesan-
Bischöfe unterstellt ; noch Hatte von Fulda musste die schwere Hand des Mainzer Erzbischofs,
seines Diöcesanen, erfahren. *). Meist traten dabei die Päpste selbst in die Rechte der ver-
drängten Bischöfe ein, indem sie nicht nur dem Bischof jede Jurisdiktion im Kloster verbo-
ten •^), sondern oft selbst die Ausübung der dem Bischof zuständlichen geistlichen Funktionen
innerhalb der Klostermauern entweder von der Genehmigung des Abtes abhängig machten
oder ganz untersagten c). Es war der Wert eines solchen Schutzbriefs um so höher anzu-
1) Urkunden bei Stumpf, Reichskanzler. Bd. I, Abt. 1 u. Bd. II, Abt. 1. — Freie Abtwahl durch
königl. Privileg, besassen u. a. Fulda, Herford, Hersfeld, Korvei, Lorsch, Meschedc, Murbach, Reichonau,
Selz, St. Gallen, St. Maximin, Wcissenburg, etc.
2) In Baiern hatte besonders das böse Beispiel Herzog Arnulfs die Habgier der Bischöfe erregt. So
nahm Augsburg das Kloster StafFelsee, Regensburg, das Kloster Wörth, Passau, die Klöster St. Florian u.
St. Polten widerrechtlich in Besitz. Drakolf von Freisingen plünderte Schäftlarn, Moosburg u. Isen ; Michael
von Regensburg Hess den ganzen Schatz von St. Emmeran wegführen. (Riezler, Geschichte Baierns I, 330,
vgl. Planck, Gesch. der christl. GesellsfFtsvfss. III, 727, a. 6.)
3) vgl. Dümmler, Otto I. S. 188. — Contin. Regin. 950 : Riiofherius archieplscopus pro acquirenda ab'
batia S. Maxhniui imtltum laboravU, sed Deo propitio non praevaluit.
4) Dieser hatte nämlich die von ihm für nötig erachtete Reformirung des Bonifacius-Klosters in
Fulda als willkommene Handhabe zur Auslassung seines persönlichen Grolles gegen den Leiter desselben
benutzt. (Widuk. II, 38.)
5) z. B. St. Gallen (J. 2728), Gandersheim (J. 2793), Quedlinburg (J. 2848), Korvei (J. 2913)
6) vgl. das Privileg Marinus II. für das Bonifaciuskloster zu Fulda (Jaffe 2275) ....omnem cuiiisUbet ec-
clesiae sacerdotein vel episcopum in praefato monasterlo diclonem quamlibet habere aut auctoritatem praeter
sedein ApoatoUcam prohibemiis, ita ut nisi ab abbafe monasterü fucrit inmtatus nee missarum ibidem quispiam
sollempnitatem praesitmat omnino celebrare. Fast den gleichen Wortlaut hat das Privilegium Benedikts VII.
für Ellwangen, 997. (Wirtemberg, U. B. p. 224. N« CXCII.) Johann XVI. für Selz. (Schoepflin Als. dipl. I,
p. 139. N» CLXXIV.) Gregor V. für Petershausen (Neug. cod. dipl. Alem. I, p. 648. N" DCCC) etc.
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sclilapen, als dadurcli dem Kloster zuploich lästige Abgaben erspart wurden •); auch schien
nur durch dieses Recht, sich zur Erledigung der unumgänglichen bischötlichen Amtsverrich-
tungen an einen beliobigen Bischof wenden zu dürfen, die durch königliche Privilegien
garantirte freie Abtwahl aufrecht erhalten werden zu können -). Alsdann hatten sie meistens
zum Zeichen, dass sie durch päpstliches Privileg jeder andern Dienstleistung enthoben
worden, dem römischen Stu!d einen jährlichen Zins zu entrichten ^), Wie die Ordination der
Aebte, so wurde auch die Einweihung der Kirchen gelegentlich schon vom Papst oder
seinem Legaten vollzogen ^).
Bezeichnend für die schnelle Einbürgerung dieser in unserer Periode zuerst auftretenden
Sitte, Stiftungen (meist schon bei der Gründung) dem römischen Stuhl zu unterstellen, ist der
Umstand, dass selbst Bischöfe'») und Könige ß) den Papst um Verleihung von Schutzbriefen
für die von ihnen gestifteten oder reorganisirtcn Klöster angingen. — So wurden die Klöster
bald jeder andern als päpstlichen Gewalt entzogen, die hierarchische Unterordnung zerstückt,
der Gehorsam aufgelöst ") die Klöster selbst gefügige Werkzeuge päpstlicher Allgewalt ").
Wie die Klöster, so waren auch die Geistlichen der Domkirchen auf dem besten Wege,
sich der Oberaufsicht ihres Bischofs zu entziehen, indem auch sie von Kaisern und Päpsten
sich Privilegien erkauften. Sie stehen ihrem Bischöfe in unserer Zeit schon fast vollständig
selbständig gegenüber. So mussten auch die hier und da hervortretenden Versuche, sie in
den früheren Gehorsam zurückzubringen und zu gemeinsamem Leben zu zwingen, wie die des
h. Wolfgang und Willigis ohne Erfolg verlaufen. — Namentlich gab auch hier die Güter-
verwaltung zu fortwährenden Zwistigkeiten zwischen Bischof und Domkapitel Veranlassung, da
letzteres die Verwaltung der zu seinem Unterhalt ausgesetzten Güter selbst beanspruchte ; ein
gleiches Recht wollte es aber wiederum der niedern Geistlichkeit nicht zugestehen. Kapläne,
1) Dass auch bei den Königen gegen die Ausbeutung durch die Bischöfe Abhülfe gesucht wurde,
geht aus einem Privileg Ottos I. für Ilersfeld hervor ordina/iones eis episcopus de Morguntia absque
miinusciilo faciat et fnhttlas brnedicat ; et si in ipso uinnastcrio aliqua discordia eveiierif. iinic ipHc abbas et
monachi de alio inonanterio abbntcin et episcoputn sibi vonjitngant ncque pacificcnt. Qnod si ibi iton possinl,
tunc ad sinodi/m nostram veniant. (vgl. Dünynlcr, Otto d.Gr,I,52G)
2) Auch in Betreff der Ernennung der Aebte in den von Bischöfen gestifteten oder reorganisirtcn
Klöstern bedurfte es , wie es scheint , bisweilen besonderer Verleihung. (Jaffe2924, cf. Thietni. VI. 15). Dem
Bischof von Metz Avurde vom Pap-stc das Recht verliehen, den Abt von St. Vincent zu ernennen. (S.S. IV, 47 1).
3) So zahlte QuedHnlnirg jährlioh 1 Pfund Silber (J. 2848), St. Larabert in Sehen jährlich 10 Denare
(Mon. Boic. II. 123. J. 2986). Auch die Könige ordneten einen solchen römischen Zins bisweilen an. So
heisst's in dem Privilegium Ottos I. für Luterbach (Luteraha) : et mancaf coiiyregatio eo modo, ut siib iniin-
diburdio deinceps maneot regum Frnneonim et Jus proprietutis permanent Rouiamb. Petra principi apostoloniiH.
Insuper anuuatim ex ipso jani diclo loco Luleraa Romae censualiter persolvantur decein sicii argenti.
(Schcepflin 1. c. I, 113. N" CXXXIX, cf.ibid.p. 119, N'CXL VII.) — Im XL Jahrhundert wird der römische
Zins zur Regel, (vgl. Wirtemb. Ü. B. p. 281, 298, 304, 305, 308, 310, 327 etc.)
4) So besass Reichenau das Privilegium, dass seine Aebte nur vom Papste konsekrirt werden durften.
(Jaffe 2969.) — Im Auftrage Agapets II. weihte der Legat Marinus bei Gelegenheit seines Aufenthaltes in
Deutschland die von Hadamar wieder hergestellte Klosterkirche zu Fulda. (Flod. bist. Rem. IV, 37).
5) J. 2665, 2713, 2869 (S. S. IV. 470: ut ignavum pecus a praesepibus arceret).
6) Jaffe 2799 (2853, 2923, 2929). 2852 (2793). 2918 (2935, 2991). 2808 (2749). 2854, 2895, 2900,
3089,2999,2889,2948.
7) Hiergegen scheint eine Bestimmung des Augsburger Reichstags v. J. 952 gerichtet zu sein, durch
welche das bischöfliche Aufsichts- u. Strafrecht bestätigt wurde. Die Synode von Ansa erklärte die päpst-
lichen Privilegien für Clugny geradezu für ungültig, (vgl. Planck a. a. 0. III, 744. a. 22. — Hefelc, Kou-
ziliengesch. II, 509. IV, 680.)
8) vgl. Baumer, Gesch. d. Hohenstaufen VI, 402.
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Ostiarier untl Akolythcii wurden aufs hiirteste unterdrückt und in einer Weise terrorisirt, dift
das Ansehen des Bischofs selbst auis empfindlichste zu beeintriichtigen drohte. Denn diese-
Kleriker pHegten, abgeselion von dem geringen Einkommen, das sie als Mitglieder des Kathe-
dralklerus aus den allgemeinen Einkünften der Kirche bezogen, von den Diakonen und
Priestern besoldet zu werden. Letztern war daher in der gänzlichen oder teilweisen Ent-
ziehung dieses Holdes ein wirksames Mittel gegeben, die niedere Geistlichkeit völlig von sich
abhängig zu machen, um auf diese ergebene Schar gestützt, dem Bischof selbst entgegen-
treten zu können. Es konnte nicht fehlen, dass diese Streitigkeiten auch des Papstes
Aufmerksamkeit bald erregten i). Auch hier tritt der Papst zu Gunsten der Petenten ein ; hier
wie den Klöstern gegenüber zeigt sich das Streben der Kurie durch Unterstützung der Eman-
cipationsgehiste des unzufriedenen Klerus die Mittelinstanzen zu übergehen und sich selbst eine
zuverlässige Agitationspartei in den Nationalkirchen zu sichern.
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ü^ ^.
heint der Papst in der Ottonischen Zeit trotz mancher scheinbaren Erfolge weder
als höchster Richter noch als höchster Gesetzgeber im Pseudoisidorischen Sinne, seine recht-
liche Einwirkung auf Ordnung und Regierung der deutschen Landeskirche ist vielmehr ledig-
lich durch seine Stellung zum Kaisertum bestimmt. Allerdings ehrt der Kaiser im Papst den
Nachfolger Petri und das sichtbare Oberhaupt der Kirche, aber diese letztere selbst ist so
unlöslich mit dem Organismus des Staates verknüpft, dass sie als ein wesentlich staatliches-
Institut erscheint und als solches sammt ihren Dienern dem Staate unterworfen ist. Darum ist
das Verhältniss des Kaisers zum Episkopat ein vorzugsweise politisches, in erster Linie gilt der
Bischof als Lehnsmann des Kaisers, dann erst kommt der Priester. Darum suchte ferner der
^Kaiser auch das bischöfliche Interesse mit dem der Krone aufs engste zu verknüpfen und'
stets in dem Bischof das Bewusstsein lebendig zu erhalten, dass er die ihm anvertraute Gewalt nicht
kraft eigenen Rechts, sondern nur im Namen des Kaisers verwalte. Darum endlich nahm er
das Recht der Ein- und Absetzung des Bischofs als der Krone zuständlich, in Anspruch,,
wenngleich er es, um jede gehässige Deutung zu vermeiden, so weit es anging, durch das
Medium der kanonischen Bestimmungen auszuüben pflegte. Ganz analog diesem Yerhältniss
ist auch die Stellung des Kaisers zum Papste aufzufassen. Auch diesem sucht er die durch die
Natur des weltlich-geistlichen Reiches bedingte Unterordnung unter die weltliche Obergewalt
dadurch zu erleichtern, dass er den Papst, soweit es ohne Minderung seiner eigenen kaiserli-
chen Autorität geschehen kann, zu gemeinsamem Zusammenwirken heranzieht; nur wo es im.
Sinne der kaiserlichen Politik liegt, wird aus dem prinuitus honoris ein primalus jurisfdictiouis,
80 der westfränkischen Kirche gegenüber. Darum hielt der Kaiser aber auch in Rom das
Heft um so fester in Händen und übte namentlich bei den Papstwahlen einen über die karo-
lingischen Traditionen weit hinausgehenden EinflussS). Durch keinen Akt kaiserlicher Macht-
vollkommenheit wird dieses Verhältniss der Unterordnung der höchsten geistlichen Gewalt
schlagender zum Ausdruck gebracht, als durch die von Otto d. Gr, erwirkte Absetzung Papst
-Johanns XH., die lediglich aus politischen Beweggründen erfolgte. Galt doch bisher der oft
1) Vogel, Ratherius v. Verona S. 396 flgd.
2) 0. Lorenz, Papstwahl und Kaisertum. Berl. 1874. S. 58 ff.
I
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genug gehörte, durch Psoudoisidor noch nachdrücklich wiederholte Satz, diss der Papst zwar
über alle riclite, selbst aber von niemandem gerichtet werden könne. Allerdings stand hier dem
Kaiser ein trefflicher Bundesgenosse zur Seite; es war das über die Lasterhaftigkeit und
Kiederträclitigkeit des Papstes empörte sittliche Bewusstsein der Zeit selbst, welches das
vom Kaiser geübte höchste Richterarat auf Erden rechtf(>rtigte und als ein ihm von Recht«
wegen zustehendes erscheinen liess. Ein unerhörter Schaden war durch ein unerhörtes Mittel
ausgebrannt worden i). Darum appellirt Lintprand, des Kaisers federgewandter Anwalt, so
«ehr er auch des Papstes Eidbruch und seine Konspirationen mit dem Byzintinischen Hofe
betont, doch vor allem an das sittliche Rechtsbewusstsein der Christenheit; dreimil zählt er
die dem Papst zur Last gelegten Verbrechen einzeln auf und weisst endlich hin auf da3 böse
Beispiel, das der ganzen Christenheit von so erhabener Stelle geboten worden sei. Den Papst
selbst lässt er bekennen, dass er sich in jugendlicher Tiiorheic schwer vergangen ; dann aber
stellt er in wirkungsvollem Kontrast dem lasterhaften Knaben die hehre Gestalt des glor-
reichen Kaisers gegenüber, der in christlicher Liebe mit väterlicher Langmut ernst und milde
den unbesonnenen Sünder auf den Pfad der Tugend zurückzuleiten sucht. Darum verachten
auch die in S. Peter versammelten Väter den päpstlichen Bannstrahl. ^Wohl konnte Judas, so
lange er noch unter den Aposteln war, binden und lösen, nachmals aber konnte er niemanden mehr
binden als sich selbst, und zwar mit einem Strick" 2), — go ging denn ein Ereigniss, dass die
ganze Christenheit aufs tiefste erschüttern musste, an Deutschland spurlos vorüber. Von
Ruotger, dem Biographen Brunos, wird der Entsetzung Johanns XIL mit keiner Silbe
gedacht ; selbst der streng kirchliche Thietraar, der doch Benedikts V. Entfernung mit dem
Ausdruck seines Bedauerns begleitet 3), hüllt sich hier in Schweigen. Dass Widukind, wie er
überhaupt des Papsttums kaum erwähnt *), auch über Johaims XII. Absetzung nichts berichtet,
ist bei seinem streng national-sächsischen Standpunkt erklärlich, beweist aber immerhin, dass
das Papsttum jener Tage überhaupt keine volkstümliche Macht war, trotz der hohen Ver-
ehrung, welche man Rom, der h. Märtyrerstadt, zollte i). So hatte Kaiser Otto I., wie er die
deutsche Kirche aus Roheit und Unwissenheit zu neuer innerer und äusserer Würde erhoben,
auch dem Papsttum die verlorene Hoheit, die es durch die Verworfenheit seiner Vertreter
eingebüsst, wiedergegeben; durch seine Fürsorge gepflegt, erwachte die Kirche zu neuem
Bewusstsein ihres göttlichen Berufes und entfaltete bald ein so reges sittliches und wissen-
schaftliches Streben, dass diese Zeiten des grossen Otto einem spätem Geschlecht des höchsten
1) Liutprand. Hist. Otton. C. 15.
2) Liutpr. 1. c. c. 14. Aehnliche Ansichten über die dem Papste aus seinem Amte erwachsenden mo-
ralischen Verpflichtungen lässt später die Synode ad. S. Basolum hören ; auch Ratherius klagt , dass der
unschuldig verfolgte Priester vergebens einen lasterhaften Papst um Schutz angehe.
3) Thietm. II, 18. quem niiUns absqne deo judicnre pofiiit. Auch fasst derselbe die im kaiserl. Heer
ausbrechende Seuche (II, 22) und die Zerstörung Hamburgs durch die Wenden (III, 11. IV, 40) als gött-
liches Strafgericht auf.
4) Köpke, Widukind von Korvei S. 168, 160. — Otto von Freisingen, der 180 Jahre später schrieb,
verzichtet darauf den Vorgang bei der Absetzung auf seine Rechtmässigkeit zu untersuchen, kahn aber
nicht glauben, dass die von ihm in einigen Chroniken gefundene Nachricht Joannein reprehenmbiliter vixUtse
€t frequenter super hoc ab episospi^ aliisque subditis suis conventumfuisse auf Wahrheit beruhe.
5) Um dieser wunderthätigen Heiligen willen wurde manch fromme Pilgerfahrt von Geistlichen und
Laien unternommen, so in unsrer Zeit von Bruno v. Köln (S. S, IV, 266). Ulrich von Augsburg (S.
S. IV, 404), Adalbero von Metz (S. S. IV, 662), Gerdag von Ilildesbeim (Thietm. IV, 7), Adaldag von
Hamburg (Ad. Brem. 11,11). — Dass man dabei selbst ein furtum sacrum nicht scheute, zeigt die /raHw/a/io
S. Epiphanii (S. S. IV, 248). Selbst Gero, der Slavenbändiger, brachte aus Rom als kostbarstes Kleinod
einen Arm des h. Cyriakus zurück. (Thietm. II, 13.)
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Preises würdig erschienen i). Freilich lassen sich auch jetzt schon vereinzelte Stimmen der
Missbilligung hören, da die Beeinflussung des Papsttums durch die weltliche Gewalt ebensowohl
der Opposition einen willkonunenen Vorwand bot als auch den wahrhaft kirchlich gesinnten
Männern unter dem Episkopat zum Aergerniss gereichte. So weigerte die Synode ad. S. Baso-
lus dem Papste otton den Gehorsam, da Hom, den Barbaren unterworfen, seine geistliche
Gewalt zum Vorteil derselben missbrauche. Nur im Gegensatz zur weltlichen Macht schien
das Papsttum den Gehorsam der Glieder erzwingen zu können. Wilhelm von Mainz nennt in
dem mehrtiioh citirten Briefe an Agapet II. die Zustände der deutschen Kirche gradezu
unertriiglich ; der Weizen der Kirche drohe im Unkraut völlig zu ersticken, da der Bischof
thue, was des Herzogs sei, der Herzog aber den Bischof spielen wolle. Nur wenige Bischöfe
in Deutschen Landen waren so glücklich, ihr bischöfliches Amt wie Bruno absque hello et
hmnana pernicie führen zu dürfen.
Diese Stimmung musste mit der Zeit dem Kaisertum um so mehr gefährlich werden,
als durch die allmählich fortschreitende Konzenti'irung aller geistlichen Gewalt in (der Hand
des Papstes jede) nationale Bestimmtheit des Bischofs verneint wurde. Losgerissen von
dem nationalen Boden, stand nun der Bischof dem Kaiser als Priester dem Laien gegen-
über. Langsam und kaum merklich vollzieht sich diese innere Umwandlung des deutschen
Bischofs aus dem Lehnsmann des Kaisers in den miles Christi, leise aber doch auch in den
glänzendsten Zeiten kaiserlicher Machtentfaltung unter den Ottonen vernehmbar.
5) V, Deoter. C 7. (S.S. IV, 467) : jyre felicla dixerm Oitonis lempora cum clarts praesvUbvs et sapien-
Uhus viris res publica sit reformata, pax eeclesiarvm restavrata, honestas religionis redintegrata. — V. Joann.
Gorz. C. 43 (S. S. IV, 349) : ghriosissimns Otto Caesar, omnium reiro praeconia svperans et universo orbinon
minus glortae <jvam frvcini natvs. — Johann XV, in der Bulle für Magdeburg (Mansi XVIII, 509) : Roma
Caput totius mundi et ecclesia universalis ab iniqvis paene pessum data Bomn. Ottone avgvsio imperatore a
Deo coronato Caesare et magno et ter benedicio... erecta est in pristinvm honorem. — Als Gegenstück vgl.
man die Schilderung des Bruno Sign, in der V. Leonis Papae IX. ("Watterich 1. c. I, 95) oder die Bemerkung
des Cardinal Humbert in seiner Schrift adversus simoniacos III, c. 11 (Martene et Durand Thesaurus nov.
aneedot. V. 787), der den Verfall der alten kirchlichen Ordnungen überall von den Ottonen herleitet, (vgl.
Giesebrecht, a. a. Ü. S. 67, a. 1.)
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