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DAS QUELLENVERHÄLTNISS
VON
WIELANDS OBERON.
Von
m MAX KOCH.
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MARBURG.
N. G. ELWERT'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG.
1880.
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HERRN PROFESSOR
KONRAD HOFMANN
ZUGEEIGNET.
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Ilenn die citatio edictalis in Schlegels Athenäum Wieland
beschuldigt stets den werken anderer gefolgt zu sein, so kann
sie ihm doch, wenigstens in bezug auf den Oberon, gewiss
nicht den Vorwurf machen, dass er seine Vorbilder zu ver-
hehlen gesucht hätte. In der kurzen vorrede »an den leser«,
welche in der ausgäbe von 1796 zuerst der dichtung vorgesetzt
wurde, gibt Wieland nicht nur seine quellen an, sondern sucht
zugleich auch uns über ihr gegenseitiges verhältniss zu unter-
richten. Als hauptquelle nennt er das alte ritterbuch von Huon
de Bordeaux, wie graf Tressan es im april 1778 in der biblio-
theque des ronians*) veröffentlicht hatte; für den Charakter
des feenkönigs fühle er sich Chaucer und Shakespeare ver-
pflichtet; sein eigenes verdienst sei die Verbindung der drei
geschichten von Hüons abenteuer auf befehl des kaisers; Hüon
und Rezias liebe; Oberon und Titanias zwist und Versöhnung.
1) Bibliotheque universelle des romans, ouvrage p^rioälque, dans
lequel on donne Tanalyse raisonn^e des romans anciens et modernes,
Fran9ois ou traduits dans nötre langue ; avec des anecdotes et des notices
historiques et critiques concernant les auteurs ou leurs ouvrages; ainsi
que les moeurs , les usages du temps , les circonstances particuli^res et
relatives et les personnages connus, ddguis^ ou embl§matiques«. Das
werk hatte mit dem 1. juli 1775 begonnen und fand eine deutsche
nachahmung 1778 in Reichardts »Bibliothek der Romane« in Berlin bei
Himburg erscheinend.
1
2
Goethe, dessen lob des Oberons gegen Lavater und frau von
Stein rücksichtslos anerkennend war, hat sich Eckermann
gegenüber gerade über das mangelhafte dieser Verknüpfung
tadelnd ausgesprochen. Nicht über das gelungene oder miss-
glückte der komposition ein urteil zu versuchen, kann unsere
aufgäbe sein ; wol aber haben wir die frage »wie kam Wieland
dazu diese verschiedenen teile zusammenzuschmelzen?« bei
einer quellenuntersuchung des Oberons als erste und wichtigste
zu beantworten.
Für's erste haben wir hier nicht mit Wieland drei, sondern
nur zwei hauptteile zu unterscheiden: Hüons unternehmen
des kaisers befehle zu erfüllen einer- und Oberons zwist mit
Titania andererseits; dies sind die beiden grundpfeiler der ganzen
dichtung; sobald beide in Verbindung gebracht werden sollen,
muss die geschichte einer liebe und liebesprüfung für Rezia
und Hüon notwendig als mittelglied hinzukommen. Das motiv
einer solchen liebe ist bereits im französischen romane gegeben ;
nun aber darf nicht mehr wie dort körperliche Schönheit allein
diese liebe entzünden, sondern Oberon selbst muss den ersten
anlass für ihre gegenseitige neigung verursacht haben; alles
folgende Unglück der liebenden ist nicht mehr wie im romane
grausame strafe, sondern wird zugleich und hauptsächlich harte
prüfung als mittel zur Versöhnung der streitenden elfenfürsten.
Hüons und Rezias Schicksal ist auch das von Oberon und
Titania ; die erlösung der liebenden menschen auch eine erlösung
der liebenden geister. Hierin muss nunmehr die einheit des
gedichtes beruhen. Wie aber konnte sich dieser plan in Wieland
gestalten?
Die erste anregung zu seinem werk empfing er zweifellos
durch Tressans auszug, aber schon der titel der deutschen
dichtung zeigt die vollkommene Verschiedenheit von der an-
regenden vorläge. Ein junger edler mann , das fand Wieland
im romane vor, der ohne schuld den zorn seines fürsten auf
sich geladen , geht um ihn zu sühnen kühn der grössten gefahr
entgegen, fest seiner Unschuld vertrauend. Der schutzgeist
seines hauses leiht ihm beistand. Der kobold Oberon, wie ihn
Wieland nennt, ist hier nichts weiter als eine epische maschinerie,
so gut oder schlecht als sie epische dichter zu allen Zeiten an-
zuwenden pflegten. Trotz dieses beistandes aber gerät Hüon
in's Unglück, das erstemal weil er einen augenblick seinen
glauben verleugnet , das zweitemal weil er die ihm liebgewordene
braut vor der kirchlichen einsegnung zu seiner gattin macht.
Durch kriegerische taten gegen die ungläubigen erwirbt er
sich des himmels und Oberons Verzeihung, und, nachdem den
heimgekehrten der verrat des bruders in neues elend gestürzt,
führt Oberon endlich seine Versöhnung mit dem kaiser herbei.
Zwei neigungen Wielands mussten in diesem stoflfe befriedigung
finden. Seine Vorliebe für das romantische, wie sie ihn durch
sein ganzes leben begleitete, hatte sich eben in dieser zeit be-
sonders dem rittertum zugewendet. Ein gedieht wie »Geron der
adelige« , auch hierfür war der stofif aus der bibliotheque des
romans entnommen, konnte ohne warme bewunderung für die
glänzenden selten des ritterwesens nicht geschrieben werden.
Wieland war aber zugleich auch der dichter der komischen
erzählungen und für diesen war das liebesverbot und seine
Übertretung von unwiderstehlicher anzieh ungskraft. Hüons läge
ist nicht ganz unähnlich der Agathons im hause der schönen
Danae; und der sieg der menschlichen Schwachheit über
seraphische liebesschwüre , das ist ja Wielands lieblingsthema
in dem grössten teile seiner werke. Am Schlüsse der siebziger
jähre war aber Wieland doch ein ganz anderer als zurzeit da
er den »Amadis« geschrieben und so musste er auch für die
im Hüon gebotenen sinnlichen motive auf andere behandlung
denken. Wie gieng er nun hier zu werke?
Der Oberon des romans ist an sich eine ganz interesselose
gestalt, die uns höchstens ärger durch übertriebene strenge
gegen Hüon erregen kann; »eine seltsame art von spuck, ein
miltelding von mensch und kobold« nennt ilm Wieland mit
offenbarem tadel. Wollte er aus dem französischen romane
ein neues werk schaffen, so lag hier vielleicht die hauptarbeit.
So wie er Oberons tätigkeit vorfand, war das ganze zu viel
Zaubergeschichte; das abenteuer, welches Hüon auferlegt war,
ist aber ein derartiges, dass es ohne übermenschlichen beistand
unmöglich zu glücklichem ende zu bringen ist ; Oberons hilfe-
leistung musste also beibehalten werden. So blieb denn Wieland
nichts übrig als eine gründliche Umgestaltung dieser epischen
maschinerie selbst , das koboldärtige musste verschwinden,
während das menschliche in Oberon verstärkt wurde , um ihm
neben Hüon und Rezia unsere neigung, unser menschliches
mitgefühl zu sichern. Aber so wenig anziehend Oberon bei
Tressan erscheint , so fand Wieland doch schon hier für seinen
geisterkönig das motiv einer »erlösungsbedürftigkeit« vor, welches
der haupthebel seiner eigenen dichtung zu werden bestimmt
war. Beim ersten zusammentreffen Oberons mit Hüon erzählt
ersterer im romane seine lebensgeschichte. Er sei der söhn
Julius Caesars und der fee Glorianda ; diese verlieh ihm bei der
geburt Schönheit und macht; eine ihr feindliche fee aber —
(im alten prosaromane verliehen ihm verschiedene gute feen
ihre gaben, so dass wir noch mehr an Dornröschen gemahnt
werden) — gab ihm den fluch vom vierten jahi'e an nicht
mehr zu wachsen und dreissig jähre lang hässlich zu sein.
D.urch dienstbarkeit (gegen Isaie-le-Triste , bibliotheque des
romans. maiband 1775) erwirbt Oberon sich seine Schönheit
wieder ; die zwerggestalt aber ist ihm noch geblieben, und nahe
liegt somit der gedanke, diesen zweiten teil des Zaubers zu
brechen, könne nun das verhältniss mit Hüon bewirken; dazu
habe Oberon den fliehenden aufgesucht und ihm seine lebens-
geschichte erzählt , wie ja in so vielen rittergedichten der held
durch seine taten der verzauberten person wieder zu ihrer
ursprünglichen gestalt verhilft, wie in der tat bei Wieland der
zwerg Oberon erst nach dem siege der liebenden wieder seine
eigene gestalt annimmt. Aber im französischen romane hat
Hüon seinem beschützer einen andern dienst zu leisten. Nach
der aussöhnung mit kaiser Karl fordert Oberon ihn auf nach
einigen jähren in seinen zauberwald zurückzukehren, denn ihm
sei die herrschaft über das feenreich zugedacht. In Tressans
auszug (s. 120) scheint dies nur eine belohnung Hüons zu sein.
Die ursprüngliche idee, wie sie nur in anderer form sich in
Wielands komposition findet, müssen wir etwas weiter zurück
suchen. Nicht um eine belohnung Hüons handelt es sich,
sondern um den gegendienst, welchen er Oberon zu leisten
hat. In der bibliotheque ^) bleue, die Wieland jedenfalls zur
band war, fordert Oberon ebenfalls Hüon auf, zur Übernahme
des reiches zu ihm zu kommen, und sagt als dies geschehen
ist voll freude: »II m'est enfin permis de quitter ce monde
perissable pour me rejoindre ä Fetre des etres! ... 11 y avait
une grande melancolie dans ces paroles du bon Oberon. Sans
doute, il etait bien fatigue. C'est si lourd, la Vie!« In den
älteren ausgaben des romanes^), — wenn Wieland diese auch
nicht gekannt, so zeigen sie uns doch wie das von ihm be-
nützte erlösungsmotiv dem Hüon ursprünglich bereits inne-
2) Jetzt zu finden in der »r^impression des romans de chevalerie
des XII— XVIme siMe sous la direction d' Alfred Delvau. Paris 1859« ;
in einer älteren Sammlung der bibliothfeque bleue. Lit^ge 1787. 3 vol. 12**.
ist die geschichte Hüons nicht mit aufgenommen.
3) Ich habe zum vergleiche benützt »Les prouesses et faitz mer-
ueilleux du noble^Huon de bordeaulx per de France, duc de guynne.
Nouuellement redige en bon francoys 1513 Paris« in folio und die
»Histoire de Huon de Bordeaux, Pair de France, Duc de Guienne. Con-
tenant ses Faits et Actions H^roiques. Troyes 1727 in 4®«. Das alte epos
selbst, von dessen existenz Tressan selbst nichts ahnte, darf hier nicht
mit herangezogen werden.
wohnte, — soll Hüon bereits vier jähre nach der aussöhnung
mit kaiser Karl zu Oberon kommen: »Huon ce dist Oberon
saichez que longuement ne vueil demourer en ce si^le car il
plait ä nostre seigneur que ainsi soit. II me conuient aller en
paradis la ou mon siege est appareille. En faerie ne vaeil plus
demourer«. Wenn dann Hüon in Oberons stadt Montamur
gelangt, so ist Oberon bereits krank, kann aber vor der
ankunft Hüons nicht an das ersehnte lebensende gelangen. Es
handelt sich bei alledem so wenig um einfache belohnung für
Hüon, dass Oberon ihm sicheren tod zur strafe angedroht
hatte, wenn er nicht zur bestimmten zeit sich bei ihm einfinden
würde. Oberon hatte bei seiner geburt die erlaubniss erhalten
(dies findet sich nur in der alten ausgäbe erwähnt) sein reich
zu übergeben, wenn er einen würdigen nachfolger gefunden
hätte; diesen aber muss er nun finden, ehe er selbst an sein
ziel, d. h. in's paradies gelangen kann. In Hüon nun hoflft er
die geforderten eigenschaften anzutreffen und leiht desshalb
ihm, dessen ganzen stamm er schon geliebt, seine hilfe. Bringt
Hüon seine abenteuer nicht zu glücklichem ende , so ist auch
Oberons hoflfnung auf baldige erlösung vereitelt — die parallele
mit Wielands dichtung gibt sich hier von selbst. Eine wechsel-
seitige Verbindung zwischen Oberon und Hüon ist in der
dichtung also ursprünglich, und auch in Tressans auszug,
obschon verdunkelt, noch zu erkennen. Die wünsche des
französischen Oberons sind aber für den neueren dichter zu
sehr die eines mittelalterlichen Christen , wie denn der Oberon
des romanes sich auch nicht genug in beteuerungen ergehen
kann, um seine rechtgläubigkeit zu erhärten. So musste nun
Wieland sich nach quellen über den französischen roman hinaus
umsehen. Der name Oberon allein musste den Übersetzer
Shakespeare's an den Midsummernight'sdream erinnern.
Oberon und Titania, der zwerg Oberon ist unvermählt, sind
dort im streite über den besitz eines kindes ; der liebe Lysanders
und Hermias stehen hindernisse entgegen; eben durch den
zwist mit Titania kömmt Oberon mit den liebenden zusammen ;
seine Versöhnung mit der elfenkönigin und die glückliche ehe-
schliessung der menschlichen liebespaare fallen zusammen, wie
anderseits auch der streit der geister von ungünstigen folgen
für die sterblichen begleitet war. Hier sind lauter einzelne
motive gegeben, aber eine Verknüpfung derselben mit denen
des Hüons ist noch nicht ersichtlich. Der name »Oberon« hat
vom romane zu Shakespeare geleitet ; Wieland spricht von dem
Charakter Oberons wie er ihn bei Chaucer und Shakespeare
gefunden; der name Oberon sowenig wie der Titanias ist in
Chaucer's Merchant's Tale zu finden. Wieland braucht aber
nicht einmal Warton's bereits 1778 erschienene »history of
English poetry« gekannt haben, um dort (section XVI) die
Identität von Chaucer's Pluto und Proserpina mit Oberon und
Titania zu erfahren; in Chaucer's Worten (v. 10101)
»Pluto, that is the king of Faerie«
wie in Pope's Übertragung (v. 618)
»The Fairies sported on the garden side
And in the midst their monarch and his bride«
war für Wieland genug gegeben, um in king Pluto Shakespeare's
Oberon wieder zu erkennen. Die in der tat anmutige geschichte
vom birnbaum musste den dichter der komischen erzählungen
zur behandlung anlocken und musste ihm wenigstens in Pope's
werken längst zum mindesten ebenso vertraut als irgend ein
werk Shakespeare's sein. Der Streitpunkt zwischen den elfen-
fürsten ist in dieser erzählung jedenfalls ein viel anziehenderer
als der im sommernachtstraum ; Chaucer's gedieht schliesst mit
einer niederlage Oberons, während im sommernachtstraume
Oberon Titania überwindet; und ebenso verursacht nur im
drama der streit eine trennung des geisterpaares. Soweit, aber
auch eben nur soweit, waren die motive Wieland zur band;
8
hier nun beginnt sein selbständiges schaffen. Titania spricht
im sommemachtstraunie (II, 1, 62) die worte
»I have forsworn his bed and Company«.
Hieraus bildete Wieland den schwur Oberons, und hiemit war
der plan seiner dichtung geschafifen. Die untreue eines paares,
liebespaares kann man es wol nicht nennen , hat den streit
der elfen veranlasst ; es ist ganz natürlich , dass Oberen in
seinem zornigen schwüre nun den beweis der treue von einem
andern paare verlangt. Oberon verdammt das ganze mensch-
liche geschlecht in diesem schuldigen paare; ein unschuldiges
muss durch seine leiden dessen verbrechen sühnen — die
erlösungsidee, welche hier einmal in's gedieht wie so oft in
mythologische und religiöse Vorstellungen eingang gefunden hat.
Nicht entsprechend könnte Oberons forderung dem ersten blicke
erscheinen , da ja in der szene vor seinen äugen die schuld des
weibes unverhältnissmässig grösser als Gangolfs törichte Ver-
zeihung ist. Aber Wieland hat nicht absichtslos seine Rosette
viel entschuldbarer dargestellt, als die englische vorläge sie
zeigte, und Titania macht so den unwiderlegten einwurf
(VI, 89):
»Ist Gangolf etwa ohne schuld?«
In der tat sind beide teile schuldig und das ganze verhältniss
von January und May ist in jeder hinsieht eben das muster
einer ehe wie sie nicht sein soll. Diesem Verhältnisse der
gatten gegenüber verlangt der erzürnte Oberon ein paar, in
welchem pflicht und liebe das richtige verhältniss bewähren
sollen. Aber eben diese bedingung macht auch eine durch-
greifende Umgestaltung im französischen vorbilde für seine
benützung nötig. Das motiv einer liebe zwischen dem christ-
lichen ritter und der sultanstochter ist schon hier vorhanden,
aber? in roher unbrauchbarer form. Das liebesverbot hat im
romane keinen andern zweck als den, weitere abenteuer zu
veranlassen. Wielands Oberon spricht es aus, um durch dessen
sichere Übertretung eine berechtigung zur verhängung weiterer
leiden, d. h. prüfungen der liebenden zu erhalten. Eine kirchliche
einsegnung lässt ja Wieland überhaupt nicht, wie sie im romane
sich findet, erfolgen; das ganze verbot ist seinem Oberon nur
mittel für seinen zweck. Da die treue beider liebenden geprüft
werden soll, so liegt das vorbild des keuschen Josephs für
Hüon nahe genug; eine unmittelbare quelle für diesen teil der
Wielandischen dichtung suchte Düntzer in der arabischen
geschichte von »Joseph fils de Jacob et de la princesse Z^licka«
im junibande 1778 der Bibliotheque nachzuweisen.
Dies ist im allgemeinen die geschichte des planes, wie in
den hauptzügen er sich aus den verschiedenen dementen in
des dichters geist zusammensetzte. Lässt er sich im laufe der
erzählung, so im VIQ., XI. und XII. gesange besonders, zu
sehr zu abschweifungen und Schilderungen verleiten, so herrscht
doch im ganzen gedichte das streben nach abrundung und
Einheit. Löbell in seiner trefflichen arbeit über Wieland*)
meint zwar, »dass jenes thema von der aus liebesinbrunst nicht
bestandenen tugendprobe in dem alten romane selbst in den
mittelpunkt tritt«; aber abgesehen dass dies thema auch nicht
der mittelpunkt von Wielands dichtung, so gilt dies auch nicht
vom französischen romane. Löbell scheint seine kenntniss
desselben aus Dunlop's »history of fiction« (I, 395) geschöpft zu
haben, und dieser gibt eben vom Hüon einen zu abgekürzten
ungenügenden auszug, weil er diese sage als bekannt voraussetzt,
da das »finest poem in Gerraan language« diesen stofif behandle
und in Sothebey's Übersetzung^) auch in EIngland genug bekannt
4) Löbell, Joh. W., »die entwicklung der deutschen poesie von Klop-
stocks erstem auftreten bis zu Goethes tod«. (II, 274).
5) Oberon, a poem from the German of Wieland in 2 vol. with
illustrations by William Sothebey London 1798 in kl. 8*^; im selben
jähre auch eine ausgäbe in 4"; eine neue aufläge 1805. Diese Übersetzung
erwähnt auch Walter Scott im »essay on romancec 1824.
10
sei. Im französischen romane steht überhaupt kein ereigniss
im mittelpunkte ; mittelpunkt ist nur der held selbst dessen
biographie in seinen abenteuern erzählt wird ^). Soll aber eine
leitende grundidee des französischen Hüons gesucht werden, so
liegt sie in den Worten, welche in der älteren fassung Oberon
zum kaiser spricht: »Et pour ce sire empereur sachez que sur
toutes choses dieu ayme loyaulte et foy quant eile est en
hommes comme en Huon que voyez icy car parce que de certain
ie say que il est loyal je lay tousiours ayme«. Dieses nämliche
fabula docet finden wir auch wieder bei Wieland wenn er die
treue (loyaulte) und ihre menschen wie geister beglückende
Wirkung zum mittelpunkte seines Werkes macht.
Für den plan seines Werkes ist Wieland seinen drei quellen
vielleicht zu gleichem danke verpflichtet, für die Stofflieferung
am meisten dem französischen romane. Nicht nur ist hier
der Inhalt der ersten fünf gesänge zum grössten teile gegeben,
auch für alle folgenden sind motive und andeutungen des
Hüon reichlich verwertet. Tressans'') arbeit verdient aber auch
an sich alle anerkennung; stofflich ist sein auszug mit grossem
geschicke gemacht; die spräche ist nicht so, dass sie dichterischer
G) Berlin 1784 erschien eine französische Übersetzung des Oberon in
14 gesungen, in deren vorrede wir lesen: »II parait que l'idde de ce poeme
a ^te prise dans Tancien roman Huon de Bordeaux (par Tressan). Mais
qu'on ne s'imagine pas que l'auteur du poeme se soit contente de faire
de ce roman une copie servile et de l'embellir des charmes de la versifi-
cation. Excepte la fable des deux premiers chants, tout est neuf dans
cet ouvrage. Plan, noeud, ordre, faits, prodiges, ^pisodes, conclusion, la
plupart des noms m§me ; (dies veranlasste den Übersetzer auch seinerseits
neue namen zu geben »Jluphemie« für Amanda, »Edine« für Almansoris,
»Lescot« für Walter); le genie du poete a tout cree; il a trouve quelques
materiaux bruts; il a fourni le rest et a construit un bei ddifice«.
7) Graf Louis Tressan de la Vergne 5. oct. 1705 — 31. oct. 1783.
Seine lebensbeschreibung verfasst von seinem söhne in den letzten bänden
der Oeuvres choisies 1787—91 Paris 12 vol. in 8 ^
11
darstellung vorarbeitet, doch ist es schlichte naiv erzählende
prosa; kaum dass Wieland ein oder das andere bei wort ihr
entlehnte; metaphern, bilder u. s. w. hat Tressan nicht, eben-
sowenig irgend längere reden. Im vorberichte erklärt er den
Hüon für einen der besten romane aus dem Sagenkreise Karl
des Grossen, aber er' selbst macht auch darauf aufmerksam,
dass der zweite teil, welcher die wirren abenteuer Hüons und
seiner gemahlin nach ihrer aussöhnung niit dem kaiser enthält,
mit der ersten hälfte nur lose verknüpft und ihr in jeder
hinsieht nachstehend ist. Wieland hat dieser zweiten hälfte
nur wenige vereinzelte züge entnehmen können.
Nicht nur alle Wiederholungen und die haupthandlung
nicht fördernden abenteuer hatte Wieland zu beseitigen, auch
in dem was er beibehielt musste er überall weglassen und
umbilden. So schon mit der einleitung des romans. Wie die
deutschen Volksbücher auf der alten heldensage und epischen
dichtungen des mittelalters beruhen, so ist auch der Hüon
nebst den andern ihm ähnlichen prosaromanen aus der alt-
französischen epischen poesie hervorgegangen. Die geschichte
von Hüon ist ein bestandteil des cyklus der chansons des gestes
und so beginnt auch noch Tressans prosaroman mit dem
hinweise auf Karls trauer über den unglückstag von Roncevaux.
Hüon ist eben einer der vielen kärlingischen beiden und ihm,
dem guten von Naimes begünstigten stehen nicht nur die
Sarazenen sondern auch die bösen beiden gegenüber. Amaury
de Hautefeuille ist vetter Ganelons, des urverräters; Hüons
bruder Girard, im romane sein geföhrlichster feind, muss die
tochter des verruchten Gibouar von Siville heiraten um auch
durch Verwandtschaft den bösen beiden anzugehören. Es ist
hier ein hübscher Zug in Wielands quelle, dass Hüons ganzes
missgeschick mit Verteidigung seines bruders begonnen und
dann am ende seiner abenteuer eben dieser bruder ihm als
feind gfegenübertritt. Aber dies, wie alles was die geschichte
12
Hüons als teil einer cyklischen dichtung erscheinen lässt, musste
Wieland zur seile lassen. Im gegensatze zur einleitung des
romanes gibt er strophe 2—6 den inhalt seines gedieh tes an:
Hüon, Oberon, Rezia, aber nicht kaiser Karl mit seinen beiden
ist genannt. Für Wieland ist es nur ein Zufall, dass eben
Charlemagne Hüons ungnädiger lehensherr ist, der französische
dichter handelte von Hüon weil er ein vasall des grossen
kaisers war. Wielands richtiges gefühl mit dem er nur das
menschliche Schicksal des beiden losgelöst von allem pseudo-
historischen apparate, der nur zur dekorativen ausstattung
verwendet wird, zu schildern unternimmt, verdient um so
mehr beachtung, da seine nachahmer umgekehrt diese ritterliche
ausstattung zur haupt-, handlung und Charaktere zur nebensache
machten; eine ähnliche erscheinung im gebiete der epischen
poesie wie sie die nachahmer von Goethes Götz im drama
darstellen.
Die erzählung selbst beginnt bei Wieland nicht vor strophe 13,
die denn auch, gleichsam um darauf hinzuweisen mit »einst
traf,« dem »einmal war« jeder regelrechten erzählung anhebt.
Strophe 7 — 12 sind nur etwas verlängerte einleitung wie schon
die kurze art des erzählens von Rom und Jerusalem zeigt.
Der roman schildert ausführlich wie Hüon in pilgertracht nach
Rom kömmt und dort sich seinem ohm, dem pabste darstellt;
den besuch in Rom behandelt Wieland humoristisch®) und lässt
Hüon statt dessen in pilgerkleidung zum heiligen grabe wallen,
was der roman nicht eigens erwähnt. In der nun folgenden
szene zwischen Hüon und Gerasmin ist die stoffliche Überein-
stimmung zwischen Wieland und seinem vorbilde fast vollständig.
Eine kleine Verbesserung Wielands wäre kaum der erwähnung
wert, wenn sie nicht eben den unterschied zwischen der naiven
8) Des ge<ifensatzes dieses romantischen epos mit der katholisirenden
tendenz der romantischen schule darf wohl eigens erwähnt werden.
13
alten dichlung und dem berechnenden kunstler zeigte. Wie
in manch altem epos herrscht auch im Hüon, selbst in seiner
prosaischen form, eine etwas verwirrte Zeitrechnung. Amaury
macht den kaiser aufmerksam, dass seit dem tode des herzogs
Siege win sieben jähre verstrichen seien, und Gerasmin, als er
von Hüon aufgefunden wird, was doch kaum ein jähr später
sich ereignen kann, erzählt er sei nach dem schlachtentode
seines herrn drei jähre gefangen gewesen, dann entflohen und
lebe nun fünfzehn jähre in der wüste; das gibt also einen
Widerspruch von mindestens zehn jähren. Wieland geht solch
äusseren Verstössen gegen die waJirscheinlichkeit des erzählten
sorgfältig aus dem wege und verbessert später seine eignen
Zeitbestimmungen der ersten ausgäbe (II, 1 und 2; III, 1 und 7;
die aber hiedurch auch für III, 23 notwendig gewordene änderung
hat er übersehen). Die im romane eigens erwähnte art von
Siegewins tod wie die Schicksale Gerasmins übergeht Wieland;
als Amaurys verrat beginnt, ist Hüon bei ihm bereits zwei jähre
herzog von Bordeaux und Gerasmin lebt sechzehn jähre in
seiner höhle auf dem Libanon. Die wichtigste änderung Wielands
aber beginnt mit strophe 29; was in seiner quelle handlung
macht er zur erzählung. Die tatsache, dass Hüon an dieser
stelle seinem wirte erzählt findet sich allerdings schon im
romane; dieselbe nun hier wirklich statt einer früheren dar-
stellung zu geben mochte Wieland aus mehreren gründen be-
stimmt sein. Indem er durch Hüons erzählung das retardirende
moment des epos herstellt, gewinnt er zugleich 1) Einheit des
schaupl^zes für den ersten teil seines gedichtes, indem er seinen
beiden uns gleich in Asien selbst von anfang an vor äugen
führt; erst nachdem das vom kaiser geforderte aben teuer
vollendet ist, tritt ein völliger dekorationswechsel ein und
haben wir dann das meer mit seinen wechselföUen als völlig
neuen grossartigen hintergrund. 2) Führt Wieland auf diese
weise nach wenig einleitenden Strophen uns sofort mitten in die
14
handlung hinein (epistola ad Pisones v. 148) und gibt erst,
nachdem hiedurch unser Interesse genügend erregt, nachträglich
die exposition. 3) Liefert ihm die art der erzählung das be-
quemste mittel den Charakter des beiden selbst ohne eigene
darstellung zu schildern, eine absieht auf die er I, 29 den leser
eigens aufmerksam macht. 4) Spart er sich so eine Steigerung
für den Schlusseindruck des gedichtes, indem wir hier dann
zuerst an den hof Karl des grossen versetzt werden und den-
selben nun nicht in trauer und aufruhr sondern gleich in
ungetrübtem glänze erblicken. Endlich aber ist es nach franzö-
sischer kunstanschauung ein erforderniss des wahren epos ihm
längere erzählungen einzuverleiben, und Voltaire im zweiten
gesange seiner Henriade gibt sich alle mühe dem vorbilde
Virgils zu folgen. Wenn Wieland aber in seiner erzählung an
zwei stellen plötzlich statt Hüons selbst den dichter und in
Strophe 53 sogar indirekt sprechen lässt, so haben wir hier
nicht eine künstlerische absieht sondern den einfluss der quelle
zuerkennen; nur nach und nach beginnt Wieland sich von ihr
immer selbständiger zu machen, während sie ihn im ersten
gesange stellenweise zur unmittelbaren Vorführung statt der
erzählung verleitet. Es ist dies aber nicht das einzigemal, wo
Wieland durch halbes ändern und halbes beibehalten der vor-
läge seinem werke das ansehen gibt als fehlte ihm die letzte
überarbeitende band.
Die abweichungen in Hüons erzählung der ereignisse bei
Wieland von den ereignissen selbst im romane haben ihre
begründung in dem streben nach gedrungener einheife Karls
plan der abdankung und Amaurys streben Charlot in den besitz
von Hüons leben zu bringen (die weglassung dieses motives
macht freilich Charlots benehmen gegen Hüon bei Wieland
sinnlos), ebenso wie die günstige aufnähme, welche Karls
gesandte in Bordeaux finden, lässt Wieland als nebensachen
unbeachtet. Dagegen strebt er Karl selbst im ganzen in
15
vorteilhafterem lichte zu zeigen, soweit nicht seine humoristische
darstellungswöise dieses streben wieder vereitelt. Sorgföltig wird
Karls spätere Ungerechtigkeit gegen Hüon schon dadurcli von
anfang an motivirt, dass Hüons vater bereits des kaisers ungnade
getragen; Hüon steht an Charlots leiche und hiedurch wird
Karls versuch ihn zu töten entschuldbarer, als im romane, wo
der kaiser den entfernten durch mehrere säle aufsucht. Der
harte endspruch gegen Hüon ist eine vereinzelte im vatergefühle
entschuldigte Ungerechtigkeit, während die vorläge erzählt, es
sei eine gewohnheit Karls gewesen ihm missliebige beiden durch
unmögliche auftrage um's leben zu bringen, ja am Schlüsse
droht Oberon dem kaiser sogar mit der enthüllung anderer
geheimer verbrechen. Eine änderung war hier für Wieland
geboten, da er am Schlüsse rasche Versöhnung zwischen Karl
und Hüon nötig hatte; einer schändlichen Verbindung mit dem
verräterischen bruder Hüons, die Oberons becher dem kaiser
versiegen lässt, ist Wielands Karl nicht wie der des romanes
ßihig; auch fühlt Wieland, dass es Hüon selbst schadet, wenn
sein lehensherr in zu ungünstigem Charakter erscheint.
Die humoristische äusserung Wielands I, 52 ist eine freie Über-
tragung der Worte des romanes, weise und gerecht seien die
rathschläge des herzogs Naimes von Bayern gewesen, der sich
beständig als Karls^) bester und treuster freund bewährt habe.
In Hüons erzählung ist fast der einzige fall im ganzen gedichte,
dass Wieland eine im romane nicht enthaltene Wiederholung
eintreten lässt. Karls versuch Hüon zu töten (I, 43) wird in
der französischen quelle durch herzog Naimes verhindert ; die
pairs versammeln sich, Hüons oheim, der abt von Gluny, trägt
9) Im Merkur hat Wieland sehr oft den namen »Karlmann« statt
»Karls.« Wenn nicht etwa gar ein missverständniss von »Charlemagne«
zu gründe liegt, so ist der name humoristisch gebraucht und aus rück-
sicht auf die würde des kaisers später geändert.
16
die Sache vor und erbietet sich selbst zum Zweikampfe; Hüon
fordert diesen für sich und ohne weitere einrede Karls wü'd
derselbe festgesetzt. Wielands darstellung ist viel bewegter;
der ganze hof ist in aufregung, der abt von St. Denys sucht
zu besänftigen u. s. w. Es ist aber gewiss des guten zu viel,
dass Wieland hier nun zweimal rasch nacheinander (str. 43
und 51) die Schwerter der anwesenden gegen den kaiser blitzen
lässt. Der Zweikampf selbst ist in beiden werken derselbe und
ebenso die ihm folgende szene; Karls forderung wird auch im
romane von den rittern als zu unhöflich gegen den admiral
getadelt. Da Wieland den jungen Gerard später nicht mehr
einführt, so erwähnt er auch hier weder dessen Übernahme
der regentschaft von Bordeaux und Guyenne noch den tod von
Hüons mutter Alice. Als trefflichen abschluss des ersten
gesanges nimmt Wieland das anerbieten Gerasmins aus seiner vor-
läge herüber, während er dessen Warnung über die Unmöglichkeit
des Unternehmens verschweigt. Im romane ist Gerasmin der
bruder des prevost und maire Guire von Bordeaux nicht
knappe, sondern ritter gleich Hüon selbst und nimmt so diesem
gegenüber eine andere Stellung als bei Wieland ein ; er erscheint
später selbständig an der spitze eines heeres und kömmt
Hüon im Zweikampfe entgegen und so als ritter kann er wol
auch bedenken ausdrücken, die im munde des knappen den
verdacht der feigheit erregen würden.
Der ganze erste gesang bei Wieland enthält kein motiv,
das nicht schon in seiner französischen vorläge gegeben wäre.
Der kämpf mit den Arabern, welcher seinen zweiten gesang
eröffnet, ist im romane den beiden rittern für ihren eintritt in
Arabien selbst aufgespart, da aber Wieland eine andere reise-
route (s. unten) einschlägt, so ist dieser Zwischenfall weniger
motivirt, ihm aber notwendig um seinen Gerasmin (wie auch
dem der vorläge geschieht) pferd und wafifen zu gewinnen.
Eine ganz neue zutat Wielands haben wir dagegen in den beiden
17
folgenden strophen (H, 8 und 9) zu betrachten. Die beiden
Strophen sollen unzweifelhaft den gegensatz zur vorausgehenden
kampfezene bilden und das unschuldige leben der naturmenschen
schildern, das von Rousseau zur ausbildung gebrachte lieblings-
thema des 18. Jahrhunderts. Die chanson des gestes, welche
gleich der höfischen epik den vilan kaum als mitmenschen der
ritter erkennt, hat hiefür keinen zug geliefert und die ganze
Sentimentalität der szene passt auch nicht einmal für den
Charakter von Wielands Hüon. Wir haben hier, wie weiter
ausgeführt im achten gesange, den einfluss der unmittelbar
vorhergehenden Schäferpoesie anzuerkennen; Wieland aber legt
diesem motive eine persönliche bedeutung unter, denn wenigstens
den vers
»Wie selig wär's in diesen hütten wohnen«
möchte ich entschieden mit IV, 21 und folgenden verbinden.
Beide stellen sind subjektiven empflndungen des dichters ent-
sprungen, wie für die letztern Wielands eigene worte zeugen.
»Weil ich itzt, bis ich von meinem Oberon völlig entbunden
sein werde,« so schreibt er am 4. februar 1780 an Sophie
La-Roche,^®) »nichts lesen kann noch darf, so hab ich blos
die stelle, von welcher sie mir eigentlich schreiben aufgesucht
und finde, dass Biberach Ursache hat höchlich mit der ehre, die
sie ihm erweisen, zufrieden zu sein. Ich selbt danke ihnen von
herzen im namen des ortes, wo ich geboren wurde und schreibe
ihnen zu etwelcher bezeigung meiner dankbarkeit dafür eine
stanze aus meinem Oberon hier, die mir erinnerungen und
empflndungen in verwichenem sommer eingaben.
(IV, 22) »Du kleiner ort — in deinem schoss zu liegen.«
Ich habe diese stanfee zwar nicht mir selbst, sondern einem gewissen
Scherasmin, der mich gar nichts angeht, in dexi mund gelegt.
10) C. M. Wielands briefe an Sophie La-Roche hrsgb. v. Franz Hörn
BerJm 1820.
18
aber sie kam nichts destoweniger warm aus meinem eignen
herzen.« Es ist von interesse so zu sehen, dass auch der
Oberon persönliche beziehungen des dlchters enthält, wie sie
für Agathon und andere seiner werke bereits längst nachge-
wiesen sind.
Suchte Wieland im ersten gesange die ortseinheit seiner
vorläge zu verbessern, so versucht er im zweiten kürzere Zeit-
dauer herzustellen. Der kämpf mit den Arabern findet bei
ihm gleich am fusse des Libanon statt am vierten (im Merkur
am dritten) morgen nach Hüons Vereinigung mit Gerasmin;
am fünften (früher vierten) kommen beide an Oberons wald.
Ihn zu vermeiden würde bei Wieland fünf bis sechs tage, im
romane aber drei monate erfordern. Zwischen dem aufbruche
aus Gerasmins höhle und dem erreichen des waldes liegt eben-
falls eine weite reise. Wieland hat Babylon ohne weiteres als
identisch mit Bagdad am Tigris genommen, obwol aus dem
romane klar hervorgeht, dass dieses unmöglich gemeint sein
kann. Gerasmin führt hier Hüon über die landenge von Suez
zum strande des roten meeres, diesem entlang ziehen sie hin
und kommen nach Arabien, an dessen grenze der eben erwähnte
kämpf stattfindet. Nach dem abenteuer bei seinem oheim und
in Angoulafires türm trägt ein diener Oberons den beiden über
das rote meer und drei tage hernach langt er in Babylon an.
Wieland musste also wol wissen, dass hier nicht Bagdad gemeint
sein könne, wenn auch Tressan nicht eigens bemerkte, dieses
Babylon sei guten geographen unbekannt. Tressan aber hätte
wol wissen können, dass in dichtung und geschichtsschreibung
des mittelalters unter Babylon stets Kairo gemeint sei, wie dies
ja selbst noch im Dekamerone X, 9 der fall'lst. Wieland will
des einheitlichen hintergrundes wegen das meer jetzt noch nicht
erwähnen und schon Bagdads rühm in den erzählungen von
1001 nacht war ihm veranlassung die handlung in die berühmte
Chalifenstadt zu verlegen, auch wenn er nicht an die tatsächlich
19
vorhandenen beziehungen zwischen Karl dem Grossen und dem
beherrscher der gläubigen zu Bagdad dachte. Hätte er aber
schon auf der reise nach Babylon Hüon von geisterhand über's
meer schaffen lassen, so wäre die X, 22 notwendige handlung
nur Wiederholung eines bereits benützten motives geworden.
Hat Wieland hierin sich von seinem vorbilde entfernt, so folgt
er ihm um so treuer in der beschreibung der ersten szene
zwischen Hüon und Oberon, nur Gerasmins geplauder (II, 18 — 24)
ist Wieland allein eigen. Oberons biographische erzählung hat
Wieland dafür weggelassen, an ihrer stelle erhalten wir im
sechsten gesange Gerasmins berirht. Als zwerg, oder vielmehr
in kindesgestalt ei*scheint Oberon auch bei Wieland, aber nicht
der fluch einer feindlichen macht hat ihm solche aufgezwungen,
sondern aus schmerz über Titanias verlust hat er sie freiwillig
gewählt (VI, 104) und anders erscheint er XII, 71. Die wieder-
holten Versicherungen Oberons über seine rechtgläubigkeit hat
Wieland vereinfacht und Gerasmin wird zur strafe für sein
urteil über Oberon dem zauber des hornes preisgegeben, während
im romane Oberon iiim vorwirft, dass er in seiner Verlassenheit
am Libanon oftmals an der göttlichen allmacht gezweifelt und
gegen sie gezürnt habe, nur* nebenbei wirft er ihm nach dem
tanze sein voreiliges urteil vor.
Zwischen dieser erstell Oberonszene und der aventüre von
Angoulaffres türm liegt der besuch Hüons bei seinem zu Mahomet
al^efiallenen oheini. Das abenteuer als solches hat Wieland
völlig beseitigt, denn das ganze kann nur den eindruck schwächen,
welchen Hüoris erstes auftreten in Babylon hervorrufen soll,
während das streben in der geschichte des haupthelden zugleich
möglichst viel farftilienglieder erscheinen zu lassen für den
deutschen bearbeitei- nicht vorhanden sein konnte. Die meisten
einzelnen züge des abenteuers aber hat Wieland für die szenen
am hofe des aniirals verwendet, da die ihm an jener stelle
2*
/
20
des romanes gelieferten motive wenig brauchbares bieten konnten.
Die weglassung des abenteuers mit Hüons entartetem verwandten
erklärt sich von selbst; dagegen haben wir die frage zu erledigen,
wamm Wieland das abenteuer mit dem riesen beibehalten, ja
sogar erweitert hat. Da alle späteren kämpfe Hüons von Wieland
weggelassen sind, so entstand für ihn das bedürfniss im ersten
teile des gedichtes Hüons tapferkeit in handlang zu zeigen ; um
so mehr, da auch der kämpf mit Amaury nur erzählt wird,
und sonst überall der held unter dem schütze Oberons kämpft.
In dem abenteuer mit Angoulaffre hingegen ist Hüon ganz
auf sich allein angewiesen. Im romane erklärt Oberon aus-
drücklich, er solle den türm vermeiden, da er ihm dort keinen
beistand leisten könne, denn er selbst hat den türm nebst der
dort verwahrten zauberrüstung an den riesen verloren; Wieland
ändert diesen zug dahin, dass Angoulaffre dem feenkönig
einen schirmenden zauberring (III, 5) entwendet habe^ der
ihn unverwundbar mache. Wielands Hüon erfährt aber vom
riesen und seinem Verhältnisse zu Oberon erst durch den
»Gedernprinzen«; es ist ein Widerspruch mit Wielands ganzer
darstellung , . wenn Hüon (III, 13) erklärt schon »vorhin« den
kämpf mit dem riesen, von dessen dasein er nichts wusste, im
sinne gehabt zu haben ; diese antwort Hüons hat ihre begründung
nur im romane, nicht in Wielands eigner dichtung. Der prinz
mit seinen genossen und seiner erzählung ist Wielands zutat
Ohnevorbild in seiner vorläge und dient dazu, Hüons helden-
ruhm zu steigern; die art, wie Hüon sämmtliche kämpfer
niederwirft, kann an den anfang des »Geron« erinnern; für
den namen »Balazin« verweist Düntzer auf Zieglers »asiatische
ßanise.« Die ganze einschiebung ist Wieland' äusserst gelungen;
die absieht, welche die gegenüberstellung verfolgt, ist nur (III, 48)
viellleicht zu deutlich ausgedrückt. Für des prinzen geschichte
(wiederholt von der prinzessin) ist wenigstens ein motiv aus
der erzählung der prinzessin in 1001 nacht (in der geschichte
21
des zweiten Kalenders ^^) edition Garnier I, 130) entnommen.
Auch die morgenländische erzählerin wird eben in der hoch-
zeitsnacht (III, 6) von einem bösen genie geraubt und in dessen
palast verwahrt. Im romane ist die geraubte dann wieder eine
verwandte des beiden selbst, seine base Sibila. Nach einem
besuche des heiligen grabes wurden ihr vater und begleiter
vom riesen getötet, sie selbst aber in den turra gesperrt, wo
sie nun bereits drei jähre verwahrt ist. Die drei jähre kürzt
Wieland in sieben (im Merkur in sechs) monate; den zauber-
schlaf macht er zum wunder der Jungfrau Maria, während seine
vorläge nur im allgemeinen les saints patrons nennt. Für strophe
27—29 bedurfte der dichter des »Idris« keines Vorbildes; da er
aber das abenteuerliche doch einmal gebrauchen musste, hätte
er wol besser auch die gestalt des riesen selbst beibehalten.
Die änderimg war durch seine neigung zu humoristischer
(sinnlicher) Schilderung veranlasst, doch durfte er die treue
jener liebenden auch nicht pathetisch behandeln, wenn er nicht
seinem gedichte selbst schaden wollte. Den kämpf mit
Angoulaffre selbst hat Wieland gleichfalls umgestaltet. Nicht
Hüon, der durch den ring geschützt ist, sondern der riese
trägt bei ihm den undurchdringlichen panzer ; Hüons aufforde-
rung zur taufe ist weggefallen, um dieses motiv später nicht
zum zweitenmale zu bringen. Die tochter Balazins kann nicht
am kämpfe anteil nehmen, wie ihn die prinzessin aus Hüons
heldenhause wagt. Hüon eilt aus dem frohen kreise hinweg,
eine Umwandlung des im romane von ihm gemachten gelübdes
nie länger als drei tage am selben orte zu verweilen. Eigene
ei'wähnung gebührt dem erbeuteten ringe; im romane eignet
Hüon sich denselben erst als siegesbeute zu; der sieg selbst
hängt dort am besitze von Oberons zauberhamisch. Der ring
11) Des Kalenders von Bassra erwähnt Gerasmin VI, 85.
dient nur später dazu Hüon den eingang zum palast des
amirals zu ermöglichen. Wieland aber weist diesem ringe
ganz andere bedeutung für das folgende zu. Wissentlich be-
nützt bei ihm Hüon seine Zauberkraft nie, sondern verwendet
ihn nur (V, 41) als verlobungsring; aber die macht dieses ringes
allein ist es, welche (VE, 33) die liebenden vom gewissen tode
rettet; mit diesen eigenschaften des ringes steht freilich in
vollem Widerspruche, dass Hüon und Rezia einige Strophen
später am verschmachten sind (VII, 46); ebenso heisst es
(Vn, 36) , keine macht könne dem , der ihn nicht geraubt den
ring entreissen, und doch hören wir (X, 3), dass er Rezia, die
ihn ja doch gewiss rechtmässig erlangte, im ringen mit den
korsaren abgestreift wurde. Diesen grellen Widerspruch lässt
sich Wieland zu schulden kommen, teils weil er trotz einzelner
änderungen doch sofort wieder dem romane folgt , teils um den
ring weiter zu verwerten, denn der von Angoulafifre Oberon
geraubte ring ist kein anderer als Oberons ehering mit Titania
und schon III, 34 hatte Hüon davon gesprochen , denselben
Oberon zurückzustellen. Der besitz dieses ringes ist Titania ein
zeichen des Schicksals für ihre baldige Versöhnung mit Oberon,
undXII,71 glänzt er denn auch an dessen band. So ist die episode
mit Angoulafifre notwendig für die beiden bestandteile des ganzen
gedichtes geworden, und, haben wir oben Wielands Widersprüche
angemerkt, so müssen wir hier ebenso auf seine kompositions-
kunst verweisen. Reine episode ist die bekämpfung des riesen
aber auch nicht im französischen romane; der erbeutete ring
öffnet Hüon den zugang zum sultan; Angoulaflfres bruder
will seinen tod rächen und veranlasst dadurch Hüons befreiung
aus des sultans kerker.
Hatten wir bisher stets nur kleine abweichungen Wielands
von seiner französischen vorläge zu verzeichnen, so beginnt
nun das Wieland fast allein gehörige (III, 56 — IV, 22): Die
geschichte von Hüons liebe zu Rezia. Mit recht verweist
23
Düntzer für ihre träume auf die (bereits erwähnte) geschichte
von Joseph und Zelicka. Jedem von ihnen erscheint des andern
bild im träume, aber von dadurch entflammter liebe kann
eigentlich nur bei Zelicka die rede sein. Die amme macht sie
auf hindernisse und prüfungen aufmerksam, was, wenn auch
ohne magische künste, ebenso Gerasmin und Fatme zu tuen
haben; doch weiss Wieland sinnreich diese gefahren bereits im
träume selbst anzudeuten. Oberon aber, wie er ja Rezia im
träume sich auch selbst zeigt, ist es, welcher den beiden die
träume sendet; im zauberzelte, und nur dieses einemal wird
solches nachtlager erwähnt, hat Hüon sein traumgesicht. Mehr
als die arabische erzählung dürfen wir aber an dieser stelle
noch Shakespeare heranziehen. Was Wieland aus der heiteren
dichtung des sommernachtstraumes entnahm, musste dem ernste
seiner dichtung gemäss umgestaltet werden, aber das motiv der
traumerscheinung hat hier seinen Ursprung genommen. Zwar
nicht im träum, aber doch (und schon der titel des Werkes
spricht es aus) in traumartiger bezauberung zeigt dort Oberon
(beziehungsweise Puck) jedem den partner den es lieben soll.
Titania aber erscheint der unwürdige geliebte, um ihre Ver-
söhnung mit Oberon herbeizuführen; das ernste gegenspiel
dieses burlesken liebeszaubers übt Wielands geist an Hüon und
Rezia. Eine ähnliche traumliebe findet sich auch noch in
1001 nacht in der »geschichte der liebe des prinzen Kamaralza-
mans von der insel der kinder Khaledons und der prinzessin
Badoure von China« (II, 91 u. folg.). Ebenfalls in folge eines
geisterstreites werden die beiden im schlafe zusammengebracht,
und, als sie getrennt erwachen, ist jedes von liebe zum andern
ergriffen. Die beschreibung der beiden träume wie Gerasmins
humoristische antwort gehören Wieland allein zu.
Mit IV, 50 kehrt er wieder zu seiner französischen quelle
zurück. Dort gibt der Saracene sich sofort nach seiner be-
freiung als könig von Hyrkanien zu erkennen und fordert Hüon
24
auf Mahomet zu danken, dass es ihm vergönnt gewesen ein
so vornehmes leben zu retten; Hüon verlangt dank von ihm
gegen den christengott und zieht, da er den eben geretteten
trotz seiner lästerungen nicht töten will, ruhig seines weges
weiter. Die lächerliche prahlerei im munde des beiden mochte
Wieland nicht seiner mittelalterlichen vorläge entnehmen, die
tatsache selbst aber behielt er bei, denn nur durch das undank-
bare benehmen des Saracenen — seine Verwandlung in einen
Drusenfürsten dankt er wol nur dem bequemeren versmasse —
verliert die spätere tötung desselben für uns den abstossenden
eindruck. Wieland lässt die feindschaft zwischen ihm und
seinem lebensretter durch Oberons becher entstehen, ein motiv
das im romane nicht hier, sondern bei Hüons oheim erscheint.
Hüon und Gerasmin trinken an dessen tafel und bieten dem
renegaten den becher gefüllt an; sobald derselbe ihn an den
mund setzt, verschwindet der wein (dass der becher glühend
wird, ist Wielands zusatz); der erzürnte sultan wirft seinem
neffen den becher an den köpf und der streit beginnt. Wielands
eigene glückliche erfindung ist, dass Babekan auf Gerasmins
ross davoneilt ; wenn er aber nun den knappen auf ein maultier
setzt, so ist er hier von fremdem einflusse bestimmt. In der
französischen quelle bleibt Gerasmin in Angoulaflfres türm zu-
rück, eine höchst überflüssige bestimmung, da der türm zugleich
auch Oberons alten dienern, die vom riesen gefangen waren,
zur bewachung übergeben wird. Erst nachdem Hüon lange
im kerker liegt, zieht Gerasmin ihm nach Babylon nach. Das
maultier, auf welchem bei Wieland Gerasmin in Bagdad ein-
zieht, ebenso wie das reden mit seinem tiere, mahnt ganz ent-
schieden an das berühmte tier, welches Sancho Pansa getragen.
An dieser stelle müssen wir denn zugleich auf die ähnlichkeit
zwischen Hüon und Gerasmin mit dem spanischen paare hin-
weisen, denn die zur vergleichung auflfordernden züge erscheinen
fast ausschliesslich im 11.— IV. gesange. Es ist schon bemerkt,
■\
25
wie grundverschieden Wielands Gerasmin von dem des franzö-
sischen romanes erscheint; von dem humore des deutschen
findet sich dort keine andeutung. Es kann kein zweifei sein,
dass Hüons heldenzug von Wieland ernst gemeint ist, weder
von einer parodie des ritterwesens noch von phantastischer
mährchenbildung kann die rede sein. Aber da Wieland wie
überall so auch in seinem romantischen epos mit humor zu
werke geht , so musste sich von selbst das verhältniss gestalten,
dass dem idealistischen ritter ein prosaischerer begleiter zur seite
tritt. Und hier nun lag das Vorbild von Don Quixote und
seinem begleiter so nahe, dass es eigentlich eher wunder nimmt,
dass Wieland diesem einflusse nur so geringen Spielraum ge-
stattet hat. Die züge, welche Gerasmin zu einem völlig anderen
Charakter als Cervantes knappen machen, sind deutlich genug.
Gerasmin ist von unbezweifelter tapferkeit, seinem herrn mit
uneigennützigster vasallentreue zugetan, mittel und möglich-
keiten klug berechnend (II, 21; V, 66; VI, 32; K, 7; X, 52;
XII, 60), züge, die Wieland zum grössten teile dem französischen
romane entlehnt hat. Allerdings hat Wieland auch Gerasmins
furcht und flucht vor Oberon seiner quelle entnommen , aber
in der art und weise wie sein Gerasmin dabei verfährt, werden
wir an Sancho erinnert (besonders II, 78); die gewohnheit
geschichten, oder wie Gerasmin es nennt »exempel« zu erzählen,
ist nicht dem französischen Gerasmin, sondern dem spanischen
knappen eigen. Nicht nur II, 18, auch IV, 12 und folg., IV, 61
ist die redseligkeit des knappen unzweifelhaft von der seines
spanischen kollegens angeregt. Noch entschiedener werden wir
an zwei andern stellen an Sancho Pansa gemahnt (III, 16 und
54 und V, 50). Hüon ist nicht verpflichtet durch Oberons park
zu reiten und bei aller tapferkeit kann Gerasmin hievon ab-
raten ; aber Hüon muss, nachdem er dem fremden prinzen sein
wort gegeben, den riesen aufsuchen; wie Gerasmin hier vom
kämpfe abrät, erinnert an Cervantes. Ebenso werden wir an
26
einen der immer wiederkehrenden züge Sanchos erinnert, wenn
Gerasmin besonders über Oberons fürsorge für leibliche be-
dürfnisse sich erfreut zeigt , während Hüon wie Don Quixote
stets nur an sein unternehmen denkt. In eben dem zelte, wo
Gerasmin nur die angenehmste ruhe findet, hat Hüon den
träum, der seine ruhe raubt und Gerasmin bringt dann dem
liebenden die Wirklichkeit wieder in erinnerung ^^) (III, 64).
Auf dem maultiere , das uns zu vorstehendem vergleiche
den anlass gegeben, kömmt bei Wieland Gerasmin mit seinem
herrn in Bagdad an. Wieland setzt sich mit poetischer freiheit
darüber hinweg, dass die abendländische tracht ihnen dies
unmöglich machen würde, während der französische roman
gleich nach der ersten begegnung mit Oberon diesen seine
freunde mit saracenischen kleidern und waffen ausrüsten lässt.
Wieland spart dieses geschenk Oberons bis zum morgen des
entscheidungstages auf, da diese prachtvolle kleidung an stelle
von AngoulaflTres ring seinem Hüon den zutritt durch die tore
der sultansburg ermöglichen soll; zugleich aber ist diese gäbe
für Hüon ein erstes sicheres zeichen, dass er in der gefahr auf
Oberons hilfe rechnen kann, die er ja nicht, wie der des
romans, früher erprobt hat. Für das abenteuer am Ghalifen-
hofe selbst hat Wieland die motive aus den zwei entsprechenden
Szenen seiner vorläge mit denen in einem früheren abenteuer
gegebenen verknüpft. Gegen abend, erzählt der roman von
dem einzuge in die stadt wo Hüons oheim herrscht, kommen
beide in eine grosse stadt (Wieland IV, 36) und suchen Unter-
kunft in einer karavanserail ; ein freund des sultans, Floriac,
welcher dem Christenglauben treu geblieben ist, ladet sie in
seine wohnung und dient darauf als mittler, Hüon bei seinem
12) Die beispiele für Gerasmins volkstüuiliche spräche im vergleiche
zu Sancho Pansas Vorliebe für sprüchwörter hat bereits Düntzer (»er-
läuterungen zu d. deutschen klassikern« II, 126) gegeben.
27
oheime einzuführen. Diesen vertrauten des sultans verwandelt
Wieland in die mutter von Rezias amme, um durch ihre
Vermittlung Rezia auf das erscheinen des traumgeliebten vor-
zubereiten. Ebenso macht es ihre einführung andererseits auch
möglich Hüon und die leser auf Rezia und ihren zustand selbst
vorzubereiten. Das motiv, dass der wirt den fremden das
ihnen nötige erzählt, fand Wieland in seiner vorläge, in der
Floriac den religionswechsel seines herrn berichtet und hie-
durch ebenso wie Baucis mit ihrer erzählung auf Hüons weiteres
benehmen von einfluss ist. Der vergleich von Fatmes mutter
mit Baucis bringt Wieland dazu (IV, 38) auch für die bewirtung
selbst die stelle aus Ovids Metamorphosen (lib. VIII, 665) zu
benützen.
Rezias zweiter träum und die ihm folgende beschreibung,
wie ja überhaupt alle beschreibenden stellen der ganzen dichtung,
gehören Wieland allein zu. Aber auch für die darauf sich
abspielende handlung ist die vorläge stets nur in einzelnen
Zügen, nicht mehr wie im ersten und zweiten gesange zu-
sammenhängend herübergenommen. Wieland konnte die dort
gegebenen motive unmöglich beibehalten. Wie loyaulte über-
haupt, so ist besonders loyaulte gegen gott, mutiges glaubens-
bekenntniss in der alten dichtung erstes erforderniss des beiden.
Hüon vergisst an der ersten pfortedes palastes, dassAngoulafifres
ring ihm den zutritt sichert, und gibt sich, um in den saal zu
gelangen, als muselmann aus. Dieser von Oberon im nämlichen
augenblicke beweinte fehltritt entzieht Hüon den beistand des
feenkönigs und durch harte kerkerhaft muss er im folgenden
dafür büssen. Wieland konnte das motiv des gegensatzes
zwischen Christen- und heidentum nur als kostume, nicht als
wirkenden teil der handlung gebrauchen; zudem handelt sein
Hüon nicht allein für sich, sondern auch für Oberons liebe.
Erst nach der Vereinigung mit Rezia kann Oberons zweck sich
der erfüUung nähern, und die momentane glaubensverläugnung
28
kann somit für die neue dichtung von gar keiner bedeutung
sein. Es ist ein so verzeihlicher fehltritt, dass dem wenig
enthusiastischen glaubenseifer des 18. Jahrhunderts und dem
Verfasser der »Göttergespräche« zumeist eine harte bestrafung
hiefiir ganz unmotivirt erscheinen musste. Hüons zweimaliger
Sündenfall, wenn wir es so nennen wollen, glaubensverläugnung
und Verletzung des liebesverbotes mit der jedesmal folgenden
strafe, ist im gründe nur Wiederholung desselben motives, und
welche der beiden stellen wegfallen musste, war schon durch
Wielands ganzen plan von anfang an entschieden.
Von der ganzen erzählung, wieHüon in die bürg gelangt»
hat Wieland nur einen zug (V, 31 und 32) beibehalten; als
Hüon am zweiten tore den eingang im namen seines gottes
verlangt, starren ihm die spitzen von hundert lanzen und
spiessen entgegen, die sich dann vor dem ringe senken.
Babekans tötung geht im romane in gleicher weise wie bei
Wieland vor sich; auch der könig von Hyrkanien sitzt zur
linken des amirals, während Karl im romane nur im allge-
meinen den tod des vornehmsten Saracenen verlangt hatte.
Sobald des toten blut den amiral bespritzt , befiehlt er Hüon
zu ergreifen, aber der anblick des ringes hält die Vollziehung
zurück, und nun küsst Hüon die ihm vom kaiser bestimmte
braut, das erstemal aus pflicht, das zweitemal ihre Schönheit
bewundernd, das letztemal aus liebe. Vom zarten minnedienst
der Provencalen weiss die chanson des gestes noch nichts und
fehlen ihr auch nicht züge von liebe und weiblicher tugend,
im ganzen herrscht darin wenig achtung vor dem schwächeren
geschlechte, das vom dichter hart beurteilt und von den beiden
nicht eben rücksichtsvoll behandelt wird. So kömmt auch
Hüon ohne neigung, aber gleichwol in der absieht sie zu
heiraten zuRezia, und ihr flösst sein kuss allein soviel leiden-
schaft ein, dass sie ihm dann im kerker das leben rettet. Das
alles ist sinnlich naiv , und , wenn auch Wieland die körper-
29
liehen Vorzüge stark betont ^^), doch von der sentimentalischen
liebe der deutschen dichtung sehr verschieden. Für alles was
in diesem liebesbunde menschlich und dichterisch anziehend
ist, hatte Wieland seiner quelle gar nichts zu danken ; die liebe
beider, wie Rezias ganzer Charakter, ist seine eigene Schöpfung,
wenig verwandt mit der sultanstochter, welche, durch kein
früheres gefühl vorbereitet, dem fremden den dritten kuss zu-
rückzugeben geneigt ist und sich taufen lässt in der hoffnung,
dann nicht mehr durch Oberons gebot gehemmt zu sein (ein
von Wieland VI, 30 wenigstens gemildertes motiv).
Das verlöbniss hätte Wieland wol ebensogut wie es im
romane geschieht, ohne ring vollziehen lassen können, und für
alles spätere hätte der ring an Hüons finger dieselben dienste
geleistet; aber einerseits bildet es ein hübsches motiv, wenn
das von Oberon begünstigte liebespaar sich mit demselben ringe
verlobt, der Oberon und Titania einst verbunden hatte und
durch die treue eben jener liebenden in zukunft wieder ver-
binden soll; andererseits haben wir hier eine einwirkung der
vorläge. An eben derselben stelle, wo in ihr der ring eine so
bedeutende rolle spielt, wollte auch Wieland seiner erwähnen.
Später kömmt im roman keine erwähnung desselben mehr
vor. Nachdem Hüon dort die sultanstochter geküsst hat, bringt
er diesem selbst die forderung von hart und zahnen vor.
Bestürzt beschwört, dieser ihn, ihm die Wahrheit von seinem
herrn Angoulaflfre zu verkünden; sobald Hüon dessen tod be-
richtet hat, befiehlt der amiral den Christen gefangen zu
nehmen. Nun folgt eine szene, die Wieland etwas verschoben
hat (V, 65). Hüon, von allen selten angegriffen, verteidigt sich
13) Es ist hiefür wie überhaupt für das im ganzen »Oberon« vor-
handene sinnliche motiv bezeichnend genug , dass IV, 6 zur Schilderung
Bezias eine strophe aus >Idris und Zenide« (dort I, 70) benützt wird.
(Wielands brief an Merck vom 20. november 1779).
30
mit seinem seh wert; er schwingt sich auf einen marmortisch
(»Und zieht stets fechtend sich allmählich an die wand«);
köpfe und arme seiner angreifer fliegen umher. Diese Schilde-
rung entspricht der zweiten kampfszene bei Wieland, nur dass
hier der ritter mit einer stange bewehrt ist. Die menge droht
aber Hüon zu überwältigen ; kräftig wie Roland bläst er da in
sein hom, aber kein ton erschallt, da die einmalige glaubens-
verläugnung ihn der geisterhilfe unwürdig gemacht hat. Hüon
wird übermannt und zum hungertode in's gefangniss geworfen.
Bei Wieland steht Hüon dem ersten angriffe der Saracenen mit
erhobenem säbel gegenüber, da aber Rezia in seinen armen
liegt und ihre brüst zu seinem schilde macht, ein natürlich nur
Wielands Rezia eigner zug, so kömmt es nicht zum kämpfe.
Hüon bläst sanft in's hörn ^*). Das Vorbild für das nun fol-
gende ist in dem abenteuer bei Hüons oheim gegeben. Hüon
und Gerasmin kämpfen gegen die heranstürmenden Soldaten
und eunuchen und endlich bläst Hüon mit seinem hörne, um
die feinde zum tanzen zu zwingen. Das hörn lockt auch die
sultanin herbei (V, 48) , der tänzer der favoritin (V, 53) erregt
die eifersucht des sultans und endlich sinken alle tänzer
ermüdet nieder. Hüon und Gorasmin bereiten sich nun zur
abreise (V, 49) mit Floriac (= Fatme). Da tritt ihnen der
wieder zu kräften gekommene Sultan mit 20000 mann ent-
gegen. Das motiv dieses fluchtversuchs .hat Wieland für
Gerasmin beibehalten, aber Hüon weigert sich (V, 50) den-
selben zu imternehmen. Nachdem Wielands tänzer atem
14) In Friedericke Sophie Seylers »Oberon oder König der Elfen,
ein romantisches Singspiel in 3 aufzügen, nach Wieland. Augsburg 1789
(im 11. bände des 4. Jahrganges der deutschen Schaubühne 1792) hat
das hörn eine dritte eigenschaft erhalten. Wenn Hüon es an den mund
setzt ohne zu blasen, so bleibt alles versteinert stehen; die beiden
andern Wirkungen sind dieselben wie bei Wieland und im französischen
<
werke.
31
geschöpft haben, bringt Hüon die bitte um haar und zahne
vor. Im romane spricht der die ungläubigen verachtende
krieger, bei Wieland der höfische ritter. Erst viel später findet
sich in der vorläge das verlangen zum ersatze von Karls be-
gehren die taufe anzunehmen. Hüon ist im kerker gefangen
und wird durch die sultanstochter ohne wissen ihres vaters
am leben erhalten. Mit ihr verständigt sich auch Gerasmin,
der inzwischen nach Babylon gekommen ist. Da erscheint
Angoulafifres bruder Agropard mit einem beere den amiral
sich zu unterwerfen. Sobald dieser vernimmt Hüon sei noch
am leben, so verspricht er ihm für seinen beistand die band
seiner tochter und tribut an kaiser Karl. Hüon tötet Agropard
im Zweikampfe und stellt nun das verlangen der taufe. Als
der amiral hierauf Hüon von neuem in fesseln legen lassen
will, greift dieser zum home, und nun erscheint Oberon zur
hilfeleistung: Ebenso wie schon früher gegen Hüons oheim
erscheint der könig der feerie auch jetzt mit einer grossen
armee und entwaffnet (im früheren falle tötet er) die Sara-
cenen. Der amiral lästert die Christen, eine unsichtbare band
schlägt ihm den köpf ab und Hüon nimmt nun das von Karl
geforderte. Oberon schliesst dies nicht wie bei Wieland in ein
kästchen, sondern in die rechte seite von Gerasmins körper ein.
Diese zwei im romane getrennten szenen zwischen Hüon
und dem amiral hat Wieland in eine zusammengezogen, die
sich allerdings auch ihm wieder verschieden gliedert. Gerasmin
ist auch bei ihm anfangs nicht zugegen; aus der vorläge ist
es entnommen, dass gerade der Vorschlag zur taufe den amiral
in die äusserste wut versetzt; ebenso ist das benehmen Rezias
(V, 59) dem romane nachgeschildert. Während des kampfes
steht sie dort bestürzt, blickt seufzend nach Hüon und kann den
wünsch nicht unterdrücken ein so schöner ritter möchte doch
dem drohenden tode entgehen. Nicht aber Hüon, wie er es die
viermale im romane tut, sondern Gerasmin lässt den zweiten
32
hornruf ertönen. Die rohe Vorstellung vom erscheinen des
feenkönigs an der spitze eines heeres, welches einen wirklichen,
wenn auch kurzen kämpf mit menschlichen waflfen zu bestehen
hat, ist von Wieland natürlich verlassen worden; eine änderung
die durch seine ganze aufifassung Oberons bedingt war. Wenn
der tadel ausgesprochen wurde, dass im deutschen gedichte
Hüon nicht selbst des kaisers forderung vollzieht, so kann
eben das französische original, in welchem er es wirklich aus-
führt, zur genüge zeigen, wie richtig Wieland hier zu werke
ging. Das widerliche auf bewahrungsmittel wegzulasäfen verstand
sich von selbst. Da Hüons verräterischer bruder das so ver-
borgene doch in seinen besitz bringt, so hat die sonderbare
Inkarnation noch weniger sinn. Wieland weiss aber auch das
kästchen (X, 31 und 53) für die weitere handlung zu verwerten.
An stelle der rauhen behandluiig des vaters tritt bei
Wieland die prüfende frage Oberons an die tochter. Da seinem
Oberon soviel an der treue des paares gelegen ist, so soll
Rezia den folgenschweren entschluss auch mit völligem be-
wusstsein ausführen. Oberons tränen hat auch der roman an
dieser stelle; dort aber ist auch das liebesverbot bereits in Babylon
gegeben. Wieland bringt eine eben nicht lobenswerte häufimg
von erscheinungen Oberons in seine vorläge hier hinein ^^).
Den schwanenwagen dagegen musste er wol einführen, da
Oberon ohne armee nicht ganz Babylon für seinen freund
unterwürfig machen kann, und Bagdad weiter als Babylon-Kairo
vom meere entfernt ist. Auch steigert es die Wirkung im
XII. gesange, wenn nun am ende aller prüfungen derselbe
wagen die liebenden aufnimmt, welcher sie zuerst vereinigt hat.
15) Nach dem scherze über Gerasmin und Fatme (V, 81) war
Oberon auf diese weise so in gefahr mit seinem liebes verböte bereits zu
spat zu kommen.
33
Von VI, 8 an folgt Wieland wieder mehr im zusammen-
hange seiner französischen quelle. Zwar hat in ihr nicht
Oberon die schiffe vorbereitet, sondern Hüon schifft sich ohne
dessen beistand mit den schätzen des amirals auf zwei schiffen
ein. Die taufe, welche Hüon und Gerasmin gemeinsam vorbe-
reiten wird von einem griechischen priester (»ein jünger St.
Basils«) vollzogen. Der namenswechsel findet sich im romane
nicht. Amanda verdankt wol der bedeutung des Wortes ^®)
hauptsächlich seinen Ursprung; für Rezia, denn die bibliothek
kennt nur den namen »Esklarmonde« , hat Düntzer (s. 19) auf
einen jüdischen namen »Resia« hingewiesen; die französische
Übersetzung hat »Resie«. Herr professor Hofmann sieht dagegen
in »Rezia« eine ableitung aus Esklarmonde. Nach weglassung
der beiden schlusssylben habe Wieland das übriggebliebene
»Elsklar* in »Reskla« = »Rezia« verwandelt, verwandt mit
dem arabischen worte . '►Radijja« ( = razij,ja) «die schöne«,
türkisch >^Rezia« ausgesprochen. Wenn Wielands eigne sprach-
kenntniss auch nicht so weit gegangen ist, so habe er das doch
von anderen sich mitteilen lassen können. Jedenfalls findet
sich weder in den französischen prosaquellen (noch auch im
epos selbst) irgend eine andere form aus der »Rezia« abgeleitet
werden könnte.
Aus semer vorläge entnahm Wieland das in strophe 28
und folgenden gegebene motiv. Beide liebende sind sich durch
Esklarmondens taufe näher getreten. Zum Zwiegespräche lässt
es Wieland zwischen Hüon und Gerasmin nicht kommen, da
16) Mein verehrter lehrer professor K. Hofmann machte mich darauf
aufmerksam, dass der name »Amanda« Wieland bereits in dem lezten
teile des französischen namens gegeben sei, indem »armonde« nach aus-
stossung des r leicht in »amanda« zu verbessern war. Jedenfalls aber
zeigt Wieland durch VI, 31, dass die symbolische bedeutung des namens
bei der umtaufung für ihn am meisten bestimmend war.
3
34
bei ihm ja letzterer dem ritter mehr untergeordnet ist. Im
romane äussert Hüon nach der taufe könne der zwerg nichts
mehr gegen sofortige Vollziehung der che einzuwenden »haben.
Dagegen entnahm Wieland aus Tressans auszug die humoristische
bemerkung, Hüon sei loyalerer ritter als guter casuist gewesen
(VI, 24 und 25). Gerasmin aber kennt den feenkönig als
despotisch und rachesüchtig und verdoppelt sein bemühen.
An dieser stelle nun setzt Wieland mit seinem »etwas mehr
als mährchen« ein, dass im Merkur einen ganzen (VII.) gesang
allein ausfüllt. Die idee, dass Gerasmin durch erzählungen die
liebenden zu zerstreuen sucht, war bereits im romane, wenn
auch an einer viel späteren stelle, vorhanden. Als nach allen
abenteuern und glücklicher Wiedervereinigung die liebenden,
Gerasmin und dessen Bruder Guire in acht tagen nach Rom
segeln, da erzählen beide der schönen Esklarmonde, sobald sie
dieselbe seufzen hören (VII, 11), »vieux contes« und fahren
damit solange fort bis sie die fürstin immer zum einschlafen
gebracht haben. Diesen endzweck hat Wieland nun in seiner
erzählung freilich nicht verfolgt und kehrt erst in den beiden
letzten Strophen des VI. (früher VII.) gesanges zum romane
zurück. Die liebenden achten dort kaum mehr auf Gerasmins
Warnungen, wie sie auch nach dem mährchen nur noch zärt-
licher werden. Als Gerasmin all sein bemühen vergebens sieht
und von Hüon ihm sogar hart begegnet wird, da geht von
ihm selbst der Vorschlag der trennung aus. Auf dem zweiten
schiffe will er allein nach Frankreich zurückkehren, damit,
wenn Hüon durch seinen ungehorsam zu gründe gehe,
wenigstens seine für Karls auftrag verpfändete ehre gelöst
würde. Diese motive hat Wieland umgestaltet. Hüon begegnet
seinem knappen, der weniger unzart warnt, freundlich und
bereut bald dessen trennung; aber mit psychologischer feinheit
lässt Wieland den Vorschlag dazu doch von Hüon selbst aus-
gehen. Im romane ist es begründet, dass Gerasmin selbst zur
35
trennung rät, denn der roman handelt eben vom pair de
France; seine ehre und treue ist dem kaiser verpflichtet und
diese rein zu halten ist Gerasmin wichtiger als selbst das leben
seines jungen herrn. Diese gründe fallen dem neueren dichter
für den Karl und das doulce France reine dekoration geworden
sind, völlig weg. Das rein menschliche motiv macht sich
überall geltend und Hüons fehler gegen seinen treuen diener
wird durch Vü, 7 wieder gut gemacht. Esklarmondes teilnähme,
die im romane sogar tätigen beistand leistet den warner auf*s
andere schiff zu bringen, ist von Wieland völlig beseitigt worden.
Für Hüons nun folgenden kämpf mit sich selbst war Wieland
kein vorbild gegeben. Da er mit zwei schififen bereits abgesegelt
ist, so geht die trennung auf hoher see vor sich ; sofort lässt er
anker werfen und vergisst pabst und Oberon. Esklarmonde
macht fast keinen widerstand; Amour ist in den segeln des
fahrzeugs verborgen und lacht ihres vergeblichen bemühens.
Er schüttet seine sprühenden flammen auf die beiden liebenden
und den augenblick darauf schwingt sich das grausame kind
auf seinen flügeln siegesfreudig davon die liebenden Oberons
räche überlassend. In strophe 11 (VÜ.) finden wir einen nach-
klang dieser mythologischen ausschmückung wieder
»Die armen seelen büssen der liubc süsses gift«;
deutlicher noch nehmen wir den einfluss im schlussverse von
Strophe 16 wahr. Wieland liebt zu sehr die beschreibung an
und über die grenze des anstandes streifender szenen, um hier
nicht eine eigne Schilderung zu geben, erzielt aber damit auch
eine ungleich grössere Wirkung als die steife allegorie zu wege
bringen konnte. Nach kaum geschehenem sündenfalle bricht
der stürm los. Die mästen des schifles berühren die wölken,
der rümpf sinkt bis zur unterweit hinab, das Steuerruder bricht;
zwei tage und nachte dauert der stürm, dann wirft er das
schiff an eine felswand an welcher es scheitert. Dagegen
3*
36
müssen wir bei Wieland vor allein strophe 17 beachten. Hier
ist eine neue persönliche einführung Oberons gegeben, welche
der roman nicht kennt. Dort hat Oberou nur grund über die
Verletzung des keuschheitsgebotes 'zu zürnen, denn hiedurch
macht sich Hüon der bestimmten königswürde unwert. Auch
Wielands Oberon muss die Übertretung strafen , aber sie dient
seinem eignen plane und erst sie gibt ihm das recht den
liebenden nun das prüfende unglück aufzuerlegen. Wieland
hat für Hüon und Rezia gemeinsam ein dreimaliges erscheinen
Oberons und inmier eine Steigerung damit verbunden. Das
erstemal (V, 75) weiht er durch den lilienstab und eine träne
ihre liebe ein. In stillem kummer und mit seufzen gibt er am
anfange des sechsten gesanges das liebesverbot , dumpf und
still wie gewitterschwüle ist sein abschied; und nun (VII, 17)
das drittemal rauscht er an ihnen vorbei gehüllt in finsterm
grimme, vom donner begleitet. Wieland kann sich nicht ent-
schliessen »um einen schuldigen zu trefifen, das schiff mitsammt
dem Steuermann verderben« zu lassen und die hiedurch not-
wendig gewordene änderung führt ihn zu zwei völlig neuen
Szenen: Hüons loosen und Rezias entschluss. Das motiv der
ersten ist zunächst wol der bibel, aus der allbekannten geschichte
vom Propheten Jonas (I. kap., besonders v. 7 und 15) entnommen;
zum mittelalterlichen kostume gehört, dass die todesloose vom
priester (demselben der Rezia getauft) im kelche geschüttelt
werden. Hüons folgende rede ist durch den plan der ganzen
dichtung gefordert und das nötige gegenstück zu Amandas
folgender handlungsweise. Hüon muss sterben, und verdienstvoll
für seine liebe, d. h. für Oberons endzweck wird dieser tod
erst, wenn Hüon ihn soweit ihin möglich ist zu einem freiwilligen
macht, sich gerne für seine liebe opfert. Mit den Worten
»Gereuen des liebenswürdigen Verbrechens soll mich's nicht«
ist Hüon bereit sein leben für Amanda zu geben und die drei
37
letzten verse von VII, 26 sind bereits eine entgegnung auf
Oberons sch^^Tlr (VI, 101 und 102). Seine forderung :
»Die herzen ungetrennt auch wenn die leiber scheiden«
wird mit Hüons
»Die heiige glut erstickt kein wellengrab
Unsterblich lebt sie fort in deines Hüons schatten«
beantwortet. Rezias tat bedarf keiner worte von ihrer seile.
Der beginn des Unglücks der beiden ist durch ihre handlungs-
weise denn auch bereits der erste schritt zur erfüllung von
Oberons schwur. Die benützung von Angoulafifres ring an
dieser stelle wurde bereits erwähnt. Für strophe 32 gab wieder
der roman das niotiv, in dem während des zweitägigen sturines
Hüon Esklarnioniie in seine arme presst, um sie gegen die
stösse zu schützen und si^lbst beim leuchten der blitze noch
Wohlgefallen an ihrer Schönheit findet. Dem »ä moitie nuds«
des romanes hat Wieland in strophe 39 eigne beachtung ge-
schenkt, wie denn das sinnlich lüsterne motiv in all seinen
werken stets wieder durchbricht. Vom hunger getrieben suchen
im roraane die liebenden über die strandklippen einen weg
und entdecken ein schönes land, das ihnen unbewohnt erscheint.
Beide züge hat Wieland auf das breiteste ausgemalt. Hüon
klettert zu wiederhollenmalen , das schöne land aber lässt
Wieland ihn erst im folgenden (VIII.) gesange auffinden. Aber
das schöne land im romane ist eine trügerische hofifnung, da
es keine fruchte enthält; dieses motiv der bittaren enttäuschung
gab Wieland anregung zu strophe 47—55; ein unmittelbares
eingreifen Oberons, wie Düntzer meint, sollen Wielands worte
nicht enthalten. Aus der französischen quelle ist das motiv
von Hüons reue (VII, 57 und 66) entnommen. »Das herz
zerrissen vom anblicke der leiden derer, welche er liebt bereut
er nun Oberons zorn auf sich geladen zu haben. Fast dahin-
schwindend hält er die geliebte in seinen armen, stützt ihr
38
haupt, und seine tränen fallen auf ihren schönen busen. Welch
schrecklicher zustand, und welche kalte seele wäre dabei nicht
erweicht, wenn sie hier lernen kann, wie selbst der heran-
nahende tod die liebe dieser zärtlich liebenden nicht erlöschen
konnte, und sie an Oberons hilfe verzweifelnd sich nur noch
schuldiger machten.« Benützt hat Wieland hievon jedes wort
und sein
»Das Unglück nährt nur ihre strafbaren flammen,
Sie leiden zwar, doch leiden sie zusammen«
ist Übertragung dieser letzten anspielung, zugleich aber auch
hinweis auf die nötige trennung, wie sie im IX. gesange eintritt.
In derselben stelle der vorläge ist der anlass zu Alfonsos rat
(VIIT, 37) gegeben. Elbenso sind hievon Rezias worte (VII, 72)
verursacht, wenn schon sie das gerade gegenteil der französischen
Worte enthalten. Für das weitere klettern Hüons, wie der
VII. gesang es am Schlüsse schildert, liefert der roman in seinem
zweiten teile das vorbild. Hüon (es ist nach seinem Schiffbruch
am Magnetberge) hat den mut zwischen den schrecklichen
abgründen (VE, 98) seinen weg fortzusetzen und gelangt endlich
in ein tiefes tal; aber auch hier ist keine menschliche wohnung
zu erspähen, und bald steht er vor einem noch höherem gebirge;
an einer späteren stelle der erzählung sucht der held auch
über dieses zu klimmen. Er erschöpft seine kraft den zerklüfteten
berg zu ersteigen, jenseits dessen er bewohntes land hofft.
Aber wenn sich so auch einzelne motive aus der französischen
vorläge finden, VII, 57 — IX, 52 ist eine von Wieland dem
gange der alten erzählung völlig fremde einschiebung. Nachdem
ihr erstes suchen vergeblich war, erwarten dort die liebenden
eines in des andern armen den tod; entfernte rufe von See-
leuten erwecken ihnen in diesem augenblicke neue hoffnung
und nun folgt sofort die von Wieland für den IX. gesang auf-
gesparte katastrophe. Da im romane die Seeräuber unmittelbar
39
nach dem Schiffbruche erscheinen, so beginnt hier schon die
im schlimmen sinne romanhafte häufung von abenteuern, welche
den zweiten teil des Huon de Bordeaux entstellt. Diesem
fehler hilft Wieland ab, indem er langsam alles so vorbereitet,
dass diese letzte Steigerung, die trennung der beiden liebenden,
als neue prüfung schliesslich eintreten nuiss; bedingt ist dies(^^lbe
aber bereits in Oberons schwur.
Für die cinführung und person Alfonsos glaubt Düntzer
ein Vorbild in der gesialt Cyrillos im romane von der »insel
Felsenburg« zu finden; die vergleichungspunkte sind aber doch
sehr femeliegend. Zudem fehlt der erzählung von Alfonsos
Schicksalen alles individuelle leben, nur farblose allgemeine züge
sind gegeben, was wol nicht der fall wäre, wenn Wieland
hier ein Vorbild vor äugen gehabt halte. Dem jungen lebens-
lustigen paare soll eben ein g(U-eifter mann, der die weit kennt
und mit ihr abgest- blossen hat, gegenübergesetzt werden. Durch
seine einführung wird nichl nur die enthaltsamkeit der liebenden
veranlasst und erhalten, sondern überhaupt ein erziehender
einfluss ausgeübt. Der zweck dieser ganzen gesänge ist ja
eine durch- und ausbildung der h au [)t Charaktere herbeizuführen.
Ein reines starkos Seelenleben soll sich in der einsamkeit in
«
ihnen ausbilden, um sie die bevorstehenden prüfungen siegreich
bestehen zu lassen. Daneben könmit aber auch wieder der
einfluss der Schäferpoesie zur geltung; mitten im epos gestaltet
sich eine Idylle ^''j.
Wol einer der schönsten züge in Wielands dichtung ist es,
dass eben die multerliebe Rezia den Seeräubern in die bände
leitet, wofür seine quelle, die keinen Hüonet kennt, natürlich
nicht das motiv bieten konnte. Dort geht Hüon, nachdem er
Eisklarmonde versteckt hat, dem vernommenen lärme nach.
17) Vgl. hiemit di(^ schon besprochenen stroplien 7—9 des zweiten
gesanges.
40
Die Saracenen sind durch denselben stürm, der Hüons schiflf
zerstört hat, zur landung gezwungen worden. Sie schenken
dem bitterfafen Hüon lebensmittel ; als er aber damit hinwegeilt
Esklarmonde zu starken, schöpfen die fremden verdacht, schleichen
ihm nach und als Untertanen des amirals erkennen sie nun
Esklarmonde und Hüon. Letzterer wird ohne widerstand
gefangen genommen und der kapitain macht Esklarmonde
vorwürfe über den tod ihres vaters; er beschliesst sie an den
hof ihres oheims Yvoirin von Mondran zu bringen. Wieland
wollte nicht wieder an Babylon und seinen sultan, der ja bei
ihm noch am leben, anknüpfen, während die alte dichtung
ihrem bestreben folgt, auch die auftretenden ungläubigen
möglichst durch Verwandtschaft liehe bände zu verknüpfen.
Algirische und tunesische Seeräuber dagegen waren der Wirk-
lichkeit wie den erzählungen des vorigen Jahrhunderts (hiefür
dürfen wir wol auf die geschichten in der insel Felsenburg
verweisen) etwas so gewöhnliches, dass es Wieland nahe gelegt
war auch seinen Seeräubern Tunis zur heimat zu geben, und
somit auch das folgende dorthin zu verlegen.
Esklarmondens räuber scheut sich den besieger Angoulaffres
und Agropards zu töten; er lässt ihn* völlig entkleiden und
mit verbundenen äugen an einen baumstamm festbinden. Die
tatsache behält Wieland bei, ändert aber ihre ungeschickte
motivirung. Ebenso beseitigt er die binde *von Hüons äugen
und lässt, das bild um so ergreifender auszumalen, diesen
vorwurfsvoll zum himmel aufblicken. Esklarmonde sinkt auch
im romane ohnmächtig nieder und wird in diesem zustande
auf das schiff gebracht; als sie wieder zu bevvusstsein kömmt,
bemüht sich der kapitain, der von Yvoirin reiche belohnung
hofft (IX, 56 u. X, 5) ihre Verzweiflung zu mildern. Nun erzählt
der roman Esklarmondens weitere Schicksale, welche Wieland
eist im zehnten gesange berichtet, um rascher zu Hüons erlösung
41
zu gelangen. Im romane finden wir zuerst eine beschreibung
von Flüons zustand, dann werden wir zu Esklarmonde geführt.
Wieland hält sich nur ganz kurz (IX, 03) bei Hüons Schicksal
auf und bringt uns dann durch Amandas eigne gedanken zu
ihm zurück. Die Vorführung Hüons aber erhalten wir erst
durch Oberon selbst. In der vorläge wird dieser, wie öfters, so
auch hier, wieder weinend eingeführt; in einem walde sitzt er
am fusse einer eiche. Mit hilfe von Shakespoare's sornmernachts-
traum ändert Wieland das bild (X, 13 = M. N. D. H, 1, 149),
dadurch unserer phantasie wie Oberons Sehvermögen zu hilfe
kommend ; die träume verwandelt er in ernste blicke. Gloriand
und Malembrun, Oberons diener, werfen sich ihm bei Tressan
zu füssen und er erzählt ihnen alles vorgefallene; Hüons untreue
und ungehorsam verbiete ihm fernere hilfe. Wieland nennt
keinen namen von Oberons geistern, der vertraute darf aber
um so mehr an Puck erinnern, als auch der »morgenstern«
den stars der englischen dichtung seinen Ursprung verdankt.
Die art und weise dagegen, wie der sylphe nur durch blicke
und erblassend zu fragen wagt, gleicht der beschreibung wie
bei Klopstock die engel sich dem mittler zu nähern pflegen.
Auch das motiv, in einem bilde dem geiste Hüons leiden vor-
zuführen, ist der Klopstockischen dichtung, an die wir beim
Oberon sonst freilich kaum gemahnt werden, nicht fremd.
Mit geschicktem übergange führt uns Wieland aus dem bilde
des Sylphen nun zu Hüon selbst , uns seine klagen liören zu
lassen. Durch halbes beibehalten und halbes ändern seiner
vorläge aber kömmt er mit der Zeitfolge in Verwirrung und
muss, nachdem Hüon bereits der fesseln entledigt ist, wieder
zu der vorangehenden szene zwischen Oberon und seinem diener
zurückkommen. Freilich konnte er die im romane gegebenen
molive nicht unverändert herübernehmen. Der französische
Oberon würde Hüon ohne die bitten Malembruns zu gründe
gehen lassen und gewährt diesem Hüons leben nur unter der
42
bedingung, dass dieser selbst zur busse dafür zwanzig jähre
länger lulin bleibe. Wielands Oberon kann natürlich nicht
daran denken Hüon nach bereits halb bestandener prüfung im
Stiche zu lassen. Wieland entlehnt mit den geistern und ihrem
bitten dem romane ein motiv, welches in seiner eigenen
dichtung zur reinen maschinerie wird. Während dort Oberon
dem schuldigen Hüon weder helfen will noch kann, darf
Wielands Oberon nur noch nicht endgiltig helfend eingreifen,
da er, um seines eides frei zu werden, das erwählte paar nun
den harten bedingungen desselben preis geben muss. Würde
Hüon in seiner veraweifelten läge seine liebe zu Rezia bereuen,
so hätte Oberon verloren ; darum führt Wieland seinen beiden
zwar klagend vor, lässt ihn aber selbst in dieser quäl liebend
an Amanda denken (X, 16). Schon im eide spricht Oberon
von dem paare »vom Schicksal selbst erkoren« und an diese
äusserung ist X, 20 wieder angeknüpft. Das alles ist ganz
verschieden vom alten Oberon, welcher, als Hüon gnade ffir
seinen schuldigen bruder erbittet, die antwort erteilt (in der
bibliotheque bleue): »Ich habe nicht das recht, solchen schuldigen
zu verzeihen. Gott ist barmherzig; er ohne zweifei wird mit-
leid mit ihren verderbten seelen haben. Mir, mir obliegt die
pflicht unbeugbar zu sein«. Wie dieser Oberon stets sein
Christen! um vorkehrt, so ist er auch nur ein Werkzeug der
göttlichen Vorsehung und aus dieser auffassung stammt X,^20
bei Wieland, ohne für seinen Oberon zu passen, denn dieser
handelt eben hier nur für seinen eignen zweck. Die erlaubniss,
welche Oberon seinem geiste erteilt, hat Wieland fast wörtlich
beibehalten. »Gehe denn, da du es willst, auf die Insel Moyfant
(Hüons aufenthaltsort), aber beherzige, dass ich dir nur erlaube
ihn loszubinden und übers meer zu bringen an die küsten von
Yvoirins reich , aber ohne ihm hilfe ja auch nur einen rat zu
geben. Bringe mir meinen becher, hörn und hämisch zurück
und lasse den schuldigen Hüon , an der küste gerade so wie
43
du ihn jetzt findest«. Hörn und becher hat Wieland schon viel
früher (VII, 43) verschwinden lassen, doch können wir die er-
innerung von Oberons Worten im folgenden (X, 31) noch bei
Wieland erkennen. Wie die deutsche dichtung Oberon überall
mehr zu vergeistigen sucht, so lässt sie auch seinen diener
rasch wie der pfeil vom bogen (sommernachtstraum III, 2, 101)
bei Hüon angeflogen kommen, während Malembrun Oberons
kniee umarmt, rasch zum meere lauft und dann so schnell
hinüberschwimmt, dass er Hüon noch beim leben trifft; er
macht ihn los, entledigt ihn der binde, umarmt ihn ganz in
tränen, bringt ihn zum meere, lädt ihn auf seinen rücken,
durchschneidet die woge — hier treffen wir wieder mit Wieland
zusammen — mit der Schnelligkeit eines pfeiles. Er setzt ihn
am ufer nieder, umarmt ihn noch einmal und ohne ein wort
zu sprechen, stürzt er sich wieder in's meer und verschwindet.
Hüon erkennt hierin freudig Oberons hilfe (X, 91), bereut seine
fehler und fleht ihn an, ihm immerhin busse aufzuerlegen, aber
für Esklarmonde sorge zu tragen, ein gebet, das Wieland
ziemlich unverändert auch seinem Hüon (XII, 30) in den mund
legt. Hiemit aber sind wir an der grenze angelangt, wo
Wieland sich endgültig von seiner französischen quelle abwendet.
Nicht der gang der handlung, sondern nur einzelne züge der-
selben können in den letzten drei gesängen angetroffen werden ;
doch sind der entlehnten motive mehr als es dem ersten blicke
erscheint. So hat Wieland aus dem »kleinen aber noch frischen
alten« der Hüon begegnet, seinen langen mann »mit grauem
hart doch frisch und rot von wangen« gestaltet. Der alte
Sänger Moufl'let sorgt für Hüon, den er mit kleidern ausstattet,
wie Gerasmin sich Hüons annimmt. Hüon tritt in seine dienste,
wie er auf seines getreuen knappen rat hin in den dienst des
gärtners Ibrahim tritt; nach und nach gewinnt er seine kräfte
wieder, wie er bei Wieland nur allmählich sich von seiner
krankheit erholt. Wichtiger ist aber das folgende. Yvoirins
42
bedingung, dass dieser selbst zur busse dafür zwanzig jähre
länger lutin bleibe. Wielands Oberon kann natürlich nicht
daran denken Hüon nach bereits halb bestandener prüfung im
Stiche zu lassen. Wieland entlehnt mit den geistern und ihrem
bitten dem romane ein motiv, welches in seiner eigenen
dichtung zur reinen maschinerie wird. Während dort Oberon
dem schuldigen Hüon weder helfen will noch kann, darf
Wielands Oberon nur noch nicht endgiltig helfend eingreifen,
da er, um seines eides frei zu werden, das erwählte paar nun
den harten bedingungen desselben preis geben muss. Würde
Hüon in seiner veraweifelten läge seine liebe zu Rezia bereuen,
so hätte Oberon verloren ; darum führt Wieland seinen beiden
zwar klagend vor, lässt ihn aber selbst in dieser quäl liebend
an Amanda denken (X, 16). Schon im eide spricht Oberon
von dem paare »vom Schicksal selbst erkoren« und an diese
äusserung ist X, 20 wieder angeknüpft. Das alles ist ganz
verschieden vom alten Oberon, welcher, als Hüon gnade ffir
seinen schuldigen bruder erbittet, die antwort erteilt (in der
bibliotheque bleue): »Ich habe nicht das recht, solchen schuldigen
zu verzeihen. Gott ist barmherzig; er ohne zweifei wird mit-
leid mit ihren verderbten seelen haben. Mir, mir obliegt die
pflicht unbeugbar zu sein«. Wie dieser Oberon stets sein
Christentum vorkehrt, so ist er auch nur ein Werkzeug der
göttlichen Vorsehung und aus dieser auffassung stammt X, 20
bei Wieland, ohne für seinen Oberon zu passen, denn dieser
handelt eben hier nur für seinen eignen zweck. Die erlaubniss,
welche Oberon seinem geiste erteilt, hat Wieland fast wörtlich
beibehalten. »Gehe denn, da du es willst, auf die Insel Moyfant
(Hüons aufenthaltsort), aber beherzige, dass ich dir nur erlaube
ihn loszubinden und übers meer zu bringen an die küsten von
Yvoirins reich , aber ohne ihm hilfe ja auch nur einen rat zu
geben. Bringe mir meinen becher^ hörn und hämisch zurück
und lasse den schuldigen Hüon , an der küste gerade so wie
43
du ihn jetzt findest«. Hörn und becher hat Wieland schon viel
früher (VII, 43) verschwinden lassen, doch können wir die er-
innerung von Oberons Worten im folgenden (X, 31) noch bei
Wieland erkennen. Wie die deutsche dichtung Oberon überall
mehr zu vergeistigen sucht, so lässt sie auch seinen diener
rasch wie der pfeil vom bogen (sommernachtstraum HI, 2, 101)
bei Hüon angeflogen kommen, während Malembrun Oberons
kniee umarmt, rasch zum meere lauft und dann so schnell
hinüberschwimmt, dass er Hüon noch beim leben trifft; er
macht ihn los, entledigt ihn der binde, umarmt ihn ganz in
tränen, bringt ihn zum meere, lädt ihn auf seinen rücken,
durchschneidet die woge — hier treffen wir wieder mit Wieland
zusammen — mit der Schnelligkeit eines pfeiles. Er setzt ihn
am ufer nieder, umarmt ihn noch einmal und ohne ein wort
zu sprechen, stürzt er sich wieder in's meer und verschwindet.
Hüon erkennt hierin freudig Oberons hilfe (X, 91), bereut seine
fehler und fleht ihn an, ihm immerhin busse aufzuerlegen, aber
für Esklarmonde sorge zu tragen, ein gebet, das Wieland
ziemlich unverändert auch seinem Hüon (XII, 30) in den mund
legt. Hiemit aber sind wir an der grenze angelangt, wo
Wieland sich endgültig von seiner französischen quelle abwendet.
Nicht der gang der handlung, sondern nur einzelne züge der-
selben können in den letzten drei gesängen angetroffen werden ;
doch sind der entlehnten motive mehr als es dem ersten blicke
erscheint. So hat Wieland aus dem »kleinen aber noch frischen
alten« der Hüon begegnet, seinen langen mann »mit grauem
hart doch frisch und rot von wangen« gestaltet. Der alte
Sänger Moufl*let sorgt für Hüon, den er mit kleidern ausstattet,
wie Gerasmin sich Hüons annimmt. Hüon tritt in seine dienste,
wie er auf seines getreuen knappen rat hin in den dienst des
gärtners Ibrahim tritt; nach und nach gewinnt er seine kiäfte
wieder, wie er bei Wieland nur allmählich sich von seiner
krankheit erholt. Wichtiger ist aber das folgende. Yvoirins
42
bedingung, dass dieser selbst zur busse dafür zwanzig jähre
länger lutin bleibe. Wielands Oberon kann natürlich nicht
daran denken Hüon nach bereits halb bestandener prüfung im
Stiche zu lassen. Wieland entlehnt mit den geistern und ihrem
bitten dem romane ein motiv, welches in seiner eigenen
dichtung zur reinen maschinerie wird. Während dort Oberon
dem schuldigen Hüon weder helfen will noch kann, darf
Wielands Oberon nur noch nicht endgiltig helfend eingreifen,
da er, um seines eides frei zu werden, das erwählte paar nun
den harten bedingungen desselben preis geben muss. Würde
Hüon in seiner verzweifelten läge seine liebe zu Rezia bereuen,
so hätte Oberon verloren ; darum führt Wieland seinen beiden
zwar klagend vor, lässt ihn aber selbst in dieser quäl liebend
an Amanda denken (X, 16). Schon im eide spricht Oberon
von dem paare »vom Schicksal selbst erkoren« und an diese
äusserung ist X, 20 wieder angeknüpft. Das alles ist ganz
verschieden vom alten Oberon, welcher, als Hüon gnade für
seinen schuldigen bruder erbittet, die antwort erteilt (in der
bibliotheque bleue): »Ich habe nicht das recht, solchen schuldigen
zu verzeihen. Gott ist barmherzig; er ohne zweifei wird mit-
leid mit ihren verderbten seelen haben. Mir, mir obliegt die
pflicht unbeugbar zu sein«. Wie dieser Oberon stets sein
Christentum vorkehrt, so ist er auch nur ein Werkzeug der
göttlichen Vorsehung und aus dieser auffassung stammt X,'20
bei Wieland, ohne für seinen Oberon zu passen, denn dieser
handelt eben hier nur für seinen eignen zweck. Die erlaubniss,
welche Oberon seinem geiste erteilt, hat Wieland fast wörtlich
beibehalten. »Gehe denn, da du es willst, auf die Insel Moyfant
(Hüons aufenthaltsort), aber beherzige, dass ich dir nur erlaube
ihn loszubinden und übers meer zu bringen an die küsten von
Yvoirins reich , aber ohne ihm hilfe ja auch nur einen rat zu
geben. Bringe mir meinen becher, hörn und hämisch zurück
und lasse den schuldigen Hüon , an der küste gerade so wie
43
du ihn jetzt findest«. Hörn und becher hat Wieland schon viel
früher (VU, 43) verschwinden lassen, doch können wir die er-
innerung von Oberons Worten im folgenden (X, 31) noch bei
Wieland erkennen. Wie die deutsche dichtung Oberon überall
mehr 2iu vergeistigen sucht, so lässt sie auch seinen diener
rasch wie der pfeil vom bogen (sommernachtstraum III, 2, 101)
bei Hüon angeflogen kommen, während Malembrun Oberons
kniee umarmt, rasch zum meere lauft und dann so schnell
hinüberschwimmt, dass er Hüon noch beim leben trifft; er
macht ihn los , entledigt ihn der binde , umarmt ihn ganz in
tränen, bringt ihn zum meere, lädt ihn auf seinen rücken,
durchschneidet die woge — hier treffen wir wieder mit Wieland
zusammen — mit der Schnelligkeit eines pfeiles. Er setzt ihn
am ufer nieder, umarmt ihn noch einmal und ohne ein wort
zu sprechen, stürzt er sich wieder in's meer und verschwindet.
Hüon erkennt hierin freudig Oberons hilfe (X, 91), bereut seine
fehler und fleht ihn an, ihm immerhin busse aufzuerlegen, aber
für Esklarmonde sorge zu tragen, ein gebet, das Wieland
ziemlich unverändert auch seinem Hüon (XII, 30) in den mund
legt. Hiemit aber sind wir an der grenze angelangt, wo
Wieland sich endgültig von seiner französischen quelle abwendet.
Nicht der gang der handlung, sondern nur einzelne züge der-
selben können in den letzten drei gesängen angetroffen werden;
doch sind der entlehnten motive mehr als es dem ersten blicke
erscheint. So hat Wieland aus dem »kleinen aber noch frischen
alten« der Hüon begegnet, seinen langen mann »mit grauem
hart doch frisch und rot von wangen« gestaltet. Der alte
Sänger Moufl*let sorgt für Hüon, den er mit kleidern ausstaltet,
wie Gerasmin sich Hüons annimmt. Hüon tritt in seine dienste,
wie er auf seines getreuen knappen rat hin in den dienst des
gärtners Ibrahim tritt; nach und nach gewinnt er seine kräfte
wieder, wie er bei Wieland nur allmählich sich von seiner
krankheit erholt. Wichtiger ist aber das folgende. Yvoirins
42
bedingung, dass dieser selbst zur busse dafür zwanzig jähre
länger lutin bleibe. Wielands Oberon kann natürlich nicht
daran denken Hüon nach bereits halb bestandener prüfung im
Stiche zu lassen. Wieland entlehnt mit den geistern und ihrem
bitten dem romane ein motiv, welches in seiner eigenen
dichtung zur reinen maschinerie wird. Während dort Oberon
dem schuldigen Hüon weder helfen will noch kann, darf
Wielands Oberon nur noch nicht endgiltig helfend eingreifen,
da er, um seines eides frei zu werden, das erwählte paar nun
den harten bedingungen desselben preis geben muss. Würde
Hüon in seiner veraweifelten läge seine liebe zu Rezia bereuen,
so hätte Oberon verloren ; darum führt Wieland seinen beiden
zwar klagend vor, lässt ihn aber selbst in dieser quäl liebend
an Amanda denken (X, 16). Schon im eide spricht Oberon
von dem paare »vom Schicksal selbst erkoren« und an diese
äusserung ist X, 20 wieder angeknüpft. Das alles ist ganz
verschieden vom alten Oberon, welcher, als Hüon gnade für
seinen schuldigen bruder erbittet, die antwort erteilt (in der
bibliotheque bleue): »Ich habe nicht das recht, solchen schuldigen
zu verzeihen. Gott ist barmherzig; er ohne zweifei wird mit-
leid mit ihren verderbten seelen haben. Mir, mir obliegt die
pflicht unbeugbar zu sein«. Wie dieser Oberon stets sein
Christentum vorkehrt, so ist er auch nur ein Werkzeug der
göttlichen Vorsehung und aus dieser auffassung stammt X,c20
bei Wieland, ohne für seinen Oberon zu passen, denn dieser
handelt eben hier nur für seinen eignen zweck. Die erlaubniss,
welche Oberon seinem geiste erteilt, hat Wieland fast wörtlich
beibehalten. »Gehe denn, da du es willst, auf die Insel Moyfant
(Hüons aufenthaltsort), aber beherzige, dass ich dir nur erlaube
ihn loszubinden und übers meer zu bringen an die küsten von
Yvoirins reich , aber ohne ihm hilfe ja auch nur einen rat zu
geben. Bringe mir meinen becher, hörn und hämisch zurück
und lasse den schuldigen Hüon , an der küste gerade so wie
43
du ihn jetzt findest«. Hörn und becher hat Wieland schon viel
früher (VU, 43) verschwinden lassen, doch können wir die er-
innerung von Oberons Worten im folgenden (X, 31) noch bei
Wieland erkennen. Wie die deutsche dichtung Oberon überall
mehr 2iu vergeistigen sucht, so lässt sie auch seinen diener
rasch wie der pfeil vom bogen (sommernachtstraum III, 2, 101)
bei Hüon angeflogen kommen, während Malembrun Oberons
kniee umarmt, rasch zum meere lauft und dann so schnell
hinüberschwimmt, dass er Hüon noch beim leben trifft; er
macht ihn los, entledigt ihn der binde, umarmt ihn ganz in
tränen, bringt ihn zum meere, lädt ihn auf seinen rücken,
durchschneidet die woge — hier treffen wir wieder mit Wieland
zusammen — mit der Schnelligkeit eines pfeiles. Er setzt ihn
am ufer nieder, umarmt ihn noch einmal und ohne ein wort
zu sprechen, stürzt er sich wieder in's meer und verschwindet.
Hüon erkennt hierin freudig Oberons hilfe (X, 91), bereut seine
fehler und fleht ihn an, ihm immerhin busse aufzuerlegen, aber
für Esklarmonde sorge zu tragen, ein gebet, das Wieland
ziemlich unverändert auch seinem Hüon (XII, 30) in den mund
legt. Hiemit aber sind wir an der grenze angelangt, wo
Wieland sich endgültig von seiner französischen quelle abwendet.
Nicht der gang der handlung, sondern nur einzelne züge der-
selben können in den letzten drei gesängen angetroffen werden;
doch sind der entlehnten motive mehr als es dem ersten blicke
erscheint. So hat Wieland aus dem »kleinen aber noch frischen
alten« der Hüon begegnet, seinen langen mann »mit grauem
hart doch frisch und rot von wangen« gestaltet. Der alte
Sänger Moufl*let sorgt für Hüon, den er mit kleidern ausstattet,
wie Gerasmin sich Hüons annimmt. Hüon tritt in seine dienste,
wie er auf seines getreuen knappen rat hin in den dienst des
gärtners Ibrahim tritt; nach und nach gewinnt er seine kräfte
wieder, wie er bei Wieland nur allmählich sich von seiner
krankheit erholt. Wichtiger ist aber das folgende. Yvoirins
44
tochter, fast so schön wie Esklarmonde selbst, ist erstaunt
über die Schönheit von Moufiflets diener und beginnt sich lebhaft
für ihn zu interessiren ; hier — und nicht erst in der erzählung
von Joseph und Zelicka — war Wieland das von ihm dann so
weit ausgesponnene motiv von der liebe Almansoris zum
dienenden Hassan gegeben. Auch XI, 13— 16 enthält das
staunen der fürstin über die Schönheit von Ibrahims sklaven.
Als Yvoirin selbst im romane den ankömmling über seine
fähigkeiten befragt , so rühmt dieser unter anderm, niemand
lebe der ihn im Schachspiel besiegen könne. Yvoirin, dessen
tochter vorher nie ein spiel verloren hatte, verlangt nun Hüon
solle mit ihr um seinen eigenen köpf spielen (dasselbe motiv
findet sich z. b. auch in den Haymonskindern) ; siege aber er,
so sollte er hundert byzantinen erhalten und die prinzessin
ihm für eine nacht sich überliefern müssen. Während des
Spieles seufzt Hüon mehrmals an seine Esklarmonde denkend,
wie er auch Almansoris gegenüber (XI, 58) sich das bild der
geliebten vor die seele ruft. Die prinzessin verliert das spiel
ohne schmerz darüber zu empfinden, so wenig als Almansoris
(XI, 14) zorn über die kühnheit des gärtners fühlt. Aber Hüon
besteht die probe der treue und enthaltsam keit, indem er auf
das erworbene recht verzichtet. Das alles ist bei Wieland
umgestaltet, aber es ist doch unzweifelhaft, dass diese szenen
des französischen Hüons auf den plan seiner drei letzten ge-
sänge nicht nur von einfluss gewesen, sondern er ihnen die
erste idee desselben zu verdanken hatte. Entscheidend sind
hiefür die Schlussworte der schachszene. Als Hüon grossmütig
auf sein recht verzichtete, da hatte die prinzessin mühe den
ärger den sie fühlte, zu verbergen (vgl. XI, 65), und es reute
sie in ihrem herzen, dass sie nicht besser auf ihr spiel geachtet
hätte (Almonsoris rachegedanken XII, 2) , sie geht sich in ihre
gemacher einzuschliessen. Als sie im folgenden dem siegreichen
Hüon einen kränz aufsetzen muss, da betrachtet sie ihn mit
45
von liebe und zorn über seine gleichgültigkeit funkelnden äugen
(XI, 16). Jeder dieser züge ist für Almansoris benützt. Das
motiv zu ihrem besuche im kerker ist dagegen einer viel früheren
stelle des romans entnommen. Hüon ist vom amiral zu Babylon
in den kerker geworfen worden, und hier sucht ihn Esklarmonde,
deren liebe durch seine küsse entflammt ist, auf, ihm ihre
neigung zu gestehen.
Bei Wieland (X, 37 und IGl; XI, 67) finden wir nur eine
schwache nachwirkung des motives, dass Hüon nach seinem
schachsiege nun sich abmüht pferd und wafifen zu erhalten,
um an dem kämpfe teilnehmen zu können, der um den besitz
Esklarmondens entbrennt. Ihr Schicksal hat der roman noch
vor Hüons befreiung erzählt. Ungünstiger wind hatte das
saräcenische schiff in den hafen der stadt Anfalerne getrieben.
Als deren amiral Galafre Esklarmonde für sein serail verlangt,
kömmt es zum kämpfe, in dem sämmtliche piraten, mit aus-
nähme des einen welcher zu Yvoirin entfliehen kann, ihren
tod finden; diese strafe der räuber hat Wieland beibehalten,
nur lässt er sie (X, 47) in anderer weise vollziehen. Yvoirin
und in seinem beere Hüon, welcher ein vom schmiede Duran-
dals verfertigtes seh wert gefunden hat, ziehen zum kämpfe
gegen Galafre. Wieland hält sich hier an die eine tatsache,
dass Rezia in die gewalt eines sultans fallt, der sich in sie
verliebt; X, 50 finden wir so ziemlich die worte der vorläge
wieder : der reiz, mit dem die fremde ihn gerührt, sei zu mächtig
gewesen. Von dieser neigung seines rivalen hat Hüon auch
bei Trcssan künde erhalten. Gleich Almansor bietet auch
Galafre der schönen voll feuer seine band; das weitere aber
w^ar für Wieland nicht zu benützen. Esklarmonde findet des
amirals werben so dringend, dass sie im Weigerungsfalle gewalt
fürchtet und verspricht so seinen wünschen nachzugeben.
Während des sturmes habe sie jedoch ein gelübde gemacht,
zwei jähre jungfräulich zu leben. Der amiral ist zwar darüber
46
sehr bestürzt, aber trotz seiner leidenschaft zu gottesfürchtig,
um dies gelübde zu verletzen; er verspricht alle bedingungen
zu erfüllen iXII, 45). Esklarmonde ist hiedurch beruhigt und
empßingt seine band; erklärt aber, sich töten zu wollen, wenn
Galafre seinen schwur verletze (XII, 52: »barbar, auch ich
kann sterben«) ; dasselbe motiv dieser romanstelle hatte Wieland
übrigens schon früher (V, 10) verwendet. Wielands quelle er-
wähnt es als etwas ausserordentliches, dass Hüon, als er
Esklarmonde wiederfindet, dieser geschichte sofort glauben
schenkt. Für das deutsche gedieht war dieses ganze benehmen
der heldin unmöglich, denn nach dem vorfalle, welcher Oberons
schwur veranlasst hat, darf in dem auserwählten weibe keine
weiberlist, und sei es auch zum edelsten zwecke, erscheinen.
Almansoris Verführungskünste hat Düntzer (s. 99) mit denen
Zälikas gegen Joseph zusammengestellt, aber gerade Wielands
charakteristische züge, wie das singen mit Hüons entgegnung
und die badeszene *®) , finden in der arabischen erzählung kein
Vorbild. Wieland ergeht sich in der ausschmückung dieser
lüsternen szenen mit solchem vergnügen, er hat ihrer so viele
gedichtet, dass wir hier seine eigene phantasie als quelle
annehmen können. Wenn wir aber doch für einzelnes nach
Vorbildern umschauen, so möchte ich hier auf die geschichte
von Flore und Blanchefleure verweisen. Tressan zwar hat
dieselbe erst 1786 in der bibliotheque des dames veröffentlicht,
aber nicht nur aus der bibliotheque bleue, sondern auch aus
dem deutschen volksbuche (jetzt in Simrocks Sammlung) und
Boccaccios Filocolo ^*) musste die geschichte Wieland vertraut
18) Beide motive sind dagegen enthalten in Bodmers »Joseph und
Zulika« Zyrich 1753 in zween gesängen.
19) Eine deutsche Übersetzung desselben erschien bereits 1499 zu
Metz in folio. — Im deutschen volksbuche erhält Flos von seiner mutter
einen ring, welcher seinen träger vor wilden tieren schützt; weder
wasser noch feuer , kein mann und keine waffe kann seinem eigentümer
schaden und um was er bittet, das muss man ihm gewähren; auch
47
sein. In dem blumenkorbe versleckt, wird er in das zimmer
eines anderen mädchens gebracht, wie Hüons blumenstrauss
in unrechte bände gerät. Flos und Blankeflos sind auf den
Scheiterhaufen gebracht; auf des sultans zeichen zünden sich
zwanzig fackeln an, die flamme erhebt sich von allen Seiten —
da tritt die rettung ein; hier haben wir in der tat ähnlichkeit
mit Wielands dichtung, jedenfalls mehr als in der von Düntzer
herbeigezogenen sechsten novelle vom fünften tage des Deka-
meron, an die höchstens die beiden ersten verse von XII, 58
erinnern könnten. Wieland fand aber den Scheiterhaufen bereits
in Tressans auszug vor. Esklarmonde ist (im zweiten teile)
während einer abwesenheit Hüons in die gewalt des kaisers
Thiery zu Mainz gefallen. Als dessen neflfe in Guyenne vom
abte von Cluny getötet wird, beschliesst der kaiser sich an
Esklarmonde, die zu wiederholtenmalen seine liebe ausgeschlagen
hat, zu rächen. Lebend sollte sie verbrannt werden ; da sendet
der könig der feerie, von mitleid und Zärtlichkeit für Hüon
bewogen, Gloriand und Malembrun zu ihrer hilfe. Als ritter
in glänzender rüstung erscheinen sie am platze der hinrichtung
(XII, 60). Sie hauen alle, die sich ihnen widersetzen, in stücke,
zerstreuen den Scheiterhaufen, entledigen Esklarmonde der
bände und führen sie zu Thiery, den sie zur achtung gegen
Oberons Schutzbefohlene auffordern. Esklarmondens leiden
haben hiemit auch ihr ende erreicht.
Ehe im ersten teile des romans Hüon und Esklarmonde
wieder zusammentreffen, erfahren wir die von Wieland im
neunten gesange erwähnten abenteuer des treuen Gerasmin.
Wieland leiht VII, 34 seinem ringe ähnliche (aber nicht eben dieselben)
kräfte. — Plos sitzt in der stadt des sultans bei seiner wirtin, seufzt
aber stets anstatt beim essen zuzugreifen, nnd die wirtin erzählt ihm
von dem jungen mädchen, das jüngst bei ihr gewesen, und ihrer bevor-
stehenden hochzeit mit dem sultan; eine szene ähnlich der zwischen
Hüon und der mutter Fatmens.
48
Der stürm ,* welcher durch Hüons fehltritt zum ausbruch kam,
hatte^ ihn an die küste von Palästina verschlagen. Nach einem
besuche des heiligen grabes vereinigen sich mehrere christliche
ritter mit ihm zur rückkehr nach frankreich. Ein neuer stürm
verschlägt sie nach Anfalerne , allwo sie Galafre beistand . ver-
sprechen. Als aber ein Zweikampf zu stände kommen soll,
erkennt Gerasmin im gegner seinen herrn und unter Hüons
führung erobern nun die Christen Anfalerne mit Esklarmonde
für sich selbst. Wieland hat Gerasmins pilgerfahrt sogar weiter
ausgeführt und lässt ihn mit Hüon zusammentreffen, ehe dieser
seine geliebte wiedergefunden hat. E^s hängt mit Girards ver-
rat zusammen , dass auch Guire von Bordeaux nach Anfalerne
gelangt, und dieser zug ist desshalb von Wieland beseitigt
worden. Während die beiden sich vor der stadt abmühen,
fährt Hüon mit feklarmonde und allen begleitern davon
(XII, 67). In Rom erfleht er Verzeihung für seine sünden und
wird sein ehebund vom pabste eingesegnet, was bei Wieland
Oberon selbst besorgt. Für dieses letzte zusammenti'eflfen mit
Oberon ist der zweite teil der französischen quelle benützt. Am
Schlüsse all der wirren abenteuer zieht Hüon mit Elsklarmonde
über die meere (XII, 67) in den herrlichen zauberwald , den
er nun ohne furcht betritt (XII, 69). Oberon empfangt dort
das treue paar. Anders verhält es sich mit dem ersten schluss-
teile des romanes. Hüon wird von seinem treulosen bruder
beraubt und in den kerker geworfen. Karl verurteilt ihn zum
tode, da er, ohne die bedingungen erfüllt zu haben, zurück-
gekehrt sei. Im letzten augenblicke, da Hüon und Rezia
gehängt werden sollen, erscheint rettend Oberon. Die todesnot
hat Wieland in seinem letzten gesange beibehalten , das ganze
abenteuer als solches aber beseitigt, da dies nach der erfüllung
von Oberons schwur bedeutungslos wäre. Die idee, Hüon
auch in Frankreich selbst noch einer gefahr auszusetzen, hat
aber Wieland zur einschiebung des turnieres den anlass gegeben.
49
Die Übertragung im schlafe , um noch vor dem letzten termine,
an dem zwar nicht das land, doch aber die ehcfrau verloren wäre, an-
zukommen, ist inderzehntennovelledes neunten Dekamerontages
enthalten. Das motiv eines von Hüon bestandenen Zweikampfes
findet sich in Tressans auszug an der stelle, da Hüon mit
Yvoirin zum kämpfe auszieht. Wielands Schilderung bietet aber
keine vergleichungspunkte mit der seiner vorläge dar. Dem
an Girards verrat mitschuldigen kaiser begegnet Oberon streng
genug. Wieland entnahm dieser szene nur die Überreichung
des kästchens (im romane ist nur der inhalt desselben vor-
handen) und Hüons belehnung. Karl ist von Hüons Jreue
gerührt, verzeiht ihm den tod seines buiines und umarmt ihn
zärtlich.
Ehe wir auf Wielands englische quellen näher eingehen,
müssen wir das resultat unserer bisherigen Untersuchung noch ein-
mal überblicken. Die vergleichung der handlung im französischen
Hüon und deutschen Oberon hat von selbst auch die frage
beantwortet, wie weit Wieland seine Charaktere selbst schuf
oder entlehnte. Ohne jedes vorbild im romane ist Fatme^^)
geschaffen; gerade ihre gestalt ist aber ausschliesslich auf
französischen einfluss zurückzuführen. Fatme ist die confidente,
wie sie jede heldin einer französischen tragedie haben musste;
diese vertraute zur amme zu machen war seit Racines Önone
oft genug geschehen. Ihre einführung diente Wieland nicht
nur dazu Hüon von Rezias träum und diese von seiner an-
kunft zu benachrichtigen, sie sollte auch das gegenstück zu
Gerasmin bilden. Die neigung zum pair quarre wie das bestreben
nach dem vorgange von Marivaux der liebe der lierren in der liebe
der dienenden ein seitenbild zu geben tritt in Wielands dichtung
öfters hervor; Gerasmins standhaftigkeit erscheint V, 76 wie
20) Den namen »Fatime« fand Wieland im aprilbande 1778 der
bibliotheque des romans in einer novelle von Agnolo Firenzuolo (s. 121).
4
50
eine pai'odie auf Hüons spätere schwäche. Die ansalze zu
weiterer durchführung dieses gegensalzes sind vorhanden, und
ihre Unterlassung ist wol darauf zurückführen, dass Faunes
gestalt in der quelle eben gar nicht vorhanden ist; dadurch
war Wieland ohne anregung zu weiterer ausbildung ge-
lassen. Die gastfreundlichkeit ihrer mutter ist dem Floriac des
ronianes entlehnt; von eigner Charakteristik kann bei ihr nicht
die rede sein. Fast nicht minder als die dienerin ist Rezia
selbst eine neuschöpfung Wielands. Ihre Verschiedenheit von
Esklarmonde ist bereits in erzählung der handlung hervor-
getreten. Die ganze gestalt wie ihre liebe ist aus dem sinnlich
naiven in moderne Sentimentalität (im Schiller'schen sinne)
umgewandelt worden. Mit ausnähme dieser neuen liebe ist
Hüon unter allen gestalten dem im romane am ähnlichsten
•
geblieben: tapferkeit, treue, leidenschaft sind schon dort seine
eigenschaften. Sehr zu seinem vorteile dagegen ist Hüons
lehensherr von Wieland umgestaltet. Rezias vater, der amiraJ
Gaudissin der romanes, hat von Wieland etwas humoristische
darstellung erdulden müssen, die im französischen werke nicht
nur durch die abneigung gegen den ungläubigen, sondern auch
durch sein tragisches Schicksal unmöglich war. Almansor^^)
zeigt sich nur in seiner leidenschaft zu Zoradine^^) und ebenso
ist seine gemahlin nur nach dieser seite geschildert; Galafre
und Yvoirins tochter haben hiefür das Vorbild gegeben. Ueber
den unterschied seines Oberons vom alten kobolde spricht sich
Wieland selbst aus; seine machtmittel sind vergeistigt, seine
härte gemildert und sein vieles weinen in die Schwermut über
Titanias verlust verwandelt. Das dement, welches Wieland
21) Almanzor König von Fez erscheint in der 46. novelle von
Maesnccio , im ersten aprilbande der biblioth^que des romans (s. 101)
mitgeteilt.
22j Den namen »Zomdine« weiss ich nicht nachzuweisen.
51
völlig neu dem roinane beigesellt (über Gerasmins bedeutung
dafür vgl. oben) hat, ist der humor. Die sti-eitfrage , ob er
hiemit seinein werke geschadet oder genützt habe, kann hier
nicht erörtert werden, wol aber die frage, was Wieland zur
humoristischen behandlung veranlassen konnte. In seiner
französischen quelle war hiezu keine Versuchung gegeben , wol
aber in der erzahlung bei Chaucer-Pope. Der Inhalt dieser
geschichte fordert humoristische darstellung. Wenn dieselbe
nun bei Wieland auch eine abgesonderte Stellung einnimmt,
so würde doch eine störende Ungleichheit der erzählungsweise
eintreten, wenn hier allein humor zum Vorschein käme. Zudem
fordert manches, was der alte roman völlig ernst erzählt, so
der aufenthalt in Rom mit dem reliquiengeschenke (I, 11), der
tanz der nonnen u. a. Wielands lust zur ironie heraus.
Was Wieland dem sonunernachtstraume für den plan seines
gedichtes verdankt, ist bereits erwähnt. Der benützten einzel-
heiten sind wenige. Für Oberons schwur (VI, 99) sind die
verse Titanias:
»I have forsworn his bed and Company« (II, 1, 62)
und never »Met we on hill, in dale, forest, or mead,
By paved fountain or by rushy brook,
Or in the beached margent of the sea« (II , 1 , 83)
benützt und ebenso Pucks worte (II, 1, 28):
»And now they never meet in grove (= ewig finsterer
gruft) or green« (= blütenhain).
Die erwähnung von der geburtsnot ihrer freundin durch Titania
(ü, 1, 135) mag die erste anregung zur beschreibung von Rezias
entbindung gegeben haben, wie die beschreibung der wunderhöhle
durch die verse II, 2, 249 bestimmt ist. Titanias worte (U, 1, 136)
»And for her sake I do rear up her boy;
And for her sake I will not part with him«
4*
sind die veranlassung zu Titanias sorge um Hüonet seiner
mutter willen. Sobald sie mit Oberon versöhnt ist, liefert sie
im epos, wie bei Shakespeare den knaben aus. Die einsegnung
der brautpaare V, 1 , 410 lässt sich nur entfernt mit der ent-
sprechenden szene des XII. gesanges vergleichen, wenn sie
auch das motiv hiezu geliefert hat. Statt der vier dienerinen
Titanias hat Wieland die dreizahl der grazien gewählt. Aus
Titanias erzählung der missgeschicke welche der elfenz^vist den
sterblichen bereitet (If, 1, 81 und folg.), ist Gerasmins bemerkung
(VI, 104) hervorgegangen. Der benützung von (sommemachts-
traum II, 1, 149) für X, 13 wurde bereits gedacht.
Der ganze VII. gesang des Oberon im Merkur ist durch
die erzählung von Chaucer's Merchant's Tale aufgefüllt. Die
entscheidende änderung, welche Wieland hiemit vornimmt, be-
steht darin, dass das ganze nun nicht mehr mit dem gelungenen
betrüge der frau und der niederlage des elfenkönigs endet,
sondern Oberon den ihm hingeworfenen handschuh aufnimmt
und die sache weiter führen will. Hiemit wird der alte lascive
schwank zur moralischen erzählung geläutert. Wieland nennt
Cliaucer nicht Pope als seine quelle. »In Chaucer's Merchant's
Tale,« sagt er in dem später hinzugekommenen glossar, »ist
Oberon könig der Fairies.« Da in Wirklichkeit Chaucer aber
den namen Oberon nicht hat, so zieht Düntzer hieraus den
schluss, Wieland müsse Pope gefolgt sein. Aber der name
Oberon findet sich bei Pope ebensowenig als bei dem älteren
dichter und Wielands äusserung stimmt doch eher noch zu
Chaucer, der andere als zu Pope, welcher gar keine namen
enthält. Pope's werke waren freilich im vorigen Jahrhundert
jedem gebildeten Deutschen völlig vertraut, während Chaucer's
name wol nur in Verbindung mit Dryden^*^) oder Pope selbst
23) Drydcn'ö Übertragung der »Tales from Chaucer« in seinen Fables
erschien zuerst 1009 (1700).
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in Deutschland bekannt war. Zum beweise, dass Pope's be-
arbeitung^*) Wielands vorläge gebildet hat, führt Düntzer an,
dass Wielands worte (VI, 95) »dein treues weib zu mordeh«
aus Pope's ausdruck »killing words« genommen, welches bei-
wort bei Chaucer fehlt. Diesem einen beispiele für Pope's
benutzung lassen sich mehrere, sogar noch entscheidendere
beifügen, so ist str. 36
»Ein hofmann übrigens galant und wolerfahren«
entnommenes aus Pope's versen
»A wise and worthy knight
Of gentle manners, as of gen'rous race,«
während Chaucer nur von einem »worthy knight« spricht.
Wielands
(str. 39) »Und unter sanftem druck den süssen widerstand«
hat nur in Pope's ausdruck »her moving softness« ein vorbild.
Am meisten für die benutzung Pope's spricht aber str. 62;
Pope spricht von einer »crystal fountain,« während Chaucer's
garten keinen brunnen enthält. Auch Wielands myrtenhecken
erinnern mehr an Pope's »fruitful banks with verdaut laurel«
als an Chaucer'^ »laurel alway grene.« Ebenso erwähnt der
feenkönig in seinem schwüre nur bei dem jüngeren dichter
seines scepters (Wielands lilienstab in str. 88), während Chaucer
ihn einfach »of my majestec« schwören lässt. Wenn aber alle
diese beispiele für Pope sprechen, so linden sich doch auch
einzelne züge die eine benutzung des alten Originals selbst
beweisen. Wielands worte
24) » January and May ; or the Merchant's Tale froiii Gcotfrey Chaucer
by Mr. Alexander Pope.« London 1692. 8o. — The Canterbury tales of
Chaucer in the original from the niost authentic manuscripts and as
they are turn'd into modern language by Mr. Dryden, Pope and
other eminent hands London 1737; (und 1711 j in 8o; 1742 in l'Jo.
54
»Es ist das flimmern nur von ungewissem schein«
lässt sich zwar ebenso gut durch Pope als Chaucer rechtfertigen.
Nur an Chaucer aber erinnert die Ortsbestimmung (V, 36)
»lebt an den ufern des Tessins«,
während Pope das alte »Pavie« nur im allgemeinen durch
»Lombardei« ersetzt hat. Der vers (VI, 37)
»Li's sanfte joch der heil'gen eh' zu schmiegen«
entspricht nur Chaucer's
»to live under that holy band«
nicht aber Pope's
»To try the pleasures of a lawful bed;«
in Wielands str. 60
»Dass nur die frage ist, wie man sich nähern könnte«
erkennen wir nur Chaucer's worte:
»There laketh nought but only day and place
Wher that she might unto his lust suffice.«
Wielands scherz (VI, 36):
»Ein edelmann an Weisheit ziemlich grün
Wiewol sehr grau an hart und haaren«
steht mit Pope's (nicht mit Chaucer): »Biest with much sense«
in direktem Widerspruche.
Wieland ist in der hauptsache Pope gefolgt, hat aber gewiss
auch Chaucer selbst vor äugen gehabt, dessen erste wissen-
schaftliche ausgäbe eben in den jähren 1775 — 78 in fünt
bänden von J. Tyrwhitt hergestellt worden war. In strophe
59 hat Wieland einen zug, welcher sich weder bei Pope noch
Chaucer findet, und, wenn er anch nahe genug liegt, um keines
Vorbildes zu bedürfen, so müssen wir doch erwähnen, dass
55
derselbe in einer allen abfassung derselben erzählung enthalten
ist. In den fabeln des Adolphus^^) heisst es:
»Audit vir strepitum. Nam crebra carentia sensus
Unius in reliquo, nosco, vigere solet.«
Wie schon Pope Chaucer's 1171 verse auf 820 zusammen-
gezogen hatte, so beschränkt Wieland trotz der einfügung von
Oberons zweitem schwüre diese anzahl noch weiter auf 552.
Dies war ihm möglich, indem er die zweimalige beratung des
ehelustigen knight's mit seinen freunden Justinus und Placebo
völlig beseitigte. Einer der anstössigsten züge im englischen
25) Abgedruckt in »Polycarpi Leyseri poes. prof. oid. in Acad. Helm-
stadiensi historia poetanim et poematum mediiaevi. Hallae. Magdeb. 1721.
8. 2007. Die geschichte vom birnbaume ist m neunzehn distichen erzählt.
Der blinde hört einen lärm und bittet, dass »Dens omnipotens« ihm sein
gesicht zurückgeben möge. Der ungalante dichter sagt am Schlüsse:
»Esse solet nullum peius muliere venenum.
Excolit hanc, adamat vir ( ... ) alter eam.«
Auch an dieses verspaar können wir in Oberons schwur erinnert werden. —
Eine darstellung derselben geschichte findet sich auch in einer (Wieland
freilich unzugänglichen) englischen fabelsam ml ung von 1500. Den fabeln
Aesops sind dort die mehrer anderer dichter beigefügt und unter denen
von Alfonce ist die XII. »The fable of the blynde man and of bis wife.«
Hier ist besonders die eifersucht des blinden (wie bei Wieland) hervor^
gehoben. Auch hier wird das schuldige paar durch den lärm verraten,
und der blinde ruft : »I pray to the goddis that they vouche saue to send
me my sight agyne and as sone as he had mad his praier Jupiter
rendred to him his sight agyne.« In ihrer ausrede sagt aber die frau :
Venus habe es zur bedingung von des blinden heilung gemacht, dass sie
dem jungen manne einige gunst erweise; and thane the gode man saide
to hir. My right dere wife and goode frende I remercy and thanke you
greatly. For right ye haue and I great wronge.« — Chaucer's eigne
quelle ist nach professor Hofmann ein französisches fabliau »du poirier«
(in der von Wieland gekannten Sammlung der »Fabliaux et Contes du
XÜem et du XIII em sibcle« von Le Grand d'Aussy Paris 1779 nicht
enthalten.
56
•
gedieh te ist, dass die liebe zwischen Mai und Damian (Rosette
und Walter) bereits einige tage nach der hochzeit der/ersteren
beginnt. Wieland sucht dagegen den feliltritt der jungen frau
möglichst zu entschuldigen, so dass Titanias einwurf (str. 89)
wol zu rechtfertigen jßt. Rosette — alle namen sind Wielands
eigne erfindung — ist bei ihm wirklich das unschuldige kind,
welches Gangolf sucht ; sie bleibt ihrer pflicht jähre lang getreu,
selbst als diese sclnver wird und erst die ungegründete eifersucht
erregt sie. Wieland sucht durch alles dies das anstössige der
erzählung für das moderne schicklichkeitsgefühi zu lindem.
Dieses bestreben macht sich auch im einzelnen der darstellung
selbst den englischen Vorbildern gegenüber geltend. Wie
die allegorischen freunde so verschweigt er auch die satirische
beschreibung des glückes, womit der ehestand gesegnet ist;
statt dessen beschreibt er die reize, welche Gangolf von seiner
frau verlangt, was seiner vorläge fehlt. Von den ärztlichen
mittein, die January zu besserer erfüllung seiner ehelichen
pflichten anwendet, finden wir die Umgestaltung in strophe 43.
Damians liebeskrankheit beseitigt Wieland, dessen Walter über-
haupt eingehender Charakteristik entbehrt. Die gartenbeschreibung
gibt Wieland im gegensatze zu seinen quellen erst nachdem er
von der erblindung gesprochen. Diese selbst hat Wieland viel
ausführlicher beschrieben. Wesentlich neues ist dem gespräche
Gangolfs im garten eingefügt, indem Wieland hiefür aus dem
January's mit seinen freunden entlehnte. Auffallend isl, dass
Wieland unter den getadelten weibem Judith 2^) nennt, welche
von Pope und Chaucer mit besonderem lobe den guten zugezählt
wird. Aus rücksicht auf sein publikum lenkt Wieland im
augenblicke, da Rosette den bäum besteigt, die aufmerksamkeit
20) Diese änderung dürfen wir wol auf rechnung Voltaires setzen,
der wie die jüdische geschichte überhaupt so auch im besonderen Judith
^tets von der schlimmen seite betrachtet.
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zuerst auf das elfenpaar, das in seiner quelle bereits früher
vorgeführt wird. Von strophe 38 an ist Wieland völlig selbständig.
Ein sonderbarer zufall ist es, dass eben diese erzählung vom
bimbaume (nur in etwas anderer form ^'^j schon früher einmal
mit der schwer zu erfüllenden forderung nach barthaar und
zahnen zu einer gescliichte sich verbunden findet in der 9. novelle
des 7. tages im Dekamerone.
Der eignen neuen erflndung ist im Oberon nur im plane
bedeutendes erhalten; in der ausführung treffen wir überall
auf Wieland beieits gegebene motive. Aber in freier durchaus
selbständiger weise wusste er dieselben umzubilden, und eine
selbständige Schöpfung des deutschen dichters können wir
Oberon mit eben so grossem rechte nennen als Shakespeare's
stücke, die aus älteren dramatischen arbeiten hervorgegangen
sind, doch Shakespeare's selbständiges eigentum sind.
27) In der fassung wie sie A. Dow gibt: »Tales translated from the
persian of InatuUa of Delhi:« London 1768; dort ist der birnbauin in
einen mandelbaum verwandelt (15. kapitel). — »Einige anmerkungen
über Dow's nachrichten von der religion der Braminen« sind im maihefte
des deutschen Merkur von 1775.
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