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Full text of "Das Schicksal des Blastoporus bei den Amphibien"

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Das 
Schicksal des Blastoporus 


bei den Amphibien 


Inaugural-Dissertation 
zur 
Erlangung der Doctorwürde 
in der 
Medicin, Chirurgie und Geburtshülfe 
der medieinischen Faeultät 
der Grossherzogl. Herzogl. Sächsischen 


Gesamt-Universität Jena 


d 98. 3 
vorgelegt von 


Fritz Schanz 


cand. med 


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Jena, 
Gustav Fischer 


1887. 


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In dem Sitzungsberichte der Gesellschaft für Morphologie und 
Physiologie zu München vom 11. Januar 1887 berichtet Prof. 
C. KuPpFFEr im Anschluß an einige Arbeiten, die ich später erwähnen 
werde, über Arbeiten aus seinem Laboratorium, welche beweisen, 
daß bei einer Anzahl von Amphibien der Blastoporus als Anus 
bestehen bleibt, während bei einer anderen Anzahl sich derselbe 
in den Canalis neurentericus umwandelt, und der Anus als sekun- 
däre Bildung neu angelegt wird. Daß bei derselben Gattung sich 
einzelne Arten hierin verschieden verhalten sollen, läßt schon 
dagegen Bedenken erheben, aber noch mehr folgende Erwägung: 
Wenn der Blastoporus als Anus bestehen bleibt, wie geht dann 
das Wachstum des Embryos vor sich, und müßte dann nicht die 
Kloake an das Ende des Schwanzes zu liegen kommen ? 

Meine Untersuchungen über diesen Punkt erstrecken sich auf 
Triton taeniatus und Rana temporaria. DBei beiden hat Prof. 
C. KuPFFEr, bei dem ersten freilich gestützt auf Arbeiten anderer, 
die Persistenz des Blastoporus behauptet und die Entwicklung 
eines Canalis neurentericus bestritten; nur findet sich hinter Rana 
temporaria ein Fragezeichen, mir ist nicht klar geworden, ob er 
damit meint, daß die Untersuchung noch Zweifel zuläßt, oder ob 
er im Zweifel ist, ob es wirklich Eier von Rana temporaria und 
nicht von einer nahe verwandten Art waren. 

Die Schwierigkeiten meiner Untersuchung bestanden in der 
Behandlung, Härtung und Orientierung der Eier in Paraffin. Da 

1 


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ich nach verschiedenen Versuchen zuletzt eine Methode fand, welche 
mir gestattete, gut gehärtete, wohl orientierte Eier in beliebiger 
Dicke zu schneiden, so möchte ich einiges über die Behandlung 
derselben vorausschicken. Versucht man die jungen Tritoneier aus 
ihren Eihüllen zu befreien, indem man eine Kuppe derselben ab- 
schneidet, so werden die Embryonen wurstartig hervorgepreßt und 
natürlich verzerrt, oder wenn die Öffnung nicht groß genug ist, 
um sie ganz durchzulassen, zum Teil durchgetrieben und dann ab- 
geschnürt. Ich habe dies dadurch vermieden, daß ich die Eier 
in Pikrinessigsäure auf einige Stunden brachte; wenn ich dann von 
den stark gequollenen Eihüllen eine Kuppe abschnitt und mit der 
Nadel auf die andere Kuppe drückte, so konnte ich den Embryo 
unverletzt herausgleiten sehen. Beim Härten und Färben des 
Embryos hielt ich mich an die Vorschriften, welche MAx SCHULTZE 
in seiner Arbeit über Entwicklung der Amphibieneier giebt. Waren 
die Eier gehärtet, so war die Schwierigkeit, dieselben in Paraffın 
so einzubetten, daß man sie leicht orientieren konnte. Ich schnitt 
zu diesem Zweck Würfel aus in Spiritus gehärtetem Gehirn oder 
Leber und brachte darauf ein Tröpfchen Hühnereiweiß, in dieses 
legte ich das gehärtete Ei, orientierte es, und durch Zusatz eines 
Tropfens absoluten Alkohols coagulierte das Eiweiß, das Ei war 
befestigt, ich konnte den Leberwürfel mit aufgeklebtem Ei als ein 
Objekt weiter behandeln. 

Zuerst untersuchte ich Stadien, bei welchen das Nervenrohr 
gerade vollständig abgeschlossen war, die Schwanzknospe war eben 
im Begriff hervorzusprossen, in diesem Stadium war der Anus 
überall angelegt. Bei Stadien aber, bei denen der Verschluß des 
Nervenrohres zum Teil vollendet ist, findet sich binten, wie es 
OSBORN und ScoTT benannt haben, der Sinus rhomboidalis. Vom 
Blastoporus ist bei Betrachtung der Oberfläche mit der Lupe nichts 
zu bemerken, er muß also wohl innerhalb der Falten des Sinus 
rhomboidalis und zwar an dessen unterstem Ende liegen. Zu beiden 
Seiten des Sinus erheben sich die Rückenwülste, und zwar so, daß 
da, wo der Sinus seine unterste Spitze hat, die nach außen ab- 
fallende Fläche derselben verstrichen ist. Etwas später sieht man 
die Höhe der Rückenwülste hinten etwas stärker entwickelt und 
den Sinus rhomboidalis von hinten her etwas einengend. Zwischen 
den Wülsten ist noch etwas zu bemerken, was nach hinten bogen- 
förmig abschließt, jedoch etwas Näheres darüber auszusagen , ist 
mir nicht möglich. Noch später findet sich der Sinus rhomboi- 
dalis geschlossen, und hinter dem Ende der Rückenwülste ist ein 


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querer Spalt, der in der Mitte zu einer breiteren Einsenkung wird. 
Dies sollen die 5 Abbildungen (Fig. I—III) illustrieren. Fig. III 
entspricht ungefähr einem Stadium, wie es Prof. Dr. OsKAR 
HErRTwIG in seiner Entwicklung des mittleren Keimblattes der 
Wirbeltiere auf Taf. I, Fig. 10 giebt, nur habe ich keinen Dotter- 
pfropf mehr bemerken können. Wahrscheinlich wird er wohl der 
Einsenkung entsprechen, die ich bei demselben Stadium beobachtet 
habe und schon als Anus bezeichnen muß. Was Prof. HERTWIG 
in Fig. 11 und 12 dieser Tafel als Urmund bezeichnet, ist es schon 
nicht mehr, beide Öffnungen sind schon die Analöffnungen und 
liegen nicht, wie dort angegeben, auf der Spitze der Schwanzknospe, 
sondern ventral an der Basis derselben. 

Ein Schnitt, welcher sagittal durch die Mitte des Embryos 
gelegt wird (Fig. IV), zeigt eine trichterförmige Einsenkung der 
Oberfläche. Dieser Trichter wird in der Tiefe durch einen zwischen- 
gelagerten Zellwulst in 2 Kanäle getrennt, welche beide mit dem 
Darm communizieren. Die benachbarten Schnitte zeigen dasselbe, 
weiterhin aber (Fig. V) sieht man die Kontur der oberen Urmunds- 
lippe in den Urdarm übergehen, die zweite Öffnung ist aber nur 
noch ein Grübchen, weiter nach der Seite verliert sich auch dies. 
Da man den Übergang der oberen Urmundlippe auf 6 relativ 
dicken Schnitten, das Grübchen, welches in der Mitte zum Kanal 
wird, auf 5 Schnitten verfolgen kann, so ist es klar, daß diese 
Öffnungen quere Spalten an der Oberfläche bilden müssen. Die 
Rekonstruktion nach der Methode von Dr. KASTSCHENKO, zu welcher 
er mir selbst die Anleitung gab, zeigte klar, daß es sich hier um 
eine Öffnung handelt, die durch einen Wulst in der Tiefe in 2 
Kanäle geteilt wird, und zwar ist eine Öffnung größer als die 
andere. Legt man nun die beiden abgebildeten Schnitte zusammen 
mit einem dritten, welcher noch seitlicher liegt als der in Fig. V 
und keine Spur mehr zeigt weder von der oberen Urmundslippe 
noch von dem kleinen Grübchen, so zeigt sich plastisch das Bild 
Fig. VI. Fig. VI, ein Schnitt durch ein noch etwas jüngeres 
Stadium, zeigt mir, daß diese Einengung des Blastoporus dadurch 
vor sich geht; daß die oberen Teile der seitlichen Urmundslippen 
nach innen, hinten und unten gedrängt werden. 

Was ist nun aber hierfür das ursächliche Moment? Das Wachs- 
tum der Rückenwülste. Der Wulst, welcher den Blastoporus einengt, 
geht geradezu beiderseits über in die Medullarwülste. Diese Wülste 
legen sich schon sehr früh zusammen, und man kann schon am 
Ei mit der Lupe beobachten, wie sich der Sinus rhomboidalis nicht 

1* 


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nur von vorn nach hinten, sondern auch von hinten her schließt. 
Dies hatte ich schon beobachtet, ehe ich nur von diesen Thatsachen 
eine Vermutung hatte, ich hielt es für etwas Zufälliges. 

Wie verhält sich dies nun bei älteren Stadien ? 

Es ist dies sehr schwer zu beobachten, eine große Anzahl 
von Serienschnitten waren vergeblich angefertigt worden, bis es 
mir endlich einer gestattete, mit unzweifelhafter Sicherheit über 
sein weiteres Schicksal etwas zu berichten. Ein Schnitt durch 
einen Embryo, bei dem 3—4 Segmente deutlich entwickelt sind, 
giebt den Befund, wie ich ihn in Fig. VIII wiedergebe. Das Bild 
hat sich insofern geändert, als sich der dorsale Teil des Embryos 
über den ventralen verschoben hat, so, daß das Ende der Rücken- 
wülste den Übergang von der hinteren Embryoseite auf die untere 
bildet. Unterhalb der Rückenwülste findet man eine breite Grube, 
die durch eine schmale Öffnung mit dem Urdarm communiziert. 
In der Schicht oberhalb des Darmes findet man einen deutlichen 
Spalt, den man, wenn man ihn verfolgt, als Trennungsspalt zwischen 
Chorda und Nervenrohr erkennt, man muß sich wohl hüten, ihn 
für den Zentralkanal anzusehen. Aber über diesem Spalt findet 
man mehr nach dem Rücken des Embryos zu deutlich den Zentral- 
kanal. Nach hinten wird er zu einem schmalen Spalt, dann aber 
legen sich die Zellen dicht aneinander, man kann kein deutliches 
Lumen mehr erkennen, aber man sieht mit zweifelloser Sicherheit 
an der Pigmentierung und Anordnung der begrenzenden Zellen und 
daran, daß diese Zellen an einigen Stellen auseinanderzuweichen 
scheinen, daß dies der Canalis neurentericus ist, der aber sein 
Lumen verloren hat dadurch, daß sich die Zellen zu einem Strang 
zusammenlagern. In dieser Abbildung haben sich erst die äußersten 
Schichten der seitlichen Urmundslippen zusammengelegt, es besteht 
noch eine breite, oberflächliche Grube, die aber bedeutend seichter 
geworden ist. Auf einem Stadium später ist diese Grube ver- 
schwunden, es findet sich ein schmaler Spalt, welcher der hinteren 
Öffnung entspricht, in die der Blastoporus zerfiel: dies ist der Anus. 
Die seitlichen Urmundslippen, mit den vorderen vereint, werden 
zur Schwanzknospe, dieses Bild entspricht dann denen, die Miss 
JOHNSON auf ihrer Tafel über denselben Gegenstand abgebildet hat. 

Die einzige Arbeit, die sich mit diesem Gegenstand eingehender 
befaßt, ist die von ALICE JOHNson, veröffentlicht in Quarterly Jour- 
nal of Microscopical Science, Vol. XXIV, denn die Beobachtungen 
von Mr. SepgGwick, welche ebenda publiziert sind, erstrecken sich 


Bd, 


bloß auf die Oberflächenbetrachtung des Embryos und können wohl 
nicht als unbedingt beweisend gelten, zumal da es anzunehmen ist, 
daß er wahrscheinlich auch wie Miss JOHNSON, seine Schülerin, 
wesentlich ältere Embryonen betrachtet hat, und mein Befund 
wird bei bloßer Betrachtung der Eier mit der Lupe auch den 
Eindruck machen, als ob der Blastoporus vollständig als Anus 
persistiere. Miss Jomnson legte ebenfalls sagittale Schnitte durch 
den Embryo, aber, wie ihre Abbildungen beweisen, durch zu alte 
Stadien. Außerdem verfolgte sie auf Transversalschnitten die Ent- 
wickelung der Primitivrinne, die sich doch in den Canalis neuren- 
tericus verwandeln müßte, wahrscheinlich hoffte sie auf Querschnitten 
das Lumen desselben zu finden. Daß diese Hoffnung vergebens 
war, wird wohl den Grund darin haben, daß ein eigentliches Lumen 
nie auftritt. Jene Verengung des Blastoporus durch die Enden 
der Rückenwülste scheint sie gar nicht bemerkt zu haben. Sie 
behauptet, daß der Blastoporus vollständig die Funktion des Afters 
übernimmt, ein Canalis neurentericus nie angelegt wird. 

Ihr vollständig entgegen steht die Meinung von ScoTT und 
ÖOSBORN, welche sie 1879 in ihrer Abhandlung On the Development 
ofthe Commun Newt, im Quarterly Journalof Microsc. Science, 1879, 
niedergelegt haben, sie beschreiben die hintere Erweiterung des 
Medullarkanals als Sinus rhomboidalis, der sich offen erhält, wenn 
schon das übrige Nervenrohr geschlossen ist. Sie behaupten 
auch, daß die Falten dieses Sinus den Blastoporus umfassen» 
sie lassen ihn aber ganz zum Canalis neurentericus werden. 
Bei Salamandra maculata, berichtet Prof. KuprFEr in jenem oben 
erwähnten Bericht, schließt die Medullarfurche mit einem Walle 
vor dem Blastoporus ab und gestaltet sich zum Rohr, ohne daß 
die Öffnung verschwände; eine Kommunikation zwischen Neural- 
und Darmrohr kommt nicht zustande. In einzelnen Fällen hat 
es den Anschein, als sollte die Öffnung in die Medullarfurche auf- 
genommen werden, die Rückenwülste umgreifen dieselbe wenigstens 
seitlich, aber dann bildet sich ein querer Wall zwischen dem 
hinteren Ende der Furche und dem Blastoporus, der bei der 
vollständigen Schließung der Furche außen bleibt und hart hinter 
dem massiven Endstück, in das die Achsengebilde, Rückenmark 
und Chorda übergehen , stets zu sehen ist. Der hervorwachsende 
Schwanz deckt die Öffnung, aber Durchschnitte weisen die Fort- 
dauer desselben nach. Hat diese Beschreibung nicht auffallend 
viel Ähnliches mit der meinigen? Dieses massive Endstück, sollte 
es wirklich ein Querwall sein, der sich zwischen den beiden 


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Rückenwülsten bildet? Wahrscheinlich ist es auch die Vor- 
wulstung der beiden seitlichen Urmundslippen, und, wenn er be- 
richtet, daß auch die Chorda darin auslaufe, so wird es wohl 
ähnlich sein, wie bei Triton taeniatus (Fig. VIII und IX). Die 
seitlichen Urmundslippen und die Decke des Nervenrohres haben 
sich auf die vordere Urmundslippe gelegt, die Spur des Canalis 
neurentericus ist vollständig geschwunden. 

Bei Salamandra atra glaubte Prof. Kuprrer vorläufig noch kein 
Urteil fällen zu können. 


Rana temporaria. 


Bei der Betrachtung von Eiern von Rana temporaria auf 
einem Stadium, welches die Entwicklung des Anus erwarten ließ, 
bemerkte man mit der Lupe da, wo man bei den Tritonen den 
Sinus rhomboidalis beobachtet, einen langen ovalen Spalt, welcher 
diesem wohl entspricht. 

Sagittale Schnitte durch das Ei zeigen uns einen Befund 
ähnlich dem bei den Tritonen. Die Eier zeigen im Gegensatz 
zu den Tritoneneiern, welche ja eine Bauchkrümmung haben, eine 
starke Rückenkrümmung. Am hinteren Ende des Embryos findet 
man (Fig. X) eine Einsenkung, von ihr gehen zwei Kanäle mit 
weitem Lumen aus. Der vordere tritt mit dem Urdarm in Ver- 
bindung, der sich noch nach unten etwas im Bogen weiter fort- 
setzt, welches Stück ich den Enddarm zu benennen beabsichtige. 
Gegen das Ende dieses Enddarms erstreckt sich der blind en- 
digende zweite Kanal. Der Wulst, welcher zwischen den beiden 
Kanälen liegt, besteht aus denselben undifferenzierten Zellen wie 
die Urmundslippen. 

Auch hier sind die seitlichen Urmundslippen durch das Wachs- 
tum der Medullarwülste nach innen, hinten und unten gedrängt 
worden, nur hat hier sich der Prozeß auch mit auf die hintere 
Lippe des Urmunds erstreckt. Der Enddarm ist einfach dadurch 
entstanden, daß durch die Eindrängung der seitlichen Lippen der 
Urdarm ausgezogen wurde. Der blinde Kanal ist in allen Prä- 
paraten sehr stark nach hinten gerichtet, die Einwulstung erstreckt 
sich auch auf einen Teil der hinteren Lippe, was sich bei den 
Tritonen nicht finden ließ. Giebt es hierfür eine Erklärung? Der 
dorsale Teil wohl jedes Embryos entwickelt sich, wie auch bei 
Triton und Frosch, stärker als der ventrale. Beim Triton ver- 
schiebt sich infolgedessen der dorsale Teil auf, den ventralen, die 


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Stelle des Blastoporus rückt nach unten, es bildet sich die Schwanz- 
knospe und durch sie die Bauchkrümmung. Beim Frosch ist dies 
anders, der Blastoporus bleibt ungefähr in seiner Lage, die Ver- 
größerung des dorsalen Teils findet dadurch statt, daß sich dessen 
vorderes und hinteres Ende stark gegeneinander krümmen, es 
entsteht so die Rückenkrümmung des Embryos. Dies ist auch 
sehr wesentlich für die Wachstumsverhältnisse am Blastoporus. 
Die Medullarwülste müssen die seitlichen Urmundslippen viel mehr 
nach hinten drängen als beim Triton. In diesem Moment glaube 
ich die Ursache dieser Verschiedenheiten gefunden zu haben. 

Wie verhält sich dies nun bei älteren Embryonen ? Dies 
zeigt uns Fig. XI. Die Rückenwülste haben sich vollständig ge- 
schlossen, der obere Kanal ist zum Canalis neurentericus geworden. 
Die Decke desselben setzt sich fort in den Wulst, den ich als die 
Einstülpung der seitlichen Urmundslippen bezeichnet habe, und 
diesen Umstand glaube ich auch mit als Beweis auffassen zu 
dürfen, daß es wirklich die seitlichen Urmundslippen sind. Un- 
terhalb des Wulstes findet man eine ovale Öffnung, welche der 
Richtung des blinden Kanals der vorigen Zeichnung entspricht, 
über ihr liegt eine Brücke, bestehend aus Ektoderm und undiffe- 
renzierten Zellen. Es ist dies eine Tasche, wie sie zu beiden 
Seiten sich bilden müssen, wenn eine solche Einstülpung statt- 
findet, und dies halte ich auch für einen Beweis von der Rich- 
tigkeit meiner Beobachtungen. An diesem Bilde ist aber auch 
noch auffällig, daß der Canalis neurentericus nicht unmittelbar vor 
diesem Wulst abgeht, sondern erst eine Strecke entfernt. Worin 
mag dies seinen Grund haben? Ebenfalls wieder in der Schwanz- 
bildung. Bei den Tritonen bildet sich der Schwanz durch jenen 
Wulst, der durch die Eindrängung der seitlichen Urmundslippen 
entstanden ist. Beim Frosch aber entsteht der Schwanz bedeu- 
tend höher, dadurch nämlich, daß der hintere Gipfel der Rücken- 
krümmung sich immer mehr nach hinten schiebt, wie dies ein 
Vergleich der Fig. XI und XI lehrt. Und diese Art der Schwanz- 
bildung ist auch die Ursache, warum sich dieser Wulst und der 
Canalis neurentericus gegeneinander verschieben. 

Etwas später bricht der anfangs blind endigende Kanal nach 
dem Enddarm durch und wird so zum Anus. Auf dem Fig. XI 
abgebildeten Stadium hat der Canalis neurentericus auch kein 
deutliches Lumen, er ist aber deutlich an der Pigmentierung, 
Anordnung der Zellen und an seinem Übergang in den Zentral- 
kanal zu erkennen. Auf transversalen Schnitten wird man wohl 


N 


in diesem Stadium kein deutliches Lumen finden können. In 
einem späteren Stadium aber (es entspricht dieses Stadium un- 
gefähr dem, welches GörtE in der Entwicklungsgeschichte der 
Unke Taf. III Fig. 53 abbildet) habe ich auf Schnitten senkrecht 
zur Achse des Embryos ein deutliches Lumen des Zentralkanals 
gefunden. Auf den Schnitten fand ich oben das Lumen des 
Nervenrohrs, in der Mitte das des Zentralkanals und unten das 
des Enddarms. Man könnte meinen, das mittlere Lumen könnte 
ein anderer, ausgezogener Zipfel des Urdarms sein; aus der Folge 
der Schnitte kann ich beweisen, daß dies wirklich der Zentral- 
kanal ist, er biegt um in das Nervenrohr, denn ein Schnitt zeigt 
mir deutlich, wie beide Lumina zusammenfließen. 

So weit erstrecken sich meine Beobachtungen, das Resultat 
derselben ist also: Bei Triton taeniatus und Rana temporaria wird 
der Blastoporus eingeengt dadurch, daß die seitlichen Urmunds- 
lippen aneinandergelegt werden. Bei Triton entstehen zwei Öff- 
nungen, die eine wird der Canalis neurentericus, die andere der 
Anus. Beim Frosch entsteht aber nur eine Öffnung, an Stelle 
der zweiten findet sich eine Grube, welche später nach dem End- 
darm durchbricht. Das ursächliche Moment ist das rasche Wachs- 
tum der Medullarwülste. Der Anus ist keine Neubildung. Die 
schräge Richtung beim Frosch ist bedingt durch das Wachstum 
des Schwanzes. Der Canalis neurentericus existiert wirklich, wenn 
er auch kein deutliches Lumen bekommt. Beim Frosch tritt in 
einem späteren Stadium ein deutliches Lumen auf. 

Man kann nun der Ansicht sein, daß ich die Aufgabe beim 
Triton gelöst habe, beim Frosch scheint sie aber nur unbestimm- 
ter geworden zu sein; bewiesen ist, daß ein Canalis neurentericus 
entsteht, ob aber der Anus eine Neubildung ist oder nicht, ist 
unentschieden gelassen, höchstens die Sache noch kompliziert. Ich 
glaube aber, daß es sich nicht bloß darum handelt, ob eine Grube 
entsteht, und ob diese durchbricht oder nicht, sondern auch darum: 
Wodurch entsteht (vgl. Fig. XI) die Grube, wodurch der Enddarm E, 
woher. kommt der Zellenwulst w, der doch für das Längenwachs- 
tum des Embryos jetzt von hoher Bedeutung zu sein scheint? 
Das anschaulich zu machen, ist nicht leicht. 

Der Urmund ist ursprünglich anzusehen als ein Ring von 
undifferenzierten Zellen, der nach innen vorspringt und oben 
in die Keimblätter übergeht. Nach der Rückenseite zu ist er 
dicker als nach der Bauchseitee Die Rückenwülste, welche 
sich stark von dem Ektoderm erheben, gehen zu beiden Seiten in 


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die undifferenzierten Zellen des Ringes über, der die Öffnung des 
Urmundes umgiebt. Durch das stärkere Wachstum der Rücken- 
wülste werden auch die seitlichen Partien dieses Ringes, die ich 
als seitliche Urmundslippen bezeichnet habe, beeinflußt, sie werden 
nach innen gedrängt, so daß aus der runden Öffnung eine biskuit- 
ähnliche wird, und dadurch, daß sich beim weiteren Wachstum 
die seitlichen Lippen berühren, entstehen zwei Öffnungen. Dies 
ist der Prozeß bei Triton. Beim Frosch ändert sich nur die 
Richtung, in der die Rückenwülste ihren Einfluß auf die Urmunds- 
lippen ausüben, infolge der Rückenkrümmung werden sie mehr 
nach hinten zu gedrängt. Die seitlichen Urmundslippen legen 
sich nicht nur aneinander, sondern sie werden auch in der Tiefe 
mit der hinteren Urmundslippe zusammengedrängt. Es entsteht 
ein Kanal und eine Grube. Jetzt erklärt sich erstens die Ur- 
sache, wodurch diese Grube entsteht, dann findet man die Er- 
klärung für die Entwicklung des Enddarms, dieser ist die Strecke 
des Urdarms, welche dadurch abgegrenzt wird, daß sich die seit- 
lichen Urmundslippen zusammenlegen, und der Zellwulst w ist 
entstanden aus den zusammengelegten Urmundslippen. 

Der Enddarm, könnte man vermuten, entsteht dadurch, daß 
sich die Übergangsstelle des Dotters in die undifferenzierten Zellen 
der hinteren Urmundslippe allmählich ventralwärts verschiebt. 
Dies ist aber nicht der Fall, die Übergangsstelle bleibt dieselbe. 
Darin besteht ja das Charakteristische der Urmundslippe, daß alle 
Zellschichten in ihr in undifferenzierte Zellen übergehen, und 
darum behaupte ich, daß in Fig. XI die Stelle, welche ich mit 
einem Stern bezeichnet habe, die Stelle der hinteren Urmunds- 
lippe ist. 

Die Mitteilungen, die Prof. KuprreEr über diesen Punkt bei 
Rana temporaria macht, sind sehr kurz, er sagt, daß bei Alytes 
obstetricans und Rana temporaria (?) sich kein Canalis neurente- 
ricus anlegt, die hintere Leibesöffnung gleich anfänglich durch die 
Gastrulation hergestellt wird. BALDUIN SPENCER will sogar be- 
merkt haben, daß bei Rana temporaria das Zentralnervensystem 
hart vor dem Blastoporus mit einem massiven Ende abschließt, 
und die Öffnung persistiert. Sollte dieses massive Ende nicht die 
Einwulstung der seitlichen Urmundslippen gewesen sein? Bei an- 
deren Batrachiern wurden hierüber eingehendere Studien von GASs- 
SER!) veröffentlicht. Leider konnte ich die Arbeit selbst in den 


1) Sitzgsber. der Marburger Naturf. Ges. 7. Okt. 1882, $. 84 ff. 


er 


hiesigen Bibliotheken nicht bekommen, sondern mußte mich an den 
Bericht von Prof. Kuprrer halten. Nach dessen Angaben berichtet 
GASSER, daß bei Alytes obstetricans die nach hinten konvergie- 
renden Medullarwülste den Blastoporus nicht zwischen sich fassen, 
sondern vor demselben zusammentreffen, der Blastoporus also nieht 
in die Medullarwülste aufgenommen wird. Demgemäß entsteht bei 
Alytes kein Canalis neurentericus, der Blastoporus erhält sich 
vielmehr als dauernder After. Trotzdem möchte aber GAssER einem 
Zellstrang im Schwanze weiter entwickelter Larven die Bedeutung 
eines Rudimentes des Schwanzdarms zuschreiben. Wenn Prof. 
KuPFFrer nicht zu deuten vermochte, wie es kommt, daß bei den 
übrigen Batrachiern der Schwanzdarm vom Blastoporus aus ventral- 
wärts gerichtet ist, während derselbe bei der Alyteslarve vom After 
dorsalwärts verlaufen würde, so wird es ihm vielleicht jetzt möglich 
werden. Ich kenne die Verhältnisse bei Alytes obstetricans nicht, 
möchte aber vermuten, daß sich auch bei ihnen ein ähnlicher 
Prozeß abspielt, wie bei Triton taeniatus und Rana temporaria, 
und daß erst später der Canalis neurentericus oder ein ihm ent- 
sprechender Zellstrang deutlich hervortritt. 

In Görre’s Werk „Die Unke“ habe ich gesucht, um etwas 
diesen Prozeß betreffend zu finden, leider aber ist er auf diesen 
Punkt nicht näher eingegangen, ich fand nichts, was ich zur Ver- 
vollständigung meiner Arbeit anführen könnte. Obgleich Prof. 
C. KUPFFER und GASSER zu einem entgegengesetzten Schlusse ge- 
kommen sind als ich, so glaube ich doch, daß selbst ihre Beob- 
achtungen für meine Meinung sprechen, daß sich also bei allen 
Amphibien ein Canalis neurentericus bildet; der Anus entsteht da- 
durch, daß ein Teil des Blastoporus durch die Einwulstung der 
seitlichen Urmundslippen abgeschnürt wird. 

Diese Thatsache, abgesehen, daß sie für alle Amphibien giltig 
sein wird, giebt uns auch die Erklärung des weiteren Wachstums 
des Embryos. Aber eine weitere Vermutung läßt sich aus meiner 
Beobachtung ziehen: bis jetzt nahm man an, daß der Anus sich 
als eine Neubildung anlegt, es bilde sich unterhalb des Blasto- 
porus ein Grübchen, dieses Grübchen vertiefe sich, ein Stück des 
Urdarms wüchse ihm entgegen, endlich breche diese Grube durch, 
es entsteht der Anus. Warum bildet sich ein Grübchen, wie 
kommt es, daß diesem ein Stück des Urdarms entgegenwächst ? 
Nach meiner Auffassung entsteht diese Grube, wie oben beschrieben, 
und die Verlängerung des Urdarms durch die Verlängerung des- 
selben bei der Eindrängung der seitlichen Urmundslippen. 


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Ich habe die Litteratur über diesen Punkt bei den anderen Klassen 
der Wirbeltierreihe durchgelesen und habe hier und da Andeutungen 
gefunden, welche Ähnliches auch in den anderen Klassen vermuten 
lassen. Diese einzelnen Andeutungen in den verschiedenen Klassen 
aufzuzählen, war erst meine Absicht, aber ohne selbständige Un- 
tersuchungen dies zu thun, würde zu keinem wesentlichen Resultate 
führen; spätere Untersuchungen werden wohl ergeben, wie weit 
sich die allgemeine Giltigkeit dieses Befundes erstreckt. 


Am Schlusse meiner Arbeit sei es mir noch vergönnt, meinem 
hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. OskAR HERTwIG, für 
die freundliche Anregung und Unterstützung, die er meinen Be- 
mühungen zu teil werden ließ, an dieser Stelle meinen aufrich- 
tigsten Dank auszusprechen. 


Erklärung der Abbildungen. 


Fig. I—IU. Tritoneier mit der Lupe betrachtet. 


Fig. I. Die Rückenwülste beginnen sich zum Medul- 
larrohr zu vereinigen, m — Rückenwülste, 
s. r. — Sinus rhomboidalis. 

Fig. I. Der Schluß des Medullarrohrs ist weiter fort- 
geschritten. 

Fig. III. Medullarrohr ist geschlossen, hinter dem- 
selben findet sich eine schmale, quere Ein- 
senkung, @« — Anus. 

Fig. IV—IX. Sagittalschnitte durch Tritonembryonen. 


Fig. IV. Der Blastoporus ist durch einen Zellwulst 


in 2 Kanäle geteilt. ce. n. — Canalis neu- 
rentericus, a —= Anus, E = Enddarm, v — 
vordere Urmundslippe, A = hintere Ur- 


mundslippe, w — der Wulst, welcher durch 
die Vereinigung der seitlichen Urmundslippen 
entstanden ist, d — Darmkanal. 

Fig. V. Von demselben Embryo, Schnitt ist seitlich 
von der Mittellinie gelegt. 

Fig. VI. Benachbarte Schnitte von demselben Embryo 
aufeinandergelegt. 

Fig. VII. Schnitt ist schräg zur Sagittalebene gelegt. 
Er zeigt die Richtung, in der die seitlichen 
Urmundslippen nach innen und nach hinten 
gepreßt werden. 


Fig. X—XIL 


= 


Fig. VIII. Das Nervenrohr ist vollständig geschlossen, 
der Canalis centralis wird hinten zu einem 
schmalen Spalt und verliert zuletzt sein 
Lumen, kann aber noch deutlich bis zum 
Darmrohr verfolgt werden. Die Medullar- 
wülste haben sich hinten eben berührt. 


Fig. IX. Vom Canalis neurentericus ist keine Spur 
mehr zu bemerken. Die Schwanzknospe 
ist eben im Begriff hervorzusprossen. Der 
Anus liegt ventral von derselben. 

Sagittalschnitt durch Embryonen von Rana temporaria. 

Fig. X. An Stelle des Blastoporus findet man einen 
Kanal und einen Blindsack, ersterer wird 
zum Canalis neurentericus, letzterer zum 
Anus a, E = Enddarm, v — vordere Ur- 
mundslippe, 4 = hintere Urmundslippe, 
w —- Zellenhaufen, entstanden aus der Ver- 
einigung der seitlichen Urmundslippen, d — 
Darmkanal. 


Fig. XI. Embryo älter als in Fig. X, Nervenrohr ist voll- 
ständig abgeschlossen, Canalis neurentericus 
bis zu seinem Übergange in den Darmkanal 
deutlich zu verfolgen, wenn auch kein Lu- 
men vorhanden ist. Anus ist noch nicht 
durchgebrochen, * ist die Stelle, an der die 
Dotterzellen in die undifferenzierten Zellen 
der hinteren Urmundslippe übergehen. 

Fig. X1I. Anus ist durchgebrochen. 

Dieser Schnitt soll vor allem die Schwanz- 
bildung beim Frosche illustrieren, man ver- 
gleiche mit ihm Fig. IX, welche die Schwanz- 
entwicklung bei Triton zeigt. 


Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. 


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